Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache [25., durchgesehene und erw. Aufl.] 9783110223644, 3110223643

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Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache [25., durchgesehene und erw. Aufl.]
 9783110223644, 3110223643

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KLUGE Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache

KLUGE Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache Bearbeitet von Elmar Seebold 25., durchgesehene und erweiterte Auflage

De Gruyter

1883 1884 1889 1894 1899 1910 1915 1921 1924 1934

1951

1. und 2. Auflage 3., unveränderte Auflage 4., verbesserte Auflage 5., verbesserte Auflage 6., verbesserte und vermehrte Auflage, davon zweiter Abdruck 1905 7., verbesserte und vermehrte Auflage (seitdem mit Alfred Götze) 8., vermehrte und verbesserte Auflage 9., durchgesehene Auflage 10., verbesserte und vermehrte Auflage 11. Auflage, mit Unterstützung von Wolfgang Krause bearbeitet von Alfred Götze, unverändert bis 14. Auflage 1948 15. Auflage, Friedrich Kluge/Alfred Götze, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (unter Mithilfe von Hans Krahe besorgt von Alfred Schirmer)

ISBN 978-3-11-022364-4

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Typographie: Farnschläder & Mahlstedt, Hamburg Satz: pagina GmbH, Tübingen Druck und buchbinderische Verarbeitung: Bercker Graphischer Betrieb GmbH & Co. KG, Kevelaer ¯ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

1953 1957 1960 1963 1967 1975 1989 1995 1999 2002 2011

16. Auflage, unveränderter Nachdruck 17. Auflage unter Mithilfe von Alfred Schirmer bearbeitet von Walther Mitzka 18. Auflage bearbeitet von Walther Mitzka 19. Auflage bearbeitet von Walther Mitzka 20. Auflage bearbeitet von Walther Mitzka 21. unveränderte Auflage 22., völlig neu bearbeitete Auflage von Elmar Seebold unter Mithilfe von Max Bürgisser und Bernd Gregor 23., erweiterte Auflage bearbeitet von Elmar Seebold (gebunden) unveränderter Nachdruck der 23. Auflage (broschiert) 24., durchgesehene und erweiterte Auflage von Elmar Seebold 25., durchgesehene und erweiterte Auflage von Elmar Seebold

Inhalt Vorwort und Dank

VII

Zur Einrichtung des Wörterbuchs

IX

Welche Wörter sind aufgenommen worden? Der Aufbau der einzelnen Artikel IX Einführung in die Terminologie

IX

XII

Abgrenzung XII Allgemeines, Urschöpfung XIII Wortbildung XIV Syntaktische Fügungen XIX Semantische Begriffsbildung XIX Kurzwörter XX Entlehnungen XX Wortgebrauch XXII Grammatik XXV Lautstand XXVI Zeitliche Verhältnisse XXVIII Register XXX Alphabet und Schreibung

XXXV

Alphabetische Ordnung XXXV Fremde Alphabete XXXV Allgemein verwendete diakritische Zeichen Besondere Lautzeichen XXXVI Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben

XXXV

XXXIX

Allgemeine Abkürzungen XXXIX Abkürzungen der Sprachbezeichnungen XLI Abkürzungen der Zeitschriften und Reihen XLV Abgekürzt zitierte Literatur LII Wörterbuch

1

Vorwort In die neue Auflage des Etymologischen Wörterbuchs der deutschen Sprache sind die Ergebnisse der neueren Forschungen (so weit sie mir bekannt geworden sind) aufgenommen worden. Die einschlägige Fachliteratur wurde berücksichtigt und aufgeführt. Druckfehler und sonstige Versehen (einschließlich des neuen Typs von Druckfehlern, der durch die Automatisierung der elektronischen Erfassung entsteht) sind verbessert worden. Neue Artikel sind: abzocken, alpin, Ampere, Aron(s)stab, Arschkarte, aufbrezeln, Bachelor, Bantam, Bäuerchen, Bierdeckel, Bismarckhering, Bocksbeutel2, Bond, Breche, Browser, Buhei, Buhmann, Cent, Diesel, Dildo, Dioptrie, Dioxin, Dotcom, Elchtest, Engländer, Euro, Fanmeile, Fauna, Fundamentalismus, Generika, Hahn2, Handy, Harmschar, Hinkelstein, Klammeraffe, Klettverschluss, Klick, Kugelschreiber, Logistik, Mahlzeit, masturbieren, Missionsarsstellung, Natrium, outen, Quantensprung, Reißverschluss, Skate, Spam, Sultan. Neue Bearbeitungen bereits vorhandener Artikel sind: Alant, Alkali, Ampel, Arrak, Arsen, Backpfeife, Ball1, barmherzig, Base 2, Baum, Bilanz, Bison, Bleistift, blond, Bocksbeutel1, Bonus, Borax, Borretsch, Buckel, Büffel, dopen, Einhorn, Erbe1, Erbe 2, Faden, Firma, Flipper, Fräulein, Gadem, gelackmeiert, Gerät, Glas, Glosse, Gramm, Griebe, grüßen, Hahn1, Harmonika, Heide 1, Heimweh, Heinzelmännchen, Hefe, Jazz, Jeans, Kakerlak, Kalium, Kluft 2, Kobalt, lack, Languste, Leberkäse,

-lich, Lob, Million, Mine, neppen, Nippes, Nymphe, opfern, Ossi, Parlament, Pavian, pflegen, Pflug, Quecke, Radar, Rasse, Rosenmontag, Rum, Schaukel, Schminke, Schuh, schurigeln, schützen, Schwaige, Seele, Spiegelei, Stuhl, Süden, Tausendsassa, trivial, üppig, weichen, Welt, Wessi, Wiek, Windhund, Wisent, Wismut, Zink. Größere Zusätze (und gegebenenfalls Veränderungen) zu vorhandenen Artikeln sind: Affe, Akelei, Album, Banner, Bild, Bit, Dame 2, ein, Ferse, fliehen, Frau, freilich, geloben, Geschlecht, glauben, gleich, Gründonnerstag, Hamburger, Kerl, kitzeln, Land, Lende, lieb, lynchen, Makrele, Met, Morgengabe, Mühle, Nestel, neun, Schiff, trügen, Virus, Zigeuner.

Dank Der vorliegenden Neuauflage sind viele Anfragen und Hinweise (auch auf die trotz zahlloser Korrekturen offenbar noch nicht vollständig ausgerotteten Druckfehler) aus dem Kreis der Leser und der Fachforschung zugute gekommen. Es waren viele – und deshalb muss der Dank auch pauschal bleiben. In vielen Fällen werden die Anregungen an Neuformulierungen oder Neufassungen der betreffenden Artikel erkennbar sein. München, im Juli 2010 Elmar Seebold

Zur Einrichtung des Wörterbuchs Welche Wörter sind aufgenommen worden? Das Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache behandelt den Standardwortschatz der deutschen Gegenwartssprache und einen angemessenen Teil der peripheren Wörter. Da es handlich und deshalb einbändig bleiben soll, wurde hier auf die Behandlung durchsichtiger Wörter verzichtet, auch wenn sie wortgeschichtlich durchaus behandelnswert gewesen wären. Im Prinzip sind also Wörter wie Waschbecken oder Abendröte, die jeder Sprecher als „Becken zum Waschen“ und „Röte am Abend“ erklären kann, nicht aufgenommen. Kleinere Inkonsequenzen sind in Kauf genommen worden, etwa wenn ein Wort zwar durchsichtig, aber schon alt ist (z. B. Fliege zu fliegen) oder wenn bei seiner Bildung Fremdeinflüsse zu vermerken sind (etwa Dampfer). Diese Beschränkung hat zugleich Folgen für die Aufnahme der Wortbildungselemente. An sich sollte die Etymologie von Präfixen und Suffixen in der historischen Wortbildungslehre behandelt werden und nicht in einem Wörterbuch. Wenn aber die Durchsichtigkeit zum Abgrenzungskriterium erhoben wird, dann sollten auch die Mittel bereitstehen, um diese Durchsichtigkeit feststellen zu können. Aus diesem Grund haben wir die wichtigsten Wortbildungselemente in das Wörterbuch aufgenommen. Dabei wurden auch die wichtigsten Fremdpräfixe und -sufixe berücksichtigt. Nicht aufgenommen wurden Namen und Namen-Elemente – nicht, weil sie unwichtig oder uninteressant wären, sondern weil ihre Behandlung so wichtig und so schwierig ist, dass sie nicht nebenher in einem Wörterbuch mit anderer Ziel-

setzung erbracht werden kann. In ein paar Fällen (etwa Adam oder deutsch) haben wir eine Ausnahme gemacht, die wohl ausreichend begründet werden kann. Merklich voneinander verschiedene Wörter, die nicht ohne weiteres als zusammengehörig erkannt werden können, sind getrennte Stichwörter in getrennten Artikeln (z. B. Aas und aasen, Aal und aalen). Ableitungen und Zusammensetzungen mit bemerkenswerten Besonderheiten werden als Unterstichwort genannt (z. B. Älchen unter Aal). Erwähnenswerte Ableitungen und Zusammensetzungen werden im Text morphologisch eingeordnet. Zu einigen weiteren Bemerkungen in Bezug auf den Artikel-Bestand vgl. die „Einführung in die Terminologie“ unter 1.1, 1.2 und 4.1.

Der Aufbau der einzelnen Artikel Der Wörterbuchtext ist aufgeteilt in Wörterbuch-Artikel. Jeder Artikel besteht aus Lemma (Artikelkopf), Textteil und gegebenenfalls dem Verweisteil. Das Lemma besteht aus Stichwort und Routine-Information. Das Stichwort ist das Wort, das behandelt und unter dem der Artikel eingeordnet wird. Hat das Stichwort mehrere Varianten, so kann neben dem Stichwort ein Nebenstichwort stehen (vgl. etwa den Artikel Bries). Wird innerhalb des Artikels eine Ableitung o. dgl. gesondert behandelt, so entsteht ein Unterstichwort (vgl. etwa den Artikel Aal mit dem Unterstichwort Älchen). Von den normalen Artikeln zu unterscheiden sind die Verweis-Artikel und in Bezug auf den Aufbau die WortbildungsArtikel.

Zur Einrichtung des Wörterbuchs

1. Im Kopf des Artikels (Lemma) stehen fol-

gende Angaben: (a) Die neuhochdeutsche Lexikonform, falls notwendig auch die Lautform in eckigen Klammern; (b) grammatische Angaben (Genus, starkes oder schwaches Verb usw.); (c) die Markierung des Wortschatzbereichs (Standard, erweiterter Standard, peripherer Wortschatz, Näheres s. unter „Einführung in die Terminologie“ 6.1) und der Sprachschicht (archaisch, regional, fachsprachlich, umgangssprachlich usw.) sowie Angaben zur heutigen Verbreitung bei regional beschränkten Wörtern. Wenn nötig folgt dann (d) die Bedeutung – die Bedeutungsangaben sind nicht als Bedeutungsbeschreibungen gedacht, sondern als Identifizierungshilfen, vor allem bei Homonymen oder bei seltenen Wörtern. Schließlich (e) die Erstbezeugung nach Jahrhunderten. Falls später noch eine stärkere Veränderung in Form, Bedeutung oder Verbreitung eingetreten ist, wird für diese die Datierung ebenfalls angegeben. 2. Angaben bei Erbwörtern aus älterer Zeit:

a) Die mittelhochdeutsche, althochdeutsche und altsächsische Form (Althochdeutsch und Altsächsisch gelten als regionale Ausprägungen derselben Sprache). Ist eine altsächsische Entsprechung nicht vorhanden, wohl aber eine mittelniederdeutsche oder mittelniederländische, so werden diese Formen aufgeführt. b) Die germanische Grundform mit grammatischen Angaben und Bedeutung; dann die Formen der anderen germanischen Sprachen, in denen das Wort bezeugt ist. Ist das Wort nicht gemein-germanisch, so wird die erschlossene Form als nord- und westgermanisch oder westgermanisch oder vordeutsch bezeichnet (westgermanisch, wenn mindestens eine altenglische Entsprechung vorhanden ist, sonst vordeutsch. Die Zugehörigkeit friesischer Wörter muss von Fall zu Fall beurteilt werden). Aus Gründen der Systematik gilt ein Wort als germanisch, wenn es außer im Deutschen noch im Gotischen bezeugt ist. An dieser Stelle werden nur die ältesten Stufen der germanischen Sprachen berücksichtigt (zu den jüngeren s. u. 5 a).

X

c) Die indogermanische Grundform mit grammatischen Angaben und Bedeutung. Falls ein Wort nicht gemein-indogermanisch ist, wird es als west-europäisch (germanisch + keltisch oder italisch), ost-europäisch (germanisch + baltisch oder slavisch), west/ost-europäisch (germanisch + mindestens eine Sprache aus beiden zuvor genannten Gruppen) oder europäisch (germanisch + griechisch oder armenisch oder albanisch und gegebenenfalls weitere europäische Sprachen) bezeichnet. Aus systematischen Gründen gilt als indogermanisch eine Gleichung, die germanische und arische oder hethitische oder tocharische Formen umfasst. Untypische oder sonstwie besondere Beleglagen können als voreinzelsprachlich bezeichnet werden. Die genannten Bezeichnungen sind lediglich Beschreibungen der mit ihnen definierten Verbreitung und schließen nicht notwendigerweise sprachgeschichtliche oder andere Annahmen in sich. Wenn das Belegmaterial reich genug ist, wird lediglich Hethitisch, Altindisch, Tocharisch, Griechisch, Lateinisch, Altirisch (gegebenenfalls modernes Kymrisch), Litauisch und Altkirchenslavisch aufgeführt; andere Sprachen nur, wenn sie besondere Aufschlüsse bieten oder das Material der regelmäßig geführten Sprachen versagt. Soll bei einer erschlossenen Form lediglich angegeben werden, dass sie auf der Lautstufe des Germanischen oder Indogermanischen rekonstruiert ist, ohne dass damit Verbreitungsangaben eingeschlossen sein sollen, so werden die Sprachangaben in Klammern gesetzt: (g.), (ig.). Aus äußerlichen Gründen ist diese Markierung aber nicht in allen Fällen angewandt worden. d) Lässt sich das Wort als Ableitung zu einem Grundwort (oder als Zusammensetzung) erklären, wird der semantische Bildungstyp und die Grundlage genannt (z. B. Faktitivum zu ig. . . .), außerdem wird normalerweise das Benennungsmotiv erläutert. Kann kein Grundwort festgestellt werden, wird Entstehung dunkel (o. ä.) vermerkt; entsprechend Benennungsmotiv dunkel. Diese Feststellung besagt also nicht, dass das Wort innerhalb der indogermanischen Sprachen keine Vergleichsmöglichkeit findet, sondern nur,

XI

dass es in diesem Rahmen nicht morphologisch analysiert werden kann. e) Es können weitere Bemerkungen zu Lautstand, Morphologie, Semantik, Beleglage oder Wortgeschichte folgen, falls dies notwendig erscheint. 3. Angaben zu Bestandteilen des Erbwortschat-

zes aus jüngerer Zeit: a) Zeit und Typ der Bildung, Grundwort; b) Benennungsmotiv und Besonderheiten. 4. Angaben zu Entlehnungen: a) Zeit der Ent-

lehnung, Herkunftssprache und gegebenenfalls vermittelnde Sprache; b) kurze etymologische Erklärung des Wortes in der Herkunftssprache; falls diese vom Standpunkt der entlehnenden

Der Aufbau der einzelnen Artikel

Sprache nicht offenkundig ist, wird sie in den kleingedruckten Teil verwiesen; c) Verweis auf zugehörige Entlehnungen. 5. Verweisteil (Kleindruck): a) Entsprechungen

in den modernen germanischen Sprachen, und zwar Neu-Niederländisch, Neu-Englisch, NeuSchwedisch und Neu-Isländisch; fällt NeuSchwedisch aus, kann dafür Neu-Dänisch eintreten, fällt Neu-Isländisch aus, kann dafür NeuNorwegisch eintreten; b) mit vgl. wird auf semantisch oder sachlich zugehörige Einträge verwiesen, mit s. auf etymologisch zugehörige; c) Literaturhinweise; d) bei Entlehnungen etymologische Bemerkungen, falls diese vom Standpunkt der gebenden Sprache aus nicht klar sind.

Einführung in die Terminologie* 0.0 Dieses Wörterbuch ist für alle diejenigen geschrieben, die wissen wollen, woher die Wörter der deutschen Sprache kommen – deshalb hat der Verfasser nach Kräften versucht, sich allgemeinverständlich auszudrücken. Zugleich soll dieses Wörterbuch aber auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügen – weshalb ein gewisses Maß an Fachterminologie unvermeidlich ist. Für diejenigen, die mit dieser Fachterminologie Mühe haben, ist der folgende Abriss geschrieben; die einzelnen Fachwörter (Termini) sind über das Register leicht zu finden. In einigen Fällen werden auch Fachwörter genannt, die hier nicht benutzt werden. Damit soll der Übergang zu fachlichen Darstellungen mit anderer Terminologie erleichtert werden.

tung, wobei nur ein Lexem eine Bedeutung im engeren Sinn aufweist.

In diesem Wörterbuch geht es um Wörter – und schon dies erfordert eine genauere Begriffsbestimmung: Hier soll unter Wort verstanden werden ein selbständiges Element einer sprachlichen Äußerung, das nicht aus anderen selbständigen Elementen besteht. Das kann ein „normales Wort“ sein oder ein Name oder eine beliebige Lautfolge, mit der etwas bezeichnet werden soll. Soll schärfer unterschieden werden, so wird hier Lexem für eine Einheit des Wortschatzes gebraucht und von Namen, von fremdsprachigen Ausdrücken und von „Spielmaterial“ abgegrenzt. Ein Wort hat eine Form, womit meist die Lautform gemeint ist, und eine Bedeu-

Namen sind zunächst Bezeichnungen von Individuen (seien es Personen oder Örtlichkeiten) – in diesem Fall sprechen wir von Personennamen, Ortsnamen, Flussnamen usw., allgemein von Eigennamen (als Fachwort für Eigenname wird zum Teil auch Nomen Proprium oder einfach Proprium gesagt). „Normale“ Wörter (genauer gesagt geht es nur um Substantive) nennt man im Gegensatz zu den Namen Appellativa (Singular: -um, manchmal sagt man auch ausführlicher Nomen Appellativum; als allgemeine, nicht auf eine bestimmte Wortart beschränkte Bezeichnung für „normale Wörter“ ist aber Lexem vorzuziehen). Namen werden in diesem Wörterbuch nicht behandelt, es sei denn, sie hätten nachträglich die Bedeutung eines „normalen“ Wortes (das eine Klasse von Gegenständen bezeichnet) erlangt. Ein Übergang von einem Namen zu einem Appellativum findet sich z. B. bei Zeppelin oder Dietrich (die Sie deshalb im Wörterbuch auch erklärt finden). Im weiteren Sinn spricht man auch von Namen, wenn nicht Individuen gemeint sind, sondern bestimmte einheitliche Typen, so z. B. bei Markennamen oder Tier- und Pflanzennamen. Auch Markennamen werden hier nicht geführt (sofern sie nicht aus irgendeinem Grund in die Gemeinsprache übergegangen sind, wie z. B. Fön), dagegen gelten die normalen Tier- und Pflanzennamen (nicht die spezielle zoologische und botanische Terminologie) als Lexeme und sind deshalb in angemessenem Umfang aufgenommen.

* Ausführliche Erklärungen, zusammen mit erläuternden Beispielen, finden Sie in dem Buch Elmar Seebold: Etymologie. Eine Einführung am Beispiel der deutschen Sprache (München 1981). Als terminologisches Lexikon ist zu empfehlen

Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft (3. Aufl. Stuttgart 2002) gegebenenfalls ergänzt durch dies.: Routledge Dictionary of language and Linguistics. transl. Gregory Trauth and Kerstin Kazzazi (London, New York 1996).

Abgrenzung 1.1

1.2

XIII

Eine Abgrenzung ist auch notwendig gegenüber den sogenannten Exotismen oder Fremdbegriffen, das sind Wörter fremder Sprachen, die Gegenstände und Einrichtungen bezeichnen, die es bei uns nicht gibt, die viele Sprecher aber aus Reiseberichten und ähnlichem kennen (etwa Samowar, Iglu, Squaw, Kimono usw.). Sie müssen teilweise als Bestandteil der deutschen Sprache angesehen werden, besonders wenn sie (wie etwa Bumerang) in Vergleichen verwendet oder (wie etwa Bazar) auf einheimische Einrichtungen übertragen werden; auch die Verwendung in der Mode (Kimono, Mokassin) führt häufig zu einem so hohen Bekanntheitsgrad, dass eine Erklärung erwünscht ist – es handelt sich in solchen Fällen um assimilierte Exotismen. Aber der größte Teil dieser Exotismen gehört allenfalls in den Sonderwortschatz bestimmter Fachleute oder Kenner der betreffenden Länder und wird deshalb hier nicht behandelt; dass man über Grenzfälle verschiedener Meinung sein kann, ist unvermeidlich.

1.3

Von den so abgegrenzten Wörtern suchen wir die Etymologie, d. h. ihre Herkunft (ihre Entstehung) und ihre darauf folgende Geschichte, soweit sie für das Verständnis wichtig ist. Man sagt gelegentlich auch, dass man das Etymon eines Wortes sucht – das ist eigentlich mehrdeutig: Es kann einerseits heißen „die Herkunft“ oder „die Erklärung der Herkunft“, andererseits konkret: das Wort, von dem das gesuchte Wort abgeleitet ist (das Grundwort, s. 3.5). 1.4

Allgemeines, Urschöpfung Schauen wir uns nun an, wie Wörter entstehen können (was die Herkunft der Wörter ist). Man könnte sich vielleicht denken, es sei der einfachste Fall, für etwas Neues auch eine neue Lautfolge zu „erfinden“ – das wäre die sogenannte Urschöpfung, die aber in Wirklichkeit (wenigstens in unseren Kultursprachen) sehr selten ist. Am nächsten kommt ihr noch die Laut-

2.1

Allgemeines, Urschöpfung

malerei oder Onomatopöie (mit dem Adjektiv onomatopoetisch); das ist der Versuch, das Gemeinte mit lautlichen Mitteln nachzuahmen. Speziell unterscheidet man dabei drei Fälle: die Lautnachahmung, bei der ein Geräusch (ein Tierlaut, das Begleitgeräusch eines Vorgangs u. ä.) mit sprachlichen Mitteln nachgeahmt wird – der Tierlaut etwa, um das Tier zu bezeichnen (Kuckuck), das Begleitgeräusch, um den Vorgang zu bezeichnen (plumpsen). Dann die Lautgebärde, bei der die Sprechwerkzeuge entweder Begleitgeräusche zu dem Gemeinten hervorbringen oder mit der Lauthervorbringung das Gemeinte nachahmen. Für das erste kann man auf die vielen Wörter für „Mutter“ verweisen, die aus einfachen Folgen von Nasalen und Vokalen bestehen (Mama u. ä.) – sie sind eigentlich Begleitgeräusche zum Saugen der Kleinkinder an der Mutterbrust; dann übertragen auf die Brust und die Mutter selbst. Als Beispiel für das andere etwa bibbern für „zittern“, das mit seiner raschen Aufeinanderfolge der beiden b und dem „Zitterlaut“ r das Gemeinte (nämlich das Zittern) nachahmt. Und schließlich das Lautbild, bei dem ein nicht-lautlicher Sinneseindruck mit lautlichen Mitteln wiedergegeben wird. 2.2

2.3 Dabei bedient man sich des Mittels der Lautbedeutsamkeit: Man benutzt etwa den Gegensatz zwischen hellen und dunklen Vokalen, also i/e gegenüber u/a, um den Gegensatz zwischen hell und dunkel, zwischen hoch und tief, zwischen klein und groß, schnell und langsam usw. auszudrücken. So empfinden wir, dass der durch das Auge empfangene Sinneseindruck Blitz durch das Wort Blitz „gut“ oder „angemessen“ oder gar „richtig“ zum Ausdruck gebracht wird: der helle und schnelle Eindruck wird durch das kurze i angemessen wiedergegeben. In gewissem Umfang treten im Rahmen der Lautbedeutsamkeit Formungen und Lautungen auf, die sonst unüblich sind oder die der Lautentwicklung nicht entsprechen. So etwa emphatische oder expressive Lautungen (Dehnungen, Ver-

Einführung in die Terminologie

XIV

doppelungen von Konsonanten, Verschiebungen der Artikulationsart usw.); Verdoppelungen von Silben (die sogenannte Reduplikation, die in früheren Stufen unserer Sprache auch in der Formenbildung der Verben eine Rolle gespielt hat, später aber nur noch lautbedeutsam ist); dann gibt es eigene Suffixe für entsprechende Wörter, im Deutschen etwa -zen für Verben, die Ausdruckslaute bezeichnen (ächzen, seufzen usw.) und anderes. „Bedeutsam“ sind in der Regel nur einzelne Laute eines Wortes, und sie spiegeln nur wenige Merkmale seiner Bedeutung. Es ist ein (allerdings häufig anzutreffender) Irrtum, dass sich bei einem solchen Wort die Bedeutung aus der „Bedeutsamkeit“ seiner Einzellaute zusammensetzt.

Wortinnere eingeschoben wurden: die Infixe im Rahmen der Infigierung. Ein Infix (Nasalinfix) ist z. B. das Nasalpräsens der frühen Sprachperioden: Das Präsens einer Verbalwurzel konnte dadurch markiert werden, dass ein nasalhaltiges Element entweder suffigiert oder infigiert wurde. Als allgemeiner Ausdruck für Wortbildungsvorgänge und ihre Ergebnisse wird hier Weiterbildung benützt. In der modernen Terminologie, die versucht, alle natürlichen Sprachen mit der gleichen Terminologie zu erfassen, werden alle wortbildenden Elemente wie auch die Flexionselemente und die Wurzeln der Wörter Morpheme genannt. Dieser Terminus ist aber für die Beschreibung flektierender und wortbildender Sprachen wie dem Deutschen zu abstrakt und wird hier deshalb im allgemeinen nicht verwendet.

Wortbildung

3.2

Wesentlich häufiger als die Urschöpfung ist das Verfahren der Wortbildung, bei dem eine neue Bezeichnung mit Hilfe bereits vorhandener Wörter gebildet wird – entweder durch Zusammensetzung (Komposition) verschiedener Wörter (Haus + Tür wird zu Haustür) oder durch die Ableitung (Derivation) mit Hilfe zusätzlicher Elemente (Affixe). Diese sind meist am Wortende angehängt (Suffixe): Fabel + -haft wird zu fabelhaft, das wäre die Suffigierung; oder sie sind dem Wort vorangestellt (Präfixe): tauschen + ver- wird zu vertauschen, das wäre die Präfigierung (die häufig als besonderer Bildungstyp von der Ableitung getrennt wird). Ein Sonderfall besteht darin, dass die hinzugefügten Elemente selbständig bleiben, so dass eigentlich nicht die Bildung eines neuen Wortes vorliegt, wenn auch die semantische Veränderung des Grundworts ganz ähnlich ist wie bei der Präfigierung (z. B. einschlafen – er schläft ein; man spricht hier von einem Partikelverb; wenn auch andere Teile, z. B. erstarrte Akkusativ-Objekte wie in teilnehmen, berücksichtigt werden sollen, spricht man meist von Verbzusätzen). In frühen Sprachstufen gab es auch noch Elemente, die in das

3.3

3.1

Bei der Komposition kann es vorkommen, dass zwischen den beiden Teilen ein besonderes Element, das Fugenelement, eingeschoben wird (z. B. Wald-es-Lust). Diese Elemente sehen aus wie Kasus- oder Numerussuffixe des ersten Bestandteils, sind aber ihrer Funktion und weitgehend auch ihrer Herkunft nach anders zu erklären. In alten Sprachzuständen konnte auch an den Schluss eines Kompositums ein besonderes Suffix treten, das gewissermaßen die Komposition (oder einen besonderen Typ von Komposition) markierte. Solche Elemente nennt man Kompositionssuffixe. Bei der Ableitung kann es vorkommen, dass ein Wort einfach in eine andere Wortart überführt wird (was man an der Flexion und am syntaktischen Gebrauch sieht), ohne dass ein besonderes Suffix auftritt. In diesem Fall spricht man meist von Nullableitung (Arbeit – arbeiten), aber auch andere Termini (Konversion, implizite Ableitung u. a.) werden, meist mit schlechter Abgrenzung ihres Anwendungsbereichs, verwendet. Andere Komplikationen entstehen daraus, dass bestimmte zweite Bestandteile von Zusammensetzungen so häufig werden, dass sich ihre Bedeutung abschwächt und sie gewissermaßen

XV

zu Suffixen werden (etwa -mann, -zeug, -mäßig usw.). In solchen Fällen spricht man von einem Halbsuffix oder auch Suffixoid. Entsprechend geht es bei der Entwicklung von präfixartigen Elementen aus ersten Bestandteilen von Zusammensetzungen: Sie sind gegebenenfalls Halbpräfixe oder Präfixoide (z. B. erz-, ur-). Eine Besonderheit ist auch der Vorgang, bei dem gleichzeitig präfigiert und abgeleitet wird, die sogenannte Präfixableitung, z. B. wenn zu Ziffer das Verb entziffern gebildet wird (es gibt weder *ziffern noch *Entziffer, so dass beide Bildungsvorgänge zugleich erfolgt sein müssen). Damit verwandt ist die Partikelableitung, bei der der Zusatz trennbar bleibt (z. B. einäschern, er äschert ein – es gibt aber weder *äschern, noch *Einasche). Ein weiterer Sonderfall liegt vor, wenn zu einem Wort eine „Ableitung“ gebildet wird, die aussieht, als ob der Bildungsvorgang umgekehrt verlaufen wäre (die sogenannte Rückbildung): So sieht das Wort Bettler aus, als ob es von betteln abgeleitet wäre (ein Bettler ist jemand, der bettelt). In Wirklichkeit ist das Wort Bettler älter, und wie in anderen Sprachen ist das Wort für „betteln“ davon abhängig (vgl. l. mendicus „Bettler“ – mendicare „betteln“); aber da Bettler aussah wie eine Täterbezeichnung zu einem Verb, hat man für die Tätigkeit des Bettlers dieses vermeintlich zugrunde liegende Verb auch gebildet. In diesen Bereich gehören vor allem auch die sogenannten Nomina Postverbalia oder einfacher Postverbalia; das sind Substantive, die von einem Verb abgeleitet sind, aber formal aussehen, als seien sie dessen Grundwort (Wink ist von winken abgeleitet, äußerlich gesehen könnte es umgekehrt sein). Dieser Fachausdruck ist aber veraltet und entspricht der modernen Erfassung solcher Erscheinungen eigentlich nicht mehr in vollem Umfang; er sollte deshalb besser vermieden werden.

3.4

Damit ist der Vorgang der Wortbildung beschrieben, aber wenn wir uns für die Herkunft interessieren, gehen wir ja den umgekehrten Weg: Wir haben das abgeleitete Wort bereits vor-

3.5

Wortbildung

liegen und analysieren es nun, indem wir die Affixe ablösen (oder die Komposition trennen), um damit zu dem Grundwort zu gelangen (wenn man mangels genauer Kenntnis weniger genau sein will, sagt man auch Grundlage; bei der Komposition oder Präfigierung nennt man das einfache Grundwort Simplex). Es kann sein, dass man auch das Grundwort weiter analysieren kann und dessen Grundwort wieder – aber irgendwann einmal hört das auf, und man kommt zu Grundlagen, die nicht mehr analysierbar sind. Diese Grundlagen nennt man traditionellerweise Wurzeln. In der Sprachfamilie, zu der das Deutsche gehört, sind solche Wurzeln in den meisten Fällen Verbalwurzeln, d. h. das Wort, das diese Wurzel vertritt, ist ein Verb. In der frühen Zeit wurden dabei auch die einzelnen Stämme des Verbs (ein Präsens-Stamm, ein Perfekt-Stamm und anderes) durch besondere Bildungsvorgänge aus der Wurzel gewonnen: entweder durch Suffixe oder Infixe (z. B. bei den Nasalpräsentien) oder durch bloßen Vokalwechsel (Ablaut) bei den sogenannten Wurzelpräsentien (bei denen die Verbalendungen ohne Zwischenglied an die Wurzel antreten). 3.6 Nominale Bildungen, die unmittelbar aus der Wurzel gewonnen wurden (wenn sie auch semantisch von der Bedeutung des Verbs abhängig waren), nennt man primäre Bildungen (sie haben in der Regel ein Suffix, es gibt aber auch Wurzelnomina, bei denen kein Suffix vorhanden ist); werden sie aus einem bereits gebildeten Wort abgeleitet, sind es sekundäre Bildungen. Ganz am Schluss des Wortes kommen dann die Personalund Kasus-Endungen; ihre Form (und auch ihre Auswahl) ist häufig davon abhängig, mit welchem Laut das vor ihnen stehende Element (die Wurzel oder das Suffix) aufhört. Danach unterscheidet man konsonantische und vokalische Stämme (s. 3.7); die konsonantischen können Wurzelnomina oder Wurzelverben sein oder ein mit einem Konsonanten endendes Suffix aufweisen (z. B. n-Stämme, r/n-Stämme [bei denen ein mit -r gebildeter und ein mit -n gebildeter Stamm einander ergänzen] und anderes); vokalische

Einführung in die Terminologie

Stämme (die insgesamt viel häufiger sind) haben in der Regel ein Suffix, das auf einen Vokal endet; es können aber auch Wurzelverben (oder selten Wurzelnomina) auf Langvokal sein, die sogenannten Verba pura (Singular: Verbum purum). Die gleichen Bildungsverfahren sind dabei in der Wortbildung wie auch in der Stammbildung zu beobachten (d. h. bei der Bildung von Stämmen, die wir der Flexion zurechnen, z. B. dem Perfektstamm beim Verb usw.). Bestimmte Bildungstypen und bestimmte Affixe spielen in der frühen Wort- und Stammbildung eine große Rolle; man spricht dann etwa von ti-Abstrakta (und dem ti-Suffix), den r/n-Stämmen, den s-Stämmen, den Nasalpräsentien, den Wurzelnomina usw. Besonders häufig und besonders wichtig ist (beim Nomen und beim Verbum) eine Bildungsweise, bei der ablautendes e/o vor der Endung steht, der sogenannte Themavokal. Solche Bildungen nennt man thematisch; eine sekundäre Überführung andersartiger Bildungen in thematische wird Thematisierung genannt; Bildungen, die dieses Element nicht zeigen, sind athematisch. Zum vollen Verständnis von Argumenten mit solchen Ausdrücken ist natürlich nötig, dass man die betreffenden Bildungsverfahren und ihre Besonderheiten auch wirklich kennt. Das ist nun allerdings dem Fachmann und dem Spezialstudium vorbehalten, so dass der Nicht-Fachmann sich mit einem entsprechend eingeschränkten Verständnis begnügen muss.

3.7

Über die ursprüngliche Form der Wurzeln und ihre Erweiterungen gibt es mehrere Theorien. Wichtig ist, dass normalerweise eine Wurzel im Bereich unserer Sprache und ihrer Vorformen einsilbig ist (meist in der Form Konsonant + Vokal + Konsonant); es kommt aber auch vor, dass an den letzten Konsonanten noch ein Vokal gefügt wird (häufig ein ¡, über dessen Lautwert keine Einigkeit besteht). In solchen Fällen spricht man von zweisilbigen Wurzeln/Basen/Grundlagen. An die Wurzel können Erweiterungen

3.8

XVI

verschiedener Form treten: entweder einfache Konsonanten oder Vokal + Konsonant (oder Diphthong) – letzteres setzt eine Schwundstufe der Wurzel voraus (zu dieser s. u.). Das charakteristische Element der Erweiterung ist in der Regel der in ihr enthaltene Konsonant oder Halbvokal, danach spricht man dem jeweiligen Konsonanten entsprechend z. B. von einer Dentalerweiterung. Der Ausdruck Wurzel wird dadurch etwas mehrdeutig: Er bezeichnet sowohl die nicht mehr analysierbaren Elemente wie auch die, die bei der Wortbildung gleich eingesetzt werden (aber letztlich doch noch weiter analysierbar sind). Zurück zur Wortbildung: Ein Wort kann aus einem Substantiv oder Adjektiv gebildet sein – dann nennen wir es denominal, oder aus einem Verb – dann nennen wir es deverbal. Ein Adjektiv, das aus einem Verb gebildet und semantisch eng mit ihm verbunden ist (vielleicht sogar – wie die Partizipien – zu seinem Formenbestand gehört), nennen wir ein Verbaladjektiv (gerissen etwa wäre ein Verbaladjektiv zu reißen), ein Substantiv in dieser Stellung nennen wir ein Verbalsubstantiv. Zu den Verbaladjektiven gehören vor allem die Partizipien und die Adjektive der Möglichkeit (z. B. abwaschbar zu abwaschen); zu den Verbalsubstantiven der Infinitiv und das sogenannte Verbalabstraktum, d. h. ein Substantiv, das aus einem Verb gebildet ist und das gleiche bedeutet – nur wird es eben als Substantiv gebraucht (etwa Verallgemeinerung zu verallgemeinern, Stich zu stechen). Entsprechend verhält es sich mit dem Adjektivabstraktum (Reinheit zu rein, Röte zu rot). Wird ein alleinstehendes Adjektiv oder ein Infinitiv mit dem Artikel versehen und damit wie ein Substantiv gebraucht, so ist es substantiviert und wir sprechen von einer Substantivierung. Alle diese Abstraktbildungen haben die Tendenz, zu Bezeichnungen für Sachen, zu Konkreta (Singular: -um) zu werden (z. B. Bedienung oder Zeichnung). 3.9

Einige Ableitungstypen weisen typische Funktionen auf, die mit bestimmten traditionellen Ausdrücken bezeichnet werden. So kann von 3.10

XVII

fast jedem Substantiv ein Diminutiv (also eine Verkleinerungsform – man findet auch Deminutiv) gebildet werden, wie etwa Häuschen zu Haus. Mit den Diminutiven verwandt sind die Kosewörter oder Hypokoristika, die allerdings meist als Namen gelten und deshalb hier weniger einschlägig sind. Das Gegenteil dazu, das Augmentativum (die „Vergrößerungsform“) kommt im Deutschen bei Suffigierungen nicht vor. In den gleichen Bereich gehört schließlich das Kollektivum, die als Einheit gesehene Mehrheit (so ist Gebirge ein Kollektivum zu Berg: bei ihm handelt es sich eigentlich um eine Mehrheit von Bergen, die aber als Einheit gesehen wird, eben als „Gebirge“). Alle diese Bildungen sind Modifikationen, d. h. das neue Wort gehört zur gleichen Wortart wie sein Grundwort und hat im Prinzip die gleiche Bedeutung (der aber ein weiteres Merkmal hinzugefügt wird). Wird von der Bezeichnung eines männlichen Wesens (oder einer geschlechtsneutralen Bezeichnung) ein besonderes Femininum gebildet (z. B. Hündin zu Hund), so nennt man dieses Wort moviert, die Bildungsweise Motion (auch Movierung). Soziativbildungen nennt man solche, die Personen bezeichnen, die etwas gemeinsam tun oder haben, z. B. Geselle, ursprünglich derjenige mit dem man den Saal gemeinsam hat. Andere Substantiv-Typen sind vorwiegend von Verben abgeleitet; so die Nomina Actionis, die eine Handlung, vorwiegend in ihrem Verlauf, bezeichnen (Verzeihung zu verzeihen), gegenüber den Nomina Acti (oder genauer Nomina Rei Actae), die stärker das Resultat einer Handlung betonen (Pflanzung zu pflanzen). Die Nomina Instrumentalia (Nomen Instrumenti) oder Instrumentalbildungen bezeichnen das Werkzeug zu einer Handlung (Bohrer zu bohren); die Nomina Agentis oder Täterbezeichnungen bezeichnen den Täter – heute meist zu Verben (Fahrer zu fahren), früher häufig auch zu Substantiven (Sänger zu Sang). Nomina Qualitatis sind Eigenschaftsbezeichnungen zu Adjektiven (Größe zu groß). Lokalbildungen drücken den Ort eines Geschehens bei Verben (Wohnung zu 3.11

Wortbildung

wohnen) oder den Aufenthaltsort von Gegenständen (bei Substantiven) aus. Bei den Adjektiven sind noch besonders die Materialadjektive zu erwähnen, die den Stoff angeben, aus dem etwas gemacht ist (hölzern zu Holz). Auch die Zugehörigkeitsbildungen sind meist Adjektive, können aber auch Substantive sein; sie drücken eine Zugehörigkeit zum Grundwort aus, etwa ärztlich in ärztliche Kunst oder ärztliche Praxis („zum Arzt gehörig“). Kontrastbildungen sind den Pronomina nahestehende Adjektive, die einen klaren Gegensatz zu einem anderen Begriff ausdrücken (rechts zu links, oben zu unten usw.). Für die Wortbildung sind sie deshalb wichtig, weil bestimmte Suffixe nur in solchen Kontrastwörtern vorkommen. 3.12 Bei den Verben haben wir zunächst die Kausative, die ausdrücken, dass eine Handlung veranlasst oder bewirkt wird (tränken zu trinken als „trinken machen“); dann die Iterative, die eine Wiederholung anzeigen (sticheln zu stechen); entsprechend die Frequentative (die eigentlich die häufige Wiederholung ausdrücken, aber meist gleichbedeutend mit Iterativ gebraucht werden); die Intensive zum Ausdruck einer verstärkten Handlung (zucken zu ziehen); die Durative für einen fortlaufenden Vorgang (besonders aus Adjektiven, z. B. faulen zu faul); die Inchoative (auch Incohative) für eine beginnende Handlung (erröten zu rot); bei Ableitungen aus Adjektiven außerdem die Faktitive (die angeben, wozu etwas gemacht wird, wie wärmen „warm machen“) und schließlich solche, die die syntaktische Konstruktion betreffen – vor allem Transitive, die mit dem Akkusativ konstruiert werden und Intransitive, bei denen das nicht der Fall ist (streng genommen solche, die keinen Kasus regieren). So wird etwa aus antworten durch die Präfigierung mit be- das Transitivum beantworten. Diesen Vorgang nennt man Transitivierung. 3.13 Bei den Zusammensetzungen, den Komposita (Singular: -um), ist die Hauptgruppe die der Determinativ-Komposita. Das sind solche,

Einführung in die Terminologie

bei denen die Zusammensetzung eine speziellere Form von dem bedeutet, was im Hinterglied genannt ist (eine Haustür ist eine speziellere Form von einer Tür). Eine heute seltenere Gruppe sind die Possessiv-Komposita oder, wie man mit einem Ausdruck der indischen Grammatik häufig sagt, die Bahuvr-ıhis. Das sind Komposita, die etwas bezeichnen, das weder im Hinterglied noch im Vorderglied benannt ist, sondern das besitzt, was in diesen Gliedern genannt wird. So ist ein Dickkopf ja nicht ein dicker Kopf, sondern jemand, der einen dicken Kopf (im übertragenen Sinn) besitzt, oder ein Rotkäppchen ist nicht ein rotes Käppchen, sondern ein Mädchen, das ein rotes Käppchen besitzt usw. Solche Bildungen, bei denen das Gemeinte außerhalb des durch die Glieder Angegebenen liegt, nennt man auch exozentrisch – es sind meist Komposita, aber auch anderes. Der weniger häufig gebrauchte Gegenbegriff wäre endozentrisch zur Bezeichnung von Bildungen, bei denen ein Grundwort (Determinatum) näher bestimmt wird durch ein anderes Wort oder ein Affix (Determinans). Sehr selten sind im Deutschen die Kopulativkomposita, die etwas bezeichnen, das die Summe der beiden Glieder darstellt (etwa Strumpfhose). Eine besondere Form der Komposita sind schließlich die Verdeutlichungen, oder, wie man mit einem Beispielwort auch sagt, die Lindwurm-Komposita. Das sind Wörter, die veraltet sind oder gleichlautende Wörter anderer Bedeutung neben sich haben, und nun verdeutlicht werden, indem man sie zu einem Kompositum umbaut, in dessen Hinterglied ein Allgemeinbegriff steht. So sagte man statt Maultier früher einfach Maul – aber dies war gegebenenfalls missverständlich wegen des gleichlautenden Maul (für „Mund“), und so wurde ein Kompositum daraus gemacht mit dem Allgemeinbegriff Tier im Hinterglied. Wieder ein anderer Bildungstyp mit besonderen formalen Merkmalen (Betonung) sind die Verstärkungsbildungen (wie splitternackt zu nackt), deren Funktion gelegentlich auf Vergleiche zurückgeführt werden kann, aber vielfach nicht genauer erklärbar ist.

XVIII

Soweit die Wortbildung, wie sie sich auch heute noch vor unseren Augen abspielt. Wenn man sich aber mit den Bildungsweisen älterer Sprachzustände befasst, findet man auch Bildungsmittel vor, die wir heute nicht mehr haben und die wir teilweise nicht mehr verstehen. So haben die frühen Bildungen häufig Vokalwechsel, auf deren wichtigsten Fall, den Ablaut, unten (10.9) noch einzugehen sein wird. Eine Möglichkeit des Ablauts, die wir heute nicht mehr haben, ist die Vriddhi (das ist ein Ausdruck der alten indischen Grammatiker): Bei der Ableitung von Substantiven oder Adjektiven aus anderen Substantiven oder Adjektiven wird im Grundwort der erste Vokal gedehnt; die Bedeutung dieser Bildungen ist die der Zugehörigkeit. So ist bei dem Wort für „Hahn“ (in vorgermanischer Lautform *kano-) eine Ableitung gebildet worden, die eigentlich „zum Hahn gehörig“ bedeutet, und die diese Vokaldehnung aufweist, nämlich *k anes- „Huhn“. 3.14

Bildungsweisen, deren Funktion wir nicht mehr durchschauen, sind vor allem die Wurzelerweiterung durch sogenannte Wurzeldeterminative und das s mobile. Unter Wurzelerweiterung verstehen wir, dass wir bei gleicher Bedeutung teilweise kürzere und teilweise längere Wurzelformen vorfinden. Formal kann man dies folgendermaßen beschreiben: Es sind vokalische oder konsonantische Elemente oder beides an die ursprüngliche Wurzelform angetreten. Aber soweit wir erkennen können, hat sich dabei die Bedeutung nicht geändert, und außerdem treten bei diesen Wurzelerweiterungen alle möglichen Lautformen auf (was bei der normalen Wortbildung nicht der Fall ist). Hier liegt also offenbar eine Bildungsmöglichkeit vor, deren Funktion uns verschlossen bleibt. Unter s mobile verstehen wir den Fall, dass in unseren Vergleichsformen solche mit einem anlautenden s neben solchen ohne dieses s vorkommen (z. B. d. schmelzen, ahd. smelzan – e. to melt). Ob dieses „bewegliche s“ der Rest eines Präfixes ist oder ein uns unbekanntes Bildungsmittel oder eine lautliche Verstärkung oder eine Lautentwicklung in be3.15

XIX

stimmten Umgebungen, können wir nicht sagen – vermutlich sind auch nicht alle Fälle gleich zu beurteilen. Die Gesamtheit aller Bildungen aus einem Grundwort oder einer Wurzel nennen wir Wortfamilie. Die vollständige Erfassung einer Wortfamilie ist nur bei konsequent historischer Betrachtungsweise möglich. Die Wortfamilien, die sich auch im Wortschatz der Sprecher als für den Sprachgebrauch relevante Einheiten finden, sind im allgemeinen weniger umfangreich, da im Zuge von Lexikalisierungen die Zugehörigkeit ursprünglicher Mitglieder solcher Wortfamilien für den Sprecher nicht mehr erkennbar ist.

3.16

Syntaktische Fügungen Es gibt auch feste Wendungen, die mehr als ein Wort umfassen – weshalb es umstritten ist, ob man sie in einem Wörterbuch behandeln soll oder in einer speziellen Sammlung solcher Phrasen oder Idiome. In diesem Wörterbuch haben wir in beschränktem Umfang und ohne Anspruch auf Systematik eine größere Anzahl solcher Wendungen behandelt, vor allem, wenn sie auf das Wort, unter dem sie aufgeführt sind, zusätzliches Licht werfen. Solche Wendungen sind teils festgewordene Fügungen (wie grüner Salat), teils Zitate (wie des Pudels Kern nach Goethes Faust). 4.1

Einige dieser Wendungen fassen wir heute sogar als einheitliche Wörter auf (wie etwa abhanden, das ursprünglich von ab den Handen „von den Händen weg“ abgeleitet ist), besonders bei bestimmten syntaktischen Fügungen wie Präposition + Substantiv oder bei Wörtern, die keinen selbständigen Ton haben, sondern entweder vor einem anderen Wort hängen (Proklise, proklitisch, wie z. B. das zu des Infinitivs) oder hinter einem anderen Wort hängen (Enklise, enklitisch, wie z. B. da in der Mann da). Solche Fälle von Zusammenwachsen nennen wir

4.2

Semantische Begriffsbildung

Zusammenrückungen (oder Univerbierungen). Etwas anders zu beurteilen sind die Zusammenbildungen, bei denen in einen Wortbildungsvorgang Teile aufgenommen werden, die gegenüber dem Grundwort syntaktisch frei sind. So ist Grundsteinlegung das Abstraktum zu einen Grundstein legen (wo legen und Grundstein selbständige Wörter sind), oder blauäugig zu hat blaue Augen (zu beachten ist, dass es weder *Legung noch *äugig gibt). Hierzu gehören auch die Nominalformen der Partikelverben, die damit zwischen den syntaktischen Fügungen und den Wortbildungen stehen. Ein Sonderfall solcher Wendungen besteht schließlich darin, dass nicht eine Wortgruppe, sondern ein flektiertes Wort in anderer Funktion verwendet wird (z. B. geschweige, das eigentlich eine Verbalform ist, als Konjunktion). Diese Fälle nennt man Hypostasierung und den Vorgang Hypostase. 4.3

Semantische Begriffsbildung Etwas anderes ist es, wenn eine neue Bezeichnung dadurch gewonnen wird, dass man die Bedeutung eines bereits bestehenden Wortes verändert. Äußerlich gesehen bleibt das Wort dabei gleich, aber in der Bedeutung ist es anders geworden, es hat eine zweite Bedeutung hinzugewonnen, so dass wir auch hier von einem Bildungsvorgang reden können (der sich auf die Semantik, den Bedeutungsbereich, beschränkt). Solche Bedeutungsveränderungen verlaufen nach ganz bestimmten Mustern. Eines ist die Bedeutungsübertragung oder Metapher. Dabei wird ein Wort, das sonst X bezeichnet (z. B.: Rohr bezeichnet sonst „Schilfrohr“, also eine Pflanze) dazu verwendet, auch Y zu bezeichnen, weil sich X und Y in mindestens einem Merkmal ähnlich sind (z. B. Rohr wird dazu verwendet, auch künstlich geschaffene Röhren zu bezeichnen, weil sich Schilfrohr und künstlich geschaffene Röhren darin ähnlich sind, dass es sich bei ihnen um lange, runde, innen hohle Gegenstände handelt). 5.1

Einführung in die Terminologie

Ein weiteres solches Muster ist die Bedeutungsverschiebung oder Metonymie. Dabei wird etwas mit einem Wort bezeichnet, das eigentlich etwas mit ihm Zusammenhängendes meint. Typische Fälle sind etwa die Bezeichnungen von Kleidungsstücken durch das Wort für den Körperteil, den diese Kleidungsstücke bedecken: Ärmel oder in der Fachsprache auch Arm für das, was den Arm bedeckt; Kragen für das, was den Kragen (Hals) bedeckt, Leib oder Leibchen für das, was den Leib bedeckt usw. Dies ist aber nur ein besonderer Fall der Metonymie, es gibt noch viele andere Typen.

5.2

Sehr wichtig ist dann auch die Synekdoche oder die Bezeichnung pars pro toto („der Teil für das Ganze“). Sie tritt etwa auf, wenn wir eine Wohnung oder ein Haus als den (häuslichen) Herd bezeichnen (wir meinen ja wesentlich mehr als den Herd), oder etymologisch: (ein-)schenken bedeutet eigentlich nur „schräg halten“; man bezeichnete also das Ganze (das Einschenken) durch eine Teilhandlung (das Schräghalten).

5.3

Eine solche bildliche Verwendung eines Wortes führt noch nicht automatisch zu einem neuen Lexem oder einer neuen Bedeutung eines Lexems (das wären zwei verschiedene mögliche Beschreibungen des Endergebnisses solcher Vorgänge); dazu muss sie erst von der Sprachgemeinschaft aufgenommen werden. Zunächst dienen sie nur zur Bezeichnung – darunter wird hier die Erfassung eines Stücks Wirklichkeit durch sprachliche Mittel verstanden. Erst wenn sie aufgenommen sind, werden sie zu einer Benennung, zu einem in der Sprache vorgesehenen Mittel der Erfassung dieses Stücks Wirklichkeit. In der traditionellen Sprache der Rhetorik sind die genannten Typen von Bedeutungsveränderungen (Tropen) eigentlich nur als Bezeichnung für den Ersatz eines Wortes durch eine bildliche Wendung gedacht; werden sie verwendet, um einen Begriff zu erfassen, der anders nicht durch ein einfaches Wort erfasst werden kann, ist für diesen Vorgang in der Rhetorik der Ausdruck Katachrese vorgesehen.

5.4

XX

Kurzwörter 6. Eine moderne Form der Wortbildung sind

dann schließlich die Kurzwörter und Abkürzungen. Reine Abkürzungen, die man beim Sprechen als Buchstabenfolge ausspricht (BGB) oder wieder auflöst (usw.) sind in diesem Buch nicht aufgenommen. Solche, die wie ein Wort ausgesprochen werden (wie in neuerer Zeit Super-GAU oder AIDS, jetzt auch schon Aids, sogenannte Akronyme), sind in beschränkter Zahl aufgenommen, in der Regel solche, die schon älter sind und bei denen die Herkunft bereits nicht mehr allgemein bekannt ist. In größerem Umfang aufgenommen sind gekürzte Wörter, sogenannte Kopfwörter, bei denen nur der Anfang geblieben und der Schluss weggelassen ist (Auto für Automobil), und Schwanzwörter (bei denen der Schluss geblieben und der Anfang weggelassen ist, wie Bus aus Omnibus). Es gibt noch kompliziertere Formen der Wortfabrikation, bei der beliebige Teile der vollen Bezeichnung zu einem neuen Wort zusammengefaßt werden, doch wird auf sie nur in Sonderfällen am Rande eingegangen, weil diese Art der Bildung bis jetzt weitgehend auf Namen von Institutionen, Produkten usw. beschränkt ist. Im Deutschen nur selten, dafür im Englischen sehr beliebt und von dort vielfach übernommen, sind die blendings, die aus zwei Wörtern eines machen, um eine Bedeutung zu erfassen, die mit den Bedeutungen der beiden Ausgangswörter zu tun hat (im Deutschen etwa verschlimmbessern aus verschlimmern und verbessern, im Englischen etwa Smog aus smoke und fog).

Entlehnungen Ein großer Bereich der Gewinnung neuer Wörter besteht dann schließlich in der Entlehnung aus anderen Sprachen. Wir können z. B. ein englisches Wort in einen deutschen Text aufnehmen, und wenn dies häufig geschieht, wenn die Sprachgemeinschaft diese Übernahme ak7.1

XXI

zeptiert, dann wird dieses ursprünglich englische Wort auch zu einem deutschen (wie z. B. Sport, bei dem heute nur noch der Sprachgeschichtler daran denkt, dass dies eigentlich ein englisches Wort ist). Und dies gilt nicht nur für das Englische, sondern in früheren Jahrhunderten vor allem für das Französische und schon vor Beginn unserer schriftlichen Überlieferung bis heute für das Latein (und über das Latein auch das Griechische) – daneben auch für viele andere Sprachen, die aber nur in geringerem Umfang in Frage kommen. Besonders um die Flexion zu erleichtern, bekommen die Entlehnungen gelegentlich ein wortart-spezifisches einheimisches Wortbildungssuffix angehängt, das dann keine besondere Wortbildungsbedeutung hat, die sogenannten Adaptionssuffixe (z. B. -ieren bei Verben, z. B. diskutieren zu l. discutere, oder -isch bei Adjektiven, z. B. afrikanisch zu l. africanus). Nun ist der Fall, dass das Wort ganz übernommen wird (wie das eben genannte Sport, das ein Lehnwort ist), nicht die einzige Möglichkeit der Entlehnung. Ein mehrgliedriges Wort kann z. B. Stück für Stück übersetzt werden – die Lehnübersetzung, wie z. B. Geistesgegenwart aus frz. présence d’esprit. Ist es nur teilweise übersetzt und in anderen Teilen selbständig, spricht man von Lehnübertragung, z. B. bei Fegefeuer, das von l. purgatorium abhängig ist, aber nur mit fegen das - übersetzt, während der lateinischen l. purgare Lokativ-Ableitung im Deutschen ein zweites Kompositionsglied entspricht. Komplizierter ist die Lehnbedeutung, bei der ein Wort nach dem Vorbild eines fremden Wortes eine zusätzliche Bedeutung bekommt. So bedeutet das deutsche Wort lesen in alter Zeit eigentlich nur „auflesen“; aber das lateinische Wort, das „auflesen“ bedeutet (l. legere), bedeutet zugleich auch „(Schrift) lesen“, und danach hat auch das deutsche Wort die Bedeutung „(Schrift) lesen“ bekommen. – Von den Lehnwörtern unterscheidet man gelegentlich die Fremdwörter, die ihr fremdartiges Aussehen behalten haben und nicht assimiliert worden sind. Solche Fremdwörter hat man immer wieder aus der Sprache auszuscheiden ge7.2

Entlehnungen

sucht, indem man bestimmte Ersatzwörter für sie vorgeschlagen hat. Diese sind teilweise durchgedrungen, teilweise nicht. Sie bilden aber eine sprachgeschichtlich aufschlussreiche Erscheinung, so dass sie im Wörterbuch in der Regel erwähnt sind. Interessant ist dann der Fall der Scheinentlehnung, bei der ein fremdsprachiges Wort aufgenommen wird, das in der Ausgangssprache gar nicht existiert. Wir sagen z. B. Oldtimer für ein altes Auto – das sieht aus wie eine Entlehnung aus dem Englischen; aber im Englischen sagt man für diese Sache veteran car, der Ausdruck Oldtimer scheint also gar nicht englisch zu sein. Diese Fälle sind meist sehr schwer zu beurteilen, weil man nicht mit Sicherheit sagen kann, ob das Wort in der Ausgangssprache nicht doch ein paarmal aufgetreten und dabei entlehnt worden ist (worauf man dann in der Ausgangssprache ein anderes Wort einführte). Zu einem solchen Fall s. Handy.

7.3

7.4 Wenn man in verschiedenen Sprachen gleichbedeutende Wörter mit gleichem Aufbau hat, aber nicht entscheiden kann, ob eine Lehnübersetzung o. ä. vorliegt, spricht man zurückhaltender von Übersetzungsgleichungen oder Übersetzungsäquivalenten (man kann z. B. nicht sagen, wo die beliebte Bezeichnung der Zigarette als Sargnagel, ne. coffin nail, nisl. lík-kistunagli zuerst aufgetreten ist – es sind Übersetzungsgleichungen, die erst durch eine besondere Untersuchung geschichtlich gedeutet werden können). Wörter, die in alle wichtigen Kultursprachen entlehnt worden sind, nennen wir Internationalismen (man sagt auch Europäismen u. ä.); bei den sehr frühen Fällen dieser Art (Bezeichnungen für Gewürze, Metalle u. ä.) spricht man meist von kulturellen Wanderwörtern. 7.5 Allgemein trennt man den Lehnwortschatz vom Erbwortschatz und spricht demgemäß von Erbwörtern. Hat ein Wort Bestandteile aus dem Erbwortschatz und dem Lehnwortschatz zugleich, spricht man von hybriden Bildungen

XXII

Einführung in die Terminologie

(das gilt auch, wenn ein Wort aus verschiedenen sonstigen Sprachen Elemente aufweist, z. B. aus Latein und Griechisch). Beruhen Entlehnungen darauf, dass eine Völkermischung eingetreten ist, dann spricht man von einer Substratsprache oder einem Substrat, wenn aus der Sprache des unterlegenen Volkes Wörter aufgenommen worden sind (Substrate werden aber häufiger behauptet als nachgewiesen). Sind umgekehrt aus der Sprache des überlegenen Volkes Wörter aufgenommen worden, so spricht man von einem Superstrat. Da aus dem Lateinischen und den auf dieses folgenden romanischen Sprachen zu allen Zeiten Wörter ins Deutsche entlehnt worden sind, macht hier die sprachliche Bestimmung gelegentlich Mühe. Wir nennen hier Wörter, die mit lateinischem Sprachmaterial (das vielfach griechische Bestandteile aufweist) in neuer Zeit gebildet worden sind, neoklassisch. Bei den romanischen Sprachen ist zu beachten, dass ihre Vorformen, die für die Entlehnung ins Deutsche wichtig sind, häufig nicht belegt werden können, sondern nur erschlossen sind. Solche Wörter sind regelmäßig durch einen Stern (*) markiert und gegebenenfalls als frühromanisch bezeichnet.

7.6

In den Teilen 2–5 dieser Übersicht sind die Möglichkeiten der Herkunft eines Wortes aufgezählt – die verschiedenen Bildungsvorgänge, die in einer Sprache ein neues Wort (oder ein Wort in einer neuen Bedeutung) hervorbringen. Kommen wir bei unserer geschichtlichen Analyse eines Wortes nicht bis auf einen solchen Bildungsvorgang zurück, so nennen wir die Entstehung dunkel. Das bedeutet nicht, dass wir das Wort nicht zurückverfolgen können – unter Umständen kann es für die indogermanische Grundsprache eindeutig erschließbar sein; aber wir können seine Bildung nicht erklären und damit bleibt seine Entstehung für uns dunkel.

7.7

Wortgebrauch Die Wörter unserer Sprache liegen uns nicht alle gleich nahe: Einige kommen uns recht veraltet vor – wir würden z. B. das Wort Odem in normaler Sprache gar nicht benützen, es ist ein Archaismus, ein altertümliches Wort. In diesem Wörterbuch werden dabei als Stufen unterschieden veraltet, obsolet („stark veraltet“) und Archaismen (die einem größeren Teil der Sprecher nicht mehr bekannt sind). Manche Wörter sterben auch aus und werden dann (durch das Nachahmen des Gebrauchs älterer Texte) wiederbelebt, wie z. B. das Wort tarnen. Das Extrem auf der anderen Seite sind die Neologismen, die Neuwörter, die gerade erst in Gebrauch gekommen sind und bei denen man noch nicht so recht weiß, ob man sie schon unbesorgt gebrauchen darf. Andere Wörter liegen uns nicht so nahe, weil sie fachsprachlich sind – dabei denken wir in erster Linie an die Wissenschafts- und Berufssprachen; aber auch die Angler und Briefmarkensammler haben ihre Fachsprache. Es geht dabei einfach um einen Wortschatz, der spezieller ist, als ihn die Allgemeinheit benötigt, und deshalb nur von den kleinen Gruppen der Fachleute benützt wird. Wörter, die nur von kleinen Gruppen benutzt werden, kommen auch in anderen Zusammenhängen vor – z. B. Anspielungen auf die griechische und römische Mythologie oder andere geschichtliche Zustände, über die nur diejenigen reden können, die direkt oder indirekt mit der Sache zu tun gehabt haben. Solche Wörter nennen wir bildungssprachlich. In derart verschiedenen Sprachausprägungen (auch in verschiedenen Regionalsprachen usw.) treten häufig verschieden entwickelte Formen (Lautformen, Flexionsformen) aus demselben Ausgangspunkt auf. Solche verschiedenen Formen aus gleichem oder nahe verwandtem Ursprung nennen wir Varianten. Insgesamt wird hier unterschieden zwischen dem Wortschatz des Standards, zu dem auch veraltete, regionale, stilistisch markierte, vulgäre, tabuisierte und kindersprachliche Wörter gehören können; dem des erweiterten Standards, zu dem die weniger 8.1

XXIII

gebräuchlichen Wörter gehören, einschließlich der bildungssprachlichen, der obsoleten und der regional beschränkten; und schließlich dem peripheren Wortschatz, bei dem allgemeines Verstehen nicht vorausgesetzt werden kann (hierzu auch archaische Wörter, die mehr oder weniger ausgestorben sind und nur noch von einzelnen Sprechern gebraucht werden). Andererseits bemühen sich die Sprecher, eine bestimmte Form der Sprache zu sprechen, etwa die Hochsprache. Sie setzen also z. B. mundartliche Lautformen regelmäßig in hochsprachliche Lautformen um. Dabei kann es nun vorkommen, dass sie sich in der Beurteilung täuschen, dass sie ein Wort hochsprachlich machen, das gar nicht in die Hochsprache gehört, oder dass sie die Lautform falsch beurteilen und so eine falsche hochsprachliche Lautform herstellen. Solche Fälle nennt man Hyperkorrektismen. Es kann auch sein, dass die Sprecher ein Wort fälschlich an eine andere Sprachform angleichen, z. B. an das Französische, weil sie meinen, das betreffende Wort sei französischer Herkunft (oder weil ihnen die französische Aussprache passender erscheint oder aus welchen Gründen auch immer). Dann sagt man, eine Form sei französisierend; wenn man z. B. an das Griechische angleicht, ist die Form graezisierend und entsprechend bei anderen Sprachen. Häufig ist auch die (Re-) Latinisierung eines Wortes, das aus einer romanischen Sprache übernommen wurde.

8.2

Wenn ein Wort gebildet wird, dann hat es in der Regel zunächst eine systematische Bedeutung oder Bildungsbedeutung, d. h. seine Bedeutung kann aus der Bedeutung der Elemente und der Kenntnis der Funktion der Fügungsregeln erschlossen werden. Wenn Sie z. B. das Wort Fensterreiniger zum ersten Mal hören, dann können Sie die (systematische) Bedeutung erschließen aus Ihrer Kenntnis von Fenster, reinigen und Ihrer Kenntnis des Wortbildungstyps der Nomina Agentis und Nomina Instrumentalia auf -er sowie der Möglichkeit, bei solchen Nomina das Objekt der Handlung als Kompositionsglied

8.3

Wortgebrauch

anzufügen; also: „jemand, der Fenster reinigt“ oder „etwas, womit man Fenster reinigt“. Die meisten Wörter entwickeln aber nach einiger Zeit Besonderheiten, die nicht mehr aus den Bestandteilen erschlossen werden können. Ein Maikäfer z. B. ist nicht mehr einfach ein Käfer, den man im Mai vorfinden kann, sondern ein ganz bestimmter Käfer (auch wenn man ihn im April oder Juni findet), und andere Käfer, die man im Mai finden kann, nennen wir nicht so. Diese Art der Differenzierung nennt man Polarisierung. Die Bedeutung solcher Wörter muss man irgendwann lernen, sie sind lexikalisiert (wenn man nur speziell die Weiterentwicklung der Bedeutung meint, sagt man auch idiomatisiert oder ohne geschichtliche Deutung idiomatisch). Zu den Besonderheiten der Bedeutung gehört auch, dass sie individuelle oder stilistische Bewertungen entwickeln, die mit der Bedeutung selbst nichts zu tun haben (so hat etwa das Wort Führer aus geschichtlichen Gründen für uns einen negativen Beiklang). Soll auf solche Besonderheiten hingewiesen werden, so unterscheidet man zwischen der Denotation (der Bedeutung im eigentlichen Sinn) und der Konnotation (dem Beiklang, den Assoziationen). Die Sprecher reagieren nun teilweise auf solche Entwicklungen, indem sie die Wörter wieder im systematischen Sinn gebrauchen, sie wieder „verdeutlichen“. Diesen Vorgang erkennt man am besten daran, dass er manchmal zu Ergebnissen führt, die historisch gar nicht richtig sind, dass die Sprecher also eine „Verdeutlichung“ bewirkt haben, die etwas ganz Neues hervorbringt. So bedeutet etwa das Wort irritieren eigentlich „reizen“; aber die Sprecher haben geglaubt, es an irre anschließen zu müssen und haben es dann in der Bedeutung „irre machen, verwirren“ gebraucht. Diese Reaktion kann sogar die Lautgestalt des Wortes verändern, so etwa wenn ein Wort, das eigentlich Freithof lauten müsste (und in alter Zeit gelegentlich auch in dieser Form auftaucht), an Friede angeschlossen und dann Friedhof ausgesprochen wird. Solche Erscheinungen nennt man meist Volksetymolo8.4

Einführung in die Terminologie

gie, eine neutralere Bezeichnung ist Sekundärmotivation. Auch in anderen Bereichen, etwa der Morphologie, können Umdeutungen auftreten, etwa wenn ein Suffix mit einem gleichlautenden Suffix anderer Herkunft identifiziert wird.

XXIV

im Wörterbuch). Eine auf diese Weise abschätzige oder abwertende Bedeutung nennt man eine pejorative.

Andere derartige Veränderungen durch die Sprecher kommen davon, dass diese bestimmte Muster als Vorbild genommen und auf andere Fälle übertragen haben. So können wir etwa sagen tags in der Bedeutung „tagsüber“, indem wir einfach den Genetiv von Tag adverbial verwenden. Nach diesem Muster sagen wir nun auch nachts „die Nacht über, in der Nacht“, obwohl Nacht gar keinen Genetiv auf -s hat. Solche Fälle nennt man Analogie. Wieder ein anderer Fall, in dem sich die Sprecher „zu viel gedacht haben“, sind die falschen Ablösungen, bei denen eine Form oder eine Wortgruppe nicht so aufgelöst wird, wie es historisch gerechtfertigt wäre. So ist etwa Otter in der Bedeutung „Schlange“ (wie in Kreuzotter) eine falsche Ablösung aus Natter : Bei mundartlichen Formen von eine Natter [nadr] wurde falsch getrennt in [-n adr].

Eine andere Form der Bedeutungsentwicklung ist die Bedeutungsverallgemeinerung (ein Wort bekommt eine allgemeinere Bedeutung, z. B. Sache wird von „Gerichtssache“ verallgemeinert zu „Ding“). Im Gegensatz dazu steht die Bedeutungsverengung, bei der ein Wort eine eingeschränktere Bedeutung bekommt (z. B. Fass, das ursprünglich allgemein „Gefäß“ bedeutete, vgl. Tintenfass und Salzfass). Die verschiedenen Möglichkeiten der Bedeutungsentwicklung bringen es mit sich, dass ein Wort mehrere Bedeutungen haben und eine Bedeutung durch mehrere Wörter ausgedrückt werden kann. Es ist deshalb nicht unwichtig, ob man sein Material nach den Wortformen oder nach den Bedeutungen ordnet. Ordnet man nach den Wortformen und fragt nach deren Bedeutungen, so wendet man das semasiologische Verfahren an; ordnet man nach den Bedeutungen und fragt, durch welche Wörter sie ausgedrückt werden können, so ist das Verfahren onomasiologisch.

Bestimmte Besonderheiten ergeben sich auch schon beim Gebrauch der Wörter: Manche Wörter will man z. B. nicht „in den Mund nehmen“, weil sie Dinge betreffen, über die man nicht gerne redet (die körperliche Ausscheidung, Geschlechtsverkehr u. ä.). In solchen Fällen werden gerne verhüllende Wörter (Hüllwörter oder Euphemismen) verwendet (etwa Hintern oder der Hintere statt Arsch usw.). Nach einiger Zeit gelten häufig auch diese Hüllwörter wieder als „zu direkt“, so dass sie durch neue ersetzt werden müssen. Das Wort, das als Hüllwort herangezogen wird, macht damit natürlich eine Bedeutungsverschlechterung durch: Es muss für den gemiedenen Begriff mit eintreten. Typisch ist etwa, dass Wörter für „Mädchen“ (wie Dirne) zu Wörtern für „Prostituierte“ werden. Es gibt auch andere Gründe für eine Bedeutungsverschlechterung, etwa wenn ein gleichbedeutendes Wort das höhere Prestige hat (vgl. etwa Frauenzimmer

Wird etwas sprachlich zweimal benannt (etwa in den Teilen eines Kompositums), so nennt man dies eine Tautologie (der häufigste Fall sind die unter 3.13 behandelten LindwurmKomposita, es gibt aber auch anderes). Sind zwei ursprungsverschiedene Wörter gleichlautend, so nennt man dies eine Homonymie (sind sie nicht ganz gleichlautend, eine Paronymie). Sind die Bedeutungen dieser gleichlautenden Wörter ähnlich, so werden sie vom Sprecher für dasselbe Wort gehalten (vgl. etwa im Wörterbuch unter Spieß); sind die Bedeutungen stark unterschiedlich (Fuge „Ritze“ und „Musikstück“), so stört der Gleichlaut nicht; sind sie dagegen verschieden, aber verwechselbar oder sonstwie störend, so werden die beiden Wörter differenziert (verschieden gemacht), häufig auch so, dass eines von beiden schwindet (es gibt im übrigen auch andere Gründe für eine Differenzierung, etwa, dass zwei Wörter genau die gleiche Bedeutung

8.5

8.6

8.7

8.8

XXV

haben – dies stört den automatischen Ablauf der Sprache). Werden Teile eines sprachlichen Ausdrucks weggelassen, so nennt man dies eine Ellipse (etwa ein Helles statt ein helles Bier). Die Abgrenzung gegenüber Erscheinungen mit ähnlichen Auswirkungen wird verschieden vorgenommen, so dass der Begriff etwas unpräzis ist. Werden in einem mehrteiligen Kompositum die Mittelglieder ausgelassen (Reißzwecke statt Reißbrett-Zwecke), so spricht man von einer Klammerform.

8.9

Beeinflussen sich zwei (meist gleichbedeutende) Wörter so stark, dass sie in eines verschmelzen, so spricht man von einer Kontamination (die Wörter sind kontaminiert).

8.10

Besondere Schwierigkeiten für die Untersuchung bieten Wörter, die in irgendeiner Weise selten sind. Dazu gehören die Wörter, die in der Überlieferung nur einmal bezeugt sind – ein solches Wort nennt man Hapax legomenon oder kurz Hapax (d. h. „einmal gesagt“). Eine ähnliche Besonderheit besteht darin, dass ein Wort nur in Wörterbüchern, nicht in Texten bezeugt ist (hier wird im allgemeinen vermerkt: nur bei Lexikographen o. ä.). – Anders ist es bei den Relikten: Das sind Wörter oder Formen, die Merkmale eines älteren Systems bewahrt haben, die sonst überall beseitigt worden sind. So ist etwa gülden neben Gold das Relikt eines Lautwechsels ü–o (der darauf beruht, dass der Umlaut ü vor einem folgenden i/j aus u entstand und ein solches u vor dunklen Vokalen zu o wurde). Etwas Ähnliches wie die Relikte sind die Unregelmäßigkeiten, die Abweichungen von einer systematischen Bildung, die meist ebenfalls auf früheren Regelmäßigkeiten beruhen. Von Gelegenheitsbildungen oder okkasionellen Bildungen sprechen wir, wenn ein Wort in einer bestimmten Situation für einen bestimmten Zweck geprägt, dann aber wieder vergessen wird. Gelegentlich werden solche Bildungen aber verallgemeinert und in den normalen Wortschatz aufgenommen. 8.11

Grammatik

Grammatik Auch bei der Besprechung der Etymologie ist immer wieder auf die grammatischen Eigenschaften der betreffenden Wörter einzugehen; zunächst auf die Wortarten. Unter einem Nomen (Adjektiv: nominal) verstehen wir ein Substantiv oder Adjektiv (meist ein Substantiv); es flektiert nach Kasus und Numerus, wobei für letzteren zu beachten ist, dass es in der früheren Zeit auch einen Dual gegeben hat, einen Numerus, der die natürliche Paarigkeit (z. B. von Körperteilen wie Ohren) bezeichnet. Beim Kasus wird gelegentlich der Kasus obliquus oder obliquer Kasus genannt. Darunter versteht man zunächst den Akkusativ, allgemeiner dann aber auch die Kasus außerhalb des Nominativs (und Vokativs). Für die Wortbildung wichtig ist auch der Lokativ, ein Kasus, der den Ort bezeichnet (es gibt auch lokativische Bildungen, die nicht speziell Kasusformen sind). Eine Nominalform ist eine entweder wortbildungsmäßig oder nach Kasus und Numerus als Nomen bestimmte Form. 9.1

9.2 Beim Verb sind zunächst finite Formen (die Personalformen) von den infiniten Formen (wie Infinitiv und Partizip) zu unterscheiden; von diesen ist der Infinitiv ein Verbalsubstantiv, das Partizip ist ein Verbaladjektiv. In anderen Sprachen und in früheren Sprachzuständen gibt es außerdem noch ein Gerundiv(um), das sogenannte Participium Necessitatis (Partizip der Notwendigkeit; Angabe, dass das im Verb Ausgedrückte getan werden muss) und das Gerundium, ein zugehöriges Verbalsubstantiv. Bei den finiten Formen sind besonders die Diathesen zu erwähnen (die Unterscheidung zwischen Aktiv und Passiv; in der früheren Zeit gab es auch noch eine dritte, die funktionell häufig unserem Reflexivum entspricht, die mediale Diathese) sowie die Unterscheidung nach Tempus (Zeit) und Modus (Aussageart). Eine in den frühen germanischen Sprachen wichtige Stammbildung waren die Präteritopräsentien, die wie ein starkes Präteritum flektierten, aber präsentische Bedeutung

XXVI

Einführung in die Terminologie

haben (und zu dieser eine schwache Präteritalform bilden). Bei den Adjektiven sind die verschiedenen Steigerungsformen zu beachten: der Positiv (die Normalform), der Komparativ (die Steigerungsform) und der Superlativ (die Höchststufe, die außerhalb von Vergleichen Elativ genannt wird). Bei den mit den Adjektiven verwandten Zahlwörtern sind verschiedene funktionelle Sonderformen zu beachten. Neben den üblichen Kardinalzahlen (5, 6) und Ordinalzahlen (5., 6.) gibt es Multiplikativzahlwörter (fünfmal, sechsfach) und Distributivzahlwörter (je fünf, je sechs). Über die Adverbien ist hier nichts besonderes zu sagen; dagegen seien die Partikeln (nicht flektierende Wörter) besonders erwähnt. Eine Sonderstellung in Bezug auf die Etymologie nehmen die Interjektionen (Ausrufewörter) ein.

9.3

Was die syntaktische Konstruktion anbelangt, so sei hier auf die Unterscheidung zwischen affiziertem Objekt und effiziertem Objekt hingewiesen. Effiziert ist ein Objekt, wenn es durch die Verbalhandlung bewirkt bzw. hervorgebracht wird (z. B. ein Bild malen); affiziert ist das Objekt, wenn es durch die Handlung betroffen wird (den Hund schlagen).

9.4

Nomina werden nach Kasus und Numerus abgewandelt (dekliniert, Deklination), Verben nach Person, Numerus und Tempus/Modus (konjugiert, Konjugation). Beides zusammen nennt man Flexion (die Wörter werden flektiert) und das Verfahren dieser Abwandlung überhaupt die Morphologie einer Sprache (mit dem gleichen Wort bezeichnet man auch die Beschreibung dieser Möglichkeiten). Den gesamten Formenbestand, den ein Wort haben kann, nennt man sein Paradigma; fehlen bestimmte Teile, so ist das Paradigma defektiv wie z. B. bei den Pluralia tantum, den Wörtern, die nur im Plural vorkommen (z. B. Leute). Tritt für eine fehlende Formenreihe die Reihe eines anderen Wortes ein, so ist das Paradigma suppletiv(z. B. die Steigerungsformen gut, besser, am besten).

9.5

Grammatische Wörter, die die Stelle der Nomina einnehmen oder diese begleiten können, sind die Pronomina. Sie haben häufig bestimmte altertümliche Stämme, die Pronominalstämme, die vielfach sehr kurz, unregelmäßig und vielseitig verwendet sind. Zu den wichtigsten Funktionen der Pronomina gehört die Wiederaufnahme von etwas bereits besprochenem, der Rückbezug oder die anaphorische Funktion. Die Begleitung oder den Einsatz der Zeigegeste nennt man die deiktische Funktion oder Deixis. 9.6

Lautstand Was den Lautstand anbelangt, so bezeichnen wir die Bestandteile der Wortform als Laute; betrachten wir die Laute vom Lautsystem her (z. B. danach, ob sie Bedeutungen differenzieren können oder nicht), dann sprechen wir von Phonemen. Nach der Art der Hervorbringung unterscheiden wir bei den Lauten Vokale (Öffnungslaute, bei denen der Luftstrom beim Sprechen nicht behindert wird) und – terminologisch etwas ungenau – Konsonanten, bei denen der Luftstrom beim Sprechen behindert wird (eigentlich müsste man Vokale und Nicht-Vokale unterscheiden; daneben Sonanten und Konsonanten, d. h. Silbenträger und Laute außerhalb des Silbengipfels). Den Gesamtbestand der Vokale einer Sprache, auch den Vokalbestand eines Wortes, nennt man häufig den Vokalismus; entsprechend verwendet wird Konsonantismus. Laute, die je nach Umgebung als Sonant oder Konsonant realisiert werden, nennt man Halbvokale. Laute, die beim Übergang von einem Laut zu einem anderen eingeschoben werden (z. B. ein j zwischen i und a), nennt man Gleitlaute. 10.1

Die Konsonanten unterscheidet man nach ihrer Hervorbringungsart in Reibelaute (Spiranten, Adjektiv spirantisch), bei denen die Luft durch eine Enge im Mund gepresst wird (f, s, ch usw.), Verschlusslaute (Explosivlaute), bei 10.2

XXVII

denen ein Verschluss gelöst wird (p, b, t, d usw.), Affrikaten, die aus Verschlusslauten bestehen, die nicht durch eine Explosion, sondern durch eine reibelaut-bildende Lösung geöffnet werden (pf, tz), Nasale (m, n, ng), Liquiden (r, l) und Kontinuanten (j, w – auf diese bezieht man sich häufig als Halbvokale). Einen gelängten (verdoppelten) Konsonanten nennt man eine Geminate (geminiert „verdoppelt“). Nach dem Artikulationsort unterscheidet man Labiale (mit den Lippen gebildet), Labiodentale (Unterlippe + Oberzähne, z. B. f ), Dentale (mit den Zähnen), Alveolare (Zunge gegen Zahnrücken, wie d und t im Deutschen), Palatale (Vordergaumen), Velare (weicher Gaumen), Uvulare (mit dem Zäpfchen, z. B. das Rachen-r) und Laryngale (mit dem Kehlkopf, z. B. h). Die Palatale und Velare zusammen werden Tektale genannt (in der älteren Literatur auch Gutturale, was aber irreführend ist). Ein besonders in den frühen Sprachen wichtiger kombinierter Artikulationsort wird labiovelar genannt. Dabei handelt es sich um Velare, die mit Lippenrundung gesprochen werden, so dass sich eine enge Verbindung von Velar und (bilabialem) w ergibt.

10.3

Laute verändern sich im Laufe der Zeit – in der Regel so, dass der gleiche Laut unter gleichen Bedingungen zum gleichen anderen Laut wird. Das ist der Lautwandel; wenn man die Regelmäßigkeit der Erscheinung hervorheben will, spricht man auch von Lautgesetzen. Veränderungen, die von besonderen Bedingungen abhängig sind, sind etwa Dehnungen, d. h. Vokale, gelegentlich auch Konsonanten, werden gelängt, sei es, um den Ausfall anderer Laute auszugleichen (Ersatzdehnung), sei es, um die Lautform ausdrucksvoller zu machen (expressive Dehnung), sei es aus anderen Gründen. Ein wichtiger Fall ist die Überdehnung oder Pluti, die in bestimmten Bereichen regelmäßig vorkommen kann (etwa bei gerufenen Namen oder sonstigen Ausrufen ein auslautender Vokal). Wird ein Vokal so stark gedehnt, dass er in eine Lautfolge (meist zwei gleiche Laute mit Gleitlaut) zerfällt, 10.4

Lautstand

so spricht man von Zerdehnung (vgl. etwa Ehe aus einem langen e). 10.5 Unter einer Assimilation versteht man, dass ein Laut an einen anderen, im Wort benachbarten, ganz oder teilweise angeglichen wird. So haben wir etwa statt *ent-fangen in Wirklichkeit empfangen: das t ist an das f assimiliert worden (von einem Dental zu einem Labial) und dann hat sich auch der Nasal in seinem Artikulationsort angeglichen. Umgekehrt geht es bei der Dissimilation: Wenn zwei gleiche Laute nur durch wenige Laute getrennt sind, dann werden sie häufig unähnlich gemacht. So lautete das Wort Köder ursprünglich Körder und das erste r wurde durch Dissimilation beseitigt (dissimilatorischer Schwund). 10.6 Bei einer Metathese werden zwei Laute miteinander vertauscht, der eine springt um den anderen herum. Das ist besonders bei Liquiden der Fall; so gehört etwa Born zu Brunn(en), hat aber in der Stellung des r eine Metathese durchgemacht. Bei der Haplologie oder Silbenschichtung werden zwei gleiche Lautfolgen zu einer einzigen vereinfacht. So sagen wir statt *Zauberer-in nur Zauberin, weil die beiden -er- zu einem einzigen vereinfacht worden sind. 10.7 Besonders starke Veränderungen ergeben sich in unbetonten Silben, im Tiefton, gegebenenfalls auch im Satztiefton (an Stellen des Satzes, die strukturbedingt unbetont sind). Zu den häufigsten Erscheinungen dieser Art gehört die Apokope, der Abfall von auslautendem -e (gegebenenfalls auch von anderen Vokalen), und die Synkope, der Ausfall von unbetontem -e- (gegebenenfalls auch von anderen Vokalen) im Innern des Wortes. Man sagt, ein Vokal werde apokopiert oder synkopiert. Eine ähnliche Erleichterung der Sprechbarkeit auf der Seite der Konsonanten ist das „Anwachsen“ geschichtlich unberechtigter Konsonanten, meist am Schluss des Wortes (Epithese, epithetische Konsonanten); im Deutschen handelt es sich in der Regel um Dentale.

Einführung in die Terminologie

Stoßen zwei Vokale aufeinander, so spricht man von einem Hiat (es geht dabei nur um Vokalfolgen, die nicht einen Diphthong bilden können). Solche Lautfolgen sind vielfach unbequem, weshalb Gleitlaute eingeschoben werden, die sogenannten Hiattrenner. Ein anderer Fall tritt ein bei den Kontraktionen, bei denen die Vokale zusammengezogen werden (dabei können auch dazwischenstehende Konsonanten ausfallen). Beim Übergang in andere Sprachen (und auch sonst in der Sprachgeschichte) werden Lautformen gelegentlich verändert um der Sprechbarkeit oder des Wohlklangs willen (Euphonie, euphonisch).

10.8

Tritt Lautwandel nur in bestimmten Umgebungen auf, und wechseln diese Umgebungen innerhalb eines Paradigmas oder einer Wortfamilie, so entstehen Lautwechsel. Zu den wichtigsten Lautwechseln aus früher Zeit gehört der Ablaut – ein geregeltes System von Vokalwechseln in Flexion und Wortbildung der indogermanischen Sprachen. Man spricht in diesem Rahmen von der Normalstufe oder e-Stufe (d. h. ein e, das in anderen Formen abgewandelt wird), von der Abtönungsstufe oder o-Stufe (beide zusammen sind Hochstufen) im Gegensatz zur Schwundstufe oder Tiefstufe, in der der e-Vokal geschwunden ist und der Silbengipfel durch einen umgebenden Laut ausgefüllt werden muss. Umgekehrt ist es bei der Dehnstufe, in der der Vokal (das braucht in diesem Fall nicht unbedingt ein e zu sein) gelängt wird. Diese Lautwechsel gehen auf ganz verschiedene Arten von Lautwandeln zurück. Durch besondere Lautentwicklungen kann ein ablautendes Wort eine Lautform bekommen, die einer andersartigen Ablautreihe entspricht und dann in seinen Formen und Ableitungen dieser anderen Ablautreihe angeglichen werden (vgl. im Wörterbuch unter gedeihen). In diesem Fall spricht man von Ablautentgleisung.

10.9

10.10 Ein anderer Lautwechsel ist der Umlaut,

der darauf zurückzuführen ist, dass die dunklen Vokale aufgehellt wurden, wenn in der folgenden

XXVIII

Silbe früher ein i oder j stand (das in den späteren Formen aber geschwunden ist). Umlaute haben wir in unserer heutigen Sprache noch in vielen Fällen, besonders auch in der Form, dass sie funktionalisiert sind (d. h. eine grammatische Funktion zum Ausdruck bringen müssen), so etwa bei Garten – Gärten zum Ausdruck des Plurals. Ein Lautwechsel bei Konsonanten, der nur noch als Relikt erhalten ist, ist der grammatische Wechsel, etwa in schneiden – schnitt (auch der Schnitt). 10.11 Eine besondere Vokalentwicklung ist die

Rundung, bei der ein vorderer Vokal nachträglich eine Lippenrundung bekommt (i wird dann zu ü, e zu ö usw.); auch der umgekehrte Vorgang kann eintreten und heißt dann Entrundung. 10.12 In Bezug auf die Schreibungen sei darauf

hingewiesen, dass besondere Laute entweder mit einem eigenen Zeichen zum Ausdruck gebracht werden können oder indem ein vorhandenes Zeichen abgewandelt wird. Der abwandelnde Teil (z. B. die Pünktchen bei den Umlautvokalen) heißt diakritisches Zeichen.

Zeitliche Verhältnisse Was die zeitliche Schichtung anbelangt, so sei hier nur erwähnt, dass wir unsere heutige Sprache (seit etwa 1600) als Neuhochdeutsch bezeichnen, gegebenenfalls trennen wir die jüngste Schicht als Gegenwartssprache ab. Davor, etwa von 1350–1600, sprechen wir von Frühneuhochdeutsch (dazu gehört etwa die Sprache Luthers), noch früher (etwa 1100– 1350) von Mittelhochdeutsch (z. B. die Sprache Walthers von der Vogelweide oder Wolframs von Eschenbach), und unsere frühest-bezeugte Sprachform nennen wir Althochdeutsch (vom 8. Jh. bis etwa 1100). Das Element -hoch- kennzeichnet dabei den Gegensatz zu Niederdeutsch, das zwar auch Deutsch ist, aber z. B. nicht die Lautverschiebung mitgemacht hat. Zum gleichen Sprachraum gehörte 11.1

XXIX

auch die Vorstufe des heutigen Niederländischen, das aber auf Grund besonderer politischer und kultureller Umstände eine eigene Hochsprache entwickelt hat. Dagegen sind Dänisch, Norwegisch, Schwedisch und Englisch eigene Sprachen, die mit der unseren entfernter verwandt sind. Komplizierter ist es mit dem Friesischen, das wir hier ebenfalls als eine eigene Sprache (oder Sprachgruppe) betrachten. Wird für deutsche Wörter eine ältere Lautform erschlossen, ohne dass eine Verbreitung außerhalb des Deutschen vorausgesetzt wird, dann nennen wir diese Lautform vordeutsch. Auf Grund der verhältnismäßig nahen Verwandtschaft des Deutschen zu anderen Sprachen sind wir in der Lage, die Geschichte des Deutschen auch in der Zeit zu betrachten, in der es noch gar nicht belegt ist: Wir können durch den Vergleich der verwandten Sprachen die Vorstufen erschließen. Diese Vorstufe ist vor allem für Deutsch, Englisch, die skandinavischen Sprachen und das heute ausgestorbene Gotische das Germanische; vergleicht man darüber hinaus auch das Lateinische, Griechische, Keltische, Baltische, Slavische, Indische, Hethitische und einige andere Sprachen, so ergibt sich das Indogermanische, das in der außerdeutschen Fachsprache auch Indoeuropäisch genannt wird (das ist zwar ein neutralerer Ausdruck, aber sachlich weniger richtig, weil nicht alle europäischen Sprachen zu dieser Gruppe gehören). 11.2

Vermuten wir von einem Wort, dass es bereits in der indogermanischen Grundsprache vorhanden war, so nennen wir es indogerma-

11.3

Zeitliche Verhältnisse

nisch oder grundsprachlich. Nehmen wir ein hohes Alter in Anspruch, wollen aber nicht so weit zurückgehen, dann sagen wir voreinzelsprachlich. In diesem Wörterbuch wird versucht, die räumliche Vergleichbarkeit von Wörtern in bestimmte Gruppen zu fassen (die gewisse Rückschlüsse auf das Alter ermöglichen). Wir treffen dabei folgende Unterscheidungen: Westeuropäisch (weur.) nennen wir gegebenenfalls ein Wort, das außer im Germanischen noch im Keltischen oder Italischen oder in beiden vorkommt; osteuropäisch (oeur.) ein Wort, das außer im Germanischen noch im Baltischen oder Slavischen oder in beiden auftritt; west- und osteuropäisch (w/oeur.) die Kombination aus beiden. Europäisch (eur.) ist ein Wort, das außer im Germanischen noch im Griechischen oder Armenischen oder Albanischen auftritt (diese Sprachen stehen dem Germanischen ferner; deshalb müssen solche Wortgleichungen ein größeres Gebiet umfasst haben); für die Bezeichnung als indogermanisch oder grundsprachlich verlangen wir, dass ein Wort außer im Germanischen noch im Arischen (Indisch, Iranisch) oder Hethitischen oder Tocharischen auftritt. 11.4 Betrachten wir eine Sprache zu einem bestimmten Zeitraum, so nennen wir diese Betrachtungsweise synchronisch; untersuchen wir sie in ihrer Entwicklung, also historisch, so ist die Betrachtungsweise diachronisch. Die verschiedenen menschlichen Sprachen bezeichnen wir als Natursprachen, wenn wir den Gegensatz zu Kunstsprachen, Tiersprachen, Kalkülsprachen usw. hervorheben wollen.

Einführung in die Terminologie

Register A Abkürzung 6. Ablaut 10.9 Ablautentgleisung 10.9 Ableitung 3.1 ablösen, Ablösung 8.5 Abstraktum (-a), s. Adjektiv- 3.9 Verbal- 3.9 ti- 3.7 Abtönungsstufe 10.9 Adaptionssuffix 7.1 Adjektiv 9.3 Adjektiv der Möglichkeit 3.9 Adjektivabstraktum 3.9 Adverb 9.3 Affix 3.1 affiziertes Objekt 9.4 Affrikata (-en) 10.2 Akronym 6. althochdeutsch 11.1 Alveolar 10.3 Analogie 8.5 anaphorisch 9.6 Apokope, apokopiert 10.7 Appellativ(um) 1.2 Archaismus, archaisch 8.1 Assimilation, assimiliert 10.5 athematisch 3.7 assimilierter Exotismus 1.3 Augmentativum 3.10 B Bahuvr-ıhi 3.13 Bedeutung 1.1, 5.1 Bedeutung, systematische 8.3 Bedeutungsübertragung 5.1 Bedeutungsverallgemeinerung 8.7 Bedeutungsverengung 8.7

Bedeutungsverschiebung 5.2 Bedeutungsverschlechterung 8.6 Begriffsbildung, semantische 5.1

XXX

Benennung 5.4 Bezeichnung 5.4 Bildung, sekundäre 3.6 Bildungsbedeutung 8.3 bildungssprachlich 8.1 blending 6. D defektiv 9.5 Dehnstufe 10.9 Dehnung 10.4 deiktisch 9.6 Deklination, dekliniert 9.5 Deminutiv 3.10 denominal 3.9 Denotation 8.3 Dental 10.3 Dentalerweiterung 3.8 Derivation 3.1 Determinans 3.13 Determinativ-Kompositum 3.13 Determinatum 3.13 deverbal, deverbativ 3.9 diachronisch 11.4 diakritisches Zeichen 10.12 Diathese 9.2 Differenzierung, differenziert 8.8 Diminutiv 3.10 Dissimilation 10.5 Distributivzahlwort 9.3 Dual 9.1 dunkel 7.7 Durativ 3.12

E e-Stufe 10.9 effiziertes Objekt 9.4 Eigenname 1.2 Eigenschaftsbezeichnung 3.11 Elativ 9.3 Ellipse 8.9 emphatische Lautung 2.3 Enklise, enklitisch 4.2 Entlehnung 7.1 Entrundung 10.11

XXXI

Entstehung dunkel 7.7 Epithese, epithetisch 10.7 Erbwörter 7.5 Ersatzdehnung 10.4 Ersatzwort 7.2 erweiterter Standard 8.1 Erweiterung 3.8 Etymologie 1.4 Etymon 1.4 Euphemismus 8.6 euphonisch 10.8 europäisch 11.3 Europäismus 7.4 Exotismus (-en) 1.3 exozentrisch 3.13 Explosivlaute 10.2 expressive Dehnung 10.4 expressive Lautung 2.3 F fachsprachlich, Fachsprache 8.1 Faktitiv 3.12 falsche Ablösung 8.5 finite Formen, Finitum 9.2 Flexion 9.5 Form 1.1 französisierend 8.2 Fremdbegriff 1.3 Fremdwort 7.2 Frequentativ 3.12 frühneuhochdeutsch 11.1 frühromanisch 7.6 Fugenelement 3.2 funktionalisiert 10.10 G Gegenwartssprache 11.1 Gelegenheitsbildung 8.11 Geminate, geminiert 10.2 germanisch 11.2 Gerundium 9.2 Gerundiv(um) 9.2 Gleitlaut 10.1 graezisierend 8.2 grammatischer Wechsel 10.10 Grundlage 3.5

Register

grundsprachlich 11.3 Grundwort 3.5 guttural 10.3 H Halbpräfix 3.3 Halbsuffix 3.3 Halbvokal 10.1 Hapax (legomenon) 8.11 Haplologie 10.6 Herkunft 2.1 Herkunft dunkel 7.7 Hiat 10.8 Hiattrenner 10.8 Hochstufe 10.9 Homonymie 8.8 Hüllwort 8.6 hybrid(e Bildung) 7.5 Hyperkorrektismus 8.2 Hypokoristikum 3.10 Hypostase, Hypostasierung 4.1 I Idiom 4.1 idiomatisch, idiomatisiert 8.3 Incohativ, Inchoativ 3.12 indoeuropäisch 11.2 indogermanisch 11.2, 11.3 Infigierung, infigiert 3.1 infinite Form 9.2 Infinitiv 9.2 Infix 3.1 Instrumentalbildung 3.11 Intensiv(um) 3.12 Interjektion 9.3 Internationalismus (-en) 7.4 Intransitiv 3.12 Iterativ 3.12 K Kardinalzahl 9.3 Kasus obliquus 9.1 Katachrese 5.4 Kausativ 3.12 kindersprachlich 8.1 Klammerform 8.9

Einführung in die Terminologie

Kollektivum 3.10 Komparativ 9.3 Komposition 3.1 Kompositionssuffix 3.2 Kompositum 3.13 Konjugation, konjugiert 9.5 Konkretum 3.9 Konnotation 8.3 Konsonant 10.1 konsonantischer Stamm 3.6 Konsonantismus 10.1 Kontamination, kontaminiert 8.10 Kontinuant 10.2 Kontraktion, kontrahieren 10.8 Kontrastbildung 3.11 Kopfwort 6. Kopulativkompositum 3.13 Kosewort 3.10 Kurzwort 6. L Labial 10.3 Labiodental 10.3 Labiovelar 10.3 Laryngal 10.3 Latinisierung 8.2 Laut 10.1 Lautbedeutsamkeit 2.3 Lautbild 2.2 Lautform 1.1 Lautgebärde 2.2 Lautgesetz 10.4 Lautmalerei 2.1 Lautnachahmung 2.1 Lautwandel 10.4 Lautwechsel 10.9 Lehnbedeutung 7.2 Lehnübersetzung 7.2 Lehnübertragung 7.2 Lehnwort 7.2 Lexem 1.1 lexikalisiert 8.3 Lexikograph 8.11 Lindwurm-Kompositum 3.13 Liquid 10.2 Lokativ 9.1

XXXII

lokativische Bildung 9.1 Lokalbildung 3.11 M Materialadjektiv 3.11 medial, Medium 9.2 Metapher 5.1 Metathese 10.6 Metonymie 5.2 mittelhochdeutsch 11.1 Modifikation 3.10 Modus 9.2 Morphem 3.1 Morphologie, morphologisch 9.5 Movierung, Motion, moviert 3.10 Multiplikativzahlwort 9.3 N Name 1.2 Nasal 10.2 Nasalinfix 3.1 Nasalpräsens 3.1 natursprachlich 11.4 neoklassisch 7.6 Neologismus (-en) 8.1 neuhochdeutsch 11.1 niederdeutsch 11.1 niederländisch 11.1 Nomen (Nomina) 9.1 Nomen Appellativum 1.2 Nomen Proprium 1.2 Nomen Acti 3.11 Nomen Actionis 3.11 Nomen Agentis 3.11 Nomen Instrumentalis, Instrumenti 3.11 Nomen Postverbalium 3.4 Nomen Qualitatis 3.11 Nomen Rei Actae 3.11 nominal 9.1 Nominalform 9.1 Normalstufe 10.9 Nullableitung 3.3 O o-Stufe 10.9 Objekt, affiziertes, effiziertes 9.4

XXXIII

obliquer Kasus 9.1 obsolet 8.1 okkasionell 8.11 onomasiologisch 8.7 Onomatopöie, -poetisch 2.1 Ordinalzahl 9.3 osteuropäisch 11.3 P Palatal 10.3 Paradigma 9.5 Paronymie 8.8 Pars pro toto 5.3 Partikelableitung 3.3 Partikeln 9.3 Partikelverb 3.1 Partizip 3.9, 9.2 Partizipium Necessitatis 9.2 pejorativ 8.6 peripher 8.1 Phonem 10.1 Phrase 4.1 Plurale tantum (Pluralia tantum) 9.5 Pluti 10.4 Polarisierung 8.3 Positiv 9.3 Possessiv-Kompositum 3.13 Postverbale (-ia) 3.4 Präfigierung 3.1 Präfix 3.1 Präfixableitung 3.3 Präfixoid 3.3 Präsens, Nasal- 3.6, 3.7 Präteritopräsens 9.2 primäre Bildung 3.6 Proklise, proklitisch 4.2 Pronomen 9.6 Pronominalstamm 9.6 Proprium 1.2 R Reduplikation, redupliziert 2.3 regional 8.1 Reibelaut 10.2 Relatinisierung 8.2 Relikt 8.11

Register

Rückbildung 3.4 Rundung 10.11 S s mobile 3.15 Satztiefton 10.7 Scheinentlehnung 7.3 Schwanzwort 6. Schwundstufe 10.9 sekundäre Ableitung, – Bildung 3.6 Sekundärmotivation 8.4 Semantik 5.1 semantische Begriffsschöpfung 5.1 semasiologisch 8.7 Silbenschichtung 10.6 Simplex 3.5 Sonant 10.1 Soziativbildung 3.10 Spirant, spirantisch 10.2 Sprachausprägung 8.1 Stamm 3.7 Stammbildung 3.7 Standard 8.1 stilistisch 8.1 Substantivierung, substantiviert 3.9 Substrat 7.5 Suffigierung, Suffix 3.1 Suffixoid 3.3 Superlativ 9.3 Superstrat 7.5 suppletiv 9.5 synchronisch 11.4 Synekdoche 5.3 Synkope, synkopiert 10.7 systematische Bedeutung 8.3 T tabuisiert, Tabu 8.1 Täterbezeichnung 3.11 Tautologie 8.8 Tektal 10.3 Tempus 9.2 thematisch, Thematisierung 3.7 Themavokal 3.7 ti-Abstraktum 3.7 Tiefstufe 10.9

Einführung in die Terminologie

Tiefton 10.7 transitiv, Transitivierung 3.12 U Überdehnung 10.4 Übersetzungsäquivalent 7.4 Übersetzungsgleichung 7.4 Übertragung 5.1 Umdeutung 8.4 Umlaut 10.10 Univerbierung 4.2 Unregelmäßigkeit 8.11 Urschöpfung 2.1 Uvular 10.3 V Variante 8.1 Velar 10.3 Verallgemeinerung 8.7 veraltet 8.1 Verbalabstraktum 3.9 Verbaladjektiv 3.9, 9.2 Verbalsubstantiv 3.9, 9.2 Verbalwurzel 3.5 Verbum purum (Verba pura) 3.6 Verbzusatz 3.1 Verdeutlichung 3.13 Verengung 8.7 Verkleinerungsform 3.10 Verschiebung 5.2 Verschlechterung 8.6 Verschlusslaut 10.2 Verstärkungsbildung 3.13 Vokal 10.1

XXXIV

Vokaldehnung 10.4 vokalischer Stamm 3.6 Vokalismus 10.1 Volksetymologie 8.4 vordeutsch 11.1 voreinzelsprachlich 11.3 Vriddhi 3.14 vulgär 8.1 W Wendung 4.1 Wanderwort, kulturelles 7.4 Weiterbildung 3.1 westeuropäisch 11.3 wiederbelebt 8.1 Wort 1.1 Wortbildung 3.1 Wortfabrikation 6. Wortfamilie 3.16 Wurzel 3.5 Wurzeldeterminativ 3.15 Wurzelerweiterung 3.15 Wurzelnomen 3.6, 3.7 Wurzelpräsens 3.5 Z Zahlwort 9.3 Zerdehnung 10.4 Zugehörigkeitsbildung 3.11 Zusammenbildung 4.2 Zusammenrückung 4.2 Zusammensetzung 3.1 zweisilbige Wurzeln/Basen/Grundlagen 3.8

Alphabet und Schreibung A Alphabetische Ordnung

2. Russische Schrift und andere kyrillische

Die alphabetische Ordnung ist die des deutschen Alphabets; ß gilt als s + s, Umlaute werden wie die einfachen Vokale behandelt (ä = a, ö = o, ü = u), bei sonst gleicher Schreibung steht der umgelautete (oder mit anderen diakritischen Zeichen versehene) Vokal nach dem nicht umgelauteten (bzw. unmarkierten). Auch andere diakritische Zeichen bleiben bei der Anordnung unberücksichtigt (z. B. ç = c, etwa in Aperçu). In Klammern stehende Buchstaben werden bei der Anordnung nicht mitgerechnet.

3. Armenische Schrift: Rüdiger Schmitt:

Schriften: DUDEN 5, S. 188–192.

B Fremde Alphabete Hilfsmittel: DUDEN. Satz- und Korrekturanweisungen. 5. neu bearbeitete Aufl. von Friedrich Wilhelm Weitershaus (DudenTaschenbücher Bd. 5. Mannheim 1986). Schreibkonvention: In eckigen Klammern ([]) stehen Aussprachen, in Spitzklammern (< >) stehen Schreibungen.

Fremde Schriften (d. h. andere als die lateinische) werden transliteriert, d. h.: Jedem Buchstaben der fremden Schrift entspricht immer der gleiche Buchstabe der lateinischen Schrift (gegebenenfalls mit Hilfe von diakritischen Zeichen); bei Silbenschriften u. ä. (z. B. Hethitisch) werden die Zeichen der fremden Schrift in Buchstabenfolgen der lateinischen Schrift aufgelöst. Variationen in der Schreibung werden in der Regel normalisiert. Im einzelnen: 1. Griechische Schrift: Klassische

Transliteration, DUDEN 5, S. 193, Spalte IV.

Empfehlungen zur Transliteration der armenischen Schrift. In: ZVS 86 (1972), S. 296– 306; ders.: Grammatik des klassisch-armenischen mit sprachvergleichenden Erläuterungen (Innsbruck 1981), Kap. II,1. - ı-): DUDEN 5, 4. Indische Schrift (Devan agar S. 200 f. Tocharisch nach der üblichen Umschrift. 5. Iranische Schriften: Die Transliteration für Avestisch und Altpersisch folgt dem in wissenschaftlichen Veröffentlichungen üblichen Verfahren. 6. Semitische Schriften: Arabisch wie DUDEN 5, S. 197–199 (einschließlich Persisch). Hebräisch weicht wegen des Jiddischen von DUDEN 5, S. 196 etwas stärker ab (genauere Vokalbezeichnung, j statt y, s. statt z). .

C Allgemein verwendete diakritische Zeichen - über einem Vokalzeichen (z. B. a) - bezeichnet einen Langvokal. ˘ über einem Vokalzeichen (z. B. a) ˘ bezeichnet einen Kurzvokal (s. aber zu den slavischen Sprachen unten unter 2 f). ´ (Akut) über einem Vokalzeichen (z. B. á) bezeichnet den Wortakzent (s. aber zum Altnordischen und Isländischen unten unter 2 b sowie zum Slavischen unter 2 f). ` (Gravis ) über einem Vokalzeichen (z. B. à) bezeichnet einen davon verschiedenen Akzent (mit einzelsprachlich stark unterschiedlichen Regelungen). ˜ (Zirkumflex1 = Tilde) über einem Vokal-

Alphabet und Schreibung

ˆ

¨

 _

zeichen (z. B. ã) bezeichnet in der Regel die schleiftonige Intonation, die den Wortton und die Vokallänge einschließt (in den baltischen Sprachen auch bei l, r, m, n, den Liquida- und Nasaldiphthongen). (Zirkumflex2 = Dach) über einem Vokalzeichen (z. B. â) bezeichnet in der Regel eine bestimmte Vokalqualität, die die Vokallänge in sich schließt. (Trema) über einem Vokalzeichen (z. B. ï) bezeichnet die selbständige Aussprache eines Vokals nach einem Vokal (also nicht als Diphthong o. ä.). Beim e (ë) bezeichnet es in manchen Sprachen (Albanisch) eine besondere Vokalqualität. ist ein besonderer Akzent des Serbischen und Kroatischen, auch über Liquiden. ein Strich über oder unter einem Buchstaben für einen Geräuschlaut (gelegentlich auch durchstrichen) bezeichnet einen entsprechenden Reibelaut.

XXXVI

œ ø å

e

c) Sonstige

£ ¤

a) Indogermanisch, erschlossene Formen .r, .l, m, . n. ¥, g´ k, g kw, gw k (’), g (’)

D Besondere Lautzeichen bh, dh, g h b(h), d(h), g (h) h

a) Zischlaute s/z

š/ž ´s ˇc/ˇj[ˇg]

stimmloses und stimmhaftes s ([s] und [z]); nur im Deutschen (sowie im Italienischen und in der Umschrift des Hethitischen) ist = [ts] stimmloser und stimmhafter sch-Laut ([ʃ] und []) ein davon abweichender Zischlaut stimmlose und stimmhafte Affrikata tsch ([tʃ] und [d])

b) Vokale

¡ ¢

silbentragende Sonoranten sicher palatale Laute sicher velare Laute sicher labiovelare Laute velare oder palatale Laute, labiovelar ausgeschlossen velare oder labiovelare Laute, palatal ausgeschlossen aspirierte Medien Medien oder aspirierte Medien indogermanischer Laryngal (wie im Hethitischen bezeugt). Die Differenzierung zwischen drei verschiedenen Laryngalen ist hier nicht vorgesehen und wird nur bei Zitaten oder Auseinandersetzungen mit andersartigen Auffassungen verwendet.

b) Germanische Sprachen ˛o

§ q

Murmelvokal (wie im Deutschen unbetontes e) offenes e (wie deutsch ä)

velarer Nasal Kehlkopfverschlusslaut in phonetischer Schreibung

2. Einzelne Sprachen

k (w), g (w)

1. Allgemein

offenes ö geschlossenes ö offenes o offenes e (ä) in phonetischer Schreibung

gg, gk, gq

(nordische Sprachen) offenes o (gt.) h (oder ch) + w (labiovelarer Reibelaut oder Hauchlaut) (gt.) k + w (Labiovelar wie d. qu-, aber ohne u geschrieben) (gt.) £ + g, £ + k, £ + q; gg kann aber auch ein geminiertes g bezeichnen

XXXVII

þ þ, ð

¨, ð á

Besondere Lautzeichen

stimmloser dentaler Reibelaut (wie e. th in thin) sind im Altenglischen und teilweise auch im Altnordischen gleichwertig (stimmlose dentale Reibelaute, die zwischen Vokalen stimmhaft gesprochen werden) (as.) stimmhafte Reibelaute (usw.: Akut auf Vokalzeichen) bezeichnet anord. und isl. Vokallänge

c) Altindisch .r c/j y .t, d, . . n, . s. ñ, n m . h.

silbentragendes r stimmloses und stimmhaftes tsch ([tʃ] und [d]) wie deutsch j zerebrale (retroflexe) Laute palataler, velarer Nasal m oder Nasalierung des vorausgehenden Vokals schwacher Hauchlaut (für auslautendes s oder r)

d) Avestisch (Persisch ist wie Arabisch umschrieben) ˛a u, d x, g

nasaliertes a stimmloser und stimmhafter dentaler Reibelaut stimmloser und stimmhafter velarer Reibelaut

y ˘ı, u˘ ´

ł sz/rz c cz [ˇc]

langes zentrales i reduzierte Kurzvokale Der Akut bezeichnet den Wortton, ˇ im Cechischen und Slovakischen aber die Vokallänge; über einem Konsonanten bezeichnet er die Palatalität hartes, in bilabiales w übergehendes l (poln.) stimmloses und stimmhaftes sch ([ʃ] und []) [ts] tsch ([tʃ])

g) Baltische Sprachen ˛a ,˛e ,˛i y . e ˛e ¸l, n¸ , ¸k

nasalierte Vokale langes i langes e (lett.) offenes e (lett.) palatale Laute

h) Armenisch ê c/j x ‘ ł r-

halboffenes e stimmlose und stimmhafte Affrikata ts ([tʃ] und [dz]) ach-Laut bezeichnet die Aspiration (z. B. t‘) besonderes, vermutlich retroflexes l verstärktes r

i) Albanisch offenes e

e) Tocharisch

ë

Die Schreibung entspricht der altindischen. Ein Bogen über mehrere Zeichen bedeutet verschmolzene Ausprache der bezeichneten Laute; ä steht für den unbetonten reduzierten Vokal.

j) Europäische (ig.) Sprachen ç

(frz.) s vor dunklen Vokalen

k) Semitische Sprachen (Arabisch, Hebräisch) f) Slavische Sprachen ˛a ,˛e ,˛o ˇe

nasalierte Vokale langes e (mit palataler Qualität des vorausgehenden Konsonanten)

.t, d, . k. s, z, . . h. h ˘

emphatische Laute emphatische Laute (hebr. h ist stimmloser Laryngal) ach-Laut

Alphabet und Schreibung

. g ’ ‘

stimmhafte Entsprechung zu h Kehlkopfverschlusslaut (hebr. stimmloser Glottal) stimmhafter Kehlpresslaut (hebr. stimmhafter Reibelaut)

XXXVIII

3. Nicht-phonetische Zeichen

* **

l) Türkisch † ¸s/j ç/c

stimmloses und stimmhaftes sch ([ʃ] und []) stimmloses und stimmhaftes tsch ([tʃ] und [d])

bezeichnet eine erschlossene Form bezeichnet eine hypothetische erschlossene Form (innere Rekonstruktion u. dgl.) bezeichnet eine Belegform, die philologisch nicht ausreichend klar ist

Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben Allgemeine Abkürzungen Adj/Adj. AdjKomp AdjNum AdjPP

= = = =

Adj. (PPräs.) =

Adj. (PPrät.) =

AdjSup = Adv/Adv. = AdvPostp = Aff Akk. alt. Anm. Aor. arch. Art. Aufl. Bd. bildg. dass. Dat. d. h. erw.

= = = = = = = = = = = = = =

evtl. = exot. = exot. (ass.) =

f. =

Adjektiv Komperativ eines Adjektivs Numerale (Zahlwort) aus einem Partizip des Präteritums entstandenes Adjektiv aus einem Partizip des Präsens entstandenes Adjektiv aus einem Partizip des Präteritums entstandenes Adjektiv Superlativ eines Adjektivs Adverb nachgestelltes Adverb (Postposition) Affix Akkusativ veraltet Anmerkung Aorist archaisch Artikel Auflage Band bildungssprachlich dasselbe Dativ das heißt erweiterter Standardwortschatz eventuell Exotismus assimilierter Exotismus (kann auch einheimische Sachverhalte bezeichnen) femininum

f./n. fach. fremd. FS Gen. grupp. GS Hrsg. Instr. Interj/Interj. intrans. Jh. jmd. kind. Konj/Konj. LAff/LAff. m. m./f. m./f./n.

= = = = = = = = = = = = = = = = = = =

m./n. n. n. Chr. Nom. Num/Num. o. ä. obs. o. dgl. per. PFut. phras. Pl/Pl. poet. Postp. PPerf. PPP. PPräs.

= = = = = = = = = = = = = = = = =

femininum und neutrum fachsprachlich deutlich fremdes Wort Festschrift Genetiv gruppensprachlich Gedenkschrift Herausgeber Instrumental Interjektion intransitiv Jahrhundert jemand kindersprachlich Konjunktion Lehn-Affixoid maskulinum maskulinum und femininum maskulinum und femininum und neutrum maskulinum und neutrum neutrum nach Christus Nominativ Numerale oder ähnlich obsolet (stark veraltet) oder dergleichen peripherer Wortschatz Partizip Futur phraseologisch festgelegt Plural poetisch Postposition Partizip Perfekt Partizip Perfekt Passiv Partizip des Präsens

Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben

PPrät. Präp/Präp. Prät.-Präs. Pron/Pron. Pron.-Adj. Ptkl Ptklgruppe refl. reg. s. S. Sf Sfn

= = = = = = = = = = = = =

Sfpl = Sg. = Sm = Smf = Smfn = Smn = Smpl = Sn = Snpl = s. o. =

Partizip des Präteritums Präposition Präterito-Präsens Pronomen Pronominal-Adjektiv Partikel Partikelgruppe reflexiv regional siehe Seite Substantiv (femininum) Substantiv (femininum und neutrum) Substantiv (femininum, Plural) Singular Substantiv (maskulinum) Substantiv (maskulinum und femininum) Substantiv (maskulinum, femininum und neutrum) Substantiv (maskulinum und neutrum) Substantiv (maskulinum, Plural) Substantiv (neutrum) Substantiv (neutrum, Plural) siehe oben

XL

Spl std. stil. s. u. Subst. s. v.

= = = = = =

Vprpr Vst Vstrefl Vstsw Vsw Vswrefl tabu. trans. u. a. u. ä. u. dgl. unr. V./Vunr v. Chr. vgl. vulg. z. B. z. T. * **

= = = = = = = = = = = = = = = = = = =

> = < =

Substantiv (Plural) Standardwortschatz stilistisch markiert siehe unten Substantiv sub voce („unter dem Stichwort“) Verb (Präterito-Präsens) starkes Verb starkes, reflexives Verb starkes und schwaches Verb schwaches Verb schwaches, reflexives Verb tabuisiertes Wort transitiv unter anderem und ähnlich und dergleichen unregelmäßiges Verb vor Christus vergleiche vulgär zum Beispiel zum Teil (erschlossen) hypothetisch erschlossen (innere Rekonstruktion usw.) wird zu entstanden aus

XLI

Abkürzungen der Sprachbezeichnungen

Abkürzungen der Sprachbezeichnungen aägypt. abret. ae. afr. afrik. afrz. agutn. ahd. ai. air. ait. aisl. akkad. akslav. al. alb. alb.-geg. alb.-tosk. alem. am.-e. am.-span. andd. andfrk. andl. angl. anglo-i. anglo-norm. anord. äol. aonord. apers. apreuß. aprov. arab. aram. arm. aruss. as. aschw. assyr. atürk. avest. awfrk.

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

altägyptisch altbretonisch altenglisch altfriesisch afrikaans altfranzösisch altgutnisch althochdeutsch altindisch altirisch altitalienisch altisländisch akkadisch altkirchenslavisch altlateinisch albanisch albanisch-gegisch albanisch-toskisch alemannisch amerikanisch-englisch amerikanisch-spanisch altniederdeutsch altniederfränkisch altniederländisch anglisch anglo-indisch anglo-normannisch altnordisch äolisch altostnordisch altpersisch altpreußisch altprovenzalisch arabisch aramäisch armenisch altrussisch altsächsisch altschwedisch assyrisch alttürkisch avestisch altwestfränkisch

bair. bair.-österr. balto-slav. bask. berlin. bibel-gr. bret. bulg. burgund. byz.

= = = = = = = = = =

bairisch bairisch-österreichisch balto-slavisch baskisch berlinisch bibelgriechisch bretonisch bulgarisch burgundisch byzantinisches Griechisch

cech. ˇ = cechisch ˇ chin. = chinesisch d. = deutsch dn. = dänisch dor. = dorisch e. els. estn. eur.

= = = =

englisch elsässisch estnisch indogermanisch in Europa

fär. finn. finn.-kar. finno-ugr. fläm. fnhd. fr. friaul. frk. früh-rom. frz. g. gall. gallo-rom. georg. gr. grönländ. gt.

= = = = = = = = = = = = = = = = = =

färöisch finnisch (finnisch-)karelisch finno-ugrisch flämisch frühneuhochdeutsch friesisch friaulisch fränkisch frühromanisch französisch (gemein-) germanisch gallisch gallo-romanisch georgisch griechisch grönländisch gotisch

Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben

hd. hebr. hess. heth. hom. hunn.

= = = = = =

hochdeutsch hebräisch hessisch hethitisch homerisch hunnisch

i. = indisch ig. = (gemein-) indogermanisch ig.(eur.) = ig., nur europäisch ig.(oeur.) = ig., nur osteuropäisch ig.(weur.) = ig., nur westeuropäisch ig. (w./oeur.) = ig., westeuropäisch und osteuropäisch ill. = illyrisch indian. = indianisch ir. = irisch iran. = iranisch it. = italienisch ivr. = ivrit (neuhebräisch) jap. = japanisch javan. = javanisch kat. kelt. khotan. kirchen-l. korn. krimgt. kslav. kurd. kymr.

= = = = = = = = =

l. langobard. lett. lit. luv. lux.-lothr.

= = = = = =

katalanisch keltisch khotansakisch kirchenlateinisch kornisch krimgotisch kirchenslavisch kurdisch kymrisch (walisisch)

lateinisch langobardisch lett. lettisch litauisch luvisch luxemburgischlothringisch lyd. = lydisch lyk. = lykisch

XLII

maked. mal. malb. marokk. mbret. md. me. messap. mex. mgr. mhd. mi. mir. ml. mndd. mndl. mpers. mrhein. myk.

= = = = = = = = = = = = = = = = = = =

makedonisch malaiisch malbergische Glossen marokkanisch mittelbretonisch mitteldeutsch mittelenglisch messapisch mexikanisch (spanisch) mittelgriechisch mittelhochdeutsch mittelindisch mittelirisch mittellateinisch mittelniederdeutsch mittelniederländisch mittelpersisch mittelrheinisch mykenisch

nassau. ndd. ndl. ndn. ndrhein. ndsorb. ne. neo-kl. nfr. nhd. nir. nisl. nndl. nnorw. nnorw. (bokmål) nnorw. (nynorsk) nordd. nordfr. nordfrz. nordg. nordh. norw. npers. nschw. nsg.

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

nassauisch niederdeutsch niederländisch neudänisch niederrheinisch niedersorbisch neuenglisch neoklassisch neufriesisch neuhochdeutsch neuirisch neuisländisch neuniederländisch neunorwegisch neunorwegisch (bokmål) neunorwegisch (nynorsk) norddeutsch nordfriesisch nordfranzösisch nordgermanisch nordhumbrisch norwegisch (dialektal) neupersisch neuschwedisch nord- und südgermanisch

XLIII

Abkürzungen der Sprachbezeichnungen

ntl.-gr. = neutestamentlich griechisch nwfr. = neuwestfriesisch n./wg. = nordgermanisch und westgermanisch obd. obit. obrhein. obsächs. obsorb. oeur.

= = = = = =

ofr. ofrz. ojidd. omd. ondd. oobd. osk. osset. österr.

= = = = = = = = =

oberdeutsch oberitalienisch oberrheinisch obersächsisch obersorbisch osteuropäischindogermanisch ostfriesisch ostfranzösisch ostjiddisch ostmitteldeutsch ostniederdeutsch ostoberdeutsch oskisch ossetisch österreichisch

pers. pfälz.-frk. phön. phryg. poln. polyn. port. prov.

= = = = = = = =

persisch pfälzisch-fränkisch phönizisch phrygisch polnisch polynesisch portugiesisch provenzalisch

räto-rom. rhein. rheinfrk. rom. rotw. rum. runen-nord. russ. russ.-kslav.

= = = = = = = = =

räto-romanisch rheinisch rheinfränkisch rom. romanisch rotwelsch rumänisch runennordisch russisch russisch-kirchenslavisch

sächs. sard. schles. schlesw.-holst.

= = = =

sächsisch sardisch schlesisch schleswig-holsteinisch

schott.-e. schott.-gäl. schw. schwäb. schwz. semit. serb.-kslav. serbo-kr. singhal. skr. slav. slovak. sloven. sofrz. sorb. spae. span. spanord. spgr. spl. spmhd. spmnd. städt.

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

steir. südd. südod. südslav. sumer. syr.

= = = = = =

schottisch-englisch schottisch-gälisch schwedisch schwäbisch schweizerisch semitisch serbisch-kirchenslavisch serbokroatisch singhalesisch sanskrit slavisch slovakisch slovenisch südostfranzösisch sorbisch spätaltenglisch spanisch spätaltnordisch spätgriechisch spätlateinisch spätmittelhochdeutsch spätmittelniederdeutsch Großstadtwort, meist berlinerisch steirisch süddeutsch südostdeutsch südslavisch sumerisch syrisch

talmud-hebr. tamil. tarent. tat. thrak. tirol. toch. (A/B) türk.

= = = = = = = =

talmud-hebräisch tamilisch tarent. tarentinisch tatarisch thrakisch tirolisch tocharisch (A/B) türkisch

ukr. umbr. ung. urslav.

= = = =

ukrainisch umbrisch ungarisch (magyarisch) urslavisch

Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben

vd. ved. venet. venez.

= = = =

vordeutsch vedisch venetisch venezianisch

wallon. wd. westfäl. wfr. wg.

= = = = =

wallonisch westdeutsch westfälisch westfriesisch westgermanisch

XLIV

wgt. wind. wjidd. wmd. wndd. wobd. wogul. wruss. ws.

= = = = = = = = =

westgotisch westindisch westjiddisch westmitteldeutsch westniederdeutsch westoberdeutsch wogulisch wruss. westrussisch westsächsisch

XLV

Abkürzungen der Zeitschriften und Reihen

Abkürzungen der Zeitschriften und Reihen AANL

AASF

AAWG

AAWLM

AAWW

AB ABÄG ADA AGI AGMN

AGP ÅHVL

AIGK AION AION-G

AION-FG

Atti della Accademia Nazionale dei Lincei. Rendiconti della classe di scienze morali, storiche e filologiche, Serie VIII Suomalaisen Tiedeakatemian Toimituksia. Annales Academiae Scientiarum Fennicae Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Klasse Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, geisteswissenschaftliche Klasse Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Wien. Phil.Hist. Klasse Archiv für Begriffsgeschichte Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Literatur Archivio Glottologico Italiano (Sudhoffs) Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaft Archiv für die gesamte Psychologie Årsberättelse Humanistiska Vetenskapssamfundet i Lund. Bulletin de la société des lettres de Lund Akten des Internationalen Germanisten-Kongresses Annali, Istituto Orientale di Napoli Annali. Sezione Germanica 1(1958)–16(1973). N. S. seit 1(1991). Dazwischen: Annali. Sezione Germanica: Filologia Germanica 17(1974)– 21(1978), Annali. Filologia

AION-N

AION-SF AION-T

AION-L AJGLL

AJPh AK ALL ALLG ALV AM ANF AL AÖAW

APhS AR ARom ARPh ASAWL

Germanica 22(1979)– 30/31(1987/88) Sezione germanica. Studi nederlandesi, studi nordici 17(1974)– 21(1978). Studi nederlandesi, studi nordici 22(1979)–30(1987). Danach wieder mit AION-G vereinigt, aus dem dieser Teil abgespalten worden war. Annali. Studi Filosofici Sezione germanica. Studi tedeschi 22(1979)–33(1990), ebenfalls aus AION-G abgespalten und dann wieder damit vereinigt. Annali, Istituto Orientale di Napoli, sezione linguistica American Journal of Germanic Linguistics and Literatures. Honolulu (Hawai). American Journal of Philology Archiv für Kulturgeschichte L’analisi linguistica e letteraria Archiv für lateinische Lexikographie und Grammatik Archiv für Literatur und Volksdichtung Archiv für Musikwissenschaft Arkiv för nordisk filologi Anthropological Linguistics Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse Acta Philologica Scandinavica Archiv für Religionswissenschaft Archivum Romanicum Arbeiten zur romanischen Philologie Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig

Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben ASNSL ASp AuA

Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen American Speech Antike und Abendland

XLVI

BVSAW

BzN BBCS BBGS BDL BEDS BF BGDSL

BGDSL-H

BGDSL-T

BGT BHV BJ BKIS

BlW

BN BON BSL BSOAS BüM

Bulletin of the Board of Celtic Studies Bayerische Blätter für das Gymnasial-Schulwesen Blätter für deutsche Landesgeschichte Beiträge zur Erforschung der deutschen Sprache Beiträge zur Flurnamenforschung Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Halle (1 [1874]–76 [1955, recte: 1954]) Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Halle (77 [1955]– 100 [1979]) Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Tübingen (ab 77 [1955]) Beiträge zur Geschichte der Technik Bayerische Hefte für Volkskunde Bonner Jahrbücher des rheinischen Landesmuseums Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen (= „Bezzenbergers Beiträge“) Bibliographie zur lateinischen Wortforschung. (s. Abk. Bücher) Beiträge zur Namenforschung Blätter für oberdeutsche Namenforschung Bulletin de la Société Linguistique de Paris Bulletin of the School of Oriental and African Studies Bündnerisches Monatsblatt

Berichte über die Verhandlungen der sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, phil.hist. Klasse Beiträge zur Namenkunde

CL CM CoE

Cahiers de lexicologie Classica et Mediaevalia Comments on Etymology (Rolla, Missouri 1971 ff.)

DA

Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters Dictionnaire des étymologies obscures (s. Abk. Bücher) Deutsches Fremdwörterbuch (s. Abk. Bücher) Deutsche Lebensmittelrundschau Deutsche Literaturzeitung Deutsche Medizinische Wochenschrift Deutsche Sprache Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Dictionnaire des usages sociopolitiques (s. Abk. Bücher) Deutsche Wortforschung in Europäischen Bezügen Deutsche Zeitschrift für Philosophie

DEO

DF DLR DLZ DMW DS DVLG

DUSP

DWEB DZPh

ECl EG EOS ES

Les études classiques Etudes germaniques Elbostfälische Studien English Studies

FA FF FL FLH FS

Filologiskt arkiv Forschungen und Fortschritte Folia linguistica Folia linguistica historica Frühmittelalterliche Studien

XLVII

Abkürzungen der Zeitschriften und Reihen

GermL GL GGA GLL GLSt GR GRM GSt HBV HG HL HRG

HS HSCPh HSF HV HWPh

HZ IA IF IIJ IJAL IJVS

IL JACh JAOS JAWG JDA JEGP

Germanistische Linguistik General Linguistics Göttingische Gelehrte Anzeigen German life and letters Grazer Linguistische Studien The Germanic Review Germanisch-Romanische Monatsschrift Germanische Studien Hessische Blätter für Volkskunde Hansische Geschichtsblätter Historiographica Linguistica Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (s. Abk. Bücher) Historische Sprachwissenschaft Harvard Studies in Classical Philology Historische Sprachforschung Heimat und Volkstum Historisches Wörterbuch der Philosophie (s. Abk. Bücher) Historische Zeitschrift Indogermanischer Anzeiger Indogermanische Forschungen Indo-Iranian Journal International Journal of Applied Linguistics Innsbrucker Jahrbuch für Völkerkunde und Sprachwissenschaft Incontri linguistici Jahrbuch für Antike und Christentum Journal of the American Oriental Society Jahrbuch der Augustin WibbeltGesellschaft Jahrbuch des deutschen Alpenvereins Journal of English and Germanic Philology

JEL JGGB

JHI JIES JMU JNÖ JOV JÖV JRS JVNS

JWI

KN KS

KVNS

LÄGLOS

LB LBa LF Lg LiLi LM LP LS LSE LUÅ

Journal of English Linguistics Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte und Bibliographie des Brauwesens e. V. Journal of the History of Ideas The Journal of Indo-European Studies Jahrbuch des Marburger Universitätsbundes Jahrbuch für National-Ökonomie Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde Jahrbuch des Österreichischen Volksliederwerks The Journal of Roman Studies Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung Journal of the Warburg (and Courtauld) Institute Kwartalnik neofilologiczny Kleine Schriften (Schriftensammlung des betreffenden Verfassers) Korrespondenzblatt des Vereins für Niederdeutsche Sprachforschung (= NKB) Lexikon der älteren germanischen Lehnwörter in den ostseefinnischen Sprachen (s. Abk. Bücher) Leuvense Bijdragen Linguistique balkanique Listy filologické Language LiLi. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik Lexikon des Mittelalters (s. Abk. Bücher) Lingua Posnaniensis Lingua e stile Leeds Studies in English Lunds Universitets Årsskrift

Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben

XLVIII

NGH MAG MASO MDB MDU MH MlJ MhJ MLN MLQ MLR MM

MMW MNAW

MoH

MoS MS MSN MSS MUM MVGB MVSV

Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft Meijerbergs Arkiv för Svensk Ordforskning Mitteilungen aus der Deutschen Bibliothek Monatshefte für den deutschen Unterricht Museum Helveticum Mittellateinisches Jahrbuch Medizinhistorisches Journal Modern Language Notes Modern Language Quarterly Modern Language Review Münchener Museum für Philologie des Mittelalters und der Renaissance Münchner Medizinische Wochenschrift Mededelingen van de Nederlandse Akademie van Wetenschappen. Letterkunde Monatshefte. A journal devoted to the study of German language and literature (University of Wisconsin) Moderna Språk Muttersprache Mémoires de la société néophilologique Münchner Studien zur Sprachwissenschaft Mitteilungen des Universitätsbundes Marburg Mitteilungen des Vereins für Geschichte Berlins Mitteilungen des Vereins für Sächsische Volkskunde

NJ NJKA NKB NM NOWELE NPh NPhM NPhZ NS NSt NTF NTS NV NVRH

NW NZV

OLZ OZV

Orientalistische Literaturzeitung Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde

PhF PL PhJ PhW PIAC

Philologia Frisica Papiere zur Linguistik Philosophisches Jahrbuch Philologische Wochenschrift Permanent International Altaistic Conference (Bloomington) Publications of the Modern Language Association of America Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich: 1680–1820 (s. Abk. Bücher)

PMLA PSG

NAWG

NB

Nachrichten von der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Klasse. Nachrichten aus der neueren Philologie und Literaturgeschichte Namn och Bygd

Nachrichten der Gießener Hochschulgesellschaft Niederdeutsches Jahrbuch Neue Jahrbücher für das klassische Altertum Niederdeutsches Korrespondenzblatt (= KVNS) Niederdeutsche Mitteilungen North-Western European Language Evolution Neophilologus Neuphilologische Mitteilungen Neuphilologische Zeitschrift Nysvenska Studier Nietzsche-Studien Norsk Tidskrift for Filologi Norsk Tidsskrift for Sprogvidenskap Natur und Volk Nachrichten-Blatt für rheinische Heimatpflege (Nachrichten-Blatt des Verbandes der rheinischen Heimatmuseen) Niederdeutsches Wort Niederdeutsche Zeitschrift für Volkskunde

RBPhH

Revue belge de philologie et d’histoire. Belgisch tijdschrift voor filologie en geschiedenis

XLIX

Abkürzungen der Zeitschriften und Reihen

RCSF REA REI REL RF RFIC RGA

RH RHA RIL

RJ RJV RL RLR RMPh RV SAV SBAW

SBBA SC SCL SD SG SGG SG SHAW

SJ SLWU

Rivista critica di storia della Filosofia Revue des études anciennes Revue des études indo-européennes Revue des études latines Romanische Forschungen Rivista di filologia e di istruzione classica Reallexikon der germanischen Altertumskunde (s. Abk. Bücher) Romanica Helvetica Revue hittite et asianique Rendiconti dell’Istituto Lombardo di Scienze e Lettere. Milano. Classe di lettere e scienze morali e storiche Romanistisches Jahrbuch Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde Ricerche linguistiche Revue de linguistique Romane Rheinisches Museum für Philologie Rheinische Vierteljahresblätter Schweizerisches Archiv für Volkskunde Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse Sitzungsberichte der Berliner Akademie Studia Celtica Studii s¸ i Cercet˘ari Lingvistice Sprachdienst Studium Generale Studia Germanica Gandensia Sprache der Gegenwart Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil-hist. Klasse Schiller Jahrbuch Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterrricht

SM SMS SN SÖAW

SPAW

SS SSAWL

StG STZ SUSA

SW TLL TNTL TPhS TSZGK

TT UUÅ

UWT

VIDS

VL VM

Schweizer Monatshefte Studier i Modern Språkvetenskap Studia Neophilologica Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse Sprachspiegel Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig Studi Germanici Sprache im Technischen Zeitalter Suomalais-Ugrilaisen Seuran aikakauskirja (Journal de la Société Finno-Ougrienne). Helsinki Sprachwissenschaft Travaux de linguistique et de littérature Tijdschrift voor Nederlandse Taalen Letterkunde Transactions of the Philological Society Thüringisch-Sächsische Zeitschrift für Geschichte und Kunst Taal en Tongval Uppsala Universitets Årsskrift (Filosofi, Språkvetenskap och Historiska Vetenskaper) Die Umschau in Wissenschaft und Technik Veröffentlichungen des Instituts für Deutsche Sprache und Literatur (Deutsche Akademie der Wissenschaften Berlin) Vie et langage Verslagen en mededeelingen der koninklijke oraanische academie voor taal en letterkunde

Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben VR VWP

WBZDS

WB WF WJV WS WSt WW WZFSUJ

WZHUB WZUG

WZUH WZUL WZUR

ZADS ZAA ZAgAs ZCPh ZD ZDA ZDG ZDL

Vox Romanica Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Deutschen Sprachvereins Weimarer Beiträge Westfälische Forschungen Württembergisches Jahrbuch für Volkskunde Wörter und Sachen Wiener Studien Wirkendes Wort Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität Berlin Wissenschaftliche Zeitschrift der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Halle Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig Wissenschaftliche Zeitschrift der Wilhelm-Pieck-Universität Rostock Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie Zeitschrift für celtische Philologie Zeitschrift für Deutschkunde Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik

L

ZDM ZDMG ZDPh ZDS ZDU ZDV ZDW ZGL ZHM ZK ZKTh ZM ZN ZO ZPhAS

ZPhSK

ZRG ZRPh ZS ZSp ZSPh ZSSR-GA

ZSSR-RA ZSV ZV ZUL

Zeitschrift für deutsche Mundarten Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft Zeitschrift für deutsche Philologie Zeitschrift für deutsche Sprache Zeitschrift für den deutschen Unterricht Zeitschrift für deutsche Volkskunde Zeitschrift für deutsche Wortforschung Zeitschrift für germanistische Linguistik Zeitschrift für hochdeutsche Mundarten Zeitschrift für Kulturgeschichte Zeitschrift für katholische Theologie Zeitschrift für Mundartforschung Zeitschrift für Namenforschung Zeitschrift für Ortsnamenforschung Zeitschrift für Phonetik und Allgemeine Sprachwissenschaft Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung Zeitschrift für Religion und Geistesgeschichte Zeitschrift für romanische Philologie Zeitschrift für Slawistik Zeitschrift für Sprachwissenschaft Zeitschrift für slavische Philologie Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung (dieselbe) Romanistische Abteilung Zeitschrift des Sprachvereins Zeitschrift für Volkskunde Zeitschrift für die Untersuchung der Lebensmittel

LI

Abkürzungen der Zeitschriften und Reihen ZVPh ZVS

Zeitschrift für vergleichende Phonetik Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung (auf dem

ZVV

Gebiete der indogermanischen Sprachen) Zeitschrift des Vereins für Volkskunde

Abkürzungen und allgemeine Literaturangaben

LII

Abgekürzt zitierte Literatur

(Abgekürzt zitierte und systematisch ausgewertete Literatur. Regelmäßig benutzte Nachschlagewerke sind nicht genannt.) Abegg-Mengold, C.: Die Bezeichnungsgeschichte von Mais, Kartoffel und Ananas im Italienischen. Probleme der Wortadoption und -adaption. Bern 1979. Ader, D.: Studien zur Sippe von „schlagen“. Diss. Münster 1958. Adolf, H.: Wortgeschichtliche Studien zum Leib/Seele-Problem. Wien 1937. AIGK VII = Kontroversen, alte und neue: Akten des VII. Internationalen Germanisten-Kongresses 1985. Hrsg. von A. Schöne. 11 Bde. Tübingen 1986. Alanne, E.: Das Fortleben einiger mhd. Bezeichnungen für die Weinlese und Weinbehandlung am Oberrhein. Helsinki 1956. Albrecht, Th.: Schrank – Butze – Bett vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert am Beispiel der Lüneburger Heide. Petersberg 2001. Angstmann, E.: Der Henker in der Volksmeinung. Bonn 1928. Bachmann, K.: Der Einfluß von Luthers Wortschatz auf die schweizerische Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts. Freiburg/Br. 1909. Bader, K. S.: Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes. Weimar I(1957), II(1962), III(1973). Baetke, W.: Das Heilige im Germanischen. Tübingen 1942. von Bahder, K.: Zur Wortwahl in der frühneuhochdeutschen Schriftsprache. Heidelberg 1925. Bammesberger, A. (1979): Beiträge zu einem etymologischen Wörterbuch des Altenglischen. Berichtigungen und Nachträge zum Altenglischen etymologischen Wörterbuch von F. Holthausen. Heidelberg 1979. Bammesberger, A. (1999): Von Glocken und Grüßen und Glaubensboten aus Irland. In:

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Präposition, die in festen Wendungen ins Deutsche übernommen wurde. Im Deutschen produktiv geworden ist sie mit der Bedeutung ’zu je ..., mit je ...’ (20 m 2 a` 400 †). Seit dem 16. Jh. in der Kaufmannssprache, heute veraltend. Ebenso nndl. a`, ne. a`, nschw. a`, nnorw. a`. Die französische Präposition geht auf die im 6./7. Jh. lautlich zusammengefallenen lateinischen Präpositionen a(b) ’von − weg’ und ad ’hinzu’ zurück. – DF 1 (21995), 5–9.

a- Präfix per. bildg. (–). Zum Ausdruck des Gegenteils

Französischen (zuerst a` la mode, 17. Jh.), und dann im Deutschen (häufig ironisch) ausgedehnt (17. Jh., häufiger erst im 18. Jh.). Mit nicht-französischen Wörtern und Namen etwa bei Goethe (z.B. 1807 welche die Farben a` la Gildemeister sahen, d.h. ’farbenblind waren’; erste Belege schon im 18. Jh.). Ebenso nndl. a` la, ne. a` la, nschw. a` la, nnorw. a` la; Þa`. – DF 1 (21995), 6–9.

aa ([¤a¤a] (gewöhnlich mit dem Ton auf dem zweiten

a, auch a-a geschrieben, hypostasiert als Neutrum) Interj std. kind. (19. Jh. in der Schriftsprache, aber zweifellos älter). Lautgebärde für den Laut, der bei der Lösung der ’Darmpresse’ im Kehlkopf entsteht; dann übertragen auf die Ausscheidung. Vgl. l. caca¯re, gr. kakka´o, schwz. agge, gaggi, nhd. acke usw. (Lautgebärden, bei denen der Kehlkopflaut durch einen Tektal vertreten wird).

oder des Fehlens bei fremdstämmigen Adjektiven (und seltener Substantiven). Vor Vokalen hat es die Variante Þan- (Bildungen mit lautlichen Besonderheiten wie Anhydrid neben Hydrid und Arrhythmie neben ÞRhythmus gehen unmittelbar auf griechische Wörter mit speziell griechischen Lautregelungen zurück). Zugrunde liegt die griechische NegationsVgl. Þkacken. Vorsilbe in Nominal- (besonders Adjektiv-)BildunAal Sm std. (9. Jh.), mhd. a¯l, ahd. a¯l, as. a¯l. Aus g. *¢¯ lagen (gr. alpha stere¯tiko´n, l. alpha prı¯va¯tı¯vum), die in m. ’Aal’, auch in anord. a´ll, ae. ¢¯ l. Außergermanisch griechischen (häufig über das Lateinische überliefer(wie viele Fischnamen) nicht vergleichbar. Da l. anten) Wörtern in die Volkssprachen entlehnt wurde, guı¯lla f. ’Aal’ in den anderen indogermanischen Spraz.B. amorph ’gestaltlos’ (gr. a´morphos zu gr. morphe¯´ chen Europas Entsprechungen zu haben scheint, war ’Gestalt’), apathisch (gr. apathe¯´s ’gefühllos’ zu gr. wohl ursprünglich ein weiter verbreitetes Wort für pa´thos ’Leiden, Gefühl’; ÞApathie), ÞAnarchie (gr. ’Aal’ vorhanden (das möglicherweise zugleich anarchı´a ’Führungslosigkeit’ zu gr. a´narchos ’führer’Schlange’ bedeutete), so dass das germanische Wort los’ aus gr. archo´s, a´rcho¯n ’Führer’). Da das Bildungseine Neuerung sein muss (vielleicht um ’Schlange’ verfahren für Kenner des Griechischen durchsichtig und ’Aal’ eindeutig zu unterscheiden). Herkunft unblieb, konnten seit dem 19. Jahrhundert auch neoklar, vielleicht als ’der sich Windende’ zu der als ig. klassische (auch hybride) Neubildungen vorgenom*el(¡)- oder ig. *hel(¡)- ’biegen, krümmen’ anzusetmen werden (in diesen ist das Präfix bei adjektivizenden Wurzel (die aber nur sehr unsicher bezeugt schen Bildungen in der Regel betont). Eine Hybridist; ÞElle, ÞEll(en)bogen). Versuche weiterer Anbildung mit einem aus dem Lateinischen knüpfungen an das Hinterglied von l. anguı¯lla und gr. stammenden Adjektiv ist z.B. asozial, eine Substan´egchelys ’Aal’, sowie an das Vorderglied von heth. tivbildung ist Analphabet (ÞAlphabet); die Variante illuyankasˇ ’ein bestimmtes Schlangenungeheuer’ bei vor Vokal auch in anorganisch. Besonders produktiv Hirt und Katz. Nach Polome´ Substratwort. − Die in den Fachsprachen und in dem Typ ahistorisch, apoveraltete Bedeutung ’Falte im Stoff’ ist eine Übertralitisch usw. gung wie in ÞAalstrich. − Die Verkleinerungsform Das Präfix geht zurück auf ig. *n und ist unmittelbar mit d. ˙ ÞÄlchen auch in der Bedeutung ’kleiner Fadenwurm, 1 Þun- und l. in- (Þin- ) verwandt. – Wortbildung 3 (1978), Aaltierchen’. 183–185; Cottez (1980), 3; Lenz (1991); DF 1 (21995), 1–5. a` la Ptklgruppe std. stil. (19. Jh.). Mit der Bedeutung

Ebenso nndl. aal, ne. eel, nisl. a´ll. – Hirt, H. IF 22 (1907), 65–68; RGA 1 (1973), 4f.; EWahd 1 (1988), 133–135; LM 1 (1980), 4f.; Röhrich 1 (1991), 51–53; Polome´, E. C. in Lippi-Green (1992), 51f.; Katz, J. T. FS Watkins (1998), 317–334; EWNl 1 (2003), 66f.

’nach Art von...’, besonders bei Speisen und individuellen Kunststilen (eigentlich a` la mode de/du, deshalb können nach dem femininen Artikel auch Masaalen Vswrefl std. stil. (19. Jh.). Vermutlich, wie sich rekulina stehen: a` la diable usw.). Entlehnt aus dem keln zu ÞRekel ’großer Hund’, zu ÞAal als ’sich woh-

Aalquappe lig dehnen, winden’ nach den Bewegungen des Aals; vgl. ndn. slange sik ’sich aalen’ (zu ÞSchlange), nnorw. a˚le ’robben’, refl. ’sich schlängeln’ und die Herkunft von nhd. Þschlendern. Die Einengung auf ’in der Sonne faulenzen’ ist sekundär. Trost, F. KVNS 71 (1964), 13 (anders).

Aalquappe Sf ’Fisch aus der Ordnung der Dorsche, lota

lota’ per. fach. ndd. (16. Jh.). Dieser Fisch (mit zahlreichen verschiedenen regionalen Bezeichnungen) wird wegen seines (besonders im Liegen auffälligen) breiten Kopfes mit breitem Maul als ’Aal-Frosch/ Kröte’ u.ä. bezeichnet, vgl. Quabaal, nndl. kwabaal, nndl. puitaal zu puit ’Frosch’, ae. ¢lepute. Zu einer konkurrierenden Etymologie s. ÞQuappe; vielleicht liegt eine Vermischung oder Sekundärmotivation vor. ÞAalraupe.

Aalraupe Sf (dasselbe wie ÞAalquappe) per. fach. md.

(14. Jh., Form 17. Jh.). Zunächst bezeugt als aalruppe; die Form mit Diphthong, vielleicht in Anlehnung an das nicht verwandte Wort ÞRaupe, seit dem 17. Jh. Im Hinblick auf die Variante ÞRutte ist das Hinterglied wohl entlehnt aus l. rube¯ta ’Kröte’ (zum Benennungsmotiv ÞAalquappe). LM 1 (1980), 5.

Aalstrich Sm ’dunkler Streifen auf dem Rücken von

Säugetieren (besonders von deren Wildformen)’ per. fach. (19. Jh.), etwas früher bezeugt nndl. aalstreep (18. Jh.). Vergleichbar ist anord. a´ll als Bestandteil von Pferdenamen (z.B. mo´-a´lottr ’mit einem braunen Aalstreifen’ zu anord. mo´r m. ’Moor’, in Zusammensetzungen ’moorbraun’). So bezeichnet entweder nach der Form des Fisches ÞAal oder (weniger wahrscheinlich) nach den Rückenstreifen bestimmter Aale. Aar Sm erw. obs. (8. Jh.; heute durch ÞAdler ersetzt),

2

’Weihe, Milan’ (und ähnliche Greifvögel) und stirbt spätestens im 17. Jh. aus (z.T. noch erhalten in Zusammensetzungen wie Mausaar und Fischaar). Im 18. Jh. wird es in dichterischer Sprache wiederbelebt, wobei es zunächst noch durch Adler verdeutlicht werden muss. − Bei der niederdeutschen und niederländischen Bedeutung ’männlicher Vogel’ (mndd. duvarne ’Täuberich’ seit dem 15. Jh., nndl. [dial.] aorent ’Tauber’) handelt es sich wohl nicht um eine Bedeutungsentwicklung, sondern um eine Übertragung des männlichen Vornamens Arnold. Ebenso nndl. arend, ne. erne, nschw. örn f., nisl. örn f.; ÞSperber, ÞBussard. – Suolahti (1909), 345–352; Kluge (1912), 83–89; Kuhberg (1933), 32; EWahd 1 (1988), 341–344; Schmitt, R. FL 4 (1970), 179–181 (zu den Adler-Wörtern aus ig. *harg´-); Pijnenburg, W. J. J. LB 76 (1987), 305–314 (zum -d in der niederländischen Form, unwahrscheinlich); EWNl 1 (2003), 161f.

Aas Sn std. (8. Jh., Form 12. Jh.), mhd. a¯s, mndd. a¯s,

mndl. aes. Aus wg. *¢¯ sa- n. ’Aas (als Fraß, vor allem der Greifvögel), Köder’, auch in ae. ¢¯ s. In der heutigen Bedeutung geht das Wort zurück auf eine Zugehörigkeitsbildung voreinzelsprachl. *e¯dso- ’als Fraß dienend’ zu einem (wohl dehnstufigen) s-Stamm ig. (nordeur.) *e¯dos ’Essen, Fraß’ zu der Wurzel ig. *ed’essen, fressen’, vgl. lit. ˙e˜desis m. ’Fressen, Köder’, russ. jasa´ f. ’Speise’ und (aus *e¯ds-ka¯) l. ¯esca, lit. ˙eska` f. ’Futter’ (vielleicht auch akslav. jato n. ’Speise, Nahrung’ mit abweichendem Dental). Von der Normalstufe gr. ´edesma ’Speise’. Falls finn. ateria ’Mahlzeit’ aus einem sonst nicht bezeugten urnord. *a¯terjaentlehnt ist, zeigt dieses eine genaue Entsprechung zu lit. ˙e˜desis. Wohl ein unmittelbarer Nachfolger dieses s-Stammes ist zu sehen in anord. a´t, ae. ¢ ¯ t, afr. ¯et, as. a¯t, ahd. a¯z ’Speise’ (ahd. auch ’Aas’, wohl durch Vermischung mit der Weiterbildung). Die beiden Bildungen ahd. a¯s und ahd. a¯z mussten im Spätmittelhochdeutschen lautlich zusammenfallen, wobei sich die Bedeutung ’Aas’ durchsetzte (da bei Homonymen in der Regel die anstößigere Bedeutung stärker ist); die Bedeutung ’Speise’ ist aber noch im 17. Jh. (mundartlich auch noch später), sowie im heute verdunkelten Kompositum ÞObst und in dem veralteten ÞAser bezeugt.

mhd. are, arn, ahd. aro, arn, as. aro, arn. Aus g. *aro¯n, ar-n- m. ’Adler, großer Greifvogel’ (n-Stamm, teilweise erweitert), auch in gt. ara, anord. o¸rn, (poet.) ari, ae. earn. Mit ähnlicher morphologischer Unregelmäßigkeit heth. harasˇ (Gen. haranasˇ); vermutlich aus der gleichen Bildung, aber mit Dissimilationen und zum Teil (wohl sekundärem) Ebenso 1) (g. *e¯tsa-) nndl. aas. Vgl. anord. ¢zli n. ’Aas’ 2) (g. e-Vokalismus, stammen air. ilar, kymr. eryr; lit. ere˜lis, *e¯taz) ne. Pl. eats, nschw. (dial.) a˚t, nisl. a´t(a); Þaasen, Þatzen, akslav. orı˘lu˘; vorauszusetzen ist ig. *har-en- m. Þäsen. – Schindler, J. Sprache 9 (1963), 203–206; EWahd 1 ’Adler, großer Greifvogel’. Mit Rücksicht auf Wörter (1988), 406–408; LÄGLOS 1 (1991), 42f.; Röhrich 1 (1991), 53; für ’Adler, großer Greifvogel’, die auf ig. *harg´- zuEWNl 1 (2003), 81f. rückführen (ai. rji-pya´-, epitheton ornans zu ´syenaaasen Vsw ’vergeuden’ erw. vulg. (19. Jh.). 1. Zu ÞAas in ˙ ’Adler, Falke’ u.a.) vermutlich zu einer einfacheren der weitergehenden Bedeutung ’verwesendes Wurzelform von diesem. Zur Bedeutung vgl. gr. argo´s aasig ’schmutzig, Fleisch’, die sich in regionalem ’weiß glänzend’ und ’schnell beweglich’, vermutlich schmierig, widerlich’ und aasen ’schmutzige, schmiealso etwa ’aufblitzend’. Somit ist die Ausgangsbedeurige Arbeit tun’ zeigt. 2. Die moderne Bedeutung geht tung wohl ’der Aufblitzende, der sehr Schnelle’, was eher auf die Bedeutung ’Fressen für Tiere’ zurück und besonders auf den Falken zutrifft. − Das Wort wird ist mit dem schlecht abgrenzbaren Bereich Þäsen, seit dem 12. Jh. verdrängt durch die Verdeutlichung Þatzen zu verknüpfen. Bezeugt ist die Anwendung adel-are ’edler Aar’ (ÞAdler), bedeutet dann meist

-abel

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solcher Wörter besonders für Vögel und Schweine, abblitzen Vsw std. stil. phras. (18. Jh.;. meist in Verbindie beide beim Fressen in beträchtlichem Umfang dungen wie er ist abgeblitzt oder sie hat ihn abblitzen Futter verstreuen. Daraus in übertragenem Gebrauch lassen). Ursprünglich vom Schießpulver, das ver’vergeuden, verschleudern’. pufft, ohne den Schuss auszulösen; die übertragene Bedeutung ist aber früher bezeugt. Ein ähnliches Bild ab (als Präposition durch Þvon ersetzt) Adv/Präp std. bei der Schuss ist nach hinten losgegangen. (8. Jh.), mhd. ab(e), ahd. aba, as. af . Aus g. *ab(a) Þblitzen. – Röhrich 1 (1991), 54. Präp. mit Dat., Adv. ’von − weg’ (mit Betonung der Trennung), auch in gt. af (ab-u), anord. af, ae. of, afr. Abc (Abece) Sn ’Buchstabenreihe’ std. (8. Jh., Form af, of (der Auslautvokal im Althochdeutschen ist 13. Jh.). Die drei ersten Elemente stehen stellvertrenachträglich angetreten). Dieses aus ig. *apo ’von − tend für das Ganze; schon früher das sonst seltenere weg’ in l. ab, gr. apo´, ai. a´pa u.a. Entstehung dunkel. − ab(e)c(e)d(e) mit Abecedarium ’Fibel; Gedicht, in dem Zum Ausdruck von ’von − her’ (mit Betonung der jeder Vers mit dem nächsten Buchstaben des AlphaRichtung) diente gt. fram, ae. fram, anord. fra´ (lautbets beginnt’. Auch kürzer (vor allem norddeutsch) lich unregelmäßig) aus g. *frama(n) und ahd. fan(a), Abe (13. Jh.) mit Abebuch, auch A-Buch (vgl. ÞFibel). fon(a), as. fan(a), afr. fan aus wg. *fa-ne (mit sekunDer ältere und allgemeinere Ausdruck ist ÞAlphabet dären Erweiterungen), aus ig. *po-ne (einer Variante (s. auch ÞAbc-Schütz(e)). Ml. abcd, abecedarium u.ä. von ig. *apo mit einem Suffix zur Bezeichnung der erscheint erst spät und ist deshalb kein eindeutiges Herkunft). In der weiteren Entwicklung ist ab im Vorbild. Deutschen durch Þvon in der Funktion als PräposiEbenso nndl. abc, ne. abc, nfrz. abc, ndn. abc, nschw. abc, tion weitgehend verdrängt worden (noch erhalten rennorw. abc. – Röhrich 1 (1991), 55. gional schweizerisch und in Relikten wie Þabhanden Abc-Schütz(e) Sm std. (16. Jh.). Zuerst in dem Dimi’von den Händen weg’), während es als Adverb ernutiv ABC-Schützigen. Zusammensetzung von ÞAbc halten blieb (in dieser Funktion fehlt dafür von). und ÞSchütze im Sinn von ’Anfänger, Neuling’. DieWendungen wie ab Hamburg, ab Montag und Kinder ser seit dem 15. Jh. belegte Ausdruck bezieht sich auf ab zwölf Jahren sind jünger (19. Jh.) und aus von das Wort Schütze im Sinn von ’Schüler’ im abschätHamburg ab usw. verkürzt (vielleicht knüpfen sie zigen Sinn. Die Herkunft dieses Gebrauchs ist unklar. auch an den im Schweizerischen noch erhaltenen Mit dem Erstglied ist die ÞFibel gemeint. Vgl. Fibelist präpositionalen Gebrauch an). Als Präfix entwickelt in gleicher Bedeutung bei Luther. ab- aus der Grundbedeutung ’von − weg’ NebenbeNyström (1915), 196–205, 236–240. deutungen wie ’miss-, -los, wider-’ (ÞAbgott, abdanken Vsw std. (16. Jh.). Älter jemanden abdanken, ÞAbgrund, Þabhold, Þabschätzig). d.h. ’mit Dank verabschieden’ zu ÞDank. Der KonEbenso nndl. af, ne. of, off, nschw. av, nisl. af. S. Þaber, struktionswechsel konnte leicht eintreten, da das ÞOffsetdruck, Þabgeschmackt und die unter aber behandelten besonderen Bedeutungsentwicklungen. – Wellander, E.: Die Wort überwiegend in dem Partizip abgedankt verBedeutungsentwicklung der Partikel ab- in der mhd. Verbalwendet wurde. Ebenso nndl afdanken. komposition (Uppsala 1911); Henzen (1969), 218–273; Wortbildung 1 (1973), 175–177, 211–214, 293, 319–322, 354; EWahd 1 (1988), 5–8; McLintock, D. R. FS Schützeichel (1987), 1099–1106 (anders zu von: vereinfacht aus from); Röhrich 1 (1991), 53f.; EWNl 1 (2003), 102; zu von: EWahd 3 (2007), 466–468, 504–506.

abäschern Vswrefl ’sich abmühen’ per. ndd. md. wobd.

EWNl 1 (2003), 102 f.

Abdecker Sm ’Beseitiger, Verwerter von Tierkada-

vern’ per. arch. (16. Jh.). Eigentlich ’derjenige, der die Decke (= Haut) von einem eingegangenen Tier abzieht’. Vgl. Schinder (Þschinden), ÞRacker.

Abee Smn ’Abort’ per. wobd. (20. Jh.). Verhüllende um(17. Jh.). Zu äschern ’mit Asche auslaugen’ zu ÞAsche. gangssprachliche Abkürzung (= AB) für ÞAbort 1, Wohl zunächst nur abgeäschert ’erschöpft’ mit der nicht schriftsprachlich. gleichen Übertragung wie ausgelaugt (Þauslaugen), -abel Suffix per. bildg. (–). Zur Ableitung von Adjektidoch ist das Wort nur in der übertragenen Bedeutung ven der Möglichkeit aus Verben (vornehmlich solbezeugt. cher auf -ieren, das dabei als Adaptionssuffix ausfällt), z.B. akzeptabel ’kann akzeptiert werden’ Abbiss Sm (Pflanzenname) per. fach. (16. Jh.). Auch Teufels Abbiss. Der Wurzelstock sieht im Herbst wie (Þakzeptieren). Das Suffix wird in romanischen (bzw. abgebissen aus, was offenbar dem Teufel zugeschrieromanischstämmigen) Wörtern entlehnt (z.T. als frz. ben wurde. -able, -ible) und geht auf funktional entsprechendes l. -a¯bilis, -ı¯bilis zurück, ist aber wohl semantisch auch Þbeißen. – Sauerhoff (2001), 266 mit Anm. 176. von afrz. able (ne. able) ’geschickt, passend’ beeinabblasen Vst std. stil. (16. Jh.). Ursprünglich ’durch ein flusst, das auf l. habilis zurückgeht. Die Variante -ibel Signal der Blasinstrumente das Ende ankündigen’ tritt meist auf, wenn das Basisverb nicht auf -a¯re aus(Jagd, Militär); seit dem 20. Jh. allgemein für ’etwas geht, z.B. l. dispo¯nere − d. disponibel (Þdisponieren), unerwartet (und meist bevor es angefangen hat) ababer l. accepta¯re − d. akzeptabel. Heute in neoklassisagen’. Þblasen.

Abele

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schen Bildungen frei verfügbar. Die deutsche seman- Abendland Sn std. (16. Jh.). Gegensatzbildung zu nhd. tische Entsprechung ist Þ-bar. ÞMorgenland; ursprünglich fast nur im Plural, das Bestimmungswort mit der Bedeutung ’Westen’. ErWortbildung 3 (1978), 36f., 395f. satzwörter für ÞOkzident und ÞOrient. Seit dem Abele [a′be:l¡] Sf (wmd., wobd. dafür mit Unterdrü18. Jh. (nur deutsch) ideologisch gebraucht. ckung der ersten Silbe Belle, Bellenbaum) ’Weißpap-

Faber, R. FS Heinrich (1979), 140–150. pel’ per. arch. ndd. (14. Jh.), mndd. abele. Mit mndl. Abendmahl Sn ’Altarsakrament (evangelisch)’ std. abeel, nndl. abeel, ne. abele, ndn. abel entlehnt aus (15. Jh.). Eigentlich das Wort für ’Abendessen’, das afrz. aubel –, was ein vor- rom. *albellus voraussetzt, übertragen für die Feier des letzten Mahls Christi mit ein Diminutiv zu ml. albarus ’Weißpappel’, eigentlich seinen Jüngern gebraucht wird. Vorbild ist gr. deı˜p’weißlich’ (zu l. albus ’weiß’ und l. albulus ’weißnon kyriako´n, l. dominica coena, wörtlich ’Herrenlich’). S. ÞAlber und ÞAlbe 2 für weitere Zusammenmahl’. Luther hat nur den ersten Teil übersetzt. Im hänge. Deutschen wird in der Regel ein Wort gebraucht, das EWNl 1 (2003), 83. regional nicht gewöhnlich das Abendessen bezeichAbend Sm std. (9. Jh., abendstern 8. Jh.), mhd. a¯bent, net (neben Abendmahl vor allem Abendessen und ahd. a¯bend, as. a¯band, auch in afr. ¯evend. Aus wg. Nachtessen), so dass das religiöse Wort dadurch ge*¢ ¯ band(a)- m. ’Abend’. Ähnlich ae. ¢ ¯ fen, das wohl hobener wirkt. Im allgemeinen Gebrauch setzt sich aus der gleichen Grundform umgestaltet worden ist Abendmahl als Form Luthers durch. (etwa nach ÞMorgen, vgl. die Entsprechungen ne.

HWDA 1 (1927), 42–55; Besch, W.: Sprachlandschaft und morning − evening); stärker abweichend anord. Sprachausgleich im 15. Jh. (München 1967), 134–136. aptann aus *aftanþ(a)-, das Gotische hat andere Wörter. Zumindest im Nordischen bezeichnete das Abenteuer Sn std. (12. Jh.), mhd. a¯ventiure f. Als ritterliches Fachwort aus frz. aventure f. entlehnt. Das NeuWort ursprünglich die Zeit zwischen 3 und 9 Uhr trum dringt aus dem Mittelniederdeutschen ein. Zunachmittags; die Zeit des Sonnenuntergangs war grunde liegt ein ml. *adventu¯ra n. Pl. ’Ereignis’, PFut. anord. kveld (ÞKilt). In den neueren Sprachen wurde zu l. advenı¯re ’herankommen, sich ereignen’. im Nordischen kveld, sonst Abend verallgemeinert Ebenso nndl. avontuur, ne. adventure, nfrz. aventure, nschw. (nndl. avond, ne. evening, nschw. kväll, nisl. kvöld). äventyr, nisl. ¢vinty´ri. Zu Entlehnungen aus der Sippe des zuMit Rücksicht auf die Herkunft von frz. soir, it. sera f. grunde liegenden l. venı¯re ’kommen’ s. Þintervenieren. – Mül’Abend’ aus l. se¯rus ’spät’ und ntl.-gr. opsı´a f. ’Abend’ ler, C. ZDW 3 (1902), 251; Miettinen (1962), 20–63; Öhaus gr. opse´ ’spät’ ist für die germanischen Wörter mann, E. NPhM 64 (1963), 76; Haug, W. FS Eggers (1972), wohl von einer sonst nicht bezeugten nt-Bildung zu 88–125; Nerlich, M. Weimarer Beiträge 24 (1977), 160–171; einem Wort für ’spät(er)’ auszugehen, das unter Brandt, W. in Lendle (1986), 7–9; Classen (1995), 2–18; Þaber behandelt wird. Bildungen auf -nt- treten auch EWNl 1 (2003), 190f.; Lebsanft, F. Wortfeld, 311–337. sonst bei Wörtern für Zeitstufen auf, vgl. ai. hemanta´- aber Adv/Konj std. (8. Jh.), mhd. aber, afer, abe, ahd. ’Winter’, ai. vasanta´- ’Frühling’. Das -t- in anord. abur, abar, abo (-b-/-f-/-w-), mndd. afer. Bei den Foraptann beruht wohl auf dem Einfluss von Bildungen men (auch den nachfolgend verglichenen) stehen g. wie aptr ’zurück, wieder’ und aptan ’hinten’; das ¢ ¯ *abur- und g. *abar- nebeneinander, für die Bedeuder westgermanischen Formen ist unerklärt. Den tung ist zunächst von ’wieder, zurück, danach’ ausVersuch der Anknüpfung an idg. *ksep- ’Nacht’ unzugehen. Die außergermanischen Vergleichsmögternehmen Bjorvand/Lindeman (*kse¯p-ont  lichkeiten führen zunächst auf zwei Komplexe zu*se¯pont-; -s*se¯pont  -s ¯epont-) ohne ausreichende rück (die letztlich miteinander zusammenhängen Klärung der dabei auftretenden lautlichen Probleme. können), nämlich ig. *apo, *po ’ab, weg’ − ’zurück’ − − Die Bedeutung ’Vorabend’ (eines Festes) hängt dar’hinter’ und ig. *epi, *opi ’auf, zu, bei’. Das Problem an, dass nach alter Auffassung der Tag mit dem vorist nun, dass die r-Bildungen mit der Bedeutung angehenden Abend beginnt; vgl. für die Auffassung ’nach, zurück, hinter, wieder’ formal zu *epi/opi, seder Bibel 3. Mose 23, 32 und für das Germanische Tamantisch zu *apo zu gehören scheinen. Man wird citus Germania 11 und allgemein Wünschmann. − hier (nach Dunkel) dem semantischen ZusammenSeit dem 14. Jh. auch ’Westen’ durch Bedeutungsenthang den Vorzug geben − der lautliche Zusammenfall lehnung aus l. vesper. auf der Stufe *op- kann zudem (gerade im GermaEbenso nndl. avond, morphologisch abweichend ne. eve, evenischen) auch zu Vermischungen geführt haben. ning; Þaber, ÞSonnabend. – HWDA 1 (1927), 23–35; JohannisDiese r-Bildungen (und Verwandtes) sind: ai. a´parason, T. MASO 5 (1943), 50–75; Wünschmann (1966), 105–111; ’hinterer, späterer, nachfolgender’ (aus [ig.] *apero-, Johannisson, T. MASO 14 (1975), 24f.; Darms (1978), 77–80; *epero- oder *opero- [letzteres, falls das umstrittene Markey, Th. FS Gimbutas (1987), 299–321; EWahd 1 (1988), Brugmannsche Gesetz außer Betracht bleibt]); air. ´ıar 9–13; Röhrich 1 (1991), 55f.; Bjorvand/Lindeman (2000), 18–21; EWNl 1 (2003), 189f. ’nach, spät, hinten, Ende’ − vielleicht aus *epiro-, aber ganz unklar (für den e-Vokalismus ist zu bedenken, dass das Keltische auch sonst sekundären e-Vokalis-

abgefuckt

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mus zeigt; ÞAar); g. *afera- ’nach’, in gt. afar ’nach’ abfinden Vst std. (13. Jh., Standard 16. Jh.). Ursprüngund substantiviert in ae. eafora, as. abÐ aro ’Nachkomlich gerichtlicher Ausdruck (zunächst ndd.), zu (ein me’ (teilweise vielleicht g. *abur-); ein sicheres o- in Urteil) Þfinden, wobei zufinden ’jemandem etwas gr. o´pi(s)the(n) ’hinten’. Zu g. *abur- und ig. *[a]pudurch Urteil zusprechen’ − abfinden (mit Dt.) vgl. vor allem ai. pu´nar ’wieder, zurück, abermals’. ’jemandem etwas durch Urteil absprechen’. Dann Offenbar ist also schon die Vorform für das germa(mit Akk.) ’jemandes Ansprüche befriedigen’, wornische Wort nicht einheitlich, und so wird man auch aus die heutigen Bedeutungen. bei der Bedeutung mit Vermischungen rechnen dür- Abfuhr Sf std. phras. (19. Jh.). Nur noch in der Wenfen. Vgl. auch die Bedeutung ’wieder’ von hundert dung eine Abfuhr erteilen. Zu abführen im Sinn von und aberhundert, Þabermals und ähnlichen Ausdrü’unterweisen, dressieren’ (eigentlich ’einen Hund so cken; vielleicht auch das seltene anord. Präfix aur-, dressieren, dass er geführt werden kann’), dann auch das ungefähr ’hinterer, zweiter’ bedeutet (anord. aur’zurückweisen, vernichtend besiegen’ (vgl. jemandem bord Ñ ’zweite Planke vom Kiel eines Schiffes’, anord. eine Lektion erteilen). Das Substantiv wurde dann vor aurfalr ’unterer Beschlag des Speeres’). Eine besonallem in der Studentensprache gebraucht für die Niedere Bedeutung ’miss-’ findet sich in ÞAberglaube derlage eines Paukanten in der Mensur vor Ablauf und anderem; sie geht (wie bei der Kompositionsder festgesetzten Fechtzeit, was für die heutige Beform von ÞAfter) zurück auf eine Bedeutungsentdeutung bestimmend geworden ist. wicklung von ’hinter’ zu ’schlechter’. − Das b in den abgebrannt AdjPP std. stil. (17. Jh.). Das Verb abbrendeutschen Formen ist wohl durch den Tiefton benen (Þbrennen) wird im 16. Jh. metonymisch auf den dingt. Geschädigten übertragen (jemand brennt ab). Das S. einerseits Þab und andererseits ÞAbend, Þachter, ÞAfter, Partizip wird in der Bedeutung ’jmd., dessen Haus ÞEbbe, ÞUfer und Þäbich, sowie die hier folgenden Zusamdurch Feuersbrunst zerstört wurde’ lexikalisiert und mensetzungen. – Wolfrum, G., Ulbricht, E. BGDSL-H 81 bekommt im 30-jährigen Krieg die Bedeutung (1959), 215–241; Schmidt, G.: Studien zum germanischen Ad’verarmt’. Es wird dann in die Studentensprache im verb (Diss. Berlin 1962), 265f.; Bublitz, W. Akten des 11. LinSinn von ’ohne Bargeld’ aufgenommen und kommt guistischen Kolloquiums (Aachen 1977), 2, 199–209; Dunkel, G. E. ZVS 96 (1982), 66–87; Rosengren, I. FS Grosse (Göpvon dort in die Umgangssprache; gelegentlich literapingen 1984), 209–232; EWahd 1 (1988), 401–403; Röhrich 1 risch (Goethe). (1991), 56.

Aberglaube Sm std. (13. Jh.), mhd. abergloube. Mhd.

abergloube ist vor allem im Südwesten bezeugt, neben späterem Missglaube, Afterglaube u.a. Zusammensetzung mit Þaber, das aus ’nach, wieder, hinter’ zu ’neben-, schlechter’ und dann zu der abschätzigen Bedeutung kommen konnte. S. auch ÞAberwitz. – HWDA 1 (1927), 64–87; Öhmann, E. FS Krause (1960), 166–169; Harmening (1979); LM 1 (1980), 29–32 (zur Sache und zum geschichtlichen Hintergrund); Biedermann (1998), 15–17.

abermals Adv std. alt. (15. Jh.). Als abermal, -s, aber ein

mal zu der Bedeutung ’zurück, wieder’ von Þaber. Aberwitz Sm ’Unverstand, Verblendung’ erw. obs.

Röhrich 1 (1991), 57.

abgebrüht AdjPP std. stil. (19. Jh.). Verwendet wie

’hartgesotten’ (in übertragener Bedeutung); in der eigentlichen Bedeutung bezeugt seit dem 16. Jh. Andere Belege des 16. Jhs. (Fischart) lassen einen Zusammenhang mit ndd. brüen ’beschlafen’ (eigentlich bräuten, zu ÞBraut 1) vermuten (vgl. Þabgefuckt); doch handelt es sich möglicherweise um zwei verschiedene Bildungen. abgedroschen AdjPP std. (18. Jh.). Zu dem seit dem

16. Jh. bezeugten abdreschen in der Bedeutung ’Garben ausdreschen’, auch übertragen mit der Bedeutung ’herunterleiern’ (nach dem gleichmäßigen Rhythmus des Dreschens mit Flegeln). Abgedroschen ist dann das ausgedroschene Stroh, übertragen ’das, was durch vieles Herunterleiern abgenutzt ist’.

(14. Jh.), mhd. aberwitz f. ’Irresein’. Zusammensetzung aus ÞWitz in der alten Bedeutung ’Verstand’ und aber in der unter ÞAberglaube behandelten besonderen Funktion. Ein Einfluss von älterem abewit- abgefeimt AdjPP erw. stil. (15. Jh.). Zu dem veralteten ÞFeim ’Schaum’ gehört als Partikelableitung das Vsw. ze und a¯witze ist nicht ausgeschlossen. abfeimen ’den Schaum von etwas wegnehmen, reiniabfällig Adj std. stil. (18. Jh.). In der heutigen Bedeugen’. Zur Bedeutungsentwicklung des Partizips vgl. tung als Gegenwort zu beifällig gebraucht, wie neben Þraffiniert, Þausgekocht und mit allen Wassern gewaÞBeifall auch seltenes Abfall ’Missfallenskundgeschen. bung’ steht. Röhrich 1 (1991), 57. abfieseln Vsw ’abnagen’, weniger allgemein ’abfin-

gern, klauben’ erw. oobd. (19. Jh.). Zu nicht mehr üblichem fieseln ’nagen, abfasern’; dieses zu Fiesel ’Faser’ (ohne klare Etymologie, wohl Abwandlung eines mit ÞFaser verwandten Wortes).

abgefuckt AdjPP ’heruntergekommen’ per. grupp.

(20. Jh.). Abwertender, vulgärer Kraftausdruck der Jugendsprache. Nach dem Muster von Þabgedroschen, Þabgebrannt, abgeklappert, abgerissen, abgewichst u.ä. gebildet zu ne. fuck ’ficken’, das

abgekartet sonst aber nur als Interjektion, nicht als Verb, entlehnt wurde. Vielleicht nach seltenem ne. fucked up ’heruntergekommen’. Carstensen 1 (1993), 2.

abgekartet AdjPP Þabkarten. abgelegen AdjPP std. (16. Jh.). Zu abliegen (Þliegen) in

der Bedeutung ’entfernt sein’. Abgeordneter Sm std. (17. Jh.). Substantiviertes Parti-

6 abhanden Adv std. phras. (14. Jh.). Nur noch in der

Wendung abhanden kommen. Entsprechend zu zuhanden, Þvorhanden Zusammenrückung von ab und dem alten, umlautlosen Plural von ÞHand. Die zugrunde liegende Fügung ist schon althochdeutsch, die Zusammenrückung erfolgt etwa im 14. Jh., die umlautlose Form setzt sich erst im 18. Jh. allgemein durch. Entsprechend nndl. afhandig. – EWNl 1 (2003), 105.

zip des Präteritums von abordnen. So bezeichnet wer- Abhang Sm std. (15. Jh., aber erst im 17. Jh. gebräuchden zunächst Bevollmächtigte, die meist in Staatsanlich geworden). Das Adjektiv Þabhängig ’schräg abgelegenheiten zu Verhandlungen entsandt werden; fallend’ ist zunächst häufiger. Zu abhängen in der Bedanach ’Mitglied einer Volksvertretung’. deutung ’geneigt sein’. Þordnen.

abgeschieden AdjPP ÞAbschied. abgeschmackt AdjPP std. (16. Jh., Form 17. Jh.). Aus

etwas älterem abgeschmack der Form eines Partizips angepasst. Zusammensetzung aus geschmack ’geschmackvoll’ und ab in der Bedeutung ’-los, wider-’ wie in Þabhold. Vgl. auch fnhd. abschmecken ’widrig schmecken’. Þschmecken.

Abgott Sm ’Götze’ std. alt. (8. Jh.), mhd. abgot, ahd.

Þhängen.

abhängig Adj std. (15. Jh., Bedeutung 18. Jh., das

Grundwort abhängen in der Bedeutung ’abhängig sein’ seit dem 16. Jh.). Vermutlich Lehnbedeutung oder Lehnübersetzung zu l. depende¯re (unter Einfluss des Französischen?) und fnhd. dependieren. S. ÞAbhang für die ältere Bedeutung. abhauen Vsw ’sich davon machen’ std. stil. (9. Jh., Be-

deutung 20. Jh.). Zu Þhauen in der nicht mehr üblichen Bedeutung ’sich beeilen’, die vermutlich vom Reiten ausgegangen ist: ’auf das Pferd einhauen (mit Sporen und Peitsche), um es zu größerer Schnelligkeit anzutreiben’. Der Ausdruck wird im 20. Jh. in der Soldatensprache allgemein und gelangt von dort aus in die Umgangssprache.

abgot, abguti nm., as. afgod, afr. afgod. Die ursprüngliche Bedeutung ist ’Götterbild’, dann ’heidnischer Gott’. In diesen Bedeutungen bleibt das Wort ÞGott in allen germanischen Sprachen zunächst Neutrum (gt. galiuga-guþ, anord. god,Ñ ae. god). Die Zusammensetzung mit ab- bedeutet in gt. afguþs, spätem flämi- abhold Adj erw. obs. (14. Jh.). Aus Þhold und ab ’-los, schem afgod und nnorw. (dial.) avgud ’gottlos’ wider-, miss-’ wie in Þabgeschmackt. (= ’von dem Gott entfernt ist’). Bei der Substantivieäbich Adj ’abgewandt, verkehrt (von der linken Seite rung im Deutschen dürfte es sich um die gleiche Bilvon Geweben usw.)’ per. arch. reg. (8. Jh.), mhd. dung mit etwas anderem semantischem Bezug hanebich, ahd. abuh, as. abÐ uh. Aus n./wg. *abuha- Adj. deln (etwa ’von dem Göttlichkeit entfernt ist’ = ’der ’verkehrt’, auch in anord. o¸fugr; parallel (mit Ablaut kein Gott ist’, vielleicht ’der nicht der Gott selbst ist’). und mit g. -k-) ist gt. ibuks ’rückwärtsgewandt’. VerDie Bildungsbedeutung ist aber nicht ausreichend gleichbare außergermanische Bildungen sind akslav. klar. Seit dem 16. Jh., aber erst neuerdings allgemein, opaky ’wiederum, entgegengesetzt’ und ai. apa¯n˜cim übertragenen Sinn [wie ÞIdol] verwendet. ’rückwärts gelegen, hinten liegend’. Es handelt sich Ebenso nndl. afgod. Zur Bildung vgl. ÞAbgrund. – Wesche, H. um parallele Bildungen aus ig. *ap-o/u- (Þaber), BGDSL 61 (1937), 82–85; Karg-Gasterstädt, E. BGDSL 67 nicht notwendigerweise um Reflexe des gleichen (1944), 420–433; Campanile, E. Studi e Saggi linguistici 10 grundsprachlichen Wortes. Der Anlaut des meist nur (1970), 184–189; EWahd 1 (1988), 24; EWNl 1 (2003), 104. mundartlichen deutschen Wortes ist auch h- (unorAbgrund Sm std. (8. Jh., Form 14. Jh.), mhd. abgrunt, ganisches h), g- (Präfix ge-) und n- (m-) (falsche Abälter abgründe, ahd. abgrunt, umgeformt aus älterem lösung). Das Suffix ist schon früh den i -haltigen Sufahd. abgrunti, as. afgrundi. Auch ae. (spät und selten) fixen angepasst worden und hat deshalb Umlaut be¢fgrynde, aus wg. *af-grund-ja-; dieses ist wie gleichwirkt. bedeutendes gt. afgrundiþa f. Abstraktum zu einem vorauszusetzenden Adjektiv g. *af-grund-(u)’grundlos (= von dem der Grund entfernt ist)’ (ahd. als abgrundi bezeugt), vielleicht Lehnübersetzung von gr. a´byssos (zu gr. bysso´s m. ’Grund’). Ebenso nndl. afgrond; aus dem Mittelniederdeutschen entlehnt nschw. avgrund. – Doppler, M.: Der Abgrund (Graz 1968); HWPh 1 (1971), 6; EWAhd 1 (1998), 25f.; EWNl 1 (2003), 105.

Ebenso ne. awkward (aus dem Nordischen entlehnt), nschw. avig, nisl. öfugur. – EWahd 1 (1988), 33–36; Heidermanns (1993), 93f.

Abitur Sn std. (19. Jh.). Zu l. abitu¯rus ’einer, der weg-

gehen wird’, dem Partizip des Futurs von l. abı¯re ’weggehen’ wird im Schullatein des 17. Jhs. (über ein abitu¯rı¯re ’weggehen wollen’) abitu¯rie¯ns und im 18. Jh. in deutschen Texten Abiturient ’einer der weggehen will’ gebildet. Für die zuerst 1788 in Preußen einge-

abluchsen

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führte Abschluss-Prüfung bestehen mehrere Bezeichnungen, unter anderem seit dem 18. Jh. AbiturientenExamen(-Prüfung). Daraus wird im 19. Jh. zunächst die Kurzform Abiturium gebildet (in Analogie zu Physikum aus l. examen physicum); später auch Abitur. Also eigentlich ’Prüfung für den, der (von der Schule) weggehen will’. Heute vielfach in der Kurzform Abi.

entlehnung aus kirchen-l. indulgentia f. den Nachlass der zeitlichen Sündenstrafen (später speziell durch Ableistung guter Werke oder Geldzahlung an kirchliche Einrichtungen). Bei Luther ist das Wort nach niederdeutschem Sprachgebrauch ein Neutrum.

Ebenso nndl. abiturie¨nt, nschw. abiturient. L. abı¯re ’weggehen’ ist mit l. ab- ’von − weg’ präfigiertes l. ¯ıre ’gehen’. Zu Entlehnungen aus dessen Sippe s. ÞExitus. – DF 1 (21995), 13–16.

Ablativ Sm (Kasus zur Markierung der Herkunft, z.B.

abkanzeln Vsw std. stil. (17. Jh.). Zu ÞKanzel. Zunächst

’von der Kanzel herab öffentlich nennen (nicht notwendigerweise tadelnd)’, seit dem 18. Jh. in der verallgemeinerten Bedeutung ’scharf tadeln’. Röhrich 1 (1991), 57f.

abkarten (in abgekartetes Spiel u.ä.) Vsw

Ebenso nndl. aflaat. – LM 1 (1980), 43–46; Röhrich 1 (1991), 58; EWAhd 1 (1988), 26; EWNl 1 (2003), 106.

im Lateinischen) per. fach. (15. Jh., Form 18. Jh.). Zunächst in der lateinischen Form Ablativus entlehnt, dann endungslos. Aus l. (ca¯sus) abla¯tı¯vus ’der die Trennung ausdrückende Fall’, zu l. abla¯tus ’weggetragen, weggebracht’, dem PPP. von l. auferre, zu l. ferre ’tragen’ und l. ab- ’von − weg’. Ebenso nndl. ablatief, ne. ablative, nfrz. ablatif, nschw. ablativ. Zu Entlehnungen aus der Sippe des zugrunde liegenden Partizips la¯tum s. ÞPrälat. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 53.

’abmachen’ std. phras. (18. Jh.). Zu karten ’Karten spielen’, dann speziell ’eine Karte ausspielen’. Dieses ablaufen Vst (in der Wendung jemanden ablaufen lassen ’eine Abfuhr erteilen’) erw. stil. phras. (16. Jh.). Urvielfach übertragen für ’eine Sache einfädeln, sich sprünglich aus der Fechtersprache ’so parieren, dass etwas zurechtlegen’ (weil das Ausspielen einer Karte die Klinge des Gegners an der eigenen abgleitet’. Seit den weiteren Spielverlauf bestimmt, vgl. etwa ein dem 17. Jh. übertragen gebraucht. − Die Uhr/Zeit ist guter Schachzug im übertragenen Sinn); dann mit ababgelaufen wurde ursprünglich von der Sanduhr gezum Ausdruck des gemeinsamen Einfädelns einer Sasagt. che. Niekerken, W. FS Pretzel (1963), 369f. (anders).

Abklatsch Sm ’Nachbildung ohne eigenen Wert’ std.

stil. (19. Jh.). In der Druckersprache: ’von Hand hergestellter Bürstenabzug’, auch ’Kopie einer Inschrift durch Anpressen von nassem Papier’, von da aus übertragen. Zu klatschen (Þklatsch) im Sinne von ’geräuschvoll andrücken’. Vgl. frz. cliche´ ’Abklatsch, Abdruck’, das von einem entsprechenden nhd. klitschen, Klitsch übernommen ist (Þklitsch). Abkommen Sn std. (16. Jh., Bedeutung 17. Jh.). Wie äl-

Zu den Rang ablaufen s. ÞRank. – Röhrich 1 (1991), 58.

Ablaut Sm (ein Vokalwechsel) per. fach. (15. Jh.). Zu-

nächst gebraucht im Sinne von ’misstönend’, speziell, um den unregelmäßigen Vokalismus der starken Verben zu kennzeichnen. Dabei ist ab- im Sinne von ’abweichend vom Regelmäßigen’ zu verstehen. Von J. Grimm 1819 als grammatischer Terminus festgelegt. ÞLaut. – Schoppe, G. GRM 11 (1923), 184; RGA 1 (1973), 10–13; EWNl 1 (2003), 84.

Ableger Sm erw. fach. (18. Jh.). Zu ablegen, das in frü-

herer Zeit eine Reihe von Sonderbedeutungen hatte, teres Abkommung gehört es zu abkommen in der Beso auch ’Ausläufer bekommen, absenken’ im Gartendeutung ’sich von einer Verpflichtung, einer Schuld, bau. lösen, von einer Schuld wegkommen’ und bezeichnet ablehnen Vsw std. (16. Jh.). Zu Þlehnen 1. Zunächst in deshalb zunächst Vereinbarungen über Tilgungen der systematischen Bedeutung ’etwas Angelehntes und Erstattungen. Im 18. Jh. verschiebt sich bei Verb wegnehmen’ (nie in rein gegenständlicher Bedeutung und Substantiv die Bedeutung über älteres ’sich verbezeugt), z.T. von sich ablehnen, dann − wohl unter gleichen’ zu ’übereinkommen’ und ’Vertrag, ÜberEinfluss von l. de¯clı¯na¯re (das aber eher ’ablenken’ beeinkommen’. deutet) − ’abwehren, abschlagen’. abkratzen Vsw ’sterben’ std. vulg. (19. Jh.). Eigentlich Öhmann, E. NPhM 58 (1958), 1–3. ’sich mit einem ÞKratzfuß verabschieden’; dann abluchsen Vsw ’(mit List) wegnehmen, abschwat’sich davonmachen’. zen’ std. stil. (18. Jh.), ahd. [ar-]liuhhan (mit DiAbkunft Sf std. (17. Jh.). Abstraktum zu nicht mehr phthong statt Vokallänge), afr. lu¯ka. Ursprünglich üblichem abkommen ’abstammen’. niederdeutsches Intensivum zu mndd. luken ’ziehen, Þkommen. zupfen’, dieses aus wg. *leuk-a- ’rupfen’ auch in ae. Ablass Sm ’Erlass der Sündenstrafen’ erw. fach. (9. Jh.), lu¯can, afr. lu¯ka, aus ig. *leug´- in ai. ruja´ti ’zerbricht, mhd. abela¯z, ahd. abla¯z, mndd. afla¯t n., mndl. afla¯te. zerschmettert, zertrümmert’, lit. la´uzˇti ’brechen, aufDas Verbalabstraktum zu ablassen kann neben konbrechen’. Zur Bedeutungsentwicklung vgl. jemanden kreten Bedeutungen auch die Vergebung im christliÞrupfen, zur Form ndd. (Hildesheim) luckßen chen Sinne als Übersetzung von gr. a´phesis, l. remissio ’saugen (vom Kleinkind)’, wobd. (Elsass) liechsen (peccatorum) meinen. Seit dem 11. Jh. bezeichnet es ’Hanf raufen’. entsprechend der neuen Ablasslehre als BedeutungsJirlow (1926), 8; Niekerken, W. FS Pretzel (1963), 369f.

abmarachen abmarachen Vswrefl ’sich abquälen’ per. arch. (18. Jh.).

Ursprünglich ndd. Entstehung dunkel. Weissbrodt, E. ZDPh 64 (1939), 308 (= jiddisch); Wolf (1985), 31 (= jiddisch); Röll, W. AIGK VII, 5 (1986), 60f. (gegen jiddisch).

abmergeln Vsw Þausgemergelt. abmurksen Vsw std. vulg. (18. Jh.). Gelegentlich litera-

risch. Expressive s-Bildung zu ndd. murken ’töten’, dieses aus mndd. morken ’zerdrücken’. Vgl. zum Bedeutungsübergang mhd. zermürsen, zermüschen ’zerdrücken, ein Tier zertreten’. Vermutlich zu ig. *mer¡- ’zerdrücken’ in (spät-) anord. merja ’zerquetschen’, l. morta¯rium ’Mörser’, gr. maraı´no¯ ’ich reibe auf, vernichte’, ai. mrna¯´ti ’zermalmt’ (lautlich mehrdeutig). Vielleicht als˙ ˙Lautvariante genauer zu vergleichen mit ai. marca´yati ’beschädigt, versehrt’ (ai. marka´- m. ’Vernichtung, Tod’), l. murcus ’verstümmelt’. S. auch ÞMurk und Þmurksen.

abnorm Adj ’ungewöhnlich, unnatürlich’ erw. fremd.

(19. Jh.). Entlehnt aus l. abnormis ’von der Regel abweichend’ (zu l. ab- ’von − weg’ und l. no¯rma ’Regel, Norm’). Dazu seit dem 19. Jh. die neoklassische Erweiterung abnormal, wohl durch den Einfluss von anomal. Ebenso nndl. abnormaal, ne. abnormal, nschw. abnorm, nnorw. abnorm. – DF 1 (21995), 16f.

abonnieren Vsw std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. s’abon-

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Abort Sm ’Fehlgeburt’ per. fach. (14. Jh., Form 17. Jh.).

Als medizinisches Fachwort entlehnt aus l. abortus ’Fehlgeburt’, zunächst in lateinischer Form, dann endungslos. Das lateinische Wort ist ein Abstraktum zu l. aborı¯rı¯ ’vergehen, dahinschwinden’, speziell (zunächst unpersönlich) ’abgehen’, dann auch persönlich ’eine Fehlgeburt haben’, aus l. ab- ’von − weg’ und l. orı¯rı¯ ’sich erheben, hervorkommen’. Zu Entlehnungen aus dessen Sippe s. ÞOrient. Ebenso nndl. abortus, ne. abortion, nfrz. avortement, nschw. abort, nnorw. abort. – BlW 1 (1981), 48f.; DF 1 (21995), 22–24; EWNl 1 (2003), 84f.

abrackern Vsw ÞRacker. Abrakadabra Ptkl (Formelwort) std. (16. Jh.). Ein in

mehreren Sprachen bezeugtes Zauberwort, zunächst zur Abwehr gegen bestimmte Krankheiten; im Lateinischen seit dem 3. Jh. nachgewiesen. Über die Herkunft sind nur Spekulationen möglich. Ebenso nndl. abracadabra, ne. abracadabra, nfrz. abracadabra, nschw. abrakadabra, nnorw. abrakadabra. – HWDA 1 (1927), 95–97; Buchholz, W. Zeitschrift für Religion und Geistesgeschichte 8 (1956), 257–259; Barb, A. A. FS Deonna (Bruxelles 1957), 67–73; Brandenstein, W. Studies presented to J. Whatmough (s’Gravenhage 1957), 26f. (Herleitung aus dem Thrakischen ’Schaum und Asche’, vielleicht auch ’Nebel und Rauch’); BlW 1 (1981), 51; Röhrich 1 (1991), 58f.; DF 1 (21995), 26f.; Biedermann (1998), 17–19; EWNl 1 (2003), 85.

Abriss Sm std. (16. Jh., Bedeutung 19. Jh.). In der Be-

deutung ’kurze Zusammenfassung’ bezeugt seit dem ner bzw. abonner (eigentlich ’ausbedingen, festset19. Jh. Ursprünglich ein nur in den Umrissen entzen’), aus afrz. abosner ’abgrenzen’, zu afrz. bosne worfenes Bild, zu (ab-)reißen in der Bedeutung ’Grenzstein’ (später borne usw.). Das französische ’zeichnen’. Wort bedeutet unter anderem auch ’etwas im voraus Þreißen. bestellen’ und wird speziell in Bezug auf Zeitungen, kulturellen Veranstaltungen usw. verwendet. In die- abrupt Adj ’plötzlich, jäh’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus l. abruptus, dem PPP. von l. abrumpere ’abreisem Sinn wird es entlehnt. Die ursprüngliche Konßen, losreißen’, aus l. rumpere (ruptum) ’reißen, zerstruktion ist sich bei/auf etwas abonnieren (frz. abonbrechen’ und l. ab- ’von − weg’. ner quelqu’un a` quelque chose), dann im Deutschen Ebenso nndl. abrupt, ne. abrupt, nfrz. abrupt, nschw. abrupt, ohne französisches Vorbild transitiv geworden. Die nnorw. abrupt. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞRaub. alte Konstruktion ist heute nur noch in übertragener Þkorrupt, ÞEruption, ÞBankrott, ÞRotte, ÞRoute. – BlW 1 Bedeutung üblich (auf den Sieg abonniert usw.) Kon(1981), 56; DF 1 (21995), 27f.; EWNl 1 (2003), 85. kretum: Abonnement; Nomen Agentis: Abonnent (Anpassung von frz. abonne´, zunächst auch Abonnierter). Absatz Sm std. (14. Jh., Bedeutung 17. Jh.). In der Bedeutung ’Teil des Schuhs’ seit dem 17. Jh., ausgehend Ebenso nndl. zich abonneren, nschw. abonnera, nnorw. abonvon Absatz ’Abschnitt, Unterbrechung’, dann ’Stufe, nere. S. auch Þborniert. – Schirmer (1911), 4; DF 1 (21995), Podest’ u.ä. zu absetzen. 17–22; EWNl 1 (2003), 84.

Abort1 Sm ’Klosett’ erw. reg. (16. Jh., Standard 18. Jh.).

Þsetzen.

Hüllwort für älteres ÞAbtritt, aus Þab und ÞOrt als abschätzig Adj std. (15. Jh.). Zu abschätzen in der fachsprachlichen Bedeutung ’etwas als minderwertig ein’abgelegener Ort’; schon mndd. afort in dieser Bedeustufen und deshalb aus dem Verkehr ziehen (Müntung. Der Abtritt war ursprünglich ein Ort im Freien; zen, Brot u.ä.)’. er wurde dann überdacht und war, auch als er in das ÞSchatz. Wohngebäude einbezogen wurde, zunächst von den Wohnräumen möglichst weit entfernt. Mit Betonung Abschaum Sm std. (15. Jh.). Ursprünglich der sich beim des zweiten Gliedes (außer in der Schweiz) unter dem Sieden und Schmelzen bildende unreine Schaum, der Einfluss von ÞAbort 2 (oder mit verhüllender Entstelabgeschöpft wird. Rückgebildet aus abschäumen ’den lung durch Fremdwort-Betonung?). Schaum entfernen’ (das Verb wie abrahmen zu HWDA 1 (1927), 91–95; RGA 1 (1973), 15–18; Hiersche A (1986), ÞRahm 1, die Rückbildung auch in Abraum zu abräu13; Frey, M.: Der reinliche Bürger (Göttingen 1997).

absorbieren

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men). Vor allem übertragen gebraucht und in übertragener Bedeutung auch früher als in der eigentlichen Bedeutung bezeugt. ÞSchaum.

Abscheu Sm std. (16. Jh.). Rückbildung aus etwas älte-

Absicht Sf std. (16. Jh., Form 17. Jh.). Für älteres Abse-

hen, bei dem sich die Bedeutung ’Bestreben, Augenmerk’ aus konkretem ’Ziel, Visier’ entwickelte. Zu absehen ’eine Schusswaffe auf jmd. richten’ (daraus es auf jemanden oder etwas abgesehen haben). Das baugleiche absehen von etwas wohl unter dem Einfluss von lt. de¯spicere ’verachten, nicht beachten’.

rem abscheuen Vsw. ’zurückscheuen, sich entsetzen’ (heute ersetzt durch das denominale verabscheuen). Þsehen. – HWPh 1 (1971), 9–12; EWNl 1 (2003), 110. Die Rückbildung zeigt sich im maskulinen Genus, neben dem aber auch das feminine steht. Hierzu das Absinth Sm ’Wermutbranntwein’ per. fach. (19. Jh.). Adjektiv abscheulich. Entlehnt aus frz. absinthe f. (auch ’Wermut’), dieses Þscheu. – EWNl 1 (2003), 108. aus l. absinthium n. (und absinthia¯tum vı¯num Abschied Sm std. (15. Jh.), fnhd. abscheid und (seltener) ’Wermutwein’), dieses aus gr. apsı´nthion n. ’Wermut’ (und apsinthı´the¯s oı˜nos ’Wermutwein’). Die abschid zu fnhd. abscheiden ’weggehen’ (Þscheiden). Der Vokal des Partizips hat sich hier (im Gegensatz zu weitere Herkunft ist nicht sicher geklärt (vermutlich Bescheid; Þbescheiden) durchgesetzt. Vom Verbum ist aus einer Substratsprache entlehnt). noch das erstarrte Partizip Þabgeschieden ’zurückEbenso nndl. absint, ne. absinth(e), nschw. absint, nnorw. absint. – BlW 1 (1981), 65f.; Ntelopoulos, G. A. Glossologia 5–6 gezogen’ erhalten; vgl. auch die Abgeschiedenen ’die (1986–1987), 157–179; EWNl 1 (2003), 86. Toten’ (fnhd. abscheid häufig = ’Tod’). Denominal verabschieden Vsw. absolut Adj ’unbedingt, vollkommen’ std. (15. Jh.). Ebenso nndl. afscheid. – Röhrich 1 (1991), 60; EWNl 1 (2003), Entlehnt aus l. absolu¯tus ’losgelöst, unabhängig, in 107. sich abgeschlossen, vollständig’, dem PPP. von l. absolvere (absolu¯tum) ’lösen, entlassen, freisprechen, Abschlag Sm std. stil. (13. Jh., Bedeutung 16. Jh.). In den zum Abschluss bringen’ (Þabsolvieren). Auf die konkaufmännischen Bedeutungen ’Rechnungsabzug, kreten Verwendungsmöglichkeiten (in Politik, PhiTeilzahlung’ seit dem 16. Jh. bezeugt. Zu abschlagen, losophie usw.) hat auch die französische Entspredas schon mittelhochdeutsch übertragen für ’verrinchung absolu eingewirkt. Zum Begriff der absoluten gern’ in verschiedenen Anwendungsbereichen geMonarchie gehört die Weiterbildung Absolutismus. braucht wird (wenn man Teile von etwas abschlägt, Ebenso nndl. absoluut, ne. absolute, nfrz. absolu, nschw. absodann wird es kleiner). Þschlagen.

Abschreibung Sf erw. fach. (15. Jh., Bedeutung 19. Jh.).

lut, nnorw. absolutt. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 385; HWPh 1 (1971), 12–33; BlW 1 (1981), 68–75; Vierhaus, R.: Patriotismus (Göttingen 1987), 63–83; DF 1 (21995), 34–41; EWNl 1 (2003), 86.

Der heutige technische Sinn aus älteren Bedeutungen von abschreiben wie ’tilgen, löschen (aus Dokumenabsolvieren Vsw ’freisprechen, abschließen’ erw. fach. ten), abbuchen’. (13. Jh., ’zu Ende führen’, 16. Jh.). Entlehnt aus l. abÞschreiben. solvere, zu l. solvere (solu¯tum) ’lösen’ und l. ab- ’von − abschüssig Adj std. (16. Jh.). Zu Abschuss ’Abhang’, eiweg’. Der Bedeutungsübergang von ’lösen’ zu gentlich ’Stelle, von der das Wasser schnell abfließen ’beenden’ geht entweder über ’entlassen’ oder er be(abschießen) kann’. zieht sich auf das Ablösen des Werkstücks aus dem Þschießen. Herstellungsgerät nach der Fertigstellung. Das zugehörige Abstraktum ist Absolution (14. Jh.); Nomen absehen Vsw ÞAbsicht. Agentis: Absolvent; Partizip: Þabsolut. Abseite Sf ’Seitenschiff (einer Kirche); Nebenraum

Ebenso nschw. absolvera, nnorw. absolvere. Zur Sippe des zuunter der Dachschräge’ ndd. per. fach. (12. Jh.), mhd. grunde liegenden l. solvere gehören außer dem PPP. absolut absı¯te, mndd. afside ’Seitengewölbe’. Entlehnt aus kirnoch das PPP. Þresolut mit dem Abstraktum Resolution. Verchen-l. absı¯da ’Wölbung, Chorkapelle’ zu gr. apsı´s wandt ist gr. ly´ein ’lösen’, dessen Sippe unter ÞAnalyse aufge(apsı˜dos) ’Gefüge, Gewölbe’. Die Lautform ist angeführt ist. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þverlieren. – lehnt an Þab und ÞSeite; auch die niederdeutsche Röhrich 1 (1991), 61; DF 1 (21995), 48–54; EWNl 1 (2003), 86. Bedeutung steht wohl unter dem Einfluss dieses se- absorbieren Vsw ’aufsaugen’ erw. fremd. (17. Jh.). Entkundären Anschlusses. lehnt aus l. absorbe¯re, zu l. sorbe¯re ’schlucken, aufsauEbenso nndl. apsis, ne. apse, apsis, nfrz. abside, ndn. apsis. – gen’ und l. ab- ’von − weg’. Zunächst in die mediziEWahd 1 (1988), 30–32; BlW 1 (1981), 66f. nische Fachsprache entlehnt, dann Verallgemeineabseits Adv std. (17. Jh.). Neben diesseits, jenseits und rung der Bedeutung im 18. Jh. Heute auch übertragen wie diese ursprünglich ohne -s. Vielleicht in Anlehfür ’ganz in Anspruch nehmen’. Abstraktum ist nung an das ältere seitab, sonst unklar. Als FachausAbsorption. druck im Fußballsport (auch substantiviert, n.) im Ebenso nndl. absorberen, ne. absorb, nfrz. absorber, nschw. ab20. Jh. übersetzt das Wort ne. off side. sorbera, nnorw. absorbere. – BlW 1 (1981), 76f.; DF 1 (21995), Röhrich 1 (1991), 61.

54–58; EWNl 1 (2003), 86.

abspannen abspannen Vsw Þabspenstig. abspeisen Vsw std. phras. (16. Jh., Bedeutung 17. Jh.).

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nence. Adjektiv: abstinent; Täterbezeichnung: Abstinenzler (Hybridbildung).

Ebenso ne. abstinence, nfrz. abstinence. Zu Entlehnungen aus Vor allem in sich (nicht) abspeisen lassen. Ursprüngder Sippe des zugrunde liegenden l. tene¯re ’halten’ s. ÞTenor 1. – lich ’jemanden mit einer bestimmten Speise (einem Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 385; BlW 1 (1981), 86–94; DF 1 bestimmten Futter) ernähren’, dann − vor allem mit (21995), 58–62; EWNl 1 (2003), 86. lassen − verwendet für ’sich (nicht) mit etwas zufrieden geben’. Vielleicht bezieht sich die Redewendung abstrakt Adj std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. abstractus (eigentlich ’abgezogen’), dem PPP. von l. abstrahere auf den Brauch, seinem Freier durch das Vorsetzen ’abziehen, wegziehen’, zu l. trahere (tractum) bestimmter Speisen Annahme oder Ablehnung mit’ziehen, herleiten’ und l. ab- ’von − weg’. Das Gegenzuteilen. satzpaar abstrakt − Þkonkret geht auf den spätrömiEbenso nschw. avspisa, nnorw. avspise; ÞSpeise. – Röhrich 1 schen Philosophen Boethius zurück, wobei abstrakt (1991), 61f. das gr. ta` ex aphaire´seo¯s (Aristoteles) übersetzt; geabspenstig (in jemandem jemanden abspenstig machen) meint ist dabei eine für sich allein gedachte EigenAdj ’abgewandt’ std. phras. (14. Jh., Form 16. Jh.). Seit schaft, die aber gar nicht von einem Substrat getrennt dem 16. Jh. für älteres abspännig zu abspanen (abauftreten kann und deshalb von ihm ’abgezogen’ spenen) ’weglocken’ aus ahd. spanan, as. spanan werden muss. Verbum: abstrahieren ’auf das Begriff’locken’, spmhd. abspenen (abspanen) ’weglocken’; liche zurückführen’; Abstraktum: Abstraktion. Subdie heutige Form gehört zum (s)ti-Abstraktum (ahd.) stantivierung: Abstraktum ’das Abstrakte, Substantispanst ’Lockung’. Das Verbum aus wg. *span-a- Vst. vierung eines Verbs oder Adjektivs ohne Bedeutungs’locken’, auch in ae. spanan, afr. spona, (anord. spenja veränderung’. Vsw.), ohne klare Vergleichsmöglichkeit. Als GrundEbenso nndl. abstract, ne. abstract, nfrz. abstrait, nschw. abwort wird seit frühneuhochdeutscher Zeit abspannen strakt, nisl. afstrakt. Zur germanischen Verwandtschaft s. ’ausspannen’ verstanden, doch beruht dies auf sekunÞtragen. Zur Sippe von l. trahere ’ziehen’ gehören als Präfigiedärer Anlehnung. rungen attrahieren, Þsubtrahieren, extrahieren, Þkontrahieren ÞGespenst.

Abstand Sm std. (15. Jh.). In der eigentlichen Bedeu-

tung ’Entfernung’ und der übertragenen Bedeutung ’Verzicht’ (Abstand leisten) Verbalabstraktum zu mhd. abesta¯n ’abstehen, entfernt sein; überlassen, verzichten’. Dieses zu Þab und Þstehen bzw. ÞStand. abstatten Vsw std. phras. (16. Jh.). Meist nur in einen

mit ihren Abstrakta ÞAttraktion, Subtraktion und den Substantivierungen aus dem Partizip ÞExtrakt, Kontrakt − ebenso aus dem Simplex: ÞTrakt; über das Italienische: ÞTratte, über das Französische aus einem Partizip einer Präfigierung mit l. pro¯-: ÞPorträt. Auf Weiterbildungen aus der Form des Partizips gehen zurück: ÞTraktat und über das Französische Þmalträtieren (zu tracta¯re), ebenfalls aus dem Französischen ÞTrasse (aus *tractia¯re) und (über das Englische) Þtrainieren (*tragı¯na¯re). – HWPh 1 (1971), 33–66; Pfeifer, W. Philologus 123 (1979), 171f.; LM 1 (1980), 50–60; BlW 1 (1981), 94; DF 1 (21995), 62–74; EWNl 1 (2003), 86.

Besuch abstatten (oder Dank abstatten). Zu mhd. staten ’an seine Stelle bringen, zu etwas verhelfen’; dann auch sehr allgemein ’abfinden, entrichten’, zu ÞStatt abstrus Adj ’absonderlich’ erw. fremd. (17. Jh.). Ent(und Þausstatten, Þerstatten). lehnt aus l. abstru¯sus ’verborgen’, dem PPP. von l. Abstecher Sm std. phras. (17. Jh., Bedeutung 18. Jh.). In abstru¯dere ’verstecken, verbergen’, zu l. tru¯dere (tru¯der niederländischen Seemannssprache gibt es zu sum) ’stoßen, drängen’ und l. ab- ’von − weg’. Die nndl. afsteken ’(ein kleines Beiboot mit Hilfe des Bedeutungsverschlechterung von ’verborgen’ zu Bootshakens vom Schiff) abstoßen’ den Ausdruck ’absonderlich’ erst im Deutschen. een afsteker maken ’eine kurze Fahrt mit dem Beiboot Ebenso ne. abstruse, nfrz. abstrus, nschw. abstrus. Zur germamachen’ (nndl. steken im Sinn von ’stechen, stoßen, nischen Verwandtschaft s. Þverdrießen. – BlW 1 (1981), 95; DF 1 stochern’). Beides ins Deutsche entlehnt, wo das Sub(21995), 74. stantiv im 18. Jh. mit allgemeinerer Bedeutung in die absurd Adj ’widersinnig’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. Gemeinsprache gelangt, das Verb schon seit dem absurdus (eigentlich ’misstönend’), das zu einem 16. Jh., hochdeutsch 17. Jh. Eine entsprechende Belautmalerischen l. susurrus ’Zischen’ gestellt wird. deutung von Þstechen liegt vor bei in See stechen. Früher vor allem üblich in der Sprache von PhilosoAbstinenz Sf ’Enthaltsamkeit’ erw. fach. (13. Jh., Form phie und Logik (vgl. ad absurdum führen). Abstrak15. Jh.). In lateinischer Form entlehnt aus l. abstinentum: Absurdität. tia, einem Abstraktum zu l. abstine¯ns (-entis) Ebenso nndl. absurd, ne. absurd, nfrz. absurde, nschw. absurd, ’enthaltsam’, dem PPräs. von l. abstine¯re ’sich entnnorw. absurd. Zur germanischen Verwandtschaft s. halten’, zu l. tene¯re ’halten, festhalten’ und l. ab- ’von Þschwirren. – HWPh 1 (1971), 66f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 247f.; LM 1 (1980), 60; BlW 1 (1981), 99–101; Röhrich 1 (1991), − weg’; endungslos seit dem 15. Jh. Zunächst kirchli65f.; DF 1 (21995), 75–78; EWNl 1 (2003), 87. cher und medizinischer Fachausdruck; die Bedeutungsverengung auf alkoholische Getränke erfolgt Abszess Sm ’eitrige Geschwulst’ per. fach. (16. Jh.). EntMitte des 19. Jhs. unter Einfluss von ne. (total) abstilehnt aus l. abscessus (eigentlich ’Weggang, Abson-

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abwesend

derung’), zu l. absce¯dere ’weggehen, entweichen, sich Abteil Sn std. (14. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Von Sarrazin entfernen’, zu l. ce¯dere (cessum) ’weichen’ und l. ab1886 als Ersatzwort für ÞCoupe´ vorgeschlagen, und zwar als Maskulinum (wohl im Rückgriff auf älteres ’von − weg’. Gemeint ist die Absonderung des Eiters. Abteil m./n. ’Anteil, Apanage’, bezeugt seit dem Ebenso nndl. abces, ne. abscess, nfrz. abce`s, nschw. abscess, nnorw. abscess. Zur Sippe des zugrunde liegenden lateinischen 14. Jh., vor allem norddeutsch; es handelt sich dabei Verbs ce¯dere ’weichen’ gehören als tu-Stämme die Präfigierunum eine Rückbildung aus abteilen, parallel zu dem gen: Abszess, ÞExzess, ÞProzess und als zugehörige AdjektivAbstraktum Abteilung). Das Wort wird durch den Bildung Þsukzessiv. Abstraktbildungen sind ÞKonzession, offiziellen Gebrauch in Deutschland (mindestens zuÞProzession, ÞRezession, ÞSezession; von anderer Bildungsnächst nicht in der Schweiz und in Österreich) weise, zusammengerückt mit der Negation, l. necesse durchgesetzt, übernimmt aber von Coupe´ das neu’notwendig’, übernommen über das Französische in trale Genus (und meistens die Betonung auf der zweiÞNecessaire; als französische Bildung ÞProzedur. Zu einem ten Silbe). Partizip des Präsens ÞPräzedenzfall; und zu einer Adjektivbildung aus dem PPP. über das Französische: ÞAccessoires. – BlW 1 (1981), 57; DF 1 (21995), 78f.; EWNl 1 (2003), 83.

Abszisse Sf ’auf der X-Achse eines Koordinatensys-

abträglich Adj ’schädlich’ std. phras. (13. Jh., Bedeu-

tung 16. Jh.). Fast nur in einer Sache abträglich sein. In der heutigen Bedeutung seit dem 16. Jh. zu Abtrag ’Beeinträchtigung, Schädigung’; dieses zu abtragen, das zunächst ’wegtragen, stehlen, unterschlagen’, dann allgemein ’schädigen, zum Nachteil gereichen’ bedeutet. Frühere Belege für das Adjektiv gehen von anderen Bedeutungen des Verbs aus (’tilgend, entschädigend’).

tems abgetragene erste Koordinate eines Punktes’, auch ’X-Achse eines Koordinatensystems’ (kurz für Abszissenachse) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus neokl. (lı¯nea) abscissa ’die Abgeschnittene (Linie)’, zu l. abscindere ’abspalten, trennen’, aus l. scindere (scissum) ’zerreißen, spalten’ und l. ab- ’von − weg’. Gemeint sind zunächst Abschnitte in einem KoordinaÞtragen. tensystem, die sich durch eine Gerade schneidende abtreiben Vst ’eine Schwangerschaft abbrechen’ std. Parallelen ergeben, vor allem bei der Beschreibung (12. Jh., Bedeutung 16. Jh.). Zu den verschiedenen älvon Kegelschnitten. Die Terminologie ist aber bis ins teren Bedeutungen des Verbs (’vertreiben, hindern, 19. Jh. auch im Lateinischen uneinheitlich. L. abscissa fortnehmen, wegschwemmen’) gehört auch erscheint erst seit dem 17. Jh. und wird seit Leibniz ’absondern, ausscheiden’, etwa von Metallen, und (1675) als Fachwort anerkannt. Nach ihm setzt sich parallel hierzu ’eine Schwangerschaft abbrechen, eine einheitliche Terminologie für das Koordinateneinen Fötus ausscheiden’, auch ’Gallensteine usw. system durch. ausscheiden’.

Ebenso nndl. abscis, ne. abscissa, nfrz. abscisse, nschw. abskissa, Þtreiben. nnorw. abscisse. Zur germanischen Verwandtschaft s. Abtritt Sm ’Klosett’ per. arch. (16. Jh.). Eigentlich Þscheiden. – Schirmer (1912), 1; Tropfke, J.: Geschichte der Elementar-Mathematik VI (1924), 92–95, 116–119. ’Weggang, abgelegener Ort’ zu abtreten in der Bedeu-

tung ’weggehen’. Neuer austreten. Ältere Bedeutungen des Wortes (’Weggang, Rücktritt, Abfall’, seit dem mhd. abbet, ahd. abbat, mndl. apt, abt. Aus kirchen-l. 14. Jh.) sind wegen dieser ’negativen’ Bedeutung des abba¯s, Akk. abba¯tem; dieses aus ntl.-gr. abba˜; dieses Wortes später vermieden worden. aus aram. abba¯ ’Vater’ (ursprünglich Lallwort), zuVgl. ÞAbort 1, Þtreten. – LM 1 (1980), 65f. nächst entlehnt als Anrede für Gott im Gebet, dann seit dem 4. Jh. als Anrede und Titel angesehener abtrünnig Adj erw. obs. (9. Jh.), mhd. abetrünnec, ahd. ab(a)trunnı¯g. Neben mhd. abetrünne, ahd. abtrunni, Mönche gebraucht; im 7./8. Jh. vor allem durch die Benediktiner verbreitet. Frühe Entlehnung auch in aus dem es wohl umgebildet ist. Dieses ist vermutlich afr. abbed, ebbede; ae. abbad, ne. abbot. Aus dem AltAdjektiv-Bildung oder Nomen Agentis mit der Beenglischen weiterentlehnt nschw. abbot und nisl. deutung ’Weggelaufener, Überläufer’. Bildungstyp (anord.) a´bo´ti (umgedeutet zu ’Verbesserer’, zu der unklar. Das Grundwort wird unter Þentrinnen behandelt. Sippe von Þbüßen). Hierzu Abtei, mhd. abbeteie, ahd. abbateia aus kirchen-l. abba¯tia (ahd. abbateia zeigt Heidermanns (1993), 605f. eine frühe Entlehnungsform des Suffixes, später an abwegig Adj std. stil. (15. Jh.). Zu Abweg ’Irrweg’ (auch das aus dem Französischen kommende -ı¯e angegli’Seitenweg’) neben adverbialem ab weg ’neben dem chen); und Äbtissin, mhd. eppetisse, ahd. abbatissa aus Weg, beiseite’ (ÞWeg), also ’irrig’ (auch ’abliegend, kirchen-l. abba¯tissa. Die pleonastische Erweiterung umständlich’). mit Þ-in 1 (wie in Prinzessin, Diakonissin) seit dem abwesend AdjPP std. (9. Jh., Form 15. Jh.). Notker (um 15. Jh. 1000) übersetzt l. abesse ’fern sein, fehlen’ mit ahd. Ebenso nndl. abt, ne. abbot, nfrz. abbe´, nschw. abbot, nisl. abawesen. Während die finiten Formen keine große a´bo´ti. – EWahd 1 (1988), 19–23; LM 1 (1980), 60–63; BlW 1 (1981), Rolle spielen, werden im Laufe der Zeit die Nomi18f.; EWNl 1 (2003), 87. nalformen wichtig: Seit dem 14. Jh. abewesen, im

Abt Sm ’Vorsteher eines Mönchsklosters’ std. (9. Jh.),

abzapfen 16. Jh. zu Abwesenheit verdeutlicht (vgl. zur Bildung Unwissenheit, Wohlhabenheit); im 15. Jh. zunächst ndd. afwesend, bald darauf auch oberdeutsch. ÞWesen, ÞAnwesen, Þanwesend. – Röhrich 1 (1991), 63. Vgl. nndl. afwezig. EWNl 1 (2003), 110.

abzapfen Vsw ’durch Wegnehmen eines Zapfens aus-

laufen lassen’ std. (16. Jh.). Von Anfang an übertragen gebraucht (Blut, Geld abzapfen); ÞZapfen.

12 Achat Sm (Halbedelstein) per. fach. (12. Jh., Form

15. Jh.). In lateinischer Form entlehnt aus l. acha¯te¯s, dieses aus gr. acha¯´te¯s; endungslos seit dem 15. Jh. Die weitere Herkunft ist nicht sicher geklärt. Eine ältere Entlehnungsform ist agat (12. Jh.). Ebenso nndl. agaat, ne. agate, nfrz. agate, nschw. agat, nnorw. agat. – Lüschen (1979), 163f.; EWahd 1 (1988), 87; EWNl 1 (2003), 110.

abzocken Vsw. ’jemanden (betrügerisch) um sein Geld Achel Sf ’Granne, Abfall (von Flachs und Hanf)’ per.

bringen, jemanden ausnehmen’ per. grupp. (20. Jh.). Aus ab- und zocken ’Glücksspiele machen’, hier bezogen auf betrügerische Geschicklichkeitsspiele. Die Bedeutung ist dann verallgemeinert worden zu ’jemanden ausnehmen’. Wie bei abgefeimt, ausgekocht usw. wird das passive Partizip auch zur Bezeichnung der aktiven Fähigkeit benützt und bedeutet in der Jugendsprache ’taktisch geschickt, kühl abwägend’. Neuer Wortschatz (2004), 1.

abzwacken Vsw Þzwacken. Accessoires (Aussprache überwiegend [asεsoa´r], ver-

arch. (15. Jh.). In seiner späten Bezeugung als niederdeutsche Aussprache von agel gleicher Bedeutung erklärbar. Allerdings ist ahd. einmal eine Variante ahil zu ahir (ÞÄhre) bezeugt, so dass eine alte, nicht literarisch gewordene Form nicht auszuschließen ist. Vorauszusetzen ist auf jeden Fall wg. *agilo¯(n)- f. ’Granne’ in ae. egl(e), ndd. agel, egel, wozu die althochdeutsche Form (wenn sie echt ist) eine Form ohne grammatischen Wechsel und evtl. der Suffixform -ula- wäre. Dieses ist eine l-Ableitung zu ig. *ak´’spitzig’, wie etwa auch l. aculeus ’Stachel’, bulg. osı´l ’Granne’ (akslav. osla ’Schleifstein’), ohne dass eine gemeinsame Vorform vorausliegen muss.

mutlich durch den Einfluss von ÞNecessaire) Spl erw. Ebenso ne. ail; ÞÄhre. – EWahd 1 (1988), 105–107; BlW 1 (1981), fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. accessoires, zu frz. 294 (zu l. acus ’Spreu’). accessoire ’zusätzlich’. Dieses aus ml. accessorius acheln Vsw ’essen’ per. grupp. (16. Jh.). Das Wort war in ’zusätzlich’, zu l. accessus, dem PPP. von l. acce¯dere den Hausierersprachen geläufig. Aus rotw. acheln, zu ’hinzukommen’, aus l. ce¯dere (cessum) ’gehen, treten’ wjidd. achlen ’essen’, dieses aus hebr. a¯kal ’essen’. und l. ad- ’hinzu’; als Wort der Mode seit dem 20. Jh. ¯ Küpper 1 (1955), 37; Wolf (1985), 32. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. ce¯dere s. Achillesferse Sf ’schwacher Punkt’ std. bildg. (19. Jh.). ÞAbszess. Nach der griechischen Sage war der Held Achill(-eus, Ebenso nndl. accessoires, ne. accessories, nschw. accessoarer. – -es) nur an einer Stelle seines Körpers, nämlich der DF 1 (21995), 82–84; EWNl 1 (2003), 88f. Ferse, verwundbar (weil ihn seine Mutter als Kind an ach Interj std. (10. Jh.), mhd. ach, ahd. ah, mndd. ach, der Ferse gehalten hatte, als sie ihn durch Eintauchen mndl. ach, nndl. ach ’ach’. auch nschw. ack, ndn. ak. in das Wasser des Styx unverwundbar machen wollUnklar ist der Zusammenhang mit ähnlichen Interte). jektionen außergermanischer Sprachen, vor allem lit.

Ebenso nndl. achilleshiel, ne. Achilles’ heel, nschw. akilleshäl, a`k ’ach’ und air. uch, och, ach ’ach, weh’, und mit dem nnorw. akillesh¢l. – DF 1 (21995), 84f.; Röhrich 1 (1991), 63f.; starken Verb ae. acan ’schmerzen’ (ne. ache EWNl 1 (2003), 91. ’Schmerz, schmerzen’). Schon in frühmittelhochdeutscher Zeit auch substantiviert, heute z.B. noch in Achse Sf std. (9. Jh., vorausgesetzt schon im 8. Jh.), mhd. ahse, ahd. ahsa, as. ahsa. Aus wg. *ahso¯ f. mit Ach und Krach (ursprünglich ’mit Ächzen und ’Achse’, auch in ae. eax; daneben die l-Bildung *ahKrächzen’, dann auf eine Situation bezogen, in der sula- (o.ä.) in anord. o¸xull; im Gotischen ist ein Wort dies auftritt, ’mit knapper Not’). dieser Bedeutung nicht bezeugt. Außergermanisch ist Þächzen. – Schwentner (1924), 17f.; EWahd 1 (1988), 98f.; das Wort gut vergleichbar, zeigt aber auch dort keiRöhrich 1 (1991), 63; EWNl 1 (2003), 91. nen einheitlichen morphologischen Bau. Am weitesAch(e) Sf ’Wasserlauf’ per. arch. (8. Jh.), mhd. ache, ten verbreitet ist ig. (eur.) *a´k´si- in l. axis m., lit. asˇ`ıs, ahd. aha, as. aha. Aus g. *ahwo¯ f. ’Wasserlauf’, auch in aruss. osı˘ in gleicher Bedeutung; daneben *a´k´so- in ai. afr. a¯, ¯e, ae. ¯ea, anord. a´, o¸, gt. a§a; dieses aus ig. a ´ ks a-; *a´k´so¯n in gr. a´xo¯n, myk. a-ko-so-ne; eine (mor(weur.) *ak wa¯ (oder eher *¡k wa¯) ’Wasser, fließendes ˙ phologisch nicht ausreichend klare) l-Bildung auch Wasser’, auch in l. aqua. Vielleicht hierzu als Denoin kymr. echel. Lautlich und semantisch verwandt minative: heth. ekuzi ’bekommt Wasser, trinkt’, toch. sind die Wörter für ’Achsel’. Die BildungverschieAB yok- ’trinken’. Das Wort ist seit mittelhochdeutdenheit der Wörter weist zurück auf **ak´s, das eine scher Zeit nur noch mundartlich und (häufig) in endungslose (etwa lokativische) Bildung zu einem Namen bezeugt, gelegentlich wiederbelebt. ´es- sein kann. In Frage s-Stamm **ag ´ esoder **ak Ebenso nschw. a˚, nisl. a´. S. ÞAu und die Bildungen auf Aqua-. – kommt vor allem ein Anschluss an **ak´(es)- ’Spitze, Darms (1978), 25–33; EWahd 1 (1988), 99–103; Bader, F. FS Granne’ (vgl. dazu ÞEcke und ÞHorn), wenn die Polome´ 2 (1992), 380–405; EWNl 1 (2003), 65.

Acht1

13

Achse als Spitze aufgefasst wurde, an der das Rad auf- acht AdjNum std. (8. Jh.), mhd. aht, ahd. ahto, as. ahto. gehängt wird; als mögliche Weiterbildung **[a]k´er-d/ Aus g. *ahtau, auch in gt. ahtau, anord. a´tta, ae. eahta, afr. achta; dieses aus ig. *ok´to¯u ’acht’ in ai. asta´u, lit. t- ist zu beachten l. cardo, ae. heorr, anord. hjarri ˙˘˙ ist se’Türangel’ (das anlautende s- von ahd. scerdo, scerdar asˇtuonı`, gr. okto¯´, l. octo¯, air. ocht; akslav. osmı kundär umgeformt. Der auffällige Wortausgang lässt ’Türangel’ müsste dann, falls zugehörig, sekundär sich als Dualform erklären; das zugrunde liegende sein). Bereits alte Anwendungsbereiche sind Wort müsste dann eine Bedeutung wie gr. palaste¯´ ’Radachse’, ’Achsel’ und wohl auch ’Zentrum des Sternenhimmels, Erdachse’. ’(Handfläche), Breite von vier Fingern’, avest. asˇtay’kleines Längenmaß’ (avest. uz-asˇtay- ’Länge von 8 Ebenso nndl. as, nschw. axel (morphologisch abweichend), nisl. öxull (morphologisch abweichend), ne. axle (aus dem Fingerbreiten’) gehabt haben. Diese Wörter könnten Nordischen entlehnt); ÞAchsel. – Reichelt, H. WS 12 (1929), zugleich das gesuchte Grundwort enthalten (avest. 112–114; Darms (1978), 143–157; LM 1 (1980), 78; Hamp, E. P. asˇtay- und eventuell der zweite Bestandteil von gr. ZVS 95 (1981), 81–83; EWahd 1 (1988), 113f.; Röhrich 1 (1991), palaste¯´); andere Versuche knüpfen an das Zahlwort 64; EWNl 1 (2003), 168. Þvier (ig. *k wetwo¯r) an oder an eine Wurzel ig. *ok´Achsel Sf std. (8. Jh.), mhd. ahsel, ahd. ahsala, as. ahsla. ’spitzig’ (mit einer Bedeutung ’Spitzenreihe’, nämlich Aus g. *ahslo¯ f. ’Achsel’, auf das auch anord. o¸xl (feder 4 Finger der ausgestreckten Hand), s. zu dieser mininer i-Stamm) und ae. eaxel, afr. axle zurückfühWurzel unter ÞEcke. − Die Ordnungszahl (der) achte ren können; im Gotischen ist ein Wort dieser Bedeuzeigte ursprünglich eine Silbe mehr: mhd. ahtede, tung nicht bezeugt (nur gt. amsa ’Schulter’). Die in ahd. ahtodo, as. ahto¯˘do, vgl. gt. ahtuda. Diese dreisildiese Sippe einzuordnenden Zugehörigkeitsbildunbige Form ist seit mittelhochdeutscher Zeit verkürzt gen mit Vriddhi gehen von einer Form ohne l aus: worden; die Langform stirbt im 16. Jh. aus. ahd. uohasa (u.a.), mhd. uohse; ae. o¯custa (u.a.), Ebenso nndl. acht, ne. eight, nschw. a˚tta, nisl. a´tta; ÞOktober. Zu Achtel s. ÞTeil, zu achtzig s. Þ-zig. – Muller, F. IF 44 (1926), anord. o´st ’Achselhöhle’, selten auch ’Fittich’, anord. 137f.; Güntert, H. WS 11 (1928), 142; Henning, W. B. TPhS ’Halsgrube’. Danach zu schließen bekam die voraus(1948), 69; Ebbinghaus, E. A. BGDSL 72 (1950), 319f.; Rosenzusetzende ig. Form **ak´s ’Achse’ (ÞAchse) im Gerfeld, H.-F. WZUG 6 (1956/57), 208; Bailey, H. W. Asia maior. manischen und Lateinischen eine l-Bildung, die auf A British Journal of Far Eastern Studies 7 (1959), 23; Szemedie Bezeichnung der Achsel spezialisiert wurde: re´nyi, O.: Studies in the Indo-European System of Numerals neben dem angeführten g. *ahslo¯ ist zu nennen l. a¯la (Heidelberg 1960), 173; Shields, K. Diachronica 2 (1985), ’Flügel’ (aus *ak´sla¯) und das Diminutiv l. axilla 189–200, bes. 192f.; Meyer/Suntrup (1987), 565–580; EWahd 1 ’Achselhöhle’. Im Nordischen hat die l-Bildung das (1988), 121–124; Schmid, W. P.: Wort und Zahl (Mainz 1989); Grundwort in der Bedeutung ’Achse’ verdrängt; der Ross/Berns (1992), 588f., 601f., 618f.; EWNl 1 (2003), 91. Unterschied zwischen anord. o¸xull und anord. o¸xl Acht1 Sf ’Friedlosigkeit’ erw. obs. (11. Jh., ächten 8. Jh.), dürfte darauf beruhen, dass die Körperteilbezeichmhd. a¯ht, œhte, ahd. a¯hta, mnl. achte. Aus wg. *a¯hto¯ f. nung auf eine Dualform zurückgeht. Im Germani(älter *anhto¯) ’Friedlosigkeit’ auch in ae. o¯ht, afr. schen gab es für die Bedeutung ’Achsel’ und weiteres acht(e). Dazu das Verbum ächten, mhd. ahten, œhten, auch eine Zugehörigkeitsbildung mit Vriddhi. Entahd. a¯hten, as. a¯htian, ae. ¢ ¯ htan, afr. achta, echta. Die sprechende Körperteilbezeichnungen außerhalb des Acht (Friedlosigkeit) wurde von einem weltlichen Germanischen und Lateinischen sind ai. a´ksa-, das Gericht verhängt. Der so Verurteilte konnte straflos ˙ außer ’Achse’ auch ’Schlüsselbein’ (gewissermaßen getötet werden. Im Mittelalter steht neben der weltdie Fortsetzung des Achselgelenks, vgl. fnhd. achsellichen Acht der kirchliche ÞBann (vgl. in Acht und bein entsprechender Bedeutung) bedeutet, entspreBann tun). Außergermanisch kann das Wort mit chend wohl auch das avest. Hapax asˇa- (kaum einer Reihe von lautlich und semantisch ähnlichen ’Achsel’, wie meist aus etymologischen Erwägungen Wörtern verglichen werden, doch ist der Zusammenangesetzt wird); und arm. anowt ’Achselgrube’ hang in allen Einzelfällen unsicher und unklar. Vgl. (morphologisch unklare Zugehörigkeitsbildung); einerseits air. ´echt (aus *anktu-) ’Mord, Totschlag’, vielleicht auch air. ais ’Rücken’ (wenn ursprünglich auch ’Erschlagener’, wobei das Wort auch antizipa’Achsel’). Da die Herleitung des Wortes Achse aus torisch gebraucht werden kann, und heth. henkan ’Spitze’ nur für die Radachse, nicht aber für die Ach’Seuche, Tod’ (ig. *henk-), andererseits gr. ana´nke¯, sel zutrifft, hat hier die technische Bezeichnung das air. ´eicen, kymr. angen ’Zwang, Notwendigkeit’, l. neWort für einen Körperteil geliefert (s. zu dieser Frage cesse ’notwendig’. auch ÞNabe und ÞNabel). Ebenso nndl. acht. – Polome´, E. RBPhH 30 (1952), 462f.; ÖhEbenso nschw. axel, nisl. öxl, nndl. oksel ’Achselgrube’ (lautlich von außerhalb beeinflusst). – Reichelt, H. WS 12 (1929), 112–114; Darms (1978), 143–157; LM 1 (1980), 78; Hamp, E. P. ZVS 95 (1981), 81–83; EWahd 1 (1988), 113f.; Röhrich 1 (1991), 64.

mann, E. NPhM 66 (1965), 517–519; LM 1 (1980), 79–81; EWahd 1 (1988), 118–120; Röhrich 1 (1991), 65; von Künssberg, E.: Acht (Weimar 1910; zur Sache); DRW I (1914–1932), 361–370 (zur Sache); EWNl 1 (2003), 91f.

Acht2

14 2

Acht (in ’sich in Acht nehmen, außer Acht lassen’ usw.)

zugrunde liegende Verb ig. *ag´- bedeutete wohl urSf ’Obacht’ std. alt. phras. (9. Jh.), mhd. aht(e), ahd. sprünglich ’sammeln’ und hatte ein Abstraktum ig. ahta. Aus wg. *ahto¯ f. ’Beachtung’ (u.ä.), auch in ae. **ag´er- ’das Sammeln’ (vgl. gr. ageı´ro¯ ’versammle’, gr. eaht, afr. achte. Hierzu das Verbum achten ’beachagre´o¯ ’greife’); hierzu ig. *ag´r-o´-s m. ’Ort, wo das ten’, mhd. ahten, ahd. ahto¯n, as. ahto¯n, afr. achtia, ae. Sammeln stattfindet’, wozu weiter ig. *ag´ro-noeahtian. Hierzu vielleicht ohne Dentalerweiterung gt. ’Sammelfrucht’ (ÞEcker) und gr. a´grios ’wild wachaha ’Sinn, Verstand’, gt. ahjan ’meinen’. Wegen der send, wild’. Sekundär ist die Bedeutung des Verbs zu wenig prägnanten Lautform ist die weitere Herkunft ’Tiere sammeln, treiben, jagen’ weiterentwickelt worunklar: Für die t-Bildungen könnte ein Anschluss an den, die Bedeutung von ig. *ag´ros zu ’Ort, wo gesamdie Sonderbedeutung ’wiegen, (er)wägen’ bei der melt, geerntet wird’, von da aus zu ’Acker’. Wurzel ig. *ag´- ’bewegen, treiben’ erwogen werden Ebenso nndl. akker, ne. acre, nschw. a˚ker, nisl. akur. Zu den Entsprechungen in Entlehnungen s. Þagrar und ÞAgronom. – (z.B. l. exigere u.a. ’abwägen, erwägen, prüfen’, gr. Reichelt, H. ZVS 46 (1914), 309–311; Fränkel, H. Gnomon 4 a´xios aus *akti-o- ’wert, würdig’), doch müssten dann (1928), 566f.; Ungnad, A. Language 13 (1937), 142–145; Trier, J. die Bildungen ohne -t- abgetrennt werden. Ein mögBGDSL 67 (1944), 126; Chantraine, P.: Etudes sur le vocalicher Anschluss ist auch ig. *ak´- ’scharf, spitzig’ bulaire grec (Paris 1956), 33–40; Mehl, E. MS 71 (1961), 375f.; (ÞEcke) mit übertragener Bedeutung. Zu der BedeuBlW 2 (1984), 125–130 (ager); Anttila, R. SUSA 80 (1986), tung ’(hoch) achten’ passt an sich gr. o´knos m. 15–27; EWahd 1 (1988), 40–42; EWNl 1 (2003), 116. ’Zögern, Scheu’ semantisch sehr gut, doch stimmt das nicht zum sonstigen Bedeutungsumfang der ger- Ackermännchen Sn ’Bachstelze’ per. md. ndd. (16. Jh.). Der Vogel heißt danach, dass er im Frühjahr dem manischen Wörter. Ein sekundärer Zusammenfall Pflug folgt, um Nahrung zu finden. von (ig.) *ak´- ’spitzig, scharfsinnig’ und (ig.) *ok’scheuen’ kann dabei erwogen werden. ad- Präfix (bei Verben mit der Bedeutung ’hinzu’) per. bildg. (–). Sekundär erscheint das Präfix auch in deEbenso nndl. acht; ÞAchtung, ÞObacht. – Öhmann, E. NPhM verbalen Adjektiven und Substantiven. Es wird in la66 (1965), 517–519; EWahd 1 (1988), 116–118; EWNl 1 (2003), 91. teinischen und romanischen Wörtern entlehnt, ist achten Vsw ÞAcht 2. vielfach analysierbar, aber sehr selten produktiv. Es ächten Vsw ÞAcht 1. geht auf funktional entsprechendes l. ad- zurück und achter Adv ’hinter’ per. ndd. (10. Jh., Standard 18. Jh.), erscheint in verschiedenen Assimilationsformen: Als mndd. achter, mndl. achter, nndl. achter. Niedera- vor sc, sp, st (z.B. ÞAspirant; es gibt aber auch Fälle deutsch für after, seit dem 18. Jh. auch in hochdeutohne Angleichung, z.B. Adstringens); als ac- vor c (vgl. schen Texten. ÞAccessoires), in den romanischen Sprachen auch vor qu-, wo aber in der Regel im Deutschen ak- auftritt ÞAfter, Þaber. – EWNl 1 (2003), 92. (z.B. Þakkurat, Þakzeptieren, Akquisition); als af- vor Achtung Sf std. (9. Jh.), mhd. ahtunge, ahd. ahtunga, f (z.B. ÞAffix); als ag- vor g (z.B. Agglutination); als mndd. achtunge, andfrk. ahtinga, mndl. achtunge. al- vor l (z.B. ÞAllianz); als an- vor n (z.B. ÞAnnonce); Verbalabstraktum zu Þachten, das dessen Grundwort als ap- vor p (z.B. Þappellieren); als ar- vor r (z.B. 2 ÞAcht abgelöst hat. ÞArrest, es gibt aber Ausnahmen); als as- vor s (z.B. Bayer, H. WW 28 (1978), 401–422; EWAhd 1 (1988), 128. Þassoziieren, ohne Angleichung neo-kl. Adsorption); ächzen Vsw std. (14. Jh.), mhd. achzen, echzen. Abgeleials at- vor t (z.B. ÞAttraktion). In Neubildungen nur tet von Þach mit dem Suffix -z(en), also eigentlich selten und in der Regel ohne Assimilation (etwa ’ach sagen, stöhnen’. ÞAdrenalin, Adstringens). Acker Sm std. (8. Jh.), mhd. acker, ahd. ackar, as. ackar. Cottez (1980), 8; Schmidt (1996), 71f.; EWNl 1 (2003), 96. Aus g. *akraz ’Acker’, auch in gt. akrs, anord. akr, ae. adagio Adj ’langsam’ (Musiktempo) per. fach. (17. Jh.). ¢cer, afr. ekker, westgermanisch mit Gemination des Entlehnt aus it. adagio; die Substantivierung mit der k vor r; aus ig. *ag´ros m. ’Feld’ in ai. a´jra- ’Fläche, Bedeutung ’langsamer Satz’ im 18. Jh. It. adagio aus Ebene’, gr. agro´s ’Feld, Land’, l. ager ’Feld, flaches ad agio ’mit Gemächlichkeit, gemächlich’ zu it. agio Land’. Das Wort wird normalerweise als ro-Ableitung ’Gemächlichkeit, Ruhe usw.’; dieses aus l. adiacens zu *ag´- ’treiben, lenken’ gestellt, unter der Voraus’naheliegend, bequem’ zu l. iace¯re ’liegen’ (’umliesetzung, dass die Ausgangsbedeutung ’Weide’ war gend’ = ’mit Spielraum’). (vgl. ÞTrift zu Þtreiben), die sich dann zu ’Acker’ entEbenso nndl. adagio, ne. adagio, nfrz. adagio, nschw. adagio, wickelte. Sachlich und semantisch ist diese Annahme nnorw. adagio. – DF 1 (21995), 88–90. unbefriedigend. Der Versuch von Trier, von einem r/ Adam Sm erw. grupp. (12. Jh., als Appellativ). In der n-Stamm *ag´er/n- ’umhegter Platz’ (in gr. ago¯´n Bibel Name des ersten Menschen, zugleich hebräi’gehegter Kampfplatz’ und gr. agora¯´ f. ’Versammsches Wort für ’Mensch, Mann’ (hebr. a¯da¯m). Seit lungsort’) auszugehen, liegt semantisch näher, ist ¯ dem 12. Jh. verschiedene Wortverwendungen, die aber nicht ausreichend gesichert. Vermutlich ist mit meist unmittelbar von Bibelstellen abhängen: der alte stärkeren Bedeutungsentwicklungen zu rechnen: Das

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Adam nach Röm. 6,6; den alten Adam ausziehen nach Kol. 3,9 u.a. Geläufig seit Luther. Ebenso nndl. Adam, ne. Adam, nfrz. Adam, nschw. Adam, nisl. Adam; ÞAdamsapfel. – Röhrich 1 (1991), 66f.; DF 1 (21995), 90–94.

Adamsapfel Sm ’Schildknorpel beim Mann’ std.

Ebenso ne. add, nschw. addera, nnorw. addere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. dare s. ÞDatum. – Schirmer (1912), 2; DF 1 (21995), 102–106

addio, ade Grußformel Þadieu. -ade Suffix (für Konkreta) erw. bildg. (–). Aus den ro-

manischen Sprachen, besonders dem Französischen, (18. Jh.). Die Bezeichnung tritt zuerst im 15. Jh. im entlehnt in Wörtern wie ÞMarmelade, ÞParade, ProGebiet der romanischen Sprachen auf. Älter (und menade (Þpromenieren), Kanonade (ÞKanone). Selentsprechend weit verbreitet) ist die Bedeutung ten produktiv geworden (Blockade; Þblockieren), ’Granatapfel’ (deutsch 14. Jh.), auch als Bezeichnung dann in Namensableitungen wie Robinsonade). Häubestimmter Apfelsorten (hier hat das Kompositionsfiger ist die Variante -iade (Olympiade), die auch in glied Adam- eine ähnliche Funktion wie ÞParadiesHybridbildungen auftritt. Das Suffix stammt im weund soll nur die Vorzüglichkeit der Frucht hervorsentlichen aus l. -a¯tus, ursprünglich to-Ableitung von heben). Da in arabischen medizinischen Schriften der a¯-Verben. Schildknorpel als ’Granatapfel’ bezeichnet wird Adebar Sm ’Storch’ erw. obs. ndd. wmd. (11. Jh.), mhd. (po¯mum gra¯na¯tum n. in der lateinischen Übersetodebar u.ä., ahd. otibero u.ä., mndd. adebar u.ä., zung), wurde dies bei Adamsapfel auf dem Wege der mndl. odevare u.ä., nwfr. earrebarre, eibert. Ein vor Lehnbedeutung in den europäischen Sprachen nachallem westniederdeutsches, aber auch in angrenzengeahmt. Durch Ausdeutung dieser Bezeichnung entden Gebieten bezeugtes Wort für ’Storch’. Das offensteht dann die Herkunftslegende, dass diese beim bar schon früh undurchsichtig gewordene Wort Mann besonders stark hervortretende Erhöhung an wurde verschiedenen lautlichen Umgestaltungen der Kehle der dem Adam im Hals stecken gebliebene und Umdeutungen ausgesetzt. Sicher von Einfluss Bissen des verbotenen Apfels im Paradies sei (in der war die Deutung als ’Glücksbringer’ (zu g. *audaBibel ist im Übrigen nur allgemein von einer Frucht ’Heil, Glück’ und *ber-a- ’tragen, bringen’; die Rede). Das seit dem 19. Jh. als Quelle angegebene Þgebären); vgl. zu dieser auch die Verdeutlichung mit hebr. tappu¯ ah ha a¯da¯m (eigentlich ’Erhöhung beim ¯ ˙ ¯ Þheil in ndl. dial. heil-uiver; doch scheint auch dies Mann’ umgedeutet zu ’Apfel des Adam’) ist im Hebereits eine Umdeutung zu sein. Das Hinterglied bräischen selbst nicht nachweisbar. Erst modern kann zu *ber-a- ’tragen, bringen’ oder (mit niederunter Einfluss der europäischen Sprachen hebr. deutscher Inlautsentwicklung des f ) zu *far-atappu¯ ah ha a¯da¯m rı¯ˇso¯n ’Apfel des ersten Menschen’. ¯Ebenso ˙nndl. Adamsappel, ¯ ’fahren’ gehören; das Vorderglied ist unklar − ein ne. Adam’s apple, nfrz. pomme Wort für ’Sumpf’ (Adebar also als ’Sumpfgänger’, was d’Adam, nschw. adamsäpple, nisl. adamsepli. – EWNl 1 (2003), sachlich nahe liegen würde) lässt sich nicht ausrei96f. chend sichern. Zu erwägen ist eine Anknüpfung an adaptieren Vsw ’anpassen’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt die Partikel ig. *at- (mit verschiedenen Folgevokaaus l. adapta¯re ’anpassen, passend herrichten’ mit len), die im Keltischen und Baltischen mehrfach dem Adaptionssuffix -ieren. Aus l. ad- ’hinzu’ und ’wieder, zurück’ bedeutet. In diesem Fall also (in Verapta¯re ’anpassen’, Faktitivum zu l. aptus ’passend’, bindungen mit Þfahren) ’Wiederkehrer’, was insodem PPP. von l. apere ’verbinden’. Abstraktum: fern denkbar ist, als der Storch, ein zum gleichen Adaption, Adaptierung, älter auch Adaptation, GeräteHorst zurückkehrender Zugvogel, infolge seiner bezeichnung Adapter. Größe als Individuum wiedererkannt werden kann. Ebenso nndl. adapteren, ne. adapt, nfrz. adapter, nschw. adapLiberman (1997 und DEE) sucht im Hinterglied ein tera; ÞKoppel 1, ÞKoppel 2, ÞKoppel 3, ÞKopula, Þkuppeln, Element mit der Bedeutung ’belonging or pertaining 2 ÞCouplet.Ersatzwort ist anpassen. – DF 1 ( 1995), 94–100; to’, also gegebenenfalls ’der zum Sumpf Gehörige’. EWNl 1 (2003), 97. adäquat Adj ’angemessen’ erw. fremd. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus l. adaequa¯tus (eigentlich ’angeglichen’), dem PPP. von l. adaequa¯re (-a¯tum) ’angleichen’, zu l. aequus ’gleich’. Ebenso nndl. adequaat, ne. adequate, nfrz. ade´quat. Zur lateinischen Sippe s. Þäqui-. Von Gottsched vorgeschlagenes Ersatzwort: angemessen. – DF 1 (21995), 100–102; EWNl 1 (2003), 98.

addieren Vsw ’zusammenrechnen, hinzufügen’ std.

(15. Jh.). Entlehnt aus l. addere, zu l. dare (datum) ’geben’ und l. ad- ’hinzu’, also ’hinzutun’. Abstraktum: Addition, Additiv ’chemischer Zusatz’, Addendum ’Hinzufügung, Nachtrag’.

Ebenso nndl. ooievaar (dial. euver). – Krogmann, W. Anglia 60 (1936), 35–38; Krogmann, W. KVNS 51 (1938), 71–73; Lockwood, W. B. GLL 48 (1995), 371–375; Liberman, A. GL 35 (1997), 120–130.

Adel1 Sm ’vornehmes Geschlecht’ std. (8. Jh.), mhd.

adel m./n., ahd. adal. Aus g. *aþala- n., das sonst nur in anord. adaÑ l n. bezeugt ist, als Vorderglied auch im Altsächsischen und vielleicht in gotischen Namen (Athalaricus) auftritt, aber durch seine Ableitungen überall außer im Gotischen vorausgesetzt wird. Die Bedeutung fällt auseinander, lässt sich aber einerseits auf ’Geschlecht, Herkunft’, andererseits auf ’Art, Wesen, natürliche Beschaffenheit’ zurückführen. Zu der

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Ableitung *aþalja- s. unter Þedel; eine Vriddhi-Bildung liegt offensichtlich vor in *o¯þala- n. ’Odal, Erbbesitz, Herkunftsort’ in ahd. uodil, as. o¯diÑ l, afr. ¯ethel, ae. œdeÑ l, anord. o´daÑ l. Dieses Wort ist auch in Namen häufig (Ulrich); seine Abgrenzung von gt. haimoþli ’Landbesitz, Heimat’, das semantisch zu ÞHeimat gehört, ist unklar. Die verschiedenen Versuche einer Etymologie können nicht voll überzeugen; am besten Szemere´nyi, der von einem Kompositum **at-alausgeht zu *at(i) ’weg, über-, hinaus’ und *al-a’nähren, wachsen’, wobei zu vergleichen wäre l. indole¯s ’angeborene Anlage’, l. pro¯le¯s ’Sprössling, Nachkomme’ und l. sub-ole¯s ’Spross, Nachkommenschaft’, evtl. auch toch. A a¯täl ’Mann’. Anders Vennemann: Entlehnt aus einem semitischen Superstrat.

ig. *e¯t-r- (r- oder r/n-Stamm) mit verschiedenen Erweiterungen und morphologischen Umdeutungen; vgl. gr. ˜etor n. ’Herz’, gr. ˜etron n. ’Bauch, Eingeweide’, air. inathar ’Eingeweide’. Falls avest. a¯tar- ’Feuer’ und die Sippe von ÞAtem zugehörig sind, ist von einer Bedeutung ’Wärme’ auszugehen, die sich einerseits zu ’Feuer’, andererseits zu ’Eingeweide’ entwickeln konnte (vgl. zu diesem Bezeichnungsmotiv etwa ÞKaldaune). − Aderlass ist seit dem 15. Jh. die übliche Bezeichnung für das (medizinische) Ablassen von Blut, heute auch übertragen verwendet für ’Schwächung’. Die poetische Ader u.ä. beruht auf einer Nachahmung des Gebrauchs von l. ve¯na ’Ader, Vene’. Ebenso nndl. ader, nschw. a˚der, morphologisch abweichend nisl. ¢d Ñ f . – Niederhellmann (1983), 233–235; EWahd 1 (1988), 54–57; Röhrich 1 (1991), 67f.; EWNl 1 (2003), 98.

Ebenso nndl. adel. – Behaghel, O.: Odal (München 1935); Szemere´nyi, O. Word 8 (1952), 42; Mezger, F. ZVS 72 (1955), adieu Grußformel std. reg. (15. Jh., Standard 17. Jh.). 1141; Zutt, H.: Adel und Edel (Mannheim 1956); Betz, W. FS Zunächst niederdeutsch, dann allgemein entlehnt aus Hammerich (1962), 9–11; Maurer, F. FS Tellenbach (1968), 1–5; frz. adieu ’zu Gott, Gott befohlen’, einer ZusammenBenveniste (1969/1993), 360–362; Moussy, C. FS Chantraine/ rückung von frz. a` dieu ’zu Gott’, dieses aus l. ad Ernout (1972), 157–168; GB 1 (1972), 1–48 (zur Sache und Gedeum. Die Variante ade´ (13. Jh., mndd. ad[d]e) beruht schichte); RGA 1 (1973), 58–77; Zotz, Th. Zeitschrift für die auf der älteren, schon mittelhochdeutschen EntlehGeschichte des Oberrheins 125 (1977), 3–20; Darms (1978), nung (wohl aus nordfrz. ade´), die dann, vor allem im 192–207; EWahd 1 (1988), 44–48; Heidermanns (1993), 107–109; Bjorvand/Lindeman (2000), 18 (zu einer ungemiSüdwesten, in die Mundarten zurückgedrängt wurde. nierten Form von atta ’Vater’ als ’väterlich’); Vennemann, Th. Aus einer weiteren Variante wallon. adjuus (vgl. span. Sprachwissenschaft 26 (2001), 189–204; EWNl 1 (2003), 97. adio´s) kommen adjüs, adjes, tjüs, tschüs, letzteres vor

Adel2 Sm ’Jauche’ per. oobd. (13. Jh.), fnhd. adel, mndd.

adel, mndl. adel. Diese Wörter gehen zurück auf ein möglicherweise gemeingermanisches g. *adelo¯n- m. ’Jauche’, auch in ae. adela, aschw. ko-adel. Weitere Herkunft unklar. Falls gr. o´nthos ’Mist, Kot von Tieren’ auf ein Nasalpräsens zurückgeht, könnte es als ig. (eur.) *od h- vergleichbar sein. Ebenso nndl. aal(t), ne. addle. – Martin, B. Teuthonista 2 (1925/26), 134–136; Tiefenbach, H. in Beck/Denecke/Jankuhn (1980), 45–54; Udolph (1994), 295–299; EWNl 1 (2003), 67f.

Adept Sm ’Eingeweihter’ per. fremd. (16. Jh., Form

allem nord- und mitteldeutsch. Seit dem 17. Jh. (vor allem in Künstlerkreisen) auch addio zu it. addio (= [ti raccomando] a dio). Ebenso nndl. adieu, ne. adieu, nfrz. adieu, nschw. adjö, nnorw. adjø. Zu dem Wort für ’Gott’ s. ÞDienstag; s. auch ÞDiva. Ersatzwort ist Lebewohl. – DF 1 (21995), 112–114; Prause, K.: Deutsche Grußformeln (Breslau 1930); Brunner, R. WZUR 5 (1955/56), 205–208; Kretschmer (1969), 75; Öhmann, E. FS Foerste (1970), 198–200; Paraschkewow, B. BGDSL-H 93 (1972), 299–307; Jones (1976), 84f.; Wolf, R. A. ZDL 44 (1977), 81–84; Voigt, B. Sprachpflege 39 (1990), 114f.; EWNl 1 (2003), 99.

18. Jh.). Zunächst in lateinischer Form entlehnt aus l. Adjektiv Sn ’Eigenschaftswort’ erw. fach. (17. Jh., Form adeptus ’erlangt, erreicht’, dem PPP. von l. adipiscı¯ 18. Jh.). Entlehnt aus spl. (nomen) adiectı¯vum ’Wort, ’erlangen, erreichen’, zu l. apiscı¯ ’erfassen, sich aneigdas hinzugefügt werden kann’ (nach gr. epı´theton, nen’. Zunächst ’jmd., der sich auf einem Gebiet viel -tiko´n), zu l. adiectum, dem PPP. von l. adicere Wissen angeeignet hat, Eingeweihter’; heute meist ’hinzufügen’ (eigentlich ’hinzuwerfen’), zu l. iacere scherzhaft junger Adept für einen Schüler oder Neu(iactum) ’werfen, schleudern’ und l. ad- ’hinzu’; zuling. nächst in lateinischer Form entlehnt, dann endungsEbenso nndl. adept, ne. adept, nfrz. adepte, nschw. adept. – los. 2 HWPh 1 (1971), 82f.; DF 1 ( 1995), 107–109.

Ader Sf std. (8. Jh.), mhd. a¯der, ahd. a¯dra, mndd.

Ebenso nndl. adjectief, ne. adjective, nfrz. adjectif, nschw. adjektiv, nnorw. adjektiv. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. iacere ’werfen’ s. Þprojizieren. Ersatzwort: Eigenschaftswort. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 45; BlW 2 (1984), 17.

ader(e), mndl. adere. Aus einem wohl gemeingermanischen g. *¢¯ d(a)ro¯ f. ’Eingeweide, Ader, Sehne’ (die Einengung der Bedeutung auf ’Blutgefäß’ ist erst Adjutant Sm ’ein militärischer Dienstgrad’ erw. fach. neuhochdeutsch, wohl durch Abgrenzung gegenüber (17. Jh.). Entlehnt aus gleichbedeutendem span. ayÞNerv und ÞSehne), auch in ae. ¢ ¯ dre, afr. eddere; udante (eigentlich ’Helfer, Gehilfe’), einem Nomen anord. ¢drÑ f. zeigt eine Form ohne r (anord. -r ist hier Agentis zu span. ayudar ’helfen’, aus l. adiu¯ta¯re nur Nominativ-Zeichen), doch dürfte dies angesichts ’helfen, unterstützen’ (vgl. frz. aider ’helfen’ aus derder etymologischen Zusammenhänge auf sekundärer selben Grundlage), zu l. adiuva¯re aus l. iuva¯re Umdeutung beruhen. Zugrunde liegt ein wohl schon ’unterstützen, helfen’ und l. ad- ’hinzu’. Die Annah-

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me, das Wort sei aus dem lautlich näherstehenden französischen adjudant entlehnt, ist weniger wahrscheinlich, da das französische Wort erst später bezeugt ist als das deutsche. Es liegt also wohl eine Relatinisierung im Deutschen vor.

adrett Ebenso nndl. admiraal, ne. admiral, nfrz. admiral, nschw. adÑ ´ıra´ll. – Littmann (1924), 69, 96; Latham miral, nisl. adm (1972), 40f.; Lokotsch (1975), 6; Kunitzsch, P. ADA 94 (1983), 108f.; Kiesler (1994), 139–141; DF 1 (21995), 125–127; Tazi (1998), 143 und 184–188; EWNl 1 (2003), 100.

Adonis Sm ’schöner Jüngling’ erw. bildg. (18. Jh.). EntEbenso nndl. adjudant, ne. adjutant, nfrz. adjudant, nschw. adjutant, nnorw. adjutant. – DF 1 (21995), 115f.; EWNl 1 (2003), lehnt aus gr. Ado¯nis, dem Namen eines Jünglings der 99. griechischen Sage, der von der Göttin Aphrodite

wegen seiner besonderen Schönheit geliebt wurde. Das Wort wird schon in der Antike als Appellativum Aar’ zu ÞAar, das ursprünglich allgemein ’großer (’schöner Jüngling’) verwendet. Raubvogel’ bedeutet. Die Verdeutlichung vermutlich Ebenso nndl. adonis, ne. Adonis, nfrz. adonis, nschw. adonis. – zunächst als technischer Ausdruck der Falknerei. Littmann (1924), 22f.; DF 1 (21995), 128–130. Mindestens gleichzeitig belegt ist gleichbedeutendes afrz. ale´rion, das (trotz lautlicher Schwierigkeiten) als adoptieren Vsw ’an Kindes statt annehmen’ std. aus dem Fränkischen entlehnt gilt. (16. Jh.). Entlehnt aus l. adopta¯re (eigentlich Ebenso nndl. adelaar. – Suolahti (1909), 345–352; RGA 1 ’hinzuwählen’), zu l. opta¯re ’wählen, wünschen’ und l. (1973), 79–81; Röhrich 1 (1991), 68f.; DEO (1982), 44f. (zu frz. ad- ’hinzu’. Abstraktum: Adoption; Adjektiv und ale´rion); EWNl 1 (2003), 98. Kompositionsform: adoptiv. Administration Sf ’Verwaltung’ erw. fach. (15. Jh.). EntEbenso nndl. adopteren, ne. adopt, nfrz. adopter, nschw. adoptera, nnorw. adoptere; ÞOption. – DF 1 (21995), 130–134; RGA 1 lehnt aus l. administra¯tio (-o¯nis) ’Verwaltung, Besor(1973), 83–85. gung’, zu l. administra¯re ’verwalten, besorgen, ausführen’, zu l. ministra¯re ’bedienen, darreichen, verAdrenalin Sn ’Hormon des Nebennierenmarks’ per. schaffen’ und l. ad- ’hinzu’. Nach amerikanischem fach. (20. Jh.). Neoklassische Bildung zu l. re¯n(e¯s) m. Vorbild jetzt auch für den ausführenden Regierungs(Pl.) ’Niere(n)’ und ad- ’hinzu-’, hier ’bei, neben’. apparat eines Landes, besonders bei Personennamen Zur Form vgl. l. re¯na¯lis ’die Nieren betreffend’. (Kennedy Administration). Verbum: administrieren; Ebenso nndl. adrenaline, ne. adrenalin, nfrz. adre´naline, Nomen Agentis: Administrator; Adjektiv: adminisnschw. adrenalin, nnorw. adrenalin. – EWNl 1 (2003), 100f. trativ. Adresse Sf std. (17. Jh.). In der Bedeutung ’Anschrift’ Ebenso nndl. administratie, ne. administration, nfrz. adminisentlehnt aus frz. adresse (eigentlich ’Richtung’), zu tration, nschw. administration, nnorw. administrasjon. L. mifrz. adresser ’etwas an jmd. richten’, aus früh-rom. nistra¯re gehört zu l. minister ’Diener, Gehilfe’ (ÞMinister) und *addı¯re¯ctia¯re ’ausrichten’, zu l. dı¯re¯ctus, dem PPP. von dieses wohl zu l. minus ’weniger’ als ’der Geringere’. Zu dessen l. dı¯rigere ’gerade richten, ausrichten’ und l. adSippe s. Þminus. Ersatzwort: Verwaltung. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 385; DF 1 (21995), 118–125; EWNl 1 (2003), 99f.; ’hinzu’. Die Bedeutung ’an eine hochgestellte PersönCarstensen 1 (1993), 11f. lichkeit gerichtetes Schriftstück’ ist im 18. Jh. entlehnt aus ne. address gleicher Herkunft (gemeint war urAdmiral Sm (Dienstgrad der Marine) erw. fach. (12. Jh., sprünglich die an den König gerichtete [’adressierForm und Bedeutung 14. Jh.). Entlehnt aus frz. adte’] Bittschrift des Parlaments). Verb: adressieren; miral, neben älterem amiral, das sich im FranzösiSubstantiv: Adressat (Substantivierung des passiven schen später erneut durchsetzt (das d wohl durch AnPartizips). knüpfung an l. admira¯rı¯ ’bewundern’); das GrundEbenso nndl. adres, ne. address, nfrz. adresse, nschw. adress, wort aus arab. amı¯r ’Befehlshaber’ (heute Emir). Die nnorw. adresse. Zur gleichen Grundlage gehört auch Þadrett; Emire waren ursprünglich Kommandanten der Arzu l. dı¯rigere s. Þdirigieren und zur Sippe seines Grundworts l. mee, dann Statthalter eroberter Länder. So wird im regere Þregieren. Ersatzwort ist Anschrift (nach Zesen 1645). – Erstbeleg der europäischen Sprachen bei Einhardt Schirmer (1911), 7; Ganz (1957), 28; Moeller-Schina (1969), (Anfang 9. Jh.) der arabische Statthalter von Sizilien 92f.; Jones (1976), 85f.; Brunt (1983), 119f.; Rey-Debove/Gaamiratus genannt. Der Titel wird von den Normangnon (1988), 8; DF 1 (21995), 135–141; EWNl 1 (2003), 101. nen in Sizilien übernommen und bezeichnet sowohl adrett Adj ’gefällig’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus verwaltende wie auch militärische Ämter, unter anfrz. adroit ’passend, gefällig’, dieses aus früh-rom. derem war es der Titel des Flottenkommandanten. *addı¯re¯ctus ’ausgerichtet, wohlgeführt’, zu l. dı¯re¯ctus, Bei der Regelung von dessen Machtbefugnissen dem PPP. von l. dı¯rigere ’gerade richten, ausrichten’ durch Friedrich II. 1239 wurde auch der Titel festgeund l. ad- ’hinzu’, zunächst mit der französischen legt. Da Friedrichs Admirale meist Genuesen waren, Schreibweise und Aussprache, dann mit Anpassung kam der Titel auch nach Genua und von dort nach an die (regionale?) Aussprache. Frankreich, als Ludwig IX. in Genua eine französische Ebenso nnorw. adrett. Zur gleichen Grundlage gehört Flotte einrichten ließ. Im 14. Jh. wird dieser TitelgeÞAdresse; zu l. dı¯rigere s. Þdirigieren, und zur Sippe seines brauch auch im Deutschen geläufig. Die verschiedeGrundworts l. regere Þregieren. – Brunt (1983), 121; DF 1 nen Wortausgänge beruhen wohl auf nachträglicher (21995), 141–144. Suffixanpassung. Adler Sm std. (12. Jh.). Verdeutlichung adel-are ’edler

Advent

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Advent Sm ’Vorweihnachtszeit’ std. (13. Jh.), mhd. ad-

vente, mndd. advente. Entlehnt aus l. adventus ’Ankunft [Christi]’, dem Verbalabstraktum zu l. advenı¯re ’ankommen’ aus l. venı¯re (ventum) ’kommen’ und l. ad- ’hinzu’. Das lateinische Wort hat seit dem 5./6. Jh. in der christlichen Kirche die technische Bedeutung ’Vorbereitungszeit für die [Feier der] Ankunft Christi’. Ebenso nndl. advent, ne. Advent, nfrz. avent, nschw. advent, nisl. advÑ ent. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. venı¯re s. Þintervenieren. – BlW 2 (1984), 22–25; EWNl 1 (2003), 101.

Adverb Sn ’nähere Bestimmung des Verbs, Umstands-

aus frz. (avoir) a` faire ’zu tun (haben)’. Zunächst mit französischer Schreibung und französischem Plural auf -s; der deutsche n-Plural tritt schon im 17. Jh. auf, die französische Schreibung besteht regional bis heute. Das Genus ist im Französischen zunächst ein Maskulinum, dann wird es wegen der Endung -e ein Femininum; das Deutsche folgt diesem Wechsel. Die Bedeutung ist zunächst nur ’Angelegenheit’, dann Hüllwort für ’Liebschaft’, besonders für skandalträchtige Liebschaften; heute vorwiegend für ’skandalöse Angelegenheit’ (vor allem in Politik und Wirtschaft).

Ebenso nndl. affaire, ne. affair, nschw. affär, nnorw. aff¢re. Frz. wort’ erw. fach. (16. Jh., Form 18. Jh.). Zunächst in faire ’machen, tun’ geht auf l. facere (factum) zurück; zu dessen lateinischer Form entlehnt aus l. (nomen) adverbium Sippe s. Þinfizieren. – Jones (1976), 86 ff.; DF 1 (21995), 161–164; (eigentlich ’das zum Verb gehörende Wort’), zu l. verEWNl 1 (2003), 103. bum ’Wort, Zeitwort’ und l. ad- ’hinzu’, nach dem Vorbild von gr. epı´rre¯ma; später endungslos. Adjek- Affe Sm std. (9. Jh.), mhd. affe, ahd. affo, as. apo. Aus möglicherweise gemein-germanischem g. *apo¯n- m., tiv: adverbial. auch in anord. api, ae. apa. Das Wort kann in der Ebenso nndl. adverbum, ne. adverb, nfrz. adverbe, nschw. adBedeutung ’Affe’ aus sachlichen Gründen nicht alt verb, nnorw. adverb. S. auch ÞVerb.Ersatzwort ist Umstandssein; außergermanische Anschlüsse sind aber unsiwort, früher Beiwort, Zuwort. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 45. cher: (1) Die lautlich vergleichbaren slavischen WörAdvokat Sm ’Rechtsvertreter’ erw. obs. (14. Jh.). Entter (russ.-kslav. opica f. usw.) scheinen aus dem Gerlehnt aus l. advoca¯tus (eigentlich ’der Herbeigerufemanischen entlehnt zu sein; (2) das von dem griene’), dem substantivierten PPP. von l. advoca¯re chischen Lexikographen Hesych als keltische ’herbeirufen’, zu l. voca¯re (voca¯tum) ’rufen’ und l. adBezeichnung der Schwanzaffen angegebene abra´nas ’hinzu’. Ursprünglich war der Advokat ein in Rechtsist vereinzelt und unklar. (3) Vielleicht aus einem sachen zugezogener Beistand, der aus Freundschaft weiter verbreiteten Wort für ’Affe’ mit einem anlau(oder gegen geringes Entgelt) mit seinem Ansehen tenden k – (ai. kapı´-, auch in semitischen Sprachen, und juristischem Rat zur Seite stand, aber kein jurisim Griechischen und Lateinischen). Der Anlautvertischer Vertreter im heutigen Sinne des Wortes. Mit lust könnte erklärt werden, wenn das Wort aus dem der späteren Professionalisierung der Rechtshilfe Arabischen stammt, da im vulgären Arabischen bei dann auch entsprechender Bedeutungswandel. In diesem Wort ein Kehlkopfverschlusslaut statt des kDeutschland seit der Rechtsanwaltsordnung von 1878 erscheint (Littmann [1924], 24f.; Lokotsch [1927], keine offizielle Bezeichnung mehr. 85f.). Dem steht aber entgegen, dass das arabische Ebenso ne. advocate, nfrz. advocat, nndl. advocaat, nschw. adLautsystem dieser Zeit den Laut p nicht enthält. (4) vokat, nnorw. advokat. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. Schrijver sucht durch eine Präzisierung traditiovoca¯re s. Þprovozieren. S. auch ÞVogt. – Dückert, J. in Dückert neller Ansätze eine keltische Entsprechung des ger(1976), 263–310; von Olberg, G. in Schmidt-Wiegand (1985), manischen Wortes zu rekonstruieren: Kelt. *abanko70–103; Grubmüller, K. FS Schmidt-Wiegand (1986), 158–171; DF 1 (21995), 145–152; EWNl 1 (2003), 101. ist ein Wort, das im Irischen (air. abac) ’Zwerg’ bedeutet, aber in einem speziellen Sinn, der etwa mit aero- LAff (’Luft-’, etwa in Aerodynamik) erw. bildg. ’Wassergeist’ zu umschreiben ist; im Kymrischen be(–). Früh bezeugt sind Aerologie 18. Jh., Aerostat deutet das Wort ’Biber’, in einer Lautvariante (ad18. Jh., Aerodrom 19. Jh. Aus der Kompositionsform danc) auch ’Krokodil’. Das Wort gehört zu einem von gr. a¯¯e´r ’Luft, (Nebel, Gewölk)’, das seinerseits lautlich unklaren Wort für ’fließendes (Süß-)Wasser, unerklärt ist. Quelle, Bach, Fluss’, kelt. *ab- oder *ab h- (eine EntDF 1 (21995), 152–161. scheidung zugunsten von *ab- ist nur möglich durch Afel Sm ’Wundinfektion’ per. oobd. (15. Jh.). Trotz späeine Deutung der norddeutschen Flussnamen auf ter Bezeugung wohl urverwandt mit lit. opa` ’eiternde *-apa, deren Herkunft aber umstritten ist); bei der Wunde, Geschwür’, wozu lit. opu`s ’empfindlich, Vorform von lt. amnis ’Strom’ kann das m auf einen weichlich’, das wiederum zu gr. ¯epedano´s ’schwach, beliebigen labialen Verschlusslaut zurückgehen; die hinfällig, gebrechlich’ passt (das wohl einen s-Stamm idg. Satemsprachen haben die Lautform *ap-; heth. *e˜pos n. voraussetzt). Zugrunde liegt also wohl ig. hap(a) ’Fluss’ kann mit beiden Formen verglichen (eur.) *e¯p-/¡p-, etwa ’empfindliche, schmerzende ˘werden. Schrijver setzt nun zu dem keltischen WasStelle’. serwort eine Zugehörigkeitsbildung *abo¯n ’zum WasAffäre Sf ’(unangenehme) Angelegenheit’ std. (17. Jh.). ser gehörig’, speziell ’Wasserzwerg’ an, zu dem das Entlehnt aus frz. affaire, einer Zusammenrückung belegte kelt. *abanko- eine endozentrische Weiterbil-

Affix

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dung wäre. Die vorausgesetzte Zwischenbildung sieht er in gm. *apo¯n ’Affe’ mit der Begründung, dass die Germanen den Affen mit einem Wasserzwerg gleichsetzten oder auffassten als ’Zwerg, der über das Wasser gekommen ist’ (vgl. Meerkatze ’Affe’). Das bei Hesych genannte keltische Wort kann eine Entsprechung dazu sein, wenn die dazu notwendigen Emendationen akzeptiert werden. Es liegt aber keine Entlehnung des germanischen Worts aus dem Keltischen vor, sondern Urverwandtschaft. Dieser Ansatz hat einige unübersehbare Schwierigkeiten, die aber vielleicht ausgeräumt werden können. Zunächst wäre eine Entsprechung zu den keltischen Wassermonstern im Germanischen eindeutig Nix (und das Femininum Nixe), und es besteht kein Grund anzunehmen, dass es daneben noch eine zweite Klasse solcher Monster gab. Zum zweiten weisen eventuell ältere Bedeutungen des Wortes Affe nicht auf ’Zwerg’, sondern im Gegenteil (im Nordischen) eindeutig auf ’Riese’. Auch mit Wasser haben sie vermutlich nichts zu tun, wenn auch die entscheidende kritische Stelle (HymisquidaÑ 20,3), an der der Riese Hymir a´ttrunn apa ’der Verwandte der Affen/Monster (?)’ genannt wird, bei der Situation auftritt, in der Thor nach der Midgardschlange angelt. Das entsprechende Wasserwort kommt auch im Germanischen gar nicht vor (die apa-Namen sind ein Problem für sich). Wenn die Argumentation von Schrijver also etwas für sich hat, dann müssen wir zu der Annahme der Entlehnung aus dem Keltischen zurückkehren. Der n-Stamm müsste dort unter anderem die Bedeutung ’Wassermonster’ gehabt haben, die gelegentlich Anlass zu einer Übertragung auf die Affen gegeben haben müsste. Im Keltischen wurde diese Übertragung dann aufgegeben, das ’Monster’ wurde zu einem ’Zwerg’ spezialisiert. Im Germanischen blieb die Übertragung erhalten, der Bezug zum Wasser ging (falls er im Germanischen je eine Rolle gespielt hat) verloren. − Affe ’Rausch’ seit dem 18. Jh. wie in anderen europäischen Sprachen (mit anderen Wörtern für Affe); es wird zurückgeführt auf eine Homonymie im Cˇechischen (opice f. ’Affe’ und opı´t se ’sich betrinken’) oder auf verschiedene Wirkungen des Alkohols, ausgedrückt durch Vergleich mit Tieren (so Riegler). Zu beachten ist, dass seit dem 16. Jh. angeblich rauscherzeugende Beeren Affenbeeren heißen, weil diejenigen, die sie gegessen haben, sich wie Affen verhalten (Marzell II, 206; auch III,1370, IV,957) − hieraus könnte die Bezeichnung übertragen sein. − Affe ’Tornister’ in der Soldatensprache seit 1800. Vielleicht scherzhafte Variation zu älterem Katzbalg ’Tornister’ (Þkatzbalgen). Beide Bezeichnungen vermutlich wegen des Fellbezugs der Tornister. − Das Verhalten dieser Tiere gab Anlass zu verschiedenen Übertragungen: affig ’eitel’, äffisch ’albern, eitel’, Affenliebe ’blinde Liebe’.

Ebenso nndl. aap, ne. ape, nschw. apa, nisl. api; Þäffen, ÞMaulaffe, ÞSchlaraffe. – Palander (1899), 20f.; Riegler, R. WS 6 (1914/15), 194–196; EWahd 1 (1988), 58f.; Röhrich 1 (1991), 69–74; Steinhauser (1978), 246770 (zu Affe ’Rausch’); EWNl 1 (2003), 77f.; Schrijver, P. FS Rasmussen (2004), 507–511.

Affekt Sm ’heftige Gemütsbewegung’ erw. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. affectus ’der körperliche oder geistige Zustand, Stimmung, Leidenschaft’, ursprünglich Verbalabstraktum zu l. afficere ’hinzutun, einwirken, anregen’ aus l. facere (factum) ’machen, tun’ und l. ad- ’hinzu’. Das Verbum ist mit anderen Bedeutungen als affizieren entlehnt. Ebenso nndl. affect, ne. affect, nfrz. affect, nschw. affekt, nnorw. affekt; Þaffektiert. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. facere s. Þinfizieren.Ersatzwort ist Gemütsbewegung (Zesen 1671). – HWPh 1 (1971), 89–101; BlW 2 (1984), 114–120; Fink-Eitel, H. Zeitschrift für Philosophische Forschung 40 (1986), 520–542; zur Mühlen, K.-H. AB 35 (1992), 93–114; DF 1 (21995), 164–171.

affektiert AdjPP ’geziert’ erw. fremd. (17. Jh.). Ur-

sprünglich Partizip zu dem Verbum affektieren ’etwas anstreben, sich etwas anmaßen’, das im 16. Jh. aus l. affecta¯re ’sich etwas aneignen’ entlehnt wurde. Als Nebenbedeutung entwickelte sich ’verkünsteln, sich zieren’, das sich im Partizip erhalten hat, während das Verb sonst geschwunden ist. Das lateinische Wort ist ein Intensivum zu l. afficere, das unter ÞAffekt behandelt ist. Ebenso nndl. geaffecteerd, ne. affected, nfrz. affecte´, affete´, nschw. affekterad, nnorw. affektert.Zur Sippe des zugrunde liegenden l. facere s. Þinfizieren. – DF 1 (21995), 171–174.

äffen Vsw ’jemanden zum besten halten, täuschen,

nachahmen’ per. arch. (13. Jh.), mhd. effen, mndd. apen. Heute meist nur noch Þnachäffen ’nachahmen’. Zu ÞAffe nach den diesem zugeschriebenen Eigenschaften. Für die Bedeutung ’nachahmen’ (erst 18. Jh.) kommt auch ein Einfluss von äfern ’nachahmen’ (8. Jh.) in Frage (dieses zu ahd. avur; Þaber). Affenschande Sf std. stil. (19. Jh.). Offenbar ’etwas, das

selbst für die ›notorisch schamlosen‹ Affen eine Schande ist’. Die in DWB 2I,1568 für die Zusammensetzung mit Affen- als Schimpfwort und als Verstärkungswort gegebenen Belege reichen allein wohl nicht aus, um das Wort zu erklären, deshalb ist die Erklärung als falsche Umsetzung von ndd. aapen Schann ’offene Schande’ verlockend, sie ist aber nicht beweisbar. Niekerken, W. KVNS 50 (1937; Sonderheft), 36; Teut, H. KVNS 52 (1939), 48.

Affix Sn ’nicht frei vorkommendes Wortbildungsele-

ment’ per. fach. (16. Jh., Form 20. Jh.). Entlehnt aus l. affı¯xum ’das Angeheftete’, dem substantivierten PPP. von l. affı¯gere ’anheften, an etwas befestigen’, zu l. fı¯gere (fı¯xum) ’befestigen, heften’ und l. ad- ’hinzu’, zunächst in lateinischer Form, die erst im 20. Jh. aufgegeben wurde. Ebenso ne. affix, nfrz. affixe, nnorw. affiks. Zur germanischen Verwandtschaft s. unter ÞDeich. Zu dem zugrunde liegenden l.

Affolter

20 fı¯gere ’befestigen, heften’ gehören als Präfigierungen affigieren, präfigieren, suffigieren mit den Substantivierungen des PPP. ÞAffix, ÞPräfix, ÞSuffix und als Kompositum ÞKruzifix. Aus dem PPP. stammt auch Þfix 1 und aus einem Faktitivum dazu Þfixieren 1, über das Englische: Þfixen. Eine Instrumentalbildung ist ÞFibel 2; über das Französische: ÞMikrofiche. – Cottez (1980), 150.

Affolter Sm ’Apfelbaum’ (gelegentlich auch ’Mistel’

u.a.) per. arch. (8. Jh.), mhd. affolter (-pf-, -a-) f., ahd. affoltra f., affaltar m., as. apuldra f. (in Ortsnamen), apalder m. Geht zurück auf g. *apuldra- m., -o¯ f. ’Apfelbaum’, auch in anord. apaldr und ae. apuldre f., æppelder m., gebildet aus dem Wort für ÞApfel und dem ’Baumnamensuffix’ (ÞHolunder). Das Femininum könnte auf ein altes Kollektiv zurückgehen. Das Wort ist häufig in Ortsnamen. EWahd 1 (1988), 60–63.

Affrikate Sf ’Verschlusslaut mit folgendem homorga-

Afterglaube Sm ÞAberglaube. -age Suffix (zur Bildung von Verbalabstrakta und von

Kollektiven) erw. (–). Das Suffix wurde seit mittelhochdeutscher Zeit in französischen Wörtern entlehnt (ÞCourage, ÞEtage, ÞGarage) in Substantiven, die eine Handlung bezeichnen (z.B. Massage zu Þmassieren 1) oder eine Sache als Kollektivum erfassen (z.B. Trikotage zu ÞTrikot). Manche Ableitungen weisen beide Bedeutungen auf (z.B. Drainage ’Entwässerung’, Dränage ’System von Röhren/Gräben’; Þdränieren). Deutsche Bildungen erscheinen besonders in der Studentensprache seit dem 18./19. Jh. (z.B. Blamage zu Þblamieren), und dringen von dort aus in die Umgangssprache ein (ÞStellage, Fressage), häufig auch mundartlich (wmd. Bummelasch, Schenkage, omd. Kledage ’Kleider’), allgemein sind Takelage zu ÞTakel und ÞStaffage. Das Suffix lautete ursprünglich l. -a¯ticum, Neutrumform von

nem Reibelaut’ (z.B. [pf]) per. fach. (19. Jh.). Entlehnt Adjektiven auf l. -a¯ticus. – Öhmann, E. NPhM 75 (1974), aus l. affrica¯ta (eigentlich ’die Angeriebene’), dem 513–526; Wortbildung 3 (1975), 241–252; Fleischmann, S. Rosubstantivierten PPP. von l. affrica¯re ’anreiben’, zu l. mance Philology 30 (1976/77), 42–58; EWNl 1 (2003), 110f. frica¯re (frictum) ’reiben’ und l. ad- ’hinzu’. Meist Agenda Sf ’Tagesordnung, Terminkalender’ erw. fach. noch heute in lateinischer Form gebraucht. Entfernt (15. Jh.). Die früheste Bedeutung im Deutschen ist verwandt sind Þfrivol und Þfrottieren. ’Gottesdienstordnung’. Die deutsche Form Agende Ebenso nndl. affricaat, ne. affricate, nfrz. affrique´e. hat sich (bis jetzt) nicht durchgesetzt. Entlehnt aus l. agenda ’Dinge, die betrieben werden müssen’, dem Affront Sm ’Beleidigung’ erw. fremd. (15. Jh.). Entlehnt aus frz. affront, zu frz. affronter ’die Stirn bieten’ aus Plural von l. agendum, dem Gerundivum von l. agere frz. front ’Stirn’ und dem l. ad- ’hinzu’ entsprechen(a¯ctum) ’treiben, betreiben’. Die Häufigkeit wurde den Präfix. sicher erhöht durch den Einfluss von ne. agenda. Das Verbum ist ebenfalls entlehnt als Þagieren (auch die Ebenso nndl. affront, ne. affront, nfrz. affront. Frz. front geht auf l. fro¯ns (frontis) ’Stirn’ zurück, dessen Sippe unter ÞFront weiteren Zusammenhänge). genannt ist. – Jones (1976), 87; DF 1 (21995), 183–185; EWNl 1 (2003), 104.

After Sm erw. fach. (11. Jh., Bedeutung 14. Jh.), mhd.

Ebenso nndl. agenda, ne. agenda, nfrz. agenda. – Carstensen 1 (1993), 16; EWNl 1 (2003), 111.

Agent Sm ’Vertreter’ std. stil. (16. Jh., Bedeutung after, ahd. aft(e)ro, mndd. achter(e), echter. Ist eine 18. Jh.). Entlehnt aus it. agente, dieses aus l. age¯ns nur deutsche Substantivierung des Adjektivs ahd. (-entis), dem PPräs. von l. agere ’treiben, betreiben’. aft(e)ro. Bedeutet also ’der Hintere’ (vgl. Hintern), Zunächst nur ’Geschäftsführer’, dann aber auch ’im vielleicht Lehnbedeutung von l. posteriora n. Pl.; spästaatlichen Auftrag tätiger Spion’, letzteres unter Einter Bedeutungsverengung auf ’Öffnung des Darmfluss von frz. agent de police. Zu der ursprünglichen kanals’ (evtl. unter Einfluss von afterdarm). Das AdBedeutung gehört Agentur, eigentlich ’Geschäftsverjektiv after, Þachter wurde gebildet aus dem Adverb g. tretung, Geschäftsstelle’. *after- in gt. aftaro, anord. eptir, ae. ¢fter, as. aftar, Ebenso nndl. agent, ne. agent, nfrz. agent, nschw. agent, nnorw. ahd. aftar ’hinter, hinten’ (neuhochdeutsche Veragent; Þagieren. – Schirmer (1911), 7; Jones (1976), 88f.; DF 1 breitung von achter: DSA, Karte 60); dieses wiederum (21995), 189–195; EWNl 1 (2003), 113. gehört zu ig. *apo ’ab, weg, zurück, hinter’, dessen Aggregat Sn ’Kombination von zusammenwirkenden Problematik unter Þaber behandelt wird. In anderen Maschinen’ erw. fach. (15. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Mit germanischen Sprachen tritt ein entsprechendes AdSubstantivierung entlehnt aus dem Neutrum des jektiv nur im Komparativ und Superlativ auf (ae. PPP. von l. aggrega¯re ’anhäufen, sammeln’, einer Prä¢fterra, anord. eptri, gt. aftuma), so dass der Positiv fixableitung zu l. grex (gregis) m. ’Herde, Schar’ und l. im Deutschen wohl sekundär ist (das Suffix *-ter des ad- ’hinzu’. In der Bedeutung ’Summe’ schon im Adverbs ist eine dem Komparativ nahestehende Ge15. Jh. bezeugt. Als ’Zusammenstellung ohne inneren gensatzbildung). Adverb und Adjektiv gehen im Zusammenhang’ 18. Jh., ’Gruppe zusammenwirkenHochdeutschen schon früh zurück, möglicherweise der Maschinen’ 20. Jh. Als Aggregatszustand wird der bedingt durch die als anstößig empfundene Bedeufeste, flüssige oder gasförmige (u.ä.) Zustand von tung des Substantivs. Stoffen bezeichnet (nach der unterschiedlich starken Þaber, Þachter, Þob-. – EWahd 1 (1988), 63–67. ’Anhäufung’ der Moleküle).

Agrasel

21 Ebenso nndl. aggregaat, ne. aggregate, nfrz. agre´gat, nschw. aggregat, nnorw. aggregat. Zu den verwandten griechischen Wörtern s. ÞAllegorie. – HWPh 1 (1971), 102f.; DF 1 (21995), 195–198; EWNl 1 (2003), 112.

Aggression Sf ’Angriffslust’ erw. fremd. (18. Jh.). Unter

Einfluss von frz. aggression entlehnt aus l. aggressio ’Angriff’, einem Abstraktum von l. aggredı¯ ’heranschreiten, angreifen’, zu l. gradı¯ (gressus sum) ’schreiten, gehen’ und l. ad- ’hinzu’. Täterbezeichnung: Aggressor; Adjektiv: aggressiv mit dem Abstraktum Aggressivität; aggressive Werbung u.ä. unter dem Einfluss des amerikanischen Englischen. Ebenso nndl. agressie, ne. aggression, nfrz. aggression, nschw. aggression, nnorw. aggresjon. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. gradı¯ ’schreiten’ s. ÞGrad, ÞRegress. – Seidmann, P. Studia Philosophica 26 (1966), 228–266; HWPh 1 (1971), 103–109; Rey-Debove/Gagnon (1988), 9f.; DF 1 (21995), 198–209; Carstensen 1 (1993), 16f.; EWNl 1 (2003), 113.

Ägide Sf ’Schirmherrschaft’ erw. bildg. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus l. aegis (-idis) ’Schild des Jupiter und der Minerva, Schutz’, dieses aus gr. aigı´s (-ı´dos) ’Ziegenfell, Lederharnisch, Sturmschild des Zeus und der Athena’. Die weitere Herkunft ist umstritten (der Zusammenhang mit gr. aı´x (aigo´s) ’Ziege’ ist nicht eindeutig). Ebenso nndl. aegis, aegide, ne. aegis, nfrz. ´egide, nschw. egid, nnorw. ¢gide. – DF 1 (21995), 209f.

agieren Vsw ’handeln’ erw. fremd. (14. Jh.), mndd. age-

ren. Entlehnt aus l. agere ’treiben, betreiben’ (wohl unter Einfluss von frz. agir). Ebenso nndl. ageren, nfrz. agir, nschw. agera, nnorw. agere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. agere ’treiben, betreiben’ gehören als Präfigierungen Þreagieren, Þredigieren mit den Abstraktbildungen ÞAktion (über das Niederländische in ÞAktie), ÞReaktion, ÞRedaktion, komponiert in navigieren mit dem Abstraktum ÞNavigation; ein tu-Abstraktum in ÞAkt 1, das präfigierte PPP. in Þexakt, das substantivierte PPP. in ÞAkte, das Gerundivum in ÞAgenda, das Partizip Präsens in ÞAgent; ein Nomen Agentis in ÞReaktor, über das Französische in ÞAkteur; eine Adjektiv-Ableitung in Þagil. Sekundärbildungen sind ÞAgitation (Abstraktum zu einem Intensivum); ein Adjektiv auf -tı¯vus im Zusammenhang mit den Abstrakta auf -tio in Þaktiv; eine adjektivische Weiterbildung zu dem tu-Stamm in Þaktuell; eine Instrumentalbildung in ÞExamen; das Abstraktum eines komponierten Adjektivs in ÞAmbiguität. Über das Englische aus einer jo-Bildung: ÞEssay. Entfernter verwandt ist Þkaschieren. Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞDemagoge; zur germanischen ÞAcker; ein keltischer Verwandter in ÞAmt. – BlW 2 (1984), 130–148; DF 1 (21995), 210–213; EWNl 1 (2003), 111.

agil Adj ’beweglich’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus

frz. agile (mit Relatinisierung) oder unmittelbar aus l. agilis gleicher Bedeutung. Dieses zu l. agere ’treiben, betreiben’. Ebenso ne. agile, nfrz. agile, ndn. agil. Zur Sippe von l. agere ’treiben, betreiben’ s. Þagieren. – DF 1 (21995), 213f.

Agitation Sf ’politische Indoktrination’ erw. fach.

(16. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Zunächst in allgemeiner

Bedeutung (’Bewegung, Erregung’) entlehnt aus l. agita¯tio (-o¯nis) ’das In-Bewegung-Setzen’, zu l. agita¯re ’schüren, betreiben, aufhetzen’, einem Intensivum zu l. agere ’treiben, betreiben’. Die heutige Bedeutung (’Werbung für eine Ideologie’) unter Einfluss von ne. agitation. Die (stärker positive) begriffliche Ausprägung der Sippe ist durch den russischen Kommunismus (Lenin) bestimmt. Nomen Agentis: Agitator; Verb: agitieren. Ebenso nndl. agitatie, ne. agitation, nfrz. agitation, nschw. agitation, nnorw. agitasjon. Zur Sippe von l. agere ’treiben, betreiben’ s. Þagieren. – Strauss u.a. (1989), 53–57; Ganz (1957), 29f. (zu Agitator); DF 1 (21995), 214–221.

Aglei Sf ÞAkelei. Agonie Sf ’Todeskampf’ erw. fach. (16. Jh., Form

18. Jh.). Entlehnt aus kirchen-l. ago¯nia, dieses aus gr. ago¯nı´a ’Kampf, Wettkampf; Angst, Beklemmung’, zu gr. ago¯´n m. ’Kampf, Wettkampf; Versammlung’; zunächst in lateinischer Form, die erst im 18. Jh. aufgegeben wurde. Gr. ago¯´n gehört zu gr. a´gein ’führen, leiten’, dessen Sippe unter ÞDemagoge dargestellt ist; die lateinische Verwandtschaft unter Þagieren, die germanische unter ÞAcker. Ebenso nndl. agonie, ne. agony, nfrz. agonie, nschw. agoni. – DF 1 (21995), 223f.; Cottez (1980), 11.

Agraffe Sf ’Schmuckspange’ per. fach. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus gleichbedeutendem frz. agrafe (eigentlich ’Haken’), zu (spät bezeugtem) frz. agrafer ’anhaken, einhaken’. Die älteren französischen Formen sind agrape und agraper, die auf ein germanisches Wort (die Entsprechung zu ÞKrapfen) zurückgehen. Dann lautliche Beeinflussung durch frz. griffe ’Kralle, Haken’ oder frz. greffe ’spitzes Werkzeug’. Ebenso nndl. agrafe, ne. agraffe, nschw. agraff, nnorw. agraff. – DF 1 (21995), 224f.; Brunt (1983), 122f.; EWNl 1 (2003), 112.

agrar- LAff ’Landwirtschafts-’ erw. fach. (–). Entlehnt

aus l. agra¯rius ’den Acker(bau) betreffend’, zu l. ager ’Acker’ unter dem Einfluss von frz. agraire bei der Diskussion über den Grundbesitz nach der französischen Revolution. Als Adjektiv ist die Entlehnung sehr selten (auch mit einem Adaptions-Suffix in agrarisch), in Zusammensetzungen wird sie zu einer Art Präfixoid (zuerst Agrarverfassung 1829, dann -politik, -system 1856 usw.). ÞAgronom. – DF 1 (21995), 225–230; EWNl 1 (2003), 113 (agrarie¨r).

Agrasel (Agrassel, meist Pl.) Sn ’Stachelbeere’ per. ös-

terr. (13. Jh., Bedeutung 14. Jh.), mhd. agraz. Entlehnt aus aprov. agras ’unreife Weintraube, Saft aus dieser’, zunächst in der Bedeutung ’saure Obstbrühe’, dann (offenbar meist in der Form agresse) für ’unreife Trauben’, dann ’Stachelbeeren’ (die Form durch Einfluss von ml. agresta, das auch Agrest ’Saft von unreifen Trauben’, bezeugt seit dem 15. Jh., geliefert hat?). Das provenzalische (und das mittellateinische) Wort gehen zurück auf l. acer ’scharf, sauer’ (ÞAhorn). Die

Agronom Form mit l ist bereits romanisch und mittellateinisch (grosellarius). Ebenso nfrz. groseille. – EWahd 1 (1988), 93–95.

Agronom Sm ’Landwirtschaftskundiger’ per. fach.

(18. Jh.). Wohl vom Französischen ausgehender Internationalismus, der formal gr. agrono´mos ’Aufseher über die Stadtländereien’ entspricht, aber wohl eine Neubildung nach den Wissenschaftsbezeichnungen auf -nomie (ÞAstronomie, ÞÖkonomie) und den Bezeichnungen entsprechender Wissenschaftler auf Þ-nom ist. Die auf das Griechische zurückgehende (Kompositions-)Form agro- spielt wie Þagrar- eine Rolle als Lehnaffixoid, tritt aber seltener auf. Ebenso nndl. agronoom, ne. agronomist, nfrz. agronome, nschw. agronom, nnorw. agronom. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞAcker. – Cottez (1980), 11f.; DF 1 (21995), 234f.

Ag(t)stein Sm ÞBernstein, ÞAchat. ah Interj std. (12. Jh.), mhd. a¯, mndd. a¯. Ähnliche In-

terjektionen gibt es in vielen Sprachen, ohne dass ein ursprünglicher Zusammenhang vorausgesetzt werden muss. äh Interj std. (19. Jh.). Als Einschub bei stockender

Rede. Lautnachahmung für den bei Aktion der Stimmlippen ohne Artikulation entstehenden Kehlkopflaut. Im Deutschen seit dem 19. Jh. konventionell äh geschrieben. Keseling, G. in H. Weydt (Hrsg.): Sprechen mit Partikeln (Berlin 1989), 575–591.

aha Interj std. (12. Jh.), mhd. aha, mndd. ahah. Als Aus-

ruf bei plötzlicher Einsicht verbaut in Aha-Erlebnis (bei K. Bühler 1908). Ähnliche und wohl auch verwandte Ausrufe im Niederländischen, Englischen und Schwedischen. Ahle Sf ’Werkzeug zum Löcher stechen’ std. reg.

22 Ebenso nndl. els (morphologisch abweichend), ne. awl (aus dem Nordischen), nisl. alur. – EWahd 1 (1988), 135f.; DWA XII, Karte 9 (nhd. Verbreitung: obd., omd.); Katz, H. MSS 47 (1986), 99–108; EWNl 1 (2003), 67.

Ahn Sm (heute nur noch im Plural üblich) std. alt.

(9. Jh.), mhd. an(e), ahd. ano. In der Bedeutung ’Vorfahr’ auf das Deutsche beschränkt (einmal 15. Jh. mndl. anythen = aenhete ’Großvater’?). Weiter verbreitet ist ein ig. *han- mit der Bedeutung ’alte Frau’. Vielleicht ist ein Reflex auch im Anlaut von avest. nya¯ka-, apers. niya¯ka- ’Großvater’ zu sehen (*(a)n¡-a¯va-ka zu l. avus ’Großvater’?). Entstehung dunkel, vielleicht Lallwort. In der Bedeutung ’Großvater, Großmutter’ fehlt dem Wort zunächst eine Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Maskulinum und Femininum. Diese wird nachträglich eingeführt (Ähni / Ahne, Ahnherr / Ahnfrau usw.), aber seit 1400 weicht das Wort vor dem klareren ÞGroßvater, ÞGroßmutter zurück. Femininbildung: Ahne. − Der Grundsprache scheint ein Wort für ’Großvater (väterlicherseits)’ gefehlt zu haben; die Bezeichnung war offenbar ÞVater, gegebenenfalls alter Vater. Vgl. ÞFrauche, ÞHerrche, ÞEnkel 1, ÞUrahn. – Kuhberg (1933), 35; Risch, E. MH 1 (1944), 118–121; Szemere´nyi (1977), 47–51; Müller (1979), 17–69; EWahd 1 (1988), 215–217.

ahnden1 Vsw ’strafen’ erw. obs. (8. Jh.). Mit unregel-

mäßiger Vokaldehnung aus mhd. anden, ahd. anton ’rächen, strafen, tadeln’, as. andon ’eifern’, ae. andian ’neidisch, eifersüchtig sein’, also wg. *and-o¯- Vsw. ’sich ereifern’; dieses offenbar zu wg. *ando¯n m. ’Zorn, Eifer’, auch (ahd.) ’Strafe’, in ahd. anto, as. ando, ae. anda. Unklar ist das Verhältnis zu ahd. anado, anadon ähnlicher Bedeutung (selten, in Glossen, würde die Erklärung der neuhochdeutschen Lautform aber erleichtern), ae. anodaÑ . Mit Rücksicht auf die Bedeutungsverzweigung von l. animus (’Hauch, Mut, Stolz, Leidenschaft usw.’) kann an g. *an-a-, ig. *an¡- (wohl *han¡-; ÞAnemone) ’atmen’ (in ai. a´niti ’atmet’, gt. uz-anan ’ausatmen’) angeknüpft werden, doch reicht diese Annahme allein noch nicht für die Erklärung der Bedeutung aus (hat etwa eine Entsprechung von gr. o´nomai ’ich tadle’ eine Rolle gespielt?).

(10. Jh.), mhd. ale, ahd. ala. Das Wort wird üblicherweise als wg. *¢ ¯ lo¯ f. ’Ahle’, auch in ae. ¢ ¯ l angesetzt; es könnte aus ig. *e¯la¯ ’spitziges Gerät’ hergeleitet werden, das auch in ai. a¯´ra¯ ’Treibstachel’ vertreten sein könnte. Entlehnungen des indischen Worts in finnisch-ugrische Sprachen könnten allerdings auf ig. *o¯la¯ weisen, evtl. ist sogar *ola¯ mit inner-arischer Dehnung anzusetzen, das zu germanischen Formen Seebold (1970), 78f.; EWahd 1 (1988), 221–224; de Grauwe, L. mit kurzem a stimmen könnte: anord. alr, ahd. alanSGG 21 (1980/81), 247–269. sa u.a. Diese Überprüfung lässt den Ansatz mit Lang2 vokal in den westgermanischen Formen aber als un- ahnden Vsw ’ahnen’ Þahnen. ahnen Vsw std. (12. Jh.), mhd. ez anet mir (oder mich) gesichert erscheinen: In den alten Sprachen kann aus dem Adverb ane ’an’ gebildet (vgl. es kommt mich durchaus Kürze vorliegen (vor allem da die Stamman), entsprechend mndd. anen. Seit dem 14. Jh. mit bildung nicht gesichert ist), und wo Langvokale bepersönlicher Konstruktion (ich ahne usw.). In Mundzeugt sind, können sie auf Dehnung in offener Silbe arten, die nach Vokalsynkope zusammenstoßende beruhen. Ein Nachweis im einzelnen steht allerdings Dentale vereinfachen (bint aus bindet), entsteht noch aus. Vielleicht ist also mit ig. *ola¯ f. (und anschon im 13. Jh. die hyperkorrekte Form anden, späderen Stammbildungen der gleichen Grundlage) auster ahnden; sie ist aber wegen des Gleichklangs mit zukommen. Weitere Herkunft unklar; zumal ein kulÞahnden 1 ’strafen’ wieder untergegangen. Abstrakturelles Wanderwort nicht ausgeschlossen ist. tum: Ahnung.

Akazie

23 Stammler (1954), 141–144; Moser, V. ZM 14 (1938), 65 (zu ahnden).

ähnlich Adj std. (8. Jh., Form 12. Jh.), mhd. anelich, ahd.

falls metonymisch die Ähren, oder eine Zugehörigkeitsbildung ’mit Grannen versehen’), so dass die Wörter wohl mit ig. *ak´- ’Spitze, spitzig’ (etwa in gr. a´kron n. ’das äußerste Ende, Spitze’) zusammenhängen.

analih (nur als Abstraktum analihhi n. und in anderen Weiterbildungen belegt). Wie in gt. analeiko Adv., Ebenso nndl. aar, ne. ear, nschw. ax, nisl. ax; ÞAhorn, ÞEcke, sonst ahd. anagilı¯h, ae. angelic (selten), mehrdeutig ÞHachel, ÞHulst. – BlW 1 (1981), 206–209 (a¯cer), 294 (acus); anord. a´lı´kr (selten), also g. *ana-(ga-)lı¯ka- adj. EWahd 1 (1988), 95–98; EWNl 1 (2003), 78. ’ähnlich’, eigentlich ’dessen Gestalt (*leika-; ÞLeiche) Aids Sn (?; der Gebrauch des Wortes mit Artikel wird nahe dar an ist’. Die Erklärung als ’nahezu gleich’ vermieden, so dass eine Genuszuweisung nicht er(Hiersche) ist zwar ebenfalls möglich, dürfte aber kennbar ist) erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus dem auf chronologische und morphologische Schwierigam.-e. Akronym Aids (AIDS) für Acquired Immune keiten stoßen. Die fnhd. Form einlich mit gleicher Deficiency Syndrome ’Erworbenes ImmunschwächeBedeutung beruht wohl auf sekundärer Umdeutung. Syndrom’ (auch als Immunschwäche übersetzt). Das Das Verb ähneln (17. Jh.) ist aus älterem ähnlichen unzu dieser Krankheit führende Virus wird HIV regelmäßig gekürzt. Abstraktum: Ähnlichkeit. (Human Immunedeficiency Virus) genannt. Im Deutvon Bahder, K. ZHM 1 (1900), 299f.; Wenzlau, F. ZDW 6 schen bezeugt seit 1983. (1904), 99f.; Höfler, O. FS Kralik (1954), 39–41 (anders); Hiersche A (1986), 42.

ahoi Ptkl (seemännischer Anruf) erw. reg. (19. Jh.). Von

Ebenso nndl. AIDS, ne. AIDS, nfrz. SIDA (Syndrome d’Immunode´ficience Acquise), nschw. AIDS, nnorw. AIDS. – Carstensen 1 (1993), 18f.; EWNl 1 (2003), 113f.; Eitz, Th.: Aids (Hildesheim u.a. 2003).

Seeleuten aus dem Englischen entlehnt. Die Bestandteile a- und hoy dieses Ausrufs haben auch im deutschen Sprachbereich Entsprechungen (z.B. a hui bei Akademie Sf ’wissenschaftliche Gesellschaft’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. Acade¯mı¯a, dieses aus gr. AkaJeroschin 14. Jh.). de¯´meia. Im Griechischen ist es zunächst Name eines Ebenso nndl. ahoi, ne. ahoy, nschw. ohoj, nnorw. ohoi. – vor Athen gelegenen Tempelbezirks, der − mögliEWNl 1 (2003), 113. cherweise volksetymologisch − auf den Namen des Ahorn Sm std. (9. Jh.), mhd. ahorn, ahd. ahorn, as. Heros Aka´de¯mos zurückgeführt wird. Eine von Plaahorn neben n -losen Formen in mundartlich Are ton in der Nähe eingerichtete Schule erhält den (usw., vgl. ndn. ¢r). Aus diesen Formen lässt sich ein Namen des Bezirks, den sie auch nach der Verlegung n./wg. *ahur-(na-) m., ig. (eur.) *akr-(no-) ’Ahorn’ an einen anderen Ort beibehält. Dann Übergang des ˙ erschließen, das auch in l. acer n. (l. acernus ’aus Eigennamens in ein Appellativum (’Schule, Lehre’). Ahorn’) und gr. (Hesych) a´kastos (vermutlich aus Die Bedeutung ’Vereinigung von Gelehrten’ zuerst *akr-sto-) bezeugt ist. Falls es sich um ein Erbwort bei den italienischen Humanisten (Cosimo de Me˙ handelt, dürfte es aus ig. *ak´er- ’Spitze’ oder einer dici, 15. Jh.), von dort kam Einrichtung und Wort damit zusammenhängenden Bildung abgeleitet sein nach Frankreich und Deutschland. Das Adjektiv (das Benennungsmotiv wäre also die Form der Blätakademisch wird wie Akademiker allgemeiner im Sinn ter). Es gibt aber Hinweise darauf, dass es sich um ein von ’zur Universität gehörig’ gebraucht; das Adjektiv vorindogermanisches Wanderwort handeln könnte; heute auch übertragen im Sinn von ’lediglich theoso das danebenstehende gr. (Hesych) a´karna retisch, für die Praxis irrelevant’ (seit dem 18. Jh., z.T. ’Lorbeer’ und baltische und slavische Formen, die in nach französischem Vorbild). ihrer Herkunft unklar sind. Falls heth. hiqqarza anzuEbenso nndl. academie, ne. academy, nfrz. acade´mie, nschw. schließen ist, kann von ig. *he¯kr/he´k-n-s ausgegangen akademi, nisl. akademı´a. – DF 1 (21995), 239–250; Immisch, O.: ˙ ˙ werden. Academia (Freiburg/Br. 1924); Weimann, K.-H. DWEB 2 Falls Erbwort, s. ÞEcke und für die Entsprechungen in Entlehnungen ÞAkrobat. – Nordstrandh, I. NM 5 (1949), 148–173; Mitzka, W.: Der Ahorn (Gießen 1950); RGA 1 (1973), 115f.; BlW 1 (1981), 205f.; EWahd 1 (1988), 110–113; Puhvel 3 (1991), 304f.; Oettinger, N. HS 107 (1994), 77–86; EWNl 1 (2003), 113.

Ähre Sf std. (8. Jh.), mhd. eher n., ahd. ehir, ahar n., as.

ehir. Führt zusammen mit gt. ahs, anord. ax und ae. ear zurück auf einen g. s-Stamm *ahaz- n., aus ig. (eur.) *akos- n., auch in l. acus (aceris) n. ’Granne, Spreu’ und gr. akoste¯´ ’Gerste’ (= ’die Grannige’). Mit anderem Suffix ist gebildet fnhd. agel, nhd. ÞAchel ’Ährenspitze’, ae. egl(e) ’Granne’ und außergermanisch lit. aku´otas ’Granne’, akslav. ostı˘nu˘ ’Stachel’. Gemeint sind also jeweils die Grannen (gegebenen-

(1963), 386; HWPh 1 (1971), 122–124; Knabe, P.-E. ASNSL 214 (1977), 245–261; LM 1 (1980), 248f.; BlW 1 (1981), 137f.; EWNl 1 (2003), 87f.

Akazie Sf (ein nicht einheimischer Baum) erw. fach.

(15. Jh., Form 19. Jh.). Entlehnt aus l. acacia (zunächst in lateinischer Form, dann eingedeutscht), dieses aus gr. akakı´a. Das griechische Wort ist wohl entlehnt; wegen der Dornen des Baumes können aber auch Ableitungen aus (ig.) *ak´- ’scharf’ eingewirkt haben. In den frühesten Belegen wird Akazie mit ÞSchlehe gleichgesetzt. Die in Deutschland bekannte, eingebürgerte Akazie ist eine ’falsche Akazie’, eine Art Robinie, die ähnlich aussieht. Ebenso nndl. acacia, ne. acacia, nfrz. acacia, nschw. akacia, nnorw. akasie. – BlW 1 (1981), 136f.; EWNl 1 (2003), 87.

Akelei

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Akelei Sf ’ein Hahnenfußgewächs’ per. fach. (9. Jh.,

mutlich hat die Ähnlichkeit mit letzterem auch die Bedeutung frühestens 12. Jh.), mhd. ageleie, ahd. agaentsprechende Bezeichnung der Akelei mitbestimmt leia, mndd. ak(e)leye. Die Beurteilung dieses Pflan(deren Honigsporne gar nicht wie Dornen aussehen, zennamens wird durch die bei Pflanzennamen häusondern eher wie Haken, und als regionale Form figen Verschiebungen des Namens auf ähnliche taucht tatsächlich auch Haglei auf). Die bei KunstPflanzen und parallele Benennungen mit dem gleihistorikern beliebte Feststellung, dass die Akelei auf chen Benennungsmotiv erschwert. Frühbezeugung dem Genter Altar (speziell dem Bild der musizierenin Glossen (akileia, agaleia) seit der zweiten Hälfte den Engel) mit der kabbalistischen hebräischen Gotdes 9. Jhs. mit der Bedeutung ’Dornbusch’ und als tesbezeichnung AGLA (aus den Anfangsbuchstaben von atha gibbor leolam adonai) vergesellschaftet vorGlosse zu l. paliurus, dessen Bedeutung ganz unklar ist (es wird meist mit ’Distel’ u.ä. übersetzt, aber z.B. kommt, weshalb der Pflanzenname aus der Gottesbezeichnung zu erklären sei, kann nach der Beleglage im Altenglischen auf Grund einer speziellen Deutung nicht richtig sein. Hierzu, zu den Namen der Akelei auch als ’Dachwurz’ aufgefasst). Es ist dabei ersichtund ihrer Bedeutung für die mittelalterliche Kunst s. lich ein lateinisches Wort, das aber andere lateinische Löber (1988), zu den Namen S. 17–21. Wörter glossiert und, wie seine lautlichen Eigentümlichkeiten (romanische Tenuiserweichung) zeigen, Ebenso nndl. akelei, ne. aquilegia, nfrz. ancolie, nschw. akleja, nnorw. akeleie. – Loewe, R. BGDSL 59 (1935), 245–254; Marvon den Volkssprachen aufgenommen worden ist. In zell 1 (1943), 359f.; BlW 1 (1981), 289–291 (aculeatus, aculeus); dieser Verwendung handelt es sich eindeutig um eine EWahd 1 (1988), 76f.; LM 1 (1980), 250; Sauerhoff (2001), Form (Femininum oder Suffigierung) von l. aculeus 60–74, 313–315; Löber, K.: Agaleia (1988). ’Stachel, Dorn’, vgl. mit abweichendem Suffix Akklamation Sf ’(Abstimmung durch) Zuruf, Bei(*-entus) afrz. aiglent ’Weißdorn’, frz. ´eglantier fall’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. accla¯ma¯tio ’wilder Rosenstock’ (dieses Wort wird dann vor allem (-onis) ’Zuruf (häufig auch Ausdruck des Missfalin der Bedeutung ’Weinrose’ in deutsche Mundarten entlehnt). Das postulierte ml. aquile(g)ia ist in prilens)’, einem Abstraktum zu l. accla¯ma¯re ’zurufen’, zu l. cla¯ma¯re ’laut rufen, schreien’ und l. ad- ’hinzu’. mären Quellen nicht bezeugt und ziemlich sicher ein Hyperkorrektismus. Erheblich später (seit dem AnEbenso nndl. acclamatie, ne. acclamation, nfrz. acclamation, fang des 12. Jhs., beginnend mit Hildegard von Binnnorw. akklamasjon. Zur Sippe von l. cla¯ma¯re s. Þdeklamieren, zur Sippe der Wurzel s. Þklar. – DF 1 (21995), 250–252; LM 1 gen) wird das Wort auch (und später ausschließlich) (1980), 251f.; BlW 1 (1981), 182f. zur Bezeichnung von dornenlosen Blütenpflanzen verwendet. Es ist dabei zunächst ganz unklar, welche akklimatisieren Vsw std. (19. Jh.). Mit dem AdaptionsPflanzen gemeint sind; die Annahme, dass es um die Suffix -isieren entlehnt aus frz. acclimater, einer Präheute als Akelei bezeichnete Pflanze geht, ist nicht fixableitung zu frz. climat ’Klima’ (ÞKlima). ausreichend zu stützen und in einigen Fällen sicher Ebenso nndl. acclimatiseren, ne. acclimatize, nfrz. acclimater, unrichtig. Die Lautform ist bei Hildegard von Bingen nschw. acklimatisera, nnorw. akklimatisere. – DF 1 (21995), 252–255; EWNl 1 (2003), 89. ageleia, acoleia; danach aquileia bei Albertus Magnus; später auch in anderen Volkssprachen (it. aquileia, Akkord Sm std. (13. Jh.). In der Bedeutung ’Übereinport. acoleja; span. und kat., wie auch frz. ancolie, kommen’ entlehnt aus frz. accord ’Übereinstimunregelmäßig weiterentwickelt). Etwa ab dem frühen mung, Abkommen’ (in den kommerziellen Bedeu14. Jh. spielt die Akelei in Kunst, Emblematik und tungen auch abhängig von it. accordo) zu frz. accorder Symbolik eine wichtige Rolle, aber hier ist umgekehrt ’ein Abkommen schließen’, dieses aus früh-rom. nicht gesichert, welcher Name für die Blume voraus*accorda¯re, wie l. concorda¯re ’sich in Einklang befinzusetzen ist. Erst mit dem Beginn der illustrierten den, versöhnen’ eine Präfixableitung von l. cor (corKräuterbücher (gesichert seit dem 16. Jh.) steht die dis) n. ’Herz’ und l. ad- ’hinzu’. Im 17. Jh. kommt zu Kombination von Name und die Bedeutung im heuder allgemeinen Bedeutung ’Abkommen’ die spezitigen Sinn fest. Er ist im Deutschen ohne (überregiellere Bedeutung ’Werkvertrag, Vereinbarung zur Beonale) Konkurrenz, im Englischen und Französizahlung nach Stückzahl (usw.)’ hinzu. − Die musischen daneben häufiger columbine, im Italienischen kalische Bedeutung, allgemein als ’schöner Zusamcelidonia (eigentlich ’Schöllkraut’, das ähnliche Blätmenklang der Töne’ seit dem 15. Jh. nach frz. accord, ter hat wie die Akelei); columbine (zu l. columba als musikalischer Terminus seit dem 17. Jh.; doch ’Taube’), weil die 5 Honigblätter als 5 im Kreis angedürfte hier eine Vermengung mit frz. corde f. ’Saite’, ordnete Vögelchen aufgefasst wurden. Im Deutschen aus l. chorda f., vorliegen, die sich vor allem in der bezeichnen Akelei (so die nördliche Form) und Aglei früheren Bedeutung ’ein Instrument stimmen’ zeigt. (so die oberdeutsche Form) zunächst verschiedene Ebenso nndl. akkoord, ne. accord, nfrz. accord, nschw. ackord, Blütenpflanzen mit einem dornartigen, aber weichen nnorw. akkord. Von der gleichen verbalen Grundlage mit anderen Präfixen stammen ab ÞRekord, ÞKonkordat, Fortsatz, so den Storchenschnabel (vermutlich geraÞKonkordanz; von der gleichen Grundlage über das Franzönium pratense, aber es werden mehrere Pflanzen so sische: ÞCourage; zur germanischen Verwandtschaft s. ÞHerz; bezeichnet) und den (Feld-) Rittersporn, und ver-

Akt1

25 ÞAkkordeon. – Schirmer (1911), 8; DF 1 (21995), 259–269; Eggebrecht (1955), 20f.; Jones (1976), 81f.; BlW 1 (1981), 188; EWNl 1 (2003), 116.

Akkordeon Sn erw. fach. (19. Jh.). Das Musikinstru-

ment wurde von dem österreichischen Instrumentenbauer Demian (1829) Akkordion genannt, weil seine Bässe in Akkorden angeordnet sind. Die Endung wohl nach dem älteren Orchestrion; dann -eon in Anlehnung an die französische Form solcher Suffixe. Ebenso nndl. accordeon, ne. accordion, nfrz. accorde´on; ÞAkkord.

akkreditieren Vsw ’beglaubigen’ per. fach. (17. Jh.).

Ebenso nndl. accusatief, ne. accusative, nfrz. accusatif, nschw. ackusativ, nnorw. akkusativ. L. accu¯sa¯re ist gebildet aus l. causa f. ’Grund, Schuld, Umstand’ und ad- ’hinzu’. Zu l. causa s. Þkausal und Þkosen. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 53; Kapp, E. FS Snell (München 1956), 15–21.

Akne Sf (eine Hautkrankheit) erw. fach. (19. Jh.). Über

lateinische Quellen in England entlehnt aus gr. akme¯´ ’Höhepunkt’, auch ’Blüte’ und schließlich (im Plural) Bezeichnung eines Hautausschlags (also eigentlich ’die Blüte’, die englische Bezeichnung war ursprünglich auch rosy-drop). Die Form mit -n- beruht auf einer falschen Lesung. Sie ist in lateinischen Handschriften schon im 16. Jh. nachweisbar (EWNl). Zur weiteren Verwandtschaft von gr. akme¯´ s. ÞAkrobat.

Entlehnt aus frz. accre´diter ’beglaubigen’ (zu frz. cre´Ebenso nndl. acne, ne. acne, nfrz. acne´. – EWNl 1 (2003), 94. dit ’Vertrauen’, dessen weitere Verwandtschaft unter Akribie Sf ’höchste Genauigkeit’ erw. fremd. (18. Jh.). ÞKredit behandelt ist). Entlehnt aus kirchen- l. acribia, dieses aus gr. akrı¯´Ebenso nndl. accrediteren, ne. accredit, nfrz. accre´diter, nschw. beia, einem Abstraktum zu gr. akrı¯be¯´s ’genau, sorgackreditera, nnorw. akkreditere. – DF 1 (21995), 269–271. fältig’. Adjektiv: akribisch. Akku (Kurzform von Akkumulator, früher auch Aku)

Ebenso nndl. acribie, nschw. akribi, nnorw. akribi. Die HerSm std. (19. Jh., Form 20. Jh.). Mit diesem im Lateikunft des griechischen Wortes ist unklar. Vielleicht gehört es nischen noch nicht spezifizierten Wort werden in der zu gr. a´kros ’an der Spitze befindlich’ (vgl. Þspitzfindig). – Neuzeit Geräte bezeichnet, die die Funktion des SamKurz, D.: Akribeia (Göppingen 1970); DF 1 (21995), 280–282; melns und Speicherns (besonders von elektrischer EWNl 1 (2003), 94. Energie) haben: l. accumula¯tor m. ’Anhäufer’ zu l. Akrobat Sm ’Turnkünstler’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt accumula¯re, aus l. cumula¯re ’häufen, steigern’ und l. aus frz. acrobate m./f. ’Seiltänzer’, dieses aus gr. akroad- ’hinzu-’; weiter zu l. cumulus ’Haufen’. Entspreba´te¯s ’Akrobat’, dieses zu akro´batos ’jmd. der auf den chend ne. accumulator, nfrz. accumulateur. Die KurzZehenspitzen läuft’, zu gr. a´kros ’spitz’ und gr. baı´nein form seit dem 20. Jh. Mit der Ausgangsbedeutung (bato´s) ’gehen’. Die Bedeutung wird noch im 19. Jh. ’anhäufen’ das Verbum akkumulieren und das Ab’Seiltänzer’ zu ’Artist mit außergewöhnlicher von straktum Akkumulation. Körperbeherrschung’ erweitert. Adjektiv: akrobatisch; Ebenso nndl. accu, ne. accumulator, nfrz. accu, nschw. ackuAbstraktum Akrobatik. mulator, nnorw. akku. – BlW 1 (1981), 193f.; DF 1 (21995), 271–274; EWNl 1 (2003), 90.

akkurat Adj ’genau’ per. fremd. (15. Jh.). Entlehnt aus l.

Ebenso nndl. acrobaat, ne. acrobat, nfrz. acrobate, nschw. akrobat, nnorw. akrobat. Zu gr. a´kros s. ÞAkne, die lateinische Entsprechung in Þakut und die deutsche in ÞEcke, zur Sippe von gr. baı´nein s. ÞBasis. – DF 1 (21995), 282–284; EWNl 1 (2003), 94.

accu¯ra¯tus ’sorgfältig, genau’, dem PPP. von l. accu¯ra¯re ’mit Sorgfalt erledigen’, zu l. cu¯ra¯re ’für etwas bzw. Akt1 Sm std. (15. Jh., Form 18. Jh.). Entlehnt aus l. a¯ctus jmd. Sorge tragen’ und l. ad- ’hinzu’; weiter zu l. cu¯ra ’Handlung’, Abstraktum zu l. agere (a¯ctum) ’treiben, ’Sorge, Sorgfalt, Augenmerk’. Das Abstraktum betreiben’ mit verschiedenen BedeutungsausweitunAkkuratesse mit französischer Endung, aber ohne gen in früher und später Zeit: ’Aufzug eines Bühnenfranzösisches Vorbild. werks’ 17. Jh.; als Terminus der Malerei des 18. Jh. Ebenso nndl. accuraat, ne. accurate, nschw. ackurat, nnorw. ’Stellung des menschlichen Körpers (durch ein Moakkurat. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. cu¯ra s. ÞKur. – dell)’, dann allgemein ’Bild eines nackten (weibli2 DF 1 ( 1995), 275–277; BlW 1 (1981), 194f.; EWNl 1 (2003), 90. chen) Körpers’. Diese letzte Bedeutung ist nur Akkusativ Sm ’Wen-Fall’ erw. fach. (15. Jh., Form deutsch; nach Man´czak − ohne Nachweis − ist sie 18. Jh.). Entlehnt aus l. (ca¯sus) accu¯sa¯tı¯vus, eigentlich anderer Herkunft (falsche Ablösung aus nackt); nach ’der eine Anklage ausdrückende Fall’, AdjektivbilBammesberger entstanden durch falsche Ablösung dung zu l. accu¯sa¯re ’anklagen, beschuldigen’. Die labei Nacktmodell. Die frühen Zeugnisse, die sich nur teinische Bezeichnung ist eine Lehnübersetzung zu auf die Stellung des Körpers beziehen, dürften aber ´ gr. aitia¯tike¯ pto˜sis ’Fall, der das Verursachte angibt’. eindeutig sein. Die Bedeutungsverengung ähnlich Bei der Übertragung ins Lateinische wurde eine anwie ÞAkademie für Akademiestück, womit ebenfalls dere Bedeutung von gr. aitia¯tiko´s und gr. aitı´a, das das Bild eines nackten Menschen gemeint sein kann. neben ’Grund, Ursache’ auch ’Anklage, Vorwurf’ beEbenso nndl. akte, ne. act, nfrz. acte, nschw. akt, nnorw. akt. deutet, herangezogen. Kritisch zu dieser Auffassung Zur Sippe von l. agere s. Þagieren. – DF 1 (21995), 284–288; Kapp: Auch die griechische Fügung zielt auf den AnWeimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 386; BlW 1 (1981), 280–286; klage-Fall; gemeint ist der Akkusativ mit Infinitiv, der Man´czak, W. ASNSL 219 (1982), 373; Hiersche, R. FS Polome´ als Inhalt bei Verben der Beschuldigung, der Behaup(1988), 269–278; EWNl 1 (2003), 116f.; Bammesberger, A. SW 30 (2005), 77–81. tung und der Erzählung steht.

Akte

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Akte Sf (selten Akt m., gewöhnlich Pl.: Akten)

’Schriftstück, Schriftverkehr’ std. (15. Jh., Form 16. Jh.). Zunächst in lateinischer Form entlehnt aus a¯cta (Pl.) ’das Verhandelte’, PPP. zu l. agere (a¯ctum) ’treiben, betreiben’. Im 16. Jh. eingedeutscht, doch bleibt die Formel ad a¯cta ’zu den Akten’ im Sinne von ’beiseite’ bis heute. Die Singularformen sind Rückbildungen. Ebenso nndl. akte, nfrz. acte, ndn. aktstykke, nnorw. aktstykke. Zur Sippe von l. agere s. Þagieren. – DF 1 (21995), 288–291; Ganz (1957), 31f.; Moeller-Schina (1969), 92f.; LM 1 (1980), 258f.; BlW 1 (1981), 249–251; EWNl 1 (2003), 116f.

Akteur Sm ’Handelnder, Schauspieler’ std. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. acteur, das seinerseits aus l. a¯ctor ’Handelnder, Schauspieler’ stammt, einem Nomen Agentis zu l. agere ’treiben, handeln’ (Þagieren). Heute meist im Sinne von ’Drahtzieher’ verwendet, um 1800 ein Wort für ’Schauspieler’, neben dem das (seltene) Femininum Aktrice (aus frz. actrice) steht. Ebenso nndl. acteur, ne. actor, nfrz. acteur, nschw. aktör, nnorw. aktør. – DF 1 (21995), 291f.; EWNl 1 (2003), 94f.

Aktie (selten Aktion) Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus nndl.

actie ’Anrecht’, dieses aus l. a¯ctio¯ (-o¯nis) in der Bedeutung ’klagbarer Anspruch’ (sonst ’Handlung’, Abstraktum zu l. agere [a¯ctum] ’treiben, betreiben’). Die spezielle Bedeutung ’Wertpapier, das einen Anspruch auf Dividende sichert’ seit dem 17. Jh. nach dem Niederländischen und Englischen. Die frühere Form ÞAktion noch in der Schweiz und in der Täterbezeichnung Aktionär (entsprechend frz. actionnaire).

aktuell Adj std. (18. Jh., Form 19. Jh.). Entlehnt aus frz.

actuel ’wirklich, für die Gegenwart wichtig’, dieses aus spl. a¯ctua¯lis ’wirksam, wirklich’, zu einem tu-Stamm von l. agere (a¯ctum) ’treiben, betreiben’. Die Bedeutungsentwicklung verläuft von ’wirklich’ über ’gegenwärtig wirklich’ hin zu ’zum gegenwärtigen Zeitpunkt wesentlich’, wobei das Zeitungswesen des 19. Jhs. eine wichtige Rolle spielte (Tatsachenberichte von soeben Geschehenem). Die Schreibung mit c wird bis zum Anfang des 20. Jhs. beibehalten. Abstraktum: Aktualität. Ebenso nndl. actueel, ne. actual, nfrz. actuel, nschw. aktuell, nnorw. aktuell. Zur Sippe von l. agere s. Þagieren. – DF 1 (21995), 315–320; Bäuerlein, H. Publizistik 3 (1958), 297–301; Haacke, W. Publizistik 4 (1959), 3–19; BlW 1 (1981), 275; EWNl 1 (2003), 95.

Aku Sm ÞAkku. Akupunktur Sf ’Heilbehandlung mit Nadelsti-

chen’ erw. fach. (19. Jh.). Das ostasiatische Verfahren (Zhen Jiu) wurde durch den niederländischen Arzt Ten Rhyne im 18. Jh. nach Europa gebracht und so (zumindest in lateinischen Texten) bezeichnet (zu l. acus ’Nadel’ und l. pu¯nctu¯ra ’Stich’, einer Ableitung von l. pungere [pu¯nctum] ’stechen’). Erste Kenntnisse schon etwas früher bei jesuitischen Missionaren, die das Wort wohl geprägt haben (EWNl). Im Deutschen erst seit dem 19. Jh. bezeugt. Ebenso nndl. acupunctuur, ne. acupuncture, nfrz. acupuncture, nschw. akupunktur, nnorw. akupunktur. Zur Sippe von l. pungere s. ÞPunkt, zum Bestimmungswort s. Þakut. – EWNl 1 (2003), 95f.

Ebenso nfrz. action, nschw. aktie, nnorw. aksje. Zur Sippe von l. agere s. Þagieren. – Schirmer (1911), 9; DF 1 (21995), 292–295; Akustik Sf ’Lehre vom Schall’ erw. fach. (18. Jh.). Nach Röhrich 1 (1991), 74f.; EWNl 1 (2003), 95.

Aktion Sf std. (15. Jh., Bedeutung 16. Jh.). Entlehnt aus

l. a¯ctio¯ (-o¯nis) ’Handlung’, einem Abstraktum zu l. agere (a¯ctum) ’treiben, betreiben’. Die allgemeine Bedeutung ’Handlung’ erst seit dem 16. Jh., die juristische Bedeutung ’einklagbarer Anspruch’ (ÞAktie) schon etwas früher. Ebenso nndl. actie, ne. action, nfrz. action, nschw. aktion, nnorw. aksjon. Zur Sippe von l. agere s. Þagieren. – BlW 1 (1981), 253–270; DF 1 (21995), 295–303; EWNl 1 (2003), 95.

dem Vorbild entsprechender Wissenschaftsbezeichnungen (über das Mittellatein) entlehnt aus gr. akoustiko´s ’das Hören betreffend’, Adjektiv aus dem to-Partizip von gr. akou´ein ’hören’ (aus *akous-, letztlich zu (ig.) *ak´- ’spitzig’, also ’die Ohren spitzen’). Zur germanischen Verwandtschaft s. Þhören. Adjektiv: akustisch. Ebenso nndl. akoestiek, acustica, ne. acoustics, nfrz. acoustique, nschw. akustik, nnorw. akustikk. – DF 1 (21995), 320–323; EWNl 1 (2003), 116.

aktiv Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. a¯ctı¯vus, Adjektiv- akut Adj ’unvermittelt, heftig’ erw. fach. (15. Jh.). Ent-

bildung zu l. agere (a¯ctum) ’treiben, betreiben’. Substantivierungen in mehreren Bedeutungen zu verschiedenen Zeiten: Gegensatz zu ÞPassiv (17. Jh. in lateinischer Form, seit dem 19. Jh. endungslos); derselbe Gegensatz bei Bilanzen (meist Aktiven oder Aktiva, 18. Jh.); ’Aktionsgruppe’ (20. Jh. DDR, nach dem Vorbild von russ. aktı´v; bekannter ist die davon abgeleitete und ebenfalls unter russischem Einfluss stehende Täterbezeichnung Aktivist). Mit allgemeinerer Bedeutung das Verbum aktivieren; Abstraktum (zum Adjektiv): Aktivität.

Ebenso nndl. actief, ne. active, nfrz. actif, nschw. aktiv, nnorw. aktiv. Zur Sippe von l. agere s. Þagieren. – DF 1 (21995), 303–314; Jones, W. J. SN 51 (1979), 248; BlW 1 (1981), 271f.; EWNl 1 (2003), 95.

lehnt aus l. acu¯tus (eigentlich ’spitz, scharf’, zu l. acuere ’schärfen, spitzen’, verwandt mit l. acus ’Nadel’; ÞAkupunktur). Der Gebrauch in der Medizin (für Krankheiten: ’plötzlich auftretend, heftig’) bereits im Lateinischen, wohl als Lehnbedeutung zu gr. oxy´s. Substantiviert Akut m. als Bezeichnung für einen steigenden (’spitzen’) Ton (ebenfalls Lehnbedeutung aus gr. oxy´s), dann auch ein diakritisches Zeichen für diesen (und anderes). Ebenso nndl. acuut, ne. acute, nfrz. aigu, nschw. akut, nnorw. akutt. S. ÞAkupunktur, ÞAkrobat und zur germanischen Verwandtschaft ÞEcke. – LM 1 (1980), 259; BlW 1 (1981), 296–298; DF 1 (21995), 323–325; EWNl 1 (2003), 96.

Aland

27 Akzent Sm ’Betonung, fremde Aussprache’ erw. fach.

Ebenso nndl. accijns, ne. excise, nfrz. accise, nschw. accis. Zu

dem zugrunde liegenden l. sede¯re ’sitzen’ s. ÞResidenz, zur ger(15. Jh., Form 20. Jh.). Entlehnt aus l. accentus, einer manischen Verwandtschaft Þsitzen. – Schirmer (1911), 10; LM Ableitung von l. accinere ’dazu klingen, dazu singen’, 1 (1980), 261; EWNl 1 (2003), 89. zu l. canere (cantum) ’singen, klingen’ und l. ad-al (Variante -ell) Suffix (zur Bildung von Adjektiven ’hinzu’. L. accentus ist eine Lehnübersetzung zu gr. zum Ausdruck der Ähnlichkeit oder Zugehörigproso¯idı´a¯, einem Abstraktum zu gr. pro´s ’hin, zu’ und keit) erw. bildg. (–). Z.B. (Ähnlichkeit) pastoral ’wie gr. o¯de¯´ ’Lied’, also ’hinzugefügte Melodie’, gemeint ist ein Pastor’, Þgenial ’wie ein Genie’ oder (Zugehörigalso zunächst die Intonation, dann (nach dem Verlust keit), z.B. kolonial ’zu den Kolonien gehörig, aus den des musikalischen Akzents) die Hervorhebung einKolonien stammend’. Das Suffix wird in lateinischen zelner Silben. Als Bezeichnung der entsprechenden Wörtern ins Deutsche übernommen und geht auf diakritischen Zeichen seit dem 16. Jh. In der Bedeufunktional entsprechendes l. -a¯lis zurück. Aus Subtung ’besondere Ausspracheweise’ häufig französisch stantivierungen solcher lateinischer Adjektive stamausgesprochen (und 〈accent〉 geschrieben). Verb: men einige Fremdwörter im Deutschen, deren Wortakzentuieren ’betont sprechen, hervorheben’. ausgang -al man synchronisch nicht als Suffix einordEbenso nndl. accent, ne. accent, nfrz. accent, nschw. accent, nen würde (z.B. ÞGeneral − l. genera¯lis ’allgemein’, nnorw. aksent. Zur Sippe von l. canere s. ÞChanson. Vgl. ÞProsodie. – DF 1 (21995), 327–333; Leser, E. ZDW 15 (1914), 36; ÞMoral − l. mo¯ra¯lis ’sittlich’). Das Suffix hat im DeutLM 1 (1980), 259f.; BlW 1 (1981), 151; EWNl 1 (2003), 88. schen häufig die Form -alisch, das dann nachträglich verkürzt werden kann, vgl. auch -alistisch. Es wird in akzeptieren Vsw ’annehmen’ erw. fremd. (15. Jh.). neoklassischen Bildungen in beträchtlichem Umfang Unter Einfluss von frz. accepter entlehnt aus l. accepgebraucht, eine Variante ist -ell (aus der französischen ta¯re, einem Intensivum zu l. accipere ’annehmen’, zu Folgeform der gleichen Grundlage). Bei Weiterbill. capere (captum) ’nehmen’ und l. ad- ’hinzu’. Adjekdungen tritt -al- für -ell ein (individuell − Individutiv: akzeptabel. alität). Erweiterte Suffixe sind Þ-ial (äquatorial) und Ebenso nndl. accepteren, ne. accept, nfrz. accepter, nschw. ac-ual (prozentual). ceptera, nnorw. akseptere. Zur Sippe von l. capere s. Þkapieren. – DF 1 (21995), 333–339; BlW 1 (1981), 152–158; EWNl 1 (2003), 88.

Akzidenz (auch Akzidens) Sn ’etwas Zufälliges, nicht

zum Wesen Gehörendes’ per. fach. (15. Jh., Form 18. Jh.). Entlehnt aus l. accidentia f. ’Zufall’, Abstraktum zu l. accidere ’vorfallen, eintreten’, zu l. cadere ’fallen’ und l. ad- ’hinzu-’. In philosophischer Verwendung Lehnübersetzung des aristotelischen gr. symbebe¯ko´s. Ebenso ne. accident, nnorw. aksidens. Zur Sippe von l. cadere s. ÞKadenz. – Bärthlein, K. Archiv für Geschichte der Philosophie 50 (1968), 196–253; HWPh 1 (1971), 72f.; BlW 1 (1981), 165; DF 1 (21995), 339–347.

Akzise Sf ’Verbrauchs-, Verkehrssteuer’ per. arch.

Wortbildung 3 (1978), 37f., 264.

alaaf Interj (Hochruf in Köln, z.B. im Karneval: Kölle

alaaf ) per. wmd. wndd. (17. Jh., Form 19. Jh.), mndd. alaf . Im 18. Jh. mit umgekehrter Stellung bezeugt als allaff Collen; Erstbeleg al aff colnisch land von 1635, die Wendung ist aber wohl älter. Ursprünglich all ab (mundartlich all-af ), etwa ’alles unterhalb Kölns, Köln über alles’. So auch auf den Devisen von Losen im 18. Jh. (neben Allaff Jungferschafft). Danach emphatische Dehnung der zweiten Silbe im Ausruf. Kuhl, J.: Alaaf Köln (Köln 1905); Hoffmann, W. GS Droege (1994), 504–515; EWNl 1 (2003), 117.

Alabaster Sm ’Edelgips’ erw. fach. (12. Jh.). Entlehnt (13. Jh., Standard 16. Jh., Form 20. Jh.), mndl. assise. aus l. alabaster m., alabastrum n., dieses aus gr. ala´Zunächst nur in Nordwestdeutschland als assise u.ä. bastros m. und -on n. (älter gr. ala´bastos) ’Alabaster entlehnt aus gleichbedeutendem afrz. assise; dieses ist (als Mineral), aus Alabaster gefertigtes Salbengefäß’. das substantivierte Partizip Perfekt von asseoir Wohl zu einem ägyptischen Wort für ’Salbgefäß’festsetzen’. Im Laufe des 15. Jhs. wird das Wort vor stein’ (Kammerzell). Der Bezug auf Salben (Salballem im Niederländischen als accise geschrieben und gefäß, vielleicht auch Bestandteil von Salben) ist auch aufgefasst und diese Veränderung dringt allgemein in frühen deutschen Belegen deutlich. Die weitere (auch im Französischen) durch (frz. accise, das allerHerkunft des Wortes ist nicht sicher geklärt (vermutdings vorwiegend Steuern auf niederländische und lich ägyptischer Herkunft, vielleicht ein Ortsname). englische Lebensmittel bezeichnet). Der Grund für Ebenso nndl. albast, ne. alabaster, nfrz. albaˆtre, nschw. alabasdie Veränderung ist nicht ausreichend klar (Anter, nisl. alabast. – Littmann (1924), 20f.; Tischler, J. Glotta schluss an das Partizip von l. accı¯dere ’anschneiden’ 56 (1978), 50–61; Lüschen (1979), 166; Kammerzell, F. FS Cherubim (Frankfurt/Main 2001), 116–119; EWNl 1 (2003), 118; im Sinn von ’einkerben’? Oder Anschluss an l. accenBjorvand, K. HSF 120 (2007), 295f. se¯re ’zurechnen’ und ÞZins? Vgl. den Zuwachs eines -n- in ndl. accijns). Eindeutschung der Schreibung Aland (Alant) Sm (Name verschiedener Karpfenerst im 20. Jh. Frz. asseoir beruht auf einer transitiven fische) per. fach. (9. Jh.), mhd. alant, ahd. alunt, as. Form (’Platz anweisen, festsetzen’) von l. assidere alund. Sind unter Annahme einer Grundform (g.) ’sich hinsetzen’. *alunþa- mit grammatischem Wechsel vergleichbar

Alant

28

mit anord. o¸lunn ’Makrele’. Weitere Entstehung dunkel. EWahd 1 (1988), 186–188.

Alant Sm ’Alant, Helenenkraut’ (früher Heilkraut und

Gewürz, besonders die Wurzel) per. fach. (10. Jh.) mhd. alant, ahd. alant, mndd. alant, mndl. alaen, alle < *alan. Daneben ae. eolone (< *ilun), afrz. ialne, eaune (< ml. helna, elena), frz. aune´e (dieses kollektive Ableitung). Zugrunde liegt gr. hele´nion, doch ist die lautliche Entwicklung komplex und unklar. Die lateinische Form ist l. inula (mit Vertauschung der Konsonanten?), doch steht in Glossen dafür ml. elena, elna, ella, enula. Nach Isidor 17,11,9 war die Form der Bauern ala. Außerdem die erweiterte Form ml. enula compana (’campanischer Alant’ oder ’ländlicher Alant’), e. elecampane (seit dem 14. Jh.). Vielleicht ist die Lautform beeinflusst von spl. a¯lum ’wilder Knoblauch’ nebst Anpassung an die Partizipien auf -ant. Ebenso nndl. alant. – Die Herkunft des griechischen Wortes ist unklar: Entweder zu gr. Hele´ne¯, dem Namen der Tochter des Zeus und der Leda (vielleicht zu dem gleichlautenden Appellativum, das ’Rohrbündel, geflochtener Korb, Fackel aus Rohr’ u.ä., bedeutet, oder nach Amigues aus ig. * welen-, zu l. vulnus als ’Wundkraut’. – Björkman, E. ASNSL 107 (1901), 377–379; Loewe, R. BGDSL 59 (1935), 254f.; Marzell 2 (1972), 1012–1014; EWAhd 1 (1988), 147–149; LM 1 (1980), 267; Amigues, S. Journal des savants 1990, 177–198; Lehrnbecher (1995), 155–159. EWNl 1 (2003), 117f.

Alarm Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. allarme, einer

Zusammenrückung aus it. all’arme ’zu den Waffen’; it. arma f. ’Waffe’, aus l. arma n. Pl. ’Waffen’. Frühe Nebenformen sind fnhd. allerme, lerman u.ä. (ÞLärm). Zusätzlicher französischer Einfluss ist mindestens bei der endgültigen Standardisierung der Schreibung anzunehmen. Verb: alarmieren. Ebenso nndl. alarm, ne. alarm, nfrz. alarme, nschw. (a)larm, nnorw. alarm. Für weitere Zusammenhänge s. ÞArmee. – DF 1 (21995), 347–351; EWNl 1 (2003), 118.

Alaun Sm ’ein Salz, das als blutstillendes Mittel und als

Beiz- und Färbemittel verwendet wird’ per. fach. (12. Jh.), mhd. alu¯n, mndd. alu¯n, mndl. alu¯n. Entlehnt aus frz. alun, dieses aus l. alu¯men n. Ebenso nndl. aluin, ne. alum, nfrz. alun, nschw. alun, nisl. a´lu´n. Die Herkunft des lateinischen Wortes ist unbekannt; ÞAluminium. – Schlutter, O. B. English Studies 42 (1910), 166–168; Förster, M. Anglia 41 (1917), 138; Goltz (1972), 161; Lüschen (1979), 166f.; EWahd 1 (1988), 185f.; LM 1 (1980), 272f.; EWNl 1 (2003), 128f.

Alb1 Sf ÞAlp(e). Alb2 (Alp) Sm ’Angsttraum’ erw. fach. (11. Jh.), mhd.

ÞAlpdrücken, Alptraum (auch ae. ylfa gesceot ’Albenschuss’ für ’Hexenschuss’). Denkbar ist die Anknüpfung an ai. rbhu´- ’Bezeichnung für kunstreiche Halbgötter’ (die˙ Alben waren wie die Zwerge offenbar auch begabte Schmiede) oder an l. albus ’weiß’ (da es in der nordischen Mythologie ’Lichtalben’ gibt, ÞAlbe 1). Andere (Mastrelli nach de Saussure) schließen an alpe ’Berggeister in den Alpen’ an. Im übrigen ist die mythologische Stellung der Alben so wenig klar (auch in der sonst reichhaltigen nordischen Überlieferung), dass etymologische Anschlüsse nicht ausreichend gesichert werden können. Die Femininform zu Alb war Elbe oder Elbinne; das Wort starb als Bezeichnung solcher Geister in der Neuzeit aus, dafür drang das verwandte ÞElf 2, Elfe aus dem Englischen ein. Ebenso nndl. alf. – Die Ablehnung des Vergleichs von Alb und ai. rbhu-, z.B. bei Mayrhofer, M.: EWAia 1 (1992), 259f. ist ˙ unbegründet: Die Möglichkeit einer Erklärung des indischen Wortes innerhalb des Indischen schließt nicht aus, dass eine parallele, aber nicht mehr nachweisbare Erklärung auch für das germanische Wort gilt. – RGA 1 (1973), 130–132; Mastrelli, C. A. StG 13 (1975), 5–13; Lecouteux, C. Euphorion 75 (1981), 371–378; Peeters, Ch. L. GL 28 (1988), 119; EWahd 1 (1988), 152–154; Knobloch, J. SW 14 (1989), 282–284; Röhrich 1 (1991), 75; EWNl 1 (2003), 119f.

Albatros Sm (ein Seevogel) per. exot. (18. Jh.). Entlehnt

aus nndl. albatros oder ne. albatross über algatross aus span. port. alcatraz. Letztlich vermutlich aus arab. alg˙atta¯s, eigentlich ’Taucher; ein Wasservogel, der un˙˙ terzutauchen pflegt’, die Beleglage ist allerdings unsicher. Der Name bezeichnet zunächst einen amerikanischen Seevogel, deshalb hat man auch (vergebens) nach einem Vorbild des Namens in den amerikanischen Sprachen gesucht. Die lautliche Umgestaltung zu -b- wohl im Anschluss an l. (und rom.) albus ’weiß’, weil diese Vögel ein weißes Gefieder haben. Ebenso nndl. albatros, ne. albatross, nfrz. albatros, nschw. albatross, nisl. albatros. – DEO (1982), 43f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 12; EWNl 1 (2003), 118.

Albe1 (auch Albel) Sf ’Weißfisch’ per. fach. (13. Jh.,

Form 17. Jh.), mhd. albel m. Entlehnt aus l. albula, einer Substantivierung von l. albulus ’weißlich’ (zu l. albus ’weiß’), das spätere Albe (17. Jh.) stammt aus einer Substantivierung des Grundworts (l. alba) (oder handelt es sich um eine lautliche Vereinfachung?). S. auch ÞAlb 2. Zum gleichen Grundwort gehören ÞAlber und ÞAbele; ÞAlbino, ÞAlbum.

Albe2 Sf ’Weißpappel’ ÞAlber.

Alber Smf (auch ÞAlbe2 f., Albel f.) ’Weißpappel’ per. alb, ahd. alb, as. alf . Aus g. *albi- (oder *alba-) m. fach. (9. Jh.), mhd. alber(boum), ahd. albari, as. al’Alb’ (mythisches Wesen zwischen Menschen, Götbari. Entlehnt aus ml. alburus, Nebenform zu l. altern und Zwergen, in christlicher Zeit auch als Nachtbulus ’weißlich’ mit Anpassung des Suffixes an ahd. mahr interpretiert), auch in anord. alfr, ae. ¢lf (Pl. -ari; Albe (18. Jh.) aus entsprechendem l. albus, Albel ylfe). Vgl. den Zwergennamen Alberich (’König der (18. Jh.) aus l. albulus. Bezeichnet nach der Farbe der Alben’?), nfrz. Oberon und die Bezeichnung Blätter.

Aldermann

29 1

Ebenso nndl. abeel, ne. abele; ÞAlbe . – Meyer-Lübke, W. ALLG 13 (1904), 50f.; EWahd 1 (1988), 157f.; Öhmann, E. NPhM 43 (1942), 20f. (Besprechung regionaler Formen); EWNl 1 (2003), 81.

albern Adj std. (9. Jh., Bedeutung 12. Jh.), mhd. alw¢re,

Wappen o.ä. beifügen. Auch diese Stammbücher, die Vorgänger der späteren Poesie-Alben, wurden z.T. album amicorum genannt. Mit dem Beginn der Fotografie wurden diese Einträge durch Fotos zunächst ergänzt, dann weitgehend ersetzt, und diese Sammlungen von Personen gingen dann in Sammlungen von fotografisch festgehaltenen Geschehnissen über. Dies führte zu weiteren Sammlungen thematisch zusammengehöriger Belegstücke und schließlich zur heutigen Bedeutung einer ’thematischen Sammlung von Bildern oder Gegenständen, die in einem Buch gesammelt werden können’. Diese Bedeutungsentwicklung zeigt sich zuerst im Deutschen und wird von dort in andere Sprachen übernommen, die Bedeutung ’Langspielplatte, zusammengehörige Platten’ kommt aus dem Englischen.

ahd. alawa¯ri ’freundlich, gütig’. Aus g. *al(l)aw¢ ¯ r-ja- Adj. ’freundlich’, auch in gt. (Abstraktum) allawerei ’volles Vertrauen, Vorbehaltlosigkeit’, anord. o¸lv¢rr ’(gast)freundlich’, ae. ealwerlı¯ce Adv. ’freundlich’. Das Adjektiv ist ein Bahuvrı¯hi-Kompositum ’dessen Vertrauen ganz ist, der volles Vertrauen hat’ zu einem Wurzelnomen ig. (eur.) *we¯r- ’Vertrauen’, das auch dem Adjektiv Þwahr zugrunde liegt. Im Frühneuhochdeutschen wird das Wort als Einheit empfunden (deshalb die Inlautentwicklung von lw zu lb und Abschwächung der zweiten Silbe) und nach dem Vorbild des Niederdeutschen mit Ebenso nndl. album, ne. album, nfrz. album, nschw. album, einem aus den obliquen Kasus stammenden n vernisl. albu´m. – DF 1 (21995), 352–354; Carstensen 1 (1993), 25f.; sehen, wodurch es sich den Materialadjektiven auf EWNl 1 (2003), 118f.; Worstbrock, F. J. MlJ 41 (2006), 247–264. -ern angleicht. Die Bedeutung wandelt sich in der gleichen Zeit von ’freundlich’ zu ’harmlos, naiv, Alchemie Sf ÞAlchimie. dumm’ (ähnlich in frz. bonhomme). Verb: (herum-) Älchen Sn ÞAal. albern; Abstraktum: Albernheit. Alchimie (auch Alchemie) Sf ’Goldmacherkunst’ erw. Seebold, E. IF 78 (1973), 146–162. obs. (13. Jh.). Entlehnt aus ml. alchimia (gegebenenAlbino Sm ’Lebewesen ohne Pigment in der Haut’ erw. falls über afrz. alkimie), dieses aus span. alquimia, aus fach. (18. Jh.). Entlehnt aus span. albino (eigentlich arab. al-kı¯miya¯’, auch ’Stein der Weisen’. Täterbe’der Weißliche’), einer Ableitung von span. (poet.) zeichnung: Alchimist; Adjektiv: alchimistisch. 1 albo ’weiß’, dieses aus l. albus (ÞAlbe ). Die BedeuEbenso nndl. alchimie, ne. alchemy, nfrz. alchimie, nschw. altungsentwicklung von ’weiß’ zu ’farblos, ohne Farbkemi, nnorw. alkymi. Das arabische Wort wird verschieden stoff’ beginnt in Bezeichnungen wie span. negros alerklärt. Es stammt am ehesten aus gr. chymeı´a, che¯meı´a binos für hellhäutige Neger; dann übertragen auf an’Beschäftigung mit der Metallumwandlung’. Die weitere dere Lebewesen ohne Pigment. Herkunft dieses griechischen Wortes ist umstritten. NahelieEbenso nndl. albino, ne. albino, nfrz. albinos, nschw. albino, nnorw. albino. – DF 1 (21995), 351f.; EWNl 1 (2003), 118.

Album Sn ’gebundenes Buch zur Aufnahme von Fotos,

gend ist der Anschluss an gr. chy´ma ’Metallguss’, doch bleibt dabei die Variante mit -e¯- unerklärt. Ein anderer Erklärungsversuch greift auf ein ägyptisches Wort mit der Bedeutung ’schwarz’ zurück; ÞChemie. – Lippmann (1919); HWPh 1 (1971), 148–150; Lokotsch (1975), 92; LM 1 (1980), 329–342; Kiesler (1994), 219; DF 1 (21995), 355–358; Tazi (1998), 113f.; EWNl 1 (2003), 119.

Briefmarken usw.’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. album ’Verzeichnis’, eigentlich ’weiße Tafel (zum Aufschreiben)’ zu l. albus ’weiß’ (ÞAlbe 1). Zunächst eine Holztafel für öffentliche Bekanntmachungen, die mit Gips Aldermann (Altermann, Ältermann [Plural auch -leute]) geweißt war und mit schwarzer Farbe beschrieben Sm ’Ältester, Vorstand’ per. arch. ndd. md. (13. Jh., wurde, vgl. das parallele gr. ley´ko¯ma ’weiße Tafel’ zu Standard 18. Jh.). Regional seit dem 13. Jh. verbreitet, gr. leyko´o¯ ’ich weiße’, das vielleicht das Vorbild gevergleichbar mit ae. ealdorman (seit dem 8. Jh.), afr. wesen ist. Dann ’Mitgliederverzeichnis’ (z.B. die Liste aldirmon, mndd. olderman, mndl. ouderman. Wohl der Senatoren). In christlicher Zeit können diese Vereine Bildung mit dem Komparativ-Suffix; die Form zeichnisse zu ganzen Büchern auswachsen. Das Wort entspricht aber vor allem im Englischen nicht dem wird dann obsolet und ist wohl ausgestorben; doch Komparativ von alt. Weder der Gebrauch als Simplex wird es durch den Humanismus (mit der antiken Be(ae. ealdor ’Fürst’, afr. alder ’Vater’), noch der Zusamdeutung) im 15. Jh. neu belebt, vor allem wird die menhang mit ÞEltern, noch die Zusammensetzung Universitätsmatrikel häufig als album bezeichnet. In mit -mann sind recht klar, zumal bei den Germanen weiteren Kreisen gebräuchlich wird dann die Prädie Alten nicht als die Führenden galten. Das Wort gung album amicorum ’Verzeichnis der Freunde, stirbt in unmittelbarem Gebrauch in der Neuzeit aus, Freundeskreis’. Im 16. Jh. kommt dann die Sitte der wird aber seit dem 18. Jh. historisierend verwendet Stammbücher auf, bei denen der Besitzer seine Freun(z.T. auf niederdeutsche, z.T. auf englische Verhältde und von ihm geschätzte Zeitgenossen bittet, ihm nisse bezogen). mit eigenem Schriftzug ein Andenken zu hinterlasÞalt, ÞEltern. – RGA 1 (1973), 135, 6 (1986), 321f. sen, wobei diese dann ein Zitat, einen Sinnspruch, ihr

alert

30 alert Adj ’flink, munter’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt

aus frz. alerte ’munter, wachsam’ (eigentlich a` l’erte), dieses aus it. all’erta ’auf der Höhe, auf der Hut’, zu it. erta ’Anhöhe’. Die Bedeutungsentwicklung geht aus von ’wachsam’, von da aus zu ’flink’ und entsprechenden Bedeutungen. Ebenso nndl. alert, ne. alert, nfrz. alert, nschw. alert. It. erta ist eine Ableitung zu ait. ergere, dieses aus l. erigere ’aufrichten’, aus l. ex- und regere, dessen Sippe unter Þregieren behandelt wird. – DF 1 (21995), 358f.; Jones (1976), 90; Brunt (1983), 125f.; EWNl 1 (2003), 119.

alfanzen Vsw ’Possen reißen’ per. arch. (16. Jh.). Gebil-

lensystem und dann die Grundrechenarten bezeichnet. Das Wort geht zurück auf den Beinamen AlHwa¯rizmı¯ (’der Chwaresmier’, eine Herkunftsbe˘ zeichnung) eines arabischen Mathematikers des 9. Jhs., durch dessen Lehrbuch die (indischen und dann) arabischen Ziffern in Europa allgemein bekannt wurden. Das Original des hier in Frage kommenden Buches ist verschollen, die ml. Übersetzung ist Liber algorismi de practica arismetrice. Die Schreibung mit 〈th〉 in Anlehnung an gr. arithmo´s ’Zahl’. Die Bedeutung ist (seit dem 13. Jh.) zunächst ’Rechenkunst’ (im Deutschen untergegangen, im Englischen als algorism von algorithm getrennt); die moderne Bedeutung ’festgelegter komplexer Rechenvorgang’ im Deutschen seit Ende des 19. Jhs.

det aus älterem, heute nicht mehr üblichem al(e)fanz m. ’Schwindel, Possen’, auch im Sinne von ’Vorteil’ (dazu alfanzer ’Schwindler, Narr’, < 14. Jh., und alfanzerei f. ’Narretei’, 16. Jh.). Entlehnt aus it. all’avanEbenso ne. algorithm, nfrz. algorithme, nschw. algoritm, nnorw. algoritme. – Schirmer (1912), 4; Littmann (1924), 77; zo ’zum Vorteil’, zunächst mit BedeutungsentwickHWPh 1 (1971), 153–161; Kunitzsch, P. ADA 94 (1983), 19; lung zu ’übervorteilen’. Die Bedeutung ’Possen’ usw. Kiesler (1994), 213f.; Tazi (1998), 132–134; EWNl 1 (2003), 121. scheint von einem anderen Wort zu kommen (ahd. gi-ana-venzon ’sticheln, höhnen, spotten’?), doch alias Ptkl ’anders, auch ... genannt’ erw. fach. (15. Jh.). bleiben mehrere Einzelheiten unklar. Entlehnt aus l. alia¯s ’anders’, Adverbialbildung zu l. It. avanzo ist wie frz. avantage ’Vorteil’ herzuleiten aus der spl. alius ’ein anderer’. Kombination abante ’vor’. – Hiersche 1 (1986), 54.

Alge Sf (Wasserpflanze) std. (15. Jh., Form 19. Jh.). Ent-

lehnt aus l. alga ’Seegras, Tang’, zunächst in lateinischer Form, dann zunächst mit deutschem Plural Algen, dann auch der Singular Alge. Ebenso nndl. alg(e), ne. alga, nfrz. algue, nschw. alg, nnorw. alge. – Marzell 1 (1943), 190f.; EWNl 1 (2003), 120.

Algebra Sf ’Lehre von den mathematischen Gleichun-

Ebenso nndl. alias, ne. alias, nfrz. alias, nschw. alias, nnorw. alias. Zu Adverbien von l. alius gehören alias und ÞAlibi; zu dem aus der gleichen Wurzel stammenden l. alter gehören Þsubaltern und über das Französische ÞAltruismus; ferner das Verbum alternieren und das davon abhängige Þalternativ. – DF 1 (21995), 361f.; EWNl 1 (2003), 121.

Alibi Sn ’(Nachweis über den) Aufenthalt an einem an-

deren Ort’ erw. fach. (18. Jh.). In Anlehnung an frz. alibi m. entlehnt aus l. alibı¯ ’anderswo’, Adverbialbildung zu l. alius ’ein anderer’.

gen (usw.)’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus ml. algebra, das seinerseits auf arab. al-gˇabr zurückgeht. DieEbenso nndl. alibi, ne. alibi, nfrz. alibi, nschw. alibi, nnorw. ses ist Teil des Titels eines Lehrbuchs des arabischen alibi. Zur Sippe von l. alius s. Þalias. – DF 1 (21995), 262–264; Mathematikers Al-Hwa¯rizmı¯ (9. Jh.): ’Lehre von den Jones (1976), 91; Röhrich 1 (1991), 75; Carstensen 1 (1993), ˘ und Vergleichungen’, zu arab. Wiederherstellungen 26f.; EWNl 1 (2003), 121. gˇabara ’einrenken, wiederherstellen’. Mit der WieAliment Sn ’Nahrungsmittel’, in der Regel Pl. ’Lebensderherstellung ist gemeint, dass ein negativer Wert in unterhalt, Unterhaltszahlungen’ erw. fach. (15. Jh., einer Gleichung positiv gemacht werden kann, indem Form 17. Jh.). Entlehnt aus l. alimentum ’Nahrungsman ihn auf die andere Seite bringt. Ursprünglich ist mittel’ zu l. alere ’nähren’, zunächst in lateinischer das Wort ein Fachbegriff der Medizin (’Einrenken Form, dann endungslos und mit deutschem Plural. von Knochenbrüchen’). Heute meist im Plural für ’Unterhaltszahlungen’ geEbenso nndl. algebra, ne. algebra, nfrz. alge`bre, nschw. algebra, braucht. nisl. algebra. – Schirmer (1912), 3f.; Littmann (1924), 76;

HWPh 1 (1971), 150–153; Latham (1972), 47; Lokotsch (1975), 50; Vernet (1984), 139–141; DF 1 (21995), 359–361; Tazi (1998), 131f.; EWNl 1 (2003), 120.

-algie LAff (in Namen für Krankheiten in der medizi-

nischen Terminologie) per. fach. (–). Z.B. in ÞNeuralgie, in der Bedeutung nicht ganz gleich: ÞNostalgie, ausgehend von gr. -algı´a ’Schmerz’ (z.B. odontalgı´a ’Zahnschmerz’) zu gr. a´lgos n. ’Schmerz’. Das zugehörige Adjektiv ist -algisch. Cottez (1980), 15.

Algorithmus Sm ’Berechnungsverfahren’ per. fach.

(13. Jh., Form 16. Jh.), mhd. algorismus. Entlehnt aus ml. algorismus, das das Rechnen im dekadischen Zah-

Ebenso nndl. alimentatie, ne. aliment, nfrz. aliment, ndn. alimentations-. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þalt. Zu l. alere ’nähren’ gehören außer der Instrumentalbildung ÞAliment die präfigierte Substantiv-Ableitung Prolet mit späterem ÞProletarier und als Abstraktum eines abgeleiteten Verbs ÞKoalition; ursprünglich ein PPP. dazu ist l. altus ’hoch’, zu dem ÞAlt, ÞAltan und vielleicht ÞAltar gehören; über das Französische auch ÞHautevolee, ÞHautgout, ÞHausse und ÞOboe. – DF 1 (21995), 364–367; EWNl 1 (2003), 121.

Alkali Sn ’bestimmte Laugensalze’ per. fach. (15. Jh.).

Entlehnt aus frz. alcali m. (ml. alkali), dieses aus span. a´lcali m. aus arab. al-qalı¯, vulgäre Nebenform zu arab. al-qily ’Laugensalz’, zu arab. qala¯ ’im Topf kochen, rösten’. Da die Bedeutung des Wortes im Laufe der

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Zeit und in verschiedenen Anwendungsbereichen genlider, -brauen und -wimpern’; dann allgemein ’feines Pulver, etwas Feines, Subtiles’. Das Wort geht uneinheitlich war und mit anderen Bezeichnungen auf akkad. guhlu zurück, das ein Pulver zum Schwarzkonkurrierte, soll hier eine kurze Übersicht über ˘ färben der Augenlider bezeichnet (Antimontrisulfid diese Bezeichnungen in neuerer Zeit folgen: Alkali ist oder Bleisulfid). Im Deutschen zunächst in der Beursprünglich die Bezeichnung einer aus der Asche deutung ’feines Pulver’ verwendet, dann (zuerst bei von salzhaltigen Seepflanzen hergestellten Substanz (die nach Art der Pflanzen unterschiedlich sein konnParacelsus) auch ’Feines, Subtiles’ und schließlich te; später gewann man Alkali auch aus der Verbren’Essenz’. Man spricht u.a. vom alcohol vini, dem nung von Holz und anderem). Das Wort stammt aus ’Geist des Weines’ (zunächst Paracelsus, dann in die dem Arabischen (s.o.). Eine deutsche (niederländiinternationale Terminologie übergehend). Von hier sche) Bezeichnung dafür war Þ Pottasche (ndl. potas). in der Mitte des 19. Jhs. Erweiterung zur Bezeichnung Im Laufe der Zeit für gleichwertig erkannt wurde anderer berauschender Getränke. Im 19. Jh. werden ÞSoda, das aber mineralischer Natur war (Ablageweitere ’Alkohole’ entdeckt (z.B. Methylalkohol), so rungen des Nil oder von Seen). Die Wörter Soda und dass das Wort in fachsprachlichem Gebrauch KlasAlkali wurden aber teilweise für die gleichen Substansenbedeutung erhält. Adjektiv: alkoholisch; Weiterbilzen verwendet, (Al)kali auch für die Pflanzen, die zu dung: Alkoholismus mit der Täterbezeichnung seiner Herstellung dienten. Speziell für die mineraliAlkoholiker. sche Herkunft wurde die Bezeichnung ÞNatron verEbenso nndl. alcohol, ne. alcohol, nfrz. alcool, nschw. alkohol, wendet; das Wort kommt ebenfalls aus dem Arabinisl. alko´ho´l. – Littmann (1924), 76; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 386; Goltz (1972), 79f., 238f.; Lokotsch (1975), 98f.; schen, das es aber aus dem Ägyptischen übernommen LM 1 (1980), 416f.; DF 1 (21995), 367–371; Tazi (1998), 116–118; hat. Gleichbedeutend mit Natron wurde das lateiniEWNl 1 (2003), 119. sche Wort ÞSalpeter verwendet, das aber eigentlich ’Steinsalz’ bedeutet; es wird deshalb vermutet, dass es Alkoven Sm (Alkove f.) ’nischenartiger Schlafsich um eine Anpassung eines ursprünglichen *sal raum’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. alcoˆve f., niter (also ’Natronsalz’) handelt. Mit dem Fortschritt dieses aus span. alcoba f. ’Schlafgemach’, aus arab. alder Kenntnisse im chemischen Bereich wurde zuqubba ’Gewölbe, Nebenraum (zum Schlafen)’, zu arab. qubba ’Kuppel, Kuppelbau, Grabkuppel’, auch nächst die Stellung des Bereichs im Gegensatz von ’Zelt’. Zunächst die Alkove, dann verändert, vielleicht Säuren und Basen wichtig (Helmont), wobei für die im Anschluss an ÞKoben oder ÞOfen. Aus derselben basische Seite vor allem das Wort Alkali herangezoGrundlage ist schon mittelhochdeutsch (Wolfram, gen wurde. Dann stellte Andreas S. Marggraf fest, 13. Jh.) über afrz. aucube die Form mhd. ekub ’eine dass es zwei chemisch grundsätzlich verschiedene Arten von ’Alkali’ gab und Martin H. Klaproth wies Art Zelt’ entlehnt. Ebenso nndl. alkoof, ne. alcove, nfrz. alcoˆve, nschw. alkov, nach, dass die mineralische und die vegetabilische nnorw. alkove. – DF 1 (21995), 371f.; Lokotsch (1975), 97f.; Substanz chemisch gleichwertig sind (1796). SchließBrunt (1983), 125; Tazi (1998), 188–189; EWNl 1 (2003), 122; lich gelang 1807 Humphry Davy der Nachweis, dass Albrecht (2001), 27 u.ö. den beiden Alkali-Substanzen zwei verschiedene chemische Elemente zugrunde lagen. Diese Elemente all Adj/Pron std. (8. Jh.), mhd. al(l), ahd. al(l), as. al(l). nannte er (und die englischsprachige Wissenschaft) Daneben als Vorderglied von Komposita auch g. *alaSodium (nach Soda) und Potassium, die deutsch’alles, ganz’. Lautlich ist vermutlich von *alna- neben sprachige Wissenschaft dagegen gebrauchte Natrium *ala- auszugehen. Am ehesten vergleichen sich osk. und Kalium. Die Bezeichnungen Soda und Natron allo ’ganz’ (*al-no-?), air. uile ’ganz, jeder’ (lautlich wurden auf die chemische Formel Na2CO3 festgelegt; mehrdeutig: *ol-jo-, *sol-jo-, beide mit guten Vergleichsmöglichkeiten), mit weiterem Zubehör; lit. Pottasche auf K2CO3; Kali wurde zum Sammelbegriff alia´i ’jeder, ganz’ hat andere Anschlussmöglichkeiten für die Kaliumsalze; Alkali(metall) die Bezeichnung für die Gruppe der zugehörigen Elemente (Natrium, und ist wohl abzutrennen. Zugrunde liegt offenbar Kalium u.a.). ein Pronominalstamm ig. (weur.) *ol-(/al-) ’jener, jenseits’, der sicher nur im Italienschen, Keltischen Ebenso nndl. alkali, ne. alkali, nfrz. alcali, nschw. alkali, nisl. alkalı´-ma´lmur; ÞKali, ÞKalium. – Littmann (1924), 86; Weiund (falls die vorliegende Sippe zugehörig ist) Germann, K.-H. DWEB 2 (1963), 386; Latham (1972), 48; Goltz manischen bezeugt ist. Zu ihm gehört die Bedeutung (1972), 234–238; Buntz, H. ASNSL 210 (1973), 324; Lokotsch ’extrem, in höchstem Maße, vollständig, ganz’ (vgl. (1975), 83; Lüschen (1979), 167f.; LM 1 (1980), 416; Barke die Bedeutungsentwicklung des zugehörigen l. ultra; (1991), 173f.; Tazi (1998), 115; Unger (2006), 29–31; EWNl 1 Þultra-) und damit die germanische Sippe *al(l)(2003), 122. ’alles, ganz’. Semantisch naheliegend ist ein AnAlkohol Sm ’reiner Weingeist’ std. (16. Jh.). Entlehnt schluss von ig. *al- ’anderer, zweiter’ (sicher gemeinaus span. alcohol ’feines Pulver’, dieses aus arab. alindogermanisch), doch sind die lautlichen Verhältkuhl (span.-arab. Aussprache: alkuhu´l) ’Antimon; nisse und die Abgrenzung von ig. *an- ’anderer’ nicht ˙ ˙ daraus hergestelltes Pulver zum Schwärzen der Auausreichend geklärt. − Das Substantiv All n. wird im

all

Allasch

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17. Jh. als Lehnübersetzung aus l. u¯niversum gewon- alleluja Interj Þhalleluja. nen. Die regionale Bedeutung ’leer, ausgegangen’ allenthalben Adv ’überall’ std. alt. (9. Jh., Form 12. Jh.). (alle werden usw., < 16. Jh., vor allem omd.) beruht Ahd. alahalba ist gebildet aus ala ’ganz, all’ und halba wohl auf einem Konstruktionswechsel oder einer El’Seite’; in adverbialen Wendungen bedeutet es ’nach lipse: Wenn z.B. die Kartoffeln im Keller alle verallen Seiten, überall’. Wenig später wird das Erstglied braucht sind, dann sind sie alle. flektiert und erhält dabei ein unorganisches -t-. 2 Ebenso nndl. al, ne. all, nschw. all, nisl. allur; Þals , Þalso, ÞOverall. – Kuhberg (1933), 35; Untermann, J. IF 63 (1958), 241–245; Vendryes (1959ff.), U 17f.; Fraenkel, E.: Die baltische Sprachwissenschaft in den Jahren 1938–1940 (Helsinki 1943), 58f.; EWahd 1 (1988), 129–131; DWA IV (1955) (zur Verbreitung von alle ’leer’); EWNl 1 (2003), 117.

Allasch Sm ’Kümmellikör’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt

aus russ. alasch. Der Likör ist benannt nach dem lettischen Ort Allazˇi bei Riga. Ebenso ne. Allasch, nndl. allasch.

allbot Adv ’andauernd, immer wieder’ per. wobd.

(15. Jh.). Schriftlich gut bezeugt, aber nicht hochsprachlich. Eigentlich ’bei jedem Aufgebot’, also zunächst ’jedesmal’, dann auch durativ ’andauernd’. Röhrich 1 (1991), 513f.

alldieweil Adv/Konj ’währenddessen, weil’ per. arch.

(12. Jh.). Eigentlich ’die (ganze) Zeit’ (zu ÞWeile); in der Bedeutung also eine Entsprechung zu Þwährend. alle Adj/Pron Þall. Allee Sf ’von Bäumen gesäumte Straße’ std. (16. Jh.).

Entlehnt aus frz. alle´e ’Gang’, d.h. ’Parkweg’, zu frz. aller ’gehen’. Ebenso nndl. allee, ne. alley, nschw. alle´, nnorw. alle´. Zur Etymologie von frz. aller s. DEO (1982), 45f. (umstritten, ob zu l. ambulare). Zum gleichen Grundverb gehört ÞAllüren und gegebenenfalls auch Þambulant und ÞPräambel. – DF 1 (21995), 172f.; Jones (1976), 91f.; EWNl 1 (2003), 122.

Allegorie Sf ’sinnbildliche Darstellung’ erw. fach.

Þall, Þ-halb. – EWahd 1 (1988), 139.

aller- Präfixoid (Verstärkung) std. (–). Ursprünglich

Genetiv Plural von Þall, der in zwei Verwendungen fest geworden ist: 1. in adverbialen Wendungen wie Þallerhand, Þallerdings, Þallerlei und lokalen Adverbien wie allerlanden (heute erstarrt); 2. zusammen mit Superlativen als Steigerung (allerschönste = ’schönste von allen’), in dieser Funktion noch produktiv. EWNl 1 (2003), 123f.

allerdings Adv std. (13. Jh., Form 16. Jh., Bedeutung

18. Jh.). Im 16. Jh. zusammengewachsen aus aller dinge(n), zunächst in der Bedeutung ’gänzlich, völlig’. Später fällt die Endung ab, worauf ein adverbiales -s antritt; die Bedeutung wird dabei zu einräumendem ’(gewiss), freilich’. Þaller-, ÞDing.

Allergie Sf ’Überempfindlichkeit gegen bestimmte

Einwirkungen’ erw. fach. (20. Jh.). Von dem österreichischen Mediziner Clemens von Pirquet 1906 vorgeschlagen. Gebildet aus gr. ´ergon n. ’Werk, Wirken, Sache’ und gr. allos ’anderer’ in Analogie zu ÞEnergie (wobei der en-e´rgeia − der wirkenden Kraft der körpereigenen Prozesse − eine all-e´rgeia gegenübergestellt wird, die die Reaktionen des Körpers auf körperfremde Stoffe bezeichnen soll). Adjektiv: allergisch. Ebenso nndl. allergie, ne. allergy, nfrz. allergie, nschw. allergi,

(14. Jh.). Entlehnt aus l. alle¯goria, dieses aus gr. alle¯nnorw. allergi. Zur Sippe von gr. ´ergon s. ÞEnergie. – Carsgorı´a¯, eigentlich ’das Anderssagen’, aus a´llos tensen 1 (1993), 27f.; DF 1 (21995), 381f.; EWNl 1 (2003), 124. ’anderer’ und einem Abstraktum zu gr. agoreu´ein allerhand Adv std. (13. Jh.). Zusammengewachsen aus ’sagen, sprechen’. Die Allegorie gehört zu den Tropen aller hande ’aller Arten’, zu ÞHand in der Bedeutung der antiken Rhetorik. Adjektiv: allegorisch. ’Seite’ (rechter Hand usw.).

Ebenso nndl. allegorie, ne. allegory, nfrz. alle´gorie, nschw. alEWNl 1 (2003), 124. legori, nisl. allego´rı´a. Gr. agoreu´ein bedeutet eigentlich ’in der ´ allerlei Adj/Pron std. (13. Jh.). Þaller-. Öffentlichkeit sagen’, es ist abgeleitet von gr. agora¯ ’Markt’, dieses zu gr. ageı´rein ’(ver-)sammeln’, das mit l. grex (gregis) m. Allerwelts- Präfixoid ’beliebiges −, irgendwelches −’ ’Herde, Schar’ entfernt verwandt ist. S. ÞKategorie und für die std. (–). Substantivische Komposita mit verstärkenlateinische Entsprechung ÞAggregat; zu gr. a´llos s. Þallo-. – DF dem ÞWelt (mit Fugen- s), das seinerseits durch Þall 2 1 ( 1995), 373–379; Cottez (1980), 17; Freytag, W. MlJ 20 verstärkt ist. Die Bildungen beginnen im 16. Jh., wer(1985), 66–102, 21 (1986), 3–33; EWNl 1 (2003), 123.

allegro Ptkl ’lebhaft, schnell, heiter’ (Tempobezeich-

nung der Musik) per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus it. allegro, dieses über frühromanische Zwischenstufen aus l. alacer (-cris) ’lebhaft, munter, aufgeregt’. Ebenso nndl. allegro, ne. allegro, nfrz. allegro, nschw. allegro. – DF 1 (21995), 379–381.

allein Adv std. (12. Jh.), mhd. alein(e). Verstärkung von

ahd. ein, wie in ne. alone (zu ne. one ’ein’) und nndl. alleen (een ’ein’). Þall, Þein 1.

den aber erst im 18., und dann besonders im 19. und 20. Jh. produktiv. Die Bedeutung ist einerseits verstärkend, andererseits abschätzig für ’Beliebiges, Irgendwelches’.

Allerwertester Sm erw. stil. (15. Jh., Bedeutung 19. Jh.).

Zunächst normale superlativische Steigerungsform, im 18. Jh. auch als Anrede geläufig. Seit dem 19. Jh. scherzhaftes Hüllwort für das Gesäß; wohl ähnlich zu verstehen wie der wertvollste Körperteil u.ä. Þaller-, Þwert.

Allopathie

33 allesamt Pron std. alt. (9. Jh.). Schon im Althochdeut-

schen werden alle und saman(t) ’zusammen’ miteinander verbunden und werden dann als Einheit aufgefasst. Þall, Þsamt.

allfällig Adj ’jeweilig, eventuell’ per. obd. (15. Jh.). Ab-

leitung zu der Phrase (auf) alle Fälle, also ’in Bezug auf jeden eintretenden Fall’. Besonders in der Schweiz gebräuchlich, aber sonst nicht in die Hochsprache aufgenommen. Þall, ÞFall.

allgemach Adv ’allmählich’ per. arch. (15. Jh.). Wie

mndd. al(ge)mak verstärkende Bildung mit Þall zu Þgemach, also ’bedächtig, gemächlich’; vorwiegend adverbial (’allmählich’) gebraucht. allgemein Adj std. (12. Jh.). Verstärkung von Þgemein

in dessen ursprünglicher Bedeutung durch Þall. Bei der Bedeutungsverschlechterung des Grundworts bleibt die alte Bedeutung bei allgemein. HWPh 1 (1971), 164–192; EWNl 1 (2003), 121.

Allianz Sf ’Bündnis’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus

frz. alliance, einer Ableitung von frz. allier ’verbinden’, dieses aus l. alliga¯re, zu l. liga¯re ’binden’ und l. ad- ’hinzu’. Zum gleichen Grundverb ÞAlliierte ’Verbündete’. Ebenso nndl. alliantie, ne. alliance, nfrz. alliance, nschw. allians, nnorw. allianse. Zur Sippe von l. liga¯re s. Þlegieren. Vgl. das einfache Verb Þliieren. – DF 1 (21995), 382–385; Jones (1976), 93f.; Brunt (1983), 378f.; EWNl 1 (2003), 124.

Alligator Sm (Krokodilart) erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt

(kaum nachweisbar). Offenbar gebildet aus (g.) *ala(Þall) und ÞGemeinde. Vergleichbar ist zunächst afr. elmente ’Gemeinde’, das aber im Gegensatz zu afr. mente f. ’Gemeinde’ ein Maskulinum ist; daneben, ebenfalls als Maskulinum, afr. elmetha ’Gemeinde’, offenbar ohne den grammatischen Wechsel, entsprechend ndd. (aus nordfr.) ellemo¯tha ’Allmend’, sowie anord. almenning ’gemeinsames Land’ (zu dem Wort für ’Mann’?). Das Wort bezeichnet wohl von Anfang an die Grundstücke, die der Dorfgemeinschaft gehören; im Deutschen daneben auch die Dorfgemeinschaft selbst. Es liegt wohl letztlich ein einheitliches Wort vor, das auf verschiedene Weise umgestaltet wurde. Ob es als g. *ala-(ga)main(i)þo¯(n) anzusetzen ist, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Hofmann, D. It Beaken 25 (1963), 264–269; Schmidt-Wiegand, R.: Mark und Allmende (Marburg 1981); RGA 1 (1973), 173f.; LM 1 (1980), 439f.

allo- Präfixoid ’fremd, anders’ per. fach. (–). Dient in

neoklassischen Bildungen als Vorderglied komponierter Adjektive und Substantive und bedeutet dabei ’anders’ (z.B. Allogamie ’Fremdbestäubung’ zu allogam im Gegensatz zu autogam ’selbstbestäubend’; analog zu monogam, Monogamie ’Einehe’). Nachbildung griechischer Komposita mit gr. a´llo- ’anders-, fremd-’ (zu gr. a´llos ’anderer’) ohne konkretes Vorbild in Entlehnungen aus dem Griechischen. In der linguistischen Fachsprache zur Bezeichnung von Varianten verwendet. S. auch ÞAllegorie, ÞAllotria. Cottez (1980), 17.

aus frz. alligator oder ne. alligator, diese zusammen- Allod Sn ’freies, uneingeschränktes Vermögen’ per. gezogen aus span. el lagarto (de los Indios), wörtlich arch. (7. Jh.). Germanisches Rechtswort, althoch’die Echse der Indianer’, aus l. lacerta f. ’Eidechse’. Die deutsch im 9. Jh. bezeugt, dann ausgestorben und im Lautform schwankt in der frühen Zeit der Entleh19. Jh. als Terminus der Rechtsgeschichte wieder aufnung. genommen. Es zeigt zahlreiche BedeutungsverändeEbenso nndl. alligator, ne. alligator, nfrz. alligator, nschw. alrungen, die der Entwicklung der Rechtsvorstellungen ligator, nnorw. alligator. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 13; folgen, und ist bezeugt in latinisierter Form in andfrk. EWNl 1 (2003), 124f. (malb.) alodis, alodus, später al(l)odium und in wgt. Urkunden als alaudes. Vermutlich gebildet aus (g.) Alliierte Spl ÞAllianz. *alla- (Þall) und g. *auda- ’Besitz’ in anord. audrÑ , ae. Alliteration Sf ’Stabreim’ per. fach. (18. Jh.). Neo-kl. ¯ e ad, as. o¯d, ahd. o¯t. Aber auch ein Anschluss an g. alliteratio wurde im 16. Jh. von einem italienischen *hluta- ’Los, Anteil’ ist denkbar. Humanisten gebildet und dann in die Volkssprachen übernommen. Zu l. littera ’Buchstabe’ und ad’hinzu’. Ebenso nndl. alliteratie, ne. alliteration, nfrz. allite´ration, nschw. alliteration, nnorw. alliterasjon. Zur Sippe von l. littera s. ÞLetter. Eine Entsprechung ist ÞStabreim, das allerdings auf das verskonstituierende Auftreten in den altgermanischen Sprachen beschränkt wird. – LM 1 (1980), 432–437; Rey-Debove/Gagnon (1988), 14.

allmählich Adv std. (14. Jh.), mhd. almechlich. Zur glei-

chen Grundlage wie Þgemach. Vgl. älteres Þallgemach.

Allmende Sf ’gemeinsamer Grund’ per. arch. (12. Jh.),

mhd. almende, al(ge)meinde, ahd. (ala-)gimeinida

Tiefenbach (1973), 97–100; EWahd 1 (1988), 165–167; LM 1 (1980), 440f.; DEO (1982), 46f. (alleu); Sousa Costa (1993), 229–235.

Allopathie Sf ’Schulmedizin’ per. fach. (19. Jh.). Um

1800 gebildet von S. Hahnemann zur Bezeichnung der Schulmedizin im Gegensatz zu der von ihm vertretenen ÞHomöopathie; aus gr. a´llos ’anderer’ und gr. pa´thos ’Leiden’, die Bedeutung des Kompositums ist aber nur im Gegensatz zur Bedeutung von Homöopathie durchschaubar. Täterbezeichnung: Allopath; Adjektiv: allopathisch. Ebenso nndl. allopathie, ne. allopathy, nfrz. allopathie, nschw. allopati.

Allotria

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Allotria Sn (älter auch Spl) ’Unfug’ erw. obs. (17. Jh.).

Entlehnt aus gr. allo´tria Pl. ’fremde, nicht zur Sache gehörige Dinge’, Substantivierung zu gr. allo´trios ’zum Fremdartigen gehörig’. Bei zielgerichteter Tätigkeit (Lernen, Predigt usw.) gilt das nicht zur Sache Gehörige als ’Unfug’. Þallo-, ÞHallodri. – DF 1 (21995), 386f.

Allround- LAff ’universal’ per. fremd. (–). Bildet Kom-

posita wie Allround-Athlet, -Sportler usw. Entlehnt aus am.-e. allround ’rundum’; im (amerikanischen) Englischen wird allerdings am.-e. allrounder vorgezogen. Carstensen 1 (1993), 29–31; DF 1 (21995), 387f.

Alltag Sm std. (14. Jh., Form 17. Jh.), spmhd. altac

’täglich’ (14. Jh.). Zusammenrückung aus Þall und ÞTag, vielleicht unter dem Einfluss des Adverbs alltäglich. Substantiviert bedeutet das Wort ’jeden Tag (Feiertag wie Werktag)’. Im 17. Jh., offenbar durch Verallgemeinerung aus Komposita mit Alltags-, setzt sich die Bedeutung ’Werktag’ durch, zunächst norddeutsch und in Bezug auf Kleidung. Allüren Spl (selten auch f.) ’auffälliges Benehmen, Ge-

habe’ erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. allure f., eigentlich ’Gang’, im Plural ’Benehmen, Art und Weise’, einer Ableitung von frz. aller ’gehen’ (ÞAllee). Ebenso nndl. allures. – DF 1 (21995), 388–390; EWNl 1 (2003), 125.

Alm Sf ÞAlp(e). Almanach Sm ’Kalender, Jahrbuch’ erw. fach. (15. Jh.).

Entlehnt aus mndl. almanak, dieses aus span. almanaque und ml. *almanac, *almanach ’astronomisches Tafelwerk, Jahrbuch’, aus arab. al-mana¯h, das ˘ zwar belegt, aber etymologisch nicht sicher gedeutet ist. Seit dem 18. Jh. auch Titel periodisch erscheinender Sammlungen von Dichtungen. Ebenso nndl. almanak, ne. almanac, nfrz. almanach, nschw. almanack(a), nisl. almanak. – DF 1 (21995), 390f.; Kunitzsch, P. ADA 94 (1983), 109f.; LM 1 (1980), 445; EWNl 1 (2003), 126.

Almer (auch Almut, Almet) Smf ’Schrank, Schrein’ per.

arch. (15. Jh.). Entlehnt aus l. arma¯rium ’Schrank, Schrein’, eigentlich ’Raum für Geräte’, zu l. arma ’Waffen, Gerätschaften’ (ÞArmee), mit einer bereits im Mittellateinischen vorkommenden Dissimilation des ersten r (das gelegentlich auch noch in der deutschen Entlehnung bezeugt ist). Ebenso nfrz. armoire.

Almosen Sn std. (8. Jh.), mhd. almuosen, ahd. alamu-

osan, as. alamosna. Auch anord. o¸lmusa, ae. ¢lmysse. Entlehnt aus kirchen- l. elee¯mosyna f., dieses aus gr. elee¯mosy´ne¯ f. ’Mitleid’ (spät auch ’Almosen’), einem Abstraktum zu gr. elee¯´mo¯n ’mitleidig’, zu gr. ´eleos m. ’Mitleid’. Das anlautende /a/ unter Einfluss von frührom. *alimosina f., einer Nebenform, die wohl auf sekundärem Anschluss an l. alimo¯nia f. ’Ernährung, Unterhalt’ beruht (vgl. ÞAliment). Die heutige Form geht unter dem Einfluss Luthers auf eine niederdeut-

sche Lautform (statt des zu erwartenden *Almusen) zurück. Ebenso nndl. aalmoes, ne. alms, nfrz. aumoˆne, nschw. allmosa, nisl. ölmusa. – Baist, G. ZDW 12 (1910), 299f.; Siegert (1950), 26; EWahd 1 (1988), 142–144; LM 1 (1980), 452f.; EWNl 1 (2003), 68.

Almrausch (auch Alprausch) Sm ’Alpenrose’ per. österr.

(16. Jh., Form 18. Jh.). Zu Alm (ÞAlp(e)) und (vermutlich) einer Entlehnung aus l. ru¯scus f., ru¯scum n. ’Mäusedorn’. Einfaches ÞRausch2 schon früh, die Komposita erst wesentlich später bezeugt. Marzell, H. Jahrbuch des Vereins zum Schutze der Alpenpflanzen und -tiere 22 (1957), 44; Hubschmid, J. VR 27 (1968), 337–342 (zu Rausch); Marzell 3 (1977), 1327–1329.

Aloe Sf ’bittere tropische Pflanze’ per. fach. (13. Jh.),

mhd. a¯lo¯e n, as. a¯lo¯e. Entlehnt aus l. aloe¯, dieses aus gr. alo´¯e, das zu einem kulturellen Wanderwort des vorderen Orients gehört. Mit diesem Wort ist ein anderes zusammengefallen, das eine wohlriechende Holzart bezeichnet und im Griechischen zunächst als alo¯th erscheint. Mit dieser Bedeutung ist das Wort bereits im 9. Jh. bezeugt. Ebenso nndl. aloe¨, ne. aloe, nfrz. aloe`s, nschw. aloe, nnorw. aloe. – Hiersche, R. FS Neumann (1982), 121–128; EWahd 1 (1988), 167f.; LM 1 (1980), 453; Lehrnbecher (1995), 159–165; EWNl 1 (2003), 126.

Alp Sm ÞAlb 2. Alp(e) Sf ’Bergweide’ erw. obd. (10. Jh.), mhd. albe, ahd.

alba neben ÞAlm (das aus einer Assimilierung des b/p an das n eines n-Stammes kommt, bezeugt seit dem 14. Jh.). Geht offenbar zurück auf ein vorindogermanisches Wort, zu dem auch der Name der Alpen (sowie Alb und Allgäu) gehört. Als seine Bedeutung wird ’Berg’ vermutet, wobei in der späteren Geschichte ein Anschluss an l. albus ’weiß’ (im Hinblick auf den Schnee der Alpen) eine Rolle gespielt haben mag. Ebenso nndl. alpenweide, ne. alp, nfrz. alpe, nschw. alp, nnorw. alpeeng. – Hubschmied, J. U. FS Gauchat (Aarau 1926), 438; Bertoldi, V. ZRPh 56 (1926), 183; Hubschmid, J.: Alpenwörter romanischen und vorromanischen Ursprungs (Bern 1951), 8f., 43–47; RGA 1 (1973), 181–189; Ludvik, D. Acta Neophilologica 7 (1974), 43–46; EWahd 1 (1988), 155–157; LM 1 (1980), 458–460; EWNl 1 (2003), 126.

Alpdrücken Sn ÞAlb 2. Alphabet Sn std. (13. Jh.). Im Spätmittelhochdeutschen

entlehnt aus kirchen- l. alphabe¯tum, dieses aus gr. alpha´be¯tos m./f., aus gr. a´lpha und gr. be˜ta, den Namen der beiden ersten Buchstaben, die von den Griechen mit dem Alphabet von den Phönikern (vgl. hebr. aleph und hebr. beth) übernommen worden waren. Die Namen der beiden ersten Buchstaben stehen also für die ganze Buchstabenreihe. Adjektiv: alphabetisch. Da man das Alphabet zugleich mit der Kenntnis der Schrift erwirbt, steht es häufig für ’des Schreibens kundig’, besonders in der Gegensatzbildung Analphabet ’jemand, der nicht schreiben kann’.

Alt

35 Ebenso nndl. alfabet, ne. alphabet, nfrz. alphabet, nschw. alfabet, nnorw. alfabet. Vgl. ÞAbc. – DF 1 (21995), 391–199; EWNl 1 (2003), 120.

alpin Adj. ’auf die Alpen / das Hochgebirge bezo-

Starck, A. T.: Der Alraun (Baltimore 1917); RGA 1 (1973), 198; EWahd 1 (1988), 168–170; LM 1 (1980), 458–460; Röhrich 1 (1991), 76; Lehrnbecher (1995), 94–154; EWNl 1 (2003), 127.

als1 Konj/ Ptkl (Vergleichspartikel) std. (11. Jh.), mhd.

gen’ per. fach. (16. Jh.). Den Namen des zentraleuroals, alse, also¯ ’ebenso’. Das Wort ist demnach aus päischen Hochgebirges der Alpen kannte man schon Þalso abgeschwächt, wie ne. as, nndl. als. in der Antike, wobei unklar ist, was konkret man sich Dückert, J. BGDSL-H 83 (1961), 205–230; EWNl 1 (2003), 127. unter diesem Gebirge im Norden vorstellte. Seit dem als2 Adv ’immer wieder’ (u.ä.) per. wd. md. (13. Jh.). 8. Jh. ist der Name auch im Deutschen bezeugt und Abgeschwächt aus mhd. allez, Neutrum des Adjektivs die Kenntnis dieses Gebirges klarer gefasst. Im 16. Jh. Þall. wurde dazu das formal mittellateinisch aussehende Alsem Sm ’Wermut’ per. wmd. (10. Jh.). Das regional Adjektiv alpinus ’zu den Alpen gehörig, aus den beschränkt verbreitete mndl. alsene, ahd. alahsan ist Alpen kommend’ gebräuchlich, das im Deutschen entlehnt aus ml. aloxinum n.; dieses möglicherweise meist als alpinisch übernommen wurde. In dem Ausaus gr. alo´¯e oxı´ne¯s f. ’bittere Aloe’. maß, in dem nach den Alpen auch andere HochgeEbenso nndl. alsem. – EWahd 1 (1988), 139–141; EWNl 1 (2003), birge ins Blickfeld kamen, wurde das Adjektiv mehr 127. auf die Hochgebirge allgemein bezogen. Viele Ableialso Adv std. (8. Jh.), mhd. also¯, ahd. also¯, mndd. also¯, tungen (Alpinismus, Alpinistik, Alpinum, Alpinist mndl. also¯. Aus Þall und Þso zusammengesetzt, usw.). Die Zusammensetzungen mit Alpen- (Alpendamit ’ganz so, genau so’. Seit dem 13. Jh. auch als rose, -führer, -garten usw.) haben die Verbindung zu Konjunktion verwendet. dem Namen für das konkrete Gebirge stärker beÞall, Þals 1, Þso. – Wolfrum, G. BGDSL-H 80 (1958), 33–110; wahrt. DF 1(21995), 399–404.

Alptraum Sm ÞAlb 2. Alraun Sm (Alraune f.) ’magisch gebrauchte, menschen-

EWAhd 1 (1988), 171.

Alsterwasser Sn ’Mischgetränk aus Bier und Limona-

de’ per. ndd. (20. Jh.). Scherzhafte Übertragung nach der Farbe des Hamburger Binnengewässers.

förmige Wurzel’ per. arch. (11. Jh.), mhd. alru¯ne, ahd. Vgl. ÞRadler. – Eichhoff, J. FS Martin (1980), 159–163. alru¯n(a). Dieses Wort wurde benützt, um den Pflanalt Adj std. (8. Jh.), mhd. alt, ahd. alt, as. ald. Aus wg. zennamen l. mandragora m. wiederzugeben. Dieser *alda-, auch in ae. eald, afr. ald; im Nordgermanisteht für ein Nachtschattengewächs, dessen Wurzel schen nur Komparativ ellri und Superlativ ellztr (Ponach hebräischem und orientalischem Vorbild allersitiv gamall), im Gotischen j-Stamm alþeis in gleicher hand Zauberkräfte (Reichtum, Liebeszauber) zugeBedeutung (aber krim- gt. alt); vermutlich to-Partizip schrieben wurden. Im germanischen Norden, wo die zu g. *al-a- ’wachsen, nähren’ in gt. alan ’aufwachMandragoragewächse nicht gedeihen, wurde die sen’, anord. ala, ae. alan ’nähren, aufziehen’, aus ig. Pflanze (teils eingeführt, teils) mit ähnlichen einhei(eur.) *al- ’nähren’ in l. alere, air. ailid und Ableitunmischen Pflanzen (vor allem der Zaunrübe) gleichgen in anderen Sprachen. Die Ausgangsbedeutung ist gesetzt; die zugehörigen abergläubischen Vorstellunalso ’gewachsen, erwachsen’; eine parallele Entwickgen sind wohl alle nicht-germanischen Ursprungs. Je lung liegt bei l. altus ’hoch’, l. adultus ’erwachsen’ vor. nachdem, ob die Rübe nur zweigespalten (weiblich) − Modifikation: ältlich; Präfixableitung: veralten. oder mit einem weiteren Fortsatz versehen (männEbenso nndl. oud, ne. old. Entlehnungen aus der lateinischen lich) war, wurde die Pflanze als männlich oder weibVerwandtschaft unter ÞAliment und ÞAlt; ÞAlter, ÞEltern, lich angesehen und bekam das entsprechende gramÞWelt. – Mastrelli, C. A. AGI 46 (1961), 139–147; Seebold matische Geschlecht. Das Wort selbst wird mit dem (1970), 75–77; EWahd 1 (1988), 171–173; Röhrich 1 (1991), 76–78; Frauennamen ahd. Al(b)ru¯n, ae. Aelfru¯n, anord. AlBecker, H.-J.: Das Feld um alt (Heidelberg 1991); Heiderfru´n in Verbindung gebracht, der im Vorderglied das manns (1993), 97f. Wort Alb, im Hinterglied ein Namenelement, das mit Alt Sm (Singstimme) erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus it. raunen zu tun hat, enthält (von der Sache her denkalto (aus l. vo¯x alta f. ’hohe Stimme’). So wird zubar, aber ganz unsicher). Etwas wahrscheinlicher, nächst eine hohe Männerstimme bezeichnet, deren aber ebenfalls unverbindlich, ist die Erklärung aus Rolle später, als auch Frauen Solistenrollen überneh(g.) *ala- (Þall) und *ru¯no¯ ’Geheimnis’ (Þraunen), men konnten, von Frauen gesungen wurde − für also ’großes Geheimnis’. Im Hinblick auf die schwer Frauen ist die Stimmlage allerdings ’tief’. fassbaren Relikte in der Verwandtschaft des Wortes Ebenso nndl. alt, ne. alto, nfrz. alto, nschw. alt, nisl. alt. Zur ÞRune wäre auch ein Ansatz als ’die ganz gespaltene’ germanischen Entsprechung s. Þalt. L. altus ist to-Partizip zu l. (es ist aber nur die Bedeutung ’schneiden’ bezeugt) alere ’nähren’; zu dessen Sippe s. ÞAliment. – EWNl 1 (2003), oder ’die ganz mit Runzeln bedeckte’ (hierfür ist nur 127f. die kurzvokalische Lautform bezeugt) denkbar.

Altan

36 Altan (Betonung auf beiden Silben möglich) Smf

’Söller, Balkon’ per. fach. obd. (15. Jh.). Entlehnt aus it. altana (eigentlich ’ein hoher, vorstehender Teil eines Hauses’), zu it. alto ’hoch’, aus l. altus. Ebenso nschw. altan, nnorw. altan. Zu l. altus s. ÞAlt. – Öhmann, E. NPhM 43 (1942), 27; Wis (1955), 91; LM 1 (1980), 460; DF 1 (21995), 404f.

Altar Sm (früher selten auch n.) std. (8. Jh.), mhd.

alt¢re, alta¯re, a´lter, ahd. alta¯˘ri. Entlehnt aus l. alta¯re (im Rückgriff darauf auch die neuhochdeutsche Betonung).

deutung ’konkurrierend mit den bestehenden Normen’. Ebenso nndl. alternatief, ne. alternativ, nfrz. alternatif, nschw. alternativ, nnorw. alternativ. Zu l. alter ’anderer’ gehören auch ÞAltruismus und Þsubaltern, zu seiner Parallele l. alius s. Þalias. – DF 1 (21995), 408–414; Müller, G. SD 23 (1979), 70f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 15; Strauss u.a. (1989), 415–423; Carstensen 1 (1993), 32f.; EWNl 1 (2003), 128.

altfränkisch Adj ’altmodisch’ per. arch. (14. Jh., Bedeu-

tung 15. Jh.). Umschreibung für ’althergebracht, tüchtig, echt’ (= in der Art der alten Franken); schon früh aber auch ’veraltet, unzeitgemäß’.

Ebenso nndl. altaar, ne. altar, nfrz. autel, nschw. altare, nisl. Lüdtke, G., Götze, A. ZDW 7 (1905/06), 15–27; Dünninger, J. altari. Das lateinische Wort (älter alta¯ria n. Pl.) wurde als ’erhöhter Aufsatz’ (zu l. altus ’hoch’) verstanden, doch ist die FS Schröder (1959), 155–162. ursprüngliche Bedeutung wohl ’Brandaltar’ (zu l. adole¯re altklug Adj std. (18. Jh.). Ursprüngliche Bedeutung: ’verbrennen’). Nach Nagy ’dessen Feuer (–*a¯s-) genährt ’durch Alter (und Erfahrung) klug’. Heute nur noch (*alto-) ist’. Bei beiden Annahmen geht der erste Bestandteil in der ursprünglich ironischen Verwendung, mit der auf l. alere ’nähren’ zurück; zu dessen Sippe s. ÞAliment. – BlW es jungen Leuten, hauptsächlich Kindern, nachgesagt 2 (1984), 164–168; RGA 1 (1973), 200–203; Nagy, G. HSCPh 78 wird. (1974), 71–106, bes. 82–88; EWahd 1 (1988), 174–176; LM 1 (1980), 461–465; EWNl 1 (2003), 128. Altruismus Sm ’selbstlose Denkungsweise’ erw. fach.

altbacken AdjPP std. (13. Jh.). Ursprünglich für nicht

mehr frisches Brot gebraucht und offenbar im Gegensatz zu mhd. niubachen ’frisch gebacken’ gebildet (Þbacken). Danach Bedeutungsverallgemeinerung zu ’altmodisch’ (spöttisch gemeint). Alter Sn std. (8. Jh.), mhd. alter, ahd. altar, as. aldar.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. altruisme, das A. Comte 1830 als Gegenbegriff zu ÞEgoismus einführte − in Anlehnung an frz. autrui ’der andere’ zu l. alter gebildet. Das -l- stammt also aus dem lateinischen Vorbild, die Endung -ui aus einer französischen Obliquusform. Adjektiv: altruistisch.

Ebenso nndl. altruı¨sme, ne. altruism, nfrz. altruisme, nschw. Aus g. *aldra- n. (im Nordischen m., gotisch unbealtruism, nnorw. altruisme. Zu l. alter ’anderer’ s. Þalternativ; stimmt) ’Lebensalter’, auch in anord. aldr m., ae. zu seiner Parallele l. alius ’anderer’ s. Þalias. – HWPh 1 (1971), ealdor, afr. alder; gotisch nur in fram-aldrs ’bejahrt’; 200f.; DF 1 (21995), 414f. vermutlich tro-Bildung zu g. *al-a- ’wachsen, nähaltväterisch Adj ’altmodisch’ erw. obs. (16. Jh.). Zu Altren’, parallel zu *alda- ’alt’. Außergermanisch vervater ’Vorfahr, Patriarch’ (mhd. altvater, ahd. altfater, gleicht sich wohl air. altram(m) ’Ernährung, Erzieas. aldfadar bedeuten in erster Linie ’Patriarch’; afr. hung’. Die Bedeutungsentwicklung geht also offenald(a)feder, ae. ealdf¢der ’Vorfahr’; anord. alda-fadiÑ r bar von ’Heranwachsen, Altersstufen des ist ein Beiname Odins). Die ironische Bedeutung Unmündigen’ zu den Altersstufen des Menschen all’altmodisch’ ist von Anfang an häufiger als die eigentgemein, und dann, in neuerer Zeit, zu ’hohes Alter’ liche (’altehrwürdig’). (im Gegensatz zu ’Jugend’). Verb: altern; Abstraktum: Altertum, wozu das Adjektiv altertümlich. Altvorder(e)n Spl ’Vorfahren’ per. arch. (9. Jh.), mhd. Ebenso nndl. ouderdom, nschw. a˚lder, nisl. aldur; Þalt. – RGA 1 altvorder, ahd. altfordoro m. Gebildet aus Þalt und (1973), 204f. unter Alte, 211–213; EWahd 1 (1988), 173f.; LM 1 Þvorder im Sinne von ’früher’. Im 18. Jh. veraltet, (1980), 470f. dann zeitweilig wiederbelebt. Kuhberg (1933), 35f.; EWAhd 1 (1988), 179. Ältermutter Sf , ÄltervaterSm ÞEltervater. alternativ Adj ’zwischen zwei Möglichkeiten die Wahl Altweibersommer Sm erw. obs. (17. Jh.). Das Wort hat drei Bedeutungen, deren Benennungsmotive und lassend, eine zweite Möglichkeit bildend’ erw. fremd. deren Verhältnis zueinander unklar sind: 1) Am (15. Jh.). Zunächst als lateinisches Adverb alternative schlechtesten bezeugt, aber vielleicht Vorbild für die entlehnt, dann auch als Adjektiv gebraucht. Ausweibeiden anderen ist ’zweite Jugend bei Frauen’ (fast tung des Gebrauchs unter Einfluss von frz. alternative nur mundartlich, selten literarisch seit dem 19. Jh.); ’abwechselnd, eine andere Möglichkeit bildend’, zu als ’unzeitig’ und ’nur kurze Zeit dauernd’ aufgefasst, frz. alterner ’abwechseln’, aus l. alterna¯re, zu l. alter wie etwa auch das mundartlich verbreitete Wort ’der andere’. Das Verbum ist entlehnt als alternieren Altweibertänze zeigt. (Diese Art der verächtlichen ’abwechseln’, das Abstraktum als Alternative. Die eiAusdrucksweise ist weit verbreitet, vgl. etwa l. anı¯lis). gentliche Bedeutung ist ’Wahl zwischen zwei MögBeim Mann spricht man bei der entsprechenden Silichkeiten’, unter dem Einfluss des Englischen auch: tuation vom Johannistrieb (nach dem bei Holzge’andere Möglichkeit’. In der 2. Hälfte des 20. Jhs. entwächsen vorkommenden zweiten Austrieb im Juni wickelt das Adjektiv und seine Ableitungen unter um den Johannistag herum) mit ganz anderen Kondem Einfluss des amerikanischen Englischen die Be-

37

Ambiente

notationen. 2) ’Nachsommer, sommerliche Zeit im Amaryllis Sf (eine Zierpflanze) per. fach. (18. Jh.). EiHerbst’, so seit dem 17. Jh.; auch St. Michaelssommer gentlich gräzisierender Name einer Hirtin in Vergils Eklogen; in der Neuzeit übertragen auf die Blume. (29. September), St. Martinssommer (11. November), Allerheiligensommer (1. November) u.ä. benannt. In Ebenso nndl. amaryllis, ne. amaryllis, nfrz. amaryllis, nschw. amaryllis. – EWNl 1 (2003), 130. der älteren Sprache auch Witwensommer, mundartlich (bair.) Ähndlsommer. Vielleicht metaphorisch überAmateur Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. amateur in tragen aus (1), da ’nachzeitig’ und ’nur kurz dauernd’. der Bedeutung ’Kunstliebhaber’, dieses aus l. ama¯tor 3) ’Im Herbst (und Frühjahr) in der Luft herumflie’Liebender’, Nomen Agentis zu l. ama¯re ’lieben, etwas gende Spinngewebe’, auch Mariengarn, Liebfrauenhaar gern tun’. Heute nach dem Vorbild des Englischen als u.ä. genannt. Es scheint, dass diese Gewebe ursprüngInternationalismus besonders im Sinn von ’Nichtlich ÞSommer, fliegender Sommer u.ä. genannt wurProfessioneller (vor allem im Sport)’ gebraucht; häuden, und dass dies ein anderes Wort ist als das für die fig mit dem Nebensinn ’Dilettant’. Bezeichnung der Jahreszeit (vgl. das schon im 14. Jh. Ebenso nndl. amateur, ne. amateur, nfrz. amateur, nschw. bezeugte me. gossamer gleicher Bedeutung, das etyamatör, nnorw. amatør. – DF 1 (21995), 419–423; BlW 2 (1984), 169–171; Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 9 (1986), besonmologisch unklar ist). Die Erweiterung zu Altweiberders Kleinknecht, Th. 147–160; Rey-Debove/Gagnon sommer (seit dem 19. Jh.) vielleicht wegen des zeitli(1988), 16; EWNl 1 (2003), 130. chen Auftretens der Fäden. Die norddeutschen Bezeichnungen Mettken oder Mettkensommer Amazone Sf ’kriegerische/reitende Frau’ erw. bildg. (verhochdeutscht Mädchensommer) gehören wohl zu (12. Jh., Bedeutung 16. Jh.). Das (sagenhafte) kriegeÞMade und beziehen sich am ehesten auf das Gerische Frauenvolk der Amazonen wird in mittelhochspinst der Schmetterlingspuppen und Seidenwürdeutschen Texten schon seit dem ausgehenden 12. Jh. mer. Etymologische Anknüpfungspunkte können erwähnt. Der Name ist über l. Amazo¯n aus gr. sein: (a) l. samara ’Ulmensamen’ (ursprünglich kelAmazo¯´n übernommen. Später übertragen auf ’sich tisch?), wenn damit ursprünglich die Samen eines männlich oder kriegerisch gebärdende Frau’, besonBaumes mit wolligen Früchten gemeint waren; (b) zu ders ’Reiterin’. dem englischen Wort: l. gossipinum u.ä. für eine Art Ebenso nndl. amazone, ne. Amazon, nfrz. amazone, nschw. Baumwolle (Plinius). amason, nnorw. amazone. Die Herkunft des Wortes ist nicht Lehmann, A.: Altweibersommer (Diss. Berlin 1911, zu Bedeutung 2); Miller, A. HV 16 (1938), 310–316 (zu Bedeutung 3); Röhrich 1 (1991), 78.

Aluminium Sn std. (19. Jh.). Neoklassische Neubildung

geklärt. Bereits antike Sekundär-Motivationen sehen in dem Wort negierendes gr. a- und gr. (poet.) mazo´s ’Brust’ und deuten dies damit, dass diese Frauen sich eine Brust amputiert hätten, um den Bogen besser spannen zu können. – LM 1 (1980), 514; DF 1 (21995), 423–427; EWNl 1 (2003), 130.

zu l. alu¯men (-minis) ’Alaun’; so benannt wegen des Vorkommens von Aluminium in Alaunerde. Seit 1782 Amber (Ambra) Sm ’krankhafte Ausscheidung der Gallenblase des Pottwals, als Duftstoff gebraucht’ per. (Lavoisier) wurde im Alaun ein Metall vermutet; der fach. (13. Jh.). Über frz. ambre (zu Amber), später Nachweis gelang erst nach 1820. Schon bei der Suche auch über it. ambra f. (zu Ambra) entlehnt aus arab. nach dem Metall wurde es bezeichnet: 1786 (de Moranbar ’Pottwal, dessen Absonderung’. Später in den veau) aluminia, 1808 (Davy) alumium (nach Silicium romanischen Sprachen wegen der gleichartigen Geusw.), später (1812) Aluminum, das heute noch die winnung aus dem Meer und dem ähnlichen AusseForm des amerikanischen Englischen ist. Im gleichen hen auch auf den Bernstein übertragen (frz. ambre Jahr wurde Aluminium vorgeschlagen, weil dies dem jaune ’Bernstein’, ambre gris ’Amber’). Lateinischen eher gemäß sei. Diese Form setzte sich Ebenso nndl. ambra, amber, ne. ambergris, nfrz. ambre, nschw. dann durch, wohl unterstützt von Wörtern wie Maambra, nnorw. ambra. – LM 1 (1980), 521; Mazzuoli Porru, G. gnesium (ÞMagnesia). Ebenso nndl. aluminium, ne. aluminium, nfrz. aluminium, nschw. aluminium, nisl. alu´mı´n; ÞAlaun. – Lüschen (1979), 168; Cottez (1980), 17; EWNl 1 (2003), 129.

AION-G 28/29 (1985/86), 421–470; Kiesler (1994), 141; Tazi (1998), 189f.; EWNl 1 (2003), 131f.

ambi- Präfixoid erw. fach. (–). Fügt in neoklassischen

Bildungen die Bedeutung ’um − herum, von verschiedenen Seiten her’ hinzu (z.B. Þambivalent (16. Jh.). Entlehnt aus ml. amalgama ’Gemisch, spe’mehrwertig’ in Analogie zu Þäquivalent ’gleichwerziell aus einem Metall und Quecksilber’, das auf arab. tig’). Entlehnt aus l. amb(i)-. al-malg˙am ’schmelzende Substanz, Legierung von Zur germanischen Verwandtschaft s. Þbei, zur griechischen s. Metallen und Quecksilber’ zurückgeht; dieses ÞAmphibie. – Cottez (1980), 18f. stammt seinerseits aus gr. ma´lagma ’ErweichungsAmbiente Sn ’Umgebung, Atmosphäre’ per. grupp. mittel, weicher Körper, Heilpflaster’. Verb: (20. Jh.). Entlehnt aus it. ambiente; dieses substantiamalgamieren ’vermischen’. viert aus l. ambie¯ns (-entis), dem PPräs. von l. ambı¯re Ebenso nndl. amalgaam, amalgama, ne. amalgam, nfrz. amalgame, nschw. amalgam, nnorw. amalgam. – DF 1 (21995), ’herumgehen’. Gelegentlich wird auch die französi415–419; Lüschen (1979), 168f.; LM 1 (1980), 508; Tazi (1998), sche Entsprechung Ambiance verwendet.

Amalgam Sn (Quecksilberlegierung) erw. fach.

118–120; EWNl 1 (2003), 129.

Ambiguität Ebenso nndl. ambiance, ne. ambient, nfrz. ambiance. S. Þambiund für die Sippe von l. ¯ıre ’gehen’ ÞExitus. – Piron, M. FS Grevisse (1966), 271–280; DF 1 (21995), 427–429.

Ambiguität Adj ’Mehrdeutigkeit’ per. fach. (17. Jh.).

38 ambulant Adj ’nicht stationär, wandernd’ erw. fremd.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. ambulant, dieses aus l. ambula¯re ’umhergehen’ (z.B. auch auf die wandernden Kaiserhöfe oder Gerichte bezogen). Die Ambulanz war ursprünglich ein bewegliches Feldlazarett. Die Bedeutung ’Krankenwagen’ unter englischem Einfluss.

Wohl unter Einfluss des Französischen entlehnt aus l. ambiguita¯s, Abstraktum zu ambiguus ’mehrdeutig’ zu Ebenso nndl. ambulant, ne. ambulant, nfrz. ambulant, ndn. l. ambigere ’uneins sein, schwanken’, zu l. ambi- und ambulant, nschw. ambulatorisk, nnorw. ambulant. S. l. agere (a¯ctum) ’treiben, betreiben’. Die Entlehnung ÞPräambel und zu möglichen Weiterbildungen ÞAllee. – steht wohl unter dem Einfluss des entsprechenden Schirmer (1911), 10; DF 1 (21995), 440–445; Carstensen 1 frz. ambiguı¨te´. Als Terminus in der modernen (1993), 34; EWNl 1 (2003), 133. Sprachwissenschaft verwendet, wo dann auch das zuAmeise Sf std. (8. Jh.), mhd. a¯meize, ahd. a¯meiza. Aus grunde liegende Adjektiv ambig entlehnt wird. wg. *¢ ¯ maitjo¯n f. ’Ameise’, auch in ae. ¢mete, zu *¢ ¯ Ebenso ne. ambiguity, nfrz. ambiguı¨te´. S. Þambi- und zur Sippe ’ab, weg’ (ÞOhnmacht) und *mait-a- ’schneiden’ von l. agere ’treiben’ Þagieren. – HWPh 1 (1971), 201–204; Ullrich, W. AB 32 (1989), 121–169; DF 1 (21995), 429–432; EWNl 1 (ÞMeißel 1). Da die germanischen f(jo¯n)-Stämme aus (2003), 132. Materialwörtern Bezeichnungen für Dinge bilden, die aus diesem Material bestehen (Kluge 1926, ambivalent Adj ’zwiespältig’ per. fach. (20. Jh.). Zuerst § 81f.), ist das Wort zu erklären als ’die aus AbschnitAmbivalenz von E. Bleuler 1911 gebildet für das Nebenten Bestehende’ (bezogen auf den bei der Ameise exeinander von entgegengesetzten Gefühlen, in Analotrem deutlichen Kerbtier-Körperbau). Vgl. ÞInsekt gie zu Äquivalenz ’Gleichwertigkeit’ (Þäquivalent), zu zu l. ¯ınseca¯re ’einschneiden’, entsprechend gr. ´entoma l. vale¯ns (-entis) ’mächtig, stark’, Partizip zu l. vale¯re n. Pl. ’Insekten’ zu gr. te´mnein ’schneiden’. Die An’bei Kräften sein’; das Adjektiv seit Freud 1916. nahme der Bezeichnung nach dem Abschneiden von Ebenso nndl. ambivalent, ne. ambivalent, nfrz. ambivalent, Blatt-Teilen ist weniger wahrscheinlich (da bei einnschw. ambivalent, nnorw. ambivalent. S. Þambi- und für die Sippe von l. vale¯re ’bei Kräften sein’ ÞValenz. – HWPh 1 (1971), heimischen Arten weniger üblich). 204; Cottez (1980), 19; DF 1 (21995), 435–440; EWNl 1 (2003), 132.

Amboss Sm std. (8. Jh.), mhd. anebo¯z, ahd. anabo¯z,

Ebenso ne. ant, emmet. – Schumacher, Th. DWEB 2 (1963), 301–316; EWahd 1 (1988), 203–205; LM 1 (1980), 526; Binz, G. ZDPh 38 (1906), 369–372 (anders).

amen Ptkl std. stil. (8. Jh.). Entlehnt aus l. a¯me¯n als mndd. anebo¯t m./n. Gebildet aus ahd. ana ’an’ und der Ableitung eines Verbs für ’schlagen’ g. *baut-aSchlussformel des christlichen Gebets, dieses aus gr. ame¯´n, aus hebr. a¯me¯n, zu hebr. a¯man ’stärken, beVst. in anord. bauta, ae. be¯atan, ahd. bo¯zen Vsw., also eigentlich ’Anschlag; Stelle, an der geschlagen wird’. kräftigen’. Ein Wort der Bekräftigung: ’so soll es sein!’ Hierzu vermutlich auch l. fu¯stis ’Knüttel’, mir. buailid Ebenso nndl. amen, ne. amen, nfrz. amen, nschw. amen, nisl. amen. – Lokotsch (1975), 6; Röhrich 1 (1991), 78; EWNl 1 ’schlägt’. Möglicherweise ist das Wort Amboss eine (2003), 133. (vor allem hochdeutsche) Lehnübersetzung von l. incu¯s ’Amboss’ (aus l. in- und einer Ableitung von l. Amethyst Sm (Halbedelstein) per. fach. (12. Jh.), mhd. cu¯dere ’schlagen’). Parallel gebildet sind nndl. aamametiste, amatist. Entlehnt aus afrz. ame´thyste, dieses beeld (mndl. a¯nebelte), ne. anvil (ae. anfilt, ahd. anaaus l. amethystus f., aus gr. ame´thystos f., zu gr. ame´falz). thystos ’nicht trunken, dem Rausch entgegenwirÞBosse, Þbosseln. – Seebold (1970), 90f.; RGA 1 (1973), kend’, zu gr. methy´ein ’trunken sein, betört sein’ aus 249–252; EWahd 1 (1988), 218f., 224 f . EWNl 1 (2003), 68. a- und gr. me´thy n. ’Wein, berauschendes Getränk’. Wenn die Bezeichnung des Steins nicht auf einer SeAmbra Sm ÞAmber. kundär-Motivation (eines entlehnten Wortes) beAmbrosia Sf ’Götternahrung’ erw. bildg. (13. Jh., Beruht, ist er wohl nach seiner Farbe benannt, der Farbe deutung 18. Jh.). Zunächst als Pflanzenname entdes bis zur Unschädlichkeit verdünnten Rotweins. lehnt, dann mit der ursprünglichen Bedeutung zuAus dem Namen herausgesponnen ist dann der Glaunächst in Ableitungen, aus l. ambrosia, dieses aus gr. be, dass der Stein Trunkenheit verhindern könne, ambrosı´a (eigentlich ’Unsterblichkeit’), einem Abwenn ihn der Trinkende bei sich trägt. straktum zu gr. a´mbrotos ’unsterblich’, zu gr. a- (Þa-) Ebenso nndl. amethist, ne. amethyst, nschw. ametist, nisl. ameund gr. broto´s ’sterblich’. Nach der griechischen Mytyst. Zu gr. me´thy ’Wein’ s. ÞMet. – Lüschen (1979), 169f.; LM 1 thologie die den Göttern vorbehaltene Nahrung, die (1980), 533; EWNl 1 (2003), 134. Unsterblichkeit bewirkt. Dann BedeutungserweiteAmmann Sm ’Gemeindevorsteher’ per. schwz. (13. Jh.). rung auf besonders wohlschmeckende Nahrung Seit mittelhochdeutscher Zeit bezeugte Variante von (’Götterspeise’). Amtmann. Die Funktionen waren zu verschiedenen Ebenso nndl. ambrosia, ambrozijn, ne. ambrosia, nfrz. ambroZeiten unterschiedlich, so dass keine genaue Bedeuisie, nschw. ambrosia. Lateinische Bildungen aus der gleichen tung angegeben werden kann. Wurzel s. unter Þmorbid. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞMord. – EWNl 1 (2003), 132.

LM 1 (1980), 562f.

Amok

39 Amme Sf ’Frau, die ein (fremdes) Kind nährt’ std. alt.

verwendet wurde (l. Ammo¯niaci guttae, gr. Ammo¯(11. Jh.), mhd. amme, ahd. amma, mndl. amme. Geniako´n). hört zu einem weiter verbreiteten Lallwort der KinEbenso nndl. ammoniak, ne. ammonia, nfrz. ammoniac, nschw. ammoniak, nisl. ammonı´ak. – Ruska, J. SHAW 5 (1923); dersprache für ’Mutter’, das z.B. auch in anord. EWNl 1 (2003), 136. amma ’Großmutter’ und gr. amma´ ’Mutter, Großmutter’, ai. amba¯´ ’Mutter’ erscheint. Ein Ammonshorn Sn ’Versteinerung eines Kopffüßlers’ per. Ammenmärchen ist eine Geschichte, die nur kleinen fach. (18. Jh.). Übersetzung der seit Plinius bezeugten Kindern erzählt wird, dann ’eine zwar beeindruckenBezeichnung l. ammo¯nis cornu¯a ’Hörner Ammons’ de, aber unglaubwürdige Geschichte’; die (nach dem ägyptischen Gott Ammon, der unter anAmmensprache sind (meist reduplizierende) kinderderem in der Gestalt eines Widders verehrt wurde). sprachliche Formen (wie Wauwau, Ticktack), die dem Ebenso nndl. ammonshoren, ne. cornu ammonis, ammonite, Kind von seiner Amme oder seinen Eltern vorgesagt nfrz. ammonite, nisl. ammonshorn. – Lüschen (1979), 170; werden. EWNl 1 (2003), 136. ÞHebamme. – EWahd 1 (1988), 205f.; EWNl 1 (2003), 135.

Ammer Sf (fachsprachlich auch m.) ’eine Vogelart’ per.

fach. (11. Jh.), mhd. amer, ahd. amaro, as. amer. Geht wie ae. amore auf die Getreidebezeichnung ahd. amar (-o, -i) ’Emmer, Dinkel’ (eine in Südwestdeutschland und der Schweiz häufiger, heute aber nur noch wenig angebaute Weizenart; ÞEmmer) zurück; vermutlich ist die Vogelbezeichnung gekürzt aus *amarfogal ’Emmer-Vogel’ (benannt nach der bevorzugten Nahrung, wie Distelfink und ÞHänfling). Seit dem 13. Jh. nach der Farbe des Vogels verdeutlicht zu ÞGoldammer. Die regionale Form Emmeritz geht auf die ahd. Koseform amirzo zurück; Emmerling auf ahd. amerinc mit Verdeutlichung des Suffixes Þ-ing zu -ling (ÞEmmeritz, Emmerling). Ebenso ne. yellow-hammer; ÞEmmer. – Suolahti (1909), 101–104; von Kralik, D. GGA 176 (1914), 135; EWahd 1 (1988), 192–194.

Ammern Spl ’Funkenasche’ per. wndd. (8. Jh.), mhd.

eimere, ahd. eimur(i)a. Aus g. *aimuzjo¯n f. ’(Funken)Asche’, auch in anord. eimyrja, ae. ¢¯ myrgan. Dieses ist ein Kompositum aus g. *aima- in anord. eimr m. ’Rauch’ und g. *uzjo¯n f. in anord. ysja f. ’Feuer’, mit anderem Suffix ahd. usil-, ae. ysel, anord. usli m. ’(glühende) Asche, Funken’ (zu ig. *eus- ’brennen’, etwa in l. u¯rere ’brennen’, ai. osati ˙ ’versengt’); also etwa ’Rauch-Asche, Rauch-Glut’. Ebenso ne. ember, nschw. dial. eldmörja (mit Ersatz des Erstglieds). – Kluge ZVS 26 (1883), 84; EWAhd 2 (1998), 987f.

Ammoniak Smn ’stechend riechende Stickstoff-Verbin-

dung’ erw. fach. (15. Jh., Form 17. Jh.). Entlehnt aus l. sa¯l ammo¯niacum ’Ammonisches Salz’ (medizinisch verwendet), aus gr. Ammo¯niako´n ha´las n. ’Steinsalz’, so bezeichnet nach der Ammons-Oase in Ägypten (mit einem Tempel des Gottes Ammon), einem bedeutenden Fundort dieses Salzes. Im Deutschen zunächst noch mit lateinischer Endung für das Salz gebraucht: mit salze armoniaco (H. von Mügeln, armist Nebenform zu amm-); die Gasform wird erst im 18. Jh. beachtet. Eine weitere Stickstoff-Verbindung wird von den Chemikern Ammonium genannt, eine Nebenform des Wortes, die zunächst (15. Jh.) als Bezeichnung für das Harz des Ammonbaumes

Amnestie Sf ’Begnadigung’ erw. fach. (16. Jh., Form

17. Jh.). Zunächst in der Form amnistia (gemäß der damaligen Aussprache des gr. -e¯-) entlehnt aus l. amne¯stia ’Vergebung, Vergessen’, dieses aus gr. amne¯stı´a¯ ’Vergesslichkeit, Amnestie’, einem Abstraktum zu gr. a´mne¯stos ’ohne Erinnerung’, zu gr. mimne¯´skein ’(sich) erinnern’ (mit sekundär nach anderen Verbalformen eingeschobenem -s-) und gr. a- (Þa-). Die Amnestie ist ursprünglich ein Verzicht auf gerichtliches Vorgehen zwischen streitenden (Kriegs-)Parteien mit dem Ziel der Versöhnung − insofern ist das ’Vergessen des Vergangenen’ eine wesentliche Voraussetzung. Verb: amnestieren. Ebenso nndl. amnestie, ne. amnesty, nfrz. amnistie, nschw. amnesti, nnorw. amnesti. Zu einer einfacheren Form der griechischen Verbalwurzel gehört ÞAutomat. – DF 1 (21995), 457–459; EWNl 1 (2003), 136.

Amöbe Sf ’Einzeller, Wechseltierchen’ erw. fach.

(19. Jh.). Neoklassische Bildung zu gr. amoibe¯´ ’Veränderung, Wechsel’, einer Ableitung von gr. ameı´bein ’wechseln’. So benannt, weil die Einzeller ihre Form wegen der Fließbewegungen des Plasmas ständig verändern.

Ebenso nndl. amoebe, ne. am(o)ebia, nfrz. amibe, nschw. amöba, nisl. amaba. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞMeineid. Entfernt verwandt: Þemigrieren, Þimmigrieren. – EWNl 1 (2003), 136.

Amok Sm (besonders in Amok laufen ’blindwütend he-

rumrennen und Leute ermorden’) erw. exot. ass. (17. Jh.). Malayisches Wort und malayischer Brauch: Die Betreffenden versetzen sich aus Rach- oder Ruhmsucht in Opiumrausch und fallen dann mit dem Kris (Dolch) jeden an, der ihnen in den Weg kommt; dabei rufen sie Amock. Aus Reisebeschreibungen in Deutschland bekannt seit dem 17. Jh. Im 20. Jh. auf europäische Verhältnisse übertragen, aber eher in Form eines Vergleichs. Herkunft und ursprüngliche Bedeutung des malayischen Wortes sind nicht klar. Verdeutlichungen: Amoklauf, -läufer, -laufen. Ebenso nndl. amok, ne. amok, amuck, nfrz. amok, nschw. amok, nnorw. amok. – Littmann (1924), 128; Lokotsch (1975), 7; Röhrich 1 (1991), 79; EWNl 1 (2003), 137.

amortisieren

40

amortisieren Vsw ’tilgen, auslöschen’ erw. fach.

und Ohm. Die Namengebung wurde 1881 vom Pariser (18. Jh.). Entlehnt aus frz. amortir ’abtöten, abtragen’, Internationalen Kongress der Elektriker bestätigt und dieses aus der früh-rom. Präfixableitung *ad-mortı¯re ist seither allgemein üblich. ’zu Tode bringen’, zu l. mortuus ’tot’, dieses zu l. morı¯ EWNl 1(2003) 138. ’sterben’. Die Form des Verbs ist dementsprechend Ampfer Sm per. fach. (10. Jh.), mhd. ampfer, ahd. ampfzunächst amortieren, dann aber, im Anschluss an selaro (auch ampfara f.), mndd. amper. Bedeutet wie ae. teneres ml. amortizare, die heutige Form. Die Bedeuampre ’der Saure’ zu dem nur noch in Relikten betung ist zunächst ’Schulden nach Plan tilgen, Urkunlegten g. *ampra- Adj. ’sauer’ (vor allem von pflanzden löschen’, dann auch ’Anschaffungskosten durch licher Säure) in anord. apr ’scharf, kalt’ und älterem Abschreibung oder erwirtschafteten Ertrag stufennndl. amper ’scharf, sauer’; dieses aus ig. *am(¡–)roweise decken’. Abstraktum: Amortisation. ’sauer, bitter’ in ai. ambla- ’sauer’ und l. ama¯rus Ebenso nndl. amortiseren, ne. amortize, nfrz. amortir, nschw. ’bitter’ (mit -mbr- < -mr-). amortera, nnorw. amortisere. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞMord, zu l. morı¯ ’sterben’ gehört auch Þmorbid; eine griechische Bildung aus der gleichen Wurzel in ÞAmbrosia. – Schirmer (1911), 10f.; DF 1 (21995), 465–469; Brunt (1983), 128; EWNl 1 (2003), 137.

Ampel Sf std. (10. Jh.), mhd. ampel, ahd. ampulla,

ÞSauerampfer. – EWahd 1 (1988), 207–209; Heidermanns (1993), 99 f .; EWNl 1 (2003), 137f.; RGA 26 (2004), 537f.

Amphibie Sf ’Tier, das sowohl im Wasser als auch auf

dem Land lebt’ erw. fach. (16. Jh.). Zunächst in fremder Form (amphibion n.) entlehnt aus l. amphibion n., dieses aus gr. amphı´bios ’zwei Leben habend’ − in verschiedenen Gebrauchsweisen, aber z.B. auch von Fröschen (mit Leben im Wasser und zu Land), zu gr. bı´os m. ’Leben’ und gr. amphi- ’auf beiden Seiten’. Adjektiv: amphibisch. Übertragen auf Amphibienfahrzeug, für Fahrzeuge, die sich zu Land und zu Wasser fortbewegen können.

mndd. appolle, mndl. ampulle. Entlehnt aus l. ampulla ’kleine Flasche’ (als *am-por-la zu l. amphora ’zweihenkliger Krug’). Mit dem deutschen Wort wird seit dem Mittelalter das ’ewige Licht’ in den (katholischen) Kirchen bezeichnet, in spätmittelhochdeutscher Zeit im Oberdeutschen auch andere Hängeleuchten. In neuerer Zeit von ÞLampe 1 zurückgeEbenso nndl. amfibie, ne. amphibian, nfrz. amphibie, nschw. drängt, aber als Blumenampel, dann als Verkehrsampel amfibie, nnorw. amfibium. Zur Sippe von gr. bı´os ’Leben’ s. (für die ursprünglich über der Kreuzung hängenden, ÞBiologie; zu den lateinischen Verwandten von amphi- s. beleuchteten Verkehrsregler) neu belebt. AutomatiÞambi-, zu den germanischen s. Þbei. Ersatzwort ist ÞLurch sche Verkehrsampeln gab es (im Gefolge der Rege(kaum gebraucht). – Cottez (1980), 20 (zu amphi-); DF 1 lungen an Eisenbahnkreuzungen) nach einem miss(21995), 471–475; EWNl 1 (2003), 134. glückten Versuch in London 1868 in Amerika seit 1914 (rot-grün) und 1920 (rot-grün-gelb), bezeichnet als Amphitheater Sn erw. fach. (13. Jh., Form 17. Jh.). Zunächst in lateinischer Form entlehnt aus l. amphitraffic lights/signals. Die hängenden Ampeln (Heuerthea¯trum, das seinerseits aus gr. amphithe´a¯tron entAmpel nach dem Namen der Herstellerfirma) gab es lehnt ist. Dieses aus gr. amphi- ’auf beiden Seiten’ in Deutschland von den 1930er Jahren bis 1972 (der (ÞAmphibie) und gr. the´a¯tron n. ’Zuschauerraum’ Verkehrsturm in Berlin 1924 war keine Ampel und im (zu gr. thea´omai ’ich betrachte’; ÞTheater), also eiübrigen auch nicht vollautomatisch). Von den gentlich ’das, bei dem der Zuschauerraum ringsum Heuer-Ampeln stammt die Bezeichnung als Ampel. ist’. Das Kompositum wurde dann zu Ampel vereinfacht Ebenso nndl. amfitheater, ne. amphitheatre, nfrz. amphite´aˆtre, und bezeichnet heute moderne (im allgemeinen nschw. amfiteater, nnorw. amfiteater. – DF 1 (21995), 475–478; nicht mehr hängende) Verkehrsregler. Die BedeuCottez (1980), 20; EWNl 1 (2003), 134f. tung des Wortes ist jetzt fest mit ’Verkehrsregelung Amphore Sf (ein in der Antike verwendetes, bauchiges durch Farben’ verknüpft, vgl. die Übertragungen wie Gefäß mit zwei Henkeln) erw. fach. (16. Jh., Form Ampel-Koalition. 18. Jh.). Entlehnt aus l. amphora, dieses aus gr. Ebenso nschw. ampel, nnorw. ampel. Vgl. frz. ampoule amphoreu´s m., älter amphiphoreu´s m. (dann haplo’Glühlampe’. Die zugrundeliegende Sippe unter ÞMetapher. logisch verkürzt) ’Vorratsgefäß mit beidseitigen HenÞAmphore, ÞAmpulle. – Kuhberg (1933), 36; EWahd 1 (1988), 209f.; EWNl 1 (2003), 137f. keln’, aus gr. amphi ’auf beiden Seiten’ und einer Instrumentalbildung zu gr. phe´ro¯ ’trage’, also ’beidseiAmpere Sn (Maßeinheit der Stromstärke) erw. fach. tiger Träger’. Die alte Entlehnung mit der Form 19. Jh. Die British Association for the advancement of ampfer bezeichnet ein Weinmaß; der spätere Exotisscience (1863–1874) setzte fest, dass für die Maßeinmus das antike Gefäß. heiten im Bereich der Elektrizität die Namen von Ebenso nndl. amfora, ne. amphora, nfrz. amphore, nschw. amPhysikern eingesetzt werden sollten, die sich in diefora, nnorw. amfora. Zur Sippe von gr. phe´rein ’tragen’ s. sem Bereich verdient gemacht hatten. Für die StromÞMetapher; ÞAmphibie, ÞAmpel, ÞAmpulle. – EWahd 1 (1988), stärke wurde der Name von A. M. Ampe`re 210–212; EWNl 1 (2003), 135. (1775–1836), gewählt, der unter anderem das elektrodynamische Gesetz formulierte. Zu anderen s. Volt

an-

41 Amplitude Sf ’Schwingungsweite’ per. fach. (19. Jh.).

Entlehnt und übertragen aus l. amplitu¯do (-dinis) ’Größe, Weite, Erhabenheit’, Abstraktum von l. amplus ’umfangreich, geräumig, groß’. Ebenso nndl. amplitude, ne. amplitude, nfrz. amplitude, nschw. amplitud.

Ampulle Sf ’Glasröhrchen’ erw. fach. (9. Jh., Form

nem Herrn aufhält). Aus der gleichen lateinischen Grundlage stammt auch Ambassadeur. Das Wort gehört mit ÞReich zusammen zu den wichtigsten frühen Entlehnungen aus dem Keltischen. Adjektiv: amtlich; Verb: amtieren. Ebenso nndl. ambt, nschw. ämbete, nisl. emb¢tti. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þagieren, zur griechischen ÞDemagoge; ÞBeamte(r). – Gottschald, M. ZD 46 (1932), 732f.; HWPh 1 (1971), 210–212; Schmidt-Wiegand (1972), 12–14; RGA 1 (1973), 257–268, 5 (1984), 411; LM 1 (1980), 546–559; Obst (1983), 197–205; EWahd 1 (1988), 195f.; Röhrich 1 (1991), 79f.; von Olberg (1991), 204–213; EWNl 1 (2003), 130–133.

19. Jh.). Entlehnt aus l. ampulla, einem Diminutivum zu l. amphora ’zweihenkliges Gefäß’ (Zwischenstufe * am-por-la). Bei der Diminuierung geht das Benennungsmotiv (’zweihenklig’) verloren − die Bedeutung ist nur noch ’kleineres Gefäß’. Die normale Amtsschimmel Sm (Symbol für ’Bürokratie, AmtsLautentwicklung führt zu ÞAmpel, die heutige Form sprache’) std. stil. (19. Jh.). Symbol für ’Bürokratie, beruht auf neuerlichem Rückgriff auf die lateinische Amtssprache’, zunächst in Österreich. Etwas älter in Vorform. Eine niederdeutsche Vereinfachung in der Schweiz den Amtsschimmel reiten im Sinn von ÞPulle. ’sich die staatlichen Einrichtungen zunutze machen’. Ebenso nndl. ampul, ne. ampulla, ampoule, nfrz. ampoule, Vielleicht ist die jüngere Bedeutung aus der älteren nschw. ampull, nnorw. ampulle. Zur Sippe des zugrunde lieentstanden im Sinn von ’auf behördlichen Vorschrifgenden gr. phe´rein ’tragen’ s. ÞMetapher; ÞAmphore, ÞAmpel, ten o.ä. herumreiten’ (im Sinn von ’unnötig lange ÞPulle. – EWahd 1 (1988), 210–212. und umständlich darauf beharren’). Das Aufkomamputieren Vsw ’operativ abnehmen’ erw. fach. (17. Jh., men der Redewendung bleibt aber unklar; dass geBedeutung 18. Jh.). Entlehnt aus l. amputa¯re wisse Amtsboten in der Schweiz beritten waren, ’wegputzen, abschneiden’, zu l. puta¯re ’schneiden, reicht kaum zur Erklärung aus. reinigen’ (zu l. putus ’rein, sauber’) und l. ambi- ’um Storfer, A. J.: Wörter und ihre Schicksale. (Berlin 1935/81), − herum’ (Þambi-). Abstraktum: Amputation. 312f.; Hiersche, R. FS Polome´ (1988), 269–278; Röhrich 1 Ebenso nndl. amputeren, ne. amputate, nfrz. amputer, nschw. amputera, nnorw. amputere. Zur gleichen Bedeutung von l. puta¯re ’schneiden’ gehört ÞDeputat und ÞDisput; daneben steht die Bedeutung ’(be)rechnen’, zu der als Abstraktum ÞReputation und als Nomen Agentis (über das Englische) ÞComputer gehören. Aus lautlichen Vereinfachungen von Präfigierungen stammen (über die italienische Bankenterminologie) ÞDiskont, ÞKonto, ÞKontor; Þputzen. – DF 1 (21995), 478–481; EWNl 1 (2003), 138.

Amsel Sf std. (9. Jh.), mhd. amsel, ahd. amsla, mndd.

ams(t)el. Führt wie ae. o¯sle auf ein wg. *amslo¯n. Weitere Herkunft unklar. Lautähnlich (*mes neben *ames) ist l. merula, das über frz. merle als ÞMerle ins Deutsche entlehnt wurde. Hierzu vielleicht auch kymr. mwyalch(en), falls aus *mesalka¯. Ebenso ne. ouzel. – Suolahti (1909), 54f.; Otre˛bski, J. LP 2 (1950), 260; Cˇop, B. Collectanea Indoeuropaea 1 (Ljubljana 1978), 24f.; Hamp, E. P. IF 87 (1982), 77–79; Hamp, E. P. ZCPh 43 (1989), 196–198; EWahd 1 (1988), 212f.; Ofitsch, M. FS Meid (1999), 269–276.

(1991), 80.

Amulett Sn ’(mit Zauberkräften versehener) Anhän-

ger’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. a¯mu¯le¯tum, dessen Herkunft nicht sicher gedeutet ist. Ebenso nndl. amulet, ne. amulet, nfrz. amulette, nschw. amulett, nnorw. amulett. – Gildemeister, J. ZDMG 38 (1884), 140–142; DF 1 (21995), 481f.; LM 1 (1980), 564–566; EWNl 1 (2003), 138f.

amüsieren Vswrefl std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. s’amu-

ser gleicher Bedeutung. Adjektiv: amüsant; Abstraktum: Amüsement. Ebenso nndl. amuseren, ne. amuse. Das französische Wort ist eine Präfigierung zu frz. muser ’trödeln, sich vergnügen’, das wohl von früh-rom. *mu¯sus ’Maul, Schnauze’ abgeleitet ist. Auszugehen ist also von ’mit offenem Mund dastehen, etwas Verblüffendes betrachten’, und dann ’seine Kurzweil haben, seine Zeit vertreiben’. Ersatzwort ist belustigen. – DF 1 (21995), 483–491; Dumonceaux (1975); Jones (1976), 101f.; Brunt (1983), 129–131; EWNl 1 (2003), 139.

an Adv/Präp (als Verbzusatz zur Bezeichnung der Richtung [anlachen], des Handlungsbeginns [anbrennen], ambaht. Vereinigt sich mit gt. andbahti (sekundäre der Fortdauer des Ergebnisses [anbinden] u.ä.) std. Angleichung an die Vorsilbe and-), anord. emb¢tti (8. Jh.), mhd. ane, ahd. ana, as. an. Gehört (mit erund ae. ambiht unter einem g. *ambahtja- n. ’Dienst, weitertem Suffix) zu g. *ana, auch in gt. ana (ebenAmt’, das neben g. *ambahtjo¯n (und *ambahta-) m. falls erweitert), anord. a´, ae. on, afr. on, zu ig. *ana in ’Diener, Gefolgsmann’ steht. Dieses ist früh entlehnt gr. ana´ ’auf, an’, avest. ana u.a. aus kelt. ambactos ’Höriger, Diener’ (aus *ambi Ebenso nndl. aan, ne. on, nschw. a˚, nisl. a´. – Henzen (1969), ’herum’ und dem to-Partizip eines mit l. agere [a¯c241–268; Wortbildung 1 (1973) s. Übersicht 144f.; EWahd 1 tum] ’treiben, handeln usw.’ vergleichbaren Verbs, (1988), 213–215; EWNl 1 (2003), 69. erhalten vielleicht in kymr. amaeth ’Landmann, Bauan- Präfix in Entlehnungen Þa-. er’). Der Diener, Hörige ist also bezeichnet als ’Begleiter, Gefolgsmann’ (derjenige, der sich bei sei-

Amt Sn std. (8. Jh.), mhd. ambahte, ahd. ambahti, as.

Anachronismus Anachronismus Sm ’zeitlich falsche Einordnung’ erw.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. anachronisme, dieses über das Lateinische aus gr. anachronismo´s ’Zuspätkommen, zeitlich falsche Einordnung’, Abstraktum zu gr. anachronı´zein ’sich verspäten, zeitlich oder metrisch falsch einordnen’, Präfixableitung mit gr. ana´ ’hinauf, zurück’ zu gr. chro´nos ’Zeit’ (ÞChronik). Adjektiv: anachronistisch. Ebenso nndl. anachronisme, ne. anachronism, nfrz. anachronisme, nschw. anakronism, nnorw. anakronisme. – DF 1 (21995), 492–496; Cottez (1980), 21f.; EWNl 1 (2003), 139.

Anagramm Sn ’Wort, das durch Umstellung der Buch-

42 Ebenso nndl. analyse, ne. analysis, nfrz. analyse, nschw. analys, nnorw. analyse. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þabsolvieren, zur germanischen s. Þverlieren, zur Sippe von gr. ly¯ein ’lösen’ gehören noch ÞParalyse (mit der gleichen Bildung, aber anderem Präfix) und ÞKatalysator (Weiterbildung mit Instrumentalsuffix zu einem entsprechenden Katalyse). – DF 1 (21995), 507–513; HWPh 1 (1971), 248; Auroux, S., Kaltz, B. PSG 6 (1986), 7–40; Tonelli, G. AB 7 (1962), 120–139 (zu Analytik); EWNl 1 (2003), 140.

Anämie Sf ’Blutarmut’ per. fach. (19. Jh.). Neo-klassi-

sche Bildung anaemia zu gr. a´naimos ’blutlos’, zu gr. haı˜ma n. ’Blut’ und negierendem gr. a- (Þa-). Ebenso nndl. anemie, ne. anaemia, nfrz. ane´mie, nschw. anemi,

staben eines anderen Wortes gebildet wurde’ per. nnorw. anemi. Gr. haı˜ma ’Blut’ auch in ÞLeukämie und fach. (17. Jh., Form 18. Jh.). Zunächst in fremder ÞHämoglobin. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞSchweiß 2. – EWNl 1 (2003), 142. Form entlehnt aus gr. ana´gramma, anagrammatismo´s ’Buchstabenumstellung’, Abstraktum zu gr. anaAnanas Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus port. anana´s, diegrammatı´zein ’Buchstaben umstellen’; Präfixableises aus südamerikanischen Indianersprachen (Tupı´, tung mit gr. ana´ ’hinauf, zurück’ zu gr. gra´mma n. Guaranı´), in denen das Wort wohl ana´na´, na´na´ o.ä. ’Buchstabe’. gelautet hat (z.T. mit Differenzierung zwischen der Ebenso nndl. anagram, ne. anagram, nfrz. anagramme, nschw. Pflanze und der Frucht). Der eigentliche Ursprung anagram, nnorw. anagram. Zur Sippe des zugrunde liegenden des Wortes ist dunkel. Unter den vielen Kontakten gr. gra´phein ’schreiben, zeichnen’ s. ÞGraphik. – DF 1 (1913), 32; dieses Internationalismus in den europäischen SpraCottez (1980), 21f. chen dürfte sich der Einfluss des Niederländischen Analogie Sf ’Ähnlichkeit’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt auf Akzentverschiebung und Zuordnung des femiaus l. analogia, dieses aus gr. analogı´a ’Übereinstimninen Genus im Deutschen mit ausgewirkt haben. mung, Gleichung, Verhältnis’, wie das Adjektiv ana´Das europäische Schluss- s geht auf das Pluralzeichen logos eine Zusammenbildung von gr. ana` lo´gon ’dem zurück. Verhältnis entsprechend’. Ein Adjektiv tritt in der Ebenso nndl. ananas, nfrz. ananas, nschw. ananas, nisl. anamodernen Wissenschaftssprache erst später (18. Jh.) nas. – Littmann (1924), 146; Loewe, R. ZVS 60 (1933), 167–173; unter Einfluss von frz. analogue auf. Zu gr. ana´ Palmer (1939), 23f.; Wis, M. NPhM 66 (1965), 621; AbeggMengold (1979), Kap. III; EWNl 1 (2003), 140. ’hinauf, zurück’ (hier ’gemäß’) und gr. lo´gos ’Maß, Berechnung, Vernunft usw.’, dieses zu gr. le´gein Anapäst Sm (ein Versfuß) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt ’zählen, berechnen usw.’ Adjektiv: analog(isch). aus l. anapaestus, dieses aus gr. ana´paistos, zu gr. anaEbenso nndl. analogie, ne. analogy, nfrz. analogie, nschw. analogi, nnorw. analogi. Zur Sippe von gr. lo´gos ’Rede, Rechnung’ s. ÞLogik. – DF 1 (21995), 498–503; Leser, E. ZDW 15 (1914), 8f.; Fehling, D.: Varro und die grammatische Lehre von der Analogie (Diss. masch. Kiel 1956); HWPh 1 (1971), 214–229; Christmann, H. H. FS K. Baldinger I (Tübingen 1979), 102–115; Christmann, H. H. FS W. T. Elwert (Wiesbaden 1980), 519–535; LM 1 (1980), 569f.; Irmscher, J. WZUR 37 (1988), 2, 4–6; EWNl 1 (2003), 139f.

Analyse Sf ’Zergliederung, Untersuchung’ erw. fach.

(15. Jh., Form 18. Jh.). Zunächst in der Form analysis entlehnt aus ml. analysis, aus gr. ana´lysis, einem Nomen Actionis zu gr. analy¯ein ’zergliedern, auflösen’, zu gr. ly¯ein ’lösen’ und gr. ana- ’hinauf, zurück’. Im Griechischen zunächst ein Terminus der mathematischen und philosophischen Methodenlehre (z.B. etwas auf die Bestandteile zurückführen, aus denen es zusammengesetzt ist). In der Neuzeit dann Ausweitung der Bedeutung auf ’wissenschaftliche Untersuchung’. Die Form Analyse in Anlehnung an frz. analyse. Verb: analysieren; Adjektiv: analytisch; Täterbezeichnung: Analytiker. Auf Teilbereiche spezialisiert sind Analysis (Mathematik), Analytik (Philosophie) und die Täterbezeichnung Analyst (Börse).

paı´ein ’zurückschlagen’, zu gr. paı´ein ’schlagen’ und gr. ana- ’hinauf, zurück’. Bezeichnet damit die Umkehrung des häufigeren ÞDaktylus. Ebenso nndl. anapest, ne. anap(a)est, nfrz. anapeste, nschw. anapest, nnorw. anapest.

Anarchie Sf ’Gesetzlosigkeit, Chaos’ erw. fach. (16. Jh.,

Form 18. Jh.). Entlehnt aus ml. anarchia, dieses aus gr. anarchı´a, einem Abstraktum zu gr. a´narchos ’führerlos, zügellos’, zu gr. archo´s m. ’Führer’ und negierendem gr. an- (Þa-). Gr. archo´s ist Nomen Agentis zu gr. a´rchein ’führen, herrschen’ (’an der Spitze gehen’). Im Griechischen ist Anarchie zunächst Bezeichnung für das Fehlen eines Anführers bzw. Heerführers, dann auch − im Zusammenhang politischer Staatstheorien − für die aus dem Zustand der Herrscherlosigkeit resultierenden Ausschreitungen. Seit dem 17. Jh. vermehrt Gegenstand neuzeitlichen Nachdenkens über die bestehenden Machtverhältnisse. Täterbezeichnung: Anarchist; Adjektiv: anarch(ist)isch. Ebenso nndl. anarchie, ne. anarchy, nfrz. anarchie, nschw. anarki, nnorw. anarki. Zu der Sippe von gr. a´rchein ’führen’ gehören zunächst die mit Anarchie parallelen ÞHierarchie,

ander

43 ÞOligarchie, ÞMonarch, ÞPatriarch, teils als Komposita mit archo´s ’Führer’, teils als Abstrakta zu solchen Bildungen (Þ-arch). Zu dessen Kompositionsform gr. archi- gehören Þarchi-, ÞArchipel, ÞArchitekt und die frühen Entlehnungen ÞErz-, erz- und ÞArzt. Vermutlich mit Lokativ-Suffix unmittelbar aus dem Verb gebildet ist ÞArchiv. Mit der Bedeutung ’(an der Spitze), alt’ zu der Nominalbildung gr. arche¯´ ’Ursprung’ das Adjektiv Þarchaisch und ÞArchäologie. – DF 1 (21995), 513–521; HWPh 1 (1971), 267–294; Grossmann/Grünberg (1971), 13–35; GB 1 (1972) 49–109; Irrlitz, G. in Welskopf 5 (1981), 191–234; Voser, G.: Anarchismus (Frankfurt/Main 1982); Deleplace, M. DUSP 4 (1987), 3–33; Strauss u.a. (1989), 57–74; Richter (1981), 148 (zu gr. arche¯´); EWNl 1 (2003), 140.

Anästhesie Sf ’Narkose’ per. fach. (18. Jh., Form

Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þrational. – Krogmann, W. ZDPh 78 (1959), 19–39; Schüwer, H. NJ 104 (1981), 87f.

anbiedern Vswrefl ’sich plump einschmeicheln’ std. stil.

(18. Jh.). Partikelableitung zu dem bereits ironisch gebrauchten Þbieder. Anchovis Spl (Sardellenart) per. fach. (17. Jh.). Entlehnt

aus nndl. ansjovis und ne. anchovy, diese über romanische Vermittlung (vgl. port. anchova, span. anchoa, nfrz. anchois m.) wohl aus dem Baskischen. Semantisch wäre auch ein Anschluss an gr. aphy´¯e f. ’Fischbrut, kleine Fische’ (etymologisch unklar) denkbar, doch macht die Lautform Schwierigkeiten. Ebenso nndl. ansjovis, ne. anchovy, nfrz. anchois, nschw. ansjovis, nisl. ansjo´sa. – Georgacas (1978), 275–277; Polome´, E. JIES 11 (1983), 49; EWNl 1 (2003), 147.

19. Jh.). Entlehnt aus gr. anaisthe¯sı´a ’Mangel an Empfindungen, Unempfindlichkeit (gegenüber -and Suffix (zur Bildung von Personen- und SachbeSchmerz)’, Abstraktum zu dem negierten Verbaladzeichnungen passivischer Bedeutung, z.B. Habilitand jektiv gr. anaı´sthe¯tos ’gefühllos’ zu gr. aistha´nesthai ’jmd., der habilitiert werden soll’, Multiplikand ’empfinden, wahrnehmen’ (Þa-). Zunächst in latei’Zahl, die multipliziert werden soll’) per. bildg. (–). nischer Form entlehnt, dann eingedeutscht. TäterBei dem Suffix handelt es sich um das lateinische Gebezeichnung: Anästhesist. rundiv auf -(a)nd(us), das in neoklassischen BildunEbenso nndl. anesthesie, ne. an(a)esthesia, nfrz. anesthe´sie, gen nachgeahmt wird. Die Variante -end hängt von nschw. anestesi; ÞÄsthetik. – EWNl 1 (2003), 142. der Stammklasse des zugrunde liegenden lateinischen Anatomie Sf ’(Wissenschaft vom) Aufbau des KörVerbs ab (Primärverben gegenüber solchen auf -a¯re). pers’ erw. fach. (15. Jh., Form 18. Jh.). Im 16. Jh. mit Andacht Sf std. (9. Jh.), mhd. anda¯ht, ahd. anada¯ht, lateinischer Endung entlehnt aus spl. anatomia, diemndd. andacht, mndl. aendachte. Ein ti-Abstraktum ´ ses weitergebildet aus gr. anatome¯ ’Aufschneiden, zu Þdenken, präfigiert mit Þan; also ’Denken an etZergliedern’, einem Abstraktum zu gr. anate´mnein was, Aufmerksamkeit’. Das parallele ahd. a¯da¯ht f. ’aufschneiden, sezieren’, aus gr. te´mnein ’schneiden, ’Erinnerung’ ist schon seit dem 8. Jh. bezeugt. Seit zerteilen’ und gr. ana- ’hinauf, zurück’. Täterbezeichdem 12. Jh. eingeengt auf das ’Denken an Gott’ (wähnung: Anatom, Adjektiv: anatomisch. rend nndl. aandacht lediglich ’Aufmerksamkeit’ beEbenso ne. anatomy, nfrz. anatomie, nndl. anatomie, nschw. deutet). Adjektiv: andächtig. anatomi, nnorw. anatomi; ÞAtom, ÞDichotomie, ÞFliete. – DF 1 (21995), 521–527; LM 1 (1980), 575–577; EWNl 1 (2003), 140.

anbandeln Vsw ’einen Flirt oder einen Streit anfan-

HWPh 1 (1971), 295f.; Göttert, K.-H. FS Tschirch (1972), 151–169; Röhrich 1 (1991), 80; EWAhd 1 (1988), 219; EWNl 1 (2003), 70.

gen’ std. stil. (18. Jh.). Aus bairisch-österreichischen andante Ptkl (Tempobezeichnung der Musik) per. fach. Mundarten übernommen. Ausgangsbedeutung: (18. Jh.). Entlehnt aus it. andante, dem Partizip zu it. ’anzubinden suchen’. Genaue Herkunft unklar, vielandare ’gehen’, also eigentlich ’gehend, im Schritt’. leicht wie Þanzetteln ein Ausdruck der Webersprache. Ebenso nndl. andante, ne. andante, nfrz. andante, nschw. anVielleicht auch (Mehl, s.u.) ein Ausdruck der Fechdante, nnorw. andante. – DF 1 (21995), 529–531. tersprache: ’den Degen am Handgelenk festbinden, Andenken Sn std. (13. Jh., Bedeutung 18. Jh.). In der damit er nicht wegfliegt, wenn er aus der Hand geBedeutung ’Erinnerungszeichen’ Lehnbedeutung des schlagen wird’, symbolisch für den Beginn der Aus18. Jhs. zu frz. souvenir m. Die ältere Bedeutung einandersetzung. ’Erinnerung’ mit der Variante Angedenken noch in Þbinden. – Mehl, E. MS 78 (1968), 50. der heute meist ironisch gebrauchten Formel seligen anberaumen Vsw ’ansetzen’ std. alt. (7. Jh., Form Angedenkens (in dieser Formulierung nach dem Vor16. Jh.). Lautlich unter dem Einfluss von ÞRaum umbild von kirchen-l. beatae memoriae). gestaltet (oder regional schwäbisch zu au entwickelt ander Adj std. (8. Jh.), mhd. ander, ahd. ander, as. o¯daÑ r. und verallgemeinert) aus mhd. ra¯men ’festsetzen’, Aus g. *anþera- Adj. ’ander’, auch in gt. anþar, anord. mhd. bera¯men ’festsetzen’, ahd. ra¯me¯n, as. ra¯mon, annarr, ae. o¯deÑ r, afr. o¯ther. Dieses aus ig. *anteroru¯mon ’trachten, streben’. Mit gleichem Lautstand (oder *ontero-) in ai. a´ntara-, lit. an˜tras ’der andere’. wie das Altsächsische (und abweichend vom DeutGegensatzbildung auf *-tero- zu einem Pronominalschen) ae. ro¯mian ’streben’, wieder anders afr. ramia stamm, der mit anderem Suffix auch in ai. anya´’erziehen’. Dieses gehört offenbar zu einer (allerdings ’anderer’ vorliegt. − In anderen Umständen beruht auf schlechter bezeugten) Nominalbildung mhd. ra¯m einem alten euphemistischen Gebrauch von ander ’Ziel’ zu ig. (weur.) *re¯ – ’berechnen, meinen’, vor (vgl. Schulz). Adverb: anders; Verb: ändern. allem in l. re¯rı¯.

anderthalb Ebenso nndl. ander, ne. other, nschw. annan, nisl. annar; Þselbander. – Schulz, H. ZDW 10 (1908/09), 157; Debrunner, A. REI 3 (1943), 5–14; EWahd 1 (1988), 241f.; Röhrich 1 (1991), 80f.; EWNl 1 (2003), 140f.

anderthalb Adv ’eineinhalb’ std. (8. Jh., Form 14. Jh.).

Eigentlich ’das zweite halb’ zu Þander und Þhalb (das -t- aus anderen Ordinalzahlen wie vierthalb). Vgl. ae. oþer healf; umgekehrt anord. ha´lfr annarr. EWahd 1 (1988), 242; EWNl 1 (2003), 141.

anderweit(ig) Adv ’anderswo, sonst noch’ std. alt.

44

byzantinischen Historikers Prokop (6. Jh.) überliefert, in dem er äußerlich gesehen Klatschgeschichten und (meist negative) Charakterisierungen des Kaisers und seiner Umgebung wiedergibt. In Wirklichkeit handelt es sich um eine nicht nur in der Antike unerhörte Gegendarstellung zu seinen eigenen offiziellen Lobpreisungen auf den Kaiser und den Hof. Der Text ist weder zu Prokops Lebenszeit noch unmittelbar danach veröffentlicht worden, insofern ist der − möglicherweise erst später beigegebene − Titel zutreffend. In der Neuzeit wurden diese Anekdota als prägnant erzählte kurze Episoden aufgefasst, die das Vorbild und die Bezeichnung für spätere Erzählungen dieser Art abgaben.

(13. Jh., Form und Bedeutung 17. Jh.). Zu einem mittelhochdeutschen Zahlwortsuffix der Bedeutung ’-mal’, das auf mhd. weide ’Fahrt, Reise’ zurückgeführt wird (zu ÞWeide 2 ’Futter’ = ’die soundsovielte Ebenso nndl. anekdote, ne. anecdote, nfrz. anecdote, nschw. Fütterung auf dem Weg’, anderweide, drı¯weide usw.). anekdot, nnorw. anekdote. Zur gleichen Grundlage s. ÞDosis Bei Luther in der Form anderweit ’zum zweiten Mal’ und vielleicht ÞDose, zur lateinischen Verwandtschaft s. (mit Auslautverhärtung); dazu die Erweiterung (und ÞDatum. – DF 1 (21995), 531–535; EWNl 1 (2003), 142. Verwendung auch als Adjektiv) in der Kanzleisprache mit Verallgemeinerung der Bedeutung und Bezug auf Anemone Sf ’Buschwindröschen’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. anemo¯ne¯, dieses aus gr. anemo¯´ne¯. Þweit. Wegen der lautlichen Ähnlichkeit zu gr. a´nemos m. Andreaskreuz Sn ’Kreuz mit schräggestellten Bal’Wind’ stellen es bereits antike Autoren zu diesem ken’ per. fach. (16. Jh.). So benannt, weil an einem und versuchen, den Bedeutungsunterschied zu übersolchen der Apostel Andreas gekreuzigt worden sein brücken (z.B. mit der Angabe, die Blüte öffne sich nur soll. Das Wort wurde zunächst in Künstlerkreisen übbeim Wehen des Windes). Auch moderne Erklälich. rungsversuche sind nicht viel überzeugender, so dass Ebenso nndl. sint-andrieskrius, ne. St. Andrew’s cross, nfrz. der Zusammenhang wohl nur als Sekundärmotivacroix de Saint-Andre´, nschw. andreaskors, nisl. andre´skross. tion eines ungeklärten Wortes aufzufassen ist. Diese androgyn Adj ’mit männlichen und weiblichen Merkhat aber auch die Namengebung in anderen Sprachen malen versehen’ per. fach. (20. Jh.). Vermutlich über bestimmt, z.B. bei der deutschen Entsprechung frz. androgyne entlehnt aus l. androgynus ’ZwitterÞBuschwindröschen. wesen’, dieses aus gr. andro´gynos, zu gr. ane¯´r (andro´s) Ebenso nndl. anemoon, ne. anemone, nfrz. ane´mone, nschw. anemone, nnorw. anemone. – DF 1 (1913), 34f.; EWNl 1 (2003), ’Mann’ und gr. gyne¯´ ’Frau, weibliches Wesen’. Die 142. Entlehnung als Substantiv schon im 16. Jh. wohl unmittelbar aus dem Griechischen. anerkennen Vsw ’gutheißen’ std. (16. Jh.). Die spezielle Ebenso nndl. androgyn, ne. androgynous, nfrz. androgyne, Bedeutung ’gutheißen’, die bei Þerkennen besonders nschw. androgyn, nnorw. androgyn. Vgl. ÞMannweib. Zum im Zusammenhang mit Þals 1 auftritt, wird durch die ersten Bestandteil s. ÞAndroide, zum zweiten ÞGynäkologie. – Verbindung mit Þan- verdeutlicht − ein Vorbild von Schulze, W.: Das androgyne Ideal und der christliche Glaube l. agno¯scere und/oder frz. reconnaıˆtre ist nicht ausge(Diss. Heidelberg 1940); Cottez (1980), 23; Aurnhammer, A.: schlossen. Anerkennen tritt schließlich allgemein für Androgynie. Studien zu einem Motiv in der europäischen Lidiese Bedeutung ein. teratur (Köln, Wien 1986). Androide Sm ’künstlicher Mensch, ein dem Menschen anfachen Vsw Þfachen. ähnliches Wesen (in futuristischer Literatur)’ per. anfangen Vst std. (9. Jh.), mhd. anva¯hen, ahd. anafa¯-

fach. (20. Jh.). Neoklassische Bildung zu gr. ane¯´r (andro´s) ’Mann’ und dem Suffix -oid. Ein entsprechendes Wort mit der Bedeutung ’Drahtpuppe’ existierte schon im 19. Jh. Ebenso nndl. androide, ne. android, nfrz. androı¨de, ndn. android; Þandrogyn. – Cottez (1980), 23 (zu andro-).

Anekdote Sf ’kurze, treffende Erzählung’ erw. fremd.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. anecdote, dieses aus gr. ane´kdota, eigentlich ’nicht Herausgegebenes’ (Pl.), einer Substantivierung (n. Pl.) von gr. ane´kdotos ’nicht herausgegeben’, dem PPP. von gr. ekdido´nai ’herausgeben’ und gr. a-, zu gr. dido´nai ’geben, schenken’. Unter dem Titel Anekdota ist ein Text des

han. In den übrigen westgermanischen Sprachen bedeutet das Partikelverb ’anpacken’ (mndd. anvangen, mndl. aenvangen, ae. onfo¯n). Abstraktum: Anfang; Adverb: anfangs, anfänglich; Nomen Agentis: Anfänger. anfechten Vst std. (9. Jh.), mhd. anevehten, ahd. ana-

fehtan ’jemand angreifen’. Zu Þfechten im Sinn von ’kämpfen’. Heute spezialisiert auf die rechtliche Bedeutung ’ein Urteil angreifen, in Frage stellen’. Das Abstraktum Anfechtung (11. Jh.) bedeutet eigentlich ’Angriff’; heute vorwiegend im religiösen Sinn ’Versuchung’ u.ä. Appel, H.: Anfechtung und Trost (Leipzig 1938).

Angsthase

45 Anführungszeichen Sn std. (18. Jh.). Übersetzt das

Fachwort signum citationis der Druckersprache (’Zeichen des Zitierens, Zeichen des Anführens’). Brandt, W., Nail, N. MS 86 (1976), 407–426.

angeben Vst std. (13. Jh.), mhd. anegeben. Zu Þgeben.

Festgelegt auf Sprachliches: ’aussagen, verraten, bestimmen, aufschneiden’. Dazu Angabe als Abstraktum und Angeber als Nomen Agentis. Stärker lexikalisiert das Adjektiv angeblich (18. Jh.) ’wie angegeben wird, wie man hört’. Angebinde Sn per. arch. (17. Jh.). Ursprünglich

’Geburtstagsgeschenk’, weil dieses an Arm oder Hals gebunden wurde. Þbinden. – HWDA 1 (1927), 435; Böhm, F.: Geburtstag und Namenstag (Berlin 1938), 50–74; Röhrich 1 (1991), 81f.

angegossen Adj std. phras. (18. Jh.). In passt wie ange-

gossen u.ä. Bezieht sich auf das genaue Zusammenpassen von Form und Guss. Angel Sf std. (9. Jh.), mhd. angel, ahd. angul, as. angul

nisch vergleichen sich spl. ancrae, angrae f. Pl. ’Raum zwischen Bäumen, bepflanzte Uferstreifen’ und gr. a´gkos ’Tal’. Weitere Entstehung dunkel; vielleicht als ’gekrümmte Fläche’ zu der unter ÞAngel behandelten Grundlage. Trier, J.: Anger und Park (Berlin 1968); Bader 3 (1973), 112–119; Tiefenbach, H. in Beck/Denecke/Jankuhn (1980), 299f.; EWahd 1 (1988), 247–249; Trier (1963), 23–31 (zur Bedeutung); EWNl 1 (2003), 686 (enk).

Angesicht Sn std. alt. (13. Jh.), mhd. angesiht f., as. an-

gisiht f . Ursprünglich wohl Verbalabstraktum zu ansehen und dann in der Bedeutung durch ÞGesicht beeinflusst. Die ursprüngliche Bedeutung ist wohl noch erhalten in angesichts. Þsehen. – Röhrich 1 (1991), 83; EWNl 1 (2003), 71.

Angewende Sn (auch Gewende n. und [so die älteste

Form] ÞAnwand f., Anwende f.) ’Stelle, an der der Pflug gewendet wird’ per. fach. (11. Jh., Form 15. Jh.), mhd. anwant, anwande f., ahd. anawanta, anawentı¯ f . Zu Þwenden als Kollektiv und Verbindung mit der Präposition Þan.

m. Geht in beiden Bedeutungen (’Fischangel, Türangel’) zurück auf g. *angulam. ’Haken’, auch in anord. Angina Sf ’Halskrankheit’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt o¸ngull, ae. angel, eine (diminutive?) l-Bildung zu g. aus l. angina ’Mandelentzündung, Beengung’. *ango¯n m. ’Haken’ in ae. ange, ahd. ango. Das Wort Ebenso nndl. angina, ne. angina, nfrz. angine, nschw. angina, bezeichnet also ursprünglich den Haken, erst sekunnnorw. angina. Die Herkunft des lateinischen Wortes ist undär das ganze Gerät. Zugrunde liegt ig. *ankklar. Einerseits kann es eine Ableitung zu l. angere ’beengen, ’krümmen, krumm’ in ai. a´n˜cati ’krümmt’, gr. a´gkiswürgen’ sein − aber dann ist die Wortbildung undurchsichtig; andererseits gilt es als entlehnt aus gr. agcho´ne¯ f. ’Erdrosseln, tron n. ’Widerhaken’, l. ancus ’gekrümmt’ u.a. Falls Strick, würgende Angst’, doch stimmt dies weder in der Lautheth. hink- ’sich verneigen’ zugehörig ist, ist von ig. form noch in der Bedeutung genau dazu. – Rauch (1995), 147; *hank- auszugehen. Der Übergang zum Femininum EWNl 1 (2003), 143. erst spätmittelhochdeutsch. Verb: angeln; Nomen Agentis: Angler. Zur Bedeutung ’(Tür-)Angel’ gehört angreifen Vst std. (9. Jh.), mhd. anegrı¯fen, ahd. anaAngelpunkt ’entscheidender Punkt’. grı¯fan. Zu Þgreifen. Zunächst ist die Bedeutung ÞAnker 1. – RGA 1 (1973), 282–284; Kieser, O. FS Martin (1980), ’anfassen, greifen nach’, dann ’mit etwas in Berüh219–231; EWahd 1 (1988), 250–253; Röhrich 1 (1991), 82f.; rung kommen, anfangen’ und schließlich ’feindlich EWNl 1 (2003), 142. entgegentreten’. Angelegenheit Sf , angelegentlichAdj ÞAnliegen. Angst Sf std. (8. Jh.), mhd. angest, ahd. angust. Aus wg. *angusti- f. ’Angst’, auch in afr. angst. Dieses ist eine angenehm Adj std. (9. Jh., Form 15. Jh.), mhd. gen¢ ¯ me, (s)ti-Bildung (oder ti-Bildung zu einem s-Stamm) zu annæ ¯¯me, ahd. na¯mi. Aus g. *-n¢¯ mja- Adj., auch in gt. ig. *ang´ hu- ’eng, bedrängend’ (Þeng). Der s-Stamm anda-nems ’angenehm’, anord. n¢mr ’gelehrig’, Adliegt vor in ai. a´m ˙ has- ’Bedrängung, Angst’, l. angor jektiv der Möglichkeit zu g. *nem-a- ’nehmen’ m. ’Würgen, Angst’, l. angustus ’eng, schmal’ und (Þnehmen). Ausgangsbedeutung für das deutsche kslav. o¸zostı˘ ’Beengung’. Sekundär als (prädikatives) Wort ’annehmbar, was angenommen werden kann’. Adjektiv angst gebraucht; Adjektiv-Ableitung: Die Bildung besteht zunächst als Simplex und in Verängstlich; Verb: ängstigen. bindung mit Þan- oder Þge-, erst später als KombiÞbang(e), Þeng. – Wandruszka, M.: Angst und Mut (Stuttnation aus beidem, die sich besonders durch Luthers gart 1950); Wandruszka, M. in Bitter, W. (Hrsg.): Angst und Gebrauch durchsetzt. Die einfacheren Bildungen Schuld (Stuttgart 1953), 12–19; von Baeyer, W., von Baeyersind noch als genehm, ÞAnnehmlichkeit(en) und Katte, W.: Angst (Frankfurt/Main 1971); HWPh 1 (1971), ÞUnannehmlichkeit vorhanden, allerdings meist veral310–314; Bergenholtz, H.: Das Wortfeld ’Angst’ (Stuttgart tet. 1980); Endres, R. FS Matzel (1984), 137–144; EWahd 1 (1988), HWPh 1 (1971), 303–307; EWNl 1 (2003), 71.

Anger Sm ’Wiese’ per. arch. (8. Jh.), mhd. anger, ahd.

angar, as. angar. Vorauszusetzen ist (g.) *ang-ra- m. ’Grasland’, zu dem auch anord. -angr (vermutlich ’Bucht’) in Ortsnamen gehört, sonst im Nordischen anord. eng f. ’Wiese’ (aus *angjo¯) u.ä. Außergerma-

253–255; Bergenholtz, H., Faets, A.-Th. in Jäger (1988), 56–94; Röhrich 1 (1991), 84; LÄGLOS (1991), 26f. (zur Entlehnung der Sippe in die finnisch-ugrischen Sprachen); EWNl 1 (2003), 143.

Angsthase Sm std. stil. (17. Jh.). Vielleicht wie

ÞHasenpanier und ÞHasenfuß auf das Stereotyp vom

anhaben furchtsamen Hasen bezogen. In Anbetracht von ndd. ÞBangbüx(e), das auf eine naheliegende Erfahrung zurückgreift, scheint eine Verwechslung mit (so nicht bezeugtem) *Angsthose nicht ausgeschlossen. anhaben (in jemandem nichts anhaben können u.ä.)

Vsw ’antun’ std. phras. (13. Jh.), mhd. jemanden anehaben ’Hand an jemand legen, sich an ihn halten’. Nachträgliche Bedeutung: jemandem etwas anhaben ’jemandem etwas antun’. Zu Þhaben in der ursprünglicheren Bedeutung ’festhalten’. Röhrich 1 (1991), 84f.

anhängig Adj ’schwebend (von Gerichtssachen)’ erw.

46

arab. an-nı¯l ’Indigo’ über port. anil) ein selten bezeugtes Anil entlehnt. Der Farbstoff war als ÞIndigo (gr. indiko´n) schon im Altertum bekannt, die arabische Bezeichnung kommt durch die Portugiesen aus Nordafrika. 1840 wird der Farbstoff durch C. Fritsche beschrieben, wobei die Bezeichnung durch das terminologische Suffix Þ-in 2 erweitert wird. Für die synthetische Herstellung waren schon zuvor drei Verfahren entwickelt worden, doch haben sich die dafür vorgeschlagenen Bezeichnungen nicht durchgesetzt. Ebenso nndl. aniline, ne. aniline, nfrz. aniline, nschw. anilin, nnorw. anilin. Das arabische Wort stammt letztlich aus pers. nı¯la¯ oder ai. nı¯lı¯ f. ’Indigopflanze’, ai. nı¯´la- ’dunkelblau’, mit dem auch Þlila zusammenhängt. – Cottez (1980), 25; Kiesler (1994), 251f.; Tazi (1998), 190–192.

fach. (15. Jh.). Das Wort bedeutet zunächst ’zusammenhängend mit, einer Person oder Sache anhängend’; dann ist es aber auch Terminus der Geanimalisch Adj ’tierisch’ erw. fremd. (16. Jh.). Gelehrte richtssprache: Ein Verfahren anhängig machen heißt Bildung zu l. animal ’Tier’, das zu l. animus ’Atem, ’es einleiten, vorbringen’, und dann ist es anhängig Seele’ gehört. (’ein schwebendes Verfahren’). Ebenso nndl. animalisch, nschw. animalisk, nnorw. animalsk; anheben Vst ’beginnen’ erw. obs. (13. Jh.), mhd. ane-

Þanimieren. – DF 1 (21995), 547–550; Weimann, K.-H. DWEB 2

(1963), 386; BlW 2 (1984), 230–241, 245–259; EWNl 1 (2003), 144. heben, mndd. anheven, mndl. aenheffen. Entsprechend ae. onhebban, anord. hefja. Zu Þheben; die Be- animieren Vsw ’anregen’ erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt deutungsveränderung ist verständlich, doch ist nicht aus frz. animer ’anregen’, dieses aus l. anima¯re klar, von welcher konkreten Situation sie ausgegan’beseelen, beleben’, zu l. animus, anima ’Atem, Seele, gen ist. Die nominalen Ableitungen sind in der früLeben’. Im eigentlichen Sinn heute durch Erbwörter hen Zeit besser bezeugt als das Verb selbst. ersetzt, doch hält sich das Wort und seine Sippe für Wolf-Rottkay, W. H. Kratylos 9 (1964), 194 (Parallelen für die modernen (sexuellen) Amüsierbetriebe den Bedeutungsübergang). (Animiermädchen) und die Freizeit-Industrie (Animateur). Im filmtechnischen Bereich Animation anheim (in anheimstellen, anheimfallen, anheimgeben) im eigentlichen Sinn von ’beleben’ (z.B. in ZeichenAdv erw. obs. phras. (15. Jh.). Der Funktion nach ein trickfilmen). verstärktes Richtungsadverb ’hin’ zu mhd. (obd.) anheim ’anwesend’; zu ÞHeim wie Þdaheim. In der Ebenso nndl. animeren, ne. animate, nfrz. animer, nschw. animera, nnorw. animere. Dem lateinischen Wort liegt die Wurzel Kanzleisprache als stark personenbezogenes Adverb ig. *an¡- (wohl *han¡-) ’atmen’ zugrunde; an diese können gebraucht.

anheimeln Vsw ’vertraut wirken’ erw. reg. (18. Jh.). Die

alemannischen Verbalbildungen auf -eln bedeuten häufig ’nach etwas schmecken oder riechen’, demgemäß etwa ’nach Heimat schmecken’.

auch ÞAnimosität und Þinhalieren aus dem Lateinischen, ÞAsthma aus dem Griechischen und Þahnden 1 aus dem Deutschen angeschlossen werden; Þanimalisch. – DF 1 (21995), 550–560; Putscher (1973); Jones, W. J. SN 51 (1979), 248; EWNl 1 (2003), 144.

anheischig Adv std. alt. phras. (8. Jh., Form 14. Jh., Be- Animosität Sf ’Feindseligkeit’ erw. fremd. (17. Jh.). Ent-

deutung 17. Jh.). Heute nur noch in sich anheischig lehnt aus frz. animosite´ gleicher Bedeutung und remachen ’sich verpflichten’. In dieser Bedeutung gibt latinisiert nach l. animo¯sita¯s. es anheischig ’verpflichtet’ seit dem 16. Jh. Es ist umEbenso nndl. animositeit, ne. animosity, nfrz. animosite´, nschw. animositet, nnorw. animositet. Das lateinische Wort geht zugeformt aus mhd. antheizec in Anlehnung an rück auf l. animus ’Geist, Seele, Leben’ (Þanimieren) und beÞheischen (seit dem 14. Jh.). Weiter mit Suffixwechsel deutet zunächst ’Beseeltheit’ (Abstraktum zu l. animo¯sus zu ahd. antheizi, mhd. antheize gleicher Bedeutung, ’beseelt’), bekommt dann aber auch die Bedeutung ’Leidenas. ant-heˆti ’fromm’, und dieses steht neben ahd. anschaftlichkeit’ und schließlich ’Feindseligkeit’. – DF 1 (21995), theiz m. ’Gelübde, Versprechen’ (vgl. gt. andahait, ae. 560–562; EWNl 1 (2003), 144. andet ’Bekenntnis’), das zur Wurzel von Þheißen geAnis Sm ’eine Gewürzpflanze’ erw. fach. (13. Jh.). Enthört (s. auch Þent-). lehnt aus l. anı¯sum n., dieses aus gr. a´nı¯son n. (mit anhimmeln Vsw std. stil. (19. Jh.). Zu älterem himmeln dialektalen Varianten), dessen weitere Herkunft nicht ’einen verklärten Gesichtsausdruck haben (zum geklärt ist. Das griechische Wort bedeutet zunächst Himmel aufschauen)’ als ’jmd. mit verklärtem Gesowohl ’Anis’ als auch ’Dill’. Das Lateinische nutzt sicht anschauen’. dann die zwei ursprünglichen griechischen Varianten Anilin Sn (ein Farbstoff) per. fach. (18. Jh., Form anı¯sum n. und ane¯thum n. zur sprachlichen Unter19. Jh.). Zunächst wird im 18. Jh. aus frz. anil (aus scheidung (Þ’Dill’).

anno

47 Ebenso nndl. anijs, ne. anise, nfrz. anis, nschw. anis, nisl. anı´s. – EWahd 1 (1988), 257f.; Fincke, H. Gordian 63 (1963), 10–18 (zur Sache); LM 1 (1980), 644; EWNl 1 (2003), 144.

Anke Sf ÞEnkel 2.

Bedeutung sind das Verb anlassen und das Nomen Instrumenti Anlasser. HWPh 1 (1971), 325–327.

Anliegen Sn std. stil. (15. Jh.). Substantivierter Infinitiv

Anke(n) (durch ÞButter ersetzt) Sm ’Butter’ per. wobd.

(8. Jh.), mhd. anke, ahd. anko. Obwohl nur das Deutsche das Wort bewahrt hat, ist g. *ankwo¯n m. ’Fett, Butter’ vorauszusetzen, als Fortsetzer eines ig. (weur.) *ong wen- ’Salbe, Fett, Butter’ (in verschiedenen Ablautstufen), vgl. l. unguen n. ’Fett, Salbe’, air. imb ’Butter’ (*ng wen-) zur Verbalwurzel ig. *ong w˙ ´ kti, l. unguere u.a. Also ursprünglich ’salben’ in ai. ana ’Salbe, Schmiere’. ÞRenke. – EWahd 1 (1988), 263–265.

Anker1 Sm std. (12. Jh.), mhd. anker, ahd. ankar. Wie ae.

ancor entlehnt aus l. ancora f., das auf gr. a´gky¯ra f. zurückgeht. Dessen Bedeutung ist ursprünglich ’Haken’ o.ä., da es etymologisch zu der unter ÞAngel behandelten Sippe gehört. Die Germanen übernahmen das lateinische Wort mit der Sache − zuvor hatten sie ihre Schiffe mit Steinen (ahd. senkil, anord. stjo´ri) festgelegt. Verb: ankern ’vor Anker gehen’; Präfixableitung verankern. Ebenso nndl. anker, ne. anchor, nfrz. ancre, ndn. anker, nschw. ankar, nnorw. anker, nisl. akkeri; ÞAngel. – RGA 1 (1973), 342f.; EWahd 1 (1988), 261–263; LM 1 (1980), 692; Röhrich 1 (1991), 86; EWNl 1 (2003), 145.

Anker2 Sm (Flüssigkeitsmaß) per. arch. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus nndl. anker, das wie ne. anker, nschw. ankar(e) aus ml. anc(e)ria f. entlehnt ist. Dieses stammt seinerseits vermutlich aus ahd. hantkar ’Handgefäß’. Ebenso ne. anker, nschw. ankare, nisl. anker. – EWNl 1 (2003), 145.

ankohlen Vsw ’im Scherz belügen’ std. stil. (19. Jh.). 2

Partikelableitung zu ÞKohl . ankreiden Vsw ’zum Vorwurf machen’ std. stil. (15. Jh.).

Ursprünglich ’(als Zeche) anschreiben’ (in alter Zeit mit ÞKreide an einer Tafel), daraus übertragen als ’sich vormerken, um sich später dafür zu rächen’. ankurbeln Vsw std. stil. (20. Jh.). Zu ÞKurbel, kurbeln.

Die Motoren der frühen Autos mussten mit einer Handkurbel angelassen werden, deshalb übertragen zu ’in Gang bringen’. Anlage Sf std. (16. Jh.). Zunächst Abstraktum zu anlie-

gen (und anlegen): 1. im Sinne von ’Veranlagung’ als ’Steuer’, 2. ’Ausführung nach Plan’, 3. ’Beilage’, 4. ’Erbanlage’, weitgehend bestimmt von den Bedeutungen von l. dispositio. HWPh 1 (1971), 322–325.

Anlass Sm std. (15. Jh., Bedeutung 19. Jh.), mhd.

(zu es liegt mir an etwas), dazu als Partizip veraltetes angelegen (es sich angelegen sein lassen) mit angelegentlich ’nachdrücklich’ und ÞAngelegenheit (ursprünglich ’Sache, die einem am Herzen liegt’). Mhd. aneligen, ahd. analiggen, mndd. anliggen ’jemandes Sache sein, jemanden bedrängen’ zu Þliegen. EWNl 1 (2003), 72.

Anmut Sf erw. stil. (14. Jh.), mhd. anemuot. Ursprüng-

lich Maskulinum mit der Bedeutung ’was in den Sinn (Mut) kommt, Verlangen’, vermutlich Rückbildung aus anemuoten ’begehren’, Partikelableitung zu mhd. muot (ÞMut). Später bezeichnet das Wort nicht mehr eine Empfindung des wahrnehmenden Subjekts, sondern eine Eigenschaft des wahrgenommenen Objekts und kommt damit zur heutigen Bedeutung (vermutlich durch Vermittlung des Adjektivs anmutig). Verb: anmuten. EWNl 1 (2003), 73.

Annalen Spl ’Jahrbücher’ erw. fach. (16. Jh., Form

18. Jh.). Entlehnt aus l. (librı¯) anna¯le¯s, eigentlich ’jährliche Bücher’, zu l. anna¯lis ’das Jahr bzw. die Jahre betreffend’, einer Ableitung von l. annus m. ’Jahr’; zunächst als annales entlehnt, dann eingedeutscht. In Wendungen wie in die Annalen eingehen weiter verbreitet. Ebenso nndl. annalen, ne. annals, nfrz. annales, nschw. annaler, nnorw. annaler; Þanno.Ersatzwort ist Jahrbücher. – DF 1 (21995), 564–566; EWNl 1 (2003), 145.

annehmen Vst ’an sich nehmen, vermuten, akzeptie-

ren’ std. (15. Jh.). Zu Þnehmen. Die Bedeutung ’vermuten’ offenbar aus ’auf sich nehmen, für sich beanspruchen’. HWPh 1 (1971), 329–333.

Annehmlichkeit(en) Sf (Pl.) Þangenehm. annektieren Vsw ’sich aneignen’ erw. fach. (16. Jh., Be-

deutung 19. Jh.). Zunächst mit der Bedeutung ’anhängen, anknüpfen’ entlehnt aus l. adnectere gleicher Bedeutung (aus l. ad- ’hinzu’ und l. nectere ’knüpfen’). Die heute übliche Bedeutung ’(ein Staatsgebiet) gewaltsam in Besitz nehmen’ wurde zunächst durch ne. annex, nfrz. annexer ausgedrückt und erscheint deshalb auch nhd. teilweise als annexieren. Durchgesetzt hat sich dann (dem lateinischen Vorbild entsprechend) das Verb annektieren und das Substantiv Annexion. Ebenso nndl. annexeren, ne. annex, nfrz. annexer, nschw. an2

nektera, nnorw. annektere; ÞNexus. – DF 1 ( 1995), 566–570; an(e)la¯z ’Ort, von dem das Rennen losgeht’ (vgl. z.B. EWNl 1 (2003), 145. loslassen). Die ursprüngliche Bedeutung wird verallgemeinert zu ’Anfang’, dann zu ’Ursache’. Seit dem anno Ptkl (zur Angabe des Jahresdatums) erw. fremd. 19. Jh. auch ’Ereignis’. Näher an der ursprünglichen (15. Jh.). In der Angabe des Jahresdatums in lateinisch

Annonce

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geschriebenen Texten steht anno ’im Jahre’ (zu l. und negierendem an- (Þa-). Abstraktum: Anonymität. annus ’Jahr’). Diese Formulierung wird dann auch in deutsche Texte übernommen − heute ist sie stilistisch Ebenso nndl. anoniem, ne. anonymous, nfrz. anonyme, nschw. anonym, nnorw. anonym. Zur germanischen Verwandtschaft s. markiert. Ausdrücke wie anno dazumal werden verÞName; Þhomonym, ÞMetonymie, ÞPseudonym, Þsynonym. – wendet, wenn man sich um die genaue DatumsanDF 1 (21995), 578–584; EWNl 1 (2003), 146f. gabe nicht kümmern will; anno Tobak (ÞTobak) steht für ’uralt’. Beides vielleicht als scherzhafte Umgestal- Anorak Sm ’wasser- und wetterfeste Jacke’ std. (20. Jh.). tung von anno Domini ’im Jahre des Herrn’. Entlehnt aus grönländ. anorak, dessen Herkunft Ebenso nndl. anno, nnorw. anno; ÞAnnalen. – Röhrich 1 nicht sicher geklärt ist. (1991), 87f.; EWNl 1 (2003), 146.

Annonce Sf ’Inserat’ std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. an-

nonce, einer postverbalen Ableitung von frz. annoncer ’öffentlich bekanntgeben, ankündigen’, dieses aus l. annu¯ntia¯re, zu l. nu¯ntia¯re ’berichten, melden’ und l. ad- ’hinzu’. Das Verb ist eine Ableitung von l. nu¯ntius m. ’Bote, Nachricht’. Die eingeschränkte Bedeutung im Deutschen erklärt sich aus der Verwendung im Zeitungswesen, wo man von einer Zeitungsannonce spricht. Unter Wegfall des Bestimmungsworts ÞZeitung übernimmt dann das Grundwort Annonce die engere Bedeutung des ursprünglichen Kompositums. Verb: annoncieren. Ebenso nndl. annonce, nfrz. annonce, nschw. annons, nnorw. annonse; Þdenunzieren, ÞNuntius, Þprononciert.Ersatzwort ist Anzeige. – DF 1 (21995), 571–574; EWNl 1 (2003), 146.

annullieren Vsw erw. fach. (16. Jh.). In der juristischen

Fachsprache entlehnt aus spl. anu¯lla¯re ’für nichtig erklären’, einer Präfixableitung zu l. nu¯llum ’nichts’ (ÞNull).

Ebenso nndl. anorak, ne. anorak, nfrz. anorak, nschw. anorak, nnorw. anorakk. – EWNl 1 (2003), 147.

anpflaumen Vsw Þpflaumen. Anrainer Sm ’Nachbar’ per. fach. (16. Jh.). Zu anrainen

’angrenzen’, Partikelableitung zu ÞRain im Sinne von ’Grenze’. anranzen Vsw ’derb anfahren’ erw. reg. stil. (15. Jh.).

Wohl eine Bildung auf mhd. -ezzen, das Grundwort ist aber unklar (ranken ’brüllen’?). anrüchig Adj ’von zweifelhaftem Ruf’ std. alt. (13. Jh.,

Form 15. Jh.). Aus dem Niederdeutschen als anrüchtig übernommen. Dort ist es zu ruchte ’Leumund’ gebildet, das (mit Übergang von ft zu cht) mhd. ruoft ’Ruf, Leumund’ entspricht (Þrufen). Das niederdeutsche Adjektiv bedeutet zunächst ’der einen (üblen) Ruf hat’; es wird dann im hochdeutschen Bereich verallgemeinert und offenbar an Þriechen angeschlossen, so dass es sein -t- verliert. ÞGerücht, Þberüchtigt und Þruchbar.

ansässig Adj std. stil. (15. Jh.). Zu fnhd. ansesz m. Ebenso nndl. annuleren, ne. annul, nfrz. annuler, nschw. annullera, nnorw. annullere. – DF 1 (21995), 574f.; EWNl 1 (2003), ’fester Wohnsitz’ und ansesse m. ’Eingesessener’; diese 146. zu mhd. sez, ahd. sez nm. ’Wohnsitz’. Þsitzen, Þaufsässig. Anode Sf ’Pluspol (beim elektrischen Strom)’ per. fach.

(19. Jh.). Der englische Physiker Faraday bezeichnete anschirren Vsw Þschirren. 1834 die beiden Pole des Elektronenstroms als Anode anschnauzen Vsw std. stil. (16. Jh.). Weiter verbreitet als und ÞKathode. Anode ist übernommen aus gr. a´nodos ÞSchnauze, so dass eine Bildung auf -ezzen zu an’Eingang’ zu gr. ana´ ’hinauf’ und gr. hodo´s ’Weg, schnauben (Þschnauben), anschnaufen (Þschnaufen) Gang’. oder anschnauen (zu mhd. sna¯wen ’schwer atmen’) Ebenso nndl. anode, ne. anode, nfrz. anode, nschw. anod, nisl. angesetzt werden kann. Alle drei (etymologisch zuano´deÑ ; ÞElektrode. Zu den übrigen Komposita mit gr. hodo´s s. sammengehörigen) Verben sind mit der Bedeutung ÞMethode. – EWNl 1 (2003), 146. ’jemanden anfahren’ bezeugt. anomal Adj ’unregelmäßig’ per. fremd. (17. Jh., Form Ansehen Sn std. stil. (13. Jh., Bedeutung 16. Jh.). Sub19. Jh.). Entlehnt aus spl. ano¯male¯ Adv., dieses aus gr. stantivierter Infinitiv, ausgehend von der Bedeutung ano¯´ma˘los ’ungleich’ (zu gr. homalo´s ’gleich, eben’ und ’Erscheinung’, dann ’beachtliche Erscheinung, Wertnegierendem gr. an-. Zugrunde liegt gr. homo´s schätzung (durch andere)’. Präfigierung von Þsehen ’gleich’). Das Wort ist aber wohl schon früh auf gr. mit Þan- (Þan). Der verbale Infinitiv ist schon seit no´mos m. ’Brauch, Gesetz’ bezogen worden und hat dem 8. Jh. bezeugt. sich später mit l. abnormis ’von der Norm abweiAnsinnen Sn erw. stil. (16. Jh.). Substantivierter Infinichend’ vermischt (Þabnorm, ÞNorm). In deutschen tiv zu mhd. an einen sinnen ’jmd. angehen um etwas’ Texten zunächst als anomalisch. Abstraktum: (vielleicht aus der alten Bedeutung von Þsinnen = Anomalie. ’gehen’). Heute meist von einem ungerechtfertigten Ebenso nndl. anomaal, ne. anomalous, nfrz. anomal, nschw. Begehren gesagt. anomal, nnorw. anomal; Þa-, ÞNorm. – DF 1 (21995), 575–578. anonym Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. ano¯nymus und Anstalt Sf std. (15. Jh.), mhd. anstalt. Nach dem Muster

frz. anonyme, diese aus gr. ano¯´nymos ’namenlos, unbekannt’, abgeleitet von gr. o´noma, o´nyma ’Name’

der älteren ti-Abstrakta gebildet zu Þstellen. Entsprechend zu anstellen ’anordnen, einrichten’ bedeu-

Anthologie

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tet das Substantiv u.a. ’Anordnung’ (vgl. Anstalten Antagonismus Sm ’Gegensätzlichkeit’ per. fach. treffen) und ’Einrichtung’ (auch als Gebäude). Präfix(18. Jh.). Neoklassische Neubildung zu gr. antago¯nı´ableitung: veranstalten. zesthai ’gegen jmd. kämpfen’, zu gr. ago¯nı´zesthai ’kämpfen’ und gr. anti-. Nomen Agentis: Antagonist Anstand Sm ’gute Sitten’ std. (17. Jh.). Abstraktbildung (vermutlich Ausgangspunkt der neoklassischen Bilzu anstehen im Sinne von ’passen, sich schicken’; diedungen: gr. antagoniste¯´s ’Gegner’). ses z.B. von Kleidern gesagt, wie ’es steht mir’, ’es sitzt’. Die heutige Bedeutung steht unter dem Einfluss der Ableitung anständig. Die Bedeutung ’Zaudern’ und dann ’Einwand’ noch in anstandslos ’ohne Einwände’ und Þbeanstanden. Þstehen, ÞStand. – Hoschke, A. Sprachpflege 12 (1963), 40; HWPh 1 (1971), 357f.; Röhrich 1 (1991), 89.

anstatt Präp std. (15. Jh.). Zu ÞStatt, also ’an der Stelle

von’. anstellig Adj ’geschickt’ erw. schwz. (18. Jh.). Auf Vor-

schlag Lavaters durch Schiller in die Hochsprache eingeführt. Zur Bedeutung vgl. ’sich zu etwas (geschickt) anstellen’. Kluge (1908), 207.

anstrengen (Simplex heute nicht mehr üblich)

Vsw std. (13. Jh., Form 15. Jh.), mhd. (ane)strengen, ahd. strengen. Ableitung teilweise von Þstreng, teilweise von ÞStrang ’Anspannen’ mit verschiedenen Bedeutungen, die heute vielfach nicht mehr eindeutig aufgeteilt werden können. Früheste Form angestrengen ’gerichtlich belangen’. Das Partikelverb anstrengen im Sinn von einen Prozess anstrengen geht auf die mittelhochdeutsche Bedeutung ’dringend bitten, zusetzen, bedrängen’ zurück (zu streng im Sinne von ’stark, aggressiv’); sich anstrengen ist ’sich abmühen (durch Anspannung aller Kräfte und Verzicht auf anderes)’ aus mhd. strengen (mit Akkusativ) ’einschränken, antreiben’ zu streng etwa im Sinn von ’unerbittlich’. -ant Suffix (bildet Adjektive) per. bildg. (–). Entspricht

Ebenso nndl. antagonisme, ne. antagonism, nfrz. antagonisme, nschw. antagonisme, nnorw. antagonisme. Weiter zu gr. ago¯´n ’Kampf, Wettkampf, Versammlung’, zu gr. a´gein ’treiben, führen; schreiten, ziehen, gehen’. Zu dessen Sippe s. ÞDemagoge. – HWPh 1 (1971), 358f.; DF 1 (21995), 585–590; EWNl 1 (2003), 147.

ante- LAff ’vor-’ erw. bildg. (–). Fügt in neoklassischen

Bildungen die Bedeutung ’vor’ hinzu (ante-diluvianisch ’vor-sintflutlich’). Herkunft aus l. ante-, das aus durchsichtigen lateinischen Bildungen übertragen wird. Þantik. – Cottez (1980), 26f.

Antenne Sf std. (15. Jh., Bedeutung 20. Jh.). Entlehnt

aus it. antenna, das von Marconi (1895) als eine der Bezeichnungen für seine drahtlose Sende- und Empfangseinrichtung benutzt wurde (neben ne. aerial, it. aereo u.a. − ohne Bedeutungsdifferenzierung zwischen Sende- und Empfangsantenne; Antenne zuerst gebraucht 1903 in italienischem Kontext). Das Wort bedeutete ursprünglich ’Segelstange’ (so l. antenna) und war eine Lokalableitung zu l. ante ’vor’ (’das davor Befindliche, Vorstehende’, im Deutschen seit dem 15. Jh.). Im 15. Jh. wurde es in der Übersetzung aristotelischer Schriften (neben häufigerem l. cornu¯ n.) gebraucht, um die Bedeutung ’Fühler (von Insekten)’ von gr. ke´ras n. wiederzugeben, das ursprünglich ’Horn’, dann übertragen auch ’Segelstange’ und ’Fühler’ bedeutet (es liegt also eine Lehnbedeutung aus dem Griechischen im spätmittelalterlichen Latein vor); im Deutschen seit dem 19. Jh. Die Bedeutung ’Fühler’ wurde im Italienischen geläufig; in anderen europäischen Sprachen blieb sie auf den zoologischen Fachwortschatz beschränkt. Die technische Bedeutung geht also auf ’Fühler’ zurück.

dem aktiven Partizip des Präsens lateinischer Verben (l. -a¯ns/-antis), auch in der Funktion eines Nomen Agentis oder Instrumenti. Zunächst entlehnt in lateiEbenso nndl. antenne, ne. antenna, nfrz. antenne, nschw. annischen Wörtern und Wörtern romanischer Spratenn, nnorw. antenne; Þavancieren, ÞAvantgarde. – Forssman, chen − die Adjektive meist aus dem Französischen, B. ZVS 79 (1965), 18–20; Knobloch, J. Lingua 26 (1970/71), 297; häufig in relatinisierter Form (z.B. Þelegant, Þgalant, Trier (1981), 118–125; DF 1 (21995), 590–592; EWNl 1 (2003), 148. Þprägnant, charmant − ÞCharme), die Substantive Anthologie Sf ’Sammlung ausgewählter (Literatur-) vielfach aus dem Lateinischen (z.B. ÞKonsonant), Stücke’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus gr. anthologı´a auch mit griechischen Grundlagen (Komödiant, Sym’Blütenlese’ (auch als Titel einer Sammlung von Epipathisant). Häufig in neoklassischen Bildungen grammen), einem Abstraktum zu antholo´gos ’Blüten (ÞFoliant), teilweise auch in hybriden Bildungen auf lesend’, zu gr. a´nthos n. ’Blume, Blüte’ und gr. le´gein deutscher Grundlage (Lieferant). Eine Variante (ur’sammeln’. Die Blüte steht metaphorisch für ’das Bessprünglich zu lateinischen Bildungen auf -e¯ns/-entis) te, das Glanzstück’. Die lateinische Entsprechung des ist Þ-ent. Viele Bildungen auf Þ-ant und Þ-ent sind Wortes, die gelegentlich auch im Deutschen geim Deutschen durchschaubar, auch wenn sie nicht braucht wird, ist Florilegium; die deutsche Entspreim Deutschen gebildet sind, vor allem die zu Verben chung Blütenlese wird nur selten gebraucht (fast ausauf Þ-ier(en) (Þdirigieren − Dirigent, Þgratulieren − schließlich für negative ’Glanzstücke’). Gratulant). Zu den Adjektiven auf -ant gehören die Ebenso nndl. anthologie, ne. anthology, nfrz. anthologie, nschw. Abstrakta auf Þ-anz bzw. Þ-enz. Wortbildung 2 (1975), 350–352, 3 (1978), 104 und die dort angegebenen Stellen.

antologi, nnorw. antologi. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. le´gein ’zählen, reden’ s. ÞLogik, zum ersten Bestandteil

Anthrazit ÞChrysantheme und ÞAntilope. – Cottez (1980), 27; DF 1 (21995), 592–594.

Anthrazit Smn ’hochwertige Steinkohle; dunkelgrauer

50 Ebenso nndl. antiek, ne. antique, nfrz. antique, nschw. antik, nnorw. antikk; ÞAntiquar.Ersatzwort ist altertümlich, Altertum. – DF 1 (21995), 609–615; HWPh 1 (1971), 385–392; BlW 2 (1984), 265–269; EWNl 1 (2003), 149.

Farbton’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. anAntilope Sf (ein gehörntes Huftier) per. fach. (19. Jh.). thracite, dieses im 18. Jh. übernommen aus l. anEntlehnt aus frz. antilope und ndl. antilope, diese aus thracı¯tis f. (eine Art ÞKarfunkel, auch eine Art ne. antelope; als zoologische Bezeichnung war das ÞKohle), dieses zu gr. a´nthrax (-akos) m. ’(Glut-) Wort seit dem 18. Jh. festgelegt. Die weitere Herkunft Kohle’. (Der Karfunkel ist ein roter Edelstein, der Beund das ursprüngliche Bezeichungsmotiv sind nicht deutungszusammenhang mit Kohle geht über die sicher geklärt. Das Wort wird als gr. antho´lops über Glut). Tierbücher (Bestiarien) in die Neuzeit überliefert, Ebenso nndl. antraciet, ne. anthracite, nfrz. anthracite, nschw. wobei Sekundärmotivationen zu gr. a´nthos n. antracit, nnorw. antrasitt. – Lüschen (1979), 171; EWNl 1 (2003), 150. ’Blume’ und gr. o´ps ’Auge’ eine Rolle spielen (etwa als ’Tier mit den besonders schönen Augen’); es liegt -anthrop- LAff ’Mensch’ per. bildg. (–). Das griechische aber wohl ein aus einer unbekannten afrikanischen Wort für ’Mensch’ (gr. a´nthro¯pos) wird sowohl als Sprache entlehntes Wort vor. Vorderglied wie auch als Hinterglied von Komposita Ebenso nndl. antilope, ne. antelope, nfrz. antilope, nschw. anin die neulateinische Wissenschaftssprache entlehnt tilop, nisl. antilo´pa. – LM 1 (1980), 715; Rey-Debove/Gagnon und wird in gewissem Umfang produktiv. Als Vor(1988), 23; EWNl 1 (2003), 149. derglied in der Form anthropo- (z.B. anthropo-morph Antimon Sn (ein Halbmetall) per. fach. (15. Jh., Form ’in Menschengestalt vorgestellt’), auch in Anthropo18. Jh.). Antimonium ist eine im Mittellatein auftrelogie ’Betrachtung des Menschen’; als Hinterglied in tende Bezeichnung unklarer Herkunft (spgr. anthe-anthrop(ie) (z.B. in ÞPhilanthrop ’Menschenmo¯´nion ’Blüte, [Ausgeblühtes’?]) für das im klassifreund’, Abstraktum: Philanthropie). schen Latein l. stibium, gr. stı´bi oder stı´mmi genannte Cottez (1980), 29; Linden, M.: Zum Anthropologiebegriff des Material. Gemeint war der Spießglanz (Antimonit), 18. Jhs. (Bern 1976); DF 1 (21995), 594–599. der als Augenschminke und als Heilmittel verwendet anti- Präfixoid (bezeichnet bei Substantiven und Adwurde (vgl. hierzu auch ÞAlkohol). Das Metall wurde jektiven einen Gegensatz zu dem im Grundwort Bezunächst für eine Art Blei gehalten; später wurde es zeichneten, z.B. Antikörper ’Abwehrkörper’, Antiheld auch mit anderen Metallen und Mineralien verwech’ein Nicht-Held’, anti-amerikanisch ’gegen Amerika selt. Nach genaueren Analysen im 18. Jh. wurde die eingestellt’) std. (–). Es wird in ursprünglich griechiBezeichnung auf das Element eingeengt (gegenüber schen Wörtern ins Deutsche übernommen (z.T. dem Spießglanz) und im Deutschen in der endungsdurch lateinische und romanische Vermittlung) und losen Form gebraucht. geht auf gr. antı´ ’gegen’ zurück. In neoklassischen Bildungen (auch umgangssprachlicher Art) produktiv (vgl. Antibabypille, Antialkoholiker), teilweise unter Einfluss des Englischen.

Ebenso nndl. antimoon, ne. antimony, nfrz. antimoine, nschw. antimon, nisl. antı´mon. – Lokotsch (1975), 73 (Nr. 918); Lüschen (1979), 171–173; Barke (1991), 178; EWNl 1 (2003), 150.

Rey, A. CL 11 (1967), 37–57 (zum Französischen); Wortbildung Antipathie Sf ’Abneigung’ erw. fremd. (16. Jh., Form 17. Jh.). Als Gegenbegriff zu dem geläufigeren 3 (1978), 238–241; Cottez (1980), 27f.; Hoppe, G. in Hoppe, G. ÞSympathie entlehnt aus l. antipathı¯a, dieses aus gr. u.a. (Hrsg.): Deutsche Lehnwortbildung (Tübingen 1987), 171–224; Carstensen 1 (1993), 39–41; DF 1 (21995), 599–606; antipa´theia, einem Abstraktum zu gr. antipathe¯´s EWNl 1 (2003), 148. ’entgegengesetzt fühlend’ u.ä. aus gr. pa´thos

Antibiotikum Sn ’Wirkstoff gegen Krankheitserre-

’Gemütsbewegung’. Ebenso nndl. antipathie, ne. antipathy, nfrz. antipathie, nschw. antipati, nnorw. antipati. Zu weiteren Verbindungen s. ÞPathos und Þanti-. – DF 2 (21996), 4–8; EWNl 1 (2003), 150.

ger’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. antibiotique Adj., dieses aus ne. antibiotic, einer Neubildung zu gr. (att.) bio¯tiko´s ’lebensfähig, zum Leben gehörig’ und Þanti-, weiter zu gr. bı´os m. ’Leben’. So benannt als Antipode Sm ’Mensch mit entgegengesetzter Eigenart, Gegenspieler’ erw. fach. (16. Jh., Bedeutung 18. Jh.). ’ein lebende Erreger abtötendes Mittel’. Entlehnt aus l. antipodes (Pl.), dieses zu gr. antı´podes Ebenso nndl. antibioticum, ne. antibiotic, nfrz. antibiotique, (Pl.), zum Adjektiv antı´pous (-podos) ’gegenfüßig, die nschw. antibiotikum, nnorw. antibiotikum. Zur Sippe von gr. bı´os ’Leben’ s. ÞBiologie. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 22. Füße umgekehrt habend’, zu gr. pou´s ’Fuß’ und gr. anti- (ÞFuß, Þanti-). Demnach ein ’Gegenfüßler’, antik Adj std. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. antique, d.h. ’jmd., der sich auf der entgegengesetzten Seite dieses aus l. antı¯quus ’vorig, alt’, einer Nebenform der Erde befindet und dem Betrachter deshalb die von l. antı¯cus ’der vordere’, abgeleitet von l. ante Füße zuwendet’. Von da aus häufiger in übertragener ’vor’. Die Bedeutungsentwicklung von ’alt’ zu Bedeutung gebraucht. ’altertümlich, das Altertum betreffend’ vollzieht sich Ebenso nndl. antipode, ne. antipode, nfrz. antipode, nschw. anin den romanischen Sprachen im Rahmen kunsttipod, nnorw. antipode. Zur Sippe von gr. pou´s ’Fuß’ s. und kulturhistorischer Studien. Abstraktum: Antike. 2 ÞPodium. – DF 2 ( 1996), 8–11.

Anwesen

51 Antiqua Sf ÞAntiquität. Antiquar Sm ’Altertumsforscher; Händler mit alten

Büchern’ erw. fach. (16. Jh., Form 18. Jh.). Im 18. Jh. entlehnt aus l. antı¯qua¯rius m. ’Altertumskenner’ zu l. antiquus (Þantik). Adjektiv: antiquarisch; Lokalbildung: Antiquariat. Ebenso nndl. antiquaar, antiquair, ne. antiquary, nfrz. antiquaire, nschw. antikvarie, nnorw. antikvar; Þantik, ÞAntiquität. – DF 2 (21996), 12–17.

Antiquität Sf (meist Pl.) erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt

aus l. antı¯quita¯tes (Pl. zu l. antı¯quita¯s) ’Altertümlichkeiten’. Abstraktbildung zu l. antı¯quus (Þantik). Zur gleichen Grundlage (über ein praktisch unbezeugtes antiquieren) das Adjektiv antiquiert mit stärker negativer Bedeutung (’überholt’). Die Schrift Antiqua (= Littera antiqua ’alte Schrift’) ist so benannt, weil das Alphabet der alten Inschriften als Vorbild für die Großbuchstaben diente. Ebenso nndl. antiquiteit, ne. antiques, nfrz. antiquite´s, nschw. antikvitet, nnorw. antikvitet; Þantik, ÞAntiquar. – DF 2 (21996), 17–24.

Antlasstag Sm ’Gründonnerstag’ per. arch. oobd.

(13. Jh.), mhd. antla¯ztac, zu mhd. antla¯z ’Sündenerlass, Ablass’, ahd. antla¯z ’Aufschub, Vergebung’. Eigentlich zu entlassen. Am Gründonnerstag (bair. auch Antlass-Pfinztag) wurden die öffentlichen Büßer wieder in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen. Antlitz Sn std. alt. (8. Jh., Form 12. Jh.), mhd. antlitze,

ahd. antlizzi. Aus vd. *anda-wlit-ja- n. ’Gesicht’, eigentlich ’das Entgegenblickende’ (oder ’das Aussehen’ mit Bedeutungsverengung). Die Formen der anderen germanischen Sprachen zeigen andere Stammbildungen: gt. anda-wleizn (aus vorgermanisch *wl[e]ids-na-?), anord. andlit (n[a]–Stamm), ae. andwlita (n-Stamm), afr. andlete (n-Stamm). Zu g. *anda (Þent-) ’entgegen’ und einer Ableitung von g. *wleit-a- ’blicken’ in anord. lı´ta, ae. wlı¯tan ’sehen, blicken’ (mit Ableitungen in den anderen germanischen Sprachen). Dieses ist eine Erweiterung von ig.(weur.) *wel- ’sehen’ in l. vultus m. ’Gesicht, Gesichtsausdruck’ und kymr. gwelaf ’ich sehe’. − Im Deutschen früher bezeugt ist ahd. antluzzi, mhd. antlütze neben ahd. antlutti, mhd. antlütte ’Antlitz’. Diese gehören zu der Wurzel g. *leud-, ig. *leud h’wachsen’, die unter ÞLode beschrieben wird. Semantisch mit Antlitz vergleichbar ist von deren Ableitungen vor allem gt. ludja f. ’Antlitz’ (die Ausgangsbedeutung ist hier also etwa ’Gestalt’). Offenbar haben sich im Deutschen zwei gleichbedeutende, aber ursprungsverschiedene Wörter vermischt − die beiden Ausgangspunkte könnten vd. *anda-wlit(j)a- n. und vd. *lud-jo¯ f. oder vd. *anda-lud-ja- n. gewesen sein. Ebenso nschw. anlete, nisl. andlit. – Seebold (1970), 563f.; EWahd 1 (1988), 280–283; Niederhellmann (1983), 287–290; Hamp, E. P. IF 87 (1982), 79–81 (anders zu g. *wleit-a-: Kontamination von *wel- ’sehen’ und *weid- ’sehen’).

antun Vunr std. (8. Jh.), ahd. anatuon. In den meisten

Bedeutungen (’zufügen’, ’Kleidungsstück anziehen’) wohl als Þtun + Þan zu verstehen; doch sind die Bedeutungen ’ein Leid zufügen’ und ’bezaubern’ mindestens mitbestimmt von and tun zu And(e) ’Sehnsucht, Schmerz’. Þahnden 1, Þentrisch. – de Grauwe, L. SGG 21 (1980–81), 255–258.

Antwort Sf std. (8. Jh., Form 15. Jh.), mhd. antwürte,

antwurt n./f., ahd. antwurti n., -ı¯ f., as. andwordi n. Aus g. *anda-wurd-ja- n. ’Antwort’, eigentlich ’Gegenwort, Entgegnung’, auch in gt. andawaurdi, ae. andwyrde, afr. ondwarde. Zu anda- (ÞAntlitz) und ÞWort. Das Femininum ist in althochdeutscher Zeit eine eigene Bildung, die dann mit dem Neutrum lautlich zusammenfällt. In nachmittelhochdeutscher Zeit setzt sich das feminine Genus dann durch. In derselben Zeit wird die Lautform an das Grundwort angeschlossen (Antwort statt Antwürte). Verb: antworten. Ebenso nndl. antwoord; Þverantworten. – EWahd 1 (1988), 288f.; Lühr, R. ZDA 109 (1980), 48–72 (zu dem synonymen Verb ahd. antlingen); Röhrich 1 (1991), 91; EWNl 1 (2003), 150f.

Anwalt Sm std. (10. Jh.), mhd. anwalte, ahd. anawalto.

Wie ae. onwealda Täterbezeichnung zu einem ahd. anawalt, ae. onweald f. ’Macht, Gewalt’ (zu dessen Stamm ÞGewalt), also eigentlich ’der die Gewalt hat, Bevollmächtigter, Befehlshaber’. Sonderfälle: Rechtsanwalt, Staatsanwalt. Þwalten. – von Olberg, G. in Schmidt-Wiegand (1985), 70–103.

Anwand Sf , AnwendeSf reg. ÞAngewende. Anwärter Sm std. stil. (16. Jh.). Zu mhd. anewarten

’erwarten, die Anwartschaft haben’, dazu auch das Abstraktum Anwartschaft. Ersatzwort für ÞAspirant. Þwarten.

anwenden Vsw std. (9. Jh., Bedeutung 16. Jh.), mhd.

anewenden ’jemandem etwas zuwenden’, refl. ’auf sich nehmen’, ahd. anawenten. Zu Þwenden. Eigentlich ’etwas wenden an jemanden (oder etwas)’. Indem der Adressat weggelassen wird, bekommt das Verb die Bedeutung ’gebrauchen, verwenden, auf etwas beziehen’. Soll der Adressat dennoch genannt werden, wird zusätzlich zu oder auf eingefügt (einen Paragraphen auf etwas anwenden, sein Geld zu einem guten Zweck anwenden). Þwenden.

Anwesen Sn std. stil. reg. (15. Jh.), fnhd. anewesen. Sub-

stantivierter Infinitiv von anewesen ’anwesend sein’ (Þanwesend), vielleicht Lehnübersetzung zu l. adesse und Gegensatzbildung zu fnhd. abewesen, abewesend. Die Bedeutung ist dem entsprechend zunächst ’Anwesenheit, Aufenthalt’, wird dann aber im Oberdeutschen verschoben zu ’Aufenthaltsort, Grundstück mit Wohnhaus’. ÞWesen, Þanwesend.

anwesend anwesend AdjPP std. (15. Jh.). Ursprünglich Partizipi-

albildung zu dem mhd. Verb anewesen mit der Bedeutung ’da sein, dabei sein’. Das Abstraktum ist zunächst der substantivierte Infinitiv ÞAnwesen, dann die Ableitung Anwesenheit. ÞWesen, Þabwesend, ÞAnwesen. – HWPh 1 (1971), 428; EWNl 1 (2003), 76.

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Brot versehen’, zu l. pa¯nis m. ’Brot’ und l. ad-, speziell gemeint war damit die Abfindung durch den Erstgeborenen beim Erbe. Ebenso nndl. apanage, ne. ap(p)anage, nfrz. apanage, nschw. apanage, nnorw. apanasje; Þpanieren, ÞPastille. – LM 1 (1980), 741; DF 2 (21996), 40–43.

apart Adj ’besonders, hübsch’ erw. fremd. (16. Jh.). Ent-

-anz (Variante -enz) Suffix (bildet Abstrakta) per. bildg.

lehnt aus frz. a` part (vgl. it. a parte, ml. ad partem) (–). Ursprünglich lateinische Abstraktbildungen, die ’auf der Seite’, dieses aus l. pars (-rtis) ’Seite, Teil, formal zum aktiven Partizip des Präsens gehören Anteil’. Im Deutschen wird es hypostasiert und ad(PPräs. -a¯ns/-antis, -e¯ns/-entis, Abstraktum -antia, verbial, selten auch attributiv verwendet. Die Bedeu-entia), semantisch konnten sie aber unmittelbar tung wird (wie etwa bei Þbesonders) zu ’besonders, vom Verb abhängig sein. Zu den auf die Partizipien reizvoll’ verengt. zurückgehenden Bildungen Þ-ant; die Formen auf Ebenso nndl. apart, ne. apart, nschw. apart, nnorw. aparte. Zur -anz und -enz sind teilweise unmittelbar aus dem LaSippe von l. pars ’Teil’ s. ÞPartei, ÞApartheid. – DF 2 (21996), teinischen, teilweise über das Französische ins Deut43–47; EWNl 1 (2003), 151. sche gekommen und sind dort zwar analysierbar Apartheid Sf ’Bezeichnung der Trennung von Weißen (Þkonkurrieren − Konkurrenz, Þakzeptieren − Akzepund Schwarzen in Südafrika’ per. fach. (20. Jh.). Enttanz; auch Þrelevant − Relevanz), aber nicht eigentlehnt aus Afrikaans apartheid, eigentlich ’Abgesonlich produktiv. dertheit’, zur ursprünglichen Bedeutung von Þapart. Franc¸ois, A.: La de´sinence -ance dans le vocabulaire franc¸ais Im Deutschen ein (internationaler) Exotismus. (Gene`ve 1950); Wortbildung 2 (1975), 60 und die dort angegebenen Stellen; Cottez (1980), 22.

anzetteln Vsw std. (15. Jh.). Ursprünglich Ausdruck der

Webersprache: ’die Zettel (Längsfäden) eines Gewebes vorbereiten’, dann übertragen für ’anstiften’, in der Regel im negativen Sinn. Partikelableitung zu ÞZettel 1. Röhrich 1 (1991), 92.

Ebenso nndl. apartheid, ne. apartheid, nfrz. apartheid, nschw. apartheid, nnorw. apartheid; Þapart, ÞPartei. – DF 2 (21996), 47f.; EWNl 1 (2003), 151.

Apartment Sn erw. fach. (20. Jh.). Englische Form von

ÞAppartement mit englischer Aussprache. Vorwiegend für kleinere Wohneinheiten (1 Zimmer mit Küche und Bad) gebraucht. ÞAppartement. – Carstensen 1 (1993), 43f.

anzüglich Adj std. (16. Jh.). Zu anziehen in einer älteren Apathie Sf ’Teilnahmslosigkeit’ erw. fremd. (18. Jh.).

Bedeutung ’etwas (tadelnd) anführen, etwa vor Gericht’. Vgl. die heute nicht mehr übliche Bedeutung von Anzug ’Vorwurf, Beschuldigung’. Die negative Bedeutung des Wortes hat die positive, nämlich ’anziehend, attraktiv’, verdrängt. Kainz, F. in Maurer/Rupp 2 (1974/78), 248.

Äon Sm (meist Äonen Pl.) ’Weltalter’ per. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus l. aeo¯n m., dieses aus gr. aio¯´n m./f. ’(Lebens)Zeit, Zeit(dauer), Ewigkeit’.

Ebenso nndl. aeon, ne. (a)eon, nfrz. ´eon, nschw. eon. Das griechische Wort aus ig. *aiw- entsprechender Bedeutung; Þewig. – DF 2 (21996), 39f.; Lackeit, C.: AION, Zeit und Ewigkeit (Diss. Königsberg 1916); Siegert (1950), 23; HWPh 1 (1971), 117–119.

Aorta Sf ’Hauptschlagader’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt

aus ml. aorta, dieses aus gr. aorte¯´, eigentlich ’Angebundenes, Sack, Schlauch’, dann als medizinischer Terminus für die Bronchien und die Hauptschlagader (weil sie vom Kopf bzw. Hals herunterhängen). Weiter zu gr. (syn)aeı´rein ’zusammenbinden (usw.)’. Ebenso nndl. aorta, ne. aorta, nfrz. aorte, nschw. aorta; ÞArterie. – EWNl 1 (2003), 151.

Apanage Sf ’regelmäßige finanzielle Zuwendung’ per.

fach. (15. Jh.). Entlehnt aus gleichbedeutendem frz. apanage m., dieses aus ml. appanagium n., einer Ableitung von ml. appanare ’ausstatten’, eigentlich ’mit

Vermutlich über l. apathı¯a und frz. apathie entlehnt aus gr. apa´theia ’Unempfindlichkeit’ (speziell als zentraler Begriff der stoischen Philosophie, dann zum Ideal des asketischen Mönchstums). Zu gr. pa´thos ’Gemütsbewegung’ und negierendem gr. a- (Þa-). Adjektiv: apathisch. Ebenso nndl. apathie, ne. apathy, nfrz. apathie, nschw. apati, nnorw. apati. Zur Sippe von gr. pa´thos ’Gemütsbewegung’ s. ÞPathos. – DF 2 (21996), 48–52; Siegert (1950), 30; HWPh 1 (1971), 429–433; EWNl 1 (2003), 151.

aper Adj ’schneefrei’ per. obd. (11. Jh.), mhd. a¯ber, ahd.

a¯ber. Herkunft unklar. Verlockend, aber lautlich schwer vergleichbar ist das unklare l. aprı¯cus ’offen, sonnenbeschienen’. EWahd 1 (1988), 16–19 (anders: aus a¯ + ber – ’fort-tragend’, mit ausführlicher Diskussion der Problemlage und der Deutungsansätze).

Aperc¸u Sn ’prägnante, geistreiche Bemerkung’ erw.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. aperc¸u (eigentlich ’Übersicht, Einblick’), dem substantivierten Partizip des Präteritums von frz. aperc¸evoir ’wahrnehmen’ (also ’das Wahrgenommene’), aus früh-rom. *appercipere ’wahrnehmen’, zu l. percipere, eigentlich ’einnehmen, bemächtigen’, und l. ad- ’hinzu’, weiter zu l. capere ’nehmen, fassen, ergreifen’ und l. per-. Die französische Bedeutung ist ’kurzer Überblick’; sie ist

Aplomb

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im Deutschen selten. Die deutsche Bedeutung ist auf das Deutsche beschränkt. Ebenso nndl. aperc¸u, ne. aperc¸u, nfrz. aperc¸u, nnorw. aperc¸y. Zur Sippe von l. capere ’fangen’ s. Þkapieren. – DF 2 (21996), 52f.

Aperitif Sm ’alkoholisches Getränk (zum Anregen des

Mitteldeutschland hielt sich dagegen die verhochdeutschte Form Apfelsine. Die beiden Wörter sind heute Heteronyme ohne Bedeutungsunterschied. Ebenso nndl. sinaasappel, nschw. apelsin, nisl. appelsı´na. S. ÞApfel und vgl. zur Sache ÞOrange, ÞPomeranze. – Littmann (1924), 131f.; EWNl 1 (2003), 155.

Aphasie Sf ’(teilweiser) Verlust des SprechvermöAppetits)’ erw. fremd. (16. Jh., Bedeutung 20. Jh.). gens’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus gr. (poet.) aphaZunächst als Fachwort der Medizin entlehnt mit der sı´a ’Sprachlosigkeit’, zu gr. a´phatos ’unerwähnt, unBedeutung ’öffnendes, abführendes Heilmittel’ aus ml. aper(i)tivus ’öffnend’, zu l. aperı¯re ’öffnen’. Die bekannt’ zu gr. pha´nai ’sprechen’ und negierendem neue Bedeutung entsteht im Französischen im 19. Jh. gr. Þa-. und wird im 20. Jh. mit der französischen Lautform Ebenso nndl. afasie, ne. aphasia, nfrz. aphasie, nschw. afasi, nnorw. afasi. Zur Sippe von gr. pha´nai ’sprechen’ s. übernommen. Ebenso nndl. aperitief, ne. aperitif, nfrz. ape´ritif, nschw. aperitif, nnorw. aperitiff; ÞOuvertüre. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 386; EWNl 1 (2003), 152.

Apfel Sm std. (8. Jh.), mhd. apfel, ahd. apful, as. appul

(-gre). Aus g. *aplu- m. ’Apfel’ (’Holzapfel’), auch in krimgt. apel, anord. epli, ae. ¢ppel, afr. appel. Ein ähnliches Wort gleicher Bedeutung im Keltischen (air. ubull usw.), sowie (mit Langvokal) im Baltischen (lit. o´balas usw.) und Slavischen (serb.-kslav. jablu˘ko usw.). Das Wort ist vielleicht nicht-indogermanischer Herkunft, doch kann es auch (nach Adams) als l-Stamm (später zu *ablu- erweitert) ein Erbwort sein, das im Mittelmeergebiet durch das Kulturwort *ma¯lo- zurückgedrängt wurde. Das alte Wort für den Apfelbaum ist ÞAffolter. Das Wort Apfel wird häufig in Übertragungen auf Bezeichnungen für kugelförmige Gegenstände genommen. Früh bezeugt hierfür ist Augapfel (ahd. [12. Jh.] ougaphul, mndl. ogheappel, ae. eag¢ppel). Ebenso nndl. appel, ne. apple, nschw. äpple, nisl. epli. Vielleicht lassen sich die indogermanischen und außerindogermanischen Formen auf einen Ansatz *abal-n-, amal-n- zurückführen; ÞApfelsine. – Bertsch (1947), 93–104; Berger, H. MSS 9 (1956), 26; Pokorny, J. GS Kretschmer 2 (1956/57), 83; RGA 1 (1973), 368–372; Hamp, E. P. ZCPh 37 (1979), 158–166; LM 1 (1980), 746f.; Marchese, M. P. Quaderni patavini di linguistica 2 (1980/81), 1–49; BlW 1 (1981), 22f.; Adams, D. Q. IF 90 (1985), 79–82; Gamkrelidze, Th. V. FS Alinei 1 (1986), 91–97; Markey, Th. JIES 16 (1988), 49–68; EWahd 1 (1988), 60–63, 298–301; Sims-Williams, N., Hamilton, J.: Documents turcosogdiens (London 1990), 59f.; Erdal, M. JIES 21 (1993), 27–36; Niederhellmann (1983), 162–164 (zu Augapfel); Röhrich 1 (1991), 112; EWNl 1 (2003), 154; Zavaroni, A. HSF 120 (2007), 20–41.

Apfelsine Sf ’Orange’ std. stil. (18. Jh.). Entlehnt aus

ÞBlasphemie. – HWPh 1 (1971), 436f.; EWNl 1 (2003), 102.

Aphorismus Sm ’prägnanter Sinnspruch’ erw. fach.

(15. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Entlehnt aus l. aphorismus, dieses aus gr. aphorismo´s ’Abgrenzung, Unterscheidung, Lehrsatz’, abgeleitet von gr. aphorı´zein ’abgrenzen’, zu gr. ho´ros ’Grenze’ und gr. apo´ ’weg-’. Im Griechischen hat das Wort verschiedene Bedeutungen, von ’Abgrenzung’ bis ’(medizinischer) Lehrsatz’ (die Aphorismen sind die unverbunden aneinandergereihten Einsichten über die Natur von Krankheiten bei Hippokrates). In den Volkssprachen bezeichnet es zunächst medizinische Lehrsätze, wird dann verallgemeinert und dann unter dem Einfluss der französischen Literatur neu spezialisiert; in Deutschland wird diese Tradition vor allem von Lichtenberg aufgenommen. Adjektiv: aphoristisch. Ebenso nndl. aforisme, ne. aphorism, nfrz. aphorisme, nschw. aforism, nnorw. aforisme; ÞHorizont. – Krüger, H.: Studien über den Aphorismus als philosophische Form (Diss. Frankfurt/Main 1956); Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 386; Schalk (1966), 1–20; von Stackelberg, J. in Neumann, G. (Hrsg.): Der Aphorismus (Darmstadt 1976), 209–225; HWPh 1 (1971), 437–439; DF 2 (21996), 53–56; EWNl 1 (2003), 107.

Aphrodisiakum Sn ’Mittel zur Anregung des Ge-

schlechtstriebs’ per. fach. (18. Jh.). Neolateinische Substantivierung des Adjektivs gr. aphrodisiako´s ’sexuell (erregend)’. Im Englischen (aphrodisiac) deutlich früher bezeugt als im Deutschen. Bei Plinius (Naturalis historia 37,148) heißt ein nicht näher beschriebener (Edel-)Stein aphrodisiaca, doch kann dies einfach ’Stein der Aphrodite’ bedeuten und besagt nichts über eine eventuelle sexuelle Kraft. Die griechische ko-Bildung gehört zu gr. aphrodı´sia ’Liebesfreuden’ und gr. aphrodisia´zo¯ ’Geschlechtsverkehr haben’, weiter zum Namen der Liebesgöttin Aphrodite.

nndl. appelsien (vielleicht gekürzt aus ebenfalls bezeugtem Apel de Sina; Sina aus arab. s¯ın ’China’) über ˙ DF 2 (21996), 56–58. ndd. Appelsina; neben dem heute üblichen nndl. sinaasappel. Diese sind gebildet nach frz. pomme de Aplomb Sm ’Sicherheit, Nachdruck, Dreistigkeit’ per. Sine m. ’Apfel aus China’. Die Früchte wurden im fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. aplomb, eigentlich 16. Jh. von den Portugiesen aus China eingeführt und ’senkrechte Stellung, Gleichgewicht’, einer substanwurden mit dieser Bezeichnung auch von den bereits tivierten Zusammenrückung von frz. a` plomb bekannten Bitter-Orangen abgegrenzt, deren Be’senkrecht, im Lot’; frz. plomb ’Blei’ aus l. plumbum n. zeichnung (ÞOrange) vor allem im Süden auf die Die Bedeutungsverallgemeinerung geht vor allem neuen Früchte übertragen wird. Im Norden und in von der Sprache des Balletts aus, in der mit dem Wort das Abfangen von Bewegungen bezeichnet wird.

apodiktisch Ebenso nndl. aplomb, ne. aplomb, nfrz. aplomb, nschw. aplomb, nnorw. aplomb. – DF 2 (21996), 58f.; EWNl 1 (2003), 152.

apodiktisch Adj ’unumstößlich, nicht zu widerle-

54 Ebenso nndl. apostel, ne. apostle, nfrz. apoˆtre, nschw. apostel, nnorw. apostel. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. ste´llein ’schicken’ s. ÞStola. – Siegert (1950), 34f.; BlW 2 (1984), 269–289; Agnew, F. H. Journal of Biblical Literature 105 (1986), 75–96; Röhrich 1 (1991), 94; EWahd 1 (1988), 301f.; EWNl 1 (2003), 153.

gen’ erw. fach. (17. Jh., Form 18. Jh.). Zunächst in der lateinischen Form apodiktike entlehnt aus ml. apodı¯cticus ’schlüssig beweisend’, dann eingedeutscht. Aus Apostroph Sm ’Auslassungszeichen’ erw. fach. (17. Jh., Form 18. Jh.). Entlehnt aus l. apostrophus, dieses aus gr. apodeiktiko´s, zu gr. apodeikny´nai ’beweisen, vorgr. apo´strophos, eigentlich ’abgewandt’, zu gr. zeigen, aufweisen’, zu gr. deikny´nai ’zeigen, vorzeiapostre´phein ’sich abwenden’, zu gr. stre´phein gen, begreiflich machen’ und gr. apo- ’weg’. ’wenden, drehen’ und gr. apo- ’weg’. Zunächst in laEbenso nndl. apodictisch, ne. apodictic, nfrz. apodictique, teinischer und französischer Form (Apostrophe), nnorw. apodiktisk; ÞParadigma, ÞPolice, ÞSyndikat; zur gerdann endungslos. Ursprünglich verwendet als Attrimanischen Verwandtschaft s. Þzeihen, zur lateinischen but in Wendungen für ’ausgelassener Buchstabe’, Þdiktieren. – DF 2 (21996), 59–62. dann ’das Weggelassene’, schließlich ’das Zeichen für Apokalypse Sf ’Offenbarung über das kommende etwas, das ausgelassen wurde’. Aus der antiken RheWeltende, schreckliches Unheil’ erw. fach. (14. Jh.). torik stammen Apostrophe f. ’Anrede’ und Entlehnt aus l. apocalypsis, dieses aus ntl.-gr. apoka´apostrophieren ’anreden’ (Wegwendung vom Thema lypsis, eigentlich ’Enthüllung’, zu gr. (ep.) kaly´ptein und Hinwendung zu einer Person). ’verhüllen’ und gr. apo- ’weg’. Das Wort war und ist vor allem als Bezeichnung der Geheimen Offenbarung im Neuen Testament bekannt. Adjektiv: apokalyptisch.

Ebenso nndl. apostrof, ne. apostrophe, nfrz. apostrophe, nschw. apostrof, nnorw. apostrof; ÞStrophe, ÞKatastrophe. – DF 2 (21996), 77–79; Leser, E. ZDW 15 (1914), 36, 94; Cottez (1980), 30f.; EWNl 1 (2003), 153.

Ebenso nndl. apocalyps(e), ne. apocalypse, nfrz. apocalypse, nschw. apokalyps, nnorw. apokalypse. – Siegert (1950), 31; HWPh 1 (1971), 439f.; DF 2 (21996), 62–66; EWNl 1 (2003), 152. Apotheke Sf std. (13. Jh.). Entlehnt aus l. apothe¯ca

Apologie Sf ’Verteidigung, Rechtfertigung, Verteidi-

gungsrede vor Gericht’ per. fach. (16. Jh., Form 17. Jh.). Entlehnt aus l. apologia, zunächst in gleicher Form; dieses aus gr. apologı´a, wie gr. apologeı˜sthai ’sich herausreden, verteidigen’, eigentlich ’sich losreden’, zu gr. lo´gos m. ’Wort, Rede’ und gr. apo’weg’. Bekannt ist das griechische Wort durch die Apologie des Sokrates, dann durch die Apologien der frühen Christen (der Apologeten), die das Christentum gegen die Heiden verteidigten. Nomen Agentis: Apologet (deutsche Bildung, wohl nach l. apologeticus); Adjektiv: apologetisch. Ebenso nndl. apologie, ne. apology, apologia, nfrz. apologie, nschw. apologi, nnorw. apologi. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. le´gein ’zählen, reden’ s. ÞLogik. – HWPh 1 (1971), 446f.; Siegert (1950), 33 (zu Apologet); LM 1 (1980), 774–778; DF 2 (21996), 70–74.

Aporie Sf ’Ausweglosigkeit’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt

aus spl. aporia, dieses aus gr. aporı´a ’Ratlosigkeit, Verlegenheit’, zu gr. a´poros ’hilflos, ratlos, unmöglich, unwegsam’, zu gr. po´ros m. ’Durchgang, Pfad’ und negierendem gr. a- (Þa-), weiter zu gr. peı´rein ’durchdringen, durchbohren, durchstoßen’. Ebenso ne. aporia, nfrz. aporie. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þfahren. – HWPh 1 (1971), 447f.; DF 2 (21996), 74f.

Apostel Sm std. stil. (8. Jh.). Entlehnt aus l. apostolus,

dieses aus gr. apo´stolos ’Bote, Gesandter’ (zunächst ’Aussendung [einer Flotte]’), zu gr. aposte´llein ’entsenden’, zu gr. ste´llein ’senden’ und gr. apo’weg’. Das Wort wird von Luther gegen konkurrierendes ÞBote und (im Plural) Zwölfboten durchgesetzt. Adjektiv: apostolisch.

’Magazin’, dieses aus gr. apothe¯´ke¯, zu gr. apotithe´nai ’weglegen’, zu gr. tithe´nai ’legen, stellen, setzen’ und gr. apo- ’weg’. Im Mittelalter wird die allgemeinere Bedeutung ’Magazin’ verengt auf ’Spezereiladen, Apotheke’, und schließlich zu ’Apotheke’ im heutigen Sinn. Die alte Bedeutung bewahren frz. boutique, it. bottega, span. bodega; im Englischen hat sich nur die Berufsbezeichnung apothecary durchgesetzt, das gleichlautende Wort für die Apotheke hat sich nur kurze Zeit gehalten. Täterbezeichnung: Apotheker. Ebenso nndl. apotheek, nschw. apotek, nnorw. apotek. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. tithe´nai ’legen, stellen’ s. ÞTheke. S. auch ÞBoutique. – DF 2 (21996), 79–83; LM 1 (1980), 794–802; Röhrich 1 (1991), 94; EWNl 1 (2003), 153.

Apparat Sm std. (14. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Entlehnt

aus l. appara¯tus ’Zurüstung, Gerätschaft’, aus l. appara¯re ’ausrüsten, beschaffen’, zu l. para¯re ’fertigmachen, einrichten’ und l. ad- ’hin, zu’. Am frühesten im Deutschen bezeugt ist die (noch heute in der Wissenschaft übliche) Bedeutung ’Kommentar, Lesarten’, dann ’Zubehör’ und schließlich ’Gerätesammlung’, die spezielle Bezeichnung von Einzelgeräten erst seit dem 18. Jh. Abstraktum: Apparatur. Apparatschik bezeichnet den Funktionär des ParteiApparats; es ist ursprünglich in der Sprache der DDR als abwertende Bezeichnung aus russ. apparatcˇik entlehnt (das russische Suffix -cˇik bildet Täterbezeichnungen). Ebenso nndl. apparaat, ne. apparatus, nfrz. appareil, nschw. apparat, nnorw. apparat. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. para¯re ’bereiten’ s. Þparat. – DF 2 (21996), 88–99; EWNl 1 (2003), 154.

April

55 Appartement (mit französischer Aussprache) Sn

’Wohnung’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. appartement m., dieses aus it. appartamento m., einer Ableitung von it. appartare ’abtrennen’, das auf l. pars (-rtis) f. ’Teil’ zurückgeht (it. a parte, l. ad partem ’abgeteilt’). Die englische Entsprechung ÞApartment (mit englischer Aussprache) gilt für Kleinstwohnungen. Ebenso nndl. appartement, ne. apartment, nfrz. appartement. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. pars ’Teil’ s. ÞPartei; ÞApartment. – DF 2 (21996), 99–101; Jones (1976), 104; Brunt (1983), 132f.; EWNl 1 (2003), 154.

appellieren Vsw ’aufrufen, anrufen’ erw. fach. (12. Jh.),

allgemeiner Bedeutung, dann angepasst an das aus diesem entstandenen frz. apporter als Ausdruck der Jägersprache für das Herbeitragen geschossenen Kleinwilds oder (beim Dressieren) geworfener Gegenstände durch den Hund. Ebenso nndl. apporteren, nfrz. apporter, nschw. apportera, nnorw. apportere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. porta¯re ’tragen’ s. Þtransportieren. – DF 1 (1913), 45; EWNl 1 (2003), 156.

Apposition Sf ’gleichgeordnete Ergänzung eines Sub-

stantivs’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ml. appositio, eigentlich ’Zusatz’, zu l. appo¯nere (appositum) ’hinstellen, dazusetzen’, aus l. ad- ’zu, an’ und l. po¯nere ’legen, stellen, setzen’.

mhd. appelliren. Entlehnt aus l. appella¯re ’anrufen, Ebenso nndl. appositie, ne. apposition, nfrz. apposition, nschw. auffordern’, Intensivum zu l. pellere ’stoßen, treiben’ apposition, nnorw. apposisjon. Zu l. po¯nere s. Þkomponieren. und l. ad- ’hin, zu’. Bezeugt ist zunächst die juristi- Appretur Sf ’(Mittel zur) Bearbeitung von Geweben sche Bedeutung ’Berufung einlegen’, dann − wohl (zum Schutz vor Feuchtigkeit usw.)’ per. fach. unter dem Einfluss des Französischen − die allge(18. Jh.). Entlehnt aus frz. appreˆt, einer Ableitung von meinere ’aufrufen’. Hierzu auch (als aus dem Franafrz. aprester ’vorbereiten, zubereiten’, zu l. praestus zösischen entlehnte Rückbildung) Appell ’militäri’gegenwärtig, zur Hand’. Das Wort wird zunächst in scher Aufruf, feierlicher Aufruf’. Bei der englischen der französischen Form entlehnt und dann mit einem Entsprechung appeal wandelt sich die Bedeutung zu Abstrakt-Suffix als Ableitung von appretieren ver’Ausstrahlung, Faszination’, das besonders bei ’Sexdeutlicht. Appeal’ auch ins Deutsche übernommen wird. AbEbenso nndl. appretuur, nfrz. appreˆt, nschw. appretur, nnorw. straktum: Appellation. Appellativum ’Gattungsbegriff’ appretur. – DF 1 (1913), 45f. ist eigentlich ’das Benannte, das Angeredete’. approbieren Vsw ’bestätigen, anerkennen’ per. fach. Ebenso ne. appeal, nfrz. appeler, nschw. appellera, nnorw. ap(15. Jh.). Entlehnt aus l. approba¯re ’gutheißen, anerpelere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. pellere ’stoßen’ s. kennen’ zu l. proba¯re ’erproben, prüfen, untersuchen’ ÞInterpellation. – DF 2 (21996), 103–109; Brunt (1983), 133; LM und l. ad- ’hin, zu’, zu l. probus ’gut, tüchtig, brav’. 1 (1980), 804f. (zu Appellation); EWNl 1 (2003), 154. Heute vor allem in approbiert und Approbation im Appetit Sm ’Hunger, Verlangen’ std. (15. Jh.). Entlehnt medizinischen Bereich. aus frz. appe´tit ’Esslust’ und ml. appetı¯tus cibi 2

Þprobat. – DF 2 ( 1996), 127–131; LM 1 (1980), 810f. ’Verlangen nach Speise’, diese aus l. appetı¯tus ’Verlangen’, abgeleitet von l. appetere ’verlangen’, zu l. Aprikose Sf std. (17. Jh.). Mit hyperkorrektem -e entpetere ’begehren (usw.)’ und l. ad- ’hin, zu’. Die Belehnt aus ndl. abrikoos, dieses aus frz. abricot m. unter Einfluss der Lautform des Plurals, aus span. albarideutungsverengung auf ein bestimmtes Verlangen − coque m. und port. albricoque, aus arab. al-barqu¯q, das nach Speise − vollzieht sich erst allmählich, dieses aus gr. preko´kkion n. (mit vielen Lautvarianindem das attribuierende ’nach Speise’ als selbstänten), das seinerseits übernommen ist aus l. praecodiges Wort wegfällt (beginnend in ml. Medizintexten quum n., einer Variante von l. praecox (Pl. praecocia) des 12. Jhs., dann im Französischen im 13. Jh., seit ’frühreif’, zu l. coquere (coctum) ’reifen, reifen lassen’. dem 16. Jh. treten andere Bezüge zurück). Adjektiv: Die im 1. Jahrhundert aus China in Italien eingeführte appetitlich. Frucht war der einheimischen ÞMarille im GeEbenso ne. appetite, nfrz. appe´tit, nschw. aptit, nnorw. appetitt. Zur Sippe von l. petere ’begehren’ s. ÞPetition. – DF 2 (21996), schmack überlegen und wurde als persica praecocia 114–121; LM 1 (1980), 806f.; Baldinger, K. in Neumann, W., ’frühreifer Pfirsich’ (Frucht, die früher reif ist als der Techtmeier, B. (Hrsg.): Bedeutungen und Ideen in Sprachen Pfirsich) bezeichnet. und Texten (Berlin 1987), 325–343; Röhrich 1 (1991), 94; EWNl 1 (2003), 155.

applaudieren Vsw ’Beifall spenden’ erw. fremd.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. applaudere und frz. applaudir, zu l. plaudere (plausum) ’klatschen’ und l. ad’hin, zu’. Abstraktum: Applaus. Ebenso nndl. applaudisseren, ne. applaud, nfrz. applaudir, nschw. appla˚dera, nnorw. applaudere; Þexplodieren, Þplausibel. – DF 2 (21996), 121–123; EWNl 1 (2003), 155f.

apportieren Vsw erw. fach. (17. Jh., Bedeutung 18. Jh.).

Entlehnt zunächst aus l. apporta¯re ’herbeibringen’ in

Ebenso nndl. abrikoos, ne. apricot, nfrz. abricot, nschw. aprikos, nisl. aprı´ko´sa; Þkulinarisch, ÞBiskuit. – Littmann (1924), 81f.; Hasselrot, B. SN 13 (1941), 45–79, 226–252; RGA 1 (1973), 375; Lokotsch (1975), 20f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 249; Kiesler (1994), 156f.; EWNl 1 (2003), 85.

April Sm std. (12. Jh.), mhd. aprille, ahd. abrello. Das aus

l. Aprı¯lis (mensis) entlehnte Wort verdrängt älteres ahd. o¯starma¯no¯d ’Ostermonat’. Die Herkunft der lateinischen Monatsbezeichnung ist umstritten (vielleicht zu gr. Aphrodite, l. Venus).

apropos Ebenso nndl. april, ne. april, nfrz. avril, nschw. april, nisl. aprı´l. – Cortsen, S. P. Glotta 26 (1938), 270–275; EWahd 1 (1988), 26–28; Röhrich 1 (1991), 94f.; EWNl 1 (2003), 156f.

apropos (a` propos) Ptkl ’übrigens’ erw. fremd. (17. Jh.).

Entlehnt aus frz. a` propos ’zur (behandelten) Sache, zum richtigen Zeitpunkt kommend’, dieses hypostasiert aus frz. a` ’zu’ und frz. propos ’Zweck, Anlass, Vorsatz’, einer postverbalen Ableitung von frz. proposer ’vornehmen, vorschlagen’, dies aus frz. pro(Þpro-) und frz. poser ’stellen, legen’ gebildet nach l. pro¯po¯nere (dass.). In frz. poser scheinen sich spl. pausare ’ruhen’ und l. po¯nere (positum) vermischt zu haben. Ebenso nndl. apropos, nfrz. a` propos, nschw. apropa˚, nnorw. apropos. Zur Sippe von l. po¯nere ’setzen, stellen’ s. Þkomponieren. – DF 2 (21996), 137–140; Jones (1976), 542; EWNl 1 (2003), 157.

Aquamarin Sm (Edelstein) per. fach. (16. Jh., Form

56

weiter zu l. aequus ’gleich’. Es ist zunächst − im Mittellatein − ein Fachwort der mittelalterlichen Astronomie zur Bezeichnung des Himmelsäquators (d.h. [circulus] aequa¯tor die¯i et noctis ’Gleichmacher von Tag und Nacht’), so benannt, weil Tag und Nacht gleich lang sind, wenn die Sonne in dieser Position steht. Dann auch als geographischer Terminus verwendet für den Breitengrad der Erde, auf dem alle Punkte Tag- und Nachtgleichheit aufweisen. Ebenso nndl. equator, ne. equator, nfrz. ´equateur, nschw. ekvator, nnorw. ekvator. Zur Sippe von l. aequus ’gleich’ s. Þäqui-. – DF 2 (21996), 146–149; BlW 2 (1984), 55–59, 69–75; EWNl 1 (2003), 691.

äqui- LAff ’gleich’ erw. bildg. (–). Kompositionsform

von l. aequus ’gleich’, z.B. in Þäquivalent. Zu der Sippe von l. aequus ’gleich’ gehören außerdem die Adjektiv-Ableitung aequa¯lis, die über das Französische zu Þegal führt, und das abgeleitete Verb aequa¯re, das früh als Þeichen entlehnt wird und aus dessen präfigiertem PPP. Þadäquat herzuleiten ist; ÞÄquator ist ein Nomen Agentis zu ihm.

18. Jh.). Neubildung nach dem Vorbild von frz. aiguemarine f. und it. acquamarina f. als l. aqua marı¯na, äquivalent Adj ’gleichwertig’ per. fach. (17. Jh.). Entzurückgehend auf l. aqua f. ’Wasser’ und l. marı¯nus lehnt aus frz. ´equivalent und relatinisiert nach ml. ’zum Meer gehörig’, zu l. mare n. ’Meer’. Der Edelaequivalens (-entis), dieses aus l. aequus ’gleich’ und l. stein ist somit nach seiner Farbe als ’Meerwasser’ bevale¯ns (-entis) ’kräfig, vermögend’, zu l. vale¯re ’wert zeichnet. Zunächst entlehnt als Aqua marina, dann sein, bei Kräften sein’. Abstraktum: Äquivalenz; Koneingedeutscht. Zu den deutschen Entsprechungen kretum: Äquivalent. der Bestandteile s. ÞAch(e) und ÞMeer. Ebenso nndl. aquamarijn, ne. aquamarine, nschw. akvamarin, nisl. akvamarı´n. – Lüschen (1979), 174; EWNl 1 (2003), 157.

Aquaplaning Sn ’unkontrolliertes Gleiten von Autos

Ebenso nndl. equivalent, ne. equivalent, nfrz. ´equivalent, nschw. ekvivalent, nnorw. ekvivalent. Zu den beiden Wortsippen s. Þäqui- und ÞValenz. – DF 2 (21996), 150–154; Jones, W. J. SN 51 (1979), 257; EWNl 1 (2003), 692.

über stehendem Wasser auf Straßen’ per. fach. Ar Sn (auch m.) (ein Flächenmaß) per. fach. (19. Jh.). (20. Jh.). Entlehnt aus ne. aquaplaning, das eigentlich 1868 amtlich übernommen aus frz. are f., das seiner’Wasserski fahren’ bedeutet (zu ne. to plane seits auf l. a¯rea f. ’(freier) Platz’ zurückgeht. ’gleiten’). Ebenso nndl. are, ne. are, nfrz. are, nschw. ar, nnorw. ar; Ebenso nndl. aquaplaning, ne. aquaplaning, nfrz. aquaplaning, ÞAreal, ÞHektar. nschw. akvaplaning, nnorw. akvaplaning; ÞAch(e), ÞPiano, -ar1 (Variante -är1) Suffix (zur Bildung von denominaÞPlan 1. – Müller, K. F. SD 16 (1972), 196; Carstensen 1 len Zugehörigkeitsadjektiven) per. bildg. (–). Meist (1993), 47f.

Aquarell Sn ’mit Wasserfarben gemaltes Bild’ erw. fach.

entlehnt (und international), aber frei verfügbar. Z.B. illusionär, doktrinär; linear, alveolar. Herkunft aus l. -a¯rius, die Form -är über dessen französischen Fortsetzer frz. -aire.

(18. Jh.). Entlehnt aus it. acquarella f. (und frz. aquarelle f.), einer hypokoristischen Bildung im Anschluss an l. aqua¯rius ’zum Wasser gehörig’, zu it. acqua f. Wortbildung 3 (1978), 105 und die dort angegebenen Stellen. ’Wasser’, das auf l. aqua f. zurückgeht. It. acqua steht -ar2 (Variante -är2) Suffix (zur Bildung von Nomina hier für colore dell’acqua ’Wasserfarbe’. Agentis und Instrumentalbezeichnungen) erw. (–). Ebenso nndl. aquarel, ne. aquarelle, nfrz. aquarelle, nschw. akImmer entlehnt, aber meist ohne weiteres analysiervarell, nnorw. akvarell. Zur germanischen Verwandtschaft s. bar. Z.B. Bibliothekar, Revolutionär. Herkunft aus l. ÞAch(e). – DF 2 (21996), 143f.; EWNl 1 (2003), 157. -a¯rius, die Form -är über dessen französischen FortAquarium Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. aquarium, setzer frz. -aire. Das Suffix entspricht dem Lehnsuffix einer neoklassischen Lokalableitung zu l. aqua f. Þ-er. ’Wasser’ Wortbildung 2 (1975), 356, 396f. Ebenso nndl. aquarium, ne. aquarium, nfrz. aquarium, nschw. akvarium, nnorw. akvarium. Zur germanischen Verwandt-ar3 Suffix (zur Bildung von kollektiven Sachbezeichschaft s. ÞAch(e). Vgl. ÞHerbarium, Terrarium. – DF 2 (21996), nungen; ÞGlossar, ÞMobiliar) per. bildg. (–). Her144–146; EWNl 1 (2003), 157f. kunft aus l. -a¯rium. Die Bildungen sind entlehnt, aber

Äquator Sm ’größter Breitenkreis auf der Erde’ erw.

fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. aequa¯tor, einem Nomen Instrumenti zu l. aequa¯re ’gleichmachen’ mit l. -tor,

meist analysierbar. Die lateinische Form ist beibehalten in Wörtern wie Instrumentarium und in den Lokalableitungen wie ÞAquarium. Wortbildung 2 (1975), 177.

Arche

57 Ära Sf ’Zeitabschnitt, Epoche’ erw. fach. (17. Jh.). Ent-

arbiträr Adj ’nach Ermessen, willkürlich’ per. fach. lehnt aus spl. aera, ein als Singular aufgefasster ur(17. Jh.). Entlehnt aus frz. arbitraire, dieses aus l. arsprünglicher Plural des Neutrums von l. aes (aeris) n. bitra¯rius, zu l. arbiter ’Schiedsrichter, Beobachter, ’Erz, Bronze, Kupfer, Geld, Wert’ (mit DeklinationsMitwisser, Zeuge’. Das Adjektiv überträgt die eigentwechsel). Pl. aera bezeichnet zunächst einen Zählliche Bedeutung ’schiedsrichterlich’ auf ’Sachverstein, dann den Posten in einer Rechnung; dann behalte, die nicht von Natur aus in einer bestimmten kommt es in Spanien die Bedeutung ’Zeitpunkt, ZeitWeise festgelegt sind, sondern einer Ermessensentscheidung bedürfen’; daraus dann ’beliebig, willkürraum’ im Rahmen von Datenangaben (vgl. etwa die Entwicklung von ÞDatum). Der Grund scheint die lich’. Ebenso nndl. arbitrair, ne. arbitrary, nfrz. arbitraire, nnorw. Zählung nach Steuerjahren zu sein, beginnend mit arbitr¢r. – Coseriu, E. ASNSL 204 (1968), 81–112; Brunt dem Jahr 38 v. Chr., in dem nach Isidor die Besteu(1983), 135; HWPh 1 (1971), 491–493; BlW 2 (1984), 288–294; DF erung von Spanien begann. Daraus hat sich der Ge2 (21996), 159–161; EWNl 1 (2003), 159. brauch verallgemeinert zu ’Epoche, Zeitabschnitt’ -arch LAff ’Herrscher’ per. bildg. (–). Das griechische (z.B. aera Hispanica). Verb gr. a´rchein ’der erste sein, herrschen’ hat als AbEbenso nndl. era, ne. era, nfrz. `ere, nschw. era, nnorw. ¢ra. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þehern. – DF 2 (21996), leitung gr. archo´s m. ’Führer, Anführer’, in Kompo154–156; LM 1 (1980), 833; EWNl 1 (2003), 692. sita gr. -arche¯s m. und als Abstraktum -archı´a, z.B. gr. oligarchı´a ’Herrschaft der Wenigen’, gr. oliga´rche¯s Arabeske Sf ’(phantastische) Verzierung’ per. fach. ’einer der Herrscher einer Oligarchie’. Diese zweiten (18. Jh.). Entlehnt aus frz. arabesque, zu dem Adjektiv Bestandteile werden in neoklassischen Bildungen als frz. arabesque ’arabisch’. So benannt nach den Ver-arch m. und -archie f. für Herrscher- und Herrzierungen, die denen der Araber nachgebildet sind, schaftsbezeichnungen produktiv. Die zugehörige und die im wesentlichen aus vielfältig verschlungeSuffixform -archat (z.B. in Patriarchat) fügt an die nen Laubwerkornamenten bestehen. (Im religiösen Form des Maskulinums ein lateinisches Suffix (Þ-at) Bereich kennt der Islam keine Bilder, so dass die und ist somit hybrid. Schriftornamentik hier eine wesentlich größere Rolle Zur Sippe von gr. a´rchein s. ÞAnarchie. – Cottez (1980), 32f., spielt als im Christentum.) Später auf musikalische 36. und z.T. auch stilistische Verzierungen übertragen. archaisch Adj ’altertümlich’ erw. fremd. (18. Jh.). EntEbenso nndl. arabesk, ne. arabesque, nfrz. arabesque, nschw. arabesk, nnorw. arabesk. – DF 2 (21996), 156–159; Littmann lehnt aus spl. archaicus, dieses aus gr. archaı¨ko´s, abge(1924), 60; Lokotsch (1975), 8; Tazi (1998), 192; EWNl 1 leitet von gr. archaı˜os ’alt’, einer Ableitung von gr. (2003), 158. arche¯´ ’Ursprung’. Am frühesten bezeugt ist Archaismus ’altertümliches Wort’, dann das Adjektiv, Arbeit Sf std. (8. Jh.), mhd. arebeit, ahd. arabeit(i), as. das häufig speziell auf das griechische Altertum bearbÐ ed(i). Aus g. *arbaiþi- f. ’Mühsal, Arbeit’, auch in zogen wird. gt. arbaiþs, anord. erfidiÑ , ae. earfod,Ñ afr. arbe¯(i)d. Das Ebenso nndl. archaı¨sch, ne. archaic, nfrz. archaı¨que, nschw. Wort kann ein ti-Abstraktum zu einem Verb auf g. arkaisk, nnorw. arkaisk. Zur Wortsippe des zugrunde liegen*-¢¯ -ja- sein (eine sonst nicht bezeugte Bildungsweiden gr. a´rchein ’führen’ s. ÞAnarchie. – DF 2 (21996), 161–166 se). Andererseits lässt sich das slavische Wort für ArHWPh 1 (1971), 495–497; EWNl 1 (2003), 160. beit vergleichen: akslav. rabota ’Sklaverei, Knechtschaft’ u.ä., das deutlich zu akslav. rabu˘ m. ’Knecht, Archäologie Sf ’Altertumsforschung’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus gr. archaiologı´a ’Erzählungen Sklave’ gehört; die Stammbildung (Abstraktsuffix aus der alten Geschichte’, zu gr. archaı˜os ’alt, ur-ota) ist aber mit der germanischen nicht zu vergleisprünglich’ und gr. lo´gos m. ’Kunde, Wissenschaft, chen. Verb: arbeiten; Nomen Agentis: Arbeiter; AdjekVernunft’ (ausgehend von Thukydides: Vorgeschichtiv: arbeitsam, komponiertes Adjektiv: arbeitslos. te des Peloponnesischen Kriegs). Täterbezeichnung: Geist, H. Luther-Jahrbuch 1931, 83–113; Götz, H. ASAWL 49 (1957), 119–125; Schneidewind, G. BGDSL-H 81 (1959), Archäologe; Adjektiv: archäologisch. 174–187; Krupp, M. Schlüsselwörter 2 (1964), 258–286; HWPh 1 Ebenso nndl. archeologie, ne. arch(a)eology, nfrz. arche´ologie, (1971), 480–489; GB 1 (1972), 154–242; Barzel, A.: Der Begriff nschw. arkeologi, nnorw. arkeologi. Weiteres unter ÞAnarchie ’Arbeit’ in der Philosophie der Gegenwart (Bern 1973); RGA 1 und Þ-logie. – DF 2 (21996), 166–171; Cottez (1980), 33; EWNl 1 (1973), 383–386; Reiter, N. ZfB 13 (1977), 125–142; Tranquilli, (2003), 160. V.: Il concetto di lavoro da Aristotele a Calvino (Milano 1979); Arche Sf erw. fach. (9. Jh.), mhd. arche, ahd. arka, arWiedemann, K.: Arbeit und Bürgertum (Heidelberg 1979); cha. Wie gt. arka, anord. o¸rk, ae. earc(e), afr. erke LM 1 (1980), 869–883; Anderson, R. R., Goebel, U., Reich’Kasten’ entlehnt aus l. arca ’Verschluss, Kasten’. In mann, O. FS Stutz. Hrsg. A. Ebenbauer (Wien 1984), 1–29; der Standardsprache nur noch als Bezeichnung für Krause, A. in Brandt, G., Rösler, I. (Hrsg.): Stellenwert und Bewältigung (Berlin 1988), 129–138; EWahd 1 (1988), 313–318; ’Noahs Kasten’ erhalten, mundartlich noch in andeRöhrich 1 (1991), 96f.; EWNl 1 (2003), 159. rer Bedeutung. Ebenso nndl. ark(e), ne. ark, nfrz. arche, nschw. ark, nisl. örk. Das lateinische Wort gehört zu l. arce¯re ’verschließen’. – EWahd 1 (1988), 330f.; EWNl 1 (2003), 163.

archi-

58 archi- Präfix ’Erz-’ erw. (–). Zur Präfigierung von Sub-

Ebenso nndl. arena, ne. arena, nfrz. are`ne, nschw. arena, 2

nnorw. arena. – DF 2 ( 1996), 187–189; EWNl 1 (2003), 161; stantiven (und Adjektiven), wobei dem Grundwort EWahd 2 (1998), 1136. die Bedeutung ’haupt-, übergeordnet’ hinzugefügt arg Adj std. (8. Jh.), mhd. arc, ahd. ar(a)g. Aus g. *argawird (z.B. Archidiakon ’erster Diakon’). Es handelt sich um die Kompositionsform von gr. archo´s Adj. ’feig’; das Wort gilt in alter Zeit als schlimmes Schimpfwort und hat ersichtlich eine sexuelle Neben’Führer’, die in Entlehnungen aus dem Griechischen bedeutung, vermutlich ’beim homosexuellen Ge(z.T. in lateinischer und romanischer Vermittlung) schlechtsverkehr die passive Rolle spielend’. Bezeugt ins Deutsche übernommen und aus diesen als Präfix in anord. argr und ragr (mit tabuisierender Metaverselbständigt wird. In frühen deutschen Entlehthese), ae. earg, afr. erg. Zu ig. *erg´ h- ’bespringen, kletnungen mit der Form ÞErz-, erz-. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. a´rchein s. ÞAnarchie. S. tern’, nur noch bewahrt in heth. ark- ’bespringen auch ÞArzt. – Cottez (1980), 32. (sexuell), klettern (auf Bäume)’ und in dem gemeinig. Wort für ’Hode’ ig. *org´ hi- (gr. o´rchis usw.) als Archipel Sm ’eine größere Inselgruppe’ per. fach. ’Instrument zum Bespringen’. Hierzu einerseits g. (16. Jh., Form 19. Jh.). Entlehnt aus it. arcipelago, zu *arga- als ’Besprungener’, andererseits lit. arzˇu`s, erzˇu`s it. pelago ’Gewässer’ und arci-, aus l. pelagus n. ’geil, wollüstig’, er˜ˇzilas ’Hengst’ als ’Bespringender’ ’Meer’, aus gr. pe´lagos n. Im Italienischen zunächst (nach Watkins zu erklären als Unterschied zwischen gebildet im Sinne von ’großes Gewässer’ als Bezeichaktivem *org´ ho´-s gegenüber passivem *o´rg´ ho-s). Der nung des ägäischen Meeres; dann verallgemeinert zu Anschluss weiterer Wörter (wie gr. orche´omai ’Gewässer mit vielen Inseln’ (speziell die Inselwelt ’tanzen’) kann semantisch plausibel gemacht werden, zwischen Griechenland und Kleinasien), schließlich doch sind bei einem eingehenden Vergleich die Laut’Inselgruppe im Meer’. Zunächst Archipelagus, dann formen (verschiedene Tektale) nicht vereinbar. Komnach französischem Vorbild gekürzt zu Archipel. posita: Arglist, arglos; Präfixableitung: verargen. Ebenso nndl. archipel, ne. archipelago, nfrz. archipel, nschw. arkipelag, nnorw. arkipel; Þarchi-. – DF 2 (21996), 174–176; EWNl 1 (2003), 160.

Architekt Sm ’Baumeister’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus l.

architectus, dieses aus gr. archite´kto¯n, einer Zusammensetzung aus gr. archi- ’Erz-’ und gr. te´kto¯n ’Baumeister, Zimmermann’, also eigentlich ’Oberbaumeister’. Zugehöriges Adjektiv architektonisch mit dem Abstraktum Architektonik; auf eine lateinische Hybridbildung geht das Konkretum Architektur zurück. Ebenso nndl. architect, ne. architect, nfrz. architecte, nschw. arkitekt, nnorw. arkitekt. Zur Sippe des ersten Glieds s. Þarchiund ÞAnarchie, zur Sippe des zweiten ÞTechnik für die griechische, ÞText für die lateinische und ÞDechse(l) für die germanische Verwandtschaft. – Zellmer, E.: Die lateinischen Wörter auf -ura (Frankfurt/Main, 1976); DF 2 (21996), 176–181; Pevsner, N. Speculum 17 (1942), 549–562; HWPh 1 (1971), 502f.; LM 1 (1980), 901; EWNl 1 (2003), 160f.

Archiv Sn ’Aufbewahrungsort für öffentliche Urkun-

den und Dokumente’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus ml. archı¯vum, dieses einer Nebenform von l. archı¯um, das auf gr. archeı˜on ’Amtsgebäude’ zurückgeht, einer Lokalbildung zu gr. a´rchein ’regieren, herrschen’. Eine Täterbezeichnung ist Archivar; Verb: archivieren.

Ebenso nndl. erg, nschw. arg, nisl. argur ’schlecht’, ragur ’feig’; Þärgern. – Anon.: Spuren von Konträrsexualität bei den alten Skandinaviern. Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen 4 (1902), 244–263, besonders 248–250; Beckmann, N. NTF 9 (1920), 103–108; Weisweiler, J. IF 41 (1923), 16–29; Ström, F. Saga och Sed (1972), 27–47; Watkins, C. BSL 70 (1975), 11–26; Arbeitman, Y. Maledicta 1 (1980), 76–78; Sørensen, P. M.: The Unmanly Man (Odense 1983), besonders Kapitel 2; Puhvel, J. FS Risch (1986), 154f.; Gade, K. E. Scandinavian Studies 58 (1986), 124–141; EWahd 1 (1988), 321–324; Schwink, F. W. IF 98 (1993), 231–240; Heidermanns (1993), 102f.; Schuhmann, R. FS Neumann (2002), 453–464; EWNl 1 (2003), 694f.

ärgern Vsw std. (11. Jh.), mhd. ergern, ahd. argero¯n. For-

mal vom Komparativ zu Þarg abgeleitetes Verb, also eigentlich ’schlechter machen’. Eine genauere Bedeutungsanalyse steht noch aus. Abstraktum: Ärger; Adjektiv: ärgerlich; Konkretum: Ärgernis. Argument Sn ’Beweisgrund’ erw. fach. (14. Jh.). Ent-

lehnt aus l. argu¯mentum, einer Ableitung von l. arguere ’beweisen, erhellen’. Verb: argumentieren; Abstraktum: Argumentation. Ebenso nndl. argument, ne. argument, nfrz. argument, nschw. argument, nnorw. argument. – DF 2 (21996), 189–194; BlW 2 (1984), 298–302; EWNl 1 (2003), 162.

Ebenso nndl. archief, ne. archives, nfrz. archives, nschw. arkiv, Argusaugen Spl ’scharfe Augen’ erw. bildg. (17. Jh.). nnorw. arkiv. Zur Sippe des griechischen Wortes s. ÞAnarchie. Argos (l. Argus) war der Name des Riesen, der hun– DF 2 (21996), 181–185; LM 1 (1980), 907; EWNl 1 (2003), 160. dert Augen hatte und von der Göttin Hera als Be-

Areal Sn erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus dem Adjek-

tiv ml. arealis ’zur Fläche gehörig’, zu l. a¯rea ’Fläche’. Ebenso nndl. areaal, ne. area, nfrz. aire, nschw. areal, nnorw. areal; ÞAr. – DF 2 (21996), 185f.; EWNl 1 (2003), 161.

Arena Sf ’Kampfplatz (im Amphitheater)’ erw. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus it. arena und l. are¯na, einer Nebenform von l. hare¯na ’Sand, Sandplatz’. Der Platz für die Kämpfe war mit Sand bestreut.

wacher der Jo, einer Geliebten des Zeus, eingesetzt wurde. Das Bild wird seit dem 16. Jh. häufiger gebraucht. Die vorliegende Form des Kompositums ist nur deutsch (und aus dem Deutschen entlehnt). Ebenso nndl. argusogen, ne. Argus-eyed, nfrz. yeux d’Argus, nschw. argusögon, nnorw. argusøyne. – DF 2 (21996), 194f.

Arlesbaum

59 Argwohn Sm std. stil. (12. Jh.), mhd. arcwa¯n, ahd. arg-

wa¯n. Zusammengerückt aus arg und wa¯n (noch im 13. Jh. auch arger wa¯n). Die Entwicklung zu o¯ ist in den meisten Mundarten üblich. In dieser Zusammensetzung hat das Wort ÞWahn seine alte Bedeutung ’Vermutung’ bewahrt. Verb: argwöhnen; Adjektiv: argwöhnisch. EWNl 1 (2003), 162.

Ariadnefaden Sm ’Lösungsweg’ erw. bildg. (17. Jh.).

Ebenso nndl. aritmetica, ne. arithmetic, nfrz. arithme´tique, nschw. aritmetik, nnorw. aritmetikk; ÞLogarithmus. – Schirmer (1912), 6; HWPh 1 (1971), 515f.; Cottez (1980), 36; DF 2 (21996), 217–221; EWNl 1 (2003), 163.

-arium Suffix (zur Bildung von Ortsbezeichnungen,

vornehmlich zur Charakterisierung von künstlich geschaffenen Anlagen, z.B. Planetarium ’Beobachtungsstation für Himmelskörper’) per. bildg. (–). Es wird hauptsächlich in neoklassischen Bildungen verwendet und geht auf das lateinische Lokalsuffix -a¯rium zurück.

Nach der griechischen Mythologie gibt Ariadne, die Tochter des kretischen Königs Minos, dem atheniÞ-ar 3. – Cottez (1980), 36. schen Prinzen Theseus ein Knäuel, das er beim Gang Arkade Sf ’Bogen’, meist Pl. ’Bogengang (usw.)’ per. durch das Labyrinth des Minotaurus abrollen lässt, fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. arcade (zunächst in um nach dessen Bezwingung an diesem ’Leitfaden’ der Bedeutung ’Laubengang’ in der Gartentechnik, den rettenden Ausgang wiederzufinden. dann als ’Bogengang’ in der Architektur), dieses aus Ebenso nndl. draad van Ariadne, ne. Ariadne’s thread, nfrz. fil it. arcata (abgeleitet von it. arco m. ’Bogen’) und ml. d’Ariane, ndn. ariadne-traad, nnorw. ariadnetra˚d. Das Kompositum in dieser Form ist nur deutsch (und aus dem Deutarc(u)atum n., beide aus l. arcus m. ’Bogen’. schen entlehnt). – Röhrich 2 (1992), 957 (s.v. Leitfaden); DF 2 (21996), 195f.

Arie Sf ’(Opern)Lied’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus

it. aria ’Lied, Melodie’, dieses zu afrz. aire ’Art und Weise’, wobei das Wort eine ’Art zu singen’ bezeichnet (vgl. d. ÞWeise ’Art’, Gesangsweise und Weise ’Melodie’). Die Verengung zur heutigen Bedeutung ’Opernlied’ vollzieht sich im 18. Jh. durch die eingeschränkte Verwendung im Zusammenhang der von italienischen Vorbildern geprägten Oper. Ebenso nndl. aria, ne. aria, nfrz. air, aria, nschw. aria, nisl. arı´a. – DF 2 (21996), 196–199; Eggebrecht (1955), 114, 127f.; EWNl 1 (2003), 162.

Aristokratie Sm ’Adelsherrschaft’ erw. fach. (15. Jh.).

Entlehnt aus frz. aristocratie f. ’Adelsherrschaft’, dieses aus l. aristocratia f., aus gr. aristokratı´a f., einem Abstraktum zu einem Kompositum aus gr. a´ristos ’Tüchtigster’, dem suppletiven Superlativ zu gr. agatho´s ’tüchtig, trefflich’, und gr. kra´tos ’Macht, Gewalt’. Im Griechischen bezeichnet das Wort die ’Herrschaft der Vornehmsten’ − in bewusster Scheidung von der Monarchie einerseits und der Demokratie andererseits. Da aber Adel gleichgesetzt wird mit der sittlich-moralischen Qualifikation des Edlen, kommt es zu der Gleichsetzung von Qualifikation und Abstammung, die das neuzeitliche Wortverständnis prägt. Das Adjektiv aristokratisch wird auch übertragen gebraucht. Täterbezeichnung: Aristokrat. Ebenso nndl. aristocratie, ne. aristocracy, nfrz. aristocratie, nschw. aristokrati, nnorw. aristokrati. Vgl. ÞAdel 1. Zum Hinterglied s. ÞDemokratie. – DF 2 (21996), 205–217; HWPh 1 (1971), 505–508; Cottez (1980), 35f.; Huber, A. in Welskopf 5 (1981), 78–107; EWNl 1 (2003), 162f.

Arithmetik Sf ’Rechenkunst’ erw. fach. (14. Jh.). Ent-

lehnt aus l. arithme¯tica, dieses aus gr. arithme¯tike¯´ (te´chne¯), zu gr. arithme¯tiko´s ’was das Rechnen betrifft’, zu gr. arithmeı˜n ’rechnen, zählen’, abgeleitet von gr. arithmo´s m. ’Zahl’. Adjektiv: arithmetisch.

Ebenso nndl. arcade, ne. arcade, nfrz. arcade, nschw. arkad, nnorw. arkade; ÞArmbrust, ÞErker, ÞArkebusier.Ersatzwort ist Bogengang. – DF 2 (21996), 221f.; Jones (1976), 106f.; Brunt (1983), 136; EWNl 1 (2003), 159.

Arkebusier Sm ’Hakenbüchsen-Schütze’ per. arch.

(16. Jh.). Entlehnt aus frz. arquebusier, zu frz. arquebuse f. ’Hakenbüchse’. Ebenso nndl. arkebus(s)ier, ne. harquebusier, nschw. hagelbössa. Das französische Wort vermutlich aus nndl. haakbus unter volksetymologischer Anlehnung an l. arcus ’Bogen’. Die Hakenbüchse hieß so, weil sie beim Schießen auf eine Hakenstange (als Stütze) aufgelegt wurde. – LM 1 (1980), 952.

arktisch Adj ’zur Arktis gehörig, kalt’ erw. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus l. arcticus ’nördlich’, aus gr. arktiko´s, eigentlich ’zum (Sternbild des) Bären gehörig’ (zu gr. a´rktos m. ’Bär, Sternbild des [Großen] Bären’). Dazu die Kunstbildung Arktis (ebenso Antarktis und antarktisch). Die Wörter werden im wesentlichen als Namen und Herkunftsadjektive gebraucht. Ebenso nndl. arctisch, ne. arctic, nfrz. arctique, nschw. arktisk, nisl. arktı´skur. Das Sternbild heißt ursprünglich ’der Wagen’ (sumerisch MUL GID.DA, entsprechend akkadisch eriq(q)u). Das akkadische Wort ist offenbar bei der Entlehnung ins Griechische mit Sekundärmotivation an gr. a´rktos angeschlossen worden. Vgl. Szemere´nyi, O. in 2. Fachtagung. Innsbruck 1962, S. 190. – Scherer, A.: Gestirnnamen bei den indogermanischen Völkern (Heidelberg 1953), 131–134; EWNl 1 (2003), 161.

Arl Sf ’Hakenpflug’ per. arch. (13. Jh.), mhd. arl. Ent-

lehnt aus einer slavischen Sprache (urslav. *ordlo, vgl. sloven. ra´lo, cˇech. ra´dlo). Die zugehörige Pflugschar heißt ärling, was wohl ebenfalls entlehnt ist (frühslav. *ordlı˘niku˘, vgl. allgemein südslav. ralnik). Koren, H.: Pflug und Arl (Salzburg 1950); Wiesinger, P. in Beumann/Schröder (1985), 164–170; Bayerisch-Österreichisches Wörterbuch. Bd. I Österreich (Wien 1963 ff.), I, 328f.

Arlesbaum Sm ’Mehlbeerbaum’ per. arch. (12. Jh.),

mhd. arlizboum, ahd. erlizboum. Herkunft unklar.

arm

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Vielleicht eine Weiterbildung zu dem Wort für Erle, da die Blätter der beiden Bäume sich ähnlich sind. arm Adj std. (8. Jh.), mhd. arm, ahd. ar(a)m, as. arm.

Ebenso nndl. armada, ne. armada, nschw. armada, nnorw. armada. Zur Sippe von l. arma ’Waffen’ s. ÞArmee. – Wis (1955), 93f.

Aus g. *arma- Adj. ’vereinsamt, unglücklich’ (im Ge- Armatur Sf ’Bedienungstafel, Ausrüstung’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus it. armatura und l. arma¯tu¯ra gensatz zu heil), auch in gt. arms, anord. armr, ae. ’Ausrüstung, (Bewaffnung)’, einem Kollektivum zu l. earm, afr. erm. Herkunft unsicher. Nach einer Anarma ¯ tus ’ausgestattet, bewaffnet’, dem PPP. von l. arnahme gehört das Wort zu ig. *er(¡)- ’auflösen’ in lit. ma¯re ’ausrüsten, bewaffnen’, zu l. arma n. ’Gerät`ırti ’sich auflösen, trennen, in Trümmer gehen’, akschaften, Waffen’. slav. oriti ’auflösen’, ai. rte´ ’ohne’. Morphologisch ˙ ai. a´rma- ’Ruinenstätte’ (im Ebenso nndl. armatuur, ne. armature, nfrz. armature, nschw. vergleichbar ist vielleicht armatur, nnorw. armatur. Zur Sippe von l. arma ’Waffen, GeGegensatz zum intakten Dorf); doch wird dies neurätschaften’ s. ÞArmee. – DF 2 (21996), 228–230; EWNl 1 (2003), erdings auf eine Bedeutung ’Brunnen’ und eine Laut163f. form *al- zurückgeführt. Semantisch nach wie vor ansprechend ist die Anknüpfung an ig. (eur.) *orb ho- Armbrust Sf erw. obs. (12. Jh.), mhd. ar(m)brust, ar(m)brost n. Entlehnt aus afrz. arbalestre. Dieses ’zurückgelassen, verwaist, elend’ (l. orbus). Das gerkommt aus l. arcuballista ’Bogenschleuder’ (zu l. manische Wort könnte auf *orbh-mno- mit Assimiarcus m. ’Bogen’ und l. ballista ’Schleudermaschine’, lation von -b hm- zu -mm- zurückgehen; gr. orphano´s das aus einer Ableitung von gr. ba´llein ’werfen, ’verwaist’ auf *orbhmno- (die Zugehörigkeit von ˙ schleudern’ entlehnt ist). Das zweite Glied des deutanord. aumr − s. EWahd 1 − braucht dabei nicht vorschen Wortes wird zuerst auf mhd. berust, berost n. ausgesetzt zu werden). Modifikationen: ärmlich, arm(Kollektivum zu Þrüsten) und erst sekundär (nachselig; Präfixableitung: verarmen. dem dieses Wort ungebräuchlich wurde) auf ÞBrust Ebenso nndl. arm, nschw. arm; ÞArmut. – Weisweiler, J. IF 41 (daher das Femininum) bezogen. (1923), 304–329; Wirth, A. P.: Vor- und Frühgeschichte des Wortes ’arm’ (Diss. Freiburg 1966); Beck, H., Strunk, K. FS Eggers (1972), 18–41; RGA 1 (1973), 413–417; Boretzky, N. ZfB 13 (1977), 9–19; Reiter, N. ZfB 13 (1977), 125–142; EWahd 1 (1988), 333–335; Röhrich 1 (1991), 98f.; Heidermanns (1993), 104f.; EWAia I, 120 (zu ai. a´rma-); Olsen, S. FS Banta (Göppingen 1988), 75–97 (zum Gebrauch als Suffixoid); EWNl 1 (2003), 163.

Arm Sm std. (8. Jh.), mhd. arm, ahd. ar(a)m, as. arm.

Ebenso nfrz. arbale`te, nschw. armborst, nnorw. armbrøst. Zum Erstglied s. ÞArkade, ÞArkebusier und ÞErker. Zur Sippe des Zweitglieds s. ÞSymbol. – LM 1 (1980), 965–969; Schwarz, H. Trier (1981), 21 Anm. 13; Hiersche, R. BN 18 (1983), 262 Anm. 5; EWahd 1 (1988), 336f.

Armee Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. arme´e, femi-

nines Partizip des Perfekts zu frz. armer ’bewaffnen’, dieses aus l. arma¯re, zu l. arma n. ’Gerätschaften, Waffen’.

Aus g. *arma- m. ’Arm’, auch in gt. arms, anord. armr, ae. earm, afr. erm. Dieses aus einem indogerEbenso ne. army, nfrz. arme´e, nschw. arme´, nnorw. arme´. Von manischen Wort für ’Schultergelenk, Arm’, das in l. arma ’Waffen, Gerätschaften’ findet sich ein italienischer Nachfolger verbaut in ÞAlarm, wozu auch ÞLärm; ein franzwei Ablautformen *ar¡-mo- und *r¡-mo- auftritt. ˙ zösischer Nachfolger ist verbaut in ÞGendarm. Das Verb arErsteres in l. armus ’Oberarm, Schulterblatt’, akslav. ma¯re ’bewaffnen, ausrüsten’ ist entlehnt in Þarmieren, sein ramo n. ’Schulter’; letzteres in ai. ¯ırma´- ’Arm’, PPP. über das Spanische in ÞArmada, über das Französische in apreuß. irmo f. ’Arm’. Ableitung von der VerbalwurÞArmee; eine Kollektivbildung dazu in ÞArmatur; eine Ortszel ig. *ar¡- ’fügen’ in gr. ararı´skein ’zusammenfübezeichnung in ÞAlmer. Zur germanischen Verwandtschaft s. gen’ und Ableitungen in anderen Sprachen. GrundÞArm, wo auch die entfernteren lateinischen Verwandten gebedeutung von Arm ist also ’Gelenk’ oder ’Körpernannt sind. – DF 2 (21996), 231–237; Jones (1976), 107f.; Röhteil bei dem Gelenk’. Vermutlich gleicher Herkunft ist rich 1 (1991), 100f. l. arma n. Pl. ’Waffen’ (ÞArmee), l. ars f. ’Kunst’ Ärmel Sm std. (10. Jh.), mhd. ermel, ahd. armilo. Ist wie (ÞArtist) und l. artus m. ’Gelenk’ (ÞArtikel). Präfixae. earmella eine Zugehörigkeitsbildung zu ÞArm in ableitung: umarmen. der Form eines Diminutivs. Grundbedeutung also Ebenso nndl. arm, ne. arm, nschw. arm, nisl. armur. S. auch ’das, was zum Arm gehört’ (vgl. ÞEichel zu ÞEiche). ÞÄrmel, ÞArt 1, ÞReim, ÞRitus. – Hamp, E. P. JIES 10 (1982), 187–189; EWahd 1 (1988), 331–333; Röhrich 1 (1991), 99f.; EWNl 1 (2003), 163.

Röhrich 1 (1991), 101f.; EWahdl 1 (1988), 338.

armieren Vsw ’mit Waffen, mit einer Ummantelung,

mit Stahl versehen’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. armer, das auf l. arma¯re zurückgeht. Zu l. arma n. Entlehnt aus span. armada ’Kriegsflotte, Kriegsheer’, Pl. ’Waffen, Gerätschaften’, also ’mit Waffen oder zu l. arma¯tus ’bewaffnet’, dem PPP. von l. arma¯re Gerätschaften versehen, ausrüsten’. ’ausrüsten, bewaffnen’, zu l. arma n. ’Gerätschaften, Zur Sippe des Wortes s. ÞArmee. Waffen’. Allgemein bekannt geworden als Bezeichnung der von Philipp II. gegen England ausgesandten Armleuchter Sm ’Leuchter mit mehreren Armen’ std. Flotte. (18. Jh., Bedeutung 20. Jh.). Das Wort wird in der Gegenwartssprache als Schimpfwort gebraucht, ur-

Armada Sf ’Kriegsflotte; große Zahl’ per. fach. (16. Jh.).

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sprünglich verhüllend für Arschloch (wegen der gleichen Anfangsbuchstaben der Kompositionsglieder). Vgl. ne. shaving cream, sugar, shoot usw. für shit. – Christopher, R. Maledicta 3 (1979), 195.

Armut Sf std. (8. Jh.), mhd. armuot(e), ahd. armuoti,

armuotı¯ f./n., as. armo¯di. Altes Abstraktum zu Þarm mit unklarem Suffix. Þarm. – EWahd 1 (1988), 338–340.; EWNl 1 (2003), 164.

Arnika Sf (Heilpflanze) per. fach. (14. Jh.). Eine latini-

sierende Bildung unbekannter Herkunft. Entstellt aus gr. ptarmike¯´ ’Nieswurz’? Ebenso nndl. arnica, ne. arnica, nfrz. arnica. – Marzell 1 (1943), 406; LM 1 (1980), 999.

Aroma Sn std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. aro¯ma ’Gewürz’,

dieses aus gr. a´ro¯ma, dessen Herkunft ungeklärt ist. Aromata ’Duftkräuter, Spezereien’ ist eine schon we-

sentlich frühere Entlehnung aus dem Plural des Wortes − heute nicht mehr üblich. Adjektiv: aromatisch. Ebenso nndl. aroma, ne. aroma, nfrz. arome, aroˆme, nschw. arom, nnorw. aroma, nisl. aro´matı´skur. – DF 2 (21996), 237–240; Schütt, H.-W. in Rapp/Schütt (1987), 255–272; EWNl 1 (2003), 164.

Aron(s)stab Sm (Wald- und Heckenpflanze) per. fach.

arrogant bezeichnet oder sie haben die Technik des Brennens solcher Getränke unter dieser Bezeichnung dort eingeführt. Aus dem ostindischen Bereich werden dann die Sache und das Wort nach Europa gebracht, wobei es müßig ist, eine gebende Sprache für das Deutsche ausmachen zu wollen (die maßgebende Rolle für den Handel spielten die Holländer). In der deutschen Literatursprache war die Form Rack üblich (für Arrack als Bestandteil von Punsch). Die von Paraschkewow (2004, 21f.) vertretene Ansicht, das Wort stamme ursprünglich nicht aus dem Arabischen, sondern aus einer morgenländischen Sprache (mit Beispielen aus dem Mongolischen und Koreanischen) ist erwägenswert, doch fehlt bis jetzt ein Nachweis der Entlehnungsrichtung. Ebenso nnd. arak, ne. arrack, rack, nfrz. ara(c)k, arac, nschw. arrak, nnorw. arak. – Littmann (1924), 81, 84f.; Lokotsch (1975), 91; Tazi (1998), 92f.; Arveiller, R. ZRPh 85 (1969), 123–126 Rack.

arrangieren Vsw ’in Ordnung bringen, einrichten’ erw.

fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. arranger, zu frz. ranger ’reihen’ und ad-. Abstraktum: Arrangement. Ebenso nndl. arrangeren, ne. arrange, nfrz. arranger, nschw. arrangera, nnorw. arrangere. Das französische Verb ist eine Ableitung von afrz. renc ’bestimmte Reihe, Platz’, dieses aus awfrk. *(h)ring ’Kreis, Versammlung’; also ’an seinen Platz bringen, einreihen’; ÞRang, Þrangieren; zur germanischen Verwandtschaft s. ÞRing. – Schirmer (1911), 15f.; Brunt (1983), 442 (zu rangieren); HWPh 1 (1971), 520f.; DF 2 (21996), 240–245; EWNl 1 (2003), 165.

(15. Jh.). Der gemeineuropäische Name der Pflanze ist zunächst aron (u.ä.) < ml. aron, arum < gr. a´ron, das seinerseits aus einer Mittelmeersprache entlehnt ist (nach Plinius aus dem Ägyptischen). In der frühen Neuzeit wurde der Name mit dem Namen des Hohepriesters A(a)ron, dem Bruder von Moses, identifiziert und zu verschiedenen Komposita erweitert, Arrest Sm std. (15. Jh.). Vermutlich über das Niederlänvon denen sich in der Standardsprache Aron(s)stab dische entlehnt aus afrz. arrest ’Beschlagnahme, Festdurchgesetzt hat. Der Name bezieht sich auf die aufhalten, (später) Haftbefehl, Verhaftung’, das eine fällig verdickte Form des Blütenkolbens, die auch zu postverbale Bildung zu afrz. arrester ist (entspresexuellen Bezeichnungen geführt hat (Pfaffenpint chend früher im Deutschen bezeugt: fnhd. arrestieren ’Penis des Hohepriesters’). Also die Verbindung einer [14. Jh.]). Das französische Wort aus l. resta¯re Benennung nach der Form mit dem alten Namen; zu ’zurückbleiben, stillstehen’ und l. ad- ’hin, zu’, zu l. dem Stecken Levis mit dem Namen Aarons, den Gott sta¯re (statum) ’stehen’ und l. re-. Eine jüngere Entlehzum Zeichen seiner Wahl grünen und blühen lässt nung des französischen Verbs führt zu arretieren (das (Num. 17,23), besteht keine naheliegende Beziehung. auch in technischer Bedeutung ’blockieren’ verwenMarzell 1 (1943), 443–454. det wird). Ebenso nndl. arrest, ne. arrest, nfrz. arreˆt, nschw. arrest, nnorw. Arrak (älter auch Rack) Sm ’Branntwein aus Reis oder arrest. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. sta¯re ’stehen’ s. Palmsaft unter Zusatz von Melasse’ per. fach. (16. Jh.). ÞDistanz; zur germanischen Verwandtschaft s. Þstehen. – Arrak wurde in Ostindien hergestellt und von dort Schirmer (1911), 16; DF 2 (21996), 245–252; EWNl 1 (2003), 165. eingeführt. Früheste Bezeugungen sind arach für arrivieren Vsw ’vorwärtskommen’ erw. fremd. (16. Jh.). ’Reiswein’ (1525 durch Pigaphetta, den Chronisten Entlehnt aus frz. arriver, das über späte lateinische von Magallans Weltumseglung, erhalten in einer Formen (*adripare) zurückgeht auf eine Präfixableifranzösischen Teilübersetzung, bezogen auf die Philtung zu l. rı¯pa ’Ufer’ und l. ad- ’hin, zu’. In neuerer ippinen), im folgenden Jahrhundert auch für PalmZeit ist besonders das Partizip arriviert ’erfolgreich, wein und für Branntwein aus Zuckerrohr, die Lautangesehen’ gebräuchlich. formen sind arack und raque. Zurückgeführt wird das Ebenso ne. arrive, nfrz. arriver, nnorw. arrivere; ÞRevier. – Wort auf arab. araq, einer Bezeichnung für alkoholJones (1976), 112; DF 2 (21996), 254–257; EWNl 1 (2003), 165f. haltige Getränke, ausgehend von arab. araq at-tamr ’Saft der Dattelpalme’ (ursprünglich bedeutet arab. arrogant Adj ’überheblich’ std. (18. Jh.). Entlehnt aus araq ’Schweiß’). Entweder haben die Araber verfrz. arrogant, dieses aus l. arroga¯ns (-tis), dem PPräs. schiedene einheimische (vergorene) Getränke mit von l. arroga¯re ’etwas für sich beanspruchen’, also ihrem Wort für ein bestimmtes vergorenes Getränk eigentlich ’anspruchsvoll, anmaßend’; zu l. roga¯re

Arsch

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’fragen’ und l. ad- ’hin, zu’. Das Abstraktum Arroganz ist schon früher (14. Jh.) aus dem Lateinischen entlehnt. Ebenso nndl. arrogant, ne. arrogant, nfrz. arrogant, nschw. arrogant, nnorw. arrogant. L. roga¯re gehört letztlich zu l. regere ’richten’; zu l. roga¯re s. Þinterrogativ, ÞSurrogat; zu l. regere s. Þregieren. – DF 2 (21996), 257–260; EWNl 1 (2003), 166.

Arsch Sm std. vulg. (9. Jh., in Komposita 8. Jh.), mhd.

ars, ahd. ars(-belli), as. ars(-belli). Aus g. *arsa- m. ’Arsch’, auch in anord. ars und mit tabuisierender Metathese rass, ae. ears; dieses aus ig. *orso- m. ’Hinterteil’, auch in heth. arra- (lautlich unklar), gr. o´rros, arm. or¯ gleicher Bedeutung, wozu als *orsa¯ gr. oura¯´ f., air. err (mit wohl sekundärer e-Stufe) ’Schwanz’ (air. auch ’hinterer Teil’) gehört. Vermutlich eine Weiterbildung zu (ig.) *oros- n. ’Kuppe, Anhöhe’ in gr. o´ros n. ’Anhöhe, Berg’. Das Wort war offenbar zunächst ein Hüllwort für ein zu erschließendes älteres ig. *g´ hedos n., Verbalabstraktum zu ig. *g´ hed- ’scheißen’. Ebenso nndl. aars, ne. arse, nschw. arsel, nisl. rass. S. auch ÞMastdarm, Þverarschen. – EWahd 1 (1988), 345f.; Röhrich 1 (1991), 102–106; Strunk (1994), 382–384; EWNl 1 (2003), 81.

Arschkarte Sf ’rote Karte beim Fußball’, die – ziehen

gespielt hat. Bei der Übernahme in die deutsche Fachsprache wurde (immer noch ohne feste Terminologie) das weiße Arsenik (Arsenoxyd) als Arsenik bezeichnet, während die gelben und roten Schwefelverbindungen Realgar (ÞRauschgelb) und Auri(pi)gment genannt wurden. Das daraus zu isolierende Metall (dessen Natur lange umstritten war und erst seit dem späten 18. Jh. feststeht) wird meist ebenfalls mit dem lateinischen Wort arsenicum benannt; in etymologischen Spekulationen wird auch die Form arsenum gebraucht (18. Jh.). Im 19. Jh. festigt sich die Terminologie zu Arsen (ein Metall) und Arsenik ’Oxyde dieses Metalls’ (die schon seit dem Altertum als starkes Gift bekannt waren – die Arsensulfite, ebenfalls Arsenik genannt, sind in reiner Form ungiftig); doch wird in Bezug auf die Verwendung als Gift umgangssprachlich auch das Arsenoxyd Arsen genannt. Ebenso nndl. arseen, ne. arsenic, nfrz. arsenic, nschw. arsenik, nisl. arsenı´k. – Goltz (1972), 158–160, 239–242; Lüschen (1979), 175; LM 1 (1980), 1051f.; Barke (1991), 180f.; EWNl 1 (2003), 166.

Arsenal Sn ’Sammlung, Lager’ erw. fach. (15. Jh.). Ent-

lehnt aus it. arsenale m. ’Zeughaus’, dieses aus arab. da¯r as-sina¯ a ’Fabrik, Werft’ (arab. da¯r ’Haus’ und ˙ sina¯’a˙ ’Gewerbe’ zu sana’a ’herstellen’) mit it. En˙dung -ale. Bezeichnung ˙ vor allem für das MarineArsenal in Venedig, in dem auch Waffen hergestellt wurden.

’stark benachteiligt werden’ per. vulg. (20. Jh.). Die frühesten Belege für die (niedere) Standardsprache (um die Jahrtausendwende) zeigen ausschließlich die Fügung die Arschkarte ziehen / gezogen haben und Ebenso nndl. arsenaal, ne. arsenal, nfrz. arsenal, nschw. arsegehen damit eindeutig auf ein Kartenspiel zurück, bei nal, nnorw. arsenal.Ersatzwort für die ursprüngliche Bedeudem der Betroffene die Karte selbst zieht. Die Wentung ist ÞZeughaus. – DF 2 (21996), 260–263; Littmann (1924), dung ist daher gleichwertig mit dem früheren den 88; Wis (1955), 95f.; Lokotsch (1975), 40; LM 1 (1980), 1052f.; schwarzen Peter ziehen, dessen Konnotation mit Kiesler (1994), 169f.; Tazi (1998), 251–253; EWNl 1 (2003), 166. einem Kinderspiel den Gebrauch der Wendung in Art1 Sf ’angeborene Eigentümlichkeit, Natur, Herdramatischeren Situationen ungeeignet erscheinen kunft, Art und Weise’ std. (12. Jh.), mhd. art m./f., ließ. Die Wendung wurde deshalb durch einen Kraftmndd. artf . Das Wort kann altererbt sein, doch ist ausdruck verstärkt. Nachträglich wurde auch die rote auffällig, dass es in früherer Zeit unbelegt ist und erst Karte beim Fußball (die der Schiedsrichter zieht, später allgemein verbreitet wird. Falls es alt ist, ist im nicht der Betroffene) mit diesem Kraftausdruck begermanischen Bereich zu vergleichen ae. eard (ebenzeichnet (was sekundär so begründet wurde, dass der falls selten), mndl. aert ’Lage, Art’, anord. einardrÑ Schiedsrichter die rote Karte in der Hintertasche hat, ’einfach, aufrichtig’ (’von einfacher Art’); außergerdie gelbe in der Brusttasche). manisch ist am ehesten ein Wurzelnomen *ar(¡)tNeuer Wortschatz (2004), 16. ’Fügung’ (zu dem unter ÞArm behandelten *ar¡Arsen Sn (ein Gift, ein Halbmetall) erw. fach. (15. Jh., ’fügen’) anzusetzen, das auch in anderen Sprachen Form 19. Jh.). Als Arsenik entlehnt aus spl. arsenicum, nur in Relikten und Weiterbildungen vergleichbar ist: das auf gr. arseniko´n (arreniko´n) zurückgeht. Die gr. a´rti ’gerade, eben’, gr. a´rtios ’angemessen, richtig, Griechen kannten mindestens das rote und das gelbe bereit’, gr. artı´zein ’ordnen, einrichten’; arm. ard Arsensulfit, die sie zunächst ohne terminologische ’soeben, jetzt’; lit. artu`s ’nahe’ u.a. Ein Anschluss an Unterscheidung als arseniko´n und sandara´ke¯ bezeichÞArt 2 ist aber nicht ausgeschlossen (vgl. ahd. arto¯n neten. Im Lateinischen nannte Plinius das gelbe Ar’wohnen’?). Vermutlich eine Zusammenbildung ist sensulfit auripigmentum ’Goldfarbe’. Die beiden grieabartig; vermutlich eine Präfixableitung entarten; chischen Termini gehen auf semitische Wörter zuPartikelableitungen: ab-, ausarten. rück, arseniko´n auf Entsprechungen von syr. zarnı¯ka¯ Ebenso nndl. aard; ÞArm (dort Verweise auf die Sippe), Þartig. ’Arsenik’, dieses letztlich aus mpers. *zarnı¯k ’gold– HWPh 1 (1971), 525–531; LM 1 (1980), 1055f.; Röhrich 1 (1991), farben’ nach der gelben Farbe der Schwefelverbin106; EWNl 1 (2003), 79. dungen, wobei für den Anlaut wohl eine Sekundär- Art2 Sf (in Zusammensetzungen wie Artacker, Artzaun motivation nach gr. arseniko´s ’männlich’ eine Rolle usw.) per. arch. (12. Jh.), mhd. art ’das Ackern, Acker-

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Arznei

wo auch die entferntere lateinische Verwandtschaft genannt bau’, as. ard ’Aufenthaltsort’. Aus g. *ardi- f. ’das wird. Ersatzwort für den grammatischen Terminus ist GeAckern’, auch in anord. o¸rd,Ñ ae. eard (auch ’Aufentschlechtswort. – Schirmer (1911), 16; DF 2 (21996), 269–282; haltsort, Heimat’ usw.). ti-Abstraktum zu dem alten EWNl 1 (2003), 167. Verbum für ’pflügen’ g. *ar-ja- in gt. arjan, ahd. erren; artikulieren Vsw ’(sorgfältig) aussprechen’ erw. fach. aus ig. (eur.) *ar¡- in l. ara¯re, mir. airid, lit. a´rti, ak(15. Jh.). Entlehnt aus l. articula¯re (eigentlich ’glieslav. orati, gr. arou˜n. dern’), einer Ableitung von l. articulus ’Abschnitt, Seebold (1970), 81–83; EWahd 1 (1988), 347–349. Teil, Glied’ (ÞArtikel). Abstraktum: Artikulation. Art3 Sf (in Wendungen wie Pop Art) ’Kunst’ per. fach. Ebenso nndl. articuleren, ne. articulate, nfrz. articuler, nschw. phras. (20. Jh.). Entlehnt als Bestandteil (amerikaartikulera, nnorw. artikulere. – Weimann, K.-H. DWEB 2 nisch) englischer Bezeichnungen wie ne. Pop Art (aus (1963), 387; HWPh 1 (1971), 535f.; DF 2 (21996), 282–292. popular art ’volkstümliche Kunst’, vielleicht mit beArtillerie Sf ’Geschütze’, (Truppengattung) erw. fach. wusster Anspielung auf ne. pop ’Knall, Knüller’). (15. Jh.). Entlehnt aus frz. artillerie ’Geschütz’, einer Diese Bezeichnungsweise ist im (amerikanischen) Ableitung von afrz. artill(i)er ’mit Gerätschaft ausEnglischen sehr beliebt und hat auch kontinentale rüsten’, dessen Herkunft nicht ganz sicher geklärt ist. Nachahmer, so dass sie als Internationalismus aufgeTäterbezeichnung: Artillerist. fasst werden kann. Ebenso nndl. (pop-)art, nfrz. (pop)art, nschw. art. Für die nähere Verwandtschaft s. ÞArtist, für die Gesamtsippe ÞArm. – Strauss u.a. (1989), 577–583; Carstensen 1 (1993), 49f.; BlW 2 (1984), 302–315 (zum lateinischen Grundwort).

Arterie Sf ’Schlagader’ erw. fach. (14. Jh.). Entlehnt aus

Ebenso nndl. artillerie, ne. artillery, nfrz. artillerie, nschw. artilleri, nnorw. artilleri. Am ehesten stammt das französische Verb aus einem früh-rom. *apticulare zu l. adapta¯re ’anpassen’ oder aus früh-rom. articula¯re (Þartikulieren) im Sinn von ’einteilen, zuteilen’. – DF 2 (21996), 292–299; Horn, W. ASNSL 182 (1943), 51; Jones (1976), 112–114; DEO (1982), 51; LM 1 (1980), 1071; EWNl 1 (2003), 167.

l. arte¯ria, dieses aus gr. arte¯rı´a, einer Ableitung von gr. (syn)aeı´rein ’anbinden, aufhängen’ (aus *aerte¯r- ver- Artischocke Sf (essbare Pflanze) erw. exot. (16. Jh.). einfacht); also ’Aufhängung’, konkret ’am Kopf hänEntlehnt aus (nord)it. articiocco m., entstellte Varigender Schlauch’, dann verallgemeinert. Aus der gleiante von it. carciofo, dieses aus aspan. alcarcofa, aus chen Grundlage ÞAorta. span.- arab. al-harsˇu¯fa, Nebenform zu arab. al˘ gleicher Bedeutung). Teilweise einEbenso nndl. arterie, ne. artery, nfrz. arte`re, nschw. artär, hursˇu¯fa (alle mit nnorw. arterie. – DF 2 (21996), 266–269; EWNl 1 (2003), 166. ˘gedeutscht zu ÞErdschocke. artig Adj std. (13. Jh.), mhd. zunächst mit Umlaut ertec Ebenso nndl. artisjok, ne. artichoke, nfrz. artichaut, nschw. (verneint unartec, unertec). Zu ÞArt 1, also eigentlich ärtskocka, nnorw. artisjokk; ÞErdschocke. – Littmann (1924), 81, 84; Wis (1955), 96; Lokotsch (1975), 66; Kiesler (1994), ’von (guter) Art’ (zur Bedeutung vgl. etwa typisch zu 212f.; Tazi (1998), 253f.; EWNl 1 (2003), 167. ÞTyp). Dann in verschiedenen (positiven) Bedeutungen gebraucht; heute auf wenige Sonderfälle beArtist Sm ’Künstler (der Geschicklichkeitsübungen schränkt und bereits etwas altertümlich. Bildungen vorführt)’ erw. fach. (14. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Entwie bösartig sind Zusammenbildungen (von böser lehnt aus ml. artista, dieses eine Täterbezeichnung zu Art). l. ars (artis) f. ’Kunst, Wissenschaft, Geschicklichkeit’. Mitzka, W. ZDS 26 (1970), 1–8. Das Wort bezeichnete im Deutschen zunächst den Angehörigen der Fakultät der Freien Künste (also der Artikel Sm ’Warengattung, Aufsatz, GeschlechtsPhilosophischen Fakultät), dann den Künstler. Im wort’ std. (13. Jh.). Entlehnt aus l. articulus ’Glied, 19. Jh. entsteht im Zusammenhang mit Variete´s unter Abschnitt’, einem Diminutivum zu l. artus ’Gelenk, Einfluss von frz. artiste die heutige speziellere BedeuGlied’. Das Wort wird zunächst in die Kanzleisprache tung. Die Einschränkung auf diese ist nur deutsch; in entlehnt als ’Abschnitt eines Vertrags’, das sich dann der weiteren Bedeutung ist das Wort ein Internatiauch zu ’Posten einer Warenrechnung’ entwickelt, onalismus. Adjektiv: artistisch. wozu Ende des 17. Jhs. aus frz. article die Bedeutung Ebenso nndl. artiest, ne. artiste, nfrz. artiste, nschw. artist, ’Handelsgegenstand, Ware’ übernommen wird. Im nnorw. artist. S. ÞArt 3, für die germanische Verwandtschaft 17. Jh. schließlich erscheint es als Terminus der und die weiteren Zusammenhänge ÞArm. Ersatzwort ist Sprachbeschreibung (der Artikel als Gelenkstück synKünstler, das aber eine weitere, und z.T. abweichende Bedeutaktischer Fügungen; das lateinische Wort ist Lehntung hat. – DF 2 (21996), 299–308; LM 1 (1980), 1072; EWNl 1 bedeutung nach gr. a´rthron, das bei den Stoikern zu(2003), 167. nächst verschiedene Pronomina bezeichnet und dann auf unterschiedliche Weise festgelegt wird. Die Arve Sf ’Zirbelkiefer’ per. schwz. (17. Jh.). Als arbe, arve belegt. Entstehung dunkel. heutige Bedeutung zuerst bei Diogenes Babylonius). Das abgeleitete Verb Þartikulieren hat die ursprüng- Arznei Sf std. (12. Jh.), mhd. arzenı¯e, erzenı¯e. Zu dem Wort ÞArzt werden früh gebildet ahd. gi-arza¯˘to¯n liche Bedeutung bewahrt. ’verarzten, heilen’ und ahd. arza¯tı¯e ’Heilmittel’. Statt Ebenso nndl. artikel, ne. article, nfrz. article, nschw. artikel, nnorw. artikkel. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞArm, dieser Bildung treten auch andere auf, die dem ver-

Arzt

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drängten älteren Wort (ahd. la¯hhino¯n ’heilen’) nachgebildet sind: ahd. giarzino¯n ’verarzten, heilen’, mhd. erzenen, arzen, woraus mhd. arzenı¯e, nhd. Arznei. Ebenso nndl. artsenij.

Arzt Sm std. (9. Jh.), mhd. arza¯t, arzet, ahd. arza¯t.

Eschenholz ist für Boote wenig geeignet, und somit hängt die Etymologie in der Luft. Hildebrandt, R. DWEB 3 (1963), 377.

Asch2 Sm ’eine Art Lastschiff’ (vgl. Hallasch ’Salz-

schiff’) per. oobd. (8. Jh.), mhd. asch, ahd. ask, as. Wurde in vorliterarischer Zeit aus ml. archiater entasc(men). Geht zurück auf g. *aska- m. ’Boot’, auch in lehnt (näher an der Ausgangsform mndl. arsatere). anord. askr, ae. ¢sc. Die Herkunft des bereits in der Das frühere germanische Wort war ahd. la¯hhi, gt. leLex Salica bezeugten Wortes ist unklar. keis. Das lateinische Wort stammt aus gr. archia¯tro´s RGA 1 (1973), 449f. (Diskussion der Möglichkeiten). ’Erz-arzt’, dem Titel antiker Hofärzte (gr. ia¯tro´s Asche Sf std. (8. Jh.), mhd. asche, ahd. asca, mndd. ’Arzt’, zu gr. ia˜sthai ’heilen’, vgl. ÞPsychiater). In asche, andfrk. asca. Aus g. *aska- f. ’Asche’, auch in frühneuhochdeutscher Zeit wurde der Beruf und die anord. aska, ae. ¢sce, neben *azgo¯ f. in gt. azgo (prinBezeichnung (gegenüber dem gelehrten ÞDoktor) bis zipiell könnte auch das hochdeutsche Wort auf diese zu ’Marktschreier’ abgewertet, doch setzte in der Form zurückgehen). G. *aska- ist vermutlich eine Neuzeit eine Neubewertung ein. Adjektiv: ärztlich; Zugehörigkeitsbildung zu ig. *has- ’Herd’ (ÞEsse), Präfixableitung: verarzten. also ’das zum Herd (oder Feuer o.ä.) Gehörige’, ähnEbenso nndl. arts. S. Þarchi-, ÞErz-, ÞArznei und zum grielich wie ai. a¯´sa-, heth. hasˇˇsa- ’Asche’ eine Vriddhichischen Grundwort ÞAnarchie. – Arnold, R. Sprachkunde Bildung zu der gleichen Grundlage sein dürfte. Die (1938), 14–16; Richter, G. BGDSL-H 88 (1967), 258–275; RGA 1 verbale d-Ableitung *haz-d- in gr. a´zein ’dörren, (1973), 440–446; LM 1 (1980), 1098–1101; Niederhellmann trocknen’ und cˇech. hvozdit, acˇech. ozditi ’Hopfen, (1983), 66–87; EWahd 1 (1988), 358–360; Kandler, G. Therapeutische Berichte 29 (1957), 366–375 (zum Benennungsmotiv Malz darren’ ist wohl als ’Hitze geben’ o.ä. aufzufasfür ’Arzt’); EWNl 1 (2003), 168. sen und war früher vermutlich weiter verbreitet. So könnte gt. azgo als *haz-d-ko- unter dem Einfluss dieAs Sn ’höchste Spielkarte’ std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. ser Form stehen; vergleichbar ist vielleicht arm. as m., wo mit diesem Wort die ’Eins’ auf Würfeln, acˇiwn. Partikelableitung: einäschern. Dominosteinen usw. bezeichnet wurde, danach auch Ebenso nndl. as, ne. ash(es), nschw. aska, nisl. aska; ÞEsse. – die Karte mit dem höchsten Spielwert (da sie nur eine LM 1 (1980), 1102; Röhrich 1 (1991), 106f.; EWahd 1 (1988), Markierung ihrer Spielfarbe aufwies). Das französi363–366; EWNl 1 (2003), 168f. sche Wort geht zurück auf l. as m., das die kleinste Münze bezeichnete, ursprünglich ein Wort für Äsche Sf ’ein Flussfisch’ per. fach. (9. Jh.), mhd. asche m., ahd. asco m., as. asco. Die Umlautform und das ’Plättchen, Scheibe’. In der Bedeutung ’Eins auf WürGenus kommen in nachmittelhochdeutscher Zeit aus feln’ schon mhd. esse, fnhd. eß, das vermutlich auf die dem Plural. Herkunft unklar. Vielleicht zu ÞAsche. ursprüngliche lateinische Form as (assis) zurückgeht. Die Bedeutung ’Persönlichkeit mit außergewöhnliEWahd 1 (1988), 367. chen Fähigkeiten’ teilweise unter englischem EinAschenbrödel (Aschenputtel) Sn std. alt. (16. Jh.). Alte fluss. Bezeichnung für den Küchenjungen. Eigentlich ’der, Ebenso nndl. aas, ne. ace, nfrz. as. – Carstensen 1 (1993), 50f.;

EWNl 1 (2003), 82.

der in der Asche wühlt’ (Þbrodeln, Þbuddeln). Heute nur noch als Name einer Märchenfigur bekannt.

Asbest Sm ’feuerfester Faserstoff’ erw. fach. (12. Jh.).

Aschermittwoch Sm std. (14. Jh.). An diesem Tag (MittEntlehnt aus l. asbestos, dieses aus gr. a´sbestos woch nach Fasnacht, Beginn der Fastenzeit) macht ’unauslöschlich, unzerstörbar’, PPP. von gr. sbenny´der Priester den Gläubigen zum Zeichen ihrer Bußnai ’auslöschen’ mit negierendem gr. a- (Þa-). Das fertigkeit ein Kreuz aus Asche auf die Stirn. Das -erWort bezeichnet im Griechischen den ungelöschten in der Fuge dieses Wortes hängt mit einer regionalen Kalk; der Bezug auf das in Gewebe verarbeitbare, feuPluralform von ÞAsche zusammen. erfeste Mineral erst bei Plinius in lateinischer Sprache Aschkuchen Sm ÞAsch. − möglicherweise auf Grund fehlerhafter Überlieferung. Unser Asbest heißt auf Griechisch amı´antos. Aschlauch Sm ÞSchalotte. Ebenso nndl. asbest, ne. asbestos, nfrz. asbeste, nschw. asbest, nnorw. asbest, nisl. asbest. – DF 2 (21996), 308–311; Diels, H. ZVS 47 (1916), 203–207; Goltz (1972), 171; Lüschen (1979), 176–178; EWNl 1 (2003), 169.

Asch1 Sm (Gefäß, vgl. ÞAschkuchen ’Gugelhopf, Napf-

kuchen’) per. md. (13. Jh.), mhd. asch. Herkunft unklar; denkbar ist ein Zusammenhang mit ÞAsch 2 und mit ÞEsche, etwa in dem Sinn, dass das Boot nach dem Material (Esche), das Gefäß nach dem Boot bezeichnet worden wäre (vgl. dazu etwa ÞSchiff ). Aber

Ase Sm (Gott der nordischen Mythologie) per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus anord. a´ss. Dieses führt mit ae. o¯s gleicher Bedeutung auf g. *ansu- m. ’Gott’, dessen weitere Entstehung dunkel ist. Verlockend wäre ein Anschluss an ai. a´sura-, avest. ahura- ’Bezeichnung einer Götterklasse’, auch ’Gott’ (< *nsu-), weiter ab liegt die Möglichkeit, an heth. hasˇˇsu-˙ ’König’ anzuknüpfen. Im älteren Deutschen˘ in Namen mit Ans-, später auch in entlehnten Namen mit Os-.

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Assessor

´ s. – Polome´, Aspik Smn ’Sülze’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. Ebenso nndl. Ase, ne. (Pl.) Aesir, nschw. as, nisl. A E. C. EG 8 (1953), 43; Szemere´nyi, O. ZVS 73 (1955), 77; RGA 1 aspic m. gleicher Bedeutung − ursprünglich aber (1973), 457f.; Motz, L. IF 89 (1984), 190–195; LM 1 (1980), ’Konzentrat aus Fleischsoße, Fond’; übertragen aus 1104–1106; Bammesberger, A. BzN 31 (1996), 231–240.

äsen Vsw erw. fach. (12. Jh.), mhd. a¯zen, ¯ezen. Das

schwache Verb äsen (älter -ss-, schwz. ätzen) ’weiden’ (älter ’etwas abweiden’) ist zu ahd. a¯z ’Futter, Weide’ gebildet; älter ist atzen, ahd. (alem.) a¯zzen ’füttern, jmd. speisen’, das aber auch mit anderer Lautung bezeugt ist, so dass die Vorform nicht sicher beurteilt werden kann. Vgl. mndd. asen, mndl. asen; ÞAas, Þatzen.

Aser Sm ’Speisesack, Mahlzeit des Jägers’ per. schwz.

(14. Jh.). Geschrieben auch Eser, Öser, Oser. Lokativbildung (’Ort, wo das Essen ist’, Suffix aus l. -a¯rium) zu ÞAas in der Bedeutung ’Speise’. Dann teilweise verallgemeinert zu ’Ranzen’ (z.B. Schulaser), teilweise verschoben zu ’Inhalt des Speisesacks, Mahlzeit’. ÞAas, Þessen. – Ott, P.: Sprache der Jäger (Frauenfeld 1970), 242–245.

Asket Sm ’enthaltsam lebender Mensch’ erw. fach.

der Bezeichnung des ätherischen Öls des Lavendels (lavandula spica, nhd. (großer) Speik), weil es sich in beiden Fällen um wichtige Essenzen handelt. Ebenso ne. aspik, nnorw. aspik. – Bertoldi, V. ZRPh 54 (1934), 229f.; DEO (1982), 52f.; EWNl 1 (2003), 170.

Aspirant Sm ’Anwärter, Bewerber’ per. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. aspirant, einer Ableitung von frz. aspirer ’sich bewerben, streben nach’, aus l. aspı¯ra¯re ’sich einer Sache oder Person nähern, zu jmd. oder zu etwas zu gelangen suchen’; eigentlich ’zuhauchen, zuwenden’, zu l. spı¯ra¯re ’hauchen, atmen’ und l. ad’hin, zu’. Die Grundbedeutung zeigt sich in aspirieren ’behauchen’ und seinem Abstraktum Aspiration, sowie dem substantivierten PPP. Aspirata (-e) ’Hauchlaut’. Der Bedeutungsübergang von ’zuhauchen’ zu ’streben nach’ ist nur noch an der lateinischen Ausgangsbedeutung zu verfolgen, wo das Verb mit Dativ ’begünstigen, helfen’ bedeutet. Zugrunde liegt die Vorstellung des begünstigenden (und auf ein Ziel ausgerichteten) Windes für das Segelschiff.

(18. Jh.). Entlehnt aus gr. aske¯te¯´s, einem Nomen Agentis zu gr. askeı˜n ’üben, etwas gewissenhaft tun’. Ebenso nndl. aspirant, ne. aspirant, nfrz. aspirant, nschw. asDie Askese bedeutet im alten Griechenland zunächst pirant, nnorw. aspirant. Zur Sippe von l. spı¯ra¯re ’atmen’ s. die körperliche Ertüchtigung, dann geistige Schulung Þkonspirieren. Ersatzwort ist ÞAnwärter. – DF 2 (21996), und Zucht, bei der Selbstbeherrschung und Entsa330–336; EWNl 1 (2003), 170. gung teilweise stärker hervortreten. Die christliche, Assel (auch Atzel, Nassel u.a.) Sf , auch m. (lichtscheues auf Entsagung und teilweise Weltverneinung begrünKleintier) erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus it. asello m. dete Askese wird erst im 17. Jh. mit dem Wort Askese ’Assel’ zu l. asellus m. ’kleiner Esel’; deshalb heißt das bezeichnet. Adjektiv: asketisch; Abstraktum: Askese. Tier auch ÞMaueresel, Eselchen u.ä. Das italienischEbenso nndl. asceet, ne. ascetic, nfrz. asce`te, nschw. asket, lateinische Wort ist eine Bedeutungsentlehnung aus nnorw. asket. – Pfister, F. FS Deissmann (1927), 76–81; Siegr. onı´skos m. zu gr. o´nos m./f. ’Esel’, formal ein Digert (1950), 36; HWPh 1 (1971), 538–543; LM 1 (1980), 1112–1116; minutiv, aber eigentlich eine Zugehörigkeitsbildung. 2 DF 2 ( 1996), 311–320; EWNl 1 (2003), 169. Gr. o´nos und onı´skos bezeichnen auch den TausendAspekt Sm ’Gesichtspunkt’ erw. fremd. (15. Jh.). Entfüßler und ähnliche kleine Tiere, vielleicht wegen der lehnt aus l. aspectus ’Anblick, Ausblick, Hinsehen’, grauen Farbe, oder weil ursprünglich eine auf Eseln einem Nomen Actionis zu l. aspicere ’hinsehen’, zu l. schmarotzende Laus gemeint war, dann auch andere specere ’sehen, schauen’ und l. ad- ’hin, zu’. Als TerSorten Läuse und schließlich die Tausendfüßler und minus der mittelalterlichen Astronomie hat das Wort die (oberflächlich ähnlichen) Asseln. Die Form mit zunächst die Bedeutung ’Konstellation der Planeten -tz- tritt auch bei dem Wort ÞEsel auf und widerund ihr Einfluss auf irdisches Geschehen’, dann spricht deshalb einer Gleichsetzung nicht. Vgl. l. por’Vorzeichen, Aussicht’ und die heutige Bedeutung. cellio m. ’Assel’, ursprünglich ’Schweinelaus’ zu l. porEbenso nndl. aspect, ne. aspect, nfrz. aspect, nschw. aspekt, cus m. ’Schwein’. Die italienischen Belege sind nicht nnorw. aspekt. Zur Sippe von l. specere ’sehen’ s. Þinspizieren. – früher als die deutschen, so dass hier noch weitere DF 2 (21996), 323–327; EWNl 1 (2003), 170. Klärung nötig ist. Asphalt Sm ’Erdpech’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus ÞEsel. – Strömberg, R.: Griechische Wortstudien (Göteborg spl. asphaltus, dieses aus gr. a´sphaltos, einer Partizi1944), 10; Pfeifer, W. Philologus 123 (1979), 172f. pial-Ableitung von gr. spha´llesthai ’beschädigt werAssessor Sm ’Anwärter der höheren Beamtenlaufden, umgestoßen werden’ mit negierendem gr. abahn’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. assessor (Þa-). Es ist das (Binde-)Mittel, das ursprünglich ver’Beisitzer bei Gericht’, einem Nomen Agentis zu l. wendet wird, um Mauern zu festigen, d.h. vor dem asside¯re ’dabeisitzen’, zu l. sede¯re ’sitzen’ und l. adUmfallen oder Einreißen zu schützen (vgl. ÞBeton). ’hin, zu’. Von da dann Weiterentwicklung zu Ebenso nndl. asfalt, ne. asphalt, nfrz. asphalte, nschw. asfalt, ’Richter oder Beamter am Anfang der Laufbahn im nisl. asfalt. – DF 2 (21996), 327–330; Diels, H. ZVS 47 (1916), höheren Dienst’. 207–210; Lüschen (1979), 178; EWNl 1 (2003), 169. Ebenso nndl. assessor, ne. assessor, nfrz. assesseur, nschw. assessor, nnorw. assessor. Zur Sippe von l. sede¯re ’sitzen’ s.

assimilieren ÞResidenz; zur germanischen Verwandtschaft s. Þsitzen. – DF 2 (21996), 345–348.

assimilieren Vsw ’angleichen’ erw. fach. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus l. assimila¯re, zu l. simula¯re ’ähnlich machen, nachbilden’ und l. ad- ’hin, zu’, zu l. similis ’ähnlich’. Abstraktum: Assimilation (in der Antike rhetorischer Begriff für die Annäherung des Redners an die Meinung der Zuhörer). Ebenso nndl. assimileren, ne. assimilate, nfrz. assimiler, nschw. assimilera, nnorw. assimilere. Zur Sippe von l. similis ’ähnlich’ s. ÞFaksimile; zur germanischen Verwandtschaft s. Þzusammen. – HWPh 1 (1971), 544–548; Horstmann, A. AB 30 (1986), 7–43; DF 2 (21996), 348–359; EWNl 1 (2003), 172.

Assistent Sm ’Helfer, Gehilfe’ erw. fach. (16. Jh.). Ur-

sprünglich englische Neubildung zum PPräs. von l. assistere ’beistehen’, zu l. sistere ’(sich) hinstellen’ und l. ad- ’hin, zu’. Verb: assistieren. Ebenso nndl. assistent, ne. assistant, nfrz. assistant, nschw. assistent, nnorw. assistent. Zur Sippe von l. sistere s. Þexistieren; zu dem zugrunde liegenden l. sta¯re s. ÞDistanz, die deutsche Verwandtschaft unter Þstehen. – DF 2 (21996), 360–363; Jones (1976), 116f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 27; EWNl 1 (2003), 172.

assoziieren Vsw ’sich verbinden, sich zusammenschlie-

ßen’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. s’associer, dieses aus l. associa¯re ’vereinigen, verbinden’, zu l. socia¯re ’vereinigen, verbinden’ und l. ad- ’hin, zu’, zu l. socius ’Gefährte’ (verwandt mit l. sequı¯ ’folgen’). Zunächst ein Terminus der Kaufmannssprache (refl., vgl. ’Gesellschafter’), dann vor allem ein Wort der Psychologie (trans.) ’Gedanken oder Bilder miteinander verbinden, hervorrufen’. Abstraktum: Assoziation; Adjektiv (Psychologie): assoziativ. Ebenso nndl. associ¡ren, ne. associate, nfrz. associer, nschw. associera, nnorw. assosiere. Zur Sippe von l. sequı¯ ’folgen’ s. ÞKonsequenz. – Schirmer (1911), 18; DF 2 (21996), 365–376; Markus, D. F.: Die Associationstheorien im XVIII. Jahrhundert (Halle 1901; zu Assoziation [psych.]); HWPh 1 (1971), 548–554; Holenstein, E.: Phänomenologie der Assoziation (Den Haag 1972); Müller (1965; gesellschaftlich); EWNl 1 (2003), 172f.

Ast Sm std. (8. Jh.), mhd. ast, ahd. ast, as. ast. Aus g.

66 Aster Sf ’Sternblume’ erw. fach. (18. Jh.). Das griechi-

sche Wort gr. aste¯´r m. ’Stern’ als Bestandteil von Blumenbezeichnungen wird im 18. Jh. in die lateinisch bestimmte Fachsprache und von da aus ins Deutsche übernommen, zunächst nach griechischem Vorbild als Maskulinum. Ebenso nndl. aster, ne. aster, nfrz. aster, nschw. aster, nisl. astra. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞStern 1; Þastro-, ÞAstrologie, ÞAstronomie, ÞDesaster.(Kaum gebrauchtes) Ersatzwort ist Sternblume. – Ganz (1957), 32f.; EWNl 1 (2003), 173.

Ästhetik Sf ’Lehre von der Schönheit’ erw. fach.

(18. Jh.). Eine besondere Wissenschaft der Gesetzmäßigkeiten des Schönen wurde 1735 von A. G. Baumgarten gefordert und dann in Vorlesungen und Schriften (1750 Aesthetica in lateinischer Sprache) ausgebaut. Der Vorschlag wurde rasch aufgegriffen und das Wort auch in die Volkssprachen übernommen. Das Wort ist entlehnt aus gr. aisthe¯tiko´s ’das Wahrnehmbare (gr. aisthe¯to´s) betreffend’, zu gr. aistha´nesthai ’wahrnehmen’ (als Grundform wird (ig.) *awis-d h- angesetzt, das auch l. audı¯re ’hören’ zugrunde liegen kann). Die Bedeutungskomponente ’schön, geschmackvoll’, die besonders in ästhetisch und Ästhet hervortritt, ist erst durch diesen terminologischen Gebrauch in die Sippe des griechischen Wortes gekommen (zuvor nur ’wahrnehmen, Sinneswahrnehmung’). Ebenso nndl. esthetica, ne. (a)esthetics, nfrz. esthe´tique, ndn. ¢stetik, nschw. estetik, nnorw. estetikk. S. ÞAnästhesie, ÞSynästhesie und zur lateinischen Verwandtschaft ÞAudienz, Þaudio-, ÞAuditorium. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 164; DF 1 (1913), 56; HWPh 1 (1971), 555–581; LM 1 (1980), 1128f.; Bark, K. in Scholtz, G. (Hrsg.): Interdisziplinarität der Begriffsgeschichte (Hamburg 2000), 55–62 (und Fontius, M. ebd. 63–65); EWNl 1 (2003), 703.

Asthma Sn ’Atemnot’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus

gr. a´sthma, einer morphologisch unklaren Ableitung von ig. *an¡- ’atmen’ (vermutlich *han¡-). Adjektiv: asthmatisch; Täterbezeichnung: Asthmatiker. S. zur lateinischen Verwandtschaft Þanimieren und zur germanischen Verwandtschaft Þahnden 1.

Ebenso nndl. astma, ne. asthma, nfrz. asthme, nschw. astma, *asta- m. ’Ast’, auch in gt. asts (der i-Stamm des Altnisl. asma. – DF 2 (21996), 392–394; EWNl 1 (2003), 174. hochdeutschen ist wohl sekundär). Aus ig. (eur.) *ozdo- m. ’Ast, Zweig’, auch in gr. o´zos und arm. ost. astro- LAff erw. (–). Das Element geht auf die KomVermutlich aus **o-sd-o- ’das, was ansitzt’ zu der positionsform von gr. aste¯´r ’Stern’ (und gr. a´stron Wurzel *sed- ’sitzen’ (es wäre also eigentlich der Ast’Gestirn’) zurück (z.B. ÞAstronomie ’Sternkunde’) knorren so bezeichnet worden − nach anderer Aufund wird in neoklassischen Bildungen verbaut, die fassung ’Platz, auf dem sich der Vogel niedersetzt’, mit ’Stern-’ zu tun haben (z.B. ÞAstronaut). vgl. ÞNest). Als Zugehörigkeitsbildung mit Vriddhi Cottez (1980), 40. noch ae. o¯st, mndd. o¯st, mndl. oest (aus g. *o¯sta-) Astrologie Sf ’Sterndeuterei’ erw. fach. (12. Jh.). Ent’Astknorren’. Umgangssprachlich ist Ast ’Knorren’ lehnt aus l. astrologia, dieses aus gr. astrologı´a für ’Buckel’, vgl. sich einen Ast lachen. ’Sternkunde’ zu gr. astrolo´gos ’Sternkundiger’ zu gr. Þsitzen. – Darms (1978), 236–238; EWahd 1 (1988), 373–375; astro- (Þastro-) und gr. lo´gos (Þ-loge). Die griechische Röhrich 1 (1991), 107f.; Knobloch, J. IF 92 (1987), 29–32; Sternkunde ist zunächst eine wissenschaftliche (maHamp, E. P. NOWELE 18 (1990), 95f. thematische) Disziplin, in die dann immer stärker Elemente der Sterndeutung eindringen, die − sofern

Atem

67

sie aus dem Orient kommen − auch Astromantie deutung mit − durch die Entwicklung bedingten − (und ihre Vertreter Chaldäer) genannt werden. Im neuen Konnotationen (besonders bei der TäterbeMittelalter sind Sternkunde und Sterndeutung prakzeichnung Asylant). tisch ungeschieden und werden sowohl Astrologie wie Ebenso nndl. asiel, ne. asylum, nfrz. asile, nschw. asyl, nnorw. asyl. – DF 2 (21996), 416–422; Siegert (1950), 36f.; Link, J. in ÞAstronomie genannt. Die moderne Unterscheidung Flucht und Asyl. Hrsg. D. Thränhardt, S. Wolken (Freiburg in Astronomie ’Sternkunde’ und Astrologie ’Stern1988), 50–61; Strauss u.a. (1989), 86–90; LM 1 (1980), 1156–1158; deutung’ kommt etwa mit J. Kepler (16./17. Jh.) auf MoterErichsen, G. Spra˚k og spra˚kundervisning 25 (1992), und steht im Zusammenhang mit der Umgestaltung 19f.; EWNl 1 (2003), 169. des mittelalterlich-theologischen Weltbildes. Adjek-at Suffix (mit verschiedenen Funktionen) per. bildg. tiv: astrologisch; Täterbezeichnung: Astrologe. (–). Vorbild können zunächst Entlehnungen deverEbenso nndl. astrologie, ne. astrology, nfrz. astrologie, nschw. bativer maskuliner tu-Stämme zu lateinischen Verastrologi, nnorw. astrologi; Þastro-, ÞAstronaut, ÞAstronomie, Þ-loge, Þ-logie. – DF 2 (21996), 400–405; HWPh 1 (1971), ben auf -a¯re gewesen sein (ÞApparat aus l. appara¯tus 584–587; LM 1 (1980), 1135–1145; Hübner, W.: Die Begriffe Aszu l. appara¯re, ÞOrnat aus l. orna¯tus zu l. orna¯re usw.) tronomie und Astrologie in der Antike (Mainz 1989); EWNl 1 − sie sind im Deutschen Maskulina geblieben. Pro(2003), 174f. duktiv geworden sind die formal entsprechenden denominativen Ämterbezeichnungen mit dem bereits Astronaut Sm ’Weltraumfahrer’ erw. fach. (20. Jh.). festgewordenen Suffix l. -a¯tus (Konsulat zu ÞKonsul, Entlehnt aus am.-e. astronaut im Zusammenhang mit Dekanat zu ÞDekan usw.) − sie sind im Deutschen der amerikanischen Weltraumfahrt. Das Wort Neutra geworden. Auch Substantivierungen aus dem stammt aus dem Französischen, wo es in Analogie zu PPP. von Verben auf -a¯re und die mit ihnen verwandae´ronaute ’Ballonfahrer’ gebildet wurde, um denjeten denominalen Zugehörigkeitsbildungen (maskunigen zu bezeichnen, der sich mit Plänen zur Weltline und neutrale to-Stämme) können bei der Entraumfahrt befasst. Die Bezeichnung bleibt dann für wicklung des Fremdsuffixes eine Rolle gespielt haben die amerikanischen Weltraumfahrer, während von (z.B. Reservat, Literat). Produktiv sind im Deutschen den Russen Kosmonaut vorgezogen wird. außer den Ämterbezeichnungen neutrale Nomina Ebenso nndl. astronaut, ne. astronaut, nfrz. astronaute, nschw. astronaut, nnorw. astronaut; Þastro-, ÞNautik. – Carstensen Actionis und Nomina Acti, sowie damit zusammen1 (1993), 52f.; DF 2 (21996), 405f.; EWNl 1 (2003), 175. hängende Konkret-Bezeichnungen (vor allem zu Verben auf Þ-ier(en)), stark gestützt durch entspreAstronomie Sf ’Sternkunde’ erw. fach. (12. Jh.). Entchende Entlehnungen aus dem Französischen (Telelehnt aus l. astronomia, dieses aus gr. astronomı´a fonat, Konzentrat). Hierzu auch das Suffix zur Be’Sternkunde’ zu gr. astrono´mos ’Sternkundiger’ zu gr. zeichnung chemisch-pharmazeutischer Präparate astro- (Þastro-) und gr. no´mos (Þ-nom). Das grie(Barbiturat usw.). chische Wort ist später und seltener als gr. astrologı´a und bleibt zunächst auf die wissenschaftliche (maWortbildung 2 (1975), 307f., 417f., 464f. u.ö. thematische) Seite der Sternkunde beschränkt. Erst Atelier Sn ’Werkstatt (eines Künstlers)’ erw. fremd. im Mittelalter wird unter ÞAstronomie auch ’Stern(18. Jh.). Entlehnt aus frz. atelier m. ’Werkstatt (alldeuterei’ verstanden. Nach J. Kepler werden die beigemein)’. Die allgemeine Bedeutung tritt im Deutden Bezeichnungen wie auch die beiden Disziplinen schen nur selten auf, im allgemeinen ’Werkstatt eines schärfer getrennt. Adjektiv: astronomisch; TäterbeMalers’, dann auch Foto-, Film-, Mode-Atelier usw. zeichnung: Astronom. Ebenso nndl. atelier, ne. atelier, nfrz. atelier, nschw. atelje´, Ebenso nndl. astronomie, ne. astronomy, nfrz. astronomie, nschw. astronomi, nnorw. astronomi; Þastro, ÞAstronaut, ÞAstrologie, Þ-nom. – HWPh 1 (1971), 588–593; LM 1 (1980), 1145–1153; DF 2 (21996), 407–416; EWNl 1 (2003), 175.

Asyl Sn ’Zufluchtstätte’ erw. fach. (15. Jh., Form 18. Jh.).

nnorw. atelier. Das französische Wort aus älterem mfrz. astelier m. ’Ort, wo viele Holzspäne sind, Tischlerwerkstatt’, zu afrz. astele ’Span, Splitter’, aus früh-rom. *astella, einer volkssprachlichen Variante zu l. assula ’Splitter’; dieses ein Diminutivum zu l. asser m. ’Stange, Balken’. – DF 2 (21996), 426–430; EWNl 1 (2003), 175f.

Entlehnt aus l. asy¯lum, dieses aus gr. a´sy¯lon, zu gr. a´sy¯los ’unberaubt, sicher’, zu gr. sy˜lon ’Raub, PlünAtem Sm std. (8. Jh.), mhd. a¯tem, ahd. a¯tum, as. a¯doÑ m. derung’ und negierendem gr. Þa-. In der Antike ist Aus wg. *¢ ¯ d(u)ma- m. ’Hauch, Atem’, auch in ae. Ñ , afr. ¯ethma; dieses aus ig. *e¯tmo´- ’Atem’, auch in ¢ ¯ dm Asyl ein Heiligtum, in dem der Schutzsuchende vor jedem Zugriff sicher ist. Später geht dieses Recht auf ai. a¯tma¯´ ’Hauch, Seele’ (n-Stamm) und vielleicht air. athach f. ’Hauch, Wind’. Entstehung dunkel. Luthers christliche Kultstätten über. In dieser Bedeutung (also praktisch als Exotismus) wird das Wort im Form ÞOdem (mit regional weit verbreitetem WanDeutschen zunächst in seiner lateinischen Form verdel von a¯ zu o¯ und nördlichem d für t) ist auf die wendet; dann verallgemeinert zu ’Zufluchtsort’ und religiöse und gehobene Sprache beschränkt geblieben. Verb: atmen. endungslos; ab dem 19. Jh. dann ’Heim bzw. Unterkunft für Bedürftige’. In der Nachkriegszeit durch das Ebenso nndl. adem. – EWahd 1 (1988), 391–393; Röhrich 1 (1991), 18; EWNl 1 (2003), 98. deutsche Asylrecht Rückgriff auf die Ursprungsbe-

Atheismus

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Atheismus Sm erw. fach. (16. Jh.). Neoklassische Ablei- Atmosphäre Sf ’Lufthülle der Erde, Stimmung’ erw.

tung zu gr. a´theos ’gottlos, die Staatsgötter leugnend’, zu gr. theo´s ’Gott’ und negierendem gr. a- (Þa-). Täterbezeichnung: Atheist; Adjektiv: atheistisch. Ebenso nndl. atheı¨sme, ne. atheism, nfrz. athe´isme, nschw. ateism, nnorw. ateisme; ÞEnthusiasmus, ÞTheologie. – DF 2 (21996), 430–437; HWPh 1 (1971), 595–599; Kern, W. ZKTh 97 (1975), 3–40; Jones, W. J. SN 51 (1979), 249; Bianca, C. AIONSF 3 (1980), 71–104; Winiarczyk, M. Philologus 128 (1984), 157–183.

Äther Sm ’Raum des Himmels, Narkosemittel’ erw.

fach. (17. Jh.). Neoklassische Bildung zu gr. atmo´s m. ’Dunst’ und gr. sphaı˜ra ’Kugel’ zur Bezeichnung des angeblich von Himmelskörpern ausströmenden und sie umgebenden Dunstes. Die übertragene Bedeutung ’Umgebung, Stimmung’ findet sich ab dem 18. Jh.; die Bezeichnung für die Maßeinheit des (Luft-)Drucks seit dem 19. Jh. Ebenso nndl. atmosfeer, ne. atmosphere, nfrz. atmosphe`re, nschw. atmosfär, nnorw. atmosf¢re; ÞSphäre. Ersatzwort ist Dunstkreis. – DF 2 (21996), 454–460; Cottez (1980), 41; EWNl 1 (2003), 178.

fach. (14. Jh.). Entlehnt aus l. aethe¯r ’oberste Luftschicht’, dieses aus gr. aithe¯´r (eigentlich ’LeuchtenAtoll Sn ’Koralleninsel’ per. exot. (19. Jh.). Entlehnt aus des’), zu gr. aı´thein ’brennen, glühen, leuchten’. Nach ne. atoll, das seinerseits aus einheimischen Bezeichgriechischer Vorstellung lag über dem niederen Luftnungen wie atollon und atoll für die Malediven überraum (gr. a¯¯e´r) eine höhere Luftzone, der Äther. Im nommen ist. Im Englischen ist das Wort seit dem Äther, dem Wohnsitz der Götter, soll die Luft beson16. Jh. als Exotismus bekannt, 1842 wird es von Darders fein und hell sein. Im 18. Jh. wird das Wort zur win in die Wissenschaftssprache eingeführt. Bezeichnung eines Betäubungsmittels verwendet, das Ebenso nndl. atol, ne. atoll, nfrz. atoll, nschw. atoll, nnorw. flüchtiger als Luft ist (also wie der Äther über dieser atoll. Das Wort geht wohl auf malayalam adal ’verbindend’ ˙ schwebt). Im 19. Jh. wird es für das Medium der Lichtzurück; bezieht sich also auf die ringförmige Struktur der Inund Funkwellen außerhalb des Luftraums in Anseln; vgl. singhal. ätul, maledivisch atou. – Littmann (1924), 121; EWNl 1 (2003), 178. spruch genommen. In der Bedeutung stark verselbständigt ist das Adjektiv ätherisch ’vergeistigt’, tech- Atom Sn ’kleinstes Teilchen’ std. (15. Jh., Form 19. Jh.). nisch ’flüchtig (von Ölen)’. Entlehnt aus l. atomus f., zunächst mit lateinischer Ebenso nndl. ether, ne. ether, nfrz. ´ether, nschw. eter, nnorw. Flexion und maskulinem Genus. Das lateinische eter. – DF 2 (21996), 437–448; Ganz (1957), 28f.; Weimann, Wort wiederum ist entlehnt aus gr. a´tomos, einer SubK.-H. DWEB 2 (1963), 387; HWPh 1 (1971), 599–601; LM 1 stantivierung von gr. a´tomos ’unteilbar’, abgeleitet (1980), 1164f.; EWNl 1 (2003), 705. von einer Ablautstufe von gr. te´mnein ’schneiden’ mit Athlet Sm ’Wettkämpfer’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. negierendem gr. a-. Im 19. Jh. deutsche Flexion und a¯thle¯ta, zu gr. a¯thle¯te¯´s, einem Nomen Agentis zu gr. neutrales Genus. − Im Griechischen bezeichnet das a¯thleı˜n ’um einen Preis kämpfen’, zu gr. a˜thlos Wort zunächst in philosophischen Überlegungen hy’Wettkampf’ und gr. a˜thlon n. ’Preis’. Die heutige Bepothetische Elementarteilchen; mit dem Aufkomdeutung ’Sportler’ unter dem Einfluss des Englimen der Naturwissenschaften dann physikalische schen. Adjektiv: athletisch, Abstraktum: Athletik. Fundierung dieses Konzeptes. Die erfolgreiche Kernspaltung im 20. Jh. widerlegt die im ursprünglichen Ebenso nndl. atleet, ne. athlete, nfrz. athle`te, nschw. atlet, nnorw. atlet; ÞBiathlon. – DF 2 (21996), 448–451; Carstensen 1 Benennungsmotiv zum Ausdruck kommende Auf(1993), 53; EWNl 1 (2003), 177f. fassung. Die damit zusammenhängende technische Entwicklung (Atombombe, Atomenergie) macht das -ation Suffix Þ-tion. Wort zu einem Schlagwort der ideologischen Ausein1 Atlas Sm ’Landkartensammlung’ erw. fach. (16. Jh.). andersetzung des 20. Jhs. Adjektiv: atomar. Nach dem Titel einer Landkartensammlung von Mercator 1595. Dieser Titel nach dem Titanen Atlas, der nach der griechischen Mythologie das Himmelsgewölbe auf den Schultern trägt (und der auf dem Kartenwerk abgebildet war). Ebenso nndl. atlas, ne. atlas, nfrz. atlas, nschw. atlas, nisl. atlas. – DF 2 (21996), 453f.; Littmann (1924), 94; EWNl 1 (2003), 177.

Ebenso nndl. atoom, ne. atom, nfrz. atome, nschw. atom, nisl. ato´m; ÞAnatomie, ÞDichotomie, ÞFliete. – DF 2 (21996), 460–478; Mau, J. WZHUB 2 (1952/53), 3, 1–20; Gerlach (1962), 55–59; Heller (1970), 78–100; HWPh 1 (1971), 603; Buchdahl, G. in Rapp/Schütt (1987), 101–129; Strauss u.a. (1989) 430–438; LM 1 (1980), 1174f.; Carstensen 1 (1993), 55–57; EWNl 1 (2003), 178.

Atlas2 Sm ’hochglänzendes Gewebe’ per. fach. (15. Jh.). -ator Suffix (zur Bildung von deverbativen Personen-

Entlehnt aus frz. atlas, dieses aus arab. atlas, eigent˙ lich ’glatt, fein’. Deutsch auch ÞRasch, französisch ÞSatin nach dem Namen des chinesischen Exportplatzes Tseu-thung (arab. Zeitun). Ebenso nndl. atlas, nschw. atlas, nnorw. atlas(k). – Karabacek, J.: Über einige Benennungen mittelalterlicher Gewebe (Wien 1882), 12 u.ö.; DF 1 (1913), 59; LM 1 (1980), 1173; EWNl 1 (2003), 177.

und Sachbezeichnungen, z.B. Illustrator, ÞVentilator) erw. fach. (–). Es wurde in Entlehnungen aus dem Lateinischen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung ist l. -tor, häufig -a¯tor zu Verben auf l. -a¯re. Die ursprünglichen Varianten treten zwar in Entlehnungen auf, doch ist -a¯tor die einzige Variante, die auch produktiv geworden ist. Wortbildung 2 (1975), 353f.

69 ätsch Interj (Ausdruck für Spott und Schadenfreu-

de) std. (17. Jh.). Meist begleitet mit der Geste des ’Rübchen-Schabens’ − deshalb ist die Lautform wohl lautnachahmend für das Schabegeräusch. Wie das Rübchen-Schaben mit der Schadenfreude zu verbinden ist, bleibt allerdings unklar. Attache´ Sm ’diplomatischer Berater’ per. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. attache´ m. (eigentlich ’Zugeordneter’), einer Substantivierung des Partizip des Präteritums von frz. attacher ’anbinden, zuordnen’.

Attribut Ätti (Diminutiv zu Att(e)) Sm ’Vater’ (auch ’Großva-

ter’) per. schwz. (16. Jh.). Diminutiv zu Att(e), mhd. atte, ahd. atto ’Vater’, mndl. ate (evtl. stammt der Umlaut aber auch aus Flexionsformen). Kindersprachliches Lallwort (vgl. das Ausbleiben der Lautverschiebung), das auch in gt. atta, nordfr. atta (usw.) auftaucht; außergermanisch in heth. atta-, gr. (Vokativ) a´tta, l. atta, alb. a´t(eı`) ’Vater’, mit Öffnung der Silbe das Diminutiv akslav. otı˘cı˘; vgl. ai. atta¯ ’Mutter’ (nicht in Texten belegt). Ähnliche Formen auch in außerindogermanischen Sprachen.

Ebenso nndl. attache´, ne. attache´, nfrz. attache´, nschw. attache´, ÞAdel. – EWahd 1 (1988), 385–388; Lühr (1988), 254f.; Friednnorw. attache´. Das französische Verb ist Fortsetzer eines frührich, J. Glotta 23 (1935), 207–210 (zu entsprechenden Lallwörrom. *attacticare, über das PPP. attactus zu l. attingere tern); Hermann, E. IF 53 (1935), 97f. (zu l. atta). ’berühren, anstoßen’ und Entsprechung zu attackieren (ÞAttacke). – DF 2 (21996), 479–482; Brunt (1983), 138f.; DEO Attitüde Sf ’Haltung’, besonders ’affektierte Haltung, (1982), 54; EWNl 1 (2003), 178f.

Attacke Sf ’Angriff’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus

Einstellung’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. attitude f., das seinerseits aus it. attitudine entlehnt ist. Dessen weitere Herkunft ist mehrdeutig (zu l. aptus ’passend’ oder a¯ctus ’Bewegung’ oder Kreuzung aus beiden?).

frz. attaque, einem Nomen Actionis zu frz. attaquer ’angreifen’. Das Wort ist aus dem Italienischen entlehnt und ist die Entsprechung zu frz. attacher (s. das Vorhergehende), also aus früh-rom. *attacticare. Im Ebenso ne. attitude, nfrz. attitude, nschw. attityd, nnorw. at16. Jh. dienen dann italienische Phrasen mit attaccare tityde. – DF 2 (21996), 492–494; EWNl 1 (2003), 179f. (z.B. attaccare battaglia ’in der Schlacht mitmachen, Attraktion Sf ’(Anziehungskraft), zugkräftige Darbiemitkämpfen’) als Vorbild für frz. attaquer in der Betung (im Zirkus)’ erw. fremd. (16. Jh., Bedeutung deutung ’angreifen’. Verb: attackieren. 19. Jh.). Zunächst fachsprachlich (als ’AnziehungsEbenso nndl. attaque, ne. attack, nfrz. attaque, nschw. attack, kraft’) entlehnt aus l. attractio, einem Nomen Actionnorw. attakk. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. tangere nis zu l. attrahere ’anziehen’, aus l. trahere (tractum) 2 ’berühren’ s. ÞTangente. – DF 2 ( 1996), 482–485; Jones (1976), ’ziehen’ und l. ad- ’hin, zu’. Dann im 19. Jh. die heute 118f.; DEO (1982), 54f.; EWNl 1 (2003), 179. übliche Bedeutung unter Einfluss von ne. attraction, Attentat Sn ’Mordanschlag’ erw. fach. (15. Jh., Bedeudieses aus frz. attraction ’Anziehung’, zu derselben tung 19. Jh.). Entlehnt aus ml. attenta¯tum ’Versuch’, Grundlage. Verb: attrahieren; Adjektiv: attraktiv mit dem substantivierten PPP. von l. attenta¯re, atAbstraktum Attraktivität. tem(p)ta¯re ’versuchen, angreifen, antasten’, zu l. Ebenso nndl. attractie, ne. attraction, nfrz. attraction, nschw. tempta¯re, tenta¯re (tempta¯tum) ’versuchen’ und l. adattraktion, nnorw. attraksjon. Zur Sippe des zugrunde liegen’hin, zu’. ’Versuch’ wird dabei verstanden als den l. trahere s. Þabstrakt. – DF 2 (21996), 494–499; Weimann, ’Versuch zu einem Verbrechen’, auch als der K.-H. DWEB 2 (1963), 387f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 28f.; Carstensen 1 (1993), 59; EWNl 1 (2003), 180. ’durchgeführte Versuch’. Im 19. Jh. unter Einfluss des entsprechenden frz. attentat m. eingeengt auf den Attrappe Sf ’Nachbildung’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt speziellen Fall des politischen Mordversuchs. aus frz. attrape ’täuschender Gegenstand, ScherzAttentäter ist im 19. Jh. gebildet (als Reimwort zu artikel’, einer Ableitung von frz. attraper ’fangen, fasHochverräter) mit volksetymologischer Interpretatisen, erwischen’. Ursprünglich also ’Falle’ (durch die on von -tat als Kompositionsglied nhd. ÞTat. jemand hereingelegt wird). Ebenso nfrz. attentat, nschw. attentat, nnorw. attentat; Þtentativ, ÞTentakel. – DF 2 (21996), 485–489.

Attest Sn ’Bescheinigung’ erw. fach. (16. Jh., Form

Ebenso nfrz. attrape, nschw. attrapp, nnorw. attrapp. Das französische Wort ist abgeleitet von frz. trappe ’Schlinge, Falle’, das auf ein awfrk. *trappa ’Falle’ zurückgeht; ÞTrapper. – DF 2 (21996), 499–502; Jones (1976), 120.

18. Jh.). Entlehnt aus l. attesta¯tio f., einer Ableitung von l. attesta¯rı¯ ’bezeugen, bestätigen’, zu l. testa¯rı¯ (tes- Attribut Sn ’Beifügung, Eigenschaft’ erw. fach. (17. Jh., ta¯tus) ’bezeugen’ und l. ad- ’hin, zu’, weiter zu l. testis Form 18. Jh.). Entlehnt aus l. attribu¯tum, dem sub’Zeuge’. Zunächst entlehnt in der Form Attestat, dann stantivierten PPP. von l. attribuere ’zuweisen, beifü(wohl unter Einfluss von ne. attest) gekürzt. Verb: gen’, zu l. tribuere (tribu¯tum) ’zuteilen’ und l. adattestieren. ’hin, zu’; zunächst in lateinischer Form, dann eingeEbenso nndl. attest(atie), ne. attestation, attest, nfrz. attestatideutscht. Verb: attribuieren; Adjektiv: attributiv. on, nschw. attest, nnorw. attest; Þprotestieren, ÞTestament, Þtestieren. – DF 2 (21996), 489–492; Jones, W. J. SN 51 (1979), 249; EWNl 1 (2003), 179.

Ebenso nndl. attribuut, ne. attribute, nfrz. attribut, nschw. attribut, nnorw. attributt. Zur Sippe der zugrunde liegenden l. tribus ’Bezirk’ und l. tribuere ’teilen’ s. ÞTribut. Ersatzwort für den grammatischen Terminus ist Beifügung. – DF 2 (21996), 502–506; HWPh 1 (1971), 612–614; EWNl 1 (2003), 180.

Atzel

70 Atzel Sf ’Elster’ per. wmd. (14. Jh.). Diminutiv zu der

auf ahd. agaza, agastra zurückgehenden Form. ÞElster.

atzen Vsw ’füttern (der Jungvögel durch ihre El-

tern)’ erw. obs. (11. Jh.), mhd. atzen, ahd. (alem.) a¯zzen ’füttern, jmd. speisen’, das aber auch mit anderer Lautung bezeugt ist, so dass die Vorform nicht sicher von Þäsen abgetrennt werden kann. Vermutlich ebenfalls von ÞAas ’Speise’ abgeleitet. Abstraktum: Atzung. ätzen Vsw ’eine Oberfläche mit Säure behandeln’ erw.

auch Ptkl std. (8. Jh.), mhd. ouch, ahd. ouh, as. o¯k. Geht

zurück auf g. *auke ’auch’ in gt. auk, anord. auk, ae. ¯eac, afr. a¯k; mit abweichender Bedeutung gt. auk ’denn’, ahd. ouh ’aber’. Es kommen zwei Etymologien in Frage; unter Umständen sind − erkennbar an den verschiedenen Bedeutungen − zwei Partikel lautlich zusammengefallen, nämlich ein Imperativ g. *auke ’füge hinzu’ zu dem starken Verb g. *auk-a- ’hinzufügen’ (gt. aukan, anord. auka, ae. ¯eacen Adj.(PPrät.), afr. a¯ka, as. o¯kan Adj.(PPrät.), ahd. ouhhan), das auf ig. *aug- ’vermehren’ (l. auge¯re usw.) zurückgeht; und eine ig. Partikel *au, etwa in gr. au˜ ’wieder, hingegen’ mit enklitischem -ge. Zugunsten der ersten Etymologie spricht das durchsichtige ae. þ¢ ¯ r-to¯-e¯acen ’außerdem’, eigentlich ’dazugefügt’.

fach. (9. Jh.), mhd. etzen, ahd. ez(z)en. Aus g. *at-eja’essen machen, beißen lassen’, formal gleich auch in gt. fra-atjan ’zum Essen austeilen’, anord. etja ’hetzen, anspornen, reizen, füttern’, ae. ettan ÞAuktion, Þnoch 2, Þwachsen. – Seebold (1970), 84f. ’abweiden’, afr. etta ’weiden’; Kausativ zu Þessen (mit zu erschließender Grundbedeutung ’beißen’, also zu Audienz Sf ’Empfang bei einem Höhergestellten’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. audientia ’Gehör, Aufvergleichen mit Þbeizen). In der Bedeutung ’füttern’ merksamkeit’, einem Abstraktum zu l. audı¯re berührt sich das Wort im Deutschen mit anderen Bil’hören’. Die Bedeutung entwickelt sich an den Fürsdungen (Þäsen, Þatzen); es bleibt in der Bedeutung tenhöfen in Formeln wie Audienz geben oder um eine ’beißen, ätzen’, die im 15. Jh. zu dem Fachwort für das Audienz bitten von ’Gehör’ zur ’Zeremonie, bei der Behandeln von Metall mit Säure wird. einem Gehör geschenkt wird’. EWahd 2 (1998), 1187f.; EWNl 1 (2003), 707f. au Interj (des Schmerzes) std. (11. Jh.), mhd. ou, ouwe¯,

ahd. au. Ahd. au neben mhd. o we¯. Naturlaut wie l. ai u.a. Þo, oh. – EWahd 1 (1988), 393–395.

Ebenso nndl. audi¡ntie, ne. audience, nfrz. audience, nschw. audiens, nnorw. audiens. S. Þaudio-, ÞAuditorium und aus dem Griechischen ÞÄsthetik. – DF 2 (21996), 506–508; Jones (1976), 120f.; EWNl 1 (2003), 181.

audio- LAff ’Hören’ erw. bildg. (–). Moderne, im La-

Au (auch Aue) Sf ’Flusslandschaft, Flussinsel’ erw. obs.

teinischen selbst nicht auftretende Kompositions(9. Jh.), mhd. ouwe, ahd. ouwa ’Land am Wasser, Inform für ’Hören, akustische Wahrnehmung’, die aus sel’. Aus g. *agwijo¯ f. ’die zum Wasser gehörige’, auch dem Verb l. audı¯re ’hören’ und seinen Ableitungen in anord. ey ’Insel’, ae. ¯ıg ’Insel’; Zugehörigkeitsbilherausgesponnen ist. In neoklassischen Bildungen dung zu g. *ahwo¯ f. ’Fluss, Wasser’ in gt. a§a ’Fluss’, wie audiovisuell, Audiometer usw. anord. o´, a´ ’Fluss’, ae. ¯ea, afr. a¯, ¯e ’Wasser, Fluss’, as. S. ÞAudienz, ÞAuditorium und aus dem Griechischen ÞÄsthetik. – Cottez (1980), 42; DF 2 (21996), 508–515; EWNl 1 aha, ahd. aha ’Wasser, Flut, Fluss’, nhd. ÞAch(e) be(2003), 181. sonders in Namen, aus ig. (weur.) *ak wa¯ f. (? *¡k wa¯) ’Wasser’, auch in l. aqua f. ’Wasser, Fluss’. Sowohl Auditorium Sn ’Hörerschaft, Hörsaal’ erw. fach. Ach(e) wie Au sind im Deutschen und außerhalb (15. Jh.). Entlehnt aus l. audı¯to¯rium ’Hörsaal’, zu l. häufig in Gewässer- und Flurnamen (und Namen audı¯tor m. ’Hörer’, zu l. audı¯re ’hören’. Während das von gewässernahen Landstücken); als Appellativ ist Wort in der Grundbedeutung ein heute nicht mehr Ach(e) heute weitgehend ausgestorben, Au(e) ist auf übliches akademisches Fachwort ist, ist die Verschiedie gehobene, dichterische Sprache beschränkt. bung zu ’Publikum eines Vortrags oder einer sonstiEbenso nndl. landouw ’Gefilde’, ne. island, nschw. ö, nisl. ey(ja) gen Veranstaltung’ verallgemeinert und noch üblich. ’Insel’; ÞAch(e), ÞEiland. – Darms (1978), 25; EWahd 1 (1988), 99–103 (zu -ach); Gobber (1995), 131f.

Aubergine Sf (Frucht eines Nachtschattengewächses in

Südostasien; Eierfrucht; auch als Farbwort für ’rötlich-violett’) per. exot. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. aubergine, dieses aus kat. albergı´nia, aus arab. al-ba¯dingˇa¯n, aus pers. ba¯dinga¯n, ba¯dingˇa¯n u.ä. mit Dissi¯milierung von d-n zu r-n. Ebenso nndl. aubergine, ne. aubergine, nfrz. aubergine, nschw. aubergine, nnorw. aubergine. – Turner, R. L.: A Comparative Dictionary of the Indo-Aryan Languages (London 1966), Nr. 9369 und 11503 (zur Verbreitung des nicht-etymologisierbaren Wortes in den indo-arischen Sprachen); Tazi (1998), 193; EWNl 1 (2003), 180f.

Ebenso nfrz. auditoire, nndl. auditorium, nschw. auditorium, nnorw. auditorium. S. Þaudio-, ÞAudienz und aus dem Griechischen ÞÄsthetik. – DF 2 (21996), 515–519; LM 1 (1980), 1196; Jones (1976), 121 (zu Auditeur); EWNl 1 (2003), 182.

Aue Sf ÞAu. Auerhahn Sm ’Männchen des größten Wildhuhns’ erw.

fach. (10. Jh.), mhd. u¯rhan, ahd. u¯rhano. Aus vd. *u¯rahano¯n m. ’Auerhahn’; das Vorderglied auch als ahd. orre-huon ’Auerhenne’, fnhd. orrehan, das mit anord. orri ’Birkhuhn’ vergleichbar ist. Vermutet wird eine Herkunft aus einer Bedeutung ’männlich’: Die indogermanischen Sprachen haben zwei parallele Wörter für das Männchen von Tieren, einmal *wrs(en)- in ˙

auffallen

71

ai. vrsa´n- ’Männchen, Hengst’, ai. vrsabha´- ’Stier’, l. ˙ *rsverre˙¯˙s ’Eber’, lit. ver˜ˇsis ’(Stier)Kalb’;˙andererseits ˙˙ in ai. rsabha´- ’Stier’, gr. a´rse¯n ’männlich’. Beide ste˙ ˙ hen neben Wörtern für ’regnen’ (und andere Niederschläge) und beruhen wohl auf einer alten metaphorischen Benennung des Geschlechtsverkehrs als ’beregnen’; die Bedeutung ’männlich’ also aus ’besamend’. Die beiden Sippen sind entweder parallel oder durch unregelmäßige Abwandlung auseinander entstanden. Aus *rs-(o-) (g. *urz[a-]) lässt sich ohne ˙ fnhd. orrehan herleiten. Die übweiteres anord. orri, rigen Wörter (Auer-) gehen auf g. *u¯ra- zurück, das in der Bedeutung ’regnen’ (anord. u´r ’feiner Regen’) nur mit lateinischen Wörtern vergleichbar ist (l. u¯rı¯na¯re ’harnen’). In beiden Sprachen kann diese Lautform auf *uwrs-, einer Variante zu dem oben an˙ der Entwicklung von rs zu rz, geführten *wrs- mit ˙ anschließender Vereinfachung (lateidann zu rr mit nisch vor dem Akzent, germanisch nach Langvokal) zurückgehen, so dass der Anschluss an die verbreitete indogermanische Sippe gewonnen wird. Lautlich ist die Herleitung also plausibel, doch ist es vom semantischen Standpunkt aus auffällig, dass hier (und nur hier) ein Vogel nur als Männchen bezeichnet wird. Immerhin ist das Balzverhalten des Auerhahns so auffällig, dass eine solche Bezeichnung denkbar wäre. Die entsprechenden Bezeichnungen für die (unscheinbaren) weiblichen Tiere müssten parallel zu ÞHahn − ÞHenne − ÞHuhn erklärt werden, wo das Benennungsmotiv nur für das männliche Tier gilt, die weiblichen Tiere als ihm zugehörig benannt werden. ÞAuerochse. – Suolahti (1909), 248–251; RGA 1 (1973), 476; EWNl 1 (2003), 182; EWNl 4 (2009), 632f.

Auerochse Sm ’Wildrind’ erw. fach. (10. Jh.), mhd.

b ausgehen oder durch Gemination o.ä. die germanische Lautverschiebung vermieden haben. Das germanische Wort zeigt später im Süden Vokaldehnung, im Norden Geminate des Konsonanten. Nach Sommer Lautgebärde *up für eine schnelle, kräftige Bewegung von unten nach oben; iup mit ’Artikulationsanlauf’. Eine solche Annahme könnte das Ausbleiben der Lautverschiebung rechtfertigen. Normale Reflexe von ig. -p- in Þoben und Þüber. Ebenso nndl. op, ne. up, nschw. upp, nisl. upp. S. mit g. -pÞäufnen, Þoffen und ÞMake-up; mit g. -f-/-b- Þoben, Þob 2, Þüber; zu außergermanischen Sprachen s. Þsub- und Þhypo –. – Frings, Th., Müller, G. FS Sehrt (1968), 83–89; Henzen (1969), 218–240, 274–278; Sommer (1977), 6–11; Mitzka, W. ZDA 93 (1964), 293 (zum Lautlichen); Mitzka, W. NJ 93 (1970), 80–82, Wortbildung 1 (1973), 145f. und die dort angegebenen Stellen.

aufbäumen Vsw Þbäumen. aufbauschen Vsw ÞBausch. aufbegehren Vsw std. stil. (16. Jh., Standard 19. Jh.). Ein

ursprünglich schweizerisches Wort (gebildet wie auffordern), das im 19. Jh. in den Standard aufgenommen wird. Þbegehren.

aufbrechen Vst std. (13. Jh.). Partikelverb zu Þbrechen,

das früh übertragen wird auf andere inchoative Tätigkeiten, besonders den Beginn einer Reise oder eines Weges. aufbrezeln Vsw ’(sich) herausputzen, (etwas) aufmö-

beln’ per. grupp. (20. Jh.). Brotgebäck ist besonders wohlschmeckend, wenn es frisch gebacken und knusprig ist (redensartlich: knusprig wie eine Brezel). Wenn es etwas älter ist, wird es deshalb aufgebacken. Besonders wirksam (und deshalb häufig) ist dies bei Brezeln; deshalb ist aufbrezeln, das nur bildlich gebraucht wird, ’aufbacken wie eine Brezel’, d.h. etwas weniger Attraktives mit allen Mitteln anziehend machen.

u¯r(e), u¯rochse, ahd. u¯ro, u¯rohso. Aus g. *u¯ro¯n m. ’Ur, Auerochse’, das in der Variante g. *u¯ra- auch in ae. u¯r, anord. u´rr (und vielleicht in der Verdeutlichung Auerochse) auftritt. Das Wort ist auch Bezeichnung der Neuer Wortschatz (2004), 20. u-Rune. L. u¯rus und gr. ou˜ros gelten als Lehnwörter aus dem Germanischen. Da hier deutlich das männ- aufdonnern Vsw Þaufgedonnert. liche Tier bezeichnet wird, ist die unter ÞAuerhahn aufdrieseln Vsw Þaufdröseln. dargestellte Herkunft als Wort für ’Männchen’ plau- aufdröseln (auch aufdrieseln, auftröseln) Vsw ’aufdresibel, es wird aber auch Entlehnung aus einer unbehen, entwirren’ std. stil. (18. Jh.), ndd. triseln kannten Sprache erwogen. Die alte Lautform ist als ’drehen’. Vgl. ndd. trisel ’Kreisel’ zu einem md. triseln. ÞUr wiederbelebt worden. Weiteres unter Þtriezen, aber sonst ist die Herkunft Ebenso nndl. oeros; ÞAuerhahn, ÞOchse, ÞUr. – RGA 1 (1973), unklar. Das Wort ist durch Goethe verbreitet worden. 476–479; LM 1 (1980), 1199.

auf Adv/Präp std. (8. Jh.), mhd. u¯f, ahd. u¯f, as. u¯˘p. Aus

Aufenthalt Sm std. (15. Jh.), fnhd. u¯fenthalt. Verdeutli-

chung von gleichbedeutendem enthalt ’Unterhalt, g. *up(a) ’auf’, auch in anord. upp, ae. up, afr. up Aufenthalt’ zu enthalten ’stillhalten, zurückhalten, neben gt. iup (aus *eupa?). Semantisch vergleichbar sich aufhalten’. ist ig. *upo mit ähnlichen lokalen Bedeutungen in ai. auffallen Vst std. (18. Jh.). Wenn etwas auffällt u´pa und mit s-Anlaut (und gr. s > h) gr. hy´po, hypo´ ’aufschlägt’), dann erregt es Aufsehen; hieraus die ( und l. sub; vgl. auch heth. upzi ’(die Sonne) geht auf’. Bedeutungsentwicklung durch Verschiebung des BeDer Konsonantismus ist unklar: die germanischen trachter-Gesichtspunkts. Hierzu die Adjektive Formen müssten entweder von einer Variante mit ig. auffallend und auffällig.

aufführen

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aufführen Vsw std. (13. Jh.), mhd. ufvüeren ’hinauffüh- aufgelegt AdjPP std. (18. Jh.). Die Bedeutung ent-

ren’, dann auch ’aufrichten’. Die heutige Bedeutung wohl aus ’auf ein Podium führen’. aufgabeln Vsw std. stil. (17. Jh.). Zunächst ’auf die

Gabel spießen’, dann ’entdecken, finden’. Der Bedeutungsübergang geht darauf zurück, dass man beim Hineinstechen in einen Laubhaufen o.ä. mit einer Gabel gelegentlich etwas aufspießt, von dem man nicht wusste, dass es da war. aufgeben Vst std. (13. Jh.), mhd. u¯fgeben. Die durch-

sichtige Bedeutung ’übergeben’ ist spezialisiert in dem Abstraktum (Haus-)Aufgabe, das Verbum selbst mit seinen Ableitungen in der Bedeutung ’aufhören, verzichten’. Þauf , Þgeben.

Aufgebot Sn ’öffentliche Bekanntmachung einer Ehe-

spricht frz. dispose´, zu dem es vielleicht eine Lehnbedeutung ist. aufgeräumt AdjPP ’gut aufgelegt’ std. (16. Jh., Bedeu-

tung 17. Jh.). Partizip zu aufräumen ’(ein Zimmer) in Ordnung bringen’. Wie bei herausgeputzt ist der Ausdruck für das Sauber-Machen gleichzeitig ein Ausdruck für das Schmücken, vor allem von Personen gesagt. Schon früh übertragen verwendet für ’gut aufgelegt’. Aufhebens machen Vsw ’reißerisch in den Vordergrund

stellen’ std. stil. phras. (16. Jh., Bedeutung 17. Jh.). Ursprünglich Ausdruck der Fechtersprache für das zeremonielle Aufheben oder Aufgehebe der Waffen am Anfang des Kampfes (Praeludium); dann teilweise übertragen auf ’Anfang’, teilweise auf ’protziges Gehabe’. Das -s ist ursprünglich ein Genetiv.

schließung’ erw. fach. (15. Jh.). Zunächst eine aufgeRöhrich 1 (1991), 19. botene Mannschaft, zu aufgebieten, aufbieten. Dann ’Aufforderung zur Anmeldung von Ansprüchen’ und aufhören Vsw std. (13. Jh.), mhd. u¯fhœren; in gleicher schließlich ’Bekanntgabe einer beabsichtigten EheBedeutung auch einfaches mhd. hœren. Wenn jeschließung’ (d.h. ’Aufforderung zur Anmeldung irmand auf etwas sein Augenmerk richtet, dann lässt er gendwelcher Ehehindernisse’). zugleich von seiner Tätigkeit ab; das Ablassen ist desLM 1 (1980), 1203–1205. halb ein anderer Aspekt des Aufmerkens; daher die Übertragung. Dem entsprechend ist die absolute aufgedonnert AdjPP ’protzig gekleidet’ std. stil. Konstruktion und Bedeutung wesentlich früher be(19. Jh.). Zu sich aufdonnern, das heute als Finitum zeugt als die transitive (in der Regel mit Präposition nicht mehr üblich ist. Man vermutet eine (scherzhafÞmit). te) Bildung zu it. donna ’Dame’, doch kann dies allenfalls im Rahmen eines Wortspiels mitgewirkt ha- aufklären Vsw std. (17. Jh.), mndd. upkla¯ren ’klar werben. Zu ÞDonner etwa im Sinn von ’Theaterdonner’, den, aufhellen’. Als Wetter-Ausdruck der Seemannsd.h. etwas, das im Augenblick starken Eindruck sprache wird im 16. Jh. aufklaren in die Hochsprache macht, aber letztlich ohne Auswirkungen bleibt. übernommen; im 17. Jh. stärker der hochdeutschen Röhrich 1 (1991), 19. Wortbildung (und auch dem kausativen Gebrauch ’klar machen’) angepasst als aufklären. Heute wird aufgedunsen AdjPP std. (14. Jh.). Zu einem nicht mehr das Verb intransitiv und reflexiv verwendet als Wetgebräuchlichen starken Verb aufdinsen ’ausdehnen’. terausdruck und in deutlich übertragenem Sinn (sein Dieses zu mhd. dinsen, ahd. thinsan, as. thinsan Gesicht klärt sich auf ); transitiv hat es eine wesentli’ziehen’ aus g. *þens-a Vst. ’ziehen’, auch in gt. atþinche Rolle gespielt im Sinn von ’erklären’, dann als san ’heranziehen’. Dieses aus ig. *tens- ’ziehen, spanZentralbegriff der Aufklärung (18. Jh.) und neuerdings nen’ in ai. tam ˙ sayati ’zieht hin und her, schafft her(20. Jh.) im Sinne von ’das Geschlechtsleben darstelbei’, lit. te¸˜sti ’durch Ziehen dehnen, spannen’. Eine len’. Nomen Agentis: Aufklärer. einfachere Wurzelform ist ig. *ten- (Þdehnen). ÞGedöns. – Seebold (1970), 514f.

aufgekratzt AdjPP ’ausgelassen’ std. stil. (16. Jh., Form

Ebenso nndl. opklaren, ne. clear up, nschw. klarna (upp), nnorw. oppklare; Þklar. – HWPh 1 (1971), 620–635; GB 1 (1972), 243–342; Bahner, W. in M. Buhr, W. Förster (Hrsg.): Aufklärung − Gesellschaft − Kritik (Berlin 1985), 11–48.

und Bedeutung 18. Jh.). Ursprünglich Partizip zu aufkratzen ’durch Kratzen aufbereiten, neu herrichten’ aufkrempeln Vsw std. (19. Jh.). Eigentlich ’die Krempe (Stoffe, Kleider, Hüte usw.). Das Aufkratzen von umschlagen’, zunächst vorwiegend von Hüten geWolle und Tuch mit Disteln u.ä. ist zunächst ein Teil sagt, aber auch allgemein (Hemdsärmel usw.). des Herstellungsvorgangs, wird dann aber auch zum Auflauf Sm std. (13. Jh.), mhd. u¯flouf zu mhd. u¯floufen Zweck des Erneuerns durchgeführt. Dann übertrain der Bedeutung ’aufgehen, anschwellen’. Zunächst gen, etwa im Sinn von ’aufpolieren’, etwa ein schlechals ’Volksauflauf’. Als Bezeichnung für ein Soufflee tes (Theater-)Stück aufkratzen, aufgekratzt von seit dem 19. Jh. ’übertrieben gekleidet’ usw. Schließlich übertragen auf die Stimmung. auflehnen Vsw, auch Vswrefl std. (13. Jh.), mhd. u¯fleiÞauf , Þkratzen. nen. Entwickelt aus ’sich aufrichten’ die heutige Bedeutung. Zur Form s. Þlehnen 1.

aufziehen

73 aufmöbeln Vsw std. stil. (19. Jh.). Frz. meubler ’einrich-

ten’ wird zunächst entlehnt als möbeln, wozu aufmöbeln ’neu oder besser einrichten’, das dann übertragen gebraucht wird. Eine mögliche Bedeutung ’alte Möbel auffrischen’ ist nicht ausgeschlossen. aufmüpfig Adj ’aufsässig’ erw. obd. (20. Jh.). Übernom-

men aus dem Schweizerdeutschen. Oberdeutsche Form von muffig (Þmuffeln 2). äufnen Vsw ’(Kapital) ansammeln’ per. schwz. (16. Jh.),

wie mhd. u¯f(f)en ’erhöhen, ansammeln’, fnhd. aufen. Ableitung zu Þauf und wohl sekundäre Variante von aufen. In frühneuhochdeutscher Zeit weiter verbreitet (wobd., wmd.). aufoktroyieren Vsw ’aufzwingen’ per. fremd. (17. Jh.,

telhochdeutsch bezeugt ist. Sehr wahrscheinlich sind es regionale Formen, die in früher Zeit nicht erkennbar literarisch geworden sind und sich dann später auf nicht mehr erschließbare Weise ausgebreitet haben. Im vorliegenden Sinn älter und weiter verbreitet ist fnhd. aufsätzig (15. Jh.), das deutlich zu fnhd. aufsaz, mhd. u¯fsaz ’böse Absichten, Widersetzlichkeit’ gehört. Dieses zu mhd. u¯fsetzen, am ehesten in der (schlecht und spät bezeugten) Bedeutung ’widersetzlich sein’ (deutlicher die Hörner aufsetzen, den Kopf aufsetzen). Dazu auch aufsässig, vielleicht nach dem Muster mhd. widersaz − widers¢ze(c) gebildet. Zugrunde liegt ein altes Adjektiv der Möglichkeit (*s¢¯ tja-) zu Þsitzen. Þsitzen, Þansässig. – Heidermanns (1993), 479f.

Form und Bedeutung 19. Jh.). Als oktroyieren aufschneiden Vst ’prahlen’ std. stil. (16. Jh., Bedeutung ’bewilligen, gewähren’ entlehnt aus frz. octroyer glei17. Jh.). Es bedeutet in alter Zeit ’(am Tisch) vorlecher Bedeutung (dieses mit Neu-Anschluss an die lagen’, also ’Fleisch usw. aufschneiden’. Im 17. Jh. ähnteinische Grundlage aus afrz. otroier, dieses aus frühlich wie auftischen übertragen zu ’(Unglaubliches) rom. *auctorizare, Erweiterung aus l. aucto¯ra¯re erzählen’, mit dem großen Messer aufschneiden ’bestätigen, sich verbürgen’ zu l. auctor ’Urheber, Ge’große Reden führen, unglaubliche Geschichten erwährsmann’). Die − nur deutsche − spätere Bedeuzählen’; als die Bedeutung ’vorlegen’ unüblich wird, tungsveränderung beruht auf dem Streit um die wird die nähere Bestimmung bei ’prahlen’ weggelaspreußische Verfassung von 1848, die vom König oksen. Nomen Agentis: Aufschneider. troyiert, also ’erlassen’ wurde. Dies wurde von den Röhrich 1 (1991), 110f. Demokraten, die in der oktroyierten Verfassung eine aufschwemmen Vsw std. phras. (16. Jh.). Meist in festen aufgezwungene Verfassung sahen, nicht gebilligt. Wendungen wie aufgeschwemmtes Gesicht (ÞaufgeDiesen Sinn hat das Wort (verstärkt durch auf-) bis dunsen). Zu mhd. swemmen ’aufgehen lassen’ (etwa heute. Teig mit Hefe); ausgehend von ’mit Wasser vollsauEbenso nndl. octrooi, ne. octroi, nschw. oktroj, nnorw. oktroa. gen lassen’. In dieser Bedeutung kann es sich um eine Zur Sippe des zugrunde liegenden l. auge¯re ’vermehren’ s. Ableitung zu ÞSchwamm handeln als ’aufgehen wie ÞAuktion. ein Schwamm’, aber zumindest beeinflusst von aufpäppeln Vsw Þpäppeln. Þschwemmen, überschwemmen usw., die als Kausative aufpassen Vsw std. (16. Jh., Form 17. Jh.). Als passen auf zu Þschwimmen gehören. etwas entlehnt aus mndl. passen op oder mndd. passen Auftrag Sm ’Weisung, Bestellung’ std. (17. Jh.). Zu aufup, dann ohne Objekt, parallel zu ndl. oppassen nhd. tragen ’übertragen, übergeben’, dann ’Weisung erteiaufpassen. Das niederländisch/niederdeutsche Wort len, befehlen’. Das Verbum ist heute weithin ersetzt ist zwar aus dem Französischen entlehnt (Þpassen), durch beauftragen. hat aber die Bedeutung ’achten auf’ ohne das Vorbild Þtragen. entwickelt (offenbar ’vorübergehen lassen’ > auftröseln Vsw Þaufdröseln. ’warten’ > ’lauern auf’). Die Bedeutung ’auf etwas lauern’ ist beim Simplex im Deutschen nur regional. aufwarten Vsw ’bedienen’ erw. obs. (15. Jh.). Eigentlich ’auf jmd. achten, für jmd. sorgen’. Zu warten in der Ebenso nndl. oppassen, nschw. passe pa˚, nnorw. passe pa˚. Bedeutung ’achtgeben’ (wie etwa in nhd. ÞWarte). Aufruhr Sm std. (14. Jh., Standard 15. Jh.). Eine im Niederdeutschen beginnende Verstärkung von ÞRuhr im aufwiegeln Vsw ’aufreizen’ std. stil. (15. Jh.). Ursprünglich nur schweizerisch belegte Iterativbildung zu Sinne von ’heftige Erregung’ (zu Þrühren). Zunächst Þbewegen 2, also ursprünglich: ’in vielen kleinen Femininum wie das Grundwort, dann seit dem 16. Jh. Schritten bewegen’. Bei der Übernahme in die StanÜbergang zum Maskulinum (in Analogie zu Aufdardsprache vielfach als (fnhd.) aufwickeln umgestand?). Täterbezeichnung: Aufrührer; Adjektiv: setzt. Im 19. Jh. kommt als Gegensatzbildung aufrührerisch. abwiegeln auf. Nomen Agentis: Aufwiegler. Ebenso nndl. oproer, ne. uproar; ÞRuhr, Þrühren. – Bäumer, M. L. MDU 74 (1982), 463–472; LM 1 (1980), 1206f.

aufsässig Adj ’widerspenstig’ std. stil. (16. Jh.). Das

Problem mit den Formen auf -sässig besteht darin, dass es sich offenbar um eine alte Formation (ursprünglich -säße) handelt, die aber erst (nach-)mit-

aufziehen Vst std. (11. Jh.). Bei Uhren deshalb, weil die

antreibenden Gewichte der alten Turmuhren in die Höhe gezogen wurden. In der Bedeutung ’verspotten’ ein Ausdruck der Folter: das Opfer wurde mit beschwerten Füßen hochgewunden − deshalb eigent-

Augapfel lich ’jmd. quälen’, dann abgeschwächt ’verspotten’ (vgl. Þtriezen). Im 20. Jh. eine Veranstaltung aufziehen, etwa im Sinne von ’wie ein Uhrwerk ablaufen lassen’. Augapfel Sm ÞApfel. Auge Sn std. (8. Jh.), mhd. ouge, ahd. ouga, as. o¯ga. Aus

74 Auktion Sf ’Versteigerung’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt

aus l. auctio (-o¯nis), einem Nomen Actionis zu l. auge¯re (auctum) ’vermehren, steigern’. Die technische Bedeutung erst beim Substantiv. Ebenso nndl. auctie, ne. auction, nschw. auktion, nnorw. auksjon. Zu l. auge¯re ’vermehren’ gehören Auktion als Abstraktum und ÞAugust als adjektivische to-Weiterbildung zu einem s-Stamm. Die übrigen Verwandten gehen auf das Nomen Agentis auctor zurück: ÞAutor und Þautorisieren; über das Französische Þaufoktroyieren, semantisch weiterentwickelt ÞAutorität und dazu das Adjektiv Þautoritär; zur germanischen Verwandtschaft s. Þauch und Þwachsen. Ersatzwort ist Versteigerung. – DF 2 (21996), 521–523.

g. *augo¯n n. ’Auge’, auch in gt. augo, anord. auga, ae. ¯eage, afr. a¯ge, aus ig. *ok w- ’Auge’ in ai. a´ksi-, gr. o´sse ˙ (Dual), l. oculus m., akslav. oko, lit. akı`s f. Vielleicht zu einer Verbalwurzel mit der Bedeutung ’sehen’. Der Diphthong im Germanischen beruht auf einem (wohl unregelmäßigen) Umsprung des u/w (BeAula Sf ’Festsaal’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. aula standteil des Labiovelars kw) wie bei ÞHaupt. Verb: ’Atrium, Halle’, dieses aus gr. aule¯´ ’Hof, Halle’. Entäugen. lehnt zur Bezeichnung der Festsäle von Gymnasien Ebenso nndl. oog, ne. eye, nschw. öga, nisl. auga; Þliebäugeln. – und Universitäten. Röhrich 1 (1991), 112–118; Specht, F. ZVS 62 (1935), 211 (zur Lautform).

Augentrost Sm ’Euphrasia (ein Halbschmarotzer)’ per.

Ebenso nndl. aula, nschw. aula, nnorw. aula. – DF 2 (21996), 523–525; EWNl 1 (2003), 183.

Aura Sf ’Ausstrahlung’ per. fach. (16. Jh., Bedeutung fach. (15. Jh.), spmhd. ougentro¯st, mndd. o¯gentro¯st. 19. Jh.). Entlehnt aus l. aura ’Lufthauch, Lichtglanz, Heißt so, weil die Pflanze als Augenheilmittel verDunst’, dieses aus gr. au´ra ’Luft, Hauch’, in dieser wendet wurde. Nicht auszuschließen ist allerdings, Bedeutung zunächst auch deutsch. Das Wort wurde dass der Name einfach ’ein Trost für die Augen, in der antiken Medizin benutzt, um die Vorahnung hübsch anzusehen’ bedeutet, und dass die Annahme für einen epileptischen Anfall zu bezeichnen, dann der Heilkraft aus dem Namen herausgesponnen ist. wurde es von verschiedenen esoterischen GruppieÄhnliches gilt, falls unter den Augen die gelben Flecke rungen übernommen. In der Kabbala wird damit ein auf den Blütenblättern zu verstehen sind. ÜbernomDunstkreis bezeichnet, der den Menschen bis zum men in nndl. ogentroost, nschw. ögontröst. Jüngsten Gericht umgibt, dann die wahrnehmbare Marzell 2 (1972), 389–392. Ausstrahlung eines Menschen. Seit dem 19. Jh. in phiAugiasstall Sm ’Ort mit großer Unordnung, üble Verlosophische und psychologische Konzepte einbezohältnisse’ erw. bildg. (18. Jh.). Übernommen aus dem gen. Griechischen (gr. Augeı´os boustası´a über l. cloacae Ebenso nndl. aura, ne. aura, nfrz. aura, nschw. aura, nnorw. Augeae), wo es auf eine altgriechische Sage um Heraura. – HWPh 1 (1971), 652f.; DF 2 (21996), 525–529; EWNl 1 kules zurückgeht, der die Aufgabe hatte, den seit 30 (2003), 183. Jahren nicht mehr ausgemisteten Stall des Königs Aurikel Sf ’Bergschlüsselblume’ per. fach. (18. Jh.). Die Augeı´as zu säubern. Schon in antiker Zeit als Bild Bergschlüsselblume wird wegen ihrer Form mundverwendet, um gehäufte Missstände zu bezeichnen. artlich auch Bärenöhrlein genannt. Aus dem gleichen Ebenso nndl. Augiasstal, ne. Augean stables, nfrz. ´ecuries d’AuGrund bekommt sie in der biologischen Fachsprache gias, nschw. augiasstall, nnorw. augiasstall. – Röhrich 1 (1991), die Bezeichnung ml. auricula ’Öhrchen’, die zuvor 118; DF 2 (21996), 519–521; EWNl 1 (2003), 182. schon für verschiedene Pflanzensorten üblich war; in Augstein Sm ÞBernstein. der volkssprachlichen Verwendung ohne die lateiniAugust Sm std. (8. Jh.), mhd. ougest, ahd. augusto, sche Endung. Das Wort zu l. auris ’Ohr’ (ÞOhr). mndd. owest, au(g)st, mndl. oust. Entlehnt aus l. Ebenso nndl. aurikel, ne. auricula, bear’s ear, nfrz. auricule, (me¯nsis) Augustus. Von den Römern so benannt zu oreille d’ours, nschw. aurikel, nnorw. aurikkel. Ehren des Kaisers Octavian, der den Namen Augustus aus Adv/Präp std. (8. Jh.), mhd. u¯z, ahd. u¯z, as. u¯t. Aus (eigentlich ’der Erhabene’) als Beinamen trug (tog. *ut(a) ’aus’ in gt. u¯t, anord. u´t, ae. u¯t, afr. u¯t, mit Bildung zu einem s-Stamm). Entlehnung und VerVokaldehnung zu ig. *ud- mit ähnlichen lokalen Bebreitung der lateinischen Bezeichnung erfolgte in judeutungen, z.B. in ai. u´d- ’empor, hinaus’. Das Wort ristischen Texten. Der neue Name ersetzte l. sectilis ist Adverb; Präposition nur im Westgermanischen. ’der sechste’ und verdrängte im Deutschen aranmaZu einer Variante (wohl aus ig. *ud-s-) Þer-. nod ’Erntemonat’. Die assimilierte Lautform wurde Ebenso nndl. uit, ne. out, nschw. ut, nisl. u´t; Þaußen, Þaußer, im 18. Jh. wieder an das Lateinische angepasst. Þer-, ÞFallout, Þk.o., ÞLayout. – Henzen (1969), 133–178; Ebenso ne. August, nfrz. aouˆt, nschw. augusti, nisl. a´gu´st. Zur Sippe von l. auge¯re ’vermehren’ s. ÞAuktion. – DF 1 (1913), 62; EWNl 1 (2003), 182f.

Wortbildung 1 (1973), 146 und die dort angegebenen Stellen; Röhrich 1 (1991), 118f.; EWNl 4 (2009), 444.

ausbaden Vsw ’die Folgen tragen’ std. stil. phras. (15. Jh.,

Bedeutung 17. Jh.). Die Wendung etwas ausbaden

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müssen in der heutigen Bedeutung ist erst seit dem 17. Jh. sicher bezeugt. Die Ausgangsbedeutung ist unklar. Zu bedenken ist zunächst die Parallelität von etwas ausfressen/auslöffeln müssen. So wie dort der Zusammenhang im Grunde in der Angabe von Grund und Konsequenz besteht (was man sich eingebrockt hat, muss man ausfressen), so gibt es auch bei Fischart (16. Jh.) der einmal einsteigt, der muß das Bad außbaden oder doch zahlen. Dies würde sich auf das Schema ’was man begonnen hat, muss man durchführen’ beziehen, und andere Merkmale (wie die Beteiligung anderer) könnten durch sekundäre Abwandlung hinzugekommen sein; ausbaden bedeutet in diesem Zusammenhang ’zu Ende baden, das Bad bis zum Ende durchführen’ (dass dabei zusätzlich an das Ausschütten, oder Reinigen, oder Bezahlen gedacht wurde, ist möglich, aber nicht notwendig). Älter ist neben der eigentlichen Bedeutung ’zu Ende baden’ das verallgemeinerte ausgebadet sein ’zu Ende sein, ruiniert sein’ und das transitive jemanden ausbaden ’(finanziell) ausnehmen, ruinieren’, das wohl wie ausziehen zu verstehen ist. ÞBad. – Röhrich 1 (1991), 131f.; Niekerken, W. FS Pretzel (1963), 372f. (anders).

ausbaldowern Vsw Þbaldowern. ausbeuten Vsw std. (16. Jh.). Partikelableitung zu

ausgemergelt entlehnt aus ne. to flip out, das das gleiche bedeuten kann (eigentlich ’wegschnipsen’). Auch ’außer sich sein, die Selbstbeherrschung verlieren’. Ebenso nndl. flippen, ne. flip out, ndn. flippe ud, nnorw. flippe ut; ÞFlipper. – Carstensen 1 (1993), 61–63.

Ausflucht Sf (meist Spl) std. (15. Jh.). Die heutige Be-

deutung geht zurück auf rechtssprachliche Wendungen (’Einrede, Anrufung eines höheren Gerichts’ als ’Vorwand bei der Verteidigung’, vgl. Ausweg, doch wird bei Ausflucht von vorneherein das Merkmal des Vortäuschens unterstellt). Zu Þfliehen und ÞFlucht 1. Ausflug Sm std. (13. Jh.), mhd. uzvluc. Zunächst nur

vom Ausfliegen der Vögel gesagt, dann (seit Luther) übertragen auf Menschen, spezialisiert auf ’Wanderung, kleinere Reise’ im 17. Jh., daneben regional Ausflucht. ausführen Vsw std. (10. Jh.), mhd. uzvüeren, ahd. uz-

fuoren ’hinausführen’. Dann ’zu Ende führen’ und damit die heutige Bedeutung. Entsprechend die Ableitung ausführlich (15. Jh.). ausgefallen AdjPP ’ungewöhnlich’ std. (20. Jh.). Zu

ausfallen (Þfallen) im Sinn von ’unterbleiben’. ausgefuchst AdjPP std. stil. (19. Jh.). Vermutlich stei-

gernde Bildung zu eingefuchst ’als Fuchs eingewiesen’ (aus der Studentensprache). Zu aus- in der Bedeutung ’bis zum Ende’. Da das Wort ursprünglich auch eine obszöne Bedeutung haben kann (ausgefuchste ÞHure), ist auch ein Anschluss an regionales Þfuchsen ’beschlafen’ denkbar.

ÞBeute 1, zunächst im eigentlichen Sinn ’Kriegsbeute machen’, dann auch ’die Beute verteilen’; daraus ’Gewinn ziehen’ und die Übertragung auf den Gewinn von Naturschätzen u.ä. Hierzu das Abstraktum Ausbeute, während Ausbeutung meist (nach dem Vor- ausgekocht AdjPP std. stil. (16. Jh., Bedeutung 19. Jh.). bild von frz. exploitation, ne. exploitation) festgelegt Zu auskochen ’durch Kochen reinigen (z.B. Fleisch wird auf die Ausnützung von Arbeitskräften. von Fett)’ mit ähnlichem Bedeutungswandel wie Þraffiniert. Gaunersprachliches Þkochem ’gescheit’ EWNl 4 (2009), 444. kann mit eingewirkt haben (auskochemen ’ausmaAusbund Sm ’Inbegriff, Muster’ std. alt. phras. (15. Jh.). chen, geheim beraten’ ist bezeugt). Vermutlich bezieht sich das Wort auf einen Brauch

Ebenso nndl. uitgekookt; Þkochen. – Röll, W. AIGK VII, 5 der Kaufleute, Warenproben ’aus den Bünden’ zu (1986), 59f.; EWNl 4 (2009), 446. nehmen, um sie als Schauende, Schaustück o.ä. obenauf zu binden. Da hierzu die besseren Stücke genom- ausgelassen AdjPP ’übertrieben fröhlich’ std. (16. Jh.). Zu auslassen in der Bedeutung ’freilassen, nicht zumen wurden, entwickelt Ausbund die Bedeutung rückhalten’; zunächst allgemein als ’hemmungslos, ’das beste von allen Stücken, etwas ungewöhnlich unbändig’, dann zur heutigen Bedeutung spezialiGutes’. Das Wort ist allerdings fast ausschließlich siert. übertragen bezeugt, und wo es sich auf Waren bezieht, ist der Zusammenhang nicht deutlich genug, ausgemergelt AdjPP std. (15. Jh.). Partizip eines selteum das Benennungsmotiv erkennen zu lassen. Forner belegten schwachen Verbs ausmergeln, auch abmal handelt es sich um ein exozentrisches Kompomergeln. Vermutlich wird damit ursprünglich das situm: ’das, was aus dem Bund herausgenommen ist, Verfahren bezeichnet, Äcker mit Mergel kurzfristig was außerhalb liegt’. Heute fast nur noch ironisch aufzuwerten, wodurch sie aber stärker ausgelaugt gebraucht. werden (vgl. die Bauernregel Mergel macht reiche Röhrich 1 (1991), 119; EWNl 4 (2009), 444f. Väter und arme Söhne). Das Wort wird auch (und zwar schon früher) für andere Formen des Auslauausfällig Adj std. (19. Jh.). Zu ausfallen (Þfallen) im gens und Abmagerns verwendet und dabei an Sinn von ’einen Ausfall machen, angreifen’. ÞMark 1 im Sinne von ’das Mark ausziehen’ angeausflippen Vsw ’durchdrehen, sich der bürgerlichen schlossen; bei der Verwendung zur Bezeichnung eines Gesellschaft entziehen, sich der Drogenszene zuwenabgemagerten Körpers auch (in der medizinischen den’ erw. grupp. (20. Jh.). In der Gegenwartssprache Fachsprache) an l. marcor ’Schlaffheit’, l. marcidus

ausgepicht ’welk’. Einzelheiten der Entstehung und Entwicklung unklar. ÞMergel. – Liebich, B. BGDSL 23 (1898), 223; Singer, S. ZDW 3 (1902), 223; Götze, A. ZDW 10 (1908/09), 49–56; EWNl 4 (2009), 447f.

ausgepicht AdjPP ’durchtrieben’ erw. stil. (18. Jh.). Ei-

gentlich ’mit Pech ausgeschmiert’ (um dicht zu machen, von einem Fass u.ä.), dann übertragen ein ausgepichter ÞMagen, d.h. ’einer, der viel verträgt’ und dann weiter verallgemeinert. auskneifen Vsw ’ausreißen’ std. stil. (19. Jh.). Über-

nommen aus ndd. u¯tknı¯pen (auch knı¯pen ga¯n) ’sich aus der Klemme (knı¯p) befreien, weglaufen’. Später zunächst in der Studentensprache ’sich heimlich davonmachen’. Auskunft Sf std. (15. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Zunächst

in der Bedeutung ’Ausweg’ (zu auskommen, herauskommen) bezeugt; dann über Auskunft geben ’einen Ausweg nennen’ zur heutigen Bedeutung. Þkommen.

ausladend AdjPP ’ausgebreitet (von Ästen u.a.)’ std.

stil. (18. Jh.). Ursprünglich niederdeutsch. Die Nominalableitung auslade, ausladung ’vorspringender Teil eines Bauwerks’ ist früher (< 16. Jh.) bezeugt. Zu ÞLode, also vom üppigen Wachstum junger Sprösslinge gesagt und sekundär an Þladen 1 angeglichen. Niekerken, W. FS Pretzel (1963), 373.

auslaugen Vsw std. (17. Jh.). Zunächst mit einer Lauge,

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power ’armselig, ärmlich’, dieses aus frz. pauvre, aus l. pauper. Heute wird das Wort im allgemeinen auf ne. power ’Kraft’ bezogen (etwa als ’entkräften’). Ebenso ne. impoverish, nfrz. appauvrir.

ausrotten Vsw std. (15. Jh.). Früher auch ausrutten, ausreuten, ausreiten; es ist die ursprüngliche oberdeut-

sche Entsprechung zu dem aus dem Niederdeutschen stammenden Þroden. Die Bedeutung ist also ’mit der Wurzel entfernen’. Aussatz Sm ’Lepra’ erw. obs. fach. (13. Jh.), mhd. u¯zsaz,

u¯zsetze. Rückgebildet aus mhd. u¯zsetze neben der Ablautvariante ahd. u¯zsa¯z(e)o ’Aussätziger’ (8. Jh.), eigentlich ’einer, der außen sitzt’, weil die Leprakranken sich von den menschlichen Siedlungen absondern mussten. Das ältere Wort für ’Aussatz’ ist ahd. misalsuht ’Mieselsucht’ zu l. misellus ’der Arme, Elende’. Adjektiv: aussätzig. Þaus, Þsitzen. – A˚sdahl-Holmberg, M. NM 26 (1970), 32–41; RGA 1 (1973), 505–508; Rauch (1995), 105f.

ausschlagen Vst std. (9. Jh.), mhd. u¯zslahen, ahd. u¯zs-

lahan, as. utslahan. Partikelverb zu Þschlagen mit Þaus. Neben der eigentlichen Bedeutung ’herausschlagen’ und der Übertragung ’ablehnen’ entwickeln sich aus einer intransitiven Bedeutung wie ’sich irgendwohin richten, etwas irgendwohin kommen lassen’ die Bedeutungen ’(Sprossen, Knospen) hervorbringen’ (übertragen von Hautkrankheiten, vgl. [Haut-]Ausschlag); ’sich nach einer bestimmten Richtung bewegen (vom Zünglein an der Waage usw.)’ − hierzu den Ausschlag geben.

später auch mit Wasser ’etwas aus einer Substanz herauslösen’ (Salz aus Asche, Kupfer aus gerösteten Röhrich 1 (1991), 121; Rauch (1995), 106, 152 (zu Ausschlag). Kupfererzen). Die Substanz, der das gewünschte Material entzogen wurde, ist dann wertlos, deshalb die Ausschuss Sm ’ausgeschiedene Teile der Produkübertragene Bedeutung und das Partizip ausgelaugt. tion’ erw. fach. (15. Jh.). Zu ausschießen in der heute nur noch regional üblichen Bedeutung ’ausscheiausmarchen Vsw ’(Rechte) gegeneinander abgrenden, aussondern’, die auf Þschießen ’werfen’ zurückzen’ per. schwz. (15. Jh., Ableitung schon früher), geht. Mit anderer Bedeutungsentwicklung aus der fnhd. ausmarken ’abgrenzen’. Zu ÞMark 2. gleichen Grundlage die Bedeutung ’Kommission’. ausmerzen Vsw ’die zur Zucht nicht tauglichen Schafe außen Adv std. (8. Jh.), mhd. u¯zen, ahd. u¯z(z)ana, as. ausscheiden’ erw. fach. (15. Jh.). Das Wort wird auf u ¯ tan. Zu g. *u¯ta-n- ’außen’ in gt. u¯tana ’von außen’, ÞMärz bezogen, von der Vorstellung ausgehend, dass anord. u´tan, ae. utan(e), u¯ton; aus der unter Þaus die Schafherden im Frühjahr verkleinert werden. behandelten Grundlage ig. *ud- ’hinaus’ mit verFalls dieser Zusammenhang sekundär ist, ist die Herschiedenen Suffixen für lokale Adverbien. kunft des Wortes unklar. Gerlach, R. Blätter für deutsche Landesgeschichte 90 (1953), 175 (zu merten ’ausscheiden am Martinstag’); Neubauer, R. ZVV 13 (1903), 100–102 (als *merkezen ’markieren’ zu merken [bair.] Schafe merken); Röhrich 1 (1991), 120.

Auspizien Snpl ’Aussichten’ erw. bildg. (17. Jh.). Ent-

Ebenso nschw. utan, nisl. utan.

Außenseiter Sm std. (20. Jh.). Lehnübersetzung zu ne.

outsider (’der außerhalb Liegende’), ursprünglich als Bezeichnung eines Pferdes, das beim Rennen als chancenlos gilt. Das englische Wort wird im 19. Jh. entlehnt und dann (weitgehend) ersetzt.

lehnt aus l. auspicium n. ’Vogelschau’ (aus *avi-spekio-m zu l. avis ’Vogel’ und l. specere ’sehen’; zu dessen Stiven (1936), 82, 98; Carstensen 1 (1993), 64. Sippe s. Þinspizieren). außer Adv/Konj std. (8. Jh.), mhd. u¯zer, ahd. u¯z(z)ar, as. Ebenso nndl. auspicie¨n, ne. auspices, nfrz. auspices, nschw. aus-u¯tar. Aus g. *u¯tar-, auch in anord. u´tar, ae. u¯te, picier, nnorw. auspisier. – DF 2 (21996), 529–531; EWNl 1 (2003), u¯t(t)or, afr. u¯ter; aus der unter Þaus behandelten 183. Grundlage ig. *ud- ’heraus’. Adjektiv: äußer(er), Suauspowern Vsw ’ausbeuten bis zur völligen Erschöpperlativ: äußerst; hierzu: äußerlich, außerhalb. fung’ erw. obs. (19. Jh.). Partikelableitung zu nhd.

auto-

77 äußern Vsw std. stil. (11. Jh., Form 14. Jh.). Zu Þaus und

Ebenso nndl. oester, ne. oyster, nfrz. huıˆtre, nschw. ostron, nisl.

ostra. – RGA 1 (1973), 509–512; EWahd 1 (1988), 295–297. Þaußer werden seit spätalthochdeutscher Zeit Verben gebildet; frühest-bezeugt ist ahd. u¯zo¯n ’verwerfen’, austreten Vst std. (15. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Im inrefl. + Gen. ’verzichten auf’, also im Grunde ’nach transitiven Gebrauch erhält das Verb frühneuhochaußen tun’. In mittelhochdeutscher Zeit u¯zen, u¯zenen deutsch vor allem in der Heeressprache die Bedeuu.ä. und daneben auch u¯zern, das eher eine verdeuttung ’aus einer Gruppe heraus-/ hervor-/ wegtreten’. lichende Anpassung als eine Neubildung ist (vgl. Daraus übertragen im 19. Jh. ’aus einem Verein usw. mndd. uten, uteren, mndl. uten). Die Bedeutung dieaustreten’ und ’seine Notdurft verrichten’ (dieses wie ser Verben ist zunächst ziemlich allgemein, z.T. erälteres abtreten; ÞAbtritt). halten in entäußern, Þveräußern. Das Simplex heute ausweiden Vsw ’die Eingeweide herausnehmen’ erw. (wie nndl. uiten, ne. utter) auf ’erwähnen’ beschränkt. fach. (16. Jh.). Zu dem unter ÞEingeweide behandelAbstraktum: Äußerung. ten Wort. ausstaffieren Vsw std. stil. (16. Jh.). Übernommen aus auswendig Adj std. phras. (13. Jh., Bedeutung 16. Jh.). ndd. utstafferen (u.ä.), das über mndl. stoffe¯ren auf Zu Þwenden und Þaus zunächst in der Bedeutung afrz. estofer zurückgeht; dieses gehört zu dem unter ’äußerlich, nach außen gewandt’. Seit dem 16. Jh. in ÞStoff behandelten Substantiv; also ursprünglich: der Verbindung mit Þwissen, Þlernen (u.ä.) als ’mit Stoff ausstatten, ausschmücken’. ’bereits beim äußeren Anblick kennen’. Ebenso nndl. stofferen, nschw. utstoffera, nnorw. utstaffere; ÞStaffage, ÞStoff .

Ausstand Sm std. (15. Jh., Bedeutung 19. Jh.). In älterer

Autarkie Sf ’wirtschaftliche Unabhängigkeit’ per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus gr. auta´rkeia, einer Ableitung von gr. arkeı˜n ’genügen, ausreichen’ und gr. auto’selbst’ (Þauto-), also ’Selbstgenügsamkeit’. Adjektiv: autark.

Zeit als Abstraktum und Konkretum von Þausstehen in verschiedenen Bedeutungen bezeugt; speziell auch oberdeutsches Wort für ’Fehlen beim Dienst’ zu ausEbenso nndl. autarkie, ne. autarchy, nfrz. autarcie, nschw. austehen ’(beim Dienst) fehlen’. Ende des 19. Jh. wird tarki, nnorw. autarki. – HWPh 1 (1971), 686–691; GB 1 (1972), das Wort aus der Bergmannssprache aufgegriffen, um 377–381; DF 2 (21996), 531–536. das aus ne. strike entlehnte ÞStreik zu ersetzen; es hat authentisch Adj ’maßgeblich, echt’ erw. fach. (16. Jh.). sich aber nur teilweise durchgesetzt. Entlehnt aus l. authenticus, dieses aus gr. authentiko´s Steinecke, V. ZSV 9 (1894), 106. ’zuverlässig, richtig’, einer Ableitung von gr. authe´nausstatten Vsw std. stil. (16. Jh.). Zu früherem stat(t)en te¯s ’Urheber’. ’zu etwas verhelfen’, eigentlich ’zu etwas Gelegenheit Ebenso nndl. authentiek, ne. authentic, nfrz. authentique, geben’, zu ÞStatt ’Stelle, Gelegenheit’. nschw. autentisk, nnorw. autentisk. Das griechische Wort beÞabstatten, Þerstatten.

ausstechen Vst ’übertreffen’ std. (17. Jh.), fnhd. uzste-

chen, as. utsteken. Aus Þstechen und Þaus. Die übertragene Bedeutung bezieht sich wohl auf das Turnierwesen (das Stechen), bei dem der Sieger den Unterlegenen aus dem Sattel stach. Röhrich 1 (1991), 123f.

ausstehen Vst std. (14. Jh.). Zunächst in verschiedenen

steht sicher aus gr. auto´s ’selbst’ (Þauto-) und einem nicht eindeutig bestimmbaren zweiten Bestandteil − er kann ein Nomen Agentis auf gr. -te¯s zu einer vollstufigen Bildung zu gr. hany´ein ’zustande bringen, vollbringen’ sein, also ’Selbstvollbringer’. Es bedeutet aber auch ’Mörder’, so dass eine Einmischung einer zweiten Wurzel nicht ausgeschlossen ist. – Wandruszka, M. ZfSL 66 (1956), 68–80 (= KS 77–90); DF 2 (21996), 536–542; Kretschmer, P. Glotta 3 (1912), 289–293, ebd. 4 (1913), 340; Jones, W. J. SN 51 (1979), 249; HWPh 1 (1971), 692f.; EWNl 1 (2003), 184.

Bedeutungen gebraucht, die heute nicht mehr üblich sind (’wegbleiben’ − vgl. aber ÞAusstand); dann Auto Sn std. (20. Jh.). Kopfwort von Automobil ’fällig sein’ und schließlich (16. Jh.) ’ertragen’ (vgl. ’Kraftfahrzeug’ (zuerst als Vorderglied von Kompodurchstehen u.ä.). sita, seit 1913), wie das Vollwort (ÞAutomobil) nach etwas früherem französischem Vorbild (1910). Aussteuer Sf std. alt. (16. Jh.). Rückbildung zu aussteu1 Ebenso nndl. auto, ne. (amerik.) auto, nfrz. auto, nschw. bil, ern ’ausstatten’, d.h. mit einer ÞSteuer , einem Zunisl. bı´ll. – DF 2 (21996), 543–548; EWNl 1 (2003), 184f. schuss, versehen. Schmidt-Wiegand, R. in Hildebrandt/Knoop (1986), 134. auto- (Variante aut-) Präfixoid (zur Komposition von Substantiven und Adjektiven, wobei dem Grundwort Auster Sf erw. fach. (8. Jh., Standard 16. Jh.). Zuerst in die Bedeutung ’selbst, aus eigener Kraft’ hinzugefügt ahd. aostorscala ’Austernschale’ bezeugt, dann aber wird, z.B. ÞAutomobil ’selbstbewegendes Fahrzeug’, wohl erst im 16. Jh. aus ndd. u¯ster richtig entlehnt, das ÞAutonomie ’selbständig’) erw. bildg. (–). Vor Vokaüber das Niederländische auf afrz. oistre und auf l. len fällt in griechischen Wörtern das -o aus (Autarostrea und l. ostreum n. zurückgeht. Dieses stammt kie), ebenso vor h, das dann mit dem Auslaut des aus gr. o´streion n. ’Auster’, das aus einem Stamm ersten Gliedes verschmilzt (Þauthentisch − im Grie*ostr- ’harte Schale’ zu ig. *os(t)- ’Knochen’ (in l. os chischen ist -th- ein einfacher Laut). Das Element ’Knochen’ usw.) gebildet ist.

Autodafe´ wird in griechischen Wörtern ins Deutsche übernommen und in neoklassischen Bildungen verwendet. Seine Herkunft ist gr. auto´s ’selbst’. ÞAutarkie, Þauthentisch, ÞAuto, ÞAutodidakt, ÞAutogramm, ÞAutomat, ÞAutonomie. – Wortbildung 3 (1978), 228; Cottez (1980), 43f.; DF 2 (21996), 548–561; EWNl 1 (2003), 185.

Autodafe´ Sn ’Verbrennung von Schriften’, eigentlich

’feierliche Hinrichtung von Ketzern’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus port. auto da fe´ m., eigentlich ’Akt des Glaubens’ (= l. a¯ctus fide¯¯ı m.). Zunächst Bezeichnung der öffentlichen Verkündung eines Urteils der Inquisition; dann übertragen auf dessen Vollstreckung. Ebenso nndl. auto-da-fe´, ne. auto-da-fe´, nfrz. autodafe´, nschw. autodafe´, nnorw. autodafe´. – DF 2 (21996), 565–567; EWNl 1 (2003), 185.

Autodidakt Sm ’der sich selbst sein Wissen beigebracht

hat’ erw. fach. (16. Jh., Form 18. Jh.). Entlehnt aus gr. autodidakto´s Adj., das aus gr. auto´s ’selbst’ (Þauto-) und gr. didakto´s ’gelehrt, Lehrer’ zusammengesetzt ist. Dieses ist PPP. zu gr. dida´skein ’lehren’ (Þdidaktisch). Ebenso nndl. autodidact, ne. autodidact, nfrz. autodidacte, nschw. autodidakt, nnorw. autodidakt. – DF 2 (21996), 567–569; EWNl 1 (2003), 185.

autogen Adj ’eigenständig’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt

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Þmahnen; ÞAmnestie, ÞManie, ÞMentor. – DF 2 ( 1996), 567–588; HWPh 1 (1971), 695–697; Diels (1920), 57–70 (zur Sachgeschichte); EWNl 1 (2003), 186.

Automobil Sn erw. obs. (19. Jh.). Entlehnt (ungefähr

1885) aus frz. automobile, einer neoklassischen Zusammensetzung aus gr. auto´s ’selbst’ (Þauto-) und l. mo¯bilis ’beweglich’ (also eine Hybridbildung, wohl in Analogie zu dem früheren frz. locomobile). Frz. voiture automobile bezeichnete zunächst eine Art Straßenbahn auf Schienen, durch Pressluft betrieben (belegt seit 1875). Die Bezeichnung der Kraftfahrzeuge war zu Beginn ihrer Entwicklung noch uneinheitlich: am.-e. zunächst vor allem horseless carriage ’Wagen ohne Pferde’ u.a. Automobile ist dann amerikanisch geblieben, nicht aber englisch. Das deutsche Wort zunächst als Femininum entlehnt, dann zum Neutrum übergegangen und durch das Kurzwort ÞAuto weitgehend ersetzt. Ebenso nndl. automobiel, ne. (amerik.) autombile, nfrz. automobile, nschw. (automo)bil, nisl. bı´ll. Zu der Sippe des zugrunde liegenden l. move¯re ’bewegen’ s. ÞPromotion. – DF 2 (21996), 588–595; Lerch, E. SN 12 (1939/40), 210–236; Lipski, P. W. ASp 39 (1964), 176–187; Nail, N. Sprache und Literatur 52 (1983), 30–33; EWNl 1 (2003), 184f.

Autonomie Sf ’Unabhängigkeit’ erw. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus gr. autonomı´a, aus gr. auto´nomos ’unabhängig, selbständig’, dieses aus gr. auto´s ’selbst’ (Þauto-) und gr. no´mos ’Gesetz’, also ’nach eigenem Gesetz’. Adjektiv: autonom.

aus gr. autogene¯´s ’von sich selbst entstanden’, einem exozentrischen Adjektiv aus gr. auto´s ’selbst’ (Þauto-) Ebenso nndl. autonomie, ne. autonomy, nfrz. autonomie, und gr. ge´nos ’Geschlecht, Herkunft’ (Þ-gen), also nschw. autonom, nnorw. autonom; Þ-nom. – DF 2 (21996), ’dessen Herkunft selbständig ist’. Zunächst nach eng595–604; HWPh 1 (1971), 701–719; Strauss u.a. (1989), 90–93; lischem Vorbild für technische Vorgänge (autogenes EWNl 1 (2003), 186. Schweißen), dann seit 1928 autogenes Training (u.a.). Für die Sippe von gr. ge´nos ’Geschlecht’ s. Þhomogen Autor Sm ’Verfasser’ erw. fremd. (15. Jh.). Entlehnt aus l. und Þ-gen. auctor (bzw. seiner Schreibvariante l. autor) Ebenso nndl. autogeen, ne. autogenous, nfrz. autoge`ne, ndn. ’Urheber, Gründer’, einem Nomen Agentis zu l. autogen, nnorw. autogen. – DF 2 (21996), 569f. auge¯re (auctum) ’vermehren, fördern’. In den Volkssprachen bald eingeengt auf ’Verfasser, Schriftsteller’. Autogramm Sn ’eigenhändige Unterschrift’ erw. fach. Ebenso nndl. auteur, ne. author, nfrz. auteur, nschw. auktor. (19. Jh.). Neoklassische Neubildung zu gr. auto´s Zur Sippe des zugrunde liegenden l. auge¯re ’vermehren’ s. ’selbst’ (Þauto-) und gr. gra´mma n. ’Schriftzeichen, ÞAuktion. Ersatzwort ist ÞVerfasser. – DF 2 (21996), 606–612; Schreiben’. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. HWPh 1 (1971), 721–723; BlW 3 (1988), 16–29; EWNl 1 (2003), gra´phein ’schreiben’ s. ÞGraphik. 184. Ebenso nndl. autogram, ne. autograph, nfrz. autographe, nschw. autograf, nnorw. autograf. – DF 2 (21996), 571.

Automat Sm erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. auto-

autorisieren Vsw ’ermächtigen’ erw. fremd. (16. Jh.).

Über frz. autoriser entlehnt aus ml. auctoriza¯re ’ermächtigen, bestätigen’ (’mit dem Recht des Autors ausstatten’).

matus, automatos Adj. ’aus eigenem Antrieb handelnd, freiwillig’, ’Maschine, die sich selbst bewegt’, Ebenso nndl. autoriseren, ne. authorize, nfrz. autoriser, nschw. zu gr. auto´matos ’aus eigenem Antrieb, von selbst geauktorisera, nnorw. autorisere; ÞAutor, ÞAuktion. – DF 2 schehend’, zu gr. auto´s ’selbst’ (Þauto-) und dem (21996), 612–615. selbständig nicht auftretenden Partizip der Wurzel ig. autoritär Adj ’bedingungslose Unterwerfung unter die *men- ’denken, wollen’ (*mn-to-), vgl. gr. me´mona ˙ Autorität verlangend’ erw. fremd. (19. Jh.). Nach dem ’im Sinn haben, gedenken, streben’, gr. me´nos ’Geist, Vorbild von frz. autoritaire zu ÞAutorität gebildet. Kraft, Drang’. Adjektiv: automatisch; Verb: Besonders mit seinem Gegenstück antiautoritär zu automatisieren. einem Schlagwort der Nachkriegszeit geworden. Ebenso nndl. automaat, ne. automat(ic machine), nfrz. automate, nschw. automat, nnorw. automat. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þmental und Þmonieren; zur germanischen

Ebenso nndl. autoritair, ne. authoritarian, nfrz. autoritaire, nnorw. autorit¢r; ÞAutor, ÞAuktion. – Strauss u.a. (1989), 93–97; DF 2 (21996), 616–618.

azur

79 Autorität Sf ’Ansehen’ erw. fremd. (14. Jh.). Entlehnt

aus l. au(c)to¯rita¯s ’Gültigkeit, Glaubwürdigkeit’, zu l. auctor m. ’Urheber, Gründer’ (ÞAutor, Þautorisieren), also ’Ansehen des Urhebers’. Adjektiv: autoritativ. Ebenso nndl. autoriteit, ne. authority, nfrz. autorite´, nschw. auktoritet, nnorw. autoritet; ÞAutor, ÞAuktion, Þautoritär. – Heinze, R. Hermes 60 (1925), 348–366; Fürst, F.: Die Bedeutung der auctoritas (Diss. Marburg 1934); HWPh 1 (1971), 724–733; Rabe, H.: Autorität (Konstanz 1972); GB 1 (1972), 383–406; BlW 3 (1988), 30–65; DF 2 (21996), 619–626; EWNl 1 (2003), 187.

avancieren Vsw ’aufsteigen, vorwärtskommen’ per.

Axiom Sn ’Grundsatz’ erw. fach. (16. Jh., Form 18. Jh.).

Entlehnt aus gleichbedeutend l. axio¯ma, dieses aus gr. axı´o¯ma, einer Ableitung von gr. a´xios ’würdig, wert’, zunächst in lateinischer Form, dann endungslos. So benannt nach der Auffassung, dass diese Lehrsätze von allen anerkannt und von niemandem angezweifelt werden. Erst später entwickelt sich aus den ’geschätzten Grundsätzen’ eine wissenschaftliche Axiomatik. Ebenso nndl. axioma, ne. axiom, nfrz. axiome, nschw. axiom, nnorw. aksiom. Gr. a´xios gehört zu gr. a´gein ’führen, treiben’ im Sinn von ’die Waagschale niederziehen’, also ’gewichtig’. S. ÞDemagoge und für die lateinischen Verwandten Þagieren. – Schirmer (1912), 8; HWPh 1 (1971), 737–748; DF 2 (21996), 638–644; EWNl 1 (2003), 190.

fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. avancer, dieses über spätlateinische Zwischenstufen zu l. ab-ante ’vor etwas weg’, zu l. ante ’vor, vorn’ und l. ab- ’von, weg’. Axt Sf std. (8. Jh.), mhd. ackes, ahd. ackus, as. akus. Aus Die ursprüngliche Bedeutung ist ’vorrücken’ (im mig. *akwesjo¯ f. ’Axt’, auch in gt. aqizi, anord. øx, ae. litärischen Sinn). œcse, afr. axa. Das -t ist sekundär angetreten; das k ist vor w westgermanisch geminiert. Vergleichbar sind l. Ebenso ne. advance, nfrz. avancer, nschw. avancera, nnorw. ascia und gr. axı¯´ne¯ ähnlicher Bedeutung. Es könnte avansere; ÞAntenne, ÞAvantgarde. – Schirmer (1911), 25; DF 2 (21996), 627–631; Jones (1976), 122; Brunt (1983), 140f.; EWNl 1 ig. *ak´- ’spitz, scharf’ als Grundwort vorausgesetzt (2003), 187f. werden, doch ist das Wort eher eine Entlehnung aus einer vorindogermanischen Sprache. Avantgarde Sf ’Vorkämpfer’ erw. fach. (16. Jh.). EntEbenso nndl. aaks, ne. axe, nschw. yxa, nisl. öx(i). – Schirolehnt aus frz. avantgarde, dieses aus frz. avant ’vor’ (l. kauer, A. MLQ 4 (1943), 21–25; RGA 1 (1973), 534–562; Benab-ante) und frz. garde m. ’Bewachung, Wache’ ware, W. A. BGDSL-T 101 (1979), 333f.; Röhrich 1 (1991), 125; (ÞGarde), also eigentlich ’Vorhut’. Das militärische EWahd 1 (1988), 44; Weber-Keller (1990), 32–35. Wort wird dann übertragen verwendet als ’VorAzeton (auch Aceton) Sn (ein Lösungsmittel) per. fach. kämpfer (einer bestimmten Strömung o.ä.)’, wäh(19. Jh.). Neoklassische Bildung mit dem Terminorend es im ursprünglichen Sinn durch ÞVorhut, logie-Element -on der Chemie zu l. ace¯tum n. ’Essig’ Spähtrupp usw. ersetzt wird. Adjektiv: avantgardis(nach dem säuerlichen Geruch). tisch. Ebenso nndl. aceton, ne. acetone, nfrz. ace´tone, nschw. aceton, Ebenso nndl. avant-garde, ne. avant-garde, vanguard, nfrz. nnorw. aceton; ÞEssig. avant-garde, nschw. avantgarde, nnorw. avantgarde; ÞAntenne, Þavancieren, ÞGarde.Ersatzwort ist Vorhut. – DF 2 azur Adj ’himmelblau’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt (21996), 631–637; Jones (1976), 124f.; Marino, A. Cahiers rouaus frz. azur ’azurblau, Lasurstein’, dieses aus (ml. mains d’e´tudes litte´raires 1 (1978), 55–80; Böhringer, H. AB 22 azurum ’himmelblau, Lasurstein’ und) span. azul (1978), 90–114; Strauss u.a. (1989), 645; Carstensen 1 (1993), ’blau’, (vermutlich über eine Zwischenstufe *la¯zu¯rd) 70f.

Aversion Sf ’Abneigung’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt

aus frz. aversion, dieses aus l. a¯versio (-o¯nis) (eigentlich ’Abwenden’), einer Ableitung von l. a¯vertere ’abwenden’, zu l. vertere (versum) ’wenden, drehen’ und l. ab- ’von, weg’. Ebenso nndl. aversie, ne. aversion, nfrz. aversion, nschw. aversion, nnorw. aversjon. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. vertere ’wenden’ s. Þkonvertieren. – DF 2 (21996), 638f.; Brunt (1983), 141; EWNl 1 (2003), 189.

Avocado Sf (die essbare Frucht eines südamerikani-

schen Baumes) per. exot. (20. Jh.). Entlehnt aus gleichbedeutend älterem span. avocado m. (d.h. ÞAdvokat, heute abogado), einer volksetymologischen Umbenennung von Nahuatl ahuacatl, aus dem auch modern span. aguacate ’Avocado’ neu entlehnt ist. Ebenso nndl. avocado, ne. avocado, nfrz. avocat, nschw. avokado, nnorw. avokado. – EWNl 1 (2003), 189.

aus arab. la¯zaward, la¯zuward ’Lasurstein’, fachsprachlich auch ’blau wie Lasurstein’, aus pers. la¯ˇzuwärd. Bei der Entlehnung wurde das l- als vermeintlicher Artikel weggelassen. Die mittellateinische Form mit -r steht offenbar unter dem Einfluss von lasur, der blauen Malerfarbe, die teilweise aus Lapislazuli (Lasurstein) hergestellt wurde (bezeugt seit dem 8. Jh.). Dieses Wort scheint über mgr. lazu¯rion direkt auf das persische Wort zurückzugehen. Die Form azur zeigt also wegen des fehlenden l- spanischen, und wegen des -r griechisch-lateinischen Einfluss.

Ebenso nndl. azuur, ne. azure, nfrz. azur, nschw. azurbla˚, nisl. asu´rbla´; ÞLapislazuli, ÞLasur. – Littmann (1924), 90f.; Lokotsch (1975), 104; Kiesler (1994), 225; DF 2 (21996), 644f.; Tazi (1998), 146–148 und 194; EWNl 1 (2003), 190f.

B Baas Sm ’Meister, Herr’ per. ndd. (19. Jh.). Entlehnt aus

427–429 (anders); Philipp, O. ZDM 1 (1906), 373–379, 2 (1907),

1–18, 210–217, 3 (1908), 55–64, 333–345 (zum Femininum, auch nndl. baas, mndl. baes. Vor allem in der Sprache der bei Namen); EWNl 1 (2003), 243f.; Bammesberger, A. FS PanSeeleute gebräuchlich. Entstehung dunkel. Die Heragl (2004),17–24. leitung aus mhd. baz ’besser’ wäre vom semantischen Standpunkt aus mit Rücksicht auf l. magister, nfrz. Bache Sf ’(wildes) Mutterschwein’ erw. fach. (16. Jh.). supe´rieur, schwed. bästemann usw. befriedigend; Üblicherweise wird das Wort auf einen Ausdruck für doch setzt sie eine Wanderung von Süden nach Nor’Schinken, Speckseite’ zurückgeführt: ahd. bahho den voraus, die nicht sehr wahrscheinlich ist. (8. Jh.), mndl. bake ’Rücken, Speckseite’ (hieraus afrz. ne. bacon ’Speck’); vgl. mundartlich Bachen Ebenso nndl. baas, ne. boss, nschw. bas, nnorw. bas; ÞBoss 1. – Törnqvist, N. KVNS 76 (1969), 61–63; EWNl 1 (2003), 197. ’Speckseite’ und vielleicht weiter zu g. *baka- n. ’Rücken’ (ÞBackbord). Da das Wort ausschließlich babbeln Vsw Þpappeln. das wilde Schwein (mit Frischlingen) bezeichnet, ist Babuschen Spl ’Hausschuhe’ per. nordd. omd. (18. Jh.). aber eher daran zu denken, dass es sich um eine ZuEntlehnt aus frz. babouche f., das letztlich auf pers. gehörigkeitsbildung zu mndl. big, bik, bag usw. pa¯pu¯ˇs ’Fußbekleidung’ (aus pers. pa¯ ’Fuß’ und pers. ’Ferkel’ handelt (vgl. ne. pig) − dieses wohl ein lautpu¯ˇs¯ıdän ’bedecken’) zurückgeht. Die norddeutsche malendes Wort. Also wohl vd. *bak-o¯n f. ’das zu den Form Puschen ist wohl von poln. papuc´ (gleicher HerFerkeln (Frischlingen) gehörige (Tier)’. Damit lässt kunft) beeinflusst. sich auch eine Parallele zu ne. bitch ’Hündin’ herstelDF 1 (1913), 68f.; Dozy, R.: Dictionnaire detaille´ des noms des len. Der Lautstand der Wörter ist naturgemäß unfest. veˆtements chez les arabes (Beirut 1843), 50–53.

Baby Sn ’Säugling’ std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. baby,

einer Koseform zu ne. babe, das sicher ein Lallwort ist (Þpappeln, Þbabbeln). Die Entlehnung dieses Wortes ist wohl durch das Prestige englischer Kindermädchen zur Zeit der Entlehnung bedingt. Erst in jüngster Zeit ist aus dem amerikanischen Englischen entlehnt das damit zusammengesetzte Babysitter (zu ne. sit ’sitzen’). Nachträglich auch nach englischem Vorbild ’Liebling’ (besonders für Mädchen). Teilweise zu einem Bildungselement für ’klein’ geworden (BabyKassette usw.). Ebenso nndl. baby, nfrz. be´be´, nschw. baby, nnorw. baby. – DF 3 (21997), 1–3; Rey-Debove/Gagnon (1988), 35–37; Carstensen 1 (1993), 73–77; EWNl 1 (2003), 198.

Bach Sm std. (8. Jh.), mhd. bach m./f., ahd. bah, as. beki.

Aus wg. *baki- m. ’Bach’, auch in ae. bece, afr. -bitze, neben dem (vielleicht ursprünglicheren) ja-Stamm *bakja- m. in anord. bekkr. Regional, besonders in Gewässernamen, auch Femininum. Entstehung dunkel. Wenn air. bu´al ’Wasser’ auf (ig.) *b hog-la¯ zurückgeht, kann es vergleichbar sein. Vgl. auch ae. bro¯k ’Bach’ (ÞBruch 2), zu dem es mit Ablaut und Ausfall des r zwischen Labial und Tektal (vgl. Þsprechen und ne. to speak) gehören kann. Ebenso nndl. beek, nschw. bäck. – Krahe, H. BN 1 (1949/50), 32–34; Rooth 3 (1983), 5–49; Röhrich 1 (1991), 127; Peeters, C. IF 77 (1972), 212–214 (zur Morphologie); EWahd 1 (1988),

ÞBacke 2. – EWahd 1 (1988), 417 f .; EWNl 1 (2003), 202.

Bachelor selten statt dessen Bakkala(u)reus Sm (ein-

fachster akademischer Grad) erw. fach. (19. Jh.). Ab dem 13. Jh. wurde an den Artistenfakultäten der Universitäten als unterster akademischer Grad der baccala(u)reus vergeben. Die ursprüngliche Form ist baccalarius unklarer Herkunft (erwogen wird ein gallo-romanisches *bakkano ’rusticus’ oder ml. buccellarius ’Privatsoldat’ zu ml. buccella ’kleines Weißbrot’), dann auch baccalaureus in Anlehnung an l. laureus ’Lorbeer’, auch d. bakular in Anlehnung an l. baculus ’Schulstock’ (da diese Leute häufig Hilfslehrer wurden). In deutschen Texten erscheinen diese Wörter (mit dem Wortausgang -ie) seit dem 15. Jh.; im Laufe des 19. Jhs. verschwinden sie wieder. An der Universität bleiben im englischsprachigen Bereich die Titel bachelor und master (< l. magister), im französischsprachigen Bereich ist der bache´lier etwa auf der Ebene des Abiturienten, während man sich im deutschsprachigen Bereich an der Universität auf den Grad des Doktors beschränkte. Dann wurde in Deutschland zunächst als Grad vor dem Doktor der Magister eingeführt, worauf Ende 20., Anfang 21. Jh. durch den Vertrag von Bologna 1999 das englisch(-amerikanische) System mit bachelor und master für die Europäische Union übernommen wurde. Die Wörter werden deshalb in der Regel englisch aus-

Backfisch

81

gesprochen, die Bezeichnung als Bakkalaureus bleibt vereinzelt. EWNl 1 (2003), 198.

Bachstelze Sf erw. fach. (15. Jh.). Eigentlich ’die im

cke’. Vielleicht handelt es sich in beiden Fällen um Lautgebärden für die aufgeblasenen Backen und das Geräusch, das dann beim Öffnen der Lippen entsteht. Ahd. auch braccho, kinnibraccho. ÞBackpfeife. – Much, R. ZDW 2 (1902), 283; Cohen, G. CoE 1,1

Bach stelzt’. Bach kann sich darauf beziehen, dass sich (1971), 2; EWahd 1 (1988), 421–423; Lühr (1988), 224f.; Röhder Vogel gern am Wasser aufhält; doch ist stelzen in rich 1 (1991), 127; EWNl 1 (2003), 205. der heutigen Bedeutung für seine Bewegungen unBacke2 Sf (in Arschbacken, Hinterbacken Pl.) std. stil. typisch. Vermutlich handelt es sich um eine Umdeu(15. Jh.), fnhd. backe. Wird als übertragene Verwentung: Der Vogel wird meist nach seinen charakterisdung von Backe 1 aufgefasst, und möglicherweise ist tischen Bewegungen bezeichnet als ’der mit dem das Wort auch so zu erklären. Der übliche Anschluss Schwanz wippt’ (vgl. mundartlich Wippstert, ne. wagan g. *bakan. ’Rücken’ (ÞBackbord) und ahd. bahho tail usw.); stelz- könnte für ÞSterz ’Schwanz’ stehen ’Speckseite’ (ÞBache) ist aus lautlichen und seman(entweder mit einer auch sonst beobachtbaren Lauttischen Gründen zumindest bei einer unmittelbaren entwicklung, oder sekundär umgedeutet; auch ein Verknüpfung ausgeschlossen. Wenn das Wort tatparalleles Wort für ’Schwanz’ kommt in Frage [vgl. sächlich alt und von ÞBacke 1 unabhängig ist, gehört nisl. ste´l ’Schwanz eines Vogels’] aus *stelu-). Dann es zu g. *bro¯ka- ’Hinterteil’, übertragen ’Hose’ (vgl. wäre der Vogel entweder nur als ’Schwanz (der sich frz. culotte ’Hose’ zu frz. cul m. ’Hinterteil’), das minam Bach aufhält)’ bezeichnet worden (vgl. auch äldestens im Altenglischen eine Nebenform mit Geteres ahd. wazzar-stelza [10. Jh.]) oder es handelt sich minate und Vokalkürze hat (ae. bracc-). Das r kann um Klammerformen (’Bach-[Wipp-]Schwanz’). zwischen Labial und Tektal ausgefallen sein (vgl. nhd. Vgl. nndl. kwikstaart, ne. wagtail; ÞStelze. – Suolahti (1909), sprechen und ne. to speak). 87–94; Freitag, F. ZM 13 (1937), 157–174; Ranke, K. BGDSL 62 (1938), 286–317; Baumann, H.-H.: Sekundäre Motivationen bei romanischen Tierbezeichnungen (Diss. Bonn 1967), Kap. 4; EWahd 1 (1988), 511–513; Hermodsson, L. SN 64 (1992), 89f.

Back Sf ’tiefe, hölzerne Schüssel’ per. ndd. (20. Jh.). Vgl.

ne. back ’Gefäß’, nndl. bak ’Trog’; vielleicht alte Entlehnung aus gall. *bacca ’Wassergefäß’, das allerdings in der vorauszusetzenden Form mit dieser Bedeutung nicht belegt ist. Es gibt aber bacchia als Bezeichnung für ein Gefäß bei Isidor, und es ist denkbar, dass die Gruppe (zu der auch ÞBassin und ÞBecken gehören) letztlich von Bacchus (Gott des Weins) abgeleitet ist und ursprünglich Gefäße zur Aufbewahrung oder zum Ausschenken von Wein bezeichnet. DEO (1982), 59; EWNl 1 (2003), 202.

Backbord Sn ’linke Schiffsseite’ per. fach. (17. Jh.). Aus

mndd. bacbort (nndl. bakboord, ae. b¢cbord), eigentlich ’Bord im Rücken’ (s. ÞBord 2 und vgl. g. *baka- n. ’Rücken’ in anord. bak, ae. b¢c, afr. bek, as. bak, ahd. bah; ÞBacke 2). In alter Zeit war das Steuer auf der rechten Seite des Schiffes, so dass die linke hinter dem Rücken des Steuermanns lag. Ebenso nndl. bakboord. Vgl. ÞSteuerbord; ÞBache, ÞComeback, ÞFeedback. – EWNl 1 (2003), 203. 1

Backe (Backen) Smf ’Wange’ std. (12. Jh., bracko, kinn-

ÞBruch 3. – Much, R. ZDW 2 (1902), 283; Lühr (1988), 224f.

backen Vst std. (9. Jh., bro¯tbeckila ’Brotbäckerin’ 8. Jh.),

mhd. backen, ahd. backan, bahhan. Aus g. *bak-a(mit vermutlich sekundärer Nebenform *bakk-a-) ’backen’, auch in ae. bacan, sonst in Ableitungen (anord. baka Vsw. ’braten, backen, kneten’; as. giba´k ’Gebäck’ oder ’gebacken’). Mit abweichendem Vokalismus vergleichbar ist gr. pho¯´go¯ ’ich röste, brate’, das auch n-Präsentien aufweist, die die germanische Geminate erklären könnten. Vielleicht hierher auch l. focus ’Feuerstätte, Herd’ (mit abweichendem Auslaut). Vermutlich gehören diese Wörter mit unregelmäßigem Ausfall von r nach Labial zu einer lautmalenden Sippe (ig.) *b hr¡g- / *b hr(¡)g- in ai. bhrjja´ti ˙ wozu apreuß. ˙ au’röstet’ (ebenfalls mit Geminate), birgo ’Garkoch’ und l. fertum, al. ferctum ’Opferkuchen’; mit i und u ’verstärkt’ in l. frı¯ge¯re ’rösten, dörren’ und gr. phry´go¯ ’ich röste, dörre, brate’. Lautmalereien dieser Art sind auch Þbrutzeln, Þprasseln u.ä. Ein solcher Ansatz würde auch die Geminate leichter erklären. Nomen Agentis: Bäcker; Kollektivum: Gebäck. Ebenso nndl. bakken, ne. bake, nschw. baka, nisl. baka; Þaltbacken, ÞBackfisch, ÞBackstein, ÞBatzen, ÞBeck, Þhausbacken. – Seebold (1970), 87f.; RGA 1 (1973), 573–576; EWahd 1 (1988), 419–421; Braun, W. in Dückert (1976), 55–119 (zum Nomen Agentis Bäcker); LM 1 (1980), 1325–1327; Röhrich 1 (1991), 127; EWNl 1 (2003), 204.

bracko 9. Jh.), mhd. backe m., ahd. backo m. ’Backe, Kinnlade’, as. bacco in der Zusammensetzung kinnibacco (ahd. chinnibahho, kinnibahho) ’Kinnbacken’. Wenn unmittelbar mit dem gr. Glossenwort phago´nes Backfisch Sm erw. obs. (16. Jh.). Zunächst für junge ’Kinnbacken’ zu vergleichen, liegt voreinzelsprachl. Studenten, dann für halbwüchsige Mädchen ge*b hagn-/-en- voraus; weitere Herkunft unklar (kaum braucht. Junge Fische, die schon zu groß sind, um ˙ zu gr. pha´go¯ ’ich esse’, das dann eher von ’kauen’ oder wieder ins Wasser geworfen zu werden, eignen sich ’verschlingen’ ausgeht, üblich ist nur der Aorist ´ephanur zum Backen oder Braten − deshalb könnte es sich gon). Lautlich verdächtig ähnlich, aber nicht unmiteinfach um ein Bild für ’halbwüchsig’ handeln. Vertelbar zu vergleichen ist l. bucca f. ’aufgeblasene Bamutlich aber eigentlich eine Verballhornung von ml.

Backpfeife baccalarius (niedrigster akademischer Grad) und danach erst ’halbwüchsiges Mädchen’. Zu beachten ist, dass neben frz. bachelier ’junger Mann’ (baccalarius) das Femininum bachelette ’junges Mädchen’ steht. ÞKabeljau. – Eickhoff, R. ZDV 14 (1900), 213f., 470f.; Teetz, F. ZDV 14 (1900), 662; DEO (1982), 60f.; Röhrich 1 (1991), 128f.; EWNl 1 (2003), 205.

Backpfeife Sf ’Ohrfeige’ erw. nordd. (19. Jh.). Pfeifen ist

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Wort ist aber (mit verschiedenen Vokalen) gemeinoberdeutsch. Vielleicht zu Pöbel mit einer Bedeutungsentwicklung von ’gemeines Volk’ zu ’minderwertig’. Die Bedeutung ’minderwertiges Gras’ u.ä. geht zurück auf früh-rom. *bovale ’Heimweide (der Rinder)’, das dann das Gras nach dem 2. Schnitt bezeichnete. Wolf (1985), 39f.; Mätzler (1968), 36; Krefeld, Th. Mont-

fort 45 (1993), 38f. auch das Geräusch, das etwa eine geschwungene Rute hervorruft; deshalb ist Pfeife hier wohl als ’Schwung’ baff Adj (nur in der Wendung baff sein ’verblüfft, zu verstehen (nicht notwendigerweise mit einer Rusprachlos sein’) std. phras. (17. Jh.). Wohl aus der Inte). Dann würde das Wort bedeuten ’schwungvoller terjektion paff, mit der plötzliche Schüsse u.ä. wiedergegeben werden; ein Übergang zu dem modernen Schlag auf die Backe’. Ausdruck ist aber weder syntaktisch noch semantisch Backstein Sm std. reg. (17. Jh.). Ein gebrannter klar nachvollziehbar. Denkbar (nicht nachweisbar) (’gebackener’) Ziegelstein, zu Þbacken. ist, dass die Interjektion auch für ’Luft ablassen’ galt Bad Sn std. (8. Jh.), mhd. bat (-des), ahd. bad, as. bath. und die Wendung entsprechend zu verstehen ist (vgl. Aus g. *baþa- n. ’Bad’, auch in anord. bad Ñ ’Dampfjemand die Luft ablassen, mir bleibt die Luft weg u.ä.). bad’, ae. b¢þ, afr. be(i)th. Vermutlich to-Bildung zu Vgl. nndl. paf staan gleicher Bedeutung. – Röhrich 1 (1991), bähen ’erwärmen’, doch ist die Bildung kaum unab133f. hängig von dem Mittelmeerwort *bal- ’(warmes) Bad’ in gr. balaneı˜on usw. (nach Brøndal über das Bäffchen Sn ÞBeffchen. Etruskische entlehnt). In Ortsnamen bezeichnet das Bagage Sf ’Gesindel’ std. vulg. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. bagage m. ’Tross’, einem Kollektivum zu frz. baWort Heilquellen wie Wildbad. Der Plural in Wiesgues Pl. ’Gepäck’ (Singular wohl ’Sack’ o.ä.). Die (nur baden usw. unter Einfluss von l. aquae f. Pl. Jirlow deutsche) Bedeutungsverschlechterung zu ’Gesinzeigt an nordischen und oberdeutschen Mundartbedel’ beruht darauf, dass der Tross bei den kämpfenlegen, dass baden ursprünglich ’erhitzen’ bedeutete den Truppen nicht sehr geachtet war (und sich dort (auch ’Flachs dörren’ u.ä.). Dies legt die Annahme auch allerlei Schmarotzer aufhielten; vgl. ÞPack und nahe, dass es sich ursprünglich um ein Verb für ÞTross). Die Bedeutung ’Gepäck’ auch bei der fran’erhitzen’, auch ’ein Dampfbad nehmen’ handelte, zösischen Ableitung ist vom Englischen bestimmt. das nachträglich von dem Mittelmeerwort semanEbenso nndl. bagage, ne. baggage, nschw. bagage, nnorw. batisch beeinflusst wurde. Für die Form des Substantivs gasje. Das französische Wort könnte letztlich auf anord. baggi schlagen Bjorvand/Lindeman*b h¡-oto- (entsprem. ’Bündel’ zurückgehen, doch ist seine Verbreitung einer solchend zu gt. liuhaþ ’Licht’) vor (Þbähen). Verb: chen Annahme nicht günstig. Der Rückgriff auf l. vacua, eibaden. Ebenso nndl. bad, ne. bath, nschw. bad, nisl. bad;Ñ Þausbaden, ÞBader. – Brøndal (1917), 183–185 = (1948), 190–192; Jirlow (1926), 73f.; RGA 1 (1973), 579–589; EWahd 1 (1988), 423f.; LM 1 (1980), 1331–1336; Röhrich 1 (1991), 129–133; Bjorvand/Lindeman (2000), 53; EWNl 1 (2003), 200.

Bader Sm per. arch. (14. Jh.), mhd. bad¢re, as. batheri.

Ist ursprünglich der Besitzer einer Badestube, der die Badenden bedient, sie auch zur Ader lässt, schröpft, ihnen die Haare schneidet usw. Danach allgemein für ’Heilgehilfe’ und ’Frisör’. ÞBad. – LM 1 (1980), 1339f.

Badminton Sn (ein wettkampfmäßiges Federball-

gentlich ’der freie Raum’ ist von hierher gesehen befriedigender, macht aber semantische Schwierigkeiten. – DF 3 (21997), 13f.; Jones (1976), 128f.; DEO (1982), 64; Rey-Debove/Gagnon (1988), 42; EWNl 1 (2003), 200.

Bagatelle Sf ’Kleinigkeit’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt

aus frz. bagatelle, dieses aus it. bagatella, einem Diminutivum zu l. ba¯ca ’Beere’. Von ’kleine Beere’ aus verallgemeinert zu ’eine Kleinigkeit’ (vgl. den Gebrauch von ne. peanuts und mhd. niht ein ber ’gar nichts’). Verb: bagatellisieren. Ebenso nndl. bagatel, ne. bagatelle, nschw. bagatell, nnorw. bagatell. – DF 3 (21997), 14–16; Jones, W. J. SN 51 (1979), 249; Brunt (1983), 144; EWNl 1 (2003), 200f.

spiel) per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. badminton, baggern Vsw std. (18. Jh.). Entlehnt aus nndl. baggeren so bezeichnet nach Badminton House, dem Landsitz ’eine Fahrrinne ausbaggern’, das zu nndl. bagger des Duke of Beaufort in Gloucestershire, wo das aus ’Schlamm’ gehört, also eigentlich ’entschlammen’; Indien stammende Spiel zuerst nach festen Regeln dann verallgemeinert zu ’Erdreich maschinell abräudurchgeführt wurde. men’. Bagger ist eine deutsche Rückbildung aus dem Ebenso nndl. badminton, nfrz. badminton, nschw. badminton, Verb (zunächst ’Werkzeug zum baggern; Arbeiter, der nisl. badminton. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 41f.; baggert’), auch eine Haplologie (statt *Baggerer) ist Carstensen 1 (1993), 81; EWNl 1 (2003), 200. denkbar; als Bezeichnung der zum Abräumen von Bafel Sm ’dummes Zeug’ per. fremd. (19. Jh.). AngebErde verwendeten Maschine vielleicht zugleich eine lich aus hebr. babel, bafel ’minderwertige Ware’. Das Verkürzung aus nndl. baggermachine.

Bajonett

83 Ebenso nndl. baggeren. Das im Germanischen isolierte niederländische Wort ist vielleicht urverwandt mit russ. bagno´ ’niedere, sumpfige Stelle’. – van Wijk, N. IF 24 (1909), 231f.; Lühr (1988), 292f.; EWNl 1 (2003), 201.

Baguette Sn ’Stangenweißbrot’ per. exot. (20. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. baguette f. (eigentlich ’Stange, Leiste’), dieses aus it. bacchetta f. ’Stock, Stab’, einem Diminutivum zu it. bacchio m. ’Stab’, aus l. baculum (spl. baculus m.).

Bahre Sf std. (9. Jh.), mhd. ba¯re, ahd. ba¯ra, as. ba¯ra. Aus

wg. *b¢ ¯ ro¯ f. ’Bahre’, auch in ae. b¢¯ r, afr. bere. Dehnstufige Instrumentalbildung zu g. *ber-a- ’tragen’ (Þgebären); also eigentlich ’das, womit getragen wird’. Die Bedeutung wird dann weiterentwickelt zu ’Leichenbahre’, wozu die Partikelableitung aufbahren; die alte Bedeutung in Tragbahre u.ä. Ebenso nndl. baar, ne. bier. – Cox (1967), 50–55; EWahd 1 (1988), 469f.; LM 1 (1980), 1349f.; EWNl 1 (2003), 194f.

Ebenso nndl. baguette, nschw. baguette, nnorw. bagett; ÞBakel, Bai Sf ’Meeresbucht’ per. fach. (15. Jh., Standard ÞBazille, ÞBakterie, ÞDebakel. – EWNl 1 (2003), 201. 17. Jh.). Entlehnt aus nndl. baai zunächst zu mndd.

bähen Vsw ’durch Umschläge wärmen, Brot rös-

ten’ per. arch. obd. (8. Jh.), mhd. b¢hen, b¢jen, ahd. ba¯en ’erwärmen’. Vermutlich mit unregelmäßigem Ausfall des r nach Labial zu g. *br¢¯ -, voreinzelsprachl. *g whre¯- ’wärmen’, das in akslav. greˇti ’wärmen’ bezeugt ist. Vgl. auch Þbraten und Þbrüten sowie ÞBad. – EWahd 1 (1998), 425.

Bahn Sf std. (12. Jh.), mhd. ban(e), mndl. bane. Das

(sand)baie, dann in die Standardsprache. Das Wort kommt von frz. baie, das am ehesten zu frz. bayer ’gähnen, klaffen, den Mund aufmachen’ gehört (wie ÞMündung u.ä.). Die übliche Herleitung aus dem Namen des französischen Ortes La Baie (über span. bahı´a) lässt sich nicht ausreichend stützen. Ebenso nndl. baai, ne. bay, nfrz. baie. – Metzeltin, M. VR 26 (1967), 249–276; Pfister (1980), 84–90; DEO (1982), 65f.; EWNl 1 (2003), 193.

Wort fehlt der ältesten Zeit. Offenbar handelt es sich Baiser Sn ’Meringe’ per. fach. (19. Jh.). (Vermutlich Schein-)Entlehnung zu frz. baiser m. ’Kuss’, dieses um einen technischen Ausdruck, der außerhalb des aus älterem frz. baisier, dem substantivierten Infinitiv Germanischen ebenfalls mit technischen Wörtern zu von afrz. baisier ’küssen’, aus l. ba¯sia¯re. Das Gebäck ist vergleichen ist: Mit der Bedeutung ’Schlagfläche des nach seiner Zartheit und Süße so benannt (vgl. Hammers’ vergleicht sich ai. ghana´- ’Hammer’; mit ÞNegerkuss − etwas Ähnliches mit Schokolade-Überder Bedeutung ’Gestirnbahn, Tuchbahn, gebahnter zug). Das richtige französische Wort dafür ist merinWeg’ vergleicht sich russ. dial. gon ’Strecke, die von gue (ÞMeringe); doch ist nicht völlig sicher, ob baiser einem Pflüger ohne zu wenden gepflügt werden in dieser Bedeutung nicht auch in Frankreich zeitkann’ usw., kymr. gwanaf ’Schwaden; das beim weise üblich war. Dachdecken mit Stroh ohne Verschieben der Leiter DF 1 (1913), 70. erreichbare Stück’. Vorauszusetzen ist demnach vd. *bano¯ f. ’Fläche’ (in speziellen Zusammenhängen), ig. Baisse Sf ’Tiefstand der Wertpapiere’ per. fach. *g whono- ’Schlag’ (ebenfalls in speziellen Zusammen- (19. Jh.). Entlehnt aus frz. baisse, zu frz. baisser hängen) zu ig. *g when- ’schlagen’ in ai. hanti, heth. ’senken’, zu ml. bassus ’niedrig, flach’. kuenzi, gr. theı´nein, lit. gene˙´ti, akslav. ˇz˛eti, air. gonim, l. Ebenso nndl. baisse, nschw. baisse, nnorw. baisse. – DF 3 (21997), 16–18. of-fen-do. − In der Bedeutung ’Eisenbahn’ aus dem vollen Wort (ÞEisenbahn) gekürzt. − Verb: bahnen; Bajadere Sf ’indische Tempeltänzerin’ per. exot. Inchoativum: anbahnen (nur noch übertragen ver(18. Jh.). Entlehnt aus frz. bayade`re, dieses aus port. wendet für ’in die Wege leiten’); zu der Wendung eine bailadeira, einem Nomen Agentis zu port. bailar Bahn brechen heute in übertragener Bedeutung ’tanzen’, aus spl. balla¯re. bahnbrechend. Ebenso nndl. bajade`re, ne. bayadere, nfrz. bayade`re, nschw. Ebenso nndl. baan; ÞBahnhof , ÞBahnsteig. – Eichhoff (1968), 42–44; EWahd 1 (1988), 460–462 (zu ahd. bano m. ’Scharfrichter, Mörder, Untergang, Verderben, Tod’, das zu einer Wurzel mit der Bedeutung ’schlagen’ gehört); Seebold, E. BGDSL-T 112 (1990), 310f.; Röhrich 1 (1991), 134; Krüger (1979), 110–117 (zu [Eisen-]Bahn); EWNl 1 (2003), 194.

Bahnhof Sm std. (19. Jh.). Gekürzt aus Eisenbahnhof,

dieses aus Eisenbahn und Hof in der Bedeutung ’größerer Komplex von Wirtschafts-Gebäuden’. ÞBahn, ÞHof . – Krüger (1979), 126–130; Röhrich 1 (1991), 134.

Bahnsteig Sm std. (19. Jh.). Als Ersatzwort für Perron

analog zu Bürgersteig eingeführt. ÞBahn, ÞBürgersteig, ÞSteig. – Pfaff (1933), 18; Krüger (1979), 25.

bajadär; ÞBall 2. – Littmann (1924), 126; Richter, E. in: Volkstum und Kultur der Romanen 5 (1932), 1–20; Lokotsch (1975), 123; DF 3 (21997), 19f.

Bajazzo Sm ’Spaßmacher’ per. exot. (18. Jh.). Entlehnt

aus obit. pajazzo, pajasso, it. pagliaccio ’Narr, Hanswurst, Spaßmacher’, eigentlich ’Strohsack’, da diese Figuren eine weite Bekleidung aus grobem Stoff trugen, die Ähnlichkeit mit Strohsäcken aufwies (zu venez. paia, it. paglia ’Stroh’). Regionale deutsche Form Bajass. Ebenso nndl. paljas, nfrz. pailasse, nschw. pajas, nnorw. bajas. – DF 3 (21997), 70.

Bajonett Sn ’eine auf Gewehre aufgesetzte Stichwaf-

fe’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. baı¨onnette f.; so benannt nach dem ursprünglichen Herstellungsort

Bake

84

Bayonne in Frankreich. Der dabei übliche Verschluss wird als Bajonett-Verschluss auch auf andere Bereiche übertragen. Ebenso nndl. bajonet, ne. bayonet, nschw. bajonett, nnorw. bajonett.Ersatzwort ist Seitengewehr. – DF 3 (21997), 20–22; Brunt (1983), 144f.; EWNl 1 (2003), 202.

Bake Sf ’Verkehrszeichen auf See und bei Bahnüber-

kann auf Sekundärmotivation beruhen, etwa nach spl. balla¯re ’tanzen, bewegen’ (Balance wird gerne im Zusammenhang mit Seiltanz gebraucht, vgl. besonders balancieren und Balancierstange). Die Balance ist also eigentlich das ausgeglichene Gewicht der beiden Waagschalen. Ebenso nndl. balans, ne. balance, nschw. balans, nnorw. balan2

se; ÞBilanz.Ersatzwort ist Gleichgewicht. – DF 3 ( 1997), 28–33; gängen’ per. fach. (17. Jh.). Ins Hochdeutsche überJones (1976), 132f.; Brunt (1983), 145–147; EWNl 1 (2003), 207. nommen aus mndd. bake ’Leuchtfeuer’, das seinerseits auf afr. baken, beken beruht. Dieses setzt wg. balbieren (regional und in festen Wendungen wie über *baukna- n. ’Zeichen’ fort (ae. be¯acen, as. bo¯kan, ahd. den Löffel balbieren) Vsw per. arch. phras. (16. Jh.). bouhhan). Ererbt ist daraus das Bodenseewort Bauche Eigentlich barbieren zu ÞBarbier mit Dissimilation ’Boje’ (8. Jh.). Das außergermanisch sonst nicht verdes ersten r. Einen Löffel schob man früher alten, gleichbare Wort könnte auf eine wen-Ableitung der zahnlosen Männern in den Mund, um sie besser raWurzel ig. *b ha¯- ’leuchten’ zurückgehen, vgl. ai. visieren zu können. Deshalb über den Löffel balbieren ’rücksichtslos (oder pauschal) behandeln’, dann auch bha¯´van ’strahlend, leuchtend’, wobei von einem g. *bauwn mit Übergang von w zu k auszugehen wäre ’übervorteilen’. ˙ Lautwandel bei ÞZeichen). (vgl. den Röhrich 2 (1992), 973. Mode´er, I. NB 31 (1943), 131–149 (zu l. bu¯cı¯na ’Trompetensignal’); RGA 2 (1976), 1f.; Schmidt-Wiegand (1978), 92–103; Hamp, E. P. CoE 15,5 (1955), 9f.; Faltings, V. F.: Nordfriesische Grabhügelnamen (Odense 1996), 15–17; EWNl 1 (2003), 203.

Bakel Sm ’Schulstock’, auch ’Spazierstock’ per. arch.

(17. Jh.). Entlehnt aus l. baculum n. (spl. baculus m.) ’Stab’. ÞBaguette. – EWahd 2 (1998), 259–262.

Bakschisch Sn ’Geldgeschenk (als Gegenleistung für

eine Gefälligkeit)’ per. exot. (17. Jh.). Entlehnt aus pers. bahˇs¯ıˇs ’Geschenk’ (vielleicht über eine andere ˘ europäische Sprache). Ebenso ne. baksheesh, nfrz. bakchich. – DF 3 (21997), 24f.

Bakterie Sf ’einzelliges Lebewesen’ erw. fach. (19. Jh.).

bald Adv std. (9. Jh., baldlihho und beldi 8. Jh.), mhd.

balde, ahd. baldo. Adjektiv-Adverb zu g. *balþa’kühn’, auch in gt. balþ-, anord. ballr, ae. beald, as. bald, ahd. bald. Der Bedeutungsübergang geht über ’kühn, eifrig’ zu ’schnell’ und dann zur heutigen Bedeutung. In seiner ursprünglichen Bedeutung spielt das Wort eine Rolle als Namenselement (Balduin, Willibald usw.). Seine weitere Herkunft ist unklar. Mit abweichendem Auslaut (Suffix oder Wurzelerweiterung) ist vergleichbar air. balc ’stark, mächtig’, kymr. balch ’kühn’, doch ist das damit vorausgesetzte ig. *b hal- seiner Lautstruktur nach auffällig und nicht weiter vergleichbar. Adjektiv: baldig; Substantiv: (phras.) Bälde. Ebenso nndl. boud, ne. bold, nschw. ba˚ld, ne. ballur. – EWahd 1

(1988), 434–436; Heidermanns (1993), 115f.; EWNl 1 (2003), Bei der genaueren Untersuchung und Beschreibung 363. der Einzeller wurde die stäbchenförmige Ausprägung mit l. bacte¯rium n. ’Stöckchen, Stäbchen’ benannt, Baldachin Sm ’prunkvolle Überdachung’ per. fach. dieses aus gr. bakte¯rı´a, auch bakte¯´rion n. Ursprünglich (14. Jh.). Zunächst im 14. Jh. als mhd. baldekı¯n entNeutrum, dann wegen der überwiegenden Verwenlehnt aus it. baldacchino, einer Ableitung von it. Baldung im Plural zum Femininum geworden. Hierzu dacco, der italienischen Form des Namens der Stadt das Adjektiv bakteriell und die WissenschaftsbezeichBagdad (arab. bag˙da¯di ’aus Bag˙da¯d’). Bezeichnung nung Bakteriologie. für kostbare golddurchwirkte (Seiden-)Stoffe, die aus dieser Stadt kommen, dann (nach dem Vorbild einer Ebenso nndl. bacterie, ne. bacterium, nfrz. bacte´rie, nschw. bakterie, nisl. bakterı´a; ÞBaguette, ÞBazille. – DF 3 (21997), 25–28; orientalischen Sprache) metonymisch übertragen auf EWNl 1 (2003), 199f. den häufig aus diesem Stoff gefertigten Traghimmel. Das Wort ist dann ungebräuchlich geworden und im Balalaika Sf (ein dreisaitiges russisches Instru17. Jh. erneut aus dem Italienischen entlehnt worden. ment) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus russ. balala´jka. Die frühere Schreibvariante Baldequin beruht auf Vermutlich zu einem lautnachahmenden russischen dem Einfluss von frz. baldaquin. Verb (vgl. etwa russ. balabo´lit′ ’schwatzen’). Ebenso nndl. balaleika, ne. balalaika, nfrz. balalaı¨ka, nschw. balalajka, nnorw. balalaika.

Balance Sf ’Gleichgewicht’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt

Ebenso nndl. baldakijn, ne. baldachin, nfrz. baldaquin, nschw. baldakin, nnorw. baldakin. – DF 3 (21997), 34f.; Littmann (1924), 93; Latham (1972), 58f.; Lokotsch (1975), 15; Höfler, M. ZRPh 83 (1967), 47f.; Höfler, M. (1967), 98f.; LM 1 (1980), 1362; Tazi (1998), 254f.; EWNl 1 (2003), 207.

aus frz. balance, dieses mit unregelmäßiger Vokalentwicklung über ein vorauszusetzendes früh-rom. *bibaldowern (ausbaldowern) Vsw ’herausbekommen, lancia ’Waage’ aus dem spl. Adjektiv bilanx ’zwei auskundschaften’ per. grupp. (19. Jh.). Aus rotw. Schalen besitzend’ zu l. lanx (lancis) ’(Waag-)Schale’ baldowern, dieses aus rotw. Baldower, wjidd. Baldound l. bi- ’zwei’ (Þbi-). Der Wortanfang bal- statt bil-

Ball1

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wer m. ’Auskundschafter, Angeber, Anführer bei Diebesunternehmen’; aus hebr. ba al-da¯ba¯r ’Herr des Wortes, der Sache’. Diese Wendung wird gebraucht, wenn man jemanden nicht bei seinem Namen nennen will (also etwa ’der Betreffende’). Wolf (1985), 41; Röhrich 1 (1991), 134.

Baldrian Sm ’eine Pflanze, aus der ein Beruhigungs-

(*b hlk´-jo-, also mit abweichendem Tektal), dürfte die˙ Ausgangsbedeutung zeigen. Kollektivum: ses die Gebälk. Ebenso nndl. balk, ne. balk, nschw. bjälke, nisl. bjelki; ÞBalkon, ÞBlock, ÞBohle, ÞPlanke, ÞPhalanx. – EWahd 1 (1988), 440–443; Lloyd, A. L. AJGLL 1 (1989), 53–66; Röhrich 1 (1991), 135f.; EWNl 1 (2003), 209.

mittel gewonnen wird’ erw. fach. (15. Jh.). Als baldri- Balkon Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. balcon, dieses aus it. balcone, einem Augmentativum zu it. balco a¯n, waldrian entlehnt aus ml. valeriana f., dessen wei’(Balken)Gerüst’. tere Herkunft nicht sicher geklärt ist. Der Einschub Ebenso nndl. balkon, ne. balcony, nschw. balkong, nnorw. baldes -d- ist unklar; der Genuswechsel wohl nach der kong. Das italienische Wort galt seither als aus dem LangobarÄhnlichkeit mit Männernamen. Ebenso nndl. valeriaan, ne. valerian, nfrz. vale´riane, ndn. baldrian, nnorw. baldrian. – EWahd 1 (1988), 437f.; LM 1 (1980), 1365f.

Balg Sm erw. fach. (9. Jh., belgilin und balgbrust 8. Jh.),

dischen entlehnt, vgl. ahd. balko ’Balken’; doch rechnen neuere Untersuchungen (Korth) mit einem früh-rom. *pa¯lica, einer Ableitung aus l. pa¯lus ’Pfahl’. Wieder anders Kahane: Das Wort ist germanisch und die Bedeutung ursprünglich (wie oberdeutsch) ’Fensterladen’, von dem zum Balkon führenden Fenster; ÞBalken. – DF 3 (21997), 35–37; Öhmann, E. NPhM 44 (1943), 14; Lokotsch (1975), 17; Brunt (1983), 147f.; Korth, U.: Die Wortfamilie von balcon im Französischen und Romanischen, in Joppich-Hagemann/Korth (1973), 146–280; Kahane, H./ R. Romance Philology 30 (1976/77), 565–573; LM 1 (1980), 1381f.; LEI G I, 1 (2000), 127–169; EWNl 1 (2003), 209.

mhd. balc, ahd. balg, as. balg. Aus g. *balgi- m. ’Balg’ in gt. balgs, anord. belgr, ae. belg. Die Bedeutung ist ’Schlauch, Sack, abgezogene Tierhaut’. Das Wort ist einerseits vergleichbar mit außergermanischen Wörtern der Bedeutung ’Kissen, Polster’ (ÞPolster), z.B. avest. bar¡zisˇ n. ’Kissen, Polster’, andererseits mit air. Ball1 Sm ’Kugel, Spielgerät’ std. (9. Jh., ein unsicherer bolg ’Sack’ (spl. bulga ’Wassersack’), das neben gr. Beleg schon 8. Jh.). Der Beleg des 9. Jhs. (Gl 3,630,38 molgo´s m. ’Ledersack’ (ahd. malacha ’Ledertasche’) und 34) wurde in ChWdW9 versehentlich nicht besteht; schließlich könnte es eine Ableitung aus dem rücksichtigt; mhd. bal, ahd. bal. aus g. *ballu- m. germanischen starken Verb *belg-a- ’schwellen, zür’Ball, Kugel’, auch in anord. bo¸llr ’Kugel’ und der Abnen’ sein. Wahrscheinlich handelt es sich bei Balg, leitung ae. bealluc ’Hode’. Daneben steht ein dem irischen und dem griechischen Wort, um ein n-Stamm gleicher Bedeutung, der erst im Neuhochlautlich nicht sicher fassbares Wanderwort, das mit deutschen in der Bedeutung differenziert wird dem starken Verb ursprünglich nichts zu tun hat. Zu (ÞBallen). Am nächsten vergleichbar ist l. follis m. diesem gehören dafür vielleicht die Wörter für ’Blasebalg, Luftball, Luftkissen’, zu einer Wurzel ig. ’Polster’. − Balg wird auch metonymisch in der Be*b hel-, die mehrere Bezeichnungen für aufgeblasene deutung ’Leib’ gebraucht, dann auch für Personen, oder aufgeschwollene oder ausgestopfte Gegenstände besonders häufig für (unartige) Kinder. liefert. Letztlich zu einer Lautgebärde für die aufgeEbenso nndl. balg, ne. belly ’Bauch’, bellows ’Blasebalg’, nschw. blasenen Backen, wie unter ÞBausch dargestellt. Das bälg; ÞWechselbalg, Þkatzbalgen, ÞBudget, ÞBulge 2. – VenBallspiel stammt jedoch mit seiner Bezeichnung aus dryes, J. BSL 41 (1941), 134–139; Hubschmid (1955), 88; Seedem Französischen (frz. bal, aus it. palla, aus langobold (1970), 99–101; EWahd 1 (1988), 438–440; Röhrich 1 (1991), 134f.; EWNl 1 (2003), 208. bard. *balla), vgl. Athis und Prophilias (13. Jh., ed. Grimm, C* 94f.): dit spil was geheizin bal in ro¯mischer balgen Vswrefl ’sich raufen’ std. alt. (15. Jh.). Zu Balg im zungin. Gespielt wird zunächst mit ausgestopften LeSinne von ’(abgezogene) Haut’. Vgl. etwa einem das derbällen (ebd. 85f.: ein linde hu¯t, ubir ein weich ha¯r Fell gerben, sich in die Haare geraten usw. gesu¯t, als ein ku¯le also¯s gro¯z; disin handeweichin klo¯z, Þkatzbalgen. den wurfin sie ein andir), seit dem 15. Jh. von OberBalken Sm std. (9. Jh.), mhd. balke, ahd. balko, balc(h)o, italien ausgehend mit luftgefüllten Hohlbällen. Das as. balko. Aus wg. *balko¯n m. ’Balken’, auch in ae. Ballspiel ist zunächst eine Sache der Frauen: Gl balca, afr. balka. Daneben ein u-Stamm in anord. III,235,14–20 (12. Jh.): pal. quo utuntur mulieres in bo¸lkr und ein n-Stamm von der e-Stufe in anord. bjalludo. Noch im 15. Jh. werden auch größere zusamki. Am nächsten stehen außerhalb des Germanischen mengesetzte Bälle gefertigt, die wegen ihrer Größe lit. balzˇ´ıena f., balzˇ´ıenas ’Querstange’, russ. (dial.) und Schwere it. pallone heißen (ÞBallon). bo´lozno n. ’dickes Brett’ und, mit zweisilbiger GrundEbenso nndl. bal, ne. ball, nschw. boll; ÞBallen, ÞBallon, h lage *b l¡g´- und Nasalierung, gr. pha´lanx ’BaumÞBille, ÞBiller, ÞBolle, ÞBulge 1, ÞBulle 1, ÞPolster. – RGA 2 stamm,˙Walze, Balken’ (und vielleicht l. suffla¯men n. (1976), 11–13; Gillmeister, H. Stadion 7 (1981), 19–51; Gill’Bremsklotz’, falls aus *sub-flag-(s)men). Es handelt meister, H. Stadion 10 (1984), 31–40; Gillmeister, H. Stadion sich um eine verbreitete Sippe für Wörter der Bedeu10 (1984), 77–94; EWahd 1 (1988), 430f.; Röhrich 1 (1991), 136; Dolch, M. Stadion 7 (1981), 53–92; EWNl 1 (2003), 205f. tung ’Balken, Stamm usw.’ mit ungewöhnlich starkem Ablaut. Falls l. fulcı¯re ’stützen’ dazugehört

Ball2

86 2

Ball Sm ’Tanzfest’ std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. bal,

Ebenso nndl. ballerina, ne. ballerina, nfrz. ballerine; ÞBall 2. – DF 3 (21997), 48f.; EWNl 1 (2003), 210.

einer Ableitung von frz. baller ’tanzen’, dieses aus l. balla¯re. Vergleichbar ist gr. ballı´zein ’tanzen’, doch ist ballern Vsw ’dumpf knallen’ std. stil. (17. Jh.). Lautdie Annahme, dass l. balla¯re daraus entlehnt ist, malend wie mndd. balderen gleicher Bedeutung. wegen der abweichenden Stammbildung nicht unDann umgangssprachlich für ’(herum-)schießen’, problematisch. und Ballermann m. für ’Schusswaffe’, besonders Ebenso nndl. bal, ne. ball, nschw. bal, nisl. ball. Zu der Sippe ’Revolver’. des zugrunde liegenden gr. ba´llein ’werfen’ s. ÞSymbol; ÞBajadere, ÞBallade, ÞBallerina, ÞBallett, ÞBallen. – DF 3 (21997), 37–39; Paesens, H. RMPh 90 (1941), 146–156; Radermacher, L. RMPh 91 (1942), 52–58; Mehl, E. MS 76 (1966), 307–311; Jones (1976), 131; Brunt (1983), 145; EWNl 1 (2003), 206.

Ballade Sf ’erzählendes Gedicht’ erw. fach. (16. Jh., Be-

deutung 18. Jh.). Das Wort wurde zunächst mit der Bedeutung ’Tanzlied’ entlehnt aus frz. balade ’Tanzlied’ (letztlich aprov. balada aus aprov. balar ’tanzen’, aus l. balla¯re; ÞBall 2). Die Lautform wird beibehalten, als das Wort mit der Bedeutung ’volkstümliches erzählendes Lied’ aus ne. ballad neu entlehnt wird. Die Bedeutungsentwicklung im Englischen beruht darauf, dass in den Tanzliedern gern dramatische Geschichten wiedergegeben wurden. Ebenso nndl. ballade, ne. ballad, nschw. ballad, nisl. balladaÑ . – DF 3 (21997), 39–44; Ganz (1957), 34; Jones (1976), 133; LM 1 (1980), 1383–1387; EWNl 1 (2003), 209f.

Ballast (auf beiden Silben betonbar) Sm ’zur Be-

Ballett Sn ’künstlerische Tanzdarbietung’ erw. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus it. balletto m. (und frz. ballet m.), einer Diminutivbildung zu it. ballo m. ’Tanz’, zu it. ballare ’tanzen’, dieses aus l. balla¯re. Ebenso nndl. ballet, ne. ballet, nschw. balett, nisl. ballett; ÞBall 2. – DF 3 (21997), 49–52; Jones (1976), 133f.; EWNl 1 (2003), 210.

Ballon Sm ’kugelförmiges Gefäß, Luftfahrzeug’ std.

(16. Jh.). Entlehnt aus frz. ballon, dieses aus it. pallone ’großer Ball’, einem Augmentativum zu it. palla, balla f. ’Kugel’. Die Bedeutung ’Luftfahrgerät’ ist bezeugt seit 1783. Ebenso nndl. ballon, ne. balloon, nfrz. ballon, nschw. ballong, nnorw. ballong; ÞBall 1. – DF 3 (21997), 55–60; Stubelius (1960), 110–125; Zastrow, D.: Entstehung und Ausbildung des französischen Vokabulars der Luftfahrt mit Fahrzeugen leichter als Luft (Tübingen 1963), 85–96; Röhrich 1 (1991), 138; EWNl 1 (2003), 211.

Balsam Sm ’ein Linderungsmittel’ erw. exot. ass.

(11. Jh.), mhd. balsame, ahd. balsamo. Entlehnt aus l. schwerung mitgeführtes Gewicht, unnützes Gewicht, balsamum n. ’Balsamstrauch, Balsamharz’, dieses aus Überflüssiges’ erw. fach. (14. Jh., Standard 17. Jh.). gr. ba´lsamon n., aus hebr. ba¯sa¯´m. Die ursprüngliche Entlehnt aus mndl. ballast ’das Gleichgewicht von südarabische Form hatte ein laterales ´s, was die WieSchiffen sicherndes Gewicht (in Form von Sandsädergabe als ls erklärt. Zu einer Verbalwurzel, die cken)’. Das Wort ist nicht sicher erklärt. Man ver’angenehm duften, angenehm sein’ bedeutet. Partimutet im zweiten Bestandteil -last die Entsprechung kelableitung: Þeinbalsamieren. zu nhd. ÞLast, da die frühe Entlehnung ins FranzöEbenso nndl. balsem, ne. balsam, balm, nfrz. baume, nschw. sische last, lest lautet; der erste Bestandteil wird sobalsam, nisl. balsam. – Littmann (1924), 17; Lokotsch (1975), wohl mit bar ’rein, bloß’ in Verbindung gebracht 25; Cottez (1980), 48; LM 1 (1980), 1389; Müller, W. W. in (d.h. ’eine Last um der Last willen’) als auch mit nndl. Lendle (1986), 84; EWahd 1 (1988), 445–447; DF 3 (21997), 60–65; bal- ’schlecht’ (d.h. ’die Last ohne Handelswert’). EWNl 1 (2003), 211f. Vielleicht liegt in nschw. barlast (eigentlich ’bloße Balustrade Sf ’säulenverziertes Geländer’ per. fach. Last’) die ursprüngliche Form vor. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. balustrade, dieses aus it. Ebenso nndl. ballast, ne. ballast, nfrz. ballast, nschw. barlast, balaustrata, einer Ableitung von it. balaustro m. nnorw. balast. – DF 3 (21997), 44–47; EWNl 1 (2003), 210. ’Geländerdocke’ (fachsprachlich entlehnt als Ballen Sm std. (11. Jh., Form 15. Jh.), mhd. balle, ahd. Baluster), eigentlich ’Granatapfelblüte’ (wegen der ballo. Ist zunächst eine morphologische Variante zu ähnlichen Form), aus l. balaustium n. ’Granatapfel’, dem stark flektierten ÞBall 1. Es wird dann differenaus gr. balau´stion n. ziert zu ’Hand- und Fußballen’, später auch zu Ebenso nndl. balustrade, ne. balustrade, nschw. balustrad, ’Zusammengepacktes, Warenballen’; letzteres unter nnorw. balustrade. – DF 3 (21997), 65–67; Brunt (1983), 148; Einfluss von frz. balle, das zumindest nicht ausEWNl 1 (2003), 212f. schließlich germanischer Herkunft ist (vielleicht zu l. Balz (neben balz auch falz und pfalz) Sf ’Paarungsverballa¯re ’tanzen’ als ’Festgetretenes, Festgestampftes’). halten der Vögel, die zur Zeit der Paarung stattfinDie Einzelheiten der Entwicklung sind aber nicht dende Jagd’ erw. fach. (14. Jh.). Die Herkunft des klar. Im 15. Jh. wird das n im Nominativ fest. Wortes ist ganz unklar, der Wechsel des Anlauts rätDEO (1982), 70.

Ballerina Sf ’Solotänzerin (beim Ballett)’ per. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus it. ballerina ’Tänzerin’, einer Ableitung von it. ballare ’tanzen’. Von Bedeutung ist besonders die erste Solotänzerin, die Primaballerina.

selhaft. Nach Vennemann aus l. ballatio ’Tanz’, das allerdings praktisch nur bei einem Autor bezeugt ist. Webinger, A. ZV 7 (1935), 160f.; Röhrich 1 (1991), 138; Vennemann, Th. Sprachwissenschaft 26 (2001), 425–431; EWNl 1 (2003), 212.

Banderole

87 Bambule (in Bambule machen) Sf ’krawallartiger Pro-

(1981), 203–205, 226–231; Simon, M. in Welskopf 5 (1981),

280–290. test von Häftlingen’ per. grupp. phras. (20. Jh.). In der Gegenwartssprache entlehnt aus frz. bamboula Band1 Sm ’Buch’ std. (17. Jh.). Zu Þbinden in der Be’Rummel’, eigentlich Bezeichnung einer afrikanideutung ’einbinden’, also ’das Eingebundene’. schen Trommel und eines Tanzes zu deren Klängen ÞEinband. (aus einer Bantusprache). Band2 Sn std. (8. Jh.), mhd. bant, ahd. bant, as. band. Bambus Sm ’tropisches Rohrgras’ per. fach. (17. Jh.). Aus g. *banda- n. ’Band, Fessel’, auch in anord. band. Entlehnt aus nndl. bamboe, dieses (vermutlich über Instrumentalbildung zu Þbinden. Übertragen in das Portugiesische) aus südindischen Dialekten bamBandwurm; in moderner Zeit häufig für Tonband oder bu, mambu u.ä. Das -s über das Niederländische aus sonstige elektronische Datenträger. der portugiesischen Pluralform. Ebenso nndl. band, nisl. band, nschw. band. – EWNl 1 (2003), Ebenso ne. bamboo, nfrz. bambou, nschw. bambu, nisl. bambus. – Littmann (1924), 129; Lokotsch (1975), 18; EWNl 1 (2003), 213.

Bammel Sm ’Angst’ std. stil. (19. Jh.). Wohl als ’Herz-

215.

Band3 [bænd] Sf ’Musikgruppe’ per. grupp. (19. Jh.).

Entlehnt aus ne. band, dieses aus frz. bande ’Schar, Trupp’.

klopfen’ zu bammeln ’hin- und herschwanken’ (von Ebenso nndl. band, nschw. band, nnorw. band; ÞBande 1. – etwas Aufgehängtem). Dieses tritt seinerseits in mehCarstensen 1 (1993), 84f.; DF 3 (21997), 75f.; EWNl 1 (2003), reren Lautvarianten auf (Þbaumeln, pampeln usw.) 215. und ist deshalb wohl eine lautmalerische Bildung. Im Bandage Sf ’fester Schnür- bzw. Stützverband’ erw. 17. Jh. ist bammen für den Ton der Glocken bezeugt. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. bandage, einer AbleiWolf (1985), 43 (Versuch einer Herleitung aus dem Westjidtung von frz. bander ’verbinden’, zu frz. bande dischen); Röhrich 1 (1991), 138. ’Binde’, das aus dem Germanischen stammt banal Adj ’nichtssagend’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt (Þbinden). Die harten Bandagen sind die Vorläufer aus frz. banal, einer Ableitung aus afrz. ban ’Geder Boxhandschuhe; hart waren sie bei Wettkämpfen, richtsbezirk’, dieses aus awfrk. ban ’Bann’ (ÞBann). weich beim Training. Verb: bandagieren. Das Adjektiv wird zunächst zur Bezeichnung von Ebenso nndl. bandage, ne. bandage, nschw. bandage, nnorw. Dingen verwendet, die den Personen, die in einem bandasje. – DF 3 (21997), 76–79; EWNl 1 (2003), 215. bestimmten Bezirk leben, gemeinsam gehören. Aus Bande1 Sf ’Schar’ std. (15. Jh.). Entlehnt aus frz. bande ’gemeinsam, gemeinnützig’ wird dann ’normal’ mit ’Trupp, Schar’, zunächst für Soldaten, Musikanten der Bedeutungsverschlechterung hin zu ’nichtssau.ä. Das französische Wort bedeutet ursprünglich gend’. Abstraktum: Banalität. ’Fähnlein’ und ist entlehnt aus dem Germanischen Ebenso nndl. banaal, ne. banal, nschw. banal, nnorw. banal. –

DF 3 (21997), 67–71; EWNl 1 (2003), 214 f .

Banane Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus port. banana, die-

ses aus einer Mundart Guineas. Der Bananenstecker heißt so, weil er wegen seiner federnden Kontaktflächen die Form einer Banane (ohne die Krümmung) hat. Unter einer Bananenrepublik versteht man einen Staat mit unsicheren politischen Zuständen (nach südamerikanischen Staaten, die ständig von Putschen bedroht werden und bei denen andererseits Bananen einen Hauptwirtschaftszweig ausmachen; Lehnübersetzung von am.-e. banana republic). Ebenso nndl. banaan, ne. banana, nfrz. banane, nschw. banan, nisl. banani. – Littmann (1924), 88, 130, 152; Loewe, R. ZVS 61 (1933), 112–114; Wis, M. NPhM 59 (1958), 1–34; 61 (1960), 58–62; 66 (1965), 621; Lokotsch (1975), 18; Röhrich 1 (1991), 138; Carstensen 1 (1993), 83f.; EWNl 1 (2003), 215.

Banause Sm ’Mensch mit mangelhaftem Verständnis

für Kunst usw.’ per. fremd. (18. Jh.). In Übersetzungen aus dem Griechischen entlehnt aus gr. ba´nausos ’Handwerker’ mit der Nebenbedeutung ’Spießbürger’ und in diesem Sinn dann auch in literarischen Kreisen verwendet. DF 3 (21997), 71–75; Arnold, R. F. ZDW 5 (1903/04), 257–262; Arnold, R. F. ZDW 8 (1906/07), 2f.; Rössler, D. in Welskopf 3

(gt. bandwa ’Zeichen’ usw.). Im Deutschen sinkt die Bedeutung zu ’Diebes- und Räuberbande’ (möglicherweise unter dem Einfluss von ÞBandit). Ebenso nndl. bende, ne. band, nschw. band, nnorw. bande; ÞBanner, ÞBand 3. – DF 3 (21997), 79–81; EWNl 1 (2003), 264.

Bande2 Sf ’seitliche Einfassung’ per. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. bande ’Streifen, Band’, das letztlich auf ein zu Þbinden gehöriges germanisches Wort zurückgeht. Ebenso nndl. band. – DF 3 (21997), 81f.

Bändel Smn ’Schnur, Schnürsenkel’ std. reg. (11. Jh.),

mhd. bendel m., ahd. bentil m., mndd. bendel. Alte Diminutivbildung zu ÞBand 2 mit dem älteren maskulinen Genus. Die alten Diminutive waren nicht durchgängig neutral, sondern folgten dem Genus ihres Grundworts. Vgl. anord. bendill; Þbinden.

Banderole Sf ’Streifband’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt

aus frz. banderole, das seinerseits aus it. banderuola ’Fähnlein’ kommt, einem Diminutiv zu it. bandiera ’Fahne’ (ÞBanner). Das französische Wort bedeutet eigentlich ’Fähnlein, Wimpel’, dann auch ’Spruchband, Transparent’ und schließlich ’Streifband’ (wohl unter dem Einfluss von bande; ÞBande 2). Die deut-

bändigen

88 1

sche Entlehnung ist heute auf diese letzte Bedeutung Bank Sf ’Sitzgelegenheit’ std. (9. Jh.), mhd. banc, ahd. beschränkt. bank, as. bank. Aus g. *banki- m. ’Bank’, auch in anord. bekkr, ae. benc, afr. benk, bank, bonk. Daneben Ebenso nndl. banderol, ne. banderol(e), nschw. banderoll. – DF 3 (21997), 82f.; EWNl 1 (2003), 216. steht der n-Stamm anord. bakki ’Erhöhung’, ae. ho¯banca ’Bettstelle’. Das Femininum ist erst mittelhochbändigen Vsw std. (16. Jh.). Abgeleitet aus mhd. bendec deutsch und vielleicht altenglisch. Entstehung un’an die Leine gelegt’ (zu ÞBand 2, und damit zu klar. Vielleicht als ’Kante’ (gemeint waren ursprüngÞbinden). Zunächst von Hunden gesagt (ein Hund lich die um den Saal herumlaufenden Bänke) aus g. ist bändig, wenn er sich an der Leine führen lässt), *branka- mit Ausdrängung des -r-, doch ist mit dieser dann übertragen. Bedeutung sonst nur ablautendes (me., ne., mndl., Þunbändig. nndl.) brink bezeugt. − Auf die lange Bank schieben ist Bandit Sm ’Verbrecher’ erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt in der Variante in die lange Truhe spielen seit dem aus it. bandito, dem substantivierten PPP. von it. 15. Jh. bezeugt. Die Wendung spielt auf die Verwahbandire ’verbannen’, das aus dem Germanischen entrung von Gerichtsakten in Truhen an, wobei sich lehnt ist (s. ÞBann, lautlich wohl unter dem Einfluss Þlang 1 wohl nicht auf die Truhe oder Bank bezieht, 1 des Wortes für ’Fähnlein, Trupp’; ÞBande , sondern bereits übertragen auf den Zeitraum geÞBanner), also eigentlich ’der Verbannte’. Sekundär meint ist. ist das Wort mit Bande 1 verknüpft worden. Ebenso nndl. bandiet, ne. bandit, nfrz. bandit, nschw. bandit, nnorw. banditt. – DF 3 (21997), 84–88; Eppert (1963), 63f.; EWNl 1 (2003), 216.

Bandscheibe Sf ’Knorpel zwischen den Wirbeln’ erw.

fach. (20. Jh.). Zu erwarten wäre als Bedeutung ’ein Band (Ligament) in Form einer Scheibe’ − der Bildung nach ist das Wort aber eher aufzufassen als ’Scheibe in der Funktion eines Bandes’. bang(e) Adj std. reg. (13. Jh.), mhd. bange. Aus ahd. be-

und ahd. ango ’ängstlich’ (zu der Grundlage von ÞAngst) zusammengewachsen. Verb: bangen; Abstraktum: Bange. S. auch Þeng. – EWNl 1 (2003), 216.

Bangbüx(e) (Bangbux(e)) Sf ’Angsthase’ per. ndd.

(19. Jh.). Eigentlich ’Angsthose’ (ÞBuxe), da sich nach der Volksweisheit die Angst vor allem in der Hose bemerkbar macht (vgl. ÞSchiss u.ä.). ÞAngsthase.

Bangert Sm ’Obstgarten’ per. arch. (11. Jh., Form

16. Jh.). Aus der monophthongierten mhd. Form ba¯m ’Baum’ und ahd. gart(o) zusammengewachsen. Vgl. ahd. boumgarto. Die assimilierte Form seit dem 16. Jh. Vgl. ÞWingert.

Banjo Sn (ein amerikanisches Saiteninstrument) per.

fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. banjo, dessen Herkunft unsicher ist.

Ebenso nndl. bank, ne. bench, nisl. bekkur. – Schmidt, L. Antaios 12,1 (1971), 85–103; RGA 2 (1976), 33f.; EWahd 1 (1988), 456–458; LM 1 (1980), 1408f.; Schmidt-Wiegand (1991), 295f.; Röhrich 1 (1991), 140–144; EWNl 1 (2003), 217 f .

Bank2 Sf ’Geldinstitut’ std. (13. Jh.). Entlehnt aus it.

banco m., banca f. (eigentlich ’Tisch’). Zugrunde liegt ahd. bank (ÞBank 1). Gemeint ist der ’Tisch des Geldwechslers’, dann allgemeiner ’Institution des Geldhandels’. Das Kompositum Banknote kommt aus dem Englischen, wie auch der Gebrauch des Wortes im Sinne von ’Sammelstelle, Magazin’ (Datenbank, Blutbank usw.). Banknoten waren ursprünglich Quittungen für Edelmetalleinlagen in England und den Niederlanden (17. Jh.). Die Quittungen konnten dann statt des Edelmetalls selbst in Zahlung gegeben werden. Später wurden die Banken von der Verpflichtung zur Einlösung befreit, so dass daraus das Papiergeld entstand. Täterbezeichnung: Bankier. Ebenso nndl. bank, ne. bank, nfrz. banque, nschw. bank, nisl. banki. – DF 3 (21997), 88–96; Brunt (1983), 149; Ganz (1957), 35 (zu Banker); LM 1 (1980), 1410–1414; Rey-Debove/Gagnon (1988), 46f.; Höfer, A. PSG 5 (1986), 27–60 (zu Bankier); Carstensen 1 (1993), 86–88; North (1994), Kap. 4 (zu Banknote); EWNl 1 (2003), 218.

Bänkelsänger Sm ’Moritatensänger’ erw. fach. (18. Jh.).

Vielleicht in Anlehnung an it. cantambanco gebildet, um die Sänger zu bezeichnen, die auf den Jahrmärkten usw. die neuesten (meist schauerlichen) Begebenheiten als Lieder vortrugen, wobei sie auf einer Bank standen und ein vorgezeigtes Bild ausdeuteten. Das Diminutiv Bänkel ist ostmitteldeutsch. Die heutige abschätzige Bedeutung ist von den häufigen Parodien dieser Liedform beeinflusst.

Ebenso nndl. banjo, nfrz. banjo, nschw. banjo, nisl. banjo´. Man rechnet wegen älterem banjor mit einer unregelmäßigen Lautentwicklung aus ne. bandore (= ein gitarrenähnliches Saiteninstrument), aus span. bandurria f., bandola f. und port. bandola f., bandolim m., aus l. pandu¯ra f., pandu¯rium ’dreisaitiges MuÞBank 1, Þsingen. – Naumann, H. ZVV 30/31 (1921), 1–21 (zur sikinstrument’, doch gibt es noch ältere Formen ohne -r, die an Sachgeschichte). Wörter afrikanischer Sprachen anklingen (senegambisch baBankert Sm ’uneheliches Kind’ per. arch. (15. Jh.), mhd. nia). Vielleicht altes afrikanisches Wort, evtl. gleicher Herkunft, das sekundär an ne. bandore angeglichen wurde. – Reybanchart. Zusammensetzung aus Bank 1 und dem NaDebove/Gagnon (1988), 45f.; EWNl 1 (2003), 217. menelement -hart (Gebhart, Reinhart), eigentlich also

’das auf der (Schlaf-)Bank (der Magd, und nicht im Ehebett) gezeugte Kind’ (ÞBank 1). Dass sich -hart als

bar

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zweites Element (gegenüber ähnlichen Bildungen wie Banner Sn ’Fahne’ erw. fach. (12. Jh.), mhd. banier(e), Bänkling, Bankkind) durchgesetzt hat, beruht wohl dann dem deutschen Lautstand angepasst. Das mitauf dem lautlichen Gleichklang mit ÞBastard. telhochdeutsche Wort ist entlehnt aus frz. bannie`re f. 1 ’Heerfahne’, das seinerseits eine Weiterbildung zu Bankett Sn ’Festmahl’ erw. fremd. (15. Jh.). Entlehnt einer Entlehnung aus dem Germanischen ist (gt. aus it. banchetto m. ’Festmahl’, einer Diminutivbilbandwa ’Zeichen’ und seine Verwandtschaft) unter dung zu it. banco m. ’Tisch’ (ÞBank 1). Verschiedene dem lautlichen Einfluss der Entsprechung zu ÞBann. Bedeutungsentwicklungen sind hier denkbar. PlauDie nicht eingedeutschte Form Banier, seit dem 15. Jh. sibel erscheint, dass zunächst eine Bedeutungsverauch Panier 2, bleibt regional (z.B. bei Luther), ist schiebung von ’Tisch’ auf ’Essen’ stattgefunden hat heute aber veraltet. Die übertragene Bedeutung (vgl. d. ’Mittagstisch’), wozu dann die hypokoristi’Spruchband, Transparent’ führt zu ’Wahlspruch’ sche Bildung als Bezeichnung eines feinen, besonde(heute in der Lautform Panier); das französische Diren Essens kam; schließlich Erweiterung zu ’Festminutiv weiter zu ’Streifband’ (s. ÞBanderole); die mahl’. Oder Bezeichnung eines Mahls, bei dem Serenglische Form banner zu ’Zeitungsüberschrift (beviertischchen gebraucht wurden? (so Pfeifer: sonders wenn sie über die ganze Breite des Blattes Etymolog. Wörterb. 1993, 95). geht)’, heute international für Werbeeinschaltungen Ebenso nndl. banket, ne. banquet, nfrz. banquet, nschw. ban(u.ä.) auf Internetseiten. kett, nnorw. bankett. – DF 3 (21997), 96–100; EWNl 1 (2003), 218. 2

Bankett Sn (auch Bankette f.) ’Randstreifen einer Stra-

ße’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. banquette, einer Ableitung von normannisch- frz. banc ’Aufwurf an einem Graben, Umfassung aus aufgeworfener Erde’ (zu anord. bakki ’Erhöhung’; ÞBank 1). Ebenso nndl. banket, ne. banquette; ÞBank 1. – DF 3 (21997), 100–102.

Bankrott Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. bancarotta f.

Ebenso nndl. banier, ne. banner, nschw. baner, nnorw. banner; ÞBande 1, ÞHasenpanier. – DF 2 (1942), 305f. (zu Panier); LM 1 (1980), 1419; EWNl 1 (2003), 216 f .

Bannware Sf ÞKonterbande. Banse Sf (auch m.) ’(Korn)Scheuer, Stapelplatz für

Holz, Kohle’ u.ä. per. md. ndd. (17. Jh.). In der älteren Sprache nicht bezeugt, aber offensichtlich bereits germanisches Wort, vgl. gt. bansts ’Scheuer’, anord. ba´ss ’Stand im Kuhstall’, ae. bo¯s(i)g ’Stall, Heuplatz über dem Stall’. Vermutlich eine Bezeichnung für aus leichtem Flechtwerk bestehende Nebengebäude; deshalb ist ein Anschluss an Þbinden denkbar (g. *band-s-).

(eigentlich ’zerstörte Bank’); it. rotta aus l. ruptus ’zerbrochen, zerstört’, dem PPP. von l. rumpere ’zerbrechen’ und banca wie in ÞBank 2. Also ’gescheiterte Bank’; die Angabe, die Wechseltische seien Bantam(gewicht) Sn (leichte Gewichtsklasse im Boxen usw.) per. fach. (19. Jh.). Bei der Festsetzung der Rein diesem Fall zerschlagen worden, beruht auf einer geln des Boxsports im 19. Jh. wurde die GewichtsGelehrten-Etymologie des 18. Jhs. klasse bis 54 kg Körpergewicht als Bantam(gewicht) Ebenso nndl. bankroet, ne. bankruptcy, nfrz. banqeroute, nschw. bankrutt, nnorw. bankerott; ÞBank 2, Þabrupt. – DF 3 bezeichnet. Der Name bezieht sich auf die Bantam(21997), 107–114; Müller, C. ZDW 3 (1902), 251; LM 1 (1980), hühner, eine Zwerghuhnrasse, deren Hähne beson1409f.; Schirmer (1911), 27; Röhrich 1 (1991), 144; EWahd 1 ders aggressiv sind und deshalb bei Hahnenkämpfen (2003), 219. gern eingesetzt wurden. Deren Name wiederum bezieht sich auf den Herkunftsort, das frühere Sultanat Bann Sm std. alt. (9. Jh., latinisiert seit dem 7. Jh.), mhd. Bantam auf Java (heute Banten); gezüchtet wurden ban, ahd. ban, as. ban. Aus g. *banna- m. ’Aufgebot, die Hühner dann in England und Japan. Befehl, Bann’, auch in afr. ban(n), bon, anord. bann (n.) ’Verbot’, ae. geban(n). Abstraktum zu g. *bann-aEWNl 1 (2003), 219. Vst. ’aufbieten, gebieten’. Dieses beruht vermutlich -bar Suffix (zur Bildung passiver Adjektive der Mögauf einem Nasalpräsens (*b h¡-nw- o.ä.) zu eur. *b ha¯lichkeit) std. (–), mhd. -b¢re, ahd. -ba¯ri. Heute nur ’(feierlich) sprechen’ in l. fa¯rı¯ ’sprechen’ (vgl. fa¯s noch Adjektivsuffix, früher selbständiges Wort. Mhd. ’göttliches Recht’), russ. obava´tı˘ ’bezaubern, be-b¢re, ahd. -ba¯ri gehen, wie ae. -b¢ ¯ re, zurück auf ein schwören’, gr. phe¯mı´ ’ich sage, behaupte, befehle’. Adjektiv der Möglichkeit g. *b¢ ¯ r-ja- zu g. *ber-aModerne Bedeutungen (’Handelsverbot’) unter dem ’tragen’, also ’tragend, fruchtbar’ (vgl. mhd. unb¢re Einfluss des Englischen. Verb: bannen, verbannen. ’unfruchtbar’). Ebenso nndl. ban, ne. ban, nschw. bann, nisl. bann. Zu der Sippe der griechischen Entsprechung s. ÞBlasphemie, zu der lateinischen s. Þdiffamieren; Þbanal, ÞBandit. – Wiessner, H.: Twing und Bann (Baden 1935); Seebold (1970), 88–90; RGA 2 (1976), 34–44; Tiefenbach (1973), 18–21; EWahd 1 (1988), 453–456; LM 1 (1980), 1414–1418; Sousa Costa (1993), 53–123; Carstensen 1 (1993), 88f.; EWNl 1 (2003), 214.

Þgebären. – Flury, R.: Struktur und Bedeutungsgeschichte des Adjektiv-Suffixes -bar (Diss. Zürich 1964); Wortbildung 3 (1978), 106 und die dort angegebenen Stellen; EWahd 1 (1988), 472–474; Heidermanns (1993), 124f.; EWNl 1 (2003), 196.

bar Adj std. (9. Jh.), mhd. bar, ahd. bar, as. bar. Aus g.

*baza- Adj. ’bar, bloß’, auch in anord. berr, ae. b¢r, afr. ber aus ig. (eur.) *b hoso- ’bar, bloß’, auch in lit.

Bar

90 h

ba˜sas, aruss. bosu˘ ’barfüßig’, arm. bok ’barfuß’ (aus spenst, schreckliche Erscheinung’) zu (ig.) *b oidos’Schrecken’ (vgl. lit. baisa` f. ’Schrecken’, l. foedus *b hoso-g wo-?) und erweitert in gr. psı¯lo´s ’nackt, kahl’. Zu einem schlecht fassbaren Verbum ig. *b hes-, psa¯’hässlich’) zugrunde liegen. Hamp zieht kymr. baedd ’Eber’ als *b h¡jedo- heran. [*b hsa¯-] ’reiben, abreiben’, auch ’kauen’; Ausgangsbedeutung also ’abgerieben, blank’ mit BedeutungsEbenso nndl. beer, ne. boar. – Gabriel (1989); EWahd 1 (1988), übergang zu ’bloß’ wie bei nhd. Þblank und in der542 (anders); Hamp, E. P. NOWELE 20 (1992), 65; EWNl 1 (2003), 245. selben Wortfamilie etwa bei gr. pse¯no´s ’kahlköpfig’ (Glossenwort). − Die Verwendung in Bezug auf Geld Baraber Sm ’(italienischer) Bauarbeiter’ per. österr. ist schon mittelhochdeutsch und später sehr häufig; (20. Jh.). Vermutlich zu it. barabba ’Nichtsnutz, Rowgemeint ist wohl ’offen vor Augen liegend, vor den dy’ (nach dem biblischen Namen Barrabas). Augen aufgezählt’. Hierzu auch Barschaft u.ä. Zur Mätzler (1968), 77. Grundbedeutung barfuß, barhaupt u.ä. Baracke Sf ’Behelfsunterkunft’ std. (17. Jh.). Entlehnt Ebenso nndl. bar, ne. bare, nschw. bar, nisl. ber; ÞBerserker, aus frz. baraque ’Feldhütte’ und it. baracca, beide aus ÞBesen. – Richter, G. in Dückert (1976), 173–214; Hamp, E. P. span. barraca. Das Wort bezeichnet zunächst eine REA 20 (1986/87), 35f.; EWahd 1 (1988), 465f.; Röhrich 1 (1991), Soldatenunterkunft. 144; Heidermanns (1993), 121; EWNl 1 (2003), 195, 220. Bar Sf ’(Nacht)Lokal’ std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne.

Ebenso nndl. barak, ne. barrack, nschw. barak, nnorw. barakke. Die weitere Herkunft ist nicht sicher geklärt. Eine Herkunft

bar, dieses aus afrz. barre ’Balken, Stange, Schranke’. aus der Entsprechung zu ÞBarre ist im Hinblick darauf, dass es Eigentlich Bezeichnung einer Schranke (ÞBarre), die sich wohl zunächst um Holzgerüste gehandelt hat, nicht ausden Gastraum vom Schankraum trennt, dann Tisch geschlossen. – DF 3 (21997), 121–123; Jones (1976), 139f.; DEO an dieser Stelle, mit Gelegenheit zum Trinken (im (1982), 73f.; EWNl 1 (2003), 220f. Stehen oder auf hohen Hockern). Dann die ganze Barbar Sm ’Rohling’ std. (13. Jh.). Entlehnt aus l. barTrinkstube (in dieser Bedeutung evtl. aus ne. barbarus, dieses aus gr. ba´rbaros ’ausländisch, roh’. Das room gekürzt). In allen diesen Bedeutungen ins Deutgriechische Wort bezeichnete ursprünglich diejenische übernommen, ebenso in modernen Ausweitungen, die nicht griechisch sprachen − es ist offenbar gen auf Verkaufs- und Ausgabestellen von anderen eine reduplizierte Lautnachahmung (heute sagt man Dingen (Milchbar, Plattenbar). etwa Rhabarber, um ’Volksgemurmel’ zu simulieren); Ebenso nndl. bar, ne. bar, nfrz. bar, nschw. bar, nisl. bar. – Reyähnlich ai. barbara- ’stammelnd’. Später wurde das Debove/Gagnon (1988), 47; Carstensen 1 (1993), 89–91; DF 3 Wort auch verwendet, um Griechen zu bezeichnen, (21997), 117–120; EWNl 1 (2003), 220. die schlecht Attisch sprachen. Das Wort wird dann Bär1 Sm ’Bär’ std. (8. Jh.), mhd. ber, ahd. pero, be¯r, von den Römern und schließlich von den Volksmndl. bere. Aus g. *bero¯n/-n- m. ’Bär’, auch in anord. sprachen übernommen und angepasst; dabei auch in bjo¸rn (u-Stamm), ae. bera. Die nur germanische Beseiner Bedeutung ausgeweitet (einerseits ’grausam’, zeichnung geht entweder auf ein älteres Wort für andererseits ’sprachwidrig’). Im Deutschen wird das ’braun’ zurück (lit. be˙´ras ’braun’) oder setzt (mit Wort zunächst mit Anfangsbetonung gesprochen Übergang von *g´ hw- zu g. *b-) älteres *g´ hwer- ’wildes (wie noch in dem Namen Barbara erhalten), dann Tier’ fort (mit Dehnstufe gr. the¯´r, akslav. zveˇrı˘, lit. wird es an die französische Betonung angepasst. Adˇzve˙rı`s; ohne diese l. ferus ’wild’). − Die Bezeichnung jektiv: barbarisch; Abstraktum: Barbarei. eines Sternbilds als Bär folgt der antiken Tradition Ebenso nndl. barbaar, ne. barbarian, nfrz. barbare, nschw. bar(Þarktisch). Bei einen Bären aufbinden liegt wohl eine bar, nnorw. barbar; Þbrav, Þbravo, ÞRhabarber, ÞBulldogge. – DF 3 (21997), 123–149; Schäfer, K. Monatsschrift für Höhere falsche Umsetzung eines niederdeutschen Wortes für Schulen 35 (1936), 261–268; Funck, B. in Welskopf 4 (1981), ’Traglast’ vor (zu g. *ber-a- ’tragen’; Þgebären, 26–51; Braun, W. in Welskopf 5 (1981), 137–168; RGA 2 (1976), ÞBahre). Der Vergleich von Lügen und Traglasten ist 49f.; Le´vy, E. Ktema 9 (1984/87), 5–14; Michel, P. PSG 8 auch sonst üblich (vgl. etwa einem die Hucke voll lü(1988), 7–49; BlW 3 (1988), 91–101; LM 1 (1980), 1434–1436; gen). Ebenso nndl. beer, ne. bear, nschw. björn, nisl. björn; Þbraun, ÞBiber. – Gaidoz, H., Rolland, E. Me´lusine 2 (1884/85), 30–38 (Namen des Sternbilds); Havers, W.: Neuere Literatur zum Sprachtabu (Wien 1946), 35–37; RGA 2 (1976), 45–48; EWahd 1 (1988), 563–565; LM 1 (1980), 1431f.; Röhrich 1 (1991), 144–147; Niekerken, W. KVNS 50 (1937), Sonderheft, 26f. (zu einen Bären aufbinden); EWNl 1 (2003), 245.

Bär2 Sm ’Zuchteber’ per. arch. (9. Jh.), mhd. be¯re, as.

be¯r(swı¯n) ’Eber’, mndl. be¯re. Aus wg. *baiza- m. ’Eber’, auch in ae. ba¯r. Wenn so zunächst der wilde Eber bezeichnet wurde, kann voreinzelsprachl. *b hoids-o- ’der Schreckliche’ (lit. baı˜sas ’Schreckge-

Borst, A.: Barbaren. Geschichte eines europäischen Schlagwortes. In: ders.: Barbaren, Ketzer und Artisten (München, Zürich 1988), 19–31; Rugullis, S.: Die Barbaren in den spätrömischen Gesetzen (Frankfurt 1992); EWNl 1 (2003), 221.

Barbe Sf (Flussfisch) per. fach. (12. Jh.), mhd. barbe

m./f., ahd. barbom. Entlehnt aus l. barbus m., das seinerseits eine Zugehörigkeitsbildung zu l. barba ’Bart’ ist (nach den Barteln ’Bartfäden’ dieser Fische). Ebenso nndl. barbeel, ne. barbel, nfrz. barbeau, nschw. barbfisk; ÞBarbier. – EWahd 1 (1988), 470f.

Barbecue Sn ’Grillfest, Bratrost’ per. fremd. (20. Jh.).

Entlehnt aus ne. barbecue, dieses aus span. barbacoa,

Barg

91

barbacua´ f. ’im Erdloch zubereiteter Braten’, ursprünglich: ’Lager aus Weiden- oder Lianengeflecht’, das auf ein indianisches Wort (Taino) zurückgeht.

Form und Anpassungen aus ihr sind schon früher in deutschen Texten bezeugt. RGA 2 (1976), 52f.

Ebenso nndl. barbecue, nfrz. barbecue, nnorw. barbecue. – Rey- Bärendienst Sm ’in guter Absicht ausgeführte HandDebove/Gagnon (1988), 47f.; Carstensen 1 (1993), 91; EWNl lung, die dem Begünstigten aber schadet’ erw. bildg. 1 (2003), 221. (19. Jh.). Nach einer verbreiteten Fabel, die z.B. auch

bärbeißig Adj erw. obs. (18. Jh.). Nach Bärenbeißer,

einer Bezeichnung der Boxer (Hunderasse), die ursprünglich zur Tierhatz gezüchtet wurden. Das Adjektiv spielt auf den unfreundlich wirkenden Gesichtsausdruck dieser Tiere an.

bei La Fontaine (L’ours et l’amateur des jardins VIII, X) dargestellt ist. In ihr erschlägt ein Bär eine Fliege auf der Nasenspitze des schlafenden Freundes (oder wirft einen Stein nach ihr) und drückt dabei dem Freund den Schädel ein.

Barbier Sm per. arch. (14. Jh., Form 15. Jh.), mhd. bar-

Bärendreck Sm ’eingekochter Süßholzsaft, Labierer. Ist mit dem Verb barbieren entlehnt aus afrz. kritze’ erw. obs. (19. Jh.). Ein zunächst schweizeribarbier ’Friseur’, dieses aus ml. barberius, einer Absches Wort. Das Benennungsmotiv ist unklar − vielleicht wegen der starken Süße als ’(Dreck) für die − leitung von l. barba f. ’Bart’. Die an das Französische angeglichene Kurzform wird erst im folgenden JahrSüßes liebenden − Bären’. Zu beachten ist die Bedeuhundert üblich. Die Nebenbedeutung ’Wundarzt’ tung ’Einkochrückstand’ bei ÞDreck. geht darauf zurück, dass die Barbiere auch einfache Bärenhäuter Sm ’nichtswürdiger Mensch’ per. arch. medizinische Behandlungen vornahmen (vgl. (17. Jh.). Gebildet zu dem Ausdruck auf der BärenÞFeldscher). haut liegen für ’faul sein’ (mit Bezug auf die LandsEbenso nndl. barbier, ne. barber, nfrz. barbier, nschw. barbeknechte, dann auch auf Studenten). Der Ausdruck rare, nnorw. barber; Þbalbieren, ÞBarbe, ÞBart. – LM 1 (1980), selbst ist von den Humanisten im Anschluss an Ta1444f.; Röhrich 1 (1991), 147f.; DF 3 (21997), 149–154; EWNl 1 citus, Germania 15 geprägt, wonach die Germanen in (2003), 222. Friedenszeiten faulenzten. Die Ausgestaltung des BilBarchent Smn ’auf einer Seite aufgerauter Baumwolldes ist wohl angeregt durch den Bericht derselben flanell’ per. fach. (12. Jh.), mhd. barchant, barcha¯t, Quelle, wonach sich die Germanen in Felle wilder barchet, barraga¯n, barka¯n m. Ist entlehnt aus ml. barTiere kleideten. rachanus m., barrachanum n. ’grober Wollstoff’, dieRöhrich 1 (1991), 148–151; Niekerken, W. FS Pretzel (1963), ses aus span. barraga´n m., aus arab. barraka¯n (dass., 373f. (anders). sowie auch ein Gewand daraus). Im Deutschen beBarett Sn ’schirmlose Kopfbedeckung’ erw. fach. zeichnet das Wort zunächst einen groben Wollstoff (14. Jh.). Entlehnt aus it. baretta, beretta, wie frz. be´ret aus Ziegen- und Kamelhaar, dann ein Mischgewebe abgeleitet aus l. birrus m. ’Überwurf, Mantel’. Das aus Baumwolle und Leinen, in der neueren Zeit ein Wort ist schon in alter Zeit mit gr. pyrro´s ’feuerrot’ aufgerautes Köpergewebe aus Baumwolle. gleichgesetzt worden − daher noch Birett für die Ebenso nndl. barchent, ne. barracan, nschw. parkum. – Rosenquist (1942), 428–436; DF 3 (21997), 154–156; Kiesler (1994), 157f.; Tazi (1998), 195.

Barde Sm ’(keltischer) Sänger’ per. arch. (16. Jh.). Ent-

(rote) Kopfbedeckung katholischer Geistlicher. Die Herkunft des Grundworts ist umstritten − in Frage kommt ein gallisches Wort für ein Kleidungsstück oder die Herleitung aus einem Farbwort für ’dunkel, rot’ zur Bezeichnung grober Stoffe.

lehnt aus frz. barde oder l. bardus, das seinerseits aus einem keltischen Wort entlehnt ist. Zunächst in der Ebenso nndl. baret, ne. beret, nfrz. be´ret, nschw. barett, nnorw. eigentlichen Bedeutung gebraucht, dann im Zuge der barett; ÞBüro. – DF 3 (21997), 159–162; Gamillscheg (1969), Ossian-Begeisterung verallgemeinert und auch 88; Meier (1975), 215 (zu l. vitta ’Kopfbinde’); DEO (1982), 99; (durch Anschluss des bei Tacitus erwähnten barditus LM 1 (1980), 1459f.; LM 2 (1983), 213; EWNl 1 (2003), 224. ’Schlachtgesang’, ÞBardiet) für ’Sänger der Germa- Barg (auch Barch) Sm ’verschnittener Eber’ per. fach. nen’ gebraucht. (9. Jh.), mhd. barc, ahd. barug, as. bar(u)g. Aus g. Ebenso nndl. bard(e), ne. bard, nschw. bard, nnorw. barde. – *baruga- m. ’verschnittener Eber’, auch in anord. Kuhberg (1933), 37f.; Stiven (1936), 29; LM 1 (1980), 1456f.; bo ¸rgr, ae. bearg; Nebenform mit Schwundstufe in ae. DF 3 (21997), 156–159; EWNl 1 (2003), 221f. -borg und mndd. borch. Vergleichbar sind slavische Bardiet Sn ’Schlachtgesang’ per. arch. (17. Jh., Form Wörter, etwa russ. bo´rov ’verschnittener Eber’ (wohl 18. Jh.). Bei Tacitus Germania 3 wird der Schildgesang nicht aus dem Germanischen entlehnt) aus (ig.) der Germanen bei Beginn des Kampfes barditus ge*b horu-o- neben dem durch das Germanische vorausnannt (andere Handschriften haben baritus). Dieses gesetzten (ig.) *b horu-ko-. Die slavischen Wörter Wort ist ungeklärt. Klopstock nimmt es auf, indem er können auch ’Kleinvieh’ u.ä. bedeuten, so dass die es als eine Ableitung von ÞBarde auffasst (was Ausgangsbedeutung unklar ist. Falls von ’verschnitsprachgeschichtlich kaum richtig ist). Die lateinische ten’ auszugehen ist, kann an ig. *b her- ’schneiden’ u.a. angeknüpft werden (zu diesem s. Þbohren).

Bariton

92 Ebenso ne. (dial.) barrow. – Trier (1952), 87f.; Stiles, P. Anglia 101 (1983), 22–24; EWahd 1 (1988), 493–495; EWNl 1 (2003), 224.

Bariton Sm ’Singstimme zwischen Tenor und

lappigen Blattform bezeichnet; ähnlich die jüngere l. Benennung lycopodium n. (wörtlich ’Wolfsfuß’, wonach ne. wolf’s claw).

Bass’ erw. fach. (17. Jh., Form 18. Jh.). Entlehnt aus it. Wüst (1956), 74. baritono ’Halbbass’, zu it. baritono ’mit tiefer StimBärme Sf ’Bierhefe’ per. fach. (17. Jh.). Übernommen me’, dieses aus gr. bary´tonos, zu gr. bary´s ’schwer, tief’ aus ndd. barme. Dieses geht auf wg. *berma-/o¯n m. 2 und gr. to´nos ’Spannung, Ton’ (ÞTon ). Zuerst in la’Hefe’ in ae. beorm(a), mndd. berm, barm zurück, das tinisierter Form als Barytonus, dann endungslos. mit l. fermentum n. ’Sauerteig, Ferment’ unmittelbar Zum Vorderglied s. noch ÞBarometer und die lateizu vergleichen ist (*b hermen-). Vermutlich als ’Mittel nische Entsprechung in Þgravitätisch. zum Heben’ zu g. *ber-a-, ig. *b her- ’tragen, heben’. Ebenso nndl. bariton, ne. baritone, nfrz. baryton, nschw. baryton, nisl. bary´ton. – DF 3 (21997), 162–165; EWNl 1 (2003), 224f.

Barium Sn (ein Erdalkali-Metall) per. fach. (19. Jh.). Die

deutschen Bergleute gaben einem schweren, neben Erzen gefundenen Mineral den Namen Schwerspat (ÞSpat 1). Die Schweden Scheele und Gahn isolierten daraus um 1774 eine bis dahin unbekannte Erde, die von Scheele Schwerspat-Erde genannt wurde; später nannte man sie auch terra ponderosa oder Schwererde. Der Franzose G. de Morveau nannte sie 1779 Baryt (zu gr. barys ’schwer’), und als man im 19. Jh. den Baryt als Oxyd eines Metalls erkannte, nannte man dieses (zunächst in England) Baryum. Ebenso nndl. barium, ne. barium, nfrz. baryum, nschw. barium, nisl. barı´n. – Cottez (1980), 48; Rey-Debove/Gagnon (1988), 50.

Barkarole Sf ’Lied der Gondolieri’ per. fach. (18. Jh.).

Ebenso ne. barm. Vgl. ÞHefe zu Þheben; ÞFerment, Þgebären. – EWNl 1 (2003), 245.

barmherzig Adj std. (8. Jh., Form 11. Jh.), mhd. barm-

herzec, ahd. armherzi. Wie entsprechendes gt. armahairts und ae. earm-heort. Lehnübersetzung von l. misericors ’mitleidig’. L. miser bedeutet zunächst ’unglücklich’ (erst nachträglich auch ’arm’); l. misericors ist deshalb ’jemand, dessen Herz unglücklich ist’, zu l. cor (cordis) ’Herz’ (parallel zu l. compassio ’Mit-leid’). Die Bildung taucht bereits bei Plautus auf, ist also zunächst nicht christlich bestimmt. Die Lehnübersetzung in die germanischen Sprachen bedeutet an sich das Gleiche, doch tritt im Germanischen die Bedeutung von arm als ’bedürftig’ stärker und schneller hervor, so dass das Wort als ’Herz für die Armen’ erklärbar wird. Das spätere b- stammt von Þerbarmen. HWPh 1 (1970), 754f.; Beck, H. ZDPh 98 (1979) SH, 109–129;

Entlehnt aus it. barcarola, einer Ableitung von it. barLM 1 (1980), 1471–1473; EWNl 1 (2003), 225f. carolo m. ’Gondoliere’, zu it. barca ’kleines Schiff’, aus Barn Sm ’Krippe, Heustock’ per. obd. md. (8. Jh.), mhd. l. barca. barn (barm, baren), ahd. barn. Ist vergleichbar mit ae. Ebenso nndl. barcarolle, ne. barcarol(le), nfrz. barcarolle, beren ’Scheuer’, neben dem bere-¢rn u.a. steht. Im 2 nschw. barkaroll, nnorw. barkarole; ÞBarke. – DF 3 ( 1997), Englischen scheint das Wort für ’Gerste’ (ae. bere) 165f.; EWNl 1 (2003), 225. zugrunde zu liegen; doch hat dies im Deutschen keine Barkasse Sf ’Motorboot’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt Entsprechung. Auch Anschluss an g. *ber-a- ’tragen’ aus frz. barcasse, dieses aus span. barcaza, einer Aug(Þgebären) ist denkbar. Im einzelnen unklar. mentativbildung zu span. barca ’Boot, Kahn’. Ebenso nndl. barkas, nschw. barkass, nnorw. barkas(s); ÞBarke. – DF 3 (21997), 166f.; EWNl 1 (2003), 225.

Barke Sf ’kleineres Schiff ohne Mast’ per. fach. (12. Jh.),

mhd. barke. Ist entlehnt aus mndl. barke ’kleines Küstenschiff’, das über romanische Zwischenstufen (mfrz. barque) zurückgeht auf spl. barca. Ebenso nndl. bark, ne.(poet.) barque, nfrz. barque, nschw. bark, nnorw. bark. Das vorauszusetzende lateinische Wort gilt als Erweiterung (*barica) zu gr. ba˜ris ’ägyptischer Nachen; eine Art Floß’, einem ägyptischen Wort der Nilschifffahrt. Die romanischen Formen scheinen aber eher auf früh-rom. *barica neben *barrica zu weisen, das wohl zu früh-rom. barra ’Stange’ gehört (ÞBarre); ÞBarkarole, ÞBarkasse. – Katz, P. IF 57 (1940), 264; Öhmann, E. NPhM 41 (1940), 145f.; Lokotsch (1975), 168; Jones (1976), 140; DEO (1982), 80f.; EWahd 1 (1988), 474–476; DF 3 (21997), 167–170; EWNl 1 (2003), 225.

Bärlapp Sm ’eine Farnart [lycopodium]’ per. fach.

(16. Jh.). Als ’Bärentatze’ (zu ahd. lappo ’Ruderschaufel’, also ’flacher, großer Gegenstand’, vermutlich weiter zu ÞLappen) wird die Pflanze wegen ihrer

EWahd 1 (1988), 482f.; Trier (1952), 84f. (vergleicht Wörter für ’Korb’ und weist darauf hin, dass Krippen häufig geflochten waren).

barock Adj ’verschnörkelt, überladen’, als Substantiv

ein Kunststil des 18. Jhs. erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. baroque ’bizarr, grotesk’, das unter anderem auch auf Kunstwerke angewandt werden kann. Im Deutschen hat J. Burckhardt seit 1855 das Wort dazu verwandt, die auf die Renaissance folgende Kunstperiode zu bezeichnen, und diese Terminologie ist dann international geworden. Das französische Wort bezeichnet ursprünglich eine unregelmäßige Perle, es ist entlehnt aus port. barroco, dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist. Offenbar ist das Wort dann im Französischen beeinflusst worden durch den Namen des Syllogismus baroco, der in der Renaissance als Spottwort für scholastische Argumentationsweise benutzt worden war, und hat so seine abschätzige Bedeutung entwickelt.

Bart

93 Ebenso nndl. barok, ne. baroque, nschw. barock, nnorw. barokk. – DF 3 (21997), 170–176; Kurz, Lettere italiane 12 (1960), 414–444; Lokotsch (1975), 30; Lurati, O. VR 34 (1975), 63–93; Jaumann, H. AB 20 (1976), 17–41; DEO (1982), 80; EWNl 1 (2003), 226.

Barometer Smn ’Luftdruckmesser’ erw. fach. (17. Jh.).

Barren Sm ’Gussstück aus Metall’ erw. fach. (18. Jh.).

Das gleiche Wort wie ÞBarre, der Form nach rückgebildet aus dem Plural, speziell um die Handelsform von Edelmetallen (als ’Stange’) zu bezeichnen. Seit Jahn auch Name eines Turngeräts (mit zwei Stangen). Ebenso ne. bar, nfrz. barre, nschw. barr, nnorw. barre. – RGA 2

Neubildung des englischen Chemikers R. Boyle (1976), 60–71; LM 1 (1980), 1487; Mehl, E. MS 72 (1962), 52–54 (1665) aus gr. ba´ros n. ’Schwere, Druck’, zu gr. bary´s (der Name des Turngeräts als eine Abkürzung für *Barrenschwingel). ’schwer’ und gr. me´tron n. ’Maß, Maßstab’. Das Prinzip des Gerätes selbst wurde von E. Torricelli 1644 Barriere Sf ’Absperrung’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt beschrieben; entsprechende Instrumente wurden zuaus frz. barrie`re, einem Kollektivum zu frz. barre nächst Torricellische Röhre genannt. ’Stange’. Ebenso nndl. barometer, ne. barometer, nfrz. barome`tre, nschw. barometer, nnorw. barometer. S. ÞBariton, ÞBarium, zu den lateinischen Entsprechungen Þgravitätisch und ÞMetrik. – DF 3 (21997), 176f.; Ganz (1957), 36f.; Cottez (1980), 48; EWNl 1 (2003), 226f.

Baron Sm ’Freiherr’ erw. obs. (12. Jh.). Zunächst ist

mhd. baru¯n entlehnt aus frz. baron (eigentlich ’freier Mann, Lehensmann’, meist von höherem Rang). Das Wort ist dann im Deutschen ausgestorben, und im späten 15. Jh. erneut als Adelstitel entlehnt worden. Femininum: Baronin; dazu diminutiv Baronesse. Ebenso nndl. baron, ne. baron, nschw. baron, nisl. baro´n. Die Herkunft des französischen Wortes ist umstritten. Seine früheste Bezeugung im 6./7. Jh. weist auf ’Söldner, Lehensmann’. Man hat dahinter ein germanisches Wort gesucht, ohne ein klares Vorbild ausmachen zu können. Neuerdings wird ein Anschluss an l. va¯ro, ba¯ro ’grobschlächtige Person’ zu l. va¯rus ’verwachsen, x-beinig’ versucht. ’Grobschlächtig’ hätte zunächst eine Bezeichnung germanischer Söldner sein können, die mit deren sozialem Aufstieg zu einem Ehrennamen wurde. – DF 3 (21997), 178–182; Ganz (1957), 37; Schmidt-Wiegand (1972), 27f.; DEO (1982), 79f.; LM 1 (1980), 1476–1484; von Olberg (1991), 97–105; EWNl 1 (2003), 227.

Barras Sm ’Militärdienst’ erw. grupp. (19. Jh., Bedeu-

tung 20. Jh.). Seit napoleonischer Zeit, zunächst für das Militärbrot, dann (ähnlich wie bei ÞKommiss) auf alles Militärische ausgeweitet. Zu wjidd. baras ’Fladenbrot’. Kügler, H. NPhZ 4 (1952), 135f. und 265f.; Wolf (1985), 44f.

Barre Sf ’Schranke’, danach ’Sandbank, Untiefe’ (als

Ebenso nndl. barrie`re, ne. barrier, nschw. barriär, nnorw. barriere; ÞBarre. – DF 3 (21997), 182–185; Jones (1976), 140f.; EWNl 1 (2003), 228.

Barrikade Sf ’Straßensperre’ std. (17. Jh.). Entlehnt aus

frz. barricade, dieses aus it. barricata, einer Ableitung von it. barricare ’versperren, verrammeln’, zu vorrom. barra ’sperriger Balken’ (ÞBarre). Präfixableitung: verbarrikadieren. Ebenso nndl. barricade, ne. barricade, nfrz. barricade, nschw. barrikad, nnorw. barrikade. – DF 3 (21997), 185–188; Gombert, A. ZDW 3 (1902), 165f.; Jones (1976), 140; DEO (1982), 82; Röhrich 1 (1991), 151; EWNl 1 (2003), 228.

barsch Adj std. reg. (16. Jh.). Aus dem Niederdeutschen

übernommen, wo es aber nicht viel früher bezeugt ist. Vermutlich wie der Fischname Barsch als ’borstig’ zu erklären (vgl. Þwiderborstig). Als vd. *bars-ka- Adj. ’borstig’ wohl eine Erweiterung zu g. *barz-a- ’starr aufgerichtet’ in ahd. bar(r), anord. barr ’feurig, heftig’. Heidermanns (1993), 117.

Barsch Sm std. (11. Jh.), mhd. bars, ahd. bars, as. bars.

Aus wg. *barsa- m. ’Barsch’, auch in ae. b¢rs; Nebenformen sind ahd. bersih, mhd. bersich, alem. berschi u.ä. (*barsiha-) und aschw. ag(h)borre, ndn. aborre (*ag- ’spitzig’ und *burzo¯n-). Zugrunde liegt ig. *b hres/b hares- ’Spitze’ (zu diesem ÞBart, ÞBorste und ˙ ÞBürste), also *b ha´rs-o- ’der mit Stacheln Versehene’ (nach der stacheligen Rückenflosse dieser Fische). Ebenso nndl. baars, ne. bass(e). – RGA 2 (1976), 71–73; EWahd 1

’Hindernis, Absperrung’) per. fach. (13. Jh.), mhd. (1988), 486–488 (zu den nordischen Wörtern, 70–72); EWNl 1 (2003),196f. barre. Entlehnt aus afrz. barre ’(Quer-)Stange’; dieses aus vor-rom. barra ’Querbalken’. Bart Sm std. (8. Jh.), mhd. bart, ahd. bart, as. bard. Aus Ebenso ne. bar, nfrz. barre, ndn. barre, nnorw. (alt.) barre. Eine wg. *barda-, auch in ae. beard, afr. berd. Aus ig. (w/ Herkunft dieses Wortes aus l. va¯rus ’entgegengesetzt’, spl. va¯ra oeur.) *b hard h-, älter vermutlich *b harz-d h-, auch in l. ’quer’ ist erwägenswert. Zu einer Entlehnung auf anderem Weg barba f. (Anlaut unregelmäßig), lit. barzda` f., akslav. vgl. ÞBar. S. auch ÞBarren, ÞBarriere, ÞBarrikade, ÞEmbargo. brada f. ’Bart’, zu ig. *b hres/b hares ’Spitze, Borste’, also – Suolahti, H. NPhM 17 (1915), 117; Mehl, E. MS (1962), 52–54; ˙ etwa ’der Borsten Setzende’. Von der gleichen GrundMeier (1975), 213–215 (zu l. vitta); DEO (1982), 81f.; EWNl 1 lage auch Þbarsch, ÞBarsch, ÞBorste und ÞBürste; (2003), 194 f. eine ähnliche Bildung auf -d h-, aber mit SchwundBarrel Sn (ein Hohlmaß, besonders für Erdöl, 159 Listufe der ersten Silbe in air. brot ’Stachel’, kymr. brater) per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. barrel (eigentthu ’stechen’, ahd. brart, brort ’Spitze, Rand’. Das zulich ’Holzgefäß’), dieses aus afrz. baril, dessen weitere grunde liegende Verb ist unter Þbohren behandelt. Herkunft nicht sicher geklärt ist. Öhmann, E. NM 59 (1958), 225f.; Carstensen 1 (1993), 92f.

Ebenso nndl. baard, ne. beard; ÞBarbier, ÞBarte 2, ÞHellebarde, ÞSchembart. – Trier (1963), 188–191; EWahd 1 (1988), 488–490;

Barte1

94 LM 1 (1980), 1490f.; Röhrich 1 (1991), 151–155; Niekerken, W. FS Pretzel (1963), 374f. (zu der Bart ist ab); EWNl 1 (2003), 196.

Barte1 Sf ’Breitbeil’ per. arch. (11. Jh.), mhd. barte

’Streitaxt’, ahd. barta, as. barda. Zugehörigkeitsbildung zu ÞBart, also ’die Bärtige’, wie anord. skeggja ’Hellebarde’ zu anord. skegg ’Bart’. ÞHellebarde. – EWahd 1 (1988), 490–492; Weber-Keller (1990), 38.

Barte2 Sf (meist im Plural gebraucht) ’Walzähne’ per.

fach. (18. Jh.). Wohl regional niederdeutsch oder niederländisch entstanden und eigentlich aus dem Plural von Bart (nndl. baarden) rückgebildet. Die (nicht in einer Reihe stehenden) Zähne werden als Bart bezeichnet. Barteln Spl ÞBarbe. Basalt Sm ’Ergussgestein’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt

aus l. basalte¯s, einer Verschreibung von l. basanite¯s ’Probierstein, sehr harter Stein, (wahrscheinlich: Basalt)’, aus gr. basanı´te¯s lı´thos, aus älterem gr. ba´sanos, das möglicherweise ägyptischen Ursprungs ist. Ebenso nndl. basalt, ne. basalt, nfrz. basalte, nschw. basalt, nisl. basalt. – Lüschen (1979), 181; Kammerzell, F. FS Cherubim (Frankfurt/Main 2001), 119–124; EWNl 1 (2003), 229, 235.

Basar Sm ’(orientalischer) Markt, Wohltätigkeitsveran-

staltung’ std. exot. ass. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. bazar, dieses über türk. bazar aus pers. ba¯za¯r ’öffentlicher Markt’. Nach französischem Vorbild auch für ’Wohltätigkeitsverkäufe’ u.ä. (18. Jh.). Ebenso nndl. bazaar, ne. baza(a)r, nschw. basar, nisl. basar. – DF 3 (21997), 188–190; Schirmer (1911), 29; Littmann (1924),

110f.; Benveniste (1969/1993), 101; Lokotsch (1975), 23.

Rücksicht nehmen. So trägt die geschichtlich wichtige Säure-Basen-Theorie (von Sylvius und Tachenius, 2. Hälfte des 17. Jhs.) ihren Namen sprachlich gesehen zu Unrecht, da in den ursprünglichen Darstellungen der Theorie das Wort Base überhaupt nicht gebraucht wurde (Tachenius: acidum – alcali). Der Ausdruck geht vielmehr auf Lavoisier (1789) zurück, der das der Luft und dem Wasser gemeinsame Element bestimmte und es zugleich als wesentlichen Bestandteil der Säuren erkannte, die aus ihm und den bases oder radicales acidifiables bestehen sollten. Er nannte das isolierte Element deshalb ’Säure-Erzeuger’ (oxyge`ne, auf deutsch wiedergegeben mit Sauerstoff ); die Basen wurden über die bei der Neutralisation entstehenden Salze bestimmt und in der Folgezeit unterschiedlich definiert und eingeordnet. Ursprünglich gemeint ist mit ’Grundlage’ also ’Grundbestandteil einer Säure’ (was nach der heutigen Einordnung sachlich nicht zutrifft). DF 1 (1913), 78f.; EWNl 1 (2003), 229f.

Basilika Sf (Kirchentyp) per. fach. (15. Jh.). Entlehnt

aus spl. basilica, dieses aus l. basilica ’Prachtbau’, aus gr. basilike¯´ (stoa´) ’königliche Halle’, zu gr. basiliko´s ’königlich’, zu gr. basileu´s m. ’König, Fürst, Herrscher’. Im Lateinischen ist zunächst eine Markt- und Gerichtshalle gemeint, dann Übergang auf das christliche Gotteshaus im allgemeinen Sinn von ’Kirche’, so dass es auch die Christengemeinde bezeichnen kann. Ebenso nndl. basiliek, ne. basilica, nfrz. basilique, nschw. basilik, nisl. basilı´ka; ÞBasilikum, ÞBasilisk. – Siegert (1950), 38; LM 1 (1980), 1526f.; DF 3 (21997), 190–192; EWNl 1 (2003), 230.

Basilikum Sn (Gewürzkraut) per. fach. (14. Jh., Form 20. Jh.), mhd. bası¯lie, basilig m./f. Ist entlehnt aus ml. basa. Ursprünglich ’Schwester des Vaters’, dann im basilicum, aus gr. basiliko´n (phyto´n) (eigentlich ’das 15. Jh. ausgeweitet zu ’Tante’, danach auch ’Nichte’ Königliche’) zu gr. basiliko´s, zu gr. basileu´s m. (selten) und (wohl ausgehend vom Diminutiv) ’König, Fürst, Herrscher’ (die Nebenform mhd. ba’Kusine’ (häufig), auch allgemein ’entfernte weibliche silie usw. aus gleichbedeutendem l. basilı¯´a, gr. basiVerwandte’; in der Hochsprache Entsprechung zu leı ´ a). So bezeichnet nach dem edlen Duft. Das Wort Kusine. Nebenform ahd. wasa, as. wasa. Die Herkunft bleibt in eingedeutschter Form Basilie (teilweise sedes nur deutschen Wortes ist dunkel. Falls ml. barbas kundär motiviert zu Braunsilge); relatinisiert im m. ’Vatersbruder’ als ursprünglich langobardisches 20. Jh. Wort vergleichbar ist, kann von vd. *bazwo¯n ausgeEbenso nndl. basilicum, ne. basilie, nfrz. basilic, nschw. basilika; gangen werden. In der indogermanischen GrundÞBasilika, ÞBasilisk. – Bertoldi, V. ZRPh 54 (1934), 229f.; sprache gab es offenbar kein Wort für ’Kusine’ − die EWahd 1 (1988), 497f.; LM 1 (1980), 1526; EWNl 1 (2003), 230. so Verwandten wurden ’Schwestern’ genannt Basilisk Sm ’ein Fabelwesen mit tödlichem Blick’ per. (gegebenenfalls mit einer zusätzlichen Spezifikaexot. (14. Jh.), mhd. basiliske. Ist entlehnt aus l. basition). liscus, dieses aus gr. basilı´skos (eigentlich ’kleiner KöZur Bedeutungsentwicklung vgl. ÞVetter. – Risch, E. MH nig’), zu gr. basileu´s ’König’. Im Altertum ein reines (1944–1947), 117f.; Müller (1979), 75–78; Ruipe´rez (1984), Fabelwesen (schlangenförmig, mit weißen Flecken 19–28; EWahd 1 (1988), 495–497; Jones (1990), 139–146. wie ein Diadem als Königszeichen auf dem Kopf und 2 Base Sf (chemische Verbindung) per. fach. (19. Jh.). tödlichem Biss, Atem und Blick); als solches (halb Rückbildung aus dem Plural von ÞBasis; also eigentDrache, halb Hahn, aus missgebildeten Hühnereiern lich ’Grundlage’. Die Begründung für diese Bezeichvon Schlangen, Kröten usw. ausgebrütet, mit tödlinung wird dadurch erschwert, dass die Darstellungen chem Blick) lebt es im Mittelalter weiter. Mit dem der Chemie-Geschichte nur auf die Inhalte Wert gleichen Wort werden aber auch reale Tiere bezeichlegen und auf den sprachlichen Ausdruck keine Base1 Sf ’Kusine’ erw. obs. obd. (9. Jh.), mhd. base, ahd.

Bastonade

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net; vor allem eine Eidechsenart mit einem kleinen Hornfortsatz, der mit einer Krone verglichen wurde. Ebenso nndl. basilisk, ne. basilisk, nfrz. basilic, nschw. basilisk, nnorw. basilisk; ÞBasilika, ÞBasilikum. – Bertoldi, V. ZRPh 54 (1934), 229f.; LM 1 (1980), 1529f.; Röhrich 1 (1991), 157; DF 3 (21997), 192–194; EWNl 1 (2003), 230 f .

(1928), 267; Jacobson, H. ZDA 66 (1929), 217–246, besonders 232–244; Szemere´nyi, O. ZVS 71 (1954), 199–217, besonders 210–213; Meid, W. IF 69 (1964), 231f.; Darms (1978), 257–264; Koivulehto, J. FS Schmitt (1988), 252–255; EWahd 1 (1988), 500–502; Röhrich 1 (1991), 157f.; Dick, E. S. FS Szemere´nyi (1993), 307–340; EWNl 1 (2003), 231f.

Basis Sf ’Grundlage’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. basta Ptkl ’Schluss!’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus

basis, dieses aus gr. ba´sis (eigentlich ’Schritt, Gang’), einer Ableitung von gr. baı´nein ’gehen’. (Zur Bedeutungsentwicklung vgl. nhd. Þtreten − Tritt im Sinne von ’fester Untergrund; Stelle, auf die man treten kann; Stufe’). Verb: basieren.

it. basta ’es ist genug’, dieses aus früh-rom. *bastare ’genug sein’.

Ebenso nndl. basta, nschw. basta, nnorw. basta. Die Herkunft des romanischen Verbs ist umstritten. Vielleicht aus früh-rom. *basitare ’die Grundlage von etwas sein’ zu spl. basis ’Grundlage’. – DF 3 (21997), 79; DEO (1982), 83f.; Knobloch, J. FS Meid (1989), 103–105; Röhrich 1 (1991), 158; EWNl 1 (2003), 232.

Ebenso nndl. basis, ne. base, basis, nfrz. base, nschw. bas, nnorw. basis, (mil.) base. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þkommen, zur lateinischen Þintervenieren; ÞAkrobat, ÞDiabetes. – DF 3 (21997), 194–201; Gombert, A. ZDW 3 (1902), Bastard Sm ’uneheliches Kind, Mischling’ erw. fach. 167–169; Schirmer (1911), 29; Schirmer (1912), 8; Jones (13. Jh.), mhd. bast(h)art. Entlehnt aus afrz. bastard (1976), 141; EWNl 1 (2003), 231. (neben fils de bast) ’anerkannter Sohn eines Adeligen

bass (Adv des Komparativs Þbesser) Adv per. arch.

(9. Jh.), mhd. baz, ahd. baz, as. bat. Aus g. *batiz, auch in anord. betr, ae. bet, afr. bet. Mit Schwundstufe des Komparativsuffixes gebildet; später durch den normalen Komparativ ersetzt. Þbesser, ÞBuße, Þfürbass, ÞBaas.

Bass Sm ’tiefste Singstimme’ erw. fach. (15. Jh.). Ent-

lehnt aus it. basso (ml. bassus ’niedrig’) als ’tiefe (niedrige) Stimme’. Im Sinne von ’tiefes Streichinstrument’ gekürzt aus Bassgeige. Ebenso nndl. bas, ne. bass, nfrz. basse, nschw. bas, nisl. bassi. – DF 3 (21997), 202–205; Eggebrecht (1955), 68f.; EWahd 1 (1988), 503–505; EWNl 1 (2003), 228f.

Bassin Sn std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. bassin m., aus

und einer nicht mit diesem verheirateten Frau oder einer verheirateten Frau niedrigeren Standes’ (ursprünglich wertfreier Gebrauch z.B. als Selbstbezeichnung bei Wilhelm dem Eroberer). Herkunft umstritten. Semantisch am wahrscheinlichsten ist eine (belegbare) Ausgangsbedeutung ’wilder Schössling’ (d.h. ein aus dem Wurzelstock wachsendes Wildreis eines veredelten Baumes). Zugrunde liegt eine Wortsippe, die in nfrz. baˆton ’Stock’ und baˆtir ’bauen’ fortgesetzt ist, über deren Herkunft die Meinungen aber weit auseinandergehen (s. auch Þbasta). Das Suffix ist wohl ursprünglich germanisch (-hard als Namenelement). Ebenso nndl. bastaard, basterd, ne. bastard, nfrz. baˆtard, Ñ

nschw. bastard, nisl. bastardur. Vgl. ÞBankert. – Wolf, L. ZRPh früh-rom. *bacin(i)um, aus gall. *bacca ’Wasserge81 (1965), 310–324; DEO (1982), 86f.; Knobloch, J. LBa 27 fäß’, dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist. Bezeugt (1984), 57–60 (anders: ossetisch ’Kind des Packs’), auch MS 105 ist (einmal) bei Gregor von Tours ml. bacchinon, viel(1995), 142; Dick, E. S. FS Szemere´nyi (1993), 307–340; DF 3 leicht entlehnt aus gr. (Hesych-Glosse) ba´kinon ’eine (21997), 207–212; EWNl 1 (2003), 232. Art Gefäß’. Vielleicht letztlich eine Ableitung aus BacBastei Sf ÞBastion. chus (Gott des Weins) und damit ein Gefäß zur Aufbasteln Vsw std. (15. Jh.). Zunächst ’mangelhaft zubewahrung oder zum Ausschenken des Weins. rechtmachen’ u.ä., auch in der Form bästeln. HerEbenso nndl. bassin, ne. basin, nschw. bassäng, nnorw. basseng; kunft nicht ausreichend klar. Wahrscheinlich zu ÞBack, ÞBecken. – DF 3 (21997), 205f.; Brunt (1983), 151f.; DEO mhd. besten ’schnüren, binden’ als ’etwas notdürftig (1982), 83; EWNl 1 (2003), 231. zusammenbinden’ (statt es fachgerecht zu reparieBast Sm erw. fach. (11. Jh.), mhd. bast, ahd. bast, as. bast. ren). Dieses zu ÞBast in der Bedeutung ’Seil, Schnur’. Aus g. *basta- m. ’Bast (innere Schicht der Pflanzen-

rinde), Bastseil’, auch in anord. bast, ae. b¢st. Hierzu Bastion Sf ’Bollwerk’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus als Vriddhi-Bildung mhd. buost ’Bastseil’. Entstehung frz. bastion m., dieses aus it. bastione m., einem Augdunkel. Da Wörter für ’Bast’ meist zu Bedeutungen mentativum zu it. bastia ’Bollwerk’, aus afrz. bastie wie ’schälen, nackt’ u.ä. gehören (vgl. etwa l. liber), ’Gebäude’, einer Ableitung von afrz. bastir ’bauen’. kommt ein Zusammenhang mit bar in Frage. Die BeDas Grundwort ist entlehnt als Bastei (14. Jh.). urteilungsgrundlage ist aber nicht ausreichend. Nach Ebenso nndl. bastion, ne. bastion, nschw. bastion, nnorw. bastion. – DF 3 (21997), 212–217; Jones (1976), 141f.; Öhmann, E. Koivulehto benannt nach der Art der Gewinnung NPhM 43 (1942), 27 (zu Bastei); EWNl 1 (2003), 232f. (nach dem Einweichen ausgeschabt) als ’Ausgeschabtes’ zu der unter ÞBesen und Þbar vorausgeBastonade Sf ’orientalische Prügelstrafe (auf die Fußsetzten Wurzel (ig.) *b hes- ’schaben, reiben’. Nach Ja- sohlen)’ per. exot. (19. Jh.). Über frz. bastonnade entcobson und Szemere´nyi entlehnt. lehnt aus it. bastonata ’Stockhieb’ zu it. bastonare Ebenso nndl. bast, ne. bast, nschw. bast, nisl. bast(n.); Þbasteln, ’prügeln’ aus it. bastone m. ’Stock’. ÞBesen. – Johansson, K. F. IF 19 (1906), 121; Abegg, E. IF 46

Bataillon Ebenso nndl. bastonnade, ne. bastinado, nschw. bastonad. – DF 1 (1913), 80.

Bataillon Sn ’Truppenabteilung’ erw. fach. (16. Jh.).

Entlehnt aus frz. bataillon m., dieses aus it. battaglione m., einem Augmentativum zu it. battaglia f. ’Schlachttruppe’, aus spl. battua¯lia f. ’Fechtübungen mit Stöcken’, zu spl. battuere ’schlagen, klopfen’. Das französische Wort ersetzt früheres nhd. ÞFähnlein. Ebenso nndl. bataljon, ne. battalion, nschw. bataljon, nnorw. bataljon; ÞBatterie, ÞDebatte, ÞKombattant, ÞRabatt. – DF 3 (21997), 217–220; Jones (1976), 143f.; EWNl 1 (2003), 233.

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chen Verb batzen ’zusammenkleben, zusammenhängen’ (wohl eine Intensivbildung *backezzen zu backen). Das Wort wird dann auf die im 15. Jh. in Bern und Salzburg geprägten Dickpfennige bezogen; deshalb heute noch in der Schweiz für ein kleines Geldstück. Zusammenhang mit nndl. botje ’kleines Geldstück’? ÞButzen, Þpatzen. – Luschin-Ebengreuth, A. Numismatische Zeitschrift 12 (1880), 379–396; LM 1 (1980), 1552f.; Röhrich 1 (1991), 158.

batzig Adj Þpatzig. Batate Sf ’Süßkartoffel’ per. md. (16. Jh.). Entlehnt aus Bau Sm Þbauen.

span. patata (vgl. ne. potato ’Kartoffel’). Das Wort Bauch Sm std. (11. Jh., uuasbucho ’ein gefundener verstammt aus einer südamerikanischen Indianersprastümmelter Rumpf’ 8. Jh.), mhd. bu¯ch, ahd. bu¯h. Aus che (Aruak-Mundart von Haiti). Es hat sich (als Wort g. *bu¯ka- m. ’Bauch’, auch in anord. bu´kr, ae. bu¯c, afr. für ’Kartoffel’) bei uns hochsprachlich nicht durchbu¯k, bu¯ch. Das Wort geht zurück auf eine Wurzel mit gesetzt, hält sich aber in Mundarten Thüringens, verschiedenen anlautenden Labialen, mit der dicke, Hessens und Frankens. bauchige Gegenstände bezeichnet werden (vgl. russ. Ebenso nndl. bataat, ne. potato, nfrz. patate, nschw. batat. – pu´zo n. ’Bauch, Wanst’); vermutlich ursprünglich Abegg-Mengold (1979), 152–163; EWNl 1 (2003), 233. eine Lautgebärde für die aufgeblasenen (und daher Batenke Sf (eine Schlüsselblumenart) per. fach. dicken) Backen, vgl. die Zusammenstellung unter (16. Jh.). Entlehnt aus l. (stachys) be¯to¯nica, der gelehrÞBausch. Hierher vielleicht auch air. abach ’Eingeten Bezeichnung unbekannter Herkunft für Betonie weide’ ( ’Gefecht’ > ’GefechtsRGA 4 (1981), 57f.; RGA 18 (2001), 138; DEO (1982), 166 (l. einheit’) als frz. batterie d’artillerie ’Reihe der Ge*bu¯ca¯re ’die Wäsche übergießen’ zu l. bu¯ca [Variante zu bucca] schütze’, erweitert schließlich zu ’in einer Reihe auf’Krug, Schlauch − Waschzuber’). gestellte Gegenstände’. Die Bedeutung ’Stromspeicher’ wird im 18. Jh. aus dem Englischen bauchpinseln (auch gebauchkitzelt, gebauchstreichelt, auch bauchbepinseln) Vsw (sich gebauchpinselt fühlen übernommen. u.ä. ’sich geschmeichelt fühlen’) std. stil. phras. Ebenso nndl. batterij, ne. battery, nschw. batteri, nnorw. batteri; ÞBataillon. – DF 3 (21997), 221–225; Jones (1976), 145; (20. Jh.). Die Ausdrücke sind sicher Vergröberungen Carstensen 1 (1993), 96; EWNl 1 (2003), 234. einer ursprünglichen Wendung. Sie können sich auf die Art beziehen, in der Tiere, etwa Katzen, zutraulich Batzen Sm ’Klumpen’, ’ein Geldstück’ erw. obs. gemacht werden; denkbar ist aber auch ein Ausgangs(16. Jh.). Für ’Klumpen, dickes Stück’ zu dem schwa-

Baum

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punkt wie den Küenzel streichen ’jemandem schmeicheln’ (nach Schmeller/Frommann, 1268, zu Küenzel/n ’Fettansatz unter dem Kinn’); vgl. auch die nahestehenden Wendungen den Kauz streichen ’schmeicheln’ nach DWb V, 369f. oder fuchsschwänzen ’schmeicheln’. Baude Sf ’Berghütte’ per. omd. (15. Jh.). Ursprünglich

’Hirtenhütte im Riesengebirge’ (jetzt eher ’Hotel’ an entsprechender Stelle), aus einer Variante vd. *bu¯þo¯zu vd. *bo¯þo¯- in Bude; cˇech. bouda ist aus diesem entlehnt. Auf entsprechender Lautstufe mit Vokalkürze steht lit. bu`tas m. ’Haus’. Schier, B. FS Foerste (1970), 181f.

bauen Vsw std. (8. Jh.). In der heute vorherrschenden

Ebenso ne. bower, nschw. bur, nisl. bu´r ’Vorratskammer’; Þbauen, ÞBauer 2, ÞNachbar. – Krahe, H. IF 47 (1929), 326 und 57 (1939), 116f.; EWahd 2 (1998), 454f.

Bauer2 Sm ’Landmann’ std. (9. Jh.), zu den Formen s.u.,

as. gibu¯r. In dem Wort sind wohl mehrere Bildungen zusammengeflossen: 1. Mhd. gebu¯r(e), ahd. gibu¯r, as. gibu¯r (neben obd. gibu¯ro); 2. mhd. bu¯re m. (n.); 3. ahd. bu¯ari; die Hauptform ist (1) aus wg. *ga-bu¯ra- m. ’Mitbewohner (der Dorfgemeinschaft)’. Eigentlich eine Bildung wie Geselle, also ’einer, der im gleichen bu¯r ’Wohnort’ wohnt’. Die Bedeutung ’Landmann’ als Berufsbezeichnung und Standesbezeichnung ist jünger, wobei ihre Ausbildung (Nomen Agentis auf -er?) im einzelnen unklar ist. Die Verwendung des Wortes im Schach- und Kartenspiel folgt der dort auftretenden (bruchstückhaften) Standesordnung. Neben den deutschen Wörtern auch ae. gebu¯r, doch zeigt das (Alt-)Englische mit land-bu¯end daneben auch die Bildung (aus der gleichen Grundlage), die für die nordischen Sprachen charakteristisch ist (anord. bo´ndi). Femininum: Bäuerin; Adjektiv: bäuerlich, übertragen bäurisch.

Bedeutung ’(ein Haus) bauen’ ist das Wort jung (spätmittelhochdeutsch) und wohl eine Ableitung zu Bau (mhd. bu ¯ , ahd. bu¯, ae. bu¯ ’Wohnung, Haus’), die sich mit älteren, gleichlautenden Verben vermischt hat. Diese älteren Verben sind nicht mehr auseinanderzuhalten. Beteiligt ist sicher ein starkes Verb, das aber nur im Altnordischen noch als solches erhalten ist (anord. bu´a); sonst gibt es starke Präsensformen Ebenso nndl. boer, buur; Þbauen, ÞBauer 1, ÞNachbar. – Lud(gotisch, altenglisch, altsächsisch, althochdeutsch) vik, D. Acta Neophilologica 5 (1972), 83–85; GB 1 (1972), und ein starkes Partizip (altenglisch, mittelhoch407–439; RGA 2 (1976), 99–107; RGA 3 (1978), 216–221; Wensdeutsch) mit unklaren Präteritalformen im Althochkus, R., Jankuhn, H., Grinda, K. (Hrsg.): Wort und Begriff deutschen, sowie schwache Verben aller Stammklas’Bauer’ (Göttingen 1975); Huber, A. in Dückert (1976), 17–54; Brandsch, J.: Bezeichnungen für Bauern und Hofgesinde im sen. Die Hauptbedeutung der Formen der alten SpraAlthochdeutschen (Berlin 1987); Kristensen, A. K. G. Medichen ist ’wohnen’, wodurch sich das Verb, für das als aeval Scandinavia 12 (1988), 76–106; LM 1 (1980), 1563–1604; Ausgangsform etwa g. *bo¯wwa- anzusetzen ist, als Röhrich 1 (1991), 159f.; EWNl 1 (2003), 406. dehnstufige Bildung zu ig. *b hew¡- ’werden, sein’ erweist. Es ist bezeugt in l. fuı¯ ’ich war’ (u.a.), den au- Bäuerchen (fast ausschließlich in der Wendung ein Bäuerchen machen bei Säuglingen) Sn ’aufstoßen ßerpräsentischen Formen des Verbum substantivum (rülpsen)’ per. kind. (20. Jh.). Älter nndl. boer, das im Keltischen, lit. bu¯´ti ’sein, werden’, akslav. byti nach EWNl schon seit dem 18. Jh. bezeugt ist. Im ’sein, werden’, gr. phy´o¯ ’ich bringe hervor, zeuge’, gr. Hinblick auf am.-e. burp ’aufstoßen, rülpsen’ phy´omai ’ich werde, wachse’, ai. bha´vati ’er wird, er (20. Jh.) wird dort wohl zu Recht lautnachahmende ist’ (s. auch bin). Die (lautlich ebenfalls schwierigen) Entstehung (und nicht ’bäurisches Verhalten’) angegermanischen Formen sind: gt. bauan, anord. bu´a, ae. setzt. In Hinsicht auf den Gebrauch des Wortes sicher bu¯an, as. bu¯an, ahd. bu¯wan, bu¯wen. Die transitive Beziemlich alt, aber in älterer Zeit unbezeugt. deutung ’bereiten, (ein Feld) bebauen’ gehörte ursprünglich wohl zu einer anderen Bildung von derNndl. boer, nfr. boer. – EWNl 1 (2003), 343. selben Grundlage. Konkretum: Bau mit zahlreichen Bauernfänger Sm ’plumper Betrüger’ std. stil. (19. Jh.). Zusammensetzungen. In der Berliner Diebessprache gebildet. Bauer dabei Ebenso nndl. bouwen, nschw. bo ’wohnen’, nisl. bu´a ’Landim Sinn von ’Dummkopf, Tölpel’. wirtschaft betreiben’. Für die lateinischen Entsprechungen s. ÞFutur und für die griechischen ÞPhysik; ÞBauer 1, ÞBauer 2, ÞBauten, Þbaufällig, ÞBude, ÞGebäude. – Seebold (1970), 124–128; EWNl 1 (2003), 365; EWahd 2 (1998), 411–414.

Bauer1 Sm (auch n.) ’Vogelkäfig’ erw. fach. (8. Jh.),

Bauer(n)wetzel Sm ÞZiegenpeter. baufällig Adj std. (14. Jh.). Aufbau unklar. Vielleicht zu

einem mhd. *bu¯-(ge)velle ’Ruine’; belegt ist aber nur mhd. hu¯sgevelle in dieser Bedeutung.

mhd. bu¯r, ahd. bu¯r n. (auch m.?). Ursprünglich mit EWNl 1 (2003), 365. weiterer Bedeutung ’Haus, Kammer’, später auf Baum Sm std. (8. Jh.), mhd. boum, ahd. boum, as. bo¯m. ’Vogelkäfig’ (u.ä.) eingeengt. Aus g. *bu¯ra- m./n. Das Wort tritt an die Stelle des in e. tree erhaltenen ’(kleines) Haus’, auch in anord. bu´r n., ae. bu¯r n. Eine alten Wortes für ’Baum’. Aus wg. *bauma- m. wohl nur germanische Bildung zu dem unter bauen ’Baum, Balken’, auch in ae. be¯am ’Baum, Balken’, afr. behandelten Verb für ’wohnen’; doch klingt die Heba¯m (zur Bedeutung ’Balken’ vgl. ÞSchlagbaum, Wesych-Glosse by´rion ’Haus, Zimmer’ an (das Wort ist berbaum). Daneben steht *bagma- gleicher Bedeuvielleicht messapisch). tung in gt. bagms, ähnlich in aschw. bakn und − auf

baumeln

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Ñ r, in Kompo*bazma- zurückgehend − anord. badm ten’ (sonst auch ’auf den Baum klettern’ von Tieren). sita auch -barmr. Die Möglichkeit der Verbindung Vermutlich ein altes Jägerwort, dessen alte Bedeutung dieser Lautformen, und damit die Etymologie des nicht mehr erschlossen werden kann; evtl. ursprüngWortes, ist umstritten und unklar. Falls die Wörter lich vom Bären gesagt, der sich aufrichtet, um auf auf die gleiche Grundform zurückgehen (was nicht einen Baum zu steigen. von vorneherein sicher ist), kann die westnordische Ebenso ne. beam. – Porzig, W.: Das Wunder der Sprache Form nicht ohne Zusatzannahmen mit den beiden (München 1950), 231f. anderen verbunden werden. In Frage kommt ein Ein- Baumwolle Sf std. (12. Jh.), mhd. boumwolle, regional fluss von awn. bo˛rr ’Nadelbaum’, dessen Vorform auch assimiliert bouwol (vgl. schwz. bouwele). Diese *barwa- einem *bauma- ausreichend nahe stehen (in der frühesten Zeit durch die Araber aus Indien würde und dieses zu *barma- umgeformt hätte. Es eingeführte) Faser gleicht der ÞWolle, ist aber nicht wäre auch nicht ausgeschlossen, von einem dem Govon Schafen, sondern von Bäumen (genauer: Sträutischen entsprechenden Lautstand *bagma- auszuchern, gossypium herbaceum). Das Bestimmungswort gehen und eine untypische Veränderung von -gm- zu ÞBaum wurde vielleicht im Anschluss an Herodot -dm- anzunehmen. In diesem Fall wäre der Wechsel 3, 106 gewählt, wonach in Indien Wolle, die die Schaf-dm-/-rm- in umgekehrter Richtung verlaufen. Bei wolle an Schönheit und Güte übertrifft und aus der den beiden anderen Formen kommt älteres *baumadie Inder ihre Kleidung herstellen, auf Bäumen oder *bagma- als Vorform in Frage. Für ersteres wächst. könnte an die Wurzel ig. *b hew¡- ’wachsen’ (usw.) Vgl. ÞKattun. – LM 1 (1980), 1669. (Þbauen) angeschlossen werden, vgl. etwa gr. phy˜ma Bausback Sm ÞPausbacken, ÞBausch. n. ’Gewächs’ zu phy´omai ’wachsen’ mit Entwicklung von g aus w in der Umgebung vor silbischem Nasal Bausch (dazu bauschen, bausen ’aufschwellen’, aufbauschen ’übertreiben’) Sm ’Ausfaltung von Stoff, (*b howm). Diese Entwicklung ist in entsprechender ˙ lockerer Knäuel (Watte usw.), Wulst’ per. arch. phras. Lautumgebung aber nicht bezeugt; sie ist sonst vor (11. Jh.), mhd. bu¯sch (selten), auch mit -s, ahd. bu¯sc. der Lautverschiebung eingetreten und hat dadurch Diesen und ähnlichen Wörtern liegt eine Lautgebärzu gm. -k- geführt, was zu gt. bagms nicht stimmt de für ’die Luft aus den aufgeblasenen Backen aus(vgl. ÞZeichen und ÞBake). Auch die Möglichkeit stoßen’ zugrunde, etwa *phu- für ’aufblasen − spreneiner ’Verschärfung’ des -w- zu -ggw- ist nicht ausgegen − platzen’ und mit einem bilabialen Reibelaut schlossen, bietet aber mindestens ebenso große Pro*fu- (o.ä.) für das anhaltende Blasen. Daraus einerbleme bei der Beurteilung. Für eine Vorform *bagmaseits Bedeutungen wie ’blasen’, andererseits ’aufgekönnte idg. *b ha¯g hu´- ’Unterarm’ herangezogen werblasen, dick, geschwollen’. Da die Lautungen einerden, dessen Reflex im Englischen außer ’Arm, Schulseits immer wieder als Lautgebärde erneuert, andeter’ auch ’Zweig’ bedeutet (also *b hag h(w)o- oder rerseits aber auch lautgesetzlich weiterentwickelt *b h¡g h(w)o´- mit Kürze – dann wäre die Ausgangsbewerden können und da die Einzelsprachen durch deutung etwa ’Astwerk’). Auch diese Annahme führt ihren unterschiedlichen Lautbestand die Lautgebärde ohne weitgehende (und wenig wahrscheinliche) Zuverschieden erfassen, fallen die vergleichbaren Wörsatzannahmen nicht zum Ziel. Nach Kuiper ist das ter stark auseinander (und entsprechend unsicher ist Wort aus einer Substratsprache entlehnt die Zusammenstellung). Zudem sind die meisten (*b hab hma-) – auch das geht nicht ohne problematiWörter erst spät belegt, was aber nicht notwendigersche Zusatzannahme: Das für ’Bohne’ bezeugte Wort weise heißt, dass sie jung sind − im allgemeinen sind hätte auch die Bedeutung ’Baum’ gehabt. es familiäre und umgangssprachliche Wörter, die Ebenso nndl. boom, ne. beam; Þbäumen, ÞBaumwolle, nicht ohne weiteres in literarische Texte aufgenomÞSchlagbaum. – Cox (1967), 55–61 (zur Bedeutung ’Sarg’); men (und deshalb auch nicht überliefert) werden. Peeters, Ch. ZVS 88 (1974), 129–133; Lehmann (1986), 55f. (zieht einen Ansatz mit Laryngal vor); Hamp, E. P. FS Fisiak. Einen zu Bausch passenden Lautstand zeigen außerEd. D. Kastovsky & A. Szwedek. Berlin 1 (1986), 345f. (aus g. halb des Germanischen etwa russ. bu´chnutı˘ *bargma-); Röhrich 1 (1991), 161f.; Kuiper, F. B. J. NOWELE ’(an)schwellen’ und gr. phy˜sa f. ’Blasebalg, Blase’. 25 (1995), 63–88; EWahd 1 (2003), 263–267; EWNl 1 (2003), 354; Zum lautmalerischen Ursprung vgl. noch ai. phutDavio, G. W. FS Rauch,147–154. karoti ’phu machen, (verächtlich) zischen’ u.a.. In baumeln Vsw std. (17. Jh.). Wohl regionale (ostmitteldiesen Zusammenhang können gestellt werden: mit deutsche) Variante des ebenfalls regionalen bammeln der Bedeutung ’blasen’ Þpusten, Þpfusen, Þfauchen (s. auch ÞBammel, ÞBembel, ÞPummel). Am ehesten und ÞBö; mit der Bedeutung ’aufgeblasen’ als Lautbild aufzufassen. Wenn vom Hängen und ÞPausbacken, bauschen und ÞPocke; mit der BedeuSchwingen der Glocken auszugehen ist, könnte eine tung ’dick, geschwollen’ ÞBauch, ÞBacke 1 (l. bucca) Lautnachahmung zugrunde liegen. und ÞBeule. Die Wurzel ig. *b heu¡- ’wachsen’ usw. (Þbauen) gehört vermutlich ebenfalls hierher; in welbäumen Vsw (meist sich aufbäumen ’sich aufrichchem Umfang die Sippe lautgesetzlich überliefertes ten’) per. arch. (15. Jh.). Wohl ’sich am Baum aufrich-

beben

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und morphologisch regelmäßiges Material und lautmalerisch beeinflusste Bildungen enthält, lässt sich schwer bestimmen. − Die Redensart in Bausch und Bogen (wozu auch Þpauschal) ist etymologisch nicht eindeutig geklärt. Zu beachten ist zunächst, dass Bausch, Baus in der älteren Sprache auch ’Armvoll, Handvoll’ u.ä. bedeutet, also eine ungezählte und ungewogene Menge. Hierzu nach der Bause ’geschätzt, nicht gewogen’ und weiter (vielleicht unter dem Einfluss von in ÞSausund Braus) auch ’mit vollen Händen’. Der Bestandteil ÞBogen bleibt dabei ungeklärt. Die Erklärungsversuche von DWb I, 1198 (es ist vom Grundstückskauf auszugehen, wobei Bausch nach außen gewölbte, ÞBogen nach innen gewölbte Flächen sind) und von Kluge (171957) (nach H. H. Bockwitz: Kulturgeschichte des Papiers [Stettin 1935], 62: ein Bausch Papier sind 181 Bogen) scheitern daran, dass eine entsprechend frühe fachsprachliche Verwendung nicht nachweisbar ist. ÞBeuschel, ÞBeutel, Þblähen, ÞBö, ÞButzen, Þerbosen, ÞPuff 2. – Hubschmid, J. VR 29 (1970), 282–302; Röhrich 1 (1991), 163f.; EWahd 2 (1998), 474.

Bäuschel Smn ’schwerer Hammer’ per. fach. (19. Jh.).

Instrumentalbildung zu mhd. biuschen, bu¯schen ’schlagen, klopfen’. Weiter verbreitet ist mit dieser Bedeutung eine Lautform g. *baut-a- Vst. ’schlagen, stoßen’ (ÞAmboss und vgl. ae. by¯tl n./m.? ’Hammer’), der lautliche Zusammenhang ist aber nicht klar (aus *baut-ska-?). Bautastein Sm per. exot. (20. Jh.). Ein ursprünglich nur

baxen Vsw ’ringend schlagen’ per. arch. ndd. (18. Jh.).

einen baks ’Backenstreich, Schlag’ geben. Variante zu dem aus dem Englischen stammenden Þboxen. Ebenso ndn. bakse, nnorw. bakse.

Bazar Sm ÞBasar. Bazille Sf (auch Bazillus m.) ’Stäbchenbakterie’ erw.

fach. (19. Jh.). Eingeführt für ’eine stäbchenförmige Unterart der Bakterien’, zu spl. bacillum n., bacillus m. ’Stäbchen’, das als Diminutivum zu spl. baculus m., baculum n. ’Stab’ gehört. Ebenso nndl. bacil, ne. bacillus, nfrz. bacille, nschw. bacill, nnorw. basill; ÞBaguette, ÞBakterie. – DF 3 (21997), 225f.; EWNl 1 (2003), 199.

be- Präfix std.,. Aus g. *bi-, auch in gt. bi-, ae. be-, afr.

bi-. Entstanden aus der Vorform der Partikel bei. In verkürzter Form fest geworden ist das Präfix in Þerbarmen, Þbleiben, Þbinnen und Þbang(e). In nominalen Formen ist in der älteren Sprache noch die betonte, aber nicht notwendigerweise gelängte Form bı¯- bezeugt; Relikte dieser Betonungsweise noch in Þbieder und (nicht mehr erkennbar) in ÞBeicht(e). Die Funktion des Präfixes war ursprünglich rein örtlich (ahd. bifallan ’hinfallen’) und wurde dann verallgemeinert zu einer Verstärkung (bedecken) und zur Transitivierung ursprünglich intransitiver Verben (beleuchten). Außerdem tritt be- in Präfixableitungen vom Typ bekleiden zu ÞKleid (’mit Kleidern versehen’) auf. Ebenso n ndl. be-, ne. be-. – Hittmair, A.: Die Partikel be(Diss. Wien 1882); Bogner, A.: Die Verbalvorsilbe bi- (Diss. Hamburg 1933); Haessler, L.: Old High German ’biteilen’ and ’biskerien’ (Philadelphia 1935); Wortbildung 1 (1973), 146 und an den dort angegebenen Stellen; EWNl 1 (2003), 236.

in isländischen Texten überliefertes Wort (anord. bautarsteinn, auch bautadaÑ rsteinn) für den skandinavischen Brauch, zu Ehren bestimmter Toten große Steine (in der Regel schriftlose, aber auch Bild- und Beamte(r) (mit Adjektiv-Flexion) Sm std. (14. Jh.). Runensteine) an die Straße zu setzen. Die Etymologie Kontrahiert aus Beamteter, der Substantivierung ist unklar; am wahrscheinlichsten ist die Annahme, eines partizipialen Adjektivs zu beamten, weiter zu dass das Wort ursprünglich *brautarsteinn, d.h. ÞAmt. ’Stein an der Straße’ (zu anord. braut f. ’Weg, Straße’) LM 1 (1980), 1720f.; GB 7 (1992), 1–96; EWNl 1 (2003), 238. lautete und das -r- in der Überlieferung verloren ging beanstanden Vsw std. (19. Jh.). Gebildet als Präfix(wie häufig in Anlautgruppen mit Labial + r). Ableitung zu ÞAnstand in dessen Bedeutung Ebenso nndl. bautasteen, nschw. bautasten, nisl. bau’Zaudern, Stillstand’ mit den Nebenbedeutungen ta(r)steinn. – RGA 2 (1976), 112f.; LM 1 (1980), 1689. ’Bedingung’ und ’Einwand’; also etwa ’Einwände maBauten Spl std. stil. (18. Jh.), mndd. buwete n. chen’. ’Gebäude’ (zu Þbauen). Dringt als regionales Wort beben Vsw std. (8. Jh.), mhd. biben, ahd. bibe¯n, as. (ndd. bu¯te) in die Verwaltungssprache von BrandenbibÐ o¯n. Aus g. *bib-¢¯ - (neben -o¯-) Vsw. ’beben’, auch burg und besonders Berlin und bekommt im Laufe in anord. bifa, ae. bifian, afr. beva. Zugrunde liegt des 18. Jhs. im Norddeutschen die Funktion des Pluersichtlich eine reduplizierte Präsensbildung, als rals zu Bau. Um 1800 in die Hochsprache aufgenomderen Grundlage ig. *b hei¡- ’sich fürchten’ angesehen men (wohl um die lautlich unbequemen Formen wird. Dieses wird bezeugt durch ai. bha´yate, akslav. Baue, Bäue zu vermeiden). bojatise˛ und lit. bijo´tis gleicher Bedeutung. Die hochBauxit Sm ’Aluminium-Rohstoff’ per. fach. (19. Jh.). sprachliche Form mit -e- stammt über Luther aus Benannt nach dem ersten Fundort Les Baux. dem Niederdeutschen (mndd. beven). Im OberdeutEbenso nndl. bauxiet, ne. bauxite, nfrz. bauxite, nschw. bauxit, schen dafür (mhd.) bidemen aus derselben Grundlannorw. bauxitt. – Lüschen (1979), 182; EWNl 1 (2003), 234. ge. Eine mundartliche Intensivbildung ist Þbibbern. Zur Reduplikation (wohl nicht morphologisch, sondern expressiv) vgl. Þzittern. Präfigierung: erbeben; Substantivierung: (Erd-)Beben.

Becher

100 Ebenso nndl. beven. – Kluge, F. ZVS 26 (1883), 85f.; Sievers, E. IF 43 (1925), 174; Mezger, F. ZVS 72 (1955), 127; Wackernagel, J. ZVS 41 (1907), 305–309 (ablehnend); EWNl 1 (2003), 294; EWahd 2 (1998), 6, 9–12.

Becher Sm std. (11. Jh.), mhd. becher, ahd. behhari, as.

bikeri. Entlehnt aus ml. bicarium n., älter bacarium n. ’Weingefäß, Wassergefäß, Becher’ unklarer Herkunft. Aus dem Niederdeutschen sind entlehnt lett. bik˛eris und anord. bikarr (aus diesem me. biker, ne. beaker). Aus einer romanischen Nebenform (afrz. pichier) stammt ne. pitcher ’Krug’. Verb: bechern. Ebenso nndl. beker, ne. beaker, nschw. bägare, nisl. bikar; ÞBecken, ÞBack. – Sehwers, J. ZVS 54 (1927), 167; EWahd 1 (1988), 507f.; LM 1 (1980), 1771–1773; FEW I, 362; Gamillscheg (1969), 18 (die spätlateinische Beleglage ist im einzelnen undurchsichtig); DEO (1982), 59 (wohl zu Bacchus [Gott des Weins] als ’Weingefäß’); EWNl 1 (2003), 256.

becircen Vsw ’betören’ std. bildg. (20. Jh.). Präfixablei-

tung nach den Verführungskünsten der griechischen Zauberin Circe (gr. Kirke¯). Die deutsche Aussprache folgt der spätlateinischen. 2

Röhrich 1 (1991), 164; DF 3 ( 1997), 230.

Beck Sm ’Bäcker’ per. obd. md. (12. Jh.), mhd. becke,

ahd. (–) becko. Nomen Agentis (*bak-jo¯n) zu g. *bak-a- ’backen’ (Þbacken). Erst neuhochdeutsch ersetzt durch die systematische Neubildung Bäcker; außer in den Mundarten noch als Familienname erhalten. Vgl. ÞPfister.

Becken Sn std. (10. Jh.), mhd. becke(n), ahd. becki(n).

Entlehnt aus ml. bac(c)in(i)um n. ’Wassergefäß’; dieses ist eine Ableitung zu gall. bacca f. gleicher Bedeutung. Ebenso nndl. bekken; ÞBassin, ÞBecher, ÞPickelhaube. – Hildebrandt, R. DWEB 3 (1963), 358f.; EWahd 1 (1988), 508f.; EWNl 1 (2003), 256.

Beckmesser Sm ’kleinlicher Kritiker’ erw. bildg.

(19. Jh.). Nach der gleichnamigen Gestalt, einem kleinlichen Preisrichter, in Wagners Meistersingern. Röhrich 1 (1991), 164.

bedenken Vsw std. (8. Jh.), mhd. bedenken, ahd. bithen-

ken, as. bithenkian. Präfigierung zu denken, auch in ae. beþencan, afr. bithenzia, gt. biþagkjan; die Bedeutung ’beschenken’ aus ’sich gedanklich jemandem zuwenden’ (vgl. mit etwas an jemanden denken). Zur eigentlichen Bedeutung auch das Substantiv Bedenken mit den Adjektiven bedenklich und bedenkenlos; parallel dazu Bedacht und bedächtig. Þdenken.

bedeppert Adj ’ratlos, betroffen’ std. stil. (19. Jh.). Die

Abgrenzung von ähnlichen Wörtern ist schwer, z.B. von Betöberung im Sinn von ’Betäubung’ bei Grimmelshausen (17. Jh.). Anschluss an schwach bezeugtes mhd. beteben, ahd. beteben, beteppen ’unterdrücken, ruhig machen’ ist möglich. Die heutige Bedeutung wird wohl mit mundartlich zerdeppern ’zerschlagen’

(zu Tepper ’Töpfer’?) in Verbindung gebracht, mit einem ähnlichen Bild wie ndd. Þbekloppt, eigentlich ’beklopft’, also ’angeschlagen’. Röhrich 1 (1991), 164.

bedingen1 Vsw ’zur Folge haben’ std. stil. (13. Jh.), mhd.

bedingen, verstärkt aus einfachem dingen, ahd. t(h)ingo¯n, dingo¯n (ÞDing). Die ursprüngliche Bedeutung ist ’aushandeln, vereinbaren’ (Þbedingen 2), daraus ’verursachen, zur Folge haben’. Unter dem Einfluss von Bedingung (ursprünglich ’Vereinbartes’, dann ’Voraussetzung, Kondition’) auch ’erfordern, zur Bedingung haben’. Hierzu auch unbedingt ’ohne Voraussetzung, ohne Vorbehalt’ und bedingungslos. bedingen2 (auch sich ausbedingen) Vst ’zur Bedingung

machen’ std. alt. (13. Jh., Form 17. Jh.). Ursprungsgleich mit Þbedingen 1, mit Beibehaltung der älteren Bedeutung; dann, ausgehend vom Niederdeutschen, seit dem 17. Jh. sekundär starke Flexion (besonders das Partizip ausbedungen). ÞDing, Þbedingen 1. – HWPh 1 (1970), 762–765; LM 1 (1980), 1782f.; EWNl 1 (2003), 240.

bedürfen Vprpr std. stil. (8. Jh.), mhd. bedurfen, ahd.

bithurfan, mndd. bedörven. Präfigierung zu Þdürfen mit dessen alter Bedeutung ’nötig haben’, während sich das einfache Verb zu einem Modalverb weiterentwickelt hat. Abstraktum: Bedürfnis und Bedarf; Adjektiv: bedürftig. HWPh 1 (1971), 765–771; GB 1 (1972), 440–489.

beeinträchtigen Vsw std. (17. Jh.). Zu fnhd. eintragen

’hindern, schaden’ nebst ÞEintrag und (möglicherweise sekundär) Eintracht ’Hindernis, Schaden’, vermutlich maskulin (im Gegensatz zu dem heute noch üblichen ÞEintracht f. ’Übereinstimmung’) gehört beeinträchtigen ’hindern, schaden’, das über die Kanzleisprache in die allgemeine Sprache eindringt. Die Bedeutungsentwicklung von eintragen vermutlich vom Eintragen des Fadens in die Kette beim Weben (’querschießen’). Beelzebub Sm ’der oberste Teufel’ erw. bildg. (8. Jh.).

Mit den Bibelübersetzungen (seit dem Tatian) entlehnt aus hebr. ba al-z evu¯v, -l. Der Name findet sich nur in christlichen Texten und ist vielleicht zu erklären als hebr. ba al-z evu¯l ’Herr der (himmlischen) Wohnung’ = ’Herr der Dämonen’, möglicherweise ein Schimpfwort der Juden für Jesus. Der heutige Gebrauch, vor allem in der Wendung den ÞTeufel durch Beelzebub austreiben, geht zurück auf Mt. 12,24, wo die Pharisäer Jesus vorwerfen, er treibe die bösen Geister durch Beelzebub aus. Die Erklärung der Stelle ist aber, wie die Erklärung des Namens, wegen der Unsicherheit der Namensform umstritten. Ebenso nndl. Be¡lzebub, ne. Beelzebub, nnorw. Beelzebub. – Tantsch, W. ZDPh 75 (1956), 337–347 (Variante Beelzebock); Gaston, L. Theologische Zeitschrift 18 (1962), 247–255; Baldinger, K.: Zum Einfluß der Sprache auf die Vorstellungen des Menschen (Heidelberg 1973), 9f.; Haag, H.: Teufelsglaube (Tübingen 1974), 294–303; EWNl 1 (2003), 244.

101

befehlen

Beere Sf std. (8. Jh., Form 16. Jh.), mhd. ber f./n., ahd.

mhd. beva¯hen, ahd. bifa¯han. Die Bedeutung des Parberi n., as. -beri n. Das Femininum ist offenbar im tizips war ursprünglich ’gefangen, verwickelt, begrenzt’ (8. Jh. unbifanganlih ’unbegreiflich’), dann Frühneuhochdeutschen aus dem Norden eingedrungen, vgl. mndd. bere f., mndl. (dial.) bere f., ae. berige f. übertragen ’beeinträchtigt, beeinflusst’ und wurde in der Zeit der Klassik einerseits auf ’verschüchtert’, an’Beere’ (jo¯n-Stamm). Älter ist das Neutrum g. *bazja- n. in anord. ber, as. (wı¯n)-beri, ahd. beri n., mhd. dererseits auf ’voreingenommen’ festgelegt. Hierzu ber f./n., neben der Form ohne grammatischen Wechals Verneinung unbefangen; Abstraktum: sel *bas-ja- n. in gt. (weina-)basi, mndl. bes(e), mndd. Befangenheit, in neuerer Zeit als juristischer Terminus beseke (Diminutiv); hierzu auch ndd. (dial.) ÞBesing häufiger. ’Beere, Heidelbeere’. Herkunft unklar. Die übliche Ebenso nndl. bevangen. Herleitung aus einem Wort für ’rot’ (ae. basu befehlen Vst std. (8. Jh.), mhd. bevelhen, ahd. bi’purpurn’ und das ganz unsichere mir. basc ’rot, fel(a)han. Wie ae. befeolan, afr. bifela Präfigierung zu Scharlach’) ist so wenig zu sichern wie die aus einem g. *felh-a- Vst., dies auch in gt. filhan, anord. fela, ae. Wort für ’Strauch, Rute’ (nnorw. [dial.] bas[e] m. feolan, afr. -fela. Die Bedeutung ist bei intransitivem ’Strauch, Unterholz’). Zu beachten ist, dass allgemeiGebrauch (nur im Altenglischen belegt) ’(ein-)sinne Wörter für ’Beere’ (gegenüber ’Frucht’ usw.) nicht ken, (ein-)dringen’; für den transitiven Gebrauch häufig sind, und dass l. ba¯ca, bacca ’Beere’ aus einem lässt sich ’senken, drängen’ erschließen; bezeugt ist wh Substrat stammt. Falls mit g. *b- aus ig. *g - gerech- einerseits (ausgehend von ’versenken’) ’verbergen, wh net wird, kann g. *bas- auf (ig.) *(o)g os- zurückgebegraben’ (gotisch, altnordisch, westgermanisch in führt werden. Zu vergleichen wäre einerseits lit. u´oga Relikten bei präfigierten Formen), andererseits (nur wh ’Beere’ (*o¯g a¯), akslav. vin-jaga ’Weinrebe’ präfigiert, und zwar gotisch mit ana-, westgerma(*og wha¯), akslav. agoda ’Beere’ (*og whod-a¯), l. u¯va nisch mit bi-) ’empfehlen, anvertrauen, befehlen’ wh ’Traube’ (*o˘g a¯), andererseits ai. gha´sati ’isst, ver(vgl. in jemanden dringen, auf etwas dringen). Die zehrt’, ai. gha¯sa´- m. ’Futter’, l. fe¯num ’Heu’ Bedeutung ’befehlen, gebieten’ taucht zunächst nur (*g whes-no-), gr. o´pson ’Zukost’ (*og whs-o-, das o- kann vereinzelt auf, setzt sich dann aber bei der Entwickallerdings auch Präfix sein).Gr. pso¯mo´s ’Brocken, Bislung zum Neuhochdeutschen durch. Das einfache sen’ (gr. pse¯n ’reiben’ und ai. psa¯ti ’kaut’ wären dann Verb stirbt im Deutschen nach der althochdeutschen von dieser Sippe abzutrennen). Auszugehen wäre Zeit aus. Außergermanisch ohne klare Vergleichswh dabei wohl von ig. *og - ’Essen, Bissen’, dazu das möglichkeit. Das wurzelschließende -h ist sicher nur Wort für ’Beere’ wohl im Sinne von ’Zukost’ oder germanisch und vergleicht sich mit dem -h des in der ’Essbares’. Parallel dazu eine verbale s-Erweiterung Bedeutung entsprechenden *þrenh-a- (Þdringen). In ’essen, verzehren’. Das Germanische hätte bei dieser der nach Ablösung dieser Erweiterung übrig bleibenAnnahme eine für die Wurzel typische Bedeutung in den einfacheren Form ig. (eur.) *pel- vergleichen sich die Erweiterung übernommen. mit der Bedeutung ’begraben’ l. sepelı¯re (umbr. pels-) Ebenso nndl. bes, ne. berry, nschw. bär, nisl. ber. – RGA 2 ’begraben’, mir. (unsicher) eillged, eillgheadh (1976), 132–139; EWahd 1 (1988), 560f.; LM 1 (1980), 1783–1785; ’Begräbnis’; ausgehend von ’verbergen’ wohl auch Röhrich 1 (1991), 165; Heidermanns (1993), 118; EWNl 1 air. to-ell- ’stehlen’ (*pel-n-, nur im Perfekt, bei einem (2003), 274 f., 330. Verbalstamm, in dem verschiedene Quellen zusamBeet (obd. auch Bett) Sn std. (9. Jh., bettilin 8. Jh.), mengeflossen sind); mit der Bedeutung ’empfehlen mhd. bette, ahd. bettilı¯(n). Das Wort ist ursprünglich usw.’ am ehesten l. appella¯re ’anreden, anrufen, anidentisch mit ÞBett; doch sind die Bedeutungen regen’ (auch com-, interpella¯re), vielleicht auch gr. ’Beet’ und ’Bett’ im 16. Jh. ausgehend vom Mittelapeile´o¯ ’ich gebe an, drohe’ und lett. pel˜t ’schmähen, deutschen auf verschiedene Lautvarianten verteilt verleumden’. Am wenigsten deutlich sind die Verworden: Die Form Bett setzt dabei den Lautstand des knüpfungsmöglichkeiten für die AusgangsbedeuGenetivs mit Konsonantengemination fort (bette-s), tung. In Frage kommen (alle aus *pel-n-) l. pellere die Form Beet den ursprünglichen Lautstand des Notrans. ’stampfen, klopfen, schlagen, fortstoßen, fortminativs und Akkusativs (beti). Die übertragene Betreiben, beeindrucken’ (u.a.), air. ad-ella ’besuchen, deutung ’Beet’, die auch im Niederländischen und sich nähern, berühren’, gr. pı´lnamai trans. / intrans. Englischen auftritt, ist ursprünglich ’Pflanzenstand’ich nähere mich’, nebst gr. pe´las ’nahe’ (Wörter für ort’; auszugehen ist also von der Bedeutung ’Lager, ’nahe’ gehen nicht selten auf ’angepresst, angedrängt’ Grundlage’. zurück, vgl. etwa frz. pre`s ’nahe’, das zu l. presse¯ Adv. Ebenso nndl. bed, ne. bed, nisl. bed Ñ (entlehnt). – Hubschmid, ’gepresst, gedrückt’ gehört). Abstraktum: Befehl. J. FS Schröpfer (1991), 235 (anders); EWNl 1 (2003), 238.

Beete Sf ÞBete. befangen AdjPP std. (8. Jh., Bedeutung 18. Jh.), mhd.

beva¯hen, ahd. bifa¯han. Zu dem starken Verb befangen,

Ebenso nndl. bevelen, nschw. dial. fjäla, nisl. fela. S. Þempfehlen, ÞBeispiel und für das Vergleichsmaterial Þappellieren. – Wüst (1956), 90–96; HWPh 1 (1970), 774f.; Seebold (1970), 191–193; Vennemann (1998), 257f.; EWNl 1 (2003), 294; EWahd 3 (2007), 126–131.

Beffchen Beffchen Sn ’Predigerkragen’ per. fach. (18. Jh.). Aus

dem Niederdeutschen übernommen (für früheres Überschlägchen). Diminutiv zu mndd. beve, beffe ’Chorhut und Chorrock des Prälaten’, mndl. beffe ’Kragen’, das seinerseits aus ml. biffa f., der Bezeichnung einer Tuchart, und afrz. biffe ’gestreifter Stoff’ stammt. Zur Bedeutungsentwicklung vgl. ÞKappe und ÞMütze. Ebenso nndl. bef, befje. – EWNl 1 (2003), 246.

befinden Vst std. (8. Jh.), mhd. bevinden, ahd. bifindan,

102 begatten Vswrefl erw. stil. (17. Jh.). In der heutigen Be-

deutung wohl zu ÞGatte als Euphemismus gebildet. Ein älteres, lautgleiches Wortes ist kaum unmittelbar zu verbinden. begeben Vstrefl std. stil. (9. Jh.), mhd. begeben. Bedeu-

tet ursprünglich ’sich hingeben, sich entäußern’ (nicht-reflexiv ’verlassen, aufgeben’) und wird im Mittelhochdeutschen speziell gebraucht für ’sich ins Kloster begeben’. Später verblasst die Ausgangsbedeutung, und das Wort bedeutet nur noch ’sich irgendwohin begeben’, mit unpersönlichem Subjekt auch ’sich ereignen’, mit Genetiv (heute obsolet) noch nahe an der älteren Bedeutung ’auf etwas verzichten’.

as. bifindan, afr. bifinda. Präfigierung zu Þfinden mit der durchsichtigen Bedeutung ’beurteilen’ und im Reflexivum mit der weiter abliegenden Bedeutung ’sich finden, da sein’. Abstraktum zur transitiven Konstruktion: Befund; Adjektiv zur reflexiven: begehen Vst std. (8. Jh.), mhd. bega¯n, bege¯n, ahd. biga¯n, befindlich. bige¯n. Eigentlich ’entlanggehen’ und von da aus Ebenso nndl. bevinden; Þfinden. ’besichtigen’ und ’feiern’. beflissen AdjPP ’eifrig’ erw. obs. (17. Jh.). Partizip zu begehren Vsw std. (13. Jh.), mhd. begern, begirn. Präfialtem sich befleißen ’sich bemühen’ (8. Jh.), das heute gierung zu älterem mhd. ger(e)n, ahd. gere¯n, gero¯n ausgestorben (bzw. zu sich befleißigen erweitert) ist. ’begehren’ (8. Jh.), das seinerseits von ahd. mhd. ger ÞFleiß, Þgeflissentlich. ’begierig’ abgeleitet ist. Zur weiteren Verwandtschaft befördern Vsw std. (18. Jh.). Ursprünglich neben s. Þgern und ÞGier. Zum Zeitwort die Rückbildung gleichbedeutendem bevordern und befürdern. PräfixBegehr (mhd.) und die Ableitung begehrlich. Zu der ableitung zu Þvorder oder Präfigierung von Þfördern Variante mhd. begirn gehört das Abstraktum im Sinn von ’voranbringen’ (’helfen’, ’transportieBegierde. ren’) und als Ersatz für Þavancieren im 19. Jh. ÞGier, Þgern, Þaufbegehren. – HWPh 1 (1970), 776–780; EWNl ’aufrücken lassen’. 1 (2003), 246 f .; EWahd 4 (2009), 116f., 178. EWNl 1 (2003), 295.

befriedigen Vsw std. (12. Jh., Form 15. Jh.). Erweiterung

von älterem mhd. bevriden, eigentlich ’einfrieden, schützen’. Das Wort gerät immer stärker unter den Einfluss von Þzufrieden und bedeutet heute ’zufriedenstellen’. EWNl 1 (2003), 295f.

befugt AdjPP std. stil. (16. Jh.). Wie das Abstraktum

Befugnis gebildet zu einem nicht mehr üblichen Verb fnhd. sich bevu¯gen ’berechtigen’ (in Resten noch: was befugt dich dazu?), vor allem niederdeutsch. Zu Þfügen und ÞFug, also eigentlich ’passend machen’. Heute vor allem in Unbefugten ist der Zutritt verboten. ÞUnfug. – EWNl 1 (2003), 295.

befürworten Vsw std. stil. (19. Jh.). Kanzleisprachliche

Bildung zu ÞFürwort im Sinne von ’Empfehlung’ (vgl. etwa Fürbitte). Dieses zu ein Wort für jemand einlegen. begabt AdjPP std. (13. Jh.), mhd. bega¯ben ’ausstatten,

beschenken’. Ursprünglich konkret gemeint (etwa: ’zur Hochzeit ausgestattet’), abgeleitet von ÞGabe f. Durch die Mystiker wird das Wort im 14. Jh. eingeschränkt auf spirituelle und intellektuelle Ausstattung (das Partizip wohl als Bedeutungsentlehnung aus l. do¯ta¯tus) und entwickelt sich dann zu einem Ausdruck für ’talentiert’ (vgl. frz. doue´, ne. gifted). Das Substantiv Begabung (zunächst ’Schenkung’) folgt dieser Bedeutungsentwicklung im 18. Jh. HWPh 1 (1970), 775f.; EWNl 1 (2003), 246.

Begeisterung Sf std. (17. Jh.). Abstraktum zu der wenig

früheren Präfix-Ableitung begeistern ’beleben’ zu ÞGeist gebildet, ursprünglich neben begeisten. Das Abstraktum Begeisterung ist in seiner Bedeutung offenbar von ÞEnthusiasmus beeinflusst worden, das Verbum von inspirieren (ÞInspiration). beginnen Vst std. (8. Jh.), mhd. beginnen, ahd. bigin-

nan, as. biginnan. Präfigierung zu dem nur präfigiert auftretenden Verbalstamm g. *-genn-a- ’beginnen’, auch in gt. duginnan, ae. beginnan, onginnan, afr. biginna, bijenna. Die außergermanischen Vergleichsmöglichkeiten sind unsicher, da das Verb nur präfigiert vorkommt und sich deshalb die Ausgangsbedeutung nicht sicher bestimmen lässt. Mit Rücksicht auf gleichbedeutendes an-fangen, etwas an-packen, l. incipere usw. ist aber eine Grundbedeutung ’fassen, packen’ wahrscheinlich, die bei einer Verbalwurzel ig. (eur.) *g hed-, in der Regel mit doppelter Nasalierung (*g hend-n-), bezeugt ist. In diesem Fall vergleichen sich l. prehendere ’ergreifen, fassen’ und gr. chanda´no¯ ’ich fasse, umfasse’; vielleicht auch air. ro-geinn ’Platz finden, umschlossen sein’, kymr. genni ’enthalten sein’. Abstraktum: Beginn. Ebenso nndl. beginnen, ne. begin. Für das lateinische Vergleichsmaterial s. ÞRepressalie; Þvergessen. – Seebold (1970), 224f.; EWNl 1 (2003), 248; EWahd 4 (2009), 346–348.

beglaubigen Vsw std. (14. Jh., Form 16. Jh.). Erweite-

rung von älterem beglauben, wohl eine Präfixablei-

beheben

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tung zu Glaube (Þglauben), also ’zum Glauben bringen, im Glauben bestärken’. begleiten Vsw std. (14. Jh.). Wird im 14. Jh. als Ablei-

dings von einem anderen habig ’wohlhabend’ (das von die Habe abgeleitet ist) in der Bedeutung beeinflusst. Durch den Gebrauch hat sich die Bedeutung dann zu ’wohlbeleibt, behaglich’ weiterverschoben. Die unerweiterte Form lebt weiter in schwäb. b’häb ’knapp, geizig’. Abstraktum: Behäbigkeit.

tung be-geleiten ’das Geleit geben’ zu mhd. geleit(e) n. ’Geleite, Begleitung’ gebildet (Þleiten). Das Wort ist im Niederländischen in dieser Form erhalten (begeHeidermanns (1993), 263. leiden), während es im Neuhochdeutschen lautlich vereinfacht wird. In der Bedeutung setzt begeleiten behaftet AdjPP std. stil. phras. (15. Jh.). Nur noch in mit älteres beleiten und geleiten fort. etwas behaftet, älter mhd. behaft, ahd. bihaft, eigentlich Partizip zu ahd. biheften ’binden, fesseln, umbegnügen Vswrefl std. (14. Jh.), mhd. begenüegen. Ist schließen’. abgeleitet von Þgenug mit Ausfall des -e- des zweiten ÞHaft, Þheften. – EWNl 1 (2003), 251. Präfixes. Wortgeschichtlich ersetzt die Form früheres mhd. benüegen und genüegen. behagen Vsw std. stil. (13. Jh., as. 9. Jh.), mhd. behagen, as. bihagon. Aus g. *hag-o¯- Vsw. ’gefallen, passen’, Begonie Sf ’eine in tropischen und subtropischen Geauch in anord. hagar ’es trifft sich, ziemt sich’, ae. bieten beheimatete Pflanze’ per. fach. (17. Jh.). Entgehagian ’sich bequemen, bereit sein’, afr. hagia lehnt aus gleichbedeutend frz. be´gonia m., so benannt ’behagen’. Alle einzelsprachlichen Formen sind spät nach Be´gon, einem Gouverneur von Sto. Domingo und z.T. spärlich bezeugt. Im Deutschen hat sich das und Förderer der Botanik. Wort offenbar vom Niederdeutschen her ausgebreiEbenso nndl. begonia, ne. begonia, nschw. begonia, nisl. tet. Alter a/o¯-Ablaut in der altnordischen Wortfamilie bego´nı´a. (anord. ho´gr ’bequem’) lässt ein Primärverb als Ausbegöschen Vsw ’beschwichtigen’ per. ndd. (20. Jh.). gangspunkt der germanischen Sippe vermuten, zu Umgesetzt aus begösken zu göske ’Gänschen’ (nach dem mhd. behagen ’behaglich’, ahd. kehagin den Zischlauten bei der Beruhigung kleiner Kinder). ’genährt’ das Partizip sein könnte. Eine ältere BedeuÞGössel. tung ’können, vermögen’ zeigt sich in ae. onhagian, begreifen Vst std. (8. Jh.), mhd. begrı¯fen, ahd. bigrı¯fan. das damit eine Brücke bildet zu ai. ´sakno´ti ’kann, verBedeutet zunächst konkret ’ergreifen, umgreifen’, mag’, ig. *k´ak-, wohl auch (mit abweichendem Anebenso mhd. begrif ’Umfang, Bezirk’. Die übertralaut) in lit. ka`kti ’irgendwohin gelangen, genügen, gene Verwendung des Verbs im Sinne von ’versteausreichen’, lit. ka´nkinti ’jmd. etwas zur Genüge liehen’ beginnt bereits in althochdeutscher Zeit (z.T. im fern, hinreichend mit etwas versehen’. Die BedeuAnschluss an l. com-prehendere), später auch die des tungsverhältnisse im einzelnen sind unklar. Das Substantivs im Sinn von ’Vorstellung’. In der AufEWNl schließt an ÞHag an und geht von ’abgeklärung wird Begriff auf ’Allgemeinvorstellung’ (zur schirmt’ aus. Adjektiv behaglich. Übersetzung von ÞIdee) eingeengt. Die Wendung in Ebenso nndl. behagen. – Seebold (1970), 245f.; Heidermanns etwas begriffen sein bedeutet ursprünglich ’ertappt (1993), 264f.; EWNl 1 (2003), 249f. werden bei etwas’; im Anschluss an die verallgemeinerte Verwendung dieses Ausdrucks seit dem 18. Jh. behände Adj erw. stil. (12. Jh.), mhd. behende ’geschickt, flink’. Ist zusammengerückt aus bihende ’bei auch im Begriff sein zu tun ’gerade etwas tun’. Adjekder Hand’. Ähnlich Þabhanden, Þvorhanden und − tive: begreiflich, begrifflich. Die konkrete Bedeutung aus anderer Grundlage − Þzufrieden. Abstraktum noch in inbegriffen. einer nicht mehr üblichen Adjektiv-Modifikation: Ebenso nndl. begrijpen, begrip. – Schwartz, R. L.: Der Begriff Behändigkeit. des Begriffs in der philosophischen Lexikographie (München 1983) (zur Ideengeschichte); HWPh 1 (1970), 780–787; LM 1 (1980), 1808–1810; Röhrich 1 (1991), 166; Vater, H. Sprachreport 16 (2000), 10–13; EWNl 1 (2003), 248f.

begriffsstutzig Adj std. (19. Jh.). Als ’beim Begreifen

stutzen, einen Begriff nicht erfassen’ zu Þstutzen. Beha Sm ÞBüstenhalter. behäbig Adj std. stil. (19. Jh.). Seit spätmittelhochdeut-

EWNl 1 (2003), 250f.

behaupten Vsw std. (14. Jh.). Die heutige Bedeutung

’versichern’ (besonders gegenüber jmd., der das Gesagte nicht glauben will) geht zurück auf eine ältere ’etwas durchsetzen, etwas verteidigen’ (heute noch in der Wendung sich gegen etwas behaupten), vor allem als Ausdruck der Rechtssprache (bezeugt seit dem 14. Jh.). Vermutlich zu ÞHaupt im Sinne von ’Herr’, also ’sich als Herr (über etwas) erweisen’. Abstraktum: Behauptung.

scher Zeit gibt es zu gehaben, behaben (8. Jh., Þhaben, Þheben) im Sinne von ’festhalten, zusammenhalten’ ja-stämmige Adjektive gehebe, behebe ’zusammenHWPh 1 (1970), 816. haltend, dicht schließend (von Gefäßen), geizig’. beheben Vst ’beseitigen’ std. (9. Jh., Bedeutung 20. Jh.). Diese Adjektive werden häufig mit -ig erweitert, und Regional auch in anderen Bedeutungen (’behalten, mit dieser Form kommt behäbig in der Zeit der Klasbehaupten’ usw.) und von älterem behaben schwer zu sik (Goethe) in die Hochsprache, wird dabei aller-

behelligen trennen. Mit verstärkendem Präfix Þbe- zu Þheben (vgl. aufheben). behelligen Vsw std. stil. (16. Jh.). Die heutige Bedeu-

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extremen Betonungsunterschieden nicht ausgeschlossen ist). Eine Herkunft der Bedeutung ’nahe’ aus einer anderen Bildung (ig. *api?) ist nicht ausgeschlossen.

tung ’belästigen’ geht zurück auf älteres ’plagen’. In Ebenso nndl. bij, ne. by; ÞBeicht(e), ÞBiwak, Þbleiben. – Wortdieser Bedeutung ist das Wort (wie das einfache bildung 1 (1973), 191f.; Hamp, E. P. in Lehmann, W. P., Hewitt, helligen) aus dem Adjektiv hellig ’müde, matt’ abgeJ. H. (Hrsg.): Language Typology (Amsterdam/Philadelphia leitet (also eigentlich ’ermatten, ermüden’, trans.). 1991), 105–110; Kiesewetter, J. BEDS 10 (1991), 133–175; GrieDas nur regional seit spätmittelhochdeutscher Zeit pentrog, W. HS 104 (1991), 12230; EWNl 1 (2003), 307f.; EWahd auftretende Adjektiv ist seinerseits eine Erweiterung 2 (1998), 1–3. aus dem ebenfalls beschränkt verbreiteten hahl, hähl, Beicht(e) Sf erw. fach. (8. Jh.), mhd. bı¯hte, ahd. bı¯jiht, hel(l) ’trocken, mager, dürr’, mndl. hael; Relikte dieses bı¯giht, as. bigihto m. Verbalabstraktum zu ahd. bijeAdjektivs auch in anderen germanischen Sprachen, han, as. (bi)gehan ’bekennen’ zu g. *jeh-a- Vst. vor allem in anord. hall¢ri ’Missernte, Hungersnot’ ’sprechen, versichern’. Als solches eine Bau-Ent(zu anord. a´r ’Jahr’) und ae. (selten) hell-heort sprechung, möglicherweise sogar Lehnübersetzung ’verzagt’ (’schwachherzig’). Zu erschließen ist etwa g. zu l. co¯nfessio gleicher Bedeutung neben l. co¯nfite¯rı¯ *halli- Adj. ’dürr, vertrocknet’ (aus voreinzelsprachl. ’bekennen’; dieses nach gr. exomologe´o¯ ’bekennen’ (in *kolz-i-?); vergleichbar ist lett. ka`lst ’vertrocknen’ und Bezug auf das öffentliche Sündenbekenntnis). Der mit s mobile im Anlaut gr. ske´llomai ’ich vertrockne, Ansatz einer älteren Bedeutung ’Aussage vor Gericht’ verdorre’, nebst gr. skeleto´s ’Mumie, Skelett’. (was eine Lehnübersetzung ausschließen würde) ist ÞHallig, Þschal, ÞSkelett. – Heidermanns (1993), 275; Grazi, nicht ausreichend zu sichern. Das Grundwort noch V. FS Carlo Alberto Mastrelli (Pisa 1985), 201–210. in l. iocus ’Scherz’, und vielleicht in ai. ya¯cati ’fragt, Behörde Sf std. (17. Jh.). Gebildet aus ndd. behören im bittet’. Verb: beichten; Täterbezeichnung: Beichtiger Sinne von ’zu etwas gehören’ und damit eher nieder(veraltet), Beichtvater. deutschem Wortgebrauch entsprechend. Die urEbenso nndl. biecht; Þgenieren. – Sommer, F. WS 7 (1921), sprüngliche Bedeutung noch in ÞZubehör. Die heu102–106; Siegert (1950), 39; Seebold (1970), 286f.; EWNl 1 tige Bedeutung ’Amtsstelle’ ersetzt früheres behörigen (2003), 304; EWahd 1 (1998), 32. Orts und meint demnach die ’zugehörige Amtsstelle’. beide AdjNum std. (8. Jh.), mhd. beide, be¯de, ahd. beide, Þhören, Þgehören. be¯de, as. be¯d,Ñ be¯deÑ a. Geht zurück auf eine Wortgruppe Behuf Sm In der Wendung zu diesem Behuf ’zu diesem aus einem kollektiven Zahlwort, das in gt. bai, *bos, Zweck’ und in der erstarrten Genetiv-Form behufs ba bezeugt ist, und dem bestimmten Artikel (bzw. ’zwecks’. erw. obs. phras. (13. Jh.), mhd. behuof, demonstrativen Pronomen), z.B. in gt. baþoskipa mndd. beho¯f . In der alten Sprache nicht bezeugt, ’beide (die) Schiffe’. Das Altnordische hat im Genetiv wohl aber in ae. beho¯f, afr. beho¯f n. ’Zweck, Nutzen’ noch die einfachen Formen, sonst (NPl. ba´diÑ r) For(vgl. anord. ho´f n. ’Maß, Art und Weise’). Das hierfür men, die aus der Zusammenrückung stammen; das vorauszusetzende präfigierte Verb Þbeheben ist weAltenglische hat einfache Formen, die stark an das sentlich schlechter und nicht in passenden Bedeutunparallele Zahlwort für ’zwei’ angeglichen sind (besongen belegt. Auch ist die Dehnstufe bei diesem Bilders deutlich im NPl. be¯gen zu twe¯gen ’zwei’), ne. dungstyp unüblich. Die Einzelheiten der Bildung both, me. bothe ist aus dem Altnordischen entlehnt. bleiben deshalb unklar. Das Altfriesische (bethe) hat wie das Altsächsische Ebenso nndl. behoeve, ne. behoof; Þheben. – Heidermanns und Althochdeutsche nur noch die zusammenge(1993), 287f.; EWNl 1 (2003), 251. rückten (und danach vereinfachten) Formen. Die Lautung -e¯- im Althochdeutschen stammt vom Zahlbehum(p)sen Vsw ’hereinlegen’ per. omd. (20. Jh.). Zu wort für ’zwei’ (zwe¯ne). Zugrunde liegt diesem kolmundartlichem hum(p)sen ’stehlen’, das wohl zu lektiven Zahlwort eine Formation, die aus ig. *-b h- + Þhumpeln usw. gehört, vgl. hümpler ’Stümper, PfuEndung (teilweise erkennbaren Dualendungen) bescher’ (16. Jh.). steht, wobei aber außerhalb des Germanischen Laubei Adv/Präp std. (8. Jh.), mhd. bı¯, ahd. bı¯, as. bı¯. Aus g. tungen vorangehen, die untereinander nicht verein*bi (mit Möglichkeit der Dehnung), auch in gt. bi, ae. bar sind: Auf (ig.) *amb ho¯ weisen gr. a´mpho¯ und l. bı¯, afr. bı¯. Als Verbalpräfix regelmäßig unbetont und ambo ¯; auf a/o/¡– weisen lit. abu` und akslav. oba; das später abgeschwächt (gt. bi-, anord. in Relikten b-, ae. Altindische hat ubha´u, dessen lautliche Deutung be-, afr. as. bi-, ahd. bi-). Die Bedeutung ist ’nahe, höchst umstritten ist. Möglicherweise war das Wort bei’, im Gotischen ’um − herum’. Letzteres erlaubt eine Anknüpfung an ig. *amb hi, *mb hi ’um − herum, ursprünglich enklitisch und hat dabei die erste Silbe verschiedenen Auslauten vorangehender Wörter anauf beiden Seiten’ (Þum, Þambi-),˙ wobei angenomgepasst. men werden muss, dass im Germanischen die erste ˘

˘

Silbe abfallen konnte (was bei einem Wort mit so

Ebenso nndl. beide, ne. both (entlehnt), nschw. ba˚da, nisl. ba´diÑ r; Þob 1, Þum. – Jasanoff, J. H. BSL 71 (1976), 123–131;

Bein

105 Bader, F. Verbum 2 (1979), 150; EWahd 1 (1988), 513–515; Ross/ Berns (1992), 571–575; EWNl 1 (2003), 252.

Beiderwand Smfn ’auf beiden Seiten gleich aussehen-

beige Adj ’sandfarben’ erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt

aus frz. beige ’sandfarben; (bei Wolle:) ungefärbt, roh’.

Ebenso nndl. beige, ne. beige, nschw. beige, nnorw. beige. Das des Gewebe aus Leinen und Wolle’ per. fach. (15. Jh.). französische Wort bezeichnet ursprünglich gemischte Farben Zu mhd. want n. ’Seite’, besonders ’Tuchseite’ (vgl. oder gemischte Gewebe (Wolle und Baumwolle); deshalb verdie Umdeutungen bei ÞGewand und ÞLeinwand). mutlich aus l. bijugus, bı¯gus ’zusammengespannt, doppelt’. – Die Bezeichnung besagt also ’das Beidseitige’ (vgl. DEO (1982), 96; EWNl 1 (2003), 253. mhd. beiderwentliche ’gleichbedeutend’); also zu Beige Sf ’Stapel’ per. obd. (9. Jh.), mhd. bı¯ge, ahd. bı¯ga f. Þwenden. (auch bı¯go m.) ’Stapel, Haufen (von Holz, Garben Stosch, J. ZDW 11 (1909), 1–4; Meisinger, O. ZDW 11 (1909), usw.)’. Hierzu spmhd. bı¯gen, nhd. (obd.) beigen 307. ’aufstapeln’. Herkunft unklar. Vielleicht wie gr. phibeiern Vsw ’mit dem Klöppel an die Glocke schlatro´s ’Klotz, Holzscheit’ eine Ableitung zu der Wurzel gen’ per. wmd. (16. Jh., Standard 18. Jh.). Übernomig. (eur.) *b hei¡- ’schlagen, hauen’ (ÞBeil), also ’das men aus mndl. beieren gleicher Bedeutung, älter beiaGespaltene’ oder ’Gefällte’, wozu das germanische erden. Wort ein Kollektivum sein müsste.

Ebenso nndl. beieren. Neben dem Verb mndl. beiaert ’GloKaspers, W. ZDA 82 (1948/50), 303; Rooth, E. AASF B 84 ckenspiel’. Zugrunde liegt wohl afrz. baier ’anschlagen (von (1954), 45 Anm.; EWahd 2 (1998), 29–31. den Hunden), läuten (von Glocken)’. Der auslautende Dental Beil Sn std. (9. Jh., witubil 8. Jh.), mhd. bı¯l(e), bı¯hel, muss nicht unbedingt auf einem Suffix beruhen, sondern könnte auch zugewachsen sein. – Kern, J. H. ZDW 14 (1912), ahd. bı¯hal, mndd. bı¯l, byl. Ein nur deutsches und nie214–217; Gailliard, E. VM 2 (1913), 300–308 und 688f.; derländisches Wort, das von einem gleichbedeutenBursch, H. Semantische Hefte 4 (1981), 110–116; Bursch, H. den keltischen Wort kaum zu trennen ist: air. bı´ail, Bonner Geschichtsblätter 37 (1985/88), 305–356; EWNl 1 (2003), bia´il m., kymr. bwyall, bw(y)ell ’Axt’. Die keltischen 252f. h

Beifall Sm std. (15. Jh.). Zunächst überwiegend im Nor-

den bezeugt für ’Unterstützung, Hilfe’ vor allem vor Gericht und in politischen Auseinandersetzungen. Das Wort gehört zu fallen im Sinn von ’jmd. zufallen’; mit entsprechender Bedeutung wird zunächst auch ÞZufall benutzt (heute nicht mehr üblich), in entgegengesetzter Bedeutung Abfall (von jemandem). Das entsprechende Verb beifallen ist selten bezeugt und heute nicht mehr üblich. Beifall wird in jüngerer Zeit allgemein als Ersatzwort für Applaus (Þapplaudieren) verwendet. In entsprechender Bedeutung das Adjektiv beifällig. HWPh 1 (1970), 818; EWNl 1 (2003), 312.

Beifuß Sm ’Artemisia vulgaris’ erw. fach. (8. Jh., Form

13. Jh.), mhd. bı¯bo¯z, fnhd. peipus (und ähnliches in einigen Mundartformen), ahd. pı¯po¯z, mndd. bibot. Lautlich könnte dies eine Zusammensetzung aus Þbei und der auch in ÞAmboss enthaltenen Ableitung zu g. *baut-a- ’schlagen’ sein, doch bleibt das Benennungsmotiv und damit auch die Verknüpfung unklar. Das Wort ist im Westfälischen des 13. Jhs. umgedeutet worden zu bı¯vo¯t ’Bei-Fuß’, sehr wahrscheinlich in Anlehnung an den antiken Glauben, dass angebundener Beifuß vor Müdigkeit auf der Reise schütze (Plinius Nat. hist. 26, 150, sekundär wohl aufgefasst als ’ans Bein gebunden’). Danach mndl. bivoet, mndd. ndd. bifot und seit dem 14. Jh. auch fnhd. bivuoz, nhd. Beifuß. Ebenso nndl. bijvoet. – Karg-Gasterstädt, E. BGDSL 62 (1938), 55–59; Marzell 1 (1943), 434f.; LM 1 (1980), 1820; Dahlberg, T. NM 22 (1966), 105–114 (für die Etymologie ist vielleicht mhd. wurpo¯z ’Wurzelwerk’ wichtig); Sauerhoff (2001), 86f.; EWNl 1 (2003), 312f.; EWahd 2 (1998), 15–17.

Wörter führen auf (ig.) *b ijalis f. zurück, die germanischen auf (ig.) *b h¯ıklo- n.; vielleicht ist aber unter Ansatz eines *bij¡-tlo- zu vermitteln, obwohl die Lautentwicklung auf beiden Seiten nicht völlig klar ist. Falls dieser Ansatz zutrifft, handelt es sich um eine Instrumentalbildung zu der Verbalwurzel *b hei¡- ’schlagen, spalten, schneiden’ in l. (Glosse) perfines. perfringas, air. benaid ’schlägt, schlägt ab, erschlägt usw.’, akslav. biti ’schlagen, stoßen’, zu der unser Verb beißen eine Erweiterung bildet. Eine Entlehnung aus einer dritten Sprache ist aber nicht ausgeschlossen. Ebenso nndl. bijl. – Karstien, C. ZVS 65 (1938), 154–161; Mohr, W. ZVS 65 (1938), 161f.; Pisani, V. ZVS 67 (1942), 226f.; Blaisdell, F. W., Shetter, W. Z. BGDSL-T 80 (1958), 404–412; Götz, H. BGDSL-H 81 (1959), 188–191; Foerste, W. FS Trier (1964), 115f.; RGA 2 (1976), 154–162; Weber-Keller (1990), 32–35; Röhrich 1 (1991), 166; EWNl 1 (2003), 309; EWahd 2 (1998), 35–38.

beiläufig Adj ’nebenbei’, auch ’unwichtig’ (österr.) std.

stil. (16. Jh.). Aus Þbei und Þlaufen als ’nebenherlaufend, im Vorübergehen’. beilegen Vsw ’schlichten’ std. (8. Jh.), mhd. bı¯legen,

ahd. bileggen. Die Bedeutung geht aus von ’zudecken, auf etwas darauflegen’. beileibe Adv erw. stil. (16. Jh.). Die Beteuerung geht aus

von ÞLeib in der Bedeutung ’Leben’, also etwa ’bei meinem Leben’. Beilke Sf ÞBillard. Bein Sn std. (8. Jh.), mhd. bein, ahd. bein, as. be¯n. Aus g.

*baina- n. ’Knochen’, auch in anord. bein, ae. ba¯n, afr. be¯n; im Gotischen ist ein Wort mit dieser Bedeutung nicht belegt. Germanischer Ersatz für das alte indo-

beinahe

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Ebenso nndl. bajes ’Gefängnis’. – Tatzreiter, H. Studia Negermanische Wort für ’Knochen’, das in gr. oste´on, l. erlandica. Hrsg. St. Predota (Breslau 1992), 469–476; EWNl 1 os u.a. vorliegt. Es wurde wohl aufgegeben wegen der (2003), 201. Homonymie zwischen g. *asta- ’Ast’ und dem im Beispiel Sn std. (12. Jh., Form 15. Jh.), mhd. bı¯spel, Germanischen zu erwartenden **asta- ’Knochen’. Die Herkunft des neuen Worts ist unklar. Man kann andfrk. bı¯spil ’Gleichnis, Redensart’. Ebenso ae. bies auf anord. beinn Adj. ’gerade’ zurückführen, in der spell, eigentlich ’das dazu Erzählte’, zusammengesetzt Annahme, dass ursprünglich die geraden Röhrenaus bei und g. *spella- n. ’überlieferte Geschichte, Mythos’ in gt. spill, anord. spjall (meist Pl.), ae. spell, knochen gemeint waren, doch ist dieses Adjektiv nur as. spel, ahd. spel, das sich bei gleicher Lautform nordgermanisch und seinerseits nicht anschließbar. (*spel-) nur mit arm. ar¯a-spel ’Sage, Sprichwort’ verOder g. *baina- (ig. *b h¡i-no-) ’abgeschlagen’ (in Bezug auf Schlachttiere) oder als ’Astknorren’? Oder gleicht; weiter vielleicht mit s mobile zu den unter (ig.) *b hoj¡-n- und verwandt mit l. fı¯nis ’Ende, Gren- Þbefehlen aufgeführten Verwandten von l. appella¯re. Der Vokalismus ist seit spätmittelhochdeutscher Zeit ze’? Die heute vorherrschende Bedeutung ’untere Exsekundär an ÞSpiel angeglichen worden (vgl. tremität’ ist erst im Deutschen entwickelt worden. ÞKirchspiel). Die heutige Bedeutung ’Beispiel, MusAdjektive: beinern, beinig; Kollektiv: Gebein. Ebenso nndl. been, ne. bone, nschw. ben, nisl. bein. – Silfwerter, Vorbild’ beruht auf einer Lehnbedeutung von l. brand (1958), 116–186 (entlehnt aus einem keltischen Wort für exemplum, das u.a. ’Gleichnis’ und ’Vorbild, Muster’ ’Horn, [Elfen-]Bein’); Markey, Th. L. NOWELE 2 (1983), bedeutet. Adjektive: beispielhaft, beispiellos.

93–107; Hamp, E. P. NOWELE 6 (1985), 67–70; EWahd 1 (1988), Þappellieren, ÞGospel. – Schröder, E. ZDA 37 (1893), 241–268; 515f.; Bammesberger, A. HS 103 (1990), 264–268; Röhrich 1 HWPh 1 (1970), 818–823; Röhrich 1 (1991), 169f. (1991), 167–169; Heidermanns (1993), 113; Hinderling, R. FS Goossens (1996), 559–566; Lewickij, V. HS 116 (2003), 103f.; beißen Vst std. (8. Jh.), mhd. bı¯zen, ahd. bı¯z(z)an, as. EWNl 1 (2003), 244f. bı¯tan. Aus g. *beit-a- Vst. ’beißen’, auch in gt. beitan,

beinahe Adv std. (16. Jh.), mhd. bı¯ na¯ch, ahd. bı¯ na¯h.

Kombination von zwei Elementen, die für sich alleine ebenfalls ’beinahe, fast’ bedeuten können (bei viertausend bei Luther, ein Vergleich ward nahe zustande gebracht bei Goethe). Häufig wird die Verbindung erst in frühneuhochdeutscher Zeit, wobei sie vielfach auf dem zweiten Bestandteil betont wurde. Die Getrennt-Schreibungen hören im 18. Jh. auf. Ebenso nndl. bijna; Þbei, Þnah(e). – EWNl 1 (2003), 310.

Beinheil Sn ÞBeinwell. Beinwell Sm ’Symphytum officinale’ per. fach. (12. Jh.),

anord. bı´ta, ae. bı¯tan, afr. bı¯ta; dieses aus ig. *b heid’spalten, trennen’, auch in ai. bhina´tti ’zerstört, erschlägt’, gr. pheı´domai ’ich schone (ich lasse ab von)’ (semantisch abliegend), l. findere ’spalten, trennen’. Für die unerweiterte Wurzel ig. *b hei¡- sind die zugehörigen Formen unter ÞBeil aufgeführt. Abstraktum: Biss; Kollektiv: Gebiss; Adjektiv: bissig; Konkretum: Bissen. Ebenso nndl. bijten, ne. bite, nschw. bita, nisl. bı´ta; ÞBein, Þbeizen, Þbisschen, Þbitter, Þbitzeln, ÞImbiss. – Seebold (1970), 96–99; Röhrich 1 (1991), 170; EWNl 1 (2003), 312; EWahd 2 (1998), 143–145.

mhd. beinwelle, ahd. beinwella, beinwalla (Ablaut Beißker Sm ÞPeitzker. oder Umlauthinderung?), mndd. benwell. Der PflanBeiswind Sm ÞBise. ze wird heilende Kraft bei Knochenbrüchen zugeschrieben, vgl. die gleichbedeutenden gr. sy´mphyton Beitel (meist Stechbeitel, auch -beutel) Sm ’Holzmeißel, Stemmeisen’ per. fach. (18. Jh.). Das Wort geht n., eigentlich ’Zusammenwachsen’, l. co¯nsolida f. eimit einiger Sicherheit auf die Wurzel *b hei¡- ’schlagentlich ’Befestigung, Verdickung’, nhd. Beinheil. Der gen, spalten, schneiden’ (ÞBeil) zurück und könnte zweite Bestandteil gehört zu älterem wellen, obd. walzu dieser eine instrumentale tlo-Bildung (g. *bı¯-dla-) len (auch über-) ’zusammenwachsen (von Rinde, sein; die Lautentwicklung solcher dl-Bildungen ist Knochenbrüchen usw.)’. Das Wort wird in der alten aber unklar. Das semantisch entsprechende mhd. beiMedizin von vielen Körpervorgängen gebraucht ßel ’Stichel, Meißel’ ist wohl aus der erweiterten Ver(etwa im Sinn von ’in Bewegung sein’), so dass es balwurzel gebildet (Þbeißen). Die Unsicherheit in der wohl aus Þwallen 1 mit nicht völlig klarer BedeutungsAuffassung als Beitel oder ÞBeutel dürfte darauf hinentwicklung entstanden ist. Dasselbe Element im weisen, dass noch ein anderes Wort eingewirkt hat, Vorderglied s. unter ÞWallwurz. nämlich ndd. bötel (u.ä.), das aber nicht das gleiche DWB XIII, 1280; Marzell 4 (1979), 536–544; EWahd 1 (1988), bedeutet: ein bötel ist ein Schlagwerkzeug. Das nie520f.; LM 1 (1980), 1823. derdeutsche Wort entspricht einem wg. *bautila- m. Beisasse (auch Beisass) Sm ’Stadtbewohner ohne ’Schlegel’ zu g. *baut-a- ’schlagen’ (ÞAmboss), vgl. ae. Grundbesitz (im Mittelalter)’ per. fach. (14. Jh.). Zur by¯tla ’Hammer’, ahd. steinbo¯zil ’Steinklopfer’, mhd. Bildung und zum zweiten Element vgl. ÞInsasse. bo¯zel ’Prügel’ (s. auch ÞBeutheie). Die WortgeschichLM 1 (1980), 1824f. te bleibt im einzelnen unklar. Beisel Sn ’Kneipe’ per. österr. (20. Jh.). Wie ÞBeiz(e) EWNl 1 (2003), 253. entlehnt aus rotw. und wjidd. bajis ’Haus’; dieses aus hebr. bajit ’Haus’. ¯

Belche

107 Beitscher, Beitzker Sm ÞPeitzker. Beiz(e) Sf ’Kneipe’ erw. wobd. (15. Jh., Standard

20. Jh.). Wie ÞBeisel entlehnt aus rotw. und wjidd. bajis ’Haus’; dieses aus hebr. bajit ’Haus’. Das Wort ist ¯ deutschen Hausiemit der Bedeutung ’Haus’ in allen rersprachen üblich; ’Wirtshaus’ nur im Südwesten. EWNl 1 (2003), 101.

beizen Vsw std. (10. Jh.). Die Bedeutungen der Wörter,

deutungen ’steigen, klimmen’ und ’klemmen’, die zweite Bedeutung wird nachträglich auf die schwach flektierende Ableitung Þklemmen konzentriert; das starke Verb wird auf die erste festgelegt; beklommen ist ein Relikt der allgemeineren Bedeutung des starken Verbs (mit Übertragung von der körperlichen Enge auf die seelische Beengung). Abstrakta: Beklemmung, Beklommenheit.

die dieser Lautform entsprechen können, fallen weit bekloppt Adj ’töricht’ std. vulg. (20. Jh.). Niederdeutsches Partizip ’(längere Zeit) beklopft’, zu der Entauseinander. Hier werden nur diejenigen berücksichsprechung von (be)klopfen (Þklopfen). tigt, die für das Neuhochdeutsche vorauszusetzen Röhrich 1 (1991), 171. sind, nämlich 1) ’mit Beize behandeln’, auch intr. ’ätzen’, mhd. beizen, abgeleitet von Beize, mhd. beize, bekommen Vst std. (8. Jh.), mhd. bekomen, ahd. biqueahd. beiza ’Beize, Lauge, Alaun’, eigentlich ’die Beiman. Präfigierung des starken Verbs kommen mit breit gefächerter Bedeutung, zu der im Althochdeutßende’, vgl. ahd. beiz(i)stein ’Alaun’; 2) ’mit Greifschen auch ’zu etwas kommen, zuteil werden’ gehört. vögeln jagen’, früher auch ’mit Hunden jagen’, ahd. beizen, mhd. beizen; wegen der Konstruktion (man Hieraus die Bedeutung ’erhalten’, die heute vorbeizt nicht den Falken, sondern man beizt mit dem herrscht. Auf eine andere Bedeutungsschattierung Falken das Wild) wohl kein Kausativum (’beißen geht etwas bekommt mir ’etwas ist mir zuträglich’ zumachen’), sondern ein Faktitivum zu einer Vorstufe rück, wozu in neuerer Zeit das Adjektiv bekömmlich von mhd. beize ’Beizjagd’. Beides zu Þbeißen. gebildet wurde. Segelcke (1969), 237–240 (zu 2); Reuter (1906), 5–10; RGA 2 (1976), 163–173; EWahd 1 (1988), 524–526; LM 1 (1980), 1825–1829 (zur Beizjagd); EWNl 1 (2003), 254.

bekannt AdjPP std. (13. Jh.). Ursprünglich Partizip zu

Þbekennen ’(er)kennen’; dann kann das Partizip zusammen mit werden und sein das Verb ersetzen; kausativ bekannt machen. Heute haben sich finites Verb und Partizip semantisch voneinander getrennt. Hierher als Weiterbildung bekanntlich, das sich aus der Kanzleisprache verbreitet hat. Substantivierung: Bekannter; wozu das Abstraktum (das auch als Konkretum gebraucht wird) Bekanntschaft. Þkennen, Þbekennen. – Leumann, M. IF 45 (1927), 111f.; Erben, J. FS Besch (1993), 111–121; EWNl 1 (2003), 255.

bekehren Vsw std. stil. (8. Jh.), mhd. beke¯ren, ahd. bi-

ke¯ren. Lehnübersetzung von l. convertere ’umdrehen, bekehren’. Heute auf religiöse Zusammenhänge beschränkt. Abstraktum: Bekehrung. HWPh 1 (1970), 825f.; LM 1 (1980), 1830f.

bekennen Vsw std. (8. Jh.), mhd. bekennen, ahd. biken-

Ebenso nndl. bekomen; Þbequem.

belämmert AdjPP Þbelemmern. belangen Vsw std. (11. Jh.), mhd. b(e)langen, ahd. be-

lange¯n. Präfixbildung zu lange¯n (Þlangen). Im Althochdeutschen bedeuten beide Verben (ausgehend von ’ausstrecken, ergreifen’) ’verlangen, sich sehnen’ (mit Akkusativ der Person und Genetiv der Sache); dieser Gebrauch ist noch in obd. (vor allem schwz.) blangen (ich blange ’ich sehne mich’) erhalten. Erst mittelhochdeutsch bezeugt ist die vom gleichen Ausgangspunkt ausgehende Bedeutung ’sich erstrecken, ausreichen, betreffen’, wofür heute meist anbelangen steht; vergleichbar sind nndl. aanbelangen und ne. belong ’gehören zu’. Ferner gehört hierzu die Rückbildung nhd. Belang ’Wichtigkeit, Interesse’, die im 18. Jh. aus der Kanzleisprache übernommen wurde. Hierzu auch das Adjektiv belanglos. Erst frühneuhochdeutsch ist beim transitiven Verb die Bedeutung ’jmd. um etwas angehen, jmd. vor Gericht ziehen’. Sie geht auf die konkrete Bedeutung ’ergreifen’ zurück.

EWNl 1 (2003), 259. nen. Bedeutet ursprünglich ’(er)kennen’ (Þbekannt), hat aber in der Rechtssprache die Funktion von Belche Sf ’Blesshuhn’ per. obd. (11. Jh.), mhd. belche, ’bekannt machen’ übernommen (es ist also semanahd. belihha. Ein nur deutsches Wort, das aber sehr alt tisch vom Partizip abhängig). Der Ausdruck wird sein muss, da es sich mit l. fulica (auch fulix) unter früh auch in der Kirchensprache verwendet und erAnsatz eines (ig.) *b holik(a) fast genau vergleichen hält durch die Mystiker seine besondere Prägung. lässt (g. -k-, ahd. -hh- setzt eigentlich ig. -g- voraus). Nomen Agentis: Bekenner; Abstraktum: Bekenntnis. Morphologisch stärker abweichend, aber gleichbeÞkennen, Þbekannt. – HWPh 1 (1970), 826–828. deutend, ist gr. phale¯rı´s. Zugrunde liegt eine Bezeichnung für Tiere mit weißem Fleck auf der Stirn oder beklommen AdjPP std. (15. Jh., Form 18. Jh.). Partizip dem Kopf (wie etwa bei nhd. ÞBlesse); vgl. etwa noch zu einem nicht mehr gebräuchlichen starken Verb alb. bale¨ ’Tier (meistens Schaf oder Ziege) mit weimhd. beklimmen ’beklemmen, umklammern’, zußem Fleck auf der Stirn’, lit. ba˜las, gr. phalo´s ’weißnächst als beklummen, dann Verschiebung des Vokals fleckig’, mit ¯e-Vokalismus akslav. beˇlu˘ ’weiß’. entsprechend den Partizipien dieser Ablautreihe. Das starke Verb Þklimmen hatte nebeneinander die Be-

belegen Þblass, ÞBlesse. – Springer, O. FS Hönigswald (1987), 375–383; EWahd 1 (1988), 431–434, 530f.; Zinko, M. FS Pohl (2002), 891–904.

belegen Vsw std. (8. Jh.). Zunächst ’auf etwas legen’,

dann übertragen, etwa mit einem Eid belegen ’beschwören’ und schließlich im heute vorwiegenden Sinn ’beweisen’ mit Beleg m., wobei vielleicht Þbeilegen und Beilage (d.h. Beifügung von Beweismitteln) die Bedeutung mitbestimmt haben. Þlegen, ÞBelegschaft.

Belegschaft Sf std. (19. Jh.). Zu Þbelegen im speziellen

Sinn von ’(ein Bergwerk) mit Bergleuten versehen’. Die Belegschaft ist demgemäß zunächst ’die Gesamtheit der Bergarbeiter in einem Bergwerk’, dann verallgemeinert auf beliebige Betriebe. beleidigen Vsw std. (14. Jh.), mhd. beleidegen, Verstär-

kung zu mhd. leidegen, leidigen, ahd. -leidı¯go¯n, leidego¯n, leidogo¯n ’verletzen, betrüben’ zu leideg, leidig ’verletzt, betrübt’, also eigentlich ’ein Leid antun’. Über das Adjektiv Þleidig zu ÞLeid. LM 1 (1980), 1837f.; EWNl 1 (2003), 260.

belemmern Vsw ’belästigen’, besonders belemmert

108 bellen Vsw std. (9. Jh.), mhd. bellen Vst., ahd. bellan

(nur Präsensbelege). In erster Linie vom Bellen des Hundes gesagt, andere Gebrauchsweisen lassen sich als übertragene Verwendungen auffassen. Das lautlich vergleichbare ae. bellan (ebenfalls nur Präsensbelege) bedeutet allgemein ’brüllen’ (vom Löwen, Eber usw.), und mit dieser allgemeineren Bedeutung sind auch nordgermanische Wörter mit einfachem l vergleichbar (anord. beli ’das Brüllen’, belja ’brüllen’). Schallwörter mit einer Grundlage (ig.) *b hel/b hle¯ sind häufiger (vgl. etwa l. fle¯re ’weinen’ und mhd. bl¢jen ’blöken’), bellen kann in diesen Umkreis gehören. Es ist aber nicht völlig auszuschließen, dass es zu einem anderen bellan ’treffen, prallen, stoßen’ gehört, das hauptsächlich in ahd. widarbellan ’zurückspringen’ bezeugt ist (vgl. etwa anschlagen vom Hund, oder ausstoßen von einem Schrei u.ä.; hierzu afrz. baier ’anschlagen vom Hund, läuten von den Glocken’ unter Þbeiern). Kollektives Abstraktum: Gebell. S. auch Þbelfern, Þblaffen, Þbölken. – Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 167–171; Seebold (1970), 101f.; EWahd 1 (1988), 533–535; EWNl 1 (2003), 399 f. (bulken).

Belletrist Sm ’Autor unterhaltender Literatur’ per. fach.

AdjPP ’betreten’, ’scheußlich’ (von Sachen) per. ndd. (17. Jh.). Aus dem Niederdeutschen verbreitetes Frequentativum (mndd. belemmeren) zu belemen ’lähmen’ (Þlahm). Vor allem das Partizip wird häufig an Lamm angeschlossen, deshalb auch die Schreibung belämmert und die erkennbare Bedeutungsverschiebung dieser Form.

(18. Jh.). Gebildet zu frz. belles lettres Pl. ’schöne Literatur’, älter ’schöne Wissenschaften’; frz. belle ’schön’ aus l. bellus und frz. lettre ’Buchstabe, Schrift; Literatur’ aus l. littera f. Die ’schönen Wissenschaften’ waren Grammatik, Rhetorik und Poesie; Belletrist(ik) bezieht sich jedoch nur auf unterhaltende (’schöngeistige’) Literatur.

Ebenso nndl. belemmeren ’behindern’. – EWNl 1 (2003), 260.

Ebenso nndl. bellettrist, ne. belletrist, nschw. belletrist; ÞLetter. – DF 3 (21997), 237–243; Brunt (1983), 153; Strauss u.a. (1989), 583–585; EWNl 1 (2003), 262.

belfern Vsw erw. stil. (16. Jh.). Ausdruck für ein beson-

deres Bellen, das nach Region verschieden ist belzen Vsw Þpelzen. (’winselnd’, ’rau, misstönig’ u.ä.), obd. belfzen; sonst bemänteln Vsw erw. stil. (16. Jh.). Eigentlich ’mit dem auch belfen und (lautlich weiter abliegend) bäffen. Mantel der christlichen Nächstenliebe zudecken’ Wohl lautmalende Ausdrücke in Anlehnung an (kirchen-l. pallio Chrı¯stia¯nae dı¯le¯ctio¯nis tegere), in den Þbellen. Streitschriften der Reformationszeit abgewertet zu belieben Vsw erw. stil. (15. Jh.), mndd. bele¯ven, mndl. ’beschönigen’. believen. Präfigierung zu lieben (so noch erkennbar in Ebenso nschw. bemantla; ÞDeckmantel. beliebt, unbeliebt, Beliebtheit), dann WeiterentwickBembel Sm ’Glockenschwengel’, übertragen ’Krug für lung der Bedeutung zu ’gutheißen, beschließen, geApfelwein’ per. wmd. (19. Jh.). In der eigentlichen Beruhen’ u.ä. Hierzu Belieben und beliebig. deutung zu regionalem bampeln ’baumeln’ EWNl 1 (2003), 261f. (Þbaumeln); die Bedeutungsübertragung nach der Belladonna Sf ’Tollkirsche, aus der Tollkirsche gewonForm des Krugs. nene Arznei’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus it. belS. auch ÞPummel. ladonna (eigentlich ’schöne Frau’), einer Sekundärmotivation zu ml. bladona, blandonia ’Königskerze, Bemme Sf ’Butterbrot’ per. omd. ndd. (16. Jh.). Vermutlich entlehnt aus sorb. pomazka ’Butterschnitte’ Nachtschatten’, das wohl gallischen Ursprungs ist. (zu sorb. pomazac´ ’beschmieren’ aus po ’auf’ und der Semantische Basis der Nachdeutung ist die VerarbeiEntsprechung zu akslav. mazati ’schmieren’). Das tung der Tollkirsche in Schönheitsmitteln (vor allem Wort wird zunächst zu Bemmchen umgeformt und solche, die eine Vergrößerung der Pupillen bewirkdann dazu eine Normalform Bemme, -pomme, ten). -bamme u.ä. gebildet. Ebenso nndl. belladonna, ne. belladonna, nfrz. belladonne, nschw. belladonna, nnorw. belladonna. Zur Verwandtschaft von it. donna s. ÞDame 1. – Marzell 1 (1943), 516–523.

Panzer, F. FS Kluge (1926), 99–108; von Polenz, P. DWEB 2 (1963), 275–279; Bielfeldt (1965), 44; Eichler (1965), 23–27 (gegen eine Entlehnung [eher zu omd. bammen, bampen ’essen’]); Eichler, E., Weber, H. ZS 11 (1966), 231–237.

beordern

109 bemoost AdjPP erw. grupp. (17. Jh.). Baumstämme und Benne Sf ’Wagenkasten, Schubkarren’ per. schwz.

Steine, die lange an der selben Stelle bleiben, setzen Moos an; deshalb sagt man auch von Menschen, die lange an der selben Stelle bleiben, dass sie Moos angesetzt haben. Die spezielle Verwendung im Deutschen kommt aus der Studentensprache: ein bemoostes Haupt ist ’ein älterer Herr’ oder ’ein Student mit vielen Semestern’. Verstärkt wurde der Gebrauch dieser Wendung durch ein Lustspiel gleichen Titels von R. Benedix (19. Jh.). Röhrich 1 (1991), 172.

benauen Vsw ’in die Enge treiben’, besonders benaut

AdjPP ’kleinlaut’ per. ndd. (17. Jh.). Übernommen aus ndd. benouwen, das hd. Þgenau entspricht. Seebold (1970), 123f.

benedeien Vsw ’segnen’ erw. obs. (12. Jh.), mhd. bene-

dı¯en, benedı¯gen. Entlehnt aus it. benedire, das auf l. benedı¯cere ’wohl reden, segnen’ zurückgeht.

(16. Jh.). Entlehnt aus gall. benna, vielleicht über frz. benne ’zweirädriger Karren mit geflochtenem Korb’, vgl. kymr. ben ’Fuhrwerk’, vermutlich aus einer mit unserem binden vergleichbaren Grundlage (etwa als *b hend hna¯), also ’das Geflochtene’. Aus der gleichen Wortsippe entlehnt sind ae. binn f. ’Kasten, Korb, Krippe’, ne. bin ’Kasten, Tonne’, nndl. ben ’Korb’. Ein hierzu gehöriges benne ’Futterraufe’ haben niederländische Siedler des 12. Jhs. aus Südbrabant in die Mark Brandenburg gebracht. Ebenso nndl. ben. – Hagen, A. M. Taal en Tongval 21 (1969), 169–176; EWNl 1 (2003), 263.

benommen AdjPP std. (19. Jh.). Ursprünglich Partizip

zu Þbenehmen im Sinn von ’gänzlich wegnehmen’ (es benimmt mir den Atem u.ä.); offenbar ist ein Objekt wie die Sinne ausgelassen. benzen Vsw ’inständig bitten, tadeln’ per. oobd.

Ebenso nndl. benedijen, nfrz. be´nir. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. dı¯cere ’sagen’ s. Þdiktieren. – Röhrich 1 (1991), 172; EWNl 2 (2005), 184.

(15. Jh.). Vermutlich deutsche Intensivbildung auf Þ-z(en) zu einer Entlehnung aus it. penare ’Pein zufügen’.

Benefiz Sn (Benefizvorstellung f.) ’Vorstellung zuguns-

ÞPein. – Knobloch, J. FS Rosenfeld (1989), 488; Beck, H. FS

Besch (1993), 517–522. ten eines Künstlers oder eines wohltätigen Zwecks’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus der frz. Wen- Benzin Sn std. (19. Jh.). Der deutsche Chemiker Mitdung au be´ne´fice de ’zugunsten von’ (aus l. beneficium scherlich nennt 1833 einen von ihm durch Destillation n. ’Gunst, Verdienst, Beistand’). der Benzoesäure dargestellten Kohlenwasserstoff Ebenso ne. benefit, nndl. benefiet, nschw. benefice, nnorw. beBenzin, das J. von Liebig durch Benzol ersetzt (Ennefice. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. facere ’tun, machen’ dung nach ÞAlkohol). Danach werden die beiden Bes. Þinfizieren. – DF 3 (21997), 244–248; RGA 2 (1976), 233–237; zeichnungen differenziert: Benzin steht für das aus LM 1 (1980), 1904–1907; BlW 3 (1988) (zu l. beneficium), 132–138 Erdöl destillierte, als Treibstoff verwendete Kohlen(zum älteren Begriff des Benefiziums). wasserstoff-Gemisch, Benzol für den einfachen arobenehmen Vst std. (8. Jh.), mhd. benemen, ahd. binematischen Kohlenwasserstoff. Die ursprünglich naman. In der alten Bedeutung ’wegnehmen’ auf bemengebende Benzoe-Säure wird aus dem Benzoe-Harz stimmte Wendungen beschränkt (etwas benimmt uns (Harz des Benzoe-Baumes) gewonnen. Benzoe ist die die Aussicht). Jung und seiner Herkunft nach unklar latinisierte Form von span. benjuı´, kat. benjuı´, nfrz. ist sich mit jemandem benehmen (ins Benehmen setbenzoin. Das Wort ist in Katalonien, wo das als Weihzen) ’besprechen, verständigen’ (wohl aus der Kanzrauch dienende Harz aus der Levante eingeführt wurleisprache und nach Adelung niederdeutsch) und de, aus arab. luba¯ngˇa¯wı¯ (eigentlich ’javanischer Weih(damit wohl zusammenhängend) sich benehmen rauch’) umgestaltet worden, indem die erste Silbe mit ’sich aufführen’. Einfluss von frz. se (s’y) prendre, bei dem katalanischen Artikel verwechselt und deshalb dem die Bedeutungsentwicklung deutlicher ist, kann weggelassen wurde. Das Harz kommt eigentlich aus erwogen werden. Dazu umgangssprachlich Benimm Sumatra − bei der arabischen Bezeichnung scheint m., Hypostasierung des Imperativs Benimm dich! also eine Verwechslung vorzuliegen. Þnehmen, Þbenommen, Þunbenommen.

Bengel Sm ’ungezogener Junge’, ob d. auch ’Knüppel,

Ebenso nndl. benzine, ne. benzine ’Waschbenzin’, nfrz. benzine ’Benzol’, nschw. bensin, nisl. bensı´n. Das ursprünglich südarabische Wort liba¯n ’milchfarbenes Weihrauchharz’ gehört zu der Wurzel lbn ’weiß’. – Littmann (1924), 86; Lokotsch (1975), 106; Cottez (1980), 50; Kiesler (1994), 147; DF 3 (21997), 248–251; Tazi (1998), 255f.; EWNl 1 (2003), 266.

Stange’ std. stil. (13. Jh., Bedeutung 16. Jh.), mhd. bengel ’Knüppel, Stange’, mndl. bengel ’Knüppel, Stange’. Wie Schlegel zu schlagen ist dieses abgeleitet von einer Entsprechung zu ndd. bangen (neben ne. to bang, anord. banga) ’klopfen, schlagen’. Die Übertragung Benzol, Benzoe ÞBenzin. auf Menschen stellt diese (ähnlich wie bei Flegel) als beobachten Vsw std. (17. Jh.). Präfixableitung zu ÞObacht neben der selteneren einfachen Ableitung Menschen, die mit einem groben Bengel hantieren, obachten. Gibt in größerem Umfang l. observa¯re, nfrz. und deshalb als ’grob’ dar. Nicht ausgeschlossen ist observer wieder. aber auch die Übertragung auf ’männliches Glied’ und dann ’männliche Person’ (wie bei ÞStift 1 usw.). beordern Vsw ÞOrder. Ebenso nndl. bengel. – EWNl 1 (2003), 265.

bequem

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bequem Adj std. (9. Jh.), mhd. bequ¢me, ahd. biqua¯mi bereiten Vsw std. (12. Jh.), mhd. bereiten, mndd. bere¯-

’passend, schicklich’. Ähnlich ae. gecwe¯me ’annehmbar, gefällig’ und anord. hald-kv¢mr ’vorteilhaft, nützlich’; afr. *ke¯me ’schön, hübsch’. Dehnstufiges Adjektiv der Möglichkeit (g. *-kw¢ ¯ mja-) zu der Vorform von Þbekommen mit der alten Bedeutung ’zuträglich sein’ (u.ä.), also ’was zuträglich sein kann’ (vgl. l. conveniens). Die naheliegende Weiterentwicklung zu dem heutigen ’angenehm usw.’ ist jung. Abstraktum: Bequemlichkeit; Verb: bequemen (refl.). Ebenso nndl. bekwaam; Þkommen. – Weisweiler, J. IF 53 (1935), 55; A˚rhammar, N. R. PhF 1988 (1989), 111–113; Heidermanns (1993), 350 und 353f.; EWNl 1 (2003), 258; EWahd 2 (1998), 93 f .

berappen Vsw ’bezahlen’ erw. stil. (19. Jh.). Das Wort ist

aus der Studentensprache in die Hochsprache gelangt; dorthin kam es offenbar aus schwäbischen Krämersprachen, also Ausprägungen des Rotwelschen. Die weitere Herkunft ist unklar: Sowohl gegen die Ableitung von der Scheidemünze ÞRappen wie auch gegen Anknüpfungen an das Jiddische und Hebräische können starke Bedenken geltend gemacht werden. Nach Wolf aus berabbeln, dieses aus berebbeln, beribbeln zu Rebbes ’Zins, Gewinn, Ertrag’. Nach Buttenwieser aus hebr. j erappe¯ ’(Heilung) bezahlen’ umgeformt (vgl. Exod. 21,19). Buttenwieser, M. ZD 36 (1922), 181–183; Birnbaum, S. A. ZDPh 74 (1955), 249; Wolf (1985), 264; Röhrich 1 (1991), 172.

Berberitze Sf ’Sauerdorn, Berberis vulgaris’ per. fach.

den, bereiden, mndl. bereden, bereiden. Diese Wortfamilie ist wegen der ungünstigen Beleglage und der Vermischung lautgleicher und -ähnlicher Wurzeln nicht mehr genau abzugrenzen. Vorauszusetzen ist ein Verb mit der Bedeutung ’ordnen’ (u.a.) g. *raideja-, häufig auch mit ga- präfigiert, in gt. (ga)raidjan ’anordnen’, anord. greidaÑ , ae. (ge)r¢¯ dan, mndl. (ge)reiden, (ge)re(e)den, mhd. (ge)reiten. Daneben stehen die Adjektive gt. garaiþs (garaids) ’angeordnet’, anord. greidrÑ ’bei der Hand, geradewegs (usw.)’, ¯ de ’bereit (usw.)’, afr. anord. reidrÑ ’bereit’, ae. (ge)r¢ re¯d(e) ’fertig’, mndl. (ge)re(e)de, (ge)reide, mhd. (ge)reit(e). Wohl erst unter dem Einfluss dieser Adjektive tritt bei den Verben auch die Bedeutung ’bereit machen, zubereiten’ auf. Im Althochdeutschen ist nur ebanreiti ’in derselben Lage befindlich’ neben Formen mit ant- (antreitı¯ ’Ordnung, Reihe’ u.a.) bezeugt; später werden im kontinentalgermanischen Bereich vor allem Präfigierungen mit be- üblich, zu denen die heutigen Formen gehören. Außergermanisch ist am nächsten vergleichbar lett. rist ’ordnen’, lett. riedu ’ich ordne’ mit lett. raids ’fertig, bereit’, lit. raidu`s ’bereit, schnell’; air. re´id ’eben, leicht, bereit’, kymr. rhwydd ’leicht, schnell, frei’. Zugrunde liegt offenbar eine Erweiterung (ig.) *(a)reid h- zu der Wurzel *ar¡- ’fügen’, die unter ÞArm aufgeführt wird. Eventuell kann auch gr. arithmo´s ’Zahl, Zählung’ näher angeschlossen werden.

Ebenso nndl. bereid, bereiden, ne. ready, nschw. greja ’erledi(18. Jh.). Entlehnt aus ml. berberis m./f. (auch barberis gen’, nisl. reiduÑ bu´inn; ÞReede, Þruhmredig. – EWahd 1 (1988), m./f.) aus arab. barbris, aus berber. ambarba¯ris unbe283–285; Heidermanns (1993), 433f.; EWNl 1 (2003), 268 f. kannter Herkunft. Einheimische Namen für den Berg Sm std. (8. Jh.), mhd. berc, ahd. berg, as. berg. Aus Strauch und die Beere sind mhd. su¯rach m. u.ä. (nach g. *bergam. ’Berg’, auch in anord. bjarg n., berg n. dem sauren Geschmack der Blätter und der Beeren; ’Felsen, Felswand’, ae. beorg, afr. berch, birg und gt. in -ach ist ein Kollektivsuffix bei Pflanzennamen), nndl. der Weiterbildung bairgahei ’Gebirge’; aus ig. zuurbes m. (’Sauerbeere’, auch Sauerdorn − die Blätter *b herg´ h- ’Höhe’ (vermutlich ein ablautendes Wurzelund Zweige tragen Dornen). nomen), auch in avest. *bar¡zah- n. ’Höhe, Berg’, Ebenso nndl. berberis, ne. barberry, nfrz. berbe´ris, nschw. berarm. (erkn-a-) berj ’himmelhoch’, akslav. breˇgu˘ beris, nnorw. berberiss. – Marzell 1 (1943), 568–579; Latham ’Ufer, Abhang’ (in anderen slavischen Sprachen auch (1972), 62f.; LM 1 (1980), 1931; Tazi (1998), 93f. ’Hügel’), mir. bri(g) ’Hügel, Berg’ (schwundstufig). Bereich Sm std. (18. Jh.). Rückgebildet aus mhd. bereiDer Wurzelauslaut des altkirchenslavischen und des chen, mndl. bereiken ’reichen bis, sich erstrecken’ avestischen Wortes stimmen dabei nicht zusammen. (Þreichen). Das Wort übernimmt die allgemeine BeWegen der besonderen Bedeutung des altkirchensladeutung des älteren ÞReich und schränkt dieses ein vischen Wortes ist wohl keine Entlehnung (etwa aus auf ’Herrschaftsbereich’. Die Auseinandersetzung dem Germanischen) anzunehmen, sondern das auch zwischen den beiden Wörtern führt zu Vermischunsonst zu beobachtende Verhalten des Slavischen wie gen im Genus und in der Aussprache (in Mundarten, eine Kentum-Sprache. Mit Hochstufe wie im Gerdie mhd. ei und ¯ı noch unterscheiden). manischen, aber in der Bedeutung weiter abliegend, von Polenz, P. ZDPh 76 (1957), 80–94; Griepentrog, W. HS ist kymr. bera ’Haufen (von Stroh, Heu o.dgl.)’. Diese 104 (1991), 12842; EWNl 1 (2003), 269. Substantive gehören zu einem Verb mit der Bedeubereit Adj std. (12. Jh.), mhd. bereit(e), mndd. bere¯de, tung ’sich erheben, wachsen’ in heth. parkija- ’sich bereide, mndl. bereet, bereiden. Zur Bedeutung des erheben, hoch werden, wachsen’, toch. AB pärkadverbiellen bereits vgl. ne. already zu ready. Abstrak’aufgehen’, avest. bar¡zaiia- ’aufwachsen lassen’ tum: Bereitschaft; Kompositum: bereitwillig. (Kausativ). Daneben Adjektive in der Bedeutung Þbereiten. – EWNl 2 (2005), 239f. ’hoch’ in heth. parku-, avest. bar¡z-, arm. barjr und in der Partizipialbildung (*b hrg´ hont-) ai. brha´nt-, der im ˙ ˙

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Bernstein

(1988), 556–558; LM 1 (1980), 1840 (Belfried); EWNl 1 (2003), Westen Namen entsprechen: in germanischer Laut261. form die Burgunden, zusammen mit Bornholm (anord. Burgundarho´lmr), in keltischer Lautform der Beriberi Sf (Vitamin-Mangelkrankheit, die die EuroStammesname Brigantes, der Stadtname Bregenz und päer im 16. Jh. auf Ceylon kennenlernten) per. fach. der Frauenname Brigitte (’die Erhabene’). Adjektiv: (16. Jh.). Singhal. beri bedeutet ’Schwäche’, die Verbergig. doppelung verstärkt den Inhalt (also ’große SchwäEbenso nndl. berg, ne. barrow, nschw. berg, nisl. bjarg n., berg che’). n.; ÞBurg, ÞGebirge. – Schatz, J. FS Kluge (1926), 122–131; LM 1 (1980), 1943–1945; EWahd 1 (1988), 553f.; Röhrich 1 (1991), 173–175; Güntert (1932), 30f. (als Lehnwort erklärt); EWNl 1 (2003), 269.

Berg- Aff (in Bergbau m., Bergwerk n., Bergmann m.

usw.) std. (14. Jh.). Diese Bezeichnungen beruhen darauf, dass der bei uns älteste Untertagebau in Stollen betrieben wurde, die man in die Berghänge hineingrub. Die Bezeichnungen wurden beibehalten, als der Untertagebau auch auf das Flachland ausgedehnt wurde. RGA 2 (1976), 245–267; LM 1 (1980), 1946–1952.

Ebenso nndl. beriberi, ne. beriberi, nfrz. be´ribe´ri, nschw. beriberi, nisl. beri-beri. – Littmann (1924), 125f.; EWNl 1 (2003), 270.

berichten Vsw std. (11. Jh.), mhd. berihten. Bedeutet zu-

nächst ’richtig machen’ (dafür heute berichtigen), dann allgemein ’in Ordnung bringen’. In übertragener Bedeutung wird es im Sinn von ’belehren’ verwendet: jemanden über eine Sache berichten (vgl. Þunterrichten). Später abgeschwächt zu ’mitteilen, wiedergeben’. Rückbildung: Bericht. Ebenso nndl. berichten; Þrichten, Þrecht. – EWNl 1 (2003), 270.

Bergamotte Sf (eine Birnenart) per. fach. (18. Jh.). Ent- Berline Sf ’voll durchgefederter Reisewagen’ per. arch.

lehnt aus frz. bergamote; dieses aus it. bergamotta. Das italienische Wort ist in Anlehnung an den Ortsnamen Bergamo umgebildet aus türk. beg armudu ’Herrenbirne’, zu türk. beg, heute bey (Adelstitel). Ebenso nndl. bergamot, ne. bergamot, nschw. bergamott, nnorw. bergamott. – Brunt (1983), 154.

bergen Vst std. (8. Jh.), mhd. bergen, ahd. bergan, (gi-)

(17. Jh.). Angeblich von einem Baumeister des Kurfürsten von Brandenburg hergestellt; der Wagentyp scheint aber zuerst in Frankreich hergestellt worden zu sein. Danach in Anlehnung an den Stadtnamen frz. berline und danach d. Berline. Später ersetzt durch den ÞLandauer.

Ebenso ne. Berline. – DF 1 (1913), 83; Brunt (1983), 154; Kugler, G. J. in Treue (1986), 236–250; EWNl 1 (2003), 271.

bergan, as. gibergan. Aus g. *berg-a- Vst. ’bergen’, auch 1 in gt. bairgan, anord. biarga, ae. beorgan, nwfr. bergje. Berliner Sm ’Felleisen der Handwerksburschen’ per. arch. (19. Jh.). Aus dem Rotwelschen. Vielleicht hanAus einer sonst nur im Baltoslavischen bezeugten delt es sich um eine Umdeutung von l. pellı¯nus Adj. Verbalwurzel (ig.) *b herg h- ’bewahren’, auch in lit. ’aus Fell’ (zu l. pellis f. ’Fell’). Im Kontrast dazu wer(reg.) bı`rginti ’sparen’ und akslav. nebreˇˇsti ’außer den dann gebildet: Charlottenburger ’UmhängetaAcht lassen, missachten’, russ. bere´ˇc ′ ’hüten, bewahsche’ und Potsdamer ’kleines Reisebündel’ nach Stadtren, schonen, sparen’. Weitere Anknüpfungsmögteilen von Berlin. lichkeiten sind unsicher; auch der BedeutungszusamWolf (1985), 50. menhang innerhalb der Sippe (vgl. Þborgen) ist nicht ausreichend geklärt. Präfigierung: verbergen. Berliner2 Sm ’Schmalzgebäck’ std. (19. Jh.). Gekürzt aus Berliner Pfannkuchen (ÞKrapfen, ÞBallen). Ebenso nndl. bergen, nschw. bärga, nisl. bjarga. S. ÞBürge, ÞHerberge − in der Sekundärmotivation wird auch ein ZusamBerlocke (meist Pl., auch Brelocke) Sf ’Uhrenanhängsmenhang mit ÞBurg hergestellt. – Seebold (1970), 106f.; RGA el’ per. arch. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. breloque, zu 2 (1976), 277–284; EWahd 1 (1988), 554–556; EWNl 1 (2003), 270.

Bergfried Sm ’fester Turm’ per. fach. (12. Jh.), mhd.

dem berloque eine seltenere regionale Nebenform ist, ’zierliche Kleinigkeit, Schmuck’, unklarer Herkunft.

ber(c)vrit, bervride mit der älteren Bedeutung Ebenso nndl. breloque, nschw. berlock. – DF 1 (1913), 83; DEO ’hölzernes Turmgerüst, das an die Mauern einer be(1982), 100, 153. lagerten Stadt geschoben wird’. Ähnliche Ausdrücke Bernhardiner Sm (Hunderasse, Lawinenhund) erw. mit ähnlichen Bedeutungen in anderen mittelalterlifach. (19. Jh.). Nach dem Hospiz St. Bernhard in der chen Sprachen (etwa ml. berfredum n., belfredus, berSchweiz, in dem diese Hunde seit dem 17. Jh. als Lafredus usw. afrz. berfroi). Das Wort ist also durch Sewinenhunde ausgebildet wurden. kundärmotivation an ÞBerg und ÞFriede(n) (oder Bernstein Sm std. (13. Jh., Standard 18. Jh.). ÜbernomÞeinfrieden) angeschlossen worden, seine Herkunft men aus mndd. bern(e)stein, barnste¯n ’brennbarer ist unklar. Lautlich anklingend und etymologisch klar Stein’ zu bernen ’brennen’ (aus Þbrennen durch Umwäre das von Götze angeführte mgr. *py´rgos phore¯tos sprung des r entstanden); die echt hochdeutsche ’Tragturm von Elefanten’ (zu gr. phe´rein ’tragen’), das Form Brennstein ist vereinzelt bezeugt. Das entspreaber nicht belegt zu sein scheint. (Bezeugt ist gr. py´rchende anord. Wort brennisteinn bedeutet ’Schwegos in der Bedeutung ’Tragturm, Belagerungsturm’). fel’. Zu der teilweise konkurrierenden und im HochEbenso ne. belfry. Zur Sippe von gr. phe´rein ’tragen’ s. deutschen älteren Bezeichnung Agstein (Augstein, ÞMetapher. – Götze, A. BGDSL 59 (1935), 316f.; EWahd 1

Berserker Agetstein u.a.), die auf l. acha¯te¯s zurückgeht und eigentlich ’Achat, Gewichtstein, Magnetstein’ bedeutet, siehe Meineke. Bernstein ist als fossiles Harz brennbar und unterscheidet sich damit von anderen Steinen. Vgl. zur Sache: ÞGlas, ÞMagnet und Þelektrisch. – RGA 2 (1976), 288–298; Lüschen (1979), 185f.; LM 1 (1980), 2008–2012; Meineke (1984), 24–26, 67–74; Mazzuoli Porru, G. AION-G 28/29 (1985/86), 421–470 (zu Ambra); Puhvel, J. FS Meid (1999), 347–350; EWNl 1 (2003), 226; EWahd 2 (1998), 469.

Berserker Sm per. exot. (18. Jh.). Entlehnt aus anord.

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bildet aus mndd. rüchtig ’ruchbar’). Es bedeutet ursprünglich ’das Gerüft / Geschrei (erstes Stadium der Anklage) über jmd. erheben’ und zeigt mit -cht- aus -ft- (zu Þrufen) niederdeutsche/niederländische Lautform. Zur gleichen Sippe gehören Þanrüchig, ÞGerücht und Þruchbar. EWNl 1 (2003), 274.

berücken Vsw ’den Kopf verdrehen’ erw. stil. (16. Jh.).

Aus der Sprache des Fisch- und Vogelfangs: ’ruckartig ein Netz über das zu fangende Tier werfen’, damit ’überlisten, hereinlegen’; dann übertragen gebraucht, vor allem für Liebesbetörungen.

berserkr, Bezeichnung eines Kriegers, der in Ekstase mit übermenschlicher Kraft kämpft und nach VolksBeruf Sm std. (17. Jh.). Ableitung von berufen im geistmeinung unverwundbar ist. Das Wort gehört zu lichen Sinn (’Berufung’): Gott lässt seinen Ruf an die anord. serkr ’Gewand, Waffenrock, Tierfell’, das VorMenschen ergehen. So wird Beruf verwendet wie das derglied ist weniger klar; aber da berserkr in der norntl.-gr. kle˜sis f., l. voca¯tio f. Luther gebraucht (nach dischen Überlieferung mit ulf-hediÑ nn ’Wolfswams’ 1. Kor. 7,20 und dem Vorbild der Mystiker) das Wort (als Bezeichnung solcher Krieger) in Kontrast gesetzt auch im weltlichen Sinn für ’Amt, Stand’ und führt so wird, dürfte das Vorderglied das Wort für ’Bär’ sein zur heutigen Bedeutung; doch zeigt sich die beson(obwohl dies im Altnordischen bjo¸rn lautet). Anders dere Herkunft noch heute an den besonderen VerKuhn und McCone, die das Vorderglied zu berr wendungen des Wortes. − Auf den Gebrauch des ’nackt’ (Þbar) stellen und ’mit bloßem Hemd bekleiVerbs in der Rechtssprache verweist sich auf etwas det’ ansetzen (oder ’dessen Hemd Nacktheit ist’ = oder jemanden berufen; jemanden berufen bedeutet ’nackt’?). dort zunächst ’vor Gericht laden’, bei der Berufung Ebenso nndl. Berserker, ne. berserk(er), nfrz. berserk, nschw. bärsärk, nisl. berserkur. – Noreen, E. ANF 48 (1932), 242–254; lädt man sich gewissermaßen selbst vor Gericht, nach von See, K. ZDW 17 (1961), 129–135; Kuhn, H. FS 2 (1968), auf steht dabei die Berufungsinstanz (ich berufe mich 218–227; RGA 2 (1976), 298–304; LM 1 (1980), 2019f.; McCone, auf den Kaiser ’ich appelliere an den Kaiser’). Ein K. R. in Meid (1987), 106; DF 3 (21997), 251–254. dritter Gebrauch von berufen geht zurück auf die Vorstellung, dass Geister durch die Nennung ihres Nabersten Vst std. (9. Jh., int-, ir- 8. Jh.), mhd. bresten, mens herbeigerufen werden; im weiteren Sinn, dass ahd. brestan, as. brestan. Aus g. *brest-a- Vst. ’bersdie Nennung eines Unglücks usw. dieses herbeiruft. ten’, auch in anord. bresta, ae. berstan, afr. bersta; Hierher gehört der Gebrauch von unberufen zur Abhöchstwahrscheinlich eine st-Weiterbildung zu g. *brek-a- ’brechen’ oder eine unabhängige Bildung wendung dieser Möglichkeit. Adjektiv: beruflich. aus der gleichen Wurzel. Die Varianten berst- und Þrufen. – Paulus, N. Historisches Jahrbuch 32 (1911), 725–755; Historisches Jahrbuch 45 (1925), 308–316; Holl, K. SPAW 1924, brest- wechseln einander im Laufe der Geschichte ab; XXIX–LVII; Siegert (1950), 39–41; HWPh 1 (1970), 833–835; die heutige Form ist durch den Gebrauch Luthers fest GB 1 (1972), 490–507; Röhrich 1 (1991), 177; EWNl 1 (2003), geworden. Die andere Variante hat sich in ÞGebresten 272. ’Mängel, Krankheit’ (süddeutsch) gehalten. Ebenso nndl. barsten, ne. burst, nschw. brista, nisl. bresta; Beryll Sm (Halbedelstein) per. fach. (12. Jh.), mhd. beÞprasseln. – Seebold (1970), 139; EWNl 1 (2003), 228. rille, barille. Entlehnt aus l. be¯ryllus (und afrz. beril); dieses aus gr. be¯´ryllos, und dieses wiederum aus pra¯Bertram Sm ’Anacyclus pyrethrum’, eine Heilpflanze, krit verulia- (pa¯li veluriya-, sanskritisiert va´idu¯rya-), mit der aus den Mittelmeerländern stammenden ˙ ˙¯lur zudas wohl auf den dravidischen Ortsnamen Ve Abart Deutscher Bertram per. fach. (11. Jh.), mhd. ˙ rückgeht. Die weitere Entwicklung s. unter ÞBrille. ber(h)tram, ahd. berhtram. Entlehnt aus dem GrieEbenso nndl. beril, ne. beryl, nfrz. be´ryl, be´ril, nnorw. beryll. – chischen und umgeformt. Die in der Heilkunde verMaster, A. BSOAS 11 (1943–46), 304–307; Leumann, M. Glotwendeten Wurzeln der Pflanze schmecken brennend, ta 32 (1953), 2156; Lüschen (1979), 186. daher der Name gr. py´rethron n. (zu gr. py˜r n. ’Feuer’), übersetzt in nndl. vuurwortel ’Feuerwurzel’. Beryllium Sn (ein Leichtmetall) per. fach. (19. Jh.). Der französische Chemiker Vauquelin isolierte 1798 aus Bei der Übernahme wird das Wort an den Personendem Beryllmineral eine Erde, die die Herausgeber der namen Berhtram, Bertram lautlich angeglichen. Annales de chimie glucine, Glycinium nannten (zu gr. Ebenso nschw. bertram, nnorw. bertram; ÞPyromane. – Marzell 1 (1943), 251f.; LM 1 (1980), 2039; EWahd 1 (1988), 559f. glyky´s ’süß’), da sie süß schmeckte; die deutschen Chemiker nannten sie dagegen Beryllerde. Der deutberüchtigt AdjPP std. (16. Jh.). Ursprünglich Partizip sche Chemiker Wöhler versuchte 1828, das zugrunde zu dem heute untergegangenen berüchtigen ’ins Geliegende Metall zu isolieren. Er nannte es Beryllium, rede bringen’, erweitert aus älterem berüchten, das aus sonst wurde es auch Glycium oder Glycinum genannt. mndd. beruchten, berochten entlehnt wurde (bzw. ge-

113 Ebenso nndl. beryllium, ne. beryllium, nfrz. be´ryllium, nschw. beryllium.

beschaffen AdjPP std. (15. Jh.). Zu einem heute nicht

beschweren bescheuert AdjPP ’nicht recht bei Verstand’, von Sa-

chen ’unerfreulich’ std. stil. (20. Jh.). Vermutlich von Þscheuern im Sinn von ’prügeln’ ausgegangen.

mehr üblichen mhd. beschaffen Vst. ’(er-)schaffen’ Vgl. Þbekloppt u.ä. (vgl. ahd. biscaffo¯n Vsw. ’gestalten, bilden’ 8. Jh.). Das beschickern Vsw ’sich betrinken’, meist im Partizip Partizip ist mit der Bedeutung ’geartet’ übriggebliebeschickert ’betrunken, angetrunken’ per. grupp. ben; hierzu seit dem 17. Jh. Beschaffenheit ’Art, Zu(19. Jh.). Aus dem Rotwelschen zu Þschicker. sammensetzung’. Beschlag Sm std. (15. Jh., Verb 8. Jh.). In der eigentlibeschäftigen Vsw std. (17. Jh.). Präfix-Ableitung zu chen Bedeutung ist Beschlag ein Metallstück, das zum mhd. scheftig, scheftec ’tätig’ (zu Þschaffen ’arbeiSchutz oder zur Verzierung auf Holz u.ä. befestigt ten’). Die t-Ableitung auch in ÞGeschäft. wird − zu mhd. beslahen, ahd. bislahan ’durch Schlagen mit etwas versehen, überziehen’. Hierzu auch ein beschälen Vsw ’(ein Tier) decken’ per. fach. (16. Jh.). Zu Pferd beschlagen, und da ein gut beschlagenes Pferd mhd. schel(e), ahd. scelo ’Zuchthengst’, also ’mit dem Zuchthengst belegen’. Nomen Agentis: Beschäler. ein gut vorbereitetes Pferd ist, bekommt das Partizip ÞSchälhengst. beschlagen die Bedeutung ’bewandert, gut vorbereitet’ (evtl. auch aus ein Fass beschlagen ’mit Reifen verbeschatten Vsw std. (20. Jh.), in der übertragenen Besehen’). Dann bedeutet das Verb mit einer nicht völdeutung ’jmd. heimlich bewachen’, also ’wie ein lig klaren Bedeutungsentwicklung (vermutlich im Schatten folgen’, seit den zwanziger Jahren des Sinn von ’die Hand auf etwas legen’) ’hemmen, hin20. Jhs. bezeugt dern’ (einen Wagen beschlagen) und dann weiter bescheiden Vst erw. obs. (12. Jh.). Mhd. bescheiden Vst. ’etwas konfiszieren, einziehen’; hierzu Beschlag (in hat zwei Bedeutungen: 1) ’jmd. etwas zuweisen, beBeschlag nehmen), Beschlagnahme usw. stimmen’ (vgl. etwa Þentscheiden); hierzu noch WenRöhrich 1 (1991), 178; EWNl 1 (2003), 278. dungen wie mir ist beschieden. 2) ’jmd. über etwas belehren’ (vgl. etwa mitteilen), heute noch in kanzlei- beschließen Vst std. (8. Jh.), mhd. besliezen, ahd. bisliozan. Die Ausgangsbedeutung ’abschließen’ ist heute sprachlichen Wendungen wie jemanden abschlägig veraltet (noch in Beschließerin obs.). Aus ihr entwibescheiden. Hierzu Bescheid m. und das reflexive sich ckelt sich schon mittelhochdeutsch die Bedeutung bescheiden, ursprünglich ’sich belehren lassen, zur ’beenden’ und ’zum Schluss kommen, entscheiden’. Einsicht kommen’, dann ’sich begnügen’. Zu dieser Abstraktum: Beschluss. Bedeutung gehört das Partizip bescheiden (mit älterer EWNl 1 (2003), 279. Ablautform). Es steht mit der Ableitung Bescheidenheit unter dem Bedeutungseinfluss von l. discre¯tio, beschränkt AdjPP std. (9. Jh., Bedeutung 18. Jh.), mhd. nfrz. discre´tion. beschrenken, ahd. biskrenken. Zunächst in der eigentÞscheiden. – Berg, K. Würzburger Prosastudien I (München lichen Bedeutung ’mit Schranken umgeben, durch 1968), 16–80; HWPh 1 (1970), 837f.; Röhrich 1 (1991), 177; Schranken zurückhalten’, dann übertragen als EWNl 1 (2003), 275. ’einengen, in Grenzen halten, (sich) begnügen’ bescheißen Vst std. vulg. (11. Jh., Bedeutung 14. Jh.), (ÞSchranke, Þschränken). Hierzu das Partizip bemhd. beschı¯zen, ahd. biskı¯zan ’verkoten, besudeln’. schränkt ’engstirnig’. Präfigierungen zu Þscheißen. Der Übergang der Be- beschummeln Vsw ’betrügen’ std. stil. (18. Jh.). Wird als deutung zu ’betrügen’ ist wohl zu erklären über das jüdisches Wort bezeichnet, es lässt sich aber im WestPartizip beschissen in der Bedeutung ’unangenehm, jiddischen nicht nachweisen. Herkunft umstritten. unerträglich’, dann das Verb im Sinne von ’jemanDie älteste Bedeutung von Þschummeln ist vielleicht den in eine unangenehme Lage bringen’. Hierzu ’handeln’. schon spmhd. Beschiss m. Althaus, H. P. ZM 30 (1963/64), 66–69; Foerste, W. NW 4 Röhrich 3 (1992), 1313.

bescheren Vsw ’zu Weihnachten schenken’ std.

(1964), 79 (zu ndd. schummeln ’scheuern, schrubben’ aus ’sich schnell hin- und herbewegen’, das andererseits zu ’betrügen’ wird).

(17. Jh.). Aus mhd. beschern mit allgemeinerer Bedeutung ’zuteilen, zumessen’ (von Gott und Schicksal). beschuppen Vsw ’betrügen’ per. grupp. (18. Jh.). EntDie besondere Bedeutung des heutigen Wortes erlehnt aus dem Rotwelschen. Wahrscheinlich handelt klärt sich aus der Auffassung, dass die Weihnachtses sich ursprünglich um ein Wort für ’heftig stoßen’ geschenke Gaben des Christkinds seien. Das mittel(vgl. ÞSchubs ’Stoß’ zu Þschieben), das zu ’übertölhochdeutsche Wort ist eine Präfixbildung zu wg. peln, betrügen’ weiterentwickelt wurde. *skar-ija- ’(zu-)teilen’ in ae. scirian, ahd. scerian, scerWolf (1985), 302. ren zu wg. *skaro¯ f. ’Teil’ in ae. scearu, afr. skere. beschweren Vsw std. (simplex 8. Jh., be- 9. Jh., BedeuÞscheren 1. – Haessler, L.: OHG. Biteilen and Biskerien (Diss. tung 14. Jh.). Das Wort ist in der ursprünglichen BeChicago. Philadelphia 1935); Röhrich 1 (1991), 177; EWNl 1 deutung ’belasten’ noch heute gebräuchlich. Dane(2003), 276.

beschwichtigen

114

ben reflexives sich beschweren seit dem 14. Jh. mit der besitzen Vst std. (8. Jh.), mhd. besitzen, ahd. bisizzen. Bedeutung ’sich als beschwert, bedrückt darstellen, Zunächst ’in Besitz nehmen’. Gemeint ist dabei sich beklagen’. Entsprechend wandelt Beschwerde Grund und Boden, auf dem man tatsächlich sitzt (oder sich setzt). Danach Verallgemeinerung zum seine Bedeutung von ’Bedrückung’ zu ’Klage’. Adjekheutigen Sinn, erst seit dem 16. Jh. häufiger. Kontiv: beschwerlich. kreta: Besitz, Besitzung, Besitztum. EWNl 1 (2003), 300. beschwichtigen Vsw std. (17. Jh.). Übernommen aus

Þsitzen, Þbesessen. – HWPh 1 (1970), 846–848; LM 1 (1980),

2064–2069 (zu Besitz); Röhrich 1 (1991), 182f.; EWNl 1 (2003), ndd. beswichtigen, erweitert aus beswichten ’zum 301. Schweigen bringen’. Es entspricht mit niederdeutsch/ besonders Adv std. (15. Jh.), mhd. besunder. Zusamniederländischem Übergang von -ft- zu -ht- dem menrückung aus unbetontem mhd. bı¯ und mhd. sunmhd. (be-)swiften, ahd. giswifte¯n, einer morpholoder (Þsondern 1), also ’abgesondert, vorzüglich’; seit gisch unklaren Bildung zu gt. sweiban ’ablassen, auffrühneuhochdeutscher Zeit mit adverbialem -s (wie hören’. Auffällig ähnlich ist messap. sı´pta ’das bei Adverbien, die aus Genetivformen stammen). Schweigen’ (aus *sw-). Gleichzeitig kann die Zusammenrückung auch als Krahe, H. IF 47 (1929), 327; Heidermanns (1993), 581. (ausschließlich attributives) Adjektiv besonderer gebesebeln Vsw ’betrügen’ per. grupp. (16. Jh., Bedeutung braucht werden. 19. Jh.). Verwendet als Entsprechung zu nhd. beschei-

ßen; aus rotw. sefeln ’scheißen’ zu rotw. Sefel ’Kot, Mist’ und damit ein vulgäres Wort. Wolf (1985), 307.

beseitigen Vsw std. (19. Jh.). Aus dem Oberdeutschen

in die Hochsprache übernommen. Das Wort geht zurück auf das mhd. Adverb besı¯te ’beiseite, auf der Seite’ und bedeutet damit zunächst ’auf die Seite stellen’. Besemer (auch Desem(er)) Sm ’Handschnellwaage mit

nur einer Schale und verschiebbarem Gewicht’ per. fach. (13. Jh., Standard 18. Jh.). Ursprünglich niederdeutsches Wort, das im 13. Jh. (wie anord. bismari gleicher Bedeutung) aus russ. bezme´n entlehnt wurde. Das russische Wort geht vermutlich auf türk. batman zurück, das ein Gewichts- und Hohlmaß von etwa 10 kg bezeichnet. Ebenso nschw. besman, nisl. bismari. – Wick (1939), 19; Bielfeldt (1965), 11.

Besen Sm std. (8. Jh.), mhd. bes(e)m(e), ahd. bes(a)mo,

as. besmo. Aus wg. *besmo¯n- m. ’Besen’, auch in ae. besma, afr. besma. Instrumentalbildung ’Feger, Kehrer’ zu einer Wurzel (ig.) *b hes- ’fegen, reinigen’, die in dieser Form nicht fassbar ist. Vergleichbar ist vor allem die Erweiterung *pse¯ (aus **b hse¯-) in gr. psa´o¯ ’ich reibe, wische’, gr. perı´pse¯ma n. ’Kehricht’ u.a. (vgl. auch die unter Þbar behandelten Wörter). Ebenso nndl. bezem, ne. besom; Þbar, ÞBast. – Koivulehto, J. FS Schmitt (1988), 246–252; EWahd 1 (1988), 567f.; Röhrich 1 (1991), 179–181; EWNl 1 (2003), 299f.

besessen AdjPP ’fanatisch’ std. (9. Jh., Bedeutung

14. Jh.). In der lexikalisierten Bedeutung von besessen ist das Partizip von Þbesitzen gekürzt aus vom ÞTeufel besessen, d.h. ursprünglich ’vom Teufel bewohnt, vom Teufel in Beschlag genommen’ (oder von unreinen Geistern). Später verallgemeinert. Röhrich 1 (1991), 182; EWNl 1 (2003), 300.

Besing Sm ÞBeere.

EWNl 1 (2003), 313f.

besorgen Vsw ’Sorge tragen für etwas’, ’etwas beschaf-

fen’, umgangssprachlich auch ’stehlen’ std. (9. Jh.), mhd. besorgen, ahd. bisorge¯n. Zunächst in allgemeiner Bedeutung, dann meist eingeengt. Die Ausgangsbedeutung noch am deutlichsten im Partizip besorgt ’mit Sorge erfüllt’ erhalten. besser AdjKomp (das zugehörige Adverb bass ist veral-

tet; Superlativ best) std. (8. Jh.), mhd. bezzer, best/bezzist, baz, ahd. bezziro, bezzisto, baz, as. betara, betst/ best/bezt, bat/bet. Aus g. *batiz-o¯n, *batist-a-, *batiz, auch in gt. batiza, batista, anord. betri; beztr/baztr, betr; ae. bet(e)ra, bet(e)st, bet; afr. beter/betr, best, bet. Der Suppletivismus ist bei den Adjektiven für ’gut’ weit verbreitet; weniger klar sind die Verknüpfungsmöglichkeiten. Unter dem Ansatz einer Wurzel ig. *b had- oder *b hod- lässt sich die ro-Bildung ai. bhadra´- ’glücklich, erfreulich’ heranziehen (die aber lautlich mehrdeutig ist); vielleicht auch (bei Annahme eines Konsonantenumsprungs) akslav. dobru˘ ’gut’. Im Germanischen ist die Wortsippe mit mehreren Bildungen vertreten, von denen sich nur Buße bis heute gehalten hat. Verben: (ver)bessern; Abstraktum: (Ver)besserung. Ebenso nndl. beter, best, ne. better, best, nschw. bättre, bäst, nisl. betri, beztur, betur; Þbass, ÞBestseller, ÞBuße. – Pisani, V. Studi Mastrelli (Pisa 1985), 375f.; Hamp, E. P. IIJ 30 (1987), 175; Röhrich 1 (1991), 183–185; Heidermanns (1993), 118f.; EWNl 1 (2003), 281, 285.

Bestallung Sf ’Einsetzung in ein Amt’ erw. fach.

(15. Jh.), mhd. bestallt. Das mhd. Wort ist die alte Partizipialform von Þbestellen, die sich in der Bedeutung ’in ein Amt eingesetzt, für ein Amt bestellt’ in der Hochsprache hält. In Anlehnung an dieses Partizip wird auch das Abstraktum als Bestallung und das Verb zu bestallen umgebildet (bleibt aber außerhalb des Partizips selten). Die Ablösung vom Normalparadigma kann für das 15. Jh. angesetzt werden.

beten

115 bestätigen Vsw std. (13. Jh.), mhd. best¢tigen. Präfix-

Ableitung zu mhd. st¢¯ tec ’fest, beständig’ (also ’fest machen’) − gegebenenfalls eine Ableitung von best¢tec. Das Adjektiv wird heute stetig geschrieben (Þstet), es gehört letztlich zu Þstehen. Abstraktum: Bestätigung. Heidermanns (1993), 548f.

bestatten Vsw std. (11. Jh., Bedeutung 12. Jh.), mhd.

bestimmen Vsw std. (15. Jh.), mhd. bestimmen. Ur-

sprünglich ’durch seine Stimme auswählen, festlegen’, dann allgemein ’anordnen’. In der philosophischen Fachsprache des 18. Jhs. entwickelt sich die Bedeutung ’definieren’. Abstraktum: Bestimmung; Adjektiv (PPrät.): bestimmt. HWPh 1 (1970), 850–859; LM 1 (1980), 2080f.; EWNl 1 (2003),

282.

bestaten, ahd. bistaten. Ist eine Verstärkung des ein- bestricken Vsw std. (8. Jh.), mhd. bestricken, ahd. bistricken bedeutet u.a. ’mit einem Strick, mit Stricken fachen staten ’an einen Ort bringen, festlegen’ (zu fangen’. Zunächst wohl als Ausdruck der JägerspraÞStatt). Das Wort wird dann verhüllend für ’ins Grab che. Schon mittelhochdeutsch wird es zum gängigen legen’ gebraucht. Abstraktum: Bestattung. Ausdruck für ’durch Liebreiz für sich einnehmen’. bestechen Vsw std. (15. Jh.), fnhd. bestechen. Hat mehVgl. Þberücken. rere Bedeutungen, von denen eine ’prüfen’ ist (in Bestseller Sm ’etwas, das sich sehr gut verkauft’ erw. etwas hineinstechen, um den Inhalt oder die Qualität fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. bestseller, einem Komdes Inhalts zu prüfen, z.B. Entnahme von Proben aus positum aus ne. best (Þbesser), dem suppletiven SuTeerfässern). Davon hängt die Verwendung mit Akperlativ von ne. good ’gut’, und ne. seller, einer Abkusativ der Person ab im Sinn von ’jemandem auf leitung von ne. sell ’verkaufen’, das auf g. *saljan zuden Zahn fühlen’. Danach mit Geschenken bestechen rückgeht. Die Ableitung in Form eines Nomen ’mit Geschenken ausprobieren, ob der Betreffende zu Agentis hat hier eine stärker passive Bedeutung. beeinflussen ist’. Dabei geht es darum, dem Betref-

Ebenso nndl. best-seller, ne. bestseller, nfrz. best-seller, nschw. fenden etwas zukommen zu lassen, um ihn günstig zu bestseller, nnorw. bestseller. – Rey-Debove/Gagnon (1988), stimmen (nicht um einen Handel, also nicht darum, 59f.; Carstensen 1 (1993), 110–113; DF 3 (21997), 268f. dass man ihn für eine bestimmte Gegenleistung bestürzen Vsw std. (9. Jh., Bedeutung 13. Jh.), mhd. be’kauft’). Daraus ist die heutige Bedeutung verallgestürzen, ahd. bisturzen. Ist eigentlich ein verstärktes meinert. Schon von Anfang an kann auch einfaches ’stürzen, umwerfen, zusammenwerfen, umdrehen’. stechen diese Bedeutung haben (was heute nicht mehr Dann auf innere Zustände übertragen, etwa als ’jmd. üblich ist). In den gleichen Zusammenhang gehört verwirren, durcheinanderbringen’; zunächst auch die Bedeutung ’für sich einnehmen’ (seit dem 18. Jh.) von freudigen Anlässen gesagt, dann auf ’erschre− zu vergleichen sind aber auch Wendungen wie in cken’ eingeengt. Vor allem in Partizipien (bestürzend, die Augen stechen; Þstechen. Abstraktum in der bestürzt) und Ableitungen (Bestürzung) üblich. Hauptbedeutung: Bestechung; Adjektiv: bestechlich, in der Nebenbedeutung bestechend. besuchen Vsw std. (11. Jh., Bedeutung 17. Jh.), mhd. besuochen, ahd. besuohhen ’untersuchen, versuchen, beBesteck Sn std. (16. Jh.). Ursprünglich ein Futteral, in fragen’ u.ä. Die Bedeutung, auf die der heutige Gedas Werkzeuge u.ä. gesteckt werden, dann der zusambrauch zurückgeht, ist ’jmd. aufsuchen’ mit verschiemengehörige Satz der Werkzeuge u.ä. selbst. Heute denen Bedeutungsspezialisierungen. In eingeengt auf das Tischbesteck (und auf fachsprachnach-mittelhochdeutscher Zeit eingeengt auf lichen Gebrauch). ’Verwandte, Freunde aufsuchen’. LM 1 (1980), 2071; EWNl 1 (2003), 282.

bestellen Vsw std. (9. Jh.), mhd. bestellen, ahd. bistellen

Röhrich 1 (1991), 85f.

’besetzen, umstellen, anordnen’. Von der zuletzt ge- Bete (auch Beete) Sf (meist rote Bete ’rote Rübe’) erw. wndd. (17. Jh.). Übernommen aus dem Niederdeutnannten Bedeutung aus dann das heutige ’in Auftrag schen. Das Wort ist eine alte Entlehnung aus l. be¯ta geben’, wie das unter ÞBestallung behandelte ’in ein ’Bete, Mangold’. Die ebenfalls frühen hochdeutschen Amt einsetzen’. Entlehnungen haben sich nur regional (seit 9. Jh. als EWNl 1 (2003), 282. Beißkohl, Bießkohl für ’Mangold’ u.ä.) gehalten. Bestie Sf std. (14. Jh., Form 15. Jh.), mhd. zunächst in Ebenso nndl. biet, ne. beet, nfrz. bette, nschw. beta, nnorw. bete. lateinischer Form (bestı¯a¯). Entlehnt aus l. be¯stia – Karg-Gasterstädt, E. BGDSL 62 (1938), 159f.; RGA 2 ’Tier, wildes Tier’, dann der deutschen Flexion ange(1976), 314–316; Cottez (1980), 51; Baader, Th. BGDSL 62 passt. Vor allem in den Ableitungen bestialisch, Besti(1938), 159f. (zu den Lautformen), 63 (1939), 117–119; EWNl 1 (2003), 306 f.; EWahd 2 (1998), 24–26. alität übertragen gebraucht für ’unmenschlich’. Eine stärker assimilierte Form ist ÞBiest 2. beten Vsw std. (8. Jh.), mhd. beten, ahd. beto¯n, as. beEbenso nndl. beest, ne. beast, nfrz. beˆte, nschw. best, nnorw. best; ÞBiest 2. – Öhmann, E. ZDW 18 (1962), 96–99; Brennecke, D. NSt 5 (1976), 113–145; DF 3 (21997), 254–268; EWNl 1 (2003), 283.

don. Der christliche Begriff des Betens wurde von den Germanen bei der Übernahme des Christentums meist in einer Art Lehnbedeutung aus l. o¯ra¯re ’bitten, beten’ durch Wörter für ’bitten’ wiedergegeben. Zu

beteuern

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HWPh 1 (1970), 860f.; Röhrich 1 (1991), 186; EWNl 1 (2003), diesen gehört auch beten, das von g. *bed-o¯ f. ’Bitte’, 242. dann auch ’Gebet’ abgeleitet ist (dieses in gt. bida, ae. bedu, afr. bede, as. beda, ahd. beta). Nomen Agentis: Bett Sn std. (8. Jh.), mhd. bett(e), ahd. betti, as. bed(di). Beter; Partikelverb: anbeten (l. ado¯ra¯re), dazu das AbAus g. *badja- n. ’Bett’, auch in gt. badi, anord. bedrÑ straktum Anbetung. m. (’Polster, Federbett’), ae. bed, afr. bed. Herkunft ÞGebet. – Wissmann (1932), 92–102; Röhrich 1 (1991), 186. unklar. Air. lepaid f., das neben ’Bett’ auch ’Schlafzimmer, Zufluchtsort’ bedeutet, weist am ehesten auf beteuern Vsw std. (15. Jh., Form 17. Jh.). Für ’eidlich eine Vorform (ig.) *b hotjo´-. Zu beachten ist auch das einschätzen, festsetzen’, zunächst den Wert einer zweite Glied von gr. kra´bbatos m. ’(niedriges) RuheSache (deshalb zu Þteuer), dann die Wahrheit einer bett’, dessen Herkunft ungeklärt ist. Die traditionelle Aussage betreffend. Das Substantiv Beteuerung ist weErklärung von Bett als ’Schlafgrube’ (zu l. fodere sentlich früher bezeugt als das Verb; vielleicht ist es ’graben’) ist von der Sache her unhaltbar. Eine urdie ältere Bildung. sprüngliche Bedeutung ’Boden’ ist dagegen wahrBeton Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. be´ton, dieses scheinlich − sie führt aber kaum auf ig. *b hed haus l. bitu¯men n. ’Erdharz, Bergteer’. Direkt aus dem ’graben’ zurück. Die Folge Labial − Dental bei verLateinischen stammt das Wort Bitumen. Verb: schiedenen Artikulationsarten ist in diesem Bedeubetonieren. tungsbereich auffällig (b hot- oder b hod h-, ngr. pa´tos Ebenso nndl. beton, nschw. betong, nnorw. betong. – Röhrich ’Boden, Sohle, Bett usw.’ aus pat-, ne. pad ’Kissen, 1 (1991), 186; DF 3 (21997), 269–274; EWNl 1 (2003), 287. Pfote, Bett’ aus bodh oder bot). Handelt es sich urbetören Vsw std. (12. Jh., Bedeutung 16. Jh.), mhd. sprünglich um Lautnachahmungen (’stampfen’?, betœren. Eigentlich ’zum Toren machen, äffen’ ’tappen’?), die zu ’gestampfter Boden’ führen und (ÞTor 1), dann übertragen zu ’bezaubern’. dann weiterentwickelt werden oder um Entlehnunbetrachten Vsw std. (8. Jh., Bedeutung 15. Jh.), mhd. gen aus einer Substratsprache? − Bett und ÞBeet sind betrahten, ahd. bitrahto¯n, bitrahten. Verstärkung des ursprünglich dasselbe Wort − die beiden Bedeutuneinfachen trachten und bedeutet zunächst wie dieses gen sind dann auf verschiedene Lautvarianten verteilt ’erwägen’. In frühneuhochdeutscher Zeit kommt es worden. Bei der Bedeutung ’Flussbett’ ist Herkunft als ’beim Anschauen erwägen’ zu der heutigen Beaus *b hed h- ’graben’ denkbar, wenn frz. bief deutung. Das Substantiv Betracht (in Betracht ziehen ’Mühlgraben, Flussabschnitt’ nicht auf ein germaniusw.) bewahrt noch die ältere Bedeutung; das Adverb sches, sondern ein gallisches Wort zurückgeht. − Das (und Adjektiv) beträchtlich entwickelt sich aus ’mit Bett steht symbolisch auch für ’Krankheit’, deshalb Überlegung’ zu allgemeinerem ’erheblich’. Das Abbettlägerig u.ä. − Verb: betten. straktum Betrachtung bezieht sich stärker auf das inEbenso nndl. bed, ne. bed, nschw. bädd; ÞBeet. – Foerste, W. NW 2 (1961), 21–64; RGA 2 (1976), 316–320; Knobloch, J. SW 5 nerliche Betrachten.

Ebenso nschw. betrakta, nnorw. betrakte. – HWPh 1 (1970), 859f.; LM 1 (1980), 2085–2087; EWNl 1 (2003), 287.

betragen Vst std. (12. Jh.). Die Bedeutungsentwicklung

(1980), 180; LM 1 (1980), 2087; Maher, J. P. JIES 9 (1981), 341–347; EWahd 1 (1988), 572–574; Röhrich 1 (1991), 186f.; Hubschmid, J. FS Schröpfer (1991), 225–263; Meier, H. Vox Romanica 10 (1948/49), 73–86 (zu den Benennungsmotiven für ’Bett’); EWNl 1 (2003), 238.

ist im Ganzen unklar. Im Zusammenhang mit Summen und Maßen aus mhd. betragen Vst. ’zusammenBettel Sm ’minderwertiges Zeug’, meist in der Fügung tragen, vergleichen, rechnen’, einer Präfigierung von jemandem den Bettel vor die Füße werfen ’seine MitÞtragen; im Sinne von ’sich benehmen’ aus mhd. bearbeit aufkündigen’ erw. grupp. phras. (17. Jh.). Rücktragen Vsw. ’seinen Unterhalt haben, sich mit etwas bildung aus Þbetteln, wohl mit dem ursprünglichen begnügen’, dann ’mit jmd. auskommen’ zu der heuSinn ’Ertrag des Bettelns’. tigen Bedeutung (das schwache Verb übernimmt Röhrich 1 (1991), 187f. dabei immer mehr Formen von dem lautgleichen starken). Ein Teil der Bedeutungen gehört vielleicht betteln Vsw std. (9. Jh.), mhd. betelen, ahd. betalo¯n. Wörter dieser Bedeutung sind in der Regel von Wörnicht zu tragen Vst., sondern zu as. tregan ’leid sein, tern für ’Bettler’ abgeleitet, das deutsche Wort muss betrüben’ über eine Bedeutung ’Sorge’. Im einzelnen also eine Rückbildung sein zu Bettler, mhd. betel¢re, noch klärungsbedürftig. ahd. betala¯ri (oder auf die gleiche Grundlage zurückbetreten AdjPP ’verlegen’ std. (16. Jh.). Vermutlich zu gehen). Mit dieser Täterbezeichnung hängen zusamder Nebenbedeutung ’überraschen, ertappen’ von bemen gt. bidagwa ’Bettler’ und ae. bedecian ’betteln’. treten Vst. Semantisch ist wie bei l. mendı¯cus ’Bettler’ zu l. menBetrieb Sm std. (16. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Wie das dum ’Fehler, Gebrechen’ oder bei gr. pto¯cho´s ’Bettler’ Grundverb betreiben aus dem Niederländisch/Niezu gr. pto˜ma ’Fall, Unglück’, gr. pto¯´sso¯ ’ich gehe zuderdeutschen in die Hochsprache gelangt und zusammengekauert’ (o.ä.) ein Ausdruck für einen unnächst einfaches Abstraktum (’Betreiben, Wirken, glücklichen Zustand als Grundlage zu erwarten. Ein Tätigkeit’). Dann wird es zum Konkretum für solcher könnte in lit. be˙da`, akslav. beˇda ’Not, Sorge, ’geschäftliches Unternehmen’. Adjektiv: betriebsam.

Beutel

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Kummer’ vorliegen, doch sind diese (dehnstufigen) Beuschel Sn ’Speise aus Tierinnereien’ per. oobd. Formen wegen Zusammenfalls verschiedener Wur(16. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Die vorhergehende Bezeln mehrdeutig. Der Anschluss von Bettler und betdeutung ist ’Herz, Lunge, Milz und Leber’ (obere teln an Þbitten ist wohl sekundär, doch ist zu beachEingeweide eines geschlachteten Tieres), besonders ten, dass air. foigde, faigde ’Bettelei’ (ig. auch Eingeweide von Fischen. Diminutiv zu *upo-g whed h-ja¯) und air. foigdech ’Bettler’ zu eben die- ÞBausch. Das Wort bedeutet in der frühesten Bezeugung Teile von Kleidern, also etwa ’Wulst’, und ist in ser Wurzel gehört. Ebenso nndl. bedelen, bedelaar. – RGA 2 (1976), 316; EWahd 2 einer derartigen Bedeutung auf die Innereien ange(1998), 570; EWNl 1 (2003), 239. wandt worden. Betthupferl Sn ’Süßigkeit, die die Kinder bekommen, Beute1 Sf ’Kriegsbeute’ std. (14. Jh.), mhd. biute um ihnen das Zu-Bett-Gehen zu versüßen’ erw. obd. ’Beute, Verteilung’. Übernommen aus mndd. bu¯(i)te (19. Jh.). Betthupfer ist zunächst eine Scherzbezeich’Tausch, Verteilung, Beute’, das eine Ableitung von nung für ’Floh’; dann wohl übertragen als ’etwas, das bu¯ten ’tauschen, verteilen, Beute machen’ ist. Die man unerwartet im Bett findet’. Wörter sind seit dem 14. Jh. bezeugt und schon kurz darauf als Entlehnung in den Nachbarsprachen nachbetucht Adj ’begütert’ erw. grupp. (17. Jh.). Unmittelweisbar (frz. butin, butiner). Die Beute wird also zubar aus dem Westjiddischen entlehnt, und zwar liegt nächst als ’das (bei einem Kriegs- oder Raubzug) zur das hebr. Partizip ba¯tu ah ’sicher sein, vertrauensvoll’ ˙ ˙ Verteilung Kommende’ aufgefasst, erst später als zugrunde, das in Händlerkreisen auf einen finanziell ’das Weggenommene, Eroberte’. Weitere Herkunft sicheren, also wohlhabenden Partner angewandt unklar. Am ehesten kommen für einen Vergleich in werden kann. Die Lautung wird über wjidd. betu¯che Frage kymr. budd ’Gewinn, Beute, Reichtum’, air. ’sicher’ an die deutsche Partizipialform angepasst. Im bu´aid n. ’Sieg, Vorteil’ (aus ig. *b houd-), die aber ihRotwelschen erscheint das Wort erst später in der rerseits isoliert sind. Eine frühe Entlehnung aus dem Form betuach und bedeutet dort ’still, vorsichtig, zuKeltischen ist nicht völlig auszuschließen. Präfixabversichtlich’. leitung: erbeuten; s. auch Þausbeuten. Wolf (1985), 51. betulich Adj std. stil. (18. Jh.). Zu sich betun ’sich ge-

schäftig zeigen’ (eigentlich ’abschließen, fertigmachen’, zu Þtun). beugen Vsw std. (11. Jh.), mhd. böugen, ahd. bougen, as.

bo¯gian ’biegen’. Aus g. *baug-eja-Vsw. ’beugen’, auch in anord. beygja, ae. bigan, afr. beia (die Deutung von gt. usbaugjan ’ausfegen’ ist umstritten), Kausativ zu Þbiegen, also ’biegen machen’. Beugung als grammatischer Terminus ist eine Lehnbedeutung von l. de¯clı¯na¯tio. Präfigierung: verbeugen. Ebenso nndl. buigen, ne. bow, nschw. böja, nisl. beygja. S. auch Þvorbeugen. – Pfaff (1933), 19; EWahd 2 (1998), 263.

Beule Sf std. (9. Jh., bulislac 8. Jh.), mhd. biule, ahd.

bu¯˘l(l)a, bu¯illa, as. bu¯la. Aus wg. *bu¯ljo¯(n) f. ’Beule’, auch in ae. by¯l(e), afr. be¯l, beil. Daneben eine Reihe von lautlich und semantisch ähnlichen Bildungen. Zu der zugrunde liegenden Lautgebärde s. ÞBausch. – Niederhellmann (1983), 218–221; EWNl 1 (2003), 395f.; EWahd 2 (1998), 427, 429–431.

Beunde Sf (ursprünglich ’umzäunte Hauswiese’.

Kommt heute vor allem mundartlich und in zahlreichen Flurnamen vor) per. arch. (8. Jh.), mhd. biunt(e), biunde, ahd. biunta. Die Entsprechung mndd. bivank weist darauf hin, dass die Ausgangsbedeutung wohl ’Umzäuntes’ war (zu Þbei und Þwenden im Sinne von ’flechten, Palisadenzäune anbringen’). Vgl. ÞBitze. – Bader 3 (1973), 105–112, 98–104; Bauer, R. BON 16 (1979), 23–33; Tiefenbach, H. in Beck/Denecke/Jankuhn (1980), 294–298; LM 2 (1983), 8; Törnqvist, N. NJ 76 (1953), 25–37 (anders); EWahd 1 (1988), 451–453 (zu ahd. bameth); EWahd 2 (1998), 135–138.

Ebenso nndl. buit, ne. booty, nfrz. butin, nschw. byte, nnorw. bytte; ÞFreibeuter. – RGA 2 (1976), 323–331; EWNl 1 (2003), 397.

Beute2 Sf ’Backbrett’, ’Waldbienenstock’ arch. per.

wmd. (9. Jh.). Trotz der frühen Bezeugung ist weder die Herkunft noch die Geschichte ausreichend klar. Bezeugt ist einerseits ahd. biot m., as. biod ’Tisch, Opfertisch’ aus g. *beuda- m. ’Tisch’, auch in gt. biuþs m., anord. bjo´d Ñ n., ae. be¯od; andererseits ahd. biuta ’Bienenstock’, teig- ’Backtrog’, mhd. biute ’Backtrog, Bienenkorb’. ÞBieten. – Karg-Gasterstädt, E. BGDSL 61 (1937), 245f. (zu but- ’Holzklotz’), weiteres in den Mundartwörterbüchern; EWahd 2 (1998), 88–90, 138f.

Beutel Sm std. (8. Jh.), mhd. biutel n./m., ahd. bu¯til, as.

bu¯dil. Führen zurück auf vd. *bu¯dila- m. ’Beutel’. Außerhalb vergleichen sich Wörter mit weit auseinanderfallender Bedeutung, die auf *budd- (eine expressive Lautform) zurückführen: nisl. -budda ’Geldbeutel’ (jung), schwed. (dial.) bodd ’Kopf’, me. budde n., ne. bud ’Knospe’. Da ein Zusammenhang wahrscheinlich ist, dürfte Beutel ursprünglich ’das in einem Tuch Zusammengebundene (etwa: Geld)’ gewesen sein, die expressiven Wörter haben dann eine Bedeutung wie ’Knopf’, bezeichnen also etwas dickes Rundes. Sie gehören wohl zu der unter ÞBausch beschriebenen Lautgebärde. Beutel ist auch ein Mehlsieb (ein auf diese Weise zusammengebundenes Tuch ist die einfachste Form eines Siebs) − daher gebeutelt ’durcheinandergeschüttelt’. Ein Beutelschneider ist eigentlich jemand, der Geld stiehlt, indem er den am Gürtel getragenen Beutel aufschlitzt

Beutheie − heute für jemanden gebraucht, der Wucherpreise verlangt. Ebenso nisl. budda ’Geldbeutel’; ÞWindbeutel. – LM 2 (1983), 10; Röhrich 1 (1991), 189f.; EWNl 1 (2003), 395f.; EWahd 2 (1998), 478f.

Beutheie (auch Pochheie) Sf ’Böttcherschlegel’ per.

fach. (18. Jh.). Zu mhd. hei(e), ahd. heia ’Schlegel, Holzhammer’, zu mndl. heien, wfr. heien ’schlagen, rammen’, das vielleicht mit l. caedere ’hauen, schlagen’ zusammengehört. Das Vorderglied vermutlich zu einer Gefäßbezeichnung, die mit ÞBeute 2 zusammenhängt. Poch- gehört ersichtlich zu Þpochen; doch dürfte dies kein Grund sein, Beut- an g. *baut-a’schlagen’ (ÞAmboss, ÞBeitel) mit niederdeutscher Lautform anzuschließen. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þdezidiert; ÞHeide 1, ÞHeister. – Braun, F. FS Cordes (1976), 42–55; EWNl 2 (2005), 404.

bevor Konj std. (8. Jh.), mhd. bevor, ahd. bifora, as. bi-

foran. Sind wie ae. beforan Adverbien mit der Bedeutung ’davor’ (örtlich), ’vorher, zuvor’ (zeitlich) aus be- (Þbe-, Þbei) und Þvor. In Sätzen, bei denen bevor Adverb ist, das durch ¯e ’ehe’ wiederaufgenommen wird, entwickelt sich in frühneuhochdeutscher Zeit seine Funktion als Konjunktion. EWahd 2 (1998), 28.

bewähren Vsw std. (12. Jh.), mhd. bew¢ren. Ist eine Prä-

fixableitung von Þwahr und bedeutet demnach zunächst ’als wahr erweisen’. Heute meist im reflexiven Gebrauch mit der Bedeutung ’sich als brauchbar erweisen’. Kein Zusammenhang mit Þwähren und Þgewähren. EWNl 1 (2003), 297.

bewältigen Vsw std. (14. Jh.). Präfixableitung zu mhd.

waltec, weltec ’gewaltig’ zu walten. Die Bedeutung ist zunächst ’in seine Gewalt bringen, eine Sache beherrschen’, dann ’mit etwas fertig werden’. bewandert AdjPP std. (16. Jh.). Zu einer Präfigierung

von Þwandern. Einerseits in der zu erwartenden passiven Bedeutung bezeugt (ein viel bewanderter Weg), andererseits, und heute fast ausschließlich, im Sinne des Perfekts oder Zustandspassivs (er ist in etwas bewandert). Letzteres wohl nach dem Vorbild von Þerfahren. Bewandtnis Sf Þbewenden. bewegen1 Vst ’jmd. zu etwas veranlassen’ std. alt.

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’bedrücken, schwer sein’, im Zentrum der Bedeutung steht ersichtlich das Wiegen mit der Waage. Die Präfigierung variiert lediglich diese Ausgangsbedeutung, und die Überlieferung zeigt deshalb ein gewisses Schwanken in der Bedeutung, zumal starkes und schwaches Verb beim Simplex nicht mehr auseinandergehalten werden. In der Neuzeit wird diese auf ’veranlassen zu’ (das eigentlich zu den Bedeutungen des schwachen Verbs gehört) eingeschränkt, weil alle anderen Bedeutungen auf andere Verben festgelegt werden (z.B. auf erwägen). Das Verb bleibt damit bestehen, wird aber in seinem Anwendungsbereich zurückgedrängt. Ebenso nndl. bewegen Vst. Þbewegen 2. – Seebold (1970), 542–544; Stieglbauer-Schwarz (2001), Kap. 13; EWNl 4 (2009), 606.

bewegen2 Vsw ’die Lage verändern, jemanden rüh-

ren’ std. (8. Jh.), mhd. bewegen. Das präfigierte schwache Verb bewegen hat von Anfang an die Bedeutung ’die Lage verändern’ wie das einfache schwache Verb; daneben auch ’innerlich bewegen’, ’veranlassen zu’ und ’sich entschließen’ (refl.). Es ist daher eher eine Präfigierung des Simplex vom schwachen Verb als eine Ableitung des präfigierten starken Verbs. Von Anfang an verschwimmt der Gegensatz zum Simplex. Spätestens seit dem 16. Jh. übernimmt bewegen die Funktion des einfachen wegen Vsw. Abstraktum: Bewegung; Adjektiv: beweglich. S. Þbewegen 1, ÞLeuwagen, Þunentwegt und die unter Þwiegen 2 genannte Sippe. – HWPh 1 (1970), 863–882; LM 2 (1983), 24–28; Heller (1970), 144–162; Stieglbauer-Schwarz (2001), Kap. 13; EWNl 1 (2003), 297.

beweisen Vst std. (13. Jh., Form 15. Jh.), mhd. bewı¯sen

Vsw., mndd. bewisen Vsw. Die starken Formen beginnen im 15. Jh. und setzen sich dann durch. Evtl. hat dabei ein älteres -wı¯zan ’anrechnen’ mitgeholfen (auch in der Bedeutung?). Das Wort bedeutet mit persönlichem Objekt ursprünglich ’anweisen, zurechtweisen, belehren’ zu Þweisen; später mit Akkusativ der Sache ’nachweisen, zeigen’, in der Rechtssprache − ausgehend vom Vorzeigen von Beweismitteln − ’zwingend nachweisen’. Von dort aus gelangt es in die Wissenschaftssprache. Als Substantiv hierzu gilt zunächst mhd. bewı¯sunge; seit dem 16. Jh. wird es ersetzt durch Beweis, eine Rückbildung aus dem schwachen Verb. Ebenso nndl. bewijzen, bewijs. – HWPh 1 (1970), 882–888; RGA 2 (1976), 483–487; LM 2 (1983), 28–31; EWNl 1 (2003), 297.

(8. Jh.), mhd. bewegen, ahd. biwegan. Präfigierung zu ahd. wegan, g. *weg-a- ’wiegen, bewegen’, das unter bewenden Vsw erw. obs. (9. Jh.), mhd. bewenden, ahd. biwenten. Präfigierung zu wenden. Das Wort bedeutet Þwiegen 1 behandelt ist und zu dem auch Þwägen geursprünglich ’hinwenden’, auch ’anwenden, verwenhört; bewegen hat heute ein schwaches Präsens, denn den’. Hierzu die heute idiomatisierte Wendung es die alte Vokalqualität setzt Umlaut-a fort (wägen setzt dabei bewenden lassen (d.h. ’auf sich beruhen lassen’); den e-Vokalismus [1. Sg. und Pl.] des Präsens unter ähnlich mit substantiviertem Infinitiv sein Bewenden Einfluss des Substantivs ÞWaage fort, wiegen den ihaben ’auf sich beruhen bleiben’ und als Ableitung Vokalismus [2./3. Sg.]). Die Bedeutung des Simplex aus dem alten Partizip bewandt (ähnlich wie verwandt ist im Ahd. ’wiegen, wägen’, auch ’erwägen’ und

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Bibliographie

im Sinn von ’angeboren, zugehörig’ gebraucht) die ÞBewandtnis ’Beschaffenheit’.

klassischen Bildungen, auch hybrider Art (schon alt etwa ÞBigamie).

bewerkstelligen Vsw std. (17. Jh.), mhd. ze werke stellen

ÞDiplom. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞDuo, zur grie-

chischen di- und zur germanischen Þzwie- und Þzwei. – Wort’zur Ausführung bringen’. Über ein Adjektiv werkbildung 3 (1978), 249; Cottez (1980), 51; DF 3 (21997), 274–280. stellig (in Fügungen wie werkstellig machen) wird das Präfixverb abgeleitet (selten auch ein Simplex werk- Biathlon Sn ’Kombination aus Skilanglauf und Scheibenschießen’ per. fach. (20. Jh.). Moderne Bildung stelligen). parallel zu früherem Pentathlon ’Fünfkampf’, das auf EWNl 1 (2003), 297. ein altgriechisches Wort gleicher Bedeutung (gr. pe´nbewusst AdjPP std. (15. Jh.), fnhd. bewissen, mndd. betathlon) zurückgeht. weten. Das Verb mit der Bedeutung ’wissen, sich zuEbenso nndl. biathlon, ne. biathlon, nfrz. biathlon; Þbi-, rechtfinden’ ist spärlich bezeugt, ebenso sein Partizip ÞAthlet. bewist. Dieses entwickelt sich (wie bei gewusst zu bibbern Vsw ’zittern’ std. stil. (18. Jh.). Zu einer LautÞwissen) im Mitteldeutschen zu bewusst und setzt gebärde für ’zittern’, zu der auch Þbeben gehört. sich in dieser Form durch Luthers Einfluss durch. Das Þpuppern. – EWNl 1 (2003), 302f. Partizip wird später in der reflexiven Formel sich einer Sache bewusst sein im Sinne von ’wissen, sich klar Bibel Sf ’die Heilige Schrift’ std. (13. Jh.), mhd. biblie, darüber sein’ gebraucht und spielt dann zusammen bibel. Entlehnt aus kirchen-l. biblia ’die Heiligen Bümit der Ableitung Bewusstsein in der philosophischen cher’, dieses aus dem Plural von gr. biblı´on n. ’Buch’, und psychologischen Fachsprache (Selbstbewusstzu gr. by´blos, bı´blos ’Papyrusbast’, aus By´blos sein) eine bedeutende Rolle. Adjektive: unbewusst, ( verallgemeinert zu ’sperren’. Abstraktum: Blockade. bl- ist für das Lateinische nicht strikt beweisbar, aber Ebenso nndl. blokkeren, ne. block, nschw. blockera, nnorw. durch die gesicherte Entwicklung mr- > br- und blokkere; ÞBlock, ÞBlockstelle. – DF 3 (21997), 362–374; Jones durch die Entwicklung in den Nachbarsprachen (be(1976), 152f.; Brunt (1983), 160; LM 2 (1983), 280–281; EWNl 1 sonders im Keltischen) ziemlich wahrscheinlich. (4) (2003), 331. Die Entwicklung von -e/i- zu -o- in bestimmten LautBlockstelle Sf ’Stellwerk’ per. fach. (20. Jh.). Die Blockumgebungen ist nur für die Entwicklung vor -l- ausstelle dient zum blockieren eines Geleises, ist also aus reichend gesichert, für die Entwicklung nach -l- gibt Þblockieren rückgebildet. es zwar Beispiele; aber es besteht die Tendenz, sie jeweils als Einzelfall zu erklären. (5) Auf eine Entwickblöde Adj std. (9. Jh.), mhd. blœde ’gebrechlich, zaglung von -tn- zu -nd- gibt es zwar Hinweise (z.B. l. haft’, ahd. blo¯di, as. blo¯d(Ñ i). Aus g. *blauþa, blauþjafundus < -d hn-), aber keine zwingende Parallele. Un(vermutlich ursprünglich u-Stamm) Adj. ’schwach, bequem für eine solche Deutung sind lautlich und zaghaft’, auch in anord. blaudrÑ , ae. ble¯aþ; gt. vielleicht semantisch ähnliche Wörter (z.B. l. fla¯vus ’blond’). in blauþjan ’abschaffen’. Außergermanisch ist am Täterbezeichnung (Femininum): Blondine; Verb: ähnlichsten gr. phlau˜ros ’schlecht, geringfügig, ärmlich’ (ig./vor-gr. *b hlau-ro-); weitere Herkunft unklar. blondieren. Ebenso nndl. blond, ne. blond(e), nschw. blond, nnorw. blond. – Im 17. Jh. wird dazu gebildet blödsinnig ’geistig behinDF 3 (21997), 374–380; Tilander, G. FS Meier (München 1971), dert’, worauf blöde ebenfalls in dieses Bedeutungsfeld 545–547; Brunt (1983), 160; Woll, D.: Neue Beiträge zur rohineingezogen wird. Blödsinn m. ist eine Rückbildung manischen Etymologie 10 (1975), 342–367; DEO (1982), 127; des 18. Jhs. zu blödsinnig. Verb: blödeln; PräfixableiSpeyer, J. S. TNTL 27 (1908), 1–9; van der Meulen, R. TNTL tungen: Þentblöden, verblöden. 45 (1926), 60–69; Daan, J. de nieuwe taalgids 71 (1978), 484–489; EWNl 1 (2003), 331.

Blut

135 bloß Adj std. (12. Jh.), mhd. blo¯z, mndd. blo¯t, mndl.

bloot. Aus g. *blauta- Adj. ’bloß’ (u.a.), auch in anord. blautr ’zart, schwach, nass’, ae. ble¯at ’armselig’. Lautlich würde entsprechen ein gr. phlyda´o¯ ’ich triefe’ mit gr. phlydaro´s ’weich, matschig’. Das würde die altnordische Nebenbedeutung erklären, aber kaum zu ’entblößt’ führen. Unter Umständen sind hier zwei verschiedene Wörter zusammengeflossen; vgl. das bedeutungsähnliche Þblöde und nhd. (reg.) blutt ’bloß, unbekleidet’, die lautlich nicht ohne weiteres zu bloß passen. Die Zusammenhänge bedürfen noch der genaueren Aufklärung. Die Wendung sich eine Blöße geben ’eine schwache Stelle zeigen’ ist ein Ausdruck der Fechtersprache. Präfixableitung: entblößen; Zusammenrückung: bloßstellen.

se’ und ist wohl nicht zugehörig); partizipähnliche Ableitung ’das Blühende’ aus g. *blo¯-a- ’blühen’ (s. Þblühen). Parallele Ableitungen sind ae. blo¯stm(a) m. (ne. blossom) und ae. bl¢ ¯ d f. S. auch ÞBlüte und ÞBlust. − Die Blume des Weins ist dessen Duft (und Geschmack) − wie der einer Blume (vgl. frz. bouquet m.), Lehnbedeutung zu l. flo¯s ’Blume’ und ’Duft des Weins’. − Die Blume im Bierglas ist der hochstehende Schaum (der wie eine Blume aufblüht), möglicherweise nach dem Vorbild von l. flo¯s (-o¯ris) m. ’Schaum des Weins’. Durch die Blume oder Þverblümt wird etwas nur andeutungsweise gesagt; ursprünglich wohl durch Rede blumen, d.h. in zierlicher, geschmückter Ausdrucksweise. Gegenteil: Þunverblümt. Adjektive: blumig, geblümt.

Ebenso nndl. bloot, nschw. blöt, nisl. blautur ’nass’. – Lühr (1988), 267f.; Röhrich 1 (1991), 221; Heidermanns (1993), 130f.; EWNl 1 (2003), 332; EWahd 2 (1998), 199–201.

Ebenso nndl. bloem, ne. bloom (entlehnt aus dem Altnordischen), nschw. blom(ma), nisl. blo´m. – Röhrich 1 (1991), 222f.; EWNl 1 (2003), 329; EWahd 2 (1998), 208f.

blubbern Vsw ’Blasen aufsteigen lassen’ std. stil.

(20. Jh.). Lautmalerisch. EWNl 1 (2003), 333 (blubber).

Blue Jeans Spl Þblau, ÞJeans. Bluff [bluf, blœf] Sm ’Täuschung’ erw. fremd. (20. Jh.).

Blumenkohl Sm std. (16. Jh.). Lehnübersetzung mit

Umkehrung der Glieder zu it. cavolfiore (zu it. cavolo ’Kohl’ und it. fiore ’Blume’). Daneben auch Entlehnung des italienischen Worts, die sich heute noch in österr. ÞKarfiol hält. EWNl 1 (2003), 330.

Entlehnt aus ne. bluff, dessen Herkunft nicht zweifelsfrei geklärt ist. Ausgangspunkt für die Entlehnung blümerant Adj ’flau, unwohl’ erw. obs. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. bleumourant ’mattblau’, eigentlich ist wohl das Kartenspiel Poker, bei dem der Bluff zur ’sterbendes Blau’. Die heute noch übliche VerwenSpielpraxis gehört. Dann Verallgemeinerung der Bedung mir wird ganz blümerant zumute ist eine umdeutung. Verb: bluffen. schreibende Abwandlung von mir wird blau (statt Ebenso nndl. bluf, nfrz. bluff, nschw. bluff, nnorw. bløff; dessen heute: schwarz) vor den Augen. Þverblüffen. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 71; DF 3 (21997), 381–383; EWNl 1 (2003), 333.

blühen Vsw std. (8. Jh.), mhd. blüejen, ahd. bluoen, as.

Röhrich 1 (1991), 223.

Blunze (auch Blunzen) Sf ’dicke Blutwurst’ per. obd.

blo¯ian. Aus wg. *blo¯-(j)a- Vst. ’blühen’, auch in ae. (16. Jh.). Zu mhd. blunsen ’aufblähen, aufblasen’. blo¯wan Vst. (die auf Langvokal auslautenden ’Verba Wohl lautmalerisch vom Geräusch, das schwerfällige pura’ sind im Deutschen allgemein von der starken in Körper beim Fallen machen. die schwache Flexion übergegangen). Dieses aus ig. Vgl. Þpflatsch, Þplumpsen u.ä. (weur.) *b hlo¯- ’blühen’, auch in l. flo¯s (-o¯ris) ’Blume, Bluse Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. blouse, dessen Blüte’ und mir. bla´th ’Blüte’; falls das Wort ÞBlatt Herkunft nicht sicher geklärt ist. zugehörig ist, ergeben sich weitere VergleichsmögEbenso nndl. blouse, ne. blouse, nschw. blus, nisl. blu´ssa. Viellichkeiten. Wenn von einer Bedeutung ’sprossen, herleicht kommt das frz. Wort mit dialektaler Form des Suffixes vorbrechen’ auszugehen ist, kann die Wortsippe an aus früh-rom. *bullosa ’kugelförmig’ als spöttische Bezeichnung bäuerlicher Kleidung (oder zu bulla = pulla ’Trauergedie unter Þblähen besprochene Lautgebärde für wand’, eigentlich ’das Dunkle’?). – DF 3 (21997), 385–387; Lo’blasen, schwellen, platzen’ angeschlossen werden. kotsch (1975), 132; DEO (1982), 127f.; EWNl 1 (2003), 332. Präfigierungen mit Þer-, Þver-; Partikelverb mit auf-. Ebenso nndl. bloeien, ne. blow; ÞBlatt, ÞBlume, ÞBlüte, ÞBlust. Blust Sm ’Blüte’ per. arch. wobd. (13. Jh.), mhd. bluost. – Seebold (1970), 122; Koivulehto, J. BGDSL-T 103 (1981), Besondere Ableitung zu g. *blo¯-a- ’blühen’; ähnlich 258f.; EWNl 1 (2003), 329; EWahd 2 (1998), 206–208. ae. blo¯stm(a). Es handelt sich hier wohl um germanische st-Bildungen, es ist aber nicht ausgeschlossen, Blümchenkaffee Sm ’sehr dünner Bohnenkaffee’ (bedass letztlich ein näherer Zusammenhang zu der ssonders in Sachsen gesagt) per. omd. (18. Jh.). AngebErweiterung in l. flo¯s (-o¯ris) vorliegt. lich, weil man bei ihm das Blumenmuster auf dem ÞBlume, Þblühen, ÞBlüte. Grund der Tasse sehen konnte. Röhrich 1 (1991), 222.

Blume Sf std. (8. Jh.), mhd. bluome m./f., ahd. bluoma

f., bluomo m., as. blo¯mo m. Aus g. *blo¯mo¯n m. ’Blume, Blüte’, auch in gt. blo¯ma, anord. blo´m n., blo´mi m., afr. bla¯m (ae. blo¯ma bedeutet ’Metallmas-

Blut Sn std. (8. Jh.), mhd. bluot, ahd. bluot, as. blo¯d. Aus

g. *blo¯da- n. ’Blut’ (mit grammatischem Wechsel, der im Gotischen zurückgenommen ist), auch in gt. bloþ, anord. blo´d,Ñ ae. blo¯d, afr. blo¯d. Ein nur germanisches Wort, das die alten indogermanischen Wörter für

Blüte

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’Blut’ (vertreten durch l. aser und l. cruor m.) ersetzt Boa Sf ’Schlange, Halspelz’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt hat. Vermutlich ein Beiwort (oder Hüllwort?) zu dieaus l. boa, das zunächst ’Wasserschlange’ bedeutet und dann auf die südamerikanischen Riesenschlansen, wohl zu *b hel- ’schwellen’ − ’platzen’ − ’fließen’ gen übertragen wird. Das Wort ist unklarer Herkunft. (l. fluere ’fließen’ usw.) als das, was den Körper straff Die Bedeutung ’Halspelz, Federboa’ ist im 19. Jh. aus hält und bei Verwundungen hervorquillt. Einzelheiten bleiben aber unklar. Nhd. blut- wird als Verstärdem Französischen entlehnt, wo sie im Rahmen einer kungselement gebraucht (blutjung, blutarm). (Gleimodischen Bezeichnung aus dem Schlangenwort ches) Blut steht sinnbildlich für enge Verwandtschaft übertragen wurde. oder sonstige Zusammengehörigkeit. Verb: bluten; Ebenso nndl. boa, ne. boa, nfrz. boa, nschw. boa, boa-orm, nnorw. boa, nisl. boaslanga. – DF 1 (1913), 89f.; EWNl 1 (2003), Adjektiv: blutig; übertragen für ’rot’ (Blutbuche), 334. ’Mord’ (Blutrache), direkte Verwandtschaft (blutsverwandt). Bob Sm (ein Sportschlitten) per. fach. (19. Jh.). Entlehnt Ebenso nndl. bloed, ne. blood, nschw. blod, nisl. blo´d.Ñ S. auch aus ne. bob(sled) oder bob(sleigh), das ursprünglich ÞGeblüt. – Kroes, H. W. J. GRM 36 (1955), 347; Silfwerim amerikanischen Englischen zwei aneinandergebrand (1958), 81–115; RGA 3 (1978), 77–80; Hamp, E. P. FLH 1 hängte Schlitten bezeichnete, mit denen Baumstäm(1980), 389–392; Grazi, V. AGI 67 (1982), 1–37; Guerrieri, me transportiert wurden; ein bob war ursprünglich A. M.: Sangue e Antropologia biblica nella patristica. Hrsg. F. einer der beiden Schlitten, zunächst wohl nur der Vattioni, Roma 2 (1982), 907–934; Del Zotto, C.: Sangue e hintere, der damit entweder vom Verb aus als der Antropologia nella letteratura cristiana. Hrsg. F. Vattioni, Roma 3 (1983), 1375–1420; LM 2 (1983), 288–289; Röhrich 1 ’hochschnellende’ (ne. to bob ’sich ruckartig bewe(1991), 223–225; EWNl 1 (2003), 329; EWahd 2 (1998), 211 f . gen’) oder vom Substantiv aus (bob u.a. ’Pendel’ und ähnliche angehängte Teile) als der ’angehängte’ beBlüte Sf std. (9. Jh., Form 12. Jh.), mhd. bluot, ahd. zeichnet wurde. Das Hinterglied ist ein niederländibluot. Aus wg. *blo¯-di- f. ’Blüte’, auch in ae. bl¢¯ d. Ein sches Wort, wobei sled über das Englische aus mndl. ti-Abstraktum zu g. *blo¯-a- ’blühen’, also eigentlich slede (vgl. ÞSchlitten) entlehnt wurde; sleigh beruht ’das Blühen’. Die neuhochdeutsche Lautform (mit auf der niederländischen Nebenform slee, die über -e) ist bereits in mittelhochdeutscher Zeit aus dem die niederländische Kolonie in Nordamerika dort gePlural Blüten rückgebildet in Anlehnung an ÞPflanze bräuchlich wurde. Zu dem aus diesem Langholzu.ä. (und vielleicht um der Homonymie mit ÞBlut zu schlitten entwickelten Sportgerät wurde zunächst entgehen). bob-sled gesagt, später allgemein zu bob gekürzt. Þblühen, ÞBlume, ÞBlust. – Röhrich 1 (1991), 225f.; EWahd 2 (1998), 210f.

Blutegel Sm ÞEgel. blutrünstig Adj std. (13. Jh.), mhd. bluotrunstec (u.ä.).

Ebenso nndl. bobslee, nfrz. bob(sleigh), nschw. bobb, nnorw. bobsleigh. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 73; Gillmeister, H. in Triet, M. (Hrsg.): 100 Jahre Bobsport (Basel 1990), 16–26; EWNl 1 (2003), 335.

Abgeleitet aus mhd. bluotrunst, ahd. bluotruns(t). Die Boccia Sn (ein Spiel mit faustgroßen Kugeln) per. exot. Formen des zweiten Bestandteils fallen weit ausein(20. Jh.). Entlehnt aus it. boccia f. (eigentlich ’runder ander, und auch die Bedeutungen sind − obwohl es Körper, Kugel’), dessen weitere Herkunft nicht sicher sich um einen Rechtsterminus handelt − widergeklärt ist. sprüchlich: sowohl ’Wunde mit fließendem Blut’, wie Ebenso nndl. boccia, ne. boccie, nschw. boccia, nnorw. boccia. auch ’Wunde, bei der kein Blut fließt’; das Adjektiv bedeutet zunächst ’eine solche Wunde habend’, wird Bock Sm std. (9. Jh.), mhd. boc, ahd. boc, as. boc, buc, mndd. buk, bok, mndl. buk, bok. Aus g. *bukka- m. dann aber seit dem 16. Jh. (bei lautlichen Varianten ’Bock’, auch in anord. bukkr, bokkr, ae. bucca schon früher) zu ’blutig’ und dann zu ’blutgierig’ (n-Stamm, neben bucc ’Rehbock’). Den gleichen umgedeutet. In der Standardsprache erscheint diese Lautstand (expressive Gemination) zeigen die keltiletzte Bedeutung erst im 20. Jh. Da weder die ältere schen Wörter air. boc(c), kymr. bwc(h); eine EntlehForm noch die ältere Bedeutung präzisiert werden nung ist deshalb nicht ausgeschlossen (wenn auch können, ist die übliche Herleitung unsicher: Zu Blut aus sachlichen Gründen nicht wahrscheinlich). Ohne und einer alten Ableitung von g. *renn-a- ’rinnen’: Geminate, aber mit Vokallänge, entspricht avest. ahd. runs, runsa, runst ’Strömung, Wasserlauf’. bu¯za- und mit abweichender Bedeutung arm. bowc Denkbar ist auch ein Anschluss an älteres ÞRunse ’Lamm’. Weitere Herkunft unklar. Brøndal zieht it. ’Riss, Kerbe’ als ’Wunde, die lediglich ein Riss ist, aus becco ’Bock’ heran und vermutet Entlehnung aus dem (wenig) Blut fließt’; schwere Wunden werden in dem Etruskischen; sowie Entlehnung des avestischen den Rechtstexten anders benannt. Wortes und anderer Wörter aus einer diesem vorausÞRunse, Þrinnen. – Niederhellmann (1983), 229–233. liegenden (kaukasischen) Sprachform. − Übertragen Bö Sf ’Windstoß’ erw. fach. (17. Jh.). Übernommen aus ist Bock ein vierbeiniges Gestell, danach auch der Kutnndl. bui. Gehört wohl zu der unter ÞBausch dargescherbock (16. Jh.). − Einen Bock schießen für älteres stellten Lautgebärde für ’blasen’. einen Fehler schießen und damit auch Bock für EWNl 1 (2003), 395.

Bodmerei

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’Fehler’: In den Schützengilden des 16. Jhs. wurde ein einerseits spezialisiert zu ’Blasebalg, Geldbeutel usw.’, Fehlschuss Bock genannt, wie noch heute beim Keandererseits übertragen auf ’Blase, Hodensack, Hülse usw.’ geln ein Fehlwurf ein ÞPudel. − Den Bock zum Gärtner machen ist eine Variante von scherzhaften WarJung, H.: 3000 Jahre Bocksbeutel (Würzburg 1970); Hommel, H.: Symbolia II (Hildesheim 1988), 362–366. nungen vor Handlungen, die man nicht tun sollte (wie die Katze nach Bratwürsten schicken, den Wolf Bocksbeutel2 Sm ’die hergebrachten Gewohnheiüber die Schafe setzen usw.), dann Verallgemeinerung ten’ per. arch. (18. Jh.). Noch in der Goethezeit ist dies im Gebrauch. − In der Jugendsprache ist Bock, ausdie übliche Bedeutung des Wortes Bocksbeutel, norgehend von Redewendungen wie geil wie ein Bock, zu malerweise ist es negativ gemeint. Bezeugt ist das einem Ausdruck für ’Lust, Appetit’ geworden. Wort auch für einen Bestandteil der Sonntagstracht Ebenso nndl. bok, ne. buck, nschw. bock; ÞBückling 2, der Frauen, offenbar ein am Gürtel getragener Beutel, Þverbocken. – Brøndal 1917, 179f. = 1948, 187–189; Janze´n, A. in dem sich besonders das Gesangbuch befand. Das Göteborgs Högskolas A˚rsskrift 43 (1937); DEO (1982), 137f.; LM Wort wird deshalb erklärt als ’Beutel für das Buch’ (in 2 (1983), 303–304; Röhrich 1 (1991), 226–228; EWNl 1 (2003), niederdeutscher Form, also boks-beutel). Dies wurde 346; EWahd 2 (1998), 216–218. dann offenbar als Symbol für nicht mehr gewolltes Bockbier Sn (gekürzt Bock m./n., auch Doppelbock Herkommen aufgefasst. m./n. usw.) ’ein Starkbier’ erw. fach. (16. Jh., Form Bockshorn (in der Redensart ’jemanden ins Bockshorn 19. Jh.). Früher Oambock oder Ambock (in Münjagen’) Sn std. phras. (16. Jh.). Bezeugt seit S. Brant chen). Gemeint war ursprünglich das Einbecker Bier, und M. Luther in verschiedenen Wendungen. Herdas berühmte Exportbier der niedersächsischen Stadt kunft unklar, da eine Erklärung aus regionalen VerEinbeck. Bock beruht auf der Kürzung einer regionahältnissen die weite Verbreitung glaubhaft machen len Variante dieses Namens. müsste. Übersicht über die Vorschläge bei Röhrich. Mehlber, L. JGGB (1980/81), 111–117; Plümer, E. HG 99 (1981), 10–32; EWNl 1 (2003), 346.

bocken Vsw ’sich sperren’ std. stil. (19. Jh.). Zu ÞBock

als ’steifbeinig dastehen und sich sperren wie ein Bock’. Adjektiv: bockig. EWahd 2 (1998), 320.

Bocksbeutel1 Sm ’besonders geformte Flaschen für

Hartnacke, W. NPhM 13 (1942), 227f.; Heinermann, Th. BGDSL 67 (1944), 248–269; Greciano, G. Proverbium 7 (1984), 63–79; Röhrich 1 (1991), 228–232; EWahd 2 (1998), 219f.

Bockwurst Sf (eine Brühwurst) erw. fach. (19. Jh.). Eine

Wurst, die zum ÞBockbier gegessen wurde, also Klammerform aus *Bockbier-Wurst.

Frankenwein’ per. fach. (19. Jh.). Die Flaschen in ab- Boden Sm std. (9. Jh.), mhd. bodem, boden, ahd. bodam, geplatteter Kugelform sind regional in Italien, in as. bodoÑ m. Aus vd. *buþma- m. ’Boden’, während die Baden und in Franken üblich. Da in Franken der beaußerdeutschen Sprachen auf g. *butma- zurückgeliebte Steinwein in ihnen abgefüllt wurde, der vor Fälhen (anord. botn, ae. botm). Auszugehen ist offenbar schungen geschützt werden sollte, wurden dort die von einem ig. *b hud h-men- in ai. budhna´- m. ’Boden, Flaschen versiegelt und dieses Qualitätsmerkmal Grund, Wurzel’ (mit Erleichterung von -mno-), gr. übertrug sich auf die Flaschenform. Der Name bepythme¯´n m. ’Boden eines Gefäßes, des Meeres, Wurruht auf einem scherzhaften Vergleich der Flaschenzel’; ferner, wohl mit Umsprung des -n-, l. fundus m. form mit dem Hodensack des Bocks. Etymologisch ’Boden’, mir. bonn m. ’Sohle, Grundlage’. Die Vervon Bedeutung ist die These, dass mit dieser Bezeichschiedenheit des dentalen Auslauts kann auf vernung ursprünglich tatsächlich Bockshoden gemeint schiedene Assimilation an den Nasal zurückgehen. waren, die als Flüssigkeitsbehälter gebraucht wurden. Herkunft der Wurzel und damit die weitere ErkläBegründet wurde diese These durch den Gräcisten H. rung unklar. Die Bedeutung ’Stockwerk’ und dann Hommel, der gr. ary´ballos ’Beutel, der zusammenbesonders ’Dachstock’ ist speziell deutsch. − Der Bogeschnürt werden kann; kugelförmige Gießkanne densee hat seinen Namen seit der Karolingerzeit von mit schmalem Hals’ ebenfalls als ’Schafbocks-Beuder kaiserlichen Pfalz Bodman. Zu dieser s. RGA 3 tel’ erklärte (zu gr. arneio´s ’Schafbock, Widder’ und (1978), 125–129; vgl. A. Borst in Der Bodensee. Hrsg. gr. balla´ntion ’Geldbeutel’ – dieses weiter zu gr. phalH. Maurer (Sigmaringen 1982), 495–529. Adjektiv: lo´s, was aber nur geht, wenn das Wort aus einer inbodenlos; Kompositum: bodenständig. dogermanischen Nachbarsprache, etwa Thrakisch Ebenso nndl. bodem, ne. bottom, nschw. botten, nisl. botn. Zur oder Illyrisch, entlehnt wurde). Aber schon die Anlateinischen Verwandtschaft s. ÞFundament; ÞBodmerei, nahme einer Entlehnung entwertet die ArgumentaÞbuddeln. – Schlemmer (1971), 143–149; Lühr (1988), 340f.; tion mit dem Griechischen, die im übrigen nicht in Hamp, E. FS Bailey (1990), 447–450; Röhrich 1 (1991), 232–234; Kroonen, G. ABäG 62 (2006), 17–25; Kortland, F. ABäG 63 allen Punkten einwandfrei ist. Ein semantisch besser (2007), 5–8; EWNl 1 (2003), 337; EWahd 2 (1998), 222–225. durchschaubares Wort wie l. follis zeigt die wahrscheinlichere Bedeutungsstruktur von balla´ntion: Bodmerei Sf ’Schiffsbeleihung’ per. fach. (16. Jh.). Aus Auszugehen ist von ’Schlauch, Behältnis aus Leder’, mndd. (ver)bod(d)emen ’den Boden eines Schiffs,

Bofist

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Schiff und Ladung, beleihen’ und dem zugehörigen mndd. bodemrije. Ebenso nndl. bodemerij; ÞBoden. – LM 2 (1983), 307.

Bofist (Bovist) Sm ’eine Pilzart’ erw. fach. (15. Jh.), fnhd.

scheinlich. Vielleicht einfach Lautmalerei für schwere Gegenstände. Vielleicht aber auch zu mhd. bolen, ahd. bolen ’rollen, wälzen’ (ÞBöller), dessen Herkunft aber auch nicht klarer ist.

ÞBollwerk. – RGA 3 (1978), 174–183. vohenvist ’Füchsinnenfurz’. Zu mhd. vohe ’Füchsin’ (ÞFähe) und mhd. vist ’Furz’ (ÞFist). Der Anlaut Bohne Sf std. (8. Jh.), mhd. bo¯ne, ahd. bo¯na, as. bo¯na. wird gegen den Anlaut des zweiten Gliedes mittelAus g. *bauno¯ f. ’Bohne’, auch in anord. baun, ae. deutsch und niederdeutsch dissimiliert; die entstebe¯an, afr. ba¯ne. Gemeint sind zunächst die Saubohne hende Form wird teils sekundär motiviert (zu und die Bohnenkerne, die Gartenbohne (’grüne BohPfauen-, Buben-Fist), teils für ein Fremdwort angesene’) ist erst später aus Amerika eingeführt worden. hen. Dem Hinterglied entspricht mit gleicher BedeuAußergermanisch vergleicht sich l. faba, russ. bob m. tung genau gr. pe´zis ’Bofist’. Allgemeiner ist die Beund apreuß. babo, die auf (ig.) *b hab ha¯ führen, sowie zeichnung ’Wolfsfurz’ in gr. lyko´perdon (so auch die (aus *b ha-ko/a¯) alb. ba´the¨ ’Saubohne’ und gr. phako´s botanische Bezeichnung dieses Pilzes), nndl. wolfsm. ’Linse’. Mit diesen lässt sich der germanische Diveest, nfrz. vesse-de-loupe u.a. Die Benennung bezieht phthong nur unter der Annahme einer Dissimiliesich auf die bei Berührung des alten Pilzes ausstäurung **babno¯ zu *bauno¯ vereinigen; sie ist nicht ausbenden Sporen. geschlossen, aber ohne Parallele. Zu bedenken ist außerdem die Möglichkeit, dass es sich um Forssman, B. MSS 29 (1971), 47–70; EWNl 1 (2003), 366. Entlehnungen aus einer nicht-indogermanischen Bogen Sm std. (8. Jh.), mhd. boge, ahd. bogo, as. -bogo. Sprache handelt, da die Bohne nirgends eine WildAus g. *bug-o¯n m. ’Bogen’, auch in anord. bogi, ae. afr. frucht ist. boga; eine Instrumentalbildung zu g. *beug-aEbenso nndl. boon, ne. bean, nschw. böna, nisl. baun. – ’biegen’ (Þbiegen). Außergermanisch vergleichbar ist Bertsch (1947), 156–165; RGA 3 (1978), 183–189; Röhrich 1 mir. fidbocc ’Holzbogen’ (mit expressiver Geminati(1991), 235–237; Kuiper, F. B. J. NOWELE 25 (1995), 79f.; on oder assimiliertem Auslaut). − Ein Bogen Papier EWNl 1 (2003), 354; EWahd 2 (1998), 237f. sind ursprünglich die aus einem Stück zusammenBohnenlied Sn (es geht übers Bohnenlied ’es ist unergefalteten (’zusammengebogenen’) Blätter. hört’) per. phras. (15. Jh.). Das damit gemeinte Lied ist Ebenso nndl. boog, ne. bow, nschw. ba˚ge, nisl. bogi. S. noch bekannt − es schildert Verkehrtheiten und AlbernÞBausch zu der Redensart in Bausch und Bogen. – RGA 3 (1978), heiten und hat den Kehrreim Nu gang mir aus den 157–165, 171f.; Wortmann, F. NW 15 (1975), 85–97; LM 2 (1983), 317–324; Röhrich 1 (1991), 234; Relleke (1980), 73–75, 177 (zur Bohnen ’Lass mich jetzt in Ruhe’. Auf Lieder mit BohBedeutung ’Geigenbogen’ [seit dem Mittelhochdeutschen]); nen wird aber auch schon im 13. Jh. angespielt. EWNl 1 (2003), 353; EWahd 2 (1998), 227.

Bohei Sn ÞBuhei. Bohe`me Sf ’ungezwungenes Künstlermilieu’ per. fach.

Böhme, F. M.: Altdeutsches Liederbuch (Leipzig 1877), 435 (Text); Vgl. außerdem Kopp, A. ZVS 27 (1917), 35–49, 167f.; Röhrich 1 (1991), 237f.

(19. Jh.). Entlehnt aus gleichbedeutend frz. bohe`me, bohnern (bohnen) Vsw ’den Boden wachsen’ erw. ndd. (18. Jh.). Zu mndd. bonen ’blank reiben’, das mit dieses aus ml. bohemus ’böhmisch, Böhme’. Als Hermndl. (uut)boenen auf wg. *bo¯n-o¯- Vsw. ’blank reikunftsbezeichnung (’die Leute aus Böhmen’) hat es ben, glänzen’, auch in ae. bo¯nian, führt. Außergerbereits im Mittellateinischen auch die Bedeutung manisch vergleicht sich air. ba´n ’weiß, glänzend’; ein ’Zigeuner’. In bewusster ’Entbürgerlichung’ des weiterer Anschluss ist an eine Wurzelform *b ha¯Künstlerlebens kommt es dann zu der Assoziation ’leuchten, glänzen’ (ai. bha¯´ti ’leuchtet, scheint’) mögvon Künstlerleben und Zigeuner- und Vagabundenlich. Kompositum: Bohnerwachs. leben, die die heute geläufige Bedeutung entstehen EWNl 1 (2003), 342. lässt. Zentrum für diese Vorstellung ist das Pariser Quartier Latin; für die Verbreitung in Deutschland Böhnhase Sm ÞBönhase. war Puccinis Oper La Bohe`me von Bedeutung. bohren Vsw std. (10. Jh., duruhboron 8. Jh.), mhd. born, Ebenso nndl. bohe`me, ne. Bohemian, nschw. bohemliv, nnorw. ahd. boro¯n, as. boron. Aus g. *bur-o¯- Vsw. ’bohren’, bohem. – DF 3 (21997), 391–393; Kreuzer, H. DVLG (Sonderauch in anord. bora, ae. bo¯rian; außergermanisch verheft) 38 (1964), 170–207; Jones (1976), 153f.; HWPh 1 (1970), gleicht sich am genauesten l. fora¯re ’bohren’ (wohl 952f.; Röhrich 1 (1991), 234f.; EWNl 1 (2003), 345f. von einer Vollstufe), darüber hinaus weit verbreitet Bohle Sf std. (15. Jh.), mhd. bole, mndd. bol(l)e Wörter auf einer Grundlage (ig.) *b her- zur Bezeich’Planke’, mndl. bol ’Baumstamm’. Aus vd. *bulo¯n f. nung von Arbeiten mit scharfen Werkzeugen. Die ’Bohle, Baumstamm’; vergleichbar ist anord. bolr, besondere Stammbildung in den germanischen und bulr m. (a-Stamm) ’Baumstamm’. An sich könnte lateinischen Wörtern ist entweder intensiv-deverbal hier die unerweiterte Grundlage des Wortes für oder denominativ (am ehesten zu einem Wort für ÞBalken vorliegen, doch ist eine solche Annahme bei ’Loch’). Nomen Instrumenti: Bohrer. so spät und schlecht bezeugten Wörtern nicht wahr-

Bombast

139 Ebenso nndl. boren, ne. bore, nschw. borra, nisl. bora; Þverbohrt. – RGA 3 (1978), 189–205; EWNl 1 (2003), 357; EWahd 2 (1998), 246f.

Boiler Sm ’Gerät zur Bereitung von heißem Was-

ser’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. boiler, einem Nomen Instrumenti zu ne. boil ’kochen, erhitzen’, aus afrz. bolir, aus l. bullı¯re (eigentlich ’Blasen werfen’), einer Ableitung von l. bulla f. ’Wasserblase (usw.)’, zunächst in der Bedeutung ’Dampfkessel’, dann auch als Bezeichnung für kleinere und einfachere Geräte. Ebenso nndl. boiler; ÞBulle 2. – Carstensen 1 (1993), 146f.; EWNl 1 (2003), 346.

Boje Sf (ein verankerter Schwimmkörper als Markie-

rung) per. fach. (16. Jh., Standard 18. Jh.). Übernommen von mndl. boye, dessen Herkunft umstritten ist. Ebenso nndl. boei, ne. buoy, nfrz. boue´e, nschw. boj, nnorw. bøye. – Mode´er, I. NB 31 (1943), 131–149; EWNl 1 (2003), 339.

-bold Suffix erw. alt. (–). Zunächst Namenelement in

bollern Vsw Þbullern. Bollwerk Sn std. alt. (14. Jh.), fnhd. bolwerk, mndd. bol-

werk, mndl. bolwerc ’Schutzbau (Werk) aus Bohlen’. Heute nur noch als technischer Terminus und übertragen (als ’Schutzwall gegen’) verwendet. Aus dem Niederländischen auch ins Französische entlehnt als boulevard m., das alsbald seine Bedeutung wandelt zu ’breite Ringstraße’ (die sich auf, bzw. vor den Bollwerken ausbilden konnte). In der Bedeutung ’breite Straße’ dann ins Deutsche zurückentlehnt. Ebenso nndl. bolwerc; ÞBohle. – Stammler (1954), 194–198; Jones (1976), 157f.; EWNl 1 (2003), 348f.

Bolschewik Sm ’radikaler (russischer) Sozialist’ erw.

fach. (20. Jh.). Die russische sozialistische Partei spaltete sich 1903 in den Mehrheitsflügel der Bolschewiken (zu russ. bol’sche ’größer, mehr’) und den Minderheitsflügel der Menschewiken. Die Bolschewiken setzen sich in der Folgezeit durch und bestimmen dann (offiziell nicht mehr unter diesem Namen) die Politik der Sowjetunion. Dadurch wird Bolschewismus neben ÞKommunismus für mehrere Jahrzehnte zum Feindbild der westlichen Politik. Adjektiv: bolschewistisch.

Namen auf -bald (vgl. etwa Sigibald ’Sebaldus’) und gleichzusetzen mit dem Adj. Þbald ’kühn’. Schon früh (mittelhochdeutsch) dient dieses Namenglied auch zur Schaffung von charakterisierenden AppelEbenso nndl. bolsjewiek, ne. Bolshevik, nfrz. bolchevik, nschw. lativen. Zunächst etwa Hetzbold als Name eines Jagdbolsjevik, nisl. bolse´vı´ki. – Grossmann/Grünberg (1971), hundes, dann allgemein ’Jagdhund’. Dann schon 36–87; DF 3 (21997), 394–401; EWNl 1 (2003), 348. mittelhochdeutsch Trunkenbold und Wankelbold. Vielleicht war das Hinterglied zur Zeit der ersten Bil- bolzen Vsw ’kraftvoll, aber planlos, Fußball spielen; dungen noch durchsichtig, vgl. Maul-Held, nschw. raufen’ std. stil. (20. Jh.). Zu ÞBolzen. Das Schießen dryckes-kämpe ’Trunkenbold’ (zu ÞKämpe) u.a. Die mit Bolzen und auch in der Technik das Einpressen Vertretung durch -o- ist regional. von Bolzen ist ein wuchtiger und schneller Vorgang − davon ist wohl das Bild genommen. Möglicherweise Wortbildung 2 (1975), 349f. parallel zu Þholzen, das ursprünglich beim Hockey Bolero Sm (ein rhythmischer spanischer Tanz) per. gesagt wurde, aufgekommen. exot. (19. Jh.). Entlehnt aus gleichbedeutend span. bolero, dessen weitere Herkunft unsicher ist. Ebenso nndl. bolero, ne. bolero, nfrz. bole´ro, nschw. bolero, nnorw. bolero. – EWNl 1 (2003), 347.

bölken Vsw ’brüllen (vor allem von Rindern)’ per. ndd.

wmd. (16. Jh.). Das Wort gehört zu einer Reihe von niederdeutschen Schallwörtern, wie mndd. belken, bolken, mndl. belken, nndl. balken (vom Esel), md. bülken, nndl. bulken ’brüllen, muhen, blöken’. Lautnachahmende Bildungen von der Grundlage von Þbellen mit germanischem k-Suffix. Hauschild, O. ZDW 12 (1910), 34; EWNl 1 (2003), 209.

Bolle (Bölle schwz.) Sf ’Zwiebel’ per. städt. (11. Jh.). Ent-

lehnt und gekürzt aus it. cipolla (ÞZwiebel) in Anlehnung an älteres ahd. bolla ’runder Körper’, z.B. auch ’Knospe’. Ebenso nndl. bol; ÞBall 1. – EWahd 2 (1998), 228, 230f.

Böller Sm ’kleiner Mörser, Knallkörper’ erw. fach.

(16. Jh.), spmhd. pöler. Zunächst ’Schleudermaschine’, dann ’kleines Geschütz (zum Salutschießen)’, zu mhd. boln ’drehen, schleudern’, ahd. bolo¯n ’drehen, rollen, wälzen’, dessen weitere Herkunft unklar ist. ÞBohle.

Bolzen Sm std. (10. Jh.), mhd. bolz(e), ahd. bolz(o),

mndd. bolte(n), mndl. bolte, boute. Führen auf einen n-Stamm; ahd. mhd. bolz, ae. bolt wie anord. boltr auf einen a-Stamm. Beide Formen sind entlehnt aus früh-rom. *(cada-)bultjo ’Bolzen, Pfeil’ aus l. catapulta f. ’Wurfmaschine, Wurfgeschoss’ aus gr. katape´lte¯s ’Schleudermaschine’. Ebenso nndl. bout, ne. bolt, nschw. bult, nisl. bolti; Þbolzen, ÞKatapult. – Brüch, J. ZDA 73 (1936), 75–86; Lloyd, A. L. AJGLL 1 (1989), 53–66; Röhrich 1 (1991), 239f.; EWNl 1 (2003), 364; EWahd 2 (1998), 234–236.

Bombast Sm ’Schwulst, Redeschwall’ erw. fremd.

(18. Jh.). Entlehnt aus ne. bombast, das zunächst ’Baumwolle’ bedeutet, dann ’ein Kleidungsstück, das mit Baumwolle ausgestopft ist’, und schließlich eine Redeweise, die mit unnötigem Schwulst ’ausgestopft’ ist. Das englische Wort ist eine Variante (mit sekundär angetretenem t) von älterem ne. bombace, dieses aus afrz. bombasin ’Baumwolle; baumwollene Wattierung’, aus ml. bombax (-acis) ’Baumwolle’, aus älterem l. bomby¯x (-y¯cis) m./f. (’Kokon der Seidenraupe, Seidenraupe, Seide’), aus gr. bo´mbyx; dieses ist wohl orientalischer Herkunft. Adjektiv: bombastisch.

Bombe

140 Ebenso nndl. bombast, nschw. bombasm, nnorw. bombast. – DF 3 (21997), 407–410; Ganz (1957), 42f.; EWNl 1 (2003), 349f.

Bombe Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. bombe, dieses

’festverzinsliche Schuldverschreibung’ wurde das Wort international und damit auch deutsch. EWNl 1 (2003), 351.

aus it. bomba, aus l. bombus m. ’dumpfes Geräusch’, bongen Vsw erw. fach. (20. Jh.). Das Verb bongen aus gr. bo´mbos m., für das man lautnachahmenden ’einen Bon ausstellen’ entsteht in dieser Lautform Ursprung annimmt. Bombardement und aufgrund der Aussprache mit auslautendem velarem bombardieren gehen auf frz. bombarde ’schweres BeNasal. Heute vielfach übertragen verwendet (gebongt lagerungsgeschütz’, eigentlich ’(Stein-)Schleuder’in Ordnung, erledigt’), wohl ausgehend von der Weimaschine’ zurück, eine Ableitung von frz. bombe. Als tergabe der Bestellung an die Küche mit einem Bon erstes Element dient bomben- mehrfach zur Verstärim Restaurant. kung, wobei die verschiedenen Bildungen möglicherBönhase Sm per. nordd. (15. Jh.). Alte niederdeutsche weise unterschiedlich zu beurteilen sind. Für die älScherzbezeichnung für die Katze (’Bühnenhase’ zu teste Wendung, bombenfest (18. Jh.), ist eine falsche Bühne ’Dachraum’, entsprechend anderenorts Umsetzung aus ndd. boomfast, also eigentlich ’fest ÞDachhase), die im 15. Jh. (wohl wiederum scherzwie ein Baum’ nicht ausgeschlossen, und haft) auf unzünftige Handwerker, vor allem Schneibombensicher (mit Ton auf beiden Kompositionsglieder, übertragen wird (weil sie heimlich in abgelegedern) ist möglicherweise im Anschluss daran gebilnen Räumen arbeiten). det; bombensicher (mit Ton auf dem Erstglied) ’so siWalther, C. ZDW 8 (1906/07), 191–199; LM 2 (1983), 411–412; cher, dass es durch keine Bombe zerstört werden Röhrich 1 (1991), 239; Schroeder, K. Stader Archiv 5 (1915), kann’ ist wohl erst später. Ein Bombenerfolg ist wohl 67–69 (anders). ’ein Erfolg, der einschlägt wie eine Bombe’. Vielleicht im Anschluss daran bombig ’großartig’. Täterbezeich- Bonmot Sn ’treffende, geistreiche Bemerkung’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. bon mot ’witzige Bemernung: Bomber; Verb (meist präfigiert): zer-, kung’, eigentlich ’gutes Wort’. verbomben. Ebenso nndl. bon-mot, ne. (bon) mot, nnorw. bonmot. – DF 3 Ebenso nndl. bom, ne. bomb, nschw. bomb, nisl. bomba. – DF 3 (21997), 426f.; Schirmer (1911), 35; Brunt (1983), 162f.; (21997), 401–407, 410–417; Niekerken, W. KVNS 50 (1937) SH, EWNl 1 (2003), 352. 28; Jones (1976), 154f.; Brunt (1983), 161f.; LM 2 (1983), Bonus Sm ’Gutschrift’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus 389–390; Röhrich 1 (1991), 240; EWNl 1 (2003), 349.

Bommel Smf ’Troddel, Quaste’ std. reg. (20. Jh.). Zu

Þbummeln in der Bedeutung ’(wie ein Glockenschwengel) hin- und herschwanken’. Vgl. Þbaumeln. S. bommeln in dieser Bedeutung bei Adelung.

Bon Sm ’Gutschein’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz.

bon, einer Substantivierung von frz. bon ’gut’, dieses aus l. bonus. Gemeint ist zunächst eine Zahlungsanweisung, die vom Schuldner ’gutgeheißen’ wird. Dann Bedeutungsausweitung, heute etwa für ’Kassenzettel’. Ebenso nndl. bon, nschw. bong, nnorw. bong; ÞBonbon, Þbongen, ÞBonmot, ÞBonus. – DF 3 (21997), 417–421; BlW 3 (1988), 147–165 (zum Grundwort); EWNl 1 (2003), 350.

Bonbon Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus gleichbedeutend

frz. bonbon m., einer kindersprachlichen Form (substantivierte Reduplikationsform) des französischen Adjektivs bon ’gut’, dieses aus l. bonus ’gut’. Kollektivum: Bonbonniere. Ebenso nndl. bonbon, ne. bonbon, nnorw. bonbon; ÞBon. – DF 3 (21997), 423–425; EWNl 1 (2003), 350f.

Bond (meist Plural) Sm ’festverzinsliches, auf den In-

haber lautendes Wertpapier’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus e. bond, einer regionalen, besonders schottischen, Variante von e. band, der Entsprechung von d. ÞBand 2. Diese Variante bekam Bedeutungen wie ’Verbindung, Verpflichtung’, auch rechtlicher Art (’Haftung, Bürgschaft’). In der modernen Bedeutung

gleichbedeutendem e. bonus; dieses aus l. bonus ’gut’ (s. ÞBon). Die Entlehnung eines Substantivs aus l. bonus ’gut’ hätte allerdings im Neutrum stehen oder um den Wortausgang gekürzt werden müssen, das Wort muss also (auch wegen seines barbarischen Plurals bonuses) eine besondere Herkunft haben. Normalerweise wird Börsenslang und schlechte Lateinkenntnisse vermutet, doch ist wahrscheinlicher, dass der Wortgebrauch eine Übernahme aus dem Vermerk bonus ist (also etwa ’zugute kommen ...’ und eine Summe). Gemeint ist ursprünglich eine zusätzliche Zahlung (Sondervergütung, Prämie); dann auch etwa ’(Schadenfreiheits-) Rabatt’ und Ähnliches (Gegensatzbildung: Malus), auch Punktevorgaben und andere Vorteile (etwa beim Sport). In Verruf geraten ist das Wort durch überzogene Zusatzleistungen zu Managergehältern bei Banken. Ebenso nndl. bonus, nschw. bonus, nnorw. bonus, nisl. bo´nus. – Schirmer (1911), 36; EWNl 1 (2003), 535.

Bonze Sm ’buddhistischer Priester, abwertende Be-

zeichnung eines (finanziell) bessergestellten Funktionärs’ erw. grupp. (16. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Entlehnt aus frz. bonze, dieses aus port. bonzo ’buddhistischer Priester’, aus jap. bo¯zu n. ’Priester’. Es bezeichnet zunächst als Exotismus den buddhistischen Priester in China und Japan, dann wird es auf bigotte Geistliche beliebigen Bekenntnisses übertragen. In der Arbeiterbewegung wird es zum Spottwort für verständnislose, auf den eigenen Vorteil bedachte,

Börde

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hochstehende Funktionäre (der Grund für die Übertragung liegt in der ideologischen Unbeweglichkeit), auch allgemein für Hochgestellte und Reiche (z.B. Parteibonze). Variante: Bonzier. Ebenso nndl. bonze, ne. bonze. – Lokotsch (1975), 27; DF 3 (21997), 428–431; EWNl 1 (2003), 352.

Boom Sm ’Aufschwung’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt

aus ne. boom, dieses wohl zu ne. boom ’sich plötzlich − unter beträchtlicher Geräuschentwicklung − sehr heftig fortbewegen’, das wohl lautnachahmenden Ursprungs ist. Ebenso nndl. boom, nfrz. boom, nschw. boom, nnorw. boom. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 77; Carstensen 1 (1993), 149–151; DF 3 (21997), 431–433.

Boot Sn std. (15. Jh.). Ein Boot ist vor allem das Beiboot

passte Form aufgegeben. Auch die Bedeutung hat ein wechselvolles Schicksal: Das Wort berührt sich mit ml. botrax (u.ä.) ’Krötenstein’. Dieses geht auf gr. ba´trachos, bo´trachos ’Frosch’ (semantisch eigentlich auf gr. batrachı´te¯s ’Krötenstein’) zurück. Da das grüne Kupfermineral Malachit wie Borax als Goldlötmittel verwendet werden konnte, ergab sich im 16. Jh. auch ein borax ’Malachit’ (und chrysocolla, der Name des Malachits, wurde auch auf Borax angewandt). Im Verlauf des 17. Jhs. wurde dann Borax auf die Bedeutung ’Dinatriumtetraborat’ festgelegt. Ebenso nndl. borax, ne. borax, nfrz. borax, nschw. borax, nisl. bo´rax. – Goltz (1972), 248–250; Lüschen (1979), 192; Cottez (1980), 54; Tazi (1998), 120f.; Grab-Kempf, E. SW 32 (2007), 207–216; EWahd 2 (1998), 243f.

1 zu einem größeren Schiff. Das Wort ist aus der nie- Bord Sn ’Wandbrett’ erw. ndd. (16. Jh.), as. bord m., mndd. bort, mndl. bord. Niederdeutsches Wort, das g. derdeutschen Seemannssprache übernommen, *burdan. ’Brett’ entspricht, auch in gt. fotu-baurd mndd. bo¯t, mndl. boot, diese aus me. bo¯t, ae. ba¯t m./f. ’Fußbank’, anord. bord,Ñ ae. bord, afr. bord; auch ahd. Neben diesem anord. ba´tr m., mit dem es (wegen der bort, mhd. bort, die aber keine Fortsetzer haben. DieLautentsprechungen) nicht urverwandt sein kann. Es ses Wort steht im Ablaut zu ÞBrett. fragt sich deshalb, ob das Altenglische aus dem AltEbenso nndl. bord, ne. board, nschw. bord, nisl. bord;Ñ ÞBord 2, nordischen entlehnt hat oder umgekehrt (das Wort ÞBordell. – Niedballa (2001); EWNl 1 (2003), 356. ist weder in den ältesten nordischen, noch in den ältesten englischen Texten belegt). Wegen der kultur- Bord2 Sm ’oberster Rand des Schiffes’, meist übertragen (an Bord usw.) erw. fach. (13. Jh.), as. bord n. Niederund sprachgeschichtlichen Verhältnisse ist wohl andeutsch/niederländischer Ausdruck der Seemannszunehmen, dass das nordische Wort den Ausgangssprache, der auch in Gegenden, in denen er lautlich punkt bildet. Ein seltenes und poetisches anord. beit abgewandelt erscheinen sollte, diese Lautform behält. ’Schiff’ (das mit dem altenglischen Wort urverwandt Bezeugt in anord. bord Ñ n., ae. bord, afr. bord, ahd. bort sein könnte und damit für dies als Ursprung sprechen n. Die Etymologie ist nicht eindeutig, da mehrere könnte) fällt demgegenüber nicht ins Gewicht, weil es Herleitungsmöglichkeiten bestehen; unter Umstänohne weiteres eine postverbale Bildung zu anord. den haben die verschiedenen Quellen zusammengebeita ’kreuzen’ sein kann. Mndl. beitel ’kleines Boot’ wirkt: 1. Da der Bord ursprünglich aus aufgesetzten kann auf Umsetzung aus *ba¯tel (das zu frz. bateau Brettern bestand, kann Herkunftsgleichheit mit wird) beruhen. Herkunft unklar. Die PartikelableiÞBord 1 ’Brett’ angenommen werden. Wahrscheinlitung ausbooten bedeutet zunächst ’mit dem Boot an cher ist aber 2.: Für das Wort bord besteht weithin die Land bringen’, heute nur noch übertragen ’jemanallgemeinere Bedeutung ’Rand, Kante, Einfassung’ den (aus einer Funktion) ausschalten’. u.ä., die (da es sich um den Rand des Schiffes handelt) Wolf-Rottkay, W. H. Anglia 71 (1952/53), 140–147; Wüst, W. Anglia 73 (1955), 262–275; Rogby, O. It Beaken 25 (1963), ebenfalls zugrunde liegen kann. In diesem Fall liegt 302–305; RGA 3 (1978), 233–291; LM 2 (1983), 443; Röhrich 1 aber ein anderes Wort vor, das seinerseits lautlich (1991), 240–242; EWNl 1 (2003), 355f. nicht völlig klar ist: Es handelt sich um Bildungen zu *bar/bur- und *br-; da ahd. brort, ae. brord bezeugt Bor Sn (chemisches Element) erw. fach. (19. Jh.). Das ist, kann ahd. bort usw. durch Dissimilation aus brort Element Bor wurde 1808 als Radikal der Boraxsäure entstanden sein − ein einfaches *bor-d- ist aber nicht entdeckt und mit einer Kürzung (Kopfwort) aus ausgeschlossen. ÞBorax benannt. Die Borsalbe wird aus Vaseline und Zur Bedeutung ’Rand’ vgl. noch ÞBord 3 und ÞBorte. – RöhBorsäure hergestellt.

Öhmann, E. NPhM 57 (1956), 107f.; Lüschen (1979), 192; EWNl 1 (2003), 354f.

rich 1 (1991), 242; Niedballa (2001); EWNl 1 (2003), 355; EWahd 2 (1998), 249–252.

3 Borax Sm ’borsaures Natrium’ per. fach. (15. Jh.), fnhd. Bord Sn ’Uferböschung, begrenzender Abhang’ per.

borros, buras. Entlehnt als borros u.ä. aus ml. borax f./n. Dieses geht über iberoromanische Zwischenstufen auf arab. bu¯raq, bauraq, und dieses auf pers. bu¯räh zurück; zusätzliche unmittelbare Entlehnungen aus dem Arabischen führen zu beträchtlicher Formenvielfalt. Später wird erneut auf die mittellateinische Form borax zurückgegriffen und die ange-

arch. (9. Jh.), mhd. bort, ahd. bort ’Rand’. Zu ÞBord 2. Hierzu auch Bordstein. ÞBorte, Þbordieren. – EWNl 1 (2003), 355.

Börde Sf ’fruchtbare Niederung, besonders in der

norddeutschen Tiefebene’ per. fach. (14. Jh.). Aus mndd. borde ’ein der Stadt(kirche) zins- oder steuerpflichtiges Landgebiet’, dann ’Gerichtsbezirk,

Bordell

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Landschaft’, heute vor allem in Landschaftsbezeichnungen wie Magdeburger Börde, zu ndd. bören ’(Steuern) erheben’. Althochdeutsch entspricht giburida f. ’was einem zukommt’. Vgl. Þgebühren. – DRW II (1932–35), 408; Schröder, E. NJ 65/66 (1939/40), 33f.

Bordell Sn ’Haus für gewerbsmäßige Prostitution’ erw.

fremd. (14. Jh.). Entlehnt aus mndl. bordeel, dieses aus frz. bordel m. und it. bordello m., die in der eigentlichen Bedeutung ’kleine (Bretter-)Hütte’ vermutlich auf ein germanisches Wort zurückgehen (ÞBord 1). Es handelt sich demnach um eine euphemistische Diminutivbildung. Ebenso ne. brothel, nfrz. bordel, nschw. bordell, nnorw. bordell. – Jones, W. J. SN 51 (1979), 249; Zimmermann, M. GL 1979, 52f.; DF 3 (21997), 433f.; Niedballa (2001), 187–190; EWNl 1 (2003), 356.

bordieren Vsw ’einfassen, besetzen’ per. arch. (16. Jh.).

Entlehnt aus frz. border gleicher Bedeutung, zu frz. bord ’Rand, Besatz’, das seinerseits aus einem westfränkischen Wort stammt, das zu ÞBord 3 oder zu ÞBorte gehört. Hierzu als Konkretum Bordüre. Ebenso nndl. boorden, ne. border. – DF 3 (21997), 434–436; Jones (1976), 156f.; Niedballa (2001), 369; EWNl 1 (2003), 356f.

borgen Vsw std. (9. Jh.), mhd. borgen, ahd. borge¯n,

mndd. borgen, mndl. borgen. Aus wg. *burg-e¯- Vsw., auch in ae. borgian. Als älteste Bedeutungen stehen fest ’schonen’ und ’etwas erlassen’, dann erst ’borgen, leihen’ und ’Bürge sein’. Der Bedeutungsübergang ist unklar. S. ÞBürge, mit dem das Wort ersichtlich zusammenhängt. Das Abstraktum Borg (heute nur noch in auf Borg) ist bereits alt (10. Jh.). Röhrich 1 (1991), 242f.; EWNl 1 (2003), 357; EWahd 2 (1998), 245 f.

Borke Sf ’Rinde’ erw. ndd. (17. Jh.), mndd. borke, mndl.

Ebenso nndl. geborneerd, ne. borne´, nschw. bornerad, nnorw. bornert; Þabonnieren. – DF 3 (21997), 436f.; EWNl 2 (2005), 186f.

Borretsch Sm ’Borago officinalis, Gurkenkraut’ per.

fach. (13. Jh.), spmhd. boretsch. Der Borretsch wurde im Mittelalter von den Arabern auf der iberischen Halbinsel eingeführt und von dort aus verbreitet. Der heutige Name geht auf eine arabische Bezeichnung zurück, die für die eng verwandte ’italienische Ochsenzunge’ bezeugt ist (die Pflanze Ochsenzunge wird in deutschen Mundarten auch Baurenboretsch oder wilder Buratsch genannt). Die arabische Bezeugung ist für das Maghrebinische (Nordwest-Afrika) (a)bu¯ huraisˇ (zu den Varianten s. Grab-Kempf) zu einer ˙Wurzel, die Bedeutungen wie ’rau’ und ’kratzen’ aufweist, so dass die Pflanze nach ihren rauhaarigen Blättern bezeichnet ist (auch im Deutschen wird die Gattung als Raublattgewächse bezeichnet. Der Name wurde (für den echten Borretsch) über das Katalanische und Französische ins Deutsche entlehnt. Im Französischen ist das Wort ein Femininum, im Deutschen ein Maskulinum. Ebenso ne. borage, nfrz. bourrache. – Latham (1972), 63; LM 2 (1983), 466–467; Tazi (1998), 95f.; Grab-Kempf, E. SW 31 (2006), 207–220.

Börse1 Sf ’Geldbeutel’ std. reg. (18. Jh.). Entlehnt aus

nndl. beurs, das seinerseits auf ml. bursa ’Geldbeutel’ zurückgeht. Ebenso ne. purse, nfrz. bourse, nschw. börs; ÞBörse 2, ÞBursch, ÞBursche. – DF 3 (21997), 441; Jones (1976), 158; Röhrich 1 (1991), 243; EWNl 1 (2003), 291f.; EWahd 2 (1998), 469f.

Börse2 Sf ’Handelsplatz’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt

aus nndl. beurs, das das ’Börsengebäude’ in Antwerpen bezeichnet. Dieser Name wird zurückgeführt auf das Brügger Kaufleutegeschlecht van de burse (weil sie als Kaufleute drei Börsen = Geldbeutel, im Wappen führten). Lateinische Belege in Frankreich und Brabant zeigen aber, dass einschlägige Gebrauchsweisen des Wortes schon erheblich älter sind. So wird ml. bursa ’Geldbeutel’ früh zu einem Ausdruck für ’gängige Währung’ und für ’Geldwechsel’; dann für ’Ort, an dem der Geldwechsel stattfindet’ und dann weiter verallgemeinert. Täterbezeichnung: Börsianer.

bark. Übernommen aus dem Niederdeutschen. Verwandt ist anord. bo¸rkr m. ’Rinde’, so dass wohl g. *barku- m. erschlossen werden kann − im Niederdeutsch/Niederländischen ist das Wort zum Femininum umgeformt worden. Wenn die Bedeutung ursprünglich ’Rinde’ war, dann ist es auf Grund seiner Verbreitung wohl ein älteres Wort, das sich im NieEbenso ne. purse, nfrz. Bourse, nschw. börs, nnorw. børs; derdeutsch/Niederländischen als Relikt erhalten hat. ÞBörse 1. – DF 3 (21997), 437–440; DEO (1982), 145f.; LM 2 Sonstige Herkunft unklar. Der Borkenkäfer ist ein ver(1983), 467; Röhrich 1 (1991), 243; EWNl 1 (2003), 292. breiteter Schädling, der diesen Namen auch in GeBorste Sf std. (11. Jh.), mhd. borste neben borst m./n., bieten trägt, in denen ÞRinde gesagt wird. ahd. borst, burst m./n., borsta, bursta, as. bursta. Aus Petersson, H. IF 23 (1908/09), 403; EWNl 1 (2003), 225. vd. *burst- m./f./n. ’Borste’. Daneben mit noch anBorn Sm ÞBrunnen. deren Stammbildungen ae. byrst f./n., bryst, anord. borniert Adj ’engstirnig’ erw. fremd. (18. Jh.). Mit Sufburst. Zu ig. *b hrs/b hares- ’Spitze, Borste’, das unter fixanpassung entlehnt aus frz. borne´, dem Adj. ÞBart behandelt˙ ist; weiter wohl zu der unter (PPrät.) zu frz. borner ’beschränken’; eigentlich Þbohren behandelten Grundlage. S. außer diesem ’eingegrenzt, beschränkt’, einer Ableitung von frz. noch ÞBarsch und ÞBürste. Ähnliche t-Bildungen wie borne ’Grenzstein’, dessen Herkunft nicht sicher gein g. *burst- auch in l. fa¯stı¯gium n. ’Gipfel’ und ai. klärt ist. b hrst´ı- ’Spitze’. Adjektiv: borstig. ˙˙˙

Botten

143 2

Ebenso ne. bristle, nschw. borst; ÞBord , Þwiderborstig. – Röhrich 1 (1991), 243; EWNl 1 (2003), 359; EWahd 2 (1998), 471f.

Borte Sf erw. fach. (9. Jh.), mhd. borte m., ahd. borto m.

deutungszusammenhänge sind noch nicht genügend erhellt. Bossel ist eigentlich der Flachs- und Wäschebleuel, in hochdeutscher Form allerdings selten bezeugt, hochdeutsch ist für das Verb dagegen die Bedeutung ’kegeln’.

Wg. *burdo¯n f. ’Rand, Borte’, auch in ae. borda m., ist die n-stämmige Nebenform zu dem unter ÞBord 2 und ÞBord 3 behandelten Wort für ’Rand’, das früh Jirlow (1926), 110–113; Röhrich 1 (1991), 244. schon ’Randbesatz, Band’ bedeutet. Vermutlich ist Botanik Sf ’Lehre von den Pflanzen’ erw. fach. (17. Jh.). die systematische Verteilung *burda- ’Rand’ und Entlehnt aus neo-kl. botanica ’Heilkräuterkunde’, *burdo¯n ’Randbesatz’, doch gehen die belegten Fordieses nach gr. botaniko´s ’pflanzlich, die Heilkräuter men durcheinander. betreffend’, einer Ableitung von gr. bota´ne¯ ’Weide, RGA 3 (1978), 322; Niedballa (2001); EWahd 2 (1998), 252. Futter, Kraut’. Täterbezeichnung: Botaniker; Adjektiv: botanisch. Böschung Sf ’künstlich hergestellter, gleichmäßiger Abhang’ erw. fach. (16. Jh.). Ursprünglich ein AusEbenso nndl. botanie, ne. botany, nfrz. botanique, nschw. botanik, nnorw. botanikk. – DF 3 (21997), 443–447; Cottez (1980), druck des Deich- und Festungsbaus. Die vorauszu55; EWNl 1 (2003), 361. setzende Grundlage böschen ’einen Deich- oder Wallabhang mit Reisigbündeln ausfüttern’ ist erst später Bote Sm std. (8. Jh.), mhd. bote, ahd. boto, as. bodo. Aus bezeugt. Das Wort gehört offenbar zu einer regionag. *bud-o¯n m. ’Bote’, auch in anord. bodiÑ , ae. boda, len Form von ÞBusch, wohl nach einem der verwenafr. boda; Nomen Agentis zu g. *beud-a- Vst. ’bieten’ deten Materialien (Reisigbündel). (s. bieten), also ’derjenige, der entbietet oder aufbietet’. Auch Botschaft, ahd. botascaf(t), ae. bodscipe ist Kranemann, N. MS 71 (1961), 328–333; Trier (1981), 84–88; Hiersche, R. BN 18 (1983), 273–275. gemein-westgermanisch und kann deshalb schon alt sein. Das Wort bedeutet seit dem 15. Jh. auch böse Adj std. (9. Jh.), mhd. bœse, bo¯se, ahd. bo¯si. Aus vd. ’Gesandter’ (Verwendung des Abstraktums als *bausja- ’böse, gering, schlecht’. Die lautlich verNomen Agentis); es wurde dann durch frz. ambasgleichbaren Wörter sind semantisch zu verschieden sadeur verdrängt, das dann im 18. Jh., von Wien ausfür eine Rekonstruktion, so dass die Herkunft unklar gehend, durch die jüngere Form Botschafter offiziell bleibt. Modifikation: boshaft; Abstraktum: Bosheit. ersetzt wurde. Präfigierung: Vorbote. Ebenso nndl. boos; Þerbosen. – Heidermanns (1993), 120f.; EWNl 1 (2003), 355; EWahd 2 (1998), 253–255.

Boskett Sn ’Gebüsch’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus

Röhrich 1 (1991), 244–247; EWNl 1 (2003), 336; EWahd 2 (1998), 259.

frz. bosquet m. ’Wäldchen’, dieses aus it. boschetto m., botmäßig Adj ’untergeben’, heute praktisch nur noch unbotmäßig in übertragener Bedeutung (’aufsäseinem Diminutivum zu it. bosco m. ’Wald’, für das sig’) erw. obs. (14. Jh.). Zu spmhd. botm¢zec ’dem gallischer Ursprung angenommen wird. Gebot gemäß’ zu (Ge)bot, Þbieten und Þgemäß. Ebenso nndl. bosje, ne. boscet, bosquet, boscage, nschw. buskage, nnorw. buskas. – DF 3 (21997), 441f.

Boss1 Sm ’Chef’ std. stil. (19. Jh.). Entlehnt aus gleich-

bedeutend ne. boss, dieses aus mndl. baas ’Herr, Meister’. Ebenso nndl. boss, ne. boss, nfrz. boss, nschw. boss (’Bonze’), nnorw. boss; ÞBaas. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 79f.; Röhrich 1 (1991), 243f.; Carstensen 1 (1993), 156–158; DF 3 (21997), 442f.; EWNl 1 (2003), 197.

Boss2 Sm ’Halbstiefel’ ÞBotten. Bosse Sm ’Bund Flachs’ per. arch. (9. Jh.), mhd. bo¯ze,

Böttcher Sm ’Küfer’ erw. ndd. omd. (13. Jh.), spmhd.

botecher, mndd. bodeker, bodiker u.ä. Da ÞBottich ein ursprünglich oberdeutsches Wort ist, Böttcher aber aus dem Niederdeutschen kommt, kann Böttcher nicht unmittelbar aus Bottich abgeleitet sein; es ist vielmehr eine niederdeutsche Form der Täterbezeichnungen auf -ker zu ÞBütte, mndd. bode(ne) (vgl. omd. ÞBüttner). ÞBütte. – A˚sdahl-Holmberg, M.: Studien zu den niederdeutschen Handwerksbezeichnungen des Mittelalters (Lund, Kopenhagen 1950), 163–188; Müller, G. BGDSL-H 83 (1961), 288–293; LM 2 (1983), 490–492; Witte, U. in Schmidt-Wiegand (1985), 123–145.

ahd. bo¯zo (auch -a f.), mndd. bote. Aus vd. *baut-o¯n m. ’Bündel Flachs’, vielleicht zu g. *baut-a- ’schlagen’ (ÞAmboss), vgl. ein Stoß Papier, ein Schlag Essen Botten Spl ’warme, bequeme Reiseschuhe, Hausschuu.ä., oder ’so viel Flachs, wie auf einmal gebossen he’, ’schwere Stiefel’ per. md. wobd. (14. Jh.). Eine wird’? häufigere Nebenform ist spmhd. botschu, nhd. (dial.) Dahlberg, T.: Mittelhochdeutsch Wurpo¯z ’radix’, bo¯ze Botze, Botsche (aus einer Zusammensetzung mit nhd. ’Flachsbündel’, boz ’Stoß’ (Göteborg 1955); EWahd 2 (1998), -schuh). Aus frz. botte f. gleicher Bedeutung (auch ins 269f. Englische entlehnt als boot). Dagegen scheint obd. bosseln Vsw ’an einer kleinen Arbeit eifrig herummaBoss2 ’Halbstiefel’ auf eine andere Grundlage zurückchen, basteln’ per. stil. (15. Jh.). Neben Bossel-Arbeit zugehen (zu Boss ’Stoß’, s. ÞAmboss − solche Stiefel ’Kleinarbeit’. Vielleicht als ’an etwas herumklopfen’ werden ’angestoßen’ = ’angezogen’). letztlich zu bossen ’schlagen’ (ÞAmboss), aber die Be-

Bottich

144 Spenter, A. NJ 97 (1974), 95–97; Dahlberg, T.: Mittelhochdeutsch Wurpo¯z ’radix’, bo¯ze ’Flachsbündel’, boz ’Stoß’ (Göteborg 1955); DEO (1982), 137; A˚sdahl-Holmberg, M. FS Rosenfeld (1989), 469–486.

Bottich Sm std. (9. Jh.), mhd. botige, boting, botech(e)

zeichnung des freien Staatsbürgers; dann immer stärkere Hervorhebung der wirtschaftlichen Situation (dabei dann Abgrenzung von frz. citoyen), schließlich immer mehr ’Mitglied der besitzenden Klasse’. Seit Saint-Simon in Frankreich als Gegenbegriff zu prole´taire ’Proletarier’ gebraucht; daher dann in revolutionären Kreisen die Abwertung des Wortes, die im Deutschen allgemein wird. Abstraktum: Bourgeoisie.

m./f., ahd. botega f . Ist sicher aus dem romanischen Bereich entlehnt, doch macht die Bestimmung der genauen Vorform Schwierigkeiten. In Frage kommt eine Kurzform von l. apothe¯ca f. aus mgr. apothe¯´ke¯ f. Ebenso nndl. bourgeois, ne. bourgeois, nschw. bourgeoisie, nisl. (ÞApotheke), doch ist für dieses Wort die nächststeburgeis. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞBurg. – Arnold, R. F. ZDW 8 (1906/07), 3; DF 3 (21997), 452–462; di Corhende Bedeutung ’Weinkeller’, und spl. but(t)is cia, J. Journal of Modern History 50 (1978), 207–233; Militz, ’Fass’, das aber keine gleichartige tektale Erweiterung H. M. ’Bürger’ im Französischen (Berlin 1979); HWPh 1 (1970), zeigt. Eine Mischung aus beiden Quellen ist nicht 962–966; GB 1 (1972), 713–722; Fetscher, I. in Christianity and ausgeschlossen. Das Wort Bottich ist zunächst nur the Bourgeoisie. Ed. J. B. Metz (New York 1979), 3–14; Re´tat, oberdeutsch. Es hat später sein maskulines Genus P. PSG 9 (1988), 75–105; EWNl 1 (2003), 364. wohl von dem lautähnlichen, aber ursprungsverBouteille Sf ’Flasche’ per. arch. (17. Jh.). Entlehnt aus schiedenen ahd. botah m. ’Körper’ bezogen. frz. bouteille, dieses aus ml. buticula, einem DiminuÞBütte, ÞTheke. – Götze, A. NJKA 41 (1918), 130; Hubschmid tivum zu ml. but(t)is ’Fass’. Die Herkunft des latei(1955), 66–70; Alanne, E. NPhM 56 (1955), 202f.; Müller, G. nischen Grundworts ist umstritten. BGDSL-H 83 (1961), 288–293; RGA 3 (1978), 330–332; EWahd 2 (1998), 257f.

Boudoir Sn ’eleganter, intimer Raum der vornehmen

Ebenso nndl. bottelen ’Flaschen abfüllen’, ne. bottle, nschw. butelj, nnorw. butelje; ÞBütte, ÞBuddel, ÞButler. – DEO (1982), 148.

Damen’ per. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. boudoir Boutique Sf ’kleines (Mode-)Geschäft’ erw. fremd. m., einer Lokativbildung zu frz. bouder ’schmollen, (15. Jh.). Entlehnt aus frz. boutique, dieses über das schlecht gelaunt sein’, das wohl aus dem GalloroLateinische aus mgr. apothe¯´ke¯ ’Speicher, Magazin’ manischen stammt. So bezeichnet als der Raum, in (ÞApotheke). Es bedeutet im 16. Jh. ’Lokal, in dem ein den sich die Dame zurückziehen kann, wenn ihr Beruf ausgeübt wird’, dann spezieller ’Kramladen’. nicht nach Gesellschaft zumute ist (ÞSchmollwinkel ist Diese Bedeutung wird ins Deutsche übernommen; ursprünglich ein Ersatzwort dazu). sie verschlechtert sich dann aber zu ’schlechtes Haus, Ebenso nndl. boudoir, ne. boudoir, nschw. budoar, nnorw. buBude’; (insbesondere:) ’schlechte Gastwirtschaft’. Die doar. – DF 3 (21997), 447–449; EWNl 1 (2003), 363. heutige Bedeutung beruht auf einer jungen abermaBouillon Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. bouillon m., ligen Entlehnung aus dem Französischen. Die älteren einer Ableitung von frz. bouillir ’sieden’, dieses aus l. Bedeutungen sind erhalten in der älteren Form bullı¯re (eigentlich ’Blasen werfen’), zu l. bulla ’Blase Budike. (usw.)’. Das deutsche Wort erscheint als Femininum, wohl im Anschluss an ÞSuppe oder Brühe (Þbrühen). Ebenso nndl. bouillon, ne. bouillon, nschw. buljong, nnorw. buljong; ÞBulle 2. – DF 1 (1913), 94; Brunt (1983), 165; EWNl 1 (2003), 364.

Ebenso nndl. boetiek, ne. boutique, nschw. butik, nnorw. butikk; ÞTheke. – Schlicker, M. SD 18 (1974), 178f.; Jones (1976), 159; DF 3 (21997), 462–464; EWNl 1 (2003), 344.

Bovist Sm ÞBofist.

Boulevard Sm ’breite Straße’ erw. fremd. (16. Jh.). Ent- Bowle Sf (ein alkoholisches Getränk mit Früch-

lehnt aus frz. boulevard m., das seinerseits aus ndl. bolwerk (ÞBollwerk) entlehnt ist. Es handelt sich um die breiten Straßen an der Stelle früherer Festungswälle, besonders in Paris. Ebenso nndl. boulevard, ne. boulevard, nschw. boulevard, nnorw. bulevard. – DF 3 (21997), 449–452; EWNl 1 (2003), 364.

Boulevard-Blatt (entsprechend Boulevard-Presse) Sn

ten) erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. bowl ’Napf, (Punsch-)Schale’. Zunächst entlehnt in der Bedeutung ’Gefäß für Mischgetränke’; ab 1850 metonymisch übertragen auf ein bestimmtes, in solchen Gefäßen serviertes Getränk. Ebenso nndl. bowl, nfrz. bol, nschw. ba˚l, nnorw. bolle. – DF 1 (1913), 94f.; Ganz (1957), 43f.; EWNl 1 (2003), 366.

’Sensationszeitung’ std. stil. (19. Jh.). Bezeichnung für Bowling Sn (amerikanisches Kegelspiel) per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. bowling, einer Ableidie Zeitungen, die sofort nach Erscheinen auf den tung von ne. bowl ’schieben, rollen’, zu ne. bowl großen Straßen der Großstädte verkauft wurden, und ’Kugel’, dieses aus frz. boule f., aus l. bulla f. ’Aufdie in der Regel sehr reißerisch aufgemacht waren. schwellung, Blase’ (usw.). Ebenso nndl. boulevardblad, nfrz. feuille boulevardie`re, nnorw. bulevardblad.

Bourgeois Sm ’wohlhabender Bürger’ per. grupp.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. bourgeois, einer Ableitung von frz. bourg ’befestigte Siedlung’. Zunächst Be-

Ebenso nndl. bowling, nfrz. bowling, nschw. bowling, nnorw. bowling; ÞBulle 2. – Rey-Debove/Gagnon (1988) 83; Carstensen 1 (1993), 159; EWNl 1 (2003), 366.

Brackwasser

145 Box Sf ’Schachtel, kleiner Raum, Abteil im Pferde-

Brachmonat ist das alte Wort für den Juni, ahd.

stall’ erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. box ’Behältnis, Unterstand’, dieses wie nhd. ÞBüchse aus l. puxis ’Behältnis’.

bra¯hma¯no¯d. Aus der Wendung mhd. in bra¯che ligen ’in Brache liegen’ wird nhd. brachliegen, das häufig übertragen gebraucht wird (’ungenutzt bleiben’).

Ebenso nndl. box, nfrz. box, nschw. box, nisl. box. – ReyDebove/Gagnon (1988), 84; Carstensen 1 (1993), 159–161; DF 3 (21997), 464–468; EWNl 1 (2003), 366f.

Ebenso nndl. braak(akker). – Kutzelnigg, A. MS 82 (1972), 173; LM 2 (1983), 536–537; EWNl 1 (2003), 368; EWahd 2 (1998), 273–275.

boxen Vsw std. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. box, dessen

Herkunft nicht geklärt ist. Anfänglich auch in der Form Þbaxen. Ebenso nndl. boksen, nfrz. boxer, nschw. boxa, nisl. boxa; ÞBoxer. – DF 3 (21997), 468–472; Erämetsä, E. NPhM 59 (1958), 36; Rey-Debove/Gagnon (1988), 85f.; Carstensen 1 (1993), 162f.; EWNl 1 (2003), 346.

Boxer Sm (eine Hunderasse) per. fach. (20. Jh.). Boxer

ist zunächst ein Faustkämpfer (zu Þboxen); das Wort wird dann von deutschen Züchtern als Bezeichnung einer Hunderasse gewählt, um Eigenschaften wie Kampfgeist u.ä. zu suggerieren. Boxkalf Sn ’chromgegerbtes, feinnarbiges Kalbsle-

der’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. box calf. Das (Kalbs-)Leder wurde so benannt nach dem Londoner ’bootmaker’ Joseph Box; zudem liegt ein wortspielerischer Bezug des Namens auf die rechteckige (kästchenförmige) Narbung des Leders vor. Ebenso nndl. boxcalf, nfrz. box(calf), nschw. boxkalv, nnorw. bokskalv. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 84f.

Boykott Sm ’Ächtung’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus

brachial Adj ’den Arm betreffend, handgreiflich’ per.

fremd. phras. (19. Jh.). Entlehnt aus l. brachia¯lis ’zum Arm gehörig’, zu l. brac(c)hium ’Arm’, aus gr. brachı´o¯n ’Oberarm, Arm’. Deutsch eigentlich nur in Brachialgewalt und brachiale Gewalt ’rohe Gewalt’. Ebenso nndl. brachiaal, ne. brachial, nfrz. brachial; ÞBratsche, ÞBrezel, ÞPratze. – Cottez (1980), 56; DF 3 (21997), 476–478.

Brachsen Sm (Brachse f., Brasse(n) f. /(m.)) (ein Karp-

fenfisch) per. fach. (12. Jh.), mhd. brahsem m., ahd. brahsa f., brachsmo m., brachsma f., mndd. brassem, daneben as. bresmia f. (aus *brehs- oder *brahsimo). Aus vd. *brahs-mo¯n f. (und andere Stammbildungen) ’Brachsen’; nschw. braxen ist wohl urverwandt, und damit ist das Wort von ursprünglich weiterer Verbreitung. Lautlich lässt sich an ein schlecht bezeugtes Verb für ’glänzen, leuchten’ anknüpfen: mhd. brehen, anord. brja´ (falls gt. bra§a augins ’Augenblick’ dazugehört, aus g. *brehw-), da der Brachsen ja ein Weißfisch ist. Es wäre dann also von *brah(w)s-mo¯n’der Glänzende’ auszugehen. evtl. von ig. *mrok ws-mo¯n-, vgl. etwa kymr. brithyll ’Forelle’ < *mrk wtilo-). ˙

ne. boycott, das auf einen Eigennamen zurückgeht: Ebenso nndl. brasem, ne. bream (entlehnt aus frz. bre`me, das Der Güterverwalter Charles Boycott wurde von der aus der deutschen Sippe stammt), nschw. braxen. – Boutkan, irischen Landliga wegen seiner Härte gegen die PächD. ABÄG 51 (1999), 5–22 (anders: Substratwort); EWNl 1 ter geächtet, und niemand wollte mehr für ihn arbei(2003), 373f.; EWahd 2 (1998), 280–282. ten, so dass er schließlich zur Auswanderung gezwungen wurde. Daraus das Verb to boycott ’ächten’ Brack Sn ’Ausschuss’ (bracken Vsw. ’ausmerzen’) per. fach. (14. Jh.). Zunächst als Wörter des norddeut(boykottieren), und zu diesem wieder das Substantiv schen Handels bezeugt: Lautvarianten zu ÞWrack boycott ’Ächtung’. Das Verb dann allgemein für und wracken. ’jemanden schneiden’. Ebenso nndl. boycot, nfrz. boycottage, nschw. bojkott, nnorw. boikott. – DF 3 (21997), 472–476; LM 2 (1983), 525–526; ReyDebove/Gagnon (1988), 88f.; Röhrich 1 (1991), 247f.; EWNl 1 (2003), 367.

brabbeln Vsw ’vor sich hinreden’ std. stil. (18. Jh.),

mndd. brabbelen. Ursprünglich wohl lautmalend. Vgl. Þbabbeln, Þpappeln und Þblabla. – EWNl 1 (2003), 368.

Brache Sf ’unbestelltes Land’ erw. fach. (8. Jh.), mhd.

Kutzelnigg, A. MS 82 (1972), 169–181.

Bracke Sm ’Spürhund’ per. fach. (13. Jh.), mhd. bracke,

ahd. bracko, mndd. bracke, mndl. bracke. Falls ererbt, aus vd. *brakko¯n, das − mit expressiver Gemination oder -kn-Assimilierung − zu l. fragra¯re, mhd. br¢¯ hen ’riechen’ gestellt werden kann (wenn von ’Spürhund’ auszugehen ist). Da aber gleichbedeutende it. bracco, nfrz. braque aus einem vorauszusetzenden früh-rom. *per-agica¯re ’aufstöbern, hetzen, treiben’ hergeleitet werden können, ist zu erwägen, ob die germanischen Wörter nicht aus den romanischen entlehnt sind.

bra¯che, ahd. bra¯hha, mndd. bra¯ke, mndl. bra¯ke. Aus vd. *br¢ ¯ k-o¯ f. ’Brache’ (Ruhezeit in der Dreifelderwirtschaft). Da das Wort kaum von kymr. braenar, branar, brynar, air. branar ’Brache’ zu trennen ist, ist Ebenso nndl. brak. Zur Herkunft der Verben vgl. Seebold in ein Anschluss an g. *brek-a- ’brechen’, der zur Not Mayrhofer/Peters/Pfeiffer (1980), 482; ÞFlair. – Palander semantisch glaubhaft gemacht werden könnte, nicht (1899), 38f.; Lühr (1988), 225f.; Bursch, H. RJ 30 (1979), 59–62; ratsam. Im Keltischen liegt *brag-no- oder *mrag-noLM 2 (1983), 537–538; EWNl 1 (2003), 369; EWahd 2 (1998), voraus, so dass der gemeinsame Ausgangspunkt 276–278. h *b rag- oder *mrag- sein könnte. Am ehesten zu der Brackwasser Sn ’Gemisch von Süß- und Salzwasunter Þmorsch behandelten Grundlage, so dass von ser’ erw. fach. (17. Jh.). Wie nndl. brakwater zu mndl. ’morsch werdendes Land’ auszugehen wäre.

Brägen

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brak ’salzig’ (ne. brackish, d. brackig). Zu ig. *mrog- in der unter morsch behandelten Sippe, mit der auch abgestandene und faulige Flüssigkeiten bezeichnet werden. Zu dieser Lautform passt gr. (Hesych) bra´gos ’Flussaue’. Eine Auslautvariante hierzu in gr. bre´cho¯ ’nässe, überflute’, broche¯´ f. ’Regen, Bewässerung, Überschwemmung’. Schwer zu beurteilen ist gr. bra´chea n. Pl. ’seichte Stellen’ (hierher oder zu gr. brachy´s ’kurz’?). ÞBruch 2, ÞBrühl, Þmorsch. – Kutzelnigg, A. MS 82 (1972), 173; EWNl 1 (2003), 369f.

Brägen (Bregen) Sm ’Hirn von Schlachttieren’ erw. ndd.

ten mit verschiedenen Bedeutungen auf. Auf den heutigen Gebrauch haben wohl eingewirkt: 1) ein niederdeutsches Wort, seit dem 16. Jh. bezeugt, ’Schreiben, wodurch das Abbrennen von Haus und Hof angedroht wird’ (parallel zu Fehdebrief ), und 2) ein süddeutsches Wort, seit dem 17. Jh. bezeugt, ’obrigkeitliche Verfügung, die zum Sammeln von Gaben für Brandgeschädigte berechtigt’. Eigentlich üblich geworden ist das Wort aber aus der Studentensprache (18. Jh.): ’Brief an die Eltern, in dem um Geld gebeten wird, da man ’abgebrannt’ sei’ (um dies zu verdeutlichen, sei der Brief auch angebrannt worden). Wie viele verschiedene Ausgangspunkte für dieses Wort anzusetzen sind, und wie sie sich gegenseitig beeinflusst haben, ist noch nicht ausreichend untersucht.

(18. Jh.). Übernommen aus mndd. bregen, bragen n., mndl. bragen aus wg. *bragno- m. ’Hirn’, auch in ae. br¢gen, afr. brein, brı¯n n. Wohl zu vergleichen mit gr. Ebenso nndl. brandbrief. – Röhrich 1 (1991), 248; EWNl 1 brechmo´s m. ’Vorderhaupt, Oberschädel’, kymr. breit(2003), 371. hell, brithell ’Gehirn’ (aus *brg-t-), so dass voreinzel˙ sprachl. *mreg h- als Ausgangspunkt anzusetzen ist brandmarken Vsw ’anprangern’ std. (14. Jh., Bedeutung (Anlaut!). Auffällig ist die lautliche und semantische 18. Jh.). Wie Brandmal und ÞBrand allein bedeutet Nähe zu ig. *mozg- ’Mark, Gehirn’ (ÞMark 1), doch fnhd. brandmark ’das Tieren, Geräten usw. eingesind die beiden Sippen lautgesetzlich nicht zusambrannte Eigentumszeichen’, dann ’das einem Verbrecher eingebrannte Zeichen’. Von hier aus übermenzubringen. tragen verwendet. Ebenso nndl. brein, ne. brain. – Lühr (1988), 332f. (anders); EWNl 1 (2003), 376.

Bramarbas Sm ’Prahlhans’, häufig bramarbasieren Vsw.

RGA 3 (1978), 401f.; LM 2 (1983), 566–567; Röhrich 1 (1991),

248.

’großtun’ per. fremd. (18. Jh.). Titelfigur in einer Sa- Brandschatzung Sf (und daraus rückgebildet tire von B. Mencke 1710 und von dort aus, hauptsächbrandschatzen Vsw.) ’eine Geldzahlung o.ä. (Schatlich durch Gottsched, in allgemeinerem Sinn verwenzung) erpressen durch die Drohung des Niederbrendet. Der Name ist wohl in Anlehnung an span. branens einer Stadt’ o.ä. erw. obs. (14. Jh.). Dann verallmar ’schreien’ oder nndl. brammen ’prahlen’ (17. Jh.) gemeinert zu ’niederbrennen und plündern’. gebildet. EWNl 1 (2003), 372. Ebenso ndn. Bramarbas. – DF 3 (21997), 480–482.

Branche Sf ’Abteilung, Zweig’ erw. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. branche ’Zweig’, dieses aus l. branca ’Pfote’ u.a. Wörter für ’Zweig, Ast’ und für ’Arm, Finger’ sind mehrfach parallel. Ebenso nndl. branche, ne. branch, nschw. branch, nnorw. bransje. – DF 3 (21997), 482–484; Schirmer (1911), 37; LM 2 (1983), 549; EWNl 1 (2003), 371.

Brand Sm std. (9. Jh.), mhd. brant, ahd. brant, as. brand.

Brandsohle Sf ’innere Schuhsohle’ per. fach. (18. Jh.).

Aus dünnem, schlechterem Leder gefertigt. Evtl. ursprünglich: ’das Stück Leder, das das Brandzeichen eines Tieres trägt’. Ebenso nndl. brandzool.

Brandung Sf std. (18. Jh., älter Branding). Entlehnt aus

nndl. branding. Dieses zu branden (etwa ’wie ein Brand andringen’, auch d. [an]branden) aus Þbrennen unter dem Einfluss von ÞBrand.

Aus g. *branda- m. ’Brand’, auch in anord. brandr Ebenso nschw. bränning, nnorw. brenning. – EWNl 1 (2003), ’brennendes Holzscheit’, ae. brond, afr. brand, brond. 372. Eine to-Bildung (evtl. aus älterem tu) zu g. *brenn-aBrandy Sm ’Weinbrand’ erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt Vst. ’brennen’ (Þbrennen). Die nordische Bedeutung (aber eigentlich nur in Zusammenhängen, die Eng’Teil des Vorderschiffs’ ist sicher nicht zugehörig; ob lisches und Amerikanisches betreffen, gebraucht) aus die Bedeutung ’Schwert’ (zu der die häufigen Persone. brandy, einer Kurzform von ne. brandwine, nennamen auf -brand gehören) einschlägig ist, ist brandewine, aus ndl. brandewijn (eigentlich ’genicht sicher; -brand in Ortsnamen weist dagegen auf brannter Wein’). Brandrodung hin. Nhd. brand- wird auch als VerEbenso nfrz. brandy, nnorw. brandy; ÞBranntwein, Þbrennen. stärkungswort benutzt (brandneu − vielleicht unter – Ganz (1957), 46; Rey-Debove/Gagnon (1988), 92; EWNl 1 englischem Einfluss). (2003), 373. Ebenso nndl. brand, ne. brand, nschw. brand. – LM 2 (1983), 549–550; Carstensen 1 (1993), 169; EWNl 1 (2003), 371; EWahd 2 (1998), 290–292.

Brandbrief Sm ’dringlicher Brief’ erw. fach. (18. Jh.).

Entsprechende Wörter treten zu verschiedenen Zei-

Branntwein Sm erw. obs. (13. Jh.), spmhd. brantwı¯n.

Eigentlich ’gebrannter Wein’ zu Þbrennen im Sinn von ’destillieren’ und ÞWein. Ursprünglich auch mit Flexion des ersten Gliedes (Akkusativ Brandtenwein

Braue

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bei Schiller). Entlehnt zu nndl. brandewijn und von dort zu ne. brandy. Ebenso nschw. brännvin, nisl. brennivı´n. S. auch ÞWeinbrand. – EWNl 1 (2003), 372.

Brasse(n) Sf(m) ÞBrachsen.

Bratenrock Sm ’eine Art Gehrock’ per. arch. (17. Jh.).

Wohl als ’das Kleidungsstück, in dem man zum Essen Þ(Braten) geht’. Vgl. ne. roastmeat clothes.

Bratsche Sf ’ein Streichinstrument’ erw. fach. (17. Jh.).

Entlehnt aus it. viola da braccio, dessen Bestimmungswort zurückgeht auf l. brac(c)hium n. ’Arm’. fleisch’ per. wobd. (9. Jh., diohbrato 8. Jh.; Form Als ’Armgeige’ steht das Instrument im Gegensatz zur 17. Jh.), mhd. bra¯te, ahd. bra¯to, as. bra¯do. Das gleiche ’Kniegeige’, der viola da gamba ’Gambe’. Im DeutWort wie Braten in der ursprünglichen Bedeutung schen erscheint es zunächst als Bratschgeige. ’schieres Fleisch’. Woher der Umlaut kommt, ist Ebenso ndn. bratsch, nnorw. bratsj. Vgl. ÞGambe; Þbrachial. – nicht ganz klar: einerseits ist -brät die KompositionsDF 3 (21997), 484–486. form von ÞBraten (dem Typ nach ein alter ja-Stamm, vgl. ÞWildbret), andererseits kann es Kollektivum Bratwurst Sf std. (12. Jh.). Heute verstanden als (mhd. gebr¢te) sein, und schließlich kann es aus ’gebratene oder zu bratende Wurst’, aber ursprüngeinem im 17. Jh. bezeugten Plural bräter (der allerlich ’eine mit magerem Fleisch gefüllte Wurst’ dings auch erst zu solchen Formen gebildet sein (ÞBrät). Doppelte Herkunft des Wortes ist in diesem kann) rückgebildet sein. Fall allerdings nicht auszuschließen.

Brät Sn ’fein gehacktes mageres Kalb- oder Schweine-

EWahd 2 (1998), 298f.; EWNl 1 (2003), 369; EWahd 2 (1998), 299–302.

braten Vst std. (8. Jh.), mhd. bra¯ten, ahd. bra¯tan, as.

Prät. -bre¯d. Aus wg. *br¢ ¯ da- Vst. ’braten’, auch in ae. br¢ ¯ dan, afr. bre¯da. Vergleichbar sind nordische Wörter mit der Bedeutung ’schmelzen’: aschw. bradhin ’geschmolzen’, anord. br¢daÑ ’schmelzen’ Vsw. Da die gemeinsame Bedeutung offenbar ’erhitzen’ ist, liegt ein Zusammenhang mit der Wurzel von Þbrennen näher als der sonst angenommene mit ÞBrühe. Zu der unter brennen angesetzten Wurzel ig. *g wher’brennen’ müsste dann eine langvokalische Erweiterung mit dentalem Auslaut *g whre¯t/dh angesetzt werden. Diese kann vorliegen in air. grı´s ’Hitze, Feuer, Glut’ (*g whre¯d-s-, der Lautstand ist aber unsicher; zum Auslaut vgl. air. grı´said ’macht erröten’ mit kymr. gwrido ’erröten lassen’). Auch l. freta¯le ’Bratpfanne’ kann unmittelbar dazugehören, besonders wenn der Wurzelvokal lang ist. Es wäre dann ig. (weur.) *g whre¯t- ’erhitzen’ anzusetzen. Ebenso nndl. braden; ÞBraten, Þbrüten. – Seebold (1970), 128f.; EWNl 1 (2003), 369; EWahd 2 (1998), 299–302.

Braten Sm std. (9. Jh.), mhd. bra¯te, ahd. bra¯to, as. bra¯do.

brauchen Vsw std. (8. Jh.), mhd. bru¯chen, ahd. bru¯hhan,

bru¯hhen, as. bru¯kan ’genießen, sich erfreuen’. Aus g. *bru¯k-a- Vst. intr. ’gebrauchen’, auch in gt. bru¯kjan, ae. bru¯can, afr. bru¯ka. Das Wort ist nur im Altenglischen eindeutig als starkes Verb belegt; in den übrigen westgermanischen Sprachen gibt es nur ein starkes Präsens, das später meist schwache Präteritalformen hat; im Nordischen fehlt es, im Gotischen ist es ein schwaches Verb. Die Bedeutung ist ’brauchen, gebrauchen, verbrauchen’. Außergermanisch lassen sich unter einer Grundform ig. *b hrug- mit formalen Schönheitsfehlern ein lateinisches und ein altindisches Verb vergleichen: l. fruor, fru¯ctussum ’ich genieße, erfreue mich an etwas, habe den Nießbrauch’ (Auslaut unklar), ai. bhuna´kti ’genießt, benützt, verzehrt’ (unter der Annahme, dass das Nasalinfix das r ausgedrängt hat). Ausgangsbedeutung ist also ’genießen (Früchte, Ernte, Speise und Trank)’. Die heutige Bedeutung von brauchen entwickelt sich im 17. Jh. in verneinten Sätzen (’etwas nicht verwenden’ = ’etwas nicht nötig haben’); das sachliche Objekt tritt dabei in den Akkusativ (statt in den Genetiv). Das abgeleitete (erst frühneuhochdeutsch gebräuchliche) Substantiv Brauch wandelt seine Bedeutung von ’Verwendung’ zu ’Sitte’, wohl ausgehend von Wendungen wie rechter Brauch, unser Brauch usw. Entsprechend Brauchtum. Präfigierungen mit Þge-, miss-, Þver-; Adjektiv: brauchbar.

Ein ursprünglich von dem starken Verb Þbraten ganz unabhängiges Wort mit der Bedeutung ’schieres Fleisch ohne Speck und Knochen’, das erst auf Grund der Lautgleichheit sekundär dem Verbum angeglichen wurde und heute als ein Konkretum zu diesem gelten kann. Vorauszusetzen ist g. *br¢ ¯ da-/o¯n/-o¯ Ebenso nndl. gebruiken, ne. brook, nschw. bruka, nisl. bru´ka. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þfrugal. – Seebold (1970), ’Fleischstück’, auch in anord. bra´d Ñ f. ’Fleisch’, ae. len140f.; LM 2 (1983), 580–582; EWahd 2 (1998), 364–367. de-br¢ ¯ d ’Lende’. Von der alten Bedeutung hält sich noch obd. ÞBrät ’fein gehacktes mageres Kalb- oder Braue Sf std. (8. Jh.), mhd. bra¯(wen), ahd. bra¯wa, as. Schweinefleisch’ und − mit abweichender Schreibra¯ha, bra¯wa. Aus g. *br¢¯ gwo¯ f. ’Braue, Wimper’, bung − ÞWildbret. Außergermanisch vergleicht sich ¯ w, afr. bre¯ n., mit auch in anord. bra´ ’Wimper’, ae. br¢ lediglich mir. broth ’Fleisch’, sonst ist die Herkunft Ablaut und ohne grammatischen Wechsel gt. inunklar. bra§a augins ’im Augenblick’, Konkretbildung zu Röhrich 1 (1991), 249. einem Verb zum Ausdruck schneller Bewegungen, besonders des Auges, g. (erweitert) *bregd-a- ’zücken, zucken’ (anord. bregdaÑ , ae. bregdan, afr. breida,

brauen

148 w

brı¯da, ahd. brettan), aus ig. *mrek - in lit. me´rkti ’die Augen schließen, blinzeln’ (mit anderer Vokalisierung). Das Wort Braue bedeutet zunächst ’Wimper’, und zwar wird eine obere und eine untere Braue (u.ä.) unterschieden (ÞWimper). Danach verdrängt es das alte Wort für ’Braue, Haarbogen über den Augen’, ig. *b hru¯-, erhalten in anord. bru´n, ae. bru¯ und im Deutschen in dialektalen Fortsetzern eines nicht belegten mhd. *bru¯, *bru¯n, und tritt (schon althochdeutsch) in dessen Bedeutung ein. Ebenso nndl. wenkbrauw, ne. brow, nisl. bra´. – Dal, I. NTS 9 (1938), 219–230; Dolch, M. ZM 20 (1951/52), 146f.; Seebold (1970), 129–132; Kutzelnigg, A. MS 83 (1973), 135–142 (anders); EWahd 2 (1998), 302–305.

brauen Vsw std. (13. Jh.), mhd. briuwen, bru¯wen, mndd.

Braunsilge Sf ÞBasilikum. Brausche Sf ’Beule auf der Stirn’ per. omd. (13. Jh.),

mhd. bru¯sche. Eine Bildung aus einer Grundlage, die ae. bry¯san ’stoßen, schürfen’ (ne. bruise) entspricht. Brause Sf std. (17. Jh.). Zu (auf)brausen (Þbrausen),

zunächst in der Bedeutung ’Dusche’, dann als ’Limonade’ (20. Jh.). EWNl 1 (2003), 385.

brausen Vsw std. (13. Jh.), mhd. bru¯sen, mndd. bru¯sen.

In der Bedeutung ’schäumen, sieden’ dürfte das Wort aus dem Umkreis von Þbrauen stammen. Die Bedeutung ’stürmen’ kann damit zusammenhängen, aber auch auf einer unabhängigen Lautmalerei beruhen. Hierher auch in ÞSaus und Braus (mhd. bru¯s ’Brausen, Lärmen’).

bruwen, bruen, browen Vst./Vsw., mndl. brouwen. Aus Ebenso nndl. bruisen. S. auch ÞBraut 2. – EWNl 1 (2003), 392. g. *breww-a- Vst. ’brauen’, auch in aschw. bryggia, ae. h h bre¯owan, afr. briu¯wa; dieses aus ig. *b ru-/b erwBraut1 Sf ’junge Frau am Hochzeitstag, Verlobte’ std. ’wallen, sieden’, auch ’brauen’. Dem Germanischen (9. Jh., in Komposita 8. Jh.), mhd. bru¯t, ahd. bru¯t, as. stehen am nächsten l. de¯fru¯tum ’gekochter Most’, bru¯d. Aus g. *bru¯di- f. ’junge Frau am Tag ihrer Hochmir. bruithid ’kocht’ (zu mir. bruth ’Glut’, kymr. brwd zeit’ (später auch ’Verlobte’), auch in gt. bru¯þs (ohne ’das Brauen; so viel Bier, wie auf einmal gebraut grammatischen Wechsel), anord. bru´drÑ , ae. bry¯d, afr. wird’), gr. ap-e´-phry-sen (Glosse) ’braute, sott’, thrak. breid. Semantisch muss das Wort ursprünglich bebry˜tos ’Gerstengetränk’; von der anderen Wurzelstufe deutet haben ’eine Frau, die (ihrem Mann am Tag vor allem l. ferve¯re (al. [poet.] fervere) ’sieden’ und ihrer Hochzeit) ihre Jungfräulichkeit geopfert hat mir. berbaid ’kocht’. Nomen Agentis: Brauer mit der und damit zu seiner ’rechtmäßigen Gattin’ geworden Lokalableitung Brauerei; Kollektivum: Gebräu. ist’. Nur dieser Ansatz, der in naturrechtlichen VorEbenso nndl. brouwen, ne. brew, nschw. brygga, nisl. brugga. S. stellungen einer Reihe von indogermanischen Völauch ÞBier, Þbrausen, Þbrodeln, ÞBraut 2, ÞBrunnen, ÞBrot, kern seine Begründung findet, kann die verschiedeÞbrühen. – Seebold (1970), 143f.; Mehlber, L. JGGB 1983, nen Bedeutungen in den Einzelsprachen, die von 11–17; Mehlber, L. JGGB 1982, 178–186 (zu den wichtigsten ’Jungfrau’ bis ’(längst verheiratete) rechtmäßige GatAbleitungen); EWNl 1 (2003), 389; EWahd 2 (1998), 350f. tin’ reichen, erklären. Als Ausgangsbedeutung ist bei braun Adj std. (9. Jh., wormbrun 8. Jh.), mhd. bru¯n, einem solchen Befund in der Regel ’Jungfrau’ anzuahd. bru¯n, as. bru¯n. Aus g. *bru¯na- Adj. ’braun’, auch setzen. Formal ist von ig. *mr-u¯-t(i)- auszugehen, das in anord. bru´nn, ae. bru¯n, afr. bru¯n; dieses aus ig. in dieser Form nicht vergleichbar ist. Auf der Grund(eur.) *b hru¯no- ’braun’, auch in gr. phry˜nos m., phry´ne¯ lage *mr- vergleichen sich l. marı¯tus ’beweibt, verheif. ’Kröte, Frosch’ (wenn nach der Farbe als ’Brauner’ ratet’ und lit. martı` ’Braut’. Vermutlich gehen die benannt). Eine einfachere (reduplizierte) WurzelWörter auf eine Bedeutung ’Junge − Mädchen’ und form liegt vor in ai. babhru´- ’braun’ (zu der vermutdiese auf eine adjektivische Bedeutung ’jung, frisch’ lich das Wort ÞBiber gehört); noch einfacher (ig.) zurück, die etwa in ahd. muruwi ’zart, frisch’ vertre*b her- in lit. be˙´ras ’braun’ (ÞBär 1). − Braun in der ten ist. Adjektiv: bräutlich. alten Bedeutung ’violett’ beruht auf einer Entlehnung Ebenso nndl. bruid, ne. bride, nschw. brud, nisl. bru´duÑ r; aus l. pru¯num ’Pflaume’ zur Bezeichnung der Farbe ÞBräutigam, ÞBrautlauf . – Braune, W. BGDSL 32 (1907), dieser Frucht (ahd. bru¯n, mhd. bru¯n). − Die Formel 30–55 (vgl. ebenda 6–9 und 559–562); Krogmann, W. Glotta 20 (1932), 175–180; Krogmann, W. WS 16 (1934), 80–90; Thieme, braune Nacht (seit der Barockzeit) beruht auf romaP. ZVS 78 (1963), 161–248; Kuen, H. FS Gamillscheg (München nischen Vorbildern (frz. nuit brune usw.), Bräune als 1968), 291–303; Szemere´nyi (1977), 82–84; Röhrich 1 (1991), Krankheitsname (’Diphtherie, Angina’) bezieht sich 250f.; Seebold, E. FS Polome´ 2 (1992), 444–456; EWNl 1 auf die braunrote Verfärbung der Schleimhäute bei (2003), 390; EWahd 2 (1998), 403–406. den betroffenen Kranken. Modifikation: bräunlich; Braut2 Sf ÞWindsbraut. Faktitivum: bräunen. Ebenso nndl. bruin, ne. brown, nschw. brun, nisl. bru´nn; Bräutigam Sm std. (9. Jh.), mhd. briutego(u)me, bruiÞbrünett. – Götze, A. ZDW 12 (1910), 200–206; Schwentner tegume, ahd. bru¯tigomo, as. bru¯digumo. Aus g. *bru¯di(1915), 56–59; Borinski, K. SBAW (1918), Nr. X; Borinski, K. gumo¯n m. ’Bräutigam’, auch in anord. bru´dgÑ umi, ae. SBAW (1920), Nr. I; Vietor, K. ZDPh 63 (1938), 284–298; Dal, bry ¯dguma (dagegen: gt. bruþ-faþs mit einer EntspreI. NTS 9 (1938), 219–230; Öhman, S.: Wortinhalt und Weltbild chung zu ai. pa´ti- ’Herr’ im Hinterglied). Das zweite (Stockholm 1951), 137–142; Röhrich 1 (1991), 250; RGA 8 Element ist das heute im Deutschen ausgestorbene (1991), 210; Heidermanns (1993), 143; Rauch (1995), 80f., 135, alte Wort für ’Mann, Mensch’ in gt. guma, anord. 146f. (zu Bräune); EWNl 1 (2003), 391; EWahd 2 (1998), 374–377.

Brei

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gumi, ae. guma, ahd. gomo, vergleichbar mit l. homo, alit. ˇzmuo˜ ’Mann, Mensch’ zu dem alten Wort für ’Erde’ (ig. *g´ hdeÑ m-, älter ig. *d heg´ hom), also eigentlich ’Irdischer’. Ebenso nndl. bruidegom, ne. bridegroom (sekundär an groom angeglichen), nschw. brudgum, nisl. bru´dgÑ umi. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞHumus; ÞBraut 1, ÞMann. – Schmidt, P. ZDA 51 (1909), 280–287; Dolfini, G. RIL 105 (1971), 330–338; Peeters, Ch. ZVS 90 (1977), 8f.; EWNl 1 (2003), 390f.

Brautlauf Sm ’Hochzeit’ per. arch. (8. Jh.), mhd. bru¯t-

*m(e)r(e)g- zurückgreift. Auf einen solchen Ansatz führt eine Reihe typisch landwirtschaftlicher Fachwörter in verwandten Sprachen, allerdings mit starker lautlicher Variation und unterschiedlicher Vokalisierung. Semantisch am nächsten bei dem germanischen Wort steht gr. amorgı´s ’stalks of mallow (malva silvestris), used like hemp or flax’, also mit *(¡)morg- gegenüber *mreg-, das Grundverb gr. amergo¯ bedeutet ’pflücken, abziehen, auspressen’. Hierzu weiter ai. marj- ’reinigen, abstreifen’, gr. omo´rgnymi ’abwischen’ u.a. S. auch Þradebrechen.

louf(t) m./f./n., ahd. bru¯t(h)louft m./f., as. bru¯dlo¯ht, Jirlow 1926. EWahd 2 (1998), 307. bru¯dhlo¯ft. Aus g. *bru¯di-hlaupa- m. ’Hochzeit, Brautbrechen Vst std. (8. Jh.), mhd. brechen, ahd. brehhan, as. lauf’, auch in anord. bru´dhÑ laup, brudlÑ aup, brullaup brekan. Aus g. *brek-a Vst. ’brechen’, auch in gt. brin., ae. bry¯dhlo¯p (aus dem Altnordischen entlehnt; kan, ae. brecan, afr. breka; dieses aus ig. *b hregsonst ws. gifta, angl. ge¯mung f., u.a.). Die Stammbil’brechen’, das vielfach ein Nasalpräsens aufwies, wodung ist nicht einheitlich, wobei vermutlich sekundurch das r ausgedrängt werden konnte. Lautlich däre Umgestaltungen eine größere Rolle gespielt genau vergleicht sich l. frangere ’brechen’ (allerdings haben als von Anfang an bestehende Bildungsvermit a-Vokal, aber vgl. das Präteritum fre¯gı¯); ohne r: schiedenheiten. Es handelt sich um die germanische air. bongid ’bricht, erntet’, lit. ben˜gti ’beenden, aufBezeichnung der Hochzeit; vermutlich ist die hören’ (’abbrechen’), ai. bhana´kti ’bricht, zerbricht’. ’Heimführung’ der Braut gemeint, die ein rechtsverDie Wurzel *b hreg- kann als Erweiterung von einfabindlicher Vorgang war. cherem *b her- aufgefasst werden, durch das verschieWachsner (1921); Krogmann, W. WS 16 (1934), 80–90; dene ähnliche Tätigkeiten bezeichnet werden, vgl. Schröder, E. ZDA 61 (1924), 17–34 (anders); Carlsson, L. anord. berja ’schlagen, kämpfen’, ahd. berien, berren ZSSR-GA 77 (1960), 312f., 320f. (zur Sache); RGA 3 (1978), ’zerstampfen, zerschlagen’, l. ferı¯re ’schlagen’, akslav. 421–425; Schmidt-Wiegand, R. in Hildebrandt/Knoop brati ’kämpfen, streiten’. − Die Bedeutung ’sich er(1986), 116–118; EWNl 1 (2003), 391; EWahd 2 (1998), 408f. brechen’ seit dem 14. Jh. aus der Magen erbricht sich brav Adj ’artig, wacker, lieb’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus mit Gewalt. Präfigierungen mit Þge-, Þver- und Parfrz. brave ’tapfer’, dieses aus it. bravo (eigentlich tikelverben mit auf-, aus-, ein- mit den Abstrakta auf ’unbändig, wild’). Die (romanische) Bedeutungsent-bruch und -brechen und den Nomina Agentis auf wicklung läuft über ’wild’ zu ’tapfer’ zu ’wacker’; die -brecher. deutschen Bedeutungen hängen von verschiedenen Ebenso nndl. breken, ne. break. ’Rückwanderer’ aus dem FranEinflüssen aus dem Französischen ab und werden zösischen sind ÞBrikett und ÞBresche; zu Entlehnungen aus erst spät auf ’folgsam, lieb’ eingeengt. Die alte Bedeuder lateinischen Entsprechung s. ÞFragment; Þgebrechen, tung noch in dem noch wenig gebräuchlichen ÞVerbrechen, ÞBrecher, ÞBruch 1; ÞBrocken; Þbersten, Þprägen. Bravour. – Seebold (1970), 132–135; Röhrich 1 (1991), 252; EWNl 1 Ebenso nndl. braaf, ne. brave, nschw. bra, nnorw. brav. Das (2003), 376; EWahd 2 (1998), 307–309. romanische Wort wird auf l. barbarus ’fremd, ungesittet’ zuBrecher Sm ’Sturzsee’ erw. fach. (19. Jh.). Lehnübersetrückgeführt. Anders Knobloch, J. SD 30 (1986), 20; ÞBarbar, zung von ne. breaker (zu break; Þbrechen), davor hd. Þbravo. – DF 3 (21997), 486–492; Röhrich 1 (1991), 251f.; Brechsee. Brunt (1983), 167 (zu Bravour); EWNl 1 (2003), 367.

bravo Ptkl std. (18. Jh.). Entlehnt aus it. bravo ’tapfer,

tüchtig, ausgezeichnet’ (Þbrav). Ebenso nndl. bravo, ne. bravo, nfrz. bravo, nschw. bravo, nnorw. bravo. – DF 3 (21997), 489–491; EWNl 1 (2003), 374f.

Breche Sf ’Gerät, um die starren Bestandteile von

Bredouille Sf ’missliche Lage’ per. fremd. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. bredouille in dessen (nicht mehr üblicher) Bedeutung ’Dreck, Matsch’ (eˆtre en bredouille ’im Matsch stecken’). Vermutlich aber entlehnt über einen Ausdruck des Brettspiels trictrac, der einen Spielvorteil bezeichnet, bei dem der Gegner sich nicht bewegen kann, also ’in der Patsche sitzt’. Im heutigen Französischen bedeutet bredouille ’erfolglos’.

Flachs oder Hanf zu zerkleinern’ per. fach. (13. Jh.), mhd. breche, davon abgeleitet das swV. brechen (brechte). Entsprechende Wörter in anderen germaDas französische Wort gehört mit regionaler Lautvariation zu nischen Sprachen sind aus dem Deutschen entlehnt. frz. barder ’rutschen’. – DEO (1982), 151f.; DF 3 (21997), 493f. Diese Sippe ist in späterer Zeit sicher auf das starke Verb brechen bezogen worden, doch weist die Seman- Brei Sm std. (8. Jh.), mhd. brı¯(e), ahd. brı¯(o), brı¯wo, mndd. bri, brı¯g, mndl. bri. Aus vd. *brı¯wa- m. ’Brei’. tik (der Flachs wird nicht zerkleinert, sondern zerDies gehört am ehesten zu der Grundlage von quetscht) und die auffällige Stellung des schwachen Þbrauen, ig. *b herw-/b hreu-, aber zu einem sonst nicht Verbs auf Besonderheiten hin. Es ist deshalb eine anbelegten Erweiterungstyp *b hr-ei-w-. Das morpholodere Herkunft zu erwägen, die auf einen Ansatz ig.

breit

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gisch entsprechende mir. breo´ f. ’Flamme’ weicht in der Bedeutung stark ab und gehört wohl nicht unmittelbar dazu. Ausgangsbedeutung könnte etwa ’Gekochtes’ sein (vgl. die regionale Variante Koch2 n. ’Brei’). In bair. Brein ist das n einer n -stämmigen Ableitung festgeworden; die Bedeutung ist in der Regel ’Hirse’. Ebenso nndl. brij. – RGA 3 (1978), 429–431; Röhrich 1 (1991), 252f.; EWNl 1 (2003), 379; EWahd 2 (1998), 346f.

breit Adj std. (8. Jh.), mhd. breit, ahd. breit, as. bre¯d.

Aus g. *braida- Adj. ’breit’, auch in gt. braiþs, anord. breidrÑ , ae. bra¯d, afr. bre¯d, breid; Herkunft unklar. Etymologisch zugehörig ist wohl ahd. breta ’flache Hand’, ae. bred, afr. brede ’Fläche’. Abstraktum: Breite; Präfixableitungen: verbreiten, verbreitern; Partikelableitung: ausbreiten. Ebenso nndl. breed, ne. broad, nschw. bred, nisl. breiduÑ r. – Röhrich 1 (1991), 253; Heidermanns (1993), 135f.; EWNl 1 (2003), 375; EWahd 2 (1998), 311–313.

breitschlagen Vst ’überreden’ std. stil. (18. Jh.).

ÞBlechbreitschlagen heißt, es in eine bestimmte Form bringen, was schon früh auch übertragen gesagt wird. Also: ’jemanden in eine solche Form bringen (dass er zustimmt)’. Breitseite Sf ’Längsseite des Schiffes (in ihrer vollen

Breite), vor allem beim Abfeuern von Kanonen gesagt’ per. fach. (16. Jh.). Aus Þbreit und ÞSeite − auffällig ist nur, dass hier von Breitseite und nicht von Längsseite gesprochen wird. Röhrich 1 (1991), 253.

Breme (Bremse1) Sf (Name verschiedener stechender

Seibicke, W. MS (1964), 253.

brennen Vsw std. (8. Jh.), mhd. brennen, ahd. brennen,

as. gibrennian. Aus 1) g. *branneja- ’verbrennen’ (trans.), auch in gt. gabrannjan, anord. brenna (älter brinna), ae. b¢rnan, afr. barna, berna, burna, Kausativ zu 2) mhd. brinnen, ahd. brinnan, as. brinnan aus g. *brenn-a- Vst. ’brennen’ (intrans.), auch in gt. brinnan, anord. brenna (älter brinna), ae. beornan, afr. burna. In nachmittelhochdeutscher Zeit ist das starke Verb ausgestorben und seine Funktion vom schwachen Verb übernommen worden. Das germanische Verb ist wahrscheinlich ein altes nu-Präsens zu der ig. Wurzel *g wher- ’brennen’. Dieses in ai. ghrnoti ˙ ’leuchtet, brennt’ (Lexikonwort), arm. ˇjer¯˙nowm, ˇjer¯ay ’ich wärme mich’; die einfache Wurzel in gr. the´romai ’ich werde warm, wärme mich’, akslav. greˇtise˛ ’sich wärmen’, lit. gare˙´ti ’brennen’, air. fo-geir ’erhitzt, entflammt’, l. formus ’warm’. Ebenso ne. burn, nschw. brinna, bränna, nisl. brenna; Þabgebrannt, ÞBrand, ÞBrandung, ÞBranntwein, ÞBrandy, Þbraten, Þbrenzlig, ÞBrunst, Þdurchbrennen, ÞWeinbrand. – Seebold (1970), 137–139 (zum Lautlichen); Seebold, E. in Mayrhofer/Peters/Pfeiffer (1980), 431–484, besonders 478f.; Röhrich 1 (1991), 253f.; EWNl 1 (2003), 371f.; EWahd 2 (1998), 319, 342–345.

Brennpunkt Sm std. (17. Jh.). Lehnübersetzung für l.

pu¯nctum u¯stio¯nis für den Treffpunkt der durch eine Linse gehenden Strahlen, mit dem (im Fall von Sonnenstrahlen usw.) brennbare Stoffe entzündet werden können. Wie das entsprechende l. focus dann übertragen auf ’die Stelle, auf die sich alle Aufmerksamkeit konzentriert’.

Fliegen) erw. obd. (8. Jh.), mhd. brem(e), ahd. brema Ebenso nndl. brandpunt, nschw. brännpunkt, nnorw. brennpunkt. f., bremo m., as. bremo m. Aus vd. *brem-o¯n m. ’Bremse, Stechfliege’ zu der ig. Schallwurzel *b hrem- Brente Sf ’Rückentraggefäß’ per. fach. (15. Jh.), spmhd. (z.B. in l. fremere ’brüllen, tosen’, ahd. pram ’rugiebrente. Wie nordit. brenta ein Wort der Alpenregion, bam’), hier offenbar in der Bedeutung ’summen’, also das in germanischen und romanischen Sprachen ver’Summer’. Vgl. ai. bhramara´- m. ’Biene’, bulg. breitet ist. Herkunft unklar, vermutlich Substratwort. brъmbar ’Hummel, Käfer’. Zur gleichen Wurzel Nach anderer Auffassung (Meier) mit Varianten und mndd. bromete, mndl. breemse, ahd. brimissa, das im Erweiterungen zu l. vitta ’Stirnband’, weil das Trag16. Jh. aus dem Niederdeutschen ins Hochdeutsche gefäß durch ein Stirnband auf dem Rücken gehalten übernommen wird (die althochdeutsche Form ging wurde. ohne Nachfolger unter; sie hätte *Brimse ergeben Öhmann, E. NPhM 42 (1941), 105f.; Alanne, E. NPhM 56 müssen). Nicht auszuschließen wäre auch eine Vor(1955), 203f.; Mätzler (1968), 17; Meier, H. FS Lapesa (Maform *mrem- (vgl. Þmurmeln für entsprechende drid 1972), 433–438, und FS Alinei 2 (1987), 310–314. Schallwörter). brenzlig Adj ’kritisch, verdächtig’ std. (16. Jh.). Die urEWNl 1 (2003), 376; EWahd 2 (1998), 315f., 336f. sprüngliche Bedeutung ist ’angebrannt riechend’, zu Bremse1 Sf ÞBreme. brenzeln ’angebrannt riechen’, weiter zu brenzen, das mit Suffix -ezz- (g. *-atja-) aus Þbrennen gebildet ist. Bremse2 Sf ’Hemmschuh’ std. (14. Jh.), spmhd. bremse ’Klemme, Maulkorb’ u.ä. Zu einem Verb, das Bresche Sf std. (16. Jh.). Als militärisches Fachwort ent’zwängen, klemmen’ bedeutet, mhd. pfrengen und lehnt aus frz. bre`che gleicher Bedeutung. Dieses ist (lautlich genauer) mndd. pramen. Weitere Herkunft seinerseits wohl aus einem westfränkischen Wort aus unklar. Bremse war auch die Nasenklammer zur Bänder Sippe von Þbrechen entlehnt. Vor Bresche wurde digung störrischer Pferde, von dort aus übertragen in frühneuhochdeutscher Zeit Lucke gesagt. auf die Vorrichtung zum Anhalten von Fahrzeugen. Ebenso nndl. bres, ne. breach, nschw. bräsch. – DF 3 (21997), 494–497; Röhrich 1 (1991), 254f.; EWNl 1 (2003), 377. Verb: bremsen.

Brikett

151 bresthaft Adj ’mit Gebrechen behaftet’ erw. obs.

(16. Jh.), spmhd. bresthaft. Zu breste ’Gebrechen’, also ’mit Gebrechen behaftet’. ÞGebresten. – EWahd 2 (1998), 320–323.

Ebenso nndl. bridge, nfrz. bridge, nschw. bridge, nnorw. bridge, nisl. bridds. – Müller, K. Sprachpflege 34 (1985), 119; ReyDebove/Gagnon (1988), 95; EWNl 1 (2003), 378.

Brief Sm std. (9. Jh.), mhd. brief, ahd. briaf, as. bre¯f n.

Wie afr. bre¯f n., anord. bre´f n. frühe Entlehnung aus l. breve n. ’kurzes Schreiben’ (zu l. brevis ’kurz’). bred. Aus wg. *breda- n. ’Brett’. Im Ablaut dazu steht Dabei geht g. ¯e 2 auf gedehntes l. e zurück, f ist der ÞBord 1; es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass eine Reflex von bereits spirantisch gewordenem l. v. Die gemeinsame, ablautende Grundlage (also ein WurBedeutung ist ursprünglich ’Urkunde, kurze schriftzelnomen) vorausliegt. Zu der Wurzel (ig.) *b her-, die liche Festlegung’; die heutige Bedeutung wird urunter Þbrechen und Þbohren dargestellt ist; eine Besprünglich von ÞSendbrief getragen, das seit mitteldeutung ’schneiden’ (o.ä.) ist in ihrem Rahmen nicht hochdeutscher Zeit vereinfacht wird. Die ältere Beausgeschlossen, so dass die Grundbedeutung deutung noch in Brief und ÞSiegel, verbriefen, ’Geschnittenes’ sein könnte. − Das schwarze Brett war Schuldbrief u.ä. Adjektiv: brieflich. ursprünglich eine Tafel, auf die mit Kreide geschrieEbenso nndl. brief, ne. brief, nfrz. brevet, nschw. brev, nisl. bre´f; ben wurde, später ’Anschlagtafel’. Vielleicht besteht ÞBrevier, ÞBrimborium. – RGA 3 (1978), 461–463; LM 2 (1983), ein Zusammenhang mit den sogenannten Hohn648–682; Röhrich 1 (1991), 257f.; EWNl 1 (2003), 378; EWahd 2 und Spott-Tafeln norddeutscher Zünfte, die seit dem (1998), 332–334. 16. Jh. bezeugt sind. Der Ausdruck schwarzes Brett ist hierfür allerdings erst im 18. Jh. bezeugt. − Einen Stein Bries (Briesel, Brieschen, Bröschen) Sn ’innere Brustdrüse bei jungen Kälbern’ per. fach. (17. Jh.), fnhd. im Brett haben kommt von den Brettspielen. − Bretter brüs. Am ehesten abgeleitet von ÞBrust, doch ist sind u.a. die Skier (nach dem Vorbild von bair. mangels früher Formen keine Klarheit zu gewinnen. Brettl); Bretter auch für ’Bühne, Theater’ (nach der Das Wort kann auch wegen des bröseligen Aussehens besonders aufgebauten Bretterbühne), davon abgeder Drüse näher mit ÞBrosame verwandt sein. setzt Brettl ’Kabarett’. − Ein Brett vor dem Kopf haben Ebenso nschw. kalvbräss. Vgl. vielleicht auch ne. brisket die störrischen Ochsen, denen das Jochbrett über die ’Tierbrust’, nfrz. bre´chet m. ’Brustbeinkamm der Vögel’; Augen gehängt wird.

Brett Sn std. (8. Jh.), mhd. bret, ahd. bret, as. (beddi-)

ÞPritsche. – Warncke, J. NZV 6 (1928), 179–183; Götze, A. NGH 7 (1929), 14–20; Röhrich 1 (1991), 255–257; EWNl 1 (2003), 268; EWahd 2 (1998), 323–325.

Brevier Sn ’Gebetbuch; Auszug wichtiger Textstel-

len’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. brevia¯rium, einem Kollektivum zu l. brevis ’kurz’. Zunächst nur ein kurzes Verzeichnis der Elemente des kirchlichen Stundengebets, dann erweitert um die jeweiligen Gebete, Psalmen und Gesänge, und schließlich übertragen auf außerliturgische Sammlungen. Ebenso nndl. brevier, ne. breviary, brevier, nfrz. bre´viaire, nschw. breviarium; ÞBrimborium, ÞBrief . – LM 2 (1983), 640–642; DF 3 (21997), 497f.; EWNl 1 (2003), 377f.

Brezel Sf ’Gebäck mit verschlungenen Enden’ erw. obd.

ÞBrust. – Kretschmer (1969), 248f.

Brigade Sf ’eine Truppenabteilung’ erw. fach. (17. Jh.).

Entlehnt aus frz. brigade, dieses aus it. brigata ’Kampftruppe’, einer Ableitung von it. brigare ’kämpfen’, abgeleitet von it. briga ’Streit’. Die weitere Herkunft ist nicht geklärt. Dazu Brigant ’Straßenräuber’, älter ’Kämpfer’. Brigade ’Arbeitsgruppe’ in der Sprache der DDR nach russischem Vorbild, entsprechend wurde dort Brigadier ’Leiter einer Arbeitsbrigade’ auch nach russischem Vorbild [brigadi:r] ausgesprochen, gegenüber [brigadie] als militärischem Rang. Ebenso nndl. brigade, ne. brigade, nschw. brigad, nnorw. brigade; ÞBrigg. – DF 3 (21997), 598–503; Jones (1976), 162f.; DEO (1982), 156; EWNl 1 (2003), 379.

(12. Jh., prezzita 8. Jh.), mhd. bre¯zel (u.ä.), ahd. brezzitella (u.ä.). Sind aus einem romanischen Wort ent- Brigg Sf ’Zweimaster’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus lehnt, das durch it. bracciatello m. vertreten ist. Dieses ne. brig, einer Kürzung von ne. brigantine, das ebenist ein Diminutiv zu l. brac(c)hia Pl. ’Arme’ und befalls ins Deutsche übernommen wurde. Bezeichnet nennt damit das Gebäckstück nach der Form der wie wird so ein Schiff mit niedrigem Bord, zu Brigant gekreuzte Arme ineinander gelegten Enden. Auf eine ’Kämpfer, Räuber’ (ÞBrigade). einfachere Vorform braciata gehen ahd. brezzita, Ebenso nndl. brik, nfrz. brick, nschw. brigg, nisl. brigg. Vgl. mhd. pre¯ze (bair. bretzen), schwäb. brezet zurück. ÞKuff ; ÞBrigade. – Ganz (1957), 47; EWNl 1 (2003), 380.

Ebenso ne. pretzel, nfrz. bretzel; Þbrachial. – Röhrich 1 (1991), Brikett Sn ’Presskohle’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus 257; EWahd 2 (1998), 330–332.

Bridge Sn (ein Kartenspiel) per. fach. (19. Jh.). Entlehnt

aus ne. bridge, das auf den Ausruf biritch zurückgeht, mit dem das Spiel ohne Trumpf angesagt wird. Die Herkunft des Wortes ist unbekannt. Heute kann die Bezeichnung des Spiels als ’Brücke’ verstanden werden, weil die einander gegenübersitzenden Spieler jeweils zusammenspielen.

frz. briquette f., einer Ableitung von frz. brique f. ’Ziegelstein’, dieses aus mndl. bricke (zu Þbrechen). So benannt nach der Form, in die die Kohle gepresst wird (also ’Ziegelstein-Kohle’, parallel zu ’Eierbrikett’). Ebenso nndl. briket, nfrz. briquette, nschw. brikett, nnorw. brikett. – DF 3 (21997), 503f.; EWNl 1 (2003), 380.

brillant

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brillant Adj erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. bril-

lant, dem PPräs. zu frz. briller ’glänzen’, aus it. brillare. Die weitere Herkunft ist nicht völlig geklärt (vielleicht zu ÞBeryll; ÞBrille). Substantiviert Brillant m. für einen besonders geschliffenen Diamanten. Verb: brillieren; Abstraktum: Brillianz. Ebenso nndl. briljant, ne. brilliant, nfrz. brillant, nschw. briljant, nnorw. briljant. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 169f.; DF 3 (21997), 504–509; Littmann (1924), 17; Brunt (1983), 167f.; EWNl 1 (2003), 380f.

Brille Sf ’Augengläser’ std. (15. Jh.), mhd. berille, barille

’Anger’, ähnlich me. brinke, brenke, bringe n. ’Rand, Ufer’, anord. brekka f. ’Abhang eines Hügels’. Gemeint ist offenbar der Rand eines Grashügels, hinter dem das Gelände abfällt. Am ehesten zu den Wörtern mit der Bedeutung ’Rand’ von einer Grundlage (ig.) *b h(e)r(e)m-, einerseits in anord. barmr ’Rand’, andererseits in mhd. brem n. ’Einfassung’, me. brimme, brumme n. ’Rand’ (Þverbrämen), also (ig.) *b hrem-go-. Auffallend ähnlich ist kymr. bryn ’Hügel, Höhe’, das aber in andere Zusammenhänge gestellt wird.

Das Wort ist häufig in niederdeutschen Ortsnamen und davon m; fnhd. b[e]rille. Entlehnt aus l. be¯ryllus m., dieses abhängigen Personennamen.ÞBord 2 – LM 2 (1983), 694; aus gr. be¯´ryllos m. ’Beryll, bläulich gefärbter Kristall’. EWNl 1 (2003), 381. Man schliff Berylle in Reliquiare und Monstranzen ein, um den Inhalt sichtbar zu machen, und erkannte brisant Adj erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. bridaran die optische Wirkung des Halbedelsteins. Sie sant, dem PPräs. von frz. briser ’brechen, zerbrechen, wurde gegen 1300 ausgenützt zur Verfertigung von sprengen’. Offenbar ohne französische Vorlage das Sehhilfen, die aus ÞBeryll (oder Bergkristall) geAbstraktum: Brisanz. schliffen wurden, bis man Glas ohne Bläschen herEbenso nndl. brisant, nschw. brisant, nnorw. brisant. Das franstellen konnte. Das deutsche Femininum Brille ist zösische Wort wohl zu afrz. brisier ’zermalmen’ (von Trauben), ursprünglich der Plural des Maskulinums, mit dem vgl. afrz. brisa ’Rückstand beim Keltern’ (’das Zermalmte’), vermutlich Substratwort aus dem Keltischen. – Strauss u.a. der Stein bezeichnet wird. Ebenso nndl. bril, nnorw. briller; ÞBeryll, Þbrillant. – LM 2 (1983), 689–692; Röhrich 1 (1991), 258–261; EWNl 1 (2003), 380.

Brimborium Sn ’übergroßer Aufwand’ std. stil. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. brimborion m. ’Hokuspokus, Lappalie’. Dieses aus mfrz. breborion ’Brevier’, später auch ’Zauberformel, Zaubergebete’ (ÞBrevier). Die mechanisch heruntergesagten Gebete werden als wirkungsloser Aufwand betrachtet. Röhrich 1 (1991), 261; DF 3 (21997), 510f.

(1989), 585–588; DF 3 (21997), 511–513; EWNl 1 (2003), 381.

Brise Sf ’leichter Wind’ erw. fach. (18. Jh.). In die See-

mannssprache entlehnt aus einem Wort, das in mehreren germanischen und romanischen Sprachen verbreitet, aber unklarer Herkunft ist: ne. breeze, nfrz. brise, span. brisa usw. Ebenso nndl. bries, ne. breeze, nfrz. brise, nschw. bris, nnorw. bris. S. auch ÞBise. – Ganz (1957), 47; Törnqvist, N. KVNS 77 (1970), 22f.; EWNl 1 (2003), 378.

Brocken Sm std. (9. Jh.), mhd. brocke, ahd. brocko. Bil-

dung mit expressiver Gemination (oder n-Assimilation) zu Þbrechen, also ’Bruchstück, Abgebrochenes’. as. brengian. Aus g. *breng-a- Vunr. ’bringen’, auch in Das auslautende n ist aus dem Plural und den obligt. briggan, ae. bringan, afr. bringa. Die Stammbilquen Formen übernommen. Dazu brocken (’Brot o.ä. dung ist im Germanischen singulär: starkes Präsens, in Stücke brechen und in die Suppe o.ä. werfen’) und aber schwaches, abgelautetes Präteritum; dazu westbröckeln (’in Brocken zerfallen’). Adjektiv: bröckelig. germanisch teilweise ein starkes Partizip (das im AltLühr (1988), 226; Röhrich 1 (1991), 261f.; EWNl 1 (2003), 385; hochdeutschen sekundär auch zu starken PräteritalEWahd 2 (1998), 352f. formen geführt hat). Das Verb kann verglichen werden mit einem keltischen und vielleicht einem brodeln Vsw std. (13. Jh.), mhd. brodelen, nndl. bordetocharischen Verb unter einer Grundform (ig.) len. Iterativ-Ableitung zu einem Wort für ’Brühe’, wg. *b hrenk-, was für das Germanische grammatischen *bruda- n. in ahd. brot, ae. broþ, anord. brod Ñ (selten). Wechsel voraussetzen würde: kymr. hebrwng, hebrynBrudler u.ä. sagt man süddeutsch für ’Brauer, Koch’ gaf, ’führen, bringen’ (aus *sem-b hronk-), toch. AB u.ä., ÞAschenbrödel ist ’Küchenjunge, Küchenmädprän˙k- ’sich zurückhalten’. Diese Bildung wird als chen’ (derjenige aus der Küche, der mit Asche zu tun Wurzelkontamination von *b her- ’tragen’ (Þgebären) hat). Zu der unter Þbrauen behandelten Verbalwurzel. und *(e)nek- ’erreichen’ (Þgenug) angesehen. Da sich diese beiden Verben im Griechischen suppletiv erS. auch Þprudeln und Þsprudeln. gänzen, ist eine solche Annahme naheliegend. Kon- Brodem Sm ’Dunst, Dampf’ per. arch. (11. Jh.), mhd. kretum: Mitbringsel; Adjektiv: unwiederbringlich. bra¯dem, ahd. bra¯dam, mndl. bradem. Daneben ae. Ebenso nndl. brengen, ne. bring, nschw. bringa (entlehnt); br¢ ¯ þ ’Geruch, Ausdünstung, Dampf’, ne. breath Þumbringen. – Seebold (1970), 136f.; EWNl 1 (2003), 377; ’Atem’. Wahrscheinlich gehen beide Formen auf wg. EWahd 2 (1998), 338–341. *br¢¯ þa- m. zurück, und das deutsche Wort ist nachBrink Sm ’Grashügel’ per. ndd. (18. Jh.). Übernommen träglich an Atem angepasst worden. Das Grundwort aus dem Niederdeutschen: Mndd. brinc, mndl. brinc ist vielleicht bezeugt in mhd. br¢hen ’riechen’, aber bringen Vunr std. (8. Jh.), mhd. bringen, ahd. bringan,

Brot

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dies ist nur einmal als Variante bezeugt (Parzival 171, Bronchie Sf ’Luftröhrenast’ erw. fach. (19. Jh.). Ent23). Weiter zu ig. *g whre¯- ’riechen’ in ai. jı´ghrati lehnt aus l. bronchia n. Pl. ’Luftröhrenäste’, dieses aus gr. bro´nchia n. Pl., zu gr. bro´nchos m. ’Luftröhre’. Die ’riecht’, toch. A kra¯m ’Nase’, gr. os-phraı´nomai ’ich rieche’, gr. o´sphre¯sis˙f. ’Geruchssinn’ (*ods-g whre¯-), er- Entzündung der Bronchien heißt Bronchitis, hierzu s. weitert l. fragra¯re ’duften’. Þ-itis. ÞFlair. – Seebold, E. in Mayrhofer/Peters/Pfeiffer (1980), 482 (zum Lautlichen); EWahd 2 (1998), 278–280.

Broiler Sm ’Brathähnchen’ per. omd. ondd. (20. Jh.).

Ebenso nndl. (Pl.) bronchi¡n, ne. bronchus, nfrz. bronche, nschw. (Pl.) bronker, nnorw. bronkie. – Casewitz/Skoda (1985), 50f. (Erklärung des gr. Wortes als Lautnachahmung); EWNl 1 (2003), 387.

Entlehnt aus ne. broiler ’Brathühnchen’, zu ne. broil Bronze Sf (Kupferlegierung) erw. fach. (16. Jh.). Ent’rösten, grillen’, das vermutlich auf frz. bruˆler lehnt aus it. bronzo m. Weiter vermutlich über eine ’brennen, rösten’ zurückgeht. Eine auf die neuen unbezeugte arabische Zwischenstufe aus pers. biringˇ Bundesländer beschränkte Entlehnung. Ein broiler ist ’Messing’. Adjektiv: bronzen. im Englischen ein Grill oder ein Hühnchen, das zum Ebenso nndl. brons, ne. bronze, nfrz. bronze, nschw. brons, nisl. Grillen aufgezogen wird; ein ’Grillhühnchen’ ist ein brons. – DF 1 (1913), 99; Lippmann (1919), 549–569; Steiger, broiler chicken. Vermutlich ist die deutsche EntlehA.: Origin and Spread in European Languages (New York nung aus diesem Ausdruck gekürzt. 1963), 37–39; LM 2 (1983), 712–717, DEO (1982), 162f. (anders); Ebenso ne. broiler chicken, nschw. broiler, nnorw. broiler. – Carstensen 1 (1993), 176f.

Brokat Sm ’kostbares, durchwirktes (Seiden)Gewe-

be’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus it. broccato, einer Ableitung von it. broccare ’durchwirken’, aus einem vor- rom. *brocca ’Spitze’. So benannt nach der Besonderheit, dass das Seidengewebe mit Gold- bzw. Silberfäden durchwirkt wurde. Ebenso nndl. brokaat, ne. brocade, nfrz. brocart, nschw. brokad, nnorw. brokade; ÞBrokkoli, ÞBrosche, ÞBroschüre. – DF 3 (21997), 514f.; DEO (1982), 160f.; LM 2 (1983), 712; EWNl 1 (2003), 385.

Brokkoli Sm (ein Gemüsekohl) erw. fach. (20. Jh.). Ent-

lehnt aus it. broccoli, dem Plural von it. broccolo ’Sprossenkohl, Spargelkohl’, zu it. brocco ’Schössling’, eigentlich ’Spitze’. Ebenso nndl. broccoli, ne. broccoli, nfrz. brocoli, nschw. broccoli, nnorw. brokkoli; ÞBrokat. – EWNl 1 (2003), 382.

Brom Sn (ein chemisches Element) erw. fach. (19. Jh.).

1826 von dem Franzosen A. J. Balard entdeckt und aufgrund des unangenehmen Geruchs nach gr. bro˜mos m. ’Gestank’ benannt. Ebenso nndl. broom, ne. bromine, nfrz. brome, nschw. brom, nisl. bro´m. – EWNl 1 (2003), 388.

EWNl 1 (2003), 387.

Brosame Sf (Brosam m., meist Brosamen Pl.) std.

(9. Jh.), mhd. brosem(e), brosme f., ahd. bro¯s(a)ma f., as. brosmo m. Aus vd. *brusmo¯n f. ’Krume, Brosame’; aus der gleichen Grundlage mit anderen Suffixen mir. bruar ’Stückchen, Brosame’, mir. bruscar ’Brosamen’, bret. bruzun ’Brotkrume’, kymr. briwionyn ’Brotkrume’, l. frustum n. ’Stückchen’ zu (ig.) *b hreus- ’zerbrechen’ in ae. bry¯san ’zerreiben, zerstampfen’, mir. bru´aid ’zerbricht, zerschmettert’; mit anderem Auslaut anord. brjo´ta, ae. bre¯otan ’brechen’ (es wäre nicht ausgeschlossen, *brusmo¯n als *brutsmo¯n unmittelbar auf dieses Verb zurückzuführen). ÞBrösel ist ein altes Diminutiv hierzu (mhd. brosemlı¯n n.), zu diesem weiter (zer-)bröseln. Diese Wörter zeigen noch eine allgemeinere Bedeutung, während Brosamen wohl durch den Anklang an Brot auf ’Brotkrümel’ festgelegt ist. EWahd 2 (1998), 357–359.

Brosche Sf ’Anstecknadel’ std. (19. Jh.). Entlehnt aus

frz. broche, dieses aus vor- rom. *brocca ’Spitze’. Ebenso nndl. broche, ne. brooch, nschw. brosch, nisl. brjo´stna´l; ÞBrokat, ÞBroschüre. – DF 3 (21997), 515; Puzˇule, S. P. Valoda tipologiska¯s iezı¯ms (Riga 1988), 90–96; EWNl 1 (2003), 382.

Brombeere Sf std. (10. Jh., Simplex 9. Jh.), mhd. bra¯m- Bröschen Sn ÞBries.

ber n., ahd. bra¯mberi n., mndd. bramber. D.h. die Broschüre Sf ’kleineres, geheftetes Schriftstück’ erw. Beere des Dornstrauchs, der ahd. bra¯ma f., bra¯mo m., fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. brochure, Konkretum mhd. bra¯me m. heißt (nndl. braam); eine Weiterbilzu frz. brocher ’heften’, dieses aus vor- rom. *brocca dung in ae. br¢¯ mel, ne. bramble. Da es ein voreinzel’Spitze’. Die Bedeutung ist also eigentlich ’Heftung’; sprachl. *moro- ’Maulbeere, Brombeere’ gibt (gr. das zugrunde liegende Verb ist als broschieren entmo´ron n., arm. mor, kymr. morwydden n., l. mo¯rum n. lehnt. − von denen aber mindestens das lateinische Wort Ebenso nndl. brochure, ne. brochure, nschw. broschyr, nnorw. aus dem Griechischen entlehnt ist), ist es verlockend brosjyre; ÞBrokat, ÞBrosche. – DF 3 (21997), 515–517; EWNl 1 für wg. *br¢¯ mo¯n von voreinzelsprachl. *mre¯mo- aus(2003), 382f. zugehen; die Form der Erweiterung ist aber unklar. Brösel Sm ÞBrosame. Ig. (eur.) *moro- kann zu einem schlecht fassbaren Brot Sn std. (8. Jh.), mhd. bro¯t, ahd. bro¯t, as. bro¯d. Aus g. *mer- ’schwarz, dunkel’ gehören. *brauda- n., auch in anord. braud,Ñ ae. bre¯ad, afr. bra¯d, Wienesen, L.: Die Brombeere (Gießen 1952); Röhrich 1 (1991), 262; EWNl 1 (2003), 368, vgl. 376; EWahd 2 (1998), krimgt. broe. Das Wort hat im Althochdeutschen und 285–289. Altsächsischen das ältere g. *hlaiba- (s. ÞLaib) in der

Brotzeit

154 1

Bedeutung ’Brot’ verdrängt; das Gotische hat noch Bruch Sm ’Gebrochenes’ std. (9. Jh.), mhd. bruch, ahd. allgemein hlaifs m., im Altenglischen und Altnordibruh, as. bruki. Aus wg. *bruki- m. ’Bruch’, auch in ae. bryce, afr. breke zu g. *brek-a- ’brechen’ (Þbrechen). schen haben die ältesten Quellen noch hla¯f m. und hleifr m. Westgermanisch heißt schon seit frühester Die Einzelbedeutungen sind durchsichtig; zu beachZeit die essbare Bienenwabe ’Bienenbrot’: ae. ten ist Bruch(zahl), das eine Lehnübersetzung von l. be¯obre¯ad, as. bı¯bro¯d, ahd. bı¯bro¯t. Die Etymologie ist numerus fra¯ctus ist. Hierzu in die Brüche gehen, urunklar: 1) Normalerweise geht man von einer Ableisprünglich ’nicht aufgehen, einen Bruch ergeben’, tung von brauen aus, mit dem Hinweis darauf, dass dann unter Einfluss der Grundbedeutung ’zunichte mit Brot ursprünglich das nach der neuen Technik werden’. Adjektive: brüchig, unverbrüchlich; Konkregesäuerte Brot gemeint war (im Gegensatz zu einfatum: Bruchstück. Röhrich 1 (1991), 266f.; EWNl 1 (2003), 377; EWahd 2 (1998), cheren Herstellungsarten der Laibe). Gegen diese 374. Etymologie spricht, dass kein anderes Wort für Brot (in irgendeiner Sprache) dieses Benennungsmotiv Bruch2 Smn ’Sumpfland’ per. ndd. (11. Jh.), mhd. zeigt. Das ’Bienenbrot’ müsste bei dieser Etymologie bruoch, ahd. bruoh n. /(m.?). Vielleicht hierher auch eine übertragene Bedeutung sein. 2) In Anbetracht ae. bro¯c m. ’Bach’ (vermutlich ’Bach mit sumpfigen der im Nordhumbrischen auftretenden Bedeutung Ufern’); dann wg. *bro¯ka- m./n. ’Sumpfland’, (viel’Stück, Bissen’ bei ne. bread wird an die Grundlage leicht als Vriddhi-Bildung) zu der unter ÞBrackwasser *breu- ’brechen’ und die davon abgeleiteten (allerbehandelten Sippe g. *brak- für ’Sumpf, stehendes dings lautlich abweichenden) Wörter für ’BrosaWasser’ usw. aus ig. (nordeur.) *m(e)r(e)g- neben men’ angeknüpft (ÞBrosame). ’Bissen, Leckerbissen’ *m(e)r(e)k-, wohl Erweiterung zu *mer- ’Gewässer, ist ein häufiges Benennungsmotiv für ’Brot’ (nachSumpf’, zu dem auch ÞMeer und ÞMoor gehören. vollziehbar z.B. in ngr. pso¯mı´ n. ’Brot’ zu gr. pso¯mo´s Häufig in Ortsnamen. ’Brocken, Bissen’); das ’Bienenbrot’ wäre dann ein Ebenso nndl. broek, ne. brook; ÞBach, ÞBrühl. – Dittmaier, H. ZDA 84 (1952), 174–178; Kutzelnigg, A. MS 82 (1972), 173; ’Leckerbissen von den Bienen’. Diese Etymologie ist Udolph (1994), 130–132; EWNl 1 (2003), 384f.; EWahd 2 (1998), aber lautlich und morphologisch nicht befriedigend. 394–396. 3) Zu erwägen wäre auch ein Zusammenhang mit brauchen in Anbetracht von l. fru¯mentum ’Korn, Bruch3 Sfn ’kurze Hose’ per. arch. (9. Jh., bruohha¯h Nahrungsmittel’ und der häufigen Herleitung von 8. Jh.), mhd. bruoch f., ahd. bruoh f., as. bro¯c f . Aus g. Wörtern für ’Brot’ aus Getreidebezeichnungen. Das *bro¯k- m. (Pl.) ’Hose’, auch in anord. bro´k f., ae. bre¯c, ’Bienenbrot’ wäre dann ’Bienennahrung’. Aber auch br¢ ¯ c f. (Pl.), afr. bre¯k, bro¯k. Gemeint ist die kurze hier ist kein einfacher lautlicher oder morphologiHose, an die in früherer Zeit die Beinlinge (Hosen) scher Weg der Verbindung erkennbar (l. fru¯mentum befestigt wurden. Das gleiche Wort für die gleiche geht vermutlich auf *b hru¯g-ment- oder *b hru¯gsmentSache bestand auch bei den Kelten (bra¯ca), sogar zurück). Diminutivum: Brötchen; Adjektiv: brotlos. auch in einer Nebenform mit expressiver Verdoppelung oder n-Assimilation (gall. bracca, wie ae. braccas Ebenso nndl. brood, ne. bread, nschw. bröd, nisl. braud.Ñ – Schrader, O. FS Sievers (Halle/Saale 1896), 5–11; RGA 3 (1978), m. Pl.). Eine der beiden Sprachen muss wegen des 545–552; LM 2 (1983), 719–721; Röhrich 1 (1991), 262–266; gleichen Auslauts aus der anderen entlehnt haben EWNl 1 (2003), 388; EWahd 2 (1998), 359–361. (nach Szemere´nyi gilt dies allerdings nicht, wenn für das Keltische von kelt. *bra¯gika¯ auszugehen ist). Da Brotzeit Sf bair. ÞFrühstück. im Altertum die bra¯ca als typisch gallische Kleidung Browser Sm ’Programm zum Betrachen von Internetgalt (man unterschied sogar Gallia bra¯ca¯ta ’das beseiten’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus gleichbedeuhoste Gallien’ = ’Gallia Narbonensis’ von Gallia totendem e. browser, dieses ist ein Nomen Instrumenti ga¯ta ’das togatragende Gallien’ = ’Oberitalien’), zu e. to browse ’in einem Buch oder einer Zeitschrift wurde bra¯ca häufig als ursprünglich keltisches Wort blättern, herumschmökern’, ursprünglich ’abgraangesehen. Den Ausschlag dürfte aber geben, dass im sen’. Die Aufgabe des Browsers ist, in einer DatenGermanischen eine klare etymologische Anknüpfung bank oder im Internet verschiedene Einheiten aufzumöglich ist, so dass das Germanische die gebende rufen und gegebenenfalls zu bearbeiten; in der allgeSprache gewesen sein muss: Gleichlautend gibt es im meinen Sprache werden vor allem die für das Internet Germanischen Wörter für ’Hinterteil’, so dass die verwendeten Programme so bezeichnet, die in der Hose nach dem Körperteil benannt wurde, den sie Regel noch eine größere Zahl andersartiger Funktibedeckt (vgl. frz. culotte f. ’Hose’ zu frz. cul m. onen erfüllen (z.B. Versenden von E-Mail). Deshalb ’Hinterteil’), anord. bro´k f. ’Oberschenkel’, ae. bre¯c f. ist die volle Bezeichnung auch e. web-browser, das ’Hinterteil’, schwz. bruech ’Schamgegend’ und von allerdings von vorneherein vereinfacht wurde. Der der geminierten Form das unter ÞBacke 2 behandelte erste solche Browser war Mosaic (1993), die Vorstufe Wort. Verwandt sein kann ferner l. suffra¯go f. von Netscape (1994). ’Hinterbug der Tiere’ und vielleicht gäl. breaman ’Hinterteil, Schwanz von Schafen und Ziegen’. Auch

brummen

155

dieses Argument wird aber hinfällig, falls die HesychGlosse zuverlässig ist, dass (gr.) brakkai ein Kleidungsstück aus Ziegenleder bei den Kelten war. In diesem Fall könnten die Wörter urverwandt sein. Ebenso nndl. broek, ne. breeches. – Birkhan (1970), 247f.; Szemere´nyi (1989), 117–123; Griepentrog (1995), 79–90; Beekes, R. S. P. ABÄG 54 (2000), 25f.; EWNl 1 (2003), 384; EWahd 2 (1998), 390–394.

Brücke Sf std. (8. Jh.), mhd. brücke, brucke, brügge, ahd.

(Diminutiv) bro´lis aus brotere˙˜lis. Weitere Herkunft unklar; das Wort enthält aber das für indogermanische Verwandtschaftsnamen typische -ter-Suffix. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes war offenbar ’zur gleichen Generation gehörige männliche Blutsverwandte innerhalb der Großfamilie’. Adjektiv: brüderlich; Kollektiv: Gebrüder; Abstraktum/Konkretum: Brüderschaft/Bruderschaft; Präfixableitung: verbrüdern.

Ebenso nndl. broeder, ne. brother, nschw. broder, nisl. bro´diÑ r; brugga, as. bruggia. Aus g. *brugjo¯ f., auch in anord. Þfraternisieren. – Risch, E. MH 1944–1947, 117f.; Trier, J. bryggja ’Landebrücke, Landesteg’, ae. brycg, afr. brigZSSR-GA 65 (1947), 225f.; Benveniste (1969/1993), 166–168; ge. Daneben anord. bru´ ’Brücke’. Außergermanisch Bartholmes (1970), 81–93; Szemere´nyi (1977), 22–32; RGA 3 vergleicht sich das zweite Wort mit slavischen Wör(1978), 552–555; Röhrich 1 (1991), 268–270; Carruba (1998), tern (aruss. bervı˘ ’Floß’, ukr. berv ’Baumstumpf’, 129–139; EWNl 1 (2003), 383f.; EWahd 2 (1998), 385–388. bulg. brъv ’Steg, Furt’, serbo-kr. brv ’Balken, Stegbrühen Vsw std. alt. (12. Jh.), mhd. brüejen, brüen, brücke’ u.a.), älter akslav. brı˘vı˘no n. ’Balken’, das eimndd. broien, brogen, mndl. broeien. Aus vd. gentliche slavische Wort für ’Brücke’ ist aber akslav. *bro¯(w)-ja- Vsw. ’brühen’. Das Wort gehört sicher zu mostu˘ m. usw. Anschließbar ist ferner das in einigen der unter Þbrauen behandelten Sippe ig. Ortsnamen auftauchende Element gall. briva, das *b herw-/b hreu- ’wallen, sieden’, entweder als unab’Brücke’ bedeuten könnte, in den belegten keltischen hängige Erweiterung (*b hro¯-) oder, was wahrscheinSprachen ist das Wort ’Brücke’ aber air. drochet, licher ist, als dehnstufige Bildung zu *breww-akymr. pont. Auszugehen ist wohl von einem kelt.-g.’brauen’ (*b hro¯w-). Von den Wörtern für ’Brühe’ geslav. Wort *b hrw-, das ’Stamm, Bohle’ und ’einfache hört ˙ Brühe, mhd. brüeje, mndl. broei(e) zu brühen; Brücke (aus einem Stamm)’ bedeutete, hierzu anord. anord. brod Ñ n., ae. brod,Ñ ahd. broth, brod n. gehört bru´. Als technisch anspruchsvollere Brücken auftranäher zu brauen. − Bei der in älteren Texten gelegentten, konnte dieses Wort erhalten bleiben; daneben lich auftretenden Bedeutung ’necken, plagen’ handelt gab es für die neuere Form aber auch spezielle Bees sich um ein anderes Wort (die niederdeutsche zeichnungen, in der Regel kollektivartige AbleitunForm von bräuten, zunächst ’beschlafen’, dann gen zu einem Wort für ’Stämmchen, Prügel’ (so ge’ärgern, necken’). Präfigierung: Þver-. hört das altirische Wort wohl zu *druko- ’StämmEbenso nndl. broeien, ne. broth; Þabgebrüht. – Röhrich 1 chen’ zu *deru- ’Baum’). G. *brugjo¯ ist am ehesten (1991), 270; EWNl 1 (2003), 384; EWahd 2 (1998), 389. eine Ableitung zu einem solchen Wort, nämlich *b hru-k(o)-, erhalten in Prügel (seit spätmittelhoch- Brühl Sm ’feuchte Wiese’ per. arch. (13. Jh.), mhd. brüel. Entlehnt aus ml. bro(g)ilus, das gall. *brogilos vorausdeutscher Zeit belegt) und schwz. Brügi ’Prügelsetzt. Dieses zu (ig.) *mrog-, das als Erbwort in damm, Plattform, Heubühne (usw.)’; zu vergleichen ÞBrackwasser und ÞBruch 2 auftritt. Das Wort ist häuist vielleicht auch lit. bru¯kly˜s ’Prügel’. Das Wort Brüfiges Element in Ortsnamen. cke selbst weist in den Mundarten ebenfalls BedeuDittmaier, H. ZDA 84 (1952), 174–178; Bader 3 (1973), 133–150; tungen wie ’Zwischenboden, Bettstelle über dem LM 2 (1983), 75. Ofen’ u.ä. auf. Das ursprüngliche Wort fiel der Homonymie mit dem alten Wort ÞBraue zum Opfer; im brüllen Vsw std. (13. Jh.), mhd. brüelen. Setzt vd. *bro¯lja- voraus. Im Ablaut zu diesem mhd. pral, bral Nordischen wurde dieses mit -n erweitert, so dass bru´ ’Schrei’. Herkunft unklar, wohl lautmalend. Abstrak’Brücke’ bestehen bleiben konnte; im Süden ist das tum: Gebrüll. alte Wort ausgestorben. Präfixableitung: überbrücken. Þprahlen. – Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 152–157; Brücke ist häufiges Element von Ortsnamen.

˘

Röhrich 1 (1991), 270f.; EWNl 1 (2003), 392, 404. Ebenso nndl. brug, ne. bridge, nschw. brygga, nisl. bru´, bryggja ’Hafendamm, Anlegebrücke’. – Hammerich, L. L. BGDSL-T brummen Vsw std. (12. Jh.), mhd. brummen. Lautma77 (1955), 183; RGA 3 (1978), 555–580; Seebold, E. IF 87 (1982), lende Bildung, der Wörter für ’summen, surren’ am 189–191; Hinderling, R. Archiv für Geschichte von Oberfrannächsten stehen (ÞBreme, ÞBremse). Weiter ab liegt ken 62 (1982), 229–233; LM 2 (1983), 725–732; Röhrich 1 (1991), die Bedeutung ’brüllen’, die bei entsprechender Laut267f.; Gobber, G. (1995), 139–143; EWNl 1 (2003), 389f.; form vorkommt (ahd. breman, l. fremere u.a.) Die EWahd 2 (1998), 370–373.

Bruder Sm std. (8. Jh.), mhd. bruoder, ahd. bruoder, as.

bro¯daÑ r. Aus g. *bro¯þe¯r m. ’Bruder’, auch in gt. broþar, anord. bro´diÑ r, ae. bro¯doÑ r, afr. bro¯ther, bro¯der, bro¯er. Dieses aus ig. *b hra¯te¯r m. ’Bruder’, auch in toch. A pracar, ai. bhra¯´tar-, gr. phra¯´te¯r ’Mitglied einer Bruderschaft’, l. fra¯ter, air. bra´thair, akslav. brat(r)u˘, lit.

Bedeutung ’im Gefängnis sitzen’ ist wohl in der Studentensprache rückgebildet aus rotw. Brummbajes ’Bienenstock, Gefängnis’. Abstraktum: Gebrumm; Nomen Agentis: Brummer; Adjektiv: brummig; Iterativum: brummeln.

Ebenso nndl. brommen; ÞBrunft. – Seebold (1970), 136; Wolf (1985), 65; EWNl 1 (2003), 286; EWahd 2 (1998), 316–318, 374.

brünett

156

brünett Adj ’braunhaarig, von dunklem Teint’ erw.

fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. brunet, brunette, einer Ableitung von frz. brun ’braun’, dieses aus dem germanischen Farbwort. Ebenso nndl. brunette, ne. brunette, nschw. brunett, nnorw. brunett; Þbraun. – DF 3 (21997), 517–519; Jones (1976), 163; Brunt (1983), 171f.; EWNl 1 (2003), 392.

Brunft Sf ’Paarungszeit des Wildes’ erw. fach. (13. Jh.),

mhd. brunft. Formal als ti-Abstraktum zu ahd. breman ’brüllen’ aufzufassen, also ’das Brüllen des Rotwilds in der Paarungszeit’ (nach dem Muster der Bildungen vor der Lautverschiebung, die ein p zwischen m und t einschalten; -mpt- > -mft-). Die tatsächliche Verwendung entspricht eher der übertragenen Bedeutung von ÞBrunst. Die beiden Wörter haben sich wohl gegenseitig beeinflusst. Brünne Sf ’Teil der Rüstung’ erw. obs. (8. Jh.), mhd.

brünne, brünje, ahd. brunnı¯, brunna, as. brunnia. Können auf g. *brunjo¯n f. ’Brustharnisch’ zurückgeführt werden, auch in gt. brunjo, anord. brynja, ae. byrne. Eine angemessene Herleitung wäre die Annahme einer Zugehörigkeitsbildung zu einem Wort für ’Brust’. Die germanischen Wörter dieser Bedeutung gehen von ig. *b hreus- aus (ÞBrust). Da bei diesen im Germanischen das -s- nicht hätte schwinden dürfen, bleibt die Annahme einer Entlehnung aus dem Keltischen: air. bruinne m. bedeutet ’Brust’. Allerdings stößt auch die Annahme einer Entlehnung aus einem mit diesem zusammenhängenden keltischen Wort auf Schwierigkeiten, da die keltische Geminate im Germanischen wohl nicht vereinfacht worden wäre und ein Wort für ’Brünne’ wohl aus einem gleichbedeutenden keltischen Wort entlehnt worden wäre − nicht aus einem Wort für ’Brust’, zu dem dann erst im Germanischen eine Zugehörigkeitsbildung geformt worden wäre. Es ist deshalb wohl wahrscheinlicher, dass die wesentlich schwerer fassbaren Wörter für ’Brust’ heranzuziehen sind, die auf ig. *b hren-d (h)oder − falls russ. grud′ f. ’Brust’ und seine Verwandten dazugehören − ig. *g whren-d (h)- zurückführen (unerweitert könnte hierher wohl auch gr. phre¯´n gehören, das ursprünglich wohl ’Brust’ bedeutet hat, aber als ’Sinn, Herz’ und ’Zwerchfell’ bezeugt ist, die Dentalerweiterung in dem abgeleiteten phra´zomai, pe´phrade ’sinnen’); im Germanischen ist diese Bildung nur mit anderer Erweiterung bezeugt in anord. bringa ’Brust’. Das Wort für ’Brünne’ könnte unmittelbar auf die Dentalerweiterung zurückgehen (vorg. *g whrnd (h)-ja¯ ’die zur Brust Gehörige’), da der Den˙ tal zwischen n und j schwinden musste. Maschke (1926), 168–176; Szadrowsky, M. GRM 31 (1943), 273; Birkhan (1970), 155–158; LM 2 (1983), 764; EWahd 2 (1998), 379f.

Brunnen Sm std. (8. Jh.), mhd. brunne, ahd. brunno, as.

brunno. Aus g. *brunno¯n m. ’Brunnen, Quelle’, auch in gt. brunna, ae. burna, afr. burna; mit abweichender

Stammbildung anord. brunnr; dieses vergleicht sich unmittelbar mit dem gr. r/n-Stamm phre´a¯r (-a¯tos) aus (ig.) *b hre¯w-r/-nt-, von dem der r-Stamm im arm. ˙ ’Quelle’ fortgesetzt ist, der ałbewr (älter: ałbiwr) n(t)-Stamm (mit ursprünglich vorauszusetzender Schwundstufe *b hru-n[t]-) in g. *brunno¯n. Das zweite -n- stammt wohl aus der n-Flexion. Vom nt-Stamm (vielleicht umgebaut) auch air. tipra f. ’Quelle, Brunnen’. Aus *b hr-u-nt- vielleicht auch mit Ausfall des r nach Labial l. fo¯ns (fontis) ’Quelle’ (alt mit -u-). Wohl denominativ hierzu (trotz Flexion eines Primärverbs) air. bruinnid ’quillt hervor, sprudelt’. Vermutlich zu der unter Þbrauen dargestellten Grundlage. Auf r-Metathese beruht die wd. Form ÞBorn. Sowohl Brunnen wie Born sind häufige Namenelemente. Ebenso nndl. bron, ne. (dial.) burn, nschw. brunn, nisl. brunnur; Þbrunzen. – RGA 4 (1981), 1–16; LM 2 (1983), 764–784; Dalen, A., A˚rhammar, N. FS Alinei 1 (1986), 280–297; Röhrich 1 (1991), 271f.; Stalmaszczyk, P., Witczak, K. T. IF 98 (1993), 26–30; EWNl 1 (2003), 387; EWahd 2 (1998), 381–383.

Brunst Sf ’Paarungszeit des Wildes’ erw. obs. (9. Jh.),

mhd. brunst, ahd. brunst. Aus g. *brunsti- f. ’Brand, Hitze’, auch in gt. ala-brunsts ’Brandopfer’. Formal ein ti-Abstraktum zu brinnen (Þbrennen) mit nicht ausreichend geklärtem s-Einschub. Die alte Bedeutung noch in Feuersbrunst, übertragen auf ’edle Leidenschaft’ in ÞInbrunst; als einfaches Wort nur noch für ’geschlechtliche Erregung von Tieren’ (wofür häufig Wörter für ’Hitze’ übertragen werden). ÞBrunft. – EWNl 1 (2003), 387; EWahd 2 (1998), 384.

brunzen Vsw ’urinieren’ erw. vulg. obd. (15. Jh.). Vor-

auszusetzen ist mhd. brunnezen, wie brunnen Vsw. gleicher Bedeutung von Brunnen abgeleitet, also ursprünglich: ’einen Brunnen machen’. brüsk Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. brusque, dieses

aus it. brusco ’stachlig, rau’, das wohl aus Bezeichnungen für Pflanzen mit rauer Oberfläche (etwa it. brusco ’Mäusedorn’) stammt. Verb: brüskieren. Ebenso nndl. bruusk, ne. brusque, nschw. brysk, nnorw. brysk. – DF 3 (21997), 519–521; EWNl 1 (2003), 393.

Brust Sf std. (8. Jh.), mhd. brust, ahd. brust, mndd.

borst, mndl. borst. Aus g. *brusti- f. ’Brust’, auch in gt. brusts. Meist im Plural, auf den Dual der natürlichen Paarigkeit zurückgehend. Im Ablaut dazu g. *breustan. in anord. brjo´st n., ae. bre¯ost n., afr. br(i)ast, burst, borst, as. briost, breost (meist Pl.) ’Brust’. Vorauszusetzen ist eine Grundlage ig. (w/ oeur.) *b hreus- (oder ein s-Stamm zu *b hreu-) im Bedeutungsbereich ’Bauch − Brust’. Hierzu *b hruso¯n / -n- in air. bru´ f./n. ’Bauch, Brust, Mutterleib’; *brusna¯ in kymr. bron ’Brust’ und *b hrusnjo¯ in air. bruinne m. ’Brust’ (s. auch ÞBrünne), russ. brju´cho ’Bauch, Wanst’, und vielleicht mhd. briune, bru¯ne ’weibliches Geschlechtsteil, Unterleib’. Die Wörter können auf eine Bedeutung ’sprießen, schwellen’ zurückführen. Möglicherweise ein Relikt der Ausgangsbedeutung in as. brust-

Buch

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ian ’sprießen’. Vielleicht ist die Bedeutung ’Brust’ nicht unmittelbar aus der verbalen Grundlage abzuleiten, sondern übertragen aus einem Wort für ’Knospe’. S. ÞBiest 1 und ÞBries zu problematischen Mitgliedern dieser Wortsippe. − Sich brüsten ist ’sich in die Brust werfen, prahlen’. Brüstung ist die ’brusthohe Schutzmauer’. Ebenso nndl. borst, ne. breast, nschw. bröst, nisl. brjo´st. – Röhrich 1 (1991), 273f.; Griepentrog (1995), 463; EWNl 1 (2003), 358; EWahd 2 (1998), 399–402.

Brut Sf std. (14. Jh.), mhd. bruot. Wie ae. bro¯d ’Brut

(der Bienen, Vögel)’ möglicherweise eine Rückbildung zu brüten oder eine Ableitung aus der gleichen Grundlage, die semantisch angepasst wurde. EWNl 1 (2003), 383.

brutal Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus spl. bru¯ta¯lis

’unvernünftig, tierisch’, dieses aus l. bru¯tus ’schwerfällig, stumpf, gefühllos’. Abstraktum: Brutalität. Ebenso nndl. bruut, ne. brute, brutal, brutish, nfrz. brute, brutal, nschw. brutal, nnorw. brutal; Þbrutto. – DF 3 (21997), 521–524; EWNl 1 (2003), 392.

brüten Vsw std. (8. Jh.), mhd. brüeten, ahd. bruoten.

Standes), dann auch 3) ’Schelm, Spitzbube’. Die Beleglage dürfte darauf hinweisen, dass es sich um ein Wort der Unterschicht handelt, die in den frühen Quellen normalerweise nicht zu Worte kommt. Dass das Wort offenbar zuerst in Namen bezeugt ist, kann damit in Einklang stehen, denn von solchen Leuten (und damit ihrem Namen) wird häufiger geredet, als dass sie selbst (in der schriftlichen Überlieferung) sprachlich erkennbar werden. Des weiteren ist nicht ausgeschlossen, dass es sich ursprünglich um ein Kinderwort handelte. Man kann eine Grundlage (g.) *bo¯erschließen, die im Deutschen mit b erweitert (oder redupliziert) erscheint, im Englischen und Friesischen als j-Bildung (*bo¯bo¯n und *bo¯jo¯n). Die Herkunft dieses Elements aus einer kindersprachlichen Verstümmelung von ÞBruder (so bezeugt in fläm. boe, nnorw. boa) ist denkbar. Der Umkreis von schwz. ba¯bi, ba¯b¡li, ne. babe usw. (ÞBaby) bleibt trotz ähnlicher Herkunft besser fern. Hierzu auch Boofke als gutmütige Schelte. Adjektiv: bübisch; Abstraktum: Büberei. Ebenso nndl. boef, ne. boy. S. auch ÞBuhle, ÞLausbub, ÞSpitzbube, ÞCowboy. – Müller, E. E. Jahrbuch 1868, 129–146;

Aus wg. *bro¯d-ja- Vsw. ’brüten, wärmen’, auch in ae. Kaestner, W. KVNS 77 (1970), 10f.; Roelandts, K., A˚rhambre¯dan; vermutlich Kausativ zu *br¢ ¯ d-a- ’wärmen, mar, N. R. u. a. (Hrsg.): Miscellanea Frisica (Assen 1984), braten’ (Þbraten). Eine entsprechende Bedeutungs123–136; Röhrich 1 (1991), 274; EWNl 1 (2003), 337f. wh entwicklung bei der einfachen Wurzel (ig. *g erBubikopf Sm erw. stil. (20. Jh.). Bezeichnung einer jun’brennen, wärmen’) in kymr. goˆr, air. guirid ’brütet genhaft geschnittenen Damenfrisur. Zu der Koseaus’ (neben anderen Bedeutungen). Die gleiche Beform Bubi zu ÞBube. deutung hat in der älteren Sprache aber auch Buch Sn std. (8. Jh.), mhd. buoch, ahd. buoh f./n. /m., as. (aus)brü(h)en. bo¯k. Aus g. *bo¯k-(o¯) f., auch in gt. boka f. ’Buchstabe’, Ebenso nndl. broeien, ne. breed; ÞBrut. – EWNl 1 (2003), 383; gt. bokos ’Schriftstück, Buch’, anord. bo´k f. (urEWahd 2 (1998), 397f. sprünglich Wurzelnomen) ’gesticktes Kissen, Buch’, brutto Adv/ Ptkl ’ohne Abzug’ erw. fach. (16. Jh.). Entae. bo¯c f. (auch n.) (ursprünglich Wurzelnomen) lehnt aus it. brutto, dieses aus l. bru¯tus ’schwerfällig, ’Buch’, afr. bo¯k ’Buch’, as. bo¯k f. Sg. ’Schrifttafel’, sonst stumpf, unrein’. Zunächst vor allem zur Bezeichnung f./n. Pl. ’Buch, Bücher’; auch althochdeutsch kann des Rohgewichts nach it. brutto peso. der Plural (normalerweise neutrum, aber auch masEbenso nndl. bruto, nfrz. brut, nschw. brutto, nnorw. brutto, kulinum und femininum) für ein einzelnes Buch genisl. bru´tto´; Þbrutal. – DF 3 (21997), 524f.; Salvaneschi, E. braucht werden (in einen buachon usw.). Auszugehen Quaderni di semantica 12 (1991), 135–166; EWNl 1 (2003), 392f. ist ersichtlich von einem femininen Wurzelnomen brutzeln Vsw std. stil. (16. Jh.). Formal näher mit mit der Bedeutung ’Buchstabe’ (so gotisch und in Þbrodeln zusammenhängend, aber semantisch zu Spuren althochdeutsch). Dessen Verwendung im Þbraten gehörig. Lautmalerisch. Plural mit der Bedeutung ’Schriftstück, Buch’ (einBube Sm std. (13. Jh.), mhd. buobe, bu¯be, mndd. bove, deutig im Gotischen, aber auch im Altsächsischen md. bu¯fe, mndl. boef, boeve, bouve. Die Beleglage ist und Althochdeutschen) entspricht dem Gebrauch auffällig: Entsprechende Wörter tauchen in spätmitvon gr. gra´mma n. und l. littera f. und ist deshalb wohl telhochdeutscher Zeit (und entsprechend spät in anvon den alten Sprachen entlehnt. Daraus wird offenderen Sprachen) im ganzen westgermanischen Bebar im Westgermanischen ein Singular gebildet, der reich auf, sind vorher aber nirgends bezeugt. Es gibt auch vom Altnordischen übernommen wird. Möglizwar Namen, die offenbar lautgleich sind, aber von cherweise hat dazu beigetragen, dass in echt germadenen natürlich nicht mit Sicherheit gesagt werden nischer Ausdrucksweise der Singular *bo¯k- auch kann, dass sie zu dem Appellativum Bube gehören. ’etwas, auf dem Zeichen (Buchstaben) stehen’ bedeuBezeugt sind als Namen ahd. Buobo, as. Bo¯vo, ae. Bo¯fa ten konnte. Darauf könnte die altnordische Bedeuneben Bo¯ja, der Entsprechung zu ne. boy, fr. boi. Die tung ’gesticktes Kissen’ weisen (ob sie nun echt norBedeutung des Appellativums ist im Deutschen von disch oder aus dem Westgermanischen entlehnt ist, Anfang an 1) ’männliches Kind’ (ein vertrauliches vgl. as. bo¯kon ’sticken’). Für diesen Singular setzt sich Wort) und 2) ’Trossbube, Diener, Knecht’ (niederen im Deutschen das sporadisch auch außerhalb be-

Buche

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zeugte Neutrum durch. Die Bedeutung ’Buchstabe’ (die im übrigen auch in die slavischen Sprachen entlehnt wird, vgl. russ. bu´kva f. usw.) wird im Westgermanischen und im Anschluss daran im Altnordischen (zur Bezeichnung lateinischer Buchstaben gegenüber den Runen) verdeutlicht durch *staba- m., das auch für sich allein ’Buchstabe’ bedeuten konnte. Diese Bedeutung ’Buchstabe, Zeichen’, aus der sich alle anderen herleiten lassen, kann mit dem Wort ÞBuche (so die übliche Etymologie) aus formalen und sachlichen Gründen nichts zu tun haben: aus formalen Gründen, weil das Wort *bo¯k-s ’Buchstabe’ ursprünglich ein Wurzelnomen war und die angebliche Grundlage *bo¯ko¯ ’Buche’ ein femininer o¯-Stamm; aus sachlichen, weil nirgends das Schreiben von Runen (um das es ursprünglich gegangen sein muss) auf Buchentafeln bezeugt ist. Andererseits kann die allgemeinere Bedeutung ’Zeichen’ aus ’Loszeichen, Los’ stammen, wie etwa der lett. Neologismus burts ’Buchstabe’, eigentlich ’Zauberzeichen’, zu lit. bu`rtai m. Pl. ’Los, Zauberei, Wahrsagerei’, zu lit. bu`rti ’zaubern, weissagen’ (zum Sachlichen vgl. für das Germanische v.a. Tacitus Germania 10). Deshalb kann sich das germanische Wort vergleichen mit ai. bha´ga- ’Wohlstand, Glück, Besitz’, avest. baga’Anteil, Los’, mit Langvokal ai. bha¯ga´- ’Anteil, Los, Schicksal’, avest. ba¯ga- ’Anteil’ (auch Wurzelnomina sind bezeugt, allerdings mit weniger genauer Bedeutungsentsprechung), zu ai. bha´jati ’teilt zu’. Kollektivum: Bücherei. Ebenso nndl. boek, ne. book, nschw. bok, nisl. bo´k; Þbuchen, ÞBuchstabe. – RGA 4 (1981), 34–37; Seebold (1981), 290–292; Ebbinghaus, E. A. GL 22 (1982), 99–103; Peeters, Ch. GL 22 (1982), 266; LM 2 (1983), 802–811; Seebold, E. in Brogyanyi/ Krömmelbein (1986), 527–532; Ebbinghaus, E. A. AJGLL 3 (1991), 51–56; Röhrich 1 (1991), 274f.; Szemere´nyi, O. FS Meid (1989), 368–378 (anders [Entlehnung aus dem Türkischen]); Griepentrog (1995), 59–77; EWNl 1 (2003), 339f.; EWahd 2 (1998), 445–449.

Buche Sf std. (8. Jh.), mhd. buoche, ahd. buohha, as.

Buchecker Sf ÞEcker. buchen Vsw ’in die Bücher (heute: die Buchhaltung)

eintragen, eine Flugkarte bestellen’ std. (16. Jh.). Lehnübersetzung von ne. to book, dieses zu ne. books ’Buchhaltung’; auch neuere Bedeutungsentwicklungen des englischen Worts werden übernommen. Abstraktum: Buchung. Rey-Debove/Gagnon (1988), 76; EWNl 1 (2003), 340.

Buchhalter Sm (Buchhaltung f.) std. (15. Jh.). Die verbale

Fügung die Bücher halten (seit dem 15. Jh.) ist eine Lehnübersetzung aus it. tenere i libri. Sie hat sich zwar nicht gehalten, wohl aber die Ableitungen. Schirmer (1911), 38; LM 2 (1983), 829–836; EWNl 1 (2003), 340f.

Buchs (Buchsbaum) Sm erw. fach. (10. Jh.), mhd. buhs-

boum, ahd. buhsboum, mndd. bussbo¯m, mndl. busch, buschboom. Ist aus l. buxus f. entlehnt. Das lateinische Wort geht zurück auf gr. py´xos f. gleicher Bedeutung und unklarer Herkunft. Ebenso nndl. buksboom, ne. box(tree), nfrz. buis, nschw. buxbom, nnorw. buksbom; ÞBüchse. – Marzell 1 (1943), 702f.; LM 2 (1983), 893; EWNl 1 (2003), 398; EWahd 2 (1998), 423f.

Buchse Sf ’Hohlzylinder zur Aufnahme eines Ste-

ckers’ erw. fach. (18. Jh.). Ursprünglich nicht umgelautete, regionale Form von ÞBüchse. Im 20. Jh. fachsprachlich verbreitet. Ebenso nndl. bus, buis; ÞBüchse.

Büchse Sf std. (10. Jh.), mhd. bühse, ahd. buhsa. Ist in

früher Zeit entlehnt aus l. puxis, buxis f., dieses aus gr. pyxı´s f. ’Döschen aus Buchsholz’ zu ÞBuchs(baum). Gemeint waren kleine Kästchen für Arzneimittel, Gewürze u.ä. Die spätere Bedeutung ’Feuerwaffe’ bezieht sich wie Feuerrohr auf den Lauf des Gewehrs. Ebenso nndl. bus, ne. box, nfrz. boıˆte, buks ’Flinte’, nschw. bössa ’Flinte’, nisl. byssa ’Flinte’; ÞBox, ÞBuchs(baum), ÞBuchse. – LM 2 (1983), 893 (zu Büchse im Sinn von ’Feuerwaffe’); Röhrich 1 (1991), 276; EWNl 1 (2003), 398, 404; EWahd 2 (1998), 424f.

bo¯ka. Aus g. *bo¯ko¯ f. ’Buche’, auch in anord. bo´k, ae. Buchstabe Sm std. (8. Jh.), mhd. buochstap, buochstabe, ahd. buohstab, as. bo¯kstaf . Aus wg. *bo¯k-staba- m. bo¯c (neben einer jo¯-stämmigen Form be¯ce); dieses aus h ’Buchstabe’, auch in ae. bo¯cst¢f, daraus entlehnt ig. (eur.) *b a¯ga¯ f. ’Buche’, am genauesten vergleichanord. bo´kstafr. Verdeutlichende Komposition des bar mit l. fa¯gus ’Buche’, semantisch abweichend gr. alten *bo¯k-s ’Buchstabe’ durch das Wort Stab, das phe¯go´s ’Eiche’ und vermutlich kelt. *ba¯gos in Ortsauch allein (vor allem im Altnordischen und Altengnamen. Das Wort spielt eine Rolle in dem ’Buchenlischen) ’Buchstabe’ bedeuten konnte. Die ursprüngargument’ bei der Bestimmung der Heimat der Inliche Bedeutung von ÞStab in diesem Zusammendogermanen, da die Verbreitung der Buche eingehang war sicher die eines Stäbchens oder Zweigs mit schränkt ist. Da die Bedeutung des Wortes aber nicht einem darauf geritzten Zeichen − mit dem Hauptstab ausreichend (etwa durch eine klare Etymologie) geder Runen (dem für die meisten Zeichen typischen sichert werden kann, reicht dieses Argument zu weisenkrechten Strich) hat sie sicher nichts zu tun. Teilterführenden Schlüssen nicht aus. weise (ae., anord.) wird in der frühen Zeit zwischen Ebenso nndl. beukeboom, ne. beech, nschw. bok; Þbauchen. – Buchstaben und Runenstäben unterschieden. AdjekWissmann, W.: Der Name der Buche (Berlin 1952); Krogtiv: buchstäblich; Verb: buchstabieren. mann, W. ZVS 72 (1955), 1–29; Krogmann, W. ZVS 73 (1956), 1–25; Eilers, W. / Mayrhofer, M. MAG 92 (1962), 61–92; RGA 4 (1981), 55–59; Griepentrog (1995), 59–77; EWNl 1 (2003), 289; EWahd 2 (1998), 437–442.

Ebenso nndl. boekstaaf, nschw. bokstav, nisl. bo´kstafur; ÞBuch, ÞStab, ÞStabreim. – Krogmann, W. IF 48 (1930), 268; Rosenfeld, H. Gutenberg-Jahrbuch 1969, 338–344; RGA 4 (1981),

159 87f.; Ebbinghaus, E. A. GL 21 (1981), 194–197; LM 2 (1983), 894; Röhrich 1 (1991), 276; EWNl 1 (2003), 341; EWahd 2 (1998), 450; Pierce, M. HSF 119 (2008), 273–282.

Bucht Sf std. (17. Jh.). Übernommen aus ndd. bucht

Budget schon im 8. Jh. bezeugten Büh(e)l naheliegt. Weitere Bedeutungen, wie ’ausgebuchtete Stelle, etwa im Straßenpflaster’ können Übertragungen aus (2) oder (3) sein. Es kann sich auch bei (3) um eine Übertragung aus (2) handeln – dann müsste Büh(e)l abgetrennt werden. Bei beiden ist auch ein Anschluss an die Lautgebärde *bu- für aufgeblähte Gegenstände (s. ÞBausch) nicht auszuschließen.

’Biegung, Krümmung’ in der technischen Bedeutung ’landeinwärts gebogene Strandlinie’. Dieses ist ein altes ti-Abstraktum zu Þbiegen, bewahrt in anord. -bo´t, ae. byht, mndd. bucht, bocht. Ndd. Bucht bedeutet auch ’Verschlag für Haustiere’, wohl ausgehend Valtavuo (1957), 79–82; Hüpper-Dröge (1983); Röhrich 1 (1991), 276f.; EWNl 1 (2003), 335; EWahd 2 (1998), 415. von der Bedeutung ’Winkel’. Partikelableitung: einbuchten. bücken Vsw std. (13. Jh.), mhd. bücken, mndd. bucken, EWNl 1 (2003), 335f. mndl. bocken. Intensivum zu Þbiegen mit IntensivGemination (*bukk-ja- zu *beug-a-). Buchweizen Sm per. arch. (16. Jh.), mndd. bo¯kwete, bo¯kweite, mndl. boecweit. Ursprünglich niederEWNl 1 (2003), 398. deutsch (mndd. bo¯kwete, bo¯kweite, mndl. boecweit). Bücking Sm ÞBückling 1, ÞBückling 2. Die Benennung erfolgte nach der Form der Samen, 1 die kleinen Bucheckern ähnlich sehen; -weizen nach Bückling Sm ’Verbeugung (der Männer)’ erw. stil. (17. Jh.). Fnhd. bücking ’jmd., der sich höflich verGeschmack und Verwendung (der Buchweizen ist beugt’; dann einerseits Anpassung an die Ableitungen aber kein Getreide, sondern ein Knöterichgewächs). auf Þ-ling, andererseits Übertragung auf die HandDie frühere Bezeichnung (seit dem 15. Jh.) ist lung (wie ÞDiener ’Dienender; jmd., der sich wie ein ÞHeidenkorn (wegen der Einführung aus heidnischen Diener verbeugt; höfliche Verbeugung’). Zu Þbücken. Ländern, vgl. frz. (ble´) sarrasin usw.). Bückling2 Sm ’geräucherter Hering’ std. (15. Jh.), Bertsch (1947), 232–234; Marzell 2 (1972), 406; Kieser, O. NJ 84 (1961), 67–77; Abegg-Mengold (1979), 70f., 95–97; RGA spmhd. bückinc. Ist aus mndd. buckink, mndl. bu4 (1981), 88f.; EWNl 1 (2003), 341. ckinc, nndl. bokking übernommen. Wie nndl. boksharing eine Ableitung von ÞBock wegen des ausgeBuckel Sm std. (12. Jh.). Zu dem Wort gehören drei prägten Geruchs dieser Fische. Später Anpassung an Bedeutungskomplexe, die mit verschiedenen andedie Ableitungen auf Þ-ling. ren Wörtern verwandt sind, deren Zusammenhang EWNl 1 (2003), 346. umstritten ist. Etymologisch eindeutig ist die Bedeutung (1) ’Schildbuckel’. Sie stammt aus einer Entleh- Buddel (Buttel) Sf ’Flasche’ per. ndd. (17. Jh.). Aus ndd. nung aus afrz. boucle ’Schildknauf’, das seinerseits buddel, das im 17. Jh. aus frz. bouteille entlehnt wurde aus l. buccula f., Diminutiv zu l. bucca f. ’(aufgebla(vgl. ne. bottle). Das französische Wort geht auf ml. sene) Backe’ gehört. Teilweise werden die anderen but(t)icula ’Flasche, Krug’ zurück, eine VerkleineBedeutungen aus dieser Entlehnung abgeleitet, was rungsform von ml. but(t)is ’Fass’ (ÞBütte). wegen der späten Bezeugung dieser Bedeutungen Ebenso nndl. bottelen ’Flaschen abfüllen’, ne. bottle, nfrz. bouteille, nschw. butelj, nnorw. butel; ÞBouteille. – DF 1 (1913), 103; möglich ist, aber voraussetzen würde, dass deren DEO (1982), 148; EWNl 1 (2003), 362. mögliche Verwandte abzutrennen wären, was wenig befriedigt. (2) Ausgehend wohl von ’krummer Rübuddeln Vsw ’mit den Händen im Sand wühlen, gracken, Verwachsung’, dann ’Rücken’ allgemein. Dieses ben’ std. stil. (18. Jh.). Herkunft unklar; vgl. für die Wort ist oberdeutsch, es wird im mittel- und niederentsprechende Tätigkeit im Wasser puddeln2 und (aus deutschen Bereich als Puckel aufgenommen. Belegt dem Neuenglischen) ÞPaddel. seit dem 15. Jh. Seine niederländische Entsprechung ÞBoden. – Schlemmer (1971), 143–149. ist bochel (seit dem 16. Jh.), das auf *bugla- zurückBude Sf std. stil. (13. Jh.), mhd. buode, mndd. bode, geht. Hier liegt eine Anknüpfung an biegen nahe, mndl. boede. Das vorauszusetzende vd. *bo¯þo¯ kann zu doch müsste dann die oberdeutsche Geminate (an*bo¯ww-a- ’bauen’ mit Verlust des zweiten Diders als das niederländische Wort) entweder als phthongbestandteils gehören. In diesem Fall verglei’emphatisch’ erklärt werden, oder als westgermanichen sich näher anord. bu´d Ñ ’Wohnung, Laden, Bude’ sche Gemination vor l, die dann durch die 2. Laut(aus *bu¯-), sowie außergermanisch (mit Vokalkürze) verschiebung zu -kk- geworden wäre. Lautlich verair. both ’Hütte’, lit. bu`tas ’Haus, Hütte’. gleichbar wäre bücken, dessen niederländische EntEbenso ne. booth (entlehnt aus dem Altnordischen), nschw. sprechung aber die gleiche Geminate aufweist bod, nisl. bu´d;Ñ ÞBaude, Þbauen. – Stammler (1954), 205–208; (bukken). Zu dieser Gruppe gehört das Verb buckeln Bielfeldt (1965), 25; Röhrich 1 (1991), 278f.; EWNl 1 (2003), und das Adjektiv buck(e)lig; das Wort ist in der nie337. derdeutschen Lautform auch in skandinavische SpraBudget Sn ’Finanzplanung’ erw. fach. (18. Jh.). Über chen entlehnt worden. (3) ’Hügel, kleiner Berg mit frz. budget entlehnt aus ne. budget, dieses aus afrz. runder Kuppe’, für das ein Zusammenhang mit dem bougette ’Lederbeutel’, einem Diminutivum zu frz.

Budike

160 h

h

bouge m. ’Ledersack’, aus l. bulga f. (Eigentlich ist das Dieses aus ig. *b a¯g u- m. ’Arm’ in ai. ba¯hu´- ’Arm’, gr. englische Wort entlehnt und dann der französischen pe˜chys ’Unterarm, Ellenbogen’, umbr. fahe ’Bug’; toch. AB poke ’Arm’. Das Grundwort ist vermutlich Aussprache angepasst worden.) Im Englischen bedeutete to open one’s budget ’seine Absichten darleerhalten in osset. i-vaz, i-v¢z ’ausstrecken’ (*vi-ba¯z-), gen’ (eigentlich ’seinen Beutel öffnen’); dies wurde also etwa ’das Ausgestreckte’. Ebenso ne. bough ’Ast, Zweig’. – Benveniste, E. BSL 52 (1956), dann speziell von der jährlichen Erklärung des eng60–71; Watkins, C. BSL 70 (1975), 11; Rix, H. Sprache 32 (1986), lischen Finanzministers vor dem Parlament gesagt, in 311–323; EWahd 2 (1998), 443–445. der er sich über die vermutlichen Einkünfte und Ausgaben des folgenden Jahres ausließ. Von da aus wird Bug2 Sm ’Schiffsbug’ erw. fach. (17. Jh.). In den späten budget zu einem Ausdruck für die Finanzplanung, germanischen Sprachen verbreitet (nschw. bog, ne. der dann (meist scherzhaft) auch in andere Bereiche bow, nndl. boeg), ursprünglich wohl niederdeutsch/ übernommen wird. niederländisch. Herkunft unklar. Vermutlich mit der Bedeutung ’Flanke’ eine Übertragung aus ÞBug 1; Ebenso nndl. budget, nschw. budget, nnorw. budsjett. Zur ger2 2 manischen Verwandtschaft s. ÞBalg; ÞBulge . – DF 3 ( 1997), sonst wäre an eine regional entstandene Ableitung 525–528; Ganz (1957), 49; Rey-Debove/Gagnon (1988), 97f.; aus Þbiegen zu denken, die bei der Verbreitung einen EWNl 1 (2003), 393. abweichenden Lautstand angenommen hätte. Þbugsieren. – EWNl 1 (2003), 338. Budike Sf ÞBoutique. Bügel Sm std. (17. Jh.), fnhd. bügele f., mndd. bog(g)el, Büfett Sn ’Geschirrschrank’, ’Anrichte’, ’zum Selbsteigentlich ’gebogenes Stück’, mndl. bogel, buegel. bedienen aufgestellte Speisen’ std. (16. Jh.). Entlehnt Späte Instrumentalbildung zu Þbiegen. Zunächst für aus frz. buffet m., dessen weitere Herkunft nicht geSteigbügel u.ä. klärt ist. Möglicherweise wie ÞBüro benannt nach Ebenso nndl. beugel; Þbügeln. – EWNl 1 (2003), 288f. dem Stoff, mit dem die Anrichte bespannt ist, oder als ’Klapptisch’ zu einer Lautnachahmung. Zu einer äl- bügeln Vsw std. (17. Jh.). Vermutlich ist mit diesem teren Entlehnung s. EWahd. Wort ursprünglich ’mit einem (heißen?) Instrument Rundkrägen biegen’ gemeint, also ’einen ’Bügel’ maEbenso nndl. buffet, ne. buffet, nschw. byffe´, nnorw. buffet. – DF 3 (21997), 528–530; Brunt (1983), 172; DEO (1982), 167f.; chen’. Die Bedeutung wäre dann ausgeweitet worden EWNl 1 (2003), 394; EWahd 2 (1998), 225. und zu dem späteren glätten (Þglatt) oder Þplätten (Þplatt) in Konkurrenz getreten. Die Beleglage ist Büffel Sm std. (14. Jh.), spmhd. büffel. Entlehnt aus frz. aber für eine sichere Beurteilung zu dürftig. Denkbar buffle, das auf spl. bu¯falus, Nebenform von bu¯balus, ist auch, dass das Bügeleisen früher benannt wurde zurückgeht. Dieses stammt aus gr. bou´balos, das wohl (wegen seines Bügelgriffs?) und daraus das Verb eine unklare Ableitung von gr. bou˜s m./f. ’Rind’ ist. rückgebildet ist. Die Bedeutung dieses Wortes war ursprünglich mögÞBügel. – Röhrich 1 (1991), 279. licherweise ’(afrikanische) Antilope’ (’das rind-ähnliche Tier’?), wurde dann aber unter dem Einfluss des bugsieren Vsw ’Schiff ins Schlepptau nehmen’ erw. Grundworts auf den Büffel übertragen. Büffel im wisfach. (17. Jh.). Entlehnt aus nndl. boegseren, das seisenschaftlichen Sinn gibt es nur in Asien und Afrika. nerseits aus port. puxar ’ziehen, zerren’ stammt (dieDer amerikanische Bison und der europäische Wisent ses aus l. pulsa¯re ’stoßen’, das mit l. pellere ’stoßen, bilden zusammen eine davon verschiedene Gattung schlagen’ verwandt ist). Sowohl im Niederländischen ’Bison’. Unstimmigkeiten ergeben sich dadurch, dass wie im Deutschen hat die Anlehnung an ÞBug 2 auf der amerikanische Bison auf englisch (außerwissenAussprache und Schreibung eingewirkt. schaftlich) buffalo, also Büffel, genannt wird. Die BüfEbenso nndl. boegseren, nschw. bogsera, nnorw. buksere; ÞPuls. fel waren früher Arbeitstiere, deshalb büffeln ’hart ar– EWNl 1 (2003), 338. beiten’ (wonach später Þochsen). Buhei (häufiger Bohei) Sn ’viel Lärm (um nichts)’ per. Ebenso nndl. buffel, ne. buffalo, nfrz. buffle, nschw. buffel, nnorw. bøffel, nisl. buffall; ÞKuh, ÞPosaune. – EWahd 2 (1998), 416f.; EWNl 1 (2003), 393f.

Buffo Sm ’Sänger und Darsteller eines lustigen Parts in

der Oper’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus it. buffo, zu it. buffone ’Possenreißer’, dieses aus it. buffare ’die Backen aufblasen, Possen reißen’. Ebenso nndl. basso-buffo, ne. buffo, nfrz. bouffe. – DF 3 (21997), 530–532.

Bug1 Sm ’Schulterstück von Pferd und Rind; Strebe im

Gebälk’ erw. fach. (9. Jh.), mhd. buoc, ahd. buog. Aus g. *bo¯g(u)- m. ’Arm’ (vermutlich nur noch in besonderen Verwendungen), auch in anord. bo´gr, ae. bog.

reg. (18. Jh., Ende 20. Jh. in der Standardsprache). In der Form Bohei um die Jahrtausendwende häufig geworden. Das Wort ist davor in nordwestlichen Mundarten und im Niederländischen vorhanden und zeigt dort verschiedene Lautformen. Wenn die Betonung erkennbar ist, liegt der Ton auf der zweiten Silbe. Alte Angaben zeigen eindeutig, dass eine ältere Form den Anlaut br- hatte; als bruheh ist es auch bei Frisch 1741 bezeugt und wird dort als ’Geschrei der Hetzenden und Jagenden’ auf frz. brouhaha zurückgeführt. Dort ist das Wort schon im 16. Jh. in einem Theaterstück bezeugt, in dem ein als Teufel verkleideter Geistlicher das teuflische Geschrei nachahmt

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mit brou, brou, brou, ha, ha, brou ha ha. Dies wird zurückgeführt auf hebr. ba¯rukh hab-ba¯ ’gesegnet sei, der da kommt’ (Ps. 118), eine gängige jüdische Begrüßungsformel. Leithäuser, J.: Gallicismen in niederrheinischen Mundarten (Barmen 1894), 14; Barbier fils, P. Revue de dialectologie Romane 4 (1912), Nr. 20.

Bühl Sm ’Hügel’ per. obd. (8. Jh.), mhd. bühel, ahd. bu-

hil. Heute nur noch mundartliches Wort und (häufig) in Orts- und Flurnamen. Herkunft unklar. Valtavuo (1957), 83–88; EWahd 2 (1998), 421–423.

Buhle Sm erw. obs. (12. Jh.), mhd. buole, mndd. bo(u)le,

Bulldogge Bukett Sn ’besonders festlicher Blumenstrauß’ erw.

fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. bouquet m., einer pikardischen Form von afrz. boscet, einem Diminutivum zu afrz. bois ’Holz, Wald’. Die ursprüngliche Bedeutung ’kleine Ansammlung von Bäumen und Sträuchern’ wird verallgemeinert auf eine Zusammenstellung von Blumen. Nach französischem Vorbild dann auch ’Aroma des Weins’ (das als eine Zusammenstellung verschiedener Aromen aufgefasst wird). Das Wort wird (nur in der ersten Bedeutung) in Deutschland unfranzösisch mit auslautendem -t ausgesprochen (Schriftaussprache?). Ebenso nndl. boeket, ne. bouquet, nschw. bukett, (Wein) buke´,

mndl. boel. Trotz der späten Belege wohl ein altes nnorw. bukett, (Wein) buke´. Zur germanischen VerwandtWort (aus der Sprache niederer Schichten?): zu g. schaft s. ÞBusch; ÞBoskett. – DF 3 (21997), 532f.; DEO (1982), *bo¯la- n. ’Schlafplatz’ in anord. bo´l n. ’Schlafplatz, 142 (anders); EWNl 1 (2003), 340. Lager wilder Tiere’ als ’Schlafgenosse’; vgl. das mögBulette Sf ’Hackfleischbällchen’ per. omd. (19. Jh.). licherweise verwandte lit. guo˜lis ’Schlafstätte, LagerEntlehnt aus frz. boulette (de viande), einem Dimistätte’ nebst lit. gulo˜vas ’Lagergenosse’ und lit. gulo˜ve˙, nutivum zu frz. boule ’Kugel’, aus l. bulla ’Aufgegulova` f. ’Beischläferin’. Die gleichlautenden Kosewalltes, Blase’. wörter für ’Bruder’ sind wohl abzutrennen und in ÞBulle 2. den Umkreis von ÞBube zu stellen. Verb: buhlen. Bulge1 Sf ’Meereswelle’ per. arch. (13. Jh.), mhd. bulge, ÞNebenbuhler. – Seebold, E. in Mayrhofer/Peters/Pfeiffer mndd. bulge. Aus g. *bulgjo¯n f. ’Welle’, auch in anord. (1980), 484; EWNl 1 (2003), 341f. bylgja; vermutlich zu g. *belg-a- Vst. ’schwellen’ in Buhmann Sm ’Kinderschreck’; ’jemand, der ’ausgeanord. bolginn ’geschwollen’ (außerhalb des Nordibuht’ wird; jemand, auf den alle Schuld geschoben schen zu ’zürnen’ weiterentwickelt). Weiter zu wird’ erw. stil. (18. Jh.). So, wie das Wort heute geÞBall 1. braucht wird, bedeutet es ’jemand, auf den alle mit (der abwertenden Interjektion) buh reagieren’; dann Bulge2 Sf ’lederner Wasserbehälter’ per. arch. (13. Jh.), mhd. bulge, ahd. bulga. Vermutlich entlehnt aus auch ’jemand, auf den alle Schuld geschoben wird’. einem Wanderwort, das auch in spl. bulga ’LederDie Frühbezeugungen lassen es aber als möglich ersack’ erscheint. scheinen, dass es sich um eine Umgestaltung von Koboldnamen wie ÞButzemann handelt (ähnlich nndl. Ebenso ne. bulge; ÞBudget, ÞBalg. – Vendryes, J. BSL 41 (1941), 135–139; Hubschmid (1955), 25–27; EWahd 2 (1998), boeman ’Kinderschreck’ und älteres boeseman. Zu 426f. beachten sind auch ne. bog(e)y ’(Kinder) Schreck’ und bugbear ’Kobold’). Die moderne Bedeutung Bullauge Sn per. fach. (19. Jh.). Über ndd. bulloog entunter dem Einfluss der Verwendung der englischen lehnt aus ne. bull’s eye und im zweiten Teil (wohl Interjektion boo. nicht im ersten) übersetzt. Die Bullaugen waren Nndl. boeman. – EWNl 1 (2003), 342. runde Scheiben, die in der Mitte aufgewölbt waren; deshalb der Vergleich mit dem Auge eines Ochsen. Es Buhne Sf ’Uferschutzbau’ per. fach. (17. Jh.). Aus dem ist aber zu beachten, dass frz. boule ’Kugel’ zumindest Niederdeutschen: mndd. bune, nndl. bun. Herkunft in regionalen Ableitungen auch ’Öffnung, Loch’ beunklar. Vermutlich hängt es mit dem ebenfalls undeuten kann, so dass im Englischen von einer Entlehklaren ÞBühne zusammen. nung auszugehen sein könnte, die dann durch Auge Bühne Sf std. (13. Jh.), mhd. bün(e), mndd. bone m. / f . im Sinn von ’Fenster’ verdeutlicht wurde (vgl. ne. Setzt vd. *bunı¯-/-jo¯ voraus. Die vielfältigen Bedeuwindow) tungen lassen sich auf ’Brettergerüst, Decke’ zurückÞBulle 1, ÞOchsenauge. führen. Herkunft am ehesten zu voreinzelsprachl. Bulldogge Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. bulldog *b hun- in avest. bu¯˘na- m. ’Boden’, air. bunm.(?) ’Hund für Stierhetze’, entsprechend zu ÞBullenbeißer ’dickes Ende, Wurzel’, wohl einer Variante zu dem aus ndd. bullenbyter. Die Bestandteile entsprechen unter ÞBoden behandelten Wort (etwa *b hud hnjo¯ als nhd. ÞBulle 1 und ÞDogge. In neuerer Zeit ein zweites Ausgangspunkt für das germanische Wort, mit AusMal als Bulldog m. ’Traktor’ entlehnt (ursprünglich drängung des Dentals). Die Bedeutung ’TheaterMarkenname). bühne’ stammt aus einer Vereinfachung von Ebenso nndl. buldog, nfrz. bouledogue, nschw. bulldogg, nnorw. Schaubühne. Ebenso nndl. beun ’Fischkasten’. S. auch ÞBuhne. – Lühr (1988), 343f.; Röhrich 1 (1991), 279; EWNl 1 (2003), 290f.

bulldogg. – Ganz (1957), 50; Eichhoff, J. FS Martin (1980), 156–159; Rey-Debove/Gagnon (1988), 99; EWNl 1 (2003), 399.

Bulle1

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Bulle Sm ’Stier’ std. (17. Jh.). Ursprünglich ein nieder-

brett’). Als etwas, das (unerwartet) zurückkommt, deutsches Wort: ndd. bulle, nndl. (dial.) bol, bo¯l, bolle häufig in übertragenen Redewendungen. u.a. und nndl. bul aus den Kasusformen eines Ebenso nndl. boemerang, ne. boomerang, nfrz. boomerang, boumerang, nschw. bumerang, nnorw. bumerang. – Littmann n-Stammes *bulo¯n, *buln- m. ’Stier’, in einfacher (1924), 135; Rey-Debove/Gagnon (1988), 78; Carstensen 1 Form bezeugt in anord. boli ’Stier, Stierkalb’, weiter(1993), 182f.; DF 3 (21997), 537f.; EWNl 1 (2003), 342. gebildet in ae. bulluca ’Stierkalb’. Das Wort ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Ausdruck pars pro bummeln Vsw std. stil. (17. Jh.). Zunächst in der Bedeutoto, der ursprünglich das Zeugungsglied bedeutet, tung ’hin und herschwingen’ bezeugt (vgl. Þbaumeln, voreinzelsprachl. *b hl¡- in gr. phallo´s (neben pha´le¯s), auch ÞBammel, ÞBommel), Lautgebärde, oder falls ˙ air. ball ’Glied, Geschlechtsglied’, im Germanischen unmittelbar vom Hin- und Herschwingen des Glomit Ablaut ae. beallucas ’Hoden’, hess. bille ’Penis’. ckenklöppels auszugehen ist, Lautnachahmung. DarFalls die Bedeutung ’Zeugungsglied’ ursprünglich ist, aus übertragen ’hin- und herschlendern, nichts tun’. kann an die Wurzel (ig.) *b hel- angeschlossen werden, Dazu die (studentische) Rückbildung Bummel. die Bezeichnung für aufgeblasene oder aufgeschwolNomen Agentis: Bummler. lene Gegenstände liefert (ÞBall 1). Die allgemeine BeLadendorf, O. ZDW 5 (1903), 107; Stammler (1954), 208–212; deutung ’Glied’ in dem altirischen Wort ist dieser Röhrich 1 (1991), 279; EWNl 1 (2003), 342. Annahme aber nicht günstig. bumsen Vsw ’dumpf dröhnen, heftig anprallen’ std. Ebenso nndl. bul, ne. bull, nisl. boli; ÞBullauge, ÞBulldogge, (16. Jh.). Schallnachahmung, vgl. die Interjektion ÞPhallus. – Röhrich 1 (1991), 279; EWNl 1 (2003), 398f. bums. Danach (vermutlich ausgehend von einer abBulle2 Sf ’päpstliche Verordnung’ per. fach. (13. Jh.), schätzigen Bezeichnung von Blechmusik) als abwermhd. bulle. Entlehnt aus l. bulla gleicher Bedeutung, tender Bestandteil in Bumslokal, Bumsmusik. In neuursprünglich ’Siegelkapsel’, also eine Bezeichnung erer Zeit, ausgehend von ’anprallen’, umgangspars pro toto. Ausgangsbedeutung ist ’Wasserblase, sprachlich für ’Geschlechtsverkehr haben’. Etwas Kugel’. älter ist Bums ’Bordell’, so dass eine Variation des Ebenso nndl. bul, ne. bull, nschw. bulla, nnorw. bulle, nisl. Schallworts (Puff/Bums; ÞPuff ) der Ausgangspunkt bulla. S. (zur Bedeutung ’Kugel’) ÞBowling, ÞBulette, ÞBillett, sein kann. ÞBulletin; (zur Bedeutung ’sieden, Blasen werfen’) ÞBoiler, ÞBouillon. – RGA 4 (1981), 109–112; LM 2 (1983), 932–936; DF 3 (21997), 534f.; EWNl 1 (2003), 399.

Bulle3 Sm ’Polizist’ erw. stil. (19. Jh.). Die umgangs-

sprachliche (evtl. kindersprachliche) Abkürzung Pole wird in Mundarten mit Konsonantenschwächung und o/u-Zusammenfall lautgleich mit Bulle und setzt sich dann auf Grund der naheliegenden Assoziationen allgemein durch. Bullenbeißer Sm ÞBulldogge. bullern (auch bollern) Vsw erw. ndd. (18. Jh.). Ein

Schallverb. In der Bedeutung ’schießen’ beeinflusst von ÞBöller. Bulletin Sn ’offizieller, veröffentlichter Bericht’ per.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. bulletin m., einer Ableitung zu afrz. bulle ’Kugel’, dieses aus l. bulla f. Die Bedeutungsentwicklung in metonymischer Übertragung von der Siegelkapsel zur Urkunde. Ebenso nndl. bulletin, ne. bulletin, nschw. bulletin, nnorw. bulletin; ÞBulle 2. – DF 3 (21997), 535–537; EWNl 1 (2003), 400.

Bult (Bülte) Sf ’moos- und grasbewachsene Bodener-

S. auch Þbimsen.

Bund Sm std. (11. Jh.), mhd. bunt, mndd. bunt, mndd.

bonde, bunde, bunne ’Bündel, Vereinigung’, mndl. bont. Aus vd. *bundi- m. ’Verbundenes, Einfassung’ zu binden. Hierzu das Diminutiv Bündel (alt m. und wohl mit ae. byndele, bindele f. ’Bündel’ unmittelbar zu vergleichen) und seit dem 18. Jh. bündeln ’ein Bündel machen, zusammenbinden’ (ahd. bibuntilon schon 8. Jh.). Das Adjektiv bündig, mhd. bündec, mndl. bondich bedeutet zunächst ’festgebunden, in einem Bund’ und bekommt dann in der Fachsprache der Handwerker die Bedeutung ’auf gleicher Höhe abschließend’ (wie etwa Stäbe in einem Bund). Hieraus die Redensart kurz und bündig. Da die Bundesrepublik ein Bund von Ländern ist, bezeichnet Bund (besonders in Zusammensetzungen) auch die übergreifenden Institutionen gegenüber den Ländern (z.B. Bundesgericht, umgangssprachlich Bund = Wehrdienst, eigentlich Abkürzung von Bundeswehr). Die theologische Bedeutung (Alter Bund = Altes Testament) beruht auf einer interpretierenden Übertragung von gr. diathe¯´ke¯ durch Luther.

hebung in Moor oder Bruch’ per. ndd. (16. Jh.), Ebenso nndl. bond. – Siegert (1950), 45f.; GB 1 (1972), 583–671; mndd. bulte ’(Stroh-)Haufe, Hügel’. Auch ndd. bulte Röhrich 1 (1991), 280; EWNl 1 (2003), 351, 401. und in Ortsnamen, in denen es schon früher bezeugt Bundschuh Sm ’Schnürschuh’ per. arch. (15. Jh.), mhd. ist. Wohl aus dem Umkreis der bei ÞBall 1 dargestellbuntschuoch ’grober Schnürschuh der Bauern’ ten Lautgebärde. Näheres unklar. (’Schuh mit Bund’). Wurde im Bauernaufstand zum Bumerang Sm ’Wurfholz’ erw. exot. (19. Jh.). Entlehnt Symbol der einfachen Bauern, dann auch als Feldzeiaus ne. boomerang, dieses aus einer Eingeborenenchen und zur Selbstbezeichnung benutzt. Ursprüngsprache Australiens (austral. wo-murrang ’Wurflich scheint es eine Selbstbezeichnung von Verbänden

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der Jungmannschaft zu sein, die von Adeligen geführt wurden. Wackernagel, H.-G. SAV 54 (1958), 150–155; LM 2 (1983), 936–937.

Bungalow Sm ’einstöckiges Haus mit flachem

Dach’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. bungalow, dieses aus hindı¯ bangla¯ ’einstöckiges, strohbedecktes Haus mit offener Veranda in Bengalen’ (eigentlich ’das Bengalische’). Ebenso nndl. bungalow, ne. bungalow, nfrz. bungalow, nnorw. bungalo. – Littmann (1924), 121f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 101; Carstensen 1 (1993), 183f.; DF 3 (21997), 538f.; EWNl 1 (2003), 401.

Bunker Sm ’großes Behältnis, Schutzraum’ std.

(19. Jh.). Entlehnt aus ne. (coal) bunker. Die weitere Herkunft ist nicht eindeutig geklärt. Zunächst ’Behälter für Kohlen auf Dampfern und in Fabriken’; in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg dann auch ’Betonfort’ und ’Schutzraum’. Ebenso nndl. bunker, nschw. bunker, nnorw. bunker. – DF 3 (21997), 539–541; EWNl 1 (2003), 401f.

bunt Adj std. (12. Jh., Bedeutung 14. Jh.), mhd. bunt,

mndd. bunt, mndl. bont. Die ursprüngliche Bedeutung ist ’schwarz-weiß’ (von Pelzwerk), auch als Neutrum ’schwarz-weißes Pelzwerk’. Seit dem 13. Jh. beginnt das Wort älteres mhd. ve¯h in der Bedeutung ’vielfarbig’ abzulösen. Zunächst ein Klosterwort für schwarze Stickerei auf weißem Grund. Vermutlich zu l. pu¯nctus ’Stich, Stechen’. Ebenso nndl. bont; ÞAkupunktur. – Röhrich 1 (1991), 280; EWNl 1 (2003), 353.

Bürde Sf std. (8. Jh.), mhd. bürde, ahd. burdin, burdı¯,

Bürger ger). Im Altnordischen kann borg auch ’Hügel (auf dem eine Wohnanlage steht)’ bedeuten. Diese Sachverhalte machen es schwierig, die Etymologie festzulegen, zumal mehrere konkurrierende Möglichkeiten bestehen: 1) kann Burg im Ablaut zu ÞBerg stehen und näher zu diesem gehören. Dann war die Ausgangsbedeutung kaum etwas anderes als ’Höhe’, was nicht recht zu der Bedeutung ’Stadt’ passt. 2) kann Burg näher zu Þbergen gehören (Ort, an dem man sich birgt, versteckt, wohin man flieht). 3) Schließlich gibt es das sehr ähnliche gr. py´rgos m. ’Turm, Mauerturm’, auch ’Burgmauer, Wirtschaftsgebäude’ u.ä., zu dem l. burgus m. ’Kastell, Wachturm’ gehört. Entlehnung aus dem Germanischen kann zwar für das lateinische Wort, kaum für das griechische geltend gemacht werden; wenn gr. Pe´rgamos ’Burg von Troja’ dazugehört, ist sie ganz ausgeschlossen. Außerdem gibt es griechische Glossen wie phy´rkos m. ’Mauer’. Dieser Befund würde am ehesten auf ein vorindogermanisches Substratwort weisen. Bei der vielseitigen Bedeutung von Burg ist es natürlich auch möglich, dass verschiedene Quellen zusammengekommen sind, etwa indem ein einheimisches Wort semantisch von einem fremden beeinflusst wurde o.ä. Vorerst kann eine Entscheidung noch nicht getroffen werden. − Häufig in Ortsnamen, sowohl für ’Burg’, wie auch für ’Stadt’. Ebenso nndl. burcht, ne. borough, nschw. borg; ÞBürger, ÞBourgeois. – Brøndal (1917), 133–136 = (1948), 148–150; Kretschmer, P. Glotta 22 (1933), 100–122; Schlesinger, W. FS Mayer (1954), 97–150; Pfütze, M. BGDSL-H 80 (1958), 272–320; Schlesinger, W. SG 16 (1963), 433–444; RGA 4 (1981), 117–216; Tiefenbach (1973), 24–28; Motz, L. IF 81 (1976), 204–220; Metzner, E. E. BN 14 (1979), 412–463; RGA 4 (1981), 117–216, 5 (1984), 105–112 (curtis); LM 2 (1983), 957–1003; Güntert (1932), 30f. (als Lehnwort erklärt); Griepentrog (1995), 91–116; EWNl 1 (2003), 402; EWahd 2 (1998), 457–460.

mndd. borde, borden(e). Aus g. *burþı¯n- f. ’Bürde’, auch in gt. baurþei, anord. byrdrÑ . Formal handelt es sich um ein Adjektiv-Abstraktum zu einer (alten) Partizipialform (*burda-) des starken Verbs g. *ber-aBürge Sm std. (8. Jh.), mhd. bürge, borge, ahd. burgo, as. ’tragen’ (Þgebären), also etwa ’das, was getragen burgio. Aus wg. *burgjo¯n m. ’Bürge’, auch in ae. byrwird’. Dazu die Weiterbildung ae. byrdeÑ n. − Die Abgea, afr. borga. Hierzu bürgen in mhd. bürgen, ahd. leitung bürden ’belasten’ heute nur noch in aufbürden burgo¯n, wozu auch anord. a´byrgjast ’sich verbürgen’, und überbürden. anord. a´byrgd Ñ ’Verantwortung für etwas’ gehört. Der Ebenso ne. burden, nschw. börda, nisl. byrdiÑ . Bürge ist ursprünglich eine Art Treuhänder, der Burg Sf std. (8. Jh.), mhd. burc, ahd. burg, as. burg. Aus einem Rächer dafür bürgt, dass der Verfolgte seine Tat g. *burg- (Wurzelnomen) f. ’Burg, Stadt’, auch in gt. sühnt oder sich der Rache stellt. Ausgangsbedeutung baurgs, anord. borg, ae. burg, afr. burch, burg. Mit dieungefähr ’Schützer’. Abstraktum: Bürgschaft. Weiter sem Wort werden zunächst befestigte Städte bezeichwohl zu Þbergen. net, und zwar − da die alten Germanen keine Städte Þborgen, Þbergen. – Beyerle, F. ZSSR-GA 47 (1927), 567–645, hatten − zunächst römische oder sonstige antike Anbesonders 599–607; RGA 4 (1981), 105–107; Röhrich 1 (1991), lagen. In einheimischen Namen taucht das Wort etwa 280f.; EWNl 1 (2003), 357; EWahd 2 (1998), 464f. in saltus Teutoburgiensis ’Teutoburger Wald’ auf (eigentlich ’Wald der Volksburg’, mit Kompositionssuf- Bürger Sm std. (9. Jh.), mhd. burg¢re, burger, ahd. burga¯ri, burgeri, mndd. borgere, mndl. borger. Zunächst fix -ja-). Solche Bezeichnungen beziehen sich wohl ist dies eine Täterbezeichnung zu Burg, doch weist auf befestigte Fliehburgen. Ab etwa 900 entstehen das inhaltlich entsprechende ae. burgware, burgwaran befestigte Anlagen als Herrensitze, die zu den Ritterdarauf hin, dass vermutlich eine alte Einwohnerbeburgen (und der Bedeutung im heutigen Sinn) fühzeichnung mit dem zweiten Kompositionsglied g. ren. Schließlich werden Städte mit ausgeprägteren *waro¯n (oder *wazo¯n) vorliegt, die erst sekundär Befestigungsanlagen Burg genannt (wozu dann Bür-

Bürgermeister

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geworfen wurden; ÞBürokratie. – Schirmer (1911), 38; DF 3 (nach dem lautgesetzlichen Schwund des w) an die (21997), 542–546; Janneau, G. VL 268 (1974), 432–434; DEO Nomina Agentis angepasst wurde. Dieses Komposi(1982), 168; EWNl 1 (2003), 402f. tionsglied taucht bereits in alten germanischen StamBürokratie Sf ’Beamtenapparat’ erw. fach. (18. Jh.). mesbezeichnungen auf, z.B. Amsivarii ’Emsanwohner’. Es wird normalerweise zu Þwehren gestellt, Entlehnt aus frz. bureaucratie (V. de Gournay vor dann wäre der Bürger ursprünglich ein ’Stadtvertei1764). Adjektiv: bürokratisch; Täterbezeichnung: Bürokrat. diger’; doch ist ein Anschluss an g. *wes-a- ’sein, bleiben’, auch ’wohnen’ in ahd. wesan usw. (ÞWesen) Ebenso nndl. bureaucratie, ne. bureaucracy, nschw. büra˚krati, nnorw. byra˚krati; ÞBüro, ÞDemokratie. – DF 3 (21997), 546–552; semantisch wahrscheinlicher. Es fragt sich allerdings, Albrow, M.: Bürokratie (München 1972); Bijaoui-Barnon, ob ein *-waz- schon in den alten Stammesnamen als A.-M. VL 272 (1974), 640–644. -varii (mit -r-) hätte auftauchen können. Als Stadtbewohner hatte der Bürger im Mittelalter eine beson- Bursch Sm ’Mitglied einer Studentenverbindung’ erw. dere Stellung; in der Neuzeit spiegelt die Bedeutung obs. (17. Jh.). An den frühen Universitäten hießen die des Wortes in hohem Maße die gesellschaftlichen aus einer gemeinsamen Kasse (Stiftung) verköstigten Veränderungen. Adjektiv: bürgerlich; Abstrakta: und sonst versorgten Studentengemeinschaften fnhd. bursche (aus ml. bursa f. ’Geldbeutel’; ÞBörse 1). Die Bürgerschaft, Bürgertum. einzelnen Teilnehmer hießen burßgesell, bursant, mitMeschke, W.: Das Wort ’Bürger’ (Diss. masch. Greifswald bursche usw. Seit dem 17. Jh. kann Bursche aber auch 1952); Bartholmes (1970), 95–125; HWPh 1 (1970), 962–966; GB 1 (1972), 672–725; Militz, H.-M.: Die Bezeichnungsgeals Plural gefasst und dazu ein Singular der Bursch schichte von ’Bürger’ im Französischen (Diss. Halle 1975); gebildet werden (vgl. die Entwicklung von Militz, H.-M.: ’Bürger’ im Französischen (Berlin 1979); FleÞFrauenzimmer). Kollektivum: Burschenschaft. ckenstein, J., Stackmann, K. (Hrsg.): Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter (Göttingen 1980), insbesondere Schmidt-Wiegand, R., 106–126; LM 2 (1983), 1005–1041; Röhrich 1 (1991), 281f.; Schneider, R. AB 34 (1991), 225–236; EWNl 1 (2003), 403; EWahd 2 (1998), 460f.

Bürgermeister Sm std. (13. Jh.). Bezeichnung für das

Stadtoberhaupt als ’Anführer der Bürger’, mit der älteren Bedeutung von ÞMeister. EWNl 1 (2003), 403.

Bürgersteig Sm std. reg. (19. Jh.). Ursprünglich nur

nord- und mitteldeutsch für die vom Schmutz der Straße abgehobenen und erhöhten Gehsteige. Ersatzwort für ÞTrottoir. ÞSteig. – Röhrich 1 (1991), 282.

burlesk Adj ’spaßhaft’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus

frz. burlesque, dieses aus it. burlesco, einer Ableitung von it. burla ’Posse’, wohl aus l. burra ’zottiges Gewand, (Pl.) Possen’. Konkretum: Burleske. Ebenso nndl. burlesk, ne. burlesque, nschw. burlesk, nnorw. burlesk. – DF 3 (21997), 541f.; Brunt (1983), 173; EWNl 1 (2003), 404.

Burnus Sm ’weißer Kapuzenumhang (der Bedui-

nen)’ per. exot. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. burnous, dieses aus arab. burnus unklarer Herkunft. Ebenso nndl. boernoes, ne. burnous(e), nschw. burnus, nnorw. burnus. – Lokotsch (1975), 30; LM 2 (1983), 1106; Kiesler (1994), 165f.; Tazi (1998), 197f.

Büro Sn std. (17. Jh., Form 20. Jh.). Entlehnt aus frz.

bureau m. ’Amtszimmer’. Ebenso nndl. bureau, ne. bureau, nschw. byra˚, nnorw. byra˚. Das frz. Wort aus afrz. bure, burel ’grober Wollstoff’, aus l. burra f. ’zottiges Gewand’. Die Bedeutungsentwicklung verläuft von ’Tuch’ über ’mit Tuch bedeckter Tisch’ zu ’Schreibtisch’ und schließlich zu ’Raum mit Schreibtisch, Schreibstube, Amtszimmer’. Man überzog insbesondere den Rechentisch mit Stoff, da auf ihm Münzen zur Kontrolle der Echtheit auf-

Ebenso nndl. borst, nschw. buss, nnorw. busse; ÞBursche, Þburschikos. – Stammler (1954), 201–204.

Bursche Sm ’junger Mann’ std. (17. Jh.). Die unter

ÞBursch aufgeführten Wörter Bursche ’Studentengemeinschaft’, Bursch ’Mitglied einer solchen Gemeinschaft’ werden auch übertragen auf andere Gemeinschaften (Soldaten, Handwerker u.a.), so dass der Singular Bursch(e) auch die allgemeine Bedeutung ’junger Mann’ bekommen kann, in der das Wort auch in Nachbarsprachen entlehnt wird: nnorw. (dial.) busse ’Mann’, nschw. buss ’mutiger, kräftiger Kerl’, nndl. borst ’junger Mann’. Die hier vorgenommene semantische Differenzierung der Varianten Bursch und Bursche wird in der Hochsprache bevorzugt, gilt aber nicht allgemein. Stammler (1954), 201–204; EWNl 1 (2003), 358.

burschikos Adj ’ungezwungen’ std. stil. (18. Jh.). Eine

studentische Scherzbildung mit dem gr. Adverbialsuffix -iko¯s (das im 18. Jh. in der Studentensprache auch an andere deutsche und lateinische Wörter gehängt wurde) zu ÞBursch in der Bedeutung ’Student’, also ’nach Art der Studenten’, dann ’ohne weitere Umstände, burschenhaft ungezwungen’. Vgl. nndl. studentikoos, nschw. studentikos, nnorw. studentikos. – Stammler (1954), 204.

Bürste Sf std. (12. Jh.), mhd. bürste. Zu ÞBorste. Es han-

delt sich am ehesten um eine Zugehörigkeitsbildung (’die mit Borsten versehene’), doch fallen Formen und Bedeutungen der Belege auseinander, so dass keine sichere Beurteilung möglich ist. Vielleicht Rückbildung aus bürsten. ÞBart. – EWNl 1 (2003), 359.

Bürstenbinder (in der Wendung ’saufen wie ein Bürs-

tenbinder’) Sm std. phras. (16. Jh.). Das schwache Verb bürsten bedeutet fnhd. auch ’trinken’ − wohl zu ver-

Butt

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stehen als ’(die Kehle) ausbürsten, auswaschen’. Danach schon im 16. Jh. bürstenbinder für jemanden, der stark trinkt, wohl in scherzhafter Umdeutung der Handwerkerbezeichnung. Röhrich 1 (1991), 283f.

Bürzel Sm ’Geflügelsteiß’ erw. fach. (16. Jh.), fnhd. bürt-

die religiöse. Die alte Bedeutung noch in ÞLückenbüßer. Ebenso nndl. boete, ne. (arch.) boot, nschw. bot, nisl. bo´t; Þbass, Þbesser, Þbüßen. – Weisweiler, J.: Buße (Halle 1930); Siegert (1950), 46f.; HWPh 1 (1970), 967f.; LM 2 (1983), 1123–1151; Röhrich 1 (1991), 285; EWNl 1 (2003), 344; EWahd 2 (1998), 452f.

zel, pirtzel. Zu borzen, bürzen ’hervorstehen, strotzen’, büßen Vsw std. (9. Jh.), mhd. büezen, ahd. buozen, as. bo¯tian. Aus g. *bo¯t-ja- Vsw. ’bessern’, auch in gt. gadas seinerseits zu ahd. bor ’oben’ (Þempor) gehört. botjan, anord. bœta, ae. be¯tan, afr. be¯ta; dehnstufiges Hierher wohl auch Þpurzeln. Faktitivum zu bass, besser oder denominatives Verb EWahd 1 (1988), 566f. zu Buße. Aus konkretem ’verbessern, ausbessern’ entBus Sm ÞOmnibus. wickelt sich die rechtliche und vor allem religiöse Bedeutung ’Buße tun’. Nomen Agentis: Büßer. Busch Sm std. (12. Jh.), mhd. busch, bosch(e), ahd. busc, bosc, as. (bra¯mal-)busc. Aus vd. *buski- m., auch *busEbenso nndl. boeten, ne. boot, nschw. bota, nisl. b¢¯ ta, bo´ta; ÞBuße, ÞLückenbüßer. – Reuter (1906), 15–23; EWahd 2 ko¯n (mhd. bosche u.ä.). Das Wort hat keine klare Ver(1998), 453. gleichsmöglichkeit. Auffällig ist ml. boscus ’Wald’ mit frz. bois, it. bosco, die keine lateinische Herkunft Busserl, Bussi Sn ’Kuss’ erw. oobd. (17. Jh.). Zu zahlreihaben und deshalb teilweise als aus dem Germanichen meist familiären Wörtern für ’Kuss, küssen’ auf schen entlehnt gelten. Die Bedeutung ’Wald’ ereiner lautmalenden Grundlage bu- / bus-. Vgl. etwa scheint aber bei dem germanischen Wort so früh ne. (arch., dial.) buss, span. buz, poln. buzia, lit. noch gar nicht, so dass der Verdacht einer gemeinbucˇiu´oti, air bus, pus ’Lippe’, pusoc ’küssen’ (modern), samen Entlehnung (aus dem Gallischen?) besteht. u.a. Ein entsprechendes keltisches Wort lässt sich allerBüste Sf ’künstlerische Nachbildung der Kopfpartie dings auch nicht nachweisen. Zu denken wäre eines Menschen’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it. schließlich an eine Vorform g. *brus-k-, wie in nnorw. busto m. und frz. buste m. Die weitere Herkunft ist brusk ’Büschel, Gebüsch, Gestrüpp’, außergermanicht sicher geklärt. Im 19. Jh. wird aus dem franzönisch vergleichbar mit lit. bru¸˜zgai Pl. ’Gestrüpp, Unsischen Wort die Bedeutung ’weibliche Brust’ entterholz’ mit r-Ausdrängung zwischen Labial und lehnt. Dental. Aber die Beleglage ist insgesamt zu wenig klar Ebenso nndl. buste, ne. bust, nschw. byst, nnorw. byste. – DF 3 für eine Etymologie. Kollektivum: Gebüsch; Diminu(21997), 554–557; DEO (1982), 171f.; LM 2 (1983), 1155–1159; tiv: Büschel; Adjektiv: buschig. EWNl 1 (2003), 405. Ebenso nndl. bos, ne. bush (im Mittelenglischen entlehnt), nschw. buske (entlehnt); ÞBöschung, ÞBukett, ÞPuschel. – Hubschmid, J. VR 29 (1970), 82–122, 282–302; Röhrich 1 (1991), 284f.; EWNl 1 (2003), 359f.; EWahd 2 (1998), 474–476.

Buschwindröschen Sn ÞAnemone. Busen Sm std. stil. (8. Jh.), mhd. buosem, buosen, ahd.

buosum, as. bo¯som. Aus wg. *bo¯sma- m. ’Busen’, auch in ae. bo¯s(u)m, afr. bo¯sem. Herkunft unklar. Ebenso nndl. boezem, ne. bosom. – Röhrich 1 (1991), 285; EWNl 1 (2003), 344f.; EWahd 2 (1998), 451f.

Bussard Sm (Greifvogel) erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt

Büstenhalter Sm std. (20. Jh.). Veraltetes ÞBüste für die

Brust der Frau ist entlehnt aus frz. buste ’Brust’ (s. ÞBüste) und bleibt in Büstenhalter. Die Wahl des (seltenen) ursprünglich französischen Wortes für die Bildung eines Wortes für dieses Kleidungsstück hängt einerseits mit der Bevorzugung des Französischen in der Mode zusammen (vgl. frz. bustier ’Mieder’, nhd. Bustier), andererseits sicher mit der Tabuisierung von Wörtern für die weibliche Brust. Vgl. auch das Vordringen der Abkürzung B. H., die auch in die gesprochenen skandinavischen Sprachen übernommen wird. Der Büstenhalter ersetzte seit Ende des 19. Jhs. das enge Korsett und modernisierte damit die Frauenkleidung.

aus frz. busard ’Weihe, Bussard’. Dieses ist umgestaltet aus älterem bu(i)son (das mhd. bu¯sant ergibt), aus l. bu¯teo (ein Greifvogel, vielleicht ’Bussard’). Der ältere volkstümliche Name für Bussard war Maus-Aar Butike Sf ÞBoutique. (ÞAar), ÞMauser. Butler Sm ’Hausdiener (besonders bezogen auf engliEbenso nndl. buizerd, ne. buzzard. – Suolahti (1909), 352–356; sche Verhältnisse)’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus EWNl 1 (2003), 398. ne. butler, dieses aus afrz. bouteiller ’Kellermeister’, zu Buße Sf std. (9. Jh.), mhd. buoz m., buoze f., ahd. ml. but(t)icula f. ’Krug, kleines Fass’. buoz(a), as. bo¯ta. Aus g. *boto¯ f. ’Besserung’, auch in Ebenso nndl. butler; ÞBütte, ÞBouteille. – DF 3 (21997), 557; gt. bota, anord. bo´t, ae. bo¯t, afr. bo¯te; dehnstufiges EWNl 1 (2003), 406. Abstraktum zu dem in Þbass, Þbesser vorliegenden Butt Sm (auch Butte1, Bütte1 f.) (ein Plattfisch) erw. fach. Adjektiv (Komparativ). Aus der ursprünglich kon(18. Jh.), fnhd. butt. Ein Wort aus dem Niederdeutkreten Bedeutung (’Besserung’) entwickelt sich die schen/Niederländischen (mndd. but, mndl. bot[te], rechtliche (besonders in der Schweiz für ’Strafe’) und

Bütte1

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but[te]); vermutlich zu dem Adjektiv mndd. but, Büttner Sm ÞBütte . mndl. bot ’stumpf, plump’ (wegen der massigen Ge- Butz (Butzemann) Sm ’Poltergeist’ erw. grupp. (13. Jh.), stalt). Vgl. ahd. agabu¯z ’Barsch’, nhd. (alem.) Butz(li) mhd. butz(e). Vielleicht zu ahd. bo¯zen ’schlagen’ ’gemeiner Barsch’. Der ÞSteinbutt heißt nach den (ÞAmboss), aber mangels näherer Angaben unsicher. über die Oberseite verteilten Knochenhöckerchen; Ähnliche Koboldbezeichnungen mit schwer zu beder ÞHeilbutt (ndd. hilligbutt, ne. halibut) scheint urteilendem Zusammenhang sind ne. Puck und lit. nach der abergläubischen Wertschätzung dieses bebabau˜ˇz˙e f. ’Schreckgespenst, mit dem man Kindern sonderen Fisches (offenbar ausgehend von den skanFurcht einjagt’, lit. buzˇy˜s ’Popanz, Vogelscheuche’. dinavischen Ländern) so zu heißen. Vgl. auch langob. walapauz, walapoz ’Untat durch VermummEbenso nndl. bot, ne. but(t), nschw. butta (entlehnt). S. auch ÞHagebutte. – Lockwood, W. B. ZAA 17 (1969), 253–255; EWahd 1 (1988), 73–75; EWNl 1 (2003), 360.

Bütte1 Sf ÞButt. Bütte2 (Butte) Sf ’offenes Daubengefäß’ erw. fach.

(9. Jh.), mhd. büt(t)e, büten, ahd. butin, butin(n)a, as. budin. Wie ae. byden und anord. bytta f., bytti n. früh entlehnt aus ml. butina ’Flasche, Gefäß’ aus gr. bytı´ne¯, pytı´ne¯ ’umflochtene Weinflasche’ unter Einfluss von ml. but(t)is ’Fass’ (Einzelheiten sind nicht ausreichend klar). Hierzu der Handwerkername ÞBüttner. − Bei den Papiermachern war der Papierbrei in der Bütte, aus der früher von Hand geschöpft wurde; daher die Bezeichnung für das handgeschöpfte Büttenpapier. − Da Karnevalsreden aus einem solchen Fass gehalten wurden, bedeutet das Wort in der regionalen Form Bütt ’Vortragspult für Karnevalsredner’. Entsprechend Büttenrede, Büttenredner. Ebenso ne. butt, nschw. bytta, nnorw. bøtte; ÞBottich, ÞBöttcher, ÞBouteille, ÞBuddel, ÞButler. – Frings (1932), 90; Hubschmid (1955), 38–66, 76–78; Alanne, E. NPhM 56 (1955), 200–202; EWahd 2 (1998), 479f., 483f.

Buttel Sf ÞBuddel. Büttel Sm ’Gerichtsdiener’ erw. obs. (9. Jh.), mhd. bü-

tel, ahd. butil, as. budil. Aus wg. *budila- m. ’Aufbieter’, auch in ae. by¯del; Nomen Agentis zu g. *beud-a’bieten’ (Þbieten). Das Wort bezeichnet eine Gerichtsperson, später einen Gemeindediener, regional auch den Scharfrichter. Ebenso nndl. beul. – Angstmann (1928), 7–10; LM 2 (1983), 1161–1162; EWNl 1 (2003), 290; EWahd 2 (1998), 478.

te’. – Webinger, A. ZV 7 (1937), 157–160; Princi Braccini, G. AION-G 27 (1984), 135–205.

Butzen Sm per. obd. (15. Jh.). Vor allem Apfelbutzen

’Kernhaus des Apfels’, sonst ’Klumpen, Schlacke’. Mundartlich tritt neben ’Kernhaus’ auch die Bedeutung ’Fliege am Apfel’ auf, die ursprünglicher sein kann, weil sie ihrerseits auf die besser bezeugte Bedeutung ’Knospe’ (mhd. butze f. (?), mndl. botte, nndl. bot; vermutlich entlehnt me. budde, ne. bud; ebenso frz. bouton m. ’Knospe, Knopf’) zurückgehen kann (diese vermutlich zu der unter ÞBausch behandelten Lautgebärde in der speziellen Bedeutung ’schwellen’). Auch die mundartlichen Bedeutungen ’abgebrannter Kerzendocht’, schlackenartige Erhöhung der Butzenscheibe (die Butzenscheiben sind runde, in Blei gefasste Scheiben, die in der Mitte einen ’Butzen’, eine schlackenartige Erhöhung haben), ’oberes Ende des zugebundenen Sacks’ u.ä. können aus ’Fliege am Apfel’ übertragen sein, doch kann der Bereich ’Abfall − Verunreinigung − plumpe Masse’ auch zu einer Lautgebärde gehören, die mit ÞBatzen näher zusammenhängt. Auf jeden Fall handelt es sich um einen Bereich, in dem einerseits Expressivität und Lautbedeutsamkeit, andererseits Anknüpfungen an bestehende Wortsippen ein schwer durchdringbares Geflecht von Bedeutungsspektren ergeben. Hierher weiter vielleicht auch das unter ÞButt genannte Adjektiv, in obd. Form butz als ’plumpes, unförmiges Stück’. S. auch ÞHagebutte, ÞPopel, Þputzen. – EWNl 1 (2003), 360f.

Buxe Sf ’Hose’ erw. ndd. (18. Jh.). Übernommen aus

dem Niederdeutschen (mndd. buxe aus *buck-hose ’Hose aus Bocksleder’). ’Butter’) std. (11. Jh.), mhd. buter m./f., spahd. butira. Vgl. ne. buckskins, wie mndd. le¯rse aus lederse, zu leder(en) Wie ae. butere entlehnt aus spl. bu¯ty¯rum n. aus gr. ho(e)se. S. auch ÞBangbüx(e). Ob auch ausbüxen ’ausreißen’ bou´ty¯ron n. ’Kuhquark’, das seinerseits fremden Vor(in Anlehnung an Bangbüx?) hierhergehört, ist unklar. bildern folgt. Die Umbildung zum Femininum erfolgt über den Plural des spätlateinischen Wortes. Die Byte Sn ÞBit. alten germanischen Wörter für ’Butter’ scheinen in Anke(n) und ÞSchmer vorzuliegen; in der Antike war dagegen Butter als Nahrungsmittel nicht üblich. Dass die Germanen dennoch ein Wanderwort für Butter entlehnten, dürfte mit einer neuartigen Zubereitungsweise zusammenhängen. Verb: buttern.

Butter Sf (obd. m., nach dem Genus von ÞAnke(n)

Ebenso nndl. boter, ne. butter, nfrz. beurre; Þunterbuttern. – Martin, B.: Kirne und Girbe (Berlin 1895), 15–24; Förster (1941), 585 Anm. 1; RGA 4 (1981), 285–290; LM 2 (1983), 1162; Röhrich 1 (1991), 285–287; EWNl 1 (2003), 361; EWahd 2 (1998), 480f.

C Cafe´ Sn ’Kaffeehaus’ std. (19. Jh.). Im Französischen

Ebenso nndl. kamp, nfrz. camp. Zur deutschen Verwandtschaft

s. ÞKampf ; ÞCamping, Þkampieren, ÞKamp, ÞChampagner, wird das Kaffeehaus metonymisch als cafe´ m. beÞChampignon; zu der weiterentwickelten Bedeutung ’Kampf’ zeichnet. Dies wird im Deutschen im 18. Jh. zunächst s. ÞChampion, ÞKampagne. – LM 2 (1983), 1420; Carstensen 1 in Bezug auf französische Verhältnisse übernommen, (1993), 199–201; DF 3 (21997), 566–573. wobei das maskuline Genus bleibt. Danach ersetzt das französische Wort das deutsche Kaffeehaus, über- Camping Sn ’Zelten, Lagern’ erw. fach. (19. Jh.). Das Partizip des englischen Verbs to camp ’im Freien lanimmt aber dessen neutrales Genus. Die französische gern’ wird zum Modewort der Freizeitkultur der Schreibung wird beibehalten, um das Wort von der Nachkriegszeit. Als camping-out in Bezug auf engliBezeichnung für das Getränk zu unterscheiden; die sche Verhältnisse schon im 19. Jh. in deutschen TexAussprache und Betonung ist z.T. gleich. ten, als Modeerscheinung erst in der 2. Hälfte des Ebenso nndl. cafe´, ne. cafe´, nschw. kafe, nnorw. kafe´; ÞKaffee. – 20. Jhs. Dazu rückgebildet campen ’lagern’ (während DF 3 (21997), 561–564; EWNl 1 (2003), 410. das alte Þkampieren für die älteren (besonders miliCafeteria Sf ’Selbstbedienungsrestaurant’ erw. fach. tärischen) Verhältnisse gilt. (20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. cafeteria, dieses aus

Ebenso nndl. camping, nfrz. camping, nschw. camping, nnorw. span. cafeterı´a (Mexiko) ’Imbissstube’, zu span. cacamping; ÞCamp. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 113; Carsfetero ’Kaffeeverkäufer’, zu span. cafe´ m. ’Kaffee’, aus tensen 1 (1993), 203f.; EWNl 1 (2003), 413. it. caffe´ (ÞKaffee). Das Kaffeehaus war in Mexiko ein Campus Sm ’Universitätsgelände (ursprünglich als AnOrt des kleinen Mannes, wo auch einfache Nahlage um ein großes Freigelände herum)’ per. bildg. rungsmittel verkauft wurden. Span. -ı´a bezeichnet (20. Jh.). Das gleiche Wort wie ÞCamp, doch in der den Ort, an dem Geschäfte betrieben werden (span. lateinischen Form ins (amerikanische) Englische aufcarnicero ’Metzger’ − span. carnicerı´a ’Metzgerei’), im genommen, um das Freigelände der Universität, amerikanischen Englischen wird aber das kombinierdann auch die ganze Universität zu bezeichnen (was te Suffix -teria (cafe − cafeteria) abgelöst und z.T. proheute nicht mehr notwendigerweise ein solches Freiduktiv (vor allem zur Bezeichnung von Selbstbediegelände einschließt). Heute vielfach auf deutsche Vernungsläden). hältnisse übertragen, wobei sich Ausdrücke wie CamEbenso nndl. cafetaria, nfrz. cafe´te´ria, nschw. cafeteria, nnorw. pus-Universität auf den Aufbau mit Freigelände bekafeteria. – Barry, Ph. ASp 3 (1927/28), 35–37; Rey-Debove/ ziehen, das Wort sonst aber auch einfach Gagnon (1988), 109f.; Carstensen 1 (1993), 196; EWNl 1 (2003), 410. ’Universität’ bedeuten kann.

Camembert Sm (ein Weichkäse) erw. fach. (20. Jh.).

Entlehnt aus frz. camembert, so benannt nach dem ursprünglichen Herstellungsort Camembert (Dept. Orne, in der Normandie). Ebenso nndl. camembert, nschw. camembert, nnorw. camembert. – EWNl 1 (2003), 412.

Camp Sn ’(Feld-)Lager’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus

ÞCamp (mit weiteren Verweisen). – Carstensen 1 (1993), 204f.

Cape Sn ’Umhang’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne.

cape, dieses aus afrz. c(h)ape, aus spl. cappa f. ’Kopfbedeckung, Kapuzenmantel’. Ebenso nndl. cape, nfrz. cape, nschw. cape, nnorw. cape; ÞEskapade, ÞKappe. – DF 3 (21997), 273f.; EWNl 1 (2003), 415.

Capriccio Sn ’munteres Musikstück’ per. fach. (17. Jh.). ne. camp, dieses aus frz. (nordfrz.) camp m., aus l. Entlehnt aus der italienischen Fachsprache nach it. campus m. ’Feld, Versammlungsplatz’. Im Deutschen capriccio ’Laune, Einfall’. bezeichnet das Wort zunächst ausländische Verhältnisse (militärische Lager, primitive Wohnanlagen für Ebenso ne. capriccio, nfrz. capriccio. S. ÞKaprice und zur weiteren Verwandtschaft ÞChef . – Hartmann, L.: Capriccio. Bild größere Menschenmengen); in und nach den beiden und Begriff (Diss. Zürich 1973), besonders S. 7–48; SckomWeltkriegen dann ’Kriegsgefangenenlager’, auch modau, H. FS Meier (1980), 570–574; DF 3 (21997), 574–577. ’Flüchtlingslager’ und in der Nachkriegszeit ’Übungslager’, ’Urlauberplatz (für Zelte, WohnwaCartoon Sm ’gezeichnete Bildgeschichte’ erw. fach. gen usw.)’. Hierzu s. ÞCamping. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. cartoon, dieses aus frz. carton ’Zeichnung auf Karton, Karton’, aus it. cartone,

catchen

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einem Augmentativum zu it. carta f. ’Papier’, aus l. charta f. ’Papier, Schriftstück’. Es handelt sich um eine metonymische Verschiebung vom Material auf die darauf gefertigte Zeichnung; die Bedeutungsspezialisierung nach den Punch Cartoons seit 1841. Ebenso nndl. cartoon, nfrz. cartoon, nschw. cartoon. S. ÞKarton und zur Grundlage die unter ÞKarte behandelten Wörter. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 121; Carstensen 1 (1993), 211f.; DF 3 (21997), 581f.; EWNl 1 (2003), 419f.

catchen Vsw ’(Freistil-)Ringen’, Catcher Sm ’Freistil-

einem Vorschlag für die Grundlegung der amerikanischen Währung, der dann nicht angenommen wurde. Wohl aber übernahm der Congress 1786 die Bezeichnung der Scheidemünze als Cent. Ein Washington Cent ist zwar mit der früheren Datierung 1783 bekannt, doch ist umstritten, ob die Münze schon zu diesem Zeitpunkt geprägt wurde. Die Bezeichnung der Scheidemünze als Cent wurde dann 1816 von den Niederlanden übernommen. Mit der Einführung des Euro 1999, als gesetzliches Zahlungsmittel 2002, wurde der Cent auch in Europa (genauer: der EWU) als Scheidemünze aufgenommen.

ringer’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. catch und catcher, als Bezeichnung der Sportart gekürzt aus catch-as-catch-can, wörtlich ’greifen, wie man greifen EWNl 1 (2003), 428. kann’, also ’Freistil’. Das Verb aus me. catchen Cervelat Sf ÞZervelatwurst. ’fassen, ergreifen’, aus anglonorm. cachier, aus frühChaise Sf ’vier- oder zweirädriger halboffener Wagen, rom. *captia¯re, einem Intensivum zu l. capere Halbkutsche’ per. arch. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. ’nehmen, fassen’. Heute wird der Euphemismus chaise, das eigentlich ’Stuhl’ bedeutet. Wrestling ’Ringen’ vorgezogen. Ebenso nndl. catchen, ne. do catch-as-catch-can, nfrz. catcher, nschw. catch-as-catch-can. Die weitere Verwandtschaft unter Þkapieren. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 124f.; Carstensen 1 (1993), 216f.; DF 3 (21997), 587–590.

Cello Sn (ein Musikinstrument) erw. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus it. violoncello m. und wie in anderen Sprachen gekürzt. Das italienische Wort ist ein Diminutivum zu it. violone m. ’Bassgeige’, eigentlich ’große Geige’, einem Augmentativum zu it. viola f. ’Bratsche’, aus prov. viola, viula f. ’Geige’. Ebenso nndl. cello, ne. cello, nfrz. cello, nschw. cello, nnorw. cello, nisl. sello´. Vgl. ÞFiedel; ÞVioline. – DF 3 (21997), 592–594; Relleke (1980), 215f.; EWNl 1 (2003), 426.

Cembalo Sn (ein Tasteninstrument) per. fach. (18. Jh.).

Ebenso ne. chaise, nschw. schäs; ÞChaiselongue. – DF 3 (21997), 594f.

Chaiselongue Sfn ’Sofa’ erw. obs. (18. Jh.). Entlehnt aus

frz. chaiselongue f., eigentlich ’langer Stuhl’, zu frz. chaise f. ’Stuhl’ (mit Pariser Aussprache statt chaire, aus l. cathedra f., dieses aus gr. kathe´dra f.) und frz. long (f. longue) ’lang’ (aus l. longus). Ebenso nndl. chaise-longue, ne. chaise-longue, nschw. schäslong, nnorw. sjeselong; ÞKatheder, Þlang 1. – DF 3 (21997), 595f.

Chalet Sn ’Landhaus, Sennhütte’ per. schwz. (20. Jh.).

Entlehnt aus frz. chalet m., dieses wohl aus afrz. chasel ’Hütte, Baracke, Gehöft’, aus l. casa¯lis ’zum Hof gehörig’, zu l. casa f. ’Landgut’. Ebenso nndl. chalet, ne. chalet, ndn. chalet; ÞKasino. – EWNl 1

Entlehnt und gekürzt aus it. clavicembalo m. (ältere (2003), 431. Formen Clavicymbolum, Klavizimbel); dieses zu l. cla¯vis Chamäleon Sn (eine Echse, die ihre Hautfarbe schnell f. ’Schlüssel, Taste’ und l. cymbalum ’Zimbel’. wechseln kann) erw. fremd. (13. Jh.), mhd. gamalion. Ebenso nndl. cembalo, nfrz. clavecin, nschw. cembalo, nnorw. Entlehnt aus l. chamaeleo¯n m., dieses aus gr. chamaicembalo, nisl. sembal; ÞZimbel, ÞKlausur. – EWNl 1 (2003), le ´o¯n m., eigentlich ’kleiner Löwe’ oder ’Erdlöwe’, zu 427. gr. chamaı´ ’bescheiden, niedrig’, eigentlich ’auf der Cent für Europa genauer Euro-Cent Sm ’ScheidemünErde’, und gr. le´o¯n m. ’Löwe’ − vermutlich eine Lehnze des Euro’ std. 20. Jh., außerhalb Europas 18. Jh. Die übersetzung aus einer semitischen Sprache. Im Deutersten reinen Dezimalwährungen (Einteilung der schen vor allem in Vergleichen mit Bezug auf die Währungseinheit in 100 kleinere Einheiten) wurden Möglichkeit des Farbenwechsels. in den Vereinigten Staaten (1792) und in Frankreich Ebenso nndl. kameleon, ne. chameleon, nfrz. came´le´on, nschw. (1795) eingeführt. Die Scheidemünze wurde in Amekameleont, nisl. kameljo´n; ÞLöwe. – Lewy, H. ZVS 58 (1930), 33; rika cent genannt (was insofern merkwürdig ist, als LM 2 (1983), 1670f.; Röhrich 1 (1991), 289f.; DF 3 (21997), das eigentlich ’hundert’ und nicht ’hundertstel’ be596–598. deuten müsste), in Frankreich centime, das zwar mit chamois Adj (Farbbezeichnung) per. fach. (20. Jh.). Frz. afrz. centiesme ’hundertster, hundertstel’ (< l. centechamois ist die Gemse (aus spl. camox). Das Wort simus ’hundertster, hundertstel’) übereinstimmt, wird zunächst übernommen für ein besonders weiaber kaum unmittelbar darauf zurückgeht, da der ches Gemsen- (Ziegen-, Schaf-)Leder, und nach desZeitunterschied zu groß ist (Wiederbelebung oder sen Farbe wird vor allem eine gelbliche Tönung des Neubildung aus cent ’hundert’ nach dem Vorbild von Foto-Papiers bezeichnet. de´cime ’zehnter, Zehnt, Zentelfranc’?). Cent als Ebenso nndl. chamois, ne. chamois, ndn. chamois, nnorw. cha’hundertstel’ ist im Englischen vereinzelt schon im mois. 17. Jh. als Maßangabe bezeugt (wohl unter dem EinChampagner Sm ’Schaumwein’ erw. fremd. (18. Jh.). fluss von per cent ’Prozent’), der Vorschlag als MünzEntlehnt und im Suffix angepasst aus frz. (vin de) bezeichnung geht auf Robert Morris zurück bei

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Champagne, eigentlich ’Wein aus der Champagne’, so benannt nach der Herkunft aus einer Provinz im östlichen Frankreich. Der Name gehört zu l. campa¯nia ’Feld’. Ebenso nndl. champagne (wijn), ne. champagne, nschw. champagne, nnorw. champagne, nisl. kampavı´n. – Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 176; DF 1 (1913), 106f.; Brunt (1983), 188; EWNl 1 (2003), 431.

Champignon Sm (Edelpilz) erw. fach. (16. Jh., Form

18. Jh.). Entlehnt aus frz. champignon ’Pilz’, speziell champignon de couche ’Zuchtchampignon’. Zunächst entlehnt in latinisierter Form als Campiniones, dann Schampinionen, dann nach der modernen französischen Form. Ebenso nfrz. champignon, nndl. champignon, nschw. champinjon, nnorw. sjampinjong. Das französische Wort ist wohl eine Ableitung von l. campana ’Glocke’ (nach anderen zu l. campa¯nia ’Feld’, aber das trifft sachlich eigentlich nicht zu). – DF 1 (1913), 107; Brunt (1983), 188f.; EWNl 1 (2003), 432.

Champion Sm ’Meister einer Sportart’ erw. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus ne. champion, eigentlich ’(Einzel-)Kämpfer’, aus afrz. champion. Dieses zu l. campus in der Bedeutung ’Kampfplatz’. Ebenso nndl. kampioen, nfrz. champion, nschw. champion, nnorw. champion; ÞCamp, ÞKämpe, ÞKampf . – DF 3 (21997), 599–602; Carstensen 1 (1993), 224f.

Chance Sf ’günstige Gelegenheit’ std. (17. Jh.). Entlehnt

aus frz. chance, das zurückgeht auf früh-rom. *cadentia, eine Ableitung des PPräs. von l. cadere (ca¯su¯rus) ’fallen’. So benannt nach einem Ausdruck des Würfelspiels, der den (guten) Fall der Würfel bezeichnet. Das Wort kommt als Fachwort des englisch geprägten Pferderennsports ins Deutsche, so dass eine Entlehnung über ne. chance unter Rückgriff auf das Französische anzunehmen ist. Ebenso nndl. kans, ne. chance, nfrz. chance, nschw. chans, nnorw. sjanse. Zur Sippe von l. cadere ’fallen’ s. ÞKadenz. Zur älteren Entlehnung in Bezug auf das Glücksspiel s. ÞSchanze 2. – DF 3 (21997), 602–604.

Chanson Sn ’geselliges Lied’ erw. fach. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. chanson f. ’Lied’, dieses aus l. cantio f., einer Ableitung von l. canere (cantum) ’singen’. Zunächst entlehnt als ’(französisches) Liedchen’; dann im Kabarett ein ’freches, witziges Lied’.

Charisma Raum’ folgt dann den Vorstellungen der griechischen Kosmogonie, nach denen vor der Entstehung der Welt ein ’gähnender Abgrund’ bestand (Hesiod); danach gedeutet als ’leerer Raum’ (Aristoteles) und ’wüstes Durcheinander’ (Platon u.a.). Der Entlehnung ins Deutsche liegt vor allem die zuletzt genannte Auffassung zugrunde. Als Adjektiv hierzu chaotisch ohne griechisches Vorbild (wohl nach spl. chaoticus). Ebenso nndl. chaos, ne. chaos, nfrz. chaos, nschw. kaos, nnorw. kaos; ÞChaot, ÞGas. – DF 3 (21997), 609–614; Siegert (1950), 48; HWPh 1 (1970), 980–984; LM 2 (1983), 1712–1714; Cordo, L. A.: Cha´os (Idstein 1989) (zur griechischen Kosmogonie); Mondi, R. HSCPh 92 (1989), 1–41; Hülsewiesche, R. AB 35 (1992), 274–280; EWNl 1 (2003), 432.

Chaot Sm ’Unruhestifter’ erw. grupp. (20. Jh.). In den

Unruhen der 1960er Jahre rückgebildet aus chaotisch. Tendenziöse Bezeichnung für nicht-argumentierende Gegner der Gesellschaft. Ebenso nndl. chaoot; ÞChaos. – Busse, D. SLWU 58 (1986), 61–63; Busse, D. in Burkhardt, A. (Hrsg.): Sprache zwischen Militär und Frieden (Tübingen 1989), 93–121; Strauss u.a. (1989), 97–100; Drews, A. kultuRRevolution 21 (1989), 38–41.

Charakter Sm ’wesentliche Eigenschaft’ std. (13. Jh., Be-

deutung 17. Jh.). Entlehnt aus frz. caracte`re, dieses aus l. c(h)aracte¯r, aus gr. charakte¯´r, einer Ableitung von gr. chara´ssein ’einritzen, prägen’, also eigentlich ’Prägung’. Das Wort hat bereits im Griechischen neben der konkreten Bedeutung die moralische Bedeutung ’Haupteigenschaft’, dann auch ’Unterscheidungsmerkmal’. Von den lateinischen christlichen Schriftstellern vor allem in der Bedeutung ’Zeichen’ aufgenommen und weitergegeben; so auch im Französischen und Deutschen. Noch bei Kant ist Charakter ein symbolhaftes Zeichen für einen sprachlich schwer zu fassenden Zusammenhang; daneben gilt das Wort für ’Stand, Rang’ (vgl. seines Zeichens ein..., nach französischem Vorbild). Der heute hervortretende sittliche und psychologische Sinn des Wortes ist geprägt durch den französischen Moralisten La Bruye`re, der auf die griechische Bedeutung (Theophrast) zurückgreift (’ethische Wesenszüge’). Adjektiv: charakteristisch; Verb: charakterisieren. Ebenso nndl. karakter, ne. character, nfrz. caracte`re, nschw. karaktär, nnorw. karakter. – DF 3 (21997), 614–631; Ganz (1957), 51; HWPh 1 (1970), 984–992.

Ebenso nndl. chanson, ne. chanson, nschw. chanson. Zu der Charge Sf ’Amt, Rang, Dienstgrad’ per. fach. (17. Jh.). einfachen Stammform von l. canere ’singen’ gehören ÞCharme Entlehnt aus frz. charge ’Last, Amt’, einem Nomen und ÞPosaune; alles weitere gehört zu t-Ableitungen, besonacti zu frz. charger ’beladen’, aus spl. carrica¯re, einer ders zu l. canta¯re: ÞAkzent, ÞDiskant, ÞKantate und ÞShanty Ableitung von l. carrus m. ’Wagen’. Nach der Auffas(wie auch Chanson). Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞHahn. – DF 3 (21997), 607–609; Jones (1976), 199; Brunt sung, dass die dienstliche Position als etwas zu ver(1983), 189; LM 2 (1983), 1699–1702; BlW 3 (1988), 214–219 (zu l. stehen ist, das dem Menschen ’aufgebürdet’ wird. canere); EWNl 1 (2003), 432. Ebenso nndl. charge, ne. charge. Zu weiteren Verwandten s. ÞKarren. – DF 3 (21997), 632–638. Chaos Sn ’großes Durcheinander, Verwirrung’ std.

(14. Jh.). Zunächst entlehnt aus l. chaos für gr. cha´sma Charisma Sn ’besondere Ausstrahlung’ erw. fremd. zur Bezeichnung der Kluft zwischen dem armen La(18. Jh.). Entlehnt aus spl. charisma ’Geschenk, Gnazarus im Himmel und dem Reichen im Totenreich. dengabe’, dieses aus ntl.-gr. cha´risma ’Geschenk, Die eigentliche Entlehnung aus gr. cha´os ’leerer (göttliche) Gnadengabe’, zu gr. charı´zesthai ’schen-

Charivari

170

ken’, zu gr. cha´ris f. ’Gunst, Huld, Gnade, Freude, nach das Verbriefen des zeitlich beschränkten NutAnmut, Liebreiz’, zu gr. chaı´rein ’Freude haben, liebzungsrechts. haben’. Die heutige Bedeutung geht von dem christEbenso nndl. charteren, nschw. chartra, nnorw. chartre. Für die weitere Verwandtschaft s. ÞKarte. – Rey-Debove/Gagnon lichen griechischen Begriff aus, der ’Amtsgnade, die (1988), 131f.; Carstensen 1 (1993), 226–229; DF 3 (21997), durch Handauflegen vermittelt wird’ bedeutet, da652–655; EWNl 1 (2003), 434. neben aber auch ’besondere Gnadengaben’. Die moderne Verwendung nach dem Religionssoziologen M. Chassis Sn ’Fahrgestell’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus Weber, der unter Charisma die Begnadung bestimmfrz. chaˆssis, zu frz. chaˆsse ’Kästchen, Fassung, Gestell’, ter Persönlichkeiten mit besonderen, außeralltägliaus l. capsa ’Kasten, Kapsel’. chen Fähigkeiten (in den Augen einer verehrenden Ebenso nndl. chassis, ne. chassis, nschw. chassi, nnorw. chassis. Gemeinde und Anhängerschaft) versteht (dann überZur Sippe des zugrunde liegenden l. capere ’fangen’ s. Þkapieren; ÞKapsel. – DF 3 (21997), 655f.; EWNl 1 (2003), 434f. tragen auf Politik usw.). Ebenso nndl. charisma, ne. charisma, nfrz. charisme, nschw. Chauffeur Sm ’Fahrer’ std. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. karisma, nnorw. charisma. – HWPh 1 (1970), 996–999; Brockchauffeur, eigentlich ’Heizer’, einem Nomen agentis haus, U.: Charisma und Amt (Wuppertal 1972); Ritter, zu frz. chauffer ’warm machen’, aus l. calefacere (-facA. M.: Charisma im Verständnis des Joannes Chrysostomos tum). Das Wort bezeichnet also ursprünglich den Lound seiner Zeit (Göttingen 1972); Bensman, J., Givant, M. komotiv-Führer (der zugleich Heizer war und sonsSocial Research 42 (1975), 570–614; McRay, J. R. Studia Patristige technische Arbeiten durchzuführen hatte); dann tica 12 (1975), 232–237; LM 2 (1983), 1719–1723; Baumert, N. übertragen auf das Kraftfahrzeug, wobei auch hier Theologie und Philosophie 63 (1988), 60–78; DF 3 (21997), zunächst die technische Arbeit wichtiger war als das 638–642; EWNl 1 (2003), 433.

Führen des Fahrzeugs (vgl. den älteren frz. Ausdruck me´canicien für ’Chauffeur’ und ’Lokomotivführer’). ger’ per. arch. obd. wmd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. Verb: chauffieren. charivari m. (faire du charivari) ’Katzenmusik, ohrenEbenso nndl. chauffeur, ne. chauffeur, nschw. chaufför, nnorw. betäubender Lärm’. Der Brauch, gesellschaftliche sja˚før; ÞKalorie, Þinfizieren. – DF 3 (21997), 656–659; EWNl 1 Missbilligung durch nächtlichen Lärm vor dem Haus (2003), 435. des Betreffenden zum Ausdruck zu bringen, stammt offenbar aus den romanischen Ländern − in späterer Chaussee Sf ’Landstraße’ erw. obs. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. chausse´e, aus vor- rom. (via) *calcia¯ta Zeit ist der Anlass meistens, dass ein Witwer oder eine ’geschotterte Straße’, zu l. calx (-lcis) fm. ’Stein, KalkWitwe zum zweiten Mal heiratet. Sowohl die Herstein’. Es handelt sich ursprünglich um eine Bezeichkunft des Wortes wie auch die Geschichte des Brauchs nung für Landstraßen in Frankreich, die durch Besind umstritten. Vielleicht aus einer Entsprechung zu schotterung erhöht und befestigt waren. prov. varai ’Radau’ und einer Entsprechung zu frz. Ebenso nnorw. chause´; Þkalkulieren. – DF 3 (21997), 659–662. charger ’anklagen’, also ’Radau-Anklage’. − Die bayrischen Anhänger (meist an der Uhrkette) sind wohl Chauvinismus Sm ’exzessiver Nationalismus; fehlgeleials ’Durcheinander’ (oder als ’Geklapper’) mit dem tetes, übersteigertes Männlichkeitsverständnis’ erw. gleichen Wort benannt. fach. (19. Jh.). Zunächst entlehnt aus frz. chauvinisme Ebenso ne. charivari, ndn. charivari. – Gamillscheg (1969), ’fanatische Vaterlandsliebe’, das wohl auf einen Ei213f.; DEO (1982), 209f.; Röhrich 1 (1991), 290–292. gennamen Chauvin zurückgeht (eine Figur in dem französischen Lustspiel La cocarde tricolore [1831] der Charme (älter auch Scharm) Sm ’Anmut’ erw. fremd. Brüder Cogniard, in dem der übertriebene Patriotis(17. Jh.). Entlehnt aus frz. charme, einer Ableitung mus karikiert wird). Im angelsächsischen Bereich ist von frz. charmer ’bezaubern’, das zurückgeht auf chauvinism nicht auf ’Vaterlandsliebe’ beschränkt, l. carmen n. ’Gesang, Spruch, Zauberformel’ (vgl. besondern auf verschiedene übersteigerte Haltungen zaubernd); dieses mit Dissimilierung des n aus anwendbar. Deshalb im Rahmen der Frauenbewel. *canmen, zu l. canere (cantum) ’singen’. Adjektiv: gung ne. male chauvinism ’übersteigerte Vorstellung charmant; Täterbezeichnung: Charmeur. von der Stellung des Mannes’; daraus gekürzt Chauvi Ebenso nndl. charme, ne. charm, nschw. charm, nnorw. sjarm, charme. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. canere ’singen’ s. ’Mann mit solchen Vorstellungen’, das in neuester ÞChanson. – Dumonceaux (1975); Jones (1976), 202f.; DF 4 Zeit auch ins Deutsche entlehnt wurde. Charivari Sn ’Katzenmusik; bayrischer Trachtenanhän-

(1978), 68–70; Brunt (1983), 190; BlW 3 (1988), 261–271 (zu l. carmen); DF 3 (21997), 642–647; EWNl 1 (2003), 434.

chartern Vsw ’mieten’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus

Ebenso nndl. chauvinisme, nschw. chauvinism, nnorw. sja˚vinisme. – DF 3 (21997), 662–668; Seibicke, W. SD 23 (1979), 65–68; Strauss u.a. (1989), 100–112; EWNl 1 (2003), 435.

ne. charter, einer Ableitung von ne. charter checken Vsw ’nachprüfen, kontrollieren’ per. fach. ’Urkunde, Freibrief’, besonders ’Mietvertrag für (20. Jh.). Entlehnt aus ne. check gleicher Bedeutung. Schiffe’; dieses aus afrz. chartre, aus l. chartula Das Wort ist vor allem für Kontrollen im Luftfahrt’kleines Schriftstück’, einem Diminutivum zu l. charbereich üblich; in der Jugendsprache auch für ta ’Papier, Schriftstück’. Benennungsmotiv ist dem’verstehen’ (hier häufig mit Anlaut sch- gesprochen

Chip

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und teilweise auch geschrieben). Schon früher entlehnt ist das Substantiv Check ’Kontrolle’.

Suffixes (das am ehesten auf ig. *k beruht, mit unregelmäßiger Lautvertretung durch Verallgemeinerung von Sonderentwicklungen, etwa in der Stellung nach s).

Ebenso nfrz. check-up, nndl. checken, nschw. checka, nnorw. sjekke. Das englische Wort aus afrz. eschaquier, eschecquier, das vor allem ’Schach spielen, im Schach bedrohen’ bedeutet. Dies Seebold, E. in Dialektologie. Hrsg. Besch, W. u.a. Berlin 2 scheint aber aus einer Grundbedeutung ’Beute machen, Fi(1983), 1250–1255; Wortbildung 2 (1975), 124, 317; EWNl 4 guren gewinnen’ herzuleiten zu sein (ÞSchach), und die ur(2009), 390. sprünglichere Bedeutung ist offenbar auch zu ’Steuer einnehmen’ u. dgl. geworden (vgl. afrz. eschequier ’Staatsschatz, Par- Chicore´e Smf erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. chicore´e f., dieses aus ml. cicorea f., aus l. cicho¯rium n., lament’, ne. Chancellor of the Exchequer ’Finanzminister’). cichore¯um n. ’essbare Sprosse der Salat-Zichorie’, aus Daraus to check ’kontrollieren, abhaken’ (nämlich die Einnahmen). – DEO (1982), 252; Rey-Debove/Gagnon (1988), 133; gr. kı´chora n. Pl., kicho´re¯ f., kicho´rion n. ’Wegwarte, Röhrich 1 (1991), 292; Carstensen 1 (1993), 232–234; DF 3 Endivie’. (21997), 668–670; EWNl 1 (2003), 435. Ebenso ne. chicory, nnorw. sikori; ÞZichorie.

Chef Sm ’Vorgesetzter’ std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz.

chef, dieses aus l. caput n. ’Haupt, führende Person’. Ebenso nndl. chef, ne. chief, chef, nschw. chef, nnorw. sjef. Von l. caput ’Haupt’ kommen als volkssprachliche Fortsetzer des Wortes selbst Chef (frz.), ÞKap (it.), ÞKapo (it.) und zusammengerückt ÞDakapo (it.); von Ableitungen: ÞKapital (it.), ÞKapitel (l.) mit ÞKapitulation (frz.) und ÞKapitell (l.), ÞKapitän (frz.), ÞKappes (l.), ÞKadett (frz.), ÞKappzaum (it.), ÞCapriccio (it.) und ÞKaprice (frz.), ÞKorporal (frz.); ein altes Kompositum liegt in ÞBizeps vor und vielleicht hat das Wort bei der Lautgestalt von ÞKabeljau eine Rolle gespielt. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞHaupt. – Schirmer (1911), 39; DF 3 (21997), 670–674; Jones (1976), 204; Brunt (1983), 191f.; BlW 3 (1988), 233–248 (zu l. caput); EWNl 1 (2003), 435.

Chemie Sf ’Wissenschaft von der Zusammensetzung

Chiffon Sm (ein feines Seidengewebe) per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. chiffon in der älteren Bedeutung ’dünner, durchsichtiger Stoff’ (jünger: ’Lumpen, durchsichtiges Gewebe’), einem Diminutivum zu frz. chiffe ’leichter Stoff von schlechter Beschaffenheit, Papierlappen’, das auf arab. ˇsiff ’leichtes, durchsichtiges Gewand’ zurückgeht. Ebenso nndl. chiffon, ne. chiffon, nschw. chiffong, nnorw. chiffon. – Lokotsch (1975), 150; EWNl 1 (2003), 437f.

Chiffre Sf ’Geheimkode’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt

aus frz. chiffre m. ’Ziffer, Zahl, Geheimschrift’, dieses aus afrz. cifre ’Null, Ziffer’, über das Mittellateinische aus arab. sifr ’Null, Ziffer’, eigentlich ’leer’ als Lehn˙ von ai. sunya ’Null, leer’ (ÞZiffer). Der übersetzung Lautstand ch- ist vermutlich pikardisch. Die Bedeutungsentwicklung zu ’Geheimschrift’ vielleicht nach der Verwendung von Ziffern in Geheimschriften; die genaueren Umstände sind umstritten, auch der Ort des Bedeutungsübergangs (Italien oder Frankreich). Im Französischen bedeutete das Wort auch ’Monogramm, Kennziffer’ u.ä. Verb: (de)chiffrieren.

der Stoffe’ erw. fach. (17. Jh.). Sachlich ist die Chemie aus der Alchemie, der Goldmacherkunst, hervorgegangen. Das Wort ist wohl aus dem älteren ÞAlchemie vereinfacht unter Einfluss des zugrunde liegenden gr. chymeı´a, che¯meı´a ’Beschäftigung mit der Metallumwandlung’. Die Einzelheiten der Wortgeschichte sind umstritten. Die zunächst übliche Schreibung ist Chymie, die dann nach 1800 durch Chemie verdrängt Ebenso nndl. cijfer, ne. cipher, nschw. chiffer. – DF 3 (21997), wird. Adjektiv: chemisch; Täterbezeichnung: Chemi691–696; Littmann (1924), 77; Taylor, W. LSE 2 (1933), 67–71; ker; Konkretum: Chemikalie. Als Vorderglied moderJones (1976), 206; Brunt (1983), 193f.; HWPh 1 (1970), 1001; Tazi (1998), 198f. ner Bildungen wird Chemo- gebraucht (das kein antikes Vorbild hat). Chili Sm ’Schote des Cayenne-Pfeffers, daraus hergeEbenso nndl. chemie, ne. chemistry, nfrz. chimie, nschw. kemi, stellte Würzsoße’ erw. fach. (20. Jh.). Über das Spa2 nnorw. kjemi. – DF 3 ( 1997), 674–684; Diels (1920), 121–154; nische (und Englische?) entlehnt aus Nahuatl chilli Lippmann (1919), Kapitel III; Piselli, F.: Nota sulla che¯meı´a gleicher Bedeutung. (Bergamo 1972); LM 2 (1983), 1791f.; EWNl 1 (2003), 435f. Chemisette Sf ’gestärkte Hemdbrust’ per. arch.

Ebenso nndl. chili, ne. chili, nschw. chilisa˚s, nnorw. chilipepper.

Chimäre Sf ÞSchimäre. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. chemisette, einem Diminutivum zu frz. chemise ’Hemd’, dieses aus l. camı¯sia Chip Sm ’Halbleiter-Element mit elektronischen Schaltungen’ per. fach. (19. Jh., Bedeutung 20. Jh.). Ent’Hemd, Überwurf’. lehnt aus ne. chip, eigentlich ’Splitter, Span’ (so auch Ebenso nndl. chemisette, ne. chemisette, ndn. chemisette; in der ältesten Entlehnung), wohl zu einem lautmaÞKamisol. – DF 1 (1913), 111. lenden Verb to chip ’splittern, abbrechen’. Das Wort -chen Suffix zur Bildung von Diminutiven std. (–). Älbedeutet dann ’Spielmarke’ und schließlich tere Form -ichen, ndd. -iken. Im Mittelhochdeut’Wertmarke, mit der Geräte in Gang gesetzt werden schen statt dessen noch -(e)lı¯n (-ikı¯n nur in Nachahkönnen’ − daraus dann die entlehnte Bedeutung. mungen niederdeutscher/niederländischer Sprech-

weise). Erst nach Luther setzt sich die nördliche Form -chen gegen das südliche Þ-lein durch. Entstanden ist das Suffix durch eine -ı¯n-Erweiterung eines alten k-

Ebenso nndl. chip, nschw. chips. – Carstensen 1 (1993), 239f.; DF 3 (21997), 701f.; EWNl 1 (2003), 438.

Chirurg

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Chirurg Sm erw. fach. (15. Jh., Form 16. Jh.). Entlehnt

aus l. chı¯ru¯rgus, dieses aus gr. cheirourgo´s, zu gr. cheı´r f. ’Hand’ und gr. ´ergon n. ’Tätigkeit’ (s. Energie), zunächst in lateinischer Form, dann endungslos. So benannt, weil er durch die Geschicklichkeit der Hände heilt, im Gegensatz etwa zum Verabreichen von Medikamenten. Der Chirurg galt bis ins 19. Jh. als ’Handwerker’ im Gegensatz zum akademischen Arzt. Adjektiv: chirurgisch; Abstraktum: Chirurgie. Das zunächst (Chiromantik) in Entlehnungen aus dem Griechisch-Lateinischen auftretende Kompositionsglied Chiro- ist teilweise produktiv geworden (Chiropraktik).

in der christlichen Kirche dann der ’Platz der Sänger vor dem Altar’; von da aus auch ’Bereich der Kirche, der den Geistlichen vorbehalten ist’ (vgl. Chorgestühl). − Der Choral ist ein ’Chorgesang’, kirchen-l. cantus choralis, das zunächst als Choralgesang übersetzt wird. Durch die Bedeutung des lutherischen Kirchenlieds wird das Wort häufiger und deshalb gekürzt. − Bei der Choreographie handelt es sich um das (Vor-)Schreiben der Tanzbewegungen − hier wird also auf die alte, vorliturgische Bedeutung zurückgegriffen (formal auf gr. choreı˜os ’zum Tanz gehörig’).

Ebenso nndl. koor, ne. chorus, nfrz. chœur, nschw. kör, nisl. ko´r. – DF 3 (21997), 713–726; Siegert (1950), 49f.; LM 2 (1983), Ebenso nndl. chirurg, ne. surgeon (< sirurgien), nfrz. chirurgien, 1877–1880; EWNl 1 (2003), 441. nschw. kirurg, nnorw. kirurg. – DF 3 (21997), 705–710; Rössler, D. in Welskopf 3 (1981), 203, 235, 243f.; RGA 4 (1981), 462–476; Chrisam Smn ’geweihtes kirchliches Salböl’ per. fach. LM 2 (1983), 1845–1859; EWNl 1 (2003), 439.

Chlor Sn (ein gelbgrünes Gas) erw. fach. (19. Jh.). Neu-

bildung zu gr. chlo¯ro´s ’gelblichgrün’. Zunächst von dem englischen Chemiker Davy chlorine genannt, dann im Französischen zu chlore gekürzt, daraus das deutsche Wort.

(8. Jh.), mhd. krisem(e), kresem(e), krisme, kresme m., ahd. chrismo ’Salbung, Ölung’. Im Althochdeutschen entlehnt aus ml. chrisma n., dieses aus gr. chrı˜sma, chrı˜ma n. ’Salböl’, zu gr. chrı´ein ’bestreichen, salben’. Ebenso nndl. chrisma, ne. chrism, nfrz. chreˆme; ÞChrist 1, ÞCreme. – Siegert (1950), 50; Röhrich 1 (1991), 292.

Ebenso nndl. chloor, ne. chlorine, nfrz. chlore, nschw. klor, nisl. Christ1 Sm ’Christus’ std. (8. Jh.), mhd. Krist, ahd. klo´r; ÞChlorophyll. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þgelb. Kris[t] u.a. Im Althochdeutschen entlehnt aus l. – EWNl 1 (2003), 439.

Chlorophyll Sn ’Farbstoff der Pflanzen’ per. fach.

(19. Jh.). Neoklassische Bildung durch französische Biologen im 19. Jh. zu gr. chlo¯ro´s ’gelblichgrün’ (ÞChlor) und gr. phy´llon ’Blatt’. Ebenso nndl. chlorofyl, ne. chlorophyl(l), nfrz. chlorophylle, nschw. klorofyll, nnorw. klorofyll.

Cholera Sf ’Brechruhr’ erw. fach. (9. Jh.), mhd. colera,

ahd. koloro. Ist entlehnt aus ml. cholera, das auf gr. chole´ra ’Gallensucht’ zurückgeht. Dieses zu gr. chole¯´ ’Galle’. Die Verschiebung in der Bedeutung beruht darauf, dass Gallenleiden (vgl. Gallenbrechruhr) ähnliche Symptome haben können wie die Brechruhr. Ebenso nndl. cholera, ne. cholera, nfrz. chole´ra, ndn. kolera, nschw. kolera, nisl. ko´lera; ÞKoller 1, ÞCholeriker, ÞMelancholie. – DF 1 (1913), 113; EWNl 1 (2003), 440.

Choleriker Sm ’jähzorniger Mensch’ erw. fach. (15. Jh.).

Chrı¯stus, dieses aus gr. Chrı¯sto´s (eigentlich ’Gesalbter’ zu gr. chrı´ein ’salben, bestreichen’), einer Lehnübersetzung von hebr. ma¯ˇs¯ı ah ’Messias’. Der Beiname ˙ ist dann zum Eigennamen geworden.

Ebenso nndl. Christus, ne. Christ, nfrz. Christ, nschw. Kristus, nisl. Kristur; ÞCreme, ÞChrisam, ÞChrist 2, ÞChristbaum, ÞKretin. – Siegert (1950), 51f.; RGA 4 (1981), 599–604; DF 3 (21997), 728–743.

Christ2 Sm ’Angehöriger einer christlichen Glaubens-

gemeinschaft’ std. (16. Jh.). Substantivierung von mhd. kristen ’christlich’, dieses aus ahd. krista¯ni, aus l. chrı¯stia¯nus, eigentlich ’zu Christus gehörig, Anhänger Christi’ (ÞChrist 1). Die alte Form bleibt in Christenheit usw. Adjektiv: christlich. Ebenso nndl. christen, ne. christian, nfrz. chre´tien, nschw. kristen, nisl. kristinn maduÑ r; ÞChrist 1. – Siegert (1950), 50f.; Kettler, W. FS Sonderegger (Bayreuth 1978), 63–85; RGA 4 (1981), 501–599 (Christentum); Röhrich 1 (1991), 292f.; DF 3 (21997), 728–743; EWNl 1 (2003), 441.

Zunächst als Adjektiv cholerisch entlehnt aus ml. cholericus; dieses aus gr. choleriko´s. Gemeint ist eines der Christbaum Sm ’Weihnachtsbaum’ std. reg. (18. Jh.). Die (zunächst vorwiegend oberdeutsche) Sitte, zur vier Temperamente (ÞMelancholie, Þphlegmatisch, Feier der Geburt Christi einen Tannenbaum aufzuÞsanguinisch), und zwar das, das als von der Galle (gr. ´ stellen und zu schmücken, beginnt mit dem Aufstechole¯ f.) her bestimmt galt. cken von Tannenzweigen als Segenserwartung (beEbenso nndl. cholericus, ne. choleric (Adj.), nfrz. cole´rique, zeugt seit dem 15. Jh.). Kerzenschmuck seit dem nschw. koleriker, nnorw. koleriker; ÞCholera, ÞKoller, 17. Jh. Allgemeine Verbreitung des Christbaums seit ÞMelancholie. – DF 3 (21997), 710–713; EWNl 1 (2003), 440. dem 19. Jh. Chor Sm ’Sängergruppe’ std. (9. Jh.), mhd. ko¯r, ahd.

Ebenso nndl. kerstboom, ne. Christmas-tree, nfrz . arbre de cho¯r. Im Althochdeutschen entlehnt aus l. chorus, No¡l, nschw. julgran, nnorw. juletre, nisl. jo´latre´. – Röhrich 1 (auch ’Tanz’), dieses aus gr. choro´s, das in der grie(1991), 293. chischen Antike die Bezeichnung für den Tanzplatz Chrom Sn (chemisches Element) erw. fach. (18. Jh.). Bei war, sowie für eine Gruppe von Tänzern; dann der Untersuchung des sibirischen roten Bleispats ’Kultgesang bzw. Kulttanz für die Gottheiten’. Ausfand der deutsche Chemiker M. H. Klaproth 1797 gehend von der Bedeutung ’Sänger’ (Pl.) ist der Chor

173

Claqueur

heraus, dass er ein noch unbekanntes Metall enthal- Chronologie Sf ’Zeitfolge’ per. fach. (16. Jh.). Neubilten müsse. Nachgewiesen wurde dies im Jahr darauf dung aus gr. chro´nos ’Zeit’ und dem Element Þ-logie. durch den französischen Chemiker N. L. Vauquelin, Ebenso nndl. chronologie, ne. chronology, nfrz. chronologie, nschw. kronologi, nnorw. kronologi; ÞChronik, Þ-logie. – DF 3 der den Stoff wegen der Farbenvielfalt seiner Verbin(21997), 749–753; LM 2 (1983), 2035–2048. dungen frz. chrome m. nannte (nach gr. chro˜ma ’Farbe’). Die Benennung wurde praktisch gleichzeitig Chronometer Sn ’genau gehende Uhr’ per. fach. überall akzeptiert. (18. Jh.). Neubildung (im englischen Bereich) aus gr. Ebenso nndl. chroom, ne. chrome, nschw. krom, nnorw. krom, chro´nos ’Zeit’ und gr. me´tron ’Meßgerät’. nisl. kro´m. Zum Grundwort s. auch Þchromatisch, ÞChromosom. – EWNl 1 (2003), 442.

chromatisch Adj ’in Halbtönen fortschreitend’ (Mu-

sik) per. fach. (18. Jh.). Übernahme von gr. chro¯matiko´s ’gefärbt’, einer Ableitung von gr. chro˜ma ’Farbe’. Die Erhöhung bzw. Erniedrigung um einen halben Ton wird mit der Abtönung von Farben verglichen. Ebenso nndl. chromatisch, ne. chromatic, nfrz. chromatique, nschw. kromatisk, nnorw. kromatisk. Zum Grundwort s. ÞChrom, ÞChromosom. – LM 2 (1983), 1950–1952 (zu Chroma).

Chromosom (meist Pl.) Sn ’Träger der Erbfakto-

Ebenso nndl. chronometer, ne. chronometer, nfrz. chronome`tre, nschw. kronometer, nnorw. kronometer; ÞChronik, ÞMeter. – DF 3 (21997), 753f.

Chrysantheme Sf ’Winteraster’ per. fach. (20. Jh.). Ent-

lehnt aus l. chry¯santhemon n., dieses aus gr. chrysa´nthemon n. ’Goldblume’, zu gr. chry¯so´s n. ’Gold’ und gr. a´nthemon n. ’Blume’, zu gr. a´nthos n. ’Blume, Blüte’. Bezeichnet wurde offenbar zunächst eine gelbblühende Art. Ebenso nndl. chrysant, ne. crysanthemum, nfrz. crysanthe`me, nschw. krysantem, nnorw. krysantem; ÞAnthologie, ÞAntilope. – EWNl 1 (2003), 442.

ren’ per. fach. (19. Jh.). Neubildung des 19. Jhs. Chuzpe Sf ’Dreistigkeit’ per. fremd. (20. Jh.). Erst im (Waldeyer 1888 neben vielen anderen Vorschlägen) letzten Jahrhundert bezeugt, aber wohl schon früher aus gr. chro˜ma n. ’Farbe’ und gr. so˜ma n. ’Körper’, aus wjidd. chutzpe entlehnt. Dieses aus hebr. huspa¯(h) ˙ ˙ also eigentlich ’Farbkörper’. So benannt, weil die ’Frechheit’. Zellfäden, um die es dabei geht, durch Färbung sichtEbenso nndl. chotspe, ne. chutzpa(h). – Röhrich 1 (1991), 294. bar gemacht werden können. City Sf ’Zentrum einer großen Stadt’ erw. fach. (18. Jh.). Ebenso nndl. chromosoom, ne. chromosome, nfrz. chromosome, Entlehnt aus ne. city ’Großstadt’, dieses aus afrz. cite´ nschw. kromosom, nnorw. kromosom, nisl. kro´mo´so´m; ’Stadt’, aus l. cı¯vita¯s ’Stadt, Bürgerschaft’, einer AbÞchromatisch, ÞChrom. – EWNl 1 (2003), 442. leitung von l. cı¯vis ’Bürger’. Die (nur) im Deutschen Chronik Sf ’Geschichtsbuch’ erw. fach. (8. Jh.), mhd. übliche Bedeutung ’(modernes) Stadtzentrum’ nach kro¯nik[e]. Entlehnt aus l. chronica ’Geschichtsbuch’, ne. city center. dieses (im Plural: gr. ta` chronika´, sc. biblı´a) substanEbenso nndl. city, nfrz. cite´, nschw. city. Zur Sippe des zugruntiviert aus gr. chroniko´s ’die Zeit betreffend’, zu gr. de liegenden l. cı¯vis ’Bürger’ s. Þzivil. – Schirmer (1911), 40; chro´nos m. ’Zeitdauer, Zeitverlauf, Zeit’. Die EntlehGanz (1957), 52; Carstensen 1 (1993), 245f.; DF 3 (21997), nung ist bereits in einer Glosse des 8. Jhs. bezeugt, 759–763. üblich wird sie erst im 13. Jh. Täterbezeichnung: Chro- Clan Sm ’Sippschaft’ erw. exot. (18. Jh.). Über das Engnist; Adjektiv (mit abweichender Bedeutung): lische entlehnt aus ir. clann, schott.-gäl. clann Þchronisch. ’Kinder, Sippe, Familienverband’, das lautlich kymr. Ebenso nndl. kroniek, ne. chronicle, nfrz. chronique, nschw. plant ’Kinder’ entspricht. Herkunft unklar, Entlehkrönika, nnorw. krønike. Zu gr. chro´nos ’Zeit’ sind an sich nung aus l. planta f. ’Gewächs, Sprössling’ kaum Þsynchron und diachron (Þdiachronisch) exozentrische Komwahrscheinlich. posita (doch handelt es sich um moderne Bildungen, wenn Ebenso nndl. clan, nfrz. clan, nschw. klan, nnorw. klan, nisl. auch gr. sygchronos ’gleichzeitig’ existiert); mit der Komposi(hist.) klan. – Ganz (1957), 52; LM 2 (1983), 2120f.; Rey-Detionsform sind gebildet ÞChronologie und ÞChronometer; zu bove/Gagnon (1988), 146; Carstensen 1 (1993), 247–249; DF einer griechischen Adjektivbildung Chronik und (über das La3 (21997), 763–766. teinische) Þchronisch; formal zu einem abgeleiteten Verbum: ÞAnachronismus. – DF 3 (21997), 743–748; LM 2 (1983), Claqueur Sm ’jmd., der gegen Entlohnung Beifall 1954–2028. klatscht’ per. arch. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. claqueur,

chronisch Adj ’andauernd, ständig (von Krankhei-

ten)’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. (morbus) chronicus ’anhaltende Krankheit’, eine Bezeichnung, die langwierige Krankheiten von akuten Krankheiten unterscheidet (aus gr. chroniko´s ’die Zeit betreffend’ zu gr. chro´nos ’Zeit’). Ebenso nndl. chronisch, ne. chronic, nfrz. chronique, nschw. kronisk, nnorw. kronisk; ÞChronik. – DF 3 (21997), 748f.; EWNl 1 (2003), 442.

einer Ableitung von frz. claquer ’klatschen’, eigentlich ’knallen, klappern’, dieses eine Vermengung aus frz. cliquer ’lärmen’ (ÞClique) und mfrz. claper ’lärmen’, das wohl lautnachahmenden Ursprungs ist. Eine ganze Gruppe solcher Leute wurde Claque genannt; heute allenfalls noch übertragen gebraucht. Ebenso nndl. claqueur, ne. claqueur, nfrz. claqueur, ndn. klakør, nnorw. klakør. – DF 3 (21997), 766–768.

Clavicembalo Clavicembalo Sn ÞCembalo. clever Adj ’raffiniert’ erw. fremd. (20. Jh.). Entlehnt aus

ne. clever ’gescheit’, dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. Die Bedeutungsveränderung von ’klug, gescheit’ zu ’wendig, gerissen’ ergibt sich daraus, dass das Wort im Deutschen zunächst nur zur Bezeichnung bestimmter Geschäftspraktiken in Wirtschaft und Handel verwendet wurde. Ebenso nndl. clever. – Carstensen 1 (1993), 251–253; DF 3 (21997), 768–770.

Clinch Sm ’Umklammerung, Nahkampf’ per. fach.

(20. Jh.). In der Sprache der Boxer entlehnt aus ne. clinch, einer Ableitung von ne. clinch ’umklammern’, einer Nebenform von ne. clench, dieses aus ae. clencan. Heute wird vor allem im Clinch vielfach übertragen verwendet. Ebenso nndl. clinch, nfrz. clinch, nschw. clinch, nnorw. clinch. – Carstensen 1 (1993), 255; DF 3 (21997), 770–772.

Clip Sm ’Ohrgehänge’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt in

der Sprache der Mode aus ne. clip, das zu dem Verb ne. to clip ’festklemmen’ gehört. Ebenso nndl. clip, ne. clip, nfrz. clips, nschw. clips, nnorw. klips. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 149; Carstensen 1 (1993), 255f.; EWNl 1 (2003), 449.

Clipper Sm ÞKlipper. Clique Sf ’Gruppe’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus

174

lischen Schauspiel zunächst der Tölpel, dann Entwicklung zur Bezeichnung von Spaßmachern im Zirkus; in Deutschland durch Shakespeares Komödien bekannt geworden. Ebenso nndl. clown, ne. clown, nfrz. clown, nschw. clown, nnorw. klovn. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. colere ’bebauen’ s. ÞKolonie. – DF 3 (21997), 777–780; Ganz (1957), 115; Rey-Debove/Gagnon (1988), 151f.; Carstensen 1 (1993), 259f.; Diensberg, B. FS Fisiak (1997), 461f.; EWNl 1 (2003), 450.

Coach Sm ’Trainer’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne.

coach. Ursprünglich vom Trainieren junger Pferde gesagt (ne. to coach): ’vor den Wagen (ne. coach) spannen und ins Wagenfahren einführen’. Ebenso nndl. coach, nfrz. coach, nschw. coach, nnorw. coach. Zur deutschen Verwandtschaft s. ÞKutsche. – Maher, J. P. CoE 10 (1980), 2f.; Carstensen 1 (1993), 263; EWNl 1 (2003), 450f.

Cockpit Sn ’Raum des Piloten’ per. fach. (20. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. cockpit, einer Zusammensetzung aus ne. cock ’Hahn’ und ne. pit ’Grube’. Aus der ursprünglichen Bedeutung ’Grube für Hahnenkämpfe’ entwickeln sich im Englischen übertragene Bedeutungen, so auch ’Raum junger Marineoffiziere’. Aus dem nautischen Bereich dann Übertragung auf Flugzeuge usw. Ebenso nndl. cockpit, nfrz. cockpit, nschw. cockpit, nnorw. cockpit. Zum Vorderglied s. auch ÞCocktail, zur germanischen Ver-

frz. clique, einer Ableitung von afrz. cliquer, clinquer wandtschaft des Hinterglieds s. ÞPfütze. – Rey-Debove/Ga’lärmen, klingen’, das wohl auf eine Vermengung von gnon (1988), 159f.; Carstensen 1 (1993), 267–269; EWNl 1 ndl. klinken ’schallend schlagen’ und ndl. klikken (2003), 451. ’petzen, schwatzen’ zurückgeht. Das BenennungsCocktail Sm (alkoholisches Mischgetränk) erw. fach. motiv ist wohl ’lärmende Zustimmung, laute Unter(20. Jh.). Entlehnt aus ne. cocktail, einer Zusammenhaltung’, was bei solchen Gruppen für den Außensetzung aus ne. cock ’Hahn’ und ne. tail ’Schwanz’. stehenden ein auffälliges Merkmal ist. Das Wort wird Das Benennungsmotiv ist trotz einiger phantasievolzunächst ins Deutsche übernommen als Spottwort ler Ansätze nicht sicher geklärt. Das Wort ist wohl für Gruppen literarischer Anhänger und Bewundezunächst Bezeichnung eines bestimmten (Misch-) rer; dann für wirtschaftliche und politische GruppieGetränks, dann Bezeichnung einer Gruppe von rungen (wobei das Wort einen ziemlich negativen Mischgetränken und schließlich dann allgemeine BeBeiklang bekommt, vgl. Cliquenwirtschaft). Heute zeichnung für ’etwas Gemischtes’. Plausibel erscheint auch als Selbstbezeichnung harmloser Gruppierundie Deutung, dass man das Getränk nach den als cockgen möglich. tailed bezeichneten Pferden benannte, das sind PferEbenso nndl. kliek, ne. clique, nschw. klick, nnorw. klikk. – DF 3 de, die diese Bezeichnung wegen ihrer gestutzten und 2 ( 1997), 772–774. hochgebundenen Schweife erhielten (’HahnenClou Sm ’Glanzpunkt’ erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt schwanz’). Es handelte sich dabei grundsätzlich um aus frz. clou ’Nagel, Höhepunkt’, dieses aus l. cla¯vus nicht reinrassige Pferde. Der Vergleich des nicht ganz ’Nagel’. Zu dem umgangssprachlichen Bedeutungsreinen (d. h. nicht rein alkoholischen) Getränks mit übergang vgl. in der modernen Umgangssprache das dem nicht ganz reinen Blut der Pferde würde ein einist der Hammer; oder ÞSchlager oder den Nagel auf sichtiges Benennungsmotiv bieten. den Kopf treffen. Das wirkungsvolle Einschlagen des Ebenso nndl. cocktail, nfrz. cocktail, nschw. cocktail, nnorw. Nagels dient als Bild für den krönenden Abschluß, cocktail. Zum Vorderglied s. auch ÞCockpit, zur germanischen die Hauptsache usw. Verwandtschaft des Hinterglieds s. ÞZagel. – Buyssens Ebenso nndl. clou, ne. clou, nschw. clou, nnorw. clou. – DF 3 (21997), 776f.; EWNl 1 (2003), 450.

Clown Sm ’Spaßmacher’ std. (18. Jh.). Entlehnt aus ne.

clown. Es liegt ein Wort zugrunde, das ’Bauer; plumper Bursche’ bedeutete (l. colo¯nus ’Bauer’). Im eng-

in English Studies. FS R. W. Zandvoort (Amsterdam 1964), 313f.; Messing, G. M. FS Hill (1978), 147–153; Rey-Debove/ Gagnon (1988), 160f.; Carstensen 1 (1993), 269–272; EWNl 1 (2003), 451f.

Coupe´

175 Coiffeur Sm ’Frisör’ per. schwz. (19. Jh.). Entlehnt aus

Confe´rencier Sm ’Unterhalter’ per. fach. (19. Jh.). Ent-

frz. coiffeur gleicher Bedeutung. Dieses zu frz. coiffe f. ’Haube’.

lehnt aus frz. confe´rencier, abgeleitet von frz. confe´rence ’Besprechung, Unterhaltung’.

Ebenso nndl. coiffeur, ne. coiffeur, nschw. koaffyr, nnorw. koafyr. Vgl. Þfrisieren. – Brunt (1983), 197f.

Ebenso nndl. conferencier, nschw. konferencie´, nnorw. konferansier. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. ferre ’tragen’ s. ÞDifferenz; ÞKonferenz. – DF 3 (21997), 801–804; EWNl 1 (2003), 477.

Collage Sf ’Kunstwerk, das aus verschiedenen Teilen

zusammengestellt ist’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. collage m., einer Ableitung von frz. coller ’leimen, Container Sm ’normierter Großbehälter’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. container, einer Ableitung kleben’, abgeleitet von frz. colle ’Leim’, aus gr. ko´lla. von ne. contain ’enthalten’, aus frz. contenir, aus l. Das Wort wird gebraucht seit etwa 1910 für die von G. contine¯re ’umfassen’, zu l. tene¯re ’halten’ und l. con-. Braque und P. Picasso geschaffenen kubistischen BilEbenso nndl. container, nfrz. container, nschw. container, der, in die Zeitungs-, Tapeten- und Wachstuchteile nnorw. container. Zur Sippe von l. tene¯re ’halten’ s. ÞTenor 1. – eingeklebt waren; dann Verallgemeinerung. Ebenso nndl. collage, ne. collage, nfrz. collage, nschw. collage, nnorw. collage. – Strauss u.a. (1989), 588–592; DF 3 (21997), 788f.; EWNl 1 (2003), 457.

Colt Sm ’Revolver’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus

am.-e. colt, eigentlich ein spezieller Typ des Revolvers mit vereinfachtem Patronen-Transport, entwickelt von dem amerikanischen Industriellen S. Colt. Dann durch Bücher über den Wilden Westen und Westernfilme geläufig geworden. Ebenso nndl. colt, nfrz. colt. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 164; Carstensen 1 (1993), 279f.; EWNl 1 (2003), 461.

Comeback (meist Endbetonung gegenüber der An-

fangsbetonung der Ausgangssprache) Sn ’Rückkehr in die alte Vorrangstellung’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. comeback, einer Ableitung von ne. come back ’zurückkommen’. Gemeint waren zunächst die (Welt-)Meister im Boxen, die − wenn sie ihren Titel einmal verloren hatten − ihn wieder zu erreichen suchten (aber: they never come back). Ebenso nndl. come-back, nfrz. come-back, nschw. come back, nnorw. comeback. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þkommen und ÞBackbord. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 165; Carstensen 1 (1993), 280f.; DF 3 (21997), 789–791.

Comics Spl erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt und verkürzt

aus am.-e. comic strips, eigentlich ’komische Streifen’ (nach den ursprünglich eher witzigen Bildern). Die Verkürzung ist im Englischen nur umgangssprachlich. Ebenso nndl. comic, nfrz. comics, ndn. comic(s); Þkomisch. – Hofmann, W. Merkur 23 (1969), 251–262; Rey-Debove/Gagnon (1988), 165f.; Carstensen 1 (1993), 282–284; DF 3 (21997), 791–794.

Computer Sm std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. computer,

einer Ableitung von ne. compute ’berechnen’, dieses aus frz. computer, aus l. computa¯re ’berechnen, zusammenrechnen, überschlagen’, zu l. puta¯re ’rechnen, berechnen, putzen, reinigen’ und l. con-, zu l. putus ’rein, gereinigt’. Die Übersetzung Rechner hat sich bis jetzt nur in Teilbereichen (auch Taschenrechner) durchgesetzt. Ebenso nndl. computer, nfrz. compute(u)r, ndn. computer, nnorw. computer. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. puta¯re ’schneiden − rechnen’ s. Þamputieren. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 171; Carstensen 1 (1993), 287–292; DF 3 (21997), 798–800; EWNl 1 (2003), 472.

Rey-Debove/Gagnon (1988), 181f.; Carstensen 1 (1993), 294–296; DF 3 (21997), 804–807; EWNl 1 (2003), 487.

Copyright Sn ’Urheberrecht’ erw. fach. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. copyright ’Abdrucksrecht’ zu ne. copy ’abdrucken, kopieren’ und ne. right ’Recht’. Der in den Vereinigten Staaten beschlossenen CopyrightVereinbarung hat sich Deutschland 1892 angeschlossen. Ebenso nndl. copyright, nfrz. copyright, nnorw. copyright. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. opera¯rı¯ ’arbeiten’ s. Þoperieren, zum Hinterglied s. ÞRecht; ÞKopie. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 188.

Couch Sf ’Sofa’ std. reg. (20. Jh.). Entlehnt aus ne.

Couch, dieses aus afrz. couche ’Lager’, einer Ableitung von afrz. coucher ’niederlegen’, aus l. colloca¯re ’aufstellen, legen, setzen’, aus l. loca¯re ’stellen, legen’ und l. con-. Neuerdings häufiger für die ’Couch des Psychologen’. Die älteren Wörter Gautsche, Gutsche ’Bett, Kinderbett’ beruhen auf früherer Entlehnung aus dem Französischen. Ebenso nndl. couch, ne. couch. Zur Sippe des zugrundeliegenden l. locus ’Ort’ s. Þlokal. – Carstensen 1 (1993), 308; DF 3 (21997), 812f.

Coup Sm ’(gelungenes) riskantes Unternehmen’ erw.

fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. coup, dieses über ml. col(a)pus ’Streich, Schlag’ aus l. colaphus ’Faustschlag, Ohrfeige’, aus gr. ko´laphos. Die Bedeutungsübertragung wie bei Schlag (Þschlagen) und ÞStreich. Ebenso nndl. coup, ne. coup, nschw. kupp, nnorw. kupp. – Schirmer (1911), 40; DF 3 (21997), 819–823; Jones (1976), 249; Brunt (1983), 217; EWNl 1 (2003), 497.

Coupe´ Sn (ein Sportwagentyp u.a.) per. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. Coupe´ m., eigentlich ’abgeschnittener/abgeteilter Gegenstand’, dem substantivierten PPrät. von frz. couper ’abschneiden’. So bezeichnet wird im Französischen zunächst eine zweisitzige abgeschlossene Kutsche (wohl weil der Doppelsitz für sich abgeschlossen war gegenüber der üblichen viersitzigen Kutsche). Von da aus übertragen auf die Eisenbahnabteile der ersten Klasse, die ebenfalls nur eine Bank hatten. Diese Bezeichnung wurde dann im Eisenbahnwesen üblich, später aber von ÞAbteil abgelöst (allerdings nicht in Österreich und der Schweiz). Schließlich (wieder von der Bezeichnung

Couplet

176

der Kutsche aus) übertragen auf einen zweisitzigen crescendo Ptkl ’lauter werdend’ (musikalische Bezeichgeschlossenen Sportwagen − in dieser Bedeutung als nung) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it. crescendo, technischer Ausdruck heute noch üblich. dem Gerundivum von it. crescere ’wachsen, zunehmen’ (aus l. cre¯scere ’wachsen’ − zu dessen Sippe s. Ebenso nndl. coupe´, ne. coupe´, nschw. kupe´, nnorw. kupe´; ÞKupon, Þkupieren. – DF 3 (21997), 823f.; Jones (1976), 250; Þkreieren). Krüger (1979), 312f.; EWNl 1 (2003), 497.

Couplet Sn ’Liedchen mit gereimten Strophen’ per.

Ebenso nndl. crescendo, ne. crescendo, nfrz. crescendo, nschw. crescendo. – DF 3 (21997), 844–847.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. couplet m. ’gereimte Crew Sf ’Besatzung, Team’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt Strophe(n), Reimpaare’, einem Diminutivum zu frz. aus ne. crew, dieses aus afrz. crue ’Anwachsen, Zuwachs’, dem substantivierten PPrät. von afrz. croıˆtre couple m. ’Paar, Vereinigung’, aus l. co¯pula f. ’Verei’wachsen, sich mehren’, aus l. cre¯scere. Der Bedeunigung’ (vgl. l. co¯pula¯re ’verbinden’). Aus ’Liedchen mit gereimten Strophen’ entwickelt sich (u.a. in Bertungswandel geht von ’Verstärkung’ zu ’Truppenlin) ’Spottliedchen, Kabarett-Stück’. verstärkung’ zu ’Truppe, Mannschaft’. Ebenso nndl. couplet, ne. couplet, nschw. kuplett, nnorw. kuplett. Zu weiteren Verwandten s. ÞKopula. – DF 3 (21997), 824f.; LM 3 (1986), 314f.; EWNl 1 (2003), 498.

Courage Sf ’Mut, Beherztheit’ erw. fremd. (16. Jh.).

Entlehnt aus frz. courage m., einer Ableitung aus frz. cœur m. ’Herz’, dieses aus l. cor (cordis) n. Ebenso nndl. courage, ne. courage, nschw. kurage, nnorw. kurasje. Zur Sippe von l. cor ’Herz’ s. ÞAkkord. – DF 3 (21997), 832–837; Jones (1976), 251f.; Röhrich 1 (1991), 295.

Cousin Sm ’Vetter’ std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. cousin,

Ebenso ne. crew. Zur Sippe von l. cre¯scere s. Þkreieren. – Carstensen, B. MS 87 (1977), 302–313; Carstensen 1 (1993), 326–329; DF 3 (21997), 847f.

Croupier Sm ’Angestellter einer Spielbank’ per. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. croupier, einer Ableitung von frz. croupe f. ’Hinterteil’ (ÞKruppe; zu den germanischen Entsprechungen s. ÞKropf ). Zunächst Bezeichnung für eine Person, die hinter dem Reiter sitzt und mitreitet, dann verschiedene Übertragungen über die Bedeutungskomponenten ’helfen’ und ’profitieren’. In der heutigen Bedeutung wohl aus ’Assistent beim Spiel’.

dieses aus l. co¯nsobrı¯nus (’die Geschwisterkinder zueinander sind’), aus l. sobrı¯nus ’Geschwisterkind’, Ebenso nndl. croupier, ne. croupier, nschw. croupier. – DF 1 einer Ableitung von l. soror f. ’Schwester’. Das Femi(1913), 121; EWNl 1 (2003), 505. ninum hat sich in der eingedeutschten Form ÞKusine stärker durchgesetzt als das Maskulinum. Die franCup Sm ’Siegespokal’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus zösischen Verwandtschaftsbezeichnungen wurden ne. cup ’Tasse, Trinkgefäß, Pokal’, aus spl. cuppa aufgenommen, als die deutschen, stärker (zwischen (ÞKopf ). Da solche Pokale besonders bei WettkämpMutter- und Vaterseite) differenzierenden Bezeichfen nach der Regel ’Sieger gegen Sieger’ als Preis ausnungen aufgegeben wurden. gesetzt wurden, bezeichnet das Wort auch solche Wettkämpfe. Ebenso ne. cousin, nschw. kusin, nnorw. (nur fem.) kusine. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞSchwester. – DF 3 (21997), 837f.; Jones (1976), 261; Brunt (1983), 219f.

Ebenso nndl. cup, nschw. cup, nnorw. cup. – Carstensen 1 (1993), 333; DF 3 (21997), 848f.

Cowboy Sm ’berittener Rinderhirt’ std. (20. Jh.). Ent-

Curry Sm (eine Gewürzmischung) erw. fach. (19. Jh.).

lehnt aus am.-e. cowboy, einer Zusammensetzung aus ne. cow ’Kuh’ und ne. boy ’Junge, Bursche’; durch Bücher und Filme über Amerika populär geworden. Ebenso nndl. cow-boy, nfrz. cowboy, nschw. cowboy, nnorw. cowboy; ÞKuh, ÞBube. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 195f.; Carstensen 1 (1993), 316–318; EWNl 1 (2003), 499.

Creme Sf (auch eingedeutscht als Krem m. und f.) std.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. cre`me. Die älteste Bedeutung ist ’Süßspeise’ und ’Sahne’; von dort übertragen ’Oberschicht der Gesellschaft’ (hierfür häufig auch cre`me de la cre`me), weil auf Torten u. dgl. die Creme die Oberschicht darstellt. Die Bedeutung ’pflegende Salbe’ im Deutschen erst seit dem 20. Jh. Ebenso nndl. cre`me, ne. cream, cre`me, nschw. kräm, nnorw. krem. Die Herkunft des französischen Wortes ist unklar, vielleicht stammt es aus einer Vermengung von gall. krama ’Sahne’ und spl. chrı¯sma n. ’Salbung, Ölung’, aus gr. chrı˜sma n., einer Ableitung von gr. chrı´ein ’salben, einreiben’. Zu diesem s. ÞChrisam. Anders Meier mit guten Gründen: zu l. spumula ’Schaum’. – DF 3 (21997), 841–844; Brunt (1983), 221f.; Meier, H. VR 47 (1988), 14–18.

Entlehnt aus ne. curry(-powder), dieses aus anglo-i. curry, aus tamil. kari ’Soße, Tunke’. Ebenso nndl. kerrie, nfrz. cari, curry, nschw. curry. – Littmann (1924), 123f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 206.

Cyber- LAff (für ’virtuelle Räume’, ’Möglichkeiten des

Internets’) per. fach. (20. Jh.). Beginnend mit Cyberspace für die Einbeziehung der Sinne in eine

Computerwelt (William Gibson: Neuromancer 1984) wird das von ÞKybernetik abgelöste Element cyber- zu einem Leitwort für von Computern erzeugte Vorstellungswelten; dann verallgemeinert zu ’Zusammenhänge mit Internet und Computermöglichkeiten allgemein’.

da1 Adv ’da, dort’ std. (8. Jh.), mhd. da¯(r), ahd. da¯(r),

D Ebenso nndl. dak, ne. thatch, nschw. tak, nisl. þak; Þdecken. –

RGA 5 (1984), 123–134; LM 3 (1986), 409–425; Röhrich 1 (1991), as. tha¯˘r. Aus wg. *þ¢ ¯ r Adv. ’da, dort’, auch in ae. þ¢¯ r, 296–299; Schmidt-Wiegand (1991), 293; EWahd 2 (1998), afr. the¯˘r. Von einer kurzvokalischen Form *þar gehen 490–494; EWNl 1 (2003), 515. dagegen aus gt. þar, anord. þar (die altfriesischen und Dachhase Sm ÞBöhnhase. altsächsischen Formen sind mehrdeutig). LokativBildung auf -r zu dem demonstrativen Pronominal- Dachs Sm std. (11. Jh.), mhd. dahs, ahd. dahs, mndd. stamm ig. *to- mit verschiedenen Ablautformen das(se), mndl. das (as. in Ortsnamen Thahs-). Aus g. (oder verschiedenen Vokalentwicklungen unter Son*þahsu- m. ’Dachs’, auch in nnorw. svintoks ’Schweiderbedingungen wie dem Satztiefton). Das auslaunedachs’, unklarer Herkunft. Das Wort ist offenbar tende r schwindet in solchen unbetonten Wörtern ins Lateinische (taxus) und die romanischen Spraseit mittelhochdeutscher Zeit; in Zusammenrückunchen entlehnt worden. gen vor Vokal (wie daran, darauf ) hat es sich gehalten Ebenso nndl. das. – Sommer, F. IF 31 (1912/13), 359–361 (zu und gilt dort als ’Hiattrenner’. dick); Burchardi, G. IF 47 (1929), 103f.; Vendryes, J. EG 3

Ebenso nndl. daar, ne. there, nschw. där, nisl. þar. S. auch (1948), 133; Wiese, J. NJ 88 (1965), 139; RGA 5 (1984), 134–137; Þdann, Þdannen, Þdar, Þdort. – Moilanen, M.: Zum lokalen LM 3 (1986), 427; Röhrich 1 (1991), 299; Bellquist, J. B. JIES Gebrauch der Demonstrativadverbien da und dort (Helsinki 21 (1993), 331–346 (Substratwort); EWahd 2 (1998), 495–502; 1973); Moilanen, M. in Die Partikeln der deutschen Sprache. EWNl 1 (2003), 522. Hrsg. H. Weydt (Berlin 1979), 187–201; Ehrich, V. ZSp 2 (1983), Dachsbeil Sn, Dächsel Sm ÞDechse(l). 197–219; EWahd 2 (1998), 533–535.

da2 Adv ’zu diesem Zeitpunkt, in dieser Hinsicht’ std.

Dachshund Sm ÞDackel.

(8. Jh.), mhd. do¯, ahd. do¯, as. tho¯. Entsprechend ae. Dachstuhl Sm erw. fach. (16. Jh.). Das Element -stuhl þa¯. Entweder langvokalische (wohl instrumentale) bedeutet bei technischen Bezeichnungen ’Gestell’, Adverbialbildung zum demonstrativen Stamm ig. besonders ein solches, auf dem etwas anderes ruht. *to- oder ausgehend von der Form des Akkusativs Hier: ’Gestell, auf dem die Dachhaut ruht, angebracht Singular feminin des demonstrativen Pronomens ist’. (Artikels), wobei ein Begriff wie ’Zeit’ zu ergänzen Vgl. ÞGlockenstuhl. wäre. Die Lautform würde bei dieser Annahme zwar Dachtel Sf ’Ohrfeige’ per. arch. (15. Jh., Bedeutung dem gotischen Pronomen (þo), nicht aber dem alt17. Jh.). Frühester Beleg im 15. Jh. in der Bedeutung hochdeutsch-altsächsischen entsprechen; diese un’Murmel’; daneben dachteln, dacheln, dakern, daksen regelmäßige Lautentwicklung müsste durch einen u.ä. Vsw. ’eine Dachtel geben, prügeln, aufschlagen Anschluss an Þda 1 erklärt werden. Später auch Kon(vom Regen, vom Fallobst usw.), mit Murmeln spiejunktion, zunächst temporal (heute veraltet), dann len, mit einer Murmel eine andere treffen usw.’ Eine kausal. expressive Sippe mit expressiven Abwandlungen; als Arndt, E. BGDSL-H 82 (1960), 242–260; Harweg, R. ZVS 86 Ausgangspunkt lässt sich (g.) *þak(k)- ’berühren’ (1972), 137–154; Harweg, R. ZVS 90 (1977), 290–314; Thimvermuten, das sich auch in ae. þaccian ’berühren, Mabrey, Ch. SW 7 (1982), 197–219; EWahd 2 (1998), 706–708. streicheln’, as. thakolon ’streicheln’ und außergerda capo Beifallsruf ÞDakapo. manisch in l. tangere ’berühren’ zeigt. Von dort zu Dach Sn std. (9. Jh., gidah 8. Jh.), mhd. dach, ahd. dah, ’schlagen, aufschlagen’. mndd. dack, dahe n./m., mndl. dac, dec. Aus g. *þakaMaak, H.-G. ZDL 42 (1975), 189–196; Weitzenböck, G. ZM 13 (1937), 26 (als ’Denkzettel’ zu mhd. da¯ht f. ’Denken’). n. ’Dach’, auch in anord. þak, ae. þ¢c; dieses aus ig. (weur.) *togo-, auch in l. toga f. ’Dach’ und ’BedeDackel Sm std. (18. Jh.), spmhd. dachshund (15. Jh.). ckung, Toga’, kymr. to m. ’Dach’ zu der Verbalwurzel ÞDachshund bezeichnet zunächst einen Hund, der ig. *teg- ’decken’ in l. tego¯ ’ich decke’, im Osten *stegzum Aufjagen von Fuchs und Dachs in ihrem Bau in gr. ste´go¯ ’ich decke’. Das ’Dach’ ist also die ’Decke’. gebraucht wird. Für diese Hundesorte taucht im Jemandem aufs Dach steigen beruht auf einem Brauch 18. Jh. ndd. ÞTeckel, im 19. Jh. obd. Dackel auf. Dabei der Volksjustiz, bei dem einem Missetäter das Dach handelt es sich offenbar hypokoristische Kurzformen seines Hauses abgedeckt wurde.

Daffke

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mit den für solche Formen typischen Lautveränderungen. Wiese, J. NJ 88 (1965), 139; Hiersche, R. D (1990), 10f.; Wagner, N. HS 103 (1990), 281–285; EWNl 1 (2003), 523; EWNl 4 (2009), 355.

Daffke Ptkl (in der Wendung aus Daffke ’zum

’Armut’. Das Wort ist auch im Rotwelschen belegt, aber erst nach seiner Bezeugung in der neuhochdeutschen Umgangssprache, so dass der Weg der Übernahme nicht eindeutig ist. Ein anderes Dalles in den Dalles haben ’kaputt, tot sein’ u.ä. scheint auf hebr. tallit ’Totenkleid’ zurückzugehen, doch haben sich die beiden Bedeutungen vermengt und weiterentwickelt.

Trotz)’ erw. phras. städt. id. (20. Jh.). Aus rotw. dafko ’durchaus, absolut’, dieses aus wjidd. dafke(s) ’nun Ebenso nndl. dalles. – Wolf (1985), 76; Röhrich 1 (1991), 301; gerade, erst recht’; dieses aus hebr. dawqa¯( ) ’nur so EWNl 1 (2003), 515. (und nicht anders), durchaus’. Die deutsche Wendung beruht auf der Hypostasierung einer satzwer- dalli Ptkl ’hurtig’ std. vulg. (19. Jh.). Im Neuhochdeuttigen Partikel. schen entlehnt aus poln. dalej ’weiter, los, vorwärts’. Röhrich 1 (1991), 300.

daheim Adv std. (9. Jh., Form 12. Jh.). Aus mhd. da¯hei-

me, ahd. da¯r heime, einer Verstärkung von älterem heime ’zu Hause’. Das Ortsadverb Þda 1 tritt besonders mittelhochdeutsch gerne verstärkend vor Ortsbezeichnungen. Die Zusammenrückung seit dem 12. Jh. Röhrich 1 (1991), 300f.

dahlen Vsw ’einfältig reden, tändeln’ per. arch. (16. Jh.).

DF 1 (1913), 122; Eichler (1965), 33; Steinhauser (1978), 83; Knobloch, J. ZDL 51 (1984), 359f.; Wiese, J. ZS 32 (1987), 602; Röhrich 1 (1991), 301.

damals Adv std. (16. Jh.), mhd. des ma¯les, fnhd. da-

mal(en). Ausgehend von ma¯les, adverbialer Genetiv zu mhd. ma¯l ’Zeitpunkt’ (ÞMahl 1), da verstärkend wie bei Þdaheim, also ’zu dem Zeitpunkt’. Eine entsprechende Bildung ist dazumal (mhd. do¯ ze male ’dann, zu diesem Zeitpunkt’). Adjektiv: damalig

Daneben auch fnhd. tallen und talmen. Vgl. bei Lu- Damast Sm ’feines, in sich gemustertes Gewebe’ per. fach. (14. Jh., Form 15. Jh.). Entlehnt aus it. damasco, ther ein tillens tellens und unnütz gepleuder, sowie ne. das zurückgeht auf den Namen der Stadt Damaskus dally ’tändeln’ und dilly-dally. Eine alte lautnachah(arab. Dimasˇq), aus der das Gewebe eingeführt wurmende Sippe. de. Die Form ist zunächst damasch, damask, dann Maak, H. G. NPhM 75 (1974), 377–385. Damast (nach it. damasto, wohl über frz. damas). Dahlie Sf ’Georgine’ per. fach. (19. Jh.). Neubildung des Ebenso nndl. damast, ne. damask, nfrz. damas, nschw. damast, 18. Jhs. nach dem Namen des schwedischen Botaninnorw. damask; ÞZwetschge. – DF 4 (21999), 8–12; Littmann kers A. Dahl. Älterer Name Georgine (nach dem Na(1924), 94; Lokotsch (1975), 38; Wis, M. NPhM 65 (1964), 67f.; turforscher G. Georgi) Höfler, M. ZRPh 84 (1968), 149; LM 3 (1986), 465–469; Ebenso nndl. dahlia, ne. dahlia, nfrz. dahlia, nschw. dahlia, nnorw. dahlie. – EWNl 1 (2003), 515.

Dakapo Sn ’Wiederholung’ per. fach. (18. Jh.). Als Fach-

terminus entlehnt aus it. da capo ’von Anfang an’, zu it. capo ’Kopf, (Anfang)’, aus l. caput. Damit wird zunächst auf dem Notenblatt der Wiederholungsteil angegeben. Später auch Aufforderung des Publikums zur Wiederholung eines Stücks und von dort aus verallgemeinert. Ebenso nndl. da capo, ne. da capo, nfrz. da capo, nschw. dakapo, nnorw. dakapo. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. caput ’Kopf’ s. ÞChef . – DF 4 (21999), 1–3.

Daktylus Sm ’ein Versfuß’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt

aus l. dactylus, dieses aus gr. da´ktylos eigentlich ’Finger’. Angeblich so benannt, weil die Abfolge einer langen und zweier kurzer Silben der Anordnung der Länge der Fingerglieder entspricht. Ebenso nndl. dactylus, ne. dactyl, nfrz. dactyle, nschw. daktyl, nnorw. daktyl; ÞDattel. – Cottez (1980), 113.

Dalben Spl ÞDuckdalbe. Dalk Sm, dalken Vsw ÞTalk 2. Dalle Sf ÞDelle. Dalles Sm ’Geldverlegenheit’ per. wmd. (18. Jh.). Letzt-

lich aus wjidd. dalles ’Armut’ aus hebr. dallu¯t ¯

EWNl 1 (2003), 517.

Dame1 Sf ’vornehme Frau’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus it.

dama, span. dama und frz. dame, dieses aus l. domina ’(Haus-)Herrin’, der movierten Form von l. dominus m. ’(Haus-)Herr’, zu l. domus ’Haus’. Es wird als Wort höfischer Kreise gegen etwas älteres ÞFrauenzimmer durchgesetzt. Zunächst Bezeichnung adeliger Damen, dann verallgemeinert. Ebenso nndl. dame, nfrz. dame, nschw. dam, nnorw. dame. Zu l. domus ’Haus’ gehört zunächst ÞDom 1 und ÞDomizil; dann als Zugehörigkeitsbildung ÞDomestik, und als ’Herr des Hauses’ l. dominus mit ÞDomino, dem Verb Þdominieren und der Zugehörigkeitsbildung ÞDomäne; das Femininum in it. Donna, ÞMadonna, ÞPrimadonna, das Diminutiv in ÞDunzel; frz. Dame 1, Dame 2, Madame mit dem Diminutiv Mademoiselle, ÞMamsell; zur germanischen Verwandtschaft s. ÞZimmer. – DF 4 (21999), 12–21; Alanne, E. ZDS 21 (1965), 88; Jones (1976), 267–270; LM 3 (1986), 471; EWNl 1 (2003), 517f.

Dame2 Sf (in Dame spielen, Damespiel, Damebrett usw.,

auch die Dame im Schach und im Kartenspiel) std. (17. Jh.). (1) Die Spielkarte mit dem Bild der Dame gibt es in Deutschland seit der 1. Hälfte des 17. Jhs. Die ältere Bezeichnung ist it. regina, nfrz. reine, also ’Königin’. In Italien um 1600 ersetzt durch it. dama (frz. dame offenbar erst wesentlich später). (2) Im Schachspiel ist auch im Deutschen die älteste Be-

179

Dämmer

Sprachen ist denkbar, aber nicht ausreichend zu sichern. – zeichnung königin nach französischem Vorbild durch Thun, N. SN 40 (1968), 94–113; EWahd 2 (1998), 507–510; europäische Umdeutung des ’Minister, Wesir’ beim EWNl 1 (2003), 518. indischen (und persischen) Vorbild (der symbolische Aufbau als Heer wird wenigstens teilweise ersetzt damisch (älter dämisch) Adj ’dumm’ erw. obd. (15. Jh.). durch den symbolischen Aufbau der Gesellschaft). Die Lautform ist unfest, weshalb eine sichere BeurDafür frz. dame seit dem 18. Jh. (3) ’Brettspiel und teilung nicht möglich ist; vielleicht liegt ein Diphthong zugrunde. In diesem Fall wäre Anschluss an Doppelstein in diesem Brettspiel’. Hier liegt mit gromhd. toum, ahd. toum ’Dampf, Dunst, Rauch’ (zu ßer Wahrscheinlichkeit eine nachträgliche Anpassung vor, denn das Wort bedeutet zunächst ’Spieldiesem s. ÞDampf 1) möglich, das Adjektiv hätte also stein’ (allgemein) und ’Spielbrett’ und ist (bereits mit ursprünglich ’vernebelt’ bedeutet. Mit einheitlicher dieser Anpassung) aus dem frz. dame übernommen Herkunft ist aber nicht zu rechnen (vgl. Þdämeln). worden. Der umgewandelte Spielstein, der Doppel- dämlich Adj std. stil. (18. Jh.). Zu dem regional verbreistein, hieß im Französischen zunächst dame dame´, teten schwachen Verb Þdämeln, das aber kaum litewas wohl zu deuten ist als ’Spielstein auf einem Spielrarisch geworden ist. Das Adjektiv (Ausgangsbedeustein’, also ’Doppelstein’. Durch die Vereinfachung tung etwa ’nicht ganz helle, taumelig’) ist deshalb dieses Ausdrucks bekam der Doppelstein die einfache auch eher ein Schimpfwort (wie auch Däm(e)lack aus Bezeichnung Dame, wodurch für den einfachen Stein derselben Grundlage). eine neue Bezeichnung nötig wurde (in den romaGötze, A. BGDSL 24 (1899), 507f.; Hessmann, P. ABÄG 29 nischen Sprachen war das dann wie im Schachspiel (1989), 83–87 (zum zweiten Bestandteil von Däm(e)lack). der Bauer, romanisch der Fußsoldat: frz. pion usw.). Damm Sm std. (13. Jh., Form 16. Jh.), mhd. tam(m), Die ursprüngliche Bezeichnung für den Spielstein mndd. dam, mndl. dam. Wie anord. damm n. und afr. war sehr wahrscheinlich das ins Französische entdamm, domm eine späte Rückbildung aus Þdämmen. lehnte germanische (vermutlich speziell niederlänDie Schreibung mit d- im Hochdeutschen beginnt dische) Wort Damm – wie v.d. Stoep meint, wäre seit frühneuhochdeutscher Zeit vom Niederdeutdamit die Umwandlungsreihe auf dem Damebrett schen her einzudringen, da an der Küste die Dämme gemeint; doch scheint es der Funktion im Spiel nach eine wesentlich größere Rolle spielen als in Südwahrscheinlicher zu sein, dass es damit um die hindeutschland und deshalb das Wort dort eine stärkere tereinander stehenden Steine geht, die nicht geStellung hat. Von dort her auch die Bedeutungsentschlagen werden können (oder eine ähnliche Einrichwicklung zu ’erhöhte, befestigte Straße’ (weil die tung in früheren Spielregelungen); vgl. die ähnlichen Dämme ursprünglich Fahrwege boten und häufig für Möglichkeiten bei Mühle. diese überhaupt erst gebaut wurden). Hierzu auch Ebenso nndl. dame, nschw. dam, nisl. dammtafl (Spiel). – DF 4 auf dem Damm sein usw. (= ’auf der befestigten Stra2 ( 1999), 12–21; Lokotsch (1975), S. 149, Nr. 1871; LM 3 (1986), ße sein und deshalb weiterkommen können’). 471; v. d. Stoep, A.: Over de herkomst van het woord damspel. (Diss. Leiden 1997); EWNl 1 (2003), 516f., 517 f.

dämeln (dammeln u.ä. Literarisch kaum bezeugt, aber

Ebenso nndl. dam, ne. dam, nschw. damm; Þdämmen. – RGA 5 (1984), 216–225; Röhrich 1 (1991), 301; Güntert (1932), 30 (als Lehnwort erklärt); EWNl 1 (2003), 516.

regional häufig) Vsw ’sich kindisch benehmen, verdammeln Vsw Þdämeln. wirrt sein’ per. ndd. md. (18. Jh.). Semantisch ähnlich zu beurteilen wie Þtaumeln, formal eher zu dämmern dämmen Vsw std. (fir- 9. Jh.), mhd. temmen, ahd. (bi-, fir-) -temmen. Aus g. *damm-ja- Vsw. ’dämmen, hin(ÞDämmer), also vielleicht Übertragung des Halbdern’, auch in gt. faur-dammjan ’versperren’, anord. lichts auf beschränkte geistige Leistungen. Grundlage demma, ae. fordemman, afr. damma, demma. Hervon Bildungen wie Þdämlich. Der Zusammenhang kunft unklar; vgl. das laut- und bedeutungsähnliche zwischen diesen familiären Wörtern lässt sich im einÞstemmen. Der Vergleich mit gr. the´methla zelnen nicht mehr rekonstruieren. ’Fundamente, Grund’ nebst den unklaren gr. themo´o¯ Damhirsch (früher auch Dan-, Dän-, Tann-) Sm ’Hirsch (vielleicht ’treiben’; aus ig. *d hem¡-?) ist ansprechend, mit Schaufelgeweih’ erw. fach. (16. Jh., damma an doch ist die griechische Sippe selbst auch kaum Stelle einer deutschen Glosse 8. Jh.). Wie Dambock durchsichtig. und Damwild ein verdeutlichendes Kompositum zu Ebenso nndl. (af)dammen, ne. dam, nschw. dämma; ÞDamm. mhd. ta¯me, ta¯m n., ahd. ta¯mo (seit dem 8. Jh.), mndl. Dämmer Sm (Dämmerung f., dämmern Vsw.) std. (11. Jh.), dam(m)e. Dies ist entlehnt aus l. da¯ma, damma f., mhd. demere f., ahd. demar m. ’Dämmerung’ (9. Jh.). einer allgemeinen Bezeichnung für rehartige Tiere Aus einem alten s-Stamm ig. *temes-, der außerger(auch Antilopen usw.). manisch bezeugt ist in ai. ta´mas- n. ’Dunkel’ und l. Ebenso nndl. damhert, nfrz. daim, nschw. dovhjort, nisl. da´dy´r. tenebrae f. Pl. (aus *temes-ra¯) ’Finsternis’. Auch in Eine Entlehnung des lateinischen Wortes aus dem Keltischen anderen Ableitungen weit verbreitet, ein Verb z.B. in wird erwogen (vgl. air. dam ’Ochse’, air. dam allaid ’wilder Ochse’ = ’Hirsch’), doch sind Bedeutungen wie ’Antilope’ dielit. te´mti ’dunkel werden’, also ig. *tem¡- ’dunkel ser Annahme nicht günstig. Entlehnung aus afrikanischen (werden)’. Hierzu mhd. demerunge f., ahd. demarun-

Damoklesschwert ga f.; aber erst frühneuhochdeutsch das Verb dämmern. Das nhd. poetische Dämmer setzt wohl nicht das Grundwort fort, sondern ist eine späte Rückbildung aus dämmern. Adjektiv: dämmerig. Þfinster. – EWahd 2 (1998), 573–575.

Damoklesschwert Sn ’sichtbare, ständig vorhandene

180

dimpfen ist kaum ein Fortsetzer des der ganzen Sippe zugrunde liegenden Verbs, eher eine nur mittelhochdeutsche Rückbildung. Ebenso nndl. damp; ÞDampf 2, ÞDampfer, ÞDämpfer, Þdumpf . – Röhrich 1 (1991), 302; EWahd 2 (1998), 513–516; EWNl 1 (2003), 518.

Bedrohung’ erw. bildg. (19. Jh.). So benannt nach Dampf2 Sm ’Asthma’ per. arch. (13. Jh.), mhd. dampfe, dem Höfling Damokles. Als dieser das Glück des Tyahd. dampho. Eine n-stämmige Ableitung aus der rannen Dionysios von Syrakus überschwänglich gleichen Grundlage wie ÞDampf 1, evtl. unter Beeinpries, wollte letzterer ihm die ständige Bedrohung flussung der Bedeutung durch die Ableitung nhd. jeglichen Glücks versinnbildlichen. Dazu setzte er dämpfen, mhd. dempfen, ahd. dempfen, t(h)empfen dem Damokles köstliche Speisen vor, befestigte aber ’ersticken’. über seinem Sitzplatz ein Schwert lediglich an einem S. auch ÞDämpfer. – EWahd 2 (1998), 516f. Pferdehaar. Die Geschichte ist bei Cicero überliefert. Dampfer Sm std. (19. Jh.). Nach ne. steamship und abEbenso nndl. zwaard van Damocles, ne. sword of Damocles, gekürzt ne. steamer erscheinen im 19. Jh. im Deutnfrz. ´epe´e de Damocle`s, nschw. damoklessvärd, nnorw. damoschen Dampfboot, Dampfschiff und Dampfer als Lehn2 klessverd. – Röhrich 1 (1991), 301f.; DF 4 ( 1999), 21–23. übersetzungen. Früh erscheinen auch Formen mit Dämon Sm ’böser Geist’ erw. fremd. (15. Jh., als Zitat Umlaut (ÞDämpfer), die wohl durch Anknüpfung an eines lateinischen Wortes schon 11. Jh.). Entlehnt aus die seltene Nebenform dämpfen zu dampfen (also als l. daemo¯n, dieses aus gr. daı´mo¯n, das in frühester Zeit Nomen Instrumenti) zu erklären sind. jedes Wirken eines Gottes bezeichnet, der nicht geKluge (1911), 173–175; Ganz (1957), 54f.; Röhrich 1 (1991), nannt werden kann oder soll; dann alle Formen des 302f. Göttlichen (aber immer weniger die olympischen Götter und bei der Verwendung im Singular häufig Dämpfer Sm ’Vorrichtung zum Vermindern der Tonstärke und Verändern der Klangfarbe bei Geige, Cello negativ). Im Christentum dann in Richtung auf usw.’ erw. fach. (16. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Zu dämp’Teufel’ abgewandelt und mit dieser Bedeutung zufen (ÞDampf 2). Die früheste Bedeutung ist ’Bezwinnächst in die Volkssprachen übernommen; dann ger’; als Bezeichnung von Vorrichtungen seit dem Rückgriff auf griechische Vorstellungen. Adjektiv: 18. Jh. Daraus übertragen jemandem einen Dämpfer dämonisch. aufsetzen u.ä. (seit dem 19. Jh.). Ebenso nndl. demon, ne. demon, nfrz. de´mon, nschw. demon, EWahd 2 (1998), 575f.; EWNl 1 (2003), 544. nnorw. demon. – Siegert (1950), 54f.; Obenauer, K. J. MS 1953, 145–149; Ganz (1957), 54; Nowak, H.: DAIMON (Diss. Dampfnudel (auch Dämpfnudel) Sf (eine MehlspeiBonn 1960); Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 388; HWPh 2 se) erw. obd. (17. Jh.). Zu ÞNudel in der früher noch (1972), 1–6; RGA 5 (1984), 137–141; LM 3 (1986), 474–487; Seeallgemeinen Bedeutung (etwa ’Knödel’) und 2 bold, E. HS 104 (1991), 38; DF 4 ( 1999), 23–36; EWNl 1 (2003), ÞDampf oder dämpfen, weil die Dampfnudeln in 543f.

Dampf1 Sm std. (10. Jh., dempfen 8. Jh.), mhd. dampf,

einer gut verschlossenen Kachel im Dampf zubereitet werden.

tampf, ahd. dampf, mndd. damp, mndl. damp. Aus Röhrich 1 (1991), 303. vd. *dampi- m. ’Ausdünstung, Dampf’; ferner mhd. Danaergeschenk Sn ’unheilbringendes Geschenk’ erw. dimpfen Vst. ’dampfen (von der körperlichen Ausbildg. (19. Jh.). Wohl nach l. Danaum fa¯ta¯le mu¯nus dünstung)’. Das alte indogermanische Wort für ’das unheilvolle Geschenk der Danaer’ bei Seneca ge’Dampf’, das z.B. in l. fu¯mus erscheint, führt auf ig. bildet, in Anspielung auf Vergil Aeneis II,49 (Quidh h *d ou-mo- / d u¯-mo- zurück − hierzu ahd. toum quid id est, timeo Danao¯s et do¯na ferentes ’Was es auch ’Dampf, Dunst’ und mit s mobile ae. ste¯am, ne. steam. ist, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke Die lautliche Vorform von Dampf führt dagegen auf bringen’). Damit ist das von den Danaern (= poetieine Bedeutung ’blasen, fauchen’, lit. du`mti ’blasen, scher Name für die Griechen bei Homer) den Trojawehen, schnuppern’, mit Labialerweiterung lit. nern überlassene Trojanische Pferd gemeint. du`mple˙s f. ’Blasebalg’, lit. dumpliu´oti ’schnaufen, keuRöhrich 1 (1991), 303; DF 4 (21999), 36f. chen’. Zu dieser Bedeutung ’blasen, (atmen)’ gehören unmittelbar dämpfen ’ersticken’ (ÞDampf 2) − zu den Dandy Sm ’eleganter junger Mann, der durch extravagante Kleidung aufzufallen sucht’ erw. bildg. (19. Jh.). Bedeutungsverhältnissen vgl. die balto-slavischen Entlehnt aus ne. dandy, dessen Herkunft nicht sicher Verben von der Wurzel ig. *d hwes- bei Trautmann, geklärt ist (im 18. Jh. war es zunächst im englischR.: Balto-slavisches Wörterbuch (Göttingen 21970), 65 schottischen Grenzgebiet eine Bezeichnung für junge − und wohl auch die Bedeutung ’Ausdünstung’. Leute, die in auffälliger Bekleidung Kirche oder JahrDann hat die Sippe offenbar als Kraftwort (besonders markt besuchten). deutlich bei dämpfen) von der anderen Sippe die Bedeutung ’Dampf’ übernommen. Das starke Verb

dass

181 Ebenso nndl. dandy, nfrz. dandy, nnorw. dandy. – Koehler, G.: Der Dandyismus (Halle 1911); DF 4 (21999), 37–41; Mann, O.: Der moderne Dandy (Heidelberg 1925); Majut, R. DLZ 79 (1958), 779; Brink-Wehrli (1958), 41–43; Rey-Debove/Gagnon (1988), 212f.; EWNl 1 (2003), 519.

Dank Sm std. (8. Jh.), mhd. danc, ahd. danc, as. thank.

Aus g. *þanka- m. ’Dank’, auch in gt. þagks, anord. þo¸kk f., ae. þanc, Rückbildung zu Þdenken. Der Sinn ist ’in Gedanken halten’ = ’danken’ (vgl. Ich werde daran denken als Wort des Dankes oder der Drohung). Verb: danken; Präposition: dank; Höflichkeitsfloskel: danke; Adjektiv: dankbar. Ebenso nndl. dank, ne. thanks Pl. nschw. tack, nisl. þökk; Þabdanken, Þdenken, Þdünken, ÞGedanke. – Müller, C. ZDU 14 (1900), 282f.; Röhrich 1 (1991), 304; Heidermanns (1993), 612; EWahd 2 (1998), 524f.; EWNl 1 (2003), 519f.

dann (Nebenform denn, funktionell bis ins 18. Jh. nicht

Darlehen Sn std. (15. Jh., Form 16. Jh.). Ursprünglich

oberdeutsche Form mit lehen (Þlehnen 2) im Sinn von ’leihen’ (Þleihen, ÞLehen) und dem Verbzusatz dar. Etwas älter ist die Form darleihen. Darm Sm std. (8. Jh.), mhd. darm, ahd. darm, as. tharm.

Aus g. *þarma- ’Darm’, auch in anord. þarmr, ae. þearm, afr. therm. Dieses kann mit gr. to´rmos ’Zapfen, Loch, Radnabe usw.’ unmittelbar gleichgesetzt werden (weiter zu ig. *ter- ’drehen, reiben, bohren’). Ausgangsbedeutung ist also ’Loch’. Gemeint ist der Mastdarm vom After aus, nicht in erster Linie das Gedärm von Schlachttieren. Vgl. ndn. n¢sebor ’Nasenloch’ zu Þbohren. Anders Knobloch: ’das durch Drehen brauchbar Gemachte’. Ebenso nndl. darm, nschw. tarm, nisl. þarmur; Þdrehen. – Knobloch, J. Lingua 26 (1970/71), 297f.; Knobloch, J. MS 105 (1995), 144; EWahd 2 (1998), 541–543; EWNl 1 (2003), 521.

verschieden) Adv std. (8. Jh.), mhd. dan(ne), den(ne), ahd. danna, danne, denne, than(n)e u.a., as. than(na), Darre Sf ’Horde zum Trocknen von Obst usw.’ per. fach. (11. Jh.), mhd. darre, ahd. darra, mndd. dar(n)e. thanne. Wie afr. than(a), ae. þon(ne), die mit einer nAus g. *þarzo¯ f., auch in nschw. (dial.) tarre. EntPartikel erweiterte Form des Zeitadverbs g. *þan, sprechend (von der Schwundstufe) gr. tarso´s m., taranord. þa´ (runennord. þa˛); dieses mit temporalem sia´ ’Vorrichtung zum Dörren’, arm. t ar¯ ’Stange zum n-Suffix gebildet zum demonstrativen to-Pronomen Trocknen von Trauben usw.’ zu ig. *ters- ’dörren, 1 2 (vgl. Þda , Þda , Þder usw.). Die älteste Verwendung trocknen’. der Partikel im Deutschen ist die einer VergleichsÞdürr. – EWahd 2 (1998), 545f. partikel und einer temporalen Konjunktion (und eines temporalen Adverbs). darstellen Vsw std. (15. Jh.). Eigentlich ’(für einen bestimmten Zweck) hinstellen’, dann auch ’benennen’ S. auch Þdenn, Þwann. – von Stuckrad, G. BGDSL-H und ’herstellen’. Die spätere Verwendung, besonders 79 (1957) (= Sonderband FS Frings), 489–535; EWahd 2 (1998), 517–519, 528–530; EWNl 1 (2003), 518f. bei dem Nomen Agentis Darsteller und dem Abstraktum Darstellung geht mehr auf die künstlerische Wiedannen (nur noch in ’von dannen’) Adv per. arch. dergabe und Gestaltung eines Geschehens, besonders (8. Jh.), mhd. danne(n), dan(e), ahd. than(n)ana, daim Theater. nana u.a. Mehrfach erweiterte Adverbialbildung auf die Frage ’woher?’ (ursprünglich -na zum demonsdas Art/Pron Þder. trativen to-Pronomen) dasig (zuerst im 15. Jh. in der Bedeutung ’derjenige’ Vgl. Þda 1, Þder, Þdann, usw. – EWahd 2 (1998), 522–524.

dar Ptkl std. (8. Jh.). In den zusammengerückten For-

men daran, darauf liegt das Adverb des Ortes Þda 1 vor. Als Verbzusatz wie in darreichen = mhd. dar, ahd. dara ein Ortsadverb auf die Frage ’wohin?’ zum demonstrativen to-Pronomen. Vgl. Þda 1, Þder, Þdann, Þdannen usw. – EWahd 2 (1998), 535f.; EWNl 1 (2003), 512f.

belegt) Adj ’dortig’ per. obd. (15. Jh.). Man vermutet ein älteres *da-wesic ’hier seiend’, das aber nicht bezeugt ist; vgl. aber nndl. aanwezig ’anwesend’ u.ä., sowie daig, was auf Übertragung des s aus Þhiesig schließen lässt. Götze, A. BGDSL 64 (1940), 204f.; Echols, J. M. Language 16 (1940), 161–163; Öhmann, E. NPhM 55 (1954), 188f.; Garbe, B. ZDA 108 (1979), 443–448.

darben Vsw erw. obs. (9. Jh., darbo 8. Jh.), mhd. darben, dass Konj std. (8. Jh., Form 16. Jh.). Sprachgeschicht-

ahd. darbe¯n, as. tharbÐ on. Aus g. *þarb-e¯- Vsw. ’darben’, auch in gt. ga-þarban ’sich enthalten’. Wohl denominativ zu *þarbo¯ f. ’Mangel’ in gt. þarba, anord. þo¸rf, ae. þearf, afr. therve, as. tharf, ahd. darba, dieses zu dürfen in der alten Bedeutung ’bedürfen, nicht haben’. Vgl. aber immerhin cˇech. trpeˇt (usw.) ’leiden’, das auf einen anderen Zusammenhang weist. Vielleicht sind hier zwei Wurzeln zusammengefallen. Karg-Gasterstädt, E. BGDSL 67 (1944), 357–361; Machek, V. ZSPh 23 (1954), 116f.; Betz, W. FS Hammerich (1962), 8f.; EWahd 2 (1998), 536–540; EWNl 1 (2003), 551.

lich identisch mit dem neutralen Nominativ Singular des demonstrativen Pronomens (Þdas) und von ihm erst in neuhochdeutscher Orthographie geschieden. Die Entwicklung zur Konjunktion, die in allen germanischen Sprachen und vielfach bei Entsprechungen in anderen indogermanischen Sprachen stattgefunden hat, verläuft im Prinzip über eine Vorausweisung: ich höre das: er kommt wird neu interpretiert als ich höre, dass er kommt. So der Stand im frühen Althochdeutschen. Die Gliederungsverschiebung und die orthographische Differenzierung ist seit dem 16. Jh. ausgeprägt.

Dasselfliege Michel, W.-D. BGDSL-H 79 (1957) (= Sonderband FS Frings), 536–549; Müller, G., Frings, Th. BVSAW 103 (1959), 6; EWNl 1 (2003), 523.

Dasselfliege Sf ’große Fliege, die ihre Eier auf der Haut

von Säugetieren ablegt’ per. fach. (19. Jh.). Vermutlich aus ndd. dase ’Stechfliege’. Weitere Herkunft unklar. Wissmann (1963/68), 751–759; EWNl 1 (2003), 513.

Daten Spl ’Informationen’ erw. fach. (17. Jh., Form

19. Jh.). Eigentlich Plural von ÞDatum als ’das Gegebene’ und deshalb zunächst in der lateinischen Form Data verwendet. Starke Ausweitung des Gebrauchs im 20. Jh. mit der elektronischen Datenverarbeitung. Ebenso nndl. data, ne. data, nschw. data, nnorw. data. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. dare ’geben’ s. ÞDatum. – Carstensen 1 (1993), 340; DF 4 (21999), 47–51; EWNl 1 (2003), 523.

Dativ Sm ’Wemfall’ erw. fach. (15. Jh., Form 17. Jh.).

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stellungszeitpunkt bezeichnet. Die verbale Fügung wird dann nominalisiert und begrifflich verselbständigt. Zu einem anderen Gebrauch desselben Wortes s. ÞDaten. Ebenso nndl. datum, ne. date, nfrz. date, nschw. datum, nnorw. dato. Von l. dare ’geben’ sind Präfigierungen und Kompositionen entlehnt in Þaddieren und Þkommandieren; das PPP. in Datum (ÞDaten) und ÞMandat; ein Abstraktum in ÞTradition und ÞEdition, eine Weiterbildung im Französischen in ÞPardon; aus einer Intensivbildung kommt Þdotieren, zu einer Adjektivbildung gehört ÞDativ. Zu der griechischen Entsprechung gehören ÞDosis und ÞAnekdote; zur russischen ÞDatsche. – DF 4 (21999), 41–47; EWNl 1 (2003), 524.

Daube Sf ’Fassdaube’ per. fach. (13. Jh., Form 16. Jh.).

Seit Luther bezeugtes Wort, neben dem in gleicher Bedeutung bereits früher bezeugtes mhd. du¯ge steht. Entlehnt aus ml. doga, dova ’Gefäß’, dann auch ’Fassdaube’; dieses aus gr. doka¯´ ’Gefäß’. Ebenso nndl. duig, nfrz. douve. – Kaspers, W. ZN 19 (1943),

Entlehnt aus l. (ca¯sus) datı¯vus, zu l. dare (datum) 241–246; Hiersche, R. FS Kolb (1989), 258–263; Maak, H.-G. ’geben’, zunächst in lateinischer Form, dann enZDPh 94 (1975), 367–371 (Erklärungsversuch als Erbwort). dungslos. Das lateinische Wort übersetzt gr. dotike¯´ däuchten (auch deuchten) Vsw ’dünken’ per. arch. pto˜sis. Im Dativ stehen häufig Personen oder Sachen, (15. Jh.). Rückgebildeter Infinitiv zu mir däucht, das die das im Akkusativobjekt Bezeichnete ’erhalten’, aber ursprünglich Konjunktiv des Präteritums von deshalb der ’Gebe-Fall’. Þdünken ist. Ebenso nndl. datief, ne. dative, nfrz. datif, nschw. dativ, nnorw. dativ. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. dare ’geben’ s. ÞDatum. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 53.

Datsche Sf ’Landhaus’ per. omd. ondd. (19. Jh.). In Ost-

deutschland entlehnt aus russ. datscha ’Landsitz’, eigentlich ’der Anteil’ (zu russ. dat′ ’geben’), ursprünglich ’Schenkung des Fürsten’. Bereits im 19. Jh. als Exotismus bezogen auf russische Verhältnisse bezeugt. Ebenso ne. da(t)cha. Zu den Verwandten des russischen Verbs s. ÞDatum. – EWNl 1 (2003), 523f.

Datschi (auch in der Form Datsch, Datschen zur Be-

zeichnung von breiigen oder sonst weichen Lebensmitteln) Sm ’Obstkuchen’ per. bair. (19. Jh.). Zu den auf datsch- beruhenden Lautnachahmungen für ’hinklatschen, breitdrücken’ u.ä. Dattel Sf std. exot. (11. Jh., Form 13. Jh.). Im Anschluss

Dauerbrenner Sm std. stil. (20. Jh.). Seit dem beginnen-

den 20. Jh. belegte Zusammensetzung für ’Ofen, der andauernd brennen kann’ aus Þdauern 1 ’währen’ und Brenner (Nomen Instrumenti zu Þbrennen). Dann scherzhafte Nachdeutung für ’langandauernder Kuss’ (im Kino), ’Ware, die sich immer wieder gut verkauft usw.’ Röhrich 1 (1991), 305.

dauern1 Vsw ’währen’ std. (12. Jh.). Ursprünglich nie-

derdeutsches Wort (mndd. duren, mndl. duren), wie afr. du¯ria entlehnt aus l. du¯ra¯re ’dauern’ und seit mittelhochdeutscher Zeit nach Süden verbreitet. Abstraktum: Dauer; Adjektive: dauerhaft (zum Substantiv), dauernd (zum Verb). Ebenso nndl. duren, ne. endure, nfrz. durer. – Kieft, A. P. NPh 26 (1941), 267–279 (Homonymie); HWPh 2 (1972), 26f.; EWNl 1 (2003), 648.

an frz. datte, span. da´til, it. dattero m. angeglichen aus dauern2 Vsw ’leid tun’ std. (13. Jh.), mhd. tu¯ren neben mhd. dactel, ahd. dahtil, älteste Bezeugung dahtilmich nimmt eines dinges tu¯r ’ich lege einer Sache Geboum 11. Jh. Dieses aus spl. dactylus m. aus gr. da´ktylos wicht bei’. Wird im allgemeinen zu Þteuer gestellt, m. ’Dattel’. Dieses ist wohl ein Lehnwort aus den sedoch lässt der Lautstand dies ohne Annahme von Zumitischen Sprachen (arab. daqal usw.), wegen der satzentwicklungen (die erst noch zu erweisen wären) Form der Blätter der Dattelpalme sekundär an das nicht zu, also Herkunft unklar. Präfigierung: griechische Wort für ’Finger’ angeschlossen. bedauern. Ebenso nndl. dadel, ne. date, nfrz. datte, nschw. dadel, nisl. dadlÑ a; ÞDaktylus. – LM 3 (1986), 582; EWahd 2 (1998), 503–505; EWNl 1 (2003), 513f.

Datum Sn std. (13. Jh.). Entlehnt aus substantiviertem l.

datum ’ausgefertigt (am)’, dem PPP. von l. dare (datum) ’geben, ausfertigen’; zunächst in lateinischer Formulierung. Es handelt sich um den Beginn der üblichen Einleitungsformel von Briefen, der den Aus-

Daumen Sm std. (8. Jh.), mhd. du¯me, ahd. du¯m(o), as.

thu¯mo. Aus wg. *þu¯mo¯n ’Daumen’, auch ’Daumenbreit, Zoll’, auch in ae. þu¯ma. Daneben stehen die nordischen Sprachen mit kurzvokalischen Formen (auch im Altenglischen ist die Länge nicht ausreichend gesichert): aschw. þum ’Zoll’, aschw. þumi ’Daumen’, anord. þumall ’Däumling am Hand-

Dechant

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schuh’, anord. þumalfingr ’Daumen’. Wohl als ’der Dicke, Geschwollene’ zu der in l. tume¯re ’geschwollen sein’ vorliegenden Verbalwurzel; vgl. dazu die Adjektivbildungen ai. tu´mra- ’kräftig, dick, groß’ und ai. tu¯tuma´- ’wirkungsvoll, kräftig’. Der Unterschied in der Vokallänge der germanischen Wörter bleibt dabei unklar; er ist aber nicht allzu gewichtig, da die letztlich zugrunde liegende Wurzel als (ig.) *teu¡- angesetzt werden kann; also etwa *tu¡-m-, teilweise mit Schwund des ¡. Eine expressive Dehnung im Westgermanischen ist aber bei der angesetzten Bedeutung ebenfalls nicht ausgeschlossen. Zugehörigkeitsbildung: Däumling. Ebenso nndl. duim, ne. thumb, nschw. tumme, nisl. þumalfingur; Þtausend, ÞTumor. – Röhrich 1 (1991), 305–308; EWahd 2 (1998), 849–851; EWNl 1 (2003), 642f.

Daune Sf ’Flaumfeder’ erw. fach. (15. Jh., Form 17. Jh.).

die mit l. de- ’von − weg’ präfigiert sind (z.B. Þdeponieren − ÞPosition). Diese Präfigierungen sind aber weder im Französischen noch im neoklassischen Bereich jemals wirklich produktiv gewesen. Im Französischen sind sie in großem Umfang in den Typ übergegangen, der die französische Lautform des Präfixes l. dis- zeigt (frz. de´-, vor Vokalen des-) mit reversativer Funktion (wie nhd. Þent-, auch ab-), z.B. demaskieren, demontieren, demoralisieren; vor Vokal desillusioniert, desorganisiert usw. Nur in Entlehnungen aus dem Französischen, die aber häufig leicht analysierbar sind. Der Bildungstyp steht deshalb für Gelegenheitsbildungen zur Verfügung, spielt aber im vorhandenen Neuwortschatz keine Rolle. Wortbildung 1 (1973), 227; EWNl 1 (2003), 525f.

Debakel Sn ’schwere Niederlage, unheilvoller Aus-

gang’ erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. de´baˆcle f., Aus ndd. du¯ne, mndd. dune; dieses entlehnt aus den eigentlich ’Eisgang, plötzliche Auflösung’, einer Abnordischen Sprachen, vgl. anord. du´nn m. ’Flaumleitung von frz. de´baˆcler ’aufbrechen’, zu frz. baˆcler feder, Daune’, besonders Eiderdaune aus anord. ¢daÑ r’versperren, verrammeln’ und frz. de´-, vermutlich du´nn (ÞEider). Die hochdeutsche Diphthong-Lau’mit einem Balken oder Stab (l. bac(c)ulum) verspertung erst seit dem 17. Jh. Das feminine Genus wohl ren’. nach ÞFeder. Einheimisch ist nndl. dons ’Daune, Ebenso nndl. de´baˆcle, ne. debacle, nschw. debacle, nnorw. deFlaum’. Obd. Federstaub zeigt, wie anord. du´nn und bacle. Zu weiteren Verwandten s. ÞBaguette. – DF 4 (21999), nndl. dons (zu nhd. Dunst) als Ableitungen einer 51–53; EWNl 1 (2003), 526. Wurzel (ig.) *d heu¡-, bzw. *d hwen- ’stieben’ zu verDebatte Sf ’Diskussion, Auseinandersetzung’ erw. stehen sind. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. de´bat m., einer AbleiEbenso nndl. dons, ne. down(y), nschw. dun, nnorw. dun. – tung von frz. de´battre ’diskutieren’, eigentlich EWNl 1 (2003), 608. ’zerschlagen’, dieses aus l. battuere ’schlagen’ und l. Daus1 Sn ’zwei Augen im Würfelspiel, Spielkarte’ per. de-, also ’sich (mit Worten) schlagen’. Die heutige fach. (12. Jh.), spahd. du¯sf . Entlehnt aus nordfrz. Bedeutung steht unter dem Einfluss von ne. debate. daus, das frz. deux entspricht (aus l. duos zu duo Verb: debattieren. ’zwei’). Das Daus ist die höchste Spielkarte − wie das Ebenso nndl. debat, nschw. debatt, nnorw. debatt; ÞBataillon, Wort zu diesem Wert gekommen ist, ist unklar, da die ÞBatterie, ÞKombattant, ÞRabatt. – DF 4 (21999), 53–58; Ganz Entwicklung der Spielregeln in der frühen Zeit nicht (1957), 56; Hilgers, A. J. W.: Debatte (Diss. Bonn 1960); Jones bekannt ist. (1976), 273; Brunt (1983), 224; EWNl 1 (2003), 526. Ebenso nschw. dus.

Daus2 Sm in Wendungen wie Ei der Daus! (= Ausruf der

echten oder gespielten Verblüffung) erw. obs. phras. (15. Jh.). Die älteste Bedeutung ist ’Betrüger’; daneben ndd. du¯s ’Teufel’; seit dem 18. Jh. ’Teufelskerl’. In einem Teil der Bedeutungen scheint ein für das GalloRomanische bezeugtes Wort für ’Dämon’ fortgesetzt zu sein (in lateinischer Form ml. dusius). Die Einzelheiten sind aber nicht ausreichend klar. Röhrich 1 (1991), 309.

-de Suffix (zur Bildung von Adjektiv-Abstrakta, sekun-

där auch Verbalabstrakta) per arch (–). Heute nicht mehr produktiv. Aus g. *-iþo¯ in gt. -iþa, anord. -d,Ñ ae. -d,Ñ ahd. -ida, as. -ida. Ein indogermanisches Dentalsuffix, das an den Zwischenvokal -i- antrat. Vgl. etwa ÞFreude, ÞGemeinde. Dittmer, E. FS Kolb (1989), 53–69.

de- Präfix (für fremdstämmige Verben und ihre Ablei-

tungen) per. fremd. (–). Ein entsprechendes Präfix kann zunächst abgelöst werden aus Entlehnungen,

debil Adj ’leicht schwachsinnig’ per. fach. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus l. de¯bilis ’schwächlich, gelähmt, ungelenk, verkrüppelt’, eigentlich ’von Kräften’ zu de- und einem Wort für ’Kraft’ in ai. ba´lam n. ’Kraft, Stärke’ u.a. Das Wort bezeichnet zunächst allgemein eine Schwäche und wird dann spezialisiert auf die Geistesschwäche. Abstraktum: Debilität. Ebenso nndl. debiel, ne. debilated, nfrz. de´bile, nschw. debil, nnorw. debil. – EWNl 1 (2003), 527.

Debüt Sn ’erstes Auftreten; Erstlings-’ erw. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. de´but m., einer postverbalen Ableitung von frz. de´buter ’anspielen, beginnen, zum ersten Mal auftreten’, dieses zusammengerückt aus frz. (jouer) debut ’aufs Ziel ausrichten, sich auf das Ziel einstellen’. Nomen Agentis Debütant(in); Verb: debütieren. Ebenso nndl. debuut, ne. de´but, nschw. debut, nnorw. debut. – DF 4 (21999), 59–63; EWNl 1 (2003), 527.

Dechant Sm ÞDekan.

Decher

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Decher Smn ’zehn Stück Felle’ per. arch. (13. Jh.), mhd. dedizieren Vsw ’widmen, schenken’ per. fach. (16. Jh.).

decher, techer, mndd. deker, daker m. Entlehnt aus l. decuria f. ’Zehnerschaft’ (wonach die Römer Felle zählten). Das Wort wird deshalb bedeutend, weil germanische Stämme Felle als Tribut an die Römer zu liefern hatten (vgl. Tacitus Annalen 4,72 zu den Friesen). ÞDezember.

Dechse(l) Sf (auch Dachsbeil n.) ’Queraxt’ per. fach.

Entlehnt aus spl. de¯dica¯re ’(Gott) weihen, widmen’, dieses aus l. de¯dica¯re ’kundgeben, erklären, weihen’, zu l. dica¯re ’weihen, verkünden’ und l. de-, Intensivum zu l. dı¯cere ’sagen’. Hierzu als Abstraktum Dedikation ’Widmung, Geschenk’. Ebenso ne. dedicate, nfrz. de´dicacer, nschw. dedicera, nnorw. dedisere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. dı¯cere ’sagen’ s. Þdiktieren. – DF 4 (21999), 64–67; EWNl 1 (2003), 531.

deduzieren Vsw ’ableiten, herleiten’ per. fach. (17. Jh.). (10. Jh.), mhd. dehse(l) f., ahd. dehsa(la) f., mndd. Entlehnt aus l. de¯du¯cere (de¯ductum) ’abführen, herabdesele, de(i)ssel f., mndl. dissel. Aus g. *þehsalo¯n ziehen, wegziehen’, zu l. du¯cere ’ziehen, schleppen’ ’Zimmermannsaxt’ (o.ä.), auch in anord. þexla f., ne. und l. de-. Hierzu (schon etwas früher entlehnt) als (dial.) thixel. Entsprechende außergermanische WörAbstraktum Deduktion f. ’Ableitung aus dem Allgeter (mit verschiedenen Ablautstufen) sind russ. tesla´, meinen’ (aus l. de¯ductio) und deduktiv ’ableitend’ (aus lit. tasˇ`ıklis, air. ta´l ’Axt’ und vielleicht l. te¯lum n. frz. de´ductif ). ’Wurfgeschoss’, zu ig. *teks- ’behauen’ in ai. ta¯sti, ˙ ˙ Ebenso nndl. deduceren, ne. deduce, nfrz. de´duire (auch: ta´ksati, akslav. tesati, lit. tasˇy´ti und (mit abweichender ’abziehen’), nschw. deducera, nnorw. dedusere. Zur Sippe des ˙ Bedeutung) l. texere ’weben’, mhd. dehsen Vst. zugrunde liegenden l. du¯cere ’ziehen’ s. Þproduzieren; zur ger’Flachs schwingen’. Ob und wie die Bedeutungen manischen Verwandtschaft s. Þziehen. – HWPh 2 (1972), 27–29; ’behauen’ und ’weben usw.’ miteinander zusammenLM 3 (1986), 630f.; DF 4 (21999), 67–71; EWNl 1 (2003), 531. hängen, ist umstritten. Deez Sm ÞDez. Ebenso nndl. dissel, ne. (dial.) thixel, nschw. (dial.) täxla; ÞText. – Seebold (1970), 511; Weber-Keller (1990), 51–53; EWahd 2 (1998), 563–568; EWNl 1 (2003), 587.

Deck Sn ’Boden des Schiffes’ erw. fach. (17. Jh.). Ur-

sprünglich niederländisches Wort der Seemannssprache (dafür ndd. ÞVerdeck), zuerst vielleicht in nndl. overdeck, eigentlich ’Überdecke’ zu Þdecken, Lehnübersetzung zu it. coperta f., nfrz. couverte f. (durchgehende Böden in Schiffen wurden zuerst im mittelmeerischen Schiffsbau eingeführt); dann vor allem durch das Englische bestimmt. Zu modernen Bedeutungen aus dem Englischen (Kassettendeck) s. Carstensen. ÞDoppeldecker, ÞVerdeck. – Kluge (1911), 177–183; Carstensen 1 (1993), 346; Röhrich 1 (1991), 309.

decken Vsw std. (8. Jh.), mhd. decken, ahd. decchen,

Defätismus Sm ’Mutlosigkeit, Schwarzseherei’ per.

fach. (20 Jh.). Entlehnt aus frz. de´faitisme m. (zu frz. de´faite ’Niederlage’, dem substantivierten PPrät. von frz. de´faire ’zerstören’). Im ersten Weltkrieg von dem russischen Publizisten G. Aleksinskij gebildet, zunächst als russ. porazˇenec ’Defätist’ zu porazˇenie ’Niederlage’, dann von demselben im Französischen (de´faitiste) als Bezeichnung pessimistischer Haltung gegenüber dem Kriegsausgang. Von Lenin aufgegriffen und verbreitet. Als Vorwurf von ähnlichem Gewicht wie Hochverrat. Täterbezeichnung: Defätist; Adjektiv: defätistisch. Ebenso nndl. defaitisme, ne. defeatism, nschw. defaitism, nnorw. defaitisme. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. facere ’tun, machen’ s. Þinfizieren. – Strauss u.a. (1989), 113–115; Müller, K. Sprachpflege 39 (1990), 51f.; DF 4 (21999), 73–76; EWNl 1 (2003), 534.

deckon, as. -thekkian. Aus g. *þak-ija- Vsw. ’decken’, auch in anord. þekja, ae. þeccan, afr. thekka. Vermut- Defekt Sm ’Fehler, Schaden’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus lich ein Denominativum zu ÞDach, eine kausativl. de¯fectus m. ’Fehlen, Mangel’, Abstraktum von l. intensive Bildung zu dem dort genannten Grundverb de¯ficere ’abnehmen, fehlen’, zu l. facere (factum) ist aber ebenfalls möglich. Das parallele air. tuigithir ’machen, tun’ und l. de-. Die ursprüngliche Bedeu’bedeckt’ ist denominal. Konkreta: Decke, Deckel; tung ist ’Fehlbetrag’ (wofür heute mit einer Bildung Kollektivum: Gedeck. aus der gleichen Grundlage ÞDefizit gesagt wird). Das Ebenso nndl. dekken, ne. thatch, nschw. (be)täcka, nisl. þekja. Adjektiv defekt aus l. de¯fectus, dem substantivierten Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞDetektiv, ÞTiegel, ÞZiegel; PPP. des gleichen Verbs, erscheint erst später und beÞAbdecker, ÞDach, ÞDeck. – LM 3 (1986), 618–619; Röhrich 1 deutet zunächst ’fehlend, lückenhaft’ (wofür heute (1991), 309f.; 310f. (zu Deckel); EWahd 2 (1998), 553–555; meist defektiv aus einer Weiterbildung l. de¯fectı¯vus, EWNl 1 (2003), 539. z.T. auch vom Englischen beeinflusst). Deckmantel Sm std. (13. Jh.). Nur in übertragener VerEbenso nndl. defect, ne. defect, nfrz. de´faut, nschw. defekt, wendung bezeugt, die von der Wendung mit dem nnorw. defekt. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. facere ’tun, Mantel der christlichen Nächstenliebe zudecken (l. palmachen’ s. Þinfizieren. – Schirmer (1911), 42f.; DF 4 (21999), lio Chrı¯stia¯nae dı¯le¯ctio¯nis tegere) stammt. Heute fast 76–80; EWNl 1 (2003), 535. nur noch für ’Vorspiegelung’ gebraucht. defensiv Adj ’zurückhaltend, verteidigend’ erw. fach. Ebenso nndl. dekmantel, nschw. täckmantel; Þbemänteln. – Röhrich 1 (1991), 311.

(16. Jh.). Entlehnt aus ml. defensivus, einer Ableitung aus dem PPP. von l. de¯fendere (de¯fe¯nsum) ’abwehren,

degenerieren

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wegstoßen’. Moderne Verwendungen (defensives Fahren usw.) nach amerikanisch-englischem Vorbild. Abstraktum: Defensive. Ebenso nndl. defensief, ne. defensive, nfrz. de´fensif, nschw. defensiv, nnorw. defensiv. Vgl. Þoffensiv. – DF 4 (21999), 80–89; Jones (1976), 276f.; Carstensen 1 (1993), 347f.; EWNl 1 (2003), 535.

defilieren Vsw ’in Reihen vorbeiziehen’ per. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus frz. de´filer, einer Präfixableitung zu frz. file ’Reihe’ (vgl. frz. defile ’der Reihe nach, in einer Reihe’). Hierzu als Abstraktum Defilee f. Dessen ältere Bedeutung ’Hohlweg, Engpass’ beruht auf einer schon im Französischen vorgegebenen Metonymie: ’Stelle, an der man nur hintereinander (in einer Reihe) gehen kann’. Ebenso nndl. defileren, ne. defile, nschw. defilera, nnorw. defilere. Frz. file ’Reihe’ ist eine Ableitung von frz. filer ’an einem Faden, in einer Reihe vereinigen’ (zuerst als a` file, a` la file), aus l. fı¯la¯re ’einen Faden ziehen’, zu l. fı¯lum ’Faden’. Zu weiteren Verwandten s. ÞFilet. – DF 4 (21999), 89–94; Brunt (1983), 228f.; EWNl 1 (2003), 535.

definieren Vsw std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. de¯fı¯nı¯re,

deutet es dann unter Einfluss von frz. de´former ’verunstalten, verbilden’. Abstraktum: Deformation. Ebenso ne. deform, nschw. deformera, nnorw. deformere. – DF 4 (21999), 109–113; EWNl 1 (2003), 536.

deftig Adj ’kräftig’ std. stil. (17. Jh.). Ursprünglich nie-

derdeutsches Wort aus nndl. deftig ’gewichtig’, auch ’vornehm’ (vom Friesischen ausgehend). Dieses gehört zu ae. ged¢fte ’freundlich’, Adv. ’passend, bereit’, ist also offenbar ein altererbtes Wort. Zugrunde liegt g. *dab-a- Vst. ’passen, zutreffen’ in gt. gadaban ’betreffen’, ae. gedafen ’angebracht, angemessen’. Entsprechungen hierzu in lit. daba` ’Natur, Art und Weise, Charakter’, akslav. podobati ’geziemen, müssen’ (hierzu, in der Bedeutung zu dem germanischen Adjektiv passend, akslav. dobru˘ ’gut, tüchtig, schön’); hierzu wohl auch l. faber ’Handwerker, Künstler’. Es liegt also ig. (w/oeur.) *d hab h- ’fügen, passen’ (o.ä.) voraus. Die Ausgangsbedeutung des Adjektivs ist wohl ’vornehm, trefflich’, das dann wie in ein anständiges Stück, eine ordentliche Portion zu ’kräftig, derb’ wird. EWNl 1 (2003), 536.

eigentlich ’abgrenzen’, einer Ableitung von l. fı¯nis 1 ’Grenze’ (s. Þfein und Þde-). Abstraktum Definition f. Degen (durch Knabe usw. ersetzt) Sm ’Krieger’ per. arch. (8. Jh.), mhd. degen, ahd. degan, thegan, as. the’Begriffsbestimmung’ (aus l. de¯finı¯tio). Aus der Fachgan. Aus g. *þegna- m. ’Knabe, Diener, Krieger’, auch sprache heraus fällt die Ableitung definitiv ’endgültig in anord. þegn, ae. þeg(e)n. Die ursprüngliche Bedeu(bestimmt)’ (aus l. de¯finı¯tı¯vus). tung ’Knabe’ noch im Altsächsischen (teilweise) und Ebenso nndl. defini¡ren, ne. define, nfrz. de´finir, nschw. defiein ahd. thegankind n. ’Knabe’. Außergermanisch entnera, nnorw. definere. Das lateinische Wort ist eine Lehnüberspricht gr. te´knon n. ’Kind’, das zu gr. tı´kto¯ (*ti-tk-o¯) setzung zu gr. horı´zein ’abgrenzen, bestimmen’ (zu gr. ho´ros ’ich bringe hervor, gebäre’ gehört, weiter allenfalls ’Grenze’). Für die weitere Verwandtschaft s. Þfein. – DF 4 (21999), 94–104; HWPh 2 (1972), 29–42, bes. 30f. (zu definitiv); noch ai. ta´kman- n. ’Abkömmling’. Also ’Geborenes, LM 3 (1986), 636 (zu Definition); EWNl 1 (2003), 535f. Kind, Junges’ zu einem weitgehend ausgestorbenen ig. Verb *tek- ’hervorbringen, gebären’. Defizit Sn ’Mangel, Fehlbetrag’ erw. fach. (18. Jh.). EntEbenso ne. thane, nisl. þegn; ÞHaudegen. – Kuhn, H. ZSSRlehnt aus frz. de´ficit m., dieses hypostasiert aus l. de¯GA 73 (1956), 35–37; Strid, J. P. Runor og runinskrifter (Stockficit ’es fehlt’, zu l. de¯ficere ’abnehmen, fehlen’, zu l. holm 1987), 301–316; EWahd 2 (1998), 559–561; EWNl 2 (2005), facere (factum) ’machen, tun’ und l. de-; ÞDefekt. Ebenso nndl. deficiet, ne. deficit, nschw. deficit, nnorw. deficit. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. facere ’tun, machen’ s. Þinfizieren. – Schirmer (1911), 43; DF 4 (21999), 104–107; EWNl 1 (2003), 535.

deflorieren Vsw ’entjungfern’ per. fach. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus l. de¯flora¯re ’der Blumen berauben’, das in bestimmten Wendungen auch schon ’entjungfern’ bedeutet. Dann spezialisiert im Hinblick auf l. flo¯s ’Blume, Jungfräulichkeit (von Männern und Frauen)’. Ebenso nndl. defloreren, ne. deflower, nfrz. de´florer, nschw. deflorera, nnorw. deflorere. Zu weiteren Verwandten s. ÞFlor 3. – DF 4 (21999), 107–109.

deformieren Vsw erw. fremd. (16. Jh., Bedeutung

537; Kochskämper (1999), 247–278.

Degen2 Sm ’Stichwaffe’ std. (14. Jh.), spmhd. degen.

Vermutlich entlehnt aus ofrz. degue (frz. dague f.) ’Dolch’, dessen Herkunft unklar ist. Die Formen in den verschiedenen germanischen Sprachen fallen lautlich auseinander, so dass eine Beurteilung der Zusammenhänge sehr erschwert ist. Man rechnet einerseits mit einer ursprünglichen Bezeichnung als ’das dakische (Kurzschwert)’, was nicht bezeugt und unbeweisbar ist, andererseits mit einem rekonstruierten l. *deacua ’das sehr Scharfe, Spitze’ (vgl. l. acus ’Nadel’, l. acuere ’schärfen’, l. acu¯tus ’scharf’). Ebenso nndl. degen, ne. dagger; ÞHaudegen. – DEO (1982), 235f.; LM 3 (1986), 637; EWNl 1 (2003), 537.

19. Jh.). Entlehnt aus l. de¯forma¯re, das (den verschie- degenerieren Vsw ’sich zurückentwickeln, verkümdenen Funktionen von l. de- entsprechend) einerseits mern’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. de¯genera¯re ’abbilden’, andererseits ’verunstalten’ bedeutet. So ’ausarten’, Präfixableitung zu l. genus n. ’Geschlecht, zunächst auch die Entlehnungen ins Deutsche, wobei Art’ und l. de-. die zweite Bedeutung auf den Sonderfall ’seiner Ebenso nndl. degenereren, ne. degenerate, nfrz. de´ge´ne´rer, nschw. degenerera, nnorw. degenerere. Zur Sippe des zugrunde Würde entkleiden’ beschränkt bleibt. Im 19. Jh. be-

degenmäßig

186 2

liegenden l. gignere ’erzeugen’ s. ÞGenus. – DF 4 ( 1999), 115–120; HWPh 2 (1972), 44; EWNl 1 (2003), 537.

degenmäßig Adj ’zahm, friedfertig’ per. wobd. (17. Jh.).

Offenbar regionale Weiterbildung von mhd. teig ’weich’ mit unregelmäßiger Monophthongisierung (vgl. anord. deigr ’weich, stumpf, feige’, mndl. deech, mndd. de¯g ’teigig, nicht gut ausgebacken’). Dieses zu g. dig-a- Vst. ’kneten’ (ÞTeig). Die Herkunft des Anlauts ist in dem ausschließlich regionalen Wort nicht mehr erkannt worden. Heidermanns (1993), 145.

degoutieren Vsw ’anwidern’ per. fremd. (17. Jh.). Mit Degout ’Abneigung’ und dem Partizip degoutant

’widerwärtig’ entlehnt aus frz. de´gouˆter, Präfigierung (Þde-) von frz. gouˆter ’kosten, schmecken’, einer Ableitung von frz. gouˆt ’Geschmack’, dieses aus l. gu¯stus. Ebenso nndl. degouˆtant, ne. disgust. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þkosten 2; ÞHautgout, ÞRagout. – Brunt (1983), 231; DF 4 (21999), 120–122.

degradieren Vsw ’herabsetzen (im Rang); herabwür-

digen’ erw. fach. (14. Jh.), mhd. degradieren. Ist entlehnt aus ml. de¯grada¯re, einer Ableitung von l. gradus ’Schritt, Rang’ und l. de-, weiter zu l. gradı¯ (gressum) ’gehen, schreiten’. Als militärischer Terminus vom Französischen beeinflusst. Älter ist der Ausdruck aber für die Bestrafung von Geistlichen. Ebenso nndl. degraderen, ne. degrade, nfrz. de´grader, nschw. degradera, nnorw. degradere; ÞGrad. – DF 4 (21999), 123–127; LM 3 (1986), 637–638; EWNl 1 (2003), 537f.

degustieren Vsw ’kosten, prüfen’ per. fremd. (17. Jh.).

Entlehnt aus l. de¯gu¯sta¯re, zu l. gu¯sta¯re ’versuchen, kosten’ und l. de-. Heute noch in (Wein-)Degustation. Ebenso nfrz. de´guster. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þkosten 2.

dehnen Vsw std. (8. Jh.), mhd. den(n)en, ahd. dennen,

then(n)on, as. thennian. Aus g. *þan-eja- ’dehnen, strecken’, auch in gt. uf-þanjan ’sich ausstrecken’, anord. þenja, ae. þennan, þenian ’ausbreiten’. Vermutlich Kausativ-Bildung zu der Verbalwurzel ig. *ten- ’dehnen, ziehen’ in ai. tano´ti ’spannt’, gr. teı´no¯ ’ich dehne, spanne’, erweitert in l. tendere ’dehnen, spannen’. Abstraktum: Dehnung; Adjektiv: dehnbar. Ebenso nschw. tänja, nisl. þenja; Þaufgedunsen, ÞDeichsel, ÞDohne, Þdünn. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞTenor 1. – EWahd 2 (1998), 582–585.

Deibel Sm ÞDeixel. Deich Sm erw. fach. (15. Jh.), spmhd. dı¯ch, tı¯ch. Entlehnt

kung des Randes)’ gewesen sein muss. Zu einer Verbalwurzel ig. (w/oeur.) *d heig- ’in die Erde stechen/ stecken’ in lit. dı´egti ’in die Erde stecken, setzen, stechen’, l. fı¯gere ’heften, hineinstecken, durchbohren’. Ebenso nndl. dijk, ne. dyke, dike, nfrz. digue, nisl. dı´ki. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þfix 1; ÞTeich. – Christmann, E. ZM 31 (1964), 191–193; Knobloch, J. SW 5 (1980), 197; RGA 5 (1984), 216–225; LM 3 (1986), 640–648 (zu Deich- und Dammbau); Ramisch, H. FS Fisiak (1997), 561–569; EWahd 2 (1998), 630–634; EWNl 1 (2003), 574.

Deichsel Sf std. (10. Jh.), mhd. dı¯hsel, ahd. dı¯hsala, as.

thı¯sla. Aus g. *þı¯hslo¯, älter *þenhslo¯ f. ’Deichsel’, auch in anord. þı´sl, ae. þı¯xl, þı¯sl. Außergermanisch vergleichen sich mit abweichenden Suffixen und einer Verbalwurzel *teng- ’ziehen’: l. te¯mo m. ’Deichsel’ (*tengs-mo¯n), apreuß. teausis ’Deichsel’ (*teng-s-jo), die Verbalwurzel (ig.) *teng- ’ziehen’ in aruss. tjagati ’ziehen’ und wohl auch (trotz abweichendem Anlaut) avest. θang- ’(Wagen) ziehen’, vermutlich eine Er˙ von *ten- ’spannen, ziehen’. Auszugehen weiterung ist wohl von einem s-Stamm ig. *tengos- ’das Ziehen’, zu dem mit verschiedenen Zugehörigkeitssuffixen die Wörter für ’Deichsel’ gebildet wurden. Ebenso nndl. dissel, nschw. tistel, nisl. þı´sl; Þdeichseln, Þdehnen, Þdenken, Þdünken. – Heidermanns (1993), 629f.; EWahd 2 (1998), 638–641.

deichseln Vsw erw. stil. (15. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Ab-

leitung von ÞDeichsel. Im 15. Jh. belegt in der Bedeutung ’einen Wagen mit einer Deichsel versehen’. Für die heutige, seit dem 19. Jh. bezeugte (ursprünglich wohl studentensprachliche) Übertragung ’eine schwierige Sache meistern’ ist auszugehen von ’den Wagen mit der Deichsel rückwärts lenken’, was einen erheblichen Aufwand an Geschicklichkeit und Kraft erfordert. Röhrich 1 (1991), 311.

deihen Vst Þgedeihen. dein Pron std. (8. Jh.), Genetiv von Þdu, Possessiv-

Pronomen der 2. Person Singular Mhd. dı¯n, ahd. dı¯n, thin, as. thı¯n. Aus g. *þı¯na-, auch in gt. þeins, anord. þı´nn, ae. þı¯n. Zugehörigkeitsbildung auf -no-, ausgehend vom Lokativ-Suffix *-ne¯ zu dem ursprünglich enklitischen Pronominalstamm *tei (in heth. -ti, al. tı¯s), also ’bei dir befindlich’. Ebenso nndl. dijn, ne. (arch.) thine, nschw. din, nisl. þı´nn; Þdich, Þdir, Þdu. – Seebold (1984), 49–51; EWahd 2 (1998), 647f.; EWNl 1 (2003), 574.

(unter teilweiser Umsetzung in hochdeutsche Laut- Deixel Sm ’Teufel’ (in Ausrufen u.ä.) per. obd. omd. (17. Jh.). Aus euphemistischen Gründen entstellt aus form) aus mndl. dijc, dieses aus as. dı¯c, wozu afr. dı¯k, ÞTeufel. Entsprechende Hüllformen sind etwa Deibel, ae. dı¯c ’Erdwall’, ae. dı¯c f. ’Graben’, erweitert anord. ÞDeubel, Deiger, Deiner, Drixel usw. (vgl. auch die Zudı´ki n. ’Pfütze, Morast’. Die ursprüngliche hochdeutsammenrückung ÞGottseibeiuns). Dahinter steckt der sche Form schon im 8. Jh. in ahd. Glossen (tı¯h), hält − keine strikte Trennung zwischen Sache und Besich aber nicht. Vorauszusetzen ist also ein *dı¯ka- o.ä. zeichnung kennende − Volksglaube, dass man den in den nordseegermanischen Sprachen, dessen BeTeufel durch das Aussprechen seines richtigen Nadeutung ’der beim Graben eines Wasserlaufs an der mens herbeirufen würde. Seite aufgeworfene Wall (als Erhöhung oder Verstär-

Dekret

187 deka- LAff (’zehn’, z.B. in Dekagramm) erw. bild. (–).

Das Element wurde in griechischen Entlehnungen (über das Französische) ins Deutsche übernommen und wird bei Bedarf in neoklassischen Bildungen herangezogen; sein Ursprung ist gr. de´ka ’zehn’. ÞDekade; zur germanischen Verwandtschaft s. Þzehn, zur lateinischen s. ÞDezember. – EWNl 1 (2003), 527f.

Dekade Sf ’zehn Stück, Zeitraum von zehn Einhei-

Ebenso nndl. declameren, ne. declaim, nfrz. de´clamer, nschw. deklamera, nnorw. deklamere. Zu l. cla¯ma¯re ’rufen’ gehören außer deklamieren/Deklamation noch ÞAkklamation, exklamieren / ÞExklamation, Þproklamieren / Proklamation, Þreklamieren / Reklamation und als französische Bildung ÞReklame. Zu l. cla¯rus ’laut, hell’ gehören Þklar, ÞKlarinette und Þdeklarieren; zu dem möglicherweise zugrunde liegenden l. cala¯re kann ÞKonzil gehören; zur germanischen Verwandtschaft s. Þholen. – DF 4 (21999), 148–156; Strauss u.a. (1989), 116–118; EWNl 1 (2003), 529f.

ten’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. de´cade, dieses aus l. decas (-adis) ’eine Anzahl von zehn’, aus gr. deklarieren Vsw ’angeben, erklären’ erw. fach. (14. Jh.). deka´s, zu gr. de´ka (-a´dos) ’zehn’. Entlehnt aus l. de¯cla¯ra¯re, zu l. cla¯ra¯re ’deutlich maEbenso nndl. decade, ne. decade, nschw. dekad, nnorw. dekade; chen’ und l. de-, zu l. cla¯rus ’laut; hell, klar’. Abstrak2 Þdeka-. – HWPh 2 (1972), 48f.; DF 4 ( 1999), 135–137. tum: Deklaration. Dekadenz Sf ’Verfall’ erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus Ebenso nndl. declareren, ne. declare, nfrz. de´clarer, nschw. deklarera, nnorw. deklarere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. frz. de´cadence, dieses aus ml. decadentia, zu spl. cacla¯rus ’hell, laut’ s. Þdeklamieren. – Schirmer (1911), 43; DF 4 dentia ’das Fallen’ und l. de-, zu l. cadere ’fallen’. Ad(21999), 156–163; EWNl 1 (2003), 530. jektiv: dekadent. Ebenso nndl. decadentie, ne. decadence, nfrz. de´cadence, nschw. deklinieren Vsw ’morphologisch abwandeln’ erw. fach. dekadans, nnorw. dekadanse. Zur Sippe des zugrunde liegen(14. Jh.). Entlehnt aus l. de¯clı¯na¯re, eigentlich ’abbieden l. cadere ’fallen’ s. ÞKadenz. – DF 4 (21999), 137–143; Krügen’, zu l. *clı¯na¯re ’biegen, beugen’ und l. de-, Lehnger, W.: Das Dekadenzproblem bei Jakob Burkhardt (Diss. bedeutung nach gr. klı´nein. Das ’Abbiegen’ der WortKöln 1929); Jones (1976), 275; Brunt (1983), 225; HWPh 2 form meint die morphologische Veränderung ir(1972), 47f.; Bauer, R. Cahiers roumains d’e´tudes litte´raires 1 gendwelcher Art, zunächst auch die von 1 2 (1978), 55–80; Bauer, R. FS Wellek (Bern 1984, 1985), 35–68; verschiedenen Wortarten. Die Beschränkung auf die Strauss u.a. (1989), 592–597; EWNl 1 (2003), 528. Kasus-Veränderung erst seit dem 17. Jh. Abstraktum: Dekan Sm ’Vorsteher (einer Fakultät, usw.)’ per. fach. Deklination. (10. Jh., Form 15. Jh.). Entlehnt aus l. deca¯nus, eigentEbenso nndl. declineren, ne. decline, nfrz. de´cliner, nschw. delich ’Vorsteher von zehn’, einer Ableitung von l. klinera, nnorw. deklinere. Zur germanischen Verwandtschaft s. decem ’zehn’. Zunächst Führer der aus zehn Mann Þlehnen 1; ÞKlima, ÞKlimax, ÞKlinik.Ersatzwort ist Þbeugen. – bestehenden Untereinheit der Zenturie bzw. KomLeser, E. ZDW 15 (1914), 49f.; DF 4 (21999), 166–172; EWNl 1 mandeur eines Geschwaders von zehn Schiffen, im (2003), 530. Kirchenlatein ’Vorgesetzter von zehn Mönchen’, dekolletiert Adj ’mit einem (tiefen) Ausschnitt’ erw. dann Verallgemeinerung der Bedeutung unter Verfach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. de´collete´, eigentlich lust des Bezugs auf diese Anzahl. Das Wort wird zu’ohne Halskragen’, dem Adj. (PPrät.) zu frz. de´colleter nächst zu ahd. degan entlehnt, dann (mit sekundä’den Hals entblößen’, einer Ableitung von frz. collet rem Dental) zu mhd. techant (15./16. Jh. Dechan), das ’Halskragen’ mit l. de-, zu frz. col ’Hals’, aus l. collum heute noch oberdeutsch bei katholischen Geistlichen ’Hals’. Heute ist die Substantivierung Dekollete´ n. übals ÞDechant üblich ist (bei evangelischen Dekan). Die licher. jüngste Entlehnungsstufe (vor allem im HochschulEbenso nndl. gedecolleteerd, ne. decollete, nschw. dekolleterad, bereich) im 15. Jh. Abstraktum: Dekanat. nnorw. dekolletert. Zur germanischen Verwandtschaft s. Ebenso nndl. deken, ne. dean, nfrz. doyen, nschw. dekan, nisl. deka´n; ÞDezember. – DF 4 (21999), 143–148; Götze (1929), 7; LM 3 (1986), 651–654; EWahd 2 (1998), 552f.; EWNl 1 (2003), 528, 539.

dekantieren Vsw ’Wein vom Bodensatz abgießen’ per.

fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. de´canter, dieses zu früh-rom. *canthare ’kippen’ zu ml. canthus ’Winkel’. Ebenso nndl. decanteren, ne. decant, nschw. dekantera, nnorw. dekantere. – DEO (1982), 206.

deklamieren Vsw ’(pathetisch) aufsagen’ erw. fach.

ÞHals; ÞKoller 2, ÞKollier. – DF 4 (21999), 172–174; EWNl 1 (2003), 530.

dekorieren Vsw ’verzieren’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt

aus l. decora¯re, einer Ableitung von l. decus (-coris) ’Schmuck, Zierde’. Später wesentlicher Einfluss von frz. de´corer. Abstraktum: Dekoration; Nomen Agentis: Dekorateur; Adjektiv: dekorativ. Zu dem zugrundeliegenden l. decus gehört (unter Einfluss der Ableitungen) Dekor. Ebenso nndl. decoreren, ne. decorate, nschw. dekorera, nnorw. dekorere. S. Þdezent, Þindigniert und weiter entfernt Þdozieren. – DF 4 (21999), 174–186; EWNl 1 (2003), 531.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. de¯cla¯ma¯re, einem Intensivum zu l. cla¯ma¯re ’rufen, schreien’ und l. de-, zu l. cla¯rus Dekret Sn ’Erlass’ erw. fach. (13. Jh.), mhd. decret. Ist ’laut; hell’. Im Deutschen zunächst verwendet als Beentlehnt aus l. de¯cre¯tum, eigentlich ’Entscheidung’, zeichnung der (lateinischen) Redeübungen in der dem substantivierten PPP. von l. de¯cernere ’entTradition der klassischen Rhetorikausbildung an den scheiden’, zu l. cernere (cre¯vı¯, cre¯tum) ’scheiden’ und Schulen. Abstraktum: Deklamation; Adjektiv: l. de-. deklamatorisch.

delegieren Ebenso nndl. decreet, ne. decree, nfrz. de´cret, nschw. dekret, nnorw. dekret. Zu dessen Sippe s. ÞKonzern; zur germanischen Verwandtschaft s. Þrein. – DF 4 (21999), 189–196; EWNl 1 (2003), 531.

delegieren Vsw ’abgeben, abordnen’ erw. fach. (16. Jh.).

Entlehnt aus l. de¯le¯ga¯re, zu l. le¯ga¯re ’(gesetzlich) verfügen’ und l. de-, Ableitung von l. le¯x (le¯gis) ’Gesetz’. Als PPP. zu diesem Verb le¯ga¯tus ’Abgesandter’, und dessen Bedeutung wirkt zurück auf das Verb: ’als Gesandten absenden, zum Legaten machen’. Abstraktum: Delegation; Nominalableitung: Delegierter. Ebenso nndl. delegeren, ne. delegate, nfrz. de´le´guer, nschw. delegera, nnorw. delegere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. lex ’Gesetz’ s. Þlegal. – DF 4 (21999), 198–204; Jones (1976), 278f.; Brunt (1983), 232f.; LM 3 (1986), 668; EWNl 1 (2003), 540.

delikat Adj ’fein, wohlschmeckend; heikel’ std.

188

Als Däle ’der niedrigere Teil des (zweistufigen) Fußbodens’ im niedersächsischen Bauernhaus. Ebenso nndl. del, ne. dell; ÞTal, ÞTülle. – Jungandreas, W. NJ 77 (1954), 69–83; EWNl 1 (2003), 539.

Delphin Sm ’ein Meeressäugetier’ erw. fach. (13. Jh.),

mhd. delfı¯n. Ist entlehnt aus l. delphı¯nus, dieses aus gr. delphı´s (-ı˜nos), zu gr. delphy´s f. ’Gebärmutter, (Tierjunges)’. Das /n/ wird aus flektierten Formen in den Nominativ übernommen. So benannt, da es sich bei diesem Meeresbewohner um ein Säugetier (einen ’Fisch’ mit Gebärmutter, bzw. mit lebend geborenen Jungen) handelt. Ein alter deutscher Name für den Fisch ist Meerschwein (ÞMeerschweinchen). Ebenso nndl. dolfijn, ne. dolphin, nfrz. dauphin, nschw. delfin, nnorw. delfin. – LM 3 (1986), 683f.; EWahd 2 (1998), 572f.; EWNl 1 (2003), 601.

(16. Jh.). Entlehnt aus frz. de´licat, dieses aus l. de¯lica¯tus ’zart, elegant, üppig’, PPP. eines nicht bezeugten l. Delta Sn ’dreieckiges Gebiet einer Flussmündung; Nilmündung’ per. fach. (16. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Ent*de¯lica¯re, zu al. delicere ’anlocken, ergötzen’. Konlehnt aus l. delta f./n., dieses aus gr. de´lta, eigentlich kretum: Delikatesse. die Bezeichnung des vierten (dreieckigen) BuchstaEbenso nndl. delicaat, ne. delicate, nschw. delikat, nnorw. debens des griechischen Alphabets, diese aus der phölikat. – DF 4 (2 1999), 207–218; Jones (1976), 278f.; Brunt nikischen Entsprechung von hebr. daleth. Herodot (1983), 232; Strauss u.a. (1989), 597–601; EWNl 1 (2003), 540f. benannte das in Unterägypten von den Nilarmen geDelikt Sn ’Straftat; Verfehlung’ erw. fach. (15. Jh.). Entbildete Gebiet nach der Ähnlichkeit mit dem Buchlehnt aus l. de¯lictum, dem substantivierten PPP. von l. staben als Delta. Lange Zeit blieb das Wort darauf de¯linquere ’in seiner Pflicht fehlen, sich vergehen’; eibeschränkt. Dann Verallgemeinerung der Bedeutung gentlich ’ausgehen, fehlen’, zu l. linquere ’lassen, auf alle derartigen Flussmündungen. überlassen, zurücklassen’ und l. de-; l. de¯lictum ist der zentrale Begriff des römischen Privatrechts für alle Straftaten, die der Betroffene zu verfolgen hatte (im Gegensatz zum crı¯men [Mord und Hochverrat], das von Seiten des Staates geahndet wurde). Dazu Delinquent, eigentlich ’jmd., der sich vergeht’. Ebenso nndl. delict, ne. delict, nfrz. de´lit, nnorw. delikt. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þleihen; ÞReliquie. – LM 3 (1986), 671; DF 4 (21999), 218–222; EWNl 1 (2003), 541.

Delirium Sn ’Bewusstseinstrübung’ erw. fach. (16. Jh.).

Entlehnt aus l. de¯lı¯rium ’Irresein’, zu l. de¯lı¯rus ’wahnsinnig’ (und l. de¯lı¯ra¯re ’wahnsinnig sein; Unsinniges reden, faseln’), das auf einer Zusammenbildung von l. de¯ lı¯ra¯ (ı¯re), eigentlich ’von der Furche abweichen’, (übertragen:) ’vom Normalen abweichen’ beruht. In der Medizin Bedeutungsverengung auf einen bestimmten Fall von Abnormität, eine (durch Alkoholgenuss, Fieber usw.) hervorgerufene Bewusstseinstrübung, die Faseln und Wahnvorstellungen als charakteristische Begleiterscheinung aufweist.

Ebenso nndl. delta, ne. delta, nfrz. delta, nschw. delta, nisl. delta. – DF 4 (21999), 227–229; EWNl 1 (2003), 541f.

Demagoge Sm ’politischer Hetzer’ erw. fach. (17. Jh.).

Entlehnt aus gr. de¯mago¯go´s, zu gr. de˜mos ’Volk’ und gr. a´gein ’führen, treiben’. Zunächst wertneutrale Bezeichnung für Vertreter der Sache des Volkes. Im Griechischen tritt dann aber eine Bedeutungsverschlechterung zu ’Aufwiegler’ ein, weil man den Demagogen vorwirft, das Volk zur Durchsetzung von unlauteren Eigeninteressen aufzuhetzen. In Rom wird keine allgemeine Funktion so bezeichnet, weshalb der Begriff erst in der Neuzeit wieder aufgenommen wird. Weitere Bedeutungsverschlechterung seit dem 19. Jh. Abstraktum: Demagogie; Adjektiv: demagogisch.

Ebenso nndl. delirium, ne. delirium, nfrz. de´lire, nschw. delirium, nnorw. delirium. Zur germanischen Verwandtschaft von l. lı¯ra¯ s. ÞGeleise. – DF 4 (21999), 222–226; Röhrich 1 (1991), 311; EWNl 1 (2003), 541.

Ebenso nndl. demagoog, ne. demagogue, nfrz. de´magogue, nschw. demagog, nnorw. demagog. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. a´gein ’führen’ s. als Nomina Agentis Pädagoge (ÞPädagogik), Demagoge, als Abstraktum ÞSynagoge, aus einer einfacheren Bildung ÞStrategie. Zu dem zugehörigen gr. ago¯´n ’Wettkampf’ gehören ÞAgonie, ÞAntagonismus und ÞProtagonist; mit anderer Bedeutung ÞAxiom; zur lateinischen Verwandtschaft s. Þagieren. Zum Vorderglied s. ÞDemokratie. – DF 4 (21999), 229–234; Strauss u.a. (1989), 118–122; EWNl 1 (2003), 542.

Delle (Telle, Dalle) Sf ’Vertiefung im Gelände, in Blech

Demant Sm (alte Nebenform zu ÞDiamant) per. arch.

usw.’ erw. reg. (14. Jh.), spmhd. telle, mndl. delle. Alte umgangssprachliche Ausdrücke (wg. *dal-jo¯ f. u.ä.) für ’Vertiefung’, auch in ae. dell m./n., afr. dele. Zugehörigkeitsbildungen auf g. *ja/jo¯ zu dem Wort ÞTal.

(15. Jh.). Entlehnt aus afrz. demant, Nebenform zu diamant (oder regionale lautliche Entwicklung diamant − diemant − demant).

dengeln

189 Demarche Sf per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. de´-

marche ’Schritt’, Abstraktum zu frz. de´marcher ’losgehen, abmarschieren’ (ÞMarsch 1). Im Deutschen eingeengt auf ein diplomatisches Vorgehen. Ebenso nndl. demarche, ne. demarche, nschw. demarsch, nnorw. de´marche.

Demarkation Sf ’Grenzfestlegung’ per. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. de´marcation; dieses aus span. demarcacio´n (die erste größere Demarkation betraf die Grenzziehung zwischen spanischen und portugiesischen Besitzungen in der Neuen Welt durch Papst Alexander VI, 1494). Dieses aus span. demarcar ’die Grenze festlegen’, zu span. marca, das wie entsprechende Wörter der romanischen Sprachen aus g. *marko¯ ’Grenze’ entlehnt ist. Ebenso nndl. demarcatie, ne. demarcation, nfrz. de´marcation, nschw. demarkation, nnorw. demarkasjon; ÞMark 2. – DF 4 (21999), 234–237.

Dementi Sn ’Widerruf, offizielle Richtigstellung’ erw.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. (donner un) de´menti m., zu frz. de´mentir ’abstreiten; erklären, dass etwas falsch ist’, einer Ableitung von frz. mentir ’lügen’ und de´-, aus l. mentı¯rı¯. Verbum: dementieren. Ebenso nndl. dementi, ne. dementi, nschw. dementi, nnorw. dementi. Für weitere Verwandte des lateinischen Wortes s. Þmental und Þmonieren, die griechische Verwandtschaft unter ÞAutomat, die germanische unter Þmahnen. – DF 4 (21999), 240–242.

Deminutiv Sn ÞDiminutiv. Demokratie Sf ’Herrschaft der Mehrheit’ std. (16. Jh.).

demolieren Vsw ’zerstören, stark beschädigen’ erw.

fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. de´molir, dieses aus l. de¯mo¯lı¯rı¯, zu l. mo¯lı¯rı¯ ’fortbewegen; errichten; zerstören’ und l. de-, zu l. mo¯le¯s ’Masse, Last, Bau’. Im Deutschen zunächst beschränkt auf das ’Zerstören, Schleifen von Festungswerken’, im 19. Jh. dann in allgemeinerer Bedeutung. Ebenso ne. demolish, nschw. demolera, nnorw. demolere; ÞMolekül. – DF 4 (21999), 268–272; Jones, W. J. SN 51 (1979), 254f.

demonstrieren Vsw ’zeigen, beweisen; eine Kundge-

bung machen’ std. (16. Jh., Demonstration 15. Jh.). Entlehnt aus l. de¯mo¯nstra¯re ’hinweisen, verdeutlichen’, zu l. mo¯nstra¯re ’zeigen’ und l. de-, zu l. mo¯nstrum ’Mahnzeichen’, zu l. mone¯re ’mahnen’. Die Bedeutung ’öffentliche Kundgebung’ (eigentlich: ’öffentliches Kundtun seiner Meinung’) wird im 19. Jh. aus dem Englischen übernommen. Abstraktum: Demonstration; Nomen Agentis: Demonstrant; Adjektiv: demonstrativ. Ebenso nndl. demonstreren, ne. demonstrate, nfrz. de´montrer, nschw. demonstrera, nnorw. demonstrere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. mone¯re ’mahnen’ s. Þmonieren, zur Wurzelstufe Þmental; zur griechischen Verwandtschaft s. ÞAutomat, zur germanischen Þmahnen. – DF 4 (21999), 272–286; EWNl 1 (2003), 544.

Demoskopie Sf ’Volksbefragung’ erw. fach. (20. Jh.).

Neubildung zu gr. de˜mos m. ’Volk’ und einer Ableitung von gr. skopeı˜n ’sehen, schauen’ (das Vorbild gr. -skopı´a etwa in Teichoskopie). In der Nachkriegszeit in Westdeutschland geläufig geworden durch das Institut für Demoskopie in Allensbach.

Entlehnt aus l. de¯mocratia, dieses aus gr. de¯mokratı´a, zu gr. de˜mos m. ’Volk’ und gr. krateı˜n ’herrschen’. Ebenso nndl. demoscopie; ÞDemokratie, ÞSkepsis. Diese (noch gar nicht existierende) Herrschaftsform Demut Sf erw. obs. (9. Jh., dheomoti 8. Jh.), mhd. diewird von den griechischen Denkern eher kritisch bemüete, diemuot, ahd. diomuotı¯, Adjektivabstraktum trachtet, ist dann in der Neuzeit ein zunächst ziemzu ahd. diomuoti Adj ’demütig’. Dies ist ein Bahuvlich theoretisches Konzept, das nach der französirı¯hi-Kompositum mit ja-Suffix zu ÞMut in der alten schen Revolution immer stärker zu einem Zentrum Bedeutung ’Sinn’ und einem alten Wort für ’Diener, des politischen Denkens wird. Täterbezeichnung: Gefolgsmann’, g. *þewa- m. in gt. þius, runen-nord. Demokrat; Adjektiv: demokratisch. þewaz, ae. þe¯ow; also ’der die Gesinnung eines GeEbenso nndl. democratie, ne. democracy, nfrz. de´mocratie, folgsmannes, Dieners, hat’. Nhd. e statt ie beruht auf nschw. demokrati, nisl. demo´krati. Entsprechende Hinterglieniederdeutschem Einfluss. Adjektiv: demütig; Faktider in ÞAristokratie, ÞBürokratie; zur germanischen Vertivum: demütigen. wandtschaft s. Þhart. Zum Vorderglied s. ÞDemoskopie,

ÞDemagoge, ÞEpidemie. – DF 4 (21999), 246–267; Debrunner, Ebenso nndl. deemoed; Þdienen. – Rotsaert, M.-L. FS SchützA. FS Tie`che (Bern 1947), 11–24; Stier, H. E.: Die klassische eichel (1987), 1048–1058; Braune, W. BGDSL 43 (1918), 397 Demokratie (Opladen 1954); Blanke, G. Jahrbuch für Ame(abweichend); Schmidt-Wiegand (1972), 22f.; HWPh 2 rikastudien 1 (1956), 41–52; Christophersen, J. A.: The Mean(1972), 57–59; Melzer, F. Sprache und Sprachverständnis. ing of ’Democracy’ (Oslo 1966); Noack, P. Tutzinger Texte 2 Hrsg. Th. Michels, A. Paus (München 1973), 203–223; LM 3 (1968), 41–57; HWPh 2 (1972), 50–55; GB 1 (1972), 821–899; (1986), 693f.; von Olberg (1991), 193–204; Heidermanns (1993), 615f.; EWahd 2 (1998), 674f.; EWNl 1 (2003), 533. Kleinstück, J.: Verfaulte Wörter (Stuttgart 1974); Breitling, R., Haungs, P. (Hrsg.): Res publica, FS Sternberger (München dengeln Vsw erw. fach. (12. Jh.), mhd. tengelen. Ein 1977), 37–52; Kinzl, K. H. Gymnasium 84 (1978), 117–127, wohl nur wegen seiner speziellen Bedeutung (’die 312–326; Irmscher, J. in Welskopf 4 (1981), 168–179; Braun, W. Sense schärfen’) schlecht bezeugtes Verb. Formen mit in Welskopf 4 (1981), 11–56; Meier, Ch.: Die Entstehung des l sind ahd. tangil ’Dengelhammer’ (9. Jh.), ahd. tanBegriffs Demokratie (Frankfurt/Main 1981); Dippel, H. PSG 6 gila¯ri, tengila¯ri ’Kaltschmied’; Formen ohne l führen (1986), 57–97; Meissner, F.-J.: Demokratie (Stuttgart 1990); Cottez (1980), 115; EWNl 1 (2003), 543. zunächst auf g. *dang-eja- ’hämmern, dengeln’ in

anord. dengja, ae. dencgan, mhd. tengen; dazu viel-

denken

190

leicht als ursprüngliches starkes Verb aschw. diungha Dental Sm ’mit Zunge und Zähnen gebildeter ’schlagen’ (nur Präsens, selten), me. dingen, dengen Laut’ per. fach. (18. Jh., Form 19. Jh.). Neubildung des 19. Jhs. (l. denta¯lis) zu l. de¯ns (dentis) ’Zahn’, zunächst ’schlagen’. Weitere Herkunft unklar. Die neuhochdeutsche Form kann von dem Gerätenamen (ahd. in lateinischer Form als dentalis, dann endungslos. tangil) abgeleitet sein (also ’mit dem tangil arbeiten’) Ebenso nndl. dentaal, ne. dental, nfrz. dentale, nschw. dental, oder eine Iterativ-Bildung zu mhd. tengen darstellen. nnorw. dental. S. ÞDentist, zur germanischen Verwandtschaft Mitzka, W. HBV 49/50 (1958), 151–155; Lühr (1988), 364.

s. ÞZahn.

denken Vsw std. (8. Jh.), mhd. denken, ahd. denken, as. Dentist Sm ’Zahnarzt’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus

frz. dentiste, das zu l. de¯ns (dentis) ’Zahn’ gebildet ist. thenkian. Aus g. *þank-(e)ja- V(sw.) ’denken’, auch in Ebenso nndl. dentist, ne. dentist, nschw. dentist. S. ÞDental und gt. þagkjan, anord. þekkja, ae. þencan, afr. thanka, zur germanischen Verwandtschaft ÞZahn. – DF 4 (21999), thenza, Kausativum (oder allenfalls Primärverb) zu 294–296; Leroy, M. FS Grevisse (1966), 231–235. einer zunächst nicht klaren Verbalwurzel; parallel l. tonge¯re ’wissen’. Nun zeigt die unter ÞDeichsel aufge- denunzieren Vsw ’anzeigen, verpfeifen’ erw. fach. führte ig. Verbalgrundlage *teng- ’ziehen, spannen’ (16. Jh.). Entlehnt aus l. de¯nu¯ntia¯re ’anzeigen, ankünim Slavischen auch die Bedeutung ’wiegen’ (aruss. digen’, zu l. nu¯ntia¯re, einer Ableitung von l. nu¯ntius tjagnuti ’schwer sein [auf der Waagschale], wiegen’, ’Bote, Verkünder’ und l. de-. Nomen Agentis: Denunziant. russ. tjanu´t′ [meist unpersönlich] ’wiegen’). Dies weist darauf hin, dass das germanische Wort für Ebenso nndl. denunci¡ren, ne. denounce, nfrz. de´noncer; ÞAnnonce, ÞNuntius, Þprononciert. – DF 4 (21999), 296–302; ’denken’ ursprünglich ein ’erwägen’, l. tonge¯re den LM 3 (1986), 703; Strauss u.a. (1989), 122–125. nach diesem Vorgang erreichten Zustand (’wissen’) bezeichnete; Þdünken vielleicht als Fortsetzer des pri- Deodorant Sn ’Pflegemittel gegen Körpergeruch’ erw. mären Verbs ’mir wiegt etwas, mir ist etwas gewichfach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. deodorant, einer neotig’. Nomen Agentis: Denker; Präfigierungen: Þge-, klassischen Präfixableitung zu l. odor m. ’Geruch’ und Þbe-; Partikelverb: nach-; Adjektiv: nachdenklich. de-. Die Variante Desodorant folgt frz. de´sodorisant. Ebenso nndl. denken, ne. think (formal = dünken), nschw. tänMeist abgekürzt als Deo (nur Deutsch). ke, nisl. þekkja; ÞAndacht, ÞAndenken, ÞDank, ÞDeichsel, Þdünken, ÞGedanke. – HWPh 2 (1972), 60–104; Röhrich 1 (1991), 311f.; EWahd 2 (1998), 579–581; EWNl 1 (2003), 546.

Ebenso nndl. deodorant, nschw. deodorant, nnorw. deodorant. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 219; Carstensen 1 (1993), 351f.; EWNl 1 (2003), 546f.

Denkmal Sn std. (16. Jh.). Lehnübertragung nach (ntl.-) Depesche Sf ’Eilbotschaft, Telegramm’ erw. obs.

gr. mne¯mo´synon ’Gedächtnis, Denkmal’ mit Þdenken ’sich erinnern’ und ÞMal 2 ’Zeichen’. Die ursprüngliche Bedeutung ist also ’Erinnerungszeichen’ allgemein; erst später wird (wohl unter Einfluss von l. monumentum) ’Gedenkstein, Monument’ vorherrschend. LM 3 (1986), 697–702.

Denkzettel Sm std. stil. (15. Jh.). Zusammensetzung aus

(17. Jh.). Entlehnt aus frz. de´peˆche, einer Ableitung von frz. de´peˆcher ’beschleunigen, absenden’, eigentlich ’die Füße von Hindernissen befreien’, gebildet als Gegenwort zu frz. empeˆcher ’hindern’, eigentlich ’Fußangeln legen’ und frz. de´-; weiter aus spl. impedica¯re ’verwickeln, festhalten, behindern’, zu l. pedica ’Fußfessel, Fußschlinge’, zu l. pe¯s (pedis) m. ’Fuß’. Verb: depeschieren.

Ebenso nndl. depeˆche, ne. dispatch, nschw. depesch, nnorw. deÞdenken ’sich erinnern’ und ÞZettel 2. Zuerst im pesje. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. pe¯s ’Fuß’ s. ÞPedal. – 15. Jh. als Fachwort der Rechtssprache belegt: mndd. DF 4 (21999), 308–310; Schirmer (1911), 44; Jones (1976), 285; denkcedel = ’Urkunde, schriftliche Vorladung’. Im Brunt (1983), 236f. 16. Jh. gebraucht es Luther zur Übersetzung von ntl.gr. phylakte¯´rion n. ’jüdischer Gebetsriemen mit Ge- deponieren Vsw ’ablegen, hinterlegen’ erw. fremd. (15. Jh.). Entlehnt aus l. de¯po¯nere, zu l. po¯nere (posisetzessprüchen’; von daher die Bedeutung ’Erinnetum) ’setzen, stellen, legen’ und l. de-. Konkreta: rungsmerkblatt’ und allgemein ’ErinnerungszeiÞDepot, Deponie. chen’. Die Bedeutung ’Strafe (an die man lange Ebenso nndl. deponeren, ne. deposit, nfrz. de´poser, nschw. dedenken wird)’ ist schon seit dem 16. Jh. bezeugt; die ponera, nnorw. deponere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. Einengung auf ’Prügelstrafe’ geschah wohl zuerst in po¯nere ’setzen’ s. Þkomponieren. – DF 4 (21999), 313–323; der Schulsprache. Ebenso ndn. huskeseddel. – Röhrich 1 (1991), 312.

Schirmer (1911), 44; EWNl 1 (2003), 547.

denn Konj std. (18. Jh.). Funktionell bis ins 18. Jh. nicht Deportation Sf ’Zwangsverschickung’ per. fach.

von Þdann geschieden. Deshalb erst von diesem Zeitpunkt an als eigenes Wort aufzufassen. Me´trich, R. Nouveaux cahiers d’allemand 7 (1989), 1–15; Roemheld, F.: Die deutschen Konjunktionen wande, denn und weil (Diss. Gießen 1911); Behaghel 3 (1928), 112–122 (zur Herausbildung der kausalen Konjunktion).

(16. Jh.). Entlehnt aus l. de¯porta¯tio, Abstraktum zu l. de¯porta¯re ’wegbringen, verbannen’ (entlehnt als deportieren) zu l. porta¯re ’tragen’ und l. de-. Ebenso nndl. deportatie, ne. deportation, nfrz. de´portation, nschw. deportation, nnorw. deportasjon. Zur Sippe s. Þtransportieren. – DF 4 (21999), 323–327; EWNl 1 (2003), 547.

191 Depot Sn ’Lager, Rückstand beim Wein’ erw. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. de´poˆt, das auf l. depositum zurückgeht, einer Substantivierung des PPP. von l. deponere ’niederlegen’. Ebenso nndl. depot, ne. depot, nschw. depa˚, nnorw. depot. Zur Sippe s. Þkomponieren; Þdeponieren. – DF 4 (21999), 327–331; EWNl 1 (2003), 548.

Depp Sm (Schimpfwort für einen ungeschickten Men-

schen) std. vulg. obd. (15. Jh.). Gehört wie früheres Tapp und Taps zu Þtäppisch. Röhrich 1 (1991), 312f.

Depression Sf ’Niedergeschlagenheit; wirtschaftlicher

Desaster ae. þeorf, anord. þiarfr. Damit gehört das Wort vermutlich zu l. torpe¯re ’steif sein, gefühllos sein’ (von den Gliedern), und entsprechend lit. tir˜pti ’einschlafen, erstarren’, russ. terpnut′. Die Bedeutungsentwicklung im Deutschen ist dann dadurch beeinflusst worden, dass im Niederdeutschen ein ursprungsverschiedenes Adjektiv damit zusammenfiel, nämlich anord. djarfr ’kühn, mutig’, as. derbi ’grob, roh’, afr. derve ’verwegen’. Die Einzelheiten dieses Zusammenfalls sind aber noch nicht ausreichend erhellt. Machek, V. ZSPh 23 (1954), 116f.; Heidermanns (1993), 152f.

und 620; EWahd 2 (1998), 600–602. Rückgang’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. de´pression, eigentlich ’Niederdrückung, Senkung’, die- Derby Sn ’Pferderennen; besonderes Sportereigses aus l. de¯pressio (-o¯nis), einer Ableitung von l. de¯nis’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. Derby (race), primere (de¯pressum) ’niederdrücken, senken’, zu l. so benannt nach dem 12. Earl of Derby, der solche Pferderennen (Zuchtprüfungen) Ende des 18. Jhs. premere (pressum) ’drücken’ und l. de-. Verbum: einführte. Aus der Bezeichnung für ein bestimmtes deprimieren mit den verbalen Adjektiven deprimierend Pferderennen entwickelt sich dann bald ein Appellaund deprimiert, ferner: depressiv tivum für eine ganze Klasse von Pferderennen, und Ebenso nndl. depressie, ne. depression, nschw. depression, nnorw. depression. Zu dem zugrunde liegenden l. premere dann noch allgemeiner ’besonderes Sportereignis, ’drücken’ gehören deprimieren, imprimieren und komprimieWettkampf’ (vgl. Lokal-Derby u.ä.). ren mit Depression, ÞImpression und ÞKompression als Abstrakta. Zum PPP. gehören ÞPresse (frz.), Þpressen, Þpressieren, Þexpress, ÞExpressionismus, ÞEspresso (it.) und ÞImpressum. Eine Hypostase ist Imprimatur; ein weitläufiger Verwandter ist auch ÞPrinte. – DF 4 (21999), 334–342; Schirmer (1911), 44; HWPh 2 (1972), 115; EWNl 1 (2003), 548.

Deputat Sn ’zugehörige Sachleistung; zu leistende Zahl

Ebenso nndl. derby, nfrz. derby, nnorw. derbyløp. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 220; Carstensen 1 (1993), 352f.; DF 4 (21999), 352–354; EWNl 1 (2003), 549.

derivieren Vsw ’herleiten, ableiten’ per. fach. (16. Jh.).

Entlehnt aus l. de¯rı¯va¯re (de¯rı¯va¯tum), eigentlich ’eine Flüssigkeit wegleiten’, einer Präfixableitung zu l. rı¯vus ’Bach, Kanal’. Bereits im Lateinischen ist die Bedeutung ’ein Wort von einem anderen ableiten’ bezeugt. Abstraktum: Derivation; substantiviertes Partizip: Derivat; Adjektiv: derivativ.

von Unterrichtsstunden’ per. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. de¯puta¯tum (eigentlich ’Bestimmtes, Zugeteiltes’), dem substantivierten PPP. von l. de¯puta¯re ’zuteilen; für jmd. /etwas bestimmen’, zu l. puta¯re Ebenso ne. derive, nfrz. de´river, nschw. derivera, nnorw. deri’schneiden, reinigen, berechnen’ (u.a.) und l. de-, zu l. vere; ÞRivale. – DF 4 (21999), 354–356; EWNl 1 (2003), 550. putus ’rein, lauter’. Bei Deputation und Deputierter handelt es sich um Personen, die für eine Aufgabe dero Pron per. arch. (15. Jh.). Es handelt sich um die bestimmt worden sind. Ersatzwort für sie ist Abordvolle, nicht zu -e abgeschwächte Form des Genetivs nung und Abgeordneter. Verb: deputieren. Plural des Artikels (Þder). Ahd. dero erscheint mittelhochdeutsch meist als der(e); im Alemannischen Ebenso nndl. deputeren, ne. depute, nfrz. de´puter, nschw. deputera, nnorw. deputasjon. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. hält sich aber die Vollform auf -o (daneben auch -a puta¯re ’schneiden’ und ’reinigen’ s. Þamputieren. – DF 4 und -u) und wird dort als Demonstrativ- und Rela2 ( 1999), 342–350; Röhrich 1 (1991), 313; EWNl 1 (2003), 548f. tivpronomen in der Kanzleisprache fest. Von da dringt dero als Demonstrativpronomen, vorwiegend der Pron/Art std. (8. Jh.), mhd. der, diu, daz, ahd. der, für den Genetiv Plural aller Genera, seltener für den diu, daz. Dieses Pronomen (nhd. der, Þdie, Þdas) beGenetiv und Dativ Singular Femininum, in die deutruht auf einer Umgestaltung des alten ig. to-Pronosche Kanzleisprache ein. Seit dem 15. Jh. kann es als mens mit demonstrativer Funktion. Die Funktion eigenes Wort gelten. des Artikels hat dieses Pronomen in allen westgerS. auch Þdesto. manischen Sprachen übernommen; im Gotischen nur ansatzweise, in den nordischen Sprachen nur in Derwisch Sm ’muslimischer Ordensangehöriger’ per. bestimmten Fügungen (während dort sonst ein sufexot. (16. Jh.). Entlehnt aus türk. dervis, dieses aus ˙ figierter Artikel anderer Herkunft verwendet wird). pers. darwı¯ˇs, eigentlich ’Armer’. Lühr, R. BGDSL 113 (1991), 195–211; EWahd 2 (1998), 589–599; EWNl 1 (2003), 567.

derb Adj std. (9. Jh.), mhd. derp, ahd. derb(i), as. therf,

Ebenso nndl. derwisj, ne. dervish, nfrz. derviche, nschw. dervisch, nnorw. dervisj. – DF 1 (1913), 136; LM 3 (1986), 714.

des- Präfix Þde-, Þdis-. thervi, therpi. Aus g. *þerba- Adj. ’ungesäuert, nicht Desaster Sn ’schreckliches Unglück’ erw. fremd. salzig (von Wasser), nicht sauer (von Milch)’, also (19. Jh.). Entlehnt aus frz. de´sastre m., zu frz. astre m. etwa ’einfach, ohne besonderen Geschmack’, auch in

desavouieren

192 2

gende Sippe s. Þinfizieren. – DF 4 ( 1999), 371–374; EWNl 1 ’Gestirn’ und l. de-, dis-, aus l. astrum, aus gr. a´stron, (2003), 552. zu gr. aste¯´r m. ’Stern, Gestirn’. So bezeichnet nach der Vorstellung, dass bestimmte Gestirnkonstellationen deskribieren Vsw ’beschreiben’ per. fach. (15. Jh.). Entfür das Schicksal der Menschen verantwortlich sind. lehnt aus l. de¯scrı¯bere, zu l. scrı¯bere ’schreiben, zeichErsatzwort ist die Lehnübersetzung Unstern. nen, entwerfen’ und l. de-. In der modernen Sprache Ebenso ne. disaster, nfrz. de´sastre; ÞAster. – DF 4 (21999), wichtiger sind die wissenschaftstheoretischen Ter356–358; EWNl 1 (2003), 552. mini Deskription ’Beschreibung’ (etwa gegenüber Erdesavouieren Vsw ’bloßstellen’ per. fremd. (17. Jh.). klärung) und deskriptiv ’beschreibend’. Ebenso nndl. descriptief (Adj.), ne. descriptive (Adj.), nfrz. deEntlehnt aus frz. de´savouer aus frz. de´s- (Þde-, Þdis-) scriptif (Adj.), nschw. deskriptiv (Adj.), nnorw. deskriptiv und frz. avouer ’anerkennen’ aus l. advoca¯re ’herbei(Adj.). Zu l. scrı¯bere ’schreiben’ gehören außer der alten Entrufen’. Ebenso nndl. desavoueren, ne. disavow, nschw. desav(o)uera, nnorw. desavuere; ÞAdvokat. – DF 4 (21999), 358–360.

Dese Sf ÞDose. Desem(er) Sm ÞBesemer. desertieren Vsw ’fahnenflüchtig werden’ erw. fach.

lehnung Þschreiben noch die jüngeren Präfigierungen deskribieren, präskribieren, Þsubskribieren und transkribieren mit den Abstrakta Deskription, Subskription und Transkription. Aus dem PPP. ÞSkript(um), ÞManuskript und in einer Weiterbildung präskriptiv, deskriptiv. – DF 4 (21999), 374–377.

Desodorant Sn ÞDeodorant.

(17. Jh.). Entlehnt aus frz. de´serter, dieses aus spl. de¯serta¯re ’verlassen’, zu l. de¯serere ’verlassen, abtrennen’, zu l. serere ’(aneinander)fügen, reihen’ und l. de-. Nomen Agentis: Deserteur.

desolat Adj ’traurig, trostlos’ erw. fremd. (16. Jh.). Ent-

Ebenso nndl. deserteren, ne. desert, nschw. desertera, nnorw. desertere. Zu dem zugrunde liegenden l. serere ’fügen, reihen’ s. Þinserieren. – DF 4 (21999), 360–366; Brunt (1983), 242f.; Eppert (1963), 55–62; EWNl 1 (2003), 552.

Ebenso nndl. desolaat, ne. desolate, nfrz. de´solant; Þsolo. – DF 4 (21999), 377–380; EWNl 1 (2003), 553.

Desiderat Sn ’Erwünschtes, Benötigtes’ per. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus l. de¯sı¯dera¯tum, dem substantivierten PPP. von l. de¯sı¯dera¯re ’nach etwas verlangen, begehren, vermissen’. Ebenso nndl. desideratum, ne. desideratum, nfrz. desiderata. – Nyman, M. ZVS 103 (1990), 51–68 (zur Herkunft des lateinischen Wortes); DF 4 (21999), 366–368.

Design Sn ’(Entwurf von) Gestalt, Aussehen; Plan’ erw.

fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. design, dieses aus frz. dessein m., aus it. disegno m., einer postverbalen Ableitung von it. disegnare ’beabsichtigen, bezeichnen’, aus l. de¯sı¯gna¯re, zu l. sı¯gnum ’Zeichen’. Nomen Agentis: Designer. Das aus dem französischen Wort unmittelbar entlehnte Dessin hält sich in der Bedeutung ’Stoffmuster’. Ebenso nschw. design, nnorw. design; Þdesignieren, Þsignieren. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 222f.; Carstensen 1 (1993), 353–357; DF 4 (21999), 368–371; EWNl 1 (2003), 552.

designieren Vsw ’für etwas bestimmen’ per. fach.

lehnt aus l. de¯so¯la¯tum, dem adjektivischen PPP. von l. de¯so¯la¯re ’einsam lassen, verlassen’, Präfixableitung zu l. so¯lus ’allein, einsam’ mit l. de-.

despektierlich Adj ’abfällig’ erw. fremd. (17. Jh.). Ad-

jektivbildung zu l. de¯specta¯re ’herabsetzen, verachten’, einem Intensivum zu l. de¯spicere ’herabblicken, niederblicken’, zu l. specere, spicere ’sehen’ und l. de-. Ebenso ne. despicable, ndn. despekterlig. Zu dessen Sippe s. Þinspizieren. – DF 4 (21999), 380–382; EWNl 4 (2009), 239.

Desperado Sm ’jmd., der sich zu gefährlichen Verzweif-

lungstaten hinreißen lässt’ per. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. desperado, dieses wohl eine hispanisierende Ableitung von ne. desperate ’verzweifelt’ (vgl. span. desesperado), aus l. de¯spe¯ra¯tus, dem adjektivischen PPP. von l. de¯spe¯ra¯re ’verzweifeln, etwas aufgeben’, zu l. spe¯ra¯re ’erwarten, vermuten, hoffen’ und l. de-. Ebenso ndn. desperado, nnorw. desperado; Þdesperat. – ReyDebove/Gagnon (1988), 244; DF 4 (21999), 382–384.

desperat Adj ’verzweifelt’ per. fremd. (16. Jh.). Entlehnt

aus l. de¯spe¯ra¯tus, dem PPP. von l. de¯spe¯ra¯re ’verzweifeln, keine Hoffnung haben’, zu l. spe¯ra¯re ’erwarten, vermuten’ und l. de-. Ebenso nndl. desperaat, ne. desperate, nfrz. de´sespe´re´, nschw.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. de¯signa¯re ’bestimmen, beabdesperat, nnorw. desperat; ÞDesperado. – DF 4 (21999), 384–388; sichtigen, bezeichnen’, zu l. sı¯gna¯re ’zeichnen, beEWNl 1 (2003), 553. zeichnen, siegeln’ und l. de-, zu l. sı¯gnum ’Zeichen, Despot Sm ’Gewaltherr(scher)’ erw. fremd. (15. Jh.). Kennzeichen, Merkmal’. Abstraktum: Designation. Entlehnt aus gr. despo´te¯s ’Herr, Hausherr, Herrscher’, Ebenso ne. designate, nfrz. de´signer, nschw. designera. Zu deswohl eine Zusammenrückung ’des Hauses Herr’. Das sen Sippe s. Þsignieren, wo auch die weitere Verwandtschaft Hinterglied ist umgebildet aus ig. *poti- m. ’Herr’, das genannt ist. – LM 3 (1986), 727–729. zu l. potis ’mächtig, vermögend’ gehört (Þpotent). desinfizieren Vsw erw. fach. (19. Jh.). Vor allem in dem Das Vorderglied gehört zu dem ig. Wort für ’Haus’ Cholerajahr 1831/32 bekannt geworden. Eigentlich (ÞZimmer). Im Deutschen zunächst Bezeichnung für Entlehnung aus frz. de´sinfecter, das aber nach Fürsten, dann im Zusammenhang der französischen Þinfizieren umgestaltet wurde. Revolution die Bedeutungsverschlechterung zu Ebenso nndl. desinfecteren, ne. desinfect, nfrz. de´sinfecter, ’gewaltsamer Herrscher, der willkürlich vorgeht’. Adnschw. desinfectera, nnorw. desninfisere; für die zugrunde liejektiv: despotisch.

193 Ebenso nndl. despoot, ne. despot, nfrz. despote, nschw. despot, nnorw. despot. – DF 4 (21999), 388–400; HWPh 2 (1972), 132–146; Stark, I. in Welskopf 5 (1981), 169–182; LM 3 (1986), 733; GB 6 (1990), 651–706; EWNl 1 (2003), 553.

Dessert Sn ’Nachtisch’ erw. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus

detonieren destruktiv Adj ’zerstörerisch’ erw. fremd. (18. Jh., De-

struktion 16. Jh.). Entlehnt aus frz. destructif (-ive), dieses aus spl. de¯structı¯vus, zu l. de¯structum, PPP. von l. de¯struere ’zerstören’. Wesentlich früher bezeugt ist das unmittelbar aus dem Lateinischen entlehnte Abstraktum Destruktion.

frz. dessert m. (älter: desserte), zu frz. desservir ’abtragen’, zu frz. servir ’aufwarten, dienen’ und de-, Ebenso nndl. destructief, ne. destructive, nschw. destruktiv, nnorw. destruktiv. Zu Sippe des zugrunde liegenden l. -struere dis-, aus l. servı¯re ’dienen, Sklave sein’, neben l. servus s. Þkonstruieren. – HWPh 2 (1972), 146f.; DF 4 (21999), 413–419; m. ’Diener, Sklave’. Das Dessert ist also der Gang, der EWNl 1 (2003), 554. beim oder nach dem Abräumen der Tafel verzehrt wird. Detail Sn ’Einzelheit’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. de´tail m., einer Ableitung von frz. de´tailler Ebenso nndl. dessert, ne. dessert, nschw. dessert, nnorw. dessert. ’zerteilen, abteilen’, zu frz. tailler ’schneiden, zerleZur Sippe von l. servı¯re ’dienen’ s. Þkonservieren. – DF 4 (21999), 400–402; EWNl 1 (2003), 554. gen’ und de-, dis-, aus l. ta¯lia¯re ’spalten’, zu l. ta¯lea f. ’abgeschnittenes Stück’. Ein Detail ist also eigentlich Dessin Sn ÞDesign. ein ’Abschnitt’. Adjektiv: detailliert. Dessous Sn ’elegante Damenunterwäsche’ erw. fremd. Ebenso nndl. detail, ne. detail, nschw. detalj, nnorw. detalj; (20. Jh.). Entlehnt aus frz. dessous m. Pl., eigentlich ÞTaille. – Schirmer (1911), 45; DF 4 (21999), 423–430; EWNl 1 ’Unteres’, einer Substantivierung von frz. dessous (2003), 555. ’darunter’, dieses aus l. de subtus ’von unterhalb’, zu l. Detektiv Sm std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. detective sub ’unten’. (policeman), zu ne. detect ’ermitteln, aufdecken’, dieEbenso nndl. dessous, ndn. dessous. – DF 4 (21999), 404f. ses aus l. de¯tegere (de¯te¯ctum), zu l. tegere ’bedecken, destillieren (früher auch distillieren) Vsw ’flüssige Stofverhüllen, verheimlichen’ und l. de-. Die Detektive fe mit unterschiedlichen Siedepunkten thermisch waren ursprünglich eine von der Polizei in England trennen’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. de¯stilla¯re eingerichtete Spezialtruppe ausgewählter Polizisten, ’herabträufeln’, zu l. stı¯lla¯re ’tropfen, träufeln, tropdie sich nicht mit polizeilicher Routinearbeit, sonfenweise fallen’ und l. de-; Ableitung von l. stı¯lla dern ausschließlich mit Spezialuntersuchungen (und ’Tropfen, ein Bisschen’, einem Diminutivum zu l. -überwachungen) zu beschäftigen hatte. Diese stı¯ria ’Tropfen’. So benannt, da beim Destillieren ein ’Entdeckungs-Polizei’ arbeitete mitunter auch in ZiFlüssigkeitsgemisch zum Sieden erhitzt und der entvil. Privatpersonen in einer derartigen Funktion heistehende Dampf durch Abkühlen kondensiert wird, ßen auf Englisch private detective. In Deutschland wobei sich die enthaltenen Substanzen tröpfchengibt es die staatliche Institution nicht; die entspreweise wieder verflüssigen. Abstraktum: Destillation. chenden Privatpersonen werden mit dem einfachen Ebenso nndl. destilleren, ne. distil(l), nfrz. distiller, nschw. deWort Detektiv (auch Privatdetektiv) benannt. Ein verstillera, nnorw. destillere. – DF 4 (21999), 405–413; LM 3 (1986), gleichbares Nomen Agentis ist Detektor ’Gerät zum 735f.; EWNl 1 (2003), 588. Nachweis nicht wahrnehmbarer Stoffe’ (u.a.). Destination Sf ’Bestimmung, Endzweck’ per. fremd. Ebenso nndl. detective, nfrz. de´tective, nschw. detektiv, nnorw. detektiv. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þdecken; (18. Jh.). Entlehnt aus l. de¯stina¯tio (-o¯nis), einer AbÞprotegieren. – DF 4 (21999), 430–433; Rey-Debove/Gagnon leitung von l. de¯stina¯re ’befestigen, festmachen, fest(1988), 225; EWNl 1 (2003), 555f. setzen’, einem Kausativum zu l. sta¯re ’stehen, verweilen, befinden’. Das Grundverb destinieren ’bestimdeterminieren Vsw ’bestimmen, festlegen’ per. fach. men’ ist schon wesentlich früher (frühes 16. Jh.) (15. Jh.). Entlehnt aus l. de¯termina¯re, zu l. termina¯re bezeugt. ’begrenzen, beschränken, beschließen’ und l. de-, zu l. Ebenso ne. destination, nfrz. destination, nschw. destination. terminus ’Grenze’. Nomen Agentis: Determinante; AbZum gleichen Grundverb s. Þobstinat, zur weiteren Verwandtstraktum: Determination; Adjektiv: determinativ. Hierschaft s. ÞDistanz. zu Determinismus als ’Lehre von der Vorbestimmtheit alles Geschehens’ mit Determinist. desto Adv std. (15. Jh.), mhd. deste, dest. ZusammenEbenso nndl. determineren, ne. determine, nfrz. de´terminer, gerückt aus des diu, dem Genetiv und dem alten Innschw. determinera, nnorw. determinere; ÞTermin. – Weistrumental des Artikels; spätalthochdeutsch (bei mann, K.-H. DWEB 2 (1963), 388; HWPh 2 (1972), 147–150; LM Notker) neben deste auch desto, des toh; also Zusam3 (1986), 736f.; DF 4 (21999), 433–445. menrückung von des mit Þdoch. Ob die kanzleidetonieren Vsw ’explodieren’ erw. fach. (18. Jh., Detosprachliche Form auf Entsprechendes zurückgeht nation 17. Jh.). Entlehnt aus frz. de´toner, dieses aus l. oder eine formalisierende Neubildung nach Þdero de¯tona¯re ’losdonnern’, zu l. tona¯re ’donnern’. Abusw. ist, muss offen bleiben. Auf jeden Fall muss sie straktum: Detonation. seit dem 15. Jh. als selbständiges Wort angesehen werEbenso nndl. detoneren, ne. detonate, nschw. detonera, nnorw. den. EWahd 2 (1998), 617–619.

detonere. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞDonner. – DF 4 (21999), 445–447; EWNl 1 (2003), 556.

Detz

194 Detz Sm ÞDez. Deubel Sm ÞDeixel. Deut Sm ’kleine Münze’ erw. obs. phras. (17. Jh.). In

keinen Deut auf etwas geben u.ä. Aus dem Niederdeutschen/Niederländischen mndl. duit u.ä. Name einer niederländischen/westniederdeutschen Scheidemünze, die weithin bekannt war. Das Wort erinnert lautlich an anord. þveiti n. ’Maßeinheit, kleinste Scheidemünze’, das offenbar zu einem Verbum gehört, das in ae. þwı¯tan Vst. ’abschneiden’ bezeugt ist; also eigentlich ’Abschnitt, Abgeschnittenes’. Dies kann in seiner Grundbedeutung zu einem Wort für ’Scheidemünze’ werden; man kann aber auch daran denken, dass bei Münzen mit Materialwert (oder Edelmetallstücken als Zahlungsmittel) Stücke davon als Gegenwert kleinerer Beträge gebraucht wurden. Der Zusammenhang zwischen dem mittelniederländischen und dem altnordischen Wort bleibt aber im einzelnen (auch lautlich) unklar. Vgl. zum Bennennungsmotiv ÞScherflein. – Röhrich 1 (1991), 313–316; EWNl 1 (2003), 643.

deuteln Vsw std. (16. Jh.). Verkleinerungsbildung zu

Þdeuten. Indem das ’an Kleinem herumdeuten’ zu einem Suchen nach Ausflüchten und Widersprüchen wird, erhält das Wort seine negative Bedeutung. deuten Vsw std. (11. Jh.), mhd. diuten, ahd. diuten,

tiuten, mndd. duden, mndl. dieden. Heißt in der alten Sprache vielfach ’bedeuten in der Volkssprache’, entsprechend zu ahd. zi diuta (9. Jh.), mhd. ze diute ’in der Volkssprache’. Das Wort ist also wohl auf ahd. diot ’Volk’ bezogen worden (Þdeutsch), doch kann es semantisch keine Ableitung zu diesem sein; auch sprechen verwandte Formen gegen diese Annahme (vgl. etwa ae. geþe¯odan ’übersetzen’, anord. þy´daÑ ’übersetzen, einen Traum deuten’). Klarer werden die Zusammenhänge durch den Hinweis, dass die Grundlage von deutsch nicht nur ’Volk’, sondern auch ’Kraft’ bedeutet hat. ’Kraft’ ist aber in vielen Fällen das Benennungsmotiv von ’Bedeutung’ (gr. dy´namai ’vermögen, bedeuten’, gr. dy´namis ’Stärke, Bedeutung’, l. vı¯s ’Kraft, Bedeutung’, ebenso nir. brigh, ne. force u.a. Abstraktum: Deutung; Adjektiv: ein-, zwei-, mehrdeutig; Präfigierung: Þbe- mit bedeutend und Bedeutung. Ebenso nndl. duiden, nschw. tyda, nisl. þy´daÑ ; Þdeuteln, Þdeutlich, Þdeutsch. – Haller, R. AB 7 (1962), 57–119 (zu Bedeutung); HWPh 2 (1972), 157–159; Heidermanns (1993), 621–623; Seebold HSK Lexikologie, Artikel 203; EWahd 2 (1998), 696–699; EWNl 1 (2003), 641; Seebold (2005), 1341 ff.

deutlich Adj std. (14. Jh.), mhd. diutlı¯che, zunächst nur

als Adverb. Eigentlich ’was leicht gedeutet werden kann’ zu Þdeuten. deutsch Adj std. (11. Jh.), mhd. tiutsch, diut(i)sch, ahd.

diutisc, as. thiudisc. Ist abgeleitet von g. *þeudo¯ f. ’Volk’ in gt. þiuda, anord. þjo´d,Ñ ae. þe¯od, afr. thia¯d, as.

thiod(a), ahd. diot, dieses aus ig. *teuta¯ f. ’Volk’ in alit. tauta`, air. tu´ath, osk. touto, allerdings wohl nicht heth. tuzzi- ’Heer’. Wie unter Þdeuten dargelegt wird, ist die Ausgangsbedeutung ’Kraft, Stärke’. Das Adjektiv bedeutet also ’zum Volk gehörig’ und ist ein systematisch gebildetes Adjektiv wie etwa gt. þiudisko ’heidnisch’, das formal genau entspricht, aber eine Lehnübersetzung nach gr. ethniko´s (l. gentı¯lis) ist. Wegen des Vokalunterschieds ahd. diot − ahd. diutisc muss das Adjektiv alt sein. Die Bedeutung ’in der Volkssprache’ wurde im Frankenreich schon früh festgelegt, zuerst bezeugt in latinisierter Form (theodisce, theodisca lingua). Dieser latinisierte Gebrauch ist früh (786) auch schon in England für ’volkssprachlich, in der Volkssprache’ (d.h. hier also: ’in Altenglisch’) bezeugt, möglicherweise in Anlehnung an den fränkischen Gebrauch. Parallel zu ahd. heimisc ’heimisch’, das einerseits ’inländisch, heimisch’ bedeutet, andererseits ’ungebildet, stümperhaft’ (vgl. anord. heimskr ’dumm’) kann das Adjektiv einerseits bedeutet haben ’zum Volk gehörig’, andererseits ’nur zum Volk gehörig, auf die Volkssprache beschränkt’ (im Gegensatz zu denjenigen, die auch Latein konnten). Ein Einfluss von l. gentı¯lis, das außer ’(zum Volk gehörig), heidnisch’ auch ’volkssprachig’ bedeuten konnte, ist nicht ausgeschlossen. Ein solcher Wortgebrauch wäre im Umkreis der Klöster denkbar, der auch die frühe lateinische Bezeugung erklären würde. Der Gegensatz zur Volkssprache muss ursprünglich das Latein gewesen sein; im Zuge der Romanisierung der Westfranken und der Abgrenzung des Altfranzösischen gegen das Althochdeutsche (Fränkische) wird dann aber deutsch als Bezeichnung gegenüber dem Romanischen verwendet. Im Laufe des 10. und 11. Jhs. wird es zur allgemeinen Bezeichnung kontinentalgermanischer Sprachen. Auch die niederländischen Sprachausprägungen wurden (auch in der Selbstbezeichnung) deutsch genannt (Dietsc in Flandern, Duutsc in Holland, im 16. Jh. Duits). Seit dem 16. Jh. im Zusammenhang mit den Selbständigkeitsbestrebungen im Nordwesten statt dessen auch Nederlands, das im 19. Jh. (abgesehen von Relikten) zur allein gebräuchlichen Bezeichnung wird. − Deutschland ist eine Zusammenrückung, die seit dem 15. Jh. auftritt; vorher mhd. daz diutsche lant, in diutschen landen usw. Präfixableitung: verdeutschen. Ebenso nndl. duits, ne. dutch ’niederländisch’, nschw. tysk, nisl. þy´zka; Þdeuten. – Klein, Th. FS Beck (1994), 381–410 (Literaturverzeichnis); Lühr, R. in Erlanger Gedenkfeier für Johann Kaspar Zeuß. Hrsg. B. Forssman (Erlangen 1990), 75–116 (Literaturverzeichnis); Roth, K.-H.: ’Deutsch’ (München 1978); Morciniec, N. FS de Smet (1986), 355–362; Klein, Th. RV 51 (1987), 187–302; Thomas, H. HZ 247 (1988), 295–332; Beck, H. FS Erben (1990), 443–453; Röhrich 1 (1991), 316f.; Must, G. IF 97 (1992), 103–121; McCone, K. R. in Meid (1987), 101–154 (zum Grundwort); Zimmer, S. in Meid (1987), 326; Berschin, H.: Deutschland − ein Name im Wandel (München und Wien

dezimieren

195 1979; zu Deutschland); Ehrismann, O. GS Frings (1990), 293–302; EWahd 2 (1998), 699–706; EWNl 1 (2003), 571f.; Reiffenstein, L. FS Masser, hrsg. Plangg, G.A., Thurnher, E. (Innsbruck 2000), 27–33; RGA 30 (2005), 421–433.

Devise Sf ’Wahlspruch’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt

aus frz. devise, eigentlich ’Abgeteiltes’, zu frz. deviser ’ein-, abteilen’, über früh-rom. *de¯visa¯re, *dı¯visa¯re aus l. dı¯videre (dı¯vı¯sum). Das Wort stammt aus der Wappenkunde und bezeichnet zunächst die Unterteilungen der Wappen. Der in ein solches Feld geprägte Wahlspruch war der ’Devisenspruch’, woraus sich dann die allgemeine Bedeutung ’Motto’ entwickelte. Ebenso nndl. devies, ne. device, nfrz. devise, nschw. devis, nnorw. devise; ÞDevisen. – DF 4 (21999), 449–453; EWNl 1 (2003), 560.

Devisen Spl ’Zahlungsmittel in fremder Währung’ erw.

Ebenso nndl. december, ne. december, nfrz. de´cembre, nschw. december, nisl. desember. Zu l. decem ’zehn’ gehört als Ableitung von dem Dezimalzahlwort decimus ’zehnter’ Þdezimal und Þdezimieren, über das Französische auch Þdezi-. Andere Ableitungen in ÞDecher und ÞDekan; zur griechischen Verwandtschaft s. ÞDekade, zur germanischen s. Þzehn. – Szemere´nyi (1989), 56–59; EWNl 1 (2003), 528.

dezent Adj ’zurückhaltend, gedämpft’ std. stil. (18. Jh.).

Entlehnt aus l. dece¯ns (-entis), dem PPräs. von l. dece¯re ’sich ziemen, wohl anstehen, zieren’, zu l. decus ’Zierde, Anstand’. Ebenso nndl. decent, ne. decent, nfrz. de´cent. S. Þdekorieren, Þindigniert und weiter entfernt Þdozieren. – DF 4 (21999), 459–462; EWNl 1 (2003), 528.

Dezernent Sm ’Sachbearbeiter’ per. fach. (18. Jh.). Neo-

klassische Substantivierung von l. de¯cerne¯ns (-entis), dem PPräs. von l. de¯cernere ’entscheiden’, zu l. cernere (cre¯tum) ’trennen, scheiden’ und l. de-. Das Wort entsteht im Deutschen aus Aktennotizen wie Dec[ernat] collega N., mit denen den zuständigen Sachbearbeitern vom Amtsvorstand Akten zur Bearbeitung zugeteilt wurden (l. decernat ’er möge entscheiden’). Sodann Dezernent als ’derjenige, der entscheidet’ und Dezernat ’Sachbereich’.

fach. (19. Jh.). Im frühen 19. Jh. werden in den Bankhäusern die Auslandswechsel nach Bankplätzen, nfrz. par devises, sortiert, nach einer devise Amsterdam, devise Vienne, devise Berlin usw. Eine Devise ist also zunächst die Gesamtheit der auf einen auswärtigen Bankplatz ausgestellten Wechsel; dann ein Auslandswechsel allgemein und schließlich ’ausländisches Ebenso nfrz. de´cerner. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. Zahlungsmittel’. Warum die Einteilung in Bankplätze cernere ’scheiden’ s. ÞKonzern. – DF 4 (21999), 462–465. Devisen genannt wird, ist nicht ganz klar; vermutlich haben die einzelnen Bankplätze Kennwörter dezi- LAff (’zehntel’, z.B. in Dezimeter) erw. bild. (–). (ÞDevise) gehabt. Ein Rückgriff auf die alte BedeuDas Element wurde vornehmlich in französischen tung ’Einteilung’ scheint aber nicht ausgeschlossen. Entlehnungen (frz. de´ci-) ins Deutsche übernommen Ebenso nndl. deviezen, nfrz. devises, ndn. deviser, nnorw. deund relatinisiert; sein Ursprung ist l. decimus viser. S. ÞDevise und zur lateinischen Verwandtschaft ’zehnter’, zu l. decem ’zehn’. Weiteres s. ÞDezember. Þdividieren. – Schirmer, A. MS (1949), 66–68; Rabuse, G. Der österreichische Betriebswirt 11 (1961), 195–201; LM 3 (1986), 925f.; DF 4 (21999), 449–453; EWNl 1 (2003), 560.

devot Adj ’unterwürfig’ erw. fremd. (15. Jh., Standard

17. Jh.). Entlehnt aus l. de¯vo¯tus ’hingegeben’, PPP. zu l. de¯vove¯re ’sich weihen, hingeben’. Zunächst nur niederdeutsch. Als Weiterbildung Devotion und Devotionalien ’Andachtsgegenstände’ (l. de¯vo¯tionalia ’was zur Andacht gehört’). Ebenso nndl. devoot, ne. devout, nfrz. de´vot, nschw. devot, nnorw. devot; ÞVotum, ÞVotivtafel. – DF 4 (21999), 453–458; EWNl 1 (2003), 560.

Dez (Deez, Doetz) Sm ’Kopf’ std. vulg. (18. Jh.). Ausge-

gangen von ndd. döts. Herkunft unklar. (Zusammenhang mit frz. teˆte f. ’Kopf’?). Niekerken NJ 84 (1961), 139; Röhrich 1 (1991), 313.

Cottez (1980), 114; EWNl 1 (2003), 529.

dezidiert Adj ’bestimmt, energisch’ erw. fremd. (17. Jh.,

Verb 16. Jh.). Partizipialadjektiv zu nhd. dezidieren, dieses aus l. de¯cı¯dere, eigentlich ’abschneiden’, zu l. caedere ’hauen, schlagen’ und l. de-. Vorbild ist frz. de´cide´. Ebenso nndl. gedecideerd, ne. decided, nfrz. de´cide´, nschw. deciderad, nnorw. desidert. Zu der Sippe des zugrunde liegenden l. caedere ’schlagen’ gehören als Nominalbildungen nach dem Muster von l. parricı¯da ’Vatermörder’ in volkssprachlicher Weiterbildung ÞHerbizid und ähnliche Zusammensetzungen; eine Ableitung ist ÞZement; auf das PPP. führen zurück Þpräzise und Þkonzis, und als Weiterbildungen ÞKaiserschnitt, ÞZäsur, Þziselieren. Ein Sekundäreinfluss wohl in ÞAkzise. Die deutsche Verwandtschaft in ÞBeutheie, ÞHeide 1, ÞHeister. – DF 4 (21999), 463–467; EWNl 1 (2003), 190.

Dezember Sm std. (13. Jh.). Entlehnt aus l. (me¯nsis) De- dezimal- LAff (selten Adj) std. (17. Jh.). Entlehnt aus

ml. decimalis ’auf das Dezimalsystem bezogen’, zu l. cember, eigentlich ’der zehnte Monat’, mit unklarer decimus ’zehnter’, zu l. decem ’zehn’. ´ Wortbildung (aus *dekmo-mens-ri-?) zu l. decem Ebenso nndl. decimaal, ne. decimal, nfrz. de´cimal, nschw. de’zehn’. So benannt als der zehnte und letzte Monat cimal-, nnorw. desimal-; ÞDezember. – EWNl 1 (2003), 529. des 304 Tage dauernden Mondjahres, das mit dem Martius ’März’ begann. Mit der Einführung des 365 dezimieren Vsw ’durch Gewalt an Zahl sehr stark verringern’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus l. decima¯re Tage dauernden Mondsonnenjahres (unter Hinzu’jeden zehnten Mann töten’, einer Ableitung von l. nahme von Januar und Februar, 7. Jh. v. Chr.) wird er decimus ’der Zehnte’, zu l. decem ’zehn’. Im Deutdann zum zwölften Monat. Die ältere deutsche Beschen zunächst in dieser Bedeutung verwendet in zeichnung ist ahd. heilagma¯no¯d.

di-

196

Schilderungen römischer Kriegsbräuche. Bei der de- diachronisch Adj ’zeitverschieden, geschichtlich’ per. cimatio, der Strafe für Meuterei, wurde durch Losentfach. (20. Jh.). Übernommen von dem durch den scheid jeder zehnte Mann zum Tode verurteilt, wähfranzösisch-sprachigen Sprachforscher F. de Saussurend die übrigen Meuterer mit Kürzungen der Ratire geprägten Ausdruck frz. diachronique aus Þdiaonen davonkamen. Nach der Loslösung vom und gr. chro´nos ’Zeit’. römischen Hintergrund Verallgemeinerung der BeEbenso nndl. diachronisch, ne. diachronic, nschw. diakronisk, deutung unter Verlust des ursprünglichen Benennnorw. diakronisk. Zur Sippe von gr. chro´nos ’Zeit’ s. ÞChronik; Þdia-. – DF 4 (21999), 474f.; EWNl 1 (2003), 562. nungsmotivs. Ebenso nndl. decimeren, ne. decimate, nfrz. de´cimer, nschw. Diadem Sn ’Stirn-, Kopfschmuck’ erw. fach. (13. Jh., das decimera, nnorw. desimere; ÞDezember. – DF 4 (21999), l. Wort an Stelle einer deutschen Glosse 8. Jh., Belege 467–470; EWNl 1 (2003), 529. in deutschem Kontext erst bei Konrad von Würzburg), mhd. dı¯ade¯m, ahd. dı¯ade¯ma. Ist entlehnt aus l. di- LAff (’zwei’, z.B. in Dipol) erw. bild. (–). Das Affix diade¯ma, dieses aus gr. dia´de¯ma ’Stirnband’, eigentwird vornehmlich in neoklassischen Bildungen verlich ’Umgebundenes’, einer Ableitung von gr. diadeı˜n wendet; sein Ursprung ist die Kompositionsform gr. di- von gr. dı´s ’zweimal’. ’umbinden’. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þbi- und ÞDuo, zur deutschen s. Þzwie- und Þzwei. – Wortbildung 3 (1978), 249; Cottez (1980), 118f.

Dia Sn ÞDiapositiv. dia- Präfix per. fach. (–). Zunächst in Entlehnungen aus

dem Griechischen mit dem Präfix dia- (z.B. Þdiagonal); dann in neoklassische Bildungen übernommen. Besonders produktiv in der linguistischen Fachsprache zur Kennzeichnung der Parameter der sprachlichen Variation. Vorbild für die Entwicklung ist wohl ÞDialekt; die erste fachsprachliche Bildung ist Þdiachronisch von F. de Saussure (1906–1911) für früheres metachronisch; reihenbildend wird das Präfix bei L. Flydal (1952) mit diatopisch und diastratisch. Flydal, L. NTS 16 (1952), 241–258; Cottez (1980), 119; EWNl 1 (2003), 561.

Diabetes Sm ’Zuckerkrankheit’ erw. fach. (18. Jh.). In

Ebenso nndl. diadeem, ne. diadem, nfrz. diade`me, nschw. diadem, nnorw. diadem. – DF 4 (21999), 475–478; EWNl 1 (2003), 562.

Diadochenkämpfe Spl ’Konkurrenzkampf um die

Nachfolge in einem bedeutenden Amt’ erw. bildg. (19. Jh.). Aus gr. dia´dochos m. ’Nachfolger’, einer Substantivierung von gr. dia´dochos ’nachfolgend, übernehmend’, zu gr. diade´chesthai ’übernehmen, ablösen’, zu gr. de´chesthai ’hinnehmen, in Empfang nehmen, abnehmen’. Verallgemeinert aus der Bezeichnung der Auseinandersetzungen um die Nachfolge Alexanders des Großen. Diagnose Sf ’Bestimmen einer Krankheit oder eines

Defekts’ erw. fach. (18. Jh., Form 19. Jh.). Entlehnt aus frz. diagnose, dieses aus gr. dia´gno¯sis, einer Ableitung von gr. diagigno¯´skein ’völlig erkennen, beurteilen’, zu gr. gigno¯´skein ’erkennen’; vgl. gr. gno˜sis ’Erkenntnis’. Zuerst in der gräzisierenden Form Diagnosis, dann eingedeutscht. Verb: diagnostizieren.

der neoklassischen Fachsprache enthalten als neo-kl. Ebenso nndl. diagnose, ne. diagnosis, nschw. diagnos, nnorw. Diabetes mellitus, dieses aus gr. diabe¯´te¯s ’Harnruhr’ diagnose. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þrekognoszieren, und l. mellı¯tus ’honigsüß’. So bezeichnet nach dem zur germanischen Þkönnen; ÞPrognose. – HWPh 2 (1972), typischen Symptom der Krankheit: dem hohen Zu162f.; LM 3 (1986), 935–939 (zu Diagnostik); DF 4 (21999), ckergehalt im Urin. Das Grundwort ist gr. diabaı´nein 478–484; EWNl 1 (2003), 563. ’die Beine spreizen’; das Substantiv bezeichnet zweischenklige Werkzeuge: den Zirkel und den Doppel- diagonal Adj erw. fach. (15. Jh., Form 18. Jh.). Entlehnt aus ml. diagonalis, eigentlich: ’durch die Winkel’, heber (zur Entnahme von Wein). Nach dem Doppeleiner Bildung zu gr. dia´ ’durch’ und gr. go¯nı´a heber ist die Krankheit benannt: Der Kranke kann die ’Winkel’. Die Diagonale ist die Verbindung zwischen Flüssigkeit nicht halten, sie fließt durch ihn hindurch zwei Ecken eines Vielecks in gerader Linie. Zuerst in wie durch einen Heber. Sekundär dann Verengung Zusammensetzungen und in lateinischer Form; einauf die ’Zuckerharnruhr’. Täterbezeichnung: gedeutscht erst wesentlich später. Diabetiker. Ebenso nndl. diabetes, ne. diabetes, nfrz. diabe`te, nschw. diabetes, nnorw. diabetes. Zur Sippe von gr. baı´nein ’kommen’ s. ÞBasis. – Kalbfleisch, K. AGMN 42 (1958), 142–144; Tonelli, G. AB 7 (1962), 120–139; EWNl 1 (2003), 561f.

diabolisch Adj ’teuflisch’ erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt

aus kirchen-l. diabolicus, zu ntl.-gr. dia´bolos ’Teufel, Feind, Widersacher’. Ebenso nndl. diabolisch, ne. diabolic(al), nfrz. diabolique, nschw. diabolisk, nnorw. diabolsk; ÞTeufel. – DF 4 (21999), 470–474.

Ebenso nndl. diagonaal, ne. diagonal, nfrz. diagonal, nschw. diagonal, nnorw. diagonal. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞKnie. – Schirmer (1912), 14f.; DF 4 (21999), 484–488; EWNl 1 (2003), 563.

Diagramm Sn ’graphische Darstellung’ erw. fach.

(16. Jh., Form 19. Jh.). Entlehnt aus gr. dia´gramma ’geometrische Figur, Umriss’, zu gr. diagra´phein ’aufzeichnen’, zu gr. gra´phein ’schreiben, zeichnen’ und gr. dia-. Zuerst in griechischer Form entlehnt, dann eingedeutscht.

Diaspora

197 Ebenso nndl. diagram, ne. diagram, nfrz. diagramme, nschw. diagram, nnorw. diagram. Zur Sippe von gr. gra´phein ’schreiben’ s. ÞGraphik. – EWNl 1 (2003), 563.

Diakon Sm ’(Pfarr)Helfer; Pfleger’ erw. fach. (9. Jh.,

iacuno 8. Jh.), mhd. dı¯a¯ken, ahd. diacan, mndd. diacen, mndl. diaken. Ist entlehnt aus kirchen-l. dia¯conus, dieses aus gr. dia¯´konos ’Diener’. Nachträglich wurde es wieder genauer an den lateinischen Lautstand angeglichen. Femininform mit abweichender Bedeutung: Diakonisse. Ebenso nndl. diaken, ne. deacon, nfrz. diacre, diacoon, nschw. diakon, nisl. diakon. – DF 4 (21999), 488–492; Siegert (1950), 58f.; LM 3 (1986), 940–943; EWNl 1 (2003), 563.

diakritisch Adj ’der Unterscheidung dienend’ per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus gr. diakritiko´s, zu gr. diakrı¯´nein ’trennen’, zu gr. krı¯´nein ’schichten, trennen’ und gr. dia-. Zu dessen Sippe s. ÞKrise. Ebenso nndl. diacritisch, ne. diacritic(al), nfrz. diacritique.

Dialekt Sm ’Mundart’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. dia-

lectus f., dieses aus gr. dia´lektos ’Unterredung, Redeweise, Mundart’, zu gr. le´gein ’sprechen, zählen, berechnen’ und gr. dia´ ’auseinander, entzwei, anders’. Gleichzeitig mit der Entlehnung wird das Ersatzwort ÞMundart gebildet. Um der Verwechslung mit ÞDialektik zu entgehen, wird das Adjektiv dialektisch mehr und mehr durch dialektal ersetzt. Ebenso nndl. dialect, ne. dialect, nfrz. dialecte, nschw. dialekt, nnorw. dialekt. Zur Sippe von gr. le´gein ’zählen, reden’ s. ÞLogik. – DF 4 (21999), 492–496; HWPh 2 (1972), 164; EWNl 1 (2003), 564.

Dialektik Sf (ein Argumentationsverfahren) per. fach.

Diamant’, aus gr. ada´mas. Dieses ist in der Bedeutung ’Diamant’ wohl eine Entlehnung, die volksetymologisch auf gr. damna´nai ’bezwingen’ und gr. a- bezogen wird (’unbezwingbar’). Vor der wissenschaftlichen Analyse der Neuzeit stehen allegorische und abergläubische Deutungen von Eigenschaften der Metalle und Mineralien im Vordergrund − so auch hier die Eigenschaft der sehr großen Härte. Der sich in den romanischen Sprachen entwickelnde Wortanfang dia- dürfte auf einer volksetymologischen Anlehnung an gr. diaphaı´nein ’durchscheinen’ beruhen, mit der eine Abgrenzung von der Bedeutung ’Metall’ erreicht wird. Die Variante Demant ist wohl ursprünglich niederdeutsch. Ebenso nndl. diamant, ne. diamond, nfrz. diamant, nschw. diamant, nnorw. diamant. S. auch ÞDemant. – Lüschen (1979), 201f.; LM 3 (1986), 967; EWahd 1 (1988), 50f.; DF 4 (21999), 511–516; EWNl 1 (2003), 564f.

diametral Adj ’gegensätzlich, entgegengesetzt’ per.

fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus spl. diametra¯lis ’zum Durchmesser gehörig’, zu l. diametrus ’Durchmesser’, dieses aus gr. dia´metros, zu gr. me´tron ’Maß’ und gr. dia´ ’durch’. Der Durchmesser eines Kreises verbindet die weitestmöglich voneinander entfernten Punkte (im Gegensatz zu einer Kreissehne). Ebenso nndl. diametraal, ne. diametrical, nfrz. diame´tral, nschw. diametral, nnorw. diametral; ÞMeter. – EWNl 1 (2003), 565.

Diapositiv Sn ’durchsichtige Fotografie zum Projizie-

ren auf Leinwände usw.’ erw. fach. (20. Jh.). Neubildung zu gr. dia´ ’durch, hindurch’ und Þpositiv. Das Positiv zeigt das wirkliche, positive Bild, im Gegensatz zum Negativ, das Licht- und Farbwert umkehrt. Meist abgekürzt als ÞDia.

(12. Jh., kontinuierlich seit dem 16. Jh.). Entlehnt aus l. (ars) dialectice¯, dieses aus gr. dialektike¯´ (te´chne¯), zu gr. dia´lektos m. ’Unterredung (usw.)’, zu gr. diale´gestEbenso nndl. diapositief, ne. diapositive, nfrz. diapositive, hai ’sich unterreden, sprechen’, zu gr. le´gein ’sprenschw. diapositiv, nnorw. diapositiv. – EWNl 1 (2003), 561. chen, reden, sammeln’ und gr. dia-. Vom Mittelalter Diarium Sn ’Tagebuch’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus bis zum 18. Jh. versteht man unter Dialektik die l. dia¯rium, zu l. die¯s m./f. ’Tag’. (Schul-)Logik. Adjektiv: dialektisch. Ebenso ne. diary, nschw. diarium; ÞDiäten. – DF 4 (21999), Ebenso nndl. dialectiek, ne. dialectic, nfrz. dialectique, nschw. dialektik, nisl. dı´alektı´k; ÞDialekt. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 388; HWPh 2 (1972), 164–226; LM 3 (1986), 944–946; DF 4 (21999), 496–505.

Dialog Sm ’Zwiegespräch’ std. (14. Jh., Form 18. Jh.).

516–518.

Diarrhöe Sf ’Durchfall’ per. fach. (18. Jh.). In der me-

dizinischen Fachsprache entlehnt aus gr. dia´rroia ’Durchfall’, eigentlich ’Durchfließen’ zu gr. dia´’durch’ und gr. re´o¯ ’fließe’.

Entlehnt aus l. dialogus, dieses aus gr. dia´logos, eigentEbenso nndl. diarree, ne. diarrhoea, nfrz. diarrhe´e, nschw. dilich ’Gespräch’, zu gr. diale´gesthai ’sich unterreden, arre´, nnorw. diare´. Zur gr. Sippe s. ÞRheuma. – DF 1 (1913), 142; sprechen’, zu gr. le´gein ’sprechen, reden, sammeln’ EWNl 1 (2003), 565. und gr. dia-. Zunächst in lateinischer Form entlehnt, Diaspora Sf ’(Lebensraum einer) konfessionellen bzw. dann − unter Einfluss von frz. dialogue − eingeethnischen Minderheit’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt deutscht. aus kirchen-l. diaspora, dieses aus ntl.-gr. diaspora´ Ebenso nndl. dialoog, ne. dialogue, nfrz. dialogue, nschw. dia(ursprünglich ’die außerhalb Judäas lebenden Julog, nnorw. dialog. Zur Sippe von gr. le´gein ’zählen, reden’ s. den’), eigentlich ’Zerstreuung, Ausstreuung’, zu gr. ÞLogik. – DF 4 (21999), 505–511; HWPh 2 (1972), 226–229; LM 3 diaspeı´rein ’zerstreuen, ausstreuen’, zu gr. speı´rein (1986), 946–965; EWNl 1 (2003), 564. ’ausstreuen, säen’ und gr. dia´ ’durch, auseinander, Diamant Sm std. (13. Jh.), mhd. dı¯emant, dı¯amant[e]. entzwei’. Ist entlehnt aus afrz. diamant, dieses aus ml. diamas (-antis), zu l. adama¯s (-antis) (bzw. adimant) ’Stahl,

Ebenso nndl. diaspora, ne. diaspora, nfrz. diaspora. Zu dessen Sippe s. ÞSperma. – DF 4 (21999), 518–520; EWNl 1 (2003), 565.

Diät

198 Diät Sf ’Schonkost’ std. (13. Jh.). Entlehnt aus l. diaeta,

dieses aus gr. dı´aita, eigentlich ’Lebensweise, Lebensunterhalt’. Das allgemeine Wort für die Lebensart wird seit Hippokrates medizinisch als Bezeichnung für eine besondere, schonende Lebensart und die damit verbundene Ernährung verwendet. Ebenso nndl. dieet, ne. diet, nfrz. die`te, nschw. diet, nnorw. diett. Das griechische Wort ist eine Rückbildung zu gr. diaita´omai ’sich ernähren, sich aufhalten’; dieses zu gr. aı´nymai ’greifen, nehmen’ und gr. dia´ ’auseinander, durch’, also eigentlich ’die Verteilung’; ÞDiäten. – Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 177; DF 4 (21999), 520–525; HWPh 2 (1972), 231f.; EWNl 1 (2003), 567.

von dicht ausreichend erklären können, vgl. besonders air. te´cht ’geronnen’ (das dem germanischen Wort genau entspricht), lit. ta´nkus ’dicht’, avest. taxma- ’fest, dicht’; die Wurzel ist also ig. *tek- ’gerinnen, zusammenfahren’ (mit Nasalierung). Die Kürze im Neuhochdeutschen beruht auf einer niederdeutschen Kürzung vor Doppelkonsonanz, die sich im Neuhochdeutschen durchgesetzt hat. Abstraktum: Dichte. Ebenso nndl. dicht, ne. tight (unregelmäßiger Anlaut), nschw. tät, nisl. þe´ttur. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞTon 1; Þgedeihen, Þdichten 1, ÞTang. – Röhrich 1 (1991), 318; Heidermanns (1993), 619f.; EWNl 1 (2003), 565.

Diäten Spl ’Tagegelder (von Abgeordneten)’ erw. fach.

dichten1 Vsw ’dicht machen’ std. (15. Jh.). Zu Þdicht. (15. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Entlehnt aus ml. dieta f. Konkretum: Dichtung1 ’Abdichtung’. ’Tagung’. Dieses entweder als Entlehnung aus dem dichten2 Vsw ’ein sprachliches Kunstwerk verfasGriechischen (ÞDiät) l. diaeta ’Lebensart’ und falsch sen’ std. (9. Jh.), mhd. tihten, ahd. dihto¯n, mndd. auf l. die¯s f./m. ’Tag’ bezogen oder (unregelmäßig) dichten, mndl. dichten ’den Text eines Schriftstücks aus diesem gebildet. Zunächst ’Tagung’, dann verfassen, dichten’. Wie afr. dichta ’abfassen’, ae. dih’Tagegeld, Aufwandsentschädigung’. Gleichzeitige tan ’anordnen’, anord. dikta ’etwas auf Latein abfasBildungen wie Diätengelder ’Versammlungsgelder’ sen’ entlehnt aus l. dicta¯re ’etwas zum Aufschreiben (aus dem das Wort in der späteren Bedeutung vielvorsagen’, einem Intensivum zu l. dı¯cere ’sagen’. leicht gekürzt ist) zeigen das Benennungsmotiv. Dichter , belegt seit dem 12. Jh., ist zunächst kein häuÞDiarium, ÞDiät, ÞJournal, Þjovial. – DF 4 (21999), 525–527. figes Wort (mhd. tihter, ticht¢re); erst seit es im 18. Jh. dibbern Vsw ’reden’, besonders ’leise auf jmd. einreals Verdeutschung von Poet durchgesetzt wird, hat es den’ per. grupp. (15. Jh.). Übernommen aus dem Rotim Deutschen einen festen Platz. Abstraktum: welschen und den Händlersprachen. Aus wjidd. dibDichtung2 ’sprachliches Kunstwerk’; Kollektivum: bern, dabbern aus der hebräischen Wurzel da¯bar Gedicht. ’sprechen’. Ebenso nndl. dichten, ne. dight, nschw. dikta, nisl. dikta. Zur dich Pron std. (8. Jh.), Akkusativ zu du Mhd. dich, ahd.

Sippe von l. dı¯cere ’sagen’ s. Þdiktieren; zur germanischen Ver-

wandtschaft s. Þzeihen. – Maas, A. ZDW 6 (1904/05), 233–298; dih. Dieser Form entspricht sonst nur anord. þik und Ernout, A. REL 29 (1959), 155–161; Soetemann, C. FS Hamae. (angl.) þec; das Gotische weicht im Vokal ab (þuk), merich (1962), 271–280; RGA 5 (1984), 376–392; Röhrich 1 und den anderen Sprachen fehlt der konsonantische (1991), 318f.; LM 3 (1986), 975; EWahd 2 (1998), 641–644; GärtAuslaut (ae. þe; afr. thi, as. thi). Die einfache Form g. ner, K. in: Wortfeld (2006), 67–81; EWNl 1 (2003), 565f. *þe geht auf das undifferenzierte ig. *te zurück, die dick Adj std. (8. Jh.), mhd. dic(ke), ahd. dicki, as. thikki verstärkende Partikel ig. *-ge findet sich außer im f. ’Dicke’. Aus g. *þeku- Adj. ’dick’ (mit diesem LautGermanischen noch im Hethitischen und (in selbansatz ist wohl auszukommen, obwohl die Nachfolständiger Form) im Griechischen. Das -u- im Gotigeformen Gemination und Aufhellung des Vokals vor schen (þuk) ist typisch für die volltonigen Formen. j voraussetzen; hierfür dürfte aber der Ausgleich inS. einerseits Þdu, Þdein, Þdir und andererseits Þmich. – Seenerhalb der Flexion maßgeblich gewesen sein); auch bold (1984), 36f. und 98–105. in anord. þykkr, ae. þicce. Dieses aus ig. *tegu- Adj. Dichotomie Sf ’Zweiteilung, Gegensatz’ per. fach. ’dick’, das auch gemeinkeltisch ist (air. tiug, kymr. tew (18. Jh.). Entlehnt aus gr. dichotomı´a ’Zweiteilung’, ’dick, dicht’); sonst heth. tagu- ’dick, angeschwollen’. einer Ableitung von gr. dicho´tomos ’halbiert, geteilt’, Weitere Herkunft unklar. Vielleicht zu einer nasalzu der Kompositionsform von gr. dı´cha ’entzwei, auslosen Variante der unter Þgedeihen behandelten einander’ und gr. -tomos, Nomen Agentis zu gr. Grundlage (da bei dieser Grundlage auch Auslautte´mnein ’schneiden, zerschneiden, teilen, spalten’. variation vorkommt). In diesem Fall näher zu Þdicht Ebenso ne. dichotomy, nfrz. dichotomie; ÞAnatomie, ÞAtom, gehörig. Abstraktum: Dicke. ÞFliete. – Siegert (1950), 60; HWPh 2 (1972), 232.

dicht Adj std. (13. Jh.), mhd. dı¯hte, mndd. dicht(e),

mndl. dicht(e). Aus g. *þı¯hta-/ja-, älter *þenh-t- Adj. ’dicht, dick’, auch in anord. þe´ttr ’(wasser)dicht, schwer’, ae. þı¯ht (selten) ’fest’. Vermutlich abgeleitet von g. *þı¯h-a- aus *þenh-a- ’gedeihen’. In der Sippe dieses Verbs kommen Bedeutungen wie ’gerinnen, zusammenziehen’ vor, die die besondere Bedeutung

Ebenso nndl. dik, ne. thick, nschw. tjock, nisl. þykkur; Þgedeihen, Þdicht, ÞDickicht. – Röhrich 1 (1991), 319f.; Heidermanns (1993), 617f.; Neu, E. HS 108 (1995), 1–5; EWahd 2 (1998), 624–626; EWNl 1 (2003), 574f.

Dickicht Sn std. stil. (17. Jh.). Aus dem Adjektiv fnhd.

dickicht ’dicht, undurchdringlich’ substantiviert und als Kollektiv auf Þ-icht 1 nach dem Muster von ÞRöhricht u.a. aufgefasst. Ähnlich in der Bedeutung

Dienstag

199

schon früher bezeugtes Dickung ’dichtes Gebüsch’, beides jägersprachlich (Dickung noch heute). Zugrunde liegt das Adjektiv Þdick ’dick, dicht’ und seine Abstraktbildung mhd. dicke f. ’dichtes Gebüsch’.

Die hochsprachlich übliche Bedeutung ’Flur’ ist vom Westniederdeutschen ausgegangen. Im einzelnen sind Abgrenzung und Zusammenstellung aber unsicher.

Benware, W. A. BGDSL-T 101 (1979), 343.

Ebenso nndl. deel, nschw. tilja, nisl. þil. – Nörrenberg, E. WF 1 (1938), 326–357; LM 3 (1986), 1003; Gobber, G. (1995), 145–147; EWahd 2 (1998), 644–647; EWNl 1 (2003), 532.

Dickkopf Sm std. (16. Jh., Bedeutung 17. Jh.). Zunächst

ein Possessiv-Kompositum zur Bezeichnung von Tieren mit dickem Kopf (etwa Kaulquappen). Dann in Dieme Sf (Diemen m.) ’Strohhaufen’ per. ndd. (14. Jh.), einem ähnlichen Bild wie bei halsstarrig übertragen mndd. dime. Vermutlich eine Lautvariante zu auf eigensinnige Personen; schließlich auch für ÞFeim(en) gleicher Bedeutung (vgl. die Lautverhält’Eigensinn’ (er hat einen Dickkopf). nisse bei Þfinster), mndd. vim(m)e, vine m. Weiter einerseits mit Kürze zu as. aran-fimba f. ’GetreideEbenso nschw. tjockskalle. haufen’, andererseits zu ahd. wituvı¯na f. ’Scheiterdidaktisch Adj ’das (gute) Lehren betreffend’ erw. fach. haufen’, ae. wudu-fı¯n f. ’Holzhaufen’. Einzelheiten (18. Jh., Didaktik 17. Jh.). Entlehnt aus gr. didaktiko´s und weitere Herkunft unklar. ’zum Lehren geeignet’, zu gr. dida´skein ’lehren’, einem Kausativum zu gr. dae˜nai ’lernen’. Abstraktum: Didaktik; Täterbezeichnung: Autodidakt. Ebenso nndl. didactisch, ne. didactic(al), nfrz. didactique, nschw. didaktisk, nnorw. didaktisk. – HWPh 2 (1972), 233–235; Knecht, J. AB 28 (1984), 100–122; DF 4 (21999), 527–531; EWNl 1 (2003), 567.

die Art/Pron Þder. Dieb Sm std. (8. Jh.), mhd. diep, ahd. diob, thiob, as.

Schmitt, L. E. BGDSL 72 (1950), 299–301.

dienen Vsw std. (8. Jh.), mhd. dienen, ahd. diono¯n, thi-

ono¯n, as. thionon. Aus g. *þewa-no¯- Vsw. ’dienen’, auch in anord. þjo´na, afr. thia¯nia; vielleicht Ersatz für älteres *skalki-no¯- in gt. skalkinon gleicher Bedeutung und entsprechender Herkunft (zu gt. skalks ’Diener’). Denominative Durativ-Bildung zu g. *þewa- m. ’Diener’ in gt. þius, runen-nord. þewaz, ae. þe¯ow. Weiter zur Wurzel ig. *tek w- ’laufen’, vgl. lit. teku¸˜nas ’Läufer, Bote’, lett. teksnis ’Aufwärter, Bedienter’ (zu lit. teke˙´ti, lett. teceˆt ’laufen’). Genaueres s.u. ÞDirne. Adjektiv: dienlich; Präfigierung: Þbe-.

thiob. Aus g. *þeuba- m. ’Dieb’, auch in gt. þiufs, anord. þjo´fr, ae. þe¯of, afr. thia¯f. Herkunft unklar. Dieb bezeichnet im Germanischen denjenigen, der einem anderen etwas wegnimmt (oder andere Rechte beEbenso nndl. dienen, nschw. tjäna, nisl. þjo´na; ÞDemut, einträchtigt). Durch Einfluss aus dem Lateinischen ÞDiener, ÞDienst. – Darms (1978), 61–66; EWahd 2 (1998), und Griechischen, besonders im Rahmen des Chris675–679; EWNl 1 (2003), 569. tentums, wurde später unterschieden zwischen der heimlichen Entwendung (nhd. Dieb) und der gewalt- Diener Sm std. (11. Jh.), mhd. dien¢re, ahd. thiona¯ri. Nomen Agentis zu Þdienen. Die Bedeutung samen Entwendung (nhd. Räuber), vgl. l. fur und l. ’Verbeugung’ (seit dem 17. Jh.) stammt aus einen Dielatro, gr. kle´pte¯s und gr. le¯ste¯´s. Da das mit lit. ˇcia´upti ner machen ’sich wie ein Diener verbeugen’, vielleicht ’fest zusammenpressen’ im Ablaut stehende lit. ˇciu`pti unter dem Einfluss der mit Verbeugung gesproche’greifen, packen’ bedeutet (’die Finger oder die Faust nen Abschiedsformel Ergebenster Diener (u.ä.). zusammenpressen’), ist ein Ausgangspunkt ig. (oeur.) Vgl. ÞBückling 1. – Markey, T. L. FS Alinei 2 (1987), 275–289; *teup- ’zusammenziehen’ (und dann ’packen’) denkRöhrich 1 (1991), 321; EWNl 1 (2003), 568f. bar. Adjektiv: diebisch; Kompositum: Diebstahl. Ebenso nndl. dief, ne. thief, nschw. tjuv, nisl. þjo´fur; ÞDucht. – Dienst Sm std. (8. Jh.), mhd. dien(e)st m./n., ahd. diRGA 5 (1984), 405–407; LM 3 (1986), 987–997; Schlerath, B. ono¯st, as. thionost. Aus g. *þewano¯sta- m. ’Dienst’, HS 104 (1991), 224–235; Röhrich 1 (1991), 320; EWahd 2 (1998), auch in anord. þjo´nasta, þjo´nusta f., ae. þe¯onest-, mit 665–667; EWNl 1 (2003), 567f. st-Suffix zu Þdienen. Diechter Sm ÞTichter. RGA 5 (1984), 410–417; LM 3 (1986), 1003f.; Röhrich 1 (1991), Diele Sf std. reg. (8. Jh.), mhd. dil f./m., dille f., ahd.

321; Classen, A. LB 84 (1995), 18–31 (zur Semantik); EWahd 2

(1998), 679f.; EWNl 1 (2003), 569. dil(o), dilla f., dili, as. thili. Aus einer auf g. *þel- beDienstag Sm std. (13. Jh.). Die Namen der Wochentage ruhenden Wortsippe mit der Bedeutung ’Brett, Bretwurden in der Antike nach orientalischem Vorbild terboden’ (u.ä.). Hierzu anord. þil(i) n. ’Brettermit den Namen von Planeten benannt; diese wiederwand, Getäfel, Dielung’, ae. þille f. ’Diele’; e-Vokal um waren identisch mit den Namen der zugeordnehaben anord. þel n. ’Grund’, ae. þel n. ’Fußboden’ ten Götter. Von den Germanen wurde diese Namenund Formen deutscher Mundarten (Nörrenberg, gebung nachgeahmt, indem entsprechende einheis.u.). Zugrunde liegende Wörter, die auf ig. *tel- zumische Götter eingesetzt wurden. Der Dienstag war l. rückgehen und ’Boden, Fläche’ u.ä. bedeuten, sind: Martisdie¯s (vgl. frz. mardi), und mit dem römischen ai. tala- ’Fläche, Ebene’, ai. talima- n. ’Fußboden’, gr. Gott Mars wurde der g. Gott *Teiwa- (in anord. Ty´r, te¯lı´a ’Tisch, Brett, Gestell’, l. tellu¯s ’Fußboden, Erdae. Tı¯w, Tı¯(g), ahd. Ziu) gleichgesetzt. Dieser Name boden, Erde’, air. talam m./f. ’Erde’ und näher am bedeutet eigentlich ’göttlich’ und entspricht l. dı¯vus, Germanischen lit. tı`le˙s Pl. ’Bodenbretter im Kahn’.

Diesel

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er ist nahe verwandt (aber nicht identisch) mit dem Dietrich Sm ’Nachschlüssel’ std. stil. (15. Jh.). Schon im indogermanischen Namen des Himmelsgottes (gr. 14. Jh. wird der Nachschlüssel (Mit-, After-, Zeus, l. Iuppiter) und dem alten Wort für den TaghimDiebschlüssel) scherzhaft durch Männernamen bemel. Unmittelbar zu *Teiwa- gehören anord. ty´sdagr, zeichnet (gewissermaßen als ständiger Begleiter o.ä. ae. Tı¯wesd¢g, afr. tı¯esdei, tı¯esdi, ahd. zı¯estag ’Diensbenannt). So vor allem obd. Dietz, mndd. diderik, ndd. Dierk, hd. Dietrich; sonst auch Peterchen, Klaus tag’. Statt dessen wurde am Niederrhein mndd. dingesdach, dinsedach, mndl. dinx(en)dach ’Dienstag’ ge(Kläuschen) u.a. Vielleicht spielte bei Dietrich der Anbraucht, nach einem inschriftlich bezeugten g. Gott klang an ÞDieb, bei Peterchen der Gedanke an Petrus Mars Thingsus, von dem sonst aber nichts bekannt ist (mit dem Himmelsschlüssel) eine Rolle. (oder ’Tag, an dem das Thing ’Gerichtsverhandlung’ Ebenso nschw. dyrk, nnorw. dirik, dirk. – Meisinger (1924), 18. abgehalten wird’?). Dieses Wort ist die Form Luthers diffamieren Vsw ’verunglimpfen’ erw. fremd. (16. Jh.). und danach die der Hochsprache geworden, das obd. Entlehnt aus frz. diffamer, dieses aus l. diffa¯ma¯re, zu l. ÞZiestag wurde aber erst im 17. Jh. zurückgedrängt fa¯ma ’Gerede, Gerücht’, das zu l. fa¯rı¯ ’sprechen, saund lebt heute noch in den Mundarten. Wieder ein gen’ gehört, und l. dis-. anderes Wort ist bair. ÞErgetag, das aus dem GrieEbenso ne. defame. Zur Sippe von l. fa¯rı¯ ’sprechen’ s. Þfamos, chischen stammt (Are¯os he¯me´ra, nach Ares, der griezu den germanischen Entsprechungen s. ÞBann. – Jones, W. J. chischen Entsprechung zu Mars). SN 51 (1979), 255; Strauss u.a. (1989), 125–128; DF 4 (21999), Ebenso nndl. dinstag, ne. Tuesday, nschw. tisdag; Þadieu. – 531–535. Förster, M. Anglia 68 (1944), 1–3; Niekerken, W. FS Pretzel Differenz Sf ’Unterschied’ erw. fremd. (13. Jh.). Ent(1963), 376f.; Pfister (1980), 78–84 (Wochentagsbezeichnunlehnt aus l. differentia, einem Abstraktum zu l. differre gen allgemein); Kruijsen, J., Mooijman, E. FS Alinei 1 (1986), ’sich unterscheiden; auseinandertragen’, zu l. ferre 384f., 393–397; EWahd 2 (1998), 627–629; EWNl 1 (2003), 578f. ’tragen’ und l. dis-. Verb: differieren; Adjektiv: Diesel Sm (besonderer Kraftstoff), Motor für diesen, Þindifferent. Auto mit einem solchen Motor erw. fach. (20. Jh.). Ebenso ne. difference, nfrz. diffe´rence, nschw. differens, nnorw. Der von Rudolf Diesel entwickelte Hochdruck-Verdifferanse. Zu dem zugrunde liegenden l. ferre ’tragen’ gehören brennungsmotor wird nach ihm benannt (Dieselals Präfigierungen Þofferieren, Þreferieren, Þtransferieren, konMotor), ebenso der für diesen Motor erforderliche ferieren, präferieren mit den Abstrakta ÞPräferenz, ÞKonferenz, Kraftstoff (Diesel-Öl) und danach Autos, die mit Referenz; ein altes Wurzelnomen ist ÞLuzifer, weiter abliegend sind ÞConfe´rencier (frz.), ÞFortüne (frz.), ÞFrett(chen) (ml.) einem Dieselmotor fahren. und ÞFurunkel. Zur griechischen Verwandtschaft s. EWNl 1 (2003), 571. ÞMetapher, zur germanischen Þgebären. Zum Suppletivdieser Pron std. (8. Jh.), mhd. diser (dirre), disiu, ditze stamm l. tuli s. ÞGeduld, zum Suppletivstamm l. la¯tum s. (diz), ahd. deser, desiu, diz(i), as. these, thius, thit. Das ÞPrälat. – Schirmer (1912), 15; DF 4 (21999), 535–548; HWPh 2 verstärkt demonstrative Pronomen wurde im Vor(1972), 235f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 255; LM 3 (1986), 1041f.; deutschen durch das einfache Pronomen ausgeEWNl 1 (2003), 572f.

drückt, an das eine Partikel -si gehängt wurde. Urdiffizil Adj ’schwierig’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus sprünglich wurde dabei das Pronomen, nicht aber die frz. difficile, dieses aus l. difficilis, zu l. facilis ’leicht, Partikel flektiert (letzter Rest im Althochdeutschen: bequem’ und l. dis-, zu l. facere ’machen, tun’. Zu desse [ Gen. Sg.] im Muspilli); danach trat die Flexion dessen Sippe s. Þinfizieren. ans Ende dieses Gebildes und wurde im Innern aufEbenso ne. difficult, ndn. difficil. – DF 4 (21999), 548–550. gegeben. Dieser Stand (mit Flexion nur noch am Ende) ist im Deutschen (bis auf wenige Relikte) be- diffus Adj ’unklar, verschwommen, durcheinander’ erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus l. diffu¯sus reits beim Beginn der Überlieferung erreicht. Vgl. afr. ’ausgebreitet, sich weit erstreckend’, dem PPP. von l. this, thius, thit; ae. þes, þeos, þis; altnordisch nur in ’ausgießen, ausströmen lassen’, zu l. fundiffundere einzelnen Formen, z.B. þessa (Gen. Sg. m.). Die Verdere ’gießen, fließen lassen’ und l. dis-. allgemeinerung des i-Vokalismus im Deutschen ist Ebenso nndl. diffuus, ne. diffuse, nfrz. diffus, nschw. diffus, früh und beruht wohl auf analogischer Ausbreitung. Ebenso nndl. deze, ne. this. – Rosenfeld, H.-F. FF 29 (1955), 172–178; EWahd 2 (1998), 608–617; EWNl 1 (2003), 561, 588.

diesig Adj ’dunstig’ std. reg. (18. Jh.). Aus der nieder-

nnorw. diffus; Þkonfus, ÞFusion, ÞInfusion, ÞFondue. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þgießen. – EWNl 1 (2003), 573.

digital Adj ’in Ziffern darstellbar’ per. fach. (20. Jh.).

Entlehnt aus ne. digital ’Ziffern betreffend’ (nur in deutschen Seemannssprache. Ndd. disig, nndl. dial. phraseologischen Zusammenstellungen), zu ne. digit dijzig, ndn. diset, nschw. disig gehen auf ndn. dis oder ’Ziffer’, aus l. digitus ’Finger (zum Zählen)’. nordfr. (amrum) dı¯s ’Dunst’ zurück, vgl. mndd. disEbenso nndl. digitaal, nfrz. digital, nschw. digital, nnorw. diinge ’Nebelwetter’. Ohne klare Anschlussmöglichkeit. gital. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 229; Carstensen 1 Vielleicht mit Nasalschwund und Ersatzdehnung aus (1993), 359–361; DF 5 (2 1999), 553–555; EWNl 1 (2003), 573. g. *þemsa- ’dunkel’ (mit Variante *þemza-?) zu der in Diglossie Sf ’situationsabhängiger Gebrauch von verÞDämmer und Þfinster vorliegenden Grundlage. schiedenen Sprachen’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus Heidermanns (1993), 619 (zu þemza-).

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Diminutiv

ngr. diglossia, zu gr. glo˜ssa ’Zunge, Sprache’ und gr. Frankreich neben England selbst) keine feste Bezeichdi-. Der Ausdruck bezeichnete ursprünglich das Nenung gab, blieb das Wort bestehen. beneinander der griechischen Sprachausprägungen Williams, G.: A Dictionary of Sexual Language and Imagery in Shakespearean and Stuart Literature (London and Atlantic Kathere´vousa (archaisierend) und Dhimotiki (moHighlands NJ 1994), 388–390, 383f.; Newman, K.: Cultural Caderne Volkssprache). In der Mitte des 20. Jhs. verallpitals (Princeton 2007), 139–151 u.ö.; EWNl 1 (2003), 575f. gemeinert zur Bezeichnung ähnlicher sprachlicher Situationen. Dilemma Sn ’Zwangslage’ erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt Ebenso nndl. diglossie, ne. diglossia, nfrz. diglossie, nschw. aus l. dile¯mma ’Doppelsatz’, dieses aus gr. dile˜mma, diglossi; ÞGlosse, Þpolyglott. zu gr. le˜mma ’Einnahme, Annahme’ aus gr. lamba´nDiktatur Sf ’Gewaltherrschaft’ erw. fach. (15. Jh.). Entein ’nehmen, ergreifen’ und gr. di-. Zunächst ein lehnt aus l. dicta¯tu¯ra, zu l. dicta¯tor (-o¯ris) m. ’BefehlsWort der Logik. Es bezeichnet eine Schlussart, bei der eine Situation der notgedrungenen Wahl zwischen haber, Diktator’, zu l. dicta¯re ’vorsagen, befehlen, vorzwei Möglichkeiten herbeigeführt wird, die beide schreiben’, einem Intensivum zu l. dı¯cere ’sagen’. nicht wünschenswert sind (Fangschluss). Dann VerNomen Agentis: Diktator; Adjektiv: diktatorisch. allgemeinerung auf schwierige Entscheidungslagen. Ebenso nndl. dictatuur, ne. dictatorship, nfrz. dictature, nschw. diktatur, nnorw. diktatur. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. dı¯cere s. Þdiktieren; zur germanischen Verwandtschaft s. Þzeihen. – HWPh 2 (1972), 245–247; GB 1 (1972), 900–924; DF 4 (21999), 558–565; EWNl 1 (2003), 566.

diktieren Vsw std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. dicta¯re,

einem Intensivum zu l. dı¯cere (dictum) ’sprechen’. Abstraktum: Diktat. Ebenso nndl. dicteren, ne. dictate, nfrz. dicter, nschw. diktera, nnorw. diktere. Eine frühere Entlehnung aus dem gleichen Wort ist Þdichten 2. Zum Grundverb l. dı¯cere ’sagen’ gehören (über das Italienische) Þbenedeien und Þvermaledeien, als PPP. Diktum ’Ausspruch’, ÞEdikt und ÞVerdikt und (über das Italienische) Þdito, als Wurzelnomen ÞIndex, als Abstrakta Diktion ’Ausdrucksweise’ und ÞKondition; als Ableitung ÞIndiz. Zu dem Intensivum l. dica¯re ’sagen’ gehören Þdedizieren und Þpredigen, als Abstraktum ÞIndikation nebst ÞIndikativ, als PPP. ÞPrädikat und ÞPredigt. Zur griechischen Verwandtschaft s. Þapodiktisch, ÞParadigma, ÞPolice und ÞSyndikat; zur germanischen s. Þzeihen. – DF 4 (21999), 565–571; LM 3 (1986), 1051f.; EWNl 1 (2003), 566.

Dildo Sm ’künstlicher Penis’ per. fach. (20. Jh.). Die Be-

Ebenso nndl. dilemma, ne. dilemma, nfrz. dilemme, nschw. dilemma, nnorw. dilemma; ÞLemma, ÞEpilepsie. – DF 4 (21999), 578–580; HWPh 2 (1972), 247f.; Röhrich 1 (1991), 321f.; EWNl 1 (2003), 576.

Dilettant Sm ’Stümper; ambitionierter Laie’ erw. fremd.

(18. Jh.). Entlehnt aus it. dilettante ’Kunstliebhaber usw.’, einer Ableitung von it. dilettare ’erfreuen, amüsieren’, aus l. de¯lecta¯re, einem Intensivum zu l. de¯licere ’an sich locken, ergötzen’, zu l. lacere ’locken’. Aus der Bezeichnung für jemand, der sich zur Kunst (usw.) hingezogen fühlt, aber keine professionelle Ausbildung dafür hat, entwickelt sich die abwertende Bezeichnung, die immer auch mangelndes Können meint. Verb: dilettieren; Abstraktum: Dilettantismus. Ebenso nndl. dilettant, ne. dilettante, nfrz. dilettant, nschw. dilettant, nnorw. diletant; ÞLasso, ÞLatz. – DF 4 (21999), 580–588; Vaget, H. R. SJ 14 (1970), 131–158; HWPh 2 (1972), 248f.; Stenzel, J. SJ 18 (1974), 235–244; Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 9 (1986), besonders Kleinknecht, Th. 147–160; EWNl 1 (2003), 576.

Dill Sm erw. fach. (8. Jh.), mhd. tille m./f., ahd. tilli, tilla zeichnung Dildo für einen künstlichen Penis ist in f., as. dilli. Aus wg. *delja- m. ’Dill’, auch in ae. dile, kurzer Zeit (Ende 20. Jh.) zu einem Internationalisnschw. dill. Daneben ae. dyle (selten), nndl. dulle, mus geworden. Das Wort ist nur im Englischen alt, mhd. tüll(e), nnorw. dylla. Am ehesten zu Dolde, das sonst überall neu. Im Englischen geht das Wort zuauch in dentallosen Formen auftritt (ahd. tola). Vielrück bis in die Elisabethanische Zeit (2. Hälfte des leicht g. *dul- ’Dolde’ und *dulja- ’Dill’ (= ’mit einer 16. Jhs.), in der es in den häufig sehr frivolen Liedern Dolde versehen’). und Gedichten ziemlich oft vorkam. Die Lautform Ebenso nndl. dille, ne. dill, nschw. dill; ÞDolde. – Trier (1952), war in der Regel dildo(e), doch gab es auch Neben56; RGA 5 (1984), 442; LM 3 (1986), 1052f.; EWNl 1 (2003), 576. formen (dildido, dildoul, dill-doll, dido); bezeichnet wurde damit in der Regel der künstliche Penis (aus Dimension Sf ’Ausdehnung, Größe’ erw. fach. (15. Jh.). venezianischem Glas oder aus Leder), teilweise aber Entlehnt aus l. dı¯me¯nsio¯, einem Abstraktum zu l. auch der Penis selbst. Das Wort ist von den damals dı¯me¯tı¯rı¯ ’ausmessen, vermessen’, zu l. me¯tı¯rı¯ (me¯nsus sehr beliebten Kehrreimen mit sexuellen Anzüglichsum) ’messen’ und l. dis-. keiten nicht zu trennen, an vielen Stellen ist ersichtEbenso nndl. dimensie, ne. dimension, nfrz. dimension, nschw. lich, dass das eigentlich sinnfreie Kehrreim-Wort als dimension, nnorw. dimensjon. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞMonat, ÞMahl 1 und Þmessen; Þimmens, Tarnwort für eine sexuelle Bezeichnung verwendet Þkommensurabel, ÞMensur; von der Parallelwurzel wurde, so steht etwa ein solches Wort in einem TextÞmeditieren, ÞMedikament, ÞMedizin. – Schirmer (1912), 15; stück eindeutig für ’Vagina’ (’the hair on her diddyDF 4 (21999), 588–594; EWNl 1 (2003), 576f. di-dum’). Auf ein solches Wort muss auch dildo(e) Diminutiv (auch Deminutiv) Sn ’Verkleinerungsbilusw. zurückgehen: Für ’Penis’ blieb es eine scherzdung’ per. fach. (17. Jh., Form 18. Jh.). Entlehnt aus l. hafte Variation; für den künstlichen Penis, für den es (no¯men) dı¯minu¯tı¯vum, de¯minu¯tı¯vum, zu l. de¯minu¯tı¯auch in den Sprachen der Herkunftsländer (Italien,

Dimmer

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vus, dı¯minu¯tı¯vus ’vermindernd’, zu l. de¯minuere ’vermindern, schmälern, schwächen’, zu l. minuere ’kleiner machen’ und l. de-, zu l. minus ’weniger, kleiner’ (zu dessen Sippe s. Þminus). Zunächst mit lateinischer Endung, dann endungslos. Ebenso nndl. diminutief, ne. diminutive, nfrz. diminutif, nschw. diminutiv, nnorw. diminutiv.

Dimmer Sm ’Helligkeitsregler’ per. fach. (20. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. dimmer, einem Nomen Instrumenti zu ne. dim ’dämpfen, verdunkeln’, zu ne. dim ’dunkel’ aus ae. dim. Ebenso nndl. dimmen, nisl. dimma. – Heidermanns (1993), 151f.; Carstensen 1 (1993), 362; EWNl 1 (2003), 577.

DIN Ptkl erw. fach. (20. Jh.). Seit 1917 Abkürzung für

Deutsche Industrie-Norm. Dann verselbständigt in DIN-Format u.ä. Heute (seit 1975) auch für Deutsches Institut für Normung. Diner Sn ’festliches Essen’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt

aus frz. dıˆner m., einer Ableitung von frz. dıˆner ’essen’, aus afrz. disner, aus früh-rom. *disieiu¯na¯re, eigentlich ’mit dem Fasten aufhören’, zu l. ie¯iu¯nus ’nüchtern’ und l. dis-. Verb: dinieren. Ebenso nndl. diner, ne. dinner, nschw. dine´, nnorw. diner. – DF 4 (21999), 594–597; Höfler, M. ZRPh 84 (1968), 301–308; EWNl 1 (2003), 577.

Ding Sn std. (8. Jh.), mhd. dinc, ahd. ding, thin(g), as.

ÞTeiding, ÞThing, Þverteidigen. – Karg-Gasterstädt, E.: Althochdeutsch ’thing’ – neuhochdeutsch ’Ding’ (Berlin 1958) (= BVSAW 104,2 [1958]); HWPh 2 (1972), 249–251; RGA 5 (1984), 443–465; LM 3 (1986), 1058–1063; Röhrich 1 (1991), 322f.; EWahd 2 (1998), 649–653; EWNl 1 (2003), 577.

dingen Vst ’in Dienst nehmen’ erw. obs. (8. Jh.), mhd.

dingen Vstsw, ahd. dingo¯n Vsw., as. thingon. Aus g. *þeng-o¯- (auch andere Stammbildungen) Vsw. ’eine Versammlung abhalten, einen Vertrag abschließen’, auch in anord. þinga, ae. þingian, afr. thingia, abgeleitet von ÞDing. Da das Verb wie ein starkes Verb der III. Klasse aussah, bekam es im 17. Jh. starke Formen. Die Bedeutung ist vielfältig: ’ein Thing abhalten (beraten, prozessieren, einklagen)’ − ’einen Vertrag abschließen (Frieden schließen, in seine Gewalt bringen, brandschatzen − verhandeln, etwas vermachen, sich verdingen / einstellen, feilschen)’. S. auch ÞLeibgedinge. – EWahd 2 (1998), 653–655; EWNl 1 (2003), 576.

dingfest Adj nur in der Wendung jemanden dingfest

machen = ’festnehmen’ erw. obs. phras. (19. Jh.). Archaisierende Zusammensetzung des 19. Jhs. mit ÞDing in der alten Bedeutung ’Gericht’ und Þfest, vielleicht nach dem Vorbild von älterem jemanden handfest, dingpflichtig machen. S. auch Þhandfest.

Dings Sm (Dingsbums n., Dingsda m./f./n.) ’Ersatzwörthing. Lässt sich zunächst auf g. *þenga- n. ’Übereinter für etwas, das der Sprecher nicht nennen will oder kommen, Versammlung, Thing’, auch in anord. þing, dessen Name ihm gerade nicht einfällt, auch für Ortsae. þing, afr. thing, zurückführen. Für die heutige Benamen’ std. stil. (16. Jh.). Umgangssprachliche Ausdeutung ist von einer Bedeutungsverschiebung ’das, drücke, die letztlich auf den Genetiv von ÞDing zuwas auf dem Thing verhandelt wird, Gerichtssache’ rückführen (-bums für ’irgendeine Lautung’); es ist auszugehen, die wie bei ÞSache oder bei frz. chose f. aber nicht klar, in welchem Umfang regionale Bil’Sache’ (aus l. causa f. ’Gerichtssache’) zu einer stardungen auf -s (wie bei ÞKlecks usw.) mitgewirkt haken Bedeutungsverallgemeinerung (’Gegenstand’) ben. geführt hat. Daneben steht gt. þeihs n. ’Zeit’, das zu EWNl 1 (2003), 578. einem gemeinsamen Ausgangspunkt g. *þengaz- n. Dinkel Sm ’Weizenart’ erw. fach. (9. Jh.), mhd. dinkel, ’Zeit’ oder ’Festsetzung’ führen könnte (also einem ahd. dinkil, thinkil. Herkunft unklar. In Ortsnamen neutralen s-Stamm, im Gotischen ohne grammativerbreitet. Nebenformen tünkel, tunkel. schen Wechsel; die Bedeutung ist entweder ’Zeit’ und Bertsch (1947), 39–49; RGA 5 (1984), 466–468; EWahd 2 ’Zeit der Versammlung’ oder ’Festsetzung’ und (1998), 657f. ’festgesetzte Zeit’). Die Möglichkeiten der Herleitung sind nicht eindeutig: auf der einen Seite könnte ver- Dinosaurier Sm (ein Urzeit-Tier) erw. fach. (19. Jh.). 1841 von R. Owen gebildet aus gr. deino´s ’gewaltig, glichen werden mir. te´chtae ’gesetzmäßig, vorgefurchtbar’ und gr. sau˜ros m. ’Eidechse’ (schon etwas schrieben’, mir. te´chtae n. ’Rechtmäßigkeit’ aus (ig.) früher ne. megalosaurus ’große Eidechse’); die En*tenktjo- oder *tnktjo-, das zu der Bedeutung ’Thing’ ˙ wohl mit der Wurzel von gedeihen dung Þ-ier zur Anpassung an das Deutsche, da das passen würde und nach Verlust der lateinischen Endung entstehende zusammenhängt (die sehr wahrscheinlich auf ig. *Saur lautlich unbequem gewesen wäre. *tek- + Nasalierung zurückführt). Auf der anderen Ebenso ne. dinosaur, nfrz. dinosaurien, nschw. dinosaurie, Seite könnten Wörter für ’Zeit’ verglichen werden: nnorw. dinosaur. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 231; Lockair. tan f. und l. tempus n. (bei Annahme verschiewood (1995), 119f.; EWNl 1 (2003), 578. dener Wurzelerweiterungen) − diese sind am ehesten zu ig. *ten- ’dehnen, spannen’ zu stellen. Eine sichere Dioptrie Sf ’Maßeinheit für die Stärke von optischen Entscheidung und Abgrenzung ist bis jetzt nicht Linsen’ (besonders wichtig bei Brillengläsern und möglich. Adjektiv: dinglich. Kontaktlinsen) erw. fach. (19. Jh.). Für die Bestimmung der Stärke von Brillengläsern (allgemein von Ebenso nndl. ding, ne. thing, nschw. ting, nisl. þing; Þallerdings, Þbedingen 1, Þbedingen 2, Þdingen, Þdingfest, ÞDings, Linsen, noch allgemeiner ’von optischen Systemen’,

direkt

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Ebenso nndl. difteritis, ne. diphtheria, nfrz. diphte´rie, nschw. wodurch auch das Auge einbezogen wird) wurde alldifteri, nnorw. difteri. – Rauch (1995), 144–146, 150; EWNl 1 gemein der Grad ihrer Brechung (Brechwert) zu der (2003), 573. betreffenden Maßeinheit in Beziehung gesetzt. Mit Diphthong Sm ’Zwielaut’ erw. fach. (14. Jh.). Entlehnt der Einführung des Meters als Längenmaß wurde aus l. diphthongus f. (zu ergänzen: syllaba ’Silbe’), dieauch die Maßeinheit für den Brechwert von Linsen vereinheitlicht und Dioptrie genannt (dpt = 1 geteilt ses aus gr. dı´phthongos zu gr. phtho´ngos ’Ton’ und gr. durch den Abstand des Brennpunktes, gemessen in di-, zu gr. phthe´ngesthai ’tönen’. Metern). Die Bezeichnung ist genommen von der Ebenso nndl. diftong, ne. diphthong, nfrz. diphthongue, nschw. diftong, nnorw. diftong. Bezeichnung der ’Brechungslehre’, frz. dioptrique (französisch, da die Festlegung der Maße in FrankDiplom Sn ’Urkunde’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. reich erfolgte). Dieses Wort wiederum ist gebildet zu diplo¯ma, dieses aus gr. dı´plo¯ma, eigentlich ’Gefaltegr. dio´ptra ’Winkelmesser, Höhenmesser’ u.ä., Intes, Gedoppeltes’, zu gr. diplo´os, diplou˜s ’doppelt’ und strumentalbildung zu gr. dio´psomai ’klar sehen, ungr. di-. Das Wort dient zunächst zur Bezeichnung terscheiden’ (zu gr. dia- ’durch’ und der Wurzel jeder Art von Gedoppeltem (z.B. ein Doppelgefäß), *ok w- ’Auge, sehen’). auch zur Bezeichnung des gefalteten (= ’gedoppelS. ÞOptik. – EWNl 1 (2003), 579. ten’) und versiegelten offiziellen Briefes; dann verliert sich das Benennungsmotiv. Vor allem in ZusammenDioxin Sn ’Schweres Gift, das in leichteren Dosen setzungen auch ’Abschlussprüfung, die durch ein Krebs, Missbildungen und Chlorakne hervorrufen Diplom bestätigt wird’. kann’ erw. fach. (20. Jh.). Dioxin ist eigentlich eine Sammelbezeichnung mehrerer chemischer Stoffe, die Ebenso nndl. diploma, ne. diploma, nfrz. diploˆme, nschw. diplom, nnorw. diplom. S. ÞDiplomat und für die lateinische als Nebenprodukte chemischer HerstellungsvorgänEntsprechung Þdoppelt. – DF 4 (21999), 603–609; EWNl 1 ge entstehen. In das öffentliche Bewusstsein getreten (2003), 580. sind diese Stoffe einerseits durch Umweltskandale beim Austreten solcher Stoffe in chemischen Fabri- Diplomat Sm ’Vertreter eines Staates’ erw. fach. ken (Soveso-Gift), andererseits als unerwünschter Be(19. Jh.). Entlehnt aus frz. diplomate, einer Rückbilstandteil von Lebensmitteln. Ihre eindeutige chemidung aus frz. diplomatique ’die (internationalen) Ursche Bezeichnung ist PCDD = Polychlor-dibenzodikunden betreffend’; deshalb ’jemand, der für die inoxine. Der Name Dioxin ist gebildet aus Dioxid (Oxid ternationalen Verträge zuständig ist’ mit anschlie= Verbindung von Sauerstoff mit einem weiteren Eleßender Bedeutungsverallgemeinerung. Da das ment, Dioxid = eine solche Verbindung, bei der zwei Adjektiv und seine Ableitungen zugleich in der alten Sauerstoffatome beteiligt sind) mit dem Element -in, Bedeutung fortbesteht, sind die formal zusammendas ungefähr ’entstanden aus, herzuleiten aus’ bedeugehörigen Wörter z.T. von unterschiedlicher Bedeutung oder mehrdeutig (Diplomatik ’Urkundenlehre’, tet, aber keine einheitliche Funktion hat (s. ÞAnilin, ÞHeroin, Þ-in 2). Bei der Bildung ist dabei der Wortdiplomatisch 1. ’die Urkunden betreffend, buchstaausgang von Dioxid unterdrückt worden (wie das bei bengetreu’, 2. ’für die internationalen Verträge zuChemikern üblich ist). ständig, geschickt im Verhandeln’). Abstraktum: Diplomatie. EWNl 1 (2003), 580.

Diözese Sf ’Amtsgebiet eines katholischen Bi-

Ebenso nndl. diplomaat, ne. diplomat, nfrz. diplomate, nschw. diplomat, nisl. diplo´mat; ÞDiplom. – DF 4 (21999), 609–616; EWNl 1 (2003), 580f.

schofs’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. dioece¯sis, eigentlich ’Haushaltung, Verwaltung’, aus gr. dioike¯sis, zu gr. dioikeı˜n ’verwalten, einrichten’, zu gr. oikeı˜n dir Pron std. (8. Jh.). Dativ zu du. Mhd. dir, ahd. dir; dazu vermutlich mit Abfall des auslautenden -z as. ’haushalten, wohnen’, zu gr. oı˜kos m. ’Haus, Wohnthi, afr. thi, ae. þe, anord. þe´r, die auf g. *þez führen, haus’. Ursprünglich Begriff der Verwaltung, der dann während gt. þus ein g. *þuz voraussetzt. Vermutlich in den kirchlichen Bereich übergeht. ist die Form mit u die ursprünglich volltonige, die mit Ebenso nndl. diocees, ne. diocese, nfrz. dioce`se, nnorw. dioces; -e- die ursprünglich nebentonige; doch kann die ÞÖkologie, ÞÖkonomie, ÞÖkumene. – Siegert (1950), 61; LM 3 Form mit -e- auch auf sekundäre Angleichung an die (1986), 1097–1099; DF 4 (21999), 600–602; EWNl 1 (2003), 579. Form der 1. Singular beruhen. Ausgangspunkt ist die Diphtherie Sf ’Halsbräune’ (eine Krankheit) erw. fach. undifferenzierte ig. Form *te-, an die ein sonst in die(19. Jh.). 1821 benennt der französische Arzt Bretonser speziellen Funktion nicht bezeugtes -s trat. neau die Halsbräune als diphtheritis zu gr. diphthe´ra

S. einerseits Þdu, Þdein, Þdich und andererseits Þmir. – See’gegerbte Haut’ (und dem ’Krankheitssuffix’ Þ-itis) bold (1984), 44–46 und 98–105. nach den Belägen, die bei dieser Krankheit auf den Schleimhäuten auftreten. Im Französischen wird frz. direkt Adj std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. dı¯re¯ctus (eigentlich: ’gerade ausgerichtet’), dem PPP. von l. dı¯rigere diphthe´rite umgestaltet zu frz. diphthe´rie, das dann (dı¯re¯ctum) ’ausrichten’, zu l. regere ’lenken, leiten’ auch ins Deutsche übernommen wird. und l. dis-.

Direktor Ebenso nndl. direct, ne. direct, nfrz. direct, nschw. direkt, nnorw. direkte. Zur Sippe von l. regere s. Þregieren; ÞDirektor, Þdirigieren. – DF 4 (21999), 616–623; EWNl 1 (2003), 581.

Direktor Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus spl. dı¯re¯ctor

’Lenker, Leiter’, Nomen Agentis von l. dı¯rigere ’richten, lenken’. Teilweise neben der französischen Entsprechung Direkteur. Femininum: Direktrice (veraltet); Abstraktum: Direktion; Kollektivum: Direktorium. Ebenso nndl. directeur, ne. director, nschw. direktör, nnorw. direktør; Þdirekt, Þdirigieren; für die Sippe von l. regere ’lenken’ s. Þregieren. – DF 4 (21999), 623–632; EWNl 1 (2003), 581.

dirigieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. dı¯rigere, zu l.

regere ’lenken, leiten’ und l. dis-. Zunächst mit allgemeiner Bedeutung, heute praktisch eingeschränkt auf die Leitung eines Chors oder Orchesters. Nomen Agentis: Dirigent; das Adjektiv dirigistisch (mit Dirigismus) ist allgemeiner und deutlich abwertend (’reglementierend’). Ebenso nndl. dirigeren, ne. direct, nfrz. diriger, nschw. dirigera, nnorw. dirigere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. regere ’lenken’ s. Þregieren; Þdirekt, ÞDirektor. – DF 4 (21999), 632–642; EWNl 1 (2003), 581f.

Dirndl Sn ÞDirne. Dirne Sf erw. obs. (8. Jh.), mhd. diern(e), dirn(e), ahd.

204

tung lebendig. Das Diminutiv bair. ÞDirndl auch für eine in Bayern übliche weibliche Tracht (wohl gekürzt aus Dirndlkleid). Ebenso nndl. deern, nschw. tärna, nisl. þerna. – Ross, A. S. C. Proceedings of the Leeds Philosophical and Literary Society 5 (1939), 113–124; Karg-Gasterstädt, E. BGDSL 66 (1942), 308–326; Mezger, F. MLN 57 (1942), 432f.; Peeters, Ch. IF 81 (1976), 29f.; Nowicki, H. ZDA 106 (1977), 83–87; Wittmann (1982), 9–30; Hamp, E. P. IF 88 (1983), 93f.; Markey, T. L. FS Alinei 2 (1987), 275–289; EWahd 2 (1998), 681–684; EWNl 1 (2003), 534; Kochskämper (1999), 35–53.

dis- Präfix (bringt eine Verneinung zum Ausdruck, z.B.

in diskontinuierlich, Disproportion) erw. bild. (–). Das Präfix wurde vornehmlich in lateinischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung ist l. dis-. − Vor /f/ lautet die Form dif- (z.B. ÞDifferenz), in manchen französischen Entlehnungen erscheint es als de(s)- (z.B. desinteressiert). Þde-. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þzer-. – Lenz (1991); EWNl 1 (2003), 582f.

Disagio Sn ’Abschlag, um den der Kurs hinter dem

Nennwert zurücksteht’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus it. disaggio m. Dieses aus it. aggio ’Betrag über dem Nennwert’ und Þdis-. Ebenso nndl. disagio, ne. disagio, nnorw. disagio. Das italienische Wort stammt aus gr. (byz.) alla´gion (gr. allage¯´ ’Tausch’). – Schirmer (1911), 46.

diorna, as. thiorna. Aus g. *þewerno¯ f. ’Jungfrau’, auch Diskant Sm ’höchste Stimmlage oder Tonlage’ per. fach. in anord. þerna. Unter Umständen ist das Wort ur(14. Jh.), mhd. discant[e]. Ist entlehnt aus ml. discansprünglich nur deutsch und die nordische Form aus tus, eigentlich ’Gegenstimme’, zu l. cantus ’Singen, dem Niederdeutschen entlehnt. Der Diphthong ist Gesang’ und l. dis-, zu l. canere ’singen’. So benannt im Deutschen vor Doppelkonsonanz gekürzt. Morals eine höhere, frei kontrapunktierende Gegenstimphologisch kann es sich um eine der seltenen Ableime zum Cantus firmus. tungen auf g. *-ern- zu Nominalstämmen handeln Ebenso nndl. discant, ne. descant, discant, nschw. diskant, (wie gt. widuwairna ’Waise’ zu gt. widuwo ’Witwe’); nnorw. diskant. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. canere die Grundlage müsste dann das Wort für ’Diener’ ’singen’ s. ÞChanson. sein, das unter Þdienen besprochen wird. Da Dirne Diskette Sf ’magnetisierbare Kunststoffscheibe zur aber in der alten Zeit ’Jungfrau’, und nicht ’DieneSpeicherung von Daten’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt rin’ bedeutet, müsste auch für g. *þewa- eine andere aus ne. diskette, das sich im Englischen aber nicht Bedeutung als ’Diener, Knecht’ vorausgesetzt wer(gegenüber floppy [disk]) durchgesetzt hat. Gebildet den. Semantisch entspricht am genauesten lit. nu´ozu ne. disk ’Platte, Scheibe’, dieses aus l. discus m. taka ’Braut, Mädchen im heiratsfähigen Alter’, lit. te’Scheibe’, aus gr. dı´skos m. S. auch ÞDiskjockey, ku¸˜te˙ ’Braut’ (und weitere Wörter für ’heiraten’: lit. ÞDiskothek, ÞDisko, ÞDiskus. tuo˜kti, teke˙´ti), für die Bedeutung ’Diener’ kann von Ebenso nndl. diskette, nschw. diskett, nnorw. diskett. Zur ältelit. teku¸˜nas ’Läufer, Bote’ ausgegangen werden. Währen Entlehnung s. ÞTisch. – Carstensen 1 (1993), 374; EWNl 1 rend sich das Maskulinum nun ohne weiteres an lit. (2003), 585. teke˙´ti ’laufen, rinnen’ und damit an die Wurzel idg. Diskjockey Sm ’jmd., der Platten präsentiert’ per. fach. *tek w- ’laufen’ anschließen lässt, sind die Bedeutungs(20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. diskjockey, einer Zuzusammenhänge beim Femininum nicht klar. Versammensetzung aus ne. disk ’Platte, Scheibe’ und ne. mutlich ist zu der verbalen Bedeutung ’aufgehen, entjockey ’Handlanger, Fahrer, Reiter’. Das Wort discjospringen’ (vgl. auch heth. watkuzzi ’entspringt’ aus ckey erschien zuerst 1941 in der Zeitschrift Variety. w *wo-tk -ti) eine nicht mehr bezeugte adjektivische Zuvor gab es den am.-e. record jockey für den RadioBedeutung ’jung, frisch’ gebildet worden, auf die die Ansager, der eine Platten-Auswahl ansagt. Heute Bedeutung ’Jungfrau, junges Mädchen’ zurückgeht. meist abgekürzt als D. J. In der Hochsprache ist das Wort weitgehend als HüllEbenso nndl. discjockey, ne. disk jockey, nfrz. disc-jockey, wort zu der Bedeutung ’Prostituierte’ abgesunken. In nschw. diskjockey, nnorw. disc jockey; ÞDiskette, ÞJockey. – den Mundarten ist es z.T. noch in der alten BedeuRandle, W. ASp 37 (1962),72f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 231; Carstensen 1 (1993), 367f.; EWNl 1 (2003), 585.

205 Disko Sf ’Ort für Tanzveranstaltungen von Jugendli-

chen’ erw. grupp. (20. Jh.). Wohl aus dem amerikanischen Englischen, obwohl das Wort, wie das zugrunde liegende frz. discothe`que ’Schallplattensammlung; Ort, wo Schallplatten abgespielt werden’ (ÞDiskothek) offenbar in Paris entstanden ist (zu e. disc ’Schallplatte’ s. ÞDiskus). Die amerikanische Form erschien zuerst 1964 im Playboy.

dispensieren tungsverschlechterung durch Einengung auf ’aus der (eigenen) Gruppe aussondern’. Abstraktum: Diskriminierung. Ebenso nndl. discrimineren, ne. discriminate, nfrz. discriminer, nschw. diskriminera, nnorw. diskriminere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. cernere ’unterscheiden’ s. ÞKonzern; Þkriminell. – Strauss u.a. (1989), 128–132; DF 4 (21999), 666–669; EWNl 1 (2003), 584.

Ebenso nndl. disco, ne. disco, nfrz. disco, nschw. disco, nnorw. Diskurs Sm ’Abhandlung, Unterhaltung, Erklädisco. – Russell, I. W. ASp 40 (1965), 142f.; Rey-Debove/Garung’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. discursus gnon (1988), 231; Carstensen 1 (1993), 368–371. ’Erörterung, Mitteilung’, eigentlich Auseinanderlau-

Diskont Sm ’Vorzinsen’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus

it. disconto, dieses zu ml. discomputare ’abrechnen, abziehen’ analog zu it. conto ’Rechnung’. In der älteren Zeit noch mit der italienischen Form Diskonto gebraucht. Ebenso nndl. disconto, ne. discount, nschw. diskont, nnorw. diskonto. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. puta¯re s. Þamputieren; ÞComputer, ÞSkonto. – DF 4 (21999), 644–648.

fen, zu l. discurrere (discursum) ’auseinanderlaufen, ausbreiten, mitteilen, erörtern’, zu l. currere ’laufen, rennen’ und l. dis-. Adjektiv: diskursiv. Ebenso nndl. discours, ne. discourse, nfrz. discours, nschw. diskurs, nnorw. diskurs. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. currere ’laufen’ s. Þkonkurrieren. – Strauss u.a. (1989), 601–605; DF 4 (21999), 669–675; EWNl 1 (2003), 583.

Diskus Sm ’Wurfscheibe’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt

aus l. discus, dieses aus gr. dı´skos, zu gr. dikeı˜n ’werfen’ (*dik-sko-, vielleicht nach einem sko-Prädung zu ne. disk ’Schallplatte’ und gr. the¯´ke¯ ’Behältsens). nis’ nach dem Muster von ÞBibliothek; ausgehend Ebenso nndl. discus, ne. discus, nfrz. disque, nschw. diskus, von Paris. Zunächst Bezeichnung für ein Behältnis nnorw. diskos; ÞDiskette, ÞTisch. – EWNl 1 (2003), 584. für Platten bzw. eine Plattensammlung (so offenbar schon früher in it. discoteca), dann übertragen auf diskutieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. discutere, eigentlich ’zerlegen’, zu l. quatere (quassum) ’Ort, wo man Schallplatten hören kann, Lokal mit ’treiben, stoßen, schütten’ und l. dis-. Abstraktum: Tanzmusik von der Platte’. Heute überwiegend nach amerikanischem Vorbild gekürzt als ÞDisko. Diskussion; Adjektiv der Möglichkeit: (in)diskutabel.

Diskothek Sf ’Tanzlokal’ erw. fach. (20. Jh.). Neubil-

Ebenso nndl. diskotheek, ne. discotheque, nfrz. discothe`que, nschw. diskotek, nisl. disko´tek; ÞDiskette, ÞDiskjockey, ÞTheke. – Russell, I. W. ASp 40 (1965), 143; Carstensen 1 (1993), 375; DF 4 (21999), 648–651; EWNl 1 (2003), 583.

Diskrepanz Sf ’Missverhältnis’ erw. fremd. (16. Jh.).

Entlehnt aus l. discrepantia, einem Abstraktum zu l. discrepa¯re ’nicht übereinstimmen, im Widerspruch stehen’, eigentlich ’schlecht zusammenklingen’, zu l. crepa¯re ’lärmen’ und l. dis-. Ebenso nndl. discrepantie, ne. discrepancy, nschw. diskrepans, nnorw. diskrepans; Þkrepieren. – DF 4 (21999), 654–656; Jones, W. J. SN 51 (1979), 255f.; EWNl 1 (2003), 584.

diskret Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. discret

’verschwiegen’, dieses aus l. discre¯tus ’abgesondert, unterschieden’, dem PPP. von l. discernere ’unterscheiden’, zu l. cernere (cre¯tum) ’unterscheiden’ und l. dis-. Abstraktum: Diskretion. Wichtig ist vor allem die negierte Form indiskret, Indiskretion. Ebenso nndl. discreet, ne. discreet, nschw. diskret, nnorw. diskret. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. cernere ’unterscheiden’ s. ÞKonzern. – DF 4 (21999), 656–666; Jones, W. J. SN 51 (1979), 256f.; EWNl 1 (2003), 583f.

diskriminieren Vsw ’herabwürdigen, schlechter behan-

Ebenso nndl. discussi¡ren, ne. discuss, nfrz. discuter, nschw. diskutera, nnorw. diskutere. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þschütten; ÞKasko, ÞSquash. – Hilgers, A. J. W.: Debatte (Diss. Bonn 1960); HWPh 2 (1972), 262; DF 4 (21999), 675–680; EWNl 1 (2003), 584f.

disparat Adj ’nicht zueinander passend’ per. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus l. dispara¯tus, dem adjektivischen PPP. von l. dispara¯re ’absondern, trennen’, zu l. para¯re ’gleichmachen’ und l. dis-, zu l. pa¯r ’gleich’. Ebenso nndl. disparaat, ne. disparate, nfrz. disparate, nschw. disparat. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. para¯re ’bereiten’ s. Þparat. – DF 4 (21999), 680–683.

Dispatcher Sm ’jemand, der für die zentrale Lenkung

und Kontrolle des Arbeitsablaufs in der Produktion und im Verkehrswesen verantwortlich ist’ per. fremd. (20. Jh.). In der DDR gebräuchlich gewordene und semantisch ausgeweitete Entlehnung aus ne. dispatcher ’Zuständiger für den Versand’. Ne. dispatch ’absenden, zu Ende bringen’ ist aus it. dispacciare ’absenden’ entlehnt, dessen Herkunft nicht mit ausreichender Sicherheit zu bestimmen ist. Ebenso ne. dispatcher, nfrz. dispatcher. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 233; Carstensen 1 (1993), 375.

deln’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. discrı¯mina¯re, dispensieren Vsw ’befreien’ per. fach. (13. Jh.). Entlehnt eigentlich ’abtrennen’, einer Ableitung von l. discrı¯aus ml. dispensa¯re ’Freiheiten gewähren’, aus l. dismen (-minis) ’das Trennende, der Unterschied, der pe¯nsa¯re ’zuteilen, genau abwägen’, zu l. dispendere ’auswägen, zuteilen’, zu l. pendere (pe¯nsum) ’wiegen, Abstand’, zu l. discernere ’unterscheiden, trennen’, zu l. cernere (cre¯tum) ’scheiden’ und l. dis-. Die Bedeuabwägen’ und l. dis-. Die Bedeutungsentwicklung

disponieren

206

Ebenso nndl. dissident, ne. dissident, nfrz. dissident. Zur Sippe geht über ’zugestehen’. Das Verb wird zunächst als des zugrunde liegenden l. sede¯re ’sitzen’ s. ÞResidenz. Ersatzkirchenrechtlicher Ausdruck entlehnt. Abstraktum: wort: Abweichler. – DF 4 (21999), 726–730; Horlitz, B. NPhM Dispens ’Befreiung von einer Vorschrift’; Konkretum: 81 (1980), 240–242; EWNl 1 (2003), 587. Dispenser (aus ne. dispenser) ’Vorratsbehälter, der zum Gebrauch passende Mengen des Inhalts freigibt’. Dissonanz Sf ’unharmonischer Zusammenklang, Unstimmigkeit’ erw. fach. (15. Jh., Form 17. Jh.). EntEbenso nndl. dispenseren, ne. dispense, nfrz. dispenser, nschw. lehnt aus l. dissonantia, einer Ableitung aus l. dissodispensera, nnorw. dispensere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. pendere ’wiegen’ s. Þsuspendieren. – DF 4 (21999), na¯re ’verworren tönen, nicht übereinstimmen’, zu l. 683–690; LM 3 (1986), 1113f.; Carstensen 1 (1993), 376; EWNl 1 sona¯re ’tönen’ und l. dis-, zu l. sonus m. ’Ton, Klang’. (2003), 585f. Zu dessen Sippe s. ÞSonate. Zunächst in lateinischer Form entlehnt, dann endungslos. disponieren Vsw ’einteilen, planen’ erw. fremd. Ebenso nndl. dissonant, ne. dissonance, nfrz. dissonance, nschw. (16. Jh.). Entlehnt aus l. dispo¯nere (dispositum), zu l. dissonans, nnorw. dissonans.Ersatzwort ist Missklang. – DF 4 po¯nere ’stellen, legen’ und l. dis-. Abstraktum: (21999), 730–735; LM 3 (1986), 1121. Disposition; Adjektiv der Möglichkeit: disponibel. Ebenso nndl. disponeren, ne. dispose, nfrz. disposer, nschw. dis- Distanz Sf ’Entfernung’ std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. dı¯stantia, einem Abstraktum zu l. dı¯sta¯re ’voneinanponera, nnorw. disponere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. ponere ’stellen, legen’ s. Þkomponieren; Þindisponiert. – Schirder weg stehen’, zu l. sta¯re ’stehen’ und l. dis-, vermer (1911), 46f.; DF 4 (21999), 690–708; HWPh 2 (1972), mutlich unter dem Einfluss von frz. distance. Verb: 262–266; EWNl 1 (2003), 586. distanzieren; Adjektiv: distanziert. Ebenso nndl. distantie, ne. distance, nschw. distans, nnorw. diDisput Sm ’Auseinandersetzung, Wortstreit’ erw. fach. stanse. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. sta¯re ’stehen’ ge(15. Jh., disputieren 12. Jh.). Entlehnt aus frz. dispute f., hören als Partizip des Präsens Þkonstant und als Abstrakta (auf einer postverbalen Ableitung von frz. disputer -ntia) Distanz, ÞInstanz, ÞSubstanz (mit ÞSubstantiv); (auf ’streiten’, dieses aus l. disputa¯re, eigentlich ’ausein-tu-) ÞStatus mit ÞStaat und ÞEtat (auch die späten Weiterandersetzen’, zu l. puta¯re (puta¯tum) ’schneiden, trenbildungen ÞStativ, ÞStatist, ÞStatistik); (auf -tio) ÞStation und nen’ und l. dis-. Verbum disputieren; Abstraktum: ÞEtage; späte Bildungen zu l. resta¯re sind ÞRest und ÞArrest, Disputation. zu l. consta¯re ÞKosten und zu spätem contra-sta¯re ÞKontrast. Ebenso nndl. dispuut, ne. dispute, nschw. dispyt, nnorw. disputt. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. puta¯re ’schneiden’ s. Þamputieren. – DF 4 (21999), 708–719; LM 3 (1986), 1116–1120; EWNl 1 (2003), 586.

Dissens Sm ’Uneinigkeit, Meinungsverschieden-

Zu entfernteren Ableitungen gehören (l. stabilis) Þstabil, Þetablieren, ÞEstablishment; (l. obstina¯re) Þobstinat; (l. sta¯gnum) Þstagnieren. Weitere Bildungen aus abgeleiteten Formationen s. unter Þexistieren (l. sistere) und ÞStatut (l. statuere). Die germanische Verwandtschaft unter Þstehen, die griechische unter ÞStatik. – Schirmer (1912), 15; DF 4 (21999), 735–744; Jones (1976), 293; HWPh 2 (1972), 267–269; EWNl 1 (2003), 587f.

heit’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. disse¯nsus, dem substantivierten PPP. von l. dissentı¯re ’verschiedener Meinung sein, nicht übereinstimmen’, zu l. sentı¯re Distel Sf std. (9. Jh.), mhd. distel m./f., ahd. distil m., ’fühlen, denken, wahrnehmen, urteilen’ und l. dis-. distila f., as. thistil m. Aus g. * þistila- m. (und andere Ebenso ne. dissent, nfrz. dissentiment, nnorw. dissens. Zur Stammbildungen), das einer plausiblen Etymologie Sippe des zugrunde liegenden l. sentı¯re ’fühlen’ s. Þsentimental. zuliebe als *þı¯hstila- angesetzt werden kann. Zu einer – Ganz (1957), 58f.; DF 4 (21999), 720–723. s-losen Variante der Wurzel *(s)teig- ’stechen’ Dissertation Sf ’Doktorarbeit’ erw. fach. (16. Jh.). Ent(Þstechen), und zwar von einem s-Stamm, wie er in lehnt aus l. disserta¯tio¯ (-o¯nis) ’Erörterung, wissenai. te´jas- n. ’Schneide, Spitze’ vorliegt. Hierzu eine tschaftliche Abhandlung’, einer Ableitung von l. disErweiterung und ein Instrumentalsuffix mit -l-. serta¯re ’auseinandersetzen’, zu l. disserere, zu l. serere Ebenso nndl. distel, ne. thistle, nschw. tistel, nisl. þistill; (sertum) ’fügen, reihen’ und l. dis-. Zunächst in der Þstechen. – LM 3 (1986), 1121–1122; EWahd 2 (1998), 691–693; allgemeineren Bedeutung des lateinischen Wortes EWNl 1 (2003), 588. verwendet; im 18. Jh. dann Einengung auf ’DoktorDistichon Sn ’Verspaar’ (in der Regel ist das elegische arbeit’. Distichon gemeint, das aus einem Hexameter und Ebenso nndl. dissertatie, ne. dissertation, nfrz. dissertation, einem Pentameter besteht) per. fach. (16. Jh.). Entnschw. dissertation, nnorw. dissertas. Zur Sippe des zugrunde 2 lehnt aus l. distichon, -um, dieses aus gr. dı´stichon, zu liegenden l. serere ’fügen, reihen’ s. Þinserieren. – DF 4 ( 1999), gr. dı´stichos ’zwei Zeilen habend, zweizeilig’, zu gr. 723–726; EWNl 1 (2003), 587. sticho´s f. ’Reihe, Linie’ und gr. di-, zu gr. steı´chein Dissident Sm ’Abweichender, Andersdenker’ per. fach. ’schreiten, gehen’. (16. Jh.). Entlehnt aus l. disside¯ns (-entis), dem PPräs. Ebenso nndl. distichon, ne. distich, nfrz. distique. Zur germavon l. disside¯re ’getrennt sein, anders denken, eigentnischen Verwandtschaft s. Þsteigen. lich voneinander getrennt sitzen’, zu l. sede¯re (sessum) Distinktion Sf ’Unterscheidung, Auszeichnung’ per. ’sitzen’ und l. dis-. Gemeint sind zunächst religiös fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. distı¯nctio (-o¯nis), zu l. Andersdenkende. distinguere (distı¯nctum) ’absondern, trennen, abtei-

Division

207

len’, das zu l. *stinguere ’stechen’ gebildet ist und l. Dittchen Sn ’kleine Münze’ per. arch. omd. (16. Jh.), dis-. Adjektive aus dem zugrundeliegenden Verb sind fnhd. düttgen, ndd. düttke. Entlehnt aus poln. dudek m. ’Wiedehopf’, das als spöttische Bezeichnung der distinguiert und distinkt(iv) (für dieses beginnt der fachsprachlich linguistische Gebrauch bei den englipolnischen Dreigroschenmünze verwendet wurde, schen Phonetikern des 19. Jhs.). da diese einen Adler als Wappentier enthielt. Ebenso nndl. distinctie, ne. distinction, nfrz. distinction, nschw. distinktion, nnorw. distinksjon; ÞInstinkt, Þstimulieren. – DF 4 (21999), 744–752; McMillan, J. B. ASp 45 (1970), 289 (distinktiv); HWPh 2 (1972), 271f.; LM 3 (1986), 1127–1129; EWNl 1 (2003), 193.

Distribution Sf ’Verteilung’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt

aus l. distribu¯tio, zu l. distribuere, zu tribuere ’zuteilen’ und l. dis-, zu l. tribus ’Bezirk’. Ebenso nndl. distributie, ne. distribution, nfrz. distribution, nschw. distribution, nnorw. distribusjon. Zur Sippe von l. tribuere s. ÞTribut. – DF 4 (21999), 752–757; EWNl 1 (2003), 588.

Diva Sf ’gefeierte Künstlerin’ erw. fremd. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus it. diva ’die Göttliche’ (aus l. dı¯vus, dı¯va ’göttlich’, zu l. deus m. ’Gott’). Diva ist eines der aus romanischen Sprachen entlehnten Wörter, die durch Entlehnungen aus dem amerikanischen Englischen verdrängt werden (ÞStar 3). Ebenso nndl. diva, ne. diva, nfrz. diva, nschw. diva, nnorw. diva; Þadieu. – DF 4 (21999), 774–776; Burger, A. MS 76 (1966), 33–48; EWNl 1 (2003), 589.

Divan Sm ÞDiwan.

Distrikt Sm ’Bezirk’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus spl. divergent Adj ’verschieden, auseinandergehend’ per.

dı¯strictus ’Gerichtsbezirk’, dieses zu l. dı¯stringere (dı¯strictum) ’ausdehnen’, zu l. stringere ’zusammenziehen, fassen’ und l. dis-. Ebenso nndl. district, ne. district, nfrz. district, nschw. distrikt, nnorw. distrikt; Þstrikt. – DF 4 (21999), 757–759; EWNl 1 (2003), 588.

Disziplin Sf ’Zucht, Ordnung; Fach, Teilbereich’ std.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ml. divergens (-entis), Partizip von l. dı¯vergere, zu l. vergere ’sich neigen, gelegen sein, erstrecken’ und l. dis-. Das zugrunde liegende Verb ist entlehnt als divergieren; Abstraktum: Divergenz.

Ebenso nndl. divergent, divergerend, ne. divergent, nfrz. divergent, nschw. divergerand, nnorw. divergerend; Þkonvergieren. – Schirmer (1912), 15; DF 4 (21999), 776–779; EWNl 1 (2003), 589.

(12. Jh.). Entlehnt aus l. disciplı¯na ’Erziehung, Zucht’, divers Adj ’verschieden’ erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt zu l. discipulus m. ’Schüler’, das zu l. *discipere aus l. dı¯versus, PPP. von l. dı¯vertere ’auseinanderge’erfassen’ gebildet ist (zu l. capere ’fassen’, s. auch hen, voneinander abweichen’, zu l. vertere (versum) Þdis-). Wichtig für die Entlehnung ist der Begriff der ’umwenden, drehen’ und l. dis-. Hierzu das faktitive l. disciplı¯na mı¯lita¯ris, die sowohl die militärische Verb diversifizieren mit dem Abstraktum DiversifikaZucht als auch die militärische Ausbildung und das tion. damit verbundene Wissen meinte; von da dann VerEbenso nndl. divers, ne. diverse, nfrz. divers, nschw. diverse, allgemeinerung. Im 15. Jh. dann auch ’Wissennnorw. diverse. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. vertere schaftszweig, Fach usw.’ Verb: disziplinieren mit ’wenden’ s. Þkonvertieren. Zur germanischen Verwandtschaft diszipliniert; Adjektiv: disziplinär; Kompositionsform: s. Þwerden. – DF 4 (21999), 779–784; Jones, W. J. SN 51 (1979), Disziplinar-. 256; EWNl 1 (2003), 589f. Ebenso nndl. discipline, ne. discipline, nfrz. discipline, nschw. disciplin, nnorw. disiplin. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. capere ’fassen’ s. Þkapieren. – DF 4 (21999), 759–772; Mauck, O.: Der lateinische Begriff ’disciplina’ (Diss. Freiburg/Schweiz 1941); HWPh 2 (1972), 256–261; LM 3 (1986), 1130; EWNl 1 (2003), 583.

Dithyrambe Sf ’enthusiastisches Gedicht’ per. fach.

Dividende Sf ’Aktiengewinn’ erw. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. dividende m., dieses aus ne. dividend, dieses aus l. dı¯videndus m. ’das zu Teilende’, zu l. dı¯videre ’teilen, trennen’ und l. dis-. Ebenso nndl. dividend, ne. dividend, nschw. dividend, nnorw. dividende; Þdividieren. – Schirmer (1911), 47; DF 4 (21999), 784–786; EWNl 1 (2003), 590.

(16. Jh., Form 18. Jh.). Entlehnt aus l. dı¯thyrambus m., dieses aus gr. dı¯thy´rambos m. (eigentlich ein Beiname dividieren Vsw ’teilen’ erw. fach. (14. Jh.). Entlehnt aus l. dı¯videre ’teilen’. des Bacchus). Zunächst so benannt als ’Lobgesang Ebenso ne. divide, nschw. dividera, nnorw. dividere; ÞDevise, auf Bacchus’; dann verallgemeinert. Erst in lateiniÞDevisen, ÞDividende, ÞDivision. – Schirmer (1912), 16; DF 4 scher Form und als Maskulinum gebraucht, dann (21999), 786–790. eingedeutscht. Ebenso nndl. dithyrambe, ne. dithyramb, nfrz. dithyrambe, Division Sf erw. fach. (15. Jh.). In der Bedeutung nnorw. dityrambe. ’Teilung’ (als Grundrechenart) im 15. Jh. unmittelbar aus dem Lateinischen; im 18. Jh. in der Bedeutung dito Ptkl ’desgleichen, dasselbe’ erw. fremd. (15. Jh.). ’Heeresteil’ aus frz. division, eigentlich ’Abteilung’, Entlehnt aus it. detto, Partizip zu it. dire ’sagen’, aus l. dieses aus l. dı¯vı¯sio (-o¯nis) ’Teilung, Zerlegung, Ausdı¯cere (dictum), es bezeichnet also das ’bereits Gesaggeteiltes’, zu l. dı¯videre ’teilen, trennen’ und l. dis-. te’, auf das wiederholend hingewiesen wird. Ebenso nndl. dito, ne. ditto, nnorw. ditto. Zur Sippe von l. dı¯cere s. Þdiktieren. – DF 4 (21999), 753f.; EWNl 1 (2003), 589.

Ebenso nndl. divisie, ne. division, nfrz. division, nschw. division, nnorw. divisjon; Þdividieren. – LM 3 (1986), 1133; DF 4 (21999), 792f.; EWNl 1 (2003), 590.

Diwan

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Diwan Sm ’Sofa’ erw. exot. (17. Jh.). Entlehnt aus türk.

Dock Sn (Anlage zum Halten von Schiffen außerhalb divan, dieses aus pers. dı¯wa¯n (älter de¯va¯n), letztlich des Wassers) erw. fach. (18. Jh.). Aus dem Niederdeutauf eine Bedeutung ’schreiben’ zurückgehend. Die schen, mndd. docke, mndl. docke; gegebenenfalls aus dem Englischen (Wort der Küstensprachen). HerBedeutung dieser (über das Französische ins Deutkunft unklar. Daneben mndl. docke ’Wasserrinne’, für sche gelangten) Wörter ist vielschichtig: Zunächst eine Sammlung von Geschriebenem (u.a. auch Gedas ein l. *ductia ’Wasserleitung’ (zu l. du¯cere ’leiten, dichte) − in dieser Bedeutung bekannt geworden führen’) vorausgesetzt wird. Zur germanischen Verwandtschaft s. ziehen. Zu l. du¯cere s. durch Goethes West-östlichen Divan (so benannt Þproduzieren. – Kluge (1911), 187f.; Stiven (1936), 16f.; nach der Gedichtsammlung des persischen Dichters Törnqvist, N. KVNS 75 (1968), 28–30; Carstensen 1 (1993), Hafis) −, andererseits ’Schreibstube’ und ’Amtszim378; EWNl 1 (2003), 599f. mer’ und die Einrichtung eines solchen Ortes (Liegen Docke Sf ’Puppe; Klötzchen’ u.ä. per. obd. (9. Jh.), mit großen Sitzkissen) − hierzu die Bedeutung mhd. tocke, ahd. tocka, mndd. docke. Aus g. *dukko¯n f. ’Sofa’; im Deutschen nur als Exotismus in Bezug auf unklarer Ausgangsbedeutung (ungefähr ’etwas Runmorgenländische Verhältnisse (und in der Regel in des’), auch in anord. dokka ’Puppe, Mädchen’, as. der alten Schreibung ÞDivan). Ebenso nndl. divan, ne. divan, nfrz. divan, nschw. divan, nisl. dokka, ae. finger-docce f./m. (?) ’Fingermuskel’. Keine dı´van. – DF 4 (21999), 794–796; Littmann (1924), 75, 88f.; Lonaheliegende Vergleichsmöglichkeit. Vor weiteren kotsch (1975), 42; LM 3 (1986), 1137f.; Kiesler (1994), 172; Anknüpfungen muss die Ausgangsbedeutung im EWNl 1 (2003), 589. Germanischen geklärt werden. ÞDogge. – Lühr (1988), 226f. Döbel Sm ÞDübel. Dogge Sf (Hunderasse) erw. fach. (16. Jh., Form Dobermann Sm (eine Hunderasse) per. fach. (20. Jh.). 18. Jh.). Entlehnt aus ne. dog ’Hund’, me. dogge, ae. Nach dem Züchter K. F. L. Dobermann, der die Rasse docga, zunächst in der Form (englische) Docke. Gedurch Kreuzung von Pinscher und Schäferhund entmeint waren speziell zur Hetzjagd abgerichtete Tiere. wickelte (eigentlich Dobermann-Pinscher). Später festgelegt auf bestimmte Hunderassen: die Ebenso nndl. dobermannpincher, ne. Doberman, nfrz. doberLautform mit -gg- ist niederländisch bestimmt. Ausman, ndn. dobermannpin(s)cher, nnorw. dobermann(s)pinsjer. gangsform vielleicht *dudkÑ o¯n ’Bündel’ o.ä. (zunächst doch Adv/Konj std. (8. Jh.), mhd. doch, ahd. doh, tho(h), auf den jungen Hund bezogen) und verwandt mit as. tho˘h. Aus g. *þau-h, auch in gt. þauh, anord. þo´, ae. ÞDocke. ˘ þe¯ah, afr. tha¯ch, besteht aus dem adverbialen þau, wie

es im Gotischen belegt ist (vergleichbar etwa mit ai. tu´ ’doch’) und dem enklitischen -h (gt. -uh, -h nach Vokal), das l. -que (u.a.) entspricht. Das nhd. o ist in unbetonter Stellung gekürzt. Klein, J. S. Sprache 28 (1982), 1–26, besonders 11 (Ai. tu´ wird jetzt auf das Pronomen der 2. Person Singular zurückgeführt. Falls dies richtig ist, muss die Verbindung mit doch wegen des vorausgesetzten Ablauts aufgegeben werden); vgl. Mayrhofer EWAia 1 (1992), 651 (zum Stand der Diskussion); Lühr, R. MSS 34 (1976), 77–79 (zum Germanischen); EWahd 2 (1998), 710–712; EWNl 1 (2003), 592.

Docht Sm std. (10. Jh.), mhd. ta¯ht, ahd. ta¯ht m./n. Aus g.

Ebenso ne. dog, nfrz. dogue, nschw. dogg, nnorw. dogg; ÞBulldogge, ÞHot dog. – Moeller-Schina (1969), 48; LM 3 (1986), 1162f.; Lühr (1988), 290; Markey, Th. L. JIES 11 (1983), 373–378; EWNl 1 (2003), 598f.

Dogma Sn ’verbindliche Lehrmeinung’ erw. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. dogma, dieses aus gr. do´gma, zu gr. dokeı˜n ’erwarten, meinen’. Adjektiv: dogmatisch; Täterbezeichnung Dogmatiker; Abstraktum: Dogmatik. Ebenso nndl. dog, ne. dogma, nfrz. dogme, nndl. dogma, nschw. dogm, nisl. dogma. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þdozieren; Þparadox. – Siegert (1950), 61f.; HWPh 2 (1972), 275–277; Herberger, M.: Dogmatik (Frankfurt/Main 1981); Horak, F. ZSSR-RA 101 (1984), 275–293; LM 3 (1986), 1164f.; DF 4 (21999), 796–806; EWNl 1 (2003), 599.

*þ¢ ¯ hta- m. ’Docht, Litze’, auch in anord. þa´ttr ’Litze eines Seils, Abschnitt’. In neuhochdeutschen Mundarten auch andere Suffixe: bair. da¯hen, els. do¯che, schwz. dägel. Semantisch am ehesten zu einem (ig.) Dohle Sf (ein Rabenvogel) erw. fach. (13. Jh.), mhd. ta¯le, to¯le, ta¯hele. Erweiternde l-Bildung (ins Italieni*tek- ’zusammendrehen’, das aber nur in abgelegenen sche entlehnt als it. taccola) zu mhd. ta¯he, ahd. ta¯ha Sprachen bezeugt ist: arm. t ek em ’drehen, flechten’, (8. Jh.), neben dem ae. *dawe steht; es wird also von arm. t iur (*te¯k-ro-) ’gedreht’; osset. taxun ’weben’, wg. *dagwo¯n / dahwo¯n(-¢ ¯ –) f. ’Dohle’ auszugehen osset. an-dax ’Faden’; vielleicht auch mit s-Erweitesein. Vergleichbar ist apreuß. doacke ’Star’. Weitere rung l. texere ’flechten, weben’. Der Docht wäre also Herkunft unklar. Vielleicht lautmalend. ’das Zusammengedrehte’. Der Anlaut t im AlthochEbenso ne. jackdaw. – Suolahti (1909), 185–189; LM 3 (1986), deutschen und Mittelhochdeutschen beruht auf einer 1165f. (gegen die Gleichsetzung von *tahele und mhd. ta¯le, auch sonst zu beobachtenden Weiterverschiebung to¯le); EWahd 2 (1998), 505–507 (dalle). (vgl. Þtausend); o¯ für a¯ ist in vorwiegend mündlich Dohne Sf ’Schlinge zum Vogelfang’ per. fach. (15. Jh.), überlieferten Wörtern zu erwarten. mhd. don(e), ahd. dona, as. thona. Aus wg. *þuno¯n f. Ebenso nschw. ta˚t, nisl. þa´ttur. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞText. – Eichhoff (1968), 83f. ’Zweig, Rute’, speziell ’Dohne’, auch in ae. (¢lf)þone

Dom1

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’Geißblatt’. Vergleichbar sind l. tenus n. ’Schnur mit Schlinge zum Vogelfang’, russ.-kslav. teneto n. ’Schlinge zum Vogelfang’, die zu ig. *ten- ’ziehen, dehnen, spannen’ gehören. Also etwa ’Spanner’ als Grundbedeutung. S. auch Þdehnen.

Dolde Sf ’Blütenstand’ erw. fach. (11. Jh.), mhd. dolde,

tolde, ahd. toldo m. Führt auf vd. *dulþo¯n f. ’Dolde’, neben dem dentalloses ahd. tola ’Kamm der Weintraube’ steht. Weitere Herkunft unklar; vielleicht zu gr. tha´llo¯ ’blühen, gedeihen’. ÞDill, ÞTolle. – Trier (1952), 56; LM 3 (1986), 1171.

Doktor Sm std. (14. Jh.), mhd. doctor. Ist entlehnt aus l. Dole Sf ’bedeckter Abzugsgraben’ per. fach. (9. Jh.),

doctor ’Lehrer’, zu l. doce¯re (doctum) ’lehren, unterahd. dola ’Röhre, Abzugskanal, Rinne’. Daneben mit richten’. Zunächst eine Standesbezeichnung der GeLangvokal o¯ anord. dœla ’eine Art Schiffspumpe oder lehrten, die einer Lehrtätigkeit nachgingen; als für die Ableitung für das Bilgwasser’, ahd. tuola ’Grube’. offizielle Lehrtätigkeit bestimmte Voraussetzungen Wegen der Unklarheit des Lautstands ist auch die gemacht werden, erhält die Berufsbezeichnung TitelEtymologie unklar. charakter. Mit der Einrichtung weiterer akademiS. auch ÞTülle. – EWahd 2 (1998), 712–714; EWNl 1 (2003), scher Lehrberechtigungen (z.B. dem Bakkalaureat) 595f. verliert das Wort die allgemeine Bedeutung ’HochDollar Sm ÞTaler. schullehrer’ und wird zum reinen Titel. Aus Doctor Dolle Sf ’Pflock, Ruderpflock’ per. fach. (17. Jh.). Aus medicinae entsteht die Bedeutung ’Arzt’ (weil der dem Niederdeutschen, mndd. dolle, dulle, wie in afr. Mediziner auch außerhalb der Universität praktitholl, ae. þoll m., nschw. tull m. Vielleicht liegt wegen ziert, wo die Unterscheidung der Fakultäten überder seltenen Bedeutung (und damit späten Beleglage) flüssig ist), wobei der gelehrte ’Doktor’ dem nicht Urverwandtschaft zwischen diesen Wörtern vor (g. akademisch ausgebildeten ’Arzt’ gegenübergestellt *þulla-, vielleicht mit ln-Assimilierung); vermutlich wurde. (Heute ÞArzt gegenüber Heilpraktiker). Zu ist das Wort aber von einem nicht mehr klaren Ausdem seltenen Verb doktorieren gehört das Nomen gangspunkt aus verbreitet worden. Außergermanisch Agentis Doktorand und das Abstraktum Doktorat. vergleicht sich am nächsten lit. tulı`s ’Achsnagel’ nebst Ebenso nndl. doctor, dokter, ne. doctor, nfrz. docteur, nschw. anderem weniger Klaren, das auf eine Wurzel ig. *teudoktor, nisl. doktor. Zur Sippe von l. doce¯re ’lehren’ s. ’schwellen’ zurückgeführt wird. Þdozieren, zur griechischen Verwandtschaft s. ÞDogma und Þparadox. – DF 4 (21999), 806–816; Götze (1929), 9–11; Nyström (1915), 124f. (zu Dozent); EWNl 1 (2003), 592f., 600.

Doktrin Sf ’Lehrmeinung’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt

aus l. doctrı¯na ’Belehrung, Unterricht, Lehre’, zu l. doce¯re (doctum) ’lehren, unterrichten’. Adjektiv: doktrinär. Ebenso nndl. doctrine, ne. doctrine, nfrz. doctrine, nschw. doktrin, nnorw. doktrin(e). Zur Sippe von l. doce¯re ’lehren’ s. Þdozieren; zur griechischen Verwandtschaft s. ÞDogma und Þparadox. – DF 4 (21999), 816–821; HWPh 2 (1972), 259–261; EWNl 1 (2003), 593.

Dokument Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. documen-

Dolmen Sm ’vorgeschichtliches Steingrabmal’ per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. dolmen ’vorgeschichtliches (teilweise für keltisch gehaltenes) Steindenkmal’. Dieses ist (nach Loth s.u.) von Legrand d’Aussy missverstanden aus dem Bretonischen entnommen worden: Gemeint war tol ’Tisch’ (das nach dem Artikel zu dol mutiert wird) und men ’Stein’, das aber nach dem femininen Vorderglied zu ven hätte mutiert werden müssen. Gemeint war also bret. tol-ven ’Steintisch’, das aber als solches kein übliches Wort ist. Ebenso nndl. dolmen, ne. dolmen, nfrz. dolmen, nschw. dolma.

tum, dieses aus l. documentum ’Beweis’, eigentlich – Loth, J. Revue Celtique 44 (1927), 284; RGA 5 (1984), 552f.; ’wodurch man etwas lehren, woraus man etwas EWNl 1 (2003), 602. schließen kann’, zu l. doce¯re (doctum) ’lehren, unter- Dolmetsch(er) Sm (dazu das Verb dolmetschen) std. richten, nachweisen’. Verb: dokumentieren; Abstrak(13. Jh.), mhd. tolmetsche, tulmetsche, fnhd. doltum Dokumentation; Adjektiv: dokumentarisch. metsch. Aus diesem das Nomen Agentis Dolmetscher, Ebenso nndl. document, ne. document, nfrz. document, nschw. das das ursprüngliche Wort verdrängt (tolmescher dokument, nnorw. dokument. Zur Sippe des zugrunde liegenaber schon im 13./14. Jh.). Über ung. tolma´cs oder 2 den l. doce¯re s. Þdozieren. – DF 4 ( 1999), 821–827; EWNl 1 russ. tolma´ˇc (oder einer anderen slavischen Sprache) (2003), 594. entlehnt aus türk. tilmac¸ (osmanisch-türk. dilmacˇ). Dolch Sm std. (15. Jh.), fnhd. dollich, dolken u.ä. HerDieses ist eine volksetymologische Angleichung an kunft unklar. Lautähnlich ist l. dolo, gr. do´lo¯n atürk. til ’Zunge, Sprache’ und das Suffix -mac¸, doch ’Stockdegen, Stilett’, doch bleibt die Herkunft des weist das Fehlen der Vokalharmonie auch hier auf Tektals g/ch unklar. Zur germanischen Bewaffnung Entlehnung. der Eisenzeit gehören keine Dolche. Eine Übernahme Ebenso nndl. tolk, nschw. tolk, nisl. tu´lkur. – Steinhauser von außen ist also wahrscheinlich. Präfixableitung: (1978), 63f.; RGA 5 (1984), 553–557; DF 4 (21999), 828–836. erdolchen. Dom1 Sm ’Bischofskirche’ std. (8. Jh., Form 14. Jh.), Ebenso nndl. dolk, nschw. dolk, nnorw. dolk. – RGA 5 (1984), mhd. tuom, nhd. (bis ins 18. Jh.) Thum, ahd. tuom 551; EWNl 1 (2003), 601f.

Dom2

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’Bischofskirche’, andfrk. duom. Daneben mfrz. doˆme, dessen Form auf die deutsche einwirkt und sich dann durchsetzt. Zugrunde liegt l. domus ecclesiae, eine Bezeichnung für das Wohnhaus der Priester bei einer Kirche. Die Bezeichnung wird bald eingeengt auf das betreffende Haus eines Bischofs, also eigentlich domus [ecclesiae] episcopalis. Daneben wird auch die Bischofskirche (l. domus [dei] episcopalis ’Gotteshaus des Bischofs’) so bezeichnet und schließlich zu domus gekürzt. Ebenso nndl. dom, nschw. dom, nisl. do´mkirkja. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. domus ’Haus’ s. ÞDame 1. – Kretschmer, P. ZVS 39 (1906), 539–548; DF 4 (21999), 836–838; Masser (1966), 53–70; Cubber, W. SGG 14 (1988), 58–60; EWNl 1 (2003), 602f.

Dom2 Sm ’gewölbeartige Struktur’ erw. fach. (18. Jh.).

Bezeichnung für das Kleidungsstück aus der für den Träger des Kleidungsstücks) entwickelt sich zunächst die allgemeine Bedeutung ’Mantel’; im 18. Jh. erfolgt dann eine Spezialisierung der Bedeutung auf ’schwarzseidener Maskenmantel beim Karneval in Venedig’. Das Dominospiel wird ebenfalls im 18. Jh. aus frz. domino entlehnt. Sein Name stammt vermutlich daher, dass der Gewinner sich l. dominus ’Herr’ nennen durfte. Ebenso nndl. domino, ne. domino, nfrz. domino, nschw. domino, nnorw. domino. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. domus ’Haus’ s. ÞDame 1. – DF 4 (21999), 849–851; Röhrich 1 (1991), 324; EWNl 1 (2003), 604f.

Domizil Sn ’Wohnsitz’ erw. fach. (12. Jh.). Entlehnt aus

l. domicilium ’Wohnsitz, Wohnung, Palast, Residenz’, zu l. domus f. ’Haus’.

Technisches Wort zunächst der Baukunst, das aber in Ebenso nndl. domicilie, ne. domicile, nfrz. domicile, nschw. doVerwendungen wie Himmelsdom usw. von ÞDom 1 micil, nnorw. domisil; ÞDame 1. – DF 4 (21999), 851–855; EWNl 1 aufgesogen worden ist. Entlehnt aus frz. doˆme (2003), 604. ’Kuppel’, das über spl. do¯ma n. ’Dach’ auf gr. do˜ma n. Dompfaff Sm ’Gimpel’ erw. fach. (16. Jh., Form 18. Jh.). ’Dach, Haus, Tempel’ zurückgeht. So benannt wegen des roten Federkleides mit schwarEbenso nndl. dom, ne. dome, nfrz. doˆme. – DF 4 (21999), zem Scheitel, das dem Talar und der Kappe eines 836–838. Domgeistlichen vergleichbar ist. Dem Wort Dom entDomäne Sf ’Gebiet, Staatsgut’ erw. fach. (16. Jh.). Entsprechend ist die ältere Form thumpfaff. lehnt aus frz. domaine m. ’Gut in landesherrlichem Ebenso nschw. domherre, nisl. do´mpa´pi; ÞDame 1, ÞPfaffe. Besitz’ dieses aus l. dominium n. ’Herrschaft, herrschaftlicher Besitz’, zu l. dominus m. ’Herr, Eigentü- Dompteur Sm ’Tierbändiger’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. dompteur, einem Nomen Agentis zu frz. mer’, zu l. domus ’Haus’. dompter ’zähmen’, aus l. domita¯re, einem Intensivum Ebenso nndl. domein, ne. domain, nschw. domän, nnorw. dozu l. doma¯re ’zähmen’. mene. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. domus ’Haus’ s. ÞDame 1. – DF 4 (21999), 838–840; Jones (1976), 294; LM 3 (1986), 1175; EWNl 1 (2003), 603.

Domestik Sm ’Dienstbote’ per. arch. (17. Jh.). Entlehnt

Ebenso nndl. dompteur, nschw. domptör, nnorw. domptør. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þzahm. – DF 4 (21999), 855f.; EWNl 1 (2003), 606.

aus frz. domestique, Substantivierung eines Adjektivs Donner Sm std. (9. Jh., donaron 8. Jh.), mhd. doner, toner, ahd. donar, t(h)onar, as. thunar. Aus g. *þunramit der Bedeutung ’zum Haus gehörig’, dieses aus l. m. ’Donner’ (auch ’Donnergott’), auch in anord. domesticus, zu l. domus f. ’Haus’. Mit anderer Anwenþo´rr, þunarr, ae. þunor, afr. thuner, tonger, zu einer dung der gleichen Grundlage: Domestikation Schallwurzel, die speziell auch Wörter für ’donnern’ ’Zähmung von Wildtieren, Anpassung von Wildaufweist: ig. *ten- in l. tona¯re ’donnern’, ai. tanyu´pflanzen’ mit dem Verb domestizieren. ’donnernd’, ae. þunian ’donnern’, mit s mobile ig. Ebenso nndl. domestiek, ne. domestic, nfrz. domestique, nschw. *sten- in ai. sta´nati ’donnert’, auch ai. stana´yati. Verb: domestik. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. domus ’Haus’ s. donnern; ein Donnerwetter ist ein Wetter mit Blitz und ÞDame 1. – Petitfrere, C. PSG 13 (1992), 47–71; HWPh 2 Donner, also ein Gewitter, meist in Verwünschungen (1972), 280f. (zu Domestikation); RGA 5 (1984), 589–591; DF 4 (21999), 840–843. und Flüchen benutzt. Ebenso nndl. donder, ne. thunder; Þaufgedonnert, dominieren Vsw ’beherrschen’ erw. fremd. (14. Jh.). ÞDonnerkeil, ÞDonnerstag, Þverdonnern, Þstöhnen. Zur lateiEntlehnt aus l. domina¯rı¯ ’herrschen’, zu l. dominus nischen Verwandtschaft s. Þdetonieren. – EWahd 2 (1998), ’Herr’. Adjektiv: dominant mit der Substantivierung 719–721; EWNl 1 (2003), 606f. Dominante. Donnerkeil Sm ’Blitzstrahl; Versteinerung; SteinzeitEbenso nndl. domineren, ne. dominate, nfrz. dominer, nschw. beil’ per. fach. (16. Jh.). Zusammensetzung aus dominera, nnorw. dominere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. domus ’Haus’ s. ÞDame 1. – HWPh 2 (1972), 281f.; DF 4 ÞDonner in der mittelhochdeutschen Nebenbedeu(21999), 844–849; EWNl 1 (2003), 604. tung ’Blitz’ und ÞKeil. Gemeint sind zunächst offenbar die Blitzröhren (Fulgurite), d.h. durch BlitzeinDomino Sm ’Karnevalskostüm’ per. fach. (18. Jh.). Entschlag in Sand entstandene, versinterte Röhren. Mit lehnt aus frz. domino, dieses aus it. domino (dass., diesen gleichgesetzt wurden die (entfernt ähnlich eigentlich: ’Kapuzenmantel der Mönche’), zu l. doaussehenden) Versteinerungen des Hinterteils der minus ’Herr’, zu l. domus f. ’Haus’. Aus der BezeichKopffüßler (Belemniten zu gr. be´lemnon ’Geschoss’, nung des Wintermantels der Mönche (Metonymie:

Doppeldecker

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auch für ’Hagel’ u.ä., wohl auch ’Blitz’, also offenbar dopen (meist in den Formen doping oder gedopt) Vsw ’versuchen, durch (zu diesem Zweck verbotene) Subvon der gleichen Vorstellung ausgehend); dann ausstanzen oder medizinische Praktiken (Blutaustausch) gedehnt auf die Versteinerungen von Belemniten allsportliche Leistungen zu verbessern’ erw. fach. gemein und andere ungewöhnliche Formen aus (20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. to dope, doping gleicher Stein, wie Steinzeitbeile. − Der Verwendung als Bedeutung, dieses zu am.-e. dope ’Aufputschmittel, Fluchwort liegt wie bei Donnerwetter der übertragene Gebrauch der erstgenannten Bedeutung zugrunde. Rauschgift’ (u.a.). Am.-e. dope geht auf ndl. doop zurück, das eigentlich ’Taufe’ bedeutet, aber selten auch Reitinger, J. FS Pittioni 2 (1976), 511–546 (zu Donnerkeil ’Steinzeitbeil’); Lüschen (1979) 203–205 (Donnerstein). für anderes Eintauchen und Übergießen verwendet wird, auch für die Flüssigkeiten, die dabei verwendet Donnerlittchen (Donnerlüttchen) Interj std. stil. reg. werden (diese Sonderbedeutungen sind heute nicht (19. Jh.). Eigentlich Lichtchen, vgl. opreuß. lichting mehr üblich). Das amerikanische Wort zeigt mehrere ’Blitz’, also im Gebrauch als Ausruf eine EntspreBedeutungsentwicklungen: Die erste gilt für Nahchung zu ÞDonnerwetter. rungsmittel: ’Soße’, später besonders als Überguss zu Donnerstag Sm std. (11. Jh.). Zum Prinzip der BezeichSpeise-Eis (so besonders im Norden der Vereinigten nung der Wochentage vgl. ÞDienstag. Im Fall von Staaten). Bei einer anderen scheint im Vordergrund ’Donnerstag’ liegt l. Iovis die¯s voraus (vgl. frz. jeudi), zu stehen, dass mit der Zugabe der Flüssigkeit eine also die Benennung nach dem Planeten Jupiter und besondere Wirkung verbunden ist (vielleicht abhänindirekt nach dem obersten Himmelsgott (wie gr. gig von der im Hintergrund noch bewussten Bedeuhe¯me´radio´s f.). In den germanischen Sprachen wurde tung ’taufen’: So wie der Mensch durch die Taufe ein er durch den Wetter- und Donnergott vertreten, der anderer wird, sollte auch das dope Veränderungen vermutlich bei der bäuerlichen Bevölkerung als bewirken). Nach dem American Heritage Dictionary oberster Gott galt; eine weitere Anknüpfung besteht gibt es in Amerika eine Überlieferung, dass mit dope an den Blitze schleudernden Juppiter tona¯ns zunächst die zu der ursprünglichen Rezeptur von (= ’donnernd’) der Römer. Vgl. anord. þo´rsdagr, ae. Coca-Cola gehörigen minimalen Beimischungen von þunres d¢g, afr. thunresdei, mndl. dondersdach, donKokain (aus der Koka-Pflanze) gemeint waren. Das re(s)dach, mndd. donerdach, donredach, dunredach, passt zu der weiteren Entwicklung, durch die dann mhd. donerstac, donrestac, dunrestac, ahd. donarestag. auch Coca-Cola selbst dope genannt wurde, und Bair.-österr. ÞPfinztag stammt aus dem Griechischen schließlich Cola-Getränke allgemein. Die Vorstellung und ist eigentlich der ’fünfte Tag’ (pe´mpte¯ he¯me´ra f.). von der besonderen Auswirkung eines dope bezieht Ebenso nndl. Donderdag, ne. Thursday (unter nordischem sich in den frühen Belegen dann etwa auf eine Einfluss), nschw. Torsdag, norw. Torsdag; ÞDonner, Schmiere, um Schneeschuhe besser gleiten zu lassen, ÞGründonnerstag. – Förster, M. Anglia 68 (1944), 1–3; Tayauf Zugaben zu Sprengstoffen und weiteres. Dann lor, J. W. MQ 20 (1979), 132f.; Röhrich 1 (1991), 324; EWahd 2 geht eine Entwicklung (wohl in Kriminellen-Kreisen) (1998), 722f.; EWNl 1 (2003), 607. eindeutig zu Drogen über; zunächst zu einer Art k.o.Dönse Sf ’geheizte Stube; Schrankbett’ u.a. per. ndd. Tropfen, die im Zusammenhang mit Tabak verwen(11. Jh., ndd. 13. Jh.). Im Oberdeutschen Türnitz, im det wurden, dann zu Opium, und schließlich im BeNiederdeutschen dornise (Halle) u.ä. Entlehnt aus reich des Sports auf Kokain, das den Rennpferden slav. *dvoru˘nica ’Hofstube’ zu akslav. dvoru˘ ’Hof’ eingegeben wurde (bezeugt seit der Wende zum (zuerst im Polabischen um 1700 als dwarneiz). Es 20 Jh.). Von dort aus geht es um die Anwendung von handelt sich um den geheizten Raum in slavischen Medikamenten und Drogen bei Menschen (in der Adelshäusern, der zunächst für das Grenzgebiet, Regel nun als doping bezeichnet), und in der zweiten dann auch weiter im Westen vorbildlich wurde. ZuHälfte des 20. Jhs. kommt das Wort in die internatirückgedrängt wurde das Wort vor allem durch onale Diskussion solcher Praktiken. Im Deutschen ÞStube. gehört der seltene Gebrauch von dope ’Rauschgift’ Schier, B. GS Foerste (1970), 177–197; Eichler (1965), 35f.; normalerweise in den Bereich des Drogenkonsums Bielfeldt, H. H.: Die slawischen Wörter im Deutschen (Leipaußerhalb des Sports. zig 1982), 262–274, 275–277, 279–287 (anders).

Döntje (auch Döneke) Sn ’Anekdote’ per. ndd. (19. Jh.).

Eigentlich ’kleine Erzählung, kleines Lied’ zu don ’Ton, Weise’ mit dem Diminutivsuffix. ÞTon 2.

doof Adj std. vulg. (20. Jh.). Niederdeutsche Entspre-

Ebenso nndl. dopen, ne. dope, nfrz. doper, nschw. dopa, nnorw. dope. S. Þtaufen. – Carstensen 1 (1993), 382–384; DF 4 (21999), 862–864; EWNl 1 (2003), 613f.

Doppel Sn erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. double

’Kopie’. Ebenso nndl. dubbel, ne. double, ndn. double, nnorw. double; Þdoppelt.

chung von hd. Þtaub, die in übertragener Bedeutung im 20. Jh. von Berlin aus üblich wurde. Doppeldecker Sm ’Flugzeug mit zwei Lagen von TragRöhrich 1 (1991), 324f. flächen’ erw. fach. (20. Jh.). Gebildet nach dem Vor-

doppeln bild von ÞDreidecker (und vielleicht Zweidecker), d.h. Schiffe mit mehreren Decks (Stockwerken). doppeln Vsw ’würfeln’ per. arch. (13. Jh.), mhd. toppeln,

topelen. Ist entlehnt aus mndl. dobbelen; dieses wahrscheinlich aus dem Französischen (Þdoppelt), aber mit ganz unklarer Bedeutungsentwicklung. Möglicherweise bezieht sich die Bezeichnung auf eine Form des Würfelspiels, bei dem zwei Würfel die gleiche (also doppelte) Augenzahl zeigen müssen. Ebenso nndl. dobbelen. Vgl. ÞPasch. – EWNl 1 (2003), 592.

doppelt Adj std. (14. Jh.). Entlehnt aus afrz. doble (frz.

double) aus l. duplus ’zweifältig’, zu l. duo ’zwei’. Das auslautende -t wurde offenbar von gleichbedeutendem gedoppelt übernommen. Zusammensetzungen wie Doppelpunkt bleiben ohne -t, ebenso das Verb (ver)doppeln. Ebenso nndl. dubbel, ne. double, nfrz. double, nschw. dubbel, nnorw. dobbelt. Zur Sippe von l. duo ’zwei’ s. ÞDuo. – Benware, W. A. BGDSL-T 101 (1979), 330; Röhrich 1 (1991), 325f.; EWNl 1 (2003), 639.

Dorf Sn ’Gehöft, bebautes (und umzäuntes) Land’ std.

(8. Jh.), mhd. dor, ahd. dorf, thorf, as. thorp. Aus g. *þurpa- n. (< [ig.] tr¡b-) ’Dorf, Gehöft, bebautes ˙ Land’, auch in gt. þaurp ’bebautes Land, Acker’, anord. þorp ’Dorf, Garten’, ae. þorp, þrop m. ’Dorf’, afr. thorp, therp ’Dorf’. Semantisch vergleichbar sind im Keltischen mir. treb f., kymr. tre(f) ’Haus, Dorf, Anwesen’ (denominativ mir. trebaid ’pflügt, bebaut, bewohnt’; ferner air. dı´thrub, kymr. didref ’*Undorf’ = ’Wildnis’) aus [ig.] *treb-; osk. trı´´ıbu´m ’Haus’ aus *tre¯b- und lit. troba` f. ’Haus, Gebäude’ aus *tra¯b-; morphologisch ferner steht gr. te´ramna Pl. ’Haus’, falls aus *ter¡b-no- (evtl. abzutrennendes Substratwort). Diese Bedeutungen können angeschlossen werden an kslav. treˇbiti ’reinigen, roden’ (vgl. russ. te´reb ’gerodete Stelle’, terebı´tı˘ ’roden, reinigen’), so dass für die Substantive von ’Rodung’ auszugehen ist. Die heute übliche Bedeutung ’Ansammlung von zusammengehörigen Gehöften’ entwickelte sich offenbar in neuen Siedlungsgebieten, in denen die Wohnstätten aus Sicherheitsgründen mehrere Einheiten umfassten. Die Ablautverhältnisse in der Wortsippe bleiben erklärungsbedürftig. − Der übliche Anschluss von l. trabs f. ’Baumstamm, Balken usw.’ ließe sich gegebenenfalls durch eine Bedeutungsherleitung aus ’das Ausgerodete’ oder ’das (von Ästen, Rinde usw.) Gereinigte’ vertreten; die Grundbedeutung (’Balken’ > ’Blockhaus’ > ’Dorf’ usw.) ist in diesem Wort sicher nicht zu suchen. − Offenbar von einer Bedeutung wie ’Versammlungsort’ oder ’Pferch’ ausgehend, zeigt sich bei dieser Wortsippe im Germanischen auch die Bedeutung ’Menschenmenge, Herde’, so in anord. þorp, nnorw. torp und latinisiert (Lex Alemannica) troppo, das frz. troupeau m. und frz. troupe f. ergibt (ÞTrupp). Sowohl der Anschluss an Dorf wie auch der Zusammenhang mit den franzö-

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sischen Wörtern ist aber umstritten (die konkurrierende Etymologie zieht l. turba ’Verwirrung, Menge’ heran. Adjektiv: dörflich. Ebenso nndl. dorp, ne. (vor allem in Ortsnamen) thorp. – Foerste, W. SG 16 (1963), 422–433; Bursch (1978), 235–239 (gegen den Anschluss der romanischen Wörter); Schützeichel, R. AAWG phil.-hist. III, 109 (1981), 9–36; RGA 6 (1986), 82–114; LM 3 (1986), 1266–1312; Röhrich 1 (1991), 326f.; EWahd 2 (1998), 725–730; EWNl 1 (2003), 614f.

Dorn Sm std. (8. Jh.), mhd. dorn, ahd. dorn, thorn, as.

thorn. Aus g. *þurnu- m. ’Dorn’, auch in gt. þaurnus, anord. þorn, ae. þorn, afr. thorn; entsprechend ig. *trn- (mit verschiedenen Stammbildungen) ’Spitze, ˙ Dorn’ in akslav. trı˘nu˘ ’Dorn’; ferner ai. trna´- n. ˙ ˙ die ’Grashalm’. Setzt eine Wurzel *ter- voraus, ’stechen’ bedeutet haben müsste, die aber nur in Ableitungen und nicht sehr deutlich zu fassen ist (evtl. *ster-). Adjektiv: dornig. Ebenso nndl. doorn, ne. thorn, nschw. torn, nisl. þyrnir. – RGA 6 (1986), 118f.; Röhrich 1 (1991), 327f.; EWahd 2 (1998), 731f.; EWNl 1 (2003), 611.

dorren Vsw std. (8. Jh.), mhd. dorren, ahd. dorre¯n,

t(h)orre¯n. Inchoativum zu Þdürr. Präfigierung: Þver-. EWahd 2 (1998), 734–736.

dörren Vsw std. (9. Jh.), mhd. derren, ahd. derren,

t(h)erren, mndl. dorren. Aus g. *þarz-eja Vsw. ’dörren’, auch in anord. þerra, ae. þi(e)rran; Kausativum zu g. *þers-a- Vst. ’dorren’ (Þdürr). EWahd 2 (1998), 605–607.

Dorsch Sm erw. fach. (14. Jh.). Aus dem Niederdeut-

schen (mndd. dorsch, dors[k], mndl. dorsc) in die Hochsprache übernommen. Dieses entlehnt aus anord. þorskr, eigentlich ’der zum Dörren geeignete Fisch’ zu g. *þers-a- ’dorren’ (der Dorsch wird getrocknet als Stockfisch gehandelt). Russ. treska´ ’Stockfisch, Kabeljau’ kann urverwandt oder aus dem Germanischen entlehnt sein. Ebenso nndl. dors, nschw. torsk, nisl. þorskur. – RGA 6 (1986), 119–124; EWNl 1 (2003), 615.

dort Adv std. (9. Jh.), mhd. dort, ahd. tharot, dorot, tho-

rot, as. tharod. Wie afr. thard ’dorthin’ gebildet aus g. *þar, der kurzvokalischen Variante von Þda 1 mit einem Suffix zur Bezeichnung der Richtung. Adjektiv: dortig. Moilanen, M.: Zum lokalen Gebrauch der Demonstrativadverbien da und dort (Helsinki 1973).

Dose Sf std. (14. Jh., Standard 17. Jh.). Ein ursprünglich

niederdeutsches Wort unklarer Herkunft. Vermutet wird eine Entlehnung aus gr. do´sis ’Gabe’ über ml. dosis unter der Annahme, dass Arzneigaben in einer Kapsel verabreicht wurden, so dass die Bedeutungsverschiebung von der Sache zum Behälter erfolgen konnte (ÞDosis). Unklar ist auch, ob ein Zusammenhang zu Bezeichnungen für größere Gefäße besteht (Döse ’Bottich’, ÞDese ’Waschfass’ u.ä.): die lautliche Berührung ist gegeben, die Bedeutung macht aber

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Drachensaat

Schwierigkeiten (eine Dose ist ein kleines Gefäß mit dotieren Vsw ’ausstatten, mit Geld versehen’ per. fach. Deckel). Döse usw. geht wohl auf ein slavisches Wort (14. Jh.), mhd. dotieren. Ist entlehnt aus l. do¯ta¯re für Backtrog zurück (russ. dezˇa´ usw., zu einem Wort (do¯ta¯tum), zu l. do¯s (do¯tis) ’Gabe’, zu l. dare ’geben, für ’kneten’; ÞTeig). reichen’. EWNl 1 (2003), 612.

dösig Adj ’schläfrig, benommen’ std. stil. reg. (19. Jh.,

Ebenso nndl. doteren, nfrz. doter, nschw. dotera, nnorw. dotere. Zur Sippe von l. dare s. ÞDatum. – DF 4 (21999), 869–873.

tusic 8. Jh.). Aus dem Niederdeutschen übernommen Dotter Sm (auch f./n.) std. (11. Jh., tutter-ei 9. Jh.), mhd. (mndl. dösich, ae. dysig, ne. dizzy). Etwas später auch toter, tuter m./n., ahd. totoro, toter, as. dodro. Vgl. ae. dösen ’halb schlafen’ (vgl. ne. doze). Zu Wörtern auf dydrin ’Dotter’. Vielleicht zu toch. B tute ’gelb’, sonst einer Grundlage ig. *d heus/d hwes- für ’verwirrt sein, unklar. betäubt sein’ (ÞTor 1), die vermutlich auf *d heunndl. dooier. – Heidermanns (1993), 164f.; Marzell 1 (1943), ’stieben, durcheinanderwirbeln’ zurückgehen. Die 753–757 (zu dem weiter verbreiteten Pflanzennamen Dotter); EWNl 1 (2003), 610. schon früh bezeugten obd. Formen sind offenbar alsbald untergegangen. Double Sn ’Ersatzdarsteller, Doppelgänger’ erw. fach. ÞDunst, Þram(m)dösig. – EWNl 1 (2003), 597. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. double m. ’Doppelgänger’ Dosis Sf ’zugemessene Menge, verabreichte Men(zunächst auch in dieser Bedeutung), einer Substange’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. dosis ’Gabe’, tivierung von frz. double ’doppelt’, dieses aus l. dudieses aus gr. do´sis, ti-Abstraktum zu gr. dido´nai plus, zu l. duo ’zwei’. Später (nach dem Vorbild des ’geben’. Verb: dosieren. Französischen?) auch ’Ersatzdarsteller’ (der im norEbenso nndl. dosis, ne. dose, nfrz. dose, nschw. dos(is), nnorw. malen Französischen frz. doublure heißt). dose, dosis. Zur gleichen Grundlage gehört ÞAnekdote; zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞDatum, zur slavischen ÞDatsche; ÞDose. – DF 4 (21999), 865–868; Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 177; EWNl 1 (2003), 616.

Dossier Sn ’umfängliche Akte’ per. fach. (19. Jh.). Ent-

Ebenso nndl. double, ne. double; Þdoppelt. – Röhrich 1 (1991), 328; Carstensen 1 (1993), 384f.; DF 4 (21999), 873–876.

Doyen Sm ’Ältester des diplomatischen Korps’ u.ä. per.

fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. doyen ’Dekan’ aus l. deca¯nus.

lehnt aus frz. dossier m., einer Ableitung von frz. dos Ebenso ne. doyen; ÞDekan. m. ’Rücken’, dieses aus l. dorsum. Zunächst so bedozieren Vsw ’lehren’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. zeichnet als ’ein Bündel Akten, das durch einen Umdoce ¯ re ’lehren’. Nomen Agentis: Dozent. schlag zusammengefasst ist, auf dessen Rücken der Ebenso nndl. doceren, nschw. docera, nnorw. dosere, nisl. do´Inhalt vermerkt wird’. Ebenso nndl. dossier, ne. dossier, nschw. dossie´, nnorw. dossier. – DF 4 (21999), 868f.; EWNl 1 (2003), 616.

Dost Sm ’origanum vulgare, wilder Majoran’ per. fach.

sent (’Dozent’). Zu l. doce¯re ’lehren’ gehören das Nomen Agentis ÞDoktor und die Instrumentalbildungen ÞDoktrin und ÞDokument. Zur griechischen Verwandtschaft s. Þparadox. – DF 4 (21999), 876–880; EWNl 1 (2003), 592.

(9. Jh.), mhd. doste, toste, ahd. dost(o). Die Bedeutung Drache1 Sm std. (9. Jh.), mhd. trache, tracke, drache, ist teilweise auch ’Büschel, Strauß’. Herkunft unklar. dracke, ahd. trahho. Wie anord. dreki, ae. draca entLoewe, R. BGDSL 59 (1935), 256–260; LM 3 (1986), 1328; lehnt aus l. draco (-o¯nis), das seinerseits aus gr. dra´ko¯n EWahd 2 (1998), 740f. übernommen ist. Das griechische Wort bedeutet eiDotcom Sm (aber meist als Attribut verwendet) ’Firma gentlich ’der scharf Blickende’ zu gr. de´rkomai ’ich oder Person, deren Internetadresse die Erweiterung sehe’. Das Fabeltier galt als geflügeltes Reptil mit läh.com hat; Firmen oder Personen, die sich von Intermendem Blick. Drachen als Spielzeug zum Fliegennetgeschäften großen Erfolg versprechen’ per. fach. lassen entstanden in Nachahmung chinesischer Dra(20. Jh.). Die Erweiterung .com in Internetadressen chen (die tatsächlich Drachenbilder waren). bezeichnet Firmen und entsprechende OrganisatiEbenso nndl. draak, ne. dragon, nfrz. dragon, nschw. drake, onen. Solche Adressen wurden zunächst typisch für nisl. dreki; ÞDragoner, Þdrakonisch, ÞEstragon. – Wild, F.: Firmen, die im Internet Geschäfte machten, dann für Drachen im Beowulf (Wien 1962); RGA 6 (1986), 131–137; LM 3 (1986), 1339–1346; Röhrich 1 (1991), 329–331; EWNl 1 (2003), Personen, die versuchten, mit Hilfe des Internets 619f.; Maak, H. G. ZDA 130 (2001), 66–75. große Gewinne zu machen. Als diese Entwicklung einen Absturz erlebte, wurde ’dotcom’ zu einem Drache2 Sm ÞEnterich. Symbol für Glücksritter im Internet und für unseri- Drachensaat Sf ’Zwietracht säende Äußerungen’ erw. öse Geschäfte dieser Art (Generation Dotcom, Dotcombildg. (19. Jh.). Klammerform für *Drachenzähnesaat, Boom, Dotcom-Blase usw.). E. dot bezeichnet den nach den in der griechischen Mythologie von KadPunkt als diakritisches Zeichen (i-Punkt, Dezimalmos ausgesäten Drachenzähnen, aus denen Krieger punkt usw.). Dem entspricht im Rheinischen i-Dötzerwuchsen, die sich alle (bis auf fünf) gegenseitig erchen, zunächst für ’i-Punkt’, dann scherzhafte Beschlugen. zeichnung der Schulanfänger. Das Wort kann aber Ebenso ne. dragon’s teeth, nschw. draksa˚dd, nnorw. drakes¢d. – auch allgemein (wie im Englischen und NiederlänRöhrich 1 (1991), 331. dischen) für ’kleines Kind’ gebraucht werden.

Drachme Drachme Sf ’ein Gewicht, eine Münze’ per. exot.

214 Eichhoff (1968), 80f.; RGA 6 (1986), 140–152; LM 3 (1986),

1351f.; Röhrich 1 (1991), 331f.; EWahd 2 (1998), 759f.; EWNl 1 (15. Jh.). Entlehnt aus l. drachma, dieses aus gr. drach(2003), 619. me¯´, eigentlich ’eine Handvoll’, zu gr. dra´ssomai ’ich drainieren Vsw Þdränieren. fasse, ergreife’. Auf deutsche Verhältnisse bezogen nur als Apothekergewicht. Draisine Sf (1. ein kleines Schienenfahrzeug, 2. ein VorEbenso nndl. drachme, ne. dram, drachm, nschw. drakma. Zur läufer des Fahrrads) per. arch. (19. Jh.). Neubildung germanischen Verwandtschaft s. ÞZarge. des 19. Jhs. nach dem Namen des deutschen Erfinders Dragee Sn ’mit Guss überzogene Pille’ erw. fach. Freiherr Karl Friedrich Drais von Sauerbronn. Die (16. Jh.). Entlehnt aus ml. drageia ’Zuckerwerk’, dann französische Aussprache des Wortes ist also historisch angepasst an frz. drage´e f. ’überzuckerte Früchte’ u.ä. unrichtig. Zugrunde liegt seltenes l. tragemata ’Naschwerk, drakonisch Adj ’sehr streng, übermäßig hart’ erw. Nachtisch’ (auch eine besondere Sorte Datteln), aus fremd. (18. Jh.). Ableitung von gr. Dra´ko¯n, dem ´ gr. trage¯mata Pl. ’Naschwerk, Nachtisch, besonders Namen eines altgriechischen (athenischen) Staatssüße Früchte’. Die deutschen Schreibungen haben mannes, unter dem sehr strenge Gesetze galten (vielden Anlaut tr- neben dr-. Für ’überzuckerte Pillen’ leicht nach dem Vorbild von frz. draconique). Der schon bei Paracelsus im 16. Jh. Name bedeutet eigentlich ’Drache’. Ebenso nndl. dragee, ne. drage´e, nschw. drage´. Das französische Wort ist eine Ableitung aus dem ursprünglich gallischen dravoca ’Unkraut’, speziell ’Lolch’. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 389; DEO (1982), 245; DF 4 (21999), 880f.

Dragoman Sm ’Übersetzer’ per. exot. (16. Jh.). Über it.

dragomanno, nfrz. dragoman, span. dragoman über türk. tercüman entlehnt aus arab. targˇuma¯n. Dieses aus aram. targma¯na¯ zu einem Verb mit der Bedeutung ’erläutern’. Ebenso nndl. dragoman, ne. dragoman, nschw. dragoman.

Dragoner Sm ’leichter Reiter (ursprünglich Infanterist,

Ebenso nndl. draconisch, ne. draconic, nschw. drakonisk. – DF 4 (21999), 881f.; EWNl 1 (2003), 620.

drall Adj ’stramm’ std. reg. (15. Jh., Standard 18. Jh.).

Aus dem Niederdeutschen (mndd. dral), eigentlich ’fest gedreht’, zu einem nur wenig früher bezeugten Þdrillen. Von da aus etwa im Sinn von ’stramm’ auf Personen übertragen. Gleicher Herkunft ist das Substantiv Drall, das die Drehung im gezogenen Lauf von Feuerwaffen, und danach die Drehung der Geschosse bezeichnet. Heute besonders Linksdrall usw. für die Neigung eines Fahrzeugs, nach links zu fahren. Auch übertragen auf politische Haltungen u.ä.

der sich auch zu Pferde fortbewegen kann)’ erw. fach. (16. Jh., Form 17. Jh.). Entlehnt aus frz. dragon, dieses Þdrehen, Þdrollig. – Heidermanns (1993), 623f. aus l. draco (-o¯nis) ’Drache’, aus gr. dra´ko¯n. Der deutsche Stamm auf -er ist eine nachträgliche Verdeutli- Drama Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus spl. dra¯ma ’Schauspiel’, dieses aus gr. dra˜ma, eigentlich chung (als Täterbezeichnung, älter fnhd. trachen). ’Handlung, Geschehen’, zu gr. dra˜n ’handeln, tun’. Ebenso nndl. dragonder, ne. dragoon, nschw. dragon, nisl. dra´ku´n, dra´kon. Bei frz. dragon handelt es sich ursprünglich Die Bedeutung ’tragisches Geschehen (usw.)’ ergibt wohl um die Bezeichnung einer Handfeuerwaffe, mit der diese sich aus der Verallgemeinerung des Geschehens in Truppen bewaffnet waren. Frz. dragon heißt (selten) auch Tragödien. Adjektiv: dramatisch mit dem zugehörigen ’Hahn eines Luntenschlosses, in den die Lunte eingesetzt wird’. Verb dramatisieren; Täterbezeichnungen: Dramatiker, Dazu vermutlich als Bezeichnung pars pro toto die Waffe und Dramaturg. als Metonymie die damit ausgerüstete Person. Nach anderer Ansicht handelt es sich bei frz. dragon um die Bezeichnung von Feldzeichen; ÞDrache. – DF 1 (1913), 157; Kurrelmeyer, W. PMLA 57 (1942), 421–434; Jones (1976), 297f.; Röhrich 1 (1991), 331; EWNl 1 (2003), 621f.

Draht Sm std. (9. Jh.), mhd. dra¯t, ahd. dra¯t, as. thra¯d

Ebenso nndl. drama, ne. drama, nfrz. drame, nschw. dram(a), nisl. drama; Þdrastisch. – DF 4 (21999), 882–898; HWPh 2 (1972), 289f.; LM 3 (1986), 1353–1367; EWNl 1 (2003), 622f.

dran Adv std. (14. Jh.). Kurzform von daran. Þdar, Þan, Þdraus. – Röhrich 1 (1991), 332.

’Faden’. Aus g. *þr¢¯ du- m. ’Draht’, auch in anord. Drang Sm std. (12. Jh., drangon, 9. Jh.). Erst mittelhochþra´drÑ ’Faden, Leine’, ae. þr¢ ¯ d, afr. thre¯d, eigentlich deutsch zu Þdringen gebildet, obwohl auch ältere ’der Gedrehte’ (tu-Abstraktum zu Þdrehen). Der geStufen der anderen germanischen Sprachen entsprezogene Metallfaden ist nach dem gedrehten Zwirn chende Bildungen zeigen. Auch das Kausativ drängen benannt. Draht ist seit dem 19. Jh. Ersatzwort für zu dringen ist erst mittelhochdeutsch (neben paralÞTelegraph (Drahtantwort usw.) nach den Verbinlelen Bildungen in anderen germanischen Sprachen). dungsdrähten. Hierzu drahtlos und das Verb drahten; Präfigierung: Andrang; Iterativum: drängeln; kollektivielleicht auch auf Draht sein ’schnell, geschäftstüchtig ves Abstraktum: Gedränge. sein’. Drahtzieher seit dem 18. Jh. für ’Hintermann’ − Þdrangsalieren, Þdringen, Þgedrungen. – HWPh 2 (1972), gemeint ist derjenige, der die Marionetten an Drähten 290–293; EWNl 1 (2003), 623. bewegt. Das Adjektiv drahtig geht wohl aus von der drangsalieren Vsw std. (19. Jh.). Zu Drangsal hybrid geBedeutung ’sehnig’, ist in seiner Verwendung aber bildet (neben drangsalen). Das Grundwort ist ein seit nicht eigentlich klar (vielleicht wie ndd. drähtig zudem 15. Jh. bezeugtes Abstraktum Drangsal f. (auch nächst von sehnigem Fleisch gesagt).

dreist

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n.) zu drängen (ÞDrang) mit ähnlicher Bedeutung wie Bedrängnis. dränieren (auch drainieren) Vsw ’durch Anlage eines

Röhrensystems entwässern, Flüssigkeiten ableiten’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. drainer, dieses aus ne. drain, aus ae. dreahnian ’trocknen’. Abstraktum: Drainage. Ebenso nndl. draineren. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þtrocken. – EWNl 1 (2003), 622.

Drank Sm ’Spülwasser, Schweinefutter’ per. ndd.

(20. Jh.). Eigentlich niederdeutsche Form von ÞTrank zu Þtrinken. Bezeichnet das flüssige Schweinefutter, in das Küchenabfälle usw. gegeben werden. drapieren Vsw ’in Falten legen, kunstvoll behän-

gen’ per. fach. (18. Jh.). Im Frühneuhochdeutschen entlehnt aus frz. draper, zu frz. drap ’Tuch’, dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. Abstraktum: Draperie.

germanischen Wort steht gr. sterga´nos ’Dung’, mit Auslautvariation l. stercus n. ’Dünger’, vgl. auch lit. ter˜ˇsti ’(be)schmutzen’. Adjektiv: dreckig. Ebenso nndl. drek, nschw. träck. – Hamp, E. P. NOWELE 5 (1985), 107f.; Röhrich 1 (1991), 332–334; EWahd 2 (1998), 763–765; EWNl 1 (2003), 626.

drehen Vsw std. (8. Jh.), mhd. dr¢jen, ahd. dra¯en, as.

thra¯ian. Setzt ein altes starkes Verb g. *þr¢¯ -a’drehen’ fort, das als solches nur noch in ae. þra¯wan belegt ist. Zu ig. *ter¡- ’reiben, bohren, drehen’ mit Vollstufe der zweiten Silbe; formal entspricht am ehesten gr. titra´o¯ ’ich durchbohre’ (*ti-tr¡–), semantisch am besten l. torque¯re ’drehen, verdrehen, winden’. Der gängige Bedeutungsübergang von ’drehen’ zu ’werfen’ zeigt sich im Verhältnis zu ne. throw. Ebenso nndl. draaien. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞTour; ÞDarm, ÞDraht, Þdrechseln, Þdringen, Þdrohen, Þdrall, Þdrillen, Þdrollig. – Seebold (1970), 519; Christmann, E. ZN 19 (1943), 115–119 (zu den Berufsbezeichnungen [Dreher usw.]); EWahd 2 (1998), 747–750; EWNl 1 (2003), 619.

Ebenso nndl. draperen, ne. drape, nschw. drapera, nnorw. drapere. – DF 4 (21999), 898–901; EWNl 1 (2003), 623f. drei AdjNum std. (8. Jh.), mhd. drı¯, ahd. drı¯, as. thria,

drastisch Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus gr. drastiko´s, zu

gr. dra˜n ’handeln, wirken, tun’. Zunächst nur für stark wirkende Medizin verwendet; dann Verallgemeinerung. Ebenso nndl. drastisch, ne. drastic, nfrz. drastique, nschw. drastisk, nnorw. drastisk; ÞDrama. – DF 4 (21999), 902–904; EWNl 1 (2003), 624.

dräuen Vsw per. arch. (8. Jh.). Alte Form von Þdrohen. draus (draußen) Adv std. (9. Jh.). Aus daraus, daraußen

wie dran und drin aus daran und darin. Þdar.

drechseln Vsw std. (10. Jh.), mhd. dr¢seln, drehseln. Ist

abgeleitet aus mhd. dr¢hsel, drehsel, ahd. dra¯hsil (9. Jh.) ’Drechsler’, neben dem schon althochdeutsch die Erweiterung thra¯hslari steht. Vd. *þr¢ ¯ hs- mit Nomen Agentis-Suffix -ila, neben ae. þr¢ ¯ stan ’drehen, zwingen’. Vorausgesetzt wird (ig.) *tre¯k-, zu ig. *terk- ’drehen, drechseln’; am nächsten beim Germanischen stehen der Bedeutung nach ai. tarku´’Spindel’, gr. a´traktos ’Spindel’ (a- unklar), l. torque¯re ’drehen, verdrehen, winden’. Der Lautstand des germanischen Wortes (Dehnstufe der zweiten Silbe) ist wohl an den von Þdrehen angepasst worden. Nomen Agentis: Drechsler. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞTortur; Þdrillen. – Christmann, E. ZN 19 (1943), 115–119; LM 3 (1986), 1371f. (zu den Berufsbezeichnungen [Drechsler usw.]); RGA 6 (1986), 154–171 (zur Sache); EWahd 2 (1998), 751–753.

Dreck Sm std. (12. Jh.), mhd. drec, spahd. drec, mndd.

dreck, mndl. drec. Aus g. *þrekka- m. ’Dreck, Kot’, auch in anord. þrekkr, ae. (weitergebildet) þreax ’Fäulnis’, afr. threkk. Das -kk- kann auf Assimilation von kn oder expressiver Verdoppelung beruhen. Zugrunde liegt eine Wurzel [ig.] *terg-, mit s mobile*sterg-, auch mit Auslaut k. Am nächsten zu dem

thrie, threa. Aus g. *þrej(ez) ’drei’, auch in gt. þreis, anord. þrı´r, ae. þrı¯, afr. thre¯, thria, thriu¯ (bis in mittelhochdeutsche Zeit war das Zahlwort noch flektiert); dieses aus ig. *trejes (Nom. Pl. m.) in ai. tra´yas m., gr. treı˜s, trı´a, akslav. trije m., lit. try˜s, l. tre¯s, air. trı´, vgl. heth. teri, toch. A tre m., tri f. Nach Carruba aus ig. *ter- ’darüber hinausgehend’ (Ferndeixis). Ebenso nndl. drie, ne. three, nschw. tre, nisl. þrı´r. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞTrio; ÞDrillich, ÞDrilling 1, Þdritte. – Meyer/Suntrup (1987), 214–331; Villar, F. FS Polome´ 1 (1991), 136–154; Ross/Berns (1992), 575–579, 597f., 613f.; EWahd 2 (1998), 770–775; EWNl 1 (2003), 629; Carruba, O. FS Meid (1999), 53–60.

Dreidecker Sm ÞDoppeldecker. Dreifaltigkeit Sf ’Einheit der drei göttlichen Perso-

nen’ erw. fach. (12. Jh., drı¯falt 8. Jh.), mhd. drı¯valtecheit, mndd. dre¯voldiche¯t, mndl. drı¯voudicheit. Zu mhd. drı¯valtec ’dreifältig, dreifach’ (usw.). Übersetzt l. trı¯nita¯s, das wörtlich ’Dreierleiheit’ bedeutet. LM 3 (1986), 1374–1377.

dreigen Vsw Þdringen, Þdrohen. Dreikäsehoch Sm std. stil. (18. Jh.). Scherzhafte Be-

zeichnung für ein kleines (= nicht hochgewachsenes) Kind. Vor allem im Plattdeutschen sagte man mit scherzhafter Ersetzung von Längemaßen wie Fuß oder Elle ’er ist 3 Käse hoch’ (’nicht 3 Käse hoch’, ’2 Käse hoch’). Daraus die Hypostase. Vgl. frz. haut comme trois pommes.

dreist Adj std. (13. Jh., Standard 16. Jh., as. 9. Jh.). Ur-

sprünglich niederdeutsches Wort (mndd. drı¯st), das früher weiter verbreitet war: *þristja- aus älterem *þrenh-st-ja- in as. thrı¯st(i), ae. þrı¯ste. Da es zu Þdringen gehört, ist die Ausgangsbedeutung offenbar ’zudringlich’ o.ä.. Präfixableitung: sich erdreisten; Abstraktum: Dreistigkeit.

Drell

216 Heidermanns (1993), 626f.; EWNl 1 (2003), 630.

Drell Sm ’Leinengewebe aus dreifachen Fäden’ erw.

fach. (15. Jh.). Aus dem Mittelniederdeutschen (mndd. drell[e]) übernommen. Vermutlich eine parallele Bildung zu oder unregelmäßige Kürzung aus dem unter ÞDrillich behandelten Wort. dreschen Vst std. (8. Jh.), mhd. dreschen, ahd. dreskan,

dribbeln Vsw ’den Ball mit kleinen Stößen vorantrei-

ben’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. dribble, dieses zu nndl. dribbelen ’trippeln’. Häufig substantivisch als Dribbling gebraucht. Ebenso nfrz. dribbler, nschw. dribbla, nnorw. drible. – Carstensen 1 (1993), 393; EWNl 1 (2003), 628f.

Driesch Sm ’erschöpfter Acker, der brach liegen bleibt’,

dann auch ’Weide’ u.a. per. fach. (13. Jh., in Ortsnathreskan, mndd. derschen dorschen, mndl. derscen. men bereits seit dem 8. Jh.), alem. driesch ’brach’, Aus g. *þresk-a- Vst. ’dreschen’, auch in gt. þriskan, mndd. dre¯sch, drı¯sch, mndl. driesch. Ursprünglich aschw. þryskia, ae. þerscan, wfr. terskje. Keine genaue niederländisch/niederdeutsches Wort, vgl. aber auch Vergleichsmöglichkeit. Obwohl die Bedeutung des alem. driesch ’brach’. Vermutlich als [g.] *þreutes-kagermanischen Wortes eher auf ’schlagen’ u.ä. weist, zu *þreut-a- Vst. ’ermüden, erschöpfen’. ist wohl an ig. *ter¡- ’reiben’ (u.ä.) anzuknüpfen, da Þverdrießen. – Dittmaier, H. FS Steinbach (Bonn 1960), die Bedeutungen ’reiben’, ’stampfen’, ’dreschen’, 704–726; Foerste, W. NW 6 (1966), 57–69; Bader 3 (1973), ’mahlen’ häufig eng zusammenhängen (vgl. l. terere 170–173; LM 3 (1986), 1399f. fru¯mentum ’dreschen’). Die sk-Bildungen dieser ´ Drift Sf ’durch Wind erzeugte Strömung; unkontrolSippe sind lit. tre˙ksˇti ’quetschen, pressen, melken’, lit. liertes Treiben’ per. fach. (14. Jh.). Ursprünglich nie´ tru`ˇskinti ’zerkleinern, zermalmen’, gr. titro¯sko¯ ’ich derdeutsches Seemannswort aus einem ti-Abstrakschädige, verletze’, toch. AB tra¯sk- ’kauen’. Gedrotum zu Þtreiben, also Entsprechung zu nhd. ÞTrift. schen wurde in frühester Zeit offenbar durch HerausNeuere Bedeutungen hängen in der Regel unmittelstampfen der Körner; deshalb bedeuten alte Lehnbar von ne. drift ’Strömung, Tendenz’ ab. wörter aus g. *þresk-a- im Romanischen ’trampeln, Ebenso nndl. drift, nschw. drift, nisl. drift. tanzen’ (it. trescare, prov. trescar, afrz. treschier). Einen Versuch, die romanischen Wörter aus frühdrillen Vsw ’drehen; streng ausbilden’ erw. fach. rom. *trı¯siare (zu früh-rom. *trı¯sus, Variante von l. (16. Jh.). Erst frühneuhochdeutsch bezeugt, besontrı¯tus zu l. terere) zu erklären, unternimmt H. ders niederdeutsch, auch mittelniederländisch. HierBursch. Wie weit dies für die romanischen Wörter zu schon mhd. gedrollen ’rund’. Formal kann es sich gilt, muss dahingestellt bleiben. Dass die im Germaum eine l-Erweiterung der unter Þdrehen behandelnischen gut bezeugte Bedeutung ’dreschen’ aber aus ten Wurzel ig. *ter¡- ’reiben, drehen’ handeln, doch den sehr spärlichen romanischen Ansatzpunkten ist dann das späte Auftreten des Wortes schwer zu entlehnt sei, ist kaum denkbar. Nomen Agentis: erklären. Die Bedeutung ’streng ausbilden’ wohl als Drescher. ’exerzieren lassen’ in Bezug auf die dabei auszuführenden Drehungen. Abstraktum: Drill. Ebenso nndl. dorsen, ne. thrash, nschw. tröska, nisl. þreskja; Þabgedroschen, Þdrücken, ÞTrittschäuflein. – Seebold (1970), 522f.; Bursch, H. ASNSL 213 (1976), 1–8; RGA 6 (1986), 180–184; Röhrich 1 (1991), 337–339; EWahd 2 (1998), 766–768; EWNl 1 (2003), 615.

Dress Sm ’(Sport)Bekleidung’ erw. fach. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. dress, einer Ableitung von ne. to dress ’herrichten’, dieses aus afrz. dresser, aus früh-rom. *dire¯ctia¯re, aus l. dı¯rigere ’ausrichten’, zu l. regere ’richten, lenken’ und l. dis-. Die Anwendung und Festlegung auf Sportkleidung ist nicht englisch (Sportdress ist im Englischen sportswear). Ebenso nschw. dress, nnorw. dress. Zur Sippe von l. dı¯rigere s. Þdirigieren, zu der von l. regere s. Þregieren. – Carstensen 1 (1993), 389–391; DF 4 (21999), 904–907.

dressieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus afrz. dresser,

Þdrall, ÞDrilling 2, Þdrollig. – EWNl 1 (2003), 631.

Drillich Sm ’festes Gewebe’ erw. fach. (11. Jh.), mhd.

dril(i)ch ’mit drei Fäden gewebtes Zeug’. Substantivierung des Adjektivs mhd. dril(i)ch ’dreifach’, das aus l. trilı¯x ’dreifädig’ (zu l. tri-, Kompositionsform von l. tre¯s, tria ’drei’ und l. lı¯cium n. ’Faden’) entlehnt und nach drei und -lich umgebildet ist. Die norddeutsche Entsprechung ist ÞDrell. Ebenso nndl. dril, ne. drill, nfrz. treillis, nschw. dräll, nnorw. dreil.

Drilling1 Sm std. (15. Jh., Form 16. Jh.). Unter Einfluss

von ÞZwilling im 17. Jh. aus älterem Dreiling (mhd. drı¯linc, mndd. drelink, drilink), einer Ableitung zum Numerale Þdrei, umgebildet.

Drilling2 Sm ’Triebrad (einer Mühle)’ per fach (19. Jh.). dieses aus früh-rom. *dire¯ctia¯re ’herrichten’, aus l. Wie Drillbohrer m. usw. zu drillen ’drehen’. dı¯rigere ’ausrichten’, zu l. regere (re¯ctum) ’lenken, leiten’ und l. dis-. Zunächst gebraucht für das Abrichten drin (drinnen) Adv std. (13. Jh.). Vereinfacht aus darin, darinnen. der Hunde für die Jagd. Abstraktum: Dressur. Ebenso nndl. dresseren, ne. dress, nschw. dressera, nnorw. dressere. Zur Sippe von l. dı¯rigere s. Þdirigieren, zu der von l. regere s. Þregieren. – DF 4 (21999), 907–913; Brunt (1983), 255; HWPh 2 (1972), 295; EWNl 1 (2003), 627.

Þdar, Þin, Þinnen, Þdraus.

dringen Vst std. (8. Jh.), mhd. dringen, ahd. dringan,

thringan, as. thringan. Aus g. *þrenh-a- Vst. ’drängen, dringen’, auch in gt. þreihan, anord. þryng-

Drohne

217

für Arzneimittel usw. eingeengt haben müsste. Der Versuch va, þryngja, ae. þringan, afr. ur-thringa (’verdräneiner Herleitung aus l. deroga¯re ’abschaffen, vermindern’ ist gen’). Der ursprüngliche Wechsel zwischen h im Präsemantisch nicht überzeugend. Entlehnt aus arab. turuq sens (mit Nasalschwund von -enh- zu -ı¯h-) und g ˙ ’Weg, Mittel’ (Pl. von tariq) nach Pezzi. – Littmann (1924), (-ung-) im Präteritum ist auf verschiedene Weise aus˙ 90, 152; Lokotsch (1975), 44; DEO (1982), 246f.; Pezzi, E. Bogeglichen worden: Das Gotische hat die Präsensform letin de la Asociacion Espan˜ola de Orientalistas 21 (1985), als Grundlage für ein starkes Verb der Klasse I ge225–249; LM 3 (1986), 1402–1404; Carstensen 1 (1993), 399f.; nommen, die außergotischen Sprachen haben den DF 4 (21999), 913–915. Lautstand des Präteritums und den grammatischen dröge Adj ’trocken, langweilig’ per. ndd. (16. Jh., BeWechsel durchgeführt. Vergleichbar können sein: lit. deutung 19. Jh.). Niederdeutsche Entsprechung zu tren˜kti ’kräftig schlagen, stampfen, anstoßen’ und Þtrocken, die Übertragung auf Personen in der Hochavest. θraxta- ’zusammengedrängt’ (von der sprache erst spät bezeugt. Schlachtreihe), das aber nur einmal bezeugt ist (ig. *trenk- ’stoßen, drängen’). Bedeutungsmäßig ist ein Drogerie Sf std. (16. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Entlehnt aus frz. droguerie, einer semantisch nicht festgelegten Anschluss an ig. *ter¡- ’reiben, drehen’ (Þdrehen) Ableitung aus frz. drogue ’Droge’ (ÞDroge). Früh entmöglich, doch kann dies nicht näher gestützt werden. lehnt in der Bedeutung ’Drogen’, die heutige BedeuAdjektive: dringend, (auf-, zu-)dringlich, Þgedrungen; tung ’Verkaufsstelle für ’Drogen’ und Kosmetika’ erst das Partikelverb aufdringen ist im Gegensatz zum in neuerer Zeit. Früher auf eine entsprechende BeSimplex transitiv. deutung festgelegt wird die Täterbezeichnung Ebenso nndl. dringen, ne. (Substantiv) throng, nschw. tränga; Drogist, nfrz. droguiste. ÞDrang, Þdreist, Þdrehen, Þdrohen, Þdrücken, Þgedrungen. – Seebold (1970), 520f.; Heidermanns (1993), 624; EWahd 2 (1998), 780–782; EWNl 1 (2003), 631.

Ebenso nndl. drogisterij, nfrz. droguerie, nnorw. drogeri. – DF 4 (21999), 915–917; EWNl 1 (2003), 633.

Drischel Smf ’Dreschflegel’ per. arch. (8. Jh.), mhd. dri- drohen Vsw std. (8. Jh.), mhd. dro¯n, Nebenform zu

schel, ahd. thriskil. Mit dem Instrumentalsuffix -ila-/o¯ gebildet zu Þdreschen. EWahd 2 (1998), 790.

dritte AdjNum std. (8. Jh.), mhd. drit(t)e, ahd. dritt(i)o,

thrit(t)o, as. thrida. Aus g. *þridjo¯n ’dritter’, auch in gt. þridja, anord. þridiÑ , ae. þridda, þirda, afr. thredda, thirda aus ig. *tritjo-, auch in avest. θritiia-, l. tertius und kymr. trydydd; vielleicht aus älterem *trijo- umgebildet im Anschluss an andere Ordinalzahlen, die scheinbar ein t-Suffix enthielten (das aber aus dem Auslaut einer älteren Form der Kardinalzahlen stammt). Andere Sprachen haben teils andere Ablautstufen (ai. trtı¯´ya- usw.) oder einfaches -o- statt ˙ -jo- (gr. trı´tos usw.). Ebenso nndl. derde, ne. third, nschw. tredje, nisl. þridjÑ i; Þdrei. – Röhrich 1 (1991), 339; EWahd 2 (1998), 791–794.

Drittel Sn std. (12. Jh., Form 14. Jh.), mhd. dritteil, drit-

tel. Eigentlich ’der dritte Teil’, dann lautlich abgeschwächt. Droge Sf ’Rohstoff für Heilmittel (usw.); Rausch-

gift’ erw. fach. (16. Jh., etwas älter ist in dieser Bedeutung drogeri/ei). Entlehnt aus frz. drogue (und droguerie), dessen Herkunft unklar und umstritten ist. Lokale Ableitung: ÞDrogerie; Täterbezeichnung: Drogist. Die Bedeutung ’Rauschgift’ vor allem unter Einfluss von ne. drug (desselben Ursprungs). Ebenso nndl. drugs (nur Pl.), ne. drug, nschw. drog, nnorw. droge. Die Annahme einer abenteuerlichen Entlehnung des französischen Wortes aus mndd. droge, druge ’trocken’ ist nicht ausreichend gestützt: Bei der Entlehnung ins Französische hätte die ndd. Fügung droge fate ’(wörtlich:) trockene Fässer’ als ’Fässer mit Getrocknetem’ verstanden worden sein müssen (d.h. als ’Drogenfässer’ im Sinne von ’Wirkstoff-Fässer’), wobei sich dann die Bedeutung auf die getrockneten Rohstoffe

dröuwen, ahd. drewen. Aus wg. *þraw-ja- Vsw. ’drohen’, auch in ae. þre¯an, þre¯agan. Die neuhochdeutsche Form ist lautlich von umgebungsbedingten Varianten, hauptsächlich dem Substantiv mhd. dro¯, drouwe ’Drohung’ beeinflusst. Das eigentlich lautgesetzliche dräuen ist heute veraltet. Das Wort gehört zu ig. *treu- ’stoßen, drängen, bedrängen’; auf gleicher Stufe mit etwas abweichender Bedeutung gr. try´o¯ ’ich drücke nieder, erschöpfe’, kslav. tryti ’reiben’. Besser bezeugt ist die Erweiterung, die unter Þverdrießen behandelt ist (mit deren Lautstand die Bedeutung ’drohen’ in ae. þre¯at(n)ian, ’quälen, peinigen, bedrängen, nötigen’, ne. threaten ’drohen’). Weiter zu (ig.) *ter¡- ’reiben, zerreiben’ (s. unter Þdrehen). − Gleichbedeutendes nndl. dreigen gehört wohl zu dringen, und damit vermutlich zur gleichen Wurzel. Präfigierung: Þbe-; Abstraktum: Drohung. Ebenso ne. (Ableitung) threaten. S. auch Þdräuen. – Heidermanns (1993), 625f.; EWahd 2 (1998), 768–770; EWNl 1 (2003), 625.

Drohne Sf ’männliche Biene’ erw. fach. (9. Jh., Form

17. Jh.). Das Wort ist aus dem Niederdeutschen in die Hochsprache übernommen worden als Ersatz des veraltenden mhd. tren, ahd. tren(o), das offenbar wegen der Homonymie mit ÞTräne unbequem wurde. Das niederdeutsche Wort ist wg. *dr¢ ¯ no¯ f. ’Drohne’, auch in ae. dr¢ ¯ n, dra¯n, as. dreno, dra¯no. Außergermanisch entspricht am genauesten gr. thro˜nax ’Drohne’ in einer dem Lakonischen zugeschriebenen Glosse. Daneben stehen im Griechischen verschiedene Wörter für bienenartige Insekten, die ein Element -thre¯-d- oder thre¯-n- aufweisen, was für das germanische Wort auf eine Trennung in *d hre¯-nweisen und die Kürze im althochdeutschen Wort un-

dröhnen

218

Ebenso nschw. droska, nnorw. drosje. Vgl. ÞTaxi aus Taxameerklärt lassen würde. Daneben aber die Anlautduterdroschke. – Gombert, A. ZDW 8 (1906/07), 124–126; Krebs, blette lit. tra˜nas m. ’Drohne’ und gleichbedeutende H. ZDW 8 (1906/07), 379; DF 4 (21999), 917f. slavische Wörter, die auf [ig.] *trond-/tront- zurückweisen. Vgl. außerdem etwa ae. dora m. ’Hummel’, so dröseln Vsw ’aufdrehen’ erw. md. ndd. (18. Jh.). Niederdass insgesamt auf die lautlich unfeste Schallwurzel deutsches Wort unklarer Herkunft. Vielleicht regi[ig.] *d her- ’tönen, dröhnen, summen’ usw. zurückonale Abwandlung von Wörtern für ’ziehen, drehen’. Vgl. etwa unter Þtriezen. zugreifen ist, die verschiedene Erweiterungen aufweist, u.a. *d hre¯- und *d hren-. Das feminine Genus Drossel1 Sf (ein Vogel) std. (9. Jh.). Mitteldeutschnach ÞBiene, da die biologische Funktion der Drohniederdeutsches Wort (ahd. drosela, as. throsla), das nen früher nicht bekannt war. Dass sie keinen Honig obd. droschel, droschdle ersetzt; vgl. ahd. dro¯sca(la). sammelten, war klar (deshalb die Übertragung zu Vorauszusetzen ist wg. *þrust-lo¯ f., auch in ae. þrostle, ’Schmarotzer’); als Funktion vermutet wurde das in das sich offenbar eine sk-Bildung eingemischt hat. Ausbrüten von Jungbienen (deshalb teilweise auch Im Ablaut dazu steht anord. þro¸str m. aus *þrastu-. als Brutbienen bezeichnet). Zugrunde liegt ig. (weur.) *tr(o)zdo- ’Drossel’, das Vgl. Þdröhnen. – Kieft, A. P. NPh 26 (1941), 267–279; Röhmit *storen- ’Star’ verwandt ist (ÞStar 1). Zugehörig rich 1 (1991), 339f.; EWNl 1 (2003), 520f. ist außerdem die Lautung [ig.] *ter- zur Bezeichnung von Hühnervögeln, Tauben u.ä. Es wird sich letztlich dröhnen Vsw std. (17. Jh.). Das Wort gehört mit gt. um eine Schallwurzel *ter- handeln, die die regeldrunjus ’Schall’ und anderen Schallwörtern zu einer mäßigen, nicht melodischen Laute dieser Vögel beErweiterung (ig.) *d hren- der Schallwurzel *d her-. Die zeichnet. Dazu mit s mobile und Suffix einer TäterBedeutungen fallen naturgemäß weit auseinander. bezeichnung *storen- ’Star’ (also eigentlich ’SchmatEinen semantisch verhältnismäßig einheitlichen Komplex s. zer’ o.ä.) und von einem s-Stamm **teros- ’das unter ÞDrohne. – EWNl 1 (2003), 628. Gackern, Schmatzen usw.’ die Ableitung *tr(o)z-d-, drollig Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus nndl. drollig; dies bei der das d zu *do¯- ’geben’ gehören kann, also ist (vielleicht unter Einfluss von frz. droˆle ’lustig, ’Schmatzlaut-Geber’, ’Drossel’; so in l. turdus m. spaßhaft’) aus nndl. drol ’Knirps, Possenreißer’ (ver’Drossel’, mir. truid ’Star’, anord. þro¸str m. und mit wandt mit Þdrall und Þdrillen) abgeleitet. Im DeutAnlautvariation russ. drozd m., mit s mobile lit. stra˜zschen kommt das Wort früher (18. Jh.) auch mit Sufdas m. ’Drossel’. Die sk-Formen und l-Erweiterungen 1 fix Þ-icht , -igt (drollicht / drolligt) vor. (diese möglicherweise nach dem Wort Amsel) in Ebenso ne. droll, nfrz. droˆle; Þdrehen. kymr. tresglen ’Drossel’ und den westgermanischen Dromedar Sn ’einhöckeriges Kamel’ erw. fach. (13. Jh.), Wörtern. − E. P. Hamp erklärt die Anlautvariation mhd. tromeda¯r, dromeda¯r. Ist entlehnt aus l. drome(auch in kymr. drudw ’Star’) durch den Ansatz von da¯rius m. eigentlich ’Schnell-Läufer’, zu l. dromas *(s)drosd h-. In der Tat könnte mit *s-der-en ’Star’ (camelus) ’laufend’, aus gr. droma´s ’laufend, gehend’. neben *s-dr-os/z-d (h)- auszukommen sein. Frühe Eindeutschungen führen zu Trumeltier, Ebenso ne. thrush, nschw. trast, nisl. þröstur; ÞStar 1. – Hamp, ÞTrampeltier. Die Unterscheidung zwischen Kamel E. P. in Farkas, D., Jacobsen, W. M., Todrys, K. W. (Hrsg.): Papers from the Parasession on the Lexicon, Chicago Linguund Dromedar verschiebt sich mit dem klassifizieistic Society (Chicago 1978), 187f.; Hamp, E. P. ZVS 95 (1981), renden Interesse der Biologie von ’schnell-laufend’ 81; LM 3 (1986), 1411f.; Lockwood (1995), 151–153; EWahd 2 zu ’einhöckrig’ (beide Merkmale treffen auf das Dro(1998), 802–806. medar zu). Ebenso nndl. dromedaris, ne. dromedary, nfrz. dromadaire, Drossel2 Sf ’Kehle’ erw. reg. (10. Jh., Form 13. Jh., droznschw. dromedar, nisl. dro´medari; ÞTrampeltier – EWahd 2 darm 9. Jh.), spmhd. drozze, drüzzel. Weiterbildung (1998), 800f.; EWNl 1 (2003), 634. mit l zu mhd. drozze, ahd. drozza aus wg. *þruto¯(n) f. ’Kehle’, auch in ae. þrotu, in afr. throtbolla m. ’Kehle’ Drops Smn ’Fruchtbonbon’ erw. fach. (19. Jh.). Ent(oder Rückbildung aus früher bezeugtem (er-)drosseln lehnt aus ne. drop, eigentlich ’Tropfen’. Der Stamm(Þerdrosseln), wie me. throttle). Mit s mobile as. strota, auslaut -s geht auf einen als Singular verstandenen mhd. strozze, nhd. (wmd.) Strosse; die nordfriesienglischen Plural zurück. Ursprünglich so benannt schen Mundarten setzen ebenfalls *strote voraus. Zuals ’kleine, kugelförmige (eigentlich ’tropfenförmigrunde liegt offenbar ein Wort für ’Rohr’, das in lit. ge’) Süßigkeit’. tr(i)usˇ`ıs ’Rohr, Schilfrohr’, akslav. trı˘stı˘ vorliegt. DieEbenso nndl. drups, drops, nschw. dropp, nisl. dropi (’Tropfen’); ÞTropfen. ses vermutlich zu der unter Þstrotzen behandelten Sippe: Das Wort bezeichnete (ausgehend von Droschke Sf ’leichtes Fuhrwerk; Taxi’ erw. obs. (18. Jh.). ’wachsen, sprießen’) ursprünglich die Schösslinge, Entlehnt aus russ. dro´ˇzki Pl. ’leichter Wagen’. Bei der danach das (hoch aufgeschossene) ’(Schilf-)Rohr’ Umstellung auf motorisierte Fahrzeuge blieb die Beund andere hohle Pflanzenstängel. Vgl. Schnapsdroszeichnung nach der Funktion (zunächst und teilweisel ’Säufer’ (’Schnaps-Kehle’) und die Märchenfigur se) erhalten. König Drosselbart (’Bart an der Kehle’).

du

219 Ebenso ne. throat. – Herbermann (1974), 69–107; Lühr (1988), 256f.; EWahd 2 (1998), 807–810; EWNl 4 (2009), 309.

Drost Sm ’Amtshauptmann’ per. ndd. (13. Jh., Standard

16. Jh.). Niederdeutsches Wort aus mndd. dros(se¯)te, der Entsprechung zu mhd. truh(t)s¢ze ’Truchsess’. ÞTruchsess. – LM 3 (1986), 1412; EWNl 1 (2003), 636f.

drüben (drüber) Adv std. (17. Jh.). Nhd. drüber ist eine

vereinfachte Form aus darüber; als Parallelbildung dazu drüben (selten und wohl sekundär darüben). Þüber, Þoben, Þdraus.

Drückeberger Sm std. stil. (19. Jh.). Scherzhafte Be-

zeichnung in Form eines Orts- oder Familiennamens, wie Schlauberger, Schlaumeier u.ä., zu sich Þdrücken in entsprechender Bedeutung.

Druide Sm ’Priesterklasse der alten Kelten’ erw. exot.

(16. Jh.). Hauptsächlich aus Caesars Beschreibung bekannt. Dessen l. druide¯s aus einem gallischen Wort, dem ir. dru´i, ’Zauberer’, kymr. dryw entspricht. Ebenso nndl. druı¨de, ne. druid, nfrz. druide, ndn. druide. Das keltische Wort beruht auf *dru-wido-, dessen zweiter Teil zu *weid- ’sehen, wissen’ gehört (Þwissen); der erste Teil gehört zu dem Wort für ’Eiche, Holz’, das auch ’fest, treu’ bedeutet und im Keltischen ein Verstärkungswort liefert. Also etwa ’der sicher Sehende’ oder ’der Hochweise’ o.ä.. – Taylor, J. W. MQ 20 (1979), 112–114; LM 3 (1986), 1415; EWNl 1 (2003), 637.

Drusch Sm ’Dreschen, Dreschertrag’ per. fach. (17. Jh.).

Erst neuhochdeutsche Bildung mit einem Ablaut ohne Vorbild; vielleicht aus dem Partizip abgewandelt.

drucken Vsw std. (9. Jh., Bedeutung 15. Jh.). Oberdeut- Drüse Sf std. (8. Jh.), mhd. druos, drüese, ahd. druos,

sche Nebenform zu Þdrücken, da im Oberdeutschen ck den Umlaut hindert. Da die wichtigen Mittelpunkte des frühen Buchdrucks in Oberdeutschland lagen, hat sich die dortige Ausdrucksweise für ’Bücher drucken’ (eigentlich ’drücken’, vgl. ÞPresse) durchgesetzt. Abstraktum: Druck; Nomen Agentis: Drucker; Lokalableitung: Druckerei. Stammler (1954), 144–148; Corsten, S. in Schützeichel (1979), 620–642.

drücken Vsw std. (9. Jh.), mhd. drücken, drucken, ahd.

mndd. drose, druse. Das alte Wort bezeichnet Körperschwellungen und müsste neuhochdeutsch als Drus(e) fortgesetzt sein. In dieser Lautform tritt es auch auf als Bezeichnung einer Pferdekrankheit und bergmännisch für Hohlräume im Gestein. Die neuhochdeutsche Singularform ist aus dem Plural rückgebildet und ergibt so den medizinischen Fachausdruck. Herkunft unklar. Lüschen (1979), 207; Röhrich 1 (1991), 340; EWahd 2 (1998), 823f.; EWNl 1 (2003), 632.

thruken, drucchen, drucken. Aus wg. *þrukk-ja- Vsw. Drusen Spl ’(Wein-, Bier-)Hefe’ per. arch. (9. Jh.), mhd. ’drücken’, auch in ae. þryccan; wohl eine Intensivdru(o)sene, drusine f., ahd. truosana f. ’Bodensatz, Bildung zu *þru¯g- in anord. þru´ga ’drücken’. Eine Hefe’, mndd. druse f., mndl. droese. Aus wg. *dro¯sno¯ f. speziell germanische Weiterbildung der Wurzel, die ’Bodensatz’, auch in ae. drosna. Da die nächst verin anderen Weiterbildungen in Þdreschen, Þdringen gleichbaren Formen eine tektale Erweiterung aufweiund Þverdrießen vorliegt. Präfigierungen: Þbe-, unsen, ist vermutlich von (g.) *dro¯h-sno¯ f. auszugehen. ter-; Partikelverben: aus-, ein-; Nomen Instrumenti: In diesem Fall sind vergleichbar anord. dregg f. Drücker; Abstraktum: Unterdrückung, sonst (Ein-, Aus-) ’Hefe’, alit. drage˙s Pl. ’Hefe’, akslav. drozˇdije˛ f. Pl. Druck; Adjektiv: ein-, ausdrücklich. ’Hefe’ und mit Auslautvariation l. frace¯s f. ’Ölhefe’. ÞDrückeberger. – Stammler (1954), 144–148; Röhrich 1 Unter Hefe ist hier jeweils ’Bierhefe’ u.ä. gemeint. (1991), 340; Heidermanns (1993), 627f.; EWahd 2 (1998), 813–815; EWNl 1 (2003), 638.

drucksen Vsw std. stil. (16. Jh.). Neuhochdeutsche In-

tensivbildung zu Þdrucken ’drücken’. Zugrunde liegen diesem Typ deverbative Bildungen auf ahd. -iso¯-. Drude Sf ’Zauberin’ per. arch. (14. Jh.), spmhd. trut(e).

Da es sich regional um Wesen handelt, die Alpdruck erzeugen (ÞNachttrut usw.), ist ein Zusammenhang mit Þtreten (bzw. dessen schwundstufiger Präsensform) nicht ausgeschlossen. Sonst unklar. Das Pentagramm gilt als Fußabdruck der Druden und heißt deshalb Drudenfuß. Als Drudenstein werden gewisse Steine mit einem natürlichen Loch bezeichnet, die zur Abwehr von Druden verwendet wurden. Lüschen (1979), 209 (zu Drudenstein); LM 3 (1986), 1414 (zu Drudenfuß).

Drudel Smn ’scherzhaftes Bilderrätsel’ erw. obs.

ÞTreber, ÞTrester. – Alanne (1956), 22–24; LM 3 (1986), 1416f.

Dschungel Sm ’Urwald’ std. exot. (19. Jh.). Entlehnt aus

ne. jungle, dieses aus hindı¯ jangal ’Ödland, Wald’, aus ai. ja¯˘n˙gala- ’wasserarme, menschenleere, unfruchtbare Gegend’. Im Indischen zunächst ’unkultiviertes Land’, dann Bezeichnung von wild bewachsenem Land. Ebenso nndl. jungle, nfrz. jungle, nschw. djungel, nnorw. jungel. – Littmann (1924), 121; Lokotsch (1975), 74; Carstensen 1 (1993), 403f.; DF 4 (21999), 919f.

Dschunke Sf (ein chinesisches Segelschiff) per. exot.

(16. Jh.). Entlehnt aus mal. djung ’großes Schiff’, das selbst aus dem Chinesischen übernommen ist. Die Entlehnung ins Deutsche wohl über englische und portugiesische Vermittlung. Ebenso nndl. jonk, ne. junk, nfrz. jonque, nschw. djonk, nnorw. djunke. – Kahlo, G. MS (1961), 32; Lokotsch (1975), 59.

(20. Jh.). Aufgekommen in den 50er Jahren des du Pron std. (8. Jh.), mhd. du¯, duo, ahd. du¯˘, t(h)u¯˘, as. 20. Jhs. Blending von e. doodle ’Gekritzel’ und e. riddthu. Aus g. *þu ’du’ (mit der Möglichkeit der Längung le ’Rätsel’, entworfen von Roger Price, einem ameriunter dem Hochton), auch in gt. þu, anord. þu, ae. þu, kanischen Komödienschreiber.

Dual

220

afr. thu; dieses aus ig. *tu, das unerweitert auch in Dublone Sf (eine Goldmünze) per. arch. (18. Jh.). Entavest. tu¯, akslav. ty, lit. tu`, l. tu¯, air. tu´ vorliegt. Das lehnt aus frz. doublon m., dieses aus span. doblo´n, zu Element -u wird auch zur Markierung von Gegensätspan. doble ’doppelt’, aus l. duplus, zu l. duo ’die beizen verwendet; der Stamm t- ist mit dem Pronomiden’. Der Bedeutung nach ein ’doppelter Escudo’. nalstamm *to- ’dieser, der’ vergleichbar. Verb: Ebenso nndl. dubloen, ne. doubloon. Zu den verwandten WörÞduzen. tern s. ÞDuo. – EWNl 1 (2003), 640. Ebenso nndl. du (arch.), ne. thou (arch.), nschw. du, nisl. þu´; Þdein. – Seebold (1984), 24f., 98; HWPh 2 (1972), 295–297; Röhrich 1 (1991), 341; EWahd 2 (1998), 826–836.

Dual Sm ’Numerus der Zweiheit’ per. fach. (19. Jh.,

Form 20. Jh.). Entlehnt aus l. dua¯lis (numerus), zu l. dua¯lis ’von zweien, zwei enthaltend’, zu l. duo ’zwei, die beiden’. Zuerst in der lateinischen Form als Dualis, dann endungslos. Ebenso nndl. dualis, ne. dual, nfrz. duel. Zu den verwandten Wörtern s. ÞDuo. – DF 4 (21999), 920–922.

Dualismus Sm ’Lehre von den Gegensätzen’ erw. fach.

(18. Jh.). Internationalismus, der offenbar von dem englischen Philosophen Th. Hyde (1700) gebildet wurde, um die Vorstellung von einem guten und einem bösen Weltwesen (im Manichäismus) zu bezeichnen. Ebenso nndl. dualisme, ne. dualism, nfrz. dualisme, nschw. dualism, nnorw. dualisme. Zu den verwandten Wörtern s. ÞDuo, ÞDual und Þ-ismus. – DF 4 (21999), 922–926; HWPh 2 (1972), 297–299; LM 3 (1986), 1421–1423.

Dübel (auch Döbel) Sm ’Hilfsmittel zum Einschrau-

Ducht Sf ’Ruderbank’ per. fach. (12. Jh., Form 17. Jh.).

Niederdeutsches Wort (mndl. docht[e]) mit -cht- für hd. -ft- in ahd. dofta. Zugrunde liegt g. *þufto¯n f. ’Ruderbank’, auch in anord. þopta, ae. þoft(e). Vermutlich zu verbinden mit lit. tu¸˜pti ’sich hinhocken’, als ’das, worauf man hinhockt’. ÞDieb. – EWNl 1 (2003), 598.

Duckdalbe Sm ’Pfahlgruppe zum Festmachen von

Schiffen’ per. fach. (18. Jh.). Aus nndl. dukdalf. Vermutlich zu dallen ’Pfähle’ und ducken ’sich neigen’ (auch ’tauchen’) als ’geneigte Pfähle’ oder ’eingetauchte Pfähle’. Schon früh erklärt als Bezug auf den Herzog Alba (Duc d’Alba) für ’Pfahlgruppe, die zur Befestigung von Schiffen in den Hafen eingerammt ist’ in dem dem Herzog anhängenden Amsterdam. Dies ist aber sicher sekundär. Ebenso nfrz. duc d’albe, ndn. duc d’Albe. – Goedel (1902), 115–117; Ritter, F. Upstalsboom 1 (1911/12), 83f.; EWNl 1 (2003), 645f.

ducken Vsw std. (14. Jh.), mhd. tucken, tücken ’sich

schnell nach unten neigen’. Intensivbildung zu ben’, früher ’Pflock, Holznagel’ erw. fach. (9. Jh.), Þtauchen mit niederdeutschem Lautstand. mhd. tübel, ahd. tubil, mndd. dovel. Aus vd. *dubilam. ’Pflock’. Außergermanisch steht am nächsten das Duckmäuser Sm std. stil. (15. Jh.). Dieses Wort erscheint in verschiedenen Varianten, zuerst als spmhd. dugr. Glossenwort ty´phoi Pl. ’Keil’, so dass (ig.) *d hub hckelmu¯ser, zu mhd. duckelmu¯sen ’heimlichtun’. Vermit einer Instrumentalbildung auf -ila- vorauszusetmutlich zu mhd. dockelmu¯s u.ä. ’Maus, die sich zen ist. Weitere Verknüpfungen unsicher. duckt’. EWNl 1 (2003), 559.

dubios Adj ’zweifelhaft’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt

aus l. dubio¯sus, zu l. dubius ’zweifelnd, hin und her schwankend’, zu l. duo ’zwei’. Ebenso nndl. dubieus, ne. dubious, nfrz. douteux, nschw. dubiös, nnorw. dubiøs. Zu den verwandten Wörtern s. ÞDuo. – Schirmer (1911), 49; Brunt (1983), 256; DF 4 (21999), 926–928; EWNl 1 (2003), 640.

Dublee Sn ’Metall mit Überzug aus Edelmetall’ per.

fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. double´ m., dem substantivierten PPrät. von frz. doubler ’doppeln’, dieses aus spl. duplare, zu l. duplus ’doppelt’, zu l. duo ’zwei’. Gemeint ist die Beteiligung von zwei Metallen (frz. doubler bedeutet auch ’füttern’ u.ä., also ’mit einem Überzug versehen’ u.ä.). Ebenso nndl. double´, nnorw. duble´. Zu den verwandten Wörtern s. ÞDuo. – EWNl 1 (2003), 618.

Dublette Sf ’Doppelstück’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt

aus frz. doublet m., zu frz. double ’doppelt’, dieses aus l. duplus, zu l. duo ’zwei’. Ebenso nndl. doublet, ne. doublet, nschw. dubblett, duplett, nnorw. dublett. Zu den verwandten Wörtern s. ÞDuo. – DF 4 (21999), 928–931; EWNl 1 (2003), 618.

dudeln Vsw std. stil. (17. Jh.). Vermutlich rückgebildet

aus ÞDudelsack; Lautnachahmung ist aber nicht ausgeschlossen. Ebenso nndl. doedelen, ne. tootle. – Wick (1939), 21f.; Relleke (1980), 134.

Dudelsack Sm erw. fach. (17. Jh.). Verdrängt älteres Sackpfeife (mhd. bla¯terpfı¯fe, mhd. stı¯ve), wie die von Osten vordringende Instrumentform das alte Instrument ersetzt. Dem Vorderglied liegt zugrunde cˇech. dudy (Pl.), das auf türk. düdük ’Flöte’ zurückgehen kann (umstritten) − voneinander unabhängige Lautnachahmungen wie bei nhd. Þtuten sind aber nicht ausgeschlossen. Ebenso nndl. doedelzak. – Brückner, A. Slavia 3 (Prag 1924–25), 211; Steinhauser (1978), 58–60; Röhrich 1 (1991), 341; EWNl 1 (2003), 595.

Duell Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. duellum, dieses

aus al. duellum ’Krieg, Zweikampf’. Die normale Weiterentwicklung ist zu l. bellum, doch wird das Wort im Sinn von ’Zweikampf’ wieder an l. duo angeschlossen und erhält den Anlaut d-. Verb: duellieren.

221 Ebenso nndl. duel, ne. duel, nfrz. duel, nschw. duell, nnorw. duell; ÞRebell. – Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 177; DF 4 (21999), 931–936; Jones, W. J. SN 51 (1979), 256; Frevert, U. in Kocka, J. (Hrsg.): Bürgertum im 19. Jh. (München 1988), Bd. 3, 101–140; EWNl 1 (2003), 640.

Duett Sn ’Musikstück für zwei Singstimmen’ erw. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus it. duetto m., einer Ableitung von it. due ’zwei’, dieses aus l. duo ’zwei’. Ebenso nndl. duet, ne. duet, nfrz. duetto, nschw. duett, nnorw. duett. Zu den verwandten Wörtern s. ÞDuo. – DF 4 (21999), 936–938; EWNl 1 (2003), 640f.

Duft Sm std. (11. Jh.), mhd. tuft m./f., ahd. duft. Die

Dummerjan Þtolerieren. – de Smet, G. LB 44 (1954), 1–20, 47–64; de Smet, G. WW 5 (1954/55), 69–79; EWahd 2 (1998), 845f.; EWNl 1 (2003), 646.

Dult Sf ’Fest, Jahrmarkt’ per. oobd. (8. Jh.), mhd. dult,

ahd. tuld(ı¯). Beschränkt auf den oberdeutschen, in späterer Zeit nur den bairischen Raum; heute vor allem bekannt die Auer Dult in München. Vergleicht sich mit gt. dulþs ’Fest’ und ist offenbar mit gotischarianischen Missionsbestrebungen über die Alpen nach Süddeutschland gelangt. Möglicherweise ti-Abstraktum zu g. *dwel-a- Vst. ’verharren’ (Þtoll) als ’(in Ruhe) Verharren’ = ’Feiertag’.

Bedeutung ’Geruch’ ist nicht allgemein; mittelhochWesche, H. BGDSL 61 (1937), 94–97; Wiesinger, P. in Beudeutsch bedeutet das Wort ’Reif, Nebel, Dunst’, altmann/Schröder (1985), 173, 190–193; Senn, A. JEGP 32 (1933), hochdeutsch einmal ’Reif’ und einmal ’Hitze’ (beides 513, 528 (anders: aus l. indultum n. ’Erlaubnis, Gabe, Ablass’); Griepentrog (1995), 487; EWahd 2 (1998), 845. in Glossen). Falls diese Bedeutungen zusammengehören, ist an eine Grundlage zu denken, wie sie etwa Dulzinea Sf ’Freundin, Geliebte’ (abwertend) erw. in gr. ty¯pho¯ ’ich rauche, qualme, glimme’ vorliegt bildg. (18. Jh.). Entlehnt aus span. Dulcinea del To(vgl. den Zusammenhang von Þriechen und rauchen boso, dem Namen der Angebeteten von Don Quicho(ÞRauch)). Das Wort wäre dann wohl ein tu-Abte. Bald auch als Appellativum verwendet, ausgehend straktum. Verb: duften; Adjektiv: duftig. von Studentenkreisen. Þdoof , Þtaub, Þtoben, Þverduften. – Röhrich 1 (1991), 341f.;

EWahd 2 (1998), 838–840.

dufte Adj erw. städt. stil. (19. Jh.). Von Berlin ausge-

hend; aus dem Rotwelschen, wo es seit dem 18. Jh. bezeugt ist. Als Quelle kommt wjidd. tauw, tow ’gut’ in Frage (auch hebr. to¯w ’gut’), aber dieses ist (auch neben dufte) als toff ˙bezeugt. In den Händlersprachen lautet das Wort für ’gut’ doff oder toff; im Jenischen der Eifler Hausierer doft. Evtl. aber zu rotw. dufte ’Kirche’ (daraus ’recht, richtig’, dann ’großartig’). Ebenso nndl. tof. – Günther (1919), 11; Lasch (1928), 175.

Dukaten Sm ’eine Goldmünze’ erw. obs. (14. Jh.), mhd.

ducate. Ist entlehnt aus ml. ducatus und it. ducato, eigentlich ’Herzogtum’, zu it. duca ’Herzog’, aus l. dux (ducis), zu l. du¯cere ’ziehen’ (nach der Aufprägung Sit tibi Christe datus quem tu regis iste ducatus ’Dir, Christus, sei dieses Herzogtum gegeben, welches du regierst’). Seit 1559 deutsche Reichsmünze. Ebenso nndl. dukaat, ne. ducat, nfrz. ducat, nschw. dukat, nnorw. dukat. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. du¯cere ’ziehen’ s. Þproduzieren. – Röhrich 1 (1991), 342; LM 3 (1986), 1445; EWNl 1 (2003), 645.

Düker Sm ’unter einem Hindernis verlaufende Rohr-

leitung’ per. fach. (20. Jh.). Ursprünglich ndd. Fachausdruck, der hd. Taucher (Þtauchen) entspricht. Ebenso ndl. duiker

dulden Vsw std. (8. Jh.), mhd. dulden, dulten, ahd. thul-

Ebenso nndl. dulcinea, ne. dulcinea, nfrz. dulcine´e. – DF 4 (21999), 940; Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 177.

Dumdum (Dumdumgeschoss) Sn ’abgestumpfte Ge-

schosse’ per. arch. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. dumdum, das auf den Ortsnamen Da¯mdamä bei Kalkutta zurückgeht (eigentlich ’Erdwall’), wo die englische Artillerie von Bengalen ihren Standort hatte. Dort sollen die Geschosse zuerst hergestellt worden sein. Ebenso nndl. dumdum, nfrz. dum-dum, nschw. dumdum, nnorw. dumdum. – Littmann (1924), 125f.; EWNl 1 (2003), 646.

dumm Adj std. (9. Jh.), mhd. tumb, tump, ahd. tumb, as.

dumb. Aus g. *dumba- Adj. ’stumm’, dann ’unerfahren, töricht’, auch in gt. dumbs, anord. dumbr, ae. dumb. afr. dumb. Herkunft unklar. Da ’taub’ und ’stumm’ häufiger durch die gleichen Wörter bezeichnet werden, könnte eine nasalierte Form von Þtaub vorliegen. Abstraktum: Dummheit; Modifikation: dümmlich. Ebenso nndl. dom, ne. dumb, nschw. dum; Þstumm, Þtumb. – Lühr (1988), 101–103; RGA 2 (1972), 299f.; Röhrich 1 (1991), 342–345; Heidermanns (1993), 166; Maak, H. G. FS Schützeichel (1987), 1082–1084 (anders); EWNl 1 (2003), 603.

dummdreist Adj std. stil. (17. Jh.). Gebildet nach dem

ndd. Kopulativkompositum dumdrı¯ste Adj., dessen erster Bestandteil dum im Mittelniederdeutschen (wie drı¯ste, s. dreist) auch ’kühn, waghalsig’ bedeuten konnte. Entsprechende Bildungen sind dummkühn, dummkeck, dummfrech; tollkühn. Unter dem Einfluss der hochdeutschen Bedeutung des Vorderglieds hat sich die Bedeutung dann zu ’unverschämt’ (Þdumm und Þdreist) verändert.

ten, dulten, mndd. dulten, mndl. dulden. Aus wg. *þuld-ija-Vsw. ’dulden’, auch in ae. geþyldi(ge)an, afr. th(i)elda, denominativ zu *þuldi- ’das Dulden’ (ÞGeduld). Das denominative Verb ersetzt teilweise das ältere ahd. dole¯n, dolo¯n ’dulden’. Der Umlaut Dummerjan Sm std. stil. (17. Jh.). Da zuerst (16. Jh.) nur fehlt vor der Gruppe -ld-; -ld- ist frühe Erweichung die Fügung dummer Jan belegt ist, liegt wohl Zusamvon -lt-. Nomen Agentis: Dulder, Präfigierung: Þge-; menrückung von Þdumm und der niederdeutschen Adjektive: duldsam, geduldig.

dumpf

222

(2003), 607; Moberg, L. in FS Lennart Elmevik (Uppsala Kurzform für Johann vor. Ähnliche Verbindungen 1996), 205–212; Markey,T. L. NOWELE 34 (1998), 3–13. mit Vornamen sind das etwa gleich alte Dummerheinz und ndd. Dummhinnerk ’Dummheinrich’ und Duf- dunkel Adj std. (8. Jh.), mhd. tunkel, dunkel, ahd. tunfritjen ’doofes Fritzchen’. Die seit dem 17. Jh. belegte kal, thunchel, mndl. donkel. Daneben mit anderem Form Dummrian und das jüngere Dummian stehen ofSuffix mhd. tunker, as. dunkar und von anderer Abfensichtlich unter dem Einfluss von ÞGrobian und lautstufe afr. diunk, anord. døkkr. Diese führen auf ÞSchlendrian, in denen das l. Suffix -ia¯nus verbaut ist. ein g. *denkw- Adj. ’dunkel’, das offenbar ablauten Ebenso nschw. dummerjöns. konnte und von der Schwundstufe mit r- und l-Suffixen die kontinentalgermanischen Formen lieferte. dumpf Adj std. (17. Jh.). Wohl rückgebildet aus dumpfig Außergermanisch vergleicht sich kymr. dewaint ’modrig’, das zu Dumpf ’Moder, Schimmel’ und ’Dunkelheit’ und heth. dankui- ’dunkel, schwarz’. dumpfen ’modern, schimmeln’ gehört. In Bezug auf Offenbar ein altes Wort ohne weitere AnknüpfungsTöne ist wohl auf die alte Nebenbedeutung ’engmöglichkeit. Abstraktum: Dunkelheit; Verb: (ver-)dunbrüstig, asthmatisch, heiser’ zurückzugreifen. Als keln. Herkunft wird eine Ablautform zu ÞDampf 1 ver-

mutet. Abstraktum: Dumpfheit.

Heidermanns (1993), 146 und 167; EWNl 1 (2003), 608.

Dumpingpreis Sm ’Preis, der deutlich unter dem Ange- Dünkel Sm erw. stil. (16. Jh.). Frühneuhochdeutsche

messenen liegt’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. dumping ’das Verkaufen zu Schleuderpreisen’, zu ne. dump ’unter Wert verkaufen, wegwerfen, abladen’, dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. Ebenso nndl. dumpingprijs, nfrz. dumping, nschw. dumping, nnorw. dumpingpris. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 255; Carstensen 1 (1993), 406f.

Düne Sf std. (16. Jh., ältere Entlehnung 9. Jh.). Über das

Weiterbildung zu älterem dunk ’Bedünken, Meinung’. Wohl als Diminutiv empfunden, deshalb ’kleines Bedünken’ und daraus ’kleinkarierter Stolz’.

Þdünken.

Dunkelmann Sm std. bildg. (18. Jh.). Übersetzung zu l.

vir obscu¯rus ’dunkler Mann’ nach der im 16. Jh. erschienenen Satire Epistolae obscurorum virorum (hier = ’Briefe unberühmter Männer’), worin die Rückständigkeit gewisser Zeitgenossen gegeißelt wird (die Schrift als satirisches Gegenstück zu Briefen clarorum virorum ’erleuchteter Männer’). Als die Verbindung mit der historischen Situation nicht mehr geläufig war, wurde der Gebrauch des Wortes stärker an die systematische Bedeutung angeglichen.

Niederdeutsche aus dem nndl. duin entlehnt. Dieses führt mit mndl. dune, duun, ae. du¯n ’Hügel’ und ahd. du¯na ’Vorgebirge, Düne’ (9./10. Jh.) auf wg. *du¯no¯(n) f. ’Hügel’ zurück. Herkunft unklar. Ähnlich ist gr. thı¯´s (thı¯no´s) m./f. ’Sandhaufen, Düne’ und ai. (ved.) dhı´sniya- ’Erdaufwurf, Feueraltar’, die sich auf (ig.) ˙ zurückführen lassen. *d h˙isndünken Vsw std. stil. (8. Jh.), mhd. dunken, ahd. dunS. auch ÞShowdown. – RGA 6 (1986), 244–250; EWahd 2 (1998), ken, dunchen, thunken, as. thunkian. Aus g. *þunk-ija851–853; EWNl 1 (2003), 643. Vsw. ’dünken’, auch in gt. þugkjan, anord. þykkja, ae. Dung Sm std. (12. Jh., tunggulla ’Mistwasser’ 8. Jh.), þyncan, afr. thinza. Wie unter Þdenken ausgeführt, mhd. tunge. Aus wg. *dung- (mit verschiedenen handelt es sich wohl um ein Verb, das ursprünglich Stammbildungen und Genera) ’Dung’, auch in ae. ’wiegen’ bedeutete, also (unpersönlich) ’mir wiegt dung, afr. dung. Daneben steht mhd. tunc m./f. ’halb etwas, mir ist etwas gewichtig’. Hierzu denken als unterirdischer Raum, Webraum’, ae. dung ’Kerker’, Kausativ (’erwägen’). anord. dyngja f. ’Frauengemach’. Für beide Wörter Ebenso nndl. dunken, ne. think, nschw. tycka, nisl. þykja; Þdenken, ÞDank, Þdäuchten, ÞDeichsel, ÞDünkel. – EWahd 2 kann die Ausgangsbedeutung ’Bedeckung’ geltend (1998), 853f.; EWNl 1 (2003), 647. gemacht werden, die in lit. den˜gti ’decken’ (und etwa lit. pada´nga ’überhängendes, fast bis auf den Boden dünn Adj std. (8. Jh.), mhd. dünne, ahd. dunni, as. thunherunterreichendes Dach’) eine Stütze findet. Auch ni. Aus g. *þunnu- Adj. ’dünn’, auch in anord. þunnr, ’Dung’ kann Bedeckung sein − einmal als Dünger, ae. þynne, afr. thenne. Die Geminate stammt wie in dann aber auch (wie Tacitus Germania 16 und Plinius parallelen Fällen aus alten Kasusformen, in denen auf Naturalis historia 19,1 berichten) zur Isolierung soldas u ein Vokal folgte, sich also die Lautfolge -nwcher halb-unterirdischer Räume. Bedenken erregt bei ergab, die assimiliert wurde. Auszugehen ist also von dieser kulturgeschichtlich interessanten Etymologie, g. *þenu-, dem ig. *tenu- Adj. ’dünn’ vorausliegt, auch dass Entsprechungen wie lett. danga ’eine durch das in ai. tanu´-, l. tenuis, air. tana(e), lit. te¸´vas, akslav. Befahren entstandene Rinne, kotige Pfütze’ zwar zu tı˘nu˘ku˘. Das ebenfalls zugehörige gr. tany- (nur noch der Bedeutung ’Dung’, nicht aber zu der Bedeutung als Vorderglied von Komposita und in Ableitungen) ’Bedeckung’ passen. Vielleicht liegt deshalb doch eher bedeutet ’lang’ und weist damit darauf hin, dass das eine Homonymie vor. Verb: düngen. Wort als Ableitung von *ten- ’dehnen, spannen’ Ebenso ne. dung, nschw. dynga. – Heyne (1899), 46f.; Knob(Þdehnen) ursprünglich ’langgezogen’ (und damit loch, J. SW 5 (1980), 172–200; Tiefenbach, H. in Beck/Den’dünn’) bedeutete. Präfixableitung: verdünnen. ecke/Jankuhn (1980), 52f.; RGA 6 (1986), 250–260; EWNl 1

durchfallen

223 Ebenso nndl. dun, ne. thin, nschw. tunn, nisl. þunnur; Þdehnen. – Röhrich 1 (1991), 345; Heidermanns (1993), 630; EWahd 2 (1998), 855–859; EWNl 1 (2003), 646f.

Dunst (ndd. auch Dust) Sm std. (9. Jh.), mhd. dunst,

Duplikat Sn ’Zweitausfertigung’ erw. fach. (17. Jh.).

Entlehnt aus l. duplica¯tum ’verdoppelt’, dem PPP. von l. duplica¯re ’verdoppeln’, zu l. duplex ’doppelt’, zu l. duo ’zwei’. Verb: duplizieren mit dem Abstraktum Duplizität.

tunst, mitteldeutsch auch f., ahd. tun(i)st f. ’Sturm’ Ebenso nndl. duplicaat, ne. duplicate, nfrz. duplicata, nschw. vgl. ae. dust n. ’Staub’, mndd. dunst ’Dunst’. Obwohl duplikat, nnorw. duplikat. Zu den verwandten Wörtern s. sich diese Formen auf den gleichen Lautstand zuÞDuo. – DF 4 (21999), 946f.; EWNl 1 (2003), 647f. rückführen lassen, sind sie kaum unmittelbar zusamDur Sn ’das ’männliche’ Tongeschlecht’ erw. fach. mengehörig. Der Bedeutung ’Sturm’ entspricht am besten gr. thy¯(n)o¯ ’ich stürme, brause, tobe’, das auf (17. Jh.). Die Bezeichnung geht letztlich zurück auf l. du¯rus ’hart’. So wurde zunächst der Ganztonschritt (ig.) *d hu-nw- zurückgehen kann, und *d hunes-toder *d hu-nu-st- wäre für das althochdeutsche Wort zum zweiten Notenwert von der Erniedrigung um eine befriedigende Ausgangsform. Die Bedeutungen einen Halbton unterschieden (b durum und b molle, ’Dunst’ und ’Staub’ können zusammenhängen, sind heute h und b). Dann Übertragung auf die diese Töne aber nach verschiedenen Richtungen vergleichbar: enthaltenden Tonarten und schließlich mit der Ent’Dunst’ mit lett. dvans ’Dunst, Dampf’, lett. dvin˜ga wicklung der Chromatik auf die Tongeschlechter. ’Dunst, Kohlendampf’, was (ig.) *d hwen- (und ger’Hart’ und ’weich’ charakterisieren zunächst das Nomanisch eine Schwundstufe *d hun-st-) voraussetzen tenzeichen, das eckig oder gerundet geschrieben wird; schon seit dem 17. Jh. werden die Tongeschlech˙ sati- ’verfällt, zerfällt zu würde; ’Staub’ mit ai. dhva´m ter aber auch nach ’Freud und Leid’ unterschieden. Staub’, ai. dhvasra´- ’staubig’ usw., was entweder *d hwen-s- oder eine nasalierte Form von *d hwes- fort- Ebenso nschw. dur, nisl. du´r. – Dahlhaus, C. AM 12 (1955), 280–296; DF 4 (21999), 949–951. setzt. Alles zusammen gehört auf jeden Fall zu der Wurzel *d heu(¡)- ’stieben’, doch bleibt die Entwick- durativ Adj ’verlaufend’ per. fach. (20. Jh.). Neubildung lung im einzelnen unklar. Verben: dunsten, dünsten; zu l. du¯ra¯re ’dauern’. Adjektiv: dunstig. Ebenso nndl. duratief, ne. durative, nfrz. duratif, nschw. duEbenso ne. dust; Þdösig, ÞDusel, Þquasseln, ÞTor 1. – EWahd 2 (1998), 859–862; EWNl 1 (2003), 608.

Dünung (älter auch Deining [aus dem Niederländi-

schen]) Sf ’Seegang nach Sturm’ per. fach. (19. Jh.). Aus ndd. dünung, nndl. deining ’Dünung’ zu ndd. dünen ’auf- und niederwogen’, nndl. deinen ’leise aufund niederwogen’. Die weitere Herkunft bleibt unklar. Dunzel Sf ’dickes, dummes oder leichtfertiges Mäd-

chen’ per. wmd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. donzelle ’launisches Mädchen’, aus it. donzella ’Mädchen’ (oder span. doncella), aus ml. dominicella ’kleine Herrin’, zu l. domina ’Herrin’. Ebenso nfrz. donzelle; ÞDame 1.

Duo Sn ’Musikstück für zwei Instrumente’ erw. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus it. duo, substantiviert aus l. duo ’zwei’.

rativ, nnorw. durativ.

durch Präp std. (8. Jh.), mhd. dur(ch), ahd. duruh, thu-

ru(c)h, as. thurh, thuru. Aus wg. *þur-h-, auch in ae. þurh, afr. thr(i)uc ’durch’, neben gt. þairh, ae. þerh aus (g.) *þer-h- mit Ablaut. Außergermanisch vergleichbar ist vor allem ai. tira´s- (*tros-) ’durch, über’, zu dem eine tektale Erweiterung˙ ai. tiras´c- ’waagrecht, querliegend’ gehört. Im Germanischen scheint diese tektale Erweiterung (die etwa *-k (w)e- sein kann) an eine einfachere Form mit Beibehaltung der Grundbedeutung angetreten zu sein. Diese weiter zu ai. ta´rati ’setzt über, überwindet’ (*ter¡–). Partikeln mit der Bedeutung ’durch’ sind in den Nachbarsprachen aus *ter¡- erweitert, vgl. l. tra¯ns (vermutlich *tra¯nt-s), air. tre, kymr. drwy, trwy (*trei). Ebenso nndl. door, ne. through. – Kjellman, N.: Die Verbalzusammensetzung mit ’durch’ (Lund 1945); Röhrich 1 (1991), 345f.; Benware, W. A. AJGLL 4 (1992), 149–180; Heidermanns (1993), 621.

Ebenso nndl. duo, nfrz. duo, nschw. duo, nnorw. duo. Zu l. duo ’zwei’ gehören als abgeleitete Zahlwörter und ihre Weiterundurchaus Adv std. (14. Jh.). Eigentlich ’hindurch und gen 1. Þdoppelt (frz.), ÞDuplikat, ÞDublee (frz.), ÞDublette hinaus’, dann zu ’ganz und gar’. (frz.), ÞDublone (span.); 2. Þdubios; 3. ÞDual, ÞDualismus; 4. Þbi-; 5. (über das französische Wort für ’zwölf’) ÞDutzend; die durchbrennen Vsw ’heimlich davonlaufen’ std. stil. griechische Verwandtschaft in Þdi-; die germanische in Þzwei. (19. Jh.). In der Studentensprache entstanden; ver– DF 4 (21999), 941–943; EWNl 1 (2003), 647. mutlich ausgehend von ’durchbrennen’ = ’durch eine

Umhüllung o.ä. durchbrennen’; der konkrete Ausgangspunkt ist aber nicht klar. Entlehnt aus frz. duper, einer Ableitung von frz. dupe ’Dummkopf, Wiedehopf’, mit unregelmäßiger Laut- durchfallen Vst ’Misserfolg (bei einem Examen, bei entwicklung aus l. upupa ’Wiedehopf’. einer Wahl, auf der Bühne) haben’ std. (18. Jh.). Wohl Ebenso nndl. duperen, ne. dupe, nfrz. duper, nschw. dupera, verkürzt aus der schon im 16. Jh. verbreiteten Rennorw. dupere. – DF 4 (21999), 945f.; Brunt (1983), 256f.; densart durch den Korb fallen. Sie geht angeblich zuEWNl 1 (2003), 647. rück auf einen mittelalterlichen Schwankstoff, in dem

düpieren Vsw ’überlisten, narren’ per. fremd. (17. Jh.).

durchlaucht der unerwünschte Liebhaber von seiner Geliebten in einem so schwachen Korb zu sich hinaufgezogen wird, dass er dabei durch den Boden hindurch fällt. Die ursprüngliche Bedeutung wäre demnach ’bei der Liebeswerbung keinen Erfolg haben’. Seit dem 17. Jh. studentensprachlich auf Misserfolge bei Prüfungen u.ä. übertragen. (Gleichen Ursprungs soll die jüngere Redensart jemandem einen Korb geben sein − die Beleglage lässt beide Annahmen nicht als wahrscheinlich erscheinen.). Abstraktum Durchfall, das aber auch ’Diarrhöe’ bedeuten kann. Röhrich 1 (1991), 346.

durchlaucht Adj (Titel und Anredeform) erw. obs.

224

sich noch in der Präfigierung Þbedürfen; aus ig. *terpin ai. trpyati, tarpati (älter trpno´ti) ’sättigt sich, wird ˙ ˙ freuen’; gr. te´rpo¯ befriedigt’; toch. AB tsa¯rw- ˙’sich ’ich sättige, erfreue’, lit. tarpa` ’Gedeihen’, apreuß. enterpo ’nutzt’. Semantisch lässt sich zwar eine Brücke bauen von ’sich sättigen, genießen’ (als verlaufende Handlung) zu ’bedürfen’ (vgl. Þbrauchen − gebrauchen), doch ist dies mit der Form eines Perfekts nicht in Einklang zu bringen. Es bleiben deshalb beträchtliche Unklarheiten. Þdarben, Þdürftig, ÞNotdurft. – Betz, W. FS Hammerich (1962), 8f.; Seebold (1970), 509f.; Hiersche D (1990), 33f.; EWahd 2 (1998), 866–868.

(12. Jh., Bedeutung 15. Jh.). Lehnübersetzung zu l. pe- dürftig Adj std. (8. Jh.), mhd. dürftic, durftic, ahd. durftı¯g, as. thurftig. Ist ein denominales Adjektiv zu ahd. rillu¯stris ’sehr berühmt’ (eigentlich ’erleuchtet’); durft, as. thurft, gt. þaurfts (aus g. *þurfti- f. ’Bedürfdurchlu¯ht ist mitteldeutsche Variante zu mhd. durchnis’). liuhtet ’erleuchtet’ Adj. (PPrät.). Þerlaucht, Þleuchten.

Durchmesser Sm std. (17. Jh.). Lehnübersetzung von

auch als Lehnwort übernommenem l. diameter f., aus gr. dia´metros f. ’durch einen Mittelpunkt gehende Linie’. Formal handelt es sich um ein Nomen Instrumenti auf Þ-er zu durchmessen. Durchschnitt Sm std. (16. Jh.). In mehreren Bedeutun-

gen, die dem Wortsinn näher stehen, gebildet, z.B. ’Aufriss’, dann festgelegt auf ’Mittelwert’ (ausgehend von der Arithmetik: das Mittel wird gewonnen durch Zusammenzählen und dann Teilen [Durchschneiden] der Summe durch die Anzahl der Summanden). Adjektiv: durchschnittlich. Durchstecherei Sf ’Betrügerei’ erw. grupp. (18. Jh.). Ab-

straktum zu einem niederdeutschen Wort: ndd. döresteken mit verschiedenen Bedeutungen wie ’schmuggeln’, ’mit jemand unter einer Decke stecken’ u.a. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze, die aber nicht ausreichend wahrscheinlich gemacht werden können. Röhrich 1 (1991), 346.

durchtrieben AdjPP std. (13. Jh.). Es handelt sich um

das Partizip Präteriti von mhd. durchtrı¯ben Vst. ’durchziehen, (geistig) durchdringen, erfüllen’, das schon mittelhochdeutsch neben ’von etwas ganz erfüllt, durchdrungen’ auch ’verschlagen, abgefeimt’ bedeuten konnte. Das Verb ist zusammengesetzt aus mhd. durch und mhd. trı¯ben (Þtreiben), dessen Partizip Präteritum mittelhochdeutsch auch in der Bedeutung ’geübt’ belegt ist. Röhrich 1 (1991), 346f.

durchweg(s) Adv std. (18. Jh.). Bildung wie schlechtweg

(schlechthin, schlechterdings), wohl aus dem Adverb Þweg. dürfen Vprpr std. (9. Jh.), mhd. durfen, dürfen, ahd.

durfan, as. thurbÐ an. Aus g. *þarf/þurb- Prät.-Präs. ’bedürfen’, auch in gt. þaurban, anord. þurfa, ae. þurfan, afr. thurva; die ursprüngliche Bedeutung zeigt

Þdarben, Þdürfen, ÞNotdurft.

dürr Adj std. (8. Jh.), mhd. dürre, durre, ahd. durri,

thurri, durre, mndl. dorre. Aus g. *þurzu´- Adj. ’dürr’, auch in gt. þaursus, anord. þurr, ae. þyrre; dieses aus ig. *trsu´- ’trocken, dürr’, in avest. tarsˇauu- ’trocken, fest’,˙al. torrus ’trocken’; in der Bedeutung abweichend ai. trsu´- ’gierig’ (’lechzend’). Primäres Adjektiv ˙˙’trocknen, dorren’, das unter ÞDurst darzu ig. *tersgestellt wird. Abstraktum: Dürre. Ebenso nndl. dor, nschw. torr. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞTerrasse; ÞDarre, Þdorren, Þdörren, ÞDurst. – Seebold (1970), 515; Heidermanns (1993), 632f.; EWahd 2 (1998), 876f.; EWNl 1 (2003), 614.

Durst Sm std. (9. Jh.), mhd. durst, ahd. durst, thu(r)st,

as. thurst. Aus wg. *þurstu- m. ’Durst’ (eigentlich ’Dürre’), auch in ae. þurst. Daneben steht gt. þaurstei, das ein Abstraktum zu einem *þursta- ’vertrocknet, durstig’ zu sein scheint; anord. þorsti kann entweder Umbildung eines u-Stamms oder ein nominaler n-Stamm zu einem solchen Adjektiv sein. Da beide Bildungen (Substantiv und Adjektiv) gleich naheliegen, lässt sich eine sichere morphologische Entscheidung nicht treffen; doch gehören die Wörter auf jeden Fall zu ig. *ters- ’trocknen, dorren’ in gr. te´rsomai ’ich werde trocken’, l. torre¯re ’dorren’, der germanischen Gruppe Þdorren, Þdörren und mit abgeleiteter Bedeutung ai. trsyati ’dürstet, lechzt’. Adjek˙˙ . tiv: durstig; Verb: dürsten Ebenso nndl. dorst, ne. thirst, nschw. törst, nisl. þorsti. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞTerrasse; Þdürr. – Röhrich 1 (1991), 347; Heidermanns (1993), 632; EWahd 2 (1998), 877–879; EWNl 1 (2003), 616.

Dusche Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. douche (auch:

’Wasserrinne’), dieses aus it. doccia, zu it. doccione m. ’Wasserspeicher, Leitungsröhre’, aus l. ductio (-o¯nis) ’Leitung’, einer Ableitung von l. du¯cere (ductum) ’führen’. Zunächst ein medizinisches Fachwort; im 19. Jh. Verallgemeinerung. Die Sache selbst wird im Deutschen schon 1625 beschrieben und Träufen (italienisch duccia) genannt. Verb: duschen.

225

Dynastie

Ebenso nndl. douche, ne. (bes. med.) douche, nfrz. douche, senqvist (1942), 443–445; Röhrich 1 (1991), 348; EWNl 1 nschw. dusch, nnorw. dusj. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. (2003), 619. du¯cere ’ziehen’ s. Þproduzieren; zur germanischen Verwandtduzen Vsw std. (13. Jh.), mhd. du(t)zen, mndd. du(t)zen. schaft s. Þziehen. – DF 4 (21999), 951–954; Röhrich 1 (1991), Eine Ableitung vom Personalpronomen Þdu mit 347f.; EWNl 1 (2003), 597, 618; Gloning, Th.: Organisation dem Suffix Þ-z(en) (ahd. -azzen, -ezzen, -izzen), vielund Entwicklung historischer Wortschätze 2003, 392–394.

Düse Sf ’Rohrstück zur Verstärkung durchfließender

leicht unter Einfluss von ml. tuisare ’duzen’ gebildet. Etwas früher belegt ist mhd. irzen, erst seit dem 17. Jh. dagegen Þerzen und Þsiezen.

Gase oder Flüssigkeiten’ std. (16. Jh.). Seit dem 16. Jh. als Fachwort der Erzschmelzer bezeugt als t(h)üsel. Gemeint ist die Röhre, durch die der Blasebalg in den dynamisch Adj std. (18. Jh.). Neubildung zu gr. dy´namis ’Kraft’, einer Ableitung von gr. dy´nasthai ’können, Schmelzofen mündet. Vielleicht zu mhd. duz ’Schall, vermögen’. Abstraktum: Dynamik. Geräusch’. Ebenso ndn. dyse, nnorw. dyse. – Bielfeldt (1965), 27; Wolf, S. A. MS 77 (1967), 377–378.

Dusel Sm std. stil. (16. Jh.). Mit verschiedenen Bedeu-

Ebenso nndl. dynamisch, ne. dynamic, nfrz. dynamique, nschw. dynamisk, nnorw. dynamisk. Aus derselben Quelle werden im 19. Jh. ÞDynamit (= ein Sprengstoff) und ÞDynamo (= ein Stromgenerator [zunächst dynamoelektrische Maschine, dann Dynamo-Maschine]) neugebildet. Ein schon altes Abstraktum ist ÞDynastie. – Schmitz, O. FS Deissmann (1927), 139–167; Heller (1970), 163–184; HWPh 2 (1972), 302f.; LM 3 (1986), 1493–1497; DF 4 (21999), 954–963; EWNl 1 (2003), 652f.

tungen aus dem Niederdeutschen übernommen. Im ursprünglichen Sinn ’Schwindel, Rausch, Schlaf’ gehört es zu dösen (Þdösig), hierzu auch ÞDussel; der Übergang zu ’unverdientes Glück’ ist nicht ausreichend erklärt. Dass es der Herr den Seinen im Schlafe Dynamit Sn (ein Sprengstoff) std. (19. Jh.). Von dem gibt (Psalm 127,2), reicht insofern nicht zur Erklärung Erfinder A. Nobel gebildet zu gr. dy´namis ’Kraft’. aus, als das Wort in dieser Bedeutung fast ausschließEbenso nndl. dynamiet, ne. dynamite, nfrz. dynamite, nschw. dynamit, nisl. dı´namı´t; Þdynamisch. – DF 4 (21999), 963f.; lich in der Wendung Dusel haben auftritt. EWNl 1 (2003), 652. ÞDunst, ÞTor 1. – Stammler (1954), 164–167; Röhrich 1 (1991), 348; EWNl 1 (2003), 644f. Dynamo Sm erw. fach. (19. Jh.). Von dem Erfinder W.

Dussel (auch Dusel) Sm ’Dummkopf’ erw. ndd. md.

(19. Jh.). Nebenform von Dusel; also eigentlich ’jemand der schläft oder einen Rausch hat’. Dust Sm ÞDunst. düster Adj std. (12. Jh., Standard 16. Jh.). Übernommen

von Siemens als dynamo-elektrische Maschine bezeichnet; dann gekürzt zu Dynamo-Maschine und schließlich nach englischem Vorbild zu Dynamo. Die Form ist die Kompositionsform von gr. dy´namis ’Kraft’. Ebenso nndl. dynamo, ne. dynamo, nfrz. dynamo, nschw. dy-

aus dem Niederdeutschen (mndd. duster, mndl. namo, nisl. dı´namo´; Þdynamisch. – DF 4 (21999), 965f.; Cottez (1980), 126; EWNl 1 (2003), 653. du(u)ster, as. thiustri) aus wg. *þeustrija- ’lichtlos’, auch in ae. þy¯ster, þy¯stre, afr. thiu¯stere. Falls ae. þuh- Dynastie Sf ’Herrscherhaus, Herrschergeschlecht’ erw. sian ’verfinstern’ (vom Himmel) hinzugehört, ist der fach. (16. Jh.). Entlehnt aus gr. dynasteı´a ’HerrLautstand als *þeuhs-(t)r-ja- zu erschließen; dann ist schaft’, einem Abstraktum zu gr. dy´nasthai ’können, wohl eine ro-Ableitung zu einem s-Stamm *þeuhazvermögen’. Adjektiv: dynastisch. vorauszusetzen (wie bei finster und l. tenebrae). VerEbenso nndl. dynastie, ne. dynasty, nfrz. dynastie, nschw. dygleichbar ist aber allenfalls russ. tu´sk ’Nebel, Finsternasti, nnorw. dynasti; Þdynamisch. – DF 4 (21999), 966–971; nis’, das lautlich weiter absteht. Im übrigen unklar. EWNl 1 (2003), 653. Abstraktum: Düsternis; Präfixableitung: verdüstern. Melazzo, L. GS Scaffidi Abbate (1983), 261–272 (zu ae. þiustra); Heidermanns (1993), 621; EWNl 1 (2003), 643.

Dutt Sm ’Haarknoten’ per. ndd. (20. Jh.). Aus dem Nie-

derdeutschen übernommen, eigentlich ’Haufe, Klumpen’. Weitere Herkunft unklar. Düttchen Sn ÞDittchen. Dutte Sf ’Zitze, weibliche Brust’ per. stil. reg. (8. Jh.),

mhd. tut(t)e m./f., ahd. tutta. Offenbar ein Lallwort, das sich teilweise der Lautverschiebung entzieht. Vgl. ÞZitze, ÞTitte, ÞTüttel.

Dutzend Sn std. (14. Jh.). Zunächst als totzen bezeugt,

mit späterem Antreten eines -d. Entlehnt aus afrz. dozeine ’Zwölfheit’, das zu douze ’zwölf’ gehört. Ebenso nndl. dozijn, ne. dozen, nfrz. douzaine, nschw. dussin, nnorw. dusin. Zu den verwandten Wörtern s. ÞDuo. – Ro-

E -e Suffix (bildet Nomina aus Verben und Adjekti-

409f. (zur englischen Beeinflussung von Ebene); Schaffner,

St. in Forssman (2000), 491–505; EWahd 2 (1998), 929–931; ven) erw. alt. (–). Dient zur Bildung von 1) VerbalabEWNl 1 (2003), 664. strakta, häufig mit Ablaut )Þgeben − ÞGabe); Herkunft aus alten femininen o¯- und o¯n-Stämmen. 2) Ebenbild Sn erw. obs. (12. Jh.), mhd. ebenbilde. Zu Adjektiv-Abstrakta, in der Regel mit Umlaut )Þrot − ÞBild und Þeben in der Bedeutung ’gleich’, die auch Röte) aus Stämmen auf ahd. -ı¯. 3) (nicht mehr proin ebenbürtig und Ebenmaß auftritt. Vermutlich Lehnduktiv): Nomina Agentis, in der Regel mit Ablaut zu übersetzung zu l. configuratio. starken Verben )Þbieten − ÞBote) aus alten maskuHWPh 2 (1972), 305; EWNl 1 (2003), 714. linen o¯n-Stämmen. Der Typ mit Umlaut )Þschießen − Ebenholz Sn erw. fach. (11. Jh., Form 16. Jh.), mhd. ÞSchütze) geht auf -jo¯n-Stämme zurück. ebe¯nus m.; daneben eb(b)oum m., ebeienbaum m. und Wortbildung 2 (1975), 58f. und die dort angegebenen Stellen. (seit Luther) (h)ebenholtz, spahd. ebenus. Entlehnt Ebbe Sf (Teil der Gezeiten) std. (16. Jh., firebben 11. Jh.), aus l. (h)ebenus ’Ebenholzbaum, Ebenholz’, das seias. ebbiunga, mndl. ebbe, afr. ebba. Ursprünglich nienerseits über gr. ´ebenos f. auf aägypt. hbnj zurückderdeutsches Wort aus wg. *abjo¯n f. ’Ebbe’, auch in führt, dessen Vokalisierung wir nicht kennen. ae. ebba m.(?) ’Ebbe’. Das Wort kann entweder zu Ebenso nndl. ebbehout, ne. ebony, nfrz. ´ebe`ne, nschw. ebenholts, nhd. Þab gehören, dann ist die Ausgangsbedeutung nisl. ´ıbenholt. – EWNl 1 (2003), 654. ’das Ab-, Wegfließende’, oder zu den verwandten Eber Sm std. (8. Jh.), mhd. eber, ahd. ebur, as. Formen mit der Bedeutung ’wieder’, die unter Þaber ebÐ ur(spiot) n.(?). Aus wg. *ebura- m. ’Eber’, auch in behandelt sind, also ’das Wiederkommende, Zurückae. eofor. Das entsprechende anord. jo¸furr wird nur kommende’. In diesem Fall wäre die ursprüngliche als übertragene Bezeichnung für ’Fürst’ verwendet. Bedeutung ’Gezeiten’ gewesen. Falls anord. efja Entsprechend l. aper (mit abweichendem Vokal) und ’Schlamm, Schlick’ dazugehört, ist eher von der ers(mit v-Vorschlag) akslav. veprı˘, lett. vepris. Weitere ten Möglichkeit auszugehen. Die in den WörterbüHerkunft unklar. chern angegebene Bedeutung ’Gegenstrom in einem von Blumenthal, A. IF 49 (1931), 174 (evtl. ist auch gr. ´ebros Fluss’ (die für die zweite Möglichkeit sprechen würfür gr. tra´gos ba´te¯s ’Ziegenbock’ heranzuziehen); Gabriel de) ist zumindest im Altnordischen nicht nachzu(1989); RGA 6 (1986), 328–336; EWahd 2 (1998), 942f.; EWNl 1 weisen, und nnorw. evje bedeutet sowohl ’Bucht mit (2003), 715. sumpfigen Ufern’, wie auch ’Strudel (am Rande einer Eberesche (auch als Aberesche, Eberbaum u.ä. bezeugt) Strömung)’. Sf erw. fach. (15. Jh.). Trotz des späten Auftretens Röhrich 1 (1991), 349; Sausverde (1996) (Substratwort); wird der Zusammenhang mit einem keltischen Wort EWNl 1 (2003), 654. (und damit hohes Alter) vermutet: mir. ibar ’Eibe’ eben Adj/Adv std. (8. Jh.), mhd. eben(e), ahd. eban, as. usw. Eiben und Ebereschen haben gleichermaßen ebÐ an. Aus g. *ebna- Adj. ’eben’, auch in gt. ibns, rote Beeren; deshalb könnte die Bedeutungsübertraanord. jafn, jamn, ae. efen, afr. even, iven; daneben gung verständlich sein. Formen mit -mn- (besonders im Altenglischen), die Kutzelnigg, A. MS 84 (1974), 240f.; RGA 6 (1986), 336f. der üblichen Verteilung von -bn- und -mn- nicht entEberraute Sf (Wermutpflanze) per. fach. (14. Jh.). Umsprechen. Herkunft deshalb unklar. Der Anschluss gestaltet aus gleichbedeutendem l. (h)abrotonum n., von kymr. iawn ’gerecht, passend’, korn. ewn-, mbret. das seinerseits auf gr. abro´tonon n. unklarer Herkunft effen ’gleich’ ist semantisch ansprechend, aber lautzurückgeht. lich schwierig. Auch mir. emon m. ’Zwillingspaar, LM 3 (1986), 1524–1526; EWahd 1 (1988), 28–30. Zwilling’ kommt für einen Vergleich in Frage, evtl. echauffieren Vswrefl ’sich erregen, erhitzen’ per. fremd. auch ai. amna-, ’soeben, gerade, sogleich’. Abstrak(17. Jh.). Entlehnt aus frz. ´echauffer ’erhitzen’, das auf tum: Ebene; Verb: ebnen. früh-rom. *ex-calefacere zurückgeht. Ebenso nndl. effen, ne. even, nschw. jämn, nisl. jafn. S. auch Þneben. – Sommer, F. IF 31 (1912/13), 361f.; Mezger, F. ZVS 79 (1965), 44f.; Heidermanns (1993), 171f.; Carstensen 1 (1993),

Zu l. calefacere ’erhitzen’ s. Þinfizieren und ÞKalorie. – DF 5 (22004), 2f.

Efeu

227 Echo Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. ¯echo¯ f., dieses aus

gr. ¯echo¯´ f., zu gr. ¯eche¯´ f. ’Schall’.

Ebenso nndl. echo, ne. echo, nfrz. ´echo, nschw. eko, nnorw. ekko; ÞKatechismus. – DF 1 (1913), 162; EWNl 1 (2003), 654; DF 5 (22004), 4–9.

Echse Sf (Unterordnung der Kriechtiere) per. fach.

(19. Jh.). Von dem deutschen Naturforscher L. Oken 1816 als Oberbegriff mit falscher Ablösung aus ÞEidechse gebildet. echt Adj std. (13. Jh., ewahaft 8. Jh.). Aus dem Nieder-

deutschen übernommen (mndd. echte, mndl. echte). Das Wort ist mit dem Wandel ft zu cht eine Entsprechung zu obd. ehaft und kontrahiertem afr. aft ’gesetzmäßig’, besonders in ehafte Not ’rechtmäßige Gründe für das Nicht-Erscheinen vor Gericht’. Älter ist ahd. ¯eohaft ’der Sitte (ÞEhe) entsprechend, fromm’. Abstraktum: Echtheit. Wandruszka, M. Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 66 (1956), 68–80 = KS 77–99; Seebold (1981), 79–81, 95–98; Röhrich 1 (1991), 349; Benveniste, E. REL 14 (1936), 50–58 (D. ehaft im Sinne von ’rechtmäßig geboren’ könnte semantisch von l. lı¯ber abhängig sein); EWahd 2 (1998), 965; EWNl 1 (2003), 654f.

Ecke Sf (auch Eck n.) std. obd. (11. Jh., eggibug

wachsend’ und dem Wort für ’Acker’ (als ’Ort, an dem das Sammeln stattfindet’; ÞAcker). Die Zugehörigkeit der baltisch-slavischen Wörter für ’Beere’, die auf (ig.) *o¯g- zurückführen, ist denkbar (wenn die unter ÞBeere dargestellten Zusammenhänge nicht zutreffen). Ebenso ne. acorn, nschw. (dial.) akarn, nisl. a´karn; ÞAcker.

Ecu Sm (europäische Währungseinheit) per. fach.

(20. Jh.). In Anlehnung an frz. ´ecu, einer Münzbezeichnung (wie etwa der ÞTaler) geschaffene Abkürzung aus European Currency Unit, heute durch die Bezeichnung Euro abgelöst. Der ´ecu wurde zuerst 1266 unter Ludwig IX. geprägt und wurde 1577 unter Heinrich III. zur gesetzlichen Währungseinheit Frankreichs. Die Bezeichnung bezieht sich auf das Wappenschild mit den französischen Lilien, das auf das Goldstück geprägt war (frz. ´ecu ’Schild’ aus l. scutum ’Schild’). Entsprechend der italienische Scudo und der spanisch-portugiesische Escudo. Ebenso nndl. ECU, ne. ECU, nfrz. ´ecu, ndn. ECU, nnorw. ECU. – Carstensen 1 (1993), 411.

edel Adj std. (9. Jh., edili 8. Jh.), mhd. edel(e), ahd. edili,

as. ediÑ li. Aus wg. *aþal-ja- ’edel’, auch in ae. ¢deÑ l-, afr. ethele; Zugehörigkeitsbildung zu ÞAdel 1, also eigentlich ’zum Adel gehörig, vornehm’, später meist übertragen gebraucht. Komposita: Edelmut, Edelstein, Edelweiß.

’Abzweigung’ 8. Jh.), mhd. ecke, ahd. egga, as. eggia. Aus g. *agjo¯ f. ’Schärfe, Kante’, auch in anord. egg, ae. ecg, afr. egg, ig. Außergermanisch steht am nächsten l. acie¯s ’Schärfe, Schlachtreihe’; mit r-Suffix ai. a´´sriEbenso nndl. edel. – Vogt, F.: Der Bedeutungswandel des Wor’Ecke, Kante, Schneide’, gr. okrı´s ’Zacken’, al. ocris m. tes edel (Marburg 1908); Zutt, H.: Adel und Edel (Mannheim ’Bergzacken’, mir. ochair ’Ecke, Rand’. Falls heth. 1956); Maurer, F. FS Tellenbach (1968), 1–5; Heidermanns (1993), 107–109; Ludvik, D. Acta Neophilologica 5 (1972), 61–85 he¯kur- n. ’Fels, Felsgipfel’ dazugehört, ist ig. *hok´(zu Ed(e)ling); von Olberg (1991), 185–190; EWNl 1 (2003), anzusetzen. Zu einer schwer abgrenzbaren Wortsip657. pe, die einerseits ein (ig.) *ak´- ’spitzig’, andererseits (ig.) *ak´-/ok´- ’scharf’ enthält. G. *agjo¯ gehört zum edieren Vsw ÞEdition. zweiten Bereich. Die neutrale Form des deutschen Edikt Sn ’Erlass’ per. fach. (12. Jh.). Entlehnt aus l. ¯edicWortes ist seit mittelhochdeutscher Zeit belegt und tum, dem substantivierten PPP. von l. ¯edı¯cere (e¯dicvor allem im Oberdeutschen weit verbreitet. Sie ist tum) ’bekanntgeben’, zu l. dı¯cere ’sagen’ und l. ex-. fest geworden in Dreieck usw. Bereits bei den Römern ist es Bezeichnung für öffent1 Ebenso ne. edge, nschw. egg; Þacht, ÞAhorn, ÞÄhre, ÞEgge , liche Bekanntmachungen. 2 ÞEgge . Zu den Fremdwortentsprechungen s. ÞAkrobat. – Röhrich 1 (1991), 351; EWahd 2 (1998), 955f.

Ecker (vor allem als Buchecker bezeugt und stark vom

Ebenso nndl. edict, ne. edict, nfrz. ´edit, nschw. edikt, nnorw. edikt. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. dı¯cere ’sagen’ s. Þdiktieren. – EWNl 1 (2003), 657; DF 5 (22004), 9–12.

Niederdeutschen her bestimmt) Sf erw. fach. (11. Jh.), Edition Sf ’Ausgabe, Herausgabe von Schriften’ erw. mhd. ackeran, m./n., ahd. ekarn. Im Althochdeutfach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. ¯editio (-o¯nis), einer Abschen nur einmal bezeugt (vgl. K. Siewert: Glossenleitung von l. ¯edere (e¯ditum) ’herausgeben’, das dann funde. [Göttingen 1989], 167f.), dann mhd. ackeran, auch als edieren entlehnt wird. Nomen Agentis: Edim./n. und so auch noch in den Mundarten. Das Fetor. Über das Englische auch Editorial ’Leitartikel, Immininum seit dem 15. Jh. als Variante (wohl aus dem pressum’ (d.h. also ’Herausgeber-Text’). In der ComPlural). Aus g. *akrana- n. ’Wildfrucht’, auch in gt. putersprache wird das Eingeben mittels eines Editors akran ’Ertrag, Frucht’, anord. akarn n. ’Eichel’, ae. (ein Gerät oder Programm) editieren genannt. ¢¯ cern, ¢ ¯ cirn n. ’Eichel, Nuss’. Die Bedeutung ’Eichel’ Ebenso nndl. editie, ne. edition, nfrz. ´edition, nschw. edition. Zu noch in Ecker(n) als Farbe im Kartenspiel. Außergerdem zugrunde liegenden l. dare ’geben’ s. ÞDatum. – RGA 6 manisch stehen formal am nächsten mir. a´irne m. (1986), 447–452; DF 5 (22004), 12–16. ’Schlehe’,kymr.aeron ’Frucht,Beere’(*agranjo-/agrinEfeu Sm std. (9. Jh., ebihewi 8. Jh., vielleicht ein ae. jo- neben *agrono- für das Germanische). Weiter als Wort), mhd. ep-höu, ebehöu, ahd. (h)ebah. An ÞHeu ’Sammelfrucht’ zu gr. a´grios, l. agrestis ’wild, wildangelehnte Umdeutung (wie an ÞRebe in schwz.

Effeff

228

ÞRäbheu; an ÞLaub in mndd. iwlo¯f, ifflo¯f ) eines Wor- Egel (heute meist Blutegel) Sm ’Blutsauger’ erw. fach. tes, das in älterer Form wohl in ahd. ebach, ae. ifig n. (8. Jh.), mhd. egel(e) f., ahd. egala f. Herkunft unklar. vorliegt. Verwandt sind weiter ae. ifegn n. und die Auffällig ist die Ähnlichkeit von air. gil, kymr. gele(n) ’Blutegel’ und evtl. gr. bde´lla f. ’Blutegel’. Grundlage von mndd. iwlo¯f, mndl. iloof. In ahd. LM 2 (1983), 289; EWahd 2 (1998), 953f. ebach könnte -ach ein Kollektivsuffix sein, das erste Element ist unklar und wohl entlehnt. Die Anknüp- Egerte Sf ÞEgart. fung an l. ibex m. ’Steinbock’ unter der Annahme Egge1 Sf ’landwirtschaftliches Gerät’ erw. fach. (8. Jh.), einer gemeinsamen Grundlage, die ’klettern’ bedeumhd. egede, ahd. egida, as. egitha. Aus wg. *agiþo¯ f. ten soll, bleibt hypothetisch. ’Egge’, auch in ae. egedeÑ , afr. eide; dieses (mit angeMarzell 2 (1972), 756–765; RGA 6 (1986), 455; EWahd 2 (1998), passtem Mittelvokal) aus ig. (weur.) *oketa¯ f. ’Egge’, 927f. auch in lit. eke˙´ˇcios Pl., ake˙´ˇcios Pl., kymr. og(ed) und Effeff Sn (in etwas aus dem Effeff können usw. ’etwas mit lautlicher Unregelmäßigkeit (Konsonantenumsehr gut beherrschen’) std. stil. phras. (19. Jh.). Die stellung aus *otika?) l. occa. Aus der gleichen GrundHerkunft ist nicht sicher geklärt; dem Wortgebrauch lage mit anderem Suffix ist gr. oxı´na f. ’Egge’ gebildet. nach (aus dem Effeff) am ehesten für die alte AbkürAus der Sippe, die ig. *ak´- ’spitzig’ und ak´/ok´zung ff. für die Digesten (Gesetzessammlungen des ’scharf’ enthält (ÞEcke), wobei Egge zur Bedeutung römischen Rechts); ff ist dabei entstellt aus einem ’spitzig’ gehört, vermutlich als ein Kollektivum (Koldurchstrichenen D. lektiv von Spitzen). Der Konsonantismus des litauRöhrich 1 (1991), 351f. ischen Wortes macht bei dieser Annahme allerdings Schwierigkeiten. Da die Endung im Germanischen Effekt Sm ’Wirkung’ std. stil. (15. Jh.). Entlehnt aus l. wie ein Partizip aussah, wurde das Verbum rückgeeffectus, dem substantivierten PPP. von l. efficere (efbildet als vd. *ag-ija- in ahd. eggen, eckan, ekken, nhd. fectum) ’bewirken, entstehen lassen’, zu l. facere (faceggen. Die nhd. Form Egge steht in der Lautung unter tum) ’machen’ und l. ex-. Adjektive aus dem Grunddem Einfluss dieses Verbs. wort (effizient) und dem PPP. (effektiv) mit den AbEbenso nndl. eg(ge); ÞEcke. – LM 3 (1986), 1608; EWahd 2 strakta ÞEffizienz und Effektivität. Zu einem (1998), 958f.; EWNl 1 (2003), 664f. Abstraktum aus dem Grundverb s. ÞEffekten. Aus der Egge2 Sf ’Webkante’ per. fach. (18. Jh.). Niederdeutsche französischen Entsprechung (frz. effet) ist entlehnt Form zu ÞEcke. ÞEffet ’Drall, der bewirkt wurde (beim Billard)’. Ebenso nndl. effect, ne. effect, nfrz. effet, nschw. effekt, nnorw. effekt. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. facere ’machen’ s. Þinfizieren. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 389; EWNl 1 (2003), 664; DF 5 (22004), 16–24.

Effekten Spl ’Wertpapiere’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt

aus frz. effets Pl., it. effe(c)ti ’Vermögen, Wertpapiere’ (zu l. effectus als ’erreichter Besitz’; ÞEffekt) und relatinisiert. Ebenso nndl. effecten, ne. effects Pl., nschw. effekter, nnorw. effekten. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. facere ’machen’ s. Þinfizieren. – DF 5 (22004), 24f.

Effet Sm ÞEffekt. Effizienz Sf ÞEffekt. egal Adj std. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. ´egal, dieses

aus l. aequa¯lis ’gleich’, einer Ableitung von l. aequus ’gleich’. Ebenso nndl. egaal, ne. equal, nschw. egal, nnorw. egal. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. aequus ’gleich’ s. Þäqui-. – Jones (1976), 301f.; Brunt (1983), 263; DF 5 (22004), 26–30; EWNl 1 (2003), 665.

Egart (Egerte) Sf ’Grasland, das in anderen Jahren als

Acker benützt wird’ per. fach. obd. (12. Jh.), mhd. egerde, egerte, ahd. egerda. Vielleicht aus ¯ewa (ÞEhe) und gart als ’umzäuntes Land für das besondere Rechte gelten’. Bach, A.: Deutsche Namenkunde II,1 (Heidelberg 1953), 385; Bader 3 (1973), 162–170.

Specht, F. ZVS 62 (1935), 210–215.

Egoismus Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. ´egoı¨sme,

dieses zu l. ego ’ich’ (s. auch -ismus). Die ältere Form Egotismus stammt aus dem Englischen, wo sie viel-

leicht im Anschluss an Idiotismus gebildet wurde. Entsprechend die Täterbezeichnungen Egoist und Egotist. (Das antike egoitas bezeichnet den ständigen Gebrauch des Pronomens der 1. Person). Die Bedeutungen der frühen Bildungen fallen auseinander − im Deutschen zunächst Bezeichnung der später Solipsismus genannten philosophischen Richtung. Adjektiv: egoistisch. Ebenso nndl. egoı¨sme, ne. egoism, nschw. egoism, nnorw. egoisme. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þich. Vgl. das bedeutungsverwandte egozentrisch.Ersatzwort ist Selbstsucht. – Ganz (1957), 61f.; HWPh 2 (1972), 310–314; Fuchs, H.-J. FS Klein (Göppingen 1976), 103–123; EWNl 1 (2003), 666; DF 5 (22004), 33–37.

eh Ptkl ’ohnehin’ per. oobd. (19. Jh.). Regionale Vari-

ante von Þehe und von diesem durch eine semantische Sonderentwicklung geschieden. Entsprechender Herkunft ist das weiter verbreitete formelhafte seit eh und je ’seit langem’. Schlieben-Lange, B. Die Partikeln der deutschen Sprache. Hrsg. H. Weydt (Berlin 1979), 307–317.

ehe Konj std. (15. Jh.). Ursprünglich eine Variante von

Þeher: dessen r ist (nach Langvokal im Auslaut bei Unbetontheit) abgefallen, dann Zerdehnung des so

ehrwürdig

229

entstandenen ¯e wie bei ¯er und funktionale Differenzierung gegenüber diesem. Die Funktion der Konjunktion nach dem Muster Ich gehe nicht, ehe er kommt aus Ich gehe nicht. Eher kommt er. Þeher. – Behaghel 3 (1928), 166.

Ehe Sf std. (8. Jh.), mhd. ¯e(we), ahd. ¯ewa, ¯ewı¯, as. ¯eo.

Aus wg. *aiw¢¯ –/j- f. ’Sitte, Recht’, auch in ae. ¢ ¯ we n., ¢¯ (w), afr. ¯ewa, ¯ewe. Die Spezialisierung auf die heutige Bedeutung ist erst mittelhochdeutsch, früher schon belegbar im Altenglischen. Am nächsten steht bei Annahme einer Grundform (ig.) *ajeu- l. iu¯s aus *(a)jewes-, das später allgemein ’Recht’ bedeutet, aber ursprünglich ebenfalls von ’Sitte’ ausgegangen ist. Beide Wörter beruhen auf *ajeu- ’lenken, verbinden’, das auch Wörter für ’Folge, Dauer, Ewigkeit’ liefert (Þewig). Auszugehen ist also von ’Herkommen, Überlieferung’. Die Zweisilbigkeit der neuhochdeutschen Form beruht auf Zerdehnung. Adjektiv: ehelich. Þecht. – Wachsner (1921); Weisweiler, J. FS Streitberg (1924), 419–462; Scovazzi, M.: Le forme primitive del matrimonio germanico. In: Studi nelle scienze giuridiche e sociali ... Universita` di Pavia 35 (1957), 163–246; Bosco Coletsos, S.: La terminologia del matrimonio in tedesco. In: Atti della Academia delle Scienze filologiche di Torino 105 (1971), 373–473; HWPh 2 (1972), 895–904; Beck, H. GS Güntert (1974), 47–56; Seebold (1981), 89–98; LM 3 (1986), 1616–1648; Röhrich 1 (1991), 352; RGA 6 (1986), 478f., 8,1 (1991), 35–37; SchmidtWiegand, R. FS Schützeichel (1987), 937–958; Haibach, U.: Familienrecht in der Rechtssprache (Frankfurt/Main 1991); Sousa-Costa (1993), 123–127; EWahd 2 (1998), 1173–1175.

eher Adv std. (8. Jh.), mhd. ¯er, ahd. ¯er. Aus g. *airiz Adv.

Ehezärter Sm ’Ehevertrag’ per. arch. (16. Jh.). Zusam-

mensetzung aus ÞEhe und ÞZärter, Zarter (ndd. Zerter), dem das aus dem Französischen entlehnte chartre f. (von l. chartula f.) ’Urkunde’ zugrunde liegt. Ebenso ne. charter.

Ehre Sf std. (8. Jh.), mhd. ¯ere, ahd. ¯era, as. ¯era. Aus g.

*aizo¯ f. ’Achtung’, auch in anord. eir ’Gnade, Milde, Hilfe’, ae. a¯r ’Wohltat, Schonung, Ehre’, afr. ¯ere; mit Rücksicht auf die außergermanischen Verwandten ist von (ig.) **aids-a¯ auszugehen, einer Erweiterung eines s-Stammes, der in gr. aido¯´s ’Ehrfurcht, Scheu’ vorliegt. Dieses zu gr. aide´omai, aı´domai ’ich scheue, verehre’. Eine Weiterbildung *aids-d- ’Scheu, Ehre geben’ in gt. aistan ’scheuen, achten’ und vielleicht ai. ¯´ıtte ’preist, verehrt’ (Lautstand unklar). Verb: ehren; ˙˙ Adjektive: Þehrlich, ehrbar, sowie ehrfürchtig und Þehrwürdig. Regional (bair.) steht ehren für das Schenken an feierlichen Anlässen (Hochzeit usw.). Ebenso nndl. eer. – Karg-Gasterstädt, E. BGDSL 70 (1948), 308–331; Must, G. PMLA 76 (1961), 326–329 (anders); Maurer, F. WW 2 (1951/52), 72–80; Maurer, F. FS Kohlschmidt (Bern 1969), 30–44; HWPh 2 (1972), 319–323; GB 2 (1975), 1–63; RGA 6 (1986), 500–504; LM 3 (1986), 1662f.; Röhrich 1 (1991), 352f.; EWahd 2 (1998), 1110–1112; EWNl 1 (2003), 661f.

ehrenrührig Adj erw. stil. (16. Jh.). Eigentlich ’was an

die Ehre rührt (sie betrifft, speziell: sie angreift, verletzt)’. Ehrenwort Sn std. (16. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Zusam-

mensetzung aus ÞEhre und ÞWort. Zuerst nur in der systematischen Bedeutung ’ehrendes Wort, höfliche Rede, Kompliment’, seit dem 18. Jh. dann in der heutigen Bedeutung gebraucht.

eines Komparativs, der in ahd. ¯eriro, afr. ¯erra, a¯rra, ae. ¢¯ rra, ¢ ¯ rre vorliegt und zu dem der Superlativ in erst Röhrich 1 (1991), 354. erhalten ist. Das Adverb des Komparativs auch in gt. Ehrfurcht Sf std. (16. Jh.). Rückbildung aus dem seit airis (mit wiederhergestelltem Endungsvokal), ae. ¢ ¯ r, dem 16. Jh. nachgewiesenen Adjektiv ehrfürchtig, das der Positiv vermutlich in gt. air, anord. a´r ’früh’. Ausaus ÞEhre und ÞFurcht (mit Adjektivsuffix) zusamgangsbedeutung ist offenbar ’bei Tagesanbruch’, vgl. mengesetzt ist (also etwa ’um die Ehre besorgt’). gr. eri- (aus *ajeri) und avest. aiiar- ’Tag’ (r/ Nichtenhauser (1920), 25; HWPh 2 (1972), 323f.; Bayer, H. n-Stamm). Die Zweisilbigkeit der neuhochdeutschen WW 28 (1978), 401–422. Form beruht auf Zerdehnung. Ehrgeiz Sm std. (16. Jh.). Rückbildung aus dem AdjekEbenso nndl. eer(der), ne. ere; Þehe, Þerst. – EWahd 2 (1998), tiv ehrgeizig, mhd. ¯ergı¯tec, das aus ÞEhre und geizig in 1107–1109; EWNl 1 (2003), 662, 692. der älteren Bedeutung ’habsüchtig, gierig’ (einer Abehern (nur noch in übertragener Bedeutung üblich) leitung zu ÞGeiz), zusammengesetzt ist. Also ’nach Adj std. stil. (8. Jh.), mhd. ¯erı¯n, ahd. ¯erı¯n. Aus wg. Ehre verlangend’. *aizı¯na- Adj. ’ehern’, auch in ae. ¢¯ r(e)n, afr. ¯eren, HWPh 2 (1972), 324f.; LM 3 (1986), 1663. Materialadjektiv zu g. *ajaz- n. ’Erz’ in gt. aiz, anord. ehrlich Adj std. (8. Jh.), mhd. ¯erlich, ahd. ¯erlı¯h eir, ae. ¢ ¯ r, ahd. ¯er(e), as. ¯er; dieses zu ig. *ajos- n. ’ehrenwert’. Dann vor allem im Gegensatz der ehrli’Erz’, dem einzigen grundsprachlichen Metallwort, chen und unehrlichen Gewerbe eingeengt und neudas in der Bedeutung allerdings nicht einheitlich ist: hochdeutsch zu ’aufrichtig’ verschoben. ai. a´yas- ’Eisen, Erz’, l. aes ’Erz, Bronze, Kupfer’; auch HWPh 2 (1972), 325f.; EWahd 2 (1998), 1142; EWNl 1 (2003), gotisch und altnordisch bedeutet das Wort eher 663. ’Kupfer’ als ’Eisen’. Weitere Herkunft unklar. Die Zweisilbigkeit im Neuhochdeutschen beruht auf Zer- Ehrn Sm ÞErn. dehnung. ehrwürdig Adj std. (8. Jh.), mhd. ¯erwirdec, ahd. ¯erwirÞÄra. – EWahd 2 (1998), 1109f., 1135f. dig. Vor allem als Beiwort für die Bezeichnung von

ei

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Angehörigen geistlicher Stände. Daraus im 16. Jh. die Eibe Sf erw. fach. (10. Jh.), mhd. ¯ıwe, ahd. ¯ıwa, mndd. Rückbildung Ehrwürden als Anrede. iwe. Aus g. *ı¯w- (mit verschiedenen Stammbildungen) f. ’Eibe’, auch in anord. y´r m., ae. ¯ıw, häufige EWahd 2 (1998), 1151. Nebenbedeutung ist ’Bogen’, auch ’Armbrust’ (da ei Interj (Ausdruck von Verwunderung, Freude, aus dem Holz der Eiben Bogen hergestellt wurden). Spott) std. (12. Jh.), mhd. ei(a¯). Ähnlich gr. aı˜ als AusDaneben Formen mit Tektal in ahd. ¯ıgo m., as. ¯ıh; da ruf der Verwunderung bzw. als Weheruf; weitere Ineindeutig ig. (eur.) *(o)iwa¯ vorausliegt, sind diese unterjektionen mit gleicher Lautform für weiter absteerklärt. Vielleicht liegt ein n-Stamm mit schwundhende Funktionen auch in anderen indogermanistufigem Suffix und Übergang von g. -w- zu -g- vor. schen Sprachen. Ig. (eur.) *(o)iwa¯ ’Eibe’ ist bezeugt in air. eo´ m., kymr. Ei Sn std. (8. Jh.), mhd. ei, ahd. ei, as. ei. Aus g. *ajjaz- n. ywen ’Eibe’, apreuß. iuwis ’Eibe’ (vielleicht entlehnt), ’Ei’, auch in anord. egg, ae. ¢ ¯ (i)g, krimgt. ada. Gehört und mit abweichender Bedeutung gr. oı´¯e, o´a zu einer lautlich auseinanderfallenden, aber offenbar ’Vogelbeerbaum’, lit. ieva` ’Faulbaum’, russ. ´ıva zusammengehörigen Gruppe von Wörtern für ’Ei’ in ’Weide’. Der Anschluss von heth. eja- n. ’ein immerden indogermanischen Sprachen, mit denen wahrgrüner Baum’ ist verlockend − die Form zeigt aber scheinlich ein lautlich ebenfalls schwieriges, aber ofkein Suffix (*oi-en- oder *ei-en-). Der Baumname fenbar altes Wort für ’Vogel’ zusammengehört. Ofwird auf ein Farbwort für ’rötlich’ zurückgeführt, der fenbar ist das Ei als das ’zum Vogel Gehörige’ benannt sich teils auf das Kernholz, teils auf die Beeren bezie(nicht umgekehrt der Vogel als ’Eiertier’). Das Wort hen soll. Da ein solches Farbwort aber nicht eindeutig für ’Vogel’ ist (ig.) *¡wei- in ai. vı´- m., l. avis f. und belegt ist, bleibt auch diese Annahme unsicher. Bei vielleicht (sehr unsicher) auch gr. a¯eto´s m., gr. (ion.) striktem Vergleich erscheint die Bedeutung ’Eibe’ nur aieto´s m. ’Adler’, kymr. hwyad(en) ’Ente’; das Wort im Keltischen und Germanischen, die beide noch ein für ’Ei’ (*o-¡wi-o-?) erscheint ohne das vorauszusetweiteres Wort für ’Eibe’ (ig. weur. *eburo-; zende w außer im Germanischen auch in akslav. ajı˘ce ÞEberesche) ausschließlich gemeinsam haben; das (aus *o¯jo-); unsicher l. o¯vum und arm. ju, kymr. w ˆ y; germanische Wort führt dabei am ehesten auf (ig.) mit w gr. o¯io´n (Sapph.), o¯´¨ıon (in Glossen o¯´bea, wo*ı¯k wo- oder *eik wo-, das keltische auf *iwo-. Vielleicht durch das w erwiesen wird), alb. voe (< *e¯wje¯). Der hat das Germanische das keltische Eibenwort *ebulautliche Übergang von voreinzelsprachlichem *o¯wjro-, das Keltische das (späte) germanische *ı¯wa- entbzw. *o¯j- zu g. *ajj- ist nicht ausreichend aufgehellt. − lehnt. Da *iwo- im Keltischen auch allgemein einen Die Form-Metapher von ’Ei’ zu ’Hode’ ist gebräuchgroßen heiligen Baum bezeichnen kann, könnte dies lich, vgl. lit. pau˜tas ’Ei, Hode’, russ. jaicˇko ’kleines Ei auf die Ausgangsbedeutung hinweisen und die Be(Diminutiv), Hode’, ai. andan. ’Ei, Hode’, in der äldeutungsvielfalt wäre erklärbar als Übertragung auf ˙ ˙ teren Sprache ai. a¯nda- n. ’Ei’, m./f. Dual ’Hoden’, andere Bäume und Pflanzen mit ritueller Funktion l. testiculum ’Hode’˙ ˙zu l. testa in der Bedeutung (Williams). ’Eierschale’. Ebenso nndl. ijf, ne. yew, nschw. yd, nisl. y´r. – Bertoldi, V. Ebenso nndl. ei, ne. egg (entlehnt), nschw. ägg, nisl. egg; Þoval. WS 11 (1928), 145–161; RGA 6 (1986), 524–530; Williams, – Schindler, J. Sprache 15 (1969), 144–167; RGA 6 (1986), N. J. A. FS Carney (Maynroth 1989), 453f. 511–524; LM 3 (1986), 1663–1665; Röhrich 1 (1991), 354–359; Eibisch Sm ’Pflanzenname’ per. fach. (9. Jh.), mhd. EWahd 2 (1998), 967–969; EWNl 1 (2003), 667.

-ei Suffix (zur Bildung von denominativen Nomi-

¯ıbesch(e), ybesch f., ahd. ¯ıbisca, ¯ıwisca f. Entlehnt aus l. (h)ibı¯scum n., das seinerseits aus dem Keltischen entlehnt ist. Weitere Herkunft unklar.

na) std. (–). Zur Bildung von denominativen Abstrakta (Barbarei) und Bezeichnungen von Orten, an Ebenso ne. hibiscus, nfrz. hibiscus, nschw. hibiskus; ÞHibiskus. – denen ein Beruf ausgeübt wird (Bäckerei) u.ä., sekunMarzell 1 (1943), 229f.; LM 3 (1986), 1665. där auf Verben bezogen in der Form -erei (Raserei); heute auch bei Bezeichnungen von Sammlungen be- Eiche Sf std. (8. Jh.), mhd. eich, ahd. eih(ha), as. ¯ek. Aus g. *aik-(o¯), älter *aik- f. ’Eiche’, häufig auch ’Schiff liebt (Kartei, Datei, die hybriden Bildungen dieses aus Eichenholz’, auch in anord. eik (KonsonantTyps beginnen mit Auskunftei, 19. Jh.). In mittelhochstamm), ae. a¯c, afr. ¯ek. Ähnlich in Form und Bedeudeutscher Zeit entlehnt im Rahmen von französitung sind l. aesculus ’Bergeiche’ und gr. aigı´lo¯ps m. schen Wörtern wie vilanie mit Unterstützung durch ’eine Eichenart, Flughafer’, gr. aı´geiros ’SchwarzpapLatinismen auf -tia wie profezie. Kann als heimisch pel’. Da Eichen mehrfach nach ihrem harten Kerngelten, zeigt aber noch den französischen Akzent auf holz bezeichnet werden (vgl. etwa l. robus ’Kernholz, dem Suffix. Eine Variante ohne Diphthongierung ist Eiche’ und l. robustus ’hart, fest, kräftig’), liegt es -(er)ie, wie in den Wörtern Galanterie, Pikanterie nahe, auch bei dem Eichenwort eine solche Grundusw., die zwar auf fremder Grundlage beruhen, aber lage zu suchen, die zwar nicht eindeutig nachweisbar, teilweise erst im Deutschen entstanden sind. aber ziemlich wahrscheinlich ist. Die genannten Wortbildung 2 (1975), 68f. und die dort angegebenen Stellen; Baumnamen bezeichnen Hartholzbäume, die BedeuÖhmann, E. NPhM 34 (1933), 125–128 (-erei).

231

Eidechse

tung ’Flughafer’ muss auf einer Verwechslung o.ä. Eid Sm std. (8. Jh.), mhd. eit, ahd. eid, as. (me¯n)e¯th. beruhen. Eine Stütze kann darin gesucht werden, Aus g. *aiþa- m. ’Eid’, auch in gt. aiþs, anord. eidrÑ , ae. a¯þ, afr. ¯eth. Außergermanisch sind vergleichbar dass eine Vollstufe der zweiten Silbe (*ajeg-) im Gerair. oeth m. ’Eid’, kymr. anudon ’Meineid’. Es handelt manischen und Keltischen Wörter für ’Eis’ liefert, das damit als ’das Harte’ bezeichnet wäre (anord. jo¸kull sich bei diesen aber nicht um die normalen keltischen Wörter für ’Eid’, deshalb ist die Annahme, dass die ’Eiszapfen’, mir. aig ’crystallus’. Adjektiv: Þeichen. germanischen Wörter aus den keltischen entlehnt Ebenso nndl. eik(eboom), ne. oak, nschw. ek, nisl. eik; ÞEichel. – Osthoff, H. in Etymologica Parerga. Hrsg. H. Osthoff (Leipseien, nicht wahrscheinlich. Formal entspricht gr. zig 1901); Benveniste, E. Word 10 (1954), 251–264 (= KS frz. oı˜tos m. ’(unglückliches) Schicksal’. Alles weitere ist 298–301, KS d. 330–334); van Windekens, A. J. Sprache 4 unklar. Adjektiv: eidlich; Präfixableitungen: Þbe-, ver(1958), 128–130; RGA 6 (1986), 530–534; LM 3 (1986), 1665–1666; eidigen. Fowler, R. L. Phoenix 42 (1988), 95–113, besonders 102–111; Röhrich 1 (1991), 539; Griepentrog (1995), 24–32; Seebold, E. FS Meid (1999), 465–469; EWahd 2 (1998), 984f.; EWNl 1 (2003), 669; Lewickij, V. HSF 116 (2003), 100–103.

Eichel Sf std. (9. Jh.), mhd. eichel, ahd. eihhila, mndl.

eikel. Zugehörigkeitsbildung in Form eines Diminutivums zu Eiche (*aikilo¯n). RGA 6 (1986), 534–536; EWahd 2 (1998), 973; EWNl 1 (2003),

669.

eichen Vsw ’amtlich abmessen’ erw. fach. (14. Jh.),

spmhd. ¯ıchen, mndd. ¯ıken, mndl. iken. Entlehnt aus spl. aequa¯re ’gleichsetzen’ wie afrz. essever ’eichen’ aus spl. exaequa¯re. Der Lautstand scheint auf eine frühe Entlehnung (vor der Lautverschiebung) zu weisen. Ebenso nndl. ijken. Zur zugrunde liegenden lateinischen Sippe s. Þäqui-. – Alanne, E. NPhM 55 (1954), 275–289; Guinet, L. EG 31 (1976), 249f.

Eichhörnchen (auch Eichhorn) Sn std. (11. Jh.), mhd.

Ebenso nndl. eed, ne. oath, nschw. ed, nisl. eiduÑ r. S. auch ÞMeineid. – Pisani, V. Annali della Facolta` di Filosofia e Lettere. Milano 10 (1957), 167f.; Hirzel, R.: Der Eid. Aalen 1966 (= Leipzig 1902); HWPh 2 (1972), 326–329; RGA 6 (1986), 537–542; LM 3 (1986), 1673–1692; Röhrich 1 (1991), 361; SousaCosta (1993), 185f.; EWahd 2 (1998), 976–978.

Eidam Sm ’Schwiegersohn’ per. arch. (9. Jh.), mhd. ei-

dem, ahd. eidum, mndd. eidom, eidum. Aus wg. *aiþuma- m. ’Schwiegersohn’, auch in ae. a¯duÑ m, afr. a¯thom. Mundartlich ist die Bedeutung ’Erbtochtermann’ (’jmd., der in eine Familie einheiratet, die nur Töchter hat’). Die lautliche Nähe von gr. aı´tios ’(schuldig), verantwortlich, (Urheber)’ würde eine ansprechende Deutung als ’der Verantwortliche’ ermöglichen (das meist genannte avest. ae¯ta- ’gebührender Teil, Strafe’ scheint ein Phantomwort zu sein, das auf Textmissverständnissen beruht). Risch, E. MH 1944–47, 117; Debus, F. DWEB 1 (1958), 31–37;

Müller (1979), 121–179; Kruijsen, J., A˚rhammar, N. FS Alieich(h)orn, ahd. eihhurn(o), eihhorno, mndd. e(c)kenei 1 (1986), 316–339; Fischer, H., Ritter, R.-P. MSS 52 (1991), ren, ekerken, ekorn nm., mndl. eencoren, eenhoorn. 9–13 (zum Avestischen); EWahd 2 (1998), 979–981. Führen zurück auf g. *aikurna- m./n. ’Eichhörnchen’, auch in aschw. ¯ekorne (neben früher bezeug- Eidechse Sf std. (9. Jh.), mhd. egedehse, eidehse, ahd. egidehsa, ewidehsa, as. egithassa. Aus wg. *agwi-þahstem, aber entwicklungsgeschichtlich späterem anord. jo¯n f. ’Eidechse’, auch in ae. a¯deÑ xe. Falls anord. eydlÑ a ´ıkorni m.), ae. a¯cwern − fast überall mit sekundären Umgestaltungen. Der vorausliegende nordeuropäi’Eidechse’ auf dieselbe Grundform zurückführt, wäre sche Name ist *woiwer-, wobei in der ersten Silbe sie gemeingermanisch. Die lautlichen Verhältnisse auch ¯e oder a¯ erscheint. Morphologisch handelt es sind jedoch noch nicht ausreichend geklärt, zumal sich wohl um eine Intensiv-Reduplikation oder eine bei diesem Wort in späterer Zeit starke UmgestaltunVriddhi-Bildung zu einer einfachen nominalen Regen aufgetreten sind, die auch für die frühe Zeit nicht duplikation (bei der i oder e denkbar wäre). Vgl. lit. ausgeschlossen werden können (vgl. etwa die Verve˙verı`s f., vaiveris m., voverı`s f., aruss. veˇverica, kymr. schiedenheit des altnordischen und des westgermagwiwer, nir. georog und mit leicht abweichender Benischen Wortes). Im Vorderglied dürfte aber ein altes deutung l. vı¯verra f. ’Frettchen’. Das germanische Wort für ’Schlange’ stecken (ig. *og whi- in ai. a´hi-, gr. Wort unterscheidet sich von diesen in einer auch o´phis u.a.); im Hinterglied am ehesten eine zu ig. *teksonst bezeugbaren Veränderung von inlautendem w ’laufen’ gehörige Bildung (eine s-Bildung bei dieser zu g. k und im Fehlen des Anlauts w- (was möglietwa in lett. teksnis ’Bote, Bedienter’), so dass die Eicherweise in nir. (reg.) iora eine Parallele hat). Vordechse als ’Schlangenläuferin’ (’laufende Schlange’) auszusetzen ist also (ig.) *(w)oiwr-. Weitere Herkunft bezeichnet wäre. − Im 19. Jh. entsteht durch falsche ˙ unklar. Die sekundäre Umgestaltung im Deutschen Ablösung der Oberbegriff ÞEchse. zu -horn, -hörnchen (schon seit spätalthochdeutscher Ebenso nndl. hagedis, nschw. ödla, nisl. (sand)edlÑ a. – Holthausen, F. ZVS 69 (1951), 165–171; Steinhauser, W. ZM Zeit) hat in neuerer Zeit zu der Ablösung Hörnchen2 30 (1963/64), 331–334; Machek, V. ZSPh 23 (1954), 120f.; für die ganze Familie dieser Tiere geführt Plassmann, J. O. BGDSL-H 82 (1961), Sonderband 117f.; (Flughörnchen usw.). Ebenso nndl. eekhorn, nschw. ekorre, nisl. ´ıkorni. – Seebold, E. IF 87 (1982), 175f.; RGA 6 (1986), 536f.; LM 3 (1986), 1668; Röhrich 1 (1991), 359–361; EWahd 2 (1998), 973–976.

LM 3 (1986), 1692; EWahd 2 (1998), 959–961; EWNl 2 (2005), 364f.

Eider

232 Eider Sm (Eiderente f.) erw. fach. (18. Jh.). Im Zuge des

Auch sonst ist ein Zusammenhang des frühen altengDaunenhandels als Bezeichnung für den Vogel und lischen Wortes mit dem spät bezeugten deutschen seine Federn entlehnt aus nisl. ¢drÑ (das diphthonschwer nachzuvollziehen. Verb: eifern; Adjektiv: eifrig. gisch ausgesprochen wird), (nisl. ¢duÑ r, ¢daÑ rfugl). Erste wissenschaftliche Beschreibung durch Worm ÞEifersucht. – von Bahder, K. ZHM 1 (1900), 300f.; von Bah1655, der die Lautform der europäischen Sprachen der, K. IF 14 (1903), 261; Maak, H. G. FS Rosenfeld (1989), 507–527; Heidermanns (1993), 95f. festlegt; später Eider-Ente. Da das eigentliche isländische Wort ¢daÑ rfugl ist, dürfte ¢duÑ r ein charakterisEifersucht Sf std. (16. Jh.). Eine seit dem 16. Jh. belegte tisches Merkmal des Vogels bezeichnen, und das verdeutlichende Zusammensetzung aus ÞEifer in der kann kaum etwas anderes sein als die Daunen, zumal alten Bedeutung ’Eifersucht (Argwohn gegenüber nur das Weibchen so bezeichnet wird − das Männeinem Nebenbuhler)’ und ÞSucht. Die Ableitung chen heißt bliki ’Glänzer’ wegen seines hellen Gefieeifersüchtig Adj. erscheint im 17. Jh. ders. Ein denkbarer Anschluss ist dann an ig. *e¯t-men LM 3 (1986), 1703; Kühn, P. ZPhSK 40,2 (1987), 267–278; Röh’Hauch, Atem’ in Bezug darauf, dass Daunen beim rich 1 (1991), 363f. leisesten Windhauch oder Atemzug wegfliegen. eigen AdjPP std. (8. Jh.), mhd. eigen, ahd. eigan, as. Ebenso nndl. eider, ne. eider, nfrz. eider, nschw. ejder. – Lock¯egan. Germanisches Partizip Präteritum zu dem wood, W. B. Annal. societ. scient. Færoensis 22 (1974), 112–115; Prät.-Präs. g. *aih ’besitzt’ in gt. aih, anord. a´, ae. a¯h, EWNl 1 (2003), 667. afr. a¯ch, as. ¯egun Pl., ahd. eigun Pl.; das Partizip auch Eierkopf Sm ’Intellektueller’ per. grupp. (20. Jh.). Überin anord. eiginn, ae. a¯gen, afr. ¯ein. Das Verb vergleicht setzt aus am.-e. egghead, das seit 1952 in Amerika in sich vor allem mit ai. ¯´ı´se ’hat zu eigen, besitzt, beGebrauch ist. Das Tertium comparationis ’dünne herrscht’ (wird als athematisches Präsens behandelt, Schale und darunter weiche Masse’. ist aber sicher eine Umgestaltung aus einem alten Tamony, P. ASp 38 (1963), 235f.; Carstensen 1 (1993), 414f. Perfekt). Abstraktum: Eigenheit. eiern Vsw ’unrund laufen (von einem Rad)’ std. stil. Ebenso nndl. eigen, ne. own, nschw. egen, nisl. eiginn. S. die folgenden Artikel und ÞFracht. – Seebold (1970), 69–72; Röh(20. Jh.). Nach der Verformung der Felge zu einem rich 1 (1991), 364f.; HWPh 2 (1972), 339–342 (zu Eigentum); GB ’Ei’. Eiertanz Sm erw. fach. (17. Jh.). Bekannt aus Goethe

2 (1975), 65–115; RGA 6 (1986), 561–564; EWahd 2 (1998), 982f.; EWNl 1 (2003), 667f.

(Wilhelm Meisters Lehrjahre II,8 und III,6), von einem italienischen Kunsttanz zwischen ausgelegten Eigenbrägler Sm, EigenbrätlerSm ÞEigenbrötler. Eiern. Ein solcher Tanz ist auch oberdeutscher Volks- Eigenbrötler Sm ’Sonderling’ std. stil. (17. Jh., Standard 19. Jh.). Zusammenbildung aus Þeigen und ÞBrot mit brauch gewesen (Fischer 2 [1908], 568); die früheste dem Suffix -ler. Als systematische Bedeutung ist zu Bezeugung kommt aber aus den Niederlanden (1617). erschließen ’einer, der sein eigenes Brot bäckt’; belegt Übertragen von jmd., der sich mit gewundenen Worist das Wort zuerst nur im Schwäbischen in der Beten um heikle Dinge herumdrückt (er führt einen Eideutung ’Junggeselle mit eigenem Haushalt’, etwas ertanz auf). später dann (weil Junggesellen gerne als Sonderlinge Ebenso nndl. eierdans, ne. egg-dance, nfrz. danse des œufs. – Röhrich 1 (1991), 361–363. betrachtet werden und wohl auch unter Einfluss von eigen in der Bedeutung ’sonderbar’) als ’Sonderling’. Eifer Sm std. (14. Jh., Form 15. Jh.). Zunächst im Ähnliche Bezeichnungen (aus dem süddeutschen Nomen Agentis spmhd. eifr¢r ’Zelot’, dann der subRaum) sind Eigenbrätler, Eigenbrägler, Einmüßler(ein = stantivierte Infinitiv eifern ’Eifersucht’, schließlich eigen); vgl. auch spmhd. einbrœtec Adj. ’einen eigenen Eifer bei Luther, der es als neues Wort bezeichnet. Herd habend’. Herkunft unklar. Am ehesten als vd. *ı¯bra- Adj. eine Variante zu ahd. eibar, eivar, ae. afor ’rauh, herb’ (aus Eigenname Sm std. (16. Jh.). Lehnübersetzung zu l. vd. *aibra-, vgl. den Ablaut bei gt. baitrs − ahd. bittar; no¯men proprium (no¯men = ’Name’ und grammatischer Begriff für Substantiv und Adjektiv, proprius = Þbitter). Dies kann angeknüpft werden an lit. aitru`s ’bitter, herb, scharf’ − ein weiterer Anschluss von ’eigen’). Vorher (16. und 17. Jh.) werden Fügungen russ. ja´ry′ ’jähzornig, eifrig’ wäre im Hinblick auf die gebraucht wie (der) eigene Namen, (der) eigentliche deutschen Bedeutungen verlockend, ist aber lautlich Namen oder das Eigene. unklar (und wohl aufzugeben). Vielleicht verschieVortisch (1910), 46; HWPh 2 (1972), 333. dene Erweiterungen zu ig. *ai- ’brennen’, das aber als Eigennutz Sm ’der Nutzen für sich selbst, nicht für das solches nicht bezeugt, sondern nur aus ErweiterunGemeinwohl’ std. stil. (15. Jh.). Vermutlich Rückbilgen zu erschließen ist (z.B. ahd. eit ’Glut’, anord. eisa dung zu eigennützig ’wer sich selbst nützt’. Die Be’Feuer, glühende Asche’). Vgl. immerhin das unter griffsbestimmung ist schon alt und findet sich etwa in eilen 1 Ausgeführte. Zu beachten ist ae. afor ’herb, dem Gegensatz bonum commune und bonum privastreng’, das beim Vergleich für das deutsche Wort altum bei Thomas von Aquin. Die Bezeichnung als lerdings einen alten Diphthong voraussetzen würde.

Eimer

233

Eigennutz wird wohl unter dem Einfluss von ne. self- Eiland Sn erw. obs. (13. Jh., Standard 16. Jh.). Übernominterest im 17. Jh. üblich. men aus dem Niederdeutschen (mndd. e(i)lant, eyglant, mndl. eiland). Dies ist eine späte VerdeutliHWPh 2 (1972), 333f. chung, die auch in afr. eiland, eilond, ae. ¯egland, ¯egeigens Adv std. stil. (18. Jh.). Adverbialer Genetiv zu lond und anord. eyland auftritt, zu g. *agwijo¯ f. ’die Þeigen in der Bedeutung ’besonders, ausschließlich zum Wasser gehörige’ − was im Deutschen zu Au(e) zugehörig’. wird, in den nordseegermanischen Sprachen zu Eigenschaft Sf std. (12. Jh.), mhd. eigenschaft, ahd. eigeinem Wort für ’Insel’ in anord. ey f., ae. ¯ıg, ¯eg f., anscaft ’Eigentum, Eigentümlichkeit’. Seit dem 16. Jh. mndd. o¯, oe, oge, afr. -ey in Ortsnamen. Eiland ist also wurde das Wort zur Übersetzung von l. qualitas ver’Inselland’. Schon mhd. einlant ’Insel’ mit Umdeuwendet und wurde dann auf diese Bedeutung festtung des Vorderglieds (’allein liegendes Land’), auch gelegt. mit einer Variante eilant, doch ist dieses Wort schon HWPh 2 (1972), 334–339; Tobin, F. J. Seminar. A Journal of früh ausgestorben. Germanic Studies 8 (1972), 160–168.

Eigensinn Sm std. (16. Jh.). Rückbildung aus dem schon

Ebenso nndl. eiland, ne. island; ÞAu. – Rooth 1 (1979), 14–17; EWNl 1 (2003), 669.

im Mittelhochdeutschen nachweisbaren Adjektiv eilen1 Vsw std. (8. Jh.), mhd. ¯ılen, ahd. ¯ıl(l)en, as. ¯ılian. eigensinnig (mhd. eigensinnec), das aus Þeigen und Zunächst ’sich mühen, anstrengen’, dann auch schon ÞSinn mit dem Suffix Þ-ig zusammengebildet ist. Die früh ’eilen’, das sich später durchsetzt. Herkunft unFügung (der) eigen Sinn ist im 17. Jh. nachweisbar. klar, da ein Anschluss an ig. *ei- ’gehen’ die ältere Entsprechende Rückbildungen: Blöd-, Doppel-, Hoch-, Bedeutung unberücksichtigt lässt. Vielleicht Kalt-, Leicht-, Scharf-, Tief-, Un-, Wahn-, Widersinn. schwundstufiges ig. *i¡lo- ’Eifer’ neben *ja¯lo- in gr. Ruppel (1911), 20f. ze˜los ’Eifer’, air. ailid ’erfleht, bedrängt’, kymr. iolaf ’ich flehe an, lobpreise’, evtl. weiter zu ai. ya¯-, das eigentlich Adj std. (12. Jh., Form 13. Jh.), mhd. eigeneinerseits als ’anflehen’ (vgl. ai. ya¯´ti ’bittet, fleht an’), lich, dann mit Dentaleinschub eigentlich, mndd. egandererseits in Ableitungen für ’verfolgen, rächen’ entlik, mndl. eigenlijc. Ableitung mit dem Suffix (vgl. ai. ya¯ta¯´ ’Rächer, Verfolger’) bezeugt ist. AbstrakÞ-lich von Þeigen Adj. oder eigen n. ’Besitz’. Im Mittum: Eile; Adjektiv eilig1. telhochdeutschen ist das Wort sowohl in der ursprünglichen Bedeutung ’eigen = im Besitz habend’ Röhrich 1 (1991), 365. als auch in der von ’eigentümlich, ausdrücklich, be- eilen2 Vsw Þeilig 2. stimmt’ nachzuweisen. Die heutige Bedeutung ist abeilfertig Adj erw. obs. (16. Jh.). Eigentlich ’bereit (ferhängig von ’den Kern, das Wesen ausmachend’. tig) zu eilen’, verwendet im Sinn von ’eifrig bemüht, HWPh 2 (1972), 339; Pe´rennec, M. Cahiers d’e´tudes germaetwas zu tun, besonders gefällig zu sein’. niques 18 (1990), 57–72; EWNl 1 (2003), 668f. eigentümlich Adj std. (15. Jh.). Zu Eigentum n., dem

eilig1 Adj Þeilen 1.

Abstraktum von Þeigen Adj. gebildet, zunächst mit eilig2 Adj ’stumpf (von Zähnen)’ per. arch. (15. Jh.). der Bedeutung ’als Eigentum zugehörig’, dann Auch eilen 2 ’stumpf sein (von Zähnen)’ neben Þilgern ’stumpf werden (von Zähnen)’. Herkunft un’jemand als Besonderheit zukommend, typisch’, und schließlich ’merkwürdig’. klar. Vielleicht mit dem gleichen Wechsel (ig.) *i¡l/je¯lwie bei Þeilen 1 zu lit. je˙˜las, lett. je¯ls ’roh’ (sowohl von Fleischhauer, W. FS Seidlin (Tübingen 1976), 56–63; Plumpe, G. AB 23 (1979), 175–196; LM 3 (1986), 1714–1725 (zu EigenMilch und Fleisch, als auch von der Haut), ’wund’ tum). usw. eignen Vswrefl std. (13. Jh.), mhd. eigenen, mndd. ¯ege- Eimer Sm std. (8. Jh.), mhd. eimer, eimber, einber, ahd. nen. Aus wg. *eign-¢¯ -Vsw. ’zu eigen haben, besitzen’, eimbar m./n., eimb(a)ri n., eimbarı¯(n) n. Das Wort ist auch in ae. a¯hnian, a¯gnian; es gehört zu eigen, aber ursprünglich, wie ae. a¯mber, o¯mbor m. / n.(?) entlehnt wohl eher zu einem Substantiv (wie etwa anord. eign aus l. amphora f. ’Gefäß mit zwei Henkeln’, das sei’Eigentum’) als zu dem Adjektiv (Partizip Präterinerseits aus gr. amphoreu´s entlehnt ist, das durch Hatum). Anders gebildet sind anord. eigna ’sich aneigplologie aus ebenfalls belegtem gr. amphi-phoreu´s nen, erwerben’ und gt. ga-aiginon ’übervorteilen’ ’Doppelträger’ (zweihenkliger konischer Krug) ent(o¯-Verb ’zu eigen machen’), hierzu ahd. eiganen standen ist. Offenbar wurde die Funktion dieses Ge(9. Jh.), nhd. sich aneignen. Die Bedeutung von eignen fäßes dann durch einen Kübel mit Henkel übernomist im Deutschen zunächst ’gehören, rechtlich zustemen, worauf das Wort umgedeutet wurde zu ahd. hen’, dann ’entsprechen, sich ziemen’ (vgl. eim-bar ’Ein-Trage’ zu dem Zahlwort Þeins und einer ÞEigenschaft, Þeigentümlich, eigenartig) und schließmöglichen Ableitung zu beran ’tragen’ (Þgebären). lich ’zu etwas taugen, gut entsprechen’. Nomen Ebenso nndl. emmer, nschw. ämbar, nnorw. ambar. Zur Sippe Agentis: Eigner; Abstraktum: Eignung; Präfigierung: von gr. phe´rein ’tragen’ s. ÞMetapher. Vgl. ÞZuber. – Alanne, E. NPhM 56 (1955), 198f.; Hildebrandt, R. DWEB 3 (1963), enteignen; Partikelverb: zueignen.

ein1

234 381f.; RGA 2 (1976), 324–330, 6 (1985/86), 582–601; LM 3 (1986), einbilden Vsw std. (12. Jh.), mhd. ¯ınbilden. Aus der 1729; Röhrich 1 (1991), 365; EWahd 2 (1998), 986–988; EWNl 1 Mystik stammende Zusammensetzung von Þein 2 (2003), 681. Adv. und Þbilden, wohl als Lehnübersetzung von l.

ein1 AdjNum /Art std. (8. Jh.), mhd. ein, ahd. ein, as. ¯en.

informa¯re. Die ursprüngliche Bedeutung bei den Aus g. *aina-, auch in gt. ains, anord. einn, ae. a¯n, afr. Mystikern ist ’etwas (in die Seele, die Seele in Gott) a¯n; dieses aus ig. (eur.) *oi-no- ’ein’ in gr. oino´s ’Eins hineinprägen’, später im kirchlichen Bereich ’einprägen’ allgemein und seit dem 17. Jh. mit dem auf dem Würfel’, l. u¯nus, air. oen, oı´n, kymr. un, Reflexivum (sich einbilden) ’irrtümlich annehmen, apreuß. ains, lit. vı´enas, akslav. inu˘. Aus der gleichen Grundlage gebildet ist ai. ´eka- ’ein’. Nach der systewähnen’. (Nndl. inbeelden, ndn. in(d)bilde, nschw. matischen Untersuchung von Carruba ist *oi- (+ inbilla sind Lehnübersetzungen nach dem deutschen Suffix) das älteste ig. Wort für ’ein(s)’. Der Stamm Wort.) Aus der Mystik stammen auch Einblick, besteht aus einem pronominalen (o-) und einem ÞEindruck, ÞEinfall, einleuchten usw. deiktischen Teil (-i-), sinngemäß also ’er/sie/es hier’ HWPh 2 (1972), 346–358. im Gegensatz zu dem vor allem im Griechischen be- einblasen Vsw ’vorsagen, eingeben’ std. stil. (11. Jh.). zeugten ig. *sem- ’ein(s)’, das ursprünglich etwa Zunächst in der religiösen Sprache ’für Leben ein’einer (aus einer Gruppe)’ bedeutet. Die Variante ig. hauchen’ usw., dann verallgemeinert unter Einfluss *oi-wo- wäre dann ’er/sie/es da’ und ig. *oi-k wo- ’und von l. inspı¯ra¯re ’einhauchen, beflügeln’. In der Sprader eine’. Die Entwicklung zum unbestimmten Artiche des Theaters und der Schüler dann auch für kel hat schon vorliterarisch eingesetzt (deutsch und ’zuflüstern’, hieraus die heutige Bedeutung. englisch). Das alte Adverb eine ’allein’ wird durch Eindruck Sm std. (14. Jh.). Aus eindrücken rückgebildet, Þallein fortgesetzt. Abstraktum: Einheit; Verb: (ver-) aber sicher nicht ohne Einfluss von l. impressio. In einen. konkreter Bedeutung selten, von Anfang an auf den Ebenso nndl. een, ne. one, nschw. en, nisl. einn; Þallein, Eindruck in die Seele übertragen. ÞEinbaum, Þeinfach, Þeinig, ÞEinkorn, Þeins, Þeinsam, HWPh 2 (1972), 358–360; Röhrich 1 (1991), 366. Þeinst, Þeinzeln, Þelf , Þentweder, Þnein. – Henzen (1969), 133–178; Schmid (1989); GB 2 (1975), 117–151 (zu Einheit); einfach Adj std. (15. Jh.). Gebildet aus Þein 1 und Þ-fach, EWahd 2 (1998), 989–994; Carruba, O. FS Meid (1999), 53–60. zunächst in eigentlicher Bedeutung ’einmal’ und ’in

ein2 Adv std. (14. Jh.), mhd. ¯ın, ahd. ¯ın, as. in. Betonte

und deshalb gedehnte Form von Þin. Nachweisbar seit dem 14. Jh. durch Reime auf Langvokal, sonst vor der Diphthongisierung von der kurzen Form nicht zu unterscheiden. Mitzka, W. ZM 31 (1964), 173–179.

einander Pron std. (11. Jh.). Zusammenbildung von

Þein 1 und Þander im Sinn von ’einer den anderen’. einbalsamieren Vsw std. exot. ass. (13. Jh., Form 17. Jh.).

sich einheitlich’, dann in übertragenem Gebrauch. Abstraktum: Einfachheit; Präfixableitung: vereinfachen. HWPh 2 (1972), 384–389; Me´trich, R. Nouveaux cahiers d’allemand 6 (1988), 263–275.

Einfall Sm std. (14. Jh.). Ausdruck der Mystik für das

unvermittelte, nicht beeinflussbare Eindringen von Gedanken. Zu einfallen, das auch in diesem Sinn gebraucht wird. Die eigentliche Bedeutung beim Substantiv später und seltener.

Verdeutlichung von älterem (mhd.) balsamiren. GeHWPh 2 (1972), 389–394; Röhrich 1 (1991), 366. meint ist die Haltbarmachung von Toten als Mumien (unter Verwendung von Balsam). In der modernen einfältig Adj std. (9. Jh., Form 11. Jh.), mhd. einvalt, ahd. einfalt. Vermutlich schon sehr alt, vgl. gt. ainSprache häufig übertragen verwendet (sich einbalsafalþs, anord. einfaldr, ae. a¯nfeald ’einfach’; aber wohl mieren lassen u.ä.). zuerst eine Lehnbedeutung aus l. simplex ’einfach’ Ebenso nndl. (in)balsamen, ne. embalm, nfrz. embaumer, mit immer stärkerer Bedeutungsverschlechterung bis nschw. balsamera, nnorw. balsamere; ÞBalsam. zu ’töricht’. Die Form des Bahuvrı¯hi-Adjektivs wird 1 Einband Sm std. (18. Jh.). Für älteres ÞBand in der Beneuhochdeutsch durch -ig erweitert. Das Substantiv deutung ’Zusammengebundenes’ für Deckel und RüEinfalt ist in dieser Form erst aus dem Adjektiv rückcken eines gebundenen Buches. gebildet (früher ahd. einfaltı¯, mhd. einvelte). Einbaum Sm erw. fach. (18. Jh.). Zuerst nur süddeutsch HWPh 2 (1972), 394f.; EWahd 2 (1998), 997f.; EWNl 1 (2003), belegt. Wohl eine Rückbildung aus dem schon im 661. Althochdeutschen (jedoch später nicht mehr) nachEinfaltspinsel Sm std. stil. (18. Jh.). Das heute nur noch zuweisenden Adjektiv ahd. einboimih, einer Lehnselten gebrauchte Schimpfwort ÞPinsel 2, verstärkt übersetzung zu l. monoxilus Adj., aus gr. mono´xylos durch Einfalt. Adj. (mit gr. mo´nos ’einzig’ und gr. xy´lon n. ’Holz’), einflößen Vsw std. (13. Jh.), mhd. vlœzen in. Kausativ zu zusammengebildet aus Þein 1, ÞBaum und Suffix einfließen (ÞEinfluss), also eigentlich ’einfließen las-ih(t). sen’ von Flüssigkeiten, dann auch von abstrakten RGA 6 (1986), 601–613; LM 3 (1986), 1730f. Dingen (Furcht, Respekt).

Einkommen

235 Einfluss Sm std. (14. Jh.). Lehnübersetzung der Mystik

einheimsen Vsw std. stil. (16. Jh.). Zu älterem mhd. aus Þein 1 Adv. und ÞFluss, zu ml. (influx und) inheimsen ’heimbringen’, einer Bildung auf -iso¯- zu fluentia f., zu l. ¯ınfluere ’hineinfließen’. Ursprünglich Þheim. bedeutet das Wort ’das wirkende Hineinfließen gött- einhellig Adj std. (11. Jh., Form 13. Jh.), mhd. einhellec. licher Kräfte in den Menschen’, danach wird es − wie Vgl. ahd. in ein hellan ’in eins klingen’ = ’übereinheute fast nur noch − übertragen gebraucht. Verb: stimmen’ zu dem starken Verb hellan ’tönen’ und ein einfließen (Þfließen), erst seit dem 18. Jh. belegt. ’eins, einheitlich’. Heisig, K. BGDSL-T 86 (1964), 338–342; HWPh 2 (1972), 395f.

einfrieden (einfriedigen) Vsw ’umzäunen’ erw. obs.

(15. Jh.). Zu mhd. vride ’Umzäunung’ (ÞFriedhof ). Die mittelhochdeutsche Form ist bevriden. LM 3 (1986), 1734–1736; RGA 7 (1989), 10–20.

eingeboren AdjPP std. (9. Jh.). In der neuhochdeut-

schen Form sind zwei Bildungen zusammengeflossen: Der eingeborene Sohn Gottes ist der ’alleingeborene, einzige’ (l. unigenitus) zu ahd. ein ’einzig’ (ahd. einboran, mhd. ein(ge)born, seit dem 9. Jh.). Die Eingeborenen ’Einheimischen’ sind in dem Land geboren, zu mhd. in (mhd. ¯ıngeborn, seit dem 11. Jh., vermutlich unter dem Einfluss von l. ingenuus). Beide zu Þgebären. Siegert (1950), 64.

Eingebung Sf std. (15. Jh.). Abstraktum zu eingeben, das

dann als Ersatzwort für ÞIntuition benutzt wird. eingefleischt Adj (vor allem in eingefleischter Jungge-

selle) std. phras. (14. Jh.). Ursprünglich aus der religiösen Sprache für ’Fleisch geworden’ als Lehnübersetzung von l. incarna¯tus. Zum Adverb Þein 2 (als Variante von Þin) und ÞFleisch, als Partizip einer nicht realisierten Partikelableitung. Röhrich 1 (1991), 366.

eingefuchst Adj ’bewandert’ erw. obs. (19. Jh.). Partizip

zu ebenfalls bezeugtem einfuchsen ’einüben, unterweisen’. Vermutlich ist ursprünglich die Einweisung der Füchse (der Jung-Mitglieder einer StudentenVerbindung) in ihre Rechte und Pflichten gemeint. ÞFuchs 2. – Röhrich 1 (1991), 366.

eingehen Vsw std. (8. Jh.), mhd. ¯ınga¯n, ahd. ¯ınga¯n, as.

Þhallen, Þmisshellig.

Einhorn Sn erw. obs. (9. Jh.), mhd. einhorn m./n., ein-

hurne, einhürne m., ahd. einhurno, einhorno m., einhorn, einhurn m./n. (?) ’Einhorn’. Wie ae. a¯nhorn(a) m. Lehnübersetzung zu l. u¯nicornis m., das auf gr. mono´kero¯s m. zurückgeht. Das Einhorn ist ein Fabelwesen, wobei Herkunft und Gestaltung der Fabel nicht mehr rekonstruiert werden können. Die älteste Bezeugung in der Antike findet sich bei Ktesias im 4. Jh. v. Chr. Beschrieben wird das Tier als Esel oder Pferd mit einem Horn in der Mitte des Kopfes. Das Horn soll Wunderkraft haben, doch lässt sich das Tier nicht fangen. Da die Bibelübersetzung der Septuaginta das Wildrind mit der Bezeichnung des Einhorns wiedergab, geriet das Fabeltier auch in die späteren Bibelfassungen. Im Mittelalter bekam die Legende weitere Merkmale, so die Angabe, dass sich das Tier nur von einer reinen Jungfrau fangen ließe, von der es sich weiter führen ließe. Die Geschichte von dem Wundertier hat Kunst und Literatur bis in die neueste Zeit fasziniert. Da das Nashorn auch nur ein Horn hat, ist es in den frühesten Tierbeschreibungen teilweise mit dem Einhorn gleichgesetzt (zumindest gleich benannt) worden, so dass sich in den Quellen teilweise Unklarheiten darüber ergeben, welches Tier nun gemeint ist. Einhorn, J. W.: Siritalis Unicornis (München 1975, 21998); LM 3 (1986), 1741–1742; Röhrich 1 (1991), 367; Hagenmaier, W.: Das Einhorn (München 2003); EWahd 2 (1998), 1002; EWNl 1 (2003), 660.

einig Adj ’übereinstimmend’ std. (8. Jh., Bedeutung

16. Jh.), mhd. einec, einic, ahd. einag, einı¯g, as. ¯enag. inga¯n, afr. inga¯n. In der eigentlichen Bedeutung ’in Vermutlich wie ae. ¢ ¯ nig, anord. einigr eine Anpasetwas hineingehen’ schon alt; früh auch schon ’eine sung an den normalen Ableitungstyp auf -g- aus g. Verpflichtung eingehen’ und ’etwas erörtern’. Die *aina-ha- Adj. ’einzig’ in gt. ainaha, f. ainoho. Die spezielle Bedeutung geht aus vom Eingehen der Stoffe Bedeutung ’übereinstimmend’ ist erst frühneuhochbeim Waschen und der Früchte beim Altern, also deutsch (eine Meinung haben = die gleiche Meinung ’einschrumpfen’, auch von Gebäuden und Mauern haben). Abstraktum: Einigkeit; Verb: (ver-)einigen. ’zusammenfallen’. Die abschätzige Bedeutung EWahd 2 (1998), 994; EWNl 1 (2003), 685. ’verenden’ seit dem 17. Jh., offenbar ebenfalls aus einige Pron ’mehrere’ std. (8. Jh.), mhd. einic, ahd. einı¯g ’einschrumpfen’ oder ’zusammenfallen’. Adj ’irgendjemand’. Weiterbildung des Numerales Röhrich 1 (1991), 367. Þein 1. Der Plural mit der Bedeutung ’etliche’ erst Eingeweide Sn std. (13. Jh.). Verdeutlichung zu etwas frühneuhochdeutsch (17. Jh.). älterem mhd. geweide. Eine Bildung zu ig. *wei¡Ebenso ne. any. ’winden’ wie ÞGekröse und ÞGeschlinge; unmittelbar Einkommen Sn std. (14. Jh.). Wie Einkünfte eine frühzu vergleichen ist wohl l. vı¯scus, vı¯scera(Pl.) ’Eingeneuhochdeutsche Substantivierung zu einkommen in weide’. Dazu Þausweiden ’die Eingeweide herausnehder Bedeutung ’in die Kasse kommen’. men’ und Þweidwund ’ins Eingeweide getroffen’. Fowkes, R. A. JEGP 52 (1953), 96–98.

Einkorn

236

Einkorn Sn ’Dinkel’ per. fach. (12. Jh.), mhd. einkorn,

ahd. einkorn. Danach benannt, dass im Gegensatz zum Weizen in jeder Hülse nur ein Korn ist. Bertsch (1947), 24–33; RGA 7 (1989), 23f.; EWahd 2 (1998), 1006f.

Einlieger Sm erw. fach. (14. Jh.), mndd. inligger, mndl.

inliggere. Früher (u.a.) ’Arbeiter oder Handwerker ohne eigenen Landbesitz, der bei einem Bauern zur Miete wohnt’. Diese Bedeutung ist mit der Sache veraltet; doch wurde die Bezeichnung aufgegriffen für den im neueren Steuerrecht relevanten Tatbestand, dass jemand eine selbständige Wohneinheit innerhalb einer anderen Wohneinheit (Einfamilienhaus usw.) bewohnt. Hierzu vor allem Einliegerwohnung. einlullen Vsw std. stil. (18. Jh.). Erst spät bezeugtes laut-

nachahmendes Verb. Vgl. ne. lullaby ’Wiegenlied’. Þlullen.

einmotten Vsw std. stil. (19. Jh.). Heute nur noch in der

einschränken Vsw std. (16. Jh.). Zunächst in der eigent-

lichen Bedeutung ’mit Schranken zurückhalten’ (ÞSchranke, Þschränken), Nebenformen einschrenken, einschranken. Seit dem 18. Jh. meist übertragen auf ’einengen, (sich) begnügen’. einsehen Vst std. (12. Jh.), mhd. ¯ınsehen. Wichtig wird

das Wort in der Mystik (13. Jh.) als Lehnübersetzung mit Þein 2 und Þsehen zu l. ¯ınspicere ’hineinschauen’. Die ursprüngliche Bedeutung ist ’in etwas hineinsehen’, in der Mystik übertragen (im Sinne religiösen Erkennens); seit dem 18. Jh. steht es dann allgemein für ’erkennen’. Das dazugehörige Abstraktum Einsicht f. ist vom 18. Jh. an für älteres Einsehen n. (mhd. ¯ınsehen n.) nachweisbar. HWPh 2 (1972), 414–416.

einseifen Vsw ’betrügen’ std. vulg. (17. Jh.). Zunächst in

eigentlicher Bedeutung (etwa ’einseifen beim Rasieren’). In übertragener Bedeutung vermutlich angepasst an rotw. beseiwelen, beseibeln, eigentlich ’bescheißen’ zu wjidd. sewel ’Dreck, Mist’ aus hebr. zäväl ’Dünger, Abfälle, Dreck’.

übertragenen Bedeutung ’für längere Zeit stilllegen’ (Schiffe usw.). Ursprünglich von Kleidung und Pelzen gesagt, die über den Sommer (oder den Winter) Wolf, S. A. MS 66 (1956), 68–70; Röhrich 1 (1991), 370. aufbewahrt und zum Schutz gegen Motten mit einem besonderen Mittel (Mottenkugeln, getrocknete Einsiedler Sm std. (8. Jh., Form 16. Jh.), spmhd. einsiKräuter usw.) behandelt wurden. del¢re. Verdeutlichung mit -er zu älterem nhd. Einsiedel m., mhd. einsidel(e), ahd. einsidil(o), einsidil(a), einmummen Vsw Þein 2, ÞMumme. einer unter dem Einfluss von gr. monacho´s, l. monaEinöde Sf std. (8. Jh.), mhd. einœte, einœde, eino¯te, ahd. chus ’Einsiedler, Mönch’ (ÞMönch) entstandenen eino¯ti f./n., as. ¯eno¯di ’Einsamkeit’. Wie ae. a¯na¯d n. eine Zusammensetzung aus ahd. ein in der Bedeutung Bildung auf g. *-o¯dja- zu ein im Sinn von ’allein’ (das ’allein’ (Þein 1) und ahd. sidilo m. ’Bewohner, EinSuffix ist schwer abgrenzbar, vgl. ÞArmut und wohner’, der Täterbezeichnung zu ahd. sidila, sidella ÞHeimat). Die alte Bedeutung ’allein liegend’ bef./n. ’Sitz, Wohnsitz’ (Þsiedeln, Þsitzen). − Das von wahrt noch bair. Einödhof ’allein stehender Hof’; Einsiedel abgeleitete Wort Einsiedelei f. ist seit dem sonst ist das Wort seit mittelhochdeutscher Zeit an 17. Jh. belegt. Öde (Þöde) lautlich, semantisch und im Genus angeBehaghel, O. ZDW 1 (1901), 64; Siegert (1950), 64f.; glichen worden. EWahd 2 (1998), 1016f. EWahd 2 (1998), 1014.

eins AdjNum std. (10. Jh.). Neutrale Form des Nume-

rales. Als Einheit der Zahlenreihe bezeugt seit dem 10. Jh., aber wohl schon älter. S. auch Þein 1. – Meyer/Suntrup (1987), 1–91; Röhrich 1 (1991), 369; Ross/Berns (1992), 559–561.

einsam Adj std. (14. Jh.). Schon das ahd. einsamana f.

einst Adv std. (8. Jh., Form 11. Jh.), mhd. einst, ahd.

eines. Ursprünglich adverbialer Genetiv wie ae. ¢ ¯ nes zu Þein 1 im Sinne von einmal. Das -t ist sekundär angetreten. Ebenso ne. once. – Glasser, R. IF 57 (1940), 186f.; Benware, W. A. BGDSL-T 101 (1979), 343–345; EWNl 1 (2003), 660.

Einstand Sm ’Amtsbeginn’, meist ’die zum Amts- oder ’Einheit’ setzt das erst seit dem 14. Jh. belegte Adjektiv Arbeitsbeginn bezahlte Freirunde’ erw. fach. (15. Jh., einsam voraus. Fnhd. einsam ist eine Ableitung auf Bedeutung 17. Jh.). Ausgangsbedeutung von einsteÞ-sam zu mhd. ein Adj. (Num.) in der Bedeutung hen und Einstand ist wohl das Eintreten in den Zeu’allein(ig)’ (Þein 1). Es verstärkt ursprünglich die Begenstand vor Gericht. Danach andere übertragene deutung des Grundworts und steht seit dem 16. Jh. Verwendungen, wie ’eine neue Stelle (usw.) antreten’. auch für ’unverheiratet’ und (wie heute nur noch) Eintracht1 Sf std. (14. Jh.). In spätmittelhochdeutscher ’für sich allein, verlassen’. Zeit übernommen aus ndd. endraht, Abstraktum zu HWPh 2 (1972), 407–413; Röhrich 1 (1991), 369f.; EWNl 1 ¯ e n dra¯gen und över ¯en dra¯gen, also ’in eines tragen’, (2003), 661. vgl. nhd. übereinkommen. Das Adjektiv einträchtig einschlägig Adj erw. fach. (18. Jh.). Zu einschlagen im dringt schon ein Jahrhundert früher nach Süden vor. Sinn von ’sich in ein Gebiet hineinerstrecken, etwas Ahd. in dieser Bedeutung eintraft(ı¯), das wohl zu betreffen’. Þtreffen gehört. Diese Form hätte ndd. auch zu -cht-

Eisheilige

237

geführt, so dass die Einzelheiten der Entwicklung un- Eisbein Sn per. ndd. (10. Jh.), mhd. ¯ısbe¯n, ahd. ¯ısbe¯n, as. klar bleiben müssen. ¯ısbe¯n. Auch ne. (dial.) ice-bone, ndn. isben. Altes fachsprachliches Wort der Ärzte und Jäger für das HüftÞZwietracht. bein und naheliegende Knochen; vermutlich entlehnt 2 Eintrag (Eintracht ) Sm ’Hindernis, Schaden’ per. arch. aus l. ischia ’Hüftgelenk’, das seinerseits aus gr. is(13. Jh.). Dringt aus der Kanzleisprache in die allgechı´on ’Hüftbein’ stammt. Das Wort erscheint frühmeine Sprache ein (s. vor allem Þbeeinträchtigen). neuhochdeutsch als Eisbein ’Hälfte des Schlosses an Die Bedeutungsentwicklung ist unklar. Vielleicht aus zahmen oder wilden Tieren’ (d.h. also ’Hintervier’die in den Aufzug am Webstuhl eingebrachten Quertel’). Erst neuhochdeutsch erscheint mit Bedeutungsfäden’ (sonst Einschlag) und von dort aus übertragen verschiebung ndd. Eisbein, weiter südlich als ’etwas, das in die Quere kommt’. ÞEisknochen, für ’Schweinsfüße’ (als Gericht). Röhrich 1 (1991), 370.

einverleiben Vswrefl std. (15. Jh.), mndd. invorlı¯ven.

Verstärkung der heute nicht mehr üblichen gleichbedeutenden Präfixableitung verleiben zu ÞLeib. einwecken Vsw ’einkochen’ erw. obs. (20. Jh.). Bezeich-

nung der Firma Weck für das 1894 eingeführte Verfahren, Obst, Gemüse und Fleisch keimfrei einzukochen. Es wird seit seiner ersten Verwendung in die Hochsprache übernommen. Ebenso nndl. wecken. – EWNl 4 (2009), 600.

einzeln Pron std. (10. Jh.), mhd. einzel. Weiterbildung

zu mhd. einez, ein(i)z, ahd. einaz (nur in ahd. einazen ’stückweise, schrittweise’ bezeugt), Ableitung auf g. -t- von Þein 1. Vermutlich hat sich eine Deutung als Ein-Zahl eingemischt. Schon früh mit der Kasusform auf -n adverbial gebraucht. Als Kompositionsform noch ohne -n (vgl. das Abstraktum Einzelheit), ebenso das Einzel beim Tennis. Kurrelmeyer, W. MLN 59 (1944), 321–325; HWPh 2 (1972), 425–427; EWahd 2 (1998), 995f.

einzig Adj std. (12. Jh.), mhd. einzec, einzic. Ähnliche

Weiterbildung wie einzel aus derselben Grundlage (s. unter Þeinzeln). HWPh 2 (1972), 427–430.

Ebenso ndn. isben, nnorw. isbein; ÞIschias. – Sperber, H. WS 6 (1914), 51–53 (anders).

Eisbombe Sf erw. fach. (20. Jh.). In Form einer Bombe

gefrorenes Speiseeis. Eisen Sn std. (8. Jh.), mhd. ¯ısen, ahd. ¯ısan, ¯ıser, älter

¯ısarn, as. ¯ısarn. Aus g. *ı¯sarna- n. ’Eisen’, auch in gt. eisarn, anord. ja´rn (neben älterem ´ısarn), ae. ¯ıse(r)n, ¯ıren, afr. ¯ısern, mit unregelmäßiger lautlicher Vereinfachung von -rn-. Die gleiche Form wird durch die keltischen Wörter für ’Eisen’ vorausgesetzt: air. iarann, ´ıarn m./n., kymr. haearn, haiarn. Das Wort ist wohl aus einer dritten Sprache entlehnt; alles weitere ist jedoch unklar. Es wäre verlockend, für die Etymologie von ig. *is¡ro- ’stark, wirkungsvoll’ auszugehen (gr. hiaro´s, ai. isara-), doch bliebe der Langvokal in dem Wort für˙ ’Eisen’ dabei ungeklärt. Adjektiv: eisern. Ebenso nndl. ijzer, ne. iron, nschw. järn, nisl. ja´rn. – Birkhan (1970), 126–141; Lippmann (1919), 607–629; RGA 7 (1989), 58–61; Röhrich 1 (1991), 372–374; Seebold (1984), 52–54 (zum Lautlichen); LM 3 (1986), 1749–1753; Trubacˇev, O. N. Leˇtopis Instituta za serbski ludospyt A 34 (1987), 38–44 (zur Sache [ursprünglich Raseneisenerz]); Bammesberger (1999), 172 (nach Cowgill*e¯sr-no- ’blutig’ nach der rötlichen Farbe der Eisen˙ erze oder dem Rost).

Eis Sn std. (8. Jh.), mhd. ¯ıs, ahd. ¯ıs, as. is. Aus g. *ı¯sa- n. Eisenbahn Sf std. (18. Jh.). Ursprünglich für die eiser-

’Eis’, auch in anord. ´ıss m., ae. ¯ıs, afr. ¯ıs; vermutlich nen Schienen der Förderbahnen im Bergbau. Bei Einaus älterem *eisa-. Dieses hat eine genaue Vergleichsführung der Dampfzüge wird das Verkehrsmittel möglichkeit lediglich in den iranischen Sprachen, z.B. nach seinen eisernen Schienen benannt. Später geavest. ae¯xa- n. ’Frost, Eis’, avest. isauu- ’eisig’ usw. kürzt zu ÞBahn. Offenbar ist diese Bedeutung aber wie bei ÞFrost Ebenso nfrz. chemin de fer, nschw. järnväg, nisl. ja´rnbraut. – (Þfrieren) aus ’Raureif’ entstanden, das in lit. y´nis Krüger (1979), 201–215; Röhrich 1 (1991), 374. m./f., russ. ´ınej m. ’Raureif’ bezeugt ist (wird als *ı¯njoEisenfresser Sm ’Prahlhans’ erw. obs. (16. Jh.). Bezeichmit abweichender Wurzelerweiterung angesetzt; es nung für jemanden, der mit seinen Kriegstaten groß scheint aber denkbar zu sein, von (ig.) *isnjo- mit tut. Auch Eisenbeißer, mhd. ¯ısenbı¯z. Zu mhd. ¯ısen ezunregelmäßiger Lautentwicklung auszugehen). Diezen/frezzen ’im Krieg vor nichts zurückscheuen’, häuses weiter zu ig. *eis- ’sprühen’, etwa in anord. eisa fig ironisch gebraucht. ’sprühen, schäumen’, einer Spezialisierung von ig. Eisenhut Sm erw. fach. (16. Jh.). Das blaublühende *eis- ’antreiben, schnellen’ in ai. isna¯´ti ’setzt in Be˙˙Bedeutung Hahnenfußgewächs wird nach der Form seiner Blüwegung, schwingt, eilt’ usw. − Die ten als Eisenhut (älteres Wort für ’Helm’) bezeichnet. ’Speiseeis’ ist eine Lehnbedeutung zu frz. glace, das in LM 3 (1986), 1756; Sauerhoff (2001), 106f. der Schweiz nicht übersetzt, sondern entlehnt wird. Adjektiv: eisig; Partikelableitung: loseisen. Eisheilige Spl std. (19. Jh.). Ursprünglich ’die Heiligen, Ebenso nndl. ijs, ne. ice, nschw. is, nisl. ´ıs. – Stork, N. P. Mean deren Tagen üblicherweise nochmals Kälteeindieval Studies 51 (1989), 287–303; Röhrich 1 (1991), 371f.; Venbrüche auftreten’ (11.–15. Mai: Mamertus, Pankratius, nemann (1997), 882f.

Eisknochen Servatius, Bonifatius und die Kalte Sophie). Heute wird das Wort unmittelbar für diese Tage gebraucht. Vgl. ÞHundstage, ÞSchafkälte. – LM 3 (1986), 1757f.; Röhrich 1 (1991), 375.

Eisknochen Sm ÞEisbein. Eiß Sm (Eiße f.) ’Geschwür’ per. obd. (11. Jh., angweizo

238 Ekel Sm std. (16. Jh.). Älter ist das Adjektiv ndd. ekel.

Herkunft unklar. Vielleicht mit niederdeutschem Übergang von w zu g, gg, ch, k aus g. *aiw- in gt. aiwiski, ae. ¢wisc f. ’Schande’. Außergermanisch vermutlich gr. aı˜schos n. ’Schande’ (aus ig. *aig whs-ko mit lautlich unklarer Weiterentwicklung), evtl. auch l. aeger ’krank, verstimmt’. Zu erwägen ist auch eine Rückführung (mit unregelmäßigem Ausfall von r) auf fnhd. erken, erkelen ’Abscheu haben’, mhd. erklich ’zuwider’. Entsprechend me. irken ’anwidern’, avest.¡r¡γant- ’abscheulich’; doch ist bei so spät bezeugten Wörtern die Annahme so hoher Altertümlichkeiten misslich. Verb: ekeln; Adjektiv: ekelhaft.

9 Jh.), mhd. eiz, ahd. eiz m. Verwandt nisl. eitill m. ’Drüse’ aus g. *aita- ’Schwellung’. Die Wörter gehören zu einer indogermanischen Wurzel (ig. [eur.] *oid-), die nur noch in Ableitungen bezeugt ist. Am nächsten liegt gr. oı˜dos n. ’Geschwulst’, neben gr. oide´o¯ ’ich schwelle’ arm. ayt-nu-m ’ich schwelle’; auch l. aemulus ’geschwollen’ kann zugehörig sein Schröder, H. BGDSL 29 (1904), 557; HWPh 2 (1972), 432. (der Diphthong passt aber nicht zum Griechischen). Ekelname Sm erw. obs. (16. Jh.). Aus ndd. ökelname, das Darstellung des umstrittenen Vergleichs mit e. oats aus einer nordischen Sprache entlehnt ist, letztlich ’Hafer’ in DEE, 172–174. anord. aukanafn ’Übername’ (zu anord. auka ÞEiter. – EWahd 2 (1998), 1028. ’vermehren’); ins Englische entlehnt als nickname Eisvogel Sm erw. fach. (12. Jh.), mhd. ¯ısvogel, ahd. ¯ıs(aus ekename mit falscher Ablösung des unbestimmfogal. Die vielleicht älteren Nebenformen sind ahd. ten Artikels). Im Neuhochdeutschen sekundär an ¯ısarno, ¯ısaro, ¯ısar-ar, also ursprünglich ’Eisenvogel’, ÞEkel angeschlossen. wohl nach dem metallisch glänzenden Gefieder. Eklat Sm ’Aufsehen, Skandal’ erw. fremd. (17. Jh.). EntDann auf ÞEis bezogen, evtl. in Folge einer Umdeulehnt aus frz. ´eclat ’Splitter; Krach, Knall’ (prov. asclat tung als ’Eis-Aar’. Für die Umdeutung maßgeblich ’Holzsplitter’, prov. esclat ’Lärm’), zu afrz. esclater ’in war wohl der Bericht des Plinius, der Vogel brüte im Splitter schlagen, lärmvoll brechen’, dieses wohl aus Winter. früh-rom. *ascla ’Splitter, Span’, einer Nebenform von Kralik, D. GGA 176 (1914), 134–138; LM 3 (1986), 1759. von l. astula, assula f., aber auch der Ansatz einer eitel Adj std. (8. Jh.), mhd. ¯ıtel, ahd. ¯ıtal, as. ¯ıdal. Aus schallnachahmenden Wurzel früh-rom. *claccwg. *ı¯dla Adj. ’nichtig, leer’, auch in ae. ¯ıdel, afr. ¯ıdel. kommt in Frage. Zunächst Bezeichnung des ZersplitDie heutige Bedeutung ’eingebildet’ ist wohl über terns, dann auch für das davon hervorgerufene Auf’aufgeblasen, leer’ entstanden. Herkunft unklar. Absehen; letzteres verselbständigt sich in der ins Deutstraktum: Eitelkeit. sche übernommenen Bedeutung. Adjektiv: eklatant. Ebenso nndl. ijdel, ne. idle; Þvereiteln. – HWPh 2 (1972), 431; Bonfante, G. BSL 69 (1974), 69–71 (zu heth. idalusˇ ’böse, schlecht’ − unwahrscheinlich); Heidermanns (1993), 321.

Eiter Sm std. (8. Jh.), mhd. eiter n., ahd. eitar n., as. ¯ettar

Ebenso nndl. eclat, ne. ´eclat, nschw. (Adj.) eklatant, nnorw. (Adj.) eklatant. – Meier, H. RJ 10 (1959), 271–273; DEO (1982), 253; Brunt (1983), 261; EWNl 1 (2003), 655; DF 5 (22004), 37–40.

n. Aus g. *aitra- n. ’Eiter, Gift’, auch in anord. eitr n., eklektisch Adj ’unsystematisch auswählend’ per. fach. ae. a¯t(t)or n.; aus derselben Wurzel wie ÞEiß; offenbar (18. Jh.). Entlehnt aus gr. eklektiko´s, eigentlich wird so zunächst die aus Geschwüren austretende ’auswählend’, zu gr. ekle´gein ’auslesen, auswählen’, zu Flüssigkeit bezeichnet, erst sekundär ’Gift’. Das Masgr. le´gein ’lesen, auslesen, sammeln’ und gr. ex. Urkulinum ist erst neuhochdeutsch. Näher zu vergleisprünglich in Literatur- und Bibelkritik positiv gechen ist lett. idra ’das faule Mark eines Baumes’, russ. meint (’auswählen des Guten’), dann verschlechtert jad ’Gift’. Verb: eitern; Adjektiv: eitrig. zu ’wahllos herausgreifen’. Täterbezeichnung: EklekEbenso nndl. etter, nschw. etter, nisl. eitur. – Bosco Coletsos tiker; Abstraktum: Eklektizismus. GS Scaffidi Abbate (1983), 45–68; EWahd 2 (1998), 1025–1027;

EWNl 1 (2003), 708.

Ejakulation Sf ’Samenerguss’ per. fach. (18. Jh.). Ent-

Ebenso nndl. eclectisch, ne. eclectic, nfrz. ´eclectique, nschw. eklektisk. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. le´gein ’auflesen, zählen’ s. ÞLogik. – HWPh 2 (1972), 432f.; Schneiders, W. Studia leibnitiana 17 (1985), 143–161; Strauss u.a. (1989), 605–608; DF 5 (22004), 40–45.

lehnt aus l. eiacula¯tio ’Auswurf’, Abstraktum zu l. eiacula¯ri ’auswerfen’, das formal über eine Ableitung auf -cul- (vgl. l. iaculus ’Wurf’) zu l. eicere ’hinausEklipse Sf ’Sonnen-, Mondfinsternis’ per. fach. (13. Jh., werfen’ gehört. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. Form 17. Jh.). Entlehnt aus l. eclipsis, dieses aus gr. iacere ’werfen’ s. Þprojizieren. Die Bedeutung ist zu´ekleipsis ’das Ausbleiben, Verschwinden’ zu gr. ekleı´pnächst allgemein, hält sich aber nur in der fachein ’auslassen, verlassen, sich verfinstern’, zu gr. leı´psprachlichen Verwendung. ein ’lassen’. Zunächst in lateinischer Form entlehnt, Ebenso nndl. ejaculatie, ne. ejaculation, nfrz. ´ejaculation, dann, vom Plural ausgehend, eingedeutscht. nschw. ejakulation, nnorw. ejakulasjon. – EWNl 1 (2003), 670.

Elchtest

239 Ebenso nndl. eclips, ne. eclipse, nfrz. ´eclipse, nnorw. eklipse. S. ÞEllipse und zur germanischen Verwandtschaft Þleihen. – LM 3 (1986), 1769; EWNl 1 (2003), 656.

Ekstase Sf ’Verzückung, tranceartiger Zustand’ erw.

lancer ’schleudern’, aus spl. lancea¯re ’die Lanze schwingen’, zu l. lancea f. ’Lanze’. Ebenso nndl. elan, ne. ´elan, nnorw. elan; ÞLanze. – DF 1 (1913), 166; HWPh 2 (1972), 437; EWNl 1 (2003), 671.

fach. (16. Jh.). Entlehnt aus kirchen-l. ecstasis, dieses elastisch Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus neo-kl. elasticus aus ntl.-gr. ´ekstasis, aus gr. exista´nai ’heraustreten, ’treibend’, das auf gr. elau´nein ’ziehen, treiben’ zusich entfernen’, zu gr. hista´nai ’stellen, legen’. Im heurückgeht (in dessen morphologisch schwer durchtigen Sinn vor allem seit dem 17. Jh. unter Einfluss schaubarer Sippe auch Bildungen auf -st- auftreten). von frz. extase ’höchste Erregung’; zuvor in theoloIn der Fachterminologie der Neuzeit taucht das Wort gischen Zusammenhängen (insbesondere Heiligenzuerst in dem Konzept der elastica virtus zur Bezeichlegenden) vor allem das ’Heraustreten der Seele aus nung der Treibkraft der Luft auf (Pecquet 1651). Die dem Leib’. Adjektiv: ekstatisch. Eigenschaft der Luft, sich nach Zusammenpressen Ebenso nndl. extase, ne. ecstasy, nfrz. extase, nschw. extas, wieder auszudehnen, wird dann auch in Körpern gennorw. ekstase. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. hista´nai sehen, die nach Gestaltsveränderung ihre ursprüng’setzen, legen’ s. ÞStatik. – Siegert (1950), 65; HWPh 2 (1972), liche Gestalt zurückgewinnen. Abstraktum: 434–436; LM 3 (1986), 1772f.; RGA 7 (1989), 91–94; DF 5 Elastizität. In der DDR üblich Elaste für dehnbare 2 ( 2004), 45–49. Kunststoffe. Ekzem Sn ’Hautausschlag’ per. fach. (19. Jh.). In der Ebenso nndl. elastisch, ne. elastic, nfrz. ´elastique, nschw. elasmedizinischen Fachsprache übernommen aus gr. tisk, nnorw. elastisk. – EWNl 1 (2003), 672; DF 5 (22004), 52–57. ´ekzema ’Ausschlag’, abgeleitet von gr. ekzeı˜n ’aufElativ Sm ’absoluter, d.h. nicht vergleichender Superkochen, Blasen werfen’ aus gr. ek(s)- und gr. zeı˜n lativ’ (z.B. schönstes Wetter) per. fach. (20. Jh.). Neu’kochen, wallen’, also eigentlich ’Bläschen’. bildung zu l. ¯ela¯tus ’erhaben, hoch’, dem adjektiviEbenso nndl. eczeem, ne. eczema, nfrz. ecze´ma, nschw. eksem, schen PPP. von l. efferre (e¯la¯tum) ’emporheben, trannorw. eksem. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þgären. – gen’, zu l. ferre ’tragen’ und l. ex-. EWNl 1 (2003), 657. -el Suffix (zur Bildung von denominalen Substanti-

Ebenso nndl. elatief, ne. elative, ndn. elativ. S. ÞPrälat zum Stamm des Partizips und ÞDifferenz zum Stamm des Präsens.

ven) erw. alt. (–). In dieser Form erscheinen im NeuElch Sm std. (8. Jh.), mhd. elch, ahd. elahho. Aus wg. hochdeutschen Suffixe verschiedener Herkunft: 1) *elha-/o¯n m. ’Elch’, auch in ae. eolh, mndd. elk; dazu Alte Diminutivbildungen, die im Genus ihrem im grammatischen Wechsel und Ablaut steht nordg. Grundwort folgen und ursprünglich in der Regel als n *algi- m. ’Elch’ in anord. elgr. In der antiken Überlie– (oder jo¯n-) Stämme flektierten (z.B. ÞÄrmel). 2) ferung scheint dem Vokalismus nach zu schließen die Alte Nomina Agentis, normalerweise maskuline nordgermanische Form als l. alce¯s f., gr. a´lke¯ f. aufgea-Stämme auf g. *-ila- (z.B. ÞBüttel). 3) Mit diesen nommen worden zu sein. Urverwandt ist das gerursprungsgleich Nomina Instrumenti (Gerätebemanische Wort mit russ. los′ ’Elch’ (aus *olk´i-); vielzeichnungen), die maskulin oder feminin sein könleicht weiter hierher mit Schwundstufe ai. ´s r´yanen und als a/o¯-Stämme oder als n-Stämme flektie˙ ´-Erweiterun’Antilopenbock’. Es handelt sich um k 1 ren (z.B. ÞMeißel ). 4) Adjektivbildungen, die auf ig. gen einer Wurzel ig. *el-, mit der hirschartige Tiere *-lo- zurückgehen und nicht mehr produktiv sind bezeichnet werden. Zu einer Erweiterung mit -n- ge(keine klaren Beispiele im Neuhochdeutschen). hören arm. ełn ’Hirsch’, gr. ello´s ’junger Hirsch’, gr. EWahd 1 (1988), 131–133. ´elaphos m./f. ’Hirsch’ (mit gr. a aus ig. n), kymr. elain ˙ ale`nis elaboriert AdjPP ’ausgearbeitet’ per. fach. (20. Jh., ’Hirschkuh’, lit. ´elnis, a´lnis ’Hirsch’, lett. Grundverb 17. Jh.). Entlehnt aus ne. elaborate, dieses ’Elentier’, akslav. jelenı˘ ’Hirsch’. aus l. ¯elabo¯ra¯tus, dem PPP. von l. ¯elabo¯ra¯re ’ausarBielfeldt, H. H. FF 39 (1965), 86; Wüst (1956), 60; LM 3 beiten’, zu l. labo¯ra¯re ’arbeiten’ und l. ex-. Die fach(1986), 1788; Pijnenburg, W. IF 93 (1988), 237–246; RGA 7 sprachliche Verwendung konzentriert sich auf die so(1989), 127–130; Hamp, E. P. NOWELE 24 (1994), 47f.; zio-linguistische Unterscheidung entwickelter und EWahd 2 (1998), 1029–1032. unentwickelter Sprachbeherrschung (’elaborierter’ Elchtest Sm ’kritischer Test (bei dem meist ein negatiund ’restringierter’ Code nach B. Bernstein). Schon ves Ergebnis erwartet wird)’ erw. fach. (20. Jh.). 1997 früher (18. Jh.) aus dem Lateinischen entlehnt ist versagte ein neu eingeführter deutscher Kleinwagen Elaborat als Schulwort für Arbeiten von Schülern, (von Mercedes-Benz) bei einem Test in Schweden, heute pejorativ. indem er bei einem ungebremsten Ausweich-ManöEbenso ne. elaborate, nfrz. (Vb.) ´elaborer, nschw. (Vb.) elaborera. – DF 5 (22004), 49–51.

Elan Sm ’Schwung, Energie’ erw. fremd. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. ´elan, einer lautlich unregelmäßigen Ableitung von frz. ´elancer ’vorwärtsschnellen’, zu frz.

ver (in Schweden ’Elch-Test’ genannt, weil es bei einem plötzlich auf der Straße auftauchenden Elch eingesetzt wurde) umkippte. Obwohl plötzlich auftauchende Elche nur beschränkt verbreitet sind, wurde dieser Unfall negativ aufgenommen, und die

Eldorado

240

Herstellerfirma nahm kostspielige Verbesserungen Elegie Sf ’Klagelied’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. vor, um das Auto auch für solche ungewöhnlichen elegı¯a, dieses aus gr. elegeı´a, einer Ableitung von gr. Manöver einzurichten. Sowohl der ausgefallene An´elegos m. ’Trauergesang’. Zunächst nach dem dabei lass (plötzlich auftauchende Elche) wie auch eine geüblichen Versmaß ’Gedicht in Distichen’, dann entsprechend dem Wortsinn ’Gedicht mit wehmütigem wisse Schadenfreude an dem ’Versagen’ der Weltfirma machten den Elchtest und seine Folgen sehr und klagendem Inhalt’ (in gereimten Alexandrischnell bekannt, und das Wort wurde auf alle mögnern). Dann übertragen auf andere Dichtungsforlichen (unerwarteten) kritischen Situationen men (z.B. auch in der altenglischen Dichtung); und (’Bewährungsproben’) übertragen. schließlich wie elegisch ’wehmütig’ auch auf Situationen außerhalb der Dichtung übertragen. Eldorado Sn ’Traumland, Paradies’ erw. fremd. (16. Jh.).

Ebenso nndl. elegie, ne. elegy, nfrz. ´ele´gie, nschw. elegi, nnorw. Entlehnt aus span. El Dorado, ’das vergoldete (Land)’, elegi. – DF 1 (1913), 168; LM 3 (1986), 1791, 1796; RGA 7 (1989), Partizip des Nachfolgers von l. deaura¯re ’vergolden’, 130–136; EWNl 1 (2003), 673; DF 5 (22004), 63–65. zu l. aurum ’Gold’ und l. de-. Zunächst vermutlich gekürzt aus el pays del cacique dorado ’das Land des elektrisch Adj std. (18. Jh.). Im heutigen Verständnis (elektrischer Strom) bezieht sich das Wort auf die im goldenen Kaziken’, nach der Sage von dem HäuptLaufe des 19. Jhs. entwickelte Induktions-Elektrizität, ling, der sich jeden Tag mit Goldstaub bestreute. die die Eigenschaften magnetischer Felder ausnützt. Dann Verallgemeinerung der Bedeutung unter VerDie Bezeichnung elektrisch bezieht sich ursprünglich lust des Bezugs auf Wertgegenstände (z.B. ’ein Eldoauf diese magnetischen Eigenschaften und ist überrado für Wassersportler’). nommen aus der Untersuchung der älteren ReiEbenso nndl. dorado, ne. Eldorado, nfrz. eldorado, nschw. elbungs-Elektrizität (= Anziehungskraft), die an Berndorado, nnorw. eldorado. – Scheid, P.: Studien zum spanistein, Glas, Siegellack usw. beobachtet wurde. Diese schen Sprachgut im Deutschen (Greifswald 1934), 32f.; PalEigenschaften waren schon im Altertum bekannt, mer (1939), 35f.; Röhrich 1 (1991), 377; EWNl 1 (2003), 672; traten dann aber besonders in den UntersuchungsDF 5 (22004), 57–59. bereich der modernen Wissenschaft. Namengebend Elefant Sm std. (8. Jh.). Im Althochdeutschen (ahd. helwar dabei der Engländer W. Gilbert, der in seiner pfant, helfent, mhd. ´el(e)fant) entlehnt aus l. elephanSchrift De Magnete (1600) die Bezeichnung attractio tus, dieses aus gr. ele´pha¯s (-phantos) ’Elfenbein, Eleelectrica ’dem Bernstein eigentümliche Anziehungsfantenzahn, Elefant’. Das Wort war bekannt, lange kraft’ gebrauchte. Dies zu l. ¯electrum ’Bernstein’, aus bevor man das Tier in Europa zu sehen bekam. gr. ¯e´lektron. In Deutschland wird das Wort in lateiEbenso nndl. olifant, ne. elephant, nfrz. ´ele´phant, nschw. elenischen Texten schon im 17. Jh., in deutschen Texten fant, nnorw. elefant. Das Wort wird üblicherweise an aägypt. im 18. Jh. übernommen. Verben: elektrisieren, eleka¯b(u) ’Elfenbein, Elefant’ und hamit. elu ’Elefant’ angeschlos˙ trifizieren; Täterbezeichnung: Elektriker; Abstraktum: sen, womit die Form aber nicht ausreichend erklärt wird. Neuere Versuche greifen wieder auf die alte Annahme zurück, dem Elektrizität; Kompositionsform: Þelektro-. Wort liege semitisch *alap ’Ochse’ (akk. alpu usw.) mit einem Ebenso nndl. elektrisch, ne. electric, nfrz. ´electrique, nschw. elekqualifizierenden Beiwort zugrunde (nach West hanu ’aus Hatrisk, nnorw. elektrisk. – Ganz (1957), 62f.; Gerlach (1962), ˘ nu’). Vielleicht steht das griechische Wort näher an heth. 51–55; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 389; Deroy, L., Hallahpa- ’Elfenbein’. Vgl. Laroche, Revue de philologie 39 leux, R. Glotta 52 (1974), 36–52; Goldt, V.: Zentralbegriffe der ˘ (1965), 56 ff.; Masson, E.: Recherches sur les plus anciens emElektrizitätsforscher im 17. und 18. Jahrhundert (Frankfurt/ prunts se´mitiques en grec (Paris 1967), 80 ff.; ÞElfenbein. – Main 1999); EWNl 1 (2003), 673; DF 5 (22004), 65–67. Littmann (1924), 14; Kretschmer, P. AÖAW 1951,21, 307–325 elektro- LAff (Kompositionselement zur Bezeichnung (und ebenda 1952,13, 191–193); Frisk III (1972), 86; Corazza, elektrischer Sachverhalte) std. (–). Zu Þelektrisch V. D. FS Bonfante 1 (1976), 217–223; LM 3 (1986), 1791; Sandoz, unter Rückgriff auf die Kompositionsform von gr. C. Latomus 48 (1989), 753–764; Röhrich 1 (1991), 377f.; West, ¯e´lektron, das eigentlich ’Bernstein’ bedeutet. M. L. Glotta 70 (1992), 125–128.

elegant Adj std. (18. Jh., vereinzelt schon seit 15. Jh.).

Entlehnt aus frz. ´ele´gant, dieses aus l. ¯elega¯ns (-antis), einer Nebenform von l. ¯elige¯ns (-entis), dem PPräs. von ¯eligere ’herauslesen, auslesen, auswählen’. Zunächst ein Wort der Kunstkritik, dann Verallgemeinerung auf Kleidung usw. Eleganz wurde als Fachausdruck der Rhetorik bereits im 16. Jh. aus dem Lateinischen (l. ¯elegantia) übernommen; dann folgt es dem französischen Gebrauch. Ebenso nndl. elegant, ne. elegant, nschw. elegant, nnorw. elegant. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. legere ’lesen’ s. ÞLegende. – Lokotsch (1975), 68f.; EWNl 1 (2003), 673; DF 5 (22004), 59–63.

Elektrode Sf ’Bauteil, von dem aus elektrische Ladun-

gen in Flüssigkeit oder Gas übergeleitet werden’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. electrode, das von Faraday aus ne. electro- und dem zweiten Element von ne. anode und ne. cathode gebildet wurde. Dieses geht letztlich auf gr. hodo´s ’Weg’ zurück. Ebenso nndl. elektrode, ne. electrode, nfrz. ´electrode, nschw. elektrod, nisl. elktro´daÑ ; Þelektrisch, ÞAnode, ÞKathode, ÞMethode. – Gerlach (1962), 46f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 264; EWNl 1 (2003), 674.

Elektron1 (auf allen Silben betonbar, im Plural ist das o

betont) Sn ’elektrisch negativ geladenes Elementarteilchen’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. electron,

241

Elfenbein

Röhrich 1 (1991), 378f.; EWahd 2 (1998), 1041f.; EWNl 1 (2003), einer Neubildung aus ne. electric ’elektrisch’ und -on 677. (analogisch nach ne. ion ’elektrisch geladenes Teilchen’). Zunächst Bezeichnung der elektrischen Ele- elf AdjNum std. (9. Jh.), mhd. eilf, einlif, einlef, ahd. mentarladung, dann übertragen auf das die Ladung einlif, as. ellevan. Aus g. *aina-lif- (teilweise mit Entragende Teilchen. Adjektiv: elektronisch mit dem Abdung der n-Stämme) ’elf’, auch in gt. ainlif, anord. straktum Elektronik. ellifu, ae. endleofan. Das Germanische hat in der ZahEbenso nndl. elektron, nfrz. ´electron, nschw. elektron, nnorw. lenreihe diese besondere Formation auf -lif- bei elf elektron; Þelektrisch, ÞIon. – Rey-Debove/Gagnon (1988), und Þzwölf , offenbar als Relikt eines Kontrastes zwi265; EWNl 1 (2003), 674. schen einem Zehner- und einem Zwölfer-System. Elektron2 (auf der zweiten Silbe betont, kein Plural) Sn Eine ähnliche Bildungsweise zeigen im Litauischen ’Gold-Silber-Legierung’ (auch andere Legierundie Zahlen von elf bis neunzehn, gebildet mit lit. -lika. gen) per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus gr. ¯e´lektron n., Dabei zeigen die alit. Ordinalzahlen lie˜kas ’der elfte’ das die natürlich vorkommende Gold-Silber-Legieund an˜tras lie˜kas ’der zwölfte’, dass von ’der Überrung bezeichnet, ebenso den Bernstein (Þelektrisch). schüssige’ und ’der zweite Überschüssige’ auszugeDas Wort bezeichnet wohl in erster Linie die Leuchthen ist. Man kann lit. -lika und g. *-lif- etymologisch kraft oder die besondere Farbe. Heute wird das Wort miteinander verbinden, wenn man von (ig.) *-lik weinerseits verwendet, um das griechische Material (als ausgeht. Man muss dann annehmen, dass der LabioMünzmetall usw.) zu bezeichnen, andererseits ist es velar nach dem Labial in zwölf(-w-) labialisiert und übertragen auf moderne Magnesium-Legierungen. diese Artikulation auf elf übertragen wurde. Es ist In der heute nicht mehr üblichen Bedeutung aber auch möglich, dass es sich um parallele Wurzeln ’Bernstein’ schon im 14. Jh. bezeugt. *leik w- (Þleihen) und *leip- (Þbleiben) handelt. OrEbenso nndl. elektron, ne. electron, nfrz. ´electrum, nschw. elekdinale: Elfter; Substantivierung: Elf1 für ’Fußballtron, nnorw. elektron. – Lippmann (1919), 530–537; LM 3 (1986), mannschaft’. 1797f.; RGA 7 (1989), 136–141; EWNl 1 (2003), 673f.

Element Sn std. (11. Jh., Form 13. Jh.), mhd. element.

Ebenso nndl. elf, ne. eleven, nschw. elva, nisl. ellefu; Þein 1. – Rosenfeld, H.-F. NJ 79 (1956), 115–140; Voyles, J. JEGP 86 (1987), 487, 495; Meyer/Suntrup (1987), 615; Röhrich 1 (1991), 479f.; Ross/Berns (1992), 593–596; EWahd 2 (1998), 1008–1010; EWNl 1 (2003), 674f.

Entlehnt aus l. elementum ’Grundstoff’ (häufig als die ’vier Elemente’); häufig übertragen als ’grundlegend, Anfangs-’. Mit l. Flexion schon bei Notker. Die KonElf1 Sf Þelf . zeption der chemischen Elemente wird dann im 17. Jh. entwickelt. Die Herkunft des l. Wortes ist un- Elf2 Sm (Elfe f.) ’Naturgeist’ erw. exot. ass. (18. Jh.). klar. Es übersetzt gr. stoicheı˜a. Adjektiv: elementar. Durch Bodmer und Wieland entlehnt aus ne. elf (bei Ebenso nndl. element, ne. element, nfrz. ´ele´ment, nschw. eleMilton und Shakespeare). Das neuenglische Wort ment, nnorw. element. – Schirmer (1912), 20; Littmann geht auf ae. ¢lf m. zurück, dem mhd. alp, alb m./n. (1924), 8; Lumpe, A. AB 7 (1962), 285–293; Heller (1970), entspricht (ÞAlb). Die Alben waren eher gefährliche 101–113; HWPh 2 (1972), 439–441; Bonfante, G. AANL 40,3/4 Wesen; die Vorstellung von den zierlichen, freundli(1985), 93; LM 3 (1986), 1800–1802; Barke (1991), 221f.; Röhchen Elfen stammt aus der Romantik. Die ursprüngrich 1 (1991), 378; Ivanov, V. Elementa 1 (1993), 1–5; EWNl 1 liche deutsche Form ist Elbe m./f. (wozu das Adjektiv 2 (2003), 674; DF 5 ( 2004), 76–85. elbisch), das im 18. Jh. ausstarb. Die später wiederElen Smn ’Elch’ erw. fach. (13. Jh.). Nachdem in belebte Form konnte sich gegen die Entlehnung aus Deutschland der Elch ausgestorben war, wurde in dem Englischen nicht durchsetzen. Ostpreußen die baltische Entsprechung des Wortes Ebenso nndl. elf, nfrz. elfe, nschw. alv, alf, älva, nnorw. alv, ÞElch als Bezeichnung entlehnt: fnhd. elen(dt), Elennisl. a´lfkona, a´lfkur. – Mastrelli, C. A. StG 13 (1975), 5–13; tier aus lit. ´elnis (älter ellenis) usw. Peeters, Ch. GL 28/2 (1988), 119; EWNl 1 (2003), 675. Ebenso nndl. eland, ne. eland, nfrz. ´elan. – Pijnenburg, W. LB 76 (1987), 305–314; EWNl 1 (2003), 671.

elend Adj std. (8. Jh.), mhd. ellende, ahd. elilenti, as.

elilende. Aus wg. *alja-landja- (oder *ali-) ’außer Landes seiend’, auch in ae. ellende mit dem Neutrum in der Funktion des Abstraktums (nhd. Elend). Bahuvrı¯hi-Bildung zu ÞLand und einem im Germanischen sonst aussterbenden ig. *alja- ’anderer’ in gt. aljis, l. alius, air. aile, gr. a´llos. ’Außer Landes’ oder ’in einem anderen Land’ ist der Verbannte oder Vertriebene, daher die Bedeutungsentwicklung zu ’unglücklich, jammervoll’. Vgl. hiermit ne. wretch ’Elender’ (eigentlich ’Vertriebener’ zu rächen) und it. cattivo ’elend, schlecht’ zu l. captı¯vus ’gefangen’. Präfixableitung: verelenden.

Elfenbein Sn std. (9. Jh.), mhd. helfenbein, ahd. helfant-

bein, helphan(t)bein. Ahd. helfan(t), helpfant bedeutet wie gr. ele´pha¯s m. sowohl ’Elefant’ wie auch ’Elfenbein’. Die Komposition mit ÞBein ist also, wie ae. elpenba¯n, lediglich eine Verdeutlichung. Die Form ohne h- seit Luther. Die Formel im elfenbeinernen Turm (u.ä.) für das Wirken ohne Zusammenhang mit der umgebenden Gesellschaft stammt letztlich aus dem Hohen Lied (7,4, dort im Vergleich mit dem Hals der Geliebten) und ist im 20. Jh. mit dem Bild des Turms als Ort des Rückzugs in Zusammenhang gebracht worden. Ebenso nndl. elpenbeen, nschw. elfenben, nnorw. elfenben, nisl. fı´labein; ÞElefant. – Bergmann, R. ZDA 92 (1963), 292–320

eliminieren

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(elfenbeinerner Turm); LM 3 (1986), 1812–1820; RGA 7 (1989), 141–144; Röhrich 1 (1991), 380; EWNl 1 (2003), 678.

eliminieren Vsw ’beseitigen’ erw. fremd. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. ´eliminer, dieses aus l. ¯elı¯mina¯re, eigentlich ’über die Schwelle treiben, aus dem Haus jagen’, zu l. lı¯men ’Schwelle’, das mit l. lı¯mes ’Querweg, Rain, Grenze’ verwandt ist und l. ex-. Ebenso nndl. elimineren, ne. eliminate, nschw. eliminera, nnorw. eliminere; ÞLimit, Þsublim. – Schirmer (1912), 20; Jones, W. J. SN 51 (1979), 257; DF 5 (22004), 86f.

Elite Sf ’Auswahl der Besten’ erw. fach. (17. Jh.). Ent-

Winkel’ (air. uilen[n] ’Winkel’), kymr. elin; weiter ab stehen gr. o¯le´ne¯ ’Ellenbogen’, noch weiter ai. aratnı´’Ellenbogen’. Falls das Wort ÞGlied zugehörig ist, ist von einer Bedeutung ’(Ellenbogen-)Gelenk’ auszugehen. Möglicherweise weiter zu heth. halija’niederknien’ − dann ist von ig. *hel- ’beugen’ auszugehen. Allgemein für ’lang’ in ellenlang. Ebenso nndl. el, elleboog, ne. ell, ellbow, nschw. aln, nisl. alin, ol(n)bogi. S. auch ÞGlied, ÞLünse. – Mastrelli, C. A. FS Bonfante 1 (1976), 447–472; LM 3 (1986), 1845f.; RGA 7 (1989), 160; Puhvel 3 (1991), 28f.; Röhrich 1 (1991), 381f.; Boutkan, D. ABÄG 41 (1995), 9–11; EWahd 2 (1998), 1044–1049; EWNl 1 (2003), 671.

lehnt aus frz. ´elite ’das Auserwählte’, einer Ableitung von frz. ´elire ’auswählen’, dieses aus l. ¯eligere Ell(en)bogen Sm std. (8. Jh.). Eine wohl schon gemein’auswählen’, zu l. legere ’(auf)lesen’ und l. ex-. germanische Bildung zu ÞElle ’Unterarm’ und Ebenso nndl. elite, ne. elite, nschw. elit, nnorw. elite. Zur Sippe ÞBogen ’Biegung’, im Sinn von ’Gelenk’, vgl. anord. des zugrunde liegenden l. legere ’lesen’ s. ÞLegende. – HWPh 2 o¸l(n)bogi, ae. elnboga, ahd. elinbogo, mhd. el(l)enboge. (1972), 443–445; Jones (1976), 303; Strauss u.a. (1989), 134–138; Die Ellenbogenfreiheit ’Durchsetzungsvermögen’ ist EWNl 1 (2003), 675f.; DF 5 (22004), 87–89. die Freiheit, die man sich im Gedränge verschafft, Elixier Sn ’Zaubertrank, Heiltrunk’ erw. fach. (15. Jh.). indem man die anderen mit den Ellenbogen auf DiAus gr. xe¯rı´on ’trockenes Heilmittel’ (zu gr. xe¯ro´s stanz hält und sich so nach vorne bewegen kann. ’trocken’) stammt arab. al-iksı¯r ’Streupulver zur HeiRöhrich 1 (1991), 382; EWNl 1 (2003), 677. lung von Wunden und Augenkrankheiten’, dann Eller Sf ÞErle. auch ’Mittel zur Metallverwandlung, Stein der WeiEllerling Sm ÞElritze. sen’. Mit der zweiten Bedeutung (und dem weitergehenden ’Allheilmittel’) wird es ins Mittellateinische Ellipse Sf ’ein Kegelschnitt’; ’Auslassung’ erw. fach. als elixir(ium) übernommen und ist in diesen Bedeu(16. Jh.). Entlehnt aus l. ellı¯psis, dieses aus gr. ´elleipsis, tungen seit dem 15. Jh. auch im Deutschen bezeugt. eigentlich ’Mangel, das Auslassen’, einer Ableitung Ebenso nndl. elixer, ne. elixir, nfrz. ´elixir, nschw. elixir, nnorw. von gr. elleı´pein ’unterlassen, auslassen’, zu gr. leı´pein eliksir, nisl. elixı´r. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 389; ’lassen’. Es wird bereits in der antiken Rhetorik als Bunth, H. ASNSL 210 (1973), 324; Vernet (1984), 239f.; LM 3 Bezeichnung für die sprachliche Auslassung verwen(1986), 1843–1845; Barke (1991), 222; Tazi (1998), 121f.; EWNl 1 det. In der Geometrie wird damit ein bestimmter Ke(2003), 676; DF 5 (22004), 89f. gelschnitt bezeichnet, bei dem der Wert der Ordinate -ell Suffix (zur Bildung desubstantivischer Adjektive, kleiner ist als der der Abszisse, also einen ’Mangel’ z.B. konfessionell) erw. bildg. (–). Es wurde in franaufweist. Adjektiv: elliptisch. zösischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen; Ebenso nndl. ellips, ne. ellipse, nfrz. ellipse, nschw. ellips, sein Ursprung ist l. -a¯lis. Deshalb konkurriert es mit nnorw. ellipse. S. ÞEklipse und zur germanischen VerwandtEntlehnungen aus dem Lateinischen (oder Relatinischaft Þleihen. – Schirmer (1912), 21; EWNl 1 (2003), 677f.; DF 5 (22004), 90–92. sierungen) mit -al (emotional − emotionell). Nur in Bildungen mit französischer Grundlage; es kann aber Eloquenz Sf ’Beredsamkeit’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt sein, dass einige von ihnen nur im Deutschen gebildet aus l. ¯eloquentia, dem Abstraktum von l. ¯eloquı¯ sind (statt finanziell z.B. sagt man auf französisch fi’aussprechen, heraussagen, vortragen’, zu l. loquı¯ nancier − es gibt aber keine hybriden Formen). Bei ’sprechen’ und l. ex-. Adjektiv: eloquent. der Analyse ergeben sich gelegentlich Suffixformen Ebenso ne. eloquence, nfrz. ´eloquence; ÞKolloquium. – DF 5 auf -uell (intellektuell, sexuell), doch beruhen diese (22004), 92f. auf Besonderheiten der gebenden Sprache und kön- Elritze Sf (ein Fisch) per. fach. (13. Jh., Form 16. Jh.). In nen nicht als produktive Suffixform aufgefasst werdieser Form sächsisch, ältestbezeugt mhd. erlinc, wie den. heute noch bairisch. Außerdem Erlitz, ÞIrlitze, Elle Sf ’Längenmaß, Vorderarm’ erw. obs. (8. Jh.), mhd.

ÞEllerling u.a. Die Namen scheinen mit dem Baumel(l)e, eln(e), elline, ahd. elina, as. elina. Aus g. *alı¯no¯ f. namen ÞErle, ÞEller zusammenzuhängen, doch er’Elle’, auch in gt. aleina, anord. o¸ln, ae. eln. Dieses zu gibt sich kein klares Benennungsmotiv. einer allgemein verbreiteten Grundlage für ’Elle’ und EWahd 2 (1998), 1142f. ähnlichen Bedeutungen, deren Bildungen aber so Elster Sf std. (9. Jh.), mhd. elster, agelster, ahd. agalstra. weit auseinanderfallen, dass keine gemeinsame Aus vd. *aglistrjo¯n f. ’Elster’; andere Formen sind as. Grundform rekonstruiert werden kann. Dem Geragastria, ahd. agaza (das zu schwz. ÞHetze führt) manischen stehen am nächsten mit (ig.) *olı¯na¯: l. nebst der Erweiterung agazzala, aus der ÞAtzel ulna ’Ellenbogenknochen’, mir. uilen ’Ellenbogen, stammt. Die einfachste Form scheint in ahd. aga, ae. ˘

˘

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agu ’Elster’ vorzuliegen. Herkunft unklar. Vielleicht ’die Spitze’ nach dem spitzigen Schwanz (s. ÞEcke und vgl. nschw. skata ’Elster’ mit nschw. skate ’vorspringende Landzunge, Wipfel’). de Cubber, W. FS de Smet (1986), 93–100; EWahd 1 (1988), 72f., 79f., 85f., 89–91; Röhrich 1 (1991), 382f.; EWNl 1 (2003), 670f.; EWahd 1 (1988), 85f.

Eltern Spl std. (8. Jh.), mhd. altern, eltern, ahd. eltiron,

altiron, as. eldiron, aldiro. Aus wg. *aldizo¯n-, Plural des Komparativs von alt, auch in ae. eldran, yldra, afr. alder, elder. Vgl. gt. airizans ’Vorfahren’, zu gt. airis ’früher’. Ebenso nndl. ouders, ne. elders; Þalt. – RGA 7 (1989), 195f.; Röhrich 1 (1991), 383; EWahd 2 (1998), 1036.

Eltervater Sm (Eltermutter f.) ’Großvater, Großmut-

ter’ per. md. (12. Jh.), mhd. (md.) eltervater, eltermuoter. Zusammensetzung mit dem Komparativ älter, der auch in ÞEltern auftritt. Eltervater ist seit dem 12. Jh., Eltermutter seit dem 13. Jh. bezeugt. -em Suffix (in der linguistischen Fachsprache zur

Kennzeichnung systematischer Einheiten) per. fach. (–). Vorbild ist ÞPhonem, frz. phone`me, das 1874 von Dufriche-Desgenettes als Oberbegriff für Vokale + Konsonanten gebildet wurde. Aufgenommen und für systematische Einheiten verwendet von F. de Saussure und der Schule von Kazan. Dann analogische Ausweitung durch B. de Courtenay (Morphem, Graphem usw.).

Emblem und l. capere ’fangen, ergreifen’. Das Bezeichnungsmotiv für das Verb mancipa¯re liegt in der juristischen Prozedur, das förmliche Eigentumsrecht an einem Gegenstand durch Anfassen desselben in Gegenwart von fünf Zeugen zu erlangen. Die Gegensatzbildung dazu meint zunächst vor allem das Entlassen eines Sklaven oder Sohnes aus der Gewalt des Herrn bzw. Vaters (eine recht komplizierte Prozedur, bei der eine dreimalige mancipa¯tio an einen Vertrauensmann zu erfolgen hatte). Dann Verallgemeinerung der Bedeutung. Im Deutschen vor allem im Zusammenhang der Französischen Revolution und der Befreiung der amerikanischen Sklaven gebraucht. Aktualisiert wurde der Begriff durch die Frauenbewegung der 1960er und 1970er Jahre. Erste Verwendung in diesem Sinn bei K. Gutzkow 1839; kurz zuvor in Bezug auf die Juden: L. Börne 1833. Verb: emanzipieren, bei dessen romanischen Entsprechungen seit dem 15. Jh. der reflexive Gebrauch im Sinne von ’sich selbst befreien’ auftritt. Auch dies hat die Bedeutungsentwicklung des Nomens beeinflusst. Ebenso nndl. emancipatie, ne. emancipation, nfrz. ´emancipation, nschw. emancipation, nnorw. emansipasjon; Þkapieren, Þmanuell. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 173; DF 1 (1913), 170f.; Hildebrandt, W. Deutsche Studien 9 (1971), 243–248; HWPh 2 (1972), 448f.; Lampert, W. Nysvenska Studier 13 (1973), 62–70; Herrmann, U. AB 18 (1974), 85–143; GB 2 (1975), 153–197; Herwig, H. J.: Formen des modernen Emanzipationsbegriffs (München 1980); Koselleck, R. Europa und die Folgen. Hrsg. K. Michalsky (Stuttgart 1988), 51–83; Strauss u.a. (1989), 608–616; EWNl 1 (2003), 679; DF 5 (22004), 99–105.

Koerner, E. F. K. in Hartmann, Linke, Ludwig (Hrsg.): Sprache in Gegenwart und Geschichte (Köln 1978), 82–93; Kohrt, Embargo Sn ’Ausfuhrverbot’ per. fach. (18. Jh.). EntM.: Problemgeschichte des Graphembegriffs und des frühen lehnt aus span. embargo m. ’Beschlagnahme, Sperre’, Phonembegriffs (Tübingen 1985).

Email Sn (Emaille f.) ’Schmelzüberzug’ std. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. ´email m. (älter: esmail). Das Wort wird durch französische Miniaturmalereien auf Email in Deutschland bekannt. Verb: emaillieren. Ebenso nndl. ´email, ne. enamel, nschw. emalj, nnorw. emalje, nisl. (Vb.) ema(i)le´ra. Für das französische Wort rechnet man mit einer Herkunft aus awfrk. *smalt ’Schmelzung’, einer Ableitung von awfrk. *smeltan ’schmelzen’; zur germanischen Verwandtschaft s. Þschmelzen. In Frage kommt aber auch l. maltha ’Erdpech, Firnis’ und ein zu diesem vorauszusetzendes früh-rom. *malthare ’mit Firnis überziehen’. Dieses aus gr. ma´ltha ’Mischung von Wachs und Pech’. – DEO (1982), 256; Brunt (1983), 266; LM 3 (1986), 1868–1873; RGA 7 (1989), 197–255; EWNl 1 (2003), 678f.; DF 5 (22004), 94–96.

Emanze Sf ’emanzipierte Frau’ erw. stil. (20. Jh.). Eine

nur im Deutschen seit ungefähr 1970 auftretende Kürzung aus emanzipierte Frau (dieses seit Gutzkow 1839). Vorbild und Kontext des ersten Auftretens sind unbekannt. ÞEmanzipation.

Emanzipation Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l.

¯emancipa¯tio (-o¯nis), einem Abstraktum zu l. ¯emancipa¯re ’entlassen, für selbständig erklären’, zu l. mancipa¯re ’zu eigen geben’ und l. ex-, zu l. manus ’Hand’

einer Ableitung von span. embargar ’beschlagnahmen, behindern’, das zurückgeht auf früh-rom. barra ’Querbalken’. Zunächst das staatliche Festhalten ausländischer Schiffe in heimischen Häfen und Gewässern, dann verallgemeinert auf das Verbot des Ausführens von Waren (insbesondere, um wirtschaftlichen Druck auf andere Staaten auszuüben). Ebenso nndl. embargo, ne. embargo, nfrz. embargo, nschw. embargo, nnorw. embargo; ÞBarre. – LM 3 (1986), 1875f.; EWNl 1 (2003), 679; DF 5 (22004), 106f.

Emblem Sn ’Sinnbild, Kennzeichen’ per. fach. (16. Jh.,

Form 18. Jh.). Entlehnt aus l. emble¯ma ’Einlegearbeit’, aus gr. ´emble¯ma, einem Nomen Acti zu gr. emba´llein ’einlegen’, zu gr. ba´llein ’treffen, werfen’. Zuerst als Emblema entlehnt, dann endungslos. In der Antike ist das Emblem eine eingelassene Reliefarbeit auf Prunkgefäßen, bzw. eine in Fußböden eingelassene Mosaiktafel. Beginnend mit dem Emblematum liber des A. Alciatus (Augsburg 1531) setzt dann in der Zeit des Humanismus eine neue Tradition ein, in der es um besondere Verbindungen von Bild, Text und Symbolik geht. Ebenso nndl. embleem, ne. emblem, nfrz. emble`me, nschw. emblem, nnorw. emblem. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr.

Embolie ba´llein ’werfen’ s. ÞSymbol. Ersatzwort ist ÞSinnbild. – Miedema, H. JWCI 31 (1968), 234–250; HWPh 2 (1972), 449–452; Russel, D. NPh 59 (1975), 337–351; EWNl 1 (2003), 679f.; DF 5 (22004), 107–109.

244 Ebenso nndl. emissie, ne. emission, nschw. emission, nnorw. emisjon. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. mittere ’schicken’ s. Þkompromittieren. – EWNl 1 (2003), 681; DF 5 (22004), 118–120.

Embolie Sf ’Verstopfung eines Blutgefäßes’ per. fach.

Emmchen Spl ’Mark’ erw. stil. (19. Jh.). Scherzhafte Ver(19. Jh.). Neoklassische Bildung zu Embolus ’Blutwendung der alten Abkürzung M. für ÞMark 3 (noch pfropfen’, aus gr. ´embolos ’Pfropfen’, zu gr. emba´llein vor Reichsmark und Deutsche Mark). Ursprünglich auch Em, das heute nicht mehr üblich ist. ’hineinwerfen, hineinstopfen’, zu gr. ba´llein ’werfen’ (ÞSymbol) und Þen-. Emmer Sm ’Dinkel’ per. fach. obd. (10. Jh.), mhd. amer, Ebenso nndl. embolie, ne. embolism, nfrz. embolie, nschw. ememer, ahd. amar(o), amari, as. amer. Das Wort ist die boli. – Cottez (1980), 131f. alte Bezeichnung des Dinkels. Herkunft unklar. Aus älterem emmerkorn entstand schwz. ÞMerkorn. Embryo Sm ’im Entstehen befindlicher OrganisVgl. ÞDinkel, ÞEinkorn, ÞSpelt; ÞAmmer. – Bertsch (1947), mus’ erw. fach. (15. Jh.). Über l. embryo entlehnt aus 16–23; EWahd 1 (1988), 190–192; RGA 7 (1989), 270–272. gr. ´embryon n. ’Neugeborenes, ungeborenes Leben’, zu gr. bry´ein ’sprossen, treiben’ und l. en-. Adjektiv: Emmeritz, Emmerling Sm ÞAmmer. embryonal. Emotion Sf ’Gefühl’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus Ebenso nndl. embryo, ne. embryo, nfrz. embryon, nschw. embryo, nnorw. embryo. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 389; EWNl 1 (2003), 680; DF 5 (22004), 109–111.

emendieren Vsw ’berichtigen’ per. fach. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus l. ¯emenda¯re, zu l. mendum ’Fehler’ und l. ex-. Ebenso nndl. emenderen, ne. emend, emendate, nfrz. ´emender, nnorw. emendere. – EWNl 1 (2003), 680.

emeritieren Vsw ’entpflichten’ per. fach. (17. Jh.). Abge-

leitet von Emeritus ’entpflichteter Hochschullehrer’, eigentlich PPP. von l. ¯emere¯re (e¯meritum) ’ausgedient haben’, zu l. mere¯re ’verdienen’ und l. ex-. Ebenso ne. emerit; ÞMeriten. – EWNl 1 (2003), 680; DF 5 (22004), 111–113.

emigrieren Vsw ’(wegen Verfolgung) auswandern’ erw.

fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. ¯emigra¯re ’auswandern, ausziehen’, zu l. migra¯re ’wandern’ und l. ex-. Die Entlehnung wird gestützt von ne. emigrate. Nomen Agentis: Emigrant; Abstraktum: Emigration. Ebenso nndl. emigrieren, ne. emigrate, nfrz. ´emigrer, nschw. emigrera, nnorw. emigrere; ÞAmöbe. – EWNl 1 (2003), 680; DF 5 (22004), 113–116.

eminent Adj ’bedeutsam, groß, herausragend’ erw.

frz. ´emotion, einer Ableitung von frz. ´emouvoir ’bewegen, erregen’ (unter formaler Anlehnung an frz. motion ’Bewegung’), dieses aus l. ¯emove¯re ’herausbewegen, emporwühlen’, zu l. move¯re ’bewegen’ und l. ex-. Adjektive: emotional, emotionell; Abstraktum: Emotionalität. Ebenso nndl. emotie, ne. emotion, nfrz. ´emotion, nschw. emotion, nnorw. emosjon Zur Sippe des zugrunde liegenden l. move¯re ’bewegen’ s. ÞPromotion. – Jones (1976), 306; EWNl 1 (2003), 681; DF 5 (22004), 120–123.

empfangen Vst std. (8. Jh.), mhd. empfa¯hen, enpha¯hen,

entva¯hen, ahd. intfa¯han. Assimilationsform aus Þent+ Þfangen. Fangen ist hier in der allgemeinen Bedeutung ’(auf-, an-)nehmen’ gebraucht. Abstraktum: Empfang, älter Empfängnis; Nomen Agentis: Empfänger; Adjektiv: empfänglich. empfehlen Vst std. (12. Jh.), mhd. empfelhen, enphelhen.

Assimilationsform aus Þent- und dem starken Verb, das im Neuhochdeutschen sonst nur noch in Þbefehlen auftritt. Die ursprüngliche Bedeutung ist ’jmd. etwas anvertrauen’, später abgeschwächt zu ’etwas als gut vorschlagen’. Abstraktum: Empfehlung.

fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. ´eminent, dieses aus l. empfinden Vst std. (8. Jh.), mhd. empfinden, enpfinden, ¯emine¯ns (-entis), dem PPräs. von l. ¯emine¯re ’herausentvinden, ahd. intfindan. Wie ae. onfindan Nachfolragen’, zu l. minae ’Zinnen, hochragende Spitzen’, ger einer offenbar schon westgermanischen Präfigiedas zur Sippe von l. mo¯ns (montis) ’Berg’ gehört, und rung. Neuhochdeutsch eine Assimilationsform aus l. ex-. Die deutsche Form unter Einfluss des lateiniÞent- + Þfinden. Die Bedeutung ist also eigentlich schen Adjektivs. Abstraktum: Eminenz. ’herausfinden, wahrnehmen’, im Deutschen später Ebenso nndl. eminent, ne. eminent, nfrz. ´eminent, nschw. emieingeschränkt auf das Wahrnehmen seelischer Renent, nnorw. eminent; Þmontan, Þmontieren, Þpromenieren, gungen. Das Adjektiv empfindsam wird im 18. Jh. geÞprominent. – EWNl 1 (2003), 680; DF 5 (22004), 116–118. bildet, um ne. sentimental zu übersetzen. Beide WörEmission Sf ’Ausgabe (Wertpapiere, Briefmarken); ter waren ursprünglich positiv gemeint (etwa im Ausströmen von Schadstoffen’ per. fach. (16. Jh.). Sinne von ’feinfühlig’, ’das Feingefühl berührend’), Entlehnt aus frz. ´emission, dieses aus l. ¯emissio sind dann aber als Modewörter in ihrer Bedeutung ’Hinausschicken’, Abstraktum zu l. ¯emittere abgesunken. Abstraktum: Empfindung; Adjektiv: ’heraus-, hinausschicken’ zu l. mittere ’schicken’ und empfindlich. ex-. Das Wort ist im Deutschen relatinisiert worden Pfaff (1933), 28f.; Erämetsä, E. FS Öhmann (1954), 659–666; und wurde für die neueren Bedeutungen, die stärker Ganz (1957), 64–68; Jäger, G.: Empfindsamkeit und Roman (Stuttgart 1969); HWPh 2 (1972), 454–474; Sauder, G.: Empvom amerikanischen Englischen bestimmt sind, beifindsamkeit, Bd. I (Stuttgart 1974); Baasner, F. Studies in 18th behalten. Century Culture 15 (1986), 77–96.

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Energie

Emphase Sf ’Hervorhebung, Nachdruck’ erw. fach.

’melken’ und l. ex-. So benannt nach dem trüben, (16. Jh.). Entlehnt aus frz. emphase, dieses aus l. emmilchigen Aussehen solcher Gemenge. Ebenso nndl. emulsie, ne. emulsion, nfrz. ´emulsion, nschw. phasis, aus gr. ´emphasis, eigentlich ’Verdeutlichung’, emulsion, nnorw. emulsjon. – EWNl 1 (2003), 682. einer Ableitung von gr. emphaı´nein ’aufzeigen, sichtbar machen’, zu gr. phaı´nein und gr. en-. Zu dessen -en Suffix Þ-ern. Sippe s. ÞPhänomen. Adjektiv: emphatisch. en- Präfix ’hinein, innerhalb’ per. bildg. (–). Es kommt Ebenso nndl. emfaze, ne. emphasis, nschw. emfas, nnorw. emeinerseits in Entlehnungen aus dem Griechischen vor 2 fase. – EWNl 1 (2003), 680; DF 5 ( 2004), 123f. (ÞEnthusiasmus, ÞEmphase), ist in diesen aber vom empirisch Adj ’auf Beobachtung basierend, aus der Erdeutschen Standpunkt aus nicht mehr analysierbar; fahrung gewonnen’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. andererseits geht es auf l. in-, frz. en- zurück, wo es empı¯ricus, dieses aus gr. empeiriko´s ’erfahren’ (zuteilweise analysierbar ist (ÞEnklave − ÞExklave). Es nächst im medizinischen Bereich), zu gr. peı˜ra ist im Deutschen aber nicht produktiv gewesen. Vor ’Versuch, Erfahrung’. Abstraktum: Empirie; TäterbeLabial lautet die Form em-, vor allem in Wörtern zeichnung: Empiriker, Empirist. griechischer Herkunft (z.B. Emphase, Þempirisch). Ebenso nndl. empirisch, ne. empiric, nfrz. empirique, nschw. empirisk, nnorw. empirisk; ÞPirat, ÞGefahr. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 390; HWPh 2 (1972), 453f.; EWNl 1 (2003), 681f.; DF 5 (22004), 124–127.

empor Adv std. (8. Jh.), mhd. enbor(e), ahd. inbor ’in

Ende Sn std. (8. Jh.), mhd. ende m./n., ahd. enti m./n.,

as. endi m. Aus g. *andija- m. ’Ende’, auch in gt. andeis, anord. endi(r) m., ae. ende m., afr. enda m. Eine jo-Bildung wie ai. a´ntya- ’am Ende befindlich, letzt’ zu ig. *hant-, für das die Bedeutungen ’Vorderseite, Stirn, Ende’ bezeugt sind. Vermutlich ist von ’Stirn’ auszugehen (wie in ahd. endi, anord. enni − also ohne grammatischem Wechsel gegenüber ’Ende’, l. antiae f. ’Stirnhaare’, air. ´etan, ´edan m. ’Stirn’). Sonst heth. hanza Adj. ’vorn’, ai. a´nta- m. ’Ende, Grenze, Rand’, gr. a´nta ’gegenüber, ins Gesicht’ u.a. Verben: enden mit Endung, beenden, beendigen; Adjektiv: endlich.

die Höhe’, ahd. inbore ’in der Höhe’. Besteht also offenbar aus der Präposition Þin und einem Substantiv für ’Höhe’. Dieses ist bezeugt in ahd. bor, mhd. bor mit meist technischen Bedeutungen, wie ’ein bestimmter Raum im oberen Teil des Hauses’, aber auch als ’Höhe’. Zu einer Reihe von Wörtern für ’hoch’ u.ä., die auf ig. *b her- zurückführen (vgl. etwa ig. *b herg´ h- ’Höhe’ unter ÞBerg). Man schließt sie übEbenso nndl. eind(e), ne. end, nschw. ända, nisl. endir; Þent-, licherweise an die Verbalwurzel ig. *b her- ’tragen, ÞHappy-End, Þund. – HWPh 2 (1972), 481–491; Röhrich 1 bringen’ an (Þgebären), was möglich, aber nicht si(1991), 383–385; EWahd 2 (1998), 1080–1083; EWNl 1 (2003), cher ist. Die neuhochdeutsche Form ist zusammen669f. gerückt und assimiliert worden. Zu ihr auch Empore ’oberer Raum in der Kirche’ (mhd. auch borkirche). Endivie Sf ’eine Salatpflanze’ std. (15. Jh.). Über romanische Vermittlung entlehnt aus l. intubus, intubum, Þempören. – LM 3 (1986), 1895–1897; EWahd 2 (1998), 241f. intibus, intibum n. Die Bezeichnung geht offenbar empören Vsw std. (13. Jh.), mhd. enbœren, anfrk. anedarauf zurück, dass die Pflanze bei ihrer Kultivierung boren. Zu mhd. bo¯r ’Trotz, Aufruhr’ (nur einmal bemit einem röhrenförmigen Gefäß (Tubus) überdeckt legt). Das Wort sieht mit seiner Bedeutung ’sich erwurde. Falls das Wort letztlich aus einer nicht-indoheben’ aus wie eine Ableitung von Þempor, stimmt germanischen Sprache entlehnt ist, beruht die lateiaber mit diesem nicht zusammen, da es eindeutig nische Form auf einer Sekundär-Motivation. In dieeine Länge aufweist. Das Wort kann deshalb nur auf sem Fall ist auch eine direkte Entlehnung über das eine Variante von Þböse mit grammatischem Wechsel Spanische aus dem Arabischen nicht ausgeschlossen. zurückgehen. Nachträglich ist es aber mit empor in Ebenso nndl. andijvie, ne. endive, nfrz. chicore´e endive, nschw. Verbindung gebracht worden, was sich zumindest an endivia. – LM 3 (1986), 1902; Knobloch, J. SW 14 (1989), 280f.; der Schreibung zeigt. Nomen Agentis: Empörer; AbEWNl 1 (2003), 141. straktum: Empörung. Energie Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. ´energie, dieses emsig Adj std. stil. (8. Jh.), mhd. emzec, emzic, ahd.

emezzı¯g, emizzı¯g ’beharrlich, fortwährend’. Am nächsten verwandt ist nisl. amstur ’Anstrengung’, nnorw. amaseg ’sich anstrengen’ (anord. ama ’dauernd an jmd. herummachen, plagen’). Hierzu ai. a´mı¯ti ’dringt an, bedrängt’. Also wohl ig. *om¡-, g. *am(a)- ’bedrängen, zusetzen’ als Grundlage. EWahd 2 (1998), 1065–1067.

Emulsion Sf ’Gemenge aus zwei nicht mischbaren Flüs-

sigkeiten; lichtempfindliche Schicht’ per. fach. (18. Jh.). Neubildung zu l. ¯emulsum n., dem PPP. von l. ¯emulge¯re ’ausmelken, abmelken’, zu l. mulge¯re

aus spl. energı¯a ’Wirksamkeit’, aus gr. ene´rgeia, zu gr. ´ergon n. ’Werk, Wirken’ und gr. en-. Die Fortschritte der Physik des 19. Jhs. prägen das heutige Wortverständnis. Adjektiv: energisch. Ebenso nndl. energie, ne. energy, nschw. energi, nnorw. energi. Zu gr. ´ergon ’Werk’ gehören schon als griechische Wörter ÞChirurg als Täterbezeichnung (’Handwerker’) und als komponiertes Abstraktum ÞLiturgie (’Volkswerk’); modern sind ÞAllergie (als Gegenstück zu Energie) und ÞErgonomie; im Ablaut zu dieser Grundlage stehen (vermutlich) ÞOrgan und ÞOrgie; zur germanischen Verwandtschaft s. ÞWerk. – Heller (1970), 163–184; HWPh 2 (1972), 494–499; LM 3 (1986), 1904f.; EWNl 1 (2003), 683; DF 5 (22004), 133–142.

Enfant terrible Enfant terrible Sn ’jmd., der (bewusst) gegen Konven-

tionen verstößt oder der seine Seite durch unvorsichtigen Umgang mit Informationen bloßstellt’ erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. enfant terrible m., eigentlich ’schreckliches Kind’. Frz. enfant m. aus l. ¯ınfa¯ns m./f., eigentlich ’der nicht sprechen kann’, zu l. fa¯rı¯ ’sagen’ und l. in-; frz. terrible aus l. terribilis, zu l. terre¯re ’schrecken, erschrecken’. Ebenso nndl. enfant terrible, ne. enfant terrible, nfrz. enfant terrible. Zur weiteren Verwandtschaft von l. fa¯rı¯ ’sagen’ s. Þfamos. – DF 5 (22004), 143.

eng Adj std. (8. Jh.), mhd. enge, ahd. engi, as. engi. Aus

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stı`ras ’Finne, Trichine’, lett. anksteri ’Maden, Larven, Engerlinge’, russ. u´gorı˘ ’Finne’. Die weiter hierher gestellten Wörter für ’Schlange’ und ’Aal’ sind wohl abzutrennen. Es kann also ig. (oeur.) *(h)ang h- vorausgesetzt werden, ein weiterer Anschluss ist unsicher. Ebenso nndl. engerling. – Wissmann (1963–1968), 245, 533–538; EWahd 1 (1988), 246f.; EWahd 2 (1998), 1075; EWNl 1 (2003), 685.

Engländer Sm hier in der Bedeutung ’verstellbarer

Schraubenschlüssel’ erw. fach. (20. Jh.). In England (und kurz darauf in Amerika) wurden seit dem frühen 19. Jh. verstellbare Schraubenschlüssel hergestellt, die als monkey wrench bezeichnet wurden (die Begründung für diese Bezeichnung ist umstritten). Im deutschsprachigen Bereich wurden sie (nach ihrer Herkunft oder wenigstens nach der Herkunft des Vorbilds) Engländer genannt. Diese Bezeichnung blieb allgemein für ’verstellbarer Schraubenschlüssel’, obwohl die späteren Modelle anders konstruiert waren.

g. *angu- (später *angwu-/ja-) Adj. ’eng’, auch in gt. aggwus, anord. o¸ngr, øngr, ae. enge; dieses aus ig. *ang´ hu´- ’eng’, auch in ai. am ˙ hu´- ’eng’, arm. anjowk ’eng’, akslav. o¸zu˘ku˘ ’eng’; abweichende Bildungen auch in anderen Sprachen. Die Grundlage ig. *ang´ h’beengen, einschnüren’ liegt vor in avest. a˛za£he ’zu bedrängen’, gr. a´ncho¯ ’ich schnüre zusammen, erdrossle’, l. angere ’beengen, zuschnüren’. Abstraktum: Enge; Präfixableitungen: be-, verengen; PartikelEnkel1 Sm ’Kindeskind’ std. (12. Jh.), mhd. eninkel, ableitung: einengen. spahd. eniklı¯n, enichlin. Verkleinerungsform zu ahd. Ebenso nndl. eng, nisl. öngur; ÞAngst, Þbang(e). – Heiderano ’Ahn’ (ÞAhn), es wird also das gleiche Verwandtmanns (1993), 100f.; EWahd 2 (1998), 1072f.; EWNl 1 (2003), schaftsverhältnis von der anderen Seite her betrach684. tet. Eine entsprechende Herkunft zeigen vermutlich Engagement Sn ’Einsatz, Anstellung’ erw. fremd. die slavischen Wörter für ’Enkel’, aruss. vu˘nuku˘ usw. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. engagement m., einer Ab(zu einer Tieftonform von *an-). Übertragung der leitung von frz. engager ’verpflichten’, eigentlich ’in Verwandtschaftsbezeichnung vom Vertreter der älSold nehmen’, zu frz. gage m. ’Pfand, Lohn’ und Þen-. teren Generation auf den der jüngeren findet sich im In der Bedeutung ’politische oder militärische VerMittelhochdeutschen auch sonst vielfach markiert pflichtung’ mit englischer Aussprache aus dem Engdurch das Diminutiv (z.B. ÞMuhme ’Mutterschweslischen entlehnt. Verb: engagieren mit dem partizipiter’ − Mühme, Mühmlein ’Schwestertochter’). Erklärt alen Adjektiv engagiert. wird diese Erscheinung meist durch den AnredeEbenso nndl. engagement, ne. engagement, nschw. engagemang, wechsel (d.h. in der Anrede antwortet der Verwandte nnorw. engasjement; ÞGage. – Schirmer (1911), 53f.; HWPh 2 mit der gleichen Form, mit der er angeredet wird). (1972), 500; Jones (1976), 309; Brunt (1983), 271–273; Carstensen 1 (1993), 426; EWNl 1 (2003), 684; DF 5 (22004), 143–147.

Engel Sm std. (8. Jh.), mhd. engel, ahd. engil, as. engil.

Zu den älteren Ausdrücken vgl. ÞNeffe und ÞTichter. – Öhmann, E. NPhM 66 (1965), 512–519; Erben, J. FS Dam (1977), 101–113; Müller (1979), 71–119; Ruipe´rez (1984), 35–41, 106f., 119–121; EWahd 1 (1988), 258–261; RGA 7 (1989), 302f.; EWahd 2 (1998), 1075.

Wie gt. aggilus, anord. engell, ae. engel entlehnt aus gr. a´ggelos ’Bote’ (evtl. unter Mitwirkung der l. Entlehnung angelus). Das griechische Wort ist seinerseits Enkel2 Sm ’Fußknöchel’ per. oobd. wmd. ndd. (9. Jh., wohl ein altes Lehnwort aus einer unbekannten (iraankal-lih 8 Jh.), mhd. enkel, ahd. ankala, enkil, mndd. nischen?) Sprache. Im christlichen Wortschatz ist es enkel, mndl. enkel. Weiterbildung (evtl. Diminutiv) a eine Lehnbedeutung von hebr. m l a¯k ’Bote (Gottes)’. zu ahd. anka f. ’Genick’, mhd. anke ’Gelenk’. Eine Ebenso nndl. engel, ne. angel, nfrz. ange, nschw. ängel, nnorw. entsprechende Bildung in anord. o¸kla n., erweitert in engel, nisl. engill; ÞEvangelium. – Siegert (1950), 66; HWPh 2 ae. ancleow. Außergermanisch vergleicht sich ai. (1972), 500–503; LM 3 (1986), 1905–1914; Röhrich 1 (1991), a´n˙ga- n. ’Glied’. Weitere Herkunft unklar. 385–387; Keller, R. ZPhSK 42 (1989), 383–396 (zum Adjektiv englisch); EWahd 2 (1998), 1074f.; EWNl 1 (2003), 684f.

Engerling Sm ’Maikäferlarve’ erw. fach. (10. Jh., Form

Ebenso nndl. enkel, ne. ancle. – Knetschke (1956), 21–24; Öhmann, E. NPhM 66 (1965), 512–519; EWahd 1 (1988), 258–261; EWahd 2 (1998), 1075; EWNl 1 (2003), 686.

11. Jh.), mhd. enger(l)inc, ahd. engiring ’kleiner Enklave Sf ’(kleines) eingeschlossenes Teilgebiet’ per. Wurm, Made, Finne’. Verkleinerungsform zu ahd. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. enclave, einer Ableiangar(ı¯), mhd. anger, enger ’Made’. Zu einer schwer tung von frz. enclaver ’einschließen’, zu l. cla¯vis abgrenzbaren Sippe, bei der Wörter für ’Schlange, ’Schlüssel’ und l. en-; ÞExklave, ÞKonklave; zur Sippe Aal, Wurm, Made’ voneinander geschieden werden des damit zusammenhängenden l. claudere ’schliemüssen. Semantisch am nächsten stehen bei dem gerßen’ s. ÞKlausur. manischen Wort (mit lautlicher Umbildung) lit. ink-

Entente

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Ebenso nndl. enclave, ne. enclave, nfrz. enclave, nschw. enklav, entbinden Vst std. stil. (8. Jh.), mhd. enbinden, ahd. intnnorw. enklave. – EWNl 1 (2003), 682; DF 5 (22004), 148f. bintan, as. antbindan. Bedeuten zunächst einfach

’losbinden’, dann allgemein ’befreien’. Schon seit dem 14. Jh. wird es speziell auf den Geburtsvorgang aus l. ¯eno¯rmis, eigentlich ’aus der Norm herausfalbezogen. lend’, zu l. no¯rma ’Regel, Norm’ und l. ex-. Zunächst in der Gerichtssprache für übermäßige Vergehen entblöden Vswrefl (nur in der Wendung sich nicht ent(hier wohl unmittelbar aus dem Lateinischen überblöden ’sich nicht scheuen’) erw. obs. phras. (17. Jh.). nommen), dann (dem Französischen folgend) VerallDie Wendung lautete ursprünglich sich entblöden gemeinerung der Bedeutung und Bedeutungsverbesetwas zu tun ’seine Blödigkeit aufgeben, sich getrauserung. en’. Da die Wendung schon bald nicht mehr verstanEbenso nndl. enorm, ne. enormous, nfrz. ´enorme, nschw. den wurde, kamen negative und positive Formulieenorm, nnorw. enorm; ÞNorm. – Jones, W. J. SN 51 (1979), 257; rung durcheinander. 2

enorm Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. ´enorme, dieses

EWNl 1 (2003), 687; DF 5 ( 2004), 152–154.

Enquete Sf ’Kommissionsuntersuchung, Umfra-

ge’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. enqueˆte ’Nachforschung, Umfrage’, dieses über spätlateinische Zwischenstufen zu l. inquı¯rere ’nachforschen’, zu l. quaerere ’suchen’ und l. in-. Ebenso nndl. enqueˆte, ne. inquiry, nschw. enkät, nnorw. enquete; ÞInquisition; zu dem zugrundeliegenden l. quaerere ’suchen’ s. Þrequirieren. – DF 1 (1913), 174f.; EWNl 1 (2003), 687; DF 5 (22004), 154f.

Ensemble Sn ’Gruppe, Zusammenstellung’ erw. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. ensemble m., zu frz. ensemble Adv. ’zusammen’, aus l. ¯ınsimul ’zugleich’, zu l. simul ’zugleich’ und similis ’ähnlich’. Ebenso nndl. ensemble, ne. ensemble, nschw. ensemble, nnorw. ensemble. Zur Sippe von l. similis ’ähnlich’ s. ÞFaksimile. – Jones (1976), 310; EWNl 1 (2003), 687; DF 5 (22004), 157f.

-ent Suffix Variante zu Þ-ant. ent- Präfix std. (–). Es bezeichnet normalerweise die

entdecken Vsw std. (8. Jh.), mhd. endecken, ahd. int-

decken. Bedeutet eigentlich ’aufdecken’ und wird zunächst in diesem konkreten Sinn verwendet. Dann ’jmd. etwas entdecken’ für ’mitteilen’ und schließlich (vielleicht unter dem Einfluss von frz. de´couvrir) ’auffinden’. Abstraktum: Entdeckung; Nomen Agentis: Entdecker. Ente Sf std. (10. Jh., anuthabuh und latinisierte Formen

8. Jh.), mhd. ant, ahd. anut, as. anad (in Ortsnamen). Aus g. *anudi- f. ’Ente’, auch in anord. o¸nd, ae. ened; dieses aus ig. *(h)an¡t- f. ’Ente’ (oder anderer Wasservogel), auch in ai. a¯tı´-, gr. ne˜ssa (aus *n¡tj¡), lit. ˙ a´ntis, kslav. o¸ty, l. anas. Die altindische Form ist allerdings lautlich mehrdeutig und semantisch nicht ausreichend bestimmbar; sie könnte auch zu ÞEider gehören. Der Mittelvokal in den germanischen Formen ist unklar, da er eigentlich hätte schwinden müssen. Aus einer Variante mit -i- stammt die Form ahd. enita, die später für die Hochsprache bestimmend geworden ist. Ente ’Zeitungslüge’ entspricht frz. canard m. (19. Jh.), ist aber wohl ursprünglich deutsch, denn sowohl blaue Enten bei Sebastian Frank wie auch Entenmäre bei Hans Sachs bedeuten ’erlogene Geschichten’, so dass allenfalls der Bezug auf die Zeitung aus dem Französischen kommt.

Trennung von etwas. Voraus liegt g. *anda-, das in den präfixbetonten Nominalkomposita nhd. Ant- ergibt (ÞAntwort, ÞAntlitz, vgl. aber ÞAufenthalt), in den unbetonten Verbalpräfigierungen ent-. Die Formen sind mhd. ent-, ahd. int- u.a. (aus verschiedenen Quellen), ebenso as. ant-, afr. und-, ond-, ae. and(gegenüber od-Ñ , aber mit der Variante on-, die für Ebenso nndl. eend, nschw. and, nisl. önd; ÞEnterich. – Hamp, beides stehen kann, und dem ahd. int- funktionell E. P. ZVS 92 (1978), 29–31; Storfer, A. J.: Wörter und ihre entspricht), gt. and- (gegenüber in-, und-, unþa-, die Schicksale (Wiesbaden, Zürich 1981), 82–87; EWahd 1 (1988), alle in ahd. int- aufgehen). Der Hauptquelle g. *anda291–293; RGA 7 (1989), 391–399; Röhrich 1 (1991), 388f.; entsprechen Kasusformen von ig. *hant- (Þentrisch) EWNl 1 (2003), 659. mit der Bedeutung ’gegenüber’ in gr. a´nta, lit. an˜t und Entente Sf ’Staatenbündnis’ per. fach. (19. Jh.). Entmit anderer Endung heth. hanti, ai. anti, gr. antı´, l. lehnt aus frz. entente ’Übereinstimmung’, eigentlich ante. Zu einer der anderen Quellen (gt. unþa-, ae. ’Absicht’, dieses über frühromanische Zwischenstuod-Ñ ?) die Funktion als Inchoativum (entbrennen, entfen aus l. intendere (animum) ’auf etwas achten, lenstehen) ken, richten, wenden’, zu l. tendere ’spannen, ausÞEnde, Þanheischig. – Wortbildung 1 (1973), 148 und die dort strecken’ und l. in-. Dazu Entente cordiale, eigentlich angegebenen Stellen; EWahd 1 (1988), 268–270; Lenz (1991). ’herzliches Einverständnis’ als Bezeichnung für die entbehren Vsw std. (9. Jh.), mhd. enbern, ahd. inberan. bündnisähnlichen Beziehungen zwischen England Eigentlich das verneinte Verb beran ’tragen, bringen’ und Frankreich nach 1904 (zur Verständigung über (Þgebären), also eigentlich ’nicht tragen’, das zu die nordafrikanischen Kolonialfragen); im Französi’nicht haben’ und schließlich ’ermangeln’ wird. Die schen ist die Wendung aber schon älter. verbale Negation ist sekundär in der Präfixform Ebenso nndl. Entente, ne. entente, nschw. entent, nnorw. enÞent- aufgegangen; die starke Flexion ist in nachmittente. Zur Sippe des lateinischen Grundworts s. ÞTendenz und ÞTenor 1. – DF 5 (22004), 158–160. telhochdeutscher Zeit der schwachen gewichen. Abstraktum: Entbehrung; Adjektiv: entbehrlich.

Enterich Enterich Sm std. (11. Jh.), mhd. antreche, ahd. anutreh-

ho. Mit Rücksicht auf me. drake, ndd. dra¯ke, hd. (dial.) drache (thür.), (t)rech (schwz.) als *anut-trehho aufzufassen. Lautlich und morphologisch ist das Wort neuhochdeutsch an die Männernamen auf -rich angelehnt worden, und das vermeintliche Suffix -erich ist beschränkt produktiv geworden (Gänserich, zunächst scherzhaft Mäuserich usw.; Þ-(e)rich). Die Herkunft des Wortes ist nicht ausreichend geklärt. EWahd 1 (1988), 293–295; Maak, H.-G. ZdA 130 (2001), 66–75.

entern Vsw erw. fach. ndd. (15. Jh., Standard 17. Jh.).

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tesverehrung, dann auch (pejorativ) religiöses Schwärmertum. Seit dem 18. Jh. Säkularisierung und Verallgemeinerung der Bedeutung unter Verlust des ursprünglichen Benennungsmotivs. Adjektiv: enthusiastisch. Ebenso nndl. enthousiasme, ne. enthusiasm, nfrz. enthousiasme, nschw. entusiasm, nnorw. entusiasme; ÞAtheismus, ÞTheologie. – Horn, W. ASNSL 181 (1942), 110f.; Siegert (1950), 87; Spoo, P. Schlüsselwörter 2 (1964), 50–66; Krauss, W. WZUH 19 (1970), 91–100; Tucker, S. I.: Enthusiasm (London 1972); HWPh 2 (1972), 525–528; Meissner, F.-J.: Wortgeschichtliche Untersuchungen im Umkreis von frz. enthousiasme und genie (Genf 1979); Kraus, W.: Werke Bd. 8 (1997), 336–360; EWNl 1 (2003), 688; DF 5 (22004), 162–166.

Einerseits für ’ein feindliches Schiff besteigen’, andererseits für ’in die Takelung klettern’, über das Niederdeutsche entlehnt aus nndl. enteren. Dieses geht entlang AdvPostp std. (19. Jh.). Aus dem Niederdeutauf span. entrar zurück, das seinerseits aus l. intra¯re schen entnommen, wo es aus den Präpositionen Þin ’eintreten, hineingehen’ stammt. und Þlang 2 ’längs’ zusammengerückt ist. In nordEbenso nndl. enteren, nschw. äntra, nnorw. entre. – EWNl 1 deutscher Umgangssprache bleibt Þent- häufig weg. (2003), 688.

Entertainer Sm ’Unterhalter’ erw. fach. (20. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. entertainer, einem Nomen Agentis zu ne. entertain ’unterhalten’, aus frz. entretenir, zu frz. tenir ’halten’ aus l. tene¯re und l. inter-. Die Bedeutungsentwicklung geht von ’unterstützen’ zu ’bewirten, versorgen’ zu ’unterreden, unterhalten’. Ebenso nndl. entertainer, ne. entertainer, nschw. entertainer, nnorw. entertainer. Zur Sippe des lateinischen Grundworts s. ÞTenor 1. – Carstensen 1 (1993), 427f.; EWNl 1 (2003), 688; DF 5 (22004), 160–162.

entfachen Vsw Þfachen. entfernen Vsw std. (13. Jh.), mhd. entfernen, älter auch

entverren, mndd. entver(n)en. Präfixableitung zu Þfern. Als Partizip dazu entfernt, das dann im Sinn von ’fern, weit entfernt’ erstarrt. Zu diesem Partizip das Abstraktum Entfernung im Sinn von ’Distanz’ (17. Jh.). entgegen Adv std. (8. Jh.), mhd. engegen, ahd. inga-

gan(i), ingegin, angegini, as. ange(g)in. Aus einer schon westgermanischen Zusammenrückung der Präpositionen Þin und Þgegen, vgl. ae. ongeagn, onge¯an. Das Vorderglied wird später lautlich an das Präfix Þent- angeglichen. entgeistert AdjPP std. (17. Jh.). Formal eine Ableitung

vom Plural von ÞGeist; Gegenstück zu begeistert (ÞBegeisterung). entgelten Vst std. (9. Jh.), mhd. en(t)gelten, ahd.

in(t)geltan. Präfigierung zu Þgelten. Dazu das Abstraktum Entgelt n. ’Vergütung’ und das Adjektiv unentgeltlich ’umsonst’. Enthusiasmus Sm ’Begeisterung’ erw. fach. (16. Jh.).

Entlehnt aus gr. enthousiasmo´s ’Gottesbegeisterung’, einem Abstraktum zu gr. ´entheos ’gottbegeistert’, zu gr. theo´s m./f. ’Gott’ und gr. ´en ’in’. Das Wort meint im Griechischen zunächst das Durchdrungenwerden der menschlichen Existenz vom Heiligen, später in christlichen Zusammenhängen die ekstatische Got-

Þin, Þlang 2.

entlehnen Vsw std. (10. Jh., mit anderem Präfix anale¯-

hano¯n 8. Jh.), mhd. entleh(en)en, ahd. intle¯hanon. Eigentlich ’zu Lehen geben’. Vgl. ÞLehnwort.

Entleibung Sf erw. obs. (16. Jh.). Bildung des 16. Jhs. für

’Selbstmord’ (früheste Bezeichnung dieser Bedeutung im Deutschen). Baumann, K.: Selbstmord und Freitod in sprachlicher und geistesgeschichtlicher Beleuchtung (Diss. Gießen 1934).

entpuppen Vswrefl std. (19. Jh.). Nur in übertragener

Bedeutung bezeugt (eigentlich vom Schmetterling: aus der Puppe herauskommen, von der Puppe zum Schmetterling werden). Ebenso nndl. ontpoppen; ÞPuppe.

entraten Vst ’entbehren’ erw. obs. (13. Jh.), mhd. ent-

ra¯ten (mit Genetiv). Auch in gleicher Bedeutung gera¯ten (gelegentlich mit schwacher Flexion). Offenbar abhängig vom Substantiv mhd. ra¯t ’Rat’, das auch ’Abhilfe, Befreiung’ (mit Genetiv der Sache) bedeuten kann. Die Bedeutung des Verbs ist also ’Befreiung haben von einer Sache’. Es ist eigentlich denominativ und müsste damit schwach flektieren, ist aber weitgehend an das Grundverb angeglichen worden. entrinnen Vst std. (10. Jh., antrunno 8. Jh.), mhd. ent-

rinnen, ahd. intrinnan. Ist in seiner Bedeutung sicher von Þrinnen beeinflusst worden (also ’wegrinnen’), ursprünglich aber mit Sicherheit ein anderes Verb. Der Anlaut ist näher bestimmbar durch ahd. abtrunni, as. abdrunnig ’abtrünnig’, doch scheint der Vergleich mit Þtrennen (das allerdings nicht ohne weiteres herangezogen werden kann) auf g. *tr- zu weisen. Auffällig ist die Ähnlichkeit mit gr. apodidra¯´sko¯, apodidre¯´sko¯ ’ich laufe weg’, was für (in diesem Fall anzusetzendes) g. *trenn-a- voreinzelsprachliches *dr-n¡- oder *dr¡-n¡- mit Ablautentgleisung voraus˙ setzen würde.

entziffern

249 S. auch Þabtrünnig. – Seebold, E. (1970), 507f.; Snyder, W. H. ZVS 85 (1971), 77; Lühr, R. MSS 35 (1976), 79; Rikov, G. T.

Orpheus 7 (1997), 2764 (Nasalpräsens zu g. *ter- ’reißen’).

entrisch Adj ’unheimlich’ per. oobd. (8. Jh.), mhd. ent-

entsorgen Vsw ’Müll, besonders Giftmüll, beseiti-

gen’ erw. fach. (20. Jh.). In verharmlosender Absicht gebildetes Gegenstück zu Þbesorgen, mit Bezug auf ÞSorge als ’die Sorge für etwas abnehmen’.

risch, ahd. entrisc ’uralt, altertümlich’. Zu ig. *hantInghult, G. MoS 75 (1981), 35–40; Strauss u.a. (1989), 462–466. ’Vorderseite’ gehört die Bedeutung ’vor’ und daraus abgeleitet ’früher, alt’ (wie in l. antı¯quus). Sie wird im entsprechen Vst std. (12. Jh., Bedeutung 15. Jh.). Das Germanischen gespiegelt durch eine KomparativWort ist im Sinne von ’gemäß sein’ wohl eine Lehnform *andiz- ’früher’ in anord. endr ’wieder, früher’, bedeutung zu frz. re´pondre ’antworten, etwas entae. end ’vorher’, ahd. enti ’früher’, semantisch abweisprechen’, denn das Wort hatte mittelhochdeutsch chend gt. andiz-uh ’entweder’. Hierzu ein Abstrak(süddeutsch) die Bedeutung ’antworten’ (u.ä.). tum ahd. enteri ’Vorzeit, frühe Zeit’ zu dem entrisch Erker, B. Lichtenberg-Jahrbuch 1989, 80–86. eine Zugehörigkeitsbildung sein kann. Offenbar ist enttäuschen Vsw std. (19. Jh.). Als Ersatzwort für frz. aber das Wort mit einem zweiten, ahd. endrisk de´sabuser und de´tromper gebildet. Es bedeutet eigent’fremd, barbarisch’, das nur bei Notker belegt und lich ’aus einer Täuschung herausreißen’, wird aber wohl aus ander- abgeleitet ist, zusammengefallen, so heute nur noch im negativen Sinn ’einer Erwartung dass sich hieraus seine besondere Bedeutung ergibt. nicht entsprechen’ benützt. Þent-. – de Grauwe, L. SGG 21 (1980/81), 258–266. entrückt AdjPP std. stil. (13. Jh.), mhd. entrücken. Ei-

gentlich ’herausreißen, fortreißen’ (Þrücken); seit der Mystik auch ’in Ekstase bringen’, wozu das als Relikt gebliebene Partizip entrückt. Abstraktum: Entrückung. Vgl. Þentzücken, Þverzückt.

entrümpeln Vsw std. (20. Jh.). Präfixableitung zu

ÞGerümpel mit Unterdrückung des Präfixes Þge-. entrüsten Vsw std. (13. Jh.), mhd. entrüsten. Heißt ei-

gentlich ’die Rüstung ausziehen, abnehmen’, übertragen ’aus der Fassung bringen’. Þrüsten.

entsagen Vsw std. (8. Jh.), mhd. entsagen, ahd. intsage¯n.

Zu Þsagen mit verschiedenen Bedeutungen. Heute ’lossagen, verzichten’. entscheiden Vst std. (14. Jh.), mhd. entscheiden. Zu-

nächst von der richterlichen Entscheidung u.ä., also ’die Aussagen, Ansichten usw. voneinander trennen, um zur richtigen Einsicht zu kommen’. Im Neuhochdeutschen abgeschwächt und verallgemeinert. Þscheiden. – HWPh 2 (1972), 541–544.

entschlagen Vst (in sich einer Sache entschlagen ’sich

innerlich von etwas frei machen’) per. arch. (12. Jh.), mhd. entslahen. Ursprünglich ’herausschlagen’ (etwa Feuer aus dem Stein u.ä.). Dann übertragen für ’freimachen, loslösen’, worauf die heutige, abgeschwächte Bedeutung beruht. entschließen Vst std. (8. Jh.), mhd. entsliezen, ahd. int-

entweder Konj std. (11. Jh.), mhd. eintweder, ahd. ein

weder, as. ¯endihwedaÑ r. Zunächst zu wg. *hwedera’welcher von beiden’ (Þweder). Im Vorderglied steht Þein 1, der Dental ist wohl ein Gleitlaut. Gemeint ist also: ’eines von beiden: A oder B’, woraus nach heutigem Verständnis ’entweder A oder B’. entwerfen Vst std. (9. Jh.), mhd. entwerfen, ahd. int-

werfan. Zunächst einerseits in eigentlicher Bedeutung ’hinwerfen’, andererseits als Fachterminus der Weberei (ausgehend von Þwerfen in der Bedeutung ’drehen’) ’beim Anzetteln des Gewebes die Fäden auseinanderdrehen, d.h. in die richtige Ordnung bringen’, dann einfach ’anzetteln’; schließlich übertragen ’künstlerisch ausführen’ (Malerei, Einlegen, Sticken, Aufnähen usw.). Später unter dem Einfluss von l. pro¯iecta¯re und frz. projeter vom Hinwerfen einer schnellen, flüchtigen Umrisszeichnung gesagt. Konkretum: Entwurf. Singer, S. ZDW 4 (1903), 127; Schröder, E. ZDA 68 (1931), 283f.; Heinertz, N. O. SMS 16 (1946), 57–91.

entwickeln Vsw std. (17. Jh.). Gebildet unter dem Ein-

fluss von l. explica¯re und frz. ´evoluer. Deshalb fast nie in der eigentlichen Bedeutung ’aufwickeln’ gebraucht, sondern zunächst ’einen Gedanken entwickeln’, ’ein Rätsel lösen’, ’etwas nachprüfen’. Das Reflexivum weitet dann seinen Anwendungsbereich aus zu ’sich allmählich herausbilden’. Abstraktum: Entwicklung. HWPh 2 (1972), 550–560; GB 2 (1975), 199–228.

sliozan. Bedeutet ursprünglich ’aufschließen’, auch bei reflexivem Gebrauch. Seit frühneuhochdeutscher entwischen Vsw std. stil. (13. Jh.), mhd. entwischen, ahd. intwisken. Eigentlich ’wegstreifen’, dann mit KonZeit bildlich im heutigen Sinne (’sich für eine Sache struktionswechsel zum Intransitivum übertragen geöffnen, entscheiden’), ursprünglich mit Genetiv, braucht. dann mit Þzu konstruiert. Abstrakta: Entschluss, Entschließung; Adjektiv (PPart.): entschlossen. entziffern Vsw std. (18. Jh.). Präfixableitung zu ÞZiffer HWPh 2 (1972), 547f. nach dem Vorbild von frz. de´chiffrer, zu frz. chiffre. Also: ’die Zeichen herausbringen’. Abstraktum: Ententsetzen Vsw std. (8. Jh.), mhd. entsetzen, ahd. intsezzifferung. zen ’außer Fassung bringen’. Zu vergleichen ist etwa Ebenso nndl. ontcijferen, ne. decipher, nschw. dechiffrera. außer sich sein. Adjektiv: entsetzlich. Bergenholtz, H.: Das Wortfeld ’Angst’ (Stuttgart 1980).

entzücken

250

entzücken Vsw std. (12. Jh.), mhd. en(t)zücken. Eigent-

Wirkstoffe wurden also (wie bei dem älteren Wort lich ’wegziehen, wegreißen’ (zu Þzucken, zücken). ÞFerment) als ’Hefen’ bezeichnet. Ebenso nndl. enzym, ne. enzyme, nfrz. enzyme, nschw. enzym, Dies wird im konkreten Sinn gebraucht, erhält aber nnorw. enzym. – EWNl 1 (2003), 689. in der Mystik (wie Þverzückt, Þentrückt u.ä.) die Bedeutung ’in Ekstase bringen, kommen’. Meist werden Epaulett Sn (Epaulette f.) ’Achsel-, Schulterstück der nur Partizip und Infinitiv verwendet. Dann ÜberUniform, Schulterschutz’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt tragung auf die irdische Liebe (jemanden entzücken) aus frz. ´epaulette f., einem Diminutivum zu frz. ´epaule und schließlich allgemein für ’jmd. erfreuen’. f. ’Achsel, Schulter’. Vgl. die Übertragung der Bezeichnung des Körperteils auf die des Kleidungsentzwei Adj std. (8. Jh.), mhd. enzwei, ahd. in zwei. Also stücks mit Hilfe eines Diminutiv-Suffixes bei zusammengewachsen aus in zwei (Teile) mit nachÞÄrmel. träglicher Angleichung an das Präfix Þent-. Dies ist Ebenso nndl. epaulet, ne. epaulet(te), nfrz. ´epaulette, nschw. ursprünglich bei dem Verb entzweien. -enz Suffix Variante zu Þ-anz. Enzian Sm ’eine Gebirgspflanze mit glockigen Blü-

ten’ erw. fach. (14. Jh.), ahd. encia¯n(e) f. In der Glossentradition bezeugt; entlehnt aus l. gentia¯na f.

epa˚lett, nnorw. epa˚lett. Das französische Wort wohl aus l. spatula f. ’Schulterblatt’, eigentlich ’Löffel’, einem Diminutivum zu l. spatha f. ’Löffel, Spatel’, aus gr. spa´the¯ f. (wohl auch: ’Schulterblatt’); ÞSpachtel. – DF 1 (1913), 177; EWNl 1 (2003), 689.

Ebenso nndl. gentiaan, ne. gentian, nfrz. gentiane, ndn. ensian. epi- Präfix ’daneben, darüber, darauf’ (z.B. – LM 3 (1986), 2030; RGA 7 (1989), 399; EWahd 2 (1998), ÞEpilog). per. bildg. (–). Geht zurück auf gr. epı´ ’auf, 1089–1091. darauf, hinauf, neben, nach’. Die Form vor Vokal lau-

Enzyklika Sf ’päpstliches Rundschreiben’ per. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus neo-kl. encyclica, einer Neubildung zu spl. encyclios ’einen Kreis bildend’, dieses aus gr. egky´klios ’kreisförmig, allgemein’, zu gr. ky´klos m. ’Kreis, Rad’ und gr. en ’in’, also ’Rund(schreiben)’.

tet ep- (z.B. ÞEpoche), vor /h/ erscheint es als eph(z.B. ephemer). Das Präfix ist in deutschen Wörtern gelegentlich als Element der Analyse erkennbar (z.B. ÞEpigramm neben anderen Wörtern auf -gramm) und in neoklassischen Bildungen begrenzt produktiv (z.B. Epidiaskop zu Diaskop ’Durchleuchter, DiaProjektor’; beim Epidiaskop werden die Bilder nicht durchleuchtet, sondern ’daneben’ gelegt).

Ebenso nndl. encycliek, ne. encyclic, nfrz. encyclique, nschw. encyklika, nnorw. encyclika. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. ky´klos ’Kreis’ s. ÞZyklus. Vgl. Þzirkulieren. – Siegert (1950), 67f.; EWNl 1 (2003), 683. Epidemie Sf ’Massenerscheinung, Massenerkran-

Enzyklopädie Sf ’umfassendes Nachschlagewerk’ erw.

kung’ erw. fach. (15. Jh., Form 18. Jh.). Entlehnt aus fach. (15. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Entlehnt aus frz. enml. epidemia, dieses aus gr. (dor.) epı´da¯mos ’im Volk cyclope´die, dieses aus l. encyclopaedia ’Grundlehre der verbreitet’, zu gr. de˜mos m. ’Volk’ und gr. epı´ Präp. ’dazu, dabei; auf, an, bei, etc.’ Zunächst in lateiniWissenschaften und Künste’, aus gr. egkyklopaideı´a scher Form entlehnt, dann eingedeutscht. Adjektiv: (für gr. egky´klios paideı´a), zu gr. egky´klios ’kreisförepidemisch. mig, allgemein’ (zu gr. ky´klos m. ’Kreis’) und gr. paideı´a ’Lehre, Ausbildung’. Das Wort meint zunächst Ebenso nndl. epidemie, ne. epidemic, nfrz. ´epide´mie, nschw. epidemi, nnorw. epidemi; ÞDemokratie, ÞDemagoge. – WeiUniversalwissen (bei den Sophisten) bzw. das dem mann, K.-H. DWEB 2 (1963), 390; LM 3 (1986), 2055–2059; wirklichen Studium zugrunde liegende propädeutiEWNl 1 (2003), 689; DF 5 (22004), 174–177. sche Wissen. In der Neuzeit versteht man darunter Repetitorien und Lehrwerke, in denen das Wichtigste Epigone Sm ’Nachahmer, unbedeutender Nachfolaus der Fachliteratur in Kurzfassung zusammengeger’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus gr. epı´gonoi, eitragen ist (in dieser Bedeutung wohl unmittelbar aus gentlich ’Nachgeborene’, zu gr. gı´gnesthai ’entstedem Lateinischen entlehnt), bis im 18. Jh. unter dem hen’ und gr. epı´ Präp. ’nach’. Der neuzeitliche WortEinfluss der französischen Enzyklopädisten die Besinn geht auf die Bezeichnung einer bestimmten deutung ’umfassende Sammlung des verfügbaren Gruppe von Nachfahren in einer griechischen Sage zurück: die Söhne der sieben Helden, die im Kampf Wissens (in Buchform)’ entsteht. Adjektiv: enzyklopädisch. um das mächtige Theben unterlegen waren. Einige Jahre nach dem Tod ihrer Väter ziehen sie aus, um Ebenso nndl. encyclopedie, ne. encyclop(a)edia, nfrz. encyclope´die, nschw. encyklopedi, nnorw. encyklopedi. Zur Sippe von diese zu rächen. Sie können Theben zwar erobern, gr. ky´klos ’Kreis’ s. ÞZyklus, zu der von gr. paideı´a s. aber was sie zerstören, ist eine in der Zwischenzeit ÞPädagogik. – Henningsen, J. AB 10 (1966), 271–357; Hjort, schwach gewordene Stadt, deren Einwohner auf K. MS 77 (1967), 353–365; HWPh 2 (1972), 573–575; Dierse, U.: einen Seherspruch hin in der Nacht zuvor geflohen Enzyklopädie (Bonn 1977); LM 3 (1986), 2031–2039; EWNl 1 waren. Von dieser Geschichte aus dann Verallgemei(2003), 683; DF 5 (22004), 169–172. nerung der Bedeutung. Adjektiv: epigonal. Enzym Sn ’Wirkstoff’ per. fach. (19. Jh.). Neoklassische Ebenso nndl. epigoon, ne. epigon(e), nfrz. ´epigone, nschw. epiBildung zu gr. zy¯me¯ ’Sauerteig’ und gr. ´en- ’in’. Das gon, nnorw. epigon. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. gı´Wort wurde 1878 von W. Kühne eingeführt. Die gnesthai ’entstehen’ s. Þ-gen; zur lateinischen Verwandtschaft

Equipage

251 s. ÞGenus, zur germanischen ÞKind. Ersatzwort ist Nachgeborene (Pl.). – Windfuhr, M. AB 4 (1959), 182–209; HWPh 2 (1972), 581f.; Strauss u.a. (1989), 621f.; EWNl 1 (2003), 689f.; DF 5 (22004), 177–180.

Epigramm Sn ’Sinn-, Spottgedicht’ erw. fach. (16. Jh.,

Form 18. Jh.). Entlehnt aus l. epigramma, dieses aus gr. epı´gramma, eigentlich ’Inschrift, Aufschrift’, zu gr. gra´mma ’Geschriebenes’, zu gr. gra´phein ’schreiben’, und gr. epı´ Präp. ’auf, darüber’. Im Griechischen eine Aufschrift auf Kunstgegenständen, die diese (oft pointenhaft) beschreibt und erklärt. Im Deutschen zunächst in lateinischer Form übernommen, dann endungslos. Ebenso nndl. epigram, ne. epigram, nfrz. ´epigramme, nnorw. epigram. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. gra´phein ’schreiben’ s. ÞGraphik. Ersatzwort ist ÞSinngedicht. – HWPh 2 (1972), 582–584; LM 3 (1986), 2060–2063; EWNl 1 (2003), 690; DF 5 (22004), 180–182.

Epilepsie Sf ’Fallsucht’ erw. fach. (14. Jh.). Entlehnt aus

l. epile¯psia, dieses aus gr. epı´le¯psis, eigentlich ’Ergreifen’), zu gr. epilamba´nein ’erfassen, überfallen’, zu gr. lamba´nein ’fassen, nehmen’ und gr. epı´ Präp. ’auf, darüber’. Also eigentlich ’Anfall’. Adjektiv: epileptisch; Täterbezeichnung: Epileptiker. Ebenso nndl. epilepsie, ne. epilepsy, nfrz. ´epilepsie, nschw. epilepsi, nnorw. epilepsi; ÞLemma, ÞDilemma. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 390; LM 3 (1986), 2064f.; Schneble (1987); EWNl 1 (2003), 690; DF 5 (22004), 187–189.

Epilog Sm ’Nachwort, Nachspiel’ erw. fach. (16. Jh.,

Form 18. Jh.). Entlehnt aus l. epilogus, dieses aus gr. epı´logos, zu gr. lo´gos ’Sprechen, Rede’ und gr. epı´ Präp. ’nach’. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. lo´gos ’Sprechen’.

Epistel Sf ’Sendschreiben, Teil der christlichen Litur-

gie’ per. fach. (8. Jh.), spmhd. epistole, ahd. epistule. Ahd. epistole ist entlehnt aus l. epistula, epistola, dieses aus gr. epistole¯´, eigentlich ’Übersandtes’, zu gr. episte´llein ’zuschicken’, zu gr. ste´llein ’schicken, fertigmachen’ und gr. epı´ Präp. ’nach, über’ (Þepi-). Als Bestandteil der Liturgie eigentlich ’Lesung aus den Briefen’. Ebenso nndl. epistel, ne. epistle, nfrz. ´epıˆtre, nschw. epistel, nnorw. epistel. Zur Sippe von gr. ste´llein ’schicken’ gehört neben Epistel die parallele Nominalableitung ÞApostel; aus einer vom PPP. abhängigen Adjektiv-Bildung Peristaltik. Eine Nominalableitung vom Simplex ist ÞStola. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞStall. – Siegert (1950), 70; LM 3 (1986), 1069; EWNl 1 (2003), 691; DF 5 (22004), 192–196.

Epoche Sf ’Zeitraum’ erw. fach. (17. Jh.). Über roma-

nische Vermittlung entlehnt aus gr. epoche¯´ ’Gestirnposition, fester Zeitpunkt’, eigentlich ’Anhalten’, zu gr. epe´chein ’an-, festhalten, verweilen’, zu gr. ´echein ’halten’ und gr. epı´ Präp. ’an’. Das Wort bezeichnet also eigentlich den Zeitpunkt eines Ereignisses (vgl. Epoche machen ’als bedeutendes Ereignis gelten’ nach frz. faire ´epoque). Erst nachträglich kommt es zu der Bedeutung ’Zeitraum’ nach dem Vorbild des Französischen. Das Adjektiv epochal ’für eine ganze Epoche bedeutsam’ wird heute fast nur noch ironisch verwendet.

Ebenso nndl. epoque, ne. epoch, nfrz. ´epoque, nschw. epok, nnorw. epoke. Zu gr. ´echein ’halten’ gehören noch ÞEunuch als komponiertes Nomen Agentis, Þhektisch als Adjektiv-Ableitung aus dem PPP., und von der Schwundstufe des AoristStammes ÞSchema und ÞSchule. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞSieg. – HWPh 2 (1972), 596–599; DF 5 (22004), 199–203.

Ebenso nndl. epiloog, ne. epilogue, nfrz. ´epilogue, nschw. epilog, Epos Sn ’erzählende Dichtung’ erw. fach. (18. Jh.). Entnnorw. epilog; ÞLogik. – LM 3 (1986), 2065f.; EWNl 1 (2003), lehnt aus l. epos, dieses aus gr. ´epos, einem s-Stamm zu 2 690; DF 5 ( 2004), 189f. gr. eipeı˜n ’sagen’. Hierzu als Adjektiv episch und zu Episkopat Sn per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus kirchen-l. diesem Epik. episkopa¯tus, Kollektiv zu l. episcopus ’Bischof’, aus gr. Ebenso nndl. epos, ne. epos, nfrz. ´epope´e, nschw. epos, nnorw. epı´skopos ’Aufseher, Bischof’ (ÞBischof ; zur Sippe des epos. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þerwähnen. – zugrunde liegenden gr. skopeı˜n ’sehen’ s. ÞSkepsis). HWPh 2 (1972), 599–601; LM 3 (1986), 2076–2091; RGA 7 (1989), Ebenso nndl. episcopaat, ne. episcopate, nfrz. ´episcopat, nschw. 423–428; EWNl 1 (2003), 691; DF 5 (22004), 203–206. episkopal, nnorw. episkopal. – EWNl 1 (2003), 690.

Episode Sf ’(unbedeutendes) Ereignis’ erw. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus frz. ´episode, dieses aus gr. epeiso´dion n. ’eingeschobene Dialogteile’, eigentlich ’Hinzukommendes’, zu gr. hodo´s ’Gang, Weg’, gr. epı´ Präp. ’hinzu’ und gr. eis Präp. ’hinein’. Zunächst Bezeichnung des im frühen griechischen Theater zum Chor hinzukommenden Dialogs. Als der Dialog eine immer größere Rolle spielte, entwickelte sich die Bedeutung hin zu ’Nebenhandlung’, dann auch Verallgemeinerung zu ’unbedeutendes Ereignis’. Adjektiv: episodisch. Ebenso nndl. episode, ne. episode, nschw. episod, nnorw. episode. Zu den anderen Komposita mit gr. hodo´s ’Gang, Weg’ s. ÞMethode. – EWNl 1 (2003), 690f.; DF 5 (22004), 190f.

Eppich Sm ’Sellerie (auch andere Pflanzen)’ per. fach.

(9. Jh.), mhd. epfich n., ahd. ephih m. /n.(?), mndd. eppe, md. eppe, eppich. Also in mitteldeutscher oder mittelniederdeutscher Form in die Hochsprache gelangt. Das Wort bezeichnet die Sellerie, die im frühen Mittelalter aus Italien nach Deutschland gebracht wurde. Mit der Sache wurde der Name (l. apium n.) entlehnt. Das lateinische Wort wird von l. apis f. ’Biene’ abgeleitet als ’von den Bienen bevorzugte Pflanze’ − was sachlich kaum stimmt; wohl von einer anderen Pflanze übertragen. EWahd 2 (1998), 1091f.

Equipage Sf ’Kutsche’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus

frz. ´equipage (auch: ’Besatzung, Ausrüstung’), einer Ableitung von frz. ´equiper ’(ein Schiff) ausrüsten, mit

Equipe

252

dem Nötigen versehen’, aus anord. skipa ’einrichten, einordnen’; besonders ’ein Schiff mit Ausrüstung und Besatzung versehen’. Von Ausrüstung entwickelt sich die Bedeutung zu ’Rüstwagen eines Offiziers’, woraus dann ’herrschaftliche Kutsche’ entsteht. Ebenso nndl. equipage, ne. equipage, nnorw. ekvipasje. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞSchiff ; ÞEquipe. – Brunt (1983), 281; EWNl 1 (2003), 691f.; DF 5 (22004), 209–212.

Equipe Sf ’Mannschaft’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt

aus frz. ´equipe, das abgeleitet ist von frz. ´equiper ’(ein Schiff) ausrüsten, bemannen’. Ebenso nndl. equipe, ne. (Vb.) equip, nfrz. ´equipe, nschw. (Vb.) ekipera, nnorw. (Vb.) ekvipere; ÞEquipage. – EWNl 1 (2003), 692.

er (es) Pron std. (8. Jh.), mhd. er, ez, ahd. er, iz. Das

Verben (die den Anfang einer Handlung bezeichnen). Mundartlich ist durch Assimilation im Satzzusammenhang die oobd. Variante der- entstanden. Þur-, Ur-. – Wolf, A.: Das Präfix uz- (Diss. Breslau 1915); Gruber, H.: Das adverbale uz-Präfix (Jena 1930); Ahlde´n, T: der = er (Göteborg 1953); Wortbildung 1 (1973), 148f. und die dort angegebenen Stellen; EWNl 1 (2003), 692.

erbarmen Vsw std. (9. Jh.), mhd. (er)barmen, ahd.

(ir)barme¯n. Neben ahd. arme¯n, as. armon, gt. (ga-) arman ’sich erbarmen’, eine Lehnübersetzung zu l. misere¯re neben l. miser ’arm, elend’. Die Form mit bberuht offenbar auf einer Präfigierung mit ab-, wie in ae. of-earmian. Die Beleglage ist aber auffällig. Vgl. Þbarmherzig. – EWahd 1 (1988), 478–480; Röhrich 1 (1991), 389; Lloyd, A. L. AJGLL 4 (1992), 117–130; EWNl 1 (2003), 693.

Maskulinum er geht zurück auf g. *eiz aus ig. (weur.) *eis, wie genau entsprechendes air. ´e und die Relikt- erbauen Vsw std. stil. (13. Jh.), mhd. erbu¯wen, mndd. erbu¯wen, erbiuwen, erbouwen. Zunächst konkret ’zu form l. eis; entsprechend, ohne -s, ai. aya´m. Im VorEnde bauen’, dann nach dem Vorbild von l. aedifica¯re althochdeutschen muss der Diphthong zu ¯e 2 konund ntl.-gr. oikodome´o¯ geistlich gewendet. Hierzu trahiert und dann gekürzt worden sein (vgl. dass ahd. erbaulich und von etwas erbaut sein. er im Gegensatz zu iz und es nie in Enklise seinen Siegert (1950), 70f.; HWPh 2 (1972), 601–604. Vokal verliert). Das Neutrum iz setzt g. *it, ig. *id fort. Das Pronomen bestand ursprünglich aus einem Erbe1 Sn ’Erbgut’ std. (8. Jh.). Mhd. erbe, ahd. erbi, as. Stamm *e- ’der’, der durch eine Partikel -i zu einem erbÐ i . Die germanischen Wörter für ’der Erbe’ und anaphorischen Pronomen erweitert wurde. Deshalb ’das Erbe’ stimmen zu ihren Entsprechungen im Alterscheinen in den indogermanischen Sprachen Stämirischen (also nur dem gälischen Zweig des Keltime mit e und mit i nebeneinander. Als Höflichkeitsschen). Das Grundwort der Sippe ist offenbar voreinanrede im 17. und 18. Jh. gebraucht. zelsprachliches *o´rb ho- m. (evtl. zunächst n.) S. auch ÞIdentität, Þihm, Þihn, Þihr 2. – Seebold, E. (1984), ’Hinterlassenschaft, Erbe’ in air. orb (m./n.) und awn. 58–73, 79–84 (zu den Einzelheiten); EWahd 2 (1998), 1092–1107. arfr (m.), vielleicht auch entlehnt in finn. (usw.) arpa -er Suffix (zur Bildung von Nomina Agentis und Ge’Los, Anteil, (Landanteil)’; im Germanischen mit der rätebezeichnungen, selten auch VorgangsbezeichTendenz zu einer Entwicklung zu ’Rindvieh, Besitz an nungen, z.B. Arbeiter, Bohrer, Seufzer) std. (–). In alter Rindern’. Dazu gehört ein Nomen Agentis, das im Zeit bei Bildungen aus Substantiven, dann mehr und Irischen wohl mit Kontrastakzent gebildet ist (kelt. mehr bei Bildungen aus Verben (so heute fast aus*orbho´ in air. orb m. ’der Erbe’), im Germanischen schließlich). Varianten sind -ler und -ner. Übernommit einem n-Stamm (awn. arfi ’der Erbe, die Erbin’). men und abgelöst aus lateinischen Bildungen mit Eine zweite Serie besteht offensichtlich aus Weiterdem Suffix -a¯rius, das teils durch mhd. –¢re, teils bildungen (im wesentlichen jo-Stämme), bei denen durch mhd. -ere wiedergegeben wird; die Einzelheidas Nordische semantisch abweicht, indem anord. ten der Verteilung sind unklar. In der Regel haben die erfi n. (*arbija-) ’Leichenschmaus’ bedeutet. Dies Ableitungen mit diesem Suffix Umlaut. Im Deutzeigt, dass es bei dieser Bildung ursprünglich um den schen gleichlautend ist das Suffix zur Bildung von Vorgang der Verteilung des Erbes bei der Leichenfeier Einwohnerbezeichnungen; dieses geht vermutlich ging, die Verbindung von Leichenschmaus und Verauf g. *-wazo¯n- zurück (ÞBürger). teilung des Erbes ist für den Norden auch sachlich bezeugt (im Lateinischen entsprach der Sache nach Þ-ar 2. – Wortbildung 2 (1975), 62–68 und die dort angegebenen Stellen; EWahd 1 (1988), 326–329; Davis, G. W. AJGLL 4 offenbar das nur noch archaisch bezeugte l. erctum). (1992), 103–116. In den übrigen germanischen Sprachen hat sich das abgeleitete Wort als allgemeines Wort für ’Erbgut’ er- Präfix std. (–). Mhd. er-, ahd. ar- (Tatian), irdurchgesetzt (g. *arbija- n. ’Erbgut’ in gt. arbi, ae. (Otfrid), er- (Notker) entsprechen gt. us- und führen i(e)rfe, yrfe, afr. erve); und dazu anord. erfi m. damit auf g. *uz- zurück. Die übrigen Sprachen ’Erbberechtigter, Haupterbe’ (*arbijo¯n-, Täterbehaben in entsprechenden Funktionen das Präfix a¯-. zeichnung zu *arbija-), auch in gt. arbja, runen-nord. In Nominalverbindungen mit betontem Vorderglied arbija-, afr. erva, ahd. erbo. Daneben, offenbar zusteht ahd. mhd. ur- (vgl. ÞUrteil − erteilen). Die Parnächst nur als ’Miterbe’, dann auch verallgemeinert, tikel bedeutet eigentlich ’aus’ und ist am ehesten eine air. com-arbe (*kom-orb hijo-), gt. (NPl) ga-arbjans. Parallelbildung zu g. *u¯t- ’aus’ (ig. *ud- neben Das Grundwort wird allgemein mit l. orbus ’beraubt, *ud-s-). Als Präfix bildet sie vorwiegend inchoative

Erde

253

verwaist, Waise’ verglichen und auf eine Entsprevon l. testa¯tor; zunächst nur von demjenigen, der chung von heth. harp- ’sich absondern und an anohne Testament ein Erbe hinterlässt, danach verall˘ derer Stelle neu anschließen, wechseln’ zurückgegemeinert. führt. Beide Annahmen sind aus semantischen GrünPfaff (1933), 29f. den höchst fragwürdig und werden besser erbosen Vsw std. (17. Jh.). Von den Sprechern auf Þböse aufgegeben. Semantisch näherliegend ist der Verbezogen und von diesem in der Bedeutung beeingleich mit einem avestischen Verb, allerdings nicht flusst, aber kaum von ihm abgeleitet. Vgl. me. boosten, auf der gleichen Wurzelstufe: avest. ¡r¡-nu- ’gewähne. boast ’prahlen’, das sich mit erbosen auf ’aufblaren, zuweisen’; hierzu kann das Ergebnis einer Anasen’ o.ä. vereinigen lässt und wohl in den Zusamlyse von Melchert (1999) gestellt werden, der die menhang der unter ÞBausch aufgeführten LautgeWurzel *ar- im Anatolischen, speziell im Luvischen, bärden gehört. untersucht und als Ergebnis die Bedeutung ’take/give possession of in perpetuity’ und sekundär ’have ina- Erbschleicher Sm ’jemand, der sich ein Erbe erschleicht’ std. (17. Jh.). Wohl im Anschluss an l. helienable possession of’ > ’own’ (in the fullest sense) redipeta (zu l. he¯re¯dium ’Erbe’ n. und l. petere ’erfeststellt. Mit diesem Ergebnis lässt sich dann auch streben’) gebildet. der Versuch der Verknüpfung mit air. erbaid aufnehErbse Sf std. (9. Jh.), mhd. erbı¯z, areweiz, arwı¯z, arwı¯s men (McCone 1999; Schumacher 2004, 292–294), u.ä., ahd. araw(e)iz, as. er(iw)it. Aus vd. *arw(a)– dessen Bedeutung nicht ausreichend sicher als (a)ito¯ f. ’Erbse’. Das Wort ist sicher entlehnt; es ist ’anvertrauen’ angesetzt werden kann. Können wir aber nicht klar, auf welcher Stufe. Falls es alt ist, kann dieses an die genannte Gruppe anschließen, dann ist man ein Hinterglied g. *ait- ablösen, das sich mit ae. die Zusammenstellung keine bloße Wurzeletymoloa¯te ’Hafer’, ne. oats vergleichen lässt und das ’Korn’ gie. Im übrigen stimmen dann auch die Entlehnunbedeutet haben könnte. Das Vorderglied wäre vergen ins Finnische semantisch zu diesem Ansatz. Zum gleichbar mit l. ervum n. ’Hülsenfrucht’ (evtl. mir. weiteren s. ÞErbe 2 m. Verb: erben; Adjektiv: erblich; orbaind ’Korn’), gr. o´robos m., ere´binthos m. ’KicherKollektivum: Erbschaft. erbse’. Vermutlich entlehnt aus einem alten vorinEbenso nschw. arv, nisl. arfur; ÞErbe 2, ÞGanerbe. – Grønvik, O.: The words for ’heir’, ’inheritance’ and ’funeral feast’ in dogermanischen Wanderwort. Bei anord. ertr Pl. early Germanic (Oslo 1982); LM 3 (1986), 2102–2116; McCone, ’Erbsen’ ist umstritten, ob es aus dem Altsächsischen K. in: FS Meid (1999), 239–242; Melchert, H. C. in: FS Meid entlehnt ist oder mit den deutschen Wörtern zusam(1999), 243–248; EWahd 2 (1998), 1115–1117; EWNl 1 (2003), 694. men auf eine ältere Stufe zurückgeht. Erbe2 Sm std. (8. Jh.) mhd. erbe, ahd. erbo, mndd. erve Ebenso nndl. erwt, nschw. ärt(a), nnorw. ert, nisl. erta. – Binz, G. ZDPh 38 (1906), 369–372; Bertsch (1947), 165–170; RGA 7 n. Aus g. *arbijo¯n m. ’der Erbe’, auch in gt. arbja, (1989), 433–436; EWahd 1 (1988), 308–311; Röhrich 1 (1991), runen-nord. arbija-, afr. erva (zu ÞErbe 1 s.d.). Eine 390f.; EWNl 1 (2003), 697. andere Ausdrucksweise für den Erben (die unter Umständen nicht genau dasselbe bedeutet) ist ’Erbneh- Erbsünde Sf std. (13. Jh.), mhd. erbesünde. Lehnübermer’, vgl. zu Þnehmen gt. arbinumja, ae. irfenuma, setzung von l. pecca¯tum he¯re¯dita¯rium n. für die Sünahd. erbinomo und außergermanisch gr. kle¯rono´mos de, die die Menschheit von Adam geerbt hat. (zu gr. kle˜ros ’Anteil, Erbgut’); mit anderem ZweitLM 3 (1986), 2117–2120. glied anord. arftaki und wieder anders l. he¯re¯s (-e¯dis) Erchtag Sm ÞErgetag. und ai. da¯ya¯da´- ’Erbe’ (zu ai. da¯ya´- ’Anteil, Erbschaft’) zu einem (ig.) *¡d- ’nehmen’ oder zu *do¯- mit Erdapfel Sm ’Kartoffel’ std. reg. (11. Jh., Bedeutung 17. Jh.). Mhd. ertapfel, ahd. erdaphul sind eine Lehneinem Präfix (nach Dunkel ’das Erbe fressen’ zu ig. übersetzung von l. ma¯lum terrae und bezeichnen *ed- für den Erben, der nicht der Sohn des Toten ist). Früchte, die im oder auf dem Boden wachsen, wie Reiter, N. Zeitschrift für Balkanologie 13 (1977), 125–142; Cyclamen, Kürbis, Melone und Gurke. Die ÜbertraHamp, E. P. Zeitschrift für Balkanologie 17 (1981), 32f.; Dungung der Bezeichnung auf die Kartoffel ist in Europa kel, G. E. FS Hönigswald (Tübingen 1987), 91–100; Szemere´weit verbreitet (vgl. etwa frz. pomme de terre f.). In nyi, O. FS Meid (1989), 359–368; Röhrich 1 (1991), 389f. Deutschland ist teilweise der Erdapfel von der Grund-, Erbfeind Sm std. (13. Jh.), mhd. erbevı¯nt. Eigentlich der (Erd-, Boden-)Birne (ÞBirne) unterschieden worden. In Teufel, dessen Feindschaft die Menschheit mit der diesem Fall bezeichnet Erdapfel die eher runde ToErbsünde geerbt hat. Dann übertragen auf die Türpinambur-Knolle, Grundbirne (Erdbirne) die längliken in den Türkenkriegen, und schließlich auch auf chere Kartoffel. die Franzosen (schon im 16. Jh., dann vor allem im 19. Jh.). Behrend, F.: Altdeutsche Stimmen (Berlin 1916), 7–25.

Erblasser Sm ’der nach seinem Tod ein Erbe hinter-

Vgl. ÞKartoffel. – Abegg-Mengold (1979), 175–179; Seebold (1981), 213–215; EWahd 2 (1998), 1119f.

Erdbirne Sf ÞErdapfel.

lässt’ erw. fach. (16. Jh.). Zusammenbildung aus mhd. Erde Sf std. (8. Jh.), mhd. erde, ahd. erda, as. ertha. Aus g. *erþo¯ f. ’Erde’, auch in gt. airþa, anord. jo¸rd,Ñ ae. dazerbela¯n ’das Erbe hinterlassen’ als Verdeutschung

erden

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eorþe, afr. erthe. Außergermanisch mit gleicher BeErfolg Sm std. (17. Jh.). Rückbildung zu erfolgen ’erreichen, erlangen’; vielleicht unter dem Einfluss deutung gr. ´era (Glossenwort; weiter verbreitet ist gr. von frz. succe´der und succe`s. ´era¯ze ’auf die Erde, zur Erde’) und innerhalb des Germanischen ahd. ero m. Semantisch abweichend kymr. Þfolgen. erw ’Feld, Land’. Weitere Verknüpfungen sind unsi- ergattern Vsw std. stil. (16. Jh.). Erklärt als ’durch das cher. Präfixableitung: beerdigen. Gatter erwischen’ (etwa der Fuchs die Hühner), doch Ebenso nndl. aarde, ne. earth, nschw. jord, nisl. jörd.Ñ S. auch ist schon in den frühesten Belegen kein solcher konÞirden, Þirdisch. – Knobloch, J. Handes Amsorya. Zeitschrift kreter Bezug mehr vorhanden. für armenische Philologie 75 (1961), 341–344; RGA 7 (1989), 436–441; Röhrich 1 (1991), 391; Lüschen (1979), 214f. (zu Erde als Terminus der Mineralogie und Chemie); Barke (1991), 224–226; EWahd 2 (1998), 1118f.

erden Vsw ’mit der Erde elektrisch leitend verbin-

den’ erw. fach. (20. Jh.). Fachwort der Telegraphenbauer und Starkstromtechniker nach der von G. M. Marconi im letzten Jahrzehnt des 19. Jhs. entwickelten Technik. Erdnuss Sf std. (9. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Früher

ÞGatter.

ergeben Vst std. (8. Jh.), mhd. ergeben, ahd. irgeban.

Das Verb hat verschiedene Bedeutungs-Spezialisierungen, von denen die wichtigste ’die Waffen strecken, aufgeben’ ist. Partizip und Abstraktum sind dagegen auf ’unterwürfig, Unterwerfung’ eingeengt. Abstraktum: Ergebung. Þgeben.

Ergetag Sm ’Dienstag’ per. oobd. (13. Jh.), mhd. ergetac,

(mhd. ertnuz, ahd. erd[h]nuz) Bezeichnung für verschiedene Knollengewächse, ähnlich wie ÞErdapfel. Seit dem 18. Jh. auf eine exotische Frucht übertragen, die eigentlich nicht eine Nuss, sondern Samen eines Schmetterlingsblütlers ist (dessen Samenhülsen sich aber in die Erde senken).

´ reo¯s ertac (aus *erjotag aus *arjotag). Entlehnt aus gr. A he¯me´ra f. ’Tag des Ares’ (vgl. l. die¯s Ma¯rtis ’Tag des Mars’). Sekundäre Varianten sind Erchtag, Ertag und Erntag. Das Wort gehört mit ÞPfinztag und dem nur ahd. pherintag ’Freitag’ zu den ostgermanischen Einflüssen auf das Bairische.

EWahd 2 (1998), 1123f.

Vgl. ÞDienstag, ÞSamstag. – Kranzmayer, E.: Die Namen der Wochentage in den Mundarten von Bayern und Österreich (Wien, München 1929), 25–41, 74–76; Wiesinger, P. in Beumann/Schröder (1985), 153–200; Wiesinger, P. FS Hausmann (Graz 1987), 639–654.

2

erdrosseln Vsw std. (17. Jh.). Aus ÞDrossel ’Kehle’ ab-

geleitet. Erdschocke Sf per. omd. (19. Jh.). Sekundäre (regio-

nale) Umgestaltung von ÞArtischocke. Regional teilweise auf ’Kartoffel’ übertragen. ereignen (älter eröugen) Vswrefl std. (8. Jh., Form

17. Jh.), ahd. irougen ’vor Augen stellen’. Eine (Präfix-)Ableitung zu ahd. ouga ’Auge’ (vgl. gt. at-augjan ’zeigen’). Die Nebenform auf -nen und die Entrundung sind regional und haben sich vielleicht durch den sekundären Anschluss an Þeigen durchgesetzt. Abstraktum: Ereignis. HWPh 2 (1972), 608f.

Erektion Sf ’Versteifung’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt

aus l. ¯erectio f. ’Aufrichtung’ mit neuer Bedeutung. Zu l. ¯erigere ’aufrichten’, s. Þalert und Þregieren. Ebenso nndl. erectie, ne. erection, nfrz. ´erection, nschw. erektion, nnorw. ereksjon. – EWNl 1 (2003), 693; DF 5 (22004), 212–215.

Eremit Sm ’Einsiedler’ erw. fach. (13. Jh.). Entlehnt aus

l. ere¯mı¯ta und frz. ermite, aus gr. ere¯mı´te¯s, einer Ableitung von gr. ´ere¯mos ’einsam’. Lokalbezeichnung: Eremitage. Ebenso nndl. (h)eremiet, ne. hermit, nfrz. ermite, nschw. eremit, nnorw. eremitt. – Siegert (1950), 71; DF 5 (22004), 215–217.

erfahren Vst std. (9. Jh.), mhd. ervarn, ahd. irfaran. Ur-

Ergonomie Sf ’Wissenschaft von den Leistungen und

Belastungen des Menschen am Arbeitsplatz’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. ergonomics, einer neoklassischen Bildung aus gr. ´ergon n. ’Arbeit’ und der englischen Entsprechung zu -nomie (Þ-nom). Vermutlich hat ne. economics ’Volkswirtschaft(slehre)’ als Vorbild gewirkt. Adjektiv: ergonomisch. Ebenso nndl. ergonomie, ne. ergonomics, nfrz. ergonomie, nschw. ergonomi, nnorw. ergonomi. Zur Sippe von gr. ´ergon ’Arbeit’ s. ÞEnergie. – Cottez (1980), 139; Rey-Debove/Gagnon (1988), 273.

ergötzen Vsw std. stil. (11. Jh.), mhd. ergetzen, ahd. ir-

gezzen. Kausativum zu ahd. irgezzan Vst., mhd. ergezzan, vergezzan Vst. ’vergessen’ (Þvergessen). Ausgangsbedeutung ist also ’vergessen machen’ (Leid, Kummer, Sorge usw.). Das ö seit dem 16. Jh. als unregelmäßige Rundung. erhaben AdjPP std. (17. Jh.). Das alte Partizip zu erheben, während die heutige Partizipialform erhoben

nach dem Präteritum ausgeglichen ist. Differenzierung seit dem 17. Jh. HWPh 2 (1972), 624–635; Begemann, Ch. DVLG 58 (1984),

74–110.

sprünglich ’durchreisen’, dann ’ein Land kennenler- erheblich Adj std. (16. Jh.). Gebildet zu erheben ’durchsetzen’ in der Bedeutung ’erreichbar, tunlich’. nen’ zu allgemein ’kennenlernen’. Seit dem 15. Jh. ist Das Wort dient dann in der Sprache der Juristen und das Partizip erfahren ’bewandert, klug’ bezeugt. der Kanzleien zur Wiedergabe von l. releva¯ns ’releHWPh 2 (1972), 609–617; EWNl 1 (2003), 697.

255

vant’ (’schwer genug, um die andere Waagschale zu heben’). Von dort aus wird es gemeinsprachlich. Götze, A. ZDW 11 (1909), 254–260.

erholen Vsw std. (9. Jh.), mhd. erholn, ahd. irholo¯n. Ist

erledigen scharte’, entsprechend einem früh-rom. *arcuarium zu l. arcus ’Bogen’. Vom Festungsbau sind Sache und Wort in den Wohnungsbau übernommen worden. Ebenso nndl. erker; ÞArkade, ÞArkebusier, ÞArmbrust. – Keller, B.: Der Erker (Diss. Zürich 1980); LM 3 (1986), 2152f.; EWNl 1 (2003), 696.

ursprünglich nur ein verstärktes Þholen. Im reflexiven Gebrauch bekommt es frühneuhochdeutsch (unter anderem) die Bedeutung ’sich für etwas ent- erklecklich Adj erw. obs. (18. Jh.). Zu erklecken ’ausreichen, genügen’, also eigentlich ’ausreichend’. Das schädigen’, daraus die heutige Bedeutung ’seine Kraft Verb selbst (Þklecken) hat weit auseinanderfallende wiederzuerlangen suchen’. Bedeutungen, deren Zusammenhang noch nicht aus-erie Suffix Þ-ei. reichend aufgehellt ist. Erika Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus spl. erı¯ce¯, aus erlangen Vsw std. (12. Jh.). Perfektive Bildung zu gr. ereı´ke¯, erı´ke¯ ’Heidekraut’, das seinerseits wohl aus Þlangen ’nach etwas greifen, sich ausstrecken’. einer Substratsprache entlehnt ist. Ursprüngliche erlauben Vsw std. (8. Jh.), mhd. erlouben, ahd. irlouben. Lautform wohl *wereik-, neben *wroiko- im KeltiAus g. *uz-laub-ija- Vsw. ’erlauben’, auch in gt. usschen (air. froich, kymr. grug, ml. bru¯cus) und viellaubjan, ae. aly¯fan. Altes Abstraktum zu erlauben ist leicht auch balt./ slav. *wer(g´)? in lit. vı`rzˇ˙es, russ. verÞUrlaub. Semantisch am nächsten steht lett. ˛lau˜t es(k) usw. − alle ’Heidekraut’. Die Anfangsbetonung ’erlauben, gestatten, zulassen, einräumen’ (aus *le¯u-), im Deutschen beruht auf einer Anlehnung an den das zu lit. lia´uti(s) ’aufhören’ gehört, außerdem kleinPersonennamen Erika neben Erich. russ. livyty ’nachgeben, nachlassen’. Denkbar, aber Ebenso nndl. erica, ne. erica. – Hubschmid, J. VR 27 (1968), nicht ausreichend sicher ist eine ig. (oeur.) Wurzel 319–359. *le¯u- ’(los-)lassen’, die neben semantisch entspreerinnern Vsw std. (14. Jh.), mhd. (er)innern, inren. Ist chendem (ig.) *le¯i- steht (Þlassen, glauben). Abstrakabgeleitet von dem Raumadjektiv ahd. innaro ’der tum: Erlaubnis. Innere, innerer’ und bedeutet ursprünglich ’machen, dass jmd. etwas inne wird’. Abstraktum: Erinnerung. HWPh 2 (1972), 636–643.

erkennen Vsw std. (8. Jh.), mhd. erkennen, ahd. arken-

S. auch ÞVerlaub. – Wiercinski, D. ZDPh 84 (1965), 98f.; Seebold, E. IL 26 (2003), 149–151.

erlaucht Adj ’hochstehend’ erw. obs. (14. Jh.), mhd. er-

liuht (md. erlu¯ht). Partizip Präteritum zu erliuhten ’erleuchten’. Wie durchlaucht als Lehnbedeutung zu l. illustris verwendet.

nen, irkennen, mndd. erkennen. Präfigierung von Þkennen, die eigentlich den Beginn der Handlung Þleuchten. ausdrückt, vielfach aber auch als bloße Verstärkung gebraucht wurde. Vor allem bei Fügungen mit Þals 1 erläutern Vsw std. (11. Jh.), mhd. erliutern, ahd. irliuteren. Das Wort gehört zu Þlauter, wie erklären zu bekommt das Wort häufig die Bedeutung, die heute Þklar. mit Þanerkennen ausgedrückt wird. Der weitere Sinn von ’dankbar anerkennen’ zeigt sich heute noch in Erle (auch Eller) Sf std. (9. Jh.), mhd. erle, ahd. erila, erkenntlich. Weitere spezielle Anwendungen sind elira, as. elira, mndd. elre. Aus g. *alizo¯ f., auch in gt. ’Urteil sprechen’ (für recht erkennen) und ’gut*alisa (zu erschließen aus span. aliso m. ’Erle’), anord. schreiben’ (für einen Betrag erkennen). Biblisches ein o¸lr m. (mit Suffixablaut oder unregelmäßigem EinWeib erkennen ’Geschlechtsverkehr haben’ ist eine fluss von auslautendem -u aus -o¯), ae. alor m. Im Lehnbedeutung aus dem Urtext (l. co¯gno¯scere Deutschen sind die beiden Liquiden l-r zu r-l umge’kennen lernen, erkennen’, gr. gigno¯´sko¯ ’ich erkenne, sprungen; die Form Eller stammt aus dem Niederlerne kennen’, die ihrerseits auf hebräische Vorbilder deutschen. Außergermanisch entspricht am nächsten zurückgehen). Abstraktum: Erkenntnis; Präfigierung: russ. o´l’cha´ ’Erle’; Weiterbildungen mit n in lit. al˜ksnis Þan-. m., lett. `elksnis und l. alnus(*alisnos). Man vermutet S. auch ÞUrkunde. – HWPh 2 (1972), 643–681; EWNl 1 (2003), als Grundlage einen Farbnamen für ’gelb, rötlich’ 696. nach der Farbe des Holzes. erkenntlich Adj (nur in sich erkenntlich zeigen) std. ÞUlme, ÞElritze. – Frings, Th. FS Wartburg (1958), 239–259; Szemere´nyi, O. Glotta 38 (1960), 227–229; RGA 7 (1989), phras. stil. (13. Jh., Form 15. Jh.). Das Adjektiv bedeu508–510; EWahd 2 (1998), 1049–1053; Bjorvand, H. HSF 120 tet eigentlich ’erkennbar’, wird dann aber (17. Jh.) (2007), 289–300; EWNl 1 (2003), 678. festgelegt auf Wendungen, in denen es heißt ’(seine Dankbarkeit) erkennbar (werden lassen)’. Mhd. er- erledigen Vsw std. (12. Jh.), mhd. erledigen, erledegen. kennelich, das -t- ist sekundär. Ursprünglich ’etwas ledig, frei machen’, dann allgeÞerkennen. mein zu ’etwas zu Ende bringen’. Þledig. – Ahlzweig, C.: Untersuchungen zum Wortfeld des Erker Sm erw. fach. (12. Jh.), mhd. erker, erk¢re, ärke¯r, Erlösens (Hamburg 1975). ärker. Ist entlehnt aus nordfrz. arquiere ’Schieß-

erlegen

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erlegen Vsw std. (13 Jh., auferlegen 8. Jh.). In der heu-

tigen Bedeutung ’schießen’ ursprünglich ein Jägerausdruck, der bis in die mittelhochdeutsche Zeit zurückgeht. Auszugehen ist von ’niederlegen’. Früher bezeugt ist die Bedeutung ’auferlegen’. Vgl. Þerliegen.

erliegen Vst std. (8. Jh.), mhd. erligen, ahd. irliggen

’umkommen’. Auszugehen ist von einem ähnlichen Bild wie unterliegen. Vgl. Þerlegen.

Erlitz(e) Smf ÞElritze. Erlkönig Sm erw. obs. (18. Jh.). Umdeutung von miss-

verstandenem ndd. elle(r)konge, das eigentlich elverkonge, dän. ellekonge ’Elfenkönig’ ist. ermitteln Vsw std. (19. Jh.). In der Bedeutung ’den

Ernte Sf std. (11. Jh.), ahd. arno¯d m. Aus vd. *az(a)no¯-

þu- m. ’Ernte’, zu ahd. arno¯n ’ernten’; daneben mhd. ernde f. aus vd. *arnido¯ f. ’Ernte’ zu mhd. ernen (*aznija-), ebenso, ohne grammatischen Wechsel, ae. ernd.Ñ Die Verben sind Weiterbildungen zu gt. asans f. ’Ernte, Sommer’, anord. o¸nn (*aznu-) ’Feldarbeit’, afr. ern ’Ernte’, ahd. aren m. ’Ernte’ (die Stammbildungen lassen sich nicht glatt vereinigen). Außergermanisch vergleicht sich zunächst russ. o´senı˘ ’Herbst’ und unter Annahme eines vorausliegenden r/n-Stammes gr. opo¯´ra f. ’Spätsommer, Frühherbst’ aus *oposar-a¯ ’Nach-Sommer’. Zu erschließen ist also ig. (eur.) *oso¯r/-n- ’Ernte, Spätsommer’ mit verschiedenen Weiterbildungen. Verb: ernten. EWahd 1 (1988), 304–307; RGA 7 (1989), 518–527; Wagner, N. HS 105 (1992), 273–275.

Durchschnittswert feststellen’ ist das Wort abhängig erobern Vsw std. (9. Jh., Form 15. Jh.), mhd. (er)oberen, von ÞMitte, (arithmetisches) Mittel; möglicherweise ahd. (ke)obero¯n. Zu Þober 1 im Sinn von ’der Obere gehen alle Bedeutungen auf diesen Ausgangspunkt bleiben, Oberhand behalten’. Die Präfigierung mit zurück. Vgl. anord. mid Ñ n. ’Fischplatz im Meer’ (wohl Þer- ist erst spät; ebenso die Einschränkung auf den = ’Mitte’, da der Platz als Kreuzungspunkt zweier militärischen Bereich. Abstraktum: Eroberung; durch Landmarken bestimmter Linien wiedergefunNomen Agentis: Eroberer. den werden konnte). erörtern Vsw std. (16. Jh.). Lehnübersetzung zu l. de¯terReuter (1906), 192–196. mina¯re ’bestimmen, untersuchen’, gebildet zum PluErn (auch Ähren, Ehren, Öhrn) Sm ’Hausflur’ erw. wobd. ral Örter = l. termini, gr. to´poi, also ’ein Urteil auf wmd. (8. Jh.), mhd. er(e)n, ahd. arin, erin n. seine termini zurückführen’ (vielleicht konkreter: ’Fußboden’. Gilt als entlehnt aus l. are¯na f. ’Sand(bo’auf seine Endpunkte, Grenzen, zurückführen’; den)’. Aber auch Urverwandtschaft mit l. a¯rea ’freier ÞOrt). Abstraktum: Erörterung. Platz, Dreschtenne’ oder ein Anschluss an anord. Erosion Sf ’zerstörende Wirkung der Witterung auf die arinn ’Feuerstätte, Herd’ ist nicht ausgeschlossen. Erdoberfläche’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. Knobloch, J. Lingua 26 (1971), 295; EWahd 2 (1998), 1132–1135.

-ern, -en Suffix (zur Bildung von Materialadjektiven

¯ero¯sio (-o¯nis) ’das Zerfressenwerden’, einer Ableitung von l. ¯ero¯dere ’wegnagen’, zu l. ro¯dere ’nagen’ und l. ex-. Verb: erodieren.

aus Substantiven) std. (–). Das gemeingermanische Suffix geht auf *ı¯na- zurück, d.h. auf ein n-Suffix Ebenso nndl. erosie, ne. erosion, nfrz. ´erosion, nschw. erosion, nach Zwischenvokal -i-, der gedehnt wird, vgl. gt. nnorw. erosjon; ÞKorrosion, Þräß. – EWNl 1 (2003), 696; DF 5 (22004), 219–221. -eins, anord. -enn, ae. -en, ahd. as. -in, mhd. -en (golden, Þirden). Die Variante -ern, die sich später stark erotisch Adj erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. ´erotiausbreitet, beruht ursprünglich auf Ableitungen zu que, dieses aus gr. ero¯tiko´s ’zur Liebe gehörig’, einer s-Stämmen (hölzern, steinern). Ableitung von gr. ´ero¯s, ´eros ’Liebe’. Abstrakta: Erotik, Ernst Sm std. (8. Jh.), mhd. ern(e)st, ahd. ernust m./n./f., in speziellen Verwendungen Eros. as. ernisti f . Aus wg. *ernustu- m. ’Ernst, Festigkeit, Ebenso nndl. erotisch, ne. erotic, nschw. erotisk, nnorw. erotisk. – DF 1 (1913), 179; Cottez (1980), 140; EWNl 1 (2003), 696; Kampf’, auch in ae. eornost f., offenbar (s)ti-AbstrakDF 5 (22004), 221–231. tum zu einem nu-Präsens von ig. *er-/or- ’sich erheben (gegen)’ in heth. arai- ’sich erheben’, ai. rnva´ti Erpel Sm erw. fach. (15. Jh.). Übernommen aus dem ’erhebt sich’, avest. ar¡nauu- ’(Wett-)Kampf’,˙ ˙gr. ´eris Niederdeutschen (mndd. erpel, arpel, mndl. erpel). ’Streit, Kampf’, ere´tho¯ ’reize auf’, epe¯´reia ’Kränkung, Vielleicht liegt ein (nicht genau fassbares) Farbwort Drohung’, l. adorior ’ich greife an’. Adjektive: ernst, zugrunde. ernstlich. erpicht (früher auch verpicht) AdjPP std. phras. Ebenso nndl. ernst, ne. earnest. – Krahe, H. BGDSL 71 (1949), 238; HWPh 2 (1972), 720–723; Latzel, S. DS 16 (1988), 206–225; Blanc, A. Revue des e´tudes grecques 102 (1989), 175–182 (zur griechischen Sippe); Röhrich 1 (1991), 391; Heidermanns (1993), 105; EWahd 2 (1998), 1144f.; EWNl 1 (2003), 696.

Erntag Sm ÞErgetag.

(16. Jh.). Die ursprüngliche Bedeutung ist ’mit Pech festgeklebt an etwas’. Das Bild ist vom Vogelfang genommen, bei dem der Vogel an der ÞLeimrute oder Pechrute kleben bleibt und nicht mehr davon loskommt. Bedeutung also: Von etwas nicht mehr loskommen können. Röhrich 1 (1991), 391f.

erwähnen

257 erpressen Vsw std. (16. Jh.). Eigentlich ’aus etwas her-

ausdrücken’, wohl Lehnübersetzung zu l. exprimere. Ebenso ndl. afpersen, nschw. utpressa, nnorw. utpresser ’Erpresser’.

erquicken Vsw std. stil. (8. Jh.), mhd. erquicken, erkü-

cken, ahd. irquicken. Ist abgeleitet von ahd. quick ’lebendig’ (bezeugt in ahd. quicken ’lebendig machen’; Þkeck, ÞQuecksilber), also eigentlich ’lebendig machen’. Adjektiv: erquicklich. Erratum Sn ’Fehler, Druckfehler’ per. fach. (19. Jh.).

Entlehnt aus l. erra¯tum ’Fehler, Irrtum’, dem substantivierten PPP. von l. erra¯re ’irren’. Das Adjektiv erratisch in erratischer Block ’Findling’ ist abhängig von frz. bloc erratique ’umherirrender Stein’ aus der gleichen Grundlage. Ebenso nndl. erratum, ne. errata, nfrz. errata; Þirre. – DF 1 (1913), 179.

erschöpfen Vsw std. (9. Jh.), mhd. erschepfen, ahd. ir-

skephen. Zunächst in der ursprünglichen Bedeutung ’ausschöpfen, zu Ende bringen’. Seit dem 17. Jh. die übertragene Bedeutung ’stark ermüden’ (auch reflexiv), die heute vorherrscht.

Bedeutungen. Alt ist z.B. ’aufstehen’ (vgl. Auferstehung mit dem alten Abstraktum mhd. urstende ’Auferstehung’). Die heutige Bedeutung des transitiven Verbs geht zurück auf ’bestehen, überstehen, durchstehen’; besonders als Rechtsausdruck: ein Urteil, sein Recht, eine Strafe erstehen = ’sie schließlich bekommen’, verstanden als ’durch Stehen erlangen’. In diesem Sinne wurde die Verwendung ausgedehnt bis zu ’erwerben’. ersticken Vsw std. (10. Jh.), mhd. ersticken, ahd. arsti-

cken. Ursprünglich Intransitivum zu dem Kausativum erstecken, mit dem es sich aber schon früh vermischt hat. Man erstickt, wenn etwas in der Kehle steckt. Davon sind die Bedeutungen ausgegangen (s. unter Þstecken). EWNl 4 (2009), 284.

ersuchen Vsw erw. stil. (8. Jh.), mhd. ersuochen, ahd.

arsuohhan in verschiedenen Bedeutungen, die einfaches Þsuchen verstärken. Das heutige ’dringend bitten’ ist seit spätmittelhochdeutscher Zeit bezeugt; es leitet sich her aus ’jmd. aufsuchen (um ihm eine Bitte vorzutragen)’.

Ertag Sm ÞErgetag. diesem Verb sind zwei zusammengehörige Verben ertappen Vsw std. (16. Jh.). Zu ÞTappe ’Pfote’ gebildet, aufgegangen: mhd. erschricken, ahd. irscricken intr., ähnlich wie ’in die Finger bekommen’. eigentlich ’aufspringen’, und das Kausativum dazu eruieren Vsw ’feststellen, herausfinden’ per. fach. mhd. erschrecken ’aufspringen machen’. Der Laut(15. Jh., Bedeutung 17. Jh.). Entlehnt aus l. ¯eruere, eistand ist aus beiden Formen gemischt; das eine bleibt gentlich ’herausgraben’), zu l. ruere ’aufwühlen, nieaber im allgemeinen starkes, das andere schwaches derreißen, stürzen, rennen’ und l. ex-, zunächst in der Verb. konkreten Bedeutung ’jäten’, dann übertragen.

erschrecken Vstsw std. (9. Jh., Bedeutung 11. Jh.). In

Zur Bedeutung vgl. auffahren u.ä.; Þschrecken.

erschüttern Vsw std. (16. Jh.). Intensivum auf -r- zu

mhd. erschüt(t)en, ahd. irscutten ’schütteln, erschüttern’. Adjektiv: unerschütterlich. Þschütten.

erschwingen Vsw std. stil. (13. Jh., Bedeutung 16. Jh.),

mhd. erswingen. Ist zunächst einfach eine Verstärkung zu schwingen. Der heutige Gebrauch (’etwas aufbringen’) geht wohl mit Konstruktionsänderung auf sich erschwingen zu etwas zurück, d.h. ’sich zu etwas aufschwingen’. Adjektiv: erschwinglich. erst Adj std. (8. Jh.), mhd. ¯er(e)st, ¯erste, ahd. ¯erist, as.

¯erist. Aus wg. *airista-, auch in ae. ¢¯ rest zu g. *air’früh’, das unter Þeher dargestellt wird. Ebenso nndl. eerst. – Röhrich 1 (1991), 392; Ross/Berns (1992), 624f.; EWahd 2 (1998), 1139f.; EWNl 1 (2003), 663.

erstatten Vsw std. (14. Jh.), mhd. erstaten ’hinbringen’.

Zu ÞStatt ’Stelle’. Die alte Bedeutung ist noch mehr oder weniger erhalten in Bericht erstatten, dagegen beruht die Bedeutung ’zurückgeben, ersetzen’ auf Bedeutungsspezialisierung. erstehen Vst std. stil. (8. Jh.), mhd. ersta¯n, erste¯n, ahd.

irsta¯n, irstantan. Wie as. (a¯)sta¯n, (a¯)standan und gt. usstandan. Ein präfigiertes Verb mit verschiedenen

ÞRuine. – DF 5 (22004), 231f.

Eruption Sf ’(Vulkan-)Ausbruch’ erw. fach. (18. Jh.,

vereinzelt schon 16. Jh.). Entlehnt aus l. ¯eruptio (-o¯nis), einem Abstraktum zu l. ¯erumpere ’ausbrechen’, zu l. rumpere (ruptum) ’reißen, brechen’ und l. ex-. Adjektiv: eruptiv. Ebenso nndl. eruptie, ne. eruption, nfrz. ´eruption, nschw. eruption, nnorw. erupsjon. Zu weiteren Verwandten s. Þabrupt. – EWNl 1 (2003), 697; DF 5 (22004), 232–236.

erwähnen Vsw std. (9. Jh., Form 16. Jh.). Mit Präfix er-

erst frühneuhochdeutsch, vorher mhd. gewahenen, gewähen(en) Vst., ahd. giwa¯nen Vst., as. nur unklares giwegi ’suggerat’. Auffälliges Suppletiv-Paradigma zwischen einem schwachen Nasalpräsens und einem starken Präteritum in der frühen Sprache. Aus etymologischen Gründen ist g. *wahw-na- ’erwähnen’ vorauszusetzen, wozu noch anord. va´ttr ’Zeuge’ und vielleicht ae. wo¯m ’Lärm’. Außergermanisch vergleichen sich toch. A wak, toch. B wek ’Stimme’, heth. huek-, huk- ’beschwören’, ai. vı´vakti ’redet, spricht’, gr. eı˜pon ’er sagte’, apreuß. enwacke¯ ’sie rufen an’, air. focal, focull ’Wort, Spruch, Urteil, Versprechen’, l. vo¯x ’Stimme’, l. voca¯re ’heißen, nennen’, also ig. *hwek w’nachdrücklich sprechen’. Abstraktum: Erwähnung. ÞEpos, ÞVokal. – Seebold (1970), 531; EWNl 2 (2005), 260f.

erwerben erwerben Vsw std. (8. Jh.), mhd. erwerben, ahd. irwer-

ban. Ist eine perfektivierende Präfigierung zu einfachem Þwerben, also etwa ’durch Bemühen erreichen’, zunächst auf spezielle Fälle bezogen, die dem einfachen werben entsprechen, danach stark verallgemeinert zu ’bekommen’ (meist durch Geschäfte). erwischen Vsw std. stil. (13. Jh.). Zu wischen, das hier für

eine schnelle Bewegung steht. Vgl. Þentwischen. – Röhrich 1 (1991), 393.

Erz Sn std. (9. Jh.), mhd. erze, ahd. aruz m., aruzzi n./m.

(?), as. arut. Altes Lehnwort, das letztlich auf sumer. urud(u) ’Kupfer’ zurückgeht. Unsicher ist die Zugehörigkeit von anord. ørtog, ertog, ¢rtog f. ’kleine Münze, Drittelunze’, das auf *aruti-taugo¯ (’Erzdraht’ zu Þziehen?) zurückgehen kann. Mhd. erze hat älteres ¯er ’Erz’ (Þehern) verdrängt. Ebenso nndl. erts, nnorw. erts. – Karsten, T. E.: Die Germanen (Berlin 1928), 196; LM 3 (1986), 2192; EWahd 1 (1988), 355–358; EWNl 1 (2003), 696f.

258 Esche Sf std. (9. Jh.), mhd. esch(e), auch asch m., ahd.

asc m., asca, as. asc m. Aus g. *aska- m. ’Esche’, auch in anord. askr m., ae. ¢sc m. Das hierdurch vorausgesetzte ig. *osk- auch in gr. oxy´a ’Buche, Speer’, alb. ah ’Buche’, arm. haci ’Esche’; statt dessen eine n-Bildung in l. ornus ’wilde˙ Bergesche, Speer’ (*osino-), air. (h)uinnius, kymr. onnen ’Esche’, russ. ja´sen′ m. ’Esche’ (usw.), unerweitert lit. u´osis m./f. (balto-slav. *o¯s-). Weitere Herkunft unklar. Die neuhochdeutsche Form ist aus dem Plural oder dem Materialadjektiv rückgebildet. Aus Eschenholz wurden in alter Zeit vor allem Speere u. dgl. hergestellt, deshalb dient der Baumname häufig zur Bezeichnung solcher Gegenstände. Ebenso nndl. es, ne. ash, nschw. ask, nisl. askur. – Marzell 2 (1972), 486–493; EWahd 1 (1988), 360–363; RGA 7 (1989), 561–564; Normier, R. Sprache 27 (1981), 22–29 (zu möglichen Verwandten in den [arischen] Kafirsprachen); EWahd 2 (1998), 1154; EWNl 1 (2003), 697f.

Esel Sm std. (9. Jh.), mhd. esel, ahd. esil, as. esil. Wie ae.

e(o)sol und gt. asilus entlehnt aus l. asinus mit Suffixersatz (wohl nicht aus dem spl. Diminutivum asellus), ahd. erzi-. Entlehnt aus spl. archi- (mit der z-Ausdagegen anord. asni ’Esel’ aus afrz. asne. Dem lateisprache von k, ch), das seinerseits auf gr. archi- ’der nischen Wort entspricht gr. o´nos ’Esel’ und arm. ˆeˇs. Es erste, oberste’ zurückgeht. Die Entlehnung erfolgt in sind wohl alle drei unabhängig voneinander aus einer Bildungen wie ahd. erzi-biscof aus l. archiepiscopus; Substratsprache entlehnt. zu einer älteren Bildung und Entlehnung vgl. ÞArzt. Ebenso nndl. ezel, ne. ass, nfrz. aˆne, nschw. a˚sna, nnorw. esel, Das Präfix wird dann in frühneuhochdeutscher Zeit nisl. asni. – RGA 7 (1989), 566; LM 4 (1989), 13; Röhrich 1 auf andere Amtsbezeichnungen und schließlich auch (1991), 393–400; EWahd 2 (1998), 1155f.; EWNl 1 (2003), 724f. auf außerhalb stehende Wörter übertragen, seit dem 17. Jh. auch auf Adjektive. Eselsbrücke Sf std. bildg. (18. Jh.). Lehnübersetzung zu l. po¯ns asino¯rum m., bzw. po¯ns asini m. ’Brücke der Zur Sippe von gr. archi- s. ÞAnarchie. – Wortbildung 2 (1975), 141, 3 (1978), 192f. Esel bzw. des Esels’. Po¯ns asino¯rum bezeichnete in der scholastischen Philosophie den Weg über einen loerzählen Vsw std. (8. Jh.), mhd. erzeln, erzellen, ahd. gischen Mittelbegriff; po¯ns asini wurde in der älteren irzellen. Bedeutet ursprünglich ’aufzählen’, dann ’in Schulsprache für einen Lehrsatz des Euklid gegeordneter Folge hersagen, berichten’, woraus durch braucht. Im Deutschen ist das Wort zuerst auch nur Verallgemeinerung die heutige Bedeutung entstand. auf den Schulbereich beschränkt und bedeutet Abstraktum: Erzählung; Nomen Agentis: Erzähler. ’Schwierigkeit, vor der Unwissende stutzen’, dann ÞZahl. (wie heute nur noch) ’Gedächtnisstütze, Verstehenserzen Vsw ’mit Er anreden’ erw. obs. (18. Jh.). Nach dem hilfe’; regional (süddeutsch) bezeichnet Eselsbrücke Vorbild von Þduzen gebildet. auch den mathematischen Lehrsatz des Pythagoras. erziehen Vst std. (8. Jh.), mhd. erziehen, ahd. irziohan. Zugrunde liegt dem allem wohl die letztlich auf PliFür ’aufziehen, großziehen’, wie l. ¯edu¯ca¯re, das teilnius zurückgehende Volksmeinung, dass ein Esel weise auf die Bedeutung eingewirkt hat. keine Brücke überschreitet, wenn er durch deren HWPh 2 (1972), 733–735; RGA 7 (1989), 542–551; EWNl 2 (2005), Belag das Wasser sehen kann. So wie der Esel durch 252. diese Brücke die Gefahr sehen kann, so sieht der Begriffsstutzige durch die ’Eselsbrücke’ die Zusammenes Pron Þer. hänge im Bereich der Logik und Mathematik. EntEsch Sm ’Getreideteil der Gemarkung’ per. fach. sprechende Bildungen sind in den meisten europä(8. Jh.), mhd. ezzisch, ahd. ezzisc, as. ezk-. Aus g. *atesischen Sprachen belegt. ka- ’Saatfeld, Flur’, auch in gt. atisk, ae. edisc n. Erz-, erz- Präfix ’Ober-, Haupt-’ std. (–), mhd. erz(e)-,

’eingezäunte Weide, Acker’ (Vermischung mit ae. eodor ’Zaun’; ÞEtter). Herkunft unklar. In Mundarten und Flurnamen verbreitet. Dittmaier, H. FS Steinbach (Bonn 1960), 704–726; Tiefenbach, H. in Beck/Denecke/Jankuhn (1980), 312–314; RGA 7 (1989), 551–559; LM 4 (1989), 3f.; EWahd 2 (1998), 1191–1194; EWNl 1 (2003), 698.

Ebenso nndl. ezelsbrug, ne. donkey-bridge, nfrz. guide-aˆne. – HWPh 2 (1972), 743–745; Röhrich 1 (1991), 400f.; EWNl 1 (2003), 725.

Eselsohr Sn ’umgeknickte Ecke einer (Buch)Seite’ std.

stil. (17. Jh.). Zugrunde liegt ein Vergleich mit dem nach hinten gebogenen Ohr eines Esels (vgl. mit ähnlichem Benennungsmotiv ne. dog’s ear, nschw. hun-

Esprit

259

döra mit derselben Bedeutung = eigentlich ’Hundeohr’); im 18. Jh. ist dafür auch nur das Simplex ÞOhr belegt. EWNl 1 (2003), 725.

Eser Sm ÞAser. -esk Suffix ’in der Art von ...’ erw. bildg. (–). Dient der

gr. eso¯teriko´s, eigentlich ’innerlich’, zu gr. eso¯´teros, dem Komparativ von gr. eı´so¯, ´eso¯ ’innerhalb, drinnen’. Gegensatzbildung zu gr. exo¯teriko´s ’öffentlich’, zunächst von bestimmten philosophischen Auffassungen der Griechen (Pythagoras, Stoa). Abstraktum: Esoterik; Täterbezeichnung: Esoteriker. Ebenso ne. esoteric, nfrz. ´esote´rique, nschw. esoterisk. – Siegert

Bildung von desubstantivischen Adjektiven, wobei es (1950), 73; HWPh 2 (1972), 865–867; EWNl 1 (2003), 700; DF 5 die Bedeutung ’in der Art von, wie’ zum Ausdruck (22004), 245–248. bringt, z.B. balladesk, kafkaesk; einige Bildungen sind Espe Sf std. (9. Jh.), mhd. aspe, ahd. aspa, mndd. espe, synchronisch nicht analysierbar (z.B. Þburlesk, gromndl. espe. Aus g. *aspo¯ f. ’Espe’, auch in ae. ¢sp(e), tesk [ÞGroteske], Þpittoresk). Das Suffix wurde in roanord. o¸sp. Der Umlaut im Neuhochdeutschen ist manischen Wörtern (auf it. -esco, frz. -esque) ins offenbar nördlicher Herkunft, er könnte vom MateDeutsche übernommen und ist fachsprachlich prorialadjektiv espen herrühren (vgl. ÞEsche). Eine besduktiv geworden. ser vergleichbare Form ist ae. ¢pse aus *apso¯, aus dem Wortbildung 3 (1978), 338f.; Björkmann: L’incroyable, romadie heutigen Formen durch Umstellung der Konsonesque, picaresque e´pisode sur le suffixe franc¸ais -esque (Uppnanten entstanden sind; zu diesem nordlit. apusˇis aus sala 1984); Wellmann, H. FS Moser (1975), 409–431. *op(u)si-, russ. osı´na (aus *opsi-na¯). Wenn türk. apsak Eskalation Sf ’Zuspitzung’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt ’Pappel’ und tschuwaschisch ˙ewe¯s ’Espe’ aus einer inaus ne. escalation, das wie das Verb escalate ’sich zudogermanischen Sprache entlehnt sind, würde dies spitzen’ offenbar rückgebildet ist aus ne. escalator eine ursprünglich weitere Verbreitung erweisen. Wei’Rolltreppe’, dann auch ’Anlass zu einer Steigerung’. tere Herkunft unklar. − Dass das Espenlaub besonders Dieses ist (nach dem Muster von elevator ’Aufzug’ stark zittert, ist zwar sachlich begründet, in der Reund anderen Bildungen auf -tor) angepasst aus ne. dewendung aber nur eine Verstärkung von älterem escalade ’(Mauern) erstürmen, übersteigen’, aus frz. zittern wie ein Laub. escalader, aus ml. scalare, zu l. sca¯lae (-a¯rum) Pl. Thieme, P. AAWLM (1953), XI, 546–548, 550; Janert, K. L. ’Leiter’, zu l. scandere ’steigen, ersteigen’. Verbum: ZVS 79 (1964), 89ff.; Janert, K. L. ZVS 97 (1984), 202f.; Sofer, eskalieren (Rückbildung, vielleicht nach ml. scalare). F. Glossa 18 (1985), 129; EWahd 1 (1988), 370–372; RGA 7 (1989), Ebenso nndl. escalatie, ne. escalation, nfrz. eskalade (auch: ’Ersteigen’), nschw. eskalering, nnorw. eskalation. Zu weiteren Verwandten s. ÞSkala. – Carstensen 1 (1993), 436–438; EWNl 1 (2003), 698f.; DF 5 (22004), 239f.

571–573; Normier, R. Sprache 27 (1981), 22–29 (über weitere mögliche Zusammenhänge); Röhrich 1 (1991), 401 (zu Espenlaub); EWNl 1 (2003), 700f.

Esperanto Sn (Welthilfssprache) erw. fach. (19. Jh.).

Eskapade Sf ’Seitensprung, eigenwillige Hand-

Pseudonym von L. Zamenhof, der die Grundlagen lung’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. escapade, für diese Sprache schuf (wörtliche Bedeutung: ’der dieses aus it. scappata und span. escapada, über spätHoffende’, zum Ausgangspunkt vgl. ÞDesperado). lateinische Zwischenformen mit l. ex- zu l. cappa Ebenso nndl. esperanto, ne. Esperanto, nfrz. espe´ranto, nschw. esperanto, nnorw. esperanto, nisl. esperanto. – EWNl 1 (2003), ’Kopfbedeckung, Kapuzenmantel’. Die Bedeutung ist 701. zunächst ’Entkommen’ (eigentlich: ’aus dem [Ordens-]Mantel entschlüpfen’), wobei der Bezug zu l. Espresso Sm ’starker, dunkel gerösteter Kaffee’ std. cappa wohl bereits im Spätlateinischen nicht mehr (20. Jh.). Entlehnt aus it. (caffe´) espresso, dem PPrät. gesehen wurde. zu it. esprimere ’ausdrücken, hervortreten machen’, Ebenso nndl. escapade, ne. escapade, nfrz. escapade, nschw. esaus l. exprimere (expressum), zu l. premere (pressum) kapad, nnorw. eskapade. Zu weiteren Verwandten s. ÞKappe ’drücken’ und l. ex-. Bei der Zubereitung von Espresso und ÞCape. – Öhmann, E. NPhM 41 (1940), 36; EWNl 1 wird Wasserdampf unter Druck durch das Kaffee(2003), 699; DF 5 (22004), 242f. pulver gepresst − es ist aber nicht sicher, dass dies als Eskorte Sf ’Begleitung, begleitende Bewachung’ erw. Benennungsmotiv in Anspruch genommen werden fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. escorte, dieses aus it. darf; vielleicht einfach = ’ausgepresst, komprimiert’. scorta, einer postverbalen Ableitung von it. scorgere Ebenso nndl. espresso, ne. espresso, nfrz. espresso, nschw. es’geleiten’, zu l. corrigere ’auf den richtigen Weg fühpresso, nnorw. espresso. Zur Sippe von l. (premere), pressum ’drücken’ s. ÞPresse. – EWNl 1 (2003), 701. ren’ und l. ex-, zu l. regere ’leiten, lenken’ und l. con-. Verbum: eskortieren. Esprit Sm ’Geist, Witz’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt Ebenso nndl. escorte, ne. escort, nfrz. escorte, nschw. eskort, nnorw. eskorte. Zur Sippe des zugrundeliegenden l. regere ’lenken, leiten’ s. Þregieren. – Jones (1976), 317; Brunt (1983), 283; EWNl 1 (2003), 699f.; DF 5 (22004), 243–245.

esoterisch Adj ’nur für Eingeweihte verständlich’ erw.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. ´esote´rique, dieses aus

aus frz. esprit, dieses mit unregelmäßiger Formentwicklung aus l. spı¯ritus ’Geist, Hauch’. Ebenso ne. esprit, nfrz. esprit, nschw. espri, nnorw. esprit. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. spira¯re ’atmen’ s. Þkonspirieren. – Jones (1976), 318; Brunt (1983), 284 f.; EWNl 1 (2003), 701; DF 5 (22004), 250–252.

Essay

260 Essay Smn ’Abhandlung, Aufsatz’ erw. fach. (18. Jh.).

Ebenso nndl. eten, ne. eat, nschw. äta, nisl. eta; ÞAas, Þatzen,

Þätzen, Þfressen, ÞObst, ÞZahn. – Rundgren, F. FS Pagliaro Entlehnt aus ne. essay, dieses aus afrz. essai, eigentlich (1969), 177–191; Seebold, E. (1970), 179f.; Röhrich 1 (1991), ’Probe, Versuch’, aus l. exagium n. ’das Wägen’, einer 402f.; EWahd 2 (1998), 1184–1187; EWNl 1 (2003), 705. postverbalen Ableitung von l. exigere (exa¯ctum) Essenz Sf ’Konzentrat’ erw. fach. (13. Jh.). Entlehnt aus ’abwägen, beurteilen’, zu l. agere (a¯ctum) ’treiben, l. essentia, einem Abstraktum zu l. esse ’sein’ nach handeln’ und l. ex-. Die spezielle Bedeutung ’literaVorbild von gr. ousı´a ’Wesen’. Die Spezialisierung auf rischer Versuch, Abhandlung’ geht auf den Titel Es’Konzentrat’ erfolgt in der Sprache der Alchimisten; sais eines Werkes von Montaigne zurück. Ins Deutvermutlich durch Verkürzung von ÞQuintessenz. Adsche kommt das Wort vor allem mit Essays englischer jektiv: essentiell. Autoren, nachdem es zuvor bereits vereinzelt aus dem Französischen übernommen worden war (dabei Ebenso nndl. essentie, ne. essence, nfrz. essence, nschw. essens, nnorw. essens. Zur Sippe von l. esse ’sein’ gehört als Partizip allerdings gerne durch Versuch ersetzt wurde). Tätereiner Präfigierung ÞPräsens; als Abstraktum Essenz mit bezeichnung: Essayist; Adjektiv: essayistisch.

Esse Sf ’Feuerherd, Schmiedefeuer’ erw. fach. (10. Jh.),

mhd. esse, ahd. essa. Aus g. *asjo¯ f. ’Esse’, auch in aschw. ¢sja. Außergermanisch vergleicht sich l. a¯ra ’Brandaltar’ und heth. hasˇˇsa- ’Herd, Feuerstelle’. Offensichtlich Relikte eines alten Wortes für ’Herd’, ig. *has- (oder *h¡s-, die Lautform ist nicht völlig klar). Zu weiter zugehörigen Wörtern s. unter ÞAsche. Eine Grundlage *has- ’brennen, braten’ kann sich zeigen in l. a¯re¯re ’trocken sein’, l. a¯rde¯re ’brennen’ und l. assus ’trocken, gebraten’. Ebenso nschw. ässja. – Schilling (1963); Nagy, G. HSCPh 78 (1974), 71–82; Röhrich 1 (1991), 401f.; EWahd 2 (1998), 1161f.

-esse1 Suffix (zur Bildung deadjektivischer Eigen-

ÞQuintessenz. Zu verbalen Weiterbildungen über das Französische: interessant (ÞInteresse) und Þrepräsentieren; auf einer Hypostase beruht Þprosit. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þsein 2. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 390; HWPh 2 (1972), 753–755; EWNl 1 (2003), 702; DF 5 (22004), 257–265.

Essig Sm std. (9. Jh., ezzihfaz 8. Jh.), mhd. ezzich, ahd.

˘

Ebenso nndl. essay, ne. essay, nfrz. essai, nschw. essä, nnorw. essay. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. agere ’treiben, handeln’ s. Þagieren. – DF 1 (1913), 180; HWPh 2 (1972), 746–749; Rey-Debove/Gagnon (1988), 275; EWNl 1 (2003), 701; DF 5 (22004), 252–257.

ezzı¯h. Wie anord. edik n. entlehnt aus einer wohl schon in der gebenden Sprache erfolgten Umstellung *ate¯cum zu l. ace¯tum n. ’Essig’ (zu l. acidus ’sauer’). Aus der Normalform sind entlehnt gt. akeit, ae. eced m./n., as. ekid n., schwz. Achiss. Ebenso nndl. azijn, ne. acetum, nschw. ättika, nnorw. eddik, nisl. edik. – Guinet, L. EG 31 (1976), 249; RGA 7 (1989), 578f.; BlW 1 (1981), 218f.; Röhrich 1 (1991), 403; Schröpfer, J. Semantische Hefte 1973/74, 162–190; EWahd 2 (1998), 1190f.; EWNl 1 (2003), 657f.

Essigmutter Sf ’Bodensatz im Essig’ per. fach. (17. Jh.).

Zu mndl. mo(e)der, nndl. moer ’Sinkstoffe’, ne. mother ’Hefe’, die zu ÞModer gehören. Der Gebrauch des Wortes ’Mutter’ für ’Essighefe’ in einigen romanischen Sprachen (z.B. frz. me`re de vinaigre) beruht wohl auf Bedeutungsentlehnung aus dem Deutschen.

schaftsbezeichnungen, z.B. Akkuratesse) erw. bildg. (–). Wurde in französischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung ist frz. -esse. Die Bildungen sind analysierbar, das Suffix ist aber im Establishment Sn ’staatstragende Gesellschaft’ erw. Deutschen nicht produktiv. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. establishment, einem 2 -esse Suffix (zur Bildung weiblicher PersonenbezeiAbstraktum zu ne. establish ’einrichten, begründen’. chungen, z.B. Baronesse). erw. bildg. (–). Wurde vorDas Wort bezeichnet im Englischen zunächst die annehmlich in französischen Entlehnungen ins Deutglikanische Kirche und wird dann übertragen. Ins sche übernommen; der Ursprung ist frz. -esse aus gr. Deutsche wird naturgemäß nur die übertragene Be-issa. Das Suffix war im Deutschen produktiv und ist deutung entlehnt, so dass sich der Sinn etwas verdann verstärkt worden durch Entlehnungen mit ne. schärft. -ess (Stewardess), die z.T. in die französische Form Ebenso nndl. establishment, ne. establishment, nfrz. establishübergehen. Eine neuere Bildung ist z.B. ÞPolitesse. ment, nnorw. establishment. Zur Sippe des zugrunde liegenden Meredith, M. ASp 5 (1930), 476–481.

essen Vst std. (8. Jh.), mhd. ezzen, ahd. ezzan, as. etan.

l. sta¯re ’stehen’ s. ÞDistanz; Þetablieren, Þstabil. – Schmid, R. Merkur 23 (1969), 400–402; HWPh 2 (1972), 755–758; ReyDebove/Gagnon (1988), 275; Strauss u.a. (1989), 138–140; Carstensen 1 (1993), 440f.; DF 5 (22004), 265f.

Aus g. *et-a-Vst. ’essen’, auch in gt. itan, anord. ´eta, ae. etan, afr. ita; dieses aus ig. *ed- (athematisches Verb) ’essen’ in heth. ed-, ad- ’essen, fressen’, ai. a´tti Ester Sm (chemische Verbindung, die aus Säuren und Alkohol unter Wasseraustritt entsteht) per. fach. ’er isst’, gr. ´edo¯ ’ich esse’, akslav. jasti ’essen’, lit. ˙e´sti (19. Jh.). In J. Liebigs Gießener Laboratorium ent(balto-slavische Langvokale) ’essen’, air. ´ess, Konstanden als Verschmelzung aus ÞEssig und ÞÄther. junktiv zu air. ithid ’isst’, l. edere ’essen’. Da das inEbenso nndl. ester, ne. ester, nfrz. ester, nschw. ester, nnorw. dogermanische Wort für ’Zahn’ (*dont-, ablautend) ester, nisl. ester. – EWNl 1 (2003), 702f. möglicherweise zugehörig ist, dürfte von einer ursprünglicheren Bedeutung ’beißen’ auszugehen sein. Estrade Sf ’erhöhter Boden’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. estrade, dieses aus prov. estrada, eigent-

Etikett

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lich ’Straße’, aus spl. stra¯ta ’gepflasterte Straße’, eigentlich ’Hingebreitete’, zu l. sternere (stra¯tum) ’hinbreiten, ausbreiten, sich erstrecken’. Ebenso nndl. estrade, ne. estrade, nfrz. estrade, nschw. estrad, nnorw. estrade; ÞStraße, ÞSubstrat. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þstreuen. Bedeutungsentwicklung in der DDR zu ’volkstümliches Variete´’ nach russischem Vorbild. – DF 5 (22004), 266f.

Estragon Sm (ein Küchenkraut) per. fach. (19. Jh.). Ent-

Ebenso nndl. etage, nfrz. ´etage, nschw. etage, nnorw. etasje. Zur Sippe von l. stare s. ÞDistanz. – Jones (1976), 319; EWNl 1 (2003), 703f.; DF 5 (22004), 274–277; EWNl 4 (2009), 257.

Etappe Sf ’Abschnitt, Hinterland’ erw. fach. (17. Jh.).

Entlehnt aus frz. ´etape, eigentlich ’Niederlassung, Handelsplatz’, dieses aus mndl. stapel, eigentlich ’Stapelplatz’. Die Bedeutungsentwicklung verläuft von ’Handelsniederlassung’ über ’Rastort, Verpflegungsstelle’ zu ’Strecke zwischen Verpflegungsstellen’. Dann Verallgemeinerung auf Abschnitte größerer Wegstrecken.

lehnt aus frz. estragon, das zurückgeht auf arab. tarhu¯n, das seinerseits entlehnt ist aus gr. drako´ntion. ˙Die˘ französische Form ist mit einem unregelmäßigen Ebenso nndl. etappe, nfrz. ´etape, nschw. etapp, nnorw. etappe. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞStapel. – Jones (1976), Präfix versehen. Älter ist die Form nhd. Dragon und 319; Brunt (1983), 287f.; Röhrich 1 (1991), 403; EWNl 1 (2003), mundartlich Drachant, Trachant aus älteren lateini704; DF 5 (22004), 278–281. schen und romanischen Anpassungen des AusgangsEtat Sm ’(Plan für) Haushalt, Finanzmittel (eines Staawortes. Das griechische Wort ist das Diminutiv zu tes)’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. ´etat, eigentdem Wort für ’Drache’ (ÞDrache 1) − der Bedeulich ’Zustand’, dieses aus l. status ’Zustand’, zu l. sta¯re tungszusammenhang ist unklar (da die Blätter wie (statum) ’stehen’. Reptilienhaut Flecken aufweisen?). Ebenso nndl. dragon, ne. tarragon, nfrz. estragon, nschw. dragon, nnorw. estragon. – Tazi (1998), 199f.; EWNl 1 (2003), 621.

Estrich Sm ’Fußboden’ erw. wobd. (9. Jh.), mhd.

Ebenso ne. estate, nfrz. ´etat. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. stare ’stehen’ s. ÞDistanz. – Jones (1976), 320; Brunt (1983), 288; DF 5 (22004), 282–285.

˘

est(e)rı¯ch, est(e)rich, ahd. estrı¯h, astrih, mndd. astrak, etepetete Adj ’geziert, übermäßig fein’ std. stil. (18. Jh.). Verstärkende Reduplikationsbildung (eteasterik, esterik n. Entlehnt aus ml. astracus, astricus pet-ete) oder Reimbildung (ete petete), wohl zu ndd. ’Estrichguss, Pflaster’, das seinerseits auf gr. o´strakon ete, öte ’geziert’. n. ’knöcherne, harte Schale von Schnecken etc., Röhrich 1 (1991), 404. Scherbe’ zurückgeht. Zur Herstellung des Estrichs aus Scherben vgl. Isidor Etymologiae XV 8, 11 = XIX Ethik Sf ’Sittenlehre, Moralphilosophie’ erw. fach. 10, 26. (16. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ethice¯ ([re¯s] ¯ethica), dieses aus gr. ¯ethike¯´, zu gr. ¯ethiko´s ’sittlich, moralisch, gebräuchRGA 7 (1989), 601; LM 4 (1989), 44; EWahd 2 (1998), 1164–1166. lich’, zu gr. ´ethos n. ’Sitte, Gewohnheit, Brauch’. Adet cetera Ptkl ’und so weiter’, eigentlich ’und weijektiv: ethisch; Täterbezeichnung: Ethiker. Das Grundtere’ erw. fremd. (16. Jh.). In Zeiten der Prüderie nicht Ethos wird, den Ableitungen folgend, auch im wort selten als Euphemismus verwendet für Wörter, die Sinne von ’moralisches Bewusstsein’ gebraucht. nicht ausgesprochen oder geschrieben werden sollten. Ebenso nndl. et cetera, ne. et cetera, nfrz. et cetera, etc¢tera, nschw. etcetera. – Schulz, H. ZDW 10 (1908/09), 130–133; Röhrich 1 (1991), 403f.; EWNl 1 (2003), 704f.

etablieren Vsw ’begründen, sich festsetzen’ erw. fremd.

(17. Jh.). Entlehnt aus frz. ´etablir, eigentlich ’festmachen’, aus l. stabilı¯re ’befestigen’, zu l. stabilis ’fest’, das mit l. sta¯re ’stehen’ verwandt ist. In Etablissement ’zwielichtiges (Vergnügungs-)Unternehmen’ wird das allgemeine Wort für ’Unternehmen’ verhüllend auf bestimmte Unternehmen angewendet.

Ebenso nndl. ethica, ne. ethics, nfrz. ´ethique, nschw. etik, nnorw. etikk. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞSitte. – Siegert (1950), 73–75; HWPh 2 (1972), 759–809; Cottez (1980), 142; Chamberlain, Ch. Hermes 112 (1984), 176–183; RGA 7 (1989), 601–611; LM 4 (1989), 54–56; EWNl 1 (2003), 705; DF 5 (22004), 285–289.

ethnisch Adj ’die Kultur einer Volksgruppe betref-

fend’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus gr. ethniko´s ’zum (fremden) Volke gehörig, volkstümlich’, zu gr. ´ethnos ’Volk, Schar’. Konkretum: Ethnie; als zugehörige Wissenschaften: Ethnologie, Ethnographie. Ebenso nndl. etnisch, ne. ethnic, nfrz. ethnique, nschw. etnisk, nnorw. etnisk; ÞHeide 1 – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 390; Cottez (1980), 142; EWNl 1 (2003), 707; DF 5 (22004), 289–292.

Ebenso ne. establish, nfrz. ´etablir, nschw. etablera, nnorw. etablere. Und zur Sippe von l. stare ’stehen’ s. ÞDistanz; Þstabil, ÞEstablishment. – Schirmer (1911), 56; Jones (1976), 319; Etikett Sn ’Aufkleber, Schildchen’ std. (18. Jh.). EntBrunt (1983), 286f.; Strauss u.a. (1989), 140–142; EWNl 1 lehnt aus frz. ´etiquette f., zu afrz. estiquier, estequier 2 (2003), 703; DF 5 ( 2004), 267–272.

Etage Sf ’Stockwerk’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus

frz. ´etage m. (älter: ’Rang, Aufenthalt’), das über spätlateinische Zwischenstufen zurückgeht auf l. statio ’Aufenthalt, Standort (usw.)’, zu l. sta¯re (statum) ’stehen’.

’feststecken’, einer der dialektalen Nebenformen von afrz. estichier, estechier ’hineinstechen’, aus fläm. steeken. Es handelt sich also ursprünglich um ein aufgestecktes Schildchen. Verb: etikettieren.

Ebenso nndl. etiket, ne. ticket, nfrz. ´etiquette, nschw. etikett, nnorw. etikett. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þstechen;

Etikette ÞEtikette, ÞTicket. – Schirmer (1911), 56; Brunt (1983), 289; Röhrich 1 (1991), 404; EWNl 1 (2003), 706; DF 5 (22004), 298–300.

Etikette Sf ’gesellschaftliche Konvention’ erw. fach.

(18. Jh.). Das gleiche Wort wie ÞEtikett, das ursprünglich ebenfalls ein Femininum ist und sekundär differenziert wird. Aus der Bedeutung ’Aufschrift’ entwickeln sich schon im Französischen die Bedeutungen ’Vorschrift’ und ’gesellschaftlicher Zwang’. Ebenso ne. etiquette, nfrz. ´etiquette, nndl. etiquette, nschw. etikett, nnorw. etikett; ÞEtikett. – Röhrich 1 (1991), 404; EWNl 1 (2003), 706; DF 5 (22004), 301f.

etlich Adj/Pron std. stil. (8. Jh.), mhd. et(es)lı¯h, ahd.

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zu gr. ´etymos ’wahr, wirklich’ und Þ-logie. Das Gefühl, dass das Benennungsmotiv etwas über das Wesen des Bezeichneten aussagt, führt zu der Auffassung, dass das Grundwort den wahren Kern der Bedeutung bietet − wobei auch Vorstellungen über einen Zusammenhang zwischen Wortgestalt und Bedeutung eine Rolle gespielt haben mögen. Adjektiv: etymologisch; Täterbezeichnung: Etymologe; Verbum etymologisieren ’den Ursprung eines Wortes herausfinden’; Etymon ’Grundwort einer analysierbaren Bildung’. Ebenso nndl. etymologie, ne. etymology, nfrz. ´etymologie, nschw. etymologi, nnorw. etymologi. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 15f.; Zumthor, P. FS von Wartburg (1958), 873–893; HWPh 2 (1972), 816–818; Pfister (1980), 7–10; RGA 7 (1989), 611–617; LM 4 (1989), 60f.; EWNl 1 (2003), 709; DF 5 (22004), 304–309.

eddelı¯h ’etlich’, ahd. eddeshwelı¯h ’irgendeiner’, Pl. ’manche’. Zu ahd. eddes- ’irgend’ und ahd. hwelı¯h (Þwelch), also ’irgendwelch’. Das Vorderglied zeigt eine ähnliche Assimilation wie in der Verwandtschaft euch Pron std. (8. Jh.), mhd. iu(wi)ch, ahd. iuwih. Akkusativformen, von denen sich der Dativ mhd. iu, von Þoder und gehört vielleicht in deren Umkreis. ahd. iu unterscheidet. Ansätze zu einer entsprechenS. auch Þetwa. – EWahd 2 (1998), 947; EWNl 1 (2003), 708. den Unterscheidung im Anglischen, sonst sind Dativ -ette Suffix (zur Bildung von Diminutiven von Subund Akkusativ des Pronomens der 2. Person Plural in stantiven, z.B. ÞOper − Operette) erw. bildg. (–). den germanischen Sprachen gleich. Die UnterscheiWurde in französischen Wörtern ins Deutsche überdung beruht auf der Übernahme der Endung der nommen; der Ursprung ist frz. -ette. Beschränkt pro1. Person Singular (und 2. Person Singular). Für die duktiv, besonders in Markenbezeichnungen (Scheieinfache Form zeigt das Gotische izwis, dem anord. blette, Stenorette usw.). ydrÑ lautlich genau entsprechen kann. Die westgermanischen Formen (ae. ¯eow, afr. iu und obige) könEtter Smn ’Zaun’ per. arch. obd. (9. Jh., etargartea nen mit diesen auf (g.) *izwez zurückgeführt werden 8. Jh.), mhd. eter, ahd. etar m., as. edor, eder. Aus g. (wobei die Lautentwicklung im einzelnen nicht klar *edara- m. ’Zaun’, auch in anord. jadaÑ rr m. ’Rand, ist). Hierfür ergibt sich als Ausgangspunkt ig. Kante’, ae. eodor m. Zu entsprechenden Wörtern für *sg´ hwes, das auch in anderen Pronomina der 2. und 3. Brettergestelle u.ä. etwa akslav. odru˘ m. ’Lager, Bahre’ Person in den indogermanischen Sprachen vertreten (vgl. den Bedeutungszusammenhang bei ÞPritsche). ist. Der Wechsel zwischen 2. und 3. Person, wie auch Ebenso nisl. jadaÑ r ’Rand, Kante’. Vgl. auch ÞEsch. – Merindie ungewöhnliche Lautform, die das ältere, einfager, R. IF 18 (1905/06), 256–258; Bader 1 (1957), 74–117. chere Pronomen *(j)usme´ verdrängt, weisen darauf Etüde Sf ’Musikstück mit besonderen Schwierigkeihin, dass hier ein Sonderfall vorliegen muss. Die Anten’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. ´etude nahme, dass es sich um ein altes Höflichkeitsprono’Übungsstück’, eigentlich ’Studie’, aus afrz. estudie´, men (aus *seg´ hu- ’mächtig, stark’, also ’der Starke’) aus l. studium n., eigentlich ’Drang, Streben, Eifer’, zu gehandelt hat, ist dabei nicht von der Hand zu weil. stude¯re ’sich um etwas bemühen, streben, trachten’. sen. Ebenso nndl. etude, ne. ´etude, nfrz. ´etude, nschw. etyd, nnorw. etyde; Þstudieren. – EWNl 1 (2003), 708; DF 5 (22004), 302f.

Etui Sn ’Behältnis’ std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. ´etui

m., aus afrz. estui, einer Ableitung von afrz. estuier, estoier ’in eine Hülle legen, verbergen, aufsparen’, dieses aus früh-rom. *extuicare zu l. tue¯re, tue¯ri ’bewachen, beschützen’. Ebenso nndl. etui, ne. etui, nfrz. ´etui, nschw. etui, nnorw. etui. – Brunt (1983), 290; DEO (1982), 273; EWNl 1 (2003), 709; DF 5 (22004), 303f.

etwa Adv std. (11. Jh., eddeswaz 8. Jh.), mhd. ete(s)war,

ete(s)wa¯ ’irgendwo’. Aus Þwo und dem in Þetlich behandelten Vorderglied. Adjektiv: etwaig. Entsprechend etwas. Etymologie Sf ’Erforschung der Herkunft der Wör-

ter’ per. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. etymologia, dieses aus gr. etymologı´a, eigentlich ’Lehre vom Wahren’,

Ebenso nndl. u, ne. you, nschw. eder, er, nisl. yduÑ r. – Kluge, F. ZDW 10 (1908/09), 65; Schmidt (1978), 218–225; Seebold, E. Sprache 29 (1983), 27–36; Seebold (1984), 41–44; Rosenfeld, H.-F. ZVPh 8 (1954), 370–372 (anders).

euer Pron std. (8. Jh.), mhd. i(u)wer, ahd. iuwe¯r, iuwar.

Wie in den anderen germanischen Sprachen gebildet durch das Suffix -ero- zum (einfachen) ObliquusStamm des Personalpronomens. Eukalyptus Sm (ein immergrüner Baum, dessen Blätter

ein ätherisches Öl enthalten) erw. fach. (18. Jh.). Neubildung eines französischen Botanikers in der zweiten Hälfte des 18. Jhs. zu gr. eu´(s) ’gut, wohl’ und gr. kaly´ptein ’bedecken, umhüllen’, wohl so benannt nach den haubenartig geschlossenen Blütenkelchen, die sich beim Aufblühen wie Deckel lösen. Das griechische Wort ist eine Erweiterung zu der unter Þhehlen beschriebenen Grundlage (ig.) *kel- ’verbergen’.

263 Ebenso nndl. eucalyptus, ne. eucalyptus, nfrz. eucalyptus, nschw. eukalyptus, nnorw. eukalyptus. – Cottez (1980), 142f.; EWNl 1 (2003), 709.

Eule Sf std. (9. Jh.), mhd. iuwel, iule, ahd. u¯wila, u¯la.

Aus vd. *u¯wilo¯n, älter *uwwilo¯n f. ’Eule’ neben (mit Suffixablaut) g. *uwwalo¯n in anord. ugla, ae. u¯le. Weiterbildung zu g. *uwwo¯n (ÞUhu); sicher ein lautnachahmendes Wort. Ndd. Eule ’Handbesen’, älter (ha¯r)u¯le soll nach seiner Form so benannt sein. ÞUhu, ÞUlk. – RGA 8 (1994), 16f.; Röhrich 1 (1991), 404–406; Lussky, G. F. ZDPh 63 (1938), 235–251 (zur Bedeutung ’Narr’); Müller-Graupa BGDSL-H 79 (1957), 464; EWNl 4 (2009), 443f.

Eunuch Sm ’Entmannter, Haremswächter’ erw. exot.

(14. Jh.). Entlehnt aus l. eunu¯chus, dieses aus gr. eunou˜chos ’Kämmerer’, eigentlich ’Bettschützer’, zu gr. eune¯´ f. ’Bett’ und gr. o´chos ’Träger, Halter’, zu gr. ´echein ’halten’. Da die Aufsicht über die Frauengemächer im wesentlichen Kastraten anvertraut war, nimmt das Wort allmählich auch die Bedeutung ’Kastrat’ an. Ebenso nndl. eunuch, ne. eunuch, nfrz. eunuque, nschw. eunuck, nnorw. eunukk. Zur Sippe des zugrundeliegenden gr. ´echein ’halten’ s. ÞEpoche. – LM 4 (1989), 99–102; EWNl 1 (2003), 710f.; DF 5 (22004), 309–311.

Euphemismus Sm ’Hüllwort, beschönigende Bezeich-

Euthanasie Euro Sm ’Währungseinheit der europäischen Wäh-

rungsunion’ std. (20. Jh.). Bei gemeinsamen Projekten mehrerer europäischer Staaten wird es etwa ab 1960 üblich, in der Bezeichnung des Projekts nicht Europa oder europäisch zu verwenden, sondern die Kurzform Euro als Kompositionsglied (Eurocheque, Eurodollars usw.), vermutlich um keine Geltung für ganz Europa zu beanspruchen, auch im Hinblick auf die bequeme Kompositionsform. In diesen Fällen handelt es sich um eine Kürzung aus europäisch oder allenfalls Europa. Als nach längerem Streit 1999 die Währungseinheit Euro genannt wurde, war dies eine Willkür-Entscheidung, denn zu diesem Zweck gibt es keine Vollform für den Ausdruck (European Currency Unit ist eine unverbindliche Beschreibung, keine offizielle Bezeichnung); Euro ist also ein Kunstwort. Damit wurde von deutscher Seite aus die ursprünglich vorgesehene Bezeichnung ÞEcu (die als Verrechnungswährung bereits eingeführt war) verdrängt. Ecu wäre einerseits als Abkürzung für European Currency Unit und andererseits als Rückgriff auf eine frühere Währungseinheit (verschiedene französische Münzen, auf denen ein ´ecu ’Schild’ abgebildet war, entsprechend der spanische Escudo, mit abweichender Bezeichnung auch Münzen anderer europäischer Staaten) eine sprachlich glücklichere Lösung gewesen. Nicht ganz klar ist, warum im Deutschen fraglos das maskuline Genus für die Währung gewählt wurde, da die seitherige deutsche Währung Mark ja als Femininum gebraucht wurde; die Endung -o legt das Genus eines Wortes nicht fest.

nung’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnung aus gr. euphe¯mismo´s ’Ersatz unheilträchtiger Wörter durch wohltönende (während eines Ritus usw.)’, über das Verb gr. euphe¯mizomai zu gr. eu´phe¯mos ’wohlredend’ (auch im übertragenen Sinn), zu gr. eu´(s) ’wohl, gut, tüchtig’ und gr. phe¯´me¯ f. ’Rede’, zu gr. pha´nai Rowley, A. SD 2 (2002), 51–54; EWNl 1 (2003), 711. ’sprechen’. Adjektiv: euphemistisch. -euse Suffix (zur Bildung von deverbativen femininen Ebenso nndl. eufemisme, ne. euphemism, nfrz. euphe´misme, Personenbezeichnungen, z.B. Friseuse) erw. bildg. (–). nschw. eufemism, nnorw. eufemisme. Zur Sippe des zugrunde Wurde in französischen Entlehnungen ins Deutsche liegenden gr. pha´nai ’sprechen’ s. ÞBlasphemie. – Strauss u.a. übernommen; sein Ursprung ist frz. -euse. 2 (1989), 622f.; EWNl 1 (2003), 709f.; DF 5 ( 2004), 311–313. Euphorie Sf ’ausgelassene Hochstimmung’ erw. fremd. Euter Sn std. (11. Jh.), mhd. u¯ter, iuter m., ahd. u¯tar(o)

(18. Jh., Form 19. Jh.). Entlehnt aus gr. euphorı´a ’Wohlbefinden’, zu gr. eu´phoros ’kräftig, stark, gewandt, sich wohl befindend’, zu gr. eu´(s) ’wohl, gut’ und gr. phe´rein ’tragen, sich befinden’ über das Abstraktum gr. phoro´s. Adjektiv: euphorisch. Ebenso nndl. euforie, ne. euphoria, nfrz. euphorie, nschw. eufori. Zur Sippe des zugrunde liegenden gr. phe´rein ’tragen’ s. ÞMetapher. – HWPh 2 (1972), 823f.; Cottez (1980), 142f.; EWNl 1 (2003), 710; DF 5 (22004), 313–316.

-eur Suffix (zur Bildung von deverbativen Personen-

bezeichnungen, z.B. Kontrolleur) erw. bildg. (–). Wurde vornehmlich in französischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung ist frz. -eur. Das Suffix ist im Deutschen produktiv zur Bildung von Nomina Agentis zu Verben auf -ieren, dabei tritt auch eine Variante -ateur auf (Þdekorieren − Dekorateur).

m., as. u¯der. Aus wg. *u¯dara- n. ’Euter’, auch in ae. u¯der; daneben mit Ablaut (*eudara-) anord. ju´r, ju´gr, afr. uder, ja¯der, as. geder; doch ist die Beurteilung des Lautstands problematisch. Aus ig. *u¯d har-/-n- n. ’Euter’, auch in ai. u¯´dhar-, u¯´dhan-, gr. ou˜thar (-atos), l. u¯ber; umgebildet in russ. vy´mja, weitergebildet in lit. u¯dru´oti ’trächtig sein’. Der sonst durchgehende Vokal u¯ weicht im Griechischen und teilweise im Germanischen ab. Man erklärt dies durch einen alten Ablaut ¯eu/o¯u/u¯, doch hat diese Annahme nicht viel Wahrscheinlichkeit für sich. Insgesamt also: ein r/nStamm zu einer Wurzel ig. *u¯dh. Diese Wurzel kann ’schwellen’ bedeutet haben, doch ist diese Bedeutung wesentlich schlechter bezeugt (russ. u´dit′ ’anschwellen, reifen’). Ebenso nndl. uier, ne. udder, nschw. juver, nisl. ju´gur. – Hamp, E. P. Glotta 48 (1970), 141–145; EWNl 4 (2009), 443.

Euthanasie Sf ’Sterbehilfe’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt

aus gr. euthanası´a ’leichter, schöner Tod’, Abstrak-

evakuieren tum zu gr. eutha´natos ’glücklich sterbend’, zu gr. eu´(s) ’wohl, gut’ und gr. tha´natos m. ’Tod’.

264 Evidenz Sf ’Deutlichkeit, Gewissheit’ erw. fach. (18. Jh.,

Ebenso nndl. euthanasie, ne. euthanasia, nfrz. euthanasie, nschw. eutanasi, nnorw. eutanasi. – HWPh 2 (1972), 828f.; EWNl 1 (2003), 711; DF 5 (22004), 320–322.

vereinzelt 15. Jh.). Unter dem Einfluss von frz. ´evidence entlehnt aus l. ¯evidentia, einem Abstraktum zu l. ¯evide¯ns ’offenkundig’, zu l. vide¯re ’sehen, erkennen’ und l. ex-. Adjektiv: evident.

evakuieren Vsw ’aussiedeln’ erw. fach. (16. Jh.). Ent-

Ebenso nndl. evidentie, ne. evidence, nfrz. ´evidence, nschw. evi-

dens, nnorw. evidens. Zu der Sippe des zugrunde liegenden l. lehnt aus l. ¯evacua¯re ’räumen, leer machen’, zu l. vavide¯re ’sehen’ s. Þrevidieren. – HWPh 2 (1972), 829–834; cuus ’leer’ und l. ex-. Das Wort hat verschiedene AnEWNl 1 (2003), 715f.; DF 5 (22004), 347–350. wendungsbereiche gehabt − ’Personen aussiedeln’ Evolution Sf ’Entwicklung’ erw. fach. (17. Jh.). Unter erst seit dem 20. Jh. Abstraktum: Evakuierung, älter dem Einfluss von frz. ´evolution entlehnt aus l. ¯evolu¯tio Evakuation. ’das Aufrollen, Aufwickeln (einer Buchrolle)’, zu l. Ebenso nndl. evacueren, ne. evacuate, nfrz. ´evacuer, nschw. eva¯evolvere (e¯volu¯tum) ’auseinanderwickeln, entwikuera, nnorw. evakuere; ÞVakuum. – Weimann, K.-H. DWEB ckeln’, zu l. volvere ’drehen, rollen’ und l. ex-. Das 2 (1963), 390; EWNl 1 (2003), 712; DF 5 (22004), 324–328. Wort hat zu verschiedenen Zeiten verschiedene Beevaluieren Vsw ’bewerten, beurteilen’ per. fach. (20. Jh., deutungen, als Gegenbegriff zu ÞRevolution gewinnt Evaluation 18. Jh.). Entlehnt aus frz. ´evaluer, zu l. es insbesondere in der Rezeption der Darwinschen vale¯re ’wert sein, kräftig sein’. Abstraktum: Evaluation. Entwicklungstheorie an Gewicht. Ebenso nndl. evalueren, ne. evaluate, nfrz. ´evaluer, nschw. evalvera, norw. evaluere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. vale¯re ’stark sein, wert sein’ s. ÞValenz. – EWNl 1 (2003), 712; DF 5 (22004), 328–331.

Evangelium Sn ’Heilsbotschaft’ erw. fach. (9. Jh.), mhd.

Ebenso nndl. evolutie, ne. evolution, nfrz. ´evolution, nschw. evolution, nnorw. evolusjon. – Briegel, M.: Evolution (Diss. masch. Freiburg/Br. 1963); Bowler, P. J. JHI 36 (1975), 95–114; Jones, W. J. SN 51 (1979), 257; EWNl 1 (2003), 716; DF 5 (22004), 350–357.

¯ewange¯li, ¯evange¯li, ¯ewangelje, ahd. ¯evange¯lio, ¯ewange¯lio m. Im Althochdeutschen (ahd. ¯evange¯lio, ¯ewange¯- evozieren Vsw ’hervorrufen, bewirken’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. ¯evoca¯re, zu l. voca¯re ’rufen, lio m., mhd. ¯ewange¯li, ¯evange¯li, ¯ewangelje) entlehnt herbeirufen’ und l. ex-, mit l. vo¯x (vo¯cis) ’Stimme’ aus kirchen-l. euangelium, dieses aus gr. euagge´lion, verwandt. Abstraktum: Evokation; Adjektiv: evokativ. eigentlich ’gute Botschaft’, zu gr. eua´ggelos ’gute Ebenso nndl. evoceren, evoqueren, ne. evoke, nfrz. ´evoquer. Zur Kunde bringend’, zu gr. eu˜ ’gut’ und gr. a´ggelos m. Sippe des zugrunde liegenden l. voca¯re ’rufen’ s. Þprovozieren. – ’Bote, Gesandter’. Ein Evangeliar ist ein Buch, das die HWPh 2 (1972), 834f.; DF 5 (22004), 358–360. Evangelien enthält; evangelisch ist die Konfession, die sich (ursprünglich) ausschließlich auf das Evangeli- Ewer Sm ’Flussfahrzeug auf der unteren Elbe’ per. fach. ndd. (13. Jh., Standard 18. Jh.). Niederdeutsches Wort um stützt (das Wort bedeutet ursprünglich ’des Evan(mndl. ever) zu fläm. envare ’Ein-fahrer’. Benengeliums, dem Evangelium entsprechend’, ab 1521 die nungsmotiv unklar (’Schiff, auf dem nur ein Mann evangelische Lehre, dann speziell die Konfession, fährt’? Oder Klammerform aus Einbaum-Fahrer?). wobei der Wortsinn aber mitgedacht wird; AusspraKluge (1911), 229–231; Szymanski, H.: Der Ewer der Unterelbe che dafür zunächst [ew-]); ein Evangelist ist der Ver(Lübeck 1932). fasser eines Evangeliums. ´ ewig Adj std. (8. Jh.), mhd. ¯ewic, ahd. ¯ewı¯g, as. ¯ewı¯g. Wie Ebenso nndl. evangelie, ne. evangelist, nfrz. Evangile, nschw. evangelium, nnorw. evangelium, nisl. evangelı´um; ÞEngel. – afr. ¯ewich, ¯ewelik abgeleitet von g. *aiwi- ’Ewigkeit’ in Siegert (1950), 78–81; LM 4 (1989), 140, 127–130 (zu Evangeligt. aiws, anord. ¢vi, ahd. ¯ewa; dieses aus ig. *¡iwar), 135–138 (zu Evangelist); Götze, A. ZDW 13 (1911/12), 1–24 ’Lebenszeit, Ewigkeit’ in avest. a¯iiar ’(Lebens)Dau(zu evangelisch); EWNl 1 (2003), 713; DF 5 (22004), 333–343. er’, gr. aio¯´n ’Lebenszeit, lange Zeit, Ewigkeit’, l. aevum eventuell Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. ´eventuel, ’Lebenszeit, Ewigkeit’. Dies zur Verbalwurzel (ig.) aus ml. eventualis ’zufällig, möglich’ zu l. ¯eventus *(¡)jeu- ’lenken, verbinden’, die auch zu Wörtern für ’Ereignis, Zufall’, zu l. ¯evenire ’sich ereignen, heraus’fortlaufend, ununterbrochen’ und damit auch zu ’ewig’ führt. kommen’, zu l. venı¯re ’kommen’ und l. ex-. Abstraktum: Eventualität. Ebenso nndl. eeuwig; ÞEhe, Þje, ÞJoch, Þnie. – Benveniste, E. Ebenso nndl. eventueel, ne. eventual, nfrz. ´eventuel, nschw. eventuell, nnorw. eventuell. Zu der Sippe des zugrunde liegenden l. venı¯re ’kommen’ s. Þintervenieren. – EWNl 1 (2003), 715; DF 5 (22004), 343–346.

BSL 38 (1937), 103–112; Siegert (1950), 81; Seebold, E. (1981), 93–98; HWPh 2 (1972), 838–844; BlW 2 (1984), 109–114; Röhrich 1 (1991), 407f.; EWahd 2 (1998), 1175–1179; EWNl 1 (2003),

663f.

Evergreen Sm ’langlebiges Musikstück’ u.ä. erw. fremd. ex- Präfix ’aus ... heraus, weg, ehemalig’ std. (–). Wurde

(20. Jh.). Entlehnt aus ne. evergreen, eigentlich ’Immergrün’, einer Zusammensetzung aus ne. ever ’immer’ und ne. green ’grün’. Ebenso nndl. evergreen, ne. evergreen, nschw. evergreen, nnorw. evergreen. – Carstensen 1 (1993), 442–444; DF 5 (22004), 346f.

in durchsichtigen lateinischen Wörtern (z.T. vermittelt über andere Sprachen) ins Deutsche entlehnt; der Ursprung ist l. ex-. Daneben bestehen auch Entlehnungen aus dem Griechischen mit der griechischen Entsprechung (ÞEkstase), doch sind die in der Regel

exhumieren

265

Ebenso nndl. executie, ne. execution, nfrz. exe´cution, nschw. im Deutschen nicht analysierbar. In echt griechiexekution, nnorw. eksekusjon. Zur Sippe des zugrunde liegenschen und lateinischen Wörtern gibt es verschiedene den l. sequi ’folgen’ s. ÞKonsequenz. – DF 1 (1913), 185; Jones, Assimilationsformen an den folgenden Laut. Das W. J. SN 51 (1979), 257f.; EWNl 1 (2003), 718f.; DF 5 (22004), Präfix ist in neoklassischen Bildungen beschränkt 380–389. produktiv; geläufig ist aber nach französischem VorExekutive Sf per. fach. (18. Jh., exekutiv 17. Jh.). Zu exebild der Typ Exweltmeister = ’früherer Weltmeister’ kutieren (ÞExekution) in der ursprünglichen Bedeu(nach dem Vorbild von l. exco¯nsul ’ehemaliger Kontung ’ausführen’ (’ausführende Gewalt’). Adjektiv: sul’). exekutiv. Wortbildung 2 (1975), 201; Cottez (1980), 144; Hoppe, G.: Das Präfix ex- (Berlin 1999); EWNl 1 (2003), 716.

exakt Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. exa¯ctus, dem

Ebenso nndl. executieve, ne. executive, nfrz. exe´cutif, nschw. exekutiv, nnorw. eksekutiv. – DF 5 (22004), 389–391.

PPP. von l. exigere ’abwägen, untersuchen’, zu l. agere Exempel Sn erw. stil. (13. Jh.), mhd. exempel. Ist entlehnt aus l. exemplum, eigentlich ’das (als Muster) ’treiben, betreiben’ und l. ex-. Herausgegriffene’, zu l. eximere (exe¯mptum) Ebenso nndl. exact, ne. exact, nfrz. exact, nschw. exakt, nnorw. ’herausnehmen’, zu l. emere ’nehmen’ und l. ex-. Im eksakt. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. agere ’treiben, be16. Jh. dazu dann Exemplar, wozu weiter exemplarisch treiben’ s. Þagieren. – DF 1 (1913), 184; Brunt (1983), 291; HWPh 2 (1972), 848f.; EWNl 1 (2003), 716; DF 5 (22004), ’beispielhaft’. Verb: exemplifizieren. 360–364.

exaltiert AdjPP ’überspitzt, überreizt’ erw. fremd.

(18. Jh., exaltieren 16. Jh.). Partizip des nicht mehr gebräuchlichen Verbs sich exaltieren ’sich begeistern, erregen’, das unter dem Einfluss von frz. exalter entlehnt ist aus l. exalta¯re ’erhöhen’, einer Präfixableitung von l. altus ’hoch’ und l. ex-. Ebenso nndl. ge¡xalteerd, ne. exalted, nfrz. exalte´, nschw. exalterad, nnorw. eksaltert. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 390; DF 5 (22004), 364–368.

Examen Sn std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. exa¯men

’Prüfung’ (eigentlich: ’das Zünglein an der Waage’), einer Ableitung aus l. exigere (exa¯ctum) ’abwägen, untersuchen’, zu l. agere ’treiben, betreiben’ und l. ex-. Also eigentlich: ’das Austarieren, Abwägen’. Verb: examinieren; Nomen Agentis: Examinator. Ebenso nndl. examen, ne. examination, exam, nfrz. examen, nschw. examen, nnorw. eksamen. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. agere ’treiben, betreiben’ s. Þagieren. – DF 1 (1913), 184; LM 4 (1989), 150f.; EWNl 1 (2003), 717; DF 5 (22004), 368–377.

Exegese Sf ’Bibelauslegung, Schrifterklärung’ per. fach.

(19. Jh., vereinzelt 16. Jh.). Entlehnt aus gr. exe¯´ge¯sis ’Auseinandersetzung, Erklärung’, zu gr. exe¯geı˜sthai ’auslegen, ausführen, erklären’, zu gr. he¯geı˜sthai ’führen, vorangehen’. Täterbezeichnung: Exeget.

Ebenso nndl. exegese, ne. exegesis, nfrz. exe´ge`se, nschw. exeges, nnorw. eksegese. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þsuchen; ÞHegemonie. – Siegert (1950), 82–84; EWNl 1 (2003), 719; DF 5 (22004), 377–380.

Exekution Sf ’Hinrichtung’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt

aus l. ex(s)ecu¯tio (-o¯nis) ’Ausführung (einer Anordnung)’, einem Abstraktum zu l. exsequı¯ ’verfolgen, ausführen’, zu l. sequı¯ ’Folge leisten’ und l. ex-. Zunächst mit allgemeinerer Bedeutung (vgl. Exekutive ’ausführende Staatsgewalt’), im 17. Jh. verengt sich die Bedeutung dann auf die Ausführung einer bestimmten Anordnung, der Vollstreckung eines Todesurteils. Verb: exekutieren.

Ebenso nndl. exempel, ne. example, nfrz. exemple, nschw. exempel, nnorw. eksempel. Zu dem zugrunde liegenden l. emere ’nehmen’ und seinen Präfigierungen gehören Þprompt als PPP., ÞExempel als Instrumentalbildung und ÞPrämie als schon im Lateinischen nicht mehr durchschaubare Ableitung. Zu der formal nicht ganz durchsichtigen Präfigierung l. su¯mere ’nehmen’ gehört die Sippe von Þkonsumieren und über das Französische Þresümieren. – Schirmer (1912), 21f.; DF 1 (1913), 185f.; Kornhardt, H.: Exemplum (Diss. Göttingen 1935 und Borna/Leipzig 1936); LM 4 (1989), 161–165; EWNl 1 (2003), 719; DF 5 (22004), 391–401.

Exequien Spl ’Totenmesse, Begräbnisfeier’ per. fach.

(15. Jh.). Entlehnt aus l. ex(s)equiae f. Pl., einer Ableitung von l. ex(s)equı¯ ’nachfolgen, das Geleit geben’, zu l. sequı¯ ’folgen, begleiten’ und l. ex-. Ebenso ne. exequies, nfrz. obse`ques. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. sequi ’folgen’ s. ÞKonsequenz. – DF 5 (22004), 405f.

exerzieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. exerce¯re,

eigentlich ’nicht ruhen lassen, Bewegung verschaffen’, zu l. arce¯re ’in Ruhe halten’ und l. ex-. Ein in der Bedeutung spezialisiertes Abstraktum in Exerzitien. Ebenso nndl. exerceren, ne. exercise, nfrz. exercer, nschw. exercera, nnorw. eksersere. – EWNl 1 (2003), 719; DF 5 (22004), 406–413.

Exhibition Sf ’Zurschaustellung (im Deutschen spezi-

ell: der Geschlechtsteile)’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. exhibitio (-o¯nis), zu l. exhibe¯re ’vorzeigen, beibringen, herschaffen’, zu l. habe¯re ’haben, führen, tragen’ und l. ex-. Täterbezeichnung: Exhibitionist; als ’krankhafte Neigung’ Exhibitionismus. Ebenso nndl. exhibitionist, ne. exhibition, nfrz. exhibition, nschw. exhibitionist, nnorw. ekshibisjonist. Zur Sippe von l. habe¯re ’haben’ s. ÞProhibition. – EWNl 1 (2003), 719; DF 5 (22004), 413–419.

exhumieren Vsw ’eine Leiche ausgraben’ per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus ml. exhuma¯re, einer Präfixableitung zu l. humus ’Erde’ Ebenso ne. exhume, nfrz. exhumer, nnorw. ekshumere; ÞHumus, Þex-. – DF 5 (22004), 419–421.

Exil

266 Exil Sn ’Verbannung(sort)’ erw. fach. (seit 9. Jh.). Ent-

lehnt aus l. ex(s)ilium, zu l. ex(s)ul m./f. ’der, die Verbannte’. Ebenso ne. exile, nfrz. exil, nschw. exil, nnorw. eksil. – DF 5 (22004), 423–426.

existieren Vsw std. (18. Jh., Existenz 17. Jh.). Entlehnt

Exkrement Sn ’Kot’ erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus l.

excre¯mentum n., eigentlich ’Ausscheidung’, zu l. excernere, excre¯tum ’ausscheiden, aussondern’. Zu l. cernere ’scheiden’. Ebenso nndl. excrement, ne. excrement, nfrz. excre´ment, nschw. (Pl.) exkrementer, nnorw. ekskrement. Zu dessen Sippe s. ÞKonzern. – EWNl 1 (2003), 718; DF 5 (22004), 447–450.

aus l. ex(s)istere, eigentlich ’herauskommen, zum Vorschein kommen’, zu l. sistere ’stellen, einstellen’ Exkursion Sf ’Ausflug’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus und l. ex-. Abstraktum: Existenz, und dazu das Adjekl. excursio ’Ausflug, Ausfall, Abschweifung’, zu l. extiv existentiell (dann weiter: Existentialismus als phicurrere (excursum) ’herauslaufen, reisen’, zu l. currere losophische Richtung usw.). ’laufen, rennen’ und l. ex-. Aus dem parallelen AbEbenso nndl. existeren, ne. exist, nfrz. exister, nschw. existera, straktum l. excursus m. stammt Exkurs ’Abschweinnorw. eksistere. Zu l. sistere ’stellen’ gehören als Partizipien fung’. von Präfigierungen ÞAssistent, Þkonsistent und Þresistent; eine Mischbildung zu einem Nomen Agentis ist ÞTransistor. Das Verb gehört zu l. sta¯re ’stehen’, dessen Sippe unter ÞDistanz behandelt ist. – HWPh 2 (1972), 854–860; DF 5 (22004), 426–436.

Exitus Sm ’Tod’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus l. exi-

tus, eigentlich ’Herausgehen, Ausgang’, zu l. exı¯re (exitum) ’weggehen’, zu l. ¯ıre ’gehen’ und l. ex-. Ebenso ne. exit. Zu den Präfigierungen von l. ¯ıre ’gehen’ gehören als tu-Abstrakta Exitus, ÞKoitus und über das Italienische ÞTransit; zu einem PPP. gehört ÞPräteritum; zu einem PPräs. über das Italienische ÞAmbiente und zu einem Partizip des Futurs ÞAbitur, zu einer Adjektivbildung Þtransitiv. Eine Abstraktbildung ist Ambition; zu einem aus einem Abstraktum abgeleiteten Adjektiv gehört ÞInitialen; eine volkssprachliche Weiterbildung des Infinitivs (über französisch und englisch) in ÞTrance; die Femininform zu einem Wurzelnomen in ÞKomtess. – DF 5 (22004), 436.

Exklamation Sf ’Ausruf’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt

aus l. excla¯ma¯tio (-o¯nis), einer Ableitung von l. excla¯ma¯re ’laut schreien’, zu l. cla¯ma¯re ’rufen’ und l. ex-. Ebenso nndl. exclamatie, ne. exclamation, nfrz. exclamation, nschw. exklamation. Zur Sippe von l. cla¯ma¯re ’rufen’ s. Þdeklamieren; zur dazugehörigen Wurzel s. Þklar.

Exklave Sf ’Gebiet innerhalb eines fremden Staatsge-

biets’ per. fach. (19. Jh.). Parallel zu ÞEnklave gebildet. Ebenso ne. exclave. – DF 5 (22004), 437f.

exklusiv Adj ’außergewöhnlich, ausschließlich’ std.

(18. Jh.). Entlehnt aus ne. exclusive, eigentlich ’absondernd, abgesondert’, dieses aus l. exclu¯sı¯vus ’abgesondert’, einer Adjektivbildung zu l. exclu¯dere (exclu¯sum) ’absondern’, zu l. claudere ’schließen, sperren’ und l. ex-. Abstraktum: Exklusivität. Ebenso nndl. exclusief, ne. exclusive, nfrz. exclusif, nschw. exklusiv, nnorw. eksklusiv. Zur Sippe von l. claudere ’schließen’ s. ÞKlausur. – Schmidt (1996), 72; EWNl 1 (2003), 718; DF 5 (22004), 438–444.

exkommunizieren Vsw ’aus der Gemeinschaft der

Ebenso nndl. excursie, ne. excursion, nfrz. excursion, nschw. exkursion, nnorw. ekskursjon. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. currere ’laufen’ s. Þkonkurrieren. – EWNl 1 (2003), 718; DF 5 (22004), 452–454.

Exlibris Sn ’in Bücher geklebter Zettel mit Namen des

Besitzers’ per. fach. (19. Jh.). Hypostasierung von l. exlibris ’aus den Büchern’, zu l. liber m. ’Buch’ und l. ex. Ebenso nndl. ex-libris, ne. ex libris, nfrz. ex-libris, nschw. exlibris, nnorw. ekslibris; ÞLibretto. – LM 4 (1989), 171; DF 5 (22004), 454.

exmatrikulieren Vsw ÞMatrikel. Exodus Sm ’Auszug (einer gesamten Gruppe)’ per.

fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus l. exodus f., dieses aus gr. ´exodos f. ’Auszug, Abzug, Weggang’, zu gr. hodo´s f. ’Weg, Marsch’ und gr. ex-. Ursprünglich wurde der Auszug des Volkes Israel aus Ägypten so bezeichnet (vgl. auch das so benannte 2. Buch Mose). Ebenso nndl. exodus, ne. exodus, nfrz. exode, nschw. exodus, nnorw. eksodus. Zur Sippe von gr. hodo´s ’Weg’ s. ÞMethode. – LM 4 (1989), 172; EWNl 1 (2003), 720; DF 5 (22004), 454–456.

exorbitant Adj ’gewaltig, enorm’ erw. fremd. (18. Jh.).

Entlehnt aus l. exorbita¯ns (-antis), dem PPräs. von l. exorbita¯re ’abweichen, zur Seite springen’, zu l. orbita ’Bahn, Wagengeleise’, zu l. orbis ’Rundung, Gleis’ und l. ex-. Ebenso nndl. exorbitant, ne. exorbitant, nfrz. exorbitant. – EWNl 1 (2003), 720; DF 5 (22004), 456–458.

Exorzismus Sm ’Teufelsaustreibung’ per. fach. (20. Jh.).

Entlehnt aus l. exorcismus ’Beschwörung’, dieses aus gr. exorkismo´s, zu gr. exorkı´zein ’durch Beschwörung austreiben’, zu gr. ho´rkos ’Eid, Schwur’ und gr. ex’aus, hinaus’. Nomen Agentis: Exorzist. Ebenso nndl. exorcisme, ne. exorcism, nfrz. exorcisme, nschw. exorcism, nnorw. eksorsismus. – Siegert (1950), 84; LM 4 (1989), 172–174; DF 5 (22004), 458–462.

Gläubigen ausschließen’ per. fach. (15. Jh.). Entlehnt exotisch Adj std. (18. Jh., vereinzelt 17. Jh.). Entlehnt aus l. exo¯ticus, aus gr. exo¯tiko´s, zu gr. ´exo¯ ’außerhalb’, aus kirchen-l. excommu¯nica¯re, Präfixableitung aus l. einer Weiterbildung von gr. ex- ’aus, hinaus’. Abcommu¯nio ’Gemeinschaft’ (ÞKommunion) und l. ex-. straktum: Exotik; moderne Rückbildung als eine Art Abstraktum: Exkommunikation. Täterbezeichnung: Exot. Ebenso nndl. excommuniceren, ne. excommunicate, nfrz. excommunier, nschw. exkommunicera, nnorw. ekskommunisere. – EWNl 1 (2003), 718; DF 5 (22004), 444–447.

Ebenso nndl. exotisch, ne. exotic, nfrz. exotique, nschw. exotisk, nnorw. eksotisk. – EWNl 1 (2003), 720; DF 5 (22004), 463–468.

267 Expansion Sf ’Ausweitung, Vergrößerung’ erw. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. expansion, dieses aus l. expa¯nsio (-o¯nis), einem Abstraktum zu l. expandere ’ausdehnen’, einem Intensivum zu l. pandere (pa¯nsum) ’ausbreiten’ und l. ex-; (unregelmäßiges) Kausativum zu l. pate¯re ’offenstehen, klaffen’. Zunächst in die Fachsprache der Physik entlehnt, dann allgemeinerer Gebrauch. Verb: expandieren; Adjektiv: expansiv. Ebenso nndl. expansie, ne. expansion, nfrz. expansion, nschw. expansion, nnorw. ekpansjon. Zu der verwandten Sippe von l. pate¯re ’offenstehen’ s. ÞPatent und Þpassieren. – EWNl 1 (2003), 720; DF 5 (22004), 472–478.

Expedition Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. expedı¯tio

(-o¯nis) ’Erledigung, Abfertigung, Feldzug’, einem Abstraktum zu l. expedı¯re ’erledigen, losmachen, eigentlich den Fuß aus Fesseln befreien’, einer Präfixableitung zu l. pe¯s (pedis) m. ’Fuß’. Zunächst entlehnt in der Bedeutung ’Feldzug’, dann Erweiterung zu ’Reise, um wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen’. Die Entlehnung des Verbs expedieren bleibt bei der allgemeinen Bedeutung ’abfertigen, erledigen’. Ebenso nndl. expeditie, ne. expedition, nfrz. expe´dition, nschw. expedition, nnorw. ekspedisjon. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. pe¯s ’Fuß’ s. ÞPedal. – EWNl 1 (2003), 721; DF 5 (22004), 484–489.

Experiment Sn std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. experı¯men-

Expressionismus plosion ’das Zerbersten’ ausgerichtet wurde. Das zugrunde liegende l. explo¯dere, (älter:) l. explaudere bedeutet eigentlich ’ausklatschen, unter Lärm hinaustreiben’ (und ist in dieser Bedeutung früher auch ins Deutsche entlehnt), zu l. plaudere (plausum) ’klatschen, schlagen’ und l. ex-. Die Bedeutungsübertragung offenbar nach dem Geräuscheindruck, dann terminologisch festgelegt. Abstraktum: Explosion; Adjektiv: explosiv. Ebenso nndl. exploderen, ne. explode, nfrz. exploser, nschw. explodera, nnorw. eksplodere; Þapplaudieren, Þplausibel. – EWNl 1 (2003), 721; DF 5 (22004), 511–518.

exponiert AdjPP ’herausgehoben’ erw. fremd. (14. Jh.).

Partizip zu exponieren, das aus l. exponere ’herausstellen, ausstellen’ entlehnt ist. Dieses aus l. ponere (positum) ’legen, stellen’ und Þex-. Fachsprachlich ist Exponent ’Hochzahl’ (sonst auch ’herausragender Vertreter einer Richtung’); nur wenig ins Deutsche integriert sind Exponat ’Ausstellungsstück’ (nach dem Russischen) und Exposition ’Darlegung, Ausstellung’. Ebenso ne. exposed, nfrz. exposer, nschw. exponerad, nnorw. exponere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. ponere ’legen, stellen’ s. Þkomponieren. – DF 5 (22004), 521–526.

Export Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. export, einer

Ableitung von ne. export ’ausführen’, aus l. exporta¯re, zu l. porta¯re ’tragen’ und l. ex-. Verb: exportieren; Nomen Agentis: Exporteur.

tum, einer Ableitung von l. experı¯rı¯ (expertus) Zu der Sippe des zugrunde liegenden l. porta¯re ’tragen’ s. ’versuchen’. Im 16. Jh. medizinischer Terminus Þtransportieren. – Ganz (1957), 69f.; Rey-Debove/Gagnon (’erprobte Arznei’); dann Ausdruck der Philosophie (1988), 282f.; EWNl 1 (2003), 722; DF 5 (22004), 527–531. für eine Art der Erfahrung; im 17. Jh. Terminus der Expose´ Sn ’Übersicht, Plan, Entwurf, Bericht’ per. fach. Wissenschaftstheorie unter dem Einfluss von Bacon. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. expose´ m., einer SubstanVerb: experimentieren; Adjektiv: experimentell. tivierung des PPrät. von frz. exposer ’darlegen, ausEbenso nndl. experiment, ne. experiment, nfrz. (Adj.) expe´rilegen’, dieses aus l. expo¯nere (expositum), zu l. po¯nere mental, nschw. experiment, nnorw. eksperiment; ÞExperte.Zur ’legen, setzen, stellen’ und Þex-. germanischen Verwandtschaft s. ÞGefahr. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 390; Kranzhoff, J. A.: Experiment (Diss. Bonn 1965); HWPh 2 (1972), 868–870; LM 4 (1989), 184f.; EWNl 1 (2003), 721; DF 5 (22004), 489.

Ebenso nndl. expose´, ne. expose´, nfrz. expose´, nschw. expose´, nnorw. ekspose´. Zur Sippe von l. po¯nere ’legen, stellen’ s. Þkomponieren. – EWNl 1 (2003), 722; DF 5 (22004), 531f.

Experte Sm ’Fachmann’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt

express Adj ’ausdrücklich; eilig’ std. stil. (13. Jh.). Ent-

aus frz. expert ’Sachkundiger’, dieses aus l. expertus, dem PPP. von l. experı¯rı¯ ’versuchen’ (ÞExperiment). Hierzu Expertise ’Gutachten’. Ebenso nndl. expert, ne. expert, nfrz. expert, nschw. expert, nnorw. ekspert. – HWPh 2 (1972), 875f.; Carstensen 1 (1993), 445f.; EWNl 1 (2003), 721; DF 5 (22004), 503–506.

explizit Adj ’eindeutig, ausführlich’ erw. fach. (20. Jh.,

explizieren 16. Jh.). Entlehnt aus l. explicitus, dem PPP. von l. explica¯re ’ausbreiten, erklären’, zu l. plica¯re ’flechten’ und Þex-. Verb: explizieren; Abstraktum: Explikation.

lehnt aus l. expressus ’ausdrücklich, deutlich’, dem adjektivischen PPP. von l. exprimere ’herausdrücken, auspressen, deutlich aussprechen, erpressen’, zu l. premere ’drücken’ und l. ex-. Die Bedeutungsentwicklung zu ’eilig’ ergibt sich daraus, dass vor allem ’spezielle Boten’ zugleich ’Eilboten’ sind. Die ältere Bedeutung noch in expressiv und dem Abstraktum Expressivität, s. auch ÞExpressionismus. Ebenso nndl. expres, ne. express, nfrz. expre`s, nschw. express, nnorw. ekspress. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. premere ’drücken’ s. ÞDepression. – EWNl 1 (2003), 722; DF 5 (22004), 536–540.

Ebenso nndl. expliciet, ne. explicit, nfrz. explicite, nschw. eksplicit, nschw. explicit, nnorw. eksplisitt. Zur Sippe des zugrunde Expressionismus Sm (Kunstrichtung) erw. fach. (20. Jh.). Im Französischen zu frz. expression liegenden l. plica¯re ’flechten’ s. Þkompliziert. – HWPh 2 (1972), 876f.; DF 5 (22004), 506–511. ’Ausdruck’ als expressionisme gebildet und dann ins

explodieren Vsw std. (16. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. explode, dessen Bedeutung nach ne. ex-

Deutsche übernommen. Vor allem das Adjektiv expressionistisch wird in einem weiteren Sinn ge-

exquisit

268

braucht. S. Þexpress und für die ganze Sippe ÞDepression.

Ebenso nndl. extract, ne. extract, nfrz. extrait, nschw. extrakt, nnorw. ekstrakt. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. trahere ’ziehen’ s. Þabstrakt. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 391; EWNl 1 (2003), 723f.; DF 5 (22004), 566–572.

Ebenso nndl. expressionisme, ne. expressionism, nfrz. expressionisme, nschw. expressionism, nnorw. ekspresjonisme. – Kreuzer, H. MoH 56 (1964), 336f.; DF 5 (22004), 542–544. extravagant Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. extra-

exquisit Adj ’erlesen, von besonderer Qualität’ erw.

fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus l. exquı¯sı¯tus, dem PPP. von l. exquı¯rere, (älter:) l. exquaerere ’aussuchen’, zu l. quaerere ’suchen, fragen’ und l. ex-. Ebenso nndl. exquis, ne. exquisite, nfrz. exquis. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. quaerere ’suchen’ s. Þrequirieren. – DF 5 (22004), 544f.

extemporieren Vsw ’aus dem Stegreif reden’ per. fach.

(17. Jh.). Hypostasierung aus l. ex tempore ’aus dem Stegreif’ bzw. zu l. (o¯ra¯tio, a¯ctio) extempora¯lis f. ’unvorbereitete Rede’, l. extempora¯lis ’unvorbereitet, aus dem Stegreif’, eigentlich ’ohne (Vorbereitungs-) Zeit’, zu l. tempus ’Zeit’ und l. ex-. Ebenso ne. extemporize, nschw. extemporera, nnorw. ekstemporere. Zur Sippe von l. tempus ’Zeit’ s. ÞTempo. – DF 5 (22004), 545–548.

Extension Sf ’Ausdehnung, Erstreckung’ per. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. exte¯nsio (-o¯nis), zu l. extendere ’ausdehnen, ausbreiten’, zu l. tendere ’spannen, ausdehnen, ausstrecken’ und l. ex-. Adjektiv: extensiv. Ebenso ne. extension, nfrz. extension, nschw. (Adj.) extensiv, nnorw. (Adj.) ekstensiv. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. tene¯re ’halten’ s. ÞTendenz und ÞTenor 1. – HWPh 2 (1972), 878; EWNl 1 (2003), 723; DF 5 (22004), 548–552.

extern Adj ’außerhalb, äußerlich’ erw. fremd. (18. Jh.).

Entlehnt aus l. externus, einer Nebenform von l. exterus, exter, zu l. ex ’aus, heraus’ und l. ex-. Ebenso nndl. extern, ne. external, nfrz. externe, nschw. extern, nnorw. ekstern; Þextra, Þextrem. – EWNl 1 (2003), 723; DF 5 (22004), 557–561.

extra Adv std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. extra¯ (ordinem)

’außerhalb (der Reihe)’, aus einem früheren Lokativ l. extera¯ (parte) ’im äußeren Teil’ von l. exterus, exter ’außen’, zu l. ex- ’aus, heraus’ (Þex-, Þextrem, Þextern). Ebenso nndl. extra, ne. extra, nfrz. extra, nschw. extra, nnorw. ekstra. – Carstensen 1 (1993), 448; EWNl 1 (2003), 723; DF 5 (22004), 562–566.

extra- Präfix ’besonders, außergewöhnlich’ (z.B. Ex-

trablatt, extrastark) std. (–). Wurde in lateinischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen; das lateinische Präfix extra- basiert auf der formgleichen lateinischen Präposition mit der Bedeutung ’außen, außerhalb’.

vagant, dieses aus ml. extravagans, zu l. extra¯ ’außerhalb’ und l. vaga¯rı¯ ’umherschweifen, umherziehen’, zu l. vagus ’umherschweifend, unstet’. Abstraktum: Extravaganz. Ebenso nndl. extravagant, ne. extravagant, nfrz. extravagant, nschw. extravagant, nnorw. ekstravagant; ÞVagabund, Þvage. – Jones, W. J. SN 51 (1979), 258; LM 4 (1989), 187f.; EWNl 1 (2003), 724; DF 5 (22004), 577–580.

extravertiert Adj ’offen, nach außen gewandt’ erw.

fach. (20. Jh.). Neubildung von C. G. Jung zu l. extra¯ ’außen, außerhalb’ und l. vertere ’wenden, kehren, drehen’ nach dem Vorbild von Þintrovertiert. Deshalb auch die Form Þextrovertiert. Ebenso nndl. extravert, ne. extrovert, nfrz. extraverti, nschw. extrovert, nnorw. ekstrovert(ert). Zur Sippe von l. vertere ’wenden’ s. Þkonvertieren. – EWNl 1 (2003), 724.

extrem Adj std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. extre¯mus, dem

Superlativ von l. externus ’außen’, zu l. ex ’aus, heraus’. Spezielle Anwendungen: Extremitäten, fachsprachlich für ’Gliedmaßen’, Extremist für Vertreter radikaler Haltungen in Politik und Wissenschaft (usw.). Ebenso nndl. extreem, ne. extreme, nfrz. extreˆme, nschw. extrem, nnorw. ekstrem; Þex-, Þextern, Þextra. – DF 1 (1913), 196; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 391; Strauss u.a. (1989), 142–146; EWNl 1 (2003), 724; DF 5 (22004), 580–583.

extrovertiert Adj Þextravertiert. exzellent Adj std. (15. Jh.). Entlehnt aus frz. excellent,

dieses aus l. excelle¯ns, dem PPräs. von l. excellere ’herausragen’, das mit l. culmen ’Gipfel’ verwandt ist. Als Anredeformel für Staatsmänner und Fürsten: Exzellenz. Ebenso nndl. excellent, ne. excellent, nschw. excellent. – Jones, W. J. SN 51 (1979), 257; EWNl 1 (2003), 717; DF 5 (22004), 589–593.

exzentrisch Adj ’ungewöhnlich, abweichend’ erw. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus ml. eccentrus, dieses aus gr. ´ekkentros ’aus dem Mittelpunkt gerückt’, zunächst für Umlaufbahnen von Gestirnen, bei denen die Erde nicht im Mittelpunkt steht. Täterbezeichnung: Exzentriker. Ebenso nndl. excentriek, ne. eccentric, nfrz. excentrique, nschw. excentrisk, nnorw. eksentrisk; ÞZentrum, Þex-. – EWNl 1 (2003), 717; DF 5 (22004), 593–598.

Wortbildung 2 (1975), 203f., 3 (1978), 221; Carstensen 1 (1993), exzeptionell Adj ’außergewöhnlich’ per. fremd. 448. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. exceptionnel zu frz. excep-

Extrakt Sm erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. extractum

n., dem substantivierten PPP. von l. extrahere ’herausziehen’, zu l. trahere ’ziehen’ und l. ex-. Verb: extrahieren; Abstraktum: Extraktion.

tion ’Ausnahme’. Dieses aus l. exceptio, zu l. excipere ’herausnehmen’. Ebenso nndl. exceptioneel, ne. exceptional, nfrz. exceptionnel, nschw. exceptionell, nnorw. eksepsjonell. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. capere s. Þkapieren. – DF 5 (22004), 598–600.

Ezzes

269 exzerpieren Vsw ’Auszüge machen’ erw. fach. (17. Jh.).

Exzess Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. excessus, dem tu-

Entlehnt aus l. excerpere (excerptum), zu l. carpere ’pflücken, aussuchen, auswählen’ und l. ex-. Abstraktum: Exzerpt.

Abstraktum von l. exce¯dere ’herausgehen’, zu l. ce¯dere ’gehen, weichen’ und l. ex-. Adjektiv: exzessiv.

Ebenso nndl. excerperen, ne. excerpt, nschw. excerpera, nnorw. ekserpere. – EWNl 1 (2003), 717; DF 5 (22004), 600–602.

Ebenso nndl. exces, ne. excess, nfrz. exce`s, nschw. excess, nnorw. eksess. Zur Sippe von l. ce¯dere s. ÞAbszess. – EWNl 1 (2003), 717f.; DF 5 (22004), 602–606.

Ezzes Spl ’Ratschläge’ per. oobd. (19. Jh.). Aus rotw. eize

’Rat’, wjidd. eize aus hebr. ¯esa¯(h) f. ’Rat’. ˙

F Fabel Sf ’lehrhafte Erzählung, Handlungskern’ erw.

Ebenso nndl. facet, ne. facet, nfrz. facette, nschw. fasett, nnorw.

fasett. – EWNl 2 (2005), 49; DF 5 (22004), 630–634. fach. (13. Jh.), mhd. fabel[e]. Ist über afrz. fable entlehnt aus l. fa¯bula ’Erzählung, Sage, Rede’, einer Ab- -fach Suffix (zur Bildung von Multiplikativ-Zahlwörleitung von l. fa¯rı¯ ’sprechen’. In diesem Sinn gibt das tern) std. (–), mhd. -vach. Zu ÞFach, das im Mittellateinische Substantiv gr. my˜thos m. wieder hochdeutschen auch die Bedeutung ’Falte’ haben (ÞMythos). Die Bedeutung ’lehrhafte Tiergeschichte’ kann. Vielleicht ist das Suffix deshalb unmittelbar an geht auf eine Übernahme des 18. Jhs. aus dem Franmhd. manecvalt ’mannigfaltig’ anzuschließen, es zösischen zurück (Rückgriff auf die Fabeln Äsops). kann sich aber auch um eine unabhängige Bildung Verbum: fabulieren, auch fabeln; Adjektive fabulös handeln. (semantisch nahe beim Grundwort), fabelhaft (stärFach Sn std. (8. Jh.), mhd. vach, ahd. fah, as. (juk)fac. ker übertragen). Aus wg. *faka- n. ’Fach, Teil, Abteilung’, auch in ae. Ebenso nndl. fabel, ne. fable, nfrz. fable, nschw. fabel, nnorw. f¢c, afr. fek. Diese Wörter erscheinen in einer großen fabel. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. fa¯rı¯ ’sprechen’ s. Zahl von technischen Bedeutungen, die sie mit entÞfamos. – Kohlschmidt, W. (Hrsg.): Reallexikon der deutsprechenden Wörtern außerhalb des Germanischen schen Literaturgeschichte. Bd. I2 (Berlin 1958), 433–441; Grubverknüpfen. Anzusetzen ist ig. (eur.) *pa¯g-, schwundmüller, K.: Meister Esopus (Zürich 1977); Cottez (1980), 147; stufig *p¡g- in l. pangere ’befestigen’, l. compa¯ge¯s f. Freytag, W. MlJ 20 (1985), 66–102, 21 (1986), 3–33; LM 4 (1989), 201–208; RGA 8 (1994), 77–86; EWNl 2 (2005), 47; DF 5 ’Fuge’, l. impa¯ges f. ’Leiste’, l. pa¯gus m. ’Distrikt, Gau (22004), 607–618. usw.’, gr. pe¯´gnymi ’ich befestige, füge zusammen’. Gr. pe˜gma ’Gerüst’, gr. nau-pe¯g-o´s m. ’Schiffsbaumeister Fabrik Sf std. (17. Jh., vereinzelt 14. Jh.). Entlehnt aus usw.’, russ. paz m. ’Fuge, Nute’; die Ausgangsbedeufrz. fabrique ’Herstellungsgebäude, Herstellung’, dietung ist also ’festmachen, befestigen’ (zumal das Wort ses aus l. (officina) fabrica ’Werkstatt’ (neben l. fabrica im Griechischen auch ’gefrieren’ heißt). Eine Vari’Herstellung, Herstellungsart’) zu l. faber m. ante mit ig. *-k s. unter Þfangen. Seit dem 19. Jh. wer’Handwerker’. Die Entlehnung bedeutet zunächst vor den unter den Fächern die Teildisziplinen an der Uniallem ’Fabrikation’, wird dann aber auf das Gebäude versität usw. verstanden, womit einerseits die Spezieingeschränkt und ersetzt das aus dem Englischen alisierung (vgl. Fachwort, Fachsprache), andererseits gekommene ÞManufaktur. Nomen Agentis: die genaue Kenntnis (Fachmann) angesprochen ist. Fabrikant; Verb: fabrizieren; Abstraktum: Fabrikation; Verb: fächern ’in Fächer einteilen’. Nomen Acti: Fabrikat. Ebenso nndl. fabriek, ne. fabric, nfrz. fabrique, nschw. fabrik, nnorw. fabrikk. – Rehmann, A.: Die Geschichte der technischen Begriffe ’fabrica’ und ’machina’ in den romanischen Sprachen (Diss. Münster, Bochum 1935); Schirmer (1911), 58; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 391; GB 2 (1975), 229–252; Brunt (1983), 293f.; Ruppert, W.: Die Fabrik München11983 =21993; EWNl 2 (2005), 47f.; DF 5 (22004), 620–629.

fabulieren Vsw ’phantasievoll erzählen’ erw. fremd.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. fa¯bula¯rı¯ ’sprechen, schwatzen, plaudern’, zu l. fa¯bula ’Rede, Sage, Gerede’. Ebenso nschw. fabulera, nisl. fabulera; ÞFabel. Zur zugrunde liegenden Sippe s. Þfamos.

Facette Sf ’Schleiffläche an Edelsteinen’ per. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. facette, einem Diminutivum zu frz. face ’Seite, Vorderseite, Außenfläche’, dieses aus l. facie¯s ’Gesicht, Vorderseite’, letztlich zu l. facere ’machen, fertigen, hervorbringen’. Zu dessen Sippe s. Þinfizieren.

Die Entlehnungen aus der lateinischen Sippe s. unter Þkompakt. S. auch Þfair, Þfügen. – Schröder, E.: Deutsche Namenkunde (Göttingen 1938), 271–285; 21944, 326 ff.; Foerste, W. NW 5 (1965), 86–95; EWNl 4 (2009), 461.

fächeln Vsw std. (16. Jh.). Zu fnhd. fechel ’Fächer’. Þfachen, ÞFächer.

fachen (meist anfachen, entfachen) Vsw std. stil. (15. Jh.),

fnhd. fochen. Entlehnt aus ml. focare ’entfachen’ (zu l. focus ’Feuerstelle’). Þfächeln, ÞFächer, ÞFokus, ÞFoyer.

Fächer Sm std. (15. Jh., Bedeutung 17. Jh.). Bei der Ein-

führung des Luftfächers aus Frankreich wird er bezeichnet mit dem Namen des bereits vorhandenen focher, fechel usw. ’Feuerwedel, Blasebalg’ (zum Feuermachen in der Küche). Dieses zu Þfachen, das aus ml. focare entlehnt ist. Þfachen, Þfächeln, ÞFokus, ÞFoyer. – LM 4 (1989), 216f.

Fähe

271 fachsimpeln Vsw ’(zur Unzeit) Fachgespräche füh-

ren’ std. stil. (19. Jh.). Studentensprachlich zusammengebildet aus ÞFach ’Spezialgebiet’ und Simpel ’Einfaltspinsel’ bzw. Þsimpel Adj. ’einfältig’. Ursprünglich eine despektierliche Bezeichnung für das Verhalten der (jungen) Studenten, die zur Unzeit mit ihrem neu erworbenen Wissen prahlen wollten; dann verallgemeinert. In der Neuzeit verschärft durch den Ausdruck Fachidiot. Fachwerk Sn ’an der Außenseite des Hauses sichtbare

Balkenstruktur’ erw. fach. (17. Jh.). Die durch die tragenden Balken gebildeten Zwischenräume werden technisch als Fächer bezeichnet; dazu das Kollektivum mit -werk. LM 4 (1989), 221–225 (zu Fachwerkbau).

Fackel Sf std. (8. Jh.), mhd. vackel, ahd. fack(a)la, fa-

ckila, fackula, as. fakla. Entlehnt aus l. facula, Weiterbildung zu l. fax (facis) ’Fackel’. Ebenso nndl. fakkel, nschw. fackla, nnorw. fakkel. – EWahd 3 (2007), 18–20; EWNl 2 (2005), 54.

fackeln Vsw std. stil. phras. (14. Jh., Bedeutung 18. Jh.),

spmhd. vackelen. Ursprünglich ’unruhig brennen wie eine Fackel’, dann übertragen auf das ’Hin- und Herbewegen, ohne das Ziel anzugehen’ (nicht lange fackeln). Eine andere Herkunftsmöglichkeit s. unter ÞFaxen. Ein Partikelverb führt zu dem technischen Ausdruck abfackeln ’überschüssige Gase abbrennen’. Röhrich 1 (1991), 409.

fade (oobd. fad) Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. fade

(dass., älter auch: ’schwächlich, albern’), dieses aus früh-rom. *fatidus, das wohl aus einer Vermengung von l. fatuus ’albern’ mit l. vapidus ’verdorben’ (zu l. vappa ’umgeschlagener Wein’) oder allenfalls durch Übernahme des Suffixes von l. sapidus ’schmeckend’ entstanden ist. Ebenso ne. (Vb.) fade, nfrz. fade, nschw. fadd, nnorw. fad. – DF 5 (22004), 634–637.

Faden Sm std. (8. Jh.), mhd. vaden, vadem, ahd. fadum,

tung ’Klafter’ zeigt, der britannische (kymr. edau, edef, edaf, edyf ) die Bedeutung ’Faden’. Die Bedeutung ’Faden’ findet sonst keinen Anschluss, so dass in der Regel angesetzt wird, dass sie aus ’Klafter’ entstanden ist. Eine solche Bedeutungsentwicklung ist aber kaum nachvollziehbar und deshalb wohl nicht richtig. Auf eine andere Möglichkeit weist das formal nahestehende gr. pe´tasma (n), das verschiedene ausrollbare Objekte bezeichnet (bezeugt sind Teppich, Tentakeln von Polypen, ferner Decke und Schleier). Dieser Bereich lässt sich einerseits mit ’Faden’ (als etwas Ausrollbares) und andererseits mit der Grundbedeutung der Sippe (’ausbreiten’) verknüpfen und zeigt so die Möglichkeit, dass ’Faden’ eine selbständige Weiterentwicklung aus der entsprechenden Wurzel ist. Es liegen also wohl zwei Bildungen aus derselben Grundlage und nach dem gleichen Bildungsmuster vor, vermutlich zu verschiedenen Zeiten. Es ist nicht unmöglich, dass der germanische, der keltische und der griechische Ansatz auf die gleiche Formation zurückgehen. Dies wäre dann eine mn-Bildung zu der Wurzel mit unklarer Wurzelstufe, wobei im Griechischen eine auch sonst bezeugte sErweiterung der Wurzel eingewirkt hätte. Nachträglich haben sich ’Klafter’ und ’Faden’ enger semantisch berührt, als auch mit Fäden gemessen wurde, wobei die Maßeinheit das Klafter sein konnte. − Der rote Faden ist durch Goethe eingeführt und erklärt worden (Wahlverwandtschaften II, 2): Bei der englischen Marine geht durch alle Taue ein roter Faden, den man nicht herauslösen kann, und der sie als der Krone gehörig ausweist. Partikelableitungen: ein-, auffädeln (Lautform entweder aus *fadmen oder zu einem Diminutivum Fädel). Ebenso nndl. vadem, vaam, ne. fathom, nschw. famn, nisl. Ñ ur. Zur Sippe der lateinischen Entsprechung s. ÞPatent. – fadm Eichhoff (1968), 90; Röhrich 1 (1991), 409–411; SousaCosta (1993), 162–164; EWahd 3 (2007), 1–4; Hamp, E. NOWELE 54/55 (2008) 349–352.

fadenscheinig Adj std. (16. Jh., Form 18. Jh.). WeiterÑ os ’Klafter’. Aus g. *faþmafadam, neben as. Pl. fadm bildung zu dem schon früher bezeugten Adjektiv faÑ r m. 1) ’Umarmung’, 2) ’Klafter’), in anord. fadm denschein ’was die Fäden durchscheinen lässt’, einem Ñ ’Umarmung, ’Klafter, Arme, Umarmung’, ae. f¢dm Kompositum aus ÞFaden und dem Adjektiv mhd. Klafter’, afr. fethem ’Klafter’ und dem as. Wort; und schı¯n ’scheinend’ (zu Þscheinen). Die Ableitung dem gleichen Ansatz mit der Bedeutung 3) ’Faden’, kommt im 17. Jh. auch mit Suffix Þ-isch vor und wird die nur deutsch ist. Unter ’Klafter’ ist ein Längenmaß zuerst wie das zugrunde liegende Adjektiv nur vom zu verstehen, das unterschiedlich beschrieben wird; abgenutzten Gewebe, dessen Fäden durchscheinen, es scheint aber die Bedeutung ’von Fingerspitze zu und erst seit dem 19. Jh. auch in übertragener BedeuFingerspitze bei ausgebreiteten Armen’ zugrunde zu tung (’leicht durchschaubar’) gebraucht. liegen. Mit diesem Maß werden vor allem Höhen und Fagott Sn ’ein Holzblasinstrument’ erw. fach. (17. Jh.). Tiefen sowie Umfänge gemessen. Die Bedeutung Entlehnt aus it. fagotto m. unklarer Herkunft. ’Umarmung’ oder ’ausgebreitete Arme’ (und somit Ebenso nndl. fagot, nschw. fagott, nisl. fagott. – EWNl 2 (2005), ’Klafter’) lässt sich an die ig. Sippe *pet¡- ’ausge51f.; DF 5 (22004), 637–639. breitet sein, offen stehen’ (etwa in l. pate¯re) anschließen. Dem Nebeneinander der Bedeutungen ’Klafter’ Fähe Sf ’Füchsin’ erw. fach. (8. Jh.), mhd. vohe, ahd. und ’Faden’ entspricht eine keltische Sippe, von der foha. Aus g. *fuho¯n f. ’Füchsin’ (auch ’Weibchen von der gälische Zweig (schott.-gäl. aitheamh) die Bedeuvierfüßigen Raubtieren in der Größe von Hunden’),

fähig

272

auch in gt. fauho, anord. fo´a. Femininbildung zu der Fähnlein Sn erw. fach. (16. Jh.). Zunächst ’kleine Fahgleichen Grundlage wie bei ÞFuchs 1. Der Umlaut aus ne’, dann ’Kriegszeichen’ und ’Trupp von Landseiner Entrundung von föhe, das wohl von einem knechten unter einem Fähnlein’. Von da an weiter im übercharakterisierten Föhin abhängig ist. Gebrauch als militärischer Fachausdruck. EWahd 3 (2007), 440–443.

EWNl 4 (2009), 456.

fähig Adj std. (15. Jh.), mhd. *v¢ ¯ hec und vengec. Ablei- Fähnrich Sm ’ein militärischer Grad’ erw. fach. (9. Jh.,

tungen zu mhd. va¯hen ’fangen’, also eigentlich ’was gefangen werden kann’ und ’wer fangen kann’. In der Rechtssprache kann man z.B. erbfähig sein (’imstande, ein Erbe zu empfangen’), und entsprechende Bildungen sind auch heute noch in Gebrauch. Als einfaches Wort wird fähig aber immer stärker auf ’imstande, etwas zu tun’ eingeengt. Vgl. etwa die entsprechenden Verhältnisse bei l. capa¯x (-a¯cis) zu l. capere. Abstraktum: Fähigkeit; Präfixableitung: befähigen. Þfangen.

fahl Adj std. (8. Jh.), mhd. val, ahd. falo, as. falu. Aus g.

*falwa- Adj. ’fahl’, auch in anord. fo¸lr, ae. fealu (und vielleicht gotisch erschließbar aus dem Pferdenamen mgr. pha´lbas). Außergermanisch vergleichen sich am genauesten lit. pal˜vas ’fahl, bleich’, russ. polo´vyj, polovo´j ’fahl, isabellfarbig’, während semantisch zugehörige Formen anderer Sprachen nicht wo -stämmig sind: ai. palita´- ’grau’, gr. polio´s ’grau’, gr. pelio´s ’fahl’, l. pallidus ’blass, bleich’. Ebenso nndl. vaal, ne. fallow, nisl. fölur. S. auch Þfalb, ÞFelche(n). – Schwentner (1915), 83–86; Schwyzer, E. ZDA 66 (1929), 95f.; Heidermanns (1993), 189f.; EWahd 3 (2007), 40–42; EWNl 4 (2009), 455.

fahnden Vsw std. (8. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Erscheint

erst im 18. Jh. mit der speziellen Bedeutung ’polizeilich suchen’. Es stammt wohl aus mhd. vanden, vannen, mndd. vanden, vannen ’besuchen, heimsuchen’, das auf ein gut bezeugtes älteres Verb zurückgeht: wg. *fand-o¯- ’suchen, erforschen’ in ae. fandi(g)an, afr. fandia, fondia, as. fandon, ahd. fanto¯n; eine Intensivbildung zu finden. Schreibung und Aussprache im Neuhochdeutschen sind vielleicht durch fa¯hen (s. unter Þfangen) bestimmt. Abstraktum: Fahndung. EWahd 3 (2007), 49f.

Fahne Sf std. (8. Jh.), mhd. van(e) m., ahd. fano m., as.

Form 16. Jh.). Mhd. venre, vener, vaner, ahd. faneri ’Fahnenträger’ sind Täterbezeichnungen zu Fahne. Das Wort bleibt schweizerisch als ÞVenner erhalten, wird sonst aber nach dem Muster Dieter zu ÞDietrich in Fähn(d)rich umgebildet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das etwas früher bezeugte nndl. vaandrig gleicher Bedeutung nicht eine Entlehnung aus dem Deutschen, sondern das Vorbild des deutschen Wortes ist (in diesem Fall zu nndl. dragen ’tragen’?). EWNl 4 (2009), 456f.

Fähre Sf std. (13. Jh.), mhd. vere, mndd. ver(e) n., mndl.

vere. Wie anord. ferja abgeleitet von g. *far-eja’übersetzen’ (Kausativum zu Þfahren) in gt. farjan ’zur See reisen’, anord. ferja, ae. feri(g)an, afr. feria, as. ferian, ahd. ferien, ferren, mhd. vern (der Bedeutung nach liegt der Ansatz eines Denominativums zu g. *fara- ’Fahrzeug, Schiff’ näher; von der Form des Verbs her lässt sich aber keine Entscheidung treffen). Täterbezeichnungen: Fährmann und ÞFerge. LM 4 (1989), 230f.; RGA 8 (1994), 94–99; EWNl 4 (2009), 473.

fahren Vst std. (8. Jh.), mhd. var(e)n, ahd. faran, as.

faran. Aus g. *far-a- Vst. ’fahren’, auch in gt. faran, anord. fara, ae. faran, afr. fara. Außergermanisch vergleicht sich am nächsten gr. poreu´o¯ ’ich trage, bringe’, medial ’ich gehe, gehe hinüber’. Mit dessen aktiver Bedeutung vergleicht sich weiter l. porta¯re ’tragen, bringen’; ferner ai. pı´parti, das neben anderem auch ’hinüberbringen’ bedeutet, sowie weiter Abstehendes aus anderen Sprachen. Diese Bildungen gehören zur Wurzel ig. *per- ’durchbohren, hinüberbringen’; ob sie selbständige Entwicklungen aus dieser sind oder unter sich näher zusammengehören, kann kaum entschieden werden. Nomen Agentis: Fahrer und aus dem partizipialen Adjektiv fahrend: der Fahrende; Abstraktum: Fahrt. Ebenso nndl. varen, ne. fare, nschw. fara, nisl. fara. Zu fahren gehören Þfahrig, Þfahrlässig, ÞVorfahr(e), Fahrt bzw. ÞFährte, ÞHoffart, ÞWohlfahrt mit Þfertig und ÞGefährte; zu dem astufigen Kausativ gehören ÞFähre, ÞFerge; zum o¯- stufigen Kausativ Þführen gehört ÞFuhre; vermutlich zur gleichen Wurzel gehören Þfern, ÞFörde, ÞFurt, ÞGefahr, Þver –. Zur griechischen Verwandtschaft gehört ÞAporie, zur lateinischen ÞPore, ÞPorto, zur slavischen ÞPrahm. – Seebold (1970), 186–188; Breidbach, W. BGDSL-T 110 (1988), 332–350; RGA 8 (1994), 151–153; Röhrich 1 (1991), 411; EWahd 3 (2007), 56–58; EWNl 4 (2009), 466.

fano m. Aus g. *fano¯n m. ’Tuch’, auch in gt. fana m., ae. fana m., afr. fana m. Die heutige Bedeutung ist schon früh aus einer Kürzung von ahd. gundfano ’Kriegsfahne’ (eigentlich ’Kriegstuch’) entstanden; dadurch stellvertretend für ’Militär’ (Fahnenflucht u.ä.). Das feminine Genus ist erst deutsch. Vergleichbar sind l. pannus m. ’Tuch, Lappen’, gr. pe¯´ne¯ ’Spule, Gewebe’. Übertragen in Wetterfahne und Korrekturfahnen. Das Diminutivum Fähnchen häufig in der Befahrig Adj ’nervös’ std. stil. (16. Jh.). Eine Bildung wie deutung ’billiges Kleid’. fnhd. ferig ’hurtig, schnell’, zu Þfahren, vermutlich S. auch ÞFähnlein, ÞFähnrich, ÞRainfarn. – Tiefenbach zunächst mit der Bedeutung ’schnell, beweglich’ o.ä. (1973), 32f.; LM 4 (1989), 228f.; Röhrich 1 (1991), 411; SousaCosta (1993), 291f.; EWahd 3 (2007), 47–49; EWNl 4 (2009), Vgl. umgangssprachliches herumfahren ’herumfuch456. teln’.

Faktum

273 fahrlässig Adj std. (15. Jh.). Zu mhd. varnla¯n ’fahren

lassen, vernachlässigen’, als Ausdruck der Rechtssprache gebildet. Þfahren.

Fahrnis Sf ’fahrende Habe’ per. arch. (16. Jh.). Kollek-

tivbildung für ’bewegliche Habe’; dem Sinn nach am ehesten zu Þfahren. RGA 8 (1994), 167–170.

Fahrrad Sn std. (19. Jh.). Ende des 19. Jhs. als Ersatzwort

für ÞVeloziped gebildet. Fahrstuhl Sm std. (17. Jh.). Zunächst nur ein bewegli-

cher Sitz in Bergwerken u.ä. (deshalb -stuhl, auch Fahrsessel); im 19. Jh. auf den elektrischen Lift über-

tragen. Fährte Sf std. (18. Jh.). Erst neuhochdeutsch als Sin-

die eigentliche Bedeutung auf ÞDerwisch übergeht. Die von den indischen Yogis mitunter praktizierten asketischen Übungen haben zu weiter Bekanntheit des Wortes mit stereotypischen Vorstellungen (Nagelbrett usw.) geführt. Ebenso nndl. fakir, ne. fakir, nfrz. fakir, nschw. fakir, nnorw. fakir. – Littmann (1924), 64; Lokotsch (1975), 45f.; EWNl 2 (2005), 54; DF 5 (22004), 646.

Faksimile Sn ’Nachbildung’ erw. fach. (19. Jh.). Neu-

bildung zu l. facsimile ’mach ähnlich’, zu l. facere ’machen, tun’ und l. similis ’ähnlich’. Hierzu s. ÞTelefax. Ebenso nndl. facsimile, ne. facsimile, nfrz. fac-simile´, nschw. faksimil, nnorw. faksimile. Zur Sippe von l. facere ’tun, machen’ s. Þinfizieren. Zu l. similis ’ähnlich’ gehören auch als verbale Ableitungen Þsimulieren, Þassimilieren und weiter entfernt ÞEnsemble und Þsimpel. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þzusammen. – Ganz (1957), 71; EWNl 2 (2005), 50; DF 5 (22004), 647–649.

gular aufgefasster Plural des Wortes Fahrt (mhd. vart, ahd. fart, as. fard, afr. ferd, ae. fyrd, f¢rd, anord. ferd Ñ aus *fardi-, ti-Abstraktum zu *far-a- ’fahren’). Zu faktitiv Adj ’bewirkend’ per. fach. (19. Jh.). Neubildung Fahrt wird statt dessen ein neuer Plural Fahrten gezu l. factita¯re ’oft, gewöhnlich machen’, einem Frebildet. Die heutige Bedeutung geht über ’Wildwechquentativum zu l. facere (factum) ’machen, tun’. Subsel, Wege des Wilds’ zu ’Wildspur’. In dieser (Form stantivierung: Faktitivum ’Verb, das das Bewirken desund) Bedeutung gesichert seit dem 18. Jh. sen, was im Grundwort genannt ist, bezeichnet’. Ebenso nndl. factitief, ne. factitive, nfrz. factitif. Zur Sippe des Fahrzeug Sn std. (17. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Seit dem zugrunde liegenden l. facere ’tun, machen’ s. Þinfizieren. Ende des 17. Jhs. übernommen aus ndd. fa¯rtüg, nndl. vaartuig ’Schiff’ (aus Þfahren und ÞZeug). Die alte Faktor Sm ’etwas, das Wirkungen hervorruft; Größe, Bedeutung von Fahrzeug ist ebenfalls ’Schiff’; erst seit mit der eine andere multipliziert wird; Leiter einer dem 19. Jh. ist es als ’Fuhrwerk, Wagen’ und dann Setzerei’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. factor allgemein als ’Transportmittel zu Land’ bezeugt. (-o¯ris) ’Verfertiger, Schöpfer, Urheber’, einem Nomen Agentis zu l. facere ’machen, tun, schöpfen’. Faible Sn ’Schwäche, Vorliebe’ erw. fremd. (17. Jh.). Im Deutschen zunächst in der Bedeutung ’GeEntlehnt aus frz. faible m., einer Substantivierung von schäftsführer’; die heute üblichen Bedeutungen seit frz. faible ’schwach’. dem 18. Jh. Zur älteren Bedeutung Faktorei ’HanEbenso nfrz. faible, nschw. fäbless. Das französische Wort wohl delsniederlassung’. aus l. fle¯bilis ’kläglich, bemitleidenswert’, zu l. fle¯re ’weinen’ (mit einer Dissimilation in Anlehnung an l. de¯bilis ’schwach’). – Röhrich 1 (1991), 412; DF 5 (22004), 639f.

fair Adj std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. fair (play). Zu-

Ebenso nndl. factor, ne. factor, nfrz. facteur, nschw. faktor, nnorw. faktor. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. facere ’machen, tun’ s. Þinfizieren. – LM 4 (1989), 234f.; EWNl 2 (2005), 50; DF 5 (22004), 652–656.

nächst vor allem in der Sprache des Sports verwendet; Faktotum Sn ’Person, die sich um alles kümmert, skurdaneben aber auch als Qualitätsbezeichnung. Abrile Person’ erw. bildg. (16. Jh.). Hypostasierung aus l. straktum: Fairness. facto¯tum ’mach alles’, zu l. facere ’machen, tun’ und l. Ebenso nndl. fair, ne. fair, nfrz. fair-play, nnorw. fair. Das engto¯tus ’ganz, völlig’. lische Wort geht zurück auf ae. f¢ger, das ahd. fagar entspricht; einer Adjektiv-Bildung, vermutlich zu der unter ÞFach behandelten Sippe. – Schirmer (1911), 58; Rey-Debove/Gagnon (1988), 287; Röhrich 1 (1991), 412; Carstensen 2 (1994), 455–457; EWNl 2 (2005), 53; DF 5 (22004), 640–644.

Ebenso nndl. factotum, ne. factotum, nfrz. factotum, nschw. faktotum, nnorw. faktotum. Zur Sippe von l. facere ’tun, machen’ s. Þinfizieren; zu l. to¯tus s. Þtotal. – EWNl 2 (2005), 50; DF 5 (22004), 656–658.

Fäkalien Spl ’Kot’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt und wei- Faktum Sn ’Tatsache’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l.

tergebildet aus frz. fe´cal Adj., einer neoklassischen Bildung zu l. faex, Pl. faeces ’Bodensatz, Hefe’, dann auch ’Kot’. Ebenso nndl. faecali¡n, ne. fa(e)ces, nfrz. fe`ces. – DF 5 (22004), 644f.

Fakir Sm ’religiöser Asket, Gaukler’ erw. exot. (18. Jh.).

Entlehnt aus arab. faqı¯r ’Armer, arm’. Zunächst Bezeichnung für moslemische Bettelmönche, dann auch für hinduistische Asketen verwendet, während

factum, eigentlich ’das Gemachte’, dem substantivierten PPP. von l. facere (factum). Adjektiv: faktisch. Die Form Fakt, die vor allem in der DDR gebräuchlich war, stammt aus dem Russischen (und dieses hat die Form aus dem Englischen). Ebenso nndl. feit, ne. fact, nfrz. fait, nschw. faktum, nnorw. faktum. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. facere ’tun, machen’ s. Þinfizieren. – Walz, J. A.; ZDW 12 (1910), 179; Carstensen 2 (1994), 457–458; EWNl 2 (2005), 66f.; DF 5 (22004), 658–664.

Fakultät

274

Fakultät Sf ’Fachbereich, Wissenschaftszweig’ erw.

entsprechender Bedeutungsvielfalt) hat als Vorbild fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. faculta¯s (-a¯tis) ’Befäsicher mitgewirkt. Fall als Terminus der Grammatik higung, Talent’ u.ä., dem Abstraktum von l. facul ist eine im 17. Jh. aufgekommene Lehnbedeutung von ’leicht’, zu l. facere ’machen, tun’. Die Bedeutung l. ca¯sus, das seinerseits gr. pto˜sis übersetzt. Dieses benennt die Verschiedenheit der grammatischen Fälle ’Wissen(schaft)szweig’ ist eine Lehnbedeutung aus nach der Verschiedenheit beim Fall der Würfel. dem Griechischen, wo Aristoteles gr. dy´namis ’Kraft, Fertigkeit’ auch als Bezeichnung der Fertigkeiten in HWPh 2 (1972), 887–894; Röhrich 1 (1991), 413; EWahd 3 (2007), 21–23; EWNl 4 (2009), 461. einem Wissenszweig verwendet. Bei der Gründung der Universitäten wird Fakultät zum Namen der Ge- Falle Sf std. (8. Jh.), mhd. valle, ahd. falla, as. falla. Aus samtheit von Lehrern und Hörern einer der Hauptwg. *fallo¯n ’Falle’, auch in ae. fealle. Die Bedeutung wissenschaften, deren Lehrkörper zunächst collegium geht offenbar von Fallen mit Falltüren aus (wie bei facultatis heißt. Adjektiv (zur Ausgangsbedeutung): bestimmten Mausefallen, vgl. dass man eine Falle fakultativ ’nach freiem Ermessen’ (über frz. facultastellt); schon die frühesten Belege zeigen aber Anwentif ). dung auf anderes (Fangstrick usw.). Deshalb vielEbenso nndl. faculteit, ne. faculty, nfrz. faculte´, nschw. fakultet, leicht eher ’was (das Tier) zu Fall bringt’. nnorw. fakultet. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. facere Röhrich 1 (1991), 413; EWNl 4 (2009), 461f. ’machen, tun’ s. Þinfizieren. – Schirmer (1912), 23; DF 1 (1913), fallen Vst std. (8. Jh.), mhd. vallen, ahd. fallan, as. fallan. 202; Götze (1929), 12; LM 4 (1989), 235–237; Röhrich 1 (1991), 412; EWNl 2 (2005), 51; DF 5 (22004), 666–670. Aus g. *fall-a- Vst. ’fallen’, auch in anord. falla, ae.

falb Adj erw. fach. (15. Jh.). Nebenform zu Þfahl, da aus

mhd. val, valwes in der Nominativform fahl, in Formen mit Endungen falb werden musste. Dabei ist fahl besonders niederdeutsch, falb besonders oberdeutsch verallgemeinert worden. Falb, Falbe gilt heute praktisch nur noch als Pferdefarbe und als Bezeichnung für ein Pferd dieser Farbe. Schwentner (1915), 83–86; Heidermanns (1993), 189f.

Falbel Sf ’gefältelter oder gekrauster Besatz an Klei-

dern’ per. fach. (18. Jh.). Als falbala entlehnt aus frz. falbala m. ’Faltensaum’ umstrittener Herkunft. Ebenso ne. falbala, nfrz. falbala. – DEO (1982), 274f.

Falke Sm std. (9. Jh.), mhd. valke, ahd. falk(o), mndd.

feallan, afr. falla (das Gotische hat dafür driusan). Keine sichere Vergleichsmöglichkeit. Eine möglicherweise vergleichbare baltische Sippe (lit. pu`lti ’fallen’) weist auf einen Langvokal, der auf eine Dehnstufe zurückgehen müsste. Lautlich mit dem Germanischen übereinstimmend ist apreuß. aupallai, das aber ’findet’ bedeutet. Weiter wird verglichen arm. p ul ’Fall’ und schwundstufiges arm. p lanim ’ich falle, stürze ein’. Präfigierungen: Þge-, Þver-; Partikelverben: aus-, auf-, ein-, um-, zu-. Ebenso nndl. vallen, ne. fall, nschw. nisl. falla; ÞFall, ÞFalle, Þfällen, ÞFallout, Þgefallen. – Kluge, F. ZDW 8 (1906/07), 31–34; Seebold, E. (1970), 181f.; EWahd 3 (2007), 36–38; Neri, S.: Cadere e Abbatere (Innsbruck 2007); EWNl 4 (2009), 462f.

valke, mndl. valke. Ein zunächst nur deutsches Wort, fällen Vsw std. (9. Jh., bi- u.a. 8. Jh.), mhd. vellen, ahd. neben dem das lautgleiche spl. falco steht. Unter diefellen, as. fellian. Aus g. *fall-eja- Vsw. ’fällen’, auch in sen Umständen ist es schwierig festzustellen, wo das anord. fella, ae. fellan, fyllan, afr. fella, falla. KausatiWort seinen Ursprung genommen hat. Eine germavum zu fallen, also eigentlich ’fallen machen’. nische Etymologie, die an Þfahl anknüpft und das Ebenso nndl. vellen, ne. fell, nschw. fälla, nisl. fella. – EWahd 3 Wort ins Lateinische entlehnt sein lässt, würde der (2007), 145f.; EWNl 4 (2009), 477. Beleglage entsprechen, ist aber semantisch unbefrie- fällig Adj std. (10. Jh.), mhd. vellec, vellic, ahd. fellı¯g. digend. Eine lateinische Etymologie (die an l. falx Eigentlich ’zum Fallen kommend’, in dieser Bedeu(falcis) f. ’Sichel’ anknüpft, wegen der sichelförmigen tung noch in Þbaufällig, fußfällig u.ä. Da Þfallen auch Krallen dieses Greifvogels) ist semantisch befriedivom Nachwuchs der Tiere und vom Ertrag von Bäugender, erklärt aber nicht das späte Auftreten des men und Pflanzen gebraucht wird, können auch ZinWortes im romanischen Bereich. Germanische Völsen usw. ’fallen’ (heute anfallen). Zu dem Zeitpunkt, ker- und Personennamen können keinen Ausschlag an dem dies geschieht, werden sie fällig. So die heugeben, da nicht erwiesen werden kann, dass in ihnen tige Bedeutung des einfachen Wortes (seit dem tatsächlich das Wort für ’Falke’ steckt. Auf jeden Fall 15. Jh.). ist die Falkenjagd später als das erste Auftreten des Fallout Sm ’radioaktiver Niederschlag’ per. fach. Wortes. Täterbezeichnung: Falkner. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. fall-out, ’Ausfall’ (auf der Suolahti (1909), 327–333; Birkhan (1970), 210f.; LM 4 (1989), ersten Silbe betont), zu ne. fall ’fallen’ (Þfallen) und 239; RGA 8 (1994), 173–176; Röhrich 1 (1991), 412f.; EWahd 3 ne. out ’aus’. (2007), 32–35; EWNl 4 (2009), 462. Fall Sm std. (8. Jh.), mhd. val, ahd. fal, as. fal. Aus vd.

Ebenso nndl. fall-out, ne. fallout, nschw. fallout; Þaus. – ReyDebove/Gagnon (1988), 288; Carstensen 2 (1994), 459.

*falla- m. ’Fall’ (in anderen germanischen Sprachen andere Stammbildungen). Zunächst Abstraktum zu Fallreep Sn ’herablassbare Treppe an einem Schiff’ per. fach. (18. Jh.). Eigentlich ein ’Seil (ndd. reep, ne. rope) Þfallen; später ’Rechtsangelegenheit’ u.a.; l. ca¯sus (mit

275

zum Hinunterlassen’ übertragen auf die Leiter oder Treppe, die dieses Seil ersetzte. ÞReep, ÞReif 1. – Kluge (1911), 243f.

falls Konj std. (17. Jh.). Zu ÞFall in der Bedeutung

’eintretende Möglichkeit’. Adverbialer Genetiv mit der Bedeutung ’im Fall, für den Fall’. Bleibt die folgende Konjunktion (dass) weg, so wird falls zur Konjunktion, wie heute allgemein. Fallstrick Sm std. (16. Jh.). Die ursprüngliche Bedeu-

tung ist ’Schlinge zum Fangen von Wildtieren’, eigentlich ’Schlinge, die zu Fall bringt’, die übertragene Bedeutung ’Hinterhalt, schwer erkennbare Schwierigkeit’ ist jedoch vor dieser bezeugt. Röhrich 1 (1991), 413.

falsch Adj std. (12. Jh.), mhd. vals(ch). Entlehnt aus

Familie Ebenso nndl. -voudig, ne. -fold; ÞDiplom, Þeinfältig, Þfalten, ÞZweifel. – Heidermanns (1993), 187f.; EWNl 4 (2009), 568.

falten Vsw std. (8. Jh.), mhd. valten, valden, ahd. faldan,

mndd. volden, mndl. vouden. Aus g. *falþ-a- Vst. ’falten’, auch in gt. faifalþ Prät., anord. falda, ae. fealdan. Keine genaue Vergleichsmöglichkeit. Vielleicht als schwundstufige Nomina air. alt ’Gelenk, Glied, Abschnitt’ und (sehr unsicher) ai. puta- ’Falte, Tasche’. Vielleicht als ’knicken’ zu (ig.) ˙*pel- ’stoßen, schlagen’ (Þfalzen). Die Multiplikativ-Zahlwörter auf Þ-falt, -fältig sind auffälligerweise wesentlich besser außergermanisch vergleichbar. Konkretum: Falte. Ebenso nndl. vouw, ne. fold, nschw. fa˚lla ’säumen’, nisl. faldur ’Saum’; Þeinfältig, Þfalzen, ÞFauteuil. – Seebold (1970), 183; Burrow, T. BSOAS 35 (1972), 537f.; Maher (1986), 63; EWahd 3 (2007), 25–28; EWNl 4 (2009), 568f.

afrz. fals, das seinerseits aus l. falsus ’falsch’ stammt Falter Sm std. (9. Jh., Form 18. Jh.). Abgelöst aus mhd. (zu l. fallere ’täuschen’). Die Lautung wurde durch vı¯valter, nachdem das Vorderglied auch in verschiemndl. valsch bestimmt. Vgl. aber auch Þfälschen. Abdener Weise umgestaltet worden war. Das mittelstraktum: Falschheit; Adverb: fälschlich. hochdeutsche Wort aus ahd. fı¯falt(a)ra f., fı¯falter, as. Ebenso nndl. vals, ne. false, nfrz. faux, nschw. falsk, nisl. falskur; fifaldra f. aus g. *fifal-dro¯n m. ’Falter’, auch in ae. ÞFalsett, ÞFauxpas, Þfehlen. – Röhrich 1 (1991), 413f.; EWNl 4 fı¯ff(e)alde f. (mit Verlust des r) und anord. fı´frildi n. (2009), 463. (mit Vorwegnahme des r). Außergermanisch verfälschen Vsw std. (9. Jh., Form 11. Jh.), mhd. velschen, gleicht sich l. pa¯pilio ’Schmetterling’, so dass das Wort ahd. falscon, felsken. Ist entlehnt aus früh-rom. *falals eine Reduplikationsform zu verstehen ist. Weitere sica¯re, das aus l. *falsifica¯re gekürzt ist (bezeugt ist Anschlüsse an eine indogermanische Verbalwurzel lediglich das PPP. l. falsifica¯tus). Die Ableitung fälsind kaum ratsam angesichts der ähnlichen Wörter in schen ist also früher entlehnt als das zugrunde liegenbenachbarten Sprachen. Vgl. etwa kymr. pili-pala, de Þfalsch. Abstraktum: Fälschung; Nomen Agentis: (ost-)lit. petelı`ˇske˙ (aus *pel-tel-? vgl. lett. peteligs Fälscher. ’flatterhaft’), lett. pledins (zu lett. pledinaˆt ’die Flügel Ebenso nndl. verfalsen, ne. falsify, nfrz. falsifier, nschw. förfalbewegen’, lett. ple˜vinaˆt ’flattern’), russ. pikalı´ Pl., peska, nisl. falsa. – EWahd 3 (2007), 42f. kele¨k ’Schmetterling’ u.a. Falsett Sn ’Fistelstimme’ per. fach. (17. Jh., vereinzelt Krause, H.: Geschichte der zoologischen Nomenklatur (Diss. Göttingen 1918), 48; Oehl, W. FS Schuchardt (1922), 75–115; 13. Jh.). Entlehnt aus it. falsetto m., zu it. falso ’falsch’, EWahd 3 (2007), 210–212. dieses aus l. falsus, zu l. fallere (falsum) ’täuschen’. Gemeint ist wohl die ’nicht normale’ Stimme. Zuerst falzen Vsw std. (8. Jh.), mhd. valzen, velzen, ahd. von Instrumenten gesagt in Bezug auf die Obertöne. (ga)falzjan. Es kann sich um eine Intensivbildung zu Ebenso nndl. fausset, falset, ne. falsetto, nfrz. fausset, nschw. falten handeln, aber ein ahd. *faldezzen ist nicht befalsett, nisl. falsetta; Þfalsch. – EWNl 2 (2005), 56; DF 5 (22004), legt, und die Lautform falz- erscheint früher als eine 674–676. Kontraktion stattgefunden haben könnte. Allerdings -falt, -fältig Suffix (zur Bildung von Multiplikativsind die frühen Belege nicht mit Sicherheit zu beZahlwörtern) std. (–), mhd. -valt, ahd. -falt, as. -fald. urteilen, da die Abgrenzung gegenüber einem urAus g. *-falda-, auch in gt. -falþs (ohne grammatisprungsverschiedenen ahd. falzan (möglicherweise schen Wechsel), anord. -faldr, ae. -feald, afr. -fald. ein starkes Verb), das ’schlagen’ (u.a.) bedeutet, kaum Vom Deutschen und Germanischen her gesehen liegt durchführbar ist. Rückbildung: Falz. eine Ableitung zu Falte (Þfalten) (oder eine verwandEWahd 3 (2007), 44f. te Bildung) vor, was semantisch ausreichend verFama Sf Þfamos. ständlich wäre. Allerdings sind die MultiplikativZahlwörter auf einer Grundlage (ig.) *pel- besser ver- Familie Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. familia, zu l. famulus m. ’Diener’. Das Wort bedeutet zunächst gleichbar als das Verbum falten und seine ’Hausgenossenschaft (einschließlich der Sklaven), Ableitungen, so dass eine Trennung vielleicht ratsam Gesinde’ und wird dann eingeengt. Adjektiv: familiär. ist. Vgl. gr. dipla´sios ’doppelt’ (*pl-t-), l. duplus ˙ diplo´os ’doppelt’ Ebenso nndl. familie, ne. family, nfrz. famille, nschw. familj, ’doppelt’, mir. dı´abul ’doppelt’, gr. nnorw. familie; ÞFamulus. – DF 1 (1913), 202f.; Schmidt(*plo-) und zu *pl-ek- l. duplex ’doppelt’, gr. dı´plax Wiegand (1972), 19f.; HWPh 2 (1972), 895–904; GB 2 (1975), ’doppelt gelegt, zweifach’. Vielleicht handelt es sich 253–301; LM 4 (1989), 254–256, 256–282; RGA 8 (1994), 181–183; bei den germanischen Wörtern um einen ererbten Röhrich 1 (1991), 414; EWNl 2 (2005), 56f.; DF 5 (22004), Typ, der semantisch neu motiviert wurde. 685–689.

famos

276 famos Adj std. stil. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. fameux,

Ebenso nndl. fanfare, ne. fanfare, nfrz. fanfare, nschw. fanfar,

nnorw. fanfare. – Littmann (1924), 100, 102; Jones (1976), 327; dieses aus l. fa¯mo¯sus ’vielbesprochen’, zu l. fa¯ma EWNl 2 (2005), 57f.; DF 5 (22004), 704–706. ’Gerede, Gerücht’ (das als Fama auch im Deutschen gebraucht wird), zu l. fa¯rı¯ ’sprechen’. Die Form wird fangen Vst std. (8. Jh.), mhd. va¯hen, va¯n, ahd. fa¯han, as. an das bereits im 17. Jh. aus dem Lateinischen überfa¯han. Aus g. *fanh-a- Vst. ’fangen’, auch in gt. fa¯han, nommene famos ’berüchtigt’ angeglichen. anord. fa´ (später fanga), ae. fo¯n, afr. fa¯. Dieses ist eine Ebenso nndl. fameus, ne. famous, nschw. famös, nnorw. famøs. nasalierte Form zu ig. *pa¯k´- ’befestigen, halten’ (also Zu l. fa¯rı¯ ’sprechen’ gehört als Partizip l. ¯ınfa¯ns ’Kind’, wozu *p¡nk´- als Grundlage des germanischen Wortes; vielÞInfanterie, ÞEnfant terrible, ÞFant; als Instrumentalbildung leicht unmittelbar zu vergleichen ist das l. GlossenÞFabel; und als Abstraktum l. fa¯tum ’Schicksal’, wozu Þfatal, wort pancra rapina ’Raub’). Die Wurzel ist bezeugt in ÞFata Morgana, ÞFee. Zu dem abgeleiteten Nomen l. fa¯ma gr. pe¯´gnymi ’ich befestige’, l. pacı¯scor ’ich schließe ’Gerede’ gehören famos, Þinfam, Þdiffamieren, und zu dem einen Vertrag’, g. *fo¯g-ja- ’fügen’ (Þfügen) und vielverwandten fate¯rı¯ ’bekennen’ ÞKonfession und ÞProfessor. Zu leicht ai. pa¯´´sa- ’Schlinge, Band’. Zu der Variante *pa¯gden germanischen Verwandten s. ÞBann. – EWNl 2 (2005), 56; s. unter ÞFach (der Gebrauch dieser Sippe könnte DF 5 (22004), 689f. darauf hinweisen, dass ’fangen’ ursprünglich ’Fische Famulus Sm ’Medizinstudent im Krankenhauspraktifangen’ bedeutete). Die moderne Form fangen beruht kum’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. famulus auf dem Ausgleich des grammatischen Wechsels, der ’Diener, Helfer’, zunächst als Bezeichnung für Hilfsursprünglich nur dem Präteritum zukam. Abstrakkräfte akademischer Lehrer, dann Einengung auf den tum: Fang; Nomen Agentis: Fänger; Präfigierungen: Bereich der Medizin. verfangen (Þverfänglich), Þempfangen. ÞFamilie. – DF 5 (22004), 691–693.

Fan Sm ’begeisterter Anhänger’ erw. fach. (20. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. fan, einer Kurzform von ne. fanatic, zu ne. fanatic Adj. ’schwärmend, eifernd’, dieses aus l. fa¯na¯ticus. Ebenso nndl. fan, ne. fan, nfrz. fan, nschw. fan, nnorw. fan. Das lateinische Wort zu l. fa¯num n. ’Ort der Gottheit, Tempel’. S. Þfanatisch, Þprofan und weiter Entferntes unter ÞFerien. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 289; Strauss u.a. (1989), 146–151; Carstensen 2 (1994), 260–262; EWNl 2 (2005), 57; DF 5 (22004), 693–695.

Fanal Sn ’Feuerzeichen, Wahrzeichen’ erw. fremd.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. fanal ’Leuchtfeuer’; dieses aus it. fanale, und dieses auf nicht ganz klarem Weg aus gr. pha¯no´s ’Leuchte, Fackel’. Ebenso nndl. fanaal. – Röhrich 1 (1991), 414; DF 5 (22004), 695–697.

fanatisch Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. fa¯na¯ticus

’religiös schwärmerisch, von der Gottheit ergriffen’, zu l. fa¯num ’Ort der Gottheit, Tempel’. Der Bezug auf Religiöses verliert sich ausgehend vom Französischen des 18. Jhs., das den Begriff in politischen Zusammenhängen verwendet. Täterbezeichnung: Fanatiker (ÞFan); Abstraktum: Fanatismus. Ebenso nndl. fanatiek, ne. fanatic, nfrz. fanatique, nschw. fanatisk, nnorw. fanatisk. Weiter Entferntes s. unter ÞFerien; ÞFan, Þprofan. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 174f.; Schalk (1966), 60–74; Spaemann, R. AB 15 (1971), 256–274; HWPh 2 (1972), 904–908; GB 2 (1975), 303–327; Schleich, Th. PSG 4 (1986), 51–115; Grabner-Haider, A.: Fanatismus und Massenwahn (Graz 1987); Strauss u.a. (1989), 146–151; EWNl 2 (2005), 57; DF 5 (22004), 697–704.

Fanfare Sf std. (18. Jh., vereinzelt 17. Jh.). Entlehnt aus

frz. fanfare ’Trompetenstoß’, dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist. Der manchmal angesetzte arabische Ursprung muss als unwahrscheinlich gelten. Als Bezeichnung für das Musikinstrument gekürzt aus Fanfarentrompete.

Ebenso nndl. vangen, nschw. fa˚, nisl. fa´; Þempfangen, Þfähig, Þfügen, ÞGefängnis, Þverfänglich, ÞWildfang, ÞWindfang. – Seebold, E. (1970), 185f.; EWahd 3 (2007), 9–13; EWNl 4 (2009), 465.

Fanmeile Sf ’Stadtgebiet, in dem die Fußballanhänger

nach einem Spiel feiern können (meist in der Nähe einer Großbildleinwand’) per. fach. (20. Jh.). ÞMeile ist eigentlich eine Längenbezeichnung; doch besonders bei Bannmeile, dem Umkreis einer Stadt mit der Entfernung von einer Meile von der Stadtgrenze (in späterer Zeit muss es nicht genau eine Meile sein) wurde die Bezeichnung auch für das damit umrissene Gebiet gebraucht (in der Bannmeile galten besondere Regeln). Der Ausdruck Bannmeile wurde dann in der Neuzeit übertragen auf die Umgebung von zu schützenden Gebäuden (z.B. dem Regierungssitz oder Konsulaten), dort galt z.B. ein Versammlungsverbot u.ä. und hier war ’Meile’ nur noch symbolisch gemeint. Diese Bedeutung wurde dann übertragen auf die Neubildung Fanmeile: Einem genauer umschriebenen Raum, in dem besondere Rechte gelten (für Fußballanhänger und Gesinnungsgenossen). Da diese Räume in der neueren Zeit fast ausschließlich in der Nähe von Großbildleinwänden eingerichtet waren, wird die Fanmeile z.T. einfach als ’Raum um eine Großbildleinwand herum’ verstanden. Die alte Bedeutung als Längenmaß kann insofern noch eine Rolle spielen, als solche Fanmeilen bevorzugt auf geraden Straßenstücken mit einer gewissen Länge ausgerichtet werden. Fant Sm ’unreifer Jüngling’ per. arch. (17. Jh.). In ober-

deutschen Mundarten aufgenommen aus it. fante ’Knabe, Knecht, Bauer’ (zu l. ¯ınfa¯ns m./f. ’Kind’, das auf l. fa¯rı¯ ’sprechen’ zurückgeht, also eigentlich ’der nicht sprechen kann’). In mhd. vende, vent ’Knabe, Fußgänger, Bauer im Schachspiel’ hat sich wohl die-

Färse

277 Ebenso nndl. farce, ne. farce, nfrz. farce, nschw. fars, färs, selbe Quelle mit einem älteren ahd. fuoz-fendo nnorw. farse; ÞInfarkt. – Jones (1976), 372f.; Brunt (1983), ’Fußgänger’ (das zu einer Ableitung von finden oder 296; LM 4 (1989), 294; Röhrich 1 (1991), 416; EWNl 2 (2005), zu einem Verwandten von l. passus ’Schritt’ gehört) 59; DF 5 (22004), 706–708. vermischt. Wieder ein anderes Wort scheint mndd. Farin Sm ’gelblichbrauner Zucker’ per. fach. (17. Jh.). vent ’Knabe, Knecht, Genosse’ zu sein: es wird auf Als Farinzucker über it. farina f. ’Mehl’ entlehnt aus l. mndl. vennoot ’Genosse’ aus mndl. veemgenoot farı¯na f. ’Mehl’. Das Wort bedeutet ursprünglich ’Mitglied der Feme (Genossenschaft)’ zurückgeführt. ’wenig raffinierter Zucker’ oder ’Reste von Zucker Ebenso nfrz. enfant, nnorw. fant. Zur Sippe des l. ¯ınfa¯ns zuverschiedener Sorten’, vermutlich wie ’Sandzucker’ grunde liegenden l. fa¯rı¯ ’sprechen’ s. Þfamos. – von Bahder, bezogen auf die Feinheit (allerdings wurde solcher K. BGDSL 22 (1897), 527–531; Hamp, E. P. FS Alinei 1 (1986), 103f. (zu fendo). Zucker auch durch den Zusatz von Mehl gefälscht, so dass die Bezeichnung hierauf zielen könnte). Später, Fantasie, Phantasie Sf std. (14. Jh.), mhd. fantası¯e. Ist durch Rückanschluss an l. farı¯na f. usw. in der Beentlehnt aus l. phantasia ’Gedanke, Einfall’, dieses aus deutung ’Puderzucker’ verwendet. gr. phantası´a¯ ’Vorstellung, Einbildung, Erscheinung’, Ebenso ne. farina, nfrz. farine, nschw. farin, nnorw. farin. – DF zu gr. phanta´zesthai ’erscheinen, sichtbar werden’ (zu 1 (1913), 206. einer Ableitung von gr. phaı´nein ’sichtbar machen, sehen lassen’). Verb: phantasieren; Adjektiv: Farm Sf ’landwirtschaftlicher Betrieb in Übersee’ erw. phantastisch; Nomen Agentis: Phantast. exot. ass. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. farm, dieses aus afrz. ferme ’Pachthof’. Heute übertragen verwendet Ebenso nndl. fantasie, ne. fantasy, nfrz. fantaisie, nschw. fantasi, nnorw. fantasi; ÞPhänomen. – Walz, J. A. ZDW 12 (1910), für Großbetriebe in der Tierhaltung u.ä. Täterbe192; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 400; Rosenmeyer, Th. zeichnung: Farmer. Poetica 18 (1986), 197–248; Lepschy, G. FS Alinei 2 (1987), 261–274; HWPh 7 (1989), 516–535; LM 6 (1993), 2051f.; EWNl 2 (2005), 58.

Farbbuch Sn ÞBlaubuch. Farbe Sf std. (8. Jh.), mhd. varwe, var, ahd. far(a)wa.

Ebenso nndl. farm, nfrz. ferme, nschw. farm, nnorw. farm. Das französische Wort ist als ’Pachtvertrag’ eine Ableitung von afrz. fermer ’einen Vertrag schließen, beschließen, (älter:) festmachen’, aus l. firma¯re ’festmachen’, zu l. firmus ’stark’. S. Þfirm für weitere Verwandte. – Ganz (1957), 71; Carstensen 2 (1994), 465; DF 5 (22004), 709–713.

Aus g. *farwa-/o¯ m./f. ’Form, Gestalt, Farbe’, auch in gt. farwa (Dat. Sg.) ’Gestalt’. Vermutlich mit Wechsel Farn Sm std. (9. Jh.), mhd. varm, varn, ahd. farn, farm, as. farn. Aus wg. *farna- m. ’Farn’, auch in ae. fe(a)rn von ig. kw zu g. f vor Labial aus voreinzelsprachl. n. Aus ig. *pte/or-(no-) ’Farn’ zu ig. *petor/n ’Flügel’ *k wor-wo- zu ig. *k wer-w- ’machen, gestalten’ in ai. (zu ig. *pet- ’fallen, fliegen’) mit Vereinfachung der krno´ti ’macht usw.’ Von derselben Wurzel mit ande˙ ˙ Suffixen air. cruth m. ’Gestalt’, kymr. pryd Anlautgruppe pt- außerhalb des Griechischen. Entren sprechende Wörter für ’Farn’: gr. pte´ris f., lit. papa´rtis, (*k wrtu-); ai. kr´p- ’Gestalt’, l. corpus n. ’Körper, ˙ Gestalt’, ˙ mir. crı´ ’Fleisch, Gestalt’. Die Bedeuruss. pa´porot′ f., air. raith f.; morphologisch dem gerFleisch, manischen Wort entsprechend ai. parna´- n. ’Feder, tung ’Farbe’, die sich später durchsetzt, ist wohl entBlatt’. Für ’Flügel’: heth. pattar n., gr. ˙ptero´n n., ai. standen in Bahuvrı¯hi-Komposita wie rosen-faro ’das parna´- n. und mit s mobile lit. spar˜nas. Farn ist also Aussehen von Rosen habend’ = ’rosenfarbig’. Fakti˙ ursprünglich ’der Gefiederte’. tivum: färben; Adjektiv: farbig. Ebenso nndl. verf; ÞKörper. – Pisani, V. StG 10 (1972), 35–40; Szemere´nyi, O. Language 48 (1972), 5–9; HWPh 2 (1972), 908–910; Hamp, E. P. NOWELE 4 (1984), 51f.; LM 4 (1989), 285–291; Röhrich 1 (1991), 414–416; RGA 8 (1994), 206–224; Kutzelnigg, A. ZM 32 (1965), 221–250 (anders); Must, G. IF 86 (1981), 255–270 (Lehnwort aus arab. farw[a] ’Pelz, pelzbesetztes Gewand’); Lloyd, A. L. in FS Rauch, 121–128; EWahd 3 (2007), 62–65; EWNl 4 (2009), 492.

Farce Sf ’Posse, lächerliche Angelegenheit’ erw. fremd.

Ebenso nndl. varen, ne. fern; ÞFeder. – Röhrich 1 (1991), 416; Kutzelnigg, A. Orbis 17 (1968), 142–157 (anders); EWahd 3 (2007), 71–73; EWNl 4 (2009), 466.

Farre(n) Sm ’Stier’ erw. obd. (8. Jh.), mhd. var(re),

pfar(re), ahd. far(ro), mndd. varre, verre, mndl. var(r)e ’junger Stier’. Aus g. *farza-/o¯n m. ’Stier’, auch in anord. farri, ae. fearr, afr. abgeleitet fe¯ring. Farre(n) ist das Maskulinum, zu dem Färse die Femininform ist, vermutlich in dem Sinne ’junge Kuh, die zum ersten Mal zum Stier kommt’. Das Femininum offenbar in gleichem Sinn, aber ohne -s- in ae. he¯ah-fore, ne. heifer und gr. (ep.) po´ris, auch gr. po´rtis; weiter vielleicht arm. ort′ ’Kalb’ (ausgehend von ’junge Kuh’). Weitere Herkunft unklar (zu ig. *per-/por’tragen, bringen’?).

(17. Jh., vereinzelt 16. Jh.). Entlehnt aus frz. farce, eigentlich ’(Fleisch-)Füllung’ − in dieser Bedeutung wird das Wort in die Küchensprache entlehnt –, zu l. farcı¯re ’stopfen’. Die übertragene Bedeutung geht aus von Einlagen in den mittelalterlichen geistlichen Schauspielen, die sich dann zu eigenständigen Darbietungen verselbständigen. Die Wörter farcieren, Paul, O. WS 20 (1939), 38; EWahd 3 (2007), 50–52. faschieren und Faschiertes basieren auf der ursprüngFärse Sf ’junge Kuh’ erw. ndd. (15. Jh.), spmhd. verse, lichen Bedeutung ’Füllung aus kleingehacktem mndl. verse. Trotz der späten Bezeugung wohl schon Fleisch’.

farzen

278

alt und als g. *farsı¯/jo¯ anzusetzen. Zur Etymologie s. ÞFarre(n). EWNl 4 (2009), 457.

farzen Vsw per. vulg. arch. (14. Jh.), mhd. varzen. Ab-

leitung oder lautliche Abwandlung zu g. *fert-a’furzen’, auch in ae. *feortan (zu erschließen aus ae. feorting ’Furz’), ahd. ferzan, mhd. verzen, anord. (mit tabuisierender Metathese) freta. Vgl. anord. frata ’furzen’ und ÞFurz. Zugrunde liegt ig. *perd’furzen’ in ai. pa´rdate, gr. pe´rdomai, russ. perde´t′, perzˇu´, lit. pe´rsti und aus dem Keltischen vielleicht kymr. rhech ’Furz’, das auf *prd-ka¯ zurückgeführt ˙ werden kann. EWahd 3 (2007), 178–181.

Fasan Sm std. (9. Jh., Form 13. Jh.), mhd. fasa¯n, fasant,

ahd. *fasia¯n, fesihuon n. Entlehnt aus l. (avis) Pha¯sia¯na f., aus gr. (o´rnis) Phasiano´s, eigentlich ’Vogel aus der Gegend des Flusses Phasis (am Schwarzen Meer)’. Die mittelhochdeutsche Form basiert auf einer erneuten Entlehnung, diesmal aus afrz. faisan desselben Ursprungs. Ebenso nndl. fazant, ne. pheasant, nfrz. faisan, nschw. fasan, nisl. fasani. – Littmann (1924), 15; LM 4 (1989), 302f.; RGA 8 (1994), 239–241; EWNl 2 (2005), 63; EWahd 3 (2007), 78, 182f.

Fasche Sf ’lange Binde, Schnürbrust’ per. arch. obd.

(18. Jh.), mhd. fasche, mndl. va(e)sche; auch in gt. faskjam (DPl). Entlehnt aus l. fascia ’Binde’, das zu einer Wortsippe für ’Bündel, Binde’ gehört (dazu auch l. fascis m. ’Bund’; ÞFaschismus). Faschine Sf ’Reisigbündel’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt

aus it. fascina, aus l. fascı¯na zu l. fascis ’Bündel’. Ebenso nndl. fascine, ne. fascine, nfrz. fascine, nschw. faskin, nnorw. faskin; ÞFaschismus. – EWahd 3 (2007), 79.

Fasching Sm std. reg. (13. Jh.). Ostoberdeutsch für

der Bewegung, die unter Mussolini 1922 an die Macht kam. Die Bezeichnung steht in der Tradition sozialrevolutionärer ’Bünde’ des 19. Jhs. (z.B. fasci dei lavoratori). Schon vor 1930 wird die Bedeutung verallgemeinert, indem Mussolini von einer über Italien hinausgehenden Bedeutung des Faschismus ausging, und andererseits die Kommunistische Internationale offiziell im Faschismus eine allgemeine Herrschaftsstruktur des Finanzkapitals sah und ihn damit zu einem Feindbild erhob. Später wurde der Faschismus mehrfach mit dem deutschen Nationalsozialismus in Zusammenhang gebracht. Heute allgemein als abwertende Bezeichnung für politische Gegner gebraucht − zumindest in Deutschland keine Selbstbezeichnung einer politischen Gruppierung. Täterbezeichnung: Faschist; Adjektive: faschistisch, faschistoid. Ebenso nndl. fascisme, ne. fascism, nfrz. fascisme, nschw. fascism, nisl. fasismi; ÞFasche, ÞFaschine, ÞFaszikel. – Strasser, O.: Der Faschismus (Wien 1965); Nolte, E.: Die faschistischen Bewegungen (München 1966 u.ö.); Nolte, E.: Der Faschismus (München 1968); HWPh 2 (1972), 912f.; GB 2 (1975), 329–336; Strauss u.a. (1989), 151–170; EWNl 2 (2005), 60; DF 5 (22004), 713–721.

Fase Sf ’abgeschrägte Kante’ erw. fach. (11. Jh., Bedeu-

tung 16. Jh.). Das alte Wort für ’Faser, Band’ (s. ÞFaser) wird in den Handwerkersprachen des 16. Jhs. zu einem Terminus für ’abgeschrägte Kante’. Vermutlich ist die Bedeutungsentwicklung über das Verb abfasen gegangen, für das die Bedeutung ’eine Faser, ein Band abnehmen’ vorausgesetzt werden kann. Ein zusätzlicher Einfluss von it. fascia ’Band’ ist anzunehmen. Hinderling, R. ZDPh 96 (1977), 118–133; EWahd 3 (2007), 80–82.

Fasel Sm ’geschlechtsreifes Rind oder Schwein, meist ÞFastnacht. Seit dem 13. Jh. als vaschanc, vaschang männlich’ per. fach. (11. Jh.), mhd. vasel, ahd. fasal belegt und erst später den Wörtern auf -ing angeglim./n. Aus wg. *fasla- m. ’Zucht, Zuchttier’, auch in chen. Die Herkunft des ersten Elements ist fasa-, das ae. f¢sl m.(?)/n.(?) ’Nachkommenschaft’. Mit Rückzu fasten gehört, zu den Einzelheiten s. Þfasten und sicht darauf, dass gr. spa´o¯ ’ich ziehe, reiße’ auch ’ich Fastnacht. Das zweite Element ist unklar, vermutlich leite her, stamme ab’ bedeuten kann, wohl zu diesem -gang. Mndd. vastgank, anord. (spät) fo¸stu-gangr als *(s)p¡s-lo- ’Zucht, Abstammung’. ’Beginn der Fastenzeit’ könnten entsprechen. EWahd 3 (2007), 75–77. Wilhelm, F. Münchener Museum für Philologie des Mittelalters und der Renaissance 4 (1924), 86; Wiesinger, P. in Beu- faseln Vsw ’wirr reden’ std. stil. (17. Jh.). Neben fasen, mann/Schröder (1985), 160f.; Wiesinger, P. FS Kleiber (1989), vgl. mndd. vase, visevase, vasevise ’dummes Zeug’. 71–109; Arend, St. FS Friebertshäuser (1989), 71–90; Moser, H. Vielleicht zu ahd. faso ’Franse’, mhd. vase ’Faser’ im SAV 68/69 (1972/73), 433–453 (Anschluss an Faß mit beachtliSinn von ’Wirrwarr’ oder ’Herumgeblasenes’ chen Gründen).

Faschismus Sm ’antidemokratische, rechtsradikale Be-

(ÞFaser). Vgl. nnorw. fjas n. ’Unsinn, dummes Zeug’, regional auch ’Brennholz aus Reisig’. Abstraktum: Faselei.

wegung’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus it. fascismo, zu it. fascio ’Bund’, aus l. fascis, eigentlich ’RutenHermodsson, L. SN 37 (1965), 112–115. bündel’, insbesondere das Rutenbündel mit Beil, dem Faser Sf std. (11. Jh.), spmhd. vaser, Weiterbildung zu symbolischen Zeichen für die Herrschergewalt; es mhd. vase, ahd. faso m.(?), fasa, mndd. vesen(e), vese, wurde bei öffentlichen Auftritten von den römischen mndl. ve¯se. Aus wg. *faso¯n m./f. ’Faser’, auch in ae. Liktoren den Magistraten als Zeichen der Macht vorf¢s. Offenbar zu ig. (w/ oeur.) *pes- (älter *pwesangetragen. Im Italienischen ist Faschismus zunächst ’wehen, reinigen’) in russ. pacha´t′ ’wehen, fegen’, Eigenbezeichnung von Arbeiterbünden, besonders

279

Fastnacht

l. pu¯rus ’rein’. Das Wort bezeichnet also zunächst den Fasson Sf ’Form, Machart’ per. fach. (15. Jh.). Entlehnt Flaum oder die kleine Faser, die man wegblasen kann. aus frz. fac¸on, dieses aus l. factio (-o¯nis) ’das Machen’, zu l. facere (factum) ’machen, tun’. Gleichen UrSemantisch ähnlich weitergebildet wie das spätere germanische Wort ist russ. pa´smo n. ’Garnsträhne’. sprungs ist Fashion ’Mode’ (aus ne. fashion). Die deutVerb: fasern; Adjektiv: faserig. sche Schreibweise zuerst im 17., und allgemein erst seit dem 19. Jh. Þabfieseln, Þfaseln, Þfasernackt. – Seebold, E. FS Rosenfeld (1989), 496–499.

fasernackt Adj ’ganz nackt’ std. reg. (17. Jh.). Auch fadennackt und gekreuzt mit Þsplitternackt splitterfasernackt. Wohl als ’nackt bis auf die letzte Faser’ verstanden. Häßlein (18. Jh.) gibt an futnaket, fasenakend

Ebenso ne. fashion (’Mode’), nfrz. fac¸on, nschw. fason, nnorw. fasong. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. facere ’tun, machen’ s. Þinfizieren. – Röhrich 1 (1991), 420; EWNl 2 (2005), 61; DF 5 (22004), 728–732.

fast Adv std. (16. Jh.). Ursprünglich umlautloses Adverb zu Þfest (ahd. fasto 9. Jh.). Noch frühneuhoch’so daß die Scham nicht bedeckt ist’ − das ist plausideutsch Verstärkung, dann isoliert und durch Ausbel, könnte aber auch eine Sekundärmotivation sein. weitung des Gebrauchs abgeschwächt zu ’beinahe’. Vielleicht zu faseln ’jungen’ (ÞFasel) als ’so nackt wie Vgl. ganz gut, recht gut usw. ein frisch geworfenes Tier’? Und entsprechend splinternackt ’so nackt wie ein Baumstamm, bei dem fasten Vsw std. (9. Jh., fasta 8. Jh.), mhd. vasten, ahd. sogar der Splint (unterste Bastschicht) abgezogen ist’? faste¯n. Aus g. *fast-¢ ¯ - Vsw. ’fasten’, auch in gt. fastan, anord. fasta, ae. f¢stan. Vorchristliche Wörter für Þsplitternackt. ’fasten’ in den alten Sprachen bezeichnen entweder Fass Sn std. (8. Jh.), mhd. vaz, ahd. faz, as. fat. Aus g. einfach das ’Nicht-Essen’ (gr. ne˜stis ’nicht essend, fas*fata- n. ’Fass, Gefäß’, auch in anord. fat, ae. f¢t, afr. tend, nüchtern’, l. ie¯iu¯nus ’nüchtern, leer, hungrig’) fet. Außergermanisch zeigt gleichen Lautstand lit. oder Wörter, die das kultische Fasten bezeichnen (gr. pu´odas m. ’Topf’. Unklar ist das Verhältnis zu frühhagno´s, eigentlich ’heilig, rein’, l. castus, eigentlich rom. *pottus ’Topf’ (ÞPott) und zu Þfassen. Weitere ’rein, enthaltsam [besonders in sexueller Hinsicht]’). Herkunft unklar. Bei der Bezeichnung für das christliche Fasten wurde S. auch ÞFetzen, ÞGefäß. – Trier, J. ZDPh 70 (1947/49), im Griechischen und Lateinischen nicht auf die kul353–355; Hildebrandt, R. DWEB 3 (1963), 345–348; RGA 3 tischen, sondern die einfachen Wörter zurückgegrif(1978), 324–330; Capelle, T. in Schmidt-Wiegand (1981), fen. Das germanische Wort kann ein altes Wort für 52–57; LM 4 (1989), 303; Röhrich 1 (1991), 417–419; Cox (1967), 61–63 (zu der Bedeutung ’Sarg’); RGA 8 (1994), 241–244; RGA 8 kultisches Fasten sein − es kann als (ig.) *pwos-to(1994), 245–247; EWahd 3 (2007), 92–94; EWNl 4 (2009), 469. ’rein’ und ’rechtschaffen, gewissenhaft’ näher zu l. pu¯rus ’rein’ und l. pius ’rechtschaffen’ gehören; im Fassade Sf ’Vorderseite, Außenseite’ erw. fach. (17. Jh., Germanischen kann die Grundlage vorliegen in den Form 18. Jh.). Entlehnt aus frz. fac¸ade, dieses aus it. Hintergliedern von gt. witoda-fasteis und ae. ¢wf¢st facciata, einer Ableitung von it. faccia ’Vorderseite ’gesetzestreu, rechtschaffen’. Akslav. postu˘ ’Fasten’ (’Gesichtsseite’)’, aus l. facie¯s ’Aufmachung, Ausseund vielleicht apr. pastauton ’fasten’ (die übrigen balhen, Gesicht’. Eine etwas frühere Entlehnung folgte tischen Wörter kommen sicher aus den slavischen der italienischen Form, hat sich aber nicht durchgeSprachen) können mit dem germanischen Wort ursetzt. verwandt oder aus ihm entlehnt sein. Auf (ig.) *wesEbenso nndl. fac¸ade, ne. (arch.) fac¸ade, facade, nfrz. fac¸ade, (das aus *pwes- vereinfacht sein könnte) gehen kymr. nschw. fasad, nnorw. fasade. Das lateinische Wort wohl zu l. dirwest ’fasten’ und ai. up-vas- ’fasten’ zurück. facere ’tun, machen’; zu dessen Sippe s. Þinfizieren. – Brunt (1983), 294; LM 4 (1989), 303f.; Röhrich 1 (1991), 420; EWNl 2 (2005), 49; DF 5 (22004), 725–727.

fassen Vsw std. (9. Jh.), mhd. vazzen, ahd. fazzo¯n,

Ebenso nndl. vasten, ne. fast, nschw. fasta, nisl. fasta; ÞFasching, ÞFastnacht. – Mazzuoli Porru, G. AGI 56 (1971), 19–28; Seebold, E. FS Rosenfeld (1989), 493–505; LM 4 (1989), 304–310; Arbesmann, P. R.: Das Fasten bei den Griechen und Römern (Gießen 1929) (zur Sache und zum historischen Hintergrund); Pichler, Th.: Das Fasten bei Basileios dem Großen und im antiken Heidentum (Innsbruck 1955); EWahd 3 (2007), 83–85; EWNl 4 (2009), 468.

mndd. vaten, mndl. vaten. Aus g. *fat-o¯- Vsw. ’fassen’, auch in anord. fata, ae. fetian, afr. fatia. Sowohl die Zusammengehörigkeit dieser Wörter untereinander als auch der Vergleich mit ÞFass, ÞFessel 1 und außergermanischen Wörtern sind unklar. Die Fastnacht Sf std. reg. (13. Jh.). Die Formen von ReliktAusgangsbedeutung ’in ein Gefäß füllen’ ist denkbar, mundarten weisen auf ursprüngliches *fasanaht unaber nicht ausreichend gesichert. Anord. fata klarer Herkunft hin (der zweite Bestandteil ist aber ’finden’ und ae. fetian ’holen, bringen’ sind vielleicht sicher ÞNacht). Schon früh ist das Wort als fastnacht abzutrennen und zu g. *fet-a- ’fallen’ (anord. feta, ’Vorabend der Fastenzeit’ verstanden worden, doch ahd. fezzan) zu stellen. Abstraktum: Fassung; Adjekberuht dies sicher auf sekundärer Motivation − auch tive: fasslich, fassbar, s. auch Þgefasst; Präfigierungen: Anschlüsse an ÞFass kommen vor. Bairisch-österreiÞbe-, Þer-, um-; Partikelverben: ab-, ein-. chisch dafür meist ÞFasching, älter auch faschang. EWahd 3 (2007), 95f.; EWNl 4 (2009), 469f. Der etymologische Vergleich erweist die größte

Faszikel

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Wahrscheinlichkeit für einen Anschluss an (ig.) fatal Adj ’verhängnisvoll’ erw. stil. (16. Jh., Form *pwos- ’reinigen, läutern’ (mit regulärer Vereinfa17. Jh.). Entlehnt aus l. fa¯ta¯lis ’Verderben bringend’, chung des Anlauts); das nächstverwandte außergereiner Ableitung von l. fa¯tum ’Missgeschick, Lebensmanische Wort wäre l. pu¯rus ’rein’. Gemeint ist also schicksal, Weissagespruch’ (selten auch deutsch offenbar ein Reinigungsfest, ähnlich wie die römiFatum), zu l. fa¯rı¯ ’sprechen’. Die ältere Entlehnung ist schen Lupercalien, das dann den christlichen Bräufatalisch, die jüngere wohl unter dem Einfluss von frz. chen eingepasst wurde. Bedeutung also ’Reinigungsfatal. Abstraktum: Fatalismus; Täterbezeichnung: nacht’ (so wie ein Name der römischen Lupercalien Fatalist; Adjektiv: fatalistisch. Februa Pl., d.h. ’Reinigung’ ist) oder ’Nacht vor der Ebenso nndl. fataal, ne. fatal, nschw. fatal, nnorw. fatal. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. fa¯rı¯ ’sprechen’ s. Þfamos. ErZeit der Reinigung’. Gemeint ist die kultische Reinisatzwort ist verhängnisvoll. – HWPh 2 (1972), 913–915; Carsgung, bei der auch das Fasten eine Rolle spielt. tensen 2 (1994), 470; EWNl 2 (2005), 61; DF 5 (22004), 737–742. Þfasten, ÞFasching. – Hiss, A. WJV (1965/69), 123–193; Meisen, K. RJV 17/18 (1967), 7–47; Rosenfeld, H.-F. AK 51/52 Fatum Sn Þfatal. (1969/70), 175–181; Wagner, S.: Der Kampf des Fastens gegen Fatzke Sm ’eitler Geck’ std. städt. (19. Jh.). Wohl aus die Fastnacht (München 1986); Moser, H.: Volksbräuche dem poln. Personennamen Wacek (Anredeform: Wa(München 1985), 98–140, 315–318; Finsterwalder, K. ZDPh cku) gebildet. Der Name ist eine Kurzform zu poln. 105 (1986), 385f.; Wiesinger, P. FS Kleiber (1989), 71–109; Seebold, E. FS Rosenfeld (1989), 493–505; Arend, St. FS FriebertsWacław (aus cˇech. Va´clav, latinisiert Vencislaus). Ein häuser (1989), 71–90; LM 4 (1989), 313f.; Moser, D.-R.: FastEinfluss von älterem fnhd. fatzen ’zum Narren halten’ nacht − Fasching − Karneval (Graz u.a. 1986); Röhrich 1 ist nicht ausgeschlossen. (1991), 416f.; Moser, H. SAV 68/69 (1972/73), 433–453d. (AnÞWenzel, ÞScharwenzel. – Vasmer, M. ZSPh 2 (1915), 124; schluss an Faß mit beachtlichen Gründen). Lasch (1928), 198f.; Bielfeldt (1965), 31f.; Wolf (1985), 92.

Faszikel Smn ’Aktenbündel, Bündel’ per. fach. (17. Jh.).

Entlehnt aus l. fasciculus m. ’kleines Bündel, Paket’, einem Diminutivum zu l. fascis m. ’Bund, Bündel, Paket’. Ebenso ne. fascicle, nfrz. fascicule; ÞFasche, Faschine, ÞFaschismus. – EWNl 2 (2005), 60; DF 5 (22004), 733f.

faszinieren Vsw ’begeistern, anziehen’ std. stil. (18. Jh.,

vereinzelt 16. Jh.). Entlehnt aus l. fascina¯re ’behexen’, dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist. Zunächst entlehnt in der Bedeutung ’bezaubern’, dann Weiterentwicklung zu ’anziehen’. Abstraktum: Faszination. Ebenso nndl. fascineren, ne. fascinate, nfrz. fasciner. Offensichtlich mit dem lateinischen Wort zusammenhängend ist gr. ba´skanos ’verleumderisch, behexend’, gr. baska´nion ’Behexen, Zauber’. Die Lautverhältnisse sind aber unklar − es wird eine Entlehnung aus dem Thrakischen oder einer anderen Restsprache erwogen. – EWNl 2 (2005), 60; DF 5 (22004), 733–737.

Fata Morgana Sf ’Luftspiegelung, Trugbild’ erw. exot.

fauchen (auch pfauchen) Vsw std. (14. Jh., Form 19. Jh.),

mhd. pfu¯chen. Meist von Katzen gesagt und dann übertragen. Lautgebärde (und Lautnachahmung). Partikelverb: an-. faul Adj std. (9. Jh., fu¯lı¯ 8. Jh.), mhd. vu¯l, voul, ahd. fu¯l.

Aus g. *fu¯la- Adj. ’faul, verfault’, auch in gt. fu¯ls, anord. fu´ll, ae. afr. fu¯l. Adjektivische l-Bildung zu einer Wurzel, die unerweitert noch in den nordischen Sprachen auftaucht: anord. fu´inn (Partizip) ’verfault’, anord. feyja ’verfaulen lassen’ (Kausativ), anord. fu´na ’verwesen, faulen’. Zu ig. *pu¯- ’faulen’ in ai. pu¯´yati ’wird faul, stinkt’, lit. pu¯´ti ’faulen’, mit Erweiterung gr. py´thomai ’ich faule’, unerweitert in gr. py´on, py´os ’Eiter’, l. pu¯s (puris) ’Eiter’; eine l-Bildung wie im Germanischen wird durch lit. pu¯´liai ’Eiter’ vorausgesetzt. Der Wurzel kann ein Laut des Abscheus (wie unser Þpfui) zugrunde liegen. Die Übertragung auf ’träge’ geht von ’so lange liegen geblieben, bis Fäulnis eintritt’ aus. Abstraktum: Fäulnis (eigentliche Bedeutung), Faulheit (übertragene Bedeutung); Modifikation: faulig; Verb: faulen.

ass. (18. Jh.). Entlehnt aus it. fata morgana (eigentlich: fata Morgana ’Fee Morgana’). It. fata ’Fee (’Schicksalsgöttin’)’ gehört zu l. fa¯tum n. ’Schicksal, Weissagespruch’, zu l. fa¯rı¯ ’sprechen’; der Frauenname MorEbenso nndl. vuil, ne. foul, nschw. ful. S. die folgenden Artikel gana aus der semitischen Grundlage von gr. margaund ÞFoul. – Seebold (1970), 196f.; HWPh 2 (1972), 916–918; rı´te¯s m., ma´rgaron n. ’Perle’ (arab. margˇa¯n ’Koralle’). Röhrich 1 (1991), 420f.; Heidermanns (1993), 219; EWahd 3 Die so bezeichnete Fee wurde vom Volksglauben für (2007), 615–617; EWNl 4 (2009), 576f. die Luftspiegelungen in der Straße von Messina verFaulbett Sn per. arch. (16. Jh.). Altes Wort für ’Sofa’. antwortlich gemacht; dann Ausweitung auf andere Bezieht sich wie Lotterbett (Þlottern) auf die nachläsTrugbilder, insbesondere solche in der Wüste, und sige Haltung, die man darauf einnimmt. schließlich übertragen. Ebenso nndl. fata-morgana, ne. fata morgana, ndn. fata morgana, nnorw. fatamorgana. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. fa¯rı¯ ’sprechen’ s. Þfamos; ÞFee. – Beck, P. ZDW 3 (1902), 366; Gombert, A. ZDW 3 (1902), 146; Röhrich 1 (1991), 420; EWNl 2 (2005), 60f.; DF 5 (22004), 742f.

Þfaul, ÞBett.

faulenzen Vsw std. (14. Jh.), mhd. vu¯lezen. Ableitung zu

mhd. vu¯l, voul (Þfaul) mit dem bei Verben des Riechens häufigen Suffix Þ-z(en). Die ursprüngliche, im Mittelhochdeutschen belegte Bedeutung ist ’faulig riechen’. Das Wort verbreitete sich seit dem 16. Jh. in

Fax

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der omd. Form -enzen und wird dabei in Anlehnung an faul ’träge’ fast nur übertragen gebraucht. Rother, K. ZDW 14 (1912), 219f. (zum Bildungstyp).

Faulpelz Sm std. (16. Jh.). Ursprünglich (frühneuhoch-

deutsch) die Pilzschicht, die sich auf stark verfaulten Stoffen bildet. Danach als Kraftwort (wie faules Aas u.ä.) übertragen auf träge Personen. Allerdings ist die Ausgangsbedeutung selbst nicht bezeugt, nur bei J. Maaler (1561): faul werden vnnd von feule ein belz überkommen; das Schimpfwort spätestens seit dem frühen 17. Jh. in der Schweiz (in nicht datierbaren Quellen möglicherweise älter). Faultier Sn erw. fach. (17. Jh.). Lehnübertragung nach

span. perezoso m., einer Substantivierung des Adjektivs span. perezoso ’faul, träge, schwerfällig’ (aus l. piger ’faul’) zur Bezeichnung des in Mittel- und Südamerika heimischen schwerfälligen Tieres aus der Familie der Bradypodidae. Seit dem 19. Jh. auch auf träge Menschen übertragen. Faun Sm ’triebhafter Waldgeist, lüsterner Mensch’ erw.

bildg. (16. Jh., vereinzelt 11. Jh.). Entlehnt aus l. Faunus, dem Namen des römischen Gottes der Hirten und Herden. Die Vorstellung von dem lüsternen Waldgott wird in der Mythologie aus dem Bild des griechischen Hirtengottes Pan übernommen. Der Name der Waldgöttin Fauna (Frau, Schwester oder Tochter von Faunus) ist Grundlage für nhd. Fauna ’Tierwelt’. Ebenso nndl. faun, ne. faun, nfrz. faune, nschw. faun, nnorw. faun. – EWNl 2 (2005), 61; DF 5 (22004), 745–747.

Fauna Sf ’Tierwelt (einer Region)’ per. fach. (18. Jh.).

sucht das Wort an Þfünf anzuschließen, doch gibt es hierfür keine besonderen Stützen. Auffällig ist die lautliche Nähe von l. pu¯gnus m., gr. pygme¯´ ’Faust(kampf)’, gr. py´x ’fäustlings, im Faustkampf’. Am befriedigendsten wäre ein Ansatz ig. (eur.) *peug´’stechen, stoßen’ mit einer nasalierten Form *pu-n-ksti-; die slavischen Formen müssten dann aber umgestaltet worden sein, und der Zusammenhang mit fünf wäre aufzugeben. − Die Faust steht sinnbildlich für ’Gewalt, Krieg’ in Fügungen wie Faustrecht; fnhd. von de Faust weg bedeutet ’frisch von der Leber weg, ohne Umstände, unbekümmert’, hierzu Faustregel (es ist nicht ganz klar, worauf sich die Wendung bezieht − vielleicht auf das Essen aus der Hand). Das Faustpfand ist das Pfand, das man in der Hand hält, über das man also unmittelbar verfügen kann. Weiter hierzu Fäustling ’Fausthandschuh’. Ebenso nndl. vuist, ne. fist. – Röhrich 1 (1991), 421f.; EWahd 3 (2007), 682–684; EWNl 4 (2009), 577.

Fauteuil Sm ’bequemer Polstersessel’ erw. obs. österr.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. fauteuil, älter faldestueil, faldestoel ’zusammenklappbarer Stuhl’, das auf awfrk. *faldisto¯l zurückgeht. Ebenso nndl. fauteuil, ne. fauteuil; Þfalten, ÞStuhl. – RGA 8 (1994), 176–181 (zum ’Faltstuhl’); EWNl 2 (2005), 62; DF 5 (22004), 749f.

Fauxpas Sm ’Taktlosigkeit’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt

aus frz. fauxpas (wörtlich: ’falscher Schritt’); frz. faux ’falsch’ aus l. falsus (Þfalsch), und frz. pas ’Schritt’ aus l. passus (Þpassieren). Ebenso ne. faux pas. – DF 5 (22004), 750f.

Favorit Sm ’Begünstigter, aussichtsreichster TeilnehIm 17. Jh. wurde es üblich, die Beschreibung der mer’ erw. fremd. (17. Jh., favorisieren 15. Jh.). Entlehnt Pflanzenwelt einer Region als Flora zu bezeichnen aus frz. favorite m./f. ’Günstling (usw.)’, dieses aus it. (nach Flora, der römischen Göttin der Blumen, der favorito, zu it. favorire ’begünstigen’, einer Ableitung Blüten und des Frühlings. Entsprechend nannte Carl von it. favore ’Gunst’, aus l. favor (-o¯ris), zu l. fave¯re von Linne´ seine Beschreibung der schwedischen ’geneigt sein’. Die Bedeutung ’aussichtsreichster TeilPflanzenwelt 1745 Flora Suecica. Für seine Beschreinehmer’ (’Günstling des Publikums’) im 20. Jh. aus bung der schwedischen Tierwelt 1746 prägte er den ne. favourite gleichen Ursprungs. Hierzu das Femiweniger naheliegenden Titel Fauna Suecica (es gab ninum Favoritin, das in der älteren Sprache aber auf keinen Gott der Tiere, deshalb nahm er den Namen ’bevorzugte Geliebte einer hochgestellten Persönlichder altrömischen Fruchtbarkeitsgöttin Fauna, die zu keit’ spezialisiert ist. Verbum: favorisieren. dem Waldgott Faunus (s. ÞFaun) gehörte). Auch Ebenso nndl. favoriet, ne. favourite, nfrz. favorite, nschw. fadiese Bezeichnung wurde in Fachkreisen üblich und vorit, nnorw. favoritt. – Jones, W. J. SN 51 (1979), 258; Brunt schließlich metonymisch übertragen von ’Beschrei(1983), 331f.; EWNl 2 (2005), 62; DF 5 (22004), 751–760. bung der Tierwelt’ zu ’Tierwelt (einer Region)’. Fax (Telefax) Sn ’telegraphierte Kopie’, dazu faxen ’ein Fauna und Flora sind heute fachsprachliche InterFax schicken’ erw. fach. (20. Jh.). Aus dem Englischen nationalismen. stammender Internationalismus, der auf einer AbDF 5 (22004), 747–749; EWNl 2 (2005), 61f. kürzung von ÞFaksimile beruht. Mit diesem Wort Faust Sf std. (8. Jh.), mhd. vu¯st, ahd. fu¯st, as. fu¯st. Aus wurden entsprechende Versuche schon im 19. Jh. in wg. *fu¯sti- f. ’Faust’, auch in ae. fy¯st, afr. fest. Hierzu England bezeichnet (1877 Fac-Simile Telegraph); doch serb.-kslav. pe˛stı˘ und mit Umstellung lit. ku`mste˙, so ist unklar, ob dies auf die spätere Benennung Einfluss dass sich als Ausgangspunkt ig. (oeur.) *pnk-sti-, frühgehabt hat. ˙ g. *funhsti- ergibt. Regionales faunzen ’ohrfeigen,

Nasenstüber geben’ könnte eine abweichende Bildung zeigen, die den Nasal erhalten hat. Man hat ver-

Ebenso nndl. fax, ne. fax, nfrz. fax, ndn. faxe, nisl. fax, nnorw. faks. – EWNl 2 (2005), 62f.

Faxen

282 Faxen Spl ’Narrheiten’ std. stil. (17. Jh.). Älter ist für

’(unruhig und meist nutzlos) hin- und herbewegen’ Þfickfacken, mit Fickesfacken ’Possen’, aus dem Fackes, Facks abgelöst sein kann. Auch einfaches ficken, facken, fucken für ’hin- und herbewegen’, Fickmühle ’Zwickmühle’ u.ä. Wenn die Form mit Vokalwechsel die älteste ist, kann eine Lautgebärde vorliegen. Ein Ausgangspunkt von dem obszönen Þficken ist aber denkbar und durch Parallelen zu stützen. S. auch Þfackeln, ÞFederfuchser, ÞFex, Þficken. – Lasch (1928), 198f.; Röhrich 1 (1991), 422.

Fazit Sn ’Ergebnis, Schlussfolgerung’ erw. fremd.

(15. Jh., Bedeutung 16. Jh.). Hypostasierung von l. facit ’es macht’ zur Einleitung der Summe in Rechnungsbüchern usw., zu l. facere (factum) ’machen, tun’. Zunächst nur für die Summe einer Rechnung, dann Erweiterung zur heutigen Bedeutung. Ebenso nschw. facit. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. facere ’tun, machen’ s. Þinfizieren. – Schirmer (1911), 60f.; Schirmer (1912), 23; Röhrich 1 (1991), 422; DF 5 (22004), 761–763.

Feature Sn ’Dokumentarbericht, speziell zusammen-

gesetzte Sendung’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. feature, dieses etwa im Sinn von ’Zusammenstellung’ aus me. feture ’Aufmachung’, aus afrz. faiture, aus l. factu¯ra f., zu l. facere ’machen, tun’. Ebenso nndl. feature, nschw. feature, nnorw. feature. Zur Sippe s. Þinfizieren. – Carstensen 2 (1994), 470–472; EWNl 2 (2005), 63; DF 5 (22004), 764f.

Februar Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. (me¯nsis) fe-

brua¯rius, eigentlich ’Reinigungsmonat’, zu l. februa¯re ’reinigen’ (im Deutschen zuvor ÞHornung). So benannt, da in der zweiten Hälfte dieses Monats die Reinigungs- und Sühnopfer für die Lebenden und die Toten abgehalten wurden. Er war der letzte Monat des altrömischen Kalenders − daher letztlich auch die von den anderen Monaten abweichende Dauer. Ebenso nndl. februari, ne. february, nfrz. fe´vrier, nschw. februari, nnorw. februar, nisl. febru´ar. – EWNl 2 (2005), 63f.

Fechser Sm ’bewurzelter Schössling’ per. fach. (15. Jh.),

fnhd. fechser. Vermutlich Nominalableitung zu mhd. vahs m./n. ’Haar’, aus g. *fahsa- n., auch in ahd. fahs, as. fahs n./m. (?), afr. fax n., ae. feax n. und anord. fax n. ’Mähne’. Also ’der Haare (eine Mähne) hat’, d.h. ’der bewurzelt ist’. Þfechten.

fechten Vst std. (8. Jh.), mhd. vehten, ahd. fehtan, as.

fehtan. Aus wg. *feht-a- Vst. ’fechten, kämpfen’, auch in ae. feohtan, afr. fiuchta. Dieses aus einer Verbalwurzel ig. (eur.) *pek´- ’rupfen, raufen’, die gelegentlich mit einer t-Erweiterung erscheint. Der Bedeutungsübergang von ’raufen’ zu ’kämpfen’ ist dabei besonders im Litauischen deutlich sichtbar. Auf *pek´t- führen l. pectere ’kämmen’, scherzhaft ’prügeln’, gr. pekte´o¯ ’ich schere’ (Übergang von ’Wolle raufen’ zu ’Wolle scheren’); mit *pek´- lit. pe`ˇsti

’rupfen, zausen, an den Haaren reißen’, lit. pe`ˇstis refl. ’miteinander raufen, sich prügeln’, gr. pe´ko¯ ’ich kämme, schere Wolle’, sowie g. *fahsa- ’Haar’ (s. unter ÞFechser). Von der ursprünglichen Bedeutung ausgehend bedeutet fechten mundartlich auch ’sammeln’ (Beeren usw.). Daher im 17. Jh. im Rotwelschen ’betteln’, das dann weiter in die niedere Umgangssprache gelangt. Die Bedeutung ’auf Wanderschaft betteln’ scheint aber von dem alten Brauch des Schau-Fechtens von Wanderburschen für Geld herzukommen. Kollektives Abstraktum: Gefecht. Ebenso nndl. vechten, ne. fight; Þanfechten, ÞFuchtel, Þfuchtig, ÞHarm. – Specht, F. ZVS 68 (1944), 205; Ader, D. FS Trier (1964), 146–159; Wolf (1985), 92f.; Seebold, E. (1970), 190f.; LM 4 (1989), 324–328; Röhrich 1 (1991), 422f.; EWahd 3 (2007), 108–112; EWNl 4 (2009), 470.

Feder Sf std. (10. Jh., slegi- 8. Jh.), mhd. veder(e), ahd.

fedara, as. fedaÑ ra. Aus g. *fed(u)ro¯ f. ’Feder’, auch in anord. fjo¸drÑ , ae. fedeÑ r, afr. fethere. Zugehörigkeitsbildung zu ig. *petor/n- ’Flügel’, das zu ig. *pet- ’fliegen’ gehört (ig. *pet- ’fliegen’ in ai. pa´tati ’fliegt, schwebt’, gr. pe´tomai; der r/n-Stamm für ’Flügel’ in heth. pattar n. und abgeleitet in ai. patan˙ga´- m. ’fliegend, Vogel’ und kymr. adar, aderyn, ederyn ’Vogel’ neben kymr. adain, aden ’Flügel’). Entsprechende Wörter für ’Feder, Flügel’ sind l. penna (*petn-a¯), gr. pte´ron n., kslav. pero n. (s. auch ÞFarn). − Feder als Schreibgerät beruht darauf, dass früher mit den Kielen von Schwungfedern geschrieben wurde (etwa seit dem 5. Jh., vorher mit Rohr, in Glossenhandschriften des 10./11. Jhs. wird l. calamus als Schreibgerät teils mit rora, teils mit fedara übersetzt); seit dem 19. Jh. werden die Schreibgeräte aus Metall gefertigt, der Name aber beibehalten. Vom 16. Jh. an wurden teilweise auch die Bleistifte (Blei-)Federn genannt. − Die Bedeutung ’Metallfeder, elastisches Element’, wozu das Verb federn, geht vermutlich auf die Wagenfederung mit Lagen von Blattfedern zurück, die entfernt wie Teile von Vogelfedern aussahen. Das Wort ist seit dem 16. Jh. in dieser Bedeutung bezeugt, die Sache wird erst im 17. Jh. üblich − sie muss also ein anderes Vorbild gehabt haben, vielleicht bei Schleuderwaffen (Armbrust?). Bei Uhrfedern, die es etwas früher gegeben hat, lässt die Form den Bedeutungsübergang unerklärt. Anders Maher: In dieser Bedeutung sei das Wort vermutlich rückgebildet aus Federung, mhd. viderinc m., ahd. fidering m.(?) ursprünglich ’Schleuder, Wurfriemen’, das wohl auf ein Adjektiv (ig.) *petro- ’fliegend’ zurückgeht. Ebenso nndl. veer, ne. feather, nschw. fjäder, nisl. fjöduÑ r. Die lateinische Verwandtschaft unter ÞPetition, die griechische unter ÞSymptom; ÞFarn, Þfinden, ÞFittich, ÞGefieder. – Maher, J. P. in Christie (1976), 389–409; Röhrich 1 (1991), 423f.; Treue (1986), 243–348; RGA 8 (1994), 266f.; EWahd 3 (2007), 96–98; Jensen, G. B.: Schreibgeräte unter besonderer Berücksichtigung von Schülerschreibgeräten (Diss. Erlangen-Nürnberg 2004), 29–61, 190–400; EWNl 4 (2009), 472f.

Feh

283 Federfuchser Sm ’Schreiber, der andere durch seine

back ’zurück’ (ÞBackbord). Zunächst technische BePedanterie ärgert’ erw. obs. (18. Jh.). Vermutlich Fortzeichnung für die Kontrolle von Einstellungen durch bildung eines älteren Federfuchs ’Pedant mit der Fedie Rückmeldung von Ergebnisdaten; dann übertragen auf die menschliche Kommunikation. der’ wie Schulfuchs ’Pedant in der Schule’. Schon im 16. Jh. als sprechender Name Lupoldus Federfusius in Ebenso nndl. feed-back, ne. feedback, nfrz. feed-back, nschw. den ’Briefen der Dunkelmänner’. Umbildung im Zufeedback, nnorw. feedback. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 293; EWNl 2 (2005), 65; DF 5 (22004), 769–771. sammenhang mit sich fuchsen ’sich ärgern’ (wohl zu fucken ’hin- und herfahren’, Abwandlung zu ficken Feg(e)feuer Sn erw. fach. (13. Jh.), mhd. vegeviur, und facken; ÞFaxen). mndd. vege(n)vu¯r, mndl. vegevier. Lehnübertragung Rosenfeld, H.-F. BGDSL-H 77 (1955), 256; Röhrich 1 (1991), mit fegen ’reinigen’ und Feuer zu l. pu¯rga¯to¯rius ¯ıgnis 424f. m. ’reinigendes Feuer’ oder l. pu¯rga¯to¯rium ’Ort, wo gereinigt wird’. Die dualistische Jenseitsvorstellung Federlesen (in Wendungen wie nicht viel Federlesens des späten Judentums und des frühen Christentums machen; ohne viel Federlesens) Sn std. phras. stil. (Himmel und Hölle) wurde früh durch die Vorstel(13. Jh.), mhd. vederlesen ’schmeicheln’, noch urlung überbrückt, dass die weniger schweren Sünder sprünglicher ’Federn vom Kleid ablesen’. Zusamzuerst in die Hölle kämen, nach einer Reinigung aber mensetzung mit ÞFeder ’Vogelfeder’ und Þlesen in den Himmel. Die Vorstellung wurde früh ver’auf-, ablesen, einsammeln’, entsprechend mhd. veknüpft mit der allgemeinen Vorstellung des Feuers als derklu¯ben gleicher Bedeutung. Zugrunde liegt die Siteinem reinigenden Element. Nach Origines kann te, Höhergestellten die lästigen kleinen Flaumfedern dabei grundsätzlich jeder Sünder erlöst werden, nach vom Kleide zu nehmen, was offensichtlich schon im Gregor dem Großen können nur lässliche Sünden Spätmittelalter einerseits als Schmeichelei und anvergeben werden. Unklar bleibt der Ort und die Zeit dererseits als Ausdruck einer übertriebenen Sauber(nach dem Tod oder nach dem Jüngsten Gericht). Die keit und Umständlichkeit galt (offenbar im AnKonkretisierungen der Vorstellung erfolgen vom 12. schluss an gr. kroky´da aphaireı˜n ’Flausen wegnehbis zum 14. Jh. (1321 Dante). men’ als Merkmal des Schmeichlers); dies führte in der negativen Form (ohne viel Federlesens, nicht viel Le Goff, J.: La Naissance du Purgatoire (Paris 1981; d: München 1990); LM 4 (1989), 328–331; Röhrich 1 (1991), 426f.; Federlesens) zu der schon seit dem 16. Jh. bezeugten EWNl 4 (2009), 460. Bedeutung ’nicht viel Umstände machen’. fegen Vsw std. reg. (10. Jh.), mhd. vegen, ahd. fego¯n, as. Röhrich 1 (1991), 425f. fegon. Nur unter Annahme eines merkwürdigen AbFederweißer Sm ’junger Wein’ per. oobd. wmd. lauts verknüpfbar: Mhd. vegen setzt e voraus; anord. (16. Jh.). Federweiß ist eigentlich der Name verschie¯; fa´ga ’schmücken, reinigen’, mndl. vagen dagegen g. ¢ dener Mineralien (ÞTalk 1, ÞAlaun), also ’weiß wie außergermanisch vergleichbar ist lit. puo˜ˇsti Federn’; dann auch als substantiviertes Adjektiv (vor ’schmücken, putzen’, das auf ig. o¯ zurückgeht. Die allem westmitteldeutsch) ’junger Wein’ und ’junger, Lautzusammenhänge sind klärungsbedürftig. trüber Most’. Das Benennungsmotiv ist wohl die Farbe. Lüschen (1979), 214f.

Fee Sf ’weibliches Märchenwesen mit Zauberkräf-

ten’ std. (18. Jh., in der Form fei 12. Jh.). Entlehnt aus frz. fe´e, dieses aus l. Fa¯ta ’Schicksalsgöttin’, zu l. fa¯tum n. ’Schicksal(sspruch)’, zu l. fa¯rı¯ ’sprechen’. Im 12. Jh. ist es schon einmal als mhd. veie (afrz. fae) übernommen worden. Als Entsprechung zu frz. fe´e in der auch in Deutschland beliebt werdenden contede fe´e sucht Bodmer das alte Fei wiederzubeleben, doch setzt sich alsbald die junge Entlehnung Fee durch. Die alte Form noch poetisch-archaisch (Waldfei); hierzu auch gefeit. Adjektiv: feenhaft. Ebenso nndl. fee, ne. fay, nfrz. fe´e, nschw. fe, nnorw. fe. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. fa¯rı¯ ’sprechen’ s. famos; ÞFata Morgana. – Walz, J. A. ZDW 14 (1912/13), 190–210; EWNl 2 (2005), 64f.; DF 5 (22004), 766–769.

Feedback Sn ’Rückmeldung, Reaktion’ per. fach.

(20. Jh.). Entlehnt aus ne. feedback, dieses aus ne. feed ’einspeisen, füttern’ (aus ae. fe¯dan; ÞFutter 1) und ne.

Heidermanns (1993), 194; EWahd 3 (2007), 101f.; EWNl 4 (2009), 474.

Feh Sf ’sibirisches Eichhörnchen’ (als Pelz) per. fach.

(8. Jh., Form 16. Jh.), mhd. ve¯ch n. ’buntes Pelzwerk’. Zu g. *faiha- ’bunt, versehen mit’ in gt. filu-faihs ’sehr bunt, mannigfaltig’, anord. bla´-fa´r ’blau gesprenkelt’, eitr-fa´r ’giftig’ (’mit Gift versehen’), ae. fa¯h ’bunt’, ahd. fe¯h ’verschiedenfarbig, bunt’. Wann das Adjektiv eindeutig als Substantiv mit der Bedeutung ’buntes Pelzwerk’ und dann als (’Hermelin’ und) ’sibirisches Eichhörnchen’ erscheint, ist nicht genau zu bestimmen (ca. 16. Jh.). In der Neuzeit z.T. auch Femininum und Vermischung mit ÞFähe. Das alte Adjektiv vergleicht sich außergermanisch zunächst mit den Ableitungen gr. poikı´los ’bunt’, russ. pe¨stryj ’bunt’ (kslav. pı˘stru˘); dann weiter mit den Substantiven ai. -pe´´sa- m., pe´´sas- n. ’Schmuck, Zierat’, lit. paı˜ˇsas m. ’Fleck, Klecks’. Es ist am ehesten aus einem Kompositum mit der Struktur von ai. puru-pe´´sa’vielfarbig, vielgestaltig’ herausgelöst; es kann aber auch aus dem Substantiv entstanden sein (mit Be-

Fehde

284

deutungsverschiebung wie in der griechischen und der kirchenslavischen Adjektiv-Ableitung) oder unmittelbar auf das Verb zurückgehen. Die Wörter gehören zu ig. *peik´- ’zubereiten, herrichten, schmücken’ in ai. pim ˙ ´sa´ti ’zubereiten, bilden, schmücken’, lit. pie˜ˇsti ’zeichnen, verzieren’, akslav. pı˘sati ’schreiben’, runen-germanisch faihida ’schrieb, ritzte, malte’.

Feier Sf std. (9. Jh.), mhd. vı¯re, ahd. fı¯r(r)a. Entlehnt

Þfeig(e), ÞFeile. – LM 4 (1989), 331; Heidermanns (1993), 183f.

Feierabend Sm std. (16. Jh.), fnhd. vı¯ra¯bent ’Vorabend

aus spl. fe¯ria ’Festtag’ aus l. fe¯riae Pl. ’Tage, an denen keine Geschäfte vorgenommen werden’. Nach Bammesberger 1999, 173 beruht der Vokal auf irischer Vermittlung. Verb: feiern; Adjektiv: feierlich. Ebenso nndl. viering, ne. fair, nfrz. jour fe´rie´, nschw. firande, nnorw. (Vb.) feire; ÞFerien. – Bammesberger (1999), 173; EWahd 3 (2007), 280, 304–306; EWNl 4 (2009), 523f.

eine Festes’. Zusammensetzung mit Feier in der alten Bedeutung ’Festtag, Feiertag’ und ÞAbend ’Vorve¯(he)de, ahd. (gi)fe¯hida, mndd. vede-, mndl. ve(e)de. abend’, also zunächst ’Vorabend eines Feiertags’. Die Aus wg. *faih-iþo¯ f. ’Feindseligkeit’, auch in ae. ursprüngliche Bedeutung wird in Anlehnung an f¢¯ hd(Ñ u), afr. fa¯ithe, fe¯ithe, Abstraktbildung zu dem ÞFeier ’Ruhe von der Arbeit’ zuerst nur handwerkerAdjektiv wg. *faiha- ’feindselig, geächtet’ in ae. fa¯h, sprachlich zu ’(Beginn der) Ruhezeit am Abend’ umafr. fa¯ch, ahd. gife¯h, mndl. gevee; hierzu auch gt. bifaih gedeutet. ’Übervorteilung’, gt. bifaihon ’übervorteilen’. Zu ig. Röhrich 1 (1991), 427. *peik´- ’zürnen’ (o.ä.) in air. oech ’Feind’, ai. pı´´suna’böse, verleumderisch’, lit. (mit Verhalten einer Ken- feig(e) Adj std. (8. Jh.), mhd. veige, ahd. feig(i), as. fe¯gi. tum-Sprache) peı˜kti ’tadeln, schmähen’, lit. pı`ktas Aus g. *faigija- Adj. ’todgeweiht’, auch in awn. feigr, ’böse’, lit. py˜kti ’zürnen’. Eine einfachere Wurzelform ae. f¢ge, afr. fa¯ch − diese Bedeutung hat das Adjektiv *pei- wird unter ÞFeind dargestellt. Eine Präfixableiin allen alten Sprachzuständen; sekundär entwickelt tung ist befehden. Der Fehdehandschuh ist der von sich daraus ’sich verhalten wie jmd., der todgeweiht einem Ritter als Aufforderung zu Kampf oder Fehde ist’; in den nordischen Sprachen ist das ’ungewöhneinem Gegner hingeworfene Handschuh. Die Auslich, verrückt’, im Mittelhochdeutschen zunächst drucksweise kommt aber erst im 18. Jh. im Anschluss ’verhasst’ u.ä., dann seit Luther ’verzagt’ mit einem an frz. jeter le gant ’den Handschuh hinwerfen’ auf. noch nicht ausreichend aufgehellten BedeutungsÞFeind, ÞUrfehde. – Maier, A. ZDW 10 (1908/09), 181–187; übergang. Das Adjektiv gehört sehr wahrscheinlich Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 179–182; LM 4 (1989), 331–334; Heizu ig. *peik´- ’zubereiten, herrichten, schmücken’, das dermanns (1993), 184f.; Sousa-Costa (1993), 186–193; RGA 8 unter Feh behandelt ist. Daraus wohl zuerst Bildun(1994), 279–282; EWahd 3 (2007), 105f.; EWNl 4 (2009), 520. gen wie ae. de¯ad-Ñ f¢¯ ge ’todgeweiht’, eigentlich ’für den Fehl Sm erw. stil. (13. Jh.), mhd. v¢le. Ist entlehnt aus Tod bereitet, hergerichtet’ mit anschließender Herafrz. faille, das auf l. falla ’Betrug’ zurückgeht. Das auslösung des Adjektivs aus dem Kompositum (oder Wort setzt sich im Deutschen nicht gegen ÞFehler Bedeutungsspezialisierung eines einfachen Adjektivs durch, bleibt aber in Phrasen (ohne Fehl − frz. sans mit der Bedeutung ’bereitet’). Es kann sich um das faille) und Zusammensetzungen (Fehltritt, Fehlgeburt, gleiche Adjektiv handeln wie g. *faiha- ’bunt’ (ÞFeh), Fehlanzeige), auch als Verbzusatz (fehlgehen, fehlfalls es sich tatsächlich um Herauslösungen aus dem schlagen, vgl. auch fehl am Platz). Kompositum handelt und der grammatische Wechsel Ebenso nndl. feil, nschw. fel, nnorw. feil; Þfalsch, Þfehlen, durch die Stellung im Kompositum bedingt ist. AbÞFehler. straktum: Feigheit; Täterbezeichnung: Feigling. fehlen Vsw std. (13. Jh.), mhd. v¢len, velen, valen. EntEbenso nndl. veeg, nisl. feigur. – Schütt, A. ZDW 11 (1909), 274f.; Gillam, D. M. E. SGG 4 (1962), 165–201; Heidermanns lehnt aus afrz. faillir ’verfehlen, sich irren’, dieses über (1993), 182f.; Seebold, E. ZDA 123 (1994), 352f.; RGA 8 (1994), früh-rom. *fallire aus l. fallere ’täuschen’ (vor allem in 288–291; EWNl 4 (2009), 471. unpersönlichen Ausdrücken). Die Bedeutung ’nicht da sein’ ist nur deutsch, geht aber auf die französische Feige Sf std. (8. Jh.), mhd. vı¯ge, ahd. fı¯ga, as. fı¯ga. EntNebenbedeutung ’entgehen, mangeln, nötig sein’ zulehnt aus prov. figa, das aus l. fı¯cus ’Feige’ stammt. rück. Adjektiv: fehlbar; Präfigierung: Þver-. Dies wiederum ist aus einer Substratsprache entlehnt, Ebenso nndl. falen, ne. fail, nschw. fela, nnorw. feile; Þfalsch, aus der auch gr. sy˜kon n. ’Feige’ stammt. Das ÞFehl, ÞFehler. – EWNl 2 (2005), 55. Feigenblatt als Sinnbild verschämter (und kaum zulänglicher) Verhüllung nach 1. Mos. 3,7 (Adam und Fehler Sm std. (16. Jh.). Nomen Actionis in der Form Eva suchen ihre Scham mit Feigenblättern zu vereines Nomen Agentis zu Þfehlen, zunächst für einen hüllen). Die Feige als Geste (der Faust mit dem zwiFehlschuss gebraucht. schen den Fingern steckenden Daumen) ist wegen Ebenso nndl. fout, ne. fault, nfrz. faute, nschw. fel, nnorw. feil; ihrer sexuellen Grundlage beleidigend: Feige ist eiÞfalsch, ÞFehl, Þfehlen. gentlich eine Metapher für das weibliche GeFei Sf , feienVsw ÞFee, Þgefeit. schlechtsglied; der durch die Finger gesteckte Daumen soll dazuhin den Geschlechtsverkehr andeuten. Fehde Sf erw. obs. (10. Jh., feidosus, exfaida 8. Jh.), mhd.

Feld

285 Ebenso nndl. vijg, ne. fig, nfrz. figue, nschw. fikon, nnorw. fiken, fein Adj std. (12. Jh.), mhd. vı¯n, mndd. fı¯n, mndl. fijn. nisl. fı´kja; ÞOhrfeige. – Röhrich 1 (1991), 427–430; LM 4 Entlehnt aus afrz. fin, das aus dem Substantiv l. fı¯nis (1989), 335f.; RGA 8 (1994), 285–288; EWahd 3 (2007), 212–214; ’Ende, Grenze’ in prädikativer Stellung entstanden ist EWNl 4 (2009), 525.

feil Adj erw. obs. (8. Jh.), mhd. veil(e), ahd. feili, fa¯li,

(’das ist die Grenze’ = ’das ist das äußerste’ = ’das ist das beste’). Abstraktum: Feinheit; Präfixableitung: verfeinern.

mndd. ve¯l(e), veile. Vgl. anord. falr. Die Bedeutung ist überall ’verkäuflich’, der Vokalismus ist unvereinbar. Ebenso nndl. fijn, ne. fine, nfrz. fin, nschw. fin, nnorw. fin, nisl. Da bei dieser vergleichsweise speziellen Bedeutung fı´nn. L. fı¯nis ’Ende’ zeigt sich mit der Bedeutung ’Ende’ in ÞFinale (it.) und ÞFinish (e.), als ’Abgrenzung, Begrenzung’ in verschiedene Quellen kaum in Frage kommen, muss Þdefinieren, Þfinit, ÞInfinitiv und ÞParaffin; als ’Bezahlung’ in eine Ablautentgleisung auf der Seite des Deutschen ÞFinanzen. Die junge Bedeutung ’fein’ in ÞFinesse und vorliegen (etwa bei einem zugrunde liegenden PräÞraffiniert. – Steinmeyer, E. ZDA 34 (1890), 282f.; Miettinen sens *filj- aus *felj-, und dazu eine Hochstufe nach (1962), 205–209; EWNl 2 (2005), 74f. dem Muster des ei/i-Ablauts). Ahd. fa¯li ist ein schwer Feind Sm std. (8. Jh.), mhd. vı¯ant, vı¯(e)nt, ahd. fı¯ant, deutbarer Einzelbeleg − sonst steht überall ei. Ausfı¯jant, as. fiand, fiond. Aus g. *fij¢ ¯ nd- m. ’Feind’, auch zugehen ist also wohl von dem Vokalismus des Norin gt. fijands, anord. fjandi, ae. fe¯ond, fı¯ond, afr. fı¯and; dischen (*fala-), der sich anschließt an lit. pel˜nas erstarrtes Partizip Präsens zu g. *fij-¢ ¯ - ’hassen’ in gt. ’Verdienst’, lit. pelny´ti ’verdienen, gewinnen’, akslav. fijan, anord. fja´, ae. fe¯on, ahd. fie¯n. Zu ig. *pei¡pleˇnu˘ ’Beute’, ai. pa´nya- ’Ware’, ai. pa´nate ’handelt ˙ biete feil, ’hassen, verderben’, auch in ai. pı¯´yati ’schmäht, ein, kauft’ und mit ˙Ablaut gr. po¯le´o¯ ’ich höhnt’. Adjektiv: feind(lich); Präfixableitungen: verkaufe’. Heidermanns rechnet mit einer Kreuzung verfeinden; Abstraktum: Feindschaft. mit ig. *po¯(i)- ’schützen’ (wegen mndd. ve¯lich ’beschützt, sicher’ usw.). Ebenso nndl. vijand, ne. fiend, nschw. fiende, nisl. fja´ndi. Eine Þfeilschen; zur griechischen Entsprechung s. ÞMonopol. – Heidermanns (1993), 185f.; EWahd 3 (2007), 30–32, 116f.

Erweiterung hierzu s. unter ÞFehde. – Steinmeyer, E. ZDA 34 (1890), 282f.; EWahd 3 (2007), 199–201; EWNl 4 (2009), 525.

feindselig Adj std. (15. Jh.). Aus Ableitungen auf -ig zu Substantiven auf -sal (wie mühselig zu Mühsal; Þ-sal, g. *fı¯lo¯ f. ’Feile’, auch in anord. þe´l (vermutlich mit Þ-sel) kann durch Bezug auf das Grundwort (Mühe − Lautübergang f zu þ), ae. fe¯ol. Dies kann weiter auf g. mühselig) ein Element Þ-selig abgelöst werden, das in **finhlo¯ zurückgeführt werden, was Anschluss an ai. Fällen wie feindselig produktiv geworden ist (zuerst pim ˙ ´sati ’haut aus, bereitet, schmückt’ erlaubt. In dienur in der Bedeutung ’verhasst’). sem Fall also ein nasaliertes ig. *peik´-, zu dem ohne Nasal auch gr. pikro´s ’scharf, spitz, stechend’ gehört feist Adj std. stil. (8. Jh.), mhd. veiz(e)t, ahd. feiz(i)t. (und die unter ÞFeh behandelte Sippe mit abweiUrsprünglich Partizip Präteritum zu dem erst spät chender Bedeutung). Verb: feilen. bezeugten mhd. veizen, anord. feita ’fett machen, Ebenso nndl. vijl, ne. file, nisl. þjöl. – Trier (1951), 12 (etwas mästen’, Faktitivum zu g. *faita- Adj. ’fett’ in anord. anders, nicht überzeugend); Röhrich 1 (1991), 430; RGA 8 feitr, ae. f¢tt, afr. fatt, fet, mndl. feit, mhd. veiz. Zu ig. (1994), 291f.; EWahd 3 (2007), 217f.; EWNl 4 (2009), 525f. *pei¡- ’fett sein, strotzen’ (das allerdings keine genau feilschen Vsw std. stil. (13. Jh.), mhd. veilsen. Ableitung vergleichbare Bildung mit -d- aufweist). Vergleichbar auf -iso¯- zu Þfeil. in der Bedeutung sind ai. pı¯na´- ’feist, dick’, gr. pı˜on, pı´eira ’fett, fruchtbar’ u.a. Feim Sm ’Schaum’ erw. obs. (9. Jh., feimen 8. Jh.), mhd. Vgl. auch ae. f¢tt; Þfett. – Linke, E. BGDSL-H 82 (1961) veim, ahd. feim. Aus wg. *faima- m. ’Schaum’, auch in (= Sonderband FS Karg-Gasterstädt), 235–244; Heidermanns ae. fa¯m n. Außergermanisch finden sich Ableitungen (1993), 186f.; EWahd 3 (2007), 120–122. auf m und n, meist mit s mobile, so dass ig. *spoi-mnofeixen Vsw std. reg. stil. (19. Jh.). Norddeutsche Bildung vorausgesetzt werden kann. Zu diesem ai. phe´nazu feix ’junger Student’, also etwa ’verlegen lachen’ ’Schaum’, l. spu¯ma f. ’Schaumgischt’, lit. spaı˜ne˙ f. (wie die Neulinge es tun). Nach Rosenfeld ist das ’Schaumstreifen auf bewegter See’, akslav. peˇna f. Grundwort entstellt aus Feist ’(junger) Furz’. ’Schaum, Speichel’. Weitere Herkunft unklar (zu g. Rosenfeld, H.-F. BGDSL-H 77 (1955), 246–305, besonders *speiwan ’speien’, l. spuo¯?). Feile Sf std. (8. Jh.), mhd. vı¯le, ahd. fı¯hala, as. fı¯la. Aus

Ebenso ne. foam; Þabgefeimt. – EWahd 3 (2007), 118f.

Feim(en) Sm (Feime f.) ’Strohhaufen, provisorisches

255–268; Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 41–44.

Felche(n) Sm (in Bayern ÞRenke ’ein Bodenseefisch’,

Coregonus) per. fach. (14. Jh.), mhd. velche m.(?). Vorratshaus auf dem Feld’ per. reg. (16. Jh.). LautvaHerkunft unbekannt. Vielleicht mit -l- aus -r- (wie in riante zu ÞDieme. Die Form mit f- niederdeutsch seit Kilche, ÞKirche) zu dem Grundwort von ÞForelle? dem 12. Jh., hochdeutsch seit dem 16. Jh. Weitere Herkunft unklar. Feld Sn std. (8. Jh.), mhd. velt, ahd. feld, as. feld. Aus wg. EWahd 3 (2007), 237–239. *felþa- n., auch in ae. feld, afr. feld; hierzu mit Ablaut *fuldo¯ ’Erde, Boden’ in anord. fold f., ae. folde f., as. folda f. Ableitung aus der ig. Verbalwurzel *pel¡/pla¯-

Feldscher

286

’ausbreiten’ (ursprünglich wohl zu ig. *pel- ’stoßen, der Bedeutung ’gleiten’ − ’Schlange’ − ’Schlittenschlagen’ als ’breitschlagen’), zu der mehrere bedeukufe’ gehören auch Wörter mit der Bedeutung tungsähnliche (aber nicht formal gleiche) Wörter ge’Pflugsohle’ (die Stelle, über die der Pflug gleitet). hören, etwa arm. hoł ’Erde, Boden, Land’, air. la´thar Von hier aus könnte sich die Bedeutung ’Brachland usw.’ erklären lassen. Eine für Felge 1 und Felge 2 ge’Ort, Lage’, akslav. polje ’Feld’ u.a. Also ’Ausgebreitetes, Ebene’ als Ausgangsbedeutung. Aus der Bemeinsame Grundbedeutung ’wenden’ ist weniger zeichnung des Kampfplatzes als Feld wird das Wort in wahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Zusammenhänge mit ’Krieg, Militär’ gezogen (im Fell Sn std. (8. Jh.), mhd. vel, ahd. fel. Aus g. *fella- n. Feld, Feldwebel). ’Haut, Fell’, auch in gt. *fill (gt. filleins ’ledern’, gt. Ebenso nndl. veld, ne. field; ÞGefilde. – HWPh 2 (1972), þrutsfill ’Aussatz’), anord. fjall, fell, ae. fell. Dieses aus 923–929; Maher (1986), 63, 65; Röhrich 1 (1991), 430f.; RGA 8 voreinzelsprachl. *pelno- n. ’Fell, Haut’, auch in l. pel(1994), 302–304; EWahd 3 (2007), 134–136; EWNl 4 (2009), lis f., gr. pe´lla f. Anderes steht weiter ab. Zur Verbal476f. wurzel ig. *pel- ’bedecken’. Feldscher (Feldscherer) Sm ’Heereswundarzt’ per. arch. Ebenso nndl. vel, ne. fell, nschw. fjäll; ÞFilm. – Trier (1951), 30 (16. Jh., Form 17. Jh.). Eigentlich der ’Bartscherer im (anders [nicht überzeugend]); Röhrich 1 (1991), 431–433; RGA Feld (Krieg)’, da in alter Zeit der Barbier auch Wund8 (1994), 327; EWahd 3 (2007), 122–126; EWNl 4 (2009), 476. arzt war. Felleisen Sn ’lederner Reisesack’ erw. obs. (14. Jh.). ZuFeldstecher Sm ’Fernglas’ erw. fach. (19. Jh.). Älter ist nächst in den Formen velı¯s(en), felliß, fellentz, fellus, Stechbrille, eine Brille, mit der man besser in die Weite felles f. entlehnt aus ml. valixia, valisia f. ’Satteltasehen konnte, und die offensichtlich (mit einer sche’ in der Lautform einer romanischen Sprache Klammer) auf die Nase gesteckt wurde. Dazu ist (ober-italienisch?), auf die auch frz. valise ’GepäckStecher wohl eine Kurzform (gemeint ist ein Opernstück, Koffer’ zurückgeht. Die Bedeutung ist einerglas), im Gegensatz dazu der Feldstecher für den Geseits ’Tornister, Reisesack’, andererseits ’Satteltabrauch im Freien (auch Krimstecher für ein im Krimsche’. Die seit dem 16. Jh. auftretenden diphthongierkrieg gebrauchtes Fernglas). ten Formen bewirkten dann eine Anlehnung an ÞFell und ÞEisen und damit Wechsel vom Femininum zum Feldwebel Sm ’Unteroffizier’ erw. fach. (16. Jh.), fnhd. Neutrum. Der Sachentwicklung folgt die Bedeufeldweibel. Seit dem 16. Jh. zu ÞWeibel ’Gerichtsdietungsentwicklung, so dass die Bedeutung in die Nähe ner’, also eine untergeordnete Amtsperson im Feld von ’Koffer’ kommt. (Krieg, Heer). Das -e- beruht auf einer ostmitteldeutEbenso nndl. valies, ne. valise, nfrz. valise. Das lateinische Wort schen Variante. Fraenkel, E. ZSPh 20 (1948), 51–89; Maher (1986), 75. 1

Felge Sf ’Radkranz’ erw. fach. (9. Jh.), mhd. velge, ahd.

ist eine Weiterbildung von l. vidulus ’geflochtener Korb’. – Schier, B. Hermelin. Illustrierte Zeitschrift für Pelz und Mode 19 (1949), 9/10, 30; DEO (1982), 519 (anders).

felga, as. felga. Aus wg. *felgo¯ ’Krummholz, besonders Felonie Sf ’Treubruch, Verstoß gegen die Rittersitam Rad’, auch in ae. felg(e). Außergermanisch verte’ per. arch. (16. Jh.). Zunächst in der Form felonei gleicht sich russ. po´loz m. ’Schlittenkufe’. Allerdings entlehnt aus frz. fe´lonie, zu frz. fe´lon ’treubrüchig, verist das russische Wort mit slavischen Wörtern für räterisch’, aus afrz. fel, felon ’treulos, böse, schur’Schlange’ und ’Reptil’ verwandt und kann auf ein kisch’. Wort für ’kriechen, gleiten’ zurückgeführt werden Ebenso nndl. felonie, ne. felony, nfrz. fe´lonie. Zur Etymologie (akslav. plı˘zati ’kriechen’ usw.). Das bedeutet, dass des französischen Wortes vgl. Joppich-Hagemann, U.: Fünf entweder die slavischen Wörter abzutrennen sind, romanische Wortfamilien vermeintlich germanischen Uroder dass Felge nicht (wie allgemein angenommen) sprungs, in Joppich-Hagemann/Korth (1973), 63–125 (zu l. folauf eine Bedeutung ’gekrümmt’ zurückgeht, sondern lis ’Schlauch’, vgl. die Entwicklung zu frz. fou ’wahnsinnig’ auf ’das Gleitende, Rutschende’. In Anbetracht der über ’aufgeblasen’) und DEO (1982), 280f. (zu l. fel ’Galle’, schlechten Vergleichbarkeit ist die zweite Möglichkeit übertragen ’Zorn’). – DF 1 (1913), 209; LM 4 (1989), 345. durchaus zu erwägen. Fels Sm std. (8. Jh.), mhd. vels(e), ahd. felis, as. fel(i)s. Ebenso nndl. velg, ne. felloe, felly. S. auch ÞFelge 2. – Röhrich 1 Aus vd. *feleza- m. Weiter verbreitet ist eine Form, die (1991), 431; EWahd 3 (2007), 138–140; EWNl 4 (2009), 477. auf g. *felz-, ig. *pels- zurückgeht: anord. fjall, fell n. Felge2 (auch Falge) Sf ’Brachland nach dem Umpflü’Gebirge’; gr. pe´lla f. ’Stein’ (Glossenwort), mir. all gen’ per. arch. (13. Jh.), ahd. felga ’umgepflügtes Feld’. ’Klippe’, ai. pa¯sa¯na´- ’Stein, Fels’. Die Form mit ein˙ ˙ noch in air. ail ’Felsen’ (ig. *pali-) Vgl. mndd. valge, mndl. valge; dann erst wieder in der fachem l vielleicht Neuzeit mundartlich (bairisch) bezeugt. Mhd. nur und in dem Ortsnamen Alesia (aus *pales-j-). Weitere valgen, velgen ’umackern, umgraben’, aber ae. fealh, Herkunft unklar. fe(a)lg ’gefelgte Brache’. Außergermanisch vergleicht Ebenso nschw. fjäll n., nisl. fjall n. – Frings (1932), 215; Lüschen (1979), 216f.; EWahd 3 (2007), 142–145. sich gall. olka ’Ackerland’, russ. polosa´ ’(Land)Strich, Streifen, Ackerfurche’. Zu der unter ÞFelge 1 behandelten gleichlautenden slavischen Sippe mit

Ferkel

287 Feme Sf ’heimliches Gericht’ erw. obs. (14. Jh.), mhd.

veme, daneben mhd. (obd.) feim, mndd. veme, mndl. ve¯me, veem. Das Wort bedeutet ursprünglich ’Genossenschaft’, verfemen ist ’aus der Genossenschaft ausstoßen’. Die Einrichtung der Fem(e)gerichte geht vom Niederdeutschen aus (daher auch der heutige Lautstand). Wort und Sache bedürfen noch weiterer Aufklärung. Trier, J. ZSSR-GA 65 (1947), 256; LM 4 (1989), 346–349; Röhrich 1 (1991), 433f.; EWNl 4 (2009), 479.

feminin Adj ’weiblich’ std. stil. (15. Jh.). Entlehnt aus l.

fe¯minı¯nus, zu l. fe¯mina ’Frau’. Substantiviert (als grammatischer Terminus): Femininum. Ebenso ne. feminine, nfrz. fe´minin, nschw. feminin, nnorw. feminin. – DF 5 (22004), 773–779.

Feminismus Sm ’Eintreten für die (vollständige Durch-

führung der) Frauen-Emanzipation’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. fe´minisme, semantisch in der Gegenwartssprache von dem ebenfalls daraus entlehnten am.-e. feminism bestimmt. Täterbezeichnung: Feministin. Ebenso nndl. feminisme, ne. feminism, nfrz. fe´minisme, nschw. feminism. – Strauss u.a. (1989), 105–113; EWNl 2 (2005), 67f.; DF 5 (22004), 777–779.

Fenchel Sm std. (8. Jh.), mhd. fen(i)chel, ahd. fenihhal,

fenichen, as. fenecal, fenikel. Entlehnt aus früh-rom. *feniclum n., umgangssprachliche Form von l. fe¯niculum n. (wegen seines Heudufts nach l. fe¯num n. ’Heu’ benannt). Ebenso nndl. venkel, ne. fennel, nfrz. fenouil, nschw. fänka˚l, nnorw. fennikel. – LM 4 (1989), 349; EWahd 3 (2007), 150f.; EWNl 4 (2009), 479.

Fenn Sn ’Sumpfland’ per. fach. ndd. (9. Jh.), mhd. ven-

fensterln (älter auch fenstern) Vsw ’abends bei seinem

Mädchen in die Kammer einsteigen’ erw. obs. oobd. (16. Jh.). Seit dem 16. Jh. meint man mit Kammerfenster häufig speziell das Fenster zu der Kammer eines mannbaren Mädchens, und es wird für die jugendlichen Liebhaber üblich, abends vor dieses Fenster zu ziehen. Ihre Erhörung besteht zunächst nur in der Unterhaltung durch das Fenster; später wird das Einsteigen (in Ehren) üblich, wenn es dann auch gegebenenfalls nicht bei der durch die Sitte vorgegebenen Zurückhaltung bleibt − worauf die Sitte dann weithin verboten wird. Wie fenstern zu ÞFenster ist fensterln zu dem Diminutiv Fensterl gebildet. Ferge Sm per. arch. (8. Jh.), mhd. ver(e), verje, ver(i)ge,

ahd. ferio, fer(i)go, ferro. Nomen Agentis zu g. *fareja- Vsw. ’überführen, übersetzen’ in gt. farjan ’zur See reisen’, anord. ferja, ae. feri(g)an, afr. feria, ahd. ferien, ferren, as. ferian, mhd. vern. Also vd. *far-ejo¯nm. ’der Überführende, Fährmann’. ÞFähre, Þfahren.

Ferien Spl ’arbeitsfreie Zeit, Ruhetage’ std. (16. Jh.).

Entlehnt aus l. fe¯riae, das (wie l. fe¯stus ’festlich, feierlich’ und l. fa¯num n. ’Heiligtum’) auf eine Wurzel zurückführt, deren Bildungen heilige Sachverhalte bezeichnen (die Zugehörigkeit von gr. theo´s ’Gott’ ist umstritten). Eine verbale Grundlage ist nicht erkennbar. Die Ferien waren ursprünglich die Tage religiöser Handlungen, an denen keine Geschäfte betrieben wurden. Im Deutschen zunächst in der Gerichtssprache die verhandlungsfreien Tage. Dann übernommen in das Schulwesen; von hier Verallgemeinerung der Bedeutung. Die ältere Entlehnung ist ÞFeier.

ne, ahd. fenni, as. fen(n)i, mndd. ve¯n(ne), mndl. vene, Ebenso nschw. ferier, nnorw. ferie; ÞFan, Þfanatisch, ÞFest, veen. Aus g. *fanja- n. ’Sumpf’, auch in gt. fani Þprofan. – DF 5 (22004), 779–782. ’Schlamm’, anord. fen, ae. fen(n) m./n., afr. fen(n)e m./f. Das moderne Wort aus dem Niederdeutschen. Ferkel Sn std. (12. Jh., farah 9. Jh.), mhd. verhelı¯n, verAußergermanisch vergleichen sich unter ig. *penhel, ahd. farhilı¯(n). Diminutivform zu ahd. far(a)h aus wg. *farha- m./n. ’Schwein’, auch in ae. fearh m. ’Sumpf’ ai. pa´n˙ka- m. ’Schlamm, Kot, Sumpf’, apreuß. pannean ’Moorbruch’, mir. enach m./n. Dieses aus ig. *pork´o- m. ’Schwein’, auch in l. porcus ’Sumpf’. Weitere Herkunft unklar (nach Knobloch m., lit. par˜ˇsas m., kslav. prase˛, mir. orc m., sowie in zu dem Wasserwort ig. *ap- als Zugehörigkeitsbiliranischen Sprachen (khotansakisch) pasa; zu ig. dung *ap-enko-). *perk´- ’aufwühlen’, das unter ÞFurche dargestellt ist. Die Verteilung der Bedeutungen macht die übliche Ebenso nndl. veen, ne. fen, nisl. fen. S. auch Þfeucht. – Teuchert (1944), 188–190; Udolph (1994), 300–317; Knobloch, J. und an sich plausible Erklärung (’Schwein’ als MS 105 (1995), 147; EWahd 3 (2007), 152–154; EWNl 4 (2009), ’Aufwühler, Furcher’) fraglich: Es treten nebeneinan478. der die Bedeutungen ’Mutterschwein’, ’Ferkel’ und Fenster Sn std. (8. Jh.), mhd. venster, ahd. fenstar n., ’weibliches Geschlechtsglied’ auf. Unter Berücksichfinstra f . Wie ae. fenester entlehnt aus l. fenestra f., tigung aller Umstände scheint deshalb eine Bedeudessen Entstehung dunkel ist. Das neutrale Genus tungsentwicklung ’Furche’ > ’weibliches Gewohl nach dem älteren ougatora ’Tür in Form eines schlechtsglied’ > ’Mutterschwein/Wurf Ferkel’ am Auges’ (Rundfenster). wahrscheinlichsten zu sein. Nhd. ch ist im Silbenanlaut zu k geworden (unregelmäßige Entwicklung). Ebenso nndl. venster, ne. fenestella, fenestra (fach.), nfrz. feneˆtre, nschw. fönster; Þfensterln. – LM 4 (1989), 350–354; Röhrich Die Diminutivform auf -el ist regional. Es ist aber 1 (1991), 434; RGA 8 (1994), 375f.; EWahd 3 (2007), 154f.; auch möglich, dass sie ursprünglich ist, und die BeEWNl 4 (2009), 479. lege mit den normalen Diminutivformen auf Anpas-

Fermate sung an die Normalform beruhen. Ähnliche Bildungen außerhalb des Germanischen sind l. porculus, porcellus m. und lit. parsˇ˜elis. Zur lateinischen Entsprechung s. ÞPorzellan. – Benveniste (1969/1993), 23–32; Pijnenburg, W. J. J. SW 10 (1985), 359–364; Gabriel (1989); Röhrich 1 (1991), 434f.; Seebold, E.: Fallstudien in HSK Lexikologie (2002/2005 in 2 Teilbd.); Vennemann (1998), 255; EWahd 3 (2007), 55f., 68f.; Seebold (2005), 1340f.; EWNl 4 (2009), 467.

Fermate Sf ’Zeichen in musikalischer Notation, das für

eine Verlängerung steht’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it. fermata, eigentlich ’Aufenthalt, Halt’, einer Ableitung von it. fermare ’anhalten, befestigen’, dieses aus l. fı¯rmare, zu l. fı¯rmus ’fest, stark’. Ebenso nndl. fermate, ne. fermata, nschw. fermat, nnorw. fermate. Zur weiteren Verwandtschaft s. Þfirm. – DF 1 (1913), 210.

Ferment Sn ’Mittel um einen chemischen Prozess

288

doch haben sich diese Wörter erst später, als solche Geräte kommerziell hergestellt und verbreitet werden konnten, durchgesetzt. Ferner Sm ’Gletscher’ südd. zu ÞFirn. Fernglas Sn std. (17. Jh.). Lehnübertragung zu nndl.

verrekijker, eigentlich ’Ferngucker’, womit zuerst nur das zu jener Zeit in Holland erfundene einrohrige Instrument, etwas später jedoch (wie heute nur noch) auch das doppelrohrige bezeichnet wurde. Am Ende desselben Jhs. erscheinen dann noch folgende Wörter: das dem Vorbild genau entsprechende Ferngucker, die Fremdwörter ÞTeleskop und Perspectiv, wofür alsbald als Ersatz Fernschauer, Fernseher, Ferngesicht, Fernrohr (nicht nur wie heute für das einrohrige Gerät) und Sehrohr vorgeschlagen werden. Jünger sind dagegen Fernstecher und ÞFeldstecher zu Stecher ’Opernglas’.

durchzuführen’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. fermentum ’Gärung, Sauerteig’, einer Ableitung von l. Fernrohr Sn std. (17. Jh.). Wie ÞFernglas eine Lehnferve¯re ’wallen, sieden’. Verb: fermentieren; Abstrakübertragung zu nndl. verrekijker. Die Bezeichnung tum: Fermentation. bezieht sich auf die Rohre, in die die Linsen eingesetzt sind. Ebenso nndl. ferment, ne. ferment, nfrz. ferment, nschw. ferment, nnorw. ferment. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞBärme. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 391; Buntz (1973), 325; EWNl 2 (2005), 68f.; DF 5 (22004), 782–787.

fern Adj/Adv std. (8. Jh.). Das Adverb mhd. ferren(e),

Fernseher Sm std. (17. Jh., Bedeutung 20. Jh.). Das

Wort gehört bereits im 17. Jh. zu den Übersetzungsvorschlägen für nndl. verrekijker (ÞFernglas). Es geht dann zurück und wird im 20. Jh. als Übersetzung von ÞTelevision gebraucht (in Deutschland ist das Wort älter, aber nur fachsprachlich). Die Form auf -er für das Gerät und den Zuschauer, sonst Fernsehen.

ahd. ferrana, ferrana¯n antwortet eigentlich auf die Frage ’woher?’, ist also ’von ferne’; das Adjektiv ist dieser Form angepasst worden. Auf die Frage ’wo?’ antwortete das jetzt nicht mehr übliche mhd. verre, Ferse Sf std. (8. Jh.), mhd. versen(e), ahd. fers(a)na, as. ahd. ferro, samt einem zugehörigen Adjektiv verre, fersna. Aus g. *fersno¯ f. ’Ferse’, auch in gt. fairzna, als ver. Nur das Adverb ist alt, das Adjektiv ist im Deuti-Stamm ae. fiersn, fyrsn. Das Wort ist sicher alt, aber schen aus ihm entwickelt. Zugrunde liegt g. *fer(e)ro¯ lautlich (und damit auch semantisch) ganz unklar. ’fern’, auch in gt. fairra, anord. fjarri, älter anord. Das Altindische hat einen Langvokal (pa¯´rsni-), das ferri, ae. feor. Dies ist eine (lautlich wegen des ausge˙¯˙). Unter Griechische einen unklaren Anlaut (pte´rne fallenen Zwischenvokals unregelmäßig entwickelte) diesen Umständen ist es unsicher, ob l. perna ’Hüfte, Gegensatzbildung auf ig. *-ero- zu ig. *per-, das in Hinterkeule’ und heth. pars ˇ inamit unklarer Bedeuentsprechender Bedeutung in ai. pa´rah ’ferner’, arm. ˙ tung (etwa ’Oberschenkel, Hinterbacken’) hierherheri ’fern’, gr. pe´ra¯ ’weiter’, l. porro¯ ’vorwärts’ vorliegt. gezogen werden dürfen (vgl. immerhin heth. Es kann weiter zu *per¡- ’hinüberbringen’ gehören (s. pars ˇ (a)na ¯ i- ’sich niederhocken’, d.h. mit den HinterÞfahren und Þver-). Abstraktum: Ferne; Präfixableibacken auf den Fersen sitzen). Da l. calx ’Ferse’ mit l. tung: Þentfernen. calca¯re ’(nieder-) treten, stampfen’ zusammenhängt, Þentfernen, ÞFirn, Þvor. – Stötzel, G.: Die Bezeichnung der lässt sich überlegen, ob nicht der Anlaut pt- aus einem zeitlichen Nähe (Marburg 1963), 17–32; EWahd 3 (2007), * tap- ’stampfen’ herrührt. Man kann auf slav. (russ.) 157–159; EWNl 4 (2009), 481. topatь ’stampfen’ verweisen, doch genügt für einen Fern- Präfixoid std. (–). In vielen technischen Ersatzsolchen Ansatz schon der Hinweis auf die verbreitete wörtern steht Fern- für Tele-, z.B. in Fernsprecher für Lautmalerei tap- für Schritte oder ähnliches (d. tapp, ÞTelefon. Danach wird am Ende des 19. Jhs. Fernsehen tapp). Der Aufbau wäre schwundstufiges tp- + gebildet, dazu ÞFernseher (Anfang 20. Jh.) und fernr/n-Stamm (= ’das Stampfen’?), dazu eine Zugehösehen (Mitte 20. Jh.). Das Wort Fernsprecher hatte es rigkeitsbildung (ai. mit Vriddhi?) auf -(s)ni/a¯; dann schon im 17. Jh. gegeben, um einen projektierten opMetathese von tp- zu pt- und Schwund des t auf irtischen Signalgeber zu bezeichnen; zu Fernseher s. gendeiner dieser Stufen. auch ÞFernglas. Bei den Experimenten der deutschen Röhrich 1 (1991), 345; EWahd 3 (2007), 174–176; Seeold, E. Firma Telefunken wurden auch Bildübertragungen Rezension zu EWahd 3 in BGDSL (2010); EWNl 4 (2009), 517. getestet, wobei das Wort Fernseher gebraucht wurde Fersengeld Sn (Fersengeld geben ’fliehen’) std. stil. (s. z.B. 25 Jahre Telefunken von 1928, S. 89); entsprephras. (13. Jh.). Die Wendung ist schon mittelhochchende Verwendung auch von ÞFaksimile (ÞFax);

289

Festival

deutsch. Die Herkunft ist ungeklärt; vielleicht liegt im m. ’zweifache Fessel’. Vgl. auch russ. pe´tlja´ ’Schlinge’ ersten Glied tatsächlich das Wort ÞFerse vor, da Reusw. (lautlich unregelmäßig − Entlehnung aus dem dewendungen wie Fersen oder Fußsohlen zeigen für Germanischen?). Die Bedeutung ist heute verallge’fliehen’ schon seit der Antike bekannt sind. Ebenfalls meinert: auch Hände können gefesselt werden (vgl. im 13. Jh. ist mhd. versengelt, mndd. versengelt und auch Fesselballon). Verb: fesseln. versne penning für nicht genau bestimmbare Abgaben S. auch ÞFessel 2, ÞFuß. – Machek, V. Slavia 21 (1953), 264–266. (einmal im Zusammenhang mit der Ehescheidung Fessel2 Sf ’Teil des (Pferde-)Fußes’ erw. fach. (12. Jh.), bei den Wenden) bezeugt. Vielleicht einfach eine Ermhd. vezzel, mhd. vizzeloch n. ’Hinterbug’ (formales weiterung zu ’Fersen (zeigen)’ ohne speziellen Sinn. Kollektivum). Gehört zu dem Wort für ’Fuß’, doch ist Röhrich 1 (1991), 435f. wegen des späten Auftretens auch an die Möglichkeit zu denken, dass es der Teil des Fußes ist, an dem man fertig Adj std. (9. Jh.), mhd. vertec, vertic, mndd. verdie Pferde beim Weiden anzubinden pflegte (also zu dich, mndl. vaerdich. Abgeleitet von Fahrt (s. unter ÞFessel 1). Þfahren), also ’bereit zur Fahrt, zum Aufbruch’, dann übertragen ’bereit zu etwas’ bei anderen Dingen fest Adj std. (8. Jh.), mhd. vest(e), ahd. festi, as. festi. (buß-, friedfertig usw.) und schließlich allgemein Außerhalb des Deutschen kein ja-Stamm, deshalb ’bereit’, mit Verschiebung des Gesichtspunkts liegt vielleicht ein u-Stamm zugrunde, also g. *fastu’abgeschlossen’ (ursprünglich mit den VorbereitunAdj. ’fest’, auch in anord. fastr, ae. f¢st, as. fast. Augen, dann mit der Arbeit). In dieser Bedeutung auch ßergermanisch ist außer einem zweifelhaften Verdas Faktitivum fertigen mit dem Abstraktum gleich mit arm. hast ’fest’ nichts zu finden. Am ehesFertigung. Auf den seelischen Bereich übertragen beten ist das Wort ’Fuß’ heranzuziehen, entweder mit deutet fertig ’am Ende, völlig erschöpft’; hierzu seiner Bedeutung ’Fundament’ (wie im Slavischen) fertigmachen ’schlecht behandeln’. oder mit der Bedeutung ’Fessel, hindern’ (wie grieS. auch ÞFertigkeit, Þrechtfertigen. – EWahd 3 (2007), 177f.; EWNl 4 (2009), 457.

Fertigkeit Sf std. (16. Jh.). Der Bedeutungsübergang

etwa im Sinn von ’bereit, etwas zu tun’ zu ’imstande, etwas zu tun’. HWPh 2 (1972), 935–937.

fesch Adj ’hübsch, flott, modisch’ erw. oobd. (19. Jh.).

Aus ne. fashionable, (zu ne. fashion ’Aufmachung, Mode’, aus afrz. fac¸on ’Aufmachung, Machart’) wird zunächst in der Wiener Umgangssprache fashionabel entlehnt. Dies wird zur einsilbigen Wortform gekürzt. Schon etwas früher in Berlin feschen, das sich aber nicht durchgesetzt hat. Das französische Wort aus l. factio (-o¯nis) ’das Machen’, zu l. facere (factum) ’machen, tun’. Zu dessen Sippe s. Þinfizieren. – Röhrich 1 (1991), 436; Carstensen 2 (1994), 477; DF 5 (22004), 788f.

Fessel1 Sf (früher auch m. und n.) ’Band’ std. (9. Jh.,

chisch, lateinisch, germanisch), doch findet sich nichts genau Vergleichbares. Denkbar wäre eine toAbleitung zu einem s-Stamm *podos-. Mit Rücksicht auf air. ast- ’festhalten, hindern, befestigen’ (aus *adsuid- ’hinsetzen’ zu ig. *sed- ’sitzen’ Þsitzen) wäre auch ein Ansatz *(a)po-sd-u- (vgl. ÞAst, ÞNest) nicht ausgeschlossen. In diesem Fall könnte ai. vı¯du- ’fest, hart’ (aus *vi-sd-u- ’weggesetzt’?, avest. vo¯izˇ˙d’erheben’ ist fernzuhalten) morphologisch verglichen werden. − Zu dem früheren umlautlosen Adverb s. unter Þfast. Alte Abstraktbildungen, die dann Konkreta wurden, sind das obsolete Feste (< 8. Jh.) und das ursprünglich deverbale Festung (ahd. festinunga zu ahd. festinon ’befestigen’). Das Verbum (be)festigen und das Abstraktum Festigkeit zeigen eine Erweiterung auf -ig-. Ebenso nndl. vast, ne. fast, nschw. fast, nisl. fastur. – De Lamberterie, Ch., Sprache 26 (1980), 133–144; Röhrich 1 (1991), 436; Heidermanns (1993), 192f.; EWahd 3 (2007), 185–188; EWNl 4 (2009), 467f.

Bedeutung 15. Jh.). Der Form nach ist mhd. vezzel m., ahd. fezzil m., mndd. vetel ’Band, Nestel’ ein Wort für ’Gehänge, Band’, g. *fatila-, auch in anord. fetill m., Fest Sn std. (13. Jh.), mhd. fest, auch feste f. Entlehnt aus l. fe¯stum n. ’Feiertag’ zu l. fe¯stus ’feierlich, der religiae. fetel m.; damit im Zusammenhang mit Þfassen. ösen Feier gewidmet’ (zu dem unter ÞFeier behanDer Bedeutung nach setzt es ein anderes Wort fort, delten lateinischen Wort). Der Plural des lateinischen das im 16. Jh. seine alte Form aufgab: mhd. vezzer, Wortes ergibt gleichbedeutendes afrz. feste f., unter ahd. fezzara, as. feteros (Pl.) aus g. *fetura- m. ’Fessel’, dessen Einfluss das mittelhochdeutsche Femininum auch in anord. fjo¸turr m., ae. fetor. Dieses gehört wie steht. mehrere ähnliche Wörter in den außergermanischen Ebenso nndl. feest, nfrz. feˆte, nschw. fest, nnorw. fest; ÞFerien, Sprachen zu dem alten Wort für ’Fuß’ mit e-Stufe (die ÞFeier. – HWPh 2 (1972), 938–940; Brunt (1983), 300; sonst in den überlieferten westindogermanischen Schmidt-Wiegand, R. in Hildebrandt/Knoop (1986), 116–118; Sprachen bei diesem Paradigma nicht bezeugt ist). Röhrich 1 (1991), 436f.; RGA 8 (1994), 384f.; EWNl 2 (2005), Die Fessel ist also etwas für die Füße; etwas, das am 66, 69. Fortgehen hindert. Vgl. l. pedica ’Schlinge’, l. compe¯s Festival Sn std. stil. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. festival im ’Fußschelle’, l. impedı¯re ’hindern’, gr. pe´de¯ ’FußfesSinne von ’(wiederkehrende) größere Veranstaltung sel’, gr. peda´o¯ ’ich fessle’ und vielleicht avest. bibda-

Festland im kulturellen oder sportlichen Bereich’. Ne. festival Adj. bedeutet zunächst nur ’festlich’ und ist bei der Bezeichnung derartiger Ereignisse in der Bedeutung eingeschränkt worden. Das englische Wort stammt aus frz. festival, dieses aus ml. fe¯stı¯va¯lis, einer Modifikationsbildung zu l. fe¯stı¯vus ’festlich’ zu l. fe¯stus. Ebenso nfrz. festival, nndl. festival, nschw. festival, nnorw. festival; ÞFest. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 297f.; Carstensen 2 (1994), 477–482; EWNl 2 (2005), 69; DF 5 (22004), 789–791.

Festland Sn std. (17. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Ursprüng-

lich ’festes Land’ im Gegensatz zum Wasser (und dem Aufenthalt auf dem Schiff); dann als Ersatzwort für ÞKontinent verwendet (das als ’zusammenhängend’ ein ähnliches Benennungsmotiv hat). feststellen Vsw std. (17. Jh.). Die Bedeutung ’konsta-

tieren’ beruht auf der Situation, dass unsichere, unklare oder umstrittene Sachverhalte gesichert (Þfest gemacht) werden. Dann Bedeutungsverallgemeinerung. Fete Sf std. stil. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. feˆte f. ’Fest’,

dieses aus l. fe¯sta f. zu l. fe¯stus ’festlich’. Ebenso ne. fete, feˆte, ndn. fetere, nnorw. fetere; ÞFest. – DF 5 (22004), 793–795.

Fetisch Sm ’magischer Gegenstand, Götzenbild’ erw.

fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. fe´tiche, dieses aus port. feitic¸o ’Zauber, Zaubermittel’, eigentlich ’künstlich Hergerichtetes’, zu l. facere ’machen, tun’. Eine direkte Entlehnung aus dem Portugiesischen schon im 17. Jh. als Fetis(so), das sich aber nicht durchsetzt. Täterbezeichnung: Fetischist; Abstraktum: Fetischismus. Ebenso nndl. fetisj, ne. fetish, nfrz. fe´tiche, nschw. fetisch, nnorw. fetisj. Zu dem zugrunde liegenden l. facere ’machen’ s. Þinfizieren. – Littmann (1924), 139; HWPh 2 (1972), 940–942; EWNl 2 (2005), 70; DF 5 (22004), 795–801.

fett Adj std. (14. Jh.). Ursprünglich niederdeutsches

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Kleid Stammendes’ fortsetzen kann (zu anord. fat n., besonders fo¸t Pl. ’Kleider’; vgl. mhd. vazzen ’kleiden, anziehen’, vermutlich zu ÞFass gehörig). Besonders die von Schmeller für das Donau-Ries bezeugten Alltagsfetzen, Sonntagsfetzen für ’Alltagskleider, Sonntagskleider’ sprechen dafür. Auf der anderen Seite ist die deutliche semantische Nähe zu it. pezza f. ’Lappen’ und seine Verwandtschaft unverkennbar, einschließlich der ungefähr um dieselbe Zeit auftretenden Vorform von ne. patch. Dies weist auf ein romanisches Wort für ’Stück Tuch, Flicken’, das vermutlich zu kymr. peth ’Stück’ gehört, also ursprünglich wohl gallisch ist. Dieses Wort scheint in der Schweiz aus einer romanischen Sprache entlehnt worden zu sein, mit Lautsubstitution von p zu pf und folgender alemannischer Vereinfachung zu f-. Der älteste Beleg (bei dem Taler, vermutlich Ostschweiz Anfang des 14. Jhs.) zeigt, dass es deutlich ein Wort der niederen Sprache war (vermutlich in der Bedeutung ’[Kleider mit aufgesetzten] Flicken’). Die Bedeutungsentwicklung zu ’abgerissenes Stück’ ist offenbar nur deutsch. Hierzu als Präfixableitung zerfetzen ’in Fetzen reißen’, während das einfache fetzen durch Dekomposition entstanden zu sein scheint. Jugendsprachliches fetzen ’toll sein’ mit fetzig ’toll’ beruht wohl auf Bedeutungsübertragungen, die vom Eindruck des Schnellen (oder dem Gehörseindruck) beim Zerreißen von Stoff oder Papier ausgehen (vgl. z.B. fetzen im Sinn von ’schnell laufen oder fahren’). S. auch ÞFötzel. – Wolf-Rottkay, W. H. Kratylos 9 (1964), 191.

feucht Adj std. (8. Jh.), mhd. viuhte, ahd. fu¯ht(i), as.

fu¯ht. Aus wg. *fu¯hti- (oder einer ähnlichen Stammbildung) Adj. ’feucht’, auch in ae. fu¯ht. Da ein langes u¯ in dieser Stellung ungewöhnlich ist, wird wohl *funhti- vorausliegen. Außergermanisch keine einwandfreie Vergleichsmöglichkeit. Man kann an ai. pa´n˙ka- m. ’Sumpf, Schlamm’ anknüpfen (s. unter ÞFenn), dann wäre mit feucht ursprünglich die Feuchtigkeit des Bodens gemeint. Abstraktum: Feuchtigkeit; Verb: (an-, be-)feuchten.

Wort, das sich langsam nach Süden ausgebreitet hat. Zugrunde liegt das alte Adjektiv g. *faita- ’fett’ in anord. feitr, ae. f¢t, afr. fatt, fet, mit dem sich die kontrahierte Form des Partizips zu dem abgeleiteten Verb, also die Entsprechung zu obd. feist, aus veizzit, also feitt, fett, vermischt hat. Zur Etymologie s. Þfeist. Ebenso nndl. vocht. – Heidermanns (1993), 221f.; EWahd 3 Die Substantivierung Fett n. ist schon alt und weit (2007), 613f.; EWNl 4 (2009), 548. verbreitet. Ins Fettnäpfchen treten bezieht sich urfeudal Adj ’das Lehenswesen betreffend’, übertragen sprünglich auf das Näpfchen mit Stiefelfett, das seiner ’vornehm’ erw. obs. (17. Jh.). Entlehnt aus ml. feodalis, Verwendung entsprechend auf dem Boden stand. einer Ableitung von ml. feodum ’Lehensgut’, zu ml. Verb: fetten. fe(v)um ’Lehen’ (das aus dem germanischen Wort für Ebenso nndl. vet, ne. fat. – Linke, E. BGDSL-H 82 (1961) ’Vieh, Besitz’ stammt; ÞVieh). Das /d/ in ml. feodum (= Sonderband FS Karg-Gasterstädt), 235–244; Schützeichel, R. FS Quint (1964), 203–211; Röhrich 1 (1991), 437f.; wohl in Anlehnung an das Rechtswort ml. allodium RGA 8 (1994), 385–387; EWNl 4 (2009), 519f. ’Eigengut’ (ÞAllod). Feudal ist zunächst ein Terminus des Lehenswesens; im 19. Jh. wird es über die BedeuFetzel Sm ÞFötzel. tungskomponente ’besitzend’ (scherzhaft) auf VorFetzen Sm std. (14. Jh.), spmhd. vetze. Die Beleglage des nehmes und Teures übertragen. Abstraktum: Wortes bietet erhebliche Schwierigkeiten. Einerseits Feudalismus ’Lehenswesen’, als marxistisches Schlagkann trotz der späten Bezeugung ein altes Wort vorwort ’privater Grundbesitz − Ausbeutung’. liegen, da es ein *fat-jo¯n ’zum Kleid Gehöriges, vom

291 Ebenso nndl. feudaal, ne. feudal, nfrz. fe´odal, feodaal, nschw. feodal, nnorw. føydal. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞVieh. – Krawinkel, H.: Feudum (Weimar 1938); HWPh 2 (1972), 942–945; Tiefenbach (1973), 100–102; GB 2 (1975), 337–350; van den Heuvel, G. PSG 10 (1988), 48–54; LM 4 (1989), 411–421; EWNl 2 (2005), 68; DF 5 (22004), 801–807.

Feudel Sm ’Scheuertuch’ per. ndd. (18. Jh.). Vermutlich

Feuilleton zu erwartende *funs nicht zu *fuins (was systematisch gewesen wäre), sondern verständlicherweise zu funins ausgeglichen worden. Der dadurch entstandene unregelmäßige n-Stamm ist im Nordischen zu funo¯n (anord. funi m.) vereinheitlicht worden. Vgl. noch toch. A por, toch. B puwar ’Feuer’. Adjektiv: feurig; Verb: feuern (die Bedeutung ’entlassen’ ist aus dem Englischen entlehnt).

im Vokalismus und im intervokalischen -d- eine hyperkorrekte Form zu feiel, feuel, zunächst in ofr. feil Ebenso nndl. vuur, ne. fire; ÞFunke(n). – Schweikle, G. ’Scheuertuch’ bezeugt. Als Ausgangspunkt wird anBGDSL-T 86 (1964), 215; Cohen, G. CoE 2,2 (1972), 2; Röhrich gesehen frz. faille f. ’Mantel, grober Stoff’. Falls aber 1 (1991), 438–440; Carstensen 2 (1994), 482; RGA 8 (1994), ndd. fuddeln ’scheuern’ (u.a.) nebst früh bezeugtem 387–390; EWahd 3 (2007), 330–334; EWNl 4 (2009), 579. Personennamen Fudeler auf ein altes *fudel ’Lappen’ Feuerprobe Sf per. fach. (17. Jh.). Zuerst nur für weisen, muss das Wort älter sein. Die Annahme der ’Läuterung des Goldes im Feuer’ gebraucht (biblisch: Entlehnung aus dem Französischen trifft dann nicht Weish. 3, 6), seit dem 18. Jh. für das mittelalterliche zu. Gottesurteil (bei dem ein glühendes Eisen berührt Feuer Sn std. (8. Jh.), mhd. viur, vi(u)wer, ahd. fiur, as. werden musste) und dann übertragen für ’Prüfung fiur. Aus wg. *fewur n. ’Feuer’, auch in ae. fy¯r, afr. fior, (mit hoher Belastung)’. fiur; daneben steht anord. (arch.) fu´rr m. (mit langem Ebenso nndl. vuurproef, nfrz. epreuve du feu, nschw. eldprov, u¯ und sekundärer Überführung in einen i-Stamm), nnorw. ildprøve. anord. funi m. ’Feuer, Flamme’ und der unregelmä- Feuerstein Sm ’heller Kieselstein’ erw. fach. (12. Jh.), ßige gt. n-Stamm fo¯n, funins. Diese Verteilung weist mhd. viurstein. Eigentlich ’Stein, der zum Feuerwie bei dem Wort für ’Wasser’ auf einen grundschlagen geeignet ist’. sprachlichen r/n-Stamm und ist im Falle von Feuer Lüschen (1979), 217f. das wichtigste Material zu dessen Erschließung neben Feuertaufe Sf erw. fach. (18. Jh.). Zunächst ’Erteilung der direkten Bezeugung im Hethitischen. Ausgangsder übernatürlichen Gaben (an die Apostel und erspunkt ist ig. *pehwr/phwnos n. ’Feuer’ (mit schwund˙ ten Christen)’ nach der Bibelstelle Mt. 3,11 und Lk. stufiger Nominativ-Endung, die die Abweichungen 3,16: der nach mir kommt ... wird euch mit dem Heiligegenüber dem Wort für ’Wasser’ ergibt). (Weiter zu gen Geist und mit Feuer taufen. Im 19. Jh. in Anleheiner Lautgebärde **phu- ’blasen’, indem ursprüngnung an Feuer im militärischen Bereich (Feuergeben, lich die durch Blasen auflodernde Flamme gemeint im Feuerstehen, Feuerüberfall, feuern usw.) umgedeuwar?) So bezeugt in heth. pahhu(wa)r, pahhwenasˇ tet zu ’Einweihung eines Kriegers, indem er zum ers(Gen.). Daraus haben die westgermanischen Spraten Male dem feindlichen Feuer ausgesetzt wird’ und chen wie auch sonst den Nominativ/Akkusativspäter allgemein ’erste Bewährungsprobe’. Stamm verallgemeinert und sind mit ihrer Lautung die einzige Quelle für diese Form. Altes ahd. fuir ist zu Feuerwehr Sf std. (19. Jh.). Neubildung nach Mustern erklären als Schreibung für das früh entstandene ü wie Landwehr, in denen -wehr eine der Verteidigung (Schweikle, s.u.). Die ungewöhnliche Stammform dienende Truppe bezeichnet. Das Wort tritt mit der des Nominativ/Akkusativ ist anderswo schon voreinEinrichtung der freiwilligen Feuerwehr in Deutschzelsprachlich so ausgeglichen worden, dass auch der land auf (zuerst Meißen 1841). Nominativ/Akkusativ-Stamm die Schwundstufe der Feuerwerk Sn std. (16. Jh.). Das Wort bedeutete sowohl Wurzel übernahm, dass also *phwr zu *pur entstand. ’Brennmaterial’ wie dann auch ’durch Abbrennen erDies ist als r-Stamm flektiert worden, wurde in der zeugtes künstliches Licht’. Die Sitte des Abbrennens einsilbigen Form aber gedehnt zu *pu¯r. Das ist der künstlichen Lichts entwickelte sich in den spätmitZustand von gr. py˜r, umbr. pir und mit Überführung telalterlichen Hofhaltungen zur Bereicherung festliin eine vokalische Stammklasse in arm. hur und cher Veranstaltungen. anord. fu´rr m., weitergebildet in slavischen Wörtern Feuilleton Sn ’Unterhaltungsteil, literarischer Beifür ’Asche’ (cˇech. py´r m. ’glühende Asche’ usw.). trag’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. feuilleton m., Auch der umstrittene Ansatz von gall. ur ’Feuer’ wird einem Diminutivum zu frz. feuille f. ’Blatt’, dieses aus jetzt durch die Inschrift von Botorrita gestützt. Das l. folium. So benannt wurde zunächst ein Beiblatt mit Gotische und Nordische, die auch sonst den nicht-offiziellem Inhalt (Kunstbetrachtungen u.ä.), n-Stamm von r/n-Stämmen fortsetzen (vgl. ÞWasser) das (wie die heutigen Magazine) französischen Zeihaben zu dem Genetiv *phwnes (so für das Vor-Gertungen beigelegt wurde (genannt wird vor allem das manische anzusetzen) einen Nominativ mit gedehnJournal des De´bats). Dann wurden solche Betrachtunter Endungssilbe gebildet: *phwo¯n, dessen unmittelgen in die Zeitung selbst aufgenommen, von der Pobarer Fortsetzer gt. fon ist. Bei der Beseitigung der litik durch einen Strich getrennt; die Bezeichnung der n-Stämme mit schwundstufigem Suffix ist dann das

feurio

292

ursprünglichen Erscheinungsform wurde dabei beibehalten. Ebenso ne. feuilleton, nndl. feuilleton, nschw. följetong, nnorw. føljetong; ÞFolie. – Strauss u.a. (1989), 624–627; Röhrich 1 (1991), 441; EWNl 2 (2005), 70f.; DF 5 (22004), 807–810.

feurio Interj per. arch. (15. Jh.). Alter Notschrei bei Aus-

brechen einer Feuersbrunst. Zu einer nicht mehr fassbaren alten Endung, die ihre volle Vokalfarbe in der Pluti (Überdehnung bei Ausrufen usw.) bewahren konnte. Fex Sm ’Narr’ (besonders in Zusammensetzungen wie

nächst als Fiasko machen entlehnt und insbesondere auf durchgefallene Bühnenaufführungen angewendet. Man vermutet, dass die Wendung im Italienischen auf einer Lehnbedeutung von frz. bouteille f. ’Flasche’ beruht, das in der Schülersprache auch ’Fehler’ bedeutete (vgl. d. ÞFlasche ’Versager, Nichtskönner’). Die Übertragung von Bezeichnungen für Hohlkörper (Flasche, Kürbis, Korb usw.) auf Fehlleistungen ist gebräuchlich − die Entwicklung im vorliegenden Einzelfall ist aber unklar. Ebenso nndl. fiasco, ne. fiasco, nfrz. fiasco, nschw. fiasko, nnorw. fiasko; ÞFlasche. – Rosenfeld, H.-F. NPhM 53 (1952), 277–287, 54 (1953), 327–356; DEO (1982), 281; Röhrich 1 (1991), 442; EWNl 2 (2005), 71; DF 5 (22004), 813f.

Bergfex) per. obd. (18. Jh.). Die Geschichte dieses Wortes ist nicht ausreichend klar. Semantisch steht auf der einen Seite das von Schmeller angegebene Fex 1 m., Feckin f. für ’Kretin’ (in den Gebirgstälern), da- Fibel Sf ’Lesebuch, Lehrbuch’ erw. fach. (15. Jh.). Es handelt sich um das gleiche Wort wie ÞBibel (also neben in späterer Zeit das harmlosere Bergfex u.ä. eigentlich ’Biblische Geschichte’ mit BedeutungsausMöglicherweise hat eine Kürzung aus dem seit dem weitung), wobei die unregelmäßige phonologische 15. Jh. belegten Scherzwort ÞNarrifex eine Rolle geErsetzung von /b/ durch /f/ nicht sicher geklärt ist. spielt, das wie ÞVersifex lateinische Bildungen vom Vielleicht eine kind. Dissimilierung − vielleicht hat Typ pontifex nachahmt. Der Zusammenhang mit aber auch ein sekundärer Anschluss an l. fı¯bula ÞFaxen u.ä. muss offen bleiben; ebenso der mit ndl. ’Heftnadel’ eine Rolle gespielt (vgl. das Benennungsfeeks ’bösartige Frau’. motiv von ÞBroschüre). Verbreitet durch Luther. Lindquist, A. BGDSL 76 (1954), 234–236; Rosenfeld, H.-F. BGDSL-T 77 (1955), 259; EWNl 2 (2005), 65.

Nyström (1915), 200; Littmann (1924), 10.

2 Fez1 Sm ’Spaß’ erw. stil. städt. (19. Jh.). Kommt aus Ber- Fibel Sf ’Gewandnadel der Vorzeit’ per. fach. (19. Jh.).

Entlehnung der Archäologie und Kunstwissenschaft lin. Herkunft unklar. Man vermutet den Plural von aus l. fı¯bula ’Fibel’ (< fivibula; der Auslaut ist urfrz. feˆte f. ’Fest’ als Ausgangspunkt, doch ist die Aussprünglich -g w-), zu l. fı¯gere ’heften’. sprache des e ([fe:ts], aber [f ε:t¡]) dieser Annahme Ebenso nndl. fibula, ne. fibula, nfrz. fibule. Zu l. fı¯gere ’heften’ s. nicht günstig (allerdings ist auch der Zusammenfall ÞAffix. – LM 4 (1989), 427–429; RGA 8 (1994), 411f. der langen e-Laute in den nördlichen RegionalspraFiber Sf ’Faser’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. fibra, chen in Betracht zu ziehen). Vielleicht aus ne. feats zu der gleichen Grundlage (ig. *g whis-) wie l. fı¯lum n. ’Taten’, das ironisch gebraucht sein kann. ’Faden’. Lokotsch (1975), 47f.; DF 5 (22004), 811.

Fez2 (auch Fes) Sm ’orientalische Kopfbedeckung’ erw.

Ebenso nndl. fiber, ne. fibre, nfrz. fibre, nschw. fiber, nnorw. fiber; ÞFilet. – DF 5 (22004), 814–816.

exot. (19. Jh.). Entlehnt aus türk. fez, nach der marokkanischen Stadt, aus der ursprünglich diese Kopfbe- Fichte Sf std. (11. Jh.), mhd. viehte, ahd. fiuhta, as. fiuhtia. Aus vd. *feuht(j)o¯n f. ’Fichte’. Außergermadeckung kam. Die Araber selbst bezeichnen sie als nisch vergleicht sich bei entsprechendem Lautstand tarbu¯sch. air. ochtach (*puktako¯) ’Fichte’; ohne das ableitende t Ebenso nndl. fez, ne. fez, nfrz. fez, nschw. fez, nnorw. fess. – gr. peu´ke¯, lit. pusˇ`ıs ’Kiefer, Fichte’. Da es im GriechiDF 5 (22004), 787f. schen Bildungen gibt, die ein ig. *peuk- ’stechen’ vorff. Sm ÞEffeff . aussetzen (mit einer Variante im Auslaut auch l. punFiaker Sm ’Mietkutsche’ erw. österr. (18. Jh.). Entlehnt gere ’stechen’), kann der Name im Hinblick auf die aus frz. fiacre, dessen Herkunft damit erklärt wird, Nadeln als ’Stecher’ o.ä. erklärt werden (gegebenendass diese Fahrzeuge in Paris ihren Standplatz zufalls als ’der mit Nadeln’, wenn ein nicht bezeugtes nächst vor einem Haus mit dem Bildnis des hl. FiaWort für ’Nadel’ von dieser Wurzel vorausgesetzt crius hatten und mit einem Bild dieses Heiligen verwird. Vgl. immerhin gr. eche-peuke¯´s (Beiwort), was sehen waren. Im übrigen Sprachgebiet dafür ’eine Spitze habend’ bedeuten kann). ÞDroschke. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞPunkt; Þficken. – RöhEbenso nfrz. fiacre. – DF 1 (1913), 211; Knobloch, J. FS Wandruszka (Tübingen 1971), 60–63; Brunt (1983), 301; DF 5 (22004), 811–813.

Fiasko Sn ’Misserfolg, Reinfall’ erw. stil. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus it. (far) fiasco ’durchfallen’, eigentlich ’Flasche [machen])’, zu it. fiasco m. ’Flasche’ aus spl. flasco m. ’Weinkrug’, aus wg. * flaska ’Flasche’. Zu-

rich 1 (1991), 442; RGA 8 (1994), 608–612; Sauerhoff (2001), 119–121; EWahd 3 (2007), 328–330.

ficken Vsw std. tabu (11. Jh.). Da Belege für ein Wort mit

der Bedeutung ’koitieren’ in der frühen Literatur nicht zu erwarten sind, lässt sich der Zusammenhang mit gleich- und ähnlich lautenden Wörtern schwer oder gar nicht bestimmen. Für den Vergleich in Frage

fifty-fifty

293

kommen zunächst Verben mit der Bedeutung ’reiben, hin- und herfahren’ (ficken, facken, fucken, Þfickfacken, ÞFaxen). Bei ihnen ist aber durchaus nicht sicher, ob sie den Ausgangspunkt für das obszöne Wort bilden oder nicht umgekehrt Kraftwörter sind, die von der obszönen Bedeutung ausgehen oder überhaupt eine andere Herkunft haben. Auf höheres Alter des obszönen Wortes weist immerhin gleichbedeutendes ne. fuck, das im Falle eines Zusammenhangs den Vokalismus auf -u- festlegen würde (mit nhd. i als Entrundung von ü). Darauf könnte eine vereinzelte, nachgetragene Glosse des 11. Jhs. weisen: vita-vuchut zu dum spurca mendicat stupra ’wenn er um schmutzige Hurereien bettelt’ (Gl. 2,433,24). Vokalvariation und damit nur indirekte Verwandtschaft ist bei einem Wort dieser Art aber nicht ausgeschlossen. Da es sich bei -ck- um eine Intensiv-Gemination handeln muss, lässt sich bei einer Rückführung auf den Vokal -u- weiter Þvögeln anschließen, was eine Lautform g. *fug- voraussetzen würde. So auch gleichbedeutendes nndl. fokken (nicht hochsprachlich), zu dessen lautlichen und semantischen Varianten Stoett zu vergleichen ist (zur Weiterentwicklung zu ’necken, aufziehen’ s. Þfoppen und Þfuchsen), norw. fukka, schw. fokka (gleicher Bedeutung, beide selten, mundartlich und spät). Weiter sehr wahrscheinlich zu ig. *peuk-/peug- ’stechen, stoßen’, z.B. in l. pungere ’stechen, stoßen, eindringen’ (ÞFichte, ÞFaust, ÞPunkt), dazu l. pugnus, gr. pygne¯´ ’Faust’ (= Kampfhand, mit vorgestrecktem, stechendem Mittelfinger) und nhd. Faust, ndd. fuck ’Stoß’, fucken ’stoßen’. Die obszöne Redewendung Fick dich ins Knie hat nur assoziationsweise mit diesem Verb zu tun. Für sie ist auszugehen von Kniefiez, -fix, -ficker ’Geizhals’, dann auch Knie ficken ’geizig sein’. Rosenfeld zitiert Er fickt sich lieber ins Knie als etwas abzugeben. Auf diesen weitergebildeten Stufen ist das Verb vermutlich schon mit der obszönen Bedeutung assoziiert worden. Þabgefuckt. – Weise, O. ZDW 3 (1902), 243f.; Sperber, H. Imago 1 (1912), 414, 435f.; Stoett, F. A. TNTL 36 (1917), 61–66; Ochs, E. NPhM 22 (1921), 124; Celander, H. Göteborgs Högskolas A˚rsskrift 31 (1925), 112–117; Read, A. W. ASp 9 (1934), 264–278; Rosenfeld, H.-F. BGDSL-H 78 (1956), 409; Shipley, J. T. Maledicta 1 (1977), 23–29; Whallon, W. NPhM 88 (1987), 35–37; Lass, R. Diachronica 12 (1995), 99–111; Schwarz, H. ZDPh 119 (2000), 403ff.; EWahd 3 (2007), 326f.; EWNl 2 (2005), 108; Liberman, A. in FS Rauch, 107–120.

fickfacken Vsw ÞFaxen, Þficken. fidel Adj erw. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus l. fide¯lis ’treu’,

zu l. fide¯s ’Treue, Vertrauen’, zu l. fı¯dere ’trauen’. Die Bedeutungsentwicklung von ’treu’ zu ’vergnügt’ erfolgte in der Studentensprache des 18. Jhs. Ebenso nndl. fideel, ne. fidelity, nfrz. fide`le; Þperfide, ÞHi-Fi, ÞFöderalismus. – Jones, W. J. SN 51 (1979), 258; EWNl 2 (2005), 72; DF 5 (22004), 816–818.

Fidibus Sm ’Papierstreifen zum Anzünden des Ta-

baks’ per. arch. (17. Jh.). Studentischer Ausdruck, dessen Entstehung nicht sicher geklärt ist. Seit der frühesten Bezeugung gibt es Herkunftslegenden zur Entstehung (aus l. vide bos ’schau, du Ochs’ oder l. fid[elibus fratr]ibus u.ä.). Vielleicht scherzhafte Entstellung der Horazstelle ture et fidibus (Ode 1,36,1) ’mit Weihrauch und Saiten(spiel)’, wobei ÞWeihrauch auf das Rauchen bezogen und fidibus scherzhaft umgedeutet worden wäre. Ebenso nndl. fidibus, ne. fidibus, nschw. fidibus, nnorw. fidibus. – Bibliothek zur historischen deutschen Schüler- und Studentensprache. Hrsg. H. Henne und G. Objartel 5 (1984), 27f.,139; DF 5 (22004), 818f.

Fieber Sn std. (9. Jh.), mhd. fieber, vieber, ahd. fiebar.

Wie ae. fefer m. entlehnt aus l. febris f. (eigentlich ’Hitze’). Adjektiv: fiebrig, übertragen: fieberhaft; Verb: fiebern. Ebenso ne. fever, nfrz. fie`vre, nschw. feber, nnorw. feber. – Horn, W. ASNSL 182 (1943), 52; RGA 9 (1995), 4–7; EWahd 3 (2007), 203f.

Fiedel Sf erw. obs. (9. Jh.), mhd. videl(e), ahd. fidula,

fidala, mndl. vedele. Wie ae. fideÑ le und anord. fidlÑ e unklarer Herkunft (früh-rom. *vı¯tula ’Saiteninstrument’ ist erst später bezeugt; über air. fidil?) − auch die Herkunft von ÞVioline und ÞViola ist im übrigen nicht ausreichend klar. Verb: fiedeln. Orthographisch wird vielfach ein Unterschied gemacht zwischen der mittelalterlichen Fidel und der neuzeitlichen Fiedel (teilweise ist hiermit scherzhaft die Geige gemeint). Vgl. ÞGeige. S. auch ÞCello, Þgebumfiedelt. – Relleke (1980), 75–79, 178f.; Röhrich 1 (1991), 442f.; RGA 9 (1995), 1f.; Bammesberger (1999), 174; EWahd 3 (2007), 202f.; EWNl 4 (2009), 470.

fiepen Vsw ’einen leisen, hohen Ton von sich geben’

(meist aus Angst) per. fach. (19. Jh.). Wohl lautmalend. fieren (zunächst als firen) Vsw ’eine Last durch Lösen

des Befestigungstaus hinunterlassen’ per. fach. ndd. (16. Jh.). Zunächst als firen, ebenso nndl. vieren, fries. fierje, ne. veer. Vermutlich ist zu vergleichen ahd. gifieren ’wenden, lassen, bringen’ zu ahd. fiera (gt. fe¯ra) ’Seite’. Kluge (1911), 250; Törnqvist, N. SN 13 (1941), 253–290; EWahd 3 (2007), 209; EWNl 4 (2009), 523.

fies Adj ’widerwärtig’ std. stil. (20. Jh.). Ursprünglich

niederdeutsches Wort, ebenso nndl. vies. Vermutlich zu mhd. vist, vı¯st ’Fist, Furz’ (gegebenenfalls über Ableitungen wie Fiesling ’widerwärtiger Mensch’); dieses zu an. fı´sa Vst. ’furzen’. Rosenfeld, H.-F. BGDSL-H 78 (1956), 402–406; 80 (1958), 424–428; EWNl 4 (2009), 524.

fifty-fifty Adv ’halbe-halbe’ erw. fremd. (20. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. fifty-fifty (also: für beide Teile je 50 %).

Figur

294 Ebenso nndl. fifty-fifty, ne. fifty-fifty, nfrz. fifty-fifty, nnorw. fifty-fifty. – Askew, H. Notes & Queries 163 (1932), 69; ReyDebove/Gagnon (1988), 298f.; Röhrich 1 (1991), 443; Carstensen 2 (1994), 483f.

Figur Sf std. (13. Jh.), mhd. figu¯r[e], figiure. Entlehnt

aus afrz. figure, dieses aus l. figu¯ra. Ebenso nndl. figuur, ne. figure, nfrz. figure, nschw. figur, nnorw. figur. Das lateinische Wort ist eine Ableitung von l. fingere (fictum) ’formen, gestalten’. Zu dessen Sippe s. Þfingieren; zur germanischen Verwandtschaft s. ÞTeig. – Schirmer (1912), 23f.; Michael, W. F. GR 21 (1946), 3–8; HWPh 2 (1972), 948–951; LM 4 (1989), 439f.; EWNl 2 (2005), 74; DF 5 (22004), 822–843.

Fiktion Sf ’Erdachtes, Irreales’ per. fremd. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus l. fictio (-o¯nis) f., einem Abstraktum zu l. fingere (fictum) ’formen, gestalten’. Zunächst juristischer Begriff (’Vortäuschung’), dann rhetorischer und literatur-theoretischer Terminus. Vorbild war vermutlich der französische Wortgebrauch, aus dem auch das Adjektiv fiktiv (frz. fictif ) stammt. Ebenso nndl. fictie, ne. fiction, nfrz. fiction, nschw. fiktion, nnorw. fiksjon. Zur Sippe des Grundworts s. Þfingieren. – HWPh 2 (1972), 951–953; EWNl 2 (2005), 72; DF 5 (22004), 855–861.

Filet Sn (1) ’Lendenstück; entgrätetes Stück Fisch-

tum bedeutet also ’mit Fäden gewirkte Oberflächenstruktur’. Ebenso nndl. filigraan, ne. filigree, nfrz. filigrane, nschw. filigran, nnorw. filigran. Und weiter entfernt ÞProfil, Þdefilieren, ÞFiber; ÞFilet, ÞGran, ÞGranate. – LM 4 (1989), 448f.; RGA 9 (1995), 29–31; EWNl 2 (2005), 79; DF 5 (22004), 865–868.

Film Sm std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. film, eigentlich

’Häutchen’, aus ae. fylmen n. Es handelte sich bei den photographischen Filmen ursprünglich − 1889 bei Edison und Eastman − um eine auf Glas getrocknete Masse, die dann abgezogen wurde. Später wurde auch die Ausgangsbedeutung ’dünne Schicht’ entlehnt (z.B. in Ölfilm). Adjektiv: filmisch; Verb: (ver-) filmen. Ebenso nndl. film, nfrz. film, nschw. film, nnorw. film, nisl. filma. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞFell. – Ramsaye, T. ASp 1 (1925), 358; Stiven (1936) 88645; Moser, H. in Maurer/ Rupp (1974/78), 541, 573; Rey-Debove/Gagnon (1988), 299f.; Röhrich 1 (1991), 443; Carstensen 2 (1994), 487–490; EWNl 2 (2005), 79; DF 5 (22004), 870–875.

Filou Sm ’jmd., der es versteht, andere (harmlos) zu

übervorteilen’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. filou ’Gauner’, dieses wohl zu frz. (reg.) enfiler ’täuschen’. Ebenso nschw. filur, nnorw. filur. – DF 1 (1913), 213f.; DEO

fleisch’ (2) ’durchbrochene Handarbeit’ std. fach. (1982), 284; Brunt (1983), 302, 334; DF 5 (22004), 875f. (18. Jh. (2), 19. Jh. (1)). In beiden Bedeutungen entFilter Sm std. (16. Jh., Form 19. Jh.). Zunächst in lateilehnt aus frz. filet m., eigentlich ’Netz’ (setzt frühnischer Form entlehnt aus ml. filtrum n., eigentlich rom. *fila¯tum ’Fadenwerk’ voraus), zu frz. fil m. ’(Seihgerät aus) Filz’, dieses aus g. *filta- ’Filz’ (ÞFilz), ’Faden’, aus l. fı¯lum. Die knochenlosen Fleischstücke wohl über das Niederfränkische. Verbum: filtern, filwurden früher häufig nach Art einer Roulade mit trieren. einem Netz zusammengebunden und so zubereitet. Ebenso nndl. filter, ne. filter, nfrz. filtre, nschw. filter, nnorw. Später werden verschiedene Arten von knochenlofilter; ÞFilz, Þinfiltrieren. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), sem Fleisch (ohne Rücksicht auf die Art der Zuberei391; EWNl 2 (2005), 81; DF 5 (22004), 876–881. tung) so bezeichnet. Filz Sm std. (8. Jh.), mhd. vilz, ahd. filz, as. filt n. Ebenso nndl. filet, ne. filet, nschw. file´, nnorw. filet; ÞFiligran. ’Wollmasse’. Aus wg. *filta- m. ’Filz’, auch in ae. felt. Entfernter verwandt sind ÞProfil und Þdefilieren; wurzelverVergleicht sich mit ähnlichen Wörtern in den Nachwandt ist ÞFiber. – DF 1 (1913), 213; Brunt (1983), 302; EWNl 2 barsprachen, mit denen es aber lautlich (und vor (2005), 77f. allem morphologisch) nicht genau übereinstimmt: Filiale Sf erw. fach. (19. Jh.). Zu l. fı¯lia ’Tochter’ wird gr. pı˜los ’Filz, Filzhut, Filzschuh’, l. pı¯leus ’Filzkappe, kirchen-l. fı¯lia¯lis ’Tochter-’ gebildet, um ’TochterFilzmütze’ (auch l. pilus ’Haar’?), aruss. pu˘lstı˘ ’FilzKlöster, Tochter-Kirchen usw.’ zu bezeichnen. Dieses decke’. Am ehesten ein altes Kulturwort aus unbewird im 16. Jh. als Filial n. ’Tochterkirche’ ins Deutkannter Quelle. Seit dem 15. Jh. bedeutet Filz auch sche übernommen, dann auch Zusammensetzungen ’grobschlächtiger Bauer’ (nach seiner Kleidung), wie Filialkirche. Im 19. Jh. in den weltlichen Bereich dann auch ’unfreundlicher Geizkragen’ (also der übertragen (Filialhandlung, Filialbank), aus denen Bauer aus der Sicht der Fahrenden). Adjektiv: filzig; schließlich Filiale rückgebildet wird (vermutlich Verb: verfilzen. unter Einfluss von frz. filiale). Ebenso nndl. filiaal, ne. filial, nfrz. filiale, nschw. filial, nnorw. filial. – EWNl 2 (2005), 78f.; DF 5 (22004), 863–865.

Filigran Sn ’Geflecht aus Edelmetallfäden’ erw. fach.

Þfilzen, ÞFilter, ÞKompilation. – Flasdieck (1952), 133–138; Maher (1986), 63 (anders: zu ig. *pel- ’stoßen, schlagen’ als ’Gestampftes’); RGA 9 (1995), 44f.; EWahd 3 (2007), 234–236; EWNl 4 (2009), 527.

(17. Jh.). Entlehnt aus it. filigrana f., zunächst in der filzen Vsw ’durchsuchen’ erw. stil. (19. Jh.). Aus der Form Filigran-Arbeit. Das italienische Wort ist zuGaunersprache entnommen, wo es zunächst sammengesetzt aus it. filo m. ’Faden’ (aus l. fı¯lum ’kämmen’ bedeutet (Filzer ’Kamm’). Offensichtlich ’Faden’) und it. grana f. ’Korn’ (aus l. gra¯num ’Korn, eine Ableitung zu ÞFilz in der Bedeutung ’dichtes Körnchen’). It. grana ’Korn’ wird auch zu der (rauen, Haar’. körnigen Metall-)Oberfläche gesagt, das Komposi-

Fink

295 1

Fimmel Sm ’leidenschaftlich betriebene Beschäfti-

gung’ erw. stil. (20. Jh.). Herkunft unbekannt. Röhrich 1 (1991), 443.

Fimmel2 (Fimmelhanf) Sm ’der kürzere männliche

Findling Sm ’Findelkind; erratischer Block’ erw. fach.

(13. Jh., Form 15. Jh.), mhd. vundelinc, wie vunt, vüntel und vündelı¯n. Eigentlich ’Fund’, dann auch ’Findelkind’, und seit dem 19. Jh. ’erratischer Block’. Die Form wird dann an den Infinitiv angepasst.

Hanf, der nach der Besamung vor dem weiblichen Þfinden. – Lüschen (1979), 218; EWNl 4 (2009), 556f. verholzt’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. fe¯mella f. ’Weibchen’, weil der kürzere Hanf für den weiblichen Finesse Sf ’Kunstgriff, Feinheit’ erw. stil. (17. Jh.). Entgehalten wurde (wenn das Geschlecht nicht erkennlehnt aus frz. finesse, einem Abstraktum zu frz. fin bar ist, wird allgemein das stärkere Exemplar für das ’fein, durchtrieben’, aus spl. fı¯nus ’äußerstes, bestes’, männliche gehalten). Entsprechend heißen die eiaus l. fı¯nis m./f. ’Grenze, Ende’. gentlich weiblichen Pflanzen schweizerisch (arch.) Ebenso nndl. finesse, ne. finesse, nschw. finess, nnorw. finesse; mäsch, mäschel, was zu Þmaskulin gehört. Þfein. – EWNl 2 (2005), 82f.; DF 5 (22004), 897–899. Ebenso ne. fimble(hemp). – EWNl 2 (2005), 67.

Finale Sn ’Schlussteil, Endspiel’ std. (16. Jh., Form

17. Jh.). Entlehnt aus it. finale m., dieses aus l. fı¯na¯lis ’am Ende befindlich, die Grenzen betreffend’, zu l. fı¯nis m./f. ’Ende’. Zunächst als Final entlehnt mit der Bedeutung ’Schlussbuchstabe’, dann ’Ende eines Musikstücks’; im 20. Jh. unter Einfluss des Englischen auch ’Endspiel’. Als Adjektiv ist das lateinische Wort entlehnt in final ’am Ende befindlich’ (in der Fachsprache der Grammatik ’Ziel und Zweck angebend’). Ebenso nndl. finale, ne. finale, final, nfrz. final(e), finale, nschw. final, nnorw. finale. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. fı¯nis ’Ende, Grenze’ s. Þfein. – Jones (1976), 335f.; Röhrich 1 (1991), 443f.; LM 4 (1989), 452 (zu Finalis); EWNl 2 (2005), 81; DF 5 (22004), 881–888.

Finanzen Spl std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. finances,

dieses aus ml. finantia, dem substantivierten PPräs. von ml. finare ’bezahlen’, zu l. fı¯nis m./f. ’Ende, Grenze’, später auch ’Abgabe’ (Lehnbedeutung zu gr. te´los ’Ende, Abgabe’?). Verbum: finanzieren; Adjektiv: finanziell. Ebenso nndl. financi¡n, ne. finances, nfrz. finances, nschw. finanser, nnorw. finanser. Zu Sippe des zugrunde liegenden l. fı¯nis ’Ende, Grenze’ s. Þfein. – Jones (1976), 335f.; EWNl 2 (2005), 81f.; DF 5 (22004), 888–895.

Findelkind Sn erw. obs. (15. Jh., Form 18. Jh.). Zuerst

bezeugt in der Form fündel (Diminutiv zu Fund); danach an den Infinitiv Þfinden angeschlossen und durch ÞKind verdeutlicht. Parallel Findelhaus ’Haus, vor dem unerwünschte Kinder niedergelegt werden, damit sie Aufnahme finden’. Röhrich 1 (1991), 444.

finden Vst std. (8. Jh.), mhd. vinden, ahd. findan, as.

Finger Sm std. (8. Jh.), mhd. vinger, ahd. fingar. Aus g.

*fengra- (oder *fingra-) m. ’Finger’, auch in gt. figgrs, anord. fingr m./n., ae. finger. Das Wort wird zu dem Zahlwort Þfünf gestellt, was formal möglich wäre, semantisch aber nicht unmittelbar befriedigt. Denkbar wäre als Ableitung zu fünf ein (unbezeugter) r-Stamm mit der Bedeutung ’Hand’ (**penk wo¯r’Fünfheit’), wozu Finger eine dehnstufige Zugehörigkeitsbildung sein könnte (ig. **pe¯nk wro-). Verb: fingern; Zugehörigkeitsbildung: Fingerling. Ebenso nndl. vinger, ne. finger, nschw. finger, nisl. fingur. – Röhrich 1 (1991), 444–449; Grimm, W.: Kleine Schriften (Berlin 1884), III, 425–450 (über Fingernamen); EWahd 3 (2007), 256–258; EWNl 4 (2009), 528.

fingieren Vsw ’vortäuschen’ erw. fremd. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus l. fingere ’bilden, erdichten, vorgeben’. Ebenso nndl. fingeren, ne. feign, nfrz. feindre, nschw. fingera, nnorw. fingere. Ein Abstraktum dazu in ÞFiktion mit dem zugehörigen Adjektiv fiktiv; dazu über das Englische ÞSciencefiction, über das Italienische ÞFinte. Entfernter verwandt ist ÞFigur. Zur germanischen Entsprechung s. ÞTeig. – EWNl 2 (2005), 83; DF 5 (22004), 899–902.

Finish Smn per. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus der eng-

lischen Terminologie des Pferderennens: finish ’Endspurt’, Substantivierung des gleichlautenden Verbs, das auf die erweiterten Formen von frz. finir ’beenden’ zurückgeht. Dieses aus l. fı¯nı¯re ’beenden’ zu l. fı¯nis ’Ende, Grenze’. Ebenso nndl. finish, ne. finish, nfrz. finish, nschw. finish, nnorw. finish; Þfein. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 301; Carstensen 2 (1994), 490–493; EWNl 2 (2005), 83; DF 5 (22004), 902–905.

finit Adj ’bestimmt (als Terminus der Gramma-

tik)’ per. fach. (19. Jh.). Übernommen aus l. fı¯nı¯tus, findan. Aus g. *fenþ-a- Vst. ’finden’, auch in gt. fineigentlich ’begrenzt’, PPP. zu l. fı¯nı¯re ’begrenzen’, zu þan, anord. finna, ae. findan, afr. finda. Keine sichere l. fı¯nis ’Grenze, Ende’. Vergleichsmöglichkeit; am ehesten eine Nasalierung Ebenso ne. finite, nschw. finit, nnorw. finitt; Þfein. – HWPh 2 zu ig. *pet- ’fliegen, fallen’ (vgl. auf etwas verfallen), (1972), 954. zu diesem s. unter ÞFeder. Abstraktum: Fund; AdjekFink Sm std. (8. Jh.), mhd. vinke, ahd. finko, finc. Aus tive: findig, fündig. wg. *finko¯n (oder *fenko¯n) m. ’Fink’, auch in ae. finc; Ebenso nndl. vinden, ne. find, nschw. nisl. finna; Þabfinden, vielleicht entspricht diesem mit s mobile nnorw. (diÞempfinden, Þfahnden, ÞFindelkind, ÞFindling, ÞFundgrube, al.) spikke ’kleiner Vogel’. Außergermanisch verÞspitzfindig. – Seebold (1970), 193f.; Gobber, G. (1995), 136–138; EWahd 3 (2007), 251–255; EWNl 4 (2009), 528. gleicht sich kymr. pinc ’Fink’ (unter dem Einfluss des Englischen? Lautgesetzlich geht kymr. p- auf kw- zu-

Finken

296

rück), mit s mobile gr. spı´ngos ’(Buch)Fink’. Der Firlefanz Sm erw. stil. (14. Jh.), mhd. firlifanz. BezeichName ist zweifellos (in seiner voreinzelsprachlichen nung für einen (närrischen?) Tanz, aus mhd. firlei Form) eine Nachahmung des Rufs dieses Vogels. Der ’ein Tanz’, das aus afrz. vire-lai ’Ringellied’ übernomGebrauch als Schimpfwort in Dreck-, Schmier-, men ist. Das Wort wird dann zu mhd. firlefei u.ä. erweitert; firlifanz wohl in Anlehnung an tanz oder an Schmutzfink u.ä. geht vielleicht auf rotw. Pink, Bink, alfanz ’Possen’. Fink ’Mann’ (ein verächtliches Wort, wohl aus Pink ’männliches Glied’ übertragen; ÞPinkel) zurück. Þalfanzen. – Weise, O. ZDW 3 (1902), 123f.; Harding, A.: An Suolahti (1909), 109f.; Wolf (1985), 246f.; Förster, M. Anglia 62 (1938), 66f. (zu der Variante pink, spink); EWahd 3 (2007), 259–261; EWNl 4 (2009), 528f.

Finken Spl ’Hausschuhe’ per. wobd. (13. Jh.), ahd. fin-

investigation into the use and meaning of medieval German dancing terms (Göppingen 1973), 368f.; Röhrich 1 (1991), 449; DF 5 (22004), 908f.

firm Adj erw. fremd. (18. Jh., vereinzelt 16. Jh.). Entlehnt

chun (Pl). Entspricht ungefähr ml. ficones. Weitere Herkunft unklar.

aus l. fı¯rmus ’fest, sicher, stark’, wohl in Anlehnung an ne. firm.

EWahd 3 (2007), 259.

Ebenso ne. firm. Hierzu unmittelbar Þfirmen, zu dessen lateinischem Vorbild auch ÞFirma und ÞFirmament gehören; ein Abstraktum zu einer Präfigierung ist ÞKonfirmation. Über das Französische und Englische gehört hierzu auch ÞFarm, über das Italienische noch ÞFermate. – DF 5 (22004), 910–913; EWNl 2 (2005), 68.

1

Finne Sf ’Larve, Pustel’ per. fach. (15. Jh.), mhd. phin-

ne, vinne, mndd. vinne, mndl. vinne; nndl. vin. Herkunft unklar. Adjektiv: finnig. Finne2 Sf ’Rückenflosse großer Fische’ per. fach.

(16. Jh.). Aus ndd. vinne, vgl. mndd. finne, mndl. vin- Firma Sf 1. ’Handelsunternehmen’, 2. ’im Handelsregister eingetragene, für das Unternehmen verbindline, nndl. vin; ae. finn, nschw. fena. In der Bedeutung che Unterschrift, die nur von Berechtigten abgegeben und im Anlaut entspricht l. pinna ’Feder, Flosse’, Newerden darf’ std. (18. Jh.). Im Mittelalter und der frübenform zu l. penna (aus *pet-s-na¯; ÞFeder), es ist hen Neuzeit wurden Geschäfte nur zwischen natüraber unklar, ob die germanische Geminate auf eine lichen Personen abgeschlossen (etwa durch Handsolche Vorform zurückgehen kann. schlag). Wenn es um eine Gesellschaft ging, dann war finster Adj std. (8. Jh.), mhd. vinster, ahd. finstar, as. das eben eine Gruppe von natürlichen Personen, gefinistar, finistri ’Finsternis’. Das Wort hat in dieser gebenenfalls mit einem ’Namenträger’, der mit seiForm keine Vergleichsmöglichkeit. Daneben steht nem Namen für alle anderen einstand. Kennzeichaber besser vergleichbares mhd. dinster, ahd. dinstar, nend war, dass der Name, unter dem die Gesellschaft so dass angenommen werden kann, dass vorauslieauftrat, sich änderte, sobald einer der Teilnehmer gendes þ- unregelmäßig in f- ausgewichen ist (vgl. starb. Im Zuge der Entwicklung zu kapitalistischen zum umgekehrten Vorgang ÞFeile). Zugrunde liegt Unternehmungsformen treten nun auch Geschäftseine ro-Bildung zu ig. *temos- ’Dunkel’ (ÞDämmer); träger auf, die wechseln können, ohne dass sich der der Bildung nach entspricht l. tenebrae ’Finsternis’ Name des Unternehmens ändern muss. Die Unter(aus *temes-ra¯) und ai. ta´misra¯ ’dunkle Nacht’ (*temschrift, die für ein solches Unternehmen Rechtskraft ¡s-ra¯), ursprünglich also *tem¡-os- + -ro-. Im Gerhatte, wurde im romanischen Bereich it. ditta (= l. manischen wird -sr- zu -str-. Abstraktum: Finsternis; dicta) genannt, und dieses Wort wurde im 16. Jh. zu Verb: (ver-)finstern. einem Ausdruck, der dem heutigen ’Firma’ entS. auch Þdüster. – LM 4 (1989), 483–485; Heidermanns (1993), spricht; auch in Deutschland wurde es im 18. Jh. häu618f.; EWahd 2 (1998), 660–662; EWahd 3 (2007), 261f.; EWNl 1 fig verwendet. Als Ausdruck für die Zahlungsver(2003), 533f. pflichtung galt it. ragione (= l. ratio ’Rechnung’); dieFinte Sf erw. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus it. finta ’List, ses wurde weiter zu ’Konto’ und dann ebenfalls zu Trugstoß’, zunächst als ein Wort der Fechtersprache. ’Firma’ im heutigen Sinn. Es wurde auch im DeutDas italienische Wort geht zurück auf das Partizip schen gebraucht: das Ragionen-Buch war das von l. fingere ’bilden, erdichten’. ’Handelsregister’. Und schließlich Firma, das einen Ebenso ne. feint, nfrz. feinte, ndn. finte, nschw. fint, nnorw. Vertrag bezeichnet, und zunächst im Spanischen auf finte; Þfingieren. – Jones (1976), 332; Brunt (1983), 299; Röhdie rechtsverbindliche Unterschrift eines solchen rich 1 (1991) 449; DF 5 (22004), 905–908. Vertrages angewandt wird (l. firma u.a. ’rechtsverfinzelig Adj ’knifflig’ per. reg. (19. Jh.). Herkunft unbebindliche Unterschrift’ zu l. firmus ’fest’). Noch späkannt, vielleicht eine Kreuzung aus Þfein und ter wird auch dieses zu einem Ausdruck für das beÞwinzig (o.ä.). teiligte Unternehmen, sehr wahrscheinlich ausgeFips Sm ’unscheinbarer Mensch’, früher ’Schneller mit hend von Spanien und übernommen von England, dem Mittelfinger’ (wie Schnips) per. reg. (18. Jh.). Deutschland und den Niederlanden (im Italienischen Wohl beides Rückbildungen aus fipsen ’schnellen’, bleibt es bei der Bedeutung ’Unterschrift’). Im Deutdas am ehesten eine Lautgebärde ist. Das ’Unscheinschen beginnt dieser Gebrauch erst um die Mitte des bare’ liegt an der wegwerfenden Bewegung. 18. Jhs. Noch Goethe schreibt 1774 (als Rechtsanwalt)

Fist

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’von der alten, solche Firma führenden Handlung’ (die Firma ist also die rechtsverbindliche Unterschrift, der Handelsname). Ebenso nndl. firma, ne. firm, nfrz. firme, nschw. firma, nnorw. firma, nisl. firma. – DF 5 (22004), 913–915; Öhmann, E. NPhM 61 (1960), 150–152; LM 4 (1989), 487–489; Messing, E.: Zur Wirtschafts-Linguistik (Rotterdam 1932), 20–26; EWNl 2 (2005), 83.

Firmament Sn ’Himmel, Himmelsgewölbe’ erw. stil.

(13. Jh.), mhd. firmament. Entlehnt aus spl. firmamentum (eigentlich: ’Befestigungsmittel’), zu l. fı¯rma¯re ’befestigen’, zu l. fı¯rmus ’fest’. Nach mittelalterlicher Vorstellung hatte jeder der sieben Planeten eine Sphäre (einen Himmel) für sich; darüber war als achte Sphäre das Firmament, an dem die Fixsterne befestigt gedacht waren. Ebenso nndl. firmament, ne. firmament, nfrz. firmament, nschw. firmament, nnorw. firmament; Þfirm. – EWNl 2 (2005), 83f.; DF 5 (22004), 916f.

firmen Vsw erw. fach. (10. Jh., Form 11. Jh.). Das ka-

tholische firmen geht wie das evangelische konfirmieren auf l. (con)fı¯rma¯re ’bestärken’ zurück: die liturgische Handlung soll den jungen Christen in seiner Zugehörigkeit zur Kirche bestärken (d.h. er soll sich jetzt selbst vertreten, nachdem bei der Taufe seine Paten ihn vertreten hatten). Abstraktum: Firmung − Konfirmation; Nominalableitung: Firmling − Konfirmand. Ebenso nndl. vormen, ne. confirm, nfrz. confirmer, nschw. konfirmera, nnorw. konfirmere, nisl. ferma; Þfirm. – LM 4 (1989), 490–493; EWahd 3 (2007), 299; EWNl 4 (2009), 567.

Firn Sm (Firne f.) ’der vorjährige Schnee, Altschnee’ per.

’heraus, hervor’ und einer schwundstufigen Ableitung von ig. *st ha¯- ’stehen’, also *per-st h¡-i- ’der Hervorstehende’. Entsprechend sind gebildet ai. prstha´˙˙ und n. ’hervorstehender Rücken, Gipfel’ (*pr-st h¡-o´˙-) ˙ wohl auch l. postis, gr. pasta´s f. ’(Tür)Pfosten, Pfeiler, Vorhalle’ (*por-st h¡-i- und *pr-st h¡-). ˙ S. auch ÞForst. – Osthoff, H. IF 8 (1897), 1–29; Tiefenbach (1973), 34–38; RGA 9 (1995), 115f.; EWahd 3 (2007), 310–312.

Fisch Sm std. (8. Jh.), mhd. visch, ahd. fisc, as. fisk. Aus g.

*fiska- m. ’Fisch’, auch in gt. fisks, anord. fiskr, ae. fisc, afr. fisk. Vergleichbar sind air. ´ıask ’Fisch’ (mit -ei-) und l. piscis ’Fisch’. Wie ngr. psa´ri n. ’Fisch’ auf ntl.gr. opsa´rion n. ’Zukost, Fische’ zurückgeht, so kann für das westindogermanische Wort für ’Fisch’ eine Zugehörigkeitsbildung zu (ig.) *peitos- ’Nahrung’ (ai. pitu´- ’Nahrung, Speise’, akslav. pisˇta f. ’Speise, Nahrung’, air. ith n. ’Getreide’, lit. pie˜tu¯s Pl. ’Mittagsmahl’), ein genau vergleichbarer s-Stamm angesetzt werden: *pits-ko/i für das Germanische und Lateinische, *peits-ko- für das Altirische. Der Fisch wäre also zunächst als Nahrungsmittel (’Zukost’) benannt und diese Bezeichnung auf das Tier im Wasser übertragen worden. Verb: fischen; Nomen Agentis: Fischer; Adjektiv: fischig ’nach Fisch riechend, nicht ganz in Ordnung’. Ebenso nndl. vis, ne. fish, nschw. fisk, nisl. fiskur. – Sadovsky, O. J. JIES 1 (1973), 81–100; Seebold, E. FS Knobloch (1985), 443–451; Mallory, J. P. JIES 11 (1983), 263–279 (zu den indogermanischen Fischwörtern und damit zusammenhängenden geographischen Fragen); LM 4 (1989), 493–495; Röhrich 1 (1991), 449–452; RGA 9 (1995), 120–126; EWahd 3 (2007), 319–322; EWNl 4 (2009), 531.

Fisimatenten Spl (auch als visipatent u.ä.) ’Ausflüchte, obd. (16. Jh.). Zu schwz. firn ’vorjährig’. Sonst wird Winkelzüge’ erw. stil. (16. Jh.). Vermutlich Streckgeschieden zwischen mhd. virne(*fernja-) ’alt’ und form zu fnhd. fisiment ’bedeutungsloser Zierat (am mhd. vern(e) u.ä. (*ferna-) ’vorjährig’. Die jo-Bildung Wappen)’, zu mhd. visieren, das u.a. ’die Wappenfiauch in ahd. firni, gt. fairneis, ae. fyrn ’ehemalig’; einguren ordnen und beschreiben’ bedeutet. Zahlreiche faches *ferna- ’vorjährig’ in as. fernungere, gt. affairandersartige Erklärungsversuche können nicht ausninjera ’im vorigen Jahr’. Außergermanisch in lett. reichend gestützt werden. pe¯rn ’vorjährig’, lit. pe´rnai(s), anders gebildet gr. pe´rDF 5 (22004), 917–919. ysi(n), ai. paru´t- ’im vorigen Jahr’; verwandt mit dem Raumadverb Þfern. Ferner m. ’Gletscher’ gekürzt aus Fiskus Sm ’Staatskasse’ erw. fremd. (15. Jh.). Entlehnt ferner Schnee. aus l. fiscus gleicher Bedeutung, eigentlich ’Korb, Geldkorb’. Adjektiv: fiskalisch. Heidermanns (1993), 196; EWahd 3 (2007), 300f.

Firnis Sf erw. fach. (13. Jh.). Im Mittelhochdeutschen

Ebenso nndl. fiscus, nfrz. fisc; Þkonfiszieren. – LM 4 (1989), 502; 2

DF 5 ( 2004), 919–924. (mhd. firnı¯s, firnı¯z, firnes, vernı¯z) entlehnt aus afrz. fisseln Vsw ’fein regnen’ per. ndd. (20. Jh.). Herkunft vernis, dieses aus it. vernice oder ml. veronice, das ein unbekannt. zur Firnisbereitung verwendetes Harz bezeichnet. Dieses wiederum aus gr. beronı¯´ke¯, das vielleicht auf Fist Sm ’leiser Bauchwind’ per. reg. (12. Jh.), mhd. vist, den Stadt-Namen Berenı¯´ke¯ zurückgeht. vı¯st, mndd. vist. In den modernen Fortsetzern sind Ebenso nndl. vernis, ne. varnish, nfrz. vernis, nschw. fernissa, Reflexe von altem ¯ı, i und auch ai vertreten. Formal nnorw. ferniss, nisl. fernis; ÞVernissage. – Förster, W. ZRPh 32 handelt es sich um ti-Abstrakta zu dem in anord. fı´sa (1908), 338–348; Meineke (1984), 30–32, 67–74; EWNl 4 ’furzen’ vorliegenden starken Verb. Da aber praktisch (2009), 507. gemein-indogermanisch ein Unterschied gemacht First Sm (auch f.) erw. fach. (8. Jh.), mhd. virst, ahd. first wird zwischen *perd- ’(laut) furzen’ und *p(e)zdm. / f. (?), mndl. verste. Aus wg. *fersti- m. ’First’, auch ’leise fisten’, und da g. *fisti- semantisch einwandfrei in ae. first. Das Wort erklärt sich zwanglos aus ig. *perzu *pezdi- stimmt und in gr. pe´zis ’Bofist’ ein genaues

Fistel

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Gegenstück hat (ÞBofist) dürfte die Ableitung älter als das starke Verb sein. Anord. fı´sa ist dann entweder durch Rückbildung entstanden, oder es hat ursprünglich ’blasen’ bedeutet (vgl. l. spı¯ra¯re aus *speis-) und von dem Nomen, das lautlich und morphologisch wie eine Ableitung zu ihm aussah, die belegte Bedeutung bezogen. Vgl. ae. fisting f. – Rosenfeld, H.-F. BGDSL-H 78 (1956), 357–520; Seebold (1970), 191; Forssman, B. MSS 29 (1971), 47–70; EWahd 3 (2007), 324–326; EWNl 4 (2009), 473.

Fistel Sf erw. fach. (13. Jh.), mhd. fistel ’eiterndes Ge-

schwür’. Entlehnt aus l. fistula ’röhrenförmiges Geschwür’. Das lateinische Wort bedeutet eigentlich ’Pfeife’. Von dieser Grundbedeutung aus wurde in neuerer Zeit Fistelstimme ’hohe Stimme’ (wie eine Rohrpfeife) entlehnt. Ebenso nndl. fistel, ne. fistula, nfrz. fistule, nschw. fistel, nnorw. fistel, nisl. fistill. – Leclercq, J. FS Ohly I, 59–68.

in der Sprache der Alchimisten zur Bezeichnung des festen Aggregatszustandes von Stoffen, dann Verallgemeinerung. Ebenso ne. fixed, nfrz. fixe, nschw. fix, nnorw. fiks. Zur zugrunde liegenden Sippe s. ÞAffix; Þfix 2, Þfixen, Þfixieren 1, Þfixieren 2. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 391; Röhrich 1 (1991), 454; Barke (1991), 247f.; Buntz (1973), 325; DF 5 (22004), 927–936.

fix2 Adj ’gewandt, geschickt, schnell’ std. stil. (15. Jh.).

Vermutlich aus Þfix 1 entstanden, doch ist der Bedeutungsübergang nicht völlig klar. In dem früh bezeugten fix tanzen z.B. kann aus ’sicher tanzen’ eine Bedeutung ’gewandt, geschickt tanzen’ entstehen, auch ein Übergang zu ’schnell’ ist denkbar. DF 1 (1913), 217f.; EWNl 2 (2005), 76.

fixen Vsw ’Rauschmittel spritzen’ per. fach. (20. Jh.).

kunft nicht sicher geklärt ist.

Entlehnt aus der amerikanischen Umgangssprache; die Bedeutung stammt wohl aus ne. fix up ’(sich) herrichten’ mit zahlreichen Sonderverwendungen (oder ’die Instrumente herrichten’).

Ebenso nndl. fit, ne. fit, ndn. fit. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 303; Röhrich 1 (1991), 453; Carstensen 2 (1994), 498f.; EWNl 2 (2005), 84f.; DF 5 (22004), 924–927.

Ebenso nfrz. fixer, ndn. fixe, nnorw. fikse. Zur Sippe s. ÞAffix; Þfix 1. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 304; Carstensen 2 (1994), 500f.; DF 5 (22004), 936f.

fit Adj std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. fit, dessen Her-

Fittich Sm erw. obs. (8. Jh.), mhd. vetach, vetech m./n.

u.a., vittich, ahd. fedda¯˘h, mndd. vit(te)k. Am ehesten eine Variante zu ahd. fedarah n. / m. (?), fedarahha f., as. federac; im einzelnen ist die Stammbildung (und z.T. die Lautentwicklung) aber rätselhaft. ÞFeder, ÞSchlaffittich. – Lühr (1988), 258; Röhrich 1 (1991), 453f.; EWahd 3 (2007), 98–100.

Fitze Sf ’Garnsträhne’ per. fach. (10. Jh.), mhd. vitze,

ahd. fizza. Lautlich vergleichbar sind as. fittea, ae. fitt ’Abschnitt eines Gedichts’ und anord. fit ’Gewebekante, Schwimmhaut der Vögel’. Die Vielzahl der technischen Bedeutungen dieser Wörter ist schwer in einen Zusammenhang zu bringen. Den möglichen Ausgangspunkt zeigt auffälligerweise ein griechisches Wort: gr. pe´za (aus *ped-ja-, das dem germanischen Wort genau entsprechen kann) ist eigentlich ’das zum Fuß Gehörige, der Spann am Fuß’. Von Kleidern ist es der Teil, der am Fuß liegt, der Saum, die Gewebekante. Daraus wird dann ein allgemeines Wort für ’Saum, Kante’ (auch bei Übertragungen). Hierzu eindeutig das nordische Wort (zu der Bedeutung ’Schwimmhaut’ vgl. ne. web in dieser Bedeutung). Der Übergang zu den anderen Bedeutungen ist nicht ausreichend klar. Vielleicht ist von ’Webkante’ zu ’Fadenenden des alten Aufzugs zum Anknüpfen des neuen’ (so althochdeutsch) zu kommen; von dort aus zu ’Garnsträhne’; doch müsste dies noch eingehender, unter Berücksichtigung der technischen Bedeutungen, geklärt werden. Þverfitzen. – Eichhoff (1968), 81f.; Foerste, W. NW 5 (1965), 110f. (etwas anders); EWahd 3 (2007), 336–338.

fix1 Adj ’fest, konstant’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus

l. fı¯xus, dem PPP. von l. fı¯gere ’festmachen’. Zunächst

fixieren1 Vsw ’lichtbeständig machen’ per. fach.

(16. Jh.). In der Sprache der Alchemisten aus Þfix 1 gebildet oder entlehnt aus ml. fı¯xare ’festmachen, unbeweglich machen’, zu l. fı¯xus ’fest’ (oder der französischen Entsprechung fixer). Im 19. Jh. als Terminus der Photographie verwendet. Ebenso nndl. fixeren, ne. fix, nfrz. fixer, nschw. fixera, nnorw. fiksere. Zur Sippe s. ÞAffix. – Gombert, A. ZDW 8 (1906/07), 126f.; HWPh 2 (1972), 954–957; EWNl 2 (2005), 76, 85.

fixieren2 Vsw ’anstarren’ erw. obs. (18. Jh.). Entlehnt aus

frz. fixer gleicher Bedeutung, das aus Wendungen wie ’seine Augen an jemanden heften’ vereinfacht worden ist. Aus ml. fixare ’festmachen’. Ebenso nndl. fixeren, ne. fix, nfrz. fixer, nschw. fixera, nnorw. fiksere; Þfixieren 1, Þfix 1. Zur Sippe s. ÞAffix.

Fjord Sm ÞFörde. Flabbe Sf ÞFlappe. flach Adj std. (9. Jh.), mhd. vlach, flach, ahd. flah,

mndd. vlak, mndl. vlac. Aus vd. *flaka- Adj. ’flach’. Hierzu as. flaca ’Fußsohle’ und ndd. flake ’Scholle’; mit Ablaut anord. flo´ki ’Flachfisch, Flunder’, ae. flo¯c ’Flachfisch’. Zugrunde liegt voreinzelsprachl. *pel¡g-/ pla¯g-, auch in gr. pe´lagos ’offene See, Meeresfläche’, l. plaga ’Fläche’ usw., eine g-Erweiterung (neben häufigerer k-Erweiterung) zu ig. *pel¡/pla¯- ’ausbreiten, flach’. Abstraktum: Fläche; Modifikation: flächig. ÞBlachfeld; zu der Variante mit ig. k s. ÞFluh; expressive Geminationen vielleicht in Þflacken und ÞFleck. Zur unerweiterten Grundlage s. ÞFeld; Ableitungen zu dieser vielleicht in ÞFlomen und ÞFlur; eine dentale Erweiterung in ÞFladen, ÞFlunder (vgl. auch ÞPlateau) und ÞFlöz. – Darms (1978), 283f.; Röhrich 1 (1991), 454; Heidermanns (1993), 199; EWahd 3 (2007), 346–348; EWNl 4 (2009), 535f.

Flamme

299 Flachmann Sm ’flache Schnapsflasche, die man in die

Tasche stecken kann’ per. reg. (20. Jh.). Mit dem nordund mitteldeutschen Halbsuffix -mann gebildet. Flachs Sm erw. fach. (9. Jh.), mhd. vlahs, ahd. flahs, as.

flagrant Adj ’deutlich hervorstechend’ per. fremd.

(19. Jh.). Entlehnt aus gleichbedeutendem frz. flagrant, das auf l. flagra¯ns, -nt- zurückgeht, dem PPräs. von l. flagra¯re ’brennen, lodern’. Im juristischen Sprachgebrauch des Mittellateinischen wird das augenfällige, gegenwärtige Vergehen als ’brennend’ bezeichnet (wie im Germanischen als handhaft ’greifbar’). Unmittelbar aus dem Lateinischen in flagranti ’auf frischer Tat’ (wohl bei der Brandstiftung).

flas. Aus wg. *flahso m. ’Flachs’, auch in ae. fleax, afr. flax, eine nicht näher einzuordnende s-Bildung zu der unter Þflechten dargestellten verbalen Grundlage. Sachlich ist dieser Zusammenhang aber nicht begründet (Flachs wird nicht geflochten), so dass auch Ebenso nndl. flagrant, ne. flagrant, nschw. flagrant, nnorw. flaeine sekundäre Angleichung vorliegen kann. Da das grant; Þflambieren, ÞFlamme. – EWNl 2 (2005), 87; DF 5 möglicherweise wurzelverwandte russ. polotno (22004), 940–942. ’Leinen’ und zugleich ’Fahrbahn’ bedeutet, kann (ig.) *pel- ’schlagen, stoßen’ zugrunde liegen (als ’das Ge- Flair Sn ’persönliche Note, Ausstrahlung’ per. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. flair m. ’Spürsinn, Geruchbrochene’, weil Flachs mit der Breche bearbeitet sinn’, zu frz. flairer ’wittern, riechen’, aus l. fragra¯re wird). ’stark riechen, duften’ (mit Dissimilierung). Ebenso nndl. vlas, ne. flax. – Bertsch (1947), 201–210; Maher (1986), 68; LM 4 (1989), 508–509; RGA 9 (1995), 161–163; EWahd 3 (2007), 348–350; EWNl 4 (2009), 536.

flachsen Vsw ’necken’ std. stil. (20. Jh.). Übernommen

aus rotw. flachsen ’schmeicheln, aufziehen’. flacken Vsw ’herumliegen’ per. obd. (16. Jh.). Am ehes-

ten eine Ableitung zu Þflach mit expressiver Gemination. flackern Vsw std. (14. Jh.), mhd. vlackern. Entsprechend

mit der Bedeutung ’flattern’: ahd. flogaro¯n (9. Jh.), me. flakeren (ae. flacor ’fliegend’), anord. flo¸kra. Wohl zu ig. *pla¯g/pl¡g- ’schlagen’ in gr. ple¯ge˜nai Pass., l. plangere ’schlagen’; die moderne Bedeutung wohl beeinflusst von Þblaken. S. auch ÞFlader, Þflattern. – Lühr (1988), 369; Heidermanns (1993), 199f.; EWNl 2 (2005), 87.

Fladen Sm std. (10. Jh.), mhd. vlade, ahd. flado, mndd.

Ebenso nndl. flair, ne. flair, nfrz. flair; ÞBracke, ÞBrodem. – Marckwardt, A. H. ASp 10 (1935), 104–106; Gillet, J. E. ASp 12 (1937), 247–257; EWNl 2 (2005), 87; DF 5 (22004), 942f.

Flak Sf ’Flugzeug-Abwehr-Geschütz’ per. fach.

(20. Jh.). Im ersten Weltkrieg gebildete Abkürzung aus den Anlautbuchstaben von Flieger-Abwehr-Kanone. Flakon Smn ’Fläschchen’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt

aus frz. flacon m., dieses aus afrz. *flascon, das wohl über das Niederfränkische aus wg. *flasko¯ ’Flasche’ entlehnt ist. Ebenso nndl. flacon, ne. flacon, nfrz. flacon, nschw. flakong, nnorw. flakong; ÞFlasche. – EWNl 2 (2005), 86; DF 5 (22004), 943f.

Flamberg Sm ’breites Landsknechtsschwert’ per. arch.

(15. Jh.). Literarisches Wort, eigentlich die Flamberge, nach dem Schwertnamen frz. flamberge f., im Anschluss an frz. flambe f. ’Flamme’ umgestaltet aus Floberge. So hieß das Schwert des Renaut de Montauban (eigentl. der Frauenname awfrk. Flotberga o.ä.).

vlade, mndl. vlade. Aus vd. *flaþo¯n m. ’Fladen, Scheibe’. Zu ig. *pla¯t-/pl¡t- ’ausbreiten, breit’ in ai. prtha´˙ ’flache Hand’, gr. platy´s ’breit’, kymr. lled ’Breite, Weite’, lit. plo´tas ’Platte’ u.a. Dieses ist eine Erweiteflambieren Vsw ’mit Alkohol übergießen und anzünrung zu ig. *pel¡/pla¯- ’ausbreiten’. den’ erw. fach. (19. Jh.). Die Bedeutung ist zunächst Vgl. Þflach; ÞFlunder, ÞPlateau. – Wurmbach, A. ZV allgemein ’absengen’. Entlehnt aus frz. flamber, einer 56 (1960), 20–40; RGA 9 (1995), 164f.; EWahd 3 (2007), 342–346; Ableitung von frz. flambe ’Flamme’. EWNl 4 (2009), 534f. Flader Sf ’Holzmaserung’ per. fach. (14. Jh.), spmhd.

Ebenso nndl. flamberen, ne. flame, nfrz. flamber, nschw. flam2

bera; ÞFlamme. – EWNl 2 (2005), 88; DF 5 ( 2004), 944f. vlader m. Seit dem 19. Jh. durch Maserung (ÞMaser) ersetzt. Vermutlich wegen der Form als ’Flamme’ be- Flamingo Sm (ein Wasservogel) erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus span. flamenco, dessen weitere Herkunft zeichnet, und zu Þflattern (ÞFledermaus) zu ziehen. nicht sicher geklärt ist. Der Zusammenhang von ’flattern’ und ’flacken, Ebenso nndl. flamingo, ne. flamingo, nfrz. flamant, nschw. flaFlamme’ zeigt sich auch bei Þflackern.

Flagge Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus nndl. vlag

’Schiffsflagge’. Dies ist ursprünglich ein nordisches, in England aufgekommenes Wort, vermutlich Rückbildung zu anord. flo¸gra ’flattern’. Verb: flaggen. Ebenso nndl. vlag, ne. flag, nschw. flagg, nnorw. flagg, nisl. flagg. – Kluge (1911), 254–263; Stammler (1954), 213–215; Lühr (1988), 290; LM 4 (1989), 512–513; Röhrich 1 (1991), 454–455; EWNl 4 (2009), 535.

mingo, nnorw. flamingo, nisl. flamingo´i. – EWNl 2 (2005), 89f.

Flamme Sf std. (9. Jh.), mhd. vlamme, ahd. flamma. An

verschiedenen Stellen und zu verschiedenen Zeiten entlehnt aus l. flamma ’Flamme’, dieses aus *flagma zu l. flagra¯re ’flammen, lodern, brennen’. Ebenso nndl. vlam, ne. flame, nfrz. flamme, nschw. flamma, nnorw. flamme; Þflambieren, Þflimmern. – Röhrich 1 (1991), 455; EWahd 3 (2007), 350f.

Flanell

300

Flanell Sm (ein aufgerautes Gewebe) erw. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. flanelle, dieses aus ne. flannel, das ursprünglich flannen gelautet hat. Dieses aus der im Anlaut mutierten Form wlanen von kymr. gwlanen, einer Zugehörigkeitsbildung zu kymr. gwlaˆn ’Wolle’.

Ebenso nndl. flesch, ne. flask, nschw. flaska, nisl. flaska. S. auch ÞFiasko, ÞFlakon, ÞFlaschner. – Schröder, E. ADA 23 (1897), 157; Pisani, V. ZVS 90 (1976), 18f. (anders: [zu *ple¯- ’füllen’ als *pl¡-ska¯]); Rosenfeld, H.-F. NPhM 53 (1952), 277–287 (zu Flasche ’Schwächling’), 54 (1953), 327–356; Knobloch (1973), 169–172; Röhrich 1 (1991), 455–457; RGA 9 (1995), 166–170; Bammesberger (1999), 174f. (anders); EWahd 3 (2007), 353–357.

Ebenso nndl. flanel, ne. flannel, nfrz. flanelle, nschw. flanell, nnorw. flanell, nisl. flannel, flu´nel; ÞWolle. – Ganz (1957), 74; Flaschenzug Sm erw. fach. (17. Jh.). Die Bezeichnung Brink-Wehrli (1958), 76f.; Lockwood, W. B. ZAA 16 (1968), rührt vom flaschenhalsförmigen Gehäuse der Rollen 66–68; EWNl 2 (2005), 90; DF 5 (22004), 945f.

flanieren Vsw ’umherschlendern’ per. fremd. (19. Jh.).

oder von rund gedrechselten ’Flaschen’ (ÞFlasche).

Entlehnt aus frz. flaˆner, dieses vermutlich über unbe- Flaschner Sm ’Klempner’ per. obd. (15. Jh.). Der mitzeugte Ableitungen zu l. follis ’Blasebalg usw.’ (’Windbeutel’ − ’sich herumtreiben’).

telalterliche vlaschener stellte blecherne und zinnerne Flaschen her.

ÞFlasche. – Kretschmer (1969), 282–284. Ebenso nndl. flaneren, nfrz. flaˆner, nschw. flanera, nnorw. flanere. – Joppich-Hagemann, U.: Fünf romanische Wortfami- flattern Vsw std. (15. Jh.), fnhd. fladern neben flattern lien vermeintlich germanischen Ursprungs, in Joppich-Hage(auch flutteren, flotteren u.a.). Außerdeutsch ne. flutmann/Korth (1973), 121–125; EWNl 2 (2005), 90; DF 5 (22004), ter. Gehört zu einer Variante mit dentalem Auslaut zu 946–948. Þflackern, bezeugt etwa in lit. plazde˙´ti, lett. plezdinaˆt

’schwingen, flattern’. Adjektiv: flatterhaft. ÞFledermaus, ÞFlederwisch. – Liberman, A.; GL 30 (1990), ’Weiche’, das seinerseits vielleicht aus awfrk. *hlanka 92–95; EWNl 2 (2005), 86f. ’Seite, Hüfte, Lende’ (ÞGelenk) umgestaltet ist. Zugehöriges Verbum ist flankieren ’Seitendeckung geben’, flattieren Vsw ’schmeicheln, schöntun’ per. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. flatter, dessen weitere Herim Sport flanken. kunft nicht sicher geklärt ist. Ebenso nndl. flank, ne. flank, nfrz. flanc, nschw. flank, nnorw.

Flanke Sf erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. flanc m.

flanke. – EWNl 2 (2005), 90f.; DF 5 (22004), 948–953.

Flansch Sm ’überstehender Rand an Rohren’ per. fach.

(13. Jh.), mhd. vlans ’Mund, Maul’. Wie nhd. ÞFlunsch − gemeint ist der Schmollmund oder Kussmund, dessen Bezeichnung gern für solche Übertragungen herangezogen wird. Zu Þflennen. Flappe (auch Flabbe) Sf ’herabhängende Unterlippe,

offener Mund’ per. ndd. (20. Jh.). Übernommen aus dem Niederdeutschen (mndd. vlabbe), dazu nndl. flab, fleb, vgl. nisl. flipi ’Pferdelippe’; dazu flappen ’klatschen (von Segel u.ä. im Wind)’. Wohl lautmalend, wie etwa klapp, ÞKlappe, klappen. Weiter Flaps ’plumper, unbeholfener Mensch’ und flapsig ’burschikos’. EWNl 2 (2005), 86, 93, 95.

Flasche Sf std. (8. Jh.), mhd. vlasche, vlesche, ahd. flasca.

Ebenso nndl. flatteren, ne. flatter, nfrz. flatter, nnorw. flattere (nur noch als Part. gebraucht). Vermutlich ist das französische Wort eine Ableitung von l. flaccus ’schlaff’ (*flaccita¯re ’schlaff machen, besänftigen, liebkosen’). – Woll, D. RF 98 (1986), 1–16; Knobloch, J. MS 105 (1995), 147 (zu l. flagitare); EWNl 2 (2005), 93.

flau Adj std. stil. (17. Jh.). Wort der Seemannssprache,

das über das Niederländische und Niederdeutsche aus afrz. flau ’sanft’ (frz. flou ’sanft, weich’) entlehnt ist. Dieses wiederum ist aus ahd. *hlao (Þlau) entlehnt. Partikelableitung abflauen. Ebenso nndl. flauw, nfrz. flou (’sanft, weich’), nschw. flau, nnorw. flau; ÞFlaute. – EWNl 2 (2005), 93.

Flaum Sm erw. fach. (10. Jh., pflu¯mlih 8. Jh.), mhd.

phlu¯me, vlu¯me m./f., ahd. phlu¯ma f. ’Flaumfeder’, as. plu¯mon ’mit Federn füllen’. Wie ae. plu¯mfedeÑ r f. entlehnt aus l. plu¯ma f. ’Flaumfeder’ (zu dessen germanischer Entsprechung s. unter ÞFlausch). Adjektiv: flaumig.

Aus g. *flasko¯ f. ’Flasche’, auch in anord. flaska, ae. flasce. Es wird vermutet, dass es sich ursprünglich um die Bezeichnung eines umflochtenen Gefäßes hanEbenso nndl. pluim, ne. plume, nfrz. plume. delte (wie in der Tat gläserne Flaschen erst spät geFlaumen Spl ÞFlomen. bräuchlich werden). In diesem Fall ist ein Anschluss an Þflechten denkbar: g. *flaht-ska- ’das zum Geflecht Flausch (auch Flaus) Sm std. (18. Jh.). Ursprünglich niederdeutsches Wort (mndd. vlu¯s, vlu¯sch n. ’Schaffell’), Gehörige’. Anders, mit guten Gründen, Knobloch, das einerseits als Flaus(ch)rock ’wollener Überrock’ in der von rund gedrechselten Flaschen ausgeht und an die frühe Hochsprache gelangt, andererseits als die Sippe von Þflach anschließen will. In der Tat ÞFlausen, (< 16. Jh.) eigentlich ’herumfliegende Wollwürde dadurch eine Bezeichnung wie ÞFlaschenzug flocken’, dann übertragen auf ’närrische Einfälle’. (wegen der runden Scheiben) besser verständlich. Das niederdeutsche Wort geht zurück auf voreinzelDie Bedeutung ’Schwächling’ nach dem gängigen sprachl. *plus- ’Wollflocke’, auch in lit. plu`skos f. Pl. Gebrauch von Bezeichnungen für Hohlkörper in die’Haarzotten’, mir. lo´, lo´e ’Wollflocke’, l. plu¯ma f. (aus sem Sinn. Täterbezeichnung: ÞFlaschner. *plus-ma) ’Flaumfeder’. ÞFlaum, ÞVlies. – Röhrich 1 (1991), 457f.

Fleisch

301 Flausen Spl ÞFlausch. Flaute Sf ’Windstille’ erw. fach. (18. Jh.). Abstraktum

zu Þflau.

lung’); Röhrich 1 (1991), 458; EWahd 3 (2007), 373–375; EWNl 4 (2009), 538.

fleddern Vsw ÞLeichenfledderei.

Fläz Sm ’Flegel’ per. reg. (17. Jh.). Aus dem Niederdeut- Fledermaus Sf std. (8. Jh.), mhd. vledermu¯s, ahd. fle-

schen stammendes Scheltwort mit dem dort beliebten -s-Suffix für derartige Personenbezeichnungen. Zugrunde liegt vielleicht vlote ’breiter Abrahmlöffel’ (wie auch Löffel (Þlöffeln) als Scheltwort herangezogen wird). Auch ein Zusammenhang mit ÞFlöz ’Gesteinsschicht’ als ’hingeworfene Masse’ kann erwogen werden. Schröder, H. GRM 1 (1909), 703.

Flechse Sf ’Sehne’ erw. fach. (17. Jh.). Es wird ein An-

schluss an ÞFlachs versucht oder ein altes Flechtsehne vorausgesetzt. Beides wegen der späten Bezeugung nicht nachweisbar und wenig überzeugend. Weitzenböck, G. Teuthonista 7 (1930/31), 157.

Flechte Sf erw. stil. (14. Jh.), spmhd. vlehte. Zunächst

darmu¯s, mndd. vledermu¯s, vle¯rmu¯s, mndl. vledermuus. Eigentlich ’Flatter-Maus’, zu dem unter Þflattern behandelten Wort. Der ältere und eigentlich genauere Name ist ahd. mu¯stro m. ’Tier, das einer Maus ähnelt’ wie ai. as´vatara´- m. ’Maultier, Tier, das einem Pferd ähnelt’ zu ai. a´´sva- m. ’Pferd’. Ebenso nndl. vleermuis; Þzerfled(d)ern. – Palander (1899), 22–24; LM 4 (1989), 540f.; Liberman, A. GL 30 (1990), 81–88; EWahd 3 (2007), 358–360; EWNl 4 (2009), 537.

Flederwisch Sm (Putzgerät) erw. obs. (14. Jh., Form

15. Jh.), mhd. vlederwisch ’Gänseflügel zum Abwischen’. Ursprünglich vederwisch und sekundär an mhd. vleder(e)n ’flattern’ angeglichen. Also eigentlich ’etwas zum Wischen, aus Federn’. Röhrich 1 (1991), 458.

für die Haarflechte, danach übertragen auf das Moos Flegel Sm std. (10. Jh.), mhd. vlegel, ahd. flegil, as. flegil. und den Hautausschlag. Entlehnt aus l. flagellum n. ’Geißel, Flegel’, da die EWahd 3 (2007), 368f. Germanen das Dreschen mit Flegeln von den Römern (Romanen) kennenlernten. Dann umgesetzt flechten Vst std. (8. Jh.), mhd. vlehten, ahd. flehtan, as. ins Niederdeutsche als ndd. plegel, ndn. plejl. Als flehtan. Aus g. *fleht-a- Vst. ’flechten’, auch in ae. flohSchimpfwort zunächst gebraucht für den Bauern ten-fo¯te ’Zehen mit Schwimmhäuten’, anord. fle´tta nach seinem typischen Arbeitsgerät. Adjektiv: Vsw. ’flechten’, gt. flahta ’Flechte’. Zugrunde liegt die flegelhaft; Abstraktum: Flegelei; Verb: sich (hin-)fleverbreitete Verbalwurzel ig. (eur.) *plek´- ’flechten’, geln. die in mehreren Sprachen mit t-Erweiterung erEbenso nndl. vlegel, ne. flail, nfrz. fle´au. – Brøndal (1917), scheint. Mit t: l. plectere, akslav. pleˇti ’jäten’; ohne t: l. 157–159 = (1948), 169–171; Röhrich 1 (1991), 458f.; EWahd 3 plica¯re ’zusammenfalten’ (ne. plait ’Zopf, Flechte’, gr. (2007), 361f.; EWNl 4 (2009), 537. ple´ko¯ ’ich flechte, winde’ und vielleicht das germanische Wort für ÞFlachs. Präfigierung: Þver-, Þent-; flehen Vsw std. (8. Jh.), mhd. vle¯(he)n, vle¯gen, ahd. Kollektivum: Geflecht. fle¯˘ho¯n, fle¯˘hen, as. fleho¯n ’dringend bitten’. Die Beurteilung der Etymologie ist mit dem Problem der Ebenso nndl. vlechten, nschw. fläta, nisl. fle´tta. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þkompliziert; ÞFlasche – Schier, B.: Flechnoch unklaren Lautentsprechung gt. þl- − nordg. ten im Lichte der historischen Volkskunde (Frankfurt/M. /wg. fl- belastet (gt. gaþlaihan ’ermahnen, trösten’). 1951); Seebold (1970), 198f.; RGA 9 (1995), 175f.; EWahd 3 Entsprechungen sind deshalb vorerst als unsicher zu (2007), 365–368; EWNl 4 (2009), 536f. beurteilen. Vgl. immerhin l. supplex ’demütig fleFleck (Flecken) Sm std. (8. Jh.), mhd. vlec(ke), ahd. hend’, l. supplica¯re ’demütig flehen’, doch macht der flec(ko), mndl. vlecke. Aus g. *flekka-/o¯n m. ’Fleck’ Lautstand Schwierigkeiten. Adjektiv: flehentlich; Prä(darübergesetzter Lappen, Farbfleck, Eingeweidefigierung: Þer-. stück; Ortschaft), auch in anord. flekkr. Die BedeuSeebold (1970), 516f.; EWahd 3 (2007), 365; EWNl 4 (2009), tung ’Ortschaft’ geht aus von Marktfleck(en) (14. Jh.), 537f. also ’Marktplatz’. Wie l. plagula f., plagella f. Fleisch Sn std. (8. Jh.), mhd. vleisch, fleisch, ahd. fleisc, ’Lappen’ zu l. plaga f. ’Fläche, Gegend’, so kann Fleck as. fle¯sk. Aus wg. *flaiska- n. ’Fleisch’, auch in ae. fl¢ ¯ sc, zu Þflach gehören. Es wäre dann wohl von einer Weiafr. fle¯sk; dazu anord. flesk(i) ’Speck’, das wohl aus terbildung mit -n- oder einer Expressiv-Gemination dem Westgermanischen entlehnt ist. Hierzu weiter zu (ig.) *pl¡g- ’Ausgebreitetes’ auszugehen. Nach anord. flikki, ae. flicce, mndl. vlec(ke) ’Stück Speck, Sommer eher zu einer Lautnachahmung für ’hinSpeckseite’. Dies kann weiter führen zu lit. pleı˜kti klatschen’, vgl. ÞPlacken. Vielleicht könnte auch ’(einen Fisch) der Länge nach aufschlitzen und dann von *flikk- auszugehen sein, vgl. anord. flı´k(a) ausnehmen’. Im Falle eines Vergleichs wäre von (ig.) f. ’Lappen, Fetzen’. Adjektiv: fleckig; Präfixableitung: *ploik-sko- und *plikkjo¯n (o.ä.) auszugehen, die beflecken. Grundbedeutung wäre ’Speckseite, ausgenommenes Zur Sippe s. Þflach, sowie ÞFleisch, Þflicken, ÞPlacken. S. auch Kuttelfleck unter ÞKutteln. – Sommer (1977), 15; Lühr (1988), 216–218; LM 4 (1989), 539 (zu Flecken im Sinne von ’Sied-

Schwein’. In Betracht zu ziehen ist aber auch akslav. plu˘tı˘ f. ’Fleisch, Leib, Haut’, lett. pluta ’Fleisch, Haut’, lit. pluta` f. ’(Brot)Kruste, Schweineschwarte’, die

Fleischkäse

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Ebenso nndl. flexibel, ne. flexible, nfrz. flexible, nschw. flexibel, wurzelverwandt sein könnten. Vorläufig nicht ausnnorw. fleksibel. – EWNl 2 (2005), 96; DF 5 (22004), 953–956. reichend klar. Ausgangsbedeutung ist wohl ’Stück eines zerlegten Schlacht- oder Jagdtiers’ zu einem Flibustier Sm ’Seeräuber’ per. arch. (18. Jh.). Entlehnt Verbum für ’zerteilen, zerlegen’. Adjektive: fleischlich, aus frz. flibustier, dieses aus ne. filibuster, wohl aus ne. fleischig; Täterbezeichnung: Fleischer; Verb: (zer-)fleiflibutor, freebooter, aus ndl. vrijbuiter ’Freibeuter’. schen. Ebenso nndl. vrijbuiter, ne. filibuster, nschw. fribytare, nnorw. Ebenso nndl. vlees, ne. flesh, nschw. fläsk, nisl. flesk; Þeingefleischt, ÞFleck. – Silfwerbrand (1958), 1–80; HWPh 2 (1972), 957–959; Braun, W. in Dückert (1976), 55–119 (zur Täterbezeichnung Fleischer); LM 4 (1989), 541–545; Röhrich 1 (1991), 459; RGA 9 (1995), 182–184; EWahd 3 (2007), 370f.; EWNl 4 (2009), 537.

Fleischkäse Sm ÞLeberkäse. Fleischpflanzl Sn ’Fleischküchlein’ per. oobd. (20. Jh.).

Eigentlich Fleischpfanzl aus Pfann-Zelten (ÞZelte(n)) ’Pfannkuchen’ mit sekundärer Angleichung an ÞPflanze. Fleiß Sm std. (8. Jh.), mhd. vlı¯z, ahd. flı¯z, as. flı¯t. Aus wg.

*flı¯ta- (*fleita-) m. ’Streit, Anstrengung’, auch in ae. flit, afr. flı¯t. Abstraktum zu wg. *fleit-a- Vst. ’wetteifern’ in ae. flı¯tan, as. (and)flı¯tan, ahd. flı¯zan, mhd. vlı¯zen, das keine überzeugende Anschlussmöglichkeit außerhalb des Germanischen hat. Adjektiv: fleißig. Ebenso nndl. vlijt; Þbeflissen, Þgeflissentlich. – Seebold, E. (1970), 199f.; EWahd 3 (2007), 397–399.

flektieren Vsw ’morphologisch beugen’ per. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus l. flectere (flexum) ’beugen, biegen’. Abstraktum: Flexion. Ebenso ne. inflect, nschw. flektera, nnorw. flektere; Þreflektieren, Þflexibel. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 48f.

Flemen Spl ÞFlomen. flennen (zunächst pflennen, oobd. flehnen) Vsw ’nach

Kinderart weinen’ erw. reg. (15. Jh.). Bezeugt ist auch die Bedeutung ’lachen’, die die Verbindung zu ahd. flanne¯n ’den Mund verziehen’ herstellt. Weiter zugehörig sind vermutlich mhd. vlans ’Mund, Maul’ und nnorw. (dial.) flina, nschw. (dial.) flı¯na ’die Zähne zeigen, grinsen’. Weitere Herkunft unklar. ÞFlunsch, ÞFlansch. – Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 69–75; EWahd 3 (2007), 351–353.

fletschen (praktisch nur in Zähne fletschen) Vsw std.

phras. (14. Jh.), mhd. vletschen. Zu mhd. vletzen ’ebnen, ausbreiten’, zu ahd. flaz ’flach, breit’, also eigentlich ’den Mund breit ziehen’. ÞFladen, ÞFlöz. – Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 80–82; RGA 9 (1995), 187–189 (Flett).

fletschern Vsw ’mit gründlichen Kaubewegungen es-

sen’ per. fach. (20. Jh.). Nach dem amerikanischen Ernährungsphysiologen H. Fletcher, der diese Essweise vorschlug. Flett Sn, FletzSmn ÞFlöz. flexibel Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. flexibilis, wohl

unter dem Einfluss von frz. flexible ’biegsam’. Das lateinische Wort ist ein Adjektiv der Möglichkeit zu l. flectere (flexum) ’beugen, biegen’, ausgehend von der Form des PPP.

fribytter, nisl. frı´by´tari; Þfrei, ÞBeute 1. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 307.

flicken Vsw std. (14. Jh.), mhd. vlicken. Eigentlich

’einen Fleck aufsetzen’. ÞFleck. – EWNl 2 (2005), 96.

Flickflack Sm ’Handstandüberschlag rückwärts’ per.

fach. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. flic-flac, einer Lautgebärde mit Vokalvariation. Ebenso nndl. flik-flak, ne. flip-flap, ndn. flikfak, nnorw. flikkflakk.

Flieder Sm std. (15. Jh.), mndd. vleder, mndl. vlie(de)r.

Ein zunächst niederdeutsches Wort. Mit Flieder wird zunächst der Holunder bezeichnet; im 16. Jh. bei Einführung des Flieders (syringa vulgaris) wird das Wort auf diesen übertragen, zunächst mit verdeutlichenden Adjektiven (spanischer, welscher, türkischer Flieder), dann auch als einfaches Wort. Heute wird Flieder für Holunder vor allem noch in nordostdeutschen Mundarten gebraucht, häufig verdeutlicht als wilder oder schwarzer Flieder. Das Wort ist vermutlich gebildet mit dem westgermanischen ’Baumnamensuffix’ -dra- (ÞHolunder), das Vorderglied lässt sich nicht weiter anknüpfen. Teuchert (1944), 214f.; Sauerhoff (2001), 122–124; EWahd 3 (2007), 384; EWNl 4 (2009), 540.

fliegen Vst std. (8. Jh.), mhd. vliegen, ahd. fliogan,

mndd. vlegen, mndl. vliegen. Aus g. *fleug-a- Vst. ’fliegen’, auch in anord. flju´ga, ae. fle¯ogan, afr. flia¯ga. Außergermanisch lässt sich ein baltisches Wort bei Ansatz eines (ig.) *pleuk- ’fliegen, schwimmen’ vergleichen, was voraussetzen würde, dass das germanische Wort den grammatischen Wechsel zugunsten des stimmhaften Lautes ausgeglichen hätte. Mit Rücksicht auf die Vermeidung eines Zusammenfalls mit Þfliehen in den außergotischen Sprachen ist diese Annahme durchaus möglich. Vgl. lit. plau˜kti ’schwimmen, herbeiströmen’ und vielleicht lit. plu`nksna ’Feder’ (neben lit. plu¯´sna). Unter Umständen ist die auf *pleus- zurückführende Sippe von ÞFlaum und ÞFlausch näher zugehörig. Weiter zu ig. *pleu- ’fließen’, das unter Þfließen dargestellt ist. Einen ähnlichen Bedeutungswandel von ’schwimmen’ zu ’fliegen’ zeigt toch. AB plu- ’schweben’ von der einfacheren Wurzelstufe (sowie vielleicht *plus’Wollflocke, Flaumfeder’). Auch ai. pla´vate heißt neben ’schwimmen, fließen’ gelegentlich ’schweben, fliegen’. − Schon westgermanisch ist das Wort Fliege (mhd. vliege, ahd. fliuga, as. fliega, ae. fle¯oge), dazu im Ablaut anord. fluga gleicher Bedeutung. Abstraktum: Flug; Nomen Agentis: Flieger.

Flinte

303 Ebenso nndl. vliegen, ne. fly, nschw. flyga, nisl. flju´ga; Þflitzen, ÞFlocke, ÞFlucht 2, ÞFlügel, Þflügge, Þflugs. – Schumacher, Th. ZM 23 (1955), 59–64; Wissmann (1963–1968), 694–696, 762–764 (zu Fliege); Seebold (1970), 201f.; Röhrich 1 (1991), 460f.; EWahd 3 (2007), 385–388; EWNl 4 (2009), 540.

Fliegender Sommer Sm ÞAltweibersommer. Fliegenpilz Sm ’Amanita muscaria’ std. (17. Jh.). Die

dehnung entstanden. Vielleicht eine Form ohne s mobile zu der Sippe von Þspleißen. Nach Vennemann aus einem Substrat entlehnt. Vennemann (1997), 883f.

Fließband Sn std. (20. Jh.). Deutsche Bezeichnung der

durch Henry Ford in den U. S. A. eingeführten Fertigungsmethode.

Zusammensetzung von Fliege (Þfliegen) und ÞPilz fließen Vst std. (8. Jh.), mhd. vliezen, ahd. fliozan, as. rührt daher, dass dieser Giftpilz schon seit alters mit fliotan. Aus g. *fleut-a- Vst. ’fließen’, auch in anord. Milch abgekocht wurde, um damit Fliegen und Infljo´ta, ae. fle¯otan, afr. flia¯ta, im Gotischen ist kein sekten zu töten. Ältere Bezeichnungen mit entspreWort dieser Bedeutung belegt. Dieses aus einer auch chendem Benennungsmotiv sind spmhd. (14. Jh.) in den Nachbarsprachen des Germanischen bezeugmuckenswam ’Mückenschwamm’, fnhd. fleugenten Erweiterung *pleud- zu der ig. Wurzel *pleuschwamm ’Fliegenschwamm’ (ÞSchwamm); weiter ’fließen’; *pleud- in lit. plu¯´sti ’strömen’, lit. pla´uti sind belegt Fliegenteufel, Fliegentod usw. Ähnliche Be’spülen, waschen’, air. lu´aidid ’bewegt sich’, air. immzeichnungen findet man auch in anderen europäi’bewegt, trägt, treibt, fährt herbei’; *pleu- in ai. pla´schen Sprachen. vate ’schwimmt, gleitet’, gr. ple´o¯ ’ich segle, schiffe, Ebenso nndl. vliegenzwam, ne. fly agaric, nfrz. tue-mouches, schwimme’, akslav. pluti ’befahren’, air. luı¨d (urnschw. flugsvamp, nnorw. fluesopp, nisl. flugusveppur. – Marsprünglich Deponens) ’bewegt sich, fliegt’. Dieses aus zell 1 (1943), 237. einer einfacheren Wurzelstufe (ig.) *pel¡- ’gießen, fülfliehen Vst std. (8. Jh.), mhd. vliehen, ahd. fliohan, as. len’ in lit. pı`lti ’gießen, füllen’, ai. pı´parti ’füllt, nährt’ fliohan. Aus n./wg. *fleuha- Vst. ’fliehen’, auch in ae. (selten); ’fließen’ ist also eigentlich ’überfließen’. fle¯on, as. fliohan, afr. flia¯ und Resten im AltnordiEbenso nndl. vlieten, ne. fleet, nschw. flyta, nisl. fljo´ta; ÞFloß, schen (mit flju´ga ’fliegen’ zusammengefallen). Im ÞFlosse, Þflößen, Þflott, ÞFlotte, ÞFluss, ÞFlut. – Seebold Deutschen ist der grammatische Wechsel zugunsten (1970), 202–204; EWahd 3 (2007), 392–394; EWNl 4 (2009), 541. von -h- ausgeglichen, wohl um das Verb von Þfliegen Fließpapier Sn erw. obs. (16. Jh.). Bezeichnung für getrennt zu halten. Im Gotischen entspricht þliuhan saugfähiges Papier, auf dem die Tinte verfließt. Zum ’fliehen’. Der Wechsel gt. þl- − n./wg. fl- in bestimmTrocknen der Tinte u.ä. verwendet. ten Wörtern ist nicht ausreichend geklärt. Für urEbenso nndl. vloeipapier. sprüngliches fl- mit Entwicklung zu þl- vor Spirant tritt Matzel ein, der aber nicht alle widersprechen- Fliete Sf ’Aderlasseisen’ per. arch. (9. Jh.), mhd. fliet(e), vlie(de)me, ahd. fliodema, fliotema. Wie ae. flı¯thme, den Fälle zu klären vermag. Andererseits ist für gt. þlfly¯tme entlehnt aus l. phlebotomus m. aus gr. phlebokein überzeugender Ausgangspunkt zu finden (kaum to´mon n. (zu gr. phle´ps ’Ader’ und gr. te´mnein ig. tl-). Die Etymologie dieser Wörter muss deshalb ’schneiden’). offen bleiben. Erwägenswert ist ein Vergleich mit gr. Ebenso nndl. laatvlijm, ndn. flitte; ÞAnatomie. – RGA 1 (1973), ale´omai ’ausweichen, entfliehen’, in dessen Sippe 78f. auch k-Formen vorkommen (die allerdings nicht sehr belastbar sind). Damit wäre *(a)leuk- ’fliehen’ flimmern Vsw std. (17. Jh.). Zu flimmen neben flammen, rekonstruierbar, das mit einem t-haltigen Präverb im von unruhigen Bewegungen. Wohl ursprünglich von Germanischen ein g. *þleuh-a- ’entfliehen’ hätte bilÞFlamme abgeleitet, aber lautmalerisch abgewandelt. den können. Außergotisch hätte dieses sekundär ent- flink Adj std. (17. Jh.). Aus dem Niederdeutschen überstandene þl- ein fl- ergeben. Weitere Stützen für dienommen, wo es ursprünglich ’glänzend, blank’ besen hypothetischen Ansatz wären allerdings wündeutete (ndd. flinken ’glänzen’). Die Bedeutungsschenswert (vielleicht gr. alyktope´de¯ ’Fessel’ mit übertragung war möglich, weil offenbar ein unruhiAlpha privativum?). Präfigierung: Þent-. ges, wechselndes Glänzen gemeint war (vgl. auch den Ebenso nndl. vlieden, ne. flee, nschw. flyVsw., nisl. fly´jaVsw.; ÞFloh, ÞFlucht 1. – Matzel, K. Sprache 8 (1962), 220–237; Seebold (1970), 517f.; EWahd 3 (2007), 389–392; Seebold, E. IL 26 (2003), 152f.

Fliese Sf std. (17. Jh.). Ursprünglich niederdeutsches

Bedeutungszusammenhang bei Blitz; Þblitzen). Herkunft unklar; wohl lautmalerische Abwandlung von Þblinken. Vgl. auch Þflimmern. – Lühr (1988), 106f.; EWNl 2 (2005), 97.

Flins(e) Sf ÞPlinse.

Wort (mndd. flise, vlise ’Steinplatte’). Vielleicht vergleicht sich dieses mit anord. flı´s ’Splitter, gespaltenes Flinte Sf erw. obs. (17. Jh.). Ursprünglich neben Flintbüchse und Flintrohr. Damit wird ein im 30-jähHolz’ (die Bedeutung ’Fliese’ dürfte entlehnt sein). In rigen Krieg aufgekommenes Gewehr mit (Feuer-) diesem Fall wäre die Ausgangsbedeutung ungefähr Steinschloss (das zuvor nur die Pistolen hatten) bedie von ÞSchiefer. Falls ahd. flins ’Kiesel, Fels’ entzeichnet. Davor wurde mit der ÞLunte der Schuss spricht (was von der Bedeutung her nicht naheliegt), ausgelöst. Dabei ist flint die schwedische Form des ist die Vokallänge durch Nasalschwund mit Ersatz-

Flipper

304

Wortes für ’Feuerstein’ (ahd. flins m., mhd. vlins m.; Flittchen Sn ’leichtfertiges Mädchen’ std. stil. (19. Jh.). dagegen nschw. / ndn. ndd. / nndl. ne. flint). Die Wohl rückgebildet aus Þflittern ’kichern; liebkosen’. schwedischen Wörter flintebössa, flinterör, flinta sind ÞFlitter, Þflittern, ÞFlitscherl. früher bezeugt als die deutschen Entsprechungen Flitter Sm erw. fach. (16. Jh.). Zunächst ’kleine Blechund haben diesen offenbar als Vorbild gedient. Das münze’, dann ’glitzerndes Metallplättchen, Glanz’. schwedische Wort ist seinerseits dem frz. fusila`silex m. Rückbildung aus Þflittern. nachgebildet. − Die Flinte ins Korn werfen für flittern Vsw per. reg. (15. Jh.), mhd. vlittern, vlettern ’aufgeben’ ist offenbar ein spezieller Ausdruck für ’kichern’, dann auch ’flüstern, kosen, schmeicheln’. ’seine Waffen (als Zeichen der Aufgabe oder der Am frühesten bezeugt ist das formal abweichende Harmlosigkeit) wegwerfen’. ahd. flitarezzen ’schmeicheln, liebkosen’ (11. Jh.). Ebenso ne. flintlock, nschw. flintbössa, flintla˚sgevär, nnorw. Wohl eine Lautgebärde wie Þflattern und mit Vokalflintbørse. – Ganz (1957), 74f.; Lüschen (1979), 219; de Tolvariation zu diesem und ähnlichen Wörtern gebildet. lenaere, F. SN 53 (1981), 245–257; Lühr (1988), 105f.; RöhAusgangsvorstellung sind wohl schnelle, leise Bewerich 1 (1991), 461; RGA 9 (1995), 191f. (Flint); EWNl 4 (2009), gungen; die Lichtvorstellungen (’glitzern’) wohl 542. unter dem Einfluss der nominalen Ableitung ÞFlitter. Flipper Sm (ein Spielautomat) per. fach. (20. Jh.). Im ÞFlittchen. Englischen nicht gebräuchliche, aber anglisierende Bezeichnung für den Spielautomaten, der auf am. e. Flitterwochen Spl std. (16. Jh.). Zu Þflittern in der Bedeutung ’liebkosen’. pinball machine heißt. Nach EWNl war dies die BeRöhrich 1 (1991), 461. zeichnung eines einfacheren Automaten, der nach Einführung der ’Schnips-’ Tasten 1947 von einem Fa- Flitzbogen Sm Þflitzen. brikanten flipper bumper genannt wurde (nach dem flitzen Vsw std. stil. (16. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Die äldressierten Delphin einer amerikanischen Fernsehtere Bedeutung ist ’mit Pfeilen schießen’. Abgeleitet serie). Da die Automaten erst nach dem Krieg auch von Flitze (flitsche) f. ’Pfeil’, einer morphologisch unnach Europa kamen, hießen sie dort mit dem neuklaren niederdeutschen/niederländischen Ableitung eren Namen Flipper (–), während im englischspravon mndd. fleke, flieke, mndl. vl(i)eke ’Pfeil’ (evtl. chigen Bereich der Name des älteren Geräts bestehen über frz. fle`che ’Pfeil’, das aus einer entsprechenden blieb. Der Name des Delphins entweder nach e. to flip germanischen Form stammt). Dieses kann eine Ab’schnipsen, schnellen’ oder als Übertragung von e. leitung auf *-iko¯n zu dem Wort Þfliegen sein. Geflipper, das die Flossen von Robben und Schildkröten bräuchlich ist auch noch Flitzbogen mit der alten Bebezeichnet. Verb: flippe(r)n ’mit Spielautomaten spiedeutung. len’. Flocke Sf std. (9. Jh.), mhd. vloc, vlocke m., ahd. flocko Ebenso nndl. flipperkast, nfrz. flipper, nschw. flipperspel, m., mndd. vlocke, mndl. vlocke. Aus vd. *flukk(o¯n) m. nnorw. flipperspill; Þausflippen. – Rey-Debove/Gagnon ’Flocke’. Am ehesten entlehnt aus l. floccus m. (1988), 308; Carstensen 2 (1994), 508f.; EWNl 2 (2005), 98. ’Flocke’. Falls Erbwort, gehört es zu lett. plauki flirren Vsw per. reg. (17. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Ur’Schneeflocken’, lett. plau˜kas Pl. ’Fasern, Abgang von sprünglich niederdeutsches Wort, das zuerst ’flatWolle und Flachs’ und weiter zu Þfliegen. Die Belegtern’ bedeutet. Sicher eine Lautgebärde, bei der die lage spricht aber eher für eine Entlehnung. Adjektiv: Lautgestalt ähnlicher Wörter mitgewirkt haben mag flockig; Verb: (aus-)flocken. (Þschwirren, Þflimmern).

flirten Vsw std. stil. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. flirt, des-

sen Herkunft nicht sicher geklärt ist. Dazu Flirt ’Liebelei’ nach ne. flirtation. Ebenso nndl. flirten, nfrz. flirter, nschw. flörta, nnorw. flørte. Das englische Wort ist in der heutigen Bedeutung erst im 18. Jh. aufgekommen; seit dem 16. Jh. die Bedeutung vb. ’hinund herflattern’, subst. ’leichtfertiges Mädchen’. Eine Entlehnung aus dem Französischen lässt sich nicht nachweisen, vgl. immerhin frz. conter fleurette a` une femme ’einer Frau schöntun’. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 311; Carstensen 2 (1994), 511–514; EWNl 2 (2005), 98f.; DF 5 (22004), 958–960.

flispern Vsw ’flüstern, beim Sprechen mit der Zunge

anstoßen’ per. ndd. (18. Jh.). Wohl eine Mischbildung aus Þflüstern und Þwispern oder Þlispeln. Flitscherl Sn per. oobd. (20. Jh.). Entsprechung zu

ÞFlittchen.

ÞPlane. – Lühr (1988), 218f.; EWahd 3 (2007), 403–408; EWNl 4 (2009), 544f.

Floh Sm std. (9. Jh.), mhd. vlo¯(ch) m./f., ahd. flo¯h,

mndd. vlo, mndl. vlo f . Aus g. *flauha- m. ’Floh’, auch in anord. flo´ f., ae. fle¯a(h). Außergermanisch wird das Tier mit ähnlichen, aber lautlich nicht genau vereinbaren Wörtern bezeichnet. Vermutlich expressive Umgestaltungen oder sekundäre Angleichungen, die etwa von (ig.) *plus- ausgehen, vgl. ai. plu´si-, gr. psy´lla ˙ m./f. (vielleicht angelehnt an gr. pse˜n ’kratzen’), arm. lu, lit. blusa` f., l. pu¯lex. Im Germanischen eventuell an Þfliehen angeschlossen. Ebenso nndl. vlo, ne. flea. – Wissmann (1963–68), 35–50; Röhrich 1 (1991), 461–462; EWahd 3 (2007), 402–404; EWNl 4 (2009), 543.

Flöte

305 Floh- Aff (in Flohzirkus m., Flohkino n., Flohmarkt

17. Jh. in Titel von Pflanzenbeschreibungen verwenm.) std. (18. Jh.). Die erste Bildung ist wohl die älteste det, z.B. Flora Danica (1647) für eine Beschreibung und bezeichnet Vorführungen mit Flöhen (< 18. Jh.). der dänischen Pflanzenwelt. Daraus dann die appelDanach, wohl schon als negatives ’Halbpräfix’ gelativische Verwendung. Vgl. Fauna. braucht, Flohkino (kaum weil es dort Flöhe gibt), und Ebenso nndl. flora, ne. flora, nfrz. flore, nschw. flora, nnorw. schließlich Flohmarkt, das in der modernen Sprache flora, nisl. flo´ra; ÞFaun, ÞFlor 3. – EWNl 2 (2005), 100f.; DF 5 (22004), 969f. eine größere Rolle spielt und aus frz. marche´ aux puces, les puces entlehnt ist (evtl. über ne. flee market). Florett Sn ’eine Stoßwaffe mit biegsamer Klinge’ erw. Vermutlich hieß so in Paris das Quartier du Temple, fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. fleuret m., dieses aus it. auf dessen Marktplatz bis 1870 Altkleider usw. verfioretto m., auch ’Kugel an der Spitze des Degens’, kauft wurden. Von daher wohl die Bezeichnung (vgl. eigentlich ’Knospe, Blümchen’, einem Diminutivum verlaust usw.). zu it. fiore m. ’Blume, Blüte’, aus l. flo¯s (-o¯ris) m. So benannt nach der kleinen Kugel, die bei Übungen auf Flomen (regional auch Flaumen u.a.) Spl ’rohes Bauchdie Spitze des Degens gesteckt wurde, um ernsthafte und Nierenfett’ per. ndd. (18. Jh.). Hochdeutsch Verletzungen zu vermeiden. Die vom Französischen würde ÞFlumen entsprechen (vgl. mndd. vlome), das abweichende Lautform wohl durch Relatinisierung. teilweise als Verhochdeutschung vorkommt. Süddeutsch entspricht Flamen u.ä., das meist ’dünne Ebenso nndl. floret, nfrz. fleuret, nschw. florett, nnorw. florett; ÞFlor 3. – DF 5 (22004), 970–972. Haut’ u.ä. bedeutet und zu Flomen im Ablaut steht. Wohl zu der gleichen Grundlage wie bei ÞFladen und Florin Sm ’niederländischer Gulden’ per. fach. (14. Jh.). Þflach; es bezeichnet (vermutlich) die ausgebreitete Entlehnt aus ml. florenus ’(Florentiner) Gulden’, Fläche. einem substantivierten Adjektiv zu l. flo¯s (-o¯ris) Damköhler, E. WBZDS 6,43 (1927), 185–192; Christmann, E. ’Blume, Blüte’. So benannt als die ’Münze mit der ZDPh 55 (1930), 230–237; Kretschmer (1969), 328. Blume’, da sie auf der Rückseite eine Lilie eingeprägt hatte (zuerst in Florenz, wo die Lilie in das StadtwapFlop Sm ’Reinfall, Misserfolg’ per. fremd. (20. Jh.). Entpen gehört). lehnt aus ne. flop, eigentlich ’das Hinfallen’, einer AbEbenso nndl. florijn, ne. florin, nfrz. florin, nschw. florin; leitung von ne. flop ’(mit Lärm) hin(unter)fallen’, ÞFlor 3. neben ne. flap, dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist; man vermutet Lautnachahmung. Floskel Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. flo¯sculus m. Ebenso nndl. flop, nfrz. flop, nschw. flop(p), nnorw. flopp. – ’Denkspruch, Sentenz’, eigentlich ’Blümchen’, einem Zimmermann, G. (1988), 136; Rey-Debove/Gagnon (1988), Diminutivum zu l. flo¯s (-o¯ris) m. ’Blume, Blüte’. Das 313; Röhrich 1 (1991), 463; Carstensen 2 (1994), 517; EWNl 2 Wort wird als Terminus der Rhetorik (einprägsame (2005), 100; DF 5 (22004), 960–962. Formulierung) entlehnt. Die BedeutungsverschlechFlor1 Sm ’Schleier’ erw. stil. (15. Jh.). Entlehnt aus nndl. terung ergibt sich aus der Abschwächung und Sinnfloers ’Schleier’; dessen Herkunft ist unklar − mögliEntleerung häufig verwendeter Wendungen, besoncherweise aus frz. fleurs ’Blumen’ nach einem ähnliders wenn fadenscheinige Argumente rhetorisch aufchen Bild wie bei der Bezeichnung der Florett-Seide geputzt werden. ’schlechte Seide aus dem oberen Gespinst der SeidenEbenso nfrz. flosculeux, nschw. floskel, nnorw. floskel; ÞFlor 3. – würmer’ aus frz. fleuret ’Blümchen’ (’Blume’ = Cottez (1980), 151; DF 5 (22004), 972f. ’oberer Teil’?). Nach EWNl wie Flor 2 aus frz. velours. Floß Sn std. (10. Jh.), mhd. vlo¯z m./n., ahd. flo¯z, as. flo¯t. Ebenso nndl. floers, nschw. flor, nnorw. flor. – DF 1 (1913), 220; Zimmermann, M. GermL 1979, 51f.; EWNl 2 (2005), 100; DF 5 (22004), 966–969.

Flor2 Sm ’aufrecht stehende Fasern von Samt usw.’ per.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus nndl. floers ’Samt, Krepp’, das auf mfrz. velours zurückgeht. Dieses aus l. villosus ’haarig, rau’. ÞVelours. – EWNl 2 (2005), 100.

Flor3 Sm ’Blüte, Wohlstand, Gedeihen’ erw. stil.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. flo¯s (-o¯ris) ’Blume, Blüte’. Verb: florieren ’gedeihen’ aus l. flore¯re, nfrz. florir ’blühen’. Ebenso nndl. (Vb.) floreren, ne. (Vb.) flourish, nfrz. floraison, nschw. flor, nnorw. flor; ÞFlora, ÞFlorett, ÞFlorin, ÞFloskel, Þdeflorieren, ÞKarfiol. – DF 5 (22004), 962–966.

Flora Sf ’Pflanzenwelt’ erw. fach. (17. Jh.). Der Name

der römischen Frühlingsgöttin l. Flora wird seit dem

In verschiedenen Bedeutungen, die das Wort als Ableitung zu Þfließen (ÞFlotte) erweisen (’das Schwimmende’). Hierzu als Faktitivum flößen1 ’im Floß oder als Floß befördern’. LM 4 (1989), 578–579; RGA 9 (1995), 233–238; EWahd 3 (2007), 409f.; EWNl 4 (2009), 545.

Flosse Sf std. (10. Jh.), mhd. vlozze, ahd. flozza. Zu

Þfließen in der Bedeutung ’schwimmen’. EWahd 3 (2007), 414.

flößen1 Vsw ÞFloß. flößen2 Vsw ’fließen lassen’ per. arch. (13. Jh.), mhd.

vlœzen. Kausativ zu Þfließen, also ’fließen machen, schwimmen machen’. Modern praktisch nur noch in einflößen. Flöte Sf std. (13. Jh.), mhd. vloit(e), flöute. Entlehnt aus

afrz. fleute über mndl. flute, fleute, floyte. Verb: flöten.

flötengehen Ebenso nndl. fluit, ne. flute, nfrz. fluˆte, nschw. flöjt, nnorw. fløyte, nisl. flauta. Die Herkunft des romanischen Wortes ist unklar. Vielleicht zu l. fla¯re ’blasen’ + frz. huter ’hu machen’, also etwa ’hu blasen’. – Relleke (1980), 54f.; DEO (1982), 291; Röhrich 1 (1991), 463–464; RGA 9 (1995), 221f.; EWNl 2 (2005), 102; DF 5 (22004), 973–976.

flötengehen Vst ’verloren gehen’ std. stil. (18. Jh.). Ent-

stehung dunkel. Mögliche Herleitung aus dem Jiddischen über das Rotwelsche bei Wolf, zur gleichen Quelle wie ÞPleite. Knobloch, J. Lingua 26 (1970/71), 300f.; Wolf (1985), 103; Röhrich 1 (1991), 463f.

flott Adj std. (17. Jh.). Aus dem Niederdeutschen über-

306

zusammenschlagen’, afr. urflo¯kin ’verflucht’. Die Ausgangsbedeutung ist wohl ’stoßen, schlagen’; daraus die deutsche Bedeutung (vgl. einen Fluch ausstoßen) und in einem anderen Bild ’die Hände zusammenschlagen’ im Englischen; dies als Zeichen der Trauer und Verzweiflung im Gotischen (wobei die Fügung syntaktisch weiterentwickelt ist, im Akkusativ die betrauerte Person steht, nicht die Hände o.ä.). Das germanische Verb geht zurück auf ig. (eur.) *pla¯g- ’schlagen’ in l. plangere ’schlagen, an die Brust schlagen, trauern’, gr. ple¯´sso¯ ’ich schlage, treffe, treibe’. Eine Variante mit -k in lit. pla`kti ’schlagen, peitschen, prügeln’. Abstraktum: Fluch; Präfigierung: Þver-.

nommen; dort ist es zunächst in Wendungen wie flott werden (von einem Schiff) üblich, und erweist sich Ebenso nndl. vloeken. – Förster, M. FS Liebermann (1921), 154–156; Seebold (1970), 205f.; LM 4 (1989), 596–597; Röhrich damit als Ableitung von Þfließen. Die heutige Bedeu1 (1991), 465; RGA 9 (1995), 238–240; EWahd 3 (2007), 420f.; tung entstand vermutlich über flott leben (u.ä.) in der Woodhouse, R. HSF 118 (2005), 262f.; EWNl 4 (2009), 543. Studentensprache. Als neutrales Abstraktum ndd. Flott in Entenflott ’Entengrütze’ und in der Bedeutung Flucht1 (zu Þfliehen) Sf std. (9. Jh., fluhtig 8. Jh.). Altes ’Sahne’ (oben Schwimmendes). Abstraktum: ahd. fluht, mhd. vluht, as. fluht, afr. flecht, ae. flyht m. aus wg. *fluhti- f. ’Flucht’. Dagegen Kluge (1911), 271; EWNl 4 (2009), 546. ein n-Stamm in anord. flo´tti m., ein m(i)-Stamm in Flotte Sf std. (16. Jh., ndd. schon 14. Jh.). Vermutlich gt. þlauhs. Verb: flüchten; Nominalableitung: zunächst entlehnt aus mndd. vlo¯te, mndl. vlo¯te Flüchtling; Adjektiv: flüchtig; Präfigierungen: Zu-, Aus-. ’Schiffsverband’ (ähnlich wie ÞFloß eine Ableitung zu Þfließen). Das Wort gerät dann − dem Schicksal der militärischen Terminologie dieser Zeit entsprechend − unter den Einfluss der romanischen Entsprechungen (it. flotta, nfrz. flotte), die ihrerseits auf das germanische Wort zurückgehen (aus anord. floti m. über das Normannische; vgl. auch ae. flota m.), aber wohl mit Ableitungen aus l. fluctua¯re ’fließen’ vermischt wurden. Hierzu als Diminutivum (aus dem Spanischen und Französischen) Flotille.

Ebenso nndl. vlucht, ne. flight; ÞAusflucht, Þfliehen. – Eppert (1963), 87–94; EWahd 3 (2007), 416; EWNl 4 (2009), 546f.

Flucht2 Sf ’zusammenfliegende Schar Vögel, Zimmer-

flucht’ erw. obs. (17. Jh.). Aus dem Niederdeutschen übernommen (ndd. flugt). Dieses ist ti-Abstraktum zu Þfliegen. Hierher auch Fluchtlinie (vgl. Fluglinie) ’Gerade’, Zimmerflucht und der technische Ausdruck fluchten ’in einer Linie stehen’.

Ebenso nndl. vlucht, ne. flight; Þfliegen. Ebenso nndl. vloot, nfrz. flotte, nschw. flotta, nnorw. fla˚te, nisl. Flugblatt Sn std. (18. Jh.). Wie Flugschrift f. (< 18. Jh.) floti. – Kluge (1911), 271; Jones (1976), 340; DEO (1982), 290; Lehnübersetzung aus Flug (Þfliegen) und ÞBlatt bzw. LM 4 (1989), 579–594; EWNl 2 (2005), 101; DF 5 (22004), Schrift (Þschreiben) zu frz. feuille volante f., wörtlich 976–978; EWNl 4 (2009), 545.

Flöz Sn ’waagrechte Gesteinsschicht’ per. fach. (8. Jh.,

’fliegendes Blatt’, weil es sich dabei im Gegensatz zu gebundenen Büchern um lose Blätter handelte (und dann auch wegen ihrer schnellen Verbreitung). Im 19. Jh. wird Flugschrift als Ersatz für ÞBroschüre, ÞPamphlet und Pasquill vorgeschlagen.

Bedeutung 16. Jh.), fnhd. flez. Das Wort beruht auf einer Übertragung aus mhd. vletz(e) ’Tenne, Stubenboden’ u.ä., ahd. flezzi, as. fletti aus g. *flatja- n. ’(bearbeiteter) Boden’, auch in anord. flet, ae. flet(t), Flügel Sm std. (13. Jh.), mhd. vlügel, mndd. vlogel, afr. flett; eine Ableitung (Abstraktbildung) von g. mndl. vleughel. Wie anord. flygill eine jüngere In*flata- Adj. ’flach’, in anord. flatr, as. flat, ahd. flaz strumentalbildung auf -ila- zu Þfliegen. Flügel (parallele Erweiterung von Þflach; vielleicht als ’Tasteninstrument’ heißt so nach der Form: zunächst ’Gestampftes’ zu ig. *pel- ’schlagen, stoßen’). Das war der Flügel eine entsprechend geformte Harfe Wort ist die technische Bezeichnung für den Fußbo(mndd. vlogel, 14. Jh.). den innerhalb des Hauses; als solches wird es auch in Þüberflügeln. – Relleke (1980), 264f.; Röhrich 1 (1991), 465; der ndd. Form ÞFlett erwähnt.

EWNl 4 (2009), 539. S. auch Þfletschen. – Hoops (1911/19), II, 66–68; Jungandreas, W. NJ 77 (1954), 69–83; Maher (1986), 65; Heidermanns flügge Adj std. stil. (13. Jh., Form 15. Jh.), mhd. vlücke. (1993), 200; EWahd 3 (2007), 379. Die neuhochdeutsche Form mit -gg- beruht auf ndd.

fluchen Vsw std. (9. Jh.), mhd. vluochen Vsw., ahd. flu-

ohho¯n Vsw., fluohhan Vst., as. flo¯kan Vst. Aus g. *flo¯k-a- Vst., auch in gt. faiflokun Prät. ’betrauerten’, anord. flo´kinn ’verworren’, ae. flocan Vst. ’die Hände

vlügge. Das Wort ist westgermanisch: ae. flycge, nordfr. flag. Ein Adjektiv der Möglichkeit auf -ja-, also wg. *flug-ja- ’imstande zu fliegen’. Þfliegen. – Heidermanns (1993), 203f.

Fock

307 flugs Adv std. stil. (15. Jh.), mhd. vluges. Als adverbialer

Genetiv zu Flug, der dann etwa im 15. Jh. erstarrt, also ’im Fluge’. Þfliegen. – EWNl 2 (2005), 102; EWNl 4 (2009), 547.

Flugschrift Sf ÞFlugblatt. Flugzeug Sn std. (20. Jh.). Nach dem Muster von

ÞFahrzeug gebildet. Fluh Sf ’Fels, Felswand’ per. schwz. (9. Jh.), mhd. vluo,

des Flussspats, dem wichtigsten Fluor enthaltenden Mineral; dann übertragen auf das Gas. Flussspat wurde im Hüttenwesen dazu benutzt, den Schmelzfluss bei Erzen zu fördern; daher seine Bezeichnung. Dazu fluoreszieren usw., mit dem ’wie gewisse Fluorverbindungen im Licht reagieren’ gemeint ist, da man die Erscheinung zunächst an den Kristallen des Flussspats beobachtete. Ebenso nndl. fluor, ne. fluorine, nfrz. fluor, nschw. fluor,

nnorw. fluor, nisl. flu´(o)r; Þfluktuieren. – Cottez (1980), 151; ahd. fluoh. Aus g. *flo¯hi- f. ’Fels, Felsstück, Felswand’, EWNl 2 (2005), 102f. auch in anord. flo´ ’Schicht, Absatz an einer Felswand’, ae. flo¯h ’Felsstück, Fliese’. Am ehesten aus einer Va- Flur Sf std. (12. Jh.), mhd. vluor m., ahd. fluor m., mndd. riante (ig.) *pla¯k- neben *pla¯g-, das in Þflach vorliegt. flo¯r, mndl. vloer. Aus g. *flo¯ra- m. ’Boden’, auch in Hierher gr. pla´x ’Fläche’, l. placidus ’flach, eben’, lit. anord. flo´rr m., ae. flo¯r m. Außergermanisch entpla˜kanas ’flach’. spricht *pla¯-ro- in air. la´r m./n., kymr. llawr ’Boden’, ÞNagelfluh. – EWahd 3 (2007), 418–420. von derselben Grundlage ig. *pla¯- wie Þflach, ÞFladen, ÞFlöz usw. Im Deutschen ist Flur ’Feldflur’ Fluidum Sn ’Wirkung, Ausstrahlung’ per. fremd. ererbt und hat in spätmittelhochdeutscher Zeit sein (18. Jh.). Neubildung zu l. fluidus ’flüssig’, zu l. fluere Genus zum Femininum umgestellt. Flur m. ’fließen, strömen’, also eigentlich ’Flüssigkeit, Flie’Hausgang’ ist erst im Neuhochdeutschen aus dem ßendes’. Dann Übertragung auf die Ausstrahlung von Niederdeutschen aufgenommen worden. Gegenständen oder Menschen, von der Vorstellung Ebenso nndl. vloer, ne. floor. – Mitzka, W. BF 11 (1940), 66–68; elektrischer und magnetischer Wellen ausgehend. Ebenso nndl. fluı¨dum, ne. fluid, nfrz. fluide, nschw. fluidum, nnorw. fluidum; Þfluktuieren. – DF 5 (22004), 978–981.

Kretschmer (1969), 203–210; LM 4 (1989), 597–600; EWahd 3 (2007), 421–423; EWNl 4 (2009), 544.

fluktuieren Vsw ’schwanken, sich ändern’ per. fremd.

Fluss Sm std. (8. Jh.), mhd. vluz, ahd. fluz, as. fluti. Aus

(18. Jh.). Entlehnt aus l. flu¯ctua¯re (auch: ’Wellen schlagen, wogen’), zu l. flu¯ctus ’Strömen, Wogen, Strömung’, zu l. fluere ’fließen’. Abstraktum: Fluktuation. Ebenso nndl. fluctueren, ne. fluctuate, nfrz. fluctuer, nschw. fluktuera, nnorw. fluktuere; ÞFluidum, ÞFluor, ÞInfluenza. – Schirmer (1911), 64; EWNl 2 (2005), 101; DF 5 (22004), 981–984.

Flumen Spl ÞFlomen.

vd. *fluti- m. ’Fließen, Fluss’ zu Þfließen. Häufig in Gewässer- und Ortsnamen. Heute hat Fluss fast ausschließlich die Bedeutung ’fließendes Gewässer’; die allgemeine Bedeutung ’Fließen’ in der Ableitung flüssig Adj. und in Präfigierungen wie Einfluss und Ausfluss. EWahd 3 (2007), 426f.

Flussspat Sm ÞFluor. flüstern Vsw std. (15. Jh.), fnhd. flistern. Ursprünglich

niederdeutsches Wort, das wohl auf Lautmalerei beruht. Hierzu ahd. flisteren ’schmeicheln’ (8. Jh.). vermerkt, vgl. ne. flounder, nnorw. flundra. Daneben in spätmittelalterlichen Vokabularien vlander, vluoRöhrich 1 (1991), 467; EWahd 3 (2007), 395f.; EWNl 2 (2005), 102. der u.ä. Vermutlich zu dem unter ÞFladen aufgeführten (ig.) *pl¡t-/pla¯t- ’flach’ mit sekundärer NasalieFlut Sf std. (8. Jh.), mhd. vluot m., ahd. fluot, as. flo¯d rung. Die Verbreitung dieser Form ist aber im einm./f . Aus g. *flo¯du- m. ’Flut’, auch in gt. flodus, anord. zelnen unklar. flo´d Ñ n., flœdrÑ , ae. flo¯d m./n., Abstraktbildung zu g. Ebenso ne. flounder, nfrz. flondre, nschw. flundra, nnorw. *flo¯w-a- ’fließen’ in ae. flo¯wan Vst., anord. flo´a Vsw. flyndre. ’überfließen’. Dieses ist eine dehnstufige Bildung zu flunkern Vsw std. (18. Jh.). Zu flinken ’glitzern’ u.ä. zuig. *pleu- ’fließen’, das unter Þfließen dargestellt wird. nächst im Norden (ndd. flunkern, nndl. flonkeren). Verb: fluten. − Eine Übertragung auf andere SinnesÜbertragen gebraucht für ’sich glanzvoll darstellen’; bereiche in Flutlicht. Ebenso nndl. vloed, ne. flood, nschw. flod, nisl. flo´d.Ñ – Kluge dann ’aufschneiden’. Flunder Sf std. (16. Jh.). Im 16. Jh. als englischer Name

Þflink. – Lühr (1988), 106f.; EWNl 2 (2005), 100.

Flunsch Sm ’Maul (zum Weinen verzogen)’ per. ndd.

(1911), 276; Röhrich 1 (1991), 467–468; EWahd 3 (2007), 423–425; EWNl 4 (2009), 543.

(19. Jh.). Mit Lautabwandlung zu der unter Þflennen flutschen (auch fluschen) Vsw ’rutschen, flüchtig arbeiten, gut vorankommen’ std. stil. (19. Jh.). Niederdeutdargestellten Sippe. sches Wort, wohl aus einer Lautgebärde entstanden. ÞFlansch.

Fluor Sm (ein Gas mit stechendem Geruch) erw. fach.

Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 82f.

(19. Jh.). Neubezeichnung zu l. fluor ’das Fließen’, zu Fock Sf (Focksegel) ’Segel am Vormast’ per. fach. (16. Jh.). Zunächst bezeugt als ndd. fok, nndl. fok, fock l. fluere ’fließen’. Dies ist ursprünglich Bezeichnung

Föderalismus

308

(auch ndn., nschw.); dazu ndd. focken ’Segel hissen’. Föhre Sf erw. fach. (9. Jh.), mhd. vorhe, ahd. for(a)ha, Die Zusammenhänge sind nicht ausreichend klar. Fr. as. furia. Aus g. *furho¯ f. ’Föhre’, auch in anord. fura, fu´ra, ae. furh. Außergermanisch wird zum Vergleich fok ’dreieckiges Stück Land’ scheint von der Form des it. (trent.) porca ’Föhre’ angegeben; sonst besteht Segels so benannt zu sein, nicht umgekehrt. Nach keine klare Anschlussmöglichkeit. Dass das Wort zu Sperber übertragen von einer Bezeichnung des dem alten Wort für ’Eiche’ (ig. *perk wu-, l. quercus (dreieckig dargestellten) weiblichen Geschlechtsteils (Þficken). usw.) gehören soll, ist wegen des damit vorausgesetzten Ablauts und der Bedeutung nicht glaubhaft (eine Kluge (1911), 278; Sperber, H. Imago 1 (1912), 436; EWNl 2 (2005), 107f. echte Entsprechung in ahd. fereh-eih ’Steineiche’). Die Umlautform wohl aus einer alten AdjektivbilFöderalismus Sm ’bundesstaatliche Staatsform’ per. dung (*forhı¯n). fach. (19. Jh.). Neubildung zu l. (co¯n)foedera¯tio (-o¯nis) 2

Ebenso ne. fir, nschw. fura, nisl. fura; ÞKiefer . – Horn, W. FS f. ’Vereinigung’ (auch deutsch als Konföderation), Behrens (Jena, Leipzig 1929), 111; RGA 9 (1995), 301f.; EWahd 3 einer Ableitung von l. foedera¯re ’durch ein Bündnis (2007), 475f.; EWNl 2 (2005), 104f.; EWNl 4 (2009), 578f. vereinen’, zu l. foedus n. ’Bündnis’; dieses zu l. fı¯dere ’vertrauen’. Die Bildung zunächst in frz. fe´de´ralisme. Fokus Sm ’Brennpunkt’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. focus ’Feuerstätte’ u.ä. Adjektiv: föderalistisch. Das gleiche Grundwort (l. Ebenso nndl. focus, ne. focus, nschw. fokus, nnorw. fokus; fı¯dere) liegt auch Þfidel, ÞHi-Fi und Þperfide zugrunÞFoyer. – Nagy, G. HSCPh 78 (1974), 88–91 (zum Grundwort); de. Ebenso nndl. federalisme, ne. federalism, nfrz. fe´de´ralisme, nschw. federalism, nnorw. (Adj.) føderal. – EWNl 2 (2005), 64; DF 5 (22004), 984–989.

Fohe Sf , FöheSf ÞFähe, ÞFuchs 1. Fohlen Sn std. (8. Jh.), mhd. vol(e) m., ahd. folo, as. folo

m. Aus g. *fulo¯n m. ’Fohlen’, auch in gt. fula, anord. foli m., ae. fola m.; das Neutrum wie das aus den Kasus außerhalb des Nominativ eingedrungene -n erst frühneuhochdeutsch. Fohlen ist hauptsächlich ein nördliches Wort gegenüber südlichem ÞFüllen. Semantisch genau entsprechend und lautlich vergleichbar ist gr. po˜los m./f. ’junges Pferd, Fohlen’; zu diesem Vergleich würde (ig.) *pl-o¯n mit Schwundstufe für das Germanische, *po¯lo-˙ mit Dehnstufe für das Griechische genügen. Falls jedoch andere Wörter für Tierjunge und Kinder (z.B. l. pullus m. ’Tierjunges, auch Fohlen’ und evtl. l. puer m. ’Knabe’) herangezogen werden sollen, muss von *pu-l- ausgegangen werden. In diesem Fall wäre das griechische Wort eine vom germanischen Wort unabhängige Bildung aus einer Dehnstufe *po¯u- und nicht näher mit ihm zu vergleichen. Der Anschluss an *pu- als Bezeichnung für ’Junge von Tieren und Menschen’ dürfte näher liegen, zumal sich an Wörter für ’klein, gering’ mit dieser Lautung anknüpfen lässt (z.B. l. paucus ’wenig’). Ebenso ne. foal, nschw. fa˚le, nisl. folald. S. ÞFüllen und zum griechischen Vergleichsmaterial ÞPädagogik. – EWahd 3 (2007), 462–464; EWNl 4 (2009), 521.

Föhn Sm ’warmer Fallwind’ erw. obd. (10. Jh.), mhd.

phönne, ahd. fo¯nno. Naturgemäß ein süddeutsches Wort, das aus l. (ventus) favo¯nius ’lauer Westwind’ entlehnt ist. Dieses zu l. fove¯re ’wärmen’. Der deutschen Form liegt eine wohl schon spätlateinische Kontraktion *faonius zugrunde. Adjektiv: föhnig.

DF 5 (22004), 989–991.

folgen Vsw std. (8. Jh.), mhd. volgen, ahd. folge¯n, as.

folgon. Aus g. *fulg-¢ ¯ - Vsw. ’folgen’, auch in anord. fylgja, ae. folgian, fylgean, afr. folgia, fulgia, folia, das Gotische hat dafür laistjan (Þleisten). Außergermanisch besteht keine klare Vergleichsmöglichkeit. Kymr. oˆl ’Spur’ würde zwar semantisch gut passen, ist aber lautlich mehrdeutig (könnte allenfalls auf [ig.] *polg h- zurückgehen) und ist selbst auch vereinzelt. Vom Germanischen her würde ein Anschluss an g. *felh-a- (Þbefehlen) am meisten befriedigen, und die dort für die Grundlage (ig.) *pel- gegebenen Formen stehen der Bedeutung ’folgen’ teilweise semantisch recht nahe (zum Griechischen vgl. noch gr. pela´te¯s ’Höriger, Lohnarbeiter’, gr. pla˜tis ’Gattin’, gr. pe´lasis ’Annäherung’), aber hier handelt es sich nur um eine Wurzeletymologie, was die außergermanischen Formen anbelangt, und die Bedeutungen stimmen auch nicht wirklich ausreichend überein. − Zur Grundbedeutung gehört das Abstraktum Folge; zu der damit zusammenhängenden Bedeutung ’gehorsam sein’ gehört vor allem das Adjektiv folgsam; zu der semantischen Übertragung auf die logische Schlussfolgerung gehören Folge, folglich, folgern, Þfolgenschwer und Þfolgerecht. Ebenso nndl. volgen, ne. follow, nschw. följa, nisl. fylgia; ÞErfolg. – Vennemann (1998), 258f.; EWahd 3 (2007), 448–450; EWNl 4 (2009), 553.

folgenschwer Adj std. (18. Jh.). Lehnübersetzung mit

Folge (Þfolgen) und Þschwer zu frz. gros de conse´quences (aus frz. gros ’groß, schwer, schwanger’; frz. conse´quence ’Folge’). folgerecht Adj per. arch. (18. Jh.). Als Ersatzwort für

konsequent (ÞKonsequenz), zu dem es eine Lehn-

übertragung ist (l. sequı¯ ’folgen’). Heute folgerichtig. Ebenso nndl. föhn, ne. foehn, föhn, nfrz. fœhn, föhn, nschw. fön, nnorw. fo¯n; ÞFön. – Wehrle, H. ZDW 9 (1907), 166–168; Foliant Sm ’unhandliches Buch, Buch im Format eines EWahd 3 (2007), 468f.; EWNl 2 (2005), 107. halben Bogens’ per. fach. (17. Jh.). Neubildung zu ÞFolio ’Buchformat in der Größe eines halben Bo-

foppen

309

gens’; dieses wieder eine Hypostasierung zu l. infolio ’in einem Blatt’, zu l. folium n. ’Blatt’. Ebenso nndl. foliant, ne. folio. nfrz. in-folio, nschw. foliant, nnorw. foliant, nisl. folio; ÞFolie. – EWNl 2 (2005), 109; DF 5 (22004), 991f.

Fondant Smn ’Pralinen aus Zuckermasse’ per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. fondant gleicher Bedeutung. Als ’zerschmelzend’ PPräs. von frz. fondre ’gießen, schmelzen’. Ebenso nndl. fondant, ne. fondant. nfrz. fondant; ÞFondue.

Folie Sf ’(sehr dünnes Material als) Grundlage, Hin-

Fonds Sm ’Geldmittel’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus tergrund’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. folia ’Mefrz. fonds ’Grundkapital’ (gleiches Wort wie bei Fond, tallblättchen’, dieses aus l. folium n. ’Blatt’. Zunächst aber im Französischen orthographisch anders ausgerichtet). im Deutschen vor allem ’Metallblättchen als UnterEbenso nndl. fonds, ne. fund, funds, nfrz. fonds, nschw. fond, lage von Edelsteinen zur Erhöhung ihres Glanzes’, nnorw. fond; ÞFond. – DF 5 (22004),1003–1005. dann Verallgemeinerung. Anfänglich auch in der Lautform fol(i)g, wohl nach it. foglia. Fondue Sn (ein am Tisch über dem Feuer zubereitetes Gericht, ursprünglich aus geschmolzenem Käse) per. Ebenso nndl. foelie, ne. foil. nfrz. feuille, nschw. folie, nnorw. folie. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞBlatt; ÞFolio, reg. (19. Jh.). Zunächst in der Schweiz entlehnt aus ÞFeuilleton, ÞFoliant. – EWNl 2 (2005), 109; DF 5 (22004), frz. fondue f., eigentlich ’Geschmolzenes’, zu frz. fond992f. re ’schmelzen’, aus l. fundere (fu¯sum) ’flüssig machen, Folio Sn ÞFoliant. gießen’. Folklore Sf ’Volkstümliches (in Kleidung, Musik

Ebenso nndl. fondue, ne. fondue. nfrz. fondue, nnorw. fondue.

Zur germanischen Verwandtschaft s. Þgießen; Þdiffus, usw.)’ std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. folklore, eigentÞFusion, ÞInfusion, Þkonfus. – Jones (1976), 341f.; EWNl 2 lich ’Volkskunde’. Das Wort wurde 1846 von W. J. (2005), 111. Thomas als zusammenfassende Bezeichnung für die Fontäne Sf ’Wasserstrahl (eines Springbrunnens)’ erw. Volksüberlieferungen gebildet. Der erste Bestandteil, fach. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. fontaine, dieses aus ne. folk, ist verwandt mit nhd. ÞVolk, der zweite, ne. spl. fonta¯na ’Quelle’, aus l. fo¯ns (fontis) m. Im Mittellore, mit nhd. ÞLehre. Nachträglich wurde die Bedeuhochdeutschen (mhd. funta¯ne, fonta¯ne) war das Wort tung ausgeweitet und steht heute im Deutschen als in der Bedeutung ’Quelle’ bereits einmal (aus dem Bezeichnung für touristische und merkantile BemüAltfranzösischen) entlehnt worden. hungen im Gegensatz zu der wissenschaftlichen Ebenso nndl. fontein, ne. fountain, nfrz. fontaine, ndn. font¢ne, Volkskunde. nschw. fontän, nnorw. fontene. – Jones (1976), 342; DF 5 Ebenso nndl. folklore, nfrz. floklore, nschw. folklor, nnorw. folk(22004), 1005f. lore. – Höfler, M. ASNSL 216 (1979), 368–374; Brückner, W. Fontanelle Sf ’Lücke im Schädel von NeugeboreFS der Wissenschaftlichen Gesellschaft der J.-W.-GoetheUniversität Frankfurt (Wiesbaden 1981), 73–84; Rey-Debove/ nen’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus neo-kl. fontanelGagnon (1988), 316f.; Carstensen 2 (1994), 523f.; EWNl 2 la, entsprechend zu it. fontanella. nfrz. fontenelle. Die (2005), 109; DF 5 (22004), 994–1001. romanischen Wörter bedeuten ’kleine Quelle’

(ÞFontäne) und bezeichnen ursprünglich ein künstliches Ableitungsgeschwür, das Flüssigkeit absondert poledrus, das ein scharfkantiges Gestell bezeichnet, und deshalb mit einer Quelle verglichen wird. Der auf das der Verdächtigte mit beschwerten Füßen geÜbergang zur heutigen Bedeutung ist nicht klar − setzt wurde. Das lateinische Wort ist erweitert aus gr. vielleicht weil bei Wasserkopf die große Fontanelle po˜los m./f. gleicher Bedeutung, eigentlich ’Fohlen’. punktiert werden konnte. Diese Herkunft des Wortes war bekannt, zumal daEbenso nndl. fontanel, ne. fontanel(le), nfrz. fontanelle, ndn. neben auch eine l. Übersetzung eculeus m. existierte. fontanelle, nschw. fontanell, nnorw. fontanell. Deshalb wurde das Wort im Anlaut an ÞFohlen angeglichen. Das Femininum im Anschluss an ÞMarter. foppen Vsw std. stil. (14. Jh.). Ursprünglich Wort der Verb: foltern. Gaunersprache, zunächst nur oberdeutsch, dann Ebenso nndl. foltering. – LM 4 (1989), 614–616; Röhrich 1 weiter verbreitet. Der Lautstand kann nicht ober(1991), 468; RGA 9 (1995), 316–319; EWNl 2 (2005), 109f. deutsch sein, aber eine mögliche westjiddische Quelle kann ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Als wahrFön Sm ’elektrischer Heißlufttrockner’ std. (20. Jh.). scheinlichste Herkunft ist nndl. fokken (Þficken) zu Zuerst 1908 als Warenzeichen eingetragen, im Anbetrachten, das sich mit foppen weithin semantisch schluss an ÞFöhn mit abweichender Schreibung. berührt. Ein Lautwechsel -pp-/-kk- ist auch sonst in Verb: fönen. dieser Stellung zu beobachten. Ausgangspunkt ist Fond Sm ’Hintergrund, eingekochter Fleischsaft’ per. damit ein Verb für ’stoßen, stechen’, das unter ficken fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. fond ’Grund, Grundbesprochen wird. Vielleicht gehört hierzu auch ne. stock’, dieses aus l. fundus. Gleichen Ursprungs ist fob ’betrügen’. Fonds Pl. ’Vermögensreserve, Grundstock’. Folter Sf std. (15. Jh.). Mit der Sache entlehnt aus ml.

Ebenso nfrz. fond, nschw. fond, nnorw. fond; ÞFundament. – DF 1 (1913), 222; EWNl 2 (2005), 110f.; DF 5 (22004), 1001–1003.

Schulz, H. ZDW 10 (1908/09), 242–253; Sperber, H. Imago 1 (1912), 434f.; DF 1 (1913), 222; Stoett, F. A. TNTL 36 (1917), 61–66; Wolf (1985), 104.

forcieren forcieren Vsw ’erzwingen, verstärken, mit Nachdruck

betreiben’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. forcer, das über spätlateinische Zwischenstufen zurückgeht auf l. fortis ’stark, fest’. Ebenso nndl. forceren, ne. force, ndn. forcere, nschw. forcera, nnorw. forsere; ÞFort. – Schirmer (1911), 65; Jones (1976), 343f.; EWNl 2 (2005), 114; DF 5 (22004), 1006–1009.

Förde Sf ’langgestreckte Meeresbucht’ per. reg.

310 Form Sf std. (13. Jh.), mhd. form[e]. Entlehnt aus l.

fo¯rma. Im Laufe der Zeit entwickelt das Wort eine große Bedeutungsvielfalt, die zum Teil auf dem Lateinischen, zum Teil aber auch auf dem Englischen und auf eigenen Entwicklungen im Deutschen beruht. Ebenso nndl. vorm, ne. form. nfrz. forme, ndn. form, nschw. form, nnorw. form, nisl. form. Hierzu die Adjektive Þformal und Þformell, die Verben Þformen und (in)formieren (Þformieren), das Diminutiv ÞFormel; possessive Adjektive können mit -förmig gebildet werden, dem frz. -forme entspricht und teilweise als Vorbild dient. S. auch Þkonform, ÞUniform. – Kutzelnigg, A. MS 82 (1972), 27–37; Jones (1976), 344; LM 4 (1989), 636–645; Röhrich 1 (1991), 468; Cottez (1980), 153 (zu frz. -forme); EWahd 3 (2007), 491; DF 5 (22004), 1010–1020; EWNl 4 (2009), 566f.

(19. Jh.). Übernommen aus dem Niederdeutschen, das das Wort aus ndn. fjord, nnorw. fjord, nschw. fjord ’schmaler Meeresarm’ entlehnt hat; diese aus anord. fjo¸rdrÑ m. gleicher Bedeutung (g. *ferdu- oder *ferþu-). Dies ist eine hochstufige Bildung, die im übrigen dem schwundstufigen ÞFurt entspricht (zu ÞFähre und Þfahren). Der Bedeutung nach am ehesten vergleichbar ist l. portus m. ’Hafen’, so dass von ’Meeresbucht, formal Adj std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. fo¯rma¯lis, zu l. Meeresarm’, besonders im Hinblick auf die leichte fo¯rma ’Form’. Aus der gleichen Grundlage über das Zugänglichkeit durch Schiffe, auszugehen ist. Französische Þformell. Eine Substantivierung in Ebenso nndl. fjord, ne. firth, fjord, nfrz. fiord, ndn. fjord, nschw. Formalie, Abstrakta in Formalismus, Formalität; Täterfjord, nnorw. fjord, nisl. fjörduÑ r. – EWNl 2 (2005), 85f. bezeichnung: Formalist; Verb: formalisieren; eine Mofordern Vsw std. (8. Jh.), mhd. vo(r)dern, ahd. difikationsbildung in formalistisch. ford(a)ro¯n, mndd. vorderen. Eine Ableitung zu Ebenso nndl. formeel, ne. formal, nfrz. formel, ndn. formel, nschw. formell, nnorw. formell; ÞForm. – EWNl 2 (2005), 115f.; Þvorder mit der Bedeutung ’machen, dass etwas oder DF 5 (22004), 1020–1025. jmd. hervorkommt (z.B. zum Kampf fordern)’ (vgl. Þäußern, Þerinnern u.a.). Regional ist teilweise das Format Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. fo¯rma¯tum erste r durch Dissimilation geschwunden. Präfigie’Gestaltetes, Reguliertes’, dem substantivierten PPP. rung: über-; Partikelverben: an-, auf-, heraus-; Abstrakvon l. fo¯rma¯re ’bilden, regulieren, gestalten’, zu l. tum: Forderung. fo¯rma f. ’Gestalt, Form, Figur, Umriss’. Zunächst BeEWNl 4 (2009), 565. zeichnung der Druckersprache für ein genormtes Größenverhältnis (vgl. im Format DIN A4). Ein entfördern Vsw std. (9. Jh.), mhd. vürdern, vurdern, ahd. sprechendes Abstraktum zum gleichen Verb ist furd(i)ren, mndl. vorderen. Aus wg. *furdiz-ija- Vsw. Formation. ’fördern’, auch in ae. fyrþran; abgeleitet aus Þfürder, Ebenso nndl. formaat, ne. format, nfrz. format, ndn. format, eigentlich also ’vorwärts bringen’. Abstraktum: nschw. format, nnorw. format; ÞForm, Þformen, Þformieren. – Förderung; Adjektiv: förderlich. Þbefördern. – Wolf (1958), 196; EWahd 3 (2007), 657f.; EWNl 4 (2009), 565.

EWNl 2 (2005), 115; DF 5 (22004), 1027–1030.

Formel Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. fo¯rmula

’Gestalt, Form, Gesetz, Bestimmung, feste Wendung, Formular’, zunächst als juristischer Terminus. Das for(a)hana, as. furnia. Mit einer seit dem 16. Jh. beWort ist ein Diminutivum zu l. fo¯rma ’Gestalt, Form, zeugten Verlagerung des Akzents entstanden aus wg. Figur, Umriss’. Das zugehörige Verbum ist *furhno¯ f. ’Forelle’ (n zu l kann lautgesetzlich oder Þformulieren, das über frz. formuler entlehnt wurde; Suffixersatz sein, zusätzlicher Einfluss einer Dimihierzu das Abstraktum Formulierung und das Konnutivbildung ist nicht ausgeschlossen), auch in ae. ´ Formular. kretum forn(e). Dieses zu ig. *prk-n- ’gefleckt, gesprenkelt’ in Ebenso nndl. formule, ne. formula, nfrz. formule, ndn. formel, ai. pr´sni- ’gefleckt’. Vgl.˙ mit Hochstufe gr. perkno´s ˙ nschw. formel, nnorw. formel, nisl. formu´la; ÞForm. – EWNl 2 ’gesprenkelt’ und gr. pe´rke¯ ’Flussbarsch’; ferner mir. (2005), 116f.; DF 5 (22004), 1032–1038. erc ’gefleckt, dunkelrot’, als Substantiv ’Lachs’. Die formell Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. formel Forelle ist also nach ihrer gesprenkelten Zeichnung ’vorschriftsmäßig, unpersönlich’, dieses aus l. fo¯rbenannt. ma¯lis, zu l. fo¯rma ’Gestalt, Form, Figur, Umriss’. RGA 9 (1995), 321f.; EWahd 3 (2007), 476–478; EWNl 2 (2005),

Forelle Sf std. (9. Jh.), mhd. forhe(n), forhel, förhel, ahd.

114; EWNl 4 (2009), 561.

Forke Sf ’Heu-, Mistgabel’ per. ndd. (10. Jh.), mndd.

vorke, mndl. vorke. Wie ae. forca m. entlehnt aus l. furca ’Gabel’, dessen Herkunft unklar ist. Ebenso nndl. fork, ne. (pitch)fork, nfrz. fourche, ndn. fork, nnorw. fork, nisl. forkur. – RGA 9 (1995), 324; EWahd 3 (2007), 672–674; EWNl 4 (2009), 566.

Ebenso nndl. formeel, nfrz. formel, ndn. formel, nschw. formell, nnorw. formell; ÞForm, Þformal.

formen Vsw std. (13. Jh.), mhd. formen. Gebildet zu

mhd. form, wohl unter Einfluss von l. forma¯re ’bilden’ und dem zu diesem gehörigen frz. former. Ebenso nndl. vormen, ne. form, nfrz. former, formeren, ndn. forme, nschw. forma, nnorw. formen; ÞForm.

Forum

311 formidabel Adj ’großartig’ (älter ’furchterre-

gend’) per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. formidable, dieses aus l. formı¯da¯bilis ’furchterregend’, zu l. formı¯do (-inis) ’Grausen, peinigende Furcht’. Die Bedeutungsentwicklung verläuft wohl von ’furchterregend’ zu ’gewaltig’, wobei es abgeschwächt und dann sogar als ’großartig’ ins Positive gekehrt wird. Ebenso nndl. formidabel, ne. formidable, ndn. formidabel, nnorw. formidabel. – EWNl 2 (2005), 116; DF 5 (22004), 1038f.

formieren Vsw ’aufstellen, in eine Ordnung brin-

Forst Sm std. (8. Jh.), mhd. forst, vorst, ahd. forst

’Bannwald’. Nach Trier eigentlich ’Gehegtes’ zu mndl. dat vorste ’Umhegung’ und schwz. forst ’Zauntor’; und weiter zu ÞFirst. Gemeint ist der gehegte Forst im Gegensatz zum wilden Wald. Die Etymologie ist aber umstritten. Nach DEO zu l. foris ’außerhalb’ als ’außerhalb der Gemeinde liegendes Land’. Täterbezeichnung: Förster; Präfixableitung: durchforsten ’auslichten’; Partikelableitung: aufforsten.

Lerch, E. RF 60 (1947), 650–653; Borck, K.-H. FS Trier (1954), gen’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. former, die456–476; Schützeichel, R. ZDA 87 (1956/57), 105–124; Kasses aus l. fo¯rma¯re ’bilden, regulieren, gestalten’ (oder pers, W. WZUL 7 (1957/58), 87–97; Gamillscheg, E. FS Greunmittelbar aus diesem), zu l. fo¯rma ’Gestalt, Form, visse (1966), 124–126; Tiefenbach (1973), 42–52; Trier (1981), Figur, Umriss’. Zu dem lateinischen Verb gehören 132–137 und weitere Literatur auf S. 1261; DEO (1982), 294; auch ÞFormat und Formation; sowie die InstrumenSwisher, M. J. ABÄG 27 (1988), 25–52; LM 4 (1989), 658–663; talbildungen Formans und Formativ. Zu den PräfigieRGA 9 (1995), 345–348; EWahd 3 (2007), 501–503. rungen gehören Þdeformieren, Þinformieren, Forsythie Sf (ein Zierstrauch), ’Goldflieder’ per. fach. Þreformieren und transformieren. (19. Jh.). Zu Ehren des englischen Botanikers W. ForEbenso nndl. formeren, ne. form up, nfrz. former, ndn. formere, syth so benannt. nschw. formera, nnorw. formere; ÞForm, ÞTransformator. –

EWNl 2 (2005), 116.

förmlich Adj std. stil. (14. Jh.). Gebildet zu ÞForm im

Sinne von ’gesellschaftliche Formen’ und damit eine Entsprechung zu Þformell. Ebenso nndl. vormelijk, ndn. formelig, nschw. formenlig, nnorw. formelig, nisl. formlegur. – DF 5 (22004), 1039–1041.

Formular Sn std. (16. Jh.). Neoklassische Bildung zu l.

fo¯rmula¯rius ’zu den Rechtsformeln gehörig’, zu l. fo¯rmula f. ’Gesetz, Bestimmung, Vordruck’, zu l. fo¯rma f. ’Gestalt, Form, Figur, Umriss’.

Ebenso nndl. forsythia, ne. forsythia, nfrz. forsythia, nschw. forsythia.

fort Adv std. (12. Jh.), mhd. vort, as. ford.Ñ Aus wg.

*furþa- Adv. ’vorwärts’, auch in ae. forþ, afr. forth, eine Bildung auf -þ- auf die Frage ’wohin?’ zu der in Þvor vorliegenden Grundlage. Das Wort scheint in alter Zeit vom Norden her ausgebreitet worden zu sein. Ebenso nndl. voort, ne. forth; Þfürder, Þvor. – Röhrich 1 (1991), 468; EWNl 4 (2009), 563.

Ebenso nfrz. formulaire, nndl. formulier, ndn. formular, nschw. Fort Sn ’Befestigungsanlage’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. fort m., einer Substantivierung von frz. formulär, nnorw. formular; ÞForm, ÞFormel. – EWNl 2 (2005), fort ’stark’, dieses aus l. fortis. 117. Ebenso nndl. fort, ne. fort, nfrz. fort, ndn. fort, nschw. fort, formulieren Vsw std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. formunnorw. fort; Þforcieren, Þforsch, Þforte, ÞKomfort, ÞPiano. – ler, einer Ableitung von frz. formule ’fester Ausdruck’, Jones, W. J. SN 51 (1979), 259; DF 5 (22004), 1041f.

dieses aus l. fo¯rmula, einem Diminutivum zu l. fo¯rma.

Ebenso nndl. formulere, ne. formulate, nfrz. formuler, ndn. for- forte Ptkl ’stark, laut’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus it. forte gleicher Bedeutung, das auf l. fortis ’stark’ zumulere, nschw. formulera, nnorw. formulere; ÞForm, ÞFormel. rückgeht. Elativ: fortissimo. forsch Adj std. (19. Jh.). Übernommen aus dem NieEbenso nndl. forte, ne. forte, nfrz. fort, ndn. forte, nnorw. forte; derdeutschen, offenbar über die Studentensprache. ÞFort. – DF 5 (22004), 1042–1044.

Das Adjektiv ist rückgebildet aus Forsche ’Kraft’, das seinerseits aus frz. force ’Kraft’ entlehnt ist und auf l. fortis ’stark’ zurückgeht. Ebenso nndl. fors, ne. force; ÞFort. – EWNl 2 (2005), 117f.

forschen Vsw std. (8. Jh.), mhd. vorschen, ahd. forsco¯n

Fortschritt Sm std. (18. Jh.). Lehnübersetzung mit Þfort

und Schritt (Þschreiten) zu frz. progre`s aus l. pro¯gressus ’Fortschreiten, Vorrücken, Ausbreitung’. Adjektiv: fortschrittlich. Opaschowski, H. W. MS 80 (1970), 314–329; HWPh 2 (1972),

’fragen nach’, neben ahd. forsca ’Frage’. Lautlich ent1031–1059; GB 2 (1975), 351–423. spricht genau ai. prccha´ti ’fragt’ und ai. prccha¯ ˙ Fortüne Sf ’Glück, Erfolg’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt ˙ ’Frage’; vgl. ferner toch. A prak-, toch. B prekaus frz. fortune, dieses aus l. fortu¯na ’Glück, Zufall, ’fragen’ mit s-Präsens, l. po¯scere ’fordern’ aus ig. Schicksal’, zu l. fors ’Geschick’, zu l. ferre ’tragen, ´ ´ ´ *prk-sk- zu ig. *p(e)r(e)k ’fragen’ (ÞFrage). Abstrak˙ bringen’. tum: Forschung; Nomen Agentis: Forscher; PräfigieEbenso nndl. fortuin, ne. fortune, nfrz. fortune. Zur Sippe des rung: Þer-; Partikelverb: aus-. zugrunde liegenden l. ferre ’tragen’ s. ÞDifferenz. – Jones Þpostulieren. – Porzig, W. IF 45 (1927), 156f.; Nischik, T.-M. (1976), 346; EWNl 2 (2005), 118f.; DF 5 (22004), 1047f. in A. Diemer (Hrsg.): Konzeption und Begriff der Forschung Forum Sn ’Plattform, Personenkreis’ erw. fremd. in den Wissenschaften des 19. Jhs. (Meisenheim 1978), 1–10; EWahd 3 (2007), 497–500; EWNl 4 (2009), 567. (16. Jh.). Entlehnt aus l. forum ’länglicher, viereckiger

Fossil

312

freier Raum; Marktplatz, Gerichtsort’. Zunächst vor allem in der Bedeutung ’Gericht’ verwendet. Ebenso nndl. forum, ne. forum, nfrz. forum, ndn. forum, nschw. forum, nnorw. forum. – LM 4 (1989), 667–669. EWNl 2 (2005), 118f.; DF 5 (22004), 1048–1052.

Fossil Sn ’Überrest einer vergangenen Zeit’ erw. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. fossile m., eigentlich ’Ausgegrabenes’, zu l. fossilis ’ausgegraben’, zu l. fodere (fossum) ’graben, ausgraben’. Ebenso nndl. fossiel, ne. fossil, nfrz. fossile, ndn. fossil, nschw. fossil, nnorw. fossil. – EWNl 2 (2005), 119f.; DF 5 (22004), 1052–1055.

foto- (photo-) LAff (dient als Bestimmungswort zur

Bildung von Wörtern, die verschiedene Aspekte der Belichtung von lichtempfindlichem Material bezeichnen) std. fach. (–). Geht zurück auf gr. (ep., poet.) pha´os, gr. (att.) pho˜s (pho¯to´s) ’Licht’ (Kompositionsform Þphoto-), das mit gr. phaı´nein ’sichtbar machen, sehen lassen’ verwandt ist. ÞPhänomen. – EWNl 2 (2005), 120.

fotogen (photogen) Adj ’gut dazu geeignet, fotogra-

phiert zu werden’ erw. fach. (20. Jh.). Nach am.-e. photogenic, das zunächst einfach ’photographisch’ bedeutet. Indem diese Bedeutung durch photographübernommen wird, wird photogenic für Bedeutungsspezialisierungen frei. Ebenso nndl. fotogeniek, ne. photogenic, nfrz. photoge´nique, ndn. fotogen, nschw. fotogen, nnorw. fotogen. – Rey-Debove/ Gagnon (1988), 726.

Fotografie Sf std. (19. Jh.). Bei den frühesten Versu-

chen, Bilder mit Hilfe lichtempfindlicher Stoffe zu reproduzieren, wurde Tageslicht (also Sonnenlicht) verwendet, weshalb man die Technik Heliographie nannte (zu gr. he¯´lios ’Sonne’ und Þ-graphie, also ’Sonnenschrift’, vielleicht unter dem Einfluss von Heliograph, ursprünglich einem Verfahren der Übermittlung von Schrift mit Hilfe von Sonnenstrahlen). Es gelang dann 1835 L. J. M. Daguerre, die Bilder zu fixieren (Daguerreotypie) und W. H. F. Talbot 1839, Positiv-Kopien von einem Negativ herzustellen. Talbot nannte die Bilder photogenic drawing ’lichtentstandene Zeichnung’; zur gleichen Zeit benützte der englische Astronom J. F. W. Herschel photograph (-ic, -y), das sich dann durchsetzte (vielleicht eine Kreuzung von Heliograph und photogenic). Das Wort Photographie (Þfoto-), also ’Lichtschrift’ wurde im Deutschen erstmalig 1839 verwendet; die deutsche Bezeichnung Lichtbild war damals schon üblich. Abkürzung: Foto. Ebenso nndl. fotografie, ne. photography, nfrz. photographie, ndn. fotografi, nschw. fotografi, nnorw. fotografi. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 726; DF 5 (22004), 1056–1063.

Fotz Sm ’Fetzen, Zettel’ schwz. ÞFetzen. Fotze Sf std. tabu. (15. Jh.). Neben weiter verbreitetem

und früher bezeugtem mhd. vut ’Scheide’, regional auch ’Hintern’, vgl. ne. (dial.) fud ’Scheide, Hintern’,

anord. fud-Ñ ’Scheide’ (nur in Zusammensetzungen belegt). Wegen der schlechten Bezeugung lässt sich nicht festlegen, ob das -tz- von Fotze aus einer expressiven Geminate (g. *futt-) mit Lautverschiebung stammt oder aus einer s-Bildung (für das letztere könnte der Plural Hundsfötter zu ÞHundsfott sprechen; vgl. aber auch, dass Kilian fotte ’cunnus’ neben fotse ’villus’ hat). Für die Bedeutung von mhd. vut ist zunächst festzustellen, dass bei einem Nebeneinander der Bedeutungen ’Scheide’ und ’Hintern’ die letztere in der Regel die ursprünglichere ist, weil die Wörter für ’Scheide’ stärker tabuisiert sind und deshalb im aktuellen Sprachgebrauch das Wort für ’Hintern’ (zumal wenn es mit ’Oberschenkel’ o. dgl. zusammenhängt) verhüllend dafür eintreten kann. Deshalb entspricht dem germanischen Wort auch am nächsten (allerdings auch mit Vokallänge und erst spät bezeugt, so dass die Ausgangsform nicht mit Sicherheit erschlossen werden kann) ai. pu¯˘tau m. ’die beiden Hinterbacken’, wozu die späteren indisch-arischen Sprachen (die pu¯ta-, *budda-, *pucca- fortsetzen) Ausdrücke für ’Hintern’ und für ’Scheide’ bieten (falls die indischen Wörter historisch nicht zugehörig sind, zeigen sie zumindest diesen wichtigen Bedeutungsübergang). Vgl. auch it. polta ’Scheide’ (geschichtlich undurchsichtig). Weiter können verwandt sein: Gr. py¯ge¯´ ’der Hintere, Steiß’ (dagegen gehört l. po¯dex m. in andere Zusammenhänge), gr. (Glosse) pynnos m. ’Hinterteil’. Zu ig. *pu(¡)- ’dick, aufgeblasen’, also ’der Dicke’ oder ’die Dicken’. Auf der anderen Seite weisen die späten deutschen Wörter in andere Zusammenhänge: Auffällig sind vor allem die reimenden Wörter für ’Scheide’ im Germanischen: neben *fut(t)- steht *put(t) in nschw. (dial.) puta, ofr. put(e), mndd. pute, rotw. Potz, österr. (Kärnten) Putze; mit -s(s)- anord. pu´ss (bei Pferden), nschw. (dial.) puso, fr. puss, ndd. puse; (andersartig auch *kut(t)- in mndd. ndd. kutte, nndl. kut, me. cutte, ne. cut, nschw. kuta und mit -s-kusa). Häufiger stehen bei solchen Wörtern Bedeutungen wie ’Kuss, Kussmund’, ’Schmollmund, Maul’ usw. (s. hierzu auch Heinertz, der daraus ganz verfehlte Schlussfolgerungen zieht), wozu vermutlich auch bair. Fotze ’Mund, Maul’. Hier liegt eine auch in anderen Sprachen zu beobachtende Bedeutungsentwicklung von ’dicke Lippe, Kussmund, Schmollmund’ zu ’Scheide, (Schamlippen)’ vor, die letztlich auf den gleichen Ausgangspunkt ’dick’ (wie oben) zurückführt. Bei den deutschen Wörtern scheinen beide Entwicklungen (1. ’dick’ > ’Hinter(backen)’ > ’Scheide’ und 2. ’dick’ > ’dicke Lippe’ > ’Scheide’) eine Rolle zu spielen. Bei dem vermutlichen Ursprung von (ig.) *pu- ’dick’ aus einer Lautgebärde (s. hierzu ÞBausch) können auch lautähnliche Wörter anderer Sprachen zum Vergleich herangezogen werden (cˇech. potka ’Scheide’, it. potta ’Scheide’ neben südfrz. poto ’dicke Lippe’, faire la potte ’maulen’ usw.).

Fräle

313 Johansson, K. F. ZVS 36 (1900), 352f.; van Helten, W. ZDW Frage Sf (fragen Vsw.) std. (8. Jh.), mhd. vra ¯ g(e), mhd. 10 (1908/09), 195–197; Sperber, H. Imago 1 (1912), 433f.; Heivra¯gen, ahd. fra¯ga, ahd. fra¯˘he¯n, fra¯ge¯n, as. fra¯gon, afr. nertz (1927), 76–80; Melzer, G.: Das Anstößige in der deutfre¯ge. Aus wg. *fr¢ ¯ g-¢¯ - Vsw. ’fragen’, auch in afr. fre¯schen Sprache (Breslau 1932), 14f.; Pisani, V. NPhM 80 (1979), gia. Das Verbum ist − trotz besserer Bezeugung − 85–87; Meter, H. FS Vernay (1979), 215–243 (Metaphorik in vom Nomen abgeleitet. Dieses ist ein dehnstufiges den romanischen Sprachen); Müller, J.: Schwert und Scheide Abstraktum zu g. *freg-na- Vst. ’fragen’ in gt. fraihnan (Bern 1988), 64–76; EWNl 2 (2005), 144.

Fötzel Sm (Schimpfwort, besonders für den Nicht-

Einheimischen) per. schwz. (17. Jh.). Wie bair. Fetzel ’nichtswürdiger Mensch’, schwäb. Fetz ’Lump, durchtriebener Kerl’ (< 17. Jh.). Einerseits wohl als ’Lump’ zu ÞFetzen und schwz. ÞFotz ’Zotte, Fetzen’, dessen Zusammenhang mit Fetzen nicht ausreichend klar ist; andererseits schwer abgrenzbar gegen die Reihe Fößli (schwz.) ’Lumpenkerl’ − Fosse ’Taugenichts, Faulenzer, Lump’ − foss ’faul, schwammig’ − fosch, pfosch ’faul’ . Vgl. anord. fauskr ’vermodertes Holz’ und weiter wohl zu Þfaul.

Foul Sn ’regelwidriges, unsportliches Verhalten’ erw.

(grammatischer Wechsel zurückgenommen), anord. fregna, ae. fregnan, frignan, frinan, as. Prät. fragn, ahd. nur im Wessobrunner Gebet gafregin. Eine weitere alte Bildung s. unter Þforschen. Zu ig. *p(e)rek´’fragen’ in l. precor ’ich bitte, bete’, air. (com-)-aircc, (com-)-aircim ’fragen’, lit. pir˜ˇsti ’für jmd. um die Hand eines Mädchens anhalten’, akslav. prositi ’erbitten, verlangen’, sowie die unter forschen aufgeführten sk´-Bildungen. Zugehörige Adjektive sind fraglich und fragwürdig. Aus dem verwandten slavischen Wort: ÞPracher, aus dem lateinischen: Þprekär. – Seebold (1970), 208–210; HWPh 2 (1972), 1059–1061; Röhrich 1 (1991), 469; EWahd 3 (2007), 509–512; EWNl 4 (2009), 569f.

fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. foul, das urverwandt Fragment Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. fra¯gmentum, ist mit nhd. Þfaul, aber eine allgemeinere Bedeutung einer Ableitung von l. frangere (fra¯ctum) ’brechen’. hat (’abstoßend, schlecht’). Verb: foulen. Ersatzwort ist Bruchstück. Adjektiv: fragmentarisch; Ebenso nschw. foul. – Carstensen 2 (1994), 527; DF 5 (22004), Abstraktum: ÞFraktion. 1063f.

Foyer Sn ’Vorraum, Wandelhalle’ erw. fremd. (18. Jh.).

Ebenso nndl. fragment, ne. fragment, nfrz. fragment, ndn. fragment, nschw. fragment, nnorw. fragment. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þbrechen; ÞFraktur, ÞRefrain. – EWNl 2 (2005), 123; DF 5 (22004), 1069–1077.

Entlehnt aus frz. foyer m. (eigentlich: ’Raum mit Feuerstelle’), aus l. foca¯rius ’zum Herd gehörig’, zu l. focus m. ’Feuerstätte’. Ausgehend von der Bedeutung Fraktion Sf ’parlamentarische Vertretung einer Partei, Gruppe’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. fraction ’beheizbarer Raum, Aufenthaltsraum’ wird das Wort ’Gruppierung’, älter ’Bruchstück, Teil’, dieses aus l. verwendet zur Bezeichnung des Aufenthalts- und fra¯ctio (-o¯nis) ’Bruchstück’, zu l. frangere (fra¯ctum) Umkleideraumes der Künstler im Theater; dann er’brechen’. folgt die Erweiterung zur heutigen Bedeutung, wobei das ursprüngliche Benennungsmotiv verlorengeht. Ebenso ne. fraction, nndl. fractie, ndn. fraktion, nschw. fraktiEbenso nndl. foyer, ne. foyer, ndn. foyer, nschw. foaje´, nnorw. foaje´; Þfachen, ÞFächer, ÞFokus, ÞFüsilier. – EWNl 2 (2005), 122; DF 5 (22004), 1065f.

Fracht Sf std. (16. Jh.). Ein letztlich friesisches Wort, das

über mndd. vracht in den Süden gelangt ist. Das Wort entspricht ahd. fre¯ht ’Lohn, Verdienst’ und ist das tiAbstraktum zu g. *aih ’haben’ (Þeigen), präfigiert mit Þver-, dessen Vokal geschwunden ist. Ausgangsbedeutung der Entlehnung ist ’Beförderungsgebühr für Schiffsladungen’, daraus allgemein ’Beförderungsgebühr’ und dann durch Bedeutungsverschiebung ’befördertes Gut’. Präfixableitungen: Þbe-, Þver-. Kluge (1911), 282f.; Schirmer (1911), 65; LM 4 (1989), 677f.; EWNl 4 (2009), 569.

Frack Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. frock (coat),

dieses aus afrz. froc ’Kutte’, dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. Der Vokal des entlehnten Wortes gibt die Aussprache des englischen Vorbilds zur Zeit der Entlehnung wieder. Ebenso nfrz. froc, ndn. frakke, nschw. frack, nisl. frakki. Vgl. die heutige amerikanische Aussprache. – Ganz (1957), 75f.; Brink-Wehrli (1958), 55; Röhrich 1 (1991), 469; EWNl 2 (2005), 123f.; DF 5 (22004), 1066–1068.

on, nnorw. fraksjon; ÞFragment. – GB 4 (1978), 677–733; EWNl 2 (2005), 122f.; DF 5 (22004), 1077–1082.

Fraktur Sf ’Schrift mit gebrochenen Linien, Knochen-

bruch’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. fra¯ctu¯ra ’Bruch’, zu l. frangere (fra¯ctum) ’brechen’. Die Bedeutung ’Knochenbruch’ besteht schon in der lateinischen Fachsprache; die Bezeichnung der Schrift (als ’gebrochene, kantige’) erfolgt in Abgrenzung von den runden Formen der lateinischen Schrift. Die Redensart Frakturreden beruht darauf, dass in Frakturschrift deutsche − nicht lateinische − Texte abgefasst wurden; deshalb für Fraktur reden die Bedeutung ’deutlich, unmissverständlich die Meinung sagen’ wie etwa in mit jemandem deutsch reden, auf gut deutsch usw. Ebenso nndl. (med.) fractuur, ne. (med.) fracture, nfrz. (med.) fracture, ndn. fraktur, nschw. fraktur, nnorw. fraktur; ÞFragment. – Gombert, A. ZDW 8 (1906/07), 127; LM 4 (1989), 678f.; Röhrich 1 (1991), 469–470; EWNl 2 (2005), 123; DF 5 (22004), 1082–1084.

Fräle Sf ÞFrauche.

frank

314 frank (nur noch in frank und frei) Adj std. phras.

Fräse Sf (spanabhebende Maschine) erw. fach. (15. Jh.). Offenbar ein altes germanisches Wort für (19. Jh.). Entlehnt aus frz. fraise ’Rundfeile’, eigentlich ’Halskrause’ (zu frz. fraiser ’kräuseln’). Verb: ’frei’ (Þfrei), das früh ins Lateinische und die romafräsen. nischen Sprachen entlehnt wurde (belegt seit 596) Ebenso nndl. frees, fraise, ne. fraise, nfrz. fraise, ndn. fr¢se, und von dort auf das Germanische zurückgewirkt nschw. fräs, nnorw. freser. – EWNl 2 (2005), 129. hat. Hierzu der Stammesname der Franken (’die Freien’, offenbar diejenigen, die sich dem Einfluss einfraternisieren Vsw ’sich verbrüdern’ per. fremd. wandernder nördlicher Stämme widersetzten). (18. Jh.). Entlehnt aus frz. fraterniser, dieses aus spl. Ebenso nndl. frank, ne. frankly, nfrz. franchement, ndn. frank, fra¯terna¯re, zu l. fra¯ternus ’brüderlich’, zu l. fra¯ter nschw. frank, nnorw. frank; Þfrankieren. – Wenskus, R.: Stam’Bruder’. mesbildung (Köln 1961), 512–541; Schmidt-Wiegand (1972), 30f.; Tiefenbach (1973), 52–56; Röhrich 1 (1991), 470; Heidermanns (1993), 21; Seebold, E. BGDSL 122 (2000), 55; EWNl 2 (2005), 126.

Franken Sm erw. fremd. (14. Jh.). Ursprünglich fran-

zösisches Geldstück (bis vor kurzem: franc), dann schweizerisches. Eigentlich ’das französische’ (vielleicht wegen der Aufschrift francorum rex ’König der Franzosen’); zum ersten Mal 1360 geprägt. Ebenso nndl. frank, ne. franc, nfrz. franc, ndn. frank, nschw. franc, nnorw. franc, nisl. franki. – EWNl 2 (2005), 126f.

frankieren Vsw std. (17. Jh.). Entlehnt aus it. francare,

einer Ableitung von it. (porto di) franco ’(fracht)frei’, woraus auch franco ’gebührenfrei’. Dieses letztlich zu Þfrank. Ebenso nndl. frankeren, ne. frank, nfrz. affranchier, ndn. frankere, nschw. frankera, nnorw. frankere. – Schirmer (1911), 66; EWNl 2 (2005), 125, 127; DF 5 (22004), 1084–1087.

Franse Sf std. (15. Jh.), mhd. franze. Entlehnt aus afrz.

fringe, frenge über mndl. fringe, frange, fran(d)je. Das französische Wort geht (mit unregelmäßiger Entwicklung) auf l. fimbria ’Franse, Troddel’ zurück. Partikelableitung: ausfransen ’sich in Fransen auflösen’. Ebenso nndl. franje, ne. fringe, nfrz. frange, ndn. frynse, nschw. frans, nnorw. frynse. – EWNl 2 (2005), 125f.

Franz- Aff (in Franzmann ’Franzose’ u.a.) erw. obs.

(17. Jh.). Schon mhd. franze ’Franzose’ (wie Franzose auf ml. Francia ’Frankenland’ zurückgehend), dann erweitert mit ÞMann; seit dem 18. Jh. auch scherzhaft gebraucht. Entsprechende Bildungen mit der Bedeutung ’französisch’ sind: Franzband ’Ledereinband nach französischer Art’, Franz(brannt)wein, Franzbrot usw. Ebenso nndl. Fransman, ne. Frenchman, ndn. franskmand, nschw. fransman, nnorw. franskmann, nisl. fransmaduÑ r.

frappieren Vsw ’in Erstaunen versetzen, befrem-

den’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. frapper (eigentlich: ’schlagen’). Die Bedeutungsentwicklung hin zu ’befremden’ wohl auf der Basis des Überraschungseffektes eines plötzlichen Schlages (vgl. ne. striking). Das französische Wort vielleicht aus awfrk. *hrapon ’raufen, raffen’, zu ahd. *raffo¯n. Partizipiales Adjektiv: frappant. Ebenso nndl. frapperen, ndn. frappere, nschw. frappera, nnorw. frappere. – Bursch (1978), 194–216 (zur Herkunft von frz. frapper aus *infrapedare ’mit dem Fuß auftreten’); EWNl 2 (2005), 127; DF 5 (22004), 1091–1093.

Ebenso nndl. fraterniseren, ne. fraternize, nfrz. fraterniser, ndn. fraternisere, nschw. fraternisera, nnorw. fraternisere. Zu dessen Verwandtschaft s. ÞBruder. – DF 5 (22004), 1093–1095.

Fratze Sf std. (16. Jh.). (Vielleicht durch Luther) ent-

lehnt aus it. frasche Pl. ’Possen’ (vielleicht zu it. frasca ’Laubast, der als Schankzeichen ausgesteckt wird’, vgl. Besenwirtschaft u.ä., der Bedeutungswandel nach dem dort üblichen ausgelassenen Treiben). Die Bedeutung ’entstelltes Gesicht’ ist gekürzt aus Fratzengesicht. Fratz ’ungezogenes Kind’ vielleicht unmittelbar aus dem italienischen Wort, das auch ’ausgelassener Mensch’ bedeutet. Hollander, L. M. ZDW 7 (1906), 296 (anders); Littmann (1924), 47–49; Wolf (1985) (umgebildet aus jidd. parzuph ’Gesicht’); EWNl 2 (2005), 128.

Frau Sf std. (9. Jh.), mhd. vro(u)we, ahd. frouwa, as.

fru¯a. Aus vd. *frawjo¯n f. ’Herrin’, Femininbildung zu g. *fraw-jo¯n m. ’Herr’ in gt. frauja, ahd. fro¯ m. (ÞFron, ÞFronleichnam). Der Unterschied zwischen Maskulinum und Femininum besteht in der Flexionsverschiedenheit; einen vielleicht älteren Zustand zeigen die anord. Götternamen Freyr m. und Freyja, die wohl ursprungsgleich sind; sie unterscheiden *fraujam. und *fraujo¯n f. Diese Wörter gehören sicher zu den Erweiterungen von ig. *per-, die ’vorne, früh, erster’ bedeuten (vgl. die Herkunft von ÞFürst aus derselben Wurzel). Allerdings sind die vergleichbaren wo-Bildungen entweder hochstufig mit *pro¯-wo- und bedeuten ’nach vorne geneigt, abschüssig’, oder tiefstufig *pr¡-wo- und bedeuten dann ’erster’, wie von ˙ den germanischen Wörtern vorausgesetzt, vgl. ai. pu¯´rva- ’vorderer, früherer’, akslav. prı˘vu˘ ’erster’. Vermutlich geht die germanische Form auf *pr¡w(o)(mit unsilbischem r) zurück. Das Wort Frau bedeutet im Deutschen zunächst ’eine weibliche Person höheren Standes’, doch kann das Wort schon seit frühmittelhochdeutscher Zeit auch ohne Standesmerkmal für ’weibliche erwachsene Person’ und für ’Ehefrau’ eingesetzt werden. In Verbindung mit Namen ist es ehrende Bezeichnung und Anrede, zunächst für höhergestellte Frauen, seit dem 14. Jh. auch ohne dieses Merkmal. Die Verknüpfung mit dem höheren Stand verliert das Wort mit dem 18. Jh. Adjektive: fraulich, frauenhaft. S. die folgenden Wörter und Þfür. – Wittmann (1982), 60–87; LM 4 (1989), 825–874; Röhrich 1 (1991), 471–472; RGA 9 (1995), 477–482; EWahd 3 (2007), 597f.; Kochskämper (1999), 71–96; EWNl 4 (2009), 576.

frei

315 Frauche (Fräle ofrk.) Sf ’Großmutter’ per. wmd.

(19. Jh.). Kürzung aus Ahnfrau mit dem Suffix der Koseformen. Vgl. in Nürnberg Aferlein, Anferlein (’Ahnfräulein’) in dieser Bedeutung. Vgl. ÞHerrche. – Müller (1979), 50; EWNl 2 (2005), 131f.

Frauenglas Sn, FraueneisSn ÞMarienglas Frauenmantel Sm ’Alchemilla vulgaris’ per. fach.

üblich sei. Das Wort hält sich zwar bis ins beginnende 19. Jh. als Bezeichnung adeliger junger Frauen, doch ließ sich die Verallgemeinerung nicht aufhalten; das zuvor gebrauchte Demoiselle fiel außer Gebrauch, die Kurzform Mamsell hielt sich noch einige Zeit als Bezeichnung und Anrede von Zofen und Dienerinnen. Für Fräulein wird das Merkmal ’unverheiratet’ nun obligatorisch, und deshalb wird das Wort heute im Zuge der Gleichberechtigung (und sicher auch durch den Wertverlust von ’Heirat’) verdrängt. – Entlehnungen von mndd. vrouken, vroiken sind ndn. frøken, nschw. fröken.

(16. Jh.). Seit etwa 1500 belegte Zusammensetzung mit ÞFrau und ÞMantel. Der Name rührt wohl daher, dass die Form der rundlichen, etwas gefalteten Blätter an den auf Bildern öfters dargestellten Mantel Marias (oft auch Unsere liebe Frau u.ä. genannt) erinMatthias, Th. ZDW 5 (1903/04), 23–58. nerten. Entsprechende regionale Bezeichnungen sind frech Adj std. (8. Jh.), mhd. vrech, ahd. freh, mndl. vrec. ÞLiebfrauenmantel, Muttergottes-, ÞMarienmantel Aus g. *freka- Adj. ’gierig’, auch in anord. frekr, ae. usw.; in anderen Sprachen etwa ml. (16. Jh.) Sanctae frec, gt. in faihu-friks ’habgierig’. Die Bedeutung Mariae pallium, nndl. (lieve) vrouenmantel, ne. (our) wechselt einerseits zu ’wild’ u.ä., andererseits zu lady’s mantle, ndn. vor frues kaabe, nschw. Marieka˚pa. ’kühn, tapfer, eifrig’. Die Abgrenzung der Sippe ist Die Annahme von Heilwirkungen gegen Frauenleiproblematisch, weil neben dem -e- in frech z.B. auch den ist aus dem Namen herausgesponnen. -o¯- erscheint (anord. frœkn, ae. fr¢ ¯ cne, as. fro¯kni, fre¯kEbenso nndl. vrouwenmantel, ne. lady’s mantle, nfrz. manteau ni ’kühn, verwegen’, ahd. fruoh(ha)nı ¯ ’früh, zeitig’), de Notre-Dame, ndn. fruekaabe. – Marzell 1 (1943), 174; was morphologisch nicht recht erklärbar ist. Auch Sauerhoff (2001), 127–129, 223f. außergermanisch ergibt sich kein überzeugender AnFrauenzimmer Sn erw. obs. (15. Jh., Bedeutung 19. Jh.), schluss. Man vergleicht poln. pragna˛c´ ’gierig verlanspmhd. vrouwenzimmer. Ursprünglich ’Wohngegen’, kymr. rhewydd ’Geilheit’ und andererseits mit s mächer (Zimmer) der Fürstin (Frau)’, dann mit Bemobile gr. sparga´o¯ ’ich strotze, begehre heftig’. Die deutungsverschiebung vom Aufenthaltsort zu den Sippe bedarf einer genauen Analyse. Abstraktum: Bewohnern ’Gefolge der Fürstin’; dann Verwendung Frechheit. für Einzelpersonen statt für ein Kollektiv (’vornehme Dame’). Schließlich durch die Konkurrenz von ÞDame 1 in der Bedeutung abgesunken. Seidenadel, E. ZDW 5 (1903/04), 59–98; F. A. Anthropophyteia 9 (1912), 244–249; Seebold, E. (1981), 15–26.

Fräulein Sn std. (12. Jh.), mhd. vrouwelı¯n, vröu(we)lin.

Lane, G. S. Language 9 (1933), 258; Piirainen, E.: Germ. ’*fro¯dÑ-’ und germ. ’*klo¯k-’ (Helsinki 1971), 44–46; Röhrich 1 (1991), 472; Heidermanns (1993), 212f., 218f.; EWahd 3 (2007), 537–539; EWNl 4 (2009), 571.

Frechdachs Sm std. stil. (19. Jh.). Schimpfwort, dessen

Motiv nicht ganz klar ist. Schon früher wird ÞDachs Diminutiv auf -lein zu Frau. Im Mhd. ist das Wort wie in ähnlicher Funktion verwendet. seine französische Entsprechung demoiselle in der urFregatte Sf (ein wendiges Kriegsschiff) per. fach. sprünglichen diminutivischen Bedeutung ’junge (16. Jh.). Entlehnt aus it. fregata und frz. fre´gate, deren Frau vornehmen Standes’ bezeugt (vgl. die alte Beweitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. deutung von ÞFrau), entwickelt dabei aber immer Ebenso nndl. fregat, ne. frigate, nfrz. fre´gate, ndn. fregat, nschw. stärker das Bedeutungsmerkmal ’unverheiratet’, wofregatt, nnorw. fregatt. – DEO (1982), 299f.; Röhrich 1 (1991), durch es an die Stelle von mhd. juncvrou(w)e, junc472; EWNl 2 (2005), 130; DF 5 (22004), 1095–1097. vrou (ÞJungfrau) treten kann (Zwischenform juncvrouwelin). Mit dem Beginn der französischen Revo- frei Adj std. (8. Jh.), mhd. vrı¯, ahd. frı¯. Aus g. *frija- Adj. ’frei’, auch in gt. freis, ae. fre¯o; altnordisch statt dessen lution wird dem französischen Wort das Merkmal die Ableitung frja´ls, die auch in ahd. frı¯hals, ae. fre¯ols, ’von vornehmem Stand’ genommen, so dass auch gt. freihals auftritt und vermutlich als Bahuvrı¯hiseine Entlehnung ins Deutsche (vielfach gekürzt zu Kompositum ’dessen Hals frei ist’ zu erklären ist. Zu Mamsell) für nicht-adelige junge Frauen gebraucht diesem germanischen Wort stimmt genau kymr. werden kann. Daraufhin schreibt Adam Baumgärtrhydd ’frei’, das wegen seines Lautstands urverwandt ner in Leipzig 1793 ein Pamphlet, in dem er die deutsein muss. Mit dieser Übereinstimmung setzen sich schen jungen Frauen auffordert, die deutsche Bedas Germanische und das Kymrische (Keltische?) von zeichnung und Anrede Fräulein für sich zu beanden übrigen Sprachen ab, in denen *prijo- ursprüngspruchen. Dies stößt von Seiten des Adels auf lich ’eigen’, dann ’vertraut, lieb’ bedeutet (ai. priya´Widerstand, wird aber auch weithin unterstützt (z.B. ’eigen, lieb’, l. proprius ’eigen’, evtl. auch gr. (poet.) von Wieland im Neuen Teutschen Merkur von 1794). propreo´n ’geneigt, bereitwillig’; s. auch Þfreien). Die Dabei wird darauf hingewiesen, dass der allgemeine Bedeutung ’eigen’ zu ig. *per(¡)i- ’nahe, bei’ (= ’das, Gebrauch des Wortes in Südwestdeutschland, in was bei mir ist’); auch das Primärverb ai. prı¯na¯´ti Wien und bei den Deutschen in Dänemark bereits ˙

Freibank ’erfreut, genießt’ muss ursprünglich lokale Bedeutung gehabt haben (’ist dabei, nähert sich’ o.ä.). Die Bedeutung ’frei’ entwickelt sich aus ’eigen’ vermutlich in Wendungen wie ’die eigenen Kinder’, das nur dort gesagt wird, wo es erbrechtlich usw. von Belang ist. Vielleicht zeigt auch g. *frı¯-halsa- den Bedeutungsübergang: ’dessen Hals eigen ist’ = ’dem sein Hals selbst gehört’ = ’frei’. − Modern auch Halbsuffix -frei (koffeinfrei, busenfrei). Abstraktum: Freiheit; Präfixableitung: befreien; Adverb: Þfreilich. Ebenso nndl. vrij, ne. free. S. die folgenden Wörter und ÞFlibustier, ÞFreund, ÞFriede(n), ÞFriedhof , ÞGefreiter, Þver-. – Scheller (1959), 1–86; Mezger, F. ZVS 79 (1964), 32–38; Risch, E. MH 22 (1965), 194; Benveniste (1969/1993), 257f.; Schmidt-Wiegand (1972), 26; Schlumbohm, J.: Freiheitsbegriff und Emanzipationsprozeß (Göttingen 1973); Schlumbohm, J. AB 17 (1973), 140–142; Schwartz, M. Monumentum Nyberg 2 (1975), 20731; Szemere´nyi (1977), 108–149; Zotz, Th. Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 125 (1977), 3–20; Günther (1979); GB 2 (1975), 425–542; Buti, G. Paideia 36 (1981), 45–55; Vögeding, J.: Das Halbsuffix ’-frei’ (Tübingen 1981); von Olberg, G.: Freie Nachbarn und Gefolgsleute (Frankfurt 1983); von Olberg, (1991), 74–78; Schott, C. ZSSR-GA 104 (1987), 84–109; Röhrich 1 (1991), 472; Heidermanns (1993), 215; RGA 9 (1995), 524–527; EWahd 3 (2007), 555–558; EWNl 4 (2009), 573.

Freibank Sf ’Verkaufsstelle für Fleisch aus Notschlach-

tungen usw.’ per. fach. (16. Jh.). Ursprünglich (obd.) Fleischverkaufsstelle auf Märkten, an denen Bauern und Metzger ihr Vieh frei (ohne Einschränkung) schlachten und verkaufen durften. Freibeuter Sm erw. obs. (16. Jh.). Entlehnt aus nndl.

vrijbuiter; dieses aus mndl. vrijbuiten ’freibeuten’, aus mndl. vrij ’frei’ und mndl. buit ’Beute’, also ’freie Beute machen’. Ebenso nndl. vrijbuiter, ne. freebooter, nfrz. flibustier, ndn. fribytter, nschw. fribytare, nnorw. fribytter, nisl. frı´by´tari; ÞBeute 1, Þfrei. – EWNl 4 (2009), 573.

Freibrief Sm std. phras. (15. Jh.). Ursprünglich ’Frei-

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vgl. ai. priya¯ya´te, akslav. prijati ’hold sein, beistehen, sorgen (für)’, ein Denominativ zu ig. *prijo- ’eigen, lieb, freundlich’ (s. frei). Zu beachten ist allerdings kymr. priodi ’heiraten’ (< k wrei-) falls ein Übergang von ig. *k wr- zu g. *fr- oder Entlehnung aus einer pkeltischen Sprache angesetzt werden kann. Umfassendere Zusammenhänge sucht Bomhard. − Ein Freier ist eigentlich ein ’Brautwerber, Verlobter’, heute fast nur noch als ’Kunde einer Prostituierten’. Zur alten Bedeutung noch auf Freiersfüßen gehen ’sich mit dem Gedanken einer Hochzeit befassen’. S. auch ÞFreite. – Scheller (1959), 89–101; Mezger, F. ZVS 79 (1964), 32–38 (etwas anders); Bomhard (1995), 47f.; EWahd 3 (2007), 562f.; EWNl 4 (2009), 572f.

freigebig Adj std. (16. Jh.). Gebildet mit Þfrei im Sinn

von ’großzügig’, vgl. mhd. mit vrier hant ’großzügig’. Freigeist Sm erw. obs. (17. Jh.). Lehnübersetzung mit

Þfrei und ÞGeist zu frz. esprit libre ’freier Geist’. Schon früher die genaue Übersetzung freier Geist. Freihandel Sm erw. fach. (19. Jh.). Lehnübersetzung mit

Þfrei und ÞHandel für ne. free trade gleicher Bedeutung. Freiherr Sm (Freifrau f.) erw. obs. (14. Jh.). Univerbiert

aus der Bezeichnung ’freier Herr’, ’freie Frau’, dann Adelstitel, der ungefähr dem Baron entspricht. freilich Adv std. (9. Jh.), mhd. vrı¯liche(n), ahd. frı¯lı¯h

’auf freie Weise, offenbar’. Durch die Anerkennung des vom Gesprächspartner Gesagten mit diesem Wort (mit nachfolgender Entgegensetzung der eigenen Meinung) bekommt das Adverb seinen adversativen Charakter. Zu vergleichen ist, dass eine Einschränkung etwa auch eingeleitet werden kann mit es ist natürlich klar, dass ..., wobei mindestens anfänglich die Begründung folgt, warum diese Klarheit im vorliegenden Fall nicht einschlägig ist. Der Gebrauch von freilich ist bis etwa zum Ende des 15. Jhs. deutlich von den Bedeutungen des Adjektivs frei abhängig, danach beginnt der einschränkende Gebrauch die Vorhand zu gewinnen.

lassungsurkunde, Berechtigungsurkunde’, dann übertragen verwendet im Sinne von ’Erlaubnis, nach Willkür zu handeln’ (meist in Wendungen wie dies ist Freimaurer Sm per. fach. (18. Jh.). Lehnübersetzung mit kein Freibrief für...). Þfrei und Maurer (ÞMauer) für gleichbedeutendes Ebenso nndl. vrijbrief, ndn. fribrev, nschw. fribrev. ne. free mason. Ursprünglich wurden mit free masons im Spätmittelalter die Steinmetze bezeichnet, die Freidenker Sm erw. fach. (18. Jh.). Lehnübersetzung nach der Gesellenprüfung in die Geheimzeichen der mit Þfrei und Denker (Þdenken) für ne. freethinker Bauhütten (ne. lodge; ÞLoge) eingeweiht waren und zur Bezeichnung religiös unabhängiger Denker (und zur Arbeitssuche frei durchs Land ziehen konnten. Menschen allgemein). Ganz (1957), 76–78; HWPh 2 (1972), 1062–1063.

freien Vsw ’um eine Frau werben’ erw. obs. (12. Jh.).

Ebenso nndl. vrijmetselaar, ne. Freemason, nfrz. franc-mac¸on, ndn. frimurer, nschw. frimurare, nnorw. frimurer, nisl. frı´mu´rari. – Ganz (1957), 78f.

Ursprünglich nicht oberdeutsch, durch Luther allfreimütig Adj std. (13. Jh.). Bahuvrihi-Adjektiv zu Þfrei gemein eingeführt. Mhd. vrien, mndd. vrien, vrigen und ÞMut mit verschiedenen Bedeutungen, von ’heiraten, umwerben’ ist eine Spezialisierung von g. denen sich dann ’unerschrocken’ durchsetzt. Freimut *frijo¯- Vsw. ’freundlich behandeln, umwerben’, wohl ist dazu eine Rückbildung. unter dem Einfluss von as. frı¯ ’(Ehe)Frau’. Das Verb auch in gt. frijon, anord. frja´, ae. fre¯ogan, mndl. vrien Freistaat Sm erw. fach. (18. Jh.). Als Ersatzwort für ’hold sein, lieben’. Es ist grundsprachlichen Alters, ÞRepublik gebildet; zunächst in Bezug auf die

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Freudenmädchen

Ebenso nndl. frenetiek, ne. frenetic, frantic, nfrz. fre´ne´tique, Schweizer Eidgenossenschaft gebraucht. Gemeint ist nschw. frenetisk, nnorw. frenetisk. – Weimann, K.-H. DWEB ein Staat, in dem alle die politischen Freiheiten ha2 (1963), 392; Schalk (1966), 75–95; DF 5 (22004), 1097f. ben. Nach 1918 bezeichnet sich die Mehrzahl der Frequenz Sf ’Häufigkeit, Schwingungszahl’ erw. fach. deutschen Länder als Freistaat, nach 1945 nur noch (17. Jh.). Entlehnt aus l. frequentia ’Häufigkeit’, einem Baden und Bayern, nach der Wiedervereinigung auch Sachsen. Abstraktum zu l. freque¯ns (frequentis) ’häufig’ (verwandt mit l. farcı¯re ’stopfen’, zu diesem s. ÞFarce). Ebenso nndl. vrijstaat, ne. free state, nfrz. E´tat libre, ndn. fristat, Verb: frequentieren. nschw. fristat, nnorw. fristat, nisl. frı´rı´ki.

Freistatt Sf erw. obs. (17. Jh.). Ersatzwort für ÞAsyl,

doch taucht das Wort schon wesentlich früher als Flurname (Bedeutung?) auf. Freitag Sm std. (9. Jh.), mhd. vrı¯tac, ahd. frı¯(j)atag,

mndd. vridach, mndl. vridach. Wie afr. frı¯adei, ae. frigd¢g als Nachbildung von spl. Veneris die¯s; der römischen Venus wurde also die germanische Freia gleichgesetzt. Das lateinische Wort ist seinerseits Nachbildung von gr. Aphrodı´te¯s he¯me´ra (zu Aphrodite). Ebenso nndl. vrijdag, ne. friday. – Förster, M. Anglia 68 (1944), 1–3; EWahd 3 (2007), 566–569; EWNl 4 (2009), 572.

Freite Sf ’Brautwerbung’ per. arch. (13. Jh.), mhd.

vrı¯a¯t(e). Abstraktum zu Þfreien und wie dieses aus dem Niederdeutschen ins Hochdeutsche gelangt. Freitod Sm std. stil. (20. Jh.). Zusammensetzung mit

Ebenso nndl. frequentie, ne. frequency, nfrz. fre´quence, ndn. frekvens, nschw. frekvens, nnorw. frekvens. – EWNl 2 (2005), 130f.; DF 5 (22004), 1098–1103.

Fresko Sn ’Malerei auf frischem, noch feuchtem

Putz’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus it. (pitturaal) fresco ’Freskomalerei’, eigentlich ’frisch’, das aus dem Germanischen (Þfrisch) entlehnt ist. Ebenso nndl. fresco, ne. fresco, nfrz. fresque, ndn. fresko, nschw. fresk, nnorw. fresko, nisl. freska. – EWNl 2 (2005), 131; DF 5 (22004), 1103–1106.

Fressalien Spl ’Lebensmittel’ std. vulg. (19. Jh.). Scherz-

wort der Studentensprache, das wohl dem älteren Schmieralien ’Bestechungsgelder’ (seit dem 16. Jh.) und ÞViktualien nachgebildet ist. Zu Þfressen mit der an die deutsche Sprachform angepassten lateinischen Endung -alia (Pl.).

Fresse Sm std. vulg. (16. Jh.). Vulgäre Bezeichnung des Þfrei und ÞTod als Euphemismus für Selbstmord nach Mundes nach seiner Funktion. Nietzsches Überschrift der 22. Rede Zarathustras Þfressen. ’Vom freien Tod’ (wohl in Anlehnung an l. mors vofressen Vst std. (8. Jh.), mhd. v(e)rezzen, ahd. frezzan, lunta¯ria ’freiwilliger Tod’). as. fretan. Eine schon alte Verschmelzung des Verbs Baumann, K.: Selbstmord und Freitod in sprachlicher und Þessen mit der Vorsilbe Þver-, vgl. ae. fretan und gt. geistesgeschichtlicher Beleuchtung (Diss. Gießen 1934). fret Prät. (aber Präsens getrennt fra-itan). Zur Etyfreiwillig Adj std. (16. Jh.). Aus Þfrei und ÞWille zumologie s. essen. Die Bedeutung ist ’aufessen, verzehsammengebildet, wohl nach dem Vorbild älterer Noren’, erst in mittelhochdeutscher Zeit beginnt die minalbildungen (Freiwilligkeit). Differenzierung essen bei Menschen − fressen bei Tiefremd Adj std. (8. Jh.), mhd. vrem(e)de, vröm(e)de, ahd. ren. Abstraktum: Fraß; Nomen Agentis: Fresser; Adfremidi, as. fremidiÑ . Aus g. *framaþja- Adj., auch in gt. jektiv: gefräßig. framaþeis, ae. frem(e)de, einer Adjektivbildung zu g. Ebenso nndl. vreten, ne. fret. S. auch ÞFressalien, ÞFresse. – *fram- ’fern von, weg von’ in gt. fram, anord. fram, EWahd 3 (2007), 553f.; EWNl 4 (2009), 572. ae. from und ahd. fram ’vorwärts, fort’; AusgangsbeFrett(chen) Sn (Zuchtform des Iltis zur Kaninchendeutung also etwa ’fort seiend’ zu der in Þvor, Þfort jagd) per. fach. (15. Jh.), fnhd. frett(e), später Frettusw. vorliegenden Wurzel. Dann auch allgemein chen. Über frz. furet und mndl. foret entlehnt aus ml. ’außerhalb der gewohnten Umgebung’, dann speziell furet(t)us ’Frettchen’, einer Ableitung von l. fu¯ro m. etwa in fremdgehen ’Seitensprünge machen’. Präfix’Iltis’ (das wohl zu l. fu¯r m. ’Dieb’ gehört). ableitungen: be-, ent-, verfremden; häufig als VorderEbenso nndl. fret, ne. ferret, nfrz. furet, ndn. fritte. Zur Sippe glied von Komposita. Ebenso nndl. vreemd; Þfort-. – Beul, U.: Fremd (Diss. Berlin 1968); HWPh 2 (1972), 1102; Röhrich 1 (1991), 473; EWahd 3 (2007), 547–549; EWNl 4 (2009), 570.

des zugrunde liegenden l. ferre ’tragen’ s. ÞDifferenz; ÞFurunkel. – RGA 9 (1995), 574; EWNl 2 (2005), 131.

Freude Sf std. (8. Jh.), mhd. vröude, vröide, vreude, ahd.

frewida, frouwida. Vd. *frawiþo¯, Abstraktbildung zu Þfreuen und zu Þfroh gehörig. Adjektiv: freudig. fremd. (15. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Entlehnt aus frz. Röhrich 1 (1991), 474–475; EWNl 4 (2009), 572. (applaudissements) fre´ne´tiques ’frenetischer Beifall’, Freudenhaus Sn ÞFreudenmädchen. eigentlich ’wahnsinnig’, dieses aus l. phrene¯ticus, phrenı¯ticus ’wahnsinnig, gehirnkrank’, aus gr. phreni- Freudenmädchen Sn erw. stil. (18. Jh.). Lehnübersettiko´s, zu gr. phre¯´n ’Zwerchfell’ (als Sitz der Seele; zung mit ÞFreude und ÞMädchen für frz. fille de joie f. ÞBrünne). In der fachsprachlichen Bedeutung gleicher Bedeutung als Euphemismus für ’Prostitu’geisteskrank’ schon im 16. Jh. bezeugt. ierte’. Andere Lehnübersetzungen jener Zeit sind

frenetisch Adj ’überschwänglich, leidenschaftlich’ per.

freuen

318 Töchterchen / Tochter der Freude. ÞFreudenhaus

’Bordell’ ist eine etwa gleich alte Klammerform für Freudenmädchenhaus; davon zu trennen ist älteres Freudenhaus (mhd. vröudenhu ¯ s) ’Haus voller Freuden’ im Gegensatz zu Trauerhaus. freuen Vsw std. (8. Jh.), mhd. vröuwen, vröiwen u.ä.,

ahd. frewen, frouwen, mndd. vrouwen, mndl. vrowen. Aus vd. *frawija- Vsw. ’freuen’, ein Faktitivum zu Þfroh, also eigentlich ’froh machen’. Röhrich 1 (1991), 475; EWahd 3 (2007), 530, 552f.

Freund Sm std. (8. Jh.), mhd. vriunt, ahd. friunt, as.

friund. Aus g. *frijond- m. ’Freund, Verwandter’, auch in gt. frijonds, ae. fre¯ond, afr. frio¯nd. Dazu mit stärkerer Umbildung anord. fr¢ndi ’Verwandter’. Das Wort ist eine Partizipialbildung zu g. *frij-o¯- Vsw. ’freundlich behandeln, umwerben’, das unter Þfreien behandelt ist, dieses weiter zu Þfrei. Abstraktum: Freundschaft; Adjektiv: freundlich; Präfixableitung: befreunden. Ebenso nndl. vriend, ne. friend, nschw. frände, nisl. fr¢ndi; Þfrei. – Scheller (1959), 105–118; Mezger, F. ZVS 79 (1964), 32–38 (etwas anders); HWPh 2 (1972), 1104f.; Nolte, Th. FS 24 (1990), 126–144; Jones (1990), 80–106; Röhrich 1 (1991), 475–476; Götze, A. ZDW 12 (1910), 93–108 (zu Freundschaft ’Verwandtschaft’); LM 4 (1989), 911f.; RGA 9 (1995), 575–577; EWahd 3 (2007), 583–586; EWNl 4 (2009), 572.

Frevel Sm erw. obs. (9. Jh., fravalius 8. Jh.), mhd. vre-

vel(e), ahd. fravalı¯. Ist wie ae. fr¢fel ein Abstraktum zu dem Adjektiv wg. *frafla-/ja ’übermütig, hartnäckig, verschlagen’ in ahd. fravali, as. fravol, ae. fr¢fel(e). Vermutlich ist es zusammengesetzt aus dem Präfix Þver- mit Verlust des Vokals und einem Substantiv *afla- ’Kraft’ in anord. afl n., ae. afol n., vgl. ahd. afalo¯n, avalo¯n ’zuwege bringen’ und mit anderem Suffix gt. abrs ’stark’. Also *fr(a)-af-la-(-ja-) ’dessen Stärke vorangeht’, etwa im Sinne von ’rücksichtslos’. Adjektive: frevelhaft, freventlich; Verb: freveln. Sousa-Costa (1993), 306–309; RGA 9 (1995), 582f.; EWahd 3 (2007), 507f.; EWNl 4 (2009), 641.

Friede(n) Sm std. (8. Jh.), mhd. vride, ahd. fridu, as.

Friedhof Sm std. (9. Jh., Form 16. Jh.), mhd. vrı¯thof,

ahd. frı¯thof m. / n. (?), as. frı¯dhof . Ursprünglich ’Vorhof, eingefriedetes Grundstück’ zu ahd. frı¯ten ’hegen’, gt. freidjan ’schonen’. In ungestörter Entwicklung wäre nhd. Freithof zu erwarten gewesen, was auch tatsächlich regional bezeugt ist; doch ist das Wort als Bezeichnung des Kirchhofs an Friede angeglichen worden durch das Verständnis als ’Immunitätsland’: Die öffentlichen Beamten hatten kein Eingriffsrecht auf dem Friedhof − entsprechendes gilt für das gleiche Wort als Orts- und Hofbezeichnung. Ahd. frı¯ten gehört zu der Sippe von Þfrei, Þfreien, ÞFreund und ÞFriede(n) mit der Sonderbedeutung ’hegen, schonen, pflegen’. Unmittelbar zugrunde liegt das Adjektiv g. *frı¯da- ’gepflegt, schön’ in anord. frı´drÑ , ae. frı¯þ, außergermanisch vergleichbar ist ai. prı¯ta´-, Partizip zu ai. prı¯na¯´ti. ˙ Þfrei. – Scheller (1959), 114–117; Kretschmer (1969), 275–278; LM 4 (1989), 923–930; Ilisch, P. NW 30 (1990), 103–108; RGA 9 (1995), 610–613; EWahd 3 (2007), 578–580; Viereck, W. in Johnston, A. J. u.a. Language and Text (Heidelberg 2006), 375–392.

frieren Vst std. (8. Jh.), mhd. vriesen, ahd. friosan, mndl.

vriesen. Aus g. *freusa- Vst. ’frieren’, auch in anord. frjo´sa, ae. fre¯osan, gt. in frius ’Frost’. Das Verb hat in der gleichen Bedeutung keine Anknüpfungsmöglichkeit, dagegen zeigt die Ableitung ÞFrost (ae. frost, afr. frost, as. frost, ahd. frost; daneben anord. frør, frer, ahd. fro¯r) gute Vergleichsmöglichkeit mit l. pruı¯na ’Raureif’, auch ’Winter’, kymr. rhew ’Eis, Frost’ und ai. pru´sva¯ (auch ai. prusva¯´) ’Tropfen, Tau’, vielleicht ˙ ˙ auch ’Raureif’. Die außergermanischen Wörter hängen aber von einem *preus- ’sprühen, spritzen’ ab, das in lit. prau˜sti ’waschen’, serbo-kr. pr´skati ’spritzen, besprengen’, ai. prusno´ti ’besprengt, träufelt, ˙˙ist zu schließen, dass nässt’ bezeugt ist. Daraus *freus-a- ursprünglich ’sprühen’ bedeutete und Ableitungen mit der Bedeutung ’Raureif, Frost’ bildete. Unter dem Einfluss dieser Ableitungen verschob sich dann seine Bedeutung im Germanischen zu ’frieren’.

friduÑ . Aus g. *friþu- m. ’Friede’, auch in anord. fridrÑ , Ebenso nndl. vriezen, ne. freeze, nschw. frysa, nisl. frjo´sa; ae. friþ m./n., afr. fretho, gt. in gafriþon ’versöhnen’ ÞFrost. – Seebold (1970), 210f.; Hamp, E. P. JIES 1 (1973), (sonst ist ’Friede’ gt. gawairþi). Ein tu-Abstraktum zu 215–223; EWahd 3 (2007), 570–572; EWNl 4 (2009), 572. der in Þfrei vorliegenden Grundlage ig. *pri-, die von 1 ’nahe, bei’ ausgeht. Friede müsste demnach ungefähr Fries Sm ’Zierstreifen (an Säulen usw.)’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. frise f. gleicher Bedeutung. das ’Beieinandersein’ im Sinne von ’das gegenseitige Dieses wohl aus it. fregio und weiter zu l. phrygium Behandeln wie innerhalb der Sippe’ sein. Adjektiv: ’phrygisch’. friedlich; Verben: befrieden, befriedigen. Zur BedeuEbenso nndl. fries, ne. frieze, nfrz. frise, nschw. fris. – Lotungsverzweigung s. Þfrei, Þfreien, ÞFreund. Eine kotsch (1975), 872; DEO (1982), 303; LM 4 (1989), 968f.; Nebenbedeutung ’umgeben, schützen’ in um-, EWNl 2 (2005), 133. Þeinfrieden. 2 Fries Sm ’krauses Wollzeug’ per. fach. (17. Jh.). EntÑ Ebenso nndl. vrede, nschw. fred, nisl. fridur. S. auch ÞFriedhof , lehnt aus frz. frise, das seinerseits aus mndl. frise Þzufrieden. – Scheller (1959), 113f.; HWPh 2 (1972), 1114–1119; Tiefenbach (1973), 56–60; GB 2 (1975), 543–591; LM 4 (1989), ’krauses Tuch’ entlehnt ist. Dieses wohl ursprünglich 919–921; Röhrich 1 (1991), 476; Sousa-Costa (1993), 193–197; drape de Frize ’friesischer Wollstoff’. RGA 9 (1995), 594–596; EWahd 3 (2007), 559–562; EWNl 4

(2009), 570.

Ebenso nndl. fries, ne. frieze, nfrz. frise, nschw. fris.

frivol

319 Frieseln Spl ’Hautausschlag’ per. reg. (16. Jh.). Vermut- Frischling Sm ’junges Wildschwein’ erw. fach. (9. Jh.,

lich zu regional gebräuchlichem freiseln ’frösteln’ Form 15. Jh.), mhd. vrisch(l)inc, ahd. frisking mit (also eigentlich ’Gänsehaut’?). Eine andere Möglicheiner Anzahl Nebenformen. Wohl einfache Zugehörigkeitsbildung zu Þfrisch ’der Frische (Neue, Frischkeit wäre der Anschluss an russ. prosjanı´ca ’Hirsegrütze, Frieselausschlag’, doch gehört dies zu russ. geborene)’ pro´so ’Hirse’, dessen Herkunft unklar ist (und bei diePalander (1899), 131–133. ser Bedeutung liegt die Annahme der Entlehnung na- frisieren Vsw std. (17. Jh.). Entlehnt (unter Einfluss von he). nndl. friseren) aus frz. friser ’kräuseln’. Es bezeichnet Jokl, N. FS Jagic´ (1908), 484f.; Rauch (1995), 117. zunächst das Zurechtmachen der Perücken, wobei deren Locken wieder frisch eingedreht wurden. Nur frigide Adj ’gefühlskalt’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt deutsch ist die Weiterentwicklung zu ’die Haare heraus l. frı¯gidus ’kalt’, zu l. frı¯ge¯re ’kalt sein, erkaltet sein’, wohl unter dem Einfluss von frz. frigide. Abrichten’, ebenso wie die Berufsbezeichnung Frisör, Friseuse, die im Französischen zwar als systematische straktum: Frigidität. Bildungen ebenfalls in Gebrauch gewesen zu sein Ebenso nndl. frigide, ne. frigid, nfrz. frigide, nschw. frigid, nnorw. frigid. – EWNl 2 (2005), 133f.; DF 5 (22004), 1106f. scheinen, aber nur im Deutschen lexikalisiert wurden. Das Konkretum ÞFrisur ist aus frz. frisure Frikadelle Sf ’gebratenes Hackfleischklößchen’ erw. ’Lockenfrisur’ entlehnt, die Bedeutungsverallgemeireg. (18. Jh.). Entlehnt aus nndl. frikadel, dieses aus nerung ist ebenfalls nur deutsch. In übertragener Beeinem französischen Vorbild, das neben frz. fricandeutung dann auch allgemein ’herrichten, verbesdeau ’Pastetenfülle’ steht (*fricada, das n in fricansern, verfälschen’ (z.B. einen Motor, eine Bilanz frisiedeau ist sekundär, zur gleichen Grundlage auch ren). ÞFrikassee), vielleicht gekreuzt mit einer Entlehnung aus it. frittadella ’Pfannengebackenes’. Ebenso nfrz. fricadelle, nschw. frikadell, nnorw. frikadelle. Herkunft und Entwicklung der französischen Wörter ist unklar. Es wird über eine Bedeutung ’lecker’ ein Anschluss gesucht an germanische Wörter aus der Sippe von Þfrech über eine Bedeutung ’begierig’. Nach DEO aus einem früh-rom. *frı¯xica¯re zu früh-rom. *frı¯xa¯re ’durchbraten’. Nach Salverda de Grave aus fri + casser. – Salverda de Grave, J. J. NPh 28 (1965), 83–86; Gamillscheg, E. FS Grevisse (1966), 126f.; DEO (1982), 301f.; DF 1 (1913), 226f.; EWNl 2 (2005), 132, 134.

Frikassee Sn ’Ragout aus weißem Fleisch’ erw. fach.

Ebenso nndl. friseren, ne. friz, nschw. frisera, nnorw. frisere. Das französische Wort scheint auf ein früh-rom. *fretiare ’kräuseln’ zurückzugehen; ÞFries 1. – DEO (1982), 303; Brunt (1983), 311; EWNl 2 (2005), 135f.; DF 5 (22004), 1107–1112.

Frist Sf std. (8. Jh.), mhd. vrist, ahd. frist, as. frist

’Gelegenheit’. Aus g. *fristi- ’Frist, Zeit’, auch in anord. frest n., ae. first m., afr. ferst n., frist n. Herkunft unklar; vgl. immerhin toch. A prast, toch. B pres´ciya ˙ ’Zeit’. Verb: (be-)fristen; Adjektiv: fristlos . Þfristen. – Heinertz, N. O. SMS 10 (1928), 3–24; EWahd 3 (2007), 574–576.

(16. Jh.). Entlehnt aus frz. fricasse´e f., einer Ableitung von frz. fricasser ’Fleisch schnetzeln und in Soße zu- fristen Vsw std. (11. Jh.), mhd. vristen, ahd. fristen. Eigentlich ’bewahren, aufschieben’ zu ÞFrist. bereiten’. Zu einer lautlich und etymologisch unklaFrisur Sf Þfrisieren. ren romanischen Wortsippe, die unter ÞFrikadelle genannt wird. fritieren Vsw ’in heißem Fett schwimmend garen’ per. Ebenso nndl. fricassee, ne. fricassee, nfrz. fricasse´e, nschw. frifach. (20. Jh.). Neubildung zu frz. frit, dem PPrät. von kasse´, nnorw. frikasse´. – DF 1 (1913), 227; EWNl 2 (2005), 132. frz. frire ’backen, braten’, dieses aus l. frı¯gere (frı¯ctum) frisch Adj std. (9. Jh.), mhd. vrisch, ahd. frisc, mndd. ’rösten, braten’. versch, vers, varsch, mndl. versch. Aus wg. *friska- Adj. Ebenso nndl. frituren, nfrz. (PPrät.) frit, nschw. fritera, nnorw. fritere. – EWNl 2 (2005), 136. ’frisch’, auch in ae. fersc, afr. fersk. Außergermanisch keine sichere Entsprechung. Offenbar auf (ig.) -fritze Halbsuffix (für Täterbezeichnungen) erw. ndd. *pre¯ska- gehen zurück lit. pre˙´skas ’süß, ungesäuert, stil. (–). Bildet umgangssprachliche Täterbezeichfrisch, fade’, russ. pre´snyj ’ungesäuert, süß, fade’. nungen für Verkäufer oder Anhänger einer Sache Aber wie ist das vom Germanischen vorausgesetzte (Filmfritze, Zeitungsfritze). Zu dem Personennamen -i- zu vermitteln? Nach Mentz als ’dem Ursprung Fritz. nah’ zu l. prı¯scus und vielleicht weiter zu den genannfrivol Adj ’anzüglich, leichtfertig’ erw. stil. (17. Jh.). Entten baltisch-slavischen Wörtern. − Präfixableitung: lehnt aus frz. frivole ’nichtig, leichtfertig’, dieses aus l. erfrischen; Partikelableitung: auffrischen; -frisch ist in frı¯volus, eigentlich ’zerbrechlich’, zu l. fria¯re ’zerreider modernen Sprache ein Halbsuffix (besonders in ben, zerbröckeln’ (verwandt mit l. frica¯re ’reiben’). der Werbesprache). Abstraktum: Frivolität. Ebenso nndl. vers, ne. fresh; ÞFresko, ÞFrischling, ÞSommerfrische. – Mentz, F. ZVS 65 (1938), 263–265; Heidermanns (1993), 216f.; EWahd 3 (2007), 572–574; EWNl 2 (2005), 135; Bammesberger, A. SW 25 (2000), 113–115; EWNl 4 (2009), 511f.

Ebenso nndl. frivool, ne. frivolous, ndn. frivol, nschw. frivol, nnorw. frivol; Þfrottieren. – EWNl 2 (2005), 136; DF 5 (22004), 1112–1114.

froh

320 froh Adj std. (8. Jh.), mhd. vro¯, ahd. fro¯, as. fra¯. Aus vd.

Pfingsten. Zu mhd. lı¯cham(e) ’Leib’ (ÞLeichnam) *frawa- Adj. ’froh’, zu dem auch afr. fre¯ stimmt; daund Fron als alter Genetiv (ÞFrau, ÞFron). gegen bedeutet anord. fra´r ’schnell’, was wohl die LM 4 (1989), 990f.; Kochskämper (1999), 307–318. Ausgangsbedeutung ist. Dieses kann eine -wo-Ablei- Front Sf ’Vorderseite, vordere Reihe’ std. (17. Jh.). Enttung zu ig. *pro ’vor, voran, vorwärts’ sein, vgl. etwa lehnt aus frz. front m., dieses aus l. fro¯ns (frontis) ai. pravana´- ’steil, jäh, abfallend’, prava´t- f. ’Vor’Stirn, vordere Linie’. Das Substantiv im Deutschen ˙ wärtsdrang, schneller Fortgang’. − Die alte Modifiweitgehend festgelegt auf ’vorderste Kriegslinie’. Adkationsbildung fröhlich hat sich heute in ihrer Bedeujektiv: frontal. tung verselbständigt. Ebenso nndl. vro; ÞFreude, Þfreuen, Þfrohlocken. – Heidermanns (1993), 211f.; EWahd 3 (2007), 529f.; 589f.; EWNl 4 (2009), 575.

frohlocken Vsw std. stil. (14. Jh.), spmhd. vrolocken.

Vermutlich zu lecken ’springen, hüpfen’ mit Umbildung, als das einfache Þlecken 2 unterging.

Ebenso nndl. front, ne. front, nfrz. front, nschw. front, nnorw. front. Das lateinische Grundwort ist auch enthalten in ÞAffront (Rückbildung aus einer Präfixableitung im Französischen), konfrontieren (’gegenüberstellen’, ebenfalls eine Präfixableitung; ÞKonfrontation) und ÞFrontispiz. – Jones (1976), 350f.; Röhrich 1 (1991), 477; EWNl 2 (2005), 138; DF 5 (22004), 1116–1122.

Frontispiz Sn ’Vordergiebelseite, Titelseite eines Buches’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. frontispice m., froma nur Substantiv ’Vorteil, Nutzen’. Im prädikadieses aus ml. frontispicium ’Giebel eines Gebäudes’, tiven Gebrauch wird dieses zu einem Adjektiv mit der zu l. fro¯ns (frontis) f. ’Vorderseite, Stirn’ und l. spicere, Bedeutung ’nützlich’ u.ä., das dann zu ’tüchtig’ und specere ’sehen’, also etwa ’Vorderansicht’. ’rechtschaffen’ wird. Außerhalb des Deutschen hat Ebenso nndl. frontispice, ne. frontispiece, nfrz. frontispice, das Grundwort eine andere Vokalstufe (anord. framr nschw. frontespis; ÞFront, ÞSpektakel. ’tapfer, vorzüglich’, ae. fram ’förderlich’), wie auch die außergermanischen Formen in ihrem Ablaut aus- Frosch Sm std. (8. Jh.), mhd. vrosch, ahd. frosc, mndd. vors(ch), mndl. vorsch(e). Aus g. *fruska- m. ’Frosch’, einandergehen: gr. pro´mos ’Vorkämpfer, Führer’, l. prı¯mus, lit. pı`rmas ’Erster’. Zu der Wurzel ig. *perauch in anord. froskr. Varianten hierzu sind anord. frauki und ae. frogga. Außergermanisch vergleicht ’vorne, früh, erster’ zu der auch ÞFürst und ÞFrau sich am ehesten russ. pry´gat′ ’springen, hüpfen’, so gehören. Abstraktum: Frömmigkeit; die alte Bedeutung ist bewahrt in der verbalen Ableitung frommen dass der Frosch (verständlicherweise) als ’Hüpfer’ bezeichnet wäre. Die Anschließbarkeit des slavischen ’nützen’, heute veraltet. Dagegen drückt die verbale Wortes ist aber dürftig, so dass die Etymologie unsiAbleitung frömmeln eine übertriebene und heuchlecher bleibt. Nach Foerste wird das Wort für rische Haltung aus. ’Frosch’ in mehreren Sprachen für die Krankheit Þfür. – Günther, V.: ’Fromm’ in der Zürcher Reformation (Aarau 1955); HWPh 2 (1972), 1123–1125; Müller, E. E. ’Soor’ verwendet (so auch ndd. fasch, fläm. vesch aus BGDSL-T 95 (1973), 333–357; Röhrich 1 (1991), 477; RGA 10 *fersk/forsk-), was eine Ausgangsbedeutung ’weiche (1998), 103–105; EWahd 3 (2007), 601f.; EWNl 4 (2009), 575f. Masse’ nahelegt. Das von ihm angegebene Vergleichsmaterial ist aber nicht überzeugend. Fron Sf ’Frondienst’ erw. obs. (9. Jh., Bedeutung Marstrander, C. FS Bugge (Kristiania 1908), 243; Falk, H., 19. Jh.), ahd. fro¯ m. ’Herr’. Gehört als Genetiv Plural Reichborn-Kjennerud, J. MM (1923), 65–73; Foerste, W. fro¯no ’der Herren, speziell der Götter’, daraus einerNW 1 (1960), 13–20; Wagner, N. HS 103 (1990), 281–285; Röhseits die Bedeutung ’göttlich’ mit adjektivischer Flerich 1 (1991), 477–479; RGA 10 (1998), 108–110; EWahd 3 xion; so übernommen ins Christentum. Andererseits (2007), 594–596; EWNl 4 (2009), 567. (auch als Vorderglied von Komposita) ’rechtlich, geFrost Sm std. (8. Jh.), mhd. vrost, ahd. frost, as. frost. Aus richtlich, öffentlich’ (etwa Fronbote ’Gerichtsbote’). wg. *frusta- m. ’Frost’, auch in ae. frost; vergleichbar Hierzu mhd. vrondienest ’Herrendienst’, aus dem die ist weiter anord. frost n. Abstraktum zu Þfrieren. AdFron abgelöst ist. jektiv: frostig; Verb: frösteln. Þfronen, ÞFronleichnam. Zur Etymologie s. ÞFrau. – Müller fromm Adj std. (8. Jh.), mhd. vrum, vrom, ahd. fruma,

(1976), 149–169; LM 4 (1989), 986–989; EWahd 3 (2007), 587–589, 592f.

fronen (frönen) Vsw erw. obs. (10. Jh.), mhd. vro¯nen,

vrœnen, ahd. fronen. Die beiden Formen sind Varianten des gleichen Wortes, nämlich der Ableitung von ÞFron mit der Bedeutung ’dienen, unterworfen sein’. Die Variante mit Umlaut heute nur übertragen (seinen Leidenschaften frönen). Fronleichnam Sm erw. fach. (13. Jh.). Ursprünglich

’der Leib des Herrn’ (mhd. vro¯nlı¯chname), dann der ihm seit 1246 geweihte zweite Donnerstag nach

Ebenso nndl. vorst, ne. frost. – EWahd 3 (2007), 596f.; EWNl 4 (2009), 568.

frottieren Vsw ’(mit einem Tuch) abreiben’ std. stil.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. frotter, das wohl mit unregelmäßiger Formentwicklung auf l. frica¯re (frictum) ’reiben’ zurückgeht. Zugehöriges Konkretum ist Frottee. Ebenso nschw. frottera, nnorw. frottere. Zum lateinischen Grundwort gehören noch ÞAffrikate und Þfrivol. – DEO (1982), 304; EWNl 2 (2005), 138; DF 5 (22004), 1122–1124.

Fuchsschwanz

321 frotzeln Vsw std. stil. (19. Jh.). Ursprünglich ost-ober-

deutsch. Herkunft unklar; vielleicht zu it. frottola ’Flause, Scherzlied, Märchen’, nfrz. frotter a` quelqu’un ’sich mit jmd. anlegen’ (also aus den romanischen Sprachen mit der Ausgangsbedeutung ’reiben’). Auch ein Anschluss an ÞFratze ist nicht ausgeschlossen. Abstraktum: Frotzelei.

der Tiefenpsychologie stammt und seinerseits S. Freuds Terminus Versagung wiedergibt, im 20. Jh. (bei Erich Fromm 1955 noch kursiv gedruckt, bei Mitscherlich 1956 als Zitat aus dem Englischen; erster deutscher Beleg bei W. Correll: Lernpsychologie, 1961, 28). Das Substantiv wird jugendsprachlich zu Frust (m. !).

Frucht Sf std. (9. Jh.), mhd. vruht, ahd. fruht, as. fruht.

Ebenso nndl. frustreren, ne. frustrate, nfrz. frustrer, nschw. frus-

tration, nnorw. frustrere. – HWPh 2 (1972), 1125–1127; Jones, Entlehnt aus l. fru¯ctus m. gleicher Bedeutung (zu l. W. J. SN 51 (1979), 259; Trempelmann, G. Sprachpflege 33 fruı¯ ’genießen’). Das deutsche Wort ist Femininum (1985), 145–148; Röhrich 1 (1991), 479; Carstensen 2 (1994), geworden im Anschluss an die ti-Abstrakta wie 541–543; EWNl 2 (2005), 139f.; DF 5 (22004), 1126–1129. ÞFlucht 2 usw. Adjektive: fruchtig, fruchtbar; Verb: (be-) Fuchs1 Sm (Raubtier) std. (11. Jh.), mhd. vuhs, ahd. fuhs, fruchten. as. fohs. Aus wg. *fuhsa- m. ’Fuchs’, auch in ae. fox. Ebenso nndl. vrucht, ne. fruit, nfrz. fruit, nschw. frukt, nnorw. Der Vergleich mit dem Femininum Fohe/Fähe frukt; Þfrugal. – EWahd 3 (2007), 599f.; EWNl 4 (2009), 576. (ÞFähe) zeigt, dass das s suffixal ist (wie auch bei frugal Adj ’einfach, gesund und nahrhaft’ erw. fremd. anderen Tierbezeichnungen). Suffixlos ist auch gt. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. frugal, dieses aus l. fru¯ga¯lis fauho ’Fuchs’. Wie bei span. raposo ’Fuchs’ zu span. ’Nutzen bringend, zu den Früchten gehörig’, zu l. rabo ’Schwanz’ oder lit. uode˜gis ’Fuchs’ zu lit. uodega` fru¯x (-u¯gis) ’Frucht, Getreide’, zu l. fruı¯ ’von etwas f. ’Schwanz’ ist der Fuchs nach seinem Schwanz beGenuss haben, aus etwas Nutzen ziehen’. In der Fünannt, vgl. ai. pu´ccha- ’Schwanz’ (*puk´-sk´o-), aruss. gung frugales Mahl wird meist ’reichhaltig’ darunter puchu˘ ’Pelzbesatz’, lit. paustı`s ’Tierhaar’. verstanden. Ebenso nndl. frugaal, ne. frugal, nfrz. frugal, nschw. frugal, nnorw. frugal. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þbrauchen; ÞFrucht. – Jones, W. J. SN 51 (1979), 259; DF 5 (22004), 1124 f.

früh Adj std. (8. Jh.), mhd. vruo, ahd. fruo, mndd. vro,

mndl. vroe(ch). Aus vd. *fro¯-. Außergermanisch vergleichen sich auf einer Grundlage ig. *pro¯- gr. pro¯´ı ’früh’ und ai. pra¯ta´r ’früh’. Letztlich gehört die Sippe zu der Wurzel ig. *per- ’vorne, früh, erster’. Abstraktum: Frühe. EWahd 3 (2007), 605–607; EWNl 4 (2009), 575.

Frühling Sm (Frühjahr n.) std. (15. Jh.). Die Wörter sind

Ebenso nndl. vos, ne. fox. – Kutzelnigg, A. MS 90 (1980), 185–188 (Bezeichnung nach dem Geruch); Röhrich 1 (1991), 479–483; RGA 10 (1998), 160f.; EWahd 3 (2007), 611–613; EWNl 4 (2009), 568.

Fuchs2 Sm ’angehender Student’ per. fach. (15. Jh.,

Form 17. Jh.). Älter Fux, dieses wohl umgebildet nach noch älterem Feix (Þfeixen). Für dieses wird eine Herkunft aus Feist ’Furz’ vermutet, entsprechend der Art der damaligen Schelten. Künstliche Täterbezeichnungen auf -x sind in der Studentensprache üblich. − Ein anderes Wort ist Schulfuchs, das aus dem Rotwelschen stammt und davon seinen Ausgang genommen hat, dass wjidd. schuol ’Fuchs’ bedeutet.

verhältnismäßig späte (frühneuhochdeutsche) BilRosenfeld H.-F. BGDSL-H 77 (1955), 246–305; Wolf (1985), 301. dungen, wie Spätling, Spätjahr ’Herbst’ (die sich in der Hochsprache nicht gehalten haben). fuchsen Vsw ’sich ärgern’ std. stil. (19. Jh.). Herkunft Tallen, M. DWEB 2 (1963), 159–229. unklar. Vermutlich besteht ein Zusammenhang mit fucken ’hin- und herfahren’ (Þfickfacken). Im HinFrühstück Sn std. (15. Jh.), mhd. vruostücke, vrüestücke. Zusammensetzung mit Þfrüh und ÞStück. Ursprüngblick auf die Bedeutungszusammenhänge bei lich bezeichnet es wie mhd. morgenbro¯t das morgens Þfoppen ist auch eine nähere Verbindung mit fuchsen in der Frühe gegessene Stück Brot. Im Mittelhoch’beschlafen’ zu erwägen. deutschen ist dafür auch vruo-ezzen, vruoimbı¯z m. Müller-Graupa, E. BGDSL-H 79 (1957), 466f. ’Frühessen, Frühimbiss’ bezeugt. Vgl. auch mndd. Fuchsie Sf (Topfpflanze) erw. fach. (19. Jh.). Von dem vrokost f. (entlehnt zu ndn. frokost, nschw. frukost) französischen Botaniker Plumier nach dem deut’Frühkost’ und schwz. Morgenessen sowie bair. schen Botaniker L. Fuchs so benannt (in latinisierter ÞBrotzeit ’zweites Frühstück, Zwischenmahlzeit’. Terminologie als Fuchsia). Ebenfalls schon im 15. Jh. ist die Ableitung vruostüEbenso nndl. fuchsia, ne. fuchsia, nfrz. fuchsia, nschw. fuchsia, cken belegt. nnorw. fuksia, nisl. fu´ksı´a. Röhrich 1 (1991), 479.

frustrieren Vsw ’Erwartungen enttäuschen’ std.

(17. Jh.). Entlehnt aus l. fru¯stra¯re, zu l. fru¯stra¯ ’irrtümlich, vergebens’, zu l. frauda¯re ’täuschen, betrügen’. Die heutige Bedeutung beruht auf der Übernahme des englischen Terminus frustration, der aus

Fuchsschwanz Sm ’Holzsäge’ std. (19. Jh.). Zusammen-

setzung mit ÞFuchs 1 und ÞSchwanz. Wohl so benannt nach der Form des Sägeblattes, die als dem Schwanz eines Fuchses ähnlich empfunden wurde. Weber-Keller (1990), 121–123.

fuchsteufelswild fuchsteufelswild Adj std. stil. (16. Jh.). Auch in der

Form fuchswild bezeugt. Verstärkungswort, vielleicht zu verstehen als ’wild wie ein Fuchs, wild wie ein Teufel’. Fuchtel Sf erw. obs. (16. Jh.). Frühneuhochdeutsch zu

322

gehören die Adjektive fügsam, gefügig; zu der verbal nicht mehr erhaltenen Bedeutung ’passen, sich schicken’ gehören ÞFug und ÞUnfug; zu der Bedeutung ’fügen, erlauben’ gehören Þverfügen, Þbefugt, Befugnis und unbefugt; Übertragungen sind Fügung ’Geschick’ und ungefüge.

Þfechten gebildet. Als ’Fechtdegen’ wird es zum SymEbenso nndl. voegen; Þfangen, ÞFach. – Heidermanns (1993), bol soldatischer Zucht, dann allgemein für ’Herr205; EWahd 3 (2007), 631f.; EWNl 4 (2009), 550. schaft’ (umgangssprachlich). Dazu unter der Fuchtel fühlen Vsw std. (9. Jh.), mhd. vüelen, ahd. fuolen, as. und (herum)fuchteln vor allem in bildlichem Ge(gi)fo¯lian. Aus wg. *fo¯l-ija- Vsw. ’fühlen’, auch in ae. brauch. fe¯lan, afr. fe¯la; dazu mit Ablaut anord. falma ’tappen, Þfechten, Þfuchtig. tasten’. Außergermanisch stimmt dazu (mit Erweifuchtig Adj ’erbost’ per. reg. (19. Jh.). Nach einem ähnterung) l. palpa¯rı¯ ’streicheln, schmeicheln’ (im Volichen Bild wie bei umgangssprachlich herumfuchteln kalismus zu anord. falma passend); hierzu weiter, zu Þfechten (ÞFuchtel): Wer zornig ist, gestikuliert aber mit abenteuerlichen Lautentsprechungen, gr. mit den Armen, er fuchtelt mit ihnen herum. pse¯lapha´o¯ ’ich betaste, streichle, untersuche’. Alle Fuder Sn erw. obs. (12. Jh.), mhd. vuoder, ahd. fuodar, diese Zusammenhänge sind klärungsbedürftig. − Abas. vo¯ther. Aus wg. *fo¯dra- n. ’Wagenladung’ (auch für straktum: Gefühl n., älteres Fühlung ist phraseologisch Maße und evtl. für Gefäße). Dem Sinn nach am ehesbeschränkt. Instrumentalbildung: Fühler. ten eine Instrumentalableitung zu Þfahren, Þführen, Ebenso nndl. voelen, ne. feel. – EWNl 2 (2005), 259; EWahd 3 (2007), 634–637; EWNl 4 (2009), 550. also *fo¯r-þr-; doch ist der dissimilatorische Schwund von r vor r (vgl. ÞKöder, Þfordern u.a.) so früh sonst Fuhre Sf std. (8. Jh. Bauentsprechung), mhd. vuore, nicht bezeugt. ahd. fuora. Aus wg. *fo¯ro¯ f. ’Fuhre, Fahrt’, auch in ae. Trier, J. ZSSR-GA 65 (1947), 239–243 (anders); Trier (1981), fo¯r. Das Wort ist wohl eine dehnstufige Ableitung zu 14f.; EWahd 3 (2007), 628f. Þfahren, steht aber mindestens semantisch auch unter dem Einfluss von Þführen. Kollektivum: Fug Sm erw. phras. (13. Jh.), mhd. vuoc m. ’SchicklichFuhrwerk. keit’. Heute noch in mit Fug und Recht: das GegenBammesberger, A. ZVS 99 (1986), 308f.; EWahd 3 (2007), 638. wort ÞUnfug ist aber nicht beschränkt. Ableitung zu dem unter Þfügen genannten Verb, hier in der Beführen Vsw std. (8. Jh.), mhd. vüeren, ahd. fuoren, as. deutung ’sich fügen, passen’. fo¯rian. Aus g. *fo¯r-eja- Vsw. ’führen’, auch in anord. EWahd 3 (2007), 630f.; EWNl 2 (2005), 258. fœra, ae. fœran, feran, afr. fe¯ra. Dehnstufiges Kausativum zu Þfahren, entsprechend etwa ai. pa¯ra´yati Fuge1 Sf erw. fach. (11. Jh.), mhd. vuoge, ahd. fuogı¯ ’führt hinüber’ zu ai. pı´parti ’setzt über’. Es ist aber ’Verbindungsstelle’. Abgeleitet zu dem unter Þfügen nicht ausgeschlossen, dass zwei homonyme Wurzeln genannten Verb. vorliegen (ig. *per- ’fahren’ und *per- ’durchdrinEWahd 3 (2007), 630f.; EWNl 2 (2005), 258. gen, hinüberbringen’). Präfigierung: verführen; ParFuge2 Sf ’Musikstück’ erw. fach. (15. Jh., Bedeutung tikelverben: auf-, aus-, vorführen. 17. Jh.). Entlehnt aus l. fuga, eigentlich ’Flucht, Ent-

Ebenso nndl. voeren, nschw. föra, nisl. f¢ra; Þfahren, ÞFuhre, rinnen’. So bezeichnet in einer Metapher, die den ÞFuder. – Bartholmes (1970), 151–174 (zu Führer); EWahd 3 aufeinander folgenden Einsatz von Stimmen als das (2007), 639–641; EWNl 4 (2009), 551. Davonlaufen der Stimmen voneinander auffasst. ZuFülle Sf std. (8. Jh.), mhd. vülle, ahd. fullı¯, follı¯. Aus g. nächst Bezeichnung des Kanons, dann mit der Wei*full-ı ¯n- f. ’Fülle’, auch in gt. (ufar)fullei, anord. fylli, terentwicklung in der Musik auch Veränderung der ae. fyll; Adjektiv-Abstraktum zu Þvoll. Bedeutung; das heutige Verständnis vor allem seit Þvoll, Þfüllig, ÞFüllhorn dem 17. Jh. Ebenso nndl. fuga, ne. fugue, nfrz. fugue, nschw. fuga, nnorw. füllen Vsw std. (8. Jh.), mhd. vüllen, ahd. fullen, as. fulfuga, nisl. fu´ga; ÞZentrifuge. – EWNl 2 (2005), 140; DF 5 lian. Aus g. *full-ija- Vsw. ’füllen’, auch in gt. fulljan, (22004), 1129–1131. anord. fylla, ae. fyllan, afr. fella; Faktitivum zu Þvoll, also eigentlich ’voll machen’. fügen Vsw std. (8. Jh.), mhd. vüegen, vuogen, ahd. fuoEbenso nndl. vullen, ne. fill, nschw. fylla, nisl. fylla; ÞFüller, gen, as. fo¯gian. Aus wg. *fo¯g-ija- Vsw. ’fügen’, auch in ÞFüllsel. – EWNl 4 (2009), 578. ae. fe¯gan, afr. fo¯gia. Dieses aus ig. *pa¯k´- ’befestigen’ in ai. pa¯´sa´yati ’bindet’, denominativ zu ai. pa¯´´saFüllen Sn ’Fohlen’ std. reg. (9. Jh.), mhd. vülı¯(n), vül(n), ’Schlinge’, gr. pe¯´gnymi ’ich befestige’ und von der Vavüle, ahd. fulı¯(n), mndl. vœlen. Ist eine Diminutivbilriante *pa¯g- l. compa¯ge¯s ’Fuge’. Die Ausgangsbedeudung zu ÞFohlen. Ähnliche Ableitungen sind anord. tung von fügen ist nicht mehr in großem Umfang fyl (*ful-ja) und mhd. vülhe f., ahd. fulihha f. ’weiberhalten (Fuge1, Gefüge), dagegen spielen Bedeuliches Fohlen’. tungsübertragungen eine große Rolle. Zu sich fügen Ebenso nndl. veulen und evtl. ne. filly. – EWahd 3 (2007), 620.

fungieren

323 Füller Sm std. (20. Jh.). Das Wort wurde natürlich

schon früher in systematischer Bedeutung (’jemand, der füllt’) gebraucht. Das lexikalisierte Wort ist gekürzt aus Füllfederhalter, d.h. ’Federhalter, der gefüllt werden kann’ zu ÞFeder und Þhalten. Zum Grundwort s. Þfüllen.

Füllhorn Sn erw. bildg. (17. Jh.). Lehnübersetzung aus

ÞFülle (zu Þvoll) und ÞHorn für l. cornu¯ co¯piae ’Horn der Fülle, des Reichtums’. Es bezeichnet im Deutschen zuerst wie das lateinische Vorbild ein mit Blumen und Früchten gefülltes Horn als Symbol des Überflusses, das in allegorischen Darstellungen weit verbreitet war und auf die antike Mythologie zurückgeht; danach auch übertragen für ’Überfluss’ allgemein. Nicht gehalten hat sich die etwa gleich alte Lehnübersetzung Fruchthorn. füllig Adj std. (16. Jh.). Abgeleitet von ÞFülle als Eu-

phemismus für ’dick, beleibt’. Füllsel Sn erw. obs. (15. Jh.). Mit dem nicht mehr pro-

duktiven Suffix -sal gebildetes Konkretum zu Þfüllen. Zunächst von Füllungen in Speisen gesagt, heute für Füllungen ohne eigenen Wert. fulminant Adj per. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. ful-

minant und l. fulmina¯ns (-a¯ntis) ’blitzend, Blitze schleudernd’, zu l. fulmina¯re ’blitzen und donnern’, zu l. fulmen (-minis) ’Blitz, Donnerkeil’, zu l. fulge¯re ’blitzen’. Dementsprechend einerseits ’drohend’ (veraltet), andererseits ’großartig, überwältigend’. Ebenso nndl. fulminant, ne. fulminant; Þblitzen. – Cottez (1980), 156; EWNl 2 (2005), 141; DF 5 (22004), 1131f.

fummeln Vsw ’herumtasten, unsachgemäß arbei-

ten’ std. stil. (18. Jh.). Jüngeres, aus dem Norden (mndd. fummelen) stammendes Wort, dessen Herkunft unklar ist. Vermutlich liegt eine (nicht recht durchsichtige) Lautgebärde zugrunde, da es eine Reihe ähnlicher Wörter gibt: mndd. fimmelen ’herumtasten’, nndl. fommelen ’betasten’, ne. fumble ’umhertappen’, nschw. fumla ’umhertappen’. EWNl 2 (2005), 137.

Fundament Sn std. (9. Jh.), mhd. fundament, ahd. fun-

dament. Entlehnt aus l. fundamentum n. ’Grundlage’, Konkretum zu l. funda¯re ’gründen’ zu l. fundus ’Grund, Boden’. Auch diese Vorstufen werden entlehnt (mhd. funden, fundieren; fnhd. fundus ’Grundlage’); ebenso wie die Ableitung fundamental ’grundlegend’. Ebenso nndl. fundament, ne. (Adj.) fundamental, nfrz. (Adj.) fondamental, nschw. fundament, nnorw. fundament. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞBoden. S. auch ÞFond, ÞPlafond und Þprofund. – Ganz (1957), 81; Schirmer (1911), 67; EWahd 3 (2007), 623; EWNl 2 (2005), 142; DF 5 (22004), 1133–1139.

Fundamentalismus Sm ’kompromissloses ideologi-

sches Festhalten an früheren Grundsätzen’ per. fach. (20. Jh.). Gegen Ende des 19. Jhs. organisierte sich in

Amerika eine antimodernistische Variante der protestantischen Theologie, die in allem auf die ursprünglichen Grundlagen des Christentums zurückgehen wollte und besonders von der absoluten Irrtumslosigkeit und Widerspruchsfreiheit der Bibel ausging (Feindbilder: historische Bibelkritik, Darwinismus u.a.). Die Ziele stimmten dabei zu ähnlichen Richtungen in Europa, ohne dass es zu einem Zusammenschluss gekommen wäre. Die Bezeichnung als Fundamentalismus (e. fundamentalism) bezog sich auf die seit dem 17. Jh. laufenden Bemühungen um die Feststellung der ’Grundwahrheiten’ des Christentums. Die Bezeichnung wurde bald auf andere kompromisslos antimoderne oder sonst rückwärtsgewandte Richtungen übertragen; Fundamentalisten gibt es deshalb z.B. auch in der katholischen Kirche (z.B. die Piusbruderschaft) oder bei den Grünen (’Fundis’). Das Wort Fundamentalismus (Fundamentalist, fundamentalistisch) ist im Deutschen seit den 20er Jahren des 20. Jhs. üblich, gesteigerte Aufmerksamkeit fand es seit den 70er Jahren des 20. Jhs. durch das Gefühl der Bedrohung durch einen islamischen Fundamentalismus, der in entsprechender Weise den Koran wörtlich auslegt (seine Selbstbezeichnung ist teilweise Islamismus). Bedrohlich wirkt dabei dessen Abwehrhaltung gegenüber der als materialistisch und dekadent eingestuften westlichen Zivilisation (s. ÞFundament). Fundgrube Sf std. (14. Jh.). Zusammensetzung aus

Fund (Þfinden) und ÞGrube. Zuerst nur bergmännisch gebraucht für ’Stelle, wo Erz für eine sich lohnende Ausbeutung zu finden ist’; der übertragene Gebrauch (’Ort mit ergiebigen, wertvollen Informationen’) ist aber schon um 1500 bezeugt. Wolf (1958), 168f.; Mendels, J. MS (1963), 168f.

fünf AdjNum std. (8. Jh.), mhd. vünf, ahd. fimf, as. fı¯f .

Aus g. *femf(e), auch in gt. fimf, anord. fim(m), ae. fı¯f, afr. fı¯f. Mit f aus ig. qw nach Labial aus ig. *penq we Adj. (Num.) ’fünf’ in ai. pa´n˜ca, gr. pe´nte, l. quı¯nque, air. co´ic, lit. penkı`, akslav. pe˛tı˘. Auch die Ordinalzahl fünfter ist von grundsprachlichem Alter (*penq w-to), aber im Germanischen wohl sekundär dem Lautstand der Kardinalzahl angepasst worden. Ebenso nndl. vijf, ne. five, nschw. fem, nisl. fimm; ÞFinger. – van Windekens, A. J. IF 87 (1982), 8–14; Shields, K. Diachronica 2 (1985), 189–200; Voyles, J. JEGP 86 (1987), 487–495; Bengtson, J. D. Diachronica 4 (1987), 257–262; Meyer/Suntrup (1987), 403–442; Ross/Berns (1992), 584f., 599f., 616f.; Blazˇek, V. IF 195 (2000), 100–119; EWahd 3 (2007), 239–244; EWNl 4 (2009), 525.

fungieren Vsw ’eine bestimmte Aufgabe haben bzw.

ausführen’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus l. fungı¯ (fu¯nctus sum) ’verrichten, vollziehen’. Ebenso nndl. fungeren, nschw. fungera, nnorw. fungere; ÞFunktion. – EWNl 2 (2005), 142f.; DF 5 (22004), 1153–1155.

Funk

324 Funk Sm std. (20. Jh.). In der Frühzeit der drahtlosen

MS 81 (1971), 22–41 (zu Funktionär); EWNl 2 (2005), 141f.; DF 5 2

( 2004), 1155–1166. Telegraphie standen sich in Deutschland die Bezeichnungen Funkentelegraphie (A. Slaby, seit 1897) und Funzel Sf std. vulg. (18. Jh.). Vermutlich eine neuere Wellentelegraphie (F. Braun) gegenüber, ersteres Ableitung auf -sel zu der Grundlage von ÞFunke(n); wegen der beim Bilden der Kontakte entstehenden vielleicht ist es auch aus funk-sel (nndl. vonksel Funken (die mit Drähten arbeitende Telegraphie war ’Zündstoff’, 17. Jh.) vereinfacht. vom Prinzip der Funkenbildung bereits zu leistungsGlombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 231f. fähigeren Verfahren übergegangen). Beim späteren für Präp std. (8. Jh.), mhd. vür(e), ahd. furi, as. furi. Aus Ausbau erweisen sich diese Ausdrücke, von denen vd. *furi ’vor, für’; vergleichbar ist anord. fyr(ir) sich der erste bald durchsetzt, als zu lang, so dass vor ’vor’, aus vd. *pri zu ig. *per- ’vorne, früh, erster’. Die allem viele Klammerformen mit Funken- gebildet ˙ kein genaues Vergleichsstück Bildung selbst hat werden (Funkenwagen, Funkentelegramm). Dann ist (außer evtl. kelt. are- in Namen), ist aber als Lokativ offenbar (bezeugt seit 1904) eine Verdeutschung ohne weiteres klar. Von derselben Stufe ist ÞFürst Funkspruch (für Funkentelegraphie) mit Kürzung des gebildet; mit anderer Endung gehört dazu Þvor; die Vorderglieds gebildet worden; ungefähr gleichzeitig Abgrenzung in der Bedeutung (nach der Þfür nur wird die (wohl denominale) Täterbezeichnung noch im übertragenen Sinn steht) ist erst neuhochFunker gebildet, seit 1914 gibt es das Verb Þfunken, seit deutsch. 1918 auch Rundfunk. ÞFunke(n), Þfunkeln. – Slaby, A.: Die Funkentelegraphie (Berlin 1897); Runge, W. T. Technik Geschichte 37 (1970), 146–166; Goldt, V.: Zentralbegriffe der Elektrizitätsforscher (Frankfurt/Main 1999), 117–121.

Funke(n) Sm std. (11. Jh.), mhd. vunke, ahd. funko,

S. auch ÞFrau, Þfromm, Þfrüh. – EWahd 3 (2007), 660f.

Furage Sf ’Futter’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz.

fourrage m., dieses aus afrz. fuerre ’Viehfutter’, das wohl germanischen Ursprungs ist (g. *fo¯dra- n., s. ÞFutter 1). Dazu Furier m. ’Unteroffizier, der für das Quartierwesen zuständig ist’.

mndd. vunke f., mndl. vonke. Aus vd. *fun-k-o¯n m. ’Funke, Feuer’. Eine Zugehörigkeitsbildung zu dem Ebenso nndl. foerage, ne. forage, nschw. furage, nnorw. furasje. – EWNl 2 (2005), 106; DF 5 (22004), 1170–1174. schwundstufigen n-Stamm von ÞFeuer. Die mhd. Variante vanke setzt eine o-Stufe voraus, die nach fürbass Adv ’besser fort, weiter’ per. arch. (13. Jh.), dem paradigmatischen Ablaut nicht zu erwarten mhd. vürbaz. Aus Þfür und baz, dem alten Adverb wäre. Vielleicht handelt es sich bei ihr um eine bloße von Þbesser. Lautabwandlung. In der Schweiz ist Funke(n) auch Þbass. ’Freudenfeuer’. Furche Sf std. (8. Jh.), mhd. furch, ahd. fur(u)h, mndd. ÞFunk, Þfunkeln, Þfunken, ÞFunzel. – Bahder (1925), 63f.; vore, vare, mndl. vorke. Aus wg. *furh-(o¯) f. ’Furche’, EWahd 3 (2007), 624–626. auch in ae. furh, afr. furch. Dieses zu ig. (weur.) *prk´funkeln Vsw std. (15. Jh.). Iterativbildung zu Þfunken in o/a¯ ’Furche’, auch in l. porca ’Erhöhung zwischen ˙ seiner ursprünglichen Bedeutung ’Funken von sich zwei Furchen’, kymr. rhych ’Furche’. Das Wort gehört geben’. weiter zu (ig.) *perk´- ’aufreißen, wühlen’. Verb: EWNl 2 (2005), 111. furchen. funkelnagelneu Adj std. stil. (18. Jh.). Älteres funkelneu Ebenso nndl. voor, ne. furrow; ÞFerkel. – Griepentrog (1995), 185–199; Vennemann (1998), 254 f ; EWahd 3 (2007), 679–681. (’so neu, dass es noch funkelt’) ist mit nagelneu (’frisch genagelt’) zusammengezogen zu der heute Furcht Sf std. (8. Jh.), mhd. vorht(e), ahd. forahta, as. üblichen Verstärkung funkelnagelneu. for(a)hta. Ist wie gt. faurhtei, ae. fyrhto, afr. fruchte eine Abstraktbildung zu einem Adjektiv g. *furhtafunken Vsw std. (13. Jh., Bedeutung 20. Jh.), mhd. vun’furchtsam’ in gt. faurhts, ae. forht, ahd. -for(a)ht, as. ken ’Funken von sich geben’. Heute (bereits veraltet) for(a)ht; von derselben Grundlage das Verb fürchten für ’drahtlos telegraphieren’. g. *furht-ija- in gt. faurhtjan, ae. forhtian, fyrhtan, afr. ÞFunk. fruhtia, as. forhtian, ahd. for(a)hten, furhten. Das allen Funktion Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. fu¯nctio diesen Bildungen zugrunde liegende Adjektiv *furh’Verrichtung, Obliegenheit’, Abstraktum zu l. fungı¯ ta- ist offenbar eine to-Bildung (Partizip) zu einem ’verrichten’ (Þfungieren). Hierzu Ableitungen, die seVerb (ig.) *perk-, das so nicht belegt ist (allenfalls mantisch z.T. stark auseinanderfallen, weil die zugetoch. AB pärsk- ’sich fürchten’, sk-Präsens, das auf hörigen Wörter teils unmittelbar aus dem Latein, teils *perk-sk´- zurückgehen kann). Im übrigen wohl eine über das (weiterentwickelte) Französische entlehnt Erweiterung auf -k- (oder -g-) zu *per-, das in Wörwurden. Adjektive: funktional (l.) und funktionell tern für ’Gefahr’, ’riskieren’ u.ä. auftaucht (ÞGefahr). (frz.); Verb: funktionieren (frz.); Täterbezeichnung: Nach Vennemann aus einem Substrat entlehnt. Funktionär (frz.). Hierzu die Adjektiv-Bildungen furchtbar, furchtsam, Ebenso nndl. functie, ne. function, nfrz. fonction, nschw. funkfürchterlich und furchtlos. tion, nnorw. funksjon. – Schirmer (1912), 25; Breitling, R.

Füsilier

325 Ebenso ne. fright. S. auch die Literaturangaben unter ÞAngst. – Kutzelnigg, A. Orbis 19 (1970), 492–499 (anders); Bergenholtz, H. / Faets, A.-Th. in Jäger (1988), 56–94; Heidermanns (1993), 225f.; Vennemann (1997), 890–892; EWahd 3 (2007), 478–481.

fürder Adv per. arch. (9. Jh.), mhd. vürder, vurder, ahd.

furdir ’weiter’. Entsprechend ae. furdoÑ r, furduÑ r. Geht wohl auf eine Erweiterung der alten Adverbialform des Komparativs zu Þfort zurück. Vgl. ne. further. S. auch Þfördern.

Furie Sf ’wütende Frau’ std. bildg. (16. Jh.). Entlehnt

aus l. Furia, übertragen von der Bezeichnung der Rachegöttinnen in der Mythologie, zu l. furia ’Wut, Raserei’, einer Ableitung von l. furere ’rasen, wüten’. Die Bedeutung ’Rachegöttin’ basiert auf einer Identifikation mit den griechischen Rachegöttinnen, den Erinnyen. Ebenso nndl. furie, ne. fury, nfrz. furie, nschw. furie, nnorw. furie; Þfurios, ÞFurore. – Jones, W. J. SN 51 (1979), 259; EWNl 2 (2005), 143; DF 5 (22004), 1174–1177.

furios Adj ’rasend, mitreißend, leidenschaftlich’ erw.

Furt Sf std. (9. Jh.), mhd. vurt m., ahd. furt m., as. vord.

Aus wg. *furdu- m. ’Furt’, auch in ae. ford m., afr. forda m. Das Femininum dringt erst mittelhochdeutsch vor, vermutlich in Analogie zu den ti-Abstrakta wie ÞGeburt. Allerdings könnten Ortsnamen wie Fürth und ae. -fyrd darauf hinweisen, dass das Femininum ebenfalls alt ist. G. *furdu- beruht auf ig. *prtu- ’Durchgangsmöglichkeit, Zugangsmöglich˙ Furt’, auch in avest. p¡r¡tauu- m./f. ’Furt, Brükeit, cke’ (vgl. Euphrat, avest. hu-p¡r¡θβ(ii)a- ’dessen Furt gut ist’), l. portus m. ’Hafen’, kymr. rhyd ’Furt’; zu *per- ’hinüberbringen, überbringen’ (Þfahren, Þführen). Eine gleichartige hochstufige Bildung in anord. fjo¸rdrÑ n. ’Meeresarm, Bucht, Fjord’ (dazu ÞFjord, ÞFörde). Ebenso nndl. voorde, ne. ford; ÞPortier. – RGA 10 (1998), 258f.; EWahd 3 (2007), 676–679; EWNl 4 (2009), 559.

Fürtuch Sn ’Schürze’ per. obd. (15. Jh.), spmhd. vor-

tuoch. Eigentlich ’das vorgebundene Tuch’, deshalb auch für ’Serviette’. Þvor, Þfür, ÞTuch.

fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus l. furio¯sus, Adjektiv zu l. Furunkel Sm ’Eitergeschwür’ erw. fach. (16. Jh.). Entfuria ’Wut, Raserei’. Hierzu auch furioso ’leidenlehnt aus l. fu¯runculus, eigentlich ’kleiner Dieb’; auch schaftlich’ als Tempo-Angabe in der Musik (über die ’Nebenschössling eines Rebstocks’, einem Diminutientsprechende italienische Form). vum von l. fu¯r ’Dieb’, eigentlich ’jmd., der etwas wegEbenso nndl. furioes (’wütend’), ne. furious (’wütend, rasend’), trägt’, zu l. ferre ’tragen’. nfrz. furieux (’wütend’); ÞFurie. – DF 5 (22004), 1177–1179.

furnieren Vsw ’mit höherwertigem Holz überzie-

Ebenso nndl. furunkel, ne. furuncle, nfrz. furoncle, nschw. furunkel. Zum Bedeutungsübergang vgl. etwa ÞMitesser. Zur Sippe des lateinischen Grundworts s. ÞDifferenz.

hen’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus frz. fournir ’versehen’, aus awfrk. *frummjan ’fördern’, zu ahd. Fürwort Sn erw. fach. (17. Jh.). Neben ursprünglich anfrummen ’vollbringen’ u.ä. (zu dessen Sippe s. deren Bedeutungen (wie ’Ausflucht, Fürsprache’) Þfromm). In der Fachsprache wird die Bedeutung im wird das Wort seit dem 17. Jh. als Lehnübertragung zu Deutschen spezialisiert. Hierzu als Konkretum l. praepositio f. ’Präposition’, eigentlich ’das VoranFurnier. gesetzte’ verwendet (mit Þfür in der alten Bedeutung Ebenso nndl. fineer, ne. veneer, nschw. faner, nnorw. finer. – ’vor’). Nachdem für und Þvor im 18. Jh. funktionell EWNl 2 (2005), 82f., 121; DF 5 (22004), 1180–1183. getrennt worden waren, entsprach nhd. für dem l. pro¯, so dass der grammatische Terminus nun auf l. Furore Sf per. phras. (18. Jh.). (Vor allem in der Wenpro¯no¯men übertragen werden konnte. dung Furore machen ’Aufsehen erregen’). Nach it. far Pfaff (1933), 30. furore ’Begeisterung erwecken’, zu it. furore m. ’heftige Gemütsbewegung, Wut, Raserei’, dieses aus l. Furz Sm std. vulg. (11. Jh.), mhd. vurz, spahd. furz, furor (-o¯ris) m., zu l. furere ’rasen, wüten’. mndd. vort, mndl. vort. Aus vd. *furti- m. ’Furz’. AbEbenso nndl. furore, ne. furore, nfrz. fureur, nschw. furor, nnorw. furore; ÞFurie. – EWNl 2 (2005), 143; DF 5 (22004), 1183–1186.

Fürst Sm std. (8. Jh.), mhd. vürste, ahd. furisto, as. fu-

straktbildung zu g. *fert-a- Vst. ’furzen’ (Þfarzen). Denominal spmhd. vurzen. Seebold (1970), 194f.; EWahd 3 (2007), 318, 689f.

Fusel Sm std. vulg. (18. Jh.). Bezeichnung für schlechten

risto. Substantivierung zu dem Superlativ g. *furistaBranntwein. Die Herkunft des Wortes ist unklar. Da ’der erste’ in anord. fyrstr, ae. fyr(e)st, afr. ferist, ferst, es zuerst im Rotwelschen bezeugt ist, ist ein Anferost, ahd. furist, as. furist. Die Bedeutungsspezialischluss an l. fu¯silis ’flüssig’ wenig wahrscheinlich. sierung wie in l. prı¯nceps ’der Erste, Fürst’, zu dem es Füsilier Sm ’Schütze’ per. arch. (17. Jh.). Entlehnt aus wohl eine Bedeutungsentlehnung ist. Zu den Bildunfrz. fusilier, einer Ableitung von frz. fusil (a` silex) gen im Positiv s. Þfür und Þvor. Komparativ ahd. ’Feuersteinflinte, (älter: Feuerstrahl)’, das über spätfuriro, anord. fyrr(i). Adjektiv: fürstlich; Konkretum: lateinische Zwischenstufen zurückgeht auf l. focus Fürstentum. ’Feuerstätte, Herd’. Hierzu das ebenfalls archaische Schröder, E. ZSSR-GA 44 (1924), 9–29, RGA 10 (1998), füsilieren ’standrechtlich erschießen’. 163–165; EWahd 3 (2007), 669; EWNl 4 (2009), 567f.

Fusion

326 Ebenso nndl. fusilier, ne. fusilier, nschw. fysiljer; ÞFoyer. – DF 1 (1913), 230; EWNl 2 (2005), 143f.

Fusion Sf ’Verschmelzung, Zusammenschluss’ erw.

fremd. (18. Jh., vereinzelt 16. Jh.). Entlehnt aus l. fu¯sio (-o¯nis) ’das Gießen, das Schmelzen’, einem Abstraktum von l. fundere ’gießen’. Zunächst in der konkreten Bedeutung des (Ver-)Schmelzens entlehnt, dann Verallgemeinerung und Übertragung der Bedeutung. Ebenso nndl. fusie, ne. fusion, nfrz. fusion, nschw. fusion, nnorw. fusjon; ÞFondue. – Schirmer (1912), 67; EWNl 2 (2005), 143f.; DF 5 (22004), 1186–1190.

Fuß Sm std. (8. Jh.), mhd. vuoz, ahd. fuoz, as. fo¯t. Aus g.

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Futter Sn ’Nahrung’ std. (8. Jh.), mhd. vuoter, ahd.

fuotar, mndd. voder, vo¯r, mndl. voeder. Aus g. *fo¯dran. ’Futter’, auch in anord. fo´drÑ , ae. fo¯dder; daneben mit ursprünglich gleicher Bedeutung (g.) *fo¯stra- in anord. fo´str ’Erziehung, Unterhalt’, ae. fo¯stor, as. in fo¯stir-mo¯dar f. Dazu als Verbum g. *fo¯d-ija- ’füttern’ in gt. fodjan, anord. fœdaÑ , ae. fe¯daÑ n, afr. fe¯da, as. fo¯dian, ahd. fuoten, im Deutschen ersetzt durch das denominative füttern; von der Schwundstufe ahd. fatunga f. ’Nahrung’. Zu ig. (eur.) *pa¯-t-/p¡-t- ’nähren’ in gr. pate´omai ’ich esse, verzehre’. (Dieses ist wohl von der Wurzel *pa¯- ’weiden’ zu trennen, da diese näher zu *po¯i- ’weiden, hüten, schützen’ gehört).

Ebenso nndl. voer, ne. fodder, nschw. foder, nisl. fo´duÑ r; *fo¯t-(u)- m. ’Fuß’, auch in gt. fotus, anord. fo´tr, ae. fo¯t. ÞFurage. – Tiefenbach (1973), 38–42; EWahd 3 (2007), 643f.; Dieses aus ig. *pod- m. ’Fuß’ (mit starkem Ablaut EWNl 4 (2009), 551. innerhalb des Paradigmas, einzelsprachlich verschie2 den ausgeglichen): ai. pa¯´t, gr. (dor.) po¯´s, l. pe¯s, toch. A Futter Sn ’Unterfutter’ std. (12. Jh., fedarfuotar 8. Jh.), mhd. vuoter ’Unterfutter, Futteral’, ahd. fuotar, pe, toch. B paiyye und Ableitungen in anderen Spramndd. voder, vo¯r. Aus g. *fo¯dra- n. ’Unterfutter, Futchen. Zu e -stufigen Ableitungen von diesem Wort s. teral, Scheide’, auch in gt. fodr ’Scheide’, anord. fo´drÑ ÞFessel 1. Letztlich Lautnachahmung für schwerfälli’Futteral, Scheide, Kleiderfutter’, ae. fo¯dder, afr. fo¯der. ges Auftreten. − Die Rechtsformel stehenden Fußes Offensichtlich eine Instrumental-Ableitung auf -tro-, bezog sich ursprünglich darauf, dass ein Urteil nur wie sie auch in ai. pa¯´tra- ’Behälter, Gefäß’ vorliegt gescholten werden konnte, so lange der Scheltende (ein ebenfalls genanntes heth. pattar, pattur ’Korb’ ist seinen Fuß noch nicht von der Stelle gerückt hatte. nicht ausreichend sicher nachzuweisen). Das altinVerb: fußen. dische Wort erweist sich dabei als klare Ableitung von Ebenso nndl. voet, ne. foot, nschw. fot, nisl. fo´tur; ÞPedal, ai. pa¯´ti ’schützt, behütet, bewahrt’, das auf ig. *pahÞPodium. – Sommer (1977), 13–15; Sonderegger, St. Orthozurückzuführen ist (heth. pahs- ’schützen’). Hierzu pädische Praxis 18 (1982), 539–548; RGA 10 (1998), 267–269; Griepentrog (1995), 153–183; Schmidt-Wiegand, R. FS 25 auch gr. po˜ma ’Deckel’. Ausgangsbedeutung des ger(1991), 283–299 (zu stehenden Fußes); EWahd 3 (2007), 649–652; manischen Wortes ist also ’Schutz’. EWNl 4 (2009), 551f.

Fußball Sm std. (17. Jh.). Lehnübersetzung mit ÞFuß

und ÞBall 1 für gleichbedeutendes ne. football, das auch als Fremdwort im Deutschen verwendet wurde.

ÞFutteral. – EWahd 3 (2007), 642f.

Futteral Sn std. (14. Jh.). Entlehnt aus ml. fotrale, das

seinerseits aus ÞFutter 2 entlehnt und weitergebildet ist.

Ebenso nndl. voetbal, ne. football, nfrz. football, nschw. fotboll, Ebenso nndl. foedraal, nschw. fodral, nnorw. futteral. – nnorw. fotball, nisl. fo´tbolti. – Stiven (1936), 96; Gillmeister, EWNl 2 (2005), 105; DF 5 (22004), 1190–1193. H. Stadion 10 (1984), 77–94; Rey-Debove/Gagnon (1988), Futur Sn ’Zukunft’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. 317f.

Fussel Sf ’Faser’ erw. reg. (19. Jh.). Herkunft unklar,

wohl Variation zu mhd. visel, vesel m./f. entsprechender Bedeutung (und ebenfalls unklarer Herkunft). Fußstapfe Sf std. (12. Jh.), mhd. vuozstaphe, ahd. fuoz-

stapho. Zu ÞStapf . Vielfach dafür Fußtapfe mit falscher Ablösung, was weiterhin zu einem schwachen Verb tapfen für stapfen geführt hat. Fut Sf ’Scheide’ erw. vulg. reg. (13. Jh.), mhd. vut.

Grundwort zu ÞFotze. futsch Interj (pfutsch Adj., bair. pfutsch Adj.) ’zunich-

te’ std. vulg. (18. Jh.). Offensichtlich eine Lautgebärde wie in Þwitschen u.ä. Also zuerst ’weg’, dann ’zunichte’. Zu beachten ist die lautliche Nähe von frz. foutu ’futsch’ (Partizip von foutre, vermutlich in der ursprünglichen Bedeutung ’beschlafen’). S. auch unter Þpfuschen. – Spitzer, L. WS 5 (1913), 212 (anders); Knobloch, J. ZDL 51 (1984), 3606; EWNl 2 (2005), 106f.

(tempus) futu¯rum, zu l. futu¯rus ’zukünftig’, eigentlich ’sein werdend’. Ebenso ne. future, nfrz. futur, nschw. futurum, nnorw. futurum. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þbauen. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 62; DF 5 (22004), 1193–1195.

G Gabe Sf std. (11. Jh.), mhd. ga¯be, ahd. ga¯ba, mndd. gave. gackern (auch gacksen, gackeln) Vsw std. (11. Jh.). Laut-

Verhältnismäßig spät bezeugte Abstraktbildung zu g. malende Bildungen wie ahd. gackezzen, gackizzo¯n *geb-a- ’geben’ von der Vokalstufe des Präteritums ’schnattern’. Der Laut der Hühner wird mit gack Plural. Ältere Bildungen gleicher Bedeutung sind nachgeahmt, ähnlich auch in anderen Sprachen. ahd. geba und ahd. gift (ÞGift). Der Plural Gaben beGlombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 193–197; EWNl 2 (2005), 153. zeichnet auch ’Talente’ (das, was man ’mitbekommen’ hat). Gadem (auch Gaden) Smn ’Haus mit nur einem Raum’ Þbegabt. – von Olberg, G. FS Schmidt-Wiegand (1986), u.ä. per. arch. reg. (8. Jh.), mhd. gadem, gaden n., ahd. 625–645; LM 4 (1989), 1069; Röhrich 1 (1991), 497; RGA 10 gadum, gadem n., mndd. gadem, ga¯m n., mndl. gadem (1998), 301f.; EWNl 2 (2005), 177. n., afr. gathem n. Im Hinblick auf Wörter wie ÞGelass, Niederlassung u.ä. ist am ehesten an ein gäbe Adj (nur noch in Þgang und gäbe) std. phras. Wort für ’lassen’ anzuknüpfen, das über ’freilassen’ (12. Jh.), mhd. g¢be, mndd. geve, mndl. gave, gheve. zu der Bedeutung ’freier Raum’ führt. In Frage Afr. je¯ve, ge¯be, anord. g¢fr ’gut, tüchtig, annehmbar, dienlich’. Eigentlich Adjektiv der Möglichkeit zu kommt dabei als Grundlage gr. chate´o¯ ’ermangle, beÞgeben, also ’was gegeben werden kann’; die tatsächdarf’, wozu ohne den Dental ai. jihite¯ ’zurücklassen, liche Bedeutung war aber eher ’annehmbar’. Platz machen’ und gr. cho¯ra ’freier Raum’. Für das Germanische ist also von *g´h¡-t-mo- ’freier Raum, Heidermanns (1993), 236f.; EWNl 2 (2005), 147. leerer Raum’ auszugehen. Gabel Sf std. (9. Jh.), mhd. gabel(e), ahd. gabala, as. Törnqvist, N. NPhM 61 (1960), 153–159; Öttinger, N. HSF gabÐ ala, gaflia. Aus wg. *gablo¯ f. ’Gabel’, auch in ae. 120 (2007), 115–127; EWahd 4 (2009), 5–7. gafol; ig. (weur.) *g hab hlo- ’Gabel’, auch in air. gabul Gaffel Sf ’Segelstange mit gabelförmigem Rundholz, f./m. ’Gabel, Schenkelspreize’; l. gabalus m. ’Galgen’ das den Mast von hinten umfasst’ per. fach. (18. Jh.). ist wohl aus dem Keltischen entlehnt; ohne das l-SufMittelniederdeutsche und mittelniederländische fix ai. gabha´- m. ’Vulva, Schenkelspreize’. Weitere Form von ÞGabel. Herkunft unklar. Die Bedeutung geht wohl von der EWNl 2 (2005), 152. Schenkelspreize aus, geht dann über zu ’Astgabel’ (vgl. etwa Gabelung) und dann zu der (Mist- usw.) gaffen Vsw std. (11. Jh.). Vgl. ahd. geffida f. ’BetrachGabel als Arbeitsinstrument. Als Essgerät im deutschtung’; mndd. gapen, mndl. gapen ’den Mund aufsprachigen Bereich ungefähr seit dem 17. Jh. Verb: sperren’, ebenso anord. gapa; dazu ae. ofergapian (auf-)gabeln; Modifikation: Gabelung. ’vergessen, vernachlässigen’. Expressives und deshalb lautlich unfestes Wort zu ig. *g´ h¯e-/g´ h¡- ’gähnen, klafÞaufgabeln, ÞGaffel. – Trier, J. ZDA 76 (1939), 15–19, 40–43; LM 4 (1989), 1069f.; Röhrich 1 (1991), 497; RGA 10 (1998), 307; fen’, z.B. in gr. cha´sko¯ ’ich gähne, klaffe’. Labiale ErEWahd 4 (2009), 1f. weiterungen (die lautlich nicht genau mit dem germanischen Wort übereinstimmen) sind lit. ˇziopso´ti Gabelfrühstück Sn ’zweites Frühstück in der Art eines ’mit offenem Mund dastehen’, ai. ha¯phika¯ ’das Gähkalten Büfetts, besonders bei festlichen Anläsnen’ u.a.. Unter Umständen ist das litauische Wort sen’ erw. obs. (19. Jh.). Lehnübersetzung aus frz. de´(*g hija¯p-s-) Anlass zum Ansatz von ursprünglicherem jeuner a` la fourchette; so genannt, weil man im Stehen (ig.) *g hj¡b- für das Germanische. Dies würde einen einzelne Häppchen mit der ÞGabel aufnahm. sonst nicht bezeugten Übergang von ig. *g hj- > g. Höfler, M. ZDS 24 (1968), 127f.; Schwake, H. P. SN 47 (1975), 265–274. g-voraussetzen. Nomen Agentis: Gaffer; Präfigierung: sich vergaffen. Gabelstapler Sm erw. fach. (20. Jh.). Gerät zum Stapeln Þgähnen, Þjappen. – Lokotsch (1975), 88; EWNl 2 (2005), von schweren Waren mit Hilfe eines verschiebbaren, 167f. gabelförmigen Greifers. Vielleicht Lehnübertragung Gag Sm ’witziger Einfall, Besonderheit’ erw. fremd. von ne. forklift (truck). (20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. gag. Carstensen 2 (1994), 550.

gach Adj Þjäh.

Ebenso nndl. gag, nfrz. gag, nschw. gag, nnorw. gag. Das Wort bezeichnet zunächst einen ’Knebel’, dann einen Einschub in

Gagat

328 den vorgesehenen Text durch die Schauspieler und schließlich einen vorbereiteten (plumpen) Scherz innerhalb eines Stücks. Ausgangsbedeutung ist also wohl (verbal) ’stopfen’, (nominal) ’Stopfen, Knebel’ und dann ’Einschub’. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 333f.; Carstensen 2 (1994), 550–553; EWNl 2 (2005), 152.

Gagat Sm ’als Schmuckstein verwendete Pechkoh-

le’ per. fach. (13. Jh.), mhd. gaga¯tes. Ist entlehnt aus l. gaga¯te¯s (lapis), dieses aus gr. gaga´te¯s. So benannt nach der Stadt und dem Fluss Gagas in Kleinasien. Ebenso nndl. git, ne. jet, nfrz. jais, nschw. gagat. – Lüschen (1979), 221; EWNl 2 (2005), 284f.

Gage Sf ’Künstlerhonorar’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt

aus frz. gages Pl. ’Löhnung, Sold’, dem Plural von frz. gage m. ’Pfand, Spieleinsatz’, (mit romanisch g < w) aus awfrk. *wadi ’Pfand, Einsatz’ (g. *wadja). Zunächst verwendet zur Bezeichnung der Entlöhnung von Soldaten. Ebenso nndl. gage, ne. gage, nschw. gage. Zum zugrunde liegenden germanischen Wort s. ÞWette; ÞEngagement. – Kluge (1911), 293; DF 1 (1913), 230f.; Jones (1976), 352f.; DEO (1982), 309 (anders); EWNl 2 (2005), 153.

Gähnaffe Sm ÞMaulaffe. gähnen Vsw std. (8. Jh.), mhd. genen, ginen, geinen, ahd.

gine¯n, gino¯n, as. ginon. Verschiedene Bildungen, die auf einem Nasalpräsens von einer Grundlage g. *geiberuhen. Vgl. als starkes Verb anord. gı´na, ae. gı¯nan; als schwaches Verb ae. ga¯nian usw. Ausgangsbedeutung ist ’gähnen, klaffen’; außergermanisch bezeugt in l. hia¯re ’klaffen, gähnen’, lit. ˇzio´ti ’öffnen’, refl. ’gähnen’, akslav. zino¸ti ’gähnen, klaffen’. Die neuhochdeutsche Form ist eine Schriftaussprache einer etymologisch unrichtigen Schreibung. ÞChaos, Þgaffen. – Seebold (1970), 219–221; EWahd 4 (2009), 124f., 337–340.

das vermutlich aus einem germanischen Wort entlehnt ist. Auch die entsprechenden italienischen und spanischen Wörter können an der Entlehnung beteiligt sein. Abstraktum: Galanterie. Die Galanterie-Waren ’modisches Zubehör’ hängen von der mit ÞGala ausgedrückten Bedeutungsspezialisierung zusammen. Ebenso nndl. galant, ne. gallant, nschw. galant, nnorw. galant. – DF 1 (1913), 231f.; Thurau, E.: ’Galant’ (Frankfurt/M. 1936); Lokotsch (1975), 68f.; Jones (1976), 355f.; DEO (1982), 310f.; Stehmeier, S. ASNSL 222 (1985), 144f.; EWNl 2 (2005), 154f.

Galaxis (auch Galaxie) Sf ’Milchstraße’ per. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus ml. galaxia¯s, dieses aus gr. galaxı´as (ky´klos) ’Milchkreis’, zu gr. ga´la n. ’Milch’. Heute wird zwischen Galaxis ’Milchstraße’ und Galaxie ’Sternensystem’ unterschieden. Adjektiv: galaktisch. Ebenso ne. galaxy, nfrz. galaxie, nschw. galax, nnorw. galakse; ÞMilchstraße.

Galeere Sf ’von Sträflingen gerudertes Schiff’ erw. obs.

exot. (16. Jh.). Entlehnt aus it. galera, dieses mit Suffix-Erweiterung aus ml. galea, aus mgr. gale´a, wohl zu gr. gale´¯e ’Wiesel’, übertragen ’Schwertfisch’, nach der Wendigkeit dieses Schiffstyps. Dazu das mit einem Augmentativsuffix aus der gleichen Grundlage gebildete ÞGaleone, mit dem ein größeres Handels- und Kriegsschiff bezeichnet wird. ÞGalionsfigur bezeichnet eine Figur am Bug eines solchen Schiffes (die Lautform ist bedingt durch das Niederländische, aus dem das Wort entlehnt ist). Ebenso nndl. galei, ne. galley, nfrz. gale`re, nschw. galär, nnorw. galei, nisl. galeidaÑ . – DF 1 (1913), 232; Hesseling, D. C. NPh 6 (1921), 208–213; Kahane, H., Kahane, R. FS Wartburg (1958), 428–439; Jones, W. J. SN 51 (1979), 259f.; EWNl 2 (2005), 155, 157f.

Galeone Sf ÞGaleere.

Gala Sf ’festliche Kleidung’ erw. stil. (17. Jh.). Entlehnt Galerie Sf ’umlaufender Gang, Kunsthandlung, Rang

aus span. gala f. ’Staatskleidung, Festlichkeit’, das vermutlich zu frz. galer ’sich erfreuen’ gehört (Þgalant). Die Entlehnung erfolgt zunächst in Zusammensetzungen (z.B. Galakleid, Galavorstellung). Ebenso nndl. gala, ne. gala, nfrz. gala, nschw. gala, nnorw. galla; ÞGalan, Þgalant. – Götze, A. ZDW 2 (1902), 279; DF 1 (1913), 231; Schramm (1914), 49–57; Littmann (1924), 100f.; Lokotsch (1975), 68f.; Princi Braccini, G. AION-G 27 (1984), 135–205; EWNl 2 (2005), 154.

galaktisch Adj. ÞGalaxis. Galan Sm ’Höfling, Liebhaber’ erw. obs. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus span. gala´n m., dieses aus dem Adjektiv span. galano ’in Gala gekleidet, höfisch, artig’ zu ÞGala unter Einfluss von frz. galant. Ebenso ne. gallant, nfrz. galant, ndn. galan, nnorw. galan; Þgalant. – DF 1 (1913), 231.

galant Adj ’höflich, zuvorkommend’ erw. fremd.

(17. Jh.). Entlehnt aus frz. galant ’liebenswürdig’, dem PPräs. von afrz. galer ’sich erfreuen, unterhalten’, einer Ableitung von afrz. gale ’Vergnügen, Freude’,

(usw.)’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus it. galleria oder frz. galerie ’Säulengang’, wozu metonymisch ’Gemäldesammlung’ nach den in solchen Gängen aufgehängten Bildern. Das Wort geht vermutlich (mit Dissimilierung des l zu r) auf ml. galilea ’Vorhalle einer Kirche’ zurück; dieses wiederum auf den Namen der Provinz Galilea in Palästina. Diese Provinz gilt im Neuen Testament allgemein für heidnisch; deshalb wird mit dem Namen in Rom der Aufenthaltsplatz von Ungetauften während des Gottesdienstes bezeichnet. Anders: DEO. Ebenso nndl. galerij, ne. gallery, nschw. galleri, nnorw. galleri. – DF 1 (1913), 232f.; Jones (1976), 356–359; DEO (1982), 311f.; LM 4 (1989), 1084; EWNl 2 (2005), 148, 155f.

Galgen Sm std. (8. Jh.), mhd. galge, ahd. galga f., galgo

m., as. galgo. Aus g. *galgo¯n m. ’Galgen’, auch in gt. galga, anord. galgi, ae. gealga, afr. galga. Das Vergleichsmaterial zeigt, dass damit ursprünglich ein biegsamer Stamm bezeichnet wurde, an dem der zu Hängende in die Luft geschnellt wurde: anord. gelgja f. ’Stange’, lit. ˇzalga` f. ’Stange’, lett. ˇzalga ’Angelrute’.

329 Ebenso nndl. galg, ne. gallows, nschw. galge, nisl. ga´lgi. Vgl. ÞKreuz. – LM 4 (1989), 1085f.; Röhrich 1 (1991), 498–499; EWNl 2 (2005), 156f.; EWahd 4 (2009), 25–27.

Galgenfrist Sf std. stil. (16. Jh.). Eigentlich ’der dem

Verbrecher vor der Hinrichtung gewährte Aufschub’; danach übertragen gebraucht. Galgenhumor Sm std. (19. Jh.). Gemeint ist ’Humor

trotz bevorstehender Hinrichtung’; dann verallgemeinert. Ebenso nndl. galgehumor, ne. gallows humour, nschw. galghumor, nnorw. galgenhumor.

Galgenschwengel Sm erw. obs. (13. Jh.), mhd. galgens-

Galosche (und ’grün’) s. Þgelb. Da nach altem Glauben die Galle Bitterkeit und Bösartigkeit bewirkt, steht das Wort in vielen Zusammenhängen in entsprechender Bedeutung (die Galle kommt mir hoch, gallenbitter, gallig ’bösartig’ usw.). Ebenso nndl. gal, ne. gall, nschw. galla, nisl. gall; Þvergällen. – Röhrich 1 (1991), 500; EWNl 2 (2005), 153f.; EWahd 4 (2009), 29–32.

Galle2 Sf ’Geschwulst an Pflanzen und Tieren’ per. fach.

(15. Jh.), spmhd. galle, mndd. galle. Wie ae. gealla m. entlehnt aus l. galla ’Gallapfel’. Hierzu ÞGallwespe, weil die Eiablage dieses Insekts zu Gallen führt.

Ebenso nndl. gal, ne. gall, nfrz. galle, nnorw. galle; ÞGallapfel. – wengel, galgenswenkel ’Schelm, der für den Galgen reif EWNl 2 (2005), 154, 158f.; EWahd 4 (2009), 32. ist’. Die Bezeichnung rührt daher, dass man den Gehängten scherzhaft mit dem ÞSchwengel einer Glocke Gallert Sn (Gallerte f.) ’eingedickte, verfestigte Flüssigverglich − wie auch der ÞGalgen selbst seit dem 16. Jh. keit’ erw. fach. (13. Jh.). Im Mittelhochdeutschen mit der Bezeichnung Feldglocke bezeugt ist. (mhd. galreide f.) entlehnt aus ml. gelatria, geladia f., aus l. gela¯ta f., dem substantivierten PPP. von l. gela¯re Galgenstrick Sm erw. stil. (16. Jh.). Im 15. Jh. in der ur(gela¯tum) ’gefrieren’, zu l. gelu¯ n. ’Eis, Frost’. Das sprünglichen Bedeutung ’Strick, womit der VerurteilWort tritt im Deutschen wie in den romanischen te am Galgen aufgeknüpft wird’ bezeugt, seit dem Sprachen in verschiedenen, im einzelnen schwer zu 16. Jh. dann übertragen zuerst als ’galgenreifer beurteilenden Lautformen auf. Schelm’ (wie ÞGalgenschwengel und ÞGalgenvogel) Ebenso nndl. gelatine, ne. gelatin(e), nfrz. ge´latine, nschw. geund später allgemeiner als ’Strolch, (durchtriebener) latine, nnorw. gelatin. Spitzbube’. Entsprechende Bezeichnungen sind auch Galgendraht, Galgenholz, Galgennagel. Gemeint ist Gallone Sf (ein Hohlmaß) per. fremd. (20. Jh.). Ent’etwas, das naturgemäß zum Galgen gehört’. lehnt aus ne. gallon, dieses aus afrz. galon, galun, einer nördlichen Variante von zentralem afrz. jalon, jallon, Galgenvogel Sm erw. stil. (16. Jh.). Seit dem 16. Jh. sojaillon, das auf afrz. *galla ’Gefäß’ zurückgeht (oder wohl in der Bedeutung ’Rabe’ (weil sich diese Vögel zu nordfrz. gallon ’Stäbchen’ als Längenmaß?). gern bei Aas und Leichen − und somit auch beim

Galgen − einfinden) als auch übertragen wie ÞGalgenschwengel und ÞGalgenstrick belegt.

Ebenso nndl. gallon, nfrz. gallon, nschw. gallon, nnorw. gallon, nisl. gallon. – DEO (1982), 313; Rey-Debove/Gagnon (1988), 335; EWNl 2 (2005), 158.

Galimathias Smn ’verworrenes Gerede’ erw. bildg.

Gallwespe Sf ÞGalle 2. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. galimatias m., eigentlich jargon de galimatias ’Sprache der Einwohner von Ga- Galopp Sm (eine sehr schnelle Gangart) std. (16. Jh.). Entlehnt aus it. galoppo, dieses aus frz. galop, einer limathie’, zu Galimathie, einer fiktiven OrtsbezeichAbleitung von frz. galoper ’sehr schnell reiten’, vernung in der Satire Me´nippe´e (16. Jh.). Ob der Name mutlich aus afrz. waloper, aus awfrk. *wala hlaupan, seinerseits schon ein entsprechendes Wort vorauswörtlich ’gut laufen’. Älter (seit dem 13. Jh.) sind die setzt, ist umstritten (s. die Literaturangaben zu den aus dem Französischen stammenden Formen Balab, zahlreichen Etymologisierungsversuchen). Walab u.ä. und (seit dem 12. Jh.) das Verb galoppieren, Ebenso nndl. galimatias, ndn. galimatias, nnorw. galimatias. – balopieren u.ä. Anders Knobloch (1965 u.ö.): DF 1 (1913), 233f.; Nelson, A.: Strena philol. Upsaliensis (Upsala 1922), 289–308; HWPh 3 (1974), 1; DEO (1982), 313; Röhrich ’Laufen auf die Walstatt’ (ÞWalstatt). Hierzu die Prä1 (1991), 499f. figierung sich vergaloppieren ’so schnell handeln oder argumentieren, dass man nicht bemerkt, wie man in Galionsfigur Sf ÞGaleere, ÞFigur. die Irre gerät’. Gallapfel Sm ’Missbildung bei Pflanzen’ erw. fach. Ebenso nndl. galop, ne. gallop, nfrz. galop, nschw. galopp, 2 (15. Jh.). Kreuzung aus ÞGalle und gleichbedeutennnorw. galopp. Zu den Grundwörtern s. Þwohl und Þlaufen. – dem mhd. eichapfel. DF 1 (1913), 234; Segelcke (1969), 148–163; Knobloch, J. in Galle1 Sf ’eine Körperflüssigkeit’ std. (9. Jh.), mhd. gal-

Symbolae Linguisticae in honorem Georgii Kuryłowicz (War-

schau 1965), 173f.; DEO (1982), 311, 314 (wieder anders); Jones le, ahd. galla, as. galla. Aus g. *gallo¯n ’Galle’ (vielleicht (1976), 359f.; Röhrich 1 (1991), 501; EWNl 2 (2005), 159f. ursprünglich Neutrum), auch in anord. gall n., ae. gealla m. älter *galo¯n-, *galn- (woraus die Geminate). Galosche Sf ’Überschuh, (Haus-)Schuh’ erw. obs. Aus ig. *g´ hel- in l. fel n. (Anlaut unregelmäßig), gr. (15. Jh.). Entlehnt aus frz. galoche, dieses vermutlich mit unregelmäßiger Lautentwicklung aus ml. gallichole¯´ f., avest. za¯ra- m., akslav. zlu˘ˇc˘ı (später sekundär cula (dass., auch: ’Sandale’), einem Diminutivum zu auch ˇz-); mit Umstellung lit. tulzˇ`ıs. Die Galle ist nach ihrer gelb-grünen Farbe benannt: zu ig. *g´ hel- ’gelb’ l. (solea) gallica ’gallische Sandale’ − vielleicht in

galt

330

Nachahmung von l. caligula ’Soldatenstiefel’. Zunächst entlehnt in der Bedeutung ’lederner Überschuh’, im 19. Jh. dann Bezeichnung für ’Überschuh aus Gummi’. Ebenso ne. galosh, nschw. galosch. – DEO (1982), 313f.; EWNl 2 (2005), 159.

galt Adj Þgelt 1. galvanisieren Vsw ’durch Elektrolyse mit einer Schicht

überziehen’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. galvaniser. Der Internationalismus galvanisieren/galvanisch/Galvanismus wurde im Umkreis des italienischen Physikers Volta geprägt zu Ehren des italienischen Naturforschers Luigi Galvani, der in Tierversuchen Erkenntnisse gewonnen hatte, die den Ausgangspunkt der modernen Elektrochemie bildeten (auch wenn er selbst die Erscheinungen nicht richtig gedeutet hatte). Ebenso nndl. galvaniseren, ne. galvanize, nschw. galvanisera, nnorw. galvanisere. – DF 1 (1913), 235; HWPh 3 (1974), 1–3; EWNl 2 (2005), 160f.

Gamasche Sf ’eine Beinbekleidung’ erw. obs. (17. Jh.).

Entlehnt aus frz. gamache, dieses aus span. guadamecı´ m. ’(eine Art weiches Leder)’, eigentlich ’(Leder) aus der Stadt Ghadames (in Libyen)’, aus arab. g˙ada¯ması¯.

’Geschlechtslust’, dann zu ’Übermut, Ausgelassenheit’ und schließlich ’Wohlleben, Nichtstun, Arbeitsscheu’ gegangen zu sein. Wie das Wort sich hochsprachlich durchgesetzt hat, ist nicht klar; auf jeden Fall hat dabei die Assoziation mit einem auf andere Regionen beschränkten Wort mitgespielt, das hochsprachlich als Þvergammelt erhalten ist. EWNl 2 (2005), 163f.

Gams Sf (auch m./n.) per. bair. (19. Jh.). Regionale

(bairische) Form von ÞGämse; besonders verbreitet in Gamsbart m. ’Büschel von Rückenhaaren der Gämse, das als Schmuck an bayrischen Trachtenhüten getragen wird’, (zu ÞBart in weiterer Bedeutung). Die Lautform kann unmittelbar auf spl. camox zurückgehen, doch weichen die althochdeutschen Formen ab. Ebenso ne. chamois, nfrz. chamois.

Gämse Sf erw. fach. (13. Jh.), mhd. gemeze, ahd. gamiza.

Entlehnt aus einer romanischen Sprache (it. camoscio m., spl. *camox) oder aus der Substratsprache, aus der das lateinische Wort vermutlich stammt. Ebenso nndl. gems, ne. chamois, nfrz. chamois, nschw. gäms, gems, nnorw. gemse, nisl. gemsa; ÞGams. – Güntert, H. SHAW (1932/33), I, 21f.; LM 4 (1989), 1215; EWNl 2 (2005), 225f.; EWahd 4 (2009), 42f.

Ebenso ndn. gamache, nnorw. gamasje. – DF 1 (1913), 235; Littmann (1924), 94; Lokotsch (1975), 50; Jones (1976), 360; Röh- Ganeff Sm ’Ganove’, scherzhaft ’Schwiegersohn’ per. österr. (19. Jh.). Entlehnt aus dem Rotwelschen, wo es rich 1 (1991), 501; Kiesler (1994), 182; Tazi (1998), 201; seit dem 18. Jh. bezeugt ist (schon seit dem frühen EWNl 2 (2005), 161. 16. Jh. das Verbum genffen ’stehlen’). Dieses aus Gambe Sf ’Kniegeige’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt und

gekürzt aus it. viola da gamba (zu it. viola ’Altgeige’ und it. gamba ’Bein’). Ebenso nndl. viola da gamba, ne. gamba, nfrz. viole de gambe, ndn. gambe, nnorw. gambe. Vgl. ÞBratsche. – DF 1 (1913), 235; EWNl 2 (2005), 161f.

Gambit Sn ’Bauernopfer, um Eröffnungsvorteil zu er-

langen’ per. fach. (16. Jh.). Ausdruck des Schachspiels, gelegentlich übertragen verwendet. Entlehnt aus span. gambito, das seinerseits übernommen ist aus it. dare il gambetto ’ein Bein stellen, einen Hinterhalt legen’ zu it. gamba f. ’Bein’. Ebenso nndl. gambiet, ne. gambit, nfrz. gambit, nschw. gambit, nnorw. gambit. – EWNl 2 (2005), 162.

Gammler Sm erw. stil. (20. Jh.). Das Wort taucht in der

wjidd. gannew, das aus hebr. ganna¯v ’Dieb’ stammt. Dasselbe Wort ergibt aus seiner Pluralform wjidd. gano¯wim das Wort ÞGanove. Ebenso nndl. gannef. – Feinsilber, L. M. ASp 47 (1972), 147–151; EWNl 2 (2005), 165.

Ganerbe Sm ’Nebenerbe, Gesamtheit der zu einem

Erbe Berechtigten, durch Erbverbrüderung Verbundene’ per. arch. (9. Jh.), mhd. ganerbe, mndd. ganerve; auch (13. Jh., Rheinland) anegerve. Die älteste Form ist ge-anervun (Dat. Pl.) neben ganervo (Sg.) in der gleichen Urkunde. Mhd. ganerbe, mndd. ganerve; auch (13. Jh., Rheinland) anegerve. Zu erklären als *gi-ana-erbo ’die Gesamtheit (gi-) derer, die einen Anspruch (-ana-) auf ein Erbe haben’. 1

ÞErbe . – Naumann, H. Mitteilungen des Historischen VerMitte des 20. Jhs. plötzlich als Bezeichnung arbeitseins der Pfalz 71 (1974), 59–153. scheuer Jugendlicher auf. Vorher war wohl das Vergang Adv (nur noch in gang und Þgäbe üblich) std. bum gammeln schon in der Soldatensprache üblich phras. (11. Jh.), mhd. genge, ahd. gangi. Aus g. *ganggewesen. Es findet Anschluss an eine regional westjaAdj. ’gangbar, imstande zu gehen’, auch in anord. oberdeutsche Wortsippe Gammel, gammelig, gammeln, gengr ’Gang’, ae. genge, afr. gendze, ganse, ginse; Addie letztlich auf ahd. gaman n. ’Lust’ zurückgeht. Diejektiv der Möglichkeit zu dem unter ÞGang 1 aufgeses auch in as. gaman, afr. game, ae. gamen, anord. führten starken Verb g. *gang-a- ’gehen’. Die ältere gaman unklarer Herkunft. Bereits mittelhochdeutsch Form gänge ist erweitert in gängig. Die Wendung gang gibt es dazu eine Variante mhd. gamel, die auf den und gäbe bezog sich ursprünglich auf Münzen verbreiteten Suffixwechsel -n zu -l zurückgehen (’geläufig und annehmbar’), dann allgemeiner auf kann, aber wohl auch von der verbreiteten AdjektivWaren und schließlich auch auf anderes. Die heutige Ableitung mhd. geme(l)lih beeinflusst ist. Die regiForm gang ist dissimiliert gegen das zweite ä in dieser onale Bedeutungsentwicklung scheint dann zu Wendung.

Gänsefüßchen

331 Kluge (1926), 112; Heidermanns (1993), 229f.

Gangster Sm ’Verbrecher’ std. stil. (20. Jh.). Entlehnt

aus ne. gangster, einer Ableitung von ne. gang ’Verbrecherbande’. Aus g. *ganga- m./n. ’Gang’, auch in gt. gagg n., Ebenso nndl. gangster, nfrz. gangster, nschw. gangster, nisl. anord. gangr m., ae. gang m., afr. gang, gong, gung. gangster; ÞGang 2. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 336f.; Verbalabstraktum aus dem defektiven starken Verb g. EWNl 2 (2005), 165. *gang-a- ’gehen’ in gt. gaggan, anord. ganga, ae. gangan, afr. gunga, as. gangan, ahd. gangan (neben ga¯n, Gangway Sf ’Treppe zum Ein- und Ausstieg bei Flugge¯n). Das Verb bildet im Gotischen und Altenglischen zeugen’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. gangway, das Präteritum aus einer anderen Wurzel. Im Deutdas seinerseits aus einem ostnordischen Wort überschen ist es mit dem (unverwandten) starken Verb nommen ist (z.B. schwed. ga˚ngväg ’Fußweg’). Þgehen kombiniert worden und liefert in der GegenEbenso nnorw. gangveg. – Carstensen 2 (1994), 558. wartssprache dessen Präteritum und Partizip. Außer- Ganove Sm ’Verbrecher’ erw. stil. (20. Jh.). Aus dem germanisch zeigt sich eine e-stufige VergleichsmögPlural des unter ÞGaneff behandelten rotwelschen lichkeit (ig. *g´ heng h-) in lit. ˇzen˜gti ’schreiten’; vielWortes rückgebildet. leicht auch ai. ja´n˙gha¯ f. ’Unterschenkel’, ai. jan˙gha¯laEWNl 2 (2005), 165. ’schnellfüßig’; mit Anlautvariation (*keng h-) air. cinGans Sf std. (9. Jh., ganshabuh 8. Jh.), mhd. gans, ahd. gid ’geht, schreitet’. Das Verfahren, das Essen in mehgans, mndd. go¯s, gu¯s, mndl. gans. Aus g. *gans- f. reren Gängen zu servieren, statt alles zugleich auf den ’Gans’ (ursprünglich offenbar Konsonantstamm, Tisch zu stellen, wird von Prinz Alexander Borosospäter i-Stamm), auch in anord. ga´s, ae. go¯s. Dieses witsch Kurakin, dem russischen Botschafter in Paris, aus ig. *g hans- f. ’Gans’ (auch ähnliche Wasservögel) 1811 eingeführt. Adjektive der Möglichkeit sind in ai. ham ˙ sa´- m. ’Gans, Schwan’, gr. che¯´n m./f. (aus gangbar und gängig. *g hans), lit. ˇza˛sı`s; l. a¯nser m. hat anlautendes h- verEbenso nndl. gang, ne. gang, nschw. ga˚ng. S. auch Þgängeln, loren; air. ge´is (aus *g hansı¯) ’Schwan’. Da die LautÞGang 2, ÞGangster, ÞGangspill, ÞGangway. – Seebold (1970), form Ähnlichkeit mit verschiedenen Wörtern für 213–216; Röhrich 1 (1991), 501; EWNl 2 (2005), 164; EWahd 4 (2009), 44f. ’gähnen usw.’ hat, ist die Gans wohl nach ihrem charakteristischen zischenden Verteidigungslaut beGang2 Sf ’Verbrecherbande’ per. fremd. (20. Jh.). Entnannt. − Neben diesem Wort hat es im Germanischen lehnt aus am.-e. gang, das etymologisch nhd. ÞGang 1 andere gegeben, die von einfacherem (ig.) *g han- ausentspricht. Die besondere Bedeutung geht aus von gehen. Schon bei Plinius ist l. ganta als germanischer ’Gruppe, die zusammengeht, Arbeitskolonne’ und Name der Gans genannt. Es entspricht wohl ae. ganot wird dann weitgehend auf ’organisierte Bande’ einm., ahd. ganazzo, ganzo, mhd. ganze m. (später vergeengt (und in dieser Bedeutung entlehnt). Hierzu deutlicht zu Ganzer, ÞGanser) ’Gänserich’ (*gano¯tÞGangster. o.ä.). Wieder anders (mit g. -d-) ae. gan(d)ra m., Ebenso nndl. gang, nfrz. gang, nschw. gäng. – Rey-Debove/ mndd. gante m. ’Gänserich’ (ne. gander, auch hd. Gagnon (1988), 335f.; Carstensen 2 (1994), 555f., 557; Mot[dial.] Gander, ÞGanter, das aber auch aus *gano¯t tausch, K.-H. HS 109 (1996), 76–109; EWNl 2 (2005), 164f. kommen kann). Die moderne Form ist ÞGänserich. gängeln Vsw std. (16. Jh.). Iterativbildung zu dem jetzt Gang1 Sm std. (8. Jh.), mhd. ganc, ahd. gang, as. gang.

Ebenso nndl. gans, ne. goose, nschw. ga˚s, nisl. g¢s. S. auch ausgestorbenen Verb mhd. gengen ’laufen machen’, ÞGössel. – Suolahti (1909), 410–415; Röhrich 1 (1991), 503; einem Kausativum zu ahd. gangan ’gehen’ (ÞGang 1). Griepentrog (1995), 211–232; RGA 10 (1998), 431f.; EWNl 2 Die alte Bedeutung ist ’ein Kind gehen lehren’, doch (2005), 165f.; EWahd 4 (2009), 66–69. wird es schon im 16. Jh. auch übertragen (aber noch nicht abwertend wie heute) gebraucht. Die Zusam- Gänseblümchen Sn std. (16. Jh.), fnhd. gensbluome. Älteres mhd. gensebluome bezeichnet (anders als heute) mensetzung Gängelband ist seit dem 18. Jh. belegt, zudie weiße Glockenblume, so dass das Benennungserst nur als ’Band, an dem man ein Kind beim Gemotiv wohl ’weiß’ (und ’häufig’) ist. Vielleicht auch, henlernen führt’. weil sie auf dem Gänseanger wächst. Röhrich 1 (1991), 502 (zu Gängelband).

Ganglion Sn ’einfache Nervenbahn’ per. fach. (17. Jh.,

Form 19. Jh.). Zunächst entlehnt aus l. ganglium, dann an dessen Vorbild gr. gagglı´on ’Geschwulst’ angepasst. Der Plural ist eingedeutscht (Ganglien). Ebenso ne. ganglion, nfrz. ganglion, nschw. ganglie, nnorw. ganglie. – Knobloch, J. RMPh 125 (1982), 190 f.; EWNl 2 (2005), 165.

Gangspill Sn ’aufrecht stehende Winde, die bedient

wird, indem man um sie herumgeht und dabei die Kabeltrommel mitdreht’ per. fach. ndd. (18. Jh.). Zu ÞGang 1 und einer Variante von ÞSpindel.

Sauerhoff (2001), 130–132; EWNl 2 (2005), 166f.

Gänsefüßchen Sn std. (18. Jh.). Ersatzwort der Dru-

ckersprache für l. signum citationis ’Zitierzeichen’. Wohl so benannt nach der Form des Fußes bzw. der Fährte einer ÞGans. Vorher (seit Mitte 18. Jh.) ist dafür die Lehnübersetzung ÞAnführungszeichen bezeugt. Nicht gehalten haben sich die folgenden Bezeichnungen des 18. Jhs.: Gänseaugen (wie ndn. ga˚seøjne), Hasenohr und Hasenöhrchen. Klenz (1900), 45f.; Klenz, H. ZDW 1 (1901), 75f.; Röhrich 1 (1991), 506.

Gänsehaut Gänsehaut Sf std. (16. Jh.). So benannt, weil die Haut

des Menschen bei Schreck und Kälte an diejenige einer gerupften ÞGans erinnern kann. Mit entsprechendem Benennungsmotiv regional auch Hühnerhaut. Röhrich 1 (1991), 506.

Gänseklein (älter Gänsekleint) Sn per. reg. (18. Jh.). Aus Gänsekleinod (ÞKleinod), weil die Kleinteile des Schlachttiers bis ins 18. Jh. Kleinod heißen. Kretschmer (1969), 213–215.

Gänsemarsch Sm std. (19. Jh.). Nach der bei den Gän-

sen beliebten Formation ’eine hinter der anderen’. Ebenso nndl. ganzenmars, nschw. ga˚smarsch, nnorw. ga˚segang, nisl. g¢sagangur.

Ganser Sm ÞGans. Gänserich Sm std. (16. Jh.). Neubildung nach dem

Muster von ÞEnterich, dessen Herkunft aber nicht suffixal ist. Ältere Namen der männlichen Gans s. unter ÞGans.

Gant Sf ’Versteigerung’ per. arch. schwz. (14. Jh.). Ent-

lehnt aus ml. inquantare, incantare ’versteigern’, zu der Frage des Auktionators l. in quantum ’wie hoch?’. Vgl. it. incanto m. ’Versteigerung’.

Ganter Sm ÞGans. ganz Adj std. (8. Jh.), mhd. ganz, ahd. ganz ’heil, un-

332

leitung g. *g(a)-arwija- ’bereitmachen’ gebildet. Zu diesem ist g. *garwa- ’bereit’ eine Rückbildung. Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass anord. go¸rr das Partizip von anord. gørva ’bereiten’ vertritt. Ebenso nndl. gaar. – Kabell, A. ZVS 87 (1973), 26–35; Sanders, W. FS Kolb (1989), 558–568; Heidermanns (1993), 233f.; EWNl 2 (2005), 148f.; EWahd 4 (2009), 84–86.

Garage Sf std. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. garage m.,

einer Ableitung von frz. garer ’in eine sichere Verwahrstelle bringen’, aus prov. garar ’achtgeben, bewahren’, entweder mit Übergang von w zu g aus g. *war-o¯- ’beachten’ (Þwahren) oder zu l. *vara¯re ’ausweichen’ (zu l. va¯rus ’auseinandergebogen’). Ebenso nndl. garage, ne. garage, nschw. garage, nnorw. garasje. – Burr, I. FS Meier (1980), 89–97; EWNl 2 (2005), 168.

Garantie Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. garantie,

einer Ableitung von frz. garant m. ’Bürge’, aus afrz. guarant, warant ’wer bei Gericht die Gewähr leistet, (später: Beschützer)’; dieses seinerseits entlehnt aus awfrk. *werend ’Gewähr leistend’ (Þgewähren). Die Änderung der Vokale im Französischen einerseits durch Anlehnung an afrz. garir ’beschützen’ (Þwehren), andererseits durch Angleichung an das PPräs. auf Þ-ant. Im Deutschen zunächst ein Fachwort der Sprache der Diplomatie; dann Verallgemeinerung und Erweiterung der Bedeutung. Verb: garantieren; Nomen Agentis: Garant (im Französischen das Grundwort).

verletzt, vollständig’. Aus vd. *ganta- Adj. ’heil’. Außergermanisch entspricht am genauesten der alit. Ebenso nndl. garantie, ne. guarantee, warranty, nschw. garanti, Komparativ gandzˇiaus ’im Gegenteil, vielmehr, liennorw. garanti. – DF 1 (1913), 235f.; Schirmer (1911), 69; Brunt (1983), 314; EWNl 2 (2005), 169. ber’ aus ig. (oeur.) *g hond-, mit lit. gande˙´ti ’genug haben, befriedigt sein, zufrieden gestellt sein wollen’; Garaus Sm std. phras. (15. Jh.). Ursprünglich Ausruf, mit -s- gt. gansjan, etwa ’bereiten, fertig machen’, der die Polizeistunde begleitete. Daraus verallgemeiruss. gusto´j ’dick, dicht’; von einfacherem ig. *g hon- ai. nert zu ’Ende’, besonders in der Wendung den Garaus ghana´- ’kompakt, fest, hart, dicht’, npers. a¯-ganisˇ machen. ’voll’, lit. gana` ’genug’, akslav. goneˇti ’genügen’. Auf Röhrich 1 (1991), 507. anderer Ablautstufe und auch sonst problematisch ist Garbe Sf std. (8. Jh.), mhd. garbe, ahd. garba, as. garbÐ a, alb.-geg. izane¨ ’dicht, dick’. Ausgangsbedeutung ist garva. Aus vd. *garbo¯n f. ’Garbe’. Vermutlich veralso ’genug, fertig’; aber eine klare verbale Grundlage gleicht sich unter ig. (weur.) *g herb ho¯ (mit unklarer fehlt. − Abstrakta: Gänze, Ganzheit; Präfixableitung: Vokalstufe) f. ’Büschel, Rupfung’ in l. herba ’Kraut’ ergänzen; Modifikationsbildung: gänzlich. (eine Garbe war ursprünglich so viel Korn, wie man Fraenkel, E. ZVPh 8 (1954), 58f.; Koller, E. FS Erben (1990), mit der Hand umfassen und dann mit der Sichel ab129–140; Heidermanns (1993), 232; Mitzka, W. GS Foerste schneiden konnte). Es passt lautlich und semantisch (1970), 319–326 (zu ndd. gant); EWNl 2 (2005), 166; EWahd 4 zu ig. *g hreb h- ’fassen, greifen’, zeigt allerdings eine (2009), 71–74. andere Vokalstellung als dieses. Vgl. ig. *g hrab hgar Adj std. (8. Jh.), mhd. gar(e), ahd. garo, as. garo. Aus ’ergreifen, fassen’ in ai. grbhna¯´ti, lit. grabsty´ti ’erg. *garwa- Adj. ’bereit, fertig’, auch in anord. go¸rr, ae. ˙ ’rauben’. Germanigreifen, packen’, akslav. ˙grabiti gearo. Herkunft umstritten. Die Bedeutung war früsche Verwandte s. unter Þgrapsen. (Im Germanischen her allgemein ’bereit’ (auch z.B. von Personen gescheinen die einschlägigen Bildungen zugunsten des sagt), deshalb gehört hierher auch Þgerben. Der Anhomonymen Þgraben beseitigt worden zu sein). schluss an g. *arwa- ’schnell, bereit’ in anord. o¸rr Ebenso nndl. garf. – EWNl 2 (2005), 172; EWahd 4 (2009), ’bereit(willig)’, as. aru ’bereit, reif’ aus ig. *orwo79–81. ’schnell, bereit’ in avest. aurva ’schnell, tapfer’, toch. Garde Sf std. stil. (15. Jh.). Entlehnt aus frz. garde m. A a¯rwar, toch. B a¯rwer ’bereit, fertig’, weiter zu gr. ’Leibwache’. Dies ist seinerseits mit Übergang von w o´rnymi ’treibe an, setze in Bewegung’ usw. (so zuletzt zu g aus awfrk. *warda, einer Entsprechung zu unSanders) wird wahrscheinlich gemacht durch Heiserem ÞWarte, entlehnt. Täterbezeichnung: Gardist dermanns: Zu g. *arwa- ’bereit’ wird die verbale Ab(deutsche Bildung).

333 Ebenso nndl. garde, ne. guard(s), nschw. garde, nnorw. garde; ÞAvantgarde, ÞGarderobe. – DF 1 (1913), 236; Brunt (1983), 315; EWNl 2 (2005), 170.

Garten

’Kleiderablage’, eigentlich ’Verwahrung der Kleider’ zu frz. garde m. ’Verwahrung, Bewachung’ (ÞGarde) und frz. robe ’Kleid, Kleidung’.

gleichbar ist nur die Bedeutung ’Darm’, vgl. lit. ˇza´rna f. ’Darm, Schlauch’, l. hernia f. ’Eingeweidebruch’; ohne das n-Suffix ai. hı´ra- m. ’Band’, ai. hira¯´ f. ’Ader’, gr. chorde¯´ f. ’(Darm)Saite’, ig. *g´ h(e)r-n’Darm’. Garn besteht also ursprünglich aus (gedrehten) Därmen. Ins Garn gehen bedeutet ’ins Netz gehen’ (ÞNetz). Präfixableitung: umgarnen.

Ebenso nndl. garderobe, ne. wardrobe, nschw. garderob, nnorw. garderobe; ÞRobe. – DF 1 (1913), 236f.; Röhrich 1 (1991), 507; EWNl 2 (2005), 170f.

Ebenso nndl. garen, ne. yarn, nschw. nisl. garn. S. auch ÞMidder. – Eichhoff (1968), 80; Röhrich 1 (1991), 508–509; EWNl 2 (2005), 171f.; EWahd 4 (2009), 82–84.

Garderobe Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. garde-robe

Gardine Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus mndl. gardine

Garnele Sf (Krebsart) erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus nndl. garneel (heute garnaal). Die frühest-bezeugte ’Bettvorhang’, dieses aus frz. courtine, aus kirchen-l. Form ist gernaet (16. Jh.), das als Garnat, Granat ins cortı¯na ’Vorhang’, einem substantivierten Adjektiv zu Deutsche entlehnt wird (heute nicht mehr üblich). l. co¯rs ’Einzäunung, Hofraum’, aus l. cohors; dieses Nach de Tollenære ist von garnaert mit r-Metathese wiederum ist eine Lehnübersetzung zu gr. aulaı´a auszugehen, dessen Grundwort mit ahd. grana ’Vorhang’ zu gr. aule¯´ ’Hofraum’. So bezeichnet wird zunächst ein Vorhang, der einen Raum von einem ’Borste, Schnurrbart’ zusammenhängt, das Suffix Innenhof abgrenzt. Im Deutschen zunächst für den entspricht dem Namensuffix -hart in deutschen BilBettvorhang und dann in Differenzierung zu dem im dungen. Daraus durch Dissimilierung garnaal. Oberdeutschen vorgezogenen Vorhang ’weißer, Ebenso nndl. garnaal. – de Tollenære, F. TNTL 116 (2000), 213–221; EWNl 2 (2005), 172f. durchsichtiger, innerer Vorhang’ am Fenster. Die schwedischen Gardinen sind eine scherzhafte Bezeich- garnieren Vsw std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. garnir, nung für die Gitter in Gefängnissen, wobei Gardinen eigentlich ’ausrüsten’, dieses mit Übergang von w zu g für das Fenster und schwedisch für besonders guten aus awfrk. *warnjan ’sich vorsehen’ (Þwarnen). Eine (’schwedischen’) Stahl steht. Garnitur ist eigentlich eine komplette Ausrüstung; bei Ebenso nndl. gordijn, ne. curtain, nschw. gardin, nnorw. garder Garnison handelt es sich um eine Schutzausrüsdin; ÞKurtisane. – DF 1 (1913), 237; Öhmann, E. NPhM 64 tung, bzw. -truppe. Die Bedeutung ’Truppenstand(1963), 338f.; Röhrich 1 (1991), 507; EWNl 2 (2005), 309. ort’ aus frz. ville de garnison. Gardinenpredigt Sf std. stil. (18. Jh.). Vielleicht LehnEbenso nndl. garneren, ne. garnish, nschw. garnera, nnorw. garnere. – DF 1 (1913), 237f.; Brunt (1983), 317; EWNl 2 (2005), übersetzung zu nndl. gordijnpreek (17. Jh.) gleicher 171. Bedeutung. Die ursprüngliche Bedeutung ist ’nächtliche Strafrede der Ehefrau an ihren Mann’; so garren Vsw Þgirren. benannt, weil sich die Frau bereits im Bett (hinter den garstig Adj std. (15. Jh.). Erweiterung von mhd. garst, Gardinen) befand, wenn ihr Mann zu spät in der mndd. garst ’ranzig, verdorben schmeckend’, wozu Nacht (und vielleicht betrunken) heimkehrte. ahd. gerstı¯ f. ’Groll, Garstigkeit’ als Abstraktum Vgl. ndn. gardinpr¢ken; weiter ne. curtain lecture, nndl. bedsermoen. – Röhrich 1 (1991), 507f.

gären Vst std. (8. Jh.), mhd. jesen, ahd. jesan, gesan. Aus

(9. Jh.). Zu dem vorauszusetzenden g. *garsta- als i/ ja-Stamm anord. gerstr ’bitter, unwillig, mürrisch’. Außergermanisch vergleicht sich zunächst lit. grastı`s ’Drohung’ und ohne das ableitende -t- lit. gre˙˜sti ’drohen, durch Drohung abschrecken’, grasu`s ’unausstehlich, widerwärtig’ und arm. garsˇim ’ich habe Abscheu’. Mehrdeutig sind l. fa¯stı¯dium ’Ekel, Widerwille’ und air. goirt ’bitter, salzig’.

vd. *jes-a- Vst. ’sieden, gären’; in anderen germanischen Sprachen: anord. jo¸str ’Gärung, Hefe’, ae. gist ’Hefe’. In dieser Sippe sind offenbar spätestens im Deutschen zwei verschiedene Wurzeln zusammengefallen: Einmal das eindeutig fassbare ig. *jes’schäumen, wallen, sieden’ in ai. ya´syati ’siedet, wird Schmid, W. P. FS Untermann (1993), 38125; Heidermanns heiß, schäumt über’, toch. A yäs- ’sieden’, gr. ze´o¯ ’ich (1993), 233; EWNl 2 (2005), 174; EWahd 4 (2009), 183–186. walle, siede, koche’, kymr. iasu ’kochen lassen’; und Garten Sm std. (8. Jh.), mhd. garte, ahd. garto, as. gardo. andererseits ein schwerer fassbares ig. (w/ oeur.) Aus g. *gardo¯n m. ’Garten’, auch in gt. garda, afr. *g her- ’Bodensatz, Hefe’ ohne eindeutige verbale garda. Daneben *garda- m. in gt. aurti-gards ’Garten’ Grundlage und mit abweichenden Bedeutungen in (i-Stamm), anord. gardrÑ ’Zaun, Hof, Garten’, ae. den verwandten Sprachen. geard ’Hof’, ahd. gart ’Kreis’. Beide aus ig. *g horto´ÞGerm, ÞGischt, ÞKieselgur. – Seebold (1970), 287. ’Umzäunung’ in gr. cho´rtos ’Hof, Gehege’, l. hortus Garn Sn std. (9. Jh.), mhd. garn, ahd. garn, mndd. garn, ’Garten’, air. gort, gart ’Saatfeld’, air. lubgort mndl. gaern, gar(e)n, gairn. Aus g. *garna- n. ’Garn’, ’Gemüsegarten’, kymr. garth ’Garten, Pferch’. Ein auch in anord. garn, ae. gearn. Daneben die Bedeunur wurzelverwandtes Wort ist dagegen gt. gards tung ’Darm’ in anord. go¸rn f. und die Bedeutung ’Haus’, ai. grha´- ’Haus’ (*g hord h-). Ein mögliches ’Eingeweidefett’ in ahd. mittigarni, as. midgarni. VerGrundwort˙*g her- ’(um)fassen’ kann in ai. ha´rati

Gas

334

’nimmt, bringt, holt herbei’ vorliegen, doch bleibt dieses vereinzelt und ist auch in seiner Lautung nicht unproblematisch. Die ganze Sippe weist lautliche Schwierigkeiten auf; die Möglichkeit von Substrateinflüssen ist nicht von der Hand zu weisen. − Täterbezeichnung: Gärtner. Entlehnungen aus der lateinischen Verwandtschaft sind ÞHortensie, ÞKurtisane, ÞGardine. Vgl. noch Þgürten. – Scheuermann, U. NJ 92 (1969), 97f.; Tiefenbach, H. in Beck/Denecke/Jankuhn (1980), 291–294; LM 4 (1989), 1121–1126; Röhrich 1 (1991), 509; EWNl 2 (2005), 149; EWahd 4 (2009), 89–93.

Gas Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus nndl. gas, das der

Brüsseler Chemiker van Helmont zur Bezeichnung des durch Kälte entstandenen Wasserdunstes (im Gegensatz zu der des durch Wärme entstandenen Dampfes = Blas) verwendete. Vorbild war neo-kl. cha´os ’Luftraum’ (ÞChaos), das schon Paracelsus für ’luftförmigen Dampf’ verwendete. Das initiale 〈g〉 entspricht nach niederländischer Schriftkonvention dem griechischen 〈ch〉 und wird erst im Deutschen durch Schriftaussprache als /g/ wiedergegeben. Das 〈a〉 anstelle von 〈a´o〉 ist unklar − vielleicht wegen Blas. Zunächst auf fachsprachlichen Gebrauch beschränkt; mit der Einführung von Gasbeleuchtung dann in allgemeinem Gebrauch. Präfixableitung: vergasen. Ebenso nndl. gas, ne. gas, nfrz. gaz, nschw. gas, nnorw. gass, nisl. gas. – DF 1 (1913), 238; Strigl, H. Sprachwissenschaft für alle 3 (1911), 5–11; Loewe, R. ZVS 63 (1936), 118–122; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 376f.; EWNl 2 (2005), 174f.

Gasse Sf std. alt. (10. Jh.), mhd. gazze, ahd. gazza. Da-

gänger’ o.ä. − Das Gegenstück zum Gast ist der Gastfreund (Abstraktum: Gastfreundschaft) oder der Gastgeber; das durch Gäste hervorgehobene Essen ist das Gastmahl. Die berufliche Bewirtung von Gästen findet im Gasthof, Gasthaus oder der ÞGaststätte, Gastwirtschaft durch den Gastwirt statt (s. auch ÞGastronomie). Reisende Künstler gastieren bei einem Gastspiel. Ebenso nndl. gast, ne. guest, nschw. gäst, nisl. gestur; ÞHospital. – Schröder, F. ZDPh 56 (1931), 385–394; Lehr, A. MS 1939, 143–145; LM 4 (1989), 1130f.; Röhrich 1 (1991), 510f.; RGA 10 (1998), 462f.; EWNl 2 (2005), 175; EWahd 4 (2009), 98–100.

Gastronomie Sf ’Gaststättengewerbe, Kochkunst’ erw.

fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. gastronomie ’Lehre vom feinen Essen’, deutsch zuerst 1815 in dieser Bedeutung. Das französische Wort (seit 1623) aus gr. gastronomı´a, zu gr. gaste¯´r ’Bauch’. Es handelt sich dabei um den Titel eines Werkes (’Lehre von der Pflege des Bauches’), das der griechische Schriftsteller Archestratos (zitiert bei Athenaeus) verfasst hatte. Modisch wurde das Wort durch das Buch La physiologie du gouˆt von J. A. Brillat-Savarin (1825). Die starke Betonung der gewerblichen Seite (gegenüber der Seite des Verbrauchers, also des Feinschmeckers) ist nur deutsch. Ihre Verbreitung hat mit dem Anklang an Gastwirtschaft zu tun, hat sich zunächst aber unabhängig davon entwickelt (indem das Gastgewerbe das Wort Gastronomie als Charakterisierung seiner Betriebe in Anspruch nimmt). Dieser Sonderentwicklung entsprechend ist frz. gastronom ein ’Feinschmecker’, nhd. Gastronom ein ’(guter) Koch’.

neben anord. gata und gt. gatwo ’Straße einer Stadt, Ebenso nndl. gastronomie, ne. gastronomy, nschw. gastronomi, Platz’ (wobei zumindest die altnordische Form keine nnorw. gastronomi. – DF 1 (1913), 239; EWNl 2 (2005), 176. genaue Entsprechung der gotischen ist). Herkunft Gaststätte Sf std. (20. Jh.). Ersatzwort des beginnenunklar. den 20. Jhs. für ÞRestaurant und das in dieser BedeuRöhrich 1 (1991), 509f.; EWahd 4 (2009), 107–110. tung heute veraltete Restauration aus l. restaura¯tio Gassenhauer Sm erw. stil. (16. Jh.). Zu Þhauen in der ’Erneuerung, Wiederherstellung’. Gastwirtschaft für seit dem 15. Jh. bezeugten Bedeutung ’gehen, eilen’ älteres ÞWirtschaft ist dagegen schon seit dem begin(Þabhauen). Das Wort taucht im 16. Jh. zuerst nur als nenden 19. Jh. bezeugt (’Wirtschaft, in der auch Gäste ’auf der Straße gesungenes Tanzlied’ auf; die urbeherbergt werden’). sprüngliche Bedeutung ’jmd., der (unnütz) in den Gat(t) Sn ’Loch, Öse’ per. ndd. (16. Jh., as. 9. Jh.), as. Gassen herumläuft’ (entsprechend ÞPflastertreter) ist gat.,. afr. jet, gat ’Loch’, ae. g(e)at ’Tor, Tür, Öffnung’, jedoch ebenfalls noch in demselben Jahrhundert beanord. gat ’Loch’. Niederdeutsch/niederländisch legt und wurde dann übertragen auf die in allen Gas(dialektal) bedeutet das Wort auch ’Arschloch’, und sen zu hörenden Lieder. Das Wort bezeichnet auch in dieser Bedeutung könnte es angeschlossen werden ’Tänze auf den Gassen’, doch scheint dies nicht früan ig. *g hed- ’scheißen’ (ai. hadati, gr. che´zo¯). Es ist her zu sein. aber wohl ausgeschlossen, dass aus einer solchen BeRöhrich 1 (1991), 510.

Gast Sm std. (8. Jh.), mhd. gast, ahd. gast, as. gast. Aus g.

deutung ein neutrales ’Loch, Tür, Tor’ wird, wie es für das Germanische vorauszusetzen ist. Deshalb handelt es sich wohl nur um eine zufällige Ähnlichkeit. Hierher Kattegat ’Loch in der Tür für die Katze’ als Name einer Meerenge (Skagerrak).

*gasti- m. ’Gast’, auch in gt. gasts, anord. gestr, ae. giest, afr. jest, dieses aus ig. (o/weur.) *g hosti- m. ’Fremdling’, speziell ’Gast’, auch in akslav. gostı˘ ’Gast’, l. hostis ’Fremdling, Feind’, l. hospes ’Fremder, S. auch ÞGatter, ÞSpeigatt. – Schröder, E. HG 45 (1919), Fremdling, Gastfreund’ (*g hosti-pot-s, vgl. akslav. go- 343–345 (zu Kattegat); EWNl 2 (2005), 176. spodı˘ ’Gastherr’). Weitere Herkunft unklar; erwogen gätlich Adj ’passend’ per. ndd. (14. Jh.), ndd. gadlich. wird gr. xe´nos ’Fremdling, Gast’ (< ghs-en-wo-), alb. Vgl. ahd. gegat ’passend’ zu der gleichen Grundlage wie ÞGatte. huaj, und weiter zu ai. gha´sati ’verzehrt’ als ’Kost– EWahd 4 (2009), 265.

Gaul

335 Gatte Sm std. stil. (11. Jh.), mhd. gate, älter ahd. gegate, Gauch Sm ’Kuckuck, Narr’ per. arch. (8. Jh.), mhd.

as. gigado. Aus wg. *ga-gado¯n m. ’Genosse’, auch in gouch, ahd. gouh, as. go¯k. Aus g. *gauka- m. ae. gegada, Substantivierung des Adjektivs ahd. gegat ’Kuckuck’, auch in anord. gaukr, ae. ge¯ac. Das alte ’passend, zugehörig’. Eine ältere Bildung gleicher BeWort für den Kuckuck beruht sicher auf dessen Ruf deutung aus dieser Grundlage ist g. *gadilinga(guck-guck), hat aber eine auffällige Hochstufe. Vielleicht eine Art Vriddhi-Bildung mit Zugehörigkeits’Genosse, Verwandter’ in gt. gadiliggs, ae. g¢deling, as. funktion (’der, der guk schreit’). Später durch das gaduling, ahd. gatiling. Das Grundwort dieser Bildunstärker lautmalende ÞKuckuck ersetzt (seit dem gen ist offenbar untergegangen; vgl. aber wg. *gad-o¯ 13. Jh.). Der Kuckuck gilt als töricht (wohl wegen sei’zusammenkommen, passen’ in afr. gadia ’vereinines eintönigen Geschreis), deshalb die Nebenbedeugen’, mndd. gaden ’passen, gefallen, sich begatten’, tung ’Narr’ (schon ahd. gouh). ahd. bigaton, mhd. gaten ’zusammenkommen, passen’. Außergermanisch vergleicht sich akslav. godu˘ S. auch Þgaukeln, ÞGeck, ÞKuckuck. – EWahd 4 (2009), 554–556. ’Zeit, passende Zeit’, akslav. -godı˘nu˘ ’gefällig’. Weiteres, wie auch die Zugehörigkeit von Þgut, ist unsi- Gauchheil (Ackergauchheil) Sn ’Anagallis arvensis’ per. cher. fach. (15. Jh.). Der Name rührt daher, dass dieses Þbegatten, Þgätlich, ÞGattung, Þvergattern. – EWNl 2 (2005), Ackerunkraut früher als Heilmittel gegen Geistes151. krankheiten galt. Entsprechende regionale Bezeichnungen sind Geckenheil, Narrenheil, Vernunftkraut, Gatter Sn erw. fach. (8. Jh.), mhd. gater m./n., ahd. gataro m., mndd. gaddere. Hierzu stimmt semantisch ÞWutkraut. am genauesten ae. geat, gat ’Tor, Gatter, Schranke’ Ebenso nndl. guichelheil. – Marzell 1 (1943), 253–255. (ÞGat(t)). Weitere Herkunft unklar. Gaudium Sn ’Belustigung’ per. arch. (17. Jh.). Entlehnt Þergattern, ÞGitter. – EWahd 4 (2009), 106f.

Gattung Sf std. (15. Jh.), spmhd. gatunge, mndl. gadin-

ge. Abstraktum zu gatten ’zusammenfügen’, also ’Zusammengefügtes, Zusammengehöriges’. ÞGatte. – HWPh 3 (1974), 24–30; EWNl 2 (2005), 151f.

aus l. gaudium, einer Ableitung von l. gaude¯re ’fröhlich sein’. Dazu die oberdeutsche Kürzung Gaudi. Ebenso ne. gaud. – DF 1 (1913), 239.

Gaufel (auch Gauf, Gaufe) Sf ’hohle Hand, die zusam-

mengelegten hohlen Hände voll’ per. obd. (15. Jh., goufana 8. Jh.), mhd. goufe, ahd. goufana. Aus g. göu, geu n., ahd. gewi, gouwi n. (Gen. gouwes), as. -ga¯, *gaupno¯ f. ’hohle Hand’, auch in anord. gaupn. Wei-go¯ in Namen. Aus g. *gaw-ja- n. ’Gegend, Landschaft’, auch in gt. gawi, afr. ga¯. Entspricht am ehesten ter wohl zu *gaupa- ’krumm’ in ae. geap als ’die Gegr. cho¯´ra f., cho˜ros m., die sowohl ’freier Raum’, wie krümmte’. auch ’Gegend, Land’ bedeuten. Der Vokalismus wird Heidermanns (1993), 234f.; EWahd 4 (2009), 546–548. deutlicher durch arm. gawar¯ ’Gebiet, Vaterstadt, Gauke Sf ÞGaube. Dorf’, das sich mit dem germanischen Wort auf (ig.) h *g ¡u- zurückführen lässt. Zu diesem würde das grie- gaukeln Vsw std. (10. Jh., Gaukler 9. Jh.), mhd. goukeln, gougeln, ahd. gougalo¯n, mndd. gokelen, mndl. gokelen chische Wort eine Vollstufe *g ho¯(u)- zeigen. Die für ’Narrenpossen treiben’. Dazu könnte mhd. goukel, das germanische Wort übliche Etymologie als *gagougel, ahd. gougal, goucal ’Narretei, Zauberei’ das agwja- ’das am Wasser Gelegene’ ist weder lautlich Grundwort sein. Noch weiter verbreitet ist das noch semantisch wahrscheinlich. Dagegen kommt Nomen Agentis Gaukler: mhd. goukel¢re, gougel¢re, die früher vorgeschlagene Verknüpfung mit gr. oı´¯e f. ahd. gougala¯ri, goucala¯ri, mndd. gokeler, mndl. ’Dorf’ (*auja¯) ernstlich in Frage, wenn von einem gokelare, gogelare, gukelare, ae. ge¯oglere. Semantisch Kollektivum *ga-au-ja- ausgegangen wird. stimmen diese Wörter zu l. iocula¯rı¯ ’scherzen, schä(’Gesamtheit der Dörfer’). Dafür spräche ahd. inoukern’, iocula¯tor ’Spaßmacher’, morphologisch und wa f. ’Wohnung, Wohnsitz’. lautlich können sie nicht ohne weiteres als EntlehÞGaumen. – Schrader/Nehring (1917/29), II, 454; Heinertz nung erklärt werden. Entweder Vermischung mit (1927), 46–50; LM 4 (1989), 1141; RGA 10 (1998), 468–471; einem heimischen Wort (etwa ÞGauch) oder EntlehEWNl 2 (2005), 314; EWahd 4 (2009), 195–198. nung durch eine vermittelnde Sprache (aber welGAU [gao] Sm erw. fach. (20. Jh.). Akronym aus Größter che?). Nach Mordeck / Glatthaar ist ml. cauclearii anzunehmender Unfall; auch Super-GAU. ’Wetterzauberer’ als Ausgangspunkt zu erwägen. AbStrauss u.a. (1989), 470–475. straktum: Gaukelei. Gaube (auch Gaupe, Gauke) Sf ’Dacherker’ per. fach. S. auch Þgokeln. – RGA 10 (1998), 479f.; Mordek, H., Glatt(15. Jh.), spmhd. gu¯pe. Herkunft unklar. Vielleicht zu haar, M. AK 75 (1993), 3929; EWNl 2 (2005), 307; EWahd 4 (2009), 548–551. regionalen Wörtern für ’hinausschauen, gaffen’ (gauken, hess. geipen o.ä.). Gaul Sm std. stil. (14. Jh.), spmhd. gu¯l ’schlechtes Pferd’ Gau Sm (auch Gäu obd. n.) erw. obs. (9. Jh.), mhd. gou,

(wie spmhd. gurre ’schlechte Stute’). Daneben auch

gaumen ’Ungetüm’ und andere Bedeutungen. Herkunft so unklar wie beim Femininum ÞGurre. Ebenso nndl. guil. – Sommer, F. IF 31 (1912/13), 362–371; Röhrich 1 (1991), 511f.

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cher oder ne. couch, auf das Þgautschen lautlich eingewirkt haben mag. Ebenso nndl. koetsen, ne. couch.

Gaze Sf ’ein leichtes Gewebe’ erw. fach. (17. Jh.). Ent-

gaumen Vsw ’hüten, wahren’ per. schwz. (8. Jh.), mhd.

lehnt aus nndl. gaas, dieses aus frz. gaze, aus span. goumen ’eine Mahlzeit halten; Aufsicht, Wache halgasa, und dieses vermutlich aus arab. qazz ’Rohseiten’, ahd. goumen ’erfrischen, achtgeben’, as. go¯mian. de’, aus pers. käz, oder zu arab. kegˇ ’Gaze’ (lautlich Aus g. *gaum-ija- ’beachten, besorgen’, auch in gt. schwierig). Die Einzelheiten sind umstritten. gaumjan, anord. geyma ’beachten, sorgen für’, ae. Ebenso nndl. gass, ne. gauze, nfrz. gaze, nschw. gas, nnorw. gas. gy¯man, gı¯eman. Ableitung von g. *gaumo¯ f. ’Auf– DF 1 (1913), 239; Littmann (1924), 94; Lokotsch (1975), 55, merksamkeit, Obacht’ in anord. gaum, gaumr, ae. 91f.; Brunt (1983), 318; Tazi (1998), 201f.; EWNl 2 (2005), 149f. gy¯me, as. go¯ma, ahd. gouma, mhd. goum(e). Dieses ist Gazelle Sf (eine Art Antilope) erw. exot. (16. Jh.). Enteine nominale Ableitung zu der Verbalwurzel ig. lehnt aus frz. gazelle, dieses aus span. gacela, aus arab. *g hau- in anord. ga´ ’beachten’, l. fave¯re ’gewogen g˙aza¯la. sein’, akslav. goveˇti ’verehren’. Ebenso nndl. gazel, ne. gazelle, nfrz. gazelle, nschw. gasell, nnorw. gasell, nisl. gasella. – DF 1 (1913), 239; Lokotsch (1975), Gaumen Sm std. (8. Jh.), mhd. guom(e), goum(e), 55; Kiesler (1994), 185f.; Tazi (1998), 202; EWNl 2 (2005), 178f. (mhd. guome), ahd. goumo neben guomo. Daneben ae. go¯ma, anord. go´mr; ahd. giumo. Das Nebeneinan- Gazette Sf ’Zeitung’ per. arch. (17. Jh.). Entlehnt aus der der verschiedenen Vokalstufen weist darauf hin, frz. gazette, dieses aus it. gazetta, aus der venezianidass verschiedenartige Fortentwicklungen eines Dischen Bezeichnung gazeta de la novita`. Ursprünglich phthongs vorliegen, der im Germanischen beseitigt handelt es sich bei venez. gazeta um den Namen einer wurde, nämlich a¯u in (ig.) *g ha¯umo¯n m. ’Gaumen’. Münze im Wert von zwei venezianischen Kreuzern − Außergermanisch steht am nächsten lit. gomury˜s dem Preis, der im 16. Jh. für ein Nachrichtenblatt ent’Kehle, Schlund’; morphologisch und semantisch richtet werden musste (vgl. zur Bezeichnung d. weiter entfernt sind gr. cha´os n. ’leerer Raum’, gr. Groschenheft). chau˜nos ’locker, klaffend’, l. fauce¯s Pl. ’Schlund’ und Ebenso nndl. gazet, ne. gazette, nfrz. gazette. – Jones, W. J. SN toch. B koym ’Mund’, toch. A ko ’Mund’, toch. B kor 51 (1979), 260; DEO (1982), 319; EWNl 2 (2005), 179. ˙ ’Kehle’. Offenbar ursprünglich ’der aufgerissene Ra- ge- Präfix std. (–), mhd. ge-, ahd. gi-, ga-, as. gi-. Aus g. chen’ zu ig. *g ha¯u- ’gähnen, klaffen’. *ga- (Vokalisierung unbestimmt), auch in afr. iEbenso ne. gums, nschw. gom, nisl. go´mur; ÞGau. – Winter, W. JIES 10 (1982), 181–183; EWahd 4 (2009), 562–564.

Gauner Sm std. stil. (16. Jh.). Mit omd. Lautung g- für j-

aus älterem Joner, das im 15. Jh. noch ’(Falsch)Spieler’ bedeutet, ebenso junen ’falsch spielen’. Das Wort kommt aus dem Rotwelschen, wo es aber die Bedeutungsverallgemeinerung nicht mitmacht, sondern immer auf das Kartenspiel bezogen bleibt. Das Wort bedeutet vermutlich ursprünglich ’Grieche’, so wie frz. grec auch für ’Falschspieler’ stehen konnte (zu wjidd. jo¯wo¯n ’Griechenland’, zu dem es ein *yewo¯ne[r] ’Grieche’, eigentlich ’Jonier’ gegeben haben kann). Im einzelnen nicht ausreichend klar. Abstraktum: Gaunerei. Wolf (1985), 119f.

Gaupe Sf ÞGaube. gautschen1 Vsw ’schaukeln, wiegen’ per. wobd. (15. Jh.).

Andernorts auch gauken, gaukeln, so dass wohl ein altes *gu¯kezzen o.ä. vorausliegen wird. Das Wort ist aber in alter Zeit nicht bezeugt. gautschen2 Vsw per. fach. (18. Jh.). Fachausdruck der

(meist abgefallen), ae. ge-, gt. ga-, (altnordisch sind alle unbetonten Präfixe abgefallen). Die Grundform ist also am ehesten g. *ga-. Funktionell entspricht l. com-, gr. sy´n-, xy´n, die sich aber wegen des Anlauts weder mit g. *ga- noch untereinander vereinigen lassen. Funktionell ist *ga- 1) ein Verbalpräfix mit starken Ansätzen zur Verallgemeinerung mit perfektiver Bedeutung in den frühen germanischen Sprachen − davon ist im heutigen Deutschen die Verwendung im Partizip geblieben; 2) ein nominales Präfix, besonders bei Kollektiven (ÞGebirge zu ÞBerg) und Abstrakten (Geschrei zu Þschreien); auch Soziativbildungen wie ÞGeselle zu ÞSaal. In einigen Bildungen ist der Vokal ausgefallen (Þglauben, Þgleich, Þbegleiten u.a.). Scherer, Ph. Word 10 (1964), 221–245; Lindeman, J. W. R. JEGPh 64 (1965), 65–83; Wortbildung 2 (1975), 50f. und die dort angegebenen Stellen; Hoffmann, W. FS E. Ska´la (1988), 167–184; Quinim, D. P. AJGLL 3 (1991), 145–159; EWNl 2 (2005), 179f.; EWahd 4 (2009), 202–204.

Gebärde Sf std. (8. Jh.), mhd. geb¢rde, ahd. giba¯rida,

giba¯ridı¯ ’Benehmen, Aussehen, Wesen’. Verbalabstraktum zu mhd. geb¢ren, ahd. giba¯ren ’sich benehmen’.

Papierherstellung: ’die geschöpften Bogen zum Pressen auf ein Brett legen’, danach im BuchdruckergeS. auch Þungebärdig und Þgebaren. – HWPh 3 (1974), 30–31; RGA 10 (1998), 496–504. werbe: ’ausgelernte Lehrlinge durch Eintauchen oder anderes Nassmachen in die Zunft aufnehmen’. Ver- gebaren Vswrefl erw. obs. (8. Jh.), mhd. geba¯ren, ahd. mutlich Lehnwort aus gleichbedeutendem frz. cougiba¯ron. Neben dem jan-Verb mhd. geb¢ren, ahd.

gebrechen

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giba¯ren gleicher Bedeutung (ÞGebärde). Zum janVerb auch as. giba¯rion, ae. geb¢ ¯ ran. Denominales Verb zu wg. *b¢ ¯ r-ja- n. ’Betragen’ in ae. geb¢ ¯ re, as. giba¯ri, mhd. geb¢re oder seinem nominalen Grundwort. Dieses eine Ableitung zu g. *ber-a- ’tragen’ (Þgebären); vgl. gleichbedeutendes Betragen. Heute wird das Verb meist durch das denominale sich gebärden ersetzt.

h

h

von Lindheim, B. BGDSL 62 (1938), 421–425; Götz, H. BGDSL-H 81 (1959), 191–203; Wolf-Rottkay, W. H. Kratylos 9 (1964), 196; EWNl 2 (2005), 182f.; EWahd 4 (2009), 208.

indogermanischen Sprachen bezeugtes *g ab ’nehmen, bringen, halten’. Es stimmt dazu aber weder der Vokalismus noch die Bedeutung (allerdings treten ’nehmen’ und ’geben’ häufiger bei der gleichen Verbalwurzel auf); nach Stempel ist *g heb hatelisch (nicht zielgerichtet) gegenüber telischem *do¯- ’geben’. Vgl. l. habe¯re ’haben’, air. gaibid ’nimmt, ergreift’, lit. gabe´nti ’befördern, herbeischaffen, fortschaffen’, poln. gabac´ ’angreifen, ergreifen’. − Durchsichtige Partikelverben sind ab-, bei-, hin-, Präfigierungen um-, untergeben.

gebären Vst std. (8. Jh.), mhd. gebern, ahd. giberan, as.

Ebenso nndl. geven, ne. give (entlehnt), nschw. giva, nisl. gefa.

Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞProhibition; ÞGabe, giberan. Aus g. *ga-ber-a- Vst. ’gebären’, auch in gt. Þgäbe, ÞGift; zu stärker lexikalisierten Präfigierungen und gabairan, (anord. bera), ae. geberan, perfektivierende Partikelverben s. Þangeben, Aufgabe (Þaufgeben), ausgiebig, Präfigierung zu g. *ber-a- ’tragen, bringen’ in den Þbegeben, ÞEingebung, Þergeben, nachgeben, übergeben, h gleichen Sprachen. Dieses aus ig. *b er- ’tragen, brin- Þvergebens, zugeben. – Seebold (1970), 217–219; Stojcˇevski, gen’ in ai. bha´rati, bı´bharti, toch. AB pär-, gr. phe´ro¯, G. Orbis 23 (1974), 433–437; Röhrich 1 (1991), 512f.; EWNl 2 air. ber-, l. ferre, mit abweichender Bedeutung lit. (2005), 257f.; Stempel, P. HSF 118 (2005), 185–197; EWahd 4 ber˜ti ’streuen, ausschütten’ und akslav. bı˘rati (2009), 112–116. ’sammeln, lesen, wählen’. Die Verben sind vielfach Gebet Sn std. (8. Jh.), mhd. gebet, ahd. gibet, as. gibed. suppletiv. Die Spezialisierung auf ’gebären’, die beim Aus wg. *ga-beda- n. ’Gebet’, auch in ae. gebed. Das germanischen Verb auch im Simplex auftritt, findet Wort ist eine Ableitung zu Þbitten und muss ursich auch teilweise im Lateinischen und deutlicher im sprünglich eine entsprechende Bedeutung gehabt Altirischen (dort allerdings häufiger bei dem supphaben (’Bitte’ o.ä.). Dann Gebrauch für ’Gebet’ im letiv ergänzenden ro-ucc-, da ber- selbst keine ro-ForRahmen des Christentums. Das Verb Þbeten ist jünmen bilden kann − die ro-Formen entsprechen funkger. Die Wendung ins Gebet nehmen ’scharf zurechttionell den germanischen ga-Formen); sporadisch weisen’ kann dem Sinn nach kaum das gleiche Wort (bei Ableitungen usw.) auch in anderen Sprachen. sein. Ansprechend ist die Vermutung, dass es sich um Gebären ist also ’austragen, zu Ende tragen’. Die ndd. gebet(t) ’Gebiss’ handelt, d.h. der eiserne QuerSchreibung mit ä ist etymologisch unrichtig. riegel im Maul des Pferdes, mit dem dieses gezügelt Ebenso nndl. baren, ne. bear, nschw. bära, nisl. bera. Die Sippe wird. des Wortes ist nicht mehr eigentlich durchsichtig, da das Grundwort ausgestorben ist. Abstraktum zum vorliegenden Verb ist ÞGeburt; Konkretbildungen zum unpräfigierten Grundwort sind ÞBahre, ÞBarn, ÞBürde, Þurbar, ÞRadeberge und in weiterem Zusammenhang ÞEimer und ÞZuber; eine Adjektivbildung in Þ-bar; eine semantisch abweichende Gruppe in Þgebaren, ÞGebärde, Þungebärdig; aus dem Grundwort weiterentwickelt ist Þentbehren; eine Kontamination mit einem anderen Verb in Þbringen; semantisch mehr oder weniger sicher zugehörig sind ÞAdebar, ÞBärme, Þgebühren, ÞUngeziefer. Die lateinische Verwandtschaft unter ÞDifferenz, die griechische unter ÞMetapher. – Seebold (1970), 104–106; EWahd 1 (1988), 546–548; EWNl 1 (2003), 223; 2 (2005), 186.

Gebärmutter (älter Bärmutter) Sf std. (16. Jh.). Zu

ÞMutter in der Bedeutung ’Gebär-Organ’ mit Verdeutlichung durch das Verb Þgebären. EWNl 1 (2003), 196.

Gebäude Sn std. (12. Jh.), mhd. gebu¯wede, ahd. gi-

bu¯(w)ida, gibu¯idı¯ ’Bau’. Ableitung zu Þbauen; eigentlich ’das Gebaute’. EWNl 2 (2005), 187; EWahd 4 (2009), 220f.

geben Vst std. (8. Jh.), mhd. geben, ahd. geban, as. ge-

ban. Aus g. *geb-a- Vst. ’geben’, auch in gt. giban, anord. gefa, ae. giefan, afr. jeva. Dieses Verb ist außerhalb des Germanischen nicht unmittelbar zu vergleichen. Am nächsten steht ein in den europäischen

LM 4 (1989), 1155–1159; Röhrich 1 (1991), 513; RGA 10 (1998), 504–506; EWNl 2 (2005), 183.

Gebiet Sn std. (13. Jh.), mhd. gebiet(e) n./f . Ableitung

von gebieten (Þbieten), ursprünglich mit der Bedeutung ’Befehlsgewalt’; dann übertragen zu ’Befehlsbereich, Gebiet, in dem der Befehl gilt’; dann verallgemeinert zu ’Bereich’. Þbieten, Þunbotmäßig. – EWNl 2 (2005), 185.

Gebirge Sn std. (9. Jh.), mhd. gebirge, ahd. gibirgi, as.

gibirgi. Kollektivbildung zu ÞBerg, also eigentlich ’Gesamtheit der Berge’. EWNl 2 (2005), 184.

Geblüt Sn erw. obs. (15. Jh.). Das Wort ist eigentlich eine

Kollektivbildung zu ÞBlut, also ’Gesamtheit des Blutes’. Die heutige Verwendung in von fürstlichem Geblüt u.ä. ist aber abhängig von der Soziativbildung fnhd. geblut ’von gleichem Blut’, im Sinne von ’von gleicher Abstammung’, aber auch übertragen gebraucht. gebrechen (es gebricht an, älter auch mit Genetiv, ’es

fehlt’) Vst erw. phras. (11. Jh.). In dieser Bedeutung seit mittelhochdeutscher Zeit. Ausgangsbedeutung ist offenbar ’es bricht ab von, es geht ab von, es fehlt’. Þbrechen, ÞGebrechen.

Gebrechen Gebrechen Sn erw. obs. (13. Jh.). Substantivierter Infi-

nitiv zu Þgebrechen, der älteres mhd. gebreche m. ’Mangel, Beschwerde, Krankheit’ verdrängt. Im Laufe der frühneuhochdeutschen Zeit setzt sich die übertragene Bedeutung ’Krankheit’ als einzige durch. EWNl 2 (2005), 187.

338

brauch entstanden. Oberdeutsch entspricht mundartliches gagg, bairisch auch gacks. Offenbar ein lautmalendes Wort. Vgl. auch ÞGauch. – Röhrich 1 (1991), 514f.; EWNl 2 (2005), 208.

Gedächtnis Sn std. (9. Jh.), mhd. ged¢htnisse, ahd. gi-

thehtnissi ’das Denken an etwas’. Adjektiv-Abstraktum zum Partizip von (ge)denken (Þdenken). Später sprechend zu ÞGebrechen abgeleitet von mhd. ge’Erinnerung’ und ’Erinnerungsvermögen’. bresten n., das mit Metathese des r zu Þbersten gehört. EWNl 2 (2005), 190; EWahd 4 (2009), 228f. Schon ahd. bresta f. ’Mangel’, ahd. gibrestan Vst. ’ermangeln’. Gedanke Sm std. (8. Jh.), mhd. gedanc, ahd. gidanc, as. githanko. Aus wg. *ga-þanka-/o¯n m. ’Gedanke’, auch Gebück Sn ’geflochtene Hecke’ per. arch. (15. Jh.), fnhd. gebucke ’ein zur Bezeichnung der Waldgrenzen ineinin ae. geþonc m./n.; offenbar altes Verbalabstraktum ander gebogenes oder geflochtenes Gebüsch’. Zu zu Þdenken, da es dessen j-Suffix nicht übernimmt. Þbücken, das eine Intensivform zu Þbiegen ’knicken’ Die schwachen Flexionsformen sind offenbar vom ist. Norden her eingedrungen. − Der Gedankenstrich (18. Jh.) markiert, wo Gedanken abgebrochen wurgebühren Vsw erw. obs. (8. Jh.), mhd. gebürn, ahd. giden oder eingeschoben werden. burien, as. giburian. Aus g. *ga-bur-ija- ’gebühren’, Gebresten Spl ’Krankheit(en)’ per. arch. (11. Jh.). Ent-

HWPh 3 (1974), 52–55; Röhrich 1 (1991), 515f.; Becker (1964), auch in ae. geby¯rian, (anord. byrja), gt. in gabaurjaba 164–166; EWNl 2 (2005), 189f. ’gern’. Die bezeugten Bedeutungen sind ’beginnen’ − ’sich ereignen, zutragen’ − ’gebühren, sich gehören’. gedeihen Vst std. (8. Jh.), mhd. gedı¯hen, ahd. gidı¯han, Das Verbum gehört sicher zu *ber-a- ’tragen, bringen’ as. (gi-)thı¯han. Im Altenglischen geht das Verbum nach der III. Klasse: þe¯on, þa¯h, þungon, þungen. Dies (Þgebären), doch ist der morphologische und weitweist darauf hin, dass von *þenh- auszugehen ist, das gehend auch der semantische Zusammenhang unnach dem Nasalschwund im Präsens wie ein starkes klar. Evtl. handelt es sich um ein altes jo-Präsens von Verb der I. Klasse aussah und deshalb in diese überder Schwundstufe. Rückbildung: Gebühr; Adjektiv: trat. Ebenfalls auf *þenh- weisen ae. þyhtig ’gediegen’ gebührlich. und vielleicht as. athengian ’ausführen’. Das Gotische Ebenso nndl. gebeuren; Þgebären, Þempören. – EWNl 2 (2005), hat ebenfalls schon die sekundäre Form (gt. þeihan, 184f.; EWahd 2 (1998), 466f. þaih). G. *þenh-a- V(st.) ’gedeihen’ hat keine sichere gebumfiedelt AdjPP (in sich gebumfiedelt fühlen ’sich Vergleichsmöglichkeit. Vermutlich ist von ig. *tenkgeehrt fühlen’) erw. stil. phras. (20. Jh.). Eigentlich ’gerinnen’ auszugehen; dieses in ai. tana´kti ’zieht zu’sich durch ein Ständchen geehrt fühlen’ zu ÞFiedel sammen, gerinnt’, air. con-te´ici ’es gerinnt’ und aus und wohl einer lautmalenden Verstärkung. dem Germanischen noch nisl. þe´l ’geronnene Milch’. Vgl. etwa fiedelfumfei als Nachahmung der ÞFiedel. Den Übergang zu ’gedeihen’ bilden Bedeutungen wie Geburt Sf std. (8. Jh.), mhd. geburt, ahd. giburt, as. gi’fest werden, stark werden’. Adjektiv: gedeihlich; das burd. Aus g. *ga-burdi- f. ’Geburt’, auch in gt. gaAbstraktum nur noch in auf Gedeih und Verderb. baurþs (grammatischer Wechsel zurückgenommen), Ebenso nndl. gedijen; Þdicht, Þgediegen. – Trier (1951), 16–23; anord. byrd,Ñ ae. gebyrd, afr. berde. Ein ti-Abstraktum Benveniste, E. Word 19 (1954), 253f.; Donath, Ch. BGDSL-H zu Þgebären; außergermanisch entspricht air. breth, 84 (1962), 445, 453; Seebold (1970), 512–514; Röhrich 1 (1991), brith ’Geburt’. − Hierzu das Adjektiv gebürtig. In der 516; EWNl 2 (2005), 192. Bedeutung festgelegt sind Ausgeburt und Nachgeburt. gediegen AdjPP std. (9. Jh.), mhd. gedigen, ahd. gidi-

Ebenso nndl. geboorte, ne. birth (entlehnt), nschw. börd; Þgebären. – Röhrich 1 (1991), 514; RGA 10 (1998), 514f.; EWNl 2 (2005), 186; EWahd 4 (2009), 225f.

Geburtstag Sm std. (9. Jh.), mhd. geburttac, ahd. gibur-

gan. Die alte Partizip-Form von Þgedeihen. Die Bedeutungsentwicklung ist im einzelnen unklar. Ochs, E. BGDSL 44 (1920), 318f.; EWNl 2 (2005), 191; EWahd 4 (2009), 232f.

titag(o) ’Tag der Geburt’. Lehnübersetzung mit Gedöns Sn ’Aufhebens’ per. ndd. (13. Jh.), mhd. gedense ÞGeburt und ÞTag zu gleichbedeutendem l. die¯s ’Hin- und Herziehen’. Zu mhd. dinsen ’ziehen’ (s. na¯ta¯lis. In Anlehnung an Tag als ’Jahres-, Gedenktag’ unter Þaufgedunsen). Die heutige Form stammt aus seit dem 16. Jh. in der heutigen Bedeutung ’Tag, an dem Niederdeutschen. dem die Geburt sich jährt und gefeiert wird’. Þaufgedunsen. – Röhrich 1 (1991), 516f.

Geck Sm erw. stil. (14. Jh.). Ursprünglich niederdeut-

sches Wort (mndd. geck, mndl. gec), im 14. Jh. für ’Hofnarr’, heute im Rheinland ÞJeck ’Narr’ (besonders im Karneval). Das Adjektiv jeck ’närrisch, verrückt’ ist aus dem Substantiv in prädikativem Ge-

gedrungen AdjPP ’kurz und breit’ std. (16. Jh.). Eigent-

lich Partizip zu Þdringen, der Bedeutung nach aber eher zu drängen (ÞDrang) gehörig (’zusammengedrückt, gestopft’).

Gefreiter

339 Geduld Sf std. (8. Jh.), mhd. gedult, gedulde, ahd. gidult,

(ge)fangen (Þfangen). Die Bedeutung ist ursprünglich ’Gefangenschaft, Gefangennahme’; erst im 15. Jh. beas. githuld. Aus wg. *ga-þuldi- f. ’Geduld’, auch in ae. geþyld; ti-Abstraktum zu g. *þul-¢ ¯ - Vsw. ’dulden’ in ginnt sich die Bedeutungsverschiebung zu ’Kerker’ gt. þulan, anord. þola, ae. þolian, as. tholon, durchzusetzen. thol(o)ian, ahd. t(h)ole¯n, dole¯n. Die Ableitung muss LM 4 (1989), 1168f.; EWNl 2 (2005), 256f. alt sein, da sie das verbale Suffix -¢ ¯ - nicht überGefäß Sn std. (11. Jh.), mhd. gev¢ ¯ ze, ahd. gifa¯zi. Eigentnimmt. Das Verb geht zurück auf ig. *tel¡–/tla¯lich ’Ausrüstung, Schmuck’, dann zu der heutigen ’tragen’ im Sinne von ’ertragen’, vgl. l. tollere Bedeutung spezialisiert unter dem Einfluss von ’aufheben, tragen’, l. tolera¯re ’ertragen’ (Þtolerieren), ÞFass, als dessen Kollektivum das Wort aufgefasst gr. tle˜nai ’ertragen’. wurde (es ist aber höchstens eine weitläufige VerHWPh 3 (1974), 74f.; Schmoock, P. FS Cordes (1976), 322–353; wandtschaft anzunehmen, wenn es sich nicht überRöhrich 1 (1991), 517–518; EWNl 2 (2005), 195; EWahd 4 haupt um zwei verschiedene Wörter handelt). Zu (2009), 239f. dem deutschen Wort in seiner alten Bedeutung stimGeest Sf ’hochliegendes Heideland über der men gt. fetjan ’schmücken’, gt. gafeteins ’Schmuck’, Marsch’ per. ndd. (17. Jh., Form 18. Jh.). Ursprünglich anord. f¢ta ’schön tun’, ae. f¢t n. in der Bedeutung niederdeutsches Wort (mndd. ge¯st, gast, mndl. geest; ’bearbeitetes Metall, Goldschmuck’. Die im einzelnen vgl. fr. ga¯st). Substantivierung des Adjektivs ndd. ge¯st, unklaren Bedeutungsverhältnisse erschweren eine afr. ga¯st ’unfruchtbar, trocken’, vgl. ae. g¢ ¯ sne, ahd. etymologische Beurteilung. Spätere Sonderanwengeisinı¯ ’Unfruchtbarkeit, Armut’, nisl. gisinn dungen in Blutgefäß und Staubgefäß. ’trocken, rissig’. Weitere Herkunft unklar. Nach LM 4 (1989), 1169f. Sausverde Substratwort. Im Hochdeutschen erst als gefasst AdjPP ’beherrscht’ std. (16. Jh.). Ursprünglich Kompositum Geestland, dann als Simplex. als Partizip zu Þfassen, refl. sich fassen, eigentlich Sausverde (1996); EWNl 2 (2005), 200. ’sich mit Vorräten usw. ausrüsten’, ’Vorräte fassen’ Gefahr Sf std. (8. Jh., Form 15. Jh.), mhd. geva¯re gebraucht. Daher gefasst = ’vorbereitet’; dann auf die ’Hinterlist, Betrug’. Zu älterem mhd. (ge)va¯re, ahd. seelische Verfassung übertragen. fa¯ra, as. fa¯r ’Nachstellung’ aus g. *f¢¯ ro¯ f. ’NachstelEWNl 2 (2005), 257. lung, Gefahr’, auch in anord. fa´r n. ’Feindschaft, Begefeit AdjPP erw. obs. (19. Jh.). Im Rückgriff auf älteres trug’, ae. f¢ ¯ r m. Dehnstufige Nominalbildung zu ÞFei (für ÞFee) wird das Verb feien gebildet als einer Wurzel ig. (eur.) *per- ’versuchen, riskieren’ in ’durch Zauberkraft stark oder unverwundbar mal. perı¯culum n. ’Gefahr’, l. experı¯mentum n. ’Versuch, chen’, hierzu das Partizip. Ein älteres Wort ist mhd. Prüfung’, gr. peı˜ra ’Erfahrung, Versuch’. Hierzu das feinen zu mhd. fei(e), feine ’Fee’. Adjektiv gefährlich und (über ein Zwischenglied) das Gefieder Sn std. (8. Jh.), mhd. gevider(e), ahd. gifederi. Verb gefährden. Kollektiv zu ÞFeder, also ’Gesamtheit der Federn’. ÞExperiment, Þungefähr. – Spinar, N.: Zu Entwicklung, BeAdjektiv: gefiedert. deutung und Anwendungsbereich der spätmittelalterlichen Formel ’ane geværde’ (Diss. Erlangen 1965); Kutzelnigg, A. Orbis 19 (1970), 492–499 (anders); EWNl 2 (2005), 255.

Gefährte Sm std. (9. Jh.), mhd. geverte, ahd. gifarto, gi-

Gefilde Sn erw. obs. (10. Jh.), mhd. gevilde, ahd. gefildi.

Kollektiv zu ÞFeld, also ’Gesamtheit der Felder’. EWahd 4 (2009), 251.

ferto, mndd. geverde. Ist eine Soziativbildung zu gefinkelt Adj ’schlau’ per. österr. (20. Jh.). Zu ÞFink Fahrt, also ’jmd., der mit auf der (gleichen) Fahrt ist’. ’schlauer Mensch’. Þfahren. – EWNl 2 (2005), 256; EWahd 4 (2009), 250f.

Gefälle Sn std. (11. Jh.), mhd. gevelle, ahd. gifelli. Kol-

lektivum zu ÞFall, heute beschränkt auf (’Folge von Fällen’,) ’Höhenunterschied’. gefallen Vst std. (8. Jh.), mhd. gevallen, ahd. gifallan

’zufallen, zuteil werden’. Präfigierung von Þfallen. Die Bedeutung ’zu-fallen’ ist naheliegend, ist aber vielleicht unterstützt worden von Ausdrücken beim Würfelspiel. Noch mittelhochdeutsch stehen bei gevallen qualifizierende Adverbien wie wol, baz usw. Adjektiv gefällig mit dem Abstraktum Gefälligkeit. HWPh 3 (1974), 75–79.

Gefängnis Sn (älter auch f.) std. (13. Jh., Bedeutung

15. Jh.), mhd. (ge)vancnisse, (ge)vencnisse, mndd. gevenknisse, mndl. gevancnesse. Verbalabstraktum zu

geflissentlich Adj/Adv erw. obs. (16. Jh., Form 18. Jh.).

Ohne eingeschobenes -t- seit dem 16. Jh. Das zugrunde liegende Adjektiv geflissen ist Partizip Präteritum zu mhd. vlı¯zen ’sich befleißigen’ (ÞFleiß); die Ausgangsbedeutung ist also etwa ’absichtlich’. Geflügel Sn std. (9. Jh., Form 14. Jh.), spmhd. gevlü-

gel(e). Älter gevügel(e), ahd. (gi-)fugilı¯(n), ein Kollektiv zu ÞVogel, also ’Gesamtheit der Vögel’. Das Wort ist sekundär an ÞFlügel angeglichen worden; daher die neuhochdeutsche Form. RGA 10 (1998), 532f.

Gefreiter Sm erw. fach. (16. Jh.). Substantiviertes Par-

tizip Präteritum von Þfreien, mhd. vrı¯en ’frei machen, befreien’ (zu frei). Soldatensprachliche Lehnübersetzung des 16. Jhs. zu l. exemptus, dem Partizip

gegen

340

Perfekt Passiv von l. eximere ’herausnehmen’. Die alte Sprachgebiet aus. Mndd. gegenere ist LehnübersetBedeutung ist − dem lateinischen Vorbild entsprezung von l. adversa¯rius (gegen steht für l. adversus chend − ’der (vom Schildwachdienst und anderen ’gegenüber’). Adjektiv: gegnerisch. Walther, C. ZDW 7 (1905), 35–38. Tätigkeiten) Befreite’. Daneben tritt das Wort im 16. Jh. auch in der Sprache der Bibel als ’Freigelasgehaben (auch refl) Vsw (Hochsprachlich nur noch in sener’ auf. ’Gehab dich wohl’) erw. obs. phras. (8. Jh.). Aus mhd. Meyer, R. M. ZDW 12 (1910), 148f. sich gehaben, ahd. sih gihabe¯n ’halten, sich befinden’ (zu nhd. Þhaben). Der Bedeutungsübergang wie bei gegen Präp std. (9. Jh.), mhd. gegen, ahd. gegin, gagan, ne. behave ’sich benehmen’. Abstraktum: Gehabe. as. gegin. Aus g. *gagna-, auch in anord. gagn, ae. geagn, neben *gegni-, auch in anord. gegn, ae. gegn, Gehalt Smn std. (15. Jh.), spmhd. gehalt. Verbalabstrakafr. je¯n. Vgl. anord. gaghals ’mit zurückgebogenem tum zu gehalten ’festhalten’ (Þhalten). Das Wort zeigt Kopf’ und ähnliche Bildungen. Klare außergermaverschiedene Bedeutungen, von denen sich zunächst nische Vergleichsmöglichkeiten fehlen. ’Edelmetallgehalt von Münzen’, dann allgemein Þentgegen, Þgen. – Marcq, Ph. EG 35 (1980), 133–144; ’Anteil’ (an erwünschten Stoffen) durchsetzt. Die BeEWahd 4 (2009), 7–9. deutung ’Besoldung’ ist spät (18. Jh.) und geht aus von ’die Summe, für die man jmd. in Diensten hält’. Gegend Sf std. (13. Jh.), mhd. gegende, gegeno¯te, ahd. Sekundär sind Genus und Pluralformen getrennt gagano¯ti. Offenbar eine Lehnübersetzung von ml. worden in das Neutrum ’Besoldung’ (Pl. Gehälter) contrata, contrada ’das Gegenüberliegende’ in it. conund das Maskulinum ’Anteil, Inhalt’ (Pl. Gehalte). trada, nfrz. contre´e (ne. country, mhd. contra¯te). Röhrich 1 (1991), 520.

HWPh 3 (1974), 140–145; EWNl 2 (2005), 203.

geharnischt AdjPP std. (15. Jh.). Zu ÞHarnisch als ’in Kampfbereitschaft gebracht’, übertragen für ’heftig, contrepoison m., das seinerseits eine Lehnübersetzung nachdrücklich’. zu l. antidotum n. gleicher Bedeutung ist. Dieses aus Ebenso nndl. geharnast. gr. antı´dotos Adj. ’dagegen gegeben’, später gr. antı´dotos f. ’Gegengift’ (zu gr. antı´- ’gegen’, s. Þanti- und Gehäuse Sn std. (15. Jh.), spmhd. gehiuse. Kollektiv zu ÞHaus, aber eher als Modifikation gebraucht: ’etwas gr. dı´do¯mi ’ich gebe’). in Art eines Hauses’. Ebenso nndl. tegengif(t) (nach deutschem Vorbild), nschw.

Gegengift Sn std. (17. Jh.). Lehnübersetzung zu frz.

motgift, nisl. moteitur. – Götze, A. ZDW 11 (1909), 260–266; Betz, W. BGDSL 67 (1944), 302.

HWPh 3 (1974), 145f.

gehaut AdjPP ’durchtrieben’ per. österr. (20. Jh.). Wohl

Gegensatz Sm std. (15. Jh.). Zuerst nur in der Rechts-

ausgehend vom Hauen der Feile (= ’schärfen’). sprache als ’Entgegnung im Rechtsstreit’ bezeugt, Gehege Sn std. (13. Jh.), mhd. gehege. Am ehesten ein wohl Lehnübersetzung zu l. oppositio f. (zu l. oppo¯nere Kollektiv zu ÞHag, also ’Gesamtheit der Zäune oder ’entgegenstellen’). Hecken, Umzäunung’. HWPh 3 (1974), 105–119.

Gegenstand Sm std. (16. Jh.). Lehnübertragung zu

ÞObjekt (l. oculo¯ obiectum n. ’dem Auge gegenüberliegend, gegenüberstehend’). Wird durch die Fachsprache der Philosophen durchgesetzt. Pfaff (1933), 30f.; HWPh 3 (1974), 129–134.

Gegenstück Sn std. (18. Jh.). Ersatzwort für ÞPendant,

das im 18. Jh. aus frz. pendant, dem Partizip Präsens von frz. pendre ’hängen, (unentschieden sein, gleich sein)’, entlehnt wurde. Pfaff (1933), 31f.

gegenüber Adv/Präp std. (16. Jh.). Zusammenrückung

aus Þgegen und Þüber. Gegenwart Sf std. (8. Jh.). Rückgebildet aus mhd. ge-

genwertec, gegenwürtec ’gegenwärtig’, ahd. gaganwertig ’gegenwärtig, anwesend’. Eigentlich ’gegenüber seiend’. Zum zweiten Bestandteil s. Þ-wärts. Präfixableitung zum Adjektiv: vergegenwärtigen. HWPh 3 (1974), 136 ff .

Gegner Sm std. (14. Jh., Standard 16. Jh.). Ursprünglich

norddeutsch, breitet sich dann aber auf das ganze

Vgl. langobard. gahagium ’eingefriedetes Gebiet’. – Tiefenbach (1973), 60–62; Röhrich 1 (1991), 520.

geheim Adj std. (15. Jh.), spmhd. geheim. Eigentlich

eine Soziativbildung ’der im gleichen Hause ist’ und damit ein Wort für ’vertraulich’; daraus verallgemeinert zur heutigen Bedeutung. Abstraktum: Geheimnis; Adverb: insgeheim. ÞHeim. – EWNl 2 (2005), 204.

gehen Vst std. (8. Jh.), mhd. ga¯n, ge¯n, ahd. ga¯n, ge¯n, as.

ga¯n. Aus g. *g¢ ¯ - Vst. ’gehen’, auch in krimgt. geen, aschw. ga¯, ae. ga¯n, afr. ga¯n; überall suppletiv ergänzt durch *gang-a- (s. unter ÞGang 1). Die am weitesten verbreitete Form *g¢ ¯ - ist im Althochdeutschen athematisch; sie vergleicht sich außergermanisch mit gr. kicha¯´no¯ (aus *g´ h¡-nw-) ’ich erreiche, erlange, treffe an’. Die Herkunft von ahd. ge¯-, das auf g. *gai- zurückgehen sollte, ist umstritten. Es handelt sich aber sicher um eine sekundäre Abwandlung. − Durchsichtige Präfigierungen und Partikelverben sind ab-, an-, auf-, aus-, ent-, er-, über-, unter-, vorgehen; stärker lexikalisierte s. unter Þbegehen, Þeingehen, Þhintergehen.

Geisel

341 Ebenso nndl. gaan, ne. go, nschw. ga˚. – Seebold (1970), 216f.; Kolb, H. FS Eggers (1972), 126–141; Man˙czak, W. KN 34 (1987), 3–10; Röhrich 1 (1991), 520–522; EWNl 2 (2005), 148; Oettinger, N. HSF 120 (2007), 115–127.

geheuer Adj std. (9. Jh., Form 13. Jh.), mhd. gehiure.

Eigentlich eine Präfigierung, die aber wohl erst aus dem Gegensatz ahd. ungihiuri neben ahd. unhiuri herausgelöst ist. Zugrunde liegt g. *hiurja- (älter offenbar *heiw-ra-) ’lieb’ in anord. hy´rr, ae. hı¯ere, as. unhiuri, ahd. unhiuri ’unheimlich’. Außergermanisch vergleicht sich ai. ´s´eva- ’lieb, wert, vertraut’. ÞUngeheuer. Die weitere Etymologie s. unter ÞHeirat. – Heidermanns (1993), 290f.; EWNl 2 (2005), 354f.

gehl Adj Þgelb. gehorchen Vsw std. (13. Jh.). Die Bedeutung ’auf jmd.

hören (und dann seinem Rat, Befehl usw. folgen)’ wird zu einem Wort für ’gehorsam sein’; zunächst auf die Gegenden beschränkt, in denen auch Þhorchen üblich ist. Die ältere Bildung mit dieser Bedeutung (Þgehorsam) geht von Þhören aus und ist eine Lehnübertragung zu l. oboedı¯re ’gehorchen’, l. oboedie¯ns ’gehorsam’, l. oboedientia ’Gehorsam’. Betz, W. in W. Meid, K. Heller (Hrsg.): Sprachkontakt als Ursache von Veränderungen der Sprach- und Bewußtseinsstruktur (Innsbruck 1981), 19–22; Sweetser (1990), 41–44 (zum Bedeutungsübergang); HWPh 3 (1974), 146–154 (zu Gehorsam); LM 4 (1989), 1174; RGA 10 (1998), 568–570; EWNl 2 (2005), 205.

gehören Vsw std. (8. Jh.). Das Wort war weit verbreitet

als Intensiv-Form zu Þhören. Die heutige Bedeutung entwickelt sich aus ’auf jmd. hören’ = ’zu ihm gehören’, geht also ursprünglich von Personen aus und ist dann auf Sachen verallgemeinert worden. Auf verschiedene Bedeutungen des Verbs gehen die Adjektivbildungen und ihre Ableitungen zurück: gehörig − angehörig − zugehörig. gehorsam Adj Þgehorchen. Gehre Sf (auch Gehren m.) ’Kleiderschoß, keilförmiges

Stück’ per. reg. (9. Jh.), mhd. ge¯r(e) m., ahd. ge¯ro m. Aus g. *gaizo¯n m. ’Spitziges, Keilförmiges’, auch in ae. ga¯r m. ’Stück Zeug’, anord. geirer m. ’dreieckiges Zeugstück’, einer Ableitung von g. *gaiza- ’Ger, (Spitze)’ (ÞGer). Heute sind vor allem die Ableitungen gehren ’schräg zuschneiden’ und Gehrung ’schräger Zuschnitt’ als technische Ausdrücke der Holzbearbeitung üblich. Gehrock Sm std. (19. Jh.). Wohl gekürzt aus *Ausgeh-

rock. ÞRock.

Geier Sm std. (9. Jh.), mhd. gı¯r, ahd. gı¯r, mndd. gire.

Aus vd. *gı¯ra-/o¯n m. ’Geier’, einer Substantivierung zu einem allerdings erst später und mit anderer Stammbildung belegten Adjektiv *gı¯ra- ’gierig’ in mhd. gir, mndd. gir, ger. Die Gier der Geier gilt auch heute noch als auffälligster Zug dieser Vögel (vgl. wie die Geier u.ä.).

Ebenso nndl. Gier. Zur Grundlage des Adjektivs s. unter ÞGier. – Röhrich 1 (1991), 522f.; Heidermanns (1993), 238; EWNl 2 (2005), 274; EWahd 4 (2009), 362–364.

Geifer Sm erw. obs. (14. Jh.). Späte Bildung zu dial. gei-

fen ’gähnen, klaffen, verlangend blicken’. Offenbar ist der Geifer zunächst als Zeichen des Verlangens, Gelüstens aufgefasst worden (vgl. mir läuft das Wasser im Mund zusammen), dann erst Verschiebung zu der späteren Bedeutung, die mehr auf das ’Schäumen vor Wut’ abzielt. Älter auch vom ausfließenden Speichel bei Kindern, Hunden usw. Þgiepern.

Geige Sf std. (12. Jh.), mhd. gı¯ge. Ursprünglich offen-

bar in gleichem Sinn gebraucht wie ÞFiedel, dann zur Differenzierung eines neuen Instrumentes (das kleiner war und einige andere Baumerkmale aufwies) verwendet. Das Wort war am ehesten ursprünglich eine Scherzbezeichnung und bezog sich (wie lautmalendes mhd. gı¯gen, gieksen u.ä.) auf schrille Töne, die mit der Geige hervorgebracht werden können. Diese Herkunft ist aber schon in den frühesten literarischen Belegen nicht mehr zu erkennen. Verb: geigen. Meringer, R. IF 16 (1904), 133–137; Relleke (1980), 185f.; Röhrich 1 (1991), 523f.; EWahd 4 (2009), 261–263.

geil Adj std. (8. Jh.), mhd. geil, ahd. geil, as. ge¯l. Aus g.

*gaila- Adj. ’lustig, lüstern’, auch in ae. ga¯l, erweitert in anord. geiligr ’schön’ und in gt. gailjan ’erfreuen’. Im Deutschen entwickelt sich die Bedeutung einerseits zu ’sexuell lüstern’, andererseits zu ’üppig, aber kraftlos wachsend’ (von Pflanzentrieben). In der modernen Jugendsprache häufig als allgemeiner Ausdruck der Anerkennung gebraucht. − Außergermanisch vergleichen sich lett. gails ’wollüstig’ (u.a.), lit. gailu`s ’beißend, scharf’ und vielleicht akslav. (d)zeˇlo ’sehr’. Die Bedeutungen in den beteiligten Sprachen fallen ziemlich weit auseinander und sind kaum auf eine einheitliche Grundform zurückzuführen. Die Zusammenhänge im einzelnen sind klärungsbedürftig (vgl. die Bedeutungen ’unzüchtig’ und ’wildwachsend’ bei l. follis und seinen Nachfolgern). Vermutlich liegt eine l-Ableitung zu der unter ÞGeiz und ÞGeier behandelten Wurzel (ig.) *g hei- ’verlangen, begehren’ vor. Abstraktum: Geilheit; Partikelableitung: aufgeilen. Brandt, R.: Wortgeschichts- und Wortbedeutungsstudien (Frankfurt 1989); Heidermanns (1993), 226; EWNl 2 (2005), 206; EWahd 4 (2009), 120–122.

Geisel Smf std. (9. Jh.), mhd. gı¯sel m./n., ahd. gı¯sal m.,

as. gı¯sal m. Aus g. *geisla- m. ’Geisel’, auch in anord. gı´sl m., ae. gı¯sel, gy¯sel m. Außergermanisch vergleicht sich ig. (weur.) *g heistlo- in air. gı´all m., kymr. gwystl ’Geisel’. Der Ablaut zu wohl zugehörigem ir. giall, geill ’Einsatz, Pfand’ ist auffällig (*g histlo-). Vielleicht ist Geisel eine Zugehörigkeitsbildung zu dem Wort für ’Pfand’. Da auf der Seite des Germanischen keine

Geiser

342

weiter vergleichbaren Wörter vorliegen, ist der Verdacht begründet, dass das germanische Wort aus dem Keltischen entlehnt ist. LM 4 (1989), 1175f.; RGA 10 (1998), 572f.; EWNl 2 (2005), 279f.; EWahd 4 (2009), 382–386.

Geiser Sm, Geisir Sm ÞGeysir. Geiß Sf std. südd. westmd. (8. Jh.), mhd. geiz, ahd. geiz,

Witz’ (vgl. geistig, geisteskrank, geistreich/-los, geistesabwesend usw.); daneben in Ableitungen schon früh ’religiös, theologisch’ (geistlich); geistreich ist zunächst (Luther) ’vom Heiligen Geist erfüllt’, wird dann aber auch weltlich verwendet. Ebenso ne. ghost; ÞBegeisterung, Þentgeistert. – Siegert (1950), 85, 96; Betz, W. Liturgie und Mönchtum 20 (1957), 48–55; Lutze, E.: Die germanischen Übersetzungen von ’spiritus’ und ’pneuma’ (Diss. Bonn 1960); Mahlendorf, U. R. JEGP 59 (1960), 480–490; Betz, W. FS Hammerich (1962), 7f.; Becker, G.: ’Geist’ und ’Seele’ im Sächsischen und im Althochdeutschen (Heidelberg 1964); Moeller-Schina (1969), 37f.; Putscher (1973); HWPh 3 (1974), 154–204; Weidmann, B. G. Orbis 32 (1987), 223–240; Röhrich 1 (1991), 525f.; La Farge, B.: ’Leben’ und ’Seele’ (Heidelberg 1991); Barke (1991), 254–256; Machek, V. Sprache 4 (1958), 74f. (anders); Becker (1964), 170–173; EWNl 2 (2005), 199f.; EWahd 4 (2009), 129–132.

as. ge¯t. Aus g. *gait(i)- f. ’Ziege’, auch in gt. gaits, anord. geit, ae. ga¯t. Außergermanisch ist genau vergleichbar l. haedus m. ’Ziegenbock’, was auf ig. (weur.) *g haid- ’Ziege’ zurückführt. Dabei könnte anord. geitungr ’Wespe’ darauf hinweisen, dass *g haid- ursprünglich ’Spitze, Horn, Stachel’ bedeutete (vgl. ÞHornisse). Im Germanischen ist das allgemeine Wort wie auch bei ÞKuh und anderen auf die Bezeichnung des weiblichen Tiers eingeschränkt Geisterfahrer Sm ’Fahrer, der auf der Autobahn entworden. gegengesetzt zur vorgeschriebenen Fahrtrichtung Ebenso nndl. geit, ne. goat, nschw. get, nisl. geit; ÞKitz. – Janfährt’ std. (20. Jh.). Um 1975 aufgekommen, wohl in ze´n, A.: Bock und Ziege (Göteborg 1938), insbesondere 32–40; Analogie zu Geisterschiff ’unbemanntes (und damit Rein, K. DWEB 1 (1958), 192–255; Flechsig (1980); de Tolunnormales) Schiff’ (Sagenmotiv). Erste Auseinanlenære, F. ZVS 96 (1982/83), 141–145; Röhrich 1 (1991), 524f.; dersetzung mit dem Wort im SPIEGEL 1978, 49, Griepentrog (1995), 201–209; EWNl 2 (2005), 207. 102–121 ohne Erklärung der Herkunft (Fliegender Geißel Sf std. (8. Jh.), mhd. geisel, ahd. geisila, mndl. Holländer? Kirmesspaß?). gesele. Aus vd. *geislo¯n f. ’Peitsche’; vergleichbar mit

anord. geisli m. ’Stab, Strahl’ zu anord. geisl m. ’Stab’. Geiz Sm std. (14. Jh.), spmhd. gı¯z, (eigentlich gı¯tese). Das Wort ist wohl mit einem l-Suffix, das häufig GeRückbildung aus mhd. gı¯tesen, gı¯tsen, wie ae. gı¯tsian rätebezeichnungen bildet, von g. *gaiza- ’Ger’ abge’begehren, verlangen’. Das Verb ist eine Ableitung zu leitet (ÞGer). Die Verschiedenheit z/s hängt dabei ofahd. gı¯t, mhd. gı¯t ’Habsucht, Gier’. Außergermanisch fenbar an einem Betonungsunterschied. Verb: vergleicht sich lit. geı˜sti ’begehren, verlangen’. Wohl zu der auch in ÞGier und ÞGeier auftretenden Wurzel geißeln. (ig.) *g´ hei- ’begehren’). Im 18. Jh. setzt sich die NeEbenso nndl. gesel, nisl. geisli. – Müller (1966); EWNl 2 (2005), 245; EWahd 4 (2009), 125f. benbedeutung ’Knauserei’ gegenüber dem alten ’Habgier’ durch. Die Geize (Nebentriebe) an Pflanzen Geißfuß Sm per. fach. (16. Jh.). Eigentlich ’Ziegenfuß’, werden so bezeichnet, weil sie die Kraft der Pflanze aber übertragen gebraucht zur Bezeichnung verschie(gierig) an sich saugen. Adjektiv: geizig; Verb: geizen. dener vorne gespaltener Geräte (insbesondere einer S. auch ÞEhrgeiz, Þgeil. – HWPh 3 (1974), 217–219; Röhrich 1 Brechstange, aber auch eines Holzschnitt-Geräts). (1991), 526. Ebenso ist das Wort auch als Bezeichnung für die Pflanze ÞGiersch bezeugt, benannt nach deren zieGeize Sf ’Pflugsterz’ per. fach. wobd. (10. Jh.), mhd. geigenfußartigen Blättern. ze, ahd. geiza. Aus vd. *gait-jo¯n, einer Ableitung zu Vgl. ÞKuhfuß ’Stemmeisen, Nagelzieher’. – Marzell 1 (1943), *gaiti- ’Geiß’ (die Griffe werden verglichen mit den 124–132. Hörnern einer ÞGeiß). Reuter (1906), 31–33. Geist Sm std. (8. Jh.), mhd. geist, ahd. geist, as. ge¯st. Aus wg. *gaista- m. ’überirdisches Wesen, Gemütsverfas- Geizhals Sm std. stil. (15. Jh.). Mit ÞGeiz in der alten sung’, auch in ae. ga¯st, afr. je¯st. Aus ig. *g´ heis-dBedeutung ’Gier’ ursprünglich ’gieriger Rachen’ und ’außer sich sein’, auch in ai. hı¯d- ’zürnen’; unerweitert als Possessivkompositum ’einer mit gierigem Rachen’ ˙ in avest. zae¯ˇsa- ’schauderhaft’, gt. usgeisnan ’ersowie übertragen als ’Geldgieriger’, seit dem 18. Jh. schrecken’, gt. usgaisjan ’erschrecken (trans.)’, anord. dann in Anlehnung an Geiz ’übertriebene Sparsamgeiskafullr ’völlig erschrocken’. Da zu der weitläufigen keit’ im heutigen Sinne gebraucht. Mit gleicher BeVerwandtschaft von *g h¡/g h¡i- ’gähnen’ auch die Bedeutung tritt seit dem beginnenden 19. Jh. auch deutung ’den Mund aufsperren’ gehört, ist wohl von Geizkragen auf (mit ÞKragen, in der alten Bedeutung einem *g´ h¡ies- ’Mundaufsperrung’ auszugehen; das ’Hals’). -d- ist wohl Schwundstufe von *do¯- ’geben’, also Gekröse Sn per. fach. (14. Jh.), mhd. gekrœse ’das kleine ’Mundaufsperrung herbeiführen; machen, dass man Gedärm’. Vgl. ahd. kroes ’Krapfengebäck’. Außerden Mund aufsperrt’. − In der modernen Sprache deutsch mndl. croos ’Eingeweide’, also vd. *kraus-ja-, stehen nebeneinander die Bedeutungen ’Gespenst’ das ’Gekräuseltes’ bedeutet haben kann (wenn das und (als Lehnbedeutung nach frz. esprit) ’Verstand,

343

Gelegenheit

Wort zu Þkraus gehört). Man schließt normalerweise geläufig Adj std. (17. Jh.). Verstärkung zu Þläufig in der an kraus an, doch ist ein Ablaut u¯ − au bei so spät alten Bedeutung ’gängig, üblich’ (auch in der Bedeutung ’beweglich’). belegten Wörtern nicht selbstverständlich. Vgl. immerhin, dass mndd. krose, kruse, krosele(n), krusele einerseits ’Knorpel, Weichbein’, andererseits ’Gekröse, Bauchfett’ bedeutet.

gelackmeiert AdjPP ’hereingelegt’ std. vulg. (19. Jh.).

gelb Adj std. (8. Jh.), mhd. gel, ahd. gel(o), as. gelo, gelu.

Aus wg. *gelwa- Adj. ’gelb’, auch in ae. geolo. Aus der Nominativform stammt regionales Þgehl, die hochsprachliche Form aus den flektierten Kasus (gelw-). Außergermanisch entspricht genauer l. helvus ’honiggelb’. Zu ig. *g´ hel-, das Wörter für gelbe und grüne Farben liefert: ai. ha´ri- ’gelblich’, akslav. zelenu˘ ’grün’, lit. ˇzel˜vas ’grünlich’, gr. chlo¯ro´s ’grün, gelb’. Der Ausdruck gelbe Rasse für die Chinesen beruht auf Rassentheorien, nicht auf konkreter Beobachtung. Modifikation: gelblich; Präfixableitung: vergilben.

Partizip einer Präfixableitung zu nicht üblichem Lackmeier. -meier als zweites Glied eines Kompositums hat regional umgangssprachlich den Wert eines Nomen Agentis; in den DUDEN aufgenommen sind Kraftmeier und Vereinsmeier. Mit Lack wird im Volksmund gern die glänzende Oberfläche, die ein mangelhaftes Objekt deckt, verstanden. Ein Lackmeier wäre also jemand, der mit mangelnden Oberflächen Ebenso nndl. geel, ne. yellow; ÞChlor, ÞGalle 1, ÞGold. – zu tun hat, d.h. wohl, auf sie hereinfällt. Wenn jeSchwentner (1915), 66–68; Kluge (1926), 93; Röhrich 1 mand gelackmeiert ist, ist er also auf eine glänzende, (1991), 527f.; RGA 8,1 (1991), 209; Heidermanns (1993), 240; EWNl 2 (2005), 197; EWahd 4 (2009), 143–146. aber täuschende Oberfläche hereingefallen. Regional bedeutet auch einfaches meiern ’betrügen’, doch Gelbschnabel Sm ’junger, unerfahrener Mensch’ erw. spielt das im vorliegenden Zusammenhang wohl obs. (16. Jh.). So benannt, weil die Haut am Schnakeine Rolle. belansatz junger Vögel eine gelbliche Farbe hat. Danach wird seit dem 18. Jh. in Anlehnung an Þgrün Gelage Sn std. (14. Jh.). Zunächst westniederdeutsch ’frisch, unreif, unerfahren’ auch ÞGrünschnabel gebil(geloch u.ä.) belegt, dann der hochsprachlichen Form det (zumal die betreffende Schnabelhautfarbe auch angepasst. Die Bedeutung ist ursprünglich als ’grünlich’ interpretiert werden kann). ’Zusammengelegtes, Umlage’, dann die so bezahlte Ebenso nndl. geelbek, nfrz. be´jaune (aus becjaune). Gasterei. Vielleicht hat bei der Bildung l. colla¯tio f. eingewirkt, das auch als Lehnwort fnhd. kollaz Geld Sn std. (8. Jh.), mhd. gelt m./n., ahd. gelt ’Entgelt, ’Schmaus, Fest’ auftritt. Belohnung’, as. geld ’Vergeltung, Lohn’. Aus g. Röhrich 1 (1991) 526f.; EWNl 2 (2005), 210.

Gelände Sn std. (9. Jh.), mhd. gelende, ahd. gilenti. Kol-

lektiv zu ÞLand, also eigentlich ’Gesamtheit der Landstücke’. Geländer Sn std. (14. Jh.). Kollektivbildung zu mhd.

lander n./f. ’Stangenzaun’. Zu diesem vgl. lit. lenta` f. ’Brett, Tafel’. ÞLinde. – Scheuermann, U. NJ 92 (1969), 98f. (zu der Verwandtschaft mit Glind ’Gehege’).

*geld-a- n. ’Vergeltung, Entgelt’, auch in gt. gild ’Steuer’, anord. gjald ’Bezahlung, Gabe, Tribut’, ae. gild, gyld ’Gabe, Bußgeld’, afr. jeld ’Kaufpreis’. Die Bedeutung ’geprägtes Zahlungsmittel’ seit dem 14. Jh. Das Wort ist eine Ableitung von g. *geld-a- ’entgelten’. Þgelten, ÞWergeld. – Niemer, G.: Das Geld (Breslau 1930); HWPh 3 (1974), 224–226; Röhrich 1 (1991), 528–530; North (1994); RGA 10 (1998), 616–619; EWNl 2 (2005), 211; EWahd 4 (2009), 152.

gelangen Vsw std. (9. Jh.), mhd. gelangen, ahd. -lange¯n. Geldschneider Sm ’zu sehr auf Gewinn bedachter

Präfigierung zu Þlangen ’reichen’.

Gelass Sn erw. obs. (13. Jh., Bedeutung 18. Jh.), mhd.

gel¢ze ’Niederlassung’, ’Ort, wo man etwas lassen kann’. Im 18. Jh. verengt zu der Bedeutung ’Zimmer’. gelassen Adj ’ruhig, beherrscht, gleichmütig’ std.

Kaufmann’ erw. obs. (17. Jh.). Ursprünglich jmd., der Münzen am Rand beschneidet, bevor er sie weitergibt (um sich am Materialwert des Goldes oder Silbers zu bereichern). Gelee Sn erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. gele´e f.,

dieses aus l. gela¯ta f., dem substantivierten PPP. von l. (9. Jh.). Es ist formal ein Partizip Präteritum von gela¯re ’gefrieren, verdichten’, zu l. gelu¯ ’Eis, Frost’. Þlassen bzw. von ahd. gila¯zan, mhd. gela¯zen ’erlasVerbum gelieren. sen, verlassen, unterlassen, sich niederlassen, sich beEbenso ne. jelly, nndl. gelei, nschw. gele´, nnorw. gele´. – DF 1 (1913), 239f.; Brunt (1983), 318; EWNl 2 (2005), 213. nehmen’. Die heutige Bedeutung nimmt ihren Ausgangspunkt in der Sprache der Mystik, wo das Adjek- Gelegenheit Sf std. (13. Jh.), mhd. gelegenheit. Abstraktiv mhd. gela¯zen ’gottergeben’ bedeutete und über tum zu mhd. gelegen, das eigentlich PPrät. zu Þliegen ’ruhig (im Gemüt)’ im Pietismus des 18. Jhs. zur heuist und ’gleich liegend, passend’ bedeutet. Auch Getigen Bedeutung gelangte. Abstraktum: Gelassenheit. legenheit bedeutet ursprünglich nur ’Lage’, erst später Vgl. Þgesetzt. – Völker, L. FS Mohr (Göppingen 1972), 281–312; ’Möglichkeit usw.’ Hierzu auch gelegentlich, das auf HWPh 3 (1974), 219–224 (zu Gelassenheit); LM 4 (1989), 1198; die zeitliche Bedeutung festgelegt ist. EWNl 2 (2005), 210.

Geleise

344 Lerch, E. Geistige Arbeit 9 (1942), Nr. 21, 5f.; Röhrich 1 (1991), 530f.; EWNl 2 (2005), 213.

Geleise (gekürzt Gleis, meist Pl.) Sn std. (14. Jh.), mhd.

geleis f . Eine Kollektivbildung zu mhd. leis(e) f., ahd. -leisa f. ’Spur’. Außergermanisch vergleicht sich mit diesem Wort l. lı¯ra f. ’Furche’. Weiteres s. unter ÞLeist(en), Þlehren, ÞDelirium. – Krüger (1979), 267–270; Röhrich 1 (1991), 553.

Gelenk Sn std. (11. Jh.), mhd. gelenke ’Hüftgelenk’ und

geloben Vsw erw. obs. (9. Jh.), mhd. geloben, ahd. gilo-

bo¯n, mndd. geloven ’versprechen, beistimmen’. Wie etwa das Bedeutungsverhältnis von l. admittere ’zulassen’ – permittere ’erlauben’ – promittere ’versprechen’ zeigt, ist der Bedeutungsunterschied von geloben/verloben zu erlauben eine Sache der verschiedenen Wortbildung (besonders verschiedene Präverbien) aus der gleichen Wurzel. Es ist also an die unter Þerlauben und Þglauben dargestellte Wurzel *leu(b h)- ’(los)lassen’ anzuknüpfen. Mit loben haben diese Verben etymologisch nichts zu tun.

von dort aus verallgemeinert. Das Wort ist eine Kollektivbildung zu mhd. lanke, lanche f., ahd. (h)lanca f. LM 4 (1989), 1207f. (zu Gelöbnis); EWNl 1 (2003), 262f.; See’Hüfte’, die zu ae. hlenca f., hlence m. ’Glied in einer bold, E. IL 26 (2003), 153f. Kette’, anord. hlekkr m. ’Ring, Kette’ gehören. Auszugehen ist also von g. *hlanki- ’Biegung’ (mit verGelse (früher auch Golse) Sf ’Stechmücke’ per. österr. schiedenen Stammbildungen). Außergermanisch hat (15. Jh.). Zu bair. gelsen ’summen’, einem Schallverb das Wort keine klare Entsprechung. Vielleicht gehört wie Þgellen. dazu l. clingere ’umgürten’; doch gibt es bessere Ver- gelt1 (auch galt) Adj ’keine Milch gebend, unfruchtgleichsmöglichkeiten bei der Lautform (ig.) *lenkbar’ per. fach. (11. Jh.), mhd. galt, ahd. g(i)alt, mndl. (lit. len˜kti ’biegen, krümmen usw.’) − handelt es sich gelt. Aus g. *galdi- Adj. ’unfruchtbar’, auch in anord. um Varianten? Adjektive: gelenk(ig), ungelenk. geldr, ae. gelde. Herkunft unklar. S. Þlenken und als Rückentlehnung ÞFlanke. – Hinze, F. FS Schröpfer (1991), 201–211; Heidermanns (1993), 292.

Gelichter Sn erw. obs. (14. Jh.), spmhd. gelichter ’Sippe,

Heidermanns (1993), 228; Lessiak, P. ZDA 53 (1912), 146f. (anders: als ’verhext’, ursprünglich Partizip zu ahd. galan ’singen’ s. ÞNachtigall); EWahd 4 (2009), 34–36.

Zunft’. Seit dem 17. Jh. in der Bedeutung abgesunken gelt2 (auch gell u.ä.) Interj std. stil. (14. Jh.), mhd. gelte. (vgl. etwa Sippschaft als verächtlichen Ausdruck). Es Eigentlich ’es möge gelten’ (Þgelten) (dial. auch was wird angenommen, dass das Wort ursprünglich gelt’s, geltet u.ä.). ’Geschwister’ bedeutet hat, denn es könnte eine SoGelte Sf ’Milchgefäß’ u.ä. per. reg. (10. Jh.), mhd. gelte, ziativbildung zu ahd. lehtarmn ’Gebärmutter’ sein ahd. gellita, gellida. Wie ae. gellet n. (?) entlehnt aus (’die aus der gleichen Gebärmutter stammen’ = ml. gal(l)eta ’Gefäß, Kübel’. ’Geschwister’). Vgl. gr. adelpho´s m. ’Bruder’ zu gr. Alanne, E. NPhM 56 (1955), 197f. delphy´s f. ’Gebärmutter’ oder anord. barmi m. ’Bruder’ zu anord. barmr m. ’Busen, Schoß’. Gegen gelten Vst std. (8. Jh.), mhd. gelten, ahd. geltan, as. gelddiese Annahme bestehen aber lautliche und semanan. Aus g. *geld-a- Vst. ’entgelten’, auch in gt. -gildan, tische Bedenken: Schon früh steht -ä- neben -i- und anord. gjalda, ae. gieldan, afr. jelda. Die heutige Be-ft- neben -cht-; die Bedeutung ist ’Art’ und ’der Partdeutung führt über ’ist wert’ zu ’ist gültig’. Die gener in einem Paar’ − ’Geschwister’ ist (trotz der spänaueste Vergleichsmöglichkeit besteht zu akslav. ˇzlasten Bezeugung) nicht belegt. Die Etymologie muss ti und akslav. ˇzleˇsti ’abzahlen, vergelten’, doch ist bei deshalb als ungeklärt gelten. diesen der Verdacht, dass sie aus dem Germanischen entlehnt sind, nicht mit Sicherheit zu entkräften. gelieren Vsw ÞGelee. Durchsichtige Präfigierungen sind: ent-, Þvergelten. gelinde Adj std. phras. (15. Jh.), mhd. gelinde. Verstärkte Ebenso nndl. gelden, nschw. gälla, nisl. gjalda; ÞGeld, Þgelt 2, Form zu Þlind. Heute noch in gelinde gesagt u.ä. ÞGilde, ÞGült(e), Þgültig, Þvergelten. – Rooth, E.: Wortstugelingen Vst std. (9. Jh.), mhd. gelingen, ahd. gilingan.

Ein Simplex evtl. in mhd. lingen ’vorwärtskommen’. Eine nur im Deutschen auftretende Wortfamilie ohne nähere Verknüpfungsmöglichkeit. Möglicherweise Zugehöriges s. unter Þlangen und unter Þleicht, Þlungern, Þmisslingen. – Seebold (1970), 331.

gell Interj Þgelt 2. gellen Vsw std. (8. Jh.), mhd. gellen, ahd. gellan Vst.,

mndd. gellen. Aus g. *gell-a- ’gellen’ Vst., auch in anord. gella, gjalla, ae. gellan, gi(e)llan. Schallwort ohne genaue Vergleichsmöglichkeit. Vgl. immerhin das unter ÞNachtigall aufgeführte galan ’singen’. – Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 111–114; Seebold (1970), 222f.; EWNl 2 (2005), 280f.; EWahd 4 (2009), 140f.; EWNl 4 (2009), 644.

dien (1926), 221f.; Machek, V. Slavia 21 (1953), 252f.; Seebold (1970), 221f.; Greule, A. Sprache, Literatur, Kultur. Ed. A. Greule & U. Ruberg (Stuttgart 1989), 29–45; EWNl 2 (2005), 211f.; EWahd 4 (2009), 152–154.

Gelübde Sn std. (11. Jh.), mhd. gelübede, ahd. gilubida.

Verbalabstraktum zu Þgeloben. RGA 10 (1998), 662–664.

Gelze Sf ’verschnittene Sau’ per. arch. (11. Jh., awfrk.

chranne-chaltio 8. Jh.), mhd. gelz(e), galze, ahd. galza, gelza, mndd. gelte ’verschnittenes weibliches Schwein’. Aus vd. *galt-jo¯n f. ’verschnittenes Schwein’. Außerdeutsch vergleichen sich ae. gilte und anord. gylta, gyltr, die auf die gleiche Grundform zurückgehen, aber (zumindest im Nordischen) ’junges

345

Schwein’ bedeuten. Vgl. einerseits anord. gelda ’kastrieren’, andererseits anord. galti, galtr m. ’Eber’. Vor dem Versuch einer Etymologie sind diese nicht übereinstimmenden Bedeutungen zu klären. EWahd 4 (2009), 156–159.

gemach Adv erw. obs. (8. Jh.), mhd. gemach, ahd. gi-

mah, as. gimak. Führt mit anord. makr, ae. gem¢c auf g. *-maki- ’passend, bequem’, einem Adjektiv der Möglichkeit zu Þmachen, also ’was zu machen ist, was gemacht werden kann’. Heute ist die Modifikationsbildung gemächlich häufiger. Þallgemach, Þallmählich, ÞGemach, Þmacklich, ÞUngemach. – EWNl 2 (2005), 219.

Gemach Sn erw. obs. (12. Jh.), mhd. gemach, ahd. gimah

’der passende, bequeme (Ort)’. Substantivierung von Þgemach. Die Ausgangsbedeutung ist noch stärker bemerkbar in ÞUngemach.

Gemeinsinn gemein Adj std. (8. Jh.), mhd. gemein(e), ahd. gimeini,

as. gime¯ni. Aus g. *ga-maini- Adj. ’allgemein’, auch in gt. gamains, ae. gem¢¯ ne, afr. me¯ne. Genau gleich gebildet ist l. commu¯nis gleicher Bedeutung (wohl zu l. mu¯nus ’Verrichtung, Aufgabe’). Zugrunde liegt ein (ig.) *moino- ’Wechsel, Tausch’ (ÞMeineid); Ausgangsbedeutung ist also ’worin man sich abwechselt, was einem im Wechsel zukommt’. Die Bedeutungsverschlechterung (die bei Wörtern dieser Sphäre häufig ist) ist erst neuhochdeutsch. Die Ausgangsbedeutung ist erhalten in dem Abstraktum Gemeinschaft, die neue Bedeutung speziell in Gemeinheit. Ebenso nndl. gemeen, ne. mean. S. auch ÞGemeinde, ÞAllmende, Þhandgemein, ÞMeineid und zum lateinischen Wort Þimmun, ÞKommune. – Schlechter, D.: Der Bedeutungswandel des Wortes ’gemein’ im 19. Jh. (Köln 1955); Röhrich 1 (1991), 532; Heidermanns (1993), 396f.; EWNl 2 (2005), 220f.

Gemächt(e) Sn ’Zeugungsglied’ per. arch. (9. Jh.), mhd. Gemeinde Sf std. (8. Jh.), mhd. gemeinde, ahd. gimei-

gemaht f., ahd. gimaht f., mndl. gemacht(e), gemechte nida, as. gime¯ntho m. Adjektivabstraktum zu Þgemein ’männliches Glied’. Vermutlich zu ÞMacht in der in dessen alter Bedeutung ’allgemein’. Vermutlich Sonderbedeutung ’Zeugungskraft’; verhüllend auf steht die Bildung unter dem Einfluss von l. commu¯nio den Körperteil übertragen. Es ist aber zu beachten das ’Gemeinschaft’. nicht weiter etymologisierbare air. maca ’Hoden’ − ÞAllmende. – Bader 2 (1962), 13–20; HWPh 3 (1974), 238f.; LM vielleicht liegt Verwandtschaft mit diesem und Se4 (1989), 1209–1212; RGA 11 (1998), 1–3; EWNl 2 (2005), 222. kundärmotivation vor. − Dagegen ist Gemächte Gemeingeist Sm std. (18. Jh.). Lehnübersetzung von ne. ’Geschöpf’ ein altes mhd. gemächede, ahd. gimahhida public spirit. Nicht durchgesetzt hat sich die zu jener f., Ableitung zu Þmachen. Zeit ebenfalls vorgeschlagene Bildung Allgemeingeist. Betz, W. MSS 18 (1965), 5–11. Unabhängig davon ist kurz vorher schon Gemeingeist Gemahl Sm std. stil. (11. Jh.), mhd. gemahel(e), ahd. gials ’Geist einer religiösen Gemeinde’ bezeugt. mahalo ’Bräutigam, Gatte’, gimahala f. ’Braut, GatGanz (1957), 82. tin’. Soziativbildung zu g. *maþla- ’festes Wort, VerGemeinplatz Sm erw. fach. (15. Jh.). Lehnübersetzung handlung, Versammlung’ in gt. maþl, anord. ma´l n., von l. locus commu¯nis ’Satz, der unter vielen Gesichtsae. m¢deÑ l n. und mit Übergang von þl zu hl in ahd. as. punkten betrachtet doch immer seine Gültigkeit bemahal n. Also eigentlich ’Versprochene; die die Zuhält’, wörtlich ’gemeinsamer, allgemeiner Ort’, einem sage (mit) gegeben haben’. In ähnlicher Weise bedeuFachausdruck der Rhetorik. Wohl unter dem Einfluss tet langob. gamahal ’Eideshelfer’. Das Grundwort ist von ne. common place nimmt es schon im 18. Jh. die vermutlich eine Instrumentalbildung auf *-tlo- zu heutige Bedeutung ’Altbekanntes, Abgegriffenes, Bader Wurzel, die in heth. (redupliziert) memanales’ an. Nicht durchgesetzt haben sich die konkur’sprechen’ bezeugt ist. Wegen der Vereinzelung aber rierenden Bildungen jener Zeit wie Gemeinort, unsicher. Femininum: Gemahlin. Gemeinsatz, Gemeinspruch. ÞMahl 2, Þvermählen. – Fennel, B. A., Pugh, St. M. Welt der Slaven 35 (1990), 155–161; EWNl 2 (2005), 218f.

Gemälde Sn std. (11. Jh.), mhd. gem¢lde, spahd. gima¯-

Ebenso nndl. gemeenplaats, nfrz. lieu commun. – Ritschl, O.: System und systematische Methode (Bonn 1906), 82; Pfaff (1933), 32; Ganz (1957), 82f.; EWNl 2 (2005), 221.

li(di). Ursprünglich Abstraktum zu Þmalen, das aber gemeinsam Adj std. (9. Jh.), mhd. gemeinsam, ahd. seit seiner frühesten Bezeugung als Konkretum gegimeinsam. Verdeutlichung von Þgemein in dessen braucht wird. alter Bedeutung, unter dem Einfluss von l. commu¯nis. gemäß Adj/Präp std. (11. Jh.), mhd. gem¢ze, ahd. geEWNl 2 (2005), 222. ma¯ze. Aus wg. *ga-m¢ ¯ tja- ’angemessen’, auch in ae. Gemeinsinn Sm std. (17. Jh.). Lehnübersetzung des phi(ge)m¢ ¯ te. Adjektiv der Möglichkeit zu Þmessen, also losophischen Fachausdrucks l. se¯nsus commu¯nis ’was gemessen werden kann’. In der Bedeutung ’allgemeiner Sinn (in dem sich die Wahrnehmung der ’passend zu ...’ heute als Halbsuffix verwendet (kindfünf Sinne zur Einheit sammelt)’, wörtlich: ’allgegemäß usw.). meiner Sinn’. Die heutige Bedeutung ’gesunder MenSeibicke, W. MS 1963, 33–47, 73–78 (zum Gebrauch von schenverstand’, seit dem 18. Jh. bezeugt, entstand -gemäß als Suffixoid); Inghult, G.: Die semantische Struktur wohl unter dem Einfluss von ne. common sense, wörtdesubstantivischer Bildungen auf ’-mäßig’ (Stockholm 1975), lich ’allgemeiner Sinn, Verstand’. Die jüngere Ver121–129.

Gemme

346

wendung des Wortes als ’Bürgersinn, Verantwortlichkeit’ steht wohl unter dem Einfluss von älterem ÞGemeingeist. Ganz (1957), 83; Körver, H.: Common Sense (Diss. Bonn 1967; zu common sense); HWPh 3 (1974), 243–247.

Gemme Sf (ein geschnittener [Halb]-Edelstein) per.

fach. (18. Jh., eine selbständige Entlehnung schon im 8. Jh.). Entlehnt aus it. gemma, dieses aus l. gemma (dass., ursprünglich: ’das Auge, die Knospe an Rebstöcken, Bäumen usw.’). Das Wort war bereits im Althochdeutschen (ahd. gimma, mhd. gimme) entlehnt worden, ging dann aber wieder verloren. Ebenso nndl. gemme, ne. gem, nfrz. gemme, nschw. gem. – DF 1 (1913), 240; RGA 6 (1986), 427–441; EWahd 4 (2009), 326–328.

Gemüse Sn std. (15. Jh.), spmhd. gemüese, mndd. ge-

tiv; dann aber besonders zur Bezeichnung von Stoffen, die der Ausgangspunkt für das sind, was im Adjektiv genannt wird (kanzerogen ’Krebs erzeugend’ − das Adjektiv nennt also nicht mehr den Ausgangspunkt, sondern das Ergebnis). Dem griechischen Wort liegt die Verbalwurzel ig. *gen¡’erzeugen’ zugrunde, die im Griechischen selbst medial als gr. gı´gnesthai ’werden, entstehen’ bezeugt ist. Für die Entlehnungen von größerer Bedeutung ist der s-Stamm gr. ge´nos n. ’Geschlecht’ und seine Kompositionsform gr. -gene¯´s (hierzu Þautogen, Þheterogen, Þhomogen und der Name Eugen aus gr. eugene¯´s ’wohlgeboren’); daraus rückgebildet: ÞGen. Im Lateinischen entspricht genau der s-Stamm l. genus (ÞGenus). Eine weniger typische griechische Ableitung aus dem Verb ist gr. genea´ ’Geschlecht, Generation’, wozu ÞGenealogie. Das ti-Abstraktum ist gr. ge´nesis, das in dieser Form der Name des 1. Buches Mose (mit der Schöpfungsgeschichte) ist und das über das Französische ÞGenese ergeben hat. Späte neoklassische Bildungen wie Genetik, Þgenetisch gehören formal zum Lateinischen (ÞGenetiv), inhaltlich eher zum Griechischen. Eine weitere Nominalbildung in ÞEpigone. – Cottez (1980), 162; EWNl 2 (2005), 198.

möse. Kollektivbildung zu ÞMus. Die Bedeutungen von Mus und Gemüse sind regional stark verschieden. Die heutige Bedeutung von Gemüse geht wohl auf ’Brei, zerkleinerte Nahrung’ zurück und ist sekundär auf ’pflanzliche Nahrung, essbare Pflanzen’ eingeengt worden. genant Adj Þgenieren. RGA 11 (1998), 18.

Gemüt Sn std. (9. Jh., gimuotsamo 8. Jh.), mhd. gemüe-

te, gemuote, ahd. gimuoti. Kollektivbildung zu ÞMut in dessen alter Bedeutung, also etwa ’Gesamtheit der seelischen Kräfte und Sinnesregungen’; daraus in neuerer Zeit ’Sitz der Empfindung’. Braune, W. BGDSL 43 (1918), 356–359; Bizet, J. A. GS Mosse´ (1959), 37–40; HWPh 3 (1974), 258–264; Röhrich 1 (1991), 532f.; EWNl 2 (2005), 224.

gemütlich Adj std. (16. Jh.), mhd. gemuotlich, gemüet-

lich. Erweiterung zu älterem ahd. gimuati ’wohltuend, dem Sinn (Mut) entsprechend’. Im 19. Jh. hat es seine spezielle Bedeutungsausprägung erhalten. EWNl 2 (2005), 224.

gen Präp per. arch. (13. Jh.), mhd. gein. Mit Vokalisie-

rung des zweiten g aus geg(i)ni, s. unter Þgegen. Heute nur noch in gehobener (Kirchen-)Sprache gebraucht. Gen Sn ’Träger eines Erbfaktors’ erw. fach. (20. Jh.).

Eingeführt von dem dänischen Vererbungsforscher W. Johannsen 1909 in einer deutsch geschriebenen Schrift. Rückbildung aus den Possessiv-Komposita mit gr. ge´nos (Þ-gen). Ebenso nndl. gen, ne. gene, nfrz. ge`ne, nschw. gen, nnorw. gen, nisl. gen; Þ-gen; ÞGenus. – EWNl 2 (2005), 225f.

-gen LAff (zur Bildung von Adjektiven der Bedeutung

genau Adj std. (13. Jh.), mhd. genou ’sorgfältig’, Adv.

’knapp’, mndd. nau, nndl. nauw ’eng, pünktlich’, mndl. noauwe ’eng, schmal, knapp’. Aus g. *hnawwaAdj. ’knapp, eng’, auch in anord. hnøggr, ae. hneaw, wfrs. nau. Gehört zu Þbenauen und weiter zu einer Grundlage g. *-hno¯ww-a- Vst. ’reiben’, die lautlich ziemlich unfest ist. Abstraktum: Genauigkeit. Seebold (1970), 123f.; Heidermanns (1993), 300.

Gendarm Sm ’Polizist’ erw. obs. obd. (19. Jh.). Entlehnt

aus frz. gendarme, dem Singular einer Zusammenrückung von frz. gens d’arme, (älter) gents d’arme, wörtlich ’bewaffnete Männer’ neben nfrz. hommes d’armes. Zunächst Bezeichnung für Soldaten (Kavallerie mit schwerer Verteidigungsbewaffnung); seit der Französischen Revolution (auch) Bezeichnung für die Polizei. Ebenso nndl. gendarme, ne. gendarme, nfrz. gendarme, nschw. gendarm, nnorw. gendarm. Frz. gent kommt aus l. ge¯ns (gentis) ’Sippe’ (ÞGenus), zu frz. arme s. ÞArmee. – DF 1 (1913), 240; Kurrelmeyer, W. PMLA 57 (1942), 423; Jones (1976), 362; Brunt (1983), 319; EWNl 2 (2005), 226f.

Genealogie Sf ’Wissen über die Geschlechterfolge’ per.

fach. (14. Jh.), spmhd. genealogye. Ist entlehnt aus l. genea¯logia, das seinerseits aus gr. genea¯logı´a entlehnt ist. Das griechische Wort aus gr. genea´ ’Geschlecht, Generation’ (Þ-gen) und dem Halbsuffix -logı´a (Þ-logie).

’... erzeugend’ in der Fachsprache) erw. bildg. (–). Zugrunde liegen griechische Possessiv-Komposita mit Ebenso nndl. genealogie, ne. genealogy, nfrz. ge´ne´alogie, nschw. gr. ge´nos n. ’Herkunft usw.’, dessen Kompositionsgenealogi, nnorw. genealogi. – Cottez (1980), 163; EWNl 2 (2005), 228. form gr. -gene¯´s ist, z.B. gr. homogene¯´s ’von gleicher Herkunft’ (zu gr. homo´s ’gleich’). Das Kompositions- genehm Adj erw. obs. (9. Jh., Form 12. Jh.), mhd. glied wird in Wörtern wie Þautogen, Þhomogen, gen¢me. Adjektiv der Möglichkeit zu Þnehmen, also Þheterogen entlehnt und wird als Suffix in Adjektieigentlich ’was genommen werden kann, was man ven, die den Ausgangspunkt nennen (neurogen ’von gerne nimmt’. Älter ist das einfache ahd. na¯mi gleieinem Nerv kommend’) in der Fachsprache produkcher Bedeutung. Þangenehm, Þnehmen. – Heidermanns (1993), 424f.

347 genehmigen Vsw std. (18. Jh.). Eigentlich ’für genehm

ansehen’, deshalb ’erlauben’. Vorbild ist wohl frz. agre´er ’gefallen’, transitiv ’gutheißen, genehmigen’ zu frz. a` gre´ ’zu Gefallen’. Þgenehm, Þnehmen.

Genick neimittel-Industrie). Solche Produkte, die als bloße Nachahmer naturgemäß billiger sind als das Originalprodukt, werden deshalb nach englischem Vorbild (und relatinisierter Form und Aussprache) als Generika bezeichnet.

General Sm std. (13. Jh.), mhd. general. Ist entlehnt aus generös Adj ’großzügig’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt

aus frz. ge´ne´reux, dieses aus l. genero¯sus ’von vornehkirchen-l. genera¯lis (abba¯s) ’Oberhaupt eines mer Abstammung; edel, hochherzig’, zu l. genus Mönchsordens’, aus l. genera¯lis ’allgemein’, zu l. genus ’Geburt, Abstammung, Klasse’. Abstraktum: n. ’Gattung (u.a.)’. Aus dem klerikalen Bereich wird Generosität. das Wort in frühneuhochdeutscher Zeit unter Einfluss von frz. (capitaine, lieutenant) ge´ne´ral ’BefehlsEbenso nndl. genereus, ne. generous, nschw. generös, nnorw. sjenerøs; ÞGenus. – DF 1 (1913), 242; EWNl 2 (2005), 230f. haber einer militärischen Truppe’ in das Heereswesen übernommen. Genese Sf ’Entstehung’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt Ebenso nndl. generaal, ne. general, nfrz. ge´ne´ral, nschw. geneüber frz. gene`se und l. genesis aus gr. ge´nesis ’Entsteral, nnorw. general; ÞGenus, Þgenerell. – Meyer, R. M. ZDW hung’, zu gr. gı´gnesthai ’entstehen’ (Þ-gen). Häufig 12 (1910), 152f.; DF 1 (1913), 241f.; EWNl 2 (2005), 229. auch Genesis, meist in Anlehnung an Genesis Generation Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. genera¯tio ’Schöpfungsbericht’ (als Titel des 1. Buches Mose). ’Zeugungskraft, Nachkommenschaft’, dem AbstrakEbenso ne. genesis, nfrz. gene`se. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞGenus; Þgenetisch. – HWPh 3 (1974), 278; LM 4 tum von l. genera¯re ’erzeugen’, das als generieren spä(1989), 1223f.; EWNl 2 (2005), 231f. ter auch entlehnt wird. Zu l. genus n. ’Gattung, Geschlecht, Abstammung’ (ÞGenus). Ebenso Generator genesen Vst std. stil. (8. Jh.), mhd. genesen, ahd. gine’Erzeuger, energie-erzeugende Maschine’ aus l. genesan, as. ginesan. Aus g. *ga-nes-a- Vst. ’überstehen, ra¯tor (Nomen Agentis, 19. Jh.); dagegen ist generativ genesen’, auch in gt. ganisan, ae. genesan. Dieses aus ’erzeugend’ (zugehöriges Adjektiv, 20. Jh.) eine neoig. *nes- ’heimkommen, ankommen, überstehen’, klassische Bildung. auch in ai. na´sate ’tritt heran, sucht auf, vereinigt Ebenso nndl. generatie, ne. generation, nfrz. ge´ne´ration, nschw. sich’, gr. ne´omai ’ich komme davon, gelange glücklich generation, nnorw. generasjon. – DF 1 (1913), 242; HWPh 3 wohin, kehre glücklich heim’ und vielleicht toch. A (1974), 274–277; Carstensen 2 (1994), 563f.; EWNl 2 (2005), nas-, toch. B nes- ’sein’. Die Ausgangsbedeutung ist 230. offenbar ’unbeschadet zurückkommen’. Abstraktum: generell Adj erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. Genesung. ge´ne´ral mit französischem Suffix -ell, das in der VorÞnähren. – Seebold (1970), 359f.; Schlerath, B. Proceedings lage aber gar nicht bestand. Das französische Wort XXXII International Congress for Asian and North African aus l. genera¯lis ’allgemein’, das früher auch schon als Studies 1986 (Stuttgart 1992), 391–393; EWNl 2 (2005), 233. general entlehnt worden war und zu dem auch genetisch Adj ’die Entstehung betreffend; erblich begeneralisieren ’verallgemeinern’ gehört. dingt’ erw. fach. (18. Jh.). Aus einem spl. geneticus, das Ebenso nndl. generaal, ne. general, nschw. generell, nnorw. generell; ÞGeneral, ÞGenus. – DF 1 (1913), 242; HWPh 3 (1974), 277f.

Generikum (überwiegend im Plural gebraucht) Sn

formal zu den lateinischen Bildungen der Wurzel ig. *gen¡- ’erzeugen’ gehört, semantisch aber von gr. ge´nesis ’Entstehung’ abhängig ist. Ebenso nndl. genetisch, ne. genetic, nfrz. ge´ne´tique, nschw. ge-

’Nachahmung eines Medikaments, dessen Patentnetisk, nnorw. genetisk; Þ-gen; ÞGenus, ÞGenetiv. – DF 1 (1913), schutz erloschen ist’ per. fach. (20. Jh.). Zu l. genus im 242; EWNl 2 (2005), 232. Sinn von ’Klasse’ ist das Adjektiv generisch ’die ganze Genetiv (auch Genitiv ’Wesfall’) Sm erw. fach. (18. Jh.). Klasse betreffend’, z.B. beim generischen Gebrauch Entlehnt aus l. (casus) genetı¯vus (weniger genau auch des Artikels, also bei Aussagen, die die ganze Klasse genitı¯vus), zu l. gignere (PPP. genitum) ’erzeugen’. Es betreffen (’Der Wal ist ein Säugetier’) im Gegensatz handelt sich dabei um eine Lehnübersetzung zu gr. zu Aussagen über ein einzelnes Element (’Der Wal genike¯´ (pto˜sis) f. ’die Gattung, Herkunft, Abstamschwamm neben dem Schiff her’). Die Entsprechung mung bezeichnender Fall’. im Englischen (e. generic) wird speziell auch geEbenso nndl. genitief, ne. genitive, nfrz. ge´nitif, nschw. genitiv, braucht, um allgemeine Bezeichnungen von Bezeichnnorw. genitiv; ÞGenus. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 53. nungen für Markenartikel abzusetzen: Ein generigenial Adj ÞGenie. scher Name kann nicht patentiert oder sonst geGenick Sn std. (13. Jh.), mhd. genic(ke),. Kollektivbilschützt werden. Das bedeutet, dass nach dem dung zu mndd. necke, afr. hnekka m., ae. hnecca m. Erlöschen des Patentschutzes Nachahmerprodukte ’Nacken’. Dieses steht im Ablaut zu ÞNacken. auftreten können, die keinen Patentschutz haben Knetschke (1956). können, also wie eine generische Bezeichnung zu werten sind (dies ist besonders wichtig in der Arz-

Genie

348 Genie Sn ’außergewöhnlich begabter Mensch; beson-

Genius Sm ÞGenie. dere Begabung’ std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. ge´nie Genosse Sm std. stil. (8. Jh.), mhd. geno¯ze, neben mhd. m., dieses aus spl. genius m. ’Begabung, schöpferigeno¯z, ahd. gino¯zo; ahd. gino¯z, as. gino¯t. Aus g. *gascher Geist’, älter ’Schutzgeist’. Die Entwicklung geht nauta-/-o¯n m. ’Genosse’, auch in einerseits anord. von ’Schutzgeist’ zu ’Schöpfergeist’; möglicherweise nauti, andererseits anord. nautr, ae. gene¯at, afr. na¯t. unter dem Einfluss von l. ingenium ’angeborene Art, Soziativbildung zu g. *nauta- n. ’Vieh, wertvolle Charakter, Phantasie’ (auf das wohl auch das neutrale Habe’ in anord. naut n., ae. ne¯at n., afr. na¯t, as. no¯t, Geschlecht im Deutschen zielt). Adjektiv: Þgenial, ahd. no¯z n. Ausgangsbedeutung ist also: ’der das gleiälter genialisch. che Vieh hat, der das Vieh gemeinsam hat’. Das Ebenso nndl. genie, ne. genius, nschw. geni, nnorw. geni. Das Grundwort vermutlich zu g. *neut-a- ’genießen’ lateinische Wort ist ursprünglich vermutlich ’das Leben-Er(Þgenießen). Kollektivbildung: Genossenschaft. zeugende, die Wirkkraft’, zu l. gignere (Perfekt genui) ’erzeugen, hervorbringen’; ÞGenus. – DF 1 (1913), 242f.; Bauerhorst, K.: Der Geniebegriff (Diss. Breslau 1930); Sommer, H.: ge´nie (Marburg 1943); Lauterborn, E.: Beiträge zur Geschichte des französischen Geniebegriffs im 18. Jh. (Freiburg 1952); Matore´, G., Greimas, A. J. Le Franc¸ais moderne 25 (1957), 256–272; HWPh 3 (1974), 279–309; Brunt (1983), 320f.; Schmidt, J.: Die Geschichte des Genie-Gedankens (Darmstadt 1985); Röhrich 1 (1991), 533f.; EWNl 2 (2005), 233.

genieren Vswrefl std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. geˆner

’bedrücken, stören’, refl. ’sich genieren’, aus afrz. gehiner ’foltern’, einer Ableitung von afrz. gehine ’das durch Folter erpresste Geständnis’, dieses abgeleitet von afrz. jehir ’zum Geständnis zwingen, gestehen’, vermutlich aus awfrk. *jahhjan ’zum Gestehen bringen’, einem Faktitivum zu awfrk. *jehan (= ahd. jehan) ’eingestehen’. Adjektive: Þgenant, geniert. Ebenso nndl. generen, nfrz. geˆner, nschw. genera, nnorw. sjenere; ÞBeicht(e). – DF 1 (1913), 243, 240 (genant), 241 (Gene); Littmann (1924), 35; Lokotsch (1975), 56; Dumonceaux (1975); DEO (1982), 319–321 (anders); Röhrich 1 (1991), 534; EWNl 2 (2005), 227f., 230.

genießen Vst std. (8. Jh., Form 9. Jh.), mhd. geniezen,

ahd. giniozan, älter niozan, as. niotan. Aus g. *neut-aVst. ’genießen’, auch in gt. niutan, anord. njo´ta, ae. ne¯otan, afr. nia¯ta. Dieses hat außer lit. nauda` ’Nutzen, Vorteil’ usw. (und seinen baltischen Verwandten) keine brauchbare Anschlussmöglichkeit. Die einfache Bedeutung ’essen’ im Adjektiv genießbar, die spezielle ’mit Wohlbehagen essen’ in dem Nomen Agentis Genießer; beide beim Abstraktum Genuss. Ebenso nndl. genieten, nschw. njuta, nisl. njo´ta; ÞGenosse, ÞNießbrauch, Þnütze, ÞNutzen. – Seebold, E. (1970), 361; Binder, W. AB 17 (1973), 66–92 (zu Genuss); Brandt, R.: Wortgeschichts- und Wortbedeutungsstudien (Frankfurt 1989).

Genitalien Spl ’Geschlechtsglied’ (selten Singular das

Genitale) erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus dem substantivierten Neutrum von l. genita¯lis ’die Fortpflanzung betreffend’ zu l. gignere (PPP. genitum) ’hervorbringen, gebären’. Auch das Adjektiv selbst wird später als genital entlehnt. Ebenso nndl. genital¡n, ne. genitals, genitalia, nfrz. parties ge´nitales, nschw. genitalier, nnorw. genitalia, genitalier. – EWNl 2 (2005), 235.

Ebenso nndl. genoot. S. auch ÞKnote. – Schröder, E. ZDA 60 (1923), 70; Krogmann, W. BGDSL 60 (1936), 398f.; Schäfer, R. Sprachpflege 6 (1959), 97f.; 7 (1960), 134–139; Bader 2 (1962), 3–13; Bartholmes, H.: Das Wort ’Volk’ im Sprachgebrauch der SED (Düsseldorf 1964), 125–128; MS 78 (1968), 193–222; 80 (1970), 175–222; Bartholmes, H. AB 20 (1976), 120; Dilcher, G. Recht, Gericht, Genossenschaft und Polizey. Ed. G. Dilcher & B. Diestelkamp (Berlin 1986), 114–123 (zu Genossenschaft); RGA 11 (1998), 79–82; EWNl 2 (2005), 235f.

Genre Sn ’Kunstgattung’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt

aus frz. genre ’Geschlecht, Art’, dieses aus l. genus (generis), s. ÞGenus (formal aus den Kasusformen oder dem Plural). Als Fachwort der Kunsttheorie bezeichnet das Wort einen künstlerischen Stil u. dgl., sowie charakteristische Szenen aus einem bestimmten Milieu (Genrebild usw.). Ebenso nndl. genre, ne. genre, nschw. genre, nnorw. genre. – DF 1 (1913), 243f.; EWNl 2 (2005), 236.

gentil Adj ÞGentleman. Gentleman Sm ’Mann von Lebensart und Charak-

ter’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. gentleman, einer Lehnübersetzung zu frz. gentilhomme, beides ursprünglich ’Edelmann’. Ne. gentle geht über frz. gentil zurück auf l. gentı¯lis ’von guter Abstammung’ (woraus auch gentil), zu l. ge¯ns (gentis) f. ’Sippe’, das mit l. genus n. ’Geschlecht, Art, Gattung’ verwandt ist. Ebenso nndl. gentleman, nfrz. gentleman, nschw. gentleman, nnorw. gentleman; ÞGenus, ÞMann. – DF 1 (1913), 244; Hoyler, A.: Gentleman-Ideal (Leipzig 1933); Ganz (1957), 84; Pflaum, G. F.: Die Geschichte des Wortes ’Gentleman’ im Deutschen (Diss. München 1965); Moeller-Schina (1969), 49; Rey-Debove/Gagnon (1988), 340–342; Röhrich 1 (1991), 534; Carstensen 2 (1994), 564–566.

genug Adj std. (8. Jh.), mhd. genuoc, ahd. ginuogı¯, as.

gino¯g(i). Aus g. *ga-no¯ga- Adj. ’genügend’, auch in gt. ganohs, anord. gno´gr, ae. geno¯g, geno¯h, afr. (e)no¯ch; mit ungewöhnlichem Ablaut gebildetes Verbaladjektiv zu g. *nah/nug- (Prät.-Präs.) ’genügen’ (= ’erreicht haben’), in gt. ganah, ae. geneah, ahd. ganah. Dieses gehört zu einer ig. Verbalwurzel *(e)nek´’erreichen’, auch ’tragen’ in l. nancı¯scı¯ ’erreichen, erhalten’, air. ro-icc ’erreicht, kommt an’, lit. ne`ˇsti ’tragen, bringen, reichen bis’, akslav. nesti ’tragen’, gr. enenkeı˜n ’herbeischaffen, davontragen’ (suppletiv zu *b her- ’tragen’, Ansatz der Vorform umstritten), ai. as´no´ti ’gelangt, erreicht’, toch. A ents-, toch. B en˙k-

349

gerammelt

’ergreifen’, heth. ninink- ’heben, aufheben, auflauern’ Geologie Sf erw. fach. (18. Jh.). Neoklassische Bildung (nin-Infix). Abstraktum: Genüge; Verb: genügen mit aus Þgeo- und Þ-logie. Nomen Agentis: Geologe; Adden partizipialen Adjektiven genügend und jektiv: geologisch. ungenügend; Bedeutungsdifferenzierung bei den urEbenso nndl. geologie, ne. geology, nfrz. ge´ologie, nschw. geologi, nnorw. geologi. – EWNl 2 (2005), 236. sprungsgleichen Adjektiven genugsam, genügsam. Ebenso nndl. genoeg, ne. enough, nschw. nog, nisl. no´gur. S. auch Þbegnügen, Þbringen, ÞGenugtuung, ÞVergnügen. – Seebold (1970), 355f.; Heidermanns (1993), 428f.

Genugtuung Sf std. (15. Jh.). Abstraktum zu Þgenug

tun ’Genüge leisten, befriedigen’, wohl Lehnübersetzung zu l. satisfacere und l. satisfactio. genuin Adj ’echt’ per. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus

Geometrie Sf std. (12. Jh.), mhd. geometrie. Ist über das

Lateinische entlehnt aus gr. geo¯metrı´a ’Landvermessung’. Diese ursprüngliche Bedeutung ist bewahrt in Geometer, während die Wissenschaft zu einer mathematischen Disziplin wurde. Adjektiv: geometrisch. Ebenso nndl. geometrie, ne. geometry, nfrz. ge´ome´trie, nschw. geometri, nnorw. geometri; Þgeo-, Þ-metrie.

l. genuı¯nus, eigentlich ’angeboren, natürlich’, zu l. gi- Gepäck Sn std. (14. Jh.), älter auch mhd. gepac. Kollekgnere ’zeugen, erzeugen, gebären’ (ÞGenus). Mit auftivbildung zu ÞPack. Ausgangsbedeutung also fälligem u-Stamm als Grundlage, der vermutlich von ’Gesamtheit der Packen (Gepäckstücke)’. l. ingenuus ’einheimisch’ beeinflusst ist. Gepard Sm ’kleiner Leopard’ per. fremd. (18. Jh.). EntEbenso nndl. genuı¨en, ne. genuine, nschw. genuin, nnorw. gelehnt aus frz. gue´pard, das seinerseits auf it. gattoparnuin. – DF 1 (1913), 244. do ’Pardelkatze’ zurückgeht. Dieses zu spl. cattus Genus Sn ’Geschlecht, Art, Gattung’ per. fach. (17. Jh.). ’Kater’ (ÞKatze) und dem unter ÞLeopard behandelIm Neuhochdeutschen entlehnt aus l. genus (-eris) ten Wort. ’Geschlecht, Art’, einer Ableitung aus l. gignere Ebenso nschw. gepard, nnorw. gepard. ’hervorbringen’. In der Bedeutung ’grammatisches Ger Sm per. arch. (9. Jh.), mhd. ge¯r(e), ahd. ge¯r, as. ge¯r. Geschlecht’ Lehnbedeutung aus dem urverwandten Aus g. *gaiza- m. ’Ger’, auch in anord. geirr, ae. ga¯r gr. ge´nos n. (gotisch wohl in Personennamen) aus ig. (eur.) Ebenso nndl. genus, ne. genus, gender, nfrz. genre, nschw. genus, *g haiso´-, auch in gr. chaı˜os ’Hirtenstab’, air. gae, wornnorw. (ling.) genus. Die Grundlage der lateinischen Sippe ist aus l. gaesum n. ’Wurfspeer’ entlehnt ist. Auch das das Verb l. gignere (genitum) ’hervorbringen, gebären’, doch ist germanische Wort steht möglicherweise unter dem für die Entlehnungen am wichtigsten der s-Stamm l. genus Einfluss des Keltischen. Weiter zu ai. he´sas- n. (generis) (vgl. Þ-gen zu den griechischen Verwandten). Hierzu ˙ ’Waffe’ und damit zu ai. hinasti ’verletzt’. Genus und über das Französische ÞGenre, sowie die Bildungen auf der Grundlage gener-: Aus einem Zugehörigkeits-Adjektiv S. auch ÞGehre, ÞGeißel, ÞNäber. – Hüpper-Dröge (1983), ÞGeneral und Þgenerell (mit generalisieren), aus einem Her314–327; Szemere´nyi (1989), 123f.; EWNl 2 (2005), 199; kunfts-Adjektiv über das Französische Þgenerös, aus den abgeEWahd 4 (2009), 168–170. leiteten Verben generieren, Þdegenerieren, Þregenerieren; zu gerade1 Adj ’durch zwei ohne Rest teilbar’ erw. fach. verschiedenen nominalen Ableitungen des Grundverbs gehö(11. Jh.), mhd. gerat, gerade, ahd. gerad ’aus zwei gleiren ÞGendarm, Þgenetisch, ÞGenie, ÞGenius, ÞGenitalien, chen Zahlen bestehend, gerade’. Gehört zu einer BilÞGenetiv, ÞGentleman, Þgenuin und ÞIngenieur; zu der Wurdung wie gt. raþjo¯ f. ’Zahl’, doch kann keine genaue zelform gna¯- mit Hochstufe der zweiten Silbe Þprägnant, Entsprechung vorliegen, da die deutschen Wörter Þimprägnieren und mit Verlust des anlautenden g auch Þnaiv, ÞNation, ÞNatur und ÞRenaissance. Zum germanischen Verkeinen Umlaut aufweisen. Etwa *ga-raþa- ’dessen gleichsmaterial s. ÞKind. – Leser, E. ZDW 15 (1914) 51; HWPh 3 Zahl gleich ist’. (1974), 311–315. Zu der entsprechenden Grundlage s. unter ÞRede. S. auch Þhundert, Þnachgerade, ÞReim. – Schirmer (1912), 27; Götze geo- LAff (Bestimmungswort mit der Bedeutung ’die (1919), 67–70. Erde betreffend’) erw. bildg. (–). In Lehnwörtern aus

dem Griechischen (ÞGeographie, ÞGeometrie) ins gerade2 Adj ’in unveränderter Richtung verlauDeutsche (wie in andere europäische Sprachen) gefend’ std. (10. Jh.), mhd. gerat, gerade, ahd. gihradi langt; geht auf die Kompositionsform von gr. ge˜ ’schnell, gewandt’, auch ’gerade aufgeschossen’. Da’Erde, Erdboden, Land’ zurück. Das Präfix wird dann nach die Bedeutung ’lotrecht’, von der die heutige produktiv in neoklassischen Bildungen. Bedeutung ausgegangen ist (möglicherweise unter Einfluss von Þgerade 1). Konkretum: Gerade. Cottez (1980), 165. Geographie Sf std. (16. Jh.). Über das Lateinische ent-

lehnt aus gr. geo¯graphı´a ’Erdbeschreibung’ (Þgeo-, Þ-graphie). Nomen Agentis: Geograph; Adjektiv: geographisch. Ebenso nndl. geografie, ne. geography, nfrz. ge´ographie, nschw. geografi, nnorw. geografi. – DF 1 (1913), 244f.; EWNl 2 (2005), 236.

Zum Grundwort s. unter Þrasch. – Heidermanns (1993), 437f.

gerammelt (in gerammelt voll) AdjPP std. stil. phras.

(19. Jh.). Zu Þrammeln in der ursprünglichen Bedeutung ’immer wieder stoßen, (stopfen), rütteln’, die hochsprachlich sonst nur in rammen vorliegt (ÞRamme). Gemeint ist, einen Sack beim Füllen immer wieder schütteln, damit sich das Füllgut ver-

Geranie

350

teilt und der Raum bestmöglich ausgefüllt wird. Dann übertragen auf volle Säle usw. Geranie Sf (ein Storchschnabelgewächs) std. (18. Jh.).

Entlehnt aus neo-kl. geranium, dieses aus l. geranion n., dieses aus gr. gera´nion n., zu gr. ge´ranos f./(m.). ’Kranich’. So bezeichnet nach der Form der Früchte mit einem Fortsatz, der einem Kranichschnabel gleichsieht. Ebenso nndl. geranium, ne. geranium, nfrz. ge´ranium, ndn. geranium, nnorw. geranium. Vgl. nhd. ÞStorchschnabel. – EWNl 2 (2005), 238.

Gerät Sn std. (8. Jh.), mhd. ger¢te, ahd. gira¯ti, as. gira¯di.

kunft unsicher. Vielleicht als ’Lappen, Flecken’ zu (ig.) *reu- ’reißen’ (s. Þreuten und vgl. dial. Altreuß, Altreuscher ’Schuhflicker’). Kaspers, W. BGDSL-H 80 (1958), 174.

gerben Vsw std. (8. Jh.), mhd. gerwen, garwen, ahd. ga-

rawen, as. gar(u)wian, ger(i)wian. Aus g. *garw-ijaVsw. ’fertig machen’, auch in anord. gørva, gera ’machen’, ae. gearwian, äußerlich gesehen eine Ableitung von g. *garwa- Adj. ’fertig, bereit’, doch weist die Etymologie wohl darauf hin, dass gar in Wirklichkeit eine Rückbildung ist, und das Verb eine Präfixableitung zu dem älteren Adjektiv g. *arwa- darstellt (s. unter Þgar). Im Verlauf der mittelhochdeutschen Zeit wird das Verb eingeengt auf ’Leder fertigmachen, gerben’. Da beim Gerben das Leder geknetet und gepresst wird, bekommt gerben sekundär auch die Bedeutung ’würgen, sich erbrechen’. − Nomen Agentis: Gerber.

So wie die Belege zeigen, ein Kollektiv zu ÞRat (Þraten); demgemäß ist die Bedeutung althochdeutsch ’Beratung, Fürsorge’, altsächsisch ’Vorteil’. Die neuere Bedeutung wird so erklärt, dass das Grundwort, wohl ausgehend von ’Vorsorge’, zunehmend konkrete Bedeutung übernommen habe (vgl. auch ÞHausrat, ÞVorrat, ÞUnrat), worauf auch das Ebenso nschw. göra, nisl. gera, gjöra. – LM 4 (1989), 1299 (zu Gerber); RGA 11 (1998), 143–145 (Gerberei); EWahd 4 (2009), Kollektiv zunehmend zu der Bedeutung ’Gerät77f. schaft’ überging. Nun zeigen sich entsprechende Bedeutungen auch bei der Sippe von Þbereit (s.d. und gerecht Adj std. (8. Jh.), mhd. gereht, ahd. gireht. Vervgl. mhd. gireit entsprechender Bedeutung) und weistärkung von recht, zunächst im konkreten Sinn ter im Norden, vor allem im Niederländischen, sind ’gerade, richtig, passend’; vielleicht als Lehnübersetdie zwei Sippen nicht mehr eindeutig auseinanderzung zu l. dı¯re¯ctus. Die Bedeutung ’dem Rechtsgefühl zuhalten; sie werden dort (EWNl) als Lautvarianten entsprechend’ entwickelt sich erst in mittelhochdeutunter Einfluss des Umlauts erklärt. Wahrscheinlicher scher Zeit, ist aber z.B. schon in der Entsprechung gt. ist wohl, dass ein Teil der Ableitungen von raten unter garaihts vorhanden. In neuerer Zeit auch als Halbden Einfluss der Ableitungen von bereit, gereit geraten suffix mit der Bedeutung ’eingerichtet für, passend ist, zum Teil nur in der Bedeutung, dann (im Norzu’ verwendet (mediengerecht u.ä.). Abstraktum: den) auch in der Form (vgl. EWNl zu bereid, gereed, Gerechtigkeit. gereedschap und gerei). Hommel, H. Antike und Abendland 15 (1969), 159–186; HWPh EWNl 2 (2005), 239–241.

geraten Vst std. (9. Jh.), mhd. geraten, ahd. giratan

3 (1974), 329–338; Röhrich 1 (1991), 535 (zu Gerechtigkeit); EWNl 2 (2005), 239.

’beraten, beschließen’. Ursprünglich lediglich VerGericht1 Sn ’richtende Körperschaft’ std. (11. Jh.), mhd. stärkung (und Perfektivierung) von Þraten; dann geriht(e), ahd. girihti, mndd. gerichte, mndl. gherechte. Übergang zur heutigen Bedeutung (’beschließen’ − Ursprünglich Adjektiv-Abstraktum zu Þgerecht in dessen konkreter Bedeutung ’gerade, richtig’, also ’bewirken’ − ’gelingen’). Die Zusammenbildung aufs etwa ’Richtigstellung’, schon althochdeutsch für Geratewohl seit dem 16. Jh. ’Gericht, Urteil’. geraum Adj (in seit geraumer Zeit) std. phras. stil. Ebenso nndl. gericht. – Schnerrer, R. BGDSL-H 85 (1963), (8. Jh.), mhd. geru¯m(e), ahd. giru¯mo Adv. ’bequem’, 248–312; HWPh 3 (1974), 338–343; LM 4 (1989), 1322–1327; mndd. gerume. Westgermanische Verstärkung *gaEWNl 2 (2005), 239. ru¯ma- Adj. ’geräumig’ des unter ÞRaum behandelten 2 Adjektivs g. *ru¯ma- ’geräumig’, auch in ae. geru¯me. Gericht Sn ’Speise’ std. (13. Jh.), mhd. geriht(e), mndd. gerichte, mndl. gherechte in der Bedeutung ’angeGeräusch1 Sn ’Schall’ std. (13. Jh.), mhd. geriusche. Zurichtete Speise’. Verbalabstraktum zu Þrichten nächst Verbalabstraktum zu dem unter Þrauschen ’errichten, herrichten’. genannten Verb. Danach BedeutungsverallgemeineEbenso nndl. gerecht. – EWNl 2 (2005), 238f. rung zur Bezeichnung beliebiger Gehörseindrücke. gerieben AdjPP ’schlau’ per. reg. (15. Jh.). Wie in Geräusch2 Sn ’Eingeweide von erlegten Tieren’ per. Þraffiniert u.a. wird die Bezeichnung für eine Verfeifach. (15. Jh., Form 16. Jh.), spmhd. in-geriusche (Pränerung von Stoffen und Gegenständen auf Menschen fix wie Eingeweide). Das Simplex in gleichbedeutenübertragen, um deren besonders geschicktes Verhaldem mndd. rusch, ndd. rusch. Wohl als (g.) *ru¯s-katen (mit einem leicht tadelnden Unterton) zu kenn(o.ä.) zu *rus- in anord. hold-rosa f. ’Fleischseite der zeichnen. Haut’, as. hrusil (mit sekundärem Anlaut?) ’rohes Þreiben. Stück Fett’, ae. rysel m. ’Fett, Speck’. Weitere Her-

Gerücht

351 gering Adj std. (9. Jh.), mhd. geringe, ahd. (gi)ringi

’leicht’, mndd. geringe, mndl. gering(e). Wie afr. ring aus vd. *rengja- ’leicht’. Außergermanisch vergleicht sich zunächst lit. ˛irangu`s ’hurtig, rührig bei der Arbeit’ (*rong hu-) und dann als (ig.) *reng hwa- gr. rı´mpha Adv. ’rasch, behänd’. Der westgermanische jaStamm könnte auf einen alten u-Stamm, also (ig.) *rong hu- zurückgehen; andererseits stimmt die Wurzelstufe besser zu gr. rı´mpha und damit (ig.) *reng hwa-. Weitere Herkunft unsicher. Zusammenbildungen in geringfügig und geringschätzig. Heidermanns (1993), 445f.; EWNl 2 (2005), 242.

gerinnen Vst std. (8. Jh.). Eine bereits germanische Prä-

Gerste Sf std. (9. Jh.), mhd. gerste, ahd. gersta, as. gers-

ta. Aus vd. *gersto¯. Außergermanisch ist zunächst verwandt l. hordeum n. ’Gerste’, das als Grundform (ig.) *g herz-do¯ erweist (im Lateinischen Schwundstufe oder o-Stufe); nicht ohne weiteres vereinbar sind gr. krithe¯´ ’Gerste’ und alb. drithe¨. An sich lässt sich das germanisch-lateinische Wort weiter anschließen an ig. *g´ hers- ’starren, sich sträuben’ (womit auf die auffälligen Grannen der Gerste Bezug genommen würde), doch lassen die ähnlichen und doch auseinanderfallenden Lautungen der Einzelsprachen eher auf ein nicht-indogermanisches Wanderwort schließen, das evtl. im Germanischen und Lateinischen sekundär durch den Anschluss an *g´ hers- motiviert wurde.

figierung zu Þrinnen, allerdings in der ursprünglichen Bedeutung ’zusammenrinnen, -laufen’. Die Hoops (1905), 364–371; Bertsch (1947), 64–78; Hamp, E. P. heutige Bedeutung ’dick werden’ (von Flüssigkeiten) ZVS 98 (1985), 11f.; EWNl 2 (2005), 242f.; EWahd 4 (2009), setzt sich im Mittelhochdeutschen durch, ist aber be179–183. reits althochdeutsch und altenglisch zu belegen. Eine Gerstenkorn Sn ’Geschwulst am Augenlid’ erw. reg. nominale Ableitung in (Blut-)Gerinnsel. (16. Jh.). Wohl Lehnübertragung zu l. hordeolus m. EWNl 2 (2005), 242. (zu l. hordeum ’Gerste’), das seinerseits gr. krithe¯´ f. Gerippe Sn std. (17. Jh.). Kollektiv zu ÞRippe und damit ’Gerste’ übersetzt, womit schon bei Hippokrates das zunächst den Brustkorb bezeichnend; dann ausgebetreffende Augenleiden bezeichnet wird. So beweitet zu ’Skelett’. nannt, weil die Geschwulst an ein Samenkorn der Kranemann (1958), 77f. Gerste erinnern konnte. Ähnliche Benennungsmotive liegen vor in den Bezeichnungen (Augen)haber, gerissen Adj ’schlau’ std. stil. (19. Jh.). Herkunft wohl ÞHagelkorn, ÞErbse, ÞPerle usw. Vgl. auch frz. grain aus einem technischen Fachwort, das aber nicht mehr d’orge m., orgelet m. ’Gerstenkorn’, das schwz. Ürseli erkennbar ist. Vielleicht zu sich um jemanden ergab. Seit dem Mittelhochdeutschen ist Gerstenkorn Þreißen. auch als Bezeichnung eines der kleinsten Gewichte Vgl. im übrigen Þgerieben, Þgewieft, Þgehaut, Þabgefeimt usw. und Längenmaße und seit dem 18. Jh. für ’grobkörGerm Smf ’Backhefe’ per. oobd. (13. Jh.). Aus mhd. gerniges Stoffgewebe’ bezeugt, denen ebenfalls Vergleiwen f. mit bairischer Realisierung der Endung. Späte che mit dem Samenkorn der Gerste zugrunde liegen Bildung mit der Bedeutung ’Hefe’ bei Þgären. dürften. gern Adv std. (8. Jh.), mhd. gern(e), ahd. gerno. Adverb Maas, H. Jahrbuch für fränkische Landesforschung 21 (1961), zum Adjektiv mhd. gern(e), ahd. gern(i), as. gern aus 305–315. g. *gerna- Adj. ’begierig, eifrig’, auch in anord. gjarn, Gerte Sf std. stil. (8. Jh.), mhd. gerte, ahd. gerta, gart, as. ae. georn, gt. in faihu-gairns ’habsüchtig’. Zu germagerdia. Aus wg. *gazdjo¯ f. ’Gerte’, auch in ae. gerd, afr. nischen Formen ohne n s. unter Þbegehren. Aus ig. jerde, erweitert aus g. *gazda- m. ’Stecken, Stab’ in gt. h *g´ er- ’gern haben, begehren’, auch in ai. ha´ryati gazds, anord. gaddr m., ahd. gart, mhd. gart. Ver’findet Gefallen, hat gern’, gr. chaı´ro¯ ’ich freue mich’, gleichbar ist mir. gat m. ’Weidenrute’. Weitere Herl. horta¯rı¯ ’antreiben, ermuntern’. In den Formen kunft unklar. ohne n haben sich Nachfolger der Wurzel *g´ her- mit r- Ebenso ne. yard. – EWNl 2 (2005), 169f.; EWahd 4 (2009), 186f. h Erweiterung der Wurzel *g ei- (s. unter ÞGeier, Geruch Sm std. (15. Jh.), spmhd. geruch. Ist wie mhd. ÞGier) so vermischt, dass sie teilweise nicht mehr ruch ein Verbalabstraktum zu Þriechen. Da ÞGerücht auseinandergehalten werden können. in regionalen Formen lautgleich wird, kommt es zu Ebenso nndl. gaarne, nschw. gärna, nisl. gjarna. – Röhrich 1 Verwendungen wie in den Geruch kommen, im Geruch (1991), 535f.; Heidermanns (1993), 242; EWNl 2 (2005), 149; stehen und zu mhd. gerühte mit der Bedeutung EWahd 4 (2009), 176. ’Geruch’. Gerner Sm ÞKarner. Geröll Sn std. (16. Jh., Form 18. Jh.). Ableitung zu

Þrollen als Bezeichnung für Steinlagen an Bergabhängen, die leicht ins Rollen (Rutschen) geraten und auf denen man auch leicht ausrutscht. Älter gerülle. gerren Vsw Þgirren.

Gerücht Sn std. (9. Jh., Form 14. Jh.). In spätmittel-

hochdeutscher Zeit aus mndd. geruht, gerüht entlehnt, das (mit niederdeutschem ft > ht) mhd. geruofede, geruofte, gerüefte, ahd. gihruofti entspricht. Dieses ist ein Verbalabstraktum zu Þrufen, also ’Gerufe’. Das Wort bezeichnet zunächst das (rechtlich relevante) Geschrei, das über einer Untat erhoben wird, und sinkt dann ab zu ’Gerede’.

geruhen Röhrich 1 (1991), 536; RGA 11 (1998), 455–457 (Gerüfte); EWNl 2 (2005), 243.

geruhen Vsw erw. obs. (9. Jh., Form 16. Jh.). Erst in

352 Geschäft Sn std. (12. Jh.), mhd. gescheffede, geschefte.

Eine Abstraktbildung zu Þschaffen ’arbeiten’. Der Form nach liegt einerseits ein ti-Abstraktum zu schaffen mit der Bedeutung ’Schöpfung, Geschöpf’ (gt. gaskafts, ae. gesceaft f., ahd. giscaf[t]) voraus, andererseits eine Ableitung auf -ida, worauf sich die beiden Formen vermischen. Bedeutungsdifferenzierung zwischen den Adjektiven geschäftig und geschäftlich.

frühneuhochdeutscher Zeit an ruhen (ÞRuhe) angeschlossen und entsprechend geschrieben. Zuvor mhd. geruochen, ahd. (gi)ruohe¯n, as. ro¯kian aus g. *ro¯k-ija- Vsw. ’sich um etwas kümmern, sorgen’, auch in anord. rœkja, ae. reccan (lautlich unregelmäßig). Þschaffen. – Kluge (1926), 68; Röhrich (1991), 537. Möglicherweise liegt das Grundwort hierzu vor in ahd. ruohha ’Bedacht, Sorge’. Außergermanisch ver- Geschäftsträger Sm erw. fach. (18. Jh.). Lehnübertragleicht sich lediglich (mit ¯e gegenüber g. o¯) gr. are¯´go¯ gung zu frz. charge´ d’affaires ’mit politischen und ’ich helfe, stehe bei’. Weitere Herkunft unklar. kaufmännischen Geschäften Beauftragter’. S. auch Þruchlos, Þverrucht. – Gonda, J. ZVS 73 (1956), 151–167. Geschäftsmann (um 1800) ist Lehnübersetzung zu frz. homme d’affaires; (davon zu trennen ist die am Ende Gerümpel Sn std. stil. (13. Jh., Bedeutung 16. Jh.), mhd. des 15. Jhs. bezeugte Zusammensetzung gescheftsman gerumpel, gerümpel. Bedeutet eigentlich ’Getöse’ (zu ’Testamentsvollstrecker’). Þrumpeln. Die Bedeutung ’alter Hausrat’ wohl von der Bezeichnung des (nachlässigen) Transports sol- geschehen Vst std. (11. Jh.), mhd. geschehen, ahd. gischer Gegenstände. In gleicher Bedeutung auch Geröll, kehan. Geht mit afr. skia¯ zurück auf wg. skeh-a- Vst. Gerüll, Gerummel u.a. (meist mit ga- präfigiert) ’geschehen’. Wie die AbleiÞentrümpeln. tungen mhd. schehen Vsw. ’eilen, dahinjagen’, ahd. sciht ’Flucht’ zeigen, handelt es sich um eine BedeuGerundium Sn (Nominalform des Verbs) per. fach. tungsübertragung aus einem Verb für ’laufen’, also (20. Jh.). Entlehnt aus l. gerundium, zu l. gerere ursprünglich ’verlaufen’. Außergermanisch verglei’ausführen’ u.a., also ’das Auszuführende’. chen sich air. scuchid, scuichid ’geht weg, hört auf’ Ebenso nndl. gerundium, ne. gerund, nschw. gerundium, und akslav. skocˇiti ’springen’. Abstrakta: Geschehen, nnorw. gerundium; ÞRegister, ÞGerundivum. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 64. Geschehnis. Gerundivum Sn (Partizip Passiv Futur im Lateini-

schen) per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus spl. (modus) gerundı¯vus, zu l. gerere ’tragen, ausführen, besorgen’, also ’was auszuführen ist’.

S. auch ÞGeschichte, Þschicken. – Weisgerber, L. FS Trier (1964), 23–46; Heintz, G.: Geschehen (Diss. Münster 1968); Seebold (1970), 408f.; Heidermanns (1993), 490f.; EWNl 2 (2005), 243f.

Ebenso nndl. gerundivum, ne. gerundive, nfrz. ge´rondif (auch: ’Gerundium’), ndn. gerundiv, nnorw. gerundiv; ÞRegister, ÞGerundium.

Geschein Sn ’Blütenstand der Weinrebe’ per. fach.

Gerüst Sn std. (8. Jh.), mhd. gerüste, ahd. girusta f., gi-

gescheit Adj std. (14. Jh.), mhd. geschı¯de gehört zu

rusti ’Hilfsmittel, Ausrüstung, Zurichtung’. Verbalabstraktum zu Þrüsten. Die Einengung auf die heutige Bedeutung ist erst neuhochdeutsch. LM 4 (1989), 1358.

gesamt Adj std. (10. Jh.), mhd. gesam(en)t, gesamnet,

ahd. gisamano¯t. Partizip von ahd. samano¯n ’(ver)sammeln’ (Þsammeln). Ausgangsbedeutung also ’gesammelt’. Abstraktum: Gesamtheit. Gesandter Sm std. (15. Jh.). Kürzung aus spmhd. ge-

sandter pote. Wird dann wie Abgesandter (das sich gehalten hat) als Entsprechung zu frz. envoye´ in der Diplomatensprache gebraucht. − Kollektivum: Gesandtschaft. LM 4 (1989), 1363–1382; EWNl 2 (2005), 267f.

Gesäß Sn std. stil. (9. Jh., Bedeutung 13. Jh.), mhd.

ges¢ze, ahd. gisa¯zi. Ursprünglich ein dehnstufiges Verbalabstraktum zu dem präfigierten gisizzen ’sich setzen’ mit der Bedeutung ’Sitz, Ruheort’ u.ä. Seit mittelhochdeutscher Zeit bedeutet es auch ’Körperteil, mit dem man sitzt’, und diese Bedeutung hat sich im Neuhochdeutschen durchgesetzt.

(19. Jh.). Vermutlich im Sinne von ’erscheinen’ für die neu aufbrechenden Blütenstände. mhd. schı¯den ’scheiden, unterscheiden’. Dieses ist eine sekundäre Nebenform zu Þscheiden. Ausgangsbedeutung ist also ’unterscheidend, unterscheidungsfähig’. Wolf-Rottkay, W. H. Kratylos 9 (1964), 196f.

Geschichte Sf std. (11. Jh.), mhd. geschiht, ahd. giskiht

’Ereignis, Zufall, Hergang’. ti-Abstraktum zu Þgeschehen, also eigentlich ’Geschehnis’. Adjektiv: geschichtlich. Geiger, P. E.: Das Wort ’Geschichte’ (Diss. Freiburg i.B. 1908); Hennig, J. DVLG 16 (1938), 511–526; HWPh 3 (1974), 344–398; GB 2 (1975), 593–717; Günther (1979); Knape, J. GRM 38 (1988), 15–34; Röhrich 1 (1991), 537f.

Geschick Sn std. (13. Jh.), mhd. geschicke ’Begebenheit,

Ordnung, Gestalt’. Zu Þschicken, das wohl ein Intensivum zu (ge)schehen (Þgeschehen) ist. Geschick als Eigenschaft ist wohl von ’Ordnung, Benehmen’ ausgegangen; Geschick ’Schicksal’ wohl als ’das Geschickte, die Fügung’. Die erste Bedeutung auch in Geschicklichkeit, die zweite in Missgeschick.

Geschworene

353 geschickt Adj std. (13. Jh.), mhd. geschicket. Partizip

net, dann auch kleine Insekten (usw.) selbst, schließvon Þschicken in der Bedeutung ’anordnen, einrichlich auch verächtlich von Personen. ÞSchmeißfliege. – Wissmann (1963–1968), 7. ten’ (s. die erste Bedeutung von ÞGeschick). Abstraktum: Geschicklichkeit. Geschoß Sn std. (10. Jh.), mhd. geschoz, gescho¯z, ahd. EWNl 2 (2005), 244. gesco¯z, mndd. gescho¯t, mndl. gescot. Verbalabstraktum zu Þschießen. Die Herkunft der Bedeutung ’StockGeschirr Sn std. (10. Jh.), mhd. geschirre, ahd. giskirri werk’ ist unklar; vielleicht ursprünglich Abschnitt ’Gefäß, Gerät, Werkzeug, Bespannung usw.’. Im Neuvon Pflanzen mit Knoten am Stängel, also ’das, was hochdeutschen dann festgelegt auf einerseits das Geauf einmal aufschießt’? schirr im Haushalt und andererseits das PferdegeEWNl 1 (2003), 276. schirr. Offensichtlich ein Kollektiv zu einer nicht näher bestimmten Grundlage. Geschütz Sn std. (12. Jh.), mhd. geschütze, geschüz, mndd. geschutte. Kollektiv zu Schuss. Þanschirren, Þschirren. – Heinertz, N. O. BGDSL 41 (1916), 489–495; Röhrich 1 (1991), 538.

Þschießen. – LM 4 (1989), 1385; EWNl 2 (2005), 245.

Geschlecht Sn std. (11. Jh.), mhd. gesleht(e), geslähte,

Geschwader Sn erw. fach. (16. Jh.). Kollektiv zu spmhd. ahd. gislahti. Kollektivum zu mhd. slaht(e) f., ahd. swader, das entlehnt ist aus it. squadra f. ’im Viereck angeordnete Truppe’ (besonders ÞReiter). Dieses aus slahta f. ’Generation, Art, Ursprung’. Wie das paralit. squadrare aus früh-rom. *ex-quadra¯re ’im Quadrat lele air. slicht zu air. slig- ’schlagen’ zeigt, ist die Ausgangsbedeutung ’Fußspur’ (’Eindruck’), an das sich aufstellen’. Übertragen auf Scharen von Seevögeln und dann schließlich festgelegt auf Schiff- und Flug’Nachfolge’ knüpft (diese Bedeutungen sind im Gerzeugformationen. manischen bei dieser Sippe nicht bezeugt). Daraus folgt ’Nachkommenschaft’, woraus sich ’Familie’ und Ebenso nndl. eskader, ne. squadron, nfrz. escadre, nschw. eskader, nnorw. skvadron; ÞQuadrant, ÞSchwadron. – Kluge ’Art’ ohne weiteres ergeben. Die Bedeutung ’Sexus’ ist (1911), 311f. spät von l. sexus m. übernommen, zunächst in Ableitungen wie geschlechtlich. geschweige Konj std. stil. (15. Jh.). Verkürzt aus mhd. ich geswı¯c ’ich schweige’ (Þschweigen); zur Bedeutung Þungeschlacht, Þschlagen. – Ader (1958), 11–38; Maher (1987), 68–71; Röhrich 1 (1991), 538; EWNl 2 (2005), 246. vgl. etwa ’nicht zu reden von ...’ Behaghel 3 (1928), 177f.; Lindquist (1961), 75. Geschlinge Sn ’Lunge, Herz und Gurgel des Schlachttiers’ per. reg. (15. Jh.). Offenbar ein Kollektiv zu geschwind Adj std. reg. (13. Jh.), mhd. geswinde, mndd. Schlung, einer Nebenform zu ÞSchlund (also *Gegeswint, geswinde ’stark’. Althochdeutsch nur in Naschlünde ’der Schlund und was dazugehört’). men, also wohl von Norden her ausgebreitet; aus g. ÞSchlund. – Kretschmer (1969), 216f.; Lühr (1988), 150f. *swinþa- ’stark, ungestüm’, auch in gt. swinþs, anord. (anders). svinnr, svidrÑ ’verständig’, ae. swiþ, as. swı¯d(Ñ i), afr. swı¯the Adv. ’sehr’. Vermutlich aus ig. *sg´ huwentGeschmack Sm std. (9. Jh.), mhd. gesmac(h), ahd. gis’mächtig’ wie in sogd. xsˇawan- ’Macht’, ai. ksumantmac, gismah, gesmacko. Verbalabstraktum zu ’mit Macht versehen’ zu *s(e)g´ hu- ’Macht’ in ˙gr. ischy¯s (ge)schmecken (Þschmecken). Die wertende Übertra’Macht, Stärke’, ai. sa´huri- ’gewaltig, überlegen’. Zu gung (hier positiv: guter Geschmack usw.) tritt bei der Verbalwurzel *seg´ h- ’verfügen können’ (s. auch Wörtern des Tast-, Geruch- und Geschmackssinns ÞSieg). Entsprechend zu einer anderen Grundlage: häufig auf; sie kann aber nach romanischem Vorbild Haudry (ig. *asu- ’Lebenskraft’, das aber nur in den erfolgt sein (it. gusto, nfrz. gouˆt). Adjektive: arischen Sprachen bezeugt ist). Abstraktum: geschmackvoll, geschmacklos. Geschwindigkeit. Þabgeschmackt. – Hildebrand, R. KS (1897), 314–329 = ZDU 6 (1892), 665–680; HWPh 3 (1974), 444–456; Gabler, J.-J.: Geschmack und Gesellschaft (Bern 1982); Röhrich 1 (1991), 538f.

Geschmeide Sn erw. stil. (11. Jh.), mhd. gesmı¯de, ahd.

Þgesund. – Seebold, E. Sprache 29 (1983), 32f.; Bammelsberger, A.: Morphologie des urgermanischen Nomens (Heidelberg 1990), 251; Heidermanns (1993), 577f.; Haudry, J. BSL 88 (1993), 103–119; Cantera Glera, N. A. in Forssman (2000), 37–50; EWNl 2 (2005), 272.

gesmı¯di ’Metall, Metallwerkzeug, Schmuck’. Kollektiv zu ahd. smı¯da f. ’Metall’. Zur Etymologie s. unter Geschwister Spl std. (9. Jh.), mhd. geswister, geswester, ÞSchmied. Das Adjektiv geschmeidig muss seiner ahd. giswester. Kollektivum zu ÞSchwester, also eiLautform nach zu Geschmeide gehören, also ’für Gegentlich ’Gesamtheit der Schwestern’. Derselbe Ausschmeide geeignet’ (d.h. ’gut schmiedbar’). gangspunkt auch in anord. systkini ’Geschwister’. Geschmeiß Sn erw. vulg. (14. Jh., Bedeutung 16. Jh.), Hermann, E. IF 53 (1935), 101f.; RGA 11 (1998), 516–518; mhd. gesmeize. Ableitung aus mhd. smeizen, smı¯zen EWNl 2 (2005), 272. ’scheißen’ (hauptsächlich von kleinen Tieren); wohl Geschworene Spl erw. fach. (15. Jh.). Substantivierung eine Umdeutung von mhd. smı¯zen ’schmieren’ (s. des Partizips von Þschwören. Gemeint sind die eidlich unter Þschmeißen) nach Þscheißen. Als Geschmeiß verpflichteten Schöffen. wird der Kot oder auch die Eier der Fliegen bezeichEWNl 2 (2005), 272f.

Geschwulst Geschwulst Sf std. (10. Jh.), mhd. geswulst, ahd. gis-

wulst. Verbalabstraktum zu (ge)schwellen. ÞSchwelle, ÞSchwulst. – RGA 11 (1998), 518–523.

Geschwür Sn std. (8. Jh., Form 16. Jh.), mhd. geswer

m./n., fnhd. geschwür neben geschwär, das die ältere Form ist, ahd. giswer. Verbalabstraktum zu schwären, also eigentlich ’etwas, das schwärt, eitert’. RGA 11 (1998), 518–523.

Geseire(s) (Geseier) Sn ’Geschwätz’ erw. vulg. (19. Jh.).

Aus dem Rotwelschen, das es seinerseits von wjidd. geseire ’böser Zustand, Verhängnis’ hat. Die Bedeutung ist wohl vermittelt durch ’Klagen über die verhängnisvolle Lage’. Wolf (1985), 115.

Geselle Sm std. (8. Jh.), mhd. geselle, ahd. gisello. Sozi-

ativbildung zu ÞSaal, also ’jmd., der im gleichen Haus (Saal) wohnt’, dann verallgemeinert zu ’Gefährte’ und schließlich (schon mittelhochdeutsch) festgelegt auf ’Handwerksgeselle’. Die alte Bedeutung ist erhalten in gesellig und dem Kollektivum Gesellschaft; auch in dem Verb sich gesellen. S. auch ÞJunggeselle. – Adelberg, E. in Dückert (1976), 121–172; LM 4 (1989), 1386f.; GB 2 (1975), 719–862 (zu Gesellschaft); EWNl 2 (2005), 268f.

Gesetz Sn std. (8. Jh., Form 13. Jh.), mhd. gesetzede f./n.,

gesetze, ahd. gisezzida f. Also eigentlich ’das Gesetzte’ mit einem ähnlichen Bedeutungsübergang wie bei Satzung. Adjektiv: gesetzlich. Þsetzen. – HWPh 3 (1974), 480–514; GB 2 (1975), 863–922; LM 4 (1989), 1390f.; Röhrich 1 (1991), 542.

gesetzt Adj ’ruhig, würdig’ std. stil. (18. Jh.). Ursprüng-

lich Partizip zu gesetzen (Þsetzen), das auch ’sich setzen machen, beruhigen’ bedeutete. EWNl 2 (2005), 270.

Gesicht Sn std. (8. Jh.), mhd. gesiht, ahd. gisiht. Ähnlich

ae. gesiht f. ’das Sehen, der Anblick’, Abstraktum zu Þsehen. Die heutige Bedeutung entwickelt sich aus ’Anblick’. ÞAngesicht. – Röhrich 1 (1991), 542f.; EWNl 2 (2005), 270.

Gesichtspunkt Sm std. (16. Jh.). Lehnübersetzung zu

frz. point de vue, das seinerseits zu dem lateinischen Fachausdruck des Zeichnens pu¯nctum vı¯sus ’Perspektive’, wörtlich: ’Punkt des Sehens’ gebildet ist. Später wird die Bedeutung verallgemeinert. Ebenso nndl. gezichtspunt, ne. point of view, nfrz. point de vue, nschw. synpunkt, nnorw. synspunkt.

Gesinde Sn erw. obs. (8. Jh., latinisiertes gasindius

354

m., ahd. sind m., also ’der den gleichen Weg hat’. Aus der Bedeutung ’Begleitung, Gefolge’ hat sich in neuhochdeutscher Zeit die Bedeutung ’Dienerschaft’ entwickelt. ÞGesindel, Þsenden. – Seebold, E. BGDSL-T 96 (1974), 1–11; LM 4 (1989), 1402–1404; von Olberg (1991), 112–124; RGA 11 (1998), 547–550; EWNl 2 (2005), 270f.

Gesindel Sn std. stil. (16. Jh.), fnhd. gesindlein (und an-

dere Verkleinerungen). Bedeutet zunächst nur ’kleines Gesinde’; dann erfolgen regionale Differenzierungen, von denen sich in der Hochsprache die zu Gesindel ’Lumpenpack’ durchsetzt. ÞGesinde, Þsenden.

gesinnt Adj std. (16. Jh.). Präfixableitung zu ÞSinn, also

’den Sinn habend’; wegen der formalen Gleichheit mit einem Partizip tritt teilweise das Partizip von Þsinnen Vst. in diese Funktion ein (gesonnen). EWNl 2 (2005), 271.

Gesocks Sn ’Gesindel’ erw. vulg. (19. Jh.). Herkunft

nicht ausreichend klar, doch liegt offenbar die abwertende Bezeichnung von Personen als ÞSocke zugrunde (’jemand, der auf Socken geht; Leisetreter’?). Scharnhorst, J. Sprachpflege (1963), 105.

Gespan Sm ’Gefährte’ per. arch. (16. Jh.), fnhd. gespan.

Soziativbildung mit unklarer Grundlage. Vielleicht zu Þspannen, da das Wort schon früh auch als Bezeichnung von Fuhrleuten auftritt, also ’einer, der am gleichen Wagen anspannt’. Die ältere Erklärung als ’Milchbruder’ (vgl. ÞSpanferkel) ist semantisch einleuchtender, aber durch den Gebrauch nicht zu stützen (vgl. aber spmhd. spüne-bruoder in dieser Bedeutung). LM 4 (1989), 1404.

Gespann Sn std. (16. Jh.). Das Paar Zugtiere, das zu-

sammen vor einen Wagen oder Pflug gespannt ist, also Kollektivbildung (mit verschiedenen Übertragungen). EWNl 4 (2009), 225.

Gespenst Sn std. (8. Jh.), mhd. gespenst, gespanst f., ge-

spenste n. ’Lockung, Trugbild, Gespenst’, ahd. gispensti f., gispanst, as. gispensti ’Verlockung’. Verbalabstraktum zu ahd. spanan Vst. ’verlocken’; also zunächst von verlockenden Gaukelbildern, dann verallgemeinert. Adjektive: gespenstig, gespenstisch; Verb: (herum-)gespenstern. Þabspenstig.

Gespinst Sn per. arch. (16. Jh., Älter gespünst, gespunst).

6. Jh.), mhd. gesinde, ahd. gisindi, as. gisı¯diÑ . Aus g. Kollektives Verbalabstraktum zu Þspinnen. *ga-senþja- n. ’Begleitung’, später ’Gesinde’, auch in Gespons Smf ’Gatte, Verlobte(r)’ per. arch. (15. Jh.), gt. gasinþi, anord. sinni m. ’Gefährte’, ae. gesı¯þ m. mhd. gespons, gespunse m./n. ’Bräutigam, Braut’. Ent’Gefährte’; Kollektiv zu g. *ga-sinþo¯n m. ’Begleiter’ in lehnt aus l. spo¯nsus m., spo¯nsa f. ’Verlobter, Verlobte’ gt. (miþ)gasinþa, anord. sinni, ae. gesı¯þ m. ’Gefährte, (zu l. sponde¯re [spo¯nsum] ’geloben, versprechen’). Kamerad’, as. gisı¯d m., ahd. gisind m., mhd. gesint m. Ebenso ne. (Adj.) sponsal ’hochzeitlich’; ÞGspusi, ÞSponsor. Dieses ist eine Soziativbildung zu g. *senþa- ’Weg’ in gt. sinþs, anord. sinn m., ae. sı¯þ m., afr. sı¯th m., as. sı¯th

gesund

355 Gestade Sn per. arch. (8. Jh., Form 13. Jh.), mhd. gestat,

Ebenso nndl. gisteren, ne. yesterday. – Kluge, F. BGDSL 41

(1916), 182; Schindler, J. Sprache 23 (1977), 32, 34; Specht, F. stade, ahd. stado m., stad m./n., as. stath m. Aus g. ZVS 68 (1944), 201–205 (anders); Röhrich 1 (1991), 543f.; *staþa- n. ’Gestade’, auch in gt. staþa (Dat. Sg.), ae. EWahd 4 (2009), 190–194. st¢þ, afr. sted(e); die Kollektivbildung mit Þge- seit gestikulieren Vsw erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. mittelhochdeutscher Zeit. Ableitung zu Þstehen, also gesticula¯rı¯, das von l. gesticulus, dem Diminutiv des (ig.) *st h¡-to- ’Stätte, Stelle’. Das Wort ist in neuerer unter ÞGeste behandelten Wortes, abgeleitet ist. AbZeit durch ÞUfer zurückgedrängt worden. straktum: Gestikulation. S. auch ÞStaden. – Bahder (1925), 37f.

Gestalt Sf std. (14. Jh.), mhd. gestalt ’Aussehen, Be-

schaffenheit’, etwas älter ungestalt ’Unförmigkeit’. Eigentlich Partizip zu Þstellen, also ’das Gestellte’. Das Verbum gestalten ist hiervon abgeleitet. Þungestalt, Þverunstaltet. – Kutzelnigg, A. MS 82 (1972), 27–37; HWPh 3 (1974), 540–548; EWNl 2 (2005), 248.

Ebenso nndl. gesticuleren, ne. gesticulate, nfrz. geticuler, nschw. gestikulera, nnorw. gestikulere. – EWNl 2 (2005), 250.

Gestirn Sn std. (9. Jh.), mhd. gestirn(e), ahd. gistirni.

Kollektiv zu ÞStern 1, also zunächst ’Sternbild’ u.ä. Dann auch für einzelne Sterne gebraucht. HWPh 3 (1974), 552–555; EWNl 2 (2005), 249f.

gestanden AdjPP (in ’ein gestandener Mann’ u.ä.) std.

Gestöber Sn std. (13. Jh.), spmhd. gestöber, gestobere,

tato¯n ’gewähren’. Abgeleitet von ahd. stata ’günstiger Ort’, also ’einen günstigen Ort geben’. Das Grundwort gehört wie Stätte zu Þstehen.

Gestrüpp Sn std. (16. Jh.). Kollektivbildung zu mhd.

gestübere. Zu mhd. stöbern, eigentlich ’stieben maphras. (13. Jh.). Schon mittelhochdeutsch in der Bechen’, also zu Þstieben und Þstöbern. deutung ’erwachsen, erfahren’. Wohl als ’zum Stehen Gestör Sn ’Verbindung mehrerer Stämme beim Flögekommen’ = ’erwachsen’. ßen’ per. obd. (15. Jh.), spmhd. gestore. Kollektiv zu Þstehen. storre ’Baumstumpf, Baumstamm’. gestatten Vsw std. (9. Jh.), mhd. gestatenen, ahd. gis-

Geste Sf std. (15. Jh., Form 18. Jh.). Entlehnt aus l. ge-

ÞStorren.

struppe f. ’struppige Pflanzen’. Dieses zu Þstruppig und Þsträuben.

EWNl 4 (2009), 310f. stus m. ’Mienenspiel, Gebärdenspiel’ (zu l. gerere [gestum] ’sich benehmen’), zunächst in der l. Form, Gestüt Sn erw. fach. (16. Jh.). Kollektivbildung zu mhd. dann aus dem Plural Gesten die heutige deutsche. stuot f. ’Pferdeherde’, das sich in dieser Zeit zur BeEbenso nndl. geste, ne. gesture, nfrz. geste, nschw. gest, nnorw. zeichnung für das weibliche Pferd wandelt (ÞStute). gest; Þgestikulieren, ÞRegister, ÞGerundium. – DF 1 (1913), Vom Kollektivum ’Pferdeherde’ aus verschiebt sich 245f.; LM 4 (1989), 1411f.; EWNl 2 (2005), 248f. die Bedeutung zu ’Hof, auf dem Pferde gezüchtet werden’. gestehen Vst std. (9. Jh.), mhd. geste¯n, ahd. gista¯n von Olberg (1991), 216–220; EWNl 4 (2009), 287. ’stehen bleiben, hintreten, einräumen’. Die Einengung auf die heutige Bedeutung erst neuhochGesuch Sn erw. stil. (9. Jh.), mhd. gesuoch, ahd. gisuoh. deutsch. Auch die Ableitungen von suppletiven ForVerbalabstraktum zu Þsuchen. Von den verschiedemen haben diese Bedeutung: geständig, Geständnis. nen Spezialbedeutungen setzt sich seit dem 17. Jh. die Bedeutung ’Bitte, Ersuchen’ durch im Anschluss an Gestell Sn std. (9. Jh.), mhd. gestelle, ahd. gistelli. Koldie Verbalbedeutung ’um etwas nachsuchen, ersulektivum zu ahd. stal ’Standort, Stelle’. chen’. ÞStall. – EWNl 2 (2005), 249.

Gesums Sn ’unnötiges Gerede’ erw. stil. (19. Jh.). Pejoratives Abstraktum zu Þsummen mit einem eher in gestre, gest(e)ra, mndl. gisteren. Aus wg. *gestra- (mit Norddeutschland üblichen Suffix. adverbialen Kasusformen) ’gestern’, auch in ae. geostra; daneben mit anderer Vokalstufe anord. ´ıg¢r und gesund Adj std. (8. Jh.), mhd. gesunt, ahd. gisunt(i), als Kompositum gt. gistra-dagis ’morgen’ (’der Tag, mndl. gesonde, gesont. Aus wg. *ga-sunda- Adj. an dem der heutige = gestern ist’? Oder Bedeutungs’gesund’, auch in ae. gesund, afr. sund. Das Wort geverallgemeinerung?). Entsprechend gebildet ist l. heshört am ehesten zu Þgeschwind: so wie dieses auf (ig.) ternus ’gestrig’; wie ai. hya´- und wohl auch gr. chthe´s *sg´ huwent zurückgeht, kann gesund auf schwundstuzeigen, ist von ig. *g´ hjes auszugehen, das ein adverfiges (ig.) *sg´ hu-nt- zurückführen. Die Ausgangsbebialer Genetiv sein könnte. Lautlich unklar sind air. deutung wäre dann ’mächtig, stark’. Abstraktum: inde´ und kymr. (d)doe. Die nordische Form dürfte Gesundheit. auf eine späte sekundäre Dehnung zurückgehen. Ebenso nndl. gezond, ne. sound. – HWPh 3 (1974), 559–561; Lautlich schwierig, aber semantisch ansprechend ist Koller, E. FS Erben (1990), 129–140; Röhrich 1 (1991), 544f.; die Zurückführung aller dieser Formen (mit lautliHeidermanns (1993), 586; LM 4 (1989), 1412f. (zu Gesundheit); s. auch die Angaben zu Þgeschwind; EWNl 2 (2005), 271f. chen Vereinfachungen) auf ig. **g´ h-djes ’jenes Tages’ aus einer deiktischen Partikel und einem Wort für ’Tag’. Adjektiv: gestrig.

gestern Adv std. (9. Jh.), mhd. gester(n), ahd. gestere¯n,

gesundstoßen gesundstoßen Vstrefl erw. grupp. (20. Jh.). In der Ge-

genwartssprache entstanden, zunächst offenbar an der Börse: ’seine wirtschaftliche Lage durch günstiges Abstoßen von Aktien verbessern’. Getreide Sn std. (11. Jh.), mhd. getregede, geträgete,

spahd. gitregidi. Verbalabstraktum zu (ge)tragen, eigentlich ’das Getragene, der Ertrag’. Seit dem 14. Jh. speziell auf den Kornertrag spezialisiert, und dann überhaupt zu ’Korn’ geworden. Þtragen. – Knobloch, J. in Schmidt-Wiegand (1981), 50f.; LM 4 (1989), 1413–1418.

Getriebe Sn std. (15. Jh.). Abstraktum zu Þtreiben;

dann zunächst vom Antriebsmechanismus der Mühlen gesagt und von dort aus verallgemeinert. Getto (auch Ghetto geschrieben) Sn ’abgetrenntes

356

sind gewahren und Gewahrsam, beides seit mittelhochdeutscher Zeit. Die Fügung in Gewahrsam geht aus von der Bedeutung ’Aufsicht’. Ebenso ne. aware. – Heidermanns (1993), 657f.; EWNl 2 (2005), 260.

gewähren Vsw std. stil. (8. Jh.), mhd. gewern, ahd.

(gi)were¯n ’zugestehen’. Führt wie afr. wera ’Gewähr leisten’ auf *wer-¢ ¯ - ’gewähren’. Zu ig. *wer¡’achten’, das einerseits ’wahrnehmen’ ergibt (Þgewahr), andererseits übertragen wird auf moralische und religiöse Vorstellungen (l. vere¯rı¯ ’scheuen, verehren’; Þwahren). Semantisch am nächsten bei gewähren steht gr. epı` ˜era phe´rein ’jmd. einen Gefallen erweisen’. Die Wendung gewähren lassen geht auf älteres gewerden lassen zurück (zu mhd. gewerden la¯zen ’tun lassen, in Ruhe lassen’), ist also etymologisch abzutrennen. Das Abstraktum Gewähr vor allem in gewährleisten und Gewährsmann.

Wohnviertel; Judenviertel’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus it. ghetto m., ursprünglich Bezeichnung des Judenviertels in Venedig (seit dem 16. Jh.). Die Juden ÞGarantie. – Klaeber, F. JEGP 18 (1919), 250–271; Seebold, E. wurden in Venedig 1595 auf das Gelände einer GieIF 78 (1973), 159–161. ßerei beschränkt (Geto Nuovo ’die neue Gießerei’, als Gewalt Sf std. (8. Jh.), mhd. gewalt m./f., ahd. giwalt einschlägige Bezeichnung schon 1531); dann kam die m./f., as. giwald m./f. Wie afr. wald, weld f./n. ein Veralte Gießerei (Geto Vecchio) dazu und schließlich balabstraktum zu Þwalten. Eine andere Stammbilwurde das Geto Nuovissimo angeschlossen, wo gar dung zeigen anord. vald n., ae. gew(e)ald m./n. (neukeine Gießerei war. In dieser Zeit hatte Geto also betrale a-Stämme) gleicher Bedeutung. Adjektive: reits die Bedeutung ’Judenviertel’ angenommen. Da gewaltig, gewaltsam, gewalttätig; Präfixableitung: Venedig als erste Stadt ein eigenes Viertel für die Þvergewaltigen; Nomen Agentis: Gewalthaber. Juden hatte, wurde der Name vorbildlich. Ebenso nndl. geweld, nschw. va˚ld (s.o.), nisl. vald (s.o.). – Ebenso nndl. getto, ne. ghetto, nfrz. ghetto, nschw. getto, nnorw. getto, ghetto. – DF 1 (1913), 246; Littmann (1924), 59; Roth, C. Romania 60 (1934), 67–76; Wolf, S. A. BN 12 (1961), 280–283; Meier, H. ASNSL 209 (1972/73), 1–8; EWNl 2 (2005), 252f.

Getümmel Sn std. (16. Jh.). Kollektiv zu mhd. tumel m.

’Lärm, Durcheinander’, das zu Þtummeln und weiter zu Þtaumeln gehört. Gevatter Sm erw. obs. (12. Jh., das Femininum schon

10. Jh.), mhd. gevater(e) m./f., ahd. gifatero. Lehnübersetzung von ml. compater ’Mitvater in geistlicher Verantwortung, Pate’. Während für diese Bedeutung ÞPate allgemein üblich wird, wird Gevatter auf die schon alt bezeugte Bedeutung ’Freund der Familie’ zurückgedrängt. Hildebrandt, R. FS Schmitt (1988), 672–674; Röhrich 1 (1991), 545; EWahd 4 (2009), 246f.

Geviert Sn ’Rechteck’ erw. obs. (11. Jh., Form 16. Jh.),

ahd. gefiero¯t ’vierteilig’. Ist formal das Partizip zu einem von Þvier abgeleiteten Verb (also etwa ’geviertelt’). Im 16. Jh. als geometrischer Terminus gebraucht, wobei Vierung verdrängt wird. Letztlich setzen sich aber Rechteck, Viereck und ÞQuadrat durch. gewahr Adj erw. obs. (8. Jh., Simplex 9. Jh.), mhd. ge-

war, ahd. giwar, as. giwar. Aus g. *war-a- ’aufmerksam’, auch in gt. wars ’behutsam’, anord. varr, ae. gew¢r. Zu ig. *wer¡- ’beobachten, aufmerken’, das unter Þwahren dargestellt ist. Ableitungen hierzu

HWPh 3 (1974), 562–570; GB 3 (1982), 817–935; Röhrich 1

(1991), 545f.; Busse, D.: Diachrone Semantik und Pragmatik. Hrsg. D. Busse (Tübingen 1991), 259–275; EWNl 2 (2005), 262f.

Gewand Sn erw. obs. (11. Jh.), mhd. gewant, ahd. giwant.

Ableitung zu Þwenden. In älterer Zeit bedeutet es ’Wendung’ und ’Gewendetes’ und kann sich so auch auf Tuchballen beziehen, in denen das Tuch gefaltet, also gewendet ist. In der Bedeutung ’Kleid’ dürfte das Wort aber eine Umdeutung aus älterem mhd. gew¢te, gewa¯te, ahd. giwa¯ti, giwa¯di ’Kleidung’ sein. Dieses bedeutet ursprünglich ’Gewebe’ und gehört zu Þweben; das einfache Wort ahd. wa¯t, mhd. wa¯t bedeutete ebenfalls ’Kleid’. S. auch ÞLeinwand, ÞWat. – Wunderlich, H. IF 14 (1903), 406–420.

Gewandhaus Sn ’Haus, in dem Tuch gestapelt und ver-

kauft wird’ per. arch. (14. Jh.). Heute noch als Name vorhanden. gewandt AdjPP std. (17. Jh.). Das Partizip zu Þwenden

wird wie Þwendig zu einem Ausdruck für ’geschickt’ (etwa seit dem 17. Jh.). Abstraktum: Gewandtheit. Gewann(e) Sf ’Teil der Gemarkung’ (häufig in Flur-

bezeichnungen) per. arch. (15. Jh.), mhd. gewande, mndl. gewande ’Ackergrenze, Ackerlänge’. Ursprünglich die Grenze des Ackers, an der beim Pflügen gewendet wurde. Dann über ’Grenze’ zu den weiteren Bedeutungen. Die Assimilierung zu -nn- ist regional. ÞGewende, Þwenden.

Gewissen

357 gewärtig Adj per. phras. (15. Jh.), mhd. gewertec. Zu

mhd. gewarten ’sich bereithalten’. Auch die Ableitung gewärtigen ist nicht mehr üblich. Þwarten.

Gewäsch Sn ’Geschwätz’ std. stil. (15. Jh.). Zu mhd. wa-

schen, weschen ’schwätzen’, eigentlich ’waschen’ (bezogen auf die Unterhaltung der gemeinsam waschenden Frauen). S. auch ÞWischiwaschi. – Röhrich 1 (1991), 546.

Gewebe Sn std. (8. Jh.), mhd. gewebe, ahd. giweb(bi).

Verbalabstraktum zu Þweben, doch so stark lexikalisiert, dass das Wort auf natürliche Stoffe übertragen werden kann (Zellgewebe usw.). Gewehr Sn std. (9. Jh.), mhd. gewer, ahd. giweri. Zu-

1

Gewicht Sn ’Schwere eines Körpers’ std. (12. Jh.), mhd.

gewiht(e). Eine Kollektivbildung zu g. *wehti- f. ’Gewicht’ (aus g. *weg-ti- zu Þwiegen 2) in anord. v¢tt f., ae. wiht f. (?), afr. wicht, mndd. wicht(e) f. Adjektiv: gewichtig. Ebenso nndl. wicht, ne. weight, nisl. v¢tt; ÞWichte, Þwichtig, Þwiegen 2, ÞWucht. – LM 4 (1989), 1422f.; Röhrich 1 (1991), 547; EWNl 2 (2005), 264.

Gewicht2 Sn ’Geweih’ per. fach. (16. Jh.). Frühneuhoch-

deutsch zu ÞGeweih. Bildung unklar. gewieft Adj ’gerissen’ std. stil. (20. Jh.). Herkunft un-

klar. Scherzhaft zu frz. vif ’aufgeweckt, lebendig’? Oder zu mhd. wı¯fen ’hin- und herbewegen’? ÞWeife.

nächst ’Verteidigungswaffe’ (zu Þwehren), danach allgemein ’Waffe’ und schließlich eingeschränkt auf eine bestimmte Schusswaffe. Die allgemeinere Bedeutung noch in Seitengewehr.

gewiegt AdjPP ’schlau’ erw. stil. (16. Jh.). Offenbar Par-

Röhrich 1 (1991), 546; EWNl 2 (2005), 261.

Gewinde Sn erw. fach. (15. Jh.). Abstraktum zu

tizip Präteritum zu Þwiegen 2 ’mit dem Wiegemesser fein hacken’, also ’fein gehackt’ mit ähnlicher Bedeutungsentwicklung wie bei Þraffiniert, Þgerieben u.ä.

Þwinden. Später Verengung zu ’Schraubengewinde’ u.ä. hertestwı¯ch ’Hirschgeweih’ zu mndd. twı¯ch ’Zweig’ gewinnen Vst std. (8. Jh.), mhd. gewinnen, ahd. giwinsteht das deutsche Wort (mhd. hirzgewı¯h) neben nan. Gemeingermanische Präfigierung, die aber nur einem Wort für ’Zweig’, das in ai. vaya¯´ f. und dehnim Westgermanischen die Bedeutung ’erwerben’ hat. stufig in akslav. veˇja f. ’Zweig’ bezeugt ist. Diese zu ig. *wei¡- ’weben, flechten’ (also eigentlich ’Rute, GerGrundwort ist g. *wenn-a- ’sich mühen’ in gt. winte’), das auch im Germanischen bezeugt ist. Das Genan, anord. vinna, ae. winnan, afr. winna, as. winnan, weih wird also als ’Geäst’ bezeichnet. ahd. winnan; gewinnen ist also ’durch Mühe erreichen’. Zu ig. *wen¡- ’erstreben’ in ai. vano´ti S. auch ÞGewicht 2. – EWNl 2 (2005), 261f. ’wünscht, verlangt, gewinnt’, akslav. uniti ’wollen’, l. Gewende Sn ’Ackergrenze, Feldmaß’ per. arch. (15. Jh.). venus ’Liebe, Liebesgenuss’. Die Geminate des GerZu Þwenden mit dem gleichen Bedeutungszusammanischen geht am ehesten auf *wenw- zurück (vgl. menhang wie bei ÞGewann(e). die altindische Form aus *wen-u-). Nach Trier ist die Gewerbe Sn std. (13. Jh.), mhd. gewerbe. Gehört als AbAusgangsbedeutung ’rupfen’ (von Laubbüscheln), straktum zu (ge)werben (Þwerben) in dessen allgewas mit beachtlichen Gründen gestützt wird (ved. meiner Bedeutung ’tätig sein’; also eigentlich va´nas-, Bedeutung unsicher, nach Trier ’Laubbü’Tätigkeit’. In frühneuhochdeutscher Zeit auf schel’). Abstraktum: Gewinn; Nomen Agentis: ’Berufstätigkeit’ eingeengt. Adjektiv: gewerblich. Gewinner. Geweih Sn std. (13. Jh.), mhd. gewı¯ge. Wie in mndd.

Röhrich 1 (1991), 546f.

Gewerkschaft Sf std. (16. Jh.). Kollektiv auf Þ-schaft zu

Ebenso nndl. winnen, ne. win, nschw. vinna, nisl. vinna; Þüberwinden, Þwohnen, Þgewöhnen, ÞWahn, ÞWonne, ÞWunsch. – van Hamel, A. G. FS Pedersen (Aarhus 1937), 103–109; Trier (1963), 118–141; Seebold (1970), 556f.; Trier (1981), 175–179; EWNl 4 (2009), 629.

Gewerke, mhd. gewerke ’Handwerks-, Zunftgenosse; Teilhaber an einem Bergwerk’. Schon in mittelhochdeutscher Zeit wird die Bedeutung von Gewerke auf den Bergbau eingeschränkt, und Gewerkschaft bedeu- gewiss Adj std. (8. Jh.), mhd. gewis, ahd. giwis(si), as. (gi)wis. Aus g. *(ga)wissa- ’gewiss, sicher’, auch in gt. tet deshalb bis ins 18. Jh. ’Gesamtheit der Inhaber eines Bergwerks’; von da an wird es auch auf andere unwiss ’ungewiss’, anord. viss (vermischt mit der Entsprechung zu Þweise), ae. gewis(s), afr. wiss. Ein toBerufe ausgedehnt und bekommt seit der Mitte des Partizip zu g. *wait (Prät-Präs.) ’weiß’, also eigentlich 19. Jhs. unter Einfluss von ne. trade union ’Arbeiter’gewusst, bewusst’. Abstraktum: Gewissheit; Präfixabverband’ die heutige Bedeutung. Nicht durchgesetzt leitung: vergewissern. haben sich dagegen für den englischen Ausdruck Gewerkverein und Gewerksgenossenschaft. Ebenso nndl. (ge)wis, nschw. viss, nisl. viss; Þwissen. –

Gewese Sn ’Benehmen’ per. ndd. (20. Jh.). Abstrakt-

Schrimm-Heins, A. AB 34 (1991), 123–213; 35 (1992), 115–213; Heidermanns (1993), 681f.; EWNl 4 (2009), 630.

bildung zu dem starken Verb wesen, hochsprachlich nur noch in Präteritalbildungen (Þwar, gewesen) und Gewissen Sn std. (11. Jh.), mhd. gewizzen f., ahd. giwizzanı¯ f. Lehnübersetzung zu l. co¯nscientia f., ursprüngAbleitungen (ÞWesen). lich ein Ausdruck der Rhetorik vor Gericht, mit dem

Gewitter

358

die Auswirkungen des Schuldbewusstseins (Unruhe, Geysir (Geiser) Sm ’heiße Quelle’ per. fach. (19. Jh.). Unsicherheit usw.) bezeichnet wurden, dann TermiEntlehnt aus nisl. geysir (Name einer solchen Quelle, nus des Christentums. Das baugleiche griechische dann verallgemeinert), dieses zu nisl. geysa ’hervorWort syneı´de¯sis f. ist dagegen erst für das Neue Tessprudeln’. Dieses zu anord. gjo´sa ’sprudeln’, einer Auslautvariante zu Þgießen. tament belegt. Der Form nach ist ahd. giwizzanı¯ Adjektiv-Abstraktum zum Partizip giwizzan ’gewusst, Ebenso nndl. geiser, ne. geyser, geysir, nfrz. geyser, nschw. gejser, bewusst’. Adjektive: gewissenhaft, gewissenlos; Komnnorw. geysir, nisl. Geysir (Name). – EWNl 2 (2005), 206. posita: Gewissensbiss, Gewissensfrage, GewissensfreiGezähe Sn ’Gerät’ per. fach. (12. Jh.), mhd. gezouwe, heit. gezowe. Wie die bedeutungsähnlichen Wörter afr. Þwissen. – Zucker, F.: Syneidesis-Conscientia (Jena 1928); tauw(e) f., mndd. touwe, tow, tau und − anders geLindemann, R.: Conscience (Jena 1938); Betz, W. BGDSL 67 bildet − ae. to¯l, anord. to´l ’Werkzeug’ eine Ableitung (1944), 302; Siegert (1950), 85f.; Steckenberger, J.: Syneizu g. *tau-ja- ’zurichten’. desis − conscientia − Gewissen (1963); Schönlein, P. W. RMPh 112 (1969), 289–305; Cancrini, A.: Syneidesis (Rom 1970); HWPh 3 (1974), 574–592; LM 4 (1989), 1424–1426; Röhrich 1 (1991), 547; EWNl 2 (2005), 264.

Gewitter Sn std. (11. Jh.), mhd. gewiter(e), ahd. giwitiri,

as. giwidiri. Aus wg. *ga-wedr-ja- n. ’Gewitter’, auch in ae. gewider. Kollektiv zu ÞWetter, das aber nur vom Unwetter gebraucht wird. Verb: gewittern; Adjektiv: gewittrig. S. auch ÞUngewitter.

Þzauen, ÞTau 2. – EWNl 2 (2005), 252.

Gezeiten Spl (die moderne Bedeutung ist aus dem

Ndd. übernommen) erw. fach. (9. Jh., Bedeutung 16. Jh.), mhd. gezı¯t, ahd. gizı¯t ’bestimmte Zeit, Festzeit’. In der modernen Bedeutung angepasst aus mndd. getı¯de n. ’Flutzeit’, einer Spezialisierung des Kollektivums zu dem Wort ÞZeit. S. auch ÞTide. – Kluge (1911), 782f.; EWNl 2 (2005), 251; EWNl 4 (2009), 384.

gewogen AdjPP erw. obs. (16. Jh.). In dieser Bedeutung Geziefer Sn ÞUngeziefer.

seit dem 16. Jh. bezeugt, offenbar Partizip zu dem Komplex Þwiegen 2 / Þwägen / Þbewegen 1, wobei die Bedeutungsentwicklung im einzelnen unklar bleibt. Zu beachten ist: jemanden zu etwas bewegen − ich habe ihn bewogen; vielleicht als Entsprechung dazu (in diesem Fall zu gewegen) er ist mir gewogen. Þwiegen 2. – Röhrich 1 (1991), 547.

Gezücht Sn (meist in Otterngezücht / Natterngezücht

nach Mt. 3, 7) std. phras. (13. Jh.), mhd. gezühte. Kollektivum von ÞZucht im Sinn von ’Brut, Aufgezogenes’; gewöhnlich pejorativ. Ghetto Sn ÞGetto. Gicht Sf std. (9. Jh., Form 13. Jh.), mhd. giht f./n., ahd.

gigiht, firgiht, mndd. gicht, mndl. gicht(e). Herkunft unklar. Eine Ausgangsbedeutung ’Beschwörung’ ist nen. Aus g. *wan-ija- Vsw. ’gewöhnen’, auch in anord. von der Form her möglich, aber nicht ausreichend venja, ae. gewenian. Offenbar eine Ableitung zu (g.) wahrscheinlich zu machen. *wana- in anord. vanr ’gewohnt’, neben dem mit AbLessiak, P. ZDA 53 (1912), 101–182; Müller-Graupa, E. Glotlaut ahd. giwona, mhd. gewon steht. Adjektiv und ta 19 (1931), 57f.; Schneble (1987), 85–88; LM 4 (1989), 1442; Verb haben sich im Deutschen angeglichen; das Verb RGA 12 (1998), 73f.; EWahd 4 (2009), 278f. wird zu gewöhnen, das Adjektiv bekommt die Form gichtbrüchig Adj erw. obs. (14. Jh.), mhd. gihtbrühec eines Partizips (gewohnt). Zur Grundlage s. ’einer, dessen Gebrechen die Gicht ist’. Þwohnen; die Bedeutungszusammenhänge sind im einzelnen noch nicht geklärt. Partikelverben: Gickelhahn Sm ÞGockel. angewöhnen, abgewöhnen; Abstraktum des Adjektivs: gicksen Vsw per. reg. (12. Jh.), mhd. gichsen, gichzen, Gewohnheit, des Verbs: Gewöhnung; Adverb zum Adahd. irgickezzen ’einen leichten Schrei ausstoßen’. jektiv: (un-, außer-)gewöhnlich. Aus einer lautmalenden Grundlage. Vgl. etwa ae. Ebenso nndl. wennen, ne. wean, nschw. vänja, nisl. venja. S. geocsa, geoxa m. ’Schluckauf’. auch Þverwöhnen. – Rooth, E. UUA˚ II, 8 (1924), 93–106; Fun-

gewöhnen Vsw std. (8. Jh.), mhd. gewenen, ahd. giwen-

ke, G. AB 3 (1958) (zu Gewohnheit); HWPh 3 (1974), 597–616; Röhrich 1 (1991), 547f.; Heidermanns (1993), 654, 696; EWNl 2 (2005), 265f.; EWNl 4 (2009), 611.

Gewölle Sn ’von Raubvögeln ausgewürgte unverdauli-

che Bestandteile ihrer Beute’ per. fach. (15. Jh., Bedeutung 16. Jh.), spmhd. gewel(le) ’Brechmittel (für den Falken), Erbrochenes’. Zu mhd. wullen, wüllen, willen, ahd. wullo¯n, willo¯n ’erbrechen, Ekel empfinden’. Gewürz Sn std. (13. Jh., Form 15. Jh.). Kollektiv zu

ÞWurz ’Kraut’, also eine ähnliche Bedeutungsverengung wie bei dem Plural Kräuter. Etwas älter mhd. giwurz f. ÞWurzel. – LM 4 (1989), 1432–1434.

Þkieksen. – Röhrich 1 (1991), 548 (zu Gicks).

Giebel1 Sm erw. fach. (9. Jh.), mhd. gibel, ahd. gibil,

mndd. gevel, mndl. gevel. Aus vd. *gibla- m. ’Giebel’, neben gt. gibla ’Giebel’ mit schwacher Flexion; daneben anord. gafl ’Giebelreiter’. Lautlich vergleichbar ist ein weiter verbreitetes Wort für ’Kopf’ (ahd. gibilla f., gr. kephale¯´ f., toch. A ´spa¯l ’Kopf’). Die Bedeutungszusammenhänge sind nicht ausreichend geklärt. Falls von ’Oberstes’ (o.ä.) auszugehen ist, können ’Kopf’ und ’Giebel’ zusammenhängen; in diesem Fall ist ’Kopf’ wohl die Ausgangsbedeutung. Andererseits ist (ig.) *g heb h- ’Kopf’ parallel zu *kap- ’Kopf’ (ÞHaupt)

Gilde

359

und könnte eine Variation von diesem sein; ’Giebel’ könnte dagegen näher bei ÞGabel stehen und ’Spitze, Gabelung’ o.ä. bedeuten. Eine Entscheidung ist vorläufig nicht möglich. Trier, J. ZDA 76 (1939), 13–44; LM 4 (1989), 1442f.; EWNl 2 (2005), 257.

Giebel2 (auch Gieben) Sm (der Fisch ’Carassius gibel-

lio’) per. fach. (16. Jh.), fnhd. gibel. Vgl. ahd. guva f. Beides wohl entlehnt aus l. go¯bius, das seinerseits aus gr. ko¯bio´s stammt.

mininum (ÞMitgift), die Bedeutung ’Gift’ wird Neutrum. Danach stirbt das Femininum bis auf Relikte aus. Präfixableitung: vergiften; Adjektiv: giftig. Ebenso nndl. gift, ne. gift, nschw. gift. – Pisani, V. StG 10 (1972), 29–34; Bosco Coletsos, S. GS Scaffidi Abbate (1983), 45–68; von Olberg, G. FS Schmidt-Wiegand (1986), 625–645; LM 4 (1989), 1446f.; Röhrich 1 (1991), 548f.; Arcamone, M. G. StG 5 (1967), 5–40 (zur Bedeutung); Mauss, M. FS Andler (1924), 243–247 (zur Bedeutung); RGA 12 (1998), 89–93; EWNl 2 (2005), 276; EWahd 4 (2009), 256f.; EWNl 4 (2009), 495f.

giepern Vsw ’gierig nach etwas (Essbarem) verlan-

Gig Sf ’Ruderboot des Kapitäns’ per. fach. (19. Jh.). gen’ per. ndd. (18. Jh.). Wohl zu einer Entsprechung Entlehnt aus ne. gig ’leichtes Boot’, das auch ’leichter des nur im Hochdeutschen belegten ÞGeifer, also Wagen’ bedeuten kann. Weitere Herkunft unklar. ’vor Begierde Speichel absondern’. Gieper ’Begierde’ Ebenso nndl. gig, ne. gig, nfrz. gig, giek, nschw. gigg, nnorw. gigg. – Carstensen 2 (1994), 569; EWNl 2 (2005), 273. ist daraus rückgebildet. Denkbar ist aber auch eine Erweiterung zu ndd. giepen ’starren, gaffen’ (’sich die Gigant Sm std. (9. Jh.). Entlehnt aus l. Giga¯s (Gigantis), Augen aus dem Kopf schauen’). dieses aus gr. Gı´ga¯s (Gı´gantos). In der altgriechischen Sage sind die Giganten die riesenhaften Söhne der Gier Sf std. (8. Jh.), mhd. gir, ahd. girı¯ ’Begierde’, AdGaı˜a, die von Zeus wegen ihres Frevelmuts bekämpft jektivabstraktum. Zu ahd. ger, giri, mhd. gir, ger werden. Dann wird der Name metaphorisch ge’begierig’. In den Wörtern dieser Lautform mischen braucht und verallgemeinert. Adjektiv: gigantisch. sich zwei Quellen: ig. *g´ her- ’verlangen’ (Þgern) und Ebenso nndl. gigant, ne. giant, nfrz. ge´ant, nschw. gigant, r-Ableitungen von (ig.) *g hei- ’gähnen, klaffen, vernnorw. gigant. – DF 1 (1913), 246; EWNl 2 (2005), 277; EWahd 4 langen’ (ÞGeier). Adjektiv: (neu-, hab-)gierig; Kom(2009), 263–265. posita oder Rückbildungen aus den zugehörigen Adjektiven: Neugier, Habgier. Dagegen gehört Begier usw. Gigerl Smn ’Modegeck’ per. oobd. (19. Jh.). In Österzu Þbegehren. reich aufgekommen; eigentlich ein Mundartwort für S. auch ÞGeiz. – Heidermanns (1993), 241f.; EWNl 2 (2005), ’Hähnchen’. 275.

Giersch Sm ’Geißfuß’, ein Unkraut per. reg. (12. Jh.),

Sprenger, R. ZDU 7 (1893), 142f.; Dundatschek, R. ZDU 7 (1893), 692; Ladendorf (1906), 107f.

mhd. gers, gı¯res, gı¯rst, ahd. gers, gires, mndd. gers(ele), Gigolo Sm ’Eintänzer; Mann, der sich von Frauen ausgersgerse. Damit können urverwandt sein (mit Abhalten lässt’ erw. obs. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. gigolo, laut) lit. garsˇva` f., gar˜ˇsas ’Angelika, Engelwurz’. das eine regionale Bildung zu frz. (dial). gigo Marzell 1 (1943), 124–126; EWahd 4 (2009), 370–372. ’Schenkel’ (frz. gigot ’Hammelkeule’) ist; daneben frz. ’die Schenkel bewegen, tanzen’. Grundlage gigoter gießen Vst std. (8. Jh.), mhd. giezen, ahd. giozan, as. dieser Wörter ist frz. giguer ’hüpfen’; vielleicht zu der giotan. Aus g. *geut-a- Vst. ’gießen’, auch in gt. giutan, altniederfränkischen Entsprechung von ÞGeige. anord. gjo´ta, ae. ge¯otan, afr. gja¯ta; dieses aus ig. (eur.)

Ebenso nndl. gigolo, ne. gigolo, nschw. gigolo, nnorw. gigolo. – *g´ heud-, einer Erweiterung zu ig. *g´ heu- ’gießen’. Ig. EWNl 2 (2005), 277. *g´ heud- in l. fundere ’gießen, schütten’, gr. kochyde´o¯ h Gilde Sf erw. fach. (9. Jh., Standard 17. Jh.). Ursprüng’ich ströme hervor’; ig. *g´ eu- in ai. juho´ti ’opfert, lich niederdeutsches Wort (mndd. gilde f./n. gießt Butter ins Feuer’, gr. che´o¯ ’ich gieße, schmelze’, ’Brüderschaft, Gesellschaft’); ein Kollektiv in der gleil. fu¯tis ’Wassergefäß’, toch. AB ku- ’gießen, spenden’. chen Bedeutung liegt in ae. gegilda m. ’Kompagnon, − Auf die Tätigkeit bei der Metallverarbeitung sind Genosse’, anord. gildi m. ’Gildebruder’ vor. Gehört spezialisiert das Nomen Agentis Gießer und die Looffenbar zu ÞGeld in der Bedeutung ’Abgabe’. Verkal-Bildung Gießerei; Präfixableitung: begießen. mutlich wird dadurch eine Gesellschaft bezeichnet, Ebenso nndl. gieten, nschw. gjuta, nisl. gjo´ta; ÞFondue, ÞGosse, ÞGuss, ÞGeysir. – Seebold (1970), 228f.; EWNl 2 (2005), 275f.; die gemeinsame Mittel durch Umlage aufbringt. In EWahd 4 (2009), 357–359. fränkischen Kapitularien werden solche Bünde (ml. gildonium, gelda) verboten, was darauf hindeuten Gift Sn (früher auch m./f.) std. (9. Jh., Bedeutung könnte, dass ursprünglich Opfergemeinschaften so 11. Jh.), mhd. gift f., ahd. gift f., mndd. gifte f., mndl. bezeichnet wurden. Der Sache nach setzen sie aber gift(e). Aus g. *gefti- f. ’Gabe’ (zu Þgeben), auch in gt. die antiken coniurationes fort. -gifts, anord. gift(a) f., ae. gift f., afr. jeft(e) m./f. Das von Künssberg, E. ZM 11 (1935), 242–245; de Vries, J.: AltWort kann seit dem Althochdeutschen (wohl im Angermanische Religionsgeschichte, 2. = 3. Aufl. 1 (1956), 448–491; schluss an gr. do¯´s [do¯to´s] f. und l. do¯s [do¯tis] f. ’Gabe, Schmidt-Wiegand, R. AAWG III, 122 (1981), 335–369; Arzneigabe, Giftgabe’) ’Gift’ bedeuten; im 16. Jh. Schmidt-Wiegand, R. HG 100 (1982), 21–40; Obst (1983), wird differenziert: die Bedeutung ’Gabe’ bleibt Fe142–157; Schmidt-Wiegand, R. in Schmidt-Wiegand (1985),

Gimpel

360 104–122; Schwineköper, B. (Hrsg.): Gilden und Zünfte (Sigmaringen 1987), besonders die Beiträge von O. G. Oexle 151–214 und R. Schmidt-Wiegand 31–52; LM 4 (1989), 1452f.; RGA 12 (1998), 102–108; EWNl 2 (2005), 280.

Gimpel Sm ’Dompfaff’ per. oobd. wmd. (15. Jh.),

Ebenso nndl. giraf(fe), ne. giraffe, nfrz. girafe, nschw. giraff, nnorw. giraff, nisl. gı´raffi. – DF 1 (1913), 246f.; Littmann (1924), 79, 138; Lokotsch (1975), 173f.; LM 4 (1989), 1459; Kiesler (1994), 342; Tazi (1998), 256f.; Bär, J. A. u.a. in: Sprachgeschichte als Kulturgeschichte, hrsg. A. Gardt u.a. (Berlin, New York 1999), 272–277; EWNl 2 (2005), 282f.

spmhd. gümpel. Die Herleitung der Bedeutung ist Girlande Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. guirunsicher, da mit Homonymie zu rechnen ist. Die lande, dieses aus it. ghirlanda, das selbst wohl aus dem Herleitung aus mhd. gumpen ’springen’, also etwa Französischen (afrz. garlande) übernommen ist. Die ’Hüpfer’, ist nicht überzeugend, weil der Dompfaff weitere Herkunft ist unklar. nicht besonders beweglich ist. Mit Hinblick auf die Ebenso nndl. guirlande, ne. garland, nschw. girland, nnorw. Bezeichnung als ’Dompfaff’ wäre ein Anschluss an girland. – DF 1 (1913), 247; DEO (1982), 352f.; EWNl 2 (2005), das veraltete gimpel ’Brustschleier’ (aus afrz. guimple) 348f. naheliegend; doch ist zumindest in Wortspielen der Vogelname schon früh auf mhd. gumpen bezogen Girlitz Sm (Finkenvogel) per. fach. (16. Jh.). Entlehnt worden. Da sich der Vogel leicht durch die Nachahaus einem slavischen Wort. Vgl. sloven. gr´lica mung seines Rufes locken lässt, Übertragung auf den ’Turteltaube’. Menschen als ’einfältiger Tropf’ − doch auch hier ist Giro Sn erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus it. giro m., eimöglicherweise mhd. gumpelman ’Springer, Possengentlich ’Kreis, Umlauf’, dieses aus l. gy¯rus m. reißer’ vielleicht das Ältere (diese Annahme setzt aber ’Kreis’, aus gr. gy˜ros m. Bezeichnet wird damit der eine ungewöhnlich lange Lücke in der Bezeugung Umlauf der bargeldlosen Zahlungsmittel; geläufig voraus). vor allem das Kompositum Girokonto. Suolahti (1909), 137–140; Lühr (1988), 366.

Gin Sm ’Wacholderbranntwein’ erw. fach. (18. Jh.). Ent-

Ebenso nndl. giro, ne. giro, nschw. giro, nnorw. giro. – DF 1 (1913), 247; EWNl 2 (2005), 283.

lehnt aus ne. gin, einer Kurzform von ne. geneva, aus girren Vsw erw. stil. (16. Jh.). Lautmalendes Wort wie nndl. genever, aus afrz. gene(i)vre ’Wacholder’, aus l. Þgarren, Þgerren, Þgurren, Þkirren 2 in entsprecheniu¯niperus f. der Verwendung. Ebenso nndl. gin, nfrz. gin, jenever, nschw. gin, genever, nnorw. gin, sjenever, nisl. gin. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 346f.; Carstensen 2 (1994), 570f.; EWNl 2 (2005), 281.

Ginster Sm erw. fach. (11. Jh., Form 13. Jh.), mhd. ga-

neister f., ginster, ahd. geneste(r). Entlehnt aus spl. genista f., it. ginestra f., deren Herkunft unklar ist. Das -r ist sekundär, wohl nach romanischem Vorbild (afrz. genestre). Ebenso nfrz. geneˆt. – Marzell 2 (1972), 601f.; LM 4 (1989), 1455; EWahd 4 (2009), 161–163.

Gipfel Sm std. (15. Jh.), spmhd. güpfel. Diminutiv zu

mhd. gupf(e) ’Spitze’. Dieses ist eine oberdeutsche Entsprechung zu ÞKuppe. Verb: gipfeln. Lühr (1988), 273f. (anders).

Gips Sm std. (11. Jh.), mhd. gips, ahd. gips. Entlehnt aus

Hauschild, O. ZDW 11 (1909), 176; Kretschmer, P. Glotta 13 (1924), 136f.

Gischt Sm (auch f.) erw. fach. (13. Jh., Form 17. Jh.),

mhd. gest, jest. Verbalabstraktum zu gischen, geschen Vsw. ’schäumen’, die Nebenformen zu g. *jes-a’gären’ sind (Þgären). Zu diesem die mittelhochdeutsche Lautform. EWNl 2 (2005), 284.

gissen Vsw ’die Position eines Schiffes schätzen’ per.

fach. ndd. (15. Jh.). In den Nordseesprachen gebräuchliches Wort (nschw. gissa, ndn. gisse, ndd. gissen), das wohl als (g.) *gets-ija- zu *get-a(Þvergessen) gehört. Die Bedeutung ist ursprünglich ’mutmaßen’ und hat sich dann eingeengt auf die fachsprachliche Bedeutung.

l. gypsum n., das aus gr. gy´psos f. stammt. Dieses vielKluge (1911), 320. leicht aus einer Entsprechung zu hebr. ga¯vı¯ˇs ’KrisGitarre Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus span. guitarra, dietall’. Das Maskulinum des deutschen Wortes wohl im ses aus arab. qı¯ta¯ra, das übernommen ist aus gr. ki¯ Anschluss an ÞKalk. Verb: gipsen; Nomen Agentis: tha´ra¯ ’große Leier’. In frühen spanischen Werken Gipser. wird zwischen einer arabischen und einer lateiniEbenso nndl. gips, ne. gypsum, nfrz. gypse, nschw. gips, nnorw. schen Guitarre unterschieden. Wie diese einzuordgips, nisl. gips. – Horn, W. BGDSL 22 (1897), 218f.; Goltz nen sind, ist umstritten. (1972), 76f., 172f.; Lokotsch (1975), 56; Lüschen (1979), 225f.;

LM 4 (1989), 1458f.; Kiesler (1994), 194 f .; EWNl 2 (2005), 282; EWahd 4 (2009), 361f.

Giraffe Sf std. exot. (14. Jh., Form 15. Jh.). Entlehnt aus

Ebenso nndl. gitaar, ne. guitar, nfrz. guitare, nschw. gitarr, nnorw. gitar, nisl. gı´tar; ÞZither. – DF 1 (1913), 247; Littmann (1924), 90f.; Pisani, V. Semantische Hefte 3 (1976/77), 120; Kiesler (1994), 264; Tazi (1998), 282 f.; EWNl 2 (2005), 285.

it. giraffa, dieses aus arab. zura¯fa. Frühere Belege zei- gitt(e) Interj Þigitt. gen einen Zischlaut (s-, sch-) im Anlaut und gehen Gitter (auch gegitter) Sn std. (15. Jh.). Offenbar eine wohl unmittelbar auf das arabische Wort zurück. jüngere Abwandlung zu ÞGatter und damit in seiner Dieses vielleicht aus einer afrikanischen Sprache.

Glatze

361

Herkunft unklar wie dieses. Präfixableitung: vergittern. Glace´handschuh Sm erw. fach. phras. (18. Jh., Form

19. Jh.). Entlehnt aus frz. gants glace´s, zunächst in der Form glasierte Handschuhe. Frz. glacer bedeutet eigentlich ’vereisen’, dann aber auch ’mit Glasur überziehen’ (u.ä.); also ’(durch Oberflächenbehandlung) glänzende Handschuhe’. Das Wort veraltet mit der Sache, doch bleibt der Ausdruck mit Glace´handschuhen anfassen für ’vorsichtig behandeln’. Ebenso nndl. glacehandschoen, nschw. glace´handske, nnorw. glace´handske. – DF 1 (1913), 247f.

Gladiator Sm ’Kämpfer in den Zirkusspielen des alten

Roms’ erw. exot. (18. Jh.). Entlehnt aus l. gladia¯tor, einer Ableitung von l. gladius ’Schwert’. Ebenso nndl. gladiator, ne. gladiator, nfrz. gladiateur, nschw. gladiator, nnorw. gladiator; ÞGladiole. – EWNl 2 (2005), 286f.

Gladiole Sf (ein Schwertliliengewächs) erw. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus l. gladiolus m., ’kleines Schwert’, zu l. gladius m. ’Schwert’ (ÞGladiator). So benannt nach der Form der Blätter. Ebenso nndl. gladiool, ne. gladiolus, nfrz. glaı¨eul, nschw. gladiolus. – EWNl 2 (2005), 287.

Glanz Sm std. (12. Jh.), mhd. glanz. Neben dem Adjektiv

mhd. glanz, ahd. glanz ’glänzend’. Daneben eine Reihe weiterer ’Glanz’-Wörter mit Anlaut gl-, ohne dass es sinnvoll wäre, daraus eine besondere Wurzel o.ä. zu konstruieren. Der Anlaut gl- ist im Deutschen ein Phonaesthem für ’leuchten’. Präfigierung: Abglanz; Verb: glänzen. Schwarz, H. FS Trier (1954), 439–442 (= KS 45–48); HWPh 3 (1974), 626; Röhrich 1 (1991), 549f.; Heidermanns (1993), 247; Lühr (1988), 58f. (zu den Phonaesthemen); EWNl 2 (2005), 287; EWahd 4 (2009), 470–473. 1

Glas Sn std. (8. Jh.), mhd. glas, ahd. glas (auch

nächst auf Eis, gegebenenfalls auf Kristalle, dann auf Glas und weiter auf Edelsteine. Die Übertragung auf Bernstein liegt nahe, obwohl der Bernstein deutlich farbig ist. Die Bedeutung ’Edelstein’ im Kymrischen legt nahe, dass die Übertragung durch eine Zwischenbedeutung ’Schmuckstück’ mindestens gefördert wurde. − Präfixableitung: verglasen; Nomen Agentis: Glaser; Adjektive: gläsern, glasig. S. auch Þglasieren, ÞGlasur. – Meineke (1984), 45–62, 67–74 (kritisch zu der Bedeutung ’Bernstein’); Ostberg, K. BEDS 3 (1983), 269–277; Bonfante, G. Journal of Baltic Studies 16 (1985), 316–319; LM 4 (1989), 1477–1482; Röhrich 1 (1991), 550f.; RGA 12 (1998), 139–142; EWNl 2 (2005), 587f.; EWahd 4 (2009), 473–476.

Glas2 Sn ’halbe Stunde’ (in bestimmten Wendun-

gen) per. fach. (16. Jh.). Nach dem Plural Glasen zu urteilen, im Niederländischen entstanden. Gemeint ist ursprünglich die Sanduhr (aus Glas), nach deren Ablauf der Wachdienst auf den Schiffen geregelt war. glasieren Vsw erw. fach. (16. Jh.). Die Wörter glasieren

und ÞGlasur zeigen eine schwer durchschaubare gegenseitige Beeinflussung von französischen und deutschen Wörtern. Von der Beleglage her ist glasieren mit fremder Endung zu ÞGlas 1 gebildet, würde also bedeuten ’mit glasartigem Überzug versehen’; frz. glacer könnte davon abhängig sein, zeigt aber zumindest in der Schreibung den Einfluss von frz. glace ’Eis’, das bedeutungsmäßig ebenfalls die Grundlage sein könnte. EWNl 2 (2005), 285, 288.

Glast Sm ’Glanz’ per. arch. obd. (13. Jh.), mhd. glast.

Gehört zu den ’Glanz’-Wörtern mit Anlaut gl- ohne nähere Verknüpfbarkeit. ÞGlanz.

Glasur Sf erw. fach. (17. Jh.). Wie Þglasieren mit fremder Endung zu ÞGlas 1, wobei möglicher französi’Bernstein’), as. glas. Aus wg. *glasa- n. ’Glas’, auch in ae. gl¢s. Daneben mit grammatischem Wechsel scher Einfluss zu berücksichtigen ist. Frz. glac¸ure gilt mndd. glar ’Harz’, ae. gl¢r ’Bernstein’, anord. gler aber als von dem deutschen Wort abhängig. ’Glas’, fär. gler ’Eis’ aus (g.) *glaza-. Daneben das seit glatt Adj std. (8. Jh.), mhd. glat, ahd. glat, as. gladPlinius überlieferte germanische Wort für ’Bern’froh’. Aus g. *glada- Adj. ’glatt, schlüpfrig’, übertrastein’, gl(a)esum, das wohl langes ¢ ¯ enthält. Eine Anagen ’froh’, auch in anord. gladrÑ ’blank, froh’, ae. gl¢d lyse geht aus semantischen Gründen am besten von ’glänzend, froh’, afr. gled ’glatt, schlüpfrig’. Außerdem keltischen Wort für ’Glas’ aus, das auf *g hl¡-ngermanisch vergleicht sich l. glaber ’glatt, kahl’ zurückgeht: air. glain (f.) ’Kristall, Glas; Klarheit’, (*g hlad h-ro-) und mit Dehnstufe lit. glod(n)u`s, akslav. ebenso (ja¯-Stamm neben dem i-Stamm) glaine (f.); gladu˘ku˘ ’glatt, eben’. Weitere Herkunft unklar. Abdaneben glan ’rein, hell’; kymr. glaˆn ’rein, ganz’, glain straktum: Glätte; Verb: glätten (regional auch ’Edelstein, Perle’ (für ’Glas’ gehen die britannischen ’bügeln’); Kompositum: Glatteis. Sprachen auf l. vitrum zurück). Dies ergibt eine wahrEbenso nndl. glad, ne. glad, nschw. glatt, nisl. gladuÑ r; ÞGlatze. – scheinlich adjektivische Wurzel *ghle¯/¡– ’hell, durchSchwarz, H. FS Trier (1954), 445–449 (= KS 51–56); Heidersichtig, rein’, zu der es im Germanischen eine s-Bilmanns (1993), 244f.; EWNl 2 (2005), 286; EWahd 4 (2009), dung, im Keltischen eine n-Bildung gibt. Sie kann 478–480. eine Erweiterung zu der berüchtigten FarbwörterGlatze Sf std. (11. Jh.), mhd. glat(z) m., ahd. glaz. Zu Wurzel *ghel- sein (’gelb’ – ’grün’ – ’blau’ – ’grau’; Þglatt mit Intensivgemination. Das Femininum seit ’hell’ wäre ein sinnvoller Ausgangspunkt), die Quadem 15. Jh. lität des Tektals ist umstritten und kann offen bleiben. Lühr (1988), 258f.; EWahd 4 (2009), 480f. Als Substantiv bezog sich diese Bildung wohl zu-

glauben

362

glauben Vsw std. (8. Jh.), mhd. g(e)louben, ahd. gilou-

geführt werden kann) zu sein (Seebold, 2000). Verben, as. gilo¯bÐ ian. Aus g. *(ga-)laubija- ’glauben’, auch bum: gleichen; Präfixableitungen: begleichen, vergleiin gt. galaubjan, ae. geliefan, gely¯fan; dazu nur wg. chen; Abstrakta: Gleichheit, Vergleich; Sonderbedeu*ga-laub-o¯n m. (mhd. g[e]loube, ahd. giloubo, as. tungen in ÞGleichnis, ÞGleichgewicht, Þgleichgültig. gilo¯bÐ o, ae. gele¯afa). Zu beachten ist, dass reflexives Ebenso nndl. gelijk, ne. like, nschw. lik, nisl. lı´kur. S. auch ÞGleisner, Þmisslich, Þsogleich. – Seebold, E. FS Meid (1989), glauben + Genetiv im Althochdeutschen ’aufgeben, 343–351; Röhrich 1 (1991), 552f.; Heidermanns (1993), verzichten, etwas verlassen’ bedeutet. Dies weist auf 381–383; GB 2 (1975), 997–1046 (zu Gleichheit); Dann, O.: einen Zusammenhang mit der unter erlauben dargeGleichheit und Gleichberechtigung (Berlin 1980); Schönfeld, stellten Wurzel *le¯u- ’(los)lassen’, die im Litauischen A. FS Schmitt (1988), 443–463; Heidermanns (1993), 381–383; eine b(h)-Erweiterung aufweist, wie sie auch das GerSeebold, E. IF 105 (2000), 331–334; EWNl 2 (2005), 215f.; manische verlangt. Für die Bedeutung ist die alte FüEWahd 4 (2009), 299f. gung für ’glauben’ zu beachten, die in ai. ´sra´d dha¯Gleichgewicht Sn std. (17. Jh.). Lehnübertragung zu frz. ’vertrauen’, zusammengewachsen in l. cre¯dere ´equilibre m. und l. aequilibrium (aus l. aequus ’gleich’ ’glauben’, vorliegt (=’sein X setzen auf’, wobei X verund l. lı¯bra f. ’Waage, Pfund’). mutlich das Wort für ’Herz’ ist, doch setzt dies ZuGB 2 (1975), 959–996. satzannahmen voraus). Da ’zulassen, erlauben’ leicht gleichgültig Adj std. (17. Jh.). Eigentlich ’gleich viel gelmit ’setzen auf’ verbunden werden kann, wäre das tend’, und da dies bedeutet ’es ist unwichtig, wie man germanische Wort mit der alten Fügung gleichzustelsich entscheidet’ dann auch ’unwichtig, bedeutungslen (wobei das verdeutlichende Objekt wegblieb). los’. Abstraktum: Glaube; Adjektive: gläubig, glaublich, glaubhaft, glaubwürdig. gleichmäßig Adj std. (15. Jh.). ’Mit gleichem Maß’, Ebenso nndl. geloven, ne. believe; Þerlauben, Þgeloben. – dazu die Rückbildung Gleichmaß.

Frings, Th. BGDSL-H 91 (1969), 30–32; Kuhn, H.: Kleine Nichtenhauser (1920), 25. Schriften (Berlin 1978), IV, 309–317; HWPh 3 (1974), 627–645; Hinderling, R. FS de Smet (1986), 207–216; Röhrich 1 (1991), Gleichnis Sn std. (8. Jh.), mhd. gelı¯chnisse, gelı¯chnus 551f.; Meid, W.: Aspekte der germanischen und keltischen Ref./n., ahd. gilı¯hnissa. ’Gleichheit’, dann ’Ebenbild’ und ligion (Innsbruck 1991), 29–32; Meid, W. Germanische Relischließlich ’Gleichnis, Parabel’ (alle Bedeutungen gionsgeschichte. Hrsg. H. Beck u.a. (Berlin 1992), 504–507; schon althochdeutsch). Heidermanns (1993), 365; RGA 12 (1998), 182–186; EWNl 2 Gleichung Sf erw. fach. (17. Jh.). Lehnübersetzung von (2005), 216f.; Seebold, E. IL 26 (2003), 149–151. l. aequatio; früher Vergleichung. Glaubersalz Sn ’Natriumsulfat als Abführmittel’ erw. Vgl. ÞAlgebra.

obs. (17. Jh.). Nach J. R. Glauber, der es herstellte und gleichwohl Adv/Konj std. (15. Jh.). Aus mhd. gelı¯che wol anprieß. ’ebenso wohl, ebenso wirksam’ zusammengerückt. Lüschen (1979), 227.

Gläubiger Sm ’Geldgeber’ erw. fach. (14. Jh.). Lehn-

Behaghel 3 (1928), 181f.

Gleis Sn ÞGeleise.

übersetzung von l. cre¯ditor oder it. creditore zu l. cre¯dere ’glauben’ (im Sinne von ’für vertrauenswürdig Gleisner Sm ’Heuchler’ per. arch. (12. Jh.), mhd. gelı¯chhalten’). sen¢re, glı¯senære. Nomen Agentis zu mhd. gelı¯chsenen, gelı¯chesen, gelı¯hsen, ahd. gilı¯hhiso¯n ’es jmd. gleich Adj std. (8. Jh.), mhd. gelı¯ch(e), ahd. gilı¯h, as. gleichtun, sich verstellen’; Ableitung zu Þgleich. Zur gilı¯k(o). Aus g. *ga-leika- Adj. ’gleiche Gestalt haBedeutung vgl. l. simula¯re ’ähnlich machen, abbilden, bend’, auch in gt. galeiks, anord. (g)lı´kr, ae. gelı¯ce, afr. erheucheln’ zu l. similis ’ähnlich’. Der tektale Reibelı¯k. Zu dem damit vorausgesetzten g. *leika- ’Gestalt’ laut ist aus der Konsonantengruppe geschwunden, s. ÞLeiche. Die Herleitung ist allerdings nicht so einhat aber wohl bewirkt, dass der Zischlaut stimmlos fach, wie dies aussieht, weil derartige Bildungen zu (bzw. eine Fortis) blieb; deshalb auch die orthograpronominalen und halbpronominalen Stämmen phische Variante Gleißner. deutlich von einem Suffix -li- ausgehen, das durch Wallner, A. ZDA 63 (1926), 214–216. ein -k/g-Suffix erweitert werden kann; das Suffix und das Wort für ’Gestalt’ können aber auf die gleiche Gleiße Sf (auch Gleiß m.) ’Hundspetersilie’ per. reg. Grundlage (*al-i- zu *al- ’wachsen’, also etwa (16. Jh.), spmhd. glise, fnhd. gleisz. Vermutlich wegen der großen Ähnlichkeit dieser giftigen Pflanze mit ’Wuchs’) zurückgehen. Neben der angeführten Deudem Würzkraut ÞPetersilie zu mhd. gelı¯chsenen ’es tungsmöglichkeit steht ein lit. ly´gus ’gleich, gleichartig’ (nebst lit. toly´gus ’entsprechend, gleich’), das auf jmd. gleichtun, sich verstellen’ mit stimmlosem Zischlaut aus der Einwirkung des geschwundenen die Bedeutung ’gleich’ bei einer Wurzel, nicht einer -ch-. Zusammenbildung mit Wörtern der Bedeutung ’gleich, zusammen’ usw., weisen könnte. Der beste ÞGleisner. – Marzell 1 (1943), 135–137. Weg einer Deutung scheint die Abtrennung dieser baltischen Formation (die auf ’eben, glatt’ zurück-

Glocke

363 gleißen Vsw erw. obs. (9. Jh.), mhd. glı¯zen, ahd. glı¯zan,

’Leibeslänge, Gliederlänge, Glied’ u.ä. Ausgangsas. glı¯tan. Aus vd. *gleit-a- Vst. ’gleißen’ (schwache punkt unklar. Dass die deutsche und die nordische Flexion erst neuhochdeutsch). Außerdeutsch in gt. Sippe zu trennen sein soll, ist nicht recht glaubhaft. glitmunjan ’glänzen’, anord. glita ’glimmen’, ae. gli- glimmen Vst std. (13. Jh.), mhd. glimmen, mndd. glimtinian ’glitzern’. Das Wort hat keine brauchbare Vermen, mndl. glimmen, wfr. glimme. Keine rechte Vergleichsmöglichkeit. Es gehört zu den ’Glanz’-Wörgleichsmöglichkeit. Gehört zu den ’Glanz’-Wörtern tern mit Anlaut gl-. mit Anlaut gl- (ÞGlanz). Glimmstengel wird von Dazu auch Þglitzern und ÞGlanz. – Seebold (1970), 231f.; Campe als Ersatzwort für ÞZigarre vorgeschlagen EWahd 4 (2009), 491f. (1802); das Wort setzt sich aber nur als umgangssprachliches Scherzwort für Zigarette durch. gleiten Vst std. (12. Jh., zi- 9. Jh.), mhd. glı¯ten, as. glı¯dan, andfrk. glı¯dan. Aus wg. *gleida- Vst. ’gleiten’, Seebold (1970), 232; EWNl 2 (2005), 290f. auch in ae. glı¯dan, afr. glı¯da; im Nordischen vielleicht Glimmer Sm ’Stein mit glänzenden Partikeln’ per. fach. hierher anord. gleidrÑ ’mit gespreizten Beinen’, anord. (16. Jh.). Wohl wegen des Glanzes und damit zu gledaÑ ’Milan’. Das Wort hat keine brauchbare VerÞglimmen. Es kann auch abwertend (wie ÞBlende 1) gleichsmöglichkeit. Besser vergleichbar ist eine Varigemeint sein. In der modernen Mineralogie für beante g. *greid-, etwa in gt. grids* ’Schritt’, obd. gritten stimmte Tonerdesilikate. ’die Beine spreizen, gehen’ (lit. grı`dyti ’gehen, wanLüschen (1979), 227f.; EWNl 2 (2005), 291. deln’, vielleicht auch akslav. gre˛sti ’kommen’ und mit glimpflich Adj nur noch in Wendungen wie ’glimpflich anderer Vokalisierung l. gradi ’schreiten’; ÞGrad). davon kommen’, d.h. ’ohne größeren Schaden’ std. Vielleicht liegt unregelmäßige Variation oder Wurphras. (8. Jh.), mhd. gelimpflich, ahd. gilimphlih zelmischung vor. ’angemessen’. Zum starken Verb ahd. gilimpfan ’sich Ebenso nndl. glijden, ne. glide. S. auch Þglitschen, ÞGrätsche. – geziemen, gebühren’ (vielleicht über das Substantiv Seebold (1970), 230f.; Krisch, Th. HS 103 (1990), 116–131 (anahd. gilimpf, das aber später und schlechter als das ders); Mottausch, K.-H. HS 105 (1992), 276–286; Libermann, Adjektiv bezeugt ist). Das Verb reicht nicht über das A. alvı´ssma´l 6 (1996), 81–86; EWNl 2 (2005), 290. Westgermanische (ae. limpan ’geschehen’) hinaus Gletscher Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus schweizerdeutund hat keine brauchbare Vergleichsmöglichkeit. schen Mundartwörtern, die auf spl. glacia¯rium n., Þverunglimpfen. – Seebold (1970), 330f.; Heidermanns einer Ableitung von spl. glacia f. ’Eis’, aus l. glacie¯s f. (1993), 373. zurückgehen. glitschen Vsw std. stil. (15. Jh.). Intensivbildung zu Ebenso nndl. gletsjer, ne. glacier, nfrz. glacier, nschw. glaciär, Þgleiten. Adjektiv: glitschig (auch übertragen auf nnorw. gletsjer. – Meyer-Lübke, W. ZDW 2 (1902), 73f.; nicht ausgebackenes Backwerk: ’speckig’). EWNl 2 (2005), 289. Glibber Sm ’schlüpfrige Masse’ per. ndd. (20. Jh.). Aus

der niederdeutschen Umgangssprache. Rückbildung aus fnhd. geliefern, mhd. gelibert, ahd. giliberot ’geronnen, gefroren’. Die weitere Verwandtschaft ist unter ÞLab dargestellt. EWNl 2 (2005), 289f.

Glied Sn std. (10. Jh.), mhd. g(e)lit, ahd. gilid, mndd.

gelit, mndl. gelit. Kollektivbildung zu einfachem g. *liþu- m. ’Glied’ in gt. liþus, anord. lidrÑ m., ae. liþ m./n., afr. lith, as. lid Ñ m., ahd. lid m./f./n. Von derselben Grundlage gebildet sind anord. limr, ae. lim; auszugehen ist also von (ig.) *li-. Dies kann eine Erweiterung sein zu der in ÞElle belegten Grundlage *el-ei-, aber eine genauere Entsprechung findet sich nicht. Verb: gliedern mit dem Abstraktum Gliederung. ÞMitglied. – Knetschke (1956), 25–27; Röhrich 1 (1991), 553f.; EWNl 2 (2005), 212, 214.

Gliedmaßen Spl std. (14. Jh., lid 8. Jh.), spmhd. lidema¯z,

glitzern Vsw std. (15. Jh.). Erweitert aus mhd. glitzen

(vergleichbar sind aber anord. glit[r]a und ne. glitter). Intensivbildung zu Þgleißen und wie dieses ohne brauchbare Etymologie. EWNl 2 (2005), 292f.

Globetrotter Sm ’Weltenbummler’ erw. obs. (20. Jh.).

Entlehnt aus ne. globe-trotter, einer Zusammensetzung aus ne. globe ’Globus, Welt’ (ÞGlobus) und ne. trotter ’jmd., der viel läuft, sich ständig bewegt’, einem Nomen Agentis zu ne. trot ’sich schnell bewegen, traben’, dieses aus afrz. trotter, dieses aus mhd. trot(t)en. Ebenso nndl. globetrotter, nfrz. globe-trotter, nschw. globetrotter, nnorw. globetrotter; ÞTrott. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 351; Carstensen 2 (1994), 578f.

Globus Sm erw. fach. (15. Jh.). Mit Bedeutungsspezia-

lisierung zu l. globus ’Kugel, Klumpen’, zuerst bei M. Behaim. Adjektiv: global.

Ebenso nndl. globe, ne. globe, nfrz. globe, nschw. glob, nnorw. mndd. litmate, litmete, mndl. litmate. afr. lithmete, globus; ÞKonglomerat. – DF 1 (1913), 248; EWNl 2 (2005), 293. etwas anders mhd. gelidem¢ze f. In den späten nordischen Sprachen (nisl. lidaÑ mo´t usw.) scheint ein an- Glocke Sf std. (9. Jh.), mhd. glocke, glogge, ahd. glocka, deres Hinterglied vorzuliegen (vergleichbar mit ne. klocke, as. glogga. Entlehnt aus air. cloc(c) m. ’Schelle, tomeet ’treffen’), die Bedeutung ist ’Gelenk, Glied, Glocke’. Die irischen Glaubensboten trugen Handglocken, die z.T. noch erhalten sind. Dann ÜbertraMitglied’. Die kontinentalen Wörter bedeuten

Glockenspeise gung auf die großen Kirchenglocken. Vermutlich geht das irische Wort auf ein lateinisches zurück, das auf früh-rom. *cuticulare, zu l. quatere/excutere ’schütteln, schlagen, erschüttern’, zurückgeht. Häufig in Formbeschreibungen, z.B. Glockenblume; Täterbezeichnung: Glöckner. Ebenso nndl. klok, ne. clock, nfrz. cloche, nschw. klocka, nnorw. klokke, nisl. klukka. – Meier, H.: Neue Beiträge zur romanischen Philologie (Heidelberg 1975), 283–293; Relleke (1980), 101–111, 221–241; LM 4 (1989), 1497–1501; Röhrich 1 (1991), 554–557; RGA 12 (1998), 206–208; Bammesberger (1999), 161–163; EWahd 4 (2009), 493–496.

Glockenspeise Sf ’Gussmetall für die Glocke’ per. fach.

(13. Jh.), mhd. glockenspı¯se. Der zweite Teil ist aus l. expe¯nsa ’Aufwand, Nahrung’ übernommen. Ebenso nndl. klokspijs.

Glockenstuhl Sm ’Holzwerk, das die Glocke trägt’ per.

fach. (16. Jh.). Zu ÞStuhl in der allgemeinen Bedeutung ’Gestell’ (wie in Webstuhl, ÞDachstuhl). Gloms Sf ÞGlumse. Glorie Sf erw. fremd. (13. Jh.), mhd. glo¯rje. Ist entlehnt

aus l. glo¯ria ’Ruhm, Ehre’. Verb: glorifizieren; Adjektive: glorreich, (stil.) glorios. Fnhd. glori(e) bezeichnet den die heiligen Personen umgebenden Schein, daraus einerseits das Diminutivum Gloriole ’Heiligenschein’, andererseits die Wendung mit Glanz und Gloria, ursprünglich auf die Erscheinung heiliger Personen bezogen; heute nur noch spöttisch gebraucht. Ebenso nndl. glorie, ne. glory, nfrz. gloire, nschw. gloria, nnorw. glorie. – DF 1 (1913), 248f.; Brunt (1983), 322; Röhrich 1 (1991), 557; EWNl 2 (2005), 295.

glosen (glosten) Vsw ’glimmen, schwelen’ per. arch.

364

ist einerseits eine Erklärung, kann aber andererseits vom eigentlichen Sinn des Textes ablenken, so dass das Wort auch negativ (als ’Geschwafel’ oder ’Ablenkungsmanöver’) gebraucht werden kann. Heute versteht man unter einer Glosse eine kurze (und möglichst prägnante) journalistische Stellungnahme, etwa zu einem besonderen Ereignis (es liegt also normalerweise kein Text mehr zugrunde). Das Wort wird heute mit kurzem o gesprochen, wobei Fachleute für Glossen im antiken und mittelalterlichen Sinn die alte Aussprache mit Länge vorziehen. Ebenso nndl. glosse, ne. gloss, nfrz. glose, nschw. speglosa, nnorw. glose; ÞGlossar, ÞDiglossie, Þpolyglott. – DF 1 (1913), 249; LM 4 (1989), 1504–1515; Röhrich 1 (1991), 557f.; Schumacher, M. in ’Textus’ im Mittelalter. Hrsg. L. Kuchenbuch, U. Kleine (Göttingen 2006), 207–227; EWNl 2 (2005), 295.

glosten Vsw Þglosen. glotzen Vsw std. vulg. (13. Jh.), mhd. glotzen. Ähnlich

sind me. glouten ’starren’ und evtl. anord. glotta ’grinsen’. Weitere Herkunft unklar. Ebenso ne. gloat. – Lühr (1988), 114.

Glück Sn std. (13. Jh.), mhd. g(e)lücke, mndd. gelucke,

mndl. geluc(ke). Herkunft unklar. Nach Sanders Bedeutungsübertragung aus afrz. destine´e, das einerseits ’Festsetzung, Bestimmung, Beschluss’, andererseits ’christliches Fatum’ bedeutet. So zuerst in andfrk. *gilukki zu andfrk. lu¯kan ’schließen’, danach auch ’beschließen, festsetzen, bestimmen’. Zu g. *lu¯k-aVst. ’schließen’. Verb: glücken, beglücken; Adjektive: (un)glücklich, glückselig; Präfigierung: Unglück mit der Präfixableitung verunglücken. Sanders, W.: Glück (Köln 1965), insbesondere 236–261; Win-

zer, R. DZPh 14 (1966), 1100–1112; HWPh 3 (1974), 679–707; (13. Jh.), mhd. glosen, glosten. Entsprechend mhd. Röhrich 1 (1991), 558–560; EWNl 2 (2005), 217f. glost(e) ’Glut’ und einiges weiter abstehende. Gehört näher zu Þglühen; aber auch dieses hat keine genaue Glück auf Ptklgruppe per. fach. (17. Jh.). Grußformel wie etwas älteres Glück zu; zu der einfachen WunschVergleichsmöglichkeit. Es gehört zu den ’Glanz’formel (ÞGlück) tritt wohl anfeuerndes Þauf . Seit Wörtern mit gl- im Anlaut. dem 17. Jh. Gruß der Bergleute. EWahd 4 (2009), 498f.

Glossar Sn ’Wörterverzeichnis’ per. fach. (12. Jh.), mhd.

glosar. Ist entlehnt aus l. glossa¯rium ’Wörterbuch zur Erklärung veralteter (usw.) Wörter’, zu ÞGlosse. Ebenso nndl. glossarium, ne. glossary, nfrz. glossair, nschw. glossar, glossarium, nnorw. glossar. – EWahd 4 (2009), 493f.

Rosenfeld, H.-F. AASF B50,4 (1942); Heilfurth, G.: Glück auf (Essen 1958); Röhrich 1 (1991), 561f.; Heidermanns (1993), 387f.

Glucke Sf ’Bruthenne’ erw. fach. (15. Jh.), mhd. klucke.

Zu dem lautnachahmenden Þglucken.

Glosse Sf ’prägnanter schriftlicher Kommentar, Rand- glucken Vsw ’vom Lockruf der Bruthennen’ erw. fach.

(13. Jh.). Lautnachahmendes Wort, das viele Parallebemerkung’ per. fach. (13. Jh.), mhd. glo¯se. Entlehnt len hat (mhd. klucken, glucken, mndl. clocken, ae. clocaus l. glo¯ssa, dieses aus gr. glo˜ssa ’Zunge’, dann einercian; außergermanisch gr. klo¯´zein ’krächzen, schnalseits ’Sprache’, andererseits ’eigentümlicher Auszen’, l. glo¯cı¯re mit seinen romanischen Nachfolgern). druck’. In der Antike zunächst Bezeichnung für ein Ebenso nndl. klokken, ne. cluck, nschw. skrocka; Þgluckern, erklärungsbedürftiges Wort, dann übertragen auf die Þglucksen. Erklärungen vermeintlich schwieriger Wörter. Im gluckern Vsw ’vom Wasser oder anderen Flüssigkeiten, Spätmittelalter ist glo¯se das Gegenstück zu tex(t): die aus einer Flasche fließen’ std. stil. (16. Jh.). LautUnter Text ist dabei der Wortlaut einer Stelle zu vermalend wie Þglucken. stehen (nicht ein ganzes Werk), unter der Glosse ein knapper Kommentar, eine Auslegung o.ä. (prototy- glucksen Vsw (beim Lachen u.ä.) std. stil. (15. Jh.), fnhd. pisch ist die Auslegung einer Bibelstelle). Die Glosse glucksen, klucksen. Lautmalend wie Þglucken.

Gnade

365 Glückskind Sn std. stil. (16. Jh.). Entweder Lehnüber-

glupen (glupschen) Vsw ’mit großen Augen ansehen, tragung zu l. fortu¯nae fı¯lius m. ’Sohn des Glücks’ oder schräg ansehen’ per. ndd. (16. Jh., Standard 18. Jh.), in Anlehnung an Glückshaube gebildet mit der urmndd. glupen, fnndl. gloepen, nndl. gluipen. Auch afr. glu¯pa ’schleichen’. Herkunft unklar, vielleicht unresprünglichen Bedeutung ’Kind, das mit einer Glückshaube geboren wurde’; dabei handelt es sich um gelmäßige Entsprechung zu aruss. glipati ’sehen’. Reste der Embryonalhaut am Kopf des NeugeboreHierzu glupsch ’finster, heimtückisch’. nen, was nach altem Volksglauben als Zeichen für EWNl 2 (2005), 296. zukünftiges Glück galt. Glut Sf std. (8. Jh.), mhd. gluot, ahd. gluot. Aus g. Höfler, M.: Deutsches Krankheitsnamenbuch (München *glo¯-di- f. ’Glut’, auch in anord. glo´d,Ñ ae. gle¯d, afr. gle¯d; 1899), 221, 229; HWDA 3 (1931), 890–894; Röhrich 1 (1991), ti-Abstraktum zu Þglühen. 562f.

Glückspilz Sm std. stil. (18. Jh.). Zuerst nur in der Be-

deutung ’Emporkömmling’, deshalb wohl verdeutlichte Lehnbedeutung zu ne. mushroom, das neben ’Pilz’ auch ’Emporkömmling’ bedeutet (wobei ein Vergleich mit dem schnellen Aufschießen der Pilze zugrunde liegt); seit der zweiten Hälfte des 19. Jhs. dann fast nur noch als ’Glückskind’ bezeugt. Glücksritter Sm std. stil. (18. Jh.). Von Anfang an mit

Ebenso nndl. gloed, ne. gleed, nschw. glöd, nisl. glo´d.Ñ – EWNl 2 (2005), 293f.; EWahd 4 (2009), 505f.

Glyptothek Sf ’Sammlung von Skulpturen’ per. fach.

(19. Jh.). Neubildung zu Glypte ’Skulptur’ aus gr. glypte¯´ zu glypto´s (lı´thos) ’Skulptur’, einer Ableitung von gr. gly´phein ’gravieren, meißeln’. Ebenso nndl. glyptotheek, nfrz. glyptothe`que, ndn. glyptotek, nnorw. glyptotek. S. ÞHieroglyphe und zur germanischen Verwandtschaft Þklieben, zum zweiten Bestandteil s. ÞTheke. – Cottez (1980), 169.

kritischem Unterton gebraucht: ’Ritter, der auszieht, um sein Glück zu suchen’ (mit Bezug auf die Ritter- Glyzerin Sn (Bestandteil der natürlichen Fette) per. romane), vielleicht als Übersetzung von frz. aventufach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. glyce´rine f., einer Neurier. Sehr bald auch Ausdruck für die Spekulanten des bildung zu gr. glykero´s ’süß’ neben gr. glyky´s ’süß’. So Frühkapitalismus. benannt durch den französischen Chemiker Chevreul (1823). Entdeckt wurde das Glycerin von dem Glufe (auch Guf) Sf ’Stecknadel’ per. obd. (15. Jh.), schwedischen Chemiker Scheele, der es (auf deutsch) spmhd. glufe, gufe. Herkunft unklar. Es wird eine Entwegen seines Geschmacks als Ölsüß bezeichnete. Glylehnung aus obit. glove ’Astgabel’ erwogen, das seicerin ist eine Lehnübertragung dazu. nerseits aus ahd. klob(o) m. ’Falle, Schlinge, gespalEbenso nndl. glycerine, ne. glycerin(e), nfrz. glyce´rine, nschw. tenes Holz’ stammt. Engelhardt, L. / Diedrichs, E. ZPhAS 10 (1957), 30–48; Lüdtke, H. ZPhAS 10 (1957), 392–397.

Glühbirne Sf std. (20. Jh.). ÞBirne nach der Form,

Glüh- im Anschluss an älteres Glühstrumpf, dem Leuchtkörper der Gasbeleuchtung. glühen Vsw std. (9. Jh.), mhd. glü(ej)en, ahd. gluoen, as.

glo¯ian. Aus g. *glo¯-a- ’glühen’, das ursprünglich ein starkes Verb war, aber als solches nur noch in ae. glo¯wan erhalten ist; auch anord. glo´a ist ein schwaches Verb. Das Wort hat keine genaue Vergleichsmöglichkeit. Es gehört zu den ’Glanz’-Wörtern mit Anlaut gl-. Ebenso nndl. gloeien, ne. glow, nschw. glöda, nisl. glo´a. S. auch Þglosen, ÞGlut. – Seebold (1970), 233; EWNl 2 (2005), 294; EWahd 4 (2009), 503–505.

Glühwein Sm std. (19. Jh.). Univerbiert aus älterem ge-

glühter Wein (17. Jh.), also ’auf Glut erhitzter Wein’. Ebenso nschw. (vin)glögg, nnorw. gløgg.

Glühwürmchen Sn erw. fach. (19. Jh.). Diminutiv zu

Glühwurm (18. Jh.), zu ÞWurm, das älter und regional auch ’Insekt, Käfer’ bedeuten kann. So benannt, weil der Käfer beim Herumfliegen in der Nacht leuchtet. Wissmann (1963–1968), 336.

Glumse (auch Gloms) Sf ’Quark’ per. omd. (16. Jh.).

Entlehnt aus poln. glomz(d)a gleicher Bedeutung.

glycerin, nnorw. glyserin, nisl. glyserı´n; ÞLakritze. – Cottez (1980), 168; EWNl 2 (2005), 297.

Gnade Sf std. (8. Jh.), mhd. g(e)na¯de, ahd. gina¯da, gi-

na¯dı¯, as. gina¯tha. Aus g. *(ga)n¢ ¯ þo¯n f. ’Wohlwollen, Gunst’, auch in anord. na´d Ñ (möglicherweise entlehnt, dann ist das Wort ursprünglich nur deutsch), afr. ne¯the. Kann ein Verbalabstraktum sein zu einem Verb, das nur in gt. niþais ’du mögest unterstützen’ bezeugt ist (möglicherweise steht in diesem nur einmal bezeugten Wort gt. i für gt. e, wie auch sonst gelegentlich. Sonst würde Ablaut vorliegen). Außergermanisch vergleicht sich ai. na¯´thate ’sucht Hilfe, fleht’, auch mit anderem Auslaut ai. na¯´dhama¯na’hilfesuchend’; wohl erweitert aus ig. (eur.) *on¡-, das in gr. onı´ne¯mi ’ich nütze’, g. *ann (Þgönnen) vorliegt. Das Wort wird vom Christentum aufgenommen zur Bezeichnung der Güte Gottes, dann übertragen auf die Gewährung von Vergünstigungen durch Fürsten; dann allgemein für Vergünstigungen amtlicher Stellen (Gerichte, Parlamente). Hierzu die Präfixableitung begnadigen und Komposita wie Gnadenbrot und Gnadenfrist, s. auch ÞGnadenstoß. Von allgemeinerer Bedeutung sind die Adjektive gnädig und gnadenvoll, -reich; spezialisiert auf ’von Gott, vom Schicksal durch besondere Talente begünstigt’: begnadet, eigentlich Partizip zu dem nicht mehr üblichen begnaden.

Gnadenstoß

366

Wahmann (1937); HWPh 3 (1974), 707–713; Röhrich 1 (1991), Gobelin Sm ’Wandteppich mit Bildmotiven’ per. fach. 563f.; Classen (1995), 31–34; RGA 12 (1998), 240–243; EWNl 2 (18. Jh.). Entlehnt aus frz. gobelin, das zurückgeht auf (2005), 226; EWahd 4 (2009), 331–334. den Namen les Gobelins, einer Teppichfabrik in Paris,

Gnadenstoß Sm erw. fach. (18. Jh.). Da mittelalterliche

dieser nach dem Färber Gilles Gobelin. Zunächst also Todesstrafen, insbesondere das Rädern, vielfach auf Bezeichnung für Teppiche dieser Firma, dann überlange andauerndes Quälen hinausliefen, wurden Detragen auf eine bestimmte Klasse von Teppichen, die linquenten, denen man dies ersparen wollte, ’aus dort hergestellt wurden, schließlich Bezeichnung dieser Art von Teppichen, unabhängig vom Hersteller. Gnade’ in einem frühen Stadium der Hinrichtung Verwendung im Singular zuerst im Deutschen. durch den Henker erdolcht und die weitere ’Strafe’ an dem Leichnam ausgeführt oder es wurde beim RäEbenso nndl. gobelin, ne. gobelin, nschw. gobeläng, nnorw. godern durch einen Stoß mit dem Rad in die Herzgrube belin, nisl. go´belı´nsaumur. – DF 1 (1913), 249; EWNl 2 (2005), 299. der sofortige Tod herbeigeführt; teilweise wurde dies allgemeine Praxis. Dieses Verfahren wurde (teilweise) Gockel Sm ’Hahn’ erw. reg. (15. Jh., Form 16. Jh.). ZuGnadenstoß genannt. Dann vielfach übertragen, z.B. erst als Gockelhahn bezeugt. Auch ÞGüggel, Göcker, auf das Abfangen (mit dem Jagdmesser töten) des Gockel u.ä. (auch mit i aus ü ÞGickelhahn). Eine todwunden Wildes. Nachahmung des Sammelrufs des Hahns. Gnagi Sn ’gepökelte Teile von Kopf, Schwanz und Vgl. ÞKüken. – Röhrich 1 (1991), 565. Füßen des Schweins’ per. schwz. (20. Jh.). Eigentlich Gocks Sm ÞKoks 3. ’Genage’ zu Þnagen. Goder Sm ’Doppelkinn’ per. österr. (15. Jh.), spmhd. Gneis Sm (Gesteinsart) per. fach. (16. Jh.). Vermutlich goder ’Gurgel, Schlund’. Variante von ÞKoder. zu mhd. ganeist(e) f./m., ahd. gneista f. ’Funke’ (nach Röhrich 1 (1991), 565 (Goderl). den glänzenden Bestandteilen). Daneben ahd. gnaGof Smn ’ungezogenes Kind’ per. schwz. (20. Jh.). Herneista f. und ganeheista f., das lautlich nicht ausreikunft unklar. chend aufgeklärt ist. Lüschen (1979), 228f.; EWahd 4 (2009), 508.

Gnitze (auch Gnitte) Sf ’kleine Mücke, Schnake’ per.

Vgl. bair. Goff ’Dummkopf’ aus it. goffo ’Tölpel, plumper Mensch’.

Goi (Goj) Sm per. grupp. (18. Jh.). Jiddisches Wort für ndd. omd. (20. Jh.), mndd. gnitte. Auch mit Vokal’Nichtjude’ aus hebr. go¯j ’Nichtjude, Heide’. Entvariation ndd. gnatte, wozu ae. gn¢t m. ’Mücke’ gesprechendes Goje ’Nichtjüdin’ ist weniger üblich gehört; in der Hochsprache selten und erst seit neuerer worden. Zeit. Herkunft unklar. Wörter mit entsprechendem Ebenso ne. goy, nfrz. goy, goı¨. – EWNl 2 (2005), 304. Anlaut und expressiver Bedeutung ähnlicher, aber nicht gleicher Art, gibt es besonders in den baltischen Go-in Sn ’unbefugtes Eindringen Demonstrierenund slavischen Sprachen (z.B. lit. gniezˇ˙e´ti ’jucken’). der’ erw. grupp. (20. Jh.). Nur im Deutschen übliche Bildung analog zu ÞSit-in. Englisches Vorbild unsiGnom Sm ’Kobold’ erw. obs. (16. Jh.). Das Wort ist zucher (dort statt dessen walk-in). Zu ne. go ’gehen’ und erst bei Paracelsus bezeugt, wurde aber offenbar von ne. in ’ein, hinein’. ihm aus anderer Quelle übernommen. Er bezeichnet

Tschirch, F. ZDS 26 (1970), 37–41; Schmidt, G. D. DS 7 damit Elementargeister (in der Regel Erdgeister, sel(1979), 160–165; Carstensen 1 (1993), 581f. ten auch Luftgeister) und benützt das Wort nur im gokeln (auch kokeln) Vsw ’mit Feuer spielen’ per. omd. Plural; als deutsche Entsprechung benützt er berg(15. Jh.). Hängt wohl mit Þgaukeln zusammen. Einmännlein, erdmännlein, schrötel u.a. Die Herkunft ist zelheiten unklar. unklar. Das Wort wird bei den Naturphilosophen des 16. und 17. Jhs. zum Internationalismus und wird Gold Sn std. (8. Jh.), mhd. golt, ahd. gold, as. gold. Aus g. dann von französischen und englischen Dichtern *gulþa- n. ’Gold’, auch in gt. gulþ, anord. goll, gull, ae. auch im Singular verwendet; entsprechend dann gold, afr. gold. Im Ablaut zu dem dadurch vorausgeauch im Deutschen. Dann übertragen auf absondersetzten (ig.) *g´ hlto- steht akslav. zlato (*g´ holto-) und ˙ mit n- statt t-Suffix ai. hı´ranyaliche, wenig zugängliche oder (und) kleinwüchsige lett. zelts (*g´ helto-); ˙ Menschen. ’Gold’. Auf die Grundlage *g´ hel- führen auch FarbDF 1 (1913), 249; EWNl 2 (2005), 297f. wörter für ’gelb’ und ’grün’ zurück (Þgelb, ÞGalle 1), so dass das Gold als ’das Gelbe’ benannt sein dürfte. Gnu Sn per. exot. (18. Jh.). Übernommen aus Afrikaans Auffällig ist allerdings die starke Verschiedenheit in ghnoe, das aus dem hottentottischen gnu stammt. Im Morphologie und Ablaut. Adjektive: golden, goldig; Afrikaans wurde das Wort dann ersetzt durch wildePräfixableitung: vergolden. bees, wegen der Homonymie mit dem Namen des Ebenso nndl. goud, ne. gold, nschw. guld, nisl. gull. S. auch Steinbocks (afrik. ghnoe aus hottentot. !noa-b). Ebenso nndl. gnoe, ne. gnu, nfrz. gnou, nschw. gnu, nnorw. gnu, nisl. gny´r. – Littmann (1924), 138; Loewe, R. ZVS 61 (1933), 119f.; Polome´, E. JIES 11 (1983), 49.

ÞGulden. – Lippmann (1919), 519–527; Lüschen (1979), 229f.; LM 4 (1989), 1535–1538; Röhrich 1 (1991), 565f.; RGA 12 (1998), 304f.; EWNl 2 (2005), 312; EWahd 4 (2009), 521–523.

Gose

367 Goldammer Sf ÞAmmer. Goldlack Sm (eine Blume, ’Cheiranthus Cheiri’) per.

helfe, erfreue’ (aus ig. *on¡- mit Präsens-Reduplikation). Die Geminate im Germanischen aus -n¡-. Nomen Agentis: Gönner.

fach. (18. Jh.). Benannt nach der goldenen Farbe der Ebenso nndl. gunnen, nschw. unna, nisl. unna; ÞGnade, Blüten dieser Pflanze. Goldlack im eigentlichen Sinne ÞGunst. – Seebold (1970), 79f.; Blanc, A. BSL 90 (1995), gab es z.B. als Siegellack − von daher mag die Über179–229; EWNl 2 (2005), 353. tragung kommen. Der ältere Name der Blume ist Göpel Sm ’mit Pferden betriebene FördermaschiGelbveilchen. ne’ per. arch. (16. Jh.). Wohl entlehnt aus einem oberEbenso nschw. gyllenlack, nnorw. gyllenlakk. – Marzell 1 sorbischen Wort *hibadlo ’Bewegungswerkzeug’, das (1943), 917–923. allerdings nicht unmittelbar bezeugt ist. 1 Golf Sm ’größere Meeresbucht’ erw. fach. (14. Jh.). Wolf (1958), 186; Müller, K. ZS 28 (1983), 438f. Entlehnt aus it. golfo, dieses aus spl. colphus, aus gr. Gör Sn (Göre f.) erw. ndd. (16. Jh.), ndd. ’Mädchen’, ko´lpos (eigentlich ’Wölbung, Busen’). Gören Pl. ’kleine Kinder’. Ursprünglich niederdeutEbenso nndl. golf, ne. gulf, nfrz. golfe, nschw. golf, nnorw. golf. sches Wort. Verglichen wird rhein. gor, gorich – Wis (1955), 133; EWNl 2 (2005), 305. ’gering, armselig’ (dann wäre von ’Kleine’ auszuge2 Golf Sn (ein Rasenspiel) erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt hen); doch ist für die Bedeutung ’Mädchen’ ein Zuaus ne. golf, das seinerseits auf ndl. kolfen (flämisch) sammenhang mit ÞGurre, westfäl. güre ’Mähre’ nicht zurückgeht, zu ndl. kolf ’Schläger, Kolben’. Gemeint außerhalb des Denkbaren. Im übrigen ist auch die ist ursprünglich das vom Französischen ausgehende Ähnlichkeit mit dem etymologisch unklaren ne. girl Spiel frz. soule a` la crosse, bei dem mit Schlägern (die auffällig. Herkunft also unklar. auf Schäferstäbe zurückgingen) auf Tore gespielt wurde. Dann stufenweise Entwicklung zu der heuti- Gorilla Sm ’ein Menschenaffe’, übertragen ’Leibwächter’ std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. gorilla. Das Wort gen Spielform. taucht zuerst in dem Reisebericht des Karthagers Ebenso nndl. golf, nfrz. golf, nschw. golf, nnorw. golf, nisl. golf; Hanno (5. Jh. v. Chr.) auf und bezeichnet in Afrika ÞKolben. – Gillmeister, H. in Müller/Rühl (1985), 54–74; (Kamerun) angetroffene schwarzhaarige Wilde (die Gillmeister, H. Schweizer Beiträge zur Sportgeschichte. als Frauen von Pygmäen aufgefasst wurden). Das Hrsg. M. Triet. 2 (1990), 20–29; Rey-Debove/Gagnon (1988), 355–357; Carstensen 2 (1994), 583f.; Gillmeister, H. Homo Wort beruht sehr wahrscheinlich auf einer falschen ludens 6 (1996), 17–37; EWNl 2 (2005), 305. Lesung GORILLAS für GORGADAS (in griechischer Schrift); dieses könnte eine Ableitung zu einem aus Gondel Sf ’ein venezianisches Boot, Ballon-Korb’ erw. der mythischen Gestalt der Gorgo zu erschließenden fach. (16. Jh.). Entlehnt aus it. (venez.) gondola, das gr. *gorgo¯ ’Fratze’ sein, also ’die Fratzenhaften’ (f. Pl.). letztlich auf mgr. ko´ntouros zurückgeht. Dies bedeuBei der näheren Erforschung der Menschenaffen im tet zunächst ’stummelschwänzig’ (zu gr. konto´s 19. Jh. wurde der Name von dem amerikanischen ’Stocherstange’ und gr. o´rros ’Rumpf, Schwanz’), und Naturwissenschaftler Savage auf eine Affenart überbezeichnet Kurierpferde, und dann eine Sorte Schutragen. Dann weiter übertragen auf bullige, aggressihe, auch ein leichtes Kriegsschiff (wegen des Schiffsve Menschen, insbesondere ’Leibwächter, Türhüter’. schnabels). Von dort aus (wieder wegen des SchiffsEbenso nndl. gorilla, nfrz. gorille, nschw. gorilla, nnorw. gorilla, schnabels) auf die Gondel übertragen. Da mit dem nisl. go´rilla. – Littmann (1924), 26; Philipp, H. Gymnasium Fahren der Gondel die Vorstellung der Gemächlich63 (1956), 151; Rey-Debove/Gagnon (1988), 357; Röhrich 1 keit verbunden wird, bedeutet die Ableitung gondeln (1991), 568. ziemlich allgemein ein langsames, umständliches Gösch Sf ’kleine viereckige Flagge’ per. fach. (17. Jh.). Vorwärtsbewegen in einem Fahrzeug. Entlehnt aus nndl. geus(je), also eigentlich ’BettlerEbenso nndl. gondel, ne. gondola, nfrz. gondole, nschw. gondol, chen’, vgl. die Bedeutungsvielfalt von ne. jack, das nnorw. gondol, nisl. gondo´ll. – DF 1 (1913), 249f.; NiehoffPanagiotidis, J. Klio 77 (1995), 345; EWNl 2 (2005), 306. ebenfalls diese Bedeutung haben kann. Gong Sm std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. gong, einem

angloindischen Wort, das auf mal. (e)gung zurückgeht. Dieses sicher lautmalend. Ebenso nndl. gong, nfrz. gong, nschw. gongong, nnorw. gong(ong). – DF 1 (1913), 250; Lokotsch (1975), 44; EWNl 2 (2005), 306.

gönnen Vsw std. (9. Jh.), mhd. gunnen, günnen, ahd.

(gi)unnan. Festgewordene Präfigierung zu dem alten Präterito-Präsens g. *ann/unn- in anord. unna ’lieben, gönnen’, ae. unnan, as. gionstaPrät., ahd. unnan. Die Bedeutung ist etwa ’gewogen sein’. Dies erweist die Verwandtschaft mit gr. onı´ne¯mi ’ich nütze,

Ebenso nfrz. gueux, nschw. gös, nnorw. gjøs. – Kluge (1911), 324f.

Gosche (auch Gusche) Sf ’Mund’ std. vulg. (16. Jh.).

Herkunft unklar. Vgl. auf jeden Fall l. geusiae Pl. ’Rachen, Schlund’ (keltisches Wort?) und mit anderer Erweiterung l. gula ’Schlund, Kehle’. Gose Sf ’obergäriges Bier’ per. arch. (14. Jh., Standard

16. Jh.), mndd. gose. Angeblich ursprünglich Goslarer Bier, nach dem Flüsschen Gose, das durch Goslar fließt. Mehlber, L. JGGB (1982), 123–126; JGGB (1983), 63f. (anders [mit beachtlichen Gründen]).

Gospel

368

Gospel Smn ’rhythmisches religiöses Lied’ per. fach.

(20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. gospel (song), besondere Form rhythmischer religiöser Lieder der amerikanischen Schwarzen. Ne. gospel ’Evangelium’ aus ae. go¯dspell n., wörtlich ’gute Kunde’, einer Lehnübersetzung zu l. bona annu¯ntia¯tio f., das die eigentliche Bedeutung von l. evangelium n., aus gr. euagge´lion n., verdeutlichen sollte. Ebenso nndl. gospelsong, nfrz. gospel, nschw. gospel, nnorw. gospel; ÞBeispiel. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 357f.; EWNl 2 (2005), 310f.

Gosse Sf per. arch. (14. Jh.), fnhd. gossen, mndd. gote,

mndl. gote. Ursprünglich ein technisches Wort für ’Abzugskanal’ u.ä., im Ablaut zu Þgießen; seit dem 18. Jh. als ’Abflussrinne’. Ebenso nndl. goot. – Lühr (1988), 259; Röhrich 1 (1991), 568; EWNl 2 (2005), 308.

Gössel Sf ’junge Gans’ per. ndd. (18. Jh.). Verkleine-

rungsform zu ndd. go¯s. ÞGans.

Gote Sf ’Patin’ per. obd. wmd. (13. Jh.), mhd. göt(t)e,

got(t)e, ahd. gota, gode. Südwestdeutsch auch Götti ’Pate’; dann auch Göttikind ’Patenkind’ u.a. Vermutlich eine bereits heidnische Bezeichnung für einen Eltern-Ersatz (oder -Zusatz), die zu anord. godeÑ ’Priester’ (= ’der zu Gott Gehörige’) gehört (mit anderem Suffix gt. gudja ’Priester’). ÞTote. – Knobloch, J. RIL 119 (1985/87), 43–46; Hildebrandt, R. FS Schmitt (1988), 661–666; EWahd 4 (2009), 537f.

gotisch Adj std. (16. Jh.). Eigentlich Herkunftsadjektiv

gleiche Bezeichnung der gleichen Sachgrundlage zurückweisen. Femininum: Göttin; Kollektivum: Gottheit; Adjektiv: göttlich; Präfixableitung: vergöttern. Ebenso nndl. god, ne. god. nschw. gud, nisl. god,Ñ gud.Ñ S. auch ÞGötze. – Wimmer, J. B. ZKTh 41 (1917), 625–655; KargGasterstädt, E. BGDSL 67 (1944), 420–433; Seebold, E. BGDSL-T 92 (1970), 309; Watkins, C. GS Güntert (1974), 101–110; HWPh 3 (1974), 721–814; LM 4 (1989), 1581–1583; Zimmer, Ch. Linguistica biblica 62 (1989), 5–48; Röhrich 1 (1991), 568–572; Shields, K. LB 85 (1996), 69–74; EWNl 2 (2005), 299f.; EWahd 4 (2009), 534–537.

Götterdämmerung Sf erw. bildg. (18. Jh.). Lehnüber-

setzung zu anord. ragna ro¸k n. Pl. ’Götterschicksal’, einer Bezeichnung der nordischen Mythologie für den Untergang der Götter und der Welt, in (etymologisch falscher) Anlehnung an anord. røkkr ’Dunkelheit’ und dem gpl. von regin, einer Götterbezeichnung. Ladendorf, O. ZSV 25 (1910), 348f.

Gottesacker Sm erw. obs. (14. Jh.). Im Süddeutschen

und Ostmitteldeutschen verbreitetes Wort für ’Friedhof’ (ÞFriedhof ), und zwar der nicht neben der Kirche, sondern auf einem Feldstück außerhalb des Ortes liegende. Gottesfurcht Sf std. (15. Jh.). Wohl Zusammenrückung

der seit althochdeutscher Zeit belegten Genetivfügung ahd. gotes forahta, das l. timor deı¯ übersetzt. EWNl 2 (2005), 300f.; EWahd 4 (2009), 539, 544.

Gottseibeiuns Sm ÞDeixel.

zu dem Stammesnamen Goten; aber im späten Mit- Götze Sm std. (15. Jh.), spmhd. götze. Ableitung von telalter ziemlich ausgedehnt auch für ’altertümlich, ÞGott mit dem verkleinernden z-Suffix, das vor allem geschmacklos’ u.ä. verwendet. Vorbild für diesen GeKurzformen zu Namen bildet (Dietz zu Dietrich, brauch ist weitgehend das Französische. Deshalb Heinz zu Heinrich usw., so auch Götz zu Gottfried). gotische Schrift, gotische Architektur, die jeweils mit Früh bezeugt ist vor allem die Bedeutung ’Heiligenden Goten nichts zu tun haben. bild’; ’falscher Gott’ vor allem bei Luther. Lüdtke, G.: Geschichte des Wortes ’Gothisch’ im 18. und 19. Jh. (Diss. Heidelberg 1903) Straßburg 1903; DF 1 (1913), 250; Haslag, J.: ’Gothic’ im 17. und 18. Jh. (Köln 1963); Wolf, L. FS Vernay (Tübingen 1979), 443–451; EWNl 2 (2005), 311.

Gott Sm std. (8. Jh.), mhd. got, ahd. got, as. god. Aus g.

Gourmand Sm ’jmd., der gern viel und gut isst’ erw.

fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. gourmand, das eigentlich Adjektiv ist und dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist (vielleicht aus der Vorlage von ÞGourmet umgestaltet).

*gud- ’Gott’, ursprünglich offenbar ein Neutrum, Ebenso ne. gourmand, gourmandizer, nschw. gourmand, dann bei der Übertragung auf den christlichen Gott nnorw. gourmand. – DF 1 (1913), 250; DEO (1982), 338; EWNl 2 allgemein zum Maskulinum geworden; auch in gt. (2005), 312f. guþ (Wurzelnomen), anord. god,Ñ gud Ñ m./n., ae. god. Gourmet Sm ’Feinschmecker, Weinkenner’ erw. fremd. Vermutlich Abstraktbildung mit ableitendem -t- zu (19. Jh.). Entlehnt aus frz. gourmet, dieses aus afrz. ig. *g´ heu- ’gießen’ (besonders bei Opferhandlungen) gormet ’Gehilfe des Weinhändlers’, dann ’Weinkenin ai. juho´ti ’opfert, gießt Butter ins Feuer’, ai. -hut ner, Feinschmecker’. ’Opferung’ (ai. sarva-hu´t- ’dessen Opfer vollständig Ebenso ne. gourmet, nschw. gourme´, nnorw. gourmet. – DEO ist’), avest. zaotar- ’(Ober)Priester’, gr. che´o¯ ’ich gieße (1982), 337–339; EWNl 2 (2005), 313. aus, schmelze, löse auf’, toch. AB ku- ’gießen, spengoutieren Vsw ’gutheißen’ per. fremd. (18. Jh.). Entden’ u.a.. Ursprünglich also ’Gießen, Opferung’, lehnt aus frz. gouˆter ’kosten, schmecken, billigen’, aus dann übertragen auf den Gott, zu dessen Ehren das l. gustare. Opfer stattfindet. Der Name einer gallischen Priesh Ebenso nschw. guterad, nnorw. gutere. Zur deutschen Verterklasse ist gutuater, was aus *g utu-p¡te¯r ’Vater des wandtschaft s. Þkosten 2. – DF 1 (1913), 250f. Gussopfers’ entstanden sein kann. Dies würde auf die

Gramm

369 Gouvernante Sf ’Erzieherin’ erw. obs. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. gouvernante, dem substantivierten PPräs. von frz. gouverner ’lenken’, aus l. guberna¯re. Ebenso nndl. gouvernante, ne. governess, nschw. guvernant, nnorw. guvernante; ÞGouverneur. – DF 1 (1913), 251; Brunt (1983), 323f.; EWNl 2 (2005), 313.

Gouverneur Sm ’Statthalter, Befehlshaber’ erw. fremd.

(16. Jh.). Entlehnt aus frz. gouverneur, zu frz. gouverner ’lenken’, dieses aus l. guberna¯re (vgl. l. guberna¯tor ’Lenker’). Ebenso nndl. gouverneur, ne. governor, nschw. guvernör, nnorw. guvernør; ÞGouvernante. – DF 1 (1913), 251; LM 4 (1989), 1614; EWNl 2 (2005), 313f.

grabbeln Vsw ’herumtasten, herumwühlen’ per. ndd.

beamter (ml. -gravius). Die Deutung ist umstritten; die neuerdings bevorzugte ältere Deutung, die auf gt. gagrefts ’Bestimmung, Erlass’ zurückgreift und ein unbezeugtes Verb *gre¯fan ’bestimmen’ ansetzt, geht von *gr¢ ¯ f-jo¯n m. ’Anordnender’ aus. Adjektiv: gräflich; Abstraktum: Grafschaft. Ebenso nndl. graaf, nschw. greve, nnorw. greve, nisl. greifi. – Brøndal (1917), 145–147 = (1948), 159f.; RGA 5 (1984), 63–68 (comes); Vykypeˇl, B. Studia etymologica Brunensia 1 (2000), 253–259; RGA 12 (1998), 529–532; EWahd 4 (2009), 577–580.

Graffiti Spl ’mit Farbe auf Wände usw. gesprühte Texte

und Bilder’ per. fremd. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. graffiti Pl., dieses aus it. graffito m. ’Eingeritztes’, zu it. graffiare ’kratzen’. Ebenso nndl. graffiti, nfrz. graffiti, nschw. graffiti, nnorw. graf-

(17. Jh.). Wie Þgrapsen eine Intensivbildung zu einer fiti. – Carstensen 2 (1994), 588f.; EWNl 2 (2005), 318f. Grundlage (g.) *grab- ’ergreifen, packen’. VergleichGral Sm ’Heiligtum (Stein, Kelch o.ä.)’ per. fach. bar ist ne. grab ’packen’, ne. grabble ’tasten’ und ne. (13. Jh.), mhd. gra¯l. Ist entlehnt aus afrz. graal gleicher grasp ’ergreifen’. Bedeutung. An den Gral knüpfen sich eine Reihe Þgreifen. christlicher Legenden (’Schale, mit der das Blut graben Vst std. (8. Jh.), mhd. graben, ahd. graban, as. Christi am Kreuz aufgefangen wurde’). Ausgangsbegravan. Aus g. *grab-a- Vst. ’graben’, auch in gt. gradeutung sowie weitere Herkunft aber unklar. ban, anord. grafa, ae. grafan, afr. gre¯va, griova. Aus Ebenso nndl. graal, ne. Grail, Sangraal, Sangrail, nnorw. gral. – h h voreinzelsprachl. *g reb - ’graben’, auch in lett. grebt Trier, J. ZDPh 70 (1947/49), 365–370; Günther, V. FS Wart’ausschaben, aushöhlen’, akslav. greti ’rudern, graburg (1968), II, 339–356; Lokotsch (1975), 57f.; LM 4 (1989), ben’. Kann weiter zu (ig.) *g hreb h- ’greifen’ gestellt 1616–1621; EWNl 2 (2005), 316. werden (Þgreifen, Þgrapsen). Konkreta: Grab, Graben, gram Adj erw. obs. (11. Jh., as. 9. Jh.), mhd. gram, ahd. ÞGrube; Präfigierung: begraben. gram, as. gram. Aus g. *grama- Adj. ’gram, böse’, auch Ebenso nndl. graven, ne. grave, nschw. gräva, nisl. grafa; ÞGracht, Þgravieren, ÞGrube, Þgrübeln, ÞGruft. – Seebold, E., (1970), 235f.; Maher, J. P. JIES 9 (1981), 341–347; RGA 12 (1998), 491f.; EWNl 2 (2005), 318, 326f.; EWahd 4 (2009), 568–570.

Gracht Sf ’Kanalstraße’ per. fremd. (18. Jh.). Entlehnt

aus dem Niederländischen, in erster Linie, um niederländische Verhältnisse zu bezeichnen. Das Wort gehört zu Þgraben mit niederdeutsch-niederländischem Wechsel von -ft- zu -cht-. EWNl 2 (2005), 317f.

Grad Sm std. (11. Jh.), mhd. grat, ahd. grad. Sind ent-

lehnt aus l. gradus ’Schritt, Stufe’ (u-Stamm zu l. gradı¯ ’schreiten’), zunächst als ’akademischer Grad’, dann als ’Temperaturschritt’, dann in weiteren Bedeutungen. Adjektiv: graduell; Verben: gradieren, de- und unmittelbar aus dem Lateinischen graduieren mit dem Partizip graduiert. Ebenso nndl. graad, ne. grade, nfrz. grade, nschw. grad, nnorw. grad, nisl. gra´daÑ . Zur Sippe des zugrunde liegenden l. gradı¯ ’schreiten’ gehören als Ableitungen zu Präfigierungen ÞAggression, -or, -iv; Progression, Þprogressiv; ÞKongress; ÞRegress, Regression; und aus einem PPräs. ÞIngredienzien. Zu einem Intensivum gehört Þgrassieren. – Schirmer (1912), 29; DF 1 (1913), 251f.; Lokotsch (1975), 57f.; EWNl 2 (2005), 314f.; EWahd 4 (2009), 573–575.

Graf Sm std. (8. Jh.), mhd. gra¯ve, ahd. gra¯vo, mndl. gra-

ve, greve (daneben auch eine Form mit j-Suffix). Bezeichnung verschiedener königlicher Verwaltungs-

in anord. gramr, ae. gram. Das zugehörige Maskulinum Gram erst seit mittelhochdeutscher Zeit; dagegen ist das Verb (sich) grämen gemeingermanisch: gt. gramjan ’erzürnen’, anord. gremja, ae. gremian, ahd. gremmen. Die Sippe steht im Ablaut mit Þgrimm; außergermanisch vergleicht sich eine Sippe (ig.) *g hrem- die offensichtlich von ’mit den Zähnen knirschen’ ausgeht, vgl. gr. chro´mados ’das Knirschen’ und wohl auch lit. grumzˇde˙´ti ’mit den Zähnen knirschen’ und gt. grisgramon. Näher an der Bedeutung von gram und grimm steht avest. gram¡nta˛m ’derer, die (uns) gram sind’, avest. granta- ’ergrimmt’. Die weiteren Zusammenhänge weisen auf eine Schallwurzel für ’donnern, poltern usw.’; andererseits auf Wörter für ’reiben’, was sich nicht auszuschließen braucht. Ebenso nndl. gram, nisl. gramur; ÞGriesgram, Þgrimm, ÞGrind. – Blum, S. BGDSL-H 82 (1960), 186–188; Heidermanns (1993), 253; EWNl 2 (2005), 320f.; Perpillou, 94f.; EWahd 4 (2009), 581f.

Gramm Sn (Durch Normierung eingeführte Einheit der

Masse, umgangssprachlich auch des Gewichts) std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. gramme m., dieses aus l. gramma, dieses aus gr. gra´mma ’Schriftzeichen’, spät und selten ’Gewicht von 1/24 Unze’. In der ältesten Zeit entsprachen die Maßbezeichnungen für Gewichte den jeweiligen Münzen (weil der Münzwert nach dem Gewichtswert des Münzmetalls bemessen war). Die kleinste Standardeinheit im Griechischen war

-gramm

370

dabei der obelo´s (Wert nach Region verschieden, etwa Gran Smn ’kleines Gewicht’ per. fach. (15. Jh.). Entlehnt 2 g), im Lateinischen war es (als Gewicht) das scruaus ml. granum n., älter l. gra¯num n. ’Korn’ (auch ein Gewicht). pulum (s. ÞSkrupel). Letzteres hatte als Variante scriEbenso nndl. grein, ne. grain, nfrz. graine, nschw. gran; pulum, und dieses bekam die Schnellsprechform scriÞGranate. – EWNl 2 (2005), 328. plum mit der wohl hyperkorrekten Form scriptlum, die sich in späterer Zeit durchsetzte. Sie wurde dann Granat Sm ’ein braunrotes Mineral’ per. fach. (13. Jh.), aufgefasst als Diminutiv von scriptum ’Geschriebemhd. gra¯na¯t. Entlehnt aus ml. granatus, dieses aus l. nes’ (zu scribere ’schreiben’) und (ungefähr im 2. Jh. (lapis) gra¯na¯tus, entweder ’mit Körnern versehener n. Chr.) ins Griechische übersetzt als grammarion (= Edelstein’, zu l. gra¯num n. ’Korn’ (der Granat zeigt im grammation?), Ableitung (vielleicht Diminutiv) von Rohzustand häufig beigeschlossene Gesteinskörner) gr. gra´mma ’Schriftzeichen’ (s. ÞGrammatik); dann oder nach der Farbe der Blüten des Granat-Apfels beaber durch das Grundwort gr. gra´mma vereinfacht. nannt. Bei Isidor wird dann gramma ausdrücklich als grieEbenso nndl. granaat, ne. garnet, nfrz. grenat, nschw. granat, nnorw. granat, nisl. granat; ÞGranate. – Lüschen (1979), 230f.; chische Entsprechung von scrupulum genannt, und es LM 4 (1989), 1650; Röhrich 1 (1991), 574; EWNl 2 (2005), 322. wird dann auch im Lateinischen als 1/24 Unze (das ist eine lateinische Definition, keine griechische) geGranate Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus it. granata (eibräuchlich. Der Name für die Gewichtseinheit beruht gentlich ’Granat-Apfel’), dieses aus l. (ma¯lum) also auf einer falschen Etymologie. gra¯na¯tum n., zu l. gra¯num n. ’Korn, Kern’. Der GraEbenso nndl. gram, ne. gramme, nschw. gram, nnorw. gram, nat-Apfel enthält besonders viele kleine Kerne, und nisl. gramm. Zum Grundwort s. ÞGraphik. – EWNl 2 (2005), dies ist auch der Grund für die Übertragung des Na320. mens auf die Sprengkörper (weil diese mit Sprengstoff und Körnern gefüllt sind). Die Granaten waren -gramm LAff (tritt in Zusammensetzungen in den Bezunächst Wurfgeschosse (so heute noch deutungen ’Schrift, Geschriebenes’ auf, z.B. ÞMonogramm) erw. fach. (–). Das Affix wurde vorHandgranate); dann übertragen auf Geschosse der Arnehmlich in griechischen Entlehnungen ins Deutsche tillerie. Auf der frz. Form grenade von it. granata beübernommen; sein Ursprung ist gr. gra´mma, zu gr. ruht d. ÞGrenadier als Täterbezeichnung. gra´phein ’ritzen, schreiben’. Ebenso nndl. granaat, ne. grenade, nfrz. grenade, nschw. graÞ-graphie, ÞGraphik, Þ-graph.

Grammatik Sf std. (11. Jh.), mhd. gramatic(a), ahd.

nat, nnorw. granat. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞKern und ÞKorn 1; ÞFiligran, ÞGran, ÞGranat, ÞGranit, Þgranulieren. – DF 1 (1913), 252; Jones (1976), 368f.; EWNl 2 (2005), 322.

grammatih. Entlehnt aus l. (ars) grammatica ’Sprachlehre’, dieses aus gr. grammatike¯´ (te´chne¯), zu Grand1 Sm ’grober Sand’ per. ndd. (18. Jh.). Übernomgr. gra´mma n. ’Geschriebenes, Buchstabe’, einer Abmen aus ndd. grand. Dieses ist abgeleitet aus g. leitung von gr. gra´phein ’einritzen, schreiben’. Aus*grend-a- Vst. ’zerreiben’ in ae. grindan ’zerreiben, gangsbedeutung ist ’Kunst des Lesens und Schreizermalmen’. bens’ (Übersetzung dazu ist l. litteratura), dann 2 kommt hinzu die Auslegung der Dichter (Philologie), Grand [gra˜:] Sm ’höchstes Spiel im Skat’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. grand jeu ’großes Spiel’; erst später ’Sprachlehre’. Adjektive: grammatisch, dieses aus l. grandis ’groß’ (Þgrandios). grammatikalisch; Täterbezeichnung: Grammatiker. Ebenso nndl. grammatica, ne. grammar, nfrz. grammaire, nschw. grammatik, nnorw. grammatikk; ÞGraphik.Ersatzwort ist Sprachlehre. – DF 1 (1913), 252; Leser, E. ZDW 15 (1914), 10–13; HWPh 3 (1974), 846–860; LM 4 (1989), 1637–1645; Ferlanto, F. Bollettino dei Classici 11 (1990), 164–177; EWNl 2 (2005), 321; EWahd 4 (2009), 582–584.

Grammel Sf ’Griebe’ per. oobd. (19. Jh.). Herkunft um-

stritten. Grammophon Sn erw. obs. (19. Jh.). Nachfolger des von

Edison erfundenen Phonographen (’Lautschreiber’); neoklassische Bezeichnung als ’Stimme des Aufgezeichneten’. Ebenso nndl. grammofoon, ne. grammophone, nfrz. gramophone, nschw. grammofon, nnorw. grammofon, nisl. grammo´fo´nn. S. ÞGrammatik, ÞGraphik und ÞPhonetik zu den Grundwörtern. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 359; EWNl 2 (2005), 321f.

Ebenso ne. grand, nnorw. grand, nisl. grand. – DF 1 (1913), 252.

Grandezza Sf ’großartiges Benehmen’ (meist iro-

nisch) per. fremd. (17. Jh.). Über it. grandezza entlehnt aus span. grandeza. Abstraktum zu der Entsprechung von l. grandis ’groß’ (Þgrandios). Ebenso nndl. grandezza, nschw. grandezza, nnorw. grandezza. – DF 1 (1913), 252.

grandios Adj erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus it. gran-

dioso, einer Ableitung von it. grande ’groß’, wohl unter Einfluss von span. grandioso zu span. grande. Beide aus l. grandis ’groß’. Ebenso nndl. grandioos, ne. grandiose, nfrz. grandiose, nschw. grandios, nnorw. grandios. – DF 1 (1913), 252f.; EWNl 2 (2005), 322f.

Granit Sm ’ein sehr hartes Gestein’ erw. fach. (14. Jh.).

Entlehnt aus it. granito oder frz. granit, und ml. granitum marmor n., zu it. granire ’körnen’, einer Ableitung von it. grano ’Korn’, aus l. gra¯num n. Gemeint ist

Gras

371

wohl weniger eine körnige Struktur, als die Zusammensetzung aus verschiedenfarbigen Bestandteilen.

schreibung, Geographie’ zu gr. geo¯gra´phos ’Geograph’.

Ebenso nndl. graniet, ne. granite, nfrz. granit(e), nschw. granit, Cottez (1980), 174–176; EWNl 2 (2005), 319. nnorw. granitt, nisl. granı´t; ÞGranate. – Lüschen (1979), 231; Graphik Sf ’Schaubild, Zeichenkunst’ std. (18. Jh.). Röhrich 1 (1991), 574; EWNl 2 (2005), 323.

Granne Sf erw. fach. (8. Jh.), mhd. gran(e), ahd. gran(a)

’Schnurrbart’. Aus g. *grano¯ f. ’Haarspitze’ (besonders ’Schnurrbart’ und ’Ährengranne’), auch in anord. gro¸n, ae. granu; für das Gotische bezeugt durch Isidors ml. granus m. ’Schnurrbart’. Außergermanisch vergleichen sich (mit Erweiterung) mir. grend ’Bart’, bret. grann ’Augenbraue’ (ig. *g hrnd h-no-). Weiter entfernt sind Wörter, die auf *g h˙er- zurückführen und ’Spitze’ u.ä. bedeuten. S. auch ÞGrans, ÞGrat, Þgrässlich. – EWahd 4 (2009), 584f.

Grans Sm ’Hinter- und Vorderteil des Schiffs, Schna-

bel’ per. obd. (8. Jh.), mhd. grans, ahd. grans. Vermutlich eine mit ÞGranne verwandte Bildung mit der Bedeutung ’Spitze’. Kluge (1911), 326; EWahd 4 (2009), 588f.

grantig Adj ’übelgelaunt’ per. obd. (16. Jh.). Herkunft

unklar. Vielleicht zu obd. grennen ’weinen’. Lühr (1988), 116f.

granulieren Vsw ’körnig machen’ per. fach. (16. Jh.).

Verbalbildung zu l. gra¯nulum ’Körnchen’, zu l. gra¯num ’Korn’. Konkretum: Granulat. Ebenso nndl. granuleren, ne. granulate, nfrz. granuler, nschw. granulera, nnorw. granulere; ÞGranate. – EWNl 2 (2005), 323.

Grapefruit Sf (eine Zitrusfrucht) erw. fach. (20. Jh.).

Entlehnt aus am.-e. grapefruit, einem Kompositum aus ne. grape ’Traube’ und ne. fruit (ÞFrucht). Die Bezeichnung als Traube wegen der Blütenstände. Ebenso nndl. grapefruit, nfrz. grape-fruit, nschw. grapefrukt, nnorw. grapefrukt. E. grape ist übernommen aus afrz. grape, grappe, einer Ableitung von afrz. graper ’weinlesen, (älter:) packen’, dieses abgeleitet von afrz. grappe ’Haken’, aus prov. grapa, aus gt. *krappa. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 359f.; EWNl 2 (2005), 323f.

-graph LAff (in Zusammensetzungen mit den Bedeu-

Neubildung nach gr. graphike¯´ (te´chne¯) ’die Kunst des Schreibens, Malens, Zeichnens’, zu gr. gra´phein ’einritzen, schreiben’. Adjektiv: graphisch; Täterbezeichnung: Graphiker.

Ebenso nndl. grafiek, ne. graphic, nfrz. graphique, nschw. grafik, nnorw. grafikk. Unmittelbar zu dem zugrunde liegenden gr. gra´phein ’ritzen, schreiben’ gehören die Bildungen mit Þ-graph (Nomen Agentis) und Þ-graphie: ÞBibliographie, ÞBiographie, ÞFotografie, ÞGeographie, ÞKinematograph, ÞOrthographie, ÞPornographie, ÞStenographie, ÞTelegraph und die Ableitung Þhektographieren; zu den Adjektiven ÞParagraph; dann die neoklassischen Bildungen Graphik, ÞGraphit und ÞGraphologie. Schwieriger zu beurteilen ist der Zusammenhang mit ÞGriffel. Eine größere Gruppe schließt dann an die Nominalableitung gr. gra´mma ’Geritztes, Geschriebenes, Buchstabe, Schrift’ an: Zu diesem Wort s. ÞGramm und als Hinterglied Þ-gramm, ÞAnagramm, ÞAutogramm, ÞDiagramm, ÞEpigramm, ÞProgramm; als Weiterbildung ÞGrammatik. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þkerben. – LM 4 (1989), 1655–1657; EWNl 2 (2005), 319f.

Graphit Sm (ein schwarzgraues Mineral aus reinem

Kohlenstoff) std. (18. Jh.). Neubildung zu gr. gra´phein ’schreiben’. So von dem deutschen Mineralogen A. G. Werner 1789 bezeichnet, da man das Mineral zur Herstellung von Schreib- und Zeichenstiften verwendete. Ebenso nndl. grafiet, ne. graphite, nfrz. graphite, nschw. grafit, nnorw. grafitt, nisl. grafı´t. Vgl. ÞBleistift; ÞGraphik. – Lüschen (1979), 232; Cottez (1980), 176; EWNl 2 (2005), 320.

Graphologie Sf ’Handschriftdeutung’ std. (19. Jh.).

Neoklassische Bildung aus gr. gra´phein ’schreiben’ (ÞGraphik) und Þ-logie. Nomen Agentis: Graphologe; Adjektiv: graphologisch. Ebenso nndl. grafologie, ne. graphology, nfrz. graphologie, nschw. grafologi, nnorw. grafologi. – Cottez (1980), 176; EWNl 2 (2005), 320.

tungen ’Schrift, Geschriebenes’, z.B. Autograph, und grapsen (auch grapschen) Vsw std. vulg. (18. Jh.). Entsprechend ne. grab, grasp; auch anord. gra´pa ’an sich ’Schreiber’, z.B. Stenograph) erw. fach. (–). Das Affix reißen, mausen’. Eine entsprechende Grundlage (ig.) wurde vornehmlich in griechischen Entlehnungen *g hreb h- ’greifen’ ist gut bezeugt (Þgreifen); so dass es ins Deutsche übernommen; sein Ursprung ist gr. sich wohl um alte Wörter der Vulgärsprache handelt. -gra´phos als Nomen Agentis und Adjektiv zu gr. gra´pLautnachahmung (’Zuschnappen’) ist wahrscheinhein ’ritzen, schreiben’. lich. Þ-graphie, ÞGraphik. – Cottez (1980), 173f.; Schmitt, Ch. in Munske (1996), 171–193.

-graphie LAff (in Zusammensetzungen mit den Be-

S. auch ÞGarbe, Þgrabbeln, Þgraben, Þgrübeln. – Meyer, K. H. IF 35 (1915), 224f.; Sommer (1977), 5; EWNl 2 (2005), 323.

Gras Sn std. (8. Jh.), mhd. gras, ahd. gras, as. gras. Aus g. deutungen ’Beschreiben, graphisches oder fotogra*grasa- n. ’Gras, Kraut’, auch in gt. gras, anord. gras, phisches Darstellen, Schreiben’, z.B. ae. gr¢s. Am nächsten scheint zu stehen l. gra¯men (aus ÞGeographie) erw. fach. (–). Das Affix wurde vor*grasmen) ’(Gras)Stängel’ (besonders als Futter); nehmlich in griechischen Entlehnungen ins Deutsche doch ist dieses mehrdeutig − es kann auch zu gr. gra´o¯ übernommen; sein Ursprung sind griechische Kom’ich fresse’, gr. gra´stis f. ’Futterkraut, Grünfutter’ posita mit gr. -graphı´a, die Zugehörigkeitsbildungen (auch kr-), ai. gra´sati ’verschlingt, frisst’ gehören. Da zu Nomina Agentis auf gr. -gra´phos (zu gr. gra´phein die Gruppe auch im Griechischen einen unfesten An’ritzen, schreiben’) sind, z.B. gr. geo¯graphı´a ’Erdbe-

Grasbürger

372

laut hat, kann evtl. auch g. *grasa- mit Anlautvaria- Grätsche Sf ’Sprung mit gespreizten Beinen’ std. tion zu ig. *gras- gehören. Andernfalls zu g. *gro¯-a(19. Jh.). Von Turnvater Jahn zu grätschen1 Vsw. ’die Beine spreizen, mit gespreizten Beinen gehen’ gebil’wachsen’ (s. unter Þgrün) als morphologisch unklare det. Dieses ist Intensivum zu gräten gleicher BedeuAbleitung. − Verb: grasen. In Ausdrücken wie Grasaffe tung. Weitere Herkunft unklar. Von dem Abstraktum (Goethe) steht Gras wie grün für ’unreif, jung’. Ebenso nndl. gras, ne. grass, nschw. gräs, nisl. gras. – Röhrich 1 Grätsche ’Sprung mit gegrätschten Beinen’ ist (1991), 574–580; EWNl 2 (2005), 324; EWahd 4 (2009), 594–596. grätschen2 ’mit gespreizten Beinen springen’ abgeleitet. Grasbürger Sm ÞPfahlbürger. Grasmücke Sf ’kleiner Vogel’ erw. fach. (12. Jh.), mhd. gratulieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. gra¯tula¯rı¯, zu l. gra¯te¯s ’Dank’ (zu l. gra¯tus ’dankbar, angenehm’); gras(e)mucke, ahd. grasasmugga. Vermutlich ein *gravielleicht vereinfacht aus l. *grati-tulor ’ich bringe sa-smucka zu smucken, Intensivbildung zu Zuneigung’, zu l. tollere ’(er)heben’ (ÞGrazie, Þschmiegen, also ’Grasschlüpfer’ mit sekundärer Þtolerieren). Nomen Agentis: Gratulant; Abstraktum: Umdeutung (deren Grund allerdings nicht ersichtGratulation. lich ist). Suolahti (1909), 69–71; EWahd 4 (2009), 596f.

grassieren Vsw ’sich ausbreiten, wüten’ erw. fremd.

Ebenso ne. congratulate, nschw. gratulera, nnorw. gratulere; ÞGrazie. – DF 1 (1913), 253f.; Havers, W. GS Kretschmer 1 (1956), 154–157.

(16. Jh.). Entlehnt aus ml. grassari, dieses aus l. grassa¯ri ’wüten, umhertoben’, einem Frequentativum zu Grätzel Sn ’Häuserblock’ per. österr. (20. Jh.). Zu einer Bildung wie mhd. gereiz m. ’Umkreis’ zu Þreißen mit l. gradı¯ ’schreiten’. österreichischer Aussprache des Diphthongen. Ebenso nschw. grassera, nnorw. grassere; ÞGrad. – DF 1 (1913), 253.

grässlich Adj std. (9. Jh.), mhd. graz, ahd. grazzo Adv.

’wütend, zornig’. Anzusetzen ist vg. *grata ’grimmig’. Vermutlich hat sich später mndd. greselik ’schaudererregend’ (zu mndd. grese ’Schauder’) eingemischt. S. auch Þvergrätzen. – Heidermanns (1993), 255; EWahd 4 (2009), 602f.

Grat Sm erw. fach. (13. Jh.), mhd. gra¯t, mndl. graet. Grat

grau Adj std. (9. Jh.), mhd. gra¯, ahd. gra¯o. Aus g.

*gr¢¯ -wa- Adj. ’grau’, auch in anord. gra´r, ae. gr¢¯ g, gre¯g, afr. gre¯. Außergermanisch ist ähnlich l. ra¯vus ’grau’ (lautlich unklar). Weitere Herkunft unsicher. Verb: (er)grauen; Modifikation: gräulich. Ebenso nndl. grauw, ne. grey, nschw. gra˚, nisl. gra´r. – Schwentner (1915), 76–79; Röhrich 1 (1991), 580; Heidermanns (1993), 259; EWNl 2 (2005), 325f.; EWahd 4 (2009), 591–594.

grauen Vsw std. (11. Jh.), mhd. gru¯wen, ahd. (in)gru¯¯en kann zu den Wörtern von einer Grundlage (ig.) ’schaudern’. In der Bedeutung vergleichbar ist die *g her- mit der Bedeutung ’Spitze’ gehören, doch zeigt dentale Erweiterung in lit. graudu`s ’rührend, wehsich keine nähere Vergleichsmöglichkeit. Von einer mütig’, russ.-kslav. su˘-grustiti sja ’sich grämen’. Seentsprechenden Schwundstufe kann russ. grot mantisch naheliegend ist der Wurzel-Vergleich mit ig. ’Wurfspeer’ und ähnliches im Slavischen kommen, *g hers- ’schreckenstarr, erregt sein’ in ai. ha´rsate doch gibt es keine alten Formen. ’starrt, ist erregt’, l. horre¯re ’starren, beben’. ˙Es lassen ÞGranne, ÞGräte, ÞRückgrat. – EWahd 4 (2009), 598f. sich dann weiter die Wörter mit der Bedeutung Gräte Sf std. (17. Jh.). Das Wort ist ursprünglich das’Spitze’ (Þgrässlich, ÞGranne) anschließen, indem selbe wie ÞGrat und hat sich dann mit einer aus dem von den gesträubten Haaren ausgegangen wird. AbPlural rückgebildeten Form spezialisiert. Präfixableistraktum: Grauen; Adjektive: grauenhaft, grauenvoll. tung: entgräten. S. weiter Þgraulen, Þgrausen, Þgrausam, ÞGreuel, Þgrieseln, EWNl 2 (2005), 317.

Gratifikation Sf ’Sonderzuwendung’ erw. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus l. gra¯tifica¯tio ’Gefälligkeit’, einer Ableitung von l. gra¯tifica¯rı¯ ’sich gefällig zeigen’, zu l. gra¯tus ’erwünscht, willkommen’ und l. facere ’machen’. Ebenso nndl. gratificatie, ne. gratification, nfrz. gratification, nschw. gratifikation, nnorw. gratiale; ÞGrazie, Þinfizieren. – Schirmer (1911), 76; EWNl 2 (2005), 325.

gratis Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. gra¯tı¯s

’umsonst’, zu l. gra¯tia ’Gefallen’ (Ablativ Plural gratiı¯s), zu l. gra¯tus ’erwünscht, willkommen’. Also etwa: ’aus Erkenntlichkeit’. Ebenso nndl. gratis, ne. gratis, gratuitous, nfrz. gratis, gratuit, nschw. gratis, nnorw. gratis; ÞGrazie. – DF 1 (1913), 253; EWNl 2 (2005), 325.

Þgruseln. – EWNl 2 (2005), 347; EWahd 4 (2009), 654f.

graulen Vsw ’sich fürchten’ per. reg. (14. Jh.), mhd.

griuweln, gru¯weln, griulen, grulen. Erweiterung zu Þgrauen. EWNl 2 (2005), 347.

Graupe Sf (meist Pl.) erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus

dem Slavischen (obsorb. krupa ’Getreidegraupe’, auch ’Hagelschloße’). Zu der zweiten Bedeutung fnhd. graupen, graupeln ’fein hageln’, Graupelwetter usw. Wick (1939), 22f.; von Polenz, P. DWEB 2 (1963), 267–279; Eichler (1965), 40; Röhrich 1 (1991), 580.

grausam Adj std. (13. Jh.), mhd. gru¯wesam. Zu mhd.

gru¯we ’Schauder’, das zu Þgrauen gehört. Abstraktum: Grausamkeit.

grell

373 grausen Vsw std. (10. Jh.), mhd. gru¯sen, ahd. irgru¯wiso¯n,

einer Grundlage mit *k-, die etwa mit ai. kr´sa´- ’mager, schlank’ ˙

verglichen werden kann. Die lautliche und morphologische -gru¯so¯n. Erweiterung der unter Þgrauen dargestellten Beurteilung ist aber nicht klar. Grundlage. Abstraktum: Grausen, in Phrasen auch Graus; Adjektiv: grausig. Greif Sm erw. obs. (9. Jh.), mhd. grı¯f(e), ahd. grı¯f(o). Entlehnt aus spl. gryps, gry¯p(h)is, dieses aus gr. gry¯ps. EWahd 4 (2009), 673. Als Name für ein Fabeltier ist dieses möglicherweise gravieren Vsw ’ein Muster (ein-)ritzen’ erw. fach. aus dem Akkadischen entlehnt; es hat aber eine (18. Jh.). Entlehnt aus frz. graver, dieses aus mndl. Wortsippe ausgebildet, die indogermanisch vergraven, eigentlich ’(ein)graben’. Nomen Agentis: gleichbar ist (vgl. Þkrumm). Der Vokalwechsel zum Graveur; Konkretum: Gravur. Althochdeutschen beruht wohl auf Anlehnung an Ebenso nndl. graveren, ne. engrave, nfrz. graver, nschw. graveÞgreifen. ra, nnorw. gravere. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þgraben. – DF 1 (1913), 254; Brunt (1983), 325; LM 4 (1989), 1660f.; EWNl 2 (2005), 327.

gravierend Adj ’erschwerend’ erw. fremd. (17. Jh.). Par-

tizipiales Adjektiv zu einem nicht mehr gebräuchlichen gravieren ’beschweren, belasten’. Dieses entlehnt aus l. grava¯re zu l. gravis ’schwer’. Ebenso ne. aggravating, nfrz. grave, nschw. graverand, nnorw. graverende; Þgravitätisch.

Gravis Sm (ein diakritisches Zeichen) per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus l. (accentus) gravis ’schwerer, gesenkter Ton’. Ebenso ne. grave, nfrz. grave; Þgravitätisch.

Gravitation Sf erw. fach. (19. Jh.). Neoklassische Bil-

dung, entsprechend l. gravitas, Abstraktum zu l. gravis ’schwer’. Ebenso nndl. gravitatie, ne. gravitation, nfrz. gravitation, nschw. gravitation, nnorw. gravitasjon; Þgravitätisch. – EWNl 2 (2005), 327.

gravitätisch Adj ’würdevoll, gemessen’ erw. bildg.

(16. Jh.). Deutsche Neubildung zu dem Lehnwort Gravität ’Schwere, Würde’, aus l. gravita¯s, dem Abstraktum von l. gravis ’schwer, gewaltig’, das mit gr. bary´s ’schwer, tief’ verwandt ist. Ebenso nschw. gravitetisk, nnorw. gravitetisk. Zur gleichen Grundlage gehören Þgravierend, ÞGravis, ÞGravitation. Zum griechischen Vergleichsmaterial vgl. ÞBariton, ÞBarometer; eine indische Entsprechung in ÞGuru. – DF 1 (1913), 254; HWPh 3 (1974), 863–866 (zu Gravitation).

Grazie Sf ’Anmut’ erw. fremd. (18. Jh.). Im frühen

Ebenso nndl. grijp, griffioen, ne. griffin, griffon, nfrz. griffon, nschw. grip, nnorw. griff. – Wild, F.: Gryps − Greif − Gryphon (SÖAW 241, Wien 1963); Schlerath, B. FS Reiter (Wiesbaden 1993), 225–232; EWNl 2 (2005), 333f.

greifen Vst std. (9. Jh.), mhd. grı¯fen, ahd. grı¯fan, as.

grı¯pan. Aus g. *greip-a- Vst. ’greifen’, auch in gt. greipan, anord. grı´pa, ae. grı¯pan, afr. grı¯pa. Unter einer voreinzelsprachlichen Grundform ig. (oeur.) *g hreib- lässt sich vergleichen lit. grie˜bti ’greifen nach, haschen, anfassen’. Daneben steht mit abweichendem Vokalismus ig. *g hreb h-, dessen Zusammenhang mit *g hreib- unklar ist. Vgl. ai. grbhna¯´ti ’ergreift’ (z.T. ˙ ˙vgl. grbhı¯ta´mit unregelmäßiger i-Erweiterung, ˙ gre˙´bti PPP.), akslav. grabiti ’raffen, ergreifen’, lit. ’rechen, harken, rauben’. Präfigierungen und Partikelverben: Þangreifen, er-, über-, vergreifen mit ihren Ableitungen; Konkretum: Griff; Instrumental-Ableitung: Greifer; Adjektiv: greifbar. Ebenso nndl. grijpen, ne. gripe, nschw. gripa, nisl. grı´pa; Þgrapsen, Þgraben, ÞGreif , ÞGriff , ÞGriffel, ÞGrips. – Seebold (1970), 237–239; Schlerath, B. FS Behrmann (1993), 188f.; EWNl 2 (2005), 334; EWahd 4 (2009), 611–613.

greinen Vsw per. reg. (9. Jh.), mhd. grı¯nen Vst., ahd.

grı¯nan Vst., mndd. grinen Vst., mndl. grinen Vst. Die Bedeutungen sind vielfältig; auszugehen ist etwa von ’den Mund verziehen’, daraus einerseits ’lachen’, andererseits ’weinen’, auch ’grinsen’, ’winseln’ u.a.. Offenbar eine Lautgebärde. Vergleichbar ist noch ae. gra¯nian ’weinen’. Þgrieflachen, Þgrienen, Þgriemeln, Þgrinsen. – Glombik-

Hujer, H. DWEB 5 (1968), 89–94; Seebold, E. (1970), 236f.; 18. Jh. wird frz. grace ’Anmut’ ins Deutsche entlehnt EWNl 2 (2005), 332; EWahd 4 (2009), 623–625. und nachträglich relatinisiert als Gratie und dann Grazie. Im Plural für die (drei) römischen Göttinnen Greis Sm std. (12. Jh.), mhd. grı¯se ’alter Mann’. Subder Anmut. Das Vorbild ist l. gra¯tia, Abstraktum zu l. stantivierung zu mhd. grı¯s, ahd. grı¯s-, as. grı¯s, mndd. gra¯tus ’anmutig, willkommen’ u.ä. Adjektiv: graziös. grı¯s ’grau’; ein offenbar sich von Norden aus durchEbenso nndl. gratie, ne. grace, nschw. grace, nnorw. gratie. Das setzendes Wort. Die Bedeutungsentwicklung geht Grundwort wird als gratis entlehnt; s. auch ÞGratifikation und über die Bezeichnung nach den grauen Haaren. Eine Þgratulieren. – DF 1 (1913), 254f.; HWPh 3 (1974), 866–871; entsprechende Sippe auch in den romanischen SpraRöhrich 1 (1991), 580f.; EWNl 2 (2005), 324f. chen (frz. gris, it. griso), dorthin möglicherweise aus grazil Adj erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. gracile, dem Germanischen entlehnt. Herkunft unklar. dieses aus l. gracilis ’schmal, dünn, mager’. Die BeEbenso nndl. grijs ’grau’; Þgries. – Heidermanns (1993), 257. deutungsentwicklung steht sicher unter dem Einfluss grell Adj std. (13. Jh.), mhd. grel ’zornig, laut’, mhd. von ÞGrazie, mit dem es aber nicht verwandt ist. grellen ’vor Zorn schreien’. Vgl. ae. grillan ’knirEbenso nfrz. gracile. Da das zu dem lateinischen Wort gehörige gracentes eine Variante cracentes hat, und gracilis in dieser Lautform keinen Anschluss findet, ist es wohl eine Lautvariante zu

schen, grell tönen’. Zumindest in der Vokalabwandlung eine lautbedeutsame Sippe, vgl. grillen, grellen,

Gremium grollen; Grell für Farben ist eine Übertragung auf

einen anderen Sinnesbereich (wie bei Þhell). S. auch ÞGrille und ÞGroll. – Heidermanns (1993), 257f.

Gremium Sn ’Ausschuss, Körperschaft’ erw. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus l. gremium, ursprünglich ’Schoß, Innerstes’, dann ’(ein Schoß voll), ein Armvoll’, dann übertragen auf ’eine Handvoll Leute’ (als Ausschuss, Leitung usw.). Grenadier Sm erw. obs. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. gre-

nadier ’Fußsoldat’, ursprünglich ein ’mit Granaten kämpfender Soldat’. Ebenso nndl. grenadier, ne. grenadier, nfrz. grenadier, nschw. grenadjär, nnorw. grenader; ÞGranate. – DF 1 (1913), 255.

Grenze Sf std. (13. Jh.), mhd. greniz(e). Entlehnt aus

374 Griebs Sm ’Kernhaus’ per. reg. (15. Jh.), spmhd. grubz,

grübz; auch Gröbs, älter grabiz, grobiz. Auffällig ist danebenstehendes mhd. ebiz, ebitz, ewitz, bair. ebütz. Deutungsversuche sind vor einer Analyse der Lautvarianten nicht ratsam. − Die Bedeutung ’Adamsapfel’ hängt mit dem Volksglauben zusammen, Adam sei der ’Griebs’ des ihm von Eva gereichten Apfels im Hals stecken geblieben. Müller, J. NVRH 3 (1931/32), 90f.

grieflachen Vsw ’heimlich lachen’ per. ndd. (15. Jh.).

Das Vorderglied gehört wohl zur Sippe von Þgreinen und Þgrinsen und bezieht sich damit auf die Mundstellung. Genauere Festlegungen sind schon wegen der zahlreichen Varianten dieses isolierten Bestandteils nicht möglich.

dem Slavischen (russ. granica, poln. granica, cˇech. Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 94f. hranice ’Grenzmarke, Grenzzeichen’, zu russ.-kslav. griemeln Vsw ’schadenfroh in sich hineinlachen’ per. granı˘ ’Ecke’). Seine Aufnahme in die Hochsprache wmd. (18. Jh.). Ähnlich zu beurteilen wie verdankt das Wort dem Gebrauch durch Luther. Das Þgrieflachen. alte Wort ÞMark 2 bedeutet eher ’Grenzgebiet’ und passte deshalb nicht mehr zu den moderneren Vor- Grien Smn ’Kies’ per. wobd. (14. Jh.), mhd. grien, grin stellungen einer Grenze. m./n. Vermutlich mit ÞGrieß, ÞGrütze 1 usw. zu den Ebenso nndl. grens, nschw. gräns, nnorw. grense. – Wick Verben für ’zerreiben, vermahlen’ (ae. grindan, ahd. (1939), 23; Bielfeldt (1965), 29f.; Eichler (1965), 40f.; Bellfirgrozzen PPrät.); ein genauer Anschluss an eine bemann (1971), 228–231; HWPh 3 (1974), 873–875; Müller (1976), zeugte Grundlage ist aber nicht möglich. 21–58; Steinhauser (1978), 61–63; Sordi, M. (Hrsg.) Il confine nel mondo classico (Milano 1987), besonders 3–12; LM 4 (1989), 1700f.; Kolb, H. ASNSL 226 (1989), 344–356; RGA 13 (1999), 3–5; EWNl 2 (2005), 329.

Gretchenfrage Sf ’Gewissensfrage’ erw. bildg. (19. Jh.).

Nach der Frage Gretchens an Faust (Goethe: Faust I, 3415): Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion? von Malsen, B., Kattler, H. ZDS 25 (1969), 188f.; Röhrich 1 (1991), 581.

Greuel Sm std. (13. Jh.), mhd. griu(we)l, griule, mndl.

gruwel. Weiterbildung zu Þgrauen; vielleicht Rückbildung aus dem Verb mhd. gru¯weln. Hierzu auch greulich. EWNl 2 (2005), 346f.

Griebe Sf (fast nur im Plural verwendet) ’ausgebrate-

EWNl 2 (2005), 330.

grienen Vsw ’schadenfroh lachen’ per. ndd. (19. Jh.).

Niederdeutsche Form zu Þgreinen. Die Bedeutungsverschiedenheit erklärt sich aus älterem ’den Mund verziehen’. EWNl 2 (2005), 330f.

gries Adj ’grau’ per. reg. (19. Jh.). Wohl entlehnt aus frz.

gris; es kommt auch eine mundartliche (nicht diphthongierte) Form von obd. ÞGreis in Frage. Ebenso nndl. grijs, nfrz. gris. – EWNl 2 (2005), 334f.; EWahd 4 (2009), 639–642.

grieseln Vsw ’erschauern’ per. ndd. (16. Jh.). Dazu Grieselfieber ’Schüttelfrost’. Aus mndl. grisen

’grausen’ Vst., ae. grı¯san Vst. ’erschauern’; auch ahd. grı¯senlı¯h ’furchtbar, schrecklich’. Ähnlich zu beurteilen wie Þgrausen und Þgrauen und wohl wurzelverwandt mit diesen, aber besser bezeugt.

ner Speckwürfel’ std. (11. Jh.), mhd. griebe m., ahd. grieben Pl; mndd. gre¯ve (von dort ins Dänische und Schwedische entlehnt). Die Bedeutung ist nicht einEbenso nndl. afgrijzen. heitlich: ahd. griobo m. bedeutet vorwiegend ’kleingemachtes Anfeuerholz, Reisig’. Für das lautlich ent- Griesgram Sm std. stil. (18. Jh.). Wie mhd. grisgram sprechende ae. greofa lässt sich die Bedeutung ’Zähneknirschen’ aus ahd. grisgramo¯n ’mit den Zähnen knirschen’ (vgl. ahd. grisgramo¯n, gris[t]grimmo¯n, ’Griebe’ nicht sichern; ne. greaves, graves ’Grieben’ as. gristgrimmo, ae. grist-bitian usw.). Ae. grist, ne. (bezeugt seit dem 17. Jh.) könnte entlehnt sein. Die grist ist ’Mahlgut’; es wird also ein Wort für ’zerreiVerschiedenheit der genannten Bedeutungen lässt eigentlich nur ’rösten, erhitzen’ oder ’verschrumpeln, ben’ zugrunde liegen, das mit (g.) *greut-a- (ÞGrieß) kleiner werden’ als Ausgangsbedeutung zu; für keine und ae. grindan ’zermahlen’ verwandt ist; eine genauvon beiden gibt es brauchbares Vergleichsmaterial. er vergleichbare Form lässt sich aber nicht feststellen. Die neuhochdeutsche Bedeutung des Wortes ist stärMartin, B. Teuthonista 3 (1926), 63f.; Müller, J. NVRH 3 (1931/32), 94f.; Teuchert (1944), 290–293; Röhrich 1 (1991), ker von grämlich (Þgram) u.ä. beeinflusst und lässt 581; EWahd 4 (2009), 632f. die alte Bedeutung nicht mehr erkennen. Adjektiv: griesgrämig. EWahd 4 (2009), 642f.

Grippe

375 Grieß Sm std. (8. Jh.), mhd. griez m./n. ’Sand, Kies’,

Kauz’ (seit dem 17. Jh.) und grillisieren ’seinen Launen ahd. grioz, as. griot. Aus wg. *greut-a- m. ’Sand, Kies’, nachhängen’ aus derselben Zeit. Jaberg, K. SAV 47 (1951), 111f.; Lindquist, A. BGDSL auch in ae. gre¯ot n. (auch als Neutrum, zu dem auch 76 (1954), 239f.; Böttger, W. Sprachpflege 32 (1983), 53–56; anord. grjo´t n. ’Sand, Kies’ gehört). Ableitung zu Röhrich 1 (1991), 581–584; EWNl 2 (2005), 335; EWahd 4 einem starken Verb *greut-a-, das nur noch in dem (2009), 615–617. ahd. Partizip Präteritum firgrozzen erhalten ist. AuGrimasse Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. grimace, ßergermanisch vergleicht sich lit. gru¯´sti ’stampfen, dessen Herkunft nicht zweifelsfrei geklärt ist. Verzerstoßen, drängen’; wurzelverwandt ist wohl ae. mutlich liegt ein germanisches Wort für ’Maske’ zugrindan ’zerreiben’ und anderes (ÞGrien, grunde (ahd. grı¯mo, ae. grı¯ma). ÞGriesgram). Die neuhochdeutsche Bedeutung zuEbenso nndl. grimas, ne. grimace, nschw. grimas, nnorw. grierst in spmhd. griezmel ’grob gemahlenes Mehl’ (wie mase. – Feldmann, W. ZDW 8 (1906/07), 73; DF 1 (1913), 255; Sandzucker u.ä.); dann übernimmt das einfache Wort Brunt (1983), 326f.; Caprini, R. Quaderni di Semantica 7 diese Bedeutung. S. auch Þgroß, ÞGrus, ÞGrütze 1. – EWNl 2 (2005), 331; EWahd 4 (2009), 635f.

Griff Sm std. (9. Jh., hantgriff 8. Jh.), mhd. grif, ahd.

-grif . Aus wg. *gripi- m. ’Griff’, auch in ae. gripe; Abstraktbildung zu Þgreifen. Komposita: Handgriff, Kunstgriff; Adjektiv: griffig. Ebenso ne. grip. – Röhrich 1 (1991), 581; EWNl 2 (2005), 328; EWahd 4 (2009), 610f.

Griffel Sm std. (8. Jh. graf, 12. Jh. griffel), mhd. griffel,

(1986), 187–190; EWNl 2 (2005), 335f.

grimm Adj erw. obs. (8. Jh.), mhd. grim(me), ahd.

grim(mi), as. grim. Aus g. *gremma- Adj. ’grimmig’, auch in anord. grimmr, ae. grim, afr. grimm. Daneben ein Verbum ae. grimman, as. grimman, ahd. grimmen ’toben’ (das wohl kein starkes Verb ist). Die Etymologie s. unter Þgram. Die Herkunft der Geminate ist unklar. Abstraktum: Grimm mit dem Adjektiv grimmig; Präfixableitung: ergrimmen. Ebenso ne. grim, nschw. grym, nisl. grimmur. S. auch

ahd. grif(f)il, gref(f)il. Formal handelt es sich um eine ÞIngrimm. – Seebold (1970), 239; Heidermanns (1993), 252 f.; Instrumentalbildung zu Þgreifen. Die frühe BezeuEWNl 2 (2005), 336; EWahd 4 (2009), 617f. gung in der Bedeutung ’Schreibstift’ lässt aber eine Grimmen (meist Bauchgrimmen) Sn std. stil. (15. Jh.), solche Bildung nicht als wahrscheinlich erscheinen, mhd. krimmen, ahd. krimman Vsw. Erst in neuerer zumal die technische Bezeichnung ahd. graf Zeit an Þgrimm angeschlossen und so geschrieben. ’Schreibgerät’, das aus afrz. grafe entlehnt wurde, Ahd. krimmen, mhd. krimmen bedeutet ’mit den lautlich ähnlich ist. Dieses über spl. graphium n. aus Krallen packen, zerfleischen’ und hat keine genaue gr. grapheı˜on n. ’Schreibgerät’ (zu gr. gra´phein Vergleichsmöglichkeit. Weiter entfernt verwandt sind ’schreiben’). Offenbar liegt hier Sekundärmotivation ÞKrampf und Þkrumm. vor, oder es sind zwei verschiedene Ansätze zusamHoffmann (1956), 20–22. mengeflossen (Griffel in der Bedeutung ’Finger’ und Grind Sm ’Schorf’; vulg. obd. für ’Kopf’ per. reg. dann übertragen?). Die Einzelheiten können nicht (9. Jh.), mhd. grint, ahd. grint. Wohl zu vergleichen ausreichend geklärt werden. mit mndl. grinde ’grober Sand, Grind’ und damit eine ÞGraphik. – Kluge (1926), 48; RGA 13 (1999), 38f.; EWNl 2 Ableitung zu *grend-a- Vst. ’zerreiben’ in ae. grindan. (2005), 332f.; EWahd 4 (2009), 575–577, 613–615. Dieses ist wurzelverwandt mit Þgram. Grill Sm std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. grill, dieses aus Seebold (1970), 240; Röhrich 1 (1991), 584; EWNl 2 (2005), frz. grille f. ’Rost’, aus afrz. greı¨lle, graı¨lle, aus l. cra¯tı¯336f.; EWahd 4 (2009), 625–627. cula f. ’kleiner Rost’, einem Diminutivum zu l. cra¯tis f. Grinsel Sn ’Kimme am Gewehrlauf’ per. österr. ’Flechtwerk’, dessen germanische Verwandtschaft (20. Jh.). Eigentlich *Gerünsel zu mhd. runs(t) m., unter ÞHürde dargestellt ist. Verb: grillen. runse f. ’Wasserrinne’ (zu Þrinnen). Ebenso nndl. grill, nfrz. grille, nschw. grill, nisl. grilli. – DEO (1982), 343; Rey-Debove/Gagnon (1988), 363; Carstensen 2 (1994), 593–595; EWNl 2 (2005), 335.

Grille Sf std. (9. Jh.), mhd. grille m., ahd. grillo m. Letzt-

grinsen Vsw std. (15. Jh.), fnhd. grinzen. Intensivbil-

dung zu mhd. grinnen, das weiter zu Þgreinen gehört. Ursprünglich ’den Mund verziehen’.

EWNl 2 (2005), 334. lich lautmalenden Ursprungs. Ob es aus gleichbedeutendem l. gryllus m. (sehr spät bezeugt) entlehnt ist, Grippe Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. grippe, zuerst kann offen bleiben. Im Deutschen findet das Wort mit französischem Artikel als la grip(p)e, dann seit Anschluss an die Sippe von Þgrell, während das laetwa 1800 allgemein als Grippe. Das französische teinische Wort isoliert ist. Die Bedeutung ’Laune, verWort ist eine der volkssprachlichen Bezeichnungen, rückter Einfall’ kommt vermutlich von dem Volksmit denen die einander ähnlichen, aber nicht gleiaberglauben, dass Grillen in das Gehirn kriechen chen epidemischen Krankheiten benannt wurden; als (zum gleichen Motiv s. ÞOhrwurm; Grille und Ohrgrippe zuerst die von 1743 (während die vorausgehenwurm sind nah miteinander verwandt). Zu dieser de la follette hieß). Die Bezeichnungen bedeuten häuübertragenen Bedeutung Grillenfänger ’wunderlicher fig ’Mode’ oder ’Laune’ (= ’Depression’?), so auch

Grips

376 Ebenso nndl. grog, nfrz. grog, nschw. grogg, nnorw. grogg, nisl. grippe, dessen eigentliche Bedeutung ’Grille, Laune’ grogg. – DF 1 (1913), 256; Ganz (1957), 87; Seibicke, W. SD 20 ist. Auffällig ist das Auftreten laut- und bedeutungs(1976), 185–187; Rey-Debove/Gagnon (1988), 364f.; EWNl 2 ähnlicher Wörter im Deutschen und Slavischen. So (2005), 341. bereits im 16. Jh. in der Schweiz grüppi für einen epigroggy Adj ’betrunken, angeschlagen’ std. vulg. demischen Schnupfen (modern grupi ’Rheumatis(20. Jh.). Entlehnt aus ne. groggy zu ÞGrog. Also etwa mus im Hals, Nackenstarre’), dann im Zusammen’von (zu viel) Grog beeinträchtigt’. hang mit frz. grippe 1788 in München: Kryps, 1789 in der Oberpfalz Grips ’Grippe’. Diese sind wohl BedeuEbenso nndl. groggy, nfrz. groggy, nschw. groggy, nisl. groggaduÑ r. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 365; Carstensen 2 tungsanpassungen eines bereits vorhandenen Mund(1994), 596. artworts. Entsprechend wohl cˇech. chrˇipka ’Grippe’ zu russ. chrip m. ’Heiserkeit’. grölen Vsw std. stil. (15. Jh., Standard 17. Jh.), spmhd. Ebenso nndl. griep, ne. grippe, nfrz. grippe. – Feldmann, W. grälen, gralen (ndd. und md.). Offenbar zu mndd. ZDW 8 (1906/07), 73; Kurrelmeyer, W. JEGP 19 (1920), 513f.; gra¯l ’Herrlichkeit, Pracht, rauschendes Fest’. Weitere Orth, H. MMW (1958), 462; Schelenz, C. MMW (1959), 63; Herkunft unklar. EWNl 2 (2005), 331.

Grips Sm ’Verstand’ erw. vulg. (19. Jh.). Zu regionalem

grippen, auch gripsen; Intensivformen zu Þgreifen, etwa ’fassen, packen’ (also ’Auffassungskraft’). grob Adj std. (11. Jh.), mhd. g(e)rop, ahd. g(e)rop, grob,

Götze, A. NPhM 25 (1924), 118; Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 126f.

Groll Sm std. (14. Jh.), mhd. groll(e) ’Zorn’. Zu der

unter Þgrell dargestellten lautbedeutsamen Sippe. Der Groll ist also nach den mit ihm verbundenen Lautäußerungen benannt. Verb: grollen.

mndd. grof, mndl. grof . Zu einer Sippe mit Wörtern für ’Kruste’, ’Schorf’ u.ä., vgl. mit Hochstufe und EWNl 2 (2005), 341. ohne grammatischen Wechsel anord. hrju´fr ’rau, Gros Sn ’Hauptmasse’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt schorfig’, ae. hre¯of, ahd. riob gleicher Bedeutung, aus frz. gros m., einer Substantivierung von frz. gros auch ’aussätzig’; außergermanisch lit. kraupu`s ’rau’, ’dick, beträchtlich’, aus l. grossus. Mit anderer Bedeulit. nu-kru`pe˛s ’schorfig’, kymr. crawen, crafen, crofen tungsspezialisierung Grossist ’Großhändler’, das im ’Kruste’. Für das Adjektiv ist also von (g.) *ga-hrubaDeutschen gebildet wurde zu en gros ’im Großen, in ’mit Kruste, mit Schorf’ auszugehen; dann Bedeugroßen Mengen, im Großhandel’ (später auch ins tungsverallgemeinerung. Modifikationsbildung: Französische übernommen). Die Bedeutung ’zwölf gröblich; Präfixableitung: vergröbern; Kompositum: Dutzend’ (mit der Aussprache [gros], arch.) ist entgrobschlächtig ’von grober Art’ (vgl. ÞGeschlecht). lehnt aus frz. gros m., dieses gekürzt aus frz. grosse ÞGrobian. – Röhrich 1 (1991), 584; Heidermanns (1993), douzaine f. ’Großdutzend’. 306f.; EWNl 2 (2005), 340; EWahd 4 (2009), 645f. Grobian Sm std. (15. Jh.). Scherzbildung aus Þgrob und

der lateinischen Endung -ia¯n(us). Unmittelbares Vorbild sind vielleicht (Heiligen-)Namen wie Damian, Cassian, Cyprian. Ebenso nschw. grobian, nnorw. grobian. – Röhrich 1 (1991), 584f.

Groden Sm ’angeschwemmtes, bewachsenes Vorland

von Deichen’ per. ndd. (17. Jh.), mndd. grode, grude dasselbe, eigentlich ’Wachstum’. Zu mndd. groien ’wachsen’. Þgrün.

Grog Sm ’ein Getränk aus Rum, Zucker und heißem

Ebenso nndl. gros, ne. gross, nschw. gross, nnorw. gross; ÞGroschen. – DF 1 (1913), 256; Jones (1976), 369; Brunt (1983), 328; LM 4 (1989), 1726; EWNl 2 (2005), 344f.

Groschen Sm std. (13. Jh.), mhd. gros(se). Die Lautform

mit -sch- offenbar aus Böhmen mit cˇechischer Aussprache (die böhmischen Groschen gehörten zu den wichtigsten). Entlehnt aus spl. de¯na¯rius grossus ’dicker Denar’ (geprägt seit 1266 in Tours, zuvor 1194 in Venedig; bedingt durch das Bedürfnis nach einer Silbermünze mit größerem Wert); in den Volkssprachen it. grosso, nfrz. gros. Mit auffälliger Lautumsetzung vom Hochdeutschen zum Niederdeutschen ndd. grot (und ne. groat).

Ebenso nndl. groschen, ne. groat; ÞGros. – Wick (1939), 24; Wasser’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. grog, das Steinhauser (1978), 67f.; LM 4 (1989), 1726f.; Röhrich 1 auf ein wind. Wort grog für eine Mischung aus Rum (1991), 585; North (1994), 20f.; EWNl 1 (2003), 249. und Wasser zurückgeht (bezeugt seit 1770). Schon früh ist dann eine Herkunftslegende bezeugt, nach groß Adj std. (9. Jh.), mhd. gro¯z, ahd. gro¯z, as. gro¯t. Aus der das Wort auf den Spitznamen ’Old Grog’ des Adwg. *grauta- Adj. ’groß’, auch in ae. gre¯at, afr. gra¯t. mirals Vernon zurückgeht (zu ne. grogram ’ÜberDaneben steht anord. grautr ’Grütze’, so dass von rock aus Kamelhaar’). Nach der Erzählung soll Adeiner Bedeutung ’grob gemahlen’ auszugehen ist. miral Vernon einen solchen Überrock getragen haben Dieses zu g. *greut-a- ’zerreiben, zermahlen’, das als und nach ihm benannt worden sein. Als er die Anstarkes Verb nur noch in ahd. firgrozzen (PPrät.) beordnung gegeben hatte, Rum mit Wasser zu verdünzeugt ist. Formal entspricht dem Adjektiv lit. graudu`s nen, soll das Mischgetränk von den Matrosen nach ’spröde, bröckelig’, semantisch lit. griauzdu`s ’grob, seinem Spitznamen benannt worden sein. ungeschlacht’. Zur weiteren Etymologie s. ÞGrieß.

377

Abstraktum: Größe; Verb: vergrößern (älter größern); verstärktes Adjektiv: großartig. Ebenso nndl. groot, ne. great; ÞGrieß, ÞGrütze 1. – Röhrich 1 (1991), 585f.; Heidermanns (1993), 256; Hoad, T. F. Current Trends in West Germanic Etymological Lexicography. Hrsg. R. H. Bremmer, J. van den Berg (Leiden 1993), 124–131 (ablehnend); EWNl 2 (2005), 343; EWahd 4 (2009), 650f.

Größenwahn Sm std. (19. Jh.). Zu Größe (Þgroß) und

ÞWahn, auch deutlicher Größenwahnsinn, wozu das Adjektiv größenwahnsinnig. Großhundert Sn ’120 Stück’ (bei bestimmten Wa-

Grummet Groteske Sf erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. gro-

tesque, zunächst als Ausdruck der bildenden Kunst für nicht-natürliche Kombinationen von Menschen-, Tier- und Pflanzen-Teilen. Dieses aus it. grottesco, das eigentlich ’zur Höhle gehörig’ bedeutet (ÞGrotte). Gemeint sind damit antike Malereien, die in Höhlen und verschütteten Räumen entdeckt wurden. Adjektiv: grotesk. Ebenso nndl. (Adj.) grotesk, ne. grotesque(rie), nfrz. grotesque, nschw. grotesk, nnorw. grotesk. – DF 1 (1913), 256f.; Knaak, P.: Über den Gebrauch des Wortes ’grotesque’ (Greifswald 1913); Anderson, R. R.: Beiträge zur Geschichte des Wortes grotesk (Diss. Ohio 1958); Wis, M. NPhM 64 (1963), 129–143; HWPh 3 (1974), 900–902; James, A. R. W. CL 51 (1987), 159–176; EWNl 2 (2005), 345.

ren) per. arch. (17. Jh.). Vielleicht nach dem Vorbild von ne. (dial.) great hundred oder long hundred; zuvor wurde auch zu dieser Einheit meist Þhundert gesagt (andere genauere Bezeichnungen sind ahd. tualepti Grotte Sf ’Felsenhöhle’ std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. ’Zwölfheit’ [Lex Salica], anord. tolfr¢tt hundrad Ñ grotta, dieses aus spl. crupta (auch: ’Gewölbe’), aus l. ’Zwölferhundert’). Bei den Germanen gab es außer crypta, aus gr. kry´pte¯. dem als indogermanisch gesicherten dezimalen HunEbenso nndl. grot, ne. grotto, nfrz. grotte, nschw. grotta, nnorw. dert auch ein duodezimales. Das Großhundert hält grotte; ÞKrypta. – DF 1 (1913), 257; Wis, M. NPhM 64 (1963), sich am längsten im Handel an der Seeküste. 129–143; EWNl 2 (2005), 345. Grossist Sm ÞGros. großkotzig Adj std. vulg. (19. Jh.). Gelangt aus Berlin in

die Hochsprache. Vergröbernder Ausdruck für ’jmd., der in großem Bogen spuckt’. großmütig Adj std. (14. Jh.). Ersetzt älteres ahd. mih-

hilmuotig; offenbar Lehnübersetzungen von l. magnanimus. Großmutter Sf (Großvater m.) std. (14. Jh.). Eine Be-

Grube Sf std. (8. Jh.), mhd. gruobe, ahd. gruoba, mndl.

groeve. Aus g. *gro¯bo¯ f. ’Grube’, auch in gt. groba, anord. gro´f. Dehnstufiges Abstraktum zu g. *grab-a’graben’. Diminutiv: Grübchen. Ebenso nndl. groeve; Þgraben. – Röhrich 1 (1991), 587; EWNl 2 (2005), 340; EWahd 4 (2009), 662–664.

grübeln Vsw std. (9. Jh.), mhd. grübelen, ahd. grubilo¯n.

Mit unregelmäßigem Ablaut gebildet zu Þgraben als Iterativbildung. Vielleicht gehört das Wort aber eher als ’herumtasten’ zu der Sippe von Þgrapsen usw.; vgl. ndd. grubbeln, nndl. grobbelen ’herumtasten, herumwühlen’. Nomen Agentis: Grübler; Adjektiv: grüblerisch.

zeichnungsweise, die seit dem 14. Jh. für deutsch, niederländisch, französisch und englisch bezeugt ist. Ausgangspunkt der semantisch durchsichtigen Bildungen ist offenbar das Französische. Grund für die rasche Verbreitung war wohl die klare UnterscheiEWahd 4 (2009), 653f. dungsmöglichkeit von Maskulinum und Femininum Grüezi Grußformel per. schwz. (20. Jh.). Gekürzt aus gegenüber älterem ÞAhn. Ein Wort für ’Großvater’ (Gott) grüße (euch). (und wohl auch ’Großmutter’) hat es in der GrundReuter (1906), 33–36. sprache wohl nicht gegeben, da hier das Oberhaupt der Familie generell der ’Vater’ war. Bei Bedarf konn- Gruft Sf std. (9. Jh.), mhd. gruft, ahd. gruft, kruft ’Höhle, Schlupfwinkel; Graben, Krypta’. In welchem te er als der ’alte’ oder ’große’ Vater bezeichnet werUmfang hier eine Ableitung von Þgraben mit unreden. gelmäßigem Ablaut und eine Entlehnung aus l. crypta Risch, E. MH (1944–47), 118–121; Erben, J. FS Dam (1977), zusammengespielt haben, lässt sich nicht mehr mit 101–113; Müller (1979), 17–69; Röhrich 1 (1991), 586f.; Sicherheit bestimmen. EWNl 2 (2005), 343. Großtat Sf std. (17. Jh.). Rückbildung aus dem schon

grummeln Vsw ’brummen’ erw. stil. (18. Jh.). Lautmaseit dem 15. Jh. bezeugten Adjektiv großtätig ’groß lerische Bildung. Vgl. Þmurmeln u.ä. – EWNl 2 (2005), 341. handelnd, kraftvoll, machtvoll’, das wohl eine Lehnübersetzung zu l. ma¯gnificus ’großartig, prachtvoll’ Grummet Sn ’zweite Heuernte’ per. reg. (13. Jh.), mhd. (aus l. ma¯gnus ’groß’ und l. facere ’machen, tun’) ist, grüenma¯t, grummat. Aus ÞMahd und einer umlautzusammengesetzt mit Þgroß und tätig (zu ÞTat). losen Variante zu Þgrün, die noch im SchweizerdeutRuppel (1911), 39f. schen gut bezeugt ist. Dort auch die Bedeutung Großvater Sm ÞGroßmutter. ’frisch, jung’, die hier wohl zugrunde liegt, also ’Schnitt der jungen (nachgewachsenen) Triebe’. großzügig Adj std. (19. Jh.). Zusammengebildet aus in

großen Zügen.

Ruppenthal, G.: Der zweite Grasschnitt in deutscher Synonymie (Gießen 1950); Steinhauser, W. ZM 20 (1952), 65–92; Bruch, R. BGDSL-T 79 (1957), 406–412; Röhrich 1 (1991), 587–589.

grün

378 grün Adj std. (8. Jh.), mhd. grüene, ahd. gruoni, as.

gro¯ni. Aus g. *gro¯-ni- Adj. ’grün’, auch in anord. grœnn, ae. gre¯ne, afr. gre¯ne. Mit ni-Suffix abgeleitet von g. *gro¯-a- ’wachsen’, als starkes Verb in anord. gro´a, ae. gro¯wan, als schwaches Verb in afr. gro¯ia, ahd. gru¯¯en. Ausgangsbedeutung also ’wachsend’. Verb: grünen; Modifikationsbildung: grünlich. Ebenso nndl. groen, ne. green, nschw. grön, nisl. grœnn. S. auch ÞGroden, ÞGrummet, ÞSingrün. – Schwentner (1915), 62–66; Seebold, E. (1970), 242f.; Hundsnurscher, F. Poetica 28 (1988), 75–103; Knobloch, J. SD 35 (1991), 172–174; RGA 8 (1991), 209; Röhrich 1 (1991), 589f.; Heidermanns (1993), 260f.; Solta, G. R. Sprache 12 (1966), 26–47 (zur Morphologie); EWNl 2 (2005), 338f.; EWahd 4 (2009), 667f.

Grund Sm std. (8. Jh.), mhd. grunt, ahd. grunt, as.

Gründonnerstag Sm std. (15. Jh.). Zusammensetzung

mit Þgrün und ÞDonnerstag, jedoch schon vorher (13. Jh.) als Fügung mhd. der grüene donerstac. Die wohl richtige Deutung geht darauf zurück, dass in der Liturgie eine Woche nach dem sie beginnenden Sonntag benannt wird, die Karwoche also auch nach dem Palmsonntag (dominica palmarum – hebodmada palmarum). Der Palmsonntag heißt aber auch grüner Sonntag und die Karwoche die grüne Woche (aus dem gleichen Grund wie Palmsonntag, weil nämlich der Gottesdienst mit grünen Zweigen begangen wurde, in Erinnerung an den Einzug Jesu in Jerusalem, an dem ihm mit Palmzweigen gehuldigt wurde). Der Gründonnerstag ist also der Donnerstag, der auf den grünen Sonntag folgt. Sowohl das Essen grüner Kräuter an diesem Tag wie auch die Bezeichnung der Grünen nach Lk 23,31, womit die an diesem Tag von Sünden und Kirchenstrafen Freigesprochenen gemeint sein sollen, ist deutlich später bezeugt und deshalb wohl von der bereits bestehenden Bezeichnung dieses Donnerstags als ’grünem’ abhängig. Vgl. immerhin die Bezeichnung ÞAntlaßtag ’Tag des Erlasses (der Sünden und Kirchenstrafen), des Ablasses’ für den Gründonnerstag. Weitere Bezeichnungen sind Hoher Donnerstag (14. Jh.), Großer Donnerstag (15. Jh.), Guter Donnerstag (16. Jh.).

grund. Aus g. *grundu- ’Grund, Boden’, auch in gt. grundu-, anord. grunnr, ae. grund, afr. grund. Die außergermanischen Vergleichsmöglichkeiten sind problematisch: Einerseits air. grindell ’Grund eines Sees, Untergrund’, das (ig.) *g hrnd h- voraussetzen würde; ˙ dem widerspricht auf der germanischen Seite offensichtlich das Nordische, das *g hrnt- vorauszusetzen scheint. Auf der anderen Seite lit.˙ pa˜grindas ’Grundlage, Fundament’ mit dem gleichen formalen Problem und außerdem klaren Verbindungen zu Wörtern für ’Brett, Bohle’, so dass in diesem Fall an einen künstlichen Boden zu denken ist. Muss vorläufig als HWDA 3 (1931), 1186f.; Jeske, H. SW 11 (1986), 82–109 (anders ungeklärt gelten. Verb: gründen (Þbe-, Þer-); dazu das [Umdeutung von ahd. grun m./f. ’Jammer, Unglück’]); LM 4 (1989), 1752f.; Wanzeck (2003), 104–109. Nomen Agentis: Gründer; Adjektive: gründlich, grundlos. Bedeutungsspezialisierungen besonders zu Grundriss Sm std. (17. Jh.). Zu ÞRiss in der Bedeutung ’Landbesitz’ (Grundbesitz, Grundstück), ’Fundament’ ’Zeichnung’ und ÞGrund in der Bedeutung ’Boden, (Grundlage, -satz, -riss) und ’Ursache’ (begründen, unterste Lage, Fundament’. grundlos). Grünschnabel Sm ÞGelbschnabel. Ebenso nndl. grond, ne. ground, nschw. grund, nisl. grunnur; ÞGrundel, Þgründeln. – Kunisch, H.: Das Wort ’Grund’ (Münster 1929); HWPh 3 (1974), 902–910; Röhrich 1 (1991), 590f.; EWNl 2 (2005), 341f.; EWahd 4 (2009), 657–659.

Grundbirne Sf ÞErdapfel. Grundel Smf (auch Gründel m., Gründling m.) ’ein

Fisch’ erw. fach. (11. Jh.), mhd. grundel, grundelinc m., ahd. gruntila, grundila f. So benannt, weil sich dieser Fisch gerne am ÞGrund des Wassers aufhält. EWNl 2 (2005), 342.

gründeln Vsw ’mit dem Oberkörper ins Wasser tau-

chen, um Nahrung zu suchen’ (von Enten usw.) per. fach. (16. Jh.). Von ÞGrund abgeleitet; vielleicht aber nur Sekundärmotivation zu älterem grüdeln ’stochern’. grundieren Vsw erw. fach. (18. Jh.). Mit Fremdsuffix

von ÞGrund abgeleitet (neben etwas älterem gründen). Zur Bildungsweise vgl. schattieren (ÞSchatten), lackieren (ÞLack), Þschraffieren im gleichen fachsprachlichen Bereich. Gründling Sm ÞGrundel.

Grünspan (auch umgekehrt: Spangrün) Sm erw. fach.

(15. Jh.), spmhd. grüenspa¯n, grüenspa¯t. Lehnübersetzung zu ml. viride hispanicum n. ’spanisches Grün’, weil von dort Kupferoxyd nach Deutschland exportiert wurde. Schon seit früher Zeit auch Grünspat (ÞSpat 1) durch Nachdeutung des Wortes. Ebenso ne. Spanish green, nschw. spanskgröna, nnorw. spanskgrønt, nisl. spansk-gr¢na.

grunzen Vsw std. (9. Jh.), mhd. grunzen, ahd. in grun-

nizo¯d, grunnizo¯t ’das Grunzen’. Entsprechend ae. grunnian; Intensivbildung zu erst frühneuhochdeutsch belegtem grunnen gleicher Bedeutung, das wie l. grundı¯re, grunnı¯re und gr. gry´zein lautmalend ist. Ebenso ne. grunt. – Hauschild, O. ZDW 12 (1910), 41–44; Kretschmer, P. Glotta 13 (1924), 135; Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 205f.; EWahd 4 (2009), 661f.

Gruppe Sf std. (18. Jh.). Zunächst als Terminus der bil-

denden Kunst entlehnt aus frz. groupe m., das seinerseits aus it. gruppo m. entlehnt ist. Weitere Herkunft unklar. Verb: gruppieren. Ebenso nndl. groep, ne. group, nschw. grupp, nnorw. gruppe. – Kranemann (1958), 107–112; Eusebi, M. ASNSL 198 (1962), 30–32 (anders); EWNl 2 (2005), 339.

Gulden

379 Grus Sm ’Zerbröckeltes’ per. reg. (18. Jh.). Ursprünglich

niederdeutsches Wort, dem obd. Graus ’Sandkorn’ entspricht. Mhd. gru¯z m./f., vergleichbar mit ae. grytta f. ’grobes Mehl’. Mit untypischem Vokalismus wie ÞGrieß zu g. *greut-a- ’zerreiben’. gruseln Vsw std. (17. Jh.). Für älteres mhd. griuseln. In-

tensivbildung zu Þgrausen. Adjektiv: gruselig; eine moderne Scherzbildung ist Grusical ’Gruselgeschichte’ im Anschluss an ne. musical.

aber wohl älter; mhd. gucken-berglin ’verstecken spielen’. Herkunft unklar. Wenn das Wort alt ist, kann es als g. *gugg- zu ig. *g heug´ h- ’verstecken’ gehören, vgl. ai. gu¯´hati ’verbirgt, verhüllt, versteckt’, lit. gu¸˜ˇzti ’zudecken’, lit. gu¯ˇzine˙´ti ’mit kleinen Schritten in gebückter Haltung gehen, Blindekuh spielen usw.’ Die Bedeutung wäre dann ’aus einem Versteck herausspähen’, was zu den deutschen Bedeutungen recht gut passt.

grüßen Vsw std. (8. Jh.), mhd. grüezen, ahd. gruozen, as. Gucks Sm ÞJux. gro¯tian aus wg. *gro¯t-eja- Vsw. ’grüßen’. Weder in den Guerilla Sm ’Kleinkrieg’ erw. exot. ass. (19. Jh.). Ent-

germanischen noch in den außergermanischen Spralehnt aus span. guerilla f., einem Diminutivum zu chen ist klares Vergleichsmaterial zu finden. Die span. guerra f. ’Krieg’, aus anfrk. *werra ’Streit’. AusSippe mit dem Vst. gt. gretan, anord. gra´ta ’weinen’ als gangspunkt für den späteren Gebrauch ist span. parZentrum ist semantisch nicht anschließbar und sonstida de guerilla, das ungefähr ’Spähtrupp’ bedeutet, tige Bildungen auf der Grundlage von gm. *gro¯t- falverkürzt zu guerilla im 19. Jh. Es wird dann im spalen in der Bedeutung weit auseinander (vgl. etwa nischen Unabhängigkeitskrieg (1808) gebräuchlich und weiter entlehnt. EWahd), so dass sie zunächst besser außer Betracht bleiben. Bei diesem Stand der Dinge ist es erwägensEbenso nndl. guerrilla, ne. guerrilla, nfrz. gue´rilla, nschw. gerilla, nnorw. gerilja. Zur germanischen Verwandtschaft s. wert, an eine Entlehnung auf der Stufe von l. gra¯tus Þwirr. – DF 1 (1913), 257f.; EWNl 2 (2005), 348. ’willkommen, erfreulich’ (zu dem etwa auch gratulieren gehört) zu denken, doch ist im Lateinischen selbst Gufe Sf ÞGlufe. kein genaues Vorbild zu erkennen. Das lateinische Gugelhopf (auch Gugelhupf) Sm ’ein Gebäck’ per. reg. Wort ist eine t-Bildung zu der Wurzel ig. g wer¡– (17. Jh.). Zu mhd. gugel(e) f. ’Kapuze’ (aus l. cuculla) ’loben, preisen’. Abstraktum: Gruß. und einer Nebenform von ÞHefe. Nach der Form Ebenso nndl. groeten, ne. greet. S. auch Þgrässlich. – Bruckund der ursprünglichen Machart (Hefeteig) benannt. ner, W. SAV 37 (1939), 65–86; Seebold (1970), 241; Classen (1995), 34–37; EWahd 4 (2009), 669–671; EWNl 2 (2005), 339f.

Güggel Sm ÞGockel.

Grütze Sf std. (9. Jh.), mhd. grütze n./f., ahd. gruzzi n., Guillotine Sf ’Fallbeil’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus 1

mndd. grutte, mndl. gort(e). Aus wg. *grutjo¯ f. ’Grütze’, eigentlich ’Grobgemahlenes’, auch in ae. grytta. Wie ÞGrieß zu g. *greut-a- Vst. ’zerreiben, zermahlen’. Ebenso nndl. gort, ne. grits. S. auch Þgroß. – RGA 13 (1999), 100f.; EWNl 2 (2005), 346; EWahd 4 (2009), 676.

Grütze2 Sf ’Verstand’ std. vulg. (17. Jh.). Vermutlich zu

fnhd. kritz in der Nase haben ’naseweis sein, sich klug dünken’. Herkunft unklar. Vielleicht zu kritz ’Kitzel’. Seebold (1970), 242; Röhrich 1 (1991), 597f.

Gspusi Sn ’Liebschaft, Liebste(r)’ per. oobd. (19. Jh.).

Weiterbildung mit ge- zu einer Entlehnung aus it. sposa f. ’Braut’, it. sposo m. ’Bräutigam’. Dieses aus l. spo¯nsus m. ’Bräutigam’, l. spo¯nsa f. ’Braut’ (ÞGespons). Ebenso ne. (Adj.) sponsal (’hochzeitlich’).

Guano Sm ’organischer Dünger aus Exkrementen von

Seevögeln’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus span. guano, dieses aus Ketschua huanu. Ebenso nndl. guano, ne. guano, nfrz. guano, nschw. guano, nnorw. guano. – DF 1 (1913), 257; Palmer (1939), 41f.; Lüschen (1979), 234; EWNl 2 (2005), 348.

gucken Vsw std. stil.gelegentlich unter Einfluss des ent-

sprechenden ndd. Þkieken kucken geschrieben (15. Jh.). Erst seit dem Mittelhochdeutschen belegt,

frz. guillotine, das zurückgeht auf den Namen des Befürworters dieser Hinrichtungsart, dem französischen Arzt Guillotin. Ebenso nndl. guillotine, ne. guillotine, nschw. giljotin, nnorw. giljotin.Ersatzwort ist Fallbeil. – DF 1 (1913), 258; Schoppe, G. ZDW 15 (1914), 186; Röhrich 1 (1991), 598; EWNl 2 (2005), 348.

Gulasch Smn std. (19. Jh.). Entlehnt aus ung. gulya´s

(hus), eigentlich ’Fleisch der Rinderhirten’, zu ung. gulya´s ’Rinderhirt’, zu ung. gulya ’Rinderherde’. Gemeint war ursprünglich eine Speise, die heute Gulaschsuppe heißen würde (sie enthielt auch Kartoffelstückchen). Was wir Gulasch nennen, geht auf eine Wiener Anpassung zurück und heißt auf ungarisch pörkölt (’Geröstetes’). Ebenso nndl. goelasj, ne. goulash, nfrz. goulache, nschw. gulasch, nnorw. gulasj. – DF 1 (1913), 258; EWNl 2 (2005), 312.

Gulden Sm erw. fach. (14. Jh.). Bei Goldmünzen wird

häufig das Material genannt, so mndl. gulden florijn ’goldener Florin’ (ursprünglich aus Florenz), mhd. guldı¯n pfenninc u.a. Das Wort wird dann als Währungsbezeichnung fest; zuletzt galt es für den niederländischen Gulden (abgekürzt fl. für ÞFlorin). Dabei wird an die ursprüngliche Materialbezeichnung nicht mehr gedacht, so dass früher auch Silbergulden möglich war. Ebenso nndl. gulden; ÞGold. – LM 4 (1989), 1790f.; EWNl 2 (2005), 350.

Gülle

380 Gülle Sf erw. wobd. (13. Jh., tunggulla 8. Jh.; Bedeutung

16. Jh.), mhd. gülle ’Lache, Pfütze, Pfuhl’. Wohl zu mndd. göle ’Sumpf’, nschwed. göl ’Pfütze, Tümpel’. Die Bedeutung ’Mistjauche’ erst wesentlich später. Gully Sm ’Abfluss’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne.

gully, wohl einer Nebenform von ne. gullet ’Schlund’, dieses aus afrz. goulet, einem Diminutivum zu afrz. gole, goule ’Kehle’, aus l. gula f. Ebenso ne. gully; ÞKehle 1.

Gült(e) Sf ’Schuld, Zins’ per. arch. (12. Jh.), mhd. gülte,

gilte. Ableitung von Þgelten. gültig Adj std. (14. Jh.), mhd. gültic ’zu zahlen ver-

pflichtet, wert’. Zu mhd. gülte ’Zahlung, Schuld, Wert’, das zu Þgelten (und ÞGült(e)) gehört. EWNl 2 (2005), 212.

Gummi Smn std. (13. Jh.). Im Mittelhochdeutschen

(gummi) entlehnt aus ml. gummi, dieses aus l. cummi n., cummis f., aus gr. ko´mmi n., das auf ein ägyptisches Wort zur Bezeichnung eines Harzes zurückgeht. Verb: gummieren.

Wahmann (1937); EWahd 1 (1988), 265–267; Röhrich 1 (1991), 598f.; Blanc, A. BSL 90 (1995), 179–229; EWNl 2 (2005), 353.

Gur Sf ÞKieselgur. Gurgel Sf std. (9. Jh.), mhd. gurgel, ahd. gurgula, mndd.

gorgel(strate). Entlehnt aus l. gurgulio m. ’Luftröhre’, das das mit ihm urverwandte ahd. querca(la) verdrängt. Verb: gurgeln. Ebenso nndl. gorgel, ne. (Vb.) gurgel, nfrz. gorge, nschw. (Vb.) gurgla, nnorw. (Vb.) gurgle. – Goldberger, W. Glotta 18 (1930), 34; Röhrich 1 (1991), 599; EWNl 2 (2005), 309; EWahd 4 (2009), 701–703.

Gurke Sf std. (16. Jh.). In verschiedenen Formen be-

zeugt (österr. umurke, ndd. augurke usw.). Entlehnt aus poln. ogurek m. (heute ogo´rek m.), das seinerseits (mit anderen slavischen Wörtern) aus mgr. a´govros ’unreif’ stammt. Die süddeutsche Form Guckummer stammt dagegen aus l. cucumis (-mesis) m., cucumer, das wohl aus einer Substratsprache kommt. Ebenso nndl. augurk, nschw. gurka, nnorw. agurk, nisl. gu´rka. – Wick (1939), 25f.; Marzell 1 (1943), 1256f.; Bielfeldt (1965), 29; Eichler (1965), 43; Bellmann (1971), 97–99; Steinhauser (1978), 50–52; Röhrich 1 (1991), 599; EWNl 1 (2003), 182.

Ebenso nndl. gummi, gom, ne. gum, nfrz. gomme, nschw. gummi, nnorw. gummi, nisl. gu´(m)mi. – DF 1 (1913), 258f.; LittGurre Sf ’schlechte Stute’ per. reg. (13. Jh.), mhd. gurre, mann (1924), 12; Röhrich 1 (1991), 598; EWNl 2 (2005), 305f., gorre. Herkunft unklar. 352 f.; EWahd 4 (2009), 680f. Vgl. ÞGaul; ÞGör. Gumpe (auch Gumpen) Sf ’tiefe Stelle im Wasser’ per.

wobd. (14. Jh.), mhd. gumpe m. ’Wasserwirbel’. Herkunft unklar; vielleicht zu gumpen ’springen’ (ÞGimpel). EWahd 4 (2009), 682f.

Gundelrebe Sf per. fach. (11. Jh., guntreba 9. Jh.), mhd.

grunderebe, ahd. guntreba, gundareba. Vielleicht aus *gruntreba nach den Ausläufern am Boden und in Anlehnung an die lateinische Bezeichnung hedera terrestris so benannt (vgl. auch die Bezeichnung ErdEfeu). Im 12. Jh. wird der Pflanzenname in Anlehnung an den Männernamen Gundram umgebildet zu ahd. gunderam m.; daraus später Gundermann (seit dem 17. Jh.). Loewe, R. BGDSL 60 (1936), 164–166; Marzell 2 (1972), 699–704; EWahd 4 (2009), 686–688.

Günsel Sm (früher auch f.) (Wiesenpflanze) per. fach.

gurren Vsw std. (14. Jh.), mhd. gurren. Lautmalende

Bildung. gürten Vsw std. (9. Jh.), mhd. gürten, gurten, ahd. gur-

ten. Aus g. *gurd-ja- Vsw. ’gürten’, auch in anord. gyrdaÑ , ae. gyrdan, afr. un-e-gert ’ungegürtet’. Dazu Gürtel aus g. *gurd-ila- in anord. gyrdiÑ ll, ae. gyrdel, afr. gerdel, ahd. gurtil, mhd. gürtel m./f./n. (?). Die Wörter gehören zu der ig. Sippe *g herd h- ’Umfassung’ (ÞGarten), in der aber keine Primärverben bezeugt sind. Deshalb ist gt. bigaurdans ’gegürtet’ wohl auch nicht Rest eines starken Verbs, sondern sekundäre Nominalbildung. Auffällig ist immerhin der Ablaut in *gerdo¯ f. ’Gürtel’ (gt. gairda). Ein weiteres Konkretum ist Gurt. Ebenso nndl. gorden, ne. gird, nschw. gjorda, nisl. gyrdaÑ . – Seebold, E. (1970), 225; RGA 13 (1999), 158f. (Gürtel); EWNl 2 (2005), 308f.; EWahd 4 (2009), 703–705.

(11. Jh.), ahd. kunsele. Entlehnt aus l. co¯nsolida f., it. Guru Sm ’religiöser Lehrer im Hinduismus’ per. fremd. consolida f. (zu l. co¯nsolida¯re ’festmachen’); dieses ist (20. Jh.). Entlehnt aus hindı¯ guru¯, dieses aus ai. guru´-, wiederum ein Lehnübersetzung aus gr. sy´mphyton n. eigentlich ’schwer, gewichtig’. ’Zusammenwachsen’ als Bezeichnung für HeilpflanEbenso nndl. goeroe, ne. guru, nfrz. gourou, guru, nschw. guru, zen, die das Zuheilen von Wunden fördern (vgl. nnorw. guru; Þgravitätisch. – EWNl 2 (2005), 304. ÞBeinwell). Guss Sm std. (10. Jh.), mhd. guz, ahd. guz, mndd. gote f. Gunst Sf std. (9. Jh., Form 13. Jh.), mhd. gunst m., Aus wg. *guti- m. ’Guss’, auch in ae. gyte. Verbalabmndd. gunst m./f . Entsprechend ahd. unst m., ahd. straktum zu Þgießen. abunst m./f.; as. abunst ’Missgunst’. Ein ti-AbstrakRöhrich 1 (1991), 600; EWahd 4 (2009), 708. tum (mit s-Einschub) zu ahd. g(i)unnan ’gönnen’ (s. gönnen). Adjektiv: (un)günstig, dazu die Präfixablei- Gusto Sm ’Neigung, Lust’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus it. gusto, zu l. gusta¯re ’kosten’. tung: begünstigen; verneinte Form: Un-, Missgunst. Günstling ist Ersatzwort für ÞFavorit.

Ebenso ne. gusto. Für die deutsche Verwandtschaft s. Þkosten; Þgoutieren. – DF 1 (1913), 259.

381

Gynäkologie

gut Adj std. (8. Jh.), mhd. guot, ahd. guot, as. go¯d. Aus g.

geistige Ausbildungsstätte (zunächst Universitäts*go¯da Adj. ’trefflich, gut’, auch in gt. gods, anord. schulen, dann verallgemeinert) beschränkt (vgl. dago´drÑ , ae. go¯d. Am besten vergleicht sich dem Sinn gegen ne. gymnasium ’Turnhalle’). Adjektiv: nach gr. agatho´s ’gut, tüchtig, trefflich’, das als Entgymnasial; Täterbezeichnung: Gymnasiast. sprechung zu g. *go¯da- eigentlich *akatho´s lauten Ebenso nndl. gymnasium, ne. gymnasium, nfrz. gymnase, nschw. gymnasium, nnorw. gymnas. Zur möglichen germanimüsste. Dieses ist in der Form gr. akatho´n, allerdings schen Verwandtschaft s. Þnackt; ÞGymnastik. – DF 1 (1913), nur als Glosse, bezeugt. Eine weitere Verbindung mit 259f.; Nyström (1915), 23–26; EWNl 2 (2005), 355. der Sippe von ÞGatte ist möglich. Die Ausgangsbedeutung wäre dann ’passend’. − Häufig substantiviert Gymnastik Sf std. (18. Jh.). Bereits früher bei der Be(Gut n.) im Sinne von ’Vermögen’. Als zweiter Beschreibung antiker Verhältnisse: l. gymnastica ars, gr. gymnastike¯´ (te´chne¯). Zugrunde liegt das griechische standteil von Komposita des Typs Saatgut oder DieWort für ’nackt’ (gr. gymno´s), aus dem ein Wort für besgut ist diese Substantivierung zu einem Halbsuffix (-gut) verblasst. Modifikation: gütlich. denjenigen gebildet wird, der sich mit bloßem Körper sportlich betätigt (gr. gymnaste¯´s), speziell der Trainer Ebenso nndl. goed, ne. good, nschw. god, nisl. go´duÑ r. – Schmidt, F.: Zur Geschichte des Wortes ’gut’ (Diss. Berlin solcher Leute. Hierzu das Zugehörigkeitsadjektiv, das 1898); Mitzka, W. BGDSL 58 (1934), 319–321; Bartoli, M. wieder allgemeinere Bedeutung hat (’zur sportlichen AGI 32 (1940), 97–114; Röhrich 1 (1991), 601; Heidermanns Betätigung gehörend’). Adjektiv: gymnastisch. (1993), 250f.; Anttila, R. HS 109 (1996), 237–240; EWNl 2 (2005), 301; EWahd 4 (2009), 694–697.

guttural Adj ’kehlig, im Bereich der Kehle gebildet’ per.

fach. (17. Jh.). Neoklassische Bildung zu l. guttur ’Kehle’. Ebenso nndl. gutturaal, ne. guttural, nfrz. guttural, nschw. guttural, nnorw. guttural.

Gymnasium Sn ’Oberschule’ std. (15. Jh.). Entlehnt aus

gr. gymna´sion ’Übungs- und Ausbildungsstätte’, einer Ableitung von gr. gymna´zesthai ’(sich mit bloßem Körper) sportlich betätigen’, zu gr. gymno´s ’nackt’. In den Gymnasien lehrten auch Philosophen, so dass sie eine Stätte der allgemeinen Ausbildung waren. Im Zeitalter des Humanismus dann auf die

Ebenso nndl. gymnastiek, ne. gymnastics, nfrz. gymnastique, nschw. gymnastik, nnorw. gymnastikk; ÞGymnasium. – DF 1 (1913), 260; Cottez (1980), 177; EWNl 2 (2005), 355f.

Gynäkologie Sf ’medizinische Fachrichtung für Frau-

enkrankheiten und Geburtshilfe’ per. fach. (18. Jh.). Neoklassische Bildung aus Þ-logie und gr. gyne¯´ (-naiko´s) ’Frau’. Ebenso nndl. gynaecologie, ne. gyn(a)ecology, nfrz. gyne´cologie, nschw. gynekologi, nnorw. gynekologi; Þandrogyn. – Cottez (1980), 177f.; EWNl 2 (2005), 356.

H

Haar1 Sn std. (8. Jh.), mhd. ha¯r, ahd. ha¯r, as. ha¯r. Aus g. Haber Sm ÞHafer.

*h¢ ¯ ra- n. ’Haar’, auch in anord. ha´r, ae. h¢ ¯ r, he¯r (im Haberfeldtreiben Sn ’nächtliches Rügegericht, besonGotischen steht dafür tagl; ÞZagel). Am ehesten urders wegen sexueller Ausschreitungen’ per. oobd. sprünglich ein dehnstufiger kollektiver s-Stamm, der (18. Jh.). In später Zeit so erklärt, dass gefallene Mädsich vergleichen läßt mit lit. ˇsery˜s m. ’Borste, (Tier-) chen in ein Haberfeld und wieder zurückgetrieben Haar’, lit. ˇsiry˜s ’Haar’ (ig. *k´er-, k´r); mit s erweitert wurden. Dies ist aber wohl erst aus dem Wort heraus˙ ˘ f. ’Wolle’. Wei(Reflex eines s-Stammes?) russ. ˇserstı gesponnen, das möglicherweise aus Haber-Fell tere Herkunft unklar. Verb: haaren; Adjektiv: haarig. ’Bocksfell’ (ÞHabergeiß) entstellt ist. Alle EinzelheiEbenso nndl. haar, ne. hair, nschw. ha˚r, nisl. ha´r; Þhären. – ten sind aber unklar. Adams, D. Q. JIES 16 (1988), 69–93; Röhrich 1 (1991), 603–608; EWNl 2 (2005), 360; EWahd 4 (2009), 826–828.

Haar2 Sm ’(nicht zubereiteter) Flachs’ per. fach. (8. Jh.),

Schmeller 1 (1872), 1033f.; Jaekel, H. ZSSR-GA 40 (1906), 121; Queri, G.: Bauernerotik und Bauernfehme (München 1911), 57–162; Röhrich 1 (1991), 610f.

mhd. har, ahd. har(o). Aus g. *hazwa- m. ’Flachs’, Habergeiß Sf ’Sumpfschnepfe’ per. reg. (15. Jh.). Wie auch in anord. ho¸rr, afr. her. Vermutlich zu ig. *kesHimmelsziege eine Übertragung eines anderen Tier’kämmen’ in heth. kisˇai- ’kämmen’, akslav. ˇcesati namens (wegen der meckernden Geräusche beim ’kämmen, abstreifen’, lit. kasa` f. ’Haarflechte’, mir. cı´r Balzflug). Das Wort ist eine Zugehörigkeitsbildung zu f. ’Kamm’ und vielleicht gr. ke´skeon ’Werg’, also ’das einem alten Wort für ’Ziegenbock’, ae. h¢fer m., zu Kämmende’(?). anord. hafr m.; außergermanisch in l. caper m. ’Ziegenbock’ (und gr. ka´pros ’Eber’). Eine unregelmäßige Ebenso nisl. hör; ÞHede, Þhären. – EWahd 4 (2009), 828, 841–843. Variante mit Gemination und Ausfall des -r ist nhd. dial. Happe ’Ziege’. Weitere Herkunft umstritten. haarscharf Adj std. (18. Jh.). Wohl mit ÞHaar 1 zusamFür die lateinische Verwandtschaft s. ÞKapriole; ÞHafer, mengesetzt (vgl. um ein Haar). Anders Mitzka: eine ÞHippe 2. – Suolahti (1909), 276–278; Lochner-HüttenVerdeutlichung von mhd. har(e) ’herb, bitter, rau, bach, F. FS Pokorny (Innsbruck 1967), 51–55; Flechsig (1980); scharf’ (Þherb); doch dürfte dieses Wort schon früh Schauwecker (1992). ausgestorben sein, so dass es wohl nicht mehr zu diehabhaft Adj std. phras. (15. Jh.). In einer Sache habhaft ser späten Bildung führen konnte. werden u.ä. Ursprünglich ’mit Habe versehen, wohlMitzka, W. HBV 49/50 (1958), 154f. habend’; mit Þwerden (seit dem 16. Jh.) ’etwas behaben Vsw std. (8. Jh.), mhd. haben, ahd. habe¯n, as. kommen’; daraus die heutige Bedeutung. hebbian. Aus g. *hab-¢ ¯ - Vsw. ’haben’, auch in gt. haHabicht Sm std. (8. Jh.), mhd. habech, habich, ahd. haban, anord. hafa, ae. habban, afr. habba, hebba; Dubuh, habech, as. havuk. Aus g. *habuka- m. ’Habicht’, rativum zu g. *haf-ja- ’heben’ (Þheben); dem Sinn auch in anord. haukr, ae. hafoc, heafoc. Das -t im nach näher zu l. capere ’fassen, greifen’: Was man erDeutschen ist sekundär angetreten. Außergermagriffen hat, das hat, besitzt man. Ganz parallel gehört nisch vergleicht sich (unter ig. *kab h-) russ. ko´bec l. habe¯re ’haben’ zu Þgeben (aus ig. *g heb hh h h h ’Bienen-, Wespenfalke’. Es kann ig. *kap- ’packen, ’nehmen’); *kap- und *g eb -/g ab - sind Parallelgreifen’ zugrunde liegen (Þheben), aber da l. capus wurzeln (ursprünglich Lautgebärde: *kap- usw. ’Falke’ oder ’Habicht’ (unsicher bezeugt) als etrus’zuschnappen’). Konkretum: Habe, als Ausdruck der kisch gilt, ist auch für das germanische und slavische Buchhaltung Haben; Vorderglied eines Kompositums: Wort Entlehnung aus einer Substratsprache nicht Habsucht. ausgeschlossen (dass dennoch von einer Lautgebärde Ebenso nndl. hebben, ne. have, nschw. hava, nisl. hafa; *kap- ’packen’ auszugehen ist, kann erwogen werÞhabhaft, ÞHabseligkeiten, ÞHaft, Þhaschen, Þheben. – Oehl, W. IJVS 1 (1926), 50–61; HWPh 3 (1974), 981–983; Sommer den). Vgl. evtl. l. accipiter ’Habicht’, das aber als *acu(1977), 4; Röhrich 1 (1991), 609f.; Peter, H. Der österreichipeter ’Schnellflieger’ erklärt wird. sche Betriebswirt 11 (1961), 250–265 (zu Soll und Haben); EWNl 2 (2005), 394f.; EWahd 4 (2009), 713–719.

Ebenso nndl. havik, ne. hawk, nschw. hök, nisl. haukur. – Suolahti (1909), 359–362; Benware, W. A. BGDSL-T 101 (1979), 343; Röhrich 1 (1991), 611; EWNl 2 (2005), 393; EWahd 4 (2009), 722–724.

Hader2

383 habilitieren Vsw ’die Lehrberechtigung erwerben bzw.

Hacke1 Sf ’Ferse, Absatz’ erw. ndd. (12. Jh.), mndl. hac.

erteilen’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus ml. habilitare Vielleicht lässt sich anord. hœkill m. ’Hinterfuß’ (bei einem Fell) vergleichen. S. ÞHachse. ’fähig machen’, dieses gebildet zu l. habilis ’leicht zu handhaben, fähig, tüchtig’, einer Ableitung von l. haEbenso nndl. hak. Vgl. ÞHachse. – Röhrich 1 (1991), 611f.; be¯re ’haben, beherrschen, an sich tragen’. AbstrakEWNl 2 (2005), 366. tum: Habilitation. Hacke2 Sf std. (13. Jh.), mhd. hacke. InstrumentalbilEbenso ne. habilitate, nfrz. habilitation, nschw. habil, nnorw. dung zu Þhacken. habilitet. – DF 1 (1913), 260f.

Habitus Sm ’Verhalten, Erscheinungsbild’ per. fremd.

(18. Jh.). Entlehnt aus l. habitus, zu l. habe¯re ’haben, an sich tragen’. Aus der Verwendung des lateinischen Wortes für ’Ordenstracht’ ist heutiges Habit entnommen. Ebenso nndl. habitus, ne. habit, nfrz. habitude, nschw. habitus, nnorw. habitus. S. ÞProhibition für die lateinische Sippe. – DF 1 (1913), 261; LM 4 (1989), 1813–1815; EWNl 2 (2005), 363.

Habseligkeiten Spl std. stil. (17. Jh.). Zu Habseligkeit

’Habe’, das auf ein Adjektiv habselig (und dieses wiederum auf ein *Habsal, wie Labsal, ÞTrübsal) verweist. Möglicherweise ist das Substantiv aber in Analogie zu Armseligkeit, Saumseligkeit usw. gebildet. Hache´ Sn ÞHaschee. Hachel Sf ’Granne, Stachel’ per. omd. (16. Jh.), fnhd.

EWahd 4 (2009), 754.

hacken Vsw std. (11. Jh.), mhd. hacken, ahd. hacko¯n,

mndd. hakken, mndl. hacken. Aus wg. *hakk-o¯- Vsw. ’hacken’, auch in ae. haccian, afr. hakia. Die Bedeutung ist ursprünglich ’aushacken (die Augen, von den Vögeln), in den Fuß stechen (von der Schlange)’ und ’abschlagen, auseinanderschlagen’. Morphologisch handelt es sich um eine Intensivbildung wie Þpicken 1, Þpacken, Þzwicken, Þzucken usw. Weitere Herkunft unklar. Vielleicht näher zu ÞHaken, wenn vom Arbeiten mit Klauen oder gekrümmten Werkzeugen ausgegangen wird. Es gibt für eine solche Annahme aber keine ausreichenden Anhaltspunkte. Ebenso nndl. hakken, ne. hack. S. auch ÞHacke 2, ÞHackepeter, ÞHäcksel, ÞHickhack. – Lühr (1988), 285f.; Röhrich 1 (1991), 613; EWNl 2 (2005), 367.

hachel, hechel. Mit h-Vorschlag zu ahd. ahil. Dieses ist Hackepeter Sm ’Hackfleisch, Mett’ per. ndd. (20. Jh.). Der zweite Bestandteil ist der Personenname Peter. auch in nhd. Achel erhalten und gehört zur VerwandtEin Grund für diese Namensverwendung ist nicht erschaft von ÞÄhre. sichtlich. Vielleicht scherzhaft im Anschluss an (geHachse (auch Hechse, Haxe) Sf ’Unterschenkel und Fuß hackte) ÞPetersilie. Peter wird im Norddeutschen von Mensch und Tier’ per. reg. (10. Jh., hahsnen häufiger appellativ verwendet. Für Personen etwa ’lähmen’ 8. Jh.), mhd. hahsen, hehsen Pl. ’Kniebug der Lügenpeter ’kleiner Lügner’; sonst ÞZiegenpeter für Pferde und Hunde’, Singular selten für ’Schenkel’, eine Krankheit usw. ahd. ha¯hs(i)na ’Achillessehne’. Aus g. *hanh(a)-sinwo¯ f. ’Achillessehne’, auch in anord. ha´sin, ae. ho¯h-sinu, Häcksel Smn ’kleingeschnittenes Stroh’ erw. fach. (16. Jh.). Konkretbildung zu Þhacken. afr. ho¯x(e)ne (mit Bedeutungserweiterung zu ’Wade’ Röhrich 1 (1991), 614. und dann ’Unterschenkel’). Daneben aus g. *hanho¯ ae. ho¯(h) m. ’Ferse, Wade’, und aus *hanhilo¯ anord. Hader1 Sm ’Streit’ erw. obs. (14. Jh.). Zunächst im Osth¢ll m., ae. he¯la, afr. he¯la m. ’Ferse’. Grundbedeutung mitteldeutschen belegt, dann durch Luther in der also ’Fersensehne’ (der Bezug zu ’hängen’ kommt daHochsprache durchgesetzt, aber ein Wort der gehovon, dass Schlachttiere an den Sehnen der Hinterbeibenen Sprache. Vergleichbar ist vor allem akslav. kone aufgehängt werden können). Außergermanisch tora f. ’Streit, Zwist’; auf einfacherer Grundlage g. vergleicht sich lit. kenkle˙˜ ’Kniekehle’, lit. kı`nka *haþu- ’Kampf’ (fast nur in Personennamen bezeugt, ’Kniekehle, Hachse’. Auffällig ist, dass neben diesem vgl. Hadubrand) mit air. cath ’Kampf’; hierzu (näher (ig.) *konk- ein *kalk- mit entsprechender Bedeutung an der Bedeutung von Hader) gr. ko´tos m. ’Groll, existiert (l. calx, calcis f. usw.), ebenso *kag- (nhd. Hass’ und ai. ´satru- m. ’Feind’ (dann muss aber ig. k´ ÞHacke 1) und mit ähnlichen Bedeutungen *koks- (l. vorausliegen und das slavische Wort das Verhalten coxa usw.). einer Kentum-Sprache zeigen). Vielleicht mit unreÞSehne. – Weitzenböck, G. Teuthonista 7 (1930/31), 156f.; gelmäßiger Lautvertretung weiter zu ÞHass. Die EWNl 2 (2005), 361f.; EWahd 4 (2009), 749–752. Lautverhältnisse sind klärungsbedürftig. Verb: hadern. Hackbrett Sn (Musikinstrument) per. fach. (15. Jh.). Udolph (1994), 52. Eigentlich ’Brett zum Hacken von Fleisch usw.’, dann für ein mit Holzschlegeln geschlagenes Saiteninstru- Hader2 Sm ’Lumpen’ per. obd. (10. Jh.), mhd. hader, ment. Die Übertragung kann zwar die Form des Inahd. hadara f. ’Lappen, Schafspelz’, daneben as. hastruments zum Anlass genommen haben, ist aber diÑ lı¯n n. ’Lumpen’, ahd. zi-hadilen ’zerfetzen’. Herwohl scherzhaft bezogen auf die Tätigkeit beim Spiekunft unklar. Auffällig ist die lautliche Nähe von l. len. cento ’aus Flicken zusammengenähtes Kleid’, ai. kanRelleke (1980), 83, 187f. tha¯ f. ’Lumpen, geflicktes Gewand’.

Haderlump ÞHaderlump, ÞHudel. – Belardi, W. RL 4 (1958), 29–57; Hamp, E. P. AION-L 2 (1960), 155–157; Lühr (1988), 120f.; EWahd 4 (2009), 725f.

Haderlump Sm ’Lump’ per. reg. österr. (15. Jh.). Das

Wort haderlump(en) ist ursprünglich eine verdeutlichende Zusammensetzung zu ÞHader 2. Dann, wie das Grundwort, übertragen auf ’(Lumpensammler, in Lumpen Gekleideter), Lump’. Hades Sm ’Totenreich, Unterwelt’ erw. bildg. (18. Jh.).

Entlehnt aus gr. (att.) Ha¯´ide¯s, zunächst einer der Söhne des Kronos und Gott der Unterwelt, dann die Unterwelt selbst. Der Name bedeutet möglicherweise ’der Unsichtbare’ oder ’der nicht Ansehbare’, doch sind sowohl der ursprüngliche Lautstand, wie auch die ursprüngliche Bedeutung umstritten. Ebenso ne. Hades. – LM 4 (1989), 1818f.

Hafen1 Sm ’Topf’ per. obd., nordd. nur in Glückshafen

’Topf für die Lose’ (8. Jh.), mhd. haven, ahd. havan. Herkunft unklar. S. auch ÞHafner. – Trier, J. ZDPh 70 (1947/49), 344f.; Hovda, P.: Norske Fiskeme´d (Oslo 1961), 18–34; Hildebrandt, R. DWEB 3 (1963), 309–319; Röhrich 1 (1991), 614f.; EWahd 4 (2009), 726–728.

Hafen2 Sm ’Schiffshafen’ std. (13. Jh., Form 16. Jh.). Aus

384 Hafner Sm ’Ofensetzer’ per. obd. (9. Jh.), mhd. ha-

ven¢re, ahd. havanari. Zu ÞHafen 1 ’Ofenkachel’. LM 4 (1989), 1836.

Haft Sf std. (9. Jh.). Bei diesem Wort sind folgende Bil-

dungen zu unterscheiden: 1) Das Femininum in der Bedeutung ’Gefangenschaft’ ist eine junge Anpassung an die ti-Abstrakta (mhd. haft f.); älter ist die Bedeutung beim neutralen Genus. 2) Die Bedeutungen mhd. haft m. ’Gefangener’, mhd. haft m. ’Haft’ und ’Fessel’ sind Substantivierungen des unter 3) zu nennenden Adjektivs. Belegt ist anord. hapt n. ’Fessel’, anord. haptr m. ’Gefangener, Leibeigener’, ae. h¢ft m. ’Gefangener, Fessel’, afr. heft(e) ’Haft’, afr. heftene ’Verhaftung, Fessel’, ahd. haft m. ’Fessel’. 3) Das Adjektiv (Partizip Präteritum) g. *hafta- in den Bedeutungen ’behaftet’ und ’gefangen’ in gt. hafts, as. haft, haht, ahd. haft. Zugrunde liegt eine partizipiale toBildung der Wurzel ig. *kap- ’packen, ergreifen’ (s. unter Þheben), wie sie in gleicher Form vorliegt in l. captus ’gefangen’ und den Substantiven air. cacht ’Gefangener, Fessel’, kymr. caeth ’Sklave, Gefangenschaft, Fessel’, l. captı¯vus m. ’Gefangener’. Präfixableitung verhaften ’gefangen nehmen’ (dagegen gehört die ältere Bedeutung ’befestigen’ zu einer Präfigierung von Þhaften).

mndd. have(ne) m./f., das aber wohl wie spae. Þhaben, ÞHeft 1, Þheften, Þinhaftieren. – Heidermanns h¢fen(e) f. aus anord. ho¸fn f. entlehnt ist. Zunächst als (1993), 263f.; EWahd 4 (2009), 730. mhd. habene entlehnt, später mit -f- wie das Niederdeutsche (vielleicht auch Einfluss von ÞHafen 1). Ver- -haft Halbsuffix std. (–). S. das unter ÞHaft aufgeführte Adjektiv ahd. haft. Der alte Kompositionstyp (noch wandt scheint air. cu´an ’Seehafen’ (kelt. *kap-no-). älter: syntaktische Fügungen von g. *hafta- mit DaWeitere Herkunft unklar. Vielleicht zu ÞHaft. tiv-Ergänzung) hat zwei Zweige: Der eine ist vom Typ Kluge (1911), 340–344; LM 4 (1989), 1825–1835; EWNl 2 (2005), as. stedihaft (das in dem Gleichnis vom Sämann ge390. braucht wird, dessen Korn zum Teil auf Steine fiel Hafer Sm std. (10. Jh.), mhd. haber(e), ahd. habaro, as. und dort nicht stedihaft werden konnte, also ’den havoro. Führt mit anord. hafri auf g. *habro¯n m. Platz haltend’). Dieser Typ wurde produktiv in Bil’Hafer’. Air. corca, kymr. ceirch ’Hafer’ (< kelt. dungen mit der Bedeutung ’das, was im Vorderglied *korkkjo-) könnte für das Germanische auf eine ausgedrückt ist, habend’. Der zweite Typ hat im VorGrundform (ig.) *kork wro- (mit Dissimilierung des derglied Ausdrücke wie Gesetz, Sitte, Vertrag usw., ersten -r- und Labial für Labiovelar) führen, so dass z.B. ahd. treuhaft. Dieser Typ spezialisiert sich auf eine andersartige Herkunft (wohl Substratwort) an’den Vertrag (usw.) haltend’. Dieser Typ liefert vor zusetzen wäre. Die Form Hafer ist erst in neuhochallem moralisch wertende Adjektive. Er wird − auf deutscher Zeit aus dem Niederdeutschen eingedrunPersonen angewandt − allmählich immer stärker ausgen. Zuvor obd. ÞHaber. geweitet (’wie es für das, was im Vorderglied steht, Ebenso nndl. haver, nschw. havre, nisl. hafur. – Marzell 1 angemessen ist’), bis er zu der allgemeinen Funktion (1943), 531–533; Bertsch (1947), 78–83; Röhrich 1 (1991), des Typ mädchenhaft wird (’wie es für Mädchen an615–618; Stalmaszczyk, P., Witczak, K. T. LP 34 (1991–1992), gemessen ist, in der Art der Mädchen’). Häufig er83–87; EWNl 2 (2005), 391f.; EWahd 4 (2009), 710–714. weitert mit -ig (wahrhaftig), woraus die regelmäßige Haff Sn ’Küstenbucht hinter Nehrung’ per. ndd. (13. Jh., Abstraktbildung auf -(haft)igkeit. Form 19. Jh.). Die ältere Bedeutung ist ’Wattenmeer, Seebold (1981), 95–97; EWahd 4 (2009), 728–730. Meer’. So in anord. haf, ae. h¢f, afr. hef, mndd. haf, Haftel (auch Heftel, älter Häftel) Smfn ’Häkchen am aus dem mhd. hap ’Meer, Hafen’ entlehnt ist. Die Kleidungsstück, Fiebel, Befestigungspflock’ per. reg. Form Haff mit spezieller Bedeutung wird in der Neu(13. Jh.), mhd. haftel, heftel n. Ursprünglich Dimizeit im Rahmen von Ortsnamen in die Hochsprache nutiv zu ÞHaft in der Bedeutung ’Fessel, Haken’. übernommen. Herkunft unklar. Nach Sausverde haften Vsw std. (9. Jh.), mhd. haften, ahd. hafte¯n, as. Substratwort. hafton. Eigentlich ’hängen bleiben, festhalten’, daHeeger, H. KVNS 73 (1966), 42–47; Sausverde (1996); EWNl 2 (2005), 364. nach die rechtliche Bedeutung ’für etwas einstehen’

Hahn1

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(= ’an der umstrittenen Sache hängen bleiben’). Ab- Hagelkorn Sn ÞGerstenkorn. straktum: Haftung. hager Adj std. (13. Jh.). Aus dem Niederdeutschen EWahd 4 (2009), 730f. übernommen. Entstehung dunkel. Anklingend sind lit. nukasˇ˙e´ti ’ganz entkräftet werden’ und avest. kaHag Sm erw. obs. (8. Jh.), mhd. hac m./n., ahd. hag, hac. sauu- ’klein, gering’ (also ig. *kak´-). Semantisch beSonst mit n-Flexion as. hago, hag m. (?), ae. haga, friedigender ist ein Anschluss an ai. kr´sa´- ’hager’ und anord. hagi aus g. *haga-/o¯n m. ’Umzäunung (um˙ (bei Ennius evtl. l. gracilis ’schlank, schmal, mager’ zäuntes Grundstück, Weideplatz, Hecke)’. Außergercracentes), das aber ig. *krak´-ro- mit Dissimilierung manisch vergleicht sich l. caul(l)ae f. ’Schafhürden’ des stammhaften r gegen das r des Suffixes (oder An(aus *caholae), kymr. cae ’Gehege’. Weitere Herkunft gleichung an Þmager) voraussetzen würde. unklar. Die Sippe macht nicht den Eindruck einer altererbten Wortfamilie. Hagestolz Sm erw. obs. (9. Jh., Form 13. Jh.), mhd. haEbenso nndl. haag, ne. haw, nschw. hage. S. zunächst gestolz, älter hagestalt, ahd. hagustalt, hagastalt, as. ÞHagebuche und (stärker lexikalisiert) ÞHagestolz, dann mit hagustald, hagastald. Aus g. *hagu-stalda- m., auch in anderer Lautform ÞHain und Þhanebüchen, mit Geminate runen-nord. hagustaldaz, anord. haukstaldr, haukÞHecke (und ÞHeck), semantisch abweichend Þhegen mit stallr (lautlich umgeformt), ae. h¢gsteald m./f. (?). Die ÞGehege und vielleicht ÞHexe, auf Umwegen verwandt ist mittelhochdeutsche/neuhochdeutsche Form ist seÞKai. – Marzell 1 (1943), 1219–1223; Scheuermann, U. NJ 92 kundär an Þstolz angeglichen. Die deutsche Bedeu(1969), 99f.; Röhrich 1 (1991), 618; EWNl 2 (2005), 357; tung ist im Prinzip ’unverheirateter Mann, JunggeEWahd 4 (2009), 732–734. selle’, die nordische und englische eher ’junger KrieHagebuche (auch Hainbuche) Sf erw. fach. (9. Jh.), ger’. Die Bestandteile sind offenbar ÞHag und die mhd. hagenbuoche, ahd. haganbuohha, mndd. hageEntsprechung zu gt. staldan ’besitzen’ − alles weitere boke. Eigentlich ’Heckenbuche’, obwohl es sich um ist unklar und spekulativ. ein Birkengewächs handelt. de Vries, J. ANF 58 (1944), 93–104; Trier, J. ALV 1 (1949), Ebenso nndl. haagbeuk; ÞHag, ÞHain. – EWNl 2 (2005), 357; EWahd 4 (2009), 737.

Hagebutte Sf erw. reg. (12. Jh., Bedeutung 15. Jh.). Ver-

96–98; Trier, J. Wortgeschichten aus alten Gemeinden (Köln 1965), 22f.; Seebold, E. (1970), 461f.; Röhrich 1 (1991), 619f.; Tiefenbach (1973), 29–32 (zu Gastalde); EWahd 4 (2009), 742–744.

deutlicht aus älterem butte (vielleicht verwandt mit ÞButzen, ÞButt); ndd. hambutten u.ä. zu hagan in der Häher Sm erw. fach. (9. Jh.), mhd. heher m./f., ahd. hehara, he¯ra f., mndd. he(i)ger, hegger (mit grammatiBedeutung ’Dornstrauch, Heckenrose’. Daraus wieder verkürzt auch wobd. hege ’Hagenbutte’ und schem Wechsel). Ae. higera, higora; mit anderer Bedeutung anord. hegri ’Reiher’ (ÞReiher). Außergerwobd. hegemark für die aus den Früchten gewonnene Marmelade. Die älteste Form haganbutta bedeutet manisch vergleichen sich gr. kı´ssa (*kik-ja) ’Häher, Elster’, ai. kikidı¯vı´- ’blauer Holzhäher’. Zugrunde ’Weißdorn’ (auch der Weißdorn hat rote Früchte). Paetzer, G.: Hagebutte (Diss. masch. Marburg 1949); liegt offenbar ein lautmalendes *kik(i), das den Schrei EWahd 4 (2009), 737. dieser Vögel wiedergeben soll; wohl deshalb hat sich auch das altindische Wort den Lautentwicklungen Hagedorn Sm ’Weißdorn’ per. fach. (10. Jh.), mhd. ha(Palatalisierung) entzogen. Im Gegensatz dazu ist das ge(n)dorn, ahd. haganthorn. Aus g. *haga-þurna m. Wort auf dem Weg ins Germanische verschoben wor’Hagedorn’, auch in anord. hagþorn, ae. h¢gþorn. den, und hat dabei seinen lautmalenden Charakter Kann ’Dornstrauch für Hecken’ bedeuten und dann verloren. zu ÞHag gehören; vielleicht steht es aber näher bei Suolahti (1909), 198–205; Christmann, E. ZV 40 (1930), ahd. hagan ’Dornstrauch’ (ÞHagebutte). Ebenso nndl. hagedoorn, ne. hawthorn, nschw. hagtorn. – Marzell 1 (1943), 1219–1237; EWNl 2 (2005), 365f.; EWahd 4 (2009), 737f.

Hagel Sm std. (9. Jh., runisch 5. Jh.), mhd. hagel, ahd.

hagal, as. hagal. Aus g. *hagla- m. ’Hagel’, auch in anord. hagl n., ae. hagal, hagol. Vergleichbar könnte sein gr. ka´chle¯x ’Steinchen, Kiesel’, für das aber die Herkunft aus einer Substratsprache erwogen wird. Weitere Herkunft also unklar. Verb: hageln. Häufig übertragen gebraucht wird die Präfigierung verhageln. Ebenso nndl. hagel, ne. hail, nschw. hagel, nisl. hagl; ÞJanhagel. – Lüschen (1979), 234f.; Röhrich 1 (1991), 618f.; EWNl 2 (2005), 365; EWahd 4 (2009), 734f.

217–224; EWahd 4 (2009), 885f.

Hahn1 Sm std. (8. Jh.), mhd. han(e), ahd. han(o), as.

hano. Aus g. *hano¯n m. ’Hahn’, auch in gt. hana, anord. hani, ae. hana, afr. hana, hona; eigentlich ’der Sänger’ zu einer Entsprechung von l. canere ’singen’, air. canaid ’singt’; vgl. lit. gaidy˜s ’Hahn’ zu lit. ga´ida f. ’Melodie, Gesang’ und lit. giedo´ti ’singen’, russ. petu´ch ’Hahn’ zu russ. pet′ ’singen’ usw. Unmittelbar zu vergleichen ist vielleicht das gr. Glossenwort ¯e¨ıkano´s ’Hahn’ (’Morgenfrühe-Singer’). Der Hahn ist also danach benannt, dass er die Morgenfrühe mit seinem Gesang begrüßt (oder nach älterer magischer Vorstellung: sie hervorruft). − Der rote Hahn steht für den Brand des Daches, da Hähne gern auf dem Dachfirst zu sitzen pflegten. Zu weiteren Bedeutungen s. ÞHahn 2.

Hahn2

386 Ebenso nndl. haan, nschw. hane, nisl. hani; ÞHenne, ÞHinkel, ÞHuhn. Zu der lateinischen Verwandtschaft s. ÞChanson. – Suolahti (1909), 228–242; Schlerath, B. ZVS 71 (1953), 28–32; Seebold (1981), 42–44; Baird, L. Y. Maledicta 5 (1982), 213–226; Röhrich 1 (1991), 620–626; Schlerath, B. FS Schmidt (Berlin 1994), 164–167; EWNl 2 (2005), 359; EWNl 4 (2009), 810–812.

Hahn2 Sm 1. ’Verschluss von Rohrleitungen’, 2.

’Schlagbolzen von Schusswaffen’ std. (15. Jh.). (Formal ist kein Unterschied zu ÞHahn 1 festzustellen). Die beiden Sonderbedeutungen werden in den Lexika in der Regel als eigenes Wort von Hahn 1 abgetrennt, in den Wörterbüchern aber als Sonderbedeutung oder Bedeutungsübertragung von Hahn 1 aufgefasst. Die Lage ist nicht eindeutig zu beurteilen. Gesichtspunkte sind: 1. Das Wort Kran (einschließlich der Vollform Kranich) ist in der Bedeutung ’Hebezeug; Flüssigkeitsheber’ eindeutig eine Formmetapher zu der Bezeichnung des Vogels (die langen Geraden, die im Winkel zueinander stehen, werden mit dem Schnabel und den langen Beinen des Kranichs verglichen). Von ’Flüssigkeitsheber’ gibt es den durch Belege nachweisbaren Übergang zu ’Fasszapfen’ > ’Wasserhahn’, so dass Kran ’Wasserhahn’ semantisch von der Vogelbezeichnung abzuleiten ist. Im Falle von Hahn fehlt aber ein solcher semantischer Bezug. 2. Die Verschlussvorrichtungen für Wasserleitungen sind jung (ca. 15. Jh.; sie waren vorher schon als Mechanismus bekannt, wurden aber nicht allgemein genutzt), vorher wurden Flüssigkeiten entweder geschöpft oder mit Flüssigkeitshebern herausgenommen oder durch Kippen der Gefäße zum Auslaufen gebracht; Zapfverschlüsse von Gefäßen waren schon etwas früher (14. Jh.) üblich. Die Bezeichnung des Wasserhahns muss also in einer überschaubaren Zeit stattgefunden haben. Geläufige Motive waren die Übertragung der Bezeichnungen von Fasszapfen oder von Flüssigkeitshebern, auch die Bezeichnung als ’Schlüssel’ spielt eine Rolle. 3. Auf Tierbezeichnungen werden zurückgeführt d. Hahn und frz. robinet, letzteres zu Robin, geläufiger Name für Widder/ Hammel (keine Bezeichnung, sondern Name, wie Mieze für eine Katze). Begründet wird dies von Hering durch die bildliche Gestaltung von Wassergefäßen und Flüssigkeitsverschlüssen als Tiere, gerade in der kritischen Zeit (14./15. Jh.). Aber diese Ausgestaltungen sind nicht immer, sondern nur in mehreren Fällen Hähne und fast nie Widder; in der Frühzeit sind es häufiger Löwen und der Griff ist später öfters ein Delphin, so dass nicht ersichtlich ist, warum ausgerechnet diese Tierbezeichnungen zur Benennung des Wasserhahns hätten beigezogen werden sollen. 4. Semantisch vorzuziehen ist für das französische Wort der Vergleich mit prov. robina ’Kanal’, der sich mit den einschlägigen Bezeichnungen canne, canelle für die Röhre des Fasszapfens vergleichen lässt. Auffälligerweise sind sich auch romanisch can-

und deutsch han- sehr ähnlich (s. das folgende). 5. Unter diesen Umständen fragt es sich, wie die Bedeutung ’Schlagbolzen’ einzuordnen ist. Semantisch stehen sich ’Wasserhahn’ und ’Schlagbolzen’ als hebelartige Instrumente ziemlich nahe; und auch hier entspricht dem d. han- ein romanisches can-, das nun im Romanischen an eine Tierbezeichnung angeschlossen wird – hier dem Lautstand entsprechend an (l. canis) ’Hund’ (frz. chien, it. cane). Eine überzeugende Deutung dieser Zusammenhänge ist nicht in Sicht; immerhin wird es sich empfehlen, Hahn 1 und Hahn 2 voneinander zu trennen. Rohlfs, G. AASL 84/155 (1929), 260f.; Hering, W.: Über den Zapfhahn und seine Namen in Frankreich, in: ZRPh 57 (1937), 387–420.

Hahnenfuß Sm (Wiesenblume) erw. fach. (10. Jh.),

mhd. hanenvuoz, ahd. hanafuoz, hanenfuoz. Bezeichnet nach der Form der Blätter. LM 4 (1989), 1863; Röhrich 1 (1991), 626; EWahd 4 (2009), 807f.

Hahnenkamm Sm ’eine Pflanze’ per. fach. (10. Jh.),

mhd. hanenkamb, ahd. hanenkamb. So benannt nach der Form der Blüte mit Hochblatt. Lehnübersetzung zu l. crista galli f. und spgr. alektorolophos. Hahnentritt Sm per. fach. (18. Jh.). 1) Stoffmuster (nach

dem Trittsiegel des Hahns). 2) fehlerhafter Gang von Pferden (nach den auffälligen Trittbewegungen des Hahns vor dem Versuch, eine Henne zu treten). 3) Keimscheibe auf dem Eidotter (als Zeichen der Befruchtung; vgl. der Hahn tritt die Henne). Hahnrei Sm ’betrogener Ehemann’ erw. obs. (13. Jh.).

Aus dem Niederdeutschen eingeführt (mndd. hanerei). Die Herkunft des Wortes ist schwierig zu beurteilen, da in seiner Geschichte mehrere Verschiebungen eingetreten sind. Der älteste Beleg (Rigisches Stadtrecht für Hapsal 1279) zeigt eindeutig die Bedeutung ’Ehebrecher’. Dies passt wohl zu hd. (dial.) reihisch, reisch, reinisch ’brünstig’, hd. (dial) reihen ’sich paaren (besonders von Vögeln)’, ahd. (w)reinisc ’geil’, ahd. reinisca¯ri, (w)reiniscros ’Deckhengst’ (also wohl zu g. *wreih-a- Vst. ’decken, bespringen, treten’ im sexuellen Sinn); dann wäre auszugehen von einem *Hahnrei ’sexuell aggressiver Hahn’ mit Übertragung auf den Menschen. Für die Bedeutung ’betrogener Ehemann’ ist aber ein anderes Bild aus dem tierischen Bereich typisch, nämlich das des verschnittenen Tiers, hier speziell des Kapauns. Dies passt semantisch zu ndd. ru¯n, mnl. rune, ruynkijn, schwäb. (arch.) raun ’Wallach’, zu dem im Ostfriesischen ein ostfr. ha¯nru¯n ’Kapaun, betrogener Ehemann’ bezeugt ist. Wie viel auf diesen friesischen Beleg zu geben ist, lässt sich nicht sagen. Er könnte auf jeden Fall darauf hindeuten, dass hier eine Vermischung der beiden Ansätze stattgefunden hat. Semantisch liegt dies nahe, da Bezeichnungen eines unkonventionellen sexuellen Verhaltens häufig ineinander übergehen (da das

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Merkmal ’abartig’ sich in den Vordergrund drängt); auch lautlich gibt es regional die Möglichkeit eines Zusammenfalls. Ein lautlich und semantisch zu Hahnrei passendes fnhd. (obd.) rein ’castratus’, mit reinen ’castrare’, ist nur in Wörterbüchern bezeugt und deshalb unsicher. Vgl. auch ÞRune. Die Sitte des Hörnens der Kapaune ist in Handbüchern der Geflügelzucht (u.ä.) des 16. bis 19. Jhs. gut bezeugt, z.B. Sickler, V.: Die deutsche Landwirtschaft, Bd. 7, (Erfurt 1806), 234–241. – Ferner: Dunger, H. Germania 29 (1884), 59–70; Singer, S. ZDW 3 (1902), 228; Bolte, J. ZVV 19 (1909), 63–82; Schlutter, O. B. ZDW 14 (1913), 155; Bonaparte, M. Imago 14 (1928), 100–141; Danver, K. Folkkultur (Lund) 1 (1941), 125–144; Deltgen, M.: Der Hahnrei (Diss. Köln 1966); Röhrich, L. FS Taylor (New York 1960), 120–149, besonders 130; DEO (1982), 222f.; Röhrich 1 (1991), 626–629; Heidermanns (1993), 690; Faltings, V. F. NW 34 (1994), 101–133.

Hai Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus nndl. haai, das aus

nisl. hai entlehnt ist. Anord. ha´r bedeutet außer ’Hai’ auch ’Pfahl’ und später ’Kesselhaken’, und ist deshalb wohl letztlich verwandt mit Þhängen. Der Fisch ist dem entsprechend am ehesten nach der hakenförmigen Rückenflosse benannt. Ebenso nndl. haai, nschw. haj, nnorw. hai, nisl. ha´karl. – Röhrich 1 (1991), 629; EWNl 2 (2005), 357f.

Hain Sm ’Wäldchen’ erw. obs. (8. Jh., Form 14. Jh.).

halbieren (vgl. zur Sache etwa Kleiderhaken + Haken an einem Kleiderbügel). Zur Problematik des Lautstandes vgl. Darms. Verb: (ein-, aus-)haken. Þhacken, Þhakeln, Þhäkeln, ÞHechel, ÞHecht. – Darms (1978), 507264; Lühr (1988), 285f.; Röhrich 1 (1991), 629; EWNl 2 (2005), 358.

Halali Sn (ein Jagdruf) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus

gleichbedeutend frz. hallali m., für das man lautnachahmenden bzw. lautsymbolischen Ursprung annimmt. Ebenso nfrz. hallali, nndl. hallali. – Adolf, H. Studies in Philology 46 (1949), 514–520 (Entlehnung aus dem Hebräischen); Lokotsch (1975), 5.

halb Adj std. (8. Jh.), mhd. halp, ahd. halb, as. half . Aus

g. *halba- Adj. ’halb’, auch in gt. halbs, anord. halfr, ae. healf, afr. half; das substantivierte Femininum dazu bedeutet gemeingermanisch ’Seite’. Herkunft unklar. Vielleicht zu lit. ˇsalı`s ’Seite, Gegend’, lett. salis ’Speckseite’, lett. sala ’Hälfte des geschlachteten Schweins’. Vielleicht weiter zu ai. kalpa´yati ’teilt zu’ (usw.). Zu beachten ist der Bildungstyp Þanderthalb = 1 1/2 (eigentlich: ’das zweite halb’). Ebenso nndl. half, ne. half, nschw. halv, nisl. ha´lfur. S. auch Þ-halb, Þhalbieren, ÞHälfte, Þinnerhalb, Þmeinethalben. – Behaghel 1 (1923), 443; Boeters, M. in Bachofer, W. (Hrsg.): Mittelhochdeutsches Wörterbuch (Tübingen 1988), 183–195; Heidermanns (1993), 272f.; EWNl 2 (2005), 369f.; EWahd 4 (2009), 754–756.

Kontrahierte Form von mhd. hagen ’gehegter Wald’, also eine Variante zu ÞHag mit etwas anderer Bedeutungsentwicklung. Als Wort der gehobenen Sprache halb- Präfixoid std. (–). Abgeschwächt zur Bezeichnung verbreitet durch Klopstock und den Göttinger Hainvon einem geringeren Grad, meist abschätzig, z.B. bund (18. Jh.). Entsprechend Hainbuche für Halbfisch m. (14. Jh.), mhd. halpvisch, Bezeichnung ÞHagebuche. für Fische, die nicht für vollwertig gelten; Halbinsel f. Trier (1981), 18f. (zur technischen Bedeutung in der Nieder(17. Jh.), Lehnbildung zu l. paenı¯nsula (’fast eine Inwaldwirtschaft); EWahd 4 (2009), 736f. sel’); halbseiden Adj., fnhd. halbsı¯din zunächst für das aus Seide und (Baum-)Wolle gemischte Gewebe; hakeln Vsw per. oobd. ndd. (19. Jh.). Regionale Variante dann sinnbildlich für nur scheinbar wertvolle Kleizu Þhäkeln in verschiedenen Bedeutungen, von dung. Von da aus übertragen auf anderes, etwa im denen besonders das bairische Fingerhakeln (an den Sinn von ’zwielichtig’, auch ’homosexuell’; ineinandergehakten Fingern über den Tisch ziehen) Halbstarker (19. Jh.) in Hamburg aufgekommener bekannt ist. Ausdruck für verwahrloste jugendliche Randalierer. häkeln Vsw ’mit der Häkelnadel arbeiten’ erw. fach. Himmel, H. ZDS 27 (1970), 107–112; Betz, W. BGDSL 67 (17. Jh.). Zunächst in allgemeinerer Bedeutung (’mit [1944], 301 (zu Halbinsel). Haken fassen’) bezeugt. Wohl eine Iterativ-Bildung -halb, -halben, -halber Suffixoid ’wegen-’ std. (10. Jh.), mit l-Suffix; aber auch eine Ableitung zum Diminutiv mhd. halp, halbe(n), ahd. halb. Zu mhd. halbe, ahd. mhd. h¢kel ’Häkchen’ ist nicht ausgeschlossen (s. halba ’Seite’ (s. unter Þhalb); Þmeinethalben also ÞHaken). ’von meiner Seite her’. Haken Sm std. (9. Jh.), mhd. ha¯ke(n), ahd. ha¯cko. Aus Heinle, E.-M., Wellmann, H. FS Matzel (1984), 165–187; vd. *h¢ ¯ ggo¯n m. ’Haken’ neben g. *hako¯n in as. hako, EWNl 2 (2005), 373f. ae. haca, anord. haki und g. *ho¯ka in mndd. ho¯k, huk, halbieren Vsw std. (13. Jh.), mhd. halbieren. Die älteste afr. ho¯k, ae. ho¯c ’Haken’ und anord. hœkja f. ’Krübezeugte Bildung aus deutschem Stamm und romacke’. Außergermanisch vergleicht sich am ehesten nischer Endung bei den abgeleiteten Verben, die älruss. ko´gotı˘ ’Klaue, gekrümmte Eisenspitze’; anderes tere Bildung ist mhd. halben. Der Ausdruck wird zusteht weiter ab. Der Ablaut lässt sich vielleicht so ernächst gebraucht für die nach französischem Vorbild klären, dass von *hako¯n ’Haken’ auszugehen ist, zu aus Stoffen verschiedener Farbe je zur Hälfte zusamdem Zugehörigkeitsbildungen mit Vriddhi gebildet mengesetzte Kleidung. werden: in den Haken wird ’das zum Haken gehörige’ (d.h. ein anderer Haken oder eine Öse) eingehängt

halbpart halbpart Adv erw. phras. (18. Jh.). Eigentlich Substantiv

Halbpart ’Hälfte’ (halbe Partie). Ebenso nschw. halvpart, nnorw. halvpart.

Halbwelt Sf std. (19. Jh.). Lehnübersetzung von frz. de-

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ten steht. Vielleicht weiter zu (ig.) *k´el- ’verbergen’ (s. unter Þhehlen). Ebenso nndl. hal, ne. hall, nschw. hall, nisl. höll. – Schröder, E. NKB 35 (1915), 54f.; Güntert (1932), 29f.; Ganz (1957), 90; LM 4 (1989), 1877; EWNl 2 (2005), 368f.; EWahd 4 (2009), 769f.

mi-monde, das Alexandre Dumas 1855 als Titel eines Lustspiels wählte. Er verstand darunter die ’Klasse der hallelujah Interj ’ein freudiger Ausruf’ std. (14. Jh.). Entlehnt aus kirchen-l. hallelu¯ia¯, dieses aus hebr. haaus ihrer Klasse Ausgeschlossenen’. Der neuere Gelalu¯ja¯h, halalu¯-ja¯h, wörtlich ’preiset Jahwe’. brauch des Wortes ist im Deutschen wie im FranzöEbenso nndl. halleluja, ne. halleluja, nfrz. alle´luia, nschw. halsischen stärker pejorativ. DEO (1982), 242 (zu dieser Bedeutungsverschlechterung).

Halde Sf erw. fach. (8. Jh.), mhd. halde, ahd. halda.

leluja, nnorw. halleluja. – Röhrich 1 (1991), 631.

hallen Vsw std. (15. Jh.). Abgeleitet von mhd. hal ’Hall’,

einer Ableitung zu wg. *hell-a- Vst. ’schallen’ in as. Substantivierung aus dem Adjektiv g. *halþahellan, ahd. hellan, mhd. hellen aus ig. *kel¡- (Þholen). ’schräg, geneigt’, in anord. hallr, ae. heald (der AusDas Substantiv ist in den Komposita Nachhall und laut ist nicht einheitlich). Herkunft unklar. Eine seWiderhall noch gebräuchlich. ´ mantisch passende Wurzel (ig.) *kel- ’sich neigen’ ist S. auch Þeinhellig, Þmisshellig, Þhell. – Seebold (1970), 253f. auf dieser Wurzelstufe praktisch nicht belegt (eigentlich nur *k´lei-), so dass ein Vergleich allenfalls mit Hallig Sf ’flache, gegen die Flut nicht geschützte Ineiner etwas problematischen Wurzeletymologie mögsel’ per. ndd. (18. Jh.). Es handelt sich um ein nordlich ist. Mit anderem Tektal lit. atkal˜ti ’anlehnen’ friesisches Wort, das über das Niederdeutsche in die (Kentum-Verhalten des Litauischen oder andere Hochsprache gekommen ist. Nordfr. hallig (mit VoWurzel?). Eventuell von ig. *k´lei- abzutrennen und kaleinschub aus *halg entstanden) ist ursprünglich mit der unter ÞHallig behandelten Grundlage zuein Maskulinum und bedeutet ’nicht eingedeichtes sammenzustellen. niederes Land, das von der Flut überspült werden S. auch ÞHelling, Þhold. – EWahd 4 (2009), 763f. kann’, es handelt sich dabei nicht notwendigerweise um eine Insel. Auf diese Bedeutung wurde das Wort Hälfte Sf std. (15. Jh.). Aus dem Niederdeutschen einerst im Niederdeutschen und der Hochsprache festgedrungen (mndd. helfte, mndl. halfte, helfte m., afr. gelegt, wobei das Wort mehr oder weniger ein Ortshalfte, helfte m., anord. helfd,Ñ helft f. aus g. *halb-ido¯). name für bestimmte Nordseeinseln wurde (das FeÞhalb. – Röhrich 1 (1991), 630; EWNl 2 (2005), 411f. mininum vermutlich wegen ÞInsel). Eine genaue Halfter1 Smfn ’Zaum ohne Gebissstange’ erw. fach. lautliche und semantische Entsprechung ist ae. healh (10. Jh.), mhd. halfter f., ahd. halftra, hal(f)ter f., ’erhöhte, von Marsch umgebene Fläche’; das aber mndd. halter n., mndl. halfter, halchter. Aus wg. *halfauch in allgemeineren Bedeutungen ’Kuhle, Erhötro¯n f. ’Halfter’, auch in ae. h¢lftre f. Offenbar eine hung, Winkel, Versteck’ vorkommt (in dieser BedeuInstrumentalbildung mit (ig.) -tr- von unklarer tung auch ablautendes ae. holh ’Höhle, Loch’ Grundlage. Zu erwägen wäre ig. *k wel- ’drehen, wen(’steigen’ und ’fallen’, ’herausbiegen’ und ’hineinden’ (l. colere ’warten, pflegen, bebauen’ u.a., gr. pe´biegen’ treffen nicht selten bei der gleichen Wurzel lomai ’ich rege mich, bewege mich’, ai. ca´rati ’bewegt zusammen). Danach ist es denkbar, das Wort (mit sich, wandert’) als ’Mittel zum Wenden’ oder ’Mittel anderer Erweiterung) an ÞHolm 1 ’Flussinsel’ anzuzum Bewegen’? In diesem Fall wäre das labiale Eleschließen, und damit an ig. *kel- ’ragen, erheben’. ment vor ig. *o ausgefallen (vgl. unter ÞHals). Das Þbehelligen. – Kluge (1911), 348; Mutschmann, H.: The PlaVerbum abhalftern wird häufig übertragen (’aus einer ce-Names of Nottinghamshire (1913), 170; Krogmann NM 4 Funktion ausschalten’) gebraucht. (1948), 71–73; Jørgensen, P. NM 6 (1950), 58–60; Lerchner, ÞHelm 2. – EWNl 2 (2005), 372f.; EWahd 4 (2009), 764f.

Halfter2 Sfn (auch Hulfter f., Holfter f.) ’Pistolenta-

sche’ per. fach. (13. Jh.), mhd. (hulfe), hulft(er), (hulst) f. ’Köcher’. Instrumentalbildung zu ig. *k´el’verbergen’ (Þhehlen). Vergleichbare Bildungen sind gt. hulistr n. ’Hülle, Decke’, ae. heolstor n. ’Versteck’, ndd. holster ’Hülle’ und ahd. hulst f. ’Satteldecke’. S. auch ÞHolster. – Kluge (1926), 50; EWahd 4 (2009), 1205f.

Halle Sf std. (9. Jh.), mhd. halle, ahd. halla, as. halla.

G.: Studien zum nordwestgermanischen Wortschatz (Halle/S. 1965), 93–95; Löfstedt, E. NM 22 (1966), 43–46; Heidermanns (1993), 275; Stiles, P. V. GS McNeal Dodgson (1997), 330–344.

Hallimasch Sm (ein Pilz) per. fach. (19. Jh.). Ursprüng-

lich österreichisches Wort, das auch als Halawatsch und Halamarsch (zu hal ’glatt, schlüpfrig’, wegen der abführenden Wirkung des Pilzes) auftritt. Vielleicht entstellt aus der lateinischen Bezeichnung Armillariella.

Aus g. *hallo¯ f. ’Halle, von Säulen getragener Vorbau’, Marzell 1 (1943), 395f. auch in anord. ho¸ll, ae. heall. Außergermanisch vergleichbar mit einigen Bezeichnungen für Räumlich- hallo Interj std. (15. Jh.). Ursprünglich der Imperativ zu ahd. halo¯n, holo¯n (s. unter Þholen), vergleichbar mit keiten im ganzen indogermanischen Raum, von Þholla zu holen. Eigentlich Zuruf an den Fährmann denen l. cella ’Vorratskammer, Stübchen’ am nächs-

Hamburger

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(hol über) mit im Zuruf gedehnter Endsilbe (Pluti), die deshalb in voller Form erhalten bleibt. Hildebrand, R. ZDU 3 (1897), 393f.; Schwentner (1924), 33f.; EWNl 2 (2005), 370.

Hallodri Sm ’Luftikus’ per. oobd. (19. Jh.). Vermutlich

aus ÞAllotria umgeformt.

Halsgericht Sn ’Gericht, das Todesurteil verhängen

kann’ per. arch. (14. Jh.), mhd. halsgerihte. ÞHals steht bildlich für ’Leben − Todesstrafe’, da die normale Todesstrafe durch Erhängen erfolgte. LM 4 (1989), 1881f.

halt Ptkl ’eben’ erw. obd. (9. Jh.), mhd. halt, ahd. halt,

bildung aus dem Genetiv Plural (hallorum) eines latinisierten hallo ’Einwohner von Halle’.

as. hald. Aus dem Adverb des Komparativs g. *haldiz’mehr, eher’, auch in gt. haldis, anord. heldr. Herkunft unklar.

Gebhardt, A. ZDW 10 (1908/09), 205–208; Sommerlad, B. TSZGK 18 (1929), 92–96.

Behaghel 3 (1928), 182–185; Lindquist (1961), 24–27; Seebold, E. BGDSL-T 107 (1985), 27f.

Hallore Sm ’Salzwerkarbeiter’ per. reg. (17. Jh.). Rück-

Halluzination Sf ’eingebildete Wahrnehmung’ erw.

fach. (19. Jh.). Neubildung zu l. (h)alu¯cina¯rı¯ ’träumen, faseln’, einer Kreuzung zwischen entlehntem gr. (h)aly´ein ’außer sich sein’ und l. va¯ticina¯ri ’weissagen, schwärmen’. Ebenso nndl. hallucinatie, ne. hallucination, nfrz. hallucination, nschw. hallucination, nnorw. hallusinasjon. – DF 1 (1913), 262; HWPh 3 (1974), 989f.; EWNl 2 (2005), 370f.

Halm Sm std. (8. Jh.), mhd. halm, ahd. halm, mndd.

halm, mndl. halm. Aus g. *halma- m. ’Halm’, auch in anord. halmr, ae. healm n. aus ig. (eur.) *kol¡mo- m. ’Halm, Schilf’, auch in gr. ka´lamos ’Rohr, Schilf, Halm’ (wohl mit Vokalassimilation), l. culmus ’Halm’, apreuß. salme ’Stroh’, russ. solo´ma ’Stroh’. Weitere Herkunft unklar. Halme wurden im Mittelalter auch als Schreibgerät verwendet. Ebenso nndl. halm, ne. halm, nschw. halm, nisl. halmur; ÞKaramel. – Röhrich 1 (1991), 631f.; EWNl 2 (2005), 371; EWahd 4 (2009), 770–772.

Halma Sn std. (19. Jh.). Ein schon im Altertum bekann-

halten Vst std. (8. Jh.), mhd. halten, halden, ahd. haltan,

as. haldan. Aus g. *hald-a- Vst. (reduplizierend), auch in gt. haldan, anord. halda, ae. h(e)aldan, afr. halda. Die Bedeutung ist zunächst ’hüten − schützen − bewahren’, daraus ’halten, festhalten’ (konkret und übertragen: Gesetze halten, Feste halten usw.). Herkunft unklar. Am ehesten kommt der Bedeutung nach in Frage ein Anschluss an die Wurzel (ig.) *k wel’sich um etwas herumbewegen, drehen, wenden (usw.)’ in l. colere ’warten, pflegen, bebauen’ u.a., gr. pe´lomai ’ich rege mich, bewege mich’ usw. Dies würde voraussetzen, dass das labiale Element vor ig. o geschwunden ist. Sonst kommt auch ein Anschluss an gr. ke´llein ’antreiben, bewegen’ in Frage. Abstrakta: Halt, Haltung; Nomen Agentis und Instrumenti: Halter, Behälter; Präfigierungen mit Þbe-, Þent-, Þer-, unter-; Partikelverben mit: an-, aus-, ein-. Ebenso nndl. houden, ne. hold, nschw. ha˚lla, nisl. halda. S. auch ÞHals, ÞGehalt, ÞHinterhalt, Þreichhaltig. – Seebold (1970), 248f.; Röhrich 1 (1991), 635; EWNl 2 (2005), 373, 470; EWahd 4 (2009), 785–790.

tes Brettspiel, benannt nach gr. ha´lma ’Sprung’ (aus gr. ha´llomai ’ich springe’, das verwandt ist mit l. salı¯re -haltig Suffixoid ’-enthaltend wie in säurehaltig, erzhaltig usw.’ std. (–). Zu Halt (Þhalten) in der Bedeutung, ’springen’). Entlehnung über das Englische. die heute ÞGehalt hat. Ein einfaches haltig für Ebenso nndl. halma, ne. halma, nfrz. halma, nschw. halma, ’erzhaltig’ ist schon früher in der Bergmannssprache nnorw. halma; ÞSalto. bezeugt, von der die Bildungen wohl ihren Ausgang Hals Sm std. (8. Jh.), mhd. hals, ahd. hals, as. hals-. Aus genommen haben. g. *halsa- m. ’Hals’, auch in gt. hals, anord. hals, ae. h(e)als, afr. hals. Zunächst zu l. collum n., auch collus Halunke Sm std. stil. (16. Jh., Form 19. Jh.). Entlehnt aus cˇech. holomek ’Bettler, Gauner, Diener, Knecht’. Älter m. ’Hals’; als gemeinsame Ausgangsform wird angezunächst Holunke; das vortonig entwickelte a setzt nommen (ig.) *k wolso- (mit Ausfall des labialen Elesich erst im 19. Jh. durch. Im Deutschen bedeutet das ments vor ig. o und mit Assimilation des s bzw. g. z); Wort zunächst ebenfalls ’Bettler’ (daneben schlesisch dieses eine Erweiterung zu einem s-Stamm *k welosauch ’Bote, Wächter’); wird dann aber wie im Slavi’Drehung’ zu der Wurzel *k wel- ’drehen’ (in l. colere schen zu ’schlechter Kerl, Lump’ verallgemeinert und ’warten, pflegen, bebauen’ u.a., gr. pe´lomai ’ich rege kommt schließlich zu der heutigen Bedeutung mich, bewege mich’ u.a.). Der Hals wäre also als ’Ort ’Schurke’. der Drehung’ (des Kopfes) aufgefasst wie in lit. ka˜klas Ebenso ndn. halunk, nnorw. halunk. – Stammler (1954), ’Hals’ zu dem Wort für ’Rad’ (ai. cakra´- usw.). Verb: 161–163; Eichler (1965), 44f.; Bellmann (1971), 239–242; (um)halsen. Vielfach auf die Todesstrafe (durch HänSteinhauser (1978), 71f.; Schröder (1906), 11–19 (anders). gen oder Köpfen) bezogen (ÞHalsgericht). Hamburger Sm ’Brötchen mit (Hack)FleischfülEbenso nndl. hals, nschw. hals, nisl. ha´ls. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞKolonie, zur slavischen ÞKalesche, zur grielung’ erw. fremd. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. hamburchischen ÞPol und ÞZyklus; Þhalten. – Röhrich 1 (1991), ger, eigentlich ’Hamburg(er) Steak’, im Englischen 632–635; EWNl 2 (2005), 372; EWahd 4 (2009), 777–780. aber mit ham ’Schinken’ assoziiert, worauf analogisch weitere Bildungen mit -burger (cheeseburger usw.) erfolgen konnten. Amerikanische Belege für

Häme

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hamburg(er) (beef)steak sind von 1872 an bekannt (die Hammelsprung Sm per. fach. (19. Jh.). Scherzwort für Form mit -er ist selten, beef- kaum häufiger), gemeint ein Abstimmungsverfahren, bei dem alle Abgeordist damit ein kleiner Hackbraten. Belege für dieses neten den Saal verlassen und (den Parteiführern wie Gericht zwischen den Hälften eines Brötchens haben Leithammeln folgend) ihn durch die Ja-, Nein- oder die Form hamburger sandwich (hier ist die Form ohne Enthaltungs-Tür wieder betreten. In den 70er Jahren -er selten); sie sind sicher seit 1909. Die örtlichen Herdes 19. Jhs. in Berlin aufgekommen. kunftslegenden geben 1900 oder 1904 an, sind also Hammer Sm std. (9. Jh.), mhd. hamer, ahd. hamar, as. nicht weit von den Belegen entfernt. Das deutsche hamar, hamur. Aus g. *hamara- m. ’Hammer’, auch Hamburger Rundstück hat damit sicher nichts zu tun, in anord. hamarr, ae. hamer, homer, hamor, afr. haweil es nicht aus Hackfleisch besteht (und wesentlich mer, homer. Anord. hamarr bedeutet auch ’Stein, später bezeugt ist). Klippe’ (westgermanisch vermutlich in Ortsnamen), Ebenso nndl. hamburger, ne. hamburger, nfrz. hamburger, so dass denkbar ist, dass Hammer auf ein Wort für nschw. hamburgare, nisl. hamborgari. – Williams, A. ASp 14 ’Stein’ zurückgeht (sei es, dass an Steinhämmer zu (1939), 154; Rey-Debove/Gagnon (1988), 376; Carstensen 2 denken ist, oder dass der Hammer Funktionen hat, (1994), 606f. die sonst auch Steine erfüllen können). Das zugrunde Häme Sf Þhämisch. liegende Wort für ’Stein’ ist lautlich und morpholoHamen1 Sm ’Angelhaken’ per. fach. (10. Jh.), mhd. gisch sehr schwer zu beurteilen. Mehrere Sprachen ham(e), ahd. hamo. Entlehnt aus l. ha¯mus ’Haken, weisen auf (ig.) *ak´mo¯n (ai. a´´sma¯, lit. akmuo˜ ’Stein’, Angelhaken’. gr. a´kmo¯n ’Amboss’), dabei weisen Ableitungen auf einen alten Wechsel zwischen r und n (ai. as´mara´Ebenso ne. hamulus, nfrz. hamec¸on. – EWahd 4 (2009), 803. 2 ’steinern’). Davon weicht die Vokalisierung des GerHamen Sm ’Netz’ per. fach. (12. Jh.), mhd. ham(e), ahd. manischen ab (*kamer-?); sie hat ein Gegenstück in hamo, mndd. hame. Herkunft unklar. Vielleicht Sonakslav. kamy ’Stein’. Das k im Baltischen und Slaviderbedeutung zu dem Wort für ’Haut, Hülle, Kleid’, schen ist gegenüber ai. ´s auffällig (Entlehnung oder das in ÞLeichnam vorausgesetzt ist (mhd. ham[e]). Verhalten einer Kentumsprache?). Nach Maher ist Eine weitere Bedeutung ist ’Kummet’, wmd. Mndl. die Ausgangsbedeutung ’scharf’. Verb: hämmern. hame, vgl. nndl. haam; Herkunft ebenfalls unklar. Unter den Hammer kommen bezieht sich auf den HamVergleichbar könnten sein gr. ke¯mo´s ’Maulkorb, gemer des Auktionators. flochtener Deckel der Stimmurne, Fischreuse, Mundbinde usw.’, lit. ka˜manos f. Pl. ’Zaumzeug mit Gebiss’. Es wäre eine Ausgangsbedeutung ’Flechtwerk’ möglich, andererseits ist ein Zusammenhang mit Þhemmen zu erwägen. Die Beleglage für ÞKummet, die hier ebenfalls einschlägig ist, wird unter diesem Wort dargestellt. S. auch ÞHemd. – EWahd 4 (2009), 800–803.

Ebenso nndl. hamer, ne. hammer, nschw. hammare, nisl. hamar. S. die Verwandtschaft mit ÞHimmel. – Maher, J. P. JIES 1 (1973), 441f.; Crevatin, F. IL 1 (1974), 61–81; 2 (1975), 47–60; 3 (1976/77), 29–40; Maher, J. P. in McCormack/Wurm (1978), 85–106; Maher, J. P. MQ 20 (1979), 161–163; Schelesniker, H. FS Ölberg (1987), 23–26; Wagner, N. FS Kolb (1989), 771–774; LM 4 (1989), 1892; Röhrich 1 (1991), 637f.; EWNl 2 (2005), 374f.; EWahd 4 (2009), 794–796.

hämisch Adj std. (13. Jh.), mhd. hem(i)sch. Erweitert

Hämoglobin Sn ’Blutfarbstoff’ per. fach. (20. Jh.). Neoaus mhd. hem ’aufsässig, böswillig’. Die frühneuklassische Bildung zu gr. haı˜ma ’Blut’ und l. globus hochdeutsch bezeugte Vermischung mit heimisch ’Kugel’. und Þheimlich spricht nicht dafür, dass es sich um ein Ebenso nndl. hemoglobine, ne. h(a)emoglobin, nfrz. he´mogloErbwort handelt. Herkunft unklar. ÞHäme ist eine bine, nschw. hemoglobin, nnorw. hemoglobin. junge Rückbildung aus dem Adjektiv. Hampelmann Sm std. (16. Jh.). Zunächst in der BedeuS. auch ÞHeimtücke. – Götze, A. BGDSL 24 (1899), 503–505. tung ’Einfaltspinsel’ bezeugt; seit dem 17. Jh. für Hammel Sm std. (12. Jh.), mhd. hamel, ahd. hamal, ’hüpfende Puppe’ zu ndd. hampeln ’sich hin- und mndd. hamel, mndl. hamel ’verschnittener Schafherbewegen’; unklarer Herkunft (wohl Lautgebärde). bock’. Substantivierung des Adjektivs ahd. hamal Lühr sieht in dem Verb eine Kreuzung zwischen ndd. ’verstümmelt’ zu dem auch g. *hamlo¯- Vsw. ’verhoppen (Þhüpfen) und ndd. ampeln; entsprechend stümmeln’ in anord. hamla, ae. hamelian, afr. haÞstrampeln. melia, homelia, ahd. hamalo¯n gehören. Weitere HerLühr (1988), 118f.; Röhrich 1 (1991), 638. kunft unklar. Vom Lautstand her gesehen am ehesten Hamster Sm std. (11. Jh.), mhd. hamster, ahd. hamustro, zu Þhemmen. Zu beachten sind die Bezeichnungen as. hamustra f., hamustro. Entlehnt aus sloven. chofür verschnittene Tiere, die auf (ig.) *(s)kap- zurückmestor oder einer anderen westslavischen Sprache, gehen (ÞKapaun, ÞSchöps). Lautlich ist dieses aber (vgl. russ.-kslav. chomeˇstoru˘ ’Hamster’, die Teile in kaum mit *kam- zu vermitteln. russ. chomja´k ’Hamster’ und lit. sta˜ras ’Hamster’; Vgl. noch anord. hamalkyrni ’Korn ohne Grannen’. – Palander (1899), 128f.; Röhrich 1 (1991), 635–637; Heidermanns (1993), 277; EWNl 2 (2005), 374; EWahd 4 (2009), 794.

Herkunft beider Wörter umstritten). Verb: hamstern ’Vorräte anhäufen’ (seit dem 3. Viertel des 19. Jhs.;

Handikap

391

erste Erwähnung von ’epidemischem’ Hamstern in Wien bei Ausbruch des 1. Weltkriegs. Gehamstert wurde Kleingeld). Nomen Agentis dazu: Hamsterer. Ebenso nndl. hamster, ne. hamster, nfrz. hamster, nschw. hamster, nisl. hamstur. – Wick (1939), 27f.; Steinhauser (1978), 40–42; Bielfeldt (1965), 54; LM 4 (1989), 1892; Kretschmer (1925), 245f.; EWNl 2 (2005), 375; EWahd 4 (2009), 804f.

sie scheint aber keinen Mittelvokal gehabt zu haben. Abstraktum: Handlung; Nomen Agentis: Händler; Präfigierungen: be-, miss-, unter-, verhandeln; Partikelverb: abhandeln. Ebenso nndl. handelen, ne. handle, nisl. handla, höndla; ÞHand, ÞHandel, ÞHändel. – HWPh 3 (1974), 992–994; EWNl 2 (2005), 376.

Hand Sf std. (8. Jh.), mhd. hant, ahd. hant, as. hand.

handfest Adj std. (12. Jh.), mhd. hantveste. 1) ’gefanAus g. *handu- f. ’Hand’, auch in gt. handus, anord. gen’ (wohl nicht ’an den Händen gefesselt’, sondern ho¸nd, ae. hond, afr. hand, hond. Herkunft umstritten. ’fest in der Hand’); später ersetzt durch Þdingfest; 2) Denkbar ist ein Anschluss an g. *henþ-a- Vst. ’fest mit der Hand, stark, kräftig’. Heute nur noch ’fangen, ergreifen’ in gt. frahinþan; die Hand wäre übertragen gebraucht. Eine dritte Bedeutung s. unter dann als ’Greiferin’ bezeichnet. Morphologisch ist ÞHandfeste. diese Annahme allerdings problematisch, weil es Röhrich 2 (1992), 655. keine germanischen Nomina Agentis dieser Art gibt. Handfeste Sf ’mittelalterliche VerleihungsurkunPartikelableitung: aushändigen. de’ per. fach. (9. Jh.). Ursprünglich wohl ein Adjektiv Ebenso nndl. hand, ne. hand, nschw. hand, nisl. hönd. S. die (Þhandfest) mit der Bedeutung ’durch Handschlag folgenden Artikel und Þabhanden, Þallerhand, Þbehände, bekräftigt’; dann allgemein zu ’Vertrag, Verleihung’. ÞOberhand, Þüberhandnehmen, Þvorhanden, Þzuhand. – Jensen, A. ZVPh 6 (1952), 50–57; Seebold (1970), 253f.; DevleVgl. ae. handf¢stan ’verloben’, ae. handf¢st(n)ung ’Handeschouwer Orbis 23 (1974), 130–141; Seebold, E. TPhS (1975), schlag, der ein Versprechen bekräftigt’; ÞHand, Þhandfest. – 166f. (ein Versuch zu einer anderen Etymologie); de Sivers, F. LM 4 (1989), 1901f.; EWNl 2 (2005), 378. (Hrsg.): La main et les doigts dans l’expression linguistique Handgeld Sn erw. obs. (17. Jh.). Eigentlich ’in die Hand (Paris I, 1979, II, 1981); Markey, Th.L. JIES 12 (1984), 261–292; gegebenes (bares) Geld’, von Anfang an speziell ’bei Röhrich 2 (1992), 639–655; Hönig, A. Semantische Hefte 4 Vertragsabschluss geleistete Geldzahlung (Anzah(1992), 280–302; EWNl 2 (2005), 375f.; EWahd 4 (2009), lung)’, vor allem militärisch im Rahmen der Solda814–817.

Handbuch Sn std. (15. Jh.). Lehnübertragung zu l. ma-

nua¯le (zu l. manus f. ’Hand’), das seinerseits gr. encheirı´dion (zu gr. cheı´r f. ’Hand’) wiedergibt. Ursprünglich war mit der Bezeichnung das Handbuch eines Geistlichen gemeint (das in die Hand genommen, nicht auf das Lesepult gelegt wird). Vgl. ae. hand-bo¯c.

Handel Sm std. (13. Jh.), mhd. handel. Rückbildung zu

Þhandeln, zunächst allgemein in den Bedeutungen dieses Verbs, dann spezialisiert auf die kaufmännische Bedeutung. ÞHand, ÞHändel. – Ganz (1957), 90f.; LM 4 (1989), 1895–1901; Röhrich 2 (1992), 655; RGA 13 (1999), 497–502.

Händel Sm std. stil. (16. Jh.). Frühneuhochdeutsche Va-

riante von ÞHandel in der Sonderbedeutung ’Verhandlung, Streitsache’; vor allem im Plural spmhd. hendel (vielleicht unter dem zusätzlichen Einfluss der Verbalform hendeln, die zunächst nur eine Variante von Þhandeln ist). ÞHand, ÞHandel. – Röhrich 2 (1992), 655.

tenwerbung. Röhrich 2 (1992), 655f.

handgemein Adj erw. phras. (18. Jh.). Meist in handge-

mein werden ’aneinandergeraten’. Ursprünglich wohl aus dem Ringkampf ’die Hände zusammen (gemein[sam]) habend, sich an den Händen oder Handgelenken fassend’, aber meist in allgemeineren Zusammenhängen. Handhabe Sf erw. obs. (8. Jh.), mhd. hanthabe, ahd.

hanthaba, hanthabı¯. Vermutlich im Anschluss an ÞHand umgedeutet aus ahd. anthaba ’Gegengriff’ (vgl. ÞAntwort ’Gegenwort’). Der zweite Bestandteil (ahd. haba ’Henkel, Griff’) gehört näher zu Þheben als zu dem wurzelverwandten Þhaben. Vgl. l. capulus m. ’Handhabe’ zu l. capere ’greifen, nehmen’. Das schwache Verb handhaben bedeutet ursprünglich ’schützen’ und ist als solches eine Lehnübersetzung von ml. manutenere. Die Bedeutung ist dann aber im Anschluss an das Substantiv verändert worden. Röhrich 2 (1992), 656; EWNl 2 (2005), 376f.

handeln Vsw std. (9. Jh., hantalod 8. Jh.), mhd. handeln, Handikap Sn ’Behinderung, Nachteil’ erw. fach.

ahd. hantalo¯n, as. handlon, mndd. handelen, mndl. handelen. Aus g. *handlo¯- Vsw., auch in anord. handla, ho¸ndla, ae. handlian, afr. handelia, hondelia. Die Bedeutung ist ursprünglich ’greifen, ergreifen, befühlen’, dann auch übertragen ’behandeln’, dann im Deutschen allgemein ’verrichten, tun (usw.)’. Die kaufmännische Geltung etwa seit dem 16. Jh. Eine Ableitung zu ÞHand, also ’etwas mit der Hand tun’ (wie etwa ae. cne¯owlian ’knien’ zu ae. cne¯ow ’Knie’);

(20. Jh.). Entlehnt aus ne. handicap (race) ’Rennen, bei dem Gewichtsvorteile durch Benachteiligung ausgeglichen werden’. Dessen Herkunft ist nicht sicher geklärt. Man hat eine Zusammenrückung aus ne. hand in the cap vermutet und angenommen, dass der Ursprung in einem Wettspiel zu suchen ist, bei dem es um Ziehungen aus einer Mütze o.ä. geht. Entscheidend für die Weiterentwicklung des Begriffes ist dabei der von einem Schiedsrichter vorgenommene

Handlanger Ausgleich der unterschiedlich wertvollen eingesetzten Gegenstände. Die Tatsache, dass der Ausgleich eine Erschwernis bzw. Behinderung eines Beteiligten bedeutet, führt dann zu der heutigen Bedeutung ’Nachteil’. Adjektiv: gehandikapt. Ebenso nndl. handicap, ne. handicap, nfrz. handicap, nschw. handikapp, nnorw. handikap. – Brink-Wehrli (1958), 102; Röhrich 2 (1992), 656f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 376f.; Carstensen 2 (1994), 607f.; Knobloch, J. SW 16 (1991), 95–98 (anders); EWNl 2 (2005), 377.

Handlanger Sm erw. obs. (15. Jh.). Gebildet zu Þlangen

’greifen, reichen’ für jmd., der Handreichungen ausführt. Früher bezeugt ist das Verb handlangen (14. Jh.), das aber aus morphologischen Gründen kaum die ältere Bildung ist. Holmberg, M.: Verbale Pseudokomposita im Deutschen (Göteborg 1976), 1814; EWNl 2 (2005), 378.

handsam Adj ’leicht zu haben, anstellig’ per. arch.

(16. Jh.). Nach der gleichen Vorstellung wie bei zur Hand, handlich u.ä. Handschellen Spl ÞSchelle 2. Handschuh Sm std. (9. Jh.), mhd. hantschuoch, hent-

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de. Im Anschluss daran wurden in den 1970er Jahren die späteren handheld transceivers im englischen Funker-Slang als handies bezeichnet; auch die Bezeichnung handhelds war im Umlauf. 1985 brachte Sony eine Kamera mit eingebautem Videorekorder auf den Markt und nannte diese Handycam; und kurz darauf (1986) tauchte Handy für das Mobiltelefon in kommerziellen Anzeigen deutscher Funkzeitschriften auf, allerdings neben mehreren anderen Bezeichnungen (offiziell Handfunkgerät, später schnurloses Telefon). Aber dann setzte sich Handy in rasender Geschwindigkeit durch. 1996 schrieb die Gesellschaft für deutsche Sprache einen Wettbewerb aus, um Handy durch ein deutsches Wort zu ersetzen. Es gab zahlreiche Vorschläge, aber an eine Ersetzung war bereits nicht mehr zu denken. Walter Koch, Internet (http://www.u32.de/handy.html).

hanebüchen Adj erw. obs. (12. Jh., Form 18. Jh.), mhd.

hagenbüechı¯n. ’Aus dem Holz der Hagebuche’ (ÞHagebuche) mit der Nebenform hainbüechı¯n. Übertragen für ’derb, klotzig’ (bezeugt seit dem 18. Jh. als hanbüchen). Dann umgestaltet ohne Verständnis für die Ausgangsform.

schuoch, hentsche, ahd. hantscuoh. Vielfach mit abgeÞHag. schwächtem zweiten Glied in den Mundarten (hentHanf Sm std. (9. Jh.), mhd. hanef, han(i)f, ahd. hanaf, schich, hentsche usw.). Durchsichtige Bildung, die ofhanif, as. hanup. Aus g. *hanapa- m. ’Hanf’, auch in fenbar älteres ÞWanten ersetzt. Der Handschuh spielt anord. hampr, ae. h¢nep. Altes Lehnwort (Lautverals Symbol im Ritterwesen eine Rolle (Fehdehandschiebung!) aus der gleichen Quelle, die auch gr. schuh, den Handschuh hinwerfen als Aufforderung zur ka´nnabis f. geliefert hat. Nach Herodot 4,74f. sind das ÞFehde). die Skythen; zu beachten ist aber immerhin sumer. Heyne (1899/1903), III, 300–302; LM 4 (1989), 1909f.; Röhrich kunibu ’Hanf’. Hanf ist gegenüber Lein die gröbere 2 (1992), 658; EWNl 2 (2005), 378. Gespinstpflanze. Handstreich Sm erw. obs. (16. Jh.). Zunächst (einheiEbenso nndl. hennep, ne. hemp, nschw. hampa, nisl. hampur. – misch) in der Bedeutung ’Handschlag’ (bei KaufabLewy, E. IF 53 (1935), 122; Marzell 1 (1943), 775–779; Bertsch schluss, Verlöbnis usw.). Davon zu trennen ist das (1947), 210–213; LM 4 (1989), 1918f.; Röhrich 2 (1992), 659; gleichlautende Wort für ’Überraschungsangriff’, das RGA 13 (1999), 628f.; EWNl 2 (2005), 416; EWahd 4 (2009), 805–807. frz. coup de main übersetzt. Röhrich 2 (1992), 658.

Handwerk Sn std. (11. Jh.), mhd. hantwerc, ahd. hant-

werc. Zunächst ’Handarbeit’. Schon mhd. für ’Gewerbe’. Täterbezeichnung: Handwerker. Obst (1983), 188–197; LM 4 (1989), 1910–1918; Röhrich 2 (1992), 659.

Handy Sn ’Mobiltelefon’ std. (20. Jh.). Um 1940 herum

Hänfling Sm erw. fach. (14. Jh.), mhd. henfelinc. Der

Vogel ist danach benannt, dass er sich gern vom Hanfsamen ernährt. Ebenso nschw. hämpling.

Hang Sm std. (15. Jh.), fnhd. hanc. Wie ungefähr gleich-

zeitiges abhang gebildet zu abhin (oder ze tale) ha¯hen (s. unter Þhängen) ’herunterhängen, sich nach unten neigen’. Dann übertragen, wie etwa auch bei Neigung (Þneigen).

entwickelte die amerikanische Firma Motorola tragbare Funkgeräte, und zwar ein leistungsfähiges schweres, das Walkie-Talkie genannt wurde, und dar- Hangar Sm ’Halle für Flugzeuge’ per. fach. (20. Jh.). auf ein leichteres, das man im Anschluss an dieses Entlehnt aus frz. hangar, eigentlich ’Schuppen, Handie-Talkie nannte. Die Formen entsprechen dem Schirmdach’. Das französische Wort aus awfrk. Pidgin-English und waren vermutlich scherzhaft ge*haimgard, einem Kompositum aus awfrk. *haim meint. Sie wurden meist in durchgehenden Groß’Gehöft’ (ÞHeim) und awfrk. *gard ’Gehege’ buchstaben gedruckt, so dass eine Beurteilung der (ÞGarten). Groß-Schreibung schwierig ist. Gemeint war Ebenso nndl. hangar, ne. hangar, nschw. hangar, nnorw. han’handheld two-way radio’, die Bezeichnung geht also gar. – DEO (1982), 354 (etwas anders); EWNl 2 (2005), 378f. von ’Hand’ aus, obwohl im Englischen eher das Adjektiv handy ’praktisch, geschickt’ herausgehört wur-

hänseln

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hangeln Vsw std. (19. Jh.). Iterativum zu Þhängen, also Hans Sm std. stil. (13. Jh.). Eigentlich männlicher Vor-

’immer wieder (neu) hängen’. Hängematte Sf std. (16. Jh., Form 17. Jh.). Schon Ko-

lumbus lernt auf Haiti die Schlafnetze der Eingeborenen kennen, die diese mit einem karibischen Wort als hama´ka bezeichneten. Die Sache wird weithin bekannt und dient zunächst als Vorbild für die Schlafstellen der Matrosen. Das Wort wird zunächst als Exotismus entlehnt und erscheint im Deutschen als Hamaco (zuerst 1529 in einer Reisebeschreibung), Hamach u.ä., dann (wohl in Anlehnung an die Umgestaltung in nndl. hangmak und dann hangmat) sekundär motiviert als Hängematte (niederländisch bei Montanus 1671, dann in dessen Übersetzung ins Deutsche durch Dapper 1673). Das Englische ist mit hammock bei der Entlehnung geblieben. Ebenso nndl. hangmat, ne. hammock, nfrz. hamac, nschw. hängmatta, nnorw. hengekøye, nisl. hengiru´m. – Loewe, R. ZVS 61 (1933), 57–61; Kurrelmeyer, W. MLN 59 (1944), 374–378; EWNl 2 (2005), 379f.

hängen Vstsw std. (9. Jh.), mhd. ha¯hen Vst., ahd. ha¯han,

name, der aber auch im appellativischen Wortschatz eine Rolle spielt. Im 13. Jh. aus Johannes verkürzt; dieses als biblischer Name aus dem Hebräischen. Als einer der geläufigsten Taufnamen wurde Hans in vielen Umschreibungen, Übernamen u.ä. verwendet (ÞHanswurst, ÞPrahlhans, Hans-Dampf-in-allenGassen). Entsprechend in Namensformeln, deren Nachname den Charakter angibt: Hans Liederlich, Hans Arsch von Rippach, Hans Hagel (Zornhagel), Hans Küchenmeister usw. In Hans Dampf ist mit Dampf ’Eitelkeit, Nichtigkeit’ gemeint (etwa wie Schall und Rauch). Hans Dampf in allen Gassen ist eine Kontamination mit Hans in allen Gassen (so seit dem 16. Jh.). Ebenso nndl. Hans, Jan, ne. Jack, nfrz. Jean. – Meisinger (1924), 29–35; Röhrich 2 (1992), 660–663.

Hanse Sf erw. obs. (9. Jh.), mhd. hans(e), ahd. hansa

’(Krieger-)Schar’, mndd. hanse, hense ’Handelsgesellschaft’. Aus g. *hanso f. ’Schar’, auch in gt. hansa ’Schar, Menge’, ae. ho¯s ’Gefolge, Schar’. Nachdem das Wort seit dem 12. Jh. für ’Kaufmannsgilde’ gebraucht worden war, wurde es 1358 als düdesche hense zum Namen des norddeutschen Städtebunds. Die Herkunft des Wortes ist unklar. Falls es sich um ein Erbwort handelt, ist es am ehesten eine Ableitung von einem s-Stamm (oder eine Ableitung mit einem t-Suffix), also (ig.) *kont-s-a¯ (oder mit a, oder mit einem anderen Dental, oder *kont-ta¯). Vergleichbar wäre kymr. cant ’Schar’, mir. ce´te (?) ’Versammlung’ (falls diese nicht zu dem Wort für ’hundert’ gehören). Nach mittellateinischen Ableitungen modern auch Hanseat, hanseatisch.

as. ha¯han. Aus g. *hanh-a- Vst. ’hängen’ (intr.), ’hängen lassen’, auch in gt. ha¯han, anord. hanga, ae. ho¯n, afr. hua¯. Das Präsens ist wie bei Þfangen nach den Formen mit grammatischem Wechsel ausgeglichen worden und hat sich dabei mit einem alten Zustandsverb hangen ’hängen’ (intr.) vermischt. Dieses in mhd. hangen, ahd. hangen, as. hangon aus g. *hang¢- Vsw. ’hängen’ (intr.), auch in gt. ha¯han mit Beseitigung des grammatischen Wechsels, anord. hanga (vermischt mit dem starken Verb), ae. hangian, afr. hangia, hongia. Die Vermischung hat dann auch auf das alte Faktitivum (’hängen’ trans.) übergegriffen: mhd. hengen, ahd. hengen, anord. hengja, afr. S. auch Þhänseln. – Jacobsohn, H. HG 45 (1919), 71–101: hingia (zu einer Variante davon s. unter Þhenken). Schnetz, J. BBGS 58 (1922), 37f.; Mayer, E. ZSSR-GA 45 (1925), 291–293; Krogmann, W. ASNSL 169 (1936), 1–8; von Das starke Verb führt zurück auf ig. *k´onk- ’hängen’, Künssberg, E. ZM 17 (1941), 164–167; Trier, J. BGDSL 66 dessen Ausgangsbedeutung außer im Germanischen (1942), 232–264; Benveniste (1969/1993), 64f.; Schmidtnur noch im Hethitischen (heth. gank- ’hängen, wäWiegand, R. KVNS 88 (1981), 33–35; Schmidt-Wiegand, R. gen’) erscheint. Außerdem in übertragener BedeuHG 100 (1982), 21–40; Obst (1983), 224–231; LM 4 (1989), tung ’schwanken, unsicher sein/lassen’, die auch im 1921–1928; RGA 13 (1999), 636f.; EWNl 2 (2005), 381; EWahd 4 Gotischen auftritt (’in Unsicherheit lassen’), l. (2009), 812–814. cu¯ncta¯rı¯ ’zögern, schwanken, zweifeln’, ai. ´sa´n˙kate hänseln Vsw ’jmd. aufziehen, necken’ std. (17. Jh.). Die ’zweifelt, befürchtet, ist vorsichtig, misstrauisch, Entstehung ist nicht völlig eindeutig: Einerseits besorgt sich’. Der weitere Anschluss an Wörter für deutete hänseln ’in eine Gesellschaft aufnehmen’, was ’Haken’ u.ä. (Pokorny [1959/69], 537f.) wäre semanmit allerhand Bräuchen verbunden sein konnte, die tisch ansprechend (gewissermaßen ’etwas aufhaken’, zum Teil auch Neckereien enthalten mochten. Be’etwas ist am Haken’), verträgt sich aber nicht mit der zeugt ist diese Bedeutung nicht vor der anderen; sie Flexion eines Primärverbs und muss deshalb aus könnte aber älter sein. Abzuleiten ist sie wohl von morphologischen Gründen außer Betracht bleiben. ÞHanse, also ’in die Hanse, die Gesellschaft, aufnehAbstraktum: (An-, Ab-, Aus-, Um-)Hang; Nomen Agenmen’, dafür älter und nie in der verschobenen Bedeutis: (An-)Hänger; Kollektivum: Gehänge; Adjektive: tung hansen. Diese Erklärung wird im allgemeinen (an-, ab-)hängig, anhänglich; Konkretum: Anhängsel. vorgezogen, doch ist der Zusammenhang zwischen Ebenso nndl. hangen, ne. hang, nschw. hänga, nisl. hanga; Aufnahme in eine Gesellschaft (u.ä.) und Neckerei ÞAbhang, Þabhängig, Þanhängig, ÞHai, ÞHang, ÞHenkel, keineswegs ausreichend erwiesen. Schon wegen der Þhenken, ÞVerhängnis. – Rissleben, F.: Die Geschichte der älteren Bezeugung (15. Jh.) ist eine Ableitung von Verbalgruppe ’ha¯han − hangen − hengen − henken’ (Diss. ÞHohn sehr in Betracht zu ziehen (eyner den andern Greifswald 1931); Seebold (1970), 249f.; EWNl 2 (2005), 379; EWahd 4 (2009), 744–746.

Hanswurst zu zorne reisze, hontzel, spei oder schelle Frankfurt 1481), auch nassau. hohnseln ’hänseln’ − dies wäre wohl eine Verbalbildung zu einem nicht bezeugten *Hohn-sal. Auch eine Ableitung zu dem Diminutiv Hänsel des Namens ÞHans (vielfach im Sinn von ’Narr’ verwendet) kommt in Frage. Zu erwägen ist schließlich auch obd. hanzeln ’tätscheln, streicheln’, wohl auch ’stupfen’ als Ableitung von ÞHand. Im allgemeinen wird der Ableitung von Hanse der Vorzug gegeben, doch könnten zusätzliche Belege das Bild leicht ändern. Eine wortgeschichtliche Klärung wäre dringend erwünscht. Röhrich 2 (1992), 663.

Hanswurst Sm std. stil. (16. Jh.). Zuerst als spöttische

Bezeichnung dicker Leute bezeugt. Bei Luther in der Bedeutung ’ungeschickter Tölpel’ belegt, dann Bezeichnung des ungeschickten Bauern und schließlich des Narren im Lustspiel. Röhrich 2 (1992), 661–662; EWNl 2 (2005), 380.

Hantel Sf (auch m.) erw. fach. (19. Jh.). Ein ursprüng-

lich niederdeutsches Wort für ’Griff’, abgeleitet von ÞHand (mit auffälligem Dental − vielleicht nach Þhantieren). Von Jahn 1816 als Bezeichnung für ein Turngerät übernommen. hantieren Vsw std. (14. Jh.), spmhd. hantieren ’Handel

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künstler Allan Kaprow eine Veranstaltung 18 Happenings in 6 parts auf, mit der er eine neue Form der Aktionskunst einführte, eben das Happening. Es ging dabei um Beteiligung des Publikums an der Aktionskunst, die Mischung verschiedener Kunstmedien, Spontaneität und Überraschung bei nicht vorher festgelegten Vorgängen, die dadurch auch den Charakter der Einmaligkeit und Nicht-Wiederholbarkeit erhielten. Die Idee wurde auch in Deutschland aufgegriffen, etwa von Vostell, Beuys und Brock und das Wort Happening wurde (begrenzt auf den Fachterminus) auch in die deutsche Sprache aufgenommen. Aber das Unverständnis, das viele Normalbürger dieser Kunstform entgegenbrachten, führte dazu, dass sozusagen der bei diesen Veranstaltungen nicht gerade seltene bloße Klamauk als das Wesentliche angesehen wurde. Deshalb Redewendungen wie die Veranstaltung artete in ein Happening aus usw. Ebenso nndl. happening, nfrz. happening, nschw. happening, nnorw. happening. Das englische Wort ist ein Abstraktum von ne. happen ’geschehen’, zu me. hap ’Zufall, Glück’, aus anord. happ; also eigentlich ’Ereignis, Geschehnis’; ÞHappy-End. – Higgins, D. ASp 51 (1976), 268–271; Rey-Debove/Gagnon (1988), 378; Strauss u.a. (1989), 627–630; Carstensen 2 (1994), 611–613.

happig Adj std. stil. (18. Jh.). Zu (ndd.) happen

’schnappen’ (ÞHappen) gehört ndd. happig ’gierig’ treiben’. Aus mndd. hanteren (noch älter mndl. antiund zu Happen ondd. happig ’derb, grob’ (eigentlich eren), das seinerseits aus frz. hanter ’hin- und herzie’in großen Happen’). In der Hochsprache meist für hen, oft besuchen’ als Terminus der Kaufleute (in der ’ein starkes Stück’. Bedeutung stark beeinflusst von Þhandeln) entlehnt EWNl 2 (2005), 382. ist. Im Neuhochdeutschen wird das Wort mit ÞHand verknüpft und seine Bedeutung daran angepasst; die Happy-End Sn std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. happy endSchreibung bleibt, wohl wegen der fremden Endung, ing mit Anpassung an ne. end ’Ende’ (so auch im von Hand getrennt. Französischen). Ne. happy ist abgeleitet von me. hap Ebenso nndl. hanteren, nschw. hantera, nnorw. ha˚ndtere. – ’Glück, Zufall’, aus anord. happ. Rosenquist (1942), 367–373; EWNl 2 (2005), 380f.

hantig Adj ’bitter, scharf’ per. oobd. (12. Jh.), mhd. han-

dec, ahd. hantag, hantı¯g. Zu voreinzelsprachl. *k´ent-, auch in gr. kente´o¯ ’ich steche, stachle’, lett. sı¯ts ’Jagdspieß’.

hapern Vsw std. (17. Jh.). Übernommen von mndl.

hap(e)ren ’stottern, stocken’, dann bildlich übertragen auf das Stocken in einem Verlauf u.ä. Das niederländische Wort geht wohl auf eine Lautgebärde für ’schnappen’ zurück (vgl. nach Luft schnappen u.ä.). Ebenso nndl. haperen (auch: ’stocken’); ÞHappen. – EWNl 2 (2005), 381f.

Happen Sm std. (18. Jh.). Aus dem Niederdeutschen;

Ebenso nndl. happy end, ne. happy ending, nfrz. happy end, nschw. happy end, nnorw. happy ending; ÞHappening. – ReyDebove/Gagnon (1988), 379; Carstensen 2 (1994), 614f.

Harakiri Sn ’Selbstmord, waghalsige Unterneh-

mung’ erw. exot. ass. (19. Jh.). Entlehnt aus jap. harakiri, zu jap. hara ’Bauch’ und jap. kiru ’schneiden’ (Selbstmord als Sühne durch Aufschlitzen des Bauches). Heute meist übertragen verwendet für riskante Unternehmungen, bei denen der eigene Untergang in Kauf genommen wird. Ebenso nndl. harakiri, ne. hara-kiri, nfrz. hara-kiri, nschw. harakiri, nnorw. harakiri. – Littmann (1924), 135; Lokotsch (1975), 64; Röhrich 2 (1992), 663f.

ursprünglich eine Lautgebärde wie auch die Interjek- Harde Sf ’Verwaltungsbezirk’ per. ndd. (13. Jh.), mndd. harde, herde n. Entlehnt aus anord. herad Ñ n. ’Bezirk’. tion happ(s), also ’das Erschnappte’. Etwas früher beHardware Sf ’die Geräte einer Datenverarbeitungsanzeugt ist nndl. happen ’schnappen’; es könnte aber viel älter sein und die Grundlage von nfrz. happer lage’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. hardware, einem Kompositum aus ne. hard ’hart, fest’ und ne. ’wegschnappen’ (12. Jh.) abgegeben haben. Þhappig. – Sommer (1977), 4; EWNl 2 (2005), 382. ware ’Erzeugnis’ (ÞWare). Das englische Wort bedeutet ursprünglich ’Werkzeug, Geräte’ und bekommt Happening Sn (eine Art Kunstveranstaltung) per. fach. dann in der Computer-Technik eine spezielle An(20. Jh.). 1959 führte der amerikanische Aktions-

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Harmonika

wendung durch den Gegensatz zu dem neugeprägten Harlekin Sm ’Spaßmacher’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt software, das die Programme usw. bezeichnet. aus frz. arlequin, dieses aus it. arlecchino, Bezeichnung einer Figur der Commedia dell’arte, die wohl auf Ebenso nndl. hardware, nfrz. hardware, nschw. hardware, nnorw. hardware. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 381; Carsafrz. mesnie Hellequin ’lustige Teufelschar’ zurücktensen 2 (1994), 620–622; EWNl 2 (2005), 384. geht. Abstraktum: Harlekinade. Ebenso nndl. harlekijn, ne. Harlequin, nfrz. arlequin, nschw. Harem Sm ’Frauenabteilung eines orientalischen harlekin, nnorw. harlekin. Die Herkunft dieser Bezeichnung ist Wohnhauses, mehrere Frauen eines Mannes’ erw. umstritten (anders als oben ausgeführt: nach Flasdieck aus exot. ass. (18. Jh.). Entlehnt aus türk. harem ’Frauae. Herela cyng ’König Harilo’, als Wotansname in Bezug auf enräume, Privaträume’, dieses aus arab. hara¯m das ’Wilde Heer’). – Rühlemann, M.: Etymologie des Wortes ˙ ’geheiligter, verbotener Ort’. Im osmanischen Reich ’harlequin’ und verwandter Wörter (Diss. Halle 1912); DF 1 wird das Wort auf die für Nicht-Familienmitglieder (1913), 262; Malone, K. ES 17 (1935), 141–144; Flasdieck, unzugänglichen Frauenräume beschränkt; die moH. M. Anglia 61 (1937), 225–340; DEO (1982), 50f.; EWNl 2 (2005), 385. derne Vorstellung verknüpft sich dagegen eher mit ’Vielweiberei’. Harm (durch ÞKummer u.a. ersetzt) Sm erw. obs. Ebenso nndl. harem, ne. harem, nfrz. harem, nschw. harem, nnorw. harem. – DF 1 (1913), 262; Lokotsch (1975), 64; Kunitzsch, P. ADA 94 (1983), 110; EWNl 2 (2005), 384.

hären Adj ’aus groben Fasern bestehend’ erw. obs.

(8. Jh.), mhd. ha¯rı¯n, fnhd. auch haren, ahd. ha¯rı¯n. Eigentlich ’aus Haaren bestehend’ (’Rosshaar, Ziegenhaar’ u.ä.). In Bezug auf Kleidungsstücke dürfte aber ÞHaar 2 eingewirkt haben (das in alter Zeit kurzes a hat). Häresie Sf ’Ketzerei’ per. fach. (13. Jh.), mhd. (h)e¯resı¯e.

(8. Jh.), mhd. harm, ahd. harm, as. harm m./n. Aus g. *harma- m. ’Harm’, auch in anord. harmr, ae. hearm, afr. herm. Falls akslav. sramu˘ ’Schande’ und avest. fsˇar¡ma- m. ’Scham(gefühl)’ (mpers. ˇsarm, npers. ˇsarm) zugehörig sind, muss das Wort ursprünglich mit p angelautet haben. In diesem Fall wäre an *pk´or-mo- zu denken, das zu (ig.) *pek´- ’die Haare raufen’ (s. unter Þfechten) gehören könnte. Also ’Haare-Raufung’? Verb: (ab-)härmen; Adjektiv: harmlos.

Ebenso ne. harm, nschw. harm, nisl. harmur. – Walz, J. A. GR Ist entlehnt aus l. haeresis, dieses aus gr. haı´resis 10 (1935), Nr. 2, 98–113; Heidermanns (1993), 282; Sousa ’Wahl, Überzeugung’ u.a., zu gr. haireı˜n ’an sich nehCosta (1993), 276–282; EWahd 4 (2009), 835f. men’. Die heutige Bedeutung ist geprägt von dem Harmonie Sf ’Übereinstimmung, Wohlklang’ std. christlichen Philosophen Justin. Dieser übernahm (16. Jh.). Entlehnt aus l. harmonia, dieses aus gr. hardie speziell philosophische Bedeutung ’philosophimonı´a, eigentlich ’Fügung’. Die vom 13. bis zum sche Schule’, um damit abweichende Richtungen der 15. Jh. bezeugte Form armonı¯e ist aus dem FranzösiChristentums zu bezeichnen. Täterbezeichnung: schen entlehnt und wird durch die relatinisierte Form Häretiker; Adjektiv: häretisch. verdrängt. Verben: harmonieren, harmonisieren; AdjekEbenso nndl. heresie, ne. heresy, nfrz. he´re´sie. – Siegert (1950), tiv: harmonisch. 92; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 392; HWPh 3 (1974), 999–1001; Le Boulluec, A.: La notion d’he´re´sie (Paris 1985); LM 4 (1989), 1933–1937; EWNl 2 (2005), 420.

Harfe Sf std. (9. Jh., latinisiert 6. Jh.), mhd. harpfe, ahd.

har(p)fa, harf . Aus g. *harpo¯ f. ’Harfe’, auch in anord. harpa, as. harpa, ae. hearpe, h¢rpe. Herkunft unklar. Vgl. immerhin das unter ÞHarpune genannte, in dieser Bedeutung nicht bezeugte (g.) *harpon ’zupfen’. Danach wäre die Harfe eine ’Zupfe’.

Ebenso nndl. harmonie, ne. harmony, nschw. harmoni, nnorw. harmoni. Das griechische Wort ist das Abstraktum zu einem nur in Eigennamen bezeugten Adjektiv gr. ha´rmo¯n (etwa ’gefügt’), einer (wohl partizipialen) Ableitung von der Wurzel ar- ’fügen’. Der spiritus asper ist unklar, vielleicht war das Suffix s-haltig; Þphilharmonisch; zur germanischen Verwandtschaft s. ÞArm. – DF 1 (1913), 262f.; Gigon, O. SG 19 (1966), 539–547; Hüschen, H. SG 19 (1966), 548–554; HWPh 3 (1974), 1001; Richter (1989), 153f.; LM 4 (1989), 1939; EWNl 2 (2005), 386.

Ebenso nndl. harp, ne. harp, nschw. harpa, nisl. harpa. – Meringer, R. IF 16 (1904), 128–133; Sperber, H. WS 3 (1912), Harmonika Sf erw. fach. (18. Jh.). B. Franklin nennt das 68–77; Werner, J. FS Mayer (1954), 9–15; Steger, H. DVLG 35 von ihm 1761 gebaute Musikinstrument (ne.) armo(1961), 96–147; Relleke (1980), 84–88, 188–191; DEO (1982), nica, in Anlehnung an gr. harmoniko´s ’harmonisch’ 356; Lühr (1988), 264f.; LM 4 (1989), 1937; Röhrich 2 (1992), (mit italienischer Lautform, da Italien in dieser Zeit 664f.; RGA 14 (1999), 1–3; EWNl 2 (2005), 387; EWahd 4 (2009), im Bereich der Musik führend war). Es handelte sich 844–846. dabei um die Glasharmonika; doch wurde die Bezeich-

Harke Sf erw. ndd. (16. Jh.), mndd. harke, mndl. harke.

Die Entsprechung im Süden ist ÞRechen. Daneben ndd. harken ’schaben, kratzen’. Weitere Herkunft unklar, wohl lautmalend (in der noch nicht lautverschobenen Form, vgl. etwa − mit s mobile − akslav. skrı˘gu˘tati ’knirschen’). Röhrich 2 (1992), 665; EWNl 2 (2005), 384f.

nung dann auf andere Instrumente übertragen. Nach 1800, besonders nach 1820, gab es zahlreiche Entwicklungen von Instrumenten, die pauschal Harmonika genannt werden konnten (aber meist spezielle Namen bekamen). Zwei Typen konnten sich auf die Dauer durchsetzen: Zunächst die Mundharmonika, die seit 1825 in Wien verkauft wurde (’chinesischer

Harmonium

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Art’), ab 1827 in Trossingen. Dann die Handharmo- Harnisch Sm erw. obs. (12. Jh.), mhd. harnas(ch) m./n. nika (Ziehharmonika), die 1829 unter dem Namen Ist entlehnt aus afrz. harnais ’Rüstung’, das seinerseits etymologisch umstritten ist. Accordion ebenfalls in Wien hergestellt wurde. Bei ihr gab es besonders viele Varianten und WeiterentwickEbenso nndl. harnas, ne. harness, nfrz. harnais, nschw. harnesk, nisl. harneskja; Þgeharnischt. – Ploss, E. BGDSL-T 81 (1959), lungen. Das heute im Vordergrund stehende Instru107–110; Törnqvist, N. KVNS 76 (1969), 43f.; Siebel, G.: Harment heißt wieder ÞAkkordeon, ist aber stark nisch und Helm (Diss. Hamburg 1969); LM 4 (1989), 1941; weiterentwickelt (gleicher Ton bei Zug und Druck, Röhrich 2 (1992), 665f.; EWNl 2 (2005), 387. Akkord-Seite und Melodie-Seite). Die einfachen Instrumente haben häufig verschiedene Töne bei Zug Harpune Sf erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus nndl. harund Druck; sie heißen allgemein Harmonika, treten poen, dieses aus frz. harpon m. (eigentlich ’Eisenaber in vielen Varianten und unter vielen Namen auf klammer’), entweder Augmentativum zu afrz. harpe (Schifferklavier, Schweizer Orgel, Schrammelharmo’Kralle’ oder Nomen Instrumenti zu afrz. harper nika usw.). ’ankrallen’. Die Herkunft des französischen Wortes ist umstritten, man rechnet mit awfrk. *harpo¯n Ebenso nndl. harmonika, ne. harmonica, nfrz. harmonica, nschw. harmonika, nisl. harmonı´ka. – DF 1 (1913), 263; Rey’zupfen’. Verb: harpunieren. Debove/Gagnon (1988), 381f.; EWNl 2 (2005), 385f.

Harmonium Sn erw. fach. (19. Jh.). Die Verbesserung

Ebenso nndl. harpoen, ne. harpoon, nschw. harpun, nnorw. harpun. – Kluge (1911), 355f.; DF 1 (1913), 263; Jones (1976), 371f.; EWNl 2 (2005), 387.

eines Tasteninstruments, das der Orgel nachempfunden war (frz. orgue expressif ) wurde von ihrem Kon- harren Vsw erw. obs. (13. Jh.), mhd. harren. Ursprüngstrukteur, dem Franzosen A. F. Debain harmonium lich regionales Wort, das vor allem durch Luther vergenannt (in Anlehnung an das Wort ÞHarmonie). breitet wird. Herkunft unklar. Die ursprüngliche BeMit der Sache wird das Wort in Deutschland überdeutung ist ’feststecken, nicht mehr weiterkönnen’. nommen. Präfigierung: Þbe-, Þver-; Partikelverb: aus-; Adjektiv: beharrlich. Ebenso nndl. harmonium, ne. harmonium, nfrz. harmonium, nschw. harmonium, nisl. harmo´nı´um.

Bahder (1925), 93, 121f.

Harmschar Sf ’ehrenrührige, vom Herrscher festgesetz- Harsch Sm ’Schneekruste’ per. obd. (19. Jh.). Vgl. mndd.

te Strafe’, dann allgemein ’selbstverschuldetes Unharsch ’rau’. Dazu Þverharschen ’verschorfen’ (von glück’ per. arch. (8. Jh.), mhd. harmschar, ahd. harmWunden). Zu russ. koro´sta ’Krätze, Grind’; die scara, as. harmscara, mnl. (h)armscara. aus wg. *harGrundlage in ig. *kers- ’kratzen’ in ai. kasati ’schabt, ˙ ma-skaro¯ f., auch in afr. harmskere, ae. hearmscearu. kratzt’, lit. kar˜ˇsti ’aufkratzen’, l. carrere ’kratzen, Entsprechend der Ausgangsbedeutung von ÞHarm krempeln’. bedeutet der Ausdruck ’Einteilung in die SchandHeidermanns (1993), 282f. gruppe’ (s. ÞSchar 1); es handelt sich also um eine Harst Sm ’Schar, Gruppe’ per. schwz. (14. Jh.), spmhd. ehrenrührige Strafe, die in belegbaren Zeiten vom harsch, harst ’Kampfgruppe’. Herkunft unklar. Herrscher verfügt wird, in der Regel als Ersatz für hart Adj std. (8. Jh.), mhd. herte (Adv. harte), ahd. hart eine noch härtere Strafe, etwa der Todesstrafe. Die (Adv. hart[o]). Aus g. *hardu- Adj. ’hart’, auch in gt. ehrenrührige Einordnung findet (wenigstens in frühardus, anord. hardrÑ , ae. heard. Mit gleicher Bedeuher Zeit) symbolischen Ausdruck (etwa durch das tung (aber einfacherer Wurzelform ig. *ker-) ai. kar’Satteltragen’). kara- (spät bezeugt) und das gr. Glossenwort ka´rkaSchmidt-Wiegand, R. FS Munske (2000), 1–8. roi; vielleicht auch das morphologisch unklare Wort Harn Sm std. (9. Jh.), mhd. harn, ahd. harn mit der für den Krebs, ai. karkata-, gr. karkı´nos, l. cancer. Forregionalen Nebenform harm. Ablautend dazu mhd. ˙ mal gleich, aber mit abweichender Bedeutung sind lit. hurmen ’düngen’. Das Wort hat keine genaue Verkartu`s ’bitter’, russ.-ksl. kratu˘ku˘ ’kurz’, ai. katu´gleichsmöglichkeit. Anschließbar sind Wörter mit s ˙ ´ ti ’scharf, beißend’ (zu lit. kir˜sti ’hauen’, ai. krnta ˙ ein Anmobile und der Bedeutung ’Kot, Mist’, zunächst in ’schneidet’). Morphologisch verlockend wäre anord. skarn n., ae. scearn n., afr. skern, ndd. scharn schluss an gr. kraty´s ’stark, mächtig’ (auch gr. kart-), ’Mist’. Dieses kann weiter gehören entweder zu (ig.) ai. kra´tu- ’Kraft’; doch weicht die Vokalisierung und *sker¡- ’schneiden, scheiden’ (vgl. ai. apaskara-, l. exdie Bedeutung ab; auch scheint die Verwendung als cre¯-mentum n. ’Ausscheidung’) oder zu dem alten r/ Adjektiv sekundär zu sein. Vor einer Entscheidung n-Stamm *sek´o¯r/sak´n- ’Kot, Mist’ in heth. ˇsakkar, über die Etymologie müssten die möglichen Bedeuzakkar n., gr. sko˜r (skato´s) n., l. -cerda f. ’Kot’ (l. mu¯stungszusammenhänge sorgfältig geprüft werden. Abcerda f. ’Mäusekot’, l. su¯cerda f. ’Schweinekot’), russ. straktum: Härte; Verb: (ab-, er-, ver-)härten. sratı˘ ’scheißen’ und avest. sairiia- ’Dünger, Mist’. Ebenso nndl. hard, ne. hard, nschw. ha˚rd, nisl. harduÑ r. S. auch Verb: harnen. ÞHarsch, ÞHartmond, ÞHardware. – Benveniste (1969/1993), LM 4 (1989), 1940f.; EWahd 4 (2009), 838–841.

348–359; Strunk, K. Acta Iranica 2 (1975), 265–296; Strunk, K. MSS 34 (1976), 169f.; Röhrich 2 (1992), 666; Heidermanns

Hasel

397 (1993), 282f.; Levickij (1998), 214; EWNl 2 (2005), 382f.; EWahd 4 (2009), 848–852.

hartleibig Adj 1) ’an Verstopfung leidend’, 2)

’geizig’ per. arch. (17. Jh.). Die zweite, häufiger bezeugte Bedeutung ist übertragen aus der ersten. Hartmond (Hartmonat, auch Hartung) Sm ’Januar’ (auch

’November’ oder ’Dezember’) per. arch. (11. Jh.), mhd. hartma¯no¯t, hartma¯n, ahd. hartima¯no¯d, hertima¯no¯d. Zu Þhart in der Bedeutung ’kalt, gefroren’. hartnäckig Adj std. (15. Jh.). Bahuvrihi-Adjektiv

’einer, der einen harten Nacken hat’ (übertragen vom starken Nacken der Zugrinder). Röhrich 2 (1992), 666; EWNl 2 (2005), 383.

Hartriegel Sm ’ein Strauch mit hartem Holz’ per. fach.

(11. Jh.), mhd. hartrügel n., ahd. hart(t)rugil. Ursprünglicher scheint das einfache, nicht verdeutlichte Wort zu sein, das als afrz. troine, regional true`le entlehnt wurde. Das Verhältnis zwischen l und n ist dabei nicht ganz klar; es ist aber nicht auszuschließen, dass -n- auch in der ursprünglichen deutschen Form enthalten war. Dann ist von *trugun aus g. *truwun aus voreinzelsprachl. *druwno- auszugehen, zu ig. *dru˙ das n-Ableitungen mit ’Baum, Holz, hart’ (ÞTeer), entsprechender Bedeutung aufweist (ai. da¯ru´na˙ dieser ’hart, herb, rau’, air. dron ’fest, stark, hart’). Bei Annahme hätte schon das einfache Wort den Strauch bezeichnet (’der Harte’), und die verdeutlichende Komposition mit hart- wäre zu einer Zeit erfolgt, in der das Wort als Appellativum unüblich war, aber noch verstanden wurde. ÞHolunder. – Marzell 1 (1943), 1173–1179; Seebold, E. IF 87 (1982), 186; Sauerhoff (2001), 178.

Harz Sn std. (9. Jh.), mhd. harz n./m., ahd. harz, as. hart.

Aus vd. *harta- n. ’Harz’. Keine Anschlussmöglichkeit. Am ehesten vergleichbar sind die Wörter für ’Wachs’ (gr. ke¯ro´s m., lit. kory˜s m. ’Honigwabe’), für die Entlehnung aus einer orientalischen Sprache erwogen wird. Evtl. ai. kunda- m. ’Harz des Weihrauchbaums’. Loewenthal, J. BGDSL 52 (1928), 457; Fowkes, R. A. JEGP 45 (1946), 218f.; Klingenschmitt, G. MSS 18 (1965), 29–33; LM 4 (1989), 1950f.; EWNl 2 (2005), 387f.; EWahd 4 (2009), 858f.

Hasard (Hasardspiel) Sn ’gewagtes Spiel/Unterneh-

Jones (1976), 327; Brunt (1983), 331, 347; Kiesler (1994), 337; Tazi (1998), 203f.

Haschee Sn erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. (vian-

de) hache´e f. ’gehacktes Fleisch’, also dem Partizip von frz. hacher ’zerhacken’. Im Französischen selbst wird die Form hachis m. aus derselben Grundlage vorgezogen. Ebenso nndl. hachee, ne. hash, nfrz. hachis, ndn. hachis. – DF 1 (1913), 263f.; EWNl 2 (2005), 363.

haschen1 Vsw std. (14. Jh.), spmhd. haschen. Zunächst

regional (ostmitteldeutsch), dann vor allem durch Luther verbreitet. Der Bedeutung nach könnte es ein Intensivum zu *hab- ’packen, fangen’ sein (vgl. l. capere), während die germanischen Wörter in der Bedeutung abgewandert sind (Þheben). In diesem Fall wäre (g.) *haf-sko¯- anzusetzen. Nomen Agentis: Häscher. Röhrich 2 (1992), 666.

haschen2 Vsw ÞHaschisch. Hascher Sm (Hascherl n.) ’bemitleidenswerter Mensch’, Hascherl ’bemitleidenswertes Kind’ per. oobd. (19. Jh.). Herkunft unklar.

Haschisch Sn (ein Rauschgift) std. (19. Jh.). Entlehnt

aus arab. hasˇ¯ıˇs, eigentlich ’Kraut, Gras’. Kurzform: ˙ Hasch; Verb: haschen2. Ebenso nndl. hasjisch, ne. hashish, nfrz. ha(s)chi(s)ch, nschw. haschisch, nnorw. hasjis, nisl. hass. – Lokotsch (1975), 66f.; Kiesler (1994), 203; Tazi (1998), 313; EWNl 2 (2005), 388f.

Hase Sm std. (8. Jh.), mhd. has(e), ahd. has(o), mndd.

hase, mndl. hase. Aus vd. *haso¯n m. ’Hase’, neben dem mit grammatischem Wechsel *hazo¯n anzusetzen ist, das in anord. heri, ae. hara auftritt. Aus ig. *k´aso´/o¯n m. ’Hase’ auch in ai. ´sas´a´- (das zweite ´s durch Assimilation entstanden), apreuß. sasins, erweitert kymr. ceinach. Das Wort bedeutet ursprünglich offenbar ’der Graue’ (vgl. lit. ˇsir˜vis ’Hase’ zu lit. ˇsir˜vas ’grau’); dieses in ae. hasu ’graubraun’, anord. hoss ’grau’; und außergermanisch l. ca¯nus (aus *kasno-). Ebenso nndl. haas, ne. hare, nschw. hare, nisl. he´ri. – Schwentner (1915), 79f.; Hendriksen, H. IF 56 (1938), 27; Mayrhofer, M. Sprache 7 (1961), 181; LM 4 (1989), 1951f.; Röhrich 2 (1992), 667–672; Heidermanns (1993), 283f.; RGA 14 (1999), 28f.; EWNl 2 (2005), 360f.; EWahd 4 (2009), 867–869.

men’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. jeu de hasard m. (eine Art Würfelspiel), dieses über span. azar Hasel Sf std. (9. Jh.), mhd. hasel, ahd. hasal, hasel m., aus arab. az-zahr ’Würfel zum Spielen’; arab. zahr ist hasala, mndd. has(s)el m., mndl. hasel. Aus g. *haslaeigentlich ein Kollektivum ’Blumen, Blüten’ und m. ’Hasel’ (im Deutschen dem Genus anderer Baumbezog sich zunächst auf die Seite des Würfels, die die namen angeglichen), auch in anord. hasl m., ae. h¢sel Eins zeigt. Vielleicht waren die Punkte des Würfels m. Außergermanisch vergleicht sich kymr. coll (aus zunächst in Form von Blüten. Die Beleglage im Ara*koslo-) und mit Rhotazismus l. corylus, corulus, beide bischen ist im übrigen dürftig. Schon im Mittelhoch’Hasel’, dazu noch alit. kasulas ’Jägerspieß’. Weitere deutschen war das Wort als mhd. hasehart ’WürfelHerkunft unklar. spiel’ entlehnt worden, ging dann aber wieder unter. Ebenso nndl. hazelaar, ne. hazel, nschw. hassel, nisl. hasl, hesli. Täterbezeichnung: Hasardeur. – Marzell 1 (1943), 1199–1207; Röhrich 2 (1992), 672f.; RGA Ebenso nndl. hazardspel, ne. hazard, nschw. hasard(spel), nnorw. hasard(spill). – DF 1 (1913), 263; Lokotsch (1975), 170f.;

14 (1999), 33; EWNl 2 (2005), 393; EWahd 4 (2009), 860–862.

Haselhuhn Haselhuhn Sn per. fach. (12. Jh.), mhd. haselhuon, ahd.

hasalhuon, hasenhuon, mndd. hasenhu¯n. Wie das ÞBirkhuhn nach seinem Hauptaufenthaltsort benannt. Regionales Hasenhuhn ist eine Umdeutung. Suolahti (1909), 253f.

Haselnuss Sf std. (11. Jh.), mhd. haselnuz, ahd. hasal-

nuz. Zu ÞHasel und ÞNuss 1. EWahd 4 (2009), 863f.

Hasenfuß Sm ’Feigling’ erw. stil. (14. Jh.), spmhd. ha-

senvuoz. Da der Hase schnell davonläuft, wird mhd. has(e) auch für ’Feigling; jmd., der davonläuft’ gebraucht. Hierzu Hasenfuß als Pars-pro-toto-Bezeichnung, die das Fortlaufen betont (ähnlich Hasenherz). Schroeder, K. Stader Archiv 5 (1915), 67–69 (anders).

Hasenpanier Sn erw. stil. phras. (16. Jh.). Zunächst

scherzhafte weidmännische Bezeichnung für den Schwanz des Hasen, so wie ÞFahne für den Schwanz des Eichhörnchens. Während das Banner im Kampf vorangetragen wird, zeigt der Hase sein ’Panier’ bei der Flucht. Deshalb das Hasen panier ergreifen, aufwerfen, aufstecken usw. für ’die Flucht ergreifen’. Zuerst niederdeutsch bezeugt. hasenrein Adj (von einem Hund:) ’zum Verfolgen

einer besonderen Fährte abgerichtet, ohne sich von kreuzenden Fährten ablenken zu lassen’ erw. fach. (19. Jh.). In der Wendung etwas ist nicht (ganz) hasenrein ’nicht ganz einwandfrei’ ist das Wort wohl nur als Verstärkung von Þrein gebraucht. Hasenscharte Sf std. (14. Jh.), mhd. hasinscharte (als

398

anord. hatr n., ae. hete; das Maskulinum ist sekundär im deutschen Bereich entstanden. Die Bedeutung war ursprünglich umfassender als die neuhochdeutsche. Die Anschlussmöglichkeiten zu den außergermanischen Sprachen fallen weit auseinander; den befriedigendsten Anschluss bietet eine fachsprachliche Sonderbedeutung: hassen auf (einen Greifvogel usw.) bezeichnet das Verhalten kleiner (Sing-)Vögel, die sich in großer Menge auf einen Angreifer stürzen und ihn so vertreiben. Dies legt eine durch konkrete Anwendungen der Wörter dieser Sippe zu stützende Ausgangsbedeutung ’stürzen auf’ nahe, die sich unmittelbar mit l. cadere ’sich stürzen auf, fallen’ und ai. ´sad- ’abfallen, ausfallen’ (intransitiv, aber aktiv, nicht medial), auch transitiv ’niederwerfen, töten’ verbinden lässt, gr. (hom.) kad- ’stürzen, zurückweichen’. Diese Wurzel idg. *k´ad- hat in den westindogermanischen Sprachen eine deutliche Spezialisierung auf ’feindselige Haltung’, so in der germanischen Sippe von Hass und hassen (evtl. ist gt. hatjan ’mit Hass verfolgen, verabscheuen’, das nur in mehrdeutigen Nominalformen bezeugt ist, ein Primärverb), air. cais (*k´ad-s-) ’Hass’, aber auch ’Liebe’ (was auf ein allgemeines ’sich stürzen auf’ weist), kymr. cawdd m. (*k´a¯d-) ’Zorn, Ärger’, osk. cadeis ’Feindschaft’. Dehnstufige Formen anderer Sprachen weisen auf eine Bedeutung ’Sorge, Kummer’; ihre Zugehörigkeit ist weniger sicher. Verb: hassen. S. auch Þhäßlich, Þhetzen. – Heidermanns (1993), 284f.; Rübekeil, L. FS Klingenberg (Hamburg 2002), 239–294; EWNl 2 (2005), 389f.; EWahd 4 (2009), 871–873.

Name), sonst erst seit frühneuhochdeutscher Zeit be- hässlich Adj std. (12. Jh.), mhd. hez(ze)lich, haz(ze)lich, zeugt, aber in ähnlichen Bezeichnungen weit verahd. hazlih, as. hetilı¯k. Aus wg. *hates-lı¯ka- Adj. ’Hass breitet. Vgl. ae. h¢rsceard n., ne. hare-lip, nndl. haerregend, gehässig’, auch in ae. hetelı¯c (die Bildungen zelip, ndn. hareskaar, afr. hasskerde Adj.; außergerkönnen allerdings auch selbständig und später sein), manisch l. labium leporı¯num n., nfrz. bec de lie`vre m. zu ÞHass. Spätestens in frühneuhochdeutscher Zeit Benannt nach der für die Hasen typischen gespaltebeginnt das Wort im Deutschen den Gegensatz von nen Oberlippe. ’schön’ zu bezeichnen. Haspe Sf ’Haken (und Bänder) an der Tür, Garnwinde, Götze, A. ZDW 7 (1905), 202–220; HWPh 3 (1974), 1003–1007; Strang Wolle oder Garn (so viel auf einmal gehaspelt Röhrich 2 (1992), 673. wird)’ per. fach. (15. Jh.), fnhd. haspe, mndd. haspe, Hast Sf std. alt. obd. (16. Jh.). Aus dem Niederdeutmndl. haspe. Aus g. *haspo¯(n) f. ’Türhaken, Garnwinschen aufgenommen, wohin es aus dem Niederlände, Strang Garn’, auch in anord. hespa (jo¯n-Stamm?). dischen gelangt ist. Dorthin ist es entlehnt aus afrz. Die Ausgangsbedeutung ist offenbar ’Haken, um den haste (frz. haˆte), das seinerseits aus dem Germanisich etwas dreht’ (wie ÞAngel u.ä.). Weitere Herkunft schen entlehnt ist: auf ein *haifsti- ’Streit, Anstrenunklar. gung’ führen gt. haifsts, ahd. heifti ’heftig, sehr’ und Ebenso ne. hasp, nschw. hasp; ÞHaspel.

Haspel Sf ’Garnwinde’ (auch andere Bedeutungen von

ae. h¢ ¯ st(e) ’heftig’. Hast ist also ursprünglich ’Anstrengung’. Verb: hasten; Adjektiv: hastig.

ÞHaspe) per. fach. (12. Jh.), mhd. haspel m., ahd. hasEbenso nndl. haast, ne. haste, nfrz. haˆte, nschw. hast, nnorw. hast. S. auch Þheftig. – Öhmann, E. ZDW 16 (1960), 161–167; pil m., mndd. haspel, mndl. haspel. Aus vd. *haspilo¯ f. Heidermanns (1993), 266f.; EWNl 2 (2005), 362. ’Garnwinde’; mit Instrumentalsuffix *-ilo¯ oder Diminutiv-Suffix zu Haspe gebildet. hätscheln Vsw ’liebkosen’, verhätscheln ’verwöhEbenso nndl. haspel; Þverhaspeln. – EWNl 2 (2005), 389; nen’ std. (17. Jh.). Expressives Wort, das ’tätscheln’ EWahd 4 (2009), 869–871. oder ’wiegen’ bedeuten kann. Vgl. Þhatschen und ösHass Sm std. (8. Jh.), mhd. haz, ahd. haz, as. heti. Aus g. terr. hutschen. Ein genauerer Ausgangspunkt ist un*hataz- n. ’Hass, Zorn, Feindschaft’, auch in gt. hatis, bekannt.

Haus

399 hatschen (eigentlich hätschen) Vsw ’latschen, hin-

ken’ per. oobd. (16. Jh.). Ein expressives Wort wie etwa Þrutschen, mit dem es einige Bedeutungen teilt. Ein genauerer Ausgangspunkt ist unbekannt. Hattrick Sm ’dreimaliger Erfolg’ per. fach. (20. Jh.).

stehen am nächsten (mit Auslautvariation) lit. ka´upas ’Haufen’, akslav. kupu˘ ’Haufen’. Neben diesen steht im Litauischen ein Primärverb kau˜pti ’reinigen, säubern’, so dass etwa von ’zusammengerechter Haufen’ ausgegangen werden kann. Die Anwendung auf Menschenmengen wäre dann sekundär. Verben: (auf-)häufen, häufeln.

Entlehnt aus ne. hattrick, einer Zusammensetzung aus ne. hat ’Hut’ und ne. trick ’Dreh, Kunststück’. Der Ebenso nndl. hoop, ne. heap. – Röhrich 2 (1992), 676f.; Ausdruck scheint im Kricket aufgekommen zu sein EWNl 2 (2005), 456; EWahd 4 (2009), 1176f., 1190–1192. und auf der Gepflogenheit zu beruhen, einem Werfer einen Hut zu überreichen, wenn er das Wicket drei häufig Adj std. (16. Jh.). Eigentlich ’haufenweise’, seit oder mehrere Male getroffen hatte. Von hier aus dann dem 18. Jh. ’oft’. ins Fußballspiel übernommen und weiter verallgeHauhechel Sf per. fach. (16. Jh.). Die Pflanze wird meinert. wegen ihrer Dornen mit einer Hechel verglichen, Ebenso nndl. hattrick, ne. hattrick, nnorw. hattrick. – Carszumal gerne ÞHeu (dies ist der erste Bestandteil) an tensen 2 (1994), 625f. ihnen hängen bleibt. Hatz Sf ’Hetze, Eile, Jagd’ (auch Hatze, das eine unumÞHechel. gelautete Variante von ÞHetze ist) erw. stil. (16. Jh.). Haupt (jetzt weitgehend durch ÞKopf ersetzt) Sn erw. Rückbildungen zu Þhetzen. obs. (8. Jh.), mhd. houbet, ahd. houbit, as. ho¯bid. Aus Haube Sf std. (10. Jh.), mhd. hu¯be, ahd. hu¯ba, as. hu¯va.

Aus g. *hu¯bo¯n f. ’Haube’, auch in anord. hu´fa, ae. hu¯fe, afr. hu¯ve, houwe. Kann zu den indogermanischen Wörtern für ’Höcker, Buckel’ gehören, die ein *ku¯b h- (auch *kub h-) voraussetzen, so gr. ky¯pho´s ’gebückt, buckelig’, ai. kaku´bh- ’Spitze, Gipfel, Höcker’; lit. kupra` ’Buckel, Höcker’ u.a. LM 4 (1989), 1958f.; Röhrich 2 (1992), 674; EWahd 4 (2009), 1185–1187.

Haubitze Sf erw. obs. (15. Jh.). Entlehnt aus cˇech. houf-

nice, eigentlich ’Schleuder’. Ebenso nndl. houwitzer, ne. howitzer, nfrz. obusier, nschw. haubits, nnorw. haubits. – Bellmann (1971), 276f.; Steinhauser (1978), 82f.

hauchen Vsw std. (13. Jh.), mhd. hu¯chen (omd.). Her-

kunft unklar. Vielleicht eine expressive Abwandlung von mhd. ku¯chen ’hauchen’ (s. unter Þkeuchen). Abstraktum: Hauch. Haudegen Sm std. (17. Jh.). Zunächst ’Hiebwaffe’ im

Gegensatz zu Stoßdegen. Im 18. Jh. neu gedeutet als ’Draufgänger’, im Anschluss an ÞDegen 1 ’Krieger’. Einzelheiten bleiben unklar.

g. *haubida- n. ’Haupt’, auch in gt. haubiþ, anord. haufud,Ñ ae. he¯afod, afr. ha¯ved, ha¯(u)d, hafd. Neben diesem steht anord. ho¸fud,Ñ ae. hafud, die auf g. *habuda- zurückführen und mit l. caput unmittelbar zu vergleichen sind. Vermutlich liegt eine Bildung mit Suffixablaut (ig.) *kapwet-/kaput- vor, bei der die im Germanischen zu erwartende Lautfolge -fw- bei der ersten Form umgesprungen ist und den Diphthong ergeben hat. Andere Wörter von derselben Grundlage, wie ai. kapa¯´la- ’Schale, Hirnschale, Schädel’ weisen darauf hin, dass semantisch von ’Hirnschale’ auszugehen ist (vgl. die Entwicklung bei Kopf ). Präfixableitung: enthaupten. Ebenso nndl. hoofd, ne. head, nschw. huvud, nisl. höfud;Ñ Þbehaupten, ÞChef , ÞSkinhead. – Augst, G.: ’Haupt’ und ’Kopf’ (Diss. Mainz 1970); Nussbaum (1986); Perotti, P. A. Latomus 48 (1989), 341–343 (anders, nicht überzeugend); Röhrich 2 (1992), 677; EWNl 2 (2005), 453; EWahd 4 (2009), 1168–1171.

Haupt- Präfixoid ’erster, wichtigster, oberster’ std. (–).

So in ÞHauptmann, Hauptsache usw., auch Hauptwort, das seit dem 16. Jh. als Ersatzwort für ÞSubstantiv verwendet wird.

hauen Vst std. (9. Jh., bihouwen 8. Jh.), mhd. houwen,

Häuptling Sm std. (17. Jh.). Zunächst ’Anführer, Oberahd. houwan, as. hauwan. Aus g. *haww-a- Vst. haupt’, zu ÞHaupt; seit dem 19. Jh. festgelegt auf ’hauen’, auch in anord. ho¸ggva, ae. he¯awan, afr. ha¯wa, ’Anführer eines Stammes’. houwa. Aus ig. *kow¡- ’hauen, schlagen’ in lit. ka´uti LM 4 (1989), 1959f. ’schlagen, hauen, umbringen’, akslav. kovati ’schmieden’, toch. B kau- ’töten’; mit d-Erweiterung Hauptmann Sm std. (8. Jh.), mhd. houbetman, ahd. houbitman. Wie ae. he¯afodman ’Anführer, Erster l. cu¯dere ’schlagen, schmieden’. Nomen Agentis: unter seinesgleichen’. Von Friedrich Wilhelm IV. als Hauer; Nomen Instrumenti: Haue; Präfigierungen: Ersatzwort für ÞKapitän verwendet und seither in Þver-, Þzer-; Partikelverb: ab-. diesem Gebrauch festgeworden. Ebenso nndl. houwen, ne. hew, nschw. hugga, nisl. höggva; ÞHeu, ÞHieb, ÞVerhau. – Seebold (1970), 251; Röhrich 2 (1992), 675f.; EWNl 2 (2005), 471; EWahd 4 (2009), 1179–1183.

Haufen Sm std. (8. Jh.), mhd. hu¯fe, ahd. hu¯fo, mndd.

ho¯p, hoppe, hupe. Neben dem stark flektierten mhd. houf, ahd. houf, as. ho¯p, ae. he¯ap. Außergermanisch

Kluge, F. ZDW 1 (1901), 76; EWNl 2 (2005), 459f.; EWahd 4 (2009), 1173f.

Haus Sn std. (8. Jh.), mhd. hu¯s, ahd. hu¯s, as. hu¯s. Aus g.

*hu¯sa- n. ’Haus’, auch in gt. -hu¯s (nur in gudhu¯s ’Tempel’, sonst gt. razn), anord. hu´s, ae. hu¯s, afr. hu¯s.

hausbacken

400

Herkunft unklar. Verwandtschaft mit ÞHütte ist an- hausieren Vsw std. (15. Jh.). Hybridbildung, zunächst zunehmen, so dass *hu¯sa- wohl auf *hud-s-a- (mit in verschiedenen Bedeutungen (’haushalten’, Dentalschwund und Ersatzdehnung) zurückgehen ’schlimm hausen’), schriftsprachlich fest geworden wird. Ein Zusammenhang mit gr. keu˜thos n. ’Vermit ’von Haus zu Haus feilbieten’. steck, Höhle, Tiefe’ und seiner Verwandtschaft ist Zu Hausierer s. LM 4 (1989), 1973. denkbar, aber nicht naheliegend. Haus im Sinne von Häusler Sm per. arch. (17. Jh.). Tagelöhner und andere ’Parlament’ ist Lehnbedeutung nach dem Englischen sozial schlechter Gestellte wurden auf dem Dorf so (seit dem 17. Jh.). Häuschen in Wendungen wie aus bezeichnet, weil sie lediglich ein kleines Häuschen dem Häuschen geraten geht aus von Häuschen besaßen, aber kein Land und wenig oder kein Vieh. ’Irrenanstalt’ (Petites-maisons war der Name einer Hausmannskost Sf std. stil. (15. Jh.). Ähnlich wie bei Pariser Irrenanstalt). Also eigentlich aus dem HäusÞhausbacken gilt die Kost, die für die eigene Familie chen sein = ’aus der Irrenanstalt sein’, ’irre sein’, dann bereitet wird, als einfach, aber nahrhaft. Übertragung auf andere Wendungen. Adjektiv: Ebenso nschw. husmanskost, nnorw. husmannskost. häuslich. Ebenso nndl. huis, ne. house, nschw. hus, nisl. hu´s; ÞGehäuse, Hausrat Sm std. (12. Jh.), mhd. hu ¯ sra¯t. Zu ÞRat in der Þhausen, ÞHütte. – Streicher, O. ZADS 37 (1922), 63f.; Ganz weiteren Bedeutung ’Vorrat, Gerätschaften’. (1957), 92; Moeller-Schina (1969), 95f. (= ’Parlament’);

HWPh 3 (1974), 1007–1020; LM 4 (1989), 1960–1971; Hamp, E. P. NOWELE 18 (1990), 95f.; Röhrich 2 (1992), 678–680;

Rieger: Die Julius-Universität und das Julius-Spital (Würzburg 1916), 56–61 (zu aus dem Häuschen sein); Öhmann, E. NPhM 61 (1960), 150f. (zu Haus in der Bedeutung ’Firma’); RGA 14 (1999), 57–61; EWNl 2 (2005), 475f.; EWahd 4 (2009), 1288–1290.

hausbacken AdjPP std. (16. Jh.). Gebildet mit Auslas-

sung des Þge- wie in Þaltbacken. Das hausgebackene Brot gilt als einfach, alltäglich, gegenüber dem Bäckerbrot; deshalb bekommt das Wort die Nebendeutung ’nüchtern, schwunglos, langweilig’. Ebenso nndl. huisbakken.

Hausehre Sf per. arch. (13. Jh.), mhd. hu¯se¯re ’Ehre des

Hausse Sf ’Steigen des Börsenkurses’ per. fach. (19. Jh.).

Entlehnt aus frz. hausse, zu frz. hausser ’erhöhen’, aus l. *altiare zu l. altus ’hoch’ (der Anlaut wohl nach dem germanischen Wort für ’hoch’). Ebenso nndl. hausse, nschw. hausse, nnorw. hausse. Zur Sippe des lateinischen Grundworts s. ÞAliment. – EWNl 2 (2005), 390.

Haussuchung Sf std. (11. Jh., selisohan 8. Jh., Form

15. Jh.), mhd. hu¯ssuoche, und das spätere mhd. hu¯ssuochunge, ahd. hu¯ssuocha. Einerseits Bezeichnung für den ’Hausfriedensbruch’ (wie ÞHeimsuchung), andererseits für die rechtlich erlaubte Durchsuchung eines Hauses. Semantik und Morphologie sind zwar im Prinzip klar, aber im einzelnen untersuchungsbedürftig.

Hauses, Hauswesen’. Mit Anspielung auf das Sprichwort hausehr liegt am weib, nit am man (bezeugt seit Haut Sf std. (8. Jh.), mhd. hu¯t, ahd. hu¯t, as. hu¯d. Aus g. dem 16. Jh.) wird das Wort auch für ’Hausfrau’ ver*hu¯di- f. ’Haut’, auch in anord. hu´d,Ñ ae. hy¯d, afr. he¯d. wendet; schon früh häufig scherzhaft. Gehört zu den Dental-Erweiterungen der (ig.) Wurzel *(s)keu(¡)- ’bedecken’ (in ai. skuna¯´ti ’bedeckt’), zu hausen Vsw std. (11. Jh., Bedeutung 16. Jh.). Zunächst denen auch l. cutis ’Haut’ gehört; mit abweichendem ’wohnen, wirtschaften, haushalten’, häufig übel (böse Vokal lit. kia´utas ’Schale, Hülse’; mit s mobile gr. sky˜usw.) hausen, dann festgeworden für ’schlecht mit tos n. ’zubereitete Haut, Leder’, mit abweichendem etwas umgehen’. Dental mir. codal ’Haut’. Verb: häuten. Hausen Sm ’ein Fisch’ per. fach. (11. Jh.), mhd. hu¯se, Ebenso nndl. huid, ne. hide, nschw. hud, nisl. hu´d.Ñ – LM 4 ahd. hu¯so, mndd. husen. Gehört am ehesten zu einem (1989), 1976; Röhrich 2 (1992), 680–683; Heidermanns Wort für ’Fischblase’, ähnlich wie in gr. ky´stis f. (1993), 312f.; EWNl 2 (2005), 473f.; EWahd 4 (2009), 1296–1298. ’Blase, Harnblase’. Vgl. Hausenblase (seit dem 16. Jh.), Hautevolee Sf ’vornehme Gesellschaft’ erw. obs. nndl. huisblas (die Blase dieser Fische wird zu ver(19. Jh.). Entlehnt aus frz. des gens de haute vole´e Pl. schiedenen Zwecken, u.a. zur Leimherstellung, ver’Leute von hohem Rang’, wörtlich ’von hohem Flug’ wendet). zu frz. voler ’fliegen’, offenbar durch mangelhaftes EWahd 4 (2009), 1293f. Verstehen dieser Wendung. Ersetzt älteres BeaumonHauser Sm (Hauserin f. per.) ’Haushälter’ std. alt. de, in späterer Zeit nur noch spöttisch oder ironisch (16. Jh.). Zu älterem Þhausen im Sinn von ’wirtgebraucht. schaften, haushalten’. Ebenso nndl. haute vole´e. Zur Verwandtschaft des ersten EleHaushalt Sm std. (15. Jh.). Rückbildung aus der Zusam-

menbildung haushalten, mhd. hu¯shalten, mit ÞHaus im Sinn von ’Haushalt’. EWNl 2 (2005), 476.

ments s. ÞAliment, zu der des zweiten s. ÞVolant. – DF 1 (1913), 264.

Hautgout Sm ’Wildgeschmack nach dem Abhän-

gen’ erw. fach. (17. Jh.). Fachsprachlich schon früh in Deutschland bekannt, aber erst im 18. Jh. eingebürgert. Aus frz. hautgouˆt ’starker Geschmack’ (frz. haut

Heckenschütze

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eigentlich ’hoch’, aus l. altus). Häufig pejorativ (im Sinne von ’angefault’) und übertragen (’übersteigerter Geschmack’ usw.) gebraucht. Ebenso ne. haut gout. Zur Verwandtschaft des ersten Elements s. ÞAliment, zu der des zweiten s. Þdegoutieren. – DF 1 (1913), 264.

Havarie Sf ’Unfall, Beschädigung’ per. fach. (17. Jh.).

Nach der üblichen Etymologie ist das Wort entlehnt aus nndl. averij und nndd. Haverye, diese aus frz. avarie, aus it. avaria, aus arab. awa¯r ’Schaden, Fehlerhaftigkeit’ bzw. arab. awa¯rı¯ya ’beschädigte Güter’. Das anlautende h- wohl im Anschluss an ÞHafen 2. Es gibt aber auch die Meinung, dass arab. awa¯rı¯ya aus den romanischen Sprachen entlehnt ist und ein (unklares) romanisches oder griechisches Wort als Vorlage hat. Ebenso ne. average, nfrz. avarie, nndl. avarij, nschw. haveri, nnorw. havari. – Littmann (1924), 97; Lokotsch (1975), 12; Schlosser, H. D. DS 31 (1987), 167; Kiesler (1994), 145f.; Tazi (1998), 289f.

Haxe Sf ÞHachse. Hearing Sn ’Anhörung’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus

ne. hearing, einem Abstraktum von ne. hear ’hören’. Ebenso nndl. hearing, nschw. hearing, nnorw. høring. Zur deutschen Verwandtschaft s. Þhören. – Carstensen 2 (1994), 629–631.

Hebamme Sf std. (9. Jh.), mhd. hebeamme. Älter ist

Hebeschmaus Sm ’Richtfest’ per. reg. (18. Jh.). Zu

Þheben im technischen Sinn von ’den Rohbau eines Hauses erstellen’. Auch als Hebemahl schon im 18. Jh. bezeugt. Hechel Sf per. fach. (15. Jh.), mhd. hachel, hechel. Eine

Instrumentalbildung zu der Sippe, zu der auch ÞHaken gehört. (Gebrochener Flachs wird durch die Hechel gezogen, um die Fasern vom Werg zu trennen. Das Gerät besteht aus nebeneinander stehenden Metallspitzen). Verb: hecheln. Substantiv und Verb vielfach übertragen für ’über jemanden lästern’ (durchhecheln, durch die Hechel ziehen). Vgl. ne. hatchel, nschw. häckla; ÞHauhechel. – Eichhoff (1968), 48–50; Röhrich 2 (1992), 684f.; EWNl 2 (2005), 408; EWahd 4 (2009), 886.

Hechse Sf ÞHachse. Hecht Sm std. (11. Jh.), mhd. hech(e)t, ahd. hehhit, as.

hakth. Aus wg. *hakida- m. ’Hecht’, auch in ae. haced; daneben scheint auch *hakuda- (ae. hacod) vorauszusetzen zu sein. Der Hecht wird nach seiner Körperform und Bewegung meist als ’Spieß’ o.ä. bezeichnet (ne. pike ’Stachel, Hecht’, nfrz. brochet ’Hecht’ zu frz. broche f. ’Spieß’, nschw. gädda ’Hecht’ zu nschw. gadd ’Stachel’), doch haben Wörter, zu denen Hecht der Lautform nach passen würde, eher die Bedeutung ’Haken’ als ’Spitze’ (ÞHaken, ÞHechel). Auch ahd. hecken ’durchbohren, stechen’, ahd. hecki ’Spitze’ n.(?) stimmt nicht genau dazu.

ahd. hevian(n)a, hevanna, hevamma, das mundartlich noch heute fortlebt (hebane usw.). Die Herkunft Röhrich 2 (1992), 685f.; EWNl 2 (2005), 396; EWahd 4 (2009), des Zweitglieds -anna ist dunkel; das ’heben’ bezieht 887; Boutkan, D. ABäG 52 (1999), 11–29 (Substratwort). sich offenbar auf das Hochheben des Kindes unmittelbar nach der Geburt. Die neuere Form Hebamme Heck Sn ’Oberteil des Hinterschiffs’ erw. fach. (18. Jh.). Aus mndd. heck ’Umzäunung’, ndd. Heck ’Gatterberuht auf Vermischung mit einfachem ÞAmme in tür, Koppel’, weil der dort befindliche Platz des Steuder Bedeutung ’Mutter’, auch ’Hebamme’. ermanns eingehegt war. Þheben. – Virkkunen, M.: Die Bezeichnungen für Hebamme in deutscher Wortgeographie (Gießen 1957); Wolf-Rottkay, ÞHag. – Kluge (1911), 360f.; EWNl 2 (2005), 407. W. H. Kratylos 9 (1964), 197; LM 4 (1989), 1983; RGA 14 (1999), Hecke Sf std. (12. Jh.), mhd. hegge, hecke f./n., heck n., 94f.; EWahd 4 (2009), 880f.

Hebel Sm std. (15. Jh.), fnhd. hebel ’Hebestange’. Mit

dem Instrumentalsuffix -el (aus -ila-) zu Þheben. Ahd. hevil(o) bedeutet ’Hefe’. Röhrich 2 (1992), 683; EWNl 2 (2005), 431.

heben Vst std. (8. Jh.), mhd. heben, ahd. heven, heffen,

as. hebbian. Aus g. *haf-ja Vst. ’heben’, auch in gt. hafjan, anord. hefja, ae. hebban, afr. hebba; dieses aus ig. *kap- ’fassen, nehmen’ in l. capio ’ich nehme, ergreife’, lett. ka`mpt ’greifen, fassen’ (mit Nasalierung), gr. ka´pto¯ ’ ich schnappe, schlucke’; zugrunde liegt wohl eine Lautgebärde ’schnappen’. Als Variante mit auffälligen Übereinstimmungen vergleicht sich (ig.) *g hab h- (s. unter Þgeben).

ahd. hegga, mndl. hegge. Aus wg. *hagjo¯(n) f. ’Hecke, Umzäunung’, auch in ae. hecg; Weiterbildung zu ÞHag. Ebenso nndl. heg, ne. hedge. – LM 4 (1989), 1984; Röhrich 2 (1992), 686; EWNl 2 (2005), 407.

hecken (meist aushecken) Vsw per. arch. (13. Jh.), mhd.

hecken. Eigentlich ’ausbrüten’; zu einem Stamm *hag- ’sich fortpflanzen’, der auch belegt ist in Hagen ’Zuchtstier’, mhd. hagen; ahd. hegidruos(a), hegidrousı¯, mhd. hegedruose ’Hode, (Fortpflanzungsdrüse)’ u.a. Als weitere Anknüpfungen kommen in Frage russ.-kslav. kocˇanu˘ ’männliches Glied’ (das aber mit Wörtern für ’Kohlstrunk, Kohlkopf’ zusammengehört), lett. kakale ’Hodensack’.

Ebenso nndl. heffen, ne. heave, nschw. häva, nisl. hefja. Zu Vgl. me. hacchen, ne. hatch; ÞHeckpfennig. Entlehnungen aus der Sippe der lateinischen Entsprechung s. Heckenschütze Sm ’jemand, der auf eigene Faust hinter Þkapieren; Þanheben, Þbeheben, ÞBehuf , Þerheblich, Þhaben, der Frontlinie im feindlichen Bereich kämpft’ erw. ÞHabicht, ÞHaft, ÞHandhabe, Þhaschen 1, ÞHefe, ÞHeft 1, fach. (20. Jh.). Ersatzwort für frz. franc-tireur (das ÞHeft 2, ÞUrheber. – Seebold (1970), 244f.; Röhrich 2 (1992), sonst durch Freischütz, Freischärler übersetzt wird). 683; EWNl 2 (2005), 400f.; EWahd 4 (2009), 877–879.

Hecker

402

Offenbar ist hier ÞSchütze Übersetzung von frz. tireur, während das Vorderglied von Wörtern wie Heckenreiter ’Strauchdieb’ übernommen ist, also ’jemand, der aus dem Verborgenen schießt’. Hecker Sm ÞHicker. Heckmeck Sm ’dummes Zeug, dummes Gerede’ erw.

Hefe Sf std. (11. Jh.), mhd. hebe, hefe m./f., ahd. hevo,

heffo m., mndl. heffe. Aus wg. *haf-jo¯n m. ’Hefe’, eigentlich ’der Hebende’ zu Þheben, auch in ae. h¢f. Entsprechende Bildungen sind ahd. hevil(o), hefo m., heva, urhab m./n. Rosenfeld, H.-F. NW 13 (1973), 25–30; Lühr (1988), 356; Röhrich 2 (1992), 687; EWahd 4 (2009), 878.

stil. (15. Jh., Form 18. Jh.). Wohl nach älterem 1 Hackemack, Hack und Mack, eigentlich ’Gehacktes und Heft Sn ’Schreibheft’ std. (16. Jh.). Rückbildung zu Þheften, also ’das Geheftete’. Durcheinandergemengtes’, dann auch ’Plunder, PöRöhrich 2 (1992), 687. bel, zusammengelaufenes Gesindel, dummes Gerede’. Heute eher aufgefasst als reimende DoppelbilHeft2 Sn ’Griff (einer Waffe, eines Werkzeugs)’ std. dung zu Þmeckern, also ’Gemecker’. (11. Jh.), mhd. hefte, ahd. hefti, mndd. hechte Röhrich 2 (1992), 686. ’Messergriff’. Aus g. *haft-ja- n. ’Griff’, auch in ae. h¢ft, anord. hepti, eigentlich ’Halter’ zu Þheben in der Heckpfennig Sm per. arch. (18. Jh.). Nach dem Volksursprünglichen Bedeutung ’fassen, packen’ dieser glauben der Pfennig im Geldbeutel, den man nicht Wurzel, formal Erweiterung des ti-Abstraktums. ausgeben darf, weil er weitere Pfennige hervorbringt (zu Þhecken). Ebenso nndl. hecht. – EWNl 2 (2005), 401. Hede Sf ’Werg’ per. ndd. (15. Jh.), mndd. he¯de, mndl.

heften Vsw std. (8. Jh.), mhd. heften, ahd. heften, as. he¯de, afr. he¯de. Aus wg. *hezdo¯n f. ’Werg’ mit Ausfall heftian. Aus g. *haft-ija- Vsw. ’befestigen, haften’, des z unter Ersatzdehnung. Ohne diesen Ausfall in ae. auch in ae. h¢ftan, afr. hefta, anord. hepta, gt. haftjan, heordan; daneben mit Ablaut anord. haddr m. Faktitivum zu ahd. haft ’gefangen, gebunden’ (s. unter ÞHaft), also ’gebunden machen’. ’weibliches Haupthaar’. Mit anderem Suffix von der gleichen Grundlage gr. ke´skeon n., russ. ˇc¨eska ’Werg’ EWNl 2 (2005), 395; EWahd 4 (2009), 881–883. zu ig. *kes- ’kämmen’, das unter ÞHaar 2 angeführt heftig Adj std. (9. Jh., Form 13. Jh.), mhd. heftec. Erist. Hede ist also ’das Ausgekämmte’. weitert aus älterem heifte ’ungestüm’ mit Mono2 Ebenso nndl. hede, ne. hards; ÞHaar , Þverheddern. phthongierung und Kürzung. Dieses gehört wohl zu Hederich Sm (Name verschiedener Ackerunkräu(g.) *haifsti- ’Streit, Anstrengung’, das unter ÞHast ter) per. fach. (11. Jh.), mhd. hederich, hederı¯ch, ahd. behandelt ist. Vermutlich sind *heist- und *heift- verhederı¯h, mndd. hederik, hederich. Vermutlich aus l. schiedene Vereinfachungen aus *haifst-. Vielleicht hederace¯us ’efeu-ähnlich’ im Anschluss an ÞWegerich hat bei der Lautentwicklung mhd. heftec ’haftend’ (zu umgebildet. haft; ÞHaft) eingewirkt. Ebenso nndl. knopherik. – EWahd 4 (2009), 875f.

Heer Sn std. (8. Jh., runisch 5. Jh.), mhd. her, ahd. heri

Heidermanns (1993), 266f.; EWNl 2 (2005), 401f.; EWahd 4 (2009), 894f.

m./n., as. heri m./f. Aus g. *harja- m. ’Heer’, auch in Hegemonie Sf ’Vorherrschaft, Vormachtsstellung’ per. gt. harjis, anord. herr m., ae. here m. (das neutrale fach. (19. Jh.). Entlehnt aus gr. he¯gemonı´a (eigentlich Genus ist erst deutsch); schon seit runen-nordischer ’Führerschaft’), zu gr. he¯gemo¯´n ’Führer’, Nomen Zeit vielfach in Namen bezeugt; dieses aus ig. (eur.) Agentis zu gr. he¯geı˜sthai ’vorangehen, führen’. *korjo- m. ’Heer’, auch in lit. ka˜rias ’Heer’, mir. cuire Ebenso ne. hegemony, nfrz. he´ge´monie, nndl. hegemonie, nschw. hegemoni, nnorw. hegemoni. Zur germanischen Ver’Schar, Menge’ und weitergebildet in gr. koı´ranos m. wandtschaft s. Þsuchen; ÞExegese. – DF 1 (1913), 264; Walz, B. ’Heerführer, Herr’. Dies ist vermutlich eine Zugehöin Welskopf 5 (1981), 183–190; EWNl 2 (2005), 402. rigkeitsbildung zu einem Wort für ’Krieg’, das nur noch in lit. ka˜ras ’Krieg’ bezeugt ist. Eine andere Zu- hegen Vsw std. (9. Jh.), mhd. hegen, ahd. in umbiheggen gehörigkeitsbildung (mit Vriddhi) wäre apers. ka¯ra’umzäunen’. Faktitivum zu ÞHag, also zunächst ’mit ’Kriegsvolk, Heer’. einem Hag umgeben, umzäunen’, dann zu ’pflegen, Ebenso nndl. heer, nschw. här, nisl. her; ÞHerberge, ÞHerold, bewahren’ weiterentwickelt. Entsprechend ae. hegian ÞHerzog, Þverheeren. – Specht, F. ZVS 60 (1933), 130–138; ’umzäunen’. Abstraktum: Hege. Benveniste (1969/1993), 91–94; Schmidt-Wiegand (1972), 18f.; McCone, K. in R. Meid (1987), 101–154; LM 4 (1989), 1987–2007; KumarSen, S. NOWELE 16 (1990), 91; Röhrich 2 (1992), 686f.; RGA 14 (1999), 120–122; EWNl 2 (2005), 398f.; EWahd 4 (2009), 971–975.

Heerbann Sm erw. obs. (9. Jh.), mhd. herban, ahd. he-

riban ’Aufgebot der waffenfähigen Freien zur Heeresfolge’. Zu ÞHeer und bannen, ÞBann in der Bedeutung ’aufbieten, Aufgebot’. Tiefenbach (1973), 64–66.

EWNl 2 (2005), 407; EWahd 4 (2009), 742.

hehlen Vsw std. (8. Jh.), mhd. hel(e)n Vst., ahd. helan,

as. helan. Aus g. *hel-a- V(st.) ’hehlen’, auch in ae. helan, afr. hela; gotisch und altnordisch in Ableitungen, s. z.B. hüllen. Zu ig. (weur.) *kel- ’verbergen’ auch in l. occulere ’verbergen’, l. cela¯re ’verbergen’, air. ceilid ’verbirgt’. Vielleicht gehört weiter hierher ai. ´sarana´- ’schützend, verteidigend’ (doch s. ÞSchirm). ˙ In Erweiterungen (gr. kaly´ptein ’verbergen’) ist die

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Wurzel weiter verbreitet. Abstraktum: Hehl; Nomen Agentis: Hehler; Präfigierung: Þver-. Ebenso nndl. helen; ÞHalfter 2, ÞHalle, ÞHel, Þhelfen, ÞHelm 1, ÞHölle, ÞHülle, ÞHülse; zu einer Erweiterung der Wurzel s. ÞLid. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þokkult und ÞKolorit; zur griechischen ÞEukalyptus. – Seebold (1970), 252f.; Bahder (1925), 135f.; EWNl 2 (2005), 411; EWahd 4 (2009), 927f.

hehr Adj erw. obs. (8. Jh.), mhd. he¯r(e), ahd. he¯r, as. he¯r.

Aus g. *haira- Adj. ’grau(haarig)’, das im Westgermanischen zu ’ehrwürdig’ weiterentwickelt und im Deutschen weiter zu ’vornehm’ u.ä. wird; außerhalb vergleichen sich anord. ha´rr, ae. ha¯r ’grau’. Ein entsprechendes Farbwort ist mir. cı´ar ’dunkel’ (von der e-Stufe) und ksl. seˇru˘ ’grau’, mit anderem Suffix kslav. sinı˘ ’schwarzblau, schwärzlich’ (*k´eini-). Ebenso nndl. heerlijk, ne. hoary; ÞHerr. – Schwentner (1915), 80–82; Heidermanns (1993), 269f.; EWahd 4 (2009), 959–961.

Heia Sf ’Bett’ std. kind. (18. Jh.). Die Lautung ist kin-

dersprachlich und mundartlich ober- und mitteldeutsch verbreitet in Bedeutungen wie ’Wiege − Kinderbett − schlafen’; der Wiegenlied-Refrain eia (popeia) dürfte damit zusammenhängen. Es kann sich um Lautmalerei handeln, doch ist Anschluss an altes Wortgut (ig. *k´ei- ’liegen, schlafen’) möglich. Heide1 Sm ’Nichtchrist’ std. (8. Jh., Form 14. Jh.), mhd.

heiden, ahd. heidan. Zu einer Bezeichnung der Heiden, die im Gotischen nur einmal bezeugt ist, in der femininen Form haiþno ’Heidin’ (NSg oder GPl). Dem entspricht ahd. heidan (m.) ’Heide’ mit den Adjektiven heidanisc, heitnisc, heidhanliih. Die Überlieferung weist auf ein Suffix ohne vorausgehenden Vokal (das -a- ist ein Sprossvokal). Danach wird ahd. heidan auch als Adjektiv gebraucht (vor allem in der Wendung heidanin gommane ’Heidenleute, Heidenmänner’); und schon früh wird das Suffix bei Adjektiv und Substantiv an die häufige Suffixform -in- angepasst (heidin). Als Substantiv tritt dann im Singular fast ausschließlich das substantivierte Adjektiv auf (heidaner usw.); im Plural steht daneben das alte Substantiv. Nur als Adjektiv mit der -in-Form bezeugt sind as. hediÑ n, afr. hethen, ae. h¢ ¯ deÑ n und awn. heidiÑ nn, doch scheint im Nordhumbrischen noch ein altes Substantiv neben dem Adjektiv bestanden zu haben (z.B. in einer Glosse h¢dnÑ o ł h¢diÑ nra, also Substantiv neben Adjektiv). Die Erklärung der Herkunft dieses im Endergebnis gemeingermanischen Wortes ist umstritten. Die eine Richtung sieht in ihm eine Lehnübersetzung von l. paganus ’Heide, heidnisch’ zu l. pagus ’Distrikt, Gebiet’ (und dafür gt. haiþi ’die Heide’ zu *haiþina- ’heidnisch’). Diese Erklärung kann weder formal noch semantisch überzeugen: Das Fehlen des Mittelvokals im Gotischen und Deutschen wird so nicht erklärt und pagus ist etwas anderes als Heide, ganz abgesehen davon, dass paganus ein sehr spätes Wort ist – die Bezeugung be-

Heide1 ginnt kaum vor Wulfilas Wirken, und die früheste Bedeutung lässt sich am besten mit ’zivil, Zivilist’ umschreiben, hat also zunächst keine Verbindung zu ’heidnisch’. Die andere Etymologie für Heide hat ebenfalls ihre Schwierigkeiten, kann aber bessere Erklärungen bieten: Sie geht aus von einer Entlehnung aus gr. ´ethne¯ ’Volk’, das im Plural wie seine Entsprechungen im Hebräischen (go¯jı¯m), Lateinischen (gentes) und Gotischen (þiudo¯s) ’die Heiden’ bedeuten kann. Dabei ist eine Schwierigkeit, den einzelnen Heiden (und nicht die ganze Heidenschaft) zu bezeichnen. Für mehrere Individuen kann der Plural des Kollektivs zu einem Plural der Individuen umgedeutet werden (’mehrere Heiden’ statt ’mehrere Völker’) und dies geschieht auch im Griechischen und Gotischen. Dann kann der Genetiv Plural eingesetzt werden (’der von den Heidenvölkern’) und sonst ist eine besondere Wortbildung vonnöten (im Griechischen ´ethnikos). Nun scheint es im Griechischen (nicht unmittelbar bezeugt) den Gebrauch einer rückgebildeten Singularform gegeben zu haben, die einerseits zu einem o-Stamm führte, andererseits ein unhistorisches h- an den Wortanfang setzte. Beides ist bezeugt durch das gotische und germanische Wort für den Heiden, sowie eine entsprechende Entlehnung ins Armenische (die armenische Bibelübersetzung ist ungefähr gleichzeitig wie die gotische); also gt. haiþno ’Heidin’ und arm. het`anos ’Heide’ (an der gleichen Bibelstelle bezeugt, aber auch an mehreren anderen). Die e-Qualität konnte im Gotischen durch ai wiedergegeben werden, einen Quantitätsunterschied der Vokale gab es in dieser Zeit im Griechischen nicht mehr. Nun war bei den germanischen Nachbarsprachen des Gotischen bekannt, dass dem entsprechenden gotischen -e¯- in ihrer Sprache ein Diphthong -ai- gegenüberstand, deshalb konnte ein gotisches haiþn- bei ihnen als heid(a)n- wiedergegeben werden. Und da weiter die lateinischen Wörter dieser Bedeutung Adjektive waren (paganus, gentilis), lag es auch nahe, das vorliegende Substantiv in ein Adjektiv auf -in- umzuwandeln. Ausgegangen ist diese Entwicklung wohl von Westfranken, da hier einerseits die Verbindung zum Gotischen vorhanden war, und andererseits genügende Verbindungen nach Britannien bestanden, um die Entwicklung auch dorthin zu übertragen. Die gleiche Umdeutung des Singulars ’Volk’ zu einem Singular ’Heide’ ist im übrigen auch im (Exil-)Hebräischen entstanden: Der einzelne Heide ist hier genauso goj (s. ÞGoi) wie das einzelne Volk. Das Wort bedeutet bei den Juden ’Nicht-Jude’ (entsprechend gibt es ’Juden-Christen’ und ’Heiden-Christen’), dann bei den Christen den ’Nicht-Christen’. In der Neuzeit werden Anhänger monotheistischer Religionen im allgemeinen nicht mehr als Heiden bezeichnet. – Adjektiv: heidnisch; Abstraktum: Heidentum. Wohl im Anschluss an Heidenlärm ist Heiden- teilweise als verstärkendes Vor-

Heide2

404

derglied produktiv geworden (Heidenangst, HeidenHeie Sf , heienVsw ÞBeutheie. geld). Heiermann Sm ’Fünfmarkstück’ per. grupp. (20. Jh.). Ebenso ne. heathen, nndl. heiden, nschw. hedning, nisl. heidiÑ nVielleicht entrundet aus ÞHeuer (Fünfmarkstück als gi. – Hoops, J. in: Aufsätze zur Sprach- und LiteraturgeschichHandgeld bei Vertragsabschluss von Seeleuten). Zu te (FS Braune) (Dortmund 1920), 27–35; Zahn, Th. Neue beachten ist allerdings, dass hei das händlersprachlikirchl. Zs. 10 (1899), 18–43; Krogmann, W. ZDPh 59 (1934), che Wort für ’5’ ist (= he¯, Name des fünften Buch209–229; Wissmann, W. JEGPh 14 (1938), 46; Altauer, B. Zs. stabens im hebräischen Alphabet). Vgl. auch ndl. f. Kirchengeschichte 58 (1939), 130–141; Jochems, J. J. FS L. C. heitbas für ’5 Stüber’. Die Bildungen auf -mann für Michels. Hrsg. H. Hofstede, M. C.A van der Heijden (NijmeGegenstände, die durch das im Vorderglied Genannte gen 1958), 136–144; Seebold, E. BGDSL-T 93 (1971), 29–45; Harmening (1979), 273–292; Mazzuoli Porru, G. GS Scaffidi charakterisiert sind, kommen norddeutsch und mitAbbate (1983), 251–260; Röhrich 2 (1992), 688; RGA 14 (1999), teldeutsch öfter vor. 142; EWNl 2 (2005), 403; EWahd 4 (2009), 891–893. Heide2 Sf ’unbebautes Land’ std. (10. Jh.), mhd. heide,

ahd. heida, as. heidaÑ , he¯daÑ . Aus g. *haiþ(¢¯ )i- f. ’Wildland’, auch in gt. haiþi, anord. heidrÑ , ae. h¢ ¯ þ. Außergermanisch vergleicht sich kymr. coed ’Wald’, l. caedes in der Bedeutung ’Aushauen’ (von Hecken usw.), sonst ’Niedermetzeln’ u.ä. Als ’nutzbares Wildland’ (’das Auszuhauende’) zu l. caedere ’abhauen, niederschlagen’, unerweitert in mndl. hei(d)en ’feststampfen’. Ebenso nndl. hei(de), ne. heath, nschw. hed, nisl. heidiÑ . Zur Verwandtschaft des lateinischen Wortes s. Þdezidiert. S. ÞHeide 2, ÞHeidelbeere, ÞHeidschnucke. – Trier, J. ALV 1 (1949), 63–103; Seebold, E. in Mayrhofer/Peters/Pfeiffer (1980), 455f.; EWNl 2 (2005), 403; EWahd 4 (2009), 890f.

Heide3 Sf ’Heidekraut’ erw. fach. (11. Jh.), mhd. heide,

ahd. heida, as. heidaÑ , he¯daÑ . Aus wg. *haiþjo¯ f. ’Heidekraut’, auch in ae. h¢ ¯ d;Ñ vermutlich eine Zugehörigkeitsbildung zu ÞHeide 2 durch Thematisierung (*haiþj-o¯-). Wolff, L. ZDA 105 (1976), 255–257.

Heidelbeere (obd. Heidel, schwz. Heiden) Sf std.

(10. Jh., Form 15. Jh.), mhd. heitber, ahd. heid(i)beri. Wie ae. h¢ ¯ dberige eine Bildung aus ÞHeide 2 und ÞBeere, im Deutschen sekundär mit -l- im Vorderglied. Dieses l ist möglicherweise aus n durch Suffixersatz entstanden und gehört zu einem Wort, das für sich allein die Heidelbeere bezeichnen kann. Vollmann, R. BHV (1916), 119–128; Hepding, H. HBV 22 (1923), 1–58; Martin, B. Teuthonista 3 (1926/27), 310–313; Christmann, E. OZV 15 (1941), 79–84; LM 4 (1989), 2009; EWahd 4 (2009), 893.

Heidenkorn Sn ÞBuchweizen. Heidenlärm Sm std. stil. (19. Jh.). Gebildet im Anschluss

an Psalm 2,1 Warum toben die Heiden? Ebenso nndl. heidens lawaai.

Heidschnucke Sf (eine Schafart) per. fach. (17. Jh.). Aus

ÞHeide 2 und ÞSchnucke, ndd. snucke (Nebenformen Schnacke und Schnicke). Wohl eine lautmalende Bezeichnung nach dem Blöken der Schafe (vgl. snukkern ’schluchzen’). Schröder, H. BGDSL 29 (1904), 558; Kruppa-Kusch, V. / Wortmann, F. NW 4 (1964), 42–44.

heikel Adj std. (16. Jh.). Wenn das Wort ererbt ist, kann

es als vd. *haikula- aus (ig.) *kaiwlo- angesetzt wer˙ ’jmd. ausschließden und gehört dann zu ai. ke´valalich eigen, allein’, l. caelebs ’ehelos’ (aus *kaiwlo-lib’allein lebend’). Zum Bedeutungsübergang ist zu beachten, dass auch Þeigen die Bedeutung ’heikel’ haben kann. Die Erklärung setzt außerdem voraus, dass das g. -k- vor l geminiert wurde − aber der (obd.) Inlaut -k- ist auch auf andere Weise nicht ohne weiteres zu erklären. Die Lautverhältnisse bedürfen also noch weiterer Aufklärung. Seebold, E. IF 87 (1982), 172–183 (zum Lautlichen); Weitzenböck, G. ZM 12 (1936), 229–232 (anders); EWNl 2 (2005), 404.

heil (regional beschränkt) Adj std. (8. Jh.), mhd. heil,

ahd. heil, as. he¯l. Aus g. *haila- Adj. ’heil, ganz, gesund’, auch in gt. hails, anord. heill, ae. ha¯l, afr. he¯l. Diesem am nächsten stehen akslav. ceˇlu˘ ’gesund, ganz, unversehrt’, apreuß. kailu¯stiskun (Akk.) ’Gesundheit’ und vielleicht die Hesych-Glosse gr. koı˜ly. to` kalo´n (’das Gute’?). Anzusetzen wäre dann ig. (eur.) *koilu- ’gesund’ (o.ä.). Das Substantiv Heil ist nicht eine einfache Substantivierung und unter Umständen etymologisch gar nicht verwandt: Das Neutrum anord. heill, ae. h¢ ¯ l, afr. he¯l, as. he¯l, ahd. heil ’Vorzeichen’ geht auf einen s-Stamm g. *hailaz n. zurück; daneben existierte ein gleichlautendes Femininum im Altnordischen und Altenglischen mit der Bedeutung ’Heil, Segen, Glück’. Die beiden haben sich nachträglich vermischt. Außergermanisch vergleicht sich mit diesem zunächst kymr. coel ’Zeichen, Vorzeichen, Schicksal’, auch ’Glaube, Vertrauen’, dann osk. kaila ’Tempel’ und vielleicht mit andersartiger Erweiterung (oder unregelmäßiger Lautveränderung?) l. caerimo¯nia ’religiöse Handlung’. Vgl. auch akslav. ceˇlovati ’begrüßen, (die Reliquien) küssen’. Die Grundbedeutung wäre dann am ehesten ’Zeichen’ (zu ai. keta- ’Zeichen’; Þ-heit, Þheiter), die Grundform wäre ig. *kai-, lautlich also mit der Vorform des Adjektivs nicht ohne weiteres zu vereinbaren. Ebenso nndl. heel, ne. whole, hale, nschw. hel, nisl. heill. – Muller, J. W. TNTL 57 (1938), 63–74; Hartmann, H.: heil und heilig (Heidelberg 1943); Kuhn, H. ADA 62 (1944), 1–5; Ganz (1957), 93; Schützeichel, R. FS Eggers (1972), 369–391;

heimleuchten

405 HWPh 3 (1974), 1031–1033; Koller, E. FS Erben (1990), 133f.; Heidermanns (1993), 267f.; EWNl 2 (2005), 396f., 404f.; EWahd 4 (2009), 895–898.

Heiland Sm std. stil. (8. Jh.), mhd. heilant, ahd. heilant,

as. he¯liand, he¯l(e)and. Wie ae. h¢ ¯ lend eine Lehnübersetzung von l. salva¯tor ’Retter’ (zu l. salva¯re ’retten’), das seinerseits gr. so¯te¯´r (zu gr. so¯´izein ’retten’) übersetzt. Ursprünglich Partizip Präsens zu Þheilen 1, das von Þheil abgeleitet ist. Siegert (1950), 95f.; Moeller-Schina (1969), 30f.; Kolb, H. FS Schützeichel (1987), 1234–1249; LM 4 (1989), 2013; EWNl 2 (2005), 405; EWahd 4 (2009), 901f.

Heilbutt Sm ÞButt. heilen1 Vsw ’heil machen’ std. (9. Jh., giheilen 8. Jh.),

mhd. heilen, ahd. heilen, as. he¯lian. Aus g. *hail-ijaVsw. ’heil machen’, auch in anord. heila, ae. h¢¯ lan, afr. he¯la; Faktitiv zu dem Adjektiv Þheil. Das Intransitiv ’heil werden’ geht auf das ursprünglich verschiedene ahd. heile¯n ’heil werden’ zu der gleichen Grundlage zurück. Ebenso nndl. helen, ne. heal. – Leumann, M. ZVS 67 (1942), 215–217; EWNl 2 (2005), 410f. 2

heilen Vsw ’kastrieren’ per. fach. (15. Jh.), fnhd. obd.

Ebenso ne. home, nschw. hem, nisl. heima; Þeinheimsen, ÞHeim. – Röhrich 2 (1992), 690f.

Heim Sn std. (10. Jh., in heimzuht ’Überfall’ 8. Jh., Form

12. Jh.), mhd. heim, ahd. heima, as. he¯m. Aus g. *haima- m. ’Heim, Welt’, auch in anord. heimr m., heima (als Kompositionsglied auch heimis-), ae. ha¯m. Im Gotischen flektiert der Singular als femininer iStamm, der Plural als femininer o¯-Stamm. Dieses Formenverhältnis ist ungeklärt, hat aber eine auffällige Parallele in ai. bhu¯´ma (neutraler n-Stamm) ’Erde, Welt, Wesen’ neben ai. bhu¯´mi- f. (femininer i-Stamm) ’Erde, Boden’. Die Formen sind Abstrakta auf -mo- zu der ig. Wurzel *k´þei- (der modernere Ansatz ist **tkei-) ’wohnen’, also *k´þoimo(**tkoimo-) ’Wohnung, Siedlung’, vgl. ai. ks´ema- Adj. ’wohnlich’, ai. ks´ema n. ’Sicherheit, Ruhe’,˙vielleicht auch ’Wohnsitz’;˙ weiter lit. kie˜mas ’Bauernhof, Dorf’, das entweder das Verhalten einer Kentum-Sprache zeigt oder aus dem Germanischen entlehnt ist. Das zugrunde liegende Verbum in ai. ks´eti ’wohnt’, gr. eu` ktı´menos ’wo sich’s gut wohnt’. ˙ Ebenso nndl. heem, ne. home, nschw. hem, nisl. heimur; Þanheim, Þanheimeln, Þgeheim, ÞHeirat, ÞOheim. – Ganz (1957), 93f.; EWNl 2 (2005), 397; Seebold (2005), 1344f.; EWahd 4 (2009), 905f.

heilen, mndd. he(i)len. Auch in ae. to¯h¢ ¯ lan. Vermutlich Lehnbedeutung von l. sa¯na¯re ’dem männlichen Heimchen Sn ’Hausgrille’ erw. reg. (9. Jh., Form 15. Jh.), Tier durch Wegschneiden der Hoden die Wildheit mhd. heime m., ahd. heimo m., mndd. heime. Aus wg. nehmen’ (d.h. es l. sa¯nus ’gesund’ im Sinne von *haimo¯n m. ’Grille’, auch in ae. ha¯ma m. Die Ver’zahm, brauchbar’ machen) und damit ein Ableger kleinerungsform Heimchen taucht so seit dem 15. Jh. von Þheilen 1. Ebenso ndd. böten (= Þbüßen auf, ist aber wohl eine Umbildung einer anderen ’bessern’) ’heilen, kastrieren’. Form: mndd. he(i)meke, schwz. heimuch und umgeBahder (1925), 156f.; Förster, M. Anglia 67 (1944), 98f.; Niestellt ahd. mu¯hheimo m., so dass vielleicht sogar ein derhellmann (1983), 87–91. abgeschwächtes Kompositum vorliegt. Das Wort ist heilfroh Adj ’ganz und gar froh’ std. stil. (18. Jh.). Zu sicher mit ÞHeim verbunden worden und -much Þheil in der Bedeutung ’ganz’ (niederdeutsch und kann zu gt. mu¯ka- ’sanft’ gehören, aber vermutlich mitteldeutsch, vgl. ne. whole). liegen hier Umdeutungen älterer Bezeichnungen vor. Daneben schon ahd. heimilı¯(n). heilig Adj std. (8. Jh.), mhd. heilec, heilic, ahd. heilı¯g, Much, R. ZDA 69 (1932), 48; Röhrich 2 (1992), 691f.; heilag, as. he¯lag. Aus g. *hailaga- Adj. ’heilig, mit Heil EWahd 4 (2009), 908–910. versehen’, auch in ae. ha¯lig, anord. heilagr, runisch (gotisch?) hailag (Pietroassa). Zugehörigkeitsbildung Heimat Sf std. (11. Jh.), mhd. heimuot(e), heimo¯t(e), zu dem Substantiv Heil (Þheil). Abstraktum: heimo¯de, heimüete f./n., ahd. heimo¯ti, heimuoti, eiHeiligkeit; Konkretum: Heiligtum; Verb: heiligen. mo¯di n., mndd. he(i)mode, heinmo¯t n. Die Bedeutung Ebenso nndl. heilig, ne. holy, nschw. helig, nisl. heilagur; Þheil, ist ungefähr ’Stammsitz’. Der zweite Bestandteil ist ÞHelgen. – Baetke (1942); Hartmann, H.: heil und heilig unklar, besonders im Vergleich mit ahd. heimuodil, (Heidelberg 1943); Kuhn, H. ADA 62 (1944), 1–5; Must, G. heimo¯dil m., gt. haimo¯þli gleicher Bedeutung, die seJEGP 59 (1960), 184–189; Hiltbrunner, O. FS 2 (1968), 1–30; mantisch zwar zu *o¯þala- ’Erbbesitz’ gehören, aber Moeller-Schina (1969), 39; HWPh 3 (1974), 1034–1037; LM 4 lautlich (Mittelvokal) nicht dazu stimmen )ÞAdel). (1989), 2014–2020; Röhrich 2 (1992), 690; Lutzky, S. H. JIES Sonst zu ÞHeim. Adjektiv: heimatlich. 21 (1993), 283–301; EWNl 2 (2005), 405f.; EWahd 4 (2009), 899f. heillos Adj std. stil. (16. Jh.). Eigentlich ’ohne Heil −

elend − übel’, dann wie viele Ausdrücke für Unangenehmes als Steigerungswort gebraucht (vgl. Þelend, entsetzlich (Þentsetzen) usw.). heim Adv std. (9. Jh.), mhd. heim, ahd. heim. Aus g.

*haiman (so wohl als adverbialer Akkusativ anzusetzen) ’heim’, auch in anord. heima, ae. ha¯m.

Mackensen, L. Baltische Monatshefte 1 (1936), 76–94; HWPh 3 (1974), 1037–1039; Bredow, W., von Foltin, H.-F.: Zwiespältige Zufluchten (Bonn 1981); Röhrich 2 (1992), 691; Bastian, A.: Der Heimatbegriff (Tübingen 1995).

heimleuchten Vsw std. stil. (16. Jh.). Erstarrte Fügung

mit Adverb ’jemandem nach Hause leuchten’, d.h. ’mit Licht begleiten’. Dann als pars pro toto für das Nachhause-Bringen gebraucht, heute nur noch über-

heimlich tragen für ’rächen’ (= ’zurückweisen, zurückschicken’). heimlich Adj std. (11. Jh.), mhd. heim(e)lich, heimlich,

mndd. hemelik, mndl. heimelijc. Zu ÞHeim mit der Ausgangsbedeutung ’zum Haus gehörig, einheimisch’; schon von Anfang an auch zur Bezeichnung des damit verbundenen Aspekts: wer sich in das Heim zurückzieht, verbirgt sich vor anderen, vor Fremden. Heute wird der Zusammenhang mit Heim nicht mehr gefühlt. Abstraktum: Heimlichkeit; Präfixableitung: verheimlichen. Ebenso nndl. heimelijk; ÞHeim, Þgeheim. – Bahder (1925), 136; EWNl 2 (2005), 406.

Heimsuchung Sf std. (13. Jh.), mhd. heimsuochunge.

406

gegebene Erstbeleg von 1569 beruht auf einer Falschlesung). Das Wort galt lange als Regionalismus, der ausschließlich Schweizer Verhältnisse betreffe, so dass es in Deutschland lange Zeit zwar viel diskutiert, aber in eigenen Schriften nicht verwendet wurde. Deshalb sagte man auch Schweizerheimweh, alemannisches Heimweh, Heimweh wie ein Schweizer, das sogenannte Heimweh u.ä. ÞHeim. – Kluge, F. ZDW 2 (1902), 234–251; Ladendorf, A. ZDU 17 (1903), 782–788; Borst, E. ZDW 11 (1909), 27–36; Gerschmann, K.-H. AB 19 (1975), 83–88; Betz (1977), 36–42; Röhrich 2 (1992), 692; Greverus, I.-M. SAV 61 (1965), 1–31; Duthaler, G.: Trommeln und Pfeifen in Basel (Basel 1985), 103–107; Gröf, S. in: Kunst und Wissenschaft um 1800. Hrsg. Lange, Th. & Neumeyer, H. (Würzburg 2000), 89–108; EWNl 2 (2005), 406.

Zusammenbildung aus ÞHeim und Þsuchen, wie afr. ha¯mse¯ke(ne), hemse¯kene, ha¯mse¯kinge, ha¯mse¯kenge Hein Sm per. reg. (17. Jh.). In der Wendung Freund Hein und, mit anderem Suffix, aschw. he¯mso¯kn, ae. als Hüllwort für den Tod gebraucht. Kurzform des ha¯mso¯cn, mit anderem Bestimmungswort anord. Vornamens Heinrich − warum aber gerade dieser für rannso´kn. Dabei handelt es sich ursprünglich um den Tod gebraucht wird, ist unklar. einen Rechtsterminus für das ’im Hause aufsuchen’, Ebenso nndl. vriend Hein. – Meisinger (1924), 39; Röhrich 2 (1992), 692–694. d.h. den Überfall im Hause, ’Hausfriedensbruch’. Später in allgemeinerer und übertragener Bedeutung heint Adv ’letzte Nacht’ per. arch. (9. Jh.), mhd. hı¯naht, gebraucht, auch in positivem Sinn (’Besuch’). Mhd. ahd. hı¯naht ’diese Nacht’. Mit demselben Pronomen heimsuochen Vsw. ist daraus rückgebildet. wie in Þheute und ÞNacht in stark abgeschwächter LM 4 (1989), 2036; Röhrich 2 (1992), 692; RGA 14 (1999), Form. 247–250.

Heimtücke (Älter heimliche oder hämische Tücke)

Sf std. (16. Jh., Form 18. Jh.). Zu ÞTücke und wohl zu dem in seiner Herkunft unklaren Þhämisch, wobei aber sicher auch die Bedeutung von Þheimlich und Þgeheim eine Rolle gespielt hat. Die Zusammenbildung zunächst im Adjektiv heimtückisch, das Substantiv ist dazu eine Rückbildung. Götze, A. BGDSL 24 (1899), 505.

Heimweh Sn std. (16. Jh.). Ursprünglich ein alpenlän-

disches, speziell schweizerisches Wort, das vor allem in medizinischen Kontexten auftrat, da unter Heimweh(e) eine spezielle, regional beschränkt auftretende Krankheit verstanden wurde. Das wenig später auftauchende Wort ÞNostalgie ist eine Übersetzung des deutschen Wortes durch den angehenden Basler Mediziner Johannes Hofer (1688) und bedeutete damit ursprünglich dasselbe. Volkstümliche Auffassungen, wie, dass die Krankheit durch das Hören heimatlicher Lieder, besonders des Kuhreihens, ausgelöst würde, reizten die Phantasie der Romantiker, und so hat etwa Clemens Brentano in Des Knaben Wunderhorn das Lied eines Landsknechts, der aus französischem Kriegsdienst desertieren will, um sich anderswo zu verdingen (Zu Straßburg auf der Schanz), umgeformt zu dem Lied eines Schweizers, der, nachdem er das Alphorn in der Ferne gehört hat, desertiert, dabei gefasst und hingerichtet wird (Der Schweizer). Aus dieser Haltung heraus hat sich die stark emotional geladene moderne Bedeutung des Wortes entwickelt. Früheste Bezeugung bei Schottel 1663 (der häufig an-

Heinzelmännchen Sn std. (16. Jh.). Die Überlieferungs-

geschichte der Heinzelmännchen beginnt mit Ernst Weyden, der 1826 über Cöln’s Vorzeit schrieb und dabei (aus mündlicher Überlieferung) die Geschichte von den Heinzelmännchen erzählte. Sein Bericht wurde in englischer Übersetzung übernommen durch Thomas Knightley (1828 über die Mythologie der Feen und Elfen). Und das war die Vorlage, nach der August Kopisch 1836 sein Gedicht ’Die Heinzelmännchen von Köln’ verfasste, durch das die Geschichte weithin bekannt wurde. Die erste Erwähnung des Namens Heinzelmännchen findet sich 1534 bei dem Theologen Erasmus Alberus (als Entsprechung zu l. lamia). Dann ist auch ein Kobold namens Hintzelmann bekannt, der 1584 bis 1588 bezeugt ist, aber weder in Aussehen noch in Verhalten etwas mit den Heinzelmännchen zu tun hat. Diese sind an sich untypische Gestalten der Volksüberlieferung, da sie das Verhalten von Zwergen haben (und wie diese in der Mehrzahl auftreten), aber anders als diese in Haushalten leben und wirken. Lindig ordnet sie deshalb als eine eigene Kategorie ’Stadtzwerge’ ein. Der Name ist nicht sicher anzuschließen. Man rechnet (1) mit dem Personennamen Heinz (da Hausgeister vielfach mit Personennamen gerufen werden); (2) wird darauf hingewiesen, dass regional die Alraunwurzel, die mit allerlei abergläubischen Praktiken verbunden ist, als Heinzelmännlein bezeichnet wird. Aber auch das führt nicht weiter. Schließlich wird (3) auf die Heinzenkunst verwiesen, das ist ein Wasserröhrensystem in den Bergwerken, was zu Zwergen ganz gut

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passen würde, aber keine Verbindung zu den Heinzelmännchen erkennen lässt. Meisinger (1924), 36; Rumpf, M. Fabula 17 (1976), 45–74 (Standarddarstellung); Lindig, E.: Hausgeister (Frankfurt/ Main 1987), 165–167; Petzoldt, L.: Kleines Lexikon der Dämonen und Elementargeister (München 1990), 95f.; Röhrich 2 (1992), 694.

Heirat Sf std. (11. Jh.), mhd. hı¯ra¯t, ahd. hı¯ra¯t m./f.,

Heister heiser Adj std. (9. Jh., Form 11. Jh.), mhd. heiser. Wei-

terbildung zu mhd. heis(e), ahd. heis(ar) aus g. *haisa- ’heiser’, auch in ae. ha¯s und anord. ha´ss, dessen Lautstand allerdings unklar ist (aber kaum *hairsavoraussetzt). Nnorw. (dial.) haas ’rau’ lässt vermuten, dass ’rau, trocken’ die Ausgangsbedeutung ist. Im übrigen unklar. Ne. hoarse wohl von ne. coarse beeinflusst. Abstraktum: Heiserkeit.

’Vermählung’, älter ’Hausstand’. Wie ae. (ws.) hı¯re¯d, Ebenso nndl. hees, ne. hoarse, nschw. hes, nisl. ha´s. – Heiderhı¯rd m.; hı¯wr¢ ¯ den ’Haushalt, Familie’, selten manns (1993), 270f.; EWahd 4 (2009), 911f. ’Heirat’; äußerlich gesehen eine Zusammensetzung heiß Adj std. (9. Jh., heizherzi u.a. 8. Jh.), mhd. heiz, aus g. *heiwa-/o¯n ’Hausgemeinschaft, Familie’ und ahd. heiz, as. he¯t. Aus g. *haita- Adj. ’heiß’, auch in ÞRat (in dessen älterer allgemeinerer Bedeutung anord. heitr, ae. ha¯t, afr. he¯t; gt. in heito ’Fieberhitze’. ’Besorgung’ o.ä.), aber vielleicht liegt eher eine UmZu einer d-Erweiterung von ig. (oeur.) *kaibildung aus unklarer Grundlage vor. Das Vorderglied ’brennen’ (lit. kaı˜sti ’erhitzen’), zu dem wohl auch ist bezeugt in gt. heiwa-frauja m. ’Hausherr’, sowie *kai- ’leuchten’ gehört. ’Brennen’ in ahd. gihei(ge) anord. hjo´n, hju´(n) n., ae. hı¯wen n., hı¯wan, hı¯gan Pl., ’Hitze, Dürre’; mit t-Erweiterung lit. kaı˜sti ’heiß werafr. hio¯na, hiu¯na, hı¯na Pl., ahd. hı¯wun, hı¯un Pl. den’; zu der Bedeutung ’leuchten’ s. unter Þheiter. ’Eheleute, Hausgemeinschaft, Familie’. Eine AbleiEbenso nndl. heet, ne. hot, nschw. het, nisl. heitur; Þheizen, tung von der Wurzel (ig.) *k´ei- ’liegen’ in ai. ´sa´ye ÞHitze, ÞHot dog. – Röhrich 2 (1992), 694; Heidermanns ’liegt’, gr. keı˜sthai, heth. kitta; vgl. gr. koı´te¯ ’Lager’, gr. (1993), 271f.; EWNl 2 (2005), 400; EWahd 4 (2009), 915f. a´koitis ’Gemahlin’; sowie gr. koı´me¯ma ’Schlaf, Beiheißen Vst std. (8. Jh.), mhd. heizen, ahd. heizan, as. schlaf’ (zu beachten ist auch die Bedeutung ’Gehe¯tan. Aus g. *hait-a- Vst. ’heißen’, auch in gt. haitan, schlechtsverkehr haben’ bei gr. kı¯ne´o˜) und ae. h¢ ¯ man anord. heita, ae. ha¯tan, afr. he¯ta. Die Bedeutung ist ’beschlafen’, wobei wohl auch ig. *kþei- ’wohnen’ einmit Akkusativ der Person ’jmd. heißen, befehlen, rugewirkt hat (ÞHeim; besonders auffällig ist die Nähe fen, einladen’; dann ’versprechen’ u.ä., mit doppelder beiden Wurzelbedeutungen bei der Bedeutung tem Akkusativ ’jmd. etwas heißen, jmd. mit einem ’Hausbewohner’: lit. ˇseima` ’Familie, Gesinde’, russ.Namen benennen’; mit Prädikatsnomen ’heißen’, kslav. seˇmija ’Familie’). Auf ig. *k´ei-wo- ’zusammen passiv ’genannt werden’. Eine nur germanische dliegend, zusammen wohnend’ weisen ai. ´s´eva- ’lieb, Erweiterung der Wurzel ig. *kei¡- ’in Bewegung setvertraut’, lett. sie˜va ’Weib, Ehefrau’ und wohl auch l. zen’. Sie liegt vor in l. cieo ’ich setze in Bewegung, lasse cı¯vis m. ’Bürger, Hausgenosse’ und die genannten kommen, nenne mit Namen, rufe hervor’ (später erbaltisch-slavischen Wörter für ’Familie’ (mit m für setzt durch das Frequentativum l. cita¯re); gr. (hom.) w?). Verb: heiraten. ´ ekion ’ging’ (mit sekundärem Präsens gr. kı´o¯ ’ich geÞgeheuer, ÞHeim, Þzivil. – Steinberg, W. WZUH 8 (1959), he’), mit eu-Erweiterung ai. cya´vate ’bewegt sich (hin 695–714; Müller, W. Archiv für die Geschichte von Oberfranund her), entfernt sich’, mit zusätzlichem Nasalpräken 53 (1973), 143–178; Bain, D. Classical Quarterly 41 (1991), sens gr. kı¯ne´o¯ ’ich setze in Bewegung’. Abstraktum: 63–67; RGA 14 (1999), 251–253; EWahd 4 (2009), 1055. Geheiß. heischen Vsw erw. obs. (8. Jh.), mhd. (h)eischen, ahd. Ebenso nndl. heten, nschw. heta, nisl. heita. S. auch Þheischen, eisco¯n, as. ¯eskon. Aus wg. *aisko¯- Vsw. ’fragen, forÞSchultheiß, Þverheißen. – Seebold (1970), 246–248; Hoffdern’, auch in ae. ascian, afr. a¯skia (das h- im Deutmann, D. NW 20 (1980), 85–110; Green, E. IJAL 51 (1985), schen ist sekundär). Dieses aus ig. *ais-sko- ’wün425–427; Röhrich 2 (1992), 694f.; Garci´a-Ramo´n, J. L. FS schen, begehren’, auch in ai. iccha´ti ’sucht, wünscht’, Untermann (1993), 125–139; EWNl 2 (2005), 426f.; EWahd 4 lit. iesˇko´ti, akslav. iskati, sowie l. aerusca¯re ’bitten’ (2009), 916–923. (*aisos-k-) zu der Wurzel *ais- ’suchen, bitten’, die Heißsporn Sm std. (19. Jh.). Übersetzung des Beinaetwa in ai. ´esati ’sucht’ vorliegt. Vielleicht eine Ableimens ne. Hotspur von Henry Percy in Shakespeares ˙ tung zu dem Nomen ahd. eisca ’Forderung’, ai. iccha¯´ König Heinrich IV. durch A. W. Schlegel. Das Wort ’Wunsch’, akslav. iska ’Wunsch’; aber eher eine priwird nach 1800 übertragen und schließlich als Apmäre sk-Bildung, die im Germanischen schwach gepellativ gebraucht. worden ist. Für das anlautende h- kann ein angeGanz (1957), 94; Röhrich 2 (1992), 695. wachsenes Element k- verantwortlich sein, vgl. l. Heister Sm ’junge Buche, junger Laubbaum aus einer quaerere ’fragen’, das evtl. auf *ko-ais- zurückgeht. Baumschule’ per. fach. (15. Jh.), fnhd. heister, mndd. Präfigierung: Þer-. he(i)ster, mndl. heister. Aus älterem *hais-tru- mit Ebenso ne. ask; Þanheischig. – Seebold, E. BGDSL 122 (2000), dem Suffix, das Baumnamen bildet (ÞHolunder). Be482; EWahd 2 (1998), 1022–1024; EWNl 1 (2003), 670f. deutung des Wortes ist ’Niederwaldbaum’. Das Wort wird aus dem Mittelniederdeutschen ins Französi-

-heit

408 Heidermanns (1993), 265f.; HWPh 3 (1974), 1039–1043 (zu sche übernommen als heˆtre ’Buche’. Das erste Glied Heiterkeit); EWahd 4 (2009), 914f. ist als Hees (*haisi-) und Heest (haisiþi-) noch in niederländisch-nordwestdeutschen Ortsnamen bezeugt heizen Vsw std. (9. Jh.), mhd. heizen, ahd. heize¯n ’heiß und ist ein Wort für die im Niederwaldbetrieb stesein, lodern, erglühen’. Aus g. *haitija- Vsw. ’heizen, hende Hecke oder den Wurzelstock, aus dem die junheiß machen’, auch in anord. heita, ae. h¢ ¯ tan; Fakgen Stämme wachsen. Hierzu wohl weiter der bei Tatitiv zu g. *haita- Adj. ’heiß’; das intransitive Verb citus bezeugte Waldname Caesia Silva als Latinisiewohl mit Spirans und alter ¢¯ -Flexion. Abstraktum: rung eines germanischen Wortes. Die etymologische Heizung; Nomen Agentis: Heizer; Präfigierung: ver-; Erklärung wird durch verwandte Fachwörter im LaPartikelverben: an-, ein-. teinischen geliefert: Romanische Wörter für ’Hecke’ Ebenso ne. heat. – Reuter (1906), 36–38; EWahd 4 (2009), gehen auf *caesa zurück, und das klassische lateini924f. sche Wort für ’Niederwald’ ist silva caedua. Es handelt Hektar Sm ’100 Ar’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt und sich dabei um Ableitungen von l. caedere ’hauen, fäl1868 amtlich eingeführt aus frz. hectare, einer Neulen’, das damit eine Entsprechung im Germanischen bildung zu gr. hekato´n ’hundert’ (mit der dem Frangehabt haben muss (ebenso wie die Partizip-Bildung zösischen angepassten Kompositionsform hecto-) ig. *kaiso- aus *kaid-to-). Andernfalls müsste das und frz. are, dieses aus l. a¯rea f. ’Fläche’ (ÞAr). Wort in sehr früher Zeit entlehnt worden sein. Zu Entlehnungen aus der lateinischen Verwandtschaft s. Þdezidiert; ÞHeide 2. – Frings, Th. / von Wartburg, W. ZRPh 57 (1937), 195–210; ZRPh 58 (1938), 542–549; Trier (1952), 95–106 (weitere Literatur); Romell, L. G. GS Trier (1975), 243–250; EWNl 2 (2005), 400.

-heit Suffix für Abstraktbildungen aus Adjektiven und

Ebenso ne. hectare, nfrz. hectare, nndl. hektare, nschw. hektar, nisl. hektari. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þhundert. – Cottez (1980), 180.

hektisch Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus gr. hektiko´s

’gewohnheitsmäßig, anhaltend’, speziell als Ausdruck der Medizin ’fiebrig’, zu gr. he´ktos ’anhaltend’, zu gr. ´echein, ´ıschein ’halten, haben, anhalten’ (zu diesem s. ÞEpoche). Das Wort ist geläufiger Ausdruck der spätmittelalterlichen Medizin und wird dann (ähnlich wie fieberhaft) verallgemeinert. Abstraktum: Hektik.

(seltener) Substantiven std. (–). Die Varianten Þ-keit und Þ-igkeit sind aus falscher Ablösung von Adjektiven auf Þ-ig (mhd. -ec: -ec-heit = -ec-keit; -ig-keit) entstanden; mhd. -heit, ahd. -heit, as. -he¯d aus wg. Ebenso ne. hectic, nfrz. hektique, nndl. hectisch, nschw. hektisk, *-haidu-, auch in ae. -ha¯d, afr. -he¯d(e). Das selbstännnorw. hektisk. – DF 1 (1913), 265; EWNl 2 (2005), 395f. dige Wort ist als g. *haidu- ’Art und Weise, Erscheinung’ anzusetzen. Es tritt auf in gt. haidus ’Art und hekto- LAff ’vielfach, hundertfach’ (z.B. Hektoliter, Þhektographieren) erw. bildg. (–). Das BildungseleWeise’, anord. heidrÑ ’Ehre, Würde’, ae. ha¯d ’Wesen, ment wurde in französischen Entlehnungen ins Person, Rang, Würde, Geschlecht’, as. he¯d, ahd. heit Deutsche übernommen; sein Ursprung ist gr. hekato´n ’geistlicher Stand, Person, Geschlecht’, mhd. heit ’hundert’, lautlich an das Französische angepasst. − ’Wesen, Beschaffenheit, Rang, Würde’. AußergerVor Vokal lautet die Form hekt- (z.B. ÞHektar), aber manisch ist genau vergleichbar ai. ketu´- ’Licht, Ernicht in jüngeren Bildungen. scheinung, Gestalt’ zu einer Wurzel (ig.) *kaiCottez (1980), 180; EWNl 2 (2005), 396. ’leuchten’, auf die unter Þheiter verwiesen wird. Ebenso nndl. -heid, ne. -hood; Þheil, Þheiter. – Wells, J. C. FS hektographieren Vsw ’vervielfältigen’ per. fach. Taylor Starck. Hrsg. W. Betz u.a. (The Hague 1964), 51–55; (19. Jh.). Neubildung des 20. Jhs. mit Þhekto- aus gr. Wells, J. C. FS E. H. Sehrt (Miami 1968), 229–240; Kolb, H. FS hekato´n ’hundert’ und gr. gra´phein ’schreiben’. Die Erben (1985), 419–428; Wiesner, J.: Das Wort HEIT im UmZahl 100 steht in dieser Bildung verallgemeinert für kreis ahd. persona-Übersetzungen (Diss. Fribourg 1963), Teil’vielfach, in großer Zahl’. druck: BGDSL-H 90 (1968), 3–68; EWNl 2 (2005), 402f.; EWahd 4 (2009), 912–914.

heiter Adj std. (8. Jh.), mhd. heiter, ahd. heitar, as.

Ebenso ne. hectograph, nndl. hectograferen, nschw. hektograf, nnorw. hektografere; ÞGraphik.

he¯dar. Aus wg. *haidra- Adj. ’heiter’ (zunächst vom Hel Sf ’Unterwelt, Totengöttin’ (in der nordischen Mythologie) per. fach. (18. Jh.). Entspricht dem Wort Himmel, dann übertragen), auch in ae. ha¯dor. Hierzu ÞHölle, das nur als christlicher Terminus bezeugt ist, im Germanischen anord. heid Ñ ’klarer Himmel’, und weist damit darauf hin, dass der Ausdruck schon anord. heidrÑ ’klar, heiter’ (*haida-). Grundlage ist ein vorchristlich bei den Germanen in Gebrauch war. ro-Adjektiv zu einer t-Erweiterung der Wurzel (ig.) RGA 14 (1999), 257–260; LM 4 (1989), 2115; EWNl 2 (2005), *kai- ’leuchten’ (wohl zu *kai- ’brennen’, s. unter 408f. Þheiß); vgl. ai. citra´- ’hervorragend, hell’ und mit s Held Sm std. (9. Jh.), mhd. helt, ahd. helid, as. helid,Ñ mobile (und d-Erweiterung) lit. ska´idrus ’hell, klar’. mndd. helt, mndl. helet. Aus g. *haluþ- (wohl erst Von der gleichen Wurzel l. caelum ’Himmel’ und das sekundär auch *haliþ-) m. ’Held, Kämpfer, freier unter Þ-heit behandelte Wort. Abstraktum: Mann’, auch in anord. ho¸ldrÑ ’Erbbauer, Mann’, neben Heiterkeit; Präfixableitung: erheitern; Partikelableianord. halr ’Mann’, ae. h¢le(þ). Vor allem wegen der tungen: aufheitern, angeheitert.

Helm1

409

unsicheren Ausgangsbedeutung lässt sich keine klare Helium Sn (ein farbloses Edelgas) erw. fach. (19. Jh.). Vergleichsmöglichkeit finden. Vielleicht zu (ig.) Neubildung englischer Naturwissenschaftler zu gr. *k wel- ’drehen, besorgen’, das Wörter für ’Wirt’ und he¯´lios m. ’Sonne’. So benannt, weil die Spektrallinien ’Bauer’ geliefert hat. Nach Wagner zu ig. *kalmit denen eines auf der Sonne nachgewiesenen Elements identisch sind. ’Schwiele, harte Haut’. Held als ’Hauptperson’ ist Ebenso ne. helium, nfrz. he´lium, nndl. helium, nschw. helium, Lehnbedeutung nach ne. hero. Adjektive: heldisch, nisl. helı´n. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞSonne. – heldenhaft.

Cottez (1980), 181f.; EWNl 2 (2005), 412. Ebenso nndl. held, nschw. hjälte. – Ganz (1957), 94f.; Kolb, H. FS Tschirch (Köln, Wien 1972), 384–406; HWPh 3 (1974), hell Adj std. (11. Jh.), mhd. hel, ahd. hel, mndl. hel. Ge1043–1049; Fromm, H. MDB 13 (1979), 1–10; Wagner, N. ZVS hört zu ahd. hellan Vst. ’tönen, klingen’ (s. unter 97 (1984), 281–283; RGA 14 (1999), 260–262; Boutkan, D. Þhallen und Þholen). Das Wort bedeutet also zuABÄG 41 (1995), 1–7; EWNl 2 (2005), 409f.; EWahd 4 (2009), nächst ’tönend’, dann ’schallend, laut’ und wird dann 937–939.

helfen Vst std. (8. Jh.), mhd. helfen, ahd. helfan, as. hel-

übertragen auf Gesichtseindrücke (helle Farben u.ä.), vgl. den Ausdruck schreiende Farben u.ä. Ganz entsprechend bedeutet das wurzelverwandte l. cla¯rus ’laut schallend; hell, klar’. Abstrakta: Helle, Helligkeit; Präfixableitung: Þer-; Partikelableitung: auf-.

pan. Aus g. *help-a- Vst. ’helfen’, auch in gt. hilpan, anord. hjalpa, ae. helpan, afr. helpa. Das Wort hat keine genaue Vergleichsmöglichkeit. In Betracht Kretschmer (1969), 234f.; Röhrich 2 (1992), 696; Heiderkommen drei baltische Varianten: 1) alit. ˇselbtis manns (1993), 289f.; EWNl 2 (2005), 409; EWahd 4 (2009), ’auszukommen suchen, sich zu helfen suchen’ (kann 940–942. lautlich genau entsprechen), 2) lit. ˇsel˜pti ’unterstützen, fördern, helfen’; kann als Auslautvariante enthellauf Adv std. (18. Jh.). Offenbar zusammengewachsprechen; 3) lit. ge´lbe˙ti ’helfen’ als Anlautvariante sen aus der Partikel Þauf und dem Adverb Þhell, z.B. (*gelb- oder *g helb-). Eine Zurückführung auf (ig.) hellauf lachen = hell auflachen. Dann abgelöst und *k´el- ’verbergen’ (auch ’beschirmen’ u.ä.) ist denkbar auf andere Kontexte übertragen (hellauf begeistert (Þhehlen). Präfigierungen: Þbe-, Þver-; Partikelverb: usw.). ab-; Nomen Agentis: Helfer; Abstraktum: Hilfe. Hellebarde Sf erw. obs. (13. Jh.). Umgestaltet aus mhd. Ebenso nndl. helpen, ne. help, nschw. hjälpa, nisl. hja´lpa; helmbarte, das aus ÞBarte 1 ’Beil’ (zu ÞBart) und Þunbeholfen. – Seebold (1970), 254f.; Trier (1951), 56; RöhÞHelm 2 ’Stiel, Handhabe’ zusammengesetzt ist, also rich 2 (1992), 695f.; EWNl 2 (2005), 413; EWahd 4 (2009), eigentlich ’Stiel-Beil’; entsprechend mhd. helm-ackes 931–933. (zu ÞAxt). Ne. halberd usw. sind aus dem Deutschen Helge Sf , meist Pl., Nebenform zu ÞHelling. entlehnt. Helgen Sm ’kleines Bild’ per. schwz. (16. Jh.). Eigentlich Heller Sm ’Scheidemünze’ erw. obs. (15. Jh.), mhd. ’Heiliger’, da es sich ursprünglich um Heiligenbildhall¢re, Haller pfenninc, später heller. Ist der in chen handelte. Schwäbisch Hall seit 1208 geprägte Pfennig (ml. denarius Hallensis). Das ähnliche Wort ahd. helling, mhd. hellinc, as. halling scheint aber auf halbling lehnt aus ne. helicopter, das seinerseits auf frz. he´licopte`re zurückgeht. Dieses wird zuerst 1861/62 von ’halber Pfennig’ zurückzugehen und ist deshalb abPonton d’Ame´court in Patentschriften benützt. Frz. zutrennen. -pte`re (aus gr. ptero´n ’Flügel’) erscheint zunächst in LM 4 (1989), 2122; Röhrich 2 (1992), 696. zoologischen Bezeichnungen; dazu gr. he´lix ’Schrau- Helling (auch Helge) Sf ’geneigte Holzbahn beim be, Spirale’, das schon von Leonardo da Vinci im ZuSchiffbau’ per. fach. (19. Jh.). Aus mndd. hellink, helsammenhang mit Überlegungen zu solchen Fluggelinge, älter heldinge ’Schräge’ zu ÞHalde und mhd. räten gebraucht wurde; frz. helice wird schon seit dem helden ’neigen’. 16. Jh. als Bezeichnung für Antriebspropeller benützt. Kluge (1911), 364; EWNl 2 (2005), 412. Von der Sache her werden zunächst Spielzeuge so beHellseher Sm std. (18. Jh.). Lehnübersetzung von frz. zeichnet; die Flugmaschine gibt es nur als Idee. Eine clairvoyant. Dieses bedeutet auch ’weitsichtig’ (zu frz. brauchbare Maschine dieser Art wird (nach Vorgänclair ’hell, klar’). Die Bedeutung wird im Deutschen gern in Frankreich und Deutschland) erst im zweiten einseitig festgelegt. Weltkrieg in Amerika gebaut. Mit ihr setzt sich das HWPh 3 (1974), 1053f. Wort auch im Englischen durch (zuvor als französisches Wort in englischen Texten belegt). Später wird Helm1 Sm ’Kopfschutz’ std. (9. Jh., nasahelm 8. Jh.), mhd. helm, ahd. helm, as. helm. Aus g. *helma- m. es auch unetymologisch gekürzt zu ne. copter. ’Helm’, auch in gt. hilms, anord. hjalmr, ae. helm, afr. Ebenso ne. helicopter, nfrz. he´licopte`re, nndl. helikopter, nschw. helikopter, nisl. helikopter. – Stubelius (1960), 254f.; Cottez helm. Vermutlich eine Konkretbildung auf -mo- zu ig. (1980), 181; Carstensen 2 (1994), 640; EWNl 2 (2005), 412. *k´el- ’verbergen, schützen’ (Þhehlen), genauer vergleichbar mit ai. ´sa´rma(n) n. ’Schirm, Schutzdach, Decke’.

Helikopter Sm ’Hubschrauber’ erw. fach. (20. Jh.). Ent-

Helm2

410 Ebenso nndl. helm, ne. helm(et), nschw. hjälm, nisl. hja´lmur. – Maschke (1926), 141–160; Siebel, G.: Harnisch und Helm (Diss. Hamburg 1969); LM 4 (1989), 2123; EWNl 2 (2005), 412f.; EWahd 4 (2009), 945–947.

Helm2 Sm ’Stiel, Handhabe’ per. arch. (14. Jh., johhalmo

laufen’, nicht von ’bespringen’, da die Bedeutung ’Hengst’ nicht allgemein ist). Ebenso nndl. hengst, nschw. häst, nisl. hestur. – Krause, W. ANF 48 (1932), 156–166; Krahe, H. BGDSL 71 (1949), 245; Must, G. JEGP 56 (1957), 60–64; EWahd 4 (2009), 954–957.

’Jochriemen’ 8. Jh.), mhd. helm, halm(e). Wohl als Henkel Sm std. (15. Jh.). Instrumentalbildung zu *halbn- zu ahd. halb, helb, as. helvi n., ae. helfe m./n. Þhenken in dessen alter Bedeutung ’etwas aufhängleicher Bedeutung. Näher zugehörig können auch gen’, also ’Mittel zum Aufhängen’. sein ÞHalfter 1 und baltische Wörter für ’Schlinge’ u.ä. Lühr (1988), 120. (lit. kı`lpa ’Schlinge, Schleife’ usw.). Wörter ähnlicher Bedeutung sind nndl. helm ’Griff des Steuerruders’, henken Vsw erw. obs. (11. Jh.), mhd. henken, ahd. henken ’kreuzigen’. Mit der (unregelmäßig bewahrten) ae. helma ’Steuerruder’, anord. hjalmvo¸lr ’RuderpinGeminate vor altem j. Das Wort ist dann gegenüber ne’; anord. hjalt n., ae. hilt m./n., mndl. hebte, hilte, der Variante Þhängen (trans.) differenziert worden; ahd. helza f. ’Schwertgriff’ u.a. Eine klare Grundlage heute meint man mit henken nur noch ’einen Menist nicht ersichtlich. schen (als Todesstrafe) aufhängen’; entsprechend Ebenso ne. helm; ÞHalfter 1, ÞHellebarde, ÞHolm 2. – Kluge Henker, das aber zu ’Scharfrichter’ verallgemeinert (1911), 364f.; Sperber, H. WS 3 (1912), 77–80. wurde. Hemd Sn std. (8. Jh.), mhd. hem(e)de, ahd. hemidi, as. Angstmann (1928), 28–31; Lühr (1988), 364f.; EWahd 4 hemithi. Aus wg. *hamiþja- n. ’Hemd’, auch in ae. (2009), 957. hemedeÑ , afr. hamethe, hemethe. Weiterbildung zu wg. Henkersmahlzeit Sf std. (17. Jh.). Von der Sitte ausge*hamo¯n m. ’Hülle, Kleidung, Leib’ in ae. hama m. hend, dass der Henker dem Verurteilten ein letztes ’Kleidung, Haut, Leib’, afr. hama, homa m. Mahl richtet und dabei dessen Wünsche erfüllt. ’Gewand’, ahd. (Hildebrandslied) gundhamo Heute ’Mahlzeit vor einem unangenehmen Ereignis’. ’Kampfhemd’. Weitere Verknüpfungen sind unsicher Röhrich 2 (1992), 698f. (ai. ´sa¯mulya`- Akk. ’Gewand der Braut’). L. camı¯sia f., gr. kama´sion n. sind wohl aus einem urverwandten Henne Sf std. (8. Jh.), mhd. henne, ahd. henin, henna, Wort einer Balkansprache entlehnt worden. mndd. henne, hinne, mndl. henne. Aus wg. *han-n-ja/ jo¯-, auch in ae. henn, afr. hanne, henne; alte FemininEbenso nndl. hemd; ÞLeichnam, ÞHamen 2. – Sofer, J. Glotta 17 (1929), 29f.; LM 4 (1989), 2128; Röhrich 2 (1992), 696–697; bildung zu ÞHahn, also ’Weibchen des Hahns’. Kramer, J. Archiv für Papyrusforschung 40 (1994), 133–142; EWahd 4 (2009), 951.

Ebenso nndl. hen, ne. hen; ÞHahn. – Röhrich 2 (1992), 699; EWahd 4 (2009), 957f.

Hemisphäre Sf ’Erdhälfte, Halbkugel’ erw. fach.

Heppe Sf ÞHippe 2. (18. Jh.). Übernommen aus l. he¯misphaerium, dieses her Adv std. (8. Jh.), mhd. her, ahd. hera. Mit einem aus gr. he¯misphaı´rion ’Halbkugel’ aus gr. he¯miSuffix zur Angabe der Richtung (vgl. ahd. wara ’halb-’ (s. auch Þsemi-) und gr. sphairı´on ’kleine Ku’wohin’, ahd. dara ’dorthin’) zum Pronominalstamm gel’, Diminutiv zu gr. sphaı˜ra ’Kugel’. *hi- (der den Ort, an dem der Sprecher steht, bezeichEbenso ne. hemisphere, nfrz. he´misphe`re, nschw. hemisfär, net). Wird der Ausgangspunkt mitbezeichnet (vom nnorw. hemisf¢re; ÞSphäre. – DF 1 (1913), 265. Haus her usw.), so tritt dieser in den Vordergrund, so hemmen Vsw std. (14. Jh.), mhd. hamen, hemmen, dass der Ausdruck auch verwendet werden kann, mndl. hemmen. Aus g. *ham-ija- Vsw. ’hemmen’, wenn die Richtung nicht auf den Sprecher zu ist. auch in anord. hemja. Weitere Herkunft unklar. AbÞhier. – Manganella, G. AION-G 1 (1958), 139–151; Henzen straktum: Hemmung; Konkretum: Hemmnis. (1969), 279–293; EWNl 2 (2005), 416; EWahd 4 (2009), 961–963. Bahder (1925), 119; HWPh 3 (1974), 1054f.; EWNl 3 (2007), 652.

Hengst Sm std. (9. Jh., latinisiert changisto 8. Jh.), mhd.

Heraldik Sf ’Wappenkunde’ per. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. (science) he´raldique, eigentlich ’Kunde heng(e)st, ahd. hengist, mndl. henxt. Aus wg. *hangisder Herolde’ (die Herolde hatten die Wappen der ta- m. ’Pferd’, besonders ’Hengst’, auch ’Wallach’, beim Turnier Antretenden zu prüfen; ÞHerold). Adauch in ae. hengest, afr. hengst, hangst, hanxt ’Pferd’. jektiv: heraldisch. Daneben in den nordgermanischen Sprachen ohne Ebenso nndl. heraldiek, ne. heraldry, nfrz. he´raldique, nschw. grammatischen Wechsel *hanhista- m. ’Pferd’ heraldik, nnorw. heraldikk. – EWNl 2 (2005), 417. (anord. hestr). Unmittelbar zu vergleichen ist kymr. herauskristallisieren Vsw std. (18. Jh.). Das Grundwort caseg ’Stute’ (*k´ankstika¯). Es scheint sich um eine selaus frz. cristalliser. Vom Ausfällen der Kristalle aus tene, aber auch sonst in Tiernamen auftretende einer Flüssigkeit; dann fast ausschließlich übertragen st-Bildung in der Funktion eines Nomen Agentis zu verwendet. handeln; eine Grundlage zeigt sich in lit. ˇsanku`s Ebenso nndl. kristalliseren, ne. crystal(l)ize, nfrz. cristalliser, ’beweglich, schnell’, lit. ˇsankı`nti ’springen lassen’ (ein nschw. utkristallisera, nnorw. utkrystallisere. Pferd), also ’Springer’ (wohl im Sinne von ’schnell

Herkules

411 herausstreichen Vsw std. (16. Jh.). Durch Striegeln wer- Herbstzeitlose Sf ÞZeitlose.

den Pferde (für den Kauf) ansehnlich gemacht. Schon Herd1 Sm std. (9. Jh.), mhd. hert, ahd. herd, as. herth. im 16. Jh. übertragen und heute allgemein für Aus wg. *herþa- m. ’Herd’, auch in ae. heorþ, afr. ’lobend hervorheben’. herth. Eine nur germanische und morphologisch unherb Adj std. (12. Jh.), mhd. har(e), her(e) ’scharf klare t-Erweiterung oder t-Ableitung zu ig. *ker(¡)schneidend’, mhd. herwe ’Herbheit’. Keine genaue ’heizen’ in lit. ku`rti ’heizen’ und vielleicht ai. ku¯dayati ’versengt, verbrennt’; ferner mit der Bedeutung˙ Vergleichsmöglichkeit, doch liegt es von der Bedeutung her nahe, an (ig.) *sker- ’schneiden’ mit unre’Kohle’ l. carbo, gt. hauri und lett. ceri ’Glutsteine’. gelmäßigem Verlust des s zu denken (s. unter Semantisch am nächsten liegen slavische Wörter Þscheren 1). Gleichen Lautstand zeigen noch mhd. (*kerno-): russ. ˇc´eren ’Salzpfanne der Salzsiedereien, herwen ’ärgern’ und ae. hyrwan ’verspotten’. Feuerherd, Kohlenbecken’, ukr. ˇcerı´n′ ’Feuerherd’, poln. trzon ’Herd’. In Brandherd u.ä. liegt eine verÞhaarscharf , ÞHerling. – Mitzka, W. HBV 49/50 (1958), 151–155; Heidermanns (1993), 283. deutlichte Lehnbedeutung von l. focus ’Herd, Brennpunkt’ vor. Herbarium Sn ’Sammlung getrockneter Pflanzen’ per. fach. (16. Jh., Bedeutung 18. Jh.). In Frankreich mit Bedeutungsänderung entlehnt aus ml. herbarium ’Gemüsegarten, Kräutergarten’, zu l. herba f. ’Pflanze, Kraut’. Zunächst ’Kräuterbuch’, dann die heutige Bedeutung. Ebenso nndl. herbarium, ne. herbarium, nfrz. herbier, nschw. herbarium, nnorw. herbarium. – DF 1 (1913), 265; LM 4 (1989), 2147; EWNl 2 (2005), 418.

Herberge Sf erw. obs. (9. Jh., heribergon 8. Jh.), mhd.

Ebenso nndl. haard, ne. hearth; ÞKarfunkel, ÞVogelherd. – Röhrich 2 (1992), 701; RGA 14 (1999), 401; EWNl 2 (2005), 360; EWahd 4 (2009), 966–968.

Herd2 Sm ’Erde, Ackerland’ per. schwz. (9. Jh.), mhd.

hert, ahd. herd. Gleichbedeutend mit ’Erde’, zu dem es aber zumindest wegen des Genus nicht eine gelegentliche Variante sein kann. Aber sonst ergeben sich keine überzeugenden Anschlussmöglichkeiten; denkbar ist ein Anschluss an Wörter, die unter ÞHerde genannt sind (etwa gr. ko´rthys ’Getreidehaufen, Garbe’), aber die Dentale stimmen nicht zusammen.

herberge, ahd. heriberga, as. heriberga. Wie afr. hereberge eine Zusammenbildung aus dem Wort für ÞHeer und einer Ableitung des starken Verbs Seebold, E. BGDSL 122 (2000), 482f.; EWahd 4 (2009), Þbergen, also eigentlich ’Bergung, Unterkunft für das 966–968. Heer’; dann verallgemeinert zu ’Unterkunft’. Hierher auch ne. harbour ’Hafen’ (’Zufluchtsort’) aus dem Herde Sf std. (11. Jh.), mhd. hert, ahd. herta. Aus g. Nordischen, das es wiederum aus dem Niederdeut*herdo¯ f. ’Herde’, auch in gt. hairda, anord. hjo¸rd,Ñ ae. schen hat. Präfixableitung: beherbergen. heord; dieses aus voreinzelsprachl. *kerd ha¯ f. ’Reihenfolge, Herde’, auch in akslav. ˇcreˇda ’Reihe, Ebenso nndl. herberg. – Gerster, W. VR 9 (1946/47), 57–151; Schmidt-Wiegand, R. FS de Smet (1986), 419–428; Gerster, Herde’, davon abgeleitet lit. ker˜dzˇius m. ’erwachseW., Schmidt-Wiegand, R. in Hildebrandt/Knoop (1986), ner Oberhirt’; weiter abliegend kymr. cordd 124–130; LM 4 (1989), 2148; Sousa-Costa (1993), 263–268; ’Gruppe, Stamm, Schar’, gr. ko´rthys ’GetreidehauRGA 14 (1999), 394–396; EWNl 2 (2005), 418. fen, Garbe’. Weitere Herkunft unklar. Das -d- in dem neuhochdeutschen Wort gilt als Einfluss des NiederHerbizid Sn ’chemisches Unkrautvertilgungsmitdeutschen. tel’ per. fach. (20. Jh.). Neubildung zu l. herba f. ’Unkraut, Pflanze’ (ÞHerbarium) und l. caedere Ebenso ne. herd, nschw. hjord, nisl. hjörd;Ñ ÞHirt. – RGA 14 (1999), 405–407; EWahd 4 (2009), 987–989. ’töten, hauen, schlagen, niedermachen’ (in Zusammensetzungen in der Form l. -cı¯dere, z.B. l. percı¯dere Hering Sm std. (9. Jh.), mhd. herinc, ahd. ha¯ring, mndd. ’zerhauen’; Þdezidiert). herink, harink, mndl. harinc. Geht wie ae. h¢ring auf Ebenso nndl. herbicide, ne. herbicide, nfrz. herbicide, nschw. *h¢¯ renga- (oder -inga-) zurück, während ahd. hering, herbicid, nnorw. herbicid. – EWNl 2 (2005), 418f. as. hering auf Kürze (*harenga-) weist. Herkunft unklar. Bereits im 6. Jh. ins Lateinische (haringus) entHerbst Sm std. (8. Jh.), mhd. herb(e)st, ahd. herbist(o). lehnt. Aus g. *harbista- m. ’Herbst’, ursprünglich wohl ’Ernte’, auch in anord. haust n., ae. h¢rfest, afr. herfst. Ebenso nndl. haring, ne. herring. – Müller-Graupa, E. Glotta 18 (1930), 1363; Lockwood, W. B. ZAA 17 (1969), 255–258; HiZu ig. (eur.) *karp- ’ernten’ in l. carpere, gr. karpı´zooki, K. FS Seiler (Tübingen 1980), 473–478; Röhrich 2 (1992), mai (gr. karpo´s ’Frucht’), lit. kir˜pti ’schneiden’; ferner 701f.; EWNl 2 (2005), 384; EWahd 4 (2009), 831f.; Boutkan, D. Wörter für ’Sichel’ in mir. corra´n, russ. ˇcerp, gr. ABäG 53 (2000), 1–6 (Substratwort). kro¯´pionn. Adjektiv: herbstlich. Ebenso nndl. herfst, ne. harvest, nschw. höst, nisl. haust. – Kra- Herkules Sm ’sehr starker Mann’ erw. bildg. (18. Jh.). he, H. BGDSL 71 (1949), 240; Tallen, M. DWEB 2 (1963), Entlehnt aus l. Hercule¯s, dem lateinischen Namen für 159–229; Röhrich 2 (1992), 700f.; EWNl 2 (2005), 420; den griechischen Sagenhelden Herakles, dessen beEWahd 4 (2009), 964–966. sondere Qualitäten seine Kraft und sein Einfallsreichtum waren. Besonders Herkulesarbeit im Hinblick auf

Herkunft

412

die von Herkules zu vollbringenden 12 schweren Arbeiten.

mit dem man Röhrchen luftdicht (’hermetisch’) abschließen konnte.

Ebenso nndl. Hercules, ne. Hercules, nfrz. Hercule, nschw. Herkules, nnorw. Herkules. – DF 1 (1913), 265f.; LM 4 (1989), 2141 (s. Herakles); Röhrich 2 (1992), 702.

Ebenso nndl. hermetisch, ne. hermetic, nfrz. herme´tique, nschw. hermetisk, nnorw. hermetisk. – Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 185; DF 1 (1913), 266; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 392; HWPh 43 (1974), 1075–1078; EWNl 2 (2005), 422.

Herkunft Sf std. (16. Jh.). Zu herkommen, ursprünglich

wie dessen Substantivierung Herkommen n. ’Brauchtum’ und ’Abkunft’; heute praktisch nur noch das zweite. EWNl 2 (2005), 421.

Herling Sm ’unreife Traube’ per. fach. (12. Jh.), mhd.

herlinc, ahd. herling. Zu mhd. here, herves ’herb’ als ’herbe (Traube)’. Björkman, E. ZDW 3 (1902), 269; Hildebrandt, R. FS Kleiber (1989), 47–55; EWahd 4 (2009), 983f.

Hermaphrodit Sm ’Zwitter’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt

Heroin Sn (ein Rauschgift) erw. fach. (19. Jh.). Neubil-

dung aus gr. he¯ro¯´¨ıos, he¯ro˜ios ’heldenhaft’ in der späteren Bedeutung ’stark’, einer Ableitung von gr. he¯´ro¯s m. ’Held’ mit dem fachsprachlichen Suffix -in. Gemeint ist ein besonders stark wirkendes Arzneimittel. Heroin wurde von dem deutschen Chemiker Felix Hoffmann in der Firma Bayer als Schmerzmittel entwickelt. Zum Rauschgift wurde das Mittel erst, als in den USA nach 1910 Heroin in starken Dosen in die Blutgefäße gespritzt wurde.

Ebenso nndl. heroı¨ne, ne. heroin, nfrz. heroı¨ne, nschw. heroin, aus l. hermaphrodı¯tus, dieses aus gr. hermaphro´ditos, nisl. hero´´ın. nach der Sagenfigur des Hermaphro´ditos (Sohn des Hermes und der Aphrodite). Er wurde auf Wunsch heroisch Adj ’heldenmütig, erhaben’ erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus l. he¯ro¯icus, dieses aus gr. einer Quellnymphe, die er zurückgewiesen hatte, von he¯ro¯¨ıko´s, zu gr. he¯´ro¯s ’Held’ (dieses gelegentlich entden Göttern mit ihr auf ewig vereint, indem sie aus lehnt als ÞHeros oder Heroe, letzteres eine Rückbilden beiden ein Wesen − halb Mann, halb Frau − dung aus dem Plural Heroen). Abstraktum: schufen. Heroismus. Ebenso nndl. hermafrodiet, ne. hermaphrodite, nfrz. hermaphrodite, nschw. hermafrodit, nnorw. hermafroditt. – DF 1 (1913), 266.

Hermelin Sn erw. fach. (11. Jh., Form 12. Jh.), mhd. her-

Ebenso nndl. heroı¨sch, ne. heroic, nfrz. he´roı¨que, nschw. heroisk, nnorw. heroisk. – DF 1 (1913), 266; Adams, D. Q. Glotta 65 (1987), 171–178; EWNl 2 (2005), 422f.

Herold Sm ’mittelalterlicher Hofbeamter, Verkünmelin, ahd. harmilı¯(n), harmil ’Wiesel’ (besonders der’ erw. obs. (14. Jh.). Im Spätmittelhochdeutschen das im Winterpelz). Verkleinerungsform zu ahd. har(spmhd. heralt, heralde) entlehnt aus afrz. he´raut, hamo, as. harmo m., ae. hearma m. ’Wiesel’. Aus voreinraut, hiraut, das wohl zurückgeht auf ein (sonst nicht zelsprachl. *k´ermo¯n in lit. ˇsermuo˜, ˇsarmuo˜ m. bezeugtes) germanisches Wort (vgl. aber ahd. fora’Hermelin’; Zugehörigkeitsbildung zu (ig.) *kormoharo ’Verkünder’). Lautlich steht gr. ke¯´ryx ’Herold’ ’Reif, Schnee, Hagel’ in lit. ˇsar˜mas m. ’Reif, gefrorener (dor. -a¯-) nahe, das mit ai. ka¯´ru- ’Sänger, Dichter’ Tau’, als ’das wie Schnee aussieht’. Die neuhochdeutenger zusammengehört. Da diese Wörter wohl auf sche Endbetonung geht aus von dem Wort für den (ig.) a¯ zurückführen, ist der Zusammenhang mit dem Pelz und hängt vielleicht von it. ermellino m. ab. In semantisch naheliegenden ai. carkarmi (usw.) dieser Bedeutung ist das Wort ein Maskulinum ’gedenken, rühmen, preisen’, anord. herma ’berich(= ’Pelz’). Die Ähnlichkeit des deutschen Wortes mit ten, melden’ lautlich schwer zu beurteilen. Vermutfrz. hermine (und it. ermellino, armellino m.), das auf lich ist vom Substantiv zu einer Wurzel für ’verkünArmenius mus ’Maus aus Armenien’ zurückgeführt den’ auszugehen, zu der das Wort für ’Herold’ eine wird, ist auffällig. Zugehörigkeitsbildung ist. Gleichen Ursprungs ist Meyer-Lübke, H. ZRPh 19 (1895), 94; EWNl 2 (2005), 421f.; nhd. ÞHeraldik ’Wappenkunde’, das sein BenenEWahd 4 (2009), 833–835, 984–986. nungsmotiv aus der Funktion der Herolde bezieht, Hermeneutik Sf ’Verfahren zum Verstehen eines Textbei Turnieren die Wappen der Teilnehmer zu prüfen. es’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus gr. herme¯neutike¯´ Ebenso nndl. heraut, ne. herald, nfrz. he´raut, nschw. härold, (te´chne¯) ’Kunst der Deutung’, zu gr. herme¯neu´ein nnorw. herold. – LM 4 (1989), 2172f.; EWNl 2 (2005), 417f. ’erklären, auslegen, denken’. Heros Sm Þheroisch. Ebenso nndl. hermeneutiek, ne. hermeneutics, nfrz. heme´neutique, nnorw. hermeneutikk. – HWPh 3 (1974), 1061–1073.

hermetisch Adj ’dicht verschlossen’ erw. fach. (16. Jh.).

Entlehnt aus neo-kl. hermetice, das zurückgeht auf neo-kl. sigillum Hermetis ’das Siegel des Hermes’. Der Name ist die griechische Bezeichnung (eigentlich gr. Herme¯s Trisme´gistos ’dreifach größter Hermes’) für den Urvater alchimistischer Weisheit, den ägyptischen Gott Thot, der ein Siegel erfunden haben soll,

Herr Sm std. (8. Jh.), mhd. herre, he¯rre, ahd. he¯rro, he¯-

ro¯ro, as. he¯rro. Eigentlich der Komparativ zu Þhehr. Seit dem 8. Jh. als Substantiv verwendet im Anschluss an l. senior in gleicher Verwendung (das eigentlich ’der ältere’ bedeutet). Ebenso afr. he¯ra; während ae. hearra und anord. herra, harri, herri aus dem Deutschen entlehnt sind. Im Anschluss daran Herren- in Komposita: eigentlich ’den Herren (Adeligen) vor-

Heu

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behalten’, dann häufig für ’besser, hochstehend’. Femininum: Herrin; Adjektiv: herrisch.

eine Fürstenbezeichnung. Adjektiv: herzoglich; Konkretum: Herzogtum.

Þhehr. – Schirokauer, A.: Germanistische Studien (Hamburg 1957), 213–221; Schmidt-Wiegand, R. NAWG 1972, 37; LM 4 (1989), 2176–2179; Röhrich 2 (1992), 702; Siegert (1950), 102–104 (zu Herr als religiöse Anrede); Kochskämper (1999), 325–354; EWNl 2 (2005), 398; EWahd 4 (2009), 979.

Schröder, E. ZSSR-GA 44 (1924), 1–9; Zeiss, H. Wiener Prähistorische Zeitschrift 19 (1932), 145–160; Herzog, R. SPAW (1933), 411; Much, R. Teuthonista 9 (1933), 105–116; Kahl, H.-D. ZSSR-GA 77 (1960), 164f. Anm. 27; RGA 6 (1986), 296–311 (dux); LM 4 (1989), 2189–2193; RGA 14 (1999), 479–483; EWNl 2 (2005), 424f.; EWahd 4 (2009), 981f.; Schuhmann, R. in Namenwelten (2004), 714–721.

Herrche (Herrle) Sm ’Großvater’ per. wmd. (17. Jh.).

Kürzung aus Ahnherr mit dem Suffix der Koseformen. Vgl. ÞFrauche, ÞFräle; ÞAhn, ÞHerr. – Müller (1979), 50.

herrlich Adj std. (9. Jh.), mhd. he¯rlih, ahd. he¯rlı¯h, as.

he¯rlı¯k. Ursprünglich Weiterbildung von Þhehr; dann auf ÞHerr bezogen und entsprechend abgewandelt. Abstraktum: Herrlichkeit. HWPh 3 (1974), 1079–1084; Röhrich 2 (1992), 703; EWNl 2 (2005), 399; EWahd 4 (2009), 983.

Herrschaft Sf std. (9. Jh.), mhd. he¯rschaft, ahd. he¯r-

schaf(t). Zunächst ’Würde, Ehrenamt’, aber auch ’Herrschaft’, also zu Þhehr, aber von vorneherein unter dem Einfluss von ÞHerr. Adjektiv: herrschaftlich.

Hetäre Sf ’gebildete und (meist) politisch und gesell-

schaftlich einflussreiche Freundin bzw. Geliebte’ erw. bildg. (19. Jh.). Entlehnt aus gr. hetaı´ra ’Gefährtin, Freundin’, der movierten Form von gr. hetaı˜ros m. ’Gefährte’, auch speziell ’(makedonischer) Adliger in der Funktion, den König zu beraten und zu unterstützen’. Bezeichnung für gebildete Prostituierte, mit denen der Verkehr nicht als anstößig galt − im Gegensatz zum Umgang mit den ungebildeten Dirnen (gr. po´rnai). Ebenso nndl. hetaere, ne. hetaera, nfrz. he´taı¨re, nschw. hetär, nnorw. het¢re.

hetero- Präfixoid ’verschieden, fremd, anders’ (z.B.

ahd. he¯riso¯n. Ableitung zu Þhehr, aber semantisch ausgehend von ÞHerr, also ursprünglich ’Herr sein’.

Heterodoxie, heterosexuell) erw. bildg. (–). Das Bildungselement wurde vornehmlich in griechischen Entlehnungen in die Volkssprachen übernommen; sein Ursprung ist gr. he´teros ’der andere, abweichend, verschieden’. Gegensatz: Þhomo- ’gleich-’. Selbständig gebraucht Verkürzung von heterosexuell(er).

EWNl 2 (2005), 399.

Cottez (1980), 184; EWNl 2 (2005), 427f.

HWPh 3 (1974), 1084–1088; Günther (1979); GB 3 (1982),

1–102.

herrschen Vsw std. (10. Jh.), mhd. he¯rs(ch)en, hersen,

Herz Sn std. (8. Jh.), mhd. herz(e), ahd. herza, as. herta. heterogen Adj ’gemischt, verschieden’ erw. fremd.

(18. Jh.). Entlehnt aus ml. heterogeneus, dieses aus gr. Aus g. *herto¯n n. ’Herz’, auch in gt. hairto, anord. heteroge´ne¯s, zu gr. he´teros ’anders, verschieden’ und hjarta, ae. heorte f., afr. herte, hirte f. Aus dem urgr. ge´nos ’Klasse, Art’, das mit l. genus ’Geschlecht, sprünglich ablautenden Wurzelnomen ig. *k´erd- n. Art’ verwandt ist. ’Herz’, auch in heth. kard-, gr. kardı´a f., gr. (ep.) ke˜r, l. Ebenso nndl. heterogeen, ne. heterogeneous, nfrz. he´te´roge`ne, cor (cordis), air. cride, lit. ˇsirdı`s f., akslav. srı˘dı˘ce; eine nschw. heterogen, nnorw. heterogen. – DF 1 (1913), 267; Cottez Variante liegt vor in ai. hr´d-, hr´daya- (*g´ herd-). Wei˙ herzen ˙ ; Adjektive: herzig, (1980), 184. tere Herkunft unklar. Verb: herzlich, herzhaft. Hetze Sf ÞElster. Ebenso nndl. hart, ne. heart, nschw. hjärta, nisl. hjarta; ÞAkkord. – Szemere´nyi, O. FS Stang (Stockholm 1970), 515–533; HWPh 3 (1974), 1100–1112; Cohen, G. CoE 14, 5/6 (1984), 9–11; LM 4 (1989), 2187–2189; Hamp, E. P. CoE 19, 7 (1990), 23; Röhrich 2 (1992), 704–708; RGA 14 (1999), 478f.; Becker (1964), 166f.; EWNl 2 (2005), 388; EWahd 4 (2009), 994–1003.

Herzog Sm erw. obs. (8. Jh.), mhd. herzoge, ahd. heri-

hetzen Vsw std. (13. Jh.), mhd. hetzen. Aus vd. *hat-eja-

’verfolgen, hetzen’, eine intensivartige Bildung zu ig. *k´ad- ’sich stürzen auf’ (ÞHass). Die formal parallelen Bildungen der germanischen Sprachen sind wohl anders zu beurteilen. Abstrakta: Hatz, Hetze2 (übertragen); Nomen Agentis: Hetzer; Präfigierung: Þver-. Rübekeil, L. FS Klingenberg (Hamburg 2002), 239–294; EWNl 2 (2005), 428.

zogo, as. heritogo. Aus wohl schon gemein- g. *harjatug(o¯n) m. ’Heerführer’, auch in anord. hertogi, her- Heu Sn std. (9. Jh.), mhd. höu(we), hou(we), heu, ahd. hou(wi), hewi, as. ho¯i. Aus g. *haw-ja- n. ’Heu’, auch tugi, ae. heretoga, afr. hertoga (zu ÞHeer und in gt. hawi, anord. hey, ae. heg, afr. ha¯, he. Das Wort Þziehen). Das Wort dürfte eine Lehnübersetzung aus gehört vermutlich zu Þhauen als ’das gehauene Gras’. gr. (ion., att.) strate¯go´s oder eher noch von gr. (poet.) Zu beachten ist allerdings eine lautlich mehrdeutige strate¯la´te¯s ’Heerführer’ sein (zu gr. strato´s ’Heer’ und Gruppe, die aus anord. ha´ f. ’Grummet’, lit. ˇs˙e´kas m. elau´nein ’ziehen’). Solche Heerführer waren im rö’frisch gehauenes (Grün)Futter’ und evtl. ai. ´sa¯kamischen Reich häufig Germanen, so dass ein unmit’essbares Kraut, Gemüse’ (dieses vielleicht aber nicht telbarer Zusammenhang gegeben ist. Möglicherweise indogermanisch) besteht. Falls ig. *k´¯ek w- angesetzt ist das Wort aber eine erst merowingische Prägung. In wird, könnte Heu (als *k´¡k w-jo- zu *hagw-ja-) eine der Karolingerzeit wird aus dem militärischen Rang schwundstufige Bildung dazu sein.

heucheln Ebenso nndl. hooi, ne. hay, nschw. hö, nisl. hey; ÞHauhechel. – Trier, J. FS Arnold (1955), 258; Röhrich 2 (1992), 708f.; RGA 14 (1999), 510f.; EWNl 2 (2005), 455; EWahd 4 (2009), 1007.

heucheln Vsw std. (16. Jh.). Erst seit Luther bezeugt; aus

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finden’, dann 1605 heuretik ’Methode zur Bestimmung der longitudinalen Position’, dann 1724 Heuristik ’Erfindungskunst in moralischen und mathematischen Dingen’. Adjektiv: heuristisch.

dem Niederdeutschen eingedrungen, vgl. nndl. huEbenso nndl. heuristiek, ne. heuristic, nfrz. (h)euristique. – DF 1 ichelen. Mit niederdeutschem Übergang von w zu g/ch (1913), 267; von Matuschka, M. E. Philosophia Naturalis 22 (1985), 416–424. aus vorangehendem *hiuwelen, zu ae. hiwian ’bilden, bemalen, heucheln’ zu g. *hiwja- n. ’Ausse- Heuschrecke Sf (auch Heuschreck m.) std. (9. Jh.), hen, Farbe, Form’ in gt. hiwi, ae. hiw (auch ein Intenmhd. höuschrecke, höuschricke m., ahd. hewiscrecko, sivum auf -ihho¯- wäre nicht ausgeschlossen); houwiscrecko m. Eigentlich ’Heuspringer’ zu altem ’heucheln’ ist also ursprünglich ’etwas bilden, forschrecken ’springen’ (Þschrecken). men’, evtl. ’färben’. Abstraktum: Heuchelei; Nomen Neubauer, R. ZDU 21 (1907), 702–714; LM 4 (1989), 2197f.; Agentis: Heuchler. Röhrich 2 (1992), 711. Schröder, H. BGDSL 29 (1904), 556f.; HWPh 3 (1974), 1113–1115 (zu Heuchelei); EWNl 2 (2005), 473.

heuer Adv ’dieses Jahr’ per. obd. (11. Jh.), mhd. hiure,

ahd. hiuro, hiuru. Aus hiuja¯ru ’in diesem Jahr’ (zum ersten Element s. Þheute). Þheurig, Þheute, ÞJahr. – Mezger, F. ANF 56 (1942), 266; Stötzel, G.: Die Bezeichnung der zeitlichen Nähe (Marburg 1963), 17–32.

Heuer Sf ’Miete, Lohn (besonders für Seeleute)’ erw.

heute Adv std. (8. Jh.), mhd. hiute, ahd. hiutu, hiuto, as.

hiudu. Wie afr. hiu¯dega, hiu¯de, hio¯da, ae. he¯od¢g aus *hiu dagu ’an diesem Tag’ zusammengewachsen. Der gleiche Pronominalstamm g. *hi- ’dieser’ erscheint in gt. himma daga ’heute’ und und hina dag ’bis heute’ (bis zu diesem Tag). Außergermanisch entspricht morphologisch gr. te¯´meron, gr. (ep., ion., hell.) se¯´meron ’heute’ aus *k´i- und dem griechischen Wort für ’Tag’; mit anderen Stämmen l. hodie¯. Der Pronominalstamm ig. *k´i- erscheint auch in l. cis ’diesseits’, l. citro¯ ’hierher’ usw., air. ce¯ ’hier, diesseits’; lit. ˇs`ıs, akslav. sı˘ ’dieser’, apreuß. schai ’hier’, heth. kı¯ (Nom. /Dat. Sg.) ’dieses hier’. Adjektiv: heutig.

ndd. (13. Jh., Standard 17. Jh.). Aus ndd. hüre; in echt hochdeutschen Quellen seit dem 17. Jh. bezeugt. Das vorauszusetzende *hu¯r-ija- (nndl. huren, afr. he¯ra, ae. hy¯rian, ne. hire) ist vielleicht vergleichbar mit gr. a´ky¯ros ’ohne Rechtskraft’, gr. ky˜ros n. ’Rechtskraft’, gr. Þheint, Þhier. – Röhrich 2 (1992), 711; EWNl 2 (2005), 396; kyro´o¯ ’ich mache, werde rechtskräftig’ u.ä. Wenn aber EWahd 4 (2009), 1076–1079. *ku¯s- (mit Rhotazismus) vorauszusetzen ist, könnte Hexameter Sm (ein Versmaß) per. fach. (18. Jh.). Entheth. kusˇˇsan- n. ’Lohn, Sold, Preis’ verglichen werlehnt aus l. (versus) hexameter, aus gr. hexa´metros den. Verb: (an-)heuern. ’sechsfüßig’, zu gr. he´x ’sechs’ und gr. me´tron n. ÞHeiermann. – Kluge (1911), 365f.; Cˇop, B. Sprache 3 (1957), ’Maß, Versfuß’. So bezeichnet als sechsfüßiger Vers. 138–141; Bomhard, A. R. RHA 31 (1973), 111–113; Seebold, E. ZVS 96 (1982/83), 47; EWNl 2 (2005), 482.

heulen Vsw std. stil. (11. Jh.), mhd. hiulen, hiuweln, ahd.

Ebenso nndl. hexameter, ne. hexameter, nfrz. hexame`tre, nschw. hexameter, nisl. hexameter. – DF 1 (1913), 267; LM 4 (1989), 2200.

hu¯wilo¯n, hu¯lo¯n, mndd. hulen. Eigentlich ’schreien wie Hexe Sf std. (10. Jh.), mhd. hecse, ahd. hazissa, hagzussa eine Eule’ zu mhd. hiuwel, hu¯wel, ahd. hu¯wo ’Uhu, u.ä., mndl. hagetisse. Aus wg. *haga-tusjo¯ (o.ä.) f. Eule’. Ähnlich l. ulula¯re ’heulen’ von l. ulula ’Kauz’. ’Hexe’, auch in ae. h¢gtesse. Der erste Bestandteil ist Im Grunde sind Nomen wie Verb gleichermaßen ÞHag, das an das Gehöft angrenzende, aber nicht lautnachahmend. mehr voll zu ihm gehörende Gebiet. Außerdem Karg-Gasterstädt, E. BGDSL-H 79 (1957) (= Sonderband scheint es − nach anord. tu´nridaÑ , mhd. (14. Jh.) zunFS Frings), 88–93; Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), rite ’Zaunreiterin, Hexe’ zu schließen −, dass in der 188–193; Röhrich 2 (1992), 709f.; EWNl 2 (2005), 475. germanischen Vorstellung von Hexen, diese auf dem heureka Interj ’ich habe es gefunden’ (ein Ausruf) erw. Zaun (oder Dachfirst) reiten. Der zweite Bestandteil bildg. (18. Jh.). Übernommen aus dem angeblichen könnte zu voreinzelsprachl. *d hwes- ’Geist’ gehören, Ausruf des Archimedes, als er das Prinzip des spezivgl. lit. dvasia` ’Geist’ und dehnstufig mhd. getwa¯s n. fischen Gewichts entdeckte. Zu gr. heurı´skein ’Gespenst’. Näher am Germanischen ist ein seit Au’finden’ (Perfekt heu´re¯ka). gustinus den Kelten zugeschriebenes übernatürliches Ebenso nndl. eureka, ne. eureka, nfrz. eureˆka. – DF 1 (1913), 267; Wesen Dusius, das auch in dem westfälischen Wort Röhrich 2 (1992), 710f. Dus für den Teufel gespiegelt sein kann. Offenbar heurig Adj ’diesjährig’ per. oobd. (11. Jh.), mhd. hiurec, handelte es sich um ein Wesen, das bis zum Hag des ahd. hiurı¯g. Adjektivbildung zu Þheuer. Der Heurige Gehöfts mächtig war. Das germanische Femininum ist in Österreich der junge Wein. ist entweder ein weibliches Gegenstück oder eine Frau in der Macht eines solchen Wesens, im MittelHeuristik Sf ’Lösungsverfahren’ per. fach. (18. Jh.). alter ganz in vom Christentum geprägte VorstellunNeubildung zu gr. heurı´skein ’finden’. Zuerst bezeugt gen gekleidet. (Vgl. zu dieser Interpretation vor allem neo-kl. limeneuretike¯ 1599 ’die Kunst, den Hafen zu

hieven

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die Argumente von Lecouteux). Verb: (be-, ver-)hexen; maskuline Form: Hexer; wohl unabhängig davon das Abstraktum Hexerei. Ebenso nndl. heks, ne. hag; ÞHag. – Franck, J. Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns. Hrsg. J. Hansen (Bonn 1901), auch als Sonderdruck; Lauffer, O. FS Hepding (Gießen 1938), 114–130; Poortinga, Y. PhF 1966 (1968), 88–104; Lecouteux, C. EG 38 (1983), 161–178; Bleckert, L., Westerberg, A. FS Alinei 1 (1986), 360–379; Ferreira, M. B., Saramago, J. FS Alinei 1 (1986), 1–30 (zu den romanischen Entsprechungen); Polome´, E. C. FS Schützeichel (1987), 1107–1112; Morris, K. GL 27 (1987), 82–95; LM 4 (1989), 2200 ff.; Röhrich 2 (1992), 711f.; EWNl 2 (2005), 408.

Hexenkessel Sm std. (19. Jh.). Zunächst nur der Kessel,

norw. nype, schw. nypon. Mit dem Baumnamensuffix (vgl. ÞHolunder) ahd. hiofaltra, hiufaltar, hiufoltra ’Dornstrauch, wilde Rose’. Die Bezeichnungen der Hagebutte (und des Dornstrauchs) fallen in den ig. Sprachen auseinander und sind in der Regel nicht sicher etymologisierbar; wenn das gleiche Wort andere Bedeutungen neben sich hat, weisen diese in der Regel eher auf ’Dorn’ und damit auf die Pflanze, nicht auf die Beere. Mit dem germanischen Wort wird apreuß. kaa¯ubri f. ’Dorn(en)’ verglichen, das aber nur einmal bezeugt und lautlich nicht klar ist. Ebenso nndl. joop, ne. hip. – Bahder (1925), 151f.; Trautmann, R. ZVS 42 (1908/09), 369 (anders); EWahd 4 (2009), 1051f.

in dem die Hexe ihre Tränke braut (und mit dem sie hienieden Adj ’hier unten’ per. arch. (11. Jh.). Zusamauch das Wetter bestimmen kann). Dann als brodelnmenrückung aus fmhd. hie, einer Variante von Þhier der Hexenkessel übertragen auf erregte Menschenund niden(e) ’unten’, einer heute nicht mehr gemengen. bräuchlichen Lokativform zu Þnieder. Ebenso nndl. heksenketel, nfrz. chaudron de sorcie`res, nschw. häxakittel, nnorw. heksekryte.

Hexenschuss Sm std. (16. Jh.). Erst frühneuhoch-

deutsch bezeugt, beruht aber offenbar auf einer alten Vorstellung, vgl. ae. h¢gtessan gescot neben ae. ylfa gescot ’Elfengeschoß’ und ne. elf-arrow für die gleiche Krankheit. Lessiak, P. ZDA 53 (1912), 136–140; HWDA 7 (1936), 1576f.; Röhrich 2 (1992), 713.

hier (auch hie arch.) Adv std. (8. Jh.), mhd. hie(r), ahd.

hia(r), as. he¯r. Aus g. *he¯r(e¯ 2) ’hier’, auch in gt. her, anord. he´r, as. he¯r, afr. hı¯r; eine Lokativbildung auf -r zu dem Pronominalstamm (ig.) *kei- ’hier’, auch ’dieser hier’ (s. unter Þheute) mit noch unaufgeklärter Vokalveränderung (vermutlich *kei-r oder *ke¯i-r). Þher, Þheuer, Þheute, Þhienieden, Þhiesig, Þhin, Þhinnen. – Röhrich 2 (1992), 714; EWNl 2 (2005), 431f.; EWahd 4 (2009), 1009f.

Hibiskus Sm per. fach. (19. Jh.). Junge Entlehnung einer Hierarchie Sf ’Rangordnung’ erw. fach. (17. Jh., Form

Variante (l. hibı¯scus) zu dem unter ÞEibisch behandeltem Wort (l. ibı¯scum).

Ebenso nndl. hibiskus, ne. hibiscus, nfrz. hibiscus, nschw. hibiskus.

hickeln Vsw ’hinken’ per. reg. (14. Jh.), mhd. hickeln

’springen, hüpfen’. Herkunft unklar. Hicker (auch Hecker) Sm ’Schluckauf’ per. reg. (20. Jh.).

Lautmalend (vgl. hick als Interjektion, ne. hiccup). Verb: hicksen. Hickhack Sn ’Streiterei’ erw. stil. (20. Jh.). Ablautende

und reduplizierende Bildung zu Þhacken, etwa im Sinn von ’hin- und herhacken’ (von den Vögeln). hie Adv arch. Þhier. Hieb Sm std. (15. Jh.). Abstraktum zu Þhauen, gebildet

aus dem Präteritum (die Bildungsweise ist ungewöhnlich: sonst stehen bei Ableitungen Ablautformen, die nur zufällig mit den Präteritalformen identisch sind. Hier handelt es sich aber um einen sekundären Ablaut). Röhrich 2 (1992), 713f.

Hiefe Sf ’Hagebutte’ per. obd. (9. Jh., hiofalter

18. Jh.). Zunächst in lateinischer Form entlehnt aus kirchen-l. hierarchia ’innerlich fest bestimmte Rangordnung (der Weihen, der Amtsgewalt)’, dieses aus nicht klassischem gr. hierarchı´a ’Amt des Priesters’, zu gr. hiereu´s m. ’Priester’, zu gr. hiero´s ’heilig’; der zweite Bestandteil geht zurück auf gr. a´rchein ’herrschen’. Zunächst beschränkt auf die Rangordnung von Priestern und Engeln; dann Verallgemeinerung. Adjektiv: hierarchisch. Ebenso nndl. hi¡rarchie, ne. hierarchy, nfrz. hie´rarchie, nschw. hierarki, nnorw. hierarki; ÞAnarchie, ÞHieroglyphe. – Siegert (1950), 105; DF 1 (1913), 267; HWPh 3 (1974), 1123–1126; GB 3 (1982), 103–129; EWNl 2 (2005), 432.

Hieroglyphe Sf ’bilderschriftliches Zeichen’ erw. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. hie´roglyphe m., das zurückgeht auf gr. hieroglyphika` gra´mmata Pl. ’die heiligen Schriftzeichen’, zu gr. hiero´s ’heilig’ und gr. gly´phein ’eingravieren’. Die Wendung hieroglyphische Figuren schon im 16. Jh. Ebenso nndl. hi¡roglief, ne. (hiero)glyph, nfrz. hie´roglyphe, nschw. hieroglyf, nisl. hı´ero´gly´fur; ÞGlyptothek, ÞHierarchie. – Cottez (1980), 185; EWNl 2 (2005), 432.

’Dornstrauch’ 8. Jh.), mhd. hiefe, ahd. hiofa, hiufa, as. hiesig Adj std. (16. Jh.). Als Ausgangspunkt wird *hiewesig zu wesen ’sein, wohnen’ (ÞWesen) vermutet. hiopo m. Ursprünglich ein Wort für die Hagebutte Vgl. Þdasig; Þhier. – Öhmann, E. NPhM 55 (1954), 188f. (vermutlich n. oder f.) und ein Wort für den Dornhieven Vsw erw. fach. (19. Jh.). Als Seemannsausdruck busch (vermutlich m.), also g. *heupo¯n- auch in ae. aus dem Englischen (to heave) entlehnt (dieses zu he¯opa m., he¯ope und in nordischen Mundarten (adän. Þheben). hyben, aschw. hiupon, später mit falscher Ablösung Ebenso nndl. hieven, nschw. hiva, nnorw. hive.

Hi-Fi

416 Hi-Fi Ptkl ’hohe Wiedergabequalität’ erw. fach. (20. Jh.).

Entlehnt aus ne. hi-fi, eigentlich high fidelity ’hochgradige (Klang-)Treue’. Zu diesen s. Þhoch und ÞFöderalismus. Rey-Debove/Gagnon (1988), 385; Carstensen 2 (1994), 645–647.

Hifthorn Sn auch umgedeutet als Hüfthorn = ’an der

Hüfte getragenes Horn’, älter Hiefhorn per. arch. (17. Jh.). Zu Hift, älter Hief(t) ’Stoß ins Horn’, vergleichbar mit gt. hiufan ’klagen’. Hilfe Sf std. (8. Jh., Form 9. Jh.), mhd. helfe, hilfe, ahd.

helfa, hilfa. Zeigen eine von den Präsensformen beeinflusste Lautung. Die ältere Form ist mhd. helfe, ahd. helfa, as. helpa, afr. helpe, ae. help m./f., anord. hjo¸lp. Auch fnhd. hülfe, mhd. hülfe, ist eine deutsche und wohl sekundäre Form. Nomen Agentis: Gehilfe. Ebenso nndl. hulp, ne. help, nschw. hjälp, nisl. hja´lp. – EWahd 4 (2009), 930f.

Hilpertsgriffe Spl ’Rosstäuscherkniffe’ per. fach.

(16. Jh.). Vermutlich zurückgehend auf Meister Albrants Roßarzneibuch (13. Jh.), das im Laufe der Zeit entartete und als Anleitung für Täuschungsmanöver gelten konnte. Die Lautform selbst beruht aber wohl auf Hildebrandsgriff (das auch bezeugt ist), und mit diesem wird wohl darauf Bezug genommen, dass nach dem Volkslied Hildebrand seinen Sohn mit einem unlauteren Griff besiegte. Eis, G. (1939), 106f.

’eherner Amboss’? oder ein Meteorstein?). Das germanische Wort für den Himmel entspricht diesen Wörtern in den Konsonanten, aber nicht im Vokalismus und in der Stellung des Wurzelvokals − allerdings taucht dasselbe Problem auch bei dem Wort ÞHammer auf, das mit einiger Sicherheit in diese Sippe gehört (und das diese Besonderheit auch im Slavischen zeigt). Bei diesem Stand der Dinge ist keine Sicherheit zu gewinnen, zumal der Bedeutungszusammenhang zwischen ’Stein’ und ’Himmel’ alles andere als klar ist (nach Maher eigentlich ’Gewitterhimmel’ im Gegensatz zu *dje¯u’Taghimmel’, benannt nach den ’Donnerkeilen’ = ’Steinen’, die aus ihm kommen, vgl. den Hammer des Donnergottes Thor, Ausgangsbedeutung wäre ’scharf’). Andererseits ist eine Etymologie, die auf diese möglichen Zusammenhänge keine Rücksicht nimmt (und das Wort Himmel etwa zu ig. *k´em’bedecken’ stellt) unbefriedigend, weil sie potentiell aufschlussreiche grundsprachliche Zusammenhänge außer acht lässt. Adjektiv: himmlisch. Ebenso nndl. hemel, ne. heaven, nisl. himinn; Þanhimmeln. – Fraenkel, E. ZVS 63 (1936), 183f.; Schindler, J. Kratylos 15 (1970), 152; Maher, J. P. JIES 1 (1973), 441–462; HWPh 3 (1974), 1127–1130; Maher, J. P. in McCormack/Wurm (1978), 85–106; Maher, J. P. MQ 20 (1979), 161–163; Darms (1978), 388–390; Szemere´nyi, O. Studia Iranica 9 (1980), 5494; Mayrhofer (1986 ff.), 137f.; LM 5 (1991), 22–24; Röhrich 2 (1992), 714–718; EWahd 4 (2009), 1013–1018.

Himbeere Sf std. (10. Jh.), mhd. hintber n., ahd. hintberi himmelschreiend Adj std. (17. Jh.). Gebildet im An-

schluss an 1. Mose 4,10 (das Blut deines Bruders schreit n., as. hindberi n. Aus wg. *hinda-basja- n. ’Himzu mir, vom Brudermord Kains). beere’, auch in ae. hindberige. Das Wort kann eine Zusammensetzung aus ÞHinde und ÞBeere sein, ob- Himten Sm ’Getreidemaß’ per. ndd. omd. (16. Jh.), wohl das Benennungsmotiv unklar bleibt. Nach Herfnhd. (md.) hemmete. Früher als ml. hemeta bezeugt. modsson ’Strauch, der sticht’ zu gr. kente´o¯ ’steche’, Offenbar sind das l. he¯mı¯na f. (ÞImmi) und das deutwas semantisch überzeugt, aber auf ungünstiger Besche ÞMetze 1, mndd. matte, mette f. gekreuzt worden. leglage beruht. Schwentner, E. BGDSL 56 (1932), 351–354. Loewe, R.: Germanische Pflanzennamen (Heidelberg 1913); hin Adv std. (8. Jh.), mhd. hin(e), ahd. hin(n)a, mndl. Wienesen, L.: Die Brombeere (Gießen 1952), 90f.; Höing, J. hene. Auch altenglisch als Vorderglied hin- bezeugt. DWEB 5 (1968), 335–403; Hermodsson, L. SN 62 (1990), 79–84.

Himmel Sm std. (8. Jh.), mhd. himel, ahd. himil, as. hi-

Als Pronominalbildung zur Bezeichnung des Ausgangspunktes ’von hier’ zu dem Pronominalstamm g. *hi-, ig. *k´i- gebildet.

mil. Wie afr. himel, himul durch Suffix-Ersatz (oder Dissimilierung) aus älterem g. *himena- m. Ebenso nndl. heen; Þhier. – Henzen (1969), 279–293; Röhrich ’Himmel’ entstanden. Dieses zeigt sich in gt. himins, 2 (1992), 719; EWNl 2 (2005), 397; EWahd 4 (2009), 1023–1026. anord. himinn; während ae. heofon, as. hebÐ an das m dissimilatorisch zu v (stimmhafter bilabialer Reibe- Hinde Sf ’Hirschkuh’ erw. fach. (8. Jh.), mhd. hinde, ahd. hinta, hinda, hinna. Aus g. *hindo¯ f. ’Hinde’, laut) weiterentwickelt haben. Der etymologischen auch in anord. hind, ae. hind. Vorauszusetzen ist ig. Deutung stellt sich folgendes Problem entgegen: Die ´emta¯ ’die Geweihlose’ zu ai. ´sa´ma- ’hornlos’, lit. *k Bedeutung ’Himmel’ tritt in verschiedenen indogerˇsmu`las ’hornlos’, gr. kema´s (-a´dos) ’Hirschkalb, junge manischen Sprachen bei Wörtern auf, die sonst Hinde, junger Hirsch’. ’Stein’ bedeuten − völlig sicher ist dies nur bei iraniEbenso nndl. hinde, ne. hind, nschw. nisl. hind. S. auch schen Wörtern (avest. asman- m. ’Stein, Himmel’, ÞHimbeere. – Thun, N. SN 40 (1968), 94–113; EWNl 2 (2005), apers. asman- m. ’Himmel’), bei der altindischen 434; EWahd 4 (2009), 1036–1038. Entsprechung (ai. a´´sma¯ ’Stein’) ist es umstritten; die hindern Vsw std. (9. Jh.), mhd. hindern, ahd. hintaren. griechische Entsprechung (gr. a´kmo¯n) bedeutet norWie ae. hindrian, anord. hindra eine Ableitung zu malerweise ’Amboss’, doch fällt in der Theogonie des Þhinter, also etwa ’hintansetzen, zurückhalten’ (vgl. Hesiod (722) ein cha´lkeos a´kmo¯n vom Himmel (ein

Hintertreffen

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Þfördern). Konkretum: Hindernis; Adjektiv: hinderlich; Präfigierungen: Þbe-, Þver-. Ebenso nndl. hinderen, ne. hinder. – EWNl 2 (2005), 434f.

deutung frühneuhochdeutsch einerseits ’zugrunde richten’, andererseits ’das Todesurteil vollstrecken’ ist.

Hinsicht Sf std. (18. Jh.). Gelehrte Verstärkungs-Bildung, vielleicht im Anschluss an l. respectus. Hierzu chen’ per. md. (8. Jh., huoninklin 8. Jh.), mhd. hünkel, die Präposition hinsichtlich. hinkel, huoniclı¯n, ahd. huoni(n)klı¯n. Mit einem komplexen Diminutiv-Suffix zu ÞHuhn gebildet. hinten Adv std. (9. Jh.), mhd. hinden, ahd. hintana, as. ÞHahn. – Röhrich 2 (1992), 719. (bi-)hindan. Entsprechend ae. hindan, gt. hindana. Sekundäre Lokativbildung zu einem aus Þhinter Hinkelstein Sm ’großer, aufgestellter Stein, Men(u.ä.) abgelösten Stamm hind-. hir’ erw. reg. (18. Jh.). In den frühesten Belegen (seit EWahd 4 (2009), 1038–1040. Ende des 18. Jhs.) ist Hinkelstein ein Name bestimmter Menhire in Hessen – an verschiedenen Orten, hinter Adj/Präp std. (9. Jh., Superlativ hintarosto 8. Jh.), aber das Wort ist in der frühen Zeit nie als Appellamhd. hinder, hinter, ahd. hintar. Aus g. *henderan tivum bezeugt. In den Quellen wird gelegentlich in Präp. ’hinter’, auch in gt. hindar, ae. hinder, eigentlich Klammer Hünenstein als Erklärung beigefügt. ÜberAkkusativ Neutrum eines alten Komparativs (oder regionales Aufsehen erregt dann die Ausgrabung einer Gegensatzbildung) auf ig. *-tero- (wozu als Sueines Gräberfelds an der Stelle des Hinkelsteins von perlativ gt. hindumists, ae. hindema). Die Grundlage Monsheim um 1866. Von da an wird von ’solchen ist vermutlich ein komplexes Pronomen aus den Stämmen *k- und *-en-, wie im anord. Anaphorikum Hinkelsteinen’ u.ä. gesprochen, d.h. der Name geht hann usw. Aus dem zugehörigen Adjektiv hinter- ist in dieser Form über zu einem Appellativum. Er wird der Hintere oder ÞHintern (mhd. hinder) ’Gesäß’ subdann auch in der Archäologie aufgenommen; so wird stantiviert. eine Kultur der mittleren Jungsteinzeit als HinkelS. auch Þhindern, Þhinten, ÞHinterhalt. – Schulz, H. ZDW 10 stein-Kultur bezeichnet. In weiteren Kreisen bekannt (1908/09), 143f.; Henzen (1969), 86–132; Seebold (1984), 65; wird das Wort, als in der Comic-Reihe Asterix das Röhrich 2 (1992), 719f.; EWahd 4 (2009), 1041–1044. menhir des französischen Urtextes mit Hinkelstein ins Deutsche übersetzt wird. Hinkel bedeutet in der hes- Hinterbieten Sm ÞBieten. sischen Regionalsprache ’Hühnchen’, die Bedeutung hinterfotzig Adj ’hinterhältig’ per. oobd. (20. Jh.). Herdes ursprünglichen Wortes Hüne ist umstritten – im kunft nicht ausreichend klar; wohl zu fotzeln = hier gegebenen Kontext sind (in Anbetracht der groÞfrotzeln ’zum besten haben’ (’hinter dem Rücken ßen, schweren Steine) riesige und entsprechend kräfzum besten haben’); dann die Rückbildung tige Menschen gemeint. Hinterfotze ’hinterhältiger Mensch’. Oder dieses ist zu Hinkel (etymologisch genauer Hünkel) Sn ’Hühn-

hinken Vsw std. (8. Jh.), mhd. hinken Vst., ahd. hincan

bair. ÞFotz ’Mund’ gebildet und das Adjektiv davon Vst., mndd. hinken. Aus g. *henk-o¯- Vsw. ’hinken’, abgeleitet. auch in anord. hinka, ae. hincian. Daneben mit Ab- hintergehen Vsw std. (14. Jh.). Eigentlich ’hinter einen laut mhd. hanken, mit s mobile anord. skakkr gehen, ihn überrumpeln’, dann übertragen ge’hinkend, schief’. Das Wort ist althochdeutsch und braucht, wie heute allgemein. mittelhochdeutsch (wohl sekundär) stark flektiert. Hinterhalt Sm std. (16. Jh.). In der heutigen Bedeutung Außergermanisch ist die Variante mit s- vergleichbar: bezeugt seit dem 16. Jh. Eigentlich ein Versteck, um gr. ska´zo¯ ’ich hinke’, ai. kha´n˜jati ’hinkt’ (mittelindiden Gegner von hinten zu überfallen; auch die Trupsche Lautvertretung von sk-). Die Variante ohne s pen, die dies tun. muss also schon vor der Lautverschiebung vorhanden gewesen sein. Hintern Sm Þhinter. Ebenso nndl. hinken; ÞSchenkel. – Seebold, E. (1970), 255; Röhrich 2 (1992), 719; EWNl 2 (2005), 435; EWahd 4 (2009), 1032–1034.

hinnen Adv erw. obs. (8. Jh.), mhd. hinnen, ahd.

hinterrücks Adv std. (15. Jh.). Eigentlich ’hinter dem

Rücken’ mit adverbialem Genetiv (zu der alten Form ÞRuck). Älter ist der von der Präposition abhängige Dativ: mhd. hinderrucke, ahd. hintar rukke, allerdings mit der Bedeutung ’rückwärts’.

hin(n)a¯n, as. hinan(a). Wie ae. heonan eine erweiterte Adverbialbildung zur Angabe des Ausgangspunktes, Hintersass (Hintersasse) Sm ’Abhängiger’ per. schwz. also ’von hier weg’ zum Pronominalstamm *hi(14. Jh.), spmhd. hinder-s¢ze, hinder-sezze. Mit der ’hier’. gleichen Ableitung von Þsitzen wie ÞInsasse gebildet. Þhier. – EWahd 4 (2009), 1028–1030.

hinrichten Vsw std. (15. Jh.). Entspricht Þrichten

’verurteilen, Urteil vollstrecken’ (durch den Zusammenhang ÞRichter − ÞScharfrichter, ÞNachrichter veranlasst) mit verstärkendem hin-, so dass die Be-

Hintertreffen Sn std. phras. (18. Jh.). Eigentlich der

beim Kampf (Treffen) hinten stehende Teil des Heeres, ohne Anteil an den Vergünstigungen im Fall eines Sieges. Heute nur noch übertragen ins Hintertreffen geraten ’in Nachteil geraten’. Röhrich 2 (1992), 721.

Hinterwäldler Hinterwäldler Sm std. stil. (19. Jh.). Lehnübertragung

von am.-e. backwoodsman. Gemeint sind die Bewohner der ’neuen Ansiedlungen jenseits des Alleghanygebirges’. Gombert, A. ZDW 7 (1905), 146; Röhrich 2 (1992), 721.

Hinz und Kunz Ptkl ’jeder beliebige’ std. stil. (15. Jh.).

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hip, hep ’modern, informiert’, dessen Herkunft nicht geklärt ist. Ebenso nndl. hippie, ne. hippie, nfrz. hippie, nschw. hippie, nnorw. hippie. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 388; Röhrich 2 (1992), 722; Carstensen 2 (1994), 661f.; Schneider, M. WZFSUJ 3 (1990), 157–161.

Nach zwei gebräuchlichen altdeutschen Vornamen: Hirn Sn std. (8. Jh.), mhd. hirn(e), ahd. hirn(i). Dabei zeigt mndl. hersene, dass von g. *hersnja- (oder -rzn-) Hinz ist wie Heinz Kurzform zu Heinrich und ist der auszugehen ist; vermutlich geht darauf auch anord. Lautform nach mitteldeutsch; Kunz gehört zu Konhjarni m. ’Hirn’ mit sekundärer Umgestaltung zurad und ist eine oberdeutsche Form. Die Wahl gerade rück. Grundlage hierfür ist ein Wort, das noch in nisl. dieser beiden Namen (und Namenformen) ist sicher hjassi, nschw. hjässa ’Schädel’ bezeugt ist und das auf nicht zuletzt wegen der dadurch gewonnenen Laut*herso¯n zurückgeht. Hirn ist also eigentlich ’das im abwandlung erfolgt. Hinz, Hinze, Heinz steht sonst Schädel, im Kopf befindliche’, zu der gleichen regional für verschiedene Tiermännchen (wie ne. Grundlage wie l. cerebrum ’Gehirn’ (*k´er¡s-ro-) und tomcat u.ä.). gr. kra¯nı´on ’Schädeldecke, Scheitel’. Das zugrunde Meisinger (1924), 35–39; Röhrich 2 (1992), 721f. liegende Wort für ’Kopf’ ist bezeugt in ai. ´s´ıras- n. (zu Hiobspost (Hiobsbotschaft bildg.) Sf ’Unglücksnachdem die übrigen Kasusformen von einem erweiternricht’ erw. obs. (18. Jh.). Gebildet zum Eigennamen den n-Stamm gebildet werden) und gr. ka´ra¯. KollekHiob aus dem Alten Testament (Buch Hiob 1, 13–19). tivbildung: Gehirn. Hiob bekommt eine Reihe von Unglücksbotschaften, die er demütig und in festem Glauben erträgt. Die Wendung bezieht sich darauf, dass die Schicksalsschläge in ungewöhnlicher Häufung aufeinanderfolgen. ÞPost in der alten Bedeutung ’Botschaft’. Ebenso nndl. jobstijding, ne. Job’s post, nschw. jobspost, nnorw. jobspost. – Röhrich 2 (1992), 722. 1

Hippe Sf ’Sichelmesser (symbolisches Werkzeug des

Ebenso nndl. hersenen, nschw. hjärna; ÞHirsch, ÞHorn, ÞZervelatwurst. – Seebold (1981), 158–161; Nussbaum (1986), 185–194; LM 5 (1991), 34; Röhrich 2 (1992), 722; EWNl 2 (2005), 423f.; EWahd 4 (2009), 1058–1060.

Hirsch Sm std. (8. Jh.), mhd. hirz, ahd. hir(u)z, as. hirot.

Aus g. *heruta- m. ’Hirsch’, auch in anord. hjo¸rtr, ae. heorot. Von der gleichen Grundlage (aber morphologisch verschieden) wie kymr. car, l. cervus m. ’Hirsch’ zu (ig.) *k´er¡-u- ’Horn’ in avest. sru¯, sruua¯’Horn’, also ’der ein Horn (Geweih) hat’. Mit dieser Grundlage verwandt ist auch unser Wort ÞHorn und dessen nähere Verwandtschaft. Ausgangsbedeutung ist ’Spitze’.

Todes)’ erw. obs. (11. Jh.), mhd. hepe, ahd. habba, heppa, mndd. hep(p)e, hep, heipe, hiepe, mndl. hepe. Aus vd. *h¢ ¯ bjo¯n f. ’Sichelmesser’. Die lautlichen Abwandlungen beruhen darauf, dass sich für den schriftlich kaum gebrauchten Fachausdruck keine überregionale Form herausgebildet hat, so dass die Ebenso nndl. hert, ne. hart, nisl. hjörtur, nschw. hjort; ÞHirn, regionale Herkunft der Belege von Zufälligkeiten abÞHorn. – Thun, N. SN 40 (1968), 94–113; Seebold (1981), 161f.; hängt. Ähnliche Ausdrücke liegen vor in gr. kopı´s LM 5 (1991), 36; Röhrich 2 (1992), 722f.; RGA 14 (1999), (-ı´dos) m. ’Schlachtmesser, krummer Säbel’, gr. kopa´s 595–598; EWNl 2 (2005), 424; EWahd 4 (2009), 1067–1072; (-a´dos) ’beschnitten, gestutzt’ zu gr. ko´pto¯ ’ich schlaRGA 25 (2003), 370–379. ge, haue’ (s. auch ÞKomma), lit. kapo˜ne˙ ’Haue, Beil’ Hirschfänger Sm ’Seitengewehr des Weidmanns, mit zu lit. kapo´ti ’hacken, spalten’ und lit. ka`pti ’hauen, dem er das Wild abfängt, d.h. ‘absticht’’ erw. fach. fällen’; ferner russ. kopa´tı˘ ’hacken, hauen, graben’. (17. Jh.). Für älteres Weidmesser. Der Vokalismus des germanischen Wortes bleibt EWNl 2 (2005), 388. dabei unklar. Hirschhornsalz Sn ’Ammoniumcarbonat als TreibmitFrings, Th. ZRPh 63 (1943), 174–178; Levickij (1998), 222f.; tel für Backwerk’ per. fach. (19. Jh.). Früher aus EWNl 2 (2005), 397f.; EWahd 4 (2009), 958f. Hirschhorn gewonnen. Hippe2 (auch Heppe, Happe) Sf ’Ziege’ per. reg. (18. Jh.). Geht zurück auf eine affektive Verschärfung des inlautenden Konsonanten zu Haber(geiß) (ÞHabergeiß), worauf das auslautende r abfiel. Die Belegumstände könnten auch auf ein Substratwort weisen. Rein, K. DWEB 1 (1958), 260–272; Flechsig (1980); Schauwecker (1992).

Hippie Sm ’zumeist junger Mensch, der natürliches

Barke (1991), 207f., 267.

Hirschkäfer Sm erw. fach. (17. Jh.). Benannt nach dem

geweihförmigen Oberkiefer. Verdeutlichende Zusammensetzung nach älterem einfachen hirz, vgl. l. cervus gleicher Bedeutung, zu dem es vielleicht eine Bedeutungsentlehnung darstellt. Wissmann (1963–1968), 376–390.

und friedfertiges Zusammenleben in der Art der Ju- Hirse Sf erw. obs. (10. Jh.), mhd. hirs(e) m., ahd. hirso, gendbewegung der 1960er/70er Jahre propahirs(i) m., as. hirsi m. Aus vd. *hersja- m. ’Hirse’ (Rigiert’ erw. grupp. (20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. hippie, spenhirse). Offenbar eine Zugehörigkeitsbildung auf hippy, einer hypokoristischen Ableitung von am.-e. -jo- zu einem (ig.) *k´eros- n. ’Sättigung, Nahrung’, am

hochdeutsch

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besten erhalten in l. Cere¯s, dem Namen der römischen Göttin des pflanzlichen Wachstums, arm. ser ’Abkunft, Geschlecht’; der Bedeutung nach näher stehen gr. ko´ros m. ’Sättigung’, gr. kore´nnymi ’sättigen’, lit. ˇs´erti ’füttern’ und mit Vollstufe der zweiten Silbe l. cre¯scere ’wachsen’ (Þkreieren). Niedermann, M.: Symbolae in honorem J. Rozwadowski (Cracoviae 1927), I, 109–117; Bertsch (1947), 83–92; LM 5 (1991), 36; EWNl 2 (2005), 275 (gierst); EWahd 4 (2009), 1062–1065.

Hirt Sm std. (8. Jh.), mhd. hirt(e), ahd. hirt(i), herte, as.

’Fieber’ auf die Hochstufen *hait- und *heit- zurückführen. Abstraktbildung zu dem Adjektiv Þheiß; der starke Ablaut lässt aber wohl auf die Mitwirkung eines (nicht mehr bezeugten) starken Verbs schließen. Adjektiv: hitzig; Präfixableitung: erhitzen. Ebenso nndl. hitte, entsprechend ne. heat, nschw. hetta, nisl. hita, hiti. – Röhrich 2 (1992), 723; EWNl 2 (2005), 437; EWahd 4 (2009), 1082f.

hm Interj (zum Ausdruck des Nachdenkens und Zwei-

felns) std. (19. Jh., früher auch hem, hum geschrieben). Wohl eine Nachahmung des Räusperlautes.

hirdi. Aus g. *herd-ija- m. ’Hirt’, auch in gt. hairdeis, Vgl. ne. hem, nfrz. hem, hom, hum, l. (e)heman. – Schwentner anord. hirdiÑ r, ae. hi(e)rde. Zugehörigkeitsbildung (1924), 31f. (Täterbezeichnung) zu dem Wort ÞHerde. Genau Hobby Sn std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. hobby (horse), vergleichbar ist lit. ker˜dzˇius ’Oberhirt’. dessen Ursprung nicht mit letzter Sicherheit geklärt Ebenso ne. shepherd, nschw. herde, nisl. hirdiÑ r. – LM 5 (1991), ist. Es bedeutet ursprünglich (13. Jh.) ein kleines 36f.; RGA 14 (1999), 616f.; EWahd 4 (2009), 1065f. Pferdchen, später die Nachbildung eines solchen aus Hirtentäschel Sn (eine Pflanze) per. fach. (19. Jh.). EntHolz usw. Das Bild vom vergnüglichen Reiten eines sprechende Bezeichnungen sind dem Typ nach seit Spielzeugpferdchens dient als Grundlage der Bedeudem 16. Jh. bezeugt. Die Pflanze heißt so nach der tungsentwicklung, die verallgemeinernd eine BeForm der Samenschoten. zeichnung für jegliche ’Beschäftigung zur Erholung und zum Zeitvertreib’ entstehen lässt. Marzell 1 (1943), 788–795. hissen Vsw ’(Segel, Fahne) hochziehen’ erw. fach.

(16. Jh.). Aus der niederdeutschen Seemannssprache (mndd. hissen); offenbar lautmalend nach dem Geräusch, das entsteht, wenn Taue über Rollen o.ä. gezogen werden. Neuer auch heißen (aus nndl. hijsen); sonst auch hitzen u.ä. Kluge (1911), 370–372; vgl. die Auseinandersetzung bei: Walter, C. NKB 19 (1896/97), 78, 81f. und NKB 20 (1898), 1–9; EWNl 2 (2005), 433f.

Historie Sf erw. fach. (13. Jh.), mhd. histo¯rje. Ist ent-

Ebenso nndl. hobby, ne. hobby, nfrz. hobby, nschw. hobby, nisl. hobbı´.Ersatzwort ist ÞSteckenpferd. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 390f.; Carstensen 2 (1994), 668f.; EWNl 2 (2005), 437f.

hobeln Vsw std. (14. Jh.), spmhd. hobel(e)n, hoveln,

mndd. höveln. Vermutlich zu mndd. hovel, nndl. heuvel ’Hügel, Unebenheit, Anschwellung’; also ein ursprünglich niederdeutsches Wort für ’Unebenheiten beseitigen’ (zum Grundwort s. unter ÞHübel). Davon rückgebildet die Werkzeugbezeichnung Hobel (mhd. hovel, hobel, ahd. hobil, mndd. hovel). Der ältere Ausdruck ist Þschaben und ÞSchabe 2.

lehnt aus l. historia, dieses aus gr. historı´a zu gr. hı´sto¯r Cox (1967), 65–68 (zu Hobel in der Bedeutung ’Sarg’); Weberm. ’der Kundige, Zeuge’. Dieses wird normalerweise Keller (1990), 173f.; Röhrich 2 (1992), 723f.; RGA 15 (2000), zu ig. *weid- ’Wissen’ gestellt. Anders Floyd: als 1–3; EWahd 4 (2009), 1083. ’Richter, Schiedsrichter’ zu gr. hı´zein ’sitzen’. Im Deutschen Zug um Zug durch ÞGeschichte ersetzt, so Hoboe Sf ÞOboe. dass nur die Täterbezeichnung Historiker und das Ad- hoch Adj std. (8. Jh.), mhd. ho¯ch, ahd. ho¯h, as. ho¯h. Aus jektiv historisch üblich bleiben. g. *hauha- Adj. ’hoch’, auch in gt. hauhs, anord. ha´r, Ebenso nndl. historie, ne. history, nfrz. histoire, nschw. historia, ae. he¯ah, afr. ha¯ch; vielleicht auch enthalten im Stamnnorw. historie. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þwissen; mesnamen der Chauken. Vergleichbar ist vielleicht ÞStory. – Keuck, K.: Historia (Diss. Münster 1934); Seifert, (mit abweichendem Auslaut) toch. A koc, toch. B A. AB 21 (1977), 226–284; Knape, J.: Historie (Baden-Baden kauc ’hoch, nach oben’. Weitere Herkunft unklar. 1984); Floyd, E. D. Glotta 68 (1990), 157–166; EWNl 2 (2005), Wohl nicht zu ÞHügel, sondern zu ai. ´sa´vı¯ra- ’stark, 436. mächtig’, gr. ky´rios m. ’Herrscher, Besitzer’, kymr. Hit Sm ’erfolgreiches Produkt’ erw. grupp. (20. Jh.). cawr ’Riese’; also (ig.) *k´ou-ko-, ursprünglich wohl Entlehnt aus ne. hit, einer Ableitung von ne. hit ’groß, stark’. Abstraktum: Höhe; Konkretum: Hoch; ’schlagen, treffen’, aus ae. hittan, aus anord. hitta. Es Präfixableitung: erhöhen. handelt sich um ein Nomen Acti im Sinne von Ebenso nndl. hoog, ne. high, nschw. hög, nisl. ha´r; ÞHoheit, ’etwas, das eingeschlagen hat, Treffer’. ÞHi-Fi. – Röhrich 2 (1992), 724f.; Heidermanns (1993), Ebenso nndl. hit, nfrz. hit, nschw. hit, nnorw. hit. – ReyDebove/Gagnon (1988), 389; Carstensen 2 (1994), 663–665; EWNl 2 (2005), 436.

Hitze Sf std. (8. Jh.), mhd. hitze, ahd. hizza, as. *hitti.

Aus g. *hitjo¯; ähnlich anord. hita und anord. hiti m. ’Hitze’, während ae. h¢ ¯ te ’Hitze’ und gt. heito

285f.; EWNl 2 (2005), 454; EWahd 4 (2009), 1092–1097.

hochdeutsch Adj erw. fach. (15. Jh.). Entsprechend zu

dem Gegenwort niederdeutsch. Socin, A.: Schriftsprache und Dialekte (Heilbronn 1888), 173f.; van Wijk, N. ZDW 12 (1910), 239f.

Hochmut Hochmut Sm std. (9. Jh.), mhd. hochmuot, ahd. ho¯h-

muot. Ursprünglich ’edle Gesinnung’, dann festgelegt als Entsprechung zu l. superbia. EWNl 2 (2005), 454.

hochnäsig Adj std. (18. Jh.). Vgl. die Nase hoch tragen,

d.h. den Kopf so hoch tragen, dass man andere nicht sieht. Hochrippe Sf ’Rückgratrippe des (geschlachteten)

Schweins’ per. fach. (11. Jh.), Schon spahd. ho¯chrippe n. Heute südwestdeutsches Wort gegenüber südöstlichem Hochrucke. Hochstapler Sm std. (18. Jh.). Aus dem Rotwelschen:

Stappler ’Bettler’ (zu stappeln ’betteln, von Ort zu Ort gehen’). Herkunft unklar, vielleicht zu ÞStapf , auf jeden Fall von stapeln ’aufschichten’ (ÞStapel) verschieden. Ein Hochstappler ist zunächst ein Bettler, der sich als in Not geratener vornehmer Mann ausgibt und dadurch Mitleid zu erregen sucht. Ladendorf, O. ZDW 7 (1905), 46; Wolf (1985), 138, 316.

höchstens Adv std. (16. Jh.). Mit adverbialem Genetiv

gebildet zum Superlativ von Þhoch, eigentlich ’des höchsten Grades’. hochtrabend AdjPP std. (14. Jh.). Als fachsprachlicher

Ausdruck ist ein Hochtraber ein Pferd, das beim Traben den Reiter hochwirft, also unbequem zu reiten ist. Die übertragene Bedeutung dürfte damit aber nicht zusammenhängen, sondern von einem ähnlichen Bild wie vom hohen Ross herab stammen. Hochwild Sn ’edles, zur Jagd den Privilegierten vorbe-

haltenes Wild’ per. fach. (15. Jh.). Entsprechend der hohen und niederen Jagd. In der Schweiz wird das Wort umgedeutet zu ’Wild im Gebirge’. Ott, P.: Sprache der Jäger (Frauenfeld 1970), 60–65.

Hochzeit Sf std. (10. Jh., Bedeutung 15. Jh.), mhd.

ho¯ch(ge)zı¯t f./n. Zusammengewachsen aus ahd. diu ho¯ha gezı¯t ’hohes Fest’, übernimmt dann die Bedeutung des älteren ÞBrautlauf , während es in der älteren Bedeutung durch das Lehnwort ÞFest verdrängt wird. Die neue enge Bedeutung schon bei Luther, doch gilt die alte Bedeutung noch bis ins 17. Jh. Wachsner (1921); RGA 3 (1978), 421–425; Schmidt-Wiegand, R. in Hildebrandt/Knoop (1986), 113–138; RGA 15 (2000), 18–22; EWNl 2 (2005), 455; EWahd 4 (2009), 1083f.

Hocke1 Sf ’Getreide- oder Heuhaufen’ per. ndd.

(18. Jh.), mndd. hocke ’Garben- oder Heuhaufen’. Wohl mit Verschärfung des Auslauts zu dem Wort ÞHügel und seinen Verwandten. Vgl. (mit unterschiedlichem Auslaut) russ. ku´ˇca ’Haufen, Heuschober’ und lit. kiu´gis ’großer Heuhaufen von mehreren Fudern’. Möglicherweise verwandt ist ÞSchock 1. Hocke2 Sf (Turnübung) erw. fach. (19. Jh.). Rückgebil-

det aus Þhocken. hocken Vsw std. stil. (16. Jh.). Intensivbildung zu mhd.

hu¯chen, anord. hu´ka ’kauern’, auch mit Ablaut anord.

420

heykjask ’sich niederhocken’. Diese Wörter beruhen auf einer Auslautvariante zu der unter ÞHügel behandelten Sippe. Die Ausgangsbedeutung ist ’sich krümmen’ (vgl. ai. kuca´ti ’krümmt sich’); der gleiche Bedeutungswandel wie im Germanischen bei apoln. kuczec´, serb. ˇcu´ˇcati ’hocken’. Instrumentalbildung: Hocker. Ebenso nndl. hukken. S. auch ÞHocke 2, ÞHöcker, ÞHügel, Þhudern, ÞHutzel. – Seebold, E. (1970), 257.

Höcker Sm std. (12. Jh.), mhd. hocker, hoger ’Buckel’.

Formal gehört das Wort zu ÞHügel, ÞHocke 1 und Þhocken, in deren Sippe auch semantisch ähnliche Wörter auftreten (etwa lett. kukurs ’Höcker, Beule’). Früher und besser bezeugt ist für diese Bedeutung aber ahd. hovar, mhd. hover, ae. hofer; vgl. lit. kupra` f. ’Buckel’ und gr. ky˜phos n. ’Höcker, Buckel’, so dass vielleicht eine Umbildung vorliegt. Adjektiv: höckerig. Hockey Sn (ein Feldspiel) erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt

aus ne. hockey, dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. Ebenso nndl. hockey, nfrz. hockey, nschw. hockey, nisl. hokkı´. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 391; EWNl 2 (2005), 438f.

Hode Smf std. (9. Jh.), mhd. ho¯de m., ahd. hodo m.,

mndl. hode m. Das Femininum seit dem 18. Jh. Vorauszusetzen ist vd. *huþo¯n, das gleiche für afr. hothan (Pl.). Damit ist vergleichbar kymr. cwd ’Beutel’, auch ’Hodensack’, gr. ky´tos n. ’Rundung, Wölbung eines Schildes, Hülle, Haut’, l. cutis f. ’Haut’, alit. kuty˜s m. ’Beutel’, die wohl weiter zu (ig.) *skeu- ’bedecken, umhüllen’ gehören (s. unter ÞScheuer). Der n-Stamm des Germanischen könnte auf eine Zugehörigkeitsbildung ’was zum (Hoden)Sack gehört’ zurückgehen. Die andere, und wohl wahrscheinlichere Möglichkeit ist mit Rücksicht auf den Zusammenhang ’Ei − Hode’ der Hinweis auf lit. kiau˜ˇsis ’Ei’ (zu lit. ka´usˇas ’Hirnschale, Muschelschale, Schneckenhaus usw.’) bei einer Auslautvariante derselben Wurzel und damit ein Ansatz ’Schale − Ei − Hode’. EWahd 4 (2009), 1084f.

Hof Sm std. (9. Jh., hovawart ’Hofhund’ 8. Jh.), mhd.

hof, ahd. hof, as. hof . Aus g. *hufa- m. ’Hof, Gehöft’, auch in anord. hof n., ae. hof, afr. hof n. Zu vergleichen sind zunächst l. cavum aedium n. ’Hof’ (eigentlich ’Höhle des Hauses’) und andererseits gr. ky´pai (Glossenwort) Pl. ’Behausungen aus Holz und Umfriedung’. Denkbar ist, dass das Wort zunächst ein Anwesen oder Heiligtum auf einem Hügel bezeichnete und deshalb zu der unter Þhobeln behandelten Sippe gehört. Die spätere Bedeutung ’Fürstenhof’ steht unter dem Einfluss von frz. cour f. gleicher Bedeutung. Die Bedeutung ’heller Nebelring um Sonne oder Mond’ tritt seit dem 15. Jh. auf und geht wohl von ’Umgebung, Umzäunung’ aus. Kollektivum: Gehöft.

Hohn

421 Ebenso nndl. hof, nisl. ho´f ’Tempel’. – Schrader, W.: Studien über das Wort ’höfisch’ (Würzburg 1935); Andersson, Th. FS Schmidt-Wiegand (1986), 1–9; Ganz, P. Höfische Literatur, Hofgesellschaft, höfische Lebensformen. Hrsg. G. Kaiser, J.-D. Müller (Düsseldorf 1986), 39–68; RGA 15 (2000), 59–61; EWNl 2 (2005), 443f.; EWahd 4 (2009), 1085f.

Hoffart Sf erw. obs. (12. Jh.), mhd. ho¯chvart ’die vor-

Bedeutung ’geschlitztes Gewand’ und metonymisch ’jmd., der solche Kleider trägt, Geck, Höfling’. Höft Sn ’Ufervorsprung, Vorsprung der Kaimauer’

u.a. per. ndd. (16. Jh.). Eigentlich ’Haupt’ (mndd. hovet, ho¯ft), entsprechend der Verwendung von ÞKopf für ’vorne’. Teilweise ins Hochdeutsche als ÞHaupt übernommen.

nehme (hohe) Art zu leben (Fahrt)’. Mit einer Ableihögen (meist reflexiv) Vsw ’sich freuen’ per. ndd. tung zu Þfahren in einer allgemeinen Bedeutung (20. Jh.), mndd. hogen ’sich erfreuen, trösten’. Mndd. ’leben, sich befinden’ (s. auch ÞWohlfahrt). Die Bezu hoge ’Sinn, Geist, Stimmung, Freude’; dieses zu as. deutung wurde bald ins Negative gekehrt huggian ’denken’ (g. *hug-ja- ’denken’ in gt. hugjan, (’Hochmut, Übermut, eitler Aufwand usw.’). Der anord. hyggja, ae. hycgan, afr. hugia, ahd. hug[g]en, Vokal des ersten Gliedes wurde vor schwerer Konhuckan). sonanz gekürzt, dann wurden die Konsonanten assimiliert, so dass das Wort heute verdunkelt ist. AdEWNl 2 (2005), 428f.; EWahd 4 (2009), 1090f. jektiv: hoffärtig. Hoheit Sf std. (8. Jh., Form 14. Jh.). Vereinfacht aus EWahd 4 (2009), 1098f. spmhd. ho¯chheit, dem Abstraktum zu Þhoch. Der Gebrauch als Titel und als höfliche Anrede seit dem hoffen Vsw std. (12. Jh.), mhd. hoffen, mndd. hopen, 17. Jh. hapen, mndl. hopen. Aus wg. *hup-o¯- Vsw. ’hoffen’, auch in ae. hopian, afr. hopia. Die Bedeutung steht hohl Adj std. (8. Jh.), mhd. hol, ahd. hol, as. hol. Aus g. unter dem Einfluss von l. spe¯s, spe¯ra¯re. Semantisch zu *hula- Adj. ’hohl’, auch in anord. holr, ae. hol, afr. hol. beachten ist, dass in altniederdeutschen Glossen auch Eine entsprechende Grundlage liegt vor in l. cavus, die Bedeutung ’fürchten’ auftritt (entsprechend in mir. cu´a ’hohl’, mit -n- ai. ´su¯nya´- ’leer, öde’, mit l gr. oberdeutschen Mundarten), sowie dass nhd. koı˜los (aus *k´owilo-) ’hohl’, alb. thele¨ ’tief’, arm. soyl verhoffen beim Wild ’einhalten, um zu sichern’ be’Höhle’; morphologisch entspricht dem Germanideutet. Dies macht einen Vergleich mit gr. ky´pto¯ ’ich schen am besten gr. ky´la ’Höhlen unter den Augen’. bücke mich, beuge mich nach vorn, lasse den Kopf In entsprechender Lautung treten auch Wörter für hängen’, gr. ky´bda ’vornüber gebeugt’ wahrschein’Loch’ u.ä. auf (avest. su¯ra ’Loch’, gr. ky´ar ’Nasenlich: Indem man sich nach vorne beugt, versucht man loch’); sonst ist die Sippe schwer abgrenzbar. Verweiter zu sehen, genauer zu sehen. Dann wäre die mutlich gehen die Adjektive auf Substantive zurück heutige Bedeutung übertragen als ’in die Ferne, in die (’hohl’ = ’was eine Höhlung, ein Loch, hat’). Das gerZukunft sehen’; vgl. auch unverhofft ’unerwartet’. manische Wort könnte dann die Schwundstufe eines Letztlich gehört das Wort zu ig. *keu- ’biegen, bül-Stammes (*k´owel- ’Loch’ − *k´ul-o´- ’hohl’) vorauscken’. Der Vergleich mit heth. kup- ’(einen Anschlag) setzen. Partikelableitung: aushöhlen; Abstraktum: planen’ ist kaum angängig, zumal das hethitische Höhlung. Wort unter dem Verdacht steht, ein Fremdwort zu Ebenso nndl. hol, ne. hole ’Loch’, nisl. holur. – Heidermanns sein. Nach Sommer zu einer Lautgebärde *hup- in (1993), 310f.; EWNl 2 (2005), 445; EWahd 4 (2009), 1102–1104. Bewegungen von unten nach oben. Abstraktum: Höhle Sf std. (8. Jh.), mhd. hüle, ahd. hulı¯. AbstraktHoffnung; Adverb: hoffentlich. bildung zu Þhohl. Die Anpassung des Umlauts an das ˇCop, B. Sprache 3 (1957), 146–148; Kuhn, H. FS Hammerich Grundwort ist erst neuhochdeutsch. (1962), 114f.; Frings, Th. BGDSL-H 91 (1969), 35–38; Sommer (1977), 8; Sanders, W. FS de Smet (1986), 411–417; Sanders, W., Szle˛k, St., Niederhauser, J.: Ein neues Wörterbuch der deutschen Sprache (Bern 1987), 74–80; EWNl 2 (2005), 459.

hofieren Vsw std. (13. Jh.), mhd. hovieren, hofieren.

’Sich gesellig (wie am Hof) verhalten, den Hof machen (frz. faire la cour), ein Ständchen darbringen’ zu mhd. hof. Heute eingeengt auf ’jmd. schmeicheln’. höflich Adj std. (12. Jh.), mhd. hovelich ’der Sitte des

Hofes gemäß’. Ähnlich wie höfisch und Þhübsch. Dann Bedeutungsausweitung wie in frz. courtois. Grubmüller, K. FS de Smet (1986), 169–181.

Höfling Sm erw. obs. (15. Jh.). Zugehörigkeitsbildung zu

mhd. hof im Sinn von ’Fürstenhof’. Hofschranze Sm ’Höfling’ erw. obs. (16. Jh.). Zu mhd.

schranz(e) ’Riss, Schlitz’ (ÞSchranz) gehört auch die

EWahd 4 (2009), 1104–1106.

Hohn Sm std. (9. Jh.), mhd. ho¯n, ahd. ho¯na f., mndd.

ho¯n. Substantivbildungen zu dem Adjektiv g. *hauna- ’niedrig, verachtet’ in gt. hauns, ae. he¯an, afr. ha¯na, ahd. ho¯ni, mhd. hœne. Gleich gebildet ist das gr. Glossenwort kauno´s ’schlecht’ und lett. ka`uns ’Scham, Schande, Schmach’; ohne das -n anord. ha´d Ñ n. ’Spott’ (*hawidaÑ -) und lit. ku¯ve˙´tis ’sich schämen’. Alt ist auch das Verbum höhnen (mhd. hœnen, ahd. ho¯nen, afr. he¯na, ae. hy¯nan, gt. haunjan ’erniedrigen’). Vielleicht ursprünglich ’niedrig’ aus ’zusammengekrümmt’ zu (ig.) *keu- ’biegen, krümmen’ (s. etwa Þhocken). Adjektiv: höhnisch. Bammesberger, A.: Morphologie des urgermanischen Nomens (Heidelberg 1990), 246 (zu hauen); Heidermanns (1993), 286f.; EWNl 2 (2005), 455f.; EWahd 4 (2009), 1130f.

Höker

422 Höker Sm ’Kleinhändler’ und hökern Vsw ’verkau-

fen’ per. ndd. (16. Jh.). Übernommen aus dem Niederdeutschen, zu mhd. hucke, mndd. hoke(r), hoken neben mndl. hoecster und ohne Suffix mhd. hucke, also zu ÞHucke ’Traglast des Hausierers’. Heute meist nur verhökern in übertragener Bedeutung. Hokuspokus Smn std. (17. Jh.). Zunächst Zauberfor-

mel, die dann zur Bezeichnung für allerlei Zauber und Blendwerk wird. Bezeugt zunächst im 17. Jh. in England als hocospocos ’Taschenspieler’. Dann als Taschenspielerlehre über den Kontinent verbreitet (Hocus Pocus Junior seit 1634). Ähnliche gleichzeitige Ausdrücke in Deutschland sind ox box, Hogges und Pogges, Okos Bokos u.ä. Die Formel ist sicher eine Reimformel von dem schon 1563 bezeugten Typ hax pax max Deus adimax. Sie knüpft an natursprachliche Wörter an (in der genannten Formel sind es lateinische; bei Hokus Pokus sind die beiden ersten Wörter daraus entnommen) und entstellt sie zu möglichst beeindruckenden gleichklingenden Wörtern. Dass es sich ursprünglich um eine Entstellung der Messformel (hoc est enim corpus meum) handelt, ist nicht ausgeschlossen. Ebenso nndl. hocus-pocus, ne. hocus-pocus, nschw. hokuspokus, nisl. ho´kus-po´kus. – DF 1 (1913), 268f.; EWNl 2 (2005), 439.

hold Adj erw. obs. (8. Jh.), mhd. holt, ahd. hold, as. hold.

Aus g. *hulþa- Adj. ’zugeneigt’, auch in gt. hulþs, anord. hollr, ae. hold, afr. hold. Wohl mit Ablaut zu g. *halþa- Adj. ’schräg, geneigt’ (s. unter ÞHalde); vgl. l. clie¯ns ’Höriger, Klient’ zu einer ei-Erweiterung derselben Wurzel. Ebenso nschw. huld, nisl. hollur. Vgl. ÞKobold; Þabhold, ÞHuld, ÞUnhold. – Royen, G. Donum Natalicium Jos. Schrijnen (Nijmegen, Utrecht 1929), 713–716; Trier (1951), 55f.; Ohly-Steimer, M. ZDA 86 (1955/56), 81–119; Rosengren (1968), 51–55; Mezger, F. ZVS 83 (1969), 150–152; Heidermanns (1993), 311f.; EWNl 2 (2005), 470; EWahd 4 (2009), 1108–1110.

Holder Sm ÞHolunder. holdselig Adj erw. obs. (15. Jh.). Adjektiv-Ableitung zu

men wohl aus einer anderen Wurzel, die aber möglicherweise die Bedeutung der oben aufgeführten Sippe beeinflusst hat. Ebenso nndl. halen. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þdeklamieren; Þerholen, Þüberholen, Þkielholen, Þhallen, Þhell, Þholla. – Seebold, E. (1970), 253f.; Mansion, J. BGDSL 33 (1908), 547–570 (kritisch); EWNl 2 (2005), 369; EWahd 4 (2009), 774–780.

Holfter Sf ÞHalfter 2. Holk Smf ÞHulk. holla Interj std. (16. Jh.). Entsprechend zu Þhallo

gemäß der Variante ahd. holo¯n neben halo¯n (s. unter Þholen). Auslautendes -a ist wohl gekürzt aus altem -a¯, während das -o in hallo Beibehaltung der Länge und deren weithin übliche Verschiebung zu -o¯ voraussetzt. Hölle Sf std. (9. Jh.), mhd. helle, ahd. hell(i)a, as. hellia.

Aus g. *haljo¯ f. ’Unterwelt, Totenwelt’, auch in gt. halja, anord. hel, ae. hell, afr. helle; in der Regel für den christlichen Begriff der Hölle bezeugt, im Altnordischen aber für die entsprechende germanische Vorstellung; dort auch die Personifizierung ÞHel für die Totengöttin. Man kann vermuten, dass die Germanen die Totenwelt als das die Toten Bergende bezeichneten und damit an g. *hel-a- ’bergen’ (Þhehlen) anschließen; doch bleibt dies bei einem mythologischen Begriff eine bloße Vermutung. Sonderbedeutungen wie ’Raum zwischen Kachelofen und Wand’ oder in Hellegat ’kleiner Aufbewahrungsraum auf Schiffen’ (eigentlich ’Höllenloch’) können ohne weiteres als bildliche Übertragungen verstanden werden und zeigen kaum den Reflex einer älteren Bedeutung. Adjektiv: höllisch. Ebenso nndl. hel, ne. hell, nisl. hel(vı´ti); Þhehlen, ÞHel. – Kluge (1911), 363f.; Szadrowsky, M. BGDSL 72 (1950), 221–235; Völkl, S. D. FS Ölberg (1987), 27–33; Le Bourdelles, H. Historical linguistics 1987. Hrsg. H. Andersen, K. Koerner (Amsterdam 1990), 303–308; Rosenfeld, H. ZDA 90 (1960), 161–181; EWahd 4 (2009), 940.

einem nicht bezeugten Abstraktum auf Þ-sal, -sel zu Höllenmaschine Sf std. (19. Jh.). Lehnübersetzung zu frz. machine infernale, dem Sinn nach eigentlich Þhold (oder bereits mit dem fertigen Kombinations’verderbenbringende Maschine’, aber wörtlich wiesuffix Þ-selig gebildet). Abstraktum: Holdseligkeit. dergegeben. holen Vsw std. (8. Jh.), mhd. hol(e)n, ahd. holo¯n, neben Ebenso ne. infernal machine, nfrz. machine infernale, nndl. mhd. haln, ahd. halo¯n, as. halo¯n, haloian. Aus wg. helse machine, nschw. helvetesmaskin, nnorw. helvetesmaskin. *hal-o¯- Vsw. mit der Variante *hul-o¯- ’holen’, auch in Höllenstein Sm ’Silbernitrat’ per. fach. (18. Jh.). Entafr. halia und ae. geholian. Zu ig. *kla¯-/kal¡- ’rufen, ˙ ’laut, hell’), gr. lehnt aus l. lapis ¯ınferna¯lis (vgl. frz. pierre infernale). herbeirufen’ in l. cala¯re (dazu l. cla¯rus Der Stoff heißt so wegen seiner starken Ätzkraft. kale´o¯ ’ich rufe’, heth. kallesˇ- und mit einer alten SonHolm1 Sm ’kleine Insel’ per. ndd. (17. Jh.). Ursprünglich deranwendung air. cailech ’Hahn’, ai. usa¯kala˙ aus dem Niederdeutschen, vgl. mndd. holm, as. holm ’Hahn’, weniger sicher lett. kal˛uoˆt ’schwatzen’. Auf n. aus g. *hulma- m. ’kleine Insel’, auch in anord. eine zugehörige e-Stufe kann zurückgeführt werden wg. *hell-a- ’schallen’ in ahd. hellan, as. hellan; doch holmi, holmr, ae. holm. Eine ziemlich genaue außerist eine e-Stufe außerhalb des Germanischen allenfalls germanische Entsprechung kann sein l. columen n. in gr. ke´lados ’Getöse’ anzutreffen. Anord. hala (*kl¡-men-) ’Gipfel, Höhepunkt’ zu l. (prae-)cello ’ziehen’ und die daraus entlehnten französischen und ’ich˙ rage hervor’. Zu dieser Wurzel (verbal noch in lit. englischen Wörter, vgl. ne. hale und ne. haul stamke´lti ’emporheben, tragen’) gehört eine Reihe von

homogen

423

Wörtern für ’Hügel’, mit denen sich die Bedeutung des germanischen Wortes verknüpfen lässt: gr. kolo¯no´s, l. collis, ae. hyll (*klni-), lit. kalva` f.; also ig. ˙ Hügel) Insel’. Das nor(eur.) *kl¡mo- m. ’(Erhebung, ˙ dische Wort wird auch für größere Inseln verwendet. Ebenso nschw. holme. Vgl. Ortsnamen wie Bornholm. – Holsten, R. NKB 57 (1950), 2–6.

Holm2 Sm ’waagrechte Stange, Griff’, auch Teil eines

Turngeräts (Barren) per. fach. (19. Jh.). Auch Hulbe(n), aus dem es wohl durch Assimilation von bn zu m entstanden ist (< 19. Jh.). Vergleichbar ist ÞHelm 2, mit dem es wohl verwandt ist.

lerdings nicht): g. *trewa- n. ’Baum’ in gt. triu, anord. tre, ae. tre¯ow n., afr. tre¯ n., as. treo, trio n. Zum Weiteren s. unter ÞTeer. Das Suffix taucht in folgenden deutschen Baumnamen auf: ÞAffolter (ÞApfel), ÞFlieder, ÞHeister, Holunder, ÞMaßholder, ÞReckholder, ÞRüster, ÞWacholder. Der Holunder wäre also ein ’Schwarz(beeren)baum’. Die Betonung der zweiten Silbe ist jung; die Entstehungszeit ist aber nicht klar. ÞHartriegel, ÞTeer, ÞTrog. – Lühr (1988), 203; Herbermann (1974), 91f. (anders); EWahd 1 (1988), 61 (anders zum Baumnamensuffix); RGA 15 (2000), 90f.; EWahd 4 (2009), 1110f., 1116–1120.

Holocaust Sm ’Völkermord, besonders an den Juden in Holz Sn std. (8. Jh.), mhd. holz, ahd. holz, as. holt. Aus g.

der Nazizeit’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. holocaust; dort übertragen aus einem biblischen Wort für ’Brandopfer’ (aus l. holocaustum n., gr. holokau´to¯ma n., zu gr. ho´los ’ganz, völlig’ und gr. kaı´ein ’verbrennen, verwüsten’ − beim antiken Opfer wurden normalerweise nur Teile des Opfertiers verbrannt, deshalb die besondere Erwähnung). Der Ausdruck wurde im Französischen und Englischen gelegentlich für Massenvernichtung gebraucht (z.B. für Verluste im Krieg, Feuersbrunst), dann bezogen auf den Massenmord an den Juden im zweiten Weltkrieg. Entlehnt als Titel einer Fernsehserie und dann appellativisch gebraucht.

*hulta- n. ’Holz’, auch in anord. holt, ae. holt m./n., afr. holt. Ausgangsbedeutung ist eigentlich ’Gesamtheit der zu schlagenden Schösslinge des Niederwaldbaums’ (Trier); daher vergleichen sich unmittelbar (neben g. *hulta- aus ig. *kl¡do-) gr. kla´dos m. ’Zweig’ (*kl¡do-) und mir. ˙caill f., kymr. celli ’Wald, Hain’ (*kl¡dı¯); semantisch ferner steht russ.-kslav. ˙ klada ’Balken, Holz’. Zu (ig.) *kel¡- ’schlagen, brechen’ in gr. kla´o¯ ’ich breche, beschneide junge Zweige’, l. percellere ’zu Boden werfen, zerschmettern’ (wohl *kel¡-n-), lit. ka´lti ’schlagen, schmieden’, akslav. klati ’stechen, schlachten’. Adjektive: hölzern, holzig.

Ebenso nndl. holocaust, ne. holocaust, nfrz. holocauste, nnorw. Ebenso nndl. hout, ne. holt, nschw. hult. – Trier (1952), 43–51; holocaust. – Cottez (1980), 186; Garber, Z., Zuckerman, B. Borck, K.-H. FS Trier (1954), 456–476; EWNl 2 (2005), 471; in Y. Bauer, A. Eckardt (Hrsg.): Remembering for the Future EWahd 4 (2009), 1120–1123. (1989), 1879–1892; Carstensen 2 (1994), 672f.; EWNl 2 (2005), Holzapfel Sm ’wilder Apfel’ erw. fach. (13. Jh.), mhd. 446.

holpern Vsw std. (16. Jh.). Daneben holpeln, hilpeln und

schwz. hülpen ’hinken’. Ähnlich lit. klu`pti ’stolpern’; zu beachten ist das Reimwort Þstolpern. Wohl eine Lautgebärde. Adjektiv: holprig. Holster Sn ’Ledertasche für Handfeuerwaffe’ per. fach.

(20. Jh.). Entlehnt aus ne. holster, das seinerseits aus nndl. holster stammt. Dieses ist eine Nebenform zu ÞHolfter. Ebenso nndl. holster, ne. holster; ÞHalfter 2. – EWNl 2 (2005), 446.

Holunder Sm std. (9. Jh.), mhd. holunter, holunder, ahd.

holzapfel. Gebildet mit ÞHolz in der Bedeutung ’Wald’. holzen Vsw ’mit überstarker Fußarbeit Fußball spie-

len’ per. fach. (20. Jh.). Übernommen aus dem Hockeyspiel, wo man damit den überstarken Einsatz der Schläger bezeichnete. Holzweg Sm (meist in auf dem Holzweg u.ä. ’im Irrtum

befangen’) std. phras. (13. Jh., Bedeutung 15. Jh.), mhd. holzwec ’Weg im Wald, auf dem Holz geführt wird’. Da diese Wege häufig auf einem Holzplatz o.ä. enden und nicht weiterführen, wird das Wort bildlich für ’Sackgasse’ und dann für ’Irrweg’ benutzt.

holuntar, hol(d)er. Das Vorderglied hat eine Entsprechung in ndn. hyld, nschw. hyll ’Holunder, Flie- homo- Präfixoid ’gleich, gleichartig’, vor Vokalen hom(homosexuell, homorgan) erw. bildg. (–). Das Element der’ (der neu eingeführte Flieder wird häufig als Howird in griechischen Wörtern übernommen und geht lunder, meist mit einem Beiwort, bezeichnet, vgl. Flieauf gr. homo´s ’zusammen, gemeinsam’ zurück (zur der). Daraus lässt sich ein *hulun/huln, ig. (eur.) *kln˙˙ germanischen Verwandtschaft s. Þzusammen). In den erschließen, mit dem russ. kalı´na f. ’Maßholder, geFachsprachen produktiv. meiner Schneeball’ verglichen werden kann. Falls es Wortbildung 3 (1978), 244f.; Cottez (1980), 186; EWNl 2 sich um ein Erbwort handelt, kann an gr. kelaino´s (2005), 448. ’schwarz’ (wegen der blauschwarzen Beeren) angeknüpft werden. Das ’Baumnamensuffix’ -der führt homogen Adj ’gleichartig, gleichmäßig aufgebaut’ erw. zunächst auf (ig.) *-tro- zurück, doch ist auch denkfach. (18. Jh.). Entlehnt aus ml. homogeneus, dieses bar, dass es eigentlich aus einem zweiten Komposiaus gr. homogene¯´s ’von der gleichen Herkunft’. tionsglied abgeschwächt ist, das dem alten Wort für Ebenso nndl. homogeen, ne. homogeneous, nfrz. homoge`ne, nschw. homogen, nnorw. homogen; Þhomo-, Þ-gen. – DF 1 ’Baum’ entspricht (der Konsonantismus stimmt al(1913), 269; EWNl 2 (2005), 448f.

homonym homonym Adj ’gleichlautend’ per. fach. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus gr. homo¯´nyma Pl. ’(Begriffe), deren Name gleich ist’. Zu gr. o´noma ’Name’. Ebenso nndl. homoniem, ne. homonym, nfrz. homonyme, nnorw. homonym; Þanonym. – Cottez (1980), 186; EWNl 2 (2005), 449.

Homöopathie Sf (eine Heilbehandlung, Naturheilver-

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und vielleicht l. canicae f. ’eine Art Kleie’. Wegen der speziellen Bedeutungen ist dieser Vergleich in allen Teilen unsicher. Das zweite n beruht wohl auf Einmischung des Suffixes Þ-ing und ang-; es wird später lautgesetzlich wieder getilgt nach Stämmen, die mit n auslauten. Ebenso nndl. honing, ne. honey, nschw. honung, honing. –

Schlerath, B. FS Behrmann (1993), 187–193; RGA 15 (2000), fahren) erw. fach. (18. Jh.). Neubildung von S. Hah108f.; EWNl 2 (2005), 451f.; EWahd 4 (2009), 1125–1128. nemann 1810 zu gr. homoı˜os ’gleich, gleichartig’ (Þhomo-) und gr. pa´thos n. ’Leiden, Krankheit’ Honneurs Spl in die Honneurs (des Hauses) machen ’Gäste gebührend (mit den ihnen gebührenden Ehr(ÞPathos, ÞAllopathie). Lehre, die in schwachen erweisungen) empfangen’ per. phras. (18. Jh.). EntDosen Arzneien verabreicht, die in hohen Dosen bei lehnt aus frz. faire les honneurs (d’une maison), eiGesunden ähnliche Auswirkungen hätten, wie sie gentlich ’die Ehren[-bezeugungen] machen’, zu frz. beim Erkrankten infolge der Krankheit auftreten. Adjektiv: homöopathisch; Täterbezeichnung: honneur ’Ehre, Ehrbezeugung’, aus l. honor ’Ehre’. Homöopath. Früher auch Ausdruck für ’Trümpfe’ (im Kartenspiel). Ebenso nndl. homeopathie, ne. hom(o)eopathy, nfrz. home´opathie, nschw. homöopati, nisl. ho´mo´pati. – Cottez (1980), 186; EWNl 2 (2005), 447.

homophon Adj ’verschieden geschrieben, aber gleich

gesprochen’ per. fach. (20. Jh.). Neubildung aus Þhomo- und gr. pho¯ne¯´ ’Stimme, Laut’. Ebenso nndl. homofoon, ne. homophone, nfrz. homophone, nschw. homofon, nnorw. homofon.

Homosexualität Sf erw. fach. (19. Jh.). Neubildung von

R. von Krafft-Ebing aus Þhomo- und Sexualität (ÞSex), im allgemeinen nur von der Gleichgeschlechtlichkeit bei Männern gesagt. Da sexuell auf ein lateinisches Wort zurückgeht, ist die Bildung hybrid. Adjektiv: homosexuell. Ebenso nndl. homoseksualiteit, ne. homosexuality, nfrz. homosexualite´, nschw. homosexualitet, nnorw. homoseksualitet. – von Wangenheim, W. Forum Homosexualität 9 (1990), 15f.; EWNl 2 (2005), 449f.

Homunkulus Sm ’künstlich geschaffener Mensch’ erw.

Ebenso nndl. de honneurs waarnemen, ne. do the hono(u)rs, nfrz. faire les honneurs, nschw. göra honnör, nnorw. gjøre honnør; Þhonett, ÞHonorar. – EWNl 2 (2005), 452.

Honorar Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. hono¯ra¯rium

’das Ehrengeschenk’, einer Substantivierung von l. hono¯ra¯rius ’ehrenhalber’, zu l. honor m. ’Ehre’. Zunächst freiwillige, dann regelmäßige Zahlung für eine intellektuelle Dienstleistung (z.B. von Lehrern und Anwälten). Im 16. und 17. Jh. häufig als Verehrung übersetzt. Verb: honorieren. Ebenso nndl. honorarium, ne. honorarium, nfrz. honoraires, nschw. honorar, nnorw. honorar. – DF 1 (1913), 270; EWNl 2 (2005), 452f.

Honoratioren Spl ’angesehene Bürger’ erw. obs.

(17. Jh.). Übernommen aus kanzleisprachlichem Latein, eigentlich ml. hono¯ra¯tio¯re¯s ’die Angeseheneren’, Komparativ zu ml. hono¯ra¯tus ’geehrt’, zu l. hono¯ra¯re ’ehren’, zu l. honor ’Ehre’.

Ebenso nschw. honoratiores, nnorw. honoratiores. – DF 1 (1913), bildg. (19. Jh.). Ursprünglich eine Vorstellung der Al270. chimisten: der in der Retorte geschaffene Mensch (so bei Paracelsus). In deutschen Texten seit Goethes Hooligan Sm ’Randalierer’ per. grupp. (20. Jh.). EntFaust II. Zu l. homunculus ’Menschlein, schwaches lehnt aus ne. hooligan und üblich geworden bei der Erdenkind’, einem Diminutivum von l. homo Diskussion um Ausschreitungen auf Fußballplätzen. ’Mensch, Irdischer’. Die Herkunft des englischen Wortes ist unklar, es Ebenso nndl. homunculus, ne. homunculus, nfrz. homuncule; wird vermutet, dass ein Personenname zugrunde Þhuman. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 377; Cottez liegt. (1980), 186.

honett Adj ’redlich, anständig’ per. arch. (17. Jh.). Ent-

Ebenso nndl. hooligan, ne. hooligan, nfrz. hooligan, nnorw. hooligan. – Carstensen 2 (1994), 677–679.

lehnt aus frz. honneˆte. Dieses aus l. honestus ’ehrbar’, Hopfen Sm std. (11. Jh.), mhd. hopfe, ahd. hopfo, mndd. zu l. honor ’Ehre’. hoppe(n), mndl. hoppe. Herkunft unklar. Zu beachEbenso ne. honest, nschw. honnett, nnorw. honnett; ÞHonorar. ten ist die Lautähnlichkeit mit einer anderen Bezeich– DF 1 (1913), 269f.; Klose, F.: Die Bedeutung von honos und nung für den Hopfen, nämlich anord. humli, ae. hyhonestus (Diss. Breslau 1933). mele f. Diese passen zu aruss. ch(u˘)melı˘, finn. humala, Honig Sm std. (8. Jh.), mhd. honec, honic n., ahd. honag wogul. qumlix, ung. omlo´, ngr. choume´li. Von welcher n., as. honeg. Aus g. *hunanga- n. ’Honig’, auch in Sprache die Entlehnungen ausgegangen sind, ist aber anord. hunang n., ae. hunig n., afr. hunig. Dieses aus umstritten. Hopfen und Malz stehen als Bestandteile ig. *kn¡ko- Adj. ’goldfarben’ in ai. ka¯n˜cana´- n. ’Gold’, des Biers für das Bier selbst. ˙ auch Name verschiedener Pflanzen, gr. Adj. ’golden’, Ebenso nndl. hop, ne. hop (entlehnt). – Neumann, E. FS Mogk (1924), 424–432; Bertsch (1947), 234–239; Mehlber, L. JGGB kne˜kos f. ’wilder Safran’, gr. (dor.) kna¯ko´s ’gelblich’

Horn

425 (1980/81), 58–65; Lühr (1988), 234; EWNl 2 (2005), 458; EWahd 4 (2009), 1133f.

hoppeln Vsw std. (17. Jh.). Iterativbildung zu ndd./md.

hoppen ’hüpfen’. Vgl. die Interjektionen hopp und hoppla.

hoppnehmen Vsw ’verhaften’, entsprechend hochgehen

gen (’hörend’ = ’gehorchend’). Vielleicht wurde die Nebenform l. cluens zu l. cliens ’Klient, Höriger’ zu l. clue¯re ’hören’ gestellt (was etymologisch wohl nicht richtig ist) und das Wort so ins Deutsche übersetzt. Schmidt-Wiegand (1972), 14; von Olberg (1991), 213–216; EWNl 2 (2005), 461f.

’verhaftet werden’ std. vulg. (19. Jh.). Nach dem Aus- Horizont Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. horizo¯n (-ontis), dieses aus gr. horı´zo¯n (ky´klos), eigentlich ruf hopp, mit dem z.B. zum (raschen) Aufstehen und ’Grenzlinie’, zu gr. horı´zein ’begrenzen’, einer AbleiMitkommen aufgefordert wird; aber wohl eine Enttung von gr. ho´ros ’Grenze’. So benannt als die (verstellung von hochgehen und hochnehmen, letztlich aus meintliche) Grenzlinie zwischen Himmel und Erde. der Gaunersprache. Adjektiv: horizontal. hopsen Vsw std. stil. (10. Jh., aber zusätzlicher Eintrag). Ebenso nndl. horizon, ne. horizon, nfrz. horizon, nschw. horiAhd. hoppezzen. Weiterbildung zu hoppen (s. unter sont, nnorw. horisont; ÞAphorismus. – Schirmer (1912), 32; DF Þhoppeln und Þhüpfen), daneben hops. 1 (1913), 270f.; EWNl 2 (2005), 462. Sommer (1977), 8.

hopsgehen Vsw ’sterben’ (und Variante zu hoppge-

hen) std. vulg. (19. Jh.). Vermutlich ausgehend vom Zerbrechen des Geschirrs und ’einen Sprung bekommen’; ursprünglich gaunersprachlich. horchen Vsw std. (11. Jh.), mhd. ho¯r(e)chen, horchen,

spahd. ho¯rechen, mndd. horken, mndl. horken. Ist wie afr. harkia und ae. hyrcnian mit einem intensivierenden k-Suffix zu Þhören gebildet. Zunächst ein nördliches Wort, das im Laufe der Zeit nach Süden vordringt. Ebenso ne. hark; Þgehorchen.

Horde Sf std. (15. Jh.). Zunächst für einen Trupp her-

umziehender Kriegsleute gebraucht, vor allem für Tataren. Das Wort ist entlehnt, vermutlich aus poln. horda, das seinerseits auf türk. ordu ’Heerlager, Heer, Tross’ zurückgeht. Dieses aus tatar. urdu ’Lager’ (zu tatar. urmak ’schlagen’). Ebenso nndl. horde, ne. horde, nfrz. horde, nschw. hord, nnorw. horde. – Schoppe, G. ZDW 15 (1914), 186; Littmann (1924), 109; Lokotsch (1975), 128; EWNl 2 (2005), 460f.

hören Vsw std. (8. Jh.), mhd. hœren, ahd. ho¯ren, as. ho¯-

rian. Aus g. *hauz-ija- Vsw. ’hören’, auch in gt. hausjan, anord. heyra, ae. hy¯ran, afr. he¯ra. Zunächst verwandt ist gr. akou´o¯ ’ich höre’ (*-kous-, Deutung des a- umstritten); vielleicht weiter dazu als primäres Verb gr. ake´uei ’beachtet’, das aber nur als Glossenwort bezeugt ist. Ohne das auslautende -s- hierzu gr. koe´o¯ ’ich bemerke, vernehme, höre’, l. caveo¯ ’ich nehme mich in acht, sehe mich vor’ und ai. a¯-ku´vate ’beabsichtigt’. Eine Dentalerweiterung mit unklarem Aufbau auch in air. auchaidir ’hört’. Eine möglicherweise parallele Wurzel (ig.) *skeu- ’wahrnehmen’ s. unter Þschauen. Präfigierungen: Þer-, Þge-, Þver-; Partikelverb: auf-; Nomen Agentis: Hörer. Ebenso nndl. horen, ne. hear, nschw. höra, nisl. heyra. Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞAkustik, zur lateinischen s. ÞKaution; Þhorchen, ÞHearing. – Corthals, J. HS 103 (1990), 269–271; EWNl 2 (2005), 461; EWahd 4 (2009), 1135–1139.

hörig Adj std. (9. Jh.), spmhd. hœrec. Ursprünglich ein

Rechtsausdruck für den von einem Herrn Abhängi-

Hormon Sn std. (20. Jh.). Von dem englischen Physio-

logen E. H. Starling 1905 zu gr. horma˜n ’anregen’ gebildetes Wort; dieses ist eine Ableitung von gr. horme¯´ f. ’Antrieb, Andrang’, das mit gr. reı˜n ’fließen, strömen’ (ÞRheuma) entfernt verwandt ist. Es handelt sich um die Stoffe, die im lebenden Organismus Stoffwechsel, Wachstum und die Grundlagen der Fortpflanzung steuern (’anregen’). Ebenso nndl. hormoon, ne. hormone, nfrz. hormone, nschw. hormon, nisl. hormo´n. – Cottez (1980), 187; Rey-Debove/Gagnon (1988), 395; EWNl 2 (2005), 463.

Horn Sn std. (8. Jh.), mhd. horn, ahd. horn, as. horn. Aus

g. *hurna- n. ’Horn’, auch in gt. haurn, anord. horn, ae. horn m., afr. horn. Außergermanisch entspricht am genauesten (als u-Stamm) l. cornu¯ ’Horn, Spitze’ (al. cornum), kelt. ka´rnon ’Horn, Trompete’ (Hesych), weiter dazu (mit morphologisch unklarem -g-) ai. ´srn˙ga- n. ’Horn’ (vermutlich verschiedene Weiter˙ bildungen zu einem zugrunde liegenden n-Stamm). Auszugehen ist wohl von einem alten (ig.) *(a)k´er’Spitze’, zu dem auch ein altes Wort für ’Kopf’ (= ’das an der Spitze’) gehört (s. unter ÞHirn). Hörner aufsetzen: Ein Bezeichnungsmotiv für den betrogenen Ehemann ist der Vergleich mit einem verschnittenen Tier und die Bezeichnung als ’gehörnt, hörnertragend’ u.ä. Die antike Bezeichnung (gr. keraspho´ros usw.) geht vielleicht auf das Wissen zurück, dass kastrierte Hirsche ihr Geweih nicht abwerfen (Aristoteles; Plinius Naturalis historia 8, 50/117). Zumindest in Deutschland ist das Bild neu interpretiert worden durch den Bezug auf die Hörner der Kapaune: Den Hähnen wurden bei der Kastrierung Kamm und Sporen abgeschnitten, damit sie nicht durch übermäßiges Wachstum das Tier behinderten und damit die Kapaune leichter von den Hähnen unterschieden werden konnten. Steckte man die abgeschnittenen Sporen in die Schnittwunde des Kamms, so wuchsen sie an und erreichten eine größere Länge als die normalen Sporen. Auf diese Praxis bezieht sich mit Sicherheit der Ausdruck Hörner aufsetzen (also eigentlich ’zum Kapaun machen’). Zu allen Zeiten ist diese

Hörnchen1 ’sexuelle Abartigkeit’ in der Bezeichnung aber vermischt worden mit ihrem Gegenteil, der Geilheit (z.B. im Griechischen durch die Vermischung mit dem Bild des geilen Bocks). Adjektive: hornig, Þhürnen. Ebenso nndl. hoorn, ne. horn, nschw. horn, nisl. horn. Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞRhinozeros und ÞKarat, zur lateinischen ÞKornett; Þhürnen, ÞRind. – Seebold (1981), 161–165; Nussbaum (1986); Strunk, K. BGDSL-T 114 (1992), 204f.; Relleke (1980), 41f., 57–64 (zum Musikinstrument); Blok, A. in Nixdorf, H., Hauschild, Th. (Hrsg.): Europäische Ethnologie (Berlin 1982), 165–183 (zu Hörner aufsetzen); Kröll, H. FS Meier (1980), 293–308; EWNl 2 (2005), 456f.; EWahd 4 (2009), 1139–1143.

Hörnchen1 Sn ’Gebäck, Art von Teigwaren’ std. (19. Jh.).

Zunächst Diminutiv von ÞHorn, dann speziell für das Gebäck und anderes. Hörnchen2 Sn ’Familie der Nagetiere’ per. fach. (19. Jh.).

Rückgebildet aus ÞEichhörnchen. Hornisse Sf std. (8. Jh.), mhd. horniz, hornuz m., ahd.

426 Ebenso nndl. horoscoop, ne. horoscope, nfrz. horoscope, nschw. horoskop, nnorw. horoskop. S. ÞUhr und ÞSkepsis. – EWNl 2 (2005), 463.

Horror Sm ’Schrecken’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt

und relatinisiert aus frz. horreur f., dieses aus l. horror, einer Ableitung von l. horre¯re ’schauern, sich entsetzen’. Im 20. Jh. auch unter dem Einfluss von ne. horror. Dazu (veraltend) horrend ’schrecklich, übermäßig’ aus l. horrendus ’wovor man sich zu entsetzen hat’, Gerundivum von l. horre¯re ’sich entsetzen’. Ebenso nndl. (Adj.) horribel, ne. horror, nfrz. horreur, nschw. (Adj.) horribel, nnorw. (Adj.) horribel. – DF 1 (1913), 271; EWNl 2 (2005), 464.

Hors d’oeuvre Sn ’Vorspeise, Nebensache’ per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. hors d’oeuvre ’Nebensache’ (eigentlich ’außerhalb des Werks’). Hauptanwendungsbereich des Wortes ist die Bezeichnung der Vorspeisen, für die das Wort auch entlehnt wurde. Ebenso nndl. hors d’oeuvre, ne. hors d’œuvres, nfrz. hors d’oeuvre, nnorw. hors doeuvre. – DF 1 (1913), 271.

hornuz, hurniz m./n., as. hornut m./n. Ae. hyrnet(u). Horst Sm erw. fach. (10. Jh.), mhd. hurst f., ahd. hurst Außergermanisch vergleicht sich l. cra¯bro (-o¯nis) m. m./f., as. hurst f. ’Gebüsch, Gestrüpp’. Daneben mit ’Hornisse’, lit. ˇs`ırsˇ˙e ’Wespe’ (apreuß. sirsilis m. abweichender Stammbildung ae. hyrst ’Hügel, Ge’Hornisse’), russ.-kslav. stru˘ˇsenı˘, sru˘ˇsenı˘ ’Hornisse, büsch’. Das Wort hat mehrere Sonderbedeutungen Bremse’, alle aus ig. (oeur.) *k´r¡sen-, so dass für das wie ’stehengebliebenes Waldstück’, ’Erhöhung im ˙ germanische Wort wohl *hurzn-ud- vorauszusetzen Sumpfgebiet’ u.ä. Die heutige Lautung ist ostmittelist. Der Anklang an ÞHorn, der in as. horn-bero m., deutsch, die Bedeutung ’Raubvogelnest’ beruht (nach nndl. hoornaar aufgenommen ist, stimmt deshalb Trier) auf dem Bau von Nestern in den Schösslingen nicht unmittelbar zu dem g. Wort *hurna-, kann aber eines Horstes (= Wurzelstock mit neuem Ausschlag). mittelbar zutreffen, da auch (ig.) *k´er¡s- ein Wort für Etymologisch gehört das Wort zu einer weitläufigen ’Horn’ ist (gr. ke´ras n.). Ob die Hornisse nach ihren und nicht genau fassbaren Gruppe von Wörtern auf gebogenen Fühlhörnern so heißt, oder ob Horn in der einer Grundlage (ig.) *k wres-, die mit Wald- und älteren Bedeutung ’Spitze’ zu verstehen ist und sich Holzformen der Niederwaldwirtschaft zu tun haben. auf den Stachel bezieht, ist nicht ausreichend zu siAm nächsten bei dem deutschen Wort steht kymr. chern. Genuswechsel im 16. Jh. prys ’Reisig, Gebüsch’ aus *k wrestjo-, das seinerseits Ebenso ne. hornet. – Nussbaum (1986), 248–260; EWNl 2 mit kymr. pren ’Baum’ (*k wres-no-), air. crann n. (2005), 466; EWahd 4 (2009), 1145, 1150. ’Baum’ (*k wrs-no-) zusammenhängt. Weiter sloven. Hornung Sm ’Februar’ per. arch. (9. Jh.), mhd. hornunc, kr´ˇs, lett. cers˙’Strauch’. ahd. hornung. Die lautliche Entsprechung in den anEbenso nndl. horst, ne. hurst. – Krahe, H. BGDSL 71 (1949), 243; Trier (1952), 72–81; Trier, J. GS Foerste (1970), 100–108; deren germanischen Sprachen anord. hornungr, ae. Hamp, E. P. FS Penzl (1979), 175–181; Hamp, E. P. BBCS 29 hornungsunu, afr. ho¯rni(n)g bedeutet ’Bastard’ und (1980), 85; EWNl 2 (2005), 464f.; EWahd 4 (2009), 1281–1284. gehört zu ÞHorn in der Bedeutung ’Winkel, Eck’ (’der im Winkel, und nicht im Ehebett Gezeugte’). Hort Sm erw. obs. (8. Jh.), mhd. hort, ahd. hort n., as. Der Monatsname könnte auf die Zeit des Abwerfens hord, hord Ñ n. Aus g. *huzda- n. ’(verborgener) Schatz’, des Geweihs bei den Hirschen bezogen sein (dann auch in gt. huzd, anord. hodd f., ae. hord m./n. Das wohl über ein Verb *hornen ’die Hörner abwerfen’). maskuline Genus ist erst mittelhochdeutsch. Zu der Hofmann, E. ZVS 59 (1931), 135–139; Preussler, W. IF 54 Wurzel *keud h- ’verbergen’ in gr. keu´tho¯ ’ich verberge, (1936), 181f.; Knobloch, J. ZVS 88 (1974), 122–125; König, W. verhehle’ und ae. hy¯dan gehört der s-Stamm gr. keu˜FS Bergmann (Heidelberg 1997), 429–443; EWahd 4 (2009), thos n. ’Versteck, Höhle’. Zu einem derartigen 1146–1150. s-Stamm gehört (mit Schwundstufe des Grundworts) *kud hs-d h¡-o-, wobei *d h¡- die Schwundstufe der Horoskop Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. ho¯roscopı¯um, dieses aus gr. ho¯roskopeı˜on ’Instrument zum ErkenWurzel *dhe¯- ’setzen’ ist (am deutlichsten bezeugt in nen und Deuten der Geburtsstunde’, zu gr. ho¯´ra f. gr. tı´the¯mi ’ich setze’). Der Hort ist also ’das ins Ver’Zeit, rechte Zeit, Stunde’ und gr. ske´ptomai ’besteck gesetzte’; ähnlich wie l. cu¯sto¯s ’Wärter’ der trachten, spähen’. Der Ausdruck wurde zunächst ’zum Versteck Gehörige’ (mit unklarem zweiten Bedurch Schillers Piccolomini (II,6) allgemein bekannt. standteil) ist. Das Wort war in nachmittelhochdeut-

Hub

427

scher Zeit ausgestorben und ist nach der Entdeckung hospitieren Vsw ’als Gast an einer Veranstaltung teildes Nibelungenlieds aus dessen Text wiederbelebt nehmen’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. hospita¯rı¯ worden. Heute ist vor allem die Ableitung horten üb’zu Gast sein’. Ebenso nnorw. hospitant. – DF 1 (1913), 272; EWNl 2 (2005), lich. Neuerdings auch Kinderhort u.ä., aus dem ein 468. neues Hort ’Kindergarten’ rückgebildet wurde. Ebenso ne. hoard. – EWahd 4 (2009), 1159–1161. Hostess Sf ’Betreuerin’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. hostess, eigentlich ’Gastgeberin’, dann ’die für Hortensie Sf (ein Zierstrauch) per. fach. (19. Jh.). Von die Gäste zuständige Dame’. Dieses aus afrz. hostesse einem französischen Botaniker im 18. Jh. zum Eigen(frz. hoˆtesse), Femininform zu afrz. hoste ’Gastgeber, namen Hortense gebildet. Gast’ aus l. hospes (-pitis). Das Wort ist vor allem Ebenso nndl. hortensia, nfrz. hortensia, nschw. hortensia, nisl. durch die Brüsseler Weltausstellung 1958 bekannt gehortensı´a. worden. Hose Sf std. (9. Jh.), mhd. hose, ahd. hose, as. hosa. Aus Ebenso nndl. hostess, nfrz. hoˆtesse, ndn. hostess, nnorw. hostess. g. *huso¯n f., auch in anord. hosa, ae. hosa m./f. So – Rey-Debove/Gagnon (1988), 399; Carstensen 2 (1994), bezeichnet wurde ursprünglich eine Art Strümpfe, 680–682; EWNl 2 (2005), 469. 3 die an der eigentlichen Hose (s. unter ÞBruch ) befestigt waren (deshalb noch nhd. ein Paar Hosen u.ä.). Hostie Sf ’geweihte Oblate in der katholischen Messe’ erw. fach. (14. Jh.), mhd. hostie. Ist entlehnt aus l. Später wurden ’Bruch’ und ’Hosen’ zu einem einzihostia ’Opfertier, Sühneopfer’. gen Kleidungsstück vereinigt. Dem entsprechend ist Ebenso nndl. hostie, ne. host, nfrz. hostie, nschw. hostia, nnorw. die ursprüngliche Bedeutung von Hose ’Umhülhostie. – EWNl 2 (2005), 469. lung’, wie etwa auch in ae. hosa m. ’Fruchthülse, Hot dog Smn ’heißes Würstchen in einem BrötSchote’ und fnhd. hose, mndd. hose ’Butterfass’. Die chen’ per. fremd. (20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. hot weitere Herkunft ist unklar. Entweder als morphodog, eigentlich ’heißer Hund’. Die Tradition des Verlogisch singuläre Bildung zu (ig.) *(s)keu- ’bedekaufs dieser Kombination begann gegen 1860 in cken’ oder mit gr. ky´stis f. ’Blase, Schlauch, Säckchen’ Amerika. Die Bezeichnung der Wurst als ’Hund’ hat (vgl. ne. hose ’Schlauch’) zu (ig.) *k´wes- ’blasen’ (ai. zwei Quellen: 1. die frühe Bezeichnung der frankfur´sva´siti ’schnaubt, bläst’). ÞWindhose und ÞWasserhose ters als ÞDachshund und 2. die häufige Unterstellung, sind nach der Form dieser Naturerscheinungen bedie von ambulanten Händlern verkauften Würstchen nannt. enthielten das Fleisch von Hunden, Katzen und PferEbenso nndl. (water)hoos, ne. hose, nschw. hosa, nisl. hosa. – den. Die Bezeichnung hot dog selbst ist zuerst 1888 Kaufmann, F. ZDPh 40 (1908), 386–396; Wolter, G.: Die Verpackung des männlichen Geschlechts (Marburg 1988); RGA 15 (vermutlich in New York) bezeugt. (2000), 131–133; EWNl 2 (2005), 457; EWahd 4 (2009), 1162–1166.

Hosenrolle Sf ’Männerrolle, die von einer Frau gespielt

Ebenso nndl. hotdog, ne. hot dog, nfrz. hot dog, ndn. hotdog, nnorw. hot dog. Zum Wortmaterial s. Þheiß und ÞDogge. – Cohen, G. CoE 6 (1977), 8, 51; Tamoney, P., Cohen, G. CoE 7 (1978), 15, 9 (1980), 7, 1–15; Carstensen 2 (1994), 682f.; EWNl 2 (2005), 469.

wird’ per. fach. (20. Jh.). Benannt nach dem auffälligsten Unterschied der Kleidung. Die Hosen anhaben u.ä. in der Bedeutung ’das Regiment in der Ehe füh- Hotel Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. hoˆtel ’Wirtshaus mit Gastzimmern’, aus l. hospitale ’Gastzimren’ (von der Frau) seit dem 16. Jh. mer’. Das h- ist im Französischen nie ausgesprochen Hospital Sn std. (11. Jh.), mhd. hospita¯l, ahd. hospita¯lworden, die deutsche Entlehnung beruht also auf hu¯s. Ist entlehnt aus l. hospita¯lium ’Gastzimmer’, ml. einer Schriftaussprache (kaum Rückgriff auf das Laauch ’Herberge für Pilger, Arme und Kranke’, aus l. teinische). Die Entlehnung erfolgte zunächst in Gasthospita¯lis ’gastfreundlich’, zu l. hospes (-pitis) m. hausnamen, dann allgemeine Bezeichnung für ein ’Gastfreund, Gastgeber’. Zunächst vor allem als Befeines Gasthaus, durch das spätere Restauration, zeichnung für Armen- und Altenhäuser verwendet; ÞRestaurant zu ’Gasthaus mit Übernachtungsmögausgehend von der Pflegebedürftigkeit der beherlichkeit’ differenziert. bergten Personen, dann Bedeutungsentwicklung hin Ebenso nndl. hotel, ne. hotel, nschw. hotell, nnorw. hotell. – DF zu ’Krankenhaus’. Die gekürzte Form ist ÞSpital in 1 (1913), 272; Gerster, W. VR 9 (1946/47), 57–151; EWNl 2 gleicher Bedeutung, während die deutsche Form (2005), 469f. Spittel auch ein ’Altersheim’ bezeichnet. Hospiz ist hott Interj ’Zuruf an das Pferd zum Rechtsgehen oder eine verwandte Form (zu l. hospitium ’GastfreundSchnellergehen’ erw. fach. (15. Jh.). Dazu kinderschaft, Herberge’), die christliche Herbergen meint. sprachl. Hottepferd, Hottehüh u.ä. Herkunft unklar. Ebenso nndl. hospitaal, ne. hospital, nfrz. hoˆpital, nschw. hospital, nisl. spı´tali. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞGast; ÞHotel. – Sparmann, H. BGDSL-H 86 (1964), 464–467; EWNl 2 (2005), 467f.

Hub Sm erw. fach. (17. Jh.). Verbalabstraktum zu

Þheben mit untypischem Vokal (kein Ablaut).

Hübel

428 1

Hübel (Hubel) Sm ’Hügel’ per. reg. (12. Jh.), mhd. hübel, Hude Sf ’Anlegestelle für Flussschiffe (besonders in

hubel, hovel, ahd. hubil, as. huvel. Aus vd. *hubila- m. Namen)’ per. ndd. (12. Jh.), mndd. hude. Auch in ae. hy¯þ f., also wohl wg. *hu¯þi-/o¯- f. ’Anlegestelle’ (wohl ’Erhebung, Hügel, Höcker’. Vergleichbar ist lit. kupra` f. ’Höcker, Buckel’ (das allerdings genauer zu ahd. nur sächsisch). Herkunft unklar. hovar ’Höcker’ stimmt), russ. kuper ’Bürzel’, avest. Ebenso ne. hithe. – Förste, A. C.: Das älteste Buxtehude kaofa- ’Bergrücken’. Zu einer Reihe von bedeutungs(Moisburg 1982, Privatdruck); Udolph (1994), 460–473. ähnlichen Wörtern auf einer Grundlage (ig.) *keu-, Hude2 Sf ’Viehweide’ per. ndd. (16. Jh.). Ungenaue Verfür die man eine verbale Bedeutung ’biegen’ als schriftlichung von mndd. hode, hude, hote, das zu Grundlage voraussetzt. mhd. huot(e) ’Ort, wo man hütet’ und weiter zu hüten Ebenso nndl. heuvel. Vgl. etwa ÞHügel und ÞHöcker; Þhobeln. (ÞHut 2) gehört. – EWNl 2 (2005), 430f., 437.

hüben Adv std. (16. Jh.). Gegensatzbildung zu Þdrüben

ohne genaues Vorbild. Die Grundlage üben (zu Þüber) ist nur regional. hübsch Adj std. (12. Jh.), mhd. hübesch. Übernommen

Hudel Sm ’Lumpen’ per. reg. (14. Jh.), spmhd. hudel,

huder. Herkunft unklar, vgl. aber das lautähnliche ÞHader 2. Gebräuchlich ist die Ableitung hudeln ’schlampig arbeiten’. Vgl. auch Þlobhudeln.

aus mndl. hovesch über mfrk. hüvesch, eigentlich hudern Vsw ’die Küken unter die Fittiche nehmen, im ’höfisch’, also ’wie es sich am Hof geziemt, zum GeSand baden’ per. reg. (20. Jh.). Zu lautähnlichen Wörfolge des Königs gehörig’, als Lehnübersetzung von tern der Bedeutung ’niederkauern’ (hoddern u.ä.). Zu frz. courtois. Umsetzung von v zu b nach Mustern in einer ähnlichen Grundlage wie Þhocken oder eine Erbwörtern mit altem b; die Bedeutung wurde schon lautliche Abwandlung von diesem. früh von ’zierlichem Benehmen’ zu einer allgemein Huf Sm std. (9. Jh.), mhd. huof, ahd. huof, as. ho¯f . Aus lobenden Äußerung. Die durchsichtige Bildung g. *ho¯fa- m. ’Huf’, auch in anord. ho´fr, ae. ho¯f, afr. höfisch ist jünger. ho¯f. Vergleichbar ist ai. ´sapha´- m. ’Huf, Klaue’ und Grubmüller, K. FS de Smet (1986), 169–181; Ganz, P. in Höruss. kopy´to n. ’Huf’, das an russ. kopa´t′ ’graben, haufische Literatur, Hofgesellschaft, höfische Lebensformen. en’ (’scharren’?) angeschlossen werden kann. Könnte Hrsg. G. Kaiser, J.-D. Müller (Düsseldorf 1986), 39–68; EWNl 2 (2005), 430. also ’die Scharre’ sein aus einer Wurzel ig. *k´ap- oder *k´op-, mit Dehnstufe im Germanischen und einer Hubschrauber Sm std. (20. Jh.). Hub, weil sich das Aspirata unklarer Herkunft im Indischen. Das RusFahrzeug senkrecht hebt, -schrauber wohl im Ansische zeigt hier den Anlaut einer Kentum-Sprache. schluss an das aus dem Französischen stammende Ebenso nndl. hoef, ne. hoof, nschw. hov, nisl. ho´fur. – EWNl 2 ÞHelikopter, dessen Vorderglied ’Schraube, Propel(2005), 440; EWahd 4 (2009), 1252–1255. ler’ bedeutet. Hufe (obd. Hube) Sf ’Landmaß’ per. arch. (9. Jh.), Huchen Sm (Raubfisch, der vor allem in der Donau mhd. huobe, ahd. huob(a), huobi, as. ho¯bÐ a, ho¯va. Vervorkommt) per. fach. (15. Jh.), spmhd. huchen. Vielgleicht sich mit gr. ke˜pos m. ’Garten, eingehegtes, leicht zu ahd. *huoh ’Haken’ (als ’Hakenlachs’), bepflanztes Land’; vgl. auch alb. kopshte¨ ’Garten’. wegen der im Alter stark gekrümmten Hakenzähne. Vermutlich weiter zu lit. ko˜pti ’scharren, scharrend Wagner, N. BzN 12 (1977), 395–397; Diebold, A. R.: The Case häufen’, lit. kuo˜pti ’reinigen, säubern, ernten’. Ausof ’Huchen’ (Washington 1985); Dalcher, P. FS H. Tatzenreigangsbedeutung ist wohl ’das zubereitete, hergerichter (Wien 1998), 39–47; Wagner, N. BzN 36 (2001), 29–31. tete Land’. Hucke Sf ’Bündel des Hausierers’ erw. obs. (15. Jh.), Hoops (1911/19), II, 565; Schlesinger, W. FS Schröder (Berlin spmhd. hucke. Vielleicht ursprünglich zu einem Wort 1974), 15–85; Schmid, W. P. AAWG III,115 (1979), 71–73; Tiefür ’Mantel’, mndl. hoyke, houke, vgl. gt. hakuls, fenbach, H. in Beck/Denecke/Jankuhn (1980), 314–316; anord. ho¸kull m., ae. hacele, afr. hezil, ahd. hahhul m. EWNl 2 (2005), 442f.; EWahd 4 (2009), 1248–1251. ’Kapuze, Mönchskutte’; dieses zu einem Wort für ’Ziege’ (akslav. koza, dehnstufig ae. he¯cen, mndd. ho- hufen (auch hu¯pen, ndd.) Vsw ’zurückgehen lassen’ per. reg. (19. Jh.). Dazu der Zuruf an Zugtiere hu¯f, hauf ken, huken n. ’Zicklein’). ’zurück’; vgl. ae. onhupian, anord. hopa ’sich zurückVgl. jemandem die Hucke vollschlagen / die Jacke vollschlagen. S. bewegen’. Herkunft unklar. Vielleicht mit teilweise auch ÞHöker. – Bergkvist, E.: Zwei Wanderwörter (Eksjö gedehnter Schwundstufe zu (ig.) *keub- ’sich biegen, 1934); Rein, K. DWEB 1 (1958), 282–285. beugen’ (s. unter ÞHüfte), weil die Tiere beim Zuhuckepack Adv ’auf dem Rücken’ std. stil. (18. Jh.). Zu rückweichen einen Buckel machen müssen. ÞHucke und dem von diesem abgeleiteten Verb huHuflattich Sm erw. fach. (12. Jh.), mhd. huofleteche f., cken ’als Last tragen’ und back ’Rücken’ (ÞBackbord); ahd. huofletihha f., huofletich. Entlehnt aus l. lattu¯ca f., also ein niederdeutsches Wort, das bei der Aufnahme das in diesem Fall aus l. lapathum n. ’Ampfer’ im Süden an ÞPack angeschlossen wurde. stammt; dieses wiederum aus gr. la´pathon n. ’Ampfer’. Vermischt mit l. lactu¯ca f., das unter

Hummel

429

ÞLattich behandelt ist. Das Vorderglied Huf- nach der breiten Form. Ebenso nndl. hoefblad.

Hüfte Sf std. (8. Jh., Form 15. Jh.), mhd. huf, ahd. huf .

Hülle Sf std. (9. Jh.), mhd. hülle, ahd. hulla ’Oberge-

wand’. Verbalabstraktum zu Þhehlen in seiner ursprünglichen Bedeutung ’verbergen’, also das ’(Ver)bergende’. Gemeint ist zunächst die Kleidung, besonders in der Formel Hülle und Fülle, die wie l. vı¯ctus et amictus ’Kleidung und Nahrung’ bedeutet (zu Þvoll ’satt’), danach aber nach der jüngeren Bedeutung von ÞFülle umgedeutet wird. Abgeleitet oder parallel aus hehlen gebildet ist das Verb hüllen.

Aus g. *hupi- m. ’Hüfte’, auch in gt. hups, ae. hype m. Das t ist im Neuhochdeutschen sekundär angetreten; das Femininum nach dem Plural. Außergermanisch entspricht an sich am genauesten gr. ky´bos m. ’Höhlung vor der Hüfte beim Vieh’, doch bedeutet ÞHülse. – EWNl 2 (2005), 477; EWahd 4 (2009), 1208f. dieses Wort auch ’Würfel’ u.a., so dass der Zusammenhang nicht gesichert ist. Semantisch weiter ent- Hülse Sf std. (11. Jh.), mhd. hülse, ahd. hulis(a), hulsca. fernt ist l. cubitum n. ’Ellbogen’ (also ’Gelenk’?). Zu Mit einem s-Suffix (etwa -isjo¯) gebildet zu Þhehlen in Wörtern für ’sich biegen, beugen’ auf einer Grunddessen ursprünglicher Bedeutung ’verbergen’ (und lage (ig.) *keu- mit verschiedenen Auslauten (gr. ’bedecken’), also ’Bedeckung’. ky´pto¯ u.ä.). ÞHülle. – Kluge (1926), 45; EWNl 2 (2005), 477; EWahd 4 Ebenso nndl. heup, ne. hip. Vgl. das Reimwort mndd. schuft (?) (2009), 1208f. ’Vorderschulterblatt’. S. auch Þhufen, Þkubik-. – NiederhellHulst Sm ’Stechpalme’ per. fach. (10. Jh.), mhd. huls, mann (1983), 169f.; EWNl 2 (2005), 430; EWahd 4 (2009), ahd. hul(i)s(boum), as. hul(i)s. Mit anderen Suffixen 1188–1190.

Hügel Sm std. (16. Jh.). Vom Ostmitteldeutschen aus

und Weiterbildungen ae. hole(g)n (ne. holly), anord. hulfr und außergermanisch mir. cuilenn, kymr. celyn. Mit anderen Bezeichnungen für spitzige Gegenstände wohl zu einer Erweiterung zu *ak´- ’spitzig’ (s. unter ÞÄhre).

verbreitet, vor allem durch Luther. Älter ist die hochstufige Form mhd. houc n., ahd. houg, houc, ho¯g n., anord. haugr. Letztlich zu einer Grundlage (ig.) *keuk- ’sich biegen, wölben, krümmen’ (in ai. kuca´ti Björkman, E. ZDW 2 (1902), 211f.; Solmsen, F. BGDSL 27 ’sich zusammenkrümmen’, serbo-kr. ˇcu´ˇcati ’hocken, (1902), 366f.; Hubschmied, J. U. VR 3 (1938), 69f.; Marzell 2 kauern’; Þhocken) gehören Wörter für verschiedene (1972), 979–982; EWNl 2 (2005), 477; EWahd 4 (2009), Erhebungen, etwa ai. kuca- m. ’weibliche Brust’, lit. 1206–1208. kau˜kas ’Beule’, lit. kau˜karas ’Hügel’. human Adj ’menschenwürdig’ erw. fremd. (17. Jh.). S. auch ÞHohn. – Hesselman, B. MASO 2 (1939), 12f.; ValEntlehnt aus l. hu¯ma¯nus, zu l. homo ’Mensch’ (die tavuo (1957), 37–49; Bischoff, K.: Germ. *haugaz ’Hügel, Lautverhältnisse sind aber unklar). Abstraktum: Grabhügel’ im Deutschen (Mainz, Wiesbaden 1975). Humanität; Adjektiv: humanitär. Da das damit verHuhn Sn std. (9. Jh.), mhd. huon, ahd. huon, as. ho¯n, knüpfte antike Lebensideal mit der Wiederaufnahme ha¯n. Aus g. *ho¯naz n. ’Huhn’, auch verbaut in anord. antiker Studien (seit dem 14. Jh.) in den Vordergrund hœns n., hœnsni Pl. (u.ä.). Dehnstufige Zugehöriggestellt wurde, kann die Täterbezeichnung Humanist keitsbildung (Vriddhi) zu ÞHahn, also ’das zum und das Adjektiv humanistisch einfach ’auf das StuHahn Gehörige’. dium der alten Sprachen bezogen’ bedeuten. Darms (1978), 122–133; RGA 15 (2000), 202–204; EWNl 2 (2005), 441; EWahd 4 (2009), 1260–1262.

Hühnerauge Sn std. (16. Jh.). Vielleicht im Anschluss an

l. oculus pullı¯nus m. gleicher Bedeutung gebildet. Die Benennung erfolgt nach dem Aussehen: eine runde Erhebung von einem Hornring umgeben. Huld Sf erw. obs. (8. Jh.), mhd. hulde, ahd. huldı¯, as.

huldi. Wie afr. helde, ae. hyldu und anord. hylli. Adjektiv-Abstraktum zu Þhold. Verb: huldigen. Ohly-Steimer, M. ZDA 86 (1955/56), 81–119; Althoff, G. FS 25 (1991), 259–282; EWNl 2 (2005), 476f.; EWahd 4 (2009), 1202–1204.

Hulfter Sf ÞHalfter 2. Hulk (Holk) Smfn ’abgetakeltes Schiff’ per. fach.

(12. Jh.), spahd. holco m. ’Lastschiff’, mndd. hulk m. Entlehnt (über afrz. hulque) aus ml. hulcus m., das seinerseits aus gr. holka´s f. ’Schleppkahn’ (zu gr. he´lkein ’ziehen’) stammt. Ebenso nndl. hulk, ne. hulk. – Kluge (1911), 383f.; EWahd 4 (2009), 1112–1114.

Ebenso nndl. humaan, ne. human(e), nfrz. humain, nschw. human, nnorw. human. Das lateinische Wort wird als ’Irdischer’ zu einem Wort für ’Erde’ (l. hu¯mus) gestellt; zur germanischen Entsprechung s. ÞBräutigam. S. auch ÞHomunculus und ÞLomber. – DF 1 (1913), 272–274; Schoppe, G. ZDW 15 (1914), 186f.; Kristeller, P. O. Byzantion 17 (1944/45), 346–374; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 392; Newald, R.: Humanitas, Humanismus, Humanität (Berlin 1963), 1–66; Schulte, R. Schlüsselwörter 2 (1964), 382–411; Giustiniani, V. R. JHI 46 (1985), 167–195; EWNl 2 (2005), 478.

Humbug Sm std. stil. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. humbug,

dessen Ursprung nicht mit Sicherheit geklärt ist. Ebenso nndl. humbug, nschw. humbug, nnorw. humbug. – DF 1 (1913), 274; Knethe, J. L. ASp 13 (1938), 86f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 403.

Hummel Sf std. (10. Jh.), mhd. hum(m)el, humbel m.,

ahd. humbal, hummel m., mndd. homele, hummel, mndl. hom(m)el. Wie me. humbil, nnorw. humla, nschw. humla ein altes lautmalendes Wort für den Summton dieser Insekten; vgl. mhd. hummen, nndl. hommelen, me. hummen, ne. hum ’summen’. Außer-

Hummer germanisch stehen am nächsten russ. ˇsmelı˘ m., apreuß. camus ’Hummel’, lit. kama˜ne˙ ’Erdbiene’. Hauschild, O. ZDW 12 (1910), 32; Nieminen, E. LP 3 (1951), 187–205; Mitzka, W. FS Schröder (Berlin 1974), 154–161; EWNl 2 (2005), 447f.; EWahd 4 (2009), 1212–1215.

Hummer Sm std. (16. Jh.). Entlehnt über ndd. hummer

aus anord. humarr. Das altnordische Wort lässt sich mit gr. ka´mmaros ’eine Art Krebs’ vergleichen, doch ist die Art des Zusammenhangs unklar (es ist nicht ausgeschlossen, dass das griechische Wort aus dem Germanischen entlehnt ist). Ebenso ne. homarine, nfrz. homard, nschw. hummer, nisl. humar. – Kretschmer, P. Glotta 22 (1933), 103f.

Humor Sm std. (16. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Zunächst

430

solchen Vergleich nicht günstig. Vielleicht handelt es sich um ein Wort der niederen Umgangssprache; aber dann ist es eher als ’Klotz, Kloben’ (emphatische Bezeichnung für einen schweren Krug) zu mndd. hump ’Höcker’ und ähnlichen Wörtern zu stellen. Lühr (1988), 117f.

Humus Sm erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus l. humus f.

’Erde’. Ebenso nndl. humus, ne. humus, nfrz. humus, nschw. humus, nnorw. humus; Þhuman. – EWNl 2 (2005), 479.

Hund Sm std. (8. Jh.), mhd. hunt, ahd. hunt, as. hund.

Aus g. *hunda- m. ’Hund’, auch in gt. hunds, anord. hundr, ae. hund, afr. hund. Dieses mit dentaler Erweiterung zu ig. *k´u-o¯n m. ’Hund’, auch in ai. ´sva¯´, gr. ky´o¯n, l. canis (lautlich unregelmäßig), air. cu´ m./n., kymr. ci, lit. ˇsuo˜, toch. AB ku; hieroglyphenluwisch suwani- (Oshiro), heth. kuwasˇ (Melchert). Weitere Herkunft unklar. Adjektiv: hündisch; Femininum: Hündin.

aus l. hu¯mor entlehnt, das eigentlich ’Feuchtigkeit’ bedeutet, aber in der mittelalterlichen Medizin auch die ’Körpersäfte’ umfasst, deren Mischung die Temperamente (cholerisch, phlegmatisch, sanguinisch und melancholisch) bewirkt. Bedeutung: ’Laune, StimEbenso nndl. hond, ne. hound, nschw. hund, nisl. hundur; mung’; Endbetonung des Wortes nach den flektierten Þhunzen, Þzynisch. – Müller-Graupa BGDSL-H 79 (1957), Formen oder durch Einfluss von frz. humeur. Im 470–472; Gutenbrunner, S. ASNSL 196 (1960), 65–68; PeeEnglischen wird das Wort (eigentlich good humour ters, Ch. IF 78 (1973), 75–77; Hamp, E. P. FLH 4 (1983), 137f.; ’gute Säftemischung’) zur Bezeichnung für ein beHamp, E. P. IF 85 (1980), 35–42; Oshiro, T. Orient 24 (1988), stimmtes, Heiterkeit und gute Laune ausstrahlendes 48; Melchert, H. C. MSS 50 (1989), 97–101; Sasse, H.-J. FS Temperament, also eine Bedeutungsspezialisierung, Untermann (1993), 349–366; Bielfeldt (1965), 27 (zu Hund die im 18. Jh. auch ins Deutsche übernommen wird ’Bergwerksfahrzeug’); RGA 15 (2000), 212–217; EWNl 2 (2005), und die alte Bedeutung verdrängt, dabei aber eine 450; EWahd 4 (2009), 1232–1237. spezifisch deutsche Bedeutungsfärbung bekommt. hundert AdjNum std. (9. Jh., Form 12. Jh.), mhd. hunTäterbezeichnung: Humorist; Adjektiv: humoristisch. dert. Das alte Wort für ’hundert’ (zu ’hundertzwanEbenso nndl. humor, ne. humor, nfrz. humour, nschw. humor, zig’ s. ÞGroßhundert) ist g. *hunda- in gt. hund, ae. nnorw. humor. – Ganz (1957), 98f.; Schütz, K. O. MS 70 hund, as. hund, ahd. hunt, mhd. hunt. Dazu die Er(1960), 193–202; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 392; weiterung mit *-raþa- ’Zahl’ (s. unter Þgerade 1) in Schmidt-Hidding, W.: Humor und Witz (München 1963); anord. hundrad,Ñ ae. hundred, afr. hunderd, hundred, Rey-Debove/Gagnon (1988), 404–406; EWNl 2 (2005), 478, as. hunderod, offenbar eine Bildung der nordseeger479. manischen Sprachen, die nachträglich auch im DeutHümpel Sm ’Haufen’ per. ndd. (20. Jh.), mndd. humpel. schen ausgebreitet wurde. G. *hunda- ’hundert’ entEntfernter in der Bedeutung ne. hump ’Buckel’. Das spricht ig. *k´mto´- ’hundert’ in ai. ´sata´m, gr. hekato´n Wort ist zwar vergleichbar (z.B. ai. ku´mba- m./n. ’das (hezu *sem ˙’eins’), l. centum, air. ce´t, lit. ˇsim ˜ tas, akdicke Ende eines Knochens’), doch legen die allgeslav. su ˘ to (lautlich unklar), toch. A känt, toch. B kanmeine Bedeutung und die Bezeugung die Annahme te. Vermutlich ist das Wort eine Ableitung zu *de ´k´m von Urverwandtschaft nicht nahe. Vielleicht nasalier´mto´- ’Zehnerschaft (von Zehnern)’.˙ ’zehn’, also *dk te Form zu ÞHaufen. ˙ Ebenso nndl. honderd, ne. hundred, nschw. hundra, nisl. hundhumpeln Vsw std. (18. Jh.). Übernommen aus dem Nierad.Ñ Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞZentner, zur griederdeutschen, vgl. nndl. hompelen. Wie etwa ne. chischen ÞHektar. Zum Vorderglied s. noch Þtausend, zum Hinterglied ÞRede. – Jensen, A. ZVPh 6 (1952), 50–57; Risch, hobble eine expressive Bildung auf einer Grundlage E. IF 67 (1962), 129–141; Peeters, Ch. ZVS 92 (1978), 27f.; (ig.) *keu- mit labialem Auslaut (und Nasalierung). Bengtson, J. D. Diachronica 4 (1987), 257–262; Meyer/SunWeitere Vergleiche liegen nicht nahe. Þbehum(p)sen. – Sommer, F. IF 51 (1933), 248–251.

Humpen Sm (früher auch Humpe f.) erw. obs. (16. Jh.).

trup (1987), 784; Justus (1988); Ross/Berns (1992), 620;

EWNl 2 (2005), 450; EWahd 4 (2009), 1237–1245.

Hundsfott Sm std. vulg. (16. Jh.). Schimpfwort im Sinn Das Wort ist zuerst ostmitteldeutsch bezeugt; es ist von ’verächtlich, feige’. Eigentlich ’Fotze der Hünvermutlich durch Leipziger Studenten verbreitet din’; ursprünglich sehr ordinärer Ausdruck (vgl. entworden. Es ist an sich vergleichbar (gr. ky´mbos sprechendes anord. fudhÑ undr [als Spottname], ne. m./(n). ’Schale’, gr. ky´mbe¯ f. ’Trinkgefäß’, ai. kumbha´son of a bitch ’Sohn einer Hündin’; angespielt wird m. ’Topf’), doch handelt es sich bei diesen eher um auf die sexuelle Aufdringlichkeit der läufigen HünWanderwörter als um Urverwandtschaft, und auch din; eventuell auch Unterstellung von Homosexuadas späte Auftreten des deutschen Wortes ist einem lität).

hurtig

431 Hundstage Spl std. (14. Jh.). Die von dem Sternbild

canı¯cula, dem Hund des Orion, beherrschten Wochen vom 24. Juli bis zum 23. August heißen schon im nachklassischen Latein die¯s canı¯cula¯res, entsprechend in den Volkssprachen. Gemeint sind sehr heiße Tage (vgl. dagegen ÞEisheilige). Suolahti, H. FS Borchling (1932), 191–196.

Hüne Sm std. (13. Jh.), mhd. hiune. Seit dem 13. Jh. in

hüpfen Vsw std. (12. Jh.), mhd. hupfen, hüpfen, mndd.

huppen neben hopfen (obd.), ndd. hoppen. Ae. hoppian, anord. hoppa, vgl. auch Þhopsen und Þhoppeln. Ein expressives Wort ohne nähere Anknüpfungsmöglichkeit. Vielleicht zu gr. kybista´o¯ ’ich schlage ein Rad, überschlage mich, tummle mich herum’, das aber seinerseits etymologisch unklar ist. Nach Sommer zu der Lautgebärde *hup- für eine Bewegung von unten nach oben.

der Bedeutung ’Riese’, vorher ’Hunne’, wie ahd. S. auch ÞHampelmann. – Sommer (1977), 8; EWNl 2 (2005), Hun(i) Pl., as. hu¯n, der Name des im 4. Jh. nach Eu458f. ropa einbrechenden Völkerstamms (die Form Hunne erscheint erst in der Humanistenzeit). Es wird ange- Hürde Sf std. (9. Jh.), mhd. hurt, ahd. hurt, hurd, as. hurth. Aus g. *hurdi- f. ’Flechtwerk’, besonders nommen, dass sich ein älteres, allerdings nicht klar ’geflochtene Tür’, auch in gt. haurds, anord. hurd,Ñ ae. fassbares Wort sekundär mit dem Völkernamen verweitergebildet in hyrdel. Die Ausgangsbedeutung ist mischt hat. Adjektiv: hünenhaft. ’Flechtwerk’, wie in l. cra¯tis (*kr¡ti-), mir. ceirtle Hoops, J. FS Paul (Straßburg 1902), 167–180; Much, R. WS 1 ˙ ’Knäuel’ und einigem weiter Abliegenden. Man sieht (1909), 45; Steinhauser, W. FS Pittioni (1976), 504–537; die lateinische Form, die r ¡ voraussetzt, als sekundär EWahd 4 (2009), 1228f. an und sucht hinter ai. kr˙na´tti ’dreht, spinnt’ ein urHunger Sm std. (8. Jh.), mhd. hunger, ahd. hunger, as. ˙˙ o.ä., das die Grundsprüngliches Verb für ’flechten’ hungar. Aus g. *hungru- m. ’Hunger’, auch in anord. lage der genannten Wörter abgeben könnte. Die Zuhungr m./(n.), ae. hungor, afr. hunger; ohne gramsammenhänge sind aber nicht ausreichend klar. matischen Wechsel gt. hu¯hrus (mit Nasalschwund vor ÞGrill, ÞRoße. – EWNl 2 (2005), 460; EWahd 4 (2009), h), vgl. aber gt. huggrjan ’hungern’. Semantisch am 1284–1287. genauesten stimmt hierzu das gr. Glossenwort ke´nkei Hure Sf std. stil. (8. Jh.), mhd. huore, ahd. huor n., ’hungert’, dazu lit. ken˜kti ’weh tun’ und das sekunmndd. hor(r)e, mndl. hoere. Aus g. *ho¯ro¯n f. ’Hure’, däre anord. ha´ (*hanho¯-) ’plagen, quälen’. Die Sonauch in anord. ho´ra, ae. ho¯re; ein entsprechendes derbedeutung ist wohl in unpersönlichen AusdrüMaskulinum ist gt. hors, anord. ho´rr m. ’Hurer’. Ofcken (’es plagt mich’ = ’es hungert mich’) entstanden; fenbar als ’Liebhaberin’ und ’Liebhaber’ Substantidazu das germanische Verbalnomen Hunger. Verb: vierungen eines Adjektivs, das im Germanischen hungern; Adjektiv: hungrig. nicht mehr bezeugt ist, s. aber l. ca¯rus ’lieb, begehrt’, Ebenso nndl. honger, ne. hunger, nschw. hunger, nisl. hungur. – lett. ka˜rs ’lüstern’, dazu air. cara m. ’Freund’ und air. Schulze (1933), 329; EWNl 2 (2005), 451; EWahd 4 (2009), caraid ’liebt’; ro-Bildungen zu (ig.) *ka¯- ’begehren, 1223–1226. lieben’, das in dem Partizip ai. ka¯´yama¯na- ’begehHungertuch Sn erw. obs. phras. (15. Jh.). Zunächst berend, liebend’ und in ai. ka¯´ma- m. ’Wunsch, Begehzeugt als Weihegabe für überstandene Hungersnot. ren, Liebe’ vorliegt. Verb: huren; Abstraktum: Hurerei. Diese Bezeichnung geht dann auf die Fastentücher Ebenso nndl. hoer, ne. whore, nschw. hora; ÞKaritas. – Maüber, mit denen schon im 13. Jh. während der Fastenchek, V. Slavia 21 (1953), 259–261 (anders [entlehnt aus slav. zeit die Altäre verhüllt wurden. Dies gibt zu bildlikuru˘va dass.]); EWNl 2 (2005), 441f.; EWahd 4 (2009), chen Wendungen wie am Hungertuch flicken, nähen 1263–1268. für ’hungern, kärglich leben’ Anlass, später durch hürnen Adj ’aus Horn’ erw. obs. (12. Jh.), mhd. hürnı¯n, Missverständnis am Hungertuch nagen. hurnı¯n. Materialadjektiv auf -ı¯na- zu ÞHorn. Hünkel Sn ÞHinkel. hunzen Vsw per. grupp. (16. Jh.). Neuhochdeutsch zu

ÞHund gebildet wie entsprechendes schwäb. (ver)hundaasen zu Hunde-Aas. Die Bedeutung ist ’misshandeln, verächtlich behandeln’, eigentlich ’behandeln wie einen Hund’. Häufiger ist die Präfigierung mit Þver-. Gutmacher, E. BGDSL 38 (1913), 560–562.

hurra Interj (Freudenruf) std. (18. Jh.). Bezeugt erst seit

dem 18. Jh., aber wohl älter. Seemannssprachliches hurra geht wohl auf das englische Vorbild zurück; es könnte aber auch ein Imperativ von mhd. hurren ’sich schnell bewegen’ eine Rolle gespielt haben; die Herkunft ist aber aufs ganze gesehen unklar. Lokotsch (1975), 169; Walz, J. A. JEGP 39 (1940), 33–75; EWNl 2 (2005), 442.

Hupe Sf std. (18. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Zunächst be-

Hurrikan Sm ÞOrkan. zeugt als Wort für eine Weidenpfeife; dann übertra- hurtig Adj erw. obs. (14. Jh.), spmhd. hurtec. Zu hurten gen auf die modernen Signalhörner. Das Wort ist ’vorprellen’ und hurt(e) ’Anprall’, Ausdrücke aus der wohl lautmalend (wie tu¯t, tu¯ten u.ä.). Verb: hupen. Zu Turniersprache, aus afrz. hurt ’Stoß, Anprall’, afrz. beachten ist die Funktionsübertragung bei Lichthupe. hurter ’stoßen’ entlehnt und weiterentwickelt. Matthias, Th. MS 43 (1928), 8.

Ebenso ne. hurt, nschw. hurtig, nnorw. hurtig.

Husar

432 Husar Sm erw. obs. (15. Jh.). Entlehnt aus ung. husza´r

’Lanzenreiter’. Die Eindeutschung Husser hat sich nicht durchgesetzt. Ebenso nndl. huzaar, ne. hussar, nfrz. hussard, nschw. husar, nisl. hu´sari. Zur Herkunft des Wortes gibt es verschiedene Theorien. In dem neuesten Etymologischen Wörterbuch des Ungarischen (Hrsg. L. Burkö, Budapest 1993 ff.) wird es als Entlehnung aus serbo-kr. husar ’Räuber’ erklärt. – DF 1 (1913), 275; Steinhauser (1978), 84–92; EWNl 2 (2005), 485.

huschelig Adj ’unordentlich’ per. reg. (18. Jh.). Vgl. huscheln ’unordentlich arbeiten’, Huschel ’unordent-

liche Frauensperson’. Wohl zu Þhuschen als ’etwas (zu) schnell tun’. huschen Vsw std. (16. Jh., Form 18. Jh.). Wie die Inter-

Spinngewebe’, l. casa f. ’Hütte’ u.ä. Die Anknüpfung an das Ziegenfell ist die natürlichste; die andere Wurzel hat sich möglicherweise durch lautlichen Zusammenfall eingemischt. Ebenso mndl. hoed, ne. hood, hat, nschw. hatt, nisl. hattur, höttur. Vgl. ÞHut 2. S. auch ÞChalet, ÞHattrick. – Foltin, H. F. DWEB 3 (1963), 1–296; EWNl 2 (2005), 439f.; EWahd 4 (2009), 1274–1277.

Hut2 Sf erw. obs. (11. Jh.), mhd. huot(e), ahd. huota.

Rückbildung aus dem wg. schwachen Verb *ho¯d-ija’hüten’ in ae. he¯dan, afr. ho¯da, as. ho¯dian, ahd. huoten, mhd. hüeten. Das Verb gehört wohl zu einem Substantiv mit der Bedeutung ’Bedeckung’ zu der unter ÞHut 1 genannten Wurzel (ig.) *kat-, die mit ’einschließen, bedecken’ zu tun hat; möglicherweise ist es in Hut 1 aufgegangen. Verb: (be-, ver-)hüten; Präfigierungen: Vor-, Nachhut.

jektion husch (die wohl die Grundlage bildet) seit dem 16. Jh. bezeugt (zunächst in der Form hoschen). Als Interjektion vergleicht sich außerhalb des Deutschen ÞHude 2. – Foltin, H.-F. DWEB 3 (1963), 1–296; EWNl 2 ne. hush ’still’. Es besteht wohl ein Zusammenhang (2005), 440; EWahd 4 (2009), 1277f. mit sch, pscht u.ä., so dass für huschen wohl von ’sich lautlos (und schnell) bewegen’ auszugehen ist. Hutsche Sf ’Fußbank’ per. arch. (17. Jh.). Aus hutschen Schwentner (1924), 31. ’rutschen, schieben’ unklarer Herkunft. Husten Sm std. (9. Jh.), mhd. huoste, ahd. huosto, Hutschnur Sf erw. phras. (17. Jh.). Die Phrase bis über mndd. ho¯ste, mndl. hoesten. Aus g. *hwo¯sto¯n m. die Hutschnur bedeutet regional dasselbe wie bis über ’Husten’, auch in anord. ho´sti, ae. hwe¯san, hwo¯sta; die Ohren; dass wie eine Hutschnur gelegentlich auch Abstraktbildung zu altem *hwo¯s-a- Vst. ’husten’, das als Maß eines Wasserstrahls u.ä. benützt wird, hat nur noch in ae. hwe¯san, hwo¯san bezeugt ist. Dieses zu darauf kaum einen Einfluss gehabt. ig. *k wa¯s- ’husten’ in ai. ka¯´ste, kslav. kasˇ˘ılı˘no¸ti, lit. Gleissner, K. BGDSL 58 (1934), 296f. ko´se˙ti ’husten’, mir. cosachtach f. ’Hustenanfall’, Hütte Sf std. (9. Jh.), mhd. hütte, ahd. hutta. Zu derkymr. peswch ’Husten’. Verben: husten, hüsteln. selben Grundlage (g. *hud-) wie ÞHaus. Ne. hut u.a. Ebenso nndl. hoest, nschw. hosta, nisl. ho´sta. – Seebold (1970), sind aus dem Deutschen entlehnt. Als Hütte wurde 286f.; EWNl 2 (2005), 442; EWahd 4 (2009), 1271–1274. von den Bergleuten auch der Bau bezeichnet, in dem Hut1 Sm ’Kopfbedeckung’ std. (8. Jh.), mhd. huot, ahd. Erz geschmolzen wurde, daher Hüttenwerk und huot, as. ho¯d. Aus wg. *ho¯da- m. ’Hut, Bedeckung’, Glashütte; auch verhütten. auch in ae. ho¯d, afr. ho¯d; daneben morphologisch abWolf (1958), 102f.; EWNl 2 (2005), 483; EWahd 4 (2009), weichend (g.) *hattu- m. ’Hut’ in anord. ho¸ttr, ae. 1299–1301. h¢t(t). Die Etymologie ist kompliziert, da hier offenHutzel Sf ’gedörrtes Obst’ per. reg. (14. Jh.), mhd. hütbar verschiedene schwer greifbare Ansätze zusamzel, hutzel ’getrocknete Birne’. Zu (ver)hutzeln, ndd. mengespielt haben. Von der Bedeutung her sind zu’einschrumpfen’, vgl. ndd. hotte ’geronnene hotten nächst zu beachten l. cassis f. ’Helm’ und l. cappa f. Milch’. Vielleicht zu einer Dentalerweiterung der ’Kappe, Überwurf’, die aber beide etymologisch nicht Wurzel (ig.) *keu- ’sich biegen, zusammenkrümmen’ klar sind; zumindest l. cassis ist der Entlehnung aus (zu deren Tektalerweiterung s. Þhocken). einer anderen Sprache verdächtig. Dann ist zu bePalm, A. WJV (1961/64), 134–154. rücksichtigen, dass Kleidungsstücke, die Kopf und Hyäne Sf std. exot. (11. Jh.), ahd. (h)ije¯na dann wieder Schultern bedecken in früherer Zeit offenbar häufig fnhd. hienna, hientier. Entlehnt aus l. hyaena, dieses aus Ziegenfell gefertigt wurden, so dass, wie bei aus gr. hy´aina (der Form nach von dem Wort für anord. hediÑ nn ’kurzes Kleidungsstück mit Kapuze, ’Schwein’ abgeleitet, doch ist das Benennungsmotiv von Pelz gemacht’ zu anord. hadnÑ a f. ’Ziege’, auf dieunklar − vielleicht wegen des borstigen Rückens). ses auch im Deutschen bezeugte Wort für ’Ziege’ zuEbenso nndl. hyena, ne. hy(a)ena, nfrz. hye`ne, nschw. hyena, rückgegriffen werden könnte. In diesem Fall würde es nisl. hı´ena. – DF 1 (1913), 275. sich um Zugehörigkeitsbildungen handeln (’aus Ziegenfell gemacht’, vgl. unsere Lammfellmützen). Hyazinthe Sf ’eine Blume’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt Schließlich gibt es offenbar eine Wurzel (ig.) *kat-, aus l. hyacinthus, dieses aus gr. hya´kinthos, die urdie (von welchem Ausgangspunkt auch immer − versprünglich eine andere Blume bezeichnen. mutet wird ’flechtend zusammendrehen’) mit Ebenso nndl. hyacint, ne. hyacinth, nfrz. jacinthe, nschw. hyacint, nnorw. hyasint. – DF 1 (1913), 275f. ’einschließen, bedecken’ u.ä. zu tun hat, vgl. etwa l. cate¯na f. (*katesna¯) ’Kette’, l. cassis ’Jägergarn, Netz,

Hypotenuse

433 Hybride Smf ’durch Kreuzung entstandenes We-

sen’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus l. hybrida, hibrida f. unbekannter Herkunft. Adjektiv: hybrid. Ebenso nndl. hybride, ne. hybrid, nfrz. hybride, nschw. hybrid, nnorw. hybrid. – EWNl 2 (2005), 485.

Hybris Sf ’Hochmut, Vermessenheit’ erw. bildg.

(19. Jh.). Entlehnt aus gr. hy´bris, eigentlich ’frevelhafte Vermessenheit gegenüber den Göttern’. Ebenso nndl. hybris, ne. hubris, nschw. hybris. – Hooker, J. T. AB 19 (1975), 125–137; Richter (1981), 155f.

Hydrant Sm ’Wasserzapfstelle’ erw. fach. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. hydrant, einer Neubildung zu gr. hy´do¯r n. ’Wasser’. Da das Suffix lateinisch ist, handelt es sich um eine Hybridbildung. Ebenso ne. hydrant, nnorw. hydrant. – Cottez (1980), 188.

hyper- Präfixoid ’über, hinaus, übermäßig’ std. (–). Das

Element wird in griechischen Wörtern übernommen und geht auf gr. hy´per, hype´r zurück. Damit verwandt ist l. super. Cottez (1980), 191f.; Strauss u.a. (1989), 387–390; EWNl 2 (2005), 486f.

Hyperbel Sf per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. hyper-

bole, dieses aus gr. hyperbole¯´, eigentlich ’das darüber hinaus Werfen’ zu gr. ba´llein ’werfen’. Gemeint ist in der Rhetorik eine Übertreibung, in der Geometrie eine Figur, die über das Maß des Kreises hinausgeht. Ebenso nndl. hyperbool, ne. hyperbole, hyperbola, nfrz. hyperbole, nschw. hyperbel, nnorw. hyperbel. – DF 1 (1913), 276; EWNl 2 (2005), 487.

hypnotisch Adj erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. hyp-

draulicus, dieses aus gr. hydrauliko´s, eigentlich ’zur Wasserorgel gehörig’ (zu gr. hy´do¯r ’Wasser’ und gr. aulo´s ’Flöte, Röhre’). Dann übertragen auf Maschinen mit ähnlichen Leitungssystemen.

no¯ticus, dieses aus gr. hypno¯tikos ’einschläfernd’, zu gr. hy´pnos ’Schlaf’ (hypnotisches Pulver ’Schlafpulver’). Die heutige Bedeutung geht auf ne. hypnotism und hypnotize zurück, die zuerst von dem Arzt J. Braid 1843 so benutzt wurden. Das Abstraktum Hypnose ist ohne antikes Vorbild. Verb: hypnotisieren.

Ebenso nndl. hydraulisch, ne. hydraulic, nfrz. hydraulique, nschw. hydraulisk, nnorw. hydraulisk. – DF 1 (1913), 276; Cottez (1980), 188; EWNl 2 (2005), 485.

Ebenso nndl. hypnotisch, ne. hypnotic, nfrz. hypnotique, nschw. hypnotisk, nnorw. hypnotisk. – DF 1 (1913), 276; Cottez (1980), 192; EWNl 2 (2005), 487f.

hydraulisch Adj erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. hy-

hydro- Präfixoid ’Feuchtigkeit, Wasser’ (z.B. Hydrokul- hypo- Präfixoid ’darunter, unter’ erw. bildg. (–). Das

tur) erw. (–). Das Element wurde in Entlehnungen aus dem Griechischen ins Deutsche übernommen und in neoklassischen Bildungen verwendet; es ist die Kompositionsform von gr. hy´do¯r ’Wasser’. Cottez (1980), 188f.

Hygiene Sf erw. fach. (18. Jh.). Zuerst im Französischen

aus gr. hygieina´ ’Gesundheit’ entlehnt, n. Pl. des Adjektivs gr. hygieino´s ’heilsam, der Gesundheit dienlich’, dieses ist eine Ableitung von gr. hygieı´a ’Gesundheit’, zu gr. hygie¯´s ’gesund, heilsam’ (eigentlich ’gut lebend’). Ebenso nndl. hygi¡ne, ne. hygiene, nfrz. hygie`ne, nschw. hygien, nnorw. hygiene. Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞBiologie, zur lateinischen Þvital, zur deutschen Þkeck. – DF 1 (1913), 276; EWNl 2 (2005), 485f.

Element wird in griechischen Wörtern übernommen und geht auf gr. hy´po, hypo´ zurück. Verwandt ist Þauf . Cottez (1980), 192f.; EWNl 2 (2005), 488.

Hypochonder Sm ’Person mit unbegründeten Krank-

heitsvorstellungen’ per. fach. (18. Jh.). Rückbildung zu d. hypochondrisch ’schwermütig’ (zunächst nur von Männern gesagt, im Gegensatz zu Þhysterisch). Dieses geht zurück auf gr. hypocho´ndrios eigentlich ’unterhalb des Brustknorpels liegend’, zu gr. cho´ndros ’Brustknorpel’ und gr. hypo-. Nach antiker Auffassung saßen die Gemütskrankheiten im Unterleib. Ebenso nndl. hypochonder, ne. hypochondriac, nfrz. hypocondriaque, nschw. hypokonder, nnorw. hypokonder. – DF 1 (1913), 276f.; Ganz (1957), 102.

hygro- Präfixoid ’Feuchtigkeit’ (z.B. Hygrometer, hygro- hypotaktisch Adj ’untergeordnet (von Satzteilen)’ per.

skopisch) erw. bildg. (–). Das Element wurde vornehmlich in griechischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung ist gr. hygro´s ’nass’. Cottez (1980), 190.

Hymne Sf std. (8. Jh.). In verschiedenen Lautformen zu

fach. (19. Jh.). Entlehnt aus gr. hypotaktiko´s; dieses aus gr. hypota´ssein ’unterordnen’, aus gr. hypo- und ta´ssein ’ordnen’. Als grammatischer Terminus aber erst in der syntaktischen Theorie des 19. Jhs. verwendet. Ebenso ne. hypotactic, nfrz. (N.) hypotaxe.

verschiedenen Zeiten entlehnt aus l. hymnus m., die- Hypotenuse Sf ’die dem rechten Winkel gegenüberlieses aus gr. hy´mnos m., dessen Ursprung nicht mit gende Seite eines Dreiecks’ per. fach. (15. Jh.). Entletzter Sicherheit geklärt ist (zu Hymen als ursprünglehnt aus ml. hypotenu¯sa, dieses aus gr. hypoteı´nousa liches Hochzeitslied?). Die heutige Form und Bedeu’die darunter ausgestreckte (Seite)’, zu gr. hypo- und tung geht auf eine Entlehnung des 18. Jhs. zurück, bei gr. teı´nein ’spannen’. der wohl die französische Lautform (frz. hymne) eine Ebenso nndl. hypotenusa, ne. hypotenuse, nfrz. hypote´nuse, Rolle gespielt hat. Adjektiv: hymnisch. nschw. hypotenusa, nnorw. hypotenus. Zur lateinischen VerEbenso nndl. hymne, ne. hymn, nfrz. hymne, nschw. hymn, nisl. hymna. – Siegert (1950), 109–111; DF 1 (1913), 276; Maher (1987), 71; EWNl 2 (2005), 286.

wandtschaft s. ÞTenor 1, zur deutschen Þdehnen.

Hypothek Hypothek Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. hypo-

the¯ca, dieses aus gr. hypothe¯´ke¯, eigentlich ’Unterlage, Untergestell’, zu gr. hypotithe´nai ’darunterstellen, verpfänden’, zu gr. tithe´nai ’setzen, stellen, legen’ und gr. hypo-. Das Pfandrecht wird also als ’Grundlage’ (eines Vertrags) angesehen. Adjektiv: hypothekarisch. Ebenso nndl. hypotheek, ne. hypothec, nfrz. hypothe`que, nschw. hypotek, nnorw. hypotek. Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞTheke. – DF 1 (1913), 277; EWNl 2 (2005), 488.

Hypothese Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ml. hy-

pothesis, dieses aus gr. hypo´thesis, zu gr. hypotithe´nai ’unterstellen’, zu gr. tithe´nai ’setzen, stellen, legen’ und gr. hypo-. Adjektiv: hypothetisch (schon 17. Jh.). Ebenso nndl. hypothese, ne. hypothesis, nfrz. hypothe`se, nschw. hypotes, nnorw. hypotese. Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞTheke. – DF 1 (1913), 277; Menne, A. AB 22 (1978), 120f.; EWNl 2 (2005), 488.

434 hysterisch Adj erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. hys-

tericus, dieses aus gr. hysteriko´s, eigentlich ’die Gebärmutter betreffend’, zu gr. hyste´ra ’Gebärmutter, Mutterleib’. Die Hysterie wurde von der älteren Medizin als eine Frauenkrankheit gesehen und auf eine Erkrankung der Gebärmutter zurückgeführt. Ebenso nndl. hysterie, ne. hysteria, hysterics, nfrz. hyste´rie, nschw. hysteri, nnorw. hysteri. – DF 1 (1913), 277; Cottez (1980), 194; EWNl 2 (2005), 489.

I -i Suffix (besonders in Kosenamen und Überna-

men) erw. grupp. (–). In neuerer Zeit häufig Ausgang in Abkürzungen (Krimi aus Kriminalroman, aber als echtes Suffix [ohne lautliches Vorbild im Grundwort] in Ami aus Amerikaner, Fundi aus Fundamentalist). Jugendsprachliche Ausdrücke wie Grufti folgen eher englischen Bildungen wie ÞHippie, Junkie usw. Greule, A. MS 94 (1983/84), 207–217; Greule, A. SD 30 (1986), 141–143.

-iade Suffix zur Bildung von Substantiv-Abstrakta erw.

fach. (–). Variante von Þ-ade. Während dieses nur beschränkt produktiv geworden ist, wurde -iade zu einem beliebten Suffix für (etwas herablassend betrachtete) literarische Werke und ungewöhnliche Ereignisse (Köpenickiade, Münchhauseniade). -ial Suffix Þ-al. -ianer Suffix zur Bezeichnung von Anhängern eines

Mannes oder einer Richtung (Freudianer, Kantianer, Wagnerianer) erw. fach. (–). Das Suffix beruht auf den lateinischen Adjektivbildungen auf -(i)a¯nus, die mit dem Suffix des Nomen Agentis (usw.) adaptiert wurden. Wortbildung 2 (1975), 405f.

-ibel Suffix Þ-abel. ich Pron std. (8. Jh.), mhd. ich, ahd. ih, as. ik. Aus g. *ek/

alter Zeit von dem Stamm *me- gebildet (s. unter Þmein). Das Pronomen *eg´ ist vielleicht mit dem ichdeiktischen Pronomen *k´e-/k´i- in Verbindung zu bringen; die Verschiedenheit der Artikulationsart ist dabei ungeklärt. Ebenso nndl. ik, ne. I, nschw. jag, nisl. jeg; ÞEgoismus. – HWPh 4 (1976), 1–18; Seebold, E. (1984), 20–24, 95; Toporov, V. N. FS Polome´ 1 (1991), 64–88; Röhrich 2 (1992), 778; EWNl 2 (2005), 502.

-icht1 Suffix zur Bildung von Kollektiven, hauptsäch-

lich bei Pflanzen, z.B. ÞRöhricht, ÞKehricht erw. obs. (–). Das auslautende -t ist sekundär und seit dem 16. Jh. angetreten, die älteren Formen sind mhd. -ich, -ech, -ach, ahd. -ahi. Benware, W. A. BGDSL-T 101 (1970), 340–343; Wortbildung 2 (1975), 174f.; EWahd 1 (1988), 104f.; Rowley, A. R. ZDL 61 (1994), 3–30.

-icht2 Suffix zur Bildung von Adjektiven (z.B.

töricht) erw. obs. (–). Heute weitgehend auf die Mundarten beschränkt (obd. meist als -et, das aber auch andere Herkunft haben kann). In der Hochsprache ist das Suffix weitgehend durch Þ-ig ersetzt worden. Das t ist sekundär angetreten, aber schon mhd. -oht, -eht, -iht; ahd. -aht, -oht; (der ältere Zustand in gt. stainahs usw.). Es handelt sich um den letzten Rest einer Adjektivbildung mit ’Stammauslaut + -ha-’ und modifizierender Funktion, während -ig auf eine Variante mit grammatischem Wechsel (Stammauslaut + -ga-, gegebenenfalls mit präsuffixaler Dehnung) und exozentrischer Funktion zurückgeht.

ekan; diese beiden Formen werden in den runischen Texten noch als ek (am Satzanfang) und -eka (enklitisch nach dem Verb) unterschieden, in den späteren Sprachen mussten diese Formen lautgesetzlich zusammenfallen, so dass ein Unterschied nicht mehr Haltenhof, J.: Zur Geschichte des mhd. Adjektivsuffixes erkennbar ist. So auch in gt. ik, anord. ek (aonord. ’-icht’ und seiner Verwandten (Diss. Heidelberg 1904); Seeiak), ae. ic, afr. ik. Die beiden germanischen Formen bold, E. TPhS (1975), 157–172; Wortbildung 3 (1978), 352f. gehen auf ig. *eg´ und *eg´om zurück; beide Formen nebeneinander zeigen auch die slavischen Sprachen, Idee Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. idea und frz. ide´e, die zurückgehen auf gr. ide´a ’Vorstellung, Meinung, etwa in aruss. ja neben jazu˘ (mit problematischem Aussehen’, zu gr. ideı˜n ’erblicken, erkennen’, urVokalismus), und heth. uk neben uga (ebenfalls mit sprünglich Aorist zu gr. eide´nai ’wissen, verstehen, problematischem Vokalismus). Nur die kürzere gesinnt sein’. Der Übergang von ’eine Idee von’ zu Form haben die baltischen Sprachen (lit. esˇ, asˇ usw. ’sehr wenig’ (auch für Konkreta) ist nur deutsch. Admit unregelmäßig entwickeltem Vokalismus und jektiv: ideell. In der Bedeutung früh verselbständigt Konsonantismus), nur die längere haben die arischen hat sich das Adjektiv ml. idea¯lis ’der Idee, dem Urbild, Sprachen (ai. aha´m mit unregelmäßigem Konsonanentsprechend’ und damit ’mustergültig, vorbildlich, tismus). Ein dritter (wohl morphologisch selbstänvollkommen’, ins Deutsche übernommen als Adjekdiger) Ausgang (ig.) *-o¯ liegt vor in gr. ego¯´, l. ego¯, tiv ideal und Substantiv Ideal n. Hierzu das Verb wohl auch in der ahd. Emphaseform ihha und vielidealisieren, das Abstraktum Idealismus, das Nomen leicht in heth. uk. Die obliquen Kasus werden seit Agentis Idealist und das Adjektiv idealistisch.

Identität Ebenso nndl. idee, ne. idea, nschw. ide´, nnorw. ide´. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þwissen, zur lateinischen Þrevidieren; ÞIdeologie, ÞIdol, ÞIdylle, ÞKaleidoskop. – DF 1 (1913), 277–280; HWPh 4 (1976), 55–134; Jones, W. J. SN 51 (1979), 260; GB 3 (1982), 977–1020; Brunt (1983), 337; LM 5 (1991), 324–326; Röhrich 2 (1992), 778f.; EWNl 2 (2005), 490f.

Identität Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ml. iden-

tita¯s, einem Abstraktum zu l. ¯ıdem ’derselbe’, einer Erweiterung von l. is ’er, der’. Adjektiv: identisch; Verb: identifizieren. Ebenso nndl. identiteit, ne. identity, nfrz. identite´, nschw. identitet, nnorw. identitet. Das Grundwort ist verwandt mit Þer. – DF 1 (1913), 280; Schmidt, G. MS 86 (1976), 333–354; HWPh 4 (1976), 138–144 (zu Identifikation); EWNl 2 (2005), 491f.; Strauss, G., Zifonun, G. FS Stickel, 165–213.

Ideogramm Sn per. fach. (19. Jh.). In der Wissenschafts-

436

tümlichkeit’ (Sprachausprägung oder Phrase); dieses zu gr. ´ıdios ’eigen, selbst’. In beiden Bedeutungen wird das Wort im Deutschen verwendet, heute vorwiegend im Sinn von ’Phrase’. Adjektiv: idiomatisch; Abstraktum: Idiomatik. Ebenso nndl. idioom, ne. idiom, nfrz. idiome, nschw. idiom, nnorw. idiom. – Cottez (1980), 200.

Idiosynkrasie Sf ’Eigenart, Überempfindlichkeit’ per.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus gr. idiosynkra¯sı´a ’besondere Mischung der Körpersäfte; die dadurch bewirkte Beschaffenheit des Körpers; die Besonderheit der Reaktionen’, zu gr. ´ıdios ’eigen, seltsam, merkwürdig’ mit gr. sy´n- ’zusammen’ und gr. kra˜sis, kre˜sis ’Mischung’, zu gr. kera´nnymi ’ich mische’. Ebenso nndl. idiosyncrasie, ne. idiosyncrasy, nfrz. idiosyncrasie, nschw. idiosynkrasi, nnorw. idiosynkrasi; Þidio-, ÞKrater. – DF 1 (1913), 280; HWPh 4 (1976), 187; Cottez (1980), 200.

sprache gebildet, um ein Schriftzeichen zu benennen, das einen Inhalt (eine Idee) repräsentiert und nicht (oder nicht von vorneherein) auf die Lautform Bezug Idiot Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. idio¯ta, idio¯te¯s ’der Ungebildete, Laie, Stümper’, dieses aus gr. idio¯´te¯s nimmt. (dass., eigentlich: ’die Einzelperson im Gegensatz Ebenso nndl. ideogram, ne. ideogram, nfrz. ide´ogramme. zum Staat, der Nichtkenner im Gegensatz zum SachIdeologie Sf erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. ide´overständigen’), zu gr. ´ıdios ’eigen, privat, eigentümlogie, einer neoklassischen Bildung aus gr. ide´a ’Idee’ lich’. Zunächst in der Bedeutung ’Laie’ entlehnt; die (mit einer historisch unechten Kompositionsform) heutige Bedeutung beruht auf einer Bedeutungsentund Þ-logie. Mit dem Wort wird zunächst der Verlehnung aus ne. idiot ’Schwachsinniger’ im 18. Jh. − such bezeichnet, aus den natürlichen Gegebenheiten im Englischen hatte das Wort diese Bedeutung als des Menschen Prinzipien für soziale und pädagogijuristischer Terminus angenommen: So wurden Persche Ordnungen zu finden (Destutt de Tracy). Durch sonen bezeichnet, die nicht im Vollbesitz der geistidie Gegner der Richtung wird die Bezeichnung abgegen Kräfte und somit zu rationalem Denken nicht wertet. Heute versteht man darunter eine politische fähig sind. − Auf der ursprünglichen Bedeutung oder soziale Grundeinstellung, die gegen Argumente ’eigen’ beruhen einige Entlehnungen, die etwas Eivon außen immun gehalten wird. Nomen Agentis: genartiges bezeichnen, besonders Idiotismus ’sprachIdeologe; Adjektiv: ideologisch. liche Besonderheit’ und Idiotikon ’MundartwörterEbenso nndl. ideologie, ne. ideology, nschw. ideologi, nnorw. buch’, eigentlich ’Verzeichnis der einer bestimmten ideologi. – DF 1 (1913), 280; Roucek, J. S. JHI 5 (1944), 479–488; Mundart ausschließlich eigenen Besonderheiten’. Frese, J.: Ideologie (Diss. Münster 1965); Oertel, H. DZPh 18 Abstraktum: Idiotie; Adjektiv: idiotisch. (1970), 206–211; Rauh, H. -Chr. DZPh 18 (1970), 689–715; Plamenatz, J.: Ideology (London 1970, deutsch: München 1972); HWPh 4 (1976), 158–185; Kennedy, E. JHI 40 (1979), 353–368;

Head, B. W. Studies on Voltaire 183 (1980), 257–264; GB 2 (1982), 131–169; Lübbe, H. Tutzinger Texte 3 (1968), 9–34.

idio- Präfixoid ’selbst, eigentümlich’ (z.B.

ÞIdiosynkrasie) per. fach. (–). Das Element wurde in griechischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen und ist in neoklassischen Bildungen produktiv geworden; sein Ursprung ist gr. ´ıdios ’selbst, eigen’. Cottez (1980), 200.

Idiolekt Sm ’Sprache einer Person’ (ursprünglich noch

enger gefasst) per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. idiolect, einer Neubildung (B. Bloch 1948) nach dem Vorbild von ne. dialect ’Mundart’ zu gr. ´ıdios ’eigen, eigentümlich’. Ebenso nndl. idiolect, nfrz. idiolecte, nschw. idiolekt, nnorw. idiolekt.

Idiom Sn ’Spracheigentümlichkeit, Phrase’ per. fach.

(16. Jh.). Über ml. idio¯ma entlehnt aus gr. idı´o¯ma ’Eigentümlichkeit’, besonders ’sprachliche Eigen-

Ebenso nndl. idioot, ne. idiot, nfrz. idiot, nschw. idiot, nnorw. idiot; Þidio-. – DF 1 (1913), 280f.; Leser, E. ZDW 15 (1914), 7; Ganz (1957), 403; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 393; Schneider, I. in Welskopf 4 (1981), 111–131; Schneider, J. in Welskopf 4 (1981), 132–157; HWPh 4 (1976), 187f. (zu Idiotismus).

Idol Sn ’vergöttertes Vorbild’ erw. stil. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus l. ¯ıdo¯lum, ¯ıdo¯lon ’Schattenbild eines Abgeschiedenen, das Bild in der Seele, das Götzenbild’, dieses aus gr. eı´do¯lon, zu gr. ´ıdeı˜n ’erkennen, erblicken’, ursprünglich Aorist zu gr. eide´nai ’sehen, wissen’. Im Griechischen zunächst ’Vorstellung, Scheinbild’, dann vor allem auch im christlichen Sinn ’Götzenbild’. Die heutige, positivere Bedeutung wohl aus dem Französischen und Englischen. Ebenso nndl. idool, ne. idol, nfrz. idole, nschw. idol, nnorw. idol; ÞIdee. – HWPh 4 (1976), 188–192.

Idylle Sf (Idyll n.) ’paradiesische Landschaft, friedliche

Abgeschiedenheit’ std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ıdyllium n., dieses aus gr. eidy´llion n. ’Bildchen, besonders

437

Ignoranz

Öhmann, E., Seppänen, L. V., Valtasaari, K. NPhM 54 mit Darstellung von Szenen aus der Hirtenwelt, Hir(1953), 159–176; Wortbildung 1 (1973), 36–39 und die dort angetengedicht’, einem Diminutivum zu gr. eı˜dos n. gebenen Stellen; Lendle, O. u.a.: Mediterrane Kulturen ’Erscheinung, Idee, Zustand’, zu gr. ´ıdeı˜n ’erkennen, (1986), 9–12; Koskensalo, A. FS Stellmacher (1999), 215–228. erblicken’, ursprünglich Aorist zu gr. eide´nai ’sehen, -ig Suffix zur Bildung von Adjektiven std. (–), mhd. -ic, erkennen, wissen’. Die spezielle Festlegung auf die -ec, ahd. -ig. Neben seltenem -ag (weshalb diese BilHirtenwelt beruht darauf, dass einschlägige Gedichte dungen teilweise Umlaut haben, teilweise nicht). Theokrits so genannt wurden; sie wurden wiederum Heute das gebräuchlichste Suffix zur Bildung von Eivorbildlich für die neuzeitliche Schäferdichtung. Spägenschaftsadjektiven; ursprünglich Stammauslaut + ter verallgemeinert, so dass heute der Bezug auf die -ga- (aus -ko- mit grammatischem Wechsel) zur BilHirten- und Schäferwelt nicht mehr gespürt wird. dung exozentrischer Adjektive, häufig mit präsuffiAdjektiv: idyllisch. xaler Dehnung. Das Vorherrschen des -i- rührt von Ebenso nndl. idylle, ne. idyl(l), nfrz. idylle, nschw. idyll, nnorw. idyll; ÞIdee. – DF 1 (1913), 281; HWPh 4 (1976), 192–197. der Möglichkeit, den Stammauslaut vor Ableitungssuffixen durch -i- zu ersetzen. -ie Suffix zur Bildung von desubstantivischen KollekÞ-icht 2. – Wortbildung 3 (1978), 108f. und die dort angegebetiva (z.B. ÞAristokratie) und von desubstantivischen nen Stellen; EWNl 2 (2005), 496. (und deadjektivischen) Bezeichnungen für Verhaltensweisen oder Wissenschaftszweige (z.B. Igel Sm std. (9. Jh.), mhd. igel, ahd. igil, as. igil. Aus wg. ÞÖkonomie, ÞPhilosophie) erw. fach. (–). Das Suffix *egila- m. ’Igel’, auch in ae. igel; daneben mit Länge wurde in romanischen, besonders französischen Entdes Wurzelvokals anord. ´ıgull, ae. ¯ıl. Aus ig. (eur.) lehnungen ins Deutsche übernommen; sein Ur*eg´ hi- in lit. ezˇy˜s, skr.-kslav. jezˇ˘ı, gr. echı˜nos, arm. ozni. sprung ist l. -ia, dieses aus gr. -ı´a. − In einigen WörDie Grundform kann schon ’Igel’ bedeutet haben tern ist die Form erweitert zu Þ-erie (z.B. Clownerie, und ist dann nicht weiter anschließbar. Ein etymoScharlatanerie). Anderer Herkunft ist das Suffix in logischer Anschluss wird versucht an (ig.) *eg´ hiWörtern wie ÞPoesie (gr. -si-s, Form des ti-Abstrak’Schlange, Wurm’, so dass der Igel als ’der zur Schlantums). Aus einer früheren Entlehnung desselben Sufge (zum Wurm) Gehörige’, also als ’Schlangenfresfixes stammt Þ-ei. ser’ bezeichnet wäre. Das Schlangenwort hat aber Wortbildung 2 (1975), 74f. und die dort angegebenen Stellen. normalerweise eine andere Lautform, und in welchem Umfang diese abweichende Variante allgemein -ier Suffix zur Bildung von desubstantivischen Persovorausgesetzt werden darf, ist unklar. Der (besonders nenbezeichnungen (Bankier, Kanonier) erw. fremd. in der zusammengerollten Verteidigungsstellung) (–). Das Suffix wurde in französischen Entlehnungen nach allen Seiten stachelbewehrte Igel hat zu zahlreiins Deutsche übernommen; sein Ursprung sind funkchen Übertragungen Anlass gegeben (z.B. Igelfisch, tional entsprechende lateinische Bildungen auf -arius Igel-Schnitt, Igel-Stellung usw.). Ableitung mit Parti(die Entlehnung des Suffixes aus dem Lateinischen kelverb: einigeln. unmittelbar ins Deutsche hat Þ-er ergeben). Die AusEbenso nndl. egel. – Brüch, J. FS Kretschmer (Wien, Leipzig, sprache ist teils deutsch (Kanonier, so bei den ganz New York 1926), 10f.; Müller-Graupa BGDSL-H 79 (1957), alten und meist bei den späten Entlehnungen), teils 472; LM 5 (1991), 365f.; Röhrich 2 (1992), 779; RGA 15 (2000), französisch (Bankier, so bei den Entlehnungen seit 335f.; EWNl 1 (2003), 665. dem 16. Jh.). igitt Interj (zum Ausdruck von Ekel und Abscheu, Öhmann, E. NPhM 72 (1971), 526–539; Wortbildung 2 (1975), meist verdoppelt als igittigitt, älter auch gittegitt, v. a. 389; EWNl 2 (2005), 495f. ndd.) std. (20. Jh.). Wohl nur aus [i:] als Ausdrucks-iere Suffix vornehmlich zur Bildung desubstantivilaut für Ekel herausgebildet (kaum Entstellung von o scher Personenbezeichnungen (z.B. Garderobiere, Gott ). Gondoliere) erw. fremd. (–). Es finden sich Bildungen

mit breiter semantischer Fächerung (z.B. Sauciere, -igkeit Suffix Þ-heit. Bonbonniere). Das Suffix wurde in französischen Ent- Iglu Smn (eine aus Schneeblöcken gebaute Hütte) erw. lehnungen ins Deutsche übernommen; ist dort aber exot. (19. Jh.). Entlehnt aus inuit (grönländ.) iglu nur in Augenblicksbildungen produktiv geworden. ’Haus’. Das Schneehaus ist auch für die Inuit der SonSein Ursprung ist l. -arius, -arium, -aria. derfall einer Behausung. Wortbildung 2 (1975), 114.

-ieren Suffix zur Bildung von Verben, vielfach nur Ad-

Ebenso nndl. iglo, ne. igloo, nfrz. igloo, nschw. iglo, nnorw. iglo. – EWNl 2 (2005), 497.

aptionssuffix std. (–). Das Suffix kommt aus der In- Ignoranz Sf erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ıgno¯finitivform französischer Verben einerseits auf -ier rantia, einem Abstraktum zu l. ¯ıgno¯ra¯re ’nicht ken(die auf die lateinische Infinitivform -a¯re nach Palatal nen, nicht kennen wollen, unwissend sein’ (entlehnt zurückgehen), andererseits auf frz. -ir (l. -ı¯re), hat als ignorieren), zu l. gna¯rus ’wissend’ und negierensich dann aber ausgeweitet und auch Hybridbildundem in-. Nomen Agentis: Ignorant. gen ergeben (buchstabieren). Eine Variante (mit einem ursprünglichen Ableitungssuffix) ist -isieren.

Ihle

438 Ebenso ne. ignorance, nfrz. ignorance, nschw. ignorans. Zur lateinischen Sippe s. Þrekognoszieren. – DF 1 (1913), 281f.; EWNl 2 (2005), 497.

Ihle Sm ’Hering, der schon gelaicht hat’ per. fach.

(20. Jh.). Wohl zu ndl. (dial.) iel ’schwach, dünn’. ihm Pron (Dativ zu er/es) std. (8. Jh.), mhd. im(e), ahd.

imu, as. im(u). Auch gt. imma; während altnordisch, altenglisch und altfriesisch eine mit h- anlautende Form vorausgesetzt wird. Vd. etwa *i(s)mo¯d neben *isme¯d oder *esme¯d für das Gotische. Þer, es, Þihn, Þihr 1, ihr 2. – Seebold, E. (1984), 70f.

ihn Pron (Akkusativ zu er) std. (8. Jh.), mhd. in(en),

dungen verwendet (im Deutschen regelmäßig neben Adjektiven auf Þ-isch, daneben Nomina Agentis auf -iker); sein Ursprung ist gr. -ike¯, l. -ica. Wortbildung 2 (1975), 76f. und die dort angegebenen Stellen.

Ikone Sf ’Kultbild’ per. exot. (19. Jh.). Entlehnt aus russ.

iko´na, dessen Vorform (akslav. ikona) aus byz. eiko´na (vgl. auch spl. ¯ıco¯n), aus gr. eiko¯´n ’bildliche Darstellung, Ebenbild’. In wissenschaftlichen Termini, wie Ikonoklast ’Bilderstürmer’, ist das Wort allgemeiner verwendet; in zeichentheoretischen Ausdrücken wie ikonisch ’auf bildlichen Vorstellungen beruhend’ geht es auf die Grundbedeutung zurück.

Ebenso nndl. ico(o)n, ne. icon, nfrz. icoˆne, nschw. ikon, nisl. ahd. in(an), as. ina. Auch gt. ina; während altnor´ıkon. – Siegert (1950), 113f.; LM 5 (1991), 371–376; HWPh 4 disch, altenglisch und altfriesisch eine mit h- anlau(1976), 199 (zu ikonisch); EWNl 2 (2005), 490. tende Form voraussetzen. Aus ig. *i-m, das zu * in wird, worauf verschiedene Partikeln antreten: Im Go- Iler Sm ’Schabeisen des Kammmachers’ per. fach. (19. Jh.). Zu ilen ’Horn an der Innenseite abschaben’. tischen -o¯, im Deutschen eine Form, die zur AkkuHerkunft unklar. sativendung des Adjektivs umgeformt wird. Þer, Þes, Þihm, Þihr 1, ihr 2. – Seebold, E. (1984), 69f. ilgern Vsw ’stumpf werden’ (von den Zähnen) per. reg. (15. Jh.). S. auch unter Þeilig 2 ’stumpf (von den Zähihr1 Pron (2. Person Pl.) std. (8. Jh.), mhd. ir, ahd. ir, as. nen)’. gi. Aus wg. *jiz ’ihr’, auch in ae. ge, afr. ji, i. Daneben

mit Länge anord. ´er, aschw. ´ır und mit anderem Vo- Illumination Sf ’Beleuchtung, Ausmalung’ per. fach. kalismus gt. jus. Die gotische Form ist die ältere nach (18. Jh.). Entlehnt aus frz. illumination, dieses aus ml. Ausweis von avest. yu¯ˇs, lit. ju˜s und mit anderem Aufillu¯minatio, zu ml. illu¯mina¯re ’erleuchten’, zu l. lu¯men bau ai. yu¯ya´m. Die außergotischen Formen sind an ’Licht’. die der 1. Plural im Vokalismus angeglichen worden. Ebenso nndl. illuminatie, ne. illumination, nschw. illumination, nnorw. illuminasjon. Zur deutschen Verwandtschaft s. In Anlehnung an den französischen Gebrauch auch Þlicht; ÞLuzifer. – DF 1 (1913), 282; EWNl 2 (2005), 502. (seit dem 12. Jh.) als Höflichkeitsanrede gebraucht. Ebenso nndl. gij. S. Þihn, Þihrzen. – Seebold, E. (1984), 30f. Illusion Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. illusion und l. illu¯sio (-o¯nis), dieses zu l. illu¯dere (illu¯sum) ’täuihr2 Pron (Formen des anaphorischen Pronomens) std. schen, betrügen, verspotten’, zu l. lu¯dere (lu¯sum) (8. Jh.). Genetiv Plural mhd. ir, ahd. iro, as. iro, gt. ize, ’Possen treiben, spielen, täuschen’ und l. in-. Adjeksowie das zugehörige Possessivum; Genetiv Singular tiv: illusorisch; Präfixableitung: desillusionieren. femininum mhd. ir, ahd. ira, as. ira, gt. izos und das Ebenso nndl. illusie, ne. illusion, nschw. illusion, nnorw. illuszugehörige Possessivum; Dativ Singular femininum jon; ÞPräludium. – DF 1 (1913), 282; HWPh 4 (1976), 204–215; mhd. ir, ahd. iru, as. iru, gt. izai. Obwohl die ig. ProJones, W. J. SN 51 (1979), 260; EWNl 2 (2005), 502f. nominalstämme *e- und *i- im Germanischen lautlich nicht mehr auseinanderzuhalten sind, lässt sich illustrieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. illu¯stra¯re ’erläutern, aufklären, verschönern’, zu l. illu¯stris ansetzen, dass die Genetiv-Plural-Form auf *i-s-o¯m ’offenbar, strahlend, angesehen, berühmt’, zu l. zurückgeht, die femininen Formen auf *esja¯i und lu¯stra¯re ’hell machen, beleuchten’, zu l. lu¯x ’Licht’ *esja¯s mit Verlust des j im Germanischen. Die Erweiund l. in-. Die Bedeutung ’mit Bildern versehen’ terung -s(j)- der Pronominalstämme geht wohl auf kommt im 19. Jh. auf und besagt eigentlich ’mit Bilarchaische Kasusformen zurück. dern erläutern und veranschaulichen’. Abstraktum: Þer, es. – Seebold, E., (1984), 72f. Illustration. Hierher ferner Illustrierte f., gekürzt aus ihro Pron per. arch. (17. Jh.). Nach Þdero gebildet. Illustrierte Zeitung (’bebilderte Zeitung’). Das Grundihrzen Vsw ’mit Ihr anreden’ per. arch. (12. Jh.), mhd. wort ist als illuster ’berühmt’ entlehnt worden, ist irzen. Mit Suffix Þ-z(en) zum Personalpronomen ihr heute aber nicht mehr üblich. (Þihr 1) gebildet (Vorbild ist wohl l. vobisa¯re). Näheres Ebenso nndl. illustreren, ne. illustrate, nfrz. illustrer, nschw. s. Þduzen. illustrera, nnorw. illustrere. Zur germanischen Verwandtschaft -ik Suffix zur Bildung denominaler Substantive, die

s. licht; ÞLüster, ÞLuzifer. – DF 1 (1913), 283; EWNl 2 (2005),

503. eine Gesamtheit oder ein Fachgebiet bezeichnen (z.B. Motivik, ÞInformatik) erw. fach. (–). Daneben finden Iltis Sm std. (11. Jh.), mhd. iltis, eltes, ahd. illintis(o), sich auch Bezeichnungen für ’Geartetheit, Beschafillitiso (in der Regel als Glosse zu l. hyaena, wohl auf Grund einer alten Glosse ’nächtliches Untier’, was fenheit’ (z.B. Theatralik, Esoterik). Das Suffix wurde sowohl auf die Hyäne wie auch auf den Iltis passt). in romanischen Entlehnungen ins Deutsche überGelegentliche Diphthonge des zweiten Elements weinommen und in einer Reihe von neoklassischen Bil-

Imperium

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sen auf ursprüngliche Länge des zweiten ¯ı. Vgl. ndd. nndl. ilk, ülk, ülling. Alles Weitere ist unklar. Lessiak, P. ZDA 53 (1912), 121f., 128; Suolahti, H. FS Sievers (1925), 107–114; Teuchert (1944), 345f.; Rosenfeld, H.-F. BGDSL-H 80 (1958), 429–435.

Image Sn ’Bild von jmd. in der Öffentlichkeit’ erw.

m. ’Bienenschwarm’). Die Herkunft ist unklar. Vielleicht zu air. imbed, imbad m./n. ’große Menge, Überfluss’. Vgl. ÞBiene; ÞImker. – Müller-Graupa, E. Glotta 18 (1930), 132–137; Schier, B.: Der Bienenstand in Mitteleuropa (Leipzig 1939), 63; Törnqvist, N. SN 17 (1945), 182–200; Röhrich 2 (1992), 779; Vennemann, Th. Sprachwissenschaft 23 (1998), 471–487.

fremd. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. image, dieses aus frz. image f., älter afrz. imagene ’Bild’, aus l. ima¯go (-ginis) immens Adj ’unermesslich’ erw. fremd. (19. Jh.). Entf. ’Bild, Bildnis, Abbild’. Entfernt verwandt ist die lehnt aus l. imme¯nsus, zu l. me¯tı¯rı¯ (me¯nsus sum) Vorform von Þimitieren. ’messen’ und negierendem l. in-. Ebenso nndl. image, nfrz. image, nschw. image, nnorw. image. – HWPh 4 (1976), 215–217; Carstensen 2 (1994), 693–695; LM 5 (1991), 384 (zu Imago); EWNl 2 (2005), 503.

imaginär Adj ’nicht wirklich’ erw. fremd. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. imaginaire (mit latinisierender Aussprache). Dieses als ’eingebildet’ zu dem unter ÞImage behandelten Wort. Ebenso nndl. imaginair, ne. imaginary, nschw. imaginär, nnorw. imagin¢r. – DF 1 (1913), 283; EWNl 2 (2005), 503.

Imbiss Sm erw. obs. (9. Jh., imbı¯zan 8. Jh.), mhd. imbiz,

inbiz m./n., ahd. imbiz, inbiz m./n., mndd. immet. Abstraktum zu ahd. inbı¯zan ’essen’ (eigentlich ’entbeißen’); die Bedeutungsentwicklung beim Verb ist nicht hinreichend klar. Alem. Zimmes ist aus ze imbiz ’zum Imbiss’ zusammengewachsen. Ebenso nndl. ontbijt; Þbeißen. – EWNl 3 (2007), 459f.

imitieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. imita¯rı¯, das

mit l. ima¯go ’Bild, Bildnis, Abbild’ verwandt ist. Abstraktum: Imitation; Nomen Agentis: Imitator. Ebenso nndl. imiteren, ne. imitate, nfrz. imiter, nschw. imitera, nnorw. imitere. – EWNl 2 (2005), 504.

Imker Sm erw. fach. (18. Jh.). Aus dem Niederdeut-

schen/Niederländischen übernommen für das alte Bienenvater und ÞZeidler. Das Wort ist eine Täterbezeichnung auf -ker zu ÞImme (wohl nicht zu einem *imbi-kaz-ja- ’Bienenkorb’, das nicht bezeugt ist). Frings, Th. BGDSL 54 (1930), 159; van der Meer, M. J. BGDSL 55 (1931), 73–76; Dittmaier, H. GS Foerste (1970), 202–205; EWNl 2 (2005), 504f.

immanent Adj ’in der Sache liegend’ per. fach. (18. Jh.).

Ebenso nndl. immens, ne. immense, nfrz. immense. Zur Verwandtschaft des lateinischen Grundworts s. ÞDimension. – DF 1 (1913), 283f.; EWNl 2 (2005), 505.

immer Adv std. (8. Jh.), mhd. im(m)er, iemer, ahd.

iome¯r, as. eome¯r, iemar. Zusammengerückt aus ahd. io (s. unter Þje) und ahd. me¯r (s. unter Þmehr). Ausgangsbedeutung ist ’immer mehr, von jetzt an’, dann verallgemeinert zu ’immer’. Ebenso nndl. immer; Þnimmer. – Behaghel 3 (1928), 189; Latour, B. MS 99 (1980), 299–321; EWNl 2 (2005), 505.

Immi Sn ’ein Hohlmaß’ per. arch. (14. Jh.), spmhd.

imı¯(n). Entlehnt aus l. he¯mina¯ f., ein Flüssigkeitsmaß (Hälfte eines Sextarius), das auf gr. he¯mı´na f. ’Hälfte’ (als Maß, zu gr. he¯mi- ’halb-’) zurückgeht. S. auch ÞHimten. – Garovi (1999), 155–168.

immigrieren Vsw Þemigrieren, Þin-2. Immobilie Sf (meist Pl.) erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt

aus ml. immobilia für re¯s immo¯bile¯s ’unbewegliche Dinge’. Ebenso ne. immobile, nfrz. immobilier, nschw. immobilier, nnorw. immobilier; Þmobil, ÞMobiliar. Zur Grundlage s. ÞPromotion.

immun Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. immu¯nis ’frei

(von Abgaben), dienstfrei, unberührt, rein’, zu l. mu¯nus ’Verrichtung, Aufgabe’ und negierendem l. in-. Abstraktum: Immunität; Verb: immunisieren. Ebenso nndl. immuun, ne. immune, nfrz. immunise´, nschw. immun, nnorw. immun. – LM 5 (1991), 390–393; EWNl 2 (2005), 506.

Entlehnt aus dem ml. immane¯ns der philosophischen Imperativ Sm ’Modus des Befehlens’ erw. fach. (15. Jh.). Im Frühneuhochdeutschen entlehnt aus l. (modus) Wissenschaftssprache; dieses eine Partizipialform zu impera¯tı¯vus, zu l. impera¯re ’befehlen’, zu l. para¯re l. immane¯re ’darin bleiben, anhaften’. Aus der gleichen Grundlage Þpermanent und weiter entfernt ’rüsten, sich zu etwas bereiten’ und l. in-. ÞMenagerie. Ebenso nndl. imperatief, ne. imperative, nfrz. impe´ratif, nschw. Ebenso nndl. immanent, ne. immanent, nfrz. immanent, nschw. immanent, nnorw. immanent. – EWNl 2 (2005), 505.

immatrikulieren Vsw ÞMatrikel. Imme Sf erw. obs. (9. Jh.), mhd. imbe, imp(e), imme m.,

imperativ, nnorw. imperativ. Zu Entlehnungen aus der lateinischen Sippe s. Þparat. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 63; Brunt (1983), 338.

Imperfekt Sn Þperfekt.

Imperium Sn erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. impeahd. imbi m. Aus wg. *imbi- m. ’Schwarm, Bienenrium ’Befehlsgewalt, Reich’, einer Ableitung von l. schwarm’, auch in ae. ymbe m.(?). Die Bedeutung impera¯re ’befehlen, herrschen’ aus l. para¯re ’rüsten, ’Biene’ ist erst spätmittelhochdeutsch, in den Mundbereiten’ und l. in-. Zum gleichen Verb gehört als arten wird z.T. zwischen den beiden Bedeutungen Nomen Agentis Imperator aus l. impera¯tor ’Befehlsunterschieden (westfäl. ¯ıme f. ’Biene’, westfäl. ¯ımen m. haber, Kaiser’ und zur ganzen Sippe das neoklassi’Bienenschwarm’, schwz. immi n. ’Biene’, schwz. imb

impertinent sche Imperialismus (formal zu dem Adjektiv l. imperia¯lis ’kaiserlich’). Ebenso nndl. imperium, ne. empire, nfrz. empire, nschw. imperium, nnorw. imperium. – DF 1 (1913), 283; Awerbuch, M. AB 25 (1981), 162–184; LM 5 (1991), 396f.; LM 5 (1991), 394f. (zu Imperator); Koebner, R. / Schmitt, H. D.: Imperialism (London 1964) (zu Imperialismus); GB 3 (1982), 171–236; Strauss u.a. (1989), 170–177; EWNl 2 (2005), 507.

impertinent Adj ’unverschämt’ per. fremd. (17. Jh.).

440 imponieren Vsw std. (18. Jh.). Das Wort ist der Form

nach entlehnt aus l. impo¯nere ’auflegen, hineinlegen’, zu l. po¯nere ’setzen, stellen, legen’ und l. in-; die Bedeutung ’beeindrucken’ wird aber aus frz. imposer übernommen, bei dem sich das lateinische Wort mit dem Nachfolger von l. pausa¯re ’innehalten’ (ÞPause 1) vermischt hat. Das Adjektiv imposant ’beeindruckend’ ist dagegen eine direkte Entlehnung aus dem Französischen.

Entlehnt aus frz. impertinent, dieses aus l. impertine¯ns Ebenso nndl. imponeren, nschw. imponera, nnorw. imponere; ’ungehörig, unpassend’, zu l. pertine¯re ’zu etwas geÞkomponieren. – DF 1 (1913), 285; HWPh 4 (1976), 268f. (zu Imponiergehabe); EWNl 2 (2005), 508. hören, sich beziehen auf, sich erstrecken’ und negierendem l. in-, zu l. tene¯re ’halten, haben’ (zu diesem s. Import Sm erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. import, ÞTenor 1) und l. per-. Aus der Bedeutung ’nicht zur einer Ableitung von ne. import ’einführen’ (entlehnt Sache Gehöriges sagen’, die vor allem in juristischer als importieren), aus l. importa¯re ’hineintragen, einFachsprache üblich war, entwickelt sich ’Ungehöriführen’, zu l. porta¯re ’tragen, befördern’ und l. in-. ges sagen’, daraus dann bei größerer Verbreitung des Nomen Agentis: Importeur. Wortes ’sich unpassend benehmen, unverschämt Ebenso nndl. import, nfrz. importation, nschw. import, nnorw. sein’. Abstraktum: Impertinenz. import; ÞPorto. – DF 1 (1913), 285; Schirmer (1911), 86; Ganz Ebenso nndl. impertinent, ne. impertinent, nschw. impertinent, nnorw. impertinent. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 179; DF 1 (1913), 284; Jones, W. J. SN 51 (1979), 261.

impfen Vsw std. (9. Jh., Bedeutung 18. Jh.), mhd. imp-

(1957), 104f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 261; Rey-Debove/Gagnon (1988), 416f.; EWNl 2 (2005), 508.

imposant Adj Þimponieren.

impotent Adj ’zeugungsunfähig’ erw. fach. (17. Jh.). fe(te)n, inpfeten, ahd. impfo¯n, impito¯n. Zunächst ein Entlehnt aus l. impotens, der verneinten Form von l. Ausdruck des Wein- und Gartenbaus für ’veredeln potens ’mächtig, vermögend’ (Þpotent). (pfropfen)’, im 18. Jh. übertragen auf die SchutzimpEbenso nndl. impotent, ne. impotent, nfrz. impotent, nschw. fung von Menschen. Das Wort ist entlehnt aus l. imimpotent, nnorw. impotent. – DF 1 (1913), 285. puta¯re gleicher Bedeutung, das seinerseits eine Nachimprägnieren Vsw erw. fach. (16. Jh.). Das Wort ist entdeutung von gr. emphyteu´o¯ ’ich pflanze ein, pfropfe lehnt aus l. impraegna ¯ re ’schwängern’, zu l. praegna¯ns auf’ sein kann. Auf späterer Neuentlehnung beruhen ’schwanger’ und l. in-, zu l. na¯scı¯ ’gezeugt werden, schwäb. im(p)ten, ndd. enten. Die moderne Bedeugeboren werden, entstehen’ und l. prae-. Das lateitung ist eine Lehnbedeutung zu dem früheren nische Wort wird auch in der übertragenen Bedeuinokulieren. Abstraktum: Impfung. tung ’erfüllen, sättigen’ gebraucht, auf die sich die Ebenso nndl. enten, ne. imp, nfrz. ente, nschw. ympa. – Nörmoderne Bedeutung bezieht, zunächst in der Fachrenberg, E. NJ 71 (1948), 328f.; Schuchart, H. ZM 20 sprache der Chemie. (1951/52), 8–23; Ganz (1957), 104; EWNl 1 (2003), 687.

implizieren Vsw ’mitbedeuten, einschließen’ per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus l. implica¯re (implicitum, implica¯tum) ’umfassen’, zu l. plica¯re ’zusammenfalten, zusammenwickeln’ und l. in-. Abstraktum: Implikation; Adjektiv: implizit (von diesem wohl die Aussprache des Verbs). Ebenso nndl. impliceren, ne. implicate, imply, nfrz. impliquer, nschw. implicera, nnorw. implisere. Zur Sippe des lateinischen Grundworts s. Þkompliziert. – HWPh 4 (1976), 263–268; EWNl 2 (2005), 507.

Imponderabilien Spl ’unberechenbare Einflüsse’ per.

Ebenso ne. impregnate, nndl. impregneren, nfrz. impre´gner, nschw. impregnera, nnorw. impregnere. Zur Sippe des lateinischen Wortes s. ÞGenus. – DF 1 (1913), 285; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 393; EWNl 2 (2005), 508.

Impresario Sm ’Künstleragent’ per. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus it. impresario, zu it. impresa f. ’Unternehmen’, zu l. prehendere, (prehe¯nsum) ’fassen, ergreifen, nehmen’ und l. in-. Die Schreibung zunächst mit -ss(durch falschen Anschluss an -press-?). Ebenso nndl. impresario, ne. impresario, nfrz. impre´sario, nschw. impressario, nnorw. impresario; ÞPrise, Þpreisgeben, ÞRepressalie. – DF 1 (1913), 285; EWNl 2 (2005), 508f.

fremd. (19. Jh.). Substantivierung des aus ne. imponderable entlehnten und dann latinisierten Adjektivs Impression Sf ’Eindruck’ per. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. impression oder von l. impressio. Dieses ist (l. pondera¯bilis ’wägbar’). Das Wort stammt aus der Abstraktum zu l. imprimere (impressum) ’eindrüFrühgeschichte der modernen Physik, hat sich im cken’ aus l. premere ’pressen’ und l. in-. Hiervon abDeutschen aber nur in übertragener Bedeutung (etwa geleitet (nach französischem Vorbild, L. Leroy 1874) in der Politik) gehalten. Impressionismus und Impressionist. Ebenso nndl. imponderabilia, ne. imponderables, nfrz. imponde´rables. Zur Sippe des lateinischen Grundworts s. Þsuspendieren. – DF 1 (1913), 294f.

Ebenso nndl. impressie, ne. impression, nfrz. impression, ndn. impression, nnorw. impresjon. – EWNl 2 (2005), 509.

Inbrunst

441 Impressum Sn ’Druckvermerk’ per. fach. (19. Jh.). Ent-

seler, M. ZAA 22 (1974), 66–72; Schmidt, G. D. DS 7 (1979),

160–165; Carstensen 2 (1994), 697f. lehnt aus l. impressum, eigentlich ’gedruckt’ (normalerweise das erste Wort des Druckvermerks). Zu l. in-1 Präfix zur Negierung des Inhalts von Adjektiven imprimere (impressum) ’eindrücken, drucken’ aus l. und von diesen abgeleiteten Wörtern (z.B. indispremere ’pressen’ und l. in-. kret) erw. bildg. (–). Das Präfix wurde in EntlehnunEbenso nndl. impressum. gen aus dem Lateinischen und aus den romanischen Sprachen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung Imprimatur Sfn ’Freigabe zum Druck’ per. fach. ist l. in-, verwandt mit d. un- und gr. a- (Þa-). Die (18. Jh.). Der lateinische Ausdruck bedeutet ’es werde Assimilationsformen sind vor Labialen im-(immogedruckt, es kann gedruckt werden’. Benützt bei der bil), vor /l/ il- (illegitim) und vor /r/ ir- (irrational). kirchlichen Druckerlaubnis und in späterer Zeit bei Wortbildung 3 (1978), 182f.; Cottez (1980), 202f.; Lenz (1991); der Freigabe der Korrekturfahnen zum Druck durch EWNl 2 (2005), 510 (in-2). die Zensurbehörden oder den Autor. Ebenso nndl. imprimatur, ne. imprimatur, nfrz. imprimatur, in-2 Präfix mit der Bedeutungskomponente ’hinein’ ndn. imprimatur, nnorw. imprimatur. – DF 1 (1913), 286. und denselben Assimilationsformen wie Þin-1 improvisieren Vsw std. (18. Jh.). Entlehnt aus it. im(Þinfiltrieren, Þimmigrieren) per. fach. (–). Bildungen provvisare, zu it. improvviso ’unvermutet’, aus l. immit diesem Präfix sind im Deutschen häufig analysierbar, haben aber kaum zu speziell deutschen Neuprovı¯su¯s, zu l. pro¯vide¯re ’vorhersehen, Vorkehrungen bildungen geführt. treffen’ und l. in-, zu l. vide¯re ’sehen, begreifen’ und l. pro¯-. Das Wort wird aus dem italienischen StegreifEWNl 2 (2005), 510 (in-1). theater übernommen. Abstraktum: Improvisation. in flagranti Adv ’auf frischer Tat’ erw. fach. (17. Jh.). Ebenso nndl. improviseren, ne. improvise, nfrz. improviser, nschw. improvisera, nnorw. improvisere. Zu Entlehnungen aus der lateinischen Sippe s. Þrevidieren. – DF 1 (1913), 286f.; EWNl 2 (2005), 509.

Impuls Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. impulsus

Entlehnt aus l. in flagranti (crı¯mine), zu l. flagra¯ns (-antis), eigentlich ’brennend’, zu l. flagra¯re ’brennen’. Zunächst ein Wort der Gerichtssprache. Ebenso nndl. in flagranti, ne. flagrant, nfrz. en flagrant de´lit, nschw. flagrant, nnorw. flagrant; Þflagrant, ÞFlamme. – Röhrich 2 (1992), 779.

’Anstoß’, dem Abstraktum zu l. impellere (impulsum) ’anstoßen, bewegen’, zu l. pellere ’stoßen, schlagen’ in petto Adv ’in Bereitschaft’ per. phras. (18. Jh.). Entund l. in-. Adjektiv: impulsiv. lehnt aus it. avere a petto, zu it. petto ’Brust’, aus l. Ebenso nndl. impuls, ne. impulse, nfrz. impulsion, nschw. impectus. Die Redensart ist wohl im klerikalen Rom entpuls, nnorw. impuls. Zu Entlehnungen aus der Sippe des standen und meint den Zustand, dass der Papst einen Grundworts s. ÞInterpellation. – DF 1 (1913), 287; HWPh 4 Priester für das Kardinalsamt zwar bereits ausgesucht (1976), 272–274; EWNl 2 (2005), 509f. hat, seine Entscheidung jedoch noch nicht bekanntin Präp std. (8. Jh.), mhd. in, ahd. in, as. in. Aus g. *in, geben will. älter *eni, auch in gt. in, anord. ´ı, ae. in, afr. in. Dieses Ebenso nndl. in petto. – EWNl 3 (2007), 532f. aus voreinzelsprachl. *eni in gr. ´en(i), l. in, apreuß. en Inauguration Sf ’feierliche Einsetzung’ per. fach. und wohl mit Schwundstufe lit. ˛i. (18. Jh.). Entlehnt aus l. inaugura¯tio (-o¯nis), einem Ebenso nndl. ne. in, nschw. i, nisl. ´ı; Þein-2, Þempor, Þen-, Þinne, Þinnen, Þinner, Þinnig, ÞInnung. – EWNl 2 (2005), 510. Abstraktum zu l. inaugura¯re ’ein augurium (Weissagung aus dem Vogelflug) einholen’, zu l. augur m. -in1 Suffix der Motion (d.h. zur Bildung femininer No’der Augur, Vogeldeuter’. Die Auguren waren angemina aus maskulinen oder aus allgemeinen Artbesehene Priester, die aus dem Flug und dem Verhalten zeichnungen) std. (–), mhd. -ı¯n, -inne, ahd. -in, -inna. von Vögeln die Zukunft deuteten. Bei wichtigen AnVgl. ae. -en. Zugrunde liegen movierende i-Suffixe (ı¯/ lässen (z.B. Einweihung eines Tempels) wurde zuerst jo¯, -i-, -jo¯), die im Germanischen zusammengefasst ein solches augurium eingeholt. Später vor allem im und an verschiedene Ablautstufen von n-Stämmen Bildungswesen übernommen, vgl. etwa Inauguraldisgefügt werden. sertation. Wortbildung 2 (1975), 109–111, 117.

-in2 Suffix zur Bezeichnung chemischer Stoffe (z.B.

ÞHeroin) erw. fach. (–). Wird in neoklassischen Bildungen verwendet. -in3 Kompositionsglied (z.B. in sit-in) erw. grupp. (–).

Steht in englisch-amerikanischen und amerikanisierenden Bildungen vom Typ ÞSit-in, die im Deutschen vielfach nachgeahmt wurden. Preuss, F. Die neueren Sprachen 11 (1962), 327–329; Bald, W.-D. Lebende Sprachen 13 (1968), 65–68; Harder, K. B. ASp 43 (1968), 149–160; Tschirch, F. ZDS 26 (1970), 37–41; Ues-

Ebenso nndl. inauguratie, ne. inauguration, nfrz. inauguration, nschw. inaugurera; ÞMalheur. – DF 1 (1913), 288; EWNl 2 (2005), 511.

Inbrunst Sf std. stil. (13. Jh.). Eigentlich ’innere Glut’,

zu in- ’innen’ und ÞBrunst als Abstraktum zu Þbrennen. Wenn die Bildung schon älter ist, kann auch die Vorsilbe ent- zugrunde liegen (vgl. entbrennen). EWNl 2 (2005), 513.

indem

442 indem Konj std. (15. Jh.), mhd. in dem. Entsprechend

ahd. innan thiu drückt aus, dass der folgende Satz zeitlich den vorausgehenden oder nachfolgenden Satz umfasst. Später univerbiert. Behaghel 3 (1928), 189–192.

indessen Adv std. (17. Jh.), mhd. inne(n) des, ahd. innan

thes. Der Genetiv des bezieht sich auf den zuvor genannten Satz. Die Erweiterung im Zuge der üblichen Erweiterung dieser Pronomina. Behaghel 3 (1928), 192–194.

Index Sm erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus l. index (in-

dicis) ’Register, Verzeichnis, Katalog’, zu l. indı¯cere ’ansagen, bekanntmachen’ (die Bedeutung unter Einfluss des Intensivums l. indica¯re ’anzeigen, bekanntmachen’), zu l. dı¯cere (dictum) ’sagen, sprechen’ und l. in-. Ebenso nndl. index, ne. index, nfrz. index, nschw. index, nnorw. indeks. Zu Entlehnungen aus dieser Sippe s. Þdiktieren. – DF 1 (1913), 288; EWNl 2 (2005), 516.

indifferent Adj ÞDifferenz, Þin-1.

Ebenso nndl. niet gedisponeerd, ne. indisposed, nfrz. indispose´, nschw. indisponerad, nnorw. indisponert; Þdisponieren. – DF 1 (1913), 289.

Individuum Sn std. (16. Jh.). Neubildung zu l. indı¯vi-

duum ’das Unteilbare’, zu l. dı¯videre ’teilen, trennen’ und l. in-. Das lateinische Wort selbst ist eine Lehnübersetzung zu gr. a´tomos m. ’das Unteilbare’ (ÞAtom). Zunächst in der Philosophie der Stoa Bezeichnung eines Existierenden, das nicht weiter zerteilt werden kann, ohne seine Eigenart zu verlieren; dann in Renaissance und Humanismus Bezeichnung eines menschlichen Einzelwesens; schließlich das Einzelwesen im Gegensatz zur Gesellschaft. Adjektiv: individuell mit dem Abstraktum Individualität. Weiterbildungen: Individualismus, Individualist. Ebenso nndl. individu, ne. individual, nfrz. individu, nschw. individ, nnorw. individ. Zu Entlehnungen aus der lateinischen Sippe s. Þdividieren. – DF 1 (1913), 289; Viguier, A. CL 13 (1968), 95–126; HWPh 4 (1976), 300–323; Viguier, A. DUSP 4 (1987), 111–143; LM 5 (1991), 406–411; EWNl 2 (2005), 517.

Indiz Sn erw. fach. (19. Jh.). In der Rechtssprache ent-

indigniert Adj per. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus frz.

lehnt aus l. indicium ’Anzeichen, Anzeige’. Dieses zu l. indigne´ ’entrüstet’, Partizip zu einem Verb frz. s’inindı¯cere ’anzeigen’ (ÞIndex). digner ’sich empören’ (zu diesem auch das AbstrakEbenso nndl. indicium, nfrz. indice, nschw. indicium, nnorw. indisium. tum Indignation). Die französische Sippe zu frz. indigne ’unwürdig’, dieses aus l. indignus, Verneinung zu indogermanisch Adj per. fach. (19. Jh.). Bezeichnung l. dignus ’würdig’. für die von Franz Bopp nachgewiesene Sprachfamilie. Ebenso ne. indignant, nfrz. indigne´, nschw. indignerad, nnorw. Die Bezeichnung stammt von Malte-Brun: Pre´cis de indignert; Þdekorieren. la ge´ographie universelle (Paris 1810) für die SprachIndigo Smn ’ein dunkelblauer Farbstoff’ per. fach. familie zwischen Germanisch und Indisch (weiter (14. Jh., Form 17. Jh.). Die frühere Form spmhd. inwestlich ist allerdings das Keltische, und weiter östdich ist entlehnt aus l. indicum, dieses aus gr. indiko´n, lich das Tocharische). eigentlich ’der indische (Farbstoff)’. Danach Indigo Ebenso nndl. Indogermaans, ne. Indo-Germanic, nfrz. indogermanique, nschw. indogermansk. – Siegert, H. WS (1941/42), im Anschluss an obit. indigo (aus der gleichen Quel73–99; Koerner, K. IF 86 (1981), 1–29; Shapiro, F. R. Histole). Ebenso nndl. indigo, ne. indigo, nfrz. indigo, nschw. indigo, nnorw. indigo, nisl. indı´go´-bla´r. – DF 1 (1913), 288; Lokotsch (1975), 72f.; LM 5 (1991), 405; EWNl 2 (2005), 517.

Indikation Sf ’Feststellung von Anzeichen für be-

stimmte medizinische Reaktionen’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus l. indica¯tio (-o¯nis) ’Anzeige (des Preises)’, zu l. indica¯re ’anzeigen, bekannt machen’, einem Intensivum zu l. indı¯cere ’ansagen, öffentlich bekanntmachen’, zu l. dı¯cere (dictum) ’sprechen, sagen’ und l. in-. Ebenso nndl. indicatie, ne. indication, nfrz. indication, nschw. indikation, nnorw. indikasjon; ÞIndex.

Indikativ Sm ’Modus der Aussage’ per. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus l. (modus) indica¯tı¯vus, zu l. indica¯re ’anzeigen, bekanntmachen’. Ebenso nndl. indicatief, ne. indicative, nfrz. indicatif, nschw. indikativ, nnorw. indikativ; ÞIndex, ÞIndikation. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 62.

indisponiert AdjPP ’unpässlich’ per. fremd. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. indispose´ mit Relatinisierung der Form. Vgl. die Abstrakta Indisponiertheit und Indisposition.

riographica Linguistica 8 (1981), 165–170.

induktiv Adj ’vom Einzelnen zum Allgemeinen ge-

hend’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus l. inductı¯vus ’zur Annahme geeignet, zur Voraussetzung geeignet’, zu l. indu¯cere ’hinführen’ (d. induzieren), zu l. du¯cere (ductum) ’führen’ und l. in-. Abstraktum: Induktion. Eine zweite Anwendung der lateinischen Sippe besteht in der Physik bei der magnetischen Induktion ’Einführung in Spannungsfelder’. Ebenso nndl. inductief, ne. induktive, nfrz. inductif, nschw. inducera, nnorw. indusere. Zu Entlehnungen aus der lateinischen Sippe s. Þproduzieren. – HWPh 4 (1976), 323–335; LM 5 (1991), 411; EWNl 2 (2005), 519.

Industrie Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. industrie,

eigentlich ’Fleiß, Geschäftigkeit’, dieses aus l. industria, einem Abstraktum zu l. industrius ’betriebsam’. Die Bedeutungsentwicklung im Anschluss an das Französische und später (’Gesamtheit der Produktionsstätten’) auch an das Englische (Adam Smith?). Adjektiv: industriell; Verb: industrialisieren. Ebenso nndl. industrie, ne. industry (auch: ’Fleiß’), nfrz. industrie, nschw. industri, nnorw. industri. Das lateinische Wort

443 wohl zu l. struere ’schichten, bereiten’ (Vorderglied unklar, vielleicht Þin-2); Þkonstruieren. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 180; Schirmer (1911), 87; DF 1 (1913), 290f.; Schröder, W. Lendemains 4 (1976), 45–61; HWPh 4 (1976), 338–343; GB 3 (1982), 237–304; EWNl 2 (2005), 519.

infam Adj erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ınfa¯mis

Influenza gentlich ’der nicht Festgelegte (d.h. bezüglich Person und Numerus nicht Spezifizierte)’, zu l. fı¯nı¯re ’begrenzen’ und l. in-, weiter zu l. fı¯nis ’Grenze’. Ebenso nndl. infinitief, ne. infinitive, nfrz. infinitif, nschw. infinitiv, nnorw. infinitiv; Þfinit, Þfein. – Schirmer (1912), 39; Leser, E. ZDW 15 (1914), 63.

’berüchtigt’ oder seinem Nachfolger frz. infaˆme, zu- infizieren Vsw erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ınficere nächst als Rechtsterminus ’ehrlos’, dann verallge(ı¯nfectum), eigentlich ’mit etwas anmachen, mit meinert. Das lateinische Wort ist eine Präfixableitung etwas (z.B. Gift) tränken’, zu l. facere ’machen’ und l. zu l. fa¯ma ’Ruf’ und bedeutet ’der keinen (guten) Ruf in-. hat’. Abstraktum: Infamie. Ebenso nndl. infecteren, ne. infect, nfrz. infecter, nschw. infekEbenso nndl. infaam, ne. infamous, nfrz. infaˆme, nschw. infam, nnorw. infam; Þfamos. – DF 1 (1913), 291.

Infanterie Sf erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus it. infan-

teria (sowie ebenfalls aus dem Italienischen entlehntem span. infanterı´a und frz. infanterie), einem Kollektivum zu it. infante m. ’Fußsoldat’, älter ’Edelknabe, Kind’, dieses aus l. ¯ınfa¯ns (-antis) m./f. ’ein kleines Kind, Knäblein’, eigentlich ’der (noch) nicht reden kann’, zu l. fa¯rı¯ ’sprechen, sagen’ und l. in-. Täterbezeichnung: Infanterist. Ebenso nndl. infanterie, ne. infantry, nfrz. infanterie, nschw. infanteri, nnorw. infanteri. Zur Sippe des lateinischen Grundworts s. Þfamos; Þinfantil. – Öhmann, E. NPhM 41 (1940), 37f.; Jones (1976), 381; LM 5 (1991), 412f. (zu Infant).

infantil Adj per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ınfa¯ntı¯lis

’kindlich’, zu l. ¯ınfa¯ns ’Kind’, eigentlich ’noch nicht redend’ zu l. fa¯rı¯ ’sprechen’. Ebenso nndl. infantiel, ne. infantile, nfrz. infantile, nschw. infantil, nnorw. infantil; Þfamos, Þin-1. – Cottez (1980), 204; EWNl 2 (2005), 520.

Infarkt Sm ’durch Unterbrechung der Blutzufuhr ver-

ursachtes Absterben eines Organ(teil)s’ erw. fach. (19. Jh.). Neoklassische Bildung aus l. ¯ınfarcı¯re ’hineinstopfen’, zu l. farcı¯re (far[c]-tum) ’stopfen’ und l. in-. Ebenso nndl. infarct, ne. infarct, nfrz. infarctus, nschw. infarkt, nnorw. infarkt; ÞFarce. – EWNl 2 (2005), 520.

Infektion Sf Þinfizieren. infernalisch Adj erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus l.

¯ınferna¯lis ’unterirdisch’, zu l. ¯ınfernus ’der untere, in der Unterwelt befindlich’, zu l. ¯ınfer ’der, die, das Untere’. Die Bedeutung ist bestimmt durch kirchen-l. infernus, it. inferno ’Hölle’. Ebenso nndl. infernaal, ne. infernal, nfrz. infernal, nschw. infernalisk, nnorw. infernalsk. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 393; EWNl 2 (2005), 521.

infiltrieren Vsw ’eindringen, einflößen’ per. fach.

tera, inficiera, nnorw. infisere. L. facere ist entlehnt worden in den Präfigierungen affizieren (ÞAffekt), infizieren Þdesinfizieren; die Imperativform in ÞFaksimile und ÞFaktotum; die Form der 3. Sg. in ÞFazit, ÞDefizit; über das Französische der Infinitiv in ÞAffäre; das PPP. in ÞFaktum (usw.), präfigiert in ÞEffekt (frz. effet), ÞKonfekt, Þperfekt, Perfekt, ÞPräfekt; in verschiedenen französischen Formen verbaut in ÞProfit, ÞDefätismus und ÞKonterfei, in italienischer Form in ÞKonfetti; ein Partizip des Präsens in französischer Form in Þsüffisant. Dann das Abstraktum in ÞAffekt, ÞDefekt; ein formal anderes in ÞKonfektion und ÞSatisfaktion; zu diesem über das Französische ÞFasson, über das Englische Fashion, woraus schließlich auch Þfesch; eine komplexere Form des Abstraktums in Faktur, ÞKontrafaktur, ÞManufaktur, und über das Englische ÞFeature; s. auch Þoffiziell; das Nomen Agentis in ÞFaktor; zu einer damit verwandten Lokal-Ableitung ÞRefektorium und ÞRemter; eine Nominalkomposition in ÞMalefiz; verschiedene Formen des Adjektivs der Möglichkeit in Þdiffizil und ÞFakultät; eine Ableitung aus der französischen Form des präfigierten Verbs in ÞKonfiserie. Zu einem Frequentativum gehört Þfaktitiv und über das Portugiesische ÞFetisch. Eine abgeleitete Kompositionsform des Verbs in identifizieren (ÞIdentität), Þmodifizieren, Þratifizieren nebst ihren Abstrakta, zu denen auch ÞGratifikation gehört, sowie das substantivierte Partizip ÞZertifikat, das partizipiale Adjektiv Þsignifikant und das Nomen Agentis ÞKalfakter; zum gleichen Wort über das Französische gehören auch ÞChauffeur und Þechauffieren. Zu einem verwandten Nomen Agentis ferner ÞPontifikat. Entferntere Verwandtschaft zu ÞFacette, ÞFassade. – DF 1 (1913), 291f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 393; EWNl 2 (2005), 520f.

Inflation Sf std. (19. Jh.). Amerikanische Entlehnung

von l. ¯ınfla¯tio (-o¯nis) ’das Anschwellen’, eigentlich ’das Sich-Aufblasen’, zu l. ¯ınfla¯re ’hineinblasen, aufblasen’, zu l. fla¯re ’blasen’ und l. in-. Das Wort bezeichnet zunächst das Vergrößern der Geldmenge; später als Folge davon die Geldentwertung. Adjektive: inflatorisch, inflationär. Ebenso nndl. inflatie, ne. inflation, nfrz. inflation, nschw. inflation, nnorw. inflasjon; Þsoufflieren. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 393; EWNl 2 (2005), 521.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. infiltrer, einer Ableitung Influenza Sf ’Grippe’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it. von frz. filtre ’Filter, Tuch zum Seihen’, dieses aus ml. influenza, eigentlich ’Einfluss (der Sterne)’, dieses aus filtrum. Abstraktum: Infiltration. ml. influentia ’Einfluss’, zu l. influere ’hineinfließen’, Ebenso nndl. infiltreren, ne. infiltrate, nfrz. infiltrer, nschw. zu l. fluere ’fließen’ und l. in –. Seit dem 15. Jh. bedeuinfiltrera, nnorw. infiltrere; ÞFilter. – Strauss u.a. (1989), tet das italienische Wort auch ’Epidemie, Anste179–181; EWNl 2 (2005), 521. ckung’ (weil deren Auftreten den Sternen zugeschrieInfinitiv Sm ’die unflektierte Zitierform des Verbs’ erw. ben wurde) und wird danach auf die Grippe spezifach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. (modus) ¯ınfı¯nı¯tı¯vus, eialisiert.

Informatik Ebenso nndl. influenza, ne. (in)flu(enza), nfrz. influenza, nschw. influensa, nisl. influ´ensa; ÞFluidum, Þfluktuieren, ÞFluor. – DF 1 (1913), 292; Rauch (1995), 137, 152.

444 H., Der Ingenieur (Köln 1961); Jones (1976), 381f.; LM 5 (1991), 417f.; HWPh 4 (1976), 360–363 (zu Ingenium); EWNl 2 (2005), 523.

Informatik Sf ’Wissenschaft von der elektronischen

Ingredienzien Spl ’Zutaten’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt Datenverarbeitung’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus aus dem Latein der Apotheker: ml. ingredientia ’was frz. informatique, ursprünglich eine Adjektiv-Bildung hinzukommt’ zu l. ingredı¯ ’eintreten, hinzukommen’. Ebenso nndl. ingredi¡nten, ne. ingredients, nfrz. ingre´dients, zu frz. informer ’informieren, unterrichten’ nschw. ingrediensen, nnorw. ingrediensen; ÞGrad. – DF 1 (1913), (Þinformieren). Durch den modernen, formalisierten 292f.; EWNl 2 (2005), 524. Informationsbegriff spielt die elektronische Datenverarbeitung im Bereich der Information eine zenIngrimm Sm erw. obs. (18. Jh.). Aus in- ’inner-’ und trale Rolle, die sich in diesem Terminus niederschlägt Grimm (Þgrimm) als ’innerer Zorn, unterdrückter (ne. computer science). Zorn’. Ebenso nndl. informatica, ne. information technology, nschw. informatik, nnorw. informatikk. – EWNl 2 (2005), 521.

informieren Vsw std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ınfo¯rma¯re,

eigentlich ’bilden, eine Gestalt geben’, zu l. fo¯rma¯re ’etwas gestalten, bilden’ und l. in-, zu l. fo¯rma ’Gestalt, Figur’. Abstraktum: Information; Nomen Agentis: Informator; Adjektiv: informativ. Ebenso nndl. informeren, ne. inform, nfrz. informer, nschw. informera, nnorw. informere. Zur lateinischen Sippe s. ÞForm. – HWPh 4 (1976), 356f.; Capurro, R.: Information (München 1978); EWNl 2 (2005), 521f.

infra- Präfix mit der Bedeutung ’unter, unterhalb’ (z.B.

infrarot, Infrastruktur) erw. fach. (–). Wird vornehmlich in neoklassischen Bildungen verwendet; sein Ursprung ist l. infra ’unterhalb’. Cottez (1980), 204f.

Infusion Sf ’Einträufelung von Flüssigkeiten’ per. fach.

Ingwer Sm erw. fach. (10. Jh.), mhd. ingwer, ingeber,

ahd. gingibero (u.ä.). Entlehnt aus afrz. gimgibre, dieses aus l. zingiber, gingiber n., dieses aus gr. ziggı´beris m./f., dieses wiederum (vermutlich über arab. zangˇabı¯l o.ä.) aus dem Mittelindischen, z.B. pa¯li sin˙giveran. Davon ist der zweite Bestandteil vera- ein dravidisches Wort für ’Wurzel’ (Ingwer wird aus einer Wurzel gewonnen), das Vorderglied ist in praktisch allen Sprachen Südostasiens in ähnlicher Lautform vorhanden, ohne dass sich eine bestimmte Sprache als Ausgangspunkt feststellen ließe. Die Deutungsmöglichkeit im Indischen (ai. ´srn˙ga-vera- ’Horn˙ wurzel’, wegen der gebogenen Form) beruht auf Sekundärmotivation. Ebenso nndl. gember, ne. ginger, nfrz. gingembre, nschw. ingefära, nnorw. ingef¢r. – Ross, A. S. C.: Ginger (Oxford 1952); Ross, A. S. C.: Etymology (London 1958), 146–148; Seebold (1981), 99–101; LM 5 (1991), 419; EWahd 4 (2009), 342–344; EWNl 2 (2005), 220.

(18. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ınfu¯sio (-o¯nis) ’das Hineingießen, das Einspritzen’, zu l. ¯ınfundere ’hineingieInhaber Sm std. stil. (14. Jh.), mhd. inhaber. Nomen ßen, hineinspritzen’, zu l. fundere ’gießen, fließen lasAgentis zu innehaben (Þinne, Þhaben). sen’ und l. in-. inhaftieren Vsw erw. fach. (18. Jh.). In der GerichtsEbenso nndl. infusie, ne. infusion, nfrz. infusion, nschw. infusprache zusammengebildet aus in ÞHaftnehmen und sion, nnorw. infusjon. ÞFondue. – EWNl 2 (2005), 522. mit fremder Endung versehen. -ing Suffix zur Bildung von Zugehörigkeitssubstantiven u.ä. erw. obs. (–), mhd. -inc, ahd. -ing. Eine erweiterte inhalieren Vsw erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus l. inha¯la¯re ’jmd. etwas zuhauchen, anhauchen’, zu l. Form ist Þ-ling. Entsprechend as. -ing, ae. -ing, ha¯la¯re ’ausduften, ausdünsten, hauchen, duften’ und anord. -ingr. Zugrunde liegt ein (ig.) -ko-Suffix, das l. in-. Die Bedeutungsveränderung wohl nach frz. inan vollstufige n-Stämme antrat. Die Ortsnamen auf haler, das als Gegenstück zu exhaler ’ausatmen’ auf-ingen (und bair. -ing < -i£–£) sind ursprünglich Dagefasst wurde. Abstraktum: Inhalation. tive des Plurals zu entsprechenden NamensableitunEbenso nndl. inhaleren, ne. inhale, nfrz. inhaler, nschw. inhagen: Machtlfing ’bei den Leuten des Machtolf’. Munske, H. H.: Das Suffix ’*-inga/unga’ in den germanischen Sprachen (Marburg 1964); EWNl 2 (2005), 522f.

Ingenieur Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus it. ingegnere

lera, nnorw. inhalere. S. Þanimieren. Das lateinische Wort ist wohl mit l. animus, anima ’Lebenshauch, Seele’ urverwandt. – EWNl 2 (2005), 525.

’Kriegsbaumeister’ und (später) aus frz. inge´nieur, zu Inhalt Sm std. (15. Jh.), mhd. innehalt. Abstraktum zu innehalten ’beinhalten, in sich schließen’, meist auf l. ingenium n. ’sinnreiche Erfindung, Scharfsinn’, Schriftwerke bezogen. Adjektiv: inhaltlich; Präfixabspäter auch ’Kriegsmaschine’, zu l. gignere ’hervorleitung: beinhalten. bringen’ und l. in-. In der Neuzeit zuerst übertragen EWNl 2 (2005), 526. auf Schiffsbaumeister u.a., dann verallgemeinert zu inhärent Adj ’innewohnend, anhaftend’ per. fach. ’Techniker (mit theoretischer Ausbildung)’ (in (19. Jh.). Entlehnt aus l. inhaere¯ns (-entis), dem PPräs. Frankreich im 17. Jh., in Deutschland im 18. Jh.). von l. inhaere¯re ’anhaften, an etwas kleben’, zu l. haeEbenso nndl. ingenieur, ne. engineer, nschw. ingenjör, nnorw. ingeniør; ÞGenus. – Schimank, H. Zeitschrift des Vereins re¯re ’hängen, stecken, kleben’ und l. in –. Abstraktum: deutscher Ingenieure 83 (1939), 325–331 und 1287; Schimank, Inhärenz.

innig

445 Ebenso nndl. inherent, ne. inherent, nfrz. inhe´rent. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þahnden 1; Þkohärent. – HWPh 4 (1976), 363–366; LM 5 (1991), 419f.; EWNl 2 (2005), 526.

Ebenso nndl. incognito, ne. incognito, nfrz. incognito, nschw. inkognito, nnorw. inkognito; Þrekognoszieren. – DF 1 (1913), 294f.; EWNl 2 (2005), 515.

Initialen Spl erw. fach. (18. Jh.). Substantiviert aus l. in- Inkubationszeit Sf ’Zeitraum zwischen Ansteckung

itia¯lis ’anfänglich’ (historisch gesehen ist das Wort aus Initialbuchstabe gekürzt); dieses zu l. initium ’Anfang’, zu l. inı¯re ’hineingehen, beginnen’. Ebenso nndl. initiaal, ne. initial, nfrz. initiale, nschw. initial, nnorw. initial; ÞExitus. – LM 5 (1991), 421–424; EWNl 2 (2005), 526f.

Initiative Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. initiative

und Ausbruch einer Infektionskrankheit’ per. fach. (19. Jh.). Übernahme von l. incuba¯tio (-o¯nis) ’das Brüten’, zu l. incuba¯re ’bebrüten, niederlegen’, zu l. cuba¯re ’liegen’ und l. in-. Ebenso nndl. incubatietijd, ne. incubation time, nfrz. pe´riode d’incubation, nschw. inkubationstid, nnorw. inkubasjonstid; ÞKonkubine. – EWNl 2 (2005), 515.

(le´gislative) ’Vorschlagsrecht (für Gesetze), Gesetzes- Inkunabeln Spl ’Erstlingsdrucke, Wiegendrucke’ per. initiative’, zu frz. initier ’einführen, den Anfang mafach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. incu¯na¯bula n. Pl. ’die chen, einweihen’, aus l. initia¯re, zu l. initium n. Windeln, die Wiege, die Kindheit, der Anfang’, zu l. cunae f. Pl. ’Wiege’. Als Inkunabeldrucke im Sinne ’Anfang, Eingang, Ursprung’, zu l. inı¯re ’hineingehen, anfangen’, zu l. ¯ıre ’gehen’ und l. in-. Zunächst von ’früheste Drucke’ Bezeichnung für die ersten entlehnt in politischen Zusammenhängen, in denen Druckerzeugnisse bis zum Jahre 1500. es um das Einbringen von Gesetzesentwürfen ging; Ebenso nndl. incunabel, ne. incunabulum, nfrz. incunable, danach allgemeinere Verwendung. nschw. inkunabel. – LM 5 (1991), 428f. Ebenso nndl. initiatief, ne. initiative, nschw. initiativ, nnorw. initiativ; ÞExitus. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 180–182; DF 1 (1913), 293; Strauss u.a. (1989), 630–632; EWNl 2 (2005), 527.

Injektion Sf ’Einspritzen von Flüssigkeiten’ erw. fach.

Inlay Sn ’eine Zahnfüllung’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt

aus ne. inlay, einer Ableitung von ne. inlay ’einlegen, einpassen’, zu ne. lay ’legen’ und ne. in. Ebenso nfrz. inlay; Þlegen. – Rey-Debove/Gagnon (1988),

(19. Jh.). Entlehnt aus l. iniectio (-o¯nis) ’das Einsprit427. zen’, eigentlich ’das Hineinwerfen’, zu l. inicere Inlett Sn ’dicht gewebter Baumwollstoff für Federbet’einflößen, hineinwerfen’ (entlehnt als injizieren), zu l. ten’ per. fach. (16. Jh.). Ursprünglich niederdeutsches iacere ’werfen, ausstreuen’ und l. in-. Wort, eigentlich ¯ınla¯t ’das Eingelassene’ (zu Þein 2 Ebenso nndl. injectie, ne. injection, nfrz. injection, nschw. inund Þlassen). Mit dem norddeutschen Leinenhandel jektion, nnorw. injeksjon; Þprojizieren. – EWNl 2 (2005), 527. verbreitet. Injurie Sf ’Beleidigung’ per. fremd. (16. Jh.). Entlehnt Kretschmer (1969), 240f. aus l. iniu¯ria (auch: ’Ungerechtigkeit, Gewalttätiginmitten Präp std. (8. Jh.), mhd. in mitten, ahd. in mitkeit’), zu l. iniu¯rius ’ungerecht’, zu l. iu¯s (iu¯ris) n. ten + Dativ. Wobei Þmitten eigentlich attributives ’Satzung, Verordnung, Recht’ und l. in-. Adjektiv ist. Neuhochdeutsch wird die Wendung umEbenso ne. injury, nfrz. injure, nschw. injurie, nnorw. injurie; ÞJura. – DF 1 (1913), 293.

Inkarnation Sf ’Verkörperung, Fleischwerdung,

Menschwerdung’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. incarna¯tio (-o¯nis), einer Ableitung von kirchen-l. incarna¯re ’zu Fleisch werden’, zu l. caro (carnis) ’Fleisch’ und l. in –.

gedeutet zu ’in der Mitte von’ und demgemäß mit Genetiv konstruiert. Behaghel 2 (1924), 32; EWNl 2 (2005), 529.

inne Adv erw. obs. (8. Jh.), mhd. inne, ahd. inna, as.

¯ Adv. ’innerhalb, ininna ’inwendig’. Aus g. *inn¢ wendig, innen’, auch in gt. innana. Adverbialbildung zu Þin.

Ebenso nndl. incarnatie, ne. incarnation, nfrz. incarnation, nschw. inkarnation, nnorw. inkarnasjon; ÞKarner, ÞKarneval. innen Adv std. (8. Jh.), mhd. innen, ahd. innan(a). Aus – HWPh 4 (1976), 368–382; LM 5 (1991), 425f. g. *innan¢ ¯ Adv. ’innen’ (mit einzelsprachlichen Um-

inklusiv Präp erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. in-

formungen), auch in gt. innana. Adverbialbildung zu Þin.

clusivus, zu l. inclu¯dere (inclu¯sum) ’einschließen’, zu l. claudere ’schließen, versperren’ und l. in-. Abstrakinner Adj std. (8. Jh.), mhd. inner, ahd. innaro, inner. tum: Inklusion. Adjektivbildung zu Þin.

Ebenso nndl. inclusief, ne. including, inclusive of, nfrz. inclusi- innerhalb Adv std. (11. Jh.), mhd. innerhalp, ahd. (mit vement, nschw. inklusive, nnorw. inklusiv(e); ÞKlausur. – DF 1 Flexion) inneru¯nhalp, ininhalb, innanhalb Präp. Ei(1913), 294; LM 5 (1991), 426f. (zu Inklusen); HWPh 4 (1976), gentlich ’auf der inneren Seite’ zu ahd. halba ’Seite’ (s. 383f. (zu Inklusion); Schmidt (1996), 72f.; EWNl 2 (2005), 514f.

inkognito Adv ’unter anderem Namen, uner-

unter Þhalb).

kannt’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus it. incognito, innig Adj std. stil. (11. Jh.), mhd. innec, innic, ahd. in-

dieses aus l. inco¯gnitus ’unbekannt, nicht erkannt’, zu l. co¯gno¯scere (co¯gnitum) ’erkennen, wahrnehmen, bemerken’ und l. in-, zu l. no¯scere ’kennenlernen’.

niglı¯h ’innerlich’, mndl. innich. Adjektiv-Ableitung zu den Adverbialbildungen von Þin. Abstraktum: Innigkeit.

Innovation Paul, H. ZDW 10 (1908/09), 126; Fleischhauer, W. MDU 37 (1945), 40–52; 40 (1948), 89–100; EWNl 2 (2005), 529f.

Innovation Sf ’Neuheit’ per. fremd. (19. Jh.). Entlehnt

aus l. innovatio ’Erneuerung, Veränderung’, Abstraktum zu l. innova¯re ’erneuern’, zu l. novus ’neu’. Der neuere Gebrauch unter englischem Einfluss. Ebenso nndl. innovatie, ne. innovation, nfrz. innovation, nschw. innovation, nnorw. innovasjon; ÞNovum, Þneu. – Strauss u.a. (1989), 636–639; Carstensen 2 (1994), 703; EWNl 2 (2005), 530.

Innung Sf erw. fach. (14. Jh.), mhd. innunge, mndd. in-

ni(n)ge, innic. Verbalabstraktum zu ahd. inno¯n ’in einen Verband aufnehmen, verbinden’. Dieses zu Þinne und weiter zu Þin. Obst (1983), 168–178; Röhrich 2 (1992), 779f.

Input Smn ’Eingabe’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus

ne. input, einer Ableitung von ne. put ’setzen, stellen, legen’ und ne. in-. Ebenso nndl. input, nfrz. input, nschw. input, nnorw. input. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 429; Carstensen 2 (1994), 703; EWNl 2 (2005), 530.

Inquisition Sf ’(gerichtliche) Untersuchung, besonders

446 inserieren Vsw erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ınse-

rere ’hineinfügen, hineinbringen’, zu l. serere (sertum) ’fügen, reihen’ und l. in-. Zunächst das Hinzufügen eines Textstücks zu einem größeren Text; seit Ende des 18. Jhs. mit Aufkommen des Anzeigenwesens für das Einfügen von Anzeigen in einen Zeitungstext gebraucht. Konkretum: Inserat; Nomen Agentis: Inserent. Ebenso ne. insert, nfrz. inse´rer, faire inse´rer, nschw. inserera. Ableitungen aus l. serere in ÞSermon, ÞSerie; zu einer Intensivbildung gehören Þdesertieren und ÞDissertation; zu o -stufigen Ableitungen ÞSorte, ÞKonsorten, ÞKonsortium und ÞRessort. – Schirmer (1911), 88; DF 1 (1913), 295f.

Insider Sm ’Eingeweihter’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt

aus ne. insider, einer Ableitung von ne. inside ’innen, innerhalb’, zu ne. side ’Seite’ und ne. in-. Ebenso nndl. insider, ne. insider, nschw. (Adj.) inside (’Insider-’), nnorw. insider. Zur deutschen Verwandtschaft s. ÞSeite. – Carstensen 2 (1994), 704–706; EWNl 2 (2005), 531.

Insiegel Sn ’Abdruck einer Fährte’ per. fach. (10. Jh.),

mhd. insigil(e), ahd. insigil(i) ’Siegelabdruck’. Eigentlich ’das ein Siegel enthält’.

Ebenso nschw. insegel, nisl. innsigli. – LM 5 (1991), 449. der katholischen Kirche’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. inquı¯sı¯tio (-o¯nis), einer Ableitung von l. inquı¯- Insignien Spl ’Kennzeichen von Würde und rere (inquı¯sı¯tum) ’suchen, erkunden’, zu l. quaerere Macht’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ınsı¯gnia f. ’Abzeichen’, einer Ableitung von l. ¯ınsı¯gnis ’durch ein (quaesı¯tum) ’suchen’ und l. in-. Seit dem 13. Jh. ist das Wort in lateinischen Texten für die Untersuchungen Abzeichen von anderen zu unterscheiden’, zu l. sı¯der Rechtgläubigkeit durch die katholische Kirche gnum n. ’Zeichen, Abzeichen’ und l. in-, zu l. seca¯re belegt. Nomen Agentis: Inquisitor. ’schneiden’. Ebenso nndl. inquisitie, ne. Inquisition, nfrz. Inquisition, nschw. inkvisition, nnorw. inkvisisjon; Þrequirieren.

Insasse Sm erw. obs. (14. Jh.), mhd. ins¢ze, ¯ıns¢ze

’Einsitzender’. Zu Þin und Þsitzen über ein dehnstufiges Verbalabstraktum. Ähnliche Bildungen sind ÞBeisasse und Hintersasse. Aus entsprechendem mndd. inse¯te kommt ndd. Inste m. ’Häusler’. S. auch ÞKossat, ÞSass, ÞTruchsess.

Insekt Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ınsecta Pl., dem

Ebenso nndl. rijksinsigni¡n, ne. insignia, nfrz. insignes, nschw. insignier, nnorw. insignier; Þsezieren. – LM 5 (1992), 449f.; EWNl 2 (2005), 531f.

insolent Adj ’unverschämt’ per. fremd. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus l. ¯ınsole¯ns (-entis), eigentlich: ’ungewöhnlich’, zu l. sole¯re ’pflegen, gewohnt sein’ und l. in-. Abstraktum: Insolenz. Ebenso nndl. insolent, ne. insolent, nfrz. insolent, ndn. insolent. – DF 1 (1913), 296; Jones, W. J. SN 51 (1979), 263.

Inspektion Sf Þinspizieren. substantivierten PPP. von l. ¯ınseca¯re (ı¯nsectum) ’einschneiden, zerschneiden’, zu l. seca¯re ’schneiden, Inspiration Sf ’schöpferischer Einfall’ erw. fremd. zerschneiden’ und l. in-. Das l. Substantiv (zuerst bei (17. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ınspı¯ra¯tio (-o¯nis), eigentlich Plinius) ist eine Lehnübersetzung zu gr. ´entomon, zu ’Einhauchen, Einatmen’, einem Abstraktum zu l. gr. ente´mnein ’einschneiden’ (zuerst bei Aristoteles). ¯ınspı¯ra¯re ’einflößen, hineinblasen’, zu l. spı¯ra¯re Die Tiere werden nach der Segmentierung des Kör’blasen, wehen, hauchen’ und l. in-. Verb: inspirieren. pers als die ’Eingeschnittenen’ bezeichnet. Ebenso nndl. inspiratie, ne. inspiration, nfrz. inspiration, Ebenso nndl. insekt, ne. insect, nfrz. insecte, nschw. insekt, nnorw. insekt; Þsezieren.Ersatzwort ist ÞKerbtier; daneben auch ÞZiefer vorgeschlagen. – LM 5 (1991), 447–449; Wissmann (1963–68), 1–14; EWNl 2 (2005), 531.

Insel Sf std. (9. Jh., Form 13. Jh.), mhd. insel(e) neben

älterem i(n)sule, ahd. isila. Entlehnt aus l. insula gleicher Bedeutung (Herkunft umstritten). Auf älterer Entlehnung über romanische Zwischenstufen beruht das noch in Namen erhaltene Isel. Ebenso ne. isle, nfrz. ˆıle; Þisolieren. – Gobber, G. (1995), 128–130.

nschw. inspiration, nnorw. inspirasjon; Þkonspirieren. – DF 1 (1913), 297; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 394; HWPh 4 (1976), 401–407; LM 5 (1991), 450; EWNl 2 (2005), 532.

inspizieren Vsw erw. stil. (18. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ın-

spicere (ı¯nspectum), zu l. specere ’sehen’ und l. in-. Abstraktum: Inspektion; Nomen Agentis: Inspektor. Ebenso nndl. inspecteren, ne. inspect, nfrz. inspecter, nschw. inspektera, nnorw. inspisere. Zum PPP. der Präfigierungen des lateinischen Verbs gehören Þsuspekt und die Weiterbildung ÞPerspektive; zu den Abstrakta ÞAspekt, ÞProspekt und ÞRespekt; zu einer Kompositionsableitung ÞFrontispiz, zu

447 einer anderen ÞAuspizien; zu nominalen Ableitungen ÞSpektrum, Þspekulieren und das Lehnwort ÞSpiegel. Zu einem Frequentativum gehören das Adjektiv Þdespektierlich, das Adverb Þrespektive und das Konkretum ÞSpektakel. Entfernter verwandt ist speziell. Zu den germanischen Entsprechungen s. Þspähen, zu den griechischen ÞSkepsis. – DF 1 (1913), 297; EWNl 2 (2005), 532.

installieren Vsw erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus ml.

intelligent instruieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ınstruere,

eigentlich ’hineinfügen, herrichten, ausrüsten’, zu l. struere ’schichten, errichten’ und l. in-. Näher an der Ausgangsbedeutung bleibt die Sippe von ÞInstrument. Abstraktum: Instruktion; Nomen Agentis: Instrukteur; Adjektiv: instruktiv. Ebenso nndl. instrueren, ne. instruct, nfrz. instruire, nschw. instruera, nnorw. instruere. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þkonstruieren. – DF 1 (1913), 298; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 394; EWNl 2 (2005), 534.

installare ’in ein Amt einsetzen’, zu ml. stallus ’Stuhl’ (Zeichen der Amtswürde, vgl. Lehrstuhl). Dieses eine Latinisierung von d. ÞStall. Abstraktum: Installation; Instrument Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ınstru¯menNomen Agentis: Installateur. tum ’Gerät, Urkunde’, Konkretum zu l. ¯ınstru¯ere Ebenso nndl. installeren, ne. insta(l), nfrz. installer, nschw. in’herrichten, ausrüsten’, mit übertragener Bedeutung stallera, nnorw. installere. – DF 1 (1913), 297f.; EWNl 2 (2005), ’unterrichten’ (Þinstruieren). Adjektiv: instrumental; 532f. Kollektivum: Instrumentarium. inständig Adj std. (11. Jh.). Schon althochdeutsch als Ebenso nndl. instrument, ne instrument, nfrz. instrument, instendigo Adv. einmal bezeugt, dann erst wieder im nschw. instrument, nnorw. instrument. – DF 1 (1913), 298f.; 16. Jh., nun als Wiedergabe (Lehnübersetzung) von l. EWNl 2 (2005), 534. instanter ’eindringlich’. Das Wort gehört zu älterem intakt Adj std. (19. Jh.). Entlehnt aus l. inta¯ctus oder frz. instand m. ’Fortdauer, Bestand’. intact ’unberührt, unverletzt, unversehrt’, im FranInstant- Präfixoid ’sofort gebrauchsfähig’ erw. fach. (–). zösischen auch ’einwandfrei’; im Deutschen umgeBildungen der Werbesprache nach dem Vorbild von deutet als ’im Takt, in Ordnung’ (deshalb auch z.B. ne. instant coffee ’sofort löslicher, sofort gebrauchsvon einem Motor gesagt). fähiger Kaffee’. Ne. instant stammt über mfrz. instant Ebenso nndl. intact, ne. intact, nfrz. intact, nschw. intakt, aus l. ¯ınsta¯ns ’nahe bevorstehend’, Partizip Präsens zu nnorw. intakt. Das lateinische Wort zu l. tangere ’berühren’ l. ¯ınstare ’bevorstehen’. (ÞTangente). – DF 1 (1913), 300; EWNl 2 (2005), 534f. EWNl 2 (2005), 533.

Instanz Sf erw. fach. (14. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ınstantia,

Intarsie Sf ’Einlegearbeit’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt

aus it. intarsio m., dieses aus arab. tars¯ı ’das Einfügen ˙ eigentlich ’Drängen, dringendes Bitten’, einer Ableivon Pretiosen’. tung von l. ¯ınsta¯re ’nahe bevorstehen’, zu l. sta¯re Ebenso nndl. intarsia, ne. intarsia, nschw. intarsia. – LM 5 ’stehen, sich aufhalten’ und l. in-. Im Deutschen zu(1991), 456f. nächst die ’beharrliche Verfolgung einer Sache’, dann integer Adj Þintegrieren. übertragen auf die (Dienst-)Stelle, die gewisse Sachen integrieren Vsw erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. inverfolgt, d.h. bearbeitet − der Bedeutungsübergang tegra¯re (integra¯tum) ’wiederherstellen, ergänzen’, zu ist aber im einzelnen klärungsbedürftig. l. integer ’unversehrt, unberührt, unbefangen, unbeEbenso nndl. instantie, ne. instance, nfrz. instance, nschw. instans, nnorw. instans. Zur lateinischen Sippe s. ÞDistanz. – scholten’, das zu l. tangere (ta¯ctum) ’berühren’ gebilHWPh 4 (1976), 407f. det ist. Abstraktum: Integration. Ebenso nndl. integreren, ne. integrate, nfrz. inte´grer, nschw. Inste Sm ÞInsasse. Instinkt Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus ml. instinctus

(naturae) ’Naturtrieb’, zu l. ¯ınstinguere (ı¯nstı¯nctum) ’antreiben, anstacheln’, zu l. *stinguere ’stechen’ und l. in-. Adjektiv: instinktiv. Ebenso nndl. instinct, ne. instinst, nfrz. instinct, nschw. instinkt, nnorw. instinkt. Zur deutschen Verwandtschaft s. Þstechen; ÞDistinktion, Þstimulieren. – DF 1 (1913), 298; HWPh 4 (1976), 408–417; EWNl 2 (2005), 534.

Institut Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ınstitu¯tum

’Einrichtung’, dem substantivierten PPP. von l. ¯ınstituere (ı¯nstitu¯tum) ’hinstellen, aufstellen, einrichten, regeln’, zu l. statuere ’stellen, errichten’ und l. in-. Abstraktum: Institution. Ebenso nndl. instituut, ne. institute, nfrz. institut, nschw. institut, nnorw. institutt. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞStatut und weiter ÞDistanz; zur deutschen s. Þstehen. – DF 1 (1913), 298; HWPh 4 (1976), 418–424 (zu Institution); EWNl 2 (2005), 534.

integrera, nnorw. integrere; ÞTangente. – Schirmer (1912), 35; DF 1 (1913), 300; HWPh 4 (1976), 428–431 (zu Integration); EWNl 2 (2005), 536.

Intellekt Sm erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus l. intel-

le¯ctus ’Erkenntnisvermögen’, Abstraktum von l. intellegere ’verstehen’, aus l. legere ’zusammennehmen, aussuchen’ und l. inter-. Adjektiv: intellektuell (häufig substantiviert). Ebenso nndl. intellect, ne. intellect, nfrz. intellect, nschw. intellekt, nnorw. intellekt; Þintelligent. – DF 1 (1913), 300; Idt, G. CL 15 (1969), 35–46; Field, T. TLL 14 (1976), 159–167; Bering, D.: Die Intellektuellen (Stuttgart 1978); HWPh 4 (1976), 435–438, 444f.; Strauss u.a. (1989), 181–187; EWNl 2 (2005), 536.

intelligent Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. intellege¯ns

(-entis), dem PPräs. von l. intellegere (intelle¯ctum) ’verstehen, wahrnehmen, erkennen’, zu l. legere ’zusammennehmen, ins Auge fallen, aussuchen’ und

Intendant l. inter-. Das lateinische Wort zu gr. ale´gein ’auf etwas achten, sich um etwas kümmern’. Abstraktum: Intelligenz. Ebenso nndl. intelligent, ne. intelligent, nfrz. intelligent, nschw. intelligent, nnorw. intelligent; ÞIntellekt, ÞNeglige´, ÞReligion. – DF 1 (1913), 300f.; Schulte, R. Schlüsselwörter (München 1964), 2, 18–49; Müller, O. W.: Intelligencija (Frankfurt 1971); Im, H.-J.: Die Entwicklung eines europäischen Schlüsselwortes. Intelligenz (Diss. Bonn 1975); Jones (1976), 383f.; HWPh 4 (1976), 445–461; EWNl 2 (2005), 536f.

Intendant Sm per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. in-

448

Gebrauch (quod interest) ist vor allem ein Rechtsterminus für ’worum es geht, was von Wichtigkeit ist’ und spielt beim Schadenersatzrecht u.ä. eine Rolle. Für diesen Gebrauch wird erwogen, ob er nicht aus quod in re est ’was in der Sache liegt’ entstanden (der Anschluss an inter also sekundär) ist. Die rechtliche Bedeutung hat sich vor allem in frz. inte´reˆt gehalten und hat von dort aus die Bedeutungen der Nachbarsprachen, auch des Deutschen, beeinflusst. Adjektiv interessant und das Verb interessieren. Ebenso nndl. (alt.) interest, ne. interest, nschw. intresse, nnorw.

tendant ’Verwaltungsleiter’; dieses ist dekomponiert interesse. S. ÞEssenz zur lateinischen Sippe. – DF 1 (1913), aus älterem superintendant, aus ml. superintendens, 301–303; Honsell, H. Juristische Schulung 13 (1973), 69–75; aus l. super und l. intendere ’seine Aufmerksamkeit Jones (1976), 384–386; HWPh 4 (1976), 478–494; Sucharowski, W. PL 20 (1979), 3–36; Sucharowski, W. SW 4 (1979), auf etwas lenken’. Im Deutschen wird diese Bezeich370–410; GB 3 (1982), 305–365; EWNl 2 (2005), 539. nung auf das Theater beschränkt, während die unmittelbare Entlehnung aus dem Lateinischen Interieur Sn ’das Innere, die Innenausstattung’ per. (Superintendent) vorwiegend ein kirchlicher Titel ist. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. inte´rieur m., dieses Ebenso nndl. intendant, ne. intendant, nschw. intendant, aus l. interior m., einer Substantivierung der Komnnorw. intendant; ÞIntention, ÞTendenz. – EWNl 2 (2005), 537. parativform von l. inter ’innen, zwischen’. intensiv Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. intensif und Ebenso nndl. interieur, ne. interior, nschw. interiör, nnorw. interiør. – DF 1 (1913), 303; EWNl 2 (2005), 540. relatinisiert. Das französische Wort aus frz. intense ’heftig’, dieses aus l. inte¯nsus, Partizipialform zu l. in- Interim Sn ’Übergangslösung’ per. fach. (17. Jh.). Enttendere ’seine Aufmerksamkeit auf etwas richten’ lehnung und Substantivierung des Adverbs l. interim (von der Wurzelform tend-, die ursprünglich nur ’unterdessen, zwischenzeitlich’ (zu l. inter). Häufiger dem Präsens zukommt; das reguläre Partizip ist insind Komposita (Interims-Regierung usw.). Adjektiv: tentus). Abstraktum: Intensität; Verb: intensivieren. interimistisch. Ebenso nndl. intensief, ne. intensive, nschw. intensiv, nnorw. intensiv; ÞIntention, ÞTendenz. – DF 1 (1913), 301; EWNl 2 (2005), 537f.

Ebenso nndl. interim, ne. interim, nfrz. inte´rim, nschw. (Adj.) interimistisk, nnorw. interim. – DF 1 (1913), 303f.; EWNl 2 (2005), 540f.

Intention Sf ’Absicht, Bestreben’ per. fremd. (16. Jh.).

Interjektion Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. inte-

Entlehnt aus l. intentio (-o¯nis), einem Abstraktum zu l. intendere (intentum) ’hinwenden, anschicken, sein Streben auf etwas richten’, zu l. tendere (tentum, te¯nsum) ’spannen, sich anstrengen für, bestrebt sein’ und l. in-.

riectio, eigentlich ’das Dazwischenwerfen’, Abstraktum zu l. intericere, zu l. inter- und l. iacere ’werfen’. Zu dessen Sippe s. Þprojizieren. Ebenso nndl. interjectie, ne. interjection, nfrz. interjection, nschw. interjektion, nnorw. interjeksjon.

Ebenso nndl. intentie, ne. intention, nfrz. intention, nschw. inIntermezzo Sn ’Zwischenspiel’ erw. fach. (18. Jh.). Enttention, nnorw. intensjon. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. lehnt aus it. intermezzo m., das zurückgeht auf l. intene¯re s. ÞTenor 1 und ÞTendenz. – DF 1 (1913), 301; Weimann, termedius ’zwischen etwas befindlich, das Mittlere’, K.-H. DWEB 2 (1963), 394; Jones (1976), 384; HWPh 4 (1976), zu l. medius ’in der Mitte befindlich’ und l. inter-. 466–474; LM 5 (1991), 464–466.

inter- Präfix ’zwischen, in der Mitte von’ (z.B. inter-

Zunächst in die Bühnensprache übernommen als ’lustiges Zwischenspiel’; dann Verallgemeinerung.

kontinental, ÞInterregnum, ÞIntermezzo) erw. fach. Ebenso nndl. intermezzo, ne. intermezzo, nfrz. intermezzo, in(–). Das Präfix wurde in Entlehnungen aus den roterme`de, nschw. intermezzo, nnorw. intermesso. – DF 1 (1913), manischen Sprachen ins Deutsche übernommen; 304; EWNl 2 (2005), 541. sein Ursprung ist l. inter-; vgl. d. Þunter. In modernen Bildungen ist inter- gelegentlich aus international ge- intern Adj std. (19. Jh.). Entlehnt aus l. internus ’im Inneren befindlich, einheimisch’, zu l. inter ’innen, zwikürzt. schen’. Dazu die neoklassische Bildung Internat, die Wortbildung 3 (1978), 223; Cottez (1980), 205f.; Carstensen Täterbezeichnung Internist und das Verbum 2 (1994), 708f.; EWNl 2 (2005), 538; Nortmeyer, J.: Die Präfixe internieren, unter englischem Einfluss auch internaliinter- und trans-, Tübingen 2000; Wilss, W. MS 109 (1999), 124–135. sieren. Interesse Sn std. (13. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Entlehnt

Ebenso nndl. intern, ne. internal, nfrz. interne, nschw. intern,

nnorw. intern. – Carstensen 2 (1994), 710f.; EWNl 2 (2005), aus ml. interesse, Substantivierung des Infinitivs von l. 541f. interesse ’an etwas Anteil nehmen’, zu l. esse ’sein’ und Interpellation Sf per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. inl. inter-. Persönlich konstruiert bedeutet das Verb terpellatio ’Einspruch’, Abstraktum zu l. interpella¯re ’dazwischen sein, beteiligt sein’, der unpersönliche

introvertiert

449

’Einspruch erheben’, Intensivum zu l. pellere ’schlagen, treffen, stoßen’ und l. inter- ’zwischen’. Ebenso nndl. interpellatie, ne. interpellation, nfrz. interpellation, nschw. interpellation, nnorw. interpellasjon. Aus einer parallelen lateinischen Formation Þappellieren; vom Grundverb abgeleitet ist ÞImpuls und ÞPropeller. – EWNl 2 (2005), 542.

interpretieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. inter-

preta¯rı¯, einer Ableitung von l. interpres ’Erklärer, Vermittler’. Ebenso ndl. interpreteren, ne. interpret, nfrz. interpre´ter, nnorw. interpretere. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 394; HWPh 4 (1976), 514–517; EWNl 2 (2005), 542f.

Interpunktion Sf erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. in-

terpunctio zu l. punctum ’Punkt’, also ’Punkte dazwischen setzen’ nach dem üblichen antiken Trennungszeichen. Das Verb interpungere, eigentlich ’dazwischenstechen’ muss eine Rückbildung sein. Ebenso nndl. interpunctie, nschw. interpuntion, nnorw. interpunksjon.

Interregnum Sn per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. in-

Substantivierung eines französischen Partizips in ÞParvenü, eines französischen Infinitivs ÞSouvenir. Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞBasis, zur deutschen s. Þkommen. – DF 1 (1913), 305; EWNl 2 (2005), 543.

Interview Sn erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. inter-

view, dieses aus frz. entrevue m. ’Zusammenkunft’, einer postverbalen Ableitung von frz. entrevoir ’sehen, treffen’, zu frz. voir ’sehen’, aus l. vide¯re und l. inter-. Verb: interviewen. Ebenso nndl. interview, ne. interview, nfrz. interview, nschw. intervju, nnorw. intervju. Zur Sippe des Grundworts s. Þrevidieren. – DF 1 (1913), 305f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 437f.; Carstensen 2 (1994), 711–713; EWNl 2 (2005), 543.

intim Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. intimus ’der in-

nerste, vertrauteste, geheimste’ (als ’vertrauter Freund’ entlehnt in Intimus), der Superlativform von l. intra ’innen’. Abstraktum: Intimität. Ebenso nndl. intiem, ne. intimate, nfrz. intime, nschw. intim, nnorw. intim. – DF 1 (1913), 306; EWNl 2 (2005), 543f.

intra- Präfix ’innerhalb, einwärts’ (z.B. intrazellular, in-

tramuskulär) erw. fach. (–). Das Präfix wurde vor terre¯gnum ’(Zeit) zwischen den Regierungen’ zu l. allem in lateinischen Entlehnungen ins Deutsche re¯gnum ’Herrschaft, Regierung’ (zu dessen Sippe s. übernommen; sein Ursprung ist l. intra-, ursprüngÞregieren). So benannt ist die Zeit zwischen dem Tod lich ein Adverb. Im Fachwortschatz produktiv. des alten und der Wahl oder Krönung des neuen KöÞinter-. – Cottez (1980), 206f.; Latour, B. MS 99 (1980), nigs, die Zeit zwischen dem Abgang der alten Kon299–321; Wortbildung 3 (1978), 218f.; EWNl 2 (2005), 544. suln und dem Antritt der neuen; in Deutschland beIntrige Sf erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. intrisonders die kaiserlose Zeit im 13. Jh. gue, einer postverbalen Ableitung von frz. intriguer Ebenso nndl. interregnum, ne. interregnum, nfrz. interre`gne, ’Ränke schmieden, in Verlegenheit bringen’, dieses nschw. interregnum, nnorw. interregnum. aus it. intrigare ’verwirren, verwickeln’, aus l. intrı¯interrogativ Adj ’fragend’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt ca¯re, zu l. trı¯cae ’Possen, Unsinn’ und l. in-. Weiter zu aus l. interroga¯tı¯vus, eigentlich ’dazwischenfragend’, l. torque¯re ’drehen, verzerren’. Nomen Agentis: zu l. roga¯re ’fragen, fordern’ (s. auch Þarrogant und Intrigant; Adjektiv: intrigant; Verb: intrigieren. ÞSurrogat). Ebenso ne. interrogative, nfrz. interrogatif, nschw. interrogativ.

Intervall Sn ’Zwischenraum’ per. fach. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus l. interva¯llum, eigentlich ’Raum zwischen zwei Schanzpfählen’, zu l. va¯llus m. ’Pfahl’ und l. inter-. Zunächst übernommen in der Bedeutung ’Abstand zwischen zwei Tönen’; dann Verallgemeinerung.

Ebenso nndl. intrige, ne. intrigue, nfrz. intrigue, nschw. intrig, nnorw. intrige; ÞTortur. – DF 1 (1913), 306f.; Brunt (1983), 341, 342f.; Guilhaumou, J. DUSP 4 (1987), 145–165; EWNl 2 (2005), 544 f.

intrinsisch Adj ’aus eigenem Antrieb, von innen

her’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. intrinsic, dieses aus frz. intrinse`que, aus l. intrı¯nsecus Adv. ’inwendig, innerlich’.

Ebenso nndl. interval, ne. interval, nfrz. intervalle, nschw. inEbenso nndl. intrinsiek, ne. intrinsic, nfrz. intrinse`que, nnorw. tervall, nnorw. intervall; ÞWall. – DF 1 (1913), 305; Weimann, intrinsisk. K.-H. DWEB 2 (1963), 394; LM 5 (1991), 469f.; EWNl 2 (2005), introPräfix ’hinein, nach innen, innerlich’ (z.B. 543.

intervenieren Vsw erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz.

intervenir, dieses aus l. intervenı¯re ’dazwischenkommen’. Abstraktum: Intervention. Ebenso nndl. interveni¡ren, ne. intervene, nfrz. intervenir, nschw. intervenera, nnorw. intervenere. Zur Sippe des lateinischen Grundworts venı¯re ’kommen’ gehören als Verbalabstrakta ÞAdvent und ÞKonvent, von einer anderen Form ÞKonvention und ÞSubvention; auf ein Partizip des Futurs geht (über das Französische) ÞAbenteuer zurück; auf Partizipien des Präsens und zugehörige Abstrakta ÞKonvenienz und ÞProvenienz. Ein zum Verbalabstraktum gehöriges Adjektiv ist (über das Französische) Þeventuell, ähnlich, von anderen Formen, Þpräventiv; ein Kollektiv zum PPP. ist ÞInventar; die

Þintrovertiert, Introduktion) erw. fach. (–). Das Präfix wurde vornehmlich in lateinischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung ist l. intro-, ursprünglich ein Adverb. Im Fachwortschatz produktiv. Cottez (1980), 207.

introvertiert AdjPP ’nach innen gekehrt’ per. fach.

(20. Jh.). Terminus von C. G. Jung, im Gegensatz zu Þextravertiert, zu l. vertere ’wenden’ (zu diesem s. Þkonvertieren). Ebenso nndl. introvert, ne. introvert, nfrz. introverti, nschw. introvert, nnorw. introvert(ert). – HWPh 2 (1972), 879f.; EWNl 2 (2005), 545f.

Intuition Intuition Sf ’Gespür, Erkennen eines Sachverhalts

450 Ebenso nndl. incest, ne. incest, nfrz. inceste, nschw. incest,

nnorw. incest. – EWNl 2 (2005), 513. ohne bewusste Reflexion’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ml. intuitio (-onis) ’unmittelbare Anschauung’, inzwischen Konj std. (13. Jh.), mhd. da enzwischen. älter ’Erscheinen des Bildes auf der Oberfläche eines ’zwischen diesem’. Spiegels’, zu l. intue¯rı¯ ’genau hinsehen, anschauen’, Þzwischen. – Behaghel 3 (1928), 194f. einem Intensivum zu l. tue¯rı¯ ’schauen’ und l. in-. AdIon Sn (ein elektrisch geladenes Teilchen) per. fach. jektiv: intuitiv. (19. Jh.). Neubildung im Englischen (Faraday) zu gr. Ebenso nndl. intuı¨tie, ne. intuition, nfrz. intuition, nschw. inio´n ’wandernd’, dem neutralen PPräs. von gr. ie´nai tuition, nnorw. intuisjon. – HWPh 4 (1976), 524–540; LM 5 ’gehen, wandern’. Die so benannten Teilchen wan(1991), 472–474. dern bei der Elektrolyse zu den jeweils entgegengeintus Adv ’innen, einverleibt’ per. fremd. (17. Jh.). In der setzt geladenen Elektroden. Studentensprache übernommen aus l. intus ’innen’. Ebenso nndl. ion, ne. ion, nfrz. ion, nschw. jon, nisl. jo´n. – DF 1 (1913), 307; Röhrich 2 (1992), 780.

Invalide Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. invalide,

Gerlach (1962), 47f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 440.; EWNl 2 (2005), 549.

einer Ableitung von frz. invalide ’kraftlos’ (u.ä.), die- -ion Suffix zur Bildung von Verbalabstrakta std. (–). Ein ses aus l. invalidus, einer Gegensatzbildung zu l. vaursprüngliches Suffix dieser Form (z.B. in ÞReligion) lidus ’kräftig, stark’ und l. in-, zu l. vale¯re ’kräftig sein’ ist im Deutschen nicht zu isolieren − die Suffixform (zu diesem s. ÞValenz). Abstraktum: Invalidität; Adist bei durchsichtigen Bildungen (Verbalabstrakta) jektiv: invalid(e). immer (-a-/-i-) -tion mit einer vom Deutschen her Ebenso nndl. invalide, ne. invalid, nfrz. invalide, nschw. invaunklaren Variante -(s)sion. Allerdings ergibt sich eine lid, nnorw. invalid. – EWNl 2 (2005), 546. Suffixform -ion in einigen Fällen nach Unterdrückung des Adaptionssuffixes Þ-ieren beim GrundInvasion Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. invasion, dieverb, doch endet dieses Grundverb in fast allen Fällen ses aus spl. inva¯sio (-o¯nis), einer Ableitung von l. inauf Dental oder s und zeigt damit seine Besonderheit va¯dere ’eindringen, losgehen’, zu l. va¯dere ’schreiten, (exekutieren − Exekution, rezensieren − Rezension, anlosgehen’ und l. in-. ders: rebellieren − Rebellion). Schließlich ist bei einer Ebenso nndl. invasie, ne. invasion, nfrz. invasion, nschw. inkleinen Gruppe von Adjektiv-Abstrakta ein Suffix vasion, nnorw. invasjon; Þwaten. – Jones, W. J. SN 51 (1979), 263; EWNl 2 (2005), 546f. -ion isolierbar, doch endet auch bei diesen der Stamm auf Dental oder s (diskret − Diskretion, präzis(e) − Inventar Sn erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. invenPräzision). ta¯rium, einem Kollektivum zum PPP. inventum, von Þ-tion. – Wortbildung 2 (1975), 30 und 54f. l. invenı¯re ’finden, bekommen’, zu l. venı¯re ’kommen, zukommen’ (s. zu diesem Þintervenieren) irden Adj erw. obs. (11. Jh.), mhd. irdı¯n, ahd. irdı¯n, und l. in-. Also ’Gesamtheit des Gefundenen’. Verb: mndd. erden. Wie gt. airþeins Materialadjektiv zu inventarisieren. Die Bestandsaufnahme ist die ÞErde, also ’aus Erde’. Inventur, aus ml. inventura, Verbalabstraktum in der irdisch Adj std. (8. Jh.), mhd. irdisch, irdesch, ahd. irdisc. Form des Futurpartizips. Zugehörigkeitsadjektiv zu ÞErde; im Laufe der Zeit Ebenso nndl. inventaris, ne. inventory, nfrz. inventaire, nschw. inventarium, nnorw. inventar. – Schirmer (1911), 89; Jones, W. J. SN 51 (1979), 263f.; LM 5 (1991), 474f.; EWNl 2 (2005), 547.

Investition Sf erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus it. in-

auf den Gegensatz zu himmlisch festgelegt. irgend Ptkl std. (11. Jh.), mhd. iergen. Entsprechend

ahd. io (h)wergin; dieses ist zusammengerückt aus io (s. unter Þje) und *hwar-gen- ’wo auch immer, irgend’ in as. hwergin, ae. hwergen, anord. hvergi ’wer immer, jeder’. Dieses aus *hwar ’wo’ (s. unter Þwo) und einer Indefinitpartikel, die auch als gt. -hun und ai. cana´ auftritt, und deren genaue Lautform unsicher ist (ig. *k won-?). Nhd. -d ist sekundär angetreten.

vestire, zu l. investı¯re ’bekleiden, einsetzen’, zu l. vestı¯re ’kleiden’ und l. in-, zu l. vestis ’die Bekleidung, das Kleid’ (ÞWeste). Das Investieren war das Bild für die Amtseinsetzung (vgl. das Fachwort Investitur), bei dem Finanzterminus geht es um das Einsetzen von EWNl 1 (2003), 695. Geld in ein Geschäft. Verb: investieren; Nomen AgenIris Sf erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus gr. ˜ıris ’Regentis: Investor. bogen, Regenbogenhaut, Schwertlilie’. Die SchwertEbenso nndl. investering, ne. investment, nfrz. investissement, nschw. investering, nnorw. investering. – LM 5 (1991), 476f.; lilie ist wegen ihrer Farbenverschiedenheit schon bei EWNl 2 (2005), 547. den Griechen und Römern nach dem Regenbogen benannt, dann aus der Wissenschaftssprache in die Inzest Sm ’Blutschande’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt Volkssprache übernommen. ’Regenbogen’ heißt bei aus l. incestum n., einer Substantivierung von l. incesden Griechen auch ein Farbring, etwa bei den Augen tus ’unrein, sündhaft, blutschänderisch’, einer Geim Schwanz eines Pfaus. Danach der Teil des Auges in gensatzbildung zu l. castus ’rein, unschuldig, anständer Wissenschaftssprache. dig’ mit l. in-.

-ist

451 Ebenso nndl. iris, ne. iris, nfrz. iris, nschw. iris, nnorw. iris. – EWNl 2 (2005), 549f.

Irlitze Sf ÞElritze. Ironie Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. ¯ıro¯nı¯a, dieses aus

gr. eiro¯neı´a, zu gr. eı´ro¯n ’einer, der sich unwissend stellt’. Adjektiv: ironisch. Ebenso nndl. ironie, ne. irony, nfrz. ironie, nschw. ironi, nnorw. ironi. – DF 1 (1913), 308; Markantonatos, G. RFIC 103 (1975), 16–21; HWPh 4 (1976), 577–582; Röhrich 2 (1992), 780; EWNl 2 (2005), 550.

irre Adj std. (9. Jh., irron 8. Jh.), mhd. irre, ahd. irri. Aus

Ischias Smn std. (19. Jh.). In der medizinischen Fach-

sprache über l. ischias f. entlehnt aus gr. ischia´s (no´sos) f. ’Hüftschmerz’, zu gr. ischı´on n. ’Hüftgelenk’. Ebenso nndl. ischias, ne. sciatica, nfrz. sciatique, nschw. ischias, nnorw. isjias; ÞEisbein.

Isegrimm Sm ’Name des Wolfs im Tierepos’ per. grupp.

(12. Jh.). Das Wort wird als Männername (’Eisenhelm’ zu ÞEisen und ae. grı¯ma, anord. grı´ma f. ’Maske, Helm’) erklärt. Seit dem 18. Jh. auch übertragen auf mürrische und trotzige Menschen, wobei sicher der Anklang an grimmig eine Rolle gespielt hat.

g. *erzja- ’verirrt’, auch ’zornig’, auch in gt. airzeis, ae. Ebenso nndl. Iezegrim, ne. Isengrim, nfrz. Isengrin, Ysengrin. – irre, yrre. Die Bedeutung ’verirrt’ ist eindeutig anLM 5 (1991), 674f. (zu Isengrimus). schließbar an l. erra¯re ’irren’; die Bedeutung ’zornig, -ismus Suffix zur Bildung desubstantivischer und deadrasend’ lässt sich weiter verknüpfen mit der Sippe von jektivischer Substantive erw. fach. (–). Die wichtigsrasen: ai. irasya´ti ’zürnt’, lit. arsu`s ’heftig’ u.a. Mögliten Bedeutungen sind: (a) ’Lehrmeinung, System’ cherweise handelt es sich um zwei verschiedene Wör(z.B. Rationalismus, Kapitalismus, Marxismus), (b) ter, die sich unter der Bedeutung ’rasend’ attrahiert ’Gesamtheit’ (z.B. Organismus), (c) ’Krankheitsbehaben. Verb: irren; Abstrakta: Irrtum, Irre; Substantizeichnung’ (z.B. Mongolismus) und (d) ’Spracheivierung: Irrer; Modifikation: irrig. gentümlichkeit’ (z.B. Anglizismus, Provinzialismus). Röhrich 2 (1992), 780; Heidermanns (1993), 177f.; EWNl 1 In einigen Wörtern lautet die Form -asmus (z.B. Ple(2003), 158. onasmus) − so aber nicht produktiv. Das Suffix wurde irritieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. irrı¯ta¯re vornehmlich in romanischen Entlehnungen ins ’erregen, reizen, provozieren’, einem Intensivum zu l. Deutsche übernommen; sein Ursprung sind latinirı¯ta¯re ’aufregen’ und l. in-. Im Deutschen zunächst in sierte Formen von gr. -ismo´s und -asmo´s, die zu grieder ursprünglichen Bedeutung verwendet; ab dem chischen Verben auf -ı´zo¯ und -a´zo¯ gehören. 19. Jh. dann in Anlehnung an d. irren (Þirre) die EntWerner, J. ZPhSK 33 (1980), 488–496; Hahn, I. in Welskopf 4 wicklung der modernen Bedeutung. (1981), 52–99; Strauss u.a. (1989), 188–208; EWNl 2 (2005), 551f. Ebenso nndl. irriteren, ne. irritate, nfrz. irriter, nschw. irritera, nnorw. irritere; Þreizen. – DF 1 (1913), 308f.; Jones, W. J. SN 51 iso- Präfixoid ’gleich’ per. fach. (–). Aus gr. ´ısos ’gleich’. (1979), 264; Gusmani, R. IL 12 (1987/88), 173; EWNl 2 (2005), Produktiv in der Wissenschaftssprache (Isobar, Isotop 550.

Irrlicht Sn ’Flämmchen über dem Moorboden’ erw.

usw.).

Cottez (1980), 208f.; EWNl 2 (2005), 552.

fach. (17. Jh.). Wohl wegen der unruhigen Bewegung, als ’herumirrende Lichter’ bezeichnet (im Volksglau- isolieren Vsw std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. isoler, dieses aus it. isolare, einer Ableitung von it. isola ’Insel’, ben als tote Seelen vorgestellt). aus l. ¯ınsula. Wörtlich also ’zu einer Insel machen’. Irrwisch Sm ’unruhiger Mensch’ per. reg. (16. Jh.). Zu Abstraktum: Isolation. Wisch ’Fackel’ (eine spezielle Bedeutung des unter Ebenso nndl. isoleren, ne. isolate, nfrz. isoler, nschw. isolera, ÞWisch behandelten Wortes). nnorw. isolere. – DF 1 (1913), 309; EWNl 2 (2005), 553. -isch Suffix zur Bezeichnung der Herkunft (z.B. nor-

wegisch), auch andere Ableitungen, meist von Personenbezeichnungen (mörderisch), häufig pejorativ (weibisch gegenüber weiblich) std. (–), mhd. -isch / -esch, ahd. -isc, as. -isc. Auch ae. -isc, anord. -sk-, gt. -isk-, also g. *-isko-.

ist Vunr (Form von sein) std. (8. Jh.), mhd. ist, ahd. ist.

Aus g. *ist(i), älter *esti, auch in gt. ist, entsprechend anord. er, ae. is sind hochstufige Formen der Wurzel ig. *es- ’sein’, die unter Þsein 2 behandelt ist. Die Form ist gemein-indogermanisch. Eine entsprechende Form ist verbaut in Þbist und Þbin.

Schläfer, M.: Die Adjektive auf ’-isch’ in der deutschen GeSeebold (1970), 176–179. genwartssprache (Heidelberg 1977); Eichinger, L. M.: Syntak-ist Suffix zur Bildung von desubstantivischen Persotische Transposition und semantische Derivation (Tübingen nenbezeichnungen (z.B. Impressionist, Pianist) erw. 1982); Eichinger, L. M. Grazer linguistische Studien 21 (1984), 99–118; Eichinger, L. M. FS Brekle (1987), 155–176; Decke, A. fach. (–). Das Suffix wurde in griechischen, lateiniin Wellmann, H. (Hrsg.): Synchrone und diachrone Aspekte schen und französischen Entlehnungen ins Deutsche der Wortbildung (Heidelberg 1993), 105–112; Klein, Th. FS übernommen; sein Ursprung ist l. -ista aus gr. -iste¯s, Beck (1994), 381–410; Man´czak, W. FS Fisiak (1997), 863–871; letztlich einer Bildung auf gr. -te¯s zu Grundlagen auf EWNl 2 (2005), 550f.

-is-. Eine nicht aktive Variante ist -ast (Gymnasiast).

Ische Sf ’Mädchen’ per. grupp. (18. Jh.). Aus wjidd.

ische, das aus hebr. isˇˇsa¯(h) ’Weib, Gattin’ stammt. Seit dem 18. Jh. auch im Rotwelschen bezeugt.

Wortbildung 2 (1975), 383–386; Dressman ASp 60 (1985), 238–243; EWNl 2 (2005), 553.

-istik

452 -istik Suffix zur Bildung von Wissenschaftsbezeichnun- -itis Suffix zur Bezeichnung von Krankheiten (z.B.

gen u.ä. erw. fach. (–). Ursprünglich gebildet zu Bezeichnungen der Ausübenden dieser Wissenschaft, z.B. Linguistik ’Sprachwissenschaft’ zu ÞLinguist ’Sprachwissenschaftler’ zu l. lingua ’Sprache’ (eigentlich ’Zunge’). -ität Suffix Þ-tät. Iterativum Sn ’Wiederholung ausdrückendes

Verb’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus ml. (verbum) itera¯tı¯vum zu l. itera¯re ’wiederholen’ (zu l. iterum ’abermals’). Ebenso nndl. iteratief, ne. iterative, nfrz. verbe ite´ratif, nschw. iterativ.

Bronchitis) erw. fach. (–). Meist zu Körperteilnamen gebildet. Nortmeyer, I. in Deutsche Lehnwortbildung. Hrsg. G. Hoppe u.a. (Tübingen 1987), 331–408; EWNl 2 (2005), 554.

J ja Adv std. (9. Jh.), mhd. ja, ahd. ja, as. ja. Aus g. *ja

Das spanische Wort aus l. ¯ılia ’die Weichen’. – Lüschen (1979),

243f. Adv. ’ja’ (mit Möglichkeit der Dehnung des Vokals), auch in gt. ja, anord. ja´ (mit unregelmäßig erhaltejagen Vsw std. (8. Jh.), mhd. jagen, ahd. jago¯n, mndd. nem Anlaut), ae. gea, afr. je. Außergermanisch verjagen, mndl. jagen. Auch afr. jagia. Herkunft unklar. gleicht sich zunächst kymr. ie, bret. ya, die − eingeZu beachten ist lit. jo´ti ’reiten, austreiben’, das auf schränkter als im Germanischen − auch als Antworteine auch sonst (aber nicht in dieser Bedeutung) bepartikel verwendet werden. Ferner steht l. iam zeugte Erweiterung von ig. *ei- ’gehen’ zurückgeht ’schon’ u.a. Vermutlich ist von einem demonstrativen (ÞJahn). Vielleicht weiter zu vergleichen gr. dio¯ko¯ (< Pronominalstamm ig. *i- auszugehen; Näheres ist ig. *dis-jo¯k-?) ’treibe, jage’, also (ig.) *j¡-k- als Ausaber unklar. gangspunkt für das germanische Wort (?). AbstrakEbenso nndl. ja, ne. yea (und ne. yes durch Zusammenwachsen tum: Jagd; Nomen Agentis: Jäger. mit altem swa ’so’), nschw. ja, nisl. ja´. – Röhrich 2 (1992), 780; EWNl 2 (2005), 556.

Jacht Sf erw. fach. (16. Jh.). Als Jachtschiff oder Jage-

schiff übernommen aus dem Niederdeutschen. Bezeichnung für schnell fahrende Schiffe mit dem Wort Jagd (Þjagen) in niederländisch-niederdeutscher Lautform. Die Schreibung mit Y- beruht auf Anlehnung an das englische Wort (yacht), das aber seinerseits aus dem Niederländischen entlehnt ist. Carstensen 3 (1996), 1732; EWNl 2 (2005), 557f.

Jacke Sf std. (14. Jh.). Als jacca entlehnt aus frz. jaque

’kurzer, enger Männerrock’, älter jaque (de mailles) ’Panzerhemd, Kriegswams’. Im 19. Jh. ist auch die Verkleinerungsform frz. jaquette als Jackett entlehnt worden. Ebenso ne. jacket, nschw. jacka, nnorw. jakke, nisl. jakki. Die Herkunft des französischen Wortes ist umstritten. S. auch ÞJanker. – DEO (1982), 360f.; Röhrich 2 (1992), 780f.; Kiesler (1994), 197 (zu Jackett); EWNl 2 (2005), 558, 560.

Jackpot Sm ’Einsatz, der sich ständig vergrößert,

ÞJacht. – LM 5 (1991), 270; Röhrich 2 (1992), 781; RGA 16 (2000), 2–4; EWNl 2 (2005), 559.

Jägerlatein Sn std. (19. Jh.). Scherzhafte Bezeichnung

der für Laien unverständlichen Fachsprache der Jäger. Nachträglich auch verwendet für Aufschneidereien bei Jagderzählungen. Anspielung auf das für Laien unverständliche Latein als Fachsprache an den Universitäten und als liturgische Sprache in der Kirche. Ebenso nndl. jagerslatijn, ndn. j¢gerlatin. – Röhrich 2 (1992), 782.

Jaguar Sm (ein Raubtier) erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt

aus port. jaguar, dieses aus der südamerikanischen Indianersprache Tupı´ jagwa´r ’fleischfressendes Tier’. Ebenso nndl. jaguar, ne. jaguar, nfrz. jaguar, nschw. jaguar, nnorw. jaguar. – Littmann (1924), 144; Loewe, R. ZVS 60 (1933), 177–184; EWNl 2 (2005), 559.

jäh (regional auch gäh(e), sowie mit dem Lautstand des

alten Adverbs jach, gach) Adj erw. obs. (8. Jh.), mhd. g¢he, ga¯ch Adv., ahd. ga¯ho Adv., ga¯hi, as. ga¯hliko, ga¯hun Adv. Die regionale Aussprache mit j- wird durch Luther verbreitet. Herkunft unklar. Adverb: jählings.

Hauptgewinn’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. jackpot, zu ne. jack ’Bube (im Kartenspiel)’ und ne. pot ’Einsatz, Topf’ (im Lotto usw.). Die Bezeichnung stammt aus dem Pokerspiel (Draw Poker), in dem Heidermanns (1993), 231f. der Einsatz nur von demjenigen angegriffen werden Jahn Sm ’Grasschwade’ per. fach. (14. Jh.), spmhd. ja¯n konnte, der mindestens zwei Buben hatte. ’Reihe (von Reimen)’. Fachwort, das sonst im GerEbenso ne. jackpot, nfrz. jackpot, nndl. jackpot, nschw. jackpott, manischen nicht bezeugtes altes Wortgut bewahrt: g. nnorw. jackpot. – Carstensen 2 (1994), 717f.; EWNl 2 (2005), *j¢ ¯ na- m. ’Reihe’ ist eigentlich ’Gang’ wie ai. ya¯´ma558. ’Gang, Lauf, Bahn’; es handelt sich um eine no-AbJade Smf (ein blassgrüner Schmuckstein) per. fach. leitung zu ig. *ja¯- ’gehen’ in ai. ya¯´ti ’geht’, toch. A ya¯(19. Jh.). Entlehnt aus frz. jade m. (aus ejade mit fal’gehen, fahren’, lit. jo´ti ’reiten’ u.a. Der Vokalismus scher Ablösung nach dem Artikel), dieses aus span. stimmt zwar nicht überein, doch ergeben sich derar(piedra de la) ijada f. ’(Stein für die) Flanke’ (Jadetige Abweichungen auch sonst. steine wurden von den Eingeborenen Amerikas als Heilmittel gegen Nierenkoliken angesehen).

Vgl. noch Þjagen, ÞJahr.

Jahr

454 Jahr Sn std. (8. Jh.), mhd. ja¯r, ahd. ja¯r, as. ge¯r ja¯r. Aus g. Janhagel Sm per. arch. (17. Jh.). Jan Hagel erscheint im

*j¢ ¯ ra- n. ’Jahr’, auch in gt. jer, anord. a´r, ae. ge¯ar, afr. 17. Jh. im Niederländischen als Schelte von Kerlen, je¯r. Vergleichbar, aber mit o¯-Stufe, ist zunächst gr. die jeden Augenblick de hagel sla hem rufen. Dann ho¯´ra f. ’Jahreszeit, Jahr, Zeit, Blütezeit’ (später auch vorwiegend als Spottname hamburgischer Bootsleute gr. ho˜ros m. ’Jahr’) und mit mehrdeutigem Lautstand bezeugt. Im modernen Niederländischen ein Wort für ’Pöbel’. avest. ya¯r- ’Jahr’ (altindisch nur in ai. parya¯rı´n¯ı f. ’nach einem Jahr kalbend’), l. ho¯rnus ’heurig’˙(aus Gombert, A. ZDW 3 (1902), 310; Kluge (1911), 396; Röhrich 2 *ho-jo¯ri-no-, vgl. Þheuer). Es ist von der Bedeutung (1992), 784; EWNl 2 (2005), 563. ’Frühling’ auszugehen, mit Übergang zu der Bedeu- janken Vsw ’winseln, quietschen’ per. ndd. (17. Jh.). Aus tung ’Jahr’ durch die Zählung der Jahre nach den mndd. janken, mndl. janken, das wohl lautmalender Lenzen. Das germanische Wort weicht im Vokalismus Herkunft ist. ab. Man versucht, auf *je¯-/jo¯- ’gehen’ und eine BeEbenso nndl. janken. – EWNl 2 (2005), 563. deutung ’Gang’ zurückzugreifen (s. auch ÞJahn), doch ist dies sehr unsicher. Verb: (ver-)jähren; Adjek- Janker Sm ’kurzes Obergewand’ per. oobd. (16. Jh.). Zuerst als Jencker bezeugt; oberdeutsches Wort, auch tiv: jährlich. als (schwäb.) Jänke, älter jenggen. Herkunft unklar; Ebenso nndl. jaar, ne. year, nschw. a˚r, nisl. a´r; Þheuer, ÞUhr. – ein Zusammenhang mit ÞJacke ist denkbar, aber LM 5 (1991), 276f.; Röhrich 2 (1992), 782f.; Pfaff (1933), 34f. lautlich unaufgeklärt. (zu Jahrhundert); Erben, J. BGDSL 75 (1953), 312–314; EWNl 2 (2005), 556f.

Januar Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. (me¯nsis) Ia¯nu-

a¯rius, das man in der Regel mit dem Namen des altitalischen Gottes Ia¯nus in Beziehung setzt; allerdings das diese Bedeutung wohl als Lehnbedeutung von it. ist dieser Zusammenhang wie auch das zugrunde liegelosia übernommen hat. In der eigentlichen Bedeugende Benennungsmotiv nicht mit Sicherheit geklärt. tung ’Eifersucht’ ist es eine Ableitung von frz. jaloux Bereits in frühneuhochdeutscher Zeit war aus der ’eifersüchtig’, das zurückgeht auf l. ze¯lus m. ’Eifer’, spätlateinischen Variante Ienuarius die Form Jänner aus gr. ze˜los m. Der Bedeutungswandel scheint in Veübernommen worden, die heute noch landschaftlich nedig erfolgt zu sein, wo diese Art des Sichtschutzes gilt. aus dem Orient importiert wurde. Ein Zusammenhang mit den Eigenschaften der Sache (durch eine Ebenso nndl. januari, ne. January, nfrz. janvier, nschw. januari, nisl. janu´ar. – EWNl 2 (2005), 563f. Jalousie kann man hinaus-, aber nicht hineinblicken) ist denkbar, kann aber im einzelnen nicht nachgejappen Vsw per. ndd. (18. Jh.). Niederdeutsche Form wiesen werden. von Þgaffen, eigentlich ’den Mund aufsperren’, mit j Ebenso nndl. jaloezie, ne. jalousie, nfrz. jalousie, nschw. jalusi, für g und abweichender Bedeutungsentwicklung. nnorw. sjalusi. – DF 1 (1913), 309; Grzywacz, M. ARPh 42 Hierzu auch japsen gleicher Bedeutung.

Jalousie Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. jalousie,

(1937), 119–125; Jones (1976), 387; Brunt (1983), 345; EWNl 2 (2005), 561.

Jambus Sm (ein Versfuß, bei dem eine lange Silbe auf

eine kurze folgt) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. iambus, dieses aus gr. ´ıambos, unklarer Herkunft. Adjektiv: jambisch. Ebenso nndl. jambe, ne. iamb(us), iambic, nfrz. ¨ıambe, iambe, nschw. jamb, nnorw. jambe. – EWNl 2 (2005), 562.

Jammer Sm std. (9. Jh.), mhd. ja¯mer m./n., ahd. ja¯mar.

Jargon Sm erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. jargon

(eigentlich ’unverständliches Gerede’), dieses aus vor-rom. *gargone ’Gezwitscher, Geschwätz’. Ebenso nndl. jargon, ne. jargon, nfrz. jargon, nschw. jargong, nnorw. sjargong. – DF 1 (1913), 309f.; DEO (1982), 361; EWNl 2 (2005), 565.

Jasmin Sm erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus span. jaz-

mı´n, dieses aus arab. ya¯samı¯n, aus pers. ya¯saman. Ebenso nndl. jasmijn, ne. jasmine, jessamine, nfrz. jasmin,

Zu dem gleichlautenden Adjektiv ahd. ja¯mar, as. nschw. jasmin, nisl. jasmı´na. – Littmann (1924), 81, 86; Loja¯mar-, ae. ge¯omor ’traurig’. Man vermutet die Ableikotsch (1975), 75; Kiesler (1994), 332; Tazi (1998), 283f.; tung von einem Schmerzenslaut hinter dieser BilEWNl 2 (2005), 566. dung. Vgl. die Nebenformen spahd. a¯mar, mhd. a¯mer Jass Sm (schweizerisches Kartenspiel) per. schwz. und anord. amra, ahd. a¯maro¯n ’ersehnen’. Verb: (19. Jh.). Vermutlich durch Schweizer Söldner aus jammern; Adjektiv: jämmerlich. dem Niederländischen eingeführt; dort ist jas eine Ebenso nndl. jammer. S. auch ÞKatzenjammer. – HeiderSpielkarte (Trumpfbauer). Weitere Herkunft ummanns (1993), 323f.; EWNl 2 (2005), 562. stritten; vielleicht gekürzt aus nndl. paljas ’Hansjammerschade Adj (nur prädikativ) std. stil. (18. Jh.). wurst, Bajazzo’ (mit Rücksicht auf KartenbezeichZusammengewachsen aus der prädikativ verwendenungen wie südndl. zot ’Narr’, nfrz. fou ’Narr’). ten Formel Jammer und Schade. EWNl 3 (2007), 70f. Jammertal Sn erw. stil. (13. Jh.). Lehnübersetzung aus l. jäten (regional auch gäten) Vsw std. (10. Jh.), mhd. je-

vallis lacrimarum f. (’Tal der Tränen’) nach Psalm 83,7; aufgenommen und verbreitet durch Luther.

ten, ahd. jetan, getan, as. gedan. Bis zum 17. Jh. ein starkes Verb. Herkunft unklar.

jeder

455 Seebold (1970), 286f.; Koivulehto, J.: ’Jäten’ in deutschen Mundarten (Helsinki 1971).

denschaft (einschließlich der sexuellen). Die Lautveränderung zu jazz/jass ist nachvollziehbar.

Jauche Sf erw. fach. (15. Jh.), mndd. juche. Entlehnt aus

Ebenso nndl. jazz, ne. jazz, nfrz. jazz, nschw. jazz, nisl. (d)jass. – Joffe, J. A. Word 3 (1947), 105f.; Stave, J. MS 68 (1958), 80–87; Tamony, P. Jazz 1 (1958), 33–42; Höfler, M. ZRPh 95 (1979), 343–357; Tamony, P. John Edwards Memorial Foundation Quarterly 16 (1980), 9–18; Rey-Debove/Gagnon (1988), 447f.; Carstensen 2 (1994), 719–722; Shulman, D. CoE 16 (1986), 5/6, 2–6 und Blacker, G. CoE 19 (1990), 7, 11–15 (zur Beurteilung des auch vom OED Supplement gegebenen phonographischen Frühbelegs von 1909); Rigter, B. in: Language usage and description. Ed. I. Tieken-Boon u.a. (Amsterdam 1991), 91–99; EWNl 2 (2005), 567.

slav. jucha ’Brühe, Suppe’, das im Sorbischen auch ’Stalldünger’ bedeutet. Martin, B. Teuthonista 2 (1925), 134–136; Wick (1939), 30f.; Bielfeldt (1965), 40–42; Eichler (1965), 51f.; Kretschmer (1969), 241–243; Bellmann (1971), 201–204; Bielfeldt, H. H. BGDSL-H 94 (1974), 80–100.

jauchzen Vsw std. (15. Jh.), mhd. ju¯chezen. Eigentlich

’ju¯ch (juhu) rufen’; entsprechend Þjuchzen, das im Vokal gekürzt ist. Das Suffix -ezzen leitet häufiger Verben aus Interjektionen ab (vgl. Þächzen usw.). Die je Ptkl std. (8. Jh.), mhd. ie, ahd. io, as. ¯eo. Mit VerGrundlage *ju¯- ist in dieser Verwendung schon älter; schiebung des Silbengipfels in spätmittelhochdeutvgl. l. ju¯bilum ’freudiger Aufschrei’ und gr. (poet.) scher Zeit aus g. *aiwin ’immer, irgendeinmal’, auch iauoı˜ ’juchhe’. in gt. (ni) aiw, anord. æ, ae. a¯. Das Wort ist eine KaGlombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 129–131; EWNl 2 (2005), susform zu *aiwi- m. ’Zeit, Ewigkeit’ (s. unter Þewig). 584f. Eine ähnliche außergermanische Bildung ist gr. ai ƒei jaulen Vsw std. (18. Jh.). Übernommen aus ndd. jaulen; ’immer’ (aus *aiwes-i). vgl. ne. yowl. Wohl lautmalend wie Þjappen u.ä. S. auch Þimmer, Þirgend. – Behaghel 3 (1928), 198–200. Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 175–178.

Jause Sf per. österr. (15. Jh.), mhd. ju¯s m. Entlehnt aus

sloven. ju´ˇzina ’Mittagessen’ (zu sloven. ju´g ’Süden, Mittag’, vgl. Jugoslawien eigentlich ’Südslawien’). Wick (1939), 79f.; Steinhauser (1978), 120–122; Wünschmann (1966), 61–70; Frenzel, M. in K. Müller (1976), 183–196.

Jawort Sn std. stil. (16. Jh.). Zusage, besonders Ehever-

sprechen (das mit Þja gegeben wird). Jazz Sm (ein Musikstil, ein mit dieser Musik verbun-

Jeans Spl std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. (blue) jeans. Ne.

jean (am.-e. jeans) ist die Bezeichnung eines speziellen Baumwollstoffs (16. Jh.), aus me. Ge¯ne, Jene (usw.), das über romanische Zwischenstufen auf den Namen der Stadt Genua (frz. Geˆnes) zurückgeht, also ’der aus Genua stammende Stoff’. Dann auch ’Kleidungsstück aus diesem Stoff, besonders eine Hose’ (Mitte des 19. Jhs.), besonders blue jeans für die Arbeitskleidung, gegenüber z.B. den white jeans. Die blue jeans wurden zur bevorzugten Kleidung der Heranwachsenden, um die Mitte des 20. Jhs. weltweit. In Deutschland seit 1948; das Gegenstück in der DDR war die Nietenhose, zunächst aus braunem CordStoff. Das auslautende -s war ursprünglich eine Variante der Stoffbezeichnung; da im Englischen eine Hose (wegen der beiden Beine) als Plural gebraucht wird, konnte auch die jeans als Plural verstanden werden. Im Deutschen wird heute (entsprechend zu Hose Sg.) Jeans meist als Singular verwendet (meine Jeans ist ...); aber auch der Plural ist häufig.

dener Tanzstil) std. (20. Jh.). Zunächst vielfach mit Schriftaussprache entlehnt aus ne. jazz, dann an die (amerikanisch-) englische Aussprache angepasst. In Deutschland zunächst in den zwanziger Jahres des 20. Jhs. bekannt, dann stigmatisiert und nach dem 2. Weltkrieg wieder aufgenommen. Jazz oder Jass wurde in New Orleans im Anfang des 20. Jhs. als Musik- und Tanzstil ausgebildet; davor handelt es sich dabei um vergleichsweise ungezügeltes Musizieren, Singen und Tanzen mit eindeutig sexueller KomEbenso nndl. jeans, ne. jeans, nfrz. jean(s), nschw. jeans, ponente in der Gruppe der Schwarzen und der Kreonnorw. jeans. – Scharfe, M. (Hrsg.): Jeans (Tübingen 1985); len im südlichen Nordamerika und in der Karibik Rey-Debove/Gagnon (1988), 450; Carstensen 2 (1994), (im Slang ist jazz von Anfang an auch ein Wort für 722–724; EWNl 2 (2005), 567f. den Geschlechtsverkehr). Diese Ausschweifungen wurden von den Weißen einerseits stigmatisiert und Jeck Sm ’Karnevalsnarr’ per. grupp. (17. Jh.). Lautvariante zu ÞGeck. Nach Knobloch zu Jakob. verachtet, auf der anderen Seite in immer größer werKnobloch, J. FS Zender (1972), 988–992. dendem Umfang nachgeahmt; die erste ’Jass Band’ auf einer Schallplatte (1917) bestand aus Weißen. Ers- jeder Pron std. (8. Jh.), mhd. ieweder, ahd. iowedar, ter Beleg für am.-e. jazz in der Bedeutung ’synkoälter eohwedar, auch eogiwedar, as. iehwedaÑ r, iahwepierte Musik’ in Amerika 1913. Das Wort geht offendaÑ r. Aus wg. *aiwin-gi-hweþera-, auch in ae. bar auf eine kreolische Form des französischen Verbs ¢ ¯ ghw¢deÑ r. Die Bildung ist zusammengewachsen aus chasser ’jagen’ zurück, das um diese Zeit ’vor sich *aiwin ’immer’ (s. unter Þje) und *gihweþera (s. hertreiben, verfolgen’ bedeuten kann und auch für unter Þweder) ’jeder von beiden’, also ursprünglich Beziehungen der Geschlechter zueinander verwendet ’alle beide’, erst seit mittelhochdeutscher Zeit auch werden konnte. Das kreolische Substantiv bezeichfür mehr als zwei verwendet. nete dabei die Bewegung, die Erregung und die Lei-

jedweder Behaghel 1 (1923), 388f.; Kolb, H. SW 8 (1983), 48–76; EWNl 2 (2005), 494.

jedweder Pron erw. obs. (13. Jh.), mhd. ietweder aus

ieg(e)-weder. Eine Entwicklungs-Variante zu der Vorform von Þjeder mit Beibehaltung des inneren gi. Die Lautfolge -gw- wird (wohl im Anschluss an jeder) ersetzt durch -tw-. Behaghel 1 (1923), 389f.

Jeep Sm erw. fach. (20. Jh.). Nach dem 2. Weltkrieg

entlehnt aus am.-e. jeep. So benannt wurde ursprünglich ein schwereres Geländefahrzeug, das seinerseits nach einer Comic-Figur benannt wurde. Ebenso nndl. jeep, ne. jeep, nfrz. jeep, nschw. jeep, nnorw. jeep. – Fleece, J. ASp 18 (1943), 68f.; Fleece, J. ASp 19 (1944), 310; King, A. S. ASp 37 (1962), 77f.; Seibicke, W. SD 20 (1976), 170f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 450; Carstensen 2 (1994), 725f.; EWNl 2 (2005), 568.

jeglich Pron erw. obs. (8. Jh.), mhd. iegelich, ahd. iogilı¯h,

älter iogihwelih. Zu Þje und Þgleich in einer Sonderfunktion (Seebold). Später durch Þjeder zurückgedrängt. Þmänniglich. – Behaghel 1 (1923), 390f.; Seebold, E. FS Meid (1989), 347.

jein Ptkl std. stil. (20. Jh.). Moderne Verschmelzung

von Þja und Þnein als Antwort auf eine Frage, die sowohl bejaht als auch verneint werden kann. Jelängerjelieber Smn (Name verschiedener Pflan-

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heth. anni (abweichende Flexion), ai. ana-, akslav. onu˘, lit. an˜s; zum Artikel weitergebildet (wie im Altnordischen) auch im Armenischen. Das Pronomen tritt häufig als zweiter Bestandteil auf und kann dann mit dem vorausgehenden Element verschmelzen; so mit *(e)k- in gr. ekeı˜nos und anord. hinn, mit *to- in gr. (dor.) te˜nos und apreuß. ta¯ns, mit *ol- in l. ille (älter olle aus *ol-ne), mit *i-, jo- in ahd. jene¯r, gt. jains. − Aus spmhd. der jener ist nhd. derjenige entwickelt. Seebold, E. in J. Untermann/B. Brogyani (Hrsg.): Das Germanische und die Rekonstruktion der Indogermanischen Grundsprache (Amsterdam, Philadelphia 1984), 155–179; EWNl 2 (2005), 227.

jenisch Adj ’in der Sprache der Fahrenden’ per. fach.

(18. Jh.). Zunächst Selbstbezeichnung: Adjektiv-Ableitung zu romani dsˇan- ’wissen’ (urverwandt mit Þkennen), also eigentlich ’wissend’; gemeint ist ’Sprache der Eingeweihten’. Wolf (1985), 144f.

Jet Sm std. stil. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. jet, eigentlich

’Düse’, dann gekürzt aus Fügungen wie jet plane ’Flugzeug mit Düsenantrieb’. Als bevorzugtes Verkehrsmittel der ’High Society’ gekennzeichnet in Jet Set, auch jetten u.ä. Ebenso ne. jet, nfrz. jet, nndl. jet, nschw. jet, nnorw. jet. Ne. jet von to jet ’ausströmen’; dieses aus frz. jeter ’werfen, schnellen’ aus l. iacta¯re ’werfen’. Zu dessen Sippe s. Þprojizieren. – ReyDebove/Gagnon (1988), 452f.; Carstensen 2 (1994), 726; EWNl 2 (2005), 570.

zen) per. fach. (16. Jh.). Ursprünglich für den roten Nachtschatten (ye lenger ye lieber, nndl. hoe langer hoe liever), weil seine Rinde erst bitter schmeckt, dann Jeton Sm ’Spielmarke, Rechenpfennig’ per. fach. aber immer süßer, je länger man sie kaut (deshalb (19. Jh.). Entlehnt aus frz. jeton, einer postverbalen auch ÞBittersüß); dann angewandt auf Pflanzen, Ableitung von frz. jeter ’werfen’. deren Schönheit dem Betrachter ’immer lieber’ wird, Ebenso nndl. jetong, ne. jetton, nfrz. jeton, ndn. jeton, nnorw. seit dem 19. Jh. vor allem das Geißblatt. Loewe, R. BGDSL 60 (1936), 399–406; Marzell 1 (1943), 165; Sauerhoff (2001), 135–142.

jemals Adv std. (16. Jh.). Eine neuhochdeutsche Nach-

bildung zu mhd. ¯ema¯les ’vormals, früher’ (Þehe und der adverbiale Genetiv von ÞMal 1), ebenso niemals und nachmals. jemand Pron std. (8. Jh.), mhd. ieman, iemen, ahd.

ioman, eoman. Aus den Vorformen von Þje und ÞMann, Þman zusammengerückt, also ’jeder (beliebige) Mann, irgendein Mann’. Das -d ist erst neuhochdeutsch angetreten. Behaghel 1 (1923), 399f.; EWNl 2 (2005), 495.

jemine Interj per. grupp. (17. Jh.). Zusammengezogen

aus Jesu domine ’Herr Jesu’, um die Nennung des heiligen Namens abzuschwächen. Ebenso nndl. jeminee, ndn. jemini, nnorw. jemini.

jener Pron std. (9. Jh.), mhd. jener, ahd. jene¯r, mndd.

jen(n)e u.a., afr. jen(e), jena. Mit abweichendem Vokalismus ae. geon, wieder anders gt. jains. Ohne den Anlaut j- anord. enn, inn, ahd. ene¯r, mhd. (obd.) ener. Diese einfache Form ig. *eno- ist gut vergleichbar:

jetong. Dieses über ml. jactare aus l. iacta¯re ’(wiederholt) werfen’, einem Intensivum zu l. iacere ’werfen’; Þprojizieren. – Brunt (1983), 346.

jetzt Adv std. (12. Jh.), mhd. jeze, älter je zuo. Aus Þje

und Þzu mit auffälliger Einschränkung der Bedeutung auf den gegenwärtigen Zeitpunkt. Beim Zusammenrücken entstehen mehrere Varianten: die heutige Form führt zu jetz, an das im Neuhochdeutschen ein t anwächst. Daneben die häufige Form itz (ebenfalls zu itzt erweitert) und die volle Form jetzo, auch itzo; jetzund und jetzunder haben andersartige Adverbialsuffixe übernommen. von Bahder, K. BGDSL 53 (1929), 431–454.

jeweils (auch jeweilen) Adv std. (17. Jh.). Zusammen-

rückung aus Þje und ÞWeile, also ’jedes Mal’ (’jede Weile’). Job Sm std. stil. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. job ’Arbeit,

Aufgabe, usw.’, eigentlich job of work ’Stück Arbeit’. Jobber ’Börsenspekulant’ schon im 19. Jh. Ebenso nndl. job, ne. job, nfrz. job, nschw. jobb, nisl. jobb. Weiter zu altem job ’Stück, Klumpen’ aus frz. gobet ’Bissen’ zu frz. gober ’verschlingen’. – DF 1 (1913), 311; Ganz (1957), 108; Meu-

Joppe

457 rers, W. in Schlüsselwörter 2 (1964), 317–354; Rey-Debove/ Gagnon (1988), 455; Carstensen 2 (1994), 731–735; EWNl 2 (2005), 573.

Jobeljahr Sn ÞJubel. Joch Sn erw. obs. (8. Jh.), mhd. joch, ahd. joh, juh, as.

Ebenso nndl. yoghurt, ne. yoghourt, nfrz. ya(h)ourt, yog(h)ourt, nschw. yoghurt, nisl. jo´gu´rt. – Littmann (1924), 112; Lokotsch (1975), 76; Arveiller, R. RLR 52 (1988), 89–114; EWNl 4 (2009), 644.

Johannisbeere Sf erw. reg. (16. Jh., Johannisträublein

15. Jh.). So benannt, weil die Beere schon um den juk. Aus g. *juka- n. ’Joch’, auch in gt. juk, anord. ok, Johannistag (24. Juni) reift. ae. geoc. Dieses aus ig. *(¡)jugo- n. ’Joch’, auch in ai. Bertsch (1947), 148–150; Sauerhoff (2001), 147. yuga´-, gr. zygo´n, l. iugum, akslav. igo; bei heth. iuga’Joch’ ist umstritten, ob es Erbwort oder Entlehnung Johannisbrot Sn per. fach. (14. Jh.). Die Hülsen von ’Ceratonia siliqua’, sonst ÞBockshorn genannt, heißen aus dem Indischen ist (vgl. Tischler [1983 ff.], I, nach Johannes dem Täufer, dessen Kost sie nach der S. 448f.); es ist auch als Wurzelnomen iuk bezeugt. Legende vervollständigten. Das Wort gehört zunächst zu einer Verbalwurzel Ebenso nndl. sint-jansbrood, ne. Saint-John’s-bread, nschw. jo*(¡)jeug- ’anschirren, verbinden’ in ai. yuna´kti hannesbröd, nisl. jo´hannesarbraud.Ñ – Marzell 1 (1943), 898f. ’schirrt an, spannt an’, gr. zeu´gnymi ’ich spanne an, joche zusammen’, l. iungere, lit. ju`ngti; diese geht auf Johanniswürmchen Sn ’Leuchtkäfer’ per. reg. (16. Jh.). Weil das Tier um den Johannistag (24. Juni) herum einfacheres *(¡)jeu- ’anbinden, anschirren’ (ai. ya´uti) leuchtet (Paarungszeit). zurück. Präfixableitung: unterjochen. Ebenso ndn. sankthansorm, nnorw. sankthansorm. – WissEbenso nndl. juk, ne. yoke, nschw. ok, nisl. ok. S. auch Þewig, mann (1963–1968), 351–354. ÞJuchart, ÞKonjunktion, ÞYoga. – Seebold (1981), 93–98; Röhrich 2 (1992), 785; RGA 16 (2000), 64–66; EWNl 2 (2005), johlen Vsw std. (13. Jh.), mhd. jo¯len ’laut singen’, mndd. 585. jolen ’jubeln’. Wohl als ’Freudenrufe ausstoßen’ (’jo

rufen’) aufzufassen und damit näher zu Þjodeln gehörig. Einzelheiten sind aber unklar. einer hypokoristischen Form von Jock, der nordengEWNl 2 (2005), 374. lischen und schottischen Variante des Namens Jack. Zunächst Bezeichnung für ’jmd., der Hilfsarbeiten Joker Sm ’beliebig einsetzbare Spielkarte’ erw. fach. erledigt’, dann auch speziell für ’jmd., der sich um (20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. joker, einem Nomen Pferde kümmert’, dann übertragen auf ’Kutscher, anAgentis zu ne. joke ’Spaß’. Die Karte war ursprünglich geheuerter Reiter’. weiß und wurde so benannt, weil sich mit ihr allerEbenso nndl. jockey, ne. jockey, nfrz. jockey, nschw. jockej, hand anstellen ließ. Nachträglich wurden auf Grund nnorw. jockey; ÞDiskjockey. – DF 1 (1913), 311; Littmann dieser Bezeichnung auf diesen Spielkarten immer (1924), 48; Stiven (1936), 40; Ganz (1957), 108f.; BrinkNarren und Spaßmacher abgebildet.

Jockey Sm erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. jockey,

Wehrli (1958), 102; Rey-Debove/Gagnon (1988), 455f.; Carstensen 2 (1994), 738f.; EWNl 2 (2005), 573f.

Jod Sn std. (19. Jh.). Das chemische Element wurde von

Ebenso nndl. joker, ne. joker, nfrz. joker, nschw. joker, nisl. jo´ker. Das englische Wort aus l. iocus ’Spaß, Scherz’; ÞJux. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 458; EWNl 2 (2005), 576.

Courtois 1811 in der Asche des Seetangs entdeckt und Jolle Sf ’einmastiges Fahrzeug’ per. fach. (16. Jh.). Aus von Gay-Lussac 1814 nach gr. ioeide¯´s ’veilchenfarbig’ der Seemannssprache, Ursprung dunkel. Bezeugt (zu gr. ´ıon ’Veilchen’), nfrz. iode ’veilchenfarbig’ besind ndd. jolle, jelle, nndl. jol, ne. yawl, jollyboat u.a. nannt, weil es sich bei der Erhitzung in veilchenblauVielleicht aus afrz. galie ’Ruderschiff’. en Dampf verwandelte. Törnqvist, N. KVNS 76 (1969), 10; EWNl 2 (2005), 577. EWNl 2 (2005), 574.

jodeln Vsw erw. fach. (19. Jh.). Wohl abgeleitet aus

einem Jodelruf (jo), vgl. gleichbedeutendes jutzen (schwz.). Einzelheiten sind unklar. Vgl. Þjohlen. – Senn, W. JÖV 11 (1961), 150–166; EWNl 2 (2005), 574.

Joga Smn ÞYoga. Jogging Sn erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. jogging,

einem Verbalsubstantiv zu ne. jog ’laufen, bewegen, usw.’, dessen Herkunft nicht mit Sicherheit geklärt ist. Lautmalerischer Ursprung wird vermutet. Ebenso nndl. (Vb.) joggen, ne. jogging, nfrz. jogging, nschw. joggning, nnorw. jogging. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 457; Carstensen 2 (1994), 739–741; EWNl 2 (2005), 575.

Joghurt Smn erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus türk.

yogˇurt ’Dickmilch’.

Jongleur Sm erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. jon-

gleur, dieses aus l. iocula¯tor ’Spaßmacher’, einem Nomen Agentis zu l. iocula¯rı¯ ’scherzen, schäkern’, zu l. ioculus ’Späßchen’, einem Diminutivum zu l. iocus ’Scherz, Spaß’. Die Herkunft der Nasalierung ist unklar. Verb: jonglieren. Ebenso nndl. jongleur, ne. juggler, nschw. jonglör, nnorw. sjonglør; ÞJux. – DF 1 (1913), 311; LM 5 (1991), 626; EWNl 2 (2005), 578.

Joppe Sf erw. reg. (13. Jh.), mhd. jop(p)e, juppe (scho¯pe,

schop[p]e m./f.). Entlehnt aus (älterem) it. giubba, guppa ’Jacke, Wams’, das seinerseits auf arab. gˇubba ’Obergewand mit langen Ärmeln’ zurückgeht. Gleicher Herkunft ist vielleicht ÞSchaube. Ebenso nndl. jopper; ÞSchaube. – Dozy, R.: Dictionnaire detaille´ des noms des veˆtement chez les arabes (Beirut 1843), 107–117; Kiesler (1994), 197; Tazi (1998), 257f.; EWNl 2 (2005), 579,

Journal

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Journal Sn erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. journal

Ebenso nnorw. økt. – Tiefenbach, H. in Beck/Denecke/Jan-

kuhn (1980), 317–319; Schmidt-Wiegand, R. FS Kleiber m. ’Tageszeitung’, einer Substantivierung von frz. (1989), 111–124; Garovi (1999), 45–57. journal ’jeden einzelnen Tag betreffend’, zu frz. jour m. ’Tag’. Das Wort bezeichnete im Französischen und juchen Vsw Þjauchzen. im Deutschen zunächst eher gelehrte Zeitschriften, Juchten Smn ’auf bestimmte Weise gegerbtes Ledie nicht täglich erschienen, es hat also eher die Beder’ per. fach. (17. Jh.). Wie mndd. juften u.ä. entlehnt deutung ’regelmäßige Information, regelmäßige Beaus russ. juft′, jucht′ f. gleicher Bedeutung, dessen standsaufnahme’, die aus der (zuerst in it. giornale Herkunft umstritten ist. Vielleicht ist das Wort über auftretenden) kaufmännischen Bedeutung ’täglich das Turko-Tatarische entlehnt aus npers. ˇjuft ’Paar’ geführtes Rechnungsbuch’ stammen wird. Die Ablei(weil die Häute paarweise gegerbt wurden). tungen sind Wörter für das Pressewesen allgemein: Ebenso nndl. juchtleer, nschw. juftläder. – Lokotsch (1975), Täterbezeichnung: Journalist; Adjektiv: journalistisch; 166; Steinhauser (1978), 43f.; EWNl 2 (2005), 583. Abstraktum: Journalismus; abwertendes Kollektiv: juchzen Vsw Þjauchzen. Journaille (Kreuzung mit ÞKanaille). juckeln Vsw ’unruhig hin- und herrutschen, langsam Ebenso nndl. journaal, ne. journal, nschw. journal, nnorw. journal. Das französische Wort aus l. diurnum (tempus) ’Tag’, und wackelig fahren’ per. reg. (20. Jh.). Iterativum zu älter: ’erlebter Tag, Tagewerk’, zu l. die¯s m./f. ’Tag, Tageslicht’ Þjucken in der alten Bedeutung ’hüpfen’. (ÞDiäten). – Schirmer (1911), 90; DF 1 (1913), 312; Brunt (1983), 347f.; EWNl 2 (2005), 580f.

jovial Adj ’umgänglich, leutselig’ erw. fremd. (16. Jh.).

jucken Vsw std. (9. Jh.), mhd. jucken, ahd. jucken, mndl.

joken. Ebenso ae. giccan, ne. itch. Eine andere und wohl ältere Bedeutung ist ’springen’. Herkunft unklar.

Wohl über frz. jovial (aus it. gioviale) entlehnt aus l. iovia¯lis ’von heiterer Gemütsart’, eigentlich ’zu JupiS. auch Þjuckeln. – EWNl 2 (2005), 571. ter gehörig’, zu l. Iovis ’Jupiter’ (l. iovis aus *djuneben *die¯us, das l. die¯s ’Tag’ ergibt). Die heutige Be- Jugend Sf std. (8. Jh.), mhd. jugent, ahd. jugund, as. jugud.Ñ Aus wg. *jugunþi- f. ’Jugend’, auch in ae. geodeutung aufgrund astrologischer Deutungen, die den guþ. Die westgermanische Form ist entstanden aus im Zeichen des Planeten Jupiter Geborenen heitere *juwunþi- mit Übergang von w zu wg. g. Es handelt Gemütsart zusprachen. sich um ein ti-Abstraktum zu ig. *ju(w)n Adj. ’jung’ Ebenso nndl. joviaal, ne. jovial, nschw. jovialisk, nnorw. jovial. ˙ ja´unas. in ai. yu´van-, l. iuvenis, air. o´a ’jünger’, lit. – DF 1 (1913), 312f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 394; Parallele Abstrakta sind l. iuventu ¯ s und air. oı´tiu. Das EWNl 2 (2005), 581f. Gotische (junda mit unsilbischem n) und das AltnorJubel Sm std. (13. Jh.), mhd. ju¯bel. Gehört zu mhd. ju¯dische (œska aus *junhiska¯) haben die für den Wandel biliren, das aus afrz. jubiler ’jauchzen’ (l. iu¯bila¯re) entzu g kritische Lautumgebung gemieden. Adjektiv: lehnt ist. Dieses geht auf l. iu¯bilum n. ’Freudenruf der jugendlich. Hirten, Jäger etc.’ zurück. Hierzu die Verben jubeln

Ebenso nndl. jeugd, ne. youth. – Seebold, E. IF 87 (1982), 183f.; und jubilieren. Damit vermischt sich eine zweite EWNl 2 (2005), 571. Quelle, die hauptsächlich in Jubeljahr (oder Jobeljahr) bezeugt ist: Nach dem mosaischen Gesetz war jedes Juli Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. (me¯nsis) Iu¯lius, so benannt nach C. Julius Caesar, auf den die Kalender50. Jahr ein Erlassjahr, das mit dem Widderhorn reform zurückgeht. (hebr. jo¯ve¯l) eingeblasen wurde. Papst Bonifatius Ebenso nndl. juli, ne. July, nfrz. juillet, nschw. juli, nisl. ju´lı´. – VIII. führt 1300 ein christliches Jubeljahr ein, das alle EWNl 2 (2005), 586. hundert Jahre wiederkehren soll und Kirchenstrafen erlässt. Von späteren Päpsten wird der Zeitraum auf Julklapp Sm ’Weihnachtsgeschenk (mit besonderen 50 Jahre, dann auf 33 und schließlich auf 25 verkürzt. Bräuchen verbunden)’ per. ondd. (18. Jh.). Entlehnt Hierzu Bildungen wie Jubiläum und Jubilar, die heute aus dem Schwedischen: Der Schenker, der unerkannt bleiben will, klopft an die Tür − klapp! − und wirft das an jubeln angeschlossen werden. reichlich umhüllte Geschenk in die Stube, indem er Ebenso nndl. gejubel, ne. jubilation, nfrz. jubilation, nschw. jubel, nnorw. jubel. – DF 1 (1913), 313; Grundmann, H. FS Trier Julklapp! ruft. Seit dem 18. Jh. bezeugt (Vorpommern (1954), 477–511; Lokotsch (1975), 76; Röhrich 2 (1992), 786f.; war 1648–1815 von Schweden besetzt). Zu Jul, dem EWNl 2 (2005), 582. schwedischen Wort für Weihnachten (ursprünglich Sonnwendfest, Herkunft umstritten). Juchart (regional auch Jauchert) Sm (Feldmaß) per. obd. (11. Jh.), spahd. ju¯hhart n. ae. gicer, gycer n. VerEbenso nschw. julklapp, nnorw. (selt.) juleklapp. – Krogmann, W. ZVS 60 (1933), 114–129; Knobloch, J.: Weihnachten und mutlich entlehnt aus l. iu¯gerum n. ’Morgen Landes’ Ostern (Heidelberg 1986), 10–12, 17f.; RGA 16 (2000), 100; (zu der Sippe von ÞJoch, l. iugum n. als ’so viel Land, Koivulehto, J. NPhM 2 (2000), 235–252. wie ein Joch Ochsen an einem Tag zu pflügen vermag’), das -t kann von mhd. egerte, egerde f. ’Brach- jung Adj std. (8. Jh.), mhd. junc, ahd. jung, as. jung. Aus land’ übernommen sein. Der Ansatz eines Erbwortes g. *junga- Adj. ’jung’, auch in gt. juggs, anord. ungr, ist aber nicht ausgeschlossen (vgl. gt. jukuzi ’Joch’). ae. geong, afr. jung. Dieses ist eine k´o-Weiterbildung

Jura

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zu ig. *ju(w)n- Adj. ’jung’; dieselbe Weiterbildung findet sich in˙air. o´c, a´c, kymr. ieuanc, ifanc, l. iuvencus ’Jungstier’, ai. yuvas´a´- ’jugendlich, jung’. Die Grundlage s. unter ÞJugend. Verb: jungen ’Junge bekommen’; Präfixableitung: verjüngen. Ebenso nndl. jong, ne. young, nschw. ung, nisl. ungur. – Ganz (1957), 110f.; Röhrich 2 (1992), 788; Heidermanns (1993), 325f.; EWNl 2 (2005), 577.

schaft im 16. Jh.); gelegentlich steht junger Geselle auch im Gegensatz zu Witwer (ÞWitwe). Deshalb wohl eine einfache Bedeutungsverengung (’junger Mann’ zu ’unverheirateter Mann’, wobei dann das Merkmal ’jung’ zurücktritt), die von der Bedeutungsverengung in ÞGeselle ’Handwerksgehilfe’ unabhängig ist. Röhrich 2 (1992), 789.

Junge Sm std. (16. Jh.). In der Bedeutung ’Knabe’ Sub- Jüngling Sm erw. obs. (9. Jh.), mhd. jungelinc, ahd.

stantivierung des Adjektivs Þjung. Vgl. nndl. jongen. – Müller, E. E. Jahrbuch 1968 (1969), 129–146; Röhrich 2 (1992), 789; EWNl 2 (2005), 577; Kochskämper (1999), 188–198.

Jünger Sm erw. grupp. (10. Jh.), mhd. junger, ahd. jung-

jungiling, jungelinc, as. jungling. Aus g. *jungilinga- m. ’Jüngling’, auch in anord. ynglingr, ae. geongling, afr. jungeling. Demgegenüber gt. juggalauþs (zu gt. laudi f. ’Gestalt’). Ebenso nndl. jongeling. – Kochskämper (1999), 199–206.

iro. Wie bei ae. gyngra dient der Komparativ von jüngst Adv erw. obs. (9. Jh.), mhd. (ze)jungest(e), jungÞjung zur Lehnübersetzung von l. iunior ’Schüler, ist, ahd. zi jungist ’in jüngster Zeit’. ’In jüngster Zeit’, Untergebener’. In neuerer Zeit vor allem für das (kirin frühneuhochdeutscher Zeit gekürzt. chen-)l. discipulus verwendet. Juni Sm std. (16. Jh., junius schon 8. Jh.). Entlehnt aus l. Eggers, H. FS Starck. Hrsg. W. Betz u.a. (The Hague 1964), (me¯nsis) Iu¯nius, so benannt nach der römischen Göt62–81. tin Juno. Jungfer Sf erw. obs. (14. Jh.). Mit Abschwächung des Ebenso ne. June, nfrz. juin, nndl. juni, nschw. juni, nisl. ju´nı´. – zweiten Kompositionsglieds entstanden aus mhd. EWNl 2 (2005), 588. juncvrou(we), juncvrowe ’junge Herrin, Edelfräulein’; Junior Sm std. stil. (19. Jh.). Verwendung von l. iu¯nior dann Verallgemeinerung wie später bei ÞFräulein. In ’der Jüngere’ und l. senior ’der Ältere’ zunächst in der Bedeutung ’Libelle’ (Wasserjungfer) liegt wohl Firmennamen, um Vater und Sohn gleichen Namens eine Lehnbedeutung zu l. nympha, gr. ny´mphe¯ vor. zu unterscheiden. Dann Verallgemeinerung, z.B. in Die spezielle Bedeutung von ’Jungfrau’ zeigt sich in der Sportsprache. Ableitungen wie entjungfern. Die Jungfernfahrt und Ebenso nndl. junior, ne. junior, nfrz. junior, nschw. junior, die Jungfernrede (Lehnübersetzung zu ne. maiden nnorw. junior. – EWNl 2 (2005), 588. speech) sind nach dem Vorbild von ne. maiden race ’Rennen mit Pferden, die zum ersten Mal rennen’ zu Junker Sm erw. obs. (15. Jh.), mhd. juncherre, junche¯rre, entsprechend nndl. jonk(he)er. Zunächst ’der junge ne. maiden ’Pferd, das zum ersten Mal rennt’ gebildet. Herr’ und dann in Lautung und Bedeutung lexikaliGombert, A. ZDW 7 (1905), 147; Stiven (1936), 49. siert. Jungfrau Sf std. (11. Jh.), mhd. juncvrou(we), juncvroLM 5 (1991), 811; EWNl 2 (2005), 578f. we, ahd. jungfrouwa. Zunächst als ’junge Herrin’ die Junktim Sn ’vertragsmäßige Verkoppelung’ per. fach. Bezeichnung der Edelfräulein, später verallgemeinert (20. Jh.). Eingeführt in Anlehnung an das Adverb l. zu ’junge (unverheiratete) Frau’. In der Mystik wird iu¯nctim ’zusammen’ (Hypostasierung), zu l. iu¯nctus, das Wort im Rahmen des Marienkultes eingeengt auf dem PPP. von l. iungere ’verbinden’. die unberührte Jungfrau, so dass das Wort schon bald ÞKonjunktion. auf (unberührte) Frauen übertragen werden kann. Auf diese Bedeutung ist das Wort heute weitgehend Junta Sf ’Regierungs-, Verwaltungsbehörde, Militärbeschränkt. Vorbild für diese Entwicklung ist gr. parregime’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus span. junta the´nos, l. virgo. ’Vereinigung, Rat’, einer Substantivierung von span. junto ’vereinigt’, aus l. iu¯nctus, dem PPP. von l. iunVgl. nndl. jonkvrouw, juffrouw, juffer. – Siegert (1950), 115f.; Röhrich 2 (1992), 789; LM 5 (1991), 808f. (zu Jungfräulichkeit); gere ’verbinden’. EWNl 2 (2005), 584; Kochskämper (1999), 54–58.

Junggeselle Sm std. (15. Jh.). Zunächst im Gegensatz zu

Ebenso nndl. junta, ne. junta, nfrz. junte, nschw. junta, nnorw. junta; ÞKonjunktion. – EWNl 2 (2005), 588f.

Altgesell als ’der jüngste Gesell in einem Handwerks- Jura Spl ’Rechtswissenschaft’ erw. fach. (17. Jh.). Entbetrieb’. Es ist sachlich nicht ausreichend zu begrünlehnt aus l. iu¯ra, der Pluralform von l. iu¯s (iu¯ris) n. den, dass mit diesen das Merkmal ’unverheiratet’ auf ’Recht, Satzung, Verordnung’. Täterbezeichnung: besondere Weise verbunden gewesen wäre; sehr Jurist; Adjektiv: juristisch. wahrscheinlich geht die heutige Bedeutung deshalb Ebenso nndl. juridisch, ne. juristic, nfrz. juridique, nschw. jura, auf Geselle, junger Geselle als Bezeichnung für die junjuridik, nnorw. jura; ÞInjurie. – DF 1 (1913), 313f.; EWNl 2 (2005), 589. gen Leute männlichen Geschlechts zurück (wie ÞJungfrau für das Gegenstück − Gesellen und Jungfrauen ist eine gängige Bezeichnung der Jungmann-

Jurte

460 Jurte Sf ’Nomadenzelt’ per. exot. (17. Jh.). Übernom-

men aus russ. jurta zu russ. jurt m. ’Haus, Hof’, einem Lehnwort aus dem Turko-Tatarischen. Ebenso ne. yurt(a), nfrz. yourte.

Jury Sf ’Gruppe von Fachleuten, Sachverständigen

Justizmord Sm erw. fach. (18. Jh.). Hinrichtung eines

Unschuldigen auf Grund eines Justizirrtums, eines Irrtums beim Gerichtsverfahren. Die Verwendung des unangemessenen Wortes ÞMord spiegelt die kritische Einstellung derer, die es verwenden (z.B. zur Todesstrafe).

oder Geschworenen’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus Ebenso nndl. gerechtelijke moord, ne. judicial murder, nschw. ne. jury, dieses aus afrz. jure´ ’Versammlung der Gejustitiemord, nnorw. justitsmord, nisl. re´ttarmord.Ñ schworenen’, zu afrz. jurer ’schwören, durch Schwur Jute Sf per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. jute und das Recht verstärken’, aus l. iu¯ra¯re, zu l. iu¯s (iu¯ris) n. zunächst wie dieses ausgesprochen. Das englische ’Recht’. Die Aussprache spiegelt wieder, dass die franWort stammt aus hindı¯ ju¯t, Bezeichnung der betrefzösische Bezeichnung (frz. jury) im Zusammenhang fenden Faser, die zunächst˙ nach England eingeführt mit dem französischen Recht in Deutschland wirkund dort verarbeitet wurde. Das Wort geht vielleicht sam wurde. zurück auf ai. jata¯ f. ’(Haar)Flechte’. Ebenso nndl. jury, ne. jury, nfrz. jury, nschw. jury, nnorw. jury; ˙ ÞJura. – Michelsen, A. L. J.: Über die Genesis der Jury (LeipEbenso nndl. jute, ne. jute, nfrz. jute, nschw. jute, isl. ju´ta. – zig 1947, reprint 1970); Rey-Debove/Gagnon (1988), 463; EWNl 2 (2005), 590.

Littmann (1924), 123f.; Lokotsch (1975), 54f.; Rey-Debove/ Gagnon (1988), 463; EWNl 2 (2005), 591.

just Adv erw. obs. (16. Jh.). Mit nndl. juist, ne. just ent- Juwel Smn std. (15. Jh.). Entlehnt aus mndl. juweel, die-

lehnt aus l. iu¯ste ’angemessen, gehörig’ zu l. iu¯stus ’dem Recht gemäß’ unter Einfluss von frz. juste. Im 18. Jh. galt teilweise die französische Aussprache.

ses aus afrz. joe¨l ’Schmuck’, dessen weitere Herkunft nicht mit letzter Sicherheit geklärt ist. Täterbezeichnung: Juwelier.

Ebenso ne. just, nfrz. juste, nndl. juist, nschw. just, nnorw. just; ÞJura. – Brunt (1983), 349f.; EWNl 2 (2005), 585.

Ebenso nndl. juweel, ne. jewel, nfrz. joyau, nschw. juvel, nnorw. juvel. – DF 1 (1913), 314; EWNl 2 (2005), 591.

justieren Vsw per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. ius-

ta¯re ’berichtigen’, zu l. iu¯stus ’dem Recht gemäß’. Ebenso nndl. justeren, ne. justify, adjust, nfrz. ajuste, nschw. justera, nnorw. justere. – EWNl 2 (2005), 591.

Justiz Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. iu¯stitia ’Gerech-

tigkeit’, Abstraktum zu l. iu¯stus ’dem Recht gemäß’. Ebenso nndl. justitie, ne. justice, nfrz. justice, nschw. justis, nnorw. justis. – DF 1 (1913), 314; EWNl 2 (2005), 591.

Jux Sm std. stil. (18. Jh.). L. iocus ’Spaß, Scherz’ wird

zunächst unverändert in die deutsche Rede eingeschoben, dann von Studenten zu Jock, ÞGucks, Jux entstellt. Ebenso ne. joke, nschw. jox, nnorw. juks. S. auch ÞJoker, ÞJongleur. – Röhrich 2 (1992), 789.

K Kabale Sf ’Intrige’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz.

cabale (eigentlich: ’Kabbala, jüdische Geheimlehre’), dieses aus hebr. qabba¯la¯(h), ursprünglich: ’Überlieferung’. Ebenso ne. cabal, nfrz. cabale, nschw. kabal, nnorw. kabale. – DF 1 (1913), 314f.; Littmann (1924), 49, 51; Lokotsch (1975), 78; Jones (1976), 163; EWNl 2 (2005), 597.

Kabarett Sn erw. fach. (17. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. cabaret m. (älter: ’Schenke’), dessen weitere Herkunft nicht mit Sicherheit geklärt ist (vielleicht zu frz. chambre). Täterbezeichnung: Kabarettist. Ebenso nndl. cabaret, ne. cabaret, nfrz. cabaret, nschw. kabare´, nnorw. kabaret. – DF 1 (1913), 315; Jones (1976), 164; DEO (1982), 176; EWNl 1 (2003), 408.

Kabäuschen Sn ’kleiner Raum’ per. reg. (20. Jh.). Ver-

meine Bedeutung ’Holzstab, Holzpflock’, etwa auch zum Knebeln (vgl. kefla ’knebeln, einem Lamm oder Kalb Holz vor das Maul binden, um es am Saugen zu hindern’), ebenso anord. kafli m. ’runder Stock, Stab’. Auszugehen ist offenbar von (g.) *kabla- ’Holzstück, Rute, Zweig’, mit dem sich lit. ˇza˜bas m. ’Ast, Gerte, Reisig’ unter Ansatz von ig. (oeur.) *g´ob h- unmittelbar vergleichen lässt. Semantisch vergleichbar ist vor allem lit. ˇzabo´ti ’zäumen’ (dem Pferd das Gebiss einlegen), lit. ˇzabo˜klas m. ’Zügel, Zaumzeug, Gebiss’, lit. ˇzabo˜klis m. ’Knebel’; vgl. lett. ˇzabeklis ’Stöckchen oder Dornen, womit man einem jungen Tier das Maul so umzäumt, dass es nicht saugen kann’. Hierher auch slav. *zobadlo (z.B. in slovak. cˇech. zubadlo) ’Zaum, Gebiss’; sonst keine weitere Vergleichsmöglichkeit.

Ebenso nndl. kavel. – EWNl 2 (2005), 657. kleinerungsform zu dem unter ÞKombüse behandelten Wort. Kabeljau Sm std. (14. Jh., Standard 16. Jh.). Entlehnt aus nndl. cabbeliau, das in latinisierter Form als cakabbeln Vswrefl ’sich um etwas streiten’ per. ndd. bellauwus schon im 12. Jh. bezeugt ist. Dieses ist of(19. Jh.), mndd. kabbelen ’gegeneinander laufen (von fenbar mit Konsonantenumstellung aus span. bacaWellen), zanken’. Sowohl lautlich (auch Þkibbeln lao entlehnt (im 16./17. Jh. noch einmal ohne Umu.ä.) als auch semantisch ohne klare Abgrenzung. stellung als bakeljauw). Das spanische Wort gehört Herkunft deshalb unklar. Nach Knobloch zu l. cavielleicht zu l. baculus ’Stab’ (nach der Form des Fipulus ’Fangschlinge’, die beim Fechten eine Rolle spielen kann. sches), vgl. ÞStockfisch für denselben Fisch, wenn er gedörrt ist. Wegen der verschiedenen Besonderheiten Knobloch (1973), 175. der Beleglage ist diese Etymologie aber in allen PunkKabel1 Sn ’Tau’ std. (13. Jh.). Bezeugt und in dieser Zeit ten unsicher. Nach Polome´ zu früh-rom. *baccalla(mit der Bedeutung ’Ankertau’) über das Niederlännus (einer Variante zu ml. baccalarius, s. ÞBackfisch), dische entlehnt aus frz. (pikard.) caˆble m. Dessen weil der Fisch auch als ’Abt’ oder ’Kurat’ bezeichnet Herkunft ist unklar; vermutlich haben sich bei seiner wird (Benennungsmotiv?), und mit Umstellung der Herausbildung mehrere Quellen vermischt. Da die Konsonanten im Anschluss an frz. chabot (= l. caput Überseeleitungen für Telephone auch so genannt n. ’Kopf’, nach dem großen Kopf). werden, entstehen (wohl nach englischem Vorbild)

Wörter wie Kabeltelegramm und kabeln. Daraus dann auch rückgebildet Kabel ’Telegramm’.

Ebenso nndl. kabeljauw, nfrz. cabillau(d), nschw. kabeljo. – Polome´, E. JIES 11 (1983), 49.

Ebenso nndl. kabel, ne. cable, nfrz. caˆble, nschw. kabel, nnorw. kabel, nisl. kapall. – Eichhoff (1968), 89.

Kabine Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus ne. cabin, aus me.

Kabel2 Sf ’Anteil, Los’ per. arch. (16. Jh.), mndd. kave-

len ’verlosen’, mndl. cavele, afr. kavelia ’verlosen’. Diese Sippe ist vor allem mit nordgermanischen Wörtern vergleichbar, und zwar vergleicht sich in der Bedeutung zunächst am genauesten anord. kefli n. ’Stab, Pflock’, vor allem als Terminus für Runenbriefe und andere mit Runenzeichen versehene Holzstücke. Kabel ’Los’ ist also zunächst ein Runenstäbchen, und mit solchen wurden offenbar Anteile ausgelost. Im Nordischen hat das Wort aber noch die ganz allge-

caban(e), dieses aus afrz. cabane ’Hütte’ u.ä. Die heutige Form unter Einfluss von frz. cabine gleichen Ursprungs. Zunächst entlehnt als Bezeichnung für die Unterkunft auf Schiffen. Kabinett geht auf ein Diminutivum zu frz. cabine zurück. Es wird dann zur Bezeichnung des Arbeitszimmers von Fürsten (klein im Vergleich mit den Sälen und mit Betonung des privaten Charakters, wie bei Raritätenkabinett ’Privatsammlung’), dann zu ’Ministerrat’. Ebenso nndl. cabine, nfrz. cabine, ndn. kabine, nnorw. kabin. – DF 1 (1913), 315f.; Knobloch (1973), 167; Rey-Debove/Ga-

Kabis

462 gnon (1988), 107; Knobloch, J. FS Pagliaro 3 (1969), 53f. (Herleitung aus *kata-pannare ’unter ein Segeldach bringen’ zu l. panna ’Segel’); Brunt (1983), 174 (zu Kabinett); DEO (1982), 176; EWNl 1 (2003), 408.

Kabis Sm ÞKappes. Kabriolett Sn ’offener Wagen’ erw. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. cabriolet als Bezeichnung eines leichten, einspännigen (Pferde-)Wagens, der nicht schwer auf der Straße liegt und deshalb Sprünge macht (frz. cabrioler ’Luftsprünge machen’). Dann übertragen auf offene Automobile. Ebenso nndl. cabriolet, ne. cabriolet, nfrz. cabriolet, nschw. kabriolett, nnorw. kabriolet; ÞKapriole. – EWNl 1 (2003), 408.

Kabuff Sn per. reg. (18. Jh.). Streckform zu mndd. kuffe,

Kadenz Sf ’Schlussakkordfolge (usw.)’ per. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus it. cadenza, dieses aus einer spätlateinischen Abstraktbildung ml. cadentia zu l. cadere ’fallen’ für die den Schluss eines Stücks einleitenden Akkorde; dann (nach dem Vorbild der antiken Rhetorik) auf den Schlussrhythmus von Versen übertragen. Ebenso nndl. cadens, ne. cadence, nfrz. cadence, nschw. kadens, nnorw. kadens. Zu l. cadere ’fallen’ gehören als Abstrakta Kadenz, ÞDekadenz, ÞAkzidenz und ÞKoinzidenz; aus einem Partizip des Präsens kommt ÞOkzident; aus einem tu-Abstraktum ÞKasus, aus einem Adjektiv zu einer Bildung auf -tio Þokkasionell; ÞKaskade geht auf ein italienisches Iterativum zurück; die Bildungsweise von ÞKadaver hat zwar Parallelen, ist aber sonst nicht durchsichtig. – DF 1 (1913), 316; LM 5 (1991), 847; EWNl 1 (2003), 409.

küffe, kiffe f. ’kleines, schlechtes Haus’ unter dem Einfluss von ÞKabuse. Kader Smn ’Stammbelegschaft, Kern’ per. fach. ÞKombüse. – Schröder (1906), 26–28. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. cadre m., eigentlich ’Einfassung, Rahmen’, dieses aus it. quadro m. Kabuse Sf , KabüseSf ÞKombüse. ’Viereck, Gemälde im Rahmen’, aus l. quadrus m. Kachel Sf std. (11. Jh.), mhd. kachel(e), ahd. kahhala ’Viereck, viereckig’, zu l. quattuor ’vier’. Zunächst be’irdener Topf’, mndd. kachel ’Ofenkachel’. Entlehnt zogen auf das Offizierskorps im Militär, nach dem aus früh-rom. *cacculus ’Kochgeschirr’ (vgl. tarent. zweiten Weltkrieg im Osten nach russischem Vorbild caccalo), einer Variante von l. caccabus m., das aus gr. bezogen auf die Stammbelegschaft von Betrieben und ka´kkabos m. ’Tiegel, Schmorpfanne’, ursprünglich die Führungskräfte der Partei. Sie werden bei dieser ’dreibeiniger Kessel’, entlehnt ist. Dieses ist seinerAusdrucksweise als der Rahmen empfunden, der seits ein Lehnwort aus dem Semitischen (genaue dem Ganzen den Halt gibt. Kern- oder Stamm- gehen Quelle unklar). dagegen vom Bild des Baum(stamm)es aus, dessen Ebenso nndl. kachel, nschw. kakel, nnorw. kakkel, nisl. kakawichtigster Teil innen ist. lofn. – Heyne (1899/1903), I, 240f.; Brüch, J. ZRPh 57 (1937), 385–394; Hildebrandt, R. DWEB 3 (1963), 356–358; Röhrich 2 (1992), 790; EWNl 2 (2005), 600f.

kacken Vsw std. vulg. (15. Jh.), fnhd. kacken. Entspre-

Ebenso nndl. kader, ne. cadre, nschw. kader, nnorw. kader; ÞQuadrant. – Hummel, M. Cahiers de Lexicologie 63 (1993), 43–76; EWNl 1 (2003), 700; EWNl 2 (2005), 602.

chend l. caca¯re, gr. kakka´o¯, mir. caccaid, russ. ka´katı˘, Kadett Sm erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. cadet (auch: ’nachgeborener Sohn’), bei dem sich eine revgl. auch jidd. kaken. Offensichtlich eine Lautgebärde gionale französische Homonymie bemerkbar macht: aus der Kindersprache (vgl. Þaa [¤a¤a], das noch prov. cadel 1. ’Chef’ (aus l. capitellum) und 2. ’Tierdeutlicher auf diesen Bereich festgelegt ist) mit Verjunges’ (aus l. catellus). Hieraus die auffällige Bedeutretung des durch die ’Darmpresse’ entstehenden tungsmischung. Kehlkopflautes durch Tektale. Übernahme aus dem Ebenso nndl. cadet, ne. cadet, nfrz. cadet, nschw. kadett, nnorw. Lateinischen der Schülersprache ist aber nicht ausgekadett; ÞChef . – DF 1 (1913), 316; DEO (1982), 179; Brunt schlossen. Konkretum: Kacke. ÞKakerlak. – Röhrich 2 (1992), 790 (zu Kacke); EWNl 2 (2005), 605.

Kadaver Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. cada¯ver n.

(eigentlich: ’der gefallene, tot daliegende Körper’), zu l. cadere ’fallen’.

(1983), 174f.; EWNl 1 (2003), 409f.; EWNl 2 (2005), 602.

Kadi Sm erw. exot. ass. (16. Jh.). Entlehnt aus arab. qa¯d¯ı

in orientalischen Erzählungen; dann scherzhaft auf˙ einheimische Richter u.ä. übertragen.

Ebenso nndl. kadi, ne. cadi, nfrz. cadi. – Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 187; Littmann (1924), 71; LM 5 (1991), 848; Röhrich 2 (1992), 790; Kiesler (1994), 255f.

Ebenso nndl. kadaver, ne. cadaver, nfrz. cadavre, nschw. kadaver, nnorw. kadaver; ÞKadenz. – DF 1 (1913), 316; Weimann, Käfer Sm std. (9. Jh.), mhd. kever, auch schwach: mhd. K.-H. DWEB 2 (1963), 394; EWNl 2 (2005), 601.

Kadavergehorsam Sm erw. fach. (19. Jh.). Das Wort be-

zieht sich auf die Vorschrift der jesuitischen Ordensregeln, dass die Ordensbrüder den Oberen widerspruchslos, wie ein toter Körper (si cadaver essent), zu gehorchen hätten. Als Prägung bedeutsam wurde das Wort aber erst durch die Übertragung auf den militärisch und staatlich geforderten Gehorsam durch die Sozialdemokraten. Ebenso nschw. kadaverlydnad, nnorw. kadaverdisiplin.

kevere, ahd. kevur, kevar, kever; auch schwach: ahd. kevuro, keviro, kevero, as. kevera f. Dieses führt auf vd. *kebra-/o¯n, neben dem ae. ceafer aus *kabra- steht. Beides geht (vielleicht ursprünglich als aktives Adjektiv) auf die unter ÞKiefer 1 dargestellte Lautgebärde mit der Bedeutung ’fressen, kauen’ zurück; der Käfer wird also als ’Fresser’ bezeichnet. Das Wort bedeutet ursprünglich ’Heuschrecke’, die Verallgemeinerung erst im 18. Jh., wobei älteres ÞWiebel aus dieser Bedeutung verdrängt wird.

463 Ebenso nndl. kever, ne. chafer. – Wissmann (1963–1968), 63–616; Pfeifer, W.: Beiheft 1 (1963) [zu Wißmann (1963–1968)], 63–616; Hildebrandt, R. ZM 32 (1965), 311–318; LM 5 (1991), 848; Röhrich 2 (1992), 790; EWNl 3 (2007), 53.

Kaff1 Sn ’elendes Nest’ std. vulg. (19. Jh.). Übernommen

aus dem Rotwelschen, in das es aus romani ga¯w ’Dorf’ gekommen ist. Älteres rotw. kefar ’Dorf’, das die Lautform wohl mitbestimmt hat, stammt aus wjidd. kefar und dieses aus hebr. *ka¯fa¯r ’Dorf’. ÞKaffer.

Kaff2 Sn ’Fruchthülse des Getreides’ per. ndd. (13. Jh.),

mndd. kaf, kave, mndl. caf . Das wie ae. ceaf auf *kafa(-b-) zurückführt, neben ahd. keva f. ’Hülse, Schalenerbse, Kefe’ aus *kebo¯n. Weitere Herkunft unklar. Kaffee Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. cafe´, dieses aus

it. caffe´, aus türk. kahve, aus arab. qahwa, das ursprünglich ’Wein’ bedeutet. ÞCafe´ ’Kaffeehaus’ ist eine Entlehnung des 19. Jhs. aus derselben Quelle. Ebenso ne. coffee, nfrz. cafe´, nndl. koffie, nschw. kaffe, nnorw. kaffe, nisl. kaffi; ÞCafeteria. – DF 1 (1913), 317; Littmann (1924), 81f.; Ganz (1957), 111f.; Kretschmer (1969), 159–161; Lokotsch (1975), 80; Röhrich 2 (1992), 790f.; Tazi (1998), 204; EWNl 3 (2007), 102.

Kaffeebohne Sf std. (18. Jh.). Die Frucht des Kaffee-

strauchs (der Sache nach eigentlich eine Kirsche) heißt im Arabischen arab. bunn, was im Deutschen und Englischen zu einer Wiedergabe durch das lautähnliche ÞBohne geführt hat (anders in den romanischen Sprachen, in denen das Wort für ’Bohne’ nicht lautähnlich ist). Dann übertragen auf die Kakaobohne, für die kein solcher Anlass besteht. Ebenso nndl. koffieboon, ne. coffee bean, nschw. kaffeböna, nnorw. kaffebønne, nisl. kaffibaun.

Kaffer Sm ’dummer Kerl’ erw. vulg. (18. Jh.). Aus dem

Kainszeichen Ebenso nndl. kaftan, ne. caftan, nfrz. caf(e)tan, nschw. kaftan, nnorw. kaftan. – DF 1 (1913), 317f.; Kiesler (1994), 266f.

Käfter(chen) Sn ’kleiner Abstellraum’ per. md. (8. Jh.).

Wohl zu ahd. kafteri m. ’Bienenkorb’ (aus spl. capiste¯rium ’Mulde, Behälter, Bienenkorb’, das seinerseits aus gr. skaphiste¯´rion ’Trog, Mulde’ stammt). Einzelheiten bleiben aber unklar. kahl Adj std. (8. Jh.), mhd. kal(wes), ahd. kalo, mndl.

calu. Aus wg. *kalwa- Adj. ’kahl’, auch in ae. calu(w). Zu vergleichen ist vermutlich akslav. golu˘ ’nackt’, zu dem einerseits lit. ga´ldyti ’scheuern, reinigen’ (’blank machen’), andererseits lit. galva`, akslav. glava ’Kopf’ (vgl. l. calva ’Schädel’ zu l. calvus ’kahl’) gehören. Weitere Herkunft unklar. Entlehnung aus l. calvus (so zuletzt Senn) ist weniger wahrscheinlich, aber nicht auszuschließen. Die lautliche Parallelität ist auf jeden Fall beachtlich. Ebenso nndl. kaal, ne. callow. S. auch ÞHalunke. – Senn, A. JEGP 32 (1933), 521; Heidermanns (1993), 329; EWNl 2 (2005), 593f.

Kahm (auch älteres Kahn) Sm ’Schimmel auf gegorenen

Flüssigkeiten’ per. fach. (13. Jh.), mhd. ka¯n; sonst mhd. ka¯m, fnhd. ko¯n, mndd. ka¯m, nndl. kaam. Wie ne. (dial.) canes, keans ’Schaum auf Gegorenem’ entlehnt aus früh-rom. *ca¯na ’Schmutzschicht auf Wein’ (zu l. ca¯nus ’grau’), vermutlich über afrz. chanes, chienes. Es wird aber auch Zusammenhang mit anord. ka´mr ’schwärzlich, dunkel, schmutzig’ und damit Ansatz eines Erbworts erwogen. Ebenso nndl. kaam. – Alanne (1956), 24f.; Heidermanns (1993), 331.

Kahn Sm std. (15. Jh.). Ursprünglich nur nord- und

mitteldeutsch (kane), durch Luther in die Schriftsprache eingeführt. Vergleichbar ist zunächst ndn. (arch.) kane ’Boot, Schlitten’ zu anord. kani ’Gefäß, Schüssel’, neben dem als Vriddhi-Ableitung kœna ’eine Art Boot’ steht. Weitere Herkunft unklar.

Rotwelschen, in dem es seit dem 18. Jh. bezeugt ist. Dorthin kam es aus wjidd. Kaf(f)er ’Bauer, Dörfler’ (aus hebr. [nachtalmudisch] kafrı¯ ’dörflich’ zu wjidd. Bischoff, K. Elbostfälische Studien (1954), 90f.; Kretschmer kefar ’Dorf’; ÞKaff 1). Die afrikanische Stammesbe(1969), 245f.; Röhrich 2 (1992), 791f.; RGA 16 (2000), 161–163. zeichnung ist davon unabhängig: sie stammt aus span. cafre, port. cafre ’Barbar’, das aus arab. ka¯fir Kai Sm ’gemauerter Uferdamm’ erw. fach. (17. Jh.). ’Ungläubiger’ kommt. Die beiden Wörter sind aber Entlehnt aus nndl. kaai, das wie ne. quay auf frz. quai bei den Sprechern gleichgesetzt worden. beruht. Dieses aus einem keltischen Wort, das kymr. Ebenso nndl. kaffer. – Littmann (1924), 47f.; Lokotsch cae ’Gehege’ (s. unter ÞHag) entspricht. Zu diesem (1975), 79; EWNl 2 (2005), 603. auch abret. caiou Pl. ’Schutzwall’, das die Bedeutungsbrücke liefert. Käfig Sm std. (10. Jh.), mhd. kevje f., ahd. kev(i)a, keba Ebenso nndl. kaai, ne. quai, nfrz. quai, nschw. kaj, nnorw. kai. – f., as. kevia f. Entlehnt aus l. cavea f. ’Käfig, Behältnis, DF 1 (1913), 318; Kranemann (1958), 84–95; EWNl 2 (2005), Höhle’ (zu l. cavus ’hohl’, das sich aber wohl mit einer 601f. anderen Quelle vermischt hat). Das Suffix wohl aus dem Kollektivsuffix wie in ÞKehricht. Kainszeichen Sn erw. bildg. (18. Jh.). Nach dem ZeiEbenso nndl. kooi, ne. cage, nfrz. cage, nschw. koj, nnorw. chen, mit dem Gott den Brudermörder Kain (zu desko¯y(e); ÞKaue, ÞKoje. – Rooth, E. FS Pretzel (1963), 301–307. sen Schutz) zeichnet (1. Mose 4,15). Verallgemeinert (unter Vernachlässigung der Funktion des Zeichens) Kaftan Sm (ein langes, weites Obergewand, für bezu ’Zeichen eines Brudermörders’ oder noch allgestimmte modische Kleidungsstücke übernommeiner ’eines verwerflichen Menschen’. men) erw. exot. ass. (16. Jh.). Entlehnt aus türk. kaftEbenso nndl. Kaı¨nsteken, ne. mark of Cain, nfrz. signe de Caı¨n, an, aus pers. hafta¯n ’unter dem Panzer zu tragendes nschw. kainsmärke, nnorw. kainsmerke. – Littmann (1924), Gewand’, vgl.˘ arab. qufta¯n. 42f.; Röhrich 2 (1992), 792 (zu Kainsmal). ˙

Kaiser

464 Kaiser Sm std. (8. Jh.), mhd. keiser, ahd. keisur, keisar,

Ebenso nndl. kaketoe, ne. cockatoo, nfrz. cacatoe`s, nschw. ka-

kadu(a), nnorw. kakadu, nisl. kakadu´fa, kakadu´i. – Loewe, R. as. ke¯sur. Gehen mit ae. Ca¯sere, gt. kaisar zurück auf ZVS 61 (1933), 120–130; Kahlo, G. MS 70 (1960), 32. eine der ältesten Entlehnungen des Germanischen Kakao Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus span. cacao, dieses aus dem Lateinischen: Der Herrschertitel l. Caesar, aus Nahuatl cacahuatl ’Kakaobohne’. Bei der Entlehübernommen aus dem Eigennamen C. Julius Caesar, bezeichnet zunächst den Herrscher des römischen nung ist die Vermittlung weiterer romanischer SpraReichs, dann den Herrscher allgemein. Gleicher Herchen anzunehmen. Ebenso nndl. cacao, ne. cocoa, nfrz. cacao, nschw. kakao, kunft ist russ. car′, aruss. ceˇsarı˘ (wohl über gt. kaisar). nnorw. kakao, nisl. kako´. – DF 1 (1913), 318; Walz, J. A. ZDW 12 Die Entlehnung spiegelt einen auffallend frühen (1910), 187; Littmann (1924), 146, 150; Loewe, R. ZVS 61 (1933), Lautstand des Lateinischen (k vor hellem Vokal, Di84–93; Röhrich 2 (1992), 793; EWNl 1 (2003), 408. phthong). Zu seiner Erklärung wird teils griechische kakeln Vsw ’gackern, schwatzen’ per. ndd. (16. Jh.). Vermittlung, teils Lautersatz nach vorliegenden MusLautmalende Bildung, schon mndd. kakelen; weiter tern angenommen. − Im alten Österreich wurde Kainndl. kakelen, ne. cackle, nschw. kackla u.a. ser- nicht selten zur Markierung des in seiner Art Hervorragenden verwendet, besonders bei Speisen Kakerlak Sm ’Schabe’ per. grupp. (17. Jh.). Im 16. Jh. (Kaiserbirne, Kaisersemmel, Kaiserfleisch, Kaisergibt es in den nördlichen Sprachformen (Niederschmarrn u.a.). Adjektiv: kaiserlich. deutsch, Niederländisch) ein Schimpfwort Kakerlack, Ebenso nndl. keizer, nschw. kejsare, nnorw. keiser, nisl. keisari. das ’Verleumder, Schwätzer’ bedeutet (so wird z.B. – LM 5 (1991), 851–856; Röhrich 2 (1992), 792f.; EWNl 3 Luther in einem Spottlied der Stralsunder Katholiken (2007), 42f. genannt, weil er den Kaiser einen Madensack genannt Kaiserling Sm (der Blätterpilz Amanita caesarea) per. hat), vgl. nndl. lak ’Unsinn’ und vermutlich ndd. reg. (16. Jh.). Die Bezeichnung geht darauf zurück, käken ’rülpsen, kotzen’, also etwa ’Unsinn eines dass ÞKaiser Claudius 54 nach Christus an Gift starb, Rülpsers’, dann als Personenbezeichnung; weitere das man einem Gericht dieser Pilze beigemischt hatte Bezeugungen etwas später im Niederländischen. Im (Plinius Naturalis historia 22,92). Die Bezeichnung ist folgenden Jahrhundert kommt die Bezeichnung der im Deutschen seit dem 16. Jh. erwähnt und wurde südamerikanischen Küchenschabe nach Europa; aus verstanden als ’vortrefflicher Pilz’. einer der holländischen Kreol-Sprache (Papiamento, Ebenso nfrz. amanite des Ce´sares. – Marzell 1 (1943), 236. Sranantongo, Negerhollands), in denen das Tier kakalaka heißt, das holländische Wort, das formal an Kaiserschnitt Sm erw. fach. (17. Jh.). Bei Plinius (Nadas alte Schimpfwort angeglichen wird, und daraus turalis historia 7,47) wird der Name Caesar damit erdas deutsche Wort; aus einer anderen Sprache Südklärt, dass der erste Träger dieses Namens seiner Mutamerikas span. cucaracha f., das außer ’Kakerlak’ ter aus dem Leib geschnitten wurde (l. caedere [caesum] ’hauen, fällen, ausschneiden’ u.ä.). Danach noch andere Bedeutungen hat (zu span. cuca ’Made, heißt die operative Entbindung im späten Mittelalter geflügelter Kakerlak’ u.a.) – aus diesem die englische sectio caesarea (faktisch geht es zunächst darum, dass Entsprechung cockroach. Im älteren Deutschen wird Frauen, die vor der Geburt eines Kindes sterben, das der Name Kakerlak (weil das Tier lichtscheu ist) geKind aus dem Leib geschnitten wird, um getrennt legentlich auf andere lichtscheue Tiere und Menbegraben zu werden; als Operation erst um 1500). schen übertragen (auch auf Albinos, die angeblich Dies wird im 17. Jh. übersetzt zu Kaiserschnitt. lichtscheu sind). Ebenso nndl. keizersnede, nschw. kejsarsnitt, nnorw. keisersnitt, nisl. keisaraskurduÑ r. Zur Sippe von l. caedere s. Þdezidiert. – LM 5 (1991), 860.

Kajak Smn ’ein Paddelboot’ erw. fach. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus einem grönländischen Dialekt. Ebenso nndl. kajak, ne. kayak, nfrz. kayak, kayac, nschw. kajak, nnorw. kajakk. – EWNl 2 (2005), 603f.

Kajüte Sf ’Wohnraum in einem Schiff’ erw. fach.

(15. Jh.). Übernommen aus mndd. kajute, älter nndl. kajute. Herkunft unklar; vielleicht Streckform aus Kute, Küte, Kaute ’Loch, Höhle’ (s. unter ÞKaute). Schröder (1906), 35–39; Knobloch (1973), 168; EWNl 2 (2005), 604.

Kakadu Sm erw. fach. (17. Jh.). Übernommen aus nndl.

kak(k)etoe, das seinerseits auf ein malayisches Wort zurückgeht, das ganz oder in Teilen lautmalend ist (vermutlich kaka ’Papagei’ nach dem Schrei des Vogels + tu¯a ’alt’).

Ebenso nndl. kakkerlak, ne. cockroach, nfrz. cancrelat, kakerlak, nschw. kackerlacka, nnorw. kakerlakk, nisl. kakalak(k)i. – Wissmann (1963–1968), 54f., sowie Beiheft 2 (1965), 36–40; EWNl 2 (2005), 605f.

Kaktus Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus gr. ka´ktos, das eine

andere stachelige Pflanze bezeichnet und dessen weitere Herkunft nicht geklärt ist. Dazu die Nebenform Kaktee, die aus der wissenschaftlichen Bezeichnung Cacteae für die ganze Pflanzenfamilie stammt. Ebenso nndl. cactus, ne. cactus, nfrz. cactus, cactier, nschw. kaktus, nnorw. kaktus, nisl. kaktus. – Röhrich 2 (1992), 793; EWNl 1 (2003), 409.

Kalamität Sf ’missliche Lage’ per. fremd. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus l. calamita¯s (-a¯tis) (auch: ’Schaden, Unglück, Verderben’, zunächst ’landwirtschaftliches Unglück [z.B. Hagelschlag, Viehsterben usw.]’). Ebenso ne. calamity, nfrz. calamite´, nschw. kalamitet, nnorw. kalamitet. – DF 1 (1913), 318; BlW 3 (1988), 200–202; EWNl 1 (2003), 411.

Kali

465 Kalauer Sm ’wenig geistreicher Wortwitz’ erw. stil.

Ebenso nschw. (dial.) kallun, nnorw. kalun. – Röhrich 2

(1992), 796. (19. Jh.). Vermutlich eine in Berlin entstandene volksetymologische Umdeutung von frz. calembour Kalebasse Sf ’ein bauchiges Gefäß mit langem ’Wortspiel’ nach dem Namen der Stadt Calau in der Hals’ per. exot. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. calebasse, Niederlausitz. Alles weitere ist spekulativ. Die Kalaudieses aus span. calabaza ’Kürbis(pflanze)’, dessen er waren bekannt für die Herstellung von Stiefeln, weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. man scheint den Schustergesellen eine Art sprachliEbenso nndl. kalebas, ne. calabash, nfrz. calebasse, nschw. kalebass, nnorw. kalebass. – EWNl 2 (2005), 607. cher Primitivität nachgesagt zu haben, und Kalauer war eine spöttische Anrede für Schustergesellen um Kaleidoskop Sn erw. fach. (19. Jh.). Neubildung in Eng1840. Erster Beleg für die Bedeutung ’Wortwitz’ land zu gr. kalo´s ’schön’, gr. eı˜dos ’Bild, Gestalt’ (zu gr. merkwürdigerweise in französischer Sprache als Caideı˜n ’sehen’) und gr. skopeı˜n ’schauen’ in Analogie zu lovien im Kladderadatsch vom 11. 8. 1850 (Calovia ist ÞMikroskop. Somit also ein ’Gerät zum Betrachten der latinisierte Name von Calau). Verb: kalauern. von schönen Bildern’ (entstanden 1815). DF 1 (1913), 318f.; Moderhack, R. Zeitschrift des Vereins für die Geschichte Berlins 57 (1940), 76–80; DEO (1982), 184f.

Kalb Sn std. (8. Jh.), mhd. kalp, ahd. kalb, as. kalf . Aus

Ebenso nndl. caleidoscoop, ne. kaleidoscope, nfrz. kale´idoscope, nschw. kalejdoskop, nnorw. kaleidoskop; ÞIdee, ÞSkepsis. – Cottez (1980), 215; Rey-Debove/Gagnon (1988), 464f.; EWNl 1 (2003), 411.

g. *kalbaz- n. ’Kalb’, auch in anord. kalfr m., ae. cealf Kalender Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus ml. calendarius, m./n.; im Gotischen ist nur die Ableitung kalbo f. dieses aus l. Calendae f. ’der erste Tag des Monats, ’junge Kuh’ bezeugt, entsprechend zu ahd. kalba. Der Monat’, zu l. cala¯re ’(die Kalenderdaten) ausrufen’. Ansatz eines s-Stamms ergibt sich aus dem r-Plural Ebenso ne. calendar, nfrz. calendrier, nndl. kalender, nschw. und aus der altnordischen Form. Aus einer damit abkalender, nnorw. kalender. – Lokotsch (1975), 82; LM 5 (1991), lautenden Form könnte wg. *kelbuzjo¯ f. ’Mutter866f.; Röhrich 2 (1992), 796; EWNl 2 (2005), 607. lamm’ abgeleitet sein (in ahd. kilburra, kilb(ir)ra f., Kalesche Sf ’eine leichte Kutsche’ erw. obs. (17. Jh.). ae. cilforlamb). Morphologisch und semantisch pasEntlehnt aus cˇech. koleska und poln. kolaska, zu poln. sen dazu einige Ausdrücke für ’Gebärmutter, Tierkoło n. ’Rad’, das mit der unter ÞHals beschriebenen junges’ (u.ä.) im Indischen und Griechischen (diese Wurzel verwandt ist. Bedeutungen gehen häufig ineinander über); doch Ebenso nndl. cale`che, ne. calash, nfrz. cale`che, nschw. kalesch, weist das Griechische auf einen Anlaut *g w-, der nicht nnorw. kalesje. – DF 1 (1913), 319; Kretschmer (1969), 312f.; zum Germanischen stimmt. Vgl. ai. ga´rbham. Steinhauser (1978), 78–80. ’Mutterleib, Leibesfrucht’, avest. g¡r¡-busˇ- n. ’Tierjunges’, gr. delphy´s f. ’Gebärmutter’, in Glossen Kalfakter Sm ’jmd., der Hilfsdienste tut’ per. arch. auch gr. dolpho´s f., ein s-Stamm ist vielleicht verbaut (16. Jh.). Entlehnt aus ml. cal(e)factor ’Heizer’, einem in gr. adelpheo´s m. ’Bruder’ (Homer). Die ZusamNomen Agentis zu l. cal(e)facere ’einheizen’, zu l. menhänge (Parallelwurzeln oder sekundäre Vermical(i)dus ’warm, heiß’ und l. facere ’machen’. Zuschung) sind deshalb im einzelnen unklar. Vielfach in nächst entlehnt als Bezeichnung für denjenigen, der Übertragungen für ’täppisch, albern’ nach den tollin der Schule mit dem Einheizen beauftragt war. Dann Verallgemeinerung zu ’jmd., der Hilfsdienste patschigen Bewegungen junger Kälber. Ebenso nndl. kalf, ne. calf, nschw. kalv, nisl. ka´lfur. – Platverrichtet’. Die französische Entsprechung ist schek, M.: Lamm und Kalb (Gießen 1957), 14–16; Röhrich 2 ÞChauffeur. (1992), 793–795; EWNl 2 (2005), 607f.

Kalbfell Sn ’Trommel’ per. arch. (17. Jh.). Bezeichnung

der Werbetrommel (nach deren Bespannung). Nicht selten in Wendungen und Übertragungen (die teilweise auch davon ausgehen, dass auf der Trommel gewürfelt wurde). Röhrich 2 (1992), 795f.

Kalbsmilch Sf ’Brustdrüse des Kalbs’ per. ndd. md.

(18. Jh.). Wie bei ÞMilken u.ä. wird die Drüse nach ihrer Zartheit bezeichnet. Kretschmer (1969), 248f.

Kaldaune Sf (meist Pl.) ’essbare Innereien’ per. reg.

(14. Jh.), spmhd. kaldu¯ne. Entlehnt aus mittellateinischen Bildungen, die zu l. cal(i)dus ’warm’ gehören. Wahrscheinlich so bezeichnet als die ’noch warmen Teile eines ansonsten bereits erkalteten geschlachteten Tieres’.

Ebenso ne. chauffeur, nfrz. chauffeur.

kalfatern Vsw ’Wände von Schiffen (mit Teer usw.) ab-

dichten’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus ndl. kalfateren, dieses aus frz. calfater, it. calafatare und span. calafatear, dieses wohl zu arab. qalfata ’abdichten’, das aber nicht echt arabisch aussieht.˙ Allen zugrunde liegt offenbar gr. (byz.) kalafa´te¯s ’Kalfaterer’. Ebenso nndl. kalefateren, nfrz. calfater, nschw. kalfatra, nnorw. kalfatre. – Kahane, H. u. R., Tietze, A.: The lingua france in the Levant (Leiden 1958), 513–517; Tazi (1998), 290f.; EWNl 3 (2007), 472.

Kali Sn erw. fach. (18. Jh.). Von dem deutschen Che-

miker M. H. Klaproth aus ÞAlkali gekürzt und als Sammelbezeichnung für die Kaliumsalze verwendet; besonders bei Düngemitteln gebraucht. Zur Bezeichnungsgeschichte s. ÞAlkali. Ebenso nndl. kali, ne. kali, nfrz. kali, nschw. kali, nnorw. kali, nisl. kalı´. – Cottez (1980), 215.

Kaliber

466

Kaliber Sn ’Größe, Art (bes. von Geschützen)’ erw.

fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. calibre m., dieses aus it. calibro m., über mittellateinische Vermittlung aus arab. qa¯lib ’Form, Modell, Schusterleisten’, aus gr. ka¯lopo´dion ’Schusterleisten, (eigentlich: Holzfüßchen)’, einem Diminutivum zu gr. ka¯lo´pous m. ’Holzfuß, Schusterleisten’, einer Zusammensetzung aus gr. ka˜lon ’Holz’ und gr. pou´s m. ’Fuß’. Ebenso nndl. kaliber, ne. calibre, nfrz. calibre, nschw. kaliber, nnorw. kaliber. – Kluyver, A. ZDW 11 (1909), 219–224; DF 1 (1913), 319; Littmann (1924), 98, 100; Lokotsch (1975), 83; Kiesler (1994), 257f.; Tazi (1998), 206; EWNl 2 (2005), 608.

Kalif Sm ’islamischer Würdenträger’ erw. exot. (19. Jh.).

Entlehnt aus arab. halı¯fa ’Stellvertreter, Nachfolger’ ˘ (nämlich des Propheten). Ebenso nndl. kalief, ne. caliph, nfrz. calife, nschw. kalif, nnorw. kalif. – Tazi (1998), 208; EWNl 2 (2005), 608f.

Kalium Sn per. fach. (19. Jh.). Der deutsche Chemiker

Kalmen Spl ’Windstille’ per. fach. (16. Jh.). Durch Pa-

lästinafahrer im Deutschen eingeführt. Zugrunde liegt ein romanisches Wort (frz. calme m., it. span. port. calma f.), das die Ruhe bezeichnet, die bei großer Hitze einzutreten pflegt. Es geht zurück auf gr. kau˜ma n. ’Hitze’, das unter dem Einfluss von l. cale¯re ’warm sein’ umgebildet wurde. Ebenso ne. calm, nfrz. calme. – Kluge (1911), 415f.; EWNl 2 (2005), 611.

Kalorie Sf (eine Maßeinheit für den Energiegehalt von

Lebensmitteln) erw. fach. (20. Jh.). Neubildung zu l. calor (-o¯ris) ’Wärme, Hitze’, zu l. cale¯re ’glühen, warm sein’. Die Kalorien spielen heute noch in der Umgangssprache eine Rolle, während sich die neuere Maßeinheit Joule dort nicht durchgesetzt hat. Ebenso ne. calorie, nfrz. calorie, nndl. calorie, nschw. kalori, nnorw. kalori, nisl. kalorı´a; ÞChauffeur, ÞKalfakter, ÞNonchalance. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þlau.

Andreas S. Marggraf fand Mitte des 18. Jhs. heraus, kalt Adj std. (9. Jh., kalti 8. Jh.), mhd. kalt, ahd. kalt, as. dass die damals Soda, Natron und Pottasche genannkald. Aus g. *kalda- Adj. ’kalt’, auch in gt. kalds, ten Stoffe als zwei verschiedene Arten von Alkali aufanord. kaldr, ae. ceald, afr. kald. Altes to-Partizip zu g. zufassen sind. 1807 gelang Humphry Davy aus diesen *kal-a- Vst. ’frieren, kalt werden’ in anord. kala, ae. als Ausgangsmaterialien zwei unterschiedliche Elecalan. Außergermanisch vergleichen sich nur Nomimente herzustellen, die er Sodium und Potassium na: l. gelu¯ ’Frost, Kälte’, lit. ge´lmenis, geluma` ’heftige nannte; in Deutschland und anderen Ländern wurKälte, Frost’, russ. go´lot′ ’Glatteis’. Abstraktum: Kälte; den die Bezeichnungen Natrium und Kalium vorgePräfixableitung: erkalten. zogen. Zur Bezeichnungsgeschichte s. ÞAlkali. Ebenso nndl. kalium, nschw. kalium, nnorw. kalium, nisl. kalı´n. – EWNl 2 (2005), 608f.

Ebenso nndl. koud, ne. cold, nschw. kall, nisl. kaldur; Þkühl. – Seebold (1970), 288f.; Röhrich 2 (1992), 797f.; Heidermanns (1993), 328; EWNl 3 (2007), 122.

Kalk Sm std. (8. Jh.), mhd. kalc, ahd. kalc, as. kalc. Be-

Kalter Sm ’tragbarer Behälter für Fische’ per. fach. ruhen wie ae. cealc auf früher Entlehnung aus l. calx (14. Jh.), spmhd. kalter. Eigentlich gehalter zu gehal(calcis) f., das seinerseits aus gr. cha´lix m./f. ’Kies, ten ’behalten, aufbewahren’ (Þhalten). Kalkstein, ungebrannter Kalk’ entlehnt ist. Die GerKalumet Sn ’Friedenspfeife’ per. exot. (19. Jh.). Es hanmanen lernten die Verwendung des Kalks mit dem delt sich um ein französisches Regionalwort (nordfrz. Steinbau von den Römern kennen und entlehnten calumet ’Röhrchen’, Entsprechung zu frz. chalumeau mit der Sache das Wort. In ihrer ursprünglichen Baum. ’Strohhalm usw.’, aus l. calamellus m. ’Röhrchen’, weise benützten sie Lehm. Verb: kalken; Adjektiv: zu l. calamus m. ’Schilfrohr’), das von französischen kalkig. Siedlern in Nordamerika zur Bezeichnung der (ihnen Ebenso nndl. kalk, ne. chalk, nfrz. chaux, nschw. kalk, nnorw. unbekannten) Pfeife diente. kalk, nisl. kalk; Þkalkulieren. – Hoops (1911/19), III, 5f.; Lüschen (1979), 246; LM 5 (1991), 870f.; Barke (1991), 273f.; EWNl 2 (2005), 610.

kalkulieren Vsw erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. cal-

cula¯re (eigentlich ’mit Rechensteinen umgehen’), zu l. calculus ’Steinchen, Rechenstein, Berechnung’, einem Diminutivum zu l. calx (calcis) ’Stein, Spielstein, Kalkstein’, verwandt mit gr. cha´lix ’kleiner Stein, Kalkstein’. Abstraktum: Kalkulation; Rückbildung: Kalkül.

Ebenso ne. calumet, nfrz. calumet.

Kamel Sn std. (13. Jh., Form 16. Jh.), mhd. kembel, kem-

mel, ke´mel, kamel m u.a. Entlehnt aus gr. ka´me¯los m./f., das auf ein semitisches Wort zurückgeht (arab. gˇamal). Ursprünglich dem deutschen Sprachstand angepasst und anfangsbetont, dann nach l. came¯lus m./f. verändert. Ebenso nndl. kameel, ne. camel, nfrz. chameau, nschw. kamel, nnorw. kamel, nisl. kameldy´r. – Littmann (1924), 15; Lüschen (1979), 224; Lokotsch (1975), 52; LM 5 (1991), 881; Röhrich 2 (1992), 798; EWNl 2 (2005), 612f.

Ebenso nndl. calculeren, ne. calculate, nfrz. calculer, nschw. kalkylera, nnorw. kalkulere; ÞChaussee, ÞKalk. – Schirmer (1911), 92; Schirmer (1912), 34f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 Kämelgarn Sn ’Garn aus dem Haar der Angorazie(1963), 394; Cohen, G. CoE 15 (1985), 3/4, 16f.; HWPh 4 (1976), ge’ per. fach. (18. Jh.). Zu fnhd. kemel ’Kamel’ 672–681 (zu Kalkül); EWNl 1 (2003), 411.

Kalle Sf ’Braut; Prostituierte’ per. vulg. (18. Jh.). Im

Rotwelschen seit dem 18. Jh. bezeugt. Aus wjidd. kalle ’Braut’, zu hebr. kalla¯(h) gleicher Bedeutung. Günther, L. Anthropophyteia 9 (1912), 11–13.

(ÞKamel), übertragen auf die Angoraziege wegen ihres langen Halses. Ebenso nndl. kemelsgaren, nschw. kamelgarn.

467 Kamelie Sf (eine Pflanze mit immergrünen Blättern

Kammertuch Ebenso ndn. kamin; ÞKemenate. – Trier, J. ZDPh 70 (1947/49),

352f.; Schepers, J. FS Trier (1954), 339–377; Schilling (1963); und rosenähnlichen Blüten) per. fach. (19. Jh.). NeuKretschmer (1969), 439f.; LM 5 (1991), 883f.; Röhrich 2 bildung zum Namen des Missionars Kamel (latini(1992), 799. siert Camellus), der eine Beschreibung der ostasiatiKamisol Sn ’Unterjacke, Mieder’ per. arch. (17. Jh.). schen Pflanzenwelt verfasste. Entlehnt aus frz. camisole, dieses aus it. camiciola, Ebenso nndl. camelia, ne. camellia, nfrz. came´lia, nschw. kaeinem Diminutivum zu it. camicia, ml. camisia melia, nnorw. kamelia. ’Hemd’. Kamelle Sf per. reg. (20. Jh.). Mundartliche Variante

von ÞKaramel. Kamellen Spl (in der Fügung alte/olle Kamellen

’Altbekanntes’) per. reg. phras. (20. Jh.). Mundartliche Variante von ÞKamille. Alte Kamillen verlieren ihre Wirkkraft und sind zu nichts mehr nütze. Röhrich 2 (1992), 798.

Kamera Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus neo-kl. camera

obscura, wörtlich ’dunkle Kammer’, aus l. camera ’Gewölbe, gewölbte Decke, Wölbung’, dieses aus gr. kama´ra ’Gewölbe, gewölbte Kammer’. Die camera obscura beruht auf dem damals nicht erklärlichen Prinzip, dass eine kleine Öffnung zur Außenwelt in einem dunklen Raum ein auf dem Kopf stehendes Abbild des nach außen Sichtbaren liefert. Dann übertragen auf die mit Linsen arbeitenden Geräte. Ebenso nndl. camera, ne. camera, nfrz. came´ra, nschw. kamera, nnorw. kamera. – DF 1 (1913), 104; EWNl 1 (2003), 412.

Kamerad Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. camerade,

dieses aus it. camerata m./f. ’Gefährte, Kammergemeinschaft’, zu it. camera ’Kammer’, aus l. camera ’Gewölbe, gewölbte Decke, Wölbung’, aus gr. kama´ra ’Gewölbe, gewölbte Kammer’. Also eine Soziativbildung ’der in der gleichen Kammer lebt’, vgl. ÞGeselle. Abstraktum: Kameradschaft.

Ebenso ne. camisole, nfrz. camisole. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞHemd.

Kamm Sm std. (9. Jh.), mhd. kambe, kamme m./f.,

kam(p), ahd. kamb, as. kamb. Aus g. *kamba- m. ’Kamm’, auch in anord. kambr, ae. camb. Dieses vergleicht sich zunächst mit ai. ja´mbha- m. ’die Zahnreihen’ (’das Gezähne’, ig. *g´o´mb ho-), im Plural ’Zähne’; der Kamm wird also als ’Zahnreihe’ aufgefasst. Aus der Pluralbedeutung ’Zähne’ gewinnen einige Sprachen ein Wort für ’Zahn’: akslav. zo¸bu˘, lett. zu`obs (auch ’Zacke an der Säge, Bart am Schlüssel’), toch. A kam, B keme, alb. tosk. dhe¨mb, geg. dha˜m(b); entsprechend als Zugehörigkeitsbildungen gr. gomphı´os, ai. ja´mbhya- ’Backenzahn’. Diese Wörter gehen zurück auf ein nur noch im Vedischen bezeugtes Verb ai. jambh- ’schnappen’ (’das Maul aufreißen’, ’zubeißen’, offenbar von einem Raubtier). Eine markante, beim Verbum kaum bezeugte Bedeutungsübertragung geht zu ’zuschnappen, festbeißen’ und damit einerseits ’fest verbinden’ (hierzu ÞKimme) und ’fest werden, gerinnen, erfrieren’. Ebenso nndl. kam, ne. comb, nschw. kam, nisl. kambur. Zur Bedeutungsentwicklung vgl. ÞSträhl. S. auch ÞKnebel. – LM 5 (1991), 884f.; Röhrich 2 (1992), 799; RGA 16 (2000), 200f.; Mumm, P.-A. FS Seebold (1999), 295–312; EWNl 2 (2005), 612.

Ebenso nndl. kameraad, ne. comrade, nfrz. camarade, nschw. Kammer Sf erw. obs. (8. Jh.), mhd. kamer(e), ahd. chakamrat, nnorw. kamerat. – DF 1 (1913), 320; EWNl 2 (2005), 614. mara, as. kamara. Früh entlehnt aus l. camera

Kamikaze Sm ’sich selbst opfernder Pilot/Mensch’ per.

exot. (20. Jh.). Entlehnt aus jap. kami-kaze, zu jap. kami ’Gott’ und jap. kaze ’Wind’, wörtlich also ’Gotteswind’. Bezeichnung japanischer Piloten, die sich im 2. Weltkrieg mit ihren sprengstoffbeladenen Flugzeugen auf amerikanische Kriegsschiffe stürzten und dabei selbst den Tod fanden. Ebenso nndl. kamikaze, ne. kamikaze, nfrz. kamikaze, ndn. kamikaze. – EWNl 2 (2005), 615.

Kamille Sf std. (14. Jh.). Im Mittelhochdeutschen

’gewölbte Decke’, dann ’Zimmer mit gewölbter Decke, Wölbung’, das seinerseits aus gr. kama´ra ’Gewölbe, gewölbte Kammer’ entlehnt ist. Ebenso nndl. kamer, ne. chamber, nfrz. chambre, nschw. kammare, nnorw. kammer; ÞKamera. – Heyne (1899/1903), I, 90; LM 5 (1991), 885–889; EWNl 2 (2005), 613f.

Kammerjäger Sm erw. stil. (17. Jh.). Ursprünglich

’fürstlicher Leibjäger’, dann scherzhaft umgedeutet zu ’Rattenfänger’ und ’Vertilger von Ungeziefer’. Die Umdeutung ist im 17. Jh. in Norddeutschland aufgekommen.

(mhd. camille) entlehnt aus l. chamaeme¯lon, chamomilla. Dieses aus gr. chamaı´me¯lon n., zu gr. chamaı´ Kammerton Sm per. fach. (18. Jh.). Eingeführt als der für die Kammermusik übliche Grundton (der ’auf der Erde, niedrig wachsend’ und gr. me˜lon n. Grundton der Oper war tiefer, der der Orgel höher). ’Apfel’ (wohl wegen Form und Geruch der reifen BlüDanach Verallgemeinerung des Grundtons mit entten). sprechender Veränderung der Bedeutung des Wortes. Ebenso nndl. kamille, ne. camomile, nfrz. camomille, nschw. kamomill, nnorw. kamille, nisl. kammilla; ÞKamellen. – LM 5 (1991), 883; EWNl 2 (2005), 615f.

Kamin Sm std. (13. Jh.), mhd. kamı¯n, kemı¯n ’Schorn-

stein’. Ist entlehnt aus l. camı¯nus ’Feuerstelle, Schmiedeesse, Herd’, dieses aus gr. ka´mı¯nos ’Ofen’.

Ebenso nndl. kamertoon, nschw. kammarton, nnorw. kammertone.

Kammertuch Sn ’feine Leinwand’ per. fach. (16. Jh.).

Ursprünglich ’Tuch aus Cambrai’ (nndl. Kamerijk); entsprechend nndl. kamerijksdoek, dann gekürzt zu

Kammgarn kamerdoek, das ins Deutsche übertragen wird. Dies aus frz. toile de Cambrai übersetzt.

468 kampieren Vsw ’im Freien übernachten’ erw. fremd.

Ebenso nndl. kamerdoek, Kamerijks doek, ne. cambric, nschw. kambrik. – Höfler (1967).

(17. Jh.). Gebildet zu ÞKamp in der Bedeutung ’Feldlager’ und von verschiedenen Entsprechungen (frz., ne.) nachträglich beeinflusst.

Kammgarn Sn per. fach. (19. Jh.). Gebildet zur Bezeich-

Ebenso nndl. kamperen, ne. camp, nfrz. camper, nschw. kam-

pera, nnorw. kampere. – DF 1 (1913), 321. nung von Garn aus Wolle, die durch Kämmen gereinigt und aufgelockert worden war. Kanaille Sf erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. canaille ’Gesindel’, dieses aus it. canaglia ’Hundepack’, Kamp Sm ’Grasplatz, kleine Baumschule’ per. reg. einem Kollektivum zu it. cane m. ’Hund’, aus l. canis (16. Jh.), mndd. kamp. Entlehnt aus l. campus ’Feld’. m. Ebenso nndl. kamp, ne. camp, nfrz. camp; ÞCamp. – Jones (1976), 170; EWNl 2 (2005), 616f.

Kampagne Sf erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz.

Ebenso nfrz. canaille, nschw. kanalje, nnorw. kanalje. – DF 1 (1913), 321; Brunt (1983), 176f.; EWNl 2 (2005), 619f.

campagne, dieses aus it. campagna ’Ebene, Feld’, aus Kanake Sm (eine abwertende Bezeichnung für Ausländer) erw. vulg. (20. Jh.). Entlehnt aus der Bezeichspl. campa¯nia f./n., einer Substantivierung von spl. nung für Südseeinsulaner, diese aus polyn. kanaka campa¯neus ’das flache Land betreffend’, zu l. campus ’Mensch’. m. ’Feld’. Die Bedeutung ist also ’Feldzug’, in einer metonymischen Bezeichnung (’Ort, an dem die Ak- Kanal Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. canale ’Röhre, tion durchgeführt wird’). Rinne, Wasserlauf’, dieses aus l. cana¯lis m./f., einer Substantivierung von l. cana¯lis ’rohrförmig’, zu l. Ebenso nndl. campagne, ne. campaign, nfrz. campagne, nschw. canna f. ’kleines Rohr, Schilf’, aus gr. ka´nna f. ’Rohr’, kampanj, nnorw. kampanje. – Schirmer (1911), 92; DF 1 (1913), 320f.; Jones (1976), 170; EWNl 1 (2003), 413. einem semitischen Lehnwort. Frühere Entlehnung (9. Jh.) bereits im Alt- und Mittelhochdeutschen Kämpe Sm erw. obs. (18. Jh.). Niederdeutsche Entspre(ÞKandel). Verb: kanalisieren; Kollektivum: chung zu ÞKämpfe(r), die im 18. Jh. wiederbelebt und Kanalisation. in die Schriftsprache übernommen wurde. Ebenso nschw. kämpe, nnorw. kjemper; ÞKämpfe(r).

Kampf Sm std. (11. Jh., kampfheit 8. Jh.), mhd. kampf,

Ebenso nndl. kanaal, ne. channel, nfrz. canal, nschw. kanal, nnorw. kanal; ÞKnaster, ÞKanne. – Kluge (1911), 419; DF 1 (1913), 321f.; LM 5 (1991), 897f.; Röhrich 2 (1992), 799; EWNl 2 (2005), 619.

ahd. kampf . Wie ae. comp und anord. kapp n. ’Wettstreit’, wohl eine alte Entlehnung aus l. campus Kanapee Sn ’Sofa’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. ’Feld’. Die Ausgangsbedeutung im Germanischen ist canape´ m., dieses aus l. co¯no¯pe¯um, co¯no¯pium ’Zweikampf’; solche Zweikämpfe wurden in einem ’Himmelbett, mit einem Mückennetz geschützte Laabgesteckten Feld durchgeführt, für das offenbar l. gerstätte, feinmaschiges Mückennetz’, aus gr. campus als Bezeichnung diente. Verb: kämpfen; ko¯no¯peı˜on, zu gr. ko¯´no¯ps m. ’Mücke, Stechmücke’. Nomen Agentis: Kämpfer. Die Vokale sind unregelmäßig verändert. Die moderEbenso nndl. kamp, ne. camp, nfrz. camp, nschw. kamp, nisl. ne Bedeutung ’Weißbrothäppchen’ scheint aus dem kapp; ÞCamp. – HWPh 4 (1976), 685–687; EWNl 2 (2005), 616f. Englischen zu kommen (Ende 19. Jhs.) und wegen Kampfer Sm ’eine harzige Masse mit charakteristides ’üppigen Aufbaus’ so benannt worden zu sein. schem Geruch’ per. fach. (15. Jh.), spmhd. kampfer, Ebenso nndl. canape´, ne. canape´ (’Weißbrothäppchen’), nfrz. gaffer. Ist entlehnt aus einem letztlich austroasiaticanape´, nschw. kanape´, nnorw. kanape´. – Walz, J. A. ZDW 12 schen Wort (Khmer ka¯po¯r usw.). Die verschiedenen (1910), 187; Janneau, G. VL 266 (1974), 276–278; EWNl 1 Inlautkonsonanten (Kampfer, ne. camphor, it. canfora (2003), 413. f., arab. ka¯fu¯r, ai. karpu¯´ra-) erklären sich wohl aus Kanarienvogel Sm std. (17. Jh.). Neubildung zu frz. caeiner Variation, die letztlich auf Präfixverschiedennari, so benannt nach den Kanarischen Inseln, dem heiten zurückgeht. Herkunftsort des Vogels. Ebenso nndl. kamfer, ne. camphor, nfrz. camphre, nschw. kamfer, nnorw. kamfer, nisl. kamfo´ra. – LM 5 (1991), 896; Kiesler (1994), 217f.; EWNl 2 (2005), 615.

Kämpfe(r) Sm std. (12. Jh.), mhd. kempfe, ahd.

kempf(e)o, as. kempio. Ae. cempa, anord. kappi bedeuten ursprünglich ’Zweikämpfer’ und gehören als Täterbezeichnung zu ÞKampf ; dann Anpassung an die normale Form der Täterbezeichnungen. Ebenso nschw. kämpe, nnorw. kjemper. Zu Kämpfer ’Balkenkopf’ s. ÞKäpfer, ÞKöper. – Kuhn, H. FS 2 (1968), 218–227; Schwab, U. ABÄG 46 (1996), 189f.

Ebenso nndl. kanarie(vogel), ne. canary (bird), nfrz. canari, nschw. kanariefa˚gel, nnorw. kanarifugl, nisl. kanarı´fugl. – Suolahti (1909), 133f.

Kandare Sf ’Gebissstange im Zaumzeug von Pfer-

den’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus ung. kanta´r. Dazu jemanden an die Kandare nehmen ’jmd. hart herannehmen’. Letztlich aus mongol. qantaγira ’die Zügel am Sattelgurt befestigen, einen Übergurt anbringen’. – Lokotsch (1975), 84f.; Vietze, H. P. Proceedings of the international Altaistic Conference 27 (1984), 432f.; LM 5 (1991), 898; Röhrich 2 (1992), 799f.

Kanne

469 Kandel Smf per. reg. (12. Jh.). Das Wort weist jungen

auch ’Kaninchenbau, Kanal, Rinne’. Meier setzt mit guten

Gründen l. cunnus ’weibliche Scham’ als ’Rinne, Ritze’ voraus; Gleitlaut d zwischen n und l auf und geht in der Bedas Kaninchen wäre demnach der ’Röhrenbewohner’. – Holtdeutung ’Kanne’ (bairisch, ostfränkisch) zurück auf hausen, F. Anglia Beiblatt 44 (1933), 3; Hubschmied, J. U. RH mhd. kannel f., ahd. kannella, kannala f. (zu ÞKanne); 20 (1943), 246–280; Schulten, A.: Iberische Landeskunde in der Bedeutung ’Straßenrinne, Dachrinne’ auf (Strasbourg 1955/57), II, 567; Meier (1975), 223–227; LM 5 mhd. kandel f. aus ahd. kanali m. (s. unter ÞKanal). (1991), 899; Röhrich 2 (1992), 800; RGA 16 (2000), 222–224; Die beiden Wörter gehen letztlich auf die gleiche EWNl 3 (2007), 111. Grundlage zurück, haben aber verschiedene morKanister Sm erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. canisphologische und semantische Entwicklungen durchter, dieses aus l. canistrum n. ’ein aus Rohr geflochgemacht. tener Korb’, aus gr. ka´nastron n., zu gr. ka´nna f. Kandelaber Sm ’mehrarmiger Ständer für Kerzen’ erw. ’Rohr’, einem semitischen Lehnwort. Im Englischen fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. cande´labre, dieses aus von ’Korb’ auf ’Behältnis’ ausgeweitet, u.a. auch l. cande¯la¯brum n., einer Ableitung von l. cande¯la f. ’Blechdose’. Von hier aus dann die Entlehnung in der ’Kerze, Talglicht’, dieses abgeleitet von l. cande¯re eingeschränkten Bedeutung. In der Bedeutung ’glänzen, schimmern’ (zu diesem s. ÞKandidat). ’Korb’ findet sich das Wort bereits früher im DeutEbenso nndl. kandelaber, ne. candelabrum, nfrz. cande´labre, schen. nschw. kandelaber, nnorw. kandelaber. – EWNl 2 (2005), 620.

Kandidat Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. candida¯tus,

Ebenso ne. canister, nschw. kanister. Zur griechisch-lateinischen Sippe s. ÞKanne und ÞKanal.

einer Substantivierung von l. candida¯tus ’weiß geKanker1 Sm ’Weberknecht’ per. reg. (14. Jh.), spmhd. kleidet’, zu l. candidus ’glänzend weiß, fleckenlos’, zu kanker. Trotz seiner späten Bezeugung offenbar ein l. cande¯re ’glänzen, schimmern’. Zunächst vor allem altes Wort. Mit verschiedenen lautlichen Umgestalder Bewerber um eine Magistratur, der während der tungen vgl. nordfr. kunker, anord. ko¸ngurva´fa, ko¸nBewerbung eine mit Kreide geweißte toga candida f. gulva´fa f., ae. gongelw¢fre f. Zugrunde zu liegen trug. Verb: kandidieren; Abstraktum: Kandidatur. scheint ein Wort für ’weben’, vgl. die Entlehnung ins Ebenso nndl. kandidaat, ne. candidate, nfrz. candidat, nschw. Finnische kangas ’Gewebe’, finn. kankuri ’Weber’ und kandidat, nnorw. kandidat. – DF 1 (1913), 322f.; BlW 3 (1988), vielleicht russ. guzˇ ’Seil, Tau’. Kaum ein Erbwort. Zu 205–212; EWNl 2 (2005), 621. ÞKanker 2 ? kandieren Vsw ÞKandis. Kanker2 Sm ’Krebs an Bäumen’ per. fach. (11. Jh.), ahd. kancur. Wie ae. cancer eine Entlehnung aus l. cancer 18. Jh.). Entlehnt aus it. (zucchero) candi(to), dieses ’Krebs’ (eigentlich und übertragen). Möglicherweise aus arab. qandı¯ ’vom Zuckerrohr’, zu arab. qand hat die Entlehnung ein Erbwort überlagert, das gr. go´ngros ’Auswuchs an (Oliven)Bäumen’, gr. ga´ngrai’Zuckerrohr, Rohrzucker’, aus ai. khandaka- ’Zucker ˙˙ in kristallartigen Stücken’. Das auslautende /s/ wohl na f. ’bösartige Geschwulst’ entsprechen würde. aus der Variante candisieren des Verbs kandieren in Ebenso nndl. kanker ’Krebs’, ne. cancer, nfrz. cancer. – Kluge, den Stamm des Substantivs übernommen. MundartF. ZVS 26 (1883), 86; EWNl 2 (2005), 623. lich bereits zuvor entlehnt als Kandelzucker, Kanne Sf std. (11. Jh.), mhd. kanne, ahd. kanna, as. kanKandizucker u.ä. Dazu nach italienischem und franna. Vergleichbar mit anord. kanna, ae. canne. Verzösischem Vorbild das Verb kandieren ’mit Zucker mutlich entlehnt aus ml. canna gleicher Bedeutung überziehen’. (die umgekehrte Entlehnungsrichtung ist nicht ausEbenso nndl. kandij, ne. candy, nfrz. sucre candi, nschw. kangeschlossen). Falls aus dem Lateinischen, ist das Wort disocker, nnorw. kandis; ÞZuckerkand(el). – DF 1 (1913), 323; eine Bedeutungsverschiebung aus l. canna ’Schilf, Littmann (1924), 81, 87; Lokotsch (1975), 85 (zu kandieren); Ried, Rohr’ und bedeutet ursprünglich ’Gefäß mit Brunt (1983), 177f.; Kiesler (1994), 258; Tazi (1998), 258; einer Ausgussöffnung’. Fnhd. kante gleicher BedeuEWNl 2 (2005), 621. tung stammt aus ahd. kannata, kanta, das aus der Känguru Sn erw. exot. (18. Jh.). Über englische Vermittlateinischen Ableitung (o¯lla) *canna¯ta ’mit Ausgusslung entlehnt aus einer Eingeborenensprache Ausöffnung versehener (Topf)’ entlehnt ist. Nach Lühr traliens. ursprünglich germanisch und zu anord. kani m. Ebenso nndl. kangoeroe, ne. kangaroo, nfrz. kangourou, kan’Schüssel’ (usw.) zu stellen. Kandis Sm (eine Zuckersorte) erw. fach. (16. Jh., Form

guroo, nschw. känguru, nnorw. kenguru, nisl. kengu´ra. – Littmann (1924), 135; Rey-Debove/Gagnon (1988), 465; EWNl 2 (2005), 622.

Kaninchen Sn std. (16. Jh.). Diminutivum zu d. Kanin,

dieses aus afrz. conin, aus l. cunı¯culus m. Andere Entlehnungsformen sind ÞKarnickel und ÞKönighase. Ebenso nndl. konijn(tje), nschw. kanin, nnorw. kanin, nisl. kanı´na. Das lateinische Wort bedeutet sowohl ’Kaninchen’ wie

Ebenso nndl. kan, ne. can, nfrz. canne, nschw. kanna, nnorw. kanne, nisl. kanna. Zu dem lateinischen Wort gehört die Gruppe ÞKnaster, ÞKanister, zu einer l-Bildung ÞKanal, ÞKandel, ÞKännel, zu einer anderen ÞKanüle; Modifikationsbildungen in ÞKanon, ÞKanone. – Frings (1932), 129f.; Schnetz, J. ZN 19 (1943), 150–153; Alanne, E. NPhM 56 (1955), 221f.; Lühr (1988), 204f.; LM 5 (1991), 899; Röhrich 2 (1992), 800; RGA 16 (2000), 225–228; EWNl 2 (2005), 619.

Kännel

470

Kännel Sm ’Dachrinne’ per. reg. (13. Jh.), mhd. kanel,

kenel. Eingedeutschte Form des Lehnworts ahd. kanali (aus l. cana¯lis ’Röhre, Rinne, Wasserlauf’). Ebenso ne. channel; ÞKanal.

Kannibale Sm erw. exot. ass. (16. Jh.). Entlehnt aus der

gleichbedeutenden Pluralform span. canı´bal (zuerst bei Kolumbus), einer Ableitung zu dem Stammesnamen der menschenverzehrenden Kariben (mit dem Überlieferungsfehler /n/ statt /r/). Das Grundwort bleibt ein Völkername, während die Ableitung zu einem Wort für ’Menschenfresser’ wird. Es wird dann ausgeweitet auf die Bezeichnung aller Wesen, die ihre eigene Art fressen. Abstraktum: Kannibalismus; Adjektiv: kannibalisch. Ebenso nndl. kannibaal, ne. cannibal, nfrz. cannibale, nschw. kannibal, nnorw. kannibal. – DF 1 (1913), 323; Littmann (1924), 145; Loewe, R. ZVS 61 (1933), 38–48; Palmer (1939), 63–65; Wis, M. NPhM 66 (1965), 621; EWNl 2 (2005), 623f.

Kanon Sm erw. fach. (8. Jh.). Entlehnt aus l. cano¯n

(einer Felsenburg in Oberitalien bei Reggio Emilia), dem damaligen Aufenthaltsort Papst Gregors VII., ging Kaiser Heinrich IV. 1077, um die Aufhebung des über ihn im Jahr zuvor verhängten Kirchenbannes zu erwirken. Das in seiner Bedeutung bei den Historikern umstrittene Ereignis wurde im 19. Jh. häufig sehr pathetisch und einseitig geschildert. Ein Schlagwort wurde das Wort, als Bismarck 1872 die Ablehnung des Kardinals Hohenlohe als deutscher Botschafter bei Papst Pius IX. kommentierte mit dem Satz: Nach Canossa gehen wir nicht. Ebenso ne. (Vb.) go to Canossa, nfrz. (Vb.) aller a` Canossa, nnorw. kanossagang. – Büchmann (1986), s. unter diesem Wort; Röhrich 1 (1991), 289.

Kant(en) Sm ’Brotranft’ per. reg. (20. Jh.). Es handelt

sich ursprünglich um das gleiche Wort wie ÞKante, das sich mit der Bedeutung ’Rand’ verselbständigt hat. Ebenso nschw. kant. – Teuchert (1944), 287–290; Mitzka, W.

ZM 23 (1955), 39. ’Regel, Vorschrift’, dieses aus gr. kano¯´n ’Stange’, dann ’Richtscheit’, dann ’Regel usw.’ Es gehört wohl me- Kantate Sf (ein Gesangstück) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it. cantata, einer Ableitung von it. cantare tonymisch zu gr. ka´nna f. ’Rohr’, einem semitischen ’singen’, aus l. canta¯re, einem Intensivum zu l. canere Lehnwort. Zuerst entlehnt in der Bedeutung ’singen’. ’verbindliches Verzeichnis’. In der Bedeutung ’Lied’ Ebenso nndl. cantate, ne. Cantata, nfrz. cantate, nschw. kantat, bezieht es sich auf die streng geregelte Folge des Einnnorw. kantate, nisl. kantata. Zur Sippe des lateinischen Worsatzes der Stimmen (wie auf dem Richtmaß die Martes s. ÞChanson. – DF 1 (1913), 325; EWNl 1 (2003), 414. kierungen in regelmäßigem Abstand angebracht Kante Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus ndd. kant(e), nndl. sind; ältere Bezeichnung fuga legata). Adjektiv: kant(e), das seinerseits auf afrz. cant ’Ecke’ zurückkanonisch. geht. Dieses offenbar aus einem gallischen Wort, das Ebenso nndl. canon, ne. canon, nfrz. canon, nschw. kanon, als cant(h)us m. ’eiserner Radreifen’ auch ins Lateinnorw. kanon, nisl. kano´n. Zur lateinisch-griechischen Sippe s. nische entlehnt wurde. Eine vereinzelte Entlehnung ÞKanne und ÞKanal. – DF 1 (1913), 323; Littmann (1924), 18; Oppel, H.: KANΩN (Diss. Berlin 1937); Siegert (1950), 116f.; schon im 8. Jh. Gleicher Herkunft und ebenfalls aus HWPh 4 (1976), 688–692; LM 5 (1991), 900. dem Niederländischen entlehnt ist Kante ’(geklöppelte) Spitze’. Adjektiv: kantig. Kanone Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus it. cannone m., Ebenso nndl. kant, nschw. kant, nnorw. kant; Þkentern. – einem Augmentativum zu it. canna ’Rohr’, aus l. canSchirmer (1912), 35; Röhrich 2 (1992), 801f.; EWNl 2 (2005), na, aus gr. ka´nna, einem semitischen Lehnwort. Die 626. Augmentativbildung erhält die Bedeutung ’GeKantel Sn ’Lineal von quadratischem Querschnitt’ per. schütz’ in einer Pars-pro-toto-Übertragung von reg. (19. Jh.). Von Jahn 1833 als Ersatz für ÞLineal vor’großes Rohr’ zu ’Gerät mit großem Rohr’. Unter aller Kanone ist eine Scherzbildung zu l. sub omnı¯ cano¯ne geschlagen und in der Schulsprache des Nordens und und meint ’unterhalb jeglichen Maßes’. Die WenOstens durchgedrungen. Abgeleitet von ÞKante. dung steht damit nur volksetymologisch in Bezug zu Kanter Sm ’Kellerlager’ per. wobd. (14. Jh.). In spätmitKanone und gehört zu ÞKanon. Die Übertragung zu telhochdeutscher Zeit entlehnt aus einer regionalen Sportskanone wohl von den Ballspielen her, bei denen Variante von frz. chantier ’Stapellager, Kellerlager’, solche Spieler den Ball ’wie aus der Kanone schießen das wohl auf l. canthe¯rius ’Gaul, verschnittener können’. Täterbezeichnung: Kanonier; Abstraktum: Hengst’ zurückgeht (mit einer ähnlichen BedeuKanonade. tungsübertragung wie bei ÞBock, also ’Gestell zum

Ebenso nndl. kanon, ne. cannon, nfrz. canon, nschw. kanon, nnorw. kanon, nisl. kanna. Zur griechisch-lateinischen Sippe s. ÞKanne und ÞKanal. – DF 1 (1913), 323f.; Littmann (1924), 18; Röhrich 2 (1992), 800f.; EWNl 2 (2005), 624f.

Kanonenfieber Sn ÞLampenfieber. Kanossa-Gang (oder Gang nach Kanossa) Sm ’eine

durch die Situation erforderliche Selbsterniedrigung oder Demütigung’ erw. bildg. (19. Jh.). Nach Canossa

Aufbewahren’). Kantersieg Sm ’müheloser, hoher Sieg’ per. fach.

(20. Jh.). Zu Kanter ’kurzer leichter Galopp’, das aus dem Englischen entlehnt ist (vgl. ne. win in a canter ’mit einem leichten Galopp gewinnen’). Dieses soll gekürzt sein aus Canterbury gallop, der den Pilgern nach Canterbury zugeschriebenen Fortbewegungsart. Ebenso nfrz. canter. – Carstensen 2 (1994), 753.

Kapazität

471 Kanthaken Sm ’kurzer Eisenhaken, mit dem Schauer-

leute in norddeutschen Häfen Ballen und Kisten kanten und fortbewegen’ per. fach. (17. Jh.). Dieses Wort vermischt sich in Redewendungen mit einen beim Kamm nehmen u.ä. (wobei mit ÞKamm der obere Teil des Halses von Pferden usw. gemeint ist). Offenbar sind beim Kamm und mit dem Kanthaken durcheinandergebracht worden, so dass auch Kanthaken, Kammhaken ’Genick’ auftritt. Hauschild, O. NKB 41 (1928), 57–59; Röhrich 2 (1992), 802.

Kantine Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. cantine

Dort stand das Lesepult für die Predigt des Diakons. Das Wort bleibt Bezeichnung für die Stelle, von der aus in der Kirche gelehrt wird, auch als dieser Ort sich ändert. Auch übertragen auf andere Stellen, an denen gelehrt wird; schließlich auch für die Pilotenkabine im Flugzeug, etwa als ’enger Raum, in den man hinaufsteigt’. Partikelableitung: abkanzeln. Ebenso nndl. kansel, ne. cancel, ndn. kancelli; ÞKanzlei, ÞKanzler. – Klewitz, H.-W. DA 1 (1937), 44–79; LM 5 (1991), 909f.; Röhrich 2 (1992), 802f.

Kanzlei Sf erw. obs. (14. Jh.), spmhd. kanzelı¯e. Formal

’Soldatenschenke, Flaschenkeller’, dieses aus it. cantina ’Flaschenkeller’, dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. Zunächst in der Bedeutung ’Soldatenschenke’ übernommen; dann Verallgemeinerung.

mit Adaptionssuffix -ı¯e entlehnt aus l. cancellı¯ m. (ursprünglich Pl.) ’Schranken’; in der Bedeutung aber eine Wiedergabe von ml. cancellaria ’Verwaltungsbehörde, Schreibstube des Kanzlers’. Es handelt sich also wohl um eine Verkürzung der Entlehnung.

Ebenso nndl. kantine, ne. canteen, nfrz. cantine, nschw. kantin, nnorw. kantine. – EWNl 2 (2005), 627f.

Ebenso nndl. kanselarij, ne. chancellery, nfrz. chancellerie, nschw. kansli, nisl. kansellı´; ÞKanzel. – LM 5 (1991), 910–929.

Kanton Sm ’Bundesland (Schweiz)’ erw. reg. (16. Jh.).

Entlehnt aus frz. canton ’Ecke, Landstrich, Bezirk’, dieses aus it. cantone, einer Augmentbildung zu it. canto ’Ecke’. Veraltet ist Kanton ’Aushebungskreis für Rekruten’ (in Preußen); hierzu Kantonist ’Dienstpflichtiger’, gelegentlich noch üblich als unsicherer Kantonist ’Dienstpflichtiger, dessen Antreten nicht gesichert ist’. Adjektiv: kantonal. Ebenso nndl. kanton, ne. canton, nfrz. canton, nschw. kanton, nnorw. kanton, nisl. kanto´na. – DF 1 (1913), 325; DEO (1982), 206; EWNl 2 (2005), 628.

Kantor Sm ’Organist, Dirigent des Kirchenchors’ per.

Kanzler Sm std. (10. Jh.), mhd. kanzel¢re, kanzler, ahd.

kanzella¯ri, kanzila¯ri. Entlehnt aus spl. cancella¯rius ’Vorsteher einer Behörde’ (ÞKanzlei). Ursprünglich ein spätrömischer Amtstitel, bezeugt seit dem 4. Jh. Er bezeichnet den Amtsdiener, der den Verkehr zwischen den durch Schranken (l. cancelli) von der Öffentlichkeit abgetrennten Magistraten und dem Publikum regelt. Dann Gerichtsschreiber und Urkundenbeamter und schließlich Vorsteher einer Behörde, dann sogar der Regierung. Sein Arbeitsplatz und dann seine Behörde ist die Kanzlei (heute veraltet). Ebenso nndl. kanselier, ne. chancellor, nfrz. chancelier, nschw.

kansler, nnorw. kansler, nisl. kanslari; ÞKanzel. – Klewitz, fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. cantor ’Sänger’, Nomen H.-W. DA 1 (1937), 44–79; EWNl 2 (2005), 625f. Agentis zu l. canta¯re (weiter zu l. canere ’singen’). Die Bedeutung entwickelt sich über ’Vorsänger’ zu Kap Sn ’Vorgebirge’ erw. fach. (15. Jh., Standard 17. Jh.). ’Chorleiter’. Entlehnt aus mndl. kaap (aus frz. cap m.) ins Niederdeutsche und von da aus im 17. Jh. in die HochspraEbenso nndl. cantor, ne. cantor, nschw. kantor, nnorw. kantor; ÞChanson. – Nyström (1915), 93–95; EWNl 2 (2005), 628f. che. Zuvor wird it. capo m. ’Kopf, Spitze’ (zu l. caput ’Haupt’), von dem auch das französische Wort ausKanu Sn (ein Paddelboot) erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt geht, als Fremdwort verwendet. aus ne. canoe, dieses aus span. canoa f. ’Einbaum’, das Ebenso nndl. kaap, ne. cape, nfrz. cap, nschw. kap; ÞChef . – auf ein Wort eines Dialektes in der Karibik zurückJones (1976), 174; EWNl 2 (2005), 594. geht. Älter sind als Exotismen canoa (aus dem Spanischen) und canot (aus dem Französischen). Täter- Kapaun Sm ’gemästeter, kastrierter Hahn’ erw. obs. bezeichnung: Kanute (Form analogisch, Vorbild aber (9. Jh., Form 13. Jh.). Auch umgedeutet zu ÞKapphahn. Im Althochdeutschen (ahd. kappo) zuunklar). nächst entlehnt aus spl. ca¯po (-o¯nis), einer späteren Ebenso nndl. kano, ne. canoe, nfrz. canoe¨, nschw. kanot, nnorw. kano. – DF 1 (1913), 326; Loewe, R. ZVS 61 (1933), 54–57; ÖhNebenform von l. ca¯pus ’Kapaun’. Dann ein zweites mann, E. NPhM 41 (1940), 36; Rey-Debove/Gagnon (1988), Mal entlehnt (oder formal angepasst) aus afrz. capon 115; EWNl 2 (2005), 624. (oder den Flexionsformen des lateinischen Wortes) zu mhd. kappu¯n, das der heutigen Form zugrunde Kanüle Sf ’Hohlnadel’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus liegt. frz. canule, dieses aus l. cannula ’kleines Rohr’, einem Ebenso nndl. kapoen, ne. capon, nfrz. chapon, nschw. kapun, Diminutivum zu l. canna ’Rohr, Schilfrohr’. Ebenso nndl. canule, ne. cannula, nfrz. canule, nschw. kanyl, nnorw. kanyle; ÞKanal, ÞKanne.

Kanzel Sf std. (8. Jh.), mhd. kanzel, ahd. kanzella. Ent-

lehnt aus l. cancellı¯ m. (ursprünglich Pl.) ’Schranken’. Damit waren die Schranken gemeint, die den Chorraum der Kirche vom Mittelschiff trennten.

nnorw. kapun. – EWNl 2 (2005), 633f.

Kapazität Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. capa¯cita¯s

’Fassungsvermögen’. Dies ist ein Abstraktum zu l. capa¯x ’umfassend, brauchbar’, das zu l. capere ’fassen’ gehört (Þkapieren). Die Verschiebung zu ’bedeutender Vertreter eines Fachgebiets’ ist modern.

Kapelle

472 Ebenso nndl. capaciteit, ne. capacity ’Fassungsvermögen’, nfrz. capacite´, nschw. kapacitet, nnorw. kapasitet. – DF 1 (1913), 326; EWNl 1 (2003), 415.

Kapelle Sf std. (9. Jh.). Im Althochdeutschen (ahd. ka-

Leben betreffend’, zu l. caput ’Haupt, Kopf’. Das Wort meint zunächst die Kopfzahl (des Viehbestands) im Gegensatz zum Zuwachs durch die frisch geworfenen Tiere (die gewissermaßen die Zinsen darstellen). Adjektiv: kapital; Täterbezeichnung: Kapitalist; Abstraktum: Kapitalismus; Verb: kapitalisieren.

pella, mhd. kap[p]elle, kappel) mit der Bedeutung ’kleines Gotteshaus’ entlehnt aus ml. cap(p)ella, eigentlich ’kleiner Mantel’, einem Diminutivum zu l. cappa ’eine Art Kopfbedeckung’. Zunächst BezeichEbenso ne. capital, nfrz. capital, nndl. kapitaal, nschw. kapital, nnorw. kapital, nisl. kapı´tal; ÞChef . – Schirmer (1911), 93f.; nung für das Gebäude, in dem ein Umhang als ReliDF 1 (1913), 327; Knobloch, J. MS 82 (1972), 157f.; GB 3 (1982), quie des Heiligen Martin von Tours aufbewahrt wur399–454; Höfer, A. PSG 5 (1986), 27–60; LM 5 (1991), 937f.; de. Dann Verallgemeinerung, auf ’kleines GottesRöhrich 2 (1992), 803; EWNl 2 (2005), 631f. haus’. Die Bedeutung ’Gruppe von Musikern’ entsteht als Bezeichnung für Musiker, die bei festli- Kapitän Sm std. (13. Jh.). Im Mittelhochdeutschen chen Anlässen in der Schlosskapelle spielten. (mhd. kapita¯n) entlehnt aus afrz. capitaine ’Führer’, dieses aus spl. capita¯neus ’durch Größe hervorraEbenso nndl. kapel, ne. chapel (nur relig.), nfrz. chapelle (nur relig.), nschw. kapell, nnorw. kapell, nisl. kapella (nur relig.); gend’, zu l. caput n. ’Haupt, Anführer, Kopf’. Eine ÞKappe. – Masser (1966), 109–113; de Cubber, W. SGG 14 weitere Entlehnung im 15. Jh. (aus it. capitano) führt (1988), 77–79; LM 5 (1991), 931f.; EWNl 2 (2005), 630f. die Bedeutung ’Schiffsführer’ speziell ein. Kaper Sf (meist Pl.) (eingelegte Blütenknospe von Ebenso nndl. kapitein, ne. captain, nfrz. capitaine, nschw. kapten, nnorw. kaptein; ÞChef . – Kluge (1911), 422–424; DF 1 Capparis spinosa) erw. fach. (15. Jh.), fnhd. gappern (1913), 328; Öhmann, E. NPhM 41 (1940), 150f.; Wis (1955), u.ä. Entlehnt aus l. capparis, das seinerseits aus gr. 151f.; EWNl 2 (2005), 632f. ka´pparis unklarer Herkunft stammt. Kapitel Sn std. (10. Jh.). Auf verschiedenen Stufen und Ebenso nndl. kapper, ne. caper, nfrz. caˆpre, nschw. kapris, nnorw. kapers. – LM 5 (1991), 935; EWNl 2 (2005), 636. in verschiedenen Bedeutungen entlehnt: ahd. kapital ’Inschrift, Überschrift’, mhd. kapı´tel ’Hauptverkapern Vsw std. stil. (17. Jh.). Zu Kaper ’Freibeuter, sammlung einer geistlichen Körperschaft’ (unter Freibeuterschiff’; dieses ist aus dem Niederländidem Einfluss der Bedeutung ’Führer’ bei l. caput), schen entlehnt; seine Herkunft ist umstritten. fnhd. kapitel ’Abschnitt’ aus spl. capitulum ’AbEbenso nndl. kapen, nschw. kapa, nnorw. kapre. – LM 5 (1991), schnitt, Passus’, einem Diminutivum zu l. caput 934f.; EWNl 2 (2005), 631. ’Haupt, Paragraph, Kapitel’. Der BedeutungsüberKäpfer (Kämpfer) Sm ’Balkenkopf’ per. fach. (15. Jh.), gang von ’Kopf’ zu ’Abschnitt’ ist bezogen auf den fnhd. kepfer, mndd. kepere, mndl. keper ’StrebebalNeu-Anfang, den Kopf, eines Textteils. ken’. Entlehnt aus einer Vorform von frz. chevron Ebenso nndl. kapittel, ne. capital (’Hauptstadt, Großbuchsta’Stützbalken’ (früh-rom. *capreonem), einer Ableibe, Vermögen’), nfrz. capital (’Vermögen’), nschw. kapitel, tung von l. caper ’Bock’. Im 18. Jh. wird das undurchnnorw. kapittel; ÞChef . – DF 1 (1913), 328; LM 5 (1991), 938–941; sichtige Wort umgedeutet zu Kämpfer; die Bedeutung Röhrich 2 (1992), 803; EWNl 1 (2003), 433; 2 (2005), 633. wird vom Holzbau auf den Steinbau übertragen. Kapitell Sn ’Säulenkopf’ per. fach. (13. Jh.), mhd. kaEbenso nndl. kamper; ÞKöper. – Kluge, F. BGDSL 41 (1916), pitel. Ist entlehnt aus l. capitellum ’Säulenkopf’, einer 180; LM 5 (1991), 896f. (zu Kämpfer). Zugehörigkeitsbildung zu l. caput ’Haupt’. kapieren Vsw std. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus l. capere Ebenso nndl. kapiteel, ne. (alt.) capital, nfrz. chapiteau, nschw. ’fassen’, übertragen ’begreifen’. Dazu die französisiekapitäl, nnorw. kapitel. – LM 5 (1991), 941–943; EWNl 2 (2005), rende Bildung Kapee in schwer von Kapee sein und 632. (aus dem Italienischen) capito ’verstanden’. Kapitulation Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. capituAus l. capere ’fassen’ stammt unmittelbar kapieren, aus einer Präfigierung Þkonzipieren, aus einem Intensivum Þokkupieren, aus einem Partizip ÞRezept, ÞKonzept; ferner Þexzeptionell und Þakzeptieren, eine französische Form des Partizips in ÞAperc¸u. Ableitung aus einem (komponierten) Wurzelnomen sind ÞPartizip und ÞPrinzip, letzteres ergibt über das Französische ÞPrinz; Abstrakta sind ÞKonzeption, ÞKontrazeption und von dem Intensivum ÞEmanzipation. Auf eine Adjektiv-Ableitung geht ÞKapazität zurück, auf Nominalableitungen ÞDisziplin und ÞKapsel (über das Italienische: ÞKasse, über das Französische: ÞChassis); eine spätlateinische verbale Weiterbildung in Þcatchen und ÞKescher. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þheben. – DF 1 (1913), 327.

Kapital Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus it. capitale m.,

dieses aus l. capita¯lis ’Haupt-, den Kopf bzw. das

lation ’Vertragsartikel, Vergleichsvertrag’, Abstraktum zu frz. capituler, dieses aus ml. capitulare ’über einen Vertrag verhandeln’, aus l. caput ’Paragraph, Hauptsatz (in Gesetzen und Schriften)’, eigentlich ’Haupt’. Verb: kapitulieren. Ebenso ne. capitulation, nfrz. capitulation, nndl. capitulatie, nschw. kapitulation, nnorw. kapitulasjon; ÞChef . – DF 1 (1913), 328; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 395; Jones, W. J. SN 51 (1979), 260; EWNl 1 (2003), 415.

Kaplan Sm ’Hilfsgeistlicher, Geistlicher mit besonderen

Aufgaben’ erw. fach. (13. Jh.), mhd. kappella¯n, kapla¯n. Ist entlehnt aus ml. cap(p)el(l)anus ’Geistlicher für die Kapelle’, zu ml. cap(p)ella f. ’Kapelle’ (ÞKapelle).

Karabiner

473 Ebenso nndl. kapelaan, nfrz. chapelain, nschw. kaplan, nnorw. kapellan. – Hoops (1911/19), III, 12f.; LM 5 (1991), 946; EWNl 2 (2005), 631.

Kapo Sm ’Chef’ erw. vulg. (17. Jh.). Vor allem in der

Kaprice Sf ’Laune, Eigensinn’ per. fremd. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. caprice, dieses aus it. capriccio m. unklarer Herkunft. Verb: kaprizieren; Adjektiv: kapriziös. Ebenso nndl. caprice, ne. caprice, nfrz. caprice, nschw. kapris,

nnorw. kaprise; ÞChef . – DF 1 (1913), 329. Bedeutung ’Vorarbeiter am Bau’ entlehnt aus it. capo, das wohl aus it. caporale ’Unteroffizier’ gekürzt, aber Kapriole Sf ’übermütiger Streich’ erw. fremd. (17. Jh.). seinerseits von it. capo ’Anführer’ (aus l. caput Entlehnt aus it. capriola ’kunstvoller Sprung, Bock’Haupt’) abgeleitet ist. sprung’, einer Ableitung von it. capro m. ’Bock’, diekapores Adj ’kaputt, tot’ per. vulg. (18. Jh.). Im Rotses aus l. caper (-prı¯) m. Die heutige Bedeutung welschen bezeugt seit dem 18. Jh., bald danach auch ’Streich’ wohl aus Wendungen wie Kapriolen schlagen literarisch. Aus wjidd. kapo¯res, das herausgelöst ’Sprünge, Faxen machen’. wurde aus kapo¯res schlagen. Damit war ursprünglich Ebenso nndl. capriool, ne. capriole, nfrz. cabriole, nschw. kadas Schlachten von Hühnern als Versöhnungsopfer, priol; ÞHabergeiß. – DF 1 (1913), 329f.; Röhrich 2 (1992), 804; EWNl 1 (2003), 415f. hebr. kappa¯ra¯(h), am Vorabend des Versöhnungstages gemeint. Die spätere Entwicklung ist wohl von Kapsel Sf std. (15. Jh.), fnhd. kapsel. Ist entlehnt aus ml. Þkaputt beeinflusst. capsella, zu l. capsula, einem Diminutiv zu l. capsa Ebenso nndl. kapoeres. – Röhrich 2 (1992), 803; EWNl 2 ’Behälter’ (zu l. capere ’fassen, enthalten’). Die ältere (2005), 614. Entlehnung wird zu einem Diminutiv umgeformt (ahd. kapsilı¯n, as. kapsilı¯n n.). In der Form kafsa, kefsa Kappe Sf std. (9. Jh.), mhd. kappe, ahd. kappa, kapfa, schon im 8. Jh. entlehnt. Präfixableitung: verkapseln; gapfa, mndl. cappe. Ursprünglich ’Mantel mit KapuPartikelableitung: abkapseln. ze’, entlehnt aus ml. cappa unklarer Herkunft. In der Weiterentwicklung wird Kappe im Süddeutschen in Ebenso nndl. kapsel, ne. capsule, nfrz. capsule, capsule, nschw. kapsel, kapsyl, nnorw. kapsel; Þkapieren. – EWNl 1 (2003), 416; der Hochsprache zur Bezeichnung einer Kopfbede2 (2005), 636. ckung, im Thüringischen zu ’Bauernkittel’. Ebenso nndl. kap, ne. cap, nschw. kappa, nnorw. kappe, nisl. kaputt Adj std. stil. (17. Jh.). Neubildung nach der Wenka´pe; ÞCape, ÞKapelle, ÞKaplan, ÞKäppi, ÞKapuze, dung caput machen ’ohne Stich sein’ (beim KartenÞverkappt. – Kuhn, H. FS Hammerich (1962), 113–124; LM 5 spiel), gebildet nach frz. faire capot, unter Beeinflus(1991), 947; Röhrich 2 (1992), 803f.; EWNl 2 (2005), 629f. sung von frz. faire capot ’umschlagen, kentern’. kappen Vsw ’(Tau) abhauen’ erw. fach. (17. Jh.). HochEbenso nndl. kapot, ne. capot, nfrz. kapout, nschw. kaputt, nnorw. kaputt. – DF 1 (1913), 330; Röhrich 2 (1992), 804f.; sprachlich seit dem 17. Jh. Zu mndl. cappen EWNl 2 (2005), 634. ’abhauen’ unbekannter Herkunft (aus ml. cappare, zu ml. cappo ’Kapaun’?). Kapuze Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. cappuccio, dieEbenso nndl. kappen, nschw. kapa, nnorw. kappe. – Kluge ses aus ml. caputium. Einerseits auf l. caput ’Kopf’ zu (1911), 424f.; Kuhn, H. FS Hammerich (1962), 115–117 (= KS 1, beziehen (als das, was den Kopf bedeckt), anderer130–399); Lokotsch (1975), 78; Steinhauser (1978), 45. seits verbunden mit l. cappa ’Kappe’ anderer Herkunft. Vermutlich ist hier eine Sekundärmotivation Kappes (auch Kappus, Kappis u.ä.) Sm ’Kohl’ per. reg. im Spiel. (11. Jh.), mhd. kabez, kap(pu¯)s, kappiz, kappuz, ahd. Ebenso nndl. kap, nfrz. capuchon, capuce, capuchon, nschw. kabuz. Entlehnt aus früh-rom. *caputia, einer Weikapuschong. – LM 5 (1991), 947. terbildung zu l. caput n. ’Haupt’. Häufig übertragen gebraucht als ’dummes Zeug’ u.ä. Kar Sn ’Gebirgskessel’ per. obd. (11. Jh., rouhkar 8. Jh.), ÞChef . – Kretschmer (1969), 565f. mhd. kar, ahd. kar, mndd. kar(e) ’Gefäß’. Aus g. *kaza- n. ’Gefäß’, auch in gt. kas, anord. ker, as. in Kapphahn Sm ÞKapaun. bı¯-kar ’Bienenkorb’; auch sonst lebt das Wort noch in Käppi Sn erw. grupp. (19. Jh.). Als Soldatenmütze in speziellen Verwendungen in den Mundarten. EntDeutschland eingeführt. Das Wort ist eine schweizesprechende Formen finden sich auch in den außerinrische Verkleinerungsform von ÞKappe. dogermanischen Sprachen, so dass es sich wohl um Ebenso nndl. kepi, ne. kepi, nfrz. ke´pi, nschw. käppi. – EWNl 3 ein altes Wanderwort handelt. Einzelheiten über den (2007), 45. Entlehnungsweg sind aber unklar. Kappzaum Sm ’Zaum mit Nasenband’ per. fach. Vgl. assyr. kaˆsu ’Schale’, arab. ka s, aram. ka¯sa¯ , hebr. ko¯s (17. Jh.). Als Kappezan entlehnt aus it. cavezzone glei’Becher’; ÞKasten. – Berthold, L. FS Helm (1951), 238f.; Hilcher Bedeutung. Dieses ist eine Vergrößerungsform debrandt, R. DWEB 3 (1963), 348–351; EWNl 2 (2005), 595. zu it. cavezza f. ’Halfter’ (aus l. capitium n. ’Haube’ zu Karabiner Sm erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. cal. caput n. ’Haupt’). Das Fremdwort wird umgedeutet rabine (eigentlich ’Reiterflinte’, auch: ’kleine Armim Anschluss an ÞKappe und ÞZaum. brust’), einer Ableitung von frz. carabin ’leichter ReiEbenso nndl. kaptoom, ne. caves(s)on, nfrz. cavec¸on, nschw. kapson; ÞChef .

ter’.

Karacho Ebenso nndl. karabijn, ne. carbine, nfrz. carabine, nschw. karbin, nnorw. karabin. – DF 1 (1913), 331; Jones (1976), 178f.; DEO (1982), 192–194; EWNl 2 (2005), 638.

Karacho Sn ’große Geschwindigkeit, Heftigkeit’ erw.

474 Karavelle Sf (ein Segelschiff mit geringem Tief-

gang) per. arch. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. caravelle, dieses aus port. caravela, zu spl. carabus m. ’kleiner Kahn aus Flechtwerk’.

vulg. (20. Jh.). Entlehnt aus span. carajo, einem derEbenso nndl. karveel, ne. caravel, nfrz. caravelle, nnorw. karaben Fluch (eigentlich Bezeichnung für das männliche vell. – EWNl 2 (2005), 645. Glied). Die im Deutschen übliche Bedeutung wohl Karawane Sf erw. exot. (16. Jh.). Entlehnt aus it. caronach der spanischen Redensart al carajo contigo ’Geh vana, dieses aus pers. ka¯rwa¯n. Die zusätzlichen Vozum Teufel!; Mach, dass du fortkommst!’; möglikale wurden der persischen Form im romanischen cherweise hat nhd. ÞKrach mit eingewirkt; vielleicht Sprachraum wohl aus euphonischen Gründen hinauch (bei den Reitern) ÞKarriere. Der Ausdruck ist zugefügt. Ortsbezeichnung: Karawanserei (Hinterzuerst in der Hamburger Seemannssprache zu finglied identisch mit Serail). den. Vgl. immerhin den ähnlichen Gebrauch bei WalEbenso nndl. karavaan, ne. caravan, nfrz. caravane, nschw. ter Scott in der 1. Hälfte des 19. Jhs. (Knowlton). karavan, nnorw. karavan. – Schirmer (1911), 94; DF 1 (1913), Schneider, H.-K. in Homenaje a R. Grossmann. Hrsg. S. Horl u.a. (Frankfurt/M. 1977), 455–466; Knowlton Jr. E. C. Maledicta 4 (1980), 99–107.

Karaffe Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. carafe,

dieses aus it. caraffa, aus span. garrafa, dieses aus arab. g˙arra¯fa, eigentlich ’Wasserheberad mit Schaufeln’, zu arab. g˙arafa ’schöpfen’. Ebenso nndl. karaf, ne. carafe, nfrz. carafe, nschw. karaff, nnorw. karaffel, nisl. karafla. – DF 1 (1913), 331; Littmann (1924), 90, 92; Kretschmer (1969), 225f.; Lokotsch (1975), 54; Brunt (1983), 179; Tazi (1998), 208; Kiesler (1994), 185; EWNl 2 (2005), 638.

Karambolage Sf erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus frz.

331; Littmann (1924), 111; Lokotsch (1975), 94; LM 5 (1991), 949f.; Röhrich 2 (1992), 805; EWNl 2 (2005), 639f.

Karbe Sf ’Feldkümmel’ per. reg. (15. Jh.), mhd. karwe,

karve, mndd. karve, mndl. carvi (nndl. karwij, ne. caraway). Entlehnt aus ml. care(i)um n. u.ä., das auch in den romanischen Sprachen fortlebt. Dieses aus arab. kara¯wija¯ ’Kümmel’. Ebenso nndl. karwij, ne. caraway, nfrz. carvi. – Marzell 1 (1943), 859f.

Karbid Sn ’Verbindung zwischen Kohlenstoff und Me-

tall oder Halbmetall’ erw. fach. (19. Jh.). Neoklassische Bildung zu l. carbo m. ’Kohle’. Aus technischem Karbid und Wasser entsteht das brennbare Acetylen; dazu Karbidlampe usw.

carambolage m., einer Ableitung von frz. caramboler ’zusammenstoßen’, zu frz. carambole ’roter Ball beim Ebenso ne. carbide, nndl. carbid, nschw. karbid, nnorw. karbid, Billardspiel’, dieses wohl zu frz. carambole ’Frucht des nisl. karbı´duÑ r. – EWNl 1 (2003), 416f. Karambolabaumes’. Zunächst nur im ZusammenKarbol Sn (einfacher Alkohol) per. fach. (19. Jh.). Neohang des Billardspiels verwendet; dann Verallgemeiklassische Bildung zu l. carbo m. ’Kohle’. So bezeichnerung. net als Kohlenstoffverbindung. Ebenso nndl. carambole, nfrz. carambolage, nschw. karambolage, nnorw. karabolasje. – DEO (1982), 195.

Karamel Smn std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. caramel,

Ebenso nndl. karbol, ne. carbolic acid, nschw. karbol, nnorw. karbol, nisl. karbo´l-sy´ra. – Röhrich 2 (1992), 805.

dieses aus span. caramelo m. ’gebrannter Zucker, Zu- Karbon Sn ’Erdzeitalter (mit Kohlevorkommen in den entsprechenden Schichten)’ per. fach. (19. Jh.). Geckerrohr’, vermutlich ein Diminutiv zu l. calamus m. lehrte Bildung zu l. carbo m. ’Kohle’. ’Rohr’, aus gr. ka´lamos m. (ÞHalm). Ebenso nndl. karamel, ne. caramel, nfrz. caramel, nschw. karamell, nnorw. karamell; ÞKamelle. – EWNl 2 (2005), 639.

Karat Sn (eine Gewichtseinheit für Gold und Edelstei-

Ebenso nndl. Carboon, ne. Carboniferous (period), nfrz. carbonife`re, nisl. karbo´n.

Karbonade Sf ’gebratenes Rippenstück’ per. reg.

(18. Jh.). Über nndl. karbonade aus frz. carbonnade ne) erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. carat m., dieentlehnt. Dieses aus it. carbonada f. zu it. carbone m. ses aus it. carato m., aus arab. qı¯ra¯t, aus gr. kera´tion ˙ ’Kohle’ (aus l. carbo m. ’Kohle’). (eigentlich ’Hörnchen’), einem Diminutivum zu gr. Ebenso nndl. karbonade, nfrz. carbon(n)ade, nschw. karbonad, ke´ras (-a¯tos) ’Horn’ (Horn). Die Samen des Johannnorw. karbonade. – EWNl 2 (2005), 640. nisbrotbaumes werden im Griechischen nach der Form als ’Hörnchen’ bezeichnet. Daraus entsteht die Kardamom Smn ’Gewürzpflanze’ per. fach. (13. Jh.), mhd. kardamuome f., kardamo¯m m. Entlehnt aus l. Bedeutung ’Gewichtseinheit’, weil man die gleich cardamo¯mum n., dieses aus gr. karda´mo¯mon n. großen Samen beim Aufwiegen von Gold, DiamanEbenso ne. cardamom, cardamum, nfrz. cardamome, nschw. ten und Juwelen als Gewicht verwendete. Ebenso nndl. karaat, ne. carat, nfrz. carat, nschw. karat, nnorw. karat, nisl. karat. – Littmann (1924), 76; Lokotsch (1975), 94; Röhrich 2 (1992), 805; Kiesler (1994), 262f.; Tazi (1998), 209; EWNl 2 (2005), 637f.

kardemumma, nnorw. kardemomme, nisl. kardimomma, kardamoma. – LM 5 (1991), 950.

Kardanwelle Sf (eine aus Teilstücken zusammenge-

setzte Welle, die eine Übertragung des Drehmoments unter wechselnden Winkeln zulässt) per. fach.

Karitas

475

(20. Jh.). Neubildung zum Namen des italienischen Erfinders Cardano. Ebenso ne. cardanshaft, nfrz. arbre a` cardan, nndl. cardanas, nschw. kardanaxel, nnorw. kardangaksel.

Kardätsche Sf ’Wollkamm’; ’Pferdebürste’ per. arch.

(17. Jh.). Rückgebildet aus nur wenig älterem kardätschen ’Wolle kämmen’. Dieses entlehnt aus (äl-

ter) it. cardeggiare zu ÞKarde (l. carduus), weil die Weberdisteln zum Krempeln der Wolle benützt wurden. Ebenso nndl. kaarde, ne. card, nfrz. carde, nschw. karda.

Karde Sf ’Weberdistel’ per. fach. (9. Jh.), mhd. karte,

’sorgen’, ahd. karo¯n, as. karon ’wehklagen’. Die Wörter werden auf eine Schallwurzel (ig.) *gar- zurückgeführt, was in Anbetracht der Rechtserheblichkeit von Rufen und Schreien in der alten Zeit denkbar ist. Die teilweise aber deutlich davon abgehobenen Bedeutungen des Germanischen (’Sorge’, dehnstufig anord. k¢ra ’anklagen, sich beschweren’) weisen im Zusammenhang mit toch. A kärye ’Sorge, Bedenken’ (zu toch. A käry- ’bedenken, bestimmen’) aber doch vielleicht darauf hin, dass im Germanischen zwei Quellen (1. ’klagen’, 2. ’sorgen, bedenken’) zusammengeflossen sind. Þkarg. – LM 5 (1991), 954.

ahd. karta, as. karda. Entlehnt aus l. carduus m. (auch Karfunkel Sm (roter Edelstein) erw. fach. (12. Jh.), mhd. cardo) ’Distel’ (noch vor der 2. Lautverschiebung). karfunkel, karvunkel. Ist entlehnt aus l. carbunculus Die neuhochdeutsche Schreibung mit d beruht auf (eigentlich ’kleine [Glut-]Kohle’), einem DiminutiNeu-Anschluss an das lateinische Wort (und sollte vum zu l. carbo (-o¯nis) ’Kohle’. Die deutsche Form wohl der Unterscheidung von ÞKarte dienen). Das mit -f- wohl in Anlehnung an ÞFunke(n). lateinische Wort gehört vielleicht zu l. carere ’Wolle Ebenso ne. carbuncle, nfrz. escarboucle, nndl. karbonkel, nschw. krempeln’, könnte aber auch auf ein Substratwort zukarbunkel, nnorw. karfunkel, nisl. karbunkulisteinn. Zur gerrückgehen. manischen Verwandtschaft s. ÞHerd 1. – Lüschen (1979), Ebenso nndl. kaarde, ne. card (nicht bot.), nfrz. (bot.) carde`re, 247–249; Röhrich 2 (1992), 806; EWNl 2 (2005), 640. (tech.) carde, nschw. karda, nnorw. karde; ÞKardätsche. – karg Adj std. (9. Jh.), mhd. karc, ahd. karag, as. karag. Andre´, J. Latomus 15 (1956), 291f.; Marzell 2 (1972), 141–143; Einerseits ’betrübt, bekümmert’, dann auch EWNl 2 (2005), 595.

Kardinal Sm erw. fach. (13. Jh.), mhd. kardena¯l, kardi-

na¯l. Ist entlehnt aus kirchen-l. (episcopus) cardina¯lis wörtlich ’wichtigster Geistlicher’, einem spätlateinischen Adjektiv zu l. cardo (-dinis) ’Türangel, Drehund Angelpunkt’. Zusammensetzungen wie Kardinaltugend gehen über entsprechende lateinische Vorbilder (l. virtu¯tes cardina¯les Pl.) auf die Ausgangsbedeutung des l. Adjektivs (’Haupt-, wichtigst’) zurück. Ebenso nndl. kardinaal, ne. cardinal, nfrz. cardinal, nschw. kardinal, nnorw. kardinal, nisl. ka´rdı´nali. – DF 1 (1913), 332; LM 5 (1991), 950–952; EWNl 2 (2005), 640f.

kardio- LAff ’Herz-’ erw. fach. (–). Für ’Herz-’ aus gr.

kardı´a ’Herz’ (über mittellateinische Formen). Cottez (1980), 65.

Karenz Sf ’Enthaltsamkeit, Wartefrist’ per. fremd.

(19. Jh.). Entlehnt aus l. carentia ’Entbehrung, Freisein von’, einem Abstraktum zu l. care¯re ’frei sein, sich enthalten, entbehren’. Ebenso nfrz. carence, nschw. karenstid, nnorw. karenstid.

Karfiol Sm ’Blumenkohl’ per. österr. (17. Jh.). Entlehnt

aus it. cavolfiore (eigentlich ’Kohlblume’), einer Zusammensetzung aus it. cavolo ’Kohl’ und it. fiore ’Blume’ (aus l. flo¯s; ÞFlor 3). Ebenso ne. cauliflower, nfrz. chou-fleur. – DF 1 (1913), 332.

Karfreitag Sm std. (13. Jh.), mhd. karvrı¯tac (oder die

’besorgt, vorsichtig’ und ’dürftig’, andererseits (besonders mittelhochdeutsch) ’klug, schlau, zäh im Hergeben’. Eine Ableitung von westgermanischer Verbreitung (ae. cearig ’traurig’) zu der unter Kar(freitag) aufgeführten nominalen Grundlage (ÞKarfreitag). Der Vokal der Ableitungssilbe ist im Deutschen lautgesetzlich geschwunden. Abstraktum: Kargheit; Verb: kargen; Modifikation: kärglich. Ebenso nndl. karia, ne. charn. – EWNl 2 (2005), 641.

kariert Adj ÞKaro. Karies Sf erw. fach. (18. Jh.). Im Neuhochdeutschen

entlehnt aus l. carie¯s ’Morschheit, Fäulnis’ − so als medizinischer Terminus. Adjektiv: kariös. Ebenso nndl. carie¨s, ne. caries, nfrz. carie, nschw. karies, nnorw. karies. – EWNl 1 (2003), 417.

Karikatur Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus it. caricatura

(eigentlich ’Überladung’), einer Ableitung von it. caricare ’beladen, komisch darstellen’, zu l. carrus m. ’Karren’. So bezeichnet, da solche bildlichen Darstellungen ihre Prägnanz sehr oft aus dem Überzeichnen bestimmter Elemente usw. beziehen. Verb: karikieren; Nomen Agentis: Karikaturist. Ebenso nndl. karikatuur, ne. caricature, nfrz. caricature, nschw. karikatyr, nnorw. karikatur.Zum Ersatzwort ÞZerrbild s. Pfaff (1933), 59f. – DF 1 (1913), 332f.; HWPh 4 (1976), 696–701; EWNl 2 (2005), 641.

Klammerform kartac), entsprechend karwoche f. Ge- Karitas Sf ’Wohltätigkeit, christliche Nächstenliebildet mit mhd. kar, ahd. kara (karalı¯h 8. Jh.), as. kara be’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus l. ca¯rita¯s (-a¯tis) ’Kummer, Sorge’ aus g. *karo¯ f. ’Sorge, Kummer’, ’Hochschätzung, Wert’, zu l. ca¯rus ’teuer, wert, geauch in gt. kara, ae. cearu f. (ne. care), anord. wohl ko¸r schätzt’ (ÞHure). Adjektiv: karitativ. f. ’Krankenlager’. Daneben das schwache Verb Ebenso nndl. charitatief, ne. charity, nfrz. charite´. – BlW 3 *kar-o¯- in gt. karon ’sich kümmern’, ae. cearian (1988), 249–261.

Karkasse Karkasse Sf ’Gerippe (auch eines Reifens usw.)’ per.

fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. carcasse. Ebenso nndl. karkas, ne. carcass, nfrz. carcasse. Dieses zu nordfrz. carquier ’tragen’ (= frz. charger), also ’Träger’. – DEO (1982), 196f.; EWNl 2 (2005), 641.

Karmesin Sn ’ein kräftiges Rot, ein solcher Farb-

476

spl. quadrum ’Viereck, Quadrat’, zu l. quadrus ’viereckig’, zu l. quattuor ’vier’. Adjektiv: Þkariert. Dazu auch ÞKarree ’Viereck’. Ebenso nndl. carre´, nfrz. carreau, nschw. karre´, nnorw. karre´; ÞQuadrant.

Karosse Sf ’Prunkfahrzeug’ erw. stil. (17. Jh.). Entlehnt

stoff’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus (arch.) it. carmessino, cremisi, cremisino m., dieses aus arab. qirmizı¯, letztlich zu ai. kr´mi-ja¯ f. ’von der Schildlaus ˙ kommend’ (der Farbstoff wird aus der Färber-Schildlaus gewonnen). Dazu die Variante Karmin.

aus frz. carrosse m., dieses aus it. carrozza, einer Ableitung von it. carro m. ’Wagen’, aus l. carrus m. ’Karren’. Die Karossen waren die ersten modernen Fahrzeuge, nachdem die mittelalterlichen Kobelwagen praktisch nur von Frauen benutzt worden waren.

Ebenso nndl. karmozijn, ne. carmine, crimson, nfrz. carmin, cramoisi, nschw. karmosin, nnorw. karmin. S. auch ÞKermes. – Kiesler (1994), 263f.; Tazi (1998), 259; EWNl 2 (2005), 642.

Ebenso nndl. karos, nfrz. carrosse, nschw. kaross. – Jones (1976), 184; Brunt (1983), 181; Wackernagel, R. H. in Treue (1986), 205f., 212–229; EWNl 2 (2005), 643.

Karn Sf ’Butterfass’ per. ndd. (16. Jh.), fnhd. kerne,

Karosserie Sf erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. carmndd. kerne, karne. Ae. ceren, cyrin, anord. kirna weirosserie, einer Kollektivbildung zu frz. carrosse sen auf g. *kern(j)o¯n f. ’Butterfass’; dazu als Verbum (ÞKarosse). ’Butter rühren’ fnhd. kernen, ndd. karnen, nndl. kerEbenso nndl. carrosserie, nfrz. carrosserie, nschw. karosseri, nen, karnen, ae. cernan sowie Wörter für ’Rahm’ in nnorw. karosseri. – EWNl 1 (2003), 419. hd. ÞKern (pfälz.-frk.), mndl. kerne, nisl. kjarna, ver- Karotte Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus ndl. karote, dieses mutlich als Rückbildung. aus frz. carotte, aus l. caro¯ta, aus gr. karo¯to´n n. Ebenso ne. churn; Þkirnen. – EWNl 2 (2005), 642f.

Karner (auch Kerner, Gerner) Sm ’Beinhaus’, ’Fleisch-

Ebenso ne. carrot, nfrz. carotte, ndn. karotte. – DF 1 (1913), 334; Kretschmer (1969), 338; EWNl 3 (2007), 137.

kammer’ per. arch. oobd. (14. Jh.), mhd. karn¢re, ker- Karpfen Sm std. (12. Jh.), mhd. karpfe, ahd. karpf(o), ner, gerner. Entlehnt aus ml. carnarium n. ’Fleischmndl. carpe(r). Die Herkunft des Wortes ist unbekammer’ (zu l. caro f. ’Fleisch’). kannt. Der Fisch kam vor allem im Alpengebiet vor Ebenso ne. charnel-house; ÞInkarnation, ÞKarneval. – LM 5 und wurde dann meist als Zuchtfisch weiter verbrei(1991), 1001. tet. Aus einer germanischen Sprache (Gotisch?) Karneval Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus it. carnevale, stammt l. carpa f., von dort die romanischen Formen. dessen Herkunft nicht mit Sicherheit geklärt ist. Lühr (1988), 265; LM 5 (1991), 1017; EWNl 2 (2005), 643f. Möglicherweise aus it. carne f. ’Fleisch’ und it. levare Karree Sn ÞKaro. ’wegnehmen’ (de carne levare ieiunium, gekürzt zu Karren Sm (auch Karre f.) std. alt. ndd. (10. Jh.), mhd. carnelevare, carnelevarium, dann carnevale). Urkarre f., ahd. karra, garra f., karro, mndd. kar(re), sprünglich Bezeichnung des Tages vor der voröstermndl. carre f. Früh entlehnt aus l. carrus m. ’Wagen’, lichen Fastenzeit; dann Erweiterung des bezeichneten das seinerseits entlehnt ist aus gall. karros (zu einem Zeitraumes (vgl. ÞFastnacht). Täterbezeichnung: Verbum für ’laufen, fahren’). Die Form karch Karnevalist. (wobd.), mhd. karrech, karrich m. beruht auf l. carEbenso nndl. carnaval, ne. carnival, nfrz. carnaval, nschw. karru¯ca f. (das in frz. charrue f. ’Pflug’ weiterlebt, ein neval, nnorw. karneval; ÞKarner. – DF 1 (1913), 333f.; AebiReflex der Einführung des Zweiräderpflugs). Verb: scher, P. FS Michaelsson (1952), 1–10; Heinertz, N. O. MoS 47 (1954), 352f.; Rosenfeld, H. AK 51/52 (1969/70), 175–181; karren; Nomen Agentis: Kärrner. Moser, D.-R.: Fastnacht − Fasching − Karneval (Graz u.a. 1986); Gippert, J. in Akten der 13. Österr. Linguistentagung 1985 (Graz 1988), 85–98; Arend, St. FS Friebertshäuser (1989), 71–90; LM 5 (1991), 1001; EWNl 1 (2003), 418.

Ebenso nndl. kar, ne. car, nfrz. char, nschw. kärra, nnorw. kjerre, nisl. kerra; ÞCharge, ÞKarikatur, ÞKarosse, ÞKarriere. – Frings, Th. ZV 40 (1930), 100–105; LM 5 (1991), 1017; Röhrich 2 (1992), 808f.; EWNl 2 (2005), 637.

Karnickel Sn std. stil. (16. Jh.). Aus älterem kanikel zu l. Karriere Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. carrie`re (älter

cunı¯culus m. mit der gleichen Entwicklung des Vokals wie bei ÞKaninchen. Der Einschub des r ist ein Hyperkorrektismus, da r in entsprechender Stellung in niederdeutschen Mundarten häufig schwindet (swatt statt swart ’schwarz’ usw.).

auch: ’Rennbahn’), dieses aus it. carriera ’Fahrstraße’, aus ml. (via) carraria ’Fahrstraße’, zu l. carrus m. ’Wagen, Karre’. Ebenso nndl. carrie`re, ne. career, nfrz. carrie`re, nschw. karriär, nnorw. karriere; ÞKarren. – DF 1 (1913), 334f.; Jones (1976), 183f.; EWNl 1 (2003), 418f.

Ebenso nndl. konijn(tje), nschw. kanin, nnorw. kanin, nisl. kanı´na. – Holthausen, F. Anglia Beiblatt 44 (1933), 3; Röhrich Karst1 Sm ’Hacke’ per. reg. (12. Jh.), mhd. karst, ahd. 2 (1992), 806–808.

karst. Herkunft unklar.

Karo Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. carreau m., dieses

aus vor-rom. *quadrellum, einem Diminutivum zu

Meringer, R. IF 17 (1904), 120.

Karussell

477 2

Karst Sm ’ausgelaugte Gebirgslandschaft’ per. fach.

(19. Jh.). Name eines Gebirges in Kroatien, in dem diese Erscheinung zuerst studiert wurde (im Altertum Karousadion). Appellativum seit dem 19. Jh. Ebenso nndl. karst, ne. karst, nfrz. karst. – Müller, K., Ginschel, G. Namenkundliche Informationen 48 (1985), 26–29.

Kartätsche Sf ’ein Artilleriegeschoss’ per. arch. (17. Jh.).

Entlehnt aus it. cartoccio m. ’Tüte, Zylinder, Kartusche’, aus it. cartaccia ’grobes Papier’, zu it. carta ’Papier’, aus l. charta (ÞKarte). So benannt, da es sich um ein Geschoss handelt, bei dem eine Umhüllung aus Stoff oder Papier mit Kugeln und Metallstücken gefüllt wird, die beim Abfeuern platzt und eine starke Streuung des Metalls zulässt. Die Form im Deutschen wohl in volksetymologischer Anlehnung an nhd. ÞKardätsche ’Bürste, Striegel’ (oder in Angleichung an ne. cartage). Ebenso nndl. kartets, nschw. kartesch, nnorw. kardesk.

Kartause Sf ’Kloster der Kartäusermönche’ per. fach.

(14. Jh.). Im Spätmittelhochdeutschen (spmhd. karthu¯se, [älter:] chartusey) entlehnt aus ml. Cartusia, so benannt nach dem südfranzösischen Kloster Chartreuse (in der Nähe von Grenoble). Ebenso nndl. kartuizerklooster, ne. Carthusian monastery, nfrz. charteuse. – LM 5 (1991), 1017f.; Röhrich 2 (1992), 809.

Karte Sf std. (14. Jh.), spmhd. karte. Entlehnt aus frz.

carte ’steifes Blatt’, das auf l. charta zurückgeht. Dieses aus gr. cha´rte¯s m., das wohl ägyptischen Ursprungs ist. Die Bedeutung ’Spielkarte’ ist aus dem Italienischen übernommen. Kollektivum: Kartei (ursprünglich geschützter Markenname, vgl. SD 23 [1979], 12, 196); Partikelableitung: Þabkarten. Ebenso ne. card, nfrz. carte, nndl. kaart, nschw. kort, nnorw. kort; ÞKerze, ÞKarton, ÞCartoon, Þchartern, ÞKartätsche, ÞKartusche, ÞKartell, ÞSkat. – Wis (1955), 159f.; Röhrich 2 (1992), 809–812; EWNl 2 (2005), 596.

Kartell Sn erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. cartel m.

sein; doch ist die Region des Auftretens nicht ausreichend bestimmbar. − Der Sache nach wurden aus Amerika drei essbare Knollen eingeführt, die in der Bezeichnung häufig durcheinandergingen: 1) Die Kartoffel (solanum tuberosum, Nachtschattengewächs), 2) die Topinambur oder Rosskartoffel (helianthus tuberosus, ein sonnenblumenartiger Korbblütler), 3) die Batate oder Süßkartoffel (ipomoea batatas, ein Windengewächs). Alte Anbaugebiete (16./17. Jh.) sind Norditalien − Südfrankreich − Schweiz, woher die Bezeichnung als ’Trüffel’ kommt, und England − Irland, wo der der Süßkartoffel zukommende Name (e. potato) gewählt wurde. Deutsche Bezeichnungen sind ÞErdapfel (ein altes Wort, das verschiedene Knollen bezeichnet, und das vor allem für die Topinambur gebraucht wird) und ÞGrundbirne (im Kontrast dazu gebildet, zunächst für die länglichere Kartoffel). Ebenso ndn. kartoffel, nnorw. kartoffel, nisl. kartafla; ÞErdapfel, ÞTrüffel. – Martin, B. Teuthonista 2 (1925), 64–67; Bertsch (1947), 213–220; Martin. B. DWEB 2 (1963), 1–126; Kretschmer (1969), 256–264; Abegg-Mengold (1979), Kapitel 2; Seebold (1981), 212–217; Röhrich 2 (1992), 812f.; König, W. Acta Universitatis Carolinae – Phil. 3. Germanistica Pragensia 18 (2001), 95–101 + Nachtrag.

Karton Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. carton, dieses

aus it. cartone, einem Augmentativum zu it. carta f. ’Papier’, aus l. charta f. Ebenso nndl. karton, ne. carton, cartoon, nfrz. carton, nschw. kartong, nnorw. kartong; ÞKarte. – DF 1 (1913), 335f.; Röhrich 2 (1992), 813; EWNl 2 (2005), 645.

Kartusche Sf ’ornamentale Einfassung’ per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. cartouche, das auf it. cartuccia zurückgeht, ein Diminutivum zu it. carta (ÞKarte). Eine ältere Entlehnung in der Bedeutung ’Patrone’. Ebenso ne. cartouche, nfrz. cartouche, ndn. kartouche. – EWNl 1 (2003), 420.

’Schriftstück, öffentlicher Aushang’, dieses aus it. carKarussell Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. carrousel m. tello m. ’Vereinigung, Verband’, einem Diminutivum ’Ringelstechen’, dieses aus it. carosello m. Das Reiterzu it. carta f., dieses aus l. charta f. ’Geschriebenes, spiel, bei dem in vollem Lauf nach Ringen u.ä. geUrkunde’. stochen wurde, wird dann volkstümlich zu einem Ebenso nndl. kartel, ne. cartel, nfrz. cartel, nschw. kartell, Spiel, bei dem von einem sich drehenden Gestell aus nnorw. kartell; ÞKarte. – DF 1 (1913), 335; Jones, W. J. SN 51 nach Ringen gestochen wurde, und schließlich be(1979), 250; LM 5 (1991), 1024f.; EWNl 2 (2005), 644. steht das Vergnügen in dem Reiten auf Pferden (und karto- LAff ’Karte’ erw. bildg. (–). Einerseits im Sinn Fahren in Fahrzeugen) in einem solchen Drehgestell. von ’Landkarte’, andererseits im Sinne von ’Kartei’. Ebenso ne. carrousel, nfrz. carrousel, nndl. carrousel, nschw. Kartoffel Sf std. (17. Jh., in dieser Form bezeugt seit

dem 17. Jh., älter tartoffel u.ä.). Letztlich aus it. tartuficolo m. (zu einem früh-rom. *territu¯berum ’Erdknolle’, das eigentlich die Trüffel meint; die Übertragung nach dem Wachsen in der Erde und äußerer Ähnlichkeit; entsprechend schon im Spanischen). Die Dissimilation des Anlauts trat zuerst in Südfrankreich ein, hat sich aber nur im Deutschen durchgesetzt. Nach König kann die Lautveränderung auch im Deutschen mundartlich entstanden

karusell, nnorw. karusell. Das ursprüngliche Spiel stammt aus Spanien und scheint maurischen Ursprungs zu sein; die Bezeichnung ist aber italienisch und scheint auf ein Wort für ’Fest’ zurückzugehen (frz. carousse ’Zecherei’, ne. carouse ’zechen’). Dazu über ein Adjektiv früh-rom. *carosellus das it. carosello, eigentlich ’Fest, Schauspiel’ und dann auf eine bestimmte Festlichkeit eingeengt. Das Wort für ’Fest’ letztlich aus gr. ka´ra ’Kopf’, das zu spl. cara ’Angesicht’ entlehnt wird; daraus mit einer Bedeutungsentwicklung, die an (älter) frz. che`re ’Angesicht − freundlicher Empfang − Festlichkeit’ nachvollzogen werden kann, ein früh-rom. *carosus mit den genannten

Karzer

478 Bedeutungen (nach DEO). – DF 1 (1913), 336; Littmann (1924), 100, 102; Jones (1976), 184f.; DEO (1982), 199f.; Brunt (1983), 182; Röhrich 2 (1992), 813; EWNl 1 (2003), 419.

Karzer Sm (auch n.) erw. obs. (14. Jh.). An den Uni-

versitäten entlehnt aus l. carcer m. (das früher schon als ÞKerker entlehnt wurde). Die Karzer der Universität waren Zeichen für deren eigene Gerichtsbarkeit. Ebenso ne. incarcerate (’einkerkern’), nfrz. carce´ral (’Gefängnis-’). – DF 1 (1913), 336f.; Knobloch, J. HS 103 (1990), 113–115 (zur Etymologie des lateinischen Wortes).

Karzinom Sn ’bösartige Geschwulst, Tumor’ per. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus l. carcino¯ma, dieses aus gr. karkı´no¯ma, zu gr. karkı´nos m. ’Krabbe, Krebs’. Ebenso nndl. carcinoom, ne. carcinoma, nfrz. carcinome.

Kasack Sm (eine Art Bluse) per. exot. ass. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. casaque. Es ist umstritten, ob die Bezeichnung auf den Namen (und die Sache auf die Kleidung) der Kosacken zurückgeht. Ebenso nfrz. casaque, nndl. kazak. – Steinhauser (1978), 96f.; DEO (1982), 200.

kascheln Vsw ’auf dem Eis schlittern’ per. omd.

(20. Jh.). Herkunft unklar. Kaschemme Sf ’schlecht beleumundete Gastwirt-

it. casa ’Haus’ und dem regionalen matta ’Erdscholle’ u.a.. – Baist, G. RF 10 (1899), 177f.; DEO (1982), 200; EWNl 2 (2005), 638.

Kaserne Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. caserne. Verb: kasernieren. Ebenso nndl. kazerne, nfrz. caserne, nschw. kasern, nnorw. kaserne. Das französische Wort ist ersichtlich eine Ableitung von ml. casa ’Haus’ mit dem gleichen Suffix wie in caverna. Die Beurteilung wird erschwert durch ein prov. cazerna ’Gruppe von vier Personen’ (aus früh-rom. *quaderna ’Gruppe von vier Personen’, zu l. quattuor ’vier’), aus dem man ein prov. cazerna ’Wachgebäude für vier Soldaten’ zu erschließen gesucht hat. – DF 1 (1913), 337; DEO (1982), 200f.; EWNl 2 (2005), 658f.

Kasino Sn ’Speiseraum (für Offiziere), Gebäude für ge-

sellige Zusammenkünfte’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it. casino m. ’Gesellschaftshaus’, einem Diminutivum zu it. casa f. ’Haus’, aus l. casa f. Ebenso nndl. casino, ne. casino, nfrz. casino, nschw. kasino, nnorw. kasino; ÞChalet. – DF 1 (1913), 337; EWNl 1 (2003), 421.

Kaskade Sf ’stufenförmiger Wasserfall, Sprung’ per.

fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. cascade, dieses aus it. cascata, einer Ableitung von it. cascare ’fallen’, dieses ein formal unklares Frequentativum aus l. cadere. Ebenso nndl. cascade, ne. cascade, nfrz. cascade, nschw. kaskad,

nnorw. kaskade; ÞKadenz. – DF 1 (1913), 337. schaft’ std. stil. (19. Jh.). Gaunersprachlich bezeugt seit dem 19. Jh. Aus romani katsˇima f., kartschima Kasko Sm ’Schiffsrumpf, Fahrzeug (ohne La’Wirtshaus’, das seinerseits auf ein slavisches Wort dung)’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt im Rahmen des zurückgeht (z.B. serb. curtschema, auch ins Deutsche Versicherungswesens aus span. casco ’Schiffsrumpf’, entlehnt als Kretscham). dieses mit unregelmäßiger Bedeutungsentwicklung Wolf (1958), 154; Lokotsch (1975), 90. zu span. cascar ’zerbrechen’, zu l. quassus ’zerbrochen’, dem PPP. von l. quatere ’zerschlagen, zerstokaschieren Vsw std. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. caßen, schütteln’. Die Kaskoversicherung ist eine cher ’verstecken’, älter: ’zusammendrücken, quet’Versicherung gegen Schäden am eigenen Fahrzeug’. schen’, dieses aus vor-rom. *coacticare ’zusammenHeute meist zu Kasko gekürzt. drücken’, einem Intensivum zu l. coa¯cta¯re ’mit aller Ebenso nndl. casco, ne. cask, nfrz. casque, nschw. kasko, nnorw. Gewalt zwingen’, einem Intensivum zu l. co¯gere kasko, nisl. kasko´; Þdiskutieren. – EWNl 1 (2003), 420. ’zwingen, zusammentreiben’, zu l. agere ’treiben, tun’. Kasper Sm (meist diminutiv Kasperle m./n. u.ä.) std. stil. (17. Jh.). Hauptfigur im Puppenspiel, nach dem Käse Sm std. (8. Jh.), mhd. k¢se, ahd. ka¯si, as. k(i)e¯si. Namen eines der Heiligen Drei Könige, der in den Geht wie ae. ce¯se auf eine frühe Entlehnung aus l. Dreikönigsspielen als Schwarzer häufiger zur Belusca¯seus ’Käse’ zurück, die ihrerseits zu einem Wort für tigung beiträgt und später zur bloßen komischen ’Gärung, Gärmittel’ gehört (vgl. akslav. kvasu˘ Figur absinkt; dann in eigenen Spielen verselbstän’Sauerteig’ u.a.). Das lateinische Wort wird mit der digt. Im 17. Jh. der schwarze Kaspar (häufig auch als Labkäsebereitung entlehnt. Zuvor kannten die GerTeufel gesehen), das eigentliche Puppenspiel im manen nur Weichkäse (Quark). Verb: käsen; Adjek19. Jh. Dazu (herum-)kaspern ’sich albern benehmen’, tiv: käsig. früher auch ’necken, plagen’ (von der Figur des TeuEbenso nndl. kaas, ne. cheese. – LM 5 (1991), 1029; Röhrich 2 fels ausgehend). (1992), 813f.; RGA 16 (2000), 159–161; EWNl 2 (2005), 596f.

Kasematte Sf ’geschützter (Festungs-)Raum’ per. arch.

Ebenso nschw. kasper

(16. Jh.). Entlehnt aus frz. casemate, dieses aus it. ca- Kasse Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus it. cassa, dieses aus l. capsa ’Behältnis, Kapsel, Kasten’, einer Ableitung von samatta ’Wallgewölbe’. Zunächst Bezeichnung eines l. capere ’greifen, fassen’. Die deutsche Endung ist erst unterirdischen, bombensicheren Festungsgewölbes, im 18. Jh. üblich geworden. Die Bedeutung ist auch dann auch übertragen auf gepanzerte Geschützräume erweitert ’Auszahlungsstelle’, dann komponiert in auf Schiffen. Krankenkasse, das wiederum zu Kasse gekürzt wird. Ebenso nndl. kazemat, ne. casemate, nfrz. casemate, nschw. Verb: kassieren1; Nomen agentis: Kassier, heute vielkasematt, nnorw. kasematt. Die ursprüngliche Bedeutung scheint ’mit Erdschollen bedecktes Haus’ gewesen zu sein, aus fach Kassierer.

kastrieren

479 Ebenso nndl. kas, nfrz. caisse, cassa, nschw. kassa, nnorw. kassa. S. Þkapieren zur Verwandtschaft des Grundworts. – Schirmer (1911), 95f.; DF 1 (1913), 337f.; EWNl 2 (2005), 646f.

Kasserole Sf ’Topf zum Schmoren’ erw. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. casserole, einem Diminutivum zu frz. casse ’Pfanne’. Ebenso nndl. kasserol, ne. casserole, nfrz. casserole, nschw. kastrull, nnorw. kasserolle. Das französische Wort geht mit dialektalem frz. cassot ’Nussschale’ auf ein Wort für ’(Nuss-)Schale, Schneckenhaus’ u.ä. zurück, dieses aus l. cassus ’ausgehöhlt, leer’, l. nux cassa ’Nussschale’. – DF 1 (1913), 338; Hildebrandt, R. DWEB 3 (1963), 363f.; DEO (1982), 201; Brunt (1983), 183; EWNl 2 (2005), 648.

Kassette Sf (ursprünglich) ’Kästchen für Wertsa-

chen’ std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. cassette, it. cassetta, das ein Diminutivum zu it. cassa ist (ÞKasse). Ebenso nndl. cassette, ne. cassette, nfrz. cassette, nschw. kassett, nnorw. kassett, nisl. kassetta. – EWNl 1 (2003), 421f.

Kassiber Sm ’aus dem Gefängnis geschmuggelter

stammt aus der Fabel von La Fontaine ’Der Affe und die Katze’ (bei der der Affe die Katze veranlasst, für ihn die gerösteten Kastanien aus dem Feuer zu holen). Ebenso nndl. kastanje, ne. chestnut, nfrz. chaˆtaigne, nschw. kastanj, nnorw. kastanje, nisl. kastanı´a; ÞKastagnette. – LM 5 (1991), 1035; Röhrich 2 (1992), 814f.; EWNl 2 (2005), 649.

Kaste Sf ’abgeschlossener Stand, Rasse’ erw. exot.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. caste. Das Wort ist eigentlich portugiesisch (port. casta ’Rasse, Abkunft’, ursprünglich wohl Substantivierung zu l. castus ’rein’) und bezeichnete zunächst die unvermischte Rasse der Iberer (gegenüber den Mauren). Im 16. Jh. wenden es die Portugiesen auf die gegeneinander abgeschlossenen Stände Indiens an, und mit dieser Bedeutung hat es sich allgemein verbreitet. Ebenso nndl. kaste, ne. caste, nfrz. caste, nschw. kast, nnorw. kaste. – Öhmann, E. NPhM 41 (1940), 36; HWPh 4 (1976), 701–703; EWNl 2 (2005), 649f.

Brief’ per. grupp. (19. Jh.). Im Rotwelschen bezeugt kasteien Vswrefl ’enthaltsam leben, Entbehrungen auf seit dem 19. Jh.; etwas früher das Grundwort kaseresich nehmen’ erw. obs. (8. Jh.). Im Althochdeutschen men ’schreiben’, das heute nicht mehr üblich ist. Die (ahd. kestigo¯n, mhd. kastigen, ke´stigen, spmhd. kashebräische Wurzel ist zwar klar, doch ist die genaue tyen) entlehnt aus ml. castigare, dieses aus l. castı¯ga¯re Grundform strittig; vermutlich hebr. k et¯ıva¯(h) ’das ’zurechtweisen, züchtigen, strafen’ zu l. castus ’rein, ¯ Schreiben’ (wozu wjidd. kessiwe, kessiwurenen keusch’. In der normalen oberdeutschen Entwick’schönschreiben’). lung werden die Nebensilben abgeschwächt (kestiWolf (1985), 155. gen), im Mittel- oder Niederdeutschen, sowie im Niederländischen bleibt die Länge der Mittelsilbe und kassieren1 Vsw ÞKasse. 2 bekommt (vielleicht nach den französischen Bildunkassieren Vsw ’für ungültig erklären’ erw. fach. gen auf -ei) den Ton. Durchgesetzt wird diese Form (14. Jh.). Über afrz. casser entlehnt aus ml. cassa¯re, durch Luther. wohl als Variante zu l. quassa¯re, ein Intensivum zu l. quatere ’schütteln, zerbrechen’, also etwa ’vernichten’, es hat aber wohl eine Ableitung von l. cassus ’ausgehöhlt, leer’ darauf eingewirkt. Ebenso nndl. casseren, ne. quash, nfrz. casser, nschw. kassera, nnorw. kassere. – DF 1 (1913), 338.

Kastagnette Sf (ein kleines Rhythmusinstru-

ment) per. exot. (18. Jh.). Entlehnt aus span. castan˜eta, einem Diminutivum zu span. castan˜a ’Kastanie’ (ÞKastanie). So benannt nach der äußeren Ähnlichkeit mit der Frucht des Kastanienbaumes.

Ebenso nndl. kastijden, ne. castigate, chasten. – EWNl 2 (2005), 650f.

Kastell Sn ’befestigtes Truppenlager, Schloss’ per. fach.

(9. Jh.). Im Althochdeutschen (ahd. kastel, mhd. ka´stel) entlehnt aus l. castellum, einem Diminutivum zu l. castrum ’Festung’. Weitere Beeinflussung durch die romanischen Sprachen: Die Bedeutung ’Schloss’ aus dem Französischen, die Endbetonung aus dem Italienischen. Täterbezeichnung: Kastellan.

Ebenso nndl. kasteel, ne. castle, nfrz. castel, nschw. kastell, nnorw. kastell. – DF 1 (1913), 338f.; Öhmann, E. ZM 20 Ebenso nndl. castagnette, ne. castanet, nfrz. castagnette, nschw. (1951/52), 94f.; LM 5 (1991), 1036; EWNl 2 (2005), 650. kastanjett, nnorw. kastanjett. – DF 1 (1913), 338; EWNl 1 (2003), 422. Kasten Sm std. reg. (8. Jh.), mhd. kaste, ahd. kasto

’Behälter’, mndl. caste ’Kornscheuer’. Herkunft unklar. Vielleicht eine frühe Weiterbildung zu g. *kazaahd. kastanie. In dieser Form neu entlehnt aus l. cas’Gefäß’ (s. unter ÞKar). tanea, dieses aus gr. ka´stana Pl., aus einem kleinasiLM 5 (1991), 1038; Röhrich 2 (1992), 815f.; EWNl 2 (2005), 648. atischen Wort (zu dem auch arm. kask ’Kastanie’ gehört). Vielleicht zu einem Ortsnamen (gr. Kastanı´s, kastrieren Vsw ’entmannen’ erw. fach. (16. Jh.). EntKastane´a u.a.), der aber umgekehrt auch aus dem lehnt aus l. castra¯re eigentlich ’verschneiden’. AbPflanzennamen gebildet sein kann. Eine ältere Entstraktum: Kastration. lehnung in ahd. kestin(n)a, kesten, mhd. kesten(e), Ebenso nndl. castreren, ne. castrate, nfrz. castrer, nschw. kasauch mhd. kestennuz wie ne. chestnut; reg. (obd.) Kästrera, nnorw. kastrere. – DF 1 (1913), 339; Niederhellmann (1983), 142–154 (zur mittelalterlichen Sachgeschichte); EWNl 1 te(n). Gemeint ist ursprünglich die essbare Edelkas(2003), 422. tanie, später auch die ungenießbare Rosskastanie. Der Ausdruck die Kastanien aus dem Feuer holen

Kastanie Sf std. (11. Jh., Form 13. Jh.), mhd. castanie,

Kasus

480 Kasus Sm ’Fall’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. ca¯sus, Katarakt Sm ’Stromschnelle, Wasserfall’ per. fach.

einer Ableitung von l. cadere ’fallen’. Die grammatische Bedeutung hat das lateinische Substantiv als Lehnbedeutung von gr. pto˜sis ’Kasus, Fall’. Ebenso nndl. casus, ne. case, nfrz. cas, nschw. kasus, nnorw. kasus; ÞKadenz. – DF 1 (1913), 339; Leser, E. ZDW 15 (1914), 52; EWNl 1 (2003), 422.

Katafalk Sm ’ein Gerüst für den Sarg während der

(16. Jh.). Entlehnt aus l. cataracta f., dieses aus gr. katarra´kte¯s, einer Substantivierung von gr. katarra´kte¯s ’herabstürzend’, zu gr. katarra¯´ttein ’herabstürzen’, zu gr. ra¯´ttein ’schlagen, niederschmettern’ (ig. *ra¯g-) und gr. kata- ’herab-, hinab-’. Ebenso nndl. cataract, ne. cataract, nfrz. cataracte, nschw. katarakt, nnorw. katarakt. – DF 1 (1913), 340.

Trauerfeier’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. caKatarrh Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. catarrus tafalque, dieses aus it. catafalco, im Spätlateinischen ’Schnupfen’, dieses aus gr. kata´rrous, kata´rroos (eiaus der entlehnten gr. Präposition kata und l. fala gentlich ’das Herabfließen’), einer Substantivierung ’Gerüst’ gebildet (*catafalicum). Der ältere Ausdruck von gr. kata´rrous ’herunterfließend’, zu gr. katarreı˜n ist castrum doloris. ’herunterfließen’, zu gr. reı˜n ’fließen’ (ÞRheuma) Ebenso nndl. katafalk, ne. catafalque, nfrz. catafalque, nschw. und gr. kata- ’herab, hinab’. So bezeichnet wegen der katafalk, nnorw. katafalk. – DF 1 (1913), 339; Knobloch (1973), Absonderungen, die mit der Schleimhautentzün164–167; EWNl 2 (2005), 652. dung verbunden sind; nach der antiken Vorstellung Katakomben Spl ’unterirdische Bestattungsanlage’ per. waren sie die Ursache der Krankheit. exot. (18. Jh.). Entlehnt aus it. catacombe, dieses aus Ebenso nndl. catarre, ne. catarrh, nfrz. catarrhe, nschw. katarr, spl. catacumbae (zunächst ein Flurname für eine Stätnnorw. katarr. – DF 1 (1913), 340. te, in der sich ein Felsengrab befand, dann verallgeKataster Smn ’amtliches Grundstücksverzeichnis’ per. meinert). fach. (17. Jh.). Entlehnt aus it. catasto m. ’SteuerreEbenso nndl. catacombe, ne. catacomb, nfrz. catacombes, gister, Zinsregister’, dessen weitere Herkunft nicht nschw. katakomb, nnorw. katakombe. L. cumba ist ein regisicher geklärt ist (vielleicht gr. [byz.] kata´sticha onales italisches Wort für ’Bett’ (beim Verb vielfach übertragen ’Liste’). auf ’begraben’, also sind die Katakomben eigentlich wohl ’Hinbettungen’). – Knobloch (1973), 167; DEO (1982), 201f.; LM 5 (1991), 1035f.; EWNl 1 (2003), 422f.

Ebenso nndl. kadaster, nfrz. cadastre, nschw. kataster. – LM 5 (1991), 1061f.; EWNl 2 (2005), 601.

Katalog Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. catalogus, die- Katastrophe Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. catastro-

ses aus gr. kata´logos, einer Ableitung von gr. katale´gein ’aufzählen’, zu gr. le´gein ’zählen, berechnen’ und gr. kata- ’hinab, herab’. Verb: katalogisieren. Ebenso nndl. catalogus, ne. catalogue, nfrz. catalogue, nschw. katalog, nnorw. katalog. S. ÞLogik für die Sippe des griechischen Wortes. – Schirmer (1911), 96; LM 5 (1991), 1059; EWNl 1 (2003), 423.

Katalysator Sm ’Stoff, durch dessen Vorhandensein

chemische Reaktionen beeinflusst werden’ erw. fach. (20. Jh.). Neubildung zu gr. kataly¯´ein ’auflösen’, zu gr. ly¯´ein ’lösen’ (ÞAnalyse) und gr. kata- in der Bedeutung ’ganz’. Ebenso nndl. katalysator, ne. catalyzer, nfrz. catalyseur, nschw. katalysator, nnorw. katalysator. – EWNl 2 (2005), 652.

Katamaran Sm (ein Segelboot mit zwei Rümpfen) per.

fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. catamaran, dieses aus tamil. kattumaram ’Auslegerboot’, zu tamil. kattu ˙ tamil. maram ’Baumstamm’. ˙˙ ’binden’ ˙und Ebenso nndl. catamaran, ne. catamaran, nfrz. catamaran, nschw. katamaran, nnorw. katamaran. – EWNl 1 (2003), 423.

Katapult Smn ’Schleudereinrichtung’ erw. fach.

(18. Jh.). Im Neuhochdeutschen entlehnt aus l. catapulta f., dieses aus gr. katape´lte¯s m., einer Ableitung von gr. pa´llein ’schwingen, schütteln’ (nach Knobloch eher zu gr. pe´lte¯ ’Schild’ wegen des Schutzdachs). Verb: katapultieren. Ebenso nndl. katapult, ne. catapult, nfrz. catapulte, nschw. katapult, nnorw. katapult. – Knobloch (1973), 164–167; EWNl 2 (2005), 652f.

pha, catastrophe¯, dieses aus gr. katastrophe¯´ (eigentlich ’Umkehr, Wendung’), zu gr. katastre´phein ’umkehren, umwenden’, zu gr. stre´phein ’wenden’ und gr. kata- ’herab, hinab’. Eigentlich die Wendung nach unten; so bezeichnet ist der Zeitpunkt des Umschlagens der Handlung in der Tragödie. Adjektiv: katastrophal. Ebenso nndl. catastrofe, ne. catastrophe, nfrz. catastrophe, nschw. katastrof, nnorw. katastrofe; ÞStrophe. – DF 1 (1913), 340; Tesi, R. Lingua nostra 53 (1992), 45–59; EWNl 1 (2003), 423.

Kate Sf ’Hütte’ per. ndd. (16. Jh., älter kot(e)), mndd.

kot(t)e, mndl. cote. Ae. cot ’Hütte’, ae. cote ’Stall’, anord. kot n. ’Hütte’ weisen auf g. *kuta-/o¯ ’Hütte, Stall’. Daneben mit Hochstufe (*kautjo¯n) ae. cyte, nnorw. (dial.) køyta ’Waldhütte’. Herkunft unklar. Täterbezeichnung: Kätner. ÞKietze, ÞKittchen, ÞKossat.

Katechismus Sm ’Lehrbuch für den Glaubensunter-

richt’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. cate¯chismus ’Unterweisung im Glauben’ zu gr. (Hesych) kate¯chı´zein ’unterrichten’, zu ntl.-gr. kate¯cheı˜n ’eindringlich einreden auf, auffordern’, zu gr. ¯echeı˜n ’schallen, tönen’ und gr. kata- ’hinab, herab’. Bis zur Reformation handelt es sich bei der Katechese um mündlichen Unterricht mit Memorierung dogmatischer Formulierungen. Nomen Agentis: Katechet. Ebenso nndl. catechismus, ne. catechism, nfrz. cate´chisme, nschw. katekes, nnorw. katekisme; ÞEcho. – Siegert (1950),

Kattun

481 118f.; Knauber, A. AB 13 (1969), 95–97; HWPh 4 (1976), 710–712; EWNl 1 (2003), 423f.

Kategorie Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. cate¯-

Ebenso nndl. katheder, nschw. kateder, nnorw. kateter. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þsitzen; ÞChaiselongue. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 312f.; DF 1 (1913), 341f.; EWNl 1 (2003), 424; 2 (2005), 653f.

goria, dieses aus gr. kate¯gorı´a¯ (eigentlich ’Tadel, Beschwerde, Klage’), einer Ableitung von gr. kate¯goreı˜n Kathedrale Sf erw. fach. (16. Jh.). Übernommen aus l. ecclesia cathedralis ’Kirche des Bischofssitzes’, zu’aussagen, anklagen’, zu gr. agoreu´ein ’in der Öffentnächst als Kathedralkirche, dann wie in den anderen lichkeit reden’ und gr. kata- ’herab, hinab’, zu gr. Sprachen gekürzt. agora´ ’öffentliche Rede, Versammlung, öffentlicher Ebenso nndl. kathedraal, ne. cathedral, nfrz. cathe´drale, nschw. Markt’. Zunächst ein Terminus der Philosophie, der katedral, nnorw. katedral; ÞKatheder. – EWNl 2 (2005), 654. die entscheidende Prägung durch die Kategorienlehre des Aristoteles erhielt. Dieser unterschied zehn Ar- Kathete Sf ’Seite eines rechtwinkligen Dreiecks’ per. ten, wie man mit Aussagen über das Seiende urteilen fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. cathetus ’senkrechte Likann: Substanz, Quantität usw. Damit vollzieht sich nie’, dieses aus gr. ka´thetos ’Senkblei’. der Übergang von ’Aussageweise’ zu ’Seinsweise’. Ebenso nndl. kathete, ne. cathetus, nschw. katet, nnorw. katet; Dazu kategorisch ’von den Kategorien bestimmt und ÞKatheter. deshalb unbedingt gültig’. Andere Adjektive sind Katheter Sm ’ein Röhrchen zur Einführung in Körperkategorial, kategoriell. organe’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. cathete¯r, Ebenso nndl. categorie, ne. category, nfrz. cate´gorie, nschw. kadieses aus gr. kathete¯´r, Nomen Instrumenti zu gr. kategori, nnorw. kategori; ÞAllegorie. – DF 1 (1913), 341; HWPh 4 thie ´ nai ’herabsetzen, herabwerfen, sich niederlassen’ (1976), 714–776; LM 5 (1991), 1062–1064; EWNl 1 (2003), 424. (zu gr. hie´nai ’schicken’ und gr. kata ’herab, hinab’). 1 Kater Sm ’männliche Katze’ std. (9. Jh.), mhd. kaEbenso nndl. catheter, ne. catheter, nfrz. cathe´ter, nschw. kater(e), ahd. kataro, mndl. cater (die niederdeutschen teter, nnorw. kateter. – EWNl 2 (2005), 654. Mundarten setzen aber z.T. -d- voraus). Gebildet aus der Vorform des Wortes ÞKatze noch bevor dessen -t- Kathode Sf ’negative Elektrode’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. cathode, dieses aus gr. ka´thodos geminiert wurde. Die r-Bildung ist wohl eine Zuge’Hinabweg, Rückweg’, zu gr. kata´ ’abwärts’ und gr. hörigkeitsbildung, die vor allem das Männchen behodo´s ’Weg’ (nach der Vorstellung, dass die Elektrozeichnen konnte (vgl. vielleicht *kaparo- ’Bock’ nen am Minuspol der Stromquelle austreten). (ÞHabergeiß) neben Happe, Hippe ’Ziege’ (ÞHippe 2) Ebenso nndl. kathode, ne. cathode, nfrz. cathode, nschw. katod, mit Gemination; vgl. auch junges ne. caterwaul nnorw. katode, nisl. kato´daÑ ; ÞMethode. – EWNl 2 (2005), 654. ’Katzengeschrei’). Es gibt im Althochdeutschen und katholisch Adj (christliche Konfession) std. (16. Jh., auch sonst in den frühen germanischen Sprachen vereinzelt schon 8. Jh.). Entlehnt aus kirchen-l. cakein Suffix zur Bildung speziell männlicher Tierbetholicus (auch: ’allgemein’), dieses aus gr. katholiko´s zeichnungen (eine ähnliche Problematik besteht bei ’allgemein, universal’, zu gr. katho´lou ’im allgemeiae. ganra ’Gänserich’, ne. gander) − die Bildung ist nen, überhaupt’, einer Zusammenrückung aus gr. deshalb kaum germanisch, aber die gebende Sprache kath’ ho´lou, zu gr. ho´los ’ganz’ und gr. kata´- ’herab, lässt sich nicht ausmachen. hinab’. Zunächst gebraucht als Bezeichnung der allEbenso nndl. kater; ÞKuder. – Palander (1899), 53f.; Seitz (1976); Schauwecker (1992), 7–9; Kluge, F. BGDSL 14 (1889), gemeinen Kirche gegenüber der Einzelkirche, dann 585–587 (als Kompositum erklärt); EWNl 2 (2005), 653. für die Gesamtheit der Gläubigen. Später benutzt, um die (Recht-)Gläubigen von den Anhängern anderer Kater2 Sm ’Katzenjammer’ std. stil. (19. Jh.). In LeipziKonfessionen abzugrenzen; damit dann Bezeichnung ger Studentenkreisen aufgekommen. Kater war einer bestimmten Konfession. Täterbezeichnung: Name für ein Bier (z.B. in Stade) ’denn es kratzet dem Katholik; Abstraktum: Katholizismus. Menschen der sein zu viel getrunken hat, des morEbenso nndl. katholiek, ne. Catholic, nfrz. catholique, nschw. gens im Kopff’ (1575). Darauf ist offenbar dieses katolsk, nnorw. katolsk, nisl. kado´Ñ lskur. – Siegert (1950), ’Kratzen im Kopf’ als Kater bezeichnet worden (s. 122–125; DF 1 (1913), 342; HWPh 4 (1976), 787–789; Röhrich 2 ÞKatzenjammer, das schon vorher für ’Unwohlsein (1992), 816f.; Holzberg, N. in Munske (1996), 7f.; EWNl 2 nach Alkoholgenuss’ gebraucht wird [Mehlber]). (2005), 654. Die lautliche Nähe des Wortes ÞKatarrh hat allenfalls katschen (auch kätschen) Vsw ’schmatzend kauen’ per. eine verstärkende Rolle gespielt. reg. (19. Jh.). Wohl eine regionale Weiterbildung oder Ebenso nndl. kater. S. auch ÞMuskelkater. – Kluge, F. ZDW 5 Abwandlung zu Þkauen, deren Vorform nicht be(1903/04), 262; Mehlber, L. JGGB (1982), 112–115; Mehlber, L. zeugt ist (*kawezzen wäre denkbar). JGGB (1983), 63; Mehlber, L. ZDPh 103 (1984), 430–437; Röhrich 2 (1992), 816; EWNl 2 (2005), 653.

Katheder Smn ’Pult, Podium, Lehrstuhl’ per. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. cathedra f., dieses aus gr. kathe´dra¯ f. ’Sitz, Stuhl, Lehrstuhl’, zu gr. he´dra¯ f. ’Sitz, Sessel’ und gr. kata´- ’herab, hinab’.

Kätscher Sm ÞKescher. Kattun Sm (festes Gewebe aus Baumwolle) erw. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus ndl. kattoen, dieses aus arab. qutn, span.-arab. Nebenform qutu´n ’Baumwolle’. ˙ ˙

katzbalgen Ebenso nndl. katoen, ne. cotton, nfrz. toile de coton, nschw. kattun, nnorw. kattun. – Röhrich 2 (1992), 817; Kiesler (1994), 269f.; EWNl 2 (2005), 654f.

katzbalgen Vsw erw. stil. (16. Jh.). Das Wort ist zwar

semantisch naheliegend (’balgen wie Katzen’), muss aber morphologisch von einem Substantiv Katzbalg abgeleitet sein. Dieses bedeutet aber nicht (oder nur äußerlich gesehen) ’Katzenfell’, sondern ist ein Wortspiel (’das Balgen von Katzen’). S. auch ÞAffe.

Katze Sf std. (9. Jh.), mhd. katze, ahd. kazza (auch ahd.

482 Ebenso nndl. kattegoud, nschw. kattguld. – Lüschen (1979), 250.

Katzenjammer Sm std. stil. (18. Jh.). Zunächst allge-

mein für ’(ein besonderes) Leibweh’, dann einerseits spezialisiert auf ’Nachwehen von zu reichlichem Alkoholgenuss’, andererseits als moralischer Katzenjammer oder kurz Moralischer für ’starke Niedergeschlagenheit’. Katzenjammer ist eigentlich die ’Katzenmusik (Brunstschreie der Katzen)’, ist dann wohl aber auf Grund der Doppeldeutigkeit von ÞJammer auf ’Schmerzen, Unwohlsein’ bezogen worden, da Katzen ihr Unwohlsein sehr ausdrucksstark zeigen können. Denkbar ist auch ein Anschluss an Jammer ’Rausch’, näher bestimmt durch ÞKatze, eines der durch Tiernamen bezeichneten, volkstümlich klassifizierten Stadien des Rausches (Riegler).

kazzo m.), mndd. katte, mndl. catte. Gehören wie anord. ko¸ttr m., ketta, ae. cat(t) m., afr. katte zu einem gemeineuropäischen, aber recht spät auftretenden Wanderwort; vgl. spl. cattus m., catta (4. Jh. n. Chr.), air. cat(t) m., kymr. cath, gemein- slav. kotu˘ m. Ebenso nnorw. katzenjammer. S. auch ÞKater 2. – Klenz, H. ’Kater’, lit. kate˙˜ ’Katze’, lit. ka˜tinas m. ’Kater’. HerZDW 1 (1901), 76; Kluge (1912), 100–102; Riegler, R. WS 6 kunftssprache unklar, die Lautform nordafrikani(1914/15), 194–196. scher Sprachen klingt an. Nach Brøndal aus regiKatzenkopf Sm per. fach. (18. Jh.). In einer Reihe von onalem l. catus ’mit scharfen Sinnen’. Nach Fritz übertragenen Verwendungen, die im einzelnen nicht wurde die Wildkatze ursprünglich mit dem Wort immer durchsichtig sind. Der Name für einen beWiesel bezeichnet (Wiesel = Frettchen dienten in der stimmten Pflasterstein kann vom Rohrstein stammen Antike als Mäusefänger). Dann wurde die Bezeich(grau, gedrungen, mit Zacken wie Ohren), es ist aber nung der importierten Hauskatze auf sie übertragen. auch möglich, dass damit die Steine gemeint sind, die Ebenso nndl. kat, ne. cat, nfrz. chat(te), nschw. katt(a), nnorw. bei Belagerungen mit Katzen (Abkürzung von katt(e), nisl. köttur. S. auch ÞKater 1. – Palander (1899), 51–53; ÞKatapult) in die Stadt oder auf die Mauern geBrøndal (1917), 175–177 = (1948), 181–186; Kaspers, W. ZVS 67 (1942), 218f.; Seitz (1976); Lühr (1988), 260–262; LM 5 (1991), schossen wurden; die Bezeichnung des ’Schlags an 1078–1080; Röhrich 2 (1992), 817–827; RGA 16 (2000), 331–333; den Kopf’ vom Umgang mit Katzen. Fritz, M. FS Neumann (2002), 169–182; EWNl 2 (2005), 651.

Katzelmacher Sm (Scheltname für Italiener in Südost-

deutschland) per. vulg. (18. Jh.). Ursprünglich für die Grödner in Südtirol, die bis ins 19. Jh. hölzernes Küchengerät herstellten und vertrieben. Stellvertretend für dieses die Ggatzlen ’hölzerne Schöpfkellen’, Verkleinerungsform zu tirol. gga˚tze ’Schöpfkelle’ aus gleichbedeutendem venez. cazza. Trauschke, E. GRM 8 (1920), 105f. (anders).

Katzenauge Sn ’reflektierender Quarz, Rückstrah-

Ebenso nndl. kattekop.

Katzentisch Sm erw. vulg. (17. Jh.). Zunächst scherz-

hafte Bezeichnung des Fußbodens, dann für kleinere, abseits stehende Tische. Die Wendung am Katzentisch sitzen für ’abseits von der Gemeinschaft (auf dem Fußboden oder an einem niedrigen Tisch) essen’ (als Strafe) scheint aus dem Klosterleben zu stammen. Katzoff Sm ’Fleischer, Schlächter’ per. reg. (18. Jh.). Aus

wjidd. kazzow ’Fleischer’ (vgl. ivr. qassa¯v ’Metzger’) ˙˙ zu hebr. qassa¯v ’Metzger’. ˙ ˙ Althaus, H. P. ZDS 21 (1965), 20–41.

ler’ per. fach. (18. Jh.). Die auffällig starke Reflexion von Lichtstrahlen durch das Auge von Katzen hat zu kaudern Vsw ’wie ein Truthahn kollern, schwatzen’ per. dieser Übertragung geführt. reg. (16. Jh.). Ursprünglich wohl lautmalend. Zu KauEbenso nndl. katoog, ne. cat’s eye, nfrz. œil-de-chat, nschw. der ’Truthahn’ (regional). kattöga, nnorw. kattøye, nisl. kattarauga. – Lüschen (1979), 250.

Katzengold Sn std. (12. Jh., Bedeutung 16. Jh.), ahd.

kazzungolt. Bezeichnet das goldgelbe Kirschbaumharz (auch Katzengummi, Katzenklar genannt), das spätere Wort einen goldglänzenden Glimmer (auch Katzenglimmer genannt, es gibt auch Katzensilber). Gemeint ist jeweils ’falsches Gold (usw.)’, wie häufig minderwertige Varianten mit Tierbezeichnungen versehen werden. An die ’Falschheit der Katzen’ braucht dabei nicht notwendigerweise gedacht zu werden, obwohl auch dies eine Rolle gespielt haben mag.

kauderwelsch (substantiviert Sn) Adj std. stil. (16. Jh.).

Zunächst als Kauder- oder Kuderwelsch bezeugt. Das Wort ist schon früh auf die Rätoromanen (die Welschen von Chur, also Churerwelsch) bezogen worden, vgl. bei Luther: der Chauderwelschen oder Churwallen kahle Glossen; doch ist unsicher, ob das Wort tatsächlich als ’Churerwelsch’ zu erklären ist. Vgl. immerhin uckerwendsch gleicher Bedeutung in der Mark Brandenburg. Möglich ist auch ein Anschluss an obd. Kauderer ’Flachshändler, Garnhändler’ (oft mit abschätzigem Unterton gesagt; Fischart sagt in solchem Zusammenhang kuderwelsche) − dann würde sich die

Kauz

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Bezeichnung auf eine (wohl jiddisch geprägte) Händ- kaum Adv std. (9. Jh.), mhd. ku¯m(e), ahd. ku¯mo Adv. ’mit Mühe, schwerlich’. Dazu das Adjektiv ahd. lersprache beziehen. Als Name ist Kudirwale schon ku¯mig ’kraftlos, mühsam’. Die Grundbedeutung ist im 13. Jh. bezeugt. ’kläglich’ zu ahd. ku¯men, ku¯mo¯n, as. ku¯mian von Planta, R. Bündnerisches Monatsblatt (1931), 101f.; Knobloch, J. Lingua 26 (1970/71), 305; Röhrich 2 (1992), 828; ’trauern, klagen’. Lühr, R. in Siewert, K. (Hrsg.): Rotwelsch-Dialekte (Wiesbaden 1996), 23–31; EWNl 3 (2007), 101.

Kaue Sf ’fensterloser Raum, meist Waschkabine’ per.

reg. (14. Jh.), spm hd. kouwe. Wie nndl. koje (ÞKoje) entlehnt aus l. cavea ’Umfriedung’, das auch ÞKäfig ergeben hat. S. auch ÞKebse.

Heidermanns (1993), 345f.

kausal Adj erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus spl. causa¯lis,

zu l. causa ’Grund’. Abstraktum: Kausalität. Ebenso nndl. causaal, ne. causal, nfrz. causal, nschw. kausal, nnorw. kausal; Þkosen. – HWPh 4 (1976), 798–803; BlW 3 (1985), 288–310; LM 5 (1991), 1088–1090; EWNl 1 (2003), 424.

Kausativ Sn ’Bewirkungsverb’ per. fach. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus l. causatı¯vus ’bewirkend’, zu l. causa ’Ursache’. ku¯wen. Aus wg. *keww-a- Vst. ’kauen’, auch in ae. ce¯owan; daneben anord. tyggja, tyggva, das wohl seEbenso nndl. causatief, ne. causative, nfrz. causatif, nschw. kausativ; Þkausal. kundär (k zu t) umgestaltet ist. Zu ig. *g´eu- ’kauen’ in npers. ˇja¯vı¯dan ’kauen’, serb.-kslav. ˇz˘ıvati ’kauen’, kaustisch Adj ’scharf, ätzend, sarkastisch’ per. fach. toch. AB ´su-, ´swa¯- ’essen’, lit. ˇzia´unos f. Pl. ’Kiemen, (18. Jh.). Entlehnt aus l. causticus ’ätzend, brennend, Kiefer’. Nhd. kauen geht auf md. ku¯wen zurück; die beizend’, dieses aus gr. kaustiko´s ’brennend’, zu gr. ungebrochene Entwicklung in wiederkäuen. kaı´ein ’brennen’.

kauen Vsw std. (8. Jh.), mhd. kiuwen, ahd. kiuwan Vst.,

Ebenso nndl. kauwen, ne. chew, nschw. tugga, nisl. tyggja; Þkatschen, ÞKieme. – DF 1 (1913), 294f.; EWNl 2 (2005), 656.

Ebenso nndl. kaustisch, ne. caustic, nfrz. caustique, nschw. kaustik, nnorw. kaustisk.

kauern Vsw std. (18. Jh.). Aus dem Niederdeutschen

Kaute Sf ’Grube’ per. md. (14. Jh.), spmhd. ku¯te. Herübernommen (mndd. kuren ’lauern’); ähnlich im kunft unklar. Vielleicht ist ÞKuhle näher zu vergleiEnglischen und in den nordischen Sprachen (entchen. lehnt?). Eine frühe Variante ist hu¯ren, wie Þhauchen, S. auch ÞKajüte. – Christmann, E. ZM 31 (1964), 194f. ndd. hu¯ken neben kauchen (alle mehr oder weniger in Kautel Sf ’Vorbehalt, Sicherheitsvorkehrung’ per. fach. der gleichen Bedeutung). Vermutlich handelt es sich (16. Jh.). Entlehnt aus l. caute¯la ’Behutsamkeit, Vorum Variationen des unter Þhocken behandelten Lautsicht’, einer Ableitung von l. cautus ’vorsichtig, bekomplexes. hutsam’, dem adjektivischen PPP. von l. cave¯re kaufen (regional z.T. umgelautet käufen, ndd. köpen) ’Vorsichtsmaßregeln treffen, sich hüten, sich vorseVsw std. (8. Jh.), mhd. koufon, ahd. koufen, as. ko¯pian. hen’. Führen auf g. *kaup-o¯- Vsw. ’kaufen, Handel treiben’ ÞKaution. zurück, auch in gt. kaupon ’Handelsgeschäfte treiKaution Sf ’Bürgschaft’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus ben’, anord. kaupa. Das Wort beruht auf einer sehr l. cautio (-o¯nis), auch: ’Behutsamkeit, Vorsicht’, mit frühen Entlehnung aus dem Lateinischen, und zwar unregelmäßiger Formentwicklung aus l. cavitio, einer liegt letztlich l. caupo ’Schankwirt, Kleinhändler’ zuAbleitung von l. cave¯re ’sich hüten, sich vorsehen’. grunde, das als ahd. koufo, ae. cy¯´pa entlehnt wird. Ebenso nndl. cautie, ne. caution, nfrz. caution, nschw. kaution, Vermutlich ist aber die bereits im Lateinischen bennorw. kausjon. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þhören; zeugte Verbalableitung caupo¯na¯ri ’schachern’ der ÞKautel. – Schirmer (1911), 98. Ausgangspunkt für die germanischen Verben (nicht eine germanische Ableitung zu dem bereits entlehn- Kautsch Sf ÞCouch. ten Nomen). Eine frühe Rückbildung zu diesem Verb Kautschuk Sm ’natürlicher Rohstoff für die Herstellung von Gummi’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. ist Kauf m., mhd. kouf, ahd. kouf, as. ko¯p, afr. ka¯p, ae. caoutchouc, dieses aus span. caucho (älter: cauchuc), ce¯ap, anord. kaup n. das aus einer peruanischen Indianersprache stammt. Ebenso nndl. kopen, ne. cheap, nschw. köpa, nnorw. kjøpe, nisl. kaupa. – Brüch, J. ZDA 83 (1951), 92–103; Röhrich 2 (1992), 828f.; EWNl 3 (2007), 116.

Kaulquappe Sf std. (15. Jh.). Zu ÞQuappe; das Bestim-

mungswort Kaul- kommt auch in Kaulbarsch und Kaulkopf vor und geht auf mhd. ku ¯ le, zusammengezogen aus mhd. kugel(e) ’Kugel’, zurück, bedeutet also ’Kugel, Klumpen’ (ÞKugel). Vgl. ahd. ku¯lhoubit ’Döbel (Weißfisch mit großem Kopf)’. ÞKeule, ÞKielkropf . – Kieser, O. ZDL 49 (1982), 208–216; Kieser, O. ZDL 50 (1983), 183–193.

Ebenso nndl. caoutchouc, ne. caoutchouc, nfrz. caoutchuoc, nschw. kautschuk, nnorw. kautsjuk. – DF 1 (1913), 342f.; Loewe, R. ZVS 61 (1933), 162–166.

Kauz Sm std. (15. Jh.). Vor allem als (stein)ku¯z(e)

’Steinkauz’. Sicher ursprünglich eine lautmalende Bildung (vgl. mhd. ku¯z(e) ’Schreihals’, mndd. kuten ’schwatzen’), obwohl der Ruf des Käuzchens einen u-Laut nicht nahelegt (er wird meist mit kiwitt umschrieben); vermutlich handelt es sich ursprünglich um einen Namen des Uhus, der übertragen wurde.

Kavalier

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(1890), No. 32; Littmann (1924), 110; Eilers, W. FS Nobel (Da der Kauz immer wieder durch das Wort für (Neu Delhi 1963), 48–58 (iran. ma¯hi-i-χa¯vi-yar ’der Eier tra’Katze’ bezeichnet wird − vgl. etwa frz. chat-huant − gende Fisch’ und Metonymie); Szemere´nyi, O. Welt der Slakommt auch eine Herkunft aus den u-haltigen Variven 12 (1967), 294f.; Georgacas (1978), 148–150, 189–237; Loanten des Katzenworts in Frage; ÞKuder). − Seit dem kotsch (1975), 68; Röhrich 2 (1992), 830; EWNl 2 (2005), 16. Jh. als Übername für den Sonderling, wegen der 657f. bei Tag zurückgezogenen Lebensweise dieses Vogels. Kebse Sf ’Nebenfrau’ erw. obs. (9. Jh.), mhd. kebes, Zu diesem das Adjektiv kauzig. keb(e)se, ahd. kebis(a), as. kevis. Aus wg. *kabiso¯ f. Röhrich 2 (1992), 728, 829f.; Schauwecker (1992). ’Nebenfrau’, auch in ae. cefes. Entsprechend anord. Kavalier Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. cavalier kefsir m. unklarer Bedeutung. Vermutlich feminine ’Reiter, Ritter’, dieses aus it. cavaliere, das über das Zugehörigkeitsbildung auf *-isjo¯ zu dem auch in Provenzalische auf ml. caballarius (zu ml. caballus ÞKaue und ÞKoje vorliegenden, aus l. cavea früh ent’Pferd’) zurückgeht. Zunächst nach italienischem lehnten Wort, wohl ausgehend von dessen Bedeutung Vorbild Bezeichnung von Ordensrittern; dann ’Bett’, also ’Bettgenossin’. Nach Brøndal Entleh’Edelmann, Hofmann, (auch:) Offizier’, schließlich nung aus splt. cap(i)tio ’Kriegsgefangenschaft, nach französischem Vorbild ’galanter Liebhaber’. Die Kriegsgefangene’. Bedeutung des Grundworts ist noch erhalten in Ebenso nisl. kefsir. – Rooth, E. FS Pretzel (1963), 301–307; ÞKavalkade und ÞKavallerie. Brøndal (1917), 185f. = (1948), 192f.; Schröder, H. ZDPh 38 Ebenso ne. cavalier, nschw. kavaljer, nnorw. kavaler. – DF 1 (1913), 343f.; Schramm (1914), 32–43; Jones (1976), 193–197.

Kavalkade Sf ’Reiteraufzug’ per. fach. (17. Jh.). Unter

(1906), 523 (anders); Menges, K. H. ZSPh 43 (1983), 400–406 (entlehnt aus einem uralischen Wort für ’Mädchen’); RGA 16 (2000), 347–349.

französischem Einfluss entlehnt aus it. cavalcata, Ab- keck Adj std. (11. Jh., quec 8. Jh.), mhd. kec, quec, ahd. straktum zu it. cavalcare ’reiten’ (aus ml. caballica¯re quic, quec ’lebendig, lebhaft’. Aus g. *kwiku- Adj. zu ml. caballus ’Pferd’). ’lebendig’, auch in anord. kvikr, ae. cwicu. Das AdjekEbenso nndl. cavalcade, ne. cavalcade, nfrz. cavalcade, nschw. tiv beruht auf einer g-Erweiterung der ig. Wurzel kavalkad, nnorw. kavalkade. – EWNl 1 (2003), 424. *g wei¡- ’leben’. Diese liegt vor in gr. be´omai, ebı´o¯n und anderen Formen von verschiedenen Ablautstufen Kavallerie Sf ’berittene Truppe’ erw. fach. (16. Jh., ’leben’, avest. jiia¯tauu-, jiia¯taii- ’Leben’, arm. keam Form 17. Jh.). Entlehnt aus it. cavalleria ’Reiterei’ ’ich lebe’, schwundstufig in akslav. ˇziti ’leben’, lit. gy´ti (auch ’Ritterlichkeit’), Kollektivum und Abstraktum ’sich erholen’; zu einer w-Erweiterung l. vı¯vere, ai. zu it. cavaliere ’Reiter’ (aus ml. caballa¯rius, zu ml. jı¯´vati ’lebt’ und gt. qius ’lebendig’ (*g wiwo-, wie in gr. caballus ’Pferd’). Zugehörigkeitsbildung: Kavallerist. bı´os ’Leben’, air. be´o, biu, kymr. byw ’lebendig’); das Ebenso nndl. cavalerie, ne. cavalry, nfrz. cavalerie, nschw. kavalleri, nnorw. kavaleri. – EWNl 1 (2003), 425f. g-Suffix in lett. dziga ’Leben’, l. vige¯re ’kräftig sein’ u.a. Die lautlichen Verhältnisse sind nicht ganz eindeutig Kaverne Sf ’(unterirdischer) Hohlraum’ per. fach. zu beurteilen. Andere Auffassungen: g. *kwikwa- (re(20. Jh.). Entlehnt aus l. caverna ’Höhlung, Grotte’, dupliziert, Bammesberger), ig. *g wiH3 wo- (Klein zu l. cavus ’hohl, gehöhlt, konkav’. nach Cowgill), g. *kwiwa- (und Dissimilation, HeiEbenso nndl. caverne, ne. cavern, nfrz. caverne, nschw. kavern, dermanns). Abstraktum: Keckheit. nnorw. kaverne. – van Windekens, A. J. HS 102 (1989), 72. Kaviar Sm ’Fischrogen (besonders vom Stör)’ erw. fach.

(16. Jh., Form 17. Jh.). Über venez. caviaro entlehnt aus gr. chavia´rion (-a´rin, -a´ri, belegt seit dem 9. Jh.). Die Bildung ist wohl im Griechischen entstanden, aber formal kaum durchsichtig. Nach Georgacas geht der Hauptteil auf eine mundartlich griechische Entsprechung von l. ova¯rium zurück, die letztlich *abgia´rion ergab, das ch- aus einer Kürzung des vermuteten Kompositums *tarichabgia´rin ’marinierte Fischeier’ zu gr. tarı˜chos ’gesalzener Fisch’. Eine Bestätigung könnte diese Annahme darin finden, dass der Kaviarersatz Botargo auf Griechisch gr. abgota´racho heißt, mit etymologisch entsprechenden Elementen in umgekehrter Reihenfolge. Die heute führende russische Kaviarproduktion ist erst im 18. Jh. aufgekommen.

Ebenso nndl. kwiek, ne. quick, nschw. kvick, nisl. kvikur. Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞBiologie, zur lateinischen Þvital; Þerquicken, ÞQuecke, ÞQuecksilber, ÞQuickborn, Þquicklebendig, Þverquicken, ÞWacholder. – Matzel, K. BGDSL-T 88 (1967), 47f.; Hamp, E. P. FS Palmer (1976), 87–91; Bammesberger, A. GL 26 (1986), 259–263; Klein, J. Kratylos 37 (1992), 140; Heidermanns (1993), 352f.; EWNl 3 (2007), 159.

keckern Vsw per. fach. (19. Jh.). Bezeugt für die Laute

der Marder-Arten (Wiesel usw.). Lautmalend. Keder (auch Queder) Sm ’schnurartige Randverstär-

kung’ per. fach. (14. Jh.), mhd. ke(r)der, querder m./n., ’Streifen an Schuhen oder Kleidern’. Die Beleglage ist etwas undurchsichtig. Die Wörter mit dem Bedeutungselement ’Schnur’ könnten mit ÞKordel zusammenhängen, also aus frz. corde entlehnt sein; unklar bleiben die Anlautsvarianten qu- (falsche Umsetzung?) und das Bedeutungselement ’Flicken’.

Ebenso nndl. kaviaar, ne. caviar(e), nfrz. caviar, nschw. kaviar, Kees Sn ’Gletscher’ per. oobd. (11. Jh.), mhd. kes ’fetter nnorw. kaviar, nisl. kavı´ar. – Joest, W. Zs. f. Ethnologie 22 (1890), 210–223; Politis, N. G. Estı´a eikonographe¯me´ne¯ 2 Boden, steiniger Sand’, ahd. kes ’Eis’. Die Zugehörig-

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keit des mittelhochdeutschen Wortes ist ganz unsicher. Herkunft unklar. Kroes, H. W. J. GRM 36 (1955), 78.

Kefe Sf ’Schotenerbse’ per. schwz. (12. Jh.), fnhd. kif-

arbis, ahd. keva ’Schote’. Herkunft unbekannt. Kefir Sm ’ein aus Milch durch Gärung gewonnenes

Getränk’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus russ. kefı´r. Ebenso nndl. kefir, ne. kefir, nfrz. ke´fir, nschw. kefir, nnorw. kefir, nisl. kefı´r.

keilen mus nicht übereinstimmt. Herkunft unklar. Vgl. anord. keikr ’nach hinten gebeugt’; vielleicht osset. zı¯lı¯n ’herumdrehen’. Abstraktum: Kehre; Präfigierungen: Þbe-, Þver-; Partikelverben: um-, ein-. Die Form kehrt(machen) kommt aus dem Imperativ Plural (militärischer Befehl). Ebenso nndl. keren. – Petersson, H. BGDSL 44 (1920), 178f.; Bielmeier, R.: Historische Untersuchungen (Frankfurt 1977), 158; EWNl 3 (2007), 46f.

kehren2 Vsw ’fegen’ std. reg. (8. Jh.), mhd. ker(e)n, ahd.

kerien. Aus vd. *kar-eja- Vsw. ’fegen’. Wohl denomiPflock’, mndd. kegel. Aus vd. *kagila- m. ’Kegel’ zu nativ zu dem Substantiv, das auch in ahd. ubar-kara obd. Kag ’Strunk’, nndl. keg ’Keil’. Außergermanisch ’Kehricht’ verbaut ist. Dieses vielleicht zu lit. ˇzer˜ti ’glühende Kohlen zusammenscharren’. Weitere Herlässt sich vergleichen lit. ˇza˜gas ’kegelförmiger Heuschober’, lit. ˇzaginy˜s ’Pfahl, Pfosten’; im übrigen ist kunft unklar. Ebenso nndl. keren; ÞKehraus, ÞKehricht. die Herkunft unklar. Deshalb ist auch nicht sicher zu entscheiden, ob Kegel (mhd. ’uneheliches Kind’) in Kehricht Smn erw. obs. (15. Jh.), spmhd. kerach n. KolÞKind und Kegel hierhergehört oder abzutrennen ist. lektivbildung (wie ÞRöhricht u.ä.) zu Þkehren 2 oder S. auch ÞKufe 1. – Röhrich 2 (1992), 830; EWNl 3 (2007), 42. einem davon abgeleiteten Substantiv. Ursprünglich ostmitteldeutsch. Kehle1 Sf std. (8. Jh.), mhd. kel(e), ahd. kel(a), as. kela. Röhrich 2 (1992), 831. Aus wg. *kelo¯n f. ’Kehle’, auch in ae. ceole. Falls Kiel3 ’Grundbalken des Schiffs’ hierhergehört, hat das Kehrreim Sm erw. fach. (18. Jh.). Von G. A. Bürger 1793 Wort auch im Nordischen eine Entsprechung (mit eingeführtes Ersatzwort für ÞRefrain; es liegt also der Bedeutung ’Kehle’ entlehnt ins Lappische: südwiederkehren zugrunde. lappisch geäluo ’Kehle des Rentiers’). AußergermaEbenso nndl. keerrijm; Þkehren 1. nisch vergleicht sich zunächst l. gula ’Schlund, Kehle’, Kehrseite Sf std. (18. Jh.). Ersatzwort für ÞRevers; es doch macht der Konsonantismus Schwierigkeiten. liegt also umkehren zugrunde. w Während l. gula an (ig.) *g el- ’verschlingen’ angeÞkehren 1. schlossen werden kann, ist dies bei Kehle wegen des Anlauts kaum möglich. Vermutlich gehören die bei- Keib(e) Sm (Schimpfwort) per. wobd. (15. Jh.). Eigentlich für ’Leichnam, Aas (Gehenkter)’, sonst unerklärt. den Wörter aber doch zusammen, und wg. *kelo¯n ist sekundär abgewandelt worden. Adjektiv: kehlig. keifen Vsw (Hochdeutsch ursprünglich keiben, im NorEbenso nndl. keel; ÞGully. – Koivulehtu, J. in Finnischden auch Vst.) std. stil. (14. Jh.), mhd. kı¯ben, kı¯ven, ugrische Sprachen. Hrsg. L. Honti u.a. (Amsterdam 1992), neben kibelen, kivelen (das sich in obd. kibbeln 91–93; EWNl 3 (2007), 41. ’necken’ fortsetzt), mndd. kiven, mndl. kı¯ven. Aus g. *kı¯b-o¯- Vsw. ’zanken’, auch in anord. kı´fa, afr. zı¯via. Kehle2 Sf per. fach. (13. Jh.). In der Bedeutung ’Schlucht’ in Flurnamen, als ’Rinne’ in Hohlkehle und Weitere Herkunft unklar. Kniekehle. Mhd. kniekel; weiteres in den Mundarten; Ebenso nndl. kijven; Þkiebig. – EWNl 3 (2007), 58. vgl. nschw. käl(l)a ’aushöhlen’. Außergermanisch Keil Sm std. (9. Jh.), mhd. kı¯l, ahd. kil, mndd. kil, kel. Zu passen Wörter für ’aushöhlen’ auf einer Grundlage einem starken Verb, das in ae. cı¯nan ’aufbrechen, auf(ig.) *gel-, die aber außergermanisch überall durch springen’ erhalten ist und vermutlich mit dem gleich-b h- erweitert ist; vgl. russ. ˇzo´lob m. ’Rinne’ usw. lautenden Verb für ’keimen’ (gt. keinan usw.; ÞKeim) Kegel Sm std. (9. Jh.), mhd. kegel, ahd. kegil ’Nagel,

ÞKelle. – Heinertz, N. O. BGDSL 41 (1916), 499f.

Kehraus Sm per. arch. (15. Jh., Bedeutung 18. Jh.). Be-

identisch ist. Mit der Bedeutung ’aufbrechen’ o.ä. ist es außergermanisch nicht vergleichbar. Neben mhd. kı¯l steht auch kı¯del; es ist denkbar, dass beide Formen auf vd. *kei-þla- (oder -ı¯-) zurückgehen, doch sind die damit zusammenhängenden lautlichen Regelungen noch nicht endgültig geklärt. In diesem Fall wäre Keil ein ’Mittel zum Aufbrechen’.

zeugt als Schlusstanz (eine Art Polonaise) und erklärt als ’Tanz, bei dem die Kleider der Tänzerinnen den Saal fegen’. Wesentlich früher bezeugt ist Kehraus in der Stirn (15. Jh.) mit nicht ganz klarer Bedeutung (es geht dabei um Trinken und um Abschied). Entsprechender Bedeutung ist frühes Kehrab; unter UmstänÞKien. den ist Kehrab und ÞGaraus (in dieser Kombination keilen Vsw ’schlagen, prügeln’ erw. vulg. (17. Jh.). Entbezeugt) zu Kehraus zusammengezogen worden. nommen aus dem Rotwelschen, wie auch Keile Þkehren 2. – Röhrich 2 (1992), 830f. ’Schläge’. Von dort stammt die Bedeutungsverschiekehren1 Vsw ’wenden’ std. (8. Jh.), mhd. ke¯ren, ahd. bung bei dem Verb von ’Keile eintreiben’ (wobei kräfke¯ren, as. ke¯rian. Ebenso afr. ke¯ra. Bedeutungsmäßig tig zugeschlagen werden muss) zu ’schlagen’. Abentspricht ae. cerran ’wenden’, das aber im Vokalisstraktum: Keilerei.

Keiler

486 Keiler Sm ’Wildeber im dritten Jahr’ erw. fach. (17. Jh.). Keller Sm std. (9. Jh.), mhd. keller, ahd. kellari, keller,

Vermutlich Täterbezeichnung zu ÞKeil, indem die Hauer mit Keilen verglichen werden. Keilschrift Sf per. fach. (19. Jh.). Nach den mit Keilen

kelre, as. kellari. Früh entlehnt aus l. cella¯rium n. ’Vorratsraum’, das seinerseits zu l. cella f. (s. unter ÞZelle) gehört. Ursprünglich waren die Keller nicht unterirdisch, sondern eine Art Speicher. Kollektivum: Kellerei; Partikelableitung: einkellern.

(ÞKeil) in Lehm eingedrückten und damit auch keilförmigen Schriftzeichen der babylonisch-assyrischen Ebenso nndl. kelder, ne. cellar, nfrz. cellier, nschw. källare, Schrift. Als Gegensatz zur Bilderschrift der Hieronnorw. kjeller, nisl. kjallari; ÞKellner. – Heyne (1899/1903), I, glyphen eingeführt 1802, zunächst für die (einfache92f.; LM 5 (1991), 1097; Röhrich 2 (1992), 831; EWNl 3 (2007), re) altpersische Schrift. Bezeichnung als ’Keile’ seit 43. dem frühen 18. Jh., zunächst in lateinischer Sprache Kellerhals Sm ’Seidelbast, Zeiland, deutscher Pfef(litterae cuneatae, dactuli cuneiformes). fer’ per. reg. (15. Jh.). Auch mndd. kelder. Vermutlich Ebenso nndl. spijkerschrift (wörtlich: ’Nagelschrift’), nschw. zu mndd. kellen, killen, mhd. queln, kellen Vsw. kilskrift, nnorw. kileskrift. ’quälen, schmerzen’, weil die Beeren ein starkes PurKeim Sm std. (8. Jh.), mhd. kı¯m(e), ahd. kı¯mo. Konkretgiermittel sind und im Hals heftig brennen; die geBildung zu dem starken Verb g. *kei-na- ’keimen’ in naue Vorform ist aber unklar. gt. keinan, as. kı¯nan, ahd. kı¯nan; die ältere Bedeutung Kellner Sm std. (9. Jh.), mhd. keln¢re, kelner (mit der zeigt vermutlich ae. cı¯nan ’aufbrechen, aufspringen’ Nebenform mhd. kellerer, fnhd. keller), ahd. (s. unter ÞKeil). Allerdings lässt sich nur die weiterkel(l)ena¯ri, kelnere. Entlehnt aus l. cellena¯rius, das aus entwickelte Bedeutung auch außerhalb vergleichen: l. cellera¯rius dissimiliert ist. Die Entlehnung muss entlett. zieˆdeˆt ’hervorblühen, zum Vorschein kommen’, weder sehr früh oder von ÞKeller lautlich beeinflusst ´ lit. ˇzyde˙ti ’blühen’; eine l-Ableitung kann vorliegen in sein. Die Bedeutung ist ursprünglich ’Vorsteher des arm. cił ’Keimling, Spross, Sprössling’. Verb: keimen. Vorratshauses’ und entwickelt sich mit der VerändeEbenso nndl. kiem. S. auch ÞKien. – Seebold (1970), 290f.; rung der gesellschaftlichen Zustände. Die heutige BeHWPh 4 (1976), 809f.; EWNl 3 (2007), 55. deutung etwa seit dem 18. Jh. Femininum: Kellnerin. kein Pron std. (9. Jh.). Vereinfacht aus nichein (auch Ebenso nndl. kelner, ndn. kelner, nnorw. kelner. – Öhmann, E. enchein) mit Verhärtung des Silbenanlauts ch-, dieses NPhM 70 (1969), 3–5; EWNl 3 (2007), 43f. aus älterem nihein ’und nicht ein’ (vgl. gt. nih ’und Kelter Sf erw. fach. (9. Jh.), mhd. kalter, kelter, ahd. nicht’, l. neque). Die entsprechenden mittelniederkelter-, kalc(a)tura. Entlehnt aus l. calca¯tu¯ra ’das Keldeutsch-mittelniederländischen Formen mit g(h)tern’, einer Nebenform zu l. calca¯to¯rium n. ’Kelter’, zu sind im Satztiefton entstanden (kaum ein echter l. calca¯re ’treten’ (aus l. calx ’Ferse’), weil die Trauben grammatischer Wechsel). Mhd. kein bedeutet auch vor dem Pressen mit den Füßen zerstampft wurden. ’irgendein’, in dieser Bedeutung kommt es aus dehVerb: keltern. ein, das seit Otfrid bezeugt ist − sein Vorderglied ist ÞTrotte. – Heyne (1899/1903), II, 359f.; LM 5 (1991), 1100f. unklarer Herkunft. Kemenate Sf ’Frauengemach, persönlicher Raum’ erw. Behaghel, O. Wiss. Beiheft zur ZVS 36 (1913), 178–181; Beobs. (8. Jh.). Im Althochdeutschen (ahd. kemina¯ta, haghel 1 (1923), 422–425; Marcq, Ph. EG 41 (1986), 1–7; kemina¯da, mhd. kemena¯te) entlehnt aus ml. caminaEWNl 2 (2005), 198. ta, eigentlich ’heizbares Zimmer’, zu l. camı¯na¯tum -keit Suffix Þ-heit. ’mit einem Kamin versehen’, dem PPP. von l. Keks Sm std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. cakes Pl. für camı¯na¯re ’in Form eines Kamins aufbauen’, zu l. ’kleine Kuchen’. Zu dessen Herkunft s. unter camı¯nus m. ’Feuerstätte, Kamin’, aus gr. ka´mı¯nos ÞKuchen. Die deutsche Schreibung wurde einge’Ofen’. führt, als Ersatzwörter die Entlehnung nicht verdränHeyne (1899/1903), I, 119; LM 5 (1991), 1101f. gen konnten. kennen Vsw std. (9. Jh., bikennen 8. Jh.), mhd. kennen, Ebenso nschw. käx, nnorw. kjeks, nisl. kex. – Littmann (1924), ahd. -kennen. Meist in Präfigierungen (bi-, ir-), as. 112; Rey-Debove/Gagnon (1988), 110f.; EWNl 2 (2005), 593. (ant-) kennian aus g. *kann-eja- Vsw. ’kennen maKelch Sm std. (8. Jh.), mhd. kel(i)ch, ahd. kelih, as. kelik. chen, kennenlernen’, auch in gt. kannjan ’bekannt Wie ae. c¢lic, afr. zilik entlehnt aus l. calix ’Kelch’. machen’, anord. kenna ’bekannt machen, wahrnehEbenso nndl. kelk, ne. chalice, nfrz. calice, nschw. kalk, nnorw. men, genießen’, ae. cennan ’erklären’, afr. kanna, kaleikur. – LM 5 (1991), 1095f.; EWNl 3 (2007), 43. kenna ’kennen’, Kausativum zu dem Präterito-PräKelle Sf erw. fach. (8. Jh.), mhd. kelle, ahd. kella, mndd. sens kann ’können, vermögen’ (s. unter Þkönnen). kelle, mndl. kele. Aus vd. *kaljo¯; entsprechend ae. ciIm Kontinentalgermanischen haben sich die Bedeuellan m. mit der Bedeutung ’Feldflasche, Flasche aus tungen von Grundwort und Ableitung aneinander Leder’ u.ä. Weitere Herkunft unklar. Vielleicht als angeglichen und erst sekundär wieder differenziert. ursprünglich ’ausgehöhltes Gefäß’ zu ÞKehle 2. Nomen Agentis: Kenner; Präfigierungen: Þer-, Þver-; Heinertz, N. O. BGDSL 41 (1916), 495–501. Abstraktum: Kenntnis; Adjektiv: kenntlich.

kernig

487 Ebenso nndl. kennen, nschw. känna, nisl. kenna; Þerkennen, Þjenisch. – Seebold (1970), 289f.; EWNl 3 (2007), 44.

Kerl Sm std. stil. (13. Jh.). Aus mndd. kerel ’freier Mann

kervola, kervila, kerbele f. Wie ae. cerfille f. entlehnt aus l. caerefolium n., das aus gr. *chaire´phyllon n. (nur in l. Form chaerephyllum n. bezeugt) ’Kerbel’ (eigentlich ’liebliches Blatt’, wegen seines Duftes und Geschmacks) angepasst ist.

nicht-ritterlichen Standes’ wie afr. zerl, ae. ceorl, auch ’Mann, Ehemann, Geliebter’ u.ä. Daneben steht (mit Ablaut?) anord. karl ’Mann, Ehemann’, ae. carl, ahd. karl (8. Jh.), mhd. karl(e); weiter hat anord. karl auch die Bedeutung ’alter Mann’ (wie anord. kerling f. ’alte Frau’). Der übliche Anschluss an ig. *g´er¡- ’alt’ (in gr. ge´ro¯n ’Greis’ u.a.) vermag diese Bedeutungsvielfalt nicht zu erklären. Die Bedeutung ’alt, ehrwürdig’ kann kaum der Ausgangspunkt für ’Freier nicht-ritterlichen Standes; Ehemann, Geliebter’ u.ä. sein. Deshalb ist zumindest Einmischung eines anderen Wortes anzunehmen; möglicherweise ist die Sippe aber überhaupt anders zu erklären. Bjorvand/ Lindeman (452f.) setzen einen l/n-Stamm an, dessen l-Stamm in Kerl und dessen n-Stamm in Kern vertreten wäre, und nehmen als Ausgangsbedeutung deshalb ’Kern des Volks, Elite des Volks’ an; aber die Voraussetzungen hierzu sind etwas abliegend (es gibt sonst nur einen einzigen sicheren l/n-Stamm). Vielleicht liegt es näher, an *(¡)ger- ’sammeln’ (gr. agora´ ’Volksversammlung’) anzuknüpfen und von ’Angehöriger/Mitglied der Volksversammlung’ auszugehen. Karl als Herrschername ist wohl die latinisierte Form eines germanischen Namens mit anlautendem h- (hari-olus o.ä.).

Ebenso nndl. kervel, ne. chervil, nfrz. cerfeuil, nschw. körvel, nnorw. kjørvel. – Marzell 1 (1943), 330f.; LM 5 (1991), 1115; EWNl 3 (2007), 49.

Ebenso nndl. kerel, ne. churl. – Meyer, R. M. ZDW 1 (1901), 12–14; Kaufmann, H.: Grundfragen der Namenkunde (München 1965), 213–217; Röhrich 2 (1992), 833; EWNl 3 (2007), 46.

Kennwort Sn std. (20. Jh.). Neubildung nach dem Mus-

ter von älterem ÞKennzeichen und Kennziffer. Kennzeichen Sn std. (16. Jh.). Neubildung mit der Be-

deutung ’Erkennungszeichen’. kentern Vsw erw. fach. (17. Jh.). Aus der niederdeutsch-

niederländischen Seemannssprache, ndd. kenteren, nndl. kenteren, kanteren, zu ÞKante, also ’kanten, umkippen’. Ebenso ne. cant, nndl. kenteren, nschw. kantra, nnorw. kantre. – Kluge (1911), 437f.; EWNl 3 (2007), 44f.

Keramik Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. ce´ramique,

dieses zu gr. ke´ramos m. ’Töpfererde, Tongefäß’ (weiter zu gr. kera´nnymi ’mischen’, weil in die Töpfererde Zusätze gemischt wurden). Adjektiv: keramisch. Ebenso nndl. keramiek, ne. ceramic, nfrz. ce´ramique, nschw. keramik, nnorw. keramikk. – Knobloch, J. RMPh 125 (1982), 95f.; LM 5 (1991), 1111–1115; EWNl 3 (2007), 45f.

Kerbel Sm erw. fach. (9. Jh.), mhd. kervel(e) m./f., ahd.

kerben Vsw std. (14. Jh.), spmhd. kerben, mndd. kerven, Kermes Sm per. fach. (18. Jh.). Das Wort kommt vor

mndl. kerven. Früher nicht bezeugt, vgl. aber afr. kerva, ae. ceorfan, die ein starkes Verb g. *kerb-a’einschneiden’ fortsetzen (anord. in kurfr ’Baumstumpf’ u.ä.). Das Verb kann verwandt sein mit gr. gra´pho¯ ’ich ritze ein, schreibe’. Konkretum: Kerbe. Ebenso nndl. kerven, ne. carve. – Seebold (1970), 292f.; EWNl 3 (2007), 49.

Kerbholz Sn std. alt. phras. (15. Jh.). Holzstab, auf dem

mit Hilfe von Kerben Summen u.ä. festgehalten werden; besonders bei Zechschulden, deshalb etwas auf dem Kerbholz haben zunächst ’Zechschulden haben’. Kerbtier Sn erw. fach. (18. Jh.). 1791 von Campe zur

Übersetzung von ÞInsekt gebildet. Pfaff (1933), 36; Wissmann (1963–68), 7f.

Kerf Sm ’Insekt’ per. fach. (19. Jh.). Rückbildung von

Oken 1815 aus ÞKerbtier und teilweise in den Gebrauch übergegangen. Das -f- stammt aus der niederdeutschen Form. Kerker Sm erw. obs. (8. Jh.), mhd. kark¢re, kerk¢re, ker-

allem in Tier- und Pflanzenbezeichnungen vor, die mit ’rot’ zu tun haben (Kermes-Schildlaus, KermesEiche). Entlehnt aus span. carmesı´, der Bezeichnung eines roten Farbstoffs (ÞKarmesin). Ebenso nndl. kermes, ne. kermes, nfrz. kerme`s, nschw. karmosin, nnorw. karmosin.

Kern Sm std. (8. Jh.), mhd. kern(e), ahd. kern(o). Aus g.

*kerno¯n m. ’Kern’, auch in anord. kjarni. Vielleicht zu *(¡)ger- ’sammeln’ als ’Sammelgut’, vgl. l. nucleus ’Kern’ zu l. nux ’Nuss’. Ausgehend von Wörtern wie Kernspaltung wird das Wort in Zusammensetzungen ein Ersatzwort für ÞAtom (vgl. Þnuklear). Verb: (aus-, ent-)kernen. Ebenso nndl. kern; ÞGranate, ÞKarn. – Strauss u.a. (1989), 430–438; EWNl 3 (2007), 48.

kernen Vsw ’buttern’ Þkirnen. Kerner Sm ’Beinhaus’ ÞKarner. kerngesund Adj std. (18. Jh.). Gemeint ist ’bis in den

Kern gesund’, ausgehend vom Holz (dessen Kern ker, ahd. karca¯ri, karcher, as. karkari. Wie ae. carcern häufig morsch ist). n. (mit Anlehnung an ae. –¢rn ’Haus’), gt. karkara EWNl 3 (2007), 48. entlehnt aus l. carcer. Die Entlehnung muss wegen des kernig Adj std. (16. Jh.). Zunächst in der Form kernicht k vor e früh sein. Partikelableitung: einkerkern (nach (u.ä.), die dann dem allgemeinen Typ angepasst wird. ml. incarcerare). Die Bedeutung ist einerseits ’Kerne enthaltend’, dann Ebenso nndl. kerker, nfrz. carce´ral; ÞKarzer. – EWNl 3 (2007), (von einer anderen Bildungsbedeutung ausgehend) 47.

Kernseife

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’zum Kern gehörig, zu den festen Teilen gehörig’, aus- Kette Sf ’Schar’ (besonders von Rebhühnern) per. gehend vom Holz (ÞKern, ÞSplint 2), dann übertrafach. (8. Jh.), mhd. kütte n., ahd. kutti n. ’Herde, gen im Sinne von ’fest, derb, dauerhaft usw.’ Schar’, mndd. kudde f./n., afr. kedde n. Weitere Entstehung dunkel. Kernseife Sf erw. obs. (19. Jh.). Wegen ihrer Härte (im Gegensatz zur Schmierseife) so benannt.

Ebenso nndl. kudde. – EWNl 3 (2007), 142.

Kerze Sf std. (8. Jh.), mhd. kerze, ahd. kerza. Das Wort Ketzer Sm std. (13. Jh.), mhd. ketzer, mndd. ketter. Nach

gehört offenbar zu ahd. karz(a) ’Docht, Werg’; doch ist dessen Herkunft unklar. Zu der Annahme einer Entlehnung aus l. charta (ÞKarte) vgl. Rohlfs: Es handelt sich eigentlich um spiralförmig gewickelte Streifen aus Birkenrinde, die vor dem Gebrauch in Öl getaucht wurden (vgl., dass auch Papyrus als Kerzendocht gebraucht wurde). Pfeifer (1993), 650, erwägt eine Herkunft aus l. (cande¯la) ce¯ra¯ta ’Wachslicht’.

der manichäischen Sekte der Katharer (zu gr. katharo´s Adj. ’rein’), ml. Cathari, it. Gazari. Abstraktum: Ketzerei; Adjektiv: ketzerisch; Präfixableitung: verketzern.

Ebenso nndl. ketter, nschw. kättare, nnorw. kjetter. – Öhmann, E. NPhM 40 (1939), 213–221; Gipper, H., Schwarz, H.: Bibliographisches Handbuch zur Sprachinhaltsforschung (Köln 1962), I, 295; LM 5 (1991), 1117; Collitz, H. FS Sievers (Halle/ S. 1925), 115–128 (mit beachtlichen Gründen anders); EWNl 3 (2007), 51.

Ebenso nndl. kaars, ndn. (poet.) k¢rte, nnorw. (poet.) kjerte, nisl. kerti. – Rohlfs, G.: Sprache und Kultur (Braunschweig 1928); LM 5 (1991), 1116; Röhrich 2 (1992), 833; EWNl 2 (2005), keuchen Vsw std. (13. Jh., Form 16. Jh.), mhd. kı¯chen 595f. ’schwer atmen’. Sonst nur nasaliert in der Bezeichnung des Keuchhustens: mndd. kinkhoste, nndl. kinkKescher (auch Kesser, Ketscher) Sm per. fach. (16. Jh.).

Aus mndd. kesser, das entlehnt ist aus ne. catcher ’Fischhamen’ (zu ne. catch ’fangen’). Ebenso nschw. katse, katsa, nnorw. ketser; Þkapieren.

kess Adj std. stil. (20. Jh.). Übernommen aus dem Rot-

welschen, wo es ’in Diebessachen erfahren, zuverlässig’ bedeutet. Man vermutet als Ausgangspunkt den Buchstabennamen für das ch, weil mit diesem Þkochem ’gescheit’ anfing. Lasch (1928), 172; Wolf (1985), 161.

Kessel Sm std. (8. Jh.), mhd. kezzel, ahd. kezzil, as. ketil.

Führen mit gt. katil-, anord. ketill, ae. cytel, afr. zetel auf g. *katila- m. ’Kessel’, das früh aus l. catı¯llus, Diminutiv zu catı¯nus ’Schüssel’, entlehnt ist. Partikelableitung: einkesseln. Ebenso nndl. ketel, ne. kettle, nschw. kittel, nnorw. kjele, nisl. ketill. – Brüch, J. FS Kretschmer (Wien, Leipzig, New York 1926), 10–14; EWNl 3 (2007), 49f.

Kesseltreiben Sn std. (17. Jh.). ÞKessel im weidmänni-

hoest, fr. kinkhoast, ne. chincough. Die lautliche Umprägung zum Neuhochdeutschen steht einerseits als hyperkorrekter Ersatz des ei durch eu in entrundenden Mundarten, hat aber andererseits als Vorbild mhd. ku¯chen ’hauchen’ (mndl. cochen, nndl. kuchen, ae. cohhetan, ne. cough ’husten’). Im weiteren sind wohl beide Sippen lautmalend. S. auch Þhauchen. – Rauch (1995), 129 (zu Keuchhusten); EWNl 3 (2007), 60f., 142.

Keule Sf std. (13. Jh.), mhd. kiule ’Keule, Stock, Stange’.

Zugehörigkeitsbildung zu mhd. ku¯le ’Kugel’ (ÞKaulquappe, ÞKugel), also ’mit einer Kugel (Verdickung) versehen’. Entsprechend (mit dem g von Kugel) mndl. cogele ’Kugel’, ae. cycgel ’Knüttel’. Kretschmer (1969), 271; LM 5 (1991), 1117.

Keuper Sm (geologische Formation im Trias) per. fach.

(19. Jh.). Nach der im Coburgischen üblichen Bezeichnung des zugehörigen Buntsandsteins eingeführt.

schen Sinn ist der ringsum geschlossene Platz, in den Vgl. bair. kiefer m. ’Sand, Kies’, im übrigen unklar. das Wild getrieben wird. Übertragen in die Sprache keusch Adj std. (8. Jh.), mhd. kiusch(e), ahd. ku¯ski, as. des Militärs mit einkesseln u.ä. ku¯ski, ku¯sc, afr. ku¯sk. Ist vom Anfang seiner BezeuEbenso ndn. kedeljagt. gung an ein ethischer Begriff, der allerdings eine gröKesser Sm ÞKescher. ßere Bedeutungsbreite hat (’schamhaft, sanftmütig, Ketchup Smn std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. ketchup, tugendhaft’ u.a.). Entlehnt aus l. co¯nscius ’bewusst’ dieses aus chin. koˆechiap, keˆtsiap ’Fischtunke’. mit Ausfall des Nasals und Ersatzdehnung, die BeEbenso ne. ketchup, nfrz. ketchup, nndl. ketchup, nschw. ketchdeutung geht wohl von ’beherrscht, der sittlichen up, nnorw. ketchup. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 468; Normen (oder der christlichen Lehre) bewusst’ aus. Carstensen 2 (1994), 758. Abstraktum: Keuschheit. Ketscher Sm ÞKescher. Ebenso nndl. kuis, ne. conscious, nfrz. conscient, nschw. kysk, Kette1 Sf ’Metallband aus Gliedern’ std. (9. Jh.), mhd.

nnorw. kysk. – Kaspers, W. BGDSL 67 (1944), 151–154; Frings,

Th., Müller, G. FS Helm (1951), 109–135; Kolb, H. FS Ohly keten(e), ahd. ketin(n)a, mndd. kedene. Entlehnt aus l. (1975), II, 233–246; HWPh 4 (1976), 817f.; LM 5 (1991), 1118; cate¯na ’Kette’, wobei das inlautende t, wie auch sonst Röhrich 2 (1992), 834f.; EWNl 3 (2007), 144. gelegentlich, mit (gm.) d wiedergegeben wurde. Verb: khaki Adj ’sandfarben’ per. fremd. (20. Jh.). Entlehnt ketten. aus ne. khaki, dieses über das Urdu aus pers. ha¯kı¯, zu Ebenso nndl. keten, ne. chain, nfrz. chaıˆne, nschw. kedja, ˘ nnorw. kjede, nisl. kedjÑ a. – Bahder (1925), 64f.; Röhrich 2 pers. ha¯k ’Staub, Erde’. ˘ (1992), 834; EWNl 3 (2007), 50.

kielholen

489 Ebenso nndl. kaki, ne. khaki, nfrz. kaki, nschw. kaki, nnorw. kaki. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 464; EWNl 2 (2005), 605.

kibbeln Vsw Þkeifen. Kibbuz Sm ’ländliches Kollektiv (in Israel)’ per. exot.

(20. Jh.). Entlehnt aus ivr. qibbu¯s (eigentlich: ˙ ’Gemeinschaft’). Ebenso nndl. kibboets, ne. kibbutz, nfrz. kibboutz, nschw. kibbutz, nnorw. kibbutz.

Kicher (Kichererbse) Sf per. fach. (9. Jh.), mhd. kicher

m./f., ahd. kihhira, kihhura u.a. Früh entlehnt aus l. cicer n. gleicher Bedeutung. Ebenso nndl. keker, ne. chickpea, nfrz. pois chiche, cice´role, nschw. kikärt.

kichern Vsw std. (16. Jh.). Ähnliche Wörter sind nndl.

für ’schnappen’. Im Frühneuhochdeutschen bedeutet das Wort auch ’Kieme’ (ÞKieme). ÞKäfer.

Kiefer2 Sf ’Nadelbaum’ std. (15. Jh.), mhd. *kienvore (in

mhd. kienvorhı¯n ’aus Kiefernholz’); fnhd. kienfer, ahd. kienforaha, also ’Kien-Föhre’. D.h. der Baum, aus dem Kienspäne (für Fackeln u.ä.) hergestellt werden (die Kiefer ist besonders harzreich). Ähnlich vereinfacht (und an Kühe angeglichen?) sind die vereinzelten Bildungen Kühfichte und Kühtanne. LM 5 (1991), 1120; RGA 16 (2000), 478f.

Kieke Sf ’Wärmetopf’ per. ndd. (17. Jh.), mndd. kı¯ke.

Vgl. ndn. ild-kikkert (zu ndn. ild ’Feuer’) und westfäl. fürkı¯pe (mit Anlehnung an ÞKiepe ’Korb’). Sonst ist die Herkunft unklar.

giechelen, ahd. kahhezzen, kahhizzo¯n, mhd. kachezen, ae. ceahhettan. Ursprünglich sicher lautmalend. Der kieken Vsw ’schauen’ erw. ndd. (16. Jh.), mndd. kiken, mndl. kı¯ken Vst. Herkunft unklar. Vielleicht besteht Anlaut k-, der sich bei Wörtern dieser Bedeutungsein Zusammenhang mit anord. keikja ’sich zurücksphäre häufig Lautveränderungen entzieht, steht beugen’ (etwa als ’sich vorbeugen, um besser zu sewohl für den (beim Lachen auftretenden) Kehlkopfhen’). Hierzu Kieker ’Fernrohr’ seit dem 18. Jh. und verschlusslaut. die Redensart auf dem Kieker haben ’misstrauisch beGlombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 46–48. obachten’, dann auch ’beargwöhnen, herumnörgeln’. kicken Vsw std. stil. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. kick, desEbenso nndl. kijken; ÞSpökenkieker. – Röhrich 2 (1992), 835; sen Herkunft nicht mit Sicherheit geklärt ist. EWNl 3 (2007), 57f. Ebenso ne. kick, nschw. kicka. – Carstensen 2 (1994), 764f.

kidnappen Vsw ’entführen’ erw. fremd. (20. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. kidnap, einer Rückbildung aus ne. kidnapper, zu ne. kid ’Junges’ (ÞKitz) und ne. nap ’ergreifen’ (dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist). Zunächst gebraucht für den Raub junger Leute, die in amerikanischen Plantagen zu arbeiten hatten. Ebenso nndl. kidnappen, ne. kidnap, nfrz. kidnapper, nschw. kidnappa, nnorw. kidnappe. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 469; Carstensen 2 (1994), 766f.

kiebig Adj ’vorlaut, gereizt’ per. ndd. (15. Jh.), mhd.

kı¯bic. Zu Þkeifen. Kiebitz1 Sm std. (14. Jh.), mhd. gı¯bitze (u.ä.), mndd.

kivit, kiwit, mndl. kievit. Schallnachahmende Bildung nach dem Ruf dieses Regenpfeifers. Die Bedeutung ’Zuschauer beim Spiel’ ist zwar an den Vogelnamen angeglichen, stammt aber aus anderer Quelle: s. unter Þkiebitzen. Ebenso nndl. kievit. – Suolahti (1909), 264–267; HWDA 4 (1932), 1304f.; EWNl 3 (2007), 57; EWahd 4 (2009), 213f.

Kiebitz2 Sm Þkiebitzen. kiebitzen Vsw ’bei einem Spiel zuschauen und sich ein-

mischen’ std. stil. (20. Jh.). Aus rotw. kibitschen ’visitieren, beobachten’. Weitere Herkunft unklar. Nomen Agentis: Kiebitz2. Kiefer1 Sm ’Kinnbacken’ std. (15. Jh.), mhd. kiver m./n.

kieksen Vsw Þgicksen Kiel1 Sm ’Federkiel’ erw. obs. (14. Jh.). Mhd. kil m./n.

und rhein. keil, (ndrhein. kijl, 15. Jh.) würden auf altes *kı¯l- (und damit Entlehnung aus dem Norden?) weisen. Vergleichbar ist me. quil(le), quele n., ne. quill ’Federkiel’. Herkunft unklar. Eine Herleitung aus l. caulis ’Stängel, Federkiel’ wäre semantisch befriedigend, doch ist der Vokalismus kaum mit dieser Annahme zu vereinigen. Kluge (1911), 440.

Kiel2 Sm ’Schiff’ per. arch. (8. Jh.), mhd. kiel, ahd. kiol,

kı¯l, as. kiol. Aus g. *keula- m. ’Schiff’, auch in anord. kjo´ll, ae. ce¯ol. Herkunft unklar. Vielleicht vergleichbar ist gr. gau˜los ’(rundes) Lastschiff’, doch ist für dieses Entlehnung aus dem Semitischen zu erwägen. Möglicherweise ist deshalb auch das germanische Wort eine Entlehnung. Kluge (1911), 440; RGA 16 (2000), 481f.

Kiel3 Sm ’Grundbalken des Schiffes’ erw. fach. (16. Jh.).

Aus dem Niederdeutschen verbreitet: mndd. kel, kil; vielleicht entlehnt aus anord. kjo¸lr, das auch zu den Formen der anderen Sprachen geführt haben kann. Dieses kann dem Wort ÞKehle 1 entsprechen. Einzelheiten bleiben unklar. Kluge (1911), 440–442; RGA 16 (2000), 481f.; EWNl 3 (2007), 55.

(?), kivel, kiuwel. Mit anderem Suffix anord. kjaptr, kielholen Vsw ’Schiff so aufsetzen, dass die unter Waskjo¸ptr (*kebuta-), mit Ablaut ae. ceafl, as. kaflos Pl. Die ser gehenden Teile bearbeitet werden können’ per. morphologisch stark auseinanderfallende Sippe gefach. (17. Jh.). Aus ndd. kielholen, nndl. kielholen aus hört offenbar zu avest. zafar- ’Mund, Rachen’, air. gop den Entsprechungen von ÞKiel 3 und Þholen im Sinne ’Schnabel, Mund’. Vielleicht aus einer Lautgebärde von ’ziehen, holen’, also eigentlich ’den Kiel hervor-

Kielkropf holen’. Dann auch ’einen Menschen als Strafe unter einem Schiff durchziehen’, also ’unter den Kiel ziehen’. Kluge (1911), 442–444.

Kielkropf Sm per. arch. (16. Jh.). Bezeugt als Bezeich-

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stücken abgespalten, später auch abgehobelt, so dass sich der Bedeutungszusammenhang leicht erklärt. Zu beachten ist aber air. giu´s ’Fichte’ (kelt. *gis-), das für das Germanische auf (g.) *kiz-na- (> *kezna- > *ke¯na-) ’zur Fichte gehörig’ weisen könnte.

ÞKeil. – Heyne (1899/1903), I, 123, 275; Röhrich 2 (1992), 835. nung für ein missgestaltetes (wasserköpfiges), aber gefräßiges Kind, das als vom Teufel (früher evtl. von Kiepe Sf ’Tragkorb’ per. ndd. md. (15. Jh., Standard anderen nicht-menschlichen Wesen) untergeschoben 18. Jh.), mndd. kı¯pe. Ae. cy¯pa m. ’Korb’. Es ist also von galt, ÞWechselbalg. Die Bezeichnung kommt in ver*ku¯p- auszugehen; alles weitere ist unklar − vielleicht schiedenen Formen vor; als Vorderglied findet sich zu l. cu¯pa ’Tonne’. kil-, kül-, kaul- (zu diesem s. ÞKaulquappe), als HinVgl. ÞKietze. – Kretschmer (1969), 272–274. terglied -kropf, -kopf, -krob u.a., so dass es unmöglich Kies1 Sm ’kleine Steine’ std. (12. Jh.), mhd. kis m./n. (vor ist, aus dem Namen auf die zugrunde liegende Vorallem oberdeutsch und mitteldeutsch). Früher bestellung zurückzuschließen. Die regionale Entsprezeugt ist die Ableitung Kiesel. Außergermanisch verchung Wasserkind gibt zu der Vermutung Anlass, dass gleichen sich (wohl nicht von der gleichen Wurzelerim Vorderglied eine mit Quelle (Þquellen) verwandte weiterung) lit. ˇziezdra` f. ’Kies, Korn’ und andere balForm (fnhd. kil) zu suchen sei, doch ist auch dies tische Wörter. Grundlage ist also eine nicht weiter unsicher. erklärbare Wurzel ig. (oeur.) *g´ei-. In der modernen Mineralogie Sammelname für Mineralien mit starKieme (auch Kimme) Sf std. (16. Jh.), ahd. kiuwa, kewa, kem Metallglanz und großer Härte. kouwa (die ältere Form 8. Jh.), as. kio m. Ae. cian, also *kewwjo¯n f. (u.ä.), das ersichtlich mit Þkauen zusamLüschen (1979), 96, 250–252. menhängt und neben ’Kiemen’ auch ’Kiefer, KinnKies2 Sm ’Geld’ per. vulg. (18. Jh.). Aus dem Rotwellade’ bedeutet. Eventuell geht Kieme mit regionalem schen über die Studentensprache in die niedere UmWechsel von w zu m unmittelbar auf diese Form zugangssprache gelangt. Vermutlich mit der Bedeutung rück. Deshalb auch (wohl eher als Abwandlungen ’Stein’ aus ÞKies 1 übernommen, zunächst in der Bedenn als gleichbedeutende Neubezeichnungen) deutung ’Silbergeld’. ÞKiefer 1(kif, kife, kifel) und ÞKinn (as. kin[ni] n., Wolf (1985), 163; Röhrich 2 (1992), 835. fnhd. kinlein) für ’Kiemen’. Dieselbe Bedeutungsvielfalt zeigt sich in lit. ˇzia´una ’Kieme, Kinnbackenkno- Kiesel Sm std. (8. Jh.), mhd. kisel, ahd. kisil m. Ae. ceosel m. ’Kiesel, Hagelschloße’. Zugehörigkeitsbildung zu chen’ und anderen baltischen Wörtern. Es ist wohl ÞKies 1. nicht anzunehmen, dass die Kiemen als Kauwerkzeuge der Fische aufgefasst wurden; eher wahrscheinlich Kieselgur Sf ’Bergmehl’ per. fach. (19. Jh.). Der zweite Bestandteil -gu(h)r ist ein Fachwort der Mineralogie, ist die Bezeichnung der Kiemen als ’Backen’ o.ä., so das seit dem 16. Jh. vorkommt. Als ’aus dem Gestein dass das Wort (ig. *g´euwo¯n-) ursprünglich ’Backe’ ausgärende Masse’ ein regionales Abstraktum zu (*’Kauende’) bezeichnete. Semantisch am einleuchÞgären. Bezeugt ist auch die ÞGur des Bieres. tendsten ist aber die Bezeichnung der Kiemen als Lüschen (1979), 234d; Barke (1991), 263; EWNl 2 (2005), 308. ’Lippen’, wie etwa in nschw. gäl, ne. chill ’Kieme’, die zu gr. chely´ne¯ ’Lippe, Kinnlade’ gehören. Im oben kiesen (durch wählen (ÞWahl) ersetzt) Vst erw. obs. genannten Fall lässt sich hierfür auf bulg. ˇzuna (8. Jh.), mhd. kiesen, ahd. kiosan, as. kiosan. Aus g. ’Lippe’, lit. ˇzia´una ’Brotknust’ (der angebackene Teil *keus-a- Vst. ’erproben, wählen’, auch in gt. kiusan, des Brotes wird häufig als ’Mündchen’ bezeichnet) anord. kjo´sa, ae. ce¯osan, afr. kia¯sa, zia¯sa. Hierzu als heranziehen. Möglicherweise hat diese Bedeutung Partizip Präteritum erkoren. Aus ig. *g´eus- ’kosten, einen von kauen abweichenden Ursprung und ist erst ausprobieren’ in ai. jusa´te ’genießt, hat gern, liebt’, gr. ˙ do-goa ’wählen, aussuchen’, l. sekundär mit einer Ableitung von diesem gleichgegeu´omai ’ich koste’, air. setzt worden. de¯gu¯nere (*de¯-gus-n-), glossiert als l. (de¯)gusta¯re Ebenso nndl. kieuw. – EWNl 3 (2007), 57. ’kosten’. Das Wort wurde durch das heute ebenfalls veraltete Wort küren ersetzt. Kien Sm erw. obs. (8. Jh.), mhd. kien, ahd. kien, mndd. ke¯n ’Kienspan, Fackel’. Aus wg. *ke¯no- (e¯ 2) m. ’Kien’, Ebenso nndl. kiezen, ne. choose, nschw. tjusa, nisl. kjo´sa; Þkosten 2, ÞKür, Þküren, ÞWalküre. – Seebold (1970), 293f.; auch in ae. ce¯n (das allerdings nur als Name der EWNl 3 (2007), 57. k-Rune und in deren Erläuterung auftritt; deshalb ist Übernahme aus einer anderen germanischen Sprache Kietze (Kötze) Sf ’Tragkorb’ per. md. (16. Jh.). Die vernicht ausgeschlossen). Semantisch kann das Wort zu schiedenen Mundartformen lassen sich auf mhd. ae. cı¯nan ’aufspringen, rissig werden’ gestellt werden. *kœzze zurückführen. Dies könnte eine Ableitung auf (ahd.) -issa zu ÞKate, ÞKote ’Hütte’ (auch für klei(s. unter ÞKeim). Das ¯e 2 müsste dann auf einen iDiphthong (evtl. eine Dehnstufe ¯ei) zurückgeführt nere ’Behältnisse’ gebraucht) sein, doch sind die Bewerden. Die Kienspäne wurden von größeren Holzdeutungsverhältnisse nicht eindeutig, und ein sonst

Kinetik

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denkbarer Zusammenhang mit ÞKiepe ist bei dieser Annahme ausgeschlossen. Herkunft deshalb unklar. Kretschmer (1969), 272–274; EWNl 3 (2007), 62f.

Kiez Sm ’Stadtteil (in Berlin besonders der, in dem man

zuhause ist, in Hamburg das Vergnügungsviertel)’ per. vulg. ndd. (13. Jh., Standard 20. Jh.). Zunächst bezeugt als ’Ort, wo die Fischer wohnen’. Wohl nicht slavischen Ursprungs (akslav. chyzu˘ ’Haus’, auch ’Fischerhütte’); vielleicht zu ÞKietze ’Korb’. Schlimpert, G.: Ortsnamen des Teltow (Weimar 1972), 106–108; Müller, G. SD 30 (1986), 23.

Kif Sm ’Marihuana, Haschisch’ per. grupp. (20. Jh.).

Entlehnt aus ne. kif, dieses aus arab. kaif (eigentlich ’Wohlbefinden’). Verb: kiffen. Ebenso nfrz. kif(f), nndl. kif, ndn. kif. – Carstensen 2 (1994), 768f.

kikeriki Interj (Ruf des Hahns) std. kind. (16. Jh., so erst

’Rand, Horizont’, mndl. kimme ’Rand eines Fasses’. Noch älter ae. cimbing ’Fuge’, cimb-stan ’a stone into which a pillar is fitted’. Die Bedeutungen gehen zurück auf ’fest verbinden’ zu dem unter ÞKamm behandelten Verb für ’zuschnappen, festbeißen’. Die feste Holzverbindung erfolgte vor allem durch Einschnitte und Fugen (Verkämmung, Verfugung). Ein ähnlicher Einschnitt ist die Kimme als Teil des Visiers; die Horizontlinie ist wohl von der Kimme der Fassdauben genommen (wobei die Kreisform sicher eine Rolle gespielt hat). Mumm, P.-A. FS Seebold (1999), 301f.; EWNl 3 (2007), 59.

Kimono Sm ’ein japanisches, dem Morgenmantel ähn-

liches Kleidungsstück’ per. exot. ass. (19. Jh.). Entlehnt aus jap. kimono ’Gewand’ (aus jap. ki ’anziehen’ und jap. mono ’Gegenstand, Gewand’). Besonders in Bezug auf die Form der Ärmel in die europäische Mode übernommen. Ebenso ne. kimono, nfrz. kimono. nndl. kimono, nschw. kimo-

im 19. Jh.; vorher kikri 18. Jh., kekerlekyh 17. Jh.). Stärno, nnorw. kimono. ker abweichend tutterhui (16. Jh.) und guck guck gu- Kind Sn std. (8. Jh.), mhd. kint, ahd. kind, as. kind, afr. rith (16. Jh.). Lautnachahmung wie ne. cock-a-doodlekind. Aus vd. *kinþa- n. ’Kind’ (das as. und das afr. doo (vgl. cock ’Hahn’), nfrz. cocorico, l. cu¯curru, lit. Wort sind auch dem Hochdeutschen entlehnt). Das kakary´ku¯ u.a. Auch Wörter für den Hahn gehen auf Wort kann erklärt werden als ’Geborenes’ zu der solche Lautnachahmungen zurück, z.B. ai. kurkuta-, Wurzel ig. *g´en¡- ’gebären’, doch ist die betonte Voll˙ gr. kı´kirros, kikko´s; ebenso für ’krähen’, z.B. ngr. kystufe dabei auffällig (diese erscheint zwar auch in l. kyrı´zo¯, russ. kukure´kat′. genitus, ist dort aber morphologisch besser gestützt). Hauschild, O. ZDW 11 (1909), 165–167. Die für das Germanische zu erwartende Form könnte Killer Sm ’bezahlter Mörder’ per. vulg. (20. Jh.). Entvorliegen in anord. kundr m. ’Sohn, Verwandter’ (nur lehnt aus ne. killer, einem Nomen Agentis zu ne. kill dichterisch und selten). Die Wurzel ig. *g´en¡’töten’, dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist. Verb: ’gebären, erzeugen’ ist vertreten in ai. ja´nati ’erzeugt, killen. gebiert’, gr. gı´gnomai ’ich werde geboren, entstehe’, l. Ebenso ne. killer. nndl. killer, nschw. killer. – Carstensen 2 gignere ’(er)zeugen, gebären’, air. gainethar (neben (1994), 769–775. zahlreichen anderen Formen). Abstraktum: Kindheit, abwertend Kinderei; Adjektive: kindisch, kindlich. kilo- LAff ’tausend’ std. (–). Bei der französischen FestS. ÞGenus zur lateinischen, Þ-gen zur griechischen Verwandtlegung der Maßeinheiten 1790 als Modifikator mit schaft; ÞKönig. – Humbach, H. MSS 7 (1955), 55; HWPh 4 der Bedeutung ’tausend’ festgelegt (nach gr. chı´lioi (1976), 827–834; Hamp, E. IF 87 (1982), 77; Meijering, H. D.: ’tausend’) und in die anderen modernen Sprachen Chindh uuirdit uns chiboran (Amsterdam 1985); Meineke, B.: übernommen. So Kilometer, Kilogramm, Kilowatt usw. Cottez (1980), 216; EWNl 3 (2007), 58.

Kilt (Kiltgang) Sm ’nächtlicher Besuch von Burschen

Chind und barn im Hildebrandslied (Göttingen 1987); LM 5 (1991), 1142–1149; Röhrich 2 (1992), 835–838; RGA 16 (2000), 526–528; EWNl 3 (2007), 59f.

bei einem Mädchen’ per. reg. (9. Jh.). Vgl. auch els. Kindelbier Sn ’Bewirtung der Gäste bei der Taufe’ per. quelte f. ’Abendbesuch bei Nachbarn’. Älter in ahd. reg. (16. Jh.). Die Verwendung des Wortes ÞBier (und chwiltiwerch ’Arbeit bis zur Nachtzeit’; zu g. *kweldaseiner Entsprechungen) für ’Fest, Gelage’ ist schon (auch i-Stamm) m. ’Zeit des Sonnenuntergangs’, alt, ebenso das Wort ÞKind für ’Taufe’. auch in anord. kveld n., ae. cwyld-tı¯d (vgl. Abend). Mit Kinematograph Sm ’Apparat zur Aufnahme und WieRücksicht auf lit. ga˜las ’Ende, Schluss’ und ae. cwyld dergabe bewegter Bilder’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt ’Tod, Verderben’ gehört das Wort wohl als ’Ende des aus frz. cine´matographe, einer Neubildung zu gr. Tages’ oder ’Untergang der Sonne’ (eigentlich ’Tod’) kı´ne¯ma (-atos) f. ’Bewegung’, zu gr. kı¯neı˜n ’bewegen’, zu der Sippe von ÞQual. und Þ-graph zu gr. gra´phein ’schreiben’ (Þ-graphie). Zur Bedeutung vgl. ÞAbend. – Ganz (1957), 113; Markey, T. L. FS Gimbutas (Washington 1987), 299–321.

Kimme (Kimm, regional auch Kieme und Keime) Sf

Ebenso ne. cinematograph, nfrz. cine´matographe. nndl. cinematograaf, nschw. kinematograf, nnorw. kinematograf; ÞKino, ÞKintopp. – Cottez (1980), 216.

’Horizontlinie’ (meist Kimm), ’Teil des Visiers, Kerbe Kinetik Sf (Teilgebiet der Mechanik, das sich mit Kräfin den Fassdauben, durch die der Fassboden gehalten ten und Bewegungen befasst) per. fach. (19. Jh.). Neuwird’ (meist Kimme) per. fach. (16. Jh.), mndd. kimme bildung zu gr. kine¯tiko´s ’die Bewegung betreffend’.

Kink

492 Ebenso nndl. kinetica, ne. kinetics, nfrz. cine´tique. nschw. kinetik, nnorw. (Adj.) kinetisk. – HWPh 4 (1976), 834–837; Cottez (1980), 216; LM 5 (1991), 1156–1158; EWNl 3 (2007), 60.

Kink Sm ’Knoten, Knick (der sich von selbst gebildet

hat)’ per. ndd. (18. Jh.). Zu mndd. kinke ’gewundene Schnecke’. Mit dem ablautenden anord. ko¸kkr ’Ball’ zu gr. go´ngros ’Auswuchs am Baum’, lett. gungis ’Krümmung’, lit. gu`ngle˙, gunksˇle˙˜ ’Knorren, Auswuchs’. Kinkerlitzchen Spl std. stil. (18. Jh.). Zuerst als Ginker-

litzgen. Herkunft unklar. Weise, O. ZDW 10 (1908/09), 56–60; Seibicke, W. MS 85 (1975), 213–227; Röhrich 2 (1992), 839.

Kinn Sn std. (8. Jh.), mhd. kinne, ahd. kin(ni), as.

Gipfel) für ’Hörnchen’ als Verkleinerungsform (obwohl auch eine Umgestaltung des belegten kipfen vorliegen könnte). ÞKippe 2. – Heyne (1899/1903), II, 277; Lühr, (1988), 234f. (anders).

Kippe1 Sf ’Gemeinschaft’ (in Kippe machen ’gemein-

same Sache machen’) per. fremd. (19. Jh.). Aus ojidd. kupe, küpe ’Haufen, gemeinsame Unternehmung’, das aus poln. kupa ’Haufe’ stammt. Wolf, S. A. MS 72 (1962), 184f. (anders); Wolf (1985), 165.

Kippe2 Sf ’Zigarettenrest’ std. stil. (20. Jh.). Nieder-

deutsche Entsprechung zu fnhd. kipfe, beides ’Spitze’. Vermutlich zu einer alten Entlehnung aus l. cippus m. ’Pfahl’, die sich zunächst in der nicht-literarischen Sprache gehalten und weiterentwickelt hat.

kin(ni). Aus g. *kinnu- f. ’Kinnbacken, Wange’, auch in gt. kinnus f. ’Wange’, anord. kinn f. ’Wange’, ae. Lühr (1988), 356f. (anders). cinn ’Kinn’, afr. in zin-bakka ’Kinnbacken’. Mit nn kippen Vsw std. (17. Jh.). Vermutlich mit niederdeutaus -nw- in archaischen obliquen Formen des uscher Lautform zu dem unter ÞKippe genannten Stammes und mit späterer Umbildung zu einem neuWort mit der Bedeutung ’Spitze’. Aus dem Verbum tralen ja-Stamm aus ig. *g´enu- f. ’Kinnlade’ (u.ä.) in rückgebildet ist Kippe 3 in auf der Kippe stehen oder in gr. ge´nys f. ’Kinnlade’, l. gena f. ’Wange’, kymr. geˆn der Bedeutung ’Abraumhalde’. ’Kinnlade’, air. gin m. ’Mund’, toch. A ´sanwem f. ’die Röhrich 2 (1992), 839; EWNl 3 (2007), 55f. ˙ beiden Kinnbacken’; daneben lit. ˇza´ndas m. Kirbe Sf ÞKirchweih. ’Kinnbacke, Wange’ (von einer anderen Wurzelerweiterung) und ai. ha´nuf. ’Kinnbacke’ (mit Anlaut- Kirche Sf std. (8. Jh.), mhd. kirche, ahd. kirihha, kilihha, variation). Vielleicht ist das Wort für ’Knie’ urveras. kirika, kerika. Zusammen mit afr. kerke, zerke, ae. wandt, so dass eine Ausgangsbedeutung ’Winkel, cirice entlehnt aus vulgär- gr. *kyrike¯´ (nur in ntl.-gr. Beugung’ o.ä. vorliegt. − Kinnlade ist zu ÞLade mit der ky¯riake¯´ ’Sonntag’), eigentlich ntl.-gr. ky¯riako´s ’zum Bedeutung ’bewegliche Unterlage’ gebildet. Herrn gehörig’ (zu gr. ky¯rios m. ’Herr’), vgl. gleichEbenso nndl. kin, ne. chin, nschw. kind, nisl. kinn. – Bomhard zeitiges l. dominicum (sacrificium) n. ’sonntäglicher (1995), 49; EWNl 3 (2007), 59. Gottesdienst’ (zu l. dominus m. ’Herr’). Das feminine Genus wohl aus dem Gebrauch als Verdeutlichung zu Kino Sn std. (20. Jh.). Gekürzt aus Kin-(emat)-o-graph l. basilica (eigentlich ’Palast’, dann auch ’Kirche’). mit metonymischer Übertragung auf ein Gebäude, in Das Wort ist wohl zunächst ins Fränkische entlehnt dem ein solches Gerät installiert ist. In den Nachbarund dann mit der fränkischen Kirchensprache versprachen wird anders gekürzt: frz. cine´(ma) m., ne. breitet worden. Adjektiv: kirchlich. cinema. Ebenso ndn. kino, nnorw. kino. – Kügler, H. ZD 48 (1934), 738f.; Sparmberg, P. ZD 48 (1934), 737; EWNl 1 (2003), 444.

Kintopp Smn ’Kino’ erw. obs. städt. (20. Jh.). Angeblich

Kino Topp nach einem Gastwirt dieses Namens in Berlin-Kreuzberg. Seibicke, W. SD 31 (1987), 105.

Kiosk Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. kiosque

’offener Gartenpavillon’, dieses aus türk. kös¸k ’Gartenhäuschen’, das aus dem Persischen übernommen ist (pers. kusˇk). Die Schreibung ki- ist Wiedergabe des palatalen k. Die moderne Bedeutung wird im 19. Jh. aus dem Französischen entlehnt. Ebenso nndl. kiosk, ne. kiosk, nfrz. kiosque. nschw. kiosk, nnorw. kiosk. – Littmann (1924), 110f.; Lokotsch (1975), 58; EWNl 3 (2007), 61.

Kipf Sm ’süddeutsche Brotform’ per. obd. (13. Jh.),

mhd. kipfe, ahd. kipf, kipp m./n. auch kipfa f., kipfo ’Wagenrunge’, das aus l. cippus ’Pfahl’ entlehnt ist. Hierzu Kipfel (oder mit sekundärer Nachdeutung

Ebenso nndl. kerk, ne. church, nschw. kyrka, nnorw. kirke, nisl. kirkja. – Schmidt, K. L. FS Deissmann (1927), 258–280; Masser (1966), 17–42; HWPh 4 (1976), 837–842; Schäferdieck, K. BGDSL-T 106 (1984), 46–50; de Cubber, W. SGG 14 (1988), 34–44; LM 5 (1991), 1161–1167; Röhrich 2 (1992), 840f.; EWNl 3 (2007), 47.

Kirchenlicht Sn erw. bildg. (16. Jh.). Ursprünglich eh-

render Ausdruck; so heißt z.B. Augustinus im Mittelalter lu¯men eccle¯siae ’Licht der Kirche’. Im Anschluss an das spöttische lu¯x theologorum f. ’Licht der Theologen’ in den Briefen der Dunkelmänner (1517) wird das Wort in späterer Zeit praktisch nur noch abschätzig verwendet. Röhrich 2 (1992), 841.

Kirchhof Sm erw. reg. (12. Jh.), mhd. kirch(h)of, mndd.

kerkhof . Bezeichnet zunächst den Hof vor der Kirche im wörtlichen Sinn. In frühneuhochdeutscher Zeit regional (nord- und westdeutsch) zu ’Begräbnisstätte’ verengt.

Kittel

493 Ebenso nndl. kerkhof, nschw. kyrkoga˚rd, nnorw. kirkega˚rd, nisl. Kissen Sn std. (9. Jh.), mhd. küsse(n), küssı¯n, ahd. kuskirkjugarduÑ r. – Kretschmer (1969), 275–278; LM 5 (1991), 1186. sı¯(n), küssi, mndd. kussen, mndl. cussen. Entlehnt aus

Kirchspiel Sn ’Bezirk, in dem ein Pfarrer predigen und

die kirchlichen Amtspflichten ausüben darf’ per. reg. (13. Jh.), mhd. kir(ch)spil, kirchspel, mndd. ker(k)spel, kar(k)spel u.a., mndl. kerspel. Das Wort geht im 13. Jh. vom rheinischen Nordwesten aus, wo auch ndl. (dial.) dingspel ’Dingbezirk’ gilt. Vermutlich zu -spel (wie in ÞBeispiel), doch ist der Bedeutungszusammenhang nicht ausreichend klar (’Bezirk, in dem das Wort, der Beschluss, die Predigt, gilt’?).

afrz. coissin, vor- rom. *culcinum neben l. culcita f. ’Polster’, das seinerseits wohl auf ein keltisches Wort zurückgeht (die Federkissen galten als gallische Erfindung). Die entrundete Form setzt sich im 18. Jh. durch; vielleicht um die Homonymie mit Þküssen Vsw. zu vermeiden (s. ÞKolter 1). Ebenso nndl. kussen, ne. cushion, nfrz. coussin. – Brøndal (1917), 159–164 = (1948), 171–175; Kieft, A. P. NPh 26 (1941), 267–279; Röhrich 2 (1992), 845; EWNl 3 (2007), 149.

Kirchweih Sf per. reg. (9. Jh.), mhd. kirchwı¯he, ahd. ki- Kiste Sf std. (12. Jh.), mhd. kiste, ahd. kista, mndd. kiste,

rihwı¯ha, kiliwı¯ha. Bedeutet zunächst ’Einweihung der Kirche’, dann ’Erinnerungsfest der Einweihung der Kirche’ und davon ausgehend allgemein ’Fest, Jahrmarkt’ u.ä. Mundartlich vielfach stark abgeschwächt (alem. kilbe zu kilche, Nebenform von ÞKirche, b aus w nach Konsonant; entsprechend ÞKirbe).

keste, mndl. kiste. Ist wie ae. cist, cest und anord. kista früh entlehnt aus l. cista ’Kasten’, das seinerseits aus gr. kı´ste¯ ’Korb, Kiste’ stammt. Ebenso nndl. kist, ne. chest, nschw. kista, nnorw. kiste; ÞZisterne. – Cox (1967), 74–78 (zur Bedeutung ’Sarg’); Röhrich 2 (1992), 845; EWNl 3 (2007), 62.

Ebenso nndl. kerkwijdinsfest. Vgl. auch ÞKirmes. – LM 5 (1991), Kitsch Sm std. (19. Jh.). Um 1870 in Malerkreisen aufgekommen. Herkunft unklar. Vielleicht Anschluss an 1186–1188; Röhrich 2 (1992), 841f. kitschen ’Straßenschlamm zusammenscharren, glattKirmes Sf per. reg. (12. Jh.), mhd. kir(ch)messe ’Gotstreichen’ (zu Kitsche, dem Instrument, mit dem man

tesdienst an Kirchweih’. Vermutlich Klammerform aus unbezeugtem *Kirchweihmesse.

Ebenso nndl. kermis, ne. (dial.) kermis, nfrz. kermesse. – Röhrich 2 (1992), 842–844; EWNl 3 (2007), 47f.

kirnen Vsw ’buttern’ per. ndd. (18. Jh.). Vgl. ndl. kernen,

karnen. Zu ÞKarn ’Butterfass’. Martin, B.: Kirne und Girbe (Berlin 1895); Kluge (1926), 43f.

dies macht). Ausgangsbedeutung wäre also ’Geschmier’. Eine andere Möglichkeit wäre der Anschluss an verkitschen ’verhökern’ (Þkitschen) als ’im Kleinhandel verhökerte Literatur’. Adjektiv: kitschig. Koewel, E. MS 52 (1937), 58f.; HWPh 4 (1976), 843–846; Best, O. F. MDU 70 (1978), 45–57; Best, O. F.: Das verbotene Glück (München, Zürich 1978); EWNl 3 (2007), 63.

kitschen (hochsprachlich nur verkitschen) Vsw ’tauschen, verkaufen’ per. reg. (19. Jh.). Aus dem Rotmndd. quere. Aus g. *kwerru- Adj. ’ruhig, zahm’, auch welschen; dorthin wohl aus mhd. verkiuten ’vertauin gt. qairrus ’sanftmütig’, anord. kvirr, kyrr ’ruhig’. schen’ mit expressivem Suffix. Herkunft unklar. In der Familie von lit. gu`rti ’zerfallen’ treten ähnliche Bedeutungen auf (z.B. lit. gur- Kitt Sm std. (12. Jh.), mhd. küt(e), ahd. quiti, cuti. Aus lu`s ’müde, matt’), doch sind die Gemeinsamkeiten wg. *kwedu- (m.) ’Leim, Kitt’, auch in ae. cwidu; weifür eine engere Verbindung zu schwach. Verb: kirren1. ter mit Dehnstufe (vielleicht Vriddhi) anord. kva´daÑ Knobloch, J. HS 103 (1990), 286–288 (zu gt. qairu als ’vom (f.) ’Harz’. Auf der Normalstufe ist vergleichbar ig. Ochsenstachel gezwungen’); Heidermanns (1993), 350–352. *g wetu- in ai. ja´tu n. ’Lack, Gummi’ und in Ableitungen mir. beithe ’Buchsbaum’, kymr. bedw ’Birke’ kirren1 Vsw Þkirre. (nach dem austretenden Saft) und das aus dem Kelkirren2 Vsw Þgirren. tischen entlehnte l. bitu¯men n. ’Erdpech’. Verb: kitten. Kirsche Sf std. (11. Jh., kirsboum 9. Jh.), mhd. kirs(ch)e, Ebenso nndl. kit, ne. cud (beim Wiederkäuen, wohl bildlich kerse, ahd. kirs(a), kirsa, as. kirs-. Sind wie ae. cirse mit Bezug auf das Kauen von Harz). – EWNl 3 (2007), 62. entlehnt aus l. ceras(i)um n. ’Kirsche’ (und l. cerasus ’Kirschbaum’); dieses aus gr. kera´sion n. ’Kirsche’, gr. Kittchen Sn ’Gefängnis’ std. vulg. (19. Jh.). Im Rotwelschen bezeugt seit dem 18. Jh. Vermutlich eine Kreukerası´a ’Kirschbaum’, das wohl aus einer nicht-inzung aus fnhd. keiche, keuche, ’Gefängnis, Kerker’ dogermanischen Sprache stammt. und rotw. Kitt(e) ’Haus’, später auch ’Gefängnis’, das Ebenso nndl. kers, ne. cherry, nfrz. cerise. nschw. körsbär, wohl zu ÞKate gehört. nnorw. kirseb¢r, nisl. kirsiber; ÞKornelkirsche. – Götze, A. kirre Adj std. stil. (12. Jh.), mhd. kürre ’zahm, mild’,

NJKA 39 (1917), 67f.; Bertsch (1947), 112–118; LM 5 (1991), 1188; Röhrich 2 (1992), 844f.; RGA 16 (2000), 589f.; EWNl 3 (2007),

48.

Kismet Sn ’(das dem Menschen zugeteilte) Schick-

sal’ per. exot. (19. Jh.). Entlehnt aus türk. kismet, dieses aus arab. qismah (eigentlich ’Zugeteiltes’). Ebenso nndl. kismet, ne. kismet.

Littmann (1924), 56; Weissbrodt, E. ZDPh 64 (1939), 307; Wolf (1985), 166f.; EWNl 3 (2007), 62.

Kittel Sm (ursprünglich Bezeichnung für ein hemdar-

tiges Gewand) std. stil. (13. Jh.), mhd. kit(t)el, mndd. kedele, mndl. kedel. Die fnhd. Form kütel beruht auf Anlehnung an ÞKutte (nach Pisani ist dies auch die Herkunft des Wortes). Sonst ist die Herkunft unklar. Pisani, V. GS Scaffidi Abbate (1983), 315; EWNl 3 (2007), 54f.

Kitz

494 Kitz Sn std. (9. Jh.), mhd. kiz, kitze, ahd. kizzı¯(n). Da-

neben anord. kid Ñ (woraus ne. kid). Wohl als g. *kidneben affektivem *kitt- (wie ÞZicke neben ÞZiege) anzusetzen. Denkbar ist eine affektive Umgestaltung aus dem Wort ÞGeiß. Þkidnappen. – Ganz (1957), 113f.; Rein, K. DWEB 1 (1958), 253f.

kitzeln Vsw std. (8. Jh.), mhd. kitzeln, kützeln, ahd. kiz-

klacken Vsw (Schallverb wie Þknacken) per. reg.

(18. Jh.). Schallnachahmend wie nndl. klacken, ne. clack, nschw. klakka. Dazu Klacks ’kleine Portion von etwas Dickflüssigem’ (’was auf einmal hingeklackt wird’). Da Klack auch ’Riss’ bedeutet, ist wohl ursprünglich das Geräusch beim Brechen gemeint. Þkleckern.

zilo¯n, kuzzilo¯n, kitilo¯n, mndd. kettelen. Aus g. *kitil-o¯- Kladde Sf ’Schmierheft, Konzept’ per. reg. (17. Jh.). Aus dem Niederdeutschen; gekürzt aus Kladdebuch / kutil-o¯- Vsw. ’kitzeln’, auch in anord. kitla, ae. cite’Buch zur vorläufigen Eintragung der täglichen Gelian; daneben mit Konsonantenumstellung me. tikeschäftsvorgänge’, zu mndl. cladde ’(Schmutz)Fleck’, len, ne. tickle. Die Form *kutil- ist außergermanisch vergleichbar mit slavischen Wörtern auf einer also eine Entsprechung zu Schmierheft. Das Wort ist Grundlage *gu˘dı˘l- in bulg. gu˘del ’Kitzel’ (mit gudeliwie klatschen (Þklatsch) lautnachahmend. ˇckat ’kitzeln’) und anderes; doch gibt es mit dieser Þklat(e)rig, Þklittern. – Schirmer (1911), 99; Lühr (1988), 279–281; EWNl 3 (2007), 64. Bedeutung bei den Lautfolgen k-t-l und g-d-l mehrere Bildungen in verschiedenen europäischen und Kladderadatsch Sm ’Durcheinander, Aufregung’ erw. nicht-europäischen Sprachen, so dass wie bei l. titilstil. (19. Jh.). Eigentlich Interjektion, die einen klirlare in erster Linie mit lautmalerischen, expressiven renden Sturz begleitet oder beschreibt (wie Þklatsch, Bildungen zu rechnen ist (ohne dass im Einzelfall gekladatsch). Weiter verbreitet durch den Titel der in netische Verwandtschaft oder Entlehnung ausgeBerlin 1848 gegründeten politisch-satirischen Woschlossen sein soll). Abstraktum: Kitzel; Adjektiv: chenschrift. (Nach der Überlieferung, festgehalten in kitzlig. Die Welt vom 23.4.1965, ließ der Diener bei der GrünEWNl 3 (2007), 57; Parasˇkevov, B. Orpheus 8 (1998), 87–89 = derversammlung ein Tablett fallen, als die AnwesenZGL 31 (2003), 105–108. den sich einen Namen für die geplante Zeitschrift Kitzler Sm ’Klitoris’ erw. stil. (18. Jh.). Zu Þkitzeln wie überlegten. Der Redakteur Dohm rief dabei aus: nndl. kitelaar und weitergebildet ndn. kildrer, nnorw. Kladderadatsch − und dies wurde zum Namen der kildrer. Zeitschrift gemacht.) Lowry, Th. P., Lowry, Th. S.: The Clitoris (St. Louis 1976), 163–182.

Kiwi Sf ’eine eiförmige Frucht mit saftigem Frucht-

fleisch, ursprünglich aus Neuseeland’ per. exot. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. kiwi, das aus der MaoriSprache stammt. Das Wort bezeichnet zunächst einen nicht-fliegenden Vogel und wird dann als Spitzname auf die Neuseeländer übertragen. Dann ne. kiwi fruit als Übername für die zuvor als Chinese gooseberry bezeichnete Frucht und schließlich die Verkürzung. Ebenso nndl. kiwi, ne. kiwi, nfrz. kiwi, nschw. kiwi, nnorw. kiwi, nisl. kı´vı´. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 472f.; Carstensen 2 (1994), 777f.; EWNl 3 (2007), 63.

klabastern Vsw ’einhertrotten’ per. reg. (18. Jh.). Aus

dem Rheinischen, seit dem 18. Jh. literarisch; in angrenzenden Mundarten ähnliche Formen (westfäl. kladistern ’laufen’ u.ä.). Vermutlich entlehnt aus it. calpestare ’mit Füßen treten’, aus l. calce pista¯re ’mit der Ferse stampfen’. ÞKelter. – Kluge, F. ZDW 8 (1906/07), 368.

Klabautermann Sm ’Schiffskobold’ per. ndd. (19. Jh.).

Þklatsch. – Ladendorf (1906), 168.

klaffen Vsw std. (10. Jh., klaffunga 9. Jh.), mhd. u¯fklaf-

fen ’sich öffnen’. Ist neben mundartlichem ÞKlapf ’Schlag’, mhd. klaffen, klapfen ’schallen’ und dem ndd. Klapp auf ein Schallverb für kurze, laute Geräusche zurückzuführen. Klaffen ist eigentlich ’mit einem Krach aufspringen’, wie (zu)klappen ’mit Krach zuschlagen’ ist (ÞKlappe). Deshalb vergleicht sich auch ahd. klaffo¯n, klapfo¯n, ae. clappian ’schlagen, schwatzen’. EWNl 3 (2007), 66.

kläffen Vsw std. (18. Jh.). Lautmalende Bildung neben

nndl. kleffen und nhd. klaffen ’bösartig schwatzen’. Klafter Smfn ’Maß der ausgespannten Arme’ erw. obs.

(9. Jh.), mhd. kla¯fter, ahd. kla¯ftra f., mndd. klachter n. Vergleichbar ist lit. gle˙by˜s m. ’ausgebreitete Arme, Armvoll’, lit. gle˙´bti ’umarmen, in die ausgebreiteten Arme nehmen’; auf germanischer Seite passt dazu ae. clyppan, afr. kleppa ’umarmen’, doch weicht der Vokal ab.

Vermutlich zu Þkalfatern ’die Planken eines Schiffes Klage Sf std. (9. Jh., klagon 8. Jh.), mhd. klage, ahd. klaga. Aus vd. *klago¯; ebenso klagen, mhd. klagen, abdichten’, vgl. ndd. Klafatermann. Dem Glauben der ahd. klago¯n, klage¯n, mndd. klagen. Vielleicht bei abSeeleute nach klopft der Klabautermann an die weichender Vokalisierung vergleichbar mit avest. g¡rschadhaften Stellen, um den Schiffszimmermann zur ¡za¯ ’Klage’, ai. garha¯ ’Tadel, Vorwurf’, sowie ai. ga´rAusbesserung aufzufordern. hati ’schmäht, beschuldigt, tadelt’, avest. gar¡zRadermacher, L. AR 7 (1904), 445–452; Kluge (1911), 450f.; ’klagen’ und stärker abweichend mir. gla´m ’GeHWDA 4 (1932), 1437f.; Stammler (1954), 225f.; Lokotsch schrei’. Das bloße Schallverb und der rechtserhebli(1975), 82; Tazi (1998), 290 (kalfatern); EWNl 2 (2005), 600.

Klapperrose

495

che Ausdruck hängen insofern zusammen, als das Klamotten Spl std. vulg. (20. Jh.). Aus dem RotwelWehgeschrei nach einer Missetat rechtlich vorausgeschen. Weitere Herkunft unklar. setzt wurde. Nomen Agentis: Kläger; Adjektiv: Klampe Sf ’Befestigungsteile auf Schiffen und für kläglich. Schiffe’ per. fach. (15. Jh.), mndd. klampe ’Haken, hölLM 5 (1991), 1190–1192; EWNl 3 (2007), 64f. zerner Steg’. Entsprechend nndl. klamp ’Klammer, Holz’, ne. clamp ’Klammer’. Die hochdeutsche EntKlamauk Sm std. stil. (18. Jh.). Eine von Berlin aus versprechung ist ÞKlampfe. Wohl Lautvariante zu der breitete lautmalende Bildung vom Typ ÞRadau, Grundlage von ÞKlammer. Þpardautz u.ä. Lasch (1928), 182.

klamm Adj ’steifgefroren’ per. reg. (14. Jh.), spmhd.

klam. Gehört zu Þklemmen; bedeutet also zunächst ’zusammengedrückt, zusammengekrampft’; woraus durch Spezialisierung auf die Wäsche die heutige Bedeutung (die weiter verallgemeinert wird), früher auch für ’eng, dicht’ gebraucht, in Sonderfällen (clam gold) auch ’dicht, gediegen’. Heidermanns (1993), 333f.; EWNl 3 (2007), 65.

Klamm Sf ’Felsschlucht mit Wildwasser’ per. reg.

(11. Jh.). Das Wort gehört mit m hd. klam m., ahd. klam ’Krampf, Beklemmung, Fessel’, ae. clom m. ’fester Griff, Kralle, Klaue, Fessel’ zu Þklemmen. Die Ausgangsbedeutung ist also ’Klemme, Enge’. Klammer Sf std. (13. Jh.), mhd. klam(m)er, klamere.

Wie anord. klo¸mbr f. ’Klemme, Schraubstock’ eine Ableitung zu Þklemmen. Verb: klammern. S. auch ÞKlampe.

Klammeraffe Sm ’Zeichen zur Trennung von Name

Þklemmen. – Seebold (1970), 298f.; EWNl 3 (2007), 65.

Klampfe Sf per. reg. (19. Jh.). Ursprünglich ’Klammer’

(bair.) und als solches Entsprechung zu ndd. ÞKlampe. Daneben seit dem 19. Jh. Ausdruck für ’Zither’, alsbald übertragen auf die Gitarre. Hierbei scheint ein lautmalender Ausdruck klamp(f)ern (vgl. entsprechendes Þklimpern) eine Rolle gespielt zu haben; aber die Einzelheiten sind unklar. Þklemmen. – Relleke (1980), 194.

klamüsern Vsw ’überlegen’ per. ndd. (16. Jh.). Abgelei-

tet von Kalmäuser ’Stubenhocker, Schulfuchs’, dessen Herkunft unklar ist. Vielleicht Streckform zu ndd. klüsern ’grübeln’. Die Formen mit kal- und kla- stehen nebeneinander. Schröder (1906), 145–149.

Klan Sm ’Stammesgruppe’ ÞClan. Klang Sm std. (11. Jh.), mhd. klanc, ahd. chlanch. Ab-

straktum zu Þklingen. Daneben expressives mhd. klanc (-kes) ’List, Kniff’; zu diesem ÞKlinke. Ähnliche Schallwörter außerhalb des Germanischen sind l. clangere ’schallen, schreien’ und gr. kla´zo¯ ’ich erschalle, schreie’ mit gr. klange¯´ f. ’Klang, Geschrei’. Die Annahme von Urverwandtschaft (und Ausbleiben der Lautverschiebung im Schallwort) ist aber kaum angemessen. Adjektiv: klanglich.

und Adresse bei der E-Mail’ per. fach. (20. Jh.). Das Wort Klammeraffe ist als Tierbezeichnung schon älter (seit Humboldt), gemeint ist in jedem Fall Klammerschwanzaffe, obwohl zoologisch zwischen den beiden Bezeichnungen ein Unterschied gemacht wird (aber das Bezeichnungsmerkmal ist der Klammerschwanz). Auch das Zeichen der E-Mail-Adresse ist EWNl 3 (2007), 65. älter: Es ist (wie etwa auch das &-Zeichen) eine Ab- Klapf Sm ’Schlag, Ohrfeige’ per. obd. (17. Jh.). Oberkürzung; sie bedeutet „zu je“ (im Englischen gedeutsche Form zu ÞKlappe. sprochen als at), im Deutschen entspricht ihr das a` Klappe Sf std. (17. Jh.). Ursprünglich mittel- oder nie(etwa in 20 m a` 100 Euro). Bei der Einführung der derdeutsche Lautform, die sich wie in Klapp, ÞKlaps, E-Mail 1972 wurde für die Trennung von Name und klappen durchgesetzt hat, weil sie den lautmalenden Adresse das Zeichen der amerikanischen SchreibCharakter dieser Wörter besser bewahrt als hd. maschinen-Tastatur verwendet, das in Namen nicht ÞKlapf und Þklaffen. Ebenso Klapper und klappern vorkommen konnte, eben das @. Im deutschen Com(schon mittelhochdeutsch). Die Bedeutungen gehen puter-Jargon nannte man das Zeichen Klammeraffe, von ’schlagen, klatschen’ aus und führen zu weil das a gewissermaßen umklammert wird (das a ’zumachen, aufeinanderpassen’ (klappen), anderermag die Verbindung zu Affe begünstigt haben). Da seits zu ’angeschlagen, verrückt’ (einen Klaps haben). Klammeraffe in der deutschen Umgangssprache bei Röhrich 2 (1992), 846; Röhrich 2 (1992), 851 (zu Klaps); Übertragungen recht beliebt war (z. B. für ein MädEWNl 3 (2007), 66, 73. chen auf dem Soziussitz eines Motorrads) setzte sich klapperdürr Adj std. stil. (18. Jh.). Eigentlich ’so Þdürr, die neue Bedeutung rasch durch. dass die Knochen klappern’. klammheimlich Adj erw. stil. (19. Jh.). Vielleicht zu kläppern Vsw ’Eier zerrühren’ u.ä. per. reg. (17. Jh.). Þklamm im Sinne von ’zusammengedrückt, geAbwandlung zu klappern (nach dem helleren Geduckt’; aber wahrscheinlich liegt eine scherzhafte Anräusch). passung von l. clam ’heimlich’ zugrunde. Röhrich 2 (1992), 846.

Klapperrose Sf ÞKlatschmohn.

Klapperschlange Klapperschlange Sf erw. exot. (17. Jh.). Lehnüberset-

zung von ne. rattlesnake. Klappertopf Sm per. fach. (15. Jh.). So heißt der Ra-

chenblütler ’Alectorolophus’, weil die reifen Früchte im trockenen Kelch rasseln. Schon im 15. Jh. als Klapper (ÞKlappe) bezeugt, im 16. Jh. als Rassel (Þrasseln). Vgl. ndd. Klöterpott.

Klaps Sm ÞKlappe. klar Adj std. (12. Jh.), mhd. kla¯r, cla¯r. Über frz. clair und

mndl. claer entlehnt aus l. cla¯rus ’hell’. Abstraktum: Klarheit; Verb: klären. Ebenso nndl. klaar, ne. clear, nfrz. clair, nschw. klar, nnorw. klar; Þdeklamieren. – BlW 4 (1992), 74–83; Röhrich 2 (1992), 851; EWNl 3 (2007), 63f.

Klarinette Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus it. clarinetto m.,

496 (1913), 345; Brandt, W.: Das Wort ’Klassiker’ (Wiesbaden 1976); Träger, C. WB 25 (1979), 12, 5–20; EWNl 3 (2007), 68f.

klassisch Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus ml. classicus

’mustergültig, vorbildlich’, aus l. classicus ’die römischen Bürgerklassen betreffend’, zu l. classis ’Klasse’. Eingeengt auf die Bezeichnung der höchsten Bevölkerungsschicht übernimmt das Wort die Bedeutung ’vorbildlich’, die insbesondere auch in normativer Hinsicht gilt, so etwa in scrı¯ptor classicus ’sehr guter − und damit vorbildlicher − Schriftsteller’. Auf die frühere Bedeutung geht klassisch im Sinne von ’griechisch-römisches Altertum’ zurück. Ebenso nndl. klassiek, ne. classic(al), nfrz. classique, nschw. klassisk, nnorw. klassisk, nisl. klassı´skur. – DF 1 (1913), 345f.; Wellek, R. Sm 45 (1965/66), 154–173 (zu Klassizismus); Werner, J. Das Hochschulwesen 39 (1991), 184.

einem Diminutivum zu it. clarino m. (eine hohe So- klat(e)rig Adj ’unsauber’ per. ndd. (17. Jh.). Zu ndd. klater ’Schmutz’, entsprechend schwäb. Klatter lotrompete, eigentlich: ’die hell Tönende’), einer Ab’Kot’; vermutlich eine Nebenform zu ÞKladde und leitung von it. claro ’hell tönend’, aus l. cla¯rus ’hell’. letztlich lautmalend für das klatschende Geräusch Ebenso nndl. klarinet, ne. clarinet, nfrz. clarinette, nschw. klabeim Auftreffen von dickflüssigen Massen. rinett, nnorw. klarinett, nisl. kları´netta; Þdeklamieren. – Relleke (1980), 153; EWNl 3 (2007), 67.

klasse Adj std. stil. (20. Jh.). Entstanden aus dem Sub-

stantiv ÞKlasse im Sinn von ’erster Klasse, besonderer Klasse’ o.ä.. Die Herkunft aus dem Substantiv zeigt sich noch daran, dass das Wort in attributiver Verwendung (ein klasse Spiel u.ä.) nicht flektiert wird. Klasse Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. classis (eigentlich

S. auch Þklittern.

klatsch Interj std. (17. Jh.). Für ein schallendes Ge-

räusch gebraucht, ebenso als schwaches Verb klatschen, das zuerst als klatzschen bezeugt ist, ent-

sprechend nndl. kletsen ’mit der Peitsche knallen’ u.a. Spezielle Bedeutungsentwicklungen sind ’applaudieren’ (in die Hände klatschen) und ’schwätzen, ratschen’, letzteres wohl abschätzig als ’Geräuschemachen’ aufgefasst.

’Herbeirufung’). Zunächst ’Herbeirufen, Ladung, Aufgebot’, dann im Sinne eines Nomen Acti BezeichÞAbklatsch, ÞKladde, Þklitsch, ÞKlischee. – EWNl 3 (2007), nung der herbeigerufenen Menge bzw. einer militä74f. rischen Abteilung; schließlich übertragen auf die EinKlatschmohn Sm (auch Klatschrose, Klapperrose f. teilung des Volkes nach Tributklassen; dann Verallu.ä.) std. (19. Jh.). Nach einem Kräuterbuch des gemeinerung. Die Bedeutung ’Schicht (des Volkes)’ 16. Jhs. bezieht sich der Name auf den knall, welchen entsteht im 18. Jh. in England, zunächst in lower clasdie blätlin der rosen verursachen, wenn man sie auf ses ’untere Schichten’. Verb: klassieren. sondre manier, so den jungen buben bekant, zusammen Ebenso ne. class, nfrz. classe, nndl. klasse, nschw. klass, nnorw. legt und auf die hand oder stirn schlecht (d.h. schlägt). klasse. – DF 1 (1913), 345; GB 6 (1990), 214–284; LM 5 (1991), Die Bezeichnung Klapper- könnte sich allerdings 1194; BlW 4 (1992), 86–90; EWNl 3 (2007), 68. auch auf die reifen Mohnkapseln beziehen (vgl. Klassiker Sm std. (18. Jh.). Entlehnung aus l. (scrı¯ptor) ÞKlappertopf ). classicus (unter Einfluss von frz. auteur classique). Das lateinische Adjektiv classicus bedeutet zunächst ’in klauben Vsw erw. reg. (10. Jh.), mhd. klu¯ben, ahd. Klassen eingeteilt’ (von den fünf römischen Bürgerklu¯bo¯n ’klauben’. Herkunft unklar. klassen), dann aber vor allem die erste der so einge- Klaue Sf std. (8. Jh.), ahd. kla¯wa, kla¯ ’Klaue’. Setzt teilten Klassen, also ’führend, an der Spitze stehend’ *kl¢ ¯ wo¯ voraus; ebenso wohl afr. klawe, kle¯, ae. cla¯w Pl. (bezeugt ist überhaupt nur die zweite Bedeutung). ’Klaue’; dagegen geht anord. klo´ ’Klaue’ ebenso wie Dann übertragen auf die führenden, vorbildlichen die ahd. Nebenform für ’Klaue’ klo¯(a), wohl auf Schriftsteller. Die Bezeichnung bleibt z.T. eingeengt *klo¯wo¯ zurück, mndd. klouwe, klauwe, kla(we) auf auf die antiken klassischen Schriftsteller, teilweise *klaww-. Zu einem starken Verb mit der Bedeutung wird sie übertragen auf die Vertreter klassischer Epo’kratzen, reiben’, dessen Lautform ebenfalls unfest ist: chen anderer Sprachen und Kulturen. Zusammen anord. kla´ führt auf *klah- zurück, ae. clawan auf mit klassisch und dem eigens für diesen Bereich ge*kl¢ ¯ w-; schwache Verben sind anord. kleyja, kl¢ja bildeten Wort Klassik auch als Gegensatz zu Romantik ’jucken’ und ahd. kla¯wen ’kratzen’. Außergermanisch (Þromantisch) und anderem. gibt es keine sinnvolle Vergleichsmöglichkeit. Die Ebenso nndl. klassieken, ne. classic, nschw. klassiker, nnorw. Ausgangsbedeutung von Klaue wäre demnach etwa klassiker. – BlW 4 (1992), 84–86 (zum lateinischen Wort); DF 1 ’Scharrer’.

Klei

497 Ebenso nndl. klauw, ne. claw, nschw. klo, nisl. klo´. – Seebold (1970), 295f.; EWNl 3 (2007), 70.

klauen Vsw std. stil. (9. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Von

Mitteldeutschland ausgegangen und im ersten Weltkrieg verbreitet. Wohl eine umgangssprachliche Bildung zu ÞKlaue (ugs.) ’Hand’ (vgl. den Ausdruck Diebs-Klauen ’Diebshände’ schon im 18. Jh.). Älter sind die Bedeutungen ’mit den Klauen packen’ und ’scharren’. Klauer Smn ’mit Weiden besetzter Platz’ (auch bei an-

deren Baumbeständen) per. wmd. (14. Jh.). Herkunft unklar. Klause Sf erw. fach. (8. Jh.), mhd. klu¯s(e), ahd. klu¯sa.

Entlehnt aus l. clu¯sa ’eingehegtes Grundstück, Kloster’, Nebenform zu l. clausa, feminines Partizip Perfekt Passiv zu l. claudere ’schließen’, also ’das Abgeschlossene’. Ebenso nndl. kluis, frz. cluse. – LM 5 (1991), 1195; EWNl 3 (2007), 85.

Klausel Sf erw. fach. (14. Jh.). Entlehnt aus l. clausula

Ebenso nndl. klavier, ne. clavier, nfrz. clavier, nschw. klaver, nnorw. klaver; ÞKlausur. – Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 187; DF 1 (1913), 346f.; Röhrich 2 (1992), 851; Henne, H. GS Hopf (1992), 291–294; EWNl 3 (2007), 71.

kleben Vsw std. (9. Jh., ana- 8. Jh.), mhd. kleben, ahd.

klebe¯n, as. klibÐ on. Aus wg. *klib-¢ ¯ - Vsw. ’kleben’, auch in ae. cleofian. Durativbildung zu g. *kleib-a- Vst. ’haften’ in anord. klı´fa ’klimmen’, ae. clı¯fan, afr. klı¯va, as. klı¯ban, ahd. -klı¯ban ’haften’. Dieses aus ig. (oeur.) *gleib h- ’haften’, auch in lett. glieˆbtieˆs ’sich an jmd. klammern, anschmiegen’, akslav. u-glı˘beˇti ’stecken bleiben’. Ausgangsbedeutung für kleben ist also ’hängen bleiben, haften bleiben’. Zu einer Wurzel (ig.) *glei- ’kleben, schmieren’ (ÞKlei). Nomen Instrumenti: Kleber; Adjektiv: klebrig. Ebenso nndl. kleven; ÞKlei. – Seebold (1970), 296f., 299; Röhrich 2 (1992), 852; EWNl 3 (2007), 76.

klecken Vsw ’ausreichen’ per. arch. (9. Jh.), mhd. kle-

cken, ahd. kleken. Aus vd. *klakk-ija-. Die Bedeutung ist ursprünglich die eines Schallverbs (’krachen, klatschen usw.’), dann auch ’ausreichen’, ähnlich wie bei klappen (ÞKlappe); hierzu Þerklecklich.

’Schlusssatz’ (zu l. clausus ’abgeschlossen’, Partizip Perfekt Passiv zu l. claudere ’schließen’). Die ursprünglichere Form Klausul hält sich als Variante bis kleckern Vsw erw. reg. (17. Jh.). Iterativbildung zu Þklecken und Þklacken in der Bedeutung ’etwas Dickins 18. Jh. flüssiges hinwerfen’ (so dass es klack! macht). Ebenso nndl. clausule, ne. clause, nfrz. clause, nschw. klausul, nnorw. klausul. – EWNl 1 (2003), 448.

Klausur Sf ’abgeschlossenes, zurückgezogenes Leben;

Prüfungsarbeit’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus spl. clausu¯ra ’Einschließung’, zu l. clausu¯ra ’Verschluss, Türschloss, Fort’, einer Ableitung von l. claudere (clausum) ’schließen, sperren’. Ebenso nndl. clausuur, ne. enclosure, nfrz. clotuˆre. Zur Partizipialform des zugrunde liegenden l. claudere ’schließen’ gehören ÞKlause und über das Französische ÞSchleuse, als abgeleitete Adjektive Þinklusiv und Þexklusiv, als Weiterbildung ÞKlausel, eine andere über das Englische ist ÞKlosett. Eine Lokativbildung in ÞKloster. Zu dem verwandten l. cla¯vis ’Riegel, Schlüssel’ gehören ÞEnklave, ÞExklave, ÞKonklave; mit der Bedeutung ’Nagel’ ÞClou und mit der Bedeutung ’Taste’ ÞKlavier und der verloren gegangene Teil von ÞCembalo. Zur deutschen Verwandtschaft s. Þschließen. – LM 5 (1991), 1196f.

Klavier Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. clavier

’Tastenbrett, (älter: Schlüsselbewahrer, Schlüsselring)’, dieses aus ml. clavis f. (Pl. claves) ’die Griffstege der Orgel’, das zurückgeht auf l. cla¯vis f. ’Schlüssel’, zu l. claudere (clausum) ’schließen, sperren’. Die Bedeutungsentwicklung zum Mittellateinischen erklärt sich aus einer funktionalen Betrachtung der Griffstege dieses Instruments: die Klaven dienten dazu, die Windlade der Orgel zu öffnen und zu schließen. Dann ein Wort für die ’Tastatur’ und schließlich in einer Pars-pro-toto-Übertragung generelle Bezeichnung von Instrumenten, deren Saiten über Tasten zum Schwingen gebracht werden; dann eingeengt auf die Bezeichnung eines bestimmten Tasteninstruments (des Pianoforte).

Klecks Sm std. (16. Jh.). Zunächst Kleck zu Þklecken in

der Bedeutung ’etwas Dickflüssiges hinwerfen’ (so dass es klack! macht). Das -s gehört wohl zu den mittel- und norddeutschen Umgestaltungen auf -s, die häufig von Wörtern auf -k ausgehen; es kann aber auch aus dem Verbum klecksen stammen, falls dies älter ist. Klee Sm std. (9. Jh.), mhd. kle¯, ahd. kle¯(o), as. kle¯. Aus

vd. *klaiwa-. Daneben wohl als *klaibrjo¯n (und nicht nur als *klaiw(a)rjo¯n), mndd. klever, klaveren, mndl. clavere, ae. cl¢¯ fre f./n. Herkunft unklar. Nach Baader zu (ig.) *gloi- ’glänzen’. Baader, Th. NJ 76 (1953), 39f.; Foerste, W. FS Trier (1954), 395–416; LM 5 (1991), 1197; Röhrich 2 (1992), 852f.; EWNl 3 (2007), 70.

Klei Sm ’zäher Ton’ per. reg. (16. Jh.). Übernommen aus

dem Niederdeutschen: mndd. klei, mndl. cleie ’Ton, Lehm’, wie ae. cl¢ ¯ g aus wg. *klaija- m. ’Lehm, Ton’ zu der Wurzel *klei-, die auch Þkleiben und Þkleben zugrunde liegt. Diese zeigt sich mit Nasalpräsens in as. klenan, ahd. klenan ’bestreichen’, anord. klı´na ’beschmieren’ und der Ableitung *klaima- m. ’Lehm’ in ae. cla¯m, ahd. kleim (auch anord. kleima Vsw. ’beschmieren’). Aus ig. (eur.) *glei- ’schmieren, kleben’ in l. glu¯ten n. ’Leim’, air. glenaid ’bleibt hängen’, lit. glie˜ti ’bestreichen, beschmieren’, akslav. glinı˘nu˘ ’tönern, irden’, gr. gloio´s ’klebriger Stoff, Harz, Gummi’. Ebenso nndl. klei, ne. clay; Þklitsch. – Lüschen (1979), 253; Kleiber, W. FS de Smet (1986), 261–268.

kleiben

498

kleiben Vsw ’kleben’ per. reg. (9. Jh.), mhd. kleiben, ahd.

kleiben. Aus vd. *klaib-eja-, Kausativum zu g. *kleib-aVst. ’haften’ (Þkleben). Kleiber Sm ’Spechtmeise’ erw. fach. (16. Jh.). Zu

Þkleiben ’verkleben, verschmieren’, weil die Spechtmeise den Eingang zur Bruthöhle mit Lehm verengt. Þkleben. – Suolahti (1909), 161f.

Kleid Sm std. (12. Jh.), mhd. kleit. Vergleichbar ist ae.

cla¯þ m., afr. kla¯th, kle¯th, mndl. cleet ’Tuch, Kleid’. Herkunft unklar. Verb: kleiden; Abstraktum: Kleidung; Adjektiv: kleidsam. Ebenso nndl. kleed, ne. cloth. – Röhrich 2 (1992), 853; EWNl 3 (2007), 71f.

Kleie Sf std. (9. Jh.), mhd. klı¯(w)e, ahd. klı¯(w)a, klı¯ga,

mndd. klı¯(g)e. Herkunft unklar. Der Anschluss an *glei- ’schmieren, kleben’ (unter Hinweis auf die in der Kleie enthaltenen Kleber-Reste) bringt kaum ein ausreichendes Benennungsmotiv. Nach Baader zu (ig.) *gloi- ’glänzen’. Baader, Th. NJ 76 (1953), 38–43.

klein Adj std. (8. Jh.), mhd. klein(e), ahd. klein(i), as.

Schlachtteile und Innereien’; ’Habseligkeiten; Küchenkräuter u.ä. aus dem Garten’, heute etwa noch in obsächs. Kleint ’kleine Teile des Schlachttiers’). Einzelheiten der Entstehung und Entwicklung sowie des Zusammenhangs mit ml. clenodium sind unklar. EWNl 3 (2007), 73.

Kleister Sm erw. reg. (14. Jh.), mhd. (md.) klı¯ster,

mndd. klı¯ster ’Klebstoff, anhaftender Gegenstand’. Parallel zu fmhd. klenster ’Kleister’ zu ahd. klenan ’kleben’. Es handelt sich also um eine instrumentale (s)tra-Bildung zu der Wurzel *klei- ’kleben, haften’ (Þkleben). klemmen Vsw std. (13. Jh.), mhd. klemmen. Ahd. in bi-

klemmen wie ae. clemman ’mit den Klauen packen, einzwängen, zusammendrücken’; formal ein Kausativum zu Þklimmen, z.T. mit diesem vermischt (Þbeklommen u.a.). Theoretisch lässt sich unterscheiden klimmen ’(sich) zusammenziehen, klimmen’ und klemmen ’zusammenziehen machen, zusammendrücken, klemmen’, aber im einzelnen ergeben sich Abweichungen und Vermischungen. S. ÞKlinse und als Variante ÞKlampe und ÞKlampfe. – Röh-

kle¯ni. Aus wg. *klaini- Adj. ’zierlich, fein’ (die heutige rich 2 (1992), 854f. (zu Klemme); EWNl 3 (2007), 73. Bedeutung ist erst nach-mittelhochdeutsch); auch in Klemmer (älter Nasenklemmer) Sm ’Augenglas’ erw. obs. ae. cl¢ ¯ ne ’rein’. Daneben besteht regional (z.B. (19. Jh.). Wie ndd. ÞKneifer und obd. ÞZwicker eine schweizerisch) eine Variante klı¯n-, die nicht ohne Lehnübertragung zu frz. pince-nez gleicher Bedeuweiteres als Ablaut erklärt werden kann. Herkunft tung. unklar. Nach Heidermanns zu dem Nasalpräsens klempern Vsw ÞKlempner. (g.) *kli-na- ’beschmieren’ (ÞKlei), als ’fein verputzt’, Klempner Sm ’Installateur’ erw. ndd. (18. Jh.). Umgenach Baader zu (ig.) *gloi- ’glänzen’. Abstrakta: staltet aus älterem klemperer, klamperer, obd. klampKleinheit, Kleinigkeit; Präfixableitung: ver-, zerkleinern; fer(er). Zu Þklempern ’Blech hämmern’, das zu Modifikation: Þkleinlich. ÞKlampe, ÞKlampfe ’Klammer’ gehört (vgl. obd. Ebenso nndl. klein, ne. clean. – Mitzka, W. BGDSL 58 (1934), ÞSpengler zu ÞSpange). 312–323; Baader, Th. NJ 76 (1953), 38–43; Mitzka, W. FS Kranzmayer (1967), 3–10; Röhrich 2 (1992), 853f.; Heidermanns (1993), 332f.; EWNl 3 (2007), 72f.

kleinlich Adj std. (9. Jh.), mhd. kleinlich, ahd. Adv.

kleinlı¯hho. Zunächst mit der Bedeutung ’fein, zierlich usw.’, dann seit dem 16. Jh. als Charakterisierung eines Verhaltens ’am Kleinen hängend’. Kleinod Sn erw. obs. (12. Jh.), mhd. kleino¯t, kleinœte,

Þklimpern. – Kretschmer (1969), 282–284; LM 5 (1991), 1206.

klengen (auch klenken) Vsw ’Zapfen von Nadelbäumen

trocknen, damit die Samen ausfallen’ per. fach. (19. Jh.). Kausativum zu Þklingen, also ’klingen machen’ (nach dem Geräusch des Aufspringens). Klepper Sm ’geringes Pferd’ std. stil. (16. Jh.). Bezeugt,

zunächst ohne herabsetzende Bedeutung. Vermutlich kleinœde, mndd. kle¯node, kleinode, kleinade ’zierliRückbildung zu kleppe(r)n, klappern (ÞKlappe) nach che, wertvolle Sache’. Die Erhaltung des o¯ und der dem Geräusch des Hufschlags. Plural Kleinodien weisen auf den Einfluss der ml. Kleptomanie Sf ’zwanghafter Trieb zum Stehlen’ per. Form clenodium; die normale Lautentwicklung führt fach. (19. Jh.). Neubildung zu gr. kle´ptein ’stehlen’. zu Kleinet, Kleint, das mundartlich noch erhalten ist. Ebenso nndl. kleptomanie, ne. kleptomania, nfrz. kleptomanie, Ursprünglich eine Substantivbildung auf -o¯di (wie in nschw. kleptomani, nnorw. kleptomani. S. auch ÞManie. – ÞHeimat, ÞArmut, ÞZierat und umgebildet in Cottez (1980), 216; EWNl 3 (2007), 74. ÞEinöde) zu Þklein, und entsprechend zu dessen Bedeutungen in verschiedenartiger Verwendung: 1) im Klerus Sm ’Geistlichkeit’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus kirchen-l. cle¯rus, dieses aus gr. kle˜ros ’geistlicher Anschluss an klein ’zierlich’ bedeutet es ’zierliche, Stand’, eigentlich ’Los, Anteil’; eine Übertragung des kunstvolle Arbeit; Schmuck, Geschmeide, Schatz’, 3. Jhs. etwa nach Apostelgeschichte 1,17 (den Anteil an auch ’Geschenk’; hierzu ’Reichskleinodien’ und die diesem Amt, dieser Gemeinschaft). Adjektiv: klerikal; heutige Verwendung als ’Kostbarkeit’, meist im überZugehörigkeitsbildung: Kleriker. tragenen Sinn. 2) zu der heutigen Bedeutung von Ebenso nndl. clerus, ne. clergy, nfrz. clerge´, nschw. klerus, klein stellt sich ’Kleinigkeiten’ (besonders ’kleine nnorw. kleresi. – Siegert (1950), 125; DF 1 (1913), 347; LM 5 (1991), 1207–1211; EWNl 1 (2003), 448; 3 (2007), 74.

Kliff

499 Klette Sf std. (8. Jh.), mhd. klette, ahd. kletto m., kletta,

setzt sich zusammen aus hebr. kejli f. ’Gerät’ und as. kleddo m., kledda. Gehört zusammen mit einer hebr. semer ’Gesang’. Speziell wurden so die volkstümliche jiddische Instrumentalmusik und ihre VerReihe von morphologisch schwer zu beurteilenden treter bezeichnet. Varianten (vielleicht bloßen lautlichen Abwandlungen) zu dem unter ÞKlei dargestellten *klei- ’kleben’. klick Interj (klicken Vsw) std. (16. Jh.). Lautmalende BilDie Klette ist also nach ihren an Mensch und Tier dungen (vgl. auch ne. click und nhd. ÞKlicker). haftenden Blütenköpfen als ’Kleber’ oder ’die KlebEWNl 3 (2007), 77f. rige’ benannt. Vgl. etwa mndl. clisse, nndl. klis; dann Klick Sm ’Berühren eines Computerfelds mit Hilfe der ae. clite und ae. cla¯te. Durchsichtiger ist ahd. klı¯ba zu Maustaste um die dort eingestellte Aktion auszulöahd. -klı¯ban ’haften’ (Þkleben). Nach Lühr mit þþ sen’ erw. fach. (20. Jh.). Entsprechend klicken auf oder aus *þχ. anklicken für die entsprechende Aktion. Entlehnung S. auch Þklettern. – Teuchert (1944), 205f.; Lühr (1988), 255; der Bedeutungsspezialisierung aus den (im übrigen LM 5 (1991), 1211; Röhrich 2 (1992), 855; Lehrnbecher (1995), lautlich genau entsprechenden) englischen Wörtern. 176–180; EWNl 3 (2007), 80f.

klettern Vsw std. (15. Jh.). Neben klet(t)en, zu dem es

formal ein Frequentativum ist. Da außerdem auch klebern in der gleichen Bedeutung auftritt, liegt wohl die gleiche Grundlage wie in ÞKlette vor; das Klettern ist also als ein am Baum oder Fels ’Anhaften’ aufgefasst. Wörter dieser Bedeutung sind aber lautlich auffallend unfest. Vgl. etwa nndl. klauteren, ndd. klattern, mndd. klouwern u.a. – EWNl 3 (2007), 69.

Klettverschluss Sm ’lösbare und wieder verschließbare

Klicker Sm ’Murmel’ per. wmd. (16. Jh.). Entsprechend

nordd. Knicker, obd. Klucker. Varianten zu einem sicher lautmalenden Komplex, zu dem auch ÞKnäuel und ÞKlüngel gehören. Am besten bezeugt ist also *klu-, von dem die anderen Formen ausgegangen sein können; das -k- kann auf Teilreduplikation beruhen. Kretschmer (1969), 344–346.

klieben Vst ’spalten’ per. arch. obd. (9. Jh.), mhd. klie-

ben, ahd. klioban, as. kliobÐ an, mndd. kluven. Aus g. *kleub-a- Vst. ’spalten’, auch in anord. klju´fa, ae. cle¯ofan. Außergermanisch vergleicht sich unter ig. (eur.) *gleub h- ’spalten, trennen’ l. glu¯bere ’entrinden, schälen, ein Tier abdecken’ und gr. gly¯´pho¯ ’ich meißle aus, graviere’.

Verbindung, besonders bei Textilien’ erw. fach. (20. Jh.). Der Schweizer Ingenieur George de Mestral untersuchte, warum die Kletten so ausdauernd im Fell seiner Hunde hängen blieben und fand dabei Ebenso nndl. klieven, ne. cleave, nschw. klyva, nisl. klju´fa. Zur heraus, dass die Spitzen der Klettenhaare Haken hatgriechischen Verwandtschaft s. ÞGlyptothek; ÞKloben, ten, die auch bei gewaltsamem Lösen nicht brachen. ÞKlöben, ÞKluft 1, ÞKluppe, ÞKnoblauch. – Seebold (1970), Er entwickelte daraus ein Verfahren für die lösbare EWNl 3 (2007), 76f. 301f.; und wieder verwendbare Verbindung von Textilbändern, das er 1951 unter dem Namen Velcro patentieren Klient Sm erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. clie¯ns (-entließ (vel- aus velours, der Grundlage, und cro- aus frz. is) ’Schutzbefohlener’. Der Klient ist ursprünglich crochet ’Haken’ für den Mechanismus). Dabei wird eine landlose oder landarme Person, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Patron steht. Er ein Band mit Haken auf ein Band mit Ösen gelegt. gehört dessen Geschlechterverband an und hat beDas Verfahren setzte sich z.B. bei Schuhen so stark stimmte, genau festgelegte Rechte und Pflichten. durch, dass es praktisch zum Normalverschluss wurUnter anderem gehört dazu auch der Rechtsschutz de. In den meisten Sprachen wird das Verfahren nach durch den Patron; mit der Veränderung der Sozialdem Patentnamen Velcro genannt; nur im Deutschen ordnung und der Entwicklung anderer Formen der (Klett-), Niederländischen (klittenband) und SchweRechtsvertretung verändert sich die Bedeutung: dischen (kardborrband) wurde zur Bezeichnung auf das natürliche Vorbild zurückgegriffen. Meist dient ’unter dem Schutz eines Anwalts stehend’ − ’unter auch das tragende Band zur Bezeichnung, während dem Schutz eines Arztes stehend’, dann ’derjenige, im Deutschen die Funktion des Verschlusses im Vorder sich einem Anwalt, Arzt usw. anvertraut’. Im dergrund steht. Französischen ist der client noch weitergehend der ’Kunde’ allgemein (während im Englischen der Kletze Sf ’getrocknete Birne’ per. österr. (17. Jh.). Zu Kunde der patron sein kann). Kollektivum: Klientel. mhd. klœzen ’spalten’ (mhd. kloz-bire ’gedörrte Birne’), vgl. schwäb. ÞSchnitz für gedörrte Apfel- oder Birnenschnitze. Klezmer Sm ’Musikant (eines speziellen jiddischen

Ebenso nndl. clie¨nt, ne. client, nfrz. client, nschw. klient, nnorw. klient. Die Herkunft des lateinischen Wortes ist umstritten. – Erämetsä, E. NPhM 59 (1958), 36; Rouland, N.: Pouvoir politique (Bruxelles 1979), 19–22; Saller, R. P.: Personal Patronage (Cambridge 1982); DEO (1982), 218; LM 5 (1991), 1214 (zu Klientel); BlW 4 (1992), 107f.; EWNl 1 (2003), 448f.

Musiktyps)’ per. exot. (20. Jh.). Entlehnt aus hebr. klezmer (Pl. klezmorim) ’Musikinstrument’, dann auch ’Musikant’ (mit einer gängigen Bedeutungsver- Kliff Sn ’schroffer Felsen’ erw. ndd. (20. Jh., vereinzelt schiebung: die Instrumente kommen ist praktisch das 9. Jh.). Übernommen aus dem Niederdeutschen gleiche wie die Musikanten kommen). Das Wort selbst

Klima

500

(mndd. klif, as. klif ). Entsprechend anord. klif, ae. Klingelbeutel Sm ’Beutel für die Kollekte im Gottesclif, Herkunft unklar; nach Sausverde Substratwort. dienst’ erw. fach. (17. Jh.). Nach dem Glöckchen, das an dem Beutel hing, um auf ihn aufmerksam zu maVgl. ÞKlippe. – Sausverde (1996); EWNl 3 (2007), 77. chen. Klima Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus spl. clı¯ma (-atis), dieses aus gr. klı˜ma (eigentlich ’die Neigung’), zu gr. klingeln Vsw std. (8. Jh.), mhd. klingelen, ahd. klingilo¯n. Frequentativum zu Þklingen. Klingel f. ist eine Rückklı´nein ’neigen, beugen, lehnen’. So bezeichnet nach bildung des 17. Jhs. dem witterungsbestimmenden Faktor der geograRöhrich 2 (1992), 855; EWNl 3 (2007), 78. phischen Breite und der damit verbundenen mittleren Neigung des Sonnenstandes. Adjektiv: klimatisch. klingen Vst std. (8. Jh.), mhd. klingen, ahd. klingan, mndd. klingen, mndl. clingen. Führt wie afr. klinga auf Ebenso nndl. klimaat, ne. climate, nfrz. climat, nschw. klimat, nnorw. klima; Þakklimatisieren, ÞKlinik, Þdeklinieren. – DF 1 vd. *kleng-a- Vst. ’klingen’. Herkunft unklar; Laut(1913), 347f.; LM 5 (1991), 1214f.; EWNl 3 (2007), 78. malerei denkbar. Abstraktum: Klang; Präfigierungen: Þer-, Þver-; Partikelverben: an-, ab-. Klimakterium Sn ’Wechseljahre’ per. fach. (19. Jh.). Ebenso nndl. klinken. S. Þklengen und als Variante ÞKlinke. – Neubildung eines Abstraktums zu gr. klimakte¯´r, das Seebold (1970), 299f.; Lühr (1988), 125. eigentlich ’Leitersprosse’ bedeutet, dann aber auch im Sinn von ’kritischer Punkt im menschlichen Le- Klinik Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus l. clı¯nice¯ ’Heilkunst ben’ gebraucht wird (diese kritischen Punkte traten für bettlägerige Kranke, Krankenhaus’, dieses zu gr. nach astrologischer Auffassung alle 7 Jahre ein, so klı´ne¯ ’Bett, Bahre, Krankenlager’, zu gr. klı´nein ’neigen, beugen, lehnen’. Im Deutschen zunächst dass es sich tatsächlich um eine Entwicklung von auch verwendet in der Bedeutung ’Einrichtung zur Sprosse zu Sprosse handelte). Das griechische Wort ist eine Ableitung zu gr. klı˜max (ÞKlimax). Unterweisung in Heilkunde’. Ebenso nndl. climacterium, ne. climacteric (period), nschw. klimakterium, nnorw. klimakterium.

Ebenso nndl. kliniek, ne. clinic, nfrz. clinique, nschw. klinik, nnorw. klinik; ÞKlima. – DF 1 (1913), 348; EWNl 3 (2007), 78f.

Klimax Sf ’Höhepunkt’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus Klinke Sf std. (14. Jh.), mhd. klinke, mndl. klinke. Zu

l. clı¯max, dieses aus gr. klı˜max (eigentlich ’Leiter’), zu gr. klı´nein ’neigen, anlehnen’. Ebenso nndl. climax, ne. climax, nfrz. climax, nschw. klimax, nnorw. klimaks; Þdeklinieren. – EWNl 1 (2003), 449.

Klimbim Smn ’nutzloses Zeug’ erw. stil. (19. Jh.). Von

Berlin ausgegangen; ursprünglich Bezeichnung für anspruchslose (Blech)Musik und damit lautmalend. klimmen Vst erw. obs. (9. Jh.), mhd. klimmen, ahd.

klimban. Aus g. *klemb-a- ’klimmen’, auch in ae. climban, wfr. klimme. Da zu *kleib-a- ’kleben, haften’ auch anord. klı´fa ’klimmen, klettern’ gehört, ist *klemb-a- ’klimmen’ wohl ursprünglich ein Nasalpräsens zu diesem (also *kli-m-b-) mit Ablautentgleisung. Die Bedeutung ’klimmen’ kann von ’haften’ ausgehen (vgl. Þklettern), aber auch von ’sich zusammenziehen’, wozu die ablautenden Formen (s. unter Þklemmen) besser passen. Ebenso nndl. klimmen, ne. climb; Þkleiben, ÞKlumpen. – EWNl 3 (2007), 78.

klimpern Vsw std. stil. (17. Jh.). Lautnachahmung, die

vielleicht von klempern ’Blech bearbeiten’ (ÞKlempner) ausgegangen ist. Lühr (1988), 127.

Klinge1 Sf ’Schwertklinge’ std. (13. Jh.), mhd. klinge.

Offenbar zu Þklingen gebildet nach dem Klang des auf Helm oder Panzer treffenden Schwertes. Röhrich 2 (1992), 855.

Klinge2 Sf ’Gießbach, Talschlucht’ per. arch. (8. Jh.),

mhd. klinge, ahd. klingo m., klinga. Herkunft unklar; Anschluss an Þklingen nicht sehr wahrscheinlich.

einem Verb (g.) **kleng-a- ’festsitzen, gepackt sein’, das (wohl in der Gemination) eine Lautvariante (g.) *klenk- hat, wie auch neben klingen weithin (z.B. nndl.) klinken steht. Im Deutschen ist sonst nur ein Kausativ vorhanden: ahd. giklenken ’die Hände zusammenschlagen, die Zähne zusammenbeißen’, in’(die Schuhriemen) auflösen’, ae. beclencan ’(mit Fußfesseln) festmachen’; dazu nndl. klinken ’nieten’ (mndd. klinken, mndl. klinken ’festsitzen’); die Variante in ne. cling ’umklammern’. Die Sippe gehört weiter zu der Sippe von Þklimmen, deren Ausgangsbedeutung ’sich zusammenziehen’ eine häufige Entwicklung zu ’die Klauen zusammenziehen, packen’ hat. Formal könnte genau entsprechen lit. glem ˜ ˇzti ’raffen’, so dass von ig. (oeur.) *glem-g´ h- auszugehen wäre (doch stehen die Bedeutungen der litauischen Sippe denen der germanischen nicht nahe). Ausgangsbedeutung für Klinke ist also ’Packende, Festsetzende’. Verb: klinken. Kretschmer (1969), 289–291; Lühr (1988), 125; Röhrich 2 (1992), 855f.; EWNl 3 (2007), 79.

Klinker Sm ’hart gebrannter Ziegelstein’ per. fach.

(18. Jh.). Mit der Sache aus dem Niederländischen übernommen (nndl. klinker[t]). Abgeleitet von klinken ’klingen’ nach dem hellen Ton, den dieser Stein von sich gibt, wenn er angeschlagen wird. Ebenso nndl. klinker, ne. clinker, nfrz. clinker, nschw. klinker. – EWNl 3 (2007), 80.

Klinse (auch Klinze) Sf ’feiner Spalt’ per. reg. (13. Jh.),

mhd. klimpse. Neben mhd. klumse, klunse. Vermutlich mit einem s-Suffix zu Þklemmen und ÞKlamm. Bischoff, K. FS Cordes (1976), 20–41.

Kloben

501 klipp (nur in der Formel klipp und klar) Adj erw. phras.

zwi. (18. Jh.). Übernommen aus ndd. klipp und klaar, wobei klipp ’passend’ zu dem Schallwort Þklippen gehört wie nhd. klappen (ÞKlappe), das vor allem ’passen, gelingen’ bedeutet. Röhrich 2 (1992), 856.

Klipp Sm ’Ohrgehänge’ ÞClip. Klipp- LAff Vorderglied in einer Reihe von abschätzi-

gen Ausdrücken wie Klippschule, Klippkram, Klippschenke u.a. per. reg. (16. Jh.). Zuerst bezeugt ist klipschole im 16. Jh. für eine nicht konzessionierte Schule. Vermutlich zu (ndd.) Þklippen ’hell tönen’ und zunächst für Kleinkram aus Metall u.ä. verwendet. Nyström (1915), 52f.

Klippe Sf erw. ndd. (14. Jh.), mhd. klippe, kliffe, mndl.

clippe. Entlehnt aus mndl. clippe. Herkunft unklar. Ebenso nndl. klip, nschw. klippa, nnorw. klippe. Vgl. ÞKliff . – EWNl 3 (2007), 80.

klippen Vsw ’hell tönen’ per. ndd. (16. Jh.). Lautmalend

wie klappen (ÞKlappe). Klipper (auch Clipper) Sm per. fach. (20. Jh.). Heute vor

lehnt aus l. clyste¯rium (eigentlich ’Reinigung, Spülung’), dieses aus gr. klyste¯´rion, einer Ableitung von gr. kly´zein ’spülen, reinigen’. Ebenso nndl. klisteer, ne. clyster, nfrz. clyste`re, ndn. klyster, nnorw. klyster. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þlauter. – Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 188; LM 5 (1991), 1216f.; EWNl 3 (2007), 87.

Klitoris Sf ’Kitzler’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus gr.

kleitorı´s (eigentlich ’kleiner Hügel’, das Grundwort ist aber nicht bezeugt), zunächst fachsprachlich, modern dringt das Wort unter dem Einfluss des Englischen auch in die Umgangssprache ein. Ebenso nndl. clitoris, ne. clitoris, nfrz. clitoris, nschw. klitoris. – Lowry, Th. P., Lowry, Th. S.: The Clitoris (St. Louis 1976), 163–182; EWNl 1 (2003), 449.

klitsch Interj (für ein helles, klatschendes Geräusch,

meist durch etwas Nasses verursacht, im Gegensatz zu klatsch für ein dunkles solches Geräusch) erw. stil. (18. Jh.). Hierzu klitschen ’mit der flachen Hand schlagen, mit hellem Ton aufschlagen’ seit dem 16. Jh., in der Bedeutung ’hinklatschen (von einer schmierigen Masse)’ schon im 15. Jh. in der Form (be)klitzen; klitschig ’klebrig, nicht durchgebacken’. Lautmalend, wobei kl- für diese Art von Bedeutung häufiger ist (Þkleben, ÞKlei). Der Auslaut geht vielleicht auf eine -itjan-Bildung zurück.

allem ’großes Verkehrsflugzeug’ und in dieser Bedeutung nach englischem Vorbild übertragen aus ne. clipper ’schnelles Schiff’; auch in dieser früheren Bedeutung entlehnt aus dem Englischen, wo es als Klitsche Sf ’armseliger Betrieb’ u.ä. per. reg. (19. Jh.). Nomen Agentis zu clip ’schneiden, scheren’ (auch Da das Wort vor allem ostmitteldeutsch ist, kann es von scharfen Schlägen gesagt) gebildet ist. Ausgangsaus poln. klec´ ’armseliges Haus’ entlehnt sein; es kann bedeutung etwa ’schnittiges (Pferd, Schiff, Flugaber auch zu Þklitsch gehören (vgl. etwa die Bedeuzeug)’. tung von ÞSchmiere 2). Ebenso nndl. klipper, ne. clipper, nfrz. clipper, nschw. klipper, ÞKlischee. – Eichler (1965), 63f. nnorw. klipper. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 149; Carstensen 1 (1993), 257. klittern Vsw ’schmieren, klecksen’ per. reg. (16. Jh.).

Wie klater (Þklat(e)rig) lautmalend für das klatschende Geräusch beim Auftreffen von dickflüssigen Entlehnt aus nndl. klipvis. Angeblich weil dieser Fisch Massen. Klitterbuch (16. Jh.) entspricht ÞKladde. auf Klippen getrocknet wurde, doch ist dies kaum das ursprüngliche Benennungsmotiv. Vgl. ne. kipper − ist klitzeklein Adj erw. stil. (20. Jh.). Lautsymbolische Vervon ’aufklappen’ auszugehen? stärkung von Þklein, bei der wohl klein und Þwinzig beteiligt sind. Ähnliche Ausdrücke für ’klein’ sind Ebenso ne. klipfish, nschw. klippfisk, nnorw. klippfisk. Klitter-, Klapper- u.ä. klirren Vsw std. (17. Jh.). Lautmalend. Klippfisch Sm ’getrockneter Dorsch’ per. fach. (16. Jh.).

Klischee Sn ’Bildstock, Druckstock’; ’Abgegriffe-

DWB V, 1101 (zu ähnlichen Verstärkungen, klitzeklein wird für das Niederrheinische angegeben).

nes’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. cliche´ m., Kloake Sf ’Abwasserkanal, unsauberer Ort’ erw. fach. dem substantivierten PPrät. von frz. clicher ’nach(16. Jh.). Entlehnt aus l. cloa¯ca (clua¯ca), einer Ableibilden’, (eigentlich: ’einen Abklatsch herstellen’), dietung von l. clue¯re ’reinigen’. Wörtlich demnach der ses ist lautnachahmend, vielleicht unter dem Einfluss ’reinigende Kanal’; die übertragene Bedeutung von nhd. Klitsch ’breiige Masse’. Vom ’Abklatsch’ zu’unsauberer Ort’ dann, da ein solcher Kanal naturnächst zu ’Model für den Druck’, und da diese gemäß Unrat führt. Druckstöcke aufbewahrt und später (ohne VerändeEbenso nndl. cloaca, ne. cloaca, nfrz. cloaque, nschw. kloak, rung) wieder benützt werden konnten, Übertragung nnorw. kloakk. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þlauter. auf ’Abgegriffenes’. Kloben Sm std. (11. Jh.), mhd. klobe ’gespaltener Stock Ebenso nndl. cliche´, ne. cliche´, nfrz. cliche´, nschw. kliche´, zum Festhalten, Fessel’, ahd. klobo, as. fugalklobo nnorw. klisje. – EWNl 1 (2003), 448. ’gespaltenes Holz zum Vogelfang’, as. klobo ’FußfesKlistier Sn ’Einführen von Flüssigkeit in den Dickdarm sel’. Aus g. *klubo¯n m. ’Spalte’, auch in anord. klofi zur Darmreinigung usw.’ erw. fach. (14. Jh.), mhd. ’Felsspalte, Türfuge’, afr. klova ’Kluft’; Substantivbilklister. Im Mittelhochdeutschen (mhd. klister) entdung zu Þklieben ’spalten’. Adjektiv: klobig. LM 5 (1991), 1217.

Klöben

502

Klöben Sm ’Kuchen mit Rosinen’ per. ndd. (20. Jh.). Zu

klof ’Spalte’ gebildet (weil dieser Kuchen zusammengeklappt wird, so dass er auf halber Höhe eine Spalte hat). Also ’der eine Spalte hat’. Weiter zu Þklieben ’spalten’. Klon Sm ’erbgleiche Nachkommen, Nachbau’ per. fach.

(20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. clon(e), das seinerseits aus gr. klo¯´n ’Sprössling, Zweig’ übernommen ist. Verb: klonen. Ebenso nndl. kloon, ne. clon(e), nfrz. clone, nschw. klon, nnorw. klon. – Carstensen 2 (1994), 779f.

klönen Vsw ’reden’ per. ndd. (18. Jh.). Herkunft unklar. Kloot Sm ’Kugel, Ball’ per. ndd. (20. Jh.). Häufiger ist

der Plural ÞKlöten ’Hoden’. Entsprechung zu hochdeutschem ÞKloß. Klöpfelsnächte Spl ’die drei letzten Donnerstage vor

Weihnachten’ per. obd. (15. Jh.). An diesen Tagen klopften die armen Leute und Kinder mit einem Klöpfel ’Hämmerchen’ an die Türen und heischten Gaben. Deshalb auch im 15. Jh. Klopfan für ’Neujahrsspruch’. Zu Þklopfen. klopfen Vsw std. (9. Jh.), mhd. klopfen, ahd. klopfo¯n,

ser). In Deutschland werden diese Neuerungen zunächst als zu kostspieliger technischer Aufwand angesehen; doch setzen sie sich langsam durch. Die Bezeichnung ist zunächst Wasserclosett (nach englischem Vorbild auch abgekürzt als WC), dann Wegfall des Bestimmungsworts und häufige Kürzung zu Klo. Die Endbetonung von Klosett basiert auf einer Französisierung (frz. closet ’abgeschlossener Raum’ ist Grundlage des englischen Wortes). Ebenso nndl. closet, nfrz. clos, nschw. klosett, nnorw. klosett. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. claudere ’schließen’ s. ÞKlausur. – DF 1 (1913), 348; Ganz (1957), 114f.; Frey, M.: Der reinliche Bürger (Göttingen 1997), 199–201 u.ö.; Horan, J.: Sitting Pretty (London 1999); EWNl 1 (2003), 449.

Kloß Sm std. (12. Jh.), mhd. klo¯z m./n., ahd. klo¯z, mndd.

klo¯t, mndl. cloot ’Klumpen usw.’. Aus vd. *klauta-, das eine Entsprechung in russ. glu´da ’Klumpen’ haben kann. Im weiteren zu den Wörtern für ’Klumpen, Knäuel, Kugel usw.’, die (ig.) *gleu- voraussetzen und zu denen auch ÞKlotz, ÞKnäuel und vielleicht ÞKlüngel gehören. Ebenso nndl. kloot, ne. cleat; ÞKloot, ÞKlöten, ÞKlut, ÞKugel. – Florin, G.: Die Verbreitung einiger Mehlspeisen und Gebäcknamen im deutschen Sprachgebiet (Gießen 1922); Röhrich 2 (1992), 856; EWNl 3 (2007), 83f.

mndd. kloppen, mndl. cloppen. Lautmalendes Wort, entsprechend zu klappen (ÞKlappe), Þklippen und Kloster Sn std. (10. Jh.), mhd. klo¯ster, ahd. klo¯star, ahd. klocko¯n, klohho¯n, mhd. klocken. Zur niederdeutmndd. klo¯ster-, mndl. clooster. Wie afr. kla¯ster früh schen Form gehört Kloppe ’Schläge’. entlehnt aus früh-rom. *clo¯strum ’das AbgeschlosseEbenso nndl. kloppen; Þbekloppt, Þklöppeln, ÞKlops, ne’ (l. claustrum, zu l. claudere ’schließen’); ne. cloister ÞKnüppel. – Haas, O. Sprache 4 (1958), 101f. (anders); EWNl 3 setzt eine Variante *clostrium voraus, die dem afrz. (2007), 84. cloistre entspricht. Adjektiv: klösterlich. klöppeln Vsw per. fach. (16. Jh.). Aufgekommen im ErzEbenso nndl. klooster, ne. cloister, nfrz. cloıˆtre, nschw. kloster, nnorw. kloster, nisl. klaustur; ÞKlausur. – LM 5 (1991), gebirge für die neue Kunst des Spitzenwebens. Die 1218–1223; RGA 17 (2001), 21–28; EWNl 3 (2007), 82f. dabei verwendeten Endstücke haben die Form von Glockenschwengeln (Klöppeln, zu Þklopfen), was der Klöten Spl ’Hoden’ per. vulg. reg. (19. Jh.). Zu ndd. klo¯t Technik den Namen gibt. Die hochdeutsche Ent’Hode’, eigentlich ÞKloot ’Kloß’. sprechung klöpfeln hat sich nicht durchgesetzt. Klotz Sm std. (8. Jh.), mhd. kloz m./n., ahd. kloz. VerEWNl 3 (2007), 73f. gleichbar mit ae. clott. Entsprechung zu ÞKloß mit kloppen Vsw Þklopfen. emphatischer Verstärkung des Auslauts und dadurch bedingter Vokalkürzung (falls älter, kommt auch eine Klops Sm erw. ondd. (18. Jh.). In Ostpreußen aufgeSchwundstufe in Frage). Adjektiv: klotzig. kommen, gehört vermutlich zu nschw. kalops, ne. colRöhrich 2 (1992), 857. lop ’gebratene Fleischscheibe’ unklarer Herkunft. Da mit Klops ursprünglich auch ein dünner, mürbe ge- klotzen Vsw ’im großen Stil ausgeben’ erw. stil. klopfter Braten gemeint sein konnte, ist auch eine (20. Jh.). Herkunft im einzelnen unklar; wohl zu älAbleitung aus kloppen (Þklopfen) nicht ausgeschlosterem (studentischem und vulgärem) klotzen sen. ’schwere Bußen zahlen müssen’ (von ÞKlotz als umFoerste, W. NW 5 (1965), 110–112. gangssprachlicher Ausdruck für ’großes Geldstück’?). Klosett Sn erw. obs. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. waterKlub Sm erw. exot. ass. (18. Jh.). Als eines der ersten closet, eigentlich ’abgeschlossener Raum mit Wasser’. Gesellschaftswörter Englands entlehnt aus ne. club, In England gab es Toiletten mit Wasserspülung schon der Bezeichnung für eine geschlossene (Männer-)Geseit dem Ende des 16. Jhs., während anderenorts diesellschaft. Mit der Nachahmung solcher Gesellschafser schon römische Brauch aufgegeben worden war. ten nach Norddeutschland übernommen, während Der Geruchabschluss durch den Siphon ebenfalls aus im Süden (mit etwas anderen Voraussetzungen) England im 18. Jh., die Bezeichnung als water-closet ÞKasino üblich war (etwa: Offizierskasino). Mit etwas schon etwas früher (in der Patentschrift water-closed, anderer Bedeutung wird das Wort auch von der frangemeint war dabei der Geruchsabschluss durch Waszösischen Entlehnung (le club) beeinflusst, mit der eher politische Vereinigungen bezeichnet werden.

503 Ebenso nndl. club, nfrz. club, nschw. klubb, nisl. klu´bbur. Das englische Wort bedeutet eigentlich ’Keule’ (me. clubbe aus anord. klubba f.); der Zusammenhang ist umstritten (vielleicht zurückgehend auf die Sitte, Ladungen zu geschlossenen Vereinigungen durch Herumsenden eines Kerbstockes, der gegebenenfalls auch eine Keule sein konnte, vorzunehmen. Oder ’zu einer Keule formen’ und dann ’Zusammengedrücktes, Haufen’ und schließlich ’Verein’?). – DF 1 (1913), 349; Stiven (1936), 33, 37; Ganz (1957), 114f.; Brink-Wehrli (1958), 36–38; Rey-Debove/Gagnon (1988), 152–154; Carstensen 1 (1993), 260f.; EWNl 1 (2003), 450.

Klucke Sf ÞGlucke. Kluft1 Sf ’Spalt’ erw. fach. (9. Jh.), mhd. kluft, ahd. kluft,

Kluppe das aus *klo¯kka- vereinfacht sein könnte. Die Geminate legt sich nahe durch den Vergleich mit air. glicc ’erfahren, einfallsreich, schlau’, das allerdings nur (ig.) *glkk- oder *glgg- gegenüber *glo¯gg- für das Ger˙ voraussetzt. ˙ Semantisch könnte weiter an manische gr. glo¯chı´s ’Spitze’ (gr. glo˜ches ’Ähren’, gr. glo˜ssa ’Zunge’, eigentlich ’Zungenspitze’, neben gr. gla´ssa) angeknüpft werden, vgl. l. acu¯tus ’schlau, scharfsinnig’, eigentlich ’geschärft, gespitzt’; aber die lautlichen Zusammenhänge sind unregelmäßig. Die Frage der Herkunft muss deshalb offen bleiben. Abstraktum: Klugheit. Ebenso nndl. kloek. – Trier, J. ZD 46 (1932), 625–635; Scheid-

kluht, mndd. kluft, mndd. auch klucht. Aus wg. *klufweiler, F. ZDA 78 (1941), 184–233; Piirainen, E.: Germ. ti- f. ’Spalt’, auch in ae. geclyft, einem ti-Abstraktum ’*fro¯dÑ-’ und germ. ’*klo¯k-’ (Helsinki 1971; anders); Heiderzu dem unter Þklieben behandelten starken Verb. Altmanns (1993), 336; EWNl 3 (2007), 81. hochdeutsch bedeutet das gleiche Wort auch Klumpatsch Sm ’Zeug’ erw. vulg. (20. Jh.). Wohl zu’Zange’, afr. kleft(e) ist ’Unterabteilung eines Gesammengezogen aus ÞKlumpen und ÞQuatsch. Aufschlechts’ (ähnlich auch im Niederländischen), alle fällig ist die lautliche Nähe zu Gelump (schwäb. ausgehend von der Bedeutung ’spalten’; ebenso Glump), das einer ähnlichen Stilhöhe angehört. Kluft(deichsel) nach dem gespaltenen Ansatzstück (s. auch ÞKluppe). Die im Mittelhochdeutschen bezeug- Klumpen (auch Klumpe und nordd. Klump) Sm std. (16. Jh.). Ursprünglich nur niederdeutsch, erst in te Bedeutung ’Gruft’ beruht wohl auf Einmischung neuerer Zeit auch hochdeutsch üblich. Vgl. mndd. von ÞGruft und ÞKrypta. Präfixableitung: zerklüftet. klump(e) (auch ’Holzschuh’), mndl. clompe (nndl. Ebenso ne. cleft. – EWNl 3 (2007), 84f. klomp). Lautsymbolisches Wort, das von der Sippe Kluft2 Sf ’für eine Gruppe einheitliche Kleidung’ erw. von Þklimmen ausgegangen sein kann. Adjektiv: stil. (18. Jh.). In der Studentensprache aufgekommen; klumpig; Verb: klumpen. in diese gelangt es aus dem Rotwelschen, wo seit dem Röhrich 2 (1992), 857; EWNl 3 (2007), 82. 17. Jh. Kluft, Klifft ’Kleidung, Anzug’ bezeugt ist. Klüngel Sm ’Knäuel’, übertragen auf den ’gesellschaftDie Beleglage für das Wort ist aber kompliziert. Ällichen Filz’ (zuerst besonders in Köln gebräuchteste Belege: Basler Rotwelsch-Quellen des 15. Jhs.: lich) per. wmd. (12. Jh.), mhd. klüngelı¯n, ahd. klungidas man klabot gebe, daz heissent sy cleider (um 1450), lı¯n. Diminutiv zu ahd. klunga f. (neben dem auch ein var. klawat 1479; ein klabot sint kleider 1450; Liber Maskulinum möglich war). Entsprechend anord. Vagatorum 1510: zu einem claffot; vocabularius: klungr ’Hagebutte’. Die Wörter können zurückgeclaffot . cleidt, claffotvetzer . schnider. Nach Den Besten führt werden auf eine Entsprechung zu ae. clingan ist von *kla¯wot auszugehen, das in den ältesten Be’sich zusammenziehen, schrumpeln’ (ahd. selten legen den Vokal gekürzt hat, im rheinländischen Jidklingan ’sich kräuseln’). Da dieses Wort aber nicht dischen zu klaft, im donauländischen Jiddischen zu weiter vergleichbar ist und andererseits eine Grundkluft (kloft, klift) wurde. Das Wort hätte also 4 Konlage *kleu-, voreinzelsprachl. *gleu-, häufiger in Wörsonanten, was bei einem hebräischen Wort nur unter tern dieser Bedeutung auftritt (s. ÞKnäuel und besonderen Bedingungen möglich ist. Er vermutet ÞKloß), wäre *kleug- mit Nasalierung denkbar, aus deshalb eine Wortgruppe, deren erster Teil hebr. k¡lı¯ dem dann erst das starke Verb *kleng-a- ’sich zusam`’Instrument, Werkzeug’, aber auch ’Kleidung, Gemenziehen’ entwickelt worden wäre. wand’ sein könnte, der zweite eine Form der Basis ÞKloß. ʕBD ’arbeiten, dienen’, insgesamt also ’Arbeitskleidung’ (aber eine solche Folge ist als Terminus nicht Klunker Smf ’Quaste, Metallgehänge’ erw. stil. (18. Jh.). Erst neuhochdeutsch, vgl. aber mhd. klungeler f. bezeugt). Sicher ist also nur, dass das Wort aus dem ’Troddel’, mhd. glunke f. ’baumelnde Locke’, mhd. Rotwelschen, und letztlich aus dem Jiddischen glunkern ’baumeln, schlenkern’. Die Bedeutungen stammt; aber der Ausgangspunkt bleibt unklar und ’Quaste, Gehänge usw.’ gehen wohl wie Þbaumeln umstritten. auf ein Lautbild für das Anschlagen hängender GeLittmann (1924), 57; Weissbrodt, E. ZDPh 64 (1939), 305; Lokotsch (1975), 92; Wolf (1985), 172; Röhrich 2 (1992), 857; genstände zurück, das zu klinken (ÞKlinker), einer Den Besten, H. ZGL 36 (2008), 109–121. Variante zu Þklingen, gehört. klug Adj std. (12. Jh.), mhd. kluoc. Übernommen aus Kluppe Sf ’Klammer, Zange’ per. fach. (11. Jh.), mhd. mndd. klo¯k, mndl. cloec im 12. Jh. (mit inlautendem g, kluppe, ahd. klubba. Letztlich zu Þklieben ’spalten’ da das Hochdeutsche zu dieser Zeit kein intervokazunächst vom Einklemmen in nur teilweise gespallisches k mehr besaß). Vorauszusetzen ist (g.) *klo¯ka-, tenes Holz. Die Herkunft der Geminate wohl aus der Assimilation des n-Formans von ÞKloben.

Klus

504 Lühr (1988), 295; Seebold, E. ADA 100 (1989), 153f. (ohne das Beispiel selbst).

Klus Sf ’Engpass’ per. schwz. (13. Jh.), mhd. klus(e),

Knäckebrot Sn std. (20. Jh.). Entlehnt aus nschw. knä-

ckebröd ’Knackbrot’ nach dem knackenden Geräusch beim Brechen oder Abbeißen.

mndl. klu¯se. Späte Entlehnung aus ml. clusa, Variante Ebenso nndl. knäckebröd, nschw. knäckebröd, nnorw. knekkebrød. zu l. clausa ’Abgeschlossenes’ (ÞKlause). Die Bedeutung ’Engpass’ bereits im lateinischen Wort. knacken Vsw std. (15. Jh.), fnhd. knacken, mndd. knaEbenso nfrz. cluse ken. Entsprechend als Substantive me. cnak, ne. knack, nisl. knakkr, nhd. Knack m. ’Bruch, Krach’. Mit Klüse Sf ’Öffnung für die Ankerkette’ per. fach. Lautabwandlung mhd. knochen, ae. cnocian, ne. (17. Jh.). Übernommen aus nndl. kluis ’enge Öffknock, anord. knoka. Lautmalende Bildungen wie das nung’, mndl. klu¯se, das entlehnt ist aus ml. clusa ähnliche knicken, das aber leichter Anschluss findet. ’Abgeschlossenes’ (ÞKlus, ÞKlause). Gemeint war Vielleicht liegt deshalb eine Abwandlung von mit dem Wort zunächst der abgesonderte Raum und Þknicken vor. erst durch Metonymie die Öffnung, die zu ihm führt. Ebenso nndl. kluisgat, nschw. klys, nnorw. klyss.

Klut (auch Klüten) Sm ’Klumpen, Kloß’ per. ndd.

ÞKnochen, Þk.o., ÞNu, ÞNacken. – Sommer (1977), 11–13; EWNl 3 (2007), 88.

(20. Jh.), mndd. klu¯t(e). Lautvariante zu ÞKlöten und Knacker Sm (meist alter Knacker ’alter Mann, Geizhals’) erw. stil. phras. (20. Jh.). Benennungsmotiv unÞKloß, ÞKloot. klar. Vielleicht ’bei dem man die Knochen knacken Klüver Sm ’dreieckiges Segel’ per. fach. (18. Jh.). Aus hört’, also eine vulgäre Bezeichnung im Sinne von älterem nndl. kluiver, das zu nndl. kluif ’Klaue’ ge’Skelett’. hört (so heißt auch der Leitring, an dem das Segel Vgl. ÞKracke. fährt). Also ’das mit dem Leitring Versehene’ (o.ä.). Ebenso nndl. kluiver, nschw. klyvare, nnorw. klyver, nisl. kly´fir. Knacki Sm ’Gefängnisinsasse’ per. grupp. (20. Jh.). Rotwelsch nach Þknacken ’verhaften’ (vulgär nach Läuse knabbern Vsw std. stil. (18. Jh.). Ursprünglich niederknacken = ’zerquetschen, knacken machen’). deutsch, wo knabbeln danebensteht. Lautmalendes Wort wie knappern, knuppern u.ä. (vgl. auch nschw. knacks Interj (Knacks m.) std. (18. Jh.). Lautmalende Bildung zu Þknacken. Verb: knacksen. knapra, nnorw. knupra u.ä.). Vielleicht ursprünglich Þverknacken. ’Knospen abweiden’ zu ÞKnopf und ähnlichen Wörtern mit der Bedeutung ’Knospe’; doch sind in die- Knackwurst Sf ’Wurst, deren Haut beim Hineinbeißen sem Fall expressive Lautveränderungen anzunehknackt’ erw. reg. (16. Jh.). Zuerst in Nürnberg bemen. zeugt. Þknaupeln, Þknuspern. – Trier (1964), 14f.; EWNl 3 (2007), 87f.

Knabe Sm std. (12. Jh.), mhd. knabe, spahd. knabo

Knagge Sf (auch Knaggen m.) ’Holzverstärkung, Win-

kelstück’ per. fach. (18. Jh.). Zu mndd. knagge ’Knorren, Pflock’, entsprechend me. knagge. Vielleicht Parallelbildung zu den unter ÞKnebel behandelten Wörtern.

’Knabe, Bursche, Diener’. Aus wg. *knabo¯n m. ’Knabe’, auch in ae. cnafa. Daneben steht (wohl mit Assimilation des Formans des n-Stammes) ÞKnappe, Knäkente Sf (eine Entenart) per. fach. (19. Jh.). Wohl mhd. knappe, ahd. knappo ursprünglich mit gleicher lautmalend nach dem Ruf des Männchens. Bedeutung, dann spezialisiert einerseits auf ’EdelKnall Sm std. (16. Jh.). Rückbildung aus mhd. (er-, ver-) knabe’, andererseits auf ’Bergknappe’ (seit dem knellen Vst. ’knallen’; vgl. ae. cnyll ’Glockenschlag’ 14. Jh.), ae. cnapa, andfrk. knapo. Wegen der nicht (u.ä.). Keine klare Herkunftsmöglichkeit, vermutlich ganz durchsichtigen Lautverhältnisse wird teilweise lautmalend. Knall und Fall ’plötzlich’ bezieht sich urein Substratwort angesetzt. Denkbar ist auch ein sprünglich auf Jagd und Krieg: Mit dem Schuss fällt Rückgriff auf lautlich entsprechende mundartliche der Getroffene. Knalleffekt ist der bei Feuerwerk und Wörter, die zu ÞKnebel gehören und eine entspreVorführung mit einem Knall begleitete Überrachende Bedeutung haben. In diesem Fall würde (wie schungseffekt. Dann übertragen auf andere Bereiche, bei ÞStift 1, ÞBengel u.a.) eine Bezeichnung nach dem zunächst auf die Malerei. Das Wort Knall wird auch Geschlechtsglied vorliegen. Vgl. das einmal in einer auf Farbeindrücke übertragen, daher knallrot u.ä. Variante belegte anord. knafa ’Knabenliebe ausüben’. Einen Knall haben für ’verrückt sein’ ist von Berlin Ähnlich Knabenkraut nach den hodenförmigen Wurausgegangen und meint wohl zunächst den Sprung in zelknollen. einer Scheibe (die mit einem Knall zerbrochen ist). Ebenso nndl. knaap, ne. knave. – Müller, E. E. Jahrbuch 1968 Verb: knallen; Adjektiv: knallig. (1969), 129–146; Lühr (1988), 274f. (zu Knappe); LM 5 (1991), 1232f.; Sauerhoff (2001), 155f. (Knabenkraut); Kochskämper (1999), 207–211; EWNl 3 (2007), 87.

ÞKnüller, Þverknallt. – Röhrich 2 (1992), 857; EWNl 3 (2007), 88.

Knebel

505 Knan (Knän) Sm ’Vater’ per. arch. wmd. (12. Jh.). Be-

kannt vor allem durch Grimmelshausen. Aus mhd. g(e)nanne, genam(n)e ’Gleichnamiger’ wie entsprechend anord. nafni (bei dem die Vorsilbe ga- ausgefallen ist); vor allem als Anrede an den Vater und Großvater gebraucht. knapp Adj std. (16. Jh.). Übernommen aus dem Nie-

derdeutschen. Die weitere Herkunft ist unklar. Man vermutet *ge-hnapp zu anord. hneppr ’eng’; aber das nordische Wort hat auch regionale Varianten mit dem Anlaut kn-, so dass dieser unter Umständen alt ist. Vielleicht zu den Wörtern für ’zusammendrücken’, die einen Anlaut kn- aufweisen (Þkneipen, Þknapsen). Heidermanns (1993), 337; EWNl 3 (2007), 88.

Knappe Sm ÞKnabe. knappen Vsw ’schnappen, essen (auch anderes)’ per.

reg. (16. Jh.). Übernommen aus dem Niederländischen. Ursprünglich wohl eine Lautgebärde. Hierzu Knappsack ’Vorratsbeutel’ (16. Jh.). Ebenso ne. knap.

knapsen Vsw ’wegschneiden’ erw. stil. (18. Jh.). Laut-

malend wie Þknipsen. Die Bedeutung ’sparen, knausern’ steht unter dem Einfluss von Þknapp (mit der Vorstellung, dass man sich das Nötige abschneidet). Vgl. ÞKnicker, Þknipsen.

knarren Vsw std. (14. Jh.), mhd. knarren, gnarren. Laut-

Ausgangspunkt hinweisen. Ursprünglich ist wohl der Laut gemeint, der beim Zerdrücken oder Zertreten von etwas Weichem entsteht; damit zum weiteren Umfeld von Þknutschen. knattern Vsw std. (17. Jh.). Etwas früher Geknetter.

Lautnachahmend wie Þknittern. EWNl 3 (2007), 89.

Knäuel Smn std. (11. Jh., Form 14. Jh.), spmhd. kniuwel

m. Dissimiliert aus kliuwelı¯n n., ahd. kliuwilı¯(n) n., kliuwil n., Diminutiv zu ahd. kliuwa f. u.ä. ’Kugel, Knäuel’ (8. Jh.). Daneben as. kliuwin m. ’Klumpen, Bissen’, ae. cleowen m., cliwen m. mit (wohl ebenfalls diminutivem) n-Suffix, das im Deutschen ebenfalls -el ergeben konnte, so dass die genaue Vorform unklar ist. Auf jeden Fall zu einer Grundlage (g.) *kleu-, (ig.) *gleu-, die etwa auch in mir. glo´, glau ’Ball’, gr. glouto´s m. ’Hinterbacken’, ai. gla´u- m. ’Klumpen, Auswuchs’ und Verwandtem vertreten ist. Verb: knäueln. Ebenso nndl. kluwen, ne. clew; ÞKlicker, ÞKloß, ÞKlüngel.

Knauf Sm erw. fach. (11. Jh.), mhd. knouf, ahd. knouf,

mndd. knoop, mndl. cnoop. Vielleicht auch anord. knypr(i) n. Zu bedeutungsähnlichen Wörtern für verdickte Gegenstände mit Anlaut kn- vgl. ÞKnolle und besonders ÞKnopf , ÞKnüppel. knaupeln Vsw ’an etwas nagen, einen Knoten zu lösen

suchen’ per. md. (18. Jh.). Eigentlich ’nagen, knabbern’ und zu der Gruppe lautmalender Wörter um Þknabbern zu stellen.

nachahmend wie Þknurren (u.a.). Die Ableitung Knarre bezeichnet zunächst ein Lärminstrument Vgl. abknaupen, abkneipen (DWB). (’Ratsche’) und wird dann üblich als saloppe BezeichKnaus Sm, Knäuschen Sn ÞKnust. nung für das Gewehr. Þknarzen, Þknirschen. Knauser Sm erw. stil. (17. Jh.). Vielleicht zu fnhd. knaus, mhd. knu¯z ’hochfahrend’ (u.a.). Die neuhochdeutknarzen Vsw per. reg. (16. Jh.), fnhd. knarsen. Lautmasche Bedeutung wohl aus ’hochfahrend gegenüber lende Abwandlung von Þknarren (mit dem bei solden Armen’. Die Herkunft des Wortes ist unklar. chen Verben häufigen Suffix -z-[en], vgl. Þächzen Dem Sinn nach eher zu einem Wort für ’zusammenu.ä.). drücken’, evtl. zu ÞKnoten. Verb: knausern; Adjektiv: Knast Sm ’Gefängnis’ erw. vulg. (19. Jh.). Kommt über knauserig. das Rotwelsche aus dem Westjiddischen (knass ’Geldstrafe’, wjidd. (ver)knassen ’bestrafen’ aus hebr. Knaust Sm ÞKnust. q ena¯s ’Geldstrafe’). knautschen Vsw ’zusammendrücken’ erw. stil. (18. Jh.). Lokotsch (1975), 84. Lautvariante zu Þknutschen, vielleicht Umsetzung ins Hochdeutsche von einer niederdeutschen Form mit Knaster Sm ’übelriechender Tabak’ erw. stil. (18. Jh.). In Langvokal. Weiter zu den Wörtern für ’zusammender Studentensprache abgesunken, ursprünglich (um drücken’ mit dem Anlaut kn- (Þkneipen). Fach1700) ein Wort für feinen Tabak, der in Rohrkörbchen sprachlich in Bildungen wie Knautschzone. (span. canastro aus gr. ka´nastron n.; ÞKanister) versandt wurde. Deshalb K(a)nastertobak und nach hol- Knebel Sm std. (11. Jh.), mhd. knebel, ahd. knebil, as. ländischem Vorbild gekürzt Knaster. knevil, mndd. knevel. Für verschiedene AusprägunEbenso nndl. knaster, ne. canaster, nschw. knaster. – Palmer gen von kurzen, schmalen Hölzern; entsprechend (1939), 73–75. anord. knefill ’Querstange’, so dass g. *knabila- m. Knatsch Sm ’Ärger’ per. vulg. reg. (18. Jh.). Auch ’Knebel’ erschlossen werden kann. Im Germanischen knatschen ’nörgeln, weinerlich sein’, knatschig treten mehrere vergleichbare (aber regional beschränkte) Formen auf (ÞKnabe). Außergermanisch ’quengelig’. Ausgangsbedeutung ’Straßenkot’ und lässt sich allenfalls unter Annahme eines Schwebe’geräuschvoll essen’. Regional in vielfältigen Abwandlungen bezeugt, die auf einen lautmalenden ablauts (ig.) *geneb h- und einer Variante (ig.)

Knebelbart

506 h

h

*gomb - (aus *gon-b -) Vergleichbares finden in lit. ge´mbe˙ f. ’Haken, Waldpflock’ und gr. go´mphos ’hölzerner Pflock, Nagel’, doch wird letzteres üblicherweise zu der Sippe von ÞKamm gezogen (das Litauische müsste dabei das Verhalten einer KentumSprache zeigen). Das Ganze ist also reichlich unsicher. Verb: knebeln. Ebenso nndl. knevel. Vgl. ÞKnagge. – EWNl 3 (2007), 90.

Knebelbart Sm erw. obs. (16. Jh.). In entsprechender

Bedeutung afr. kanep, k(e)nep, ae. cenep, anord. kampr ’Schnurrbart’. Herkunft und Art des Zusammenhangs mit ÞKnebel sind unklar. Trier (1952), 86.

Knecht Sm std. (8. Jh.), mhd. kneht, ahd. kneht, as.

de, wie Ausdrücke für ’zusammendrücken’ u.ä. mehrfach mit der Folge kn- beginnen (Þknapp, Þknautschen, Þknutschen, Þkneten, Þknuddeln, Þknüllen sowie, stärker lautnachahmend, Þknacken, Þknicken, Þknapsen und vielleicht noch anderes). Ein weiterer Zusammenhang mit den Wörtern für verdickte Gegenstände (s. unter ÞKnolle) ist denkbar. EWNl 3 (2007), 91.

kneippen Vsw ’eine Kur nach Kneipp machen’ per. fach.

(19. Jh.). Nach dem Begründer des Verfahrens, Pfarrer Sebastian Kneipp. Knete Sf ’Geld’ erw. vulg. (20. Jh.). Eigentlich

’Knetmasse’; die Übertragung wohl deshalb, weil man Geld häufig längere Zeit in der Hand hält. Es ist aber auch eine Variation von ÞKitt o.ä. denkbar.

kneht ’Jüngling’ (u.ä.). Aus wg. *knehta- m. ’Jüngling Augst, G. Diagonal (1991), 61–71. (usw.)’, auch in afr. kniucht, knecht, ae. cniht. Herkunft unklar. Abstraktum: Knechtschaft; Adjektiv: kneten Vsw std. (8. Jh.), mhd. kneten Vst., ahd. knetan, knechtisch; Verb: knechten. knedan, as. knedan. Aus wg. *kned-a- Vst. ’kneten’, auch in ae. cnedan. Die ältere Stammbildung zeigt Ebenso nndl. knecht, ne. knight. – LM 5 (1991), 1233f., RGA 16 (2001), 31–34; Kochskämper (1999), 212–246; EWNl 3 (2007), wohl das tiefstufige aschw. knodha. Außergermanisch 89. vergleicht sich apreuß. gnode ’Knetmulde’, akslav. gnesti ’drücken, bedrücken’. Zu den lautsymboliKneif Sm ’kurzes gekrümmtes Messer’ per. arch. schen Bildungen der Bedeutung ’zusammendrü(17. Jh.), fnhd. kneif . Vergleichbar anord. knı´fr, spae. cken’ mit Anlaut kn- (s. unter Þkneipen). cnı¯f (wohl aus dem Nordischen entlehnt). Daneben Ebenso nndl. kneden, ne. knead, nschw. kna˚da. – Seebold mit Ablautvariation ÞKneip aus mndd. knı¯p, knı¯f. (1970), 303f.; EWNl 3 (2007), 89. Herkunft unklar. Vielleicht als ’zusammengekrümmt’ zu den Wörtern für ’zusammendrücken’ Knick Sm ’Hecke, Zaun’ per. ndd. (16. Jh.). Die Hecken mit dem Anlaut kn- (vgl. Þkneipen). Nach Venneheißen danach, dass sie (ursprünglich) alle drei Jahre mann aus einem Substrat (vgl. bask. kanibet geknickt (Þknicken) wurden, um sie in ihrer Form ’Federmesser’). und Dichte zu halten. Vennemann, Th. FS Libermann (1997), 439–462.

kneifen Vst std. stil. (16. Jh.). Übernommen aus ndd.

knipen (Þkneipen). Die Bedeutung ’sich drücken’ wohl aus ’den Schwanz einkneifen’. ÞKniff . – Kretschmer (1969), 297–299; Seebold (1970), 304f.; EWNl 3 (2007), 92f.

Kneifer Sm ’Augenglas’ erw. obs. (19. Jh.). Älter Nasenkneifer (oder der Mundart entsprechend Kniper). Wie ÞKlemmer und obd. ÞZwicker eine

Lehnübertragung zu frz. pince-nez gleicher Bedeutung. Kneip Sm ÞKneif . Kneipe Sf std. stil. (18. Jh.). Zunächst als Kneipschenke,

dann in Studentenkreisen verkürzt zu Kneipe. Vermutlich ist wie bei Quetsche und ähnlichen Wörtern eine Schenke gemeint, in der man eng zusammengedrückt sitzen muss. Damit zu Þkneipen. Kluge, F. ZDW 3 (1902), 114–121; Ladendorf, O. ZDW 3 (1902), 362–366; Kluge (1912), 1–19; Meiche, A. MVSV 6 (1912), 84–94, 173f.

kneipen Vstsw erw. reg. (15. Jh.). Übernommen aus

knicken Vsw std. (15. Jh.). Übernommen aus ndd. knik-

ken, das mit ne. knick vergleichbar ist. Weiter entfernt sind anord. kneikja ’drücken, biegen’ u.ä. Offenbar also eine der Bildungen mit der Bedeutung ’zusammendrücken’ und dem Anlaut kn-. Die jüngeren Bedeutungen sind aber deutlich lautnachahmend und haben vielleicht zu einer Abwandlung in Þknacken geführt. Abstraktum: Knick. Bomhard (1995), 52; EWNl 3 (2007), 92.

Knicker Sm ’Geizhals’ erw. reg. (17. Jh.). Dazu knickig, knick(e)rig u.ä. Nach älterem Þknicken ’abzwacken, sparen’ (vgl. Þknapsen).

Knickerbocker(s) Spl ’Hose mit Bündchen unterhalb

des Knies’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. knickerbockers, so benannt nach dem Namen Knickerbocker aus dem Roman History of New York von W. Irving. In der bebilderten Ausgabe trug diese Figur die Kniehosen ihres holländischen Herkunftslandes. Ebenso nndl. knickerbocker, ne. knickerbockers, nfrz. knickerbockers, nschw. knickers, nnorw. (k)nickers. – Rey-Debove/ Gagnon (1988), 474f.

mndd. knipen Vst. und dann weitgehend durch die ins Knicks (älter auch Knick obs.) Sm std. (17. Jh.). Zu Þknicken in der Bedeutung ’die Knie einknicken’, d.h. Hochdeutsche übertragene Form Þkneifen ersetzt. eine höfliche Verbeugung oder einen angedeuteten Außergermanisch entspricht lit. gny´bti ’kneifen’, Kniefall machen. Die Bildungen auf -s sind regional doch liegen letztlich lautsymbolische Folgen zugrunund umgangssprachlich. Verb: knicksen.

Knochen

507

Knie Sn std. (8. Jh.), mhd. knie, ahd. knio, as. knio. Aus knistern Vsw std. (16. Jh.). Frequentativum zu einem

g. *knewa- n. ’Knie’, auch in anord. kne´, ae. cne¯o, afr. älteren knisten, das in mhd. knistunge ’Knirschen’ beknı¯, kne¯; gotisch nur indirekt in knussjan ’knien’. Diezeugt ist. Lautmalend. ses ist in die a-Deklination übergeführt aus ig. *g´enuRöhrich 2 (1992), 858. n. ’Knie’, auch in heth. genu-, ganu- ’Knie, GeKnittel Sm ÞKnüttel. schlechtsteil, Geschlecht’ (’Geschlechtsteil’ wie im Knittelvers (auch in der Form Klüppelvers) Sm per. fach. Akkadischen, aber vielleicht ursprünglich als (16. Jh.). Als abschätzige Bezeichnung zunächst von ’Schenkelbeuge’), ai. ja¯´nu, toch. A *kanwe, toch. B spruchartigen Reimpaaren (auch lateinischen), dann keni, gr. go´ny ’Knie, Gelenk’, l. genu; evtl. air. glu´n, von einfachen Reimen, auch leoninischen Hexamekymr. glin ’Knie’ mit Dissimilierung aus *gnu¯no-. tern, Kehrreimen u.a. Seit Beginn des 18. Jhs. techVerb: knien. nische Bezeichnung der vierhebigen Reimpaare, wie Ebenso nndl. knie, ne. knee, nschw. knä, nisl. knje; Þdiagonal, sie vor allem Hans Sachs benutzte; in dieser BedeuÞKnochen. – Röhrich 2 (1992), 858; EWNl 3 (2007), 90f. tung ist der Ausdruck aufgewertet worden. Mit Kniekehle Sf std. (13. Jh.), mhd. kniekel. Gehört zu ÞKnittel oder Klüppel sind offenbar die Reime ge2 ÞKehle als ’Einbuchtung, Rinne am Knie’. meint, die groß wie ÞKnüppel wirken, aber im einKniff Sm std. (18. Jh.). Die heutige Bedeutung ’Kunstzelnen ist das Benennungsmotiv unklar. griff’ stammt aus der Studentensprache; vorher ist knittern Vsw std. (17. Jh.). Übernommen aus ndd. knitdas Wort negativer (’Gaunertrick’) und bezeichnet tern, mndd. kneteren. Schallnachahmende Bildung offenbar zunächst das Zinken von Spielkarten mittels mit Vokalvariation zu Þknattern. Übertragen: Einkneifen (also von Þkneifen abgeleitet); entspre’kleine Falten bekommen’ (bei Papier, Stoff usw.), chend mndd. knepe. vom Geräusch der Behandlung, die diese Falten herknifflig Adj std. (19. Jh.). Zu dem nur regionalen vorruft. kniffeln ’klauben’. knobeln (älter knöcheln [vgl. auch mhd. würfelbein Knigge Sm ’Buch mit Verhaltensregeln’ erw. stil. ’Würfel’]) Vsw ’würfeln’ erw. obs. (19. Jh.). Offenbar (19. Jh.). Nach dem Buch Über den Umgang mit Menvon dem Würfeln mit Knochen (seit der Antike übschen von A. Freiherr von Knigge (1788), das vor allem lich und noch lange Zeit volkstümlich) zu Knobel u.ä., als Zitat weithin bekannt wurde. mundartlicher Ausdruck für ’Fingerknöchel’, mhd. Knilch Sm ’(unangenehmer) Kerl’ erw. grupp. (20. Jh.). knübel, spahd. knobel, knovel, aus *knuwila- zu Herkunft unklar; vermutlich als ’Klotz, Knolle’ ein ÞKnochen und ÞKnöchel. Hierzu Knobelbecher ’Würfelbecher’, in der Soldatensprache übertragen Schimpfwort für ’Bauer’. auf die Stiefel. Neumann, F. ZDPh 78 (1959), 309–318; Knobloch, J. Lingua 26 (1970/71), 307.

knipsen Vsw std. (17. Jh.). Zuerst in der Bedeutung

S. auch ÞKnopf . – Simon, J. FS Goossens (1990), 119–159 (zu den Knöchelspielen).

’zupfen, zausen’; zu Knips m. ’Schnippchen’ und der Knoblauch Sm std. (9. Jh., Form 11. Jh.), mhd. knobeInterjektion knips. Lautmalend, und in der heutigen louch, älter klobelouch, ahd. klobalouh u.ä., as. kluflo¯k. Bedeutung wohl von Þkneipen beeinflusst (vgl. Kompositum aus ÞLauch und *klubo¯ ’Zehe’ in ae. Þknapsen). Die Bedeutung ’fotografieren’ geht von clufe (ne. clove), das zu Þklieben ’spalten’ gehört. Der der lautmalenden Bedeutung aus und bezieht sich auf Knoblauch ist also ’der in Zehen gespaltene Lauch’. das Geräusch von Auslöser und Verschluss der KaDas erste l wird gegen das zweite zu n dissimiliert. mera. Ebenso nndl. knoflook. – Sauerhoff (2001), 216f.; RGA 17 Knirps Sm std. stil. (18. Jh.). Nach mundartlichen For-

men zu schließen ist wohl von *knürbes(-z) auszugehen. Gehört wohl als expressive Bildung zu dem Umfeld von ÞKnorpel. Vgl. ÞKnolle. – Kroes, H. J. W. GRM 40 (1959), 87.

knirschen Vsw std. (14. Jh.), mhd. zerknürsen ’zerquet-

schen’, spmhd. knirsunge, mndd. knirsen, knarsen, knersen. Ähnliche Lautmalereien sind nndl. knarsen, knersen, knarsetanden ’mit den Zähnen knirschen’, sowie auf einfacherer Grundlage knirren (seit dem 16. Jh.). Þknarren, Þknurren. – EWNl 3 (2007), 88f.

knispeln Vsw ’(mit Fingernägeln o.ä.) ein leises, helles

Geräusch machen’ per. reg. (20. Jh.). Lautmalend. Dazu Knispel m. ’lästiger Mensch’.

(2001), 37.

Knöchel Sm std. (15. Jh.), fnhd. knochel, knöchel, knu-

chel, mndd. knokel, mndl. cnokel. Und me. knokil. Alte Diminutivbildung zu ÞKnochen. Ebenso nndl. knokke, ne. knuckle; Þknobeln. – Knetschke (1956), 24f.; Silfwerbrand (1958), 147–151; Simon, J. FS Goossens (1990), 119–159 (zu den Knöchelspielen).

Knochen Sm std. (14. Jh.), mhd. knoche, mndd. knoke,

knake. Daneben anord. knu´i ’Fingerknöchel’ aus *knu¯wo¯n, mit unerweitertem *knu- neben einer kErweiterung. Die Wörter können zu ig. *g´enu- ’Knie’ gehören, vgl. gr. go´ny n. ’Knie, Gelenk, Knoten an Halmen’; die Erweiterung vielleicht auch in gr. gny´x ’auf den Knien’ (ÞKnie). Nach Sommer zu einer Schallwurzel, die das Knacken der Gelenke wieder-

Knocke

508

gibt (Þknacken); nach (Hildebrand und) Hinderfür verdickte Gegenstände mit Anlaut kn-. Näher verling ist von der Bedeutung ’Astknorren’ auszugehen. wandt sind wohl ÞKnirps und ÞKnorren. Präfixableitung: verknöchern; Adjektiv: knochig. Knorren Sm erw. reg. (13. Jh.), mhd. knorre, mndd. Ebenso nndl. knook, nschw. (dial.) knoka; ÞKnie, Þknobeln, knorre. Verwandt sind ahd. chniurı¯g ’muskulös’; nndl. ÞKnöchel, ÞKnoten. – Weisgerber, L. RV 9 (1939), 32–43; knor, ne. knar. Alles Bildungen mit der Bedeutung Silfwerbrand (1958), 147–151; Kretschmer (1969), 299; ’verdickter Gegenstand’ und Anlaut kn-. Schüwer, H. NW 17 (1977), 115–123; Sommer (1977), 115–123; Vgl. ÞKnolle. S. auch ÞKnorpel, ÞKnorz. – Knetschke (1956), Knetschke (1956), 24f.; Lühr (1988), 219f.; Röhrich 2 (1992), 18f.; EWNl 3 (2007), 95. 858f.; Hinderling, R. FS Goossens (1996), 559–566; RGA 16 (2001), 38–40; EWNl 3 (2007), 94. Knorz Sm per. obd. (11. Jh.), mhd. knorz, ahd. knorz

’Auswuchs, Knoten’. Näher verwandt mit ÞKnorren; im übrigen eine der Bildungen zur Bezeichnung vernommen aus ndd. knocke, mndd. knucke, knocke dickter Gegenstände mit Anlaut kn-. ’Flachsbündel’. Vergleichbar ist me. knucche Vgl. ÞKnolle. ’Heubündel’, ne. knitch ’Holzbündel’; dazu ae. (ge)cnycc m. ’Band’. Außergermanisch vergleicht sich Knösel Sm ’kleine Pfeife’ per. ndd. (19. Jh.). Gehört zu lit. gniu¸˜ˇzis m. ’Bündel, Handvoll’, so dass ig. (oeur.) den Ausdrücken für verdickte Gegenstände mit An*gneug´- zugrunde liegen kann. laut kn-. Vgl. ÞKnolle. knockout Adj Þk. o. Knospe Sf std. (16. Jh.). In der heutigen Bedeutung hat Knödel Sm std. (14. Jh.), spmhd. knödel n. Gehört zu es älteres Knopf ersetzt, das heute noch regional (südden Ausdrücken für verdickte Gegenstände mit Andeutsch) gilt. Knospe ist offenbar eine Ableitung auf laut kn-. -s- zu ÞKnopf (oder einer einfacheren Form dieses Vgl. ÞKnolle. S. auch ÞNudel. – Kretschmer (1969), 291–296. Wortes) mit Umsprung von Labial und s. Es gehört Knolle Sf (Knollen m.) std. (8. Jh.), mhd. knolle m., ahd. damit wie dieses zu den Wörtern für verdickte Geknollo. Gehört zu den Wörtern für verdickte Gegengenstände mit Anlaut kn- (vgl. ÞKnolle). Verb: stände mit Anlaut kn-, vgl. ÞKnauf , (ÞKnopf , knospen. Þknüpfen, ÞKnüppel, ÞKnopper, ÞKnospe), ÞKnödel, Knote Sm ’plumper Mensch’ per. arch. (18. Jh.), ondd. ÞKnorren (ÞKnorz, ÞKnirps, ÞKnorpel), ÞKnösel, gno¯te ’Handlungsdiener’. Schreibung und jüngere ÞKnubbe, ÞKnust, ÞKnüttel. Ein weiterer ZusamBedeutung offenbar beeinflusst von ÞKnoten; das älmenhang mit den Wörtern für ’zusammendrücken’ tere Wort ist dagegen die ndd. Form des Wortes und Anlaut kn- (Þkneipen) ist denkbar. Adjektiv: ÞGenosse, das in bestimmten Bereichen abgesunken knollig. ist. EWNl 3 (2007), 94. Knocke Sf ’Flachsbündel’ per. arch. (17. Jh.). Aufge-

Knopf Sm std. (8. Jh.), mhd. knopf, ahd. knopf

’Knorren, Knospe, Knoten’. Gehört zu den Ausdrücken für verdickte Gegenstände mit Anlaut kn-, vgl. ÞKnolle; besonders nahe stehen Þknüpfen und ÞKnospe. Die Bedeutungsnähe von Knopf/knüpfen zu ÞKnoten ließe auch einen Anschluss an die Gruppe Þknobeln − ÞKnochen − ÞKnoten zu. Verb: knöpfen; Partikelableitung: vorknöpfen. Ebenso nndl. knoop, ne. knob; ÞKnüppel, ÞNoppe. – Schüwer, H. NW 17 (1977), 115–123; Lühr (1988), 287; LM 5 (1991), 1237; Röhrich 2 (1992), 859f.; Bomhard (1995), 50; EWNl 3 (2007), 94f.

Knöpfle Spl (regionale Form von Teigwaren) per. wobd.

(15. Jh.). Diminutivform zu ÞKnopf . Knopper Sf ’Gallapfel am jungen Kelch der Eichel’ per.

österr. (18. Jh.). Weiterbildung zu ÞKnopf , die Lautform ist aber unklar. knorke Adj ’vorzüglich’ erw. städt. (20. Jh.). Herkunft

unsicher. Lasch (1928), 204; Kügler, H. ZD 48 (1934), 738f.

Knorpel Sm std. (15. Jh.). Bezeugt mit verschiedenen

Vokalisierungen. Gemeint ist in erster Linie der härtere Teil der Ohrmuschel. Gehört zu den Ausdrücken

Knoten Sm std. (8. Jh.), mhd. knote, knode, ahd. knoto,

knodo, as. knotto ’Knoten an Fäden usw., Verdickung an Halmen usw.’, mndd. knutte, (geminiert). Ebenfalls die geminierte Form zeigt ae. cnotta (ne. knot), zu dem ae. cnyttan ’stricken’ (ne. knit), ndd. knütten ’Netze knüpfen’ gehört. Als dritte Variante gehört hierher anord. knu´tr ’Knoten’, anord. knu´ta f. ’Knöchel’; also nebeneinander *knuþ-/knud-, *knut(t)- und *knu¯t-. Die Gruppe kann in den Bereich ’verdickte Gegenstände mit Anlaut kn-’ gehören (ÞKnolle); es kann sich aber auch um eine Erweiterung zu ig. *g´enu- ’Knie’ handeln, vgl. gr. go´ny n. ’Knie, Gelenk, Knoten an Halmen’; entsprechend Þknobeln und ÞKnochen, ÞKnöchel. Knoten als seemännisches Maß der Schiffsgeschwindigkeit ist entlehnt aus ne. knot und bezieht sich auf die Zahl der Knoten, die in einer bestimmten Zeit von der Logleine abgelaufen sind. Verb: knoten; Adjektiv: knotig. ÞKnopf , ÞKnüttel. – Schüwer, H. NW 17 (1977), 115–123; Lühr (1988), 281f. (anders); Röhrich 2 (1992), 860f.

Knöterich Sm per. fach. (18. Jh.). So benannt wegen der

knotigen Stängelgelenke. Zum Suffix vgl. ÞWegerich. – LM 5 (1991), 1237f.; RGA 16 (2001), 53f.

Knüttel

509 Know-how Sn ’Spezialwissen’ per. fach. (20. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. know-how (eigentlich ’Wissen wie’), aus ne. know ’wissen’ (aus ae. cna¯won) und ne. how ’wie’ (aus ae. hu¯). Ebenso nndl. know-how, ne. know-how, nfrz. know-how, nschw. know-how, nnorw. know-how. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 476; Carstensen 2 (1994), 782f.

Knubbe Sf (Knubben m.) ’Knorren’ per. reg. (17. Jh.).

gehen leicht ineinander über (vgl. etwa ÞKnittelvers). Knüppel gehört zu ÞKnopf in der Bedeutung ’Astknorren’, ist also eigentlich ein ’Knotenstock’. In der Fachsprache der Forstwirtschaft ist Knüppel das auf bestimmte Länge geschnittene Rundholz. Ein Knüppeldamm (seit dem 16. Jh.) ist ein mit solchen Hölzern gelegter Weg (in einem Moor o.ä.). Verb: (nieder-)knüppeln.

Übernommen aus ndd. knubbe, mndd. knobbe. DieRöhrich 2 (1992), 861; EWNl 3 (2007), 96f. ses gehört zu den Ausdrücken für verdickte Gegen- knurren Vsw std. (16. Jh.). Lautmalend wie Þknarren stände mit Anlaut kn-, die unter ÞKnolle zusammenund Þknirschen. gestellt sind. Schüwer, H. NW 17 (1977), 115–123; EWNl 3 (2007), 93.

knuddeln Vsw ’zusammendrücken, umarmen’ per. reg.

(20. Jh.). Gehört zu den Ausdrücken für ’zusammendrücken’ mit einem Anlaut kn-. Vgl. Þkneipen.

knuffen Vsw ’stoßen’ erw. reg. (18. Jh.). Übernommen

Hauschild, O. ZDW 12 (1910), 15.

Knurrhahn Sm per. fach. (18. Jh.). Ein Nordseefisch, der,

wenn er an die Luft kommt, die Kiemendeckelknochen aneinander reibt und damit knurrt (’Trigla hirundo’); auch ein anderer knurrender Fisch (’Cottus scorpius’); nachdeutend übertragen auf mürrische Menschen.

aus dem Niederdeutschen. Wohl lautsymbolisch (vgl. puffen; ÞPuff 1) − oder zu Þknobeln als ’mit den Fin- knuspern Vsw std. stil. (18. Jh.). Ursprünglich niederdeutsch. Lautmalend wie knabbern und andere Wörgerknöcheln stoßen’. ter dieser Art (gnaspern und die unter Þknabbern geEWNl 3 (2007), 96. nannten). Vielleicht ursprünglich zu ÞKnospe als Knülch Sm ÞKnilch. ’Knospen abweiden’; doch sind in diesem Fall expressive Lautveränderungen anzunehmen. Adjektiv: knüll Adj ’erschöpft, betrunken’ per. ndd. md. (19. Jh.). Aus der Studentensprache. Vermutlich eine Rückbilknusprig. dung zu Þknüllen, wobei das Benennungsmotiv aber Trier (1964), 14f. unklar bleibt (etwa im Sinn von ’zerknittert’?). Knust Sm (auch Knaust m., Knaus m., [Knäuschen n.]) Vgl. fnhd. knollicht trinken ’viel, haufenweise trinken’. – Weise, O. ZDW 5 (1903), 256; Schröder, H. ZDPh 38 (1906), 523f.

knüllen Vsw meist zerknüllen, zusammenknüllen

’Brotende’ per. reg. (20. Jh.). Daneben die Bedeutung ’Knorren, Astansatz’, gemeint ist ursprünglich das an den folgenden Laib angebackene Brotende, wodurch sich der Vergleich nahelegt. Zu den Ausdrücken für verdickte Gegenstände mit Anlaut kn- (vgl. ÞKnolle).

’(Papier, Stoff) zusammendrücken’ std. (15. Jh.), fnhd. knüllen ’zusammendrücken, drücken, prügeln’ u.a.. Gehört zu den Ausdrücken für ’zusammenBerger, D. NJ 76 (1953), 44–63; Mitzka, W. ZM 23 (1955), drücken’ mit einem Anlaut kn- (Þkneipen), doch 43–45; EWNl 3 (2007), 93. haben sich wohl auch andere Sippen (etwa knallen Knute Sf erw. exot. (17. Jh.). Entlehnt aus russ. knut m. u.ä.; ÞKnall) eingemischt, so dass die älteren Bedeu’Knotenpeitsche’, das seinerseits aus anord. knu´tr m. tungen z.T. untypisch sind. Vgl. ae. cnyllan ’klopfen, ’Knoten’ entlehnt ist. Das Femininum aus der Kürschlagen’, anord. knylla ’prügeln’. Vielleicht hierher zung von Knutpeitsche. Übertragen auch ’GewaltÞknüll und ÞKnüller. herrschaft’. Knüller Sm ’etwas, das einschlägt’ (ursprünglich von Ebenso nndl. knoet, ne. knout, nfrz. knout, nschw. knut, nnorw. knutt. – Wick (1939), 33f.; Müller (1966), 94–98; SteinhauZeitungsartikeln) std. stil. (20. Jh.). Herkunft unklar. ser (1978), 72. Wohl zu Þknüllen, aber der Bedeutungszusammenhang ist unklar (’mit Nachrichten geknüllt voll’?). knutschen Vsw std. stil. (13. Jh., Bedeutung 19. Jh.). ZuMöglicherweise statt dessen zu knallen (knellen, knilerst mit der Bedeutung ’zusammendrücken, quetlen; ÞKnall), vielleicht über das Westjiddische. schen’. Der Bedeutungswandel tritt auch bei verWolf, S. A. MS (1955), 283; Glunk, R. ZDW 17 (1961), 122–124; wandten Wörtern ein (Þknüllen, knutzen u.a.), bleibt Dietrich, M. SD 17 (1973), 145f. dort aber regional beschränkt. Gehört mit dem unmittelbar zugehörigen Þknautschen zu den Wörtern knüpfen Vsw std. (9. Jh., bi- 8. Jh.), mhd. knüpfen, ahd. mit der Bedeutung ’zusammendrücken’ und Anlaut knupfen, mndd. knüppen. Denominativ zu ÞKnopf , kn- (vgl. Þkneipen). also ’einen Knopf (Knoten) machen’. Zu weiteren Wörtern für verdickte Gegenstände mit Anlaut kn – s. unter ÞKnolle.

Knüppel Sm std. (15. Jh.), fnhd. knüpfel. Daneben md.

klüppel, ndd. klüppel, obd. klüpfel (das formal zu Þklopfen gestellt werden kann). Die beiden Formen

ÞKnatsch. – Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 99–104; EWNl 3 (2007), 97.

Knüttel (auch Knittel) Sm erw. reg. (11. Jh.), mhd.

knüt(t)el, ahd. knutil. Das Wort geht wohl aus von ÞKnoten als ’Knotenstock’, wird dann aber in den

k.o.

510

Bereich der Wörter für verdickte Gegenstände mit Anlaut kn- (vgl. ÞKnolle) gezogen und wechselt mit ÞKnüppel und Klüppel. k.o. Adj std. stil. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. knock out

’kampfunfähig schlagen’, eigentlich ’ausklopfen’. Auch in der Vollform Þknockout üblich. Ebenso nndl. k.o., ne. k.o., nfrz. K.-O., nschw. k.o., nnorw. knock-out; Þknacken, Þaus. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 475f.; Carstensen 2 (1994), 780–785.

ko- Präfix Þkon-. Koala Sm (ein Beuteltier mit wolligem Pelz) per. exot.

(20. Jh.). Entlehnt aus einer australischen Eingeborenensprache. Ebenso ne. koala, nfrz. koala, nndl. koala, nschw. koala, nnorw. koala. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 476f.; EWNl 3 (2007), 97.

Koalition Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. coa-

lition, dieses aus ne. coalition, aus spl. coalitus m. ’Verbindung, Vereinigung’, zu l. coale¯scere (coalitum) ’sich vereinigen, zusammenwachsen’, zu l. ale¯sco ’heranwachsen, gedeihen’ und l. con-, zu l. alere ’nähren, ernähren’. Zunächst chemischer Terminus, der dann auf internationale Beziehungen übertragen wird (in der Regel eine Koalition gegen jemanden oder etwas), erst spät ein ’Regierungsbündnis’. Ebenso ne. coalition, nfrz. coalition, nndl. coalitie, nschw. koalition, nnorw. koalisjon. Zur lateinischen Sippe s. ÞAliment. – DF 1 (1913), 349; Ganz (1957), 117; EWNl 1 (2003), 451.

Kobalt Smn erw. fach. (16. Jh.). Bezeugt als kobolt, ko-

wie dass das Galmei von einem Bergmännchen an die Stelle des von ihm gestohlenen Silbers gebracht werde, dabei schon eine Rolle gespielt haben, bleibt unklar. Vgl. zur Sache: ÞQuarz. – Göpfert, E.: Die Bergmannssprache in der Sarepta des Johann Mathesius (Straßburg 1902); Schröder, G.: Die pharmazeutisch-chemischen Produkte (Bremen 1957), 180–183; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 377; Lüschen (1979), 97–99, 104–106, 253; Barke (1991), 214; Grab-Kempf, E. SW 31 (2006), 449–456; EWNl 3 (2007), 97f.

Kobel Sm ’Nest des Eichhörnchens, Kleintierstall’ per.

obd. (15. Jh.). Gehört zu ÞKoben als Diminutivum oder mit Ersatz von -en durch -el. Kobelwagen hießen die frühesten Kutschen, die nur für Frauen bestimmt waren. Wackernagel, R. H. in Treue (1986), 198–209 (zu Kobelwagen).

Koben (daneben Kofen) Sm ’Schweinestall’ per. fach.

(14. Jh.), mhd. kobe. Aus mndd. kove(n), kave(n). Zugrunde liegt g. *kubo¯n m. ’Gemach, Stall’, auch in anord. kofi ’Hütte, Verschlag’, ae. co¯fa ’Gemach’; eine abweichende Weiterbildung derselben Grundlage ist ahd. kubisi ’Hütte’. Lautlich vergleichbar ist ein griechischen Glossenwort gy´pe¯ f. ’unterirdische Wohnung’, wohl auch akslav. ˇzupisˇte ’Grab’; Zusammenhang und alles weitere unklar. Abweichende Erweiterungen derselben Grundlage könnten vorliegen in Wörter auf -t, wie ne. cot ’Hütte’ und Verwandtem. Ebenso ne. cove, nisl. kofi. – Knobloch, J. SW 5 (1980), 185–192.

Kober Sm ’Korb, Fischreuse’ per. reg. (14. Jh.), spmhd.

belt, l. cobaltum n., auch m. Gemeint ist zunächst eine kober ’Korb, Tasche’. Vergleichbar sind ohne r nndl. Sorte des Minerals Galmei, dann der bei dessen Verkub(be) ’Fischreuse’, fnhd. koben ’Aalfangkasten’. hüttung sich aus dem Rauch niederschlagende Stoff Vielleicht zur gleichen Grundlage wie ÞKoben. Auch (Hüttenrauch), der vor allem für medizinische Behier entsprechen Varianten mit t, etwa ae. cyt-we¯r handlungen begehrt war (vgl. Plinius 24,22 und 24,2). ’Fischreuse’. Seit Paracelsus war klar, dass es sich um VerbindunRöhrich 2 (1992), 861f. gen eines neuen Metalls handelte, das nun auch Kobalt genannt wurde. Das Wort wird in der frühen Zeit Kobold Sm std. (13. Jh.), mhd. kobold (mit Betonung auf der ersten oder der zweiten Silbe); als Variante mehrfach ausdrücklich als ’deutsch’ bezeichnet und mehrfach oppold. Im Altenglischen wird l. Lare¯s Pl., gelegentlich ausdrücklich mit einem genus quodam pena¯te¯s (also ’Hausgeister’) mit co¯f-godas wiedergedaemonis metallici gleichgesetzt, offensichtlich dem geben; deshalb wird der erste Bestandteil wohl das Wort Kobold. Das Wort wird in die meisten europäunter ÞKoben behandelte Wort sein. Der zweite Beischen Sprachen als Bezeichnung des Metalls entstandteil könnte -wald sein; wahrscheinlicher ist aber, lehnt, als Bezeichnung auch des Minerals ins Englimit Rücksicht auf ÞUnhold und mhd. die guoten holsche und Französische. Nun wird von Grab-Kempf den ’Hausgeister’, die Annahme eines -hold (im Anschluss an eine Deutung von Berthelot 1888) (*-hulþa-). Das Wort bezeichnete früher auch ein die Erz- und Metallbezeichnung mit guten Gründen Metgetränk (wegen dessen heimtückischer Wiraus gr. ko¯bathium ’Arsensulfid’ hergeleitet (die Bekung?). deutungsangabe ist eine moderne, genauere BezeichÞKobalt, ÞKobolz. – Kretschmer, P. ZVS 55 (1928), 87f.; Röhnung, von dem, was im späten Mittelalter unter anrich 2 (1992), 862f.; Schröder (1906), 157–169 (anders); derem mit Kobalt gemeint war). Wie das l in dieses EWNl 2 (2005), 600; 3 (2007), 98. Wort kam und wie es mit dem Namen von Hausgeistern verbunden wurde, ist nicht ausreichend klar. Zu Kobolz Sm ’Purzelbaum’ per. ndd. (19. Jh.). Gilt als Entbeachten ist, dass gr. kobalos ’Schalk, Schurke’ in zeitwicklung aus ÞKobold (s-Plural?), doch ist nndl. kopje-buitelen (’Köpfchen-Purzeln’), auch einfaches bugenössischen Quellen als griechisches und deutsches itelen gleicher Bedeutung, zu beachten. Allerdings ist Wort bezeichnet (also offenbar mit Kobold verbunbuitelen etymologisch unklar; so dass die Zusammenden) wurde. Ob die später bezeugten Geschichten,

Kognition

511

hänge insgesamt undurchsichtig sind. Hat frz. culbuter (das allerdings wörtlich ’Hintern-Stoßen’ bedeutet) eingewirkt? Röhrich 2 (1992), 863; Schröder (1906), 157–169 (anders).

Koch1 Sm ’Küchenmeister’ std. (9. Jh.), mhd. koch, ahd.

koh(ho), as. kok. Ist früh entlehnt aus spl. coco (älter l. coquus zu l. coquere ’kochen’). Femininum: Köchin. Ebenso nndl. kok, ne. cook, nschw. kock, nnorw. kokk, nisl. kokkur. – LM 5 (1991), 1245; Röhrich 2 (1992), 863. 2

Koch Sn ’Brei’ per. oobd. (13. Jh.), mhd. koch. Ableitung

aus Þkochen. kochem Adj ’schlau’ per. vulg. (19. Jh.). Gaunersprach-

im Neuhochdeutschen). Das Grundwort im Germanischen vielleicht in ae. acworren ’betrunken, übersättigt’, sonst in ai. gira´ti, gr. (Perfekt) be´bro¯ka, akslav. pozˇreˇti, lit. ge´rti ’trinken’, l. vora¯re ’verschlingen’. Morphologisch entspricht gr. de´letron n. ’Köder’ zu der Parallelwurzel *g wel¡- ’verschlingen’. ÞKragen, ÞKropf . – Seebold (1970), 318; Kluge (1926), 49f.

Kodex Sm ’Handschrift, Gesetzessammlung’ erw. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus l. co¯dex ’Schreibtafel, Verzeichnis, Buch’. Verb: kodifizieren. Ebenso nndl. codex, ne. codex, nfrz. codex, nschw. kodex, nnorw. kodeks; ÞKode. – DF 1 (1913), 349; RGA 5 (1984), 40–42; Strangas, J. AB 32 (1989), 244–268; BlW 4 (1992), 110–114; EWNl 1 (2003), 453.

lich aus wjidd. kochem; dieses aus hebr. ha¯ka¯m ˙ hebr. ¯ ’weise’. Kochemer Loschen ’die Sprache (zu la¯ˇso¯n Kofel Sm ’felsige Bergkuppe’ per. oobd. (15. Jh.), mhd. ’Zunge’) der Schlauen, der Eingeweihten’ ist die Gaukofel. Herkunft unklar. Heute meist nur noch in Nanersprache. men. Þausgekocht.

kochen Vsw std. (10. Jh.), mhd. kochen, ahd. kohho¯n,

Schatz, J. FS Kluge (1926), 125f.; Knobloch, J. BzN 26 (1991), 1–4.

mndd. koken, mndl. coken. Ist wie afr. kokia früh ent- Koffein Sn erw. fach. (19. Jh.). 1821 wird der Wirkstoff lehnt aus l. coquere ’kochen’. Nomen Instrumenti: des Kaffees und des Tees von dem deutschen CheKocher. miker Runge entdeckt und Caffein genannt. Danach Ebenso nndl. koken, ne. cook, nfrz. cuire, nschw. koka, nnorw. Anpassung zu Coffein nach dem internationalen koke, nisl. kokka; ÞKüche, Þkulinarisch. – Kretschmer (1969), Sprachgebrauch, der von ne. coffee ausgeht. 300f.; Wolf (1985), 176f.; EWNl 2 (2005), 307; 3 (2007), 103.

Köcher Sm erw. obs. (9. Jh.), mhd. kocher, ahd. kohhar,

Ebenso nndl. cafeı¨ne, ne. caffeine, nfrz. cafe´ine, coffeı¨ne, nschw. koffein, nnorw. koffein, nisl. koffeı´n. – EWNl 1 (2003), 410.

kohha¯ri, andfrk. cocar. Entsprechend ae. cocer und Koffer Sm std. (14. Jh.). Zunächst in der Bedeutung außergermanisch mgr. kou´kouron n., ml. cucura f. u.a. ’Kiste, Truhe’ bezeugt. Entlehnt aus frz. coffre ’Lade, Offenbar ein Lehnwort, als dessen Ausgangspunkt Koffer’, das aus l. cophinus ’Weidenkorb’, dieses aus hunn. *kukur derselben Bedeutung vermutet wird. gr. ko´phinos unklarer Herkunft. Die Spezialisierung Ebenso ne. quiver, nndl, koker, nschw. koger, nnorw. kogger. S. zur heutigen Bedeutung im 18. Jh. auch ÞKoker. – LM 5 (1991), 1246; RGA 17 (2001), 76f.; EWNl 3 (2007), 103.

Koda Sf ’Schlussteil (eines musikalischen Satzes)’ per.

fach. (19. Jh.). Entlehnt aus it. coda, eigentlich ’Schwanz’, dieses aus l. cauda ’Schwanz’. Ebenso nndl. coda, ne. coda, nfrz. coda, nnorw. koda.

Kode Sm ’Verschlüsselungssystem’ per. fach. (19. Jh.).

Entlehnt aus ne. code und frz. code, die zurückgehen auf l. co¯dex ’Verzeichnis, Urkunde’. Verb: kodieren. Ebenso nndl. code, ne. code, nfrz. code, nschw. kod, nnorw. kode; ÞKodex. – Schirmer (1911), 40; EWNl 1 (2003), 452f.

Koder Sm (auch Köderl n. österr., Koden m. ndd.)

Ebenso nndl. koffer, ne. coffer, nfrz. coffre, nschw. koffert, nnorw. koffert. – DF 1 (1913), 349f.; Lokotsch (1975), 98; Jones (1976), 210f.; EWNl 3 (2007), 101f.

Kog Sm ÞKoog. Kogel Sm ’Berg’ per. oobd. (19. Jh.). Möglicherweise mit

ÞKugel zusammenzustellen. Sonst unklar. Heute meist nur noch in Namen. Schatz, J. FS Kluge (1926), 125f.; Valtavuo (1957), 88–90.

Kogge Sf ’dickbauchiges Schiff’ per. fach. (12. Jh., Form

15. Jh.), ahd. kocko m., mndd. kogge m. In althochdeutscher Zeit entlehnt aus afrz. coque m. ’Rumpf eines Schiffes, Nussschale’. Später setzt sich die ndd. Lautform durch.

’Unterkinn, Wamme’ per. reg. (14. Jh.), mndd. kod(d)er, kader. Im Prinzip vergleichbar sind l. guttur Ebenso nndl. kogge, ne. cock(boat), nfrz. coche, ndn. kogge, n. ’Kehle’, heth. kuttar n. r/n-Stamm ’Partie unter nnorw. kogg(e). – LM 5 (1991), 1247f.; Friedland, K. FS Mendem Hals und über der Brust beim Menschen’ (als ig. ke, 259–263. *g wetr/n [o.ä., der Vokalismus ist nicht klar]); doch ist Kognak Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. cognac, so die Übereinstimmung kaum ausreichend, um eine so benannt nach der französischen Stadt Cognac. alte Vorform zu postulieren. Lühr, R. in Meid (1987), 71–73.

Köder Sm std. (10. Jh.), mhd. querder, ahd. querdar.

Setzt vd. *kwer-þra- m. ’Köder’ voraus, das mit Instrumentalsuffix von ig. *g wer¡- ’verschlingen’ gebildet ist, also ’Mittel zum Verschlingen’ (mit dissimilatorischem Schwund des ersten r und mit que- zu ko-

Ebenso nndl. cognac, ne. cognac, nfrz. cognac, nschw. konjak, nnorw. konjakk, nisl. konı´ak.

Kognition Sf ’Denken, Gedanken’ per. fach. (20. Jh.).

Entlehnt aus l. co¯gnitio (-o¯nis) ’Kennenlernen, Erkennen, Kenntnis’, Abstraktum von l. co¯gno¯scere (co¯gnitum) ’kennenlernen, erkennen’, zu l. (g)no¯scere und l. con-. Adjektiv: kognitiv.

kohärent

512

Ebenso nndl. cognitie, ne. cognition, nfrz. cognition, nschw. kognitiv, nnorw. kognitiv. Zur lateinischen Sippe s. Þrekognoszieren. – HWPh 4 (1976), 866–877; BlW 4 (1992), 116–129.

kohärent Adj ’zusammenpassend, zusammenhän-

gend’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. cohaere¯ns (-entis), dem PPräs. von l. cohaere¯re (cohaesum) ’zusammenhängen, verbunden sein’, zu l. haere¯re ’kleben, hängen, stecken’ und l. con-. Abstraktum: Kohärenz. Ebenso nndl. coherent, ne. coherent, nfrz. cohe´rent, nschw. koherens, nnorw. koherent; Þinhärent. – HWPh 4 (1976), 877–879; EWNl 1 (2003), 454f.

len’ (aus *gu-ra¯-). Weitere Herkunft unklar. Hierzu Köhler, mhd. koler ’Kohlenbrenner’. Präfixableitung: verkohlen. Ebenso nndl. kool, ne. coal, nschw. kol, nisl. kol. – Lüschen (1979), 254; LM 5 (1991), 1248f.; Röhrich 2 (1992), 864f.; RGA 17 (2001), 165f.; EWNl 3 (2007), 113f.

Kohlensäure Sf erw. fach. (19. Jh.). Hier steht Kohlen-

wie in einer Reihe anderer moderner Wörter für das Element ÞKohlenstoff . Kohlensäure ist in Wasser gelöstes Kohlendioxyd. Es ist bekannt als die Ursache des Perlens im Mineralwasser. Kohlenstoff Sm erw. fach. (19. Jh.). Von Lavoisier als

Element der Holzkohle (frz. charbon) erkannt und 1787 als carbon bezeichnet. Hierzu ist Kohlenstoff das ahd. ko¯l, auch ko¯la f. Ist wie ae. cawel, caul, anord. ka´l Ersatzwort. Erst später wurde erkannt, dass das Elen. früh entlehnt aus l. caulis, das eigentlich ’Stängel’ ment in Form von Graphit und Diamanten auftritt bedeutet, in später Zeit aber auch eine Kohlsorte beund wesentlicher Bestandteil lebender Materie ist. zeichnet (’Stängelkohl’, bei dem die Blätter abgenomEbenso nndl. koolstof, ndn. kulstof, nnorw. kolstoff, nisl. kolefmen werden, worauf der Stängel neu treibt); die übni. liche lateinische Bezeichnung für ’Kohl’ ist l. brassica f. Die Nebenform as. ko¯li, ahd. ko¯li, kœl, mhd. kœl(e), Kohlmeise Sf erw. fach. (17. Jh.). Wegen ihres schwarzen Kopfes so benannt (auch in anderen Sprachen; obd. Köhl war früher eine gleichbedeutende Variante, ae. colma¯se z.B. schon 11. Jh.). bezeichnet heute aber speziell den Krauskohl oder EWNl 3 (2007), 114. Wirsing. Ebenso nndl. kool, ne. cole, nfrz. chou, nschw. ka˚l, nnorw. ka˚l, Kohlrabe Sm erw. fach. (18. Jh.). Wegen seiner schwarnisl. ka´l. – Bertsch (1947), 174–179; Teepe-Wurmbach, A. WF zen Farbe durchaus zutreffend benannt; vgl. aber 13 (1960), 151–168; Reitz, B. DWEB 4 (1964), 471–628; LM 5 ÞKolkrabe. 1

Kohl Sm ’eine Gemüsepflanze’ std. (8. Jh.), mhd. ko¯l,

(1991), 1248; Röhrich 2 (1992), 863f.; RGA 17 (2001), 162–164;

EWNl 3 (2007), 113. 2

Kohl Sm ’Unsinn’ erw. vulg. (18. Jh.). Als Wort der

Gaunersprache bezeugt, wie auch das Verbum kohlen ’lügen, beschwatzen’. Herkunft unklar; nach Wolf zu romani ka´lo ’schwarz’ mit der übertragenen Bedeutung ’Lüge’. Zu beachten ist rhein. Kappes reden ’dumm herausschwätzen’ zu ÞKappes ’Kohl’, wohl eine Bedeutungsentlehnung. Präfigierung: Þverkohlen. Weissbrodt, E. ZDPh 64 (1939), 306; Knobloch, J. FS Zender (1972), 990; Wolf (1985), 178; Röhrich 2 (1992), 863f.; EWNl 1 (2003), 151 f. (apekool).

Kohldampf Sm erw. stil. (19. Jh.). Aus der Soldaten-

sprache, in die es aus dem Rotwelschen gelangt ist. Dort ist Kolldampf seit dem 19. Jh. bezeugt. Sowohl ÞDampf 1 wie auch Kohler bedeuten gaunersprachlich ’Hunger’. Die Herkunft des Wortes Kohler ist unklar. Günther (1919), 115f.; Weissbrodt, E. ZDPh 64 (1939), 305f.; Wolf, S. A. MS (1954), 363; Wolf (1985), 178; Röhrich 2 (1992), 864.

Kohle Sf std. (8. Jh.), mhd. kol m./n., ahd. kolo m., kol

Kohlrabi Sm std. (17. Jh.). Eingedeutscht aus it. cavolo

rapa (Pl. cavoli rape) (zu den Bestandteilen s. ÞKohl 1 und ÞRübe): Die Eindeutschung ist noch stärker in obd. Kohlrabe. Die Form Kohlrübe hat sich weitgehend in der Bedeutung abgesetzt und bezeichnet die Steckrübe. Die Pflanze war schon im Mittelalter in Deutschland angebaut worden − die lateinische Bezeichnung ra¯va caulis ist noch erhalten in nndl. raapkool, obsächs. Rübenkohl, schwz. Rüebechöl. Ebenso nndl. koolrabi, ne. kohlrabi, nfrz. chou-rave, nschw. ka˚lrabbi. – Kretschmer (1969), 301–303; EWNl 3 (2007), 615.

Kohorte Sf ’militärische Einheit, die dem zehnten Teil

einer Legion entspricht’ per. exot. (19. Jh.). Entlehnt aus l. cohors (-ortis), ursprünglich ’Hof’, dann ’Umgebung, Begleitung’, und schließlich ’militärische Einheit’. Ebenso nndl. cohorte, ne. cohort, nfrz. cohorte, nschw. kohort; ÞKurtisane.

Koinzidenz Sf ’Zusammentreffen’ per. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus ml. coincidentia, Abstraktum zu ml. coincidere ’zusammentreffen, zusammenfallen’, zu l. incidere ’treffen, stürzen’ und l. con-, zu l. cadere ’fallen, sinken’ und l. in-.

n., mndd. kol(e), kale, mndl. cole. Aus g. *kula- n. Ebenso nndl. coı¨ncidentie, ne. coincidence, nfrz. coı¨ncidence. (*kulo¯n m.) ’Kohle’, auch in anord. kol n., ae. col n., Zur lateinischen Sippe s. ÞKadenz. – HWPh 4 (1976), 879–881. afr. kole. Im Gotischen dafür hauri (zu anord. hyrr m. ’Feuer’). Dazu anord. kola ’Tranlampe’, alem. cholle Koitus Sm ’Beischlaf’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. ’glimmen’. Das Wort bezeichnet ursprünglich, wie coitus, eigentlich ’Zusammengehen, Zusammentrefdas air. gu´al m. (*geu-lo-), die Holzkohle. Vielleicht fen’, zu l. coı¯re ’zusammengehen, zusammentreffen’, gehört weiter dazu arm. krak ’Feuer, glühende Kohzu l. ¯ıre ’gehen’ und l. con-. Das Wort ist zunächst ein

Kolibri

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medizinischer Ausdruck, wird dann aber im 20. Jh. unter dem Einfluss des Englischen gebräuchlicher. Verb: koitieren. Ebenso nndl. coı¨tus, ne. coition, coitus, nfrz. coı¨t, nnorw. koitus. Zur lateinischen Sippe s. ÞExitus. – EWNl 1 (2003), 455.

Koje Sf erw. grupp. (17. Jh.), mndd. koje. Wie ÞKäfig

und ÞKaue entlehnt aus l. cavea ’Verschlag’. Koje ist eine niederdeutsche Form, die sich auf die Bezeichnung der Kajüte spezialisiert hat. Ebenso nndl. kooi, nschw. koj, nnorw. køy. S. auch ÞKebse. – EWNl 3 (2007), 113.

Kojote Sm ’Präriewolf’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus

span. coyote, dieses aus nahuatl coyo¯tl. Ebenso ne. coyote, nfrz. coyote.

Kokain Sn (ein Betäubungs- und Rauschmittel) erw.

Bolte, J. ZVV 27 (1917), 136; de Tollenære, F. BGDSL 66 (1942), 345–350; Röhrich 2 (1992), 866.

Kokon Sm ’Gespinst von Insekten’ per. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. cocon, dieses aus prov. coucon ’Eierschale’. So bezeichnet nach der entsprechenden Funktion der Umhüllung. Ebenso nndl. cocon, ne. cocoon, nfrz. cocon, nschw. kokong, nnorw. kokong. Das provenzalische Wort gehört zu l. coccum, gr. ko´kkos ’Kern, Beere’; die Bedeutung ’Schale’ über ’Nuss’. – EWNl 1 (2003), 452.

Kokosnuss Sf (Frucht der Kokospalme) std. exot.

(16. Jh.). Entlehnt aus dem Plural von frz. coco m., dieses aus port. coco m., vermutlich aus l. coccum n. ’Kern, Beere’, aus gr. ko´kkos m. ’Kern von Früchten’. Älter indianische Nuss. Ebenso nndl. kokosnoot, ne. coco(a)nut, nfrz. noix de coco,

fach. (19. Jh.). Neubildung zu Koka, der Bezeichnung nschw. kokosnöt, nnorw. kokosnøtt, nisl. ko´koshneta. – EWNl 3 des Strauchs, in dessen Blättern der Stoff enthalten (2007), 104f. ist; dieses aus span. coca f., dieses aus Ketschua cuca, Kokotte Sf ’vornehme Prostituierte’ per. arch. (19. Jh.). coca. Gruppensprachlich verhüllend umgestaltet zu Im Umkreis von Þkokett, das eigentlich ’wie ein ÞKoks 2. Hahn’ bedeutet, entlehnt aus frz. cocotte ’Huhn, Ebenso nndl. cocaı¨ne, ne. cocaine, nfrz. cocaı¨ne, nschw. kokain, Hühnchen’, dann übertragen ’adrettes Mädchen’; nisl. ko´kaı´n. – EWNl 1 (2003), 451. dann abgesunken. Kokarde Sf ’Hoheitszeichen (an der UniformmütEbenso ne. cocotte, nfrz. cocotte, nschw. kokott, nnorw. kokotte. ze)’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. cocarde, eiKoks1 Sm (Brennstoff) erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus gentlich ’Hahnenkamm’, zu afrz. coq m. ’Hahn’. ne. cokes, der Pluralform von ne. coke ’Kohle’, dessen Ebenso nndl. kokarde, ne. cockade, nfrz. cocarde, nschw. koweitere Herkunft nicht mit letzter Sicherheit geklärt kard, nnorw. kokarde. – DF 1 (1913), 350; DEO (1982), 219; ist. Die Form ohne -s in verkoken, Kokerei. EWNl 3 (2007), 103. kokeln Vsw Þgokeln. Koker Sm ’Öffnung im Schiffsdeck für die Ankerket-

te’ per. fach. (18. Jh.). Niederdeutsche Form von ÞKöcher. Ebenso nndl. koker.

Ebenso nndl. cokes, ne. coke, nfrz. coke, nschw. koks, kox, nnorw. koks, nisl. koks. – Ganz (1957), 118; Rey-Debove/Gagnon (1988), 161f.; EWNl 1 (2003), 455.

Koks2 Sm ’Kokain’ per. vulg. (20. Jh.). Verhüllende Ent-

stellung von ÞKokain, in der Gaunersprache entstanden. Verb: koksen.

kokett Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. coquet, eigent- Koks3 (auch Gocks u.ä.) Sm ’steifer Hut’ per. reg.

lich ’wie ein Hahn’. Abstraktum: Koketterie; Verb: kokettieren.

Ebenso nndl. koket, ne. coquettish, nschw. kokett, nnorw. kokett. Das französische Wort ist abgeleitet von frz. coq, in dem offenbar mehrere Quellen zusammengeflossen sind: ml. coccus ’Hahn’ (offenbar lautmalend, vgl. cocococo als Ruf des Kapauns bei Petron), l. coccum ’Scharlach(rot)’ und offenbar ein germanisches (normannisches) kock- ’Haufen, Gipfel’. Sie führen zu einer Bedeutung ’Hahnenkamm’, von der Bedeutungen wie ’kokett’ ausgehen; ÞCockpit, ÞCocktail, ÞKokotte. – DF 1 (1913), 350; DEO (1982), 226f.; Brunt (1983), 212f.; EWNl 3 (2007), 103f.

Kokolores Sm ’Unsinn, Getue’ per. reg. (17. Jh.). Das

(19. Jh.). Herkunft unklar. Vielleicht aus wjidd. gag ’Dach’ mit umgangssprachlicher Weiterbildung. Kolben Sm std. (9. Jh.), mhd. kolbe, ahd. kolbo, mndd.

kolve. Ähnlich anord. kylfa f. ’Keule’ (*kulbjo¯n) neben anord. ko´lfr ’Pflanzenknollen, Glockenklöppel’. Wie die nordischen Wörter zeigen, ist von ’mit einer Kugel, einem Klumpen, versehen’ auszugehen, zu einem im Deutschen nicht bewahrten Wort für ’Klumpen, Kugel’ (vgl. ÞKeule und ÞKugel). Ursprünglich also eine Entsprechung zu Keule, dann auf verschiedene Anwendungsbereiche ausgeweitet. EWNl 3 (2007), 105.

Wort stammt wohl aus der Überlieferung, in der zum Kolchose Sf ’landwirtschaftliche ProduktionsgemeinAnschein der Gelehrsamkeit pseudo-lateinische schaft’ per. exot. (20. Jh.). Entlehnt aus russ. kolcho´z Wörter gebraucht werden; so etwa in englischem m., dieses aus russ. kol(lektivnoe) choz(jajstvo) n. Kontext cockalorum für ’Hahn’, dann für ’Feuer’ und ’Kollektivwirtschaft’. anderes. Vermutlich ist ein solches Wort (mit späterer Ebenso nndl. kolchoz, ne. kolkhoz, nfrz. kolkhoz(e), nschw. kolUmgestaltung) stellvertretend für diese Form des eitchos, nnorw. kolkos. len Prahlens geworden und dann verallgemeinert Kolibri Sm erw. exot. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. colibri, worden. das bei französischen Siedlern in der Karibik aufge-

Kolik

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kommen ist und wohl aus einer Eingeborenensprache stammt (die Quelle ist aber nicht nachgewiesen). Ebenso nndl. kolibrie, ne. colibri, nfrz. colibri, nschw. kolibri, nnorw. kolibri, nisl. ko´librı´fugl. – Loewe, R. ZVS 61 (1933), 77–83; EWNl 3 (2007), 105f.

Kolik Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. colica, die-

ses aus gr. ko¯liko´s ’im Kolon leidend’, speziell ko¯like¯´ dia´thesis ’Kolik’, zu gr. ko˜lon n. ’Glied, Leib’; die spezielle Bedeutung ist aber eine Variante von gr. ko´lon, Bezeichnung eines Teils der Gedärme. Ebenso nndl. koliek, ne. colic, nfrz. colique, nschw. kolik, nnorw. kolikk; ÞSemikolon. – EWNl 3 (2007), 106.

Kolk Sm ’Strudel im Wasser, Höhlung am Fluss-

ufer’ per. fach. (16. Jh.), mndd. kolk, kulk. Auch afr. kolk ’Grube, Loch’. In allgemeineren Bedeutungen (’Erdloch’) wohl zu ÞKuhle gehörig. Die Bedeutung ’Strudel’ ist wohl von dem lautmalenden kolken ’rülpsen, gurgeln’ beeinflusst. Einzelheiten unklar. Kluge (1911), 471; EWNl 3 (2007), 106.

Kolkrabe Sm erw. fach. (16. Jh.). Wohl nach dem Laut,

den der Vogel von sich gibt (kolk). Suolahti (1909), 177; Mahlow, G. H. WS 12 (1929), 47–56.

Kollaborateur Sm ’jmd., der mit dem Gegner zusam-

menarbeitet’ per. grupp. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. collaborateur, einem Nomen Agentis zu frz. collaborer ’mitarbeiten’, aus ml. collabora¯re, aus l. labora¯re und l. con-. Verbale Grundlage: kollaborieren; Abstraktum: Kollaboration.

Verfügung treffen, jmd. abordnen’ (Þlegal) und l. con-. – DF 1 (1913), 352; Götze (1929), 17 (zu Kollegium); BlW 4 (1992), 136–144; EWNl 1 (2003), 458f.

Kollekte Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. colle¯cta

’Beisteuer, Geldsammlung’, später speziell ’kirchliche Geldsammlung’, aus l. colligere (colle¯ctum) ’sammeln’, aus l. legere ’sammeln’ und l. con-. Ebenso nndl. collekte, ne. collect, nfrz. collecte, nschw. kollekt, nnorw. kollekt, nisl. kollekta; ÞLegende. – DF 1 (1913), 352f.; LM 5 (1991), 1254; EWNl 1 (2003), 458f.

Kollektion Sf ’Sammlung, Zusammenstellung’ erw.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. collection, dieses aus l. colle¯ctio (-o¯nis) ’das Aufsammeln, die Ansammlung’, einer Ableitung von l. colligere (colle¯ctum) ’zusammenlesen, sammeln, aufsammeln’, zu l. legere ’auflesen, lesen, sammeln’ und l. con-. Ebenso nndl. collectie, ne. collection, nfrz. collection, nschw. kollektion, nnorw. kolleksjon; ÞLegende. – Schirmer (1911), 100; EWNl 1 (2003), 458.

kollektiv Adj erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. coll-

ectif ’gemeinschaftlich’, dieses aus l. colle¯ctı¯vus ’gesammelt’, Adjektiv auf der Grundlage des Partizips zu l. colligere (colle¯ctum) ’zusammenlesen, sammeln’. Die Substantivierung Kollektiv n. spielt im 20. Jh. eine größere Rolle im Osten Europas unter Einfluss von russ. kollektı´v ’Produktionsgemeinschaft’. Ebenso nndl. collectief, ne. collective, nfrz. collectif, nschw. kollektiv, nnorw. kollektiv; ÞLegende. – EWNl 1 (2003), 458.

Ebenso nndl. collaborateur, ne. collaborator, nfrz. collaborateur, Kollektor Sm per. fach. (19. Jh.). Neoklassische Bildung nschw. kollaboratör, nnorw. kollaboratør; ÞLaboratorium. – zu l. colligere (colle¯ctum) ’sammeln’. EWNl 1 (2003), 456. Ebenso nndl. collector, ne. collector, nfrz. collecteur, nschw. kollektor, nnorw. kollektor; ÞLegende. Kollaps Sm std. stil. (19. Jh.). Entlehnt aus ml. collapsus,

dieses zu l. colla¯bi ’in sich zusammensinken, zusammenbrechen’, zu l. la¯bı¯ ’sinken, gleiten’ und l. con-. Ebenso nndl. collaps, ne. collapse, nfrz. collapsus, nschw. kollaps, nnorw. kollaps; Þlabil.

Kolleg Sn per. arch. (19. Jh.). Universitätsveranstaltung,

Koller1 Sm ’Wut’ erw. obs. (10. Jh.), mhd. kolre, ahd.

koloro ’Zorn, Bauchweh’. Entlehnt aus spl. cholera f. (vgl. frz. cole`re f. ’Wut’), das ursprünglich ’Gallenbrechruhr’ bedeutet (s. unter ÞCholera); dann aber nach der mittelalterlichen Medizin und Temperamentenlehre (und Rückanschluss an gr. chole¯´ f. ’Galle; Hass, Zorn’) umgedeutet wird (ÞCholeriker).

eine Art der Vorlesung. Eigentlich Privatkollegium, d.h. ’Zusammentreffen (Kollegium) von Studenten’, Ebenso nndl. kolder, ne. choler, nfrz. cole`re, nschw. koller. – das dann später von einem Privatdozenten geleitet Heyne (1899/1903), III, 192; EWNl 3 (2007), 105. wird und sich so zur Vorlesung entwickelt. Im Gegensatz dazu stand die öffentliche Vorlesung. Koller2 Sn ’Wams’ per. arch. (10. Jh.), mhd. koller, ahd. Ebenso nndl. college, ne. college, nfrz. colle`ge, nschw. kollegium. kolla¯ri m. Daneben mhd. kollier, gollier, das von afrz. – DF 1 (1913), 351f. collier beeinflusst ist. Direkt und indirekt entlehnt aus spl. colla¯rium n. ’Halsschutz’ (zu l. collum n. ’Hals’). Kollege Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. colle¯ga Die Bedeutung geht über von einem Teil der Rüstung ’Amtsgenosse’. Die römische Republik hatte als zu einem Kleidungsstück, dessen Funktion und AusGrundsatz der Verfassungsordnung, dass öffentliche sehen sich im Laufe der Zeit wandelt. Ämter mit mehreren gleichberechtigten Personen zu Ebenso ne. collar, nfrz. collier; Þdekolletiert, ÞKollier. S. ÞHals besetzen seien, wodurch man sich eine Beschränkung zur germanischen Verwandtschaft. der Macht von Einzelpersonen versprach (z.B. das kollegiale Doppelkonsulat). Später dann Verallgekollern1 Vsw (Laut des Truthahns) per. fach. (16. Jh.). meinerung der Bedeutung. Adjektiv: kollegial; KolLautmalender Herkunft. lektivum: Kollegium. kollern2 Vsw ’kugeln’ ÞKuller. Ebenso nndl. collega, ne. colleague, nfrz. colle`gue, nschw. kollega, nnorw. kollega. Das lateinische Wort gehört auf morphologisch nicht ganz klare Weise zu l. le¯ga¯re ’eine gesetzliche

kollidieren Vsw ÞKollision.

Kombattant

515

Kollier Sn ’wertvolle Halskette’ per. fach. (19. Jh.). Ent- Kolorit Sn ’Farbgebung, Farbe’ erw. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. collier m., dieses aus l. colla¯re ’Halsband’, einer Ableitung von l. collum ’Hals’. Ebenso nndl. collier, nschw. collier; Þdekolletiert, ÞKoller 2. S. ÞHals zur germanischen Verwandtschaft.

Kollision Sf ’Zusammenstoß’ erw. fach. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus it. colorito m., einer Ableitung von it. colorire ’färben, ausschmücken’, dieses aus l. colo¯ra¯re, zu l. color m. ’Farbe’. Hauptsächlich in Lokalkolorit. Ebenso nndl. koloriet, nfrz. coloris, nschw. kolorit, nnorw. koloritt.

lehnt aus l. collı¯sio (-o¯nis), einer Ableitung von l. col- Koloss Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. colossus lı¯dere ’zusammenschlagen, zusammenstoßen’, zu l. ’Riesenstatue, insbesondere: die dem Sonnengott gelaedere ’verletzen, versehren, beschädigen’ weihte Statue auf der Insel Rhodos’, dieses aus gr. (Þlädieren) und l. con-. Verb: kollidieren. kolosso´s. Adjektiv: kolossal. Ebenso ne. collision, nfrz. collision, nschw. kollision, nnorw. kollisjon. – DF 1 (1913), 353.

Kolloquium Sn per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. col-

Ebenso nndl. kolos, ne. colossus, nfrz. colosse, kolossus, nschw. koloss, nnorw. koloss. – DF 1 (1913), 355–357; Littmann (1924), 13.

loquium ’Unterredung, Gespräch, Geplauder’, einer kolportieren Vsw ’Gerüchte verbreiten’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. colporter ’herumtragen, zuAbleitung von l. colloquı¯ ’sich besprechen, unterhansammentragen’, dieses aus l. comporta¯re ’zusamdeln’, zu l. loquı¯ ’sprechen’ und l. con-. mentragen’, zu l. porta¯re ’tragen’ und l. con-. Die UmEbenso nndl. colloquium, ne. colloquium, colloquy, nfrz. collobildung von m zu l unter dem Einfluss der Nachdeuque, nnorw. kollokvium; ÞEloquenz. tung l. collo porta¯re ’am Hals tragen’ (gewissermaßen Kolonie Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. colo¯nia, als Bauchladen). Die Bedeutung ist zunächst einer Ableitung von l. colo¯nus m. ’Ansiedler, Bebau’hausieren’ (besonders mit Büchern − ein Kolportaer’, zu l. colere (cultum) ’bebauen, pflegen’. Adjektiv: geroman ist ein in Lieferungen erscheinender Rokolonial; Verb: kolonialisieren; Täterbezeichnung: man), dann ’mit Gerüchten hausieren’. Abstraktum: Kolonist; Abstraktum: Kolonialismus. Kolportage; Nomen Agentis: Kolporteur. Ebenso nndl. kolonie, ne. colony, nfrz. colonie, nschw. koloni, nnorw. koloni; ÞClown. – DF 1 (1913), 354; Ganz (1957), 118; Rix, H. FS Meid (1989), 225–240; BlW 4 (1992), 146–167; EWNl 3 (2007), 106.

Kolonne Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. colonne

(auch: ’Säule, senkrechte Reihe’), dieses aus l. columna ’Säule’. Ebenso nndl. colonne, ne. column, nschw. kolonn, nnorw. kolonne; ÞKolumne. – Brunt (1983), 198; EWNl 1 (2003), 460.

Kolophonium Sn (ein Harz zum Bestreichen von In-

Ebenso nndl. colporteren, ne. colportage, nschw. kolportage, nnorw. kolportere; Þtransportieren. – EWNl 1 (2003), 460.

Kolster Sm ÞQualster. Kolter1 Smf ’gefütterte Steppdecke’ per. arch. (12. Jh.),

mhd. kulter m./f./n. Entlehnt aus gleichbedeutendem afrz. co(u)ltre, das seinerseits aus l. culcita f. ’Polster, Matratze’ stammt. Kretschmer (1969), 165.

Kolter2 Smn ’Pflugmesser’ per. arch. ndd. (15. Jh.),

strumentenbögen) per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. mndd. kolter. Früh entlehnt aus l. culter m., wohl über colophonia (resina), zu l. colopho¯nius m., dieses aus gr. afrz. coltre. ´ kolopho¯nios ’aus Kolophon’, dem Adjektiv zu gr. KoEbenso ne. co(u)lter, nfrz. coutre, nndl. kouter. Vgl. ÞSech. – lopho¯´n, dem Namen einer Stadt in Kleinasien. Das Frings (1932), 153f.; Kratz (1966), 35–55. Harz ist demnach nach seiner Herkunft benannt. Die Kolumne Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. columUmbildung zum Neutrum (ohne Vorbild im Lateina ’Spalte’, eigentlich ’Säule’. nischen) schon bald nach der Entlehnung (neben der Ebenso nndl. kolom, ne. column, nschw. kolumn, nnorw. kowohl pluralischen Form Colophonien). lumne; ÞKolonne. – EWNl 1 (2003), 461. Ebenso nndl. colofonium, ne. colophony, nfrz. colophane, nschw. kolofonium, nnorw. kolofonium. – DF 1 (1913), 354f.; EWNl 1 (2003), 460.

Koloratur Sf ’Verzierung einer Melodie’ per. fach.

Köm Sm ’Kümmelschnaps’ per. ndd. (20. Jh.). Verkürzt

aus kömmel ’Kümmel’. Koma Sn ’Bewusstlosigkeit’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt

aus gr. ko˜ma ’tiefer Schlaf’. (16. Jh.). Entlehnt aus it. coloratura ’Verzierung, AusEbenso nndl. coma, ne. coma, nfrz. coma, nschw. koma, nnorw. schmückung, Farbgebung’, einer Ableitung von it. koma. – EWNl 1 (2003), 461. colorare ’färben, ausschmücken’, aus l. colo¯ra¯re, zu l. color m. ’Farbe’. Hauptsächlich in Koloratursopran. Kombattant Sm ’Kriegsteilnehmer, Mitkämpfer’ per. Ebenso nndl. coloratuur, ne. coloratura, nfrz. colorature, nschw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. combattant, dem subkoloratur, nnorw. koloratur. – DF 1 (1913), 355. stantivierten PPräs. von frz. combattre ’kämpfen’, dieses zu l. battuere ’schlagen’ und l. con-. kolorieren Vsw ’ausmalen’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt Ebenso nndl. combattant, ne. combatant, nfrz. combattant, aus l. colo¯ra¯re ’färben, ausschmücken’, zu l. color m. ndn. kombattant; ÞBataillon. ’Farbe’. Ebenso ne. colour, nfrz. colorier, nschw. kolorera, nnorw. kolorere. – DF 1 (1913), 355.

Kombination Kombination Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus spl. combı¯-

516 Ebenso nndl. komisch, ne. comic(al), nfrz. comique, komiek,

nschw. komisk, nnorw. komisk (allg. nicht in der Bedeutung na¯tio (-o¯nis), einer Ableitung von l. combı¯na¯re (com’seltsam’). – DF 1 (1913), 358f.; HWPh 4 (1976), 889–893; bı¯na¯tum) ’vereinigen’, eigentlich: ’je zwei zusammenEWNl 3 (2007), 109. bringen’, zu l. bı¯nı¯ ’je zwei’ (Þbi-, Þkon-). Verb: kombinieren. In der modernen Fachsprache spielt das Komitee Sn ’Ausschuss’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. comite´ m., dieses aus ne. committee, einer AbWort eine bedeutende Rolle und wird häufig mit leitung von ne. commit ’übertragen, anvertrauen’, Kombi- gekürzt. dieses aus l. committere (eigentlich ’zusammenbrinEbenso nndl. combinatie, ne. combination, nfrz. combinaison, gen, zusammenfügen’), zu l. mittere (missum) nschw. kombination, nnorw. kombinasjon. Vgl. auch Kombine und Kombinat in der früheren ostdeutschen Wirtschaftsspra’schicken, senden’ und l. con-. che. – DF 1 (1913), 357; EWNl 1 (2003), 462.

Kombüse Sf ’Schiffsküche’ erw. fach. (15. Jh., Form

Ebenso nndl. comite´, ne. committee, nfrz. comite´, nschw. kommitte´, nnorw. komite´; Þkompromittieren. – DF 1 (1913), 360; Ganz (1957), 120f.; EWNl 1 (2003), 462.

18. Jh.). Aus ndd. kambu¯se, nndl. kombuis, seit dem 18. Jh. für älteres mndd. kabus(e), mndl. cabuse Komma Sn std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. comma ’Vorratskammer’ (seit dem 15. Jh.). Für ndd. kabuus ’Einschnitt, Abschnitt, Zäsur’, dieses aus gr. ko´mma wird auch die Bedeutung ’Kernhaus’ angegeben, so ’Schlag, Einschnitt’, einer Ableitung von gr. ko´ptein ’schlagen, stoßen, abschlagen’. Als Satzzeichen seit dass sich eine Zusammensetzung mit -haus nahelegt. dem 17. Jh., älter Virgul. Das Vorderglied bleibt unklar. Kabüse (ÞKabuse) wird im Deutschen mit der Bedeutung ’BretterverEbenso nndl. komma, ne. comma, nschw. komma, nnorw. komma, nisl. komma; ÞSynkope. – Leser, E. ZDW 15 (1914), schlag (auf dem Schiff)’ gebräuchlich. ÞKabäuschen. – Schröder (1906), 28–31; Törnqvist, N. NPhM 69 (1968), 685–687; Knobloch, J. Lingua 26 (1970/71), 307; DEO (1982), 188; EWNl 3 (2007), 107.

Komet Sm std. (14. Jh.), mhd. come¯te. Entlehnt aus l.

come¯ta m./f., come¯te¯s, dieses aus gr. kome¯´te¯s (dass., auch: ’langhaarig’), zu gr. ko´me¯ f. ’Haar, Mähne’. Der Himmelskörper ist somit in einem Vergleich mit einer wallenden Mähne nach seiner charakteristischen Form bezeichnet. Ebenso nndl. komeet, ne. comet, nfrz. come`te, nschw. komet, nnorw. comet. – LM 5 (1991), 1276f.; EWNl 3 (2007), 108.

Komfort Sm std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. comfort

38f.; EWNl 3 (2007), 109f.

kommandieren Vsw std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. com-

mander, dieses aus früh-rom. *commandare, zu l. commenda¯re ’anvertrauen, übergeben’, zu l. manda¯re (manda¯tum) ’übergeben, anvertrauen, beauftragen, Weisung geben’ und l. con-, dieses aus l. manus ’Hand’ und l. dare ’geben’. Im Spätlateinischen übernimmt das Wort die Bedeutung ’Weisung geben’ vom lateinischen Stammwort manda¯re. Nomen Agentis: Kommandant; Abstraktum: Kommando. Ebenso nndl. commanderen, ne. command, nschw. kommandera, nnorw. kommandere; Þmanuell, ÞDatum. – DF 1 (1913), 360f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 250f.; EWNl 1 (2003), 462–464.

’Bequemlichkeit, Annehmlichkeit, (auch: Trost, Stärkung)’, dieses aus afrz. confort ’Trost, Stärkung’, einer kommen Vst std. (8. Jh.), mhd. komen, ahd. kuman, queman, as. kuman. Aus g. *kwem-a- Vst. ’kommen’, Ableitung von afrz. conforter ’stärken, trösten’, aus l. auch in gt. qiman, anord. koma, ae. cuman, afr. kuma, co¯nforta¯re ’kräftig stärken’, zu l. fortis ’stark, fest’ und koma. Dieses aus einer ursprünglich wohl schwundl. con-. Der Bedeutungswandel im Englischen erklärt stufigen Bildung zu ig. *g wem- in ai. ga´cchati ’geht’, sich als Übergang von ’Trost, Stärkung’ zu ’Zustand toch. AB käm- ’kommen’, gr. baı´no¯ ’ich gehe’, lit. des Getröstet- und Gestärktseins, d.h. angenehmer gim ˜ ti ’geboren werden, entstehen’ (’auf die Welt Zustand ohne Schwäche und Leid’. Die Aussprache kommen’?), l. venio ’ich komme’. Präfigierungen: ist französisiert. Adjektiv: komfortabel. Þbe-, Þver-, über-; Partikelverben: ab-, an-, aus-, nieEbenso nndl. comfort, ne. comfort, nfrz. confort, nschw. komder-, überein-, um-, unter-; zu diesen als Verbalabstrakfort, nnorw. komfort; ÞFort. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 171f.; DF 1 (1913), 358; Ganz (1957), 119f.; Mühlmann, H.: ta: -kunft und -kommen. Luxus und Komfort (Bonn 1975); HWPh 4 (1976), 888f.; EWNl 1 (2003), 462.

komisch Adj std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. co¯micus, wohl

Ebenso nndl. komen, ne. come, nschw. komma, nisl. koma. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þintervenieren; zur griechischen Verwandtschaft s. ÞBasis; aus dem Englischen: ÞComeback; Þbequem, ÞZukunft. – Seebold (1970), 315–317; EWNl 3 (2007), 108.

unter Einfluss von frz. comique, zunächst im Sinne von ’zur Komödie gehörig’. Das lateinische Wort stammt aus gr. ko¯miko´s ’zu einer Komödie gehörig’ kommensurabel Adj ’vergleichbar’ per. fach. (20. Jh.). Häufiger die Gegensatzbildung inkommensurabel. (ÞKomödie). Für die späteren Volkssprachen wird Entlehnt aus spl. comme¯nsu¯ra¯bilis, zu l. comme¯tı¯rı¯ zunächst der Begriff Komödie ’Lustspiel’ für das Wort ’vergleichen, ausmessen’, zu l. me¯tı¯rı¯ (me¯nsus) bestimmend, die ganze Wortfamilie aber in großem ’messen’ und l. con-. Umfang auch mit verallgemeinerter Bedeutung Ebenso nndl. commensurabel, ne. commensurable, nfrz. com(’lustig, wunderlich’ usw.) verwendet. Abstraktum: mensurable, nschw. kommensurabel, nnorw. kommensurabel; Komik; Täterbezeichnung: Komiker. ÞDimension.

517 Komment Sm ’Brauch, Regel’ per. fach. (19. Jh.). Hy-

postasierung von frz. comment ’wie’. Dieses ist eine Adverbialbildung zu afrz. com, und diese über spätlateinische Zwischenstufen aus l. quo¯modo + -mente, zu l. quo¯ ’irgendwie’ und l. modus ’Art und Weise’; ÞModus. – DF 1 (1913), 361.

kommentieren Vsw std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. com-

menta¯rı¯, einem Frequentativum zu l. comminı¯scı¯ ’sich auf etwas besinnen, ersinnen’, das mit l. me¯ns ’Sinn’ verwandt ist. Abstraktum: Kommentar; Nomen Agentis: Kommentator. Ebenso nndl. (be)commentarie¨ren, ne. comment, commentate, nfrz. commenter, nschw. kommentera, nnorw. kommentere. Zur Verwandtschaft s. ÞAutomat (gr.) und Þmahnen; Þmental, Þmonieren. – DF 1 (1913), 361f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 395; LM 5 (1991), 1279–1283; BlW 4 (1992), 176–179; EWNl 1 (2003), 464.

Kommers Sm ’feierliche Kneipe’ per. fach. (19. Jh.). Aus

frz. commerce ’Handel, Verkehr’ wird einerseits nhd. Kommerz ’Handel, kaufmännischer Verkehr’ (Þkommerziell), andererseits mundartliches Kommersch ’freundschaftlicher Verkehr’, dann auch ’lärmendes Treiben’. Von dort aus dann in die Studentensprache übernommen. Ebenso ne. commerce. – DF 1 (1913), 362.

kommerziell Adj erw. fach. (19. Jh.). Französisierende

Kommunismus später auch im Verwaltungsbereich gebraucht. Adjektiv: kommissarisch; Lokalbildung: Kommissariat. Ebenso nndl. commissaris, ne. comissary, nfrz. commissaire, nschw. kommissarie, nnorw. kommiss¢r. – DF 1 (1913), 364f.; EWNl 1 (2003), 464f.

Kommission Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. commissio

(-o¯nis) ’Vereinigung, Verbindung’, einer Ableitung von l. committere (commissum) ’zusammenlassen, zusammenbringen, anvertrauen’, zu l. mittere ’laufen lassen, senden, schicken’ und l. con-. Ebenso nndl. commissie, ne. commission, nfrz. commission, nschw. kommission, nnorw. kommisjon; Þkompromittieren. – Schirmer (1911), 102; LM 5 (1991), 1284f.; EWNl 1 (2003), 465.

kommod Adj ’bequem, angenehm’ erw. obs. österr.

schwz. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. commode, dieses aus l. commodus, zu l. modus ’Art und Weise’ und l. con(Zusammenrückung con modo). Ebenso ne. commodious; ÞModus. – DF 1 (1913), 365; Jones, W. J. SN 51 (1979), 251.

Kommode Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. commode,

einer Substantivierung von frz. commode ’angenehm, zweckmäßig’. Ebenso nndl. commode, ne. commode, nfrz. commode, nschw. kommod, nnorw. kommode, nisl. kommo´daÑ ; Þkommod. – Kretschmer (1969), 303f.; Brunt (1983), 199f.; EWNl 1 (2003), 465.

Bildung zu nhd. Kommerz ’Handel und kaufmänni- Kommune Sf ’Gemeinde’ erw. fach. (13. Jh.), mhd. comscher Verkehr’, dieses aus frz. commerce, aus l. commu¯n[e] f./n. Entlehnt aus afrz. commune, dieses aus mercium, zu l. merx (mercis) ’Ware, Preis der Ware’ ml. communia, einer Substantivierung von l. comund l. con-. Hierzu auch Kommerzienrat, ursprünglich mu¯nis ’gemeinsam, gewöhnlich’. Adjektiv: kommunal. Mitglied der Kommerzienkammer (einer Art WirtEbenso ne. commune, nfrz. commune, nschw. kommun, nnorw. schaftsministerium), dann Titel von Großkaufleuten. kommune. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þgemein. – Ebenso nndl. commercieel, ne. commercial, nfrz. commercial, nschw. kommersiell, nnorw. kommersiell; ÞKommers, ÞMarkt. – Schirmer (1911), 101.

Kommilitone Sm ’Studienkollege’ per. fach. (16. Jh.).

Entlehnt aus l. commı¯lito (-o¯nis) ’Mitsoldat, Waffenbruder, Kriegsgefährte’, zu l. mı¯lito (-o¯nis) ’Kämpfer, Streiter’ und l. con-, zu l. mı¯les (-litis) ’Soldat’. ÞMilitär.

Kommiss Sm erw. stil. (16. Jh.). Zunächst in der Bedeu-

Arnold, R. F. ZDW 8 (1906/07), 13; LM 5 (1991), 1284–1289; EWNl 1 (2003), 466.

Kommunikation Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l.

commu¯nica¯tio (-o¯nis) ’Mitteilung’, Abstraktum von l. commu¯nica¯re ’mitteilen, teilen, gemeinschaftlich machen’, zu l. commu¯nis ’gemeinschaftlich, allgemein, gemeinsam’. Adjektiv: kommunikativ. Ebenso ne. communication, nfrz. communication, nndl. communicatie, nschw. kommunikation, nnorw. kommunikasjon; ÞKommune. – HWPh 4 (1976), 893–896; Berg, K. FS Hötzer (Freiburg 1983), 13–42; EWNl 1 (2003), 466.

tung ’Heeresvorräte’ (als Femininum) bezeugt. Das Wort ist gekürzt aus ÞKommission, das seinerseits aus l. commissio (-o¯nis) f. entlehnt ist. So wird zunächst Kommunion Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus kirchen-l. commu¯nio, ursprünglich ’Gemeinschaft’ der Auftrag an die Bevölkerung bezeichnet, Unter(ÞKommune). Verb: kommunizieren. haltsmittel für die Armee beizubringen, dann der Ebenso nndl. communie, ne. communion, nfrz. communion, Vorrat selbst; speziell der Vorrat an Brot (daher Komndn. kommunion, nnorw. kommunion; ÞKommune. – LM 5 missbrot für das beim Militär ausgegebene Brot). Das (1991), 1289; EWNl 1 (2003), 466. Kommissbrot steht stellvertretend für die Versorgung beim Militärdienst, deshalb Übergang von Kommiss Kommunique´ Sn erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. zu ’Militär’ (wie bei ÞBarras). communique´ m. ’Mitteilung’, zu frz. communiquer Ebenso nschw. kommisbröd; Þkompromittieren. – DF 1 (1913), aus l. commu¯nica¯re (ÞKommunikation). 363f.; EWNl 1 (2003), 464.

Kommissar Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus ml. commis-

Ebenso nndl. communique´, ne. communique´, nfrz. communique´, nschw. kommunike´, nnorw. kommunike´.

sa¯rius ’Beauftragter’ zu l. committere (ÞKommission). Kommunismus Sm std. (19. Jh.). Als Schlagwort für ’staatliche Gütergemeinschaft’ gebildet zu l. commu¯Die Bedeutung ist zunächst ’Geschäftsführer’, erst

Komödie

518

nis ’gemeinsam’ (ÞKommune). Als politisches Schlagwort seit 1840 in Frankreich (E. Cabet). Vermutlich über England nach Deutschland gekommen. Täterbezeichnung: Kommunist; Adjektiv: kommunistisch.

para¯re ’gegenüberstellen, gleichstellen’, zu l. compa¯r ’gleich’, zu l. pa¯r und l. con-. Der Komparativ beruht auf einem Vergleich. Auf Vergleiche verschiedener Sprachen, Literaturen usw. beziehen sich komparativ, Komparatist, Komparatistik.

Ebenso nndl. communisme, ne. communism, nfrz. communisme, nschw. kommunism, nnorw. kommunisme, nisl. kommu´nismi. – HWPh 4 (1976), 899–908; GB 3 (1982), 455–529; EWNl 1 (2003), 467.

Ebenso nndl. comparatief, ne. comparative, nfrz. comparatif, nschw. komparativ, nnorw. komparativ; ÞPaar.

Komödie Sf ’Lustspiel’ std. (15. Jh.). Im Frühneuhoch-

Komparse Sm ’nicht sprechende Nebenrolle im Thea-

ter’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it. comparsa f. (eigentlich ’Erscheinen’), einer Ableitung von it. comparire ’erscheinen’, dieses aus l. compa¯re¯re, zu l. pa¯re¯re ’erscheinen, sich zeigen’ und l. con-.

deutschen entlehnt aus l. co¯moedia, dieses aus gr. ko¯mo¯idı´a, zu gr. ko˜mos m. ’Freudengelage, Belustigung, Fest, ausgelassener Umzug’ und gr. o¯idos Ebenso nfrz. comparse; Þparieren 3. ’Sänger’; gemeint ist der Sänger ausgelassener Lieder bei den Dionysos-Umzügen, die eine Quelle der grie- Kompass Sm erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus it. compasso ’Zirkel, Magnetnadel’, einer Ableitung von it. chischen Komödie sind. Täterbezeichnung: compassare ’rundherum abschreiten, abmessen’, zu l. Komödiant. passus ’Schritt’ und l. con-. Ebenso nndl. komedie, ne. comedy, nfrz. come´die, nschw. komedi, nnorw. komedie; Þkomisch, ÞOde. – DF 1 (1913), 366f.; Burkart, W.: Wilder Ursprung (Berlin 1990), 13–39; LM 5 (1991), 1290.

Kompagnon Sm ’Gesellschafter, Begleiter’ erw. obs.

Ebenso nndl. kompas, ne. compass, nfrz. compas, nschw. kompass, nnorw. kompas(s), nisl. kompa´s; Þpassieren. – Öhmann, E. NPhM 41 (1940), 148; LM 5 (1991), 1292f.; EWNl 3 (2007), 110.

kompatibel Adj ’zusammenpassend, verträglich’ per. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. compagnon ’Geselle, Gefach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. compatible, dieses aus nosse’, dieses aus spl. companio (-onis), zu l. compa¯afrz. compatible ’übereinstimmend’, zu afrz. compatir gina¯re ’sich vereinigen, sich zusammenschließen’, zu ’übereinstimmen’, aus spl. compatior ’zugleich leiden, l. compa¯ge¯s f. ’Verbindung’. (Die übliche Anknüpfung mitleiden’, zu l. patior ’dulden, erdulden’ und l. con-. an l. panis ’Brot’ ist weniger wahrscheinlich). EntMit der Übereinstimmung ist also zunächst eine seesprechend Kompagnie ’Gesellschaft’ aus afrz. compalische Übereinstimmung gemeint. Abstraktum: gnie (ÞKompanie). Kompatibilität. Ebenso ne. companion, nfrz. compagnon, nndl. compagnon, Ebenso nndl. compatibel, ne. compatible, nfrz. compatible, nschw. kompanjon, nnorw. kompanjong; ÞKumpan. – Schirnschw. kompatibel, nnorw. kompatibel. mer (1911), 102f.; Helbling, F. ZDW 14 (1912/13), 24f., 42, 75; DF 1 (1913), 367f.; Bork, H. D. ASNSL 217 (1980), 1–16; Meier, Kompendium Sn ’Abriss, kurzgefasstes Lehrbuch’ per. H. ASNSL 217 (1980), 17–25; EWNl 1 (2003), 467f. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. compendium ’Abkür-

kompakt Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. compact,

dieses aus l. compa¯ctus, dem PPP. von l. compingere ’zusammenschlagen, zusammenfügen, drängen’, zu l. pangere ’befestigen, einschlagen’ und l. con-. Ebenso nndl. compact, ne. compact, nfrz. compact, nschw. kompakt, nnorw. kompakt. Zur Sippe von l. pangere ’befestigen’ gehört als Partizip außer kompakt auch ÞPakt und früher entlehntes ÞPacht; zur nicht-nasalierten Form gehört ÞPropaganda und früher entlehntes Þpfropfen; zu dem zugehörigen Wurzelnomen l. pa¯x ’Friede’ gehört ÞPazifismus; zu einer l-Bildung ÞPalis(s)ade und das früh entlehnte ÞPfahl. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞFach. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 395; EWNl 1 (2003), 467.

Kompanie Sf erw. fach. (12. Jh., Bedeutung 16. Jh.),

mhd. kumpanie ’Gesellschaft’. Ist entlehnt aus afrz. compagnie (ÞKompagnon). Im 16. Jh. im Anschluss an die französische Bedeutungsentwicklung die heutige, militärische Bedeutung. Ebenso nndl. compagnie, ne. company, nfrz. compagnie, nschw. kompani, nnorw. kompani, nisl. kompa´ni. – LM 5 (1991), 1291f.; EWNl 1 (2003), 467.

Komparativ Sm (Steigerungsstufe des Adjektivs) per.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. compara¯tı¯vus, zu l. com-

zung, Ersparnis, Profit’, zu l. compendere ’abwägen’, zu l. pendere ’wägen, beurteilen’ und l. con-. Ebenso ne. compendium, nfrz. compendium, nndl. compendium, nschw. kompendium, nnorw. kompendium; Þsuspendieren. – LM 5 (1991), 1293.

kompensieren Vsw ’ausgleichen’ erw. fach. (16. Jh.).

Entlehnt aus l. compe¯nsa¯re ’auswiegen, abwägen’, zu l. pe¯nsa¯re ’abwägen, ausgleichen’ und l. con-, einem Intensivum zu l. pendere ’abwägen, beurteilen’. Abstraktum: Kompensation. Ebenso nndl. compenseren, ne. compensate, nfrz. compenser, nschw. kompensera, nnorw. kompensere; Þsuspendieren. – DF 1 (1913), 368; HWPh 4 (1976), 912–918; EWNl 1 (2003), 468.

kompetent Adj std. stil. (18. Jh.). Entlehnt aus l. com-

pete¯ns (-entis), dem PPräs. von l. competere ’zusammentreffen, etwas gemeinsam erstreben, gesetzlich erfordern’, dann auch ’zustehen, zukommen’, zu l. petere ’begehren, zu erlangen suchen’ und l. con-; das Adjektiv bedeutet also zunächst ’zuständig’. Früher bezeugt ist das Abstraktum Kompetenz (16. Jh.), das aber zunächst ’Recht auf Einkünfte’ bedeutet, als Abstraktum des Adjektivs erst im 19. Jh.

519 Ebenso nndl. competent, ne. competent, nfrz. compe´tent, nschw. kompetent, nnorw. kompetent; ÞPetition. – DF 1 (1913), 368f.; Jones (1976), 219; HWPh 4 (1976), 918–933; Jones, W. J. SN 51 (1979), 251; EWNl 1 (2003), 468.

Kompilation Sf ’Auszug aus anderen Quellen’ per. fach.

komponieren schwang’), einer Ableitung von span. cumplir ’auffüllen, erfüllen’, aus l. comple¯re ’vollmachen, ausfüllen’, zu l. ple¯nus ’voll’ und l. con-. So bezeichnet als ’Erfüllung der Schuldigkeit’, dann ’Höflichkeitsbezeugung’.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. compı¯la¯tio ’Plünderung’ Ebenso nndl. compliment, ne. compliment, nschw. kompli(auch übertragen, vgl. l. compı¯la¯tor ’Plagiator’); Abmang, nnorw. kompliment; ÞPlenum. – DF 1 (1913), 370; Jones (1976), 219–221; Röhrich 2 (1992), 867; Redecker, A. FS Badia straktum zu l. compı¯la¯re ’plündern’, das etwas später i Margarit 2,2 (1995), 215–233; EWNl 1 (2003), 470. als kompilieren entlehnt wird. Die Herkunft des lateinischen Wortes ist unklar. Komplize Sm ’Verbündeter’ erw. fremd. (17. Jh.). EntEbenso nndl. compilatie, ne. compilation, nfrz. compilation, lehnt aus frz. complice m./f., dieses aus spl. complex nschw. kompilation, nnorw. kompilasjon; Þpflücken. – EWNl 1 (-licis) (Þkomplex). Das Wort wird zunächst im Plu(2003), 468f. ral gebraucht (daher auch die Lautform), als ’die miteinander Verbundenen’, der Singular erst später. komplementär Adj ’ergänzend’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. comple´mentaire, einer Ableitung von Ebenso ne. accomplice, nfrz. complice. – EWNl 1 (2003), 470. frz. comple´ment ’Ergänzung, Vervollständigung’, die- kompliziert AdjPP std. (18. Jh.). Eigentlich Partizip zu ses aus l. comple¯mentum, einer Ableitung von l. comkomplizieren, das aber erst später bezeugt ist; somit ple¯re ’vollmachen, ausfüllen’. wohl Nachbildung von frz. complique´ aus l. compliEbenso nndl. complementair, ne. complementary, nfrz. complementaire, nschw. komplementär, nnorw. komplement¢r; ÞPlenum. – EWNl 1 (2003), 469.

Komplet1 Sfn ’letzter Teil des Stundengebets’ per. fach.

(13. Jh.). So bezeichnet als ’vervollständigendes, beendendes Gebet’ zu l. comple¯tus ’vollständig’. Ebenso nndl. compleet, ne. compline, nfrz. complies; Þkomplett.

Komplet2 Sn Þkomplett. komplett Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. complet,

ca¯tus, dem PPP. von l. complica¯re ’zusammenfalten, verwickeln’, zu l. plica¯re ’falten, wickeln’ und l. con-, einem Intensivum zu l. plectere (plexum) ’flechten, ineinander fügen’. Abstraktum: ÞKomplikation. Ebenso nndl. compliceren, ne. complicate, nfrz. compliquer, nschw. komplicera, nnorw. komplisere; Þkomplex, ÞKomplize; parallel zu diesem Þperplex. Zu l. plica¯re weiter Þmultiplizieren, Þexplizit, Þimplizieren und ÞReplik, über das Französische ÞPlisse´e, zu l. plectere vermutlich noch ÞPflicht 2; zur germanischen Verwandtschaft s. Þflechten. – EWNl 1 (2003), 469f.

dieses aus l. comple¯tus, dem adjektivischen PPP. von l. comple¯re ’füllen, vollmachen’. Dazu Komplet2 ’Kleid, Komplott Sn ’Verschwörung’ erw. fremd. (18. Jh.). EntMantel oder Jacke aus dem gleichen Stoff’, so belehnt aus frz. complot m. (älter: ’Häufung, Ansammnannt als ’vollständiges Gewand’. Verb: komplettieren. lung in der Schlacht’), einer Ableitung von früh-rom. Ebenso nndl. compleet, ne. complete, nfrz. complet, nschw. *compeloter ’zusammenknäueln’, zu afrz. pelote komplett, nnorw. komplett; ÞPlenum. – DF 1 (1913), 369; Jones, ’Kugel, Spielball’ und afrz. con- ’mit, zusammen’, aus W. J. SN 51 (1979), 251; EWNl 1 (2003), 469. l. pila f. ’Ball, Spielball’, zu l. pilus m. ’Haar, Haarkomplex Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. complexus, wuchs’ (die Bälle waren mit Haaren gefüllt). dem PPP. von l. complectı¯ ’umschlingen, umfassen’, Ebenso nndl. komplot, ne. complot, nfrz. complot, nschw. komzu l. plectere ’flechten, ineinander flechten’ und l. plott, nnorw. komplott. – DEO (1982), 225; Brunt (1983), 201; EWNl 1 (2003), 470. con-. Abstraktum: Komplexität; Konkretum: Komplex. Ebenso nndl. complex, ne. complex, nfrz. complexe, nschw. komplex, nnorw. kompleks; Þkompliziert. – DF 1 (1913), 369; HWPh 4 (1976), 934f.; EWNl 1 (2003), 469.

Komponente Sf erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt als Sub-

Komplexion Sf per. fach. (14. Jh., Form 16. Jh., Bedeu-

Ebenso nndl. component, ne. component, nfrz. composant,

stantivierung des Partizips l. compo¯ne¯ns ’zusammensetzend’, zu l. compo¯nere ’zusammensetzen’.

tung 19. Jh.). Im Mittelalter bedeutet l. complexio die nschw. komponent, nnorw. komponent; Þkomponieren. – Zusammensetzung der Elemente in einer Person, also EWNl 1 (2003), 470. eigentlich ihre Wesensart. In deutschen Texten als komponieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. compo¯complexe, complexie gebraucht. Die Anpassung an die nere ’zusammenstellen’, zu l. po¯nere (po¯situm) lateinische Form erst später (vielleicht unter dem ’setzen, stellen, legen’ und l. con-. Das Verb aus al. poEinfluss der Ableitung complexioniert). In moderner ’ab, weg’ und l. sinere (situm) ’niederlassen, niederZeit in der Anthropologie gebraucht für den Gesamtlegen’. Nomen Agentis: Komponist; Abstraktum: eindruck der Färbung von Augen, Haaren und Haut. Komposition. Ebenso ne. complexion, nfrz. complexion, ndn. kompleksion.

Komplikation Sf Þkompliziert. Kompliment Sn std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. compli-

ment m., dieses über das Italienische aus span. cumplimiento (eigentlich ’Fülle, Überfluss, Über-

Ebenso nndl. componeren, ne. compose, nfrz. composer, nschw. komponera, nnorw. komponere. Zum gleichen Verb gehören ÞKomponente und ÞKompositum (das gleiche Wort in verschiedenen Entlehnungs- und Entwicklungsstufen: ÞKompost, ÞKompott, ÞKumst). Dasselbe Verb mit anderen Präfixen in Þdeponieren, Þdisponieren, Þexponiert, Þimponieren, den Ab-

Kompositum strakta ÞPosition, ÞApposition, ÞOpposition, ÞPräposition, Präsupposition, Proposition und dem Partizip Präsens in Opponent, Proponent. Von der Stufe des PPP. kommen weiter ÞPositur und das Adjektiv Þpositiv (mit ÞDiapositiv); über die davon abgeleitete Form des französischen Verbs ÞPose, Þimposant, ÞExpose´ und Þapropos. Zu romanischen Fortsetzern des PPP. gehören ÞPost, ÞPostillon, ÞPostament, ÞPosten und das präfigierte ÞPropst. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 315; DF 1 (1913), 370f.; EWNl 1 (2003), 470.

Kompositum Sn per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. com-

positum, der Substantivierung des PPP. von l. compo¯nere ’zusammensetzen’ (Þkomponieren). Ebenso nndl. compositum, ne. compound.

Kompost Sm std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. compost, das

über das Englische und frühromanische Zwischenstufen zurückgeht auf l. compositum n. ’das Zusammengesetzte, Zusammengestellte’, dem substantivierten PPP. von l. compo¯nere ’zusammenstellen’, zu l. po¯nere ’setzen, stellen’ und l. con-. Die moderne Bedeutung entsteht in England, wo zunächst Mischdünger so bezeichnet wird. Verb: kompostieren. Ebenso nndl. compost, ne. compost, nfrz. compost, nschw. kompost, nnorw. kompost; ÞKomposition, ÞKompott, ÞKumst. – EWNl 1 (2003), 471.

Kompott Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. compote f.

520 kompromittieren Vsw ’bloßstellen’ per. fremd. (16. Jh.).

Entlehnt aus frz. compromettre und relatinisiert nach l. compro¯mittere ’zusagen, ein Versprechen geben’, aus zu l. pro¯mittere ’hervorgehen lassen, zusagen, versprechen’ und l. con-, das Verb weiter zu l. mittere ’laufen lassen, senden’ und l. pro¯-. Aus ’sich an einen Schiedsspruch halten’ wird ’jemanden zu einem Schiedsspruch zwingen’, ’jemanden in eine unbequeme Lage bringen’, dann Verallgemeinerung des Gebrauchs. Ebenso nndl. compromitteren, ne. compromise, nfrz. compromettre, nschw. kompromettera, nnorw. kompromittere. Das Grundverb auch in emittieren und in Form eines Gerundivs in Remittende; als Abstraktum ÞMission, ÞEmission und ÞKommission (lautlich verändert in ÞPrämisse); das PPP. in ÞMesse 1 (ÞLichtmess, ÞKirmes), ÞKommiss und über das Französische in Þremis, eine zugehörige Adjektivbildung in ÞKommissar; eine latinisierende Weiterbildung der englischen Fortsetzung in ÞKomitee. – DF 1 (1913), 372; EWNl 1 (2003), 471f.

Komtess (Komtesse) Sf ’unverheiratete Tochter eines

Grafen’ erw. obs. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. comtesse, einer Movierung von frz. comte m. ’Graf’, dieses aus l. comes (-mitis) m. ’einer aus dem Gefolge, Begleiter’, aus l. ¯ıre ’gehen’ (ÞExitus) und l. con-.

Ebenso ne. countess, comtesse, nfrz. comtesse, ndn. komtesse, ’Eingemachtes’, das über frühromanische Zwischennnorw. komtesse. stufen zurückgeht auf l. compo¯situm ’das Zusammengestellte’. kon- Präfix ’zusammen, mit’ (z.B. ÞKontext) erw. bildg. (–). Es handelt sich eigentlich um ein lateinisches SufEbenso nndl. compote, ne. compot(e), nschw. kompott, nnorw. kompott; Þkomponieren, ÞKomposition, ÞKompost, ÞKumst. – fix (l. con-) mit Nachfolgern in den romanischen EWNl 1 (2003), 471. Sprachen. In deutschen Entlehnungen ist es vielfach analysierbar (Þkonzentrisch, Kooperation), aber nur Kompresse Sf ’Verband, Umschlag’ per. fach. (18. Jh.). in Fachsprachen etwas produktiv. Unter englischem Entlehnt aus frz. compresse, eigentlich ’ZusammenEinfluss ist die ursprüngliche Variante vor Vokal gedrücktes’, zu frz. compresser ’zusammendrücken’, (Ko-, ne. co-, l. co-) häufiger, in der Regel handelt es aus l. compressa¯re, Intensivbildung zu l. comprimere sich aber um Entlehnungen aus dem Englischen (Þkomprimieren). (Kopilot usw.). Die lateinischen Assimilationsformen Ebenso nndl. kompres, ne. compress, nfrz. compresse, nschw. lauten in deutschen Entlehnungen: vor Labialen: kompress, nnorw. kompress. – EWNl 3 (2007), 110. kom- (z.B. ÞKommiss, Þkomplex), vor /l/: kol- (z.B. Kompression Sf per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. ÞKollekte), vor Vokalen und h: ko- (z.B. Koexistenz, compression und l. compressio (-o¯nis), zu l. compriKooperation, ÞKohorte) und vor /r/: kor- (z.B. korremere (compressum) ’zusammendrücken, niederdrülativ). cken’ (Þkomprimieren). Ebenso nndl. compression, ne. compression, nfrz. compression, nschw. kompression, nnorw. kompresjion; Þkomprimieren, ÞPresse.

komprimieren Vsw per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l.

comprimere (-pressum) ’zusammendrücken’ aus l. premere ’drücken, pressen’ und l. con-. Ebenso nndl. comprimeren, ne. compress, nfrz. comprimer, nschw. komprimera, nnorw. komprimere. Zur Sippe des lateinischen Wortes s. ÞDepression.

Kompromiss Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. compro¯-

missum n., dem substantivierten PPP. von l. compro¯mittere ’zusagen, sich der Entscheidung eines Schlichters zu beugen; sich ein Versprechen geben’. Ebenso nndl. compromis, ne. compromise, nfrz. compromis, nschw. kompromiss, nnorw. kompromiss; Þkompromittieren. – HWPh 4 (1976), 941f.; EWNl 1 (2003), 471.

Cottez (1980), 91, 96; Carstensen 2 (1994) 785.

Kondensator Sm per. fach. (19. Jh.). Neoklassische Bil-

dung eines Nomen Agentis zu l. conde¯nsa¯re ’verdichten’ (Þkondensieren). Semantisch abweichend in der Bedeutung ’Speicher’ im Bereich der Elektrizität. Ebenso nndl. condensator, ne. condenser, nfrz. condensateur, nschw. kondensator, nnorw. kondensator.

kondensieren Vsw ’verflüssigen, verdichten’ per. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus l. conde¯nsa¯re ’verdichten, zusammenpressen’, Präfixableitung mit l. con- aus l. de¯nsus ’dicht’. Abstraktum: Kondensation. Ebenso nndl. condenseren, ne. condense, nfrz. condenser, nschw. kondensera, nnorw. kondensere. – EWNl 1 (2003), 476.

521 Kondensmilch Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. conden-

sed milk ’kondensierte (d.h. eingedickte und sterilisierte) Milch’. Ebenso nndl. gecondenseerde melk, ne. condensed milk, nfrz. lait condense´, ndn. kondenseret m¢lk, nnorw. kondenseret melk; Þkondensieren.

Kondition Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. condicio

(-o¯nis), einer Ableitung von l. condı¯cere ’übereinkommen, bestimmen’, zu l. dı¯cere ’sprechen, sagen’ und l. con-. Ursprünglich sind Lieferbedingungen u.ä. gemeint, dann Bedeutungsausweitung. Die Bedeutung ’gute Verfassung eines Sportlers’ ist wohl von ne. (good) condition beeinflusst. Von den Adjektivbildungen tendiert konditionell zur jüngeren Bedeutung, konditional zur älteren. Der Konditionalis ist der ’Bedingungsmodus’. Verb: konditionieren. Ebenso nndl. conditie, ne. condition, nfrz. condition, nschw. kondition, nnorw. kondisjon. Zur Sippe des lateinischen Verbs s. Þdiktieren. – Schirmer (1911), 103; Carstensen 2 (1994), 788f.; HWPh 4 (1976), 946 (zu Konditionalismus); EWNl 1 (2003), 476.

Konditor Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. condı¯tor

’jmd., der etwas schmackhaft macht’, einem Nomen Agentis zu l. condı¯re ’einlegen, anmachen, würzen’. Lokalbildung: Konditorei. Die Nebenform Kanditor durch Anschluss an kandieren. Ebenso nschw. konditor, nnorw. konditor. – DF 1 (1913), 372f.; Littmann (1924), 87; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 395; Kretschmer (1969), 304; Lokotsch (1975), 85.

kondolieren Vsw erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus l.

condole¯re ’Mitgefühl haben’, zu l. dole¯re ’Schmerz empfinden’ und l. con-. Die Bedeutung nach frz. se condouloir ’sein Beileid bezeugen’. Abstraktum: Kondolenz. Ebenso nndl. condoleren, ne. condole, nschw. kondolera, nnorw. kondolere. – DF 1 (1913), 373; Jones (1976), 224; EWNl 1 (2003), 476f.

Kondom Smn erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. con-

Konferenz die Bedeutung ’ehemals’ passt auch nicht recht. Ich würde mit einer Abkürzung von scherzhaft gebrauchtem con domino rechnen, da domino ’Maskenmantel’ (in späterer Zeit) als Hüllwort für ’Kondom’ nachweisbar ist. Zur Sache ist die früheste Beschreibung von Kondomen bei Fallopius (1564), vgl. N. E. Himes: Medical History of Contraception (New York 1936 u.ö.), Kapitel VIII. Ebenso nndl. condoom, ne. condom, nfrz. condom, nschw. kondom, nnorw. kondom. – Kruck, W. E.: Looking for Dr. Condom (Alabama 1981) (zur Herkunft des englischen Wortes); Wallfield, J. CoE 13 (1983), 5/6, 3–10 (zur Herkunft des englischen Wortes); Thundy, Z. P. ASp 60 (1985), 177–179; Mieder, W. SS 43 (1987), 99–108; Seibicke, W. SD 31 (1987), 103–105; Carstensen 2 (1994), 789 f. (danach ist die früheste Bezeugung des Wortes eindeutig im Englischen [seit 1705/06]); EWNl 1 (2003), 477.

Kondor Sm (ein sehr großer Geier) per. exot. (18. Jh.).

Entlehnt aus span. condor, dieses aus Ketschua cuntur. Ebenso nndl. condor, ne. condor, nfrz. condor, nschw. kondor, nnorw. kondor, nisl. kondo´r. – EWNl 1 (2003), 477.

Kondukteur Sm ’Schaffner’ per. reg. (18. Jh.). Entlehnt

aus frz. conducteur (eigentlich ’Leiter, Aufseher’), dieses aus l. conductor ’Mieter, Pächter, Unternehmer’, zu l. condu¯cere ’zusammenführen, mieten, pachten’, zu l. du¯cere ’führen’ und l. con-. Zunächst Ausdruck des Postverkehrs, dann im Eisenbahnverkehr übernommen und 1875 amtlich durch ÞSchaffner (und Zugführer) ersetzt. Ebenso nndl. conducteur, ne. conductor, nfrz. conducteur, nschw. konduktör, nnorw. konduktør. Zum Grundverb s. Þproduzieren. – DF 1 (1913), 373; Krüger (1979), 304–306; EWNl 1 (2003), 477.

Konfekt Sn erw. obs. (14. Jh.). Entlehnt aus ml. confec-

tum ’Zubereitetes’, dem substantivierten PPP. von l. co¯nficere (co¯nfectum) ’verfertigen, ausführen’, zu l. facere ’verfertigen, machen’ und l. con-. Zunächst gebraucht in der Apothekersprache für zubereitete Früchte, die zu Heilzwecken verzehrt wurden. Dann Verallgemeinerung zu ’Gezuckertes’ und ’Süßwaren’.

dom, dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. Für die Etymologie kommt zunächst eine Metapher aus der Bezeichnung für ein Kleidungsstück in Frage. Der Hinweis von Wallfield auf it. guantone Ebenso nfrz. confiserie, nschw. konfekt, nnorw. konfekt. Zur ’Handschuh’ hat beachtliche Stützen, so die für die 2. Sippe des Verbs s. Þinfizieren. – DF 1 (1913), 374; EWNl 1 (2003), Hälfte des 19. Jhs. bezeugte Bezeichnung it. (reg.) gu477. anti di Parigi ’Pariser Handschuhe’, und die aus der Konfektion Sf ’vorgefertigte Kleidung, AnfertiZeit um 1770 stammende Beschreibung des Kondoms gung’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. confection, in einem handschriftlichen Wörterbuch des Venezidas auf l. co¯nfectio ’Anfertigung’ zurückgeht. Dieses anischen unter der Bezeichnung Gondon ’a modo zu l. co¯nficere ’verfertigen, ausführen’ (ÞKonfekt, d’un guante’ ’in der Art eines Handschuhs’. Das -m Þinfizieren). der ältesten englischen Formen (quondam, condum; Ebenso nndl. confectie, ne. confection (auch: ’Konfekt’), nfrz. dann cundum, condon, condom) dürfte aber nicht confection, nschw. konfektion, nnorw. konfeksjon. – EWNl 1 dazu passen; eine Kreuzung mit l. qondam ’ehemals’ (2003), 477. ist nicht recht wahrscheinlich, obwohl die lateinische Konferenz Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. conferentia, Sippe (besonders l. quaedam) eindeutig in England einer Ableitung von l. co¯nferre ’zusammenbringen, zur Verhüllung tabuisierter Wörter verwendet wurde. vereinigen, mitteilen, austauschen’, zu l. ferre Es wäre dann allenfalls zu erwägen, das Wort über’tragen, bringen’ und l. con-. Das Verb ist entlehnt als haupt als verhüllendes l. quondam aufzufassen − aber konferieren.

Konfession Ebenso nndl. conferentie, ne. conference, nfrz. confe´rence, nschw. konferens, nnorw. konferanse. Zum Grundverb s. ÞDifferenz. – DF 1 (1913), 374f.; Jones (1976), 225; EWNl 1 (2003), 477f.

Konfession Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. co¯nfessio

522 Konföderation Sf ’Staatenbund’ per. fach. (16. Jh.).

Entlehnt aus l. co¯nfoedera¯tio (-o¯nis) ’Bündnis’, zu l. co¯nfoedera¯re ’verbinden, durch ein Bündnis vereinigen’, zu l. foedera¯re ’verbünden, durch ein Bündnis herstellen’ und l. con-, zu l. foedus n. ’Bündnis’, zu l. fı¯dere ’trauen, vertrauen’.

(-o¯nis) ’Eingeständnis, Bekenntnis’, einer Ableitung von l. co¯nfite¯rı¯ (co¯nfessus sum) ’eingestehen, offenEbenso nndl. confederatie, ne. confederation, nfrz. confe´de´ration, nnorw. konføderasjon; ÞFöderalismus. – DF 1 (1913), 377. baren’, zu l. fate¯rı¯ ’bekennen, gestehen’ und l. con-, zu l. fa¯rı¯ ’sagen’. Zunächst für die Formulierung von konform Adj ’übereinstimmend, nicht abweiGlaubenslehren; dann ’Religionspartei’. Adjektiv: chend’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. co¯nformis konfessionell. ’gleichförmig’, zu l. forma ’Form’ und l. con-. Ebenso nndl. confessie, ne. confession, nfrz. confession, nschw. konfession, nnorw. konfesjon; Þfamos. – DF 1 (1913), 375f.; BlW 4 (1992), 226–232; EWNl 1 (2003), 478.

Konfetti Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus it. confetti

Ebenso nndl. conform, ne. conforming, nfrz. conforme, nnorw. konform. – DF 1 (1913), 377; HWPh 4 (1976), 951–955; Strauss u.a. (1989), 208–210; EWNl 1 (2003), 479.

Konfrontation Sf erw. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus ml.

’Süßigkeiten’, das gleiche Wort wie ÞKonfekt. Bei den Konfetti handelt es sich ursprünglich um im Karneval ausgeteilte Süßwaren, die dann allmählich von Gipsklümpchen und Papierschnipseln abgelöst wurden.

confrontatio ’Gegenüberstellung’, Abstraktum zu ml. confrontare ’gegenüberstellen’ (dieses als konfrontieren entlehnt), Präfixableitung zu l. fro¯ns ’Stirn’ und l. con-.

Ebenso nndl. confetti, ne. confetti, nfrz. confetti, nschw. konfetti, nnorw. konfetti. Zum Grundwort s. Þinfizieren. – DF 1 (1913), 376; EWNl 1 (2003), 478.

Ebenso nndl. confrontatie, ne. confrontation, nfrz. confrontation, nschw. konfrontation, nnorw. konfrontasjon. – EWNl 1 (2003), 479.

Konfirmation Sf erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. con- konfus Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. co¯nfu¯sus (ei-

gentlich ’ineinandergegossen’), dem PPP. von l. co¯nfirmatio ’Bestätigung’, zuerst als Rechtsterminus, fundere ’zusammengießen, vermischen’, zu l. fundere dann (16. Jh.) im kirchlichen Sinn als Bestätigung der (fu¯sum) ’gießen, fließen lassen’ und l. con-. Abstrakbei der Taufe durch die Paten geleisteten Gelübde (bei tum: Konfusion. den Protestanten eingeführt durch M. Bucer 1543). Ebenso nndl. confuus, ne. confused, nfrz. confus, nschw. konfys, Ursprünglich war das Wort aber nicht konfessionell nnorw. konfus. Zur Sippe s. ÞFondue. – DF 1 (1913), 377f.; festgelegt; die Abgrenzung von ÞKommunion und EWNl 1 (2003), 479f. Firmung (Þfirmen) ist später. Verb: konfirmieren; Nokongenial Adj ’geistesverwandt’ per. fremd. (18. Jh.). minalableitung: Konfirmand. Entlehnt aus frz. conge´nial, einer nicht mehr üblichen Ebenso ne. confirmation, nfrz. confirmation, nschw. konfirmation, nnorw. konfirmasjon, nisl. konfirmera. – EWNl 1 neoklassischen Bildung zu genial (ÞGenie) und l. (2003), 478. con-. Ebenso nndl. congeniaal, ne. congenial, nschw. kongenial, Konfiserie Sf ’(Betrieb zur Herstellung von) Süßwannorw. kongenial. ren’ per. schwz. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. confiserie, zu frz. confire ’zubereiten’, aus l. co¯nficere, zu l. facere Konglomerat Sn ’heterogenes Gemisch’ erw. fach. ’machen’ (Þinfizieren) und l. con-. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. conglome´rat m., einer Ableitung von frz. conglome´rer ’zusammenhäufen’, aus l. Ebenso nfrz. confiserie. conglomera¯re, zu l. glomera¯re (glomera¯tum) ’zu einem konfiszieren Vsw ’beschlagnahmen’ erw. fach. (16. Jh.). Knäuel zusammenballen, aufwickeln’ und l. con-, zu Entlehnt aus l. confisca¯re, einer Präfixableitung zu l. l. glomus ’Kloß, Knäuel’, einer Nebenform von l. glofiscus ’kaiserliche Schatzkammer’. bus m. ’Kugel, runder Körper’. Ebenso nndl. confisqueren, ne. confiscate, nfrz. confisquer, nschw. konfiskera, nnorw. konfiskere. – EWNl 1 (2003), 479.

Konfitüre Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. confiture

’Eingemachtes’, Abstraktum zu frz. confire ’fertigstellen, einmachen’. Ebenso nfrz. confiture, nnorw. konfityr. Zum Grundwort s. Þinfizieren. – Brunt (1983), 206; EWNl 1 (2003), 479.

Konflikt Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. co¯nflı¯ctus m.,

Abstraktum von l. co¯nflı¯gere (co¯nflı¯ctum) ’zusammenschlagen, zusammenstoßen’, zu l. flı¯gere ’schlagen, anschlagen’ und l. con-. Ebenso nndl. conflict, ne. conflict, nfrz. conflit, nschw. konflikt, nnorw. konflikt. – HWPh 4 (1976), 947–951; EWNl 1 (2003), 479.

Ebenso nndl. conglomeraat, ne. conglomerate, nfrz. conglome´rat, nschw. konglomerat, nnorw. konglomerat; ÞGlobus. – DF 1 (1913), 378; Lüschen (1979), 254; EWNl 1 (2003), 480.

Kongress Sm erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. con-

gressus, dem Abstraktum von l. congredı¯ ’zusammentreten, zusammenkommen’, zu l. gradı¯ ’schreiten’ und l. con-. Ebenso nndl. congres, ne. congress, nfrz. congre`s, nschw. kongress, nnorw. kongress. Zur Sippe des zugrunde liegenden Verbs s. ÞGrad. – Jones, W. J. SN 51 (1979), 252; EWNl 1 (2003), 480.

kongruent Adj ’übereinstimmend’ per. fach. (16. Jh.).

Entlehnt aus l. congrue¯ns (-entis), dem PPräs. von l. congruere ’übereinstimmen, zusammentreffen’. Abstraktum: Kongruenz; Verb: kongruieren.

523 Ebenso nndl. congruent, ne. congruent, nfrz. congruent, nschw. kongruent, nnorw. kongruent. – Schirmer (1912), 37f.; EWNl 1 (2003), 480.

König Sm std. (8. Jh.), mhd. künic, künec, ahd. kuni(n)g,

as. kuning. Aus wg. *kuninga- m. ’König’, auch in ae. cyning; dazu mit Suffixablaut anord. konungr ’König’; einen alten Lautstand bezeugt die Entlehnung kuningas im Finnischen. Daneben ae. cyne(*kuni-) im Vorderglied von Komposita für ’königlich’, auch ahd. in kuni(ng)rı¯hhi n. ’Staatswesen, Reich’. Ob anord. konr m. ’Geschlechtsgenosse, edler Mann’ mit diesen gleichgesetzt werden kann, ist wegen der Bedeutung ganz unsicher. Das Suffix von g. *kuninga-/-unga- ist klar: Es bildet einerseits Herkunftsbezeichnungen, andererseits Täterbezeichnungen zu Adjektiven und Abstrakt-Bildungen. Die seitherigen Deutungsversuche gehen von einer Bildung parallel zu Edeling anord. o¸dlÑ ingr (dem Lautstand nach genauer: -ungr) zu Adel aus; es läge dann ein Wort zugrunde, das von ähnlicher Bedeutung wie Adel ist. Ein solches Wort könnte zu der Wurzel ig. *g´en¡- ’gebären’ gehören (vgl. das möglicherweise verwandte gr. genniko´s ’edel’ zu gr. ge´nna˘ f. ’Geburt, Geschlecht’), und tatsächlich vorhanden ist g. *kunjan. ’Geschlecht’ in gt. kuni, ahd. kunni, as. kunni n., ae. cynn n. Dies kommt jedoch aus formalen Gründen nicht als Grundlage in Frage. Morphologisch ist als Grundlage entweder ein n-Stamm (*kuno¯n mit *kunen-ga-/kunun-ga-) oder ein Konsonantstamm (*kun- mit Suffix -inga/ unga-) vorauszusetzen, aber eine solche Form ist nicht nachweisbar. Deshalb ist auch der Versuch zu erwägen, an die homonyme Wurzel ig. *g´en¡–/g´no¯- ’erkennen’ anzuknüpfen (Kahl), da hier eine auffällige Parallele zum Litauischen besteht: lit. ˇzyny˜s (aus [ig.] *g´n¡-jo-) bedeutet ’Zauberer, Wahrsager, Priester’ und ˙ist wohl zu analysieren als Täterbezeichnung auf -jo- zu einem Wurzelnomen (ig.) *g´n¡- ’(geheimes) Wissen’ (vgl. etwa ai. rta-jn˜a¯´ ’dessen˙Wissen die ewige Wahrheit ist’ aus ˙ *g´n¡- mit Erneuerung der Lautform). Auf die[ig.] ˙ selbe Grundlage kann g. kuninga-/unga- ohne weiteres zurückgehen, so dass es eine Täterbezeichnung zu einem Wort für ’geheimes Wissen, Wissen um die Zukunft’ wäre. Da gerade das Wissen um die Zukunft für die germanische Vorstellung von einem König maßgeblich ist (Kahl, Seebold), ist diese Möglichkeit semantisch sehr ansprechend. Das n im Suffix ist schon früh nach stammauslautendem n ausgefallen. Femininum: Königin; Adjektiv: königlich; Abstraktum: Königtum. Ebenso nndl. koning, ne. king, nschw. konung, kung, nisl. kon(un)gur. Zum Vergleichsmaterial s. ÞGenus, Þ-gen und ÞKind, andererseits Þkönnen. – Schröder, F. R.: IngunarFreyr (Tübingen 1941), 33–38; Ekblom, R. SN 17 (1944/45), 1–24; de Vries, J. Saeculum 7 (1956), 289–309; Kahl, H.-D. ZSSRGA 67 (1960), 198–240; Meid, W. Sprache 12 (1966), 182–189; Lüschen (1979), 254; Buti, G. Paideia 36 (1981), 45–55; LM 5

Konjunktur (1991), 1298–1324; Röhrich 2 (1992), 867f.; Seebold, E. in Germanische Religionsgeschichte. Hrsg. H. Beck u.a. (Berlin 1992), 297–310; Vykypeˇl, B Sbornı´k Pracı´ Filosoficke´ Fakulty Brneˇnske´ University KA 436 (1998), 39–41; RGA 17 (2001), 103f.; EWNl 3 (2007), 111.

Könighase Sm ’Kaninchen’ per. österr. (15. Jh.). Ver-

deutlicht aus königlein, das seinerseits aus l. cunı¯culus ’Kaninchen’ entlehnt ist und offenbar auf ÞKönig bezogen wurde. Königskerze Sf erw. fach. (15. Jh.), fnhd. kuningeskerze.

Wohl nach der hohen, geraden Gestalt so bezeichnet. Die Angabe, diese Pflanzen seien mit Wachs versehen als Kerzen verwendet worden, dürfte auf einer Herkunftslegende für den Namen beruhen. Ebenso nndl. koningskaars, nschw. kungsljus. – LM 5 (1991), 1330.

Konjektur Sf ’verbessernder Eingriff eines Herausge-

bers’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. coniectu¯ra ’Mutmaßung, Schluss, Deutung’, Abstraktum von l. con(i)icere ’hinwerfen, ermitteln, vermuten’, das zu l. iacere (iactum) ’werfen, schleudern’ gehört (Þprojizieren). Verb: konjizieren. Ebenso nndl. conjectuur, ne. conjecture, nfrz. conjecture, ndn. konjektur, nnorw. konjektur.

konjugieren Vsw per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. con-

iuga¯re (eigentlich ’verbinden, zusammenjochen’), Präfixableitung zu l. iugum ’Joch’ und l. con-. Gemeint ist, die Formen des gleichen Wortes zusammenfassen. Abstraktum: Konjugation. Ebenso ne. conjugate, nfrz. conjuguer, nndl. conjugeren, nschw. konjugera, nnorw. konjugere. Zur deutschen Verwandtschaft s. ÞJoch; ÞKonjunktion. – Jones, W. J. SN 51 (1979), 254f.

Konjunktion Sf erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. con-

iu¯nctio (-o¯nis), einer Ableitung von l. coniungere ’zusammenbinden, verbinden’, zu l. iungere ’verbinden, vereinigen’ und l. con-. Als astrologischer Terminus schon älter. Ebenso nndl. conjunktie, ne. conjunction, nfrz. conjonction, nschw. konjunktion, nnorw. konjunksjon. Zur deutschen Verwandtschaft s. ÞJoch; Þkonjugieren, ÞJunktim, ÞJunta. – DF 1 (1913), 378f.; Leser, E. ZDW 15 (1914), 67; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 395; HWPh 4 (1976), 966f.; LM 5 (1991), 1332f.

Konjunktiv Sm erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. (mo-

dus) coniu¯nctı¯vus (eigentlich ’der zur Verbindung Dienliche’), zu l. coniu¯nctus ’verbunden, zusammenhängend’, dem PPP. von l. coniungere ’zusammenknüpfen, verbinden’, zu l. iungere ’verbinden’ und l. con-. Gemeint ist der der Satzverbindung dienende Modus (Modus der abhängigen Sätze). Ebenso nndl. conjunctief, ne. conjunctive, nschw. konjunktiv, nnorw. konjunktiv. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 62.

Konjunktur Sf ’Wirtschaftslage’ erw. fach. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus ml. coniungere ’zusammenknüpfen, verbinden’, zu l. iungere ’verbinden’ und l. con-. So bezeichnet werden zunächst Konstellationen von Gestirnen; dann als astrologischer Terminus der Einfluss dieser Konstellationen auf die Geschehnisse.

konkav

524 Ebenso nndl. conjunctuur, ne. conjuncture, nfrz. conjecture, nschw. konjunktur, nnorw. konjunktur. – DF 1 (1913), 379; LM 5 (1991), 1333f.

konkav Adj erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. concavus,

zu l. cavus ’hohl’ und l. con-. Ebenso nndl. concaaf, ne. concave, nfrz. concave, nschw. konkav, nnorw. konkav. – EWNl 1 (2003), 472.

Konklave Sf ’Versammlung(sraum), besonders bei der

Papstwahl’ per. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus it. conclave, aus l. concla¯ve ’verschließbarer Raum’, zu l. cla¯vis ’Schlüssel’. Ebenso nndl. conclave, ne. conclave, nfrz. conclave, nschw. konklav, nnorw. konklave; ÞEnklave, ÞExklave, ÞKlausur. – EWNl 1 (2003), 474.

Konkordanz Sf per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. con-

’laufen’ gehören noch Þrekurrieren, als Abstraktum ÞKurs (ÞDiskurs, ÞKonkurs, Rekurs (Þrekurrieren) und über das Französische ÞParcours), von einer anderen Form ÞExkursion; als Nomen Agentis über das Französische ÞKurier, über das Italienische ÞKorridor. Zu den Abstrakta auf -rs- gehört ÞKorso, ÞKorsar und kursieren; zum PPP. auf -rs- Þ kursiv und über ein Nomen Agentis Þkursorisch. – Schirmer (1911), 104; DF 1 (1913), 380; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 395; HWPh 4 (1976), 970–977; LM 5 (1991), 1336; EWNl 1 (2003), 475f.

Konkurs Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. concursus

(cre¯dito¯rum) ’das Zusammenlaufen (der Gläubiger)’, d.h. die Zusammenkunft, um das noch vorhandene Vermögen des Schuldners zu teilen. Das Wort zu l. concurrere ’zusammenlaufen’. Ebenso nschw. konkurs, nnorw. konkurs; Þkonkurrieren. – EWNl 1 (2003), 475.

können Vprpr std. (8. Jh.), mhd. kunnen, künnen, ahd. cordantia ’Übereinstimmung, Parallelstelle’, aus l. concorda¯re ’übereinstimmen’, Ableitung von l. conkunnan, as. kunnan. Aus g. *kann (1. Sg.), auch in gt. kann, kunnun, anord. kunna, ae. can, cunnon, afr. cors ’übereinstimmend’, aus l. cor (cordis) ’Herz’ und kan, kunna (entsprechend as. can, kunnun; ahd. kann, l. con-. kunnun; die Infinitivformen sind erst sekundär). Die Ebenso nndl. concordantie, ne. concordance, nfrz. concordance, Bedeutung ist neben ’kennen’ auch ’können, vernschw. konkordans, nnorw. konkordans; ÞAkkord. – LM 5 (1991), 1334; BlW 4 (1992), 185–209 (zu l. concordia); EWNl 1 mögen’. Das Verb gehört zu ig. *g´en¡/g´no¯- ’kennen, (2003), 474f. wissen’, fällt aber auf durch seine Geminate und die sonst nicht bezeugte Vollstufe der ersten Silbe im AbKonkordat Sn ’Vertrag zwischen dem Vatikan und laut des Präsens Singular. Die Geminate wird einereinem Staat’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ml. conseits erklärt durch ein Nasalpräsens, was aber misscordatum, dieses aus dem PPP. von l. concorda¯re (conlich ist, weil die germanische Form auf ein Perfekt corda¯tum) ’übereinstimmen, sich im Einklang befinzurückgeht (es müsste also sekundäre Umgestaltung den’. angenommen werden), andererseits durch AssimilaEbenso nndl. concordaat, ne. concordat, nfrz. concordat, nschw. tion von -n¡- (Seebold). Ig. *g´en¡/g´no¯- ist bezeugt in konkordat, nnorw. konkordat; ÞKonkordanz. – EWNl 1 (2003), ai. ja¯na¯´ti ’kennt, weiß’, gr. ge´go¯na ’verkündet’, lit. pa474. ˇ z `ınti ’kennen’ und mit durchgeführter Vollstufe der konkret Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. concre¯tus (eizweiten Silbe in ai. jn˜a¯ya´te (Passiv zu ’wissen’), gr. gentlich ’verdichtet, zusammengewachsen’), dem gigno¯´sko¯ ’ich erkenne’, akslav. znati ’kennen’, lit. PPP. von l. concre¯scere ’sich verdichten, sich bilden’, ˇzino´ti ’wissen’, l. (g)no¯sco¯ ’ich erkenne’; ferner toch. A zu l. cre¯scere ’wachsen’ und l. con-, Inchoativum zu l. kn˜a- ’kennen’ und vielleicht mit sekundärer Abwandcrea¯re ’schaffen, erschaffen’. lung der Vokalstufe g. *kn¢ ¯ w-a- ’kennen’ in anord. Ebenso nndl. concreet, ne. concrete, nfrz. concret, nschw. konkna´, ae. cna¯w ’ich kann, erkenne’, as. bikne¯gan kret, nnorw. konkret; Þkreieren. – HWPh 1 (1971), 33–42; ’teilhaftig werden’. Nomen Agentis: Könner. EWNl 1 (2003), 475. Konkubine Sf erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. con-

cubı¯na ’Beischläferin’, zu l. concuba¯re ’zusammenliegen’, zu l. cuba¯re ’liegen, schlafen’ und l. con-. Abstraktum: Konkubinat. Ebenso nndl. concubinaat, ne. concubine, nfrz. concubine, nschw. konkubin, nnorw. konkubine; ÞInkubationszeit. – LM 5 (1991), 1335; EWNl 1 (2003), 475.

konkurrieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. concur-

Ebenso nndl. kunnen, ne. can, nschw. kunna, nisl. kunna. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þrekognoszieren, zur griechischen ÞDiagnose und ÞPrognose; Þkennen, Þkühn, Þkund, ÞKunst. – Klare´n, G. A.: Die Bedeutungsentwicklung von können, mögen und müssen im Hochdeutschen (Diss. Lund 1913); Seebold, E. ZVS 80 (1966), 273–283; Seebold, E. (1970), 289f.; Eichmann, Th. L. ABÄG 5 (1973), 1–10; Röhrich 2 (1992), 868; EWNl 3 (2007), 146f.

Konnexion Sf ’Verbindung’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt rere (concursum) ’zusammenlaufen, zusammenrenaus frz. connexion, dieses aus l. connexio (-o¯nis), zu l. nen, feindlich zusammenstoßen’, zu l. currere (curconnectere ’verknüpfen’, zu l. nectere ’knüpfen, binsum) ’laufen, rennen’ und l. con-. Zunächst in der den’ und l. con-. Bedeutung ’zusammentreffen’ entlehnt; die heutige Ebenso nndl. connectie, ne. connection, nfrz. connexion; ÞNexus. – EWNl 1 (2003), 481. Bedeutung beruht auf einer erneuten Entlehnung im 18. Jh. Abstraktum: Konkurrenz; Nomen Agentis: Konnotation Sf ’Nebenbedeutung’ per. fach. (20. Jh.). Konkurrent. Entlehnt aus ml. connota¯tio (-o¯nis) ’Mit-BezeichEbenso nndl. concurreren, ne. concur, nfrz. concurrencer, nung’, aus l. nota¯tio und l. con-, zu l. nota¯re ’bezeichnschw. konkurrera, nnorw. konkurrere. Zur Sippe von l. currere nen, kennzeichnen’.

konspirieren

525 Ebenso nndl. connotatie, ne. connotation, nfrz. connotation, nschw. konotasjon, nnorw. konnotasjon; Þnotieren. – HWPh 1 (1971), 1031; 4 (1976), 975–977; EWNl 1 (2003), 481.

Konsekration Sf ’liturgische Weihe’ per. fach. (14. Jh.).

Entlehnt aus l. co¯nsecra¯tio (-o¯nis), zu l. sacer ’heilig’ und l. con-. Ebenso nndl. consecratie, ne. consecration, nfrz. conse´cration; ÞSakrament. – EWNl 1 (2003), 481.

konsekutiv Adj ’folgend, die Folge angebend’ per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus der neoklassischen Adjektivbildung ml. consecutı¯vus zu l. co¯nsecu¯tio ’Folge’. Dieses ist Abstraktum zu l. co¯nsequı¯ ’nachfolgen’ (ÞKonsequenz). Ebenso nndl. consecutief, ne. consecutive, nfrz. consecutif, nschw. konsekutiv. – EWNl 1 (2003), 481f.

Konsens Sm ’Übereinstimmung’ erw. fach. (15. Jh.).

Entlehnt aus l. co¯nse¯nsus, Abstraktum von l. co¯nsentı¯re ’übereinstimmen, einverstanden sein’, zu l. sentı¯re ’empfinden, wahrnehmen’ und l. con-. Ebenso nndl. consent, ne. consent, nfrz. consensus, nnorw. konsens; Þsentimental. – DF 1 (1913), 381; HWPh 1 (1971), 1031f.; EWNl 1 (2003), 482.

Ebenso nndl. conserveren, ne. conserve, nfrz. conserver, nschw. konservera, nnorw. konservere. Zu l. serva¯re ’bewahren’ gehört Þreservieren und als Ableitungen ÞObservatorium und ÞPräservativ. Zu l. servus, dessen Zugehörigkeit unklar ist, gehören ÞServus, Þservil, als Verb Þservieren (l. servı¯re) und ÞDessert. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞSorge. – DF 1 (1913), 381f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 395; EWNl 1 (2003), 482f.

konsistent Adj ’fest, in sich stimmig’ per. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus l. co¯nsiste¯ns (-entis), dem PPräs. von l. co¯nsistere ’sich hinstellen, hintreten, standhalten, fortdauern’, zu l. sistere ’stehen, stellen’ (Þexistieren) und l. con-. Abstraktum: Konsistenz. Ebenso nndl. consistent, ne. consistent, nfrz. consistant, nschw. konsistens, nnorw. konsistens. – EWNl 1 (2003), 483f.

Konsole Sf ’Wandbord, Vorsprung’ erw. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. console. Ebenso nndl. console, ne. console, nfrz. console, nschw. konsol, nnorw. konsoll. Das französische Wort aus frz. consoler, das eigentlich ’trösten’ bedeutet, aus l. co¯nso¯la¯rı¯ ’trösten, erträglich machen’, zu l. so¯la¯rı¯ und l. con-; die Bedeutung kann auffälligerweise in den konkreten Bereich als ’unterstützen’ übertragen werden. – DEO (1982), 225; LM 5 (1991), 1371.

Konsequenz Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. co¯nseque¯n- konsolidieren Vsw ’festigen, sichern’ per. fach. (18. Jh.).

tia, dem Abstraktum von l. co¯nsequı¯ ’mitfolgen, nachfolgen, die unmittelbare Folge sein’, zu l. sequı¯ ’folgen, nachfolgen’ und l. con-. Adjektiv: konsequent.

Entlehnt aus frz. consolider, dieses aus l. co¯nsolida¯re, zu l. solida¯re ’dicht machen, festmachen, befestigen’ und l. con-, zu l. solidus ’dicht, gedrungen, stark’ (Þsolide). Abstraktum: Konsolidation.

Ebenso nndl. consequentie, ne. consequence, nfrz. conse´quence, nschw. konsekvens, nnorw. konsekvens. Zu l. sequi ’folgen’ geEbenso nndl. consolideren, ne. consolidate, nfrz. consolider, hören als Abstrakta ÞExekution und ÞExekutive, zu einer annschw. konsolidera, nnorw. konsolidere. – Schirmer (1911), dersartigen Ableitung ÞExequien; zu einer Adjektivbildung 106; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 396; EWNl 1 (2003), 484. ÞSekunde und Þsekundär; eine romanische Ableitung in Konsonant Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. (littera) co¯nÞSuite. Zu der Ableitung l. socius ’Gefährte’ gehören ÞSozius, sona¯ns f., zu l. co¯nsona¯ns (-antis) ’mittönend’, dem Þsozial und Þassoziieren. – DF 1 (1913), 381; Morscher, E. AB PPräs. von l. co¯nsona¯re ’mittönen, zusammentönen’, 15 (1971), 132–138; HWPh 4 (1976), 977–980; EWNl 1 (2003), 482.

konservativ Adj std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. conser-

vative; dieses aus ml. conservatı¯vus, zu l. co¯nserva¯re ’erhalten, bewahren’. Ebenso nndl. conservatief, nfrz. conservateur, nschw. konservativ, nnorw. konservativ; Þkonservieren. – DF 1 (1913), 381; HWPh 4 (1976), 980–985; GB 3 (1982), 531–565; Strauss u.a. (1989), 210–229; Bolten, J. SLWU 20 (1989), 58–69; EWNl 1 (2003), 482.

Konservatorium Sn per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it.

zu l. sona¯re ’tönen’ und l. con-. Abstraktum: Konsonantismus. Ebenso nndl. consonant, ne. consonant, nfrz. consonne, nschw. konsonant, nnorw. konsonant; ÞSonate. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 22f.

Konsorten Spl ’Beteiligte’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt

aus l. co¯nsorte¯s, Sg. co¯nsors, eigentlich ’einer, der das gleiche Schicksal (l. sors) hat’. Das Wort ist üblich geworden in der Anklageformulierung (gegen) X und Konsorten und hat davon die negative Nebenbedeutung bekommen.

conservatorio ’Musikschule’ und relatinisiert. Die Bezeichnung ist ursprünglich dadurch begründet, dass Ebenso nndl. consorten, ne. consort, nfrz. consort, ndn. konsordie namengebenden Musikschulen an Waisenhäuser ter, nnorw. konsorter. – DF 1 (1913), 382f.; EWNl 1 (2003), 484. angeschlossen waren, die sich als ’Rettungsanstalten’ Konsortium Sn ’Zusammenschluss von Unternehverstanden (zu l. co¯nserva¯re; Þkonservieren). Später men’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. co¯nsortium, als ’Anstalten zur Bewahrung der Musikkultur’ vereiner Ableitung von l. co¯nsors (-rtis) m./f. ’Teilhaber, standen. Genosse’, zu l. sors (-rtis) f. ’Los, Anteil, Geschick’ Ebenso nndl. conservatorium, ne. conservatory, conservatoire, nfrz. conservatoire, nschw. konservatorium, nnorw. konservaund l. con-. torium. – DF 1 (1913), 381; EWNl 1 (2003), 482f.

konservieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. co¯nser-

Ebenso nndl. consortium, ne. consortium, nfrz. consortium, nschw. konsortium, nnorw. konsortium.

va¯re, zu l. serva¯re und l. con-. Der Zusammenhang mit konspirieren Vsw ’sich verschwören’ erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus l. co¯nspı¯ra¯re (eigentlich l. servus ’Diener’ ist nicht klar. Konkretum: Konserve; ’zusammen hauchen’), zu l. spı¯ra¯re ’blasen, wehen, Nomen Agentis: Konservator.

Konstabler

526

atmen’ und l. con-. Abstraktum: Konspiration; Adjektiv: konspirativ.

sta¯re ’stehen’ (ÞDistanz). Verb: konstituieren; Adjektive: konstitutionell, konstitutiv.

Ebenso nndl. conspireren, ne. conspire, nfrz. conspirer, nschw. konspirera, nnorw. konspirere. Zu l. spı¯ra¯re ’blasen’ gehört noch inspirieren (ÞInspiration) und Þtranspirieren, aus dem Partizip des Präsens kommt ÞAspirant. Eine Nominalableitung in ÞSpiritus und ÞSprit, über das Französische ÞEsprit. – Strauss u.a. (1989), 229–231; EWNl 1 (2003), 484.

Ebenso nndl. constitutie, ne. constitution, nschw. konstitution, nnorw. konstitusjon. – HWPh 4 (1976), 992–1004; LM 5 (1991), 1408; EWNl 1 (2003), 485.

Konstabler Sm ’ein Soldat in gehobenem Dienst-

rang’ per. arch. (17. Jh.). Entlehnt aus ml. con(e)stabularius ’Heerführer, Befehlshaber zur Lager- oder Festungsbewachung’, zu l. comes stabulı¯ ’für die Pferdeställe zuständiger Hofbeamter’. Ebenso nndl. konstabel, ne. constable, nnorw. konstabel. – Ganz (1957), 122f.; EWNl 3 (2007), 111f.

konstant Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. co¯nsta¯ns

(-antis), dem PPräs. von l. co¯nsta¯re ’fest stehen, beistehen’, zu l. sta¯re ’stehen’ (ÞDistanz) und l. con-. Substantivierung: Konstante; Abstraktum: Konstanz. Ebenso nndl. constant, ne. constant, nfrz. constant, nschw. konstant, nnorw. konstant. – HWPh 4 (1976), 985–987; Jones, W. J. SN 51 (1979), 252; BlW 4 (1992), 266–270; EWNl 1 (2003), 484.

konstatieren Vsw erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz.

constater, einer Hypostasierung von l. co¯nstat ’es steht fest’ . Ebenso nndl. constateren, nfrz. constater, nschw. konstatera, nnorw. konstatere; Þkonstant. – EWNl 1 (2003), 484.

Konstellation Sf ’Lage, Stellung’ erw. fach. (16. Jh.).

konstruieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. co¯nstru-

ere, zu l. struere (stru¯ctum) ’schichten, errichten, aufbauen’ und l. con-. Abstraktum: Konstruktion; Nomen Agentis: Konstrukteur; Adjektiv: konstruktiv. Ebenso nndl. construeren, ne. construct, construe, nfrz. construir, nschw. konstruera, nnorw. konstruere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. struere ’schichten’ gehören auch Þinstruieren, Þobstruieren und rekonstruieren mit den zugehörigen Abstrakta auf -struktion und den Adjektiven instruktiv, Þdestruktiv und obstruktiv. Eine Ableitung aus dem Simplex ist ÞStruktur; eine unklare romanische Weiterbildung in ÞIndustrie. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 80; Schirmer (1912), 38; HWPh 4 (1976), 1009–1019; EWNl 1 (2003), 485.

Konsul Sm erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. co¯nsul

’höchste Magistratsperson’, eigentlich ’Berater des Volks oder Senates’, stammverwandt mit l. co¯nsulere (consultum) ’zu Rate gehen, sich beraten’, letztlich zu l. censeo ’einschätzen, kontrollieren’. Im Mittelmeerraum nimmt das Wort in nach-römischer Zeit die heute geläufige Bedeutung ’Auslandsvertreter’ an. Ortsbezeichnung: Konsulat. Ebenso nndl. consul, ne. consul, nfrz. consul, nschw. konsul, nnorw. konsul, nisl. konsu´ll; Þkonsultieren. – DF 1 (1913), 384; Pisani, V. FS Pagliaro 3 (1969), 160f.; Noonan, J. D. The Classical World 83 (1990), 493–501; LM 5 (1991), 1409; EWNl 1 (2003), 485f.

Entlehnt aus l. co¯nstella¯tio (-o¯nis), zu l. ste¯lla ’Stern’ und l. con-. Das Wort meint ursprünglich ’die auf die Schicksale der Menschen einwirkende Stellung der konsultieren Vsw ’zu Rate ziehen’ erw. fach. (18. Jh.). Gestirne’; dann Verallgemeinerung zu ’Stellung und Entlehnt aus l. co¯nsulta¯re, Intensivum zu l. co¯nsulere Anordnung bestimmter Faktoren’. ’beratschlagen’, das etwas früher als konsulieren entEbenso nndl. constellatie, ne. constellation, nfrz. constellation, lehnt wird. Abstraktum: Konsultation. nschw. konstellation, nnorw. konstellasjon; ÞStern 1. – Schirmer (1911), 106; DF 1 (1913), 383; HWPh 4 (1976), 988–992; EWNl 1 (2003), 484f.

konsternieren Vsw ’verblüffen, aus der Fassung brin-

gen’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. consterner, dieses aus l. co¯nsterna¯re, aus. l. sterna¯re ’ausbreiten, hinwerfen’ und l. con-. Abstraktum: Konsternation. Ebenso ne. consternate, nfrz. consterner, nschw. konsternerad, nnorw. konsternert. – DF 1 (1913), 383f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 252; EWNl 1 (2003), 485.

Konstituente Sf ’Bestandteil’ per. fach. (20. Jh.). Ent-

Ebenso nndl. consulteren, ne. consult, nfrz. consulter, nschw. konsultera, nnorw. konsultere; ÞKonsul.

konsumieren Vsw std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. co¯nsu¯-

mere (co¯nsu¯mptum), zu l. su¯mere ’zu sich nehmen, nehmen’ und l. con-, zu l. emere ’nehmen, kaufen’ und l. sub-. Abstraktum: Konsum; Nomen Agentis: Konsument. Ebenso nndl. consumeren, ne. consume, nfrz. consommer, nschw. konsumera, nnorw. konsumere. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. emere ’nehmen’ s. ÞExempel. – Schirmer (1911), 106; DF 1 (1913), 384f.; EWNl 1 (2003), 486.

lehnt aus ne. constituent, dieses aus dem Partizip von Kontakt Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. conta¯ctus, Abl. co¯nstituere ’hinstellen, aufstellen’, auch ’einsetzen, straktum von l. contingere ’berühren, anrühren’, zu l. bestehen aus’. tangere (ta¯ctum) ’berühren, anrühren’ und l. con-. Ebenso nndl. constituent, ne. constituent, nfrz. partie constituDie Bedeutung ist zunächst negativ (’Ansteckung’), ante, ndn. konstituent; ÞKonstitution. dann setzt sich die positive stärker durch. Ebenso nndl. contact, ne. contact, nfrz. contact, nschw. kontakt, Konstitution Sf ’Staats-, Körper-Verfassung’ erw. fach. nnorw. kontakt. Zur Sippe von l. tangere ’berühren’ s. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. constitution, dieses aus l. ÞTangente. – HWPh 4 (1976), 1023f.; EWNl 1 (2003), 486f. co¯nstitu¯tio (-o¯nis) eigentlich ’die feste Einrichtung’, einer Ableitung von l. co¯nstituere ’hinstellen, hinset- Kontamination Sf ’Vermengung, Verunreinigung’ per. zen, beistellen’, zu l. statuere (statu¯tum) ’hinstellen, fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. conta¯mina¯tio (-o¯nis) ’Befleckung, Verderbnis’, zu l. conta¯mina¯re ’durch aufstellen, stehenlassen’ und l. con-, letztlich zu l.

Kontor

527

Berührung beflecken’, das verwandt ist mit l. tangere ’berühren’ (ÞTangente). Verb: kontaminieren. Ebenso nndl. contaminatie, ne. contamination, nfrz. contamination, nschw. kontamination, nnorw. kontaminasjon. – BlW 4 (1992), 288–291.

Ebenso nndl. context, ne. context, nfrz. contexte, nnorw. kontekst. – Stierle, K. AB 18 (1974), 144–149; Spillmann, H. O. FS Schmitt (1988), 200–209; LM 5 (1991), 1416f.; EWNl 1 (2003), 488.

Kontiguität Sf ’Angrenzung, Zusammenkommen’ per.

fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ml. contiguitas, Abstraktum zu l. contiguus ’angrenzend’, zu l. contingere (14. Jh.). Entlehnt aus l. contempla¯tio (-o¯nis), zu l. ’berühren’, zu l. tangere (ÞTangente) und l. con-. contempla¯rı¯ ’sein Augenmerk auf etwas richten, beEbenso ne. contiguity, nfrz. contı¨guite´. – HWPh 4 (1976), 1026f. trachten, berücksichtigen, bedenken’. Aufgenommen durch die Mystiker. Adjektiv: kontemplativ. Kontinent Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. (terra) contine¯ns, dem PPräs. von l. contine¯re ’eingeschlossen, Ebenso nndl. contemplatie, ne. contemplation, nfrz. contemplation, nschw. kontemplation, nnorw. kontemplasjon. Das laumgrenzt werden’, zu l. tene¯re (tentum) ’halten, beteinische Wort gehört wohl als Präfixableitung zu l. templum n. sitzen’ (ÞTenor 1) und l. con-. Gemeint ist zusammen’Beobachtungskreis, Tempel’ in dessen ursprünglicher Bedeuhängendes Land im Gegensatz zu einer Insel. Adjektung ’Ort zur Ausführung der Vogelschau’ (ÞTempel) und l. tiv: kontinental.

Kontemplation Sf ’Nachdenken, Versenkung’ per. fach.

con-. – HWPh 4 (1976), 1024–1026; LM 5 (1991), 1414–1416; EWNl 1 (2003), 487.

Konterbande Sf ’Schleichhandel, Schmuggelware’ per.

Ebenso nndl. continent, ne. continent, nfrz. continent, nschw. kontinent, nnorw. kontinent. – DF 1 (1913), 386; Ganz (1957), 123f.; LM 5 (1991), 1417; EWNl 1 (2003), 488.

fach. (15. Jh.). Entlehnt aus it. contrabbando m. Kontingent Sn ’Zuteilung, Zuweisung’ und ’pflicht’Schmuggel’, eigentlich ’entgegen der Bekanntmamäßig zu stellender Anteil’ erw. fach. (17. Jh.). Entchung’ (it. contra ’gegen’ und it. bando ’Erlass’), häulehnt aus frz. contingent m., einer Substantivierung fig in der frz. Form contrebande gebraucht. Die nhd. von frz. contingent ’zustehend, zufallend’, aus l. conEntsprechung ÞBannware (seit Campe 1800) ist wie tinge¯ns (-entis), dem PPräs. von l. contingere (conta¯cdie Entlehnung veraltet. tum) ’jmd. zustehen, berühren’, zu l. tangere Ebenso nndl. contrabande, ne. contraband, nfrz. contrebande, ’berühren’ (ÞTangente) und l. con-. Verb: kontingennschw. kontraband, nnorw. kontrabande. – DF 1 (1913), 385; LM tieren. 5 (1991), 1416. Konterfei Sn ’Abbild, Bildnis’ erw. obs. (15. Jh.). Ent-

lehnt und umgestaltet aus frz. contrefait ’nachgebildet, nachgemacht’, dem PPrät. zu frz. contrefaire ’nachmachen’, aus spl. contrafacere, zu l. facere ’machen’ und l. contra¯-. Ableitung mit Partikelverb: abkonterfeien. Ebenso nndl. konterfeitsel, nschw. konterfej, nnorw. kontrafei. Zur Sippe von l. facere ’machen’ s. Þinfizieren. – DF 1 (1913), 385f.; Suolahti (1929), 138f.

konterkarieren Vsw ’hintertreiben’ erw. obs. (19. Jh.).

Entlehnt aus frz. contrecarrer. Ebenso nfrz. contrecarrer. Das französische Wort aus frz. se carrer ’breitschultrig dastehen als Geste der Opposition’ (Bedeutung archaisch, vgl. aber frz. carrure ’Schulterbreite’) und frz. contre- ’gegen’ (aus l. contra¯-). – DEO (1982), 225f.

kontern Vsw ’einen Gegenschlag führen, entgeg-

nen’ erw. stil. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. counter, zu ne. counter ’gegen, entgegen’, aus afrz. contre, aus l. contra¯. Die Lautung wurde im Deutschen den romanischen Vorbildern angeglichen. Ebenso nndl. counteren, ne. counter.

Kontertanz Sm (ein alter Gesellschaftstanz) erw. obs.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. contredanse f. (eigentlich ’Gegentanz’, das Wort ist aber aus ne. country dance entlehnt und neu motiviert worden). Ebenso nndl. contradans, ne. contra dance, nfrz. contredanse, nschw. kontradans, nnorw. kontradans. – DF 1 (1913), 386.

Kontext Sm per. fach. (16. Jh.). Neoklassische Bildung

aus ÞText und l. con-, vermutlich zuerst in ne. context.

Ebenso nndl. contingent, ne. contingent, nfrz. contingent, nschw. kontingent, nnorw. kontingent. – Schirmer (1911), 107; HWPh 4 (1976), 1027–1038; LM 5 (1991), 1417–1420; EWNl 1 (2003), 488.

kontinuierlich Adj erw. fach. (18. Jh.). Ableitung von

nhd. kontinuieren ’fortsetzen’, einer Entlehnung aus l. continua¯re ’fortsetzen, unmittelbar verbinden’, zu l. continuus ’zusammenhängend, unmittelbar aneinander liegend’, zu l. contine¯re ’zusammenhalten’, zu l. tene¯re ’halten’ (ÞTenor 1) und l. con-. Abstraktum: Kontinuität; Konkretum: Kontinuum. Ebenso nndl. continu, ne. continuous, nfrz. continu, nschw. kontinuerlig, nnorw. kontinuerlig. – EWNl 1 (2003), 488.

Konto Sn std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. conto m.

’Rechnung’, dieses aus spl. computus m. ’Berechnung’, zu l. computa¯re ’zusammenrechnen, ausrechnen, berechnen’, zu l. puta¯re ’rechnen, berechnen; reinigen’ (zu l. putus ’rein’) und l. con-. Zunächst entlehnt in der Bedeutung ’Rechnung’; dann erweitert auf die Berechnung von Geldbewegungen bzw. auf Guthaben. Ebenso nndl. conto, nfrz. compte, nschw. konto, nnorw. konto. Zur Sippe von l. puta¯re s. Þamputieren. – Schirmer (1911), 107f.; LM 5 (1991), 1420; Röhrich 2 (1992), 868f.; EWNl 1 (2003), 488.

Kontor Sn erw. obs. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. comptoir

m. ’Schreibstube, Zahltisch’ wohl in einer nordfranzösischen Lautung über das Mittelniederländische und Mittelniederdeutsche. Das Wort gehört zu frz. compter ’rechnen’ aus l. computa¯re.

kontra

528 Ebenso nndl. kantoor, ne. counter, nfrz. comptoir, nschw. kontor, nnorw. kontor; ÞKonto.

kontra (auch substantiviert) Ptkl std. (16. Jh.). Etwa in

Kontrast Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus it. contrasto,

einer Ableitung von it. contrastare ’entgegenstehen’, zu l. contra¯- ’gegen’ und l. sta¯re ’stehen’ (ÞDistanz). Zunächst Fachwort der Malerei. Verb: kontrastieren.

pro und kontra oder als Ausdruck des Kartenspiels Ebenso nndl. contrast, ne. contrast, nfrz. contraste, nschw. kon(von dort aus verallgemeinert). Entlehnt aus l. contra¯ trast, nnorw. kontrast. – DF 1 (1913), 387f.; HWPh 4 (1976), ’gegen’. Auch als Präfix entlehnt und teilweise pro1066–1068; EWNl 1 (2003), 490. duktiv geworden; gelegentlich in der französischen Kontrazeption Sf ’Empfängnisverhütung’ per. fach. Form contre- oder eingedeutscht Konter- (dies aber (20. Jh.). Gegensatzbildung zu ÞKonzeption nicht produktiv). Ebenso nndl. contra, ne. contra, nfrz. contre, nschw. kontra, ’Empfängnis’ mit Hilfe von l. contra-, ersteres aus l. nnorw. kontra. – BlW 4 (1992), 292–299; Schmidt (1996), 73; conceptio (-o¯nis), zu l. concipere (conceptum) EWNl 1 (2003), 488. ’empfangen, in sich aufnehmen’, zu l. capere ’nehmen, in sich aufnehmen’ (Þkapieren) und l. con-. Kontrabass Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus it. contrabasEbenso nndl. contraceptie, ne. contraception, nfrz. contraceptiso, zu it. basso ’niedrig’ und l. contra¯-. Kontra- hat hier on. die Bedeutung ’tief’. Ebenso nndl. contrabas, ne. contrabass, nfrz. contrebasse, Kontribution Sf ’Beitrag, auferlegte Geldzahlung’ per. nschw. kontrabas, nnorw. kontrabass, nisl. kontrabassi. – fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. contribu¯tio (-o¯nis), zu l. EWNl 1 (2003), 489. contribuere ’zuteilen, zu etwas schlagen’, zu l. tribuere Kontrafaktur Sf ’Umdichtung’ per. fach. (19. Jh.). Re’zuteilen, zuwenden, schenken’ (zu l. tribus ’Volk, Belatinisierung der romanischen Sippe it. contrafattore, zirk’) und l. con-. nfrz. contrefacteur ’Fälscher’ (usw.). Die Verwendung Ebenso nndl. contributie, ne. contribution, nfrz. contribution, nschw. kontribution, nnorw. kontribusjon; ÞTribut. – DF 1 des Abstraktums l. factu¯ra hat in den romanischen (1913), 388; EWNl 1 (2003), 490. Vorbildern allerdings keine Parallele. Zu l. facere ’machen, tun’ (Þinfizieren) und l. contra¯. Kontrolle Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. controˆle m., Ebenso ne. contrafact(um). dieses aus älterem frz. contre-roˆle m. ’Gegenrolle, Gegenregister’, zu l. contra¯ ’gegen’ und ml. rotulus m. Kontrahent Sm ’Widersacher’ erw. fach. (16. Jh.). Sub’Rolle, Rädchen’, einem Diminutivum zu l. rota stantiviertes Partizip Präsens von l. contrahere ’Rad, Scheibe’ (Þrotieren). Gemeint ist also ein Ge’zusammenziehen, einen Vertrag schließen’ genstück, das man zur Überwachung und Überprü(Þkontrahieren). Die Bedeutung entwickelt sich aus fung verwendet. Verb: kontrollieren; Nomen Agentis: ’Rivale, Gegner im Zweikampf’. Kontrolleur. Ebenso nndl. contractant, ne. contractor, nfrz. contractant, nschw. kontrahent, nnorw. kontrahent.

kontrahieren Vsw ’zusammenziehen, einen Vertrag

Ebenso nndl. controle, ne. control, nfrz. controˆle, nschw. kontroll, nnorw. kontroll, nisl. kontro´l. – DF 1 (1913), 388; Jones (1976), 236f.; Laute, W.: Control (Diss. Bonn 1969); Krüger (1979), 307 (zu Kontrolleur); Carstensen 2 (1994), 791f. (zum englischen Einfluss); EWNl 1 (2003), 490.

schließen’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. contrahere (contractum), zu l. trahere ’ziehen’ (Þabstrakt) und l. con-. Die Entlehnung in der Bedeutung ’einen Kontroverse Sf ’Auseinandersetzung’ per. fach. Vertrag schließen’ ist die ältere; ’zusammenziehen’ (17. Jh.). Entlehnt aus l. contro¯versia (eigentlich ’die jung und fachsprachlich. Konkretum: Kontrakt entgegengesetzte Richtung’), einer Ableitung von l. ’Vertrag’; Abstraktum: Kontraktion ’Zusammenziecontro¯versus ’entgegengewandt, gegenüberliegend’, hung’. zu l. contra¯- ’gegen’ und l. versus ’gewandt’, dem PPP. Ebenso nndl. contracteren, ne. contract, nfrz. contracter, nschw. von l. vertere ’wenden, drehen’ (Þkonvertieren). Adkontrahera, nnorw. kontrahere. – EWNl 1 (2003), 489. jektiv: kontrovers. Kontrapunkt Sm ’Nebeneinanderführen mehrerer Ebenso nndl. controverse, ne. controversy, nfrz. controverse, Stimmen’ per. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus ml. connschw. kontrovers, nnorw. kontrovers. – BlW 4 (1992), 303–307; trapunctum n., einer Zusammenrückung und VerEWNl 1 (2003), 490. kürzung aus ml. punctus contra punctum ’Note gegen Kontur Sf ’Linie, Umriss’ std. stil. (18. Jh.). Entlehnt aus Note’, zu ml. punctus ’Note’, aus l. pu¯nctus ’Stechen, frz. contour m., dieses aus it. contorno m., einer AbStich’, zu l. pungere ’stechen’ (ÞPunkt). leitung von ml. contornare ’einfassen, Umrisse zeichEbenso nndl. contrapunt, ne. counterpoint, nfrz. contrepoint, nschw. kontrapunkt, nnorw. kontrapunkt; Þkunterbunt. – EWNl 1 (2003), 489f.

konträr Adj ’gegensätzlich’ erw. fremd. (15. Jh.). Ent-

lehnt aus l. contra¯rius ’widrig’, zu l. contra¯ ’gegen’. Die Lautung unter Einfluss von frz. contraire. Ebenso nndl. contrair, ne. contrary, nfrz. contraire, nschw. konträr, nnorw. kontr¢r. – DF 1 (1913), 387; HWPh 4 (1976), 1065; Brunt (1983), 210; BlW 4 (1992), 300–302.

nen’, zu l. torna¯re ’drechseln, mit dem Drechseleisen runden’ und l. con-, aus gr. torneu´ein ’drehen, drechseln’, zu gr. to´rnos m. ’Kreisstift, Zirkel, Dreheisen’. Ebenso nndl. contour, ne. contour, nfrz. contour, nschw. kontur, nnorw. kontur; ÞTour. – DF 1 (1913), 389.

Konus Sm per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. co¯nus, das

auf gr. ko˜nos ’Kegel, Pinienzapfen’ zurückgeht. Adjektiv: konisch.

konzentrieren

529 Ebenso nndl. conus, ne. cone, nfrz. coˆne, nschw. kon, nnorw. konus.

Konvenienz Sf ’Erlaubtes, Schickliches, Bequemlich-

keit’ per. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus l. convenientia ’Übereinstimmung, Harmonie’, Abstraktum von l. convenı¯re ’zusammentreffen, zusammenpassen’, zu l. venı¯re ’kommen’ und l. con-. Verb: konvenieren. Ebenso nndl. convenie¨ren, ne. convenience, nfrz. convenance, nschw. konvenans, nnorw. konveniens. Zur Sippe s. Þintervenieren; ÞKonvent, ÞKonvention. – DF 1 (1913), 389; HWPh 4 (1976), 1068–1071; EWNl 1 (2003), 491.

Konvent Sm erw. fach. (13. Jh.), mhd. convent. Ist ent-

lehnt aus l. conventus, Abstraktum zu l. convenı¯re ’sich einfinden, zusammenkommen’, zu l. venı¯re ’kommen’ und l. con-. Ebenso nndl. convent, ne. convent, nfrz. couvent, nschw. konvent, nnorw. konvent, nisl. konventa. Zur Sippe s. Þintervenieren; ÞKonvenienz, ÞKonvention. – LM 5 (1991), 1423; EWNl 1 (2003), 491.

Konvention Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. con-

vention, dieses aus l. conventio (-o¯nis) (eigentlich ’Zusammenkunft’), einer Ableitung von l. convenı¯re ’zusammenkommen, eintreffen’, zu l. venı¯re ’kommen’ und l. con-. Adjektiv: konventionell. Ebenso nndl. conventie, ne. convention, nfrz. convention, nschw. konvention, nnorw. konvensjon. Zur Sippe s. Þintervenieren; ÞKonvenienz, ÞKonvent. – Schirmer (1911), 109; DF 1 (1913), 389f.; Klammer, H. in Schlüsselwörter 2 (1964), 355–381; HWPh 4 (1976), 1071–1078; EWNl 1 (2003), 491.

konvergieren Vsw ’zusammenlaufen, übereinstim-

men’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. convergere ’sich hinneigen, sich zusammenneigen’, zu l. vergere ’sich neigen’ und l. con-. Abstraktum: Konvergenz; Adjektiv: konvergent. Ebenso nndl. convergeren, ne. converge, nfrz. converger, nschw. konvergera, nnorw. konvergere; Þdivergent. – HWPh 4 (1976), 1080–1082; EWNl 1 (2003), 491f.

Konversation Sf std. stil. (16. Jh.). Entlehnt aus l. con-

Ebenso nndl. converteren, ne. convert, nfrz. convertir, nschw. konvertera, nnorw. konvertere. Zu Formen der Nachfolger von l. vertere ’wenden’ gehören außer konvertieren noch die deutschen Partizipialformen Þextravertiert und Þintrovertiert, und die lateinischen Partizipialformen Þdivers, Þpervers und die Substantivierung ÞRevers, in lateinischer Form Þversus, Weiterbildungen in ÞKontroverse, ÞProsa, ÞUniversum, Þuniversal, ÞUniversität. Abstrakta sind ÞVersion, ÞAversion, Inversion, ÞKonversion und Subversion mit Þsubversiv, und von einer anderen Form ÞVers (mit ÞVersal); ein Adjektiv der Möglichkeit ist (ir)reversibel; aus einer nominalen Ableitung stammt Þvertikal. Zu dem Intensivum l. versa¯rı¯ gehören versiert, ÞKonversation. Zur germanischen Verwandtschaft Þwerden. – EWNl 1 (2003), 492.

konvex Adj erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. convexus

’gewölbt, nach oben oder unten zusammenstoßend’. Ebenso nndl. convex, ne. convex, nfrz. convexe, nschw. konvex, nnorw. konveks. – EWNl 1 (2003), 492.

Konvikt Sn ’Wohngemeinschaft (für katholische Theo-

logiestudenten)’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. convı¯ctus ’Zusammenleben’, Abstraktum von l. convı¯vere ’mit jmd. zusammenleben, miteinander speisen’, zu l. vı¯vere ’leben’ (Þvital) und l. con-. Ebenso nndl. convict, ne. convivial, nfrz. convier.

Konvoi Sm ’Geleitzug’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus

frz. convoi ’Geleit’, einer Ableitung von frz. convoyer ’begleiten’, aus früh-rom. *conviare, Präfixableitung zu l. via f. ’Weg’ und l. con-. Zunächst nur in der Bedeutung ’Geleit’ verwendet; dann übertragen auf ’Geleitzug’ (zunächst Bezeichnung der die Handelsflotte begleitenden Kriegsschiffe); schließlich auch in allgemeiner Bedeutung. Die Aussprache wird aus dem Englischen übernommen. Ebenso nndl. konvooi, ne. convoy, nfrz. convoi, nschw. konvoj, nnorw. konvoi; Þtrivial. – Schirmer (1911), 110; DF 1 (1913), 118; Moeller-Schina (1969), 98f.; Jones (1976), 238–240; Carstensen 2 (1994), 792; EWNl 3 (2007), 112.

Konvolut Sn ’Bündel, Sammlung, Sammelband’ per.

versa¯tio (-o¯nis) (eigentlich ’Umgang, Verkehren’), einer Ableitung von l. conversa¯rı¯ ’verkehren, Umgang haben’, zu l. versa¯rı¯ ’sich hin und her bewegen, etwas betreiben’, einem Frequentativum zu l. vertere ’drehen, wenden’ (Þkonvertieren) und l. con-.

fach. (16. Jh.). Entlehnt aus spl. convolu¯tum, dem substantivierten PPP. von l. convolvere ’zusammenrollen’, zu l. volvere ’rollen, drehen, winden’ und l. con-.

Ebenso nndl. conversatie, ne. conversation (allg. Bed.), nfrz. conversation, nschw. konversation, nnorw. konversasjon. – DF 1 (1913), 390f.; EWNl 1 (2003), 492.

Konvulsion Sf ’Schüttelkrampf’ per. fach. (18. Jh.). Ent-

Konversion Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. con-

versio (-o¯nis), Abstraktum von l. convertere ’umkehren, umdrehen, umwenden’.

Ebenso ne. convolution, nschw. konvolut, nnorw. konvolutt; ÞVolumen.

lehnt aus l. convulsio (-o¯nis), zu l. convellere (convulsum) ’herumzerren, ausrenken, einen Krampf bekommen’, zu l. vellere ’rupfen, raufen, zupfen’ und l. con-. Adjektiv: konvulsivisch.

Ebenso nndl. convulsie, ne. convulsion, nfrz. convulsion, nschw. konvulsion, nnorw. konvulsjon. Ebenso nndl. conversie, ne. conversion, nfrz. conversion, nschw. konversion, nnorw. konversjon; Þkonvertieren. – Weimann, konzentrieren Vsw std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. conK.-H. DWEB 2 (1963), 396; HWPh 1 (1971), 1033–1036; 4 (1976), centrer ’in einem Punkt vereinigen’, zu frz. centre 1082; LM 5 (1991), 1424f.

konvertieren Vsw erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l.

convertere ’umkehren, umdrehen, umwenden’, zu l. vertere ’drehen’ und l. con-. Abstraktum: ÞKonversion; Adjektiv: konvertibel; Nominalableitung: Konvertit.

’Mittelpunkt’, aus l. centrum, aus gr. ke´ntron, eigentlich ’Stachel’, zu gr. kenteı˜n ’stechen’, und l. con-. Abstraktum: Konzentration; Konkretum: Konzentrat. Baugleich ist Þkonzentrisch.

konzentrisch Ebenso nndl. concentreren, ne. concentrate, nfrz. concenter, nschw. koncentrera, nnorw. konsentrere; ÞZentrum. – DF 1 (1913), 391f.

konzentrisch Adj erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ml.

concentricus ’den gleichen Mittelpunkt habend’. Ebenso nndl. concentrisch, ne. concentric, nfrz. concentrique, nschw. koncentrisk, nnorw. konsentrisk; Þkonzentrieren, ÞZentrum.

Konzept Sn Þkonzipieren. Konzeption Sf Þkonzipieren. Konzern Sm ’Zusammenschluss von Unterneh-

men’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. concern ’Firma, Unternehmen; Interesse’, einer Ableitung von ne. concern ’betreffen, angehen’, dieses aus frz. concerner, aus l. concernere, zu l. cernere (cre¯tum) ’sichten, unterscheiden, gewahren’ und l. con-. Ebenso nndl. concern, nfrz. konzern, nschw. koncern, nnorw. konsern. Zum Präsensstamm von l. cernere ’sichten’ gehört außer Konzern noch ÞDezernent; zum Perfektstamm cre¯tum gehören ÞDekret, Þdiskret und ÞSekret nebst ÞSekretär und ohne das -t- ÞExkrement. Zu der nahestehenden ¯ı-Erweiterung Þdiskriminieren; s. auch Þkriminell. Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞKrise, zur germanischen Þrein. Auf das entfernter verwandte l. certus ’sicher’ gehen ÞKonzert und ÞZertifikat zurück. – Schirmer (1911), 110; Jones, W. J. SN 51 (1979), 251; EWNl 1 (2003), 473.

Konzert Sn std. (17. Jh.). Entlehnt aus it. concerto m.

530

frz. concilier ’aussöhnen’, dieses aus l. concilia¯re ’verbinden, geneigt machen, gewinnen’, zu l. concilium ’Vereinigung, Verbindung’. Ebenso nndl. conciliant, ne. conciliatory, nfrz. conciliant, nschw. konciliant.

konzipieren Vsw ’planen, entwerfen’ erw. fach. (15. Jh.).

Entlehnt aus l. concipere (conceptum) ’erkennen, aufnehmen, auffassen, schwanger werden’, zu l. capere ’nehmen, fassen, empfangen’ und l. con-. Zunächst in der Bedeutung ’schwanger werden’ in der Medizin verwendet; dann allgemein ’eine Idee bekommen und einen Entwurf machen’. Abstraktum: ÞKonzeption; Konkretum: ÞKonzept; Adjektiv: konzeptuell. Ebenso nndl. concipie¨ren, ne. conceive, nfrz. concevoir, nschw. koncipiera, nnorw. konsipere. Zur Sippe von l. capere ’fassen’ s. Þkapieren. – DF 1 (1913), 392; HWPh 4 (1976), 1082–1086; LM 5 (1991), 1427; Röhrich 2 (1992), 869; EWNl 1 (2003), 472f.

konzis Adj ’knapp, gedrängt’ per. fremd. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus l. concı¯sus, dem PPP. von l. concı¯dere ’zerhauen, zerschneiden, zerstückeln’, zu l. caedere ’hauen, schlagen, prügeln’ und l. con-. Ebenso ne. concise, nfrz. concis, nschw. koncis, nnorw. konsis; Þdezidiert. – EWNl 1 (2003), 474.

Koog (auch Kog) Sm ’hohes Land vor dem Deich’, dann

’eingedeichtes Land’ per. fach. ndd. (19. Jh.). Entlehnt aus nndl. kaag (mndl. cooch, afr. ka¯ch aus g. *kauga-) unklarer Herkunft.

(eigentlich ’Wettstreit’), einer Ableitung von it. concertare ’wetteifern’, aus l. concerta¯re, zu l. certa¯re ’kämpfen, streiten’ und l. con-, zu l. certus ’sicher, entschieden’, zu l. cernere ’scheiden, kämpfen’.

Koordinate Sf ’Lageangabe’ per. fach. (18. Jh.). Neubil-

Ebenso nndl. concert, ne. concert, nfrz. concert, nschw. konsert, nnorw. konsert, nisl. konsert; ÞKonzern. – DF 1 (1913), 393f.; EWNl 1 (2003), 473.

Ebenso nndl. coördinaat, ne. coordinate, nfrz. coordonne´e, nschw. koordinat, nnorw. koordinat. – Schirmer (1912), 38.

Konzession Sf ’Zulassung, Zugeständnis’ erw. fach.

Ebenso nndl. kaag (in Ortsnamen). – EWNl 3 (2007), 112f.

dung zu ÞOrdinate und l. con-.

koordinieren Vsw ’Verschiedenes aufeinander abstim-

(16. Jh.). Entlehnt aus l. concessio (-o¯nis), Abstraktum von l. conce¯dere (concessum) ’abtreten, sich fügen, zugestehen’, zu l. ce¯dere ’weichen, nachgeben’ und l. con-.

men’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ml. coordina¯re ’zuordnen’, zu l. o¯rdina¯re ’ordnen’ und l. con-, zu l. o¯rdo (-dinis) ’Reihe, Ordnung’ (Þordnen). Abstraktum: Koordination.

Ebenso nndl. concessie, ne. concession, nfrz. concession, nschw. koncession, nnorw. konsesjon; ÞAbszess. – Schirmer (1911), 110; DF 1 (1913), 393; EWNl 1 (2003), 473.

Ebenso nndl. coördineren, ne. coordinate, nfrz. coordonner, nschw. koordinera, nnorw. koordinere. – HWPh 4 (1976), 1092f.; EWNl 1 (2003), 493.

konzessiv Adj ’einräumend’ per. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus l. concessı¯vus, Adjektivbildung zu l. conce¯dere ’zugestehen’. Ebenso nndl. concessief, ne. concessive, nfrz. concessif, nschw. koncessiv; ÞKonzession.

Köpenickiade Sf ’naives Täuschungsmanöver, über

das man lacht’ std. bildg. (20. Jh.). Nach der Besetzung des Rathauses von Berlin-Köpenick 1906 durch einen Schuhmacher, der sich mit Hilfe einer Hauptmannsuniform Autorität zu verschaffen wusste.

Konzil Sn ’Versammlung, Gremium’ erw. fach. (13. Jh.). Köper Sm ’Gewebe, bei denen sich die Fäden des Ein-

Entlehnt aus l. concilium, dessen weitere Herkunft nicht mit Sicherheit geklärt ist; möglicherweise zu l. cala¯re ’zusammenrufen’, zu l. cla¯rus ’laut, hell’. Ebenso nndl. concilie, ne. council, nfrz. concile, nschw. koncilium, nnorw. konsil. – LM 5 (1991), 1429–1431; BlW 4 (1992), 180–183; EWNl 1 (2003), 474.

konziliant Adj ’entgegenkommend’ per. fremd.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. conciliant, dem PPräs. von

schlags mit denen der Kette schräg kreuzen’ per. fach. (16. Jh.). Ursprünglich für Schrägbalken im Dach und im Wappen. Zur Herkunft s. ÞKäpfer, ÞKämpfe(r). Ebenso nndl. keper, nschw. kypert, nnorw. kiper. – LM 5 (1991), 1434f. (zu Köperbindung); EWNl 3 (2007), 45.

Kopf Sm std. (8. Jh.), mhd. kopf ’Trinkgefäß, Hirn-

schale’, ahd. kopf, kupf ’Becher’, mndd. kop. Wie ae.

kören

531

cuppe f. ’Becher’, anord. koppr ’Geschirr in Becherkopulieren Vsw ’beschlafen, begatten’, auch ’trauen’ erw. obs. (16. Jh.). Entlehnt aus l. copula¯re form, kleines Schiff’ früh entlehnt aus l. cu¯pa, cuppa f. ’Becher’. Das Wort ersetzt als expressives Bild (’jmd. ’verknüpfen, zusammenschließen, eng verbinden’, zu den Becher einschlagen’ = ’den Kopf einschlagen’) l. co¯pula ’das Verknüpfende’. Ebenso nndl. copuleren, ne. copulate, couple, nfrz. copuler, das alte Wort ÞHaupt; ähnlich wie frz. teˆte f. (aus l. nschw. kopulera, nnorw. kopulere; ÞKopula. – EWNl 1 (2003), te¯sta f. ’aus Ton gebranntes Gefäß, Scherbe’) das alte 493f. Wort l. caput n. ersetzt. Verb: köpfen. Ebenso nndl. kop, ne. cup, nfrz. coupe, nschw. kopp, nnorw. Koralle Sf std. (13. Jh.), mhd. koral[le] m. Ist entlehnt kopp; ÞKübel, ÞKufe 2. – Alanne, E. NPhM 56 (1955), 224; aus afrz. coral, dieses aus l. corallium n., aus gr. koLühr (1988), 275f. (anders); Hildebrandt, R. DWEB 3 (1963), ra´llion n., dessen weitere Herkunft nicht geklärt ist. 360–362 (zur Bedeutungsübertragung); Augst, G.: ’Haupt’ und ’Kopf’ (Diss. Mainz 1970); Röhrich 2 (1992), 869–872; EWNl 3 (2007), 115.

Kopfnuss Sf ÞNuss 2. Kopie Sf std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. co¯pia ’Vorrat,

Mittel, Fülle’, zu l. ops (opis) ’Macht, Vermögen, Kraft’ und l. con-. In der Kanzleisprache nimmt Kopie die Bedeutung ’Vervielfältigung’ an, sodann ’Abschrift (usw.)’, schließlich ’Nachbildung eines Kunstwerks (usw.)’. Verb: kopieren; Nomen Agentis: Kopist. Ebenso nndl. kopie, ne. copy, nfrz. copie, nschw. kopia, nnorw. kopi; ÞCopyright, Þoperieren. – Schirmer (1911), 110; DF 1 (1913), 393f.; Erämetsä, E. NPhM 59 (1958), 38; LM 5 (1991), 1437f.

Koppe Sf ÞKuppe. Koppel1 Sn ’Uniformgürtel’ erw. fach. (13. Jh.), mhd.

kop(p)el, kup(p)el f./m./n. ’Band’. Entlehnt aus l. co¯pula f. ’Band’ (und afrz. couple). Ebenso nndl. koppel(riem), nschw. koppel; ÞKopula, Þkuppeln. – Scheuermann, U. NJ 92 (1969), 101f.; EWNl 3 (2007), 116f.

Koppel2 Sf ’Leine für mehrere Hunde, Hundemeu-

te’ erw. fach. (13. Jh.). Dasselbe Wort wie ÞKoppel 1 mit Bewahrung des alten Genus. Ebenso nndl. koppel, ne. couple, nfrz. couple, nschw. koppel, nnorw. koppel; ÞKopula. – Scheuermann, U. NJ 92 (1969), 101f.

Koppel3 Sf ’eingezäuntes Weideland’ erw. fach.

Ebenso nndl. koral, ne. coral, nfrz. corail, nschw. korall, nnorw. korall, nisl. ko´rall. – Lüschen (1979), 255; LM 5 (1991), 1441f.; EWNl 3 (2007), 117.

Korb Sm std. (9. Jh.), mhd. korp, ahd. korb, korf . Ent-

lehnt aus l. corbis m./f. − Einen Korb geben stammt angeblich von dem Brauch, einem unerwünschten Liebhaber zum Heraufziehen einen Korb ohne Boden hinunterzuschicken (vgl. Þdurchfallen). Alle Einzelheiten bleiben dabei unklar. Die spanische Entsprechung dar calabazas ’Kürbisse geben’ scheint näher mit der deutschen Wendung zusammenzuhängen (Kürbisse als Hohlkörper dienen wie ÞFlasche usw. öfter zum Ausdruck des Spottes und der Beschimpfung). Der Weg vom einen zum anderen ist aber nicht zu sehen. Ebenso nndl. korf, nfrz. corbeille, nschw. korg, nnorw. kurv, nisl. karfa. – Hoops (1911/19), III, 91; Schulze (1933), 497–508; Röhrich 2 (1992), 872–875; EWNl 3 (2007), 118.

Kord Sm ’geripptes Gewebe’ erw. fach. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. cord, eigentlich ’Schnur’ (ÞKorde). Auch als Kürzung von Kordsamt ’Kordstoff, bei dem die aufgeschnittenen Rippen eine samtige Oberfläche bilden’. Ebenso nndl. koord, ne. cord, nfrz. corde, nschw. kordväv, nnorw. korderoy.

Korde Sf ’schnurartiger Besatz’ per. fach. (13. Jh.), mhd.

korde ’Seil, Schnur’. Entlehnt aus l. c(h)orda (oder frz. corde) ’Darm, Darmsaite’, das auf gr. chorde¯´ ’Darmsaite, Fessel’ u.ä. zurückgeht.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. couple m. ’Joch Landes’, Ebenso nndl. koord, ne. cord, nfrz. corde. ursprünglich ’so viel, wie ein Paar (couple) Ochsen an einem Tag pflügen kann’; letztlich ursprungsgleich Kordel Sf std. (15. Jh.). Ursprünglich niederdeutsch, mit ÞKoppel 1 (und ÞKoppel 2). mndd. kordel. Entlehnt aus frz. cordelle, einer WeiterEbenso nndl. koppel, nfrz. couple; ÞKopula. – Scheuermann, bildung zu frz. corde ’Schnur’, das unter ÞKorde darU. NJ 92 (1969), 101f. gestellt ist. koppen Vsw ’aufstoßen’ per. reg. (16. Jh.), mhd. koppe Ebenso nndl. koord,kardeel, ne. cord, nfrz. cordelette, cordelie`re, nnorw. kordel. – Eichhoff (1968), 84–86; Kretschmer ’das Aufstoßen, Rülpsen’. Wohl lautmalend. Þkotzen.

koppheister (auch heisterkopp) Adv ’kopfüber’ per.

ndd. (20. Jh.). Der Bestandteil heister ist unklar; vielleicht zu der unter ÞHast behandelten Sippe. Kopula Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. co¯pula

’Band’. Ebenso nndl. copula ne, copula, nfrz. copule. Das lateinische Wort zu l. apere ’anpassen’ und l. con-; ÞCouplet, ÞKoppel 1, ÞKoppel 2, ÞKoppel 3, Þkuppeln. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 67f.; HWPh 4 (1976), 1099–1101.

(1969), 120; EWNl 3 (2007), 115.

Kordon Sm ’Absperrung, kettenartige Grenzbesat-

zung’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. cordon (eigentlich ’Schnur, Reihe’), einer Ableitung von frz. corde f. ’Schnur, Seil’. Ebenso nndl. cordon, ne. cordon, nschw. kordong, nnorw. kordong; ÞKorde. – DF 1 (1913), 394; Brunt (1983), 213.

kören Vsw ’männliche Haustiere zur Zucht auswäh-

len’ per. fach. (15. Jh.). Niederdeutsche Form von Þküren.

Koriander Koriander Sm (Gewürzpflanze) erw. fach. (15. Jh.). Ent-

lehnt aus l. coriandrum n., dieses aus gr. korı´annon, korı´andron n. Eine vereinzelte Entlehnung als ahd. kullantar schon im 8. Jh. Ebenso nndl. koriander, ne. coriander, frz. coriandre, ndn. koriander. – Marzell 1 (1943), 1159–1162; LM 5 (1991), 1444; EWNl 3 (2007), 118.

Korinthe Sf ’kleine, kernlose Rosine’ erw. fach. (15. Jh.).

Neubildung zu frz. raisin de Corinthe (eigentlich ’Rosine von Korinth’), zum Namen der Stadt Korinth. Ebenso nndl. krent, ne. currant, nfrz. raisin de Corinthe, nschw. korint, nnorw. korint. – EWNl 3 (2007), 129.

Kork Sm std. (16. Jh.). Bezeugt als Bezeichnung für das

532 Reichert, B.: Kornblume und Margerite in deutscher Synonymik (Diss. masch. Tübingen 1955).

Kornelkirsche Sf per. fach. (9. Jh.), mhd. kurnelboum,

ahd. kurnilboum m. (u.ä.) für den Baum, ahd. kurni(l)beri, kornilbere, quirnilberi n. oder ahd. kurnilo m. für die Beere. Die Bezeichnung als Kirschen erst seit dem 18. Jh. Das Wort ist entlehnt aus in dieser Bedeutung nicht bezeugtem l. corneolus, einer Diminutivform von l. corneus ’zur Kornelkirsche gehörig’, dieses aus l. cornus m. ’Kornelkirschenbaum’ (das als ahd. kurniboum entlehnt ist). Dieses mit gr. kra´nos ’Kornelkirschbaum, Hartriegel’ aus einer mit dem Wort für ÞKirsche letztlich verwandten, nicht-indogermanischen Grundlage.

Ebenso nndl. kornoelje, ne. cornel, cornelian cherry, nfrz. corMaterial (Rinde der Korkeiche); später (Ende 17. Jh.) nouille, nschw. kornell. – EWNl 3 (2007), 118. für den Flaschenstöpsel aus Kork. Wohl über nndl. kurk, kork entlehnt aus span. corcho, das auf l. cortex Kornett Sn per. fach. (17. Jh.). In der Bedeutung ’Musikinstrument’ entlehnt aus frz. cornet m., einem m./f. ’Rinde’, speziell ’Korkrinde’, auch ’KorkstöpDiminutivum zu frz. corne f. ’Horn’, dieses aus l. corsel’ zurückgeht. Ebenfalls aus Kork hergestellt waren nu¯. Die Bedeutung ’Fähnrich’ (ebenfalls aus dem zunächst Pantoffeln mit Korksohle; deshalb heißt die Französischen) gehört zu frz. cornette m. ’Standarte’ Korkeiche im 16. Jh. auch Pantofflenbaum. − der Zusammenhang mit der Bedeutung ’Horn’ ist Ebenso nndl. kurk, ne. cork, nschw. kork, nnorw. kork, nisl. unklar. korkur; Þverkorksen. – Kretschmer (1969), 368–370; EWNl 3 (2007), 148.

Korken Sm std. (18. Jh.). Variante zu ÞKork, die auf die

Bedeutung ’Korkstöpsel’ beschränkt ist. Ebenso nndl. kurken. – Ponten (1969), 156–164.

Kormoran Sm (ein schwarzgrüner Schwimmvogel) per.

fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. cormoran, dieses aus afrz. cormareng, corp mareng (eigentlich ’Meerrabe’), aus spl. corvus marinus, zu l. corvus ’Rabe’ und l. marı¯nus ’zum Meer gehörig’ (zu l. mare n. ’Meer’; ÞMarine). Ebenso ne. cormorant, nfrz. cormoran, ndn. kormoran. – LM 5 (1991), 1446.

Korn1 Sn std. (8. Jh.), mhd. korn, ahd. korn, as. korn.

Ebenso nndl. cornet a` pistons, ne. cornet, nfrz. cornet, nschw. kornett, nnorw. kornett.

Korona Sf ’Strahlenkranz; fröhliche Schar’ per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus l. coro¯na ’Kranz, Krone’, dieses aus gr. koro¯´ne¯ ’Bogenende, Türgriff’, eigentlich ’Gekrümmtes’. Der Bedeutungsübergang zu ’Schar’ wie bei ÞKreis. Da diese Entwicklung in Studentenkreisen stattfindet, ist das Wort in dieser Bedeutung salopp umgangssprachlich. Ebenso ne. corona, nfrz. couronne, nschw. korona, nisl. ko´ro´na (’Krone’); ÞKrone.

Körper Sm std. (13. Jh.), mhd. korper, körper, fnhd. auch

körpel mit Dissimilierung des zweiten r. Entlehnt aus l. corpus (-poris) n. ’Leib’ (der spätere Umlaut ist nicht ausreichend erklärt). Ersetzt die älteren Wörter ÞLeib und ÞLeiche. Adjektiv: körperlich; Präfixableitung: verkörpern; Kollektivum: Körperschaft.

Aus g. *kurna- n. ’Korn, Getreide’, auch in anord. korn, ae. corn, afr. korn; gt. kaurn ’Getreide’, gt. kaurno ’einzelnes Korn’. Dieses aus ig. (w./oeur.) *gr¡no´˙ ’Korn’, auch in l. gra¯num, air. gra´n n./m., akslav. Ebenso ne. corpse, nfrz. corps, nschw. kropp, nnorw. kropp. – zrı˘no, apreuß. syrne f. (’Fruchtkern’), lit. ˇz`ırnis m. Adolf (1937); Kunze, K. in Bayerisch-Österreichische Dialekt(’Erbse’). Obwohl es sich ersichtlich um ein no-Parforschung. Hrsg. E. Koller (Würzburg 1989), 130–146. tizip zu einer zweisilbigen Wurzel handelt, ist die weiKorporal Sm ’Unteroffizier’ erw. obs. (17. Jh.). Entlehnt tere Analyse unklar. Man denkt entweder an aus frz. corporal, caporal, dieses aus it. caporale, einer ’Gewachsenes’ oder ’zu Reibendes’ − in keinem Fall Ableitung von it. capo ’Kopf, Haupt’, aus l. caput n. mit ausreichender semantischer Stütze. Adjektiv: Die Lautform ist dann an frz. corps ’Truppenverkörnig. band’ angeglichen worden. Ebenso nndl. koren, ne. corn, nschw. korn, nisl. korn; ÞGranate, ÞKern, ÞPopcorn. – Röhrich 2 (1992), 875, RGA 17 (2001), 256f.; EWNl 3 (2007), 118.

Korn2 Sm ’Kornbranntwein’ std. (19. Jh.). Gekürzt aus

Kornbranntwein. Kornblume Sf std. (14. Jh.). Wie nndl. korenbloem, ne.

cornflower, nschw. kornblomma nach dem Standort der Blume in Kornfeldern benannt.

Ebenso ne. corporal, nfrz. caporal, corporal, ndn. korporal, nnorw. korporal; ÞKapo, ÞChef . – Meyer, R. M. ZDW 12 (1910), 150; Jones (1976), 175f.; EWNl 3 (2007), 119.

Korporation Sf ’Körperschaft, Verbindung’ per. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus ml. corporatio ’Körperschaft’. Ebenso nndl. corporatie, ne. corporation, nfrz. corporation, nschw. korporation, nnorw. korporasjon; ÞKörper. – Müller (1965); HWPh 4 (1976), 1136–1138; EWNl 1 (2003), 494.

kosen

533 Korps Sn ’Verbund, Verbindung’ erw. fach. (17. Jh.).

Entlehnt aus frz. corps, dieses aus l. corpus n. ’Körper’, auch ’Körperschaft’.

Ebenso nndl. corrupt, ne. corrupt, nfrz. corrompu, nschw. korrumperad, nnorw. korrupt; Þabrupt. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 396; Betz, W. FS Fleischhauer (1975), 15–30; HWPh 4 (1976), 1143; Betz (1977), 63–76; LM 5 (1991), 1448–1452; EWNl 1 (2003), 495f.

Ebenso nndl. corps, korps, ne. corps, nfrz. corps, nschw. ka˚r, nnorw. korps. – DF 1 (1913), 395f.; EWNl 1 (2003), 494; 3 (2007), Korsar Sm ’Seeräuber’ erw. obs. (17. Jh.). Entlehnt aus it. 119.

korpulent Adj ’beleibt’ std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. cor-

pulentus, zu l. corpus ’Körper, Leib, Leichnam, Substanz, Fleisch, Gesamtheit’. Ebenso nndl. corpulent, ne. corpulent, nfrz. corpulent, nschw. korpulent, nnorw. korpulent. – EWNl 1 (2003), 494.

Korpuskel Sn ’kleinstes Teilchen’ per. fach. (20. Jh.).

Entlehnt aus l. corpusculum, einem Diminutivum zu l. corpus ’Körper, Substanz’ (ÞKörper). Ebenso nndl. corpusculair, ne. corpuscle, nfrz. corpuscule, nschw. korpuskel. – HWPh 4 (1976), 1138.

corsaro, das über eine mittellateinische Zwischenstufe zurückgeht auf l. cursus ’Fahrt (zur See)’, zu mit l. currere ’laufen, eilen’. Ebenso ne. corsair, nfrz. corsaire, nschw. korsar, nnorw. korsar; Þkonkurrieren. – Kluge (1911), 482; Steinhauser (1978), 90–92; LM 5 (1991), 1452.

Korsett Sn ’Mieder’ erw. obs. (18. Jh.). Entlehnt aus frz.

corset, Diminutiv zu afrz. cors ’Körper; Leibchen’. Ebenso nndl. korset, ne. corset, nfrz. corset, nschw. korsett, nnorw. korsett. – Brunt (1983), 214; Röhrich 2 (1992), 875f.; EWNl 3 (2007), 119.

korrekt Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. corre¯ctus (ei-

Korso Sm ’Umzug’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus it. gentlich ’gebessert, verbessert’), dem PPP. von l. corcorso, eigentlich ’Lauf’, aus l. cursus ’Lauf’. rigere ’zurechtrichten, verbessern, in Ordnung brinEbenso nndl. corso, nfrz. corso; Þkonkurrieren. – DF 1 (1913), gen’, zu l. regere (re¯ctum) ’gerade richten, lenken, lei398f.; EWNl 1 (2003), 496. ten’ und l. con-. Abstrakta: Korrektheit, Korrektur; Kortex Sm ’Rinde (eines Organs)’ per. fach. (20. Jh.). Verb: Þkorrigieren; Nomen Agentis: Korrektor. Entlehnt aus l. cortex m./f. ’Rinde’. Ebenso nndl. correct, ne. correct, nfrz. correct, nschw. korrekt, nnorw. korrekt; Þregieren. – DF 1 (1913), 396f.; LM 5 (1991), 1448 (zu Korrektor); EWNl 1 (2003), 495.

korrespondieren Vsw erw. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus

frz. correspondre, einer Neubildung zu l. responde¯re (respo¯nsum) ’versichern, versprechen, antworten, entsprechen, übereinstimmen’ und l. con-. Abstraktum: Korrespondenz; Nomen Agentis: Korrespondent. Ebenso nndl. corresponderen, ne. correspond, nfrz. correspondre, nschw. korrespondera, nnorw. korrespondere. – Schirmer (1911), 111; DF 1 (1913), 397f.; Jones (1976), 246f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 253; EWNl 1 (2003), 495.

Korridor Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus it. corridore

’Läufer, Renner’, einer Ableitung von it. correre ’laufen’, aus l. currere (cursum). Ebenso nndl. corridor, ne. corridor, nfrz. corridor, nschw. korridor, nnorw. korridor; Þkonkurrieren. – Kretschmer (1969), 207; Jones (1976), 247.

korrigieren Vsw std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. corrigere. Ebenso nndl. corrigeren, ne. correct, nfrz. corriger, nschw. korrigera, nnorw. korrigere; Þkorrekt. – EWNl 1 (2003), 495.

Korrosion Sf ’Zersetzung, Zerstörung’ per. fach.

(19. Jh., corrosiv 15. Jh.). Entlehnt aus ml. corro¯sio, Abstraktum zu l. corro¯dere ’zerfressen’, das als korrodieren entlehnt wird. Ebenso nndl. corrosie, ne. corrosion, nfrz. corrosion, nschw. korrosion, nnorw. korrosjon; ÞErosion, Þräß. – Buntz (1973); EWNl 1 (2003), 495.

korrupt Adj std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. corruptus, dem

PPP. von l. corrumpere ’verderben, verführen, zuschanden machen, vernichten’ (das als korrumpieren entlehnt wird), zu l. rumpere (ruptum) ’reißen, zerbrechen’ und l. con-. Abstraktum: Korruption.

Ebenso nndl. cortex, ne. cortex, nfrz. cortex.

Koryphäe Sf ’Fachmann’ erw. stil. (18. Jh.). Entlehnt

aus frz. coryphe´e m., dieses aus l. coryphaeus m., aus gr. koryphaı˜os m. ’Anführer’, zu gr. koryphe¯´ ’Gipfel’. Ebenso nndl. coryfee, ne. coryphaeus, nfrz. coryphe´e, nschw. koryfe´, nnorw. koryfe´. – DF 1 (1913), 399.

koscher Adj ’rein, gemäß den Speisegesetzen’ (im Sinne

der jüdischen Religion); übertragen auf ’sauber, ehrlich, in Ordnung’ (aber meist als nicht koscher) per. exot. (18. Jh.). Aus wjidd. koscher, das auf hebr. ka¯ˇs¯er ’in rechtem Zustand, tauglich’ zurückgeht. Auch rotwelsch bezeugt, was aber höchstens auf die übertragene Bedeutung eingewirkt hat. Ebenso nndl. koosjer, kousjer, ne. kosher, nfrz. cawcher, casher, ndn. koscher. – Lokotsch (1975), 89; Wolf (1985), 181; Röhrich 2 (1992), 876; EWNl 3 (2007), 115.

Kosel Sf ’Mutterschwein’ per. obd. (15. Jh.). Herkunft

unklar. kosen Vsw std. (9. Jh., bi- 8. Jh.), mhd. ko¯sen, ahd. ko¯so¯n

’verhandeln, reden’. Zu ahd. kosa ’Gespräch, Erzählung, Rechtssache’, das aus l. causa ’Rechtssache’ entlehnt ist (das Verb kann auch unmittelbar aus l. causa¯re ’einen Grund vorbringen’ kommen). Die Bedeutung entwickelte sich zu ’plaudern’, hauptsächlich in erotischen Zusammenhängen. Das Wort starb dann im 15./16. Jh. in der Schriftsprache aus, hielt sich aber in den Mundarten. Im 18. Jh. wurde es wiederbelebt, geriet aber unter den Einfluss des in der Schriftsprache bewahrten liebkosen, dessen Bedeutung es schließlich übernahm. Ebenso nndl. kozen.

kosmetisch kosmetisch Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. cosme´ti-

que, dieses aus gr. kosme¯tiko´s ’zum Schmücken gehörig’, zu gr. kosmeı˜n ’ordnen, schmücken’, zu gr. ko´smos ’Anordnung, Ordnung, Schmuck’ (ÞKosmos). Abstraktum: Kosmetik. Ebenso nndl. kosmetisch, ne. cosmetic, nfrz. cosme´tique, nschw. kosmetisk, nnorw. kosmetisk. – EWNl 1 (2003), 496.

Kosmopolit Sm ’Weltbürger’ per. fach. (18. Jh.). Wohl

534 2

kosten Vsw ’abschmecken, probieren’ std. (8. Jh.),

mhd. kosten, ahd. kosto¯n, as. koston. Aus g. *kus-to¯Vsw. ’ausprobieren’, auch in ae. costian ’kosten, versuchen’ und mit etwas anderer Bedeutung anord. kosta ’anwenden, einsetzen, sich bemühen’. Intensivbildung zu Þkiesen. Parallele Bildungen sind l. gustus ’Geschmack’ und l. gusta¯re ’versuchen’. S. auch Þdegoutieren, Þdegustieren.

nach Vorbild des Französischen entlehnt aus gr. kos- Köster Sm ’Küster’ erw. ndd. (16. Jh.), as. kostara¯ri mopolı¯´te¯s (zu gr. ko´smos ’Welt’ und gr. polı¯´te¯s ’Küster’, mndd. koster, kuster, mndl. coster, afr. kos’Bürger’, zu gr. po´lis ’Stadtstaat’). Gedanklich beruht tere, kuster. Das Wort scheint vom gleichbedeutenden die Bildung auf der griechischen Vorstellung, dass es ÞKüster zu trennen zu sein und ist möglicherweise eine für alle Menschen gültige Weltordnung gäbe. auf früh-rom. *costurarius ’Aufseher der liturgischen Das Wort selbst ist zum ersten Mal bei Diogenes von Gewänder’ zurückzuführen, das zu früh-rom. *conSinope bezeugt, der auf die Frage, woher er komme, sutura f. ’Näherei’ gehört (frz. couture f.). Ebenso nndl. koster. – EWNl 3 (2007), 121. antwortete, er sei kosmopolı¯´te¯s. Ebenso nndl. kosmopoliet, ne. cosmopolite, comopolitan, nfrz. köstlich Adj std. (13. Jh.). Zu ÞKosten mit der Bedeucosmopolite, nschw. kosmopolit, nnorw. kosmopolitt. – HWPh 4 tung ’kostbar, prächtig’. Später (Luther usw.) auch (1976), 1155–1167. ’entzückend, wundervoll’. Die Festlegung auf Speisen Kosmos Sm erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus gr. ko´smos unter dem Einfluss von Þkosten 2. ’Ordnung, Weltordnung’. Heute meist in der BedeuEbenso nndl. kostelijk, ne. costly (’kostbar’), nfrz. couteux tung ’Weltraum’. Adjektiv: kosmisch. (’teuer’), nschw. kostlig, nnorw. kostelig. Ebenso nndl. kosmos, ne. cosmos, nfrz. cosmos, nschw. kosmos, kostspielig Adj std. (18. Jh.). Es gehört vermutlich zu nnorw. kosmos. – Kranz, W. AB 2 (1955), 5–282; Haebler, C. mhd. spildec ’verschwenderisch’ und ist sekundär an AB 11 (1967), 101–118; Heller (1970), 185–203; HWPh 4 (1976), ÞSpiel angeglichen worden. Zu ahd. irspilden 1167–1176; Cottez (1980), 101f.; Richter (1981), 159f.; van den ’verschwenden, vertun’. Heuvel, G. PSG 6 (1986), 41–55; LM 5 (1991), 1458; EWNl 3 (2007), 120. Kostüm Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus it. costume m.

Kossat (auch Kossäte) Sm ’Häusler’ per. ndd. (15. Jh.),

mndd. kotsete, koste ’der in einer Kate sitzt, eine Kate besitzt’. Vgl. ae. cot(e)-setla ’Landmann’. S. ÞKate, das Hinterglied wie bei ÞInsasse. Kost Sf (fnhd. auch m.) std. (13. Jh.), mhd. kost(e) m./f.

’Zehrung, Vorrat’. Eigentlich der Singular des Wortes ÞKosten in der Bedeutung ’Aufwand für Lebensmittel’, dann ’Lebensmittel’. In dieser Bedeutung wohl beeinflusst von Þkosten 2 ’abschmecken, probieren’, das aus anderer Quelle stammt. Präfixableitung: be-, verköstigen. Ebenso nndl. kost, nschw. kost, nnorw. kost.

Kosten Spl std. (13. Jh.), mhd. koste m./f., spahd. kosta f.,

’Aufwand, Preis, Wert’. Entlehnt aus spätem, aber auch durch die romanischen Sprachen vorausgesetztem früh-rom. *costus m., *costa f. ’Aufwand’ zu l. consta¯re ’zu stehen kommen’. Ebenso nndl. kosten, ne. cost(s), nfrz. couˆt, nschw. kostnad, nnorw. omkostninger, nisl. kostnaduÑ r; ÞDistanz.

kosten1 Vsw ’einen bestimmten Preis haben’ std.

(13. Jh.), mhd. kosten. Entlehnt aus afrz. co(u)ster (frz. couˆter); dieses aus ml. costa¯re, aus l. consta¯re ’zu stehen kommen, kosten’ (ÞDistanz). Adjektive: kostbar, köstlich. Ebenso nndl. kosten, ne. cost, nfrz. couˆter, nschw. kosta, nnorw. koste, nisl. kosta. – EWNl 3 (2007), 120f.

’ethnische Eigenart’, dieses aus l. co¯nsue¯tu¯do (-dinis) f. ’Gewöhnung, Gewohnheit, Brauch’, einer Ableitung von l. co¯nsue¯scere ’die Gewohnheit annehmen’, zu l. sue¯scere ’etwas gewohnt werden, an etwas gewöhnen’ und l. con-. Zunächst in der darstellenden Kunst als Bezeichnung ethnischer Eigenarten verwendet; dann unter französischem Einfluss auf ’historische Bekleidung’ eingeengt; daraus dann die weiteren Bedeutungen (und die französische Aussprache). Verb: kostümieren. Ebenso nndl. kostuum, ne. costume, nfrz. costume, nschw. kostym, nnorw. kostym. – DF 1 (1913), 399f.; EWNl 3 (2007), 121.

Kot Sm (früher auch n.) erw. reg. (11. Jh.), mhd. qua¯t,

ka¯t n., quo¯t, ko¯t m./n., fnhd. auch Kat, Quat, ahd. qua¯t, ko¯t n. Aus vd. *kw¢¯ da- m./n. ’Kot, Dung’, neben dem ae. cwead n., afr. kwa¯d ’Dung’ mit unerklärtem Lautunterschied steht (*kwauda-?). Hierzu, wohl durch Verwendung des Substantivs als (prädikatives) Adjektiv mhd. qua¯t, mndd. qua¯t, mndl. quaet, nndl. kwaad ’schlecht, böse, eklig’. Außergermanisch vergleichen sich wohl ai. gu¯tha- m. ’Kot, Exkrement’ (ai. guva´ti ’scheißt’), arm. kow, koy ’Mist’, russ. govno´ n. ’Mist, Dreck, Kot’. Dabei ließe ein Ansatz (ig.) *gew¡mit *gwe¯- für das Germanische, *gu¡- für das Indische, und *gou¡- für das Armenische und Slavische die Formen miteinander verknüpfen. Die Einzelheiten sind aber unsicher. Bahder (1925), 66f.; Heidermanns (1993), 348f.; EWNl 3 (2007), 150.

Kraft

535 Kotau Sm ’übertriebene Höflichkeitsbezeugung’ per.

exot. (20. Jh.). Über das Englische entlehnt aus chin. k’o-t’ou, eigentlich ’Schlagen des Kopfes’, Bezeichnung der Begrüßung, die dem Kaiser dargebracht wird, und die u.a. darin besteht, dass der Boden mit der Stirn berührt wird. Im Deutschen auch übertragen gebraucht. Ebenso ne. ko(w)tow.

Kote Sf ÞKate. Köte Sf ’hintere Seite der Zehe bei Pferden und Rin-

dern’ per. fach. (15. Jh.), mndd. kote, kute ’Knöchel’, auch ’Würfel’ (vom Würfeln mit Knöcheln her), mndl. cote, nndl. koot, afr. kate. Herkunft unklar; vielleicht zu dem Komplex ÞKugel. Silfwerbrand (1958), 144–147; EWNl 3 (2007), 115.

Kotelett Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. coˆtelette f.,

einem Diminutivum zu afrz. coste ’Rippe’, aus l. costa f. Koteletten ’Backenbart’ ist eine scherzhafte Übertragung aus Berlin, wo man mit Haarkoteletten die Form bestimmter Backenbärte kommentierte. Ebenso nndl. kotelet, ne. cutlet, nfrz. coˆtelette, nschw. kotlett, nnorw. kotelett; ÞKüste. – DF 1 (1913), 400; EWNl 3 (2007), 122.

Köter Sm erw. stil. (16. Jh.). Ursprünglich meist Bauernköter und Köterhund. Herkunft unklar. Die nie-

Kraal Sm ÞKral. Krabbe Sf std. (16. Jh.). Ursprünglich niederdeutsch;

mndl. crabbe, ae. crabba m., anord. krabbi m. beruhen kaum auf einem Erbwort, sondern hängen wohl mit gt. ka´rabos, l. carabus m. ’Meerkrebs’ zusammen (die aus einer unbekannten Sprache stammen). Ebenso nndl. krab, ne. crab, nfrz. crabe, nschw. krabba, nnorw. krabbe, nisl. krabbi, krabbady´r; Þkrabbeln, ÞKraut 2, ÞKrebs. – Lühr (1988), 296; EWNl 3 (2007), 125.

krabbeln Vsw std. (14. Jh.), mhd. krappeln, mndd. krab-

beln. Ursprünglich niederdeutsch (umgangssprachlich), mndd. krabbeln, mhd. krappeln. Ursprünglich wohl zu ÞKrabbe als ’kriechen wie eine Krabbe’, und dann in der Bedeutung verallgemeinert. S. auch Þkribbeln. – EWNl 3 (2007), 125.

Krach Sm std. (9. Jh., krahhon 8. Jh.), mhd. krach, ahd.

krah, krac. Zu ahd. krahhen, mhd. krachen, ahd. krahho¯n, mndd. kraken, mndl. kraken, ae. cracian. Zu einer schallnachahmenden Interjektion Krack, Krach. Die übertragene Bedeutung unter dem Einfluss von ne. crash. Ähnliche Schallwörter auch in anderen Sprachen (lit. girgzˇde˙´ti ’krachen’ u.ä.). Ebenso nndl. kraken, ne. crack; ÞKracke, ÞKrakel. – Röhrich 2 (1992), 876; EWNl 3 (2007), 125f.

derdeutschen Mundarten weisen auf o¯, so dass wohl Kracher Sm ÞKracke. ein Schallwort auf der Grundlage von *kau- zugrunde krächzen Vsw std. (10. Jh.), fnhd. krachitzen. Wie ae. liegt (vgl. rheinfrk. kauzen ’bellen, kläffen’). cracettan und mit anderer Vokalstufe mhd. krochzen, Feist, S. BGDSL 33 (1907), 402f. ahd. krockezzen. Zu einer Erweiterung von Þkrähen, die auch in anord. kra´ka ’Krähe’, anord. kra´kr Kothurn Sm erw. bildg. phras. (19. Jh.). Meist nur in auf ’Rabe’, l. graculus ’Dohle’, russ.-kslav. krakati hohem Kothurn. In der griechischen Tragödie war der ’krächzen’ vorliegt. Kothurn (gr. ko´thornos) der hohe Schuh der SchauEbenso ne. croak; ÞKrähe, Þkrähen. spieler. Deshalb schon seit der Antike sinnbildlich für den pathetischen Stil der Tragödie. Nach Knobloch Kracke Sf ’hinfälliges Pferd’ per. md. ndd. (17. Jh.). zu (ig.) *g hed h- ’passen’. Schon früher nndl. kraak gleicher Bedeutung. Gehört Ebenso nndl. cothurne, ne. cothurn(us), nfrz. cothurne, ndn. zu krachen (ÞKrach) wie obd. (alter) Kracher (wohl koturne, nnorw. koturne. – Knobloch, J. FS Meid (1989), 101f. wie bei ÞKnacker als ’jmd., bei dem man die Knochen krachen hört’). Kottfleisch Sn ÞKutteln. Kotze Sf (Kotzen m.) ’grobes Wollzeug’ per. obd. (9. Jh., Kräcker Sm (ein Kleingebäck) erw. fremd. (20. Jh.).

Entlehnt aus ne. cracker, zu ne. crack ’krachen’, aus ae. kuzzilahhan ’Mantel’ 8. Jh.), mhd. kotze m., ahd. cracian. koz(zo), kott m. Hierzu auch ahd. kuzzin n. ’Mantel’, Ebenso nndl. cracker, ne. cracker, nfrz. cracker, nschw. crackers, as. kot m., kottos Pl. ’wollener Mantel, Rock’ (mit Entnnorw. cracker. – EWNl 1 (2003), 500. lehnungen in die romanischen Sprachen und ins Englische; ÞKutte). Westdeutsch auch übertragen für Krad Sn ’Motorrad’ erw. obs. (20. Jh.). Gekürzt aus ’Fleischabfälle, Innereien’, Herkunft unklar; kaum Kraftrad, der damals amtlichen Bezeichnung für ein Erbwort. Nach Knobloch aus ml. cottus m., cotta ’Motorrad’. ’Kutta’, das aus gr. ko´tthybos m. (Benennung eines kraft Präp std. (16. Jh.). Ursprünglich Dativ Singular militärischen Ausrüstungsstückes), gr. kosy´mbe¯ des Wortes ÞKraft, also ’mit der Kraft von’ (kon’Mantel von Hirten und Landleuten’ stammen soll. struiert mit dem Genetiv des Substantiv-Attributs). ÞPetticoat. – Knobloch, J. SW 8 (1983), 77–80.

Kötze Sf ’Tragkorb’ ÞKietze. kotzen Vsw std. vulg. (15. Jh.). Auch als koptzen, also

wohl eine Intensivbildung *koppetzen zu Þkoppen. Partikelverb: ankotzen. Lokotsch (1975), 101; EWNl 3 (2007), 122.

Kraft Sf std. (8. Jh.), mhd. kraft, ahd. kraft, as. kraft,

kraht m./f. Aus g. *krafti- f. ’Macht, Kraft’, auch in anord. kraptr m., ae. cr¢ft m., afr. kreft, kraft; Spuren von u-Flexion (anord. kro¸ptr m.) weisen wohl auf einen parallelen maskulinen u-Stamm. Die Bedeutung ist ziemlich weitreichend und umfasst auch

Kraftmeier

536

Vgl. auch Posemuckel. – Schröder, E. GRM 17 (1929), 29–35; ’Kunst, List’ u.ä. (vgl. ne. crafty ’schlau’). Hierzu Röhrich 2 (1992), 878f. (dehnstufig) nisl. (spät bezeugt) kr¢fr ’stark, tapfer’. Herkunft unklar. Am ehesten von der gleichen Krail Sm ÞKräuel. Grundlage wie ÞKrieg, vgl. zu diesem air. brı´g ’Kraft, Krake Sm ’großer Tintenfisch’ erw. fach. (18. Jh.). Aus Macht’, gr. hy´bris ’Übermut, Zügellosigkeit, Gewaltnnorw. krakje, krake(n) ’Tintenfisch’. tätigkeit’. Präfixableitungen: entkräften, verkraften; Ebenso norw. krake. – LM 5 (1991), 1470. Adjektiv: kräftig; Verb: kräftigen. Ebenso nndl. kracht, ne. craft, nschw. kraft, nisl. kraftur. – Hel- krakeelen Vsw std. stil. (16. Jh.). Wie nndl. krakeelen Streckform aus (nndl.) kreelen, das aus frz. quereller ler (1970), 163–184; HWPh 4 (1976), 1177–1184; LM 5 (1991), ’streiten’ entlehnt ist. Nomen Agentis: Krakeeler; Ab1464; EWNl 3 (2007), 125. straktum: Krakeel. Kraftmeier Sm ’Kraftprotz’ erw. stil. (20. Jh.). Zu

ÞKraft mit der Verwendung des häufigen Namens Meier in appellativischer Funktion. Auch Krafthuber u.ä. Kragen Sm std. (12. Jh.), mhd. krage ’Hals, Halsbeklei-

dung’, mndd. krage, mndl. crage. Trotz später Bezeugung ein altes Wort, vgl. air. bra´ge ’Hals, Nacken’ (ig. *g wro¯g h-) und nasaliert gr. bro´nchos ’Luftröhre, Kehle’ neben gr. bro´chthos ’Schluck, Schlund’ und dem Aorist gr. bro´xai ’verschlucken’. Die unerweiterte Wurzel *g wer¡- ’verschlingen’ ist unter ÞKöder dargestellt. Ebenso nndl. kraag, ne. craw. S. auch ÞKropf . – Röhrich 2 (1992), 876f.; EWNl 3 (2007), 123.

Kragstein Sm ’aus einer Mauer hervorragender

Stein’ per. fach. (14. Jh.), spmhd. kragstein. Vergleich mit dem Hals )ÞKragen) eines Tieres. LM 5 (1991), 1464.

Krähe Sf std. (9. Jh.), ahd. kra¯ia, kra¯wa, kra¯ha, kra¯a.

Ebenso nndl. krakelen, ne. quarrel, nfrz. quereller, nschw. krakel, nnorw. krakiler. – Schröder (1906), 126–128; Lasch (1928), 182; de Grave, S. NPh 20 (1937), 109; Spitzer, L. NPh 20 (1937), 108f.; Weitzenböck, G. ZM 13 (1937), 22f.

Krakel Sm ’unregelmäßiger Schriftzug’ std. stil. (16. Jh.,

Bedeutung 19. Jh.). In der Bedeutung ’dürrer Ast’ bezeugt seit dem 16. Jh. (zunächst in der Form Gragel). Dann übertragen auf Schriftzüge usw.; bei krakelig ’zerbrechlich’ tritt ein anderes Merkmal der dürren Äste in den Vordergrund. Wohl lautmalend zu krachen (ÞKrach). Verb: krakeln; Abstraktum: Krakelei. S. auch Þkrickeln.

Kral Sm per. exot. (19. Jh.). Entlehnt aus nndl. kraal

’umzäuntes Dorf bei afrikanischen Stämmen’; dieses aus port. curral. Ebenso nndl. kraal, ne. kraal, nfrz. kraal, nschw. kral, nnorw. kraal. – LM 5 (1991), 1470; EWNl 3 (2007), 124.

Kralle (auch als Gralle, Krelle) Sf std. (16. Jh.). Herkunft

unklar; vielleicht zu Þkratzen. Verb: krallen. Vielfältige Formen in der früheren Sprache: ahd. Heinisch, K. J. ZDS 20 (1964), 119f. kra¯ia, kra¯wa, kra¯ha, kra¯a. Ein n-stämmiges Nomen Agentis zu Þkrähen in der Bedeutung ’krächzen’ mit Kram Sm std. stil. (12. Jh.), mhd. kra¯m ’Zeltdecke, Ware’, kra¯m(e) f. ’Bude, Ware’, ahd. kra¯m ’Zelt, Marktverschiedenen Übergangslauten. Die Krähe ist westbude’, mndd. kram(e) ’Zeltdecke, Ware’, mndl. cragermanisch als ’Krächzerin’ bezeichnet, vgl. ae. cra¯we, me, craem ’Zeltsegel, Ware’. Das Wort bedeutet also as. kra¯ia; die heutige umgelautete Form setzt die Vazunächst eine Stoffüberdachung; dann das unter ihr riante mit j voraus. Im Nordischen beruht das Wort stattfindende Marktgeschäft und die Waren selbst; auf einer Erweiterung (Þkrächzen). heute verächtliches Wort für ’Kleinzeug’ Ebenso nndl. kraai, ne. crow; Þkrächzen, Þkrähen. – LM 5 (ÞKrimskrams). Kaum ein Erbwort (vgl. serb.-kslav. (1991), 1464f.; Röhrich 2 (1992), 877f.; EWNl 3 (2007), 123. gramu˘ ’Schenke’ und serb.-kslav. ˇcreˇmu˘ ’Zelt’). Nach krähen Vsw std. (9. Jh.), mhd. kr¢jen, kr¢n, ahd. kra¯en, Brøndal zu dem griechischen Glossenwort gr. kakra¯gen, kra¯wen, as. kra¯ia. Voraus liegt ein starkes ra´ma ’Wagenzelt’, das er mit gr. kamara (ÞKammer) Verb, das in ae. cra¯wan bezeugt ist; die Bedeutung ist in Verbindung bringt. Verb: kramen. ’krähen, krächzen’. Außergermanisch vergleicht sich Ebenso nndl. kraam, nschw. kram; ÞKrämer. – Brøndal lit. gro´ti, russ.-kslav. grajati ’krächzen’; zu einer eben(1917), 152f. = (1948), 165f.; Richter, G. in Dückert (1976), falls alten Erweiterung Þkrächzen. 173–214; Röhrich 2 (1992), 879; EWNl 3 (2007), 124. Ebenso nndl. kraaien, ne. crow; Þkrächzen, ÞKrähe. – Seebold (1970), 305f.; EWNl 3 (2007), 123f.

Krähl Sm ÞKräuel. Krähwinkel Name (typisierender Name einer Klein-

stadt) erw. bildg. (19. Jh.). Tatsächlich auftretender Ortsnamen; gebraucht von Jean Paul 1801, von Kotzebue 1803, um ein typisches Klatschnest zu bezeichnen (Die deutschen Kleinstädter). Seither häufig in dieser typisierenden Bedeutung gebraucht.

Krambambuli Sm per. grupp. (18. Jh.). Ursprünglich

Name eines Danziger Wacholderbranntweins, vermutlich in Anlehnung an mhd. kranewite ’Wacholder’ gebildet (zu diesem s. ÞKrammetsvogel). Im 18. Jh. studentensprachlich auch für andere alkoholische Getränke benützt und vor allem in Liedern verbreitet. Schröder (1906), 208–210; Friedländer, M. ZV 40 (1930), 93–100; Treimer, K. BGDSL 66 (1942), 356.

Kranz

537 Krämer (Kramer) Sm erw. obs. (12. Jh.), mhd. kra¯m¢re,

kræmer, kra¯mer, ahd. krama¯ri. Ursprünglich jmd., der in einer Marktbude Waren verkauft. ÞKram.

Krammetsvogel Sm ’Wacholderdrossel’ per. reg.

(14. Jh.), mhd. kranewitvogel. Zu regionalem mhd. kranewitber f., kranewite ’Wacholder’, weil der Vogel dessen Beeren frisst. Das Bestimmungswort ist ahd. kranawitu, kranwit m./n., aus ahd. krano ’Kranich’ und ahd. witu m./n. ’Holz’ (s. ÞWiedehopf und vgl. ne. wood), also ’Kranichholz’. S. auch ÞKrambambuli. – Suolahti (1909), 62f.; Hoops (1911/19), III, 95f.

Krampe Sf (Krampen m.) ’Türhaken, Klammer’ erw.

reg. (17. Jh.). Aus dem Niederdeutschen in die Hochsprache aufgenommen; oberdeutsch entspricht eigentlich Krampf (ahd. krampf(o) m. ’Haken’); mndd. krampe, as. krampo. Zur gleichen Grundlage wie ÞKrampf . Vgl. noch ÞKrempe, ÞKrempel 2 und Þkrumm. – EWNl 3 (2007), 126.

Krampf Sm std. (10. Jh.), mhd. krampf, ahd. krampf(o),

Kranbeere (auch Kränbeere) Sf ’Preiselbeere’ per. reg.

(14. Jh.). Als ’Kranichsbeere’ bezeichnet zu dem alten Wort für ’Kranich’. Gemeint ist ursprünglich die Moosbeere, dann Übertragung auf die Preiselbeere. ÞKronsbeere. – Peters (1967), 90–93; EWNl 1 (2003), 500.

Krangel Sm ’durch Verdrehen entstandene Schleife an

einem Seil’ per. obd. (13. Jh.). Vokalvariante zu ÞKringel. Kranich Sm std. (8. Jh.), mhd. kranech(e), kranch(e),

ahd. kranuh, kranih. Aus wg. *kranuka- m. ’Kranich’, auch in ae. cornoc. Ohne das weiterbildende Suffix s. ÞKran und mhd. kran(e), ahd. krano, as. krano, ae. cran m./f. (*krana-/o¯n) und dehnstufig mhd. kruon, mndd. kra¯n, kro¯n. Das Wort ist außergermanisch gut vergleichbar, doch lassen sich die Formen nicht auf eine einheitliche Grundlage zurückführen: gr. ge´ranos m./f., kymr. garan (gall. garanos); lit. garny˜s ’Reiher, Storch’; mit k-Erweiterung wie im Germanischen arm. kr˙unk; mit u-Erweiterung l. gru¯s m./f., lit. ge´rve˙ f., russ.-kslav. ˇzeravı˘. Lautnachahmung ist nicht ausgeschlossen, doch passt diese Annahme eigentlich nur zur lateinischen Form (der Kranich-Schrei kann als gruu wiedergegeben werden). Vielleicht liegen in den hochstufigen Formen Vriddhi-Bildungen zur Lautnachahmung vor (ÞGauch). Im Altnordischen heißt der Kranich trani, was wohl eine Umbildung desselben Wortes ist.

as. krampo ’Zusammenziehen der Muskeln’. Zu dem Adjektiv ahd. kramph ’gekrümmt’, anord. krappr ’schmal, eingezwängt’ aus g. *krampa-, weiter zu g. *krimp-a- Vst. ’zusammenkrampfen’ in anord. kroppinn (PPrät.) ’verkrüppelt’, mndd. krimpen, mndl. crempen, ahd. krim(p)fan ’reiben, zerreiben’, mhd. ÞKrambambuli, ÞKrammetsvogel, ÞKran, ÞKranbeere, krimpfen. Außergermanisch können verglichen werÞKronsbeere. – Suolahti (1909), 292; Kluge (1926), 32f.; Darms (1978), 134–138; LM 5 (1991), 1471; Röhrich 2 (1992), den lett. grumbt ’sich runzeln’, gr. grypaı´no¯, gry´pto¯ 879f.; EWNl 3 (2007), 124. ’ich werde krumm’, gr. (Hesych) grympa´nein ’sich runzeln’; mit abweichendem Auslaut akslav. krank Adj std. (13. Jh., krankalo¯n ’straucheln’ 9. Jh.), su˘gru˘ˇzdati se˛ ’sich verkrampfen’. mhd. kranc ’schmal, gering, schwach’, ahd. kranc Ebenso nndl. kramp, ne. cramp; ÞGrimmen, ÞKrampe, ’hinfällig’, mndd. krank ’schwach’. Das Wort ersetzt ÞKrempe, ÞKrempel 2, Þkrimpen, Þkrumm, Þkrumpelig, im Laufe der deutschen Sprachgeschichte das alte ÞKrapfen. – Seebold (1970), 308; Lühr (1988), 269; EWNl 3 Wort Þsiech. Seine Herkunft ist unklar; vgl. anord. (2007), 126. krangr ’hinfällig’ und das lautlich unfeste ae. Krampus Sm ’Knecht Ruprecht’ per. obd. (20. Jh.). Die crinc(g)an ’fallen, verderben’. Die verschiedenen BeHerkunft ist nicht sicher geklärt. Nach Knobloch ein deutungen mit diesem Lautstand lassen sich kaum in germanisches Wort für ’Haken, Krallen’, das im Itaeine einheitliche Entwicklungslinie einordnen. Ablienischen zu it. grampu¯to ’mit Krallen versehen’ erstraktum: Krankheit; Verben: kranken, kränkeln; Subweitert wurde (also eine Art Teufel). stantivierung: Kranker; Modifikation: krankhaft. Lochner-Hüttenbach, F. GLSt 25 (1986), 195–197; Knobloch, J. MS 78 (1988), 78f.

Kran Sm std. (14. Jh., Bedeutung 15. Jh.), spmhd. krane,

mndd. kra¯n, mndl. crane. Das alte Wort für den ÞKranich, das im Anschluss an gr. ge´ranos m./f., l. gru¯s m./f. ’Kranich, Kran’ auf das Hebewerkzeug übertragen wurde. Früheste Bezeugung für einen (Hafen-)Kran im deutschen Bereich: Utrecht 1244. Die westmitteldeutsche Bedeutung ’Wasserhahn’ ist wohl eine Übertragung nach der Form. Ebenso nndl. kraan, ne. crane. – LM 5 (1991), 1470f.; EWNl 3 (2007), 124.

Ebenso nndl. krank, ne. crank (?). – Röhrich 2 (1992), 880; HWPh 4 (1976), 1184–1190; Niederhellmann (1983), 47–57; Koller, E. in Begegnung mit dem Fremden Bd. 4. Hrsg. E. Iwasaki (München 1991), 226–236; Heidermanns (1993), 341f.

kränken Vsw std. (14. Jh.), spmhd. kranken ’krank ma-

chen’ in allen Bedeutungen des Grundworts. Die heutige Bedeutung ’erniedrigen, demütigen’ ist von Þkrank ’gering, niedrig’ abhängig. Abstraktum: Kränkung. Kranz Sm std. (11. Jh.), mhd. kranz, spahd. kranz

’Kopfschmuck’. Das Wort kann entweder mit lit. grandı`s ’Kettenglied, Armband’ verglichen werden (das aber ebenfalls isoliert ist), oder es gehört zu einer

Kränzchen

538

Ablautvariante von ÞKring mit verbaler z-Erweiterung (*krangzen) und Rückbildung. Verb: kränzen.

cradle). Ein Anschluss an ai. grathna¯´ti ’windet, knüpft’ ist denkbar, aber unverbindlich.

Foltin, H.-F. DWEB 3 (1963), 1–296; LM 5 (1991), 1475; Röhrich 2 (1992), 881–883; EWNl 3 (2007), 127.

Lühr (1988), 282f.; EWNl 3 (2007), 127f.

Kränzchen (Kaffeekränzchen, auch Kränzlein u.ä.) Sn std.

stil. (15. Jh.). Für eine Gesellschaft, die sich reihum bei den Mitgliedern trifft; ÞKranz also im Sinn von ’Ring; Reihe, die sich wiederholt’. Krapfen Sm ’ein Gebäck’ erw. reg. (8. Jh.), mhd. krapfe,

Krätze2 Sf (Krankheit) erw. reg. (15. Jh.), mhd. kretze,

kratz. Zu Þkratzen, weil es sich um eine juckende Hautentzündung handelt, die den Befallenen zum Kratzen reizt. Adjektiv: krätzig. kratzen Vsw std. (9. Jh.), mhd. kratzen, kretzen, ahd.

krazzo¯n, mndl. cretsen. Herkunft unklar. Möglicherahd. krapfo, kraffo. Das Wort bedeutet in der älteren weise lautmalend. Nomen Agentis: Kratzer. Zeit vor allem ’Kralle, Haken’, das Gebäck ist also Þabkratzen, Þaufgekratzt, ÞKralle, ÞKreis. – Kaspers, W. nach seiner gebogenen Form so benannt. Ein etyBGDSL-H 77 (1955), 235–238; Röhrich 2 (1992), 883; EWNl 3 (2007), 127. mologischer Zusammenhang mit ÞKrampf legt sich nahe; es müsste eine frühe, unnasalierte Form vorlie- Krätzer Sm ’saurer Wein’ per. reg. (17. Jh.). Spottname gen. wie Rachenputzer und travestierendes Kratzenberger. ÞKrapp, ÞGrapefruit. – Heyne (1899/1903), II, 277; Kretschmer (1969), 360; Lühr (1988), 288.

Krapp Sm ’Färberröte’ per. fach. (16. Jh.). Mit der Sache

aus dem Niederländischen entlehnt: mndl. in crapmede (auch nndl. meekrap). Es wird vermutet, dass das Wort mit ÞKrapfen zusammenhängt, wegen der hakenförmigen Stacheln der Pflanze ’Rubia tinctorum’. Ebenso nndl. meekrap, nschw. krapprot. – Bertsch (1947), 243f.; RGA 8 (1994), 217f.; LM 5 (1991), 1475f.

krass Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. crassus ’dick,

Kratzfuß Sm ’Verbeugung, bei der ein Fuß nach hinten

gezogen wird’ erw. obs. (18. Jh.). Nach dem kratzenden Geräusch, das dabei verursacht wird. Þabkratzen. – Röhrich 2 (1992), 883.

Krauche Sf ÞKrug 1. krauchen Vsw per. reg. (17. Jh.). Mitteldeutsche Vari-

ante des Präsens von kriechen, alt kru¯chen nebst üblichem Þkriechen. Z. T. in der Bedeutung spezialisiert als ’sich (wegen Verletzung o.ä.) mühsam vorwärtsbewegen’ und schwach flektiert.

grob’. Schon früher erscheint die Formel l. ¯ıgno¯rantia Kräuel (auch Krail, Krähl u.ä.) Sm ’Gartengerät’ per. reg. crassa in deutschen Texten; die Schreibung graß be(8. Jh.), mhd. kröu(we)l, krewel u.ä., ahd. krewil, krouruht auf Vermischung mit dem Grundwort von wil, as. krauwil. Wie afr. kra¯wil, kra¯ul zu Þkrauen. Þgrässlich. krauen Vsw ’mit gekrümmten Fingern kratzen’ erw. stil. Ebenso nndl. kras, ne. crass, nfrz. crasse, nschw. krass, nnorw. (8. Jh.), mhd. krouwen, ahd. krouwo¯n, mndl. crauwen. krass. – DF 1 (1913), 401; EWNl 3 (2007), 127. Nebst afr. kra¯wia. Wohl über eine Bezeichnung von Krater Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. cra¯te¯r, das seiKrallen zu Þkrumm und ähnlichen Wörtern. Iteratinerseits aus gr. kra¯te¯´r stammt. Das griechische Wort vum: kraulen1. bedeutet ursprünglich ’Mischgefäß’ (zu gr. kera´nnyEWNl 3 (2007), 128. mi ’vermische’); nach dessen Form sind die Vulkankraulen1 Vsw Þkrauen. öffnungen benannt. kraulen2 Vsw ’Hand über Hand schwimmen’ std. Ebenso nndl. krater, ne. crater, nfrz. crate`re, nschw. krater, nnorw. krater. – EWNl 3 (2007), 128. (20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. crawl ’kriechen’ (’im Kriechstoß schwimmen’). -kratie LAff zur Bezeichnung von HerrschaftsforEbenso nndl. crawlen, ne. crawl, nfrz. crawler, nschw. crawla, men erw. bildg. (–). Übernommen aus griechischen nnorw. crawle; Þkrabbeln. – EWNl 1 (2003), 501. Bildungen wie ÞDemokratie, ursprünglich Abstrakta auf gr. -ia zu Nomina Agentis auf gr. -os zu gr. krateı˜n kraus Adj std. (12. Jh.), mhd. kru¯s, mndd. kru¯s. Herkunft unklar; vielleicht ist ÞGekröse damit verwandt ’herrschen’, bzw. gr. kra´tos ’Macht’. (doch würde dies Ablaut voraussetzen, was für eine Braun, W. in Welskopf 5 (1981), 57–77. so späte Zeit nicht selbstverständlich ist). KonkreKratten Sm ÞKrätze 1. tum: ÞKrause; Verben: krausen, Þkräuseln. Kratzbürste Sf erw. fach. (17. Jh.). Eigentlich ein scharÞKreisel, ÞKrollhaar. – A˚rhammar, N. R. PhF 1988 (1989), fes Reinigungsinstrument, aber in der Regel über110f. (zu wg. *krausa- ’auserlesen’); Heidermanns (1993), 343; tragen gebraucht für eine unfreundliche Person EWNl 3 (2007), 134f. (meist Frauen). Adjektiv: kratzbürstig. Krause Sf ’Krug, irdenes Trinkgefäß’ per. reg. (12. Jh.),

Krätze1 Sf ’Rückenkorb’ per. reg. (12. Jh.), mhd. kretze

m./f., mhd. kratte, gratte m., ahd. krezzo m. ’Korb’; eine Variante ist ahd. kratto m. Vgl. nhd. (obd.) ÞKratten, Kretten ’Korb’, auch ’Korbwagen’. Aus der gleichen Grundlage wohl ae. cradel m. ’Wiege’ (ne.

mhd. kruse, ahd. kru¯selı¯n, mndd. kru¯s. Kaum ein Erbwort. Ursprung ist aber unklar (evtl. gr. kro¯sso´s m. ’Krug’). Ebenso ne. cruse, nfrz. cruche, nschw. krus, nnorw. krus, nisl. kru´s. – EWNl 3 (2007), 134.

kreieren

539 kräuseln (meist refl) Vsw std. (16. Jh.), mndl. cruseln

bereits seit dem 15. Jh. Abgeleitet von Þkraus. Kraut1 Sn ’eine Gemüsepflanze’ std. (8. Jh.), mhd. kru¯t,

Form, die der Krebsschale ähnlich ist; auf das Rückwärtsgehen des Krebses bezieht sich die Bezeichnung der Remittenden bei den Buchhändlern als Krebse. Als Krankheitsbezeichnung ist das Wort eine Lehnbedeutung von gr. karkı´nos und l. cancer (wohl nach dem Aussehen solcher Geschwüre wie gesottene Krebse).

ahd. kru¯t, as. kru¯d. Ursprünglich ’Blattpflanze’, dann im Süden zu ’Kohl’, sonst ’Gemüse’, auch ’Latwerge’, ’Schießpulver’ u.a.; Pl. ’Küchen- und Heilkräuter’. Außergermanisch vergleicht sich vielleicht gr. Ebenso nndl. kreeft, ne. crayfish, nfrz. ´ecrevisse, nschw. kräfta, bry´o¯ ’ich sprosse’, dessen Sippe aber ebenfalls isoliert nnorw. kreps, kreft (Krankheit). – LM 5 (1991), 1481; Röhrich 2 ist. Vorauszusetzen wäre in diesem Fall (ig.) *g wru(1992), 885f.; EWNl 3 (2007), 128. ¡-to-. − Kraut ’Latwerge’ als ursprüngliche BezeichKredenz Sf ’Anrichte’ erw. obs. (15. Jh.). Rückbildung nung von Heilkräutersirup; in der Bedeutung zu kredenzen ’(Speisen) anbieten, darreichen’; dieses ’Schießpulver’ Anlehnung an die Herstellung in der zu it. credenza f. ’Glauben’ (da es sich ursprünglich Alchimistenküche. um ein Überreichen vorgekosteter Speisen handelte). ÞKreude, ÞUnkraut. – Teepe-Wurmbach, A. WF 13 (1960), Das italienische Wort zu l. cre¯dere ’Vertrauen schen164–168; Röhrich 2 (1992), 883–885; EWNl 3 (2007), 137f. ken, glauben’ 2 Kraut Sm (Krautfischer m., Krautnetz n. u.a.) per. reg. (18. Jh.). An der Unterelbe zu ndd. kraut aus *kravet ’Krabbe, Garneele’. ÞKrabbe, ÞKrebs.

Krawall Sm std. (15. Jh.). Die Herkunft ist nicht sicher

geklärt. Vielleicht zu ÞCharivari. Ebenso nschw. kravall. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 316; Arnold, R. F. ZDW 8 (1906/07), 13f.; Ladendorf (1906), 181f.; Arnold, R. F. ZDW 9 (1907), 157f.; Kainz, F. in Maurer/Rupp 2 (1974), 410.

Krawatte Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. cravate, die-

ses aus d. Krawat ’die kroatische Halsbinde’, einer mundartlichen Nebenform von Kroate, nach einer bestimmten Halsbinde von kroatischen Reitern. Ebenso ne. cravat, nfrz. cravate, nschw. kravatt, nnorw. kravat(t). – DF 1 (1913), 401f.; Steinhauser (1978), 98–101; Brunt (1983), 221; Röhrich 2 (1992), 885.

kraxeln Vsw ’klettern’ erw. stil. (18. Jh.). Erweiterung

mit -s- zu bair. kra¯geln ’strampeln, klettern’ unbekannter Herkunft. kreativ Adj std. (19. Jh.). Mit dem Abstraktum

Ebenso nndl. credenstafel, ne. credence, nfrz. cre´dence, nschw. kredensa (Verb), nnorw. kredense; ÞKredit. – DF 1 (1913), 402.

Kredit Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. credito

’Leihwürdigkeit’, dieses aus l. cre¯ditum n. ’das auf Vertrauen Geliehene’, dem substantivierten PPP. von l. cre¯dere ’Vertrauen schenken, Glauben schenken’. Nomen Agentis: Kreditor. Ebenso nndl. krediet, ne. credit, nfrz. cre´dit, nschw. kredit, nnorw. kreditt; Þakkreditieren, ÞKredo, ÞKredenz. – Schirmer (1911), 112; DF 1 (1913), 402f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 253; LM 5 (1991), 1481–1483; Röhrich 2 (1992), 886–888; EWNl 1 (2003), 501; 3 (2007), 128.

Kredo Sn ’Glaubensbekenntnis’ erw. fach. (12. Jh.). Hy-

postasierung nach dem ersten Wort des lateinischen Textes: cre¯do ’ich glaube’, zu l. cre¯dere ’glauben, vertrauen’. Ebenso nndl. Credo, ne. Credo, Creed, nfrz. Credo. – EWNl 1 (2003), 501f.

kregel (krekel) Adj ’munter’ per. ndd. (19. Jh.). Wegen

mndl. krijghel ’störrisch, hartnäckig’ wohl zu ÞKrieg gehörig, doch in den Einzelheiten unklar. Zu beachten ist ahd. widarkregil ’widerspenstig’.

Kreativität entlehnt aus am.-e. creative, creativity, zu ne. create ’erschaffen’ (zu l. crea¯tum, PPP. von l. crea¯re EWNl 3 (2007), 128. ’erschaffen’; Þkreieren). Schlagwort der KreativitätsKreide Sf std. (10. Jh.), mhd. krı¯de, spahd. krı¯da, as. forschung nach 1950. krı¯da. Entlehnt aus l. (terra) cre¯ta ’gesiebte Erde’ (zu l. Ebenso nndl. creatief, ne. creative, nfrz. cre´atif, nschw. kreativ, cernere; ÞKonzern). Das -d- stammt aus der späteren nnorw. kreativ. – Strauss u.a. (1989), 639–643; Carstensen 2 Form cre¯da, während mndl. crijt, mndd. krite das ur(1994), 796f. sprünglichere -t- bewahren. In der Kreide stehen und Kreatur Sf ’Geschöpf, Schöpfung’ erw. obs. (13. Jh.), ähnliche Wendungen gehen darauf zurück, dass die mhd. cre¯atiur(e), cre¯atu¯r(e). Entlehnt aus afrz. creaZeche ursprünglich mit Kreide angeschrieben wurde. ture unter Einfluss von l. crea¯tu¯ra. Dieses zu l. crea¯re Adjektiv: kreidig; Partikelableitung: Þankreiden. ’erschaffen’ (Þkreieren). Die abschätzige Bedeutung Ebenso nndl. krijt, nfrz. craie, nschw. krita, nnorw. kritt, nisl. seit dem 17. Jh. krı´t. – Lüschen (1979), 256; Guinet, L. EG 31 (1976), 251; RöhEbenso nndl. creatuur, ne. creature, nfrz. cre´ature, nschw. kreatur, nnorw. kreatur. – DF 1 (1913), 402; HWPh 4 (1976), 1204–1211; LM 5 (1991), 1481; EWNl 1 (2003), 501.

Krebs Sm std. (8. Jh.), mhd. krebez(e), krebz(e), ahd.

krebaz, krebiz, as. krevit. Das Wort gehört sicher mit ÞKrabbe zusammen und ist wie dieses kaum ein Erbwort. Krebs heißt auch der Brustharnisch nach seiner

rich 2 (1992), 888; Bammesberger (1999) (irische Vermittlung); EWNl 3 (2007), 131f.

kreieren Vsw ’schöpfen, schaffen’ per. fach. (15. Jh.).

Entlehnt aus l. crea¯re (crea¯tum) unter Einfluss von frz. cre´er. Abstraktum: Kreation; Adjektiv: Þkreativ; Konkretum: ÞKreatur.

Kreis

540 Ebenso nndl. cree¨ren, ne. create, nfrz. cre´er, nschw. kreera, nnorw. kreere. Zur Sippe von l. cre¯scere ’wachsen’ gehört als PPP. Þkonkret, über eine französische Form aus dem Englischen ÞCrew und aus dem Französischen ÞRekrut, und über das Italienische als Gerundium Þcrescendo, aus einem Abstraktum ÞKreszenz. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞHirse. – DF 1 (1913), 403; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 396; HWPh 4 (1976), 1194–1204.

Kreis Sm std. (12. Jh.), mhd. kreiz, mhd. krı¯zen (ver-

Kren Sm ’Meerrettich’ per. reg. (12. Jh.), mhd. kre¯n(e).

Entlehnt aus dem Slavischen (russ. chren, cˇech. krˇen). Zumindest einer der Ausgangspunkte ist das Sorbische (obsorb. kreˇn, ndsorb. ks´ˇen). Wick (1939), 89; Marzell 1 (1943), 398f.; Bielfeldt (1965), 45; Eichler (1965), 67f.; Kretschmer (1969), 333f.; Bellmann (1971), 94–97; Steinhauser (1978), 53–55; Röhrich 2 (1992), 889.

krepieren Vsw std. vulg. (17. Jh.). Entlehnt aus it. cremutlich Vst.) ’eine Kreislinie ziehen’, ahd. kreiz pare, dieses aus l. crepa¯re ’klappern, knattern, knal’Umkreis, Bezirk’, mndd. kreit, kre¯t(e) ’Kampfplatz, len’. Die Bedeutung ’elend sterben’ ist im ItalieniKreis’ neben ablautenden Formen in mndd. krı¯ten, schen entstanden als ’platzen’ nach dem Bild des Plat’eine Kreislinie ziehen’. Vermutlich zeigt ahd. krizzo¯n zens von Geschossen. ’einritzen’ die Ausgangsbedeutung: Ein Kreis ist urEbenso nndl. creperen, nfrz. crever, nschw. krevera, nnorw. kresprünglich der auf dem Boden eingeritzte Platz (auf pere, nisl. krepere; ÞDiskrepanz. – DF 1 (1913), 403; EWNl 1 dem z.B. gekämpft wird). Verb: (ein-, um-)kreisen. Þkratzen, Þkritzeln. – HWPh 4 (1976), 1211–1126; LM 5 (1991), 1483–1485; Röhrich 2 (1992), 888f.

kreischen Vsw (auch Vst.) std. (14. Jh.), spmhd. krı¯-

schen, mndl. criscen. Eine sk-Bildung zu dem unter Þkreißen behandelten Wort. Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 117–123; EWNl 3 (2007), 131.

Kreisel Sm std. (13. Jh.). Älter Kräusel, das die ur-

(2003), 503.

Krepp (zunächst als Crep) Sm erw. fach. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. creˆpe, nachdem älteres frz. cresp schon ein Jahrhundert früher als Kresp entlehnt wurde. Das französische Wort geht auf l. crispus ’kraus’ zurück. Ebenso nndl. krip, ne. crepe, creˆpe, grape, nfrz. creˆpe, nschw. kräpp, nnorw. krepp, nisl. krep.

kress Adj ’orange’ per. arch. (20. Jh.). Als Ersatzwort für

orange (ÞOrange) von dem Naturwissenschaftler sprüngliche Form zu sein scheint; Kreisel ist offenbar Ostwald in Anlehnung an die Farbe der Blüten der sekundär an ÞKreis angeglichen worden. Vermutlich Kapuzinerkresse eingeführt. zu Þkraus über ein (nicht bezeugtes) *krausen (*kru¯Kresse1 Sf ’Pflanze’ std. (9. Jh.), mhd. kresse m./f., ahd. sen) ’drehen’. kresso, krasso m., kressa, mndd. kerse m., mndl. kerse. Hildebrandt, R. ZM 31 (1964), 239–243. Aus wg. *krasjo¯ f. ’Kresse’, auch in ae. cressa. Vielleicht kreißen Vsw erw. obs. (14. Jh.), mhd. krı¯zen Vst. ’schreizu lett. grieˆzıˆgs ’scharf, schneidig’ (’wegen des scharen, stöhnen’, mndd. kriten, mndl. criten, nwfr. krite. fen Geschmacks’). Schallverb zu der Sippe von Þschreien (ohne s mobiBertsch (1947), 185–187; LM 5 (1991), 1487f. le), speziell ’Wehen haben’ (vgl. Kreißsaal); eine Wei2 Kresse Sf (auch Kreßling m.) ’ein Flussfisch’ per. fach. terbildung ist Þkreischen. (9. Jh.), mhd. kresse m.(?), ahd. kresso, krasse m. HerKrematorium Sn erw. fach. (19. Jh.). Neoklassische Bilkunft unklar; vielleicht zu ahd. kresan ’kriechen’, weil dung zu l. crema¯re ’verbrennen’. der Fisch am Wassergrund entlang schwimmt. Ebenso nndl. crematorium, ne. crematorium, nfrz. cre´matorium, nschw. krematorium, nnorw. krematorium. – EWNl 1 (2003), 502.

Krempe Sf std. (17. Jh.). Übernommen aus dem Nie-

derdeutschen. Zu dem unter ÞKrampe entwickelten Wort, also eigentlich ’Aufgebogenes’. Verben: krempen, krempeln (auf-, um-). Krempel1 Sm std. stil. (16. Jh.), mhd. grempel ’Trödler-

kram’. Rückbildung aus gremp(e)ler ’Trödler’ zu grempeln, grempen ’Kleinhandel treiben’. Dieses ist entlehnt aus it. comprare ’kaufen’ aus l. compara¯re ’verschaffen’ (mit Umsprung des r). Krempel2 Sf ’Wollkamm’ per. fach. (18. Jh.). Übernom-

men aus dem Niederdeutschen. Eine Verkleinerung zu ÞKrampe, also als ’Hakeninstrument’ bezeichnet. Kremser Sm ’Mietwagen’ per. arch. (19. Jh.). Benannt

nach dem Berliner Hofagenten Kremser, der 1825 als erster die Erlaubnis zu einem solchen Betrieb erhielt.

Beke, Ö. IF 52 (1934), 137f.

Kreszenz Sf ’Herkunft, Wachstum, Rebsorte’ per. fach.

(20. Jh.). Entlehnt aus l. cre¯scentia ’Wachstum, Zunehmen’, zu l. cre¯scere ’wachsen, anfangen hervorzukommen’, zu l. crea¯re ’schaffen, erschaffen’. Ebenso ne. crescent; Þkreieren.

Krethi und Plethi Name erw. bildg. (18. Jh.). König Da-

vids Leibwache bestand aus fremden Söldnern, wahrscheinlich Kretern und Philistern. Luther übersetzt 2. Sam. 8,18 und öfters Crethi und Plethi. In lutherischen Kreisen seit 1710 als geflügeltes Wort für ’gemischte Gesellschaft’. Ebenso nschw. kreti och pleti, nnorw. kreti og pleti. – DF 1 (1913), 404; Röhrich 2 (1992), 889.

Kretin Sm ’Schwachsinniger’ per. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. cre´tin, einer mundartlichen Weiterentwicklung von afrz. crestien ’Christenmensch’, dieses aus l. Chrı¯stia¯nus ’Christ, christlich’ (ÞChrist 2). Ursprünglich verhüllende Bezeichnung (ausgehend von

krickeln

541

der Vorstellung, dass Schwachsinnige ’unschuldig’ sind). Abstraktum: Kretinismus. Ebenso nndl. cretin, ne. cretin, nfrz. cre´tin, nschw. kretin, nnorw. kretiner, nisl. kretı´ni. – DF 1 (1913), 404.

kreuchen Vsw per. arch. phras. (16. Jh.). In der Regel nur

noch in was kreucht und fleucht. Archaische (nicht ausgeglichene) Form von Þkriechen, bei deren Entwicklung aber auch ein Kausativ von kriechen eine Rolle gespielt zu haben scheint. EWNl 3 (2007), 129.

Kreude Sf ’Pflaumenmus’ per. ndd. (16. Jh.), mndd.

Kreuzgang Sm ’Innenhof von Klöstern’ per. fach.

(13. Jh.), mhd. kriuz(e)ganc. Eigentlich ’Prozession (bei der ein Kreuz vorangetragen wird)’; dann übertragen auf den Ort, in dem solche Prozessionen stattfinden. Ebenso nndl. kruisgang, nschw. korsgang, nisl. kross-göng. – LM 5 (1991), 1499.

kreuzigen Vsw std. (11. Jh.), mhd. kriuzigen, ahd. kru¯-

zigo¯n. Entlehnt aus l. crucia¯re ’ans Kreuz heften, martern’ mit g als Übergangslaut zwischen i und o¯ (zunächst also j).

Ebenso nndl. kruisigen. krude- ’Gewürz’. In Anlehnung an den Heilkräutersirup eine Ableitung von ÞKraut 1 (zunächst im Sinne Kreuzotter Sf std. (19. Jh.). Benannt nach dem dunklen von ’Heilkraut’). Rückenband, das aus Kreuzen zusammengesetzt zu sein scheint. Teepe-Wurmbach, A. WF 13 (1960), 164–168.

Kreuz Sn std. (8. Jh.), mhd. kriuz(e), kriuce, ahd. kru¯zi,

ÞOtter 2, ÞKreuz.

kriuze, as. kru¯ci, afr. krioze, kriose. Entlehnt aus l. crux Kreuzschnabel Sm per. fach. (16. Jh.). Der Vogel ist (crucis) f. als c vor Palatal schon die Aussprache z nach den auseinandergekrümmten Schnabelhälften hatte. Länge des Vokals durch Wiedergabe des quanbenannt. titativ ausgeglichenen spätlateinischen u-Lauts; GeÞKreuz, ÞSchnabel. nuswechsel wohl wegen der Stammklasse. Sonst wird Kreuzspinne Sf std. (17. Jh.). Benannt nach der Zeichin der frühen Zeit des Christentums auch das Wort nung auf dem Hinterleib, die einem Kreuz ähnelt. ÞGalgen für ’Kreuz’ gebraucht. ÞKreuz, ÞSpinne. Ebenso nndl. kruis, ne. cross, nfrz. croix, nschw. kors, nnorw. kors, nisl. kross; ÞKruzifix. – LM 5 (1991), 1489–1497; Röhrich 2 (1992), 889–891; EWNl 3 (2007), 139f. 1

kreuzen Vsw erw. fach. (18. Jh.). Ein entsprechendes

Wort der alten Sprache bedeutet ’kreuzigen’ und ’sich bekreuzigen’. Für das Kreuzen von Wegen und Kreuzen beim Züchten (weil sich die Abstammungslinien überschneiden) erst jung. Ebenso nndl. kruisen, ne. cross, nfrz. croiser, nschw. korsa, kryssa, nisl. krysse; ÞKreuz. 2

kreuzen Vsw erw. fach. (17. Jh.). Übernommen aus

nndl. kruisen, zunächst als ’hin- und herfahren’. Hierzu Kreuzer1 ’Kriegsschiff, das hin- und herfahrend eine Küste schützt’, seit dem 17. Jh. nach dem Vorbild von nndl. cruiser. Ebenso nndl. kruisen, ne. cruise, nfrz. croiser, nschw. kryssa, nnorw. krysse; ÞKreuz, Þkreuzen 1. – Kluge (1911), 490–492.

Kreuzer1 Sm Þkreuzen 2. Kreuzer2 Sm erw. obs. (13. Jh.). Als Silberpfennig in Ve-

Kreuzverhör Sn std. (19. Jh.). Lehnübersetzung von ne.

cross-examination, der englischen Einrichtung, dass vor Gericht die Zeugen von Staatsanwalt und Verteidiger nach allen Richtungen (ne. cross) befragt werden, um Widersprüche oder Lücken in ihren Aussagen aufzudecken. Ebenso nndl. kruisverhoor, ne. cross-examination, nschw. korsförhör, nnorw. kryssforhør; ÞKreuz, Þhören.

Kreuzzug Sm std. (18. Jh.), mhd. kriuzevart. Die ältere

Bezeichnung ist Kreuzfahrt. So ursprünglich genannt nach dem (Teil-)Ziel der Auffindung des Kreuzes Christi. Danach wurden auch andere kriegerische Unternehmungen gegen Nicht-Christen Wallfahrten gleichgestellt und als Kreuzzug bezeichnet. Modern für beliebiges öffentliches Eintreten für eine Überzeugung oder Glaubensfrage. Ebenso nndl. kruistocht, ne. crusade, nfrz. croisade, nschw. korsta˚g, nnorw. korstog, nisl. krossferd;Ñ ÞKreuz, Þziehen. – LM 5 (1991), 1508–1519.

rona und Meran geschlagen (Etschkreuzer), und nach kribbeln Vsw std. (13. Jh.), mhd. kribeln ’kitzeln’. Exdem aufgeprägten liegenden Kreuz (ÞKreuz) bepressives Wort wie Þkrabbeln, von dem es abgewannannt (daher die Abkürzung xr). Mhd. kriuzerpfendelt ist. Adjektiv: kribbelig. ninc nach l. de¯na¯rius crucia¯tus. Nachher verallgemei- krickeln Vsw erw. stil. (18. Jh.). In der Bedeutung nert auf kupferne Pfennigmünzen. ’unleserlich schreiben’ wohl Abwandlung von krakeln Ebenso nschw. kreuzer. – LM 5 (1991), 1497f. (ÞKrakel), doch ist auch Þkritzeln und ÞKrücke zu Kreuzfahrer Sm ’Teilnehmer an einem Kreuzzug’ erw. beachten (gleichzeitiger Einfluss verschiedener Quelfach. (18. Jh.). Verdeutlichung von älterem mhd. len ist bei solchen, der Lautbedeutsamkeit unterliekriuz¢re; vermutlich aufzufassen als Klammerform genden Wörtern, durchaus denkbar). Die Bedeutung Kreuzzug-Fahrer. ’nörgeln, zanken’ wohl als ’an Kleinigkeiten herumEbenso nndl. kruisvaarder, ne. crusader, nfrz. croise´, nschw. machen’ zur gleichen Grundlage, eventuell unter korsfarare, nnorw. korsfarer, nisl. krossfari; ÞKreuzzug. dem Einfluss von kritisieren (Þkritisch).

Krickente Krickente Sf per. fach. (16. Jh.). Benannt nach dem

Balzruf des Männchens (als krlik wiedergegeben). Suolahti (1909), 428–432.

Krieche Sf ’Haferpflaume’ per. reg. (12. Jh.), mhd. krie-

542 gelegt ist. Entweder als ’Entscheidung’ (> ’gerichtliche Entscheidung’ > ’das, was eine gerichtliche Entscheidung verursacht’) zu l. discernere ’trennen, unterscheiden, entscheiden’ (ÞKonzern) oder als ’Beschuldigung’ zu der unter Þschreien behandelten Grundlage. – DF 1 (1913), 404f.; LM 5 (1991), 1533f. (zu Kriminalität); EWNl 1 (2003), 504.

che, ahd. krihboum, krieh(hen)boum (für den Baum), mndd. kreke. Zwar scheint es das Wort für griechisch krimpen Vsw ’einschrumpfen (in der Wäsche)’ per. reg. (l. graecus) zu sein, doch ist eine entsprechende latei(18. Jh.). Übernommen aus dem Niederdeutschen, nische Benennung nicht bekannt; deshalb unklar. wo es ursprünglich stark flektiert (mndd. krimpen, Ebenso nndl. kriek, ne. crocket, nschw. krikon, nnorw. kr¢ge. – mndl. crempen Vst., ahd. Präsens krimfit). Eigentlich EWNl 3 (2007), 130f. ’zusammenkrampfen’ und weiter zu ÞKrampf zu kriechen Vst std. (8. Jh.), mhd. kriechen, ahd. kriohhan. stellen. Vd. *kreuk-a-. Hierzu gibt es parallele Bildungen EWNl 3 (2007), 132. (z.B. *kreup-a- in ae. cre¯opan, ne. creep u.a.), aber Krimskrams Sm std. stil. (18. Jh.). Reduplikationsbilkeine naheliegende Etymologie. Nomen Agentis: dung mit Vokalvariation. Älter (mit nicht ganz gleiKriecher. cher Bedeutung) Kribskrabs (seit dem 16. Jh.). KrimsS. auch Þkrauchen, Þkreuchen. – Seebold (1970), 310; Kuiper, krams geht wohl von ÞKram aus; Kribskrabs als ähnF. B. J. NOWELE 25 (1995), 63–88. liche Bildung wie schnipp-schnapp von Þkribbeln und Krieg Sm std. (9. Jh.), mhd. kriec, ahd. kre¯g, krieg, Þkrabbeln. mndd. krich, mndl. crijch. Der Bedeutungsspielraum Kring Sm (auch Kringe f.) ’Kissen unter Kopflasten’ per. geht von ’Hartnäckigkeit’ und ’Anstrengung’ zu reg. (13. Jh.), mhd. krinc, kringe ’Ring, Kreis’. Ent’Streit’, vgl. afr. halskrı¯ga ’Halssteifheit’. Herkunft unsprechend anord. kringr ’Ring’. Lautlich entspricht klar; am ehesten zu einer Grundlage (ig.) *g wrei-, wie lit. gre˛ˇzti ’drehen, wenden’; zu vergleichen ist aber vor sie auch in gr. brı´me¯ f. ’Wucht, Gewalt, Ungestüm’, gr. allem die Variante (g.) *hreng- (s. unter ÞRing). hy´bris f. ’Übermut, Überheblichkeit, Gewalttätigkeit’ EWNl 3 (2007), 132. und vielleicht in air. brı´g f. ’Kraft, Macht, Wert’, lett. Kringel (auch Krengel) Sm ’Gebäck’ per. reg. (13. Jh.), grins ’grausam, zornig’, lett. grıˆnums ’Härte, Strenge’ mhd. kringel m./n., mndd. kringel. Diminutiv zu vorliegt. Täterbezeichnung: Krieger; Adjektiv: ÞKring, also ’Ring’. kriegerisch. S. auch ÞKrangel. – Röhrich 2 (1992), 891f. Ebenso nndl. krijg; ÞKraft, Þkregel, Þkriegen. – Karg-Gasterstädt, E. BGDSL 61 (1937), 257–259; HWPh 4 (1976), 1230–1235; Krinoline Sf ’weit abstehender Rock’ erw. obs. (19. Jh.). GB 3 (1982), 567–615; LM 5 (1991), 1525–1527; Sehrt, E. H. MLN Entlehnt aus frz. crinoline (eigentlich: ’Rosshaarge42 (1927), 110 (anders).

kriegen Vsw std. stil. (12. Jh.), mhd. kriegen, mndd. kri-

webe’), dieses aus it. crinolina, zu it. crine m. ’Pferdehaar’ (aus l. crı¯nis m. ’Haar’) und it. lino m. ’Leinen’ (aus l. lı¯num n. ’Leinen, Flachs, Schnur’). Benannt nach dem Gestell aus Fischbein und Rosshaaren, das später durch Stahlreifen ersetzt wurde.

gen, mndl. crigen, afr. krı¯ga. Z. T. stark flektiert, wobei Bedeutungsunterschiede, die zum Flexionsunterschied parallel sind, nicht klar erfasst werden können. Die Bedeutung ’bekommen’ scheint aus ’(sich) erEbenso nndl. crinoline, ne. crinoline, nschw. krinolin, nnorw. krinoline, nisl. krı´no´lı´na. kriegen’ (zu ÞKrieg) erklärbar zu sein, da sie aus dem gleichen Gebiet stammt, in dem auch erwerven Krippe Sf std. (8. Jh.), mhd. krippe, ahd. krippa, as. krib’erwerben’ zu werven gekürzt wird. Die Einzelheiten bia. Aus wg. *kribjo¯n, auch in ae. cribb; Nebenform der Entwicklung bleiben unklar. mit expressiv verstärktem Auslaut in ahd. kripfa, Röhrich 2 (1992), 891; EWNl 3 (2007), 131. mhd. kripfe, auch zeigen sich landschaftlich Formen mit u/ü. Vermutlich ist die Ausgangsbedeutung Kriegsfuß (in mit jemandem auf Kriegsfuß stehen/leben) Sm std. phras. (19. Jh.). Lehnübersetzung aus frz. sur ’Flechtwerk’, aus dem Krippen hergestellt werden le pied de guerre (im Französischen wird pied in grökonnten; vergleichbare Formen stehen unter ÞKring. ßerem Umfang zu übertragenen Wendungen heranBrøndal führt das Wort (wie frz. cre`che) auf l. praegezogen als im Deutschen ÞFuß). sepium mit starken Umgestaltungen zurück. Krippe im Sinn von ’Kinderhort’ bezieht sich darauf, dass kriminell Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. criminel, das neugeborene Jesuskind in eine Krippe gelegt wurdieses aus l. crı¯mina¯lis, zu l. crı¯men ’Beschuldigung, de. Anschuldigung, Vergehen, Verbrechen’. Abstraktum: Brøndal (1917), 153–157 = (1948), 166–169; Kranemann Kriminalität. Sonst wird die Seite der Verbrechensbe(1958); Lühr (1988), 250f.; LM 5 (1991), 1534; Röhrich 2 (1992), kämpfung mit der Variante Kriminal- bezeichnet. Für 892; EWNl 3 (2007), 130. den Kriminalroman steht häufig die Abkürzung Krimi. Ebenso nndl. crimineel, ne. criminal, nschw. kriminell, nnorw. Krise Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. crisis, dieses aus gr. krı´sis (eigentlich ’Scheidung, Entscheidung’), zu gr. kriminell. Die Etymologie des lateinischen Wortes ist umstritten, weil die Bedeutung schon in den frühesten Belegen festkrı¯´nein ’scheiden, trennen’. Zunächst ein Fachwort

Krone

543

der Medizin, das den entscheidenden Punkt einer Krankheit bezeichnete; dann Verallgemeinerung. Verb: kriseln.

unter den Einfluss von Kritik (Þkritisch) und wird als ’herumkritisieren, herumnörglen’ aufgefasst. kritzeln Vsw std. (15. Jh.). Iterativbildung zu mhd. krit-

Ebenso nndl. crisis, ne. crisis, nfrz. crise, nschw. kris, nnorw. zen, ahd. krizzo¯n ’einritzen’. Offenbar mit Þkratzen krise. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞKonzern; zusammenzustellen, sonst ohne VergleichsmöglichÞKriterium, Þkritisch, Þdiakritisch. – Schirmer (1911), 113; DF keit. 1 (1913), 405; Erämetsä, E. NPhM 59 (1958), 37; HWPh 4 (1976), ÞKreis. 1235–1245; Bebermeyer, R. MS 91 (1981), 345–359; GB 3 (1982), 617–650; Koselleck, R. in Über die Krise. Hrsg. K. Michalski Krokant Sm ’eine Süßigkeit aus Mandeln und kara(Stuttgart 1986), 64–77; EWNl 1 (2003), 504. mellisiertem Zucker’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus

Kristall Sm std. (11. Jh.), mhd. kristal[le] m./f., ahd. cri-

stalla. Ist entlehnt aus l. crystallus m./f., dieses aus gr. kry´stallos ’Eis, Bergkristall’ (zu gr. kry´os ’Eis, Frost’). Adjektive: kristallisch, kristallin; Verb: kristallisieren. Ebenso nndl. kristal, ne. crystal, nfrz. cristal, nschw. kristall, nnorw. krystall, nisl. kristall(ur). – DF 1 (1913), 405; Suolahti (1929), 133; HWPh 4 (1976), 1245–1247; Lüschen (1979), 184f.; LM 5 (1991), 1534f.; EWNl 3 (2007), 133.

Kristallnacht Sf erw. fach. (20. Jh.). In der Nacht vom

frz. croquant ’Knuspergebäck’, dem substantivierten PPräs. von frz. croquer ’knuspern, krachen’, das wohl lautnachahmenden Ursprungs ist. Ebenso nschw. krokan, nnorw. krokan; ÞKrokette. – EWNl 3 (2007), 135.

Krokette Sf ’Röllchen aus Kartoffelteig’ per. fach.

(20. Jh.). Entlehnt aus frz. croquette, zu frz. croquer ’knabbern’, das wohl lautnachahmenden Ursprungs ist.

9. zum 10.11.1938 führten Angehörige der NSDAP und Ebenso nndl. croquet(je), ne. croquette, nfrz. croquette, nschw. der SA eine Judenverfolgung durch, bei der zahlreikrokett, nnorw. krokett; ÞKrokant. – EWNl 3 (2007), 135. che Läden zerstört und Scheiben eingeschlagen wurKrokodil Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. crocodı¯lus m., den. Offiziell dargestellt wurden diese Vorgänge als dieses aus gr. kroko´dı¯los m. (auch: ’Eidechse’), wohl spontane Kundgebungen nach dem Attentat auf den zu gr. kro´ke¯ f. ’Kies’ und gr. drı˜los m. ’Wurm’ (mit Sekretär der deutschen Botschaft in Paris durch einen Dissimilierung des zweiten r); zunächst wahrscheinJuden. Der Berliner Volkswitz nannte sie hingegen (in lich Bezeichnung der Eidechse, dann verallgemeiAnlehnung an die zahlreichen offiziellen Bezeichnernd (’Reptil’) auf die Krokodile des Nils usw. übernungen mit Reichs-) die Reichskristallnacht (mit Bezug tragen. auf die zerschlagenen Scheiben). Heute meist PoEbenso nndl. krokodil, ne. crocodile, nfrz. crocodile, nschw. krogromnacht (ÞPogrom). kodil, nnorw. krokodile, nisl. kro´ko´dı´ll. – DF 1 (1913), 407; LM 5 Kinne, M. SD 33 (1989), 1–5; Isnig, E. SD 33 (1989), 169–172.

Kriterium Sn ’unterscheidendes Merkmal’ erw. fach.

(17. Jh.). Über das Lateinische entlehnt aus gr. krite¯´rion, zu gr. krite¯´r ’Richter, Kampfrichter’, also ’Beurteilungsgesichtspunkt für den Richter’. Ebenso nndl. criterium, ne. criterion, nfrz. crite`re, nschw. kriterium, nnorw. kriterium; ÞKrise. – HWPh 4 (1976), 1247–1249; DF 1 (1913), 405; EWNl 1 (2003), 504.

kritisch Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. critique, die-

(1991), 1542; EWNl 3 (2007), 135.

Krokodilstränen Spl std. stil. (16. Jh.). Den Krokodilen

fließen Tränen aus den Augen, wenn sie große Stücke verschlingen. In der spätrömischen Bestiarien-Tradition (hauptsächlich durch den Physiologus verbreitet) wird dies zu der Fabel, dass das Krokodil seine Opfer beweint; später, dass es weint, um seine Opfer anzulocken. Schließlich Umdeutung zu heuchlerischen Tränen nach dem Töten eines Menschen.

ses aus l. criticus, aus gr. kritiko´s, zu gr. krı¯´nein Ebenso nndl. krokodilletranen, ne. crocodile tears, nfrz. larmes ’scheiden, trennen, entscheiden’. Gemeint sind zude crocodile, nschw. krokodilta˚rar, nnorw. krokodilleta˚rer, nisl. kro´ko´dı´lsta´r. – DF 1 (1913), 407f.; Lemmer, M. Sprachpflege 26 nächst die kritischen Tage, d.h. die Tage der Krise einer (1977), 20f.; EWNl 3 (2007), 135. Krankheit; dann gerät das Wort unter den Einfluss des Bedeutungsstrangs ’richten, beurteilen, entschei- Krokus Sm erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. crocus, den’, wie bei dem Abstraktum Kritik oder bei dieses aus gr. kro´kos ’Safran’ (ÞSafran und Krokus ÞKriterium. Gemeint ist mit Kritik im Altertum einsind eng verwandt und einander ähnlich). fach ’Beurteilung’; später, im 18. Jh. konzentriert sich Ebenso nndl. krokus, ne. crocus, nfrz. crocus, nschw. krokus, die Kritik auf Kunst- und Bibelkritik, dann ausgennorw. krokus, nisl. kro´kus. – LM 5 (1991), 1542; EWNl 3 (2007), 135f. weitet. Täterbezeichnung: Kritiker; Verb: kritisieren.

Ebenso nndl. kritisch, ne. critical, nfrz. critique, nschw. kritisk, Krollhaar Sn (auch Krolle f.) ’Locke’ per. wmd. (14. Jh.), nnorw. kritisk; ÞKrise. – DF 1 (1913), 406f. (zu Kritik); HWPh 4 mhd. krol, krul m., krolle, krülle f., mndl. crolle, crulle (1976), 1249–1282; GB 3 (1982), 651–675; Brunt (1983), 222; ’Locke’. Daneben das Adjektiv mhd. krol, mndl. crul Schneiders, W. Studia leibnitiana 17 (1985), 143–161; Fontius, ’lockig’. Wohl als *kruzla- zu Þkraus, das aber seinerM. PSG 5 (1986), 7–26 und PSG 6 (1986), 409–427; EWNl 1 seits nicht ausreichend klar ist. (2003), 504; 3 (2007), 133.

kritteln Vsw erw. stil. (17. Jh.). Zunächst als grittelen

bezeugt, dessen Herkunft unklar ist. Es gerät dann

Krone Sf std. (8. Jh., aber sicher erst 9. Jh.), mhd.

kro¯n(e), ahd. koro¯na, coro¯na, kro¯na, mndd. krone

Kronleuchter

544

m./f. Wie ae. coro¯na, afr. kro¯ne entlehnt aus l. coro¯na, kross Adj ’knusprig’ per. ndd. (20. Jh.). Ursprünglich das auf gr. koro¯´ne¯ zurückgeht; dieses zu gr. koro¯no´s niederdeutsches Wort, das auch ’spröde, brüchig’ bedeutet und wohl lautmalender Herkunft ist. ’krumm, gebogen’. Die Bedeutung ist ursprünglich ’Kranz’; ’Krone’ im heutigen Sinn erst sekundär. Das Krösus Sm ’ein sehr reicher Mensch’ erw. bildg. griechische Wort bezeichnet allerlei gekrümmte Ge(18. Jh.). Gattungsbezeichnung nach l. Croesus, gr. genstände, die Bedeutung ’Kranz’ tritt dabei nicht Kroı˜sos, dem Namen eines Königs von Lydien im hervor. Verb: krönen. 6. Jh. v. Chr., der dem Orakel von Delphi riesige Ebenso nndl. kroon, ne. crown, nfrz. couronne, nschw. krona, Reichtümer schenkte für einen Spruch zu der Frage, nnorw. krone, nisl. ko´ro´na; ÞKorona. – LM 5 (1991), 1544–1547; ob er gegen die Perser Krieg führen solle. Röhrich 2 (1992), 893f.; EWNl 3 (2007), 136f. Kronleuchter Sm erw. fach. (18. Jh.). In den mittelalter-

lichen Kirchen war der zentrale Beleuchtungskörper ein mit Lichtern besetzter Ring, ml. corona f., mhd. kro¯n(e) f., mndd. krone m./f. (ÞKrone). Hierzu ist Kronleuchter eine Verdeutlichung. Ebenso nndl. (licht)kroon, nschw. ljuskrona, nnorw. lysekrone, nisl. ljo´sa-kro´na. – Kretschmer (1969), 307f.

Kronsbeere Sf ’Preiselbeere’, eigentlich ’Moosbee-

Ebenso nndl. Cr(o)esus, ne. Croesus, nfrz. Cre´sus, nschw. krösus, nnorw. krøsus. – DF 1 (1913), 408.

Kröte Sf std. (9. Jh.), mhd. krot(e), krotte, krete, ahd.

kreta, krota, mndd. krode. Kröte ist die Form Luthers und wohl ursprünglich eine Mischung aus den beiden älteren Formen. Herkunft unklar. Ein paar Kröten als Bezeichnung für Geld ist am ehesten verballhornt aus ndd. Groten ’Groschen’.

Foerste, W. NW 1 (1960), 13–20; LM 5 (1991), 1551; Röhrich 2 re’ per. wndd. (17. Jh.). Wie ne. cranberry, nnorw. (1992), 894. traneb¢r als ’Kranichsbeere’ bezeichnet, zu der dehnKrücke Sf std. (8. Jh.), mhd. krucke, krücke, ahd. krucka, stufigen Form des alten Wortes für ’Kranich’. as. krukka. Aus wg. *krukjo¯- f. ’Krücke’ (Stab mit ÞKranich, ÞKranbeere. – Peters (1967), 90–93. Krümmung oder Gabelung), auch in ae. crycc; ferner Kronzeuge Sm erw. fach. (19. Jh.). Im englischen Recht nschw. krycka. Nächstverwandt sind anord. kro´kr m. wird der Verbrecher, der sich in der Hoffnung auf ’Haken, Bogen’, anord. kraki m. ’Bootshaken’ (u.ä.). Begnadigung als Zeuge gegen seine Genossen gebrauHerkunft unklar. chen lässt, king’s evidence genannt. Dies wird überEbenso nndl. kruk, ne. crutch, nschw. krycka. – Trier, J. ZDA setzt als Kronzeuge, das aber bald die Bedeutung 76 (1939), 17f.; EWNl 3 (2007), 141. ’Hauptzeuge’ annimmt. krud Adj ’roh’ per. fremd. (20. Jh.). Wohl unter Einfluss Ebenso nndl. kroongetiuge, ne. King’s evidence. von ne. crude entlehnt aus l. cru¯dus ’roh’, das mit Kropf Sm std. (9. Jh.), mhd. kropf, ahd. kropf, mndd. Þroh verwandt ist. krop, mndl. crop. Aus g. *kruppa- m. ’Beule, Rumpf’, Ebenso nndl. cru, ne. crude, nfrz. cru. auch in anord. kroppr ’Buckel, Beule’, neuer ’TierKrug1 Sm ’Gefäß’ std. (8. Jh.), mhd. kruoc, ahd. kruog. körper’, ae. crop(p) ’Kropf, Büschel, Wipfel’. Wohl Führt wie ae. crog auf wg. *kro¯g- zurück; daneben wg. eine lautsymbolische Bildung mit einer bei solchen *kru¯g- in ae. cruce f., as. kru¯ka (mndd. kruke, nhd. Bedeutungen häufigen Lautstruktur. Da die BedeuÞKruke), mhd. kru¯che, nhd. ÞKrauche. Die Verschietung ’Kropf’ häufiger bei der Wurzel (ig.) *g wer¡- (s. denheit des Vokalismus weist auf Entlehnung, deren unter ÞKragen, ÞKöder) auftritt, hat vielleicht auch Quelle allerdings unbekannt ist. Auch gr. kro¯sso´s eine Bildung mit Anlaut *g wr- mitgewirkt. ’Krug’ scheint aus dieser Quelle entlehnt zu sein. Ebenso nndl. krop, ne. crop, nschw. kropp; ÞCroupier, ÞKroppzeug, ÞKruppe, ÞKrüppel. – Kranemann (1958), 96–106; Lühr (1988), 235; Röhrich 2 (1992), 894; EWNl 3 (2007), 137.

Ebenso ne. crock. – Hildebrandt, R. DWEB 3 (1963), 395–397; Röhrich 2 (1992), 894f.; EWNl 3 (2007), 138.

Krug2 Sm ’Schenke’ per. reg. (16. Jh.). Übernommen aus

dem Niederdeutschen, wo das Wort seit dem 13. Jh. bezeugt ist (mndd. kro¯ch, kru¯ch). Die Herkunft ist (18. Jh.). Übernommen aus ndd. kro¯ptüg. Das zweite unklar. Um dasselbe Wort wie ÞKrug 1 kann es sich Element hat kollektive Funktion, ndd. krop wird auch in gleicher Bedeutung allein gebraucht. Die älteste kaum handeln, da im Verbreitungsgebiet von Krug 2 Bedeutung scheint ’kleines, schlechtes Tier’ gewesen zu dem Gefäß nicht Krug, sondern ÞKruke gesagt zu sein, schon früh häufig auf Menschen übertragen. wird. Das Wort hat also den gleichen Gefühlswert wie Ebenso nndl. kroeg, nschw. krog, nisl. kra´. – Hinze, F. in K. Müller (1976), 101–126; Mehlber, L. JGGB (1982), 164–166; ÞKrüppel (und dem diesem zugrunde liegenden EWNl 3 (2007), 134. ÞKropf ) und hängt mit diesem wohl etymologisch zusammen. Es ist wegen seiner Isolierung aber meist Kruke Sf ÞKrug 1. mit anderen Wörtern in Zusammenhang gebracht Krüllschnitt Sm ’mittelfein geschnittener Tabak’ per. worden; zunächst mit ndd. krupen ’kriechen’, dann fach. (20. Jh.). Zu mndd. krulle f., mndl. krul ’gelockmit Þgrob (was auch durch die Schreibung Grobzeug tes, gekräuseltes Haar’. zum Ausdruck kommen konnte).

Kroppzeug Sn ’kleine Kinder, Gesindel’ per. ndd.

ÞKrümper.

Kuchen

545 Krume Sf std. (17. Jh.). Aus dem Mitteldeutschen und

Niederdeutschen in die Hochsprache gelangt, md. krume, mndd. krome, mndl. crome, das zusammen mit ae. cruma m. auf wg. *krumo¯n f. ’das Innere des Brotes, Brosamen’ führt. Dazu auch nschw. inkra˚m ’Krume, Eingeweide’. Herkunft unklar. Diminutiv: Krümel; Verb: krümeln; Adjektiv: krümelig. Ebenso nndl. kruim, ne. crumb. – EWNl 3 (2007), 139.

krumm Adj std. (8. Jh.), mhd. krump, ahd. krumb, as.

Ebenso nndl. korst, ne. crust, nfrz. crouˆte. Vgl. ÞRufe. – Mitzka, W. ZM 23 (1955), 39; EWNl 3 (2007), 119f.

Kruzifix Sn ’Kreuz mit gekreuzigtem Christus’ erw.

fach. (14. Jh.), spmhd. cru¯zifix. Ist entlehnt aus ml. crucifixum (signum), zu l. crucifı¯gere (crucifı¯xum) ’ans Kreuz schlagen, kreuzigen’, zu l. crux (crucis) f. ’Marterholz, Kreuz’ und l. fı¯gere (fı¯xum) ’heften, stecken’. Ebenso nndl. crucifix, ne. crucifix, nfrz. crucifix, nschw. krucifix, nnorw. krusifiks; ÞAffix. – EWNl 1 (2003), 505.

krumb. Aus wg. *krumba- (auch Nebenformen mit -mp-) Adj. ’gekrümmt, verdreht’, auch in ae. crumb. Krypta Sf ’unterirdische Grabanlage, meist in einem Außergermanisch stimmt gr. gry¯po´s Adj. ’krummGewölbe’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. crypta, dieses aus gr. kry´pte¯ zu gr. kry´pto¯ ’verberge, verstecke’. nasig, gekrümmt’ dazu, wenn angenommen wird, dass im Germanischen eine expressive Nasalierung Ebenso nndl. crypte, ne. crypt, nfrz. crypte, nschw. krypta, nnorw. krypt; ÞGrotte, ÞGruft. – EWNl 1 (2003), 506. eintrat (was in diesem Fall denkbar ist). Die Nasalierung auch in gr. grympa´no¯ ’krümme mich’ (Hesych). kryptisch Adj ’unklar, unverständlich’ per. fach. Weiter wohl zu dem unter ÞKrampf behandelten (20. Jh.). Entlehnt aus l. crypticus ’bedeckt, verborKomplex. Verb: krümmen. gen’, dieses aus gr. kryptiko´s zu gr. kry´pto¯ ’verberge, Ebenso nndl. krom, ne. crump. S. auch ÞGrimmen, ÞKrampe, verstecke’. Als Lehnaffix auch krypto-. ÞKrempe, ÞKrempel 2. – Lühr (1988), 269; Röhrich 2 (1992), 895f.; Heidermanns (1993), 344f.; EWNl 3 (2007), 136.

krumpelig Adj ’zerknittert’ erw. reg. (18. Jh.). Zu

Ebenso nndl. cryptisch, ne. cryptic, nfrz. cryptique, nschw. kryptisk, norw. kryptisk. – Cottez (1980), 106; LM 5 (1991), 1554–1557; EWNl 1 (2003), 506.

Krumpel ’Knitterfalte’, das als niederdeutsche Form zu Kübel Sm std. (10. Jh.), mhd. kübel, ahd. kubilo. Ist wie dem Komplex ÞKrampf gehört. ae. cy¯f f. entlehnt aus l. cu¯pella f. ’Trinkgefäß, Getreidemaß’. Aus der Grundform l. cu¯pa f. stammen ae. Krümper Sm ’ausgebildeter Ersatzreservist’, cy¯f f. ’Fass’ und aus Varianten davon ÞKopf und Krümperpferd ’überzähliges Pferd einer berittenen Truppe’ per. fach. (19. Jh.). Ähnlich wie Krop ÞKufe 2. (ÞKroppzeug) ein Scheltwort, das mit ÞKrüppel zuEbenso nndl. kuip, ne. cup, nfrz. cuve, nschw. kopp, nisl. koppur. – Alanne, E. NPhM 56 (1955), 194–197. sammenhängt. Der Bedeutungsübergang ist aber nicht klar − geht er von ’Gehhilfe’ aus? kubik- Präfixoid ’dritte Potenz (einer Maßeinheit)’

Kruppe Sf ’zwischen Kreuz und Schwanz liegender

Körperteil von Pferd und Rind’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. croupe, das seinerseits aus dem Germanischen stammt (awfrk. *kruppa-). Ebenso ne. croup, nfrz. croupe; ÞKropf . – Kranemann (1958), 102f.

(z.B. Kubikmeter) erw. fach. (–). In griechischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen und in neoklassischen Bildungen verwendet; sein Ursprung ist gr. ky´bos ’Würfel, Knochen’. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞHüfte.

Kubus Sm ’Würfel’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l.

Krüppel Sm std. (14. Jh.), mhd. krüp(p)el. Stammt über

cubus, dieses aus gr. ky´bos ’Würfel, Knochen’. Adjekdas Mitteldeutsche aus dem Niederdeutschen, mndd. tiv: kubisch. krop(p)el, krep(p)el, mndl. cropel, as. krupil; entspreEbenso nndl. kubus, ne. cube, nfrz. cube, nschw. kub, nnorw. chend ae. crypel, anord. kryppill, so dass das Wort kube; ÞHüfte. – EWNl 3 (2007), 142. praktisch gemeingermanisch ist. Neuhochdeutsch Küche Sf std. (9. Jh.), mhd. küchen (u.a., z.B. bair. kuentsprechen noch mundartliche Wörter, etwa els. chel), ahd. kuhhina. Wie ae. cycene, mndl. cokene, Krüpel; auch ÞKropf , Krapf und bair. krüpfen ’sich mndd. koke(ne) eine frühe Entlehnung aus ml. cocina krümmen’. Präfixableitung: verkrüppelt. (zu l. coquere ’kochen’; Þkochen). Ebenso nndl. kreupel, ne. cripple; ÞKropf , ÞKroppzeug, ÞKrümper. – Kranemann (1958), 96–106; RGA 17 (2001), 395–397; EWNl 3 (2007), 129f.

krüsch Adj ’wählerisch’ per. ndd. (20. Jh.). Umgestellt

aus kürsch (= kürisch), zu Þküren ’wählen, ausprobieren’. Kruste Sf std. (9. Jh.), mhd. kruste, ahd. krusta, kroste,

mndd. korste, mndl. corste. Entlehnt aus l. cru¯sta ’Kruste’, ursprünglich das ’verkrustete Blut’, zu l. cruor m. ’Blut’. Adjektiv: krustig.

Ebenso nndl. keuken, ne. kitchen, nfrz. cuisine, nschw. kök, nnorw. kjøkke. – Röhrich 2 (1992), 896f.; RGA 17 (2001), 399–402; EWNl 3 (2007), 51.

Kuchen Sm std. (9. Jh.), mhd. kuoche, ahd. kuohho,

mndd. koke m./f., mndl. ko¯ke. Aus wg. *ko¯ko¯n- m. ’Kuchen’, ae. nur in der Verkleinerung ce¯cil. Dies ist dehnstufig zu me. cake, anord. kaka f. Sonst ist die Entstehung dunkel. Mit ÞKüche hat das Wort offensichtlich nichts zu tun. Vielleicht ist es ein kindersprachliches (reduplizierendes) Wort. Nach Schuchardt entlehnt aus romanischen Wörtern (sard.

Küchenlatein

546 1

cocca ’Kuchen’, kat. coca ’Milchbrot, Kuchen’, südfrz. Kufe Sf ’Laufschiene des Schlittens’ erw. fach. (9. Jh., coco ’ovales Weißbrötchen’, räto-rom. cocca Form 16. Jh.). Das f ist dissimiliert aus ch: obd. kuechen, ahd. kuohho, mndd. koke ’Schlittenschnabel’. ’Kuchen’ u.a.), die auf früh-rom. *coca aus l. cochlea f. ’Schnecke’ zurückführen (als ’schneckenförmig geHerkunft unklar. Vermutlich ist die Ausgangsbedeurundeter Kuchen’?). tung ’Stange’ o.ä., so dass eine Variante der in ÞKegel vertretenen Sippe vorliegen kann. Ebenso nndl. koek, ne. cooky; ÞKeks. – Schuchardt, H.: Romanische Etymologien II (Wien 1899), 23–25, 129; Wurmbach, A. ZV 56 (1960), 20–40; Darms (1978), 299–301; Röhrich 2 (1992), 897f.; EWNl 3 (2007), 98f.

Küchenlatein Sn (verächtliche Bezeichnung schlechten

Lateins) erw. fach. (16. Jh.). Gemeint ist das in der Küche des Klosters gesprochene Latein. Ebenso nfrz. latin de cuisine, nschw. kökslatin. Vgl. nndl. potjeslatijn. – Pfeiffer, R. Philologus 86 (1931), 455–459.

Küchenschelle Sf per. fach. (16. Jh.). Das Vorderglied ist

vermutlich das Wort Gucke, Kucke ’halbe Eierschale’ (vgl. frz. coque ’Schale’ und frz. coquelourde ’Küchenschelle’) nach der Form der Blüte, mit Anlehnung des nicht mehr verstandenen Wortes an ÞKüche, ÞKuh und ähnliche Wörter. Vgl. österr. Aarstgucken ’Küchenschelle’ (zu erst- wegen des frühen Erscheinens dieser Frühjahrsblumen) und bair. Heugucken ’Herbstzeitlose’. Das Hinterglied -schelle bezieht sich ebenfalls auf die Form der Blüte und ist vielleicht eine bloße Verdeutlichung des Vorderglieds. Marzell 1 (1943), 292–294.

Küchlein Sn ’Küken’ erw. obs. (14. Jh.). Dies ist die nor-

male hochdeutsche Form von ÞKüken mit dem oberdeutschen Diminutiv-Suffix. In der frühen Sprache in hochdeutscher Form nicht bezeugt (dafür Hühnlein u.ä.). kucken Vsw Þgucken. Kuckuck Sm std. (13. Jh.). Lautnachahmung wie afrz.

cucu, l. cucu¯lus, gr. ko´kkyx u.a. Im Volkswitz steht der Kuckuck häufig für den Adler des Amtssiegels (so etwa für den Gerichtsvollzieher).

Sperber, H. WS 6 (1914), 52f. (anders).

Kufe2 Sf ’Gefäß’ per. reg. (9. Jh.), mhd. kuofe, ahd.

kuofa, kufa, kuopa, as. ko¯pa. Entlehnt aus l. cu¯pa, einer Nebenform von l. cuppa. Ebenso nndl. kuip, ne. coop; ÞKopf , ÞKübel. – Alanne, E. NPhM 56 (1955), 207–209; EWNl 3 (2007), 143.

Küfer Sm erw. obd. (15. Jh.), mhd. küefer. Zu ÞKufe 2 wie

l. cu¯pa¯rius zu l. cu¯pa f. Also ’Handwerker, der Kufen (Fässer) herstellt’. Ebenso nndl. kuiper, ne. cooper, nschw. kypera. Vgl. ÞBöttcher. – Alanne, E. NPhM 56 (1955), 207–209.

Kuff Sf ’breit gebautes Handelsfahrzeug mit zwei Mas-

ten’ per. fach. (18. Jh., älter nndl. kof, kuf 17. Jh.), ndd. kuff . Ebenso ne. koff, nschw. koff usw. Wie ÞBrigg aus Brigantine, so ist Koff verkürzt aus ko¯pfa¯rdı¯e (nndl. für Kauffartei-Schiff mit Weglassung des Grundworts). Ebenso nndl. kof, ne. koff, nschw. koff, nnorw. koff. – Lindquist, A. MASO 2 (1938), 47–50.

Kugel Sf std. (13. Jh.), mhd. kugel(e), mndd. kog(g)el,

kagel m./f., mndl. cogele. Das Wort kann auf *kugzurückgehen (dann ist das zugehörige ÞKeule aus g. *kugl- entstanden); etwas mehr Wahrscheinlichkeit hat aber die Annahme für sich, dass Kugel auf *kuwl˙ und Keule auf *ku¯l- zurückgehen. Obwohl diese Lautform außergermanisch vergleichbar ist, muss erwogen werden, ob dieses *kuw-l- mit Dissimilierung aus *kluw-l- entstanden und an die Sippe von ÞKloß anzuschließen ist. Verb: kugeln; Adjektiv: kugelig. Ebenso nndl. Kogel; ÞKaulquappe, ÞKeule, ÞKogel, ÞKöte, ÞKuhle, ÞKuller. Zum weiteren s. ÞKloß. – Röhrich 2 (1992), 901; Seebold, E. IF 87 (1982), 193 (zum Lautlichen); EWNl 3 (2007), 102f.

Ebenso nndl. koekoek, ne. cuckoo; ÞGauch. – Suolahti (1909), 4–8; Kretschmer, P. Glotta 13 (1924), 135; LM 5 (1991), 1559; Kugelschreiber (umgangssprachlich auch ÞKuli s.d. Röhrich 2 (1992), 898–900; EWNl 3 (2007), 99.

Kuckucksblume Sf ’Pechnelke’ per. reg. (16. Jh.). Be-

nannt nach dem weißen Schaum auf den Stängeln, der für den Speichel des Kuckucks gehalten wurde (in Wirklichkeit handelt es sich um Exkremente der Schaumzikaden, deren Larven auf der Kuckucksblume leben). Kuddelmuddel Smn std. stil. (19. Jh.). Reimbildung zu

ndd. koddeln ’Sudelwäsche halten’. Dieses gehört zu ÞKutteln, wie auch der Kuttelwäscher Sudler hieß. Das Reimwort wohl angelehnt an regional Muddel ’Schlamm’. Kuder Sm ’männliche Wildkatze’ per. fach. (19. Jh.).

meist mit Vokalkürze) Sm (Schreibgerät) std. (20. Jh.). Vorschläge für ein Schreibgerät, das auch die Tinte umfasst, gibt es schon seit dem 18. Jh., doch sind praktikable Geräte erst im 20. Jh. entwickelt worden. Der Kugelschreiber wurde von dem Ungarn La´szlo´ Biro´ 1938 entwickelt und in Ungarn patentiert. 1940 kam Biro´ nach Amerika und ließ das Gerät auch dort, wo es alsbald ball pen genannt wurde, patentieren. 1950 brachte der Franzose Marcel Bich einen nicht klecksenden Schreiber dieser Art auf den Markt, den er nach seinem Namen BIC nannte. Die deutsche Bezeichnung ist wohl nach dem Vorbild von ball pen entstanden.

Nach Schauwecker das alte Wort für die Wildkatze Kuh Sf std. (8. Jh.), mhd. kuo, ahd. kuo, as. ko¯. Mit abweichendem Vokalismus afr. ku¯, ae. cu¯, anord. ky´r. (während ÞKatze die Importkatze war). Aus diesen ist (zusammen mit dem außergermaniÞKatze. – Schauwecker (1992), 7–9.

Kuli2

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schen Vergleichsmaterial) ein ursprüngliches g. kujonieren Vsw ’schikanieren, unwürdig behan*k(w)o¯u- f. ’Kuh’ zu erschließen. Dieses aus ig. deln’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. couyonner *g wo¯u- m./f. ’Rind’ in ai. ga´u- m./f., toch. A ko, toch. ’eine Memme nennen’, zu frz. couillon ’Memme’ (das ˜ s m./f., l. bo¯s m. (mit unregelmäßigem B ke3 als nhd. Kujon ’Schuft’ entlehnt ist). Dieses aus it. cou, gr. bou Anlaut), air. bo´, kymr. bu, buw, buyn, lett. gu`ovs, hieglione (dass., wörtlich: ’Entmannter’), zu l. co¯leus roglyphenluwisch wawa-. Das Wort kann lautmalend ’Hodensack’. Ebenso nndl. kueioneren, nschw. kujonera, nnorw. kujonere. – sein; zu beachten ist sumer. gu ’Stier, Rind’. Im GerDF 1 (1913), 408. manischen ist die Bedeutung (wie bei anderen Haustierbezeichnungen) auf das Femininum eingeKüken Sn std. (18. Jh.). Aus dem Niederdeutschen überschränkt worden. nommen, mndd. küken, mndl. cuken. Dieses setzt wie Ebenso nndl. koe, ne. cow, nschw. ko, nisl. ky´r; ÞBüffel, ae. cicen ’Küken’ ein (g.) *ku¯kı¯na- voraus; vergleichÞCowboy. – Peeters, Ch. ZVS 88 (1974), 134–136; Oshiro, T. bar sind anord. kju´klingr und md./obd. Küchlein. OfOrient 24 (1988), 50 (zu den anatolischen Sprachen); Röhrich fenbar ist *kuk- (evtl. ist auch eine Hochstufe *keuk2 (1992), 902–906; Griepentrog (1995), 233–256; EWNl 3 beteiligt) eine Lautnachahmung, ähnlich *kok- (ae. (2007), 98. cocc, anord. kokr) für den ÞHahn. Kuhfuß Sm ’Nagelzieher’ per. fach. (18. Jh.). Nach dem Ebenso nndl. kuiken, ne. chicken. – EWNl 3 (2007), 142f. klauenförmig gespaltenen Ende dieses Werkzeugs. Kukumer Sf ’Gurke’ per. arch. (16. Jh.). Entlehnt aus l. Kuhhaut Sf (in der Wendung ’das geht auf keine Kuh-

cucumis (-eris) m. ’Gurke’. haut’) std. phras. (16. Jh.). Vermutlich bezogen auf Ebenso nndl. komkommer, ne. cucumber, nfrz. concombre. das aus Tierhäuten hergestellte Pergament. Da dieses Kukuruz Sm ’Mais’ per. österr. (20. Jh.). Entlehnt aus eigentlich aus Schafsleder hergestellt wurde, erbringt serb. kukuruz. die Verarbeitung einer Kuhhaut ein besonders großes Wick (1939), 91; Kretschmer (1969), 330; Steinhauser und grobes Stück. (1978), 52f. Röhrich 2 (1992), 906–908.

kühl Adj std. (9. Jh., gikuolen 8. Jh.), mhd. küele, ahd.

kuoli, mndd. *coel in kœlen ’kühlen’. Aus wg. *ko¯ljaAdj. ’kühl’, auch in ae. co¯l (vgl. auch anord. ko´lna ’kalt werden’). Dehnstufiges Adjektiv zu g. *kal-aVst. ’frieren’ (s. unter Þkalt). Abstraktum: Kühle; Verb: kühlen; Nomen Agentis: Kühler. Ebenso nndl. koel, ne. cool; ÞKühlte. – Heidermanns (1993), 339; EWNl 3 (2007), 99.

Kuhle Sf ’Mulde’ erw. reg. (19. Jh.). Aus mndd. kule,

oberdeutsch entspricht nicht mehr übliches kaule ’Grube’. Herkunft unklar. Vielleicht zu gr. gy´alon n. ’Höhlung, Wölbung’, auch ’Höhlung der Hand’, l. vola ’Höhlung der Hand’, so dass (ig.) *guwl-/*gu¯l˙ vorauszusetzen wäre. ÞKaute, ÞKolk, ÞKugel. – Röhrich 2 (1992), 908; EWNl 3 (2007), 143.

Kühlte Sf ’leichte Brise’ per. ndd. (13. Jh., Form 18. Jh.).

kulant Adj ’entgegenkommend’ erw. fach. (19. Jh.).

Entlehnt aus frz. coulant (eigentlich ’beweglich, flüssig’), dem PPräs. von frz. couler ’gleiten lassen, fließen, durchseihen’, aus l. co¯la¯re ’durchseihen, reinigen, läutern’, zu l. co¯lum ’Seihkorb, Seihgefäß’. Abstraktum: Kulanz. Ebenso nndl. coulant, nnorw. kulant; ÞKulisse. – Schirmer (1911), 113; EWNl 1 (2003), 497.

Kule Sf ÞKuhle. Kuli1 Sm ’billiger Arbeiter, Tagelöhner’ erw. exot.

(19. Jh.). Entlehnt aus ne. cooly, coolie, dieses aus i. kulı¯; dies ist offenbar ursprünglich der Name eines Stammes in Gujurat (NW-Indien), dessen Mitglieder sich häufig als Tagelöhner verdingten (evtl. eher aus tamil. ku¯li ’Miete, Pacht’. Ebenso nndl. koelie, ne. coolie, nfrz. coolie, nschw. kuli, nnorw. kuli. – Littmann (1924), 120; Rey-Debove/Gagnon (1988), 187.

Eigentlich als külde (andfrk. cuolitha) ein Abstraktum Kuli2 (meist mit kurzem u gesprochen) Sm ’Kugelzu Þkühl; das t beruht auf falscher Umsetzung ins schreiber’ erw. stil. (20. Jh.). 1928 gründet der KaufHochdeutsche. mann W. Riepe in Hamburg eine Firma zur Herstelkühn Adj std. (9. Jh.), mhd. küen(e), ahd. kuoni, mndd. lung des von ihm so genannten Tintenkuli, einer Verko¯ne, mndl. coene. Aus g. *ko¯ni- Adj., auch in anord. besserung des amerikanischen Stylopen, eines kœnn, ae. ce¯ne ’erfahren, kundig’ (so noch anord.), Schreibgeräts, das mit Tinte und einem Schreibröhrdann wg. ’kühn’. Der Bedeutungsübergang wurde chen arbeitete. Mit dem Markennamen wurde auf wohl begünstigt durch Komposita wie anord. ÞKuli 1 angespielt: das Gerät sollte ein preiswerter vı´gkœnn ’kampferfahren’. Deshalb zu kann, Þkönnen. und zuverlässiger Diener sein. Es wurde dann in der Abstraktum: Kühnheit. Funktion als billiges (und durchschreibendes) Ebenso nndl. koen, ne. keen, nisl. k¢nn; Þkönnen. – SchaSchreibgerät abgelöst durch den Kugelschreiber, und bram, H. Anglia 74 (1962), 181–187; Heidermanns (1993), offenbar wurde Kuli als Abkürzung für Kugelschreiber 339f.; EWNl 3 (2007), 99f. gebraucht (was von der Wortform her nicht naheliegt). Die Kürzung des Vokals ist wohl affektiv (man müsste eigentlich Kulli schreiben).

kulinarisch kulinarisch Adj ’die (feine) Kochkunst betreffend’ erw.

fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus l. culı¯na¯rius, zu l. culı¯na ’Küche’, zu l. coquere ’kochen, reifen’ (die lautliche Entwicklung ist aber unklar). Ebenso nndl. culinair, ne. culinary, nfrz. culinaire, nschw. kulinarisk, nnorw. kulinarisk; ÞAprikose, ÞBiskuit, ÞBiskotte, Þkochen. – Strauss u.a. (1989), 643f.; EWNl 1 (2003), 506.

Kulisse Sf ’Bühnenhintergrund, verschiebbare bemalte

Seitenwand’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. coulisse, aus afrz. coleı¨ce ’Fallgatter, Rinne, Schiebefenster’ (also etwas, das verschoben werden kann), Substantivierung von afrz. coleı¨z ’zum Durchseihen bestimmt, flüssig’, zu afr. couler ’durchseihen, fließen’, aus l. co¯la¯re ’durchseihen, reinigen, läutern’, zu l. co¯lum n. ’Seihkorb, Seihgefäß’. Die Bedeutungsentwicklung geht also von ’fließen’ zu ’verschieben’. Ebenso nndl. coulisse, ne. coulisse, nfrz. coulisse, nschw. kuliss, nnorw. kulisse; Þkulant. – Schirmer (1911), 113; DF 1 (1913), 409; Röhrich 2 (1992), 909; EWNl 1 (2003), 497.

548 und der Kulturkritik (Diss. masch. Tübingen 1971); HWPh 4 (1976), 1309–1324; Cottez (1980), 107f.; Koller, E. Klagenfurter Beiträge zur Sprachwissenshaft 15/16 (1989/90) 209–219; GB 7 (1992), 679–774; BlW 4 (1992), 322f.; EWNl 1 (2003), 507.

Kumme Sf ÞKumpf . Kümmel Sm std. (8. Jh.), mhd. kumin, ahd. kumı¯(n) n.,

kumih, kumil, mndd. komı¯n. Ebenso ae. cymen m./n.; entlehnt aus l. cumı¯num n. (wohl über eine romanische Sprache, etwa frz. comin). Das Wort geht über gr. ky´mı¯non n. auf eine semitische Bildung zurück (assyr. kamuˆnu ’Mäusekraut’, arab. kammu¯n, hebr. kammo¯n). Neben die Form mit n tritt später durch SuffixErsatz eine l-Bildung, die sich auf dem Weg zur Hochsprache durchsetzt (ahd. kumil, mhd. kümel). Ein anderer Suffix-Ersatz in obd. kümmich. Ebenso nndl. komijn, ne. cumin, nfrz. cumin, nschw. kummin, nisl. ku´men; Þverkümmeln. – Littmann (1924), 17; Lokotsch (1975), 84; LM 5 (1991), 1569f.; Röhrich 2 (1992), 909; EWNl 2 (2005), 646f.; 3 (2007), 145.

Kuller Sf ’Kugel’ per. reg. (20. Jh.). Expressive Variante Kümmelblättchen Sn ’Kartenspiel (Dreiblatt)’ per.

zu ÞKugel, kulle aus *kugle. Dazu kollern2, kullern ’kugeln’ (zu einem anderen kollern s. unter Þkollern 1). kulminieren Vsw ’seinen Höhepunkt erreichen’ per.

arch. (19. Jh.). Das Spiel ist benannt nach dem dritten Buchstaben des hebräischen Alphabets (Gimel), der als Zahlzeichen ’drei’ bedeutet. Littmann (1924), 57.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. culminer, dieses aus l. Kümmeltürke Sm (abwertende Bezeichnung) erw. vulg. (18. Jh.). Ursprünglich ’Student aus der Umgebung culmina¯re, zu l. culmen ’höchster Punkt, Gipfel’. Ebenso nndl. culmineren, ne. culminate, nfrz. culminer, nschw. von Halle’ (18. Jh.), weil diese Gegend wegen ihres kulminera, nnorw. kulminere; Þexzellent. – DF 1 (1913), 409; umfangreichen Kümmelanbaus scherzhaft KümmelEWNl 1 (2003), 506f. türkei genannt wurde. Dann Verallgemeinerung zu verschiedenen anderen abschätzigen Bedeutungen; Kult Sm ’Verehrung’ std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. cultus neuerdings auch umgedeutet als Schimpfwort zu ’Pflege, Verehrung’, zu l. colere ’pflegen, verehren’. ’türkischer Gastarbeiter’. Ebenso ne. cult, nfrz. culte, nndl. cultus, nschw. kult, nnorw. kult; Þkultivieren. – HWPh 4 (1976), 1300–1309; BlW 4 (1992), 324–326.

kultivieren Vsw std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. cultiver,

dieses aus ml. cultivare, das über ein nicht bezeugtes Adjektiv auf -t-ı¯vus zu l. colere (cultum) ’pflegen, bebauen, verehren’ gehört. Ebenso nndl. cultiveren, ne. cultivate, nfrz. cultiver, nschw. kultivera, nnorw. kultivere. – EWNl 1 (2003), 507.

Kultur Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. cultu¯ra, zu l. colere

Kummer Sm std. (13. Jh.), mhd. kumber, kummer (auch

’Belastung, Beschlagnahme’ u.a.), daneben (so noch wndd. und md.) ’Schutt’. Die konkrete Bedeutung ist entlehnt aus vor- rom. comberos ’Zusammengetragenes’, die seelische Bedeutung aus der französischen Weiterentwicklung des gleichen Wortes, vgl. afrz. encombrier ’Beschwerde, Unglück’ (u.a.). Abstraktum: Kümmernis; Adjektiv: kümmerlich. Ebenso nndl. kommer, ne. encumbrence, nfrz. encombrement,

nschw. bekymmer, nnorw. kummer. – Götz, H. ASAWL 49 ’pflegen, bebauen’. Gemeint ist zunächst der Land(1957), 126–129; Röhrich 2 (1992), 909f. bau und die Pflege von Ackerbau und Viehzucht; im 17. Jh. Übertragung auf ml. cultu¯ra animi ’Erziehung kümmern Vsw std. (12. Jh.). Abgeleitet von ÞKummer, zum geselligen Leben, zur Kenntnis der freien Künste und zwar 1) in der Bedeutung ’sich sorgen um etwas’, refl. mit gleicher Bedeutungsentwicklung wie bei sorund zum ehrbaren Leben’ (Pufendorf); dann Ausgen; 2) in der Bedeutung ’dahinvegetieren’ wohl abweitung und Übernahme in die Volkssprache. Adjekhängig von kümmerlich, das eine ähnliche Bedeutiv: kulturell. tungsentwicklung durchgemacht hat wie erbärmlich. Ebenso nndl. cultuur, ne. culture, nfrz. culture, nschw. kultur, nnorw. kultur. – DF 1 (1913), 409–411; Niedermann, J.: Kultur Das Verb erscheint in dieser Bedeutung zuerst jäger(Firenze 1941); Baur, I.: Die Geschichte des Wortes Kultur sprachlich und bezogen auf Pflanzen, so dass eine (Diss. München 1951); Baur, I. MS 71 (1961), 220–229; KroVermenschlichung (’bekümmert sein’) anzusetzen eber, A. L., Kluckhohn, C.: Culture (New York 1952); ist. Präfigierungen: be-, verkümmern. Schell, H.: Kultur und Zivilisation (Bonn 1959); Pflaum, M.

WW 15 (1965), 289–300; Schlüsselwörter 3 (1967); Banuls, A. EG 24 (1969), 171–180; Banuls, A. AB 15 (1971), 14f.; Sobriella,

D.: Der Ursprung des Kulturbegriffs, der Kulturphilosophie

Kummet Smn (Kumet omd. n., Kumt omd., ondd. n.)

’Halsjoch der Zugtiere’ per. omd. (15. Jh.). Entlehnt aus poln. choma˛to oder obsorb. chomot, deren Ety-

künstlich

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mologie unklar ist; vielleicht handelt es sich um eine Entsprechung zu ÞHamen 2. Nach Vietze letztlich aus einem mongolischen Wort. Ebenso ndn. komtes¢le, kumtes¢le. – Steinhauser (1978), 76–78; Vietze, H.-P. PIAC 27 (1984, ersch. 1989), 432 (mit Literatur); LM 5 (1991), 1570; RGA 17 (2001), 478–486.

Kumpan Sm ’Kamerad, Mittäter’ erw. stil. (13. Jh.),

*g´n¡-to-). Zu dem Stamm, der in kennen und können ˙ vorliegt − formal gehört das Wort näher zu Þkönnen, semantisch zu Þkennen. Abstraktum: ÞKunde; Verb: künden. Ebenso ne. in uncouth, nisl. kunnur. – EWNl 3 (2007), 110f.

Kunde Sm std. (8. Jh., Bedeutung 16. Jh.), mhd. künde,

mhd. kompa¯n, kumpa¯n. Ist entlehnt aus afrz. compain, dieses aus ml. compania f. ’Gemeinschaft’, zu l. compa¯gina¯re ’sich vereinigen, sich zusammenschließen’, zu l. compa¯ge¯s f. ’Verbindung’.

kunde, ahd. kund(e)o ’Zeuge, Künder’. Eigentlich ’der Bekannte’ zu Þkund. Die aktive und die passive Bedeutung stehen nebeneinander. Im Verlauf der frühneuhochdeutschen Zeit entsteht die heutige Bedeutung, zunächst ’Wirtshausgast’.

Ebenso ne. companion, nfrz. compagnon, compain, nschw. kumpan, nnorw. kompan, kumpan; ÞKompagnon. – DF 1 (1913), 411; Miettinen (1962), 180–189; Bork, H. D. ASNSL 217 (1980), 1–16; Meier, H. ASNSL 217 (1980), 17–25.

kündigen Vsw std. (13. Jh.). Die ursprüngliche Bedeu-

Kumpel Sm std. stil. (16. Jh.). Über die Soldatensprache

aus der Sprache der Bergleute. Für diese ist kumpe bezeugt, zu dem Kumpel eine Weiterbildung sein kann; die kurze Form aus ÞKumpan. Möglich ist auch ein Suffixersatz von n zu l aus einer abgeschwächten Form *kumpen. Ebenso nndl. kompel, nschw. kompis, nnorw. kompis. – Wolf (1958), 33.

kümpeln Vsw (ein bestimmtes Verfahren, Blech zu bie-

gen) per. fach. (20. Jh.). Eigentlich ’Blech in Napfform bringen’. Zu kump, der niederdeutschen Form von ÞKumpf . Kumpf Sm ’Napf, Gefäß für den Wetzstein’ per. obd.

EWNl 3 (2007), 145.

tung ist ’kundig machen, verkündigen’; dann verengt zu der heutigen Bedeutung, bezeugt seit dem 19. Jh. Etwas älter aufkündigen in dieser Bedeutung. Kundschaft Sf std. (12. Jh.), mhd. kuntschaft. Ist zu-

nächst die ’Kunde, Nachricht’; dann ’Kreis von Bekannten’ und schließlich die Bedeutung ’Käuferkreis’. Die alte Bedeutung im Nomen Agentis Kundschafter; im Verb auskundschaften u.a. Kunft Sf per. arch. (8. Jh.). Abstraktum zu Þkommen in

ÞAbkunft, ÞHerkunft, ÞZukunft und Ankunft. Mhd. kunft, ahd. kunft, kumft mit Einschub von f zwischen altem m und ti-Suffix (ti-Abstraktum). Ohne solchen Einschub gt. gaqumþs, anord. samkund. Hierzu das Adjektiv künftig, mhd. künftic, kümftic, ahd. kumftı¯g, kunftı¯g ’durch Kommen charakterisiert’, ’was kommen wird; zukünftig’.

(13. Jh.), mhd. kumpf, mndd. kump. Aus vd. *kumpa-; daneben mit -b ae. cumb ’Getreidemaß’, wohl auch Pijnenburg, W. NW 18 (1978), 64–69. nhd. (reg.) ÞKumme f. ’tiefe Schale’, mndd. kumme f. kungeln Vsw ’etwas unter der Hand verabreden’ erw. ’rundes, tiefes Gefäß’. Vergleichbar ist gr. ky´mbos reg. (19. Jh.). Eigentlich kunkeln. Gemeint ist ’etwas m./n. ’Gefäß, Becher’, ai. kumbha´- ’Gefäß, Topf’. Verim gemeinsamen Gespräch abmachen’ nach dem Gemutlich liegt überall Entlehnung aus einer unbespräch der Frauen untereinander in der Kunkel- oder kannten Substratsprache vor. Spinnstube beim gemeinsamen Spinnen (ÞKunkel). Þkümpeln. – Hildebrandt, R. DWEB 3 (1963), 375–377; Lühr (1988), 117f. (anders); EWNl 3 (2007), 107.

Kumst Sm ’Eingemachtes’, besonders ’Sauer-

kraut’ per. ndd. (10. Jh.), spahd. kumpost, kompost ’Eingemachtes’. Aus l. compositum ’zusammengelegt’ (zu l. ponere ’legen’; Þkomponieren), das substantiviert eine Reihe von Sonderbedeutungen hat (auch ÞKompott und ÞKompost gehören hierher). kumulieren Vsw ’anhäufen’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt

aus l. cumula¯re, zu l. cumulus ’Haufen’. Ebenso nndl. cumuleren, ne. cumulate, nfrz. cumuler, nschw. kumulera, nnorw. kumulere.

Kumulus Sm ’Haufenwolke’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt

aus l. cumulus ’Haufen’. Ebenso nndl. cumuluswolk, ne. cumulus, nfrz. cumulus, nnorw. kumulussky.

kund Adj erw. obs. (8. Jh.), mhd. kunt, ahd. kund, as.

ku¯th. Aus g. *kunþa- Adj. (altes to-Partizip) ’bekannt’, auch in gt. kunþs, anord. kunnr, ae. cu¯þ, afr. ku¯th. Das gleiche Partizip in l. no¯tus ’bekannt’ (ig.

Kunkel Sf ’Spinnrocken’ per. arch. (9. Jh.), mhd. kun-

kel, ahd. konacla, klonacla, kuncula. Entlehnt aus l. conucula, zu l. colus ’Spinnrocken’ (mit Dissimilierung − kaum von l. conus ’Kegel’ abhängig). Ebenso nfrz. quenouille; Þkungeln. – Maurer, K. RJ 9 (1958), 282–298.

Kunst Sf std. (9. Jh.), mhd. kunst, ahd. kunst, as. kunst,

ku¯st. Wie afr. kunst ein ti-Abstraktum mit Übergangslaut s zu Þkönnen. Die Einengung auf künstlerische Betätigung und auf den Gegensatz zu Natur ist erst seit dem 18. Jh. ausgeprägt. Nomen Agentis: Künstler; Verb: künsteln. Trier, J. MUM 3 (1931), 33–40; HWPh 4 (1976), 1357–1434; Röhrich 2 (1992), 910f.; Wellmann, H. FS Kettmann (1993), 121–135; EWNl 3 (2007), 147f.

künstlich Adj std. (13. Jh.), mhd. kunstlich bedeutet

’kunstvoll’. Die heutige Bedeutung entsteht mit dem unter ÞKunst genannten Gegensatz. Die ältere Adjektivform ist ahd. kunstig.

kunterbunt kunterbunt Adj std. (18. Jh.). Herkunft unklar; viel-

leicht aus älterem kontrabund ’vielstimmig’ (dieses zu ÞKontrapunkt). Im Bairischen ist kunter das ’Kleinvieh’, was auch eine Rolle gespielt haben kann. Kunz Name std. phras. zwi. (16. Jh.). Koseform des Na-

mens Konrad (ahd. Kuonra¯d), wie Hinz zu Heinrich. Wegen der Häufigkeit beider Namen wird ÞHinz und Kunz zu ’jeder beliebige’. Meisinger (1924), 51–53.

Kupee Sn ÞCoupe´. Kupfer Sn std. (9. Jh.), mhd. kupfer, kopfer, ahd. kupfar,

550 kuppeln Vsw erw. obs. (13. Jh.), mhd. kuppeln, kupelen,

koppeln, kopelen ’verbinden’. Kann von mhd. kup(p)el, kop(p)el ’Band, Verbindung’ (ÞKoppel 1) abgeleitet sein; ist aber eher schon als Verb von l. copula¯re ’verbinden’ (wohl über das Französische) entlehnt. Die heutigen Bedeutungen (1. ’verbinden’ in der Technik, 2. ’zum Beischlaf zusammenbringen’) sind spätere Spezialisierungen. Ebenso nndl. koppelen, ne. couple, nfrz. coupler, nschw. koppla, nnorw. koble; ÞKopula.

Kur Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. cu¯ra ’Sorge, Fürsor-

ge, Augenmerk’. Zunächst allgemein für ’medizinikuffar, mndd. kopper. Neben anord. koparr m., ae. sche Fürsorge’ verwendet, dann Verengung der Becopor, mndl. koper. Die Geminate beruht auf -pr- zu deutung. Verben: kuren, kurieren. -ppr-, das einfache p auf p vor sonantischem r (oder Ebenso nndl. kuur, ne. cure, nfrz. cure, nschw. kur, nnorw. kur. vor Sprossvokal + r). Entlehnt aus l. cuprum, cyprum, Komposita zu l. cu¯ra ’Sorge’ sind (über das Französische) älter aes cuprium, dieses aus gr. ky´prios Adj. ’aus KupÞManiküre und ÞPediküre; eine Ableitung ist Þkurios, und auf fer’ (eigentlich ’zyprisch’) ’das Zyprische’, weil Zyeine alte Zusammensetzung geht Þsicher zurück. Von dem Verb l. cu¯ra¯re ’sorgen’ kommen ÞKuratel, ÞKuratorium und pern der Hauptlieferant für Kupfer war. Die ähnlich von einer Präfigierung ÞProkura, vom PPP. Þakkurat. – DF 1 klingenden nicht-indogermanischen Kupferwörter (1913), 411f.; EWNl 3 (2007), 149f. (sumer. zabar u.a.) dürfen aber nicht übersehen werden. Adjektiv: kupfern. Kür Sf ’Wahl’ (heute meist bei Sportveranstaltungen als Gegensatz zur Pflicht) erw. fach. (9. Jh.), mhd. kür(e), Ebenso nndl. koper, ne. copper, nfrz. cuivre, nschw. koppar, nnorw. kobber, nisl. kopar. – Lippmann (1919), 537–549; Schaahd. kuri ’Überlegung, Prüfung, Wahl’. Wg. Abstrakchermeyr Klio 17 (1921) 230–239; Lüschen (1979), 259f.; Neu, tum *kuz-i- m./n. ’Wahl’ zu *keus-a- Vst. ’wählen’ E. in Meid (1987), 182; LM 5 (1991), 1576f.; Paliga, S. Linguis(Þkiesen), auch in ae. cyre m., afr. kere m./f., as. in tica (Ljubljana) 33 (1993), 163–165; RGA 17 (2001), 497f.; self-kuri m. Das Nomen war praktisch ausgestorben EWNl 3 (2007), 116. und ist dann im 19. Jh. wiederbelebt worden. kupieren Vsw per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. couEWNl 3 (2007), 51f., 53,148. per ’schneiden’ in verschiedenen technischen BedeuKurare Sn (ein Pfeilgift) per. exot. (20. Jh.). Entlehnt aus tungen; dieses zu frz. coup ’Schlag, Streich’. span. curare m., dieses aus Tupı´ urari (wörtlich: ’der Ebenso nndl. couperen, nfrz. couper, nschw. kupera, nnorw. Getroffene stürzt’). kupere; ÞCoup. – Brunt (1983), 218; EWNl 1 (2003), 497. Kupon Sm erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. coupon

’Abschnitt’, zu frz. couper (Þkupieren). Die Bedeutungsentwicklung zu ’Gutschein’ über ’Zinsabschnitt bei Wertpapieren’. Ebenso nndl. coupon, ne. coupon, nfrz. coupon, nschw. kupong, nnorw. kupong. – DF 1 (1913), 120; EWNl 1 (2003), 498.

Kuppe (auch Koppe) Sf erw. fach. (18. Jh.). Aus dem

Niederdeutschen; hochdeutsche Entsprechungen sind ahd. kupfa ’Kopfbedeckung’, mhd. kupfe, gupfe. Die Wörter sind sicher entlehnt; doch passt l. cuppa ’Becher’ semantisch nicht recht (über ’Haube’ zu ’Hügel’?). Deshalb Herkunft unklar. Ebenso nndl. kop, ne. cup, nfrz. coupe, kopje, nschw. kopp, nnorw. kopp. S. auch ÞGipfel, ÞKuppel. – Wick (1939), 70f.; Lühr (1988), 275f. (anders).

Ebenso nndl. curare, ne. curare, nfrz. curare, nschw. curare.

Kürass Sm ’Brustharnisch’ erw. obs. (13. Jh.), mhd. cur-

rı¯z n. In verschiedenen Lautformen entlehnt aus afrz. cuirace. Dieses vermutlich zu l. coria¯rius ’ledern’, also ’Lederpanzer’ (zu l. corium n. ’Leder’). Dazu Kürassier ’Panzerträger’ (bestimmte Truppenart). Ebenso nndl. kuras, ne. cuirass, nfrz. cuirasse, nschw. kyrass, nnorw. kyrass. – Miettinen (1962), 109–112; LM 5 (1991), 1578; EWNl 3 (2007), 148.

Kuratel Sn ’Vormundschaft, Bevormundung’ erw.

fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. curatela f. ’Pflegschaft’, zum PPP. von l. cu¯rare ’sorgen’. Ebenso nfrz. curatelle, nndl. curatele, nschw. kuratel; ÞKur. – EWNl 1 (2003), 507f.

Kuratorium Sn ’beaufsichtigendes Gremium’ per. fach.

(18. Jh.). Neoklassische Bildung zu l. cu¯ra¯tor ’Pfleger’. aus l. cuppula, cu¯pula, einem Diminutiv zu l. cuppa Ebenso nndl. curatorium, ndn. kuratorium. ’Becher’ stammt. Der mögliche Einfluss von arab. alKurbel Sf std. (15. Jh.), mhd. kurbe, ahd. kurba. Entqubba ’gewölbtes Gebäude oder Gemach’ ist nicht ausreichend bestimmbar. lehnt aus frz. courbe, das l. *curva voraussetzt, zu l. curvus ’gekrümmt’. Die l-Bildung ist nur deutsch. Ebenso nndl. koepel, ne. cupola, nfrz. coupole, nschw. kupol, kupa, nnorw. kuppel. S. auch ÞKuppe. – Littmann (1924), 89; Verb: kurbeln.

Kuppel Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus it. cupola, das wohl

LM 5 (1991), 1577f.; Kiesler (1994), 264f.; EWNl 3 (2007), 100.

ÞKurve. – LM 5 (1991), 1578.

Kusine

551 Kürbis Sm std. (9. Jh.), mhd. kürbiz m./n., ahd. kurbiz.

Wie ae. cyrf¢t entlehnt aus ml. (cu)curbita ’(Flaschen)Kürbis’, das seinerseits wohl aus einer unbekannten Sprache entlehnt ist. Ebenso ne. gourd, nfrz. courge, nschw. kurbits, nnorw. gresskar. – LM 5 (1991), 1579; Sauerhoff (2001), 159–161.

küren Vsw ’wählen’ erw. obs. (16. Jh.). Späte Bildung zu

ÞKür, mit der das ältere Þkiesen abgelöst wurde. S. auch Þkören, Þkrüsch. – EWNl 3 (2007), 52.

Kurfürst Sm std. (14. Jh.). Bezeichnung der Fürsten, die

den Kaiser wählen. Zu ÞKür und ÞFürst. LM 5 (1991), 1581–1583.

Kurie Sf ’päpstliche Behörde’ per. fach. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus ml. curia, dieses aus l. cu¯ria ’Amtsgebäude’. Ebenso nndl. curie, ne. curia, nfrz. curie, nnorw. kurie, nisl. ku´rı´a. – LM 5 (1991), 1583–1589; EWNl 1 (2003), 508.

Kurier Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. courrier, dieses

’Pelz’, russ. ko´rzno ’mit Pelz verbrämter Mantel’, die ihrerseits aus einer östlichen Sprache entlehnt sind). Ebenso nschw. körsnär. – Wick (1939), 36f.; Hansen, O. ZDPh 18 (1942), 331–337; Schier, B.: Die Namen des Kürschners (Leipzig, Berlin 1949), 194; Bielfeldt (1965), 54f.; Steinhauser (1978), 42f.; Frenzel, M. in K. Müller (1976), 59–77; LM 5 (1991), 1590.

kursiv Adj ’schräg, laufend’ erw. fach. (17. Jh.). Zu Kursive ’Schrägschrift’, entlehnt aus ml. scriptu ¯ ra cursiva, eigentlich die ’fortlaufend’ geschriebene Schreibschrift im Gegensatz zur Druckschrift. Ebenso nndl. cursief, ne. cursive, nfrz. cursif, nschw. kursiv, nnorw. kursiv. – LM 5 (1991), 1590; EWNl 1 (2003), 509.

kursorisch Adj ’fortlaufend, beiläufig’ per. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus ml. curso¯rius ’zum Laufen gehörig’, zu l. cursor ’Läufer’ und l. currere ’laufen’. Ebenso nndl. cursorisch, ne. cursory, nfrz. cursif, ndn. kursorisk, nnorw. kursorisk; Þkonkurrieren.

aus it. corriere, einer Ableitung von it. correre ’laufen, Kurtisane Sf ’Geliebte eines Adeligen’ erw. fremd. eilen’, aus l. currere. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. courtisane, dieses aus it. Ebenso nndl. koerier, ne. courier, nfrz. courrier, nschw. kurir, cortigiana, einer Movierung von it. cortigiano m. nnorw. kure´r. Zur Sippe von l. currere ’laufen’ s. Þkonkurrieren. ’Höfling’, zu it. corte m. ’Hof, Fürstenhof’, aus l. co¯rs – Jones (1976), 255f.; EWNl 3 (2007), 100. (-rtis) bzw. l. cohors (-rtis) ’Hof, Gehege’, zu l. hortus m. ’Garten’. kurios Adj std. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. curieux und l. cu¯rio¯sus ’sorgfältig, interessiert, wissbegierig’, Ebenso nndl. courtisane, ne. courtesan, nfrz. courtisane, nschw. kurtisan, nnorw. kurtisane. Zur germanischen Verwandtschaft zu l. cu¯ra ’Sorge’. Zunächst in der Bedeutung s. ÞGarten; ÞGardine, ÞKohorte. – Jones (1976), 258; EWNl 1 ’wissenswert, merkwürdig’ übernommen, dann Ver(2003), 499. engung auf ’merkwürdig’. Konkreta: Kuriosität, Kuriosum. Kurve Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. curva (lı¯nea) Ebenso nndl. curieus, ne. curious, nschw. kuriös, nnorw. kuriøs; ’gekrümmte Linie’, dem Femininum von l. curvus ÞKur. – DF 1 (1913), 413f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 253; Blu’krumm, gekrümmt, gebogen, gewölbt’. Zunächst ein menberg, H. AB 14 (1970), 7–40 (zu Curiositas in der alten Wort der Mathematik. Verb: kurven. Bedeutung ’Wissbegier’); EWNl 1 (2003), 508f.

Kurpfuscher Sm std. stil. (18. Jh.). Als ’Pfuscher im Be-

reich des Heilwesens’ auf nicht ausgebildete Ärzte bezogen und dann verallgemeinert (ÞKur). Kurs Sm std. (15. Jh., vereinzelt 9. Jh.). Entlehnt aus l.

Ebenso nndl. curve, ne. curve, nfrz. courbe, nschw. kurva, nnorw. kurve; ÞKurbel. – DF 1 (1913), 415.

kurz Adj std. (9. Jh.), mhd. kurz, ahd. kurz, kurt. Ent-

lehnt aus l. curtus ’kurz’ (eigentlich ’abgeschnitten’ zu einer Wurzel ig. *ker- ’abschneiden’). Später noch einmal als ahd. kurt, afr. kurt, kort, anord. kortr, kurtr entlehnt. Abstraktum: Kürze; Verb: kürzen.

cursus ’Lauf, Gang’ unter Einwirkung der romanischen Sprachen. Die Bedeutung ’Wertstand’ (BörsenEbenso nndl. kort, ne. short, nfrz. court, nschw. kort, nnorw. kurs) ist seit dem 16. Jh. bezeugt (als ’Preis’) und steht kort. – Röhrich 2 (1992), 912f.; EWNl 3 (2007), 120. unter dem Einfluss von it. corso. Gemeint ist der ’Verlauf der Transaktionen’ und der sich daraus erkürzlich Adv std. (9. Jh.). Zunächst Adverb zu Þkurz, gebende Preis. − Seit dem 16. Jh. unter dem Einfluss dann spezialisiert auf ’vor kurzer Zeit’. von frz. cours ’Ausfahrt, Fahrtroute’, zunächst in la- kusch Interj ’hinlegen’ std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. teinischer Form als Kursus. − Seit dem 17. Jh. couche ’leg dich’ (frz. coucher aus l. colloca¯re ’hinle’Lehrgang’, unmittelbar aus dem lateinischen Wort gen’; Þlokal). Ursprünglich Zuruf an Jagdhunde; entnommen. Verb: kursieren. stärker verallgemeinert ist vor allem die Ableitung Ebenso nndl. koers, cursus, ne. course, nfrz. cours, nschw. kurs, kuschen ’hinlegen, stillsein’. nnorw. kurs. Zur Sippe des zugrundeliegenden l. currere ’laufen’ s. Þkonkurrieren. – DF 1 (1913), 414f.; EWNl 1 (2003), 509; 3 (2007), 100.

Kürschner Sm std. (13. Jh.), mhd. kürsen¢re, kürsner.

Ebenso nndl. koest, nfrz. coucher, nschw. kusch. S. auch Þkuscheln. – DF 1 (1913) 416; EWNl 3 (2007), 100.

Kuschel Sf ÞKussel.

Nomen Agentis zu mhd. kürsen, kursen f. ’Pelzrock’, kuscheln Vsw std. stil. (20. Jh.). Diminutiv-Form zu kuschen (s. unter Þkusch), zunächst von Tieren gesagt. ahd. kursin(n)a, krusina, kursen f., as. kursina f. Dieses ist wie gleichbedeutendes afr. kersna f., spae. crusene f. Kusine Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. cousine, das auf entlehnt aus einer slavischen Sprache (urslav. *ku˘rzno l. co¯nsobrı¯na zurückgeht (also ’Tochter der Schwester’

Kussel

552

− in der ältesten Zeit hatten nur die Kinder der Kutte Sf std. (13. Jh.), mhd. kutte. Entlehnt aus ml. cotSchwester des Vaters eine besondere Bezeichnung, ta; dieses aus awfrk. *kotta ’grobes Wollzeug’. weil die Kinder der Brüder des Vaters Brüder und Ebenso ndn. kutte, nnorw. kutte. S. unter ÞKotze. – Suolahti (1929), 141; Knobloch, J. SW 8 (1983), 77–80; LM 5 (1991), 1593 Schwestern hießen, da sie im gleichen Haushalt leb(die umgekehrte Entlehnung vermutet). ten). Die französische Bezeichnung wurde aufgenommen, als die deutschen Namen, die zwischen der Kutteln Spl erw. obd. (13. Jh.), mhd. kutel f. Daneben Verwandtschaft väterlicherseits und der Verwandtmhd. kutelvlec m. (s. ÞFleck), fnhd. kotfleisch. Der schaft mütterlicherseits unterschieden, aufgegeben Auslaut und die Abgrenzung gegenüber ndd. kut wurden. Dabei ist Kusine stärker eingedeutscht wor’Eingeweide’ sind noch nicht ausreichend bestimmt. den und hat sich stärker durchgesetzt, als ÞCousin, Denkbar ist eine Verknüpfung mit einem Wort für das durch seinen Nasalvokal deutlicher fremd blieb. ’Bauch’ (auch ’Mutterleib, Scham’): gt. qiþus Ebenso ne. cousin, nfrz. cousine, nschw. kusin, nnorw. kusine. – ’(Mutter)-Leib’, anord. kvidrÑ m. ’Bauch’, ae. cwiþ m. EWNl 3 (2007), 123. ’Mutterleib’, ahd. quiti m. ’weibliche Scham’, die ihKussel (auch Kuschel) Sf ’verkümmerter Nadelrerseits mit l. botulus m. ’Darm, Wurst’ (Anlaut unbaum’ per. ondd. (19. Jh.). Entlehnt aus dem Baltiregelmäßig) zusammenhängen. schen. ÞKuddelmuddel, Þkuttentoll. – EWNl 3 (2007), 144. Vgl. lit. ku`ˇslas ’schwächlich, kümmerlich’. – Bielfeldt (1965), kuttentoll Adj ’mannstoll’ per. arch. (18. Jh.). Ein nie50.

küssen Vsw std. (9. Jh.), mhd. küssen, ahd. kussen, as.

derdeutsches Wort zu ndd. kutte ’weibliche Scham’ mit unklarem Zusammenhang zu dem unter ÞKutteln genannten Wort.

kussian. Aus n./wg. *kuss-ija- Vsw. ’küssen’, auch in anord. kyssa, ae. cyssan, afr. kessa. Daneben *kuk-ijaLühr (1988), 256. Vsw. ’küssen’ in gt. kukjan, ofr. kükken. Hierzu weiter Kutter Sm erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. cutter, Kuss m., mhd. kos n., kus, ahd. kus, kos, as. kus(s) aus eigentlich ein schnittiges, die Wogen durchschnein./wg. *kussum. ’Kuss’, auch in ae. cos(s), afr. koss, dendes Schiff, zu ne. to cut ’schneiden’. anord. koss. Lautgebärde, bei der das u die für den Ebenso ne. cutter, nfrz. cotre, nndl. kotter, nschw. kutter, Kuss typisch gerundeten Lippen hervorruft; entnnorw. kutter, nisl. ku´tter. – Ganz (1957), 126. sprechend gr. kyneı˜n (Aorist ´ekyssa), heth. kuwasˇ-, ai. cu´mbati ’küsst’, so dass bei diesem expressiven Wort Kuvert Sn ’Briefumschlag, Gedeck’ std. (18. Jh.). Entoffenbar die Lautverschiebung ausgeblieben ist. lehnt aus frz. couvert m., einer Ableitung von frz. couvrir ’bedecken, einhüllen’, zu l. cooperı¯re ’völlig beEbenso nndl. kussen, ne. kiss, nschw. nisl. kyssa. – van den Berg, B. TT 4 (1952), 59–62; Röhrich 2 (1992), 913f.; LM 5 decken’, zu l. operı¯re ’zudecken, bedecken’ und l. (1991), 1590–1592; EWNl 3 (2007), 148. kon-. Ebenso nndl. couvert, ne. cover, nschw. kuvert, nnorw. kuvert. Küste Sf std. (17. Jh.). Über südndl. küste entlehnt aus Zur germanischen Verwandtschaft s. Þwehren. – Schirmer afrz. coste (frz. coˆte) ’Küste’. Das französische Wort (1911), 116; DF 1 (1913), 416; Brunt (1983), 220f.; Röhrich 2 bedeutet eigentlich ’Rippe’, dann ’Seite’, dann (1992), 914; EWNl 1 (2003), 499. ’Küste’. Es gehört demgemäß zu l. costa f. ’Rippe’. Die ältere Bedeutung ’Seite’ zeigt sich auch in ÞKotelett. Kux Sm ’börsenmäßig gehandelter Bergwerksanteil’ per. fach. (15. Jh.). Zunächst Kukus u.ä.; entspreEbenso nndl. kust, ne. coast, nfrz. coˆte, nschw. kust, nnorw. chend cˇech. kukus; Entlehnungsrichtung unklar (evtl. kyst. – EWNl 3 (2007), 149. zu vergleichen cˇech. kousek ’kleiner Anteil’). VielKüster Sm erw. obs. (9. Jh.), mhd. kuster, guster, ahd. leicht aus ursprünglich kindersprachlichem Guggus, kustor, koster. Entlehnt aus ml. custor ’Wächter’, älter einer Reduplikationsform zu Þgucken (gucken l. cu¯sto¯s, wohl über afrz. coustre. Der spätere Umlaut ’spekulieren’, vgl. l. specula¯rı¯ in beiden Bedeutunberuht auf der Angleichung an die Berufsbezeichgen.) nungen mit Suffix Þ-er aus -a¯ri. Ebenso nndl. koster. Zu einem gleichbedeutenden, aber ursprungsverschiedenen Wort s. unter ÞKöster. – Petersen, H. ZDA 111 (1982), 1–8.

Kutsche Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus ung. kotsi, so be-

nannt nach dem Dorf Kocs bei Raab, wo angeblich solche Wagen (ursprünglich Wagen mit einem Sesselgeflecht) hergestellt wurden (sachlich nicht nachweisbar). Früher auch Gutsche u.ä. Nomen Agentis: Kutscher; Verb: kutschieren. Ebenso nndl. koets, ne. coach, nfrz. coche. – Cornides, D. Ungarisches Magazin 1 (Preßburg 1781), 15–21; Horwirt, H. Th. BGT 23 (1934), 130; Wackernagel, R. H. in Treue (1986), 209–212; EWNl 3 (2007), 101.

Wolf (1958), 204f.; Mendels, J. MLN 76 (1961), 336–341; Bielfeldt (1965), 27; Eichler (1965), 77f.; LM 5 (1991), 1595.

Kybernetik Sf ’Lehre von den Regelungs- und Steue-

rungsmechanismen’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. cybernetics, dieses aus gr. kyberne¯tike¯´ (te´chne¯) ’Kunst des Steuerns, Steuermannskunst’, zu gr. kyberne¯´te¯s m. ’Steuermann’. Der Ausdruck wurde geprägt von N. Wiener 1948. Ebenso nndl. cybernetica, ne. cybernetics, nfrz. cyberne´tique, nschw. cybernetik, nnorw. kybernetikk. – Lang, E.: Zur Geschichte des Wortes ’Kybernetik’ (Quickborn 1968); HWPh 4 (1976), 1467f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 207; Carstensen 2 (1994), 800.

L Lab Sn erw. fach. (10. Jh., ka¯silubbi 9. Jh.), mhd. lap,

labial Adj erw. fach. (17. Jh.). Als ’mit den Lippen geahd. lab, mndd. lip, laff . Daneben mit Schwundstufe bildeter Laut’ neoklassische Bildung zu l. labium ahd. ka¯silubba f., ka¯silubbi, ae. (cy¯s-)lyb(b), mndl. leb’Lippe’. Ebenso nndl. labiaal, ne. labial, nfrz. labial, nschw. labial. – be, lib(be); wieder anders ndd. slibber, slipper, nhd. Cottez (1980), 217. (regional) Schlipper(milch) ’abgerahmte Milch, Sauermilch’, wozu (ohne s-) mhd. liberen ’gerinnen’, labil Adj std. (19. Jh.). Entlehnt aus spl. la¯bilis ’leicht mndd. leveren, ahd. lebar-, lebir-, libermeri gleitend, leicht verfallend’, zu l. la¯bı¯ (la¯psus sum) ’(sagenhaftes) geronnenes Meer’, ae. lifrig ’geron’gleiten, schlüpfen, entrinnen, straucheln, fallen, fehnen’. Herkunft unklar. Der vierte Magen des Rindes len’. Abstraktum: Labilität. heißt Labmagen, weil hier das Lab gebildet wird, das Ebenso nndl. labiel, ne. labile, nfrz. labile, nschw. labil, nnorw. labil. Zu l. la¯bı¯ ’gleiten’ gehört als Präfigierung das fachsprachdie Milch gerinnen lässt, und das deshalb bei der Käliche kollabieren mit dem Abstraktum ÞKollaps; ein entspreseherstellung verwendet wird. Auch Labkraut wird als chendes Abstraktum (in lateinischer Form) zum Grundwort Gerinnungsmittel benützt. Ebenso nndl. leb; ÞGlibber – Marzell 2 (1972), 591f. (zu Labkraut); Sauerhoff (2001), 166–169; EWNl 3 (2007), 191.

labbern1 Vsw ’schlaff werden’ (von Segeln u.ä.) per.

ist ÞLapsus. Eine Ableitung, die über das Räto-Romanische ins Deutsche gekommen ist, ist ÞLawine. Vielleicht ist entfernter verwandt auch l. labor ’Arbeit’ (ÞLaboratorium). – EWNl 3 (2007), 166.

ndd. (19. Jh.). Adjektiv: labb(e)rig Adj. ’fade’. Die Laboratorium Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. laboWörter sind wohl eine Variante zu der Sippe von ratorium, zu l. labor (-o¯ris) m. ’Anstrengung, Mühe, Þschlaff (ohne s mobile); sie sind aus der SeemannsArbeit’, also eigentlich ’Werkraum’. Heute meist gesprache in die Hochsprache eingedrungen. kürzt zu Labor. Verb: laborieren mit allgemeinerer Belabbern2 Vsw ’schlürfen’ Þlabern. deutung, dagegen die Täterbezeichnung Laborant speziell auf das Labor bezogen. laben Vsw erw. stil. (9. Jh.), mhd. laben, ahd. labo¯n, as. Ebenso nndl. laboratorium, ne. laboratory, nfrz. laboratoire, (gi)labÐ on ’erquicken’. Aus wg. *lab-o¯- Vsw. ’erfrinschw. laboratorium, nnorw. laboratorium. L. labor ’Arbeit’ schen, waschen’, auch in ae. lafian ’waschen’. Vergehört vielleicht zu l. la¯bı¯ ’gleiten, entrinnen’ (Þlabil) und l. mutlich früh entlehnt aus l. lava¯re ’waschen’ laba¯re ’schwanken’, etwa als ’unter einer schweren Last (ÞLavabo). Abstraktum: Labung; Konkreta: Labe, schwanken’ (Vokallänge!). Aus einer Ableitung von l. labor Labsal. präfigiert ist ÞKollaborateur. – DF 2 (1942), 1f.; Erämetsä, E. Ebenso nndl. laven, ne. lave, nfrz. laver. – EWNl 3 (2007), 188.

NPhM 59 (1958), 38; LM 5 (1991), 1602; EWNl 3 (2007), 166.

Laberdan Sm ’gepökelter Kabeljau’ (früher Fastenspei- labsalben Vsw ’(Tauwerk) anteeren oder fetten’ per.

se) per. arch. (17. Jh.). Über nndl. labberdaan entlehnt fach. (19. Jh.). Übernommen aus nndl. lapzalven (so aus frz. laberdan. Mit falscher Ablösung des Artikels seit dem 17. Jh.), eigentlich ’mit Lappen salben’. (und unorganischem h) auch nndl. abberdaan, ne. Ebenso nschw. lappsalva, nnorw. lapsalve. haberdine, afrz. habordean. Herkunft umstritten. Am Labskaus Sn (ein Seemannsgericht) per. ndd. (19. Jh.). ehesten zu frz. Labourdain, alt-(l.-) (tractus) LapurEntlehnt aus ne. lobscouse, dessen Herkunft unklar danus, Bezeichnung der baskischen Küste an der ist. Adour-Mündung, von wo aus der Kabeljau gefangen Ebenso nschw. lapskojs, nnorw. lapskaus. – Knobloch, J. MS wurde. Lapurdum ist der alte Name von Bayonne. 96 (1986), 345. Ebenso ndn. laberdan.

labern (labbern2) Vsw erw. reg. (18. Jh.). Einerseits ’le-

ckend trinken’ (vor allem vom Hund), andererseits ’dummes Zeug reden’ − wohl das gleiche Wort mit regionalen Abwandlungen. Zu der unter ÞLöffel 1 behandelten Sippe ig. (w./oeur.) *lab- ’lecken’. EWNl 1 (2003), 259; EWNl 3 (2007), 165.

Labyrinth Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. labyrinthus

m., dieses aus gr. laby´rinthos m. Vor allem bekannt durch das Labyrinth des Minos von Knossos, aus dem Theseus mit Hilfe des Fadens der Ariadne wieder herausfand. Danach in verschiedener Weise (vor allem im Gartenbau) für ’Irrgarten, Irrwege’ gebraucht. Ebenso nndl. labyrint, ne. labyrinth, nfrz. labyrinthe, nschw. labyrint, nnorw. labyrint. – Müller, C. ZDW 3 (1902), 256;

Lache1

554 Eilmann, R.: Labyrinthos (Diss. Halle 1931); Güntert, H. SHAW (1932/33), I; DF 2 (1942), 2f.; Kretschmer, P. Sprache 2 (1950), 72, 152; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 396f.; LM 5

(1991), 1602f.; Birkhan, H. FS Pittioni 2 (1976), 423–454; EWNl 3 (2007), 166f.

Lache1 Sf ’Pfütze’ std. (9. Jh.), mhd. lache, ahd. lah(ha),

rig). Aus sachlichen Gründen ist ein Zusammenhang mit lit. le˙˜kti ’fliegen, laufen, stürzen’ möglich, doch müsste dabei angenommen werden, dass das litauische Wort hier das Verhalten einer Kentum-Sprache zeigt. Ebenso nschw. lax, nisl. lax. Zu Wörtern anderer Bedeutung

im Altindischen, die auf das Lachswort zurückgehen können, as. laca (in Ortsnamen), mndd. lake, mndl. lake vgl. Thieme, P. ZVS 69 (1948), 209–216; AAW LM (1953), XI, ’stehendes Wasser, Salzlake’. Weiter zu ae. lacu 535–613. Dagegen Mayrhofer, M. Sprache 7 (1961), 177–189. – ’Bach, Teich, See’, anord. l¢kr m. ’langsam fließender Krogmann, W. ZVS 76 (1960), 161–178; Krause, W. NAWG Bach’. Für diese gibt es zwei Anschlussmöglichkeiten: (1961), IV, 83–98; Mäntylä, K. Orbis 19 (1970), 172f.; Greule, 1. Entlehnt aus l. lacus m. ’Trog, See’ (u.a.), zur BeA. FS Boesch (1976), 86–94; Diebold, A. R. in Christie (1976), deutung vgl. auch l. lacu¯na ’Vertiefung, Grube, Lache, 341–388; Diebold, A. R. The Case of ’Huchen’ (Washington Weiher’; 2. Anschluss an g. *lek-a- ’undicht sein, trop1985); Adams, D. Q. IF 90 (1985), 72–78; LM 5 (1991), 1605f.; fen’ (Þleck) als das ’durch Tropfen, Fließen EntstanRöhrich 2 (1992), 918f.; Knobloch, J. Kratylos 39 (1994), dene’. Die Dehnstufe des nordischen Wortes spricht 185f.; RGA 17 (2001), 528–530. für die zweite Möglichkeit, aber die Nähe der Bedeu- Lachter Smfn ’Klafter (besonders im Bergbau)’ per. tung der lateinischen Wörter ist beachtlich. Akslav. fach. (12. Jh.), mhd. la¯fter, la¯chter. Das Wort ist verloky ’Wasserlache, Zisterne’ passt in der Bedeutung mutlich eine Instrumentalbildung auf (ig.) -tro-/tra¯besser zum Germanischen, in der Form zum Lateizu dem Verb, das in ae. l¢ccan ’fassen, ergreifen’ vornischen. Vielleicht handelt es sich um Varianten derliegt, also ursprünglich ’was man (auf einmal) umselben Grundlage, so dass durchgehende Urverfassen kann’. Falls dieses Verb mit gr. la´zomai ’ich wandtschaft vorliegt. nehme, fasse, ergreife’ und gr. lamba´no¯ ’ich ergreife’ ÞLake. – Hubschmied, J. U. VR 3 (1938), 52–58; Knobloch, J. zusammengehört, ist (ig.) *lag w- vorauszusetzen. In MS 88 (1978), 260; Udolph (1994), 112f. diesem Fall ist mhd. la¯fter in seiner Lautform von Lache2 Sf ’Grenzmarke in Holz, Stein oder Wasser’ per. ÞKlafter beeinflusst. arch. (8. Jh.), mhd. la¯che(ne), ahd. lah(ha), as. la¯c. lack Adj ’abgestanden (von Bier), fad, lau’ erw. reg. Dazu mhd. la¯chboum m. ’Grenzbaum mit Merkzei15. Jh. Aus mndd. lak ’lack, schlaff’ und mndl. lac chen’ und mhd. la¯chenen ’mit Grenzzeichen verse’lau, fade, geistlos’, neben mndd. wlac gleicher Behen’. Herkunft unklar. Vgl. aber ai. la´ksma n. deutung. Dieses zu ae. wlaco, wl¢c ’lau’, das zu ae. ˙ ’Marke, Kennzeichen’, ai. laksa- n. ’Marke, Kennzeiwl¢ccan ’erwärmen, lau machen’ gehört. Ahd. uua˙ chen, Merkmal, Ziel’. lachen ’lau machen’, uualachon ’lau sein’ sind aus Knobloch, J. MS 88 (1978), 260; Knobloch, J. SW 5 (1980), 176f.

Lache3 Sf Þlachen lachen Vsw std. (8. Jh.), mhd. lachen, ahd. (h)lahhan

dem Englischen umgesetzt (Aldhelm-Glossierung, Trierer Glossar). Sehr wahrscheinlich als (ig.) *wl¡g-, einer nur westgermanischen Erweiterung von (ig.) *wel¡– ’warm’ in ahd. walo ’lau’, walı¯ ’Lauheit’. Dieses weiter zu der gleichlautenden Wurzel mit der Bedeutung ’sieden, wallen, heiß sein’(s. Þwallen 1). Die Bedeutungen ’lau’ und ’heiß’ können bei denselben Wurzeln nebeneinander stehen, sind aber in der Regel auf verschiedene Sprachen oder auf verschiedene Bildungen derselben Sprache verteilt.

Vst., lahhe¯n, mndd. lachen. Ableitung oder Umbildung zu dem starken Verb g. *hlah-ja- ’lachen’ in gt. hlahjan, anord. hl¢ja, ae. hliehhan, as. Prät. Pl. hlogun, ahd. Prät. Sg. hlo¯c. Offenbar ein Schallwort (ig.) *klak-, das in ähnlichen Formen und Bedeutungen auch in anderen Sprachen vorkommt. Schon alt ist Heidermanns (1993), 359, 683; Lutz, A. FS Liberman (1997), das Abstraktum Gelächter, mhd. gelehter, älter lahter, 213–228. ahd. (h)lahtar, ae. hleahtor, anord. hla´tr. Diminutivum: lächeln; Adjektive: lächerlich, lachhaft; Abstrak- Lack Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus it. lacca f., das über tum (vulg.): Lache3. arab. lakk und pers. la¯k auf pa¯li la¯kha¯ f. zurückgeht. Ebenso nndl. lachen, ne. laugh, nschw. le, nisl. hl¢ja. – Kremer Dieses aus ai. la¯ksa¯´ f. ’Lack’, das wohl zu ai. ra´jyati (1961); Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 1–266; Seebold ’färbt sich, rötet ˙sich’ gehört, also eigentlich ’(rote) (1970), 257f.; Schlaefer, M.: Studien zur Ermittlung und BeFärbung’. Der Zusammenhang zwischen ’rot’ und schreibung des lexikalischen Paradigmas ’lachen’ im Deut’Lack’ im Indischen bezieht sich auf das von der Färschen (Heidelberg 1987); Röhrich 2 (1992), 917; EWNl 3 berschildlaus aus den Bäumen gesaugte Harz, das (2007), 167. dann zu (rotem) Gummilack erstarrt. Verben: lacken, Lachs Sm std. (8. Jh.), mhd. lahs, ahd. la(h)s, as. lahs. lackieren. Aus g. *lahsa- m. ’Lachs’, auch in anord. lax, ae. leax. Ebenso nndl. lak, ne. lacquer, nfrz. laque, nschw. lack, nisl. lakk; Aus ig. *lak´so- (oder *lok´so-) m. ’Lachs’, auch in lit. Þgelackmeiert, ÞSchellack. – Littmann (1924), 90; DF 2 (1942), 3f.; Mayrhofer GRM 3 (1953), 71–75; Lokotsch (1975), 103; lasˇisˇa` f., la˜ˇsis, russ. loso´s′ und toch. B laks ’Fisch’, osRöhrich 2 (1992), 919f.; Kiesler (1994), 223; Tazi (1998), 260; set. l¢s¢g ’Lachs’ (wohl entlehnt oder nicht zugehöEWNl 3 (2007), 170.

Lagune

555 Lackel Sm ’Tölpel’ per. obd. (20. Jh.). Als ’jemand, an

dem die Kleidung schlottert’ zu Þlack und ähnlichen expressiven Wörtern (Þschlackern 2). Lackmus Smn per. fach. (16. Jh.). Mit der Sache (ein aus

Flechten gewonnener Farbstoff) aus Flandern bezogen (nndl. lakmoes, älter lecmoes). Ebenso nschw. lackmus, nnorw. lakmus. Das seit 1500 bezeugte Wort bezeichnet wohl zunächst den Farbbrei (also zu ÞMus) und nicht die Pflanze (ÞMoos 1). Das Vorderglied ist schon im Niederländischen sekundär an ÞLack (in der allgemeinen Bedeutung ’Farbe’) angeglichen worden, gehört aber wohl zu dem Kausativum (g.) *lak-eja- ’benetzen’ (mhd. lecken, ahd. lecken) zu (g.) *lek-a- ’tropfen’ (Þleck), also wohl ’Brei zum Benetzen (= Färben?)’. – DF 2 (1942), 4; EWNl 3 (2007), 172.

Lade Sf ’Behälter’ erw. obs. (13. Jh.), mhd. lade, mndd.

’ungewollt, ungern’). Die Einzelheiten bleiben schwierig. Heute vor allem in Partikelverben: ein-, vorladen. Meringer, R. IF 16 (1904), 114–117 (anders: zu Laden nach dem herumgesandten Brett oder Kerbstock).

Ladenhüter Sm ’schlecht verkäufliche Ware’ std. stil.

(17. Jh.). Lehnübersetzung zu frz. garde-boutique. Röhrich 2 (1992), 921.

Ladenschwengel Sm ’Verkäufer’ per. reg. (19. Jh.). Stu-

dentische Abwandlung von ÞGalgenschwengel; eine sexuelle Anspielung ist nicht ausgeschlossen. Röhrich 2 (1992), 921.

lädieren Vsw ’verletzen, beschädigen, (älter: beleidi-

gen)’ erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus l. laedere (laesum) ’verletzen’. Fast nur im Partizip gebräuchlich.

lade, mndl. lade ’Truhe’. Wie anord. hladaÑ ’Scheuer’ Ebenso ndn. l¢dere; ÞKollision. – DF 2 (1942), 4; Weimann, abgeleitet von Þladen 1, also ’Beladenes’. Praktisch K.-H. DWEB 2 (1963), 397. nur noch in Komposita (Schublade, Kinnlade, BundesLafette Sf ’Untergestell eines Geschützes’ per. fach. lade). (17. Jh.). Entlehnt aus frz. l’affuˆt m. (älter: l’affust), zu EWNl 3 (2007), 168. frz. fuˆt m. ’Schaft, Stange’, aus afrz. fust, dieses aus l. Laden Sm std. (13. Jh.), mhd. lade(n). Ursprünglich fu¯stis m. ’Stock, Prügel’. Das anlautende L aus dem ’Brett’ (so noch regional üblich, vgl. Fensterladen) französischen Artikel. und verwandt mit ÞLatte. Das Wort bezeichnete auch Ebenso nndl. affuit, nfrz. affuˆt, nschw. lavett, nnorw. lavett. – das zur Warenauflage dienende Brett und den VerDF 2 (1942), 4f.; LM 5 (1991), 1613f. kaufsstand überhaupt. Daraus die heutige Bedeutung Laffe Sm ’Geck’ erw. obs. (15. Jh.). Vermutlich zu mhd. ’Geschäft’. laffen ’lecken’ (ÞLöffel 1), wie auch älteres Þlecker Röhrich 2 (1992), 920. (Nomen Agentis zu Þlecken) in diesem Sinn geladen1 Vst ’einfüllen’ std. (8. Jh.), mhd. laden, ahd. braucht wird. (h)ladan, as. hladan. Aus g. *hlaþ-a- Vst. ’laden’, auch Röhrich 2 (1992), 921f. in gt. afhlaþan, anord. hladaÑ , ae. hladan, afr. (PPrät.) Lage Sf std. (9. Jh.), mhd. la¯ge, ahd. la¯ge. Abstraktum hleden. Der Unterschied zwischen d (altenglisch, altzu Þliegen; aber in der Bedeutung stark verzweigt und sächsisch) und þ (gotisch, althochdeutsch) beruht lexikalisiert. wohl auf unterschiedlichem Ausgleich des grammatischen Wechsels. In gleicher Lautform ist das Wort Lägel (auch Legel) Smfn ’Fässchen, Hohlmaß’ per. reg. (11. Jh.), mhd. la¯gel(e), l¢gel(e) f., ahd. la¯gel(la) f., außergermanisch nicht vergleichbar. Eine lautliche mndd. le¯chel(k)en, legelen n., mndl. lagel(e), legel(e). oder morphologische Variante bietet akslav. klasti Entlehnt aus l. lagoena (u.ä.) f. ’Flasche mit engem (klado¸) ’legen, laden’. Die Grundlage hierzu in lit. Hals und weitem Bauch’; dieses aus gr. la´gy¯nos m./f. klo´ti (klo´ju) ’hinbreiten, überdecken’, das weiter zu unbekannter Herkunft. Im Deutschen l für n im Rahlit. ke´lti ’heben’ gehört. Ausgangsbedeutung also men des üblichen Suffixersatzes. ’hinlegen, ausbreiten’. Das Laden von Schusswaffen Ebenso nschw. lägel. – Alanne, E. NPhM 56 (1955), 217–219. bezog sich ursprünglich auf das Laden schwerer Geschütze, die tatsächlich ’beladen’ wurden. PräfigieLager Sn std. (9. Jh., Form 14. Jh.), mhd. leger, ahd. lerungen: be-, entladen; Abstraktum: Ladung. gar, as. legar(-bed) ’Krankenlager’. Aus g. *leg-ra- n. Ebenso nndl. laden, ne. lade, nschw. ladda, nisl. hladaÑ ; ÞLade, ’Lager’, auch in gt. ligrs m. ’Lager, Bett’, anord. legr ÞLast. – Seebold (1970), 258f.; Röhrich 2 (1992), 920f.; ’Grabstätte, Beilager’, ae. leger. Ableitung auf g. -raEWNl 3 (2007), 168f. zu Þliegen. Seit dem 14. Jh. erscheint die mundartliche Variante mit a, die durch Luther hochsprachlich laden2 Vst ’zum Kommen auffordern’ erw. obs. (8. Jh., wird. Verb: lagern. Form 13. Jh.), mhd. laden, ahd. lado¯n, as. ladoian, ladiÑ an. Also ursprünglich ein schwaches Verb, das Schröder, E. ZDA 74 (1937), 48; Moser, V. ZM 14 (1938), 68–70; Schmidt-Wiegand, R. FS de Smet (1986), 419–428; durch den lautlichen Zusammenfall mit Þladen 1 zur Röhrich 2 (1992), 922; EWNl 3 (2007), 199. starken Flexion überging. Aus g. *laþ-o¯ Vsw. ’einladen, berufen’, auch in gt. laþon, anord. ladaÑ , ae. laLagune Sf ’durch einen Landstreifen von der offenen diÑ an, afr. lathia, ladia. Ableitung von einem Nomen, See abgetrenntes Gewässer’ per. exot. (16. Jh.). Entdas wohl auch in gt. laþa-leiko ’gern’ (wohl eigentlich lehnt aus it. laguna, dieses aus l. lacu¯na ’Teich, See, ’willig’) erscheint. Deshalb am ehesten zu gr. lo˜ ’ich trogartige Vertiefung’, zu l. lacus m. ’See, trogartige will, wünsche’ (vgl. l. invı¯ta¯re ’einladen’ und l. invı¯tus Vertiefung’. Zunächst vor allem eine Bezeichnung für die Gewässer um Venedig.

lahm

556 Ebenso nndl. lagune, ne. lagoon, nfrz. lagune, nschw. lagune, nnorw. lagune. – DF 2 (1942), 4f.; Wis (1955), 177; EWNl 3 (2007), 170.

lahm Adj std. (8. Jh.), mhd. lam, ahd. lam, as. lamo. Aus

g. *lama-/o¯n Adj. ’lahm, verkrüppelt’, auch in anord. lami, ae. lama, loma, lame, afr. lam, lem. Zu zugehörigen Wörtern mit Dehnstufe s. ÞLümmel. Verwandte Krankheitsbezeichnungen sind russ. lomo´ta ’Gliederreißen’ und poln. ułomny ’gebrechlich, siech, krüppelhaft’; diese gehören zu russ. lomı´t′, poln. łamac´, akslav. lomiti ’brechen’ und verwandten Wörtern für ’brechen, drücken, knicken’ u.ä. aus einer Grundlage (ig.) *lem-. Zum Benennungsmotiv vgl. Þgichtbrüchig. Duratives Verb: lahmen; faktitives Verb: lähmen. Ebenso nndl. lam, ne. lame, nschw. lam; Þbelämmern, ÞLümmel. – Heidermanns (1993), 359f.; EWNl 3 (2007), 173.

Laib Sm std. (8. Jh.), mhd. leip, ahd. leib, älter hleib. Aus

1

ÞLache . – DF 2 (1942), 5; Kretschmer (1969), 318f.; Seebold, E. FS Matzel (1984), 128 (zur Bedeutung).

Laken (heutige Form ndd.) Sn std. (8. Jh., Form 15. Jh.).

Ursprünglich niederdeutsches Wort (mndd. laken, mndl. laken, as. lakan), dem ahd. lah(h)an, mhd. lachen entspricht. Zu g. *lak-na- (oder *lakana-) ’Stück Gewebe’, auch in anord. -lak, afr. leken, letzen, lezen. Eine genaue außergermanische Entsprechung kann sein gr. la´ganon ’dünner Kuchen’, Ableitung aus einer Wurzel mit den Bedeutungen ’schlaff, dünn, schmächtig’ u.ä., vgl. mit s-Suffix l. laxus ’schlaff, weich usw.’, mit s mobile und Assimilation des Anlauts ai. ´slaksna´- ’schlüpfrig, schmächtig, dünn’. Das ˙˙ Wort verbreitete sich im Süden im niederdeutsche Zusammenhang mit dem überlegenen westfälischen Tuchhandel. Vielleicht hat auch die Homonymie des ererbten mhd. lachen mit dem Verb Þlachen das Vordringen der niederdeutschen Form begünstigt.

Þlax, ÞLeilach(en). – Kieft, A. P. NPh 26 (1941), 267–279; g. *hlaiba- m. ’Brot’, auch in gt. hlaifs, anord. hleifr, Schützeichel, R. FS Quint (1964), 211–213; EWNl 3 (2007), ae. hla¯f, afr. hle¯f. Auffällig ähnlich ist gr. klı¯´banos 171f. ’Backofen’, gr. klı¯banı´te¯s ’im Klibanos gebackenes lakonisch Adj ’ohne weitere Erläuterung’ std. (17. Jh.). Brot’. Da das griechische Wort ziemlich sicher eine Entlehnt aus l. laco¯nicus, dieses aus gr. lako¯niko´s Entlehnung aus einer unbekannten Sprache ist, wird ’spartanisch’, zu gr. La´ko¯n ’Spartaner’. So benannt auch das germanische Wort aus dieser Sprache entlehnt sein. Einzelheiten bleiben unklar. Mit Laib nach der sprichwörtlich strengen Lebensauffassung wurde außer der Form vermutlich auch das auf ältere dieser Menschen (Þspartanisch), zu der auch ihre Weise zubereitete (ungesäuerte) Brot bezeichnet, Wortkargheit gehörte. Ebenso nndl. lakoniek, ne. laconic, nfrz. laconique, nschw. lawährend ÞBrot das nach der neueren Zubereitungskonisk, nnorw. lakonisk. – DF 2 (1942), 5f.; EWNl 3 (2007), 167. weise gesäuerte Nahrungsmittel war. Die Wichtigkeit des Wortes zeigt sich daran, dass ne. Lord und Lady Lakritze Sf ’eine Süßigkeit aus eingedicktem Süßholz(aus ae. hla¯ford und hl¢ ¯ fdige) Kompositionen mit saft’ erw. obs. (14. Jh.), spmhd. lakerize, lekritz(e). Entihm sind (’Laibwart’ und ’Laibkneterin’). lehnt aus ml. liquiridia, liquiritia, dieses aus l. glycyrEbenso ne. loaf, nschw. (dial.) lev, nisl. hleifur; ÞLebkuchen. – riza ’Süßwurzel, Süßholz’, aus gr. glyky´s ’süß’ und gr. Trier (1951), 59; Röhrich 2 (1992), 922. rı´za ’Wurzel’. Die mittellateinischen Formen ergeben Laich Smn std. (15. Jh.), spmhd. leich m, mndd. leik. sich aus einer volksetymologischen Anlehnung an l. Herkunft unklar. Die Berührung mit ÞLeich ist seliquor m. ’Flüssigkeit’. kundär. Verb: laichen. Ebenso ne. liquorice, nfrz. re´glisse, nschw. lakrits, nisl. lakkrı´s; Ebenso nschw. lek.

Laie Sm std. (11. Jh., leihman 8. Jh.), mhd. lei(g)e, ahd.

laigo. Entlehnt aus l. la¯icus, afrz. lai, zunächst im kirchlichen Sinn (’Nichtgeistlicher’). Dieses aus gr. la¯¨ıko´s ’zum Volk gehörig’, zu gr. la¯o´s m. ’Volk’. Adjektiv: laienhaft. Ebenso nndl. leek, ne. layman, laic, nfrz. laı¨c, laı¨que, nschw. lekman, nnorw. legmann, nisl. leikmaduÑ r; ÞLiturgie. – Siegert (1950), 127f.; HWPh 5 (1980), 8–10; Braun, W. in Welskopf 5 (1981), 235–261; LM 5 (1991), 1616f.; EWNl 3 (2007), 194.

Lakai Sm ’herrschaftlicher Diener, unterwürfiger

Mensch’ erw. obs. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. laquais ’Hilfssoldat’. Zunächst in der Bedeutung ’niederer Soldat’ übernommen. Ebenso nndl. lakei, ne. lackey, nfrz. laquais, nschw. lakej, nnorw. lakei. – EWNl 3 (2007), 171.

Lake Sf ’Salzwasser’ erw. ndd. (14. Jh.). Ursprünglich

niederdeutsches Wort, das nhd. ÞLache 1 entspricht und in der speziellen Bedeutung ’Salzlake, Heringslake’ auch in die Hochsprache aufgenommen wurde.

ÞGlyzerin. – DF 2 (1942), 6; Kieser, O. Orbis 18 (1969), 92–96; EWNl 2 (2005), 609 (kalisse).

lallen Vsw std. (10. Jh.), mhd. lallen, lellen, ahd. lalo¯n.

Lautnachahmung des Kinderlallens wie in nschw. lalla und außergermanisch l. lalla¯re ’trällern’, gr. la´los ’geschwätzig’, gr. lale´o¯ ’ich schwatze’, ai. lalalla¯˘ ’Interjektion des Lallens’, lit. lalu´oti ’lallen’, russ. la´la ’Schwätzer’, heth. lala- ’Zunge, üble Nachrede’. Vgl. auch Þlullen. Die Unterscheidung von Elementarparallelen, Urverwandtschaft und Entlehnung ist hier müßig. Þlamentieren. – Casevitz/Skoda (1985), 44f.; EWNl 3 (2007), 172.

Lama Sn (ein höckerloses Kamel) erw. exot. (16. Jh.).

Entlehnt aus span. lama m., dieses aus der südamerikanischen Indianersprache Ketschua llama, wo es ’Vieh’ bedeutet. Ebenso nndl. lama, ne. llama, lama, nfrz. lama, nschw. lama, nnorw. lama. – Loewe, R. ZVS 60 (1933), 149f.; EWNl 3 (2007), 173.

557 Lambertsnuss Sf ’große Haselnussart (aus Südeuro-

pa)’ per. exot. (18. Jh.). Älter auch lambertische Nuss. Eigentlich ’Nuss aus der Lombardei’. Ebenso nndl. lammertsnoot.

Lamelle Sf ’dünner Streifen’ erw. fach. (14. Jh.). Ent-

Landauer Lampenfieber Sn ’Aufregung vor dem Auftritt’ std.

(19. Jh.). Zu den Lampen (ÞLampe 1) im Sinne von ’Bühnenbeleuchtung’. Älter ist ÞKanonenfieber für die Aufregung vor der Schlacht. Frz. fie`vre de la rampe (eigentlich ’Rampenfieber’) hat vielleicht ebenfalls eingewirkt.

lehnt aus frz. lamelle, dieses aus l. la¯mella, einem DiEbenso nschw. rampfeber, nnorw. lampefeber. – Röhrich 2 minutivum zu l. la¯m(i)na ’Platte, Blatt, Scheibe’. (1992), 924f. Aber schon seit spmhd. Zeit auch lamel ’Messerklinlancieren Vsw ’eine Sache in die Wege leiten, eine Perge’ u.ä. son auf einen günstigen Posten bringen’ per. fremd. Ebenso nndl. lamelle, ne. lamella, nfrz. lamelle, nschw. lamell, nnorw. lamell; ÞLametta. – DF 2 (1942), 6; EWNl 3 (2007), 174. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. lancer ’schleudern, in Schwung bringen’, dieses aus spl. lancea¯re ’die Lanze lamentieren Vsw erw. stil. (16. Jh.). Entlehnt aus l. la¯schwingen’, zu l. lancea ’Lanze’. Das französische menta¯rı¯ ’jammern’. Abstraktum: Lamento (über das Wort hat eine größere Bedeutungsbreite; im DeutItalienische); Adjektiv: lamentabel. Zu den Lallwörschen ist nur eine spezielle Bedeutung (von ’zuwertern unter Þlallen. fen’ ausgehend) übernommen. Ebenso nndl. lamenteren, ne. lament, nfrz. lamenter, nschw. lamentera, nnorw. lamentere. – DF 2 (1942), 6f.; EWNl 3 (2007), 174.

Ebenso nndl. lanceren, ne. launch, nschw. lansera, nnorw. lansere; ÞElan. – EWNl 3 (2007), 176.

Lametta Sn std. (19. Jh.). Entlehnt aus it. lametta f. auch Land Sn std. (8. Jh.), mhd. lant, ahd. lant, as. land. Aus

’Rasierklinge’, einem Diminutivum zu it. lama f. ’Metallblatt’, aus l. la¯m(i)na f. ’Platte, Blatt, Scheibe’. Ebenso nndl. lamette, ne. lametta; ÞLamelle. – Röhrich 2 (1992), 922; EWNl 3 (2007), 174.

Lamm Sn std. (8. Jh.), mhd. lam(p), ahd. lamb, as. lamb.

Aus g. *lambaz n. ’Lamm’, auch in gt. lamb, anord. lamb, ae. lamb. Der s-Stamm zeigt sich in entsprechenden Pluralen und in Nebenformen wie ae. lamber. In dieser Form ist das Wort nur germanisch. Es zeigt das in Tiernamen häufiger auftretenden Suffix (ig.) -b ho-. Das davor stehende m ist vermutlich durch Assimilation aus n entstanden, so dass mit anderer Ablautstufe an Wörter für Horntiere in den verwandten Sprachen angeknüpft werden kann. Vgl. lit. ´elnis m., akslav. jelenı˘ m. ’Hirsch’, gr. ello´s (aus *elnos) m. ’Hirschkalb’, arm. ełn ’Hirsch(kuh)’, kymr. elain ’Hirschkuh’, air. elit, ailit f. ’Reh’, toch. A yäl m. ’Gazelle’. Verb: lammen. Ebenso nndl. lam, ne. lamb, nschw. lamm, nisl. lamb. – Platschek, M.: Lamm und Kalb (Gießen 1957), 4–6; Röhrich 2 (1992), 922f.; EWNl 3 (2007), 172f.

Lampe1 Sf ’Beleuchtungskörper’ std. (13. Jh.), mhd.

g. *landa- n. ’Land’, auch in gt. land, anord. land, ae. land, afr. land, lond. Hierzu im Ablaut steht nschw. (dial.) linda ’Brachfeld’. Außergermanisch vergleichen sich air. ithlann, ithla ’Tenne’ (zu air. ith ’Getreide’), kymr. ydlan ’Scheuer’ (eigentlich *land h-, aber vielleicht als *lond h- anzusetzen oder Schwundstufe), apreuß. (Akk. Sg.) lindan m. ’Tal’, russ. ljada´ f. ’Rodeland’, cˇech. lada Pl. ’Brache’. Hierzu stellt Oettinger hieroglyphen-luvisch latara- (das auf *lendh- zurückgehen kann) ’erweitern (Grenzen, Gebiet)’, was semantisch naheliegt und zu Bedeutungen in der vorstehenden Sippe wie ’Brachfeld’ und ’Rodeland’ gut passt. Die Ausgangsbedeutung von Land müsste also ’Erweiterung, Neuland’ gewesen sein, was gut vorstellbar ist. Die weitere Verknüpfung mit ÞLende (s.d.) müsste dagegen erst noch stärker gestützt werden. Die Bedeutung wandelt sich schon in germanischer Zeit zu ’Staatsgebiet’, dann Gegensatz zu Stadt, zu Wasser usw. Verb: Þlanden; Adjektiv: ländlich; Kollektiva: Länderei, ÞLandschaft. Ebenso nndl. land, ne. land, nschw. land, nisl. land. S. auch ÞGelände. – Trier, J. NAWG (1940/41), III, 88f.; Brunner, O.: Land und Herrschaft (Wien 1942), 203–220; Röhrich 2 (1992), 925; EWNl 3 (2007), 176; Oettinger, N. FS Jasonoff (2007), 259–262; Oettinger, N. HSF 120 (2007), 124.

lampe, mndd. lampe, mndl. lamp(e). Entlehnt aus frz. lampe, das aus spl. lampada ’Leuchte’ entwickelt ist. Dieses aus gr. lampa´s, (-a´dos) ’Fackel’, zu gr. la´mpo¯ Landauer (älter Landau wie englisch und französisch) ’ich leuchte’. Dazu auch Lampion. Sm ’Viersitzer mit klappbarem Verdeck’ erw. obs. Ebenso nndl. lamp, ne. lamp, nfrz. lampe, nschw. lampa, nisl. (18. Jh.). Aus der ÞBerline entwickelt. Der Streit um lampi; ÞLaterne. – Heyne (1899/1903), I, 283; DF 2 (1942), 7; die Herkunft der Bezeichnung scheint sich zugunsten Siegert (1950), 128; LM 5 (1991), 1630–1632; Röhrich 2 (1992), einer Rückführung auf den Ortsnamen Landau zu 924; EWNl 3 (2007), 175. entscheiden: Erste deutsche Erwähnung 1723, offenLampe2 Sm ’Name des Hasen in der Tiersage’ erw. stil. bar bezogen auf den Wagentyp, den Joseph I. bei der (15. Jh.). Es handelt sich um die Kurzform des EigenReise mit seinem Hofstaat nach Landau (1702) aus namens Lamprecht, ahd. Lantberaht. Auch andere Anlass der Einnahme der Festung unternahm (Jäger Tiernamen der Tierfabel sind von menschlichen Eiu.a.). Die Herleitung aus span. lando ’viersitziger Wagennamen übernommen. gen’ (und dieses aus arab. al-andul ’Sänfte’, das letztlich auf ai. hindola- m. ’Schaukel’, verwandt mit ai.

Lände

558

a¯˘n-dola¯´yati ’schaukelt’, zurückgeht − so Lokotsch) scheitert wohl daran, dass die spanischen Erstbelege (1830) sehr spät sind.

Landsturm Sm ’(spätes) Aufgebot der Wehrfähi-

Lokotsch (1975), 8; Mayrhofer 1 (1956), 549, 3 (1976), 628; Brink-Wehrli (1958), 108f.; Jäger, P.Wackernagel, R.Fritz, A.: Der Landauer (Landau 1985); Pfister, M. FS M. Mangold (Saarbrücken 1993), 365–371; EWNl 3 (2007), 177.

Landtag Sm std. (14. Jh.). Ursprünglich Einberufung

Lände Sf ’Landeplatz’ per. reg. (10. Jh., lenten 8. Jh.),

mhd. lende, ahd. lenti. Abstraktum zu ahd. lenten, mhd. lenden, ebenso anord. lenda, ’landen, an Land kommen’, das später durch Þlanden ersetzt wird. landen Vsw std. (17. Jh.). Ursprünglich niederdeutsches

Wort (zu ÞLand, also: ’an Land kommen’), das seit dem 17. Jh. obd. länden aus der Hochsprache verdrängt (zu diesem s. ÞLände). Länder Sm, ländernVsw ÞLändler.

gen’ per. arch. schwz. (17. Jh.). Benannt nach dem Läuten der Sturmglocke als Zeichen dieses Aufgebots. zum Landgericht, dann auf politische Gremien übergegangen. Parallel zu Reichstag. Landwehr Sf erw. obs. (13. Jh.), mhd. lantwer, mndd.

lantwere. Das Wort bedeutet von Anfang an ’Landesverteidigung’, anderes wie ’Befestigungswerk im Gelände’ ist sekundär. Die alte Bedeutung hält sich in der Schweiz (heute für die Wehrpflichtigen vom 33. bis 42. Altersjahr). Von dort im 19. Jh. nach Preußen. LM 5 (1991), 1682.

Landwirt Sm std. (17. Jh.). Zu der alten Bedeutung von

ÞWirt als ’Hausherr, Herr des Hofes’. Abstraktum: Landwirtschaft.

Landjäger Sm ’Feldschütz, Polizist’ per. wobd. (18. Jh.). lang1 Adj std. (8. Jh.), mhd. lanc, ahd. lang, lanc(h), as.

Zu Jäger (Þjagen) in der allgemeinen Bedeutung ’Soldat, Uniformierter’. Danach Bezeichnung einer Dauerwurst (zunächst dürrer Landjäger), wofür das Benennungsmotiv nicht recht klar ist.

landläufig Adj std. stil. (15. Jh.). Abgeleitet von Land-

lauf ’das im Land Geläufige, Übliche’. Ländler Sm (Volkstanz) erw. obs. (18. Jh.). Eigentlich

’Tanz aus dem Landl, d.h. Österreich ob der Enns’. Älter auch Länderer und Oberländer. Daher älteres ländern ’langsam drehend tanzen’. Landschaft Sf std. (8. Jh.), mhd. lantschaft, ahd.

lantscaf(t), as. landskepi. Schon früh Anwendung auf Bilder und auf politische Vertreter eines Territoriums. Gruenter, R. GRM 34 (1953), 110–120; Hard, G.: Die ’Landschaft’ der Sprache und die ’Landschaft’ der Geographen (Bonn 1970); Müller, G. in ’Landschaft’ als interdisziplinäres Forschungsproblem. Hrsg. A. H. von Wallthor/H. Quirin (Münster 1977), 4–13; Osswald, P.: Wortfeldtheorie und Sprachenvergleich (2. Aufl. Tübingen 1977); HWPh 5 (1980), 11–28; LM 5 (1991), 1675, RGA 17 (2001), 617f.

lang. Aus g. *langa- Adj. ’lang’, auch in gt. laggs, anord. langr, ae. lang, afr. lang, long. Das Wort ist zunächst nur mit l. longus ’lang’ zu vergleichen. Daneben stehen aber Wörter für ’lang’ auf einer Grundlage (ig.) *dol¡g h/dl¡g h-, die beim Ansatz einer Form *dlong h- vereinbar˙wären. Das vermittelnde Element (mit Nasalierung von der anderen Grundlage) könnte mpers. drang ’lang’ sein. Die Annahme eines Zusammenhangs ist aber nicht problemlos und deshalb umstritten. Die andere Grundlage ist bezeugt in gr. dolicho´s, ai. dı¯rgha´-, akslav. dlı˘gu˘, lit. `ılgas mit unerklärtem Wegfall des anlautenden d (Zusammenhang mit den germanischen und lateinischen Wörtern?) aus *dl¡-g ho´-. Abstraktum: Länge; Modifikation: ˙ länglich; Zeitadverbien: lange, längst. Ebenso nndl. lang, ne. long, nschw. la˚ng, nisl. langur. – EWNl 3 (2007), 177.

lang2 Adv erw. ndd. (20. Jh.). Die niederdeutsche Form

von Þentlang, die in umgangssprachlichen Wendungen wie wo’s lang geht, da lang u.ä. in die Hochsprache übernommen wird.

Landsknecht Sm ’Söldner aus kaiserlichen Landen’ (im langen Vsw std. (9. Jh.), mhd. langen, ahd. (gi)lango¯n

Gegensatz zu ÞSchweizer) erw. obs. (15. Jh.). Schon früh Umdeutung zu Lanzknecht. Kürzung dazu ist Lanz(t), das auch als Schelte für deutsche Soldaten und Deutsche überhaupt verwendet wird (vgl. it. lanzo, lanzichenecco). Hierzu vielleicht im 20. Jh. Landser, umgangssprachlich für ’Soldat’. Bolte, J. ZDPh 17 (1885), 200; LM 5 (1991), 1679; Röhrich 2 (1992), 927; Baumann, R.: Landsknechte (München 1994).

Landstörzer Sm ’Landstreicher’ per. arch. (17. Jh.). Zu

mhd. sterzer ’Landstreicher’ zu mhd. sterzen ’herumziehen’ (vermutlich ursprünglich ’stelzen’ und zur Sippe von Þstarren gehörig). Landstreicher Sm std. (15. Jh.). Zu Þstreichen im Sinn

von ’herumstreifen’.

’reichen, erreichen’. Das Wort wird zu allen Zeiten von den Sprechern zu Þlang 1 gezogen; es ist aber wohl damit nicht verwandt, sondern eine Ableitung zu dem in Þgelingen vorliegenden Verb. S. auch Þerlangen, Þgelangen, ÞHandlanger, Þverlangen. – Heidermanns (1993), 361f.

Langeweile Sf std. (12. Jh.). Syntaktische Fügung zu

ÞWeile ’Zeit’ (also die Zeit, die einem lang wird). Zusammenschreibungen seit dem 14. Jh.; Flexion des Adjektivs teilweise noch gegenwartssprachlich (aus langer Weile). Adjektiv: langweilig; Verb: langweilen. Völker, L.: Langeweile (München 1975).

Langfinger Sm ’Dieb’ std. stil. (17. Jh.). Wohl von dem

Herausfingern unter einem Gitter oder Riegel hergeleitet. Wie stark Þlangen mitgewirkt hat, lässt sich nicht sagen.

Lapsus

559 langmütig Adj std. (11. Jh., langmuotı¯ 8. Jh.), mhd. in

Ebenso nndl. lans, ne. lance, nfrz. lance, nschw. lans, nnorw.

lanse; ÞElan, ÞLandsknecht. – LM 5 (1991), 1707f.; Röhrich 2 lancmüetecheit, ahd. langmuotı¯g, älter langmuot. Älter (1992), 927f.; EWNl 3 (2007), 179. langmuot; Lehnübersetzung von l. longanimis, eigentlich ’jmd., dessen Seele(nkraft) lang anhält, geduldig’. Lanzette Sf ’kleines Operationsmesser, Aderlass-InIm Deutschen rückgebildet ist das Substantiv Langstrument’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. lancette, mut. einem Diminutivum zu frz. lance ’Lanze’. EWNl 3 (2007), 178f.

längs Präp std. (14. Jh.), mhd. lenges, älter langes ’der

Ebenso nndl. lancet, ne. lancet, nfrz. lancette, nschw. lansett, nnorw. lansett. – DF 2 (1942), 8; EWNl 3 (2007), 176.

Länge nach’. Zu Þlang 1, wie mndd. langes, mndl. lan- lapidar Adj ’kurz, prägnant’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. lapidaire, dieses aus l. lapida¯rius ’zu den ges, lancs u.ä. Adverbialer Genetiv, der seinerseits Steinen gehörig, steinern’, zu l. lapis (-idis) ’Stein’. einen Genetiv regieren kann, woraus die Verwendung Die neuzeitliche Bedeutung geht aus von der Kürze als Präposition entsteht. und Bündigkeit von Inschriften auf Denksteinen langsam Adj std. (8. Jh.), mhd. lancsam, ahd. langsam, (Lapidarstil). as. langsam. Auch ae. langsum, also vielleicht schon westgermanische Bildung. Die alte Bedeutung ist ’lange dauernd’. Sie wird beeinflusst von dem danebenstehenden ahd. langseimi, mhd. lancseim ’zögernd’. Dieses zu anord. seinn ’spät’, mhd. seine ’träge’. Vgl. gt. sainjan ’säumen’. – Heidermanns (1993), 462f.; EWNl 3 (2007), 178.

längst Adv std. (15. Jh.), fnhd. lenges(t). Das Wort ist

identisch mit Þlängs, zeigt aber das im Deutschen häufig angewachsene t nach Konsonant + s. Languste Sf (ein scherenloser Krebs) per. fach. (19. Jh.).

Ebenso nndl. lapidair, ne. lapidary, nschw. lapidarisk, nnorw. lapidarisk. – DF 2 (1942), 8; EWNl 3 (2007), 180.

Lapislazuli Sm (ein blauer Schmuckstein) per. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus ml. lapis lazuli ’Lazuli-Stein’, zu l. lapis ’Stein’ (Þlapidar) und einer Entlehnung aus arab. la¯zaward ’Lasurstein’. Ebenso nndl. lapis lazuli, ne. lapis lazuli, nfrz. lapis(-lazuli), lazulite, nschw. lapis lazuli, nnorw. lapis; Þazur, ÞLasur. – LM 5 (1991), 1715.

Lappalie Sf ’unbedeutende Sache’ erw. fremd. (17. Jh.).

Kanzleiwörtern wie Personalie spöttisch nachgebildet; zu ÞLappen im Sinn von ’Lumpen’. Zunächst im Plural gebraucht.

Entlehnt aus frz. langouste, dieses mit unregelmäßiger Lautentwicklung aus l. locusta ’Heuschrecke’ und Ebenso nschw. lappri, nnorw. lapperi. – DF 2 (1942), 9. ’Schalentier’. Langusten und Heuschrecken sind sich nicht ähnlich, doch ist ein der Languste nahestehen- Lappen Sm std. (9. Jh.), mhd. lappe, ahd. lappo (auch ahd. lappa f.). Das -pp- erscheint auch außerdeutsch: des Schalentier, der Heuschreckenkrebs (Mundfüas. lappa, afr. lappa, ae. lappa (vereinzelt); mit andeßer) bestimmten Heuschrecken (wie der Gottesanrem Vokal ae. l¢ppa, anord. leppr. Die Art der Varibeterin) recht ähnlich und hat auch ähnliche Fangation ist unklar. Entlehnung aus dem Niederdeutmethoden. Das lateinische Wort ist eine t-Ableitung schen ist nicht wahrscheinlich. Eine ziemlich genaue zu einem s-Stamm zu einer Wurzel, die vor allem außergermanische Entsprechung findet sich in gr. ’springen’ bedeutet. Die Bedeutung ist also wohl von lobo´s ’Lappen, Läppchen’; ähnliches in der Sippe von ’Heuschrecke’ ausgegangen und nach Ähnlichkeit auf Þschlaff . Weiteres ist unsicher. Die Wendung durch die Schalentiere übertragen (und ausgeweitet) wordie Lappen gehen bezieht sich auf die Abschließung den. von Geländeteilen durch aufgehängte Lappen, vor Ebenso nndl. langoest, nfrz. langouste, nschw. langust. – Knobdenen das Wild scheut. In Notsituationen bricht es loch, J. SW 14 (1989), 273f.; LM 5 (1991), 1705. aber durch und ’geht durch die Lappen’. Langwiede Sfn ’Stange zwischen Vorder- und Hinter-

Ebenso nndl. lap, ne. lap, nschw. lapp. – Lühr (1988), 278; gestell des Ackerwagens’ per. fach. (8. Jh.), mhd. lancRöhrich 2 (1992), 928f.; EWNl 3 (2007), 180. wit, ahd. langwid. Eigentlich ’Langholz’ zu ahd. witu, läppern Vsw ’schlürfen, verschütten’ erw. reg. (16. Jh.). mhd. wit(e) ’Holz’ (ÞWiedehopf ). Iterativbildung zu mndd. lapen ’lecken, schlürfen’ langwierig Adj std. (11. Jh., Form 15. Jh.), fnhd. lanc(ÞLöffel 1). Niederdeutsche Lautform oder eine ähnwiric, mndd. lankwarich, mndl. lancwarich. Rückbilliche Variation wie bei ÞLappen. dung aus spahd. langwirigi, langwerigi, das aus Þlang 1 Röhrich 2 (1992), 929. und werı¯g, wirı¯g ’dauernd’ zusammengebildet ist (zu läppisch Adj erw. stil. (15. Jh.), fnhd. leppisch. Ableitung ahd. were¯n ’währen’ s. Þwähren). von ÞLappen im Sinn von ’etwas Schlaffes, KraftloLanze Sf erw. obs. (12. Jh.), mhd. lanze. Entlehnt aus ses’. Ebenso wird Lapp, Lappi, Jammerlappen u.ä. als afrz. lance. Dieses aus l. lancea, ursprünglich BezeichSchimpfwort benützt. nung eines spanischen Speers (vermutlich ein ursprünglich keltisches Wort). Später bezeichnet man Lapsus Sm ’Versehen, Ungeschicklichkeit (meist Fehltritt)’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus l. la¯psus mit Lanze die Stichwaffe, mit ÞSpeer die Wurfwaffe. ’Fehltritt’ zu l. la¯bı¯ (la¯psus) ’ausgleiten’.

Laptop

560 Ebenso nndl. lapsus, ne. lapse, nfrz. lapsus, nschw. lapsus, nnorw. lapsus; Þlabil. – DF 2 (1942), 9; Cottez (1980), 220; EWNl 3 (2007), 180.

Laptop Sm per. fach. (20. Jh.). Ungefähr 1958 aus am.-e.

laptop entlehnt; dies ist ein Computer, der auf dem Schoß (ne. on top, ne. lap) bedient wird (möglicher Gegensatz: desktop ’auf dem Schreibtisch’). Ebenso ne. lap-top, ndn. laptop. – Carstensen 2 (1994), 805f.

Lärche Sf std. (11. Jh.), mhd. lerche, larche, ahd. lerihha.

Entlehnt aus l. larix (-icis), das unbekannter Herkunft ist. Ebenso nndl. lariks, lork, ne. larch, nschw. lärkträd, nisl. lerki. – RGA 18 (2001), 580; EWNl 3 (2007), 262.

Largo Sn (Tempo- und Satzbezeichnung der Mu-

sik) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it. largo ’breit, weit’. Ebenso nndl. largo, ne. largo, nfrz. largo, nschw. largo, nnorw. largo. – DF 2 (1942), 9; EWNl 3 (2007), 181.

Larifari Sn std. stil. (18. Jh.). Auch als Name des Hans-

Umfang frz. laˆche ’schlaff, feige’ an der Ausbreitung des deutschen Wortes beteiligt war, ist schwer abzuschätzen. ÞLasche, Þlatsch. – Heidermanns (1993), 363.

Lasche Sf std. (13. Jh.), mhd. lasche ’Lappen, Fetzen’,

mndd. las(che), mndl. lassce, lasch u.ä. Gehört vermutlich als ’schlaffer Lappen’ (d.h. ’herunterhängendes Stück Tuch, in das etwas eingelegt werden kann’) zu Þlasch, stellt aber eine hochdeutsche Entwicklung dar. EWNl 3 (2007), 182.

Laser Sm ’gebündeltes Licht’ erw. fach. (20. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. laser, einem Akronym aus den Anfangsbuchstaben von ne. light amplification (by) stimulated emission (of) radiation ’Lichtverstärkung durch Strahlungsanregung’. Ebenso nndl. laser, ne. laser, nfrz. laser, nschw. laser, nnorw. laser. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 489; Carstensen 2 (1994), 806–808; EWNl 3 (2007), 182.

lasieren Vsw ÞLasur. wursts, besonders oberdeutsch. Geschrieben wird älter Lari fari; noch älter ist la re fa re als Bezeichnung lass Adj erw. obs. (8. Jh.), mhd. laz, ahd. laz ’matt’, einer Messe (15. Jh.). Dies zeigt die Herkunft aus itamndd. lat(e), mndl. lat. Aus g. *lata- Adj. ’träge, läslienischen Notennamen; die heutige Bedeutung gesig’, auch in gt. lats, anord. latr, ae. l¢t, afr. let (auch wissermaßen über ’Trallala’, d.h. Silben, die lediglich ’spät’). Außergermanisch ist vergleichbar l. lassus zum Singen da sind, aber keinen Sinn ergeben. ’matt, müde’ (aus ig. *l¡d-to-). Ableitung von der Ebenso nndl. larie. – DF 2 (1942), 9; Röhrich 2 (1992), 929; Schwundstufe des in Þlassen vorliegenden Verbs. Die EWNl 3 (2007), 181. Erweiterung Þlässig, mhd. lezzec, lezzic gehört zunächst auch in der Bedeutung näher zu lass, wird Lärm Sm std. (16. Jh.), fnhd. lerman, larman ’Ruf zu den dann aber näher zu lassen gestellt. Waffen’. Wie ÞAlarm entlehnt aus frz. alarme (mit regionaler Variante alerme), vgl. it. alle arme, wörtlich S. auch Þlatsch, Þletzt, Þverletzen. – Heidermanns (1993), 363f.; EWNl 3 (2007), 164f. ’zu den Waffen’. Das anlautende Þa- ist vor dem starken Hauptton ausgefallen. Verb: lärmen. lassen Vst std. (8. Jh.), mhd. la¯zen, ahd. la¯z(z)an, as. Ebenso nschw. larm, nnorw. larm; ÞHeidenlärm. – Röhrich 2 la¯tan. Aus g. *l¢¯ t-a- Vst. (ursprünglich reduplizie(1992), 929f. rend), auch in gt. letan, anord. la´ta, ae. lettan, afr. le¯ta. Mit gleicher Lautform keine genaue Entsprechung. larmoyant Adj ’weinerlich, übermäßig gefühlvoll’ per. Vgl. l. lassus unter Þlass und gr. le¯deı˜n ’ermüden’ fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. larmoyant, dem adjektivischen PPräs. von frz. larmoyer ’weinen, jam(unsicheres Glossenwort), alb. lodh ’ermüden’. Eine mern, tränen’, einer Ableitung von frz. larme semantisch genauere Entsprechung bietet lit. le´isti (le´idzˇiu) ’lassen, loslassen, freilassen’. Man versucht, ’Träne’, dieses aus l. lacrima. die beiden Sippen unter Ansatz von (ig.) *le¯id- (mit Ebenso nndl. larmoyant, ne. larmoyant, nfrz. larmoyant. – DF 2 (1942), 9f. Langdiphthong) zu vereinen, doch ist diese Annahme nicht unproblematisch. Partikelverben: ab-, an-, aus-, Larve Sf std. (14. Jh.), spmhd. larve, larpha. Entlehnt ein-, nach-, nieder-, zu-; Präfigierungen: Þbe-, Þent-, aus spl. la¯rva, älter la¯rua ’Maske’, zu l. La¯res Pl. Þer-, hinter-, über-, unter-, Þver-; Abstrakta: Anlass; ’Geister’. Im 18. Jh. übertragen auf ein EntwicklungsEntlassung usw. stadium der Insekten, unter der Vorstellung, dass sich Ebenso nndl. laten, ne. let, nschw. la˚ta, nisl. la´ta; Þgelassen, hinter der Larve das ’wahre’ Insekt verbirgt. PräfixabÞInlett. – Suolahti, H. NPhM 29 (1928), 45–57; Seebold leitung: entlarven. Ebenso nndl. larve, ne. larva, nfrz. larve, nschw. larv, nnorw. larve. – DF 2 (1942), 10; Wissmann (1963–1968), 12; Röhrich 2 (1992), 930; EWNl 3 (2007), 181.

lasch Adj erw. reg. (18. Jh.). Ursprünglich niederdeut-

sches Wort (mndd. lasch, mndl. lasch), dazu anord. lo¸skr, laskr ’schlaff’. Nach Heidermanns gehört (g.) *laskwa- (aus *lakw-sk-) zu g. *leskw-a- Vst. ’erlöschen’(Þlöschen 1). Dazu air. lesc ’faul’. In welchem

(1970), 333–335; EWNl 3 (2007), 184.

lässig Adj Þlass. Lasso Smn ’Wurfseil’ std. exot. (18. Jh.). Entlehnt aus

span. lazo m., dieses aus l. laqueus m. ’Schlinge, Fallstrick’, zu l. lacere ’locken’. Ebenso nndl. lasso, ne. lasso(o), nfrz. lasso, nschw. lasso, nnorw. lasso; ÞDilettant, ÞLatz. – DF 2 (1942), 10f.; EWNl 3 (2007), 182f.

Latz

561 Last Sf std. (9. Jh.), mhd. last, ahd. (h)last, mndd. last

Laterne Sf std. (13. Jh.), mhd. la[n]tern[e]. Ist entlehnt

f./n. Aus wg. *hlasti- f. (vielleicht hat auch ein *hlastum. mitgewirkt) ’Last’, Abstraktum auf *-sti- zu Þladen 1. Verb: lasten.

aus l. lanterna, la¯terna dieses aus gr. lampte¯´r, zu gr. la´mpein ’leuchten, glänzen, strahlen’ mit lateinischem Suffix.

Ebenso nndl. last, ne. last. – Kluge (1926), 68f.; Röhrich 2 (1992), 930f.; EWNl 3 (2007), 183.

Ebenso nndl. lantaarn, ne. lantern, nfrz. lanterne, nschw. lanterna, nnorw. lanterne; ÞLampe 1, ÞLatüchte. – Röhrich 2 (1992), 932; EWNl 3 (2007), 179.

Laster1 Sn std. (8. Jh.), mhd. laster, ahd. lastar, as. lastar.

Latrine Sf ’(behelfsmäßiger) Abort’ erw. fach. (16. Jh.). Aus vd. *lastra- n. ’Laster, Fehler, Schmähung’; daEntlehnt aus l. la¯trı¯na, zu l. lava¯re ’waschen, baden’ neben mndd. lachter, mndl. lachter, ae. leahter m., so (ÞLavabo). Demnach eigentlich ein ’Waschraum’, dass als ältere Form wg. *lah-stra- anzusetzen ist. Auverhüllend für ’Abort’ gebraucht. ßergermanisch vergleicht sich air. locht m. ’Schuld, Ebenso nndl. latrine, ne. latrine, nfrz. latrines, nschw. latrin, Gebrechen’. Ableitung von dem in g. *lah-a- Vst. nnorw. latrine. – DF 2 (1942), 12; EWNl 3 (2007), 185. ’schelten, tadeln’ vorliegenden Verb (ae. le¯an, as. lalatsch Adj ’schlaff und nachlässig gehend’ per. reg. han, ahd. lahan). (17. Jh.). Wohl zusammenhängend mit Þlasch und Ebenso nndl. laster. – Mezger, F. ZVS 61 (1933), 289–291; SeeÞlass, vielleicht aber auch lautmalend. Hierzu bold (1970), 321; HWPh 5 (1980), 35–37; LM 5 (1991), 1721; Latschen ’abgetretene Schuhe’ und latschen ’nachläsEWNl 3 (2007), 183. sig herumlaufen’. Latsch, Latsche ist ein ’schlaffer Laster2 Sm std. stil. (20. Jh.). In Form eines Nomen Mensch’, dazu wohl ÞLulatsch. Agentis verkürzt aus Lastkraftwagen. S. auch Þletschert. – Röhrich 2 (1992), 932 (zu Latschen).

lästern Vsw std. (8. Jh.), mhd. lastern, ahd. lastaro¯n,

last(e)ro¯n, lahtro¯n. Ableitung zu ÞLaster 1 in dessen alter Bedeutung ’Schmähung’. lästig Adj std. (15. Jh.), fnhd. lestec, lestic. Ableitung zu

ÞLast, zunächst in der Bedeutung ’beschwerlich’, dann ’unangenehm’. Präfixableitung: belästigen. Röhrich 2 (1992), 931; EWNl 3 (2007), 183.

Lasur Sf ’Schicht aus durchsichtiger Farbe’ per. fach.

Latsche Sf ’Legföhre’ per. oobd. (18. Jh.). Herkunft un-

bekannt. Latte Sf std. (8. Jh.), mhd. lat(t)e, ahd. latto m., latta,

lazza, as. latta. Die Beurteilung der inlautenden Geminate (ohne hochdeutsche Lautverschiebung?) ist schwierig. Zu vergleichen ist noch me. latthe n. Außergermanisch vergleicht sich vielleicht air. slat, kymr. llath ’Rute’ u.ä., so dass (ig.) *slatna¯ o.ä. anzusetzen wäre. Nach Lühr aus (ig.) *latka¯-, g. *laþko¯n.

(13. Jh.), mhd. la¯su¯r, la¯zu¯r n. Entlehnt aus ml. lazurium, lasurium n. ’Blaustein, daraus gewonnene FarEbenso nndl. lat, ne. lath. S. ÞLaden. – Lühr (1988), 251f.; Röhrich 2 (1992), 932f.; Levickij (1998), 221f.; EWNl 3 (2007), be’. Gleicher Herkunft wie ÞLapislazuli und Þazur. 183f. Gemeint ist ursprünglich blaue Farbe, dann ein Farbstoff ohne Festlegung der Farbe, und schließlich seit Lattich Sm erw. fach. (9. Jh.), mhd. lat(t)ech(e), lat(t)ich dem 18. Jh. ’durchsichtiger Farbstoff’. Verb: lasieren. u.ä., ahd. lattuh(ha), latihha, lattih, mndd. lattuke, Ebenso nndl. lazuursteen, nschw. lasering; Þazur. – DF 2 (1942), lattike, mndl. lac(h)teke. Wie ae. lactuca f. entlehnt 11; Goltz (1972), 263–265; Kiesler (1994), 225; Tazi (1998), aus l. lactu¯ca f. ’Lattich, Kopfsalat’ zu l. la¯c n. ’Milch’ 146–148. (wegen seines milchigen Saftes). lasziv Adj ’durch gespielte Schläfrigkeit Sinnlichkeit Ebenso nndl. latuw, ne. lettuce, nfrz. laitue, nschw. laktuk. S. auch ÞHuflattich. – Loewe, R. BGDSL 61 (1937), 208–223; hervorrufend; schlüpfrig’ erw. fremd. (19. Jh.). EntEWNl 3 (2007), 185. lehnt aus l. lascı¯vus ’mutwillig, tändelnd’, wohl unter Einfluß von frz. lascif (oder Relatinisierung aus die- Latüchte Sf ’Licht, Leuchte’ per. ndd. (18. Jh.). Zusamsem). Abstraktum: Laszivität. mengezogen aus ÞLaterne und Lüchte ’Leuchte’. Ebenso nndl. lascief, ne. lascivious, nschw. lasciv. – DF 2 (1942), 11.

latent Adj ’verborgen, nicht unmittelbar fasslich’ erw.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. late¯ns (-entis), dem PPräs. von l. late¯re ’verborgen sein, versteckt sein’. Ebenso nndl. latent, ne. latent, nfrz. latent, nschw. latent, nnorw. latent. – DF 2 (1942), 11; HWPh 5 (1980), 39–46f.; EWNl 3 (2007), 184.

lateral Adj ’seitlich, die Seite betreffend’ per. fach.

(20. Jh.). Entlehnt aus l. latera¯lis, einer Ableitung von l. latus (-teris) ’Seite’. Auch bilateral. Ebenso nndl. lateraal, ne. lateral, nfrz. late´ral, nschw. lateral, nnorw. lateral. – Cottez (1980), 220; EWNl 3 (2007), 184.

Schröder (1906), 46 (anders).

Latwerge Sf ’Dicksaft’ (mundartlich auch andere Be-

deutungen) per. reg. (12. Jh.), mhd. latwa¯rje (u.a.). Entlehnt aus l. ¯elect(u)a¯rium n. ’Heilsaft’ aus gr. ekleikto´n n. ’(flüssige) Arznei’ (zu gr. ekleı´chein ’auslecken’). Ebenso ne. electuary, nfrz. ´electuaire, nschw. latverg. – LM 5 (1991), 1750.

Latz Sm erw. stil. (14. Jh.), spmhd. laz (latzes) ’Schnür-

stück am Gewand’. Entlehnt aus it. laccio ’Schlinge, Schnur’, das aus l. laqueus ’Schlinge’ stammt. Heute für verschiedene angesetzte Gewandteile und den umgebundenen Kinderlatz. ÞLasso. – Röhrich 2 (1992), 933.

lau

562 lau Adj std. (9. Jh.), mhd. la¯ (-wes), ahd. la¯o, mndd. law, Lauch Sm std. (9. Jh.), mhd. louch, ahd. louh, as. lo¯k n.

mndl. la(e)u. Aus vd. *hl¢ ¯ wa-, daneben mit wohl seAus g. *lauka- m. ’Lauch’, auch in anord. laukr, ae. le¯ac n. Der Lauch scheint im Germanischen und Kelkundärem ja-Stamm anord. hl¢r ’mild, lau’. Auf ein tischen eine vorherrschende Stellung in den Pflanznormalstufiges *hlewja- ’mild, warm’ gehen zurück gärten eingenommen zu haben. Ganz deutlich ist dies anord. hly´r, ae. hle¯owe und mndl. luw. Diese Wörter im Altirischen, wo air. lus (zu ig. *leud h- ’wachsen’, berühren sich semantisch teilweise eng mit *hlewa- n. ’geschützter Ort, windabgekehrte Seite’ (ÞLee), beAusgangsbedeutung also ’Pflanze’) sowohl ’Pflanze’ sonders im Altenglischen, doch scheinen die beiden wie auch ’Lauch’ bedeutet. Ebenso ist anord. laukaSippen nicht in etymologischem Zusammenhang gardrÑ ein ’Pflanzplatz’, nicht speziell ein ’Lauchgarmiteinander zu stehen. Mit der Bedeutung ’lau’ lasten’, entsprechend. ae. leac-tu¯n ’Kräutergarten’. Das sen sich semantisch vergleichen kymr. claear ’lau’ Wort gehört also wohl zu den Verben mit unterschiedlichem Auslaut und der Bedeutung ’wachsen’, (aus *klei-?) und als Anlautvariante gr. chliaro´s die wohl auf ig. *al- ’wachsen’ zurückgehen. ’lauwarm’ (aus *g hlei-?), aber die Vermittlung mit dem durch die germanischen Wörter vorausgesetzten Ebenso nndl. look, ne. leek, nschw. lök, nisl. laukur; ÞKnoblauch, ÞSchnittlauch. – Loewe, R. BGDSL 61 (1937), *kleu- ist schwierig. Vielleicht handelt es sich um ver223f.; LM 5 (1991), 1751; RGA 18 (2001), 129–131; Seebold, E. FS schiedene Erweiterungen einer Wurzel *kel-, die in l. Düwel (Berlin 2003), 804–811; EWNl 3 (2007), 257f. cale¯re ’warm sein, heiß sein’, lit. ˇs`ılti ’warm werden, sich wärmen’ vorliegt. Vgl. auch die Sippe von ne. Laue Sf , LaueneSf ÞLawine. luke )Þwarm). Lauer Sm ’Nachwein’ per. arch. (10. Jh.), mhd. lu¯re, Ebenso nndl. lauw; Þflau, ÞKalorie, Þlack. – Darms (1978), ahd. lu¯r(r)a f . Entlehnt aus l. lo¯ra f. ’mit Wasser auf54–60; Heidermanns (1993), 294f.; EWNl 3 (2007), 186f. gegossener Wein’ (zu l. lava¯re ’waschen, spülen’, Laub Sn std. (8. Jh.), mhd. loup, ahd. loub, as. lo¯f . Aus g. ÞLavabo). Die Variante Leier2 geht über mhd. liure, *lauba- n. ’Blatt’, auch in gt. anord. lauf, ae. le¯af, afr. ahd. lu¯rra f. ’Tresterwein’ zurück auf l. lo¯r(e)a f. la¯f; daneben gt. laufs m. ’Blatt’. Das Laub ist benannt Ebenso nndl. leur(wijn). – Heyne (1899/1903), II, 363; Stammals Futterlaub, das abgerissen wird, deshalb zu einem ler (1954), 200; EWNl 3 (2007), 261. Verb mit der Bedeutung ’abreißen, rupfen’ für das lauern Vsw std. (14. Jh.), spmhd. lu¯ren, dazu mhd. lu¯r(e) zwei Möglichkeiten in Frage kommen: 1) (ig.) *leupf. ’Hinterhalt’, mhd. lu¯re m. ’Betrüger’. Ähnlich me. in lit. lu`pti ’abhäuten, schälen’, russ. lupı´t′ ’schälen, lurken. Die Mundarten zeigen verschiedene Bedeuenthülsen’. Eine Variante dazu ist lit. la˜pas m. ’Blatt’ tungen, die offenbar auf ’die Augen zusammenkneineben gr. le´po¯ ’ich schäle (ab)’, gr. olo´pto¯. 2) (ig.) fen (um besser zu sehen)’ zurückgehen. Herkunft un*leub h- in gr. oloupho¯ ’ich reiße ab, schäle ab, rupfe’ klar. Bedeutungsmäßig lassen sich vergleichen (Hesych), l. liber m. ’Bast’, russ. lub m. ’Rinde’. Präspmhd. lu¯schen ’verborgen liegen’, mndd. luschen fixableitungen: be-, entlauben. ’auf Wild lauern’, mndl. luuschen (u.ä.) ’versteckt Ebenso nndl. loof, ne. leaf, nschw. löv, nisl. lauf; Þglauben, ÞLaube, ÞLaubfrosch, ÞLaubsäge, Þlieb, ÞLob, ÞLocke, ÞLode, ÞLohe 2. – Trier (1952), 126–131; EWNl 3 (2007), 256f.

Laube Sf erw. fach. (9. Jh.), mhd. loube, ahd. louba,

sein’ (Þlauschen); ebenso ahd. lu¯ze¯n, mhd. lu¯zen ’verborgen liegen, aufpassen’; ahd. loske¯n, mhd. loschen ’verborgen liegen’. Die Art des Zusammenhangs zwischen diesen Formen ist nicht klar. Abstraktum: Lauer.

mndd. love(ne), mndl. loive, loyfe(n) u.ä. aus vd. *laub-jo¯n f. ’Laube’. Gemeint ist zunächst ein SchutzEbenso nndl. loeren, ne. lower. – EWNl 3 (2007), 248. dach, dann verschiedene leichte Vorbauten u.ä., die Laufbahn Sf std. (17. Jh.). Zunächst wie Rennbahn, Schutz vor der Witterung bieten können. Schließlich dann übertragen als ’Aufeinanderfolge’ und Übersetfür ’Vorhalle, Galerie’ u.ä. Die heutige Bedeutung zung von l. curriculum. Seit dem 18. Jh. Ersatzwort für ’Gartenhaus’ beruht auf einer Kürzung aus ÞKarriere. Gartenlaube. Falls die balt.-slav. Sippe lub- 1. ’Dach, Decke’, 2. ’Rinde, Bast’ als Zusammenfall aus (idg.) Läufel Sf ’äußere grüne Schale der Walnuss’ per. wobd. (16. Jh.), fnhd. löufel. Vgl. ahd. lo(u)ft m. ’Bast, Baum*lub- ’Rinde, Bast’ und (idg.) lub 2- ’Dach, Decke’ aufrinde’. Zu dem unter ÞLaub behandelten Verb mit gefasst werden kann, liegt dem deutschen Wort das der Bedeutung ’schälen’, vgl. noch poln. łupina zweite zugrunde. Vergleichbar ist dann lit. lu`bos Pl. ’äußere grüne Fruchtschale, Hülse, Schote’, lit. lu`pe’Zimmerdecke’, russ. paluba ’Verdeck, Bretterdach’. na ’Obstschale’, sowie von der dort genannten VariEbenso nndl. luifel; ÞLoge. – LM 5 (1991), 1750; Röhrich 2 ante gr. lopo´s m. ’Schale, Rinde’. (1992), 933. Laubfrosch Sm std. (10. Jh.), mhd. loupvrosch, ahd.

loubfrosc. Benannt nach seiner blattgrünen Farbe. Laubsäge Sf std. (18. Jh.). Eigentlich ’feine Säge zum

Aussägen laubförmiger Zierstücke’. Weber-Keller (1990), 139–141.

laufen Vst std. (8. Jh.), mhd. loufen, ahd. (h)louf(f)an,

as. hlo¯pan. Aus g. *hlaup-a- Vst. (ehemals reduplizierend) ’laufen’, auch in gt. -hlaupan, anord. hlaupa, ae. hle¯apan, afr. hla¯pa. Herkunft unklar. Es ist denkbar, dass es sich um eine Erweiterung der Grundlage (ig.)

Laute

563

*keleu- in lit. kelia´uti ’wandern, reisen’, gr. ke´leuthos ’Weg, Reise’ handelt. Abstraktum: Lauf; Nomen Agentis: Läufer. Partikelverben: ab-, an-, auf-, aus-, ein-, unter-, über-; Präfigierungen: Þbe-, Þver-. Ebenso nndl. lopen, ne. leap, nschw. löpa, nisl. hlaupa; ÞBrautlauf , ÞGalopp, ÞLoipe. – Mottausch, K.-H. ZVS 77 (1961), 129–139; Seebold (1970), 259–261; Röhrich 2 (1992), 933f.; EWNl 3 (2007), 260.

Lauffeuer Sn std. phras. (17. Jh.). Ursprünglich die zur

Fernzündung dienende Pulveraufschüttung. Heute nur noch übertragen verwendet (für ’schnelle Verbreitung’). Röhrich 2 (1992), 934f.

läufig Adj ’brünstig (von Hündinnen)’ erw. fach.

(16. Jh., die allgemeine Bedeutung schon 14. Jh.), spmhd. löufec, löufic ’gangbar, weltläufig’. Die Sonderbedeutung nach dem unruhigen Suchen nach einem Partner bei brünstigen Tieren (älter auch bei Männchen, auch bei Þlaufen und Lauf ). Laufpass Sm (in der Wendung einem den Laufpass ge-

ben) std. phras. (18. Jh.). Ursprünglich der Pass, den ein entlassener Soldat bekommt, um seine rechtmäßige Entlassung nachzuweisen. Ebenso nnorw. løpepass. – Röhrich 2 (1992), 935.

Lauft Sm ’Lauf’, noch erhalten in ’Zeitläufte’ per. arch.

(9. Jh.), mhd. louft, ahd. (h)louft. Ein tu-Abstraktum zu Þlaufen. Vgl. noch ÞBrautlauf .

Lauge Sf std. (8. Jh.), mhd. louge, ahd. louga, mndd.

auch in kymr. llau ’Läuse’ vorliegt. Die Entsprechung im Altindischen ist yu¯ka¯ (*ju¯-), die im Baltisch-Slavischen *u¯-, vgl. lit. ute˙˜, (auch liu¸˜le˙), russ. vosˇ ′. Man denkt dabei an tabuisierende Abwandlungen der gleichen Grundlage (auch expressive Entstellungen sind denkbar). Weitere Herkunft unklar. Verb: lausen (sprichwörtlich von der Hautpflege der Affen, die aber mit Läusen nichts zu tun hat). Ebenso nndl. luis, ne. louse, nschw. lus, nisl. lu´s. – Wissmann (1963–1968), 13–34; LM 5 (1991), 1762; Röhrich 2 (1992), 935–938; Griepentrog (1995), 257–263; EWNl 3 (2007), 272.

Lausbub (auch Lauser, Lauskerl, Lausejunge) Sm std. stil.

(18. Jh.). Wohl mit Laus- als allgemein pejorativem Kompositionsglied, etwa im Sinne von ’verlaust’ (ÞLaus). Lauser ’einer, der Läuse hat’ schon im 15. Jh. lauschen Vsw std. (13. Jh.), spmhd. lu¯schen. Gehört se-

mantisch zu dem unter Þlosen behandelten Verb mit der Bedeutung ’hören’, zeigt sich aber in der Lautform eines Verbs mit anderer Bedeutung (zu diesem s. Þlauern). Die Zusammenhänge sind unklar: Entweder sind zwei ursprungsverschiedene Bildungen lautlich zusammengefallen oder das ältere lu¯schen ist semantisch von Þlosen beeinflusst worden. Nomen Agentis: Lauscher. Þlaut. – Seebold (1970), 340f.

lauschig Adj std. stil. phras. (18. Jh., älter lauschicht).

Ein lauschiges Plätzchen ist eigentlich eines, von dem aus sich gut lauschen lässt, also ’versteckt, heimlich’, danach ohne Rücksicht auf die ursprüngliche Funktion ’traulich, zurückgezogen, schattig’ u.ä.

log(g)e, mndl. loge. Aus wg. *laugo¯ f. ’Lauge’, auch im lausig Adj std. stil. (15. Jh.). Die Bedeutung ist zunächst ae. le¯ah. Auf die gleiche Grundform geht anord. laug ’verlaust’, dann ’schlecht, verwahrlost’, dann Steige’warmes Bad’ zurück, zu dem semantisch ahd. l(i)uhrungswort für Negatives. hen ’waschen’ gehört. Eine nur germanische Erweilaut Adj std. (8. Jh.), mhd. lu¯t, ahd. (h)lu¯t, chlu¯d, as. terung zu ig. (eur.) *leu¡- ’waschen, baden’ in l. lahlu¯d. Aus wg. *hlu¯da- Adj. ’laut’, auch in ae. hlu¯d, afr. va¯re, gr. lou´o¯ ’ich bade’, arm. loganam, die sich verhlu¯d. Aus dem to-Partizip der Wurzel ig. *k´leu¡mutlich mit der unter ÞLohe 2 behandelten Sippe zur ’hören’ (ÞLeumund) mit der Bedeutung ’gehört, hörBezeichnung von Gerbstoffen semantisch berührt bar’. Ein entsprechendes Partizip von der einfacheren hat. Waschen mit Lauge war früher weithin üblich. Wurzelform ig. *k´leu- liegt vor in ai. ´sruta´-, gr. klyto´s, Ebenso nndl. loog, ne. lye, nisl. laug ’Bad’. Zur Sippe von l. l. inclutus, die Bedeutung hat sich hier zu ’berühmt’ lava¯re ’waschen’ s. ÞLavabo. S. auch Þauslaugen. – Röhrich 2 (1992), 935; RGA 18 (2001), 136–138; EWNl 3 (2007), 257. entwickelt. Verben: lauten, läuten; Abstraktum: Laut. Laum Sm ’Wasserdampf’ per. arch. reg. (13. Jh.), mhd.

loum. Herkunft unklar. Wohl zu ÞLohe 1. Laune Sf std. (13. Jh.), mhd. lu¯ne ’Mondphase, Mond-

wechsel, Gemütsstimmung’. Entlehnt aus l. lu¯na ’Mond’. Die heutige Bedeutung beruht auf der Auffassung der mittelalterlichen Astrologie, dass der Mondwechsel die Gemütsstimmung beeinflusse. Entsprechend it. luna, nfrz. les lunes Pl., ne. lune, lunacy, lunatic. Adjektive: launig, launisch. Ebenso nfrz. lune, nschw. lynne, nnorw. lune. – Ganz (1957), 127f.; Strasser (1976); EWNl 3 (2007), 271f.

Laus Sf std. (9. Jh., zittarlu¯s 8. Jh.), mhd. lu¯s, ahd. lu¯s,

mndd. lu¯s, mndl. luus, luse u.ä. Aus g. *lu¯s- f. auch in anord. lu´s, ae. lu¯s; s-Erweiterung zu einem *luw-, das

Ebenso nndl. luid, ne. loud; Þlauschen, ÞLeumund, Þlosen, Þverlautbaren, Þvorlaut. – Frisk (1966), 63–82 (zu den Bedeutungszusammenhängen); Heidermanns (1993), 296f.; EWNl 3 (2007), 269.

Laut Sm std. (10. Jh.), mhd. lu¯t, ahd. (h)lu¯tı¯, liutı¯, lu¯tı¯n f.

’Ton, Stimme, Wortlaut’. Abstraktum zu dem Adjektiv Þlaut (oder Abstraktum zu der zugrunde liegenden Verbalwurzel). Aus der Angabe Laut + Text oder Urheber im Genetiv (= ’nach der Äußerung von’) entsteht die Präposition laut. Vgl. die moderne Wendung Originalton X.

Laute Sf erw. fach. (14. Jh.), spmhd. lu¯te. Entlehnt aus

afrz. le¨ut, das seinerseits über das Spanische aus arab. al- u¯d, eigentlich ’das Holz’, Bezeichnung eines Musikinstruments aus Holz, entlehnt ist.

läuten

564 Ebenso ne. lute, nfrz. luth, nndl. luit, nschw. luta. – Relleke (1980), 90–92, 194–197; LM 5 (1991), 1768; Röhrich 2 (1992), 938; Kiesler (1994), 327; Tazi (1998), 210; EWNl 3 (2007), 273.

läuten Vsw std. (8. Jh.), mhd. liuten, ahd. (h)lu¯ten,

liuten u.ä. Aus wg. *hlu¯d-ija- Vsw. ’laut machen, lärmen, tönen’, auch in ae. hly¯dan. Faktitivum zu dem Adjektiv Þlaut, in der neueren Sprache auf Glocken usw. eingeschränkt. Röhrich 2 (1992), 938f.; EWNl 3 (2007), 269.

lauter Adj erw. obs. (8. Jh.), mhd. lu¯ter, ahd. (h)lu¯t(t)ar,

as. hlu¯˘ttar. Aus g. *hlu¯tra- Adj. ’lauter, rein’, auch in gt. hlu¯trs, ae. hlut(t)or, hlut(t)re, afr. hlutter. Ein Adjektiv auf (ig.) -ro- zu *k´leu-d- ’waschen, spülen’, auch in gr. kly´zo¯ ’ich spüle, reinige’, unerweitert in kymr. clir ’hell, klar, heiter, rein’ und al. cluere ’reinigen’. Abweichenden Vokalismus zeigt lit. ˇslu´oti ’fegen, wischen’, so dass vielleicht von *k´lo¯u-d- auszugehen ist. Das Adjektiv ist in der neueren Sprache auch formal erstarrt in der Bedeutung ’ausschließlich, ohne etwas anderes’ (aus lauter Liebe).

Zur Sippe des griechischen Wortes s. ÞKlistier, zur Sippe des lateinischen s. ÞKloake. – Heidermanns (1993), 297f.; EWNl 3 (2007), 265f.

läutern Vsw std. (8. Jh.), mhd. liutern, ahd. (h)lu¯taren.

Wie ae. hluttrian Faktitivum zu Þlauter, also eigentlich ’lauter, rein machen’. Abstraktum: Läuterung; Präfigierung: Þerläutern. HWPh 5 (1980), 49–52.

lauthals (älter lauthalsig) Adv std. stil. (19. Jh., Form

20. Jh.). Die kürzere Form nach ndd. lu¯dhals. Possessiv-Kompositum, das semantisch etwa mit voller Kehle entspricht. Lava Sf ’bei Vulkanausbrüchen austretende Mas-

se’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it. lava, einem ursprünglich regionalen Wort mit Bedeutungen wie ’Sturzbach, Erdrutsch’, entfernt verwandt mit ÞLawine, letztlich aus l. la¯bı¯ ’gleiten, rutschen’.

kann’, zu it. lavare ’waschen’, aus l. lava¯re (ÞLavabo). So bezeichnet nach seiner Verwendung als Badezusatz. Ebenso ne. lavender, nfrz. lavande, nndl. lavendel, nschw. lavendel, nisl. lavendill. – Knobloch, J. in Symbolae Linguisticae in honorem Georgii Kuryłowicz (Warschau 1965), 51; EWNl 3 (2007), 188.

lavieren Vsw ’kreuzen, geschickt operieren’ erw. fremd.

(16. Jh.). Übernommen aus der niederdeutschen Seemannssprache (mndd. lave¯ren) und semantisch ausgeweitet. Das niederdeutsche Wort scheint zusammen mit seiner niederländischen Entsprechung aus einem französischen Wort zu stammen, das allerdings erst später bezeugt ist (mfrz. lovier); dieses aus mfrz. lof ’Windseite’, das seinerseits aus dem Niederländischen stammt. Ebenso nfrz. louvoyer, nndl. laveren, nschw. lovera, nnorw. lovere; ÞLuv. – DF 2 (1942), 13; EWNl 3 (2007), 188f.

Lavo(i)r Sn ’Waschbecken’ erw. obs. (17. Jh.). Entlehnt

aus frz. lavoir m., zu frz. laver ’waschen’ (aus l. lava¯re; ÞLavabo). Die Form mit -o- über ndl. lavoor. Ebenso ne. lavatory, nschw. lavoar. – DF 2 (1942), 13.

Lawine Sf std. (18. Jh., älter Lauwine). Übernommen

aus schwz. Lauwine, dieses entlehnt aus räto-rom. lavina, aus ml. labina, lavina, zu l. la¯bı¯ ’gleiten, rutschen’. Eine bereits im Althochdeutschen (8. Jh.) erfolgte Entlehnung mit allgemeinerer Bedeutung (auch ’Wildbach, Bergsturz’) lebt mundartlich (obd.) als ÞLaue, Lauene fort. Ebenso nndl. lawine, nschw. lavin, nnorw. lavine. Zu l. la¯bı¯ ’gleiten’ s. Þlabil. – Snyder, W. ZDS 26 (1970), 184–187; EWNl 3 (2007), 189.

lax Adj std. stil. (19. Jh.). Entlehnt aus l. laxus ’schlaff,

lässig’. Ebenso nndl. laks, ne. lax. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞLaken; Þleasen, ÞRelais. – DF 2 (1942), 13f.; Cottez (1980), 221; EWNl 3 (2007), 172.

Ebenso ne. lava, nfrz. lave, nndl. lava, nschw. lava, nnorw. lava. Layout Sn ’Gestaltung, Entwurf, Entwurfsgestal– Littmann (1924), 100f.; DF 2 (1942), 12f.; Lüschen (1979), tung’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus gleichbedeu263; EWNl 3 (2007), 187. tend ne. layout, eigentlich ’Auslage’ (zu Þlegen und

Þaus). Ebenso nndl. lay-out, ne. layout, nschw. layout, nnorw. lay-out. (20. Jh.). Regional entlehnt aus frz. lavabo m., ur– Rey-Debove/Gagnon (1988), 493; Carstensen 2 (1994), sprünglich das Gerät bei der Händewaschung in der 811f.; EWNl 3 (2007), 190. katholischen Messe (nach dem begleitenden Text, der Lazarett Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. lazaret m. mit l. lavabo ’ich werde waschen’ beginnt). und mit diesem aus it. lazzaretto m.; nach der veneEbenso ne. lavabo, nfrz. lavabo, nndl. lavabo. Aus dem zugrunde liegenden l. lava¯re ’waschen’ ist vermutlich Þlaben entzianischen Quarantäne-Insel lazzaretto vecchio; dieses lehnt; die Ausgangsbedeutung zeigen auch ÞLavo(i)r, offensichtlich zu it. lazzaro ’Aussätziger’ (nach dem ÞLavendel, ÞLotion und das urverwandte ÞLauge. Zu biblischen Lazarus). Das Suffix ist unklar, nach Spit’wässern’ entwickelt in ÞLauer, die häufige Verwendung von zer ist das Wort vermischt worden mit Nazaret, dem ’Waschort’ zu ’Toilette’ in ÞLatrine (und in frz. lavabo). – Namen der zugehörigen Kirche.

Lavabo Sn ’Waschbecken mit Kanne’ per. wobd.

EWNl 3 (2007), 187f.

Lavendel Sm ’eine Mittelmeerpflanze mit stark duften-

den Blüten’ erw. fach. (9. Jh.), mhd. lavendel(e) m./f. Ist entlehnt aus it. lavandula f., einer Ableitung von it. lavanda f. ’was zum Waschen gebraucht werden

Ebenso nndl. lazaret, ne. lazaret(te), nfrz. lazaret, nschw. lasarett, nnorw. lasarett. – Spitzer, L. WS 6 (1914/15), 201–205; Littmann (1924), 41; DF 2 (1942), 14; Lokotsch (1975), 104; Jones (1976), 392; EWNl 3 (2007), 190.

lecken1

565 leasen Vsw ’mieten, pachten’ erw. fach. (20. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. lease, dieses aus afrz. lesser, laisser ’lassen’, aus l. laxa¯re ’lösen’, zu l. laxus ’schlaff, lose’. Ebenso nndl. leasen, ne. lease, nfrz. leasing, nschw. leasa, nnorw. lease; Þlax. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 496; Carstensen 2 (1994), 816–819.

Lebemann Sm erw. stil. (18. Jh.). Lehnübertragung von

frz. bonvivant, eigentlich ’Gut-Lebender’. leben Vsw std. (8. Jh.), mhd. leben, ahd. lebe¯n, as. lib-

aus einem Schweinekopf; 1802 gibt es ein Rezept für Leberkuchen (mit einer anderen Form); 1858 Schweinsleber-Käse (die Hälfte der Masse aus Leber); schon 1716 eine Lebertorte (mit komplizierterem Rezept). Ursprünglich ein Gericht der feinen Küche, wird es durch Zusätze (Stärkemehl) und immer stärkeren Ersatz der Leber durch Hackfleisch schon wenige Jahre später ein Gericht der einfachen Leute. Deshalb dann auch häufig der Ersatz des Wortes durch Fleischkäse (ein ursprünglich schweizerisches Wort), da die ursprüngliche Beimengung von Leber schließlich ganz wegblieb.

bian. Aus g. *lib-¢ ¯ - Vsw. ’leben’, auch in gt. liban, anord. lifa, ae. libban, lifian, leofian, afr. libba. Durativ zu dem unter Þbleiben behandelten starken Verb. Ebenso nndl. leverkaas. – v. Reitzenstein, W.-A. Blätter für Ausgangsbedeutung ist also etwa ’fortbestehen, bleioberdeutsche Namenforschung 42/43 (2005/2006), 127f. ben’. Abstraktum: Leben; Präfigierungen: er-, über-, Lebertran Sm ÞTran. ver-. Ebenso nndl. leven, ne. live, nschw. leva, nisl. lifa; ÞLeib. – La lebhaft Adj std. (13. Jh.), mhd. lebehaft ’mit Leben beFarge (1991); EWNl 3 (2007), 214. gabt’. Später auch mit -ig erweitert (davon Lebhaftigkeit). Seit dem 17. Jh. in übertragener Bedeulebendig Adj std. (9. Jh.), mhd. lebendec, lebendic, ahd. tung. lebe¯ntı¯g. Das Wort ist eine Erweiterung des präsentischen Partizips von Þleben und ist bis in die nhd. Zeit Lebkuchen Sm std. (13. Jh.), mhd. lebekuoche, mndd. normal anfangsbetont. Seit spmhd. Zeit wird der Ton levekoke. Daneben mhd. lebezelte (ÞZelte(n)). Herauch auf den Vokal vor der Konsonanz -nd- gezogen, kunft umstritten. Einerseits kann eine Entlehnung im 18. Jh. hat sich diese Betonung durchgesetzt. aus l. lı¯bum n. ’Fladen’ vorliegen; andererseits wird an Hildebrand, R. KS (1897), 310–314 = ZDU 6 (1892), 641f., 7 ein zu ÞLaib im Ablaut stehendes Wort gedacht (das (1893), 791–793; Behaghel, O.: Geschichte der deutschen sich dann auf die Backform beziehen würde). Beide Sprache (Berlin, Leipzig 51928), 262; EWNl 3 (2007), 214. Annahmen machen Schwierigkeiten. Lebenslauf Sm std. (17. Jh.). Übersetzt aus dem bis Heyne (1899/1903), II, 275; Fincke, H. MS 73 (1963), 180f.; dahin üblichen l. curriculum vı¯tae n. Fincke, H. DLR (1963), 159–167. Leber Sf std. (8. Jh.), mhd. leber(e), ahd. lebara, lebera, lechzen Vsw std. (14. Jh.), spmhd. lech(e)zen. Vergleich-

mndd. lever, mndl. lever(e). Aus g. *libro¯(n) f., auch in bar mit akslav. lakati ’hungern’ neben akslav. alkati, anord. lifr, ae. lifer, afr. livere. Das Wort bedeutet verlit. a´lkti ’hungern, sehr verlangen’. Im Mittelhochmutlich ursprünglich ’die Fette’ (vielleicht eigentlich deutschen daneben ein lechen, zerlechen, zerlechzen ’die gemästete Leber’, vgl. it. fegato m. ’Leber’ aus l. ’vor Hitze Sprünge bekommen’ (zu Þleck). Durch iecur fı¯ca¯tum n. ’gemästete Leber’). In diesem Fall verden Zusammenfall der beiden Wörter wohl die Festgleicht sich gr. liparo´s ’fett’ zu gr. lı´pos n. ’Fett, Öl, legung auf ’(nach Wasser) lechzen, dürsten’. Knobloch, J. SW 5 (1980), 176f. Salbe’ und weiter die unter Þbleiben angeführte Wortsippe. Es ist allerdings nicht völlig ausgeschlos- leck Adj std. (16. Jh.). Ursprünglich niederdeutsches sen, dass das germanische Wort das indogermanische Seemannswort, dessen hd. Entsprechung lech verloWort für ’Leber’ (ig. *jek wr, vgl. l. iecur n. usw.) fortren gegangen ist. Hierzu anord. lekr und wohl mit ˙ setzt, da bei diesem auch sonst lautliche Entstellununechtem Anlaut ae. hlec, mndl. lec(ke), mndd. lak gen auftauchen (z.B. ein Anlaut l- im Armenischen, ’undicht’. Abgeleitet von dem starken Verb (g.) falls das armenische Wort zugehörig ist). *lek-a- ’undicht sein’ in anord. leka ’leck sein, tropEbenso nndl. lever, ne. liver, nschw. lever, nisl. lifur. – EWNl 3 fen’, afr. bileka ’austrocknen’, ahd. -lehhan, -lehhen (2007), 214. ’undicht sein’. Konkretum: Leck; Verb: lecken3. Leberblume Sf per. fach. (14. Jh.). Etwas älter leberkru¯t S. auch Þlechzen. – Kluge (1911), 524f.; Seebold (1970), 330; Heidermanns (1993), 359, 372f.; EWNl 3 (2007), 203. n. Name verschiedener Pflanzen, vor allem der Frühlingsblume ’Anemo¯ne¯ he¯patica’, die wegen ihrer le- lecken1 Vsw ’mit der Zunge über etwas streichen’ std. berförmig gelappten Blätter bei den alten Ärzten als (8. Jh.), mhd. lecken, ahd. lecko¯n, lecc(h)o¯n, as. likkon. Mittel gegen Leberleiden galt. Üblich ist das DimiAus wg. *likk-o¯- Vsw. ’lecken’, auch in ae. liccian. Das nutiv Leberblümchen. -kk- ist entweder expressiv oder es stammt aus einer Marzell 1 (1943), 271f.

Leberfleck Sm std. (17. Jh.). Lehnübersetzung von l.

macula he¯patica f. So benannt nach der Farbe. Leberkäse Sm erw. obd. (19. Jh.). Die Bezeichnung als

Käse nach der Form der Laibe, wie 1743 Schweinskäse

Assimilation an -n-. Die einfache Wurzelform in gt. bilaigon ’belecken’. Aus ig. *leig´ h- ’lecken’ in ai. re´dhi, ˙ le´dhi, gr. leı´cho¯, lit. lie˜ˇzti, akslav. lizati, l. lingere, air. ˙ lı´gim. Eine Form mit s-Anlaut s. unter Þschlecken. Ebenso nndl. likken, ne. lick. – EWNl 3 (2007), 234.

lecken2

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lecken (auch löcken) Vsw ’mit den Füßen ausschla-

Ebenso nndl. ledig, leeg. – Heidermanns (1993), 384f.; EWNl 3

(2007), 193f. gen’ erw. obs. phras. zit. (13. Jh.), mhd. lecken. Herkunft unklar. Vielleicht zu lit. le˙˜kti ’fliegen, laufen, Lee Sfn ’die vom Wind abgekehrte Seite des rennen’ oder aber (semantisch ansprechend, aber Schiffs’ per. fach. (17. Jh.). Übernommen aus mndd. lautlich schwierig) zu gr. la´x ’mit der Ferse, mit dem le(he) f., as. hleo f. ’Schutz, Decke’ aus g. *hlewa- n. Fuß’, l. calx ’Ferse’. Heute noch in wider den Stachel ’schützender Ort, Obdach’, auch in anord. hle´ n., ae. löcken (mit ÞStachel ist ein Gerät zum Antreiben der hleo(w) n., ahd. liwa, lewin(n)a f. u.ä. (9. Jh.), mhd. Ochsen gemeint), nach Apostelgeschichte 9,5, 26,14. lie(ve) f. (die Bedeutung der hochdeutschen Wörter Das Wort ist ein seltenes Mundartwort, das nur durch ist nicht ausreichend klar). Herkunft unklar; falls von Luthers Bibelübersetzung bekannt wird (daher auch *hliwa- auszugehen ist, kann an gt. hleiþra f. ’Hütte, die Unsicherheit in der Schreibung). Zelt’, gt. hlija f. ’Hütte, Zelt’, gr. (poet.) klisı´a f. Þfrohlocken. – Besch, W. FS Rauch, 247–256. ’Hütte, Zelt’ angeknüpft werden. lecken3 Vsw Þleck. Ebenso nndl. lij, ne. lee, nisl. hle´. S. auch Þlau, ÞLuv. – Kluge

lecker Adj std. (14. Jh., leckari ’Schwelger’ 8. Jh.),

spmhd. lecker, mndd. lecker, mndl. lecker. Zu Þlecken 1 als ’was zum Lecken ist’. Im Nordwesten bedeutet lecker ’wählerisch im Essen’, wie sonst leckerhaft. Dies zu mhd. lecker ’Tellerlecker, Schmarotzer’. Zu Lautstand und Bedeutung vgl. noch l. ligurrio ’leckerhaft sein, naschen, lüstern sein’. Ebenso nndl. lekker. – EWNl 3 (2007), 203f.

Lede Sf ÞLehde. Leder Sn std. (11. Jh., lidirı¯n 9. Jh.), mhd. leder, ahd.

(1911), 527–529; Darms (1978), 54–60; EWNl 3 (2007), 229.

leer Adj std. (11. Jh., as. 9. Jh.), mhd. l¢ ¯ r(e), ahd. l(e)a¯re,

as. la¯ri. Aus wg. *l¢¯ zi-/ja- Adj. ’leer’, auch in ae. gel¢ ¯ r. Herkunft nicht ausreichend sicher; vermutlich als ’was zu lesen ist’ ein dehnstufiges Adjektiv der Notwendigkeit zu Þlesen. Diese Bedeutung könnte ausgehen vom abgeernteten Getreidefeld: es ist zur Nachlese bereit (kann abgelesen werden) und vom Standpunkt des Erntenden aus abgeräumt, leer. Lindquist, A. BGDSL 51 (1927), 99–103; Heidermanns (1993), 381.

ledar, leder, as. ledaÑ r-. Aus g. *leþra- n. ’Leder’, auch in anord. ledrÑ , ae. ledeÑ r, afr. lether. Zu vergleichen ist air. Lefze Sf erw. stil. (8. Jh.), mhd. lefs(e), ahd. lefs m. Weiterbildung eines alten s-Stammes, der in ahd. leffur lethar, kymr. lledr ’Haut, Leder’; doch ist unklar, ob m., as. lepor bezeugt ist. Außergermanisch vergleicht die sonst nicht anschließbaren Wörter urverwandt sich l. labium, labrum n. ’Lippe, Rand’ (mit Schwiesind, oder ob das germanische Wort aus dem Keltirigkeiten im Vokalismus). Man knüpft weiter an schen entlehnt ist. Da die keltische Lautform aber aus (lautlich ziemlich unfeste) Wörter mit der Bedeutung einer semantisch plausiblen Vorform hergeleitet wer’schlaff’ und ’herabhängen’ an (ÞLappen, Þschlaff ), den kann, die für das Germanische nicht in Frage wobei die Ausgangsbedeutung etwa ’Hautlappen’ kommt, ist das germanische Wort wohl entlehnt. wäre. Auszugehen ist dabei von dem durch ai. pra´thati Þlabern, ÞLappen, ÞLippe, Þschlaff . – Bahder (1925), 34–36; ’sich ausdehnen’ vertretenen Verb ig. *pel¡-, das vor Wagner, N. HS 110 (97), 161–165. allem das Adjektiv ig. *pltu- ’weit, breit, flach’ (gr. ˙ hat. Dazu kann mit sekun- legal Adj std. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus l. le¯ga¯lis, einer platy´s, ai. prthu´-) geliefert ˙ und morphologisch unklarem, aber beAbleitung von l. le¯x (le¯gis) ’Gesetzesvorschlag, Gesetz, därer e-Stufe Verordnung’, vielleicht weiter zu l. legere (le¯ctum) kanntem Suffixwechsel (Caland-Suffix) das durch die ’lesen, ablesen, vorlesen’, verwandt mit gr. le´gein Leder-Wörter vorausgesetzte ig. (weur.) *pletro- ge’zählen, berechnen’ (zu diesen s. ÞLegende und hören, das zunächst wohl ’*Oberfläche, *AusgebreiÞLogik). Abstraktum: Legalität; Verb: legalisieren. tetes’, dann im Keltischen ’Haut, Leder’ bedeutete. Häufiger ist die negative Form illegal. Das Germanisch hat dann das keltische Wort in seiEbenso nndl. legaal, ne. legal, nfrz. le´gal, nschw. legal, nnorw. ner technischen Bedeutung (vielleicht zusammen mit legal. Zu l. le¯x ’Gesetz’ gehören außer legal und seiner über das einer besonderen Herstellungstechnik) entlehnt. AdFranzösische entlehnten Entsprechung Þloyal noch aus der jektiv: ledern. Ebenso nndl. le(d)er, ne. leather, nschw. läder, nisl. leduÑ r. – Loewenthal, J. BGDSL 53 (1929), 462; RGA 18 (2001), 177–179; EWNl 3 (2007), 196.

ledig Adj std. (12. Jh.), mhd. ledec, ledic ’frei, ungehin-

verbalen Ableitung Þdelegieren und ÞLegat. Auf verschiedene Ableitungen gehen zurück ÞLegislatur, Þlegitim, ÞKollege und ÞPrivileg. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 397; Pisani, V. FS Pagliaro 3 (1969), 160f.; GB 3 (1982), 677–740; EWNl 3 (2007), 197f.

dert’, mndd. led(d)ich, mndl. ledich, ledech ’müßig, Legat Sn ’Vermächtnis’ per. fach. (16. Jh., das Maskuunbeschäftigt’. Dazu anord. liduÑ gr ’frei, ungehemmt; linum in der Bedeutung ’(päpstlicher) Gesandter’ seit gelenkig’. Herkunft nicht ausreichend klar: In der dem 14. Jh.). Entlehnt aus l. le¯ga¯tum ’gesetzlich verBedeutung ’gelenkig’ zu ÞGlied, in der Bedeutung fügt’, PPP. zu l. le¯ga¯re (Þdelegieren, Þlegal). ’frei’ vielleicht zu ahd. lid ’Diener’, also ’mit Dienern Ebenso nndl. legaat, ne. legacy, nfrz. legs, nschw. legat, nnorw. versehen’ und damit ’frei’. Präfixableitungen: ent-, legat. – DF 2 (1942), 14; EWNl 3 (2007), 198. Þerledigen.

Lehne2

567 Legel Smfn ÞLägel. legen Vsw std. (8. Jh.), mhd. legen, ahd. leg(g)en, lecchen

frz. le´gislatif, le´gislative. Die Wörter sind eigentlich englische Bildungen, die in der französischen Revolution in Frankreich übernommen wurden. Zugrunde liegt l. le¯gislatio, älter le¯gum latio ’Gesetzgebung’ zu l. le¯gem ferre ’ein Gesetz einbringen’ (s. ÞDifferenz und zum Suppletivstamm la¯tum ÞPrälat).

u.ä., as. leggian. Aus g. *lag-eja- Vsw. ’legen’, auch in gt. lagjan, anord. leggja, ae. lecgan, afr. ledza, lega, leia, eigentlich ’liegen machen’, also Kausativum zu Þliegen. Außergermanisch entspricht akslav. -lozˇiti Ebenso nndl. legislatuur, ne. legislation, nfrz. le´gislature, nschw. ’legen’. Partikelverben: ab-, an-, auf-, aus-, bei-, dar-, legislativ. – DF 2 (1942), 16. ein-, nieder-; Präfigierungen: Þbe-, Þer-, über-, unter-, legitim Adj erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus l. le¯gitiÞver-. mus, zu l. le¯x ’Gesetz’ (Þlegal). Abstraktum: Ebenso nndl. leggen, ne. lay, nschw. lägga, nisl. leggja; ÞFilou, ÞInlay, ÞLayout. – EWNl 3 (2007), 200. Legitimation (16. Jh.); Verb: legitimieren. Ebenso nndl. legitiem, ne. legitimate, nfrz. le´gitime, nschw. leLegende Sf std. (13. Jh.), mhd. legende. Ist entlehnt aus gitim, nnorw. legitim. – DF 2 (1942), 16f.; GB 3 (1982), 677–740; ml. legenda ’Lesung eines Heiligenlebens’, eigentlich EWNl 3 (2007), 201. ’die zu lesenden (Texte)’, zu l. legere ’lesen’. Ausgehend von dem oft wunderlichen Charakter solcher Leguan Sm ’eine Tropenechse’ per. exot. (17. Jh.). EntGeschichten entsteht dann die Bedeutung ’nicht ganz lehnt aus nndl. leguaan, dieses aus span. iguana f. und glaubwürdige Geschichte’. Adjektiv: legendär. dem femininen Artikel span. la; weiter aus der südEbenso nndl. legende, ne. legend, nfrz. le´gende, nschw. legend, amerikanischen Indianersprache Araua iuwana.

nisl. legenda. Die Ausgangsbedeutung von l. legere ist ’aufleEbenso nndl. leguaan, ne. legua(a)n, (i)guana, nfrz. iguane, sen, auslesen’ − hierzu s. ÞKollekte, ÞKollektion, Þkollektiv, nschw. leguan. – Loewe, R. ZVS 61 (1933), 70–72; EWNl 3 ÞKollektor, ÞSelektion, ÞLegion und über das Französische (2007), 201f. Þelegant und ÞElite, entfernt auch die Sippe von l. le¯x ’Gesetz’ (Þlegal) –, daraus die Bedeutung ’(Schrift) lesen’ in ÞLektion, Lehde Sf ’Niederung, Tal’ per. ndd. (18. Jh.). Übernommen aus nndl. leegte (vgl. mndd. legede). Wie hoogte ÞLektor, ÞLektüre und Legende. Verwandt ist gr. le´gein ’lesen, zu Þhoch gehört leegte zu nndl. laag, ’niedrig’ (g. zählen, berechnen’ (ÞLogik). – DF 2 (1942), 15; EWNl 3 (2007), 198f. *l¢¯ gi-, auch in anord. la´gr, mhd. l¢ ¯ ge ’flach’, nhd. läg

leger Adj ’lässig, zwanglos’ erw. fremd. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. le´ger, dieses aus vor- rom. *leviarius, zu l. levis ’leicht, leichtsinnig, unbeständig’. Zu dem von l. levis ’leicht’ abgeleiteten l. leva¯re ’heben’ s. ÞLever, Þrelevant, ÞRelief ; zur germanischen Verwandtschaft s. Þleicht.

legieren Vsw ’verbinden’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt

aus it. legare (allgemein: ’verbinden’), dieses aus l. liga¯re ’verbinden’. Ebenso nndl. legeren, nschw. legera, nnorw. legere. Aus l. liga¯re ’verbinden’ kommt über das Französische noch Þliieren; ein PPP. in Þobligat, eine entsprechende deutsch gebildete Form in ÞAlliierte; Abstrakta sind über das Spanische ÞLiga, das Französische ÞLiaison und ÞAllianz, das Englische ÞRallye, unmittelbar aus dem Lateinischen ÞLigatur. – DF 2 (1942), 15f.; EWNl 3 (2007), 199.

Legion Sf (eine römische Heereseinheit) erw. bildg.

’abschüssig’, Bergmannssprache). Adjektiv der Möglichkeit zu Þliegen. Naumann, H. BGDSL-H 92 (1970), 151–195; Heidermanns (1993), 368f.

Lehen Sn erw. obs. (8. Jh.), mhd. le¯(he)n, ahd. le¯(ha)n,

as. le¯han. Aus g. *laihwna- n. ’überlassenes Gut’, auch in anord. la´n, ae. l¢ ¯ n, afr. le¯n; Ableitung von Þleihen. Eine auffällige Parallele ist ai. re´knas- ’Besitz, Eigen˙ tum, Habe’. Ebenso nndl. leen, ne. loan, nschw. län, nisl. la´n; ÞDarlehen. – EWNl 3 (2007), 194f.

Lehm Sm std. (8. Jh.), mhd. leim(e), ahd. leim(o), as.

le¯mo, Ostmitteldeutsche Lautform für heute nur noch mundartliches Leimen. Aus wg. *laima/o¯n m. ’Lehm’, auch in ae. la¯m n. Auf einem s-Stamm zu der einfacheren Wurzel beruht anord. leir n. ’Lehm’. Außergermanisch vergleicht sich zunächst l. lı¯mus ’Schlamm’ und von der einfacheren Wurzelstufe apreuß. layso ’Ton’, apreuß. laydis ’Lehm’, alb. ledh, ledhi ’feuchter Ton, Schlamm’. Zu einer Wurzel (ig.) *lei- ’streichen, schmieren’ in l. linere, gr. alı´no¯, lit. laisty´ti ’verschmieren’. Adjektiv: lehmig.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. legio (-o¯nis), einer Ableitung von l. legere ’sammeln, aussuchen, wählen’ (ÞLegende), gemeint ist ’ein ausgehobenes Heer’. Zunächst Bezeichnung der altrömischen Heereseinheit, dann auch übertragen auf Söldnertruppen. Täterbezeichnung: Legionär. Die Wendung ihre Zahl ist LegiEbenso nndl. leem, ne. loam; ÞLeim. – Trier (1951), 10–16; on beruht auf Mk 5, 9, wo der ’unsaubere Geist’ auf EWNl 3 (2007), 194. die Frage nach seinem Namen antwortet: ’Legion Lehne1 Sf ’(Rücken)Stütze’ std. (8. Jh.), mhd. lene, heiße ich, denn wir sind viele’. lin(e), ahd. (h)lena, (h)lina, lin. Zu Þlehnen 1; verEbenso nndl. legioen, ne. legion, nfrz. le´gion, nschw. legion, gleichbar ist gr. klı´ne¯ ’Lager, Polster’. nnorw. legion. – DF 2 (1942), 16; EWNl 3 (2007), 200. Legislatur Sf ’(Amtszeit der) gesetzgebende(n) Ver-

sammlung’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt und relatinisiert aus frz. le´gislature, wie legislativ, Legislative aus

Lehne2 Sf (auch Lenne f., Löne f. und umgestaltet Leinbaum m.) ’Spitzahorn’ per. reg. (11. Jh., Form 18. Jh.), mhd. lı¯mboum, lı¯nboum, ahd. lı¯nboum, lı¯n-

lehnen1

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boum, lintboum. Die neuere (niederdeutsche) Form Lei Smf ’Stein, Schiefer’ (auch in Ortsnamen) per. reg. erst seit dem 18. Jh.; wieder anders anord. hlynr. Au(14. Jh., as. 9. Jh.), spmhd. lei(e) f., as. le¯ia f. Regionale ßergermanisch vergleicht sich auf einfacherer Stufe (rheinische) Entlehnung aus gall. *le¯i, vgl. air. lı´a, lie lit. kle˜vas m., mit anderer Erweiterung russ. kle¨n m., m. /(f.) (aus kelt. *lı¯wank-), gr. la˜as m. /(f.) ’Stein’. Einzelheiten bleiben unklar. ml. clenus m., gr. (maked.) klino´trochon n. Die Vokale (und teilweise auch die Konsonanten) stimmen nicht Ebenso nndl. lei. – EWNl 3 (2007), 202. zusammen, so dass kaum ein Erbwort vorliegt. -lei Suffix erw. obs. (13. Jh.), mhd. leie. Um 1200 in gelehnen1 Vsw std. (8. Jh.), mhd. lenen, linen, ahd. (h)linetivischen Formeln wie mhd. maneger leie, zweier ne¯n. Aus wg. *hlin-¢ ¯ - Vsw. ’sich stützen, lehnen’, leie usw. entlehnt aus afrz. loi ’Art, Verhalten’. Dieses auch in ae. hlinian, hleonian. Eingemischt hat sich das aus l. le¯x (le¯gis). Kausativum (g.) *hlain(-eja-) in mhd. leinen, ahd. Þlegal. – Schröder, E. ZDA 75 (1938), 194f.; Miettinen (h)leinen, ae. hl¢ ¯ nan. Zu der ig. Wurzel *k´lei(1962), 190–195; Kolb, H. FS Betz (Tübingen 1977), 388–420; ’neigen’, die schon in alter Zeit mehrere n-Bildungen EWNl 3 (2007), 202. kannte. Vgl. avest. sri-nauu-, (ai. ´sra´yate), lit. ˇsli-n-u` Leib Sm std. (8. Jh.), mhd. lı¯p, lı¯b, ahd. lı¯b, lı¯p(h) u.ä. ’ich lehne mich an’, l. clı¯na¯re, gr. (umgestaltet) klı´no¯. m./n. Aus g. *leiba- m./n. ’Leben’, auch in anord. lı´f Stark abweichende Bedeutung bei den Partikelverben n., ae. lı¯f n. Das Wort gehört zu der Hochstufe dermit ab- und auf-. selben Wurzel g. *leib-, zu der auch Þleben gehört. Ebenso nndl. leunen, ne. lean. Zu einer möglichen einfacheren Wurzel s. ÞHalde und zur lateinischen Verwandtschaft Þdeklinieren; ÞLeite, ÞLeiter. – Bischoff, K.: Germ. *hlaiw’Grabhügel, Grab, Hügel’ im Deutschen (Mainz, Wiesbaden 1979); Heidermanns (1993), 291f.; EWNl 3 (2007), 212.

lehnen2 Vsw (1) ’zu Lehen geben’, heute noch belehnen;

(2) ’ausleihen’, allgemeiner Þentlehnen per. arch. reg. (9. Jh.), mhd. le¯henen, ahd. le¯hanon, as. le¯hnon ’ausleihen, als Lehen geben’. Ableitung zu ÞLehen.

Die alte Bedeutung ’Leben’ hält sich bis in mittelhochdeutscher Zeit und ist in Komposita wie Leibrente ’Rente auf Lebenszeit’ noch bewahrt. Neben der später üblichen Bedeutung ’Körper’ frühneuhochdeutsch auch ’Person’, etwa in Leibarzt bewahrt. Präfixableitungen: Þeinverleiben, entleiben; Adjektiv: leiblich.

Mellor, Ch. J. M. MLN 88 (1973), 1020–1022, 96 (1981), 613f.

Ebenso nndl. lijf, ne. life, nschw. liv, nisl. lı´f; Þlive. – Adolf (1937); HWPh 5 (1980), 173–185; Kunze, K. in Bayerisch-Österreichische Dialektforschung. Hrsg. E. Koller (Würzburg 1989), 130–146; Röhrich 2 (1992), 948f.; La Farge (1991), 211–228; EWNl 3 (2007), 230.

Lehre Sf std. (8. Jh.), mhd. le¯re, ahd. le¯ra, as. le¯ra. Aus

Leibchen Sn ’Kleidungsstück’ erw. obs. (17. Jh.). Gebil-

Lehnwort Sn erw. fach. (19. Jh.). Vereinfacht aus frü-

herem entlehntes Wort.

wg. *laizo¯(n) ’Lehre’, auch in ae. la¯r. In der Bedeutung ’Unterricht, Ausbildung’ ist das Wort eine alte Rückbildung zu Þlehren. Die Sonderbedeutung ’Modell, Vorbild’ in Messlehre, Schieblehre usw. ist bereits mittelhochdeutsch und geht über die Bedeutung ’Anleitung, Vorbild’. EWNl 3 (2007), 196.

det nach dem Muster der Bezeichnung von Kleidungsstücken nach dem Körperteil, den sie bedecken (hier also: der Leib, das Diminutiv hat hier mehr differenzierende als diminuierende Funktion). Vorbild war wohl frz. corset m. oder corselet m. zu frz. corps m. ’Leib’. leibeigen Adj erw. obs. (14. Jh.). Spätmittelhochdeut-

sche Zusammenrückung aus der Wendung mit dem lı¯be eigen ’jemandem mit seinem Leben zugehörig’. le¯rian. Aus g. *laiz-eja- Vsw. ’lehren’, auch in gt. laisAbstraktum: Leibeigenschaft. jan, ae. l¢ ¯ ran, afr. le¯ra. Kausativum zu dem PräteritoLM 5 (1991), 1845–1848. Präsens *lais in gt. lais ’ich weiß’, das nicht sicher zu vergleichen ist. Man geht von einer Grundbedeutung leiben Vsw erw. phras. (16. Jh.). Nur noch in wie er leibt ’gehen’ aus und vergleicht l. lı¯ra ’Furche’, doch ist und lebt. Abgeleitet von ÞLeib in der alten Bedeutung diese Annahme in allen Punkten unsicher. Ein bes’Leben’. serer Anschluss ergibt sich wohl an air. lenaid ’bleibt, Leibgedinge Sn ’Unterhalt auf Lebenszeit (etwa für haftet’, mit Dativ ’folgt’. Die Wurzel (ig.) *leiWitwen)’ per. fach. (13. Jh.), mhd. lı¯pgedinge ’haften’ (ÞLeim) hat im altirischen Paradigma auch ’Einkommen auf Lebenszeit’. Zu ÞLeib in der Bedeus-Bildungen. Die germanischen Bedeutungen würtung ’Leben’ und gedinge ’Versprechen’ (Þdingen). den dann von ’verfolgen’ ausgehen. Nomen Agentis: LM 5 (1991), 1848. Lehrer(in); Adjektive: gelehrig, lehrreich, aus veraltetem leibhaftig Adj erw. phras. (13. Jh.). Modifikationsbilgelehrsam noch das Abstraktum Gelehrsamkeit; Addung zu dem nicht mehr üblichen mhd. lı¯phaft, zu jektiv (PPrät.): gelehrt. mhd. lı¯p ’Leben’, hier etwa im Sinne von ’Person’, Ebenso nndl. leren; ÞFolklore, ÞList und mit der angeblichen also ’persönlich, selbst’. Ausgangsbedeutung ÞGeleise, ÞLeist(en). – Marstrander,

lehren Vsw std. (8. Jh.), mhd. le¯ren, ahd. le¯ren u.ä., as.

C. J. S. NTS 2 (1929), 99–103; Boeters, M.: Lehrer (Diss. masch. Hamburg 1962); Seebold (1970), 322f.; Sanders, W. FS Goossens (1990), 107–118; EWNl 3 (2007), 208f.

Leich Sm ’Gedichtform’ per. fach. (9. Jh.). Erneuert aus

mhd. leich, ahd. leih, entsprechend zu gt. laiks ’Tanz’,

leiden

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anord. leikr ’Spiel, Sport’ und als Neutrum ae. la¯c leicht Adj std. (8. Jh.), mhd. lı¯ht(e), ahd. lı¯hti, lieht, as. ’Spiel, Geschenk’. Es handelt sich um a- und i-stämlı¯ht-. Aus g. *lenht- Adj., das vermutlich auf einen mige Ableitungen zu g. *laik-a- Vst. ’spielen’ in gt. alten Konsonantstamm (ig.) *leng whot-/lenk wt- zulaikan ’hüpfen, springen’, anord. leika ’spielen’, ae. rückführt; ebenso gt. leihts, anord. le´ttr, ae. le¯oht, le¯ht, la¯can ’aufspringen, spielen’, mhd. leichen (meist lı¯ht, afr. lı¯chte, liochte, liuchte. Auf eine andere Stammform (u-Stamm) führen zurück ai. raghu´Vsw.) ’hüpfen, foppen, betrügen’. Aus ig. *leig’hüpfen, springen’, auch in ai. re´jate ’zittert, hüpft’, ’rasch, leicht, gering’, gr. elachy´s ’gering’, lit. len˜gvas kurd. lı¯zim ’spiele’, lit. la´igyti ’mutwillig sein, herum’leicht’, l. levis ’leicht’. Das Adjektiv kann im Prinzip tollen’, air. lingid ’springt’ (mit Nasalierung), gr. eleauf die in Þgelingen vorliegende Verbalwurzel zulı´zo¯ ’ich erschüttere, drehe herum’. rückgehen, doch spricht die Beschränkung dieser Wurzel auf das Deutsche nicht für eine solche AnÞWetterleuchten. – Seebold (1970), 321f.; LM 5 (1991), 1850; Apfelböck, H.: Tradition und Gattungsbewußtsein im deutnahme. Abstraktum: Leichtigkeit. schen Leich (Tübingen 1991), 13–77.

Leichdorn Sm ’Warze, Hühnerauge’ u.a. per. reg.

(11. Jh.), mhd. lı¯hdorn, spahd. lı¯hdorn. Eigentlich ’Dorn, Stachel im Körper, Fleisch’ zu ÞLeiche in der alten Bedeutung ’Körper’. EWNl 3 (2007), 234.

Leiche Sf std. (8. Jh.), mhd. lı¯ch, ahd. lı¯(c)h f./n. u.ä., as.

Ebenso nndl. licht, ne. light, nschw. lätt, nisl. le´ttur; Þleger, Þlichten 2, ÞLunge. – Rosengren (1968); Seebold (1981), 294–296; Heidermanns (1993), 373f.; EWNl 3 (2007), 219f.

Leichter (auch Lichter) Sm ’kleines Wasserfahrzeug zum

Entfrachten größerer Schiffe’ per. fach. (18. Jh.). Aus dem Niederländischen zu nndl. lichtern ’entladen’ (eigentlich ’erleichtern’).

EWNl 3 (2007), 220. lı¯k. Aus g. *lı¯ka- n. ’Körper, Fleisch, Leiche’, auch in leichtfertig Adj std. (14. Jh.), spmhd. lı¯ht-vertec. Also zu gt. leik n., anord. lı´k n., ae. lı¯c n. Das Femininum ist Fahrt (Þfahren), im Sinne von ’leicht beweglich, lanur deutsch und wohl sekundär. Herkunft unklar. bil’. Die sehr komplexen Vergleichsmöglichkeiten lassen vermuten, dass zu der Wurzel ig. *al- ’wachsen, näh- leichtsinnig Adj std. (16. Jh.). Bahuvrihi-Bildung ren’ ein ig. (w./oeur.) *(a)lı¯ko- (u.ä.) ’Wuchs, Körper, ’dessen Sinn leicht ist’. Das Abstraktum Leichtsinn ist Gestalt’ gebildet wurde, das außer in dem germanieine Rückbildung. schen Wort noch auftritt in russ. lik ’Antlitz’ neben Leid Sn std. (9. Jh.), mhd. leit, ahd. leid. Wie ae. la¯d Ñ akslav. lice ’Gesicht, Person, Wange’, lit. lie˜knas ’Beleidigung, Unrecht’ eine Substantivierung des Ad’schlank gewachsen, wohlgestaltet’, ohne Tektal lit. jektivs g. *laiþa- ’betrüblich, widerwärtig’ in anord. liemuo˜ ’Leibesgestalt, Körperwuchs’, mit abweichenleidrÑ ’feindlich, verhasst’, ae. la¯d,Ñ afr. le¯th, as. le¯th, ahd. dem Tektal air. li ’Schönheit, Farbe, Gesichtsfarbe’, leid, mhd. leit. Durch nachträgliche Attraktion ist das kymr. lliw ’Form, Haltung, Farbe’. starke Verb Þleiden im Deutschen mit Leid verbunEbenso nndl. lijk, nschw. lik, nisl. lı´k; Þgleich, Þ-lich, Þsolch, den worden und hat seine Bedeutung ’gehen’ zu Þwelch. – Adolf (1937); Röhrich 2 (1992), 949–951; Seebold, ’leiden’ gewandelt (ursprünglich ist es nicht verE. FS Meid (1989), 345–347; RGA 18 (2001), 233–236; EWNl 3 wandt). Dabei mag auch die Bedeutungsentwicklung (2007), 230. von erleiden ’erfahren’ eine Rolle gespielt haben. SubLeichenfledderei Sf ’Beraubung von Toten’, (danach stantiv und Adjektiv Leid, leid sind sonst nur schlecht auch von Schlafenden oder Betrunkenen) erw. fach. vergleichbar. Man zieht gr. aleı´te¯s ’Frevler’, air. lius (20. Jh.). Þfleddern ist rotwelsch für ’bestehlen’, ver’Abscheu’ heran. Das Nebeneinander von toch. A lit-, mutlich zunächst ’waschen’ (zu rotw. Flatter let- ’herabfallen’ und toch. AB litk- ’abfallen, sich ent’Wäsche’ = ’die im Wind flattert’). fernen’ könnte darauf hinweisen, dass letztlich doch Liberman, A. GL 30 (1990), 81–88. eine Verwandtschaft zwischen den Vorformen von Leichnam Sm std. (8. Jh.), mhd. lı¯cham(e), lichnam(e), leiden (ursprünglich ’weggehen’) und Leid (urahd. lı¯(c)h-hamo, lihhinamo, as. lı¯khamo. Aus g. *lı¯kasprünglich ’Abwendung’) bestand. Präfixableitung: hamo¯n m. ’Körper’. Der erste Bestandteil ist das gleiverleiden. che Wort wie ÞLeiche, mit dem Leichnam die BedeuEbenso nndl. leed, ne. loath, nschw. led. – Maurer, F.: Leid (Bern, München 1951); Markey, Th. L. FS 8 (1974), 179–194; tungsentwicklung teilt; der zweite ist das unter Röhrich 2 (1992), 951; Heidermanns (1993), 357f.; Machek, ÞHemd dargestellte Wort für ’Körperbedeckung, V. ZSPh 23 (1954), 115f. (zu slawischen Entsprechungen [die Körper’; entsprechend ae. fl¢ ¯ sc-hama ’Körper’. Also vielleicht entlehnt sind]); EWNl 3 (2007), 192f. eigentlich ’Lebensbedeckung, Gefäß des Lebens’; das Wort ist wohl dichterischen Ursprungs. Das n in der leiden Vst std. (8. Jh.), mhd. lı¯den, ahd. lı¯dan u.ä., as. lı¯daÑ n ’gehen, weggehen, vergehen’. Aus g. *leiþ-a- Vst. neuhochdeutschen Form stammt aus einer Variante mit n-stämmigem Vorderglied mhd. lı¯chnam(e), ahd. ’weggehen’, auch in gt. -leiþan, anord. lı´daÑ , ae. lı¯daÑ n, lı¯hhinamo. afr. lı¯tha. Die Bedeutung hat sich im Deutschen von Ebenso nndl. lichaam, nschw. lekamen; ÞFronleichnam. – Nie’weggehen’ zu ’leiden’ gewandelt unter dem Einfluss derhellmann (1983), 175–177; EWNl 3 (2007), 218. des präfigierten erleiden ’erfahren’ und des nicht un-

Leidenschaft

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Ebenso nndl. lenen, ne. lend, nisl. la´na. Zur lateinischen Vermittelbar verwandten Substantivs ÞLeid. Keine unwandtschaft s. ÞReliquie, zur griechischen s. ÞEllipse; mittelbare Vergleichsmöglichkeit. Mit der weiterentÞDarlehen, ÞLehen. – Benveniste (1969/1993), 147–155; Seewickelten Bedeutung ’sterben’, die im Altnordischen bold (1970), 327f.; LM 5 (1991), 1856f. als Variante vorliegt (vgl. auch leidiÑ ’Grabstätte’) kann Leikauf Sm ’Gelöbnistrunk bei Vertragsabschlüsgr. loı´te¯ ’Grab’ (Glossenwort), avest. rae¯θ- ’sterben’ sen’ per. arch. (14. Jh.). Eigentlich spmhd. lı¯tkouf, zusammenhängen; mit möglicherweise ursprünglimndd. lı¯(t)ko¯p ’Kauf beim Wein’ zu g. *leiþu- m. cherer Bedeutung toch. A lit-, let- ’herabfallen’. Ab’Obstwein’ in gt. leiþu m., anord. lı´d Ñ n., ae. lı¯þ m./n., straktum: Leiden. afr. lı¯th, as. lı¯d,Ñ ahd. lı¯d, mhd. lı¯t. Ebenso nndl. lijden, nisl. lı´daÑ ; Þleiten. – Seebold (1970), 328–330; HWPh 5 (1980), 206–212; EWNl 3 (2007), 229f.

Leidenschaft Sf std. (17. Jh.). Lehnprägung zu frz. pas-

S. auch ÞWeinkauf . – Röhrich 2 (1992), 952f.; Markey, Th. L. FS 8 (1974), 179–194 (zum Bestimmungswort); Garovi (1999), 143.

sion, das ’Leiden’ und ’Leidenschaft’ bedeutet. Dieses aus l. passio mit den gleichen Bedeutungen, hier im Leilach(en) Smn ’Leintuch’ per. reg. (15. Jh.), mhd. lı¯lach(en)n, ahd. lı¯n-lahhan n. ’Laken aus Leinen’. Anschluss an gr. pa´thos, dessen Bedeutung allgemeiner ist (alles, was den Menschen befällt, auch Ereig- Leim Sm std. (9. Jh.), mhd. lı¯m, ahd. lı¯m, as. lı¯m. Aus g. *leima- m. ’Leim, Kalk’, auch in anord. lı´m n., ae. lı¯m. nisse). Das Wort gehört zur gleichen Sippe wie ÞLehm und leider Adv/Interj std. (9. Jh.), mhd. leider, ahd. leido¯˘r bezeichnet offenbar zunächst einen Stoff zum Verleidho¯r. Ist ursprünglich der Komparativ zu dem schmieren (von Wänden u.ä.), also Lehm, Mörtel unter ÞLeid behandelten Adjektiv leid. Anders die usw. Eine einfach ablautende Bildung zu Lehm ist Formel leider Gottes, die offenbar aus der Beteuerung morphologisch nicht recht wahrscheinlich; denkbar Bei dem Leiden Gottes entstanden ist. ist − mit Wechsel m/w − eine Anknüpfung an (ig.) Andresen, K. G. ZDA (1886), 417f. *leiwo- ’glatt(verschmiert)’ in gr. leı˜os, l. le¯vis. Wenn leidig Adj std. stil. (11. Jh.), mhd. leidec, ahd. leidag. Zuauch der Zusammenhang zwischen den Bedeutungen gehörigkeitsbildung zum Substantiv ÞLeid. ’schmieren’ und ’kleben’ problemlos ist, wäre eine Þbeleidigen. Klärung der Bedeutungsaufgliederung in dieser Sippe wünschenswert. Auffällig ist die lautliche Nähe zu leidlich Adj std. (15. Jh.), fnhd. lı¯delich ’erträglich’. Zu (ig.) *kol(e¯)i- ’Leim’ in gr. ko´lla, russ.-kslav. kleˇjı˘ mhd. (er)lı¯den ’ertragen’ mit anschließender Bedeu’Leim’. Verb: leimen. tungsverallgemeinerung. EWNl 3 (2007), 204. 1

Leier Sf erw. exot. (9. Jh.), mhd. lı¯re, ahd. lı¯ra. Entlehnt

Ebenso nndl. lijm, ne. lime, nschw. lim, nisl. lı´m; Þbleiben, Þlehren, ÞSchleim. – Röhrich 2 (1992), 953f.; EWNl 3 (2007), 231f.

aus l. lyra, das seinerseits auf gr. ly´ra zurückgeht (dieLeimen Sm ÞLehm. ses wohl eine Entlehnung aus einer unbekannten Leimrute (in auf der Leimrute sitzen u.ä., vgl. WendunSprache). Im Mittelalter wurde unter Leier die mit gen wie auf den Leim gehen) Sf ’zum Vogelfang vereiner Kurbel angetriebene Drehleier verstanden. Dawendete, mit Leim bestrichene Rute’ erw. phras. nach Leier ’Kurbel’ (und leiern, ableiern, ausleiern, (15. Jh.), fnhd. lı¯mruote, mndd. lı¯mrode. herleiern, herunterleiern). Unter dem Einfluss der Humanisten wurde das Wort dann nur noch auf das an- Lein Sm ’Flachs, Leinwand’ erw. obs. (9. Jh., linin 8. Jh.), tike (4– oder 7-saitige) Instrument angewandt, die mhd. lı¯n, ahd. lı¯n-, as. lı¯n. Aus g. *leina- n. ’Flachs, Drehleier nannte man dann Leierkasten. Leinwand’, auch in gt. lein, anord. lı´n, ae. lı¯n; das Ebenso nndl. lier, ne. lyre, nfrz. lyre, nschw. lyra, nnorw. lire, Maskulinum erst seit dem Mittelhochdeutschen nisl. lı´rukassi; ÞLyrik. – Werner, J. FS Mayer (1954), 9–15; (nach ÞFlachs?). Gleichen Lautstand zeigen l. lı¯num Kretschmer (1969), 324f.; Relleke (1980), 88–90, 197–200; n., gr. lı´non n., kymr. llin gleicher Bedeutung. Sicher Röhrich 2 (1992), 951f.; EWNl 3 (2007), 226. liegen Entlehnungen vor, doch sind die EntlehnungsLeier2 Sm reg. ’Nachwein’ ÞLauer. wege unklar. Da der Flachsbau bei Germanen und Kelten sehr alt ist, kann auch die Entlehnung sehr alt leihen Vst std. (9. Jh., zuofirlihan 8. Jh.), mhd. lı¯hen, sein. Urverwandtschaft ist kaum wahrscheinlich. Adahd. lı¯(h)an, as. lı¯han. Aus g. *leihw-a- Vst. ’leihen’, jektiv: leinen, auch substantiviert. auch in gt. lei§an, anord. 1. Sg. Präs. le´, ae. le¯on. Aus ig. *leik w- ’überlassen’ in ai. rina´kti ’gibt auf, lässt frei’, Ebenso nndl. lijnwaad, ne. lin-seed, nfrz. lin, nschw. lin, nisl. ˙ lı´n; ÞLeine. – EWNl 3 (2007), 232. gr. leı´po¯ ’ich gehe aus, schwinde’, medial ’ich bleibe zurück’, transitiv ’ich lasse zurück’, akslav. otu˘-leˇku˘ -lein Suffix zur Bildung von Diminutiven std. (–), mhd. ’Rest’, lit. lı`kti ’bleiben, übrig bleiben, zurück blei-elı¯n, ahd. -ilı¯(n). Eine nur deutsche Suffixkombinaben’, air. le´icid ’lässt’, air. a(i)r-le´ici auch ’leihen’, l. tion von -il- und -ı¯(n), die beide auch allein als Dilinquere ’zurücklassen, überlassen’. Präfigierungen: minutivsuffixe vorkommen. Das zweite hat sich seent-, verleihen; Abstraktum: Leihe, (Verleih). kundär mit dem Material- und Herkunftssuffix *ı¯navermischt, zeigt aber ursprünglich eine andere Form

Lektor

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Ebenso nndl. leest, ne. last, nschw. (sko)läst, nisl. leistur; und Flexion. Das Suffix -lein ist in der ältesten SpraÞlehren, ÞLeiste, Þleisten. – Sanders, W. FS Goossens (1990), che das vorherrschende Diminutivsuffix, erst in 107–118; Röhrich 2 (1992), 955f.; EWNl 3 (2007), 196. nach-mittelhochdeutscher Zeit setzt sich von Norden her Þ-chen durch, das heute in der Hochsprache vor- leisten Vsw std. (9. Jh.), mhd. leisten, ahd. leisten, as. le¯stian. Aus g. *laistija- Vsw. ’folgen’, auch in gt. laistherrscht. jan, ae. l¢ ¯ stan, afr. la¯sta, lesta. Eigentlich ’der Spur Wortbildung 2 (1975), 124f. folgen’ und damit Ableitung zu dem unter ÞLeist(en) Leine Sf std. (12. Jh.), mhd. lı¯ne, ahd. lı¯na, mndd. line, behandelten Substantiv. Die neuhochdeutsche Bemndl. line, lijn. Aus g. *leinjo¯n f. ’Leine’, auch in deutung aus ’ein Gebot o.ä. befolgen’. Abstraktum: anord. lı´na, ae. lı¯ne, afr. lı¯ne. Herkunftsbildung zu Leistung. ÞLein als ’die aus Flachs Bestehende’. Entsprechende Ebenso ne. last. – Neuenschwander, R. SS 28 (1972), 143–150;

Bildungen sind gr. (ion. att.) lina´ia ’Seil, Strick’ und l. Röhrich 2 (1992), 956f.; HWPh 5 (1980), 215–220. lı¯nea (ÞLinie); vermutlich unabhängige Bildungen, die nicht auf eine gemeinsame Grundlage zurückge- Leitartikel Sm std. (19. Jh.). Übertragen aus ne. leading article, nachdem zuvor Hauptartikel und leitender hen. Artikel versucht worden waren. Ebenso nndl. lijn, ne. line, nschw. lina. – Kluge (1926), 43f.; Röhrich 2 (1992), 954f.; EWNl 3 (2007), 232.

Ebenso ne. leading article, nschw. ledande artikel, nisl. leidaÑ ri.

Leinen Sn std. (16. Jh.). Substantivierung des Material- Leite Sf ’Berghang’ per. arch. (11. Jh.), mhd. lı¯te, ahd.

adjektivs mhd. lı¯nen, lı¯nı¯n ’aus Leinen’ zu ÞLein. ÞLinnen. – LM 5 (1991), 1858–1860.

Leinwand Sf std. (11. Jh., Form 16. Jh.). Umbildung von

mhd. lı¯nwa¯t unter dem Einfluss von ÞGewand. EWNl 4 (2009), 586.

Leis Sm ’geistliches Lied’ per. arch. (13. Jh.). Ausgestor-

ben im 17. Jh., dann wiederbelebt. Aus mhd. leis(e). Bestimmte geistliche Lieder wurden so benannt, weil sie mit Kyrieleis aufhörten. Dieses aus dem liturgischen Kyrie eleison ’Herr, erbarme dich’. Ebenso nndl. leis. – EWNl 3 (2007), 202f.

leise Adj std. (9. Jh.), mhd. lı¯s(e), ahd. Adv. lı¯so, mndd.

lise, mndl. lise. Die Etymologie ist unsicher. Auf der gleichen Stufe können stehen gr. liaro´s ’lau, mild’ (*lisro-) und lit. lı´esas ’mager’. Die Ausgangsbedeutung˙ wäre dann ’abnehmend, schwach’ zu einer als (ig.) *lei- anzusetzenden Wurzel, die z.B. (mit anderer Stammbildung) in gt. aflinnan ’ablassen, fortgehen’ vorliegen könnte. Peeters, Ch. IF 84 (1979), 206; Heidermanns (1993), 370; EWNl 3 (2007), 233.

Leiste Sf ’Latte, Rand, Saum’ std. (10. Jh.), mhd. lı¯ste,

ahd. lı¯sta, mndd. liste m./f. /(n.?), mndl. lijst(e). Aus g. *leisto¯ f. ’Leiste’, auch in anord. lı´sta, ae. lı¯ste. Herkunft unklar; vielleicht von der Bedeutung ’Spur’ ausgehend zu ÞLeist(en). Von der Bedeutung ’Rand, Saum’ geht die Bedeutung ’Übergang vom Rumpf zum Schenkel’ aus. Ebenso nndl. lijst, ne. list. S. auch ÞListe. – EWNl 3 (2007), 232f.

Leist(en) Sm erw. fach. (11. Jh.), mhd. leist, ahd. leist.

lı¯ta, mndd. lı¯t(e). Aus g. *hleido¯ f. ’Abhang’, auch in anord. hlı´d,Ñ ae. hlı¯þ n. Außergermanisch vergleichen sich gr. kleity´s und lit. ˇslaı˜tas m. gleicher Bedeutung, zu (ig.) *k´lei- ’lehnen’ (Þlehnen 1).

leiten Vsw std. (8. Jh.), mhd. leiten, ahd. leiten, leito¯n

u.ä., as. le¯dian. Aus g. *laid-eja- Vsw. ’leiten’, auch in anord. leidaÑ , ae. l¢ ¯ dan, afr. le¯da. Eigentlich ’gehen machen’, Kausativ zu g. *leiþ-a- Vst. ’(weg)gehen’ (Þleiden). Abstraktum: Leitung; Nomen Agentis: Leiter; Präfigierungen: ge-, verleiten; Partikelverben: an-, einleiten. Ebenso nndl. leiden, ne. lead, nschw. leda, nisl. leidaÑ ; ÞLotse. – Markey, Th. L. FS 8 (1974), 179–194; EWNl 3 (2007), 202.

Leiter Sf std. (9. Jh.), mhd. leiter(e), ahd. (h)leitar, lei-

tara, mndd. ledder, mndl. ladere, leeddre u.ä. Aus wg. *hlaidrjo¯ f. ’Leiter’, auch in ae. hl¢d(d)er, afr. hladder, hledder, hle¯dere. Instrumentalbildung zu (ig.) *k´lei’lehnen’ (Þlehnen 1), als ’die Angelehnte’. Röhrich 2 (1992), 957; EWNl 3 (2007), 168.

Leitfaden Sm ÞAriadnefaden. Leitkauf Sm ÞLeikauf . Lektion Sf std. (9. Jh.), mhd. lecze, ahd. lekza, lecz(i)a

(in der Bedeutung ’Lesung in der Kirche’). 1) In der Bedeutung ’Lesung in der Kirche’ schon ahd. lekza, lecz(i)a (u.ä.). Wie gt. laiktjo entlehnt aus l. le¯ctio ’Lesung, Vorlesung’ (zu l. legere ’lesen’; ÞLegende). In dieser Bedeutung heute speziell fachsprachlich. 2) Als ’Vorlesung’, dann auch ’Lerneinheit’ und übertragen ’scharfe Zurechtweisung’ im 16. Jh. neu entlehnt aus der gleichen Grundlage. Ebenso ne. lection, nfrz. lec¸on, nschw. lektion, läxa, nnorw. leksjon, nisl. lexı´a. – DF 2 (1942), 17–19; Röhrich 2 (1992), 957; LM 5 (1991), 1866f. (zu Lektionar).

Aus g. *laista- m. ’Fuß, Spur’, auch in gt. laists, anord. leistr, ae. la¯st. Die außergermanischen VergleichsLektor Sm erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt, zunächst als möglichkeiten sind unsicher; verglichen wird vor Bezeichnung für einen akademischen Lehrer. Heute allem l. lı¯ra f. ’Furche’; innerhalb des Deutschen gespezialisiert zu einerseits ’Lehrer in einer Fremdhört hierher ÞGeleise. Vermutlich zu (ig.) *lei(s)sprache (der diese als Muttersprache spricht)’, an’haften’, mit Dativ ’folgen’. dererseits ’Gutachter eines Verlags’. Grundlage ist l. le¯ctor ’Leser’ zu l. legere ’lesen’ (ÞLegende).

Lektüre

572 Ebenso nndl. lector, ne. lector, lecturer, nfrz. lecteur, nschw. lektor, lektör, nisl. lektor. – LM 5 (1991), 1867; EWNl 3 (2007), 192.

Lektüre Sf erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. lec-

ture. Dieses aus ml. le¯ctu¯ra ’das Lesen’ zu l. legere ’lesen’ (ÞLegende). Ebenso nndl. lectuur, ne. lecture, nschw. lektyr, nnorw. lektyre. – HWPh 5 (1980), 231–234; EWNl 3 (2007), 192.

Lemma Sn per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus gr. le˜mma

’Annahme’, Ableitung von gr. lamba´no¯ ’nehme’. Die Bedeutung ’Stichwort’ über ’Ansatz’. Ebenso nndl. lemma, ne. lemma, nfrz. lemme. – EWNl 3 (2007), 204f.

Lemming Sm (kleines Nagetier) per. exot. (18. Jh.). Be-

ae. lencten u.ä., so dass sich als Ausgangspunkt wg. *langa-tı¯n(a)- ergibt. Daraus ist ahd. lenzo usw. wohl verkürzend umgestaltet. Der erste Bestandteil ist Þlang 1, der zweite ist ein Element, das ’Tag’ bedeutet und häufig suffixartig verwendet wird: Die selbständige Form in ai. dina- (auch dieses meist in Komposita), akslav. dı˘nı˘, lit. diena` f.; die gebundene Form in l. nu¯ndinae f. ’der an jedem neunten Tag gehaltene Markt’, gt. sinteins ’täglich’. Der Lenz ist also bezeichnet als die Zeit der länger werdenden Tage. Ebenso nndl. lente, ne. lent. – Tallen, M. DWEB 2 (1963), 159–229; Seebold, E. HS 104 (1991), 41–44 (zum Grundwort); EWNl 3 (2007), 207.

lenzen Vsw ’Bodenwasser aus dem Schiffskörper pum-

pen’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus dem Niederlänsonders genannt im Zusammenhang mit dem irrigen dischen, wo es von lens ’leer’ abgeleitet ist und damit Volksglauben, dass sich die Lemminge scharenweise ’leeren’ bedeutet. ins Meer stürzen. Entlehnt aus ndn. lemming, das auf Ebenso nschw. länsa, nnorw. lense. anord. l¢mingi, l¢ ¯ mingr gleicher Bedeutung zurückgeht. Dieses tritt in mehreren Varianten auf. Seine Leopard Sm std. exot. (9. Jh.). Im Althochdeutschen Herkunft ist unklar. (ahd. le¯barto, leopardo, liebarto) entlehnt aus spl. leopardus, zu l. leo (-o¯nis) ’Löwe’ (aus gr. le´o¯n) und l. Ebenso nndl. lemming, ne. lemming, nfrz. lemming, nschw. lämmel, nnorw. lemen, nisl. lemingur. pardus ’Panther’ (aus gr. pa´rdos). Die heutige Form entsteht in einer frühneuhochdeutschen RelatinisieLemuren Spl ’gespenstische Geister von Verstorberung. nen’ per. exot. (19. Jh.). Entlehnt aus l. lemure¯s m. Pl. ’Seelen der Abgeschiedenen’. Ebenso ne. lemures, nfrz. le´mures. – DF 2 (1942), 19.

Lende Sf std. (8. Jh.), mhd. lende, lente, ahd. lentı¯(n)

Ebenso nndl. luipaard, ne. leopard, nfrz. le´opard, nschw. leopard, nnorw. leopard, nisl. hle´bardiÑ ; ÞGepard, ÞPanther, ÞPardel. – DF 2 (1942), 20; Cottez (1980), 223; EWNl 3 (2007), 172.

u.ä., as. lendin. Aus g. *landı¯/jo¯ f. ’Lende, Niere’, auch Lepra Sf ’Aussatz’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. in anord. lend, ae. lendenu Pl., afr. lenden. Außergerlepra, dieses aus gr. le´pra, zu bibel-gr. lepro´s ’aussätmanisch vergleicht sich mit entsprechender Ablautzig, schuppig, uneben’, zu gr. le´pein ’abschälen, die h stufe l. lumbus m. (aus ig. *lond wo-), von der e-Stufe Haut abziehen’. akslav. le˛dvije˛ Pl. Nach Go¯to gehört hierher auch ai. Ebenso nndl. lepra, ne. leprosy, nfrz. le`pre, nschw. lepra, nnorw. ra´ndhra- n., das einen Körperteil von Tieren bezeichlepra. – LM 5 (1991), 1903; Holmberg, M. A˚. NM 26 (1970), 52; net, außerdem ’Blöße, Schwäche’ und ’Lücke, HöhEWNl 3 (2007), 208. lung’. Die Deutung als ’Schwachstelle, Lende’ ist gut Lerche Sf std. (9. Jh.), mhd. le¯rche, le¯wer(i)ch u.ä., ahd. gestützt und weist damit auf eine Grundbedeutung le¯rih(ha) u.a., as. le¯werka. Aus g. *laiwaziko¯n f. ’schwache (weiche, ungestützte) Stelle’ für Lende. Der ’Lerche’, auch in anord. l¢virki m., ae. l¢¯ werce, la¯weitergehende Versuch, auch die Sippe von Land werce, nordfr. la¯sk (< laiwas-ko¯n), liurk. Die auffällige damit zu verknüpfen, stößt dagegen auf größere seForm ist der Ausgangspunkt aller germanischen mantische Schwierigkeiten (ist aber nicht ausgeNamen für die Lerche − es gibt praktisch keine Konschlossen). S. ÞLand. kurrenten. Trotz der Länge der Lautform ist eine Ebenso nndl. lende, nschw. länd, nisl. lend. – EWNl 3 (2007), Deutung nicht möglich; man kann -iko¯n als Suffix 205; Go¯to, T. MSS 44 (1985), 77–91. ablösen, da ähnliches in anderen Vogelbezeichnunlenken Vsw std. (12. Jh.), mhd. lenken. Mhd. lenken gegen vorkommt (vgl. ÞBelche, ÞHabicht, ÞKranich), hört als Denominativum zu mhd. lanke, lanche, ahd. doch bleibt das erste Element dunkel. Lautlich an(h)lanca ’Hüfte, Gelenk’, dessen Herkunft unter klingend sind finn. leivo ’Lerche’ und (weiter ablieÞGelenk behandelt ist. Die Ausgangsbedeutung ist gend) l. alauda ’Haubenlerche’. Vielleicht ein Wort vermutlich ’biegen, hinbiegen’, woraus sich die heufür ’Jubel’, wie ähnlich in dem griechischen Jubelruf tige Bedeutung entwickelt hat. Partikelverben: ab-, gr. alala´. einlenken; Nomen Agentis: Lenker. Ebenso nndl. leeuwerik, ne. lark, nschw. lärka, nisl. l¢virki. – Lenz Sm erw. obs. (8. Jh.), mhd. lenze, ebenso mhd. lan-

gez, ahd. lenzo; ahd. langez (u.a.). In den Mundarten daneben Formen mit -ng-: schwz. Langsi, bair. Längess, Längsing, ebenso mhd. langez, ahd. langez (u.a.). Die längere Form vergleicht sich mit mndd. lenten,

Kluge (1926), 32f.; Knobloch, J. ZDPh 96 (1977) (= Sonderheft), 89f.; Lockwood, W. B. Fro´dÑskaparrit 30 (To´rshavn 1982), 103–105; LM 5 (1991), 1905; Röhrich 2 (1992), 957; EWNl 3 (2007), 197.

Letzt

573 lernen Vsw std. (8. Jh.), mhd. lernen, li(e)rnen, ahd. ler-

sucht’, dieses nach griechischem Vorbild, doch ist im ne¯n, lirne¯n, as. lı¯non. Aus wg. *liz-no¯- Vsw. ’lernen’, Griechischen nur das Adjektiv gr. le¯thargo´s ’schläfauch in ae. leornian, afr. lernia, lirnia. Formal gehört rig’ überliefert, zu gr. le¯´the¯ ’Vergessen, Vergesslichdas Verb zu dem besonders im Gotischen und Norkeit’ (zu gr. lantha´nein ’vergessen, vergessen madischen ausgebildeten Typ der Intransitiva/Inchoatichen’) und gr. argo´s ’untätig’. Adjektiv: lethargisch. Ebenso nndl. lethargie, ne. lethargy, nfrz. le´thargie, nschw. leva, semantisch muss es der Grundbedeutung der betargi. – DF 2 (1942), 20; EWNl 3 (2007), 210. treffenden Wurzel nahegestanden haben (’etwas verfolgen’). Es gehört zu Þlehren, das zu ihm die letschert Adj ’schlapp’ per. oobd. (20. Jh.). Zu der unter Funktion eines Kausativums hat. Þlatsch behandelten Sippe mit süddeutschem Ableitungssuffix. Ebenso ne. learn. – HWPh 5 (1980), 241–247; Sanders, W. FS Goossens (1990), 107–118.

Letten Sm ’Lehmboden’ per. obd. (11. Jh.), mhd. lette,

lesbisch Adj ’homosexuell (von Frauen)’ erw. fach.

ahd. letto. Vergleichbar mit nisl. ledjÑ a f. ’Lehm, (19. Jh.). Eigentlich ’zur Insel Lesbos gehörig, von dort Schmutz’ unter Ansatz von *ladjÑ o¯n. Außergermastammend’. Die Bedeutungsübertragung, die schon nisch vergleichen sich mir. laith ’Sumpf’, kymr. llaid in der Antike einsetzt, bezieht sich auf die griechische ’Schlamm’. Weiteres ist unklar. Dichterin Sappho, die dort lebte und (auch) die Liebe Trier (1951), 36–44. unter Frauen besang. Umgangssprachlich gibt es Letter Sf erw. fach. (17. Jh.). In Anlehnung an frz. lettre heute auch die Rückbildung Lesbe u.ä. umgebildet aus älterem Litter, das in mittelhochdeutEbenso nndl. lesbisch, ne. lesbian, nfrz. lesbien, nnorw. lesbisk. – scher Zeit aus l. littera ’Buchstabe’ entlehnt ist (frz. EWNl 3 (2007), 209. lettre ist dessen lautgerechter Nachfolger). Die Herkunft des lateinischen Wortes ist nicht ausreichend lesen Vst std. (8. Jh.), mhd. lesen, ahd. lesan, lesen, as. klar. lesan. Aus g. *les-a- Vst. ’auflesen, sammeln’, auch in gt. lisan, anord. lesa, ae. lesan, afr. lesa. In dieser AusEbenso nndl. letter, ne. letter; ÞAlliteration, ÞBelletristik, ÞLiteratur. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 21; DF 2 (1942), 21; gangsbedeutung lässt sich das Wort vergleichen mit Deroy, L. ECl 43 (1975), 45–58 (Erklärung als etruskisch); lit. le`sti ’picken, pickend fressen’, heth. lesˇˇsa¯i- ’aufEWNl 3 (2007), 210f. lesen’ und vielleicht kymr. llestr ’Gefäß’. Eine Variante *leg´- ’auflesen’ liegt vor in l. legere, gr. (ana)le´gein Lettner Sm ’Querbühne zwischen Schiff und Chor der und alb. mb-ledh (das den Palatal erweist). Die neuere Kirche’ per. fach. (9. Jh., Form 15. Jh.), mhd. deutsche Bedeutung ’(ein Buch) lesen’ beruht auf lett(en)er, lecter. Entlehnt aus ml. lectionarium n. einer Bedeutungsentlehnung aus dem Lateinischen: l. ’Buch mit den liturgisch notwendigen Lesungen’, das legere bedeutet wie gr. (ana)le´gein zunächst ’aufledie Bedeutung des älteren ahd. lector, lectar m./n., sen’, dann auch ’einer Spur folgen’ und entwickelt entlehnt aus ml. lectorium n. ’Lesepult’, übernimmt. daraus die Bedeutung ’den Schriftzeichen folgen, leDie Bedeutung wird dann verallgemeinert auf den Raum, in dem die Lesungen stattfanden (und in dem sen’ (ÞLegende, ÞLogik). Da die vermittelnde Bedeudas Lesepult stand). Vgl. die alte Bedeutung bei ne. tung ’einer Spur folgen’ durchaus im Hintergrund lectern gleicher Herkunft. steht, erschien die Bedeutung ’lesen’ als abhängig von der Bedeutung ’auflesen’ und wurde deshalb von LM 5 (1991), 1914f. dem deutschen Wort für ’auflesen’ übernommen. letzen Vswrefl ’sich laben, ergötzen’ erw. obs. (10. Jh.). Durch das Auflesen von Runenstäbchen kann die BeAuch sich mit jemandem letzen ’mit jmd. Abschied deutung nicht erklärt werden, da für das Runenlesen feiern’, das auf mhd. letzen ’Schluss mit etwas mapraktisch nie das Wort lesen verwendet wird (statt chen’ beruht. Dieses zu mhd. letzen ’beschädigen’, dessen vor allem Þraten, was in der Tat das englische ahd. lezzen ’hemmen’, das noch in Þverletzen erhalten Wort für ’lesen’ ergeben hat, nämlich to read, entist. Hierher auch zu guter Letzt ’zum Abschied’ sprechend to write für ’schreiben’ als Þritzen, eben(ÞLetzt). falls ein Wort aus der Runentechnik, während das letzt Adj std. (9. Jh.), mhd. lest, lezzist, ahd. lezzist, lazDeutsche mit Þschreiben wiederum aus dem Lateizo¯st. Ist der Superlativ zu dem unter Þlass behandelnischen entlehnt hat). Präfigierungen: er-, verlesen; ten Adjektiv, also eigentlich ’der Matteste, SäumigsPartikelverben: ab-, auslesen; Abstraktum in der Auste’. In der Lautform hat sich die niederdeutsche gangsbedeutung: Lese, in der speziellen Bedeutung: Form, die auf as. lazto, lasto zurückgeht (dieses mit Lesung; Adjektiv (PPrät.): belesen. früher Synkopierung aus *letisto), durchgesetzt. Ebenso nndl. lezen, nschw. läsa, nisl. lesa; Þleer, Þlismen. – Ganz (1957), 129; Seebold (1970), 332f.; Petzsch, Ch. ASNSL 224 (1987), 352–355; LM 5 (1991), 1908f.; Moeller-Schina (1969), 100f. (zu Lesung [eines Gesetzes]); EWNl 3 (2007), 215f.

Lethargie Sf ’körperliche und seelische Trägheit’ erw.

fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus l. le¯thargia ’Schlaf-

Ebenso nndl. laatst, ne. last. Vgl. ne. last aus ae. latost.

Letzt Sf (in zu guter Letzt) erw. phras. (16. Jh.). Zu fnhd.

letze, letzt ’Abschied, Abschiedsfeier’, das zu dem alten Þletzen ’sich laben’ gehört, aber sekundär auf das Adjektiv Þletzt bezogen wurde. Röhrich 2 (1992), 957f.

Leuchse Leuchse Sf ’hölzerne Außenstütze für die Leitern des

Wagens’ per. fach. (15. Jh.), fnhd. liuhse. Herkunft unklar. leuchten Vsw std. (8. Jh.), mhd. liuhten, ahd. liuhten, as.

liohtian, liuhtian. Aus g. *leuht-ija- Vsw. ’leuchten’, auch in gt. liuhtjan, ae. le¯ohtan. Denominativum zu dem Adjektiv *liuhta- ’licht’ (Þlicht). Präfigierungen: be-, durch-, erleuchten; Partikelverb: einleuchten; Nomen Instrumenti: Leuchter; Abstrakta: Be-, Erleuchtung. Ebenso nndl. lichten, ne. light; Þdurchlaucht, Þerlaucht. – LM 5 (1991), 1916–1918.

leugnen Vsw std. (9. Jh.), mhd. lougen(en), ahd.

574

ter für ’Volk’ u.ä. im Baltisch-Slavischen: akslav. ljudu˘ m. ’Volk’, akslav. ljudije ’Leute’, lit. lia´udis f. ’(niederes, gewöhnliches) Volk’, lett. ˛la`udis ’Leute, Menschen’; dazu die ro-Bildung mit der Bedeutung ’frei’ in gr. eleu´theros m. ’freier Mann’ und l. lı¯ber. Vielleicht zu (ig.) *(e)leu-d h- ’wachsen’ (zu diesem s. ÞLode). Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þliberal; Þleutselig. – Seebold (1970), 335f.; Ehrismann, O. ZDS 27 (1971), 61–86, 170–176; Schmidt-Wiegand (1972), 24f.; Szemere´nyi (1977), 108–125; von Olberg, G. in Schmidt-Wiegand (1981), 91–106; von Olberg, G. (1991), 60–72; Röhrich 2 (1992), 958f.; Sousa-Costa (1993), 210–216; RGA 18 (2001), 292–295; EWNl 3 (2007), 224.

loug(a)nen u.a., as. lo¯gnian. Aus g. *lougnija- Vsw. Leutnant Sm (untergeordneter Offizier) erw. fach. ’leugnen, verneinen’, auch in gt. laugnjan, ae. lı¯gnian, (16. Jh.). Entlehnt aus frz. lieutenant, zu frz. lieu (aus l. dazu anord. leyna ’verbergen’. Denominativ zu g. locus) ’Ort’ und dem Partizip Präsens von frz. tenir *laugno¯ f. ’Leugnung’ in ahd. loug(u)na, lougan, (aus l. tene¯re) ’halten’, also ’Stellvertreter’, letztlich anord. laun. Dieses zu Þlügen. Präfigierung: zurückgehend auf ml. locum tenens ’Stellvertreter verleugnen; Partikelverb: ableugnen. eines Beamten’. Die Entwicklung der Lautform durch EWNl 3 (2007), 255f. sekundären Anschluss an ÞLeute. Ebenso nndl. luitenant, ne. lieutenant, nfrz. lieutenant, ndn. Leukämie Sf ’eine Erkrankung mit übermäßiger Proløjtnant; Þlokal, ÞTenor 1. – Meyer, R. M. ZDW 12 (1910), duktion weißer Blutkörperchen’ erw. fach. (19. Jh.). 150–152; DF 2 (1942), 21f.; Jones (1976), 393–397; Röhrich 2 Neubildung zu gr. leuko´s ’hell, klar, weiß’ und gr. (1992), 959; EWNl 3 (2007), 273. haı˜ma n. ’Blut’. leutselig Adj erw. obs. (13. Jh.), mhd. liuts¢lec, liuts¢lic. Ebenso nndl. leuk(a)emie, ne. leuk(a)emia, nfrz. leuce´mie, ’den Menschen wohlgefällig’ (zu Þselig Eigentlich nschw. leukemi, nnorw. leukemi; ÞAnämie. – EWNl 3 (2007), und ÞLeute), dann verschoben zu ’freundlich gegen212. über einfacheren Leuten’. leuko- LAff mit der Bedeutung ’weiß’ per. fach. (–). Aus der Kompositionsform von gr. leuko´s ’weiß, hell’. Cottez (1980), 225.

Leumund (durch Ruf [Þrufen] ersetzt) Sm std. stil.

Leuwagen Sm per. ndd. (20. Jh., als niederdeutsches

Wort schon früher genannt). (1) ’Schrubber’: Zu ndd. leu, loi, lei ’faul’ (oft zur Bezeichnung eines der Bequemlichkeit dienenden Hilfsmittels) und einer Ableitung von Þwegen ’bewegen’, also etwa ’Leichtbeweger’ oder zu ndd. dwagen ’waschen’. (2) ’Stahlbügel, Querleiste’: Zum gleichen Vorderglied + ndd. wange ’krummes Holzstück’.

(8. Jh.), mhd. liumunt, ahd. (h)liumunt ’Ruf, Gerücht’. Zeigt eine to-Erweiterung oder einen angewachsenen Dental zu g. *hleumo¯n m. ’Gehör, zu Hörendes’ in gt. hliuma, vermutlich auch (mit Umbildung zu einem a-Stamm) in anord. hljo´mr ’Laut, Saltveit, L. FS Cordes (1976), 294–307; EWNl 3 (2007), 273f. Schall’. Außergermanisch entspricht als urverwandt Level Smn ’Niveau, Rang’ per. fremd. (20. Jh.). Entlehnt oder parallele Bildung aus der gleichen Grundlage aus ne. level. Dessen Ausgangsbedeutung ist avest. sraoman- n. ’Gehör’ und mit to-Bildung ai. ’Wasserwaage’, aus afrz. livel, dieses aus l. lı¯bella f. ´sro´mata- ’guter Ruf, Berühmtheit’. Weiter verbreitet ’kleine Waage’, einem Diminutivum zu l. lı¯bra f. ist die Bildung ig. *k´lewos n. ’Ruhm’ in ai. (ved.) ’Waage’. ´sra´vas-, gr. kle´os, air. clu´ n., akslav. slovo n. ’Wort’, Þnivellieren. – Carstensen 2 (1994), 821. toch. A klyu, toch. B kälywe. Die Grundlage ig. *k´leu’hören’ in ai. ´srno´ti, gr. kly´ein ’hören’, l. cluere Lever Sn ’Audienz während der Morgentoilette’ erw. ˙ ’heißen’. Eine ˙stärkere lautliche Vereinfachung in der bildg. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. lever m., einer SubPräfixableitung: Þverleumden. stantivierung von frz. lever ’aufheben, sich aufrichten, Þlaut. – LM 5 (1991), 1919f. aufgehen’, dieses aus l. leva¯re ’heben, aufrichten, erleichtern’, zu l. levis ’leicht’. Gemeint ist das AufsteLeute Spl std. (8. Jh., latinisiertes leodis Sg. 7. Jh.), mhd. hen des Königs. liute, ahd. liut(i) m. /n. f., as. liud(i). Aus g. *leudi- m. Ebenso ne. levee, nfrz. lever; Þleger. – Brunt (1983), 353. ’dingberechtigtes Mitglied des Volksverbandes’, Pl. ’Volk’, auch in wgt. leudes ’Leute’, burgund. leudis Leviten Spl (vor allem jemandem die Leviten lesen ’Gemeinfreier’, anord. ljo´drÑ m. ’Volk’, anord. ly´drÑ m. ’jmd. eine ausführliche Strafpredigt halten’) erw. ’Leute’, ae. le¯od(a) ’Edler, Bewohner eines Gebietes/ phras. (15. Jh.). Die genaue Entstehung der RedewenLandes’, ae. le¯od f. ’Leute, Volk’, afr. lio¯de, liu¯de m. dung ist unklar, deutliche Frühbelege fehlen. Sie be(Pl.) ’Volk’. Außergermanisch vergleichen sich Wördeutete ursprünglich wohl ’aus den Vorschriften für

-lich

575

die Priester und Leviten vorlesen’ (d.h. das Buch Le- Libero Sm ’Abwehrspieler ohne direkten Gegenspieviticus, das seine Bezeichnung nach dem Stamm Levi ler’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus it. libero, eigenthat, aus dem die Priester der Juden kamen). Levit ist lich ’der Freie’, einer Substantivierung von it. libero ’frei’, dieses aus l. lı¯ber ’frei’. eigentlich eine Stammesbezeichnung − in der Formulierung und Bedeutung der Wendung muss also Ebenso nndl. libero, ne. libero, nfrz. libero, nschw. libero, eine Unregelmäßigkeit vorgekommen sein. nnorw. libero; Þliberal. Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 189; DF 2 (1942), 22; Röhrich 2 (1992), 959.

Levkoje (Levkoie) Sf (eine Blume) per. arch. (18. Jh.).

Entlehnt aus it. leukojo m., das über l. leucoı¨on n. auf gr. (poet.) leuko´ion n. ’Weißveilchen’ (zu gr. leuko´s ’weiß’ und gr. ´ıon n. ’Veilchen’) zurückgeht. Ebenso nschw. lövkoja, nisl. levkoj; Þleuko-, Þlicht. – DF 2 (1942), 22f.; Gosewitz, U.: Viola (Marburg 1969).

Lexem Sn ’Wortschatzeinheit’ per. fach. (20. Jh.).

Kunstwort zu ÞLexikon.

Libertin Sm ’Freigeist, zügellos lebender Mensch’ per.

arch. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. libertin(e) m./f., dieses aus l. lı¯bertı¯nus ’der Freigelassene (in Bezug auf seinen Stand und seine Stellung im Staat)’, zu l. lı¯bertus, zu l. lı¯ber ’frei’. Der Bedeutungswandel im Französischen beruht darauf, dass zunächst schwärmerische religiöse Sekten (also ’Freigelassene’) so bezeichnet wurden, denen man daraufhin auch Amoralismus vorwarf.

Ebenso nndl. lexeem, ne. lexeme, nfrz. lexe`me, nschw. lexem, nnorw. leksem; Þ-em.

Ebenso nndl. libertijn, ne. libertine, nfrz. libertin, ndn. libertiner, nnorw. libertiner; Þliberal. – DF 2 (1942), 26; HWPh 5 (1980), 272–274; EWNl 3 (2007), 217.

Lexikon Sn std. (17. Jh.). Entlehnt aus gr. lexiko´n (bi-

Libido Sf ’sexuelle Energie’ per. fach. (20. Jh.). Von S.

blı´on), Neutrum von gr. lexiko´s ’zu den Wörtern gehörig’, dieses zu gr. le´xis f. ’Wort, Ausdruck’, zu gr. le´gein ’sprechen, auflesen’. Adjektiv: lexikalisch; Nomen Agentis: Lexikograph.

Freud gebraucht nach l. libı¯do ’Lust’, einer Ableitung von l. libet ’es beliebt’. Adjektiv: libidinös. Ebenso ne. libido, nfrz. libido, nndl. libido, nschw. libido, nnorw. libido. – HWPh 5 (1980), 278–282; EWNl 3 (2007), 217f.

Ebenso nndl. lexicon, ne. lexicon, nfrz. lexique, nschw. lexikon, Libretto Sn ’Text(buch) von Gesangstücken’ erw. fach. nnorw. leksikon; ÞLogik. – Hjort, K. MS 77 (1967), 353–365; (19. Jh.). Entlehnt aus it. libretto m., eigentlich LM 5 (1991), 1933–1935; EWNl 3 (2007), 215.

Liaison Sf ’Verbindung’ Þliieren. Liane Sf (Schlingpflanze) erw. exot. (18. Jh.). Entlehnt

’kleines Buch’, einem Diminutivum zu it. libro m. ’Buch’, dieses aus l. liber m. ’Buch, Schrift’ (eigentlich ’Bast’).

Ebenso nndl. libretto, ne. libretto, nfrz. libretto, nschw. libretto, aus frz. liane, der normannischen Entsprechung von nnorw. libretto; ÞExlibris. – EWNl 3 (2007), 218. frz. liseron m. ’Winde’, aus l. vı¯burnum n. ’Schlingbaum’. Es liegt dabei wohl eine volksetymologische -lich Suffix zur Bildung von Adjektiven std. (–) Mhd. Anlehnung von Spätformen des lateinischen Wortes -lich, ahd. -lı¯h, as. -lı¯k. Auch in ae. -lı¯c und (noch an frz. lier ’verbinden’ vor. selten) in gt. -leiks. Das Suffix hat eine verwickelte Ebenso nndl. liaan, ne. liana, nfrz. liane, liane, nschw. lian. – Geschichte, bei der sich verschiedene morphologiEWNl 3 (2007), 216. sche Einflüsse geltend machten. (1) Der älteste Bestand zeigt sich in welch und solch, die auf Adjektive Libelle Sf std. (18. Jh.). Gelehrte Bezeichnung des Inzurückgehen, die aus Pronomina gebildet sind mit sekts mit l. lı¯bella, eigentlich ’kleine Waage’, einem Hilfe eines Suffixes -li-. Dieses Verfahren zeigt seine Diminutivum zu l. lı¯bra ’Waage, Gleichgewicht’. So älteste Form im Hethitischen, wo das -l den Genetiv bezeichnet nach der Fähigkeit dieses Tieres, fliegend zu Pronomina bildet. Dazu heth. dammeli ’frisch, eine konstante (waagrechte) Position zu halten. neu’, die adjektivische Weiterbildung des Genetivs Ebenso nndl. libel, nfrz. libellule, ndn. libelle, nnorw. libelle; ÞLevel, Þnivellieren. – Majut, R. GRM 45 (1964), 403–420; heth. dammel ’anderer’. Derartige li-Bildungen in l. Nitsche, G.: Die Namen der Libelle (Berlin 1965); EWNl 3 ta¯lis ’so beschaffen’ und l. qua¯lis ’wie beschaffen’, aksl. (2007), 216. to´lь ’so sehr, so viel’ und aksl. kolь ’wie sehr, wie viel’ (ebenso aksl. jelь) und lit. ko˜l(ei) ’wie lange’ und lit. liberal Adj erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. libe´ral to˜l(ei) ’so lange’. Diese können erweitert werden ’freiheitlich’, dieses aus l. lı¯bera¯lis ’edel, freigebig, freidurch ein ko-Suffix: gr. pe¯likos ’wie alt, wie groß’ heitlich’, zu l. lı¯ber ’frei’. Das lateinische Wort war (ebenso he¯likos), te¯likos ’so alt, so groß’, aksl. kolikъ zuvor bereits in der Bedeutung ’freigebig’ entlehnt ’wie sehr, wie viel, wie groß’, aksl. tolikъ ’so sehr, so worden. Abstraktum (in der früheren Bedeutung): viel, so groß’. Im Germanischen wird bei der EntLiberalität, (in der speziellen Bedeutung) Liberalismus; wicklung der ko-Suffixe teilweise die (ursprünglich Verb: liberalisieren. z.B. nach s stehende) Variante ohne LautverschieEbenso nndl. liberaal, ne. liberal, nfrz. libe´ral, nschw. liberal, nnorw. liberal. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞLeute; bung verallgemeinert (s. Þ-chen) und es entstehen die Þliefern, ÞLivree. – DF 2 (1942), 23–26; Sucharowski, W.: Vorformen von Þwelch (s.d.) und Þsolch (s.d.). (2) ’Liberal’ im gegenwärtigen Sprachgebrauch (München 1975); Diese Bildungen werden im Germanischen und SlaHWPh 5 (1980), 256–272; GB 3 (1982), 741–815; Martin, X. vischen interpretiert als Formationen mit einem DUSP 2 (1986), 45–53; EWNl 3 (2007), 217.

licht

576

Wort für ’Körper, Aussehen’ (u.ä.) in aksl. lice ’Antlitz, Stirn, Wange, Gestalt’ und g. *leika’Körper, Gestalt’ (s. ÞLeiche), auch hier mit der germanischen Sonderentwicklung der ko-Suffixe; die Form ohne ko-Suffix in lit. liemuo˜ ’Stamm, Rumpf, Leib, Körper, Statur’, als Grundlage denkbar ist eine Wurzelerweiterung von l. alere, gt. alan ’wachsen’, wobei das in Frage stehende Substantiv etwa ’Wuchs’ bedeuten konnte. Nach diesen Vorbildern entstehen neue Bildungen in der Form von Bahuvrı¯hi-Adjektiven: *x-leika- ’einer dessen Körper/Gestalt x ist’, zunächst von Pronominaladverbien, im Germanischen gt. alja-leiko ’anders’, anþar-leiko ’anders’, ibna-leiks ’gleich’, missaleiks ’verschieden’, samaleiks ’gleich’ u.a.; im Slavischen im Anschluss an aksl. jelikъ ’immer’ auch aksl. selikъ ’so groß’ und (von andersartiger Grundlage) velikъ ’groß, gewaltig’ und dann als eindeutige Ableitungen von Kompositionsformen mъnogolicˇьnъ ’verschieden’, podobolicˇьnъ ’ähnlich’ und vьselicˇesky ’auf jegliche Weise’. (3) Im Germanischen hat sich diese Bildungsweise dann auf andere Adjektive ausgebreitet; zu den Einzelheiten s. Schmid. (4) Im Litauischen entstand aus anderer Quelle ein Adjektiv ly´gus ’gleich, gleichartig, ebenbürtig, gut gebaut’. Wie lit. ly´ginti ’gleichmachen, ebnen, glätten, schleifen’ und auch Wendungen wie ly´gus lau˜kas ’ebenes Feld’ zeigen, geht das litauische Wort für ’gleich’ auf ’eben, glatt, glatt machen’ zurück, ist also mit den oben genannten Pronominaladverbien nicht verwandt. Aber die Ähnlichkeit hat sich auch hier ausgewirkt, indem die obigen koBildungen im Baltischen das k durch ein g ersetzten (vgl. lett. ka¯lı¯dz und ta¯lı¯dz). Falls die ko-Bildungen im Baltischen in größerem Umfang bestanden, sind sie sekundär beseitigt worden. (5) Die Sippe des litauischen Wortes für ’gleich’ hat nun auch Entsprechungen im Germanischen, zumindest in ahd. lı¯hho¯n ’ebnen, glätten, polieren’. Der Lautstand ist also im Germanischen derselbe, wie der der Bildungen mit Sonderentwicklung der ko-Suffixe. Das germanische Wort *ga-leik-a- ’gleich’ kann deshalb entweder auf die ko-Bildungen zurückgehen (’der, dessen Körper gleich ist’) oder auf die Sippe, zu der lit. ly´gus gehört (’gleich’, verstärkt durch ga-). Schröder, M. BGDSL-H 83 (1961), 151–195; Wortbildung 3 (1978), 113f. und die dort angegebenen Stellen; Seebold, E. FS Meid (1989), 343–351; Heidermanns (1993), 381–383; Winkler, G.: Die Wortbildung mit -lich (Heidelberg 1995); Schmid, H. U.: -lıˆh-Bildungen (Göttingen 1998); Oettinger, N. FS Meid (1999), 262–265; Seebold, E. IF 105 (2000), 329–335; EWNl 3 (2007), 231.

licht Adj erw. obs. (8. Jh.), mhd. lieht, ahd. lioht, leoht,

nantstamm (ig.) *leukot- auszugehen ist. Zu ig. *leuk’leuchten’ in heth. lukkizzi ’ist hell’, ai. ro´cate ’leuchtet’, toch. AB luk- ’leuchten’ und den nominalen Bildungen gr. leuko´s ’glänzend weiß’, l. lu¯x ’Licht’, akslav. lucˇa ’Strahl’, lit. lau˜kas ’mit einer Blesse versehen’ und vielen anderen. Die Substantivierung wie in nhd. Licht (auch konkret in der Bedeutung ’Kerze’) ist schon alt. Die Kürzung des Diphthongs vor -cht taucht vereinzelt schon im Althochdeutschen auf und setzt sich in neuhochdeutscher Zeit durch. Ebenso nndl. licht, ne. light. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞLuzifer, zur griechischen s. Þleuko-; ÞLohe 1, ÞLuchs. – Kluge (1926), 109f.; Schwarz, H. FS Trier (1954), 434–455 (= KS 56–61); Heidermanns (1993), 379f.; HWPh 5 (1980), 282–289 (zu Licht); LM 5 (1991), 1959–1962; Röhrich 2 (1992), 959–963; EWNl 3 (2007), 218f.

lichten1 Vsw ’(den Wald) lichten’ std. (17. Jh.). Als ’hell

machen’ zu Þlicht. Abstraktum: Lichtung. lichten2 Vsw ’(den Anker) heben’ erw. fach. (15. Jh.). Zu

ndd. licht ’leicht’, also eigentlich ’leicht machen’ (vgl. l. leva¯re ’heben’ zu l. levis ’leicht’). Regional berührt sich dieses Verb mit nhd. lüften, ndd. luften, luchten, das zu ÞLuft gehört. Zum Weiteren s. unter Þleicht. Kluge (1911), 539f.

lichterloh Adj std. (16. Jh.). Zusammengerückt aus dem

adverbialen Genetiv mhd. liehter lohe ’mit brennender Lohe (Flamme)’. EWNl 3 (2007), 220f.

Lichtmess Sf erw. fach. (13. Jh.), mhd. liehtwı¯he n.,

liehtmesse, as. liohtmissa. Entsprechend ae. candelm¢sse, ne. candlemas. Der 2. Februar wurde zum Gedächtnis der Darstellung Jesu im Tempel mit Lichterprozessionen und Weihe der Kerzen begangen, ausgehend von dem Schriftwort vom Licht zur Erleuchtung der Heiden (Lk. 2, 32). Ebenso ne. candlemas, nndl. Lichtmis, nschw. kyndelsmässa, nnorw. kyndelsmesse; ÞMesse. – EWNl 3 (2007), 221.

Lichtung Sf std. (19. Jh.). Zu Þlichten 1 gebildet nach

dem Vorbild von frz. clairie`re. Lid Sn std. (9. Jh.), mhd. lit, fnhd. auch lied, ahd. lid,

(h)lit, as. hlid. Aus g. *hlida- n. ’Verschluss’, auch in anord. hlid,Ñ as. hlid, afr. hlid. Die Augenlider werden also als ’Deckel, Verschluss’ der Augen bezeichnet. Zu g. *hleid-a- Vst. ’schließen’ in ae. -hlı¯dan, afr. hlı¯da, as. -hlı¯dan. Außergermanische Vergleiche auf gleicher Stufe sind unsicher, doch geht die Bildung wohl letztlich auf (ig.) *kel- ’verbergen’ zurück (zu diesem s. Þhehlen), vgl. l. supercilium ’Augenbraue’ zu dieser Wurzel. Ebenso nndl. lid, ne. lid. – Dolch, M. ZM 20 (1952), 157f.;

Seebold (1970), 262f.; EWNl 3 (2007), 222. as. lioht. Aus g. *leuhta- Adj. ’licht, hell’, das zwar nur Lidlohn Sm ÞLiedlohn. in den westgermanischen Sprachen belegt ist, aber aus der Ableitung Þleuchten als gemeingermanisch zu lieb Adj std. (8. Jh., runisch liob 6. Jh.), mhd. liep, ahd. erschließen ist. Daneben steht im Gotischen ein liob, liub u.ä., as. liof-. Aus g. *leuba- Adj. ’lieb’, eiliuhaþ ’Licht’, so dass wohl von einem alten Konsogentlich passiv: ’geliebt’, auch in gt. liufs, anord. lju´fr,

liefern

577

ae. le¯of, afr. lia¯f. Das heutige Wort Liebe ist eine spä- Liebstöckel Smn per. fach. (9. Jh.), mhd. liebstockel, lütere, nur deutsche, Abstraktbildung zu lieb (und liebestecke m. u.ä., ahd. lub(b)istecho, lubistuckil m. u.ä. ben, dieses seit dem 8. Jh., ebenfalls zu dem Adjektiv); Entlehnt aus l. levisticum n., Nebenform zu Ligustidie heutige Bedeutung seit dem 15. Jh. für älteres cum n. (angeblich nach Ligurien benannt), mit seMinne, minnen. Ältere Wörter für den Bereich kundärer Anpassung an Þlieb und ÞStock. ’Liebe’ von der Wurzel g. *leub- sind von der Ebenso nndl. lavas, ne. lovage, nfrz. live`che, nschw. libsticka, Schwundstufe gebildet: gt. broþra-lubo ’Bruderliennorw. løvstikke. – Brüch, J. Schlern-Schriften 57 (1948), 15–21; LM 5 (1991), 1968; Sauerhoff (2001), 173–175. be’, ae. lufu, as./ahd. luba, luva ’Liebe’; ae. lufian, afr. luvia, ahd. lubon ’gern haben’. Außergermanisch ent- Lied Sn std. (8. Jh.), mhd. liet, ahd. liod, lioth, as. -lioth. spricht akslav. ljubu˘ ’lieb’, dazu russ. ljubı´tı˘ ’lieben’, l. Aus g. *leuþa- n. ’Liedstrophe’, Pl. ’Lied’, auch in libı¯do ’Verlangen, Begierde’; weiter ai. lu´bhyati anord. ljo´d,Ñ ae. le¯oþ; die Existenz im Gotischen ist aus ’verlangt, begehrt’, kausativ ’verlockt, verführt’, doch liuþon ’lobsingen’ u.a. zu folgern. Herkunft unklar. ist diese Bedeutung erst spät bezeugt, früher dafür Vielleicht gehört es zu l. laus (laudis) f. ’Lob’. Zu wei’wird irre, gerät in Unordnung’. Auszugehen ist also teren möglichen Zusammenhängen s. unter ÞLob, von ig. *lub h- ’in Unordnung geraten, erregt sein’. das mit dem Lied wurzelverwandt sein kann. Dies kann weiter zurückgeführt werden auf ig. Ebenso nndl. lied, nisl. ljo´d.Ñ – Schwarz, H. BGDSL 75 (1953), *(a)leu- in gr. aly´o¯ ’wandere herum, bin außer mir’, 321–365 (= KS 3–61); Schwarz, H. FS Trier (1954), 434–455; LM und dieses aus ig. *al¡- in gr. ala´omai ’irre umher, bin 5 (1991), 1969–1971; Röhrich 2 (1992), 966f.; RGA 18 (2001), 388–390; EWNl 3 (2007), 223. verwirrt’. Abstraktum: Liebe; Substantivierungen: Lieb, heute meist das Diminutiv Liebchen, aber beides Liederjan Sm per. reg. (19. Jh.). Vor allem im Nordosten veraltet; Nominalableitung: Liebling; Verb: lieben; und Ostmitteldeutschen bezeugt; gebildet mit Modifikation: lieblich. Þliederlich und dem Namen Jan, wohl nicht ohne Ebenso nndl. lief, ne. lief, nschw. ljuv, nisl. lju´fur. – Wahmann Einfluss der hybriden Bildungen vom Typ ÞGrobian. (1937); Rosengren (1968); Kuhn, H.: Liebe (München 1975);

HWPh 5 (1980), 290–328; Kaplj-Blume, E. in Jäger (1988), 215–246; LM 5 (1991), 1963–1968; Röhrich 2 (1992), 963–966; Heidermanns (1993), 376f.; EWNl 3 (2007), 224f.; Seebold, E. IL 26 (2003), 145–157.

liebäugeln (älter auch liebaugen) Vsw std. stil. (16. Jh.).

Ähnlich wie schöne Augen machen vom Versuch, jemanden durch freundliche Blicke für sich einzunehmen. Heute meist übertragen (mit einer Absicht liebäugeln u.ä.). Liebde Sf (Anrede an Höhergestellte: Euer Lieb-

liederlich Adj std. (15. Jh.), spmhd. liederlich ’lieder-

lich, schlecht, boshaft’. Vgl. ae. ly¯drÑ e ’böse, schlecht, gemein’; so dass der deutsche Lautstand wohl auf Entrundung aus ü zurückzuführen ist. Damit wohl als wg. *lu¯þr-ja- eine Ableitung zu ahd. lu¯dara, as. lu¯thara ’Lumpen, Fetzen’, also ’zerlumpt, verwahrlost, lumpig’. Wohl dieselbe Bildung mit Kurzvokal ist Lotter- (Þlottern). Der Anschluss an ÞLuder ist sekundär. Abstraktum: Liederlichkeit. S. auch ÞLoddel, Þschleudern 2. – Heidermanns (1993), 391; EWNl 3 (2007), 224.

den) per. arch. (15. Jh.). Die alte Anrede Euer Lieb, unter Höhergestellten gebräuchlich, wurde im 15. Jh. Liedlohn (auch Lidlohn) Sm ’bei Konkurs oder Zwangsversteigerung bevorzugt auszuzahlender Lohn’ per. an den ’flämischen’ Gebrauch angeglichen, vgl. mndl. arch. (14. Jh.), spmhd. litlo¯n, lidlo¯n m./n. ’Dienstboliefde, mndd. levede, le¯fte als Abstraktum des Adjektenlohn’. Das Vorderglied ist nicht ausreichend eintivs Þlieb. deutig. Vielleicht zu ml. litus, lidus ’höriger Diener’ EWNl 3 (2007), 225. oder (weil es auch ’Ehrensold’ bedeutet) zu ahd. -lit Liebesapfel Sm ’Tomate’, auch ’rotes Zuckerwerk an ’Weggang’ als ’der beim Weggang zu zahlende Lohn’ einem Stiel’ per. arch. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. erschlossen aus ahd. ab-lit ’Tod’, ahd. uz-lit ’Fehler’ pomme d’amour. sowie ahd. lı¯dan ’weggehen’. Am wahrscheinlichsten Ebenso nndl. liefdesappel, ne. loveapple. – Knobloch, J. Lingua ist ’Gesindelohn’ mit anschließender Verallgemeine21 (1968), 238 (anders: das französische Wort scheint falsch rung. verstanden zu sein aus it. pomi dei Mori ’Mohrenäpfel’, nach falscher Herkunftszuweisung).

Liebfrauenmantel Sm ÞFrauenmantel. liebkosen Vsw std. stil. (13. Jh.), mhd. liepko¯sen. Zusam-

mengerückt aus einem ze liebe ko¯sen ’zu jmd. in Liebe sprechen’ mit späterer Änderung der Konstruktion vom Dativ zum Akkusativ (17. Jh.). Die Bedeutung entwickelte sich zu ’schmeicheln’, von da aus zu ’Zärtlichkeiten austauschen’. Ebenso nndl. liefkozen. – EWNl 3 (2007), 225.

von Olberg (1991), 161–180 (zu lite).

liefern Vsw std. (15. Jh.), mndd. lever(er)en, mndl.

lev(e)ren, lieveren. Einem Fachwort der Hanse, das aus frz. livrer ’übersenden’, einer Bedeutungsspezialisierung aus l. lı¯bera¯re ’befreien, entledigen’, entlehnt wurde. Von dort aus kam es in die Hochsprache. Präfigierungen: be-, überliefern; Partikelverben: ab-, an-, aus-, zuliefern; Abstraktum: Lieferung; Nomina Agentis: Lieferant, Lieferer (Lieferant ist trotz seiner entlehnten Elemente eine nur deutsche Bildung).

liegen

578 Ebenso nndl. leveren, ne. deliver, nfrz. livrer, nschw. leverera, nnorw. levere; Þliberal. – Schirmer (1911), 120; Röhrich 2 (1992), 967; EWNl 3 (2007), 215.

Ebenso nndl. likeur, ne. liqueur, nfrz. liqueur, nschw. likör, nnorw. likør; Þliquidieren. – DF 2 (1942), 27f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 397; Brunt (1983), 354; EWNl 3 (2007), 234.

liegen Vst std. (8. Jh.), mhd. ligen, licken, ahd. lig(g)en,

lila Adj ’fliederblütenfarbig’ std. (18. Jh.). Entlehnt aus lig(g)an, as. liggian. Aus g. *leg-ja- Vst. ’liegen’, auch frz. lilas m. (älter: lila; auch: ’Flieder’), dieses aus in anord. liggja, ae. licgan, afr. lidza und gt. ligan, bei span. lila ’Flieder’, aus arab. lı¯lak, zu pers. lı¯lägˇ usw. dem das j-Präsens wohl sekundär beseitigt wurde. Zu ’Indigopflanze’, nı¯lä ’Indigo, blau’, letztlich aus ai. der Wurzel (ig.) *leg h- ’liegen’, mit gleicher Stammnı¯la- ’Dunkel, dunkelblau’, ai. nı¯lı¯ ’Indigo’. bildung in air. laigid, akslav. lozˇe ’Lager’; sonst in Ebenso nndl. lila, ne. lilac, nfrz. lilas, nschw. lila, nisl. lilla; ÞAnilin. – Littmann (1924), 81, 87, 124; DF 2 (1942), 28; Loheth. laga¯ri ’neigt sich’, toch. A lake ’Lager’, toch. B kotsch (1975), 105; Tazi (1998), 211; EWNl 3 (2007), 235. leki (leke) ’Lager’, gr. le´chetai (Glosse), und nominal l. lectus ’Bett’, lit. pa-le˙gy˜s ’Bettlägerigkeit’. Präfigierun- Lilie Sf std. (8. Jh.), mhd. lilje m./f., ahd. lilia. Ist entgen: er-, unterliegen; Partikelverben: ab-, an-, aufliegen; lehnt aus l. lilia, dem Plural von l. lilium n., dieses wie Konkretum: Liege; Kausativ: Þlegen. gr. leı´rion n. aus einer Substratsprache. Ebenso nndl. liggen, nschw. ligga, nisl. liggja; ÞAnliegen, ÞGelegenheit, ÞLager, ÞLehde, Þlöschen 1, Þüberlegen 2, Þverlegen. – Seebold (1970), 324f.; EWNl 3 (2007), 228f.

Liegenschaft Sf std. stil. (19. Jh.). Gebildet in der Be-

deutung ’liegendes’, im Gegensatz zu ’beweglichem’ Gut. Liesch Sn ’Riedgras’ per. fach. (10. Jh.), mhd. liesche f.

Ebenso nndl. lelie, ne. lily, nfrz. lis, nschw. lilja, nisl. lilja. – Littmann (1924), 13; Cottez (1980), 226; LM 5 (1991), 1983f.; Röhrich 2 (1992), 967f.; EWNl 3 (2007), 204.

Liliputaner Sm ’Einwohner Liliputs, zwergwüchsiger

Mensch’ std. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. Lilliputian, einer Wortschöpfung von Jonathan Swift. Ebenso nndl. lilliputter, ne. Lilliputian, nfrz. Lilliputien, nschw.

lilleputt, nnorw. lilleputt. – Ganz (1957), 129f.; DF 2 (1942), 28; (?), ahd. lisca, lesc f., mndd. le¯sch le¯sk liesk, mndl. liesSöderlind, J. SN 40 (1968), 75–79; Rey-Debove/Gagnon che. Wohl entlehnt aus ml. lisca f., dessen Herkunft (1988), 507f.; EWNl 3 (2007), 235. aber nicht klar ist. Vielleicht ist die Entlehnung in umgekehrter Richtung verlaufen, wie auch bei anLimit Sn ’Grenze, Preisrahmen’ erw. fach. (20. Jh.). Entderen romanischen Wörtern dieser Sippe vermutet lehnt aus ne. limit, dieses aus frz. limite f., aus l. lı¯mes wird (it. lisca f. ’Hanfspelze’, nfrz. laıˆche, laiche f.). (limitis) m. ’Grenzlinie, Querweg, Rain’. Schon früher aus dem Französischen entlehnt ist die verbale Marzell 1 (1943), 827f.; EWNl 3 (2007), 241. Ableitung limitieren. Lift Sm std. stil. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. lift, einer

Ableitung von ne. lift ’heben’, dieses aus anord. lypta ’in die Höhe heben, lüften’, zu anord. lopt, loft n. ’Luft’. S. auch lüften (unter ÞLuft). Ebenso nndl. lift, nschw. lift, nisl. lyfta. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 504f.; Carstensen 2 (1994), 824f.; EWNl 3 (2007), 228.

Liga Sf ’Wettkampfklasse’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt

aus span. liga, zu span. ligar ’binden’ aus l. liga¯re ’binden’. Das Wort kommt in Gebrauch als Bezeichnung katholischer Bündnisse. Ebenso nndl. liga, ne. league, nfrz. ligue, nschw. liga, nnorw. liga; Þlegieren. – EWNl 3 (2007), 228.

Ligatur Sf ’Verbindung, Haltebogen, Buchstabenver-

bindung’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ml. liga¯tu¯ra ’Band’, zu l. liga¯re ’binden’ (Þlegieren). Ebenso nndl. ligatuur, ne. ligature, nfrz. ligature, nschw. ligatur. – DF 2 (1942), 27; LM 5 (1991), 1977.

liieren Vsw ’verbinden’ per. fremd. (18. Jh.). Entlehnt

Ebenso nndl. limiet, ne. limit, nfrz. limite, nschw. limit, nnorw. limit; Þeliminieren, Þsublim. – Schirmer (1911), 120; DF 2 (1942), 28f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 264; Carstensen 2 (1994), 833f.; EWNl 3 (2007), 235f.

Limonade Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. limonade,

einer Ableitung von frz. limon m. ’Zitrone’, dieses aus arab. laimuˆn, aus pers. lı¯mu¯n. Das Getränk war bis ins 19. Jh. tatsächlich Zitronenwasser; dann erst wurde die Bezeichnung verallgemeinert. Ebenso nndl. limonade, ne. lemonade, nfrz. limonade, nschw. limonad, nnorw. limonade; ÞPampelmuse. – Littmann (1924), 81; DF 2 (1942), 29; Lokotsch (1975), 105; Brunt (1983), 354; Tazi (1998), 212; EWNl 3 (2007), 236.

Limone Sf ’Zitrone’ per. fach. (14. Jh.). Entlehnt aus

afrz. limon ’Zitrone’ (ÞLimonade), zunächst (und später noch regional) für ’Zitrone’; heute wird zwischen Limonen und Zitronen ein sachlicher Unterschied gemacht. Ebenso nndl. limoen, ne. lemon, nfrz. limon. – Kiesler (1994),

aus frz. lier, dieses aus l. liga¯re (Þlegieren). Das eben222f. falls entlehnte Abstraktum ÞLiaison bezeichnet eine Limousine Sf ’geschlossenes Fahrzeug’ erw. fach. ’Verbindung von Verliebten’. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. limousine m. /(f.), urEbenso nndl. lie¨ren, ne. liaison, nfrz. lier, nschw. liera. – sprünglich: ’eine Art Mantel’. EWNl 3 (2007), 226f.

Likör Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. liqueur f. (ei-

gentlich ’Flüssigkeit’), dieses aus l. liquor ’Flüssigkeit’, zu l. lique¯re ’flüssig sein’.

Ebenso nndl. limousine, ne. limousine, nfrz. (obs.) limousine, nschw. limousin, nnorw. limousin. Das französische Wort gehört wohl zu l. lı¯mo¯sus ’schlammig’ als ’Schutzmantel gegen Schmutz’. – DEO (1982), 373; EWNl 3 (2007), 236f.

Linoleum

579 lind Adj erw. obs. (8. Jh.), mhd. linde, ahd. lindi. Aus wg. -ling Suffix Þ-ing.

*lenþja- Adj. ’geschmeidig, weich’, auch in ae. lı¯deÑ . -lings Suffix zur Bildung von Adverbien erw. alt. (–), Auf weitere Verbreitung weisen vielleicht ndn. lind mhd. -lingen, ahd. -lingun. Die Form mit (genetivi’biegsam, weich, mild’ und span. port. lindo schem) -s ist ursprünglich niederdeutsch (mndd. ’hübsch’, falls dieses aus dem Westgotischen stammt. -linges); sie greift im 16. Jh. auf das Mitteldeutsche, im Außergermanisch vergleichbar ist l. lentus ’biegsam, 17. Jh. auf die Hochsprache allgemein über zäh, langsam’, das nicht weiter vergleichbar ist. Des(Þrücklings, blindlings usw.). Der Herkunft nach hanhalb fällt die einfachere Form anord. linr ’weich, delt es sich um falsche Ablösungen von Adverbialfornachgiebig’, mhd. lin, lı¯n (Form wegen schlechter men des Adverbialsuffixes -ing-, das zum NomiBezeugung unsicher: Länge? Genetiv linwes?) ’lau, nalsuffix Þ-ing gehört. matt’ auf, die besser vergleichbar ist (z.B. hat ai. lina¯´ti EWNl 3 (2007), 237f. u.a. die Bedeutung ’sich anschmiegen’). Es ist deshalb Linguist Sf ’Sprachwissenschaftler’, früher auch nicht ausgeschlossen, dass lind eine Erweiterung aus ’Sprachenkenner’ erw. fach. (16. Jh.). Neoklassische diesem einfacheren Wort ist; l. lentus muss bei dieser Bildung zu l. lingua ’Zunge, Sprache’. Abstraktum: Annahme wohl aus semantischen Gründen abgeLinguistik; Adjektiv: linguistisch. trennt werden. Modifikation: Þgelinde; Verb: lindern. Ebenso nndl. linguı¨st, ne. linguist, nfrz. linguiste, nschw. lingEbenso nndl. gelinde, ne. lithe. – Rosengren (1968); Seebold (1970), 331f.; Heidermanns (1993), 375, 383.

Linde Sf std. (9. Jh.), mhd. linde, ahd. linta, as. lind(i)a.

vist, nnorw. lingvist. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞZunge. – DF 2 (1942), 29f.; HWPh 5 (1980), 329–343; Cottez (1980), 227; Hammarström, G. FL 18 (1984), 555f.; EWNl 3 (2007), 238.

Aus g. *lendjo¯(n) f. ’Linde’, auch in anord. lind, ae. lind. Das Wort bedeutet öfters auch ’Schild’, da Schil- Linie Sf std. (11. Jh.), mhd. linie, ahd. linna. Ist entlehnt de häufig aus dem leichten Lindenholz gefertigt wuraus l. lı¯nea (eigentlich ’Leine, Schnur’, also ’gerade den; im Deutschen mundartlich auch Lind ’Bast’ und wie eine ausgespannte Schnur’, zu l. lı¯num n. ’Faden, anord. lindi m. ’Gürtel’ (falls damit ein aus Bast geSchnur, (eigentlich Flachs)’. Adjektive: linear, -linig; flochtener Gürtel gemeint war − hier sind aber auch Verb: linieren. andere Erklärungen denkbar). Außergermanisch Ebenso nndl. lijn, ne. line, nfrz. ligne, nschw. linje, nnorw. linje. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞLein; ÞPipeline. – DF 2 steht am nächsten russ. lu´t ’Bast, Lindenrinde’ (aus (1942), 30; EWNl 3 (2007), 238f. *lont-). Dies legt die Annahme nahe, dass die Linde nach ihrem weichen Bast benannt ist; dieser wieder- link Adj std. (8. Jh.), mhd. linc, lenc, ahd. lenca ’linke um könnte als ’weich, biegsam’ benannt sein und das Hand’ (für ’links’ noch das alte Wort win(i)star). ReWort somit zu l. lentus ’biegsam’ gehören (s. Þlind zu gionale Varianten sind ndrhein. slink und fnhd. glink den etwas problematischen etymologischen Verhält(= gelink). Das Wort bedeutet eigentlich ’ungenissen). Vermutlich gehört auch lit. lenta` ’Brett, Tafel’ schickt’ (wie die Bezeichnungen für ’links’ überhaupt hierher (wenn ursprünglich ’Brett aus Lindenholz’). immer wieder aus diesem Bedeutungsbereich erneuert werden); vgl. hierzu linkisch und weiter nschw. Ebenso nndl. linde, ne. linden, nschw. lind, nisl. linditre´; ÞGeländer. – Beke, Ö. IF 54 (1936), 119–121; LM 5 (1991), 1998f.; linka ’hinken’ und vielleicht zu dem erst spät bezeugRGA 18 (2001), 459–461; EWNl 3 (2007), 217. ten ai. lan˙ga- ’lahm’. Adverb: links. Nussbaum, O. JACh 5 (1962), 158–171; Markey, Th. MQ 23 Lindwurm Sm erw. obs. (9. Jh.). Im 18. Jh. erneuert aus (1982), 183–194; Sanders, W. FS J. Splett. Hrsg. E. Schmitsdorf inzwischen ausgestorbenem mhd. lintwurm (auch u.a. (München, Berlin 1998), 243–254; van Leeuwen-Tur1 mhd. lint(t)rache, lintdrache zu ÞDrache ), ahd. lindnovcova´, J. in Akten des 23. linguistischen Kolloquiums. wurm, anord. linnormr. Dies ist eine verdeutlichende Hrsg. N. Reiter (Tübingen 1989), 573–585; van LeeuwenKomposition zu einem durch anord. linnr ’Schlange, Turnovcova´, J.: Links und Rechts (Berlin 1990); RGA 18 Drache’ vertretenen Wort (das Wort ÞWurm hat in (2000), 480–483; EWNl 3 (2007), 239. der älteren Zeit eine weitere Bedeutung, die auch Linnen Sn erw. obs. (18. Jh.). Ursprünglich niederdeutSchlangen und Drachen in sich schließt). Das einfasche Form von ÞLeinen, die sich seit dem 18. Jh. im che Wort ist wohl mit l. lentus ’biegsam’ zu vergleiZusammenhang mit dem überlegenen westfälischen chen und gehört damit wohl zu dem Adjektiv Þlind Tuchhandel durchsetzt und heute vor allem in ge(zur etwas problematischen Etymologie). hobener Sprache gebräuchlich ist. Ebenso nschw. lindorm. – LM 5 (1991), 2002; EWNl 3 (2007), 240.

Lineal Sn std. (15. Jh.). Entlehnt aus dem substantivier-

ten Neutrum des Adjektivs l. lı¯nea¯lis ’durch Linien charakterisiert’, zu l. lı¯nea (ÞLinie). Ebenso nndl. liniaal, nschw. linjal, nnorw. linjal. – DF 2 (1942), 29; EWNl 3 (2007), 238.

Ebenso nndl. linnen, ne. linen, nschw. linne. – EWNl 3 (2007), 239f.

Linoleum Sn std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. linoleum,

einer Neubildung zu l. lı¯num oleum ’Leinöl’, einem wesentlichen Bestandteil dieses Materials. Ebenso nndl. linoleum, ne. linoleum, nfrz. linole´um, nschw. linoleum, nnorw. linoleum. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 511; EWNl 3 (2007), 240.

Linse

580 Linse Sf std. (9. Jh.), mhd. lins(e), ahd. linsa, lins(ı¯),

lispeln Vsw std. (15. Jh.), fnhd. lispeln. Erweiterung zu linsin. Entlehnt aus einer unbekannten Sprache, aus ahd. lispe¯n; entsprechend ae. wlispian. Zu ae. wlisp, der auch l. le¯ns (-ntis) und die entsprechenden balwlips ’stammelnd’. Wohl ein Lautbild. Mit anderem tisch-slavischen Wörter kommen. Eine Entlehnung Vokal (Ablaut?) nschw. läspa ’lispeln’. aus dem Lateinischen, die sachlich naheliegend wäre, Ebenso nndl. lispen, ne. lisp. – Seebold (1970), 685; EWNl 3 ist wegen des Lautstands unwahrscheinlich (da nor(2007), 242. malerweise aus der Form des Obliquus entlehnt wird, List Sf std. (8. Jh.), mhd. list, ahd. list (auch m). Aus g. und das wäre hier *lent-). Die Bedeutung ’Brennglas’ *listi- f., auch in gt. lists, anord. list, ae. list m./f. Verseit dem 18. Jh. nach neoklassischem Vorbild (Bedeubalabstraktum zu dem unter Þlehren und Þlernen tungsübertragung nach der Form). Hierzu wohl behandelten Verbalstamm (g.) *lais- ’wissen, (lernen, linsen ’Ausschau halten’. In mehreren Sprachen wird erkennen)’. Das Wort bedeutet ursprünglich die übertragene Bedeutung entlehnt und dadurch ’Geschicklichkeit’. Adjektiv: listig; Präfixableitung: formal unterschieden (ndl. linze – lens, e. lentil – lens). überlisten; Partikelableitung: ablisten. Ebenso ne. lentil, nndl. linze, lens, lens, nfrz. lentille, nschw. lins, nisl. linsa. – RGA 18 (2001), 494f.; EWNl 3 (2007), 206f., 240f.

Linsengericht Sn erw. bildg. (19. Jh. bei übertragenem

Gebrauch). Nach dem Linsengericht, für das Esau dem Jakob sein Erstgeburtsrecht hergab (1. Mose 25, 34). Ebenso ne. mess of potage, nfrz. plat de lentilles. – Bertsch (1947), 170–174.

Lippe Sf std. (16. Jh.). Ursprünglich niederdeutsches

Ebenso nndl. list, nschw. list, nisl. list. – Trier, J. MUM 3 (1931), 33–40; Scheidweiler, F. ZDA 78 (1941), 62–87; Hermans, G.: List (Diss. masch. Freiburg 1953); Sanders, W. FS Goossens (1990), 107–118; EWNl 3 (2007), 242.

Liste Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus it. lista, zunächst in

der italienischen Form mit -a. Das italienische Wort stammt seinerseits aus ahd. lı¯sta ’Leiste’ und bedeutet eigentlich ’streifenförmig, leistenförmig geschriebene Aufzählung’.

Wort, das als Sprachform Luthers das ältere obd. Ebenso nndl. lijst, ne. list, nfrz. liste, nschw. lista, nisl. listi. – DF Lefze verdrängt. Das Wort Lippe ist in den kontinen2 (1942), 31; Jones (1976), 395; EWNl 3 (2007), 233. talen germanischen Sprachen erst spät bezeugt (zuLitanei Sf ’Bittgebet, monotone Aufzählung’ erw. fach. erst bei Jeroschin, 14. Jh. mitteldeutsch), dann (12. Jh.), mhd. letanı¯e. Ist entlehnt aus kirchen-l. li(15. Jh.) mittelniederdeutsch und mittelniederläntanı¯a ’Bittgebet, Flehen’, dieses aus gr. litaneı´a, über disch, jeweils als lippe. Älter ae. (und afr.) lippa m. gr. litaı´no¯ und gr. litaneu´o¯ zu gr. lı´ssesthai ’bitten, fleDiese setzen (g.) *lepjo¯n voraus, aschw. l¢pi ein (g.) hen’. *lepo¯n. Die weitere Etymologie s. unter ÞLefze. S. auch ÞSchlippe. – Röhrich 2 (1992), 968f.; EWNl 3 (2007), 241.

liquid Adj ’zahlungsfähig, flüssig’ erw. fach. (17. Jh.).

Entlehnt aus l. liquidus ’flüssig, fließend’, zu l. lique¯re ’flüssig sein’. Verb: Þliquidieren; Abstraktum: Liquidität. Als Fachausdruck der Phonetik Liquid(a) ’Gleitlaut’. Ebenso nndl. liquide, ne. liquid, nfrz. liquide, nschw. likvid, nnorw. likvid. – Welte, W. IF 86 (1981), 146–160; EWNl 3 (2007), 241.

liquidieren Vsw ’Geschäft auflösen, zu Geld machen,

hinrichten’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus spl. liquida¯re und it. liquidare, zu l. liquidus ’flüssig’, zu l. lique¯re ’flüssig sein’. Ein Geschäft wird aufgelöst, indem es in ’flüssige Mittel’ verwandelt wird. Die Bedeutung ’beseitigen, hinrichten’ ist aus ’auflösen’ spezialisiert. Abstraktum: Liquidation. Ebenso nndl. liquideren, ne. liquidate, nfrz. liquider, nschw. likvidera, nnorw. likvidere; ÞLikör. – Schirmer (1912), 120f.; DF 2 (1942), 30f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 264; EWNl 3 (2007), 241.

lismen Vsw ’stricken’ per. schwz. (15. Jh.), fnhd. lismen.

Gehört offenbar zu Þlesen, da anord. lesa ’herstellen bunter Gewänder’ bedeutet (Maschen lesen = stricken?). Das m wohl unter Einfluss des Wortes ÞFaden, mhd. vadem, vaden. Mohr, W. ZDA 75 (1938), 237.

Ebenso nndl. litanie, ne. litany, nfrz. litanies, nschw. litania, nisl. litanı´a;ÞLiturgie. – Siegert (1950), 129; DF 2 (1942), 32; LM 5 (1991), 2010f.; EWNl 3 (2007), 242.

Liter Smn std. (19. Jh.). Mit dem Hohlmaß entlehnt aus

frz. litre m., das über ml. litra f. aus gr. lı´tra f. ’Pfund’ stammt. Dieses ist aus der gleichen Sprache entlehnt, die auch l. lı¯bra f. ’Waage, Pfund’ geliefert hat. 1868 amtlich eingeführt. Ebenso nndl. liter, ne. litre, nfrz. litre, nschw. liter, nisl. lı´tri; Þnivellieren. – DF 2 (1942), 32; Deroy, L. ECl 43 (1975), 45–58 (Erklärung als etruskisch); EWNl 3 (2007), 242f.

Literatur Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. littera¯tu¯ra

’Schrift, Buchstabenschrift, Sprachkunst, Sprachwissenschaft, Sprachunterricht’, zu l. littera (Pl. litterae) ’Buchstabe, Schriftzüge, Aufgezeichnetes’, zu l. linere (litum) ’bestreichen’. Lehnübersetzung von gr. grammatike¯´ (te´chne¯) ’Grammatik’, bezogen auf die Bedeutung ’Philologie’, die in den beiden Wörtern verschieden weiterentwickelt wurde. Adjektiv: literarisch; Täterbezeichnung: Literat. Ebenso nndl. literatuur, ne. literature, nfrz. litte´rature, nschw. litteratur, nnorw. litteratur; ÞLetter. – DF 2 (1942), 32–35; Strauss u.a. (1989), 651–657; EWNl 3 (2007), 243.

Litfaßsäule Sf erw. obs. (19. Jh.). Der Buchdrucker

Ernst Litfaß stellte im Jahr 1855 die erste Plakatsäule auf. Nach ihm wurden dann die Plakatsäulen allgemein benannt.

locken

581 Liturgie Sf erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus kirchen-l.

liturgia, dieses aus gr. leitourgı´a ’Staats-, Dienstleistung, Liturgie’, zu gr. le¯´¨ıton ’Gemeindehaus, Stadthaus’ (ÞLaie) und gr. ´ergon n. ’Arbeit, Dienst’ (ÞEnergie). Ebenso nndl. liturgie, ne. liturgy, nfrz. liturgie, nschw. liturgi, nnorw. liturgi; ÞLitanei. – Siegert (1950), 130; Terrin, A. N. Leitourgı´a (Brescia 1988); LM 5 (1991), 2026–2032; EWNl 3 (2007), 243.

Litze Sf erw. fach. (14. Jh.), spmhd. litze. Entlehnt aus l.

punkte zu ’loben’, doch sind die Möglichkeiten einer lautlichen Verbindung (ausgehend von ig. *tluk w-) nicht ausreichend klar. Adjektiv: löblich. Die vermeintlichen Präfigierungen geloben und verloben gehören nicht hierher, sondern zu Glaube und erlauben. Ebenso nndl. lof, loven, nschw. lov, lova, nisl. lof, lofa; ÞLied. – Wiercinski, D. ZDPh 84 (1965), 76–100; Seebold IL 26 (2003), 145–157; EWNl 3 (2007), 249, 266.

Lobby Sf ’Wandelhalle; Interessengruppe’ erw. fach.

tig’ erw. fremd. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. live, zu ne. life ’Leben’.

(20. Jh.). Entlehnt aus ne. lobby, das über mittellateinische Vermittlung zurückgeht auf awfrk. *laubja ’Laubengang’ (ÞLaube). Die metonymische Bedeutung kommt davon, dass in den Wandelhallen des Parlaments die Interessengruppen Einfluss auf die Abgeordneten zu nehmen suchen.

Ebenso nndl. live, nfrz. live, nschw. live, nnorw. live. Zur deutschen Verwandtschaft s. ÞLeib, Leben (Þleben). – Carstensen 2 (1994), 836f.; EWNl 3 (2007), 243f.

Ebenso nndl. lobby, ne. lobby, nfrz. lobby, nschw. lobby, nnorw. lobby; ÞLoge. – Röhrich 2 (1992), 969; Rey-Debove/Gagnon (1988), 517f.; Carstensen 2 (1994), 841f.; EWNl 3 (2007), 244f.

lı¯cium n. ’Faden’. Ebenso ndn. lidse. – EWNl 3 (2007), 276.

live (auch life geschrieben) Adv ’direkt, gegenwär-

Livree Sf ’uniformartige Bekleidung für Bedienste-

te’ erw. obs. (14. Jh.). Entlehnt aus frz. livre´e, zu frz. livrer ’liefern’, aus spl. libera¯re ’ausliefern’, aus l. lı¯bera¯re ’losmachen, befreien’, zu l. lı¯ber ’frei’. So bezeichnet als ’die vom Dienstherrn gestellte Kleidung’. Ebenso nndl. livrei, ne. livery, nfrz. livre´e, nschw. livre´, nnorw. liberi; Þliberal. – Öhmann, E. NPhM 41 (1940), 35f.; DF 2 (1942), 35f.; Öhmann, E. NPhM 63 (1962), 228–230; Jones (1976), 399; EWNl 3 (2007), 244.

Lizenz Sf ’Genehmigung’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt

aus l. licentia, einer Ableitung von l. licet ’es ist erlaubt, man darf’. Ebenso nndl. licentie, ne. licence, nfrz. licence, nschw. licens, nnorw. lisens. – Schirmer (1911), 121; DF 2 (1942), 37; EWNl 3 (2007), 218.

Lob Sn std. (8. Jh.), mhd. lop m./n., ahd. lob, as. lof . Aus

lobhudeln Vsw ’übertrieben loben’ std. stil. (18. Jh.). Im

Westmitteldeutschen aufgekommen. Am ehesten ausgegangen von Lobhudelei im Sinne von ’ein liederliches Lob’, oder zu hudeln ’plagen’ (ÞHudel) als ’durch Lob plagen’ im Anschluss an Bildungen wie lobsingen. S. ÞHudel zur weiteren Etymologie und ÞLob. – Kluge, F. ZDW 7 (1906), 40–43.

Loch Sn std. (8. Jh.), mhd. loch, ahd. loh ’Loch, Öffnung,

Höhle’. Aus g. *luka- n. ’Schluss, Verschluss’, auch in afr. lok ’Schloss’, ae. loc ’Verschluss’, anord. lok ’Ende, Schluss’, gt. uslu¯k ’Eröffnung’. Abstraktum zu g. *lu¯k-a- Vst. ’verschließen’ in gt. -lu¯kan, anord. l(j)u´ka, ae. lu¯can, afr. lu¯ka. Außergermanisch besteht keine brauchbare Vergleichsmöglichkeit. Loch ist also ursprünglich ein verschließbares Loch, dann hat es seine Bedeutung stark verallgemeinert. Verb: lochen; Adjektiv: löcherig.

g. *luba- n. ’Lob’, auch in anord. lof, ae. lof m./n., afr. lof. Daneben das Verb g. *lub-o¯- Vsw. ’loben’ in ahd. Ebenso ne. lock, nisl. lok; ÞLuke, ÞLücke. – Koivulehto, J.: lobe¯n, lobo¯n, mhd. loben, as. lobon, afr. lovia, ae. lofiJäten (Helsinki 1971), 13–24 (auch zur Entlehnung ins Finnian, anord. lofa. Das Ableitungsverhältnis zwischen sche); Röhrich 2 (1992), 969–972. den beiden ist nicht sicher zu bestimmen (welches ist vom anderen abgeleitet?). Eine semantische Analyse Locke Sf std. (8. Jh.), mhd. loc, ahd. loc m., as. lok. Aus ergibt weiter, dass Lob/loben weder zu lieb/lieben g. *lukka – m. ’Locke’, älter ’Laubbüschel, Büschelnoch zu glauben/erlauben gehören kann; auch die chen’ u.ä., auch in anord. lokkr, ae. locc, afr. lokk. Das vermeintlichen Präfigierungen geloben/verloben sind Femininum ist erst neuhochdeutsch aus dem Plural semantisch nicht anschließbar. Für einen etymolozurückgebildet. Auszugehen ist von der Bedeutung gischen Anschluss ergeben sich drei Möglichkeiten, ’(Laub)Büschel’, die sich ihrerseits als ’das Abgerupfdie aber nicht weiter gestützt werden können: (1) Der te’ oder ’das Abzurupfende’ erklärt, wie in gr. ly´gos f. Anschluss an l. laus, laudis ’Lob’ ist semantisch na/(m.) ’Zweig, Rute’, ae. lu¯can ’jäten’, ahd. arliohhan heliegend, setzt aber verschiedene Erweiterungen ’ausreißen’, lit. la´uzˇti ’brechen’, ai. ruja´ti ’bricht’. einer nicht weiter fassbaren Wurzel voraus. (2) Bei lit. Wohl wurzelverwandt mit den unter ÞLaub behanlia´upsinti ’loben’ stimmt ebenfalls die Bedeutung, delten Zusammenhängen. Adjektiv: lockig. doch ist das litauische Wort seinerseits isoliert und Ebenso nndl. lok, ne. lock, nschw. (ka˚r)lock, nisl. lokkur; ÞLauch. – Seebold (1970), 337; Trier (1981), 168–170; EWNl 3 die Nähe zu der deutschen Sippe könnte auch auf (2007), 252. einer Entlehnung des litauischen Worts aus dem deutschen beruhen (auch lobsingen könnte dabei eine locken Vsw std. (8. Jh.), mhd. locken, auch mhd. lücken, Rolle spielen). (3) Die keltische Verbalwurzel *tluchlucken, ahd. loko¯n, ahd. lucchen. Aus g. *lukk-o¯- Vsw. ’danken, froh sein’ zeigt semantische Berührungs’locken’, auch in anord. lokka, ae. loccian. Zu ÞLocke,

löcken

582

älter lock ’Laubbüschel’, so dass sich für locken als Ableitung aus diesem die Ausgangsbedeutung ’(das Vieh) mit einem Laubbüschel locken’ ergibt. Präfigierung: verlocken. Ebenso nndl. lokken, nschw. locka, nisl. lokka. – Trier (1963), 154–160; Trier (1981), 168–170; Woodhouse, R. HS 118 (2005), 266f. (anders); EWNl 3 (2007), 253.

löcken Vsw Þlecken 2.

2

Löffel Sm ’Ohr des Hasen’ erw. fach. (13. Jh.), mhd.

leffel. Wohl keine Bedeutungsübertragung von ÞLöffel 1, sondern eine eigene Bildung, die zu laff ’schlaff’, mhd. erlaffen ’erschlaffen’ gehört. Vgl. auch mndd. o¯rlepel ’Ohrläppchen’. Seebold (1970), 323f.; Hamp, E. P. in A linguistic happening in memory of Ben Schwartz. Ed. Y. L. Arbeitman (Louvain-laNeuve 1988), 501–504; Röhrich 2 (1992), 973f.

locker Adj std. (15. Jh.), fnhd. locker, lucker, luck. Her-

löffeln Vsw ’poussieren’ per. arch. (16. Jh.). Gebildet zu

kunft unklar. Vielleicht zu ÞLücke. Verb: lockern.

heute nicht mehr gebräuchlichem Löffel ’verliebter Narr’, das zu ÞLaffe gehört.

Röhrich 2 (1992), 972; EWNl 3 (2007), 249.

Loddel Sm ’Zuhälter’ per. reg. (20. Jh.). Wohl Rückbil-

Vgl. noch ÞRotzlöffel.

dung aus loddeln, loddern ’müßig gehen, schwanken, Log Sn ’Gerät zur Bestimmung der Geschwindigkeit wackeln’. Zu einer schwer abgrenzbaren Sippe, die eines Schiffs’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. log, unter Þlottern, Þliederlich und (mit s mobile) das eigentlich ’Stamm, Klotz’ bedeutet. Das Gerät beÞschleudern 2 besprochen wird. steht aus einer mit einem Klotz beschwerten Knotenschnur, die man von einer Handrolle ablaufen ließ. Lode Sf ’Schössling’ erw. reg. (15. Jh., sumarlota 8. Jh.). Daher auch ’das Schiff läuft so und so viel Knoten’. Niederdeutsche Form zu obd. Lote, mhd. sumerlate Ebenso nndl. log, nfrz. loch, nschw. logg, nnorw. logg. und sumerlatte (unter Einfluss von ÞLatte), as. sumarloda. Zu g. *leud-a- Vst. ’wachsen’ in gt. liudan, Logarithmus Sm erw. fach. (17. Jh.). Neubildung des anord. PPrät. lodeÑ nn, ae. le¯odan, as. liodan, ahd. lioenglischen Mathematikers Napier zu gr. lo´gos ’Wort, tan; außergermanisch vergleicht sich vor allem ai. Rechnung’ (ÞLogik) und gr. arithmo´s ’Zahl’ ro´dhati ’wächst’. Ein Zusammenhang mit der unter (ÞArithmetik). ÞLaub behandelten Grundlage ist möglich, wenn noEbenso nndl. logaritme, ne. logarithm, nfrz. logarithme, nschw. minales (ig.) *(e)leu- ’Zweig, Sprössling’ zugrunde logaritm, nisl. lo´garitmi. – Schirmer (1912), 43; DF 2 (1942), 38; gelegt wird. Dies wäre einerseits ’das Abgerupfte’, anGanz (1957), 132; Rey-Debove/Gagnon (1988), 521; EWNl 3 (2007), 249. dererseits der Wiederausschlag an den Pflanzen, und *(e)leu-d h- wäre ’Ausschlag hervorbringen, ausLoge Sf erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. loge, dieses schlagen’. aus afrz. loge, dessen Herkunft unklar ist, da zwei S. auch Þausladend, ÞLoden, Þlodern. Zu weiterem s. ÞLeute. – nicht ohne weiteres vereinbare Bedeutungen Trier, J. FS Arnold (1955), 260f.; Trier (1963), 179–183; EWNl 3 (’Nische zum Aufenthalt’ − ’Wohnung’) zusammen(2007), 260. kommen. Die Bedeutung ’geheime Vereinigung’ Loden Sm ’grober Wollstoff’ erw. obs. (10. Jh.), mhd. nach ne. lodge desselben Ursprungs; so bezeichnet als lode, ahd. lodo, ludo, as. lotho. Aus g. *luþo¯n m. ’Gruppe von Menschen, die sich an einem geheimen ’Loden’, auch in anord. lodiÑ , ae. lodaÑ , afr. lotha. Wohl Versammlungsort treffen’. Schon im 13. Jh. als lotsche dasselbe wie Lode(n) m. ’Zotte, Flocke’, bairisch und in der Bedeutung ’Zelt, Heerlager, Tribüne’ entlehnt. ostmitteldeutsch auch ’Haare’ und letztlich wohl von Zur zweiten Bedeutung das Verb logieren und das verder gleichen Grundlage wie ÞLode (vielleicht Bedeualtete Logis. tungsübertragung). Ebenso nndl. loge, ne. loge, nfrz. loge, nschw. loge, nnorw. losje. Þliederlich. – EWNl 3 (2007), 246.

lodern Vsw std. (15. Jh.). Zunächst bei niederdeutschen

und mitteldeutschen Schriftstellern bezeugt. Vergleichbar ist westfäl. lodern ’üppig wachsen’, das zu ÞLode gehört. Der Verbreitung dieser Bedeutungsübertragung war vermutlich die Lautähnlichkeit des Wortes ÞLohe 1 günstig. 1

Löffel Sm (Teil des Bestecks) std. (8. Jh.), mhd. leffel,

ahd. leffil, lepfil, as. lepil. Aus vd. *lapila- m. ’Löffel’. Instrumentalbildung zu g. *lap- ’lecken, schlürfen’ in ahd. laffan Vst., ae. lapian Vsw., nisl. lepia Vsw. Außergermanisch vergleichen sich l. lambere ’lecken’ und akslav. lobu˘zati ’küssen’. Das nhd. ö beruht auf sekundärer Rundung. Verb: löffeln. Ebenso nndl. lepel; Þlabbern 2, ÞLaffe, Þläppern, Þschlabbern. – Lühr (1988), 370; LM 5 (1991), 2070; Röhrich 2 (1992), 973f.; EWNl 3 (2007), 207.

Die Bedeutung ’Nische’ ist mindestens mitbestimmt durch ml. logium ’Tribüne, Rednerpult’ aus gr. logeı˜on; die Bedeutung ’Wohnung’ wohl aus awfrk. *laubja ’Häuschen’; ÞLoggia, ÞLaube, ÞLobby. – DF 2 (1942), 38; Ganz (1957), 132f.; DEO (1982), 375; Brunt (1983), 335; LM 5 (1991), 2070; EWNl 3 (2007), 249f.

-loge Suffix zur Bildung von desubstantivischen Per-

sonenbezeichnungen ’Wissenschaftler, Kundiger’ (z.B. Ethnologe, Graphologe) erw. fach. (–). Das Suffix wurde zunächst zusammen mit den Ableitungen auf Þ-logie aus dem Griechischen und Lateinischen entlehnt; sein Ursprung ist gr. -lo´gos, l. -logus in Zusammensetzungen mit gr. lo´gos ’Vernunft, Rede, Wort’, z.B. gr. theolo´gos, ursprünglich ’der Mythen (von den Göttern) berichtet’ (zu gr. theo´s ’Gott’), dann ’Philosoph, Theologe’. Bereits griechische Bildungen sind (mit teilweise stark abweichender Bedeutung)

Lohe2

583

Biologe (ÞBiologie), Archäologe (ÞArchäologie), Theologe (ÞTheologie). Anders gebildet ist Philologe, ÞPhilologie. Danach neoklassische Bildungen, bei denen eigentlich die Wissenschaftsbezeichnung als primär empfunden wird. ÞLogik. – Richter (1981), 161–164; Rettig, W. in Deutsche Lehnwortbildung. Hrsg. G. Hoppe u.a. (Tübingen 1987), 157–170; EWNl 3 (2007), 251f.

Loggia Sf ’offener, überdachter Raum’ per. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus it. loggia ’Bogenhalle’; zu dessen Herkunft s. ÞLoge. Ebenso nndl. loggia, ne. loggia, nfrz. loggia, nschw. loggia, nnorw. loggia. – DF 2 (1942), 38; EWNl 3 (2007), 251.

-logie Suffix zur Bildung von desubstantivischen Sub-

stantiven mit der Bedeutung ’Wissenschaft von, Lehre von’ (z.B. ÞBiologie, ÞGraphologie) erw. fach. (–). Es handelt sich ursprünglich um Abstrakta auf gr. -logı´a zu Nomina Agentis auf Þ-loge, gr. -logos; dann kamen auch neoklassische Bildungen mit dem kombinierten Suffix vor. ÞLogik. – Cottez (1980), 229f.; Hübner, W.: Die Begriffe Astronomie und Astrologie (Mainz 1989), 10–13; Schmidt, Ch. in Munske (1996), 171–193.

Logik Sf std. (15. Jh., Form 16. Jh.), mhd. lo¯ica¯, lo¯ic,

lo¯ike. Entlehnt aus l. logica, dieses aus gr. logike¯´ (te´chne¯) ’Dialektik’, einer flektierten Form von gr. logiko´s ’die Vernunft betreffend’, zu gr. lo´gos m. ’Vernunft, Wort, Reden (usw.)’, zu gr. le´gein ’lesen, zählen, sagen’. Später nach der ursprünglichen Form erneuert. Adjektiv: logisch.

angewandt, um die Finanzplanung, die Materialbeschaffung und die Versorgung der Soldaten in militärischen Unternehmungen zu bezeichnen. In der lateinischen Gelehrsamkeit des Mittelalters wurden dann logistica und arithmetica gleichbedeutend verwendet, wobei arithmetica im allgemeinen vorgezogen wurde; die militärische Bedeutung trat nicht mehr hervor. Im 17. Jh. wird das Wort wieder bedeutend und dringt auch in die Volkssprachen ein. Im mathematischen Bereich wird nun zwischen logistica numerosa, der Zahlen-Rechenkunst, und der logistica speciosa, der Buchstaben-Rechenkunst, unterschieden (Vieta). Dies führte letztlich dazu, dass (1904, 2. Kongress für Philosophie in Genf) unter Logistik (besonders im Französischen) ’symbolische Logik’ und ’mathematische Logik’ verstanden wurde. Im Deutschen hat sich dieser Wortgebrauch aber nicht durchgesetzt. Dagegen wurde in der ’Kriegskunst’ seit dem 17. Jh. wieder auf das Konzept der Logistik zurückgegriffen, um allgemein die Organisation und Versorgung einer Armee zu bezeichnen. Da hierbei die Versorgung der Soldaten im Vordergrund stand, wurde in der französischen Tradition das Wort Logistik mit frz. logis ’Quartier’ in Beziehung gesetzt (dieses letztlich eine Entlehnung aus d. ÞLaube). Die militärische Bedeutung von Logistik hat sich dann von Frankreich aus in ganz Europa durchgesetzt. Im 20. Jh. wird der Ausdruck dann (mit dem Plural logistics) in die amerikanische Betriebswirtschaftslehre übernommen und von dieser aus nun auch im Deutschen in der heute vorherrschenden Bedeutung verwendet.

Ebenso nndl. logica, ne. logic, nfrz. logique, nschw. logik, nnorw. logikk. Das zugrunde liegende gr. le´gein bedeutet zuLeutgeb, D. F. MS 114 (2004), 206–219; EWNl 3 (2007), 252. nächst ’lesen, auflesen’ und ist verwandt mit l. legere (ÞLegende); dann ’zählen, aufzählen’ und ’erzählen, reden, sa- Loh Smn ’Hain’ auch in Ortsnamen per. arch. (10. Jh.), gen’. Zu seiner Normalstufe gehört in der Ausgangsbedeutung mhd. lo¯(ch), ahd. lo¯h m., mndd. lo m. Aus g. *lauhaÞeklektisch und ÞDialekt, ÞDialektik, in der abgeleiteten Bem. ’Hain, Lichtung’, auch in anord. lo´ f. ’Ebene’ (Oslo deutung ÞLexikon, ÞLexem. Besonders produktiv sind die Bil’Asenhain’), ae. le¯ah m. ’Wald, Wiese’. Dieselbe Bedungen mit dem Abstraktum gr. lo´gos ’Wort, Rede, Rechnung, deutungsverschiedenheit zeigt sich in dem vorauslieVernunft, Verhältnis’: Zur Ausgangsbedeutung s. ÞAnthologie genden ig. *louko- m.: ai. loka´- m. ’freier Raum, Platz’, und ÞKatalog; zu ’Rechnung’ u.ä. ÞLogik, ÞAnalogie und lit. lau˜kas m. ’freies Feld’, l. lu¯cus m. ’Hain’. Weitere ÞLogarithmus; zu ’Rede’ s. ÞDialog, ÞEpilog, ÞMonolog, Herkunft unklar. ÞNekrolog, ÞProlog, ÞTrilogie und ÞApologie; zu verschiedenen Bedeutungen die Wissenschaftsbezeichnungen auf Þ-logie Trier (1952), 114–125. mit den Nomina Agentis auf Þ-log(e). – DF 2 (1942), 39f.; Lohe1 Sf ’Flamme’ erw. obs. (8. Jh.), mhd. lohe m. HäuHWPh 5 (1980), 357–383; Richter (1981), 161–164; LM 5 (1991), figer ist die Form mit grammatischem Wechsel mhd. 2071–2077; EWNl 3 (2007), 251.

Logis Sn ÞLoge. Logistik Sf Heute vorwiegend ’Planung und Durch-

louc, ahd. loug, louc, laug, as. lo¯˘gna, afr. loga, ae. lı¯g, le¯g, anord. leygr. Zu der unter Þlicht entwickelten Wurzel (ig.) *leuk- ’leuchten’. Verb: lohen.

führung der Organisation eines Unternehmens’; als Þlichterloh. – EWNl 3 (2007), 163. Prototyp wird dabei die Bereitstellung der Mittel für Lohe2 Sf ’Gerbemittel’ per. fach. (12. Jh.), mhd. lo¯ ein militärisches Unternehmen angesehen. Die Ver(-wes) n., ahd. lo¯ n., mndd. lo(we), mndl. lo(o) n. wendung in der Bedeutung ’mathematische Logik’ ist Ursprünglich ’abgelöste Baumrinde’ zu dem unter heute nicht mehr üblich. per. fach. (19. Jh.). Gr. logisÞLaub behandelten Wort für ’abreißen, abschälen’. tike¯ (te´chne¯) bedeutet zunächst ’angewandte ArithEine Erweiterung hierzu ist ÞLauge, bei dem sich almetik’. Formal ist dieses Wort eine Adjektiv-Bildung lerdings eine Berührung mit der ursprungsverschiezu gr. logı´zomai ’berechnen’; zum Grundwort s. denen Wurzel (ig.) *lou¡- ’waschen, baden’ zeigt. ÞLogik. In byzantinischer Zeit wurde das Wort häufig Trier (1952), 131–136; EWNl 3 (2007), 257.

Lohn

584 Lohn Sm (älter n.) std. (8. Jh.), mhd. lo¯n, ahd. lo¯n, as.

Lomber Sn ’ein Kartenspiel’ per. fach. (17. Jh.). Die Belo¯n. Aus g. *launa- n. ’Lohn’, auch in gt. laun, anord. zeichnung kommt aus dem Französischen ins Deutlaun f./n., ae. le¯an, afr. la¯n. Von einer entsprechenden sche (l’ombre), stammt aber aus dem Spanischen Grundlage auch l. lucrum n. ’Gewinn’ (Þlukrativ), gr. (hombre m. ’Mensch’ − gemeint ist der Hauptspieler, leı´a ’Jagdbeute’, akslav. lovu˘ ’Jagd, Fang’, air. lo¯g der gegen die anderen spielt − aus l. homo m. ’Lohn, Preis’. Eine verbale Grundlage in gr. apolau´ein ’Mensch’). ’genießen’. Das semantisch genau entsprechende ai. Ebenso nndl. omber, ne. ombre, omber, hombre. – DF 2 (1942), 43. lo´ta-, lo´tra- ’Beute’ scheint ein sanskritisiertes mittelindisches Wort zu sein, das auf ai. loptra- zurückgeht; Look Sm ’Aussehen, Modeerscheinung’ per. fremd. es kann deshalb allenfalls wurzelverwandt sein (ig. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. look, zu ne. look ’schauen, *lup-). Verben: lohnen, löhnen. aussehen’. Ebenso nndl. loon, nschw. lön, nisl. laun. – Benveniste (1969/1993), 132f.; HWPh 5 (1980), 503–521; Markey, Th. L. in Markey/Greppin (1990), 345–362; LM 5 (1991), 2084–2088; Sousa-Costa (1993), 206–208; EWNl 3 (2007), 258f.

Loipe Sf ’gebahnte Spur für Skilanglauf’ per. fach.

Ebenso nfrz. look, nschw. look, nnorw. look. Zur Herkunft s. Þlugen. – Carstensen 2 (1994), 848–850; EWNl 3 (2007), 258.

Looping Smn ’das vertikale Kreisen eines Flugkör-

pers’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. looping, zu ne. loop ’kreisen’, zu ne. loop ’Reifen, Ring’.

(20. Jh.). Entlehnt aus nnorw. (nynorsk) løipe, zum Ebenso nndl. looping, ne. looping, nfrz. looping, nschw. looping, gleichlautenden Verb, das ein Kausativ zu dem Verb nnorw. looping. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 524; Carsfür ’laufen’ ist. So bezeichnet wurde ursprünglich der tensen 2 (1994), 850f.; EWNl 3 (2007), 259. Weg im Schnee, über den gefällte Bäume geschleppt Lorbass Sm ’Taugenichts’ per. ondd. (20. Jh.). Entlehnt wurden. aus lit. liu`rba, liu`rbis, lett. ˛lur˜ba, ˛lur˜bis ’Tollpatsch’, Ebenso nndl. loipe, ne. loipe, ndn. løjpe. – Hinderling, R. BN 3 dessen Herkunft umstritten ist. (1977), 355.

lokal Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. local, dieses aus

spl. loca¯lis, zu l. locus ’Ort, Platz, Stelle’. Substantivierung: Lokal; Verb: lokalisieren. Ebenso nndl. lokaal, ne. local, nfrz. local, nschw. lokal, nnorw. lokal; ÞCouch, Þkusch, Þkuscheln, ÞLeutnant, ÞMilieu. – DF 2 (1942), 40–42; EWNl 3 (2007), 252f.

Lokativ Sm ’Kasus der Ortsangabe’ per. fach. (19. Jh.).

Lorbeer Sm std. (9. Jh.), mhd. lo¯rber f./n., ahd. lo¯rber(i)

n. Zusammengesetzt aus ÞBeere und ahd. lo¯r wie in mhd. lo¯rboum. Das Vorderglied ist entlehnt aus l. laurus f., das seinerseits aus einer unbekannten Sprache entlehnt ist. Das neuhochdeutsche Genus aus mhd. lo¯rboum, lorberboum, danach Verdunkelung des Zusammenhangs mit Beere. Ebenso nndl. laurier, lauwer, ne. laurel, nfrz. laurier, nschw.

Von J. Grimm gebildet zur Bezeichnung eines Kasus lager(bär), nnorw. laurb¢r, nisl. la´rviduÑ r. – EWNl 3 (2007), 186. slavischer Sprachen in formaler Anlehnung an alte Lorch Sm ÞLurch. Kasusbezeichnungen wie ÞNominativ. Älteres Lokalis Lorchel Sf ’schwarzer Pilz’ per. fach. (18. Jh.). Zunächst setzt sich nicht durch. als Lork bezeugt. Dies ist eine Übertragung aus einem Ebenso nndl. locatief, ne. locative, nfrz. locatif, nnorw. lokativ. regionalen (ostfälischen) Wort für ’Kröte’ (wegen des Lokomotive Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. locomoAussehens). Die Endung durch sekundäre Angleitive (engine), dieses aus loco motı¯vum, des Vermögens chung an ÞMorchel. der Bewegung, eine der Seelenkräfte nach Aristoteles Lore Sf ’offener Eisenbahngüterwagen’ erw. obs. (to` kine¯tiko`n kata` to´pon). Zu l. locus m. ’Ort, Platz, (19. Jh.). Entlehnt aus ne. lorry, dessen Herkunft unStelle’ und l. move¯re (mo¯tum) ’bewegen’ klar ist. (ÞPromotion). Ebenso nndl. locomotief, ne. locomotive, nfrz. locomotive, nschw. lokomotiv, nnorw. lokomotiv. – Lerch, E. SN 12 (1939/40), 210–236; DF 2 (1942), 42; Krüger (1979), 175–184, 331–335 u.ö.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 519f.; EWNl 3 (2007), 245.

Lokus Sm ’Ort, Abort’ erw. stil. (17. Jh.). In der Schü-

lersprache übernommen aus der verhüllenden lateinischen Bezeichnung locus necessitatis ’Ort der Notdurft’. Ebenso nndl. locus, ndn. lokum, nnorw. lokus. – DF 2 (1942), 42.

Lolch Sm ’Schwindelhafer’ per. fach. (12. Jh.), mhd.

lul(li)ch, lulche, (mhd. ch ist aus j entwickelt), ahd. lolli. Entlehnt aus l. lolium n. ’Schwindelhafer, Trespe’. Ebenso nfrz. lolium, lolie.

Ebenso nndl. lorrie, nfrz. lorry. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 526; EWNl 3 (2007), 262.

Lorgnette Sf ’mit Stiel versehene Brille’ per. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. lorgnette (’Augenglas zum Sehen auf die Seite’), zu frz. lorgner ’anschielen’, zu afrz. lorgne ’schielend’, zu awfrk. *lo¯rni ’finster blickend, niedergeschlagen’. Der Bedeutungswandel im Altfranzösischen wohl durch volksetymologische Anlehnung an afrz. borgne ’schielend, blind’. Eine andere Form ist Lorgnon. Ebenso ne. lorgnette, nfrz. lorgnon, lorgnette, nschw. lornjett, nnorw. lorgnett. – DF 2 (1942), 43f.; EWNl 3 (2007), 261f.

los Adj std. (9. Jh.), mhd. los, ahd. los, as. lo¯s. Im Deut-

schen und Englischen daneben die Bedeutung ’falsch, verworfen’. Es handelt sich um eine Ableitung

Lotse

585

aus einem Verbum, das ’lösen’ bedeutet haben muss, Löß Sm ’besondere, fruchtbare Erde’ per. fach. (19. Jh.). das aber nur noch präfigiert als Þverlieren im GerDie Bezeichnung wurde 1823 von dem Geologen manischen erhalten ist. Eine schon alte Ableitung ist K. C. von Leonhard eingeführt. Er nennt als gleichlösen, gt. lausjan, anord. leysa, ae. lı¯esan, ly¯san, afr. bedeutend Lösch, das einem schweizerischen Mundle¯sa, as. lo¯sian, ahd. lo¯sen. Als zweiter Bestandteil von artwort für ’locker (vom Boden)’ entspricht. Der Kompositionen ist -los in der Gegenwartssprache zu Grund für die Umformung zu Löß ist nicht klar. einem Suffixoid (mit naheliegender Funktion) geQuiring, H. ZDG 88 (1936), 250f.; EWNl 3 (2007), 263. worden. Losung1 Sf ’Erkennungswort’ std. (15. Jh.), fnhd. lozunEbenso nndl. loos, ne. -less, nschw. lös, nisl. laus; Þlöschen 2. – ge, losunge. Herkunft nicht ausreichend klar. ÄhnliHeidermanns (1993), 366f.; EWNl 3 (2007), 259, 262f. che Bedeutungen gibt es auch bei ÞLos, so dass wohl Los Sn std. (8. Jh.), mhd. lo¯z n./m., ahd. (h)lo¯z m./n., as. ein Bedeutungsübergang von ’markiertes Zeichen’ zu hlo¯t. Aus g. *hlauti- m. ’Losung, Los’, auch in gt. ’Erkennungszeichen’ anzusetzen ist. hlauts ’Los, Anteil, Erbschaft’, ae. hly¯t ’Los, Schicksal’. EWNl 3 (2007), 212f. Die anord. Entsprechung hlaut ist nur relikthaft be- Losung2 Sf ’Kot des Wildes’ per. fach. (16. Jh.). Zu jälegt und offenbar mit einem anderen Wort, das gersprachlichem lösen, losen im Sinn von ’(den Kot) ’(Opfer)Blut’ bedeutet, zusammengefallen. Es loslassen’. Die umlautlose mitteldeutsche Form hat scheint ein Femininum zu sein. Das althochdeutsche/ sich gegenüber dem ebenfalls bezeugten Lösung altsächsische Wort ist ein a-Stamm und teilweise durchgesetzt. Neutrum; das Neutrum hat sich im Deutschen dann Lot Sn ’Lötmetall, Messblei’ erw. fach. (13. Jh.), mhd. durchgesetzt. Los ist eine Ableitung von g. *hleut-alo ¯ t, mndd. lo¯t, lode, mndl. loot. Aus wg. *lauda- n. Vst. ’losen’ in anord. hljo´ta ’erlangen, zuteil werden, ’Blei’, auch in ae. le¯ad, afr. la¯d. Die Bedeutungsspeerhalten’, ae. hle¯otan, as. hliotan ’erlosen, erlangen’, zialisierung im Deutschen erst mit der Verdrängung ahd. liozan. Das Wort hat keine klaren außergermades Wortes durch ÞBlei n. Außergermanisch vernischen Entsprechungen. Vielleicht gehört es zu lit. gleicht sich mir. lu´aide m., das wohl auf *ploudja¯ kliudy´ti ’anstoßen, treffen, hindern’, das ein Intensi’fließendes (Metall)’ zurückzuführen ist. Falls diese vum zu lit. kliu¯´ti ’hängenbleiben, anstoßen, hindern’ Annahme zutrifft, muss das germanische Wort aus ist und akslav. kljucˇiti se˛ ’passen, zutreffen’, aber die dem Keltischen entlehnt sein. Verb: loten. Bedeutungsverhältnisse sind nicht ausreichend klar. ÞLotterie. – Seebold (1970), 264f.; EWNl 3 (2007), 263f.

löschen1 1) Vst 2) Vsw 1) ’erlöschen’ 2) ’löschen’ std.

Ebenso nndl. lood, ne. lead. S. auch Þlöten. – Schirmer (1912), 45; RGA 18 (2000), 615f., 618; EWNl 3 (2007), 256.

Lote Sf ÞLode. (8. Jh.) 1) mhd. (er)leschen, ahd. (ir)lescan, ahd. lesken, as. leskan, as. aleskian, afr. bileska. Herkunft un- löten Vsw std. (13. Jh.), mhd. lœten. Abgeleitet von ÞLot ’Blei’, weil zunächst mit diesem Metall gelötet wurde. klar. Vielleicht Weiterbildung zu Þliegen als ’sich legen’. 2) Kausativum zu diesem: löschen, mhd. leschen, Lotion Sf ’Reinigungs- und Pflegeflüssigkeit für die ahd. lesken, as. aleskian. Zusammenfall im Präsens Haut’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. lotion, dieund unregelmäßige Rundung. ses aus frz. lotion, aus l. lo¯tio (-o¯nis) ’Waschen, Baden’, Ebenso nndl. lessen; Þlasch. – Seebold (1970), 333; EWNl 3 zu l. lava¯re (lo¯tus) ’waschen, baden’. (2007), 209f.

löschen2 Vsw ’Frachtgüter ausladen’ erw. fach. (18. Jh.).

Übernommen aus ndd. /nndl. lossen ’lösen’ in einer regionalen Variante lessen, deshalb Umsetzung gemäß dem gleichlautenden Þlöschen 1. Kluge (1911), 548f.

losen Vsw ’hören’ per. obd. (8. Jh.), mhd. losen, ahd.

Ebenso nndl. lotion, ne. lotion, nfrz. lotion, nschw. lotion, nnorw. lotion; ÞLavabo. – Carstensen 2 (1994), 852f.; EWNl 3 (2007), 264.

Lotos Sm (eine Seerosenpflanze) erw. exot. (18. Jh.).

Entlehnt aus gleichbedeutend l. lo¯tos, lo¯tus f., dieses aus gr. lo¯to´s, das wohl aus einer Substratsprache kommt. So bezeichnet wurden verschiedene, teils auch märchenhafte, Pflanzen.

(h)lose¯n. Hierzu g. *hlus-ti- f. ’Gehör’ in anord. hlust Ebenso nndl. lotus, ne. lotos, lotus, nfrz. lotus, nschw. lotus, nisl. ’Ohr’, ae. hlyst, as. hlust. Außergermanisch vergleilo´tus-blo´m. chen sich akslav. slysˇati, toch. A. klyos-, toch. B. klyaus- und mit abweichendem Anlaut ˙lit. klausy´ti, alle Lotse Sm std. (17. Jh.). Gekürzt aus etwas älterem Loots˙ ’hören’, air. clu´as, kymr. clu¯st ’Ohr’. Zu der unter mann, das aus ne. lodesman entlehnt ist (parallel dazu ÞLeumund dargestellten Wurzel ig. *k´leu- ’hören’. ndd. loods, nndl. loods). Ne. loadsman ist ’SteuerNach Bammesberger ist losen von ahd. hlos abgeleimann’ (aus ae. la¯d ’Weg, Reise’ unter Einwirkung von tet, das seinerseits aus g. *hlusti- abstrahiert wäre. ae. l¢¯ dan ’leiten’; Þleiten). Verb: lotsen. Þlauschen, Þlaut. – Bammesberger, A. ZVS 82 (1968), 298–303.

Ebenso nndl. loods, nschw. lots, nnorw. los. – Lohmeyer, K. ZDU 22 (1908), 454–456; EWNl 3 (2007), 256.

Lotterie

586

Lotterie Sf ’Glücksspiel, Verlosung’ std. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus gleichbedeutend nndl. loterij, zu ndl. lot ’Los’. Ebenso nndl. loterij, ne. lottery, nfrz. loterie, nschw. lotteri, nnorw. lotteri; ÞLos. – DF 2 (1942), 44; EWNl 3 (2007), 264.

lottern (heute meist verlottern) Vsw erw. obs. (16. Jh.,

lotar adj. 8. Jh.). Vgl. ae. loddere ’Bettler’. Hierzu Lotter- in Zusammensetzungen wie Lotterbett n., Lotterbube m. Þliederlich. – Heidermanns (1993), 386f.; EWNl 3 (2007), 245f.

Lotto Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus it. lotto m. ’Glücks-

spiel’, zu frz. lot m. ’Los’, das aus der altniederfränkischen Entsprechung von ndl. lot stammt. Ebenso nndl. lotto, ne. lotto, nfrz. loto, nschw. lott, nnorw. lott; ÞLotterie. – DF 2 (1942), 44; EWNl 3 (2007), 264f.

Löwe Sm std. (8. Jh.), mhd. leu, lewe, louwe, ahd. lewo,

vergleicht sich lit. lu¯´ˇsis m./f., serb.-kslav. (mit Anlautvariation) rysı˘ f., arm. lowsanown, gr. (mit Nasalierung) ly´nx m./f. Der Luchs ist vermutlich nach seinen leuchtenden Augen benannt, die bei diesem Nachttier auffällig sind (Lockwood: nach dem hellen Fell). Deshalb zu (ig.) *leuk´- ’leuchten’, das unter Þlicht dargestellt ist. Verb: luchsen ’scharf hinsehen’, doch gehört Þabluchsen wohl nicht hierher. Ebenso nndl. los. – Lockwood, W. B. Glotta 72 (199), 41–43; RGA 19 (2001), 1f.

Lücke Sf std. (9. Jh.), mhd. lücke, lucke, obd. lucke, ahd.

lucka, luc(c)ha. Aus vd. *lukkjo¯(n). Gehört zu ÞLoch (ÞLuke, Þlocker). Lückenbüßer Sm std. (16. Jh.). Nomen Agentis zu dem

Ausdruck eine Lücke büßen, d.h. ’ausbessern’ (zu der alten Bedeutung von Þbüßen), ursprünglich konkret, etwa von Mauern; heute meist übertragen, etwa in der Zeitungssprache.

louwo, leo u.ä., mndl. leeuwe, lewe, le(e)u u.ä. Entlehnt aus l. leo (leo¯nis), das seinerseits aus gr. le´o¯n Lude Sm ’Zuhälter’ per. grupp. (20. Jh.). Kurzform des entlehnt ist. Dieses könnte aus den semitischen SpraNamens Ludwig, vgl. Louis in derselben Bedeutung. chen übernommen sein (vgl. assyr. labbu, hebr. Luder Sn std. stil. (13. Jh.), mhd. luoder, mndd. lo¯der l eva im Pl.). Die heutige Form scheint norddeutschen ’Lockspeise’. Herkunft unklar. Vielleicht zur Wurzel Ursprungs zu sein; mhd. leu ist noch als dichterische (ig.) *la¯- ’verborgen sein’, das etwa in l. late¯re Form bewahrt. ’verborgen sein, versteckt sein’ vorliegt (Þlatent). Die Ebenso nndl. leeuw, ne. lion, nfrz. lion, nndl. leeuw, nschw. ältere Bedeutung ist ’Tierkadaver’. Der Übergang lejon, nisl. ljo´n. S. auch ÞChamäleon, ÞLeopard. – Pauli, C.: zum Schimpfwort wie bei ÞAas, ÞKeib(e) u.ä.

Die benennung des löwen (München 1873); Palander (1899), EWNl 3 (2007), 246. 46–50; Osˇtir, H. FS Rozwadowski (Symbolae Grammaticae I, Krakau 1927), 295–313; Ganz (1957), 133f.; EWNl 3 (2007), 196f. Luft Sf std. (8. Jh.), mhd. luft, ahd. luft, as. luft m./f. Aus

Löwenanteil Sm ’der ungerechtfertigt große Anteil, den

der Stärkere für sich beansprucht’ std. phras. (16. Jh.). Nach der Äsop-Fabel vom Löwen, Esel und Fuchs, in der der Löwe die ganze Beute für sich beansprucht, anstatt zu teilen. Heute allgemein für den größten Anteil. Ebenso nndl. loeeuwedeel, ne. lion’s share, nfrz. part du lion, nschw. lejonpart. – Gorski, K.: Die Fabel vom Löwenanteil (Diss. Rostock 1892).

Löwenmaul Sn (Blume) erw. fach. (16. Jh.). Wenn auf

die Seiten der Blüten gedrückt wird, öffnet sich die Blüte ’wie ein Löwenmaul’. Löwenzahn Sm std. (16. Jh.). Benannt nach der starken

Zähnung der Blätter nach dem Vorbild von ml. dens leonis. Sauerhoff (2001), 179–183.

loyal Adj std. (18. Jh.). Französische Form von Þlegal,

hier in der Bedeutung ’dem Gesetz entsprechend’. Abstraktum: Loyalität. Ebenso nndl. loyaal, ne. loyal, nfrz. loyal, nschw. lojal, nnorw. lojal. – DF 2 (1942), 45; EWNl 3 (2007), 266.

Luchs Sm std. (9. Jh.), mhd. luhs, ahd. luhs, as. lohs. Aus

wg. *luhsu- m. ’Luchs’, auch in ae. lox. Wie bei ÞFuchs 1 eine s-Bildung zur Bezeichnung des männlichen Tiers; die unerweiterte Grundform *luha- ist bewahrt in aschw. lo, nschw. lo. Außergermanisch

g. *luftu- m. ’Luft’, auch in gt. luftus, ae. lyft m./f./n. Herkunft unklar, aber wohl zusammenhängend mit Wörtern, die ’Oberstock’ u.ä. bedeuten, vgl. anord. lopt, loft n. ’Luft, Obergeschoß’, anord. a´ lopti ’hoch, oben’ und anord. lypta, mndd. luchten, lichten, mhd. lüften ’heben’. Nach Sommer letztlich zu einer Lautgebärde *lup- für eine schnelle Bewegung von unten nach oben. Verb: lüften; Adjektiv: luftig. Ebenso nndl. lucht; ÞLift, Þlüpfen. – Sommer (1977), 10f.; EWNl 3 (2007), 267.

Luftikus Sm std. stil. (19. Jh.). Als scherzhaft latinisie-

rende Bildung von luftig (ÞLuft) abgeleitet (Vorbild ist etwa Praktikus zu praktisch). Zu der Bedeutungsvariante ’leichtsinnig’, die bei Luft und seinen Ableitungen mehrfach auftritt. Lüftlmalerei Sf ’Malerei an den Fassaden bayrischer

Häuser und Kirchen’ per. oobd. (20. Jh.). Am ehesten zu der Bedeutung ’Oberstock’ von ÞLuft; wohl nicht, weil die Malerei im Freien ist. Luftschloss Sn std. stil. (17. Jh.). Zu den Wendungen

Schlösser in die Luft bauen (seit dem 16. Jh.), älter mhd. u¯f den regenbogen bu¯wen. Wohl in Variation zu auf Sand bauen, das auf dem biblischen Gleichnis beruht. lugen Vsw ’schauen’ per. reg. (8. Jh.), mhd. luogen, ahd.

luoge¯n. Und mit Verschärfung oder Variation des

Lünse

587

Auslauts as. lo¯kon, ae. lo¯cian. Hierzu vielleicht kymr. llygad ’Auge’; sonst keine Vergleichsmöglichkeit. Anreiter, P. P. IF 92 (1987), 100–106.

’schlaffer Mensch, Weichling’. Sich nicht lumpen lassen gehört zu lumpen Vsw. ’jmd. einen Lump schelten’.

Lumpen Sm std. (15. Jh.), fnhd. lumpe. Mit Vokalvariation zu mhd. lampen ’schlaff herunterhängen’. Weigan. Aus g. *leug-a- Vst. ’lügen’, auch in gt. liugan, tere Herkunft unklar. Adjektive: lumpig, zerlumpt. anord. lju´ga, ae. le¯ogan, afr. lia¯ga. Die unregelmäßige Rundung der neuhochdeutschen Form beruht auf ÞLunte. – EWNl 3 (2007), 254. dem Einfluss der Ableitung Lüge und setzte sich wohl Lunch Sm ’kleineres Mittagessen’ per. fremd. (20. Jh.). durch, um die Homonymie mit Þliegen zu beseitigen. Entlehnt aus ne. lunch, dessen Herkunft nicht mit Außergermanisch entspricht akslav. lu˘gati ’lügen’, Sicherheit geklärt ist. anderes ist unsicher. Nomen Agentis: Lügner; PräfiEbenso nndl. lunch, nfrz. lunch, nschw. lunch, nnorw. lunsj. – gierung: belügen, im PPrät. auch er-, verlogen. DF 2 (1942), 46; Rey-Debove/Gagnon (1988), 529f.; Carsten-

lügen Vst std. (8. Jh.), mhd. liegen, ahd. liogan, as. lio-

Ebenso nndl. liegen, ne. lie, nschw. ljuga, nisl. lju´ga; Þleugnen. – Seebold (1970), 336f.; EWNl 3 (2007), 211f., 226.

Luke Sf ’Öffnung im Schiffsdeck’ erw. fach. (16. Jh.).

Ursprünglich niederdeutsches Seemannswort, mndd. luke. Gleiche Herkunft wie ÞLoch und ÞLücke. Kluge (1911), 556f.

lukrativ Adj ’einträglich’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt

aus frz. lucratif und l. lucra¯tı¯vus, zu l. lucra¯rı¯ ’gewinnen, profitieren’, zu l. lucrum ’Gewinn, Vorteil’. Ebenso nndl. lucratief, ne. lucrative, nfrz. lucratif, nschw. lukrativ, nnorw. lukrativ. – DF 2 (1942), 45.

lukullisch Adj ’reichlich und wohlschmeckend’ per.

fremd. (18. Jh.). Adjektiv zum Namen des römischen Feldherrn Lukullus, wörtlich also ’nach der Art des Lukullus’, einem der reichsten (und verschwenderischsten) Römer seiner Zeit. Ebenso nndl. lucullisch, ne. Lucull(i)an, nschw. lukullisk, nnorw. lukullisk. – DF 2 (1942), 45.

Lulatsch Sm Þlatsch. lullen (heute meist einlullen) Vsw erw. reg. (16. Jh.). Lall-

wort, vgl. ne. lullaby ’Wiegenlied’. Ähnliche Wörter gibt es in vielen Sprachen. EWNl 3 (2007), 274f.

Lummel Sm ’Lendenstück’ per. obd. (8. Jh.), mhd. lumb,

sen 2 (1994), 860f.; EWNl 3 (2007), 275.

Lunge Sf (meist Pl.) std. (8. Jh.), mhd. lunge, ahd. lun-

ga, lungin(n)a, lungun, Pl. lungunne, as. lunga, lungannia. Aus g. *lungumnijo¯ f. ’Lunge’ (meist im Plural gebraucht und der Form nach wohl ein alter Dual), auch in anord. lunga n. (im Plural gebraucht, später auch ein neutraler Singular), ae. lungen. Abstraktbildung zu dem Adjektiv Þleicht mit Unterdrückung von dessen Bildungssuffix. Die Lungen werden als ’die Leichten’ bezeichnet, weil Lungen von Schlachttieren als einzige Innereien auf dem Wasser schwimmen. Lungen- als erstes Element von Pflanzennamen bezieht sich normalerweise auf die Form der Blätter. Nach dem Grundsatz des Heilens durch Ähnliches werden solche Pflanzen dann auch als Heilmittel gegen Lungenkrankheiten verwendet. Österr. Lungenbraten ist sekundär umgebildet aus ÞLummel. Ebenso nndl. long, ne. lung, nschw. lunga, nisl. lunga. – Seebold (1981), 293–296; EWNl 3 (2007), 255.

lungern Vsw std. (18. Jh.). Herkunft unklar. Am ehesten

zu der Sippe von Þgelingen über mhd. lunger, ahd. lungar, as. lungar, ae. lungre ’schnell’, falls dieses ursprünglich ’begierig, neugierig’ bedeutet hat. Heidermanns (1993), 388f.

Lüning Sm ’Sperling’ per. wndd. (15. Jh.), as. hliuning.

Herkunft unklar. Vielleicht zu anord. hljo´mr ’starker Laut, Lärm’ als ’Lärmer’.

lumbel(e), ahd. lumbal. Entlehnt aus gleichbedeutend Lunker Sm ’Hohlraum in Gussteilen’ per. fach. (20. Jh.). l. lumbulus, Diminutiv zu l. lumbus ’Lende’. Sekundär Zu regionalem lunken ’hohl werden’. motiviert in österr. Lungenbraten. Lünse Sf ’Achsnagel’ per. fach. (14. Jh.), spmhd. luns(e), Kretschmer (1969), 197f. as. lunis m. Das neuhochdeutsche Wort hat sich also Lümmel Sm std. stil. (16. Jh.). Zu mhd. lüemen ’ervom Niederdeutschen aus verbreitet, das echt hochschlaffen’, das zu mhd. lüeme ’schlaff, matt’ gehört. deutsche Wort liegt vor in mhd. lun(e), lan, lüner, Weiteres unter Þlahm, zu dem diese Wörter im Abahd. lun(a) (9. Jh.), luning. Entsprechend ae. lynies m. laut stehen. Die Verkürzung des Vokals im Neuhochund ae. lyni-bor. Das Wort scheint eine Entsprechung deutschen ist wohl emphatisch. Verb: (herum-)lümin ai. a¯n´ı- m. ’Lünse, der unmittelbar über dem Knie meln. ˙ Teil des Beins’ zu haben: Dieses kann auf liegende Fröhlich, A. MS (1958), 384 (anders); Wolf, S. A. MS (1958), (ig.) *e ¯ lni- zurückgehen, das germanische Wort auf 89f.; Heidermanns (1993), 385f.; EWNl 3 (2007), 275. *lni-. Weitere Zugehörigkeit zu der Sippe von ÞElle ˙ denkbar. Falls diese von ’biegen, krümmen’ ausLump Sm std. stil. (17. Jh.). Das Wort hat sich von dem ist ursprungsgleichen ÞLumpen sekundär differenziert. geht, könnte der Achsnagel als ’der Krumme’ beBedeutungsübertragung (wie etwa auch bei Waschnannt sein (der Achsnagel wird umgebogen, damit er lappen) im Sinn von ’zerlumpter Mensch’, aber auch nicht herausfällt).

Lunte

588 Lunte Sf std. alt. (15. Jh.). Bezeugt als ’Lampendocht,

Vorläufig noch zu unsicher. Adjektiv: lustig; PräfixabZündschnur, Lumpen’. Die heutige Wendung die leitungen: gelüsten, belustigen; Nomen Agentis: Lunte riechen stammt von den stark riechenden Lüstling. Ebenso nndl. lust, ne. lust, nschw. lust; ÞWollust. – Trier Zündschnüren, die damit schon vor der Zündung (1963), 160–175; EWNl 3 (2007), 276f. wahrgenommen werden konnten. Der waidmännische Gebrauch des Wortes für den Schwanz des Fuch- Lüster Sm ’Kronleuchter’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt ses bezieht sich wohl wegen der roten Farbe auf die aus frz. lustre, das aus it. lustro kommt und ursprüngbrennende Lunte. Herkunft unklar. Vielleicht weist lich ’Glanz’ bedeutet (zu l. lu¯stra¯re ’erleuchten’). die frühe Nebenform lombte auf einen ZusammenEbenso ne. lustre, nndl. luster, nschw. lyster, nnorw. lysekrone; hang mit ÞLumpen. Þillustrieren, ÞLuzifer. – DF 2 (1942), 47; EWNl 3 (2007), 272, EWNl 3 (2007), 255.

277.

Lupe Sf erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. loupe und lüstern Adj std. (16. Jh.). Vereinfacht aus lüsternd zu

zunächst wie dieses geschrieben. Die Bedeutung des französischen Wortes beruht wohl auf einer Übertragung, da frz. loupe auch eine kreisförmige Geschwulst unter der Haut bezeichnet. Diese scheint ursprünglich als ’Wölfin’ bezeichnet worden zu sein (zu l. lupa ’Wölfin’). Im einzelnen unsicher. Ebenso nndl. loep, nschw. lupp, nisl. lu´pa. S. auch ÞLuppe. – DF 2 (1942), 46; EWNl 3 (2007), 248.

lüpfen (auch lupfen) Vsw per. obd. (13. Jh.), mhd. lupfen.

dem heute nicht mehr gebräuchlichen schwachen Verb lüstern ’Lust haben’ (ÞLust).

Lustspiel Sn erw. fach. (16. Jh.). Als Ersatzwort für

ÞKomödie verbreitet. Schrimpf, H. J. ZDPh 97 (1978), Sonderheft 152–182.

lustwandeln Vsw erw. stil. (17. Jh.). Von Zesen für spa-

zieren gehen (Þspazieren) eingeführt. Formal müsste es sich um eine Ableitung zu dem ebenfalls von Zesen gebrauchten Lustwandel ’Spaziergang’ handeln. (Unabhängig von l. lustra¯re ’wandeln’?).

Herkunft unklar. Wohl zusammenhängend mit ÞLuft. Nach Sommer zu einer Lautgebärde *lup- für lutschen Vsw std. (18. Jh.). Älter Þnutschen. Beides wohl schnelle Bewegung von unten nach oben. lautmalende Bildungen. Konkretum: Lutscher. Sommer (1977), 10f.

Lupine Sf per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ml. lupı¯nus,

das eigentlich ’zum Wolf gehörig’ bedeutet. Das Benennungsmotiv ist unklar. Ebenso nndl. lupine, ne. lupin(e), nfrz. lupine, nschw. lupin, nisl. lu´pı´na. – EWNl 3 (2007), 276.

Luppe Sf ’rohes, von Schlacken durchzogenes Ei-

sen’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. loupe gleicher Bedeutung, das mit dem unter ÞLupe besprochenen Wort identisch ist. Ebenso ndn. luppe.

Lurch Sm per. fach. (17. Jh.). Zunächst als Lorch. Ur-

lütt Adj ’klein’ per. ndd. (19. Jh.). Niederdeutsche Ent-

sprechung zu mhd. lützel, lütz (Þlützel). lützel Adj ’klein’ (auch in Namen) per. arch. (8. Jh.),

mhd. lützel, ahd. luz(z)il, as. luttil. Aus wg. *l(e)utilaAdj. ’klein, gering’. Daneben eine Variante mit i, besonders in gt. leitils, anord. lı´till, afr. lı¯tik, littik, mndl. luttel, li(t)el u.ä. Etymologisierungsversuche sind verfehlt, so lange nicht die Verschiedenheit des Vokalismus dieser Varianten erklärt werden kann. Krogmann, W. IF 53 (1935), 44–48; Matzel, K. ZDW 19 (1963), 153–158; Heidermanns (1993), 371f., 390; EWNl 3 (2007), 277.

sprünglich niederdeutsches Wort (ndd. lork ’Kröte’), Luv Sfn ’die dem Wind zugewandte Seite des in der Wissenschaftssprache von ÞKröte differenSchiffs’ per. fach. (17. Jh.), mndd. lof m. Die Luvseite ziert. Entstehung dunkel. heißt nach einem gegen den Wind ausgesetzten flaLusche Sf ’Niete, schlechte Karte; Schlampe’ per. omd. chen Hilfsruder, das als ’Ruderblatt’ benannt ist mit (17. Jh.). Zuerst bezeugt in der Bedeutung ’Hündin’, einem Wort, das sonst ’Handfläche’ bedeutet. Vgl. gt. woraus einerseits ’schlechte Karte’, andererseits lofa m., anord. lo´fi m. Vgl. außergermanisch lit. lo´pa f. ’Schlampe’ übertragen ist. (’Hund’ als schlechter ’Klaue’, lit. lopeta` f. ’Schaufel’, russ. lopa´ta f. ’SchauWurf oder schlechte Karte ist eine verbreitete Metafel, Schulterblatt’. pher, vgl. l. canis m.). Weitere Herkunft unklar. S. Þlavieren und das das Gegenteil bezeichnende SeemannsLust Smf std. (8. Jh.), mhd. lust, ahd. lust m./f., as. lust.

wort ÞLee. – Kluge (1911), 558–560; EWNl 3 (2007), 247.

Aus g. *lustu- m. (vielleicht daneben auch *lusti- f.), Luxus Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus gleichbedeutend l. auch in gt. lustus m., anord. losti m., lyst f., ae. lust m., lu¯xus ’üppige Fruchtbarkeit’. Adjektiv: luxuriös. afr. lust f. Das Wort wird von Trier zu *leus-aEbenso nndl. luxe, ne. luxury, nfrz. luxe, nschw. lyx, nisl. lu´xus. – DF 2 (1942), 47f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 397; (Þverlieren) gestellt in der Annahme, dass mit ihm Mühlmann, H.: Luxus und Komfort (Bonn 1975); EWNl 3 ursprünglich abgeschlagene Laubbüschel bezeichnet (2007), 277f. wurden (die bei den Tieren besonders im Frühjahr sehr begehrt sind). Die von Trier vorgebrachten Ar- Luzifer Sm std. stil. (15. Jh., ’Morgenstern’ 8. Jh.). Entgumente sind beachtlich, doch ist die Gedankenfühlehnt aus kirchen-l. Lucifer ’gefallener Engel, Teufel’, rung nicht in allen Punkten ausreichend zu stützen. einer Substantivierung von l. lu¯cifer ’Licht bringend’,

589

zu l. lu¯x (lu¯cis) f. ’Licht’ (Þlicht) und l. ferre ’tragen, bringen’ (ÞDifferenz). Das lateinische Wort bezeichnet ursprünglich den Morgenstern. Ebenso nndl. Lucifer, ne. Lucifer, nfrz. lucife´r. – EWNl 3 (2007), 267f.

Lymphe Sf per. fach. (18. Jh.). Als medizinischer Ter-

minus ’Blutwasser’ entlehnt aus l. lympha, lumpa ’Wassergöttin, Wasser’. Bekannt geworden im 19. Jh. durch die Pockenimpfung. Ebenso nndl. lymfe, ne. lymph, nfrz. lymphe, nschw. lymfa, nnorw. lymfe. – DF 2 (1942), 48; Cottez (1980), 234; EWNl 3 (2007), 278.

lynchen Vsw ’jmd. töten, misshandeln’ erw. fremd.

(19. Jh.). Entlehnt aus ne. lynch, das auf den Eigennamen Lynch zurückgeht. Nach dem OED liegt letztlich der Ausdruck lynch law zugrunde, der sich darauf bezieht, dass Captain William Lynch (1742–1820) of Pittsylvania in Virginia 1780 eine nachbarschaftliche Vereinigung begründete, die Beschuldigungen ohne gesetzmäßige Grundlage bestrafte. Dabei ging es ursprünglich um Auspeitschen oder Teeren und Federn (u.ä.), doch wenig später nur noch um Hinrichtungen. Ebenso nndl. lynchen, ne. lynch, nfrz. lyncher, nschw. lyncha, nnorw. lynsje. – DF 2 (1942), 48; Rey-Debove/Gagnon (1988), 533; EWNl 3 (2007), 278f.

Lyzeum Lyrik Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. (poe´sie) lyrique,

aus l. lyricus, eigentlich ’zum Spiel der Lyra gehörig’, aus gr. lyriko´s, zu gr. ly´ra ’Leier’. Die Leier war zu Platons Zeit das traditionelle Schulinstrument für Musik und Text. Der Ausdruck gr. lyriko´s wird von den Alexandrinern als Terminus durchgesetzt. Adjektiv: lyrisch; Nomen Agentis: Lyriker. Ebenso nndl. lyriek, ne. lyrics, nfrz. (poe´sie) lyrique, nschw. lyrik, nisl. ly´rik; ÞLeier. – DF 2 (1942), 48f.; Görgemanns, H. FS Pöschl (Frankfurt/Main 1990), 51–61; EWNl 3 (2007), 279.

Lyzeum Sn ’höhere Lehranstalt für Mädchen’ erw. obs.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. Lyce¯um, Lycı¯um ’Gymnasium, Lyzeum’, aus gr. Ly´keion (das Gymnasium bei einem dem Apo´llo¯n Ly´keios geweihten Tempel, der Lehrstätte des Aristoteles). Zunächst entlehnt als Ehrenname für Universitäten, dann allgemeine Bezeichnung für höhere Schulen, schließlich ’Mädchengymnasium’. Ebenso ne. lyceum, nfrz. lycee, nschw. lyceum, nnorw. lyce´. – Nyström (1915), 26–28; DF 2 (1942), 49; EWNl 3 (2007), 278.

M Maar Sn ’Kratersee’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus spl.

mara f. ’See’, das auf l. mare ’Meer’ (ÞMeer) zurückgeht. Als Bestandteil von Namen schon früher bezeugt. Ebenso nndl. maar, kratermeer, ne. maar, nfrz. maar, nisl. mar (’See, Meer’).

Maat Sm ’Marine-Unteroffizier’ erw. fach. (18. Jh.). Aus

ndd. ma¯t ’Kamerad’, in hochdeutschen Texten seit dem 18. Jh. Mndd. mate hat das unbetonte Präfix verloren, es entspricht ahd. gimazzo ’Tischgenosse’, d.h. ’derjenige, der die Speise (g. *mati-; ÞMesser) teilt’. EWNl 3 (2007), 283.

Machandel Sm ’Wacholder’ per. ndd. (15. Jh.). Aus der

Vorform von ÞWacholder durch Lautersatz an drei Stellen (oder sonstige Umgestaltung) entstanden. machen Vsw std. (8. Jh.), mhd. machen, ahd. mahho¯n,

druck machismo ’Männlichkeit’ zurück, der von den Frauenbewegungen als Haltung übertriebenen Männlichkeitsbewusstseins dargestellt wurde. Das spanische Wort ist abgeleitet von span. macho ’männlich’ (aus l. masculus; Þmaskulin); das Substantiv Macho setzt formal die Substantivierung des Adjektivs fort, ist aber in der Bedeutung von machismo abhängig (’jemand, der Machismo zeigt’). Ebenso nndl. macho, ne. macho, nfrz. macho, ndn. macho, nnorw. macho. – Hartmann, St. L. Hispanic Linguistics 1 (1984), 97–114; Strauss u.a. (1989), 105–113; EWNl 3 (2007), 285.

Macht Sf std. (8. Jh.), mhd. maht, ahd. maht, as. maht.

Aus g. *mah-ti- f. ’Macht, Kraft’, auch in gt. mahts, anord. ma´ttr (maskuliner tu-Stamm), ae. meaht, maht, miht u.ä., afr. mecht, macht. Verbalabstraktum auf -ti- zu dem Präterito-Präsens g. *mag ’kann, vermag’ (Þmögen). Adjektiv: mächtig.

as. makon. Aus wg. *mak-o¯- Vsw. ’machen’, auch in ae. macian, afr. makia. Aus ig. (eur.) *mag´- ’kneten’, Ebenso nndl. macht, ne. might, nisl. ma´ttur; ÞGemächt. – das einzelsprachlich (besonders im Griechischen) Schmidt, G. H. MS 90 (1980), 1–12; HWPh 5 (1980), 585–631; GB 3 (1982), 817–935; Röhrich 2 (1992), 986f.; LM 6 (1993), 59; verschiedene Anwendungen auf handwerkliche SonRGA 19 (2001), 85f.; EWNl 3 (2007), 285f. derbereiche zeigt. Die allgemeine germanische Bedeutung (bei der ’bauen’ eine beträchtliche Rolle machulle Adj nur in machulle sein ’erschöpft, pleite, spielt) könnte auf ’(Hauswände) mit Lehm ververrückt sein’ per. grupp. phras. (19. Jh.). Entlehnt aus schmieren’ zurückgehen. Ig. (eur.) *mag´- ist bezeugt dem Rotwelschen, wo die Bedeutung ’erschöpft’ seit in gr. ma´sso¯ ’ich knete, presse, wische ab, bilde ab’, 1812, ’bankrott’ seit 1840 (literarisch bereits seit 1835) akslav. mazati ’bestreichen, beschmieren, salben’, bezeugt ist. Wjidd. mechulle ’Bankrott’ wird auf hebr. bret. meza ’kneten’, lett. iz-muo˜zeˆt ’anschmieren’. m eku¯llä(h) ’zu Ende gegangen, erledigt’ zurückge¯ Für die anderen Bedeutungen ist die EinmiHierzu eine Variante mit auslautender Tenuis (und führt. Nasalierung), die unter Þmengen dargestellt wird. schung anderer Wörter, z.B. hebr. mah ala¯(h) ˙ Präfigierung: vermachen; Partikelverben: ab-, auf-, ’Krankheit’, nicht ausgeschlossen. aus-, ein-, zumachen. Röhrich 2 (1992), 987. Ebenso nndl. maken, ne. make; Þallmählich, Þgemach, Macke Sf ’Fehler, Tick’ erw. stil. (20. Jh.). Aus wjidd. ÞMacker, ÞMakler, ÞMake-up, ÞMatch, ÞSteinmetz. – Weiss, macke ’Schlag, Fehler’, das auf hebr. makka¯(h) E.: Tun – Machen (Stockholm 1956); Röhrich 2 (1992), 984f.; ’Schlag, Plage’ zurückgeht. Kuhn, Sh. M. JEL 19 (1986), 46–93; EWNl 3 (2007), 291f. Röhrich 2 (1992), 987.

Machenschaften Spl erw. obs. (18. Jh.). Bezeugt als

Macker Sm ’Freund, Bursche, Kollege’ per. grupp. schweizerisches Wort für ’Vergleich, Kontrakt’. Of(20. Jh.). Zugrunde liegt ndd. macker ’Mitarbeiter’, fenbar unter dem Einfluss des ähnlich klingenden eigentlich ’Macher’ zu Þmachen, wohl auf einer SoMachinationen hat sich die Bedeutung des Wortes zu ziativbildung ’der (zusammen) mit einem etwas ’üble Praktiken’ verschlechtert; aber auch Mache und macht’ beruhend. Vgl. ae. gemaca, gem¢¯ cca ’GefährMachwerk haben negative Bedeutungen. te’. Röhrich 2 (1992), 985.

Macho Sm ’Mann, der sich Frauen überlegen fühlt’ per.

grupp. (20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. macho. Dies greift auf einen spanisch-lateinamerikanischen Aus-

macklich Adj ’bequem’ per. ndd. (20. Jh.). Niederdeut-

sche Form von Þgemach, mit Þ-lich erweitert.

Magie

591 Mädchen Sn std. (15. Jh.). Wie ÞMädel u.a. eine Ver-

kleinerungsform zu ÞMagd (in dessen alter Bedeutung ’Mädchen’). Die zu erwartende Form Mägdchen noch bei Lessing; die Vereinfachung beginnt in der Mitte des 17. Jhs. in Thüringen und Sachsen. Eine andere Vereinfachung in ndd. Mäke(n), md. Mäche(n). S. auch ÞMatjeshering. – Markey, Th. L. FS Alinei 2 (1987), 275–289; Röhrich 2 (1992), 987f.

Made Sf std. (9. Jh.), mhd. made m., ahd. mado m, as.

matho m. Aus g. *maþo¯n f. ’Made, Wurm’, auch in gt. maþa m., ae. madaÑ m., maduÑ , erweitert in anord. madkÑ r m. Außergermanisch vergleicht sich vielleicht russ. moty´l′ m. ’Schmetterling’, dial. mety´l′ ’Motte’, ukr. moty´ ′ ’Schmetterling, Falter’; im Germanischen gehört wohl auch ÞMotte hinzu. Weiteres ist unklar. S. auch ÞMetten. – Dolch, M. NJ 68 (1941), 184–191; Wissmann (1963–1968), 691f.; Bärthel, F. D. Scando-Slavica 14 (1968), 213–225; Röhrich 2 (1992), 988f.; EWNl 3 (2007), 286; Kallio, P. ABäG 54 (2000), 117–122 (Substratwort).

Mädel Sn std. reg. (14. Jh.). Wie die vollere Form Mägd-

lein und wie ÞMädchen Verkleinerungsform von ÞMagd. Mädesüß Sn (Name verschiedener Pflanzen) per. fach.

(20. Jh.). Übernommen aus ndd. medesoet. Der zweite Bestandteil ist Þsüß, der erste ist ursprünglich wohl das Wort ÞMet, weil die Pflanze als Würzkraut verwendet wurde. Sauerhoff (2001), 184–187.

Madonna Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus it. ma-

donna, wörtlich ’meine Herrin’, dieses aus l. mea domina ’meine Herrin’, zu l. dominus m. ’Hausherr’, zu l. domus ’Haus’. Dann bezogen auf Maria wie in der Gebetsanrede. Ebenso nndl. madonna, ne. Madonna, nfrz. madone, nschw. madonna, nnorw. madonna; ÞDame 1. – DF 2 (1942), 52.

Madrigal Sn ’mehrstimmiges Lied oder Musik-

stück’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus it. madrigale, das aus ml. matricale ’Matrix, Muster’ stammt. Ebenso nndl. madrigaal, ne. madrigal, nfrz. madrigal, nschw. madrigal, nnorw. madrigal. – DF 2 (1942), 52; DEO (1982), 382.

Mafia (auch Maffia) Sf (eine verbrecherische Geheim-

organisation) erw. exot. (20. Jh.). Entlehnt aus it. maf(f)ia (eigentlich ’Überheblichkeit, Anmaßung’). Täterbezeichnung: Mafioso. Ebenso nndl. maffia, ne. maf(f)ia, nfrz. maf(f)ia, nschw. maffia, nisl. mafı´a. – Carstensen 2 (1994), 864f.; Lurati, O. FS Max Pfister (Tübingen 1997), 137–149.

Magazin Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus it. magazzino m.,

Magd Sf std. (8. Jh.), mhd. mag(e)t, ahd. magad, maged

u.ä., as. magad.Ñ Aus g. *magaþ(i)- f. ’Mädchen, Dienerin, Jungfrau’, auch in gt. magaþs, ae. m¢g(e)þ, afr. maged, megith. Das Wort hat eine recht genaue Entsprechung in den keltischen Sprachen: mir. ingen mac(c)dacht ’junges, erwachsenes Mädchen’, bret. matez ’Dienstmädchen’. Wörter der Bedeutung ’Jungfrau’ gehen ziemlich regelmäßig entweder von ’junge Frau’ aus oder von ’die (jetzt) eine Brust hat’. Aus diesem Grund scheint es möglich zu sein, an kymr. magu ’nähren, säugen, gebären’ (ig. *mak-), kymr. maeth (ig. *mak-t-) ’Nahrung (besonders des Säuglings)’ anzuknüpfen, wobei ablautendes (ig.) *makot-/makt- vorauszusetzen wäre, ähnlich wie bei gt. liuhaþ/liuht- ’Licht’; die Bedeutung wäre wohl ’Nahrung, *Brust’; dazu (ig.) *makot-i- als Zugehörigkeitsbildung, (ig.) *makot-akta¯ als Abstraktum; vgl. die Wörter aus einer Grundlage *ma¯- und der Bedeutung ’Mutter, Brust’. Eine neuhochdeutsche Nebenform ist ÞMaid, das von Magd semantisch differenziert ist. Häufig sind Verkleinerungsformen, am ältesten gt. magaþein und seine Parallelen (ne. maiden); jüngere Bildungen s. unter ÞMädchen und ÞMädel. Ebenso nndl. maagd; ÞMetze 2. – Kluge (1918), 97; Wittmann (1982); Markey, Th. L. FS Alinei 2 (1987), 275–289; Kochskämper (1999), 1–34; EWNl 3 (2007), 280.

Mage Sm ’Verwandter’ per. arch. (9. Jh., magı¯n f. 8. Jh.),

mhd. ma¯c, ahd. ma¯g, ma¯k, as. ma¯g. Aus g. *m¢ ¯ ga’Verwandter’, auch in afr. me¯ch, me¯g, mei, ae. m¢ ¯ g, anord. ma´gr ’Heiratsverwandter’, gt. megs ’Schwiegersohn’, ohne sichere Vergleichsmöglichkeit. Das Wort ist nach-mittelhochdeutsch ausgestorben und durch R. Wagner u.a. wiederbelebt worden. Jones (1990), 80–106.

Magen Sm std. (8. Jh.), mhd. mage, ahd. mago, mndl.

mage. Aus g. *mago¯n m. ’Magen’, auch in anord. magi, ae. maga, afr. maga. Zu einem voreinzelsprachlichen Wort für ’Beutel’, das in kymr. megin ’Blasebalg’, lit. ma˜kas, akslav. mosˇ˘ına f. ’Beutel’ vorliegt. Röhrich 2 (1992), 989f.; EWNl 3 (2007), 280.

mager Adj std. (8. Jh.), mhd. mager, ahd. magar, mndd.

mager, mndl. mager. Aus g. *magra- Adj. ’mager’, auch in anord. magr, ae. m¢ger. Aus ig. *makro- Adj. ’lang, mager’, auch in l. macer ’mager’, gr. makro´s ’lang’, im Suffix abweichend heth. maklant- ’dünn, mager’. Partikelableitung: abmagern. Ebenso nndl. mager, ne. meagre, nschw. mager, nisl. magur; Þmakro-. – Heidermanns (1993), 393; EWNl 3 (2007), 287.

dieses aus arab. mahzan, Pl. maha¯zin. Die Bedeutung ˘ nach ne. ˘magazine, gemeint ist Magie Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. magı¯a, dieses aus ’bebilderte Zeitschrift’ gr. mageı´a, zu gr. magey´ein ’zaubern’, zu gr. ma´gos m. dabei ’eine Sammelstelle (von Information)’. ’Zauberer’, dieses aus dem Persischen. Dort bezeichEbenso nndl. magazijn, ne. magazine, nfrz. magasin, magazine, net es ein Mitglied der Priesterklasse, das in den Wismagazine, nschw. magasin, nnorw. magasin. – Schirmer senschaften ausgebildet war. Täterbezeichnung: (1911), 124; Littmann (1924), 88; DF 2 (1942), 52f.; Ganz (1957), 135; Lokotsch (1975), 108; Jones (1976), 405f.; Kiesler (1994), Magier; Adjektiv: magisch. 228f.; Tazi (1998), 261; EWNl 3 (2007), 287.

Magister Ebenso nndl. magie, ne. magic, nfrz. magie, nschw. magi, nnorw. magi. – DF 2 (1942), 53f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 397; HWPh 5 (1980), 631–636; LM 6 (1993), 82–88.

592 Ebenso nndl. magnesia, ne. magnesia, nfrz. magne´sie, nschw. magnesia, nisl. magnesı´n. – LM 6 (1993), 95; EWNl 3 (2007), 288, 300.

Magister Sm erw. fach. (9. Jh.). Entlehnt aus l. magister Magnet Sm std. (13. Jh.), mhd. magnes, fnhd. ma-

’Vorsteher, Lehrer’, zu l. magis ’mehr’ (vgl. ÞMinister zum Gegenteil). Die alte Entlehnung wird zu nhd. ÞMeister, die lateinische Form zu einer Bezeichnung des Universitäts-Lehrers (heute der normale Abschluss des Universitäts-Studiums gegenüber dem stärker herausgehobenen ÞDoktor).

gnet[e]. Ist entlehnt aus l. magne¯s (-e¯tis) und Magne¯s lapis, dieses aus gr. Ma´gne¯s (lı´thos), eigentlich ’Stein aus Magne¯sı´a¯’, nach dem natürlichen Vorkommen in der thessalischen Küstenlandschaft. Adjektiv: magnetisch; Abstraktum: Magnetismus; Verb: magnetisieren.

Ebenso nndl. magister, ne. master, nschw. magister, nisl. magister. Unmittelbar zu Magister gehört ÞMagistrat; die assimilierte deutsche Form in ÞMeister, die französische (weitergebildet) in ÞMätresse. L. magis ist Adverb zu dem Komparativ l. maior, das in ÞMeier, ÞMajor, ÞMajestät und ÞMajuskel auftritt; der Positiv l. magnus in ÞMagnifizenz, ÞMagnat, der Superlativ l. maximus in ÞMaxime, ÞMaximum; die griechische Verwandtschaft in Þmega-. – Götze (1929), 11; DF 2 (1942), 55.

Ebenso nndl. magneet, ne. magnet, nfrz. magnetit, nschw. magnet, nisl. magnetı´t; ÞMagnesia. – DF 2 (1942), 55–57; Gerlach (1962), 72–74; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 397; Lüschen (1979), 267–268; Cottez (1980), 238; LM 6 (1993), 95f.; EWNl 3 (2007), 288.

Magistrat Sm ’hoher Beamter, Behörde, Stadtverwal-

tung’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. magistra¯tus, einer Ableitung von l. magister ’Meister, Vorsteher, Leiter’. Ebenso nndl. magistraat, ne. magistrat, nschw. magistrat, nnorw. magistrat. – LM 6 (1993), 91f.

Magma Sn ’glühende, flüssige Masse im Erdinne-

Magnifizenz Sf ’ehrende Anrede (besonders an Uni-

versitätsrektoren)’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. ma¯gnificentia ’Großartigkeit’, Abstraktum zu l. magnificus ’großartig’, dieses aus l. ma¯gnus ’groß’ und l. facere ’machen’ (ÞMagister, Þinfizieren). Ebenso ne. Magnificence, nfrz. Magnificence, ndn. magnificens. – DF 2 (1942), 57.

Magnolie Sf erw. fach. (18. Jh.). Bezeichnung nach dem

französischen Botaniker P. Magnol. Ebenso nndl. magnolia, ne. magnolia, nfrz. magnolier, magnolia, nschw. magnolia. – EWNl 3 (2007), 289.

ren’ per. fach. (20. Jh.). Übernommen und übertra- Magsamen Sm ÞMohn. gen aus l. magma ’Bodensatz der Salbe’, dieses aus gr. Mahagoni Sn (ein rotbraunes Edelholz) erw. fach. ma´gma ’geknetete Masse, Bodensatz’. (18. Jh.). Zuerst im Englischen des 17. Jhs. als ne. moEbenso nndl. magma, ne. magma, nfrz. magma, nschw. maghogeney bezeugt, dann allgemeine Bezeichnung. Verma, nisl. magma. mutlich aus einer mittelamerikanischen EingeboreMagnat Sm ’mächtige, einflussreiche Person’ per. nensprache, aus der auch selteneres Maga stammt. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. magnas (-atis), zu l. Alles weitere ist unklar. ma¯gnus (ma¯ior, ma¯ximus) ’groß, bedeutend’. Ebenso nndl. mahonie, ne. mahogany, nschw. mahogny, nisl. Ebenso nndl. magnaat, ne. magnate, nfrz. magnat, nschw. mamaho´nı´. – Loewe, R. ZVS 61 (1933), 72–76; DF 2 (1942), 57f.; gnat, nnorw. magnat; ÞMagister. – DF 2 (1942), 55; Weimann, EWNl 3 (2007), 289. K.-H. DWEB 2 (1963), 397; LM 6 (1993), 93–95; EWNl 3 (2007), Maharadscha Sm ’Großfürst (indisch)’, auch übertra288.

Magnesia Sf (Mineral) per. fach. (18. Jh.). L. magne¯s

gen für ’großer Herr’ erw. exot. (20. Jh.). Über das Englische entlehnt aus hindı¯ maha¯ra¯ja¯, dessen Vorform ai. maha¯ra¯ja´ zu ai. maha¯ ’groß, ausgedehnt, mächtig’ und ai. ra¯´ja¯ ’König’ gehört (letzteres zu l. re¯x, re¯gis ’König’, zu l. regere ’leiten’; Þregieren).

aus gr. magne¯s bezeichnete eigentlich den Magnetstein, mit dem aber schon seit alters das Mineral Braunstein verwechselt wurde. Im Mittelalter wurde im Gefolge von Plinius l. lapis magnesius m. Ebenso nndl. maharadja, ne. maharaja(h), nfrz. maharadja, ’Magnetstein’ und magnesia f. ’Braunstein’ sekundär nschw. maharadja, nnorw. maharaja. – EWNl 3 (2007), 289. unterschieden (da Plinius in der Anziehungskraft Mahd Sf erw. fach. (9. Jh.), mhd. ma¯t n. / f., ahd. ma¯da. eine männliche Eigenschaft sah). In der Neuzeit (um Aus wg. *m¢¯ þa- ’Mahd’, auch in ae. m¢ ¯ þ n., afr. 1700) wurde auch der Magnesit (Bitterspat) so beme¯th; to-Bildung zu der Wurzel wg. *m¢¯ - ’mähen’. zeichnet, speziell als Magnesia alba. Die Bezeichnung Außergermanisch ist mit der Ableitung vergleichbar des Braunsteins wurde im Französischen zu mangagr. a´me¯tos ’Ernte’. ne`se. Das starke terminologische Durcheinander Ebenso ne. aftermath. S. auch ÞGrummet, ÞMatte 2, ÞÖhmd. wurde so geklärt, dass das aus Braunstein zu isolierende Metall ÞMangan genannt wurde (seit M. Mer- mähen Vsw std. (9. Jh.), mhd. m¢jen, ahd. ma¯en, mndd. cati, 16. Jh., zunächst für das Mineral); das aus dem mei(g)en, mndl. maeyen. Aus wg. *m¢¯ -a- Vst. Magnesit isolierbare Metall wurde zuerst (H. Davy ’mähen’, auch in ae. ma¯wan Vst., afr. mia¯. Außerger1808) Magnium genannt, doch setzte sich dann Mamanisch vergleicht sich gr. ama´o¯ ’ich schneide, mähe, ernte’ (also wohl ig. *hame¯-) und von einer Variante gnesium durch. Die Bezeichnung Magnesia blieb dem ig. *(ha)met- l. metere, kymr. medi ’schneiden, ernMagnesiumcarbonat.

593

Mähre

ten’. Schwedische und althochdeutsche Belege weisen Mähne Sf std. (9. Jh., Form 16. Jh.). Aus mhd. mene, darauf hin, dass die Bedeutung ursprünglich Plural zu mhd. man(e) m./f., ahd. man(a), mndd. man (m.), mndl. manen aus g. *mano¯ f. ’Mähne’, auch ’ausraufen’ war und sich mit der Erntetechnik (vom Ausraufen zum Abschneiden eines Büschels mit der in anord. mo¸n, ae. manu, afr. mana, mona. AußerSichel) zu ’schneiden’ geändert hat. Unter dieser Vorgermanisch vergleicht sich semantisch am besten die k-Erweiterung in mir. mong, kymr. mwng ’Mähne’. aussetzung lässt sich weiter vergleichen gr. ama´omai ’sammle’, gr. ama´lla ’Garbe’, l. ampla ’Griff, HandDes weiteren entsprechen Wörter für ’Hals’ und für voll’ und evtl. l. manus ’Hand’. ’Halsband’, bei denen aber dem semantischen UnterEbenso nndl. maaien, ne. mow. – Jirlow (1926), 17f.; Seebold schied keine entsprechenden morphologischen Ab(1970), 347, (2005), 1339f.; EWNl 3 (2007), 280. hängigkeiten entsprechen (etwa in der Art, dass die Wörter für ’Halsband, Halsschmuck’ ZugehörigMahl1 Sn ’Essen’ std. stil. (11. Jh., Bedeutung 13. Jh.), keitsbildungen zu den Wörtern für ’Hals’ wären). mhd. ma¯l ’Zeitpunkt’ (ÞMal 1). Entwickelt über die Man wird also von ’Hals’ ausgehen müssen, ohne Bedeutung ’Essenszeit’ die Bedeutung ’Essen’, wie dass die Einzelheiten ausreichend klar sind. Vgl. ai. auch nndl. maal, ne. meal. Hierzu ÞMahlzeit als verma´nya¯ ’Nacken’, air. muine´l, kymr. mwn, mwnwgl deutlichendes Kompositum. ’Hals’; avest. minauu- ’Halsgeschmeide’, l. monı¯le 2 Mahl Sn ’Versprechen, Verhandlung’ (nur in Zusam’Halsband’, anord. men, ae. mene, myne, ahd. menni mensetzungen: Mahlschatz m. ’Gabe, die der Bräuti’Halsgeschmeide’, akslav. monisto n. ’Halsband’. gam der Braut bei der Verlobung überreicht’,

Ebenso nndl. manen, ne. mane, nschw. man. – EWNl 3 (2007), Mahlstatt f. ’Gerichtsstätte im Freien’) per. arch. 299. (8. Jh.). Zu ahd. mahal, das unter ÞGemahl behandelt mahnen Vsw std. (8. Jh.), mhd. manen, ahd. mano¯n, ist. mndd. manen, mndl. manen. Aus wg. *man-o¯- Vsw. Tiefenbach (1973), 71–74; Sousa Costa (1993), 127–140. ’mahnen’, auch in ae. (ge)monian. Intensivum (mit mahlen Vsw std. (9. Jh.), mhd. mal(e)n Vst., ahd. malan, kausativ-artiger Funktion) zu g. *man Prät.-Präs. 1./3. mal(e)n Vst., as. malan Vst. Aus g. *mal-a- Vst. Sg. ’meinen, sich erinnern’ in gt. man, anord. man ’mahlen’, auch in gt. malan, anord. mala. Aus ig. ’ich erinnere mich’, anord. mun (Hilfsverb), ae. man, *mel- ’zermalmen, zerreiben’, besonders ’Korn mahas. man ’glaube’. Dieses zu ig. *men- ’denken, erinlen’, häufig mit o-Vokalismus: l. molere ’mahlen’, air. nern’ in l. memini ’ich erinnere mich, erwähne’, gr. melid ’mahlt’, lit. ma´lti ’mahlen’, akslav. mleˇti me´mona ’ich habe im Sinn’, air. do-moinethar ’mahlen’, gr. my´le¯ ’Mühle’, ai. mrna¯´ti ’zermalmt, ˙˙ ’glaubt, meint’, lit. min˜ti ’gedenken, sich erinnern’, mahlt’, toch. A malyw-, toch. B mely’zerreibt, beakslav. mı˘neˇti ’glauben, meinen’, ai. ma´nyate ’denkt’. drückt’, heth. malla- ’zermalmen, mahlen’. Von der Semantisch entspricht wg. *man-o¯- l. mone¯re (dies ist ursprünglich starken Flexion ist nur noch das Partiaber eine echte Kausativ-Bildung). Präfigierungen: zip gemahlen erhalten. er-, gemahnen; Abstraktum: Mahnung. Ebenso nndl. malen, nschw. mala, nisl. mala. S. zur gleichen Bedeutung ÞMehl und ÞMalter, sowie die Entlehnungen ÞMühle und ÞMüller, übertragen ÞMahlstrom. Zur ursprünglicheren Bedeutung s. Þmalmen, ÞMulm, ÞMüll; weiter entfernt s. ÞMalz, ÞMilbe, Þmild, Þmulsch, ÞSchmolle. – Seebold (1970), 344f.; Röhrich 2 (1992), 990f.; EWNl 3 (2007), 293f.

mählich Adj Þallmählich. Mahlstrom Sm ’gefährlicher Wirbel’ per. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus nndl. maalstroom, das zu ÞStrom und Þmahlen im Sinne von ’drehen’ gebildet ist. Ebenso nndl. maalstroom, ne. maelstrom, nfrz. maelstrom, nschw. malström, nisl. ma´lstraumur. – Kluge (1911), 564.

Mahlzeit Formel (Essenswunsch, Gruß um die Mit-

Ebenso nndl. manen. Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞAutomat, zur lateinischen Þmental und Þmonieren; ÞMinne, Þmunter. – Seebold (1970), 345–347; EWNl 3 (2007), 299f.

Mahr Smf ’Alp(traum)’ erw. fach. (11. Jh.), mhd. mar(e)

m./f., ahd. mara f . Aus g. *maro¯(n) f. ’(Nacht)Mahr’, auch in anord. mara, ae. m¢re, mare. In den verwandten Sprachen erscheint air. mor-rı´gain (Name einer Schlacht- und Leichendämonin, zweiter Bestandteil ’Königin’), russ. kikı´mora f. ’Gespenst, das nachts spinnt’, in den übrigen slavischen Sprachen z.B. ukr. mo´ra f. ’Alp(traum)’. Frz. cauchemar m. hat seinen zweiten Bestandteil aus dem Germanischen entlehnt. Alles weitere ist unklar.

tagszeit) erw. reg. (16. Jh.). Der Essensgruß Mahlzeit! Ebenso nndl. nachtmerrie, ne. nightmare. – Lecouteux, C. EG oder Gesegnete Mahlzeit! wird von Schröder mit 42 (1987), 1–24; Knobloch, J. SW 14 (1989), 282–284; EWNl 3 guten Gründen auf Gott segne die Mahlzeit zurück(2007), 403f. geführt. Seit dem 17. Jh. regional auch Prost Mahlzeit (aus prosit), das in der Standardsprache nur ironisch Mähre (heute durch ÞStute ersetzt) Sf erw. obs. (8. Jh.), mhd. merhe, ahd. mer(i)ha, as. meriha, meria, merge. (als Reaktion auf eine unangenehme Überraschung Aus g. *marhı¯/jo¯- f. ’Stute’, movierte Form zu g. oder Folge) gebraucht wird. Besonders im Norden *marham. ’Pferd’ in anord. marr m., ae. mearh m., Deutschlands (und in Kantinen?) wird Mahlzeit auch ahd. marahscalc ’Pferdeknecht’. Dieses zu air. marc als Abschied oder Begrüßung um die Mittagszeit verm., kymr. march ’Pferd’. Da ai. ma´rya- sowohl wendet. Schröder, E. Germanistische Forschungen 1925, 253–256.

Mai

594

’Jüngling’ als auch ’(junger) Hengst’ bedeutet, Majestät Sf std. (14. Jh.), spmhd. majesta¯t. Ist entlehnt kommt ig. (weur.) *marko/a¯ wohl von ig. *mer- mit aus l. ma¯iesta¯s (-a¯tis) ’Hoheit’, Abstraktum zum Komparativ l. ma¯ior, zu l. ma¯gnus ’groß’. Seit der Wörtern für ’Junge’ und ’Mädchen’. Nicht ausgeschlossen ist auch eine Entlehnung aus den altaischen Antike zur Anrede und Bezeichnung von WürdenSprachen (vgl. russ. me´rin ’Wallach’, entlehnt aus trägern gebraucht. Adjektiv: majestätisch. mongol. morin, mörin ’Pferd’). Die heutige BedeuEbenso nndl. majesteit, ne. majesty, nfrz. majeste´, nschw. matung von Mähre als ’schlechtes Pferd’ beruht darauf, jestät, nnorw. majestet; ÞMagister. – Keller, A. ZDW 6 (1904/05), 162f.; DF 2 (1942), 58; Seitz, W.: Majestas (Diss. dass Stuten schneller altern. Ebenso nndl. merrie, ne. mare; ÞMarschall, ÞMarstall. – Vietze, H.-P. PIAC 27 (1984), 428f.; EWNl 3 (2007), 339.

masch. 1974), besonders 4–10; Röhrich 2 (1992), 992; EWNl 3 (2007), 290.

Mai Sm std. (12. Jh.), mhd. mei(g)e, ahd. meio. Entlehnt Majolika Sf ’eine Art Keramik’ per. fach. (15. Jh.). Ent-

aus l. Ma¯ius, das nach dem Jupiter Maius, dem Wachstum bringenden Gott, benannt ist. Ebenso nndl. mei, ne. may, nfrz. mai, nschw. maj, nisl. maı´; ÞMaien, ÞMaiensäß. – Röhrich 2 (1992), 991; EWNl 3 (2007), 328.

lehnt aus it. maiolica (maiorica), eigentlich ’aus Mallorca stammende Töpferware, bzw. deren Grundstoff’. Ebenso nndl. majolica, ne. majolica, nfrz. majolique, nschw. majolika, nnorw. majolika. – DF 2 (1942), 58f.

Maid Sf ÞMagd, ÞMädchen, ÞMädel.

Majonnaise Sf ÞMayonnaise.

Maien Sm (meist Pl.) ’Blumenstrauß’ per. schwz.

Major Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus span. mayor (auch:

(16. Jh.). Das gleiche Wort wie ÞMai in alter Sonderanwendung auf ’Maibaum, Baumschmuck im Mai’, dann schließlich ’Strauß, Blumenstrauß’. Maiensäß Sn ’unterste Stufe einer Alm’ per. obd.

’größer, erhabener’), aus l. ma¯ior, dem Komparativ von l. ma¯gnus ’groß, bedeutend’. Ebenso nndl. majoor, ne. major, nfrz. major, nschw. major, nisl. major; ÞMagister. – Meyer, R. M. ZDW 12 (1910), 151; DF 2 (1942), 59; EWNl 3 (2007), 290.

(20. Jh.). Zu schwz. Säß, anord. s¢tr n. ’Alp’. Dieses gehört zu Þsitzen, vielleicht ist es eine Vriddhi-Ablei- Majoran Sm ’Gewürzpflanze’ per. fach. (12. Jh.), mhd. tung zu (ig.) *sedos- n. ’Wohnsitz’, etwa in anord. setr, majeron, majoran u.ä. Entlehnt aus ml. maiorana; also ’das zum Wohnsitz Gehörige’. Auf das Maiensäß dieses (wohl − ohne sichtbaren semantischen Grund wird das Vieh im Mai gebracht; später wird es auf die − in Anlehnung an l. ma¯ior ’größer’) aus l. amaracum, höheren Almen getrieben. das über gr. ama¯´rakon auf ein kulturelles WanderDarms (1978), 67–74. wort zurückgeht, das etwa in ai. maruva-, maruvakbezeugt ist. Mais Sm std. (16. Jh.). Älter auch mahis, ein Wort aus Ebenso nndl. marjolein, ne. marjoram, nfrz. marjolaine, ndn. dem Taino (Haiti), das durch span. maı´z vermittelt merian, nschw. mejram, nnorw. merian. – Björkman, E. ZDW wurde. Das Wort wird mit der Sache in Deutschland 6 (1904/05), 188; Öhmann, E. NPhM 44 (1943), 3; EWNl 3 eingeführt, nachdem diese zunächst als Welschkorn (2007), 291, 308. und Türkisch Korn bezeichnet worden war (vgl. ne. Majorität Sf ’Mehrheit’ per. fach. (17. Jh.). Die politiIndian corn). Mit der Herkunftsbezeichnung indisch sche Bedeutung hat das Wort in England bekommen; ist ’westindisch’ gemeint; sie wurde dann aber falsch von dort aus ins Französische übernommen und reverstanden. Türkisch stand zur Zeit der Bezeichnung latinisiert ins Deutsche entlehnt. Letztlich aus l. für ’asiatisch’ und spiegelt dieses falsche Verständnis; ma¯io¯rita¯s ’Status des Höheren’, zu l. ma¯ior (ÞMajor, Þwelsch steht hier einfach für ’fremd’. ÞMagister). Ebenso nndl. maı¨s, ne. (bot.) maize, nfrz. maı¨s, nschw. majs, nisl. maı´s. – Littmann (1924), 146, 148; Loewe, R. ZVS 61 (1933), 67–70; Martin, B. DWEB 2 (1963), 126–139; AbeggMengold (1979), 57–61, 63–73; EWNl 3 (2007), 290.

Maische Sf (auch Maisch n.) ’Früchte oder Malz, zur

Ebenso ne. majority, nfrz. majorite´, nschw. majoritet, nnorw. majorität. – DF 2 (1942), 60.

Majuskel Sf ’Großbuchstabe’ per. fach. (19. Jh.). Als

Fachwort entlehnt aus ml. maiuscula (litera), zu l. Alkoholherstellung angesetzt’ per. fach. (14. Jh.), ma¯iusculus ’etwas größer’, zu l. maior, maius mhd. meisch, mndd. mesche. Wie ae. m¢ ¯ sc-, ma¯xwyrt ’größer’. zeigt, liegt wg. *maiks-ko¯ – f. ’Maische’ zugrunde, das Ebenso ne. majuscule, nfrz. majuscule, nschw. majuskel, nnorw. majuskel; ÞMagister. erste k kann dabei assimiliert sein. Außergermanisch vergleicht sich russ. mezga´ f. ’weicheres Holz zwimakaber Adj ’(im Zusammenhang mit dem Tod) unschen Rinde und Kern, weiche Teile von roten Rüben heimlich’ erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. maund Kartoffeln, Mus’, serbo-kr. me´zgra ’Baumsaft’. cabre und ne. macabre, die herausgenommen sind aus Herkunft unklar. Der Bedeutung nach würde für frz. danse macabre ’Totentanz’. einen Teil der Belege ein Anschluss an die Wortsippe Ebenso nndl. macaber, ne. macabre, nfrz. macabre, nschw. von ÞMist passen, für einen anderen ein Anschluss an makaber, nnorw. makaber. Die Herkunft des französischen die Sippe von Þmischen, die auf (ig.) *meik´- und Ausdrucks ist unklar, vielleicht zu hebr. m eqabbe¯r Partizip Pi el ’begrabend’ oder arab. maqa¯bir ’Gräber’. – Fröhlich, A. *meig´- zurückführt. Ebenso ne. mash.

Malaise

595 MS 71 (1961), 184f.; Stave, J. MS 71 (1961), 49–52; EWNl 3 (2007), 284.

Makel Sm std. stil. (14. Jh.), spmhd. makel. Ist entlehnt

aus l. macula f. ’Fleck, Fehler’. Das Genus hat sich an ÞFleck und ÞTadel angeglichen, die Vokallänge ist vom niederdeutschen Sprachgebrauch bestimmt. Adjektiv: makellos. Ebenso ne. immaculate, nfrz. immacule´; ÞMakulatur.

mäkeln Vsw ’herumnörgeln’ std. stil. (18. Jh.), ndd. mä-

Makrone Sf ’Mandelgebäck’ per. fach. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. macaron m., dieses mit Bedeutungsveränderung aus it. maccarone, maccherone m. ’Nudel, Kloß’. Ebenso nndl. makron, ne. macaroon, nfrz. macaron, nschw. makron, nnorw. makron; ÞMakkaroni. – DF 2 (1942), 62; Öhmann, E. RV (1955), 166f.; Brunt (1983), 358.

Makulatur Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. ma-

culatura (eigentlich ’beflecktes Stück’), zu l. macula¯re ’fleckig machen, beflecken’, zu l. macula ’Fleck, Schandfleck, Lücke, Loch’.

keln, nndl. makelen. Die ursprüngliche Bedeutung ist ’Geschäfte machen’ (ÞMakler). Durch das Feilschen Ebenso nfrz. maculature, nschw. makulatur, nnorw. makulaund Kritisieren beim Handeln bekommt das Verb tur; ÞMakel. – DF 2 (1942), 62; Röhrich 2 (1992), 992. mäkeln im 18. Jh. die spezielle Bedeutung, die es in der Mal1 Sn ’Zeitpunkt’ std. (11. Jh.), mhd. ma¯l, ahd. ma¯l Hochsprache hat (die Herkunft ist nicht mehr er’Zeitpunkt’, mndd. ma¯l(tı¯t) f . Aus g. *m¢ ¯ la- n. kennbar, wenn das Herumnörgeln am Essen gemeint ’Zeitpunkt’, auch in gt. mel, anord. ma´l ’Zeitpunkt, ist). Mahlzeit’, ae. m¢ ¯ l, ma¯l m./n. (?) ’Maß, Gelegenheit, Make-up Sn std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. make-up, Mahlzeit’, afr. me¯l ’Mahlzeit’. Außergermanisch finAbstraktum zu to make up ’sich zurechtmachen’ (im det sich eine genaue Entsprechung in lit. (östl.) Englischen Anfangsbetonung; vgl. nhd. Aufma(tuo)me˙˜l ’in einem fort’ (Variante zu lit. tuome`t). Abchung), ursprünglich von der Aufmachung im Thealeitung zu der Wurzel ig. *me¯- ’messen’, zu der auch ter. Þmessen als formal nicht genau einzuordnende VaEbenso nndl. make-up, nschw. make-up, nnorw. make-up. – riante gehört. Die Wurzel *me¯- ist vertreten durch ai. Rey-Debove/Gagnon (1988), 548; Carstensen 2 (1994), 867f. ma¯´ti ’misst’, l. me¯tı¯rı¯ ’messen’, akslav. meˇra f. ’Maß’, toch. A me-, toch. B mai- ’messen’; zu der Variante Makkaroni Spl std. (17. Jh.). Entlehnt aus it. maccaroni, Plural von it. maccarone, dessen Herkunft unklar ist. *met- gehören gr. me´tron ’Maß’, lit. me˜tas m. ’Zeit, Maß’, lit. me˜tai Pl. ’Jahr’. Ebenso nndl. macaroni, ne. macaroni, nfrz. macaroni, nschw. makaroner, nnorw. makaroni. Semantisch nahestehend und wohl auch die Quelle des Wortes ist gr. makarı´a, das einen Brei aus Brühe und Gerstengrütze bezeichnet. Fladen daraus gehörten zum Erstlingsopfer für die Götter (u.a. benannt als gr. ma´kares ’die Glückseligen’), also ’das zu den Glückseligen Gehörige’. – DF 2 (1942), 61; Fifield, M. ASp 39 (1964), 75–77; EWNl 3 (2007), 284f.

Makler Sm std. (15. Jh.). Aus dem Niederdeutschen

übernommen. Wohl Nomen Agentis zu ndd. maken ’machen’. Þmachen, Þmäkeln. – Kluge (1911), 564; Richter, G. in Dückert (1976), 173–214; Röhrich 2 (1992), 992; LM 6 (1993), 156; EWNl 3 (2007), 291.

Makrele Sf (ein Speisefisch) erw. fach. (14. Jh.), spmhd.

Ebenso nndl. maal, ne. meal, nschw. ma˚l; ÞMahl, Þ-mal. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞDimension. – EWNl 3 (2007), 280f.

Mal2 Sn ’Fleck, Markierung’ std. (10. Jh.), mhd. ma¯l,

ahd. ma¯l, as. ho¯bÐ id-ma¯l ’Kopfbild’. Aus g. *m¢¯ la- n. ’Mal, Zeichen’, auch in gt. mel, anord. ma´l, ae. m¢ ¯ l, afr. me¯l. Dehnstufige Bildung zu einer Farbwurzel ig. *mel- in ai. ma´la- ’Schmutz’, gr. me´la¯s ’schwarz’, lit. me˙´lynas ’blau’, apreuß. melne f. ’blauer Fleck’. In einigen Bedeutungen scheint dieses Wort ein ursprungsverschiedenes mhd. meil, ahd. meil ’Flecken, Mal’ attrahiert zu haben. ÞDenkmal, ÞMuttermal, Þmalen, ÞMolch. – EWNl 3 (2007), 281.

makre¯le. Ist entlehnt aus mndl. maker, macreel; die -mal Suffixoid zur Bildung von Multiplikativzahlwörweitere Herkunft ist nicht sicher geklärt. Nach Sayers tern u.ä. std. (–). Abgeschwächt aus ÞMal 1 ’Zeitaus l. maculatus ’gesprenkelt’ (vgl. den wissenschaftpunkt’ in Zusammenrückungen. Dieses in mhd. ma¯l, lichen Namen scomberomorus maculatus); im Baskiahd. ma¯l, das mit ÞMahl 1 identisch ist. schen mit -l- zu -r- bask. maker, das eine (nicht übÞsintemal, Þzumal. liche) Bezeichnung der Makrele im Baskischen ist. malade Adj ’unwohl’ per. fremd. (13. Jh.), mhd. mala¯t, Dann mit Suffixerweiterung zu dem geläufigen Wort. mala¯de, mala¯tes. Ist entlehnt aus afrz. malade, dieses Ebenso nndl. makreel, ne. mackerel, nfrz. maquereau, nschw. zu l. male habe¯re ’sich unwohl fühlen’, verhüllende makrill, nisl. makrı´ll. – EWNl 3 (2007), 292; Sayers, W. NOBezeichnung für l. aegro¯tus, aeger ’krank, leidend’. WELE 56/57 (2009), 43–51. Zunächst in der Bedeutung ’aussätzig’ verwendet. makro- Präfix mit der Bedeutung ’lang, groß’ (z.B. Ma-

Þmaliziös, Þhabilitieren. – DF 2 (1942), 62. krostruktur, makroskopisch) std. (–). Das Element wurde vornehmlich in griechischen Entlehnungen Malaise Sf ’Missstimmung, Unbehagen’ per. fremd. ins Deutsche übernommen; sein Ursprung ist gr. ma(20. Jh.). Entlehnt aus frz. malaise m., einer substankro´s ’lang, groß’. tivierten Zusammenrückung aus frz. (eˆtre) mal a` l’aiCottez (1980), 237f.; EWNl 3 (2007), 286. se ’missgestimmt sein’, zu frz. aise ’behaglich’.

Malaria

596 Ebenso ne. malaise, nfrz. malaise, nndl. malaise. – Heuer, W. SS 30 (1974), 169; EWNl 3 (2007), 293.

Malaria Sf (eine Infektionskrankheit) erw. fach.

’Mahlgut’, also ’das Mahlgut für eine Füllung der Mühle’ (o.ä.). Weil das Malter in seiner Größe stark schwankte, kam das Maß im 19. Jh. außer Gebrauch.

(18. Jh.). Entlehnt aus it. malaria, einer ZusammenKluge (1926), 49f. rückung aus it. male ’schlecht’ und it. aria ’Luft’, also malträtieren Vsw ’misshandeln’ erw. fremd. (18. Jh.). ’schlechte Luft’, neben it. mala d’aria ’LuftkrankEntlehnt aus frz. maltraiter, aus frz. mal ’schlecht’ heit’. So bezeichnet nach der bis ins 19. Jh. vertrete(aus l. malus) und frz. traiter ’behandeln’ (aus l. tracnen Auffassung, dass bestimmte angenommene Erta¯re, zu l. trahere ’ziehen, schleppen’). reger in der Luft diese Krankheit verursachen. Ebenso nndl. maltraiteren, ne. maltreat, nfrz. maltraiter, Ebenso nndl. malaria, ne. malaria, nfrz. malaria, nschw. malaria, nisl. maları´a; Þmaliziös. – LM 6 (1993), 162f.; EWNl 3 (2007), 293.

Malefiz Sn ’Verbrechen’ per. arch. (15. Jh.). Entlehnt aus

nschw. malträtera, nnorw. maltraktere; Þabstrakt, Þmaliziös. – DF 2 (1942), 63.

Malus Sm ’Abzug’ per. fach. (20. Jh.). Gegensatzbildung

l. maleficium ’Übeltat’.

zu Bonus (ÞBon). Vorbild ist l. malus ’schlecht’ (Þmaliziös).

Ebenso ne. malfeasance. Zum Vorderglied s. Þmaliziös, zum Hinterglied Þinfizieren. – DF 2 (1942), 62.

Ebenso nfrz. malus.

malen Vsw std. (8. Jh.), mhd. ma¯len, ahd. ma¯lo¯n, male¯n.

Aus g. *m¢¯ l-¢ ¯ -Vsw. ’malen, schreiben’, auch in gt. meljan ’schreiben’, anord. m¢la. Ableitung von ÞMal 2 ’Zeichen, Fleck, Markierung’ als ’Zeichen machen’. Nomen Agentis: Maler; Abstraktum: Malerei; Adjektiv: malerisch. ÞGemälde. – Röhrich 2 (1992), 992f.

Malheur Sn ’Ungeschick, Unglück’ erw. fremd. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. malheur m., zu frz. mal ’schlecht’ (aus l. malus) und frz. heur m. ’glücklicher Umstand’ (aus l. augurium ’Anzeichen, Vorzeichen’). Die Lautform des französischen Wortes ist vermutlich beeinflusst von dem etymologisch nicht zugehörigen heure f. ’Stunde’ aus l. ho¯ra f. Ebenso nndl. malheur, nfrz. malheur, nschw. malör, nnorw. malør; Þmaliziös, ÞInauguration. – DF 2 (1942), 62; Brunt (1983), 359.

maliziös Adj ’boshaft’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus

frz. malicieux ’schelmisch, leicht boshaft’, dieses aus l. malitio¯sus, zu l. malitia ’Schelmerei, Schurkerei, Arglist, Bosheit’, zu l. malus ’schlecht, böse’. Abstraktum: Malice. Das gleiche Vorderglied in Þmalade, ÞMalaise, ÞMalaria, ÞMalheur, Þmalträtieren, ÞMalus, Þvermaledeien. – DF 2 (1942), 62f.

malmen (meist zermalmen) Vsw std. (16. Jh.). Ableitung

zu einer Entsprechung von gt. malma ’Sand’, anord. malmr ’Erz’. Daneben mit Ablaut mhd. melm, ahd. melm, as. melm ’Sand’, also ’zu Sand zermahlen’. Zugrunde liegt Þmahlen. Maloche Sf ’schwere Arbeit’ per. grupp. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus dem Rotwelschen, wo es seit dem 18. Jh. bezeugt ist. Dorthin über wjidd. melo¯che, malo¯che ’Arbeit’ aus hebr. m ela¯( )ka¯(h) ’Arbeit’. ¯ Röhrich 2 (1992), 993. Malter Smn ’Hohlmaß’ erw. obs. (11. Jh.), mhd. malter,

malder, ahd. maltar, as. maldar. Instrumentalableitung zu Þmahlen. Die Bedeutung war wohl ursprünglich wie bei dem ablautenden anord. meldr

Malve Sf (Pflanze mit rötlichen Blüten) erw. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus it. malva, dieses aus l. malva, das wie gleichbedeutendes gr. mala´che¯ aus einer Substratsprache stammt. Ebenso nndl. malve, ne. mallow, nfrz. mauve, nschw. malva. – Cottez (1980), 239; LM 6 (1993), 181.

Malz Sn std. (9. Jh.), mhd. malz, ahd. malz, as. malt. Aus

g. *malta- n. ’Malz’, auch in anord. malt, ae. mealt, malt. Daneben steht ein schlecht bezeugtes Adjektiv, das etwa ’herb’ bedeutet haben kann (ahd. malz, vgl. malzihho u.ä. ’Holzapfel’, nisl. mit schlechter Beleglage maltur ’bitter’), doch könnte das Adjektiv auch auf das Wort Malz zurückgehen. Ein unmittelbarer Anschluss an g. *melt-a- ’schmelzen’ kommt der Sache nach kaum in Betracht, doch könnte das ig. Adjektiv *mldu- ’weich, zart’, das im Slavischen als ˙ *moldo- erscheint und auf junge Pflanzen und Tiere spezialisiert ist, verglichen werden − das Malz wäre dann nach den Keimlingen des gemälzten Getreides benannt. Ebenso nndl. mout, ne. malt, nschw. malt, nisl. malt. – Heyne (1899/1903), II, 339f.; Heidermanns (1993), 401; EWNl 3 (2007), 388.

Mama Sf std. (17. Jh.). In der heutigen Form steht das

Wort unter dem Einfluss von frz. maman, von dem aus es seit dem 17. Jh. bestimmt wird. Ein kindersprachliches Wort entsprechender Lautung ist aber zweifellos schon vorher vorhanden gewesen. S. hierzu die Artikel ÞMemme und ÞMuhme. Die Lautung ma-, mam- ist als Lautgebärde für ’Brust, Mutter’ weit verbreitet, so dass Rekonstruktionen im Einzelfall nur bedingten Wert haben können. Vgl. auch Papa. – DF 2 (1942), 64; Rosenkranz, B. Kratylos 31 (1986), 91; EWNl 3 (2007), 295.

Mameluck Sm ’von christlichen Eltern geborener, im

islamischen Glauben erzogener Sklave, besonders Krieger der ägyptischen Sultane’ per. arch. (16. Jh.). Entlehnt aus it. mammalucco; dieses aus arab. mamlu¯k (zu arab. malaka ’besitzen’), also ’in jemandes Besitz befindlich’, gemeint sind Söldnertruppen.

Mandel1

597 Ebenso nndl. mammeluk, ne. mameluke, nfrz. mamel(o)uk, nnorw. mamelukk. – DF 2 (1942), 64; Tazi (1998), 263.

Mammon Sm ’Geld’ erw. bildg. (16. Jh.). Entlehnt aus

kirchen-l. mammo¯na, mam(m)o¯na˜s aus gr. ma¯mo¯na˜s, aus aram. ma¯mo¯na¯ ’Besitz, Habe’. Biblischer Ausdruck, der in den deutschen Fassungen meist nicht übersetzt wurde. Ebenso nndl. mammon, ne. mammon, nfrz. Mammon, nschw. mammon, nisl. mammon. – Littmann (1924), 30; DF 2 (1942), 64; Lokotsch (1975), 110; Röhrich 2 (1992), 993.

Mammut Sn std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. mammouth;

manch Adj/Pron std. (8. Jh.), mhd. manec, manic, ahd.

manag, as. manag. Aus g. *managa- Adj. ’mancher, viel’, auch in gt. manags, spanord. mangr, ae. manig, m¢nig u.ä., afr. manich, monich. Außergermanisch vergleichen sich akslav. mu˘nogu˘ ’viel’, air. menic ’oft’ und mit lautlich unklarem Zusammenhang l. omnis ’ganz, jeder’. Weiteres ist noch weniger klar (heth. humant- ’ganz, all, jeder’) − also ig. *hmon-? ’all, ganz’. Der neuhochdeutsche Auslaut stammt aus Mundarten, die auslautendes g als ch wiedergeben. Der alte Auslaut ist noch in mannigfach und mannigfaltig belegt.

dieses aus russ. ma´mut, das aus einer uralischen SpraBehaghel 1 (1923), 401–404; Mezger, F. Language 22 (1946), che stammt (waldjurakisch jeˇa£–£ammur¡tta¡ 348–353. ’Erdfresser’). Der erste (unbetonte) Teil ist bei der Übernahme ins Russische weggefallen, der Rest laut- Mandant Sm ’Klient eines Rechtsanwalts’ per. fach. lich angepasst worden. Im Deutschen als Vorderglied (20. Jh.). Eigentlich ’der Anvertrauende’ zu l. manin der Bedeutung ’riesig’ (Mammutveranstaltung da¯re ’anvertrauen, beauftragen’. Ebenso nndl. mandant, ne. mandator, nfrz. mandant, nnorw. u.ä.). Ebenso nndl. mammoet, ne. mammoth, nfrz. mammouth, nschw. mammut, nisl. mammu´t. – DF 2 (1942), 64f.; Krogmann, W. Orbis 15 (1966), 73–76; EWNl 3 (2007), 295f.

mampfen Vsw erw. stil. (18. Jh.). Lautmalend für das

Reden mit vollem Mund. ÞPampe.

Mamsell Sf ’Angestellte, Hausgehilfin’ erw. obs.

mandant; ÞMandat.

Mandarin Sm ’chinesischer Würdenträger’ erw. exot.

(17. Jh.). Entlehnt, wohl aus dem Portugiesischen. Das Wort ist eigentlich indisch (ai. mantrı´n’Ratgeber eines Fürsten’ zu ai. ma´ntra- ’Rede, Ratschlag’) und wurde von den Portugiesen in der Form mandarin auf chinesische Verhältnisse übertragen, wobei wohl l. manda¯re ’beauftragen, befehlen’ mitgewirkt hat. Heute wird auch nach englischem Vorbild die klassische chinesische Amtssprache Mandarin genannt.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. mademoiselle ’Fräulein’, einer Zusammenrückung aus frz. ma demoiselle ’mein Fräulein’. Frz. ma ’mein’ aus l. mea, nfrz. demoiselle wie frz. damoiselle ’Edelfräulein’ aus vorEbenso nndl. mandarijn, ne. mandarin, nfrz. mandarin, nschw. rom. *do˘mnı˘cella, einem Diminutivum zu l. domina mandarin, nisl. mandarı´ni. – DF 2 (1942), 65; EWNl 3 (2007), ’Herrin’ (ÞDame 1), der Movierung von l. dominus m. 298. ’Herr’, zu l. domus ’Haus’. Im Deutschen zunächst Mandarine Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. mandariehrenvolle Bezeichnung bürgerlicher Mädchen, dann ne, dieses aus span. (naranja) mandarina, dessen Herverwendet für ’übergeordnetes Dienstmädchen’. kunft unklar ist. Ebenso ne. damsel, nschw. mamsell, nnorw. mamsell. – DF 2 (1942), 50–52. 1

man Pron std. (8. Jh.), mhd. man, ahd. man, as. man.

Ebenso nndl. mandarijn, ne. mandarin(e), nfrz. mandarine, nschw. mandarin, nisl. mandarı´na. – Loewe, R. BGDSL 61 (1937), 228–230; DF 2 (1942), 65; EWNl 3 (2007), 298f.

Wie in ae. man, afr. ma, me Abschwächung des WorMandat Sn ’Auftrag, Amt’ erw. fach. (14. Jh.). Entlehnt tes ÞMann ’Mann, Mensch’ zum unpersönlichen aus l. manda¯tum ’Auftrag, Befehl’, dem substantivierPronomen. Entsprechend frz. on aus l. homo. ten PPP. von l. manda¯re ’übergeben, anvertrauen’, zu Gray, L. H. Word 1 (1945), 19–32; Röhrich 2 (1992), 993; l. manus f. ’Hand’ (Þmanuell) und l. dare ’geben, reiEWNl 3 (2007), 333. chen’ (ÞDatum). man2 Adv ’nur’ per. ndd. (18. Jh.), mndd. man. Über *neman, aus as. newan, entsprechend zu ahd. ni-wan, mhd. ni-wan, zusammengerückt aus der Verneinung und mhd. wan, mndd. wan Adv. / Konj. ’nur, außer’. Blume, H. ZGL 16 (1988), 168–182.

Manager Sm std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. manager,

einem Nomen Agentis zu ne. manage ’bewerkstelligen, leiten’, dieses aus it. maneggiare, zu it. mano f. ’Hand’, aus l. manus f. ’Hand’ (Þmanuell). Abstraktum: Management. Ebenso nndl. manager, ne. manager, nfrz. manager, nschw. manager, nnorw. manager. – Ganz (1957), 136; HWPh 5 (1980), 709–711; Rey-Debove/Gagnon (1988), 555f.; Carstensen 2 (1994), 868–879; EWNl 3 (2007), 297f.

Ebenso nndl. mandaat, ne. mandate, nfrz. mandat, nschw. mandat, nnorw. mandat; ÞMandant. – DF 2 (1942), 65; LM 6 (1993), 186f.; EWNl 3 (2007), 298.

Mande Sf ’Korb ohne Henkel’ per. arch. (17. Jh.), fnhd.

mand, mndd. mande, mndl. mande. Aus dem Niederdeutschen. Vergleichbar ist ae. mand ’Korb’. Herkunft unklar. Ebenso nndl. mand, ne. maund. – EWNl 3 (2007), 298.

Mandel1 Sf ’Frucht’ std. (11. Jh., mandelboum 9. Jh.),

mhd. mandel, ahd. mandala, mandel, as. mandala. Entlehnt aus spl. amandula, das seinerseits aus gr. amygda´le¯ stammt. Dieses ist wohl aus einer unbekannten Sprache entlehnt. Die Hals- und Rachen-

Mandel2 mandeln sind nach dem Vorbild des Lateinischen so benannt (Bedeutungsübertragung nach der Form); die gleiche Bedeutungsübertragung im Arabischen, das ein Vorbild für das Lateinische gewesen sein kann. Ebenso nndl. amandel, ne. almond, nfrz. amande, nschw. mandel, nisl. mandla. – Hoops (1905), 555f.; Krogmann, W. ZDPh 65 (1940), 26f.; Tagliavini, C. ZRPh 46 (1926), 46f.; LM 6 (1993), 187.

Mandel2 Smfn ’Menge von 15 oder 16 Stück’ per. arch.

598 Ebenso nndl. mangel, ne. mangle, nschw. mangel. – Heyne (1899/1903), III, 95; Kretschmer (1969), 391–395; Röhrich 2 (1992), 993; EWNl 3 (2007), 300.

mangeln Vsw ’fehlen’ std. stil. (9. Jh.), mhd. man-

gel(e)n, ahd. mangolo¯n. Entlehnt aus l. manca¯re ’verstümmeln, mangeln, fehlen’. Abstraktum: Mangel mit der Ableitung bemängeln; Präfigierung: ermangeln; Adjektiv: mangelhaft. Ebenso nfrz. manquer, ndn. mangle, nnorw. mangel.

Mangold Sm erw. fach. (14. Jh.), mhd. man(e)golt. Her-

(15. Jh.). Ursprünglich auf Garben bezogen. Aus kunft unklar. mndl. mandele ’Garbenstand’, auch ml. (13. Jh.) manMarzell 1 (1943), 583–585; Bertsch (1947), 220–229; EWNl 3 dala f. Weitere Herkunft unklar, vielleicht zu einem (2007), 300. keltischen Wort für ’Garbe’ (korn. manal, nbret. Manie Sf ’Besessenheit’ erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt malan aus *manatlo-). aus l. mania ’Wut’, dieses aus gr. manı´a ’Raserei, Krogmann, W. ZDPh 65 (1940), 26f. Wahnsinn, Wut, Tollheit’, zu gr. maı´nesthai ’rasen’, Mandoline Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. mangr. maı´nein ’rasend machen’, weiter zu ig. *mendoline, dieses aus it. mandolino m., Diminutivum zu ’denken, erinnern’. Als Hinterglied in fachsprachliit. mandola (älter: mandora) ’Zupfinstrument’, das chen Bezeichnungen seelischer Krankheiten wie mit unklarer Formentwicklung zurückgeht auf l. panÞKleptomanie, wozu die Bezeichnungen der Kranken du¯ra (= ein dreisaitiges Instrument). Anders DEO: auf -mane. Adjektiv: manisch. Nach der Form zu frz. amande ’Mandel’. Ebenso nndl. manie, ne. mania, nfrz. manie, nschw. mani, Ebenso nndl. mandoline, ne. mandolin(e), nfrz. mandoline, nschw. mandolin, nisl. mando´lı´n. – DF 2 (1942), 65; Relleke (1980), 200f.; DEO (1982), 384f.; EWNl 3 (2007), 299.

Mandrill Sm (Affenart) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus

ne. mandrill. Das englische Wort war zunächst Bezeichnung der Schimpansen und war wohl aus einer Eingeborenensprache Westafrikas übernommen. Dann übertragen auf eine Pavianart. Ebenso nndl. mandril, ne. mandrill, nfrz. mandrill, nschw. mandrill. – DF 2 (1942), 65; Rey-Debove/Gagnon (1988), 557.

Manege Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. mane`ge

’Pferdedressur, Reitbahn’, dieses aus it. maneggio m. (eigentlich ’Behandlung, Betrieb’), einer Ableitung von it. maneggiare ’mit etwas umgehen’, zu it. mano ’Hand’, aus l. manus (Þmanuell, ÞManager).

nnorw. mani. Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞAutomat, zur lateinischen Þmental und Þmonieren, zur germanischen Þmahnen. – DF 2 (1942), 66; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 398; Cottez (1980), 239f.; HWPh 5 (1980), 717–724; EWNl 3 (2007), 301.

Manier Sf std. stil. (13. Jh.), mhd. maniere. Ist entlehnt

aus afrz. maniere, dieses aus vor-rom. *manuaria, zu vor-rom. manuarius ’handlich, geschickt’, aus l. ma¯nua¯rius ’zu den Händen gehörig’, zu l. manus ’Hand’ (Þmanuell). In der Bedeutung spezialisiert ist der Plural Manieren mit dem Adjektiv manierlich. Ebenso nndl. manier, ne. manner, nfrz. manie`re, nschw. maner, nnorw. manne´r; Þmanieriert. – DF 2 (1942), 66–68; Miettinen (1962), 285–290; Cottez (1980), 239f.; Link-Heer, U. in Stil. Hrsg. H. U. Gumbrecht / K. L. Pfeiffer (Frankfurt 1986), 93–114; EWNl 3 (2007), 301f.

Ebenso nndl. manege, ne. mane`ge, nschw. manege, nnorw. mamanieriert Adj ’gekünstelt’ erw. fremd. (18. Jh.). Entnesje. – DF 2 (1942), 66; Jones (1976), 413; Jones, W. J. SN 51 (1979), 164; Brunt (1983), 362f.; EWNl 3 (2007), 299. lehnt aus frz. manie´re´. Mit ÞManier ist auch (im An-

mang Präp ’unter, zwischen’ per. ndd. (17. Jh.). Aus as.

an gimang wie ae. on gemong, eigentlich ’unter der Menge’ zu ae. gemong, as. gimang ’Menge, Schar’. Dieses zu Þmengen. Ebenso ne. among.

Mangan Sn ÞMagnesia. Mangel (auch Mange) Sf ’Glättrolle’ erw. obs. (15. Jh.).

schluss an it. maniera) der dem Künstler eigentümliche Stil gemeint, der bei Übertreibung als ’gekünstelt’ erscheint und so abgewertet wird. So charakterisierte Stilrichtungen werden als Manierismus bezeichnet. Ebenso nndl. gemanie¨reerd, ne. mannered, nfrz. manie´re´, nschw. maniererad, nnorw. maniert, manierert. – Federhofer, H. AB 17 (1973), 206–220; HWPh 5 (1980), 724–726; Strauss u.a. (1989), 657–661.

Zuvor bezeichnete das gleiche Wort eine Kriegsmaschine zum Schleudern von Steinen, mhd. mange, Manifest Sn ’Programm einer Gruppierung’ erw. fach. entlehnt aus ml. manganum n., manga (u.ä.), dieses (17. Jh.). Entlehnt aus ml. manifestum, einer Substanwiederum aus gr. ma´nganon n. ’Wurfmaschine’. Die tivierung von l. manife¯stus ’offenbar, augenscheinKriegsmaschine wurde mit Steinkästen (deren Gelich, handgreiflich’, zu l. manus f. ’Hand’ (Þmanuell). wicht die Schleuderkraft hervorriefen) betrieben, die Verb: manifestieren. Appreturmaschinen verwendeten entsprechende Ebenso nndl. manifest, ne. manifesto, manifest, nfrz. manifeste, nschw. manifest, nnorw. manifest. – DF 2 (1942), 68; EWNl 3 Steinkästen, um den notwendigen Druck zu erzeugen (2007), 302. − daher die Übertragung der Bezeichnung.

Manöver

599 Maniküre Sf ’Pflege der Hände’ erw. fach. (20. Jh.).

Entlehnt aus frz. manucure, zu frz. cure ’Sorgfalt’, aus l. cu¯ra ’Sorge, Fürsorge’ (ÞKur), und l. manus ’Hand’ (Þmanuell). Ebenso nndl. manicure, ne. manicure, nfrz. manucure (’Handpflegerin’), nschw. manikyr, nnorw. manikyre. – EWNl 3 (2007), 301.

Manipulation Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. mani-

pulation, einer Ableitung von frz. manipuler ’zum eigenen Vorteil beeinflussen’, älter: ’chemische u.a. Substanzen handhaben’, zu frz. manipule ’eine Handvoll (Kräuter), Bund’, aus l. manipulus m., zu l. manus ’Hand’ (Þmanuell) und l. ple¯re ’füllen’ (verwandt mit l. ple¯nus ’voll’; ÞPlenum). Verb: manipulieren.

mannbar Adj ’heiratsfähig’ erw. obs. (13. Jh.). Zunächst

nur von Mädchen gesagt, erst wesentlich später (15. Jh.) auch von Männern. Die Bildung ist nicht recht durchsichtig; vielleicht zum Verb mannen im Sinn von ’heiraten’. Mannequin Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. manne-

quin m. ’Modepuppe’, dieses aus mndl. mannekijn ’Männchen’, einem Diminutivum zu mndl. man m. ’Mann’. Zunächst Bezeichnung für Puppen, die man zum Nähen und Ausstellen von Kleidung verwendet; dann übertragen auf Frauen, die einem Publikum Kleidung vorführen. Ebenso nndl. mannequin, ne. mannequin, nschw. mannekäng, nnorw. mannekeng. – Schirmer (1911), 125; DF 2 (1942), 69; Reinmöller, A. MS 75 (1965), 23–25; DEO (1982), 385; EWNl 3 (2007), 303.

Ebenso nndl. manipulatie, ne. manipulation, nschw. manipulera, nnorw. manipulere. – DF 2 (1942), 68f.; Betz (1977), 87–93; HWPh 5 (1980), 726–729; Röhrich 2 (1992), 993; Strauss u.a. Männertreu (auch Mannstreu) Sfn (Bezeichnung ver(1989), 231–242; EWNl 3 (2007), 302.

manisch Adj ÞManie. Manko Sn ’Nachteil, Fehlendes’ erw. stil. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus it. manco m. (älter: a manco ’im Ausfall’), zu l. mancus ’unvollständig, gebrechlich, verstümmelt’. Ebenso nndl. manco, nfrz. manque, ndn. manko, nnorw. manko; Þmangeln. – Schirmer (1911), 125; DF 2 (1942), 69; Röhrich 2 (1992), 993f.; EWNl 3 (2007), 298.

Mann Sm std. (8. Jh.), mhd. man, ahd. man, as. man.

schiedener Blumen) erw. fach. (15. Jh.). Wohl ironisch nach der Vergänglichkeit der Blüten. Der Wurzelabsud der schon früh so benannten Veronica chamaedrys wurde zur Stärkung der Manneskraft empfohlen, doch geht der Name kaum auf diese Verwendung zurück. Sauerhoff (2001), 206.

mannig, mannigfach, mannigfaltig Adj Þmanch.

Aus g. *mano¯n- m. ’Mann, Mensch’, auch in gt. man- männiglich Pron ’jeder’ per. schwz. (9. Jh.), mhd. mannegelı¯ch, ahd. manno gihwiolı¯h. Zusammengerückt na, anord. madrÑ , mannr, ae. mann(a), monn(a), afr. mannogilı ¯h ’jeglicher der Männer/Menschen’. Eine monn. Der n-Stamm, der offenbar in bestimmten parallele Zusammenrückung in mndd. manlik, malk, Fällen schwundstufig war, führte zu einer Flexion auf das auf mannogihwelı¯c zurückgeführt wird. der Grundlage von *mann-, die einfache Form aber Behaghel 1 (1923), 387f. z.B. noch in der gt. Kompositionsform mana-. WeiMannsbild Sn ’Mann (in Bezug auf seine Körperlichterbildung von g. *gumo¯n- ’Mann, Mensch’ keit)’ erw. obs. (15. Jh.). Gebildet als mannes und wı¯bes (ÞBräutigam) von der Ablautsform *gman-o¯n mit bilde ’Gestalt/Körper von Mann und Frau’, das zu Erleichterung der Konsonantengruppe im Anlaut. Mannsbild und ÞWeibsbild führt und im Laufe der Parallele Bildungen sind lit. ˇzmo´ne˙s ’Menschen’, Zeit auf regionale Sprachformen zurückgedrängt apreuß. smunents ’Mensch’. Adjektive: männlich, wird. mannhaft; Präfixableitungen: be-, ent-, er-, übermannen; Kollektivum: ÞMannschaft. Mannschaft Sf std. (13. Jh.), mhd. manschaft. Hat verEbenso nndl. man, ne. man, nschw. man, nisl. maduÑ r; Þman 1, schiedene Bedeutungen, die einem Abstraktum oder ÞMannequin, ÞMensch. – Berneker, E. IF 9 (1898), 360f.; RaKollektiv zukommen: ’Status des (Lehens-)Mannes’, mat, P. Sprache 9 (1963), 23–34; Levin, S. in Papers from the ’Gefolgsleute’. Die kollektive Bedeutung setzt sich 3rd International Conference on Historical Linguistics. Hrsg. durch und wird verallgemeinert. J. P. Maher, A. R. Bomhard, E. F. K. Koerner (Amsterdam 1982), 207–215; Röhrich 2 (1992), 994–996; Bammesberger, A. BzN 34 (1999), 1–8; Kochskämper (1999), 402–462; EWNl 3 (2007), 296f.

Manna Sn ’die wundersame Nahrung der Israeliten

nach dem Auszug aus Ägypten’ erw. bildg. (8. Jh.), spmhd. mannabro¯t. Ist mit verdeutlichender Komposition entlehnt aus spl. manna, dieses aus ntl.-gr. ma´nna, aus hebr. / aram. ma¯n, manna¯( ) (möglicherweise ’Honigtau’).

mannstoll Adj std. stil. (14. Jh.). Zusammengerückt aus

mannes toll ’toll (wild) auf einen Mann, auf Männer’. Mannstreu Sfn ÞMännertreu. Mannweib Sn erw. obs. (17. Jh.). Die ältere Bedeutung

(seit dem 17. Jh.) ist ’Zwitter’ als Lehnübersetzung von gr. andro´gynos m. Im 19. Jh. wird das Wort von Jean Paul verwendet für Frau von männlichem Gebaren, also eher für ’Amazone’. Der heutige Gebrauch folgt im allgemeinen dem von Jean Paul.

Ebenso nndl. manna, ne. manna, nfrz. manne, nschw. manna, Manöver Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. manœvre f. nisl. manna. – EWNl 3 (2007), 302.

(eigentlich ’Handhabung’), dieses aus spl. manuopera f. ’Handarbeit’, zu l. manu¯ opera¯re ’mit der Hand ar-

Mansarde

600

’übergeben, anvertrauen’ (Þkommandieren, ÞMandant, beiten’, zu l. manus f. ’Hand’ (Þmanuell) und l. opera ÞMandat). Auf eine italienische Ableitung gehen zurück f. ’Arbeit’ (zu l. opera¯rı¯ ’arbeiten’; Þoperieren). Aus ÞManager und ÞManege, auf eine lateinische ÞManschette; zu ’Handarbeit’ ergibt sich die zusätzliche Bedeutung Adjektivbildungen gehören ÞManier, Manual und Þmanuell. ’Bewegung (der Hand)’, die dann auf Heeres- und Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞMund 2. – EWNl 3 Flottenschwenkungen übertragen wird. Daraus dann (2007), 304f. einerseits verallgemeinernd ’Truppenübung’, andeManufaktur Sf ’gewerblicher Betrieb mit Fertigung in rerseits aus ’geschickte Wendung’ dann ’Kunstgriff’. Handarbeit’ erw. obs. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. maVerb: manövrieren. nufacture oder ne. manufacture, einer ursprünglich Ebenso nndl. manoeuvre, ne. manœuvre, nschw. manöver, französischen Bildung aus l. manus ’Hand’ nnorw. manøver. – DF 2 (1942), 69f.; EWNl 3 (2007), 303. (Þmanuell) und l. factu¯ra, Abstraktum zu l. facere Mansarde Sf ’ausgebautes Dachgeschoss’ erw. fach. ’machen’ (Þinfizieren). (18. Jh.). Entlehnt aus frz. mansarde, nach dem Ebenso nndl. manufacturen, ne. manufacture, nschw. manuNamen des Architekten F. Mansart, den man (fälschfaktur, nnorw. manufaktur. – DF 2 (1942), 71f.; LM 6 (1993), lich) als Erfinder dieser Bauweise ansah. 212f. Ebenso ne. mansard, nschw. mansardtak, nnorw. mansard. – DF 2 (1942), 70; Brunt (1983), 363f.

manschen Vsw Þmantschen. Manschette Sf ’Abschluss des Ärmels’ erw. fach.

Manuskript Sn erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus ml. ma-

nuscriptum, zusammengerückt aus l. manu¯ scrı¯ptus ’mit der Hand geschrieben’, zu l. manus ’Hand’ (Þmanuell) und l. scrı¯bere ’schreiben’ (Þdeskribieren).

(17. Jh.). Entlehnt aus frz. manchette, einem DimiEbenso nndl. manuscipt, ne. manuscript, nfrz. manuscrit, nutivum zu frz. manche ’Ärmel’ (zunächst für einen nschw. manuskript, nnorw. manuskript. – DF 2 (1942), 72; Ärmelansatz aus Spitzen), dieses aus l. manica (der EWNl 3 (2007), 305. lange Ärmel der Tunika, der auch die Hand bedeckte Mappe Sf std. (15. Jh.). Die heutige Bedeutung und zugleich als Handschuh verwendet werden ’Umschlag, Behälter’ entstand im 18. Jh. als ’Behälter konnte), zu l. manus ’Hand’ (Þmanuell). Die Redensfür Landkarten’, denn das Wort bedeutete ehemals art Manschetten haben ’Angst haben’ entsteht als ’Landkarte’. Mit dieser Bedeutung ist es entlehnt spöttischer Spruch über die ’modischen Weichlinge’, worden aus ml. mappa (mundi) ’Weltkarte, Landkardie handfesten Auseinandersetzungen aus dem Weg te’. L. mappa bedeutet ursprünglich ’Tuch’, dann spegingen. zialisiert auf ’bezogenes Tuch’. Ebenso nndl. manchet, nfrz. manchette, nschw. manschett, nisl. manse´tta. – DF 2 (1942), 70f.; Brunt (1983), 361f.; Röhrich 2 (1992), 997; EWNl 3 (2007), 298.

Ebenso nndl. map, ne. map, nschw. mapp, nnorw. mappe. – EWNl 3 (2007), 305.

Mär Sf ÞMärchen. mantal, mndd. mantel m./f., mndl. mantel. Wie Marabu Sm (Storchenart) erw. exot. (19. Jh.). Entlehnt anord. mo¸tull entlehnt aus l. mantellum, mante¯lum n. aus frz. marabout. Dieses aus span. morabito, port. ’Hülle, Decke’, das eine Erweiterung von l. mantum n. marabuto, dieses aus arab. mura¯bit ’(islamischer) ˙ (wegen des wür’kurzer Mantel’ ist. Dieses scheint ibero-keltischer Einsiedler, Asket’ und ’Riesenstorch’ Herkunft zu sein. Auch übertragen für ’Verhüllung, devollen Aussehens und Verhaltens dieser Vögel). Umhüllung’ verwendet, auch abstrakt wie ÞRahmen Heute wird teilweise zwischen Marabu ’Riesenetwa in Manteltarif. Präfixableitung: Þbemänteln. storch’ und Marabut ’islamischer Einsiedler’ unterEbenso nndl. mantel, ne. mantle, nfrz. manteau, nschw. manschieden.

Mantel Sm std. (11. Jh.), mhd. mantel, mandel, ahd.

tel, nnorw. mantel; ÞDeckmantel. – Röhrich 2 (1992), 997–1000; LM 6 (1993), 203f.; EWNl 3 (2007), 304.

mantschen Vsw ’im Wasser plantschen, mischen’ std.

Ebenso nndl. maraboe, ne. marabou(t), nfrz. marabout, nschw. marabustork, nisl. marabu´storkur. – DF 2 (1942), 72; LM 6 (1993), 215 (zu Marabut); Tazi (1998), 212; EWNl 3 (2007), 305.

stil. (16. Jh.). Neben matschen (ÞMatsch) wie Marathonlauf Sm std. (19. Jh.). 1896 als olympische Þpanschen und Þpatschen. Wohl lautmalerischen UrDisziplin eingeführt im Andenken an die (geschichtsprungs. lich nicht erwiesene) Tat des Läufers, der von MaraS. auch ÞMatsch. – Minor, J. ZDW 1 (1901), 67f. thon (einem antiken Ort an der Ostküste Attikas) nach dem Sieg über die Perser die 42 Kilometer nach manuell Adj ’von Hand’ erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt Athen lief, um die Siegesnachricht zu überbringen; aus frz. manuel, dieses aus l. manua¯lis, zu l. manus worauf er tot zusammenbrach. Deshalb geht dieser ’Hand’. Lauf auch über 42 km. Heute ist Marathon- eine Art Ebenso nndl. manueel, ne. manual, nfrz. manuel, nschw. maLehnaffix zur Bezeichnung von etwas Überlangem nuell, nnorw. manuell. Zu l. manus ’Hand’ gehören als Kom(Marathon-Diskussion). posita ÞManifest, ÞManiküre (frz.), ÞManöver, ÞManufaktur (frz.), ÞManuskript und die Grundlage von manipulieren (ÞManipulation). Auf verbale Zusammenbildungen gehen zurück ÞEmanzipation und die Ableitungen von l. manda¯re

Ebenso nndl. marathonloop, ne. marathon (race), nfrz. marathon, nschw. maratonlopp, nnorw. maratonløp. – EWNl 3 (2007), 305f.

Marine

601 March Sf ’Flurgrenze’ per. schwz. (18. Jh.). Oberdeut-

sche Form von ÞMark 2. Märchen Sn std. (15. Jh.). Wie obd. Märlein seit dem

Ebenso nndl. margarine, ne. margarine, nfrz. margarine, nschw. margarin, nnorw. margarin. – Littmann (1924), 23; Seibicke MS 1961, 90; Cottez (1980), 240; EWNl 3 (2007), 307.

15. Jh. bezeugt für kleine Erzählungen, meist in Vers- Marge Sf ’Differenz, Bereich’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. marge ’Rand, Spielraum’, aus l. margo form; die heutige Bedeutung im wesentlichen fest’Rand’ (Þmarginal). gelegt durch den Wortgebrauch der Gebrüder Ebenso nndl. marge, ne. marge, nschw. marginal, nnorw. marGrimm. Das Wort ist eine Verkleinerungsform von gin. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞMark 1. – EWNl 3 fnhd. m¢re, m¢r, mhd. m¢re f./n., ahd. ma¯ri, ma¯re (2007), 307. ’Nachricht, Kunde’, ahd. ma¯rı¯ f. ’Ruhm’, mndd. mere ’Kunde, Erzählung, Bericht’ (vgl. gute, neue Mär im Margerite Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. marguerite, dieses übertragen aus l. margarı¯ta ’Perle’, aus gr. marWeihnachtslied, nach Luther). Dies ist ein Abstrakgarı´te¯s m. ’Perle’, einem Lehnwort aus einer orientatum zu g. *m¢ ¯ r-ija- Vsw. ’verkünden, erzählen’ in gt. lischen Sprache. Das Wort ist schon in der Antike als merjan, anord. m¢ra, ae. (ge)m¢¯ ran, as. ma¯rian, ahd. Name (Margarete) verwendet worden. ma¯r(r)en, ma¯ran, mhd. m¢ren, einem Faktitivum zu Ebenso nndl. margriet, ne. marguerite, nfrz. marguerite, ndn. dem Adjektiv g. *m¢ ¯ rja- ’berühmt’ in gt. wailamereis marg(u)erite, nnorw. margeritt; ÞMargarine. – Marzell 1 ’löblich’, anord. m¢rr, ae. m¢ ¯ re, as. ma¯ri, ahd. ma¯ri, (1943), 956–972; Reichert, B.: Kornblume und Margerite in mhd. m¢re. Dieses gehört wohl mit Ablaut zu einem der deutschen Synonymik (Diss. masch. Tübingen 1955); Maskeltischen Adjektiv für ’groß’ (air. ma´r, kymr. mawr); son, M. Linguistique 25 (1989), 127–141; EWNl 3 (2007), 307. dazu mit abweichender Stammbildung Þmehr. marginal Adj ’am Rand liegend’ per. fremd. (16. Jh.). Bolte, J. / Polivka, G.: Anmerkungen zu den Kinder- und Entlehnt aus neo-kl. marginalis, zu l. margo ’Rand’. Hausmärchen der Brüder Grimm (Leipzig 1913/32), IV, KapiAls Substantivierung Marginalie ’Randbemerkung’ tel I; Röhrich 2 (1992), 1000; LM 6 (1993), 224–226; Heider(älter Marginale). manns (1993), 408f.; EWNl 3 (2007), 306. ˘

Marder Sm std. (9. Jh.), mhd. marder, ahd. mardar, as.

Ebenso nndl. marginaal, ne. marginal, nfrz. marginal, nschw. marginell, nnorw. marginal; ÞMarge. – DF 2 (1942), 72.

mardrÑ ¯ın ’aus Marderfell’. Das auslautende -r beruht auf einer Erweiterung (wohl g. -z wie das erweiternde Marienglas Sn ’Gipskristall’ per. fach. (18. Jh., älter Frauenglas, noch älter [17. Jh.] Fraueneis). Benen-s in ÞFuchs 1 und ÞLuchs). Unerweitert ahd. mard, nungsmotiv unklar; doch scheinen mehrfach Naturafr. merth, ae. mearþ, anord. mo¸rdrÑ aus g. *marþu-. produkte, die Kunstprodukten ähnlich sind, nach der Die Herkunft des Namens ist unklar. Auffällig sind Gottesmutter benannt zu sein. Vielleicht kommt die die häufigen ’Übernamen’ für Wiesel und Marder, Bezeichnung daher, dass Marienglas zum Schmücken unter denen mehrfach ’junge Frau, Braut’ erscheint von Marien- und Heiligenfiguren diente. (so in it. donnola f., ngr. ny(m)phı´tsa n., slav. neveˇsta Ebenso nndl. mariaglas, vrouwenglas, nschw. marienglas. – Lüf.). Auf diese Weise könnte mit dem Wort Marder lit. schen (1979), 220. martı` ’Braut’ verknüpft werden. Das Motiv für diese Bezeichnungen ist unklar. Wohl kaum eine beschö- Marienkäfer Sm std. (18. Jh.). Ein Benennungstyp, der über ganz Europa verbreitet ist (vgl. ne. lady-bird, nigende Benennung (obwohl dies naheliegen würde, nfrz. [dial.] beˆte de la vierge usw.). Der Name geht da das Wiesel im Volksglauben mit dem Erscheinen wohl aus von dem Siebenpunkt, der als Symbol der von Krankheiten zu tun hat), sondern ausgehend sieben Schmerzen Mariens angesehen wurde. vom Hermelin eine Übertragung auf Grund der Ebenso ne. lady-bird, nschw. jungfru Maria höna, nnorw. maschönen weißen Farbe. Ebenso nndl. marter, ne. marten, nschw. ma˚rd, nisl. mörduÑ r. – Schrader, O. BKIS 15 (1889), 128–131; EWNl 3 (2007), 312f.

mären Vsw ’herumwühlen, trödeln’ per. reg. (13. Jh.),

rihøne, nisl. mariu´bjalla. – Wissmann (1963–1968), 178–227; Lokotsch (1975), 113; Mooijman, E. TT 39,1–2 (1987), 21–53.

Marienmantel Sm ÞFrauenmantel.

Marille Sf ’Aprikose’ per. reg. (17. Jh.). Über italienimhd. mer(e)n ’Brot eintauchen und so essen’. Versche Vermittlung (it. armellino) wohl aus l. Armenimutlich aus *merhen und vergleichbar mit lit. mer˜kti acum (po¯mum n.) (eigentlich ’armenischer Apfel’) ’(Flachs) einweichen’, gall. embrekton ’eingetunkter entlehnt. Z.T. vermischt mit Amarelle ’Süßkirsche’. Bissen’ (das zu l. imbractum wird). ÞMärte.

ÞMorelle.

Margarine Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. margarine, Marinade Sf Þmarinieren. einer Neubildung zu frz. margarique (acide), der Be- Marine Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. marine, zu frz.

zeichnung einer in der Margarine enthaltenen Säure. Das französische Bestimmungswort (1869 in der Patentanmeldung) ist übernommen aus gr. ma´rgaros m./f. (einer Rückbildung zu gr. margarı´te¯s m. ’Perle’) ’perlweiße Farbe, Perle’ ÞMargerite.

marin ’die See betreffend’, aus l. marı¯nus, zu l. mare n. ’Meer’. Ebenso nndl. marine, ne. marine, nfrz. marine, nschw. marin, nnorw. marine. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞMeer; ÞKormoran, Þmarinieren, ÞRosmarin, ÞUltramarin. – Kluge (1911), 568; DF 2 (1942), 73; Brunt (1983), 366; EWNl 3 (2007), 308.

marinieren

602

marinieren Vsw ’in scharfer Tunke einlegen’ erw. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus frz. mariner. Dieses aus frz. marine´ ’in Salzwasser eingelegt’, zu frz. marine ’Meerwasser’ (ÞMarine). Konkretum: Marinade.

mearc, afr. merke, mhd. marc n., mndd. mark n. Vermutlich mit bewahrter systematischer Bedeutung ’Teilung, Geteiltes’ zu der unter ÞMark 2 behandelten Grundlage.

Ebenso nndl. marineren, ne. marinate, nfrz. mariner, nschw. marinera, nnorw. marinere. – EWNl 3 (2007), 308.

Röhrich 2 (1992), 1001; LM 6 (1993), 296f.; Griepentrog (1995), 265–285; RGA 19 (2001), 278f.

Marionette Sf ’an Fäden bewegliche Puppe’ erw. fach.

markant Adj std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. marquant,

(17. Jh.). Entlehnt aus frz. marionnette, aus frz. *mariolette, einer Ableitung von mfrz. mariole ’Figürchen’, eigentlich ein Hypokoristikum zu frz. Marie (= Maria), aber wohl zurückgehend auf l. marı¯ta ’verheiratete Frau’. Ebenso nndl. marionet, ne. marionette, nfrz. marionette, nschw. marionett, nisl. marı´o´netta; ÞMarotte. – Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 190; Kluge (1911), 568; DF 2 (1942), 73; DEO (1982), 388f.; Brunt (1983), 367; Röhrich 2 (1992), 1000; EWNl 3 (2007), 308.

Mark1 Sn ’Gewebe in Knochen und Pflanzenstän-

partizipiales Adjektiv von frz. marquer ’kennzeichnen’. Ebenso nfrz. marquant, nndl. markant, nschw. markant, nnorw. markant; Þmarkieren. – DF 2 (1942), 73; EWNl 3 (2007), 309.

Marke Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. marque glei-

cher Bedeutung. Das französische Wort ist eine Rückbildung aus frz. marquer ’kennzeichnen’, und dieses wiederum stammt aus it. marcare (die französische Entlehnung ist afrz. merchier), zu it. marco, das aus g. *marka- n. ’Zeichen’ entlehnt ist (ÞMark 3).

geln’ std. (8. Jh.), mhd. marc, ahd. marg, marc, as. Ebenso nndl. merk, ne. mark, nfrz. marque, nschw. märg, nisl. marg. Aus g. *mazga- n. ’Mark’, auch in anord. mergr merki; Þmarkieren, Þmerken. – DF 2 (1942), 73f.; LM 6 (1993), m., ae. mearh, m¢rh m./n., afr. merch, merg. Dieses 304; EWNl 3 (2007), 338. aus ig. *mozg ho- ’Mark’, auch in ai. majja´n- m. Marketender Sm ’die Truppe begleitender Händ’Mark’, toch. A mäs´´sunt ’Mark’, akslav. mozgu˘ m. ler’ erw. obs. (16. Jh.). Entlehnt aus it. mercatante, zu ’Gehirn’, apreuß. muzgeno f. und evtl. (falls auf unit. mercato ’Handel, Markt’, aus l. merca¯tus, zu l. merregelmäßiger Umstellung beruhend) lit. sma˜gene˙s f. ca¯rı¯ ’handeln’, zu l. merx (-rcis) f. ’Ware’. Pl. ’Gehirn, Mark’. Weitere Herkunft unklar. AdjekEbenso nndl. marketenter, nschw. marketentare, nnorw. martiv: markig. ketenter; ÞMarkt. – DF 2 (1942), 74. Ebenso nndl. merg, ne. marrow, nschw. märg, nisl. mergur. – Röhrich 2 (1992), 1000f.; EWNl 3 (2007), 338. 2

Mark Sf ’Grenzgebiet’ erw. obs. (8. Jh., latinisiert

markieren Vsw std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. marquer

’kennzeichnen’ (ÞMarke). Abstraktum: Markierung. Ebenso nndl. markeren, ne. mark, nschw. markera, nnorw. markere. – DF 2 (1942), 74.

7. Jh.), mhd. marke, ahd. marca, mar(c)ha u.ä., as. marka. Aus g. *mark(o¯) f. ’Grenzgebiet’, auch in gt. marka, anord. mo¸rk, ae. mearc, afr. merke. Außerger- Markise Sf ’bewegliches Sonnendach’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. marquise, eigentlich manisch vergleicht sich zunächst l. margo ’Rand’ ’Markgräfin’, movierte Form von frz. marquis m. (auch das sonst ganz isolierte pers. marz ’Landstrich, ’Markgraf’, aus vor- rom. *markensis, einer Ableitung Mark’?, vgl. das Hapax avest. mar¡z¡m (Akk.), das von vor- rom. *marca ’Grenzmark’ (aus der Vorform ’Mark’ bedeuten kann), dann mit abweichendem Vovon ÞMark 2). Die Form wird von Soldaten scherzhaft kalismus (*mrog-) air. mruig, kymr. bro ’Bezirk’. Als (Motiv unklar) auf das besondere Zeltdach von Ofverbale Grundlage kommt eine Entsprechung zu fizierszelten übertragen; dann für andere Sonnendäheth. mark- ’teilen, zerteilen’ in Frage. Also (ig.) cher gebraucht. *mereg´ ’teilen’ mit einer Ableitung ’Grenze, GrenzEbenso nndl. markies, nfrz. marquise, nschw. markis, nnorw. gebiet’, die wegen des unregelmäßigen Vokalismus markise. – DF 2 (1942), 74; EWNl 3 (2007), 310. am ehesten eine untypisch fortgesetzte Schwundstufe Markolf Sm ’Häher’ per. wndd. (15. Jh.). Übertragung enthält. des Männernamens auf das Tier, vermutlich zuerst in Ebenso nndl. mark, ne. march (über das Französische), nschw. mark. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞMarge; s. auch der Tierfabel. Früher bezeugt ist die Bezeichnung als Þausmarchen, ÞMarch, ÞMarke, und über das Französische: Name eines Spötters (Murner: Geuchmatt), so dass ÞMarkise. – Erben, W. ZSSR-GA 43 (1922), 1–65; Hubder Häher, der die Stimmen anderer Vögel nachahschmied, J. U. VR 3 (1938), 139–155; Tiefenbach (1973), 74–78; men kann, danach benannt sein könnte (der Spötter Müller (1976), 21–58; Steinhauser (1978), 61; Caprini, R. kann aber auch nach dem Häher heißen − in diesem StG 16 (1978), 245–266; Schmidt-Wiegand, R.: Mark und AllFall ist das Benennungsmotiv für den Häher unklar). mende (Marburg 1981); von Olberg (1991), 148f.; LM 6 (1993), Neben Markolf steht in gleicher Bedeutung auch 298–304; Sousa Costa (1993), 244–249; Griepentrog (1995), Markwart. 265–285; EWNl 3 (2007), 309. Mark3 Sf ’Währung’ std. (12. Jh.), mhd. marc(h), marke

’halbes Pfund Silber oder Gold’. Aus g. *marka n. ’Gewichts- und Werteinheit’ in anord. mark n., ae.

EWNl 3 (2007), 324f.

Markt Sm std. (8. Jh.), mhd. mark(e)t, ahd. marca¯t, as.

markat. Wie ae. market n., anord. markadrÑ entlehnt

Märte

603

aus spl. marca¯tus, Variante von l. merca¯tus ’Kauf, Markt’. Dieses über l. merca¯rı¯ ’Handel treiben’ zu l. merx (-rcis) f. ’Ware’. Ebenso nndl. markt, ne. market, nfrz. marche´, nschw. marknad, nisl. marked; Þkommerziell, ÞMarketender, ÞMars. – Protze, H.: Das Wort Markt in den mitteldeutschen Mundarten BVSAW 106 (1961), 2; HWPh 5 (1980), 753–758; Röhrich 2 (1992), 1001f.; LM 6 (1993), 308–314; EWNl 3 (2007), 310f.

Marmel Smf (auch Murmel f.) ’Spielkugel’ std. (9. Jh.),

mhd. marmel f., ahd. marmul, murmul f . Eindeutschungen von l. marmor. Während die Bezeichnung für den Stein als ÞMarmor erneuert wird, hält sich die alte Form als Bezeichnung für das Spielgerät (mit zahlreichen lautlichen Variationen). Ebenso ne. marble, nschw. marmorkulla. – Kuhn, E. FS Braune (Dortmund 1920), 352–355; Lasch (1928), 160; Mohr, W. FS Trier (1964), 47–68.

Marmelade Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus port. mar-

Ebenso ne. marron, nfrz. marron, nschw. maron. – DF 2 (1942), 77.

Marotte Sf ’seltsame Angewohnheit’ erw. fremd.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. marotte (auch: ’Narrenkappe, Narrenszepter mit Puppenkopf’). ÞMarionette. – DF 2 (1942), 77; Strasser (1976); DEO (1982), 388, 392; Röhrich 2 (1992), 1002.

Mars Smf ’Mastkorb’ per. fach. (15. Jh., in hochdeut-

schen Texten bezeugt seit dem 15. Jh.), mndd. marse, merse f. ’Mastkorb, Schiffsmast’, mndl. merse f. ’Ware, Warenkorb, Korb’. Möglicherweise aus l. merces Pl. ’Kaufwaren’. Ebenso nndl. mars, nschw. märs, nnorw. mers; ÞMarkt. – Kluge (1911), 569f.; LM 6 (1993), 323.

Marsch1 Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. marche, das

ursprünglich ’Gang, Tritt’ bedeutet. Ebenso marschieren (aus frz. marcher), das aber länger mit -ch- geschrieben wird. Desgleichen der Zuruf Marsch!

melada ’Quittenmus’ (wohl über frz. marmelade), aus dem frz. Imperativ marche. einer Ableitung von port. marmelo m. ’Honigapfel, Quitte’, dieses aus l. melime¯lum n., aus gr. melı´me¯lon Ebenso nndl. mars, ne. march, nfrz. marche, nschw. marsch, nnorw. marsj. – DF 2 (1942), 77f.; Jones (1976), 417f.; Röhrich n., zu gr. me´li n. ’Honig’ und gr. me˜lon n. ’Apfel’. Die 2 (1992), 1002f. Bedeutungsausweitung nach dem Französischen, vgl. aber ne. marmalade ’Orangenmarmelade’. Marsch2 Sf ’Niederung’ erw. ndd. (17. Jh., in hochdeutEbenso ne. marmelade, nfrz. marmelade, nschw. marmelad, schen Texten seit dem 17. Jh.), mndd. marsch, mersch, nnorw. marmelade. S. einerseits ÞMehltau, ÞMelasse, masch f./n., mndl. maersche. Entsprechend ae. ÞMelisse, andererseits ÞMelone. – Kuntze, F. NJKA 41 (1918), mer(i)sc m., das die Herkunft aus (g.) *mariska- Adj. 77f.; DF 2 (1942), 75; Jones (1976), 425; EWNl 3 (2007), 311. ’zum Meer gehörig’ zeigt; weiter zu ÞMeer. Marmor Sm std. (8. Jh.), mhd. marme, ahd. marmul, Ebenso nndl. mars, ne. marsh; ÞMorast. – von Polenz, P. NJ murmel. Ist entlehnt aus l. marmor n., dieses aus gr. 79 (1956), 59–66; LM 6 (1993), 324; Udolph (1994), 364–377; EWNl 3 (2007), 325. ma´rmaros (ursprünglich ’Stein, Felsblock’). Die heutige Form durch eine Relatinisierung im 16. Jh. Marschall Sm std. (8. Jh.), mhd. marschalc, ahd. Ebenso nndl. marmer, ne. marble, nfrz. marbre, nschw. marmar(ah)-scalc. Bei der Lautentwicklung zum Neumor, nisl. marmari. S. auch ÞMarmel. – DF 2 (1942), 75; Lühochdeutschen hat wohl frz. mare´chal (das selbst aus schen (1979), 271f.; Cottez (1980), 240; LM 6 (1993), 316f.; dem Germanischen stammt) mitgewirkt. Das Wort EWNl 3 (2007), 311. ist zusammengesetzt aus ahd. marah- ’Pferd’ marode Adj ’leicht krank’ erw. fremd. (18. Jh.). Als Ad(ÞMähre) und ahd. scalc ’Diener’ (ÞSchalk); gemeint jektiv nur deutsch; weitergebildet aus frz. maraud war der Aufseher über den fürstlichen Tross. Die wei(ÞMarodeur). Das Adjektiv marode meint eigentlich tere Bedeutungsentwicklung dann über ’Reiterge’marschunfähig’ und bezieht sich auf die der Truppe neral’. Das Wort wird nicht nur in die romanischen folgenden Nachzügler. Sprachen entlehnt, sondern auch übersetzt als ml. Ebenso nndl. maroderen, ne. maraud, nfrz. maraud, ndn. macomes stabuli, was zu frz. conne´table, ne. constable rode, nnorw. maroder. – DF 2 (1942), 75f.; Böhmer, J. ZM 13 ’Polizist’ führt. (1937), 83–85 (anders [aus dem Arabischen]).

Marodeur Sm ’Plünderer’ per. fach. (17. Jh.). Deutsche

ÞMarstall, ÞSeneschall. – Meyer, R. M. ZDW 12 (1910), 153–155; DF 2 (1942), 78; Jones (1976), 421–423; von Olberg (1991), 221–226; LM 6 (1993), 324f.; EWNl 3 (2007), 282, 306.

Bildung zu frz. marauder ’herumstrolchen, plündern’, zu frz. maraud ’Bettler, Lump’, dessen weitere Marstall Sm ’Gestüt’ per. fach. (9. Jh.), mhd. marstal, Herkunft nicht sicher geklärt ist. Am ehesten liegt ahd. marahstal. Zusammengesetzt aus ahd. marahvolkssprachliches frz. marauder ’nächtliches Herum’Pferd’ (ÞMähre) und ÞStall. tollen der Katzen in der Brunstzeit’ zugrunde (zu frz. Vgl. ÞMarschall. – LM 6 (1993), 334f. dial. maraud ’Kater’?). Märte Sf ’Kaltschale aus Milch und Brot’ per. md. Ebenso nndl. marodeur, ne. marauder, nfrz. maraudeur, (9. Jh.), mhd. mera¯te, mer(o¯)t, ahd. mera¯ta, merde, nschw. marodör, nnorw. marodør. – DF 2 (1942), 76f.; Röhmero¯(d), mero¯t. Offenbar zu dem unter Þmären berich 2 (1992), 1002. handelten Verb; das Suffix -a¯t steht aber unter dem Marone Sf ’Esskastanie’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt Verdacht romanischer Entlehnung, so dass die Einaus frz. marron m., dieses aus it. marrone m., dessen zelheiten offen bleiben müssen. Herkunft nicht geklärt ist.

Marter

604

Marter Sf std. (8. Jh.), mhd. marter(e), martel ’Blut-

geht (trotz lautlicher Unstimmigkeiten) auf arab. martaba¯n ˙

’Porzellangefäß zur Aufbewahrung von kandierten Früchten, zeugnis’ neben mhd. marter¢re, martel¢re m. Gewürzen, Arzneimitteln usw.’ zurück. Dieses wiederum aus ’Märtyrer’, ahd. martyra, martira, mart(e)re neben dem Namen der Stadt Martaban (heute in Birma), wo solche ahd. martira¯ri m. Entlehnt l. (christlich) martyrium n. Gefäße hergestellt wurden. – Kluyver, A. ZDW 6 (1904/05), und l. martyr m. Dieses aus gr. ma´rtyr m. ’Zeuge’ (zu 59–68 (anders); Fincke, H. ZUL 53 (1927), 100–126 und 56 ig. *mer- ’erinnern’), kirchlich ’Blutzeuge’ und davon (1928), 335–340; Pellegrini, G. B.: Gli arabismi nelle lingue abgeleitet gr. marty´rion n. ’Blutzeugnis’. Das abgeleineolatine (Brescia 1972), 2, 590–599 (gegen die ältere Auffastete Verb martern, mhd. marter(e)n, marteln, ahd. sung); Müller, W. W. in Lendle (1986), 87f. und 103f.; Tazi (1998), 264; EWNl 3 (2007), 312. mart(i)ro¯n ist zunächst ausschließlich religiös gemeint und wird erst später verallgemeinert. Masche1 Sf ’Schlinge’ std. (9. Jh.), mhd. masche, masca, Ebenso nndl. marteling, ne. martyrdom, nfrz. martyre, nschw. ahd. maska, as. maska. Aus g. *maskwo¯(n) f. ’Masche, marter, nnorw. martre; ÞMarterl, ÞMemoiren. – Siegert Schleife, Netz’, auch in anord. mo¸skvi m., mo¸skun, ae. (1950), 135; Röhrich 2 (1992), 1004 (zu Märtyrer, Martyrium); masc, max (mit s-Umsprung). Das Grundwort wird LM 6 (1993), 352, 353–357; EWNl 3 (2007), 312. vertreten durch lit. me`gzti, mezgu` ’knoten, knüpfen, Marterl Sn ’Gedenkkreuz, Gedenksäule’ per. oobd. stricken’, vgl. lit. ma˜zgas ’Knoten, Schlinge’. Sonst (19. Jh.). Zunächst aus Tirol bekannt. Das Wort bekeine Vergleichsmöglichkeit. zeichnet ursprünglich eine Darstellung des Leidens Röhrich 2 (1992), 1004; EWNl 3 (2007), 283. Christi (etwa an einem Kreuzweg), dann übertragen Masche2 Sf ’Lösung, Kniff’ erw. stil. (20. Jh.). Vermutauf Gedenkstätten am Ort von Unfällen (u.ä.). Zu lich übernommen aus wjidd. mezio ’Gewinn, LöÞMarter. sung’. martialisch Adj ’kriegerisch, grimmig’ per. fremd. Röhrich 2 (1992), 1004. (16. Jh.). Nachdeutung von l. Ma¯rtia¯lis ’zum KriegsMaschine Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. machine, gott gehörig’, zu l. Ma¯rs, dem Namen des Kriegsgotdieses aus l. ma¯china, aus gr. me¯chane¯´ ’Werkzeug, tes. Die Bildung entstand in der Astronomie, die künstliche Vorrichtung, Mittel’ (ÞMechanik). Zudamit eine Eigenschaft des im Sternbild Mars Gebonächst entlehnt als Bezeichnung für Kriegs- und Berenen bezeichnete. lagerungsmaschinen. Adjektiv: maschinell; TäterbeEbenso nndl. martiaal, ne. martial, nfrz. martial, nschw. marzeichnung: Maschinist. tialisk, nnorw. martialsk.Ersatzwort ist kriegerisch. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 398; EWNl 3 (2007), 313.

Martinsgans Sf erw. fach. (16. Jh.). Zuerst als die am

Martinstag (11. November) als Zins fällige Gans, dann die am Martinstag traditionellerweise als Festbraten verzehrte Gans. Ebenso nndl. sint-maartensgans, ne. Martinmas goose, nfrz. oie de la Saint-Martin, ndn. mortensga˚s, nnorw. mortensga˚s. – Röhrich 2 (1992), 1003.

Martinshorn Sn ’Signalhorn der Polizei usw.’ erw. fach.

(20. Jh.). Benannt nach der Herstellerfirma Martin. Walther, H. SD 17 (1973), 4f.

Märtyrer Sm ÞMarter. März Sm std. (8. Jh.), mhd. merze, ahd. marzeo, merzo,

Ebenso nndl. machine, ne. machine, nfrz. machine, nschw. maskin, nnorw. maskin. – Rehmann, A.: Die Geschichte der technischen Begriffe ’fabrica’ und ’machina’ in den romanischen Sprachen (Diss. Münster 1935); DF 2 (1942), 79–83; HWPh 5 (1980), 790–802; Jakob, K.: Maschine, Mentales Modell, Metapher (Tübingen 1991); LM 6 (1993), 362f.; Popplow, M. Technikgeschichte 6 (1993), 7–26; EWNl 3 (2007), 285.

Maser Sf erw. fach. (9. Jh.), mhd. maser m. ’knorriger

Auswuchs an Bäumen, gemasertes Holz’, ahd. masar m., as. masur m. Vergleichbar ist anord. mo¸surr m. ’Ahorn’. Herkunft des Wortes und Zusammenhang mit ÞMaßholder sind ungeklärt. Verb: masern mit dem Abstraktum Maserung. ÞMasern.

mndd. merte. Entlehnt aus l. (me¯nsem) ma¯rtium nach Masern Spl std. (16. Jh.). Ursprünglich niederdeutsches Wort: mndd. mas(s)ele, maselen, mndl. maser, masel dem Kriegsgott Mars. Der März war im römischen (vgl. mhd. masel(e), ahd. masala ’Blutgeschwulst’), ist Jahr der erste Monat des Jahres. dann aber offenbar an ÞMaser angeglichen worden. Ebenso nndl. maart, ne. march, nfrz. mars, nschw. mars, nisl. mars. – EWNl 3 (2007), 282f.

Marzipan (älter Marzapan) Smn std. (16. Jh.). Mit der

S. auch ÞMiselsucht. – Holmberg, M.A˚. NM 26 (1970), 41–46; Rauch (1995), 107; EWNl 3 (2007), 320.

Sache entlehnt aus it. marzapane m. ’Marzipan’, älter Maske Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. masque, dieses aus der volleren Form it. maschera (aus der auch auch ’Schachtel, in der Marzipan u.ä. aufbewahrt Mundartwörter wie bair. masˇk¡r¡ kommen). Verb: wird’. maskieren; Abstraktum: Maskerade. Das italienische Ebenso nndl. marsepein, ne. marzipan, marchpane, nisl. marWort scheint auf arab. mashara ’Scherz, Maskerade, sipan. Die Ausgangsbedeutung ist regional (sizilianisch, ne˘ apolitanisch, auch provenzalisch) ’Schachtel’, latinisiert masGesichtsmaske’ zurückzugehen; doch ist dies umsapanum n. ’Schmuckkästchen, Reliquienschrein’; der Zusamstritten. Auf einer früheren Entlehnungsstufe ahd. tamenhang ist dadurch gegeben, dass Marzipanteig in lamascas ’larvas demonum’ (9. Jh.). Holzschachteln aufbewahrt und exportiert wurde. Das Wort

Maßliebchen

605 Ebenso nndl. masker, ne. mask, nfrz. masque, nschw. mask, nnorw. maske. – Littmann (1924), 100; DF 2 (1942), 83–85; Lokotsch (1975), 114; Jones (1976), 427f.; DEO (1982), 395f.; Röhrich 2 (1992), 1004f.; LM 6 (1993), 363f.; RGA 18 (2001), 384f.; EWNl 3 (2007), 313f.

Maskottchen Sn std. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. mas-

cotte f. ’Glücksbringer im Spiel’ und diminuiert. Das frz. Wort aus prov. mascotto ’Zauberei’, zu prov. masco ’Zauberin, Hexe’. Die weitere Herkunft ist nicht sicher geklärt. Ebenso nndl. mascotte, ne. mascot, nfrz. mascotte, nschw. maskot, nnorw. maskot(t). – EWNl 3 (2007), 313.

maskulin Adj erw. fremd. (15. Jh.). Entlehnt aus l. mas-

culı¯nus, zu l. masculus, zu l. ma¯s ’Mann, Männchen’. Ebenso ne. masculine, nfrz. masculin, nschw. maskulin, nnorw. maskulin; ÞMacho.

Masochismus Sm ’Befriedigung durch Erleiden von

Misshandlungen (durch andere)’ erw. fach. (19. Jh.). Gebildet zum Eigennamen von Sacher-Masoch, einem österreichischen Schriftsteller, der sexuell abartige Personen darstellte. Täterbezeichnung: Masochist. Ebenso nndl. masochisme, ne. masochism, nfrz. masochisme, nschw. masochism, nnorw. masochisme. – HWPh 5 (1980), 804–806.

Maß Sn std. (14. Jh.). Spätmittelhochdeutsch entstan-

2

Massel Sf ’gegossenes Metallstück’ per. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus it. massello m., Diminutiv zu it. massa (ÞMasse). maßen Konj ÞMaß. Maßholder Sm ’Feldahorn’ per. reg. (9. Jh., Form

11. Jh.), mhd. mazalter, ahd. mazzoltar, mazzaltra. Ferner mit Dissimilierung as. mapulder, ae. mapulder. Anklingend anord. mo¸surr ’Ahorn’, doch lautlich nicht vereinbar. Der letzte Bestandteil ist offenbar das unter ÞHolunder behandelte ’Baumnamensuffix’, das Vorderglied ist unklar. Solange der Zusammenhang mit dem nordischen Wort nicht ausreichend geklärt ist, hat es wenig Sinn, einen etymologischen Anschluss zu versuchen. S. auch ÞMaser. – Brockmann-Jerosch, H.: Surampfele und Surchrut (Zürich 1921), 25; Mitzka, W.: Der Ahorn (Gießen 1950), 27f.

massieren1 Vsw std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. masser,

bei dem nicht sicher geklärt ist, ob es zu gr. ma´ssein ’kneten’ gehört oder arabischen Ursprungs ist. Nomen Agentis: Masseur; Abstraktum: Massage. Da das Wort als Hüllwort für eher sexuell ausgerichtete Tätigkeiten verwendet wird, ist vor allem das Femininum Masseuse abgesunken und wird vielfach durch Masseurin ersetzt.

Ebenso nndl. massere, ne. massage, nfrz. masser, nschw. masden aus einer Vermischung von mhd. ma¯ze f. und mez sera, nnorw. massere. – Littmann (1924), 100, 102; DF 2 (1942), n. Das Femininum ist noch erhalten in bair. Maß f. 85; Lokotsch (1975), 114; EWNl 3 (2007), 314. ’Liter Bier’; hochsprachlich in dermaßen, dial. maßen, 2 massieren Vsw ’(Truppen) an einem Ort zusammendas verkürzt ist aus inmaßen. In ursprünglich geneziehen, konzentrieren’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt tivischen Fügungen wie einiger Maßen ist das Femiaus frz. masser ’anhäufen, zusammenballen’. ninum zunächst zusammengewachsen (einigermaßen) und dann zu einem Suffixoid geworden. Zu Ebenso ne. mass, ndn. massere; ÞMasse. Þmessen. Adjektiv: Þmäßig; Partikelableitung: sich an- mäßig Adj std. (11. Jh.), mhd. m¢zec, m¢zic, ahd. ma¯zı¯g, maßen. ma¯zzı¯ch. Erweitert aus dem Adjektiv der Möglichkeit, Þmessen. – Behaghel 3 (1928), 205–208; Rückert, H.: ’Maˆze’ das vorliegt in anord. m¢tr, ae. m¢ ¯ te, ahd. un-ma¯zi zu und ihre Wortfamilie in der deutschen Literatur bis um 1220 Þmessen. Verb: mäßigen. (Göppingen 1975); HWPh 5 (1980), 807–825; Röhrich 2 (1992), 1005; LM 6 (1993), 366–368; EWNl 3 (2007), 283.

Massaker Sn std. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. mas-

sacre m. (zunächst ’Schlächterei’), einer postverbalen Ableitung von frz. massacrer ’hinschlachten’. Die Herkunft des französischen Wortes ist umstritten. Ebenso ne. massacre, nfrz. massacre, nschw. massaker, nnorw. massakre. – DF 2 (1942), 85; Jones (1976), 429.

Masse Sf std. (9. Jh.), mhd. masse, ahd. massa. Entlehnt

aus l. ma¯ssa ’Teig, Klumpen’, das seinerseits auf gr. ma˜za ’Brotteig’ (zu gr. ma´ssein ’kneten’) zurückgeht. Adjektiv: massig.

HWPh 5 (1980), 838–841 (zu Mäßigkeit); LM 6 (1993), 371f.; EWNl 3 (2007), 317.

-mäßig Suffixoid std. (–), mhd. -m¢zec. Erweitert aus

ahd. Bildungen auf -ma¯zi, die auf Komposita mit ma¯z (ÞMaß) + Kompositionssuffix -ja- zurückgehen (x-ma¯zi ’das Maß, die Größe von x habend’). Inghult, G.: Die semantische Struktur desubstantivischer Bildungen auf ’-mäßig’ (Stockholm 1975).

massiv Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. massif

’dicht, gediegen’ zu l. ma¯ssa (ÞMasse). Ebenso nndl. massief, ne. massive, nfrz. massif, nschw. massiv, nnorw. massiv. – DF 2 (1942), 85f.

Ebenso nndl. massa, ne. mass, nfrz. masse, nschw. massa, nnorw. masse; ÞMassel 2, Þmassieren 2, Þmassiv, ÞSchlamassel. Maßliebchen Sn ’Gänseblümchen’ per. reg. (15. Jh.). Übertragen aus mndl. matelieve gleicher Bedeutung. – DF 2 (1942), 85; HWPh 5 (1980), 825–832; Röhrich 2 (1992), 1005f.; EWNl 3 (2007), 314. Dies scheint im Vorderglied das germanische Wort

Massel1 Sm ’unverdientes Glück’ per. grupp. (20. Jh.).

Aus wjidd. massel, dieses aus hebr. mazza¯lot Pl. ’Geschick’, älter ’Sternbilder’. Ebenso nndl. mazzel. – EWNl 3 (2007), 320.

für ’Essen, Speise’ zu enthalten (ÞMesser), so dass das Wort ’Essliebe, Esslust’ bedeutet haben könnte (die Blume galt als appetitanregend, vgl. friaul. buinatsˇ¯ena ’gute Mahlzeit’ als entsprechender Name). Eine Um-

Maßnahme deutung aus ma(a)gdelief ’der (heiligen) Jungfrau lieb’ ist aber nicht ausgeschlossen (vgl. nndl. marienblompje). Lessiak, P. ZDA 53 (1912), 175; ADA 37 (1917), 64; Loewe, R. BGDSL 61 (1937), 236–241; Marzell 1 (1943), 545–548; Kroes, H. J. W. GRM 36 (1955), 79; Sauerhoff (2001), 130f.

Maßnahme Sf std. (19. Jh.). Wie älteres Maßnehmung

Abstraktum zu Maß nehmen, zu ÞMaß im Sinne von ’Regel, Regelung’ (wie auch Maß geben, vgl. maßgebend, Maß setzen); weiter zu Þmessen. maßregeln Vsw std. stil. (19. Jh.). Zu älterem Maßregel

f., eigentlich ’Regelung des Maßes’, daher ’Richtlinie, Anordnung’. Das Verb bedeutet zunächst ’zur Ordnung, zum Plan übergehen’. Ebenso nndl. maatregel. – EWNl 3 (2007), 283f.

Mast1 Sm ’Segelbaum’ std. (9. Jh.), mhd. mast, ahd.

mast, mndd. mast(bo¯m), mndl. mast. Aus g. *mastam. ’Segelstange’, auch in anord. mastr, ae. m¢st. Der Vergleich mit l. ma¯lus ’Stange, Mast’ führt auf eine Grundform (ig.) *mazdo-, an die auch air. ma´ta´n ’Keule’ und akslav. mostu˘ ’Brücke’ (’Knüppeldamm’) angeschlossen werden können. Weitere Herkunft unklar. Ebenso nndl. mast, ne. mast, nschw. mast, nisl. mastur. – Gobber (1995), 143–145; EWNl 3 (2007), 314.

Mast2 Sf ’Fütterung’ std. (11. Jh., mesten 8. Jh.), mhd.

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nung derartiger Vorgänge wird häufig die Hand erwähnt, besonders die linke Hand), doch sind die formalen Unterschiede zwischen dem Wort und der Deutung nur durch ziemlich willkürliche Zusatzannahmen zu beseitigen. Diese Schwierigkeiten verschwinden auch nicht, wenn das Vorderglied anders gedeutet wird. Die Annahme einer Entlehnung aus gr. mastropey´o¯ ’verkuppeln, prostituieren’ geht in der Bedeutung nicht auf (allerdings ist unklar, was das Zweitglied des griechischen Wortes bedeuten soll; deshalb könnte gegebenenfalls auf eine frühere Bedeutung zurückgegriffen werden). Der neueste Versuch geht von einem Vergleich mit dem indogermanischen Wort für ’Mark’ aus (Mark als ’Lebensnerv’, vgl. etwa ins Mark getroffen werden ’zutiefst erschüttert werden’), was semantisch vielleicht hingehen könnte, aber mit keiner der vielfachen Lautformen des Wortes in den ig. Sprachen ausreichend klar zusammengebracht werden kann. Das Auftreten eines in der klassischen Literatur nur einmal nachweisbaren mascarpio ’Selbstbefriediger’ (die Bedeutung geht aber nicht eindeutig aus dem Kontext hervor) macht die Deutung nicht einfacher. Katz, J. T. HSCPh 98 (1998), 183–217 (mit ausführlichen Literaturangaben in Anm. 75); EWNl 3 (2007), 315.

Matador Sm ’Stierkämpfer, Hauptperson’ per. exot. ass.

(18. Jh.). Entlehnt aus span. matador, zu span. matar mast, ahd. mast. Aus wg. *masto¯ f. ’Mast’, auch in ae. ’töten’, dessen weitere Herkunft unsicher ist. Eingem¢st ’Eicheln, Schweinefutter’. Dieses kann zurückbürgert in Ausdrücken wie Lokalmatador. geführt werden auf ig. *madz-d-, d.h. dem Wort für Ebenso nndl. matador, ne. matador, nfrz. matador, nschw. ’Essen, Speise’, das unter ÞMesser dargestellt ist und matador, nnorw. matador. – DF 2 (1942), 86f.; EWNl 3 (2007), einem faktitiven -d-, das die Schwundstufe der Wur316. zel ig. *do¯- ’geben’ sein kann, also ’Nahrung geben’. Match Sn erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. match, Eine klare Parallele findet das Wort in ai. meda´yati einer Substantivierung von ne. match ’abgleichen, ’macht fett’, ai. me´dana n. ’Mästung’; vielleicht auch vereinigen, gleich stark sein’, zu ne. match ’Teil eines in khotan. maysdara-, gr. mazo´s m. ’Mutterbrust’ (als Paares, Gleichartiges’, aus ae. gem¢cca m./f. ’Nahrung gebende’?). Verb: mästen. ’Gemahl(in), Teil eines Paares, Gleichaltriger (usw.)’. Ebenso nndl. mast, ne. mast; ÞMastdarm, ÞMettwurst, ÞMus. Die Bedeutung ’Wettkampfspiel’ ergibt sich aus – Seebold, E. FS Knobloch (1985), 444f.; EWNl 3 (2007), 340. ’messen, ob die Kräfte gleich sind’. Mastdarm Sm erw. fach. (15. Jh.), fnhd. mas(t)-darm. Ebenso nndl. match, nfrz. match, nschw. match, nnorw. match. Umgebildet aus mhd. arsdarm, ahd. arsdarm (aus – Rey-Debove/Gagnon (1988), 565; Carstensen 2 (1994), ÞArsch und ÞDarm). Die Umbildung ist wohl rein 887–889. lautlich zu erklären: Zum Anlaut vgl. etwa wjidd. Material Sn std. (15. Jh.). Als Plural Materialia entlehnt morsch ’Arsch’ (etwa aus Wendungen wie im/am aus dem Plural des substantivierten Neutrums von l. Arsch falsch abgelöst), der Ausfall des r kann auf Ermateria¯lis ’zur Materie gehörig, materiell’. leichterung der schweren Konsonanz beruhen, das t Ebenso nndl. materiaal, ne. material, nfrz. mate´riaux, mate´riel, der späteren Form beruht sicher auf Verdeutlichung. nschw. material, nnorw. material(e). – DF 2 (1942), 87f.; Ein sekundärer Anschluss an maz ’Essen’ (ÞMesser) EWNl 3 (2007), 316. und ÞMast 2 wird dadurch nicht ausgeschlossen. Materialismus Sm erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. masturbieren Vsw ’sich (sexuell) selbst befriedigen’ mate´rialisme und ne. materialism (dieses älter), die zu erw. fach. (19. Jh.). Als Fachwort entlehnt aus l. masl. materia¯lis ’materiell’ gehören. Der Form nach steht turbari gleicher Bedeutung. Über die Deutung des das Wort näher bei ÞMaterial, der Bedeutung nach morphologisch auffälligen lateinischen Wortes gibt es näher bei ÞMaterie. Täterbezeichnung: Materialist; nur Spekulationen. Die übliche Erklärung einer verAdjektiv: materialistisch. balen Erweiterung aus l. manus ’Hand’ und l. stuprum Ebenso nndl. materialisme, ne. materialism, nfrz. materialisme, ’Unzucht’ ist semantisch naheliegend (bei der Nennschw. materialism, nnorw. materialisme. – HWPh 5 (1980),

matt

607 842–850; GB 3 (1982), 977–1020; Geisler, R. PSG 5 (1986), 61–88.

Materie Sf ’Stoff, Bestandteil, Gegenstand’ erw. fach.

(13. Jh.), mhd. materje. Ist entlehnt aus l. ma¯teria, dieses zu l. ma¯ter ’Mutter, Quelle einer Sache, Ursprung’. Adjektiv: materiell.

Ebenso nndl. maıˆtresse, ne. mistress, nschw. mätress; ÞMagister. – DF 2 (1942), 89f.; Jones (1976), 409.

Matriarchat Sn ’Gesellschaftsordnung mit Dominanz

der Frau’ per. fach. (19. Jh.). Nachbildung zu Patriarchat (ÞPatriarch) aus l. ma¯ter ’Mutter’.

Ebenso nndl. matriarchaat, ne. matriarchate, nfrz. matriarcat, nschw. matriarkat, nnorw. matriarkat. – Cottez (1980), 241. Ebenso nndl. materie, ne. matter, nfrz. matie`re, nschw. materia, nnorw. materie. – Krauss, W. WZUH 19 (1970), 85f.; Heller Matrikel Sf ’öffentliches Verzeichnis (besonders an der (1970), 56–77; HWPh 5 (1980), 870–924; Barke (1991), 292–294; Universität)’ per. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. ma¯LM 6 (1993), 375f.; EWNl 3 (2007), 316. trı¯cula, einem Diminutivum zu l. ma¯trı¯x (-ı¯cis) (ei-

Mathematik Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. (ars) ma-

the¯matica, dieses aus gr. mathe¯matike¯´ (te´chne¯), zu gr. mathe¯matiko´s ’die Mathematik betreffend, lernbegierig’, zu gr. ma´the¯ma n. ’das Gelernte, Kenntnis, Wissenschaft, (Plural:) Mathematik’, zu gr. mantha´nein ’lernen, erfahren, verstehen’. Es liegt demnach eine Spezialisierung der ursprünglich allgemeineren Bedeutung ’Wissenschaft’ auf eine bestimmte Disziplin vor. Adjektiv: mathematisch; Täterbezeichnung: Mathematiker. Ebenso ne. mathematics, nfrz. mathe´matiques, nschw. matematik, nnorw. matematikk. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þmunter. – Schirmer (1912), 44f.; DF 2 (1942), 88; HWPh 5 (1980), 926–935; LM 6 (1993), 381–390; EWNl 3 (2007), 316f.

Matinee Sf ’Vormittagsveranstaltung’ per. fach.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. matine´e ’(Spät)Vormittag, Vormittagsveranstaltung’, zu frz. matin m. ’Morgen’, aus l. ma¯tu¯tı¯num (tempus) n. ’morgendliche Zeit’. Ebenso nfrz. matine´e, nndl. matinee, nschw. matine´, nnorw. matine´; ÞMette. – DF 2 (1942), 88.

Matjeshering Sm erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus nndl.

gentlich ’Stamm-Mutter, Gebärmutter’), zu l. ma¯ter ’Mutter’. Die (nachklassische) Bedeutungsentwicklung möglicherweise deshalb, weil im Me¯tro¯ion von Athen, dem Tempel der Muttergottheit Kybele, das Staatsarchiv aufbewahrt war (Pfeifer 1993). Verben: Þimmatrikulieren ’sich (an der Universität) einschreiben’, Þexmatrikulieren ’(die Universität) verlassen’. Ebenso nfrz. matricule, nschw. matrikel, nnorw. matrikkel. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞMutter; ÞMatrix, ÞMatrize, ÞMatrone. – Götze, A. ZDW 12 (1910), 212; DF 2 (1942), 90; Cottez (1980), 241; LM 6 (1993), 395.

Matrix Sf ’Grundsubstanz; Keimschicht; Schema’ per.

fach. (20. Jh.). Verwendungsweisen von l. ma¯trix ’Gebärmutter, Stamm-Mutter’ (ÞMatrikel) in der modernen Wissenschaft, teilweise unter Einfluss des Englischen. Als Begriff der Naturphilosophie schon wesentlich älter (Böhme, Paracelsus). Ebenso nndl. matrix, ne. matrix, ndn. matrix. – HWPh 5 (1980), 939–941; LM 6 (1993), 395.

Matrize Sf ’Formvorlage’ per. fach. (17. Jh.). Als Aus-

druck der Druckersprache entlehnt aus frz. matrice, das in dieser Bedeutung aus dem Wort für ’Gebärmutter’ (ÞMatrikel) übertragen ist.

maatjesharing, dieses aus mndl. medykens-, meeckensEbenso nndl. matrijs, ne. matrix, nschw. matris, nnorw. mahering, also eigentlich ’Mädchen-, Jungfern-Hering’. trise. – DF 2 (1942), 90. So wurde der noch nicht voll ausgewachsene Fisch (der weder Rogen noch Milch enthält) genannt, das Matrone Sf ’ältere, würdevolle Frau’ erw. fremd. (15. Jh.). Entlehnt aus l. ma¯tro¯na, abgeleitet von l. ausgewachsene Tier hieß gegebenenfalls Vull-hering. ma¯ter ’Mutter’ (ÞMatrikel). Ebenso nndl. maatjesharing, ne. matje(s) herring, nfrz. hareng vierge, nschw. matjssill, nnorw. matjessild. Zum Bestimmungswort s. ÞMädchen.

Matratze Sf std. (15. Jh.), fnhd. mat(e)raz, matreiz

Ebenso nndl. matrone, ne. matron, nfrz. matrone, nschw. matrona, nisl. matro´na. – DF 2 (1942), 90; Rix, H. FS Meid (1989), 225.

m./n. /f . Entlehnt aus afrz. materas, dieses aus it. ma- Matrose Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus nndl. matroos, dieses aus frz. matelots, dem Plural von frz. matelot terasso m., aus arab. matrah ’Kissen oder Teppich, auf ˙ ˙ ’Seemann’, das möglicherweise auf mndl. mattenot dem man schläft’. ’Mattengenosse, Schlafgenosse’ (ÞMatte 1) oder mndl. Ebenso nndl. matras, ne. mattress, nfrz. matelas, nschw. madrass, nnorw. madrass. – Littmann (1924), 88f.; DF 2 matghenoot ’Tischgenosse’ (ÞMaat) zurückgeht. (1942), 89; Lokotsch (1975), 115; DEO (1982), 397; Röhrich 2 (1992), 1006; Kiesler (1994), 234f.; Tazi (1998) 266; EWNl 3 (2007), 317.

Mätresse Sf ’Geliebte eines Fürsten’ erw. obs. (17. Jh.).

Entlehnt aus frz. maıˆtresse (eigentlich ’Gebieterin, Meisterin’), der movierten Form von frz. maıˆtre m. ’Gebieter, Herr, Meister’, aus l. magister m. ’Vorgesetzter, Lehrmeister’. Das Wort ist ursprünglich ein ehrendes Wort der höfischen Sprache für eine umworbene Dame.

Ebenso nfrz. matelot, nndl. matroos, nschw. matros, nnorw. matros. – DF 2 (1942), 90; Baist, G. ZDW 4 (1903), 274–276; Kluge (1911), 574f.; EWNl 3 (2007), 317f.

Matsch Sm std. stil. (18. Jh.). Zu matschen ’mischen,

sudeln’, einer Variante von Þmantschen. Entsprechend auch Mantsch für ’Schneewasser’ u.ä. Adjektiv: matschig. matt Adj std. (13. Jh.), mhd. mat. Wegen der lautlichen

Mehrdeutigkeit ist über die Herkunft des SchachAusdrucks keine Sicherheit zu gewinnen. In Frage

Matte1

608 1

kommen pers. ma¯t ’tot’, arab. ma¯t. Die Bedeutung Matze (meist Spl) Sf ’ungesäuertes Passahbrot der Ju’kraftlos’ beruht auf Entlehnung aus afrz. mat den’ per. grupp. (15. Jh.). Übernommen aus wjidd. ma(t)zo, das aus hebr. massa¯(h) ’ungesäuerte Brot’kraftlos’, zu frz. mater ’zerstören, töten’. Der Aus˙˙ druck des Schachspiels ist zunächst als mhd. scha¯ch fladen’ stammt. Ebenso ne. matzo(h), nndl. matse. – EWNl 3 (2007), 318. unde mat entlehnt aus frz. ´echec et mat. Dies bedeutet ’erbeutet und tot’ (ÞSchach). Die übliche Herleitung Matze2 Sf ’Bodenbelag’ ÞMatte 1. aus dem Persischen beruht auf einer zufälligen Ähnmau Adj std. vulg. (19. Jh.). In Wendungen wie mir ist lichkeit und entspricht nicht der ursprünglichen Termau. Zunächst in Berlin bezeugt mit der Bedeutung minologie des Spiels. Präfixableitung: ermatten; Verb: ’unwohl’, dann auch ’dürftig’. Wohl eine Wortfabrimattieren. kation, man denkt an eine Kreuzung aus Þmatt und Ebenso ne. mat(t), mate, nfrz. mat, nndl. mat, nschw. matt, Þflau. nisl. ma´t, ma´ttfarinn. – Littmann (1924), 115; Lokotsch (1975), 115; DEO (1982), 396f.; Tazi (1998), 214f.; EWNl 3 (2007), 315.

Röhrich 2 (1992), 1008.

maucheln Vsw Þmeucheln, Þmogeln.

Matte1 Sf ’Bodenbelag’ std. (9. Jh.), mhd. matte, matze, mauen Vsw ’miauen’ per. reg. (14. Jh.), spmhd. ma¯wen.

Lautnachahmung. ahd. matta, mndd. matte, mndl. matte. Wie ae. matt, Þmaunzen, Þmiauen, ÞMieze, ÞMöwe. meatt entlehnt aus ml. matta, das seinerseits ein phönikisch-punisches Lehnwort ist, vgl. hebr. mittha¯(h) Mauer Sf std. (8. Jh.), mhd. mu¯r(e), ahd. mu¯ra, as. ˙˙ ’Lager’, vor allem aus Binsen, Stroh o.ä. Offenbar mu¯ra. Wie ae. mu¯r m. und anord. mu´rr m. entlehnt schon vor der Lautverschiebung entlehnt ist obrhein. aus l. mu¯rus m. Die Mauer ist mit dem Steinbau von ÞMatze, das aber erst seit spätmittelhochdeutscher den Römern zu den Germanen gekommen. Ihre EntZeit bezeugt ist. sprechung bei den Germanen war die geflochtene Ebenso nndl. mat, ne. mat, nfrz. natte, nschw. matta, nisl. motund lehmverschmierte ÞWand. Von dem Wort Wand ta; ÞHängematte. – Röhrich 2 (1992), 1006f.; EWNl 3 (2007), ist dann auch das Genus auf Mauer übertragen wor315. den. Aus der gleichen Wurzel (ig. *mei- / moiMatte2 Sf ’Bergwiese’ per. wobd. (9. Jh.), mhd. matte, ’befestigen’) auch l. moenia n. ’Mauer’, das unter ahd. in matoscreg(h) ’Heuschrecke’, as. matte. Aus ÞMunition erwähnt ist. Verb: mauern; Täterbezeichwg. *madwo¯ f. ’Wiese (zum Mähen)’, daneben mit nung: Maurer; Präfixableitung: untermauern. Ebenso nndl. muur, ne. mure, nfrz. mur, nschw. mur, nisl. mu´r. Vokallänge ae. m¢ ¯ d, m¢¯ dwe, afr. me¯de. Instrumen– LM 6 (1993), 406–408; Lindner, Th. Moderne Sprachen 38 talableitung zu Þmähen, so dass sich als Grundbe(1994), 29–32; RGA 19 (2001), 446–448; EWNl 3 (2007), 395. deutung ergibt ’Wiese, die gemäht wird’ (gegenüber der Wiese, die nur abgeweidet wird). Mauerblümchen Sn ’unscheinbares Mädchen’, allgemein ’etwas Unscheinbares’ std. stil. (19. Jh.). UrEbenso nndl. (vloer)mat, ne. meadow; ÞMahd. – Müller, E. Teuthonista 7 (1930/31), 162–267, besonders 174–177. sprünglich von einem Mädchen, das beim Tanzen nicht aufgefordert wurde, und das beim Tanzen an Matte3 (auch Matz1 omd.) Sf ’geronnene Milch, der Wand saß wie ein vereinzeltes Blümchen auf einer Quark’ per. wmd. (15. Jh.). Mit Rücksicht auf gleichMauer. Vermutlich scherzhafte Umdeutung von bedeutendes frz. maton, katal. mato´ ’Quark’ ist an l. Mauerblume ’Goldlack’, wie ne. wall-flower. matta ’Matte’ als Ausgangspunkt zu denken. DenkRöhrich 2 (1992), 1008. bar ist, dass das Tuch, in das der Quark zum Abtropfen geschüttet wurde, so hieß, und dann der Name Maueresel Sm ÞAssel. vom Behälter auf den Inhalt verschoben wurde (so mauern Vsw ’beim Kartenspielen zurückhaltend Kretschmer). sein’ erw. grupp. (20. Jh.). Kann eine einfache ÜberKretschmer (1969), 561f.

dung zu l. ma¯tu¯rus ’reif’ als ’Reifeprüfung’.

tragung von mauern ’eine (Abwehr-)Mauer aufbauen’ sein, doch hat vielleicht rotw. maure ’Furcht’ (aus hebr. mo¯ra¯ ’Furcht’) mit eine Rolle gespielt.

Ebenso ne. maturity, nfrz. maturite´. – DF 2 (1942), 90f.

Lasch (1928), 174.

Matura Sf ’Abitur’ erw. österr. schwz. (20. Jh.). Neubil-

Matz1 Sf ’Quark’ ÞMatte 1, ÞMatte 3. Matz2 (vgl. etwa Hosenmatz) Sm (Kosewort) std. stil.

(16. Jh.). Ursprünglich Koseform des Namens Matthias (Mathes), dann in appellativischen Gebrauch übergegangen. Häufig auch Rufname zahmer Vögel; daher wohl Mätzchen ’Narrenpossen’ (für die Possen solcher Tiere) und ÞPiepmatz. Röhrich 2 (1992), 1007f.

Mauerschau Sf ’Bericht eines auf der Bühne nicht

sichtbaren Geschehens durch einen Beobachter (der auf der Mauer steht)’ per. fach. (20. Jh.). Übersetzung des älteren ÞTeichoskopie. maugeln Vsw Þmeucheln, Þmogeln. Mauke Sf (Fußkrankheit der Pferde) per. fach. (15. Jh.).

Übernommen aus mndd. muke; die hochdeutsche Form ist mhd. mu¯che, noch in bair. Mauche. Vielleicht zu schwz. mauch ’morsch, matt, weich’ (vgl. gt. mu¯kamodei ’Sanftmut’). Sonst unklar.

Maus

609 Eichler (1965), 83f.; Kretschmer (1969), 384; Heidermanns (1993), 415.

Maul Sn std. (9. Jh.), mhd. mu¯le f., mu¯l(e) n., ahd. mu¯la

Maulkorb Sm std. (16. Jh.). ’Futtersack für Pferde’,

dann ’Beißkorb für bissige Tiere’, dann übertragen. Ebenso nndl. muilkorf, nschw. munkorg, nnorw. munnkurv. –

Röhrich 2 (1992), 1012. f., mndd. mu¯l, mndl. mu¯l n., mule f . Aus g. *mu¯la/o¯(n) m./f./n. ’Mund, Maul’, auch in anord. mu´li m., Maulschelle Sf ’Ohrfeige’ erw. obs. reg. (16. Jh.). Eiafr. mu¯la m., gt. in faurmu¯ljan ’das Maul verbinden’. gentlich ’schallender Schlag auf den Mund’ zu dem Entsprechende außergermanische Bildungen sind gr. starken Verb mhd. schellen, ahd. scellen (ÞSchall). Bemy´llon n. ’Lippe’ und weiter entfernt (mit s mobile) zeugt seit dem 16. Jh. lett. smaule ’Maul’. Die Lautfolge mu- ist eine LautMaultasche Sf erw. obd. (16. Jh.). Zunächst für gebärde für die zusammengepressten Lippen und ’Ohrfeige’ bezeugt (wohl zu tatschen, tätschen kann daher für verschiedene Zustände und Tätigkei’schlagen’); später für ein Gericht aus gefüllten Teigten stehen, für die diese eine Ausdrucksgebärde sind; waren, besonders schwäbisch. Die Bezeichnung für 2 vgl. etwa Þmucken, Þmuffeln , auch Þschmollen und die Speise kann aus der Bedeutung ’Ohrfeige’ komÞschmieren 2 u.ä. Hierzu offenbar auch die Wörter für men, da solche Wörter auch sonst sekundär für Ge’Lippe’ und ’Maul’. Verb: maulen. bäcke u.ä. verwendet werden (das Benennungsmotiv Ebenso nndl. muil, nschw. mule. – Röhrich 2 (1992), ist wohl ’aufgeschwollen’). Denkbar ist aber auch, 1008–1011; Gürtler, H. ZDW 11 (1909), 197 (zu Belegen von dass etwa an die gefüllten Taschen des Hamsters o.ä. Mäulchen mit der Bedeutung ’Kuss’); EWNl 3 (2007), 389f. gedacht wurde; in diesem Fall wären die beiden WörMaulaffe Sm (heute nur noch in Maulaffen feilhalten ter ursprungsverschieden. ’gaffen’) erw. stil. phras. (15. Jh.). Seit dem 17. Jh. wie mhd. to¯ren veile vüeren, denn Maulaffe ist frühneu- Maultier Sn ÞMaulesel. hochdeutsch ein Gaffer (15. Jh.), ’einer, der mit offe- Maulwurf Sm std. (8. Jh.), mhd. mu¯lwurf, mu¯(l)werf (neben anderen Formen), ahd. mu¯(l)werf, (u.a.), as. nem Maul dasteht und gafft’ (im 16. Jh. auch moldwerp. Das Wort erscheint in zahlreichen UmgeAffenmaul); vermutlich eine Nachdeutung eines ältestaltungen, so dass die früheste Form nicht mit Siren Wortes, das wie gleichbedeutendes Gähnaffe einen cherheit festgestellt werden kann. Vermutlich ist der kopfförmigen Kienspanhalter bezeichnet. Dazu feilAusgangspunkt ’Haufenwerfer’ mit einem Wort im halten (Þfeil) im Sinne von ’darbieten, zur Schau stelVorderglied, das ae. mu¯wa, mu¯ha, mu¯ga, anord. mu´gi, len’. Niekerken vermutet dagegen, dass es sich bei mu´gr ’Hügel, Haufen’ (am.-e. mow ’Kornhaufen, der Wendung um eine falsche Umsetzung von ndd. Heuhaufen’) entspricht − dazu vielleicht das griemuul + aapen ’Maul + offen’ handelt. chische Glossenwort (Hesych) gr. myko¯´n ’KornhauMayer, E. ZSSR-GA 45 (1925), 295f.; Niekerken, W. KVNS 50 fen’. Dann eine Umdeutung zu mhd. molt(e), ahd. (1937, Sonderheft), 30f.; Röhrich 2 (1992), 1011f. molta ’Staub, Erde’, also ’Erdwerfer’. Der ZusamMaulbeere Sf per. fach. (8. Jh., Form 10 Jh., murboum menhang der neuhochdeutschen Form mit dem spät 8. Jh.), mhd. mu¯lber. Dissimiliert aus ahd. mu¯rberi, bezeugten Simplex mndd. mul, mol, nndl. fr. mol, me. mo¯rber(i), mndl. moerbeye; mhd. in mu¯rboum. Wie mol(l)e und sogar ml. mulus ist unklar. Schon im ae. mo¯rberige entlehnt aus l. mo¯rum n. ’Maulbeere, 16. Jh. wird er so erklärt, dass der Maulwurf mit dem Brombeere’, das vermutlich aus gr. mo´ron n. gleicher Maul die Erde aufwerfe. Bedeutung stammt. Ebenso nndl. moerbei, ne. mulberry, nfrz. muˆre, nschw. mullbär. – Hoops (1911/19), III, 240f.; LM 6 (1993), 409; EWNl 3 (2007), 367.

Maulesel Sm (Maultier n.) std. (15. Jh., mul 9. Jh.), fnhd.

Palander (1899), 26–28; Teuchert (1944), 334–339; Sanders, W., Szle˛k, St., Niederhauser, J.: Ein neues Wörterbuch der deutschen Sprache (Bern 1987), 65–74; Röhrich 2 (1992), 1012f.; LM 6 (1993), 409f.; EWNl 3 (2007), 372.

mu¯lesel, mu¯l(-tier). Verdeutlichende Zusammenset- maunzen Vsw ’klägliche Laute von sich geben’ erw. reg. (16. Jh.). Nasalierung zu Þmauzen, das seinerseits eine zung aus mhd. mu¯l m./n., ahd. mu¯l m., das wie ae. mu¯l Erweiterung zu mauen, Þmiauen ist. Das Wort wurde und anord. mu´ll entlehnt ist aus l. mu¯lus m. ’Maulalso zunächst in Bezug auf Katzen gebraucht. tier’. Die Differenzierung zwischen Maulesel Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 179–181. ’Kreuzung von Pferdehengst und Eselsstute’ und Maus Sf std. (8. Jh.), mhd. mu¯s, ahd. mu¯s, as. mu¯s. Aus ÞMaultier ’Kreuzung von Eselshengst und Pferdeg. *mu¯s- f. ’Maus’, auch in anord. mu´s, ae. mu¯s, afr. stute’ ist sekundär (nach Plinius nat. hist. 8, 172 ist mu¯s. Aus ig. *mu¯s- ’Maus’, auch in ai. mu¯´h m./f., auch das lateinische Wort mehrdeutig − nur ’die Al˙ Weitere mu¯sa- m., akslav. mysˇ˘ı, gr. my˜s m., l. mu¯s m. ten’ haben zwischen l. hinnulus und l. mulus unter˙ Herkunft umstritten. Ansprechend ist eine Herleischieden). tung aus *mus- ’stehlen’ in ai. musna¯´ti ’stiehlt’ und Ebenso nndl. muilezel (muildier), ne. mule, nfrz. mulet, mule, ˙˙ nschw. mula˚sna, nisl. mu´lasni (mu´ldy´r). – LM 6 (1993), 409; vielleicht ahd. chreo-mosido ’Leichenberaubung’. Zu EWNl 3 (2007), 390. beachten ist aber die alte Nebenbedeutung ’Muskel’ in ahd. mu¯s, mhd. mu¯s, ae. mu¯s ’Muskel am Dau-

mauscheln

610

menballen’, gr. my˜s m., l. mu¯sculus m. ’Muskel’. Sie Maut Sf ’Zoll’ per. oobd. (9. Jh.), mhd. (bair.) maut, kann auf einer Übertragung des Tiernamens beruhen ahd. (bair.) mu¯ta. Zugrunde liegt g. *mo¯ta f. oder als ’das sich Bewegende’ auf die gleiche Grund’Abgabe, Entschädigung für Durchfahrt und Hilfe’ in lage zurückgehen. In diesem Fall wäre von ig. *meu¡gt. mota ’Zoll’, ae. (nordh.) mo¯t ’Steuer’, spmhd. (bair.) muoze ’Mahllohn des Müllers’, dessen genaue ’schieben, bewegen’ (l. move¯re usw.) auszugehen. Eine Entscheidung ist vorläufig nicht möglich. Herkunft unklar ist (wohl zu ÞMuße und Þmüssen ÞMisel, ÞMurmeltier, ÞMuschel, ÞMuskel. – Röhrich 2 als ’Zuteilung, Gewährung’). Vermutlich ist das go(1992), 1013–1017; LM 6 (1993), 417; Griepentrog (1995), tische Wort in späterer Form *mu¯ta Grundlage für 305–319; RGA 19 (2001), 465f.; EWNl 3 (2007), 391. die Entlehnung von anord. mu´ta ’Bestechungsgeld’, akslav. myto n. ’Lohn, Geschenk’, sloven. mı´to n. mauscheln Vsw ’reden wie ein Jude’ (nach dem Stereotyp) per. stil. (17. Jh.). Abgeleitet von Mausche, der ’Bestechungsgeld’, ebenso ahd. (bair.) mu¯ta, das jiddischen Form des biblischen Namens Mose dann aber die Bedeutung ’Zoll’ übernimmt und diese (mo¯ˇsä[h]), die als Übername der Handelsjuden gean akslav. mytarı˘ m. ’Zöllner’, cˇech. my´to ’Zoll’, slobraucht wurde (auch Mauschel), ebenfalls seit dem ven. muta ’Maut’, friaul. mude ’Maut’ weitergibt. Gusmani, R. StG 9 (1971), 20–31; Wiesinger, P. in Beumann/ 17. Jh. bezeugt. Wolf (1985), 212; Röhrich 2 (1992), 1017; Althaus, H. P.: Mauscheln (Berlin, New York 2002); EWNl 4 (2009), 196f.

Schröder (1985), 153–200; Wiesinger, P. BEDS 6 (1986), 108–125; LM 6 (1993), 417; Sousa Costa (1993), 268–269.

mauzen Vsw Þmaunzen. fnhd. mu¯sen. Ursprünglich offenbar ’Mäuse fangen’ maxi- LAff zur Bezeichnung des Größten oder beson(von der Katze und anderen Tieren), dann übertraders Großen seiner Art std. (–). Wohl nur in Maxirock, gen auf anderes Fangen, und schließlich vulgäres -kleid von größerer Verbreitung (ÞMaximum). Wort für ’stehlen’. Auffällig ist aber das sehr frühe Maxime Sf ’Lehre, Motto’ per. fach. (17. Jh.). Kürzung andfrk. chreomosida ’Leichenraub’ und das dazu pasaus ml. maxima sententia ’oberster Grundsatz’ (und sende ai. mus- ’stehlen’. Wenn ein Zusammenhang ähnlichen Formulierungen). besteht, ist das Wort acht Jahrhunderte lang unbeEbenso nndl. maxime, ne. maxim, nfrz. maxime, nschw. mazeugt geblieben. xim, nnorw. maksime. – DF 2 (1942), 91; LM 6 (1993), 418f.

mausen Vsw std. stil. (16. Jh., mosida ’Raub’ 8. Jh.?),

Janda, M. Sprache 40 (1998), 14–25, besonders 16f.

Mauser Sf ’Federwechsel der Vögel’ erw. fach. (19. Jh.,

Maximum Sn ’Höchstmaß’ erw. fremd. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus l. ma¯ximum, dem Superlativ von l. ma¯gnus muzon 9. Jh.). Mhd. mu¯ze, in Zusammensetzungen ’groß’. Adjektiv: maximal. auch mu¯zer (woher das -r- kommt, ist ungeklärt, vielEbenso nndl. maximum, ne. maximum, nfrz. maximum, leicht aus Mauser ’Vogel, der sich maust’). Ahd. nur nschw. maximum, nnorw. maksimum; ÞMagister. – DF 2 mu¯zo¯n Vsw. ’mausern’ und muzunga ’Wechsel’ (1942), 91; HWPh 5 (1980), 941–949; LM 6 (1993), 425–427; (8. Jh.). Entlehnt aus l. mu¯ta¯re ’tauschen’, das im gleiEWNl 3 (2007), 319. chen technischen Sinn gebraucht werden kann. Vgl. Mayonnaise Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. mayonfrz. muer ’mausern’. naise, das meist auf frz. mahonnaise, dem französiEbenso ne. mo(u)lt, nfrz. muer, nnorw. myte; ÞMutterkrebs. – schen Adjektiv zu Puerto Mahon, dem Namen einer Wiesinger, P. BEDS 6 (1986), 115f.; Röhrich 2 (1992), 1017. Stadt auf Menorca, zurückgeführt wird. Die Erklämausetot Adj std. stil. (17. Jh.). Vermutlich umgebildet rung ist nicht sehr wahrscheinlich. Vielleicht eher zu aus ndd. mursdot zu murs, mors ’gänzlich’. frz. mailler ’schlagen’, da die Mayonnaise geschlagen EWNl 3 (2007), 383. wird. Ebenso nndl. mayonaise, ne. mayonnaise, nfrz. mayonnaise, mausig Adj (nur in sich mausig machen ’übermütig nschw. majonnäs, nnorw. majones. – DF 2 (1942), 91; DEO oder vorlaut sein’) erw. stil. phras. (16. Jh.). Vermut(1982), 398; EWNl 3 (2007), 320. lich ein Falkner-Ausdruck für einen Greifvogel, der die Mauser hinter sich hatte und deshalb als angriffs- Mäzen Sm ’Förderer’ erw. bildg. (16. Jh.). Entlehnt aus l. Maece¯na¯s, nach dem Namen C. Cilnius Maecenas, lustig galt. Das Wort ist aber fast nur in der übertraeinem Gönner von Gelehrten und Dichtern (so von genen Bedeutung belegt. Vergil und Horaz). Röhrich 2 (1992), 1017f. Mausoleum Sn ’prächtiges Grabmal’ per. fach. (17. Jh.).

Ebenso nndl. Maecenas, mecenas, ne. Maecenas, nfrz. me´ce`ne, nschw. mecenat, nnorw. mesen. – DF 2 (1942), 92; LM 6 (1993), 430–433; EWNl 3 (2007), 320f.

Entlehnt aus l. Mauso¯le¯um, dieses aus gr. Maus(s)o¯´leion, zum Eigennamen gr. Mau´s(s)o¯los. Zunächst Bezeichnung des prächtigen Grabmals, das die Mechanik Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. (ars) me¯chanica ’Wissenschaft von den Maschinen’, dieses aus gr. Witwe des Königs Mausolos ihrem verstorbenen Gatme¯chanike¯´ (te´chne¯), zu gr. me¯chane¯´ ’künstliche Vorten errichten ließ. richtung, Werkzeug, Maschine’, zu gr. me˜chos n. Ebenso nndl. mausoleum, ne. mausoleum, nfrz. mausole´e, ’Mittel, Hilfsmittel’. Adjektiv: mechanisch; Täterbenschw. mausole´, nnorw. mausoleum. – Littmann (1924), 23; zeichnung: Mechaniker; Konkretum: Mechanismus; DF 2 (1942), 91; LM 6 (1993), 417; EWNl 3 (2007), 319. Verb: mechanisieren.

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Meerrettich

Ebenso nndl. mechanica, ne. mechanics, nfrz. me´canique, HWPh 5 (1980), 961–968; LM 6 (1993), 450–452; EWNl 3 (2007), nschw. mekanik, nnorw. mekanikk; ÞMaschine. – DF 2 (1942), 322. 92f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 398; HWPh 5 (1980), Medium Sn ’Vermittler, vermittelndes Element 950–959; LM 6 (1993), 435f.; EWNl 3 (2007), 321.

meckern Vsw std. (17. Jh.). Früher mecken und meckatzen als lautnachahmende Bezeichnung des

usw.’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. medium, einer Substantivierung von l. medius ’in der Mitte von, vermittelnd (usw.)’.

Ziegenlautes. Entsprechend mhd. mecke als SpottnaEbenso nndl. medium, ne. medium, nfrz. me´dium, nschw. meme des Ziegenbocks. Entsprechende Lautnachahdium, nnorw. medium. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞMitte; ÞIntermezzo, ÞMedien, ÞMilieu. – DF 2 (1942), 95f.; mungen sind gr. me¯ka´omai, l. miccı¯re und als SubEWNl 3 (2007), 322f. stantive gr. me¯ka´s ’meckernd, Ziege’ und ai. meka´’Bock’. Medizin Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. (ars) medicı¯na, S. auch ÞHeckmeck. – Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), zu l. medicus m. ’Arzt’, zu l. mede¯rı¯ ’heilen, helfen’, das 187f.; Röhrich 2 (1992), 1018; EWNl 3 (2007), 329. mit l. metı¯rı¯ ’messen’ verwandt ist. Adjektiv: medizinisch; Täterbezeichnung: Mediziner. Medaille Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. me´daille, Ebenso nndl. medicijn, ne. medicine, nfrz. me´decine, nschw. dieses aus it. medaglia, aus früh-rom. *metallia (momedicin, nnorw. medisin; ÞMedikament, ÞDimension. – DF 2 ne¯ta) ’metallene Münze’, vermutlich zu l. metallum n. (1942), 96; HWPh 5 (1980), 968–1002; Röhrich 2 (1992), 1018; ’Metall’, aus gr. me´tallon n. Bei Medaillon handelt es LM 6 (1993), 452–465; EWNl 3 (2007), 322. sich um eine Augmentativbildung zu it. medaglia, die Meer Sn std. (8. Jh.), mhd. mer, ahd. mer(i) m./n., afr. über das Französische entlehnt wurde. mere. Aus g. *marja- n. neben dem Maskulinum in Ebenso nndl. medaille, ne. medal, nfrz. me´daille, nschw. meanord. marr, ae. mere, m¢re m./f. (?) und das Komdalj, nnorw. medalje. – DF 2 (1942), 94; Jones (1976), 431; LM 6 (1993), 442; LM 6 (1993), 442–443 (zu Medallion); EWNl 3 positionsglied in gt. mari-saiws ’See’. Ein ¯ın-Stamm (2007), 321. in gt. marei f., as. meri f., ahd. mer(i) m./n. Wie vor allem das Lateinische (l. mare) zeigt, liegt ein neuMedia Sf ’Mittellaut zwischen Tenuis und Aspirata’, im traler i-Stamm zugrunde. Dieses Paradigma ist im Sinn von ’stimmhafter Verschlusslaut’ per. fach. Germanischen beseitigt worden, deshalb die Vielfalt (19. Jh.). Übernommen aus der antiken Grammatik: der Stammbildungen. Außer den germanischen und l. media (vox), gr. me´sa (stocheı˜a) Pl. Der ursprünglateinischen Formen zeigt sich ig. *mari n. ’See, Meer’ liche griechische Ausdruck bezieht sich auf den in air. muir m./n./ (f.), kymr. mor, akslav. morje, lit. Hauch, bei dem diese Laute in der griechischen Sprama˜re˙s f. Pl., osset. mal ’tiefes, stehendes Gewässer’. Zu che nach Auffassung der Grammatiker eine Mittelbeachten ist der Unterschied l. -a- − kelt. -o-. Das stellung einnahmen. Wort wird zu (ig.) *mer- ’glänzen’ gestellt (’das GlänEbenso nndl. media, ne. media, nschw. media. zende’), doch ist diese Annahme unverbindlich. Medien Spl ’Information vermittelnde Einrichtungen’ Nach Sausverde ein Substratwort. (der Singular Medium ist in dieser Bedeutung selEbenso nndl. meer, ne. mere, nschw. mar-; ÞMaar, ÞMarine, ten) erw. fach. (17. Jh., Bedeutung 20. Jh.). Zunächst ÞMarsch 2, ÞMoor. – Nehring, A. FS Schröder (1959), 122–138; im Singular Medium entlehnt aus l. medium, dem Corazza, V. D. AANL Memorie VIII, 28, 8 (1986); Röhrich 2 substantivierten Neutrum von l. medius ’mittlerer’ (1992), 1018; Sausverde (1996); EWNl 3 (2007), 324. (ÞMedium) in der Bedeutung ’Mittel, Vermittler, Meerbusen Sm erw. fach. (17. Jh.). Lehnübersetzung Versuchsperson’. Speziell wurde das Wort für den Invon l. sinus maritı¯mus, wie auch das etwas früher beformationsträger (Ton, Schrift) verwendet und zeugte Meerschoß. schließlich auf die Gesamtheit der InformationseinMeerhand Sf ÞMeerschaum. richtungen bezogen. Ebenso nndl. medi¡, ne. media, nfrz. me´dia, media, nschw. Meerkatze Sf ’langgeschwänzter Affe’ per. fach. media-, nnorw. media-. – Carstensen 2 (1994), 892f. (11. Jh.), mhd. mer(e)katze, ahd. mer(i)kazza, mndd. merkatte, mndl. meercatte. Offenbar als ’übers Meer Medikament Sn std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. medica¯gekommene Katze’ aufgefasst; doch liegt die Bezeichmentum, zu l. medica¯rı¯ ’heilen’, zu l. medicus m. nung so wenig nahe, dass ein Vorbild wie ai. marka´ta’Arzt’, zu l. mede¯rı¯ ’heilen, helfen’. ˙ m. ’Affe’ zu vermuten ist (es lässt sich allerdings keine Ebenso nndl. medicament, ne. medicament, nfrz. me´dicament, Verbindungslinie wahrscheinlich machen). nschw. medikament, nnorw. medikament; ÞMedizin. – DF 2 (1942), 94f.; LM 6 (1993), 447.

meditieren Vsw ’sinnen, sich konzentrieren’ erw. fach.

(14. Jh.). Entlehnt aus l. medita¯rı¯ ’nachdenken’, das mit l. metı¯rı¯ ’messen’ verwandt ist. Abstraktum: Meditation; Adjektiv: meditativ. Ebenso nndl. mediteren, ne. meditate, nfrz. me´diter, nschw. meditera, nnorw. meditere; ÞDimension. – DF 2 (1942), 95;

Meerrettich Sm erw. fach. (9. Jh.), mhd. merretich, ahd.

mer-ratih, as. mer-redik. Vermutlich umgebildet aus armoracea ’die Bretonische’, weil in der Bretagne der Meerrettich gut gedeiht. Dann Umdeutung zu einer Entsprechung von l. raphanus (ma¯ior). Die Anknüpfung an ÞMeer ist schon früh erfolgt (11./12. Jh.), wie die Formen auf meri- zeigen. Eine andere Anknüp-

Meerschaum fung geht zu ÞMähre (vgl. ne. horse-radish), die dadurch gestützt wird, dass die Bezeichnungen ungenießbarer oder scharf schmeckender Pflanzen häufig mit Tiernamen kombiniert werden. Schatz, J.: Althochdeutsche Grammatik (Göttingen 1927), 84; Marzell 1 (1943), 396–398; Steinhauser (1978), 55–57; Röhrich 2 (1992), 1018.

Meerschaum Sm erw. fach. (15. Jh.). Das Wort bezeich-

nete nach dem Vorbild von l. spu¯ma maris f., gr. halo´s a´chne¯ f. zunächst die Koralle ’Alconium digitatum’ (nhd. ÞMeerhand, Lederkoralle), weil man sie für verdickten Schaum des Meeres hielt. Im 18. Jh. wird aus Kleinasien Lithomarga, ein Speckstein, eingeführt, aus dem dann Pfeifenköpfe geschnitten werden. Auf dieses Mineral wird ohne besonderen Grund der Name Meerschaum übertragen. Ein tat. myrsen, mit dem in der Krim Lithomarga benannt wird, ist nicht Quelle des deutschen Wortes, sondern durch die deutschkundigen Juden der Krim daraus entstellt. Schuchardt, H. ZDW 1 (1901), 361; von Patruba´ny, L. ZDW 2 (1901/02), 345; Kluyver, A. ZDW 7 (1906), 292–296; Lüschen (1979), 272; EWNl 3 (2007), 325.

Meerschweinchen Sn std. (17. Jh.). Zuvor wurde das

Stachelschwein so genannt, noch älter ist ahd. meriswı¯n, mhd. mer(e)swı¯n ’Delphin’. Beim Delphin ist das Benennungsmotiv der Speck, den er liefert, er ist also ’das Schwein aus dem Meer’; beim Stachelschwein hat wohl der Schweinigel eine Rolle gespielt − zur Unterscheidung nannte man es nach seiner exotischen Herkunft Meer schwein(chen). Das heute so genannte Tier ist ebenfalls exotischer Herkunft, deshalb traf auch hier die Bezeichnung zu; ÞSchwein wohl wegen seiner Laute. ÞDelphin

Meeting Sn ’Treffen’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus

ne. meeting, einer Abstraktbildung von ne. meet ’treffen’, dieses aus ae. me¯tan. Das Wort gehörte besonders zum DDR-Wortschatz. Ebenso nndl. meeting, ne. meeting, nfrz. meeting, ndn. meeting. – Ganz (1957), 140f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 573f.; Carstensen 2 (1994), 893–895.

mega- LAff zur Bezeichnung von ’besonders groß,

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gen aus dieser Wurzel, nämlich alb. miell, kymr. blawd, lit. mı`ltai m. Pl. Adjektiv: mehlig. Ebenso nndl. meel, ne. meal, nschw. mjöl, nisl. mjöl. S. auch ÞMelde. – Röhrich 2 (1992), 1019; EWNl 3 (2007), 323.

Mehltau Sm ’eine Pflanzenkrankheit’ per. fach. (9. Jh.),

mhd. miltou n., ahd. militou n., as. milidou n. Vgl. ae. mel(e)de¯aw ’Nektar’. Da das altenglische Wort, das ’Nektar, Honig’ bedeutet, kaum unabhängig von dem deutschen Wort ist, liegt wohl eine Zusammensetzung mit dem alten Wort für ’Honig’ vor (gt. miliþ n., l. mel n., gr. me´li n., air. mil f.), also ’Honigtau’. Das Wort bezeichnete also wohl einen Pflanzenbefall, der süß schmeckte, etwa ’Blattlaushonig’. Dann wurden auch andere Arten des Pflanzenbefalls so benannt und im Falle von weißen Belägen das Wort auf ÞMehl bezogen. In der Gegenwart wird eine orthographische Differenzierung von weißem Mehltau und süßem Meltau versucht. ÞMarmelade, ÞTau 1. – Bärthel, D. NM 25 (1969), 95f.; EWNl 3 (2007), 323.

mehr Adj std. (8. Jh.), mhd. me¯r, ahd. me¯r. Komparativ

zu Þviel, der entsprechende Superlativ ist Þmeist. Aus g. *maizo¯n, auch in gt. maiza, anord. meiri, ae. ma¯ra; das Adverb (endungslos, mit lautgesetzlichem Abfall des auslautenden Konsonanten) in ahd. me¯, ae. ma¯, m¢. Die Form enthält das Komparativsuffix g. -iz(mit schwacher Flexion) zu dem unter ÞMärchen dargestellten Stamm (ig.) *me¯- ’groß’. Entsprechende Komparativbildungen sind air. mo´, kymr. mwy, vielleicht osk. mais und apreuß. muisieson. Verb: mehren. Ebenso nndl. meer, ne. more, nschw. mer(a), nisl. meir(a); Þmeist, Þnimmer. – Heidermanns (1993), 398f.; EWNl 3 (2007), 324; Oettinger, N. FS Meid (1999), 261–267.

meiden Vst std. (8. Jh.), mhd. mı¯den, ahd. mı¯dan, as.

mı¯daÑ n. Aus wg. *meiþ-a- Vst. ’meiden’, auch in ae. mı¯daÑ n, afr. formı¯tha ’vermeiden’. Aus ig. *meit’wechseln, tauschen’, auch in l. mu¯ta¯re ’wechseln, weichen’, lett. miteˆt ’unterlassen’, akslav. miteˇ ’abwechselnd’, ai. me´thati ’paart sich, trifft’, in Ableitungen auch ’wechselt’ (die überwiegende Bedeutung ist allerdings ’zürnt, kommt in Streit’). Beim Partnerwechseln ist man nicht mehr mit dem ehemaligen Partner zusammen, man meidet ihn also, daher der Bedeutungsübergang. Präfigierung: vermeiden.

Million...’ std. (–). Die Kompositionsform von gr. me´gas ’groß’ wird in der modernen WissenschaftsÞMeineid, Þmissen, Þmiss-. – Seebold (1970), 348–350; sprache einerseits dazu verwendet, etwas Großes oder EWNl 3 (2007), 349. Verstärkendes zu bezeichnen (Megalith, Megaphon), andererseits bei Maßbezeichnungen für eine Million Meier Sm per. arch. (9. Jh.), mhd. mei(g)er, ahd. meior, Einheiten (Megawatt, Megabyte). Daraus abgelöst in meiur, meiger, as. meier ’Oberaufseher, Bewirtschafder Jugendsprache als Verstärkungswort verwendet. ter, Pächter eines Guts’. Entlehnt aus l. ma¯io¯r(em). Cottez (1980), 242; Carstensen 2 (1994), 895; EWNl 3 (2007), Dieses ist verkürzt aus ma¯io¯r domu¯s ’Vorsteher der 327f. Dienerschaft eines Hauses’ (eigentlich ’der Größere Mehl Sn std. (9. Jh.), mhd. mel (-wes), ahd. mel(o), as. des Hauses’). melo. Aus g. *melwa- n. ’Mehl’, auch in anord. mjo¸l, Ebenso nschw. mejeri (’Molkerei’), nnorw. meieri (’Molkerei’); ÞMagister, ÞMajor. – LM 6 (1993), 470f.; EWNl 3 ae. melu, afr. mele. Ableitung aus der unter Þmahlen (2007), 328f. behandelten Wurzel (ig.) *mel- ’zerreiben, mahlen’. Die Bedeutung ’Mehl’ haben auch andere Ableitun-

613 Meile Sf erw. obs. (9. Jh.), mhd. mı¯l(e), ahd. mı¯l(l)a,

mndd. mı¯le, mndl. mı¯le. Wie ae. mı¯l entlehnt aus l. mı¯lle passuum ’tausend Doppelschritte, eine römische Meile (= 1,5 km)’. Ebenso nndl. mijl, ne. mile, nschw. mil, nisl. mı´la; ÞMillion. – Röhrich 2 (1992), 1019; LM 6 (1993), 471f.; EWNl 3 (2007), 349f.

Meiler Sm erw. obs. (15. Jh.), fnhd. meiler, mndd. miler

Melancholie me¯na. Außergermanisch vergleicht sich akslav. meˇniti ’gedenken, erwähnen’. Ableitung zu dem unter ÞMeineid und Þgemein dargestellten Wort ig. *moino- ’Wechsel, Tausch’: meinen ist ursprünglich ’der Reihe nach, im Wechsel, seine Meinung äußern’. Abstraktum: Meinung. Ebenso nndl. menen, ne. mean. – Trier, J. AB 9 (1964), 189–201; HWPh 5 (1980), 1017–1023; Trier (1981), 143–147; EWNl 3 (2007), 333f.

’bestimmte Anzahl aufgeschichteter Holzstücke oder Eisenstangen’, ist offenbar (auf unbekanntem Weg) meinen2 Vsw ’lieben’ per. arch. (13. Jh.), mhd. meinen. entlehnt aus l. mı¯lia¯rius ’tausend Stück’ oder einer Gehört vermutlich zu der unter ÞMinne dargestellten ähnlichen Form. Erst später zu ’Holzstoß des KöhSippe, ist aber schon früh durch Þmeinen 1 beeinflusst lers’. worden. Ebenso nndl. meiler, nschw. mila, nnorw. mile; ÞMillion.

meinethalben Adv std. (13. Jh.), mhd. von mı¯nen halben

’von meiner Seite aus’ (zu halbe ’Seite’ s. Þhalb). Dann zusammengerückt, Einschub eines -t- als ÜberAus g. *mı¯na-, auch in gt. meins, anord. mı´nn, minn, gangslaut und (wohl dissimilatorischer) Schwund ae. mı¯n, afr. mı¯n. Zugehörigkeitsbildung auf -no-, des zweiten -n-. Entsprechend meinetwegen, meinetausgehend vom Lokativsuffix ig. *-ne¯, zu dem urwillen. sprünglich enklitischen Pronominalstamm ig. *-mei (auch in heth. -mi, al. mis). Meise Sf std. (9. Jh.), mhd. meise, ahd. meisa, as. me¯sa, Ebenso nndl. mijn, ne. mine, nschw. min, nisl. minn; Þich, mndd. mese, mndl. me(e)se, meise. Aus g. *maiso¯n f. Þmich, Þmir. – Seebold (1984), 49–51; Röhrich 2 (1992), ’Meise’, auch in ae. ma¯se, nschw. mes, erweitert in 1019f.; EWNl 3 (2007), 350. anord. meisingr m. Herkunft unklar. Meineid Sm std. (9. Jh., meinswart 8. Jh.), mhd. meineit, Ebenso nndl. mees, ne. (tit)mouse, nschw. mes. – Röhrich 2 ahd. meineid, as. me¯ne¯d. Die Fügung, die auch in (1992), 1020; EWNl 3 (2007), 325f. anord. meineidrÑ , ae. ma¯na¯þ, afr. me¯ne¯th auftritt, ist Meißel1 Sm ’Schneidwerkzeug’ std. (9. Jh.), mhd. meientweder eine Zusammenrückung mit dem Adjektiv zel, ahd. meizil. Instrumentalbildung zu g. *mait-ag. *maina- ’falsch, gemein’ oder eine Komposition Vst. ’schneiden, hauen’ in gt. maitan, ahd. meizan. mit dem substantivierten Neutrum dieses Adjektivs Entsprechend anord. meitill, das aber spärlich be(Determinativkomposita mit Adjektiv im Vorderzeugt und vielleicht dem deutschen Wort nachgebilglied sind in der frühen Zeit unüblich). Für die Zudet ist. Verb: meißeln. sammenrückung spricht, dass noch mhd. auch ein ÞAmeise, ÞMeißel 2, ÞSteinmetz. – Kluge (1926), 48; Seebold meiner eit gesagt werden kann. Das Adjektiv in anord. (1970), 343f.; EWNl 3 (2007), 379f. meinn, ae. ma¯n, afr. me¯n, ahd. mein, mhd. mein(e). 2 Meißel Smf ’Scharpie’ per. fach. (13. Jh.), mhd. meizel. Entsprechend das Neutrum mit der Bedeutung Als ’Abgeschnittenes’ zu dem unter ÞMeißel 1 behan’Vergehen, Behinderung’ (auch as. me¯n). Außerger’schneiden, hauen’. delten Verbum ahd. meizan manisch mit dem Vorderglied vergleichbar sind Substantive mit der Bedeutung ’Tausch, Wechsel’ (vgl. meist AdjSup std. (8. Jh.), mhd. meist, ahd. meist, as. das Nebeneinander von Þtauschen und Þtäuschen): me¯st. Aus g. *maista-Superlativ ’meist’, auch in gt. maists, anord. mestr, ae. m¢ ¯ st, afr. ma¯st. Mit dem lit. maı˜nas, akslav. meˇna f., ai. mena¯˘- ’Wechsel, Superlativ-Suffix *-ista- zu der gleichen Grundlage Tausch’, (s. auch Þgemein und das dort angeführte l. wie Þmehr. commu¯nis). Das germanische Adjektiv ist entweder ein paralleles no-Partizip oder aus dem Substantiv Ebenso nndl. mest, ne. most, nschw. mest, nisl. mestur. – EWNl 3 (2007), 326. durch prädikativen Gebrauch entstanden (in diesem Fall wäre das Kompositum ursprünglich). Weiter zu Meister Sm std. (8. Jh.), mhd. meister, ahd. meistar, as. der Wurzel *mei- ’wechseln, tauschen’, zu der auch me¯star. Wie ae. magister, m¢ ¯ gister entlehnt aus l. madie Sippe von Þmeiden gehört, sowie von der einfagister ’Meister, Vorstand, Anführer’. Eine spätere Entchen Wurzel ai. ma´yate ’tauscht’, lett. mıˆt ’tauschen’. lehnung aus dem gleichen Wort ist ÞMagister. Verb: Adjektiv: meineidig. meistern; Abstraktum: Meisterschaft. mein Pron std. (8. Jh.), mhd. mı¯n, ahd. mı¯n, as. mı¯n.

Ebenso nndl. meineed, nschw. mened; ÞAmöbe, Þmeinen 1, ÞMiete 1, ÞMinne. – LM 6 (1993), 472f.; Heidermanns (1993), 395; EWNl 3 (2007), 329.

meinen1 Vsw ’äußern, der Meinung sein’ std. (8. Jh.),

mhd. meinen, ahd. meinen, meinan, as. me¯nian ’meinen, erwähnen, bezwecken’. Aus wg. main-ijaVsw. ’meinen, erwähnen’, auch in ae. m¢¯ nan, afr.

Ebenso nndl. meester, ne. master, nfrz. maıˆtre, nschw. mästare, nisl. meistari. – Röhrich 2 (1992), 1020; LM 6 (1993), 480f.; EWNl 3 (2007), 326.

Melancholie Sf std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. melancho-

lia, dieses aus gr. melancholı´a¯ (eigentlich ’Schwarzgalligkeit’), zu gr. me´la¯s ’schwarz’ und gr. chole¯´ ’Galle’. Nach der Vorstellung der älteren Medizin

Melange (sog. Humoralpathologie) sind bestimmte menschliche Regungen durch gewisse Mischungen der vier wesentlichen Körperflüssigkeiten verursacht. Ein Zuviel an schwarzer Galle bewirkt nach dieser Auffassung Niedergeschlagenheit und Schwermut. Adjektiv: melancholisch; Täterbezeichnung: Melancholiker. Ebenso nndl. melancholie, ne. melancholy, nfrz. me´lancolie, nschw. melankoli, nnorw. melankoli; ÞCholera, ÞCholeriker. – DF 2 (1942), 96f.; Schipperges, H. SG 20 (1967), 723–736; HWPh 5 (1980), 1038–1043; LM 6 (1993), 490; EWNl 3 (2007), 330.

Melange Sf ’Mischung’, österr. ’Milchkaffee’ per.

fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. me´lange, Abstraktum zu frz. meˆler ’mischen’ (Þmeliert). Ebenso nndl. melange, ne. me´lange, nfrz. me´lange. – DF 2 (1942), 97; EWNl 3 (2007), 330.

Melasse Sf ’zähflüssiger Rückstand bei der Zuckerge-

winnung’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. me´lasse, dieses aus span. melaza, das über frühromanische Zwischenstufen zurückgeht auf l. mel n. ’Honig’. Ebenso nndl. melasse, ne. molasses, nfrz. me´lasse, nschw. melass, nisl. melassi; ÞMarmelade. – EWNl 3 (2007), 330f.

Melchter Sf ’hölzernes Milchgeschirr’ per. schwz.

(12. Jh.), spahd. (kuo)melhtra. Instrumentalableitung zu Þmelken. Melde Sf per. fach. (9. Jh.), mhd. melde, ahd. melda,

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’kommen, erscheinen’, kausativ ’zeigen’ in gr. blo¯´sko¯, Aorist moleı˜n ’gehen, kommen’, serb. iz-mo`lı¯ti ’vorzeigen’, slov. molı´ti ’hinstrecken, hinhalten’. Dann wäre wg. *meldo¯ (< ig. *mel¡-d h-a¯) ’das Zeigen, die Anzeige’. Weitere Verknüpfungen sind möglich (z.B. von ’Erscheinung’ zu ’Erdichtung’ und damit Anschluss der oben als zweite genannten Gruppe), aber semantisch nicht ausreichend wahrscheinlich zu machen. Abstraktum: Meldung; Nomen Agentis: Melder; Präfigierung: vermelden. Ebenso nndl. melden. – Benveniste, E. BSL 33 (1932), 133–135; Fraenkel, E. REI 1 (1938), 420 ff.; Fraenkel 1 (1962), 430, 431–435; Tischler (1983 ff.) Lieferung 5/6 (1990), 109f.; Fennel, B. A., Pugh, St. M. Welt der Slaven 35 (1990), 155–161; EWNl 3 (2007), 331.

meliert Adj ’gemischt, leicht ergraut’ per. fremd.

(17. Jh.). Adjektiv (Partizip) zu melieren ’sprenkeln, mischen’, das entlehnt ist aus frz. meˆler, dieses aus afrz. mesler, aus früh-rom. *mı˘scu˘lare, aus l. misce¯re. Ebenso nndl. (Vb.) meˆleren, nfrz. (Vb.) meˆler, nschw. melerad, nnorw. melert; ÞMelange, ÞMixtur. – DF 2 (1942), 97.

Melisse Sf (Heil- und Gewürzpflanze) per. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus ml. melissa, das entlehnt und gekürzt ist aus gr. melisso´phyllon n. ’Bienenkraut’, aus gr. me´lissa ’Biene’ (zu gr. me´li n. ’Honig’) und gr. phy´llon ’Blatt’. Ebenso ne. melissa, nfrz. me´lisse, nndl. melisse; ÞMarmelade. –

malta, as. maldia. Entsprechend ae. melde, nschw. Cottez (1980), 244; LM 6 (1993), 497; EWNl 3 (2007), 331. molla. Ein Pflanzenname mit starker Vokalvariation. melk Adj ’milchgebend’ per. arch. (8. Jh.), mhd. melch, Sachlich wäre ein Anschluss an ÞMehl denkbar, weil ahd. melc, mndd. melk. Aus g. *melka-/i- Adj. die Pflanze weiß bestäubte Blätter hat; aber die laut’milchgebend’, auch in ae. meol(u)c, milc, anord. lichen Zusammenhänge sind unklar. mjolkr. Verbaladjektiv zu Þmelken, also ’melkbar’. Ebenso nndl. melde, ne. dial. milds, nschw. molla. – Marzell 1 (1943), 510f.

melken Vst std. (8. Jh.), mhd. melken, ahd. melchan,

mndl. melken. Aus g. *melk-a- Vst. ’melken’, auch in ae. melcan, afr. melka. Das Altnordische hat molka melden, ahd. melde¯n, meldo¯n, as. meldon. Aus wg. Vsw. ’melken, milchen’. Das Verb geht zurück auf ig. *melþ-o¯- Vsw. ’anzeigen, verraten, anklagen’, auch in *melg´- ’melken’, älter vermutlich ’abstreifen’ in l. ae. meldian, afr. urmeldia. Ableitung zu wg. *meldo¯ f. mulge¯re, mir. bligid, lit. me´lzˇti, russ.-kslav. mleˇsti, gr. ’Anzeige, Verrat’ in ae. meld, ahd. melda. Die etyame´lgo¯, toch. A ma¯lk-. Die vermutlich ältere Bedeumologischen Zusammenhänge sind heftig umstrittung in ai. ma¯´rsti ’reibt, wischt, reinigt’. Nomen ten: Die eine Richtung schließt (seit Benveniste) an Agentis: Melker˙.˙ lit. mel˜sti ’bitten, beten’ (lit. malda` ’Bitte’) und eine Ebenso nndl. melken, (ne. milk); ÞMelchter, Þmelk, ÞMolke. einfachere Form ig. *mel- ’bitten, rituelle Worte an (ÞMilch ist vermutlich nicht verwandt). – Seebold (1970), die Gottheit richten’ an, die andere (Fraenkel) ver350f. bindet das germanische Wort mit Wörtern für ’lügen’ auf einer Grundlage (ig.) *mel- in air. mellaid Melodie Sf std. (13. Jh.), mhd. me¯lodı¯. Ist entlehnt aus l. melo¯dia, dieses aus gr. melo¯idı´a, zu gr. me´los ’Lied’ ’betrügt’, lit. ma˜las ’Lüge’, cˇech. my´lit ’täuschen, irund gr. aoide¯´, (poet.) o¯ide¯´ ’Gesang, Singen, Lied’ reführen’, gr. me´leos ’vergeblich’, vielleicht auch gr. (ÞOde), zu gr. aeı´dein ’singen’. Adjektive: melodisch, blasphe¯me´o¯ ’ich schmähe, lästere, verleumde’, avest. melodiös. mairiia- ’betrügerisch’, toch. A smale ’Lüge’. Heth. Ebenso nndl. melodie, ne. melody, nfrz. me´lodie, nschw. melodi, mald- ’rezitieren, geloben’ kann zu beiden gehören. nnorw. melodi. – DF 2 (1942), 98; Cottez (1980), 245; EWNl 3 Semantisch steht die germanische Sippe dem zweiten (2007), 332. näher, doch besteht das Problem darin, dass das germanische Wort auch neutral ’anzeigen, berichten’ be- Melodram Sn ’pathetisches Schauspiel mit untermadeuten kann, während das Vergleichsmaterial auf lender Musik’ per. fach. (18. Jh.). An sich aus frz. me´lodrame ’Singspiel’ entlehnt. Dieses aus gr. me´los ’Lüge’ u.ä. festgelegt ist. Von hier aus gesehen ist der ’Lied’ (ÞMelodie) und frz. drame (ÞDrama). Die itawahrscheinlichste Ausgangspunkt (ig.) *mel¡-

melden Vsw std. (9. Jh., meldari ’Verräter’ 8. Jh.), mhd.

Mennige

615

Ebenso nndl. menagerie, ne. menagerie, nfrz. me´nagerie, nschw. lienische Form Melodrama (und das Adjektiv menageri, nnorw. menasjeri; Þimmanent, Þpermanent. – DF 2 melodramatisch) entwickelten aber (wegen der rühr(1942), 101; Brunt (1983), 377. seligen und archaisierenden Tendenz solcher Stücke) die Nebenbedeutung ’rührselig’, die sich für die ganze Menetekel Sn ’geheimnisvolles Anzeichen eines bevorGruppe durchsetzte. stehenden Unglücks’ erw. bildg. (15. Jh.). Zitat der aramäischen Formel m ene¯( ) m ene¯( ) t eqe¯l uparsı¯n des Ebenso nndl. melodrama, ne. melodrama, nfrz. me´lodrame, Alten Testaments, einer Geisterschrift für den babynschw. melodram, nisl. melo´drama. – DF 2 (1942), 98; Cottez (1980), 245. lonischen König Belsazar, die ihm sein bevorstehendes Schicksal ankündigen sollte (Daniel 5, 25–28). Die Melone Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. melone m. und Verwendung der Anfangswörter zur Bezeichnung des frz. melon m., diese aus l. me¯lo (-o¯nis) m., aus l. me¯ganzen Textes entspricht der von Vaterunser. lopepo m. (eine apfelförmige Melone), aus gr. me¯loEbenso nndl. mene-tekel, nnorw. menetekel. – Röhrich 2 pe´po¯n n. (eigentlich ’reifer Apfel’), zu gr. me˜lon n. (1992), 1021. ’Apfel, Quitte’ und gr. pe´po¯n ’reif’. Menge Sf std. (8. Jh.), mhd. menige, ahd. managı¯, meEbenso nndl. meloen, ne. melon, nfrz. melon, nschw. melon, nigı¯ u.ä., as. menigi. Aus g. *managı¯n- f. ’Menge’, auch nisl. melo´na; ÞMarmelade. – DF 2 (1942), 98; Öhmann, E. in gt. managei, ae. men(i)gu, afr. menie. Statt dessen NPhM 43 (1942), 25f.; Sauerhoff (2001), 162–164; EWNl 3 (2007), 332. ein neutraler ja-Stamm in anord. mengi n. AdjektivAbstraktum zu dem unter Þmanch dargestellten Meltau Sm ÞMehltau. Wort in dessen alter Bedeutung ’viel’. AußergermaMembrane Sf ’dünnes Blättchen, feines Häutchen’ per. nisch stimmen dazu akslav. mu˘nozˇ˘ıstvo n. und von fach. (14. Jh.), spmhd. membra¯ne. Ist entlehnt aus l. der einfacheren Grundlage lit. minia` ’Menge’. membra¯na (eigentlich ’das die inneren Teile des tieRöhrich 2 (1992), 1021. rischen Körpers bedeckende Häutchen’, auch: mengen Vsw std. (8. Jh.), mhd. mengen, ahd. mengan, ’Pergament’), zu l. membrum n. ’Glied (eines Körmengen, as. mengian. Aus wg. *mang-eja- Vsw. pers)’. Im Deutschen zunächst verwendet als Be’mengen’, auch in ae. men(c)gan, m¢ngan, afr. mendzeichnung für Pergament. za. Außergermanisch entspricht lit. mı`nkyti ’kneten, Ebenso nndl. membran, ne. membrane, nfrz. membrane, durcharbeiten’, akslav. ume˛kno¸ti ’weich werden’ und nschw. membran, nnorw. membran. – EWNl 3 (2007), 332. vielleicht ai. ma´cate ’zermalmt’. Dazu als Variante das Memme Sf erw. obs. (16. Jh.). Die Bedeutung ’Feigling’ unter Þmachen genannte Verb. Gr. ma´sso¯ ’ich knete, aus ’Weib’, dieses wiederum aus mhd. memme, bilde ab’ ist mehrdeutig, gehört aber eher zu mengen. mamme ’Mutterbrust’. Zum Ursprung dieses Wortes Ebenso nndl. mengen; Þmang, ÞMenkenke. – EWNl 3 (2007), als Lautgebärde s. ÞMama. 334.

Memoiren Spl std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. me´moires, Menhir Sm ’vorgeschichtlich aufgerichteter Stein’ per.

der Pluralform von frz. me´moire f. ’Gedächtnis, Erinnerung’, aus l. memoria ’Gedächtnis’, Pl. ’Jahrbücher’, zu l. memor ’sich erinnernd’. Ebenso nndl. memoires, ne. memoirs, nfrz. me´moires, nschw. memoarer, nnorw. memoarer; ÞMarter. – DF 2 (1942), 99; Brunt (1983), 372f.; LM 6 (1993), 510.

Memorandum Sn erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne.

memorandum ’Vermerk zur Erinnerung’, übernommen aus dem Gerundivum von l. memora¯re ’erinnern’. Ebenso nndl. memorandum, ne. memorandum, nfrz. me´morandum, nschw. memorandum, nnorw. memorandum. – ReyDebove/Gagnon (1988), 576.

memorieren Vsw ’auswendig lernen, für sich wieder-

holen’ per. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus l. memora¯re ’sich erinnern’. Ebenso nndl. memoriseren, ne. memorize, nfrz. me´moriser, nschw. memorera, nnorw. memorere. – DF 2 (1942), 100.

Menagerie Sf ’Tiergehege’ std. (18. Jh.). Entlehnt aus

frz. me´nagerie, einer Ableitung von frz. me´nage m. ’Haushalt, Wirtschaft’ (letztlich zu l. mane¯re ’bleiben, wohnen’). Die Bedeutung ist zunächst ’ländliches Anwesen (mit Haustieren)’.

fach. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. menhir, dieses aus bret. maen hir, zu bret. maen ’Stein’ und bret. hir ’lang’. Ebenso nndl. menhir, ne. menhir, nfrz. menhir. Vgl. ÞDolmen. – EWNl 3 (2007), 334.

Meniskus Sm ’knorpelige Scheibe im Kniegelenk’ erw.

fach. (19. Jh.). Entlehnt und übertragen aus gr. me¯nı´skos ’Mondsichel’, einem Diminutivum zu gr. me¯´ne¯ f. ’Mond’ (ÞMonat). Die Übertragung nach der Form. Ebenso nndl. meniscus, ne. meniscus, nfrz. me´nisque, nschw. menisk, nnorw. menisk. – Cottez (1980), 246; EWNl 3 (2007), 334f.

Menkenke Sf ’Durcheinander’ per. md. (19. Jh.). Spie-

lerische Umbildung von Þmengen, Gemenge o.ä. Röhrich 2 (1992), 1022.

Mennige Sf ’Bleirot’ per. fach. (11. Jh.), mhd. minig,

spahd. minig m., ahd. minio m., mndd. minie, minye. Entlehnt aus l. minium n. ’Zinnober’ unklarer Herkunft. Das -g- ist aus dem unsilbisch gewordenen -ientwickelt. Ebenso nndl. menie, ne. minium, nfrz. minium, nschw. mönja, nnorw. mønje; ÞMiniatur. – LM 6 (1993), 519; EWNl 3 (2007), 334.

Mensa

616

Mensa Sf ’Kantine an Hochschulen’ erw. fach. (20. Jh.).

Entlehnt aus l. me¯nsa (acade¯mica) ’akademischer Mittagstisch’ (l. me¯nsa ’Tafel, Tisch’). Ebenso nndl. mensa. – LM 6 (1993), 520; EWNl 3 (2007), 335.

Mensch Sm std. (8. Jh.), mhd. mensch(e) m./n., ahd.

Ratgeber von Telemachos wirkte. Durch den Roman Aventures de Te´le´maque von Fe´nelon (1699) bekommt der Name den Wert eines Appellativums. Ebenso nndl. mentor, ne. mentor, nfrz. mentor, nschw. mentor; Þmental, ÞAutomat. – DF 2 (1942), 102; EWNl 3 (2007), 336.

Menü Sn std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. menu m., einer men(n)isco u.ä., as. mennisko. Wie afr. mann(i)ska, Substantivierung von frz. menu ’klein’, aus l. minu¯tus menn(i)ska Substantivierung eines Zugehörigkeits’winzig’, dem PPP. von l. minuere ’kleiner machen, adjektivs zu ÞMann in der alten Bedeutung vermindern’, zu l. minus ’weniger’. Zunächst in der ’Mensch’. Das Adjektiv g. *manniska- ’menschlich’ in Bedeutung ’Einzelheit’, dann ’Aufzählung der einzelgt. mannisks, anord. mennskr, ae. mennisc, as. mennen Teile (einer Speisenfolge)’. Die Bedeutung nisk, mannisk, ahd. mennisc(ı¯n), mannaschı¯n u.ä. ’Auswahlmöglichkeit am Computer’ unter engliEbenso steht ai. manusya`- Adj. ’menschlich, Mensch’ ˙ schem Einfluss. Das Wort tritt seit dem neben ai. ma´nus- ’Mensch’. 17. Jh. auch als ˙Neutrum auf zur Bezeichnung weibEbenso nndl. menu, ne. menu, nfrz. menu, nschw. meny, nnorw. meny; Þminus. – DF 2 (1942), 102f.; Carstensen 2 licher Dienstboten; daraus regional (obd.) einerseits (1994), 896; EWNl 3 (2007), 336f. ’Mädchen’, andererseits ein verächtlicher Ausdruck ’Weibsbild’. Adjektiv: menschlich; Kollektivum: Menuett Sn ’ein Tanz, der dritte Satz einer Sinfonie Menschheit; Abstraktum: Menschentum. oder Sonate’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. menuet m., zu frz. menuet ’klein, winzig’, einem DimiEbenso nndl. mens. – HWPh 5 (1980), 1059–1105; Röhrich 2 (1992), 1022–1024; LM 6 (1993), 521–526; EWNl 3 (2007), 335. nutivum zu frz. menu ’klein’, aus l. minu¯tus ’winzig’, dem PPP. von l. minuere ’kleiner machen, verminMenstruation Sf ’Monatsblutung’ erw. fach. (19. Jh.). dern’, zu l. minus ’weniger’. So benannt nach den Abstraktum zu menstruieren, das entlehnt ist aus l. kleinen Schritten dieses ursprünglich von einem Tänme¯nstrua¯re. Dieses aus l. me¯nstruus ’monatlich’, zu l. zerpaar aufgeführten Tanzes. me¯nsis ’Monat, Monatsblutung’ (meist Pl.). Ebenso nndl. menstruatie, ne. menstruation, nfrz. menstrues, nschw. menstruation, nnorw. menstruasjon; ÞMonat. – Cottez (1980), 246; EWNl 3 (2007), 336.

Mensur Sf ’Abstand von Fechtern, Zweikampf in Stu-

dentenverbindungen’ per. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. me¯nsu¯ra ’Messen, Größe, Haltung’, zu l. me¯tı¯rı¯ (me¯nsus) ’messen, abmessen’. Zunächst in die Sprache der Musik entlehnt in der Bedeutung ’Zeitmaß’, dann ’Abstand (der Fechter im Zweikampf)’, und daraus schließlich ’studentischer Zweikampf’. Ebenso nndl. mensuur, ne. measure, nfrz. mesure, nschw. mensur; ÞDimension. – DF 2 (1942), 101; LM 6 (1993), 529.

mental Adj ’geistig’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus

ne. mental, dieses aus ml. mentalis, zu l. me¯ns (-ntis) ’Sinn, Denkart, Verstand, Geist’. Abstraktum: Mentalität.

Ebenso nndl. menuet, ne. minuet, menuet, nfrz. menuet, nschw. menuett, nnorw. menuett; Þminus. – DF 2 (1942), 103; Brunt (1983), 377f.; EWNl 3 (2007), 337.

Mergel Sm per. fach. (11. Jh.), mhd. mergel, spahd. mer-

gil, mndd. mergel, mndl. mergel. Entlehnt aus ml. margila, das vermutlich auf ein keltisches Wort zurückgeht, wie sein Grundwort l. marga f., das von Plinius als gallisches Wort bezeichnet wird (Nat. hist. 17, 42). Ebenso nndl. mergel, ne. marl, nfrz. marne, nschw. märgel, nisl. mergel; Þausgemergelt. – Heyne (1899/1903), II, 42f.; Lüschen (1979), 273; EWNl 3 (2007), 338.

Meringe (Meringue) Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus

frz. me´ringue. Das französische Wort am ehesten aus einer Ableitung früh-rom. *mellinica o.ä. zu ml. mellı¯nus ’honigsüß’, vgl. frz. melindre ’ein Krapfen aus Mehl und Honig’.

Ebenso nndl. mentaal, ne. mental, nfrz. mental, nschw. mental, Ebenso ne. meringue, nfrz. me´ringue. – DEO (1982), 401; Jännorw. mental. Zu dem verwandten l. mentı¯rı¯ ’lügen’ gehört nicke, O. ZRPh 84 (1968), 558–571 (anders). ÞDementi, zu dem verwandten l. meminı¯scı¯ ’erinnern’ gehören Þkommentieren und ÞReminiszenz; s. weiter Þmonieren; zur Meriten Spl ’Verdienste’ erw. obs. (16. Jh.). Entlehnt aus germanischen Verwandtschaft s. Þmahnen, zur griechischen frz. me´rite m. ’Verdienst’, dieses aus l. meritum n., zu l. ÞAutomat. – DF 2 (1942), 102; EWNl 3 (2007), 336.

mere¯rı¯ ’sich verdient machen’.

Menthol Sn ’eine kristalline Substanz aus dem Öl der

Pfefferminze’ per. fach. (19. Jh.). Neoklassisches Kunstwort aus l. mentha (ÞMinze) und l. oleum (ÞÖl). Ebenso nndl. menthol, ne. menthol, nfrz. menthol, nschw. mentol, nnorw. mentol.

Mentor Sm ’erfahrener Ratgeber’ per. fach. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. mentor, dieses aus gr. Me´nto¯r (verwandt mit l. mone¯re ’ermahnen’), dem Namen eines Freundes des Odysseus, in dessen Gestalt Athene als

Ebenso ne. merits, nfrz. me´rite, nschw. merit, nnorw. meriter. – DF 2 (1942), 103f.; EWNl 3 (2007), 338.

merken Vsw std. (11. Jh.), mhd. merken, ahd. merken,

mndd. merken, marken, mndl. merken. Aus g. *markija- Vsw. ’merken, kennzeichnen’, auch in anord. merkja, ae. mearcian, afr. merkia. Abgeleitet von ÞMarke. Präfigierungen: be-, vermerken; Partikelverben: an-, aufmerken; Adjektiv: merklich. Ebenso nndl. merken, ne. mark, nfrz. marquer, nschw. märka, nisl. merkja. – EWNl 3 (2007), 338f.

617 Merkorn Sn ÞEmmer. Merle Sf ’Amsel’ per. wmd. (14. Jh.), mhd. merl(e), ahd.

merla. Entlehnt aus l. merula, dessen Etymologie unter ÞAmsel aufgeführt ist. Ebenso nndl. merel, nfrz. merle. – EWNl 3 (2007), 337.

merzen Vsw Þausmerzen. Mesalliance Sf ’nicht standesgemäße Ehe; unglückli-

che, nicht ebenbürtige Verbindung’ erw. obs. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. me´salliance, aus frz. me´s- ’miss-’ und frz. alliance (ÞAllianz). Ebenso nndl. mesalliance, ne. misalliance, me´salliance, nfrz. me´salliance, nschw. mesallians, nnorw. mesallianse. – DF 2 (1942), 104.

meschugge Adj ’verrückt’ erw. vulg. (19. Jh.). Über das

Rotwelsche aus wjidd. meschugge. Dieses aus hebr. m¡sˇuga¯´ . Ebenso nndl. mesjoche. – Wolf (1985), 216; Röhrich 2 (1992), 1025; EWNl 3 (2007), 339, 4 (2009), 161.

Mesner Sm erw. reg. (9. Jh.), mhd. mes(se)n¢re, mesner,

ahd. mesina¯ri. Entlehnt aus ml. mansionarius ’Aufseher des Gotteshauses’, zu l. ma¯nsio (-o¯nis) f. ’Aufenthaltsort, Nachtlager, Gebäude’ u.ä. Ebenso ne. mansion, nfrz. manse.

Messe1 Sf ’Gottesdienst’, daraus ’kirchliches Fest, Jahr-

messing(i)sch anord. meta, ae. metan. Außergermanisch kann verglichen werden: 1) Eine Sippe (ig.) *med- ’ermessen, bedacht sein auf’, die lautlich, aber eigentlich nicht in der Bedeutung den germanischen Wörtern entspricht (ÞModus). 2) Eine Sippe *me¯t- ’messen’, die in der Bedeutung, aber nicht im Lautstand entspricht. Unter Umständen handelt es sich um eine Erweiterung von 3), da mit dieser Lautform kein Primärverb belegt ist. 3) Eine Sippe *me¯- ’messen’, die auch die Grundlage der beiden anderen sein kann, doch ist das Abhängigkeitsverhältnis unklar (s. ÞMal 1 und zur lateinischen Verwandtschaft ÞDimension, zur griechischen ÞMetrik). Mit eindeutigem ig. -d- vergleichen sich nur gr. me´dimnos, l. modius ’Scheffel’. Hintze sucht weitere Vertreter im Avestischen. Ebenso nndl. meten, ne. mete, nschw. mäta, nisl. meta; Þgemäß, ÞMaß, Þmäßig, ÞMetze 1. – Benveniste (1969/1993), 389–397; Seebold (1970), 352–354; HWPh 5 (1980), 1161f.; Hintze, A. in Forssman (2000), 163–175; EWNl 3 (2007), 341f.

Messer Sn std. (8. Jh.), mhd. mezzer, ahd. mezzisahs,

mezzirahs, mezzer(es) u.ä., as. mezas-. Vgl. ae. meteseax. Zu erschließen ist wg. *matiz-sahsa- n. ’SpeiseSchwert’, zu dem Wort für ’Essen, Speise’ (ahd. maz, as. mat, anord. matr, gt. mats; as. meti, ae. mete; ÞMast 2) und einem Wort für Schwert, das in ahd. sahs, ae. seax erhalten ist. Dieses zu l. saxum ’Stein’, eigentlich ’der Schneidende’ zu l. seca¯re ’schneiden’. In der Kompositionsfuge ist das -s- an das -z- assimiliert worden, deshalb der Übergang zu -r- und die folgende starke Vereinfachung.

markt, Großausstellung’ std. (9. Jh.), mhd. messe, ahd. missa. Entlehnt aus spl. (4. Jh.) missa gleicher Bedeutung. Dieses ist nach allgemeiner Vermutung entnommen aus den liturgischen Worten Ite, missa est ’Gehet, es ist entlassen!’, mit denen ursprünglich die zum Abendmahl nicht Berechtigten bei Beginn Ebenso nndl. mes; ÞMaat, ÞMaßliebchen, ÞMast 2, ÞMettwurst, ÞSachs. – Kluge, F. ZVS 26 (1883), 82; Szemeder Abendmahlsfeier entlassen wurden (das Feminire´nyi, O.: Studies in the Indo-European System of Numerals num bleibt dabei aber ungeklärt). Anders Mohr(Heidelberg 1960), 36; Watkins, C. in Linguistic Change. Ed. mann: l. missa übersetzt gr. pompe¯´ ’Geleit, Mission, Ph. Baldi (Berlin 1990), 289–303; Röhrich 2 (1992), 1025–1027; feierliche Prozession’. Wieder anders DEO: EigentLM 6 (1993), 560f.; EWNl 3 (2007), 339. lich ’Opfer’, entweder zu hebr. missah ’Opferung’ Messias Sm ’Heilbringer’ std. bildg. (18. Jh.). Entlehnt oder als PPP. zu l. mittere, aber mit der Bedeutung aus kirchen-l. Messia¯s als Bezeichnung für den den ’das Vorgelegte, das auf den Tisch Gelegte’. Ein KomJuden verheißenen Erlöser; dieses aus gr. Messı´as, aus positum mit der weiterentwickelten Bedeutung ist hebr. ma¯ˇs¯ıß ah ’Gesalbter’. ÞKirmes. ˙ Ebenso nndl. Messias, ne. Messiah, nfrz. Messie, nschw. Mes-

Ebenso nndl. mis, ne. Mass, nfrz. messe, nschw. mässa, nisl. sias, nnorw. Messias. – Littmann (1924), 32; Lokotsch (1975), messa; ÞMission. – Mohrmann, Ch. Vigiliae Christianae 12 114; LM 6 (1993), 561f. Zu HWPh 5 (1980), 1163–1166 (zu Mes(1958), 67–92; Maher, J. P. CoE 11 (1981), 5f. (vgl. CoE 10, 1980, sianismus). 1–4); DEO (1982), 402; LM 6 (1993), 555–560; EWNl 3 (2007), 359. Messing Sn std. (12. Jh.), mhd. messinc. Vgl. ae.

Messe2 Sf ’gemeinsamer Speiseraum der Offiziere an

Bord’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. mess, das ursprünglich ’Gericht, Mahlzeit’ bedeutet und aus frz. mets m. gleicher Bedeutung stammt. Dieses aus l. missa (Partizip zu mittere ’schicken’, also ’geschickt’) in der spätlateinischen Bedeutung ’aus der Küche geschickt, Essen, Speise’. Ebenso nfrz. mess, nschw. mäss, nnorw. messe; ÞMission. – Kluge (1911), 578.

messen Vst std. (8. Jh.), mhd. mezzen, ahd. mezzan, as.

metan. Aus g. *met-a- Vst. ’messen’, auch in gt. mitan,

m¢s(t)ling, m¢slen (seit 950), spanord. messing. Als Ausgangspunkt wird ein gr. mossy´noikos (chalko´s) vermutet, nach dem Namen der Mossynoiken im Nordosten Kleinasiens, die nach (Pseudo-)Aristoteles die Legierung zuerst herstellten. Der Weg der Übernahme ist aber unklar. Ebenso nndl. messing, nschw. mässing, nisl. messing. – Lippmann (1919), 570–574; LM 6 (1993), 563f.; EWNl 3 (2007), 339f.

messing(i)sch Adj ’Mischsprache aus Niederdeutsch

und Hochdeutsch’ per. ndd. (18. Jh.). Wohl eine Verballhornung aus ndd. misench ’meißnisch’ in Anlehnung an das Mischmetall ÞMessing.

Met

618 Teuchert, H. BGDSL-H 82 (1961; Sonderband FS Karg-Gasterstädt), 245–261.

Met Sm erw. obs. (9. Jh.), mhd. met(e), ahd. metu, meto,

ÞPhosphor; dann die Kontrastbildungen ÞAmphore (mit ÞAmpulle, ÞAmpel, ÞPulle) und ÞEimer; unsicher ist ÞBergfried. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞDifferenz, zur germanischen Þgebären. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 92; DF 2 (1942), 105; Cottez (1980), 249; HWPh 5 (1980), 1179–1186; Strauss u.a. (1989), 661–666.

met u.a., mndd. mede. Aus g. *medu- m. ’Met’, auch in anord. mjo¸drÑ , ae. me(o)du, afr. mede. In der Kaiserzeit als l. medus ’Honigwein’ ins Lateinische entlehnt. Aus ig. *med hu- n. ’Rauschtrank, Honigwein’, Metaphysik Sf ’Wissenschaft des Übersinnlichen’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ml. metaphysica aus gr. auch ’Honig’, in ai. ma´dhu- n. ’Rauschtrank’, luw. metaphysika´ Neutrum Plural zu dem Adjektiv auf -os maddu- ’süßes Getränk, süß’, gr. (poet.) me´thy ’über die Natur hinausgehend’. Metaphysika´ war zu’Rauschtrank’, dann speziell ’Wein’, air. mid, kymr. nächst die Bezeichnung von philosophischen Schrifmedd ’Honigwein’, neben toch. B mit ’Honig’, lit. ten des Aristoteles und bedeutete vielleicht ursprüngmedu`s ’Honig’, akslav. medu˘ ’Honig’. Ähnlich klinlich nur ’das Werk, das nach dem Werk Physika gende Wörter für ’Honig’ und ’Met’ auch in außerinkommt’; die Umdeutung zu ’über das Physische, das dogermanischen Sprachen; die Art des ZusammenSinnliche hinausgehend’ ist aber schon früh erfolgt. hangs ist noch nicht ausreichend geklärt. Adjektiv: metaphysisch. ÞAmethyst, ÞMädesüß. – Hoops (1911/19), III, 217f.; Mehlber, L. JGGB (1980/81), 17–22; LM 6 (1993), 568; EWNl 3 (2007), 322; Euler, W. Fachtagung 2000, 89–101.

meta- Präfix mit der Bedeutung ’zwischen, nach, hin-

Ebenso nndl. metafysica, ne. metaphysics, nfrz. me´taphysique, nschw. metafysik, nnorw. metafysikk; ÞPhysik. – DF 2 (1942), 105f.; HWPh 5 (1980), 1186–1279; Metafysica. Hrsg. C. A. van Peursen, E. J. Petersma (Meppen, Amsterdam 1981); LM 6 (1993), 570–576.

ter’ bzw. zum Ausdruck eines Wechsels (z.B. ÞMetaphysik, ÞMetamorphose, ÞMetonymie, ÞMethode) per. fach. Das Präfix wurde in Entlehnun- Metastase Sf ’Tochtergeschwulst’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt und übertragen aus gr. meta´stasis ’Wangen aus dem Griechischen (gegebenenfalls über das derung, Umzug, Wegzug’, zu gr. methista´nai Lateinische) ins Deutsche übernommen; es ist teil’umstellen, versetzen, sich entfernen’, zu gr. hista´nai weise analysierbar, aber in der normalen Sprache ’stellen, treten’ (ÞSystem) und gr. meta´-. nicht produktiv geworden (es hat eine mäßige ProEbenso nndl. metastase, ne. metastasis, nfrz. me´tastase, nschw. duktivität in den Fachsprachen, vgl. etwa Metametastas. Sprache). Sein Ursprung ist gr. meta´ ’zwischen, hinMeteor Sm erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus gr. mete´ter’ (Þmit). o¯ron n. ’Himmelserscheinung’, einer SubstantivieCottez (1980), 249f.; EWNl 3 (2007), 340f. rung von gr. mete´o¯ros ’in der Luft schwebend’, zu gr. Metall Sn std. (14. Jh.), mhd. metalle. Entlehnt aus l. metaı´rein ’wegheben’, zu gr. aı´rein ’heben’ und gr. metallum, dieses aus gr. me´tallon ’Bergwerk, Metall’ meta´-. unsicherer Herkunft. Adjektiv: metallisch. Ebenso nndl. metaal, ne. metal, nfrz. me´tal, nschw. metall, nnorw. metall; ÞMedaille. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 398; Lippmann (1919), 515f.; Lüschen (1979), 273f.; Barke (1991), 299; LM 6 (1993), 568f.; EWNl 3 (2007), 341.

Metamorphose Sf ’Verwandlung, Umgestaltung’ per.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. metamorpho¯sis, dieses aus gr. metamo´rpho¯sis, zu gr. morphe¯´ ’Gestalt’ und gr. meta´-. Das Wort ist vor allem bekannt durch die Metamorphosen von Ovid, in der mythische Verwandlungen von Menschen beschrieben werden.

Ebenso nndl. meteoor, ne. meteor, nfrz. me´te´ore, nschw. meteor, nnorw. meteor. – DF 2 (1942), 106; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 398; Lüschen (1979), 274f.; LM 6 (1993), 577f.; EWNl 3 (2007), 342.

Meteorologie Sf ’Lehre vom Wetter’ erw. fach. (18. Jh.).

Entlehnt über frz. me´teorologie aus gr. meteo¯rologı´a ’Lehre von den erhobenen Dingen’ unter Rückgriff auf die Bedeutung ’in der Luft, am Himmel befindlich’. Ebenso nndl. meteorologie, ne. meteorology, nfrz. me´teorologie, nschw. meteorologi, nnorw. meteorologi. – EWNl 3 (2007), 342.

Ebenso nndl. metamorfose, ne. metamorphosis, nfrz. me´tamorphose, nschw. metamorfos, nnorw. metamorfose; ÞMorphologie. Meter Smn std. (18. Jh.). Mit dem 1795 festgelegten Maß aus frz. me`tre m. übernommen. Dieses aus gr. me´tron – DF 2 (1942), 105; HWPh 5 (1980), 1177–1179; Cottez (1980), 249; EWNl 3 (2007), 341. n. ’Maß’. Ebenso nndl. meter, ne. meter, nschw. meter, nisl. metri; Metapher Sf ’eine Redefigur’ erw. fach. (17. Jh.). EntÞ-metrie, ÞMetrik. – Gerlach (1962), 20f.; EWNl 3 (2007), ´ lehnt aus l. metaphora, dieses aus gr. metaphora¯ (ei342.

gentlich ’Übertragung’), zu gr. metaphe´rein ’übertragen’, zu gr. phe´rein ’tragen’ und gr. meta´-. Adjektiv: metaphorisch.

Ebenso nndl. metafoor, ne. metaphoric, nfrz. me´taphore, nschw. metafor, nnorw. metafor. Die Entlehnungen aus der Sippe von gr. phe´rein ’tragen’ gehen nur im Fall von ÞPeripherie auf die e-Stufe des Verbs zurück, sonst handelt es sich um Entlehnungen aus der nominalen o-Stufe: ÞMetapher, ÞEuphorie,

Methode Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus spl. methodus,

methodos, dieses aus gr. me´thodos (eigentlich ’der Weg auf ein Ziel hin’), zu gr. hodo´s ’Weg’ und gr. meta´-. Adjektiv: methodisch; Abstraktum: Methodik. Ebenso nndl. methode, ne. method, nfrz. me´thode, nschw. metod, nnorw. metode. Zu den Komposita mit gr. hodo´s ’Weg’ gehören: ÞAnode, ÞKathode, ÞElektrode; ÞEpisode, ÞPeriode,

Metze2

619 ÞSynode (mit Þsemperfrei); ÞExodus. – DF 2 (1942), 106f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 398; HWPh 5 (1980), 1304–1332; LM 6 (1993), 579f.; EWNl 3 (2007), 342f.

Metier Sn ’Beruf, zugehöriger Bereich’ per. fremd.

Metrum Sn ’Schema, Taktart’ per. fach. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus l. metrum, dieses aus gr. me´tron ’Maß’ (ÞMetrik). Ebenso nndl. metrum, ne. metre, nfrz. me`tre, ndn. metrum,

nnorw. metrum. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. me´tier ’Dienst, Amt, Beruf’, aus spl. ministerium ’Dienst’. Mette Sf ’Frühmesse’ erw. obs. fach. (9. Jh.), mhd. metEbenso ne. me´tier, nfrz. me´tier, ndn. metier, nnorw. metier; tı¯, mettı¯n(e), metten(e), ahd. mattina. Entlehnt aus ÞMinister. – DF 2 (1942), 107f. spl. mattina, das aus l. (laudes) ma¯tu¯tı¯nae ’MorgenMetonymie Sf ’Ersetzung der Bezeichnung einer Sache lob’ zusammengezogen ist. Das Wort bedeutet urdurch eine Bezeichnung einer räumlich mit ihr zusprünglich und bis in die neuhochdeutsche Zeit sammenhängenden Sache’ per. fach. (19. Jh.). Ent’erste Hore des kirchlichen Stundengebets’. Beim lehnt aus gr. meto¯nymı´a, eigentlich ’NamenvertauMitternachtsgottesdienst an Weihnachten bildeten schung’, aus gr. o´noma ’Name’ und gr. meta´-. die (öffentliche) Mette, Hochamt und Laudes eine Ebenso nndl. metonymia, ne. metonymy, nfrz. me´tonymie, Einheit, die ebenfalls Mette oder Christmette genannt nschw. metonymi. – Cottez (1980), 249; HWPh 5 (1980), wurde. Diese Bezeichnung wurde für die Mitter1386–1388. nachtsmesse auch beibehalten, als die eigentliche -metrie Suffix zur Bildung von Substantiven zur BeMette nicht mehr gebetet wurde. Von da aus Verallzeichnung von Wissenschaften (u.ä.) mit der Bedeugemeinerung auf die Frühmesse an hohen Feiertagen. tung ’Messung, Vermessung’ (z.B. ÞGeometrie, eiEbenso nndl. metten, ne. matins, nfrz. matines; ÞMatinee. – gentlich ’Erdvermessung’) erw. fach. (–). Der UrAdelberg, E. FF 35 (1961), 273–277; Wünschmann (1966), 24; sprung des Elements ist gr. -metrı´a in EWNl 3 (2007), 343f. Zugehörigkeitsbildungen zu Adjektiven (gr. symme- Metten Spl ’Fäden des Altweibersommers’ per. ndd. trı´a, zu gr. sy´mmetros ’ebenmäßig, symmetrisch’, ei(18. Jh.). Aus ndd. summermetjen, mettken-, metjengentlich ’gleichmäßig’) und Täterbezeichnung (gr. somer. Wohl aufzufassen als Verkleinerungsform von geo¯metrı´a, zu gr. geo¯me´tre¯s ’Feldmesser, Geometer’) ÞMade: Die Fäden wurden mit dem Gespinst von zu gr. me´tron n. ’Maß’. Raupen verglichen. Cottez (1980), 251.

Metrik Sf ’Verslehre’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l.

(ars) metrica, dieses aus gr. metrike¯´ (te´chne¯), zu gr. me´tron n. ’Maß, Versfuß’.

Ebenso nndl. metriek, ne. metrics, nfrz. me´trique, nschw. metrik, nnorw. metrikk. Gr. me´tron ’Maß’ liegt (über das Latein) der Entlehnung ÞMetrum zugrunde sowie (über das Französische) ÞMeter; als Hinterglied eines Possessiv-Kompositums in ÞHexameter; moderne Bezeichnungen für Messgeräte aus derselben Grundlage sind z.B. ÞBarometer, ÞTacho(meter), ÞThermometer; zu den entsprechenden Täterbezeichnungen des Griechischen gehört Geometer; zu den zugehörigen Abstraktbildungen s. ÞGeometrie. Eine Ableitung in Þdiametral; im Vorderglied eines Kompositums in ÞMetronom. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þmessen. – DF 2 (1942), 108; Cottez (1980), 251; LM 6 (1993), 583.

Metronom Sn ’Gerät zur Taktvorgabe’ per. fach.

(19. Jh.). Neoklassische Bildung aus gr. me´tron ’Maß’ und gr. no´mos ’Gesetz’ (Þ-nom). Patentiert 1816 durch den Wiener Hofmechaniker Mälzl. Ebenso nndl. metronoom, ne. metronome, nfrz. me´tronome, nschw. metronom, nnorw. metronom. – DF 2 (1942), 108; Cottez (1980), 252.

Metropole Sf ’Zentrum, Hauptstadt’ erw. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. me¯tropolis, dieses aus gr. me¯tro´polis ’Mutterstadt’, zu gr. me¯´te¯r ’Mutter, Erzeugerin, Ursprung, Quelle’ und gr. po´lis ’Stadt’. Das Verhältnis des Stadtstaates zu seinen Kolonien ist im Bild von Mutter und Tochter gesehen. Ebenso nndl. metropool, ne. metropolis, nfrz. me´tropole, nschw. metropol, nnorw. metropol. – DF 2 (1942), 108f.; Cottez (1980), 252.

Mettwurst Sf std. (16. Jh.). Ursprünglich niederdeut-

sches Wort: mndd. metworst, mndl. metworst ’Fleischwurst’. Zu ndd. mett, der Entsprechung zu dem germanischen Wort für ’Speise, Essen’ (ÞMesser), das wie in ne. meat auf die Bedeutung ’Fleisch’ verengt wurde, speziell ’gehacktes Schweinefleisch ohne Speck’. Zu beachten ist die Nähe von l. mattea (aus gr. matty´¯e) ’leckeres Gericht aus gehacktem Fleisch, Kräutern usw.’ Vermutlich haben sich die beiden Wörter attrahiert. EWNl 3 (2007), 344.

Metze1 Sf ’Kornmaß’ per. arch. (11. Jh.), mhd. metze,

mezze m., ahd. mezza f., mezzo m., mndd. matte, mette. Vgl. ae. mitta m. Wie gt. mitaþs ’Getreidemaß’ Ableitung zu Þmessen. Ausgangsform nicht ausreichend klar; vgl. noch l. modius m. ’Scheffel’ von der gleichen Grundlage (das entlehnt mhd. müt(te), mut(te) m./n., ahd. mutti, mutte, as. muddi n. ergibt). Evtl. liegt bei Metze eine sehr alte Entlehnung mit Ausweichung des Umlauts (von o) zu e vor. Hoops (1911/19), III, 219.

Metze2 Sf ’Dirne’ per. arch. (15. Jh.). Die Form ist ei-

nerseits eine Koseform des verbreiteten Namens Mechthild, der zu ’Mädchen’ verallgemeinert und dann abgesunken sein konnte, doch ist auch möglich, dass eine s-Ableitung von ÞMagd, ÞMaid vorliegt (parallel zu ÞMädchen und ÞMädel), vgl. nndl. meisje (mndl. auch meidsen) und schwz. Meitschi.

metzeln

620

metzeln Vsw std. stil. (15. Jh.). Zuerst wird metzeln vom mich Pron std. (8. Jh.), mhd. mih, ahd. mih, as. (selten)

Schlachten des Viehs gesagt, dazu mrhein. metz(e)ler ’Metzger’, aus dem es wohl rückgebildet ist. Dieses ist entlehnt aus ml. macella¯rius ’Fleischwarenhändler’. Dieses zu l. macellum ’Fleischmarkt’ aus gr. ma´kellon ’dass.’. Partikelverb: niedermetzeln; Abstraktum: Gemetzel. Metzger Sm erw. reg. (13. Jh.), mhd. metzj¢re, metzjer,

mik. Aus g. *meki ’mich’, auch in gt. mik, anord. mik, ae. (angl.) mec; dieses aus ig. *(e)me-g´e, einer Verstärkung der normalen betonten Akkusativform ig. *(e)me, so in gr. eme´ge, mit unklarer Lautvertretung in heth. ammuk und vielleicht in anderen Sprachen. Außerhalb des Germanischen ist die Partikel -g´e kasusindifferent, die Festlegung auf den Akkusativ ist eine Besonderheit des Germanischen. Die Form ae. me, afr. mi, as. mi beruht wohl auf einer weniger differenzierten enklitischen Form *–(e)me.

metziger. Vgl. mhd. metzje, metzige ’Fleischbank’. Dem Lautstand nach kann es kaum etwas anderes sein als eine Entlehnung, deren Vorbild aber nicht Þmein, Þmir, Þdich. – Seebold (1984), 31–36; Röhrich 2 nachweisbar ist. Auffällig ist der unter Þmetzeln dar(1992), 1027f. gestellte Bereich, der aber durchgängig -l- hat und die niederdeutsche/mittelenglische Spezialisierung von mick(e)rig Adj std. stil. (20. Jh.). Ursprünglich ostnieg. *mati(z)- ’Speise’ auf die Bedeutung ’Fleisch’. Verderdeutsch, zu mickern ’kümmern, zurückbleiben’ mutlich haben sich ml. mattia¯rius ’Wurstler’ und ml. unbekannter Herkunft. macella¯rius ’Fleischwarenhändler’ vermischt. Lokal- Midder Sn ’Kalbsmilch’ per. ndd. (18. Jh.). Wohl zu bildung: Metzgerei. ÞMitte und dem unter ÞGarn entwickelten Wort für Karstien, C. FS Behaghel (1924), 289–323; Braun, W. in Dü’Darm’, vgl. ae. mycgern, micgern, as. midgarni, ahd. ckert (1976), 55–119. mittigarni ’Eingeweidefett’. meucheln Vsw erw. stil. (11. Jh.), mhd. miuchelMieder Sn (bis ins 18. Jh. müder m.) std. (11. Jh., Form ’heimlich’. Vgl. miucheler, mu¯cheler, ahd. mu¯hhila¯ri 15. Jh.). Afries. mo¯ther. Bis ins 18. Jh. müder m.; die ’Meuchelmörder’, mhd. mu¯chen ’verstecken, verberEntrundung aus mitteldeutschen oder oberdeutgen’, ahd. mu¯hho¯n ’wegelagern, aus dem Hinterhalt schen Mundarten. Mhd. muoder, müeder, ahd. muoanfallen’. Offenbar aus vd. *mu¯k-, das außergermadar ’Leibchen’ neben ’Bauch, Mutterleib’. Es handelt nisch mit air. ru-mugsat ’sie haben versteckt’, l. mu¯ger sich also um eine Zugehörigkeitsbildung zu dem ’Falschspieler’ verglichen werden kann. Alle EinzelWort ÞMutter in der Bedeutung ’Mutterleib’ als ’das heiten sind unklar. Kleidungsstück, das den Leib bedeckt’. Das Mieder S. auch Þmogeln. bedeckt die Brust, nicht den Unterleib; deshalb ist mit Meute Sf std. (18. Jh.). Mit den Fachwörtern der ParMutter entweder ’weiblicher Körperteil’ gemeint oder force-Jagd entlehnt aus frz. meute ’Koppel, Jagdhundie Bedeutung des Worts für das Kleidungsstück hat de’. Dieses aus afrz. muete ’Bewegung, Aufruhr, Jagdsich verschoben. zug’, das auf früh-rom. *movita ’Bewegung’ zurückHeyne (1899/1903), III, 314; Mieder, W. SD 23 (1979), 118–121. geht (zu l. move¯re ’bewegen’). Mief Sm ’schlechte Luft’ std. vulg. (19. Jh.). Herkunft Ebenso nndl. meute, nfrz. meute; ÞPromotion. – EWNl 3 unklar. Vermutlich Abwandlung von muffig, müffeln (2007), 345. o.ä. (ÞMuff 2), vielleicht unter Einfluss von Þmies. Meuterei Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus mfrz. meuterie Verbreitet durch die Soldatensprache. ’Aufruhr, Revolte’, einer Weiterbildung aus afrz. mete Miene Sf ’Gesichtsausdruck’ std. (17. Jh.). Entlehnt aus ’Bewegung, Aufruhr’ (ÞMeute). Die Bildung setzt frz. mine gleicher Bedeutung, das seinerseits im 15. Jh. sich im Deutschen durch, während Französisch (und aus bret. min ’Mund, Gesichtszüge’ entnommen ist. Englisch) die parallele Bildung (frz.) mutin- bevorAnders DEO: aus l. minium ’Zinnober, Mennige’, l. zugen. Hierzu das Nomen Agentis Meuterer und die minia¯re ’schminken’. Rückbildung meutern; zuvor auch fnhd. meuten Ebenso ne. mien, nfrz. mine, nschw. min, nnorw. mine. – DF 2 ’meutern’ und fnhd. meutmacher ’Aufrührer’. Ebenso nndl. muiterij, nschw. myteri, nnorw. mytteri. – EWNl 3 (2007), 391.

mezzo- LAff mit der Bedeutung ’mittel, halb ... halb’

(z.B. mezzoforte, Mezzosopran) per. fach. (–). Das Element wurde in Entlehnungen aus der italienischen Fachsprache ins Deutsche übernommen und ist dort durchsichtig, aber nicht produktiv; sein Ursprung ist l. medius (ÞMedium). EWNl 3 (2007), 345.

miauen Vsw std. (17. Jh.). Wie älteres Þmauen lautnach-

ahmend. S. auch Þmaunzen. – EWNl 3 (2007), 345f.

(1942), 109f.; DEO (1982), 404; Röhrich 2 (1992), 1032f.

Miere1 Sf ’Ameise’ per. ndd. (17. Jh.). Aus ndd. mire,

mndd. mire, mndl. miere, krimgt. miera, dazu im Ablaut anord. maurr m. Zugrunde liegt offenbar (g.) *meur-/maur-. Die Bezeichnungen der Ameise in außergermanischen Sprachen klingen an, sind aber lautlich nicht auf eine einheitliche Grundform zurückzuführen; vermutlich liegen sekundäre Umbildungen aus einer verhältnismäßig einheitlichen Grundlage vor (etwa ig. *morwi-). Vgl. gr. my´rme¯x, avest. maoiri-, air. moirb, aruss. morovij m.; weiter

Milbe

621

ai. vamra´- m. ’Ameise’, ai. valmı¯´ka- ’Ameisenhaufen’, gr. (äol.) by´rmax, bo´rmax, l. formı¯ca. EWNl 3 (2007), 347f.

Miere2 Sf ’Hühnerdarm (Pflanzenname)’ per. fach.

(15. Jh.), fnhd. myer, mndd. mir. Sonst Herkunft unklar. Ebenso nndl. muur, murik; ÞWaldmeister. – EWNl 3 (2007), 396.

mies Adj std. stil. (19. Jh.). Von Berlin aus verbreitet.

Entlehnt über das Rotwelsche aus wjidd. mies(s), das auf hebr. me ¯ıs ’widerlich, verachtet’ zurückgeht. Dieses ist passives Partizip zu hebr. me as ’verachten’. Miesmacher, Miesepeter, Miesling können Übertragungen von Miesnik sein, das eine aus dem Slavischen stammende jiddische Endung enthält. Wolf (1985), 218; Röhrich 2 (1992), 1033; Süsskind bei G. Cohen CoE 19, 7 (1990), 27; EWNl 3 (2007), 348.

Miesmuschel Sf erw. fach. (18. Jh.). Das Bestimmungs-

wort ist ein regionales Wort für ’Moos’, das zu ÞMoos 1 im Ablaut steht. Miete1 Sf ’Entgelt für Wohnungen’ std. (8. Jh.), mhd.

Migräne Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. mi-

graine, dieses aus l. he¯micra¯nia, aus gr. he¯mi-kranı´a (eigentlich ’Schmerz in einer Kopfhälfte’), zu gr. kra¯nı´on n. ’Schädel’ und gr. he¯mi-. Ebenso nndl. migraine, ne. migraine, nfrz. migraine, nschw. migrän, nnorw. migrene. – DF 2 (1942), 110f.; Brunt (1983), 380f.; EWNl 3 (2007), 348.

Mikado Sn (ein Geschicklichkeitsspiel mit dünnen

Holzstäbchen) erw. fach. (20. Jh.). Zur Bezeichnung des Spiels wurde ein prestige-haltiges und in Europa bekanntes japanisches Wort herangezogen: jap. mikado, ältere Bezeichnung für den japanischen Kaiser. Das Spiel hat sonst mit Japan nichts zu tun. Ebenso nndl. mikado, nfrz. mikado, nschw. mikado, nnorw. mikado. – EWNl 3 (2007), 351.

mikro- Präfix mit der Bedeutung ’(sehr) klein’ (z.B.

ÞMikroskop). In Fachwörtern der Physik trägt es die Bedeutung ’ein Millionstel’ (z.B. Mikrofarad) std. (–). Das Element wird vor allem in fachsprachlichen Bildungen verwendet; sein Ursprung ist gr. mikro´s ’klein, gering’. Cottez (1980), 252f.; Carstensen 2 (1994), 900; EWNl 3

miet(e), ahd. mieta, as. me¯da. Aus g. *mizdo¯ f. ’Lohn, (2007), 346. Bezahlung’ mit Schwund des -z- unter ErsatzdehMikrobe Sf ’Kleinstorganismus’ per. fach. (19. Jh.). nung. Die gleiche Entwicklung in ae. me¯d, während Entlehnt aus frz. microbe, einer Neubildung von Ch. gt. mizdo, ae. meord den Konsonanten bewahren. Aus Se´dillot zu gr. mikro´s ’klein’ (Þmikro-) und gr. bı´os m. ig. *mizd ho/a¯ f. ’Bezahlung, Lohn’, auch in gr. mistho´s ’Leben’ (Þbio-). m., ai. mı¯dha´- n., akslav. mı˘zda. Vermutlich zu einem ˙ Ebenso nndl. microbe, ne. microbe, nfrz. microbe, nschw. mischwundstufigen s-Stamm *meios- ’Tausch’ krob, nnorw. mikrobe. (ÞMeineid) und *d h¯e- ’setzen’ (Þtun), also eigentlich Mikrofiche Smn (Mikrokarte mit aneinandergereihten ’Tausch-Setzung’. Verb: mieten; Nomen Agentis: Kopien) per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. microMieter. fiche, zu ne. micro- (Þmikro-) und frz. fiche f. ’Stück Ebenso ne. meed. – Hoops (1911/19), III, 222f.; Benveniste Papier, Karteikarte’, einer Ableitung von frz. ficher (1969/1993), 128–135; Knapp, F. P. BGDSL-T 92 (1970), 17–25; ’festmachen’, aus l. fı¯gere (fı¯xum) ’heften, stecken’. Markey, Th. L. in Markey/Greppin (1990), 345–362. Miete2 Sf ’Einlagerungsmöglichkeit für Früchte’ per.

Ebenso nndl. microfiche, ne. microfiche, nfrz. microfiche, 1

nschw. microfiche, nnorw. microfiche; Þfix . fach. (18. Jh.), mndl. mite. Ursprünglich niederdeutsches Wort, das im 18. Jh. in die Hochsprache über- Mikrophon Sn ’Gerät zur Übertragung von Schall’ std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. microphone, einer Neubilnommen wurde. Mndl. mite. Entlehnt aus l. me¯ta dung zu frz. micro- und gr. pho¯ne¯´ ’Laut’ (ÞPhonetik, ’kegelförmiger Heuschober’. Es handelt sich um VorÞmikro-). ratsbehälter im Freien, die gegen Regen (und Kälte) Ebenso nndl. microfoon, ne. microphone, nfrz. microphone, geschützt sind. Von den Heuschobern, die so aufgenschw. mikrofon, nnorw. mikrofon. baut sind, dass das Wasser von ihnen abläuft, geht die Bedeutung auf die zum Schutz vor Kälte eingegraMikroskop Sn ’Gerät zur Betrachtung von Kleibenen Rüben usw. über. nem’ std. (17. Jh.). Übernommen aus neo-kl. microEbenso nndl. mijt. scopium, das um 1625 in der Accademia dei Lincei in Italien geprägt wurde, zu Þmikro- und Þ-skop. Mieze (auch Mies(e)) Sf ’Katze’ std. stil. (18. Jh.). UrEbenso nndl. microscoop, ne. microscope, nfrz. microscope, sprünglich Kosenamen, der wohl ausgeht von lautnschw. mikroskop, nnorw. mikroskop. – DF 2 (1942), 111; Cotmalendem mı¯, dem Lockruf der Katze für ihre Juntez (1980), 253. gen; der Wortausgang wie bei dem Suffix für KoseMilan Sm ’Gabelweihe’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus namen (so ist Mieze auch Kosename für Maria und frz. milan, das über prov. milan auf l. mı¯lvus ÞMinna). Die vulgäre Verwendung für ’Mädchen, ’Gabelweihe’ zurückgeht. Bettgenossin’ geht auf die Übertragungsreihe ’Katze’ Ebenso ne. milvine, nfrz. milan. − ’weibliches Geschlechtsorgan’ − ’Frau’ zurück. Þmauen, Þmiauen. – Seitz (1976), 217–222. Milbe Sf erw. fach. (9. Jh.), mhd. milwe, ahd. mil(iw)a, milwe, mndd. mele, mndl. milwe. Aus vd. *melwjo¯ f.

Milch

622 Ebenso nndl. melkweg, ne. Milky Way, nfrz. voie lacte´e, ndn. m¢lkevej, nnorw. melkevei. – LM 6 (1993), 622.

’Staub hinterlassendes schädliches Kleintier (Milben oder Motten)’. Ähnlich (mit Ablaut) die Bedeutung ’Motte’ in gt. malo n., anord. mo¸lr m. Außergermanisch vergleicht sich russ. mo´l′ ’Motte, Schabe’. Vermutlich weiter zu Þmahlen.

Milchzahn Sm std. (16. Jh.). Die ersten Zähne brechen

Wissmann, Beiheft 2 (W. Pfeifer, Berlin 1965), 16–21.

mild Adj std. (8. Jh.), mhd. milde, milte, ahd. milti, mil-

durch, solange das Kind noch gestillt wird (also Milch bekommt).

te, as. mildi. Aus g. *meldi- Adj. ’mild’, auch in gt. Pl. as. miluk. Aus g. *meluk- f. ’Milch’, auch in gt. miluks, m. mildjai, anord. mildr, ae. milde, afr. milde. Außeranord. mjolk, ae. meol(u)c, milc, afr. melok. Das Wort germanisch vergleicht sich zunächst gr. malthako´s ist in dieser Form nicht vergleichbar und auch mor’weich, zart, mild’, vielleicht auch ai. ma´rdhati phologisch nicht durchsichtig. Auffällig ist die Nähe ’vernachlässigt, gibt preis’. Daneben steht ig. *mldu˙ zu dem sachlich verwandten Þmelken. Lautlich aus ’weich’ (in l. mollis usw.), das in einigen Sprachen diesem gut bezeugten Verb herleitbar (aber anderernicht klar getrennt werden kann. Vielleicht gehen seits auch mit dem Wort Milch verknüpfbar) sind beide Bildungen zurück auf die unter Þmahlen bemir. melg n., mlicht, kymr. blith, russ. molo´zivo n. handelte Wurzel (’zerrieben’ = ’weich, mild’?). Abstraktum: Milde; Verbum: mildern. ’erste Milch, Biestmilch’, toch. A malke, toch. B malkwer m. Zumindest nicht unähnlich sind l. la¯c n., gr. Ebenso nndl. mild, ne. mild, nschw. mild, nisl. mildur. S. auch ÞMilz, Þmulsch. – Rosengren (1968); HWPh 5 (1980), ga´la (ga´laktos) n. ’Milch’. Dem lautlich und mor1391–1393; Röhrich 2 (1992), 1034f.; LM 6 (1993), 622f.; Heiphologisch ganz undurchsichtigen Befund nach zu dermanns (1993), 406f.; EWNl 3 (2007), 352. urteilen, ist es nicht ausgeschlossen, dass sehr alte Entlehnungen vorliegen, die im Fall des GermaniMilieu Sn ’Umgebung, Umgang’ erw. fremd. (19. Jh.). schen, Keltischen, Slavischen und Tocharischen an Entlehnt aus frz. milieu m. (eigentlich ’Mitte’), aus das Wort für ’melken’ lautlich angeschlossen worden frz. mi ’mittlerer, halb’ (aus l. medius) und frz. lieu m. sind. Adjektiv: milchig. ’Ort’ (aus l. locus m.). Internationale Bedeutung erlangt das Wort durch die Milieu-Theorie von H. Ebenso nndl. melk, ne. milk, nschw. mjölk, nisl. mjo´lk; ÞMilken, ÞMolke. – Mayer, A. ZVS 73 (1956), 235–237; RöhTaine (1863), der race, milieu, moment als Haupttriebrich 2 (1992), 1033f.; LM 6 (1993), 621f.; Griepentrog (1995), kräfte des menschlichen Lebens ansetzt.

Milch Sf std. (8. Jh.), mhd. mil(i)ch, ahd. miluh, milih,

287–304; RGA 20 (2002), 19; EWNl 3 (2007), 331f.

Milchdieb Sm ’Kohlweißling’ per. wmd. (18. Jh.). Ver-

Ebenso nndl. milieu, ne. milieu, nschw. miljö, nnorw. miljø; ÞMedium, Þlokal. – DF 2 (1942), 111f.; HWPh 5 (1980), 1393–1395; EWNl 3 (2007), 352.

mutlich weil die Schmetterlinge allgemein von Milch angezogen werden. Der Glaube, dass Hexen in militant Adj erw. fremd. (20. Jh.). Entlehnt aus dem Schmetterlingsgestalt den Kühen die Milch entzögen, Partizip l. milita¯ns, zu l. milita¯re ’(als Soldat) kämpist wohl unabhängig davon aus dem gleichen Sachfen’, also ’kämpfend, kämpferisch’ (ÞMilitär). verhalt herausgesponnen und kann kaum das weit Ebenso nndl. militant, ne. militant, nfrz. militant, nschw. militant, nnorw. militant. – Strauss u.a. (1989), 243–247. verbreitete Benennungsmotiv erklären. Martin, B. HBV 27 (1929), 195–198; Oehl, W. FS Schuchardt (1922), 102–108.

Milch(n)er (auch Milchling) Sm ’männlicher Fisch’ per.

fach. (14. Jh., zunächst als milcher, dann 15. Jh. als milchener, und als milchling seit dem 16. Jh. bezeugt). Zu ÞMilch in der übertragenen Bedeutung ’Samen des männlichen Fischs’. Milchmädchenrechnung Sf erw. bildg. (19. Jh.). Nach

Militär Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. militaire m.

’hoher Offizier’, zu l. mı¯lita¯ris ’soldatisch, den Kriegsdienst betreffend’, zu l. mı¯les m. ’Soldat’. Bei der Entlehnung ins Deutsche wurde der Plural des Französischen in ein Kollektivum umgedeutet; Militärs für ’höhere Offiziere’ bleibt aber noch länger in Gebrauch. Adjektiv: militärisch; Abstraktum: Militarismus; Präfixableitung: entmilitarisieren.

Ebenso nndl. militair, ne. military, nschw. militär, nnorw. mider Fabel von Lafontaine (II, 133), in der sich ein lit¢r; Þmilitant, ÞMiliz, ÞKommilitone. – DF 2 (1942), 112f.; GB Milchmädchen überlegt, wie sie das Geld für die 4 (1978), 1–47; Strauss u.a. (1989), 248–253; LM 6 (1993), 626; Milch, die sie auf dem Markt verkaufen will, anlegen EWNl 3 (2007), 352. soll. In der Freude über den Gewinn aus dieser späMiliz Sf ’Bürgerwehr’ erw. obs. (17. Jh.). Entlehnt aus l. teren Anlage beginnt sie zu hüpfen und verschüttet mı¯litia ’Kriegsdienst’, zu l. mı¯les m. ’Soldat’. Ahd. dabei die Milch. Inhaltlich verbreitet seit J. W. L. miliz ’Soldat’ 8. Jh. Gleim (1757), die Formulierung erst später. Röhrich 2 (1992), 1034.

Milchstraße Sf std. (17. Jh., älter 15. Jh. milchweg).

Ebenso nndl. militie, ne. militia, nfrz. milice, nschw. milis, nnorw. milits; ÞMilitär. – DF 2 (1942), 113; LM 6 (1993), 626f.

Lehnübersetzung von l. via lactea. Himmelszone mit Milken Sm ’Kalbsmilch’ per. schwz. (20. Jh.). Nach der Zartheit als das Milchige benannt. Das -k- entweder so dichter Besetzung der Sterne, dass sie wie ausgeaus falscher Umsetzung oder im Anschluss an gossene Milch aussieht. Þmelken, ÞMolke.

minder

623 Mille Sn (meist nur Pl.) ’Tausend (Mark, Stück)’ std.

vulg. (20. Jh.). Entlehnt aus l. mı¯lle ’tausend’ (wohl nach dem Vorbild von pro¯ mı¯lle ’je Tausend, Tausendstel’). Ebenso nndl. mille, nfrz. mille, ndn. mille, nnorw. mille; ÞMillion. – Schirmer (1911), 129.

milli- Präfix mit der Bedeutung ’ein Tausendstel’ (z.B.

Millimeter) in fachsprachlichen Bildungen std. (–). Der Ursprung dieses Elements ist l. mı¯lle ’tausend’. Als Terminus bei Maßeinheiten zuerst im Französischen festgelegt. DF 2 (1942), 113f.; Cottez (1980), 253; EWNl 3 (2007), 353.

Milliarde Sf ’eintausend Millionen’ std. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. milliard m., aus prov. milhar ’ein Tausend voll’, aus l. mı¯l(l)ia¯rium n. ’ein Tausend’, zu l. mı¯lle ’tausend’. Die terminologische Abgrenzung erfolgt dann im Zusammenhang mit der Veränderung des Wertes der ÞBillion (und ÞMillion, dort auch zu den höheren Zahlen allgemein). Täterbezeichnung: Milliardär. Ebenso nndl. miljard, ne. milliard, nfrz. milliard, nschw. milliard, miljard, nisl. milijarduÑ r. – EWNl 3 (2007), 352.

Million Sf ’tausend mal tausend’ std. (15. Jh.). Entlehnt

aus it. milione m. ’Großtausend, sehr große Zahl’, einer Augmentativbildung zu it. mille ’tausend’, aus l. mı¯lle. Zunächst gebraucht als Bezeichnung sehr großer Geldsummen; die Festlegung auf einen bestimmten Zahlenwert erst im 17. Jh. Zum System der höheren Zahlen: In Deutschland ist noch bei Adam Riese (1574) die höchste namentlich genannte Zahl hunderttausend, höhere Werte werden umschrieben (sechs und achtzig tausent tausent mal tausent für ’86 Milliarden’). Die Million ist noch in Zedlers Lexikon (1739) eine Geldsumme (eine Summa von zehen Tonnen Goldes oder tausend mal tausend nach eines jeden Landes Müntze). Der nächste Schritt geschieht im 15. Jh. in Frankreich (Chuquet) durch die Einführung einer bi-million (billion) für ’eine Million mal eine Million’. Eine ebenfalls französische Reform versucht, die Billion auf ’tausend Millionen’ (109) zu beschränken, die normale Entwicklung bezeichnet diesen Wert aber als Milliarde. Dieses System, mit Million (106), Billion (1012), Trillion (1018), Quadrillion (1024) usw. neben Milliarde (109), Billiarde (1015), Trilliarde (1021) usw. setzt sich in Deutschland und Europa durch (in Frankreich offiziell erst in diesem Jahrhundert, in England zurückweichend vor der anderen Zählweise); die auf den Reformversuch zurückgehende Zählweise mit Million (106), Billion (109), Trillion (1012), Quadrillion (1015) usw. setzt sich in den USA und wenigen anderen Ländern (zunehmend auch England) durch. Bei den Maßeinheiten steht einheitlich Giga- für 109 (bzw. entsprechenden Werten) und Tera- für 1012. Täterbezeichnung: Millionär.

Ebenso nndl. miljoen, ne. million, nfrz. million, nschw. million, miljon, nisl. milljo´n; ÞBillion, ÞMilliarde, ÞMeile, ÞMeiler, ÞPromille. – DF 2 (1942), 114; Ross/Berns (1992), 622f.; EWNl 3 (2007), 352f.

Milz Sf std. (9. Jh.), mhd. milz(e) n., ahd. milz(i) n.,

milza, mndd. milte, mndl. milte. Aus g. *meltja- n. ’Milz’, auch ’Milch der Fische’, auch in anord. milti (auch m.), milta n., mjalti m., ae. milte m., afr. milte. Im Deutschen Femininum in Analogie zu anderen Bezeichnungen von inneren Organen. Nordisch und englisch auch Maskulinum. Da die Milz mehrfach als das Weiche, Feuchte bezeichnet wird, kann das Wort zu Þschmelzen oder zu Þmild gehören. Eine genaue Grundlage ist aber nicht auszumachen. Ebenso nndl. milt, ne. milt, nschw. mjälte, nisl. milti. – Walde, A. IF (1909), 160; Petersson, H.: Die indogermanischen Wörter für Milz (Berlin 1909); LM 6 (1993), 630f.; EWNl 3 (2007), 353.

Mime Sm ÞMimik. Mimik Sf ’Mienenspiel’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus

l. (ars) mı¯mica, aus gr. mı¯miko´s, zu gr. mı¯meı˜sthai ’nachahmen’ (hierzu das bildungssprachliche Abstraktum Mimesis). Zunächst vor allem gebraucht vom Mienenspiel des Schauspielers, der in seinem Gesichtsausdruck andere Menschen nachahmt. Dazu Mime ’Schauspieler’ (l. mı¯mus, gr. mı¯´mos). Verb: mimen; Adjektiv: mimisch. Ebenso nndl. mimiek, ne. mimic art, nfrz. mimique, nschw. mimik, nnorw. mimikk; ÞPantomime. – DF 2 (1942), 114f.; EWNl 3 (2007), 353.

Mimikry Sf ’Anpassung’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt

aus ne. mimicry, das eine hybride Bildung aus ne. mimic (ÞMimik) und dem Suffix -(e)ry ist. Ebenso nndl. mimicry, nschw. mimicry, nnorw. mimicry. – Carstensen 2 (1994), 906.

Mimose Sf ’hochempfindliche Pflanze/Person’ erw.

stil. (17. Jh.). Wohl aus frz. herbe mimose entlehnt, das zu span. mimoso ’zärtlich, empfindlich’ gehört. Ebenso nndl. mimosa, ne. mimosa, nfrz. mimosa, nschw. mimose, nisl. mı´mo´sa. – DF 2 (1942), 115; EWNl 3 (2007), 353.

Minarett Sn ’der Turm einer Moschee’ per. exot.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. minaret m., dieses aus türk. minare(t), aus arab. mana¯ra (eigentlich ’Leuchtturm’). Ebenso nndl. minaret, ne. minaret, nfrz. minaret, nschw. minaret, nisl. mı´naretta. – LM 6 (1993), 631; EWNl 3 (2007), 355.

minder AdjKomp erw. stil. (8. Jh.), mhd. minre, minner,

ahd. minniro, as. minnero. Aus g. *minnizo¯n ’weniger’, auch in gt. minniza, anord. minnr, midrÑ Adv., minni, afr. min(ne)ra. Der zugehörige Superlativ ist g. *minnista- in gt. minnists, anord. minnstr, ahd. minnisto, as. minnisto, mhd. minnest, minst, nhd. mindest. Das -d- ist erst neuhochdeutsch zwischen n und r des Komparativs eingeschoben und später auf den Superlativ übertragen worden. Außergermanisch vergleicht sich zunächst l. minor, minimus gleicher

Mine

624

Bedeutung und akslav. mı˘nı˘jı˘ ’kleiner’. Das -nn- des ’Minirock’ die eigentliche Produktivität des Präfixes Germanischen stammt offenbar aus -nw-, das von einsetzte. einer Bildung wie l. minuere, gr. miny´thein, ai. mina¯´ti ÞMiniatur. – Marchand, H.: Types and Categories of Present-Day English Word-Formation (München 1969), 130; Rey’mindern’ abhängig ist (nu-Präsens einer Wurzel ig. Debove/Gagnon (1988), 588; Carstensen 2 (1994), 907–910; *mei- ’mindern’). Auf einfacherer Grundlage gr. EWNl 3 (2007), 356. meı´o¯n ’kleiner, geringer’. Abstraktum: Minderheit; Verb: mindern. Miniatur Sf ’kleines Bild, kleine Nachahmung’ erw. Ebenso nndl. minder, minst, nschw. mindre, minst, nisl. minni, fach. (17. Jh.). Entlehnt aus it. miniatura (eigentlich minnsta; Þminus. – Pfaff (1933), 41; Heidermanns (1993), ’mit Zinnoberrot Gemaltes’), dieses über mittellatei412; EWNl 3 (2007), 354f nische Vermittlung zu l. minia¯re ’mit Zinnober malen’ zu l. minium n. ’Zinnoberrot’. Die heutige BeMine Sf std. (16. Jh.). Das Wort ist entlehnt aus frz. deutung im Anschluss an die Rotfärbung von Initimine, das seinerseits mehrere Bedeutungen unteralen in Manuskripten, die später durch kleine, in den schiedlicher Herkunft aufweist (einschließlich der Buchstaben gemalte Bilder ersetzt werden konnte, Bedeutung, die zu d. ÞMiene geführt hat). Eine dieser durch Anlehnung an l. minor ’klein’. Dazu aus dem Bedeutungen ist ’Erz, Erzvorkommen, Erzgang’, das Französischen en miniature ’im kleinen, in kleinerem auf ein keltisches Wort zurückgeht (vgl. mir. me´in, Maßstab’. kymr. mwyn ’Erz, Erzgang, Bergwerk’). Im DeutEbenso nndl. miniatuur, ne. miniature, nfrz. miniature, nschw. schen dann ’Erzlager, Bergwerk’. Aus diesem Wort miniatyr, nnorw. miniatyr; ÞMennige. – Walz, J. W. ZDW 12 wurde die Bedeutung ’(Bleistift-) Mine’ (wohl aus frz. (1910), 190; DF 2 (1942), 116–118; LM 6 (1993), 636; EWNl 3 mine de plomb ’Bleierz’, das gegebenenfalls auch das (2007), 356. ’Schreibblei’ bezeichnen konnte; vielleicht hat man aber auch die Bleistiftmine mit einem Erzgang verMinimum Sn erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus l. miglichen) abgeleitet und ebenfalls ins Deutsche entnimum ’das Geringste’, Substantivierung des Superlehnt. Ein weiteres Wort, vermutlich anderer Herlativs l. minimus ’der Kleinste’ (Þminus). Adjektiv: kunft, hat sich im Französischen semantisch mit dem minimal. Wort für ’Erz, Erzgrube, Bergwerk’ berührt: frz. mine Ebenso ne. minimum, nfrz. minimum, nschw. minimum, nnorw. minimum. – DF 2 (1942), 118; EWNl 3 (2007), 357. ’Pulvergang, Sprenggrube’, älter ’Grube um eine Mauer, um sie zum Einstürzen zu bringen’, das auf Minister Sm std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. minister afrz. miner ’graben, beschädigen’ zurückgeht (wohl ’Diener’, zu l. minor ’kleiner, geringer’. Die Bedeuaus l. minuere ’vermindern, beschädigen’). Von tung ’Regierungsmitglied’ im 17. Jh. aus frz. ministre ’Pulvergang’ (über ’Sprengstollen’) hängt die junge desselben Ursprungs (in merowingischer Zeit war Bedeutung ’Sprengkörper’ ab, die dann zu einem Indas ministerium der Haus- und Hofdienst beim Köternationalismus wird. Verb: (unter-)minieren. nig); in dieser Bedeutung demnach ’Diener des Ebenso nndl. mijn, ne. mine, nfrz. mine, nschw. mina, nnorw. Staates’. Die alte Bedeutung noch in Ministrant mine; ÞMineral. – Littmann (1924), 19f.; DF 2 (1942), 115f.; ’Messdiener’ zu ministrieren ’bei der Messe dienen’. Jones (1976), 436f.; DEO (1982), 404f.; Brunt (1983), 381; RöhKollektivum: Ministerium; Adjektiv: ministeriell. rich 2 (1992), 1035; EWNl 3 (2007), 350; Roques, G. in: Vocabula et vocabularia. FS Dieter Messner (Frankfurt/Main u.a. 2002), 303–313.

Mineral Sn erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. (aes)

Ebenso nndl. minister, ne. minister, nfrz. ministre, nschw. minister, nnorw. minister; Þminus, ÞAdministration, ÞMetier. – DF 2 (1942), 118; Jones (1976), 438; Brunt (1983), 381; Schmidt-Wiegand (1972), 12–14; EWNl 3 (2007), 357.

minerale ’Erzgestein’, einer Ableitung von ml. mina- Mink Sm (ein Pelztier, ’Farmnerz’) per. fach. (20. Jh.). rium n. ’Grubenerz, Erzgrube’, das wohl als galloroEntlehnt aus ne. mink (da dieser Marder hauptsächmanisch auf ein keltisches Wort zurückgeht (ÞMine). lich in Nordamerika gezüchtet wurde). Das englische Adjektiv: mineralisch; Abstraktum: Mineralogie. Wort vermutlich aus ndn. mink, nnorw. mink, nschw. Ebenso nndl. mineraal, ne. mineral, nfrz. mine´ral, nschw. mimink unklarer Herkunft (da das Tier auch in Nordneral, nnorw. mineral. – DF 2 (1942), 116; Weimann, K.-H. europa beheimatet war). DWEB 2 (1963), 399; Lüschen (1979), 275f.; EWNl 3 (2007), 355f.

Ebenso nndl. mink, ne. mink, nisl. minkur.

Minna Sf ’Dienstmädchen’ erw. obs. (19. Jh.). Nach dem früher häufigen weiblichen Vornamen (Abkürnicar) std. (–). Obwohl die erste Bildung dieser Art zung von Wilhelmine), der zeitweise offenbar bei die deutsche Markenbezeichnung Minimax für einen Dienstmädchen öfter auftrat. Handfeuerlöscher gewesen zu sein scheint (um 1920, Röhrich 2 (1992), 1035. nach der Firmenwerbung minimaler Aufwand und maximaler Erfolg), kommt der Bildungstyp aus dem Minne Sf (veraltet, dann neu belebt durch die RomanEnglischen, wo zuerst offenbar ne. miniature camera tik) erw. obs. (8. Jh.), mhd. minne, ahd. minna, as. zu minicamera gekürzt wurde; dann ne. minigolf minnia, minnea. Auch afr. minne. Vergleichbar ist air. und minicab, worauf dann mit dem miniskirt mı´an m./n. ’Verlangen’, kymr. mwyn ’lieb, freundlich,

mini- Präfix mit der Bedeutung ’(sehr) klein’ (z.B. Mi-

Mischpoche

625

mild’ (*meino-) und auf einfacherer Grundlage ai. minu¯tia ’Kleinheit’, zu l. minuere ’kleiner machen’, zu ma´yan. ’Genuss, Vergnügen’, lit. mı´elas ’lieb, liebensl. minus ’weniger’. würdig, zärtlich’, lit. me´ile˙ ’Liebe’, russ. mı´lyj ’lieb, Ebenso nndl. minutieus, ne. minute, nfrz. minutieux, nschw. minutiös, nnorw. minutiøs. – DF 2 (1942), 119. lieblich, angenehm’. Das germanische Wort setzt also *mi-n- fort, das Keltische zeigt *mei-n-, und *moi-n- Minze Sf std. (8. Jh.), mhd. minz(e), ahd. minza, as. wird vorausgesetzt durch ahd. meinen, mhd. meinen, minta. Wie ae. minte entlehnt aus l. ment(h)a, das wie fnhd. meinen ’lieben’ (Þmeinen 2). Ein Grund für diegr. mı´nthe¯ aus einer unbekannten Sprache stammt. sen Ablaut ist nicht ersichtlich. Die zugrunde liegenDie Nebenformen mit u und ü (Münze) sind nicht de Wurzel *mei- ’begehren, lieben’ könnte eine frühe regelmäßig. Vielleicht beruhen sie auf dem Einfluss Sonderentwicklung der Wurzel *mei- ’tauschen, von ÞMünze. wechseln’ (ÞMeineid) sein. In den germanischen Ebenso nndl. munt, ne. mint, nfrz. menthe, nschw. mynta, nisl. Sprachen hat sich das Wort mit einem anderen bemynta. – LM 6 (1993), 654; EWNl 3 (2007), 393. rührt, das vor allem in gt. gaminþi n. ’Gedächtnis’, mir Pron std. (8. Jh.), mhd. mir, ahd. mir. Aus g. *me-z, anord. minni n. ’Erinnerung’ greifbar wird. Dieses auch in gt. mis, anord. me´r, möglicherweise gehen ae. gehört zur Wurzel ig. *men- ’denken’ (Þmahnen). me, afr. mi, as. mi mit Schwund des auslautenden -z Nach Hamp gehört hierzu auch heth. *men- ’sehen’, auf die gleiche Grundform zurück. Dieses aus ig. was die Ausgangsbedeutung zu ’anschauen, betrach*(e)me- + einer ursprünglich numerus-indifferenten ten’ verschieben würde. Verb: minnen. Kasusendung. Ebenso nndl. min. – Kuhberg (1933), 56; Wiercinski, D.: Minne (Köln, Graz 1964); Frings, Th. BGDSL-H 91 (1969), 32–35; Hamp, E. P. JIES 15 (1987), 391; Röhrich 2 (1992), 1035f.; LM 6 (1993), 639–642; RGA 20 (2002), 49–56; EWNl 3 (2007), 354.

Minorität Sf ’Minderheit’ erw. fach. (18. Jh.). Als poli-

tischer Ausdruck über frz. minorite´ entlehnt aus ne. minoritiy. Dieses ist ein Abstraktum zu l. minor ’kleiner’ (Þminus). Ebenso nndl. minoriteit, ne. minority, nfrz. minorite´, nschw. minoritet, nnorw. minoritet. – DF 2 (1942), 119.

minus Adj erw. fach. (14. Jh.). Entlehnt aus l. minus, der

Neutralform von l. minor ’kleiner, geringer’. Substantiviert: Minus. Ebenso nndl. minus, ne. minus, nfrz. moins, nschw. minus, nnorw. minus. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þminder; ÞDiminutiv, ÞMenü, ÞMenuett, Þmini-, ÞMinister, ÞMinute, Þminuziös. – Schirmer (1912), 45; DF 2 (1942), 119; Schmidt (1996), 74.

Minuskel Sf ’Kleinbuchstabe, Schriftart’ per. fach.

(19. Jh.). Als Fachwort entlehnt aus ml. minuscula (litera), zu l. minusculus ’etwas kleiner’, zu l. minus ’weniger, kleiner’. Ebenso nndl. minuskel, ne. minuscule, nfrz. minuscule, nschw. minuskel, nnorw. minuskel. – EWNl 3 (2007), 358.

Minute Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus spl. minu¯ta, zu l.

Þmein, Þmich, Þdir. – Seebold (1984), 44–46; Röhrich 2 (1992), 1036; EWNl 3 (2007), 349.

Mirabelle Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. mirabelle,

dieses aus it. mirabella, das auf gr. myroba´lanos, Name einer aromatischen Nuss. Ebenso nndl. mirabel, ne. mirabelle, nfrz. mirabelle, nschw. mirabell. – DF 2 (1942), 119.

Mirakel Sn erw. fremd. (14. Jh.). Entlehnt aus l. mı¯ra¯-

culum ’Wunder’ (zu l. mı¯ra¯rı¯ ’sich wundern’), hauptsächlich als religiöser Terminus. Deshalb auch als Bezeichnung für die frühen religiösen Schauspiele. Ebenso nndl. mirakel, ne. miracle, nfrz. miracle, nschw. mirakel, nnorw. mirakel. – DF 2 (1942), 120; LM 6 (1993), 656–659.

Misanthrop Sm ’Menschenfeind’ per. fremd. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. misanthrope, dieses aus gr. mı¯sa´nthro¯pos, zu gr. mı¯seı˜n ’hassen’ und gr. a´nthro¯pos ’Mensch’ (Þ-anthrop-); Ersatzwort ist Menschenfeind. Ebenso nndl. misantroop, ne. misanthrope, nfrz. misanthrope, nschw. misantrop, nnorw. misantrop. – DF 2 (1942), 120; Cottez (1980), 253; EWNl 3 (2007), 360.

mischen Vsw std. (8. Jh.), mhd. mischen, ahd. miscen,

misken, miscan u.ä. Wie ae. miscian entlehnt aus l. misce¯re ’mischen’, das seinerseits auf (ig.) *meik´’mischen, mengen’ (in gr. meı´gnymi, migny¯mi ’ich mische, verbinde’, lit. mie˜ˇsti, vielleicht auch in ved. mimiksu´- ’zu mischen, mischbedürftig’) zurückgeht. ˙ Abstraktum: Mischung.

minu¯tus ’vermindert, ganz klein’, dem PPP. von l. minuere ’kleiner machen’, zu l. minus ’weniger’. Die Bedeutung von spl. minu¯ta aus der Fügung pars miS. auch ÞMaische, ÞMischmasch, ÞMixtur. nu¯ta prima ’kleinster Teil erster Ordnung einer durch 60 teilbaren (Zeit-)Größe’ aus dem Sexagesimalsys- Mischmasch Sm std. stil. (16. Jh.). Ablautbildung, vieltem des Ptolemäus. leicht von Paracelsus gebildet. Ebenso nndl. minuut, ne. minute, nfrz. minute, nschw. minut, nisl. mı´nu´ta; Þminus. – Schirmer (1912), 45; DF 2 (1942), 119; Röhrich 2 (1992), 1036; EWNl 3 (2007), 358f.

minuziös Adj ’peinlich genau’ erw. fremd. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. minutieux, einer Ableitung von frz. minutie ’peinliche Genauigkeit, Kleinigkeit’, aus l.

Röhrich 2 (1992), 1036.

Mischpoche Sf ’Familie, Gesellschaft, Bande’ erw. vulg.

(20. Jh.). Über das Rotwelsche entlehnt aus wjidd. mischpoche ’Familie’, das auf hebr. misˇpa¯ha¯(h) zu˙ rückgeht. Wolf (1985), 219.

Misel

626 Misel Sn (bei Goethe als Anrede junger Mädchen) per.

wobd. (18. Jh.). Eigentlich elsässisches Diminutiv zu ÞMaus. Littmann (1924), 101.

Miselsucht Sf ’Lepra’ per. arch. (10. Jh.), mhd. misel-

suht, ahd. misalsuht. Entlehnt aus l. misellus ’elend, aussätzig’. Die Bedeutung ’Lepra’ ist offenbar eine Lehnbedeutung aus arab. miskı¯n ’arm, elend’. Littmann (1924), 101; Holmberg, M.A˚. NM 26 (1970), 41–46; Polome´, E. JIES 11 (1983), 50 (gegen Einfluss des Arabischen).

Missgeburt Sf std. (16. Jh.). Wie bei gleichzeitigem Missgebären, das Missgeborene wird eine vorgeburtli-

che Fehlentwicklung auf den Geburtsvorgang bezogen. misshellig Adj std. (11. Jh., Form 14. Jh.), mhd. missehel,

ahd. missahel ’nicht zusammenklingend’. Vgl. ahd. missihellan ’misstönen’ und nhd. Þeinhellig. Þhallen.

missingsch Adj Þmessing(i)sch.

miserabel Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. mise´rable, Mission Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. missio (-o¯nis)

das aus l. misera¯bilis stammt. Dieses aus l. misera¯re, -a¯rı¯ ’bemitleiden’ (zu l. miser ’arm, elend’), also ’bemitleidenswert’. Ebenso nndl. miserabel, ne. miserable, nfrz. mise´rable, nschw. miserabel, nnorw. miserabel. – DF 2 (1942), 120f.; EWNl 3 (2007), 360.

Misere Sf ’bedauernswerte Lage’ erw. fremd. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. mise`re, dieses aus l. miseria, einer Ableitung von l. miser ’elend, erbärmlich’. Ebenso nndl. mise`re, ne. misery, nfrz. mise`re, nschw. misär, nnorw. mise`re. – DF 2 (1942), 121; Röhrich 2 (1992), 1036; EWNl 3 (2007), 360.

miso- LAff mit der Bedeutung ’Hass, Feindschaft, Ver-

achtung’ (z.B. misogyn, ÞMisanthrop) per. fremd. (–). Das Element wurde in griechischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung ist gr. mı˜sos n. ’Hass, Groll’. Cottez (1980), 253.

Mispel Sf per. fach. (11. Jh.), mhd. mispel, ahd. mespila,

mispel. Entlehnt aus l. mespilum n., das auf gr. me´spilon n. zurückgeht. Dieses ist aus unbekannter Quelle entlehnt. Ebenso nndl. mispel, ne. medlar, nfrz. ne`fle, nschw. mespel, nisl. mispill. – Hoops (1911/19), III, 228f.; LM 6 (1993), 668f.; EWNl 3 (2007), 360f.

miss-, misse- Präfix zum Ausdruck des Verkehrten std.,

mhd. misse-, ahd. missa-, missi-, as. mis-. Aus g. *missa- auch in gt. missa-, anord. (in Relikten) mis-, (a´)miss, ae. mis-. Selbständig in gt. misso ’wechselseitig’. Ursprünglich to-Partizip zu dem unter Þmeiden dargestellten Verb für ’wechseln, tauschen’, hier (mit dem Bedeutungszusammenhang ’tauschen − täuschen’) als ’verkehrt’. Eine entsprechende Bedeutungsentwicklung in dieser Sippe bei ai. mı´thu¯ ’verkehrt’. ÞMisspickel. – Lenz (1991); Heidermanns (1993), 413; EWNl 3 (2007), 359f.

missen Vsw std. (9. Jh.), mhd. missen, ahd. missen,

mndd. missen. Aus g. *miss-ija- Vsw. ’missen’, auch in anord. missa, ae. missan, afr. missa. Zu dem unter Þmiss-, misse- behandelten to-Partizip, dessen Bedeutung in diesem Fall aber näher bei ’meiden’ stehengeblieben ist. Also etwa ’vermieden haben’. Präfigierung: vermissen. EWNl 3 (2007), 361f.

’Ziehenlassen, Gehenlassen, Absenden, Abschicken’, einem Abstraktum von l. mittere (missum) ’gehen lassen, schicken’. Ein Missionar ist ’einer der einen (Glaubens-)Auftrag hat’; davon übernimmt missionieren seine Bedeutung ’zum (christlichen) Glauben bekehren’. Ebenso nndl. missie, ne. mission, nfrz. mission, nschw. mission, nnorw. misjon. Zur Sippe des zugrunde liegenden l. mittere ’schicken’ s. Þkompromittieren. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 319f.; DF 2 (1942), 122; LM 6 (1993), 669–679; EWNl 3 (2007), 362.

Missionarsstellung Sf ’europäisch-amerikanische

Normalstellung beim Geschlechtsverkehr’ erw. fach. (20. Jh.). In den 60er und 70er Jahren des 20. Jhs. beginnen in englischer Sprache die Belege für die Bezeichnung der ’face-to-face man-on-top’-Stellung beim Geschlechtsverkehr als Missionarsstellung, zugleich mit der erklärenden Legende, dass mit dieser Bezeichnung die Eingeborenen von (je nachdem) Südseeinseln, Afrika, China o.a. die ihnen von den christlichen Missionaren vorgeschriebene Stellung verspotten wollten. Eine genaue Quellenangabe oder Lokalisierung konnte aber nicht gegeben werden, obwohl selbst angesehene Wörterbücher wie das Oxford English Dictionary (2. Aufl.) den Ausdruck belegten und besprachen. Erst 2001 stellte der Anthropologe Robert J. Priest fest, dass der Ausdruck 1948 von Alfred C. Kinsey zum ersten Mal genannt wurde (Sexual Behavior in the Human Male, 373), wobei dieser sich auf ein Buch von Bronislav Malinowski über das Sexualleben der Eingeborenen von Melanesien bezog. Nach diesem hätten sich die Trobriander (Papua-Neuguinea) bei ihren Lagerfeuern unter großer Belustigung über die Stellung beim Geschlechtsverkehr amüsiert, die von den Missionaren vorgeschrieben wurde. Sie nannten sie deshalb die Missionarsstellung (Kinsey selbst nannte sie die englisch-amerikanische Stellung). Doch in Malinowskis Buch ist weder der Ausdruck noch diese Geschichte zu finden. Priest zeigt nun im einzelnen, wie Kinsey verschiedene Berichte von Malinowski offensichtlich aus der Erinnerung zu einer für seine Argumentation schlüssigen, aber falschen Geschichte zusammengefügt hat. In der Tat gab es bei den Tobriandern bei einer Gelegenheit eine Bezeichnung misinari si bubunela, die ’missionary fashion’, also die ’Sitten der Missionare’;

Mitte

627 (1992), 89f.; LM 6 (1993), 680; RGA 20 (2002), 96f.; Birkhan, aber es ging dabei um ein verlobtes Paar, das in der H. FS Meid (1999), 47–50. Öffentlichkeit (entgegen den strengen dortigen Sitten) sich aneinandergeschmiegt und Händchen geMiszellen Spl ’kleinere Aufsätze zu unterschiedlichen halten hätte. Es wird auch berichtet, dass die TobriThemen’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. miscilla n. ander die englisch-amerikanische Stellung beim Sex ’Gemischtes’, einer Substantivierung von l. miscillus, eher für belustigend hielten, aber die Missionare miscellus ’gemischt’, zu l. misce¯re ’mischen, vermenkamen dabei nicht ins Spiel. Es wird sogar berichtet, gen’. sie (die Eingeborenen) hätten über diese Stellung Ebenso ne. miscellany; ÞMixtur. – DF 2 (1942), 123. ’von Händlern, Pflanzern und Amtspersonen’ gemit Adv/Präp std. (8. Jh.), mhd. mit(e), ahd. mit(i), as. hört. Natürlich wusste Kinsey, dass diese Stellung von mid(i), mid Ñ u.ä. Aus l. *medi Adv. / Präp., auch in gt. der Kirche vom Mittelalter bis weit in die Neuzeit miþ, anord. med(Ñ r), ae. mid, afr. mith(i), mede, mei. hinein für verbindlich erklärt worden war, aber die Außergermanisch ist am ähnlichsten gr. meta´, me´ta Verbindung mit den Missionaren stammt nicht aus Adv. / Präp. ’inmitten, zwischen, mit’, das germaniseiner Quelle. Der Ausdruck (zusammen mit der Lesche Wort könnte allerdings auch auf dh zurückgehen. gende, die in verschiedene Gegenden der Welt posiVerwandtschaft wenigstens des ersten Bestandteils tioniert wurde) verbreitete sich aber, nachdem er einmit ÞMitte ist wahrscheinlich. mal in den Sprachgebrauch übergegangen war, sehr Þmeta-. – EWNl 3 (2007), 323, 340. rasch und ist heute ein Internationalismus. Priest, R. J. Current Anthropology 42,1 (2001), 29–46 (dann Mitesser Sm ’Pickel’ erw. fach. (17. Jh.). Lehnübersetzung aus l. comedo ’Fresser, Schlemmer’ zu l. comeComments bis 63, Literaturangaben bis 66. dere ’aufessen, verzehren’. Man hielt die verstopften misslich Adj erw. stil. (16. Jh.). In der heutigen BedeuPoren für kleine Würmer, die von der Nahrung tung erst seit dem 16. Jh. Zuvor g. *missa-lı¯ka- Adj. ’mitessen’. ’verschieden’ in gt. missaleiks, ae. mis(se)lic, mistlic,

afr. mislik, as. mis(si)lı¯k, ahd. mis(si)lı¯h, missalı¯h u.ä., Mitgift Sf ’Heiratsgut’ erw. obs. (15. Jh.), fnhd. mitegift, mndd. medegift. Eigentlich ’Mitgabe’ zu ÞGift in der mhd. mis(se)lich. Eigentlich ’was abwechselnde Gealten Bedeutung ’Gabe’. stalt hat’ (Þgleich), also ’verschieden’. Die Bedeutungsveränderung im Deutschen wohl unter dem LM 6 (1993), 682; EWNl 2 (2005), 276f. Einfluss des Präfixes Þmiss-, misse-. Mitglied Sn std. (16. Jh.). Verstärkung von ÞGlied im Þ-lich, ÞLeiche. – EWNl 3 (2007), 361. Sinne von ’Teil einer Gemeinschaft’. misslingen Vst std. (11. Jh.), mhd. misselingen, ahd. Mitlaut Sm erw. fach. (16. Jh., Form 18. Jh.). Lehnübermissalingen. Gegenwort zu Þgelingen. setzung von ÞKonsonant aus l. littera co¯nsona¯ns ’mit (dem Vokal) klingender (Laut)’, älter Mitlauter. Misspickel Sm ’Arsenkies’ per. arch. (16. Jh.). Herkunft ÞKonsonant, ÞSelbstlaut. unklar, vielleicht zu Þmiss-, misse- und ÞBuckel als ’falscher Knollen’? Mitleid Sn std. (14. Jh., Form 17. Jh.), mhd. mitelı¯den, mndd. medeliden. Lehnübersetzung der Mystiker aus Mist Sm std. (9. Jh., mistunna ’Misthaufen’ 8. Jh.), l. compassio f. ’Mitleiden, Mitempfinden’, das seinermhd. mist n./m., ahd. mist, as. mist. Aus g. *mihstuseits eine Lehnübersetzung aus gr. sympa´theia f. m. ’Mist, Gülle’, auch in gt. maihstus und unerweitert ’Mitempfinden’ ist. Der Wortausgang wird im 17. Jh. in as. mehs n., ae. meox, myx n., nordfr. mjuks. Ableiim Ostmitteldeutschen gekürzt, und diese Form setzt tung aus g. *meig-a- Vst. ’harnen’ in anord. mı´ga, ae. sich in der Hochsprache durch. Die ältere Form noch mı¯gan. Dieses aus ig. *meig´ h- ’harnen’ in l. me¯iere, in Mitleidenschaft. Adjektiv: mitleidig. mingere, lit. my˜ˇzti, serbo-kr. mı`ˇzati, gr. omeı´cho¯, ai. Betz, W. BGDSL 67 (1944), 302; LM 6 (1993), 683. me´hati. Verb: (aus-)misten. Ebenso nndl. mest. S. auch ÞMaische. – Kluge (1926), 70; See- Mittag Sm std. (8. Jh., Form 12. Jh.), mhd. mitt(en)tac, bold (1970), 347f.; Tiefenbach, H. in Beck/Denecke/Jankuhn mittach(e), mittertag, ahd. mittitag. Auch ae. midd¢g. (1980), 45–54; Röhrich 2 (1992), 1036f.; RGA 20 (2002), 94; Zusammengerückt aus dem Adjektiv ahd. mitti, mitEWNl 3 (2007), 140. tila ’in der Mitte befindlich’ und ÞTag. Das Muster ist Mistel Sf erw. fach. (9. Jh.), mhd. mistel m., ahd. mistil, alt, vgl. l. merı¯die¯s m./f., ai. madhya´m ˙ dina- ’Mittagsas. mistil m. Aus g. *mistilo¯ f. ’Mistel’, auch in anord. zeit’. mistilteinn m., ae. mistel m. (?). Wohl Lautvariante zu Ebenso nndl. middag, ne. midday. – Wünschmann (1966), der l. Entsprechung viscum n., auch gr. ixo´s m.; also 100–102, 111–113; Röhrich 2 (1992), 1037; EWNl 3 (2007), 346. *mihs-tlo-. < *miks- neben *wiks-, vgl. meiden neben Mitte Sf std. (9. Jh.), mhd. mitte, ahd. mittı˘, as. middia. l. vı¯ta¯re ’vermeiden’. Aus g. *medjo¯n f. ’Mitte’, auch in anord. midjÑ a, ae. Ebenso nndl. mistel, ne. mistle(-toe), nschw. mistel. – Mahlow, G. H.: Neue Wege durch die griechische Sprache und Dichtung (Berlin 1927), 356; Hermodsson, L. SN 43 (1971), 173–179 (= ders.: Spätlese 1986, 42–47); Hermodsson, L. SN 64

midde. Abstraktbildung zu dem Adjektiv g. *medja’mitten, in der Mitte befindlich’ in gt. midjis, anord. midrÑ , ae. midd, afr. midde, as. middi, ahd. mitti, mhd.

mittel

628 h

mitte. Dieses aus ig. *med -jo- in ai. ma´dhya-, l. medius, gr. me´sos, mit anderer Bildung russ. mezˇ´en′ ’Mitte’. Eine erstarrte Flexionsform ist Þmitten. Ebenso nndl. midden, nschw. mitt, nisl. midjÑ a; ÞMedium, Þmezzo-, ÞMidder, Þmit. – LM 6 (1993), 683f.

mittel Adj std. (8. Jh.), mhd. mittel, ahd. mittil, mndd.

Mixtur Sf ’Mischung, gemischte Arznei’ erw. fach.

(13. Jh.). Im Mittelhochdeutschen (mhd. mixtu¯re) entlehnt aus l. mixtu¯ra, zu l. misce¯re (mixtum) ’mischen’. Ebenso nndl. mixtuur, ne. mixture, nfrz. mixture, nschw. mixtur, nnorw. mikstur; ÞMelange, Þmeliert, Þmischen, ÞMiszellen. – DF 2 (1942), 123.

middel. Aus g. *medlija – Adj. ’mittel’, auch in ae. afr. middel-, as. middil- nur in Zusammensetzungen. Mob Sm ’Pöbel’ (ursprünglich bezogen auf Londoner Ohne j und mit vollstufigem Suffix anord. medaÑ l Verhältnisse) erw. stil. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. mob. ’Mitte’, ahd. metal. Substantiviert mhd. mittel, mndd. Dieses ist gekürzt aus ne. mobile ’beweglich’, das seimiddel, nhd. Mittel. Bedeutung zunächst ’Mitte’, nerseits zitiert ist aus l. mo¯bile vulgus ’die aufgewiedann wie l. medium ’Hilfsmittel’ (’das zwischen Täter gelte Menge’ bei Claudian (De IV. cons. Honorii und Objekt oder zwischen zwei Gegensätzen LiegenV, 302). de’) − hierzu vermitteln –, schließlich ’VermögensEbenso ne. mob, nschw. mobb, nnorw. mobb; Þmobil. – DF 2 werte’ − hierzu bemittelt und mittellos. (1942), 123f.; Ganz (1957), 146; Röhrich 2 (1992), 1039. Ebenso nndl. middel-, ne. middle. S. auch Þermitteln, Þübermitteln, ÞMitte, Þmittlerweile. – Röhrich 2 (1992), 1037f.; EWNl 3 (2007), 347.

mitten Adv std. (13. Jh.). Erstarrt aus dem adverbial ge-

brauchten Dativ Plural von ÞMitte, mhd. (in) mitten. S. auch Þinmitten. – Behaghel 3 (1928), 193f.; EWNl 3 (2007), 347.

Mitternacht Sf std. (8. Jh., Form 14. Jh.), mhd.

mitt(e)naht, mitternaht. Zusammengerückt aus ze mitter nacht, ahd. ze mitteru naht, also dem Adjektiv mitte (ÞMitte) und ÞNacht. Auch als Kompositum in anderer Form: mhd. mitnaht, ae. midniht, anord. midnÑ ¢tti. mittlerweile Adv std. (16. Jh.). Zusammengerückt aus

mhd. in mitler wı¯le ’in der Zwischenzeit’. Zu dem Adjektiv Þmittel. Behaghel 3 (1928), 210f.

Mittwoch Sm std. (11. Jh.), mhd. mittewoche, spahd.

Mobbing Sn ’gezielte Beeinträchtigung am Arbeitsplatz

durch Kollegen’ erw. fremd. (20. Jh.). Die ungewöhnliche Geschichte dieses Wortes beginnt mit dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz, der beschreibt, wie Kleinvögel durch Massenangriffe größere Raubvögel u.a. vertreiben können. Er benützt dabei den deutschen Ausdruck hassen auf (Kleinvögel hassen auf Eulen). Dieses Verhalten der Kleinvögel wird im Englischen als mobbing bezeichnet. In den 80er-Jahren des 20. Jhs. wurde dann das unter der Bezeichnung Psycho-Terror diskutierte Sozialverhalten von Menschen von dem Deutsch-Schweden Heinz Leymann und dem Schweden Peter-Paul Heinemann in schwedischer Sprache mit dem englischen Ausdruck mobbing bezeichnet, und durch den Einfluss Leymanns verbreitete sich diese Bezeichnung auch in Deutschland und in deutschen Quellen. Zu beachten ist, dass diese Übertragung auf ein menschliches Aggressionsverhalten im Englischen bei diesem Wort nicht eingetreten ist.

mittawecha, mndd. middeweke. Bei der Übernahme der antiken Wochentagsnamen wurde der Tag des Lipka, L. in: Proper words in proper places. FS W. J. Jones. Ed. Merkur oder in der germanischen Übertragung der M. C. Davies u.a. (Stuttgart 2001), 301–319. Tag des Wotan (vgl. ne. Wednesday) weithin vermieden zugunsten der ursprünglich jüdisch-christlichen Möbel Sn std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. meuble m., das seinerseits auf ml. mobile n. ’bewegliches Gut’ zuBezeichnung ’Mitte der Woche’. So ml. media hebrückgeht (zu l. mo¯bilis ’beweglich’). Verben: domas nach griechischem Vorbild, und danach die möblieren, auf-, Þvermöbeln. deutschen Formen. ÞMitte. – Bilfinger, G. ZDW 4 (1903), 253–256; Frings, Th. / Niessen, J. IF 45 (1927), 276–306; Frings (1932), öfters; Förster, M. Anglia 68 (1944), 1–32; Wiesinger, P. FS Hausmann (1977), 639–654; Röhrich 2 (1992), 1039.

mitunter Adv std. (18. Jh.). Die beiden Bestandteile

waren semantisch gleichwertig und wurden zur Verstärkung kombiniert. mixen Vsw ’mischen’ std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne.

mix, das rückgebildet ist aus ne. mixed, mixt ’gemischt’, das auf afrz. mixte zurückgeht, aus l. mixtus, dem PPP. von l. misce¯re ’mischen’. Nomen Agentis: Mixer. Ebenso nndl. mixen, nfrz. mixer, nschw. mixa, nnorw. mikse. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 593f.; Carstensen 2 (1994), 918–920; EWNl 3 (2007), 363.

Ebenso nndl. meubel, nfrz. meuble, nschw. möbel, nnorw. møbel; Þmobil. – Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 191; DF 2 (1942), 124f.; Brunt (1983), 380; Röhrich 2 (1992), 1040; LM 6 (1993), 699–704; EWNl 3 (2007), 344.

mobil Adj erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. mobile,

dieses aus l. mo¯bilis, zu l. move¯re (mo¯tum) ’bewegen, in Bewegung setzen’. Zuerst in militärischer Bedeutung gebraucht, vgl. Mobilmachung. Verb: mobilisieren; Abstraktum: Mobilität. Ebenso nndl. mobiel, ne. mobile, nfrz. mobile, nschw. mobil, nnorw. mobil. Zur zugrunde liegenden Sippe s. ÞPromotion; ÞAuto. – DF 2 (1942), 125; HWPh 6 (1984), 1–3; EWNl 3 (2007), 363.

Mobiliar Sn erw. fach. (18. Jh.). Mit Latinisierung und

Suffixveränderung entlehnt aus frz. mobilier, einer

Modus

629

Substantivierung von frz. mobilier ’beweglich’ moderieren Vsw ’vorstellen, mit Überleitungen verse(Þmobil). Semantisch entsprechend Mobilien, das aus hen’ erw. fach. (19. Jh.). Zunächst in der Bedeutung ml. mobilia ’bewegliche Güter’ entlehnt ist; dieses ’mäßigen’ entlehnt aus l. modera¯re (zu l. modus ’Maß’), dann unter dem Einfluss des Nomen Agentis kurz für ml. re¯s mo¯bile¯s ’bewegliche Güter’. Moderator m. ’Leiter (von Fernsehveranstaltungen Ebenso ne. movables (’Mobilien’), nfrz. mobilier, nschw. mousw.)’ in der heute üblichen Bedeutung (im 16. Jh. bilier (’Mobilien’). – DF 2 (1942), 125. lu¯di modera¯tor ’Leiter einer Lateinschule’). Die Bemodal Adj, ModalitätSf ÞModus. deutungsentwicklung von ’mäßigen’ zu ’lenken’ und Mode Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. mode m./f. be’leiten’. sonders in der Formel a` la mode ’nach der (gegenEbenso nndl. modereren, ne. moderate, nfrz. mode´rer, nschw. wärtig bevorzugten) Art’. Zunächst auf die Kleider moderera, nnorw. moderere. – DF 2 (1942), 133f. (zur älteren bezogen, dann verallgemeinert. Das französische Bedeutung, zu der auch moderat gehört). Wort geht zurück auf l. modus m. ’Maß, Art und Weimodern Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. moderne, se’. Adjektiv: modisch. dieses aus spl. modernus ’derzeitig, gegenwärtig, neu’, Ebenso nndl. mode, ne. mode, nfrz. mode, nschw. mode, nnorw. zu l. modo ’nur, eben’, in späterer Zeit auch ’jetzt’, zu mode, mote; ÞModus. – DF 2 (1942), 126–132; Jones (1976), l. modus ’Maß, Art und Weise’. Abstraktum: 440–445; HWPh 6 (1984), 41–45; Röhrich 2 (1992), 1040; LM 6 Modernität; Verb: modernisieren. (1993), 707f.; EWNl 3 (2007), 364. Model Sm ’(Back)Form’ per. fach. (11. Jh.), mhd. model

m./n., ahd. modul. Entlehnt aus l. modulus, ursprünglich ’Maß, Maßstab’ zu l. modus ’Maß’. Das englisch ausgesprochene Wort mit der Bedeutung ’Fotomodell, Mannequin’ ist aus dem Englischen entlehnt und stammt aus der gleichen lateinischen Grundlage. Ebenso ne. mo(u)ld, nfrz. moule; ÞModus, ÞMode. – EWNl 3 (2007), 293.

Modell Sn std. (17. Jh.). In der Sprache der Kunst ent-

lehnt aus it. modello ’Muster’; dieses aus l. modulus (ÞModel). Verben: Þummodeln, modellieren, modeln. Ebenso nndl. model, ne. model, nfrz. mode`le, nschw. modell, nnorw. modell. – DF 2 (1942), 132f.; HWPh 6 (1984), 45–50; Carstensen 2 (1994), 924.

Ebenso nndl. modern, ne. modern, nfrz. moderne, nschw. modern, nnorw. moderne; ÞModus. – DF 2 (1942), 134f.; Freund, W.: Modernus (Köln 1957); Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 399; Gössmann, E.: Antiqui und moderni im Mittelalter (München 1974); GB 4 (1978), 93–132; HWPh 6 (1984) 54–62; Strauss u.a. (1989), 666–669; EWNl 3 (2007), 365.

modifizieren Vsw ’abändern’ erw. fach. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus l. modifica¯re ’gehörig abmessen, ein Maß setzen, mäßigen’, zu l. modificus ’abgemessen’, zu l. modus ’Maß, Art und Weise’ (ÞModus) und l. facere (factum) ’machen’ (Þinfizieren). Abstraktum: Modifikation. Ebenso nndl. modificeren, ne. modify, nfrz. modifier, nschw. modifiera, nnorw. modifisere. – DF 2 (1942), 136f.; EWNl 3 (2007), 365.

Moder Sm std. (14. Jh.), spmhd. moder. Übernommen

modulieren Vsw ’in eine andere Lage oder Tonart umaus mndd. mod(d)er, vgl. mndl. mod(d)er, moeder setzen’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. modula¯ri u.ä. Vielleicht liegt eine hochdeutsche Entsprechung ’messen, einrichten, regeln’, zu l. modulus, aus l. in ÞEssigmutter, Weinmutter vor (diese vielleicht aber modus ’Maß, Art und Weise’ (ÞModus). Abstraktum: zu ÞMutter ’Elternteil’). Die Vergleichsmöglichkeiten Modulation. sind nicht sehr klar: Es gibt Wörter, die auf (ig.) Ebenso nndl. moduleren, ne. modulate, nfrz. moduler, nschw. *meu- zurückgeführt werden können, und die einermodulera, nnorw. modulere. – DF 2 (1942), 137f. seits auf ’baden, waschen’, andererseits auf Modus Sm ’Verfahrensweise, Art und Weise (usw.)’ per. ’Schimmel, Schmutz, Schlamm’ zurückführen. Ein fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. modus ’Maß, Quantität, klarer Mittelpunkt ist dabei nicht zu sehen. Formal Größe, Takt, Weise, Melodie, Regel, Art und Weise’. kann das germanische Wort eine InstrumentalbilDie grammatischen Modi sind ’Arten des Sprechens’. dung auf -tro- sein, dem entspräche (abgesehen von Adjektiv: Þmodal mit dem Abstraktum Modalität. ´ ˘ der Vokallänge) ai. mu¯tra- n. ’Harn’, avest. mu¯θra- n. Ebenso nndl. modus, ne. mode, modus, (ling.) mood, nfrz. ’Exkremente, Schmutz’, aber semantisch liegt das mode, nschw. modus, nnorw. modus. Das gleiche Wort über das nicht nahe. Näher steht lett. mudeˆt ’schimmlig werFranzösische entlehnt ist ÞMode; aus einer Zusammenrüden’, aber dies bleibt vereinzelt. Zu anderen Bedeuckung mit diesem Wort kommt Þkommod und ÞKommode, tungen des germanischen Wortes passt russ. mutı´t′ aus einer anderen vermutlich ÞKomment, aus einer Kompo’(Wasser) trüben’. Verb: modern; Adjektiv: modrig. sition Þmodifizieren; denominal dazu (mit -r- aus dem -s- des Ebenso nndl. modder, moer; ÞMoos 1. – Machek, V. ZSPh 23 (1954), 117f.; EWNl 3 (2007), 364.

moderat Adj ’gemäßigt’ per. fremd. (19. Jh.). Entlehnt

aus l. modera¯tus ’gemäßigt’, dem PPP. von l. modera¯re ’mäßigen’, zu l. modus ’Maß’ (ÞModus). Ebenso nndl. moderatie, ne. moderate, nfrz. mode´ration, nschw. moderat, nnorw. moderat. – EWNl 3 (2007), 364f.

s-Stammes) s. Þmoderieren und Þmoderat; aus der Weiterbildung mit -lo- s. ÞModel, ÞModell und Þmodulieren; eine Bildung auf -erno- zu einer Sonderbedeutung in Þmodern. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞMahl 1 und Þmessen. Ersatzwort (der Grammatik) ist Redeweise. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 62; DF 2 (1942), 138; HWPh 6 (1984), 66–68; HWPh 6 (1984), 9–12 (zu Modalität); LM 6 (1993), 706f.

Mofa

630 Mofa Sn ’Fahrrad mit Hilfsmotor’ per. grupp. (20. Jh.).

Gekürzt aus Motorfahrrad. Oksaar, E. in SMS 19 (1956) (= FS Heinertz), 143.

mogeln Vsw std. stil. (18. Jh.). Herkunft unklar. Viel-

leicht liegt eine Variante zu Þmaucheln, auch Þmaugeln ’heimlich tun, verstecken’ (Þmeucheln) vor. Þmucken. – Weissbrodt, E. ZDPh 60 (1935), 211–213; Birnbaum, S.A. ZDPh 74 (1955), 225–248; Wolf, S.A. MS 72 (1962), 184f.; Wolf (1985), 220.

mögen Vprpr std. (8. Jh.), mhd. mugen, mügen, ahd.

mugan, magan u.a., as. mugan ’können, vermögen’. Aus g. *mag Prät.-Präs. ’kann, vermag’, auch in gt. mag, anord. ma´, ae. m¢g, afr. mei, (as. mag, ahd. mag). Außergermanisch vergleicht sich zunächst akslav. mosˇti ’können, vermögen’. Weiteres ist unklar, besonders der Zusammenhang zu den (auch unter sich nicht zusammenstimmenden) langvokalischen Grundlagen lit. me˙´gti ’lieben, mögen’, lett. meˆgt ’vermögen’, gr. (dor.) ma¯chana´ ’Mittel, Hilfsmittel’. Auch die Bestimmung des Ablautverhältnisses der germanischen Wörter macht Schwierigkeiten, da kein a/o¯-Ablaut vorliegt. Die Bedeutungsveränderung im Neuhochdeutschen ging von negierten Sätzen aus: ’nicht können’ = ’nicht mögen’. Ebenso nndl. mogen, ne. may, nschw. ma˚, nisl. mega; ÞMacht, Þvermöge, ÞVermögen. – Klare´n, G. A.: Die Bedeutungsentwicklung von können, mögen und müssen (Diss. Lund 1913); Seebold (1970), 342f.; EWNl 3 (2007), 370.

möglich Adj std. (13. Jh.). Zu Þmögen in dessen alter

Bedeutung ’können’. Vgl. die Entsprechung von es kann sein und es ist möglich.

Mohair Sm ’Angorawolle’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt

aus ne. mohair, dieses aus arab. muhaiyar ’Stoff aus Ziegenhaar’. Eine ältere Entlehnung˘ ist Macheier (< 16. Jh., mndd. 14. Jh.) ohne englisches Zwischenglied; auch Moor, Mohr ’dichtes Zeug von Seide’.

auch ein Anschluss an ig. (eur.) *mak- ’Beutel’ (ÞMagen) in Bezug auf die auffälligen Samentaschen des Mohns. Ebenso nndl. maankop, nschw. vallmo. – Bertsch (1947), 194–199; RGA 20 (2002), 154.

Mohr Sm erw. obs. (8. Jh.), mhd. mo¯r(e), ahd. Mo¯r. Ent-

lehnt aus l. Maurus ’Maure, Nordwestafrikaner’. Ebenso nndl. Moriaan, ne. moor, nfrz. More, nschw. mor, nisl. mo´r; ÞMorelle. – Littmann (1924), 95; Röhrich 2 (1992), 1040f.

Möhre Sf erw. reg. (9. Jh.), mhd. mor(c)he, more, ahd.

moraha, more, as. morha. Aus wg. *murho¯n f. ’Möhre’, auch in ae. more, moru. Außergermanisch vergleicht sich vielleicht das Glossenwort gr. bra´kana ’Wildgemüse’ (< mrak-) und russ. morkov′ (falls es nicht entlehnt ist). Weitere Herkunft unklar. Eine umlautlose Form ist bewahrt in Mohrrübe. S. auch ÞMorchel. – Hoops (1905), 466f.; Hoops (1911/19), III, 234f.; Bertsch (1947), 180–182; Marzell 2 (1972), 52–57; Schrader, E. DWEB 4 (1964), 355–470; Knutsson, K. LUA˚ 24 (1928), 9, 31–36 (anders); RGA 20 (2002), 133.

Mokassin Sm (ein Wildlederschuh ohne Absatz, ur-

sprünglich Schuh der nordamerikanischen Indianer) per. exot. ass. (18. Jh., Bedeutung 20. Jh.). Entlehnt aus ne. mocasin, dieses aus der nordamerikanischen Indianersprache Powhatan mockasin. Die indianische Schuhform wurde wegen ihrer Bequemlichkeit von den nordamerikanischen Siedlern übernommen und dann modisch weiterentwickelt. Ebenso nndl. mocassin, ne. mocassin, nfrz. mocassin, nschw. mockasin, nnorw. mokasin. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 595f.

mokieren Vswrefl ’sich abfällig äußern, bemängeln, sich

lustig machen über’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. moquer, dessen Herkunft nicht geklärt ist. Adjektiv: mokant. Ebenso nndl. moquant, ne. mock, nfrz. moquer. – DF 2 (1942), 138f.; Jones (1976), 450; Brunt (1983), 384.

Ebenso nndl. mohair, ne. mohair, nfrz. mohair, nschw. mohair, Mokka Sm std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. moka oder ne. nnorw. mohair. – Brink-Wehrli (1958), 94f.; Rey-Debove/ mocha (coffee), nach arab. Muha¯, dem jemenitischen Gagnon (1988), 597.

Mohn Sm std. (9. Jh.), mhd. ma¯hen, ahd. ma¯hen, as.

˘ Hauptausfuhrplatz einer besonders feinen Kaffeesorte am Roten Meer. Danach Festlegung auf eine besondere Zubereitungsart.

ma¯ho. Aus vd. *m¢¯ ho¯n; daneben mit Ablaut und grammatischem Wechsel ahd. mago, as. magosa¯mo Ebenso nndl. mokka, ne. mocha, nfrz. moka, nschw. mocka, aus *mago¯n, ebenso aschw. valmoghe (*walha-mago¯n, nisl. mokka. – DF 2 (1942), 139; EWNl 3 (2007), 371. zum Vorderglied vgl. nnorw. [dial.] vale ’tiefer Schlaf’ und nschw. [dial.] valbjörk ’Schlafdorn’). Außerger- Molch Sm erw. fach. (8. Jh., Form 15. Jh.). Die Form ist durch Luther in die Hochsprache gelangt. Sonst Formanisch vergleicht sich gr. me¯´ko¯n und russ. ma´k, men ohne ch: mhd. mol, molle m., ahd. mol, molm, ma´ka (Gen.), kslav. maku˘. Die slavischen und griemolt, as. mol. Weitere Herkunft unklar. Vielleicht zu chischen Wörter weisen auf *ma¯ko-/o¯n, die germadem Farbwort für ’schwarz, blau’ in gr. me´las nischen eigentlich auf ¯e/¡, doch wenn eine verhält’schwarz’ (zu diesem s. ÞMal 2). nismäßig junge Entlehnung vorliegt, könnte der dem ÞOlm. – Lühr (1988), 201. Germanischen fremde Laut a¯ teilweise nach wg. a¯ aus ¢¯ , teilweise zu kurzem a ausgewichen sein. Für eine Mole Sf ’Hafendamm’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus Entlehnung aus einer nicht-indogermanischen Spragleichbedeutendem it. molo m., zunächst in der Form che (die mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen Mola, dann eingedeutscht. Dieses aus l. mo¯le¯s ist), ist die Verbreitung etwas auffällig. Denkbar wäre ’Damm’ u.a., zu l. mo¯lı¯rı¯ ’sich abmühen’.

Mönch

631 Ebenso ne. mole, nfrz. moˆle, ndn. mole, nnorw. molo; ÞMolekül. – Kluge (1911), 580f.; DF 2 (1942), 139.

Molekül Sn ’kleinste Einheit einer chemischen Verbin-

dung’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. mole´cule f., einer Neubildung (Diminutiv) zu l. mo¯le¯s f. ’Masse, Klumpen, Damm’. Adjektiv: molekular. Ebenso nndl. molecule, ne. molecule, nfrz. mole´cule, nschw. molekyl, nisl. mo´leku´l. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þmühen; Þdemolieren. – HWPh 6 (1984), 93–95; EWNl 3 (2007), 372.

Molke Sf (auch Molken m.) erw. reg. (14. Jh.), spmhd.

von ’Bewegkraft, ausschlaggebende Kraft’ daneben Moment n. Das maskuline Genus nach frz. moment m. Adjektiv: momentan. Ebenso nndl. moment, ne. moment, nfrz. moment, nschw. moment, nnorw. moment; ÞPromotion. – DF 2 (1942), 140–142; HWPh 6 (1984), 96–114; EWNl 3 (2007), 374.

Monarch Sm erw. obs. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. mon-

archa, dieses aus gr. mona´rche¯s, mo´narchos, eigentlich ’Alleinherrscher’, zu gr. a´rchein ’herrschen’ und gr. mo´nos ’allein, einzig’. Abstraktum: Monarchie; Adjektiv: monarchistisch.

(obd.) molchen, molken, mulchen, mulken n., as. molEbenso nndl. monarch, ne. monarch, nfrz. monarque, nschw. monark, nnorw. monark; Þmono-, ÞAnarchie. – DF 2 (1942), ken n., mndd. molken n., mndl. molken, mulken. Aus 142f.; GB 4 (1978), 133–214; HWPh 6 (1984), 126–130; LM 6 wg. *mulkno¯ f. ’Käsewasser’, ursprünglich ’das, was (1993), 729f.; EWNl 3 (2007), 374f. aus dem (an einem Tag) Gemolkenen gemacht werden kann’ zu Þmelken, auch in ae. molcen, afr. molken Monat Sm std. (8. Jh.), mhd. ma¯no¯t m./n., ahd. ma¯no¯d, m. Hierher auch Molkerei und Molkendieb in der Bema¯no¯th, as. ma¯nuth. Aus g. *m¢ ¯ no¯þ- m. ’Monat’, deutung ’Schmetterling’. auch in gt. menoþs, anord. ma´nadrÑ , ae. mo¯n(a)þ, afr. mo¯nath. Das Wort bedeutete ursprünglich sowohl ÞMilchdieb. ’Mond’, wie ’Monat’ (da die Monate nach den MondMoll Sn erw. fach. (16. Jh.), fnhd. be¯ molle. Entlehnt aus umläufen angesetzt wurden). Weil im Singular das l. molle (Neutrum zu l. mollis ’weich’). Die kleine Terz auslautende þ des Konsonantstamms meist im absoder Molltonarten wurde als ’weich’ empfunden. luten Auslaut stand, fiel es dort ab und ergab das Ebenso nndl. mol, nschw. moll, nisl. moll. S. auch Þmollig. – DF Wort Mon(d), dessen -d sekundär ist (ÞMond). Im 2 (1942), 140; Röhrich 2 (1992), 1041; EWNl 3 (2007), 372. Plural blieb der Auslaut erhalten; da dieser nur für die Molle Sf ’Glas Bier’ per. städt. (19. Jh.). Niederdeutsche Bedeutung ’Monat’ gebraucht wurde, konnte das Nebenform zu ÞMulde. Wort Monat den alten Auslaut bewahren. AußergerRöhrich 2 (1992), 1041. manisch zeigt sich im Auslaut ein s. Man nimmt an, mollig Adj std. (19. Jh.). Aus der Studentensprache in dass die Flexion des ursprünglichen Wortes (ig.) die Hochsprache gelangt. Vorher regionales fnhd. *me¯no¯t, me¯neses war, und dass das s aus den Kasus mollicht, mhd. molwic ’weich, staubartig’, das offenaußerhalb des Nominativs stammte, doch ist dies bar zu ahd. molawe¯n ’verfaulen’ (’weich werden’?) nicht ausreichend zu sichern. Dem Germanischen gehört. Urverwandtschaft mit l. mollis ’weich’ (aus ig. am nächsten steht lit. me˙´nuo ’Mond, Monat’. Auf ein*mldu-) ist nicht ausgeschlossen. silbigem *me¯ns- beruhen ai. ma¯´- ’Mond, Monat’, ved. ˙ ÞMoll, Þmolsch. – EWNl 3 (2007), 373. ma¯´s- ’Mond, Monat’, l. me¯nsis ’Monat’ und gr. me¯´n ’Monat, Mondsichel’, air. mı´, kymr. mis, toch. A man˜, Moloch Sm ’grausame Macht’ erw. bildg. (17. Jh.). Enttoch. B men˜e ’Monat’, toch. A man˜(n˜)kät, toch. B lehnt aus spl. Moloch, dieses aus gr. Molo´ch, aus hebr. men˜(n˜)äkk ’Mondgott’, erweitert akslav. meˇse˛cı˘ (ham)moläk, Name eines phönikisch-kanaanitischen ’Mond, Monat’. Vielleicht weiter zu ig. *me¯Gottes, dem Kinderopfer dargebracht wurden. Durch ’messen’ (ÞDimension). Adjektiv: monatlich. die Verurteilung dieser Riten bei den Propheten entEbenso nndl. maand, ne. month, nschw. ma˚nad, nisl. ma´nuduÑ r; steht die abschätzige Bedeutung. Der Name bedeutet ÞMeniskus, ÞSemester. – Beekes, R.S.P. JIES 10 (1982), 53–64; eigentlich ’der König’. Iva˘nescu, G. SCL 36 (1985), 416–419; Röhrich 2 (1992), 1042; Ebenso nndl. moloch, ne. Moloch, nfrz. moloch, ndn. molok, LM 6 (1993), 731; RGA 20 (2002), 161–165; EWNl 3 (2007), 281; nnorw. molok. – Littmann (1924), 35; DF 2 (1942), 140; LoRieken, E. HSF 114 (2001), 73–79. kotsch (1975), 109f.; Röhrich 2 (1992), 1042; EWNl 3 (2007), 374. Mönch Sm std. (8. Jh.), mhd. mün(e)ch, mün(i)ch u.a.,

molsch (auch mulsch) Adj per. reg. (16. Jh.). Aus mollisch

und damit ursprungsgleich mit Þmollig. Siegel, P. MS 43 (1928), 245–247.

molum Adj ’angetrunken’ per. reg. (18. Jh.). Aus rotw.

Molum ’Rausch’, das mit rotwelscher Endung zu wjidd. mole ’voll’ gehört (zu hebr. ma¯le ’voll’). Wolf (1985), 221.

Moment Sm std. (13. Jh.), mhd. mo¯mente f . Ist entlehnt

aus l. mo¯mentum n., eigentlich ’Bewegung, Dauer einer Bewegung’, zu l. move¯re ’bewegen’. Im Sinne

ahd. munih. Wie ae. munuc, munec, afr. munek, monink, entlehnt aus ml. monicus, älter monachus, aus gr. monacho´s ’Einsiedler’ (eigentlich ’einzeln’, zu gr. mo´nos ’allein’). Die geistlichen Orden sind erst durch Zusammenschluss von Einsiedlern entstanden; heute ist es für einen Mönch typisch, dass er zusammen mit anderen in einem Kloster lebt. Übertragen auf Tierbezeichnungen teils nach der Tracht, teils nach der Tonsur; wegen des Keuschheitsgelübdes auch auf verschnittene (männliche) Tiere.

Mond

632 Ebenso nndl. monnik, ne. monk, nfrz. moine, nschw. munk, nisl. munkur; Þmono-, ÞMünster. Weiteres s. unter ÞNonne. – Judge, E. A. JACh 20 (1977), 72–89; Röhrich 2 (1992), 1042; LM 6 (1993), 733–746; Frenzel, M. in K. Müller (1976), 171–181 (zu ’verschnittenes Tier’); EWNl 3 (2007), 376.

Mond Sm std. (8. Jh., Form 14. Jh.), mhd. ma¯n(e) m./f.,

ahd. ma¯no, as. ma¯no. Aus g. *m¢ ¯ no¯n m. ’Mond’, auch in gt. mena, anord. ma´ni, ae. mo¯na, afr. mo¯na. Durch Auslautvereinfachung entstanden aus dem Wort, das unter ÞMonat behandelt ist. Das auslautende d ist erst in neuhochdeutscher Zeit angewachsen. Ondrusˇ, Sˇ. Recueil linguistique de Bratislava 2 (1968), 192–198; Ondrusˇ, Sˇ. Actes du X. Congre`s international des linguistes (1970), 655–658; Beekes, R. S. P. JIES 10 (1982), 53–64; Iva˘nescu, G. SCL 36 (1985), 416–419; Röhrich 2 (1992), 1042–1045; LM 6 (1993), 748–750; RGA 20 (2002), 167f.; EWNl 3 (2007), 281.

mondän Adj ’extravagant’ erw. fremd. (19. Jh.). Ent-

monitor ’Erinnerer, Aufseher’, einem Nomen Agentis zu l. mone¯re ’erinnern, mahnen’. Im Englischen werden dann verschiedene technische Überwachungsgeräte so bezeichnet, dann besonders auch ne. monitor (screen) ’zur Überwachung eingesetzte Fernsehgeräte’. Der Ausdruck wird dann auf die Datensichtgeräte von Computern übertragen, um das Gerät von dem bloßen Bildschirm unterscheiden zu können. Ebenso nfrz. moniteur, nndl. monitor, nschw. monitor, nnorw. monitor. S. ÞAutomat für die griechische, Þmahnen für die deutsche Verwandtschaft; Þmonieren, Þmental. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 598; DF 2 (1942), 144 (zu älteren anderen Bedeutungen); EWNl 3 (2007), 376.

mono- LAff Wortbildungselement mit der Bedeutung

’einmalig, einzeln, allein’ (z.B. Monokultur, ÞMonolog, Þmonoton, Monarchie) std. (–). Das Element wurde als Kompositionsform von gr. mo´nos ’allein, einzig’ in griechischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen. Vor allem in den Fachsprachen produktiv.

lehnt aus frz. mondain (eigentlich ’weltlich’), dieses aus l. munda¯nus ’zur Welt gehörig’, zu l. mundus ’Welt, Weltall’. Die Bedeutungsentwicklung geht über ’weltzugewandt’, das vielfach verhüllend gebraucht ÞMönch. – Cottez (1980), 255; EWNl 3 (2007), 376f. wird, so dass das Wort leicht den Beiklang von ’der Monogramm Sn ’Namenszeichen aus den AnfangsHalbwelt zugehörig’ bekommt. buchstaben’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus spl. moEbenso nndl. mondain, nfrz. mondain, nschw. mondän, nogramma ’Namenszeichen (bei dem mehrere Buchnnorw. monden. – EWNl 3 (2007), 375. staben ineinander verschlungen sind)’. Gräzisierende Bildung aus gr. mo´nos ’allein, einzig’ und gr. gra´mma Mondkalb Sn ’fehlgebildetes tierisches Lebewesen’ per. ’Buchstabe’ (also eigentlich ’ein einziges Zeichen für arch. (16. Jh.). Die Fügung beruht auf der Vorstellung, mehrere’). dass die Mondstellung an Fehlbildungen von Kälbern schuld sei. Später meist übertragen als Schimpfwort Ebenso nndl. monogram, ne. monogram, nfrz. monogramme, nschw. monogram, nnorw. monogram; ÞGraphik. – DF 2 u.ä. Röhrich 2 (1992), 1045.

mondsüchtig Adj ’schlafwandelnd’ erw. stil. (15. Jh.).

Lehnübertragung aus l. lu¯na¯ticus, zu l. lu¯na ’Mond’, weil ein Zusammenhang des Schlafwandelns mit dem Mond angenommen wurde (ein solcher ist nicht eindeutig nachweisbar). Moneten Spl ’Geld’ per. grupp. (18. Jh.). In der Studen-

tensprache übernommen aus l. mone¯tae Pl. ’Münzgeld’. Ebenso ne. money, nfrz. monnaie, ndn. moneter, nnorw. moneter; ÞMünze. – DF 2 (1942), 143; Röhrich 2 (1992), 1046.

monieren Vsw ’mahnen, bemängeln’ per. fremd.

(1942), 144; Röhrich 2 (1992), 1046; LM 6 (1993), 762.

Monokel Sn ’Sehhilfe für nur ein Auge’ erw. obs.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. monocle m., dieses aus spl. monoculus ’einäugig’, einer hybriden Bildung aus l. oculus m. ’Auge’ und gr. mo´nos ’allein, einzig’. Ebenso nndl. monocle, ne. monocle, nfrz. monocle, nschw. monokel, nnorw. monokkel; ÞBinokel. – DF 2 (1942), 145; Röhrich 2 (1992), 1046.

Monokini Sm ’Damen-Badeanzug ohne Oberteil’ per.

grupp. (20. Jh.). Übernommen aus am.-e. monokini, das als scherzhafte Parallel-Bildung zu ÞBikini (analysiert als bi- + -kini) zunächst für eine Herrenbadehose gebraucht wurde.

(17. Jh.). Zunächst in der Sprache der Juristen und Ebenso nndl. monokini, nfrz. monokini. – Russell, I.W. ASp der Verwaltung entlehnt aus l. mone¯re ’jmd. veranlas40 (1965), 211. sen, an etwas zu denken, erinnern, mahnen’; dann Monolog Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. monologue, über die Kaufmannssprache üblich geworden. das als gräzisierendes Gegenstück zu ÞDialog gebildet Ebenso ne. admonish. Zu dem zugrunde liegenden l. mone¯re wurde. ’mahnen’ gehören als Nomen Agentis ÞMonitor und als Instrumentalbildungen ÞMonument und ÞMonstrum; zu letzteren l. monstra¯re ’zeigen’, wozu ÞMonstranz, ÞMuster und Þdemonstrieren, zur Wurzel s. Þmental. Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞAutomat, zur deutschen Þmahnen. – Schirmer (1911), 131; DF 2 (1942), 143.

Monitor Sm ’Bildschirm’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt

aus ne. monitor (eigentlich ’Aufseher’), dieses aus l.

Ebenso nndl. monoloog, ne. monologue, nfrz. monologue, nschw. monolog, nnorw. monolog; ÞLogik. – DF 2 (1942), 145; Cottez (1980), 255; LM 6 (1993), 762.

Monopol Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. monopo¯lium,

dieses aus gr. monopo¯´lion (eigentlich ’Alleinverkauf’), zu gr. po¯leı˜n ’verkaufen’ und gr. mo´nos ’allein, einzig’. Verb: monopolisieren; Nomen Agentis: Monopolist.

Mop

633 Ebenso nndl. monopolie, ne. monopoly, nfrz. monopole, nschw. monopol, nnorw. monopol. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þfeil. – Schirmer (1911), 131; DF 2 (1942), 145f.; LM 6 (1993), 764f.

dieses aus spl. monotonus, aus gr. monoto´nos, aus gr. mo´nos ’einzig, allein’ und gr. to´nos ’Ton’. Abstraktum: Monotonie.

steigen’, zu l. mo¯ns (montis) ’Berg’. Zunächst verwendet in der Bedeutung ’ausrüsten, einrichten’ (für die Reiterei); seit dem 17. Jh. unter Einfluss von frz. monter ’aufstellen (usw.)’. Die moderne Bedeutung geht von ’ausstatten’ aus. Präfigierung: demontieren; Nomen Agentis: Monteur; Abstraktum: Montage; Montur ist die ’Ausstattung und Bekleidung (von Soldaten)’; später dann ’Arbeitsbekleidung’.

Ebenso nndl. monotoon, ne. monotonous, nfrz. monotone, nschw. monoton, nnorw. monoton; ÞTon 2. – DF 2 (1942), 146f.

Ebenso nndl. monteren, nfrz. monter, nschw. montera, nnorw. montere; Þeminent. – Jones (1976), 449f.; EWNl 3 (2007), 378.

monoton Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. monotone,

Monster Sn ÞMonstrum. Monstranz Sf ’Gefäß zum Zeigen der geweihten Hos-

tie’ erw. fach. (14. Jh.). Entlehnt aus ml. monstrantia, Abstraktum zu l. mo¯nstra¯re ’zeigen’, dieses zu l. mone¯re ’jmd. veranlassen, an etwas zu denken, erinnern, mahnen’. Ebenso nndl. monstrans, ne. monstrance, nschw. monstrans, nisl. monstrans. S. Þdemonstrieren, Þmonieren, Þmental, sowie ÞAutomat (gr.) und Þmahnen. – DF 2 (1942), 148; Röhrich 2 (1992), 1046; LM 6 (1993), 771f.

Monstrum Sn ’Ungeheuer’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus l.

mo¯nstrum (eigentlich ’mahnendes Zeichen der Götter durch eine widernatürliche Erscheinung’), zu l. mone¯re ’erinnern, mahnen’; dann verallgemeinert. Selben Ursprungs sind das französische Lehnwort monströs und die englische Entlehnung ÞMonster (evtl. frz. monstre). Ebenso nndl. monster, ne. monster, nfrz. monstre, nschw. monster, nnorw. monstrum. S. Þdemonstrieren, Þmonieren, Þmental, sowie ÞAutomat (gr.) und Þmahnen. – DF 2 (1942), 148–150; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 399; LM 6 (1993), 772f.; Carstensen 2 (1994), 929f.; EWNl 3 (2007), 377.

Monsun Sm ’ein halbjährlich die Richtung wechselnder

Wind’ per. exot. (17. Jh.). Entlehnt aus ne. monsoon, dieses aus port. monc¸a˜o f., aus arab. mausim ’(für die Seefahrt) geeignete Jahreszeit’. Ebenso nndl. moesson, ne. monsoon, nfrz. mousson, nschw. monsun, nisl. monsu´nvindur. – Kiesler (1994), 236f.; EWNl 3 (2007), 368f.

Montag Sm std. (11. Jh.), mhd. ma¯ntac. Wie ae. mo¯-

nand¢g eine Lehnübersetzung von l. die¯s lu¯nae f. ’Tag des Mondes, der Luna’, das seinerseits aus gr. he¯me´ra sele¯´ne¯s f. übersetzt ist.

Monument Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. monumen-

tum (eigentlich ’Erinnerungszeichen, Denkzeichen’), zu l. mone¯re ’erinnern, mahnen’. Ausgehend von der besonderen Größe vieler solcher Bauten dann die Bedeutung ’sehr groß’ von monumental. Ebenso nndl. monument, ne. monument, nfrz. monument, nschw. monument, nnorw. monument. S. Þmonieren und Þmental, sowie ÞAutomat und Þmahnen. – DF 2 (1942), 151; EWNl 3 (2007), 378f.

Moor Sn std. (17. Jh.). In die Hochsprache gelangt aus

ndd. mo¯r. Dieses aus mndd. mo¯r, as. mo¯r, vgl. mndl. moor aus g. *mo¯ra- m./n. ’Moor’, auch in ahd. muor m./n., ae. mo¯r m., anord. mœrr f. ’Sumpfland’. Das Wort ist wohl eine (morphologisch nicht ganz eindeutige) Vriddhi-Bildung zu ÞMeer, also ’das, was zum See gehört’. Adjektiv: moorig. Ebenso nndl. moer, ne. moor. – Darms (1978), 158–166; Christmann, E. ZM 31 (1964), 197 (lautliche Bedenken); LM 6 (1993), 823f.

Moos1 Sn ’Pflanze’ std. (8. Jh.), mhd. mos, ahd. mos,

mndl. mose ’Moos, Moor, Sumpf’ (das Moor ist der mit Moos bewachsene Ort). Aus g. *musa-/o¯n m./n. ’Moos, Moor’, auch in anord. mosi m., ae. mos. Im Ablaut hierzu anord. my´rr f. ’Schlamm’, ae. me¯os m./n. (?), ahd. mios m./n., mhd. mies ’Moos’ (ÞMiesmuschel). Außergermanisch vergleichen sich aruss. mu˘chu˘ m. ’Moos’, lit. mu¯saı˜ m. Pl. ’Schimmel, Kahm’, l. muscus m. ’Moos’. Vermutlich ist die hochstufige Form eine Vriddhi-Ableitung, doch legen die bezeugten Bedeutungen diese Annahme nicht nahe. Über eine einfachere Wurzel (ig.) *meu- ’feucht sein, schimmeln’ vergleicht sich ÞModer. Adjektiv: moosig; aus einer Präfixableitung: Þbemoost.

Röhrich 2 (1992), 1049; RGA 20 (2002), 229; EWNl 3 (2007), Förster, M. Anglia 68 (1944), 1f.; Wiesinger, P. in P. Wiesin384. ger (Hrsg.): Studien zum Frühneuhochdeutschen, FS Ska´la 2 (Göppingen 1988), 361–397; A˚rhammar, N. Us Wurk 35 (1986), Moos Sn ’Geld’ per. grupp. (15. Jh., Form 18. Jh.). Aus dem Rotwelschen, in dem es seit dem 18. Jh. bezeugt 85–107; Kruijsen, J. / Mooijman, E. FS Alinei 1 (1986), 382f., 388–400; Wiesinger, P. FS Hausmann (Graz 1987), 639–654; ist (in abweichender Form schon im 15. Jh.). Dieses Röhrich 2 (1992), 1046–1049; EWNl 3 (2007), 281. aus wjidd. moes ’Geld’ aus hebr. ma¯ o¯th Pl. ’kleine

montan Adj ’zum Bergbau gehörig’ per. fach. (19. Jh.).

Entlehnt aus l. monta¯nus ’zum Berg gehörig, gebirgig’, zu l. mo¯ns (montis) ’Berg, Gebirge’. Ebenso ne. montane; Þeminent.

montieren Vsw std. (14. Jh.), mhd. muntieren ’rüsten,

ausrüsten’. Ist entlehnt aus einem für das späte Latein anzusetzenden *montare ’den Berg besteigen, auf-

Münze, Pfennige, Kleingeld’. Wahrscheinlich ist auch Mäuse ’Geld’ eine Entstellung aus diesem Wort. Wolf (1985), 222; Röhrich 2 (1992), 1049.

Mop Sm ’Staubbesen’ erw. obs. (20. Jh.). Entlehnt aus

ne. mop. Dieses letztlich zu dem unter ÞMappe behandelten lateinischen Wort mappa ’Tuch’. Verb: moppen. Ebenso ne. mop, nschw. mopp, nnorw. mopp; Þmopsen.

Moped

634

Moped Sn ’Fahrrad mit Hilfsmotor’ erw. fach. (20. Jh.). morbid Adj ’kränklich, im Verfall begriffen’ erw. fremd.

Zusammengezogen aus ÞMotor und ÞPedal. Oksaar, E. in SMS 19 (1956) (= FS Heinertz), 141–143.

Mops Sm std. (18. Jh.). Übernommen aus ndd. mop(s),

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. morbide, dieses aus l. morbidus ’krank (machend)’, zu l. morbus ’Krankheit’, zu l. morı¯ ’sterben’. Abstraktum: Morbidität.

Ebenso nndl. morbide, ne. morbid, nfrz. morbide, nschw. mornndl. mop(s), das zu nndl. moppen ’ein verdrießliches bid, nnorw. morbid; Þamortisieren. Gesicht machen’ gehört (die mittelhochdeutsche Entsprechung ist muff, mupf ). Der Hund ist also Morchel Sf std. (12. Jh., Bedeutung 14. Jh.), mhd. (wohl in den Niederlanden) nach seinem verdrießlimor(c)hel, ahd. mor(a)hila, morhel. Morhel ist zuchen Gesichtsausdruck benannt worden. Die Bedeunächst Diminutivum zu ÞMöhre. Daraus könnte der tung ’Geldstück’ ist am ehesten eine spöttische BePilz nach dem Aussehen benannt sein, doch bleiben die oberdeutschen Formen mhd. maurache, maurozeichnung für die auf der Münze abgebildeten (diche u.ä. dadurch unerklärt. Strittig ist auch die Stelcken) Gesichter. lung von frz. morille ’Morchel’ (seit dem 16. Jh.). Es S. auch ÞMumps. – Röhrich 2 (1992), 1049f.; EWNl 3 (2007), 380. wird deshalb erwogen, von einem früh-rom. *(tu¯ber) maurı¯culum ’schwärzliche (Morchel)’ auszugehen, mopsen Vsw ’etwas Geringfügiges stehlen’ erw. stil. das mit dem Diminutivum von Möhre zusammen(19. Jh.). Herkunft unklar, am ehesten wie abstauben gefallen wäre (und frz. morille ergeben hätte). aufzufassen und zu ÞMop zu stellen (vgl. ne. to mop Kluge (1926), 29; FEW 6,1 (1958–68), 545f. up). Diese Annahme setzt allerdings einen früheren Einfluss des Englischen voraus, als er wirklich beMord Sm std. (9. Jh., murden Vsw. 8. Jh.), mhd. mort zeugt ist. Der reflexive Gebrauch mit der Bedeutung m./n., ahd. mord m./n., as. mord Ñ n. Aus g. *murþa- m., ’sich ärgern’ nach dem verdrießlichen Gesichtsausauch in anord. mord Ñ n., ae. morþ m./n., afr. morth. druck. Daneben die tro-Bildung in gt. maurþr n., ae. morþor ÞMops. m./n. Eigentlich ’Mittel zum Sterben’, eine Instrumentalbildung zu ig. *mer- ’sterben’ (die normale Moral Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. morale, aus l. t-Bildung bedeutet sonst einfach ’Tod’). S. ai. ma´rate, mo¯ra¯lis ’die Sitten betreffend, ethisch’, zu l. mo¯s (mo¯mriya´te ’stirbt’, l. morı¯ ’sterben’, akslav. mreˇti, lit. ris) m. ’Sitte, Gewohnheit, Brauch, Wille’. Adjektiv: mir˜ti ’sterben’, air. marb, kymr. marw ’tot’, gr. broto´s moralisch; Nomen Agentis: Moralist; Verben: ’sterblich’. Verb: morden; Nomen Agentis: Mörder. Als moralisieren, demoralisieren; Abstraktum des urKompositionsglied Mords- und als Adjektiv sprünglichen Adjektivs: Moralität. mörderisch auch zu Verstärkung gebraucht. Ebenso nndl. moraal, ne. morals, nfrz. morale, nschw. moral, nnorw. moral; ÞMores. – DF 2 (1942), 151–153; Gester, F.W. in Schlüsselwörter 2 (1964), 1–17; HWPh 6 (1984), 149–192; GB 5 (1984), 863–921; Röhrich 2 (1992), 1050; LM 6 (1993), 825–827 (zu Moralitäten); EWNl 3 (2007), 380.

Moräne Sf ’Gletscherablagerung’ per. fach. (19. Jh.).

Entlehnt aus frz. moraine, eigentlich ’Geröll’. Dieses aus einer südostfranzösischen Mundart. Ebenso nndl. morene, ne. moraine, nfrz. moraine, nschw. morän, nnorw. morene. – DF 2 (1942), 153.

Morast Sm erw. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus mndl. maras,

marasch, dieses aus afrz. marois ’Sumpf’, aus awfrk. *marisk ’Sumpfland’. Das t ist epithetisch, die Ersetzung von /a/ durch /o/ dürfte auf eine volksetymologische Anlehnung an ÞMoor zurückgehen. Ebenso nndl. moeras, ne. morass, nfrz. marais, nschw. moras, nnorw. morass; ÞMarsch 2.

Moratorium Sn ’Aufschub einer fälligen Zahlung, Frist-

gewährung’ per. fach. (17. Jh.). Neubildung zu l. mora¯to¯rius ’säumend, verzögernd’, zu l. mora¯rı¯ ’in Verzug sein, säumen’, zu l. mora f. ’Verzug, Verzögerung, Aufschub’. Ebenso nndl. moratorium, ne. moratorium, nfrz. moratoire, nschw. moratorium, nnorw. moratorium. – EWNl 3 (2007), 367.

Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞAmbrosia, zur lateinischen Þamortisieren. – Schützeichel, R. FS Reiffenstein (1988), 15–29; Röhrich 2 (1992), 1050; LM 6 (1993), 833f.; Sousa Costa (1993), 302–306; RGA 20 (2002), 238f.; EWNl 3 (2007), 379.

mordio (Notschrei wie diebio, feurio) Interj per. arch.

(16. Jh.). Heute noch in der Wendung Zeter und mordio schreien (Þzetern) Þzetern. – Kluge, F. ZDW 2 (1902), 47; Stosch, J. ZDW 3 (1902), 361.

Morelle Sf ’Weichselkirsche’, regional auch ’Apriko-

se’ per. fach. (17. Jh.). Gehört wohl zum Bereich der Vermischung von ÞMarille ’Aprikose’ und Amarelle ’Sauerkirsche’ (aus ml. amarellum, zu l. amarellus ’bitter, sauer’). Ebenso nndl. morel, ne. morello, morel, nfrz. morelle, nschw. morell, nnorw. morell. Allerdings in auch ein Bezug auf die dunkle Farbe möglich. – Reinmöller, A. MS 72 (1962), 340f.

Mores Spl erw. bildg. (15. Jh.). In der Wendung Mores

lehren aus l. mo¯re¯s Pl. ’Sitten’ (in der Lateinschule übernommen). Dagegen scheint Mores haben ’sich fürchten’ (per. vulg.) aus dem Rotwelschen zu kommen (aus wjidd. mora, hebr. mo¯ra¯ ’Furcht’). Ebenso nndl. mores; ÞMoral. – DF 2 (1942), 153f.; Röhrich 2 (1992), 1050f.; EWNl 3 (2007), 381.

morsch

635 morganatisch Adj per. fach. (18. Jh.). Aus ml. matri-

Þmorganatisch. – Sousa Costa (1993), 165–168; RGA 20

(2002), 244–246. monium ad morganaticam, das zu ahd. morgan ’Morgen’ gehört, hier in der Bedeutung ’MorgenMorgenland Sn erw. stil. (16. Jh.). Eigentlich ’das im gabe’ (aus dem Langobardischen ins Lateinische Osten gelegene Land’. Neubildung zur Übersetzung übernommen). Rechtliche Bezeichnung einer stanvon gr. anatole¯´ f. durch Luther (vgl. auch l. orie¯ns m. desungleichen Ehe (’Ehe zur linken Hand’), bei der ’Orient’). Mit ÞMorgen im Sinne von ’Sonnenaufdie Frau lediglich eine Morgengabe erhielt, ansonsten gang, Osten’. Ähnlich Levante ’Mittelmeerländer östaber keine versorgungsrechtlichen Ansprüche gellich von Italien’ (zu it. levarzi ’aufgehen’ (von der tend machen konnte. Im Gegensatz zur einfachen Sonne), also ’Sonnenaufgang’ = ’Osten’. unstandesgemäßen Heirat sind die nicht-ebenbürtige Morgenstern Sm erw. stil. (12. Jh.). Wie Abendstern BeFrau und deren Kinder jedoch durch die Einräumung zeichnung des Planeten Venus (mhd. morgenstern[e], eines Ranges und Titels besser gestellt. Diese Form morgensterre; ae. morgensteorra, anord. morgunstjarder Ehe wurde vor allem im Hochadel praktiziert. na). 2) ’Streitkolben’, im 16. Jh. entlehnt aus ndn. Ebenso nndl. morganatisch, ne. morganatic, nfrz. morganatimorgenstjerne (mit übertragener Bedeutung: die herque, nschw. morganatisk, nnorw. morganatisk. – EWNl 3 vorstehenden Stacheln sind mit den Strahlen des (2007), 382. Sterns verglichen), mhd. dafür nagelkolbe. morgen Adv std. (9. Jh.), mhd. morgen, ahd. morgane, LM 6 (1993), 839f. mndd. morgen, mndl. morgen. Eigentlich Dativ Sin- Moritat Sf erw. fach. (19. Jh.). Bezeichnung für Bilder gular zu ÞMorgen, also ’bei Morgendämmerung’. und Lieder der Bänkelsänger. Wie Varianten zeigen, Entsprechend gt. du maurgina, anord. a´ morgunn, ae. ist das Wort vermutlich aus Moralität (ÞMoral) umto morgene, as. an morgan. geformt, wobei es zumindest später als Verballhor-

Morgen Sm std. (8. Jh.), mhd. morgen, ahd. morgan, as.

nung von Mordtat aufgefasst wurde. morgan. Aus g. *murg(e)na- m. ’Morgen’, auch in gt. Naumann, H. ZVV 30/31 (1921), 101; Kroes, H.W.J. GRM maurgins, anord. morginn, morgunn, myrginn, mer40 (1959), 87. ginn, ae. morgen, mer(i)gen, afr. morgen, mergen, Morphium Sn erw. fach. (19. Jh.). Neubildung von morn, mern. Das Wort bedeutet eigentlich F. Sertürner 1806 zu gr. Morpheu´s, dem Namen des ’Dämmerung’ und vergleicht sich in dieser Bedeualtgriechischen Gottes des Schlafs und der Träume; tung mit acˇech. mrknu´ti ’dämmern’ und anderen slamit der Endung in Analogie zu ÞOpium. vischen Wörtern. Aus einer Grundlage (ig.) *merkEbenso nndl. morfine, ne. morphine, nfrz. morphine, nschw. ’flimmern, funkeln’, auch in air. mrecht ’buntschemorfin, nisl. morfı´n. ckig’, lit. me´rkti ’blinzeln’. Evtl. steht auch ai. ma´rı¯ciMorphologie Sf ’Lehre von den Gestalten, Formenleh’Lichtstrahl’ dem germanischen Wort näher. Morgen re’ erw. fach. (18. Jh.). Neubildung von Goethe zu gr. als Flächenmaß (schon althochdeutsch) ist soviel morphe¯´ ’Form, Gestalt’ (Þ-logie). Von Goethe für eine Land, wie ein Gespann an einem Morgen pflügt. Zu Anschauung von den Gestalten und Wandlungen der Morgen ’Osten’; ÞMorgenland. Adjektiv: morgig. Natur und Kunst geprägt; dann in den NaturwissenVgl. Juchart; Þmorgen. – Wünschmann (1966), 102–105; Marschaften als ’Lehre von den organischen Formen’, in key, Th. L. FS Gimbutas (1987), 299–321; Schmidt-Wiegand, der Sprachwissenschaft als ’Lehre von den sprachliR. FS Kleiber (1989), 111–124; EWNl 3 (2007), 382f. chen Formen’ verwendet. In der Sprachwissenschaft Morgengabe Sf per. arch. (8. Jh., Form 12. Jh.), mhd. wird hierzu der Terminus Morphem für die kleinste morgenga¯be, ahd. morganegiba, mndd. morgengave. systematische Einheit der sprachlichen Formen geAus g. *murgna-gebo¯(n) f. ’Morgengabe’, auch in an. prägt (B. de Courtenay). Adjektiv: morphologisch; Tämorgingjo¸f, langobard. morgincap. Es handelt sich um terbezeichnung: Morphologe. das Geschenk, das der Mann der Frau nach der BrautEbenso nndl. morfologie, ne. morphology, nfrz. morphologie, nacht übergibt, sozusagen gegen das Geschenk ihrer nschw. morfologi, nnorw. morfologi. – Cottez (1980), 256; 1 Jungfrauenschaft (hierzu s. ÞBraut ). Die MorgenHWPh 6 (1984), 200–211; EWNl 3 (2007), 382. gabe gehörte der Frau auch nach dem Tod ihres Manmorsch Adj std. (15. Jh., Form 16. Jh.), nndl. mors nes, während der Mann sie behalten konnte, wenn ’morsch’, vermorzelen ’zerreiben’. Älter mursch, wozu die Frau vor ihm starb. Wurde der Frau nach dem Tod mhd. mürsen ’zerstoßen’; die Bedeutung ist also des Mannes die Morgengabe streitig gemacht, konnte ’etwas, das beim Berühren, Zerreiben, zerfällt’. Keine sie die Herausgabe durch ihren Nest-Eid (s. ÞNestel) klare Vergleichsmöglichkeit; Formal und semantisch erzwingen. Der Brauch der Morgengabe wurde regivergleichbar ist ai. masmasa¯´-kar- ’zerschmettern, zu onal verschieden spät aufgegeben, zuletzt wurde er in ˙ wird ˙ dies auch als lautsymStaub zermalmen’, doch der Schweiz mit der Einführung des Zivilgesetzbuchs bolisch erklärt. Weiter zu ig. *mer- ’zerreiben’, etwa in von 1912 außer Kraft gesetzt. Das alte Zweitglied war ai. mrna¯´ti ’zermalmt’, l. morta¯rium ’Mörser’. S. wohl e -stufig, seit mittelhochdeutscher Zeit wie das ˙ ˙ und mit anderem Lautstand ÞBrackwasser, Þmürb Simplex ersetzt durch die dehnstufige Form. ÞBruch 2.

morsen

636 Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞMörser, ÞMörtel. – EWNl 3 (2007), 384.

morsen Vsw ’mit einem binären Alphabet Nachrichten

übermitteln’ erw. obs. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. morse, einer Ableitung von Morse, dem Namen des Patentinhabers dieser Art, Nachrichten zu übermitteln (mit dem elektromagnetischen Schreibtelegraphen, seit 1837), das Verfahren erfunden haben andere. Ebenso nndl. morseteken, ne. morse, nfrz. ´emettre en morse, nschw. morseteken, nisl. morsa. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 602; EWNl 3 (2007), 383f.

Mörser Sm std. (9. Jh.), mhd. mors¢re, morser, ahd.

morsa¯ri, morsa¯li, as. morsari. Offensichtlich im Anschluss an die Sippe von Þmorsch umgeformt aus älterem ahd. morta¯ri, mortere, morter. Dieses wie ae. mortere entlehnt aus l. morta¯rium n. ’Mörser’. Dieses letztlich zur gleichen Wurzel wie morsch, nämlich (ig.) *mer¡- ’zerreiben’. Mörser in der Bedeutung ’dicke Kanone’ nach der Form der frühen Kanonenrohre und der Form des Mörserkolbens.

Moschus Sm ’Sekret männlicher Moschustiere, daraus

hergestellter Duftstoff’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus spl. mu¯scus, dieses aus gr. mo´schos, aus pers. musˇk, verwandt mit oder entlehnt aus ai. muska´- ’Hode, ˙ Hodensack’. So benannt, da der Moschusbeutel mit Hoden verglichen bzw. gleichgesetzt wurde. Ebenso nndl. muskus, ne. musk, nfrz. musc, nschw. mysk, nisl. moskus; ÞMuskat. – DF 2 (1942), 156; LM 6 (1993), 859.

Möse Sf ’weibliches Geschlechtsorgan’ per. vulg. reg.

(19. Jh.). In dieser Form erst in neuerer Zeit bezeugt. Gehört aber sicher zu Mu¯ze, ÞMusche, ÞMuschi, ÞMutz(e), u.ä., die alle für ’weibliches Geschlechtsorgan’ und ’liederliches Weib, Hure’ bezeugt sind. Frühester Beleg ist im 13. Jh. mussensun m. ’Hurensohn’. Herkunft unklar. Da Mutz im Bairischen auch ’Katze’, im Schweizerdeutschen auch ’Bär’ bezeichnet, könnte das Wort sich auf die Schamhaare beziehen. Müller, K. Anthropophyteia 8 (1911), 10; Günther, L. Anthropophyteia 9 (1912), 33–37; Müller, J.: Schwert und Scheide (Bern 1988), 75; EWNl 2 (2005), 90.

Ebenso nndl. mortier, ne. mortar, nfrz. mortier, nschw. mortel, nisl. morte´l; ÞMörtel. – LM 6 (1993), 845f.; RGA 20 (2002), 137f.; mosern Vsw ’nörgeln’ erw. stil. (18. Jh.). Das Wort geht EWNl 3 (2007), 384. wohl auf rotw. mosern, massern zurück; dessen Be-

deutung ist allerdings ’verraten, angeben, schwatzen’, mndl. mo(o)rter, mortel(e). Entlehnt aus l. morta¯rium aus wjidd. massern ’verraten’, hebr. limsa¯r (Qal-Infin., dem gleichen Wort, das auch ÞMörser geliefert nitiv) ’übergeben, überliefern’ zu assyr. musˇˇsuru hat, hier in der Bedeutung ’was zerstoßen wird, Kalk’. ’wegschicken’, so dass die Einzelheiten noch kläDie Lautform mit -t- bleibt bei dieser Bedeutung errungsbedürftig sind. halten, dafür wird das auslautende -r dissimiliert. Moskito Sm (tropische Stechmücke) erw. exot. (16. Jh.). LM 6 (1993), 848; EWNl 3 (2007), 384. Entlehnt aus span. mosquito, Erweiterung von span. mosca ’Fliege’. Mosaik Sn (auch f.) ’Einlegearbeit, bunte Vielfalt’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. mosaı¨que f., dieses aus Ebenso nndl. muskiet, ne. mosquito, nfrz. moustique, nschw. moskit, nisl. moskı´to´fluga; ÞMuskete. – DF 2 (1942), 156. it. mosaico m., aus ml. musaicum, erweitert aus l. mu¯sı¯vum (opus), eigentlich ’das zu den Musen GeMoslem Sm ÞMuselman(n). hörige’ (weil es zur Ausschmückung von MusengrotMost Sm std. (9. Jh.), mhd. most, ahd. most. Wie ae. ten diente?). Ältere Entlehnung unmittelbar aus dem must entlehnt aus l. mustum (vı¯num) n. ’junger Wein’ Italienischen (und der einfacheren Form: mosaische zu l. mustus ’jung’. Steine u.ä., seit dem 15. Jh.). Zugrunde liegt gr. mouEbenso nndl. most, ne. must, nfrz. mouˆt, nschw. must, nisl. seı˜os ’künstlerisch, den Musen geweiht’, zu gr. mou˜sa must; ÞMostrich. f. ’Kunst, Muse’, nach den griechischen Göttinnen Mostrich Sm (auch Mostert wndd. n.) ’Senf’ per. ndd. des Gesangs, der Künste und Wissenschaften. Die la(14. Jh.), mhd. mostert, musthart m. Entlehnt über teinische Bezeichnung erst seit dem 4. Jh. n. Chr. mndl. mostaert aus frz. moustarde f., einer Ableitung Ebenso nndl. mozaı¨ek, ne. mosaic, nfrz. mosaı¨que, nschw. mozu l. mustum n. (ÞMost) − die Senfkörner wurden saik, nisl. mo´saı´k; ÞMuseum. – DF 2 (1942), 155f.; LM 6 (1993), ursprünglich mit Most angesetzt. Das Wort wurde 851–856. umgedeutet zu Mosthard und dieses Namenelement Moschee Sf ’islamisches Gebetshaus’ erw. exot. durch ein anderes (-rich) ersetzt. (14. Jh.). In dieser Form entlehnt aus frz. mosque´e, Mörtel Sm erw. fach. (11. Jh.), mhd. mortel, morter,

dieses aus it. moschea, aus span. mezquita, aus arab. masgˇid (eigentlich ’Ort des Niederwerfens’ aus arab. ma- und sagˇada ’sich [zum Gebet] niederwerfen’). Die ältesten deutschen Belege zeigen noch die Form mit Dental und sind von den spanischen und italienischen Wörtern bestimmt. Ebenso nndl. moskee, ne. mosque, nfrz. mosque´e, nschw. moske´, nisl. moska. – DF 2 (1942), 156; Wis, M. NPhM 66 (1965), 621; LM 6 (1993), 857f.; Tazi (1998), 266; EWNl 3 (2007), 384f.

Ebenso nndl. mosterd, ne. mustard, nfrz. moutarde, nisl. mustarduÑ r. – Kretschmer (1969), 338f.; Röhrich 2 (1992), 1053; EWNl 3 (2007), 385.

Motel Sn ’Hotel an der Autostraße’ per. fach. (20. Jh.).

In den letzten Jahrzehnten entlehnt aus am.-e. motel, das aus motor(–) hotel zusammengezogen ist. Ebenso nndl. motel, ne. motel, nfrz. motel, nschw. motell, nisl. mo´tel. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 602f.; Carstensen 2 (1994), 930f.; EWNl 3 (2007), 386.

mucken

637 Motette Sf ’mehrstimmiges Gesangsstück’ per. fach.

die lautlichen und morphologischen Zusammenhän(14. Jh.), mhd. motet. Ist entlehnt aus frz. motet, einer ge nicht ausreichend klar. Nach Lühr aus g. *muþho¯n Ableitung von frz. mot ’Wort’. Die heutige Form be(Zugehörigkeitsbildung zu der Schwundstufe von Made). ruht aber auf der italienischen Entsprechung mottetEbenso nndl. mot, ne. moth, nschw. mott. – Förster, M. Anto, einer Ableitung aus entsprechendem it. motto glia 67 (1944), 109f.; Lühr (1988), 252; Röhrich 2 (1992), ’Bibelspruch, Denkspruch’. Es handelt sich also ur1053f.; EWNl 3 (2007), 385. sprünglich um die musikalische Ausführung eines religiösen Textes. Motto Sn erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus it. motto m. Herkunft unklar. Vermutlich wie entsprechendes frz. Ebenso nndl. motet, ne. motet, nfrz. motet, nschw. motett, nisl. mo´tetta. – DF 2 (1942), 157; EWNl 3 (2007), 386. mot ’Wort’ lautnachahmenden Ursprungs, vgl. l. muttı¯tio f. ’Muck(s)en’ zu l. muttı¯re ’mucksen, kleinMotiv Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. motivum laut reden’. ’Beweggrund, Antrieb’, einer Substantivierung von l. Ebenso nndl. motto, ne. motto, nschw. motto, nisl. motto´. Vgl. mo¯tı¯vus ’zur Bewegung geeignet, beweglich’, zu l. moÞMaul; ÞMotette, ÞBonmot. – DF 2 (1942), 159; EWNl 3 (2007), ve¯re (mo¯tum) ’bewegen’. Die künstlerische Bedeu387; Kallio, P. ABäG 54 (2000), 117–122 (Substratwort). tung ’Thema (usw.)’ nach frz. motif m., das auf den motzen Vsw ’schmollen, nörgeln’ erw. stil. (17. Jh.). italienischen Wortgebrauch (’Einfall des Künstlers’, Herkunft unklar; vielleicht Bildung auf -ezzen zu dann ’am Kunstwerk sichtbarer Einfall’) zurückgeht. Þmucken o.ä. (also abweichende Entwicklung aus Ebenso nndl. motief, ne. motive, motif, nfrz. motif, nschw. moderselben Grundlage wie Þmucksen?). tiv, nisl. mo´tı´f; Þmotivieren, ÞPromotion. – DF 2 (1942), 157–159; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 399; HWPh 6 (1984), 211–218; Strauss u.a. (1989), 670–674; LM 6 (1993), 873; Mölk, U. RJ 42 (1991), 91–120; EWNl 3 (2007), 387.

motivieren Vsw erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz.

motiver, weiter zu ÞMotiv im psychologischen Sinne. Abstrakta: Motivierung, Motivation. Ebenso nndl. motiveren, ne. motivate, nfrz. motiver, nschw. motivera, nnorw. motivere. – Strauss u.a. (1989), 674–680.

Motor Sm std. (19. Jh.). L. mo¯tor ’Beweger’, zu l. move¯re

Kircher, W. SD 17 (1973), 17–20; Röhrich 2 (1992), 1054.

Möwe Sf std. (15. Jh.), fnhd. mew. Ist übernommen aus

dem Niederdeutschen: mndd. mewe, mndl. meeu(we), me¯we aus g. *m¢ ¯ wo¯ f. ’Möwe’, auch in anord. ma´r, mo´r m., ae. m¢¯ w, me¯au, me¯u m., fr. meau. Ahd. vereinzelt meu (9. Jh.). Wohl lautmalerisch nach dem Schreien der Möwen; evtl. von dem Verbum mhd. ma¯wen, nndl. mauwen, das in erster Linie das Miauen der Katzen beschreibt.

Þmauen. – Suolahti (1909), 397–403; EWNl 3 (2007), 327. (mo¯tum) ’bewegen’ wird nur mit der systematischen Bedeutung gebraucht, wie auch it. motor. Als A. Volta Mücke Sf std. (8. Jh.), mhd. mücke, mucke, mügge, 1792 entdeckt, dass durch die Berührung zweier Memugge, ahd. mugga, muck, as. muggia. Aus g. *mugjo¯n talle Bewegung bewirkende Elektrizität entsteht, f. ’Mücke’, auch in aschw. mugga, ae. mycg, mygg m. nennt er diese Metalle (it.) motori. Ins Französische Das Wort ist vermutlich abgeleitet aus einem g. wird dies übersetzt als moteur (das bis dahin nur als *muh-ja- n. ’Mückenschwarm’ in anord. my´ n. Adjektiv gebräuchlich war). Das Wort setzt sich dann (aschw. my´g wohl mit grammatischem Wechsel), ent(neben Erreger) auch in Deutschland als Fachtermisprechend bezeichnet ai. ma´ks- den Mückenschwarm nus durch, besonders in der Form Elektromotor nach und die Ableitung daraus (ai.˙ma´ksa¯ oder ai. ma´ksika¯) ˙ ˙ Voltas motori di elettricita`, später elettromotori die einzelne Mücke. Vermutlich nicht zu dem indo’Erreger der Elektrizität’. Später wird die Voltasche germanischen Wort für ’Fliege’, das auf *mus- zuSäule (also eigentlich eine Batterie) so benannt. Als rückgeht, sondern schwundstufig zu einem verbreidann weitere Elektrizität erzeugende Vorrichtungen teten Wort für ’Mücke’, das auf *mek´- beruht (ai. entdeckt und mit diesen Apparate angetrieben wermas´a´ka-, lit. ma˜ˇsala[s], ma˜katas m.). den, verliert sich das Benennungsmotiv (oder wird Schumacher (1955); Wissmann (1963–1968), 694–698; Seedurch Rückgriff auf das Lateinische neu gedeutet), so bold, E. IF 87 (1982), 191f.; Röhrich 2 (1992), 1054f.; EWNl 3 (2007), 389. dass die Antriebsmaschinen Elektromotor und dann nur noch Motor genannt werden, für das Deutsche ist Muckefuck Sm ’Ersatzkaffee’ per. vulg. (19. Jh.). Zudies seit 1836 bezeugt. Sprachlich bleibt der Motor von nächst im Rheinland bezeugt. Angeblich eingeder durch Dampf angetriebenen ÞMaschine getrennt. deutscht aus frz. mocca faux ’falscher Mokka’, aber Verbum: motorisieren. wohl eher zu mundartlichem Mucke ’Mulm in hohÞPromotion.nndl. motor, ne. motor, nfrz. moteur, nschw. molen, verfaulenden Baumstümpfen’ und fuck ’faul’ (die tor, nnorw. motor. – EWNl 3 (2007), 387. Wortstellung bleibt aber auffällig). Motte Sf std. (15. Jh.), fnhd. matte, mutte, motte u.ä. Ist Röhrich 2 (1992), 1055. übernommen aus mndd. mutte, mndl. motte, mutte, mucken (besonders aufmucken) Vsw ’kurz aufbegehdieses vermutlich aus g. *muþþo¯n f. ’Motte’, auch in ren’ erw. stil. (15. Jh.). Ausgangsbedeutung ist anord. motti m., ae. moddÑ eÑ . Dieses vermutlich mit ’murren, einen undeutlichen Laut von sich geben’. Schwundstufe und Gemination zu ÞMade, doch sind Wohl lautmalend aus muck für einen kurzen unter-

Mucken

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drückten Ton (vgl. nschw. inte säga ett muck ’nicht ein von der Werbeindustrie im 20. Jh. aufgegriffen (Krawattenmuffel) und ist nach diesem Vorbild heute muck sagen, still sein’). Das Nomen Agentis Mucker in Neubildungen wie Morgenmuffel beliebt. ’Scheinheiliger, Heuchler’ (vor allem als Spitzname Þaufmüpfig. – Kann, H.-J. SD 17 (1973), 69f. der pietistischen Anhänger von J. F. Budde im 18. Jh. bezeugt) ist wohl von dem Komplex Þmeucheln, Mufti Sm ’Rechtsgelehrter des Islam’ per. exot. (17. Jh.). Þmogeln beeinflusst. Auch das veraltete und regioBesonders verbreitet in par ordre du Mufti ’durch Benale mucken in der Bedeutung ’heimlich beseitigen, fehl von oben, dem nicht widersprochen werden töten’ gehört eher dorthin. darf’, das zugleich zeigt, dass das Wort über das FranÞmucksen. – Ladendorf (1906), 209f.; Röhrich 2 (1992), 1055 zösische ins Deutsche gelangt ist. Zugrunde liegt (zu Mucker). arab. muftı¯ ’Erklärer des islamischen Rechts’, so geMucken Spl ’Launen’, ’Widersetzlichkeiten’ erw. stil. nannt, weil er das fatwa, das rechtsverbindliche Gutphras. (16. Jh.). Die erste Bedeutung dürfte wie achten verfasst (mu-ft-). ’Grillen’ aus dem Tiernamen übertragen sein, von der Ebenso nndl. moefti, ne. mufti, nfrz. mufti, nisl. mu´fti. – DF 2 (1942), 159. Vorstellung ausgehend, dass der betreffende Mücken (ÞMücke) im Kopf hat; die zweite ist zumindest von muhen Vsw std. (15. Jh.), spmhd. mu¯hen, mu¯wen, Þmucken beeinflusst, vielleicht überhaupt zu diesem mu¯gen ’brüllen’. Lautmalend; vergleichbar mit lit. zu stellen. mu¸˜kti, russ. mycˇat′, gr. my¯ka´omai ’ich brülle, dröhne’; als Variante l. mu¯gı¯re ’brüllen’. mucksen Vsw ’kurz aufbegehren’ std. stil. (12. Jh.). Offensichtlich wie Þmucken zu beurteilen, aber viel frü- mühen Vswrefl std. (8. Jh.), mhd. müejen, müewen, her bezeugt: mhd. muchzen, ahd. irmuckezzen. Dazu müen, ahd. muoen, muohen u.ä., mndd. mo¯ien, modie Interjektion mucks, besonders substantiviert in igen u.ä., mndl. moeyen. Aus vd. *mo¯-ja-, während gt. keinen Mucks machen; auch Muckser. afmauiþs ’ermüdet’ auf *mo¯w-ja- weist. Auf g. *mo¯Þmotzen. – EWNl 3 (2007), 371f. geht auch Þmüde zurück. Dieses aus ig. *mo¯’ermüden, sich anstrengen’ in russ. ma´jat′ müde Adj std. (8. Jh.), mhd. müede, ahd. muodi, as. ’ermüden’ und von einer l-Ableitung gr. mo˜los mo¯diÑ . Aus wg. *mo¯þija- Adj. ’müde’, auch in ae. me¯deÑ . ’Anstrengung, Kampf’, l. mo¯lı¯rı¯ ’mit Anstrengung Daneben als einfacher a-Stamm anord. mo´drÑ . Verwegschaffen’. Abstrakta: Mühe, Mühsal; Adjektiv: mutlich altes to-Partizip (oder ti-Adjektiv) zu g. *mo¯mühsam. ’sich mühen’, also ’sich gemüht habend’. AbstrakEbenso nndl. moeien; Þdemolieren. – EWNl 3 (2007), 366f. tum: Müdigkeit; Präfigierung: ermüden. Ebenso nndl. moe(de). – Heidermanns (1993), 414; EWNl 3 Mühle Sf std. (10. Jh.), mhd. mül(e), ahd. mulı¯, mulin, (2007), 365. as. muli, mulin(-ste¯n). Wie ae. mylen m. und anord. mylna früh entlehnt aus l. molı¯nae aus älterem mola Muff1 Sm ’Handpelz’ erw. obs. (17. Jh.). Als Kürzung (urverwandt mit Þmahlen, also ’Mahlende’). So beaus älterem fnhd. muffe, mndl. muffe, moffe ’Pelzhandschuh’ erscheint im 16. Jh. nndl. mof, im 17. Jh. zeichnet wird die mit Wasserkraft betriebene Mühle, nhd. Muffen Pl. und ÞMuffe f., später auch Muff m. die die alte Handmühle (ahd. kurn, quirn usw.) verdrängt. Das Brettspiel Mühle gehört zu den ältesten Das Femininum hat sich als Übertragung in die techBrettspielen; die heutige Form ist durch Veränderung nische Sprache (’Verbindungsstück’) gehalten. Das älterer Formen ungefähr im 14. Jh. entstanden. Der niederländische Wort ist entlehnt aus frz. moufle m., Bezeichnung könnte eine Umdeutung zugundeliedem ein ml. muffula m. vorausgeht. In diesem wird gen, die aus einer romanischen Nachfolgerform von ein g. *molfell ’weiches Fell’ vermutet. l. mo¯le¯s ’Damm’ (vgl. ÞMole) die Nachfolgerform Ebenso nndl. mof, ne. muff, nfrz. moufle, nschw. muff, nisl. mu´ffa. – Röhrich 2 (1992), 1055f.; EWNl 3 (2007), 369f. von l. molina ’Mühle’ oder l. mola ’Mühlstein, Mühle’ gemacht hat. Bestimmte Formationen von SpielMuff2 Sm ’modriger Geruch’ per. ndd. (17. Jh.). Neben steinen werden gern als (Verteidigungs-) Damm, Wall muffig und müffeln, muffeln1 ’faulig riechen’. Früher bezeichnet (vgl. das unter Dame 2 Ausgeführte). ndd. muffen ’muffig riechen’ (seit dem 15. Jh.) Sonst Ebenso nndl. molen, ne. mill, nfrz. moulin, ndn. mølle, nisl. ist die Herkunft unklar. Wohl zu der Grundlage von mylla. S. auch ÞMüller. – Heyne (1899/1903), I, 44f.; II, ÞModer. S. auch ÞMief . – EWNl 3 (2007), 369, 389. 1

Muffe Sf ÞMuff . muffeln1 Vsw, müffelnVsw ’faulig riechen’ ÞMuff 2. muffeln2 Vsw ’verdrießlich sein’ per. reg. (15. Jh.). Zu

muff, mupf ’Verziehen des Mundes’, oberdeutsch seit dem 15. Jh. Lautgebärde nach dem Aussehen des Gesichtes, wenn man muff, mucks o.ä. sagt. Die alte Rückbildung Muffel ’verdrießlicher Mensch’ wurde

261–265; Röhrich 2 (1992), 1056f.; LM 6 (1993), 885–891;

EWNl 3 (2007), 373.

Muhme Sf ’Mutterschwester’, dann ’weibliche Ver-

wandte’ erw. obs. (9. Jh.), mhd. muome, ahd. muoma. Daneben mit Dissimilation ndd. möne, anord. mo´na. Vriddhi-Bildung zu einem Kosewort für ’Mutter’ (*mame o.ä.), das in dieser frühen Zeit nicht bezeugt, aber sicher vorauszusetzen ist. S. das unter ÞMama Ausgeführte. – Darms (1978), 239–241; Jones (1990), 131–139.

Mummenschanz

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Mulatte Sm ’Mischling’ per. exot. (16. Jh.). Entlehnt aus mulsch Adj ’angefault, weich’ per. ndd. omd. (16. Jh.),

span. mulato, einer Ableitung von span. mulo ’Maultier’, aus l. mu¯lus, dann verallgemeinert zu ’Mischling’. Ebenso nndl. mulat, ne. mulatto, nfrz. mulaˆtre, nschw. mulatt, nisl. mu´latti. – DF 2 (1942), 160; EWNl 3 (2007), 392.

Mulch Sm ’Bodenbedeckung zur Förderung der Ga-

re’ per. fach. (20. Jh.). Entsprechend mulchen. Mit deutscher Aussprache entlehnt aus ne. mulch, das mit nhd. Þmulsch verwandt ist. Ebenso ne. mulch. – Siegel, P. MS 43 (1928), 245–247.

Mulde Sf std. (10. Jh.), mhd. mulde, mu(o)lter, ahd.

mhd. obd. mölsch, molsch, melsch. Letztlich zu Þmahlen als ’zerrieben, weich’ wie Þmild und etwa gr. malako´s ’weich, zart’, heth. malisˇku- ’schwach, leicht, unbedeutend’. S. auch ÞMulch.

multi- Präfix Wortbildungselement mit der Bedeutung

’viel, vielfältig’ (z.B. multifunktionell) std. (–). Das Element wurde in Entlehnungen aus dem Lateinischen übernommen und produktiv; viele moderne Bildungen stehen aber unter dem Einfluss des Englischen; der Ursprung ist l. multus ’viel’. Die Hypostase Multi im Sinn von ’multinationaler Konzern’ hat im Englischen kein Vorbild und ist deshalb wohl eine deutsche Kürzung.

muolt(e)ra, mulhtra, muolter, multa, mulde, mndd. molde, molle. Entlehnt aus l. mulctra ’Melkfass’ (zu l. mulge¯re ’melken’). Da das alte Melkgefäß länglich Cottez (1980), 257; Carstensen 2 (1994), 934; EWNl 3 (2007), war, konnte seine Bezeichnung auf den Backtrog 392. übertragen werden. Die niederdeutsche Form ist erhalten in ÞMolle. Im 18. Jh. im Bereich der Bergmultiplizieren Vsw erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. mannssprache übertragen auf ’Vertiefung in den Flömultiplica¯re, einer Ableitung von l. multiplex ’vielzen’, dann generell für ’Talabsenkung’. fach, mannigfaltig’, zu l. plica¯re, plectere (plexum) ’falten, zusammenfalten, flechten’ und der KompoMull Sm ’feines Baumwollgewebe’ erw. obs. (18. Jh.). sitionsform von l. multus ’viel’. Abstraktum: Entlehnt aus ne. mull, das seinerseits aus ne. mulmull Multiplikation. gekürzt ist. In dieser Form ist es entlehnt aus i. malmal ’Mousselin’. Ebenso nndl. mul, ne. mull, nschw. moll. – Ganz (1957), 147; Lokotsch (1975), 110.

Müll Sm ’trockener Abfall’ std. (11. Jh.). Ursprünglich

norddeutsch. Eigentlich ein Wort für ’Staub, feine Erde’ (in dieser Bedeutung, auch in der Lautform Mull und auch mit der Bedeutung ’Humus’ regional verbreitet, hochsprachlich in Torfmull). Vgl. mndd. mul, ae. myl ’Staub’; nndl. mul, nschw. mull ’Erde’. Zu mhd. müllen, müln ’zerreiben’, anord. mylja ’zermalmen’ und letztlich zu der Sippe von Þmahlen. Bahder (1925), 71f.; Kretschmer (1969), 342f.; Röhrich 2 (1992), 1057; EWNl 3 (2007), 391.

Müller Sm std. (11. Jh.), mhd. müln¢re, mülner, spahd.

mulina¯ri, spas. mulineri. Wie anord. mylnari vermutlich entlehnt aus l. molı¯na¯rius ’Müller’; eine erst germanische Ableitung zu dem Wort für ’Mühle’ ist aber nicht ganz ausgeschlossen. Ebenso nndl. molenaar, mulder, ne. miller, nfrz. meunier, nschw. mjölnare, nisl. malari. – Röhrich 2 (1992), 1057; LM 6 (1993), 885–891.

Mulm Sm ’Stauberde’ per. arch. (17. Jh.). Spät bezeugt,

Ebenso ne. multiply, nfrz. multiplier, nschw. multiplicera, nnorw. multiplisere; Þkompliziert. – Schirmer (1912), 46f.; DF 2 (1942), 160.

Mumie Sf erw. exot. (16. Jh.). Entlehnt aus it. mummia,

dieses über arab. mu¯miya¯, eigentlich ’Erdpech’, zu pers. mu¯m ’Wachs’ (nach dem Konservierungsmittel der Ägypter). Verb: mumifizieren. Ebenso nndl. mummie, ne. mummy, nfrz. momie, nschw. mumie, nisl. mu´mı´a. – Littmann (1924), 100; DF 2 (1942), 160f.; Lokotsch (1975), 121; LM 6 (1993), 896; Tazi (1998), 268; EWNl 3 (2007), 392.

Mumm Sm ’Mut’ std. stil. (19. Jh.). Herkunft unklar. Röhrich 2 (1992), 1058; Wolf (1985), 206 (anders).

Mumme Sf ’vermummte Person’ per. reg. (16. Jh.). Nie-

derdeutsch schon seit dem 15. Jh. Entlehnt aus afrz. momon ’Maske’, das zu span. momo m. ’Grimasse’ gehört und wohl als Kinderwort aufzufassen ist. Ebenfalls seit dem 16. Jh. Mummerei, über nndl. mommerij entlehnt aus frz. momerie. Entsprechend Þeinmummen und Þvermummen. Ebenso nndl. mom, ne. mummer, nfrz. momerie; ÞMummenschanz. – EWNl 3 (2007), 374.

aber wohl alt: ndd. molm, mhd. in zermülmen. Vgl. ae. mummeln Vsw per. ndd. (15. Jh.). Eher niederdeutsches Wort: mndd. mummelen, mndl. mommelen, vgl. me. mealmsta¯n ’Sandstein’, anord. malmr ’Erz’ und momelen u.ä., ne. mumble ’in den Bart murmeln, unÞmalmen, ahd. melm, as. melm ’Staub’. Es handelt verständlich brummeln’. Sicher lautnachahmend. sich um m-Bildungen von verschiedenen AblautstuAhd. lefsmammalon ’stammeln’ (8. Jh.). Dazu Ausfen zu der unter Þmahlen behandelten Grundlage. drücke wie Mummelgreis ’zahnloser alter Mann’. S. auch Þmulmig. – EWNl 3 (2007), 373f. mulmig Adj ’unbehaglich’ std. stil. (20. Jh.). Wohl über-

S. auch Þmunkeln. – Sommer, F. IF 51 (1933), 241; Lühr (1988), 130.

tragen aus mulmig ’zerfallen, morsch’, das zu ÞMulm Mummenschanz Sm (früher f.) erw. obs. (16. Jh.) Fnhd. gehört. schanz. ist ein Glückswurf beim Würfelspiel Röhrich 2 (1992), 1057f.

Mumpitz

640 2

(ÞSchanze ), mumman ist vom 14. bis 16. Jh. ein Mündel Smfn erw. fach. (15. Jh.), spmhd. mündeln. Vgl. Glücksspiel. Aus unklaren Gründen übertragen auf afr. mundele f. Dafür älter mhd. mundelinc m. Aus ÞMund 2 ’Schutz’ mit der Bedeutung ’zum Schutz ge’Fasnachtstreiben’ u.ä., wohl im Anschluss an ÞMumme, vielleicht weil das Glücksspiel in Zeiten hörig, unter Vormundschaft stehend’. Mündelsichere Papiere (seit 1900) ’Wertpapiere, in denen Mündeldes Verbots vermummt gespielt wurde. Das Wort war im 18. Jh. ausgestorben und wurde in der übertragegelder angelegt werden dürfen’ stehen unter besonnen Bedeutung neu belebt. deren staatlichen Vorschriften und sind deshalb besonders sicher. Röhrich 2 (1992), 1058. Mumpitz Sm erw. stil. (19. Jh.). Als Ausdruck der Börse

LM 6 (1993), 899.

im Sinn von ’Schwindel’ aufgekommen. Es geht zu- mündig Adj std. (14. Jh.), mhd. mündec, mndd. munrück auf volkstümliche Wörter für ’Schreckgespenst, dich. Abgeleitet von ÞMund 2 ’Schutz’ im Sinne von Vogelscheuche’, vgl. Mummelputz ’Vogelscheuche’, ’Vormundschaft’, also ’wer sich selbst schützen und hess. Mombotz ’Schreckgestalt, Gespenst’. damit auch gesetzlich vertreten darf’. Präfixableitung: entmündigen. ÞMumme, ÞButz. – Princi Braccini, G. AION-G 27 (1984), 135–205; Röhrich 2 (1992), 1058.

Mumps Smf (auch Mumpf südd. m.) ’Parotitis’ per. reg.

Ebersold, G.: Mündigkeit (Frankfurt/M. 1980); HWPh 6 (1984), 225–235; LM 6 (1993), 899; EWNl 3 (2007), 375.

(19. Jh.). Als Krankheitsbezeichnung ist das Wort aus Mundraub Sm ’Entwendung von Lebensmitteln zum ne. mumps entlehnt, einer wie ein Singular behansofortigen Genuss’ erw. fach. (18. Jh.). Eigentlich ein delten Pluralform zu ne. mump ’ein verdrossenes GeSeemanns-Ausdruck für das Entwenden von Lebensmitteln beim Be- und Entladen eines Schiffes. sicht machen’ (bezogen auf das bei dieser Krankheit stark entstellte Gesicht). Regionale Formen knüpfen mundtot Adj std. phras. (17. Jh.). Gehört eigentlich zu wohl an bereits vorhandene Wörter an, die in den ÞMund 2 und bedeutet in der Rechtssprache ’der sich Bereich von ÞMops, mucks (Þmucksen) u.ä. gehören. rechtlich nicht verteidigen darf’, also etwa ’entmünSchröter, U. BGDSL-H 98 (1977), 303–311; Rauch (1995), digt’. Außerhalb der Rechtssprache zu ÞMund 1 geKap. 2. stellt und umgedeutet zu ’zum Schweigen gebracht’. Mund1 Sm ’Körperteil’ std. (8. Jh.), mhd. munt (-des), Mündung Sf std. (18. Jh.). Zu ÞMund 1 in übertragener ahd. mund, as. mu¯th. Aus g. *munþa- m. ’Mund’, Bedeutung. Das Verb münden ist erst daraus rückgeauch in gt. munþs, anord. munnr, mudrÑ , ae. mu¯þ, afr. bildet. Älter ist das Kollektivum ahd. gimundi, as. gimu¯th. Außergermanisch entspricht kymr. mant mu¯thi ’Mündung eines Flusses’ (erhalten in Ortsna’Kinnlade, Mund’, l. mentum n. ’Kinn’. Weitere Hermen wie Gemünden). kunft unklar. Vielleicht eine schwundstufige AbleiMuni Sm ’Zuchtstier’ per. schwz. (19. Jh.). Herkunft untung von ig. *stomen ’Mund’ in avest. staman- und gr. klar. sto´ma n. (als *stmn-to- mit Vereinfachung der AnMunition Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. munition(s) lautgruppe). Verb:˙ munden; Adjektiv: mündlich. (de guerre) (eigentlich ’Kriegsmaterial’), dieses aus l. Röhrich 2 (1992), 1058–1060; EWNl 3 (2007), 375. mu¯nı¯tio (-o¯nis) ’Befestigung, Befestigungswerk’, einer Mund2 Sf ’Schutz’ per. arch. (9. Jh.), mhd. munt m./f., Ableitung von l. mu¯nı¯re ’mauern, schanzen’, zu l. ahd. munt, as. mund ’Schutz, Vormundschaft’. Aus g. moene n. (meist Pl. moenia) ’Mauer der Stadt’. *mundo¯ f. ’Hand, Schutz’, auch in anord. mund

Ebenso nndl. munitie, ne. ammunition, nfrz. munition, nschw. ’Hand’, ae. mund ’Hand, Schutz’; daneben *mundaammunition, nnorw. ammunisjon; ÞMauer. – DF 2 (1942), 161; m. in anord. mundr ’Kaufpreis der Frau, VormundEWNl 3 (2007), 392f. schaft’, afr. mund ’Vormundschaft’. Zugrunde liegt munkeln Vsw std. stil. (16. Jh.). Übernommen aus ndd. ein r/n-Stamm (ig. *m¡-r, m¡-n-es) mit der Bedeumunkelen. Älter ist auch oberdeutsch die einfache tung ’Hand’, der im Germanischen (wie auch in anForm munken. Vielleicht eine Lautgebärde wie deren Fällen) mit einem Dental erweitert ist. Der Þmummeln u.ä. n-Stamm auch in l. manus ’Hand’ und mit übertraLühr (1988), 130f.; Röhrich 2 (1992), 1061. gener Bedeutung in heth. manijahh- ’einhändigen, verwalten’, mir. muntar ’Familie’; der r-Stamm in gr. Münne Sf ’eine Fischart’ per. fach. (11. Jh.), mhd. münma´re¯ ’Hand’. Die übertragene Bedeutung des Gerwe, ahd. muniwa, munuwa, mndd. mome, mone. Aus vd. *muniwo¯ f. Herkunft unklar. An sich könnte gr. manischen nach dem alten Bild des ’sich in der Hand maı´ne¯ ’kleiner, heringähnlicher Fisch’ verglichen von jmd. befinden’ = ’in seiner Macht, unter seinem Schutz sein’. werden, doch haben fast alle Fischnamen nur eine sehr beschränkte Verbreitung, so dass der Vergleich Zur lateinischen Sippe s. Þmanuell; ÞMündel, Þmündig, ÞVormund. – Tiefenbach (1973), 78–81. wenig aussagekräftig ist. Mundart Sf std. (17. Jh.). Ersatzwort für ÞDialekt. Münster Sn std. (8. Jh.), mhd. münster, munster ’Kloster-, (Stifts-)kirche’, ahd. munistiri, munster,

Musche

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monster m. ’Kloster’. Wie ae. mynster ’Kloster’, anord. murk(e)lig ’verkümmert, zurückgeblieben’ und Murks für ’eine unsachgemäße Arbeit’, wozu Þmurksen mustari, musteri, mysteri ’Kloster, Stiftskirche’ entlehnt aus l. monaste¯rium. Dieses aus gr. monaste¯´rion ’pfuschen’ gehört. Dagegen gehört Þabmurksen zu ’Eremitenzelle, Kloster’, zu gr. mona´ste¯s ’Einsiedler’, einer Bildung unmittelbar aus der Grundlage murdieses aus gr. mona´zo¯ ’ich sondere mich ab’, das aus ken. Heidermanns (1993), 417. gr. mo´nos abgeleitet ist. Ursprünglich ’Einsiedelei’, aber schon lateinisch im 6. Jh. ’Kloster’. Seit dem murksen Vsw ÞMurk, Þabmurksen. 13. Jh. gebraucht im Sinne von ’Klosterkirche’, dann Murmel Sf ÞMarmel. von ’Kathedrale’. murmeln Vsw std. (8. Jh.), mhd. murmeln, murmern, Ebenso ne. minster, nfrz. monaste`re; ÞMönch. – Masser ahd. murmulo¯n, murmuro¯n. Lautmalend wie l. mur(1966), 70–83; de Cubber, W. SGG 14 (1988), 61–72. mura¯re ’murmeln, brummen’, gr. (ep.) mormy´ro¯ munter Adj std. (8. Jh.), mhd. munder, ahd. muntar, ’ich rausche, sprudle auf’ u.a. munder ’leicht, lebhaft, wach’. Aus vd. *mundra- Adj. S. auch Þmurren. ’wach, aufgeweckt’; hierzu vielleicht als Ableitung gt. mundrei ’Ziel’, vgl. ahd. munt(a)rı¯ ’Eifer’ (also etwa Murmeltier Sn std. (11. Jh.). Sekundär an ÞTier angeschlossen, aus mhd. mürmendı¯n (mit zusätzlichem ’das Erstrebte’ s.u. zu dem zugrunde liegenden Verb). Wandel von n zu l); ahd. murmunto, murmento m. Außergermanisch vergleichen sich lit. man˜dras Entlehnt aus einer romanischen Alpensprache. In ’munter, aufgeweckt’, akslav. mo¸dru˘ ’gescheit, klug’. diesen ist bezeugt franko-provenzalisch und lombarh Eine ro-Bildung zu ig. (eur.) *mend - ’erstreben’ in disch der Typ marmotte, bündnerromanisch muntagr. mantha´no¯ ’ich lerne’, kymr. mynnu ’wünschen, nela; die Walliser Formen sind murmete und murverlangen’, gt. mundon ’auf etwas sehen’, anord. mende. Die Latinisierung zu l. (Akkusativ) mu¯rem munda ’zielen’. Weiter zu (ig.) *men- ’denken’, das montis m. ’Bergmaus’ (Polemius Silvius 5. Jh. und unter Þmahnen behandelt ist. Abstraktum: ahd. bei Notker) scheint auf Sekundärmotivation zuMunterkeit; Verb: er-, aufmuntern. rückzugehen. Eine andere überzeugende Herleitung Zur griechischen Verwandtschaft s. ÞMathematik. – Heiderfindet sich aber nicht. Auffällig ist die Nähe zu manns (1993), 416; EWNl 3 (2007), 377. ’murmeln’ (auch in frz. marmotter), doch lässt sich Münze Sf std. (9. Jh.), mhd. münze, ahd. muniz, mudamit kein sachlicher Zusammenhang aufweisen niz(z)a, as. munita. Wie ae. mynet n., anord. mynt (das Murmeltier pfeift). Das von französischen Wörentlehnt aus l. mone¯ta ’Münze, Prägestätte’. Die Beterbüchern angeführte ’vergnügte Grunzen beim zeichnung stammt daher, dass die römische MünzFressen’ ist wohl kein ausreichendes Benennungsprägungsstätte im Tempel der Iu¯no Mone¯ta war (die motiv. Herkunft des Namens ist umstritten). Verb: münzen. Ebenso nndl. marmot, ne. marmot, nfrz. marmotte, nschw. Ebenso nndl. munt, ne. mint, nfrz. monnaie, nschw. mynt, nisl. mynt; ÞPortemonnaie. – Röhrich 2 (1992), 1061; LM 6 (1993), 921–931; EWNl 3 (2007), 393.

Mur(e) Sf ’Schuttmasse’ per. oobd. (19. Jh.). Herkunft

unklar.

murmeldjur, nisl. mu´rmeldy´r; ÞMaus. – Palander (1899), 67; Mätzler (1968), 65; Klausmann, H., Krefeld, Th. ZDL 62 (1995), 13–15; EWNl 3 (2007), 311, 383.

murren Vsw std. (15. Jh.), mhd. murren, mndd. murren,

Muräne Sf (gelbbrauner Fisch) per. fach. (14. Jh.). Ent-

mndl. morren, murren, mueren. Wie anord. murra. Lautmalend, vielleicht im Anschluss an Þmurmeln. Adjektiv: mürrisch.

lehnt aus l. mu¯re¯na, dieses aus gr. my´raina unklarer Herkunft.

Mus Sn std. (8. Jh.), mhd. muos, ahd. muos ’Essen, Spei-

Vgl. ÞMoräne.

Ebenso nndl. murene, ne. moray, mur(a)ena, nfrz. mure`ne, nisl. mu´rena. – Suolahti (1929), 153; Bielfeldt (1965), 38f.

mürb Adj std. (8. Jh.), mhd. mürwe, mür(e), ahd. mu-

ruwi, mndd. morve, mndl. morw(e) u.ä. Aus vd. *murwja- Adj. ’mürbe’. Daneben mit anderer Ablautstufe ahd. maro, mhd. mar (-wes), ae. mearu, m¢ru u.ä. Außergermanisch vergleicht sich am ehesten air. me(i)rb, kymr. merw ’schlaff’. Wohl weiter zu Þmorsch. Präfixableitung: zermürben. Heidermanns (1993), 404, 418; EWNl 3 (2007), 393f.

Murk Sm ’kleiner Brocken, kleines Kind’ per. reg.

EWNl 3 (2007), 383.

se, Mus’, as. mo¯s ’Speise, Essen’. Aus wg. *mo¯sa- n. ’Zukost’, auch in ae. mo¯s, afr. mo¯s ’Speise, Essen’. Offenbar eine Vriddhi-Bildung zu dem auch als s-Stamm auftretenden Wort (g.) *mati-/ez ’Speise’ (ÞMesser, ÞMettwurst). Das Grundwort hat die Tendenz, ’Fleisch’ zu bedeuten (vgl. ne. meat), die Ableitung steht für ’Gemüse, Brei’ u.ä., regional auch ’Obstbrei’. Ebenso nndl. moes; ÞGemüse, ÞLackmus, ÞMast 2. – Heyne (1899/1903), II, 266f.; Teepe-Wurmbach, A. WF 13 (1960), 151–168; Darms (1978), 219–231; Röhrich 2 (1992), 1061f.; EWNl 3 (2007), 368.

(15. Jh.). Dazu die Diminutive Mürklein und Mürkel ’Brocken, Krümel, Knirps’. Weiter zu murken, morken Musche Sf ’Schönheitspflästerchen’ per. arch. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. mouche ’Fliege, Schönheitspfläster(usw.) ’zerdrücken, zerbröckeln’. Entsprechend chen’ (vermutlich wegen des ähnlichen Aussehens).

Muschel Ebenso nndl. moesje, nschw. musch. – DF 2 (1942), 161f.; Brunt (1983), 384.

Muschel Sf std. (9. Jh.), mhd. muschel, ahd. muscula,

muschel, as. muskula. Entlehnt aus einem früh-rom. *muscula zu l. mu¯sculus m. in der Bedeutung ’Miesmuschel’ (eigentlich ’Mäuschen, Muskel’ wegen der ähnlichen Form und Farbe).

642 Muskat Sm (Gewürz) erw. fach. (13. Jh.). Im Mittel-

hochdeutschen (mhd. musca¯t-[nuz] f.) entlehnt aus afrz. (noix) muscat, dieses aus ml. (nux) muscata f. ’Muskatnuss’, eigentlich ’nach Moschus duftende Nuss’, zu spl. mu¯scus ’Moschus’, aus gr. mo´schos, ai. muska´- ’Moschus, Hode’. ˙

Ebenso nndl. muskaat, nfrz. muscade, nschw. muskot, nisl. mu´skat. – Lokotsch (1975), 122; Röhrich 2 (1992), 1063; LM 6 Ebenso nndl. mossel, ne. mussell, nfrz. moule, nschw. mussla, (1993), 969; EWNl 3 (2007), 394. nnorw. musling; ÞMaus. – LM 6 (1993), 946f.; EWNl 3 (2007), 385. Muskel Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. mu¯sculus

Muschi Sf (auch Musche f.) ’Katze; weibliches Ge-

schlechtsorgan’, Musche ’liederliches Frauenzimmer’ per. vulg. (15. Jh., Form 19. Jh.). Gehört zu dem unter ÞMöse behandelten Komplex. Älteste Form: ÞMutze.

’Muskel’, eigentlich: ’Mäuschen’. Der entsprechende ältere deutsche Ausdruck ist ÞMaus. Kollektiv: Muskulatur; Adjektiv: muskulös. Ebenso nndl. musculatuur, ne. muscle, nfrz. muscle, nschw. muskel, nnorw. muskel.

Muskelkater Sm std. (20. Jh.). Zu ÞKater 2 ’Nachwehen eines Rausches’ übertragen gebildet. (über l. Mu¯sa), Name der griechischen Göttinnen der Kunst (und Wissenschaft). Heute meist für die InMuskete Sf (große Handfeuerwaffe) erw. obs. (16. Jh.). spiration des Dichters gebraucht (die Muse hat ihn Entlehnt aus span. mosquete m., nfrz. mousquet m. geküsst u.ä.). Adjektiv: musisch. und it. moschetto m. (fachsprachlich älter ’Sperber’), Ebenso nndl. muze, ne. Muse, nfrz. muse, nschw. muse, nnorw. einer Ableitung von l. musca ’Fliege’ (ÞMoskito). Der muse; ÞMuseum, ÞMosaik, ÞMusik. – Röhrich 2 (1992), 1062; Sperber heißt so wegen seiner gesprenkelten Brust, EWNl 3 (2007), 396. die aussieht, wie wenn sie von Fliegen übersät wäre. Die Übertragung auf die Waffe nach der Wirksamkeit Muselmanen SmPl ’Moslems’ erw. obs. (17. Jh.). Mit sedes Sperbers bei der Beizjagd (wie auch bei Terzerol). kundärer Anlehnung an ÞMann entlehnt aus it. musulmano, nfrz. musulman. Dieses aus türk. müslüman Ebenso nndl. musket, ne. musket, nfrz. mousquet, nschw. musköt, nisl. mu´sketta. – DF 2 (1942), 166f.; Lokotsch (1975), 122; über pers. muslima¯n Pl., zu arab. muslim ’der sich Jones (1976), 452–455; LM 6 (1993), 970. Gott ergeben hat’. Ebenso nndl. muzelman, ne (arch.) Musulman, nfrz. musulMuslim Sm ÞMuselmanen. Muse Sf erw. bildg. (17. Jh.). Entlehnt aus gr. Mou˜sa

man, nschw. muselman, nisl. mu´selmaduÑ r. – Tazi (1998), 269; EWNl 3 (2007), 385.

Museum Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. mu¯se¯um ’Ort

Muße Sf std. (9. Jh., in muozom ’allmählich’ 8. Jh.),

mhd. muoze, ahd. muoza, as. mo¯ta. Ursprüngliche Bedeutung ’Gelegenheit, Möglichkeit’, deshalb zu Þmüssen in dessen alter Bedeutung ’können’. Adjektiv: müßig.

für gelehrte Beschäftigung’, dieses über l. mu¯se¯um aus gr. mouseı˜on, einer Ableitung von gr. mou˜sa f. ’Muse’. Zunächst entlehnt in der Bedeutung ’StuHWPh 6 (1984), 257–260; LM 6 (1993), 972. dierzimmer’; im 17. Jh. dann ’Kunstsammlung müssen Vprpr std. (8. Jh.), mhd. müezen, ahd. muozan, (usw.)’. Adjektiv: museal. as. mo¯tan. Aus g. *mo¯t Prät.-Präs. ’ich kann, finde die Ebenso nndl. museum, ne. museum, nfrz. muse´e, nschw. muMöglichkeit’, auch in gt. -mo¯t, ae. mo¯t, afr. mo¯t, as. seum, nnorw. museum. – DF 2 (1942), 162; EWNl 3 (2007), 394. mo¯t, (ahd. muoz) 1./3. Sg. Herkunft unklar. Musical Sn std. (20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. musical, Ebenso nndl. moeten, ne. must; ÞMaut, ÞMuße. – Klare´n, Kurzform von musical comedy ’musikalisches LustG.A.: Die Bedeutungsentwicklung von können, mögen und spiel’. Hat zu analogischen (Scherz-)Bildungen wie müssen (Diss. Lund 1913); Seebold (1970), 354; EWNl 3 (2007), Grusical geführt. 369. Ebenso nndl. musical, ne. musical, nfrz. musical, nschw. musikal, nnorw. musical. – Carstensen, B. Lexicographica 5 (1985), 101–119; Rey-Debove/Gagnon (1988), 607; Carstensen 2 (1994), 937f.; EWNl 3 (2007), 394.

Musik Sf std. (9. Jh.). Im Althochdeutschen entlehnt

Mustang Sm ’wildlebendes Präriepferd’ erw. exot.

(19. Jh.). Entlehnt aus ne. mustang, dieses eine Vermengung aus mexikanisch- span. mesten˜o (zu l. mixta ’gemischt’) und mostrenco ’herrenloses Vieh’. Ebenso nndl. mustang, ne. mustang, nfrz. mustang, nnorw.

aus l. (ars) mu¯sica, dieses aus gr. mousike¯´ (te´chne¯), zu mustang. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 608. gr. mou˜sa ’Muse’. Die Endbetonung nach frz. musimuster Adj ’frisch, kräftig’ per. obd. (20. Jh.), bair. que. Adjektiv: musikalisch; Nomen Agentis: Musikant, mustberlich, schwäb. muschper, alem. buschper. Aus scherzhaft Musikus; Verb: musizieren. mhd. *munstb¢re ’Freude bringend’ zu mhd. munst Ebenso nndl. muziek, ne. music, nfrz. musique, nschw. musik, ’Freude’. nisl. mu´sı´k; ÞMuse. – DF 2 (1942), 162–165; HWPh 6 (1984), 242–257; Kaden, Ch. AB 32 (1989), 34–75; Röhrich 2 (1992), 1062f.; LM 6 (1993), 948–955; EWNl 3 (2007), 396f.

Muster Sn std. (15. Jh.). Aus it. mostra f. ’Probestück’,

das auf l. mo¯nstra¯re ’zeigen’ zurückgeht. Aus der glei-

Myriade

643

chen Grundlage auch die (militärische) Musterung. Verb: mustern; Adjektiv: musterhaft. Ebenso nndl. monster, nschw. mönster, nnorw. mønster. S. Þmonieren und Þmental, sowie ÞAutomat (gr.) und Þmahnen. – Öhmann, E. NPhM 42 (1941), 85; EWNl 3 (2007), 377.

Mut Sm std. (8. Jh.), mhd. muot, ahd. muot m./n.

Mutterkorn Sn ’Auswuchs an Roggenkörnern’ per.

fach. (18. Jh.). Auch Kornmutter. Lehnübersetzung aus l. seca¯lis ma¯ter. Die Bezeichnung bezieht sich auf die medizinische Wirkung beim Gebärvorgang. LM 6 (1993), 976.

Mutterkrebs Sm ’schalenloser Krebs’ per. fach. (18. Jh.).

’Seele, Geist usw.’, as. mo¯d. Aus g. *mo¯da- m. ’Sinn, Der erste Bestandteil ist ndd. muter ’Mauser’. Mut, Zorn’ u.a., auch in gt. moþs, anord. mo´drÑ , ae. afr. Mutterkuchen Sm ’Nachgeburt’ per. fach. (18. Jh.). Der mo¯d n. Herkunft unklar. Vielleicht zu l. mo¯s ’Sitte’, gr. zweite Bestandteil ist eine Übersetzung von l. placenta mo˜mai ’ich strebe, trachte, begehre’. Adjektiv: mutig; f. gleicher Bedeutung. Verb: (ver-, zu-)muten

Ebenso nschw. moderkaka, nisl. mo´duÑ rkaka. Ebenso nndl. moed, ne. mood, nschw. mod; ÞAnmut, ÞDemut, Muttermal Sn std. (16. Jh.). Nach dem Volksglauben ÞGemüt, Þlangmütig, Þmuten, Þmutmaßen, ÞUnmut. – Wandruszka, M.: Angst und Mut (Stuttgart 1950), 13–80; entstehen diese Veränderungen der Haut dadurch, Meyer, E.M.: Die Bedeutungsentwicklung von germ. dass die Mutter während der Schwangerschaft Gelüs’*mo¯dÑa-’ (Diss. Leipzig 1926); Beck, H. FS Schützeichel (1987), te hatte, die sie nicht befriedigen konnte. Teilweise 985–999; Röhrich 2 (1992), 1063; Becker, J.-U. Wartos´ciowird die Form der Muttermale mit der Art der Gewanie w jezyku i teks´cie na materiale polskim i niemieckim. lüste in Zusammenhang gebracht. Hrsg. G. Falkenberga u.a. (Warszawa 1992), 211–225 (in deutRohlfs, G.: Sprache und Kultur (Braunschweig 1928), 20. scher Sprache); Becker (1964), 156–159; EWNl 3 (2007), 365f.

muten Vsw ’begehren, nachsuchen’ (in verschiedenen

Sonderbedeutungen) per. arch. (9. Jh.), mhd. muoten, ahd. muoto¯n. Zu ÞMut in der Bedeutung ’Absicht’. mutieren Vsw ’verändern’ per. fach. (14. Jh.). Entlehnt

aus l. mu¯ta¯re. Abstraktum: Mutation. Ebenso nndl. muteren, ne. mutate, nschw. mutera. – DF 2 (1942), 167; HWPh 6 (1984), 260f.

mutmaßen Vsw std. (14. Jh.), spmhd. muotma¯zen. Zu

muotma¯ze ’Bemessung nach dem Sinn, nach der Vermutung’. ÞMut, ÞMaß.

Mutt Smn ’Scheffel’ per. arch. (9. Jh.), mhd. mütt(e),

mutt(e), ahd. mutti n., as. muddi n. Wie ae. mydd n. entlehnt aus l. modius m. ’Scheffel’. Hoops (1911/19), III, 288; EWNl 3 (2007), 388f.

Mutter Sf std. (8. Jh.), mhd. muoter, ahd. muoter, as.

mo¯dar. Aus g. *mo¯der- f. ’Mutter’, auch in anord. mo´diÑ r, ae. mo¯dor, afr. mo¯der (gt. dafür aiþei). Aus ig. *ma¯te¯r f. ’Mutter’, auch in ai. ma¯ta´r-, toch. A ma¯car, toch. B ma¯cer, gr. me¯´te¯r, l. ma¯ter, air. ma¯thir, akslav. mati, lett. ma˜te, (lit. mo´te˙ ’Ehefrau’). Dem Wort liegt sicher die Lautgebärde ma¯- für ’Mutterbrust, Mutter’ zugrunde. Mutter in ÞEssigmutter entweder hierher oder (eher) zu ÞModer. − Mutter im Sinn von ’Schraubenmutter’ beruht auf einer sexuellen Metapher (’Gebärmutter, Geschlechtsteil’ so wie etwa auch von männlichen und weiblichen Steckerteilen gesprochen wird). Präfixableitung: bemuttern.

mutterseelenallein Adj std. (18. Jh.). Wie mutterallein,

mutterseligallein u.a. Zu Mutterseele, das früher in häufigerem Gebrauch war. Offenbar zu verstehen als ’mutterlos, allein’. Weise, O. ZDW 3 (1902), 246–249; Heisig, K. ZM 34 (1967), 290–292; Albertsen, L.L. ZDS 24 (1968), 118–121.

Mutterwitz Sm std. (17. Jh.). Gemeint ist der angebo-

rene Verstand. Mutwille Sm std. (8. Jh.), mhd. muotwille, ahd. muot-

willo, mndd. mo¯twille. Zu ÞWille und der alten Bedeutung von ÞMut (hier etwa: ’Gefühl, Lust’), also etwa ’Wille nach eigener Lust’ = ’freier Wille’, aber auch ’Leichtfertigkeit’. Mutz(e) Sf , Musche Sf ÞMöse. Mütze Sf std. (14. Jh., Form 15. Jh.), mhd. mutze, mütze,

mhd. almutz, mndd. mutze, musse, mndd. malmuse, mndl. muts(e), mutsche, muts, älter auch mhd. almutz, mndl. a(l)mutse u.ä. Älter auch mhd. almutz, mndd. malmuse, mndl. a(l)mutse u.ä. Entlehnt aus ml. almucia, das eine Art Kapuze bezeichnet. Vermutlich als ’abgeschnittenes, kurzes Kleidungsstück’ zu früh-rom. *muttius ’abgeschnitten’, geminiertes Kurzwort zu l. mutilus ’verstümmelt’ (u.ä.). Im Gegensatz zu der Entwicklung in der Hochsprache bedeutet obd. Mutze in der Regel ’Wams, Jacke’. Ebenso nndl. muts, nschw. mössa. – Justi ZDA 45 (1901), 420–426; Sperber, H. Imago 1 (1912), 439; Foltin, H.F. DWEB 3 (1963), 1–296; Lokotsch (1975), 122; Knobloch, J. Diachronica 2 (1985), 263–266; Röhrich 2 (1992), 1065; LM 6 (1993), 976; EWNl 3 (2007), 395.

Ebenso nndl. moeder, ne. mother, nschw. moder, nisl. mo´diÑ r. S. Myriade Sf ’unzählig große Menge’ per. fach. (17. Jh.). zur lateinischen Entsprechung ÞMatriarchat, ÞMatrikel; zur Entlehnt aus ne. myriad, dieses aus l. my¯rias (-adis), griechischen s. ÞMetropole; ÞMieder. – Risch, E. MH aus gr. my¯ria´s (-a´dos) ’Zahl von 10000’, zu gr. my¯rı´os 1944–1946, 115–117; Benveniste (1969/1993), 169–174; Szeme’unzählig’. Die Zahlwörter für hohe Zahlen und Bere´nyi (1977), 7–10; Trier (1981), 98f.; Röhrich 2 (1992), 1063f.; Carruba (1998); EWNl 3 (2007), 366, 367. zeichnungen für ’unermesslich viel’ gehen leicht in-

einander über.

Myrrhe

644 Ebenso nndl. myriade, ne. myriad, nfrz. myriade, nschw. myriad, nisl. myrı´a-. – Walz, J. A. ZDW 13 (1911/12), 30f.; DF 2 (1942), 168; Ganz (1957), 148f.; Cottez (1980), 260; Weiss, M. HS 109 (1996), 199–214.

Myrrhe Sf ’ein wohlriechendes Harz’ erw. fach. (8. Jh.),

mhd. mirr(e) m., mirre, ahd. mirra, myrra, murra. Aus l. murra, myrrha, murrha, dieses aus gr. my´rra, das semitischen Ursprungs ist (arab. murra zur Wurzel marru ’bitter sein’). Ebenso nndl. mirre, ne. myrrh, nfrz. myrrhe, nschw. myrra, nisl. myrra. – Müller, W. W. in Lendle (1986), 84; LM 6 (1993), 978f.; EWNl 3 (2007), 359.

Myrte Sf (Strauch mit ledrigen Blättern) erw. fach.

(10. Jh.), mhd. mirtelboum m., ahd. mirtilboum, mirre(n)boum m. Entlehnt aus l. murtus, myrtus m., dieses aus gr. my´rtos m., das semitischen Ursprungs ist. Ebenso nndl. mirt(e), ne. myrtle, nfrz. myrte, nschw. myrten, nisl. myrta. – Littmann (1924), 17; Röhrich 2 (1992), 1065; LM 6 (1993), 979.

Mysterium Sn ’Geheimnis, Unerklärliches’ erw. fremd.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. myste¯rium, dieses aus gr. myste¯´rion, zu gr. my´ste¯s m. ’ein in die eleusinischen Geheimnisse (= Mysterien) Eingeweihter’, eigentlich ’der die Augen schließt’ (im Gegensatz zum gr. epo´pte¯s ’Zuschauer’), ’der zum höchsten Grad gelangt ist’, zu gr. my´ein ’sich schließen’. Adjektiv: mysteriös; Verb: mystifizieren. Ebenso nndl. mysterie, ne. mystery, nfrz. myste`re, nschw. mysterium, nnorw. mysterium. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 149f.; DF 2 (1942), 168; Siegert (1950), 139f.; Rüther, G. in Schlüsselwörter 2 (1964), 68–91; HWPh 6 (1984), 263–267; LM 6 (1993), 981f.

Mystik Sf erw. fach. (16. Jh.). Bezeichnung religiöser

Erfahrung durch Verinnerlichung und Ekstase, entlehnt aus ml. (unio) mystica ’geheimnisvolle Einswerdung’, dieses zu gr. mystiko´s ’geheimnisvoll’ (ÞMysterium). Adjektiv: mystisch; Nomen Agentis: Mystiker; die Übertreibung oder unechte Mystik wird als Mystizismus bezeichnet. Ebenso nndl. mystiek, ne. mysticism (’Mystik, Mystizismus’), nfrz. mystique, nschw. mystik, nnorw. mystikk. – DF 2 (1942), 168; Siegert (1950), 140f.; LM 6 (1993), 982–993; Haas, A. M. in Ruh, K. (Hrsg.): Abendländische Mystik im Mittelalter (Stuttgart 1986), 319–341.

Mythos Sm erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus gr. my˜thos

’Wort, Erzählung’. Adjektiv: mythisch; Abstraktum: Mythologie. Ebenso nndl. mythe, ne. myth, nfrz. mythe, nschw. myt, nnorw. myte. – Betz, W. FS Maurer (1978), 21–31; Betz, W. in Mythos und Mythologie in der Literatur des 19. Jhs. Hrsg. H. Koopmann (Frankfurt 1979), 11–24; Horstmann, A. AB 23 (1979), 7–54; HWPh 6 (1984), 281–318; LM 6 (1993), 993–996; EWNl 3 (2007), 397.

N na Interj ’Ausdruck des Zögerns, des Unglaubens, der

nachäffen Vsw std. (16. Jh., etwas älter nachaffen). Ei-

Ungeduld’ u.ä. std. (16. Jh.). Vgl. als entsprechende Interjektion gr. ne¯, l. ne¯, russ. na, lit. na`. Vielleicht gedehnte Form der Negationspartikel ig. ne. Erweitert mit Þnun in nanu.

gentlich ’wie ein Affe nachahmen’. Vielleicht ist das Wort eine Umdeutung von älterem nachäfern ’wiederholen’ (letztlich zu Þaber). nachahmen Vsw std. (16. Jh.). Das Grundwort aus mhd.

a¯men, ¢men ’ausmessen, visieren’, zusammen mit nabÐ a, nava. Aus g. *nabo¯ f. ’Nabe’, auch in anord. no¸f, nach- in der Bedeutung ’dem Maß des Vorbilds entae. nafa m., nafu. Aus einem indogermanischen Wort, sprechend nachgestalten’ (auch -ohmen, ähmen). Das das ’Nabel’ und ’Nabe’ bedeutet, zu einer Grundlage mittelhochdeutsche Wort ist abgeleitet von mhd. a¯me, o¯me ’ein Flüssigkeitsmaß’ (ÞOhm 2). vollstufig *(e)neb h-, schwundstufig *onb h-. Vgl. ai. na¯´bhi- ’Nabel, Nabe’, ai. na´bhya- n. ’Nabe des Rades’, HWPh 6 (1984), 319–336; LM 6 (1993), 996. lett. naba ’Nabel’, apreuß. nabis ’Nabel, Nabe’. Dazu Nachbar Sm std. (8. Jh., Form 14. Jh.). Vereinfacht aus die l-Erweiterung, zu der auch ÞNabel gehört in l. mhd. na¯chgebu¯r(e), ahd. na¯hgibu¯r(o) aus wg. umbilı¯cus m. ’Nabel’, l. umbo m. ’Schildbuckel’, air. *n¢¯ hwa-gabu¯r(o¯n) m. ’Nachbar’, auch in ae. ne¯ahim(b)liu ’Nabel’, gr. omphalo´s ’Nabel, Schildbuckel’. gebu¯r, ne¯h(h)ebu¯r u.ä. Das Grundwort ist ein SoziaEbenso nndl. naaf, ne. nave, nschw. (hjul)nav, nisl. hjo´lnöf; tivum: ’einer, der am gleichen Wohnort (ÞBauer 1) ÞNabel, ÞNäber. – Darms (1978), 152f.; EWNl 3 (2007), 398f. wohnt’; zusammen mit ’nahe’ als ’einer, der in der Nabel Sm std. (8. Jh.), mhd. nabel(e), ahd. nabalo, naNähe (am gleichen Wohnort) wohnt’, entsprechend bulo, mndd. navel, mndl. navel, naffel. Aus g. anord. na´-bu´i. Abstraktum: Nachbarschaft; Adjektiv: *nab(u)lo¯n m. ’Nabel’, auch in anord. nafli, ae. nafela, nachbarlich. afr. navla. Zur Etymologie s. ÞNabe. Ebenso nndl. nabuur, ne. neighbour; Þnah(e), ÞBauer 1, Nabe Sf erw. fach. (9. Jh.), mhd. nabe, ahd. naba, as.

Ebenso nndl. navel, ne. navel, nschw. navel, anord. nafli. – Röhrich 2 (1992), 1066; EWNl 3 (2007), 409.

Näber (auch Naber) Sm ’Bohrer’ per. arch. (10. Jh.),

mhd. nabege¯r, ahd. nabage¯r(o), nagaber, s. nabÐ uge¯r, navuge¯r. Aus g. *naba-gaiza- m., auch in anord. nafarr, ae. nafuga¯r, eigentlich der ’Nabenspeer’ (zu ÞNabe und ÞGer); der Bohrer diente offenbar in erster Linie dem Zweck, Naben zu bohren. Nabob Sm ’reicher Mann’ per. exot. (18. Jh.). Entlehnt

aus ne. nabob ’jmd., der sich in Indien Reichtümer erworben hat’. Dieses aus hindı¯ nawwa¯b ’Befehlshaber (im Reich des Großmoguls)’, dieses aus arab. nuwwa¯b, Plural von arab. na¯ ib ’Stellvertreter, Statthalter’. Ebenso nndl. nabob, ne. nabob, nfrz. nabab, ndn. nabob, nnorw. nabob. – DF 2 (1942), 169; Rey-Debove/Gagnon (1988), 610f.

nach Adv/Präp std. (8. Jh.), mhd. na¯ch, ahd. na¯h, mndd.

ÞBauer 2. – Bader 2 (1962), 49–54; LM 6 (1993), 996.

Nachen Sm erw. fach. (10. Jh.), mhd. nache, ahd. nahho,

as. nako ’Schiff’. Aus g. *nakwo¯n m. ’Nachen’, auch in anord. no¸kkvi ’Schiff, Boot’, ae. naca. Mit falscher Ablösung des Anlauts (nach Akkusativen, die auf -n ausgehen) auch fr. a¯k(e), mndl. a¯ke und entsprechend in deutschen Mundarten. Herkunft unklar. Ebenso nndl. aak.

Nachfahr(e) Sm ÞVorfahr(e). nachgerade Adv ’schließlich’ erw. stil. (17. Jh.). Ur-

sprünglich niederdeutsches Wort, mndd. nagerade, älter narade, das sich wohl von mndd. ra¯t (anord. ro¸d)Ñ ’Reihe’ herleitet, wahrscheinlich weiter zu Þgerade 1; also ’nach der Reihe, der Reihe nach’. Die Bedeutung ’schließlich’ seit dem 17. Jh. nachhaltig Adj std. (18. Jh.). Über Nachhalt (eigentlich

’Rückhalt, was man zurückbehält’) abgeleitet von nachhalten ’andauern, wirken, anhalten’.

na, mndl. na. Aus g. *n¢ ¯ hwo¯ Adv. ’nahe, nach’, auch in gt. *ne§a, ae. ne¯ah, afr. ne¯i. Ursprünglich Adjektiv- Nachricht Sf std. (16. Jh., Form 17. Jh.). Gekürzt aus fnhd. nachrichtung oder parallel gebildet. Wie l. Adverb zu Þnah(e) mit der Bedeutungsentwicklung ¯ınstru¯ctio zunächst ’Unterweisung, Belehrung’ (nach ’nahe bei’ zu ’unmittelbar danach’. etwas ausrichten) dann verallgemeinert zu ’MitteiEndzelin, J. ZVS 62 (1935), 23–28; Henzen (1969), 24–85. lung’.

Nachrichter Nachrichter Sm ’Henker’ per. arch. (12. Jh.), mhd.

na¯chrihter ’der nach dem Richter seines Amtes waltet’. Ursprünglich Bezeichnung für eine untergeordnete Gerichtsperson, danach wie ÞScharfrichter ein verhüllender Ausdruck für ’Henker’. Angstmann (1928), 36–42; LM 6 (1993), 999.

nachschlagen Vst std. (14. Jh.), spmhd. na¯chslahen.

646 1987), 817–825; Röhrich 2 (1992), 1066f.; LM 6 (1993), 1000f.; EWNl 3 (2007), 403; EWahd 4 (2009), 22f.

Nachtschatten Sm erw. fach. (11. Jh.), mhd. nahtschate,

ahd. nahtscato. Bezeichnet ursprünglich im Plural die Dunkelheit, im Singular verschiedene Nachttiere. Die Übertragung auf Pflanzen ist unklar; vielleicht wegen der dunklen Beeren (Tollkirsche) und Blüten.

Schon ahd. slahan, anord. sla´ bedeutet auch ’den Vor- Nachttrut Sf ÞDrude. fahren nachschlagen’, vermutlich ausgehend von Nacken (weitgehend durch ÞGenick ersetzt) Sm std. ’eine Richtung einschlagen’. (8. Jh.), mhd. nac (nackes), nacke, ahd. nac, nacko ÞGeschlecht. ’Hinterhaupt, Nacken’. Aus g. *hnakka-/o¯n m. nachstellen Vsw std. (16. Jh.), mhd. stellen, mndd. stel’Hinterhaupt, Nacken’, auch in anord. hnakkr, hnaklen. Bedeutet auch ’Fallen (Netze, Schlingen) stellen ki. Daneben mit Ablaut mndl. necke, nec, afr. hnekka, für bestimmte Tiere’. Dann wird es verallgemeinert ae. hnecca. Außergermanisch wird mit abweichenzu ’auflauern’ und mit Þnach verbunden. dem Vokal verglichen air. cnocc, kymr. cnwch ’Buckel, Hügel’, toch. A kn˜uk ’Hals, Nacken’. Weitere Nacht Sf std. (8. Jh.), mhd. naht, ahd. naht, as. naht. Herkunft unklar. Nach Sommer zu dem lautnachahAus g. *naht- f. ’Nacht’, auch in gt. nahts, anord. na´tt, menden *knak- für das Knacken der Gelenke no´tt, ae. niht, n¢ht u.ä., afr. nacht. Dieses aus ig. (Þknacken). *nokt- f., auch in ai. na´kt-, gr. ny´x (nykto´s), l. nox

Ebenso nndl. nek, ne. neck, nschw. nacke, nisl. hnakki; ÞGenick, (noctis), air. nocht, kymr. nos, lit. naktı`s, akslav. nosˇtı˘, Þhartnäckig. – Knetschke (1956), 25–27; Sommer (1977), 11–13; toch. A noktim ’abends’, toch. B nekcı¯ye ’abends’. Röhrich 2 (1992), 1068; EWNl 3 (2007), 413f. Heth. nekuz mehur ’abends’ gehört zu heth. neku-, nackt Adj std. (9. Jh., ginackuton 8. Jh.), mhd. na’es wird Abend, es dämmert’. Dies lässt die Vermucke(n)t, ahd. nackot, mndd. naket, naken(t), mndl. tung zu, dass von ’Dämmerung, Abend’ auszugehen naect, nake(n)t. Aus g. *nakwada- Adj. ’nackt’, auch ist. Ein Ansatz *nekw- oder *nek w-, der ebenfalls aus in gt. naqaþs, anord. no¸kvidrÑ , ae. nacod, n¢cad, afr. dieser Form zu gewinnen sein könnte, würde gestützt nakad, naked, naken(d). Die gleiche Form ig. durch den Vokalismus des Griechischen. Adverb: w *nog ot- oder -od h- setzen voraus air. nocht, kymr. nachts; Adjektiv: nächtlich; Verb: nächtigen; Präfixabnoeth mit -t- und l. nu¯dus mit -d-. Daneben mit leitungen: um-, übernachten. n-Suffix ai. nagna´-, anord. nakinn, mndd. naken(t), Ebenso nndl. nacht, ne. night, nschw. natt, nisl. no´tt; afr. naken(d). Wieder anders heth. nekumant-. UnerÞMitternacht, ÞNachtigall, Þnächten. – Peeters, Ch. IF 79 weitert in akslav. nagu˘, dehnstufig in lit. nu´ogas, (1974), 31f.; Markey, T. L. FS Gimbutas ed. S. N. Skomal, E. C. sowie in anord. nøkkva ’entblößen’. Auch gr. gymno´s Polome´ (Washington 1987), 299–321; Röhrich 2 (1992), 1066; Griepentrog (1995), 476–479; EWNl 3 (2007), 403. wird mit unregelmäßiger Lautentwicklung hierhergestellt. Weitere Herkunft unklar. Nominalableitung: nächten Adv ’gestern (Abend)’ per. reg. (9. Jh.). EntNackedei. spricht mhd. nahti, ahd. nahti, an das unter Einfluss Ebenso nndl. naakt, ne. naked, (nschw. naken, nisl. nakinn); von Þmorgen die Endung Þ-en antrat. Eigentlich ÞGymnasium. – Röhrich 2 (1992), 1068; Heidermanns ’nachts’ im alten Sinn von ÞNacht ’Abend’, wobei (1993), 419f.; EWNl 3 (2007), 399. beim Sprechen im Präteritum nur der vergangene Nadel Sf std. (9. Jh.), mhd. na¯del(e), na¯lde, ahd. na¯dala, Abend gemeint sein kann. na¯del, na¯lda, as. na¯thla. Aus g. *n¢¯ þlo¯ f. ’Nadel’, auch Osthoff, H. IF 20 (1906), 213–217. in gt. neþla, anord. na´l, ae. n¢¯ dl, afr. ne¯dl, ne¯lde. InNachtigall Sf std. (8. Jh.), mhd. nahtegal(e), ahd. strumentalbildung zu Þnähen (’Mittel zum Nähen’), naht(a)-gala, as. nahtagala, nahtigala. Aus wg. *nahdann nach der spitzen Form übertragen. Außergerti-galo¯n f. ’Nachtigall’, auch in ae. nihtegalem. Der manisch entspricht air. sna´that, kymr. nodwydd. zweite Bestandteil gehört zu g. *gal-a- Vst. ’singen’ in Verb: nadeln. anord. gala, ae. galan, ahd. galan ’beschwören, ZauEbenso nndl. naald, ne. needle, nschw. na˚l, nisl. na´l. – Kluge bergesänge singen’; also eigentlich ’Nachtsängerin’ (1926), 52; Röhrich 2 (1992), 1068–1070; LM 6 (1993), 1002; (die Nachtigall singt spätabends, aber auch tagsüber). EWNl 3 (2007), 399; RGA 20 (2002), 489f. Entsprechend l. luscinia ’Nachtigall’ (zu l. canere nafzen Vsw ’schlummern’ per. reg. (8. Jh.), mhd. naf’singen’; Vorderglied vielleicht *lusci- in der unbezen, ahd. (h)naffezzen. Intensivbildung zu mhd. zeugten Bedeutung ’Dämmerung’, evtl. umgebildet *napfen, ae. hnappian, hn¢ppian ’einnicken, schlumaus *noks-). Das i der Kompositionsfuge ist regional mern’. Weitere Herkunft unklar. vor g entstanden (wie in ÞBräutigam und Rüdiger). Ebenso nndl. nachtegaal, ne. nightingale; Þgellen, Þgelt 1. – Schmidt, P. ZDA 51 (1909), 280–287; Schwarz, H. FS Trier (1954), 442–445; Szemere´nyi, O. Scripta Minora 2 (Innsbruck

Ebenso ne. nap. – Bahder (1925), 24.

Nagel Sm std. (8. Jh.), mhd. nagel, ahd. nagal, as. nagal,

negil. Aus g. *nagla- m. ’Nagel’, auch in anord. nagl

Name

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’Fingernagel’, anord. nagli ’Eisennagel’, ae. n¢g(e)l, akslav. na, russ. na Präp. ’auf, an, zu’ erscheint. Hierafr. neil, nı¯l; gt. in ganagljan ’annageln’ (dieses wie zu vielleicht auch akslav. vu˘znaku˘ ’zurückgeneigt, anord. negla, ae. n¢glian, as. neglian, ahd. nagalen, rücklings’, ai. na¯´ka- ’Firmament, näherer Himmel’. negilen, mhd. nagelen, negelen). Die Bedeutung ist Ausgangsbedeutung also etwa ’zugeneigt, in Richursprünglich ’Nagel an Finger und Zehe’, dann übertung auf, da’. tragen auf ’Holz- oder Drahtstift’ (möglicherweise Ebenso nndl. na, ne. near, nisl. na´-; Þnach, ÞNachbar. – Thienach dem verbreiteten Ende, das mit einem Fingerme, P. Zeitschrift der morgenländischen Geschichte 101 (1951), 412, Anm. 4.; Pisani, V. in Shrı¯ Maha¯vı¯ra Jaina Vidya¯laya, Golnagel verglichen wird). Außergermanisch entspreden Jubilee Volume I (Bombay 1968), 185f.; EWNl 3 (2007), chen Wörter ohne l-Erweiterung: air. ingen, kymr. 398; Schaffner, St. FS Klingenschmitt, 540–555. eguin ’Nagel’, l. unguis ’Nagel’, akslav. noga ’Fuß’ (lit. naga` f. ’Huf’, lett. nagas ’beide Hände, Hände und nähen Vsw std. (9. Jh., ginaen 8. Jh.), mhd. n¢jen, ahd. Füße’), lit. na˜gas ’Nagel’, gr. o´nyx ’Nagel, Kralle’. Vgl. na¯jan, mndd. neien, neigen u.ä., mndl. n(a)eyen. Aus ai. a´n˙ghri- ’Fuß’ und lautlich abweichend nakha´vd. *n¢ ¯ -ja-, das ursprünglich weiter verbreitet ge’Nagel, Kralle’. Der Lautstand ist auffällig uneinheitwesen sein muss, wie die Ableitung ÞNadel zeigt. Aulich; die Konsonanten sind n und gh, aber der Vokaßergermanisch vergleicht sich zunächst kymr. nyddu ’nähen’; sonst bedeutet das Verb ’spinnen’, so in l. lismus lässt sich kaum auf einen Nenner bringen. ne¯re, gr. neı˜n; vgl. air. sna´that ’Nadel’, mir. snı¯id Weitere Herkunft unklar. Verb: nageln. ’dreht, bindet’, lett. sna¯t ’locker zusammendrehen, Ebenso nndl. nagel, ne. nail, nschw. nagel, nisl. nagli; ÞNagelfluh, ÞOnyx. – Röhrich 2 (1992), 1070–1073; RGA 20 spinnen’. Die Bedeutungsentwicklung ist vermutlich (2002), 522–524; EWNl 3 (2007), 404. ’zusammendrehen − spinnen’ − nominal ’Faden’ und von dort aus ’nähen’. Nägelchen Sn, NägeleinSn ÞNelke. Nagelfluh Sf (Gesteinsart, Felswand) per. fach.

(18. Jh.). Schweizer Wort für eine Felswand aus der die eingesprengten Kiesel wie Nagelköpfe hervorstehen; zu ÞFluh ’Wand’ und ÞNagel. In hochsprachlichen Texten seit dem 18. Jh. nagelneu Adj std. stil. (15. Jh.). Von Anfang an über-

tragen gebraucht. Vielleicht ursprünglich ’neu genagelt’ (oder ’neu genietet’), aber bei derartigen Verstärkungswörtern können Erklärungen der Herkunft nur unter Vorbehalt gegeben werden. Vgl. Þfunkelnagelneu.

Nagelprobe Sf ’Prüfstein’ per. fach. (17. Jh.). Bezieht

Ebenso nndl. naaien; ÞNadel, ÞNaht, ÞNatter, ÞSchnur 1. – EWNl 3 (2007), 399.

nähren Vsw std. (8. Jh.), mhd. ner(e)n, ahd. nerien, ner-

ren, as. nerian. Aus g. *naz-eja- Vsw. ’nähren’, auch in gt. nasjan, ae. nerian ’retten’, afr. nera. Kausativum zu dem in Þgenesen erhaltenen starken Verb mit der ursprünglichen Bedeutung ’heimkommen, überstehen’. Die Ausgangsbedeutung ist also etwa ’überstehen machen, am Leben erhalten’. Abstraktum: Nahrung; Adjektiv: nahrhaft; Präfigierung: ernähren (mit Ernährer und Ernährung). EWNl 3 (2007), 415f.

Naht Sf std. (11. Jh.), mhd. na¯t, ahd. na¯t, mndd. na¯t,

sich auf eine seit dem 16. Jh. bezeugte Sitte (urmndl. naet, nayt. Aus vd. *n¢¯ -di- f. ’Naht’, Verbalabsprünglich wohl aus Skandinavien): Man stülpt das straktum zu Þnähen. Trinkgefäß, mit dem man auf jemandes Gesundheit Kluge (1926), 67; Röhrich 2 (1992), 1074; EWNl 3 (2007), 398. getrunken hat, über den Daumen der linken Hand, zum Zeichen, dass kein Tropfen zurückgeblieben ist, naiv Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. naı¨f, dieses aus l. na¯tı¯vus ’natürlich, ursprünglich, angeboren’, zu l. der den Nagel nass machen könnte. na¯tus ’Geburt’, zu l. na¯scı¯ ’gezeugt werden, geboren Ebenso nndl. nagelproef, nschw. nagelprov. – Lemmer, M. werden’ (älter gna¯-, zu ig. *gen¡- ’geboren werden’). Sprachpflege 32 (1983), 71f.; Röhrich 2 (1992), 1073. Abstraktum: Naivität. nagen Vsw std. (9. Jh., angargnago 8. Jh.), mhd. nagen Ebenso nndl. naı¨ef, ne. naı¨ve, nfrz. naı¨f, nschw. naiv, nnorw. (älter Vst.), ahd. -nagan, älter -gnagan, as. gnagan, naiv; ÞGenus. – Feldmann, W. ZDW 8 (1906/07), 81; DF 2 nagan, knagan. Aus g. *gnag-a- Vst. ’nagen’, auch in (1942), 169–174; Brunt (1983), 387; HWPh 6 (1984), 359–362; anord. gnaga, ae. gnagan. Außergermanisch entspreEWNl 3 (2007), 404f. chen zwei wenig verbindliche Formen: lett. gn¸˜ega Name Sm std. (8. Jh.), mhd. nam(e), ahd. namo, as. ’einer, der mit langen Zähnen isst’, avest. aiβi.γnixtanamo. Aus g. *namo¯n m. (mit Schwundstufe der Ab’angenagt, angefressen’. Nomen Agentis: Nager. leitungssilbe in der Flexion) ’Name’, auch in gt. Ebenso nndl. knagen, ne. gnaw, nschw. gnaga, nisl. naga; namo, anord. nafn n., ae. nama, afr. nama, noma. ÞGnagi, Þnaschen, Þnecken. – Seebold (1970), 233f.; Röhrich Außergermanisch vergleichen sich ai. na¯´ma n., toch. 2 (1992), 1073f.; EWNl 3 (2007), 88; EWahd 4 (2009), 506–508. A n˜om, toch. B n˜em, gr. o´noma n., l. no¯men n., akslav. nah(e) Adj std. (8. Jh.), mhd. na¯ch, na¯her, ahd. na¯h, as. ime˛ n., apreuß. emnes, air. ainm(m) n., kymr. enw. na¯h. Aus g. *n¢ ¯ hwa- Adj. ’nah’, auch in gt. ne§(a), Mit unregelmäßig entwickeltem Anlaut heth. lamananord. na´, ae. ne¯ah, afr. ne¯i. Am ehesten eine Adjekn. Das Wort ist nur im Konsonantismus einwandfrei tivbildung aus einer lokalen Partikel *ne¯, die etwa als vergleichbar, der Ablaut im Vokalismus ist undurch-

namentlich schaubar. Ähnliche Wörter auch im Finnisch-Ugrischen, so dass hier wohl ein sehr altes Wort vorliegt. Adjektiv: namhaft. Namenstag ist (wie sonst der Geburtstag) die persönliche Feier am Tag des Heiligen, dessen Namen man trägt. Ein Namensvetter ist derjenige, der den gleichen Namen trägt. Ebenso nndl. naam, ne. name, nschw. namn, nisl. nafn. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞNomen, zur griechischen Þanonym; Þnennen. – Gutenbrunner, S. Proceedings of the 7th International Congress of Onomastic Sciences. Hrsg. H. Drayl (Louvain 1966), 1–6; HWPh 6 (1984), 364–389; Laur, W.: Der Name (Tübingen 1989); Röhrich 2 (1992), 1074f.; LM 6 (1993), 1009; Beekes, R.S.P. Sprache 33 (1987), 1–12; EWNl 3 (2007), 399f.; Neri, S.: Riflessioni sull’ apofonia radicale di proto-germanico *namo¯ ’nome’ HSF 118 (2005), 201–250.

namentlich Adv ’vornehmlich’ std. (13. Jh., Form

15. Jh.), mhd. name(n)lı¯che, nem(e)lı¯che(n), mndd. nemeliken. Älter mit, bı¯ namen. Ursprünglich ’ausdrücklich (mit Namen) genannt’; dann − wenn von mehreren in Frage kommenden nur einige mit Namen genannt werden − im Sinne von ’vornehmlich’. nämlich Adv std. (13. Jh.), mhd. name(n)lı¯che. Dasselbe

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oder ’Verschnürung’ auszugehen wäre. Man verknüpft bei dieser Annahme vor allem (ohne große Sicherheit) lit. ne´rti ’einfädeln, einrenken, verschränken’, lett. ne˜rt ’die Spitze des Bastschuhs zusammenziehen’. Denkbar ist schließlich auch ein Bedeutungsansatz ’geschrumpft’ und ’Schrumpfung’ in Bezug auf lautlich ähnliche Wortsippen wie ahd. snerfan Vst. ’schrumpfen’. Adjektiv: narbig; Präfixableitung: vernarben. ÞNehrung. – Lindquist, A. MASO 4 (1941), 159f.; Heidermanns (1993), 421; EWNl 3 (2007), 415.

Narde Sf ’ein Duftstoff’ per. arch. (9. Jh.), mhd. narde

m./f., ahd. nartha, narda u.ä. Entlehnt aus l. nardus, das seinerseits entlehnt ist, doch ist der Ursprung und der Entlehnungsweg unklar (gr. na´rdos, ai. na´lada- n., hebr. ne¯r ed). Ebenso nndl. nardus, ne. (spike)nard, nfrz. nard, nschw. nardus, nisl. nardusjurt. Vgl. auch gt. nardus.

Narkose Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus gr. na´rko¯sis, einer

Ableitung von gr. narka´ein ’erstarren, lähmen, betäuben’, dazu gr. na´rke¯ ’Lähmung’. Adjektiv: narkotisch; Verb: narkotisieren; Konkretum: Narkotikum.

Ebenso nndl. narcose, ne. narcosis, nfrz. narcose, nschw. narkos, Wort wie unter Þnamentlich angeführt, mit Umlaut nnorw. narkose. – DF 2 (1942), 175f.; Cottez (1980), 263. nach Kürzung der Suffixsilbe. Die Bedeutung ist also ’ausdrücklich (mit Namen) genannt’, deshalb heute Narr Sm std. stil. (8. Jh.), mhd. narre, ahd. narro, mndd. zur Einführung einer genaueren Bestimmung. narre-. Das Wort ist nur deutsch (oder aus dem Deutschen entlehnt). Herkunft unklar. Verb: (ver-)narren; Behaghel 3 (1928), 217f. Adjektiv: närrisch; Abstrakta: Narrheit, ÞNarretei. Napf Sm std. stil. (9. Jh.), mhd. napf, naph, ahd.

(h)napf, as. hnapp. Aus g. *hnappa- m. ’Napf’, auch in anord. hnappr ’Schale, Schüssel’, ae. hn¢p, hn¢p(p). Herkunft unklar. Ebenso nndl. nap, nschw. dial. napp. – Hildebrandt, R. DWEB 3 (1963), 369f.; Lühr (1988), 233f.

Naphtha Sn (auch f.) ’Erdöldestillat’ per. fach. (16. Jh.).

von Blumenthal, A.: Hesych-Studien (Stuttgart 1930), 43; Puchta-Mähl, Ch. M.: Wan es zu ring umb uns beschait (Heidelberg 1986); Röhrich 2 (1992), 1075–1078; LM 6 (1993), 1023–1026; EWNl 3 (2007), 405; Bursch, H. in Souvenirs. Hrsg. H. und W. Bursch (Bonn 2005), 53–59.

Narretei Sf erw. obs. (17. Jh.). Gekürzt aus älterem Nar-

renteiding zu ÞTeiding ’leeres Gerede’ (Þverteidigen). Entlehnt aus gr. naphtha ’Erdöl’ (wohl über l. naphNarrifex Sm ÞFex. tha). Das griechische Wort aus pers. naft ’Erdharz, Narwal Sm (Delphinart) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt Erdöl’, das vielleicht zu den indogermanischen Feuchtigkeitswörtern mit einer Grundlage *neb h- ge- aus nschw. narval, ndn. narhval, dieses zu anord. na´hvalr. Der zweite Bestandteil ist das Wort ÞWal, hört (ÞNebel). der erste ist unklar (zu dem Wort für ÞNase, da der Ebenso nndl. nafta, ne. naphta, nfrz. naphte, nschw. nafta, nisl. Narwal ein Horn trägt?). Man vergleicht anord. na´r nafta. – DF 2 (1942), 175; EWNl 3 (2007), 404. ’Toter, Leiche’ wegen der weißlichen Farbe, doch ist Nappaleder Sn (ein weiches Leder) per. fach. (20. Jh.). dies nicht sehr wahrscheinlich. Entlehnt aus ne. nap(p)a leather, das nach der kalifornischen Stadt Napa bezeichnet ist, wo das zugrunde liegende Bearbeitungsverfahren entwickelt wurde. Ebenso nndl. nappa, ne. nap(p)a, nschw. nappa, nnorw. nappaskinn. – EWNl 3 (2007), 405.

Narbe Sf std. (12. Jh.), mhd. narwe, nar(e) m./f., mndd.

Ebenso nndl. narwal, ne. narwhal, nfrz. narval, nschw. narval, nisl. na´hvalur. – EWNl 3 (2007), 406.

Narzisse Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. narcissus m.,

dieses aus gr. na´rkissos m./f., wahrscheinlich Lehnwort, das sekundär wegen des starken Duftes der Blume an gr. na´rke¯ ’Lähmung’ angeschlossen wurde (ÞNarkose).

nare, narwe m./f. Formal handelt es sich um die Substantivierung eines Adjektivs wg. *narwa- ’eng’ in ae. Ebenso nndl. narcis, ne. narcissus, nfrz. narcisse, nschw. narciss, nearu(-we) (ne. narrow), as. naru (nndl. naar), wobei nnorw. narsiss. – DF 2 (1942), 176f.; EWNl 3 (2007), 405f. der Bedeutungsübergang unklar bleibt; vgl. immerhin ÞNehrung, das sich auch auf eine schmale enge Narzissmus Sm ’krankhafte Eigenliebe’ per. fach. (20. Jh.). Nach der griechischen Sage von Narkissos, Erhebung bezieht. Vielleicht aber auch (zusätzlich?) einem schönen Jüngling, der sich in sein Spiegelbild mit s mobile zu ÞSchnur 1, so dass etwa von ’Naht’

Natter

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verliebte, an dieser Liebe zugrunde ging und in eine Narzisse verwandelt wurde. Von S. Freud als Terminus der Tiefenpsychologie aufgenommen und von dort aus weiter verbreitet. Ebenso nndl. narcisme, ne. narcissism, nfrz. narcissisme, nschw. narcissism, nnorw. narsisme. – HWPh 6 (1984), 401–406; EWNl 3 (2007), 406.

naschen Vsw std. (11. Jh.), mhd. naschen, ahd. nasco¯n.

Nassauer Sm ’jmd., der ständig bei andern isst oder sie

sonst in Anspruch nimmt’ erw. stil. (19. Jh.). Dazu nassauern. Scherzhafte Umbildung nach dem Städte-

namen Nassau aus berlinerischem for nass u.ä. ’umsonst’. Dieses wohl aus rotw. nassenen ’schenken’ (aus wjidd. nossenen). Die Geschichte mit dem Freitisch des Fürsten von Nassau ist eine Herkunftslegende.

Schröder, E. HBV 36 (1938), 167f.; Stammler (1954), 167–170; Daneben ndd. gnaschen, nschw. snaska. Das Wort beWolf (1985), 228; Röhrich 2 (1992), 1085. deutet eigentlich ’knabbern’ und gehört zu Þnagen. Nation Sf std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. na¯tio (-o¯nis), Präfigierung: vernaschen; Adjektiv: naschhaft. einer Ableitung von l. na¯scı¯ (na¯tus sum) ’geboren Nase Sf std. (8. Jh.), mhd. nase, ahd. nasa, mndd. nese, werden’, das mit l. genus n. ’Geschlecht, Art, Gattung’ nase, mndl. nose, neuse, nuese. Aus g. *nas(o¯) f. verwandt ist. Ausgangsbedeutung ist also ’Gemein’Nase’, auch in anord. no¸s, ae. n(e)osu, afr. nose. Aus schaft von Menschen derselben Herkunft’; daran anig. *nas- (der Ansatz von a ist etwas unbequem, wird schließend dann die Bedeutungskomponenten aber durch das Indische offenbar erzwungen) ’Nase’. ’gleiche Kultur, Sprache usw.’ Die Römer nannten Da das Wort mehrfach auf einen Plural oder Dual fremde Völker nationes oder gentes. Nach Übernahzurückführt, wird es wohl ursprünglich ’Nasenloch’ me des Christentums bezeichnet gentes speziell die bedeutet haben. Es könnte zu ig. *an¡- ’atmen’ geHeiden, dadurch Beginn der Einengung der Bedeuhören (nach Fritz zu einem s-Stamm aus dieser tung von Nation. Adjektiv: national; Abstrakta: Grundlage). Zu vergleichen sind ai. nas-, Dual na¯´sa¯, l. Nationalität, Nationalismus; Täterbezeichnung: na¯ris, lit. no´sis, russ.-kslav. nosu˘m. Der Fisch Nase Nationalist. heißt nach seinem vorstehenden Oberkiefer. VielEbenso nndl. natie, ne. nation, nfrz. nation, nschw. nation, leicht ist das Wort in dieser Bedeutung entlehnt aus l. nnorw. nasjon. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞGenus. – na¯sus m. ’Nase’ (oder Bedeutungsentlehnung, was in Gombert, A. ZDW 3 (1902), 321f.; DF 2 (1942), 177–184; Kodiesem Fall nicht entscheidbar ist). Verb: näseln. Zu sing, A.: Nation in Geschichte und Gegenwart (Berlin 1976); der lateinischen Entsprechung gehört nasal ’durch die Kahl, H.-D. in Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter. Nase gesprochen’ und nasalieren. Hrsg. H. Beumann/ W. Schröder (Sigmaringen 1978), 63–108; Ebenso nndl. neus, ne. nose, nschw. näsa, nisl. nös ’Nasenloch’; Þnuscheln, ÞNüster. – Röhrich 2 (1992), 1078–1084; Griepentrog (1995), 323–351; Fritz, M. HS 109 (1996), 1–20; EWNl 3 (2007), 419.

Nasenstüber (Zuerst in der Form Nasenstieber) Sm

’Stoß an die Nase, Tadel’ erw. obs. (17. Jh.). Zu Þstieben mit späterer umgekehrter Schreibung. naseweis Adj std. (16. Jh.), mhd. nasewı¯se, mndd. ne-

sewı¯s, mndl. nosewijs, nueswijs. Ursprünglich vom Jagdhund gesagt (’mit feiner, kundiger Nase’). Zu Þweise in älterer allgemeinerer Bedeutung. Die heutige Bedeutung durch spöttischen Gebrauch wie bei Þaltklug. Nashorn Sn std. (16. Jh.). Lehnübersetzung aus l. rhı¯-

nocero¯s m. zu gr. rino´kero¯s m. LM 6 (1993), 1032.

nass Adj std. (8. Jh.), mhd. naz, ahd. naz. Aus g. *nata-

HWPh 6 (1984), 406–414; Grosse, R. ZPhSK 38 (1985), 481–488; Fehrenbach, E. PSG 7 (1986), 75–107; GB 7 (1992), 141–431; LM 6 (1993), 1035–1040; EWNl 3 (2007), 406f.

Natrium Sn (ein Alkalimetall) erw. fach. (19. Jh.). Der

deutsche Chemiker Andreas S. Marggraf fand Mitte des 18. Jhs. heraus, dass die damals Soda, Natron und Pottasche genannten Stoffe als zwei verschiedene Arten von Alkali aufzufassen sind. 1807 gelang Humphry Davy aus diesen als Ausgangsmaterialien zwei unterschiedliche Elemente herzustellen, die er Sodium und Potassium nannte; in Deutschland und anderen Ländern wurden die Bezeichnungen Natrium und Kalium vorgezogen. Zur Bezeichnungsgeschichte s. Alkali. Natron Sn erw. fach. (16. Jh.). Ursprünglich anatron

(mit dem arabischen Artikel). Entlehnt aus arab. anatru¯n. Zur Bezeichnungsgeschichte s. Alkali. Ebenso nndl. natron, nfrz. natro, natrum, nschw. natron, nisl.

Adj. ’nass’, außerdeutsch nur indirekt bezeugt durch natron. – DF 2 (1942), 185; Kiesler (1994), 144; Tazi (1998), 123; gt. (ga)natjan ’benetzen’. Herkunft unklar. In der BeUnger (2006), 177–180. deutung am nächsten steht gr. no´tios ’nass’, doch Natter Sf std. (8. Jh.), mhd. na¯ter(e), ahd. na¯t(a)ra, na¯macht der Lautvergleich Schwierigkeiten. Abstrakter, as. na¯dra. Aus g. *nadra- m., *nadro¯ f. ’Natter’ tum: Nässe. (Belege mit erwiesener Länge im MittelhochdeutEbenso nndl. nat; Þnetzen. – Lindquist, A. SMS 19 (1956) schen erzwingen kaum den Ansatz einer westgerma(= FS Heinertz), 69f.; Röhrich 2 (1992), 1084f.; Heidernischen Form mit Länge; eher ist mit sekundärer manns (1993), 422; Schmidt, W. P. in Germanenprobleme Dehnung zu rechnen), auch in gt. nadrs m., anord. (1986), 161; Hamp, E. P. NOWELE 3 (1984), 49–51 (nicht annadrÑ m., nadrÑ a, ae. n¢d(d)re. Mit Verlust des anlaunehmbar); EWNl 3 (2007), 406. tenden n durch falsche Ablösung ne. adder, nhd. (aus

Natur

650 2

dem Ostmitteldeutschen) ÞOtter . Außergermanisch Nazi Sm std. stil. (20. Jh.). Parodistische Analogiebilvergleichen sich air. nath(a)ir, kymr. neidr, l. natrix dung zu Sozi für Sozialist (ÞSozialismus), beliebt bei den süddeutschen Gegnern des Nationalsozialismus ’Wasserschlange’. Vielleicht weiter zu (ig.) *(s)ne¯’drehen, winden’ (Þnähen). wegen der Verwendung des Kurznamens Nazi (aus Ignatius) als Bezeichnung für eine täppische Person. Natur Sf std. (9. Jh.), mhd. natu¯re, ahd. natu¯ra. Ist entVielleicht spielt auch das noch ältere Inter-Nazi (zu lehnt aus l. na¯tu¯ra, eigentlich ’Geburt’, zu l. na¯scı¯ Internationale) als Bezeichnung für die Sozialisten (na¯tus sum) ’geboren werden’. Adjektiv: natürlich. eine Rolle. Die ältere Kürzung Nazi für nationalEbenso nndl. natuur, ne. nature, nfrz. nature, nschw. natur, sozial (seit 1903 bezeugt) hat wohl nicht mitgewirkt. nisl. na´ttu´ra. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞGenus. – DF Die Bezeichnung wurde teilweise als Trotzwort von 2 (1942), 185–189; Patzer, H.: Physis (Marburg 1945); Sallden Nationalsozialisten selbst übernommen, dann mann, K. AB 7 (1962), 140–284; Budde, A. VWP 42 (1966), aber unterbunden. Es wurde dann von den Exildeut42–67; Pellicier, A.: Natur (Paris 1966); Nobis, H. M. AB 11 (1967), 37–58; Nobis, H. M. AB 13 (1969), 34–57; Spaemann, R. schen im Ausland verbreitet und kam nach dem AB 11 (1967), 59–74; Zellmer, E.: Die lateinischen Wörter auf Krieg nach Deutschland zurück. -ura (Frankfurt/Main 1976); GB 4 (1978), 215–244; HWPh 6 (1984), 421–478; Casper, B. in Der umstrittene Naturbegriff. Hrsg. F. Böckle (Düsseldorf 1987), 31–44; Röhrich 2 (1992), 1085f.; LM 6 (1993), 1040–1043; EWNl 3 (2007), 408.

Naturalien Spl ’landwirtschaftliche Produkte’ erw.

Ebenso nndl. nazi, ne. Nazi, nfrz. nazi, nschw. nazist, nnorw. nazi. – Mautner, F. H. MLN 59 (1944), 93–100; Majut, R. ZDPh 77 (1958), 291–316; EWNl 3 (2007), 410.

Nebbich Sm (auch Interj.) ’unbedeutender Mensch’,

neuerdings auch für ’dummes Zeug’ per. vulg. (19. Jh.). Aus wjidd. nebech ’armes Ding’, auch Ausruf. Dieses aus poln. nieboga, nieboz˙˛e ’armes Ding’. Nebel Sm std. (8. Jh.), mhd. nebel, ahd. nebul, as. nebÐ al. Aus g. *nebula- m. ’Nebel, Dunkelheit’, auch in Ebenso nndl. naturalie¨n, nschw. naturalier, nnorw. naturalia. anord. njo´l(a) f. ’Nebel, Nacht’, ae. neowol, nifol u.ä. naturalisieren Vsw ’einbürgern’ per. fach. (17. Jh.). Ent’dunkel’, afr. nevil ’Nebel’ (Vokalismus und Zusamlehnt aus frz. naturaliser, das auf eine ursprünglichere mengehörigkeit im einzelnen nicht ausreichend Bedeutung von ÞNatur zurückgreift. klar). Außergermanisch stehen am nächsten l. nebula Ebenso nndl. naturaliseren, ne. naturalize, nfrz. naturaliser, f. ’Dunst, Nebel’, gr. nephe´le¯ f. ’Wolke, Gewölk’. Diese nschw. naturalisera, nnorw. naturalisere. weiter zu ai. na´bhas- n. ’Nebel, Dunst, Gewölk’, akNaturell Sn ’Eigenschaften, Wesen’ erw. fremd. (17. Jh.). slav. nebo n. ’Himmel’. Weitere Herkunft unklar. VerEntlehnt aus frz. naturel, substantiviert aus frz. nawandt ist eventuell ÞNimbus, doch die Lautverhältturel ’natürlich’. Gemeint sind also eigentlich die nisse sind unklar. Adjektiv: nebelig; Verb: (be-, ver-) ’natürlichen Wesensmerkmale’. nebeln. Das ebenfalls hierhergezogene nebulös ist aus dem Französischen entlehnt und stammt aus einer Ebenso nndl. naturel, nschw. naturell, nnorw. naturell. – EWNl 3 (2007), 407f. Ableitung aus der lateinischen Entsprechung (l. nebulo¯sus ’benebelt’). Naue (Nähe) Smf ’Lastboot, Fährschiff’ per. fach. Ebenso nndl. nevel; Þnibeln. – Sjölin, B. It Beaken 25 (1963), (13. Jh.), mhd. na¯we, n¢we. Entlehnt aus l. na¯vis f. 319–324; Röhrich 2 (1992), 1086; Heidermanns (1993), 423f.; ’Schiff’. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus l. na¯tu¯ra¯lia, substantivierter Neutrum Plural von l. na¯tu¯ra¯lis ’zur Natur gehörig’. Zunächst in allgemeinem Sinn verwendet, wie noch in dem obsoleten Naturalienkabinett.

Kluge (1911), 377; Öhmann, E. NPhM 41 (1940), 147.

Nautik Sf ’Schifffahrtskunde’ per. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus gr. nautike¯` (te´chne¯) zu gr. nautiko´s ’zur Schifffahrt gehörig’, über gr. nau´te¯s ’Seemann’ zu gr. nau˜s ’Schiff’. Adjektiv: nautisch. Ebenso nndl. nautiek, ne. nautics, nfrz. art nautique, nschw. nautik, nnorw. nautisk. S. ÞNavigation zum verwandten lateinischen Wort. – DF 2 (1942), 189; EWNl 3 (2007), 408f.

EWNl 3 (2007), 420.

neben Adv/Präp std. (11. Jh.), mhd. neben(t), ahd. ne-

ben. Gekürzt aus mhd. eneben, ahd. ineben, as. an eban, ae. on efn. Zu Þin und Þeben; die Ausgangsbedeutung ist also etwa ’in gleicher Weise’, daraus die heutige Bedeutung. Behaghel 2 (1924), 30; EWNl 3 (2007), 420.

Nebenbuhler Sm std. (17. Jh.). Neubildung aus ÞBuhle

und buhlen als Ersatzwort für ÞRivale. ÞBuhle. ga¯tio (-o¯nis) ’Schifffahrt’, zu l. na¯viga¯re ’schiffen, segeln, fahren’, zu l. na¯vis ’Schiff’ und l. agere ’treiben, Nebensache Sf std. (17. Jh.). Als Gegensatz zu älterem betreiben’. Zunächst in sehr allgemeiner Bedeutung Hauptsache gebildet. Adjektiv: nebensächlich. verwendet; dann Spezialisierung ’Kursbestimmung’. nebst Präp std. (17. Jh.). Die Präposition Þneben wird Verb: navigieren. niederdeutsch mit der adverbialen Genetiv-Endung Ebenso nndl. navigatie, ne. navigation, nfrz. navigation, nschw. versehen (mndd. nevens[t]). Dies wird zu fnhd. nenavigation, nnorw. navigasjon. S. ÞNautik zur griechischen bens, an das ein t anwächst, worauf zu nebst gekürzt Entsprechung. – DF 2 (1942), 189; Jones, W. J. SN 51 (1979), wird. 265; LM 6 (1993), 1066–1070; EWNl 3 (2007), 409f.

Navigation Sf per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. na¯vi-

neigen

651 Necessaire Sn erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz.

ne´cessaire; dieses aus l. necessa¯rius ’notwendig’. Ebenso nndl. necessaire, ne. necessary, nschw. necessär, nnorw. necess¢r. – DF 2 (1942), 189.

necken Vsw std. (11. Jh., Form 14. Jh.). Älter ahd.

nehmen Vst std. (8. Jh.), mhd. nemen, ahd. neman, as.

niman neman. Aus g. *nem-a- Vst. ’nehmen’, auch in gt. niman, anord. nema, ae. niman, afr. nima, nema. Außergermanisch vergleicht sich zunächst eine Sippe, die ’nehmen, kaufen’ bedeutet, aber allenfalls eine Reimvariante ist: l. emere ’nehmen, kaufen’, air. fo˜ ti ’nehmen, ereim, -foı´m, -fo´em ’nimmt an’, lit. im greifen’, akslav. je˛ti ’nehmen, fassen’. Daneben eine Sippe *nem-, die lautlich genau vergleichbar ist, aber ’geben’ bedeutet; vor allem gr. ne´mo¯ ’ich teile aus, eigne mir an, besitze’, avest. n¡mah- ’Darlehen’. Der Zusammenhang der beiden Komplexe ist unklar. Das Abstraktum in Ab-, Auf-, Entnahme.

binecken. Das Wort scheint eine Intensiv-Bildung zu Þnagen zu sein. Abstraktum: Neckerei; Adjektiv: neckisch. Neffe Sm std. (9. Jh.), mhd. neve, ahd. nevo, as. nebÐ o. Aus g. *nefo¯n m. ’Enkel, Neffe’, auch in anord. nefi, ae. nefa. Die weiblichen Formen ÞNichte und ÞNift(el) weisen auf den älteren t-Auslaut. Zu ig. *nepo¯t- m. ’Enkel’, später auch ’Neffe’ in ai. na´pa¯t, lit. Ebenso nndl. nemen, nschw. dial. nimma, nisl. nema. Zur grienepuotis, l. nepo¯s (-o¯tis), air. nia(e) ’Schwestersohn’, chischen Verwandtschaft s. ÞNomade, zur lateinischen gr. anepsio´s ’Geschwisterkind’. Für ’Neffe’ schien die ÞNummer; Þbenehmen, Þbenommen, Þgenehm, ÞVernunft, indogermanische Sprache kein Wort zu haben. Als Þvornehm. – Benveniste (1969/1993), 65–70; Seebold (1970), das Bedürfnis nach einer Bezeichnung entstand, 357–359; Szemere´nyi, O. FS Meid (1989), 359–368; Röhrich 2 wurde das Wort aufgenommen, das der Großvater (1992), 1087; EWNl 3 (2007), 414; Lindeman, F. O. HSF 116 (2003), 303–307. (der ja in alter Zeit in der gleichen Familie wohnte wie derjenige, der seinen ’Neffen’ bezeichnen wollte) zur Nehrung Sf per. fach. (16. Jh.). Älter nerge. Gehört zu Bezeichnung seiner Kindeskinder benützte. Der entdem unter ÞNarbe behandelten Adjektiv (g.) *narwastehenden Mehrdeutigkeit wurde ausgewichen, ’eng’, ist also eigentlich die ’Enge’. Morphologisch indem für ’Enkel’ neue Wörter eingeführt wurden. unklar. Ebenso nndl. neef; ÞNichte. – Mezger, F. ZVS 76 (1960), 296–302; Benveniste (1969/1993), 182–185; Szemere´nyi (1977), 48–53; Müller (1979); Ruipe´rez (1984); Hettrich, H. AL 27 (1985)[1987], 462–464; Jones (1990), 106–131; EWNl 3 (2007), 411f.

negativ Adj Þnegieren. Neger Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. ne`gre, das wie

das vermittelnde span. negro eine Nachfolgeform von l. niger ’schwarz’ ist. Ausgangsbedeutung also ’Schwarzer’. Ebenso nndl. neger, ne. negro, nschw. neger, nisl. negri. – DF 2 (1942), 191; EWNl 3 (2007), 412f.

Negerkuss Sm ’schokoladeüberzogenes Gebäck’ per.

ndd. (20. Jh.). Für das wesentlich ältere, jetzt süddeutsche Mohrenkopf; vielleicht entstanden in Anlehnung an ÞBaiser. Eichhoff, J. FS Martin (1980), 170–173.

negieren Vsw erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. nega¯re

Karsten, T. E.: Die Germanen (Berlin 1928), 73.

Neid Sm std. (8. Jh.), mhd. nı¯t, ahd. nı¯d(h), as. nı¯th. Aus

g. *neiþa- n. /m. ’Neid, Groll’, auch in gt. neiþ n., anord. nı´d Ñ n., ae. nı¯d,Ñ afr. nı¯th. Außergermanisch vergleicht sich air. nı´th ’Kampf’. Weiteres (etwa toch. AB n˜a¯tse ’Gefahr’) ist unklar. Adjektiv: neidisch; Verb: (be-)neiden. Kroes, H. W. J. GRM 36 (1955), 79; Hilmarsson, J. Tocharian & IE. Studies 5 (1991), 137–139; HWPh 6 (1984), 695–706; Röhrich 2 (1992), 1087; Udolph (1994), 52f.; EWNl 3 (2007), 424.

Neidnagel (auch Niednagel, Nietnagel, Notnagel) Sm

’ins Fleisch eingewachsener Nagel’ per. fach. (17. Jh.). Offensichtlich ausgegangen von nndl. nijdnagel unter der Vorstellung, dass eine solche Belästigung vom Neid eines anderen verursacht wird. Deshalb auch frz. les envies für die gleiche Erscheinung. Ebenso nfrz. envie, nndl. nijdnagel. – Kroes, H. W. J. GRM 36 (1955), 79 (zu kneifen).

(nega¯tum). Das Adjektiv Þnegativ hat ausgehend von Neige Sf erw. phras. (13. Jh.), mhd. neige. Bedeutet ’verneinend’ im Sinne von ’das Gegenteil behaupunter anderem ’Senkung, wo es nach unten geht’ und tend’ später auch die Bedeutungen ’invers geladen’ dann übertragen ’Ende’. Seit dem 15. Jh. ’letzter Inbzw. ’inverses Bild’. Abstraktum: Negation. halt eines Gefäßes’. Zu Þneigen. Ebenso nndl. nege´ren, ne. negate, nfrz. nier, nschw. negera, nnorw. negere. – DF 2 (1942), 189–191; HWPh 6 (1984), 666–686; EWNl 3 (2007), 412, 413.

Neglige´ Sn ’leichter Morgenrock’ erw. obs. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. (habillement) ne´glige´ m., wörtlich ’nachlässige Kleidung’, dem PPrät. von frz. ne´gliger ’vernachlässigen’, dieses aus l. negligere. Ebenso ne. negligee, nschw. neglige´, nnorw. neglisje´. Das lateinische Verb zu l. nec ’und nicht’ und einem Verb, das gr. ale´gein ’beachten’ entspricht, also ’missachten’; Þintelligent, ÞReligion. – DF 2 (1942), 191–193; EWNl 3 (2007), 413.

neigen Vsw std. (8. Jh.), mhd. nı¯gen Vst. ’sich neigen’,

mhd. neigen Vsw. ’neigen machen, beugen’, ahd. (h)nı¯gan, -neigen, as. hnı¯gan, -hne¯gian. Aus g. *hneigw-a- Vst. ’sich neigen’ in gt. hneiwan, anord. hnı´ga, ae. hnı¯gan, afr. hnı¯ga. Das Kausativum auch in gt. -hnaiwjan, anord. hneigja, ae. hn¢ ¯ gan. Außergermanisch entspricht nur l. co¯nı¯ve¯re ’die Augen schließen’. Auf den emotionalen Bereich übertragen (ab-, zu-)geneigt mit dem Abstraktum (Ab-, Zu-)Neigung; Präfigierung: verneigen.

nein

652 Ebenso nndl. neigen, nschw. niga, nisl. hnı´ga. Zur lateinischen Entsprechung s. Þrenitent; Þnicken. – Seebold (1970), 265f.; Schulze (1933), 599f.; EWNl 3 (2007), 413, 424.

nein Ptkl std. (9. Jh.), mhd. nein, ahd. nein, nain, as.

ne¯n. Eigentlich ’nicht eines’, beschränkt auf die verneinende Antwort, vergleichbar etwa mit l. no¯n, al. noenum aus ne + oinom. In den übrigen germanischen Sprachen ist die Verbindung ein pronominales Adjektiv geblieben, so anord. neinn, ae. na¯n, afr. na¯n, ne¯n ’kein’. Für ’nein’ steht gt. ne, eine Dehnungsform der Verneinungspartikel; anord. nei, ae. na¯, no¯, afr. na¯, no¯ vermutlich aus *ne aiwin ’niemals’ (zweiter Bestandteil Þje). Präfixableitung: verneinen. Ebenso nndl. nee(n); Þnicht, Þnie, Þnimmer, Þnur, Þun-. – Röhrich 2 (1992), 1087; EWNl 3 (2007), 411.

Nekrolog Sm ’Nachruf, Totenverzeichnis’ per. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. ne´crologue ’Totenliste’, dieses aus ml. necrologium n., zu gr. nekro´s ’Leiche, Leichnam, der Tote’ und gr. lo´gos ’Rede, Mitteilung, Schrift’. Ebenso nndl. necrologie, ne. necrologue, nschw. nekrolog, nnorw. nekrolog; ÞLogik. – DF 2 (1942), 194; Cottez (1980), 264; LM 6 (1993), 1086; EWNl 3 (2007), 410.

Nektar Sm ’der Unsterblichkeit verleihende Trank der

Götter’, dann auch ’Blütenhonig, Süßgetränk’ erw. bildg. (16. Jh.). Entlehnt aus l. nectar n., dieses aus gr. ne´ktar n. Die weitere Herkunft ist nicht geklärt. Ebenso nndl. nectar, ne. nectar, nfrz. nectar, nschw. nektar, nnorw. nektar. – Schoppe, G. ZDW 15 (1914), 195; Kretschmer, P. AÖAW 84,4 (1947), 39–43; Thieme, P. BVSAW 98 (1952), 5–15; Schmitt, R. in GS Güntert (1974), 155–163; EWNl 3 (2007), 411f.

Nelke Sf std. (13. Jh.). Über neilke entstanden aus

mndd. negelken, dessen hochdeutsche Entsprechung ÞNägelchen, Nägelein ist, so schon ahd. negillı¯(n) n. Gemeint waren ursprünglich die Gewürznelken, die wegen ihrer Form mit kleinen handgeschmiedeten Nägeln verglichen wurden (vielleicht nach dem Vorbild von l. cla¯vulus m. ’kleiner Nagel’). Im 15. Jh. wurde die Bezeichnung auf die Gartennelken wegen des Duftes übertragen. Marzell 2 (1972), 101–103; Sauerhoff (2001), 191–193.

Nell Sn ’Trumpfneun beim Jass’ per. schwz. (20. Jh.).

Übernommen aus nndl. nel gleicher Bedeutung. Aus älterem mene´l, das aus frz. manille f. ’Trumpfkarte’ kommt. Dieses aus span. carta malilla ’schlechtere Karte’ für die zweithöchste Trumpfkarte. Ebenso nndl. nel. – EWNl 3 (2007), 414.

nennen Vsw std. (8. Jh.), mhd. nennen, nemmen, ahd.

nemnen, nemmen, nennen, as. nemnian. Aus g. *namn-ija- Vsw. ’nennen’, auch in gt. namnjan, anord. nefna, ae. nemn(i)an, afr. namna, nemna, nanna, nenna. Ableitung von ÞName mit dem Suffix in der Schwundstufe. Entsprechend l. no¯mina¯re zu l. no¯men und gr. onoma´zein zu gr. o´noma. Ausgangsbedeutung also ’einen Namen geben’. Ebenso nschw. nämna, nisl. nefna. – EWNl 3 (2007), 428.

Nenner Sm ’Zahl unter dem Bruchstrich’ erw. fach.

(15. Jh.). Aus ml. denominator gleicher Bedeutung übersetzt. neo- LAff Wortbildungselement mit der Bedeutung

’neu-, neugebildet’ (z.B. in Neologismus, neolithisch; Neo-Faschismus) erw. bildg. (–). Aus gr. ne´os ’neu’ und dessen Kompositionsform übernommen in gelehrten Bildungen und dann zur Bezeichnung von Nachfolgern künstlerischer oder politischer Richtungen verwendet. Cottez (1980), 265f.; Dreizehnter, A. in Welskopf 5 (1981), 313–321; EWNl 3 (2007), 414; Kinne, M. Die Präfixe post-, praeund neo- (Tübingen 2000).

Neon Sn (ein Gas, das in Leuchtröhren verwendet

wird) erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. neon, dem substantivierten Neutrum von gr. ne´os ’jung, neu’. So benannt als ’das neu entdeckte (Gas)’. Ebenso nndl. neon, ne. neon, nfrz. ne´on, nschw. neon, nisl. neon. – Gerlach (1962), 71.

neppen Vsw ’für eine Ware einen höheren Preis verlan-

gen als angemessen; betrügen’ std. vulg. (19. Jh.). Aus rotw. neppen (Nomen Agentis Nepper, Nomen Actionis Neppe) ’unechte, falsche, minderwertige Ware (meist unter Hinweis auf einen ’Notverkauf’) als hochwertig verkaufen’, meist Uhren oder Ringe; die ältesten Belege zeigen das Nomen Agentis Nepper. Deutlich älter (18. Jh.) ist (als herabsetzende Berufsbezeichnung) Fellnepper ’ambulanter Händler, der einfache Felle als (teure) Gämsenfelle oder ausländische Felle ausgibt und verkauft; Betrüger’; fellneppen ’betrügen’. Das Wort ist isoliert und offenbar ein Ausdruck der Händlersprache, also Rotwelsch. Anschluss findet es bei einem sehr seltenen Nepper (14. Jh.) ’Lehnsmann mit der Verpflichtung, dem Herrn bei seiner Anwesenheit den Tisch zu decken’. Dieses schließt sich an an me. naperer ’person having charge of the Royal table linen’, ml. napparius ’Diener, der für die Tischwäsche zuständig ist’, weiter zu ml. nappa, einer romanischen Variante von ml. mappa, das ursprünglich ’Tuch’ bedeutet (vgl. Mappe und e. napkin). Daraus ergibt sich für das Nomen Agentis eine Bildungsbedeutung ’derjenige, der für die (Tisch-) Tücher zuständig ist’ (im Englischen wurde daraus ein Amtstitel, wie etwa bei d. Marschall, eigentlich ’Pferdeknecht’). Entsprechend muss es ein gleich gebautes (rotwelsches) Wort gegeben haben, das ’derjenige, der mit Tuch handelt’ bedeutet hat (in den Stadtrechten u.ä. sind die ambulanten Händler in erster Linie Tuchhändler), dann möglicherweise Verallgemeinerung zu ’ambulanter Händler’. Von diesem Ausdruck ist nur Fellnepper geblieben, vermutlich weil das Wort als Händlerschelte allgemein gebraucht wurde (die Bedeutung wäre also ’ein ambulanter (Tuch-)Händler, der (auch) mit Fellen handelt’, woraus sich durch die allgemeine Erfahrung die negative Bedeutung ergab. Das Wort, das die Stel-

653

Netzhaut

le des allgemeinen negativen Ausdrucks einnahm, Nestel Smf ’Schuhband’ erw. reg. (8. Jh.), mhd. nestel f., war offensichtlich Schotte, das häufig neben Fellnepahd. nestila, nestel f. nestilo m., as. nestila f. ’Band’. Wie afr. ne¯stla m. eine Weiterbildung (vermutlich Verper genannt wird (auch Fellschotte kommt vor). Abkleinerung) zu einem *nasta-, das nur noch in agutn. straktum (modern): Nepp. Nepp und neppen sind ernast ’Nestel’ und der Entlehnung finn. nasta ’Stift, sichtlich Rückbildungen aus Nepper. Ebenso nndl. neppen. – Weissbrodt, E. ZDPh 64 (1939), 308; Zwecke’ fassbar ist, deutsch in ahd. nast-eid ’NestWolf (1985), 230 (anders); D. Adrian Beiers Allgemeines handEid’ (s.u.); regional süddeutsch heißt der Haarknoten lungs-, kunst-, berg- und handwercks-lexicon (Jena 1722) der (verheirateten) Frauen Nest. Im Ablaut dazu (unter fellnepper und schotten). anord. nist(i) n. ’Schnalle, Brosche’, ae. nos(t)le Nerv Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. nervus ’Sehne, ’Band’. Morphologisch nicht recht durchsichtige BilFlechse, Nerv’, zunächst in allgemeiner Bedeutung dungen zu einer Grundlage (ig.) *ned-, als deren Be(vgl. etwa nervig ’sehnig’), dann, wohl nach dem Vordeutung ’binden, knüpfen’ angesetzt werden kann bild des Englischen, spezialisiert auf die heutige Beund zu der auch ÞNetz und l. no¯dus m. ’Knoten’ gedeutung. Das lateinische Wort ist verwandt mit gr. hören. Mit dem Nest-Eid konnte in alter Zeit die verneu˜ron n. ’Sehne’ und bedeutet ursprünglich ’Sehne, witwete Frau die Herausgabe der ihr verweigerten Band’. Adjektiv: nervös; Präfixableitung: entnerven Morgengabe erzwingen. Sie schwor dabei mit der lin(als Ersatzwort für das aus dem Französischen stamken Hand auf der rechten Brust und darüber hängenmende enervieren). dem linkem Zopf (in Salzburg ’mit fliegendem Haar Ebenso ne. nerve, nfrz. nerf, nschw. nerv, nnorw. nerve. – Gomund mit den Händen bedeckten Brüsten’), welche bert, A. ZDW 3 (1902), 322; Schoppe, G. ZDW 15 (1914), 196; Güter ihr der Mann als Morgengabe gegeben hatte. DF 2 (1942), 195–201; Ganz (1957), 151f.; Röhrich 2 (1992), Als unbekräftigter Eineid, der gegebenenfalls sogar 1087f.; EWNl 3 (2007), 415, 416. über den Besitz von Grundstücken entschied, ist dieNerz Sm erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus obsorb. no´rc ses Verfahren für die alte Zeit singulär. Hierzu auch (spmhd. nerz, nörz, norz, nurz, nürz). Das slavische nesteln ’knüpfen, aufknüpfen’. Verb: nesteln. Wort (russ. no´rka usw.) bedeutet eigentlich Ebenso nndl. nestel; ÞNessel, ÞNetz. – LM 6 (1993), 1098; EWNl 3 (2007), 417. ’Taucher’ (der Nerz ist ein Wassertier). Ebenso nndl. nerts, nschw. nerts, nnorw. nerts. – Eichler Nesthäkchen Sn ’zuletzt ausgebrütetes Vögelchen eines (1965), 87f.; EWNl 3 (2007), 416. Nests’, meist übertragen ’jüngstes Kind’ std. stil. Nessel Sf std. (9. Jh.), mhd. nezzel, ahd. nezzila, as. ne(17. Jh.). Das Wort hat sich in ostmitteldeutscher tila u.ä. Aus wg. *natilo¯n f. ’Nessel’, auch in ae. Form durchgesetzt, es gehört zu Þhocken, wie net(e)le, netel. Dies ist eine Weiterbildung zu einem Nesthocker und ähnliche Formen zeigen. älteren *nato¯n, das noch erhalten ist in ahd. nazza, nett Adj std. (15. Jh.). Übernommen aus mndl. net(t), gutnisch nata. Außergermanisch vergleichen sich mit das seinerseits aus frz. net, nette stammt. Dieses aus l. *net- (statt wie vom Germanischen vorausgesetzt nitidus ’glänzend’. *ned-) mir. nenaid, lit. no˜tere˙ (u.ä.) ’Nessel’. Ganz Ebenso nschw. nätt, nnorw. nett; Þnetto. – DF 2 (1942), 201; unsicher ist der Vergleich mit gr. adı´ke¯ ’Nessel’ (aus EWNl 3 (2007), 417f. *nd-?) − auch gr. knı´de¯, knı´za ’Brennnessel’ sieht lautnetto Adv std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. (peso) netto ˙ lich ähnlich aus. Wegen der lautlichen Unklarheit ist ’reines (Gewicht)’; dieses aus l. nitidus ’blank, weiterer Anschluss an *ned- ’knüpfen’ (ÞNestel) unschmuck, schön aussehend’, zu l. nite¯re ’glänzen’. sicher. Sachlich wäre die Möglichkeit gegeben, da aus Ebenso nndl. netto, ne. net, nfrz. net, nschw. netto, nnorw. der Nessel früher ein leichtes Gewebe hergestellt netto; Þnett. – Schirmer (1911), 134; DF 2 (1942), 201; EWNl 3 wurde (Nesseltuch oder Nessel m., später aus Baum(2007), 418. wollgarnen hergestellt). Netz Sn std. (8. Jh.), mhd. netze, ahd. nezzi, as. net(ti). Ebenso nndl. netel-, ne. nettle, nisl. netla; ÞNetz. – Hoops Aus g. *natja- n. ’Netz’, auch in gt. nati, anord. net, (1911/19), III, 309f.; Nordstrandh, I.: Quecke und Brennessel afr. *net ’Netz’, afr. nette ’Netzhaut’, ae. nett. Daneben (Lund 1953); Röhrich 2 (1992), 1088; Udolph (1994), 52; mit Dehnstufe anord. no´t f. ’Zugnetz’. Als ’das GeEWNl 3 (2007), 418. knüpfte’ zu l. no¯dus m. ’Knoten’ und ähnlichen WörNest Sn std. (8. Jh.), mhd. nest, ahd. nest, mndd. nest, tern. mndl. nest. Aus wg. *nista- n. ’Nest’, auch in ae. nest. Ebenso nndl. net, ne. net, nschw. nät, nisl. net; ÞNessel, Dieses aus ig. *nizdo- in ai. nı¯da´- m., arm. nist, air. net ÞNestel. – Röhrich 2 (1992), 1091f.; LM 6 (1993), 1099; EWNl 3 ˙ m., l. nı¯dus m., und wohl daraus umgebildet lit. lı`zdas (2007), 417. m., akslav. gneˇzdo. Ableitung aus ig. *ni ’nieder’ und netzen (meist benetzen) Vsw std. stil. (8. Jh.), mhd. netder Schwundstufe von *sed- ’sitzen’, also *ni-zd-ozen, ahd. nezzen, mndd. netten. Wie gt. natjan ein ’Ort, an dem man niedersitzt, nistet’. Das Verb ai. Faktitiv zu Þnass, also ’nass machen’. ni-sad- ist in der Bedeutung ’nisten’ bezeugt. Ebenso nndl. nest, ne. nest; Þnieder, Þnisten. – Röhrich 2 Netzhaut Sf erw. fach. (18. Jh.). Lehnübertragung aus (1992), 1088–1090; EWNl 3 (2007), 416. ml. retina gleicher Bedeutung (zu l. re¯te n. ’Fisch-

neu

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netz’): Seit dem 3. vorchristlichen Jh. verglichen die antiken Ärzte die Haut des Augenhintergrunds mit einem Fischnetz.

Ebenso nndl. neuralgie, ne. neuralgia, nfrz. ne´vralgie, nschw. neuralgi, nnorw. neuralgi. – Cottez (1980), 267.

Neurologie Sf ’Wissenschaft vom Nervensystem’ per.

fach. (18. Jh.). Gelehrte Bildung aus gr. neu˜ron n. ’Nerv’ und Þ-logie. niuwi. Aus g. *neu-ja- Adj. ’neu’, auch in gt. niujis, Ebenso nndl. neurologie, ne. neurology, nfrz. neurologie, nschw. anord. ny´r, ae. nı¯we, ne¯owe, afr. nı¯e. Dieses aus ig. neurologi, nnorw. neurologi; ÞNerv. – DF 2 (1942), 202; Cottez *neu-jo- Adj. ’neu’ in ai. na´vya-, gr. neio´s, lit. nau˜jas, (1980), 267; HWPh 6 (1984), 760–769. air. nu´a, naue, kymr. newydd. Daneben ohne j-Suffix heth. newa-, ai. na´va-, toch. AB n˜u, toch. B n˜uwe, Neurose Sf (eine psychische Störung) erw. fach. n˜we, gr. ne´os, akslav. novu˘, l. novus. Vielleicht eine (19. Jh.). Gelehrte Bildung aus gr. neu˜ron ’Nerv’ und Hochstufe zu *nu ’jetzt’ (Þnun). Abstraktum: dem auch in ÞThrombose vorkommenden griechischen Suffix für Krankheitsnamen. Neuigkeit; Verb: neuern; Adverb: neulich; Nominalableitung: Neuling. Ebenso nndl. neurose, ne. neurosis, nfrz. ne´vrose, nschw. neuros,

neu Adj std. (8. Jh.), mhd. n(i)uwe, ahd. niuwi, as.

Ebenso nndl. nieuw, ne. new, nschw. ny, nisl. ny´r. Zur lateinischen Verwandtschaft s. ÞNovum, zur griechischen Þneo-; Þneun. – HWPh 6 (1984), 725–731; Röhrich 2 (1992), 1092; Heidermanns (1993), 425f.

neun AdjNum std. (9. Jh., niungeldo ’neunfaches Ent-

nnorw. neurose. – DF 2 (1942), 202; Cottez (1980), 267; EWNl 3 (2007), 419.

neutral Adj std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. neutra¯lis, dieses

aus l. neuter ’keiner von beiden’, aus l. ne ’nicht’ und l. uter ’einer von beiden’ (ÞNeutrum). Abstraktum: Neutralität; Verb: neutralisieren.

gelt’ 8. Jh.), mhd. niun, ahd. niun, as. nigun. Aus g. *newun ’neun’, auch in gt. niun (zweisilbig!), anord. Ebenso nndl. neutraal, ne. neutral, nfrz. neutre, nschw. neutral, nı´u, ae. nigon, afr. nigun, niugun, niogen. Aus ig. nnorw. nøytral. – Schoppe, G. ZDW 15 (1914), 196; DF 2 (1942), *(e)newn ’neun’, auch in ai. na´va, toch. A n˜u, gr. 202f.; GB 4 (1978), 315–370; EWNl 3 (2007), 420. enne´a, l.˙novem (Endung nach decem ’zehn’), air. noı´, Neutron Sn ’Elementarteilchen ohne elektrische Lakymr. naw, lit. devynı`, akslav. deve˛tı˘ (Anlaut nach dung’ per. fach. (20. Jh.). Von dem englischen Physidem Zahlwort für ’zehn’). Üblicherweise wird verker Chadwick gebildet aus l. neutrum ’keines von beimutet, dass das Wort ursprünglich ’neu’ bedeutete, den’ und dem Wortausgang von ÞElektron 1. da man mit Hilfe der Finger ohne Daumen zählte, Ebenso nndl. neutron, ne. neutron, nfrz. neutron, nschw. neumit ’acht’ beide Hände aufgebraucht waren (und tron, nnorw. neutron, nøytron. – Rey-Debove/Gagnon (1988), somit neu begonnen werden musste), vgl. osset. fa615; EWNl 3 (2007), 420. rast ’neun (= über acht)’. Neuere Untersuchungen Neutrum Sn erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. neutrum gehen aber davon aus, dass der Name für ’neun’ in ’keines von beiden’ (l. ne + l. utrum ’welcher von parallelen Fällen eher auf ’(10) minus 1’ zurückgeht beiden’); dieses eine Lehnübersetzung von gr. oude´(Holmer). Deshalb wird versucht, an ig. *e¯neuteron. Mit diesem ist eigentlich ’Zwitter’ gemeint ’ohne’ anzuschließen und als Grundbedeutung (weil sich das Neutrum auf Maskulinum + Femini’ohne (einen)’ (’lacking one finger’) anzusetzen. num beziehen kann); später dann als ’keines von beiDiese Hypothesen sind allerdings ziemlich verwiden’ verstanden. Adjektiv: Þneutral. ckelt.

Ebenso nndl. neutrum, ne. neuter, nfrz. neutre, nschw. neuEbenso nndl. negen, ne. nine, nschw. nio, nisl. nı´u; ÞNovember. trum, nnorw. nøytrum. – DF 2 (1942), 203; Strunk, K. FS Un– Hamp, E. P. Michigan Germanic Studies 2 (1976), 1f.; termann (1993), 455–463. Shields, K. Diachronica 2 (1985), 194f.; Voyles, J. JEGP 86 (1987), 487–495; Meyer/Suntrup (1987), 581–590; Röhrich 2 Nexus Sm ’Verbindung, Zusammensetzung’ per. fach. (1992), 1093; Ross/Berns (1992), 589f., 602, 619; EWNl 3 (20. Jh.). Entlehnt aus l. nexus, zu l. nectere (nexus) (2007), 412; Holmer, M. N. A˚rsbok 1963/64, 14–48; Blazˇek, V. ’anknüpfen, binden’. HSF 112 (1999), 188–203; Kenter, F. K. HSF 117 (2004), 13f. Ebenso ne. nexus, nschw. nexus, nnorw. neksus; Þannektieren, ÞKonnexion. – HWPh 6 (1984), 798f. Neunauge Sn ’Lamprete’ per. fach. (10. Jh.), mhd.

niunouge, ahd. niunouga, mndd. negenoge, mndl. ne- nibbeln Vsw ’durch Ausstanzen kleiner Stücke Bleche genoge. Der Fisch hat außer dem seitlich stehenden trennen’ per. fach. (20. Jh.). In die GegenwartsspraAuge je ein Nasenloch und sieben Kiementaschen. che entlehnt aus ne. to nibble ’knabbern’. LM 6 (1993), 1103f.

Neuntöter Sm (Vogel) per. fach. (16. Jh.). Das Benen-

nungsmotiv ist unklar; die vorgebrachten Erklärungen sind wohl aus dem Namen herausgesponnen. Suolahti (1909), 151.

Neuralgie Sf ’Nervenschmerzen’ per. fach. (19. Jh.).

Gelehrte Bildung aus gr. neu˜ron ’Nerv’ und gr. a´lgos ’Schmerz’ (mit dem Abstraktsuffix -ı´a). Adjektiv: neuralgisch.

nibeln Vsw ’fein regnen’ per. reg. (14. Jh.), spmhd. ni-

belen. Zu ÞNebel gebildet. nicht Ptkl std. (8. Jh.), mhd. niht, ahd. niowiht, niwiht

u.ä., as. neowiht u.ä. Zusammengerückt aus *ne aiwin wihtes (Negationspartikel + Þje + ÞWicht), also ’nicht eines Wesens’, auch in ae. na¯wiht, no¯wiht u.ä. Einfacher gt. ni waihts. Die Partikel tritt zur Verstärkung neben die einfache Satzverneinung ni und ver-

Niere

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drängt diese schließlich. Präfixableitung: vernichten; Modifikation: nichtig; Adverb: Þnichts. Ebenso nndl. niet, ne. not; Þnein, Þnichts, Þniemand, Þun-. – Lenz (1991); EWNl 3 (2007), 422.

Nichte Sf std. (16. Jh.). Ursprünglich niederdeutsche

nieder Adv std. (8. Jh.), mhd. nider, ahd. nidar, as. ni-

thar. Aus g. *niþra- Adv. ’nieder’, auch in anord. nidrÑ , ae. niþer, afr. nither, nether u.ä. Adverbiale tr-Bildung (neben t-Bildungen) zu ig. *ni ’nieder, unten’ in ai. nı´ ’nieder’, ai. nitara¯´m ’abwärts’, akslav. nizu˘ ’hinab, hinunter’. Adjektiv: niedrig.

Form, die seit dem 16. Jh. das hd. ÞNift(el) 9. Jh., zu verdrängen beginnt. Mndd. nichte(le), mndl. nichte, Ebenso nndl. neder, ne. nether, nschw. ned-, nisl. niduÑ r; Þnieden, ÞNest. – EWNl 3 (2007), 412. nifte, mhd. niftel(e), ahd. nift(a), niftila, niftel aus g. *nefti- f. ’Nichte’, auch in anord. nipt, ae. afr. nift. niederkommen Vst std. (9. Jh., ’herunterkommen’ Dieses aus ig. *nepti¡- f. ’Enkelin’, später auch 8. Jh.), mhd. (kindes) niderkomen ’gebären’. Zu ni’Nichte’ in ai. naptı¯´-, l. neptis, alit. nepte˙˜, air. necht. derkomen ’herabkommen, sich zu Bett legen, sich nieMit Schwundstufe des Suffixes und Motionssuffix derlegen’. Vielleicht war frz. accoucher (d’un enfant) gebildet aus dem Wort ÞNeffe (dort auch zu den Bedas Vorbild für die verhüllende Ausdrucksweise (vgl. deutungsverhältnissen). anord. liggja a´ golfi ’gebären’, ne. lie in the straw Szemere´nyi (1977), 53; Jones (1990), 106–131; EWNl 3 (2007), ’gebären’). Abstraktum: Niederkunft. 421.

nichts Pron std. (13. Jh.). Ursprünglich (spätmittel-

hochdeutsch) ein Genetiv zu Þnicht, der zu einem Akkusativ umgedeutet wurde. Mit eingewirkt hat vielleicht die Verstärkung nihtesniht ’überhaupt nicht(s)’, bei der der zweite Bestandteil weggelassen wurde. Behaghel 1 (1923), 400f.; HWPh 6 (1984), 805–836; Röhrich 2 (1992), 1094f.; LM 6 (1993), 1128–1130; EWNl 3 (2007), 423.

Nickel Smn erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus nschw. ni-

niederträchtig Adj std. (15. Jh.). Zuerst als nidertrechtic

’herablassend’ zu mhd. sich tragen ’sich benehmen’ (also ’sich nach unten benehmend’). Im 16. Jh. dazu auch hochträchtig ’hochfahrend’. Im 18. Jh. verschlechtert sich die Bedeutung zu ’sittlich gemein’, wozu dann als Rückbildung das Substantiv Niedertracht. Niederung Sf erw. fach. (9. Jh., Bedeutung 17. Jh.),

mhd. niderung, ahd. nidarunga, mndd. ned(d)eringe. Ist eine Abstraktbildung zu dem heute nicht mehr gebräuchlichen niedern, mhd. nider(e)n, ahd. nidaren ’niedrig machen, erniedrigen’, bedeutet also ’Erniedrigung’; ’niedrig Liegendes’ erst seit dem 17. Jh.

ckel. Der schwedische Mineraloge von Cronstedt, der als erster das Metall rein darstellte, gab ihm 1754 die Bezeichnung nickel als Kurzform von nschw. kopparnickel ’Kupfernickel’, aus dem es gewonnen wurde. Das Kupfernickel hieß so nach einem Scheltwort der niedlich Adj std. (15. Jh.). Übernommen aus dem Nieerzgebirgischen Bergleute, die vergeblich aus ihm derdeutschen (as. niudlı¯ko Adv. ’eifrig’, 9. Jh.), die Metall zu gewinnen suchten (sie hielten es für eine hochdeutsche Entsprechung in mhd. nietlı¯che(n) Kupfer-Legierung): So wie ÞKobalt eigentlich ’mit Verlangen, mit Eifer’. Im Niederdeutschen wird ÞKobold ist, so ist Kupfernickel aus dem Scheltwort das Wort auf Speisen bezogen und bedeutet dann Nickel gewonnen, das eine vermummte Schreckge’appetitlich’. In dieser Form setzt es sich in der Hochstalt bezeichnet (nach den vermummten Personen, sprache durch, wird dort aber wohl durch Þnieder die am Vorabend des Nikolaustages die Kinder bebestimmt (etwa ’klein und fein’). Das niederdeutsche suchten). Wort gehört zu wg. *neuda- m. ’Wunsch, Verlangen’ Ebenso nndl. nikkel, ne. nickel, nfrz. nickel, nschw. nickel, nisl. in ae. ne¯od, as. niud, ahd. niot. Dieses weiter zu einem nikull. Vgl. ÞQuarz. – Lüschen (1979), 104, 260. Verbum, das in lit. (pa)nu¯´sti ’große Lust bekommen, nicken Vsw std. (9. Jh.), mhd. nicken, mndd. nicken, gelüsten’ bezeugt ist. Präfixableitung: verniedlichen. mndl. nicken. Intensivbildung zu Þneigen. Dagegen ˚

ÞNot. – Arhammar, N. R. PhF 1988 (1989), 116f. ist einnicken ’einschlafen’ ein anderes Wort: es beruht auf mhd. nücken. Zu diesem: Nickerchen. Niednagel Sm ÞNeidnagel. EWNl 3 (2007), 91f.

nie Adv std. (8. Jh.), mhd. nie, ahd. nio, as. nio, neo.

niemand Pron std. (8. Jh.), mhd. nieman, niemen, ahd.

nioman, as. neomann. Verneinte Form von Þjemand. Zusammengerückt aus der Negationspartikel *ne Þnicht. – Behaghel 1 (1923), 399f.; Röhrich 2 (1992), 1096; EWNl 3 (2007), 422. und Þje aus *aiwin, wie auch ae. na¯, no¯. In gt. ni aiw sind die beiden Bestandteile noch getrennt. Niere Sf std. (9. Jh.), mhd. nier(e) m., ahd. nioro, nier Þewig, Þnein, Þnimmer, Þun-. – Röhrich 2 (1992), 1096. m., mndd. nere, mndl. ni(e)re. Aus g. *neuro¯n m. ’Niere, Hode’, auch in anord. ny´ra n. Dieses aus ig. nieden Adv ’unten’ erw. obs. (9. Jh.), mhd. niden(e), (eur.) *neg wh-ro- in gr. nephroı´ Pl. ’Nieren’, pränestin. ahd. nidana, as. nidaÑ na. Aus g. *niþano¯ ’unten’ (älter (ital.) nefrones Pl. ’Nieren’. Weitere Herkunft unklar. wohl ’von unten her’), auch in anord. nedaÑ n ’von Ebenso nndl. nier, nschw. njure, nisl. ny´ra. – Röhrich 2 (1992), unten her’. Adverbialverbindung aus der gleichen 1097; LM 6 (1993), 1145f.; EWNl 3 (2007), 422. Grundlage wie Þnieder. Þhienieden. – Henzen (1969), 216f., 239f.

nieseln

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nieseln Vsw ’schwach regnen’ erw. obd. (18. Jh.). Her-

kunft unklar. Þpieseln.

niesen Vstsw std. (9. Jh.), mhd. niesen, ahd. niosan. Aus

Nikotin Sn std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. nicotine, das

gebildet wurde zu frz. nicotiane f. ’Tabakpflanze’ − die Bezeichnung ist gebildet aus dem Namen des Gesandten Nicot, der als französischer Gesandter in Portugal als erster diese Pflanze an Katharina von Medici sandte und den Tabak in Frankreich einführte.

g. *hneus-a- Vst. ’niesen’, auch in anord. hnjo´sa. Daneben anord. fny´sa, ae. fne¯san und me. snese(n), ne. Ebenso nndl. nicotine, ne. nicotine, nfrz. nicotine, nschw. nisneeze. Gehört zu einer größeren Zahl schallmalender kotin, nnorw. nikotin. – DF 2 (1942), 204; EWNl 3 (2007), 421. Bildungen mit dieser Bedeutung, die einander zwar ähnlich, aber nicht auf eine Grundform zu vereinigen Nille Sf ’männliches Geschlechtsglied’ per. vulg. sind. (20. Jh.). Herkunft unklar. Wahrscheinlich zu mhd. Ebenso nndl. niezen, nschw. nysa; Þschnauben. – Seebold nel, ahd. hnel ’Spitze, Kopf, Gipfel’. (1970), 269; EWNl 3 (2007), 423f.

Nießbrauch Sm erw. fach. (17. Jh.). Übersetzt aus

gleichbedeutendem l. u¯sus fru¯ctus. Dabei betont Brauch (Þbrauchen) das bestehende Recht, Nieß- gehört zu Þgenießen. LM 6 (1993), 1146.

Nieswurz Sf per. fach. (12. Jh.), mhd. nies(e)wurz. Wie

as. hnioswurt benannt nach der zum Niesen reizenden Wirkung des aus der Wurzel gewonnenen Pulvers. Marzell 2 (1972), 799f.; LM 6 (1993), 1146.

Niete1 Sf ’Metallbolzen’ std. (13. Jh., biniotan 8. Jh.),

mhd. niet(e), mndd. ne¯t-. Späte Ableitung zu ahd. pihniutit Präs. Vst. ’befestigen’, anord. *hnjo´daÑ ’hämmern, schmieden’. Weitere Herkunft unklar; vgl. aber ahd. niuwan ’stoßen’, anord. hno¸ggva ’erniedrigen, berauben’. Seebold (1970), 268; EWNl 3 (2007), 422f.; RGA 21 (2002), 199f.

Niete2 Sf ’Los, das nicht gewonnen hat’ std. (18. Jh.).

Nimbus Sm ’besonderes Ansehen, Strahlenglanz’ per.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. nimbus ’Heiligenschein, strahlender Glanz, der die Köpfe der Heiligen umgibt; Nebelhülle der Götter auf der Erde’ (eigentlich ’Wolke, Regenwolke, Nebel’). Ausgehend von ’Wolke’ verwenden die römischen Schriftsteller u.a. das Wort zur Bezeichnung der Nebelhülle, in der sie die Götter auf der Erde erscheinen lassen; hiervon dann übertragen auf die Darstellung der Heiligen mit einem ihre Köpfe umgebenden strahlenden Glanz. Daraus dann übernommen für ’die Meinungen, die eine besondere Person umgeben und ihr Ansehen ausmachen’. Ebenso nndl. nimbus, ne. nimbus, nfrz. nimbe, nschw. nimbus, nnorw. nimbus; ÞNebel. – Schoppe, G. ZDW 15 (1914), 196; DF 2 (1942), 204f.; LM 6 (1993), 1194.

nimmer Adv std. (9. Jh.), mhd. niemer, nim(m)er, ahd.

niome¯r. Zusammengerückt aus den Entsprechungen von Þnie und Þmehr. Die positive Entsprechung ist Þimmer.

Þnein. Entlehnt aus nndl. niet gleicher Bedeutung, das eigentlich ’nichts’ bedeutet (ursprünglich als Gegenteil nipfen Vsw reg. Þnippen. auch Wat ’Treffer’, eigentlich ’etwas’). Nippel Sm ’kurzes Anschlussstück’ per. fach. (20. Jh.). Ebenso nndl. niet, nschw. nit, nnorw. nite. Entlehnt aus gleichbedeutendem ne. nipple, das auf die Bedeutung ’Brustwarze’ zurückgeht (letztlich Nietnagel Sm ÞNeidnagel. wohl zu Þnippen). Nift(el) Sf ÞNichte.

Nihilismus Sm per. fach. (18. Jh.). Die früheste ent-

Ebenso nndl. nippel, ne. nipple, nschw. nippel, nnorw. nippel.

nippen Vsw std. (17. Jh.). Übernommen aus ndd. nip-

sprechende Bildung ist frz. nihiliste neben frz. rienpen, nndl. nippen. Dieses ist vielleicht eine Intensivniste ’jemand, der an nichts glaubt’ (im religiösen bildung zu nipen ’kneifen’ (als ’mit zusammengeSinn), so seit dem 17. Jh. Das Abstraktum taucht dann kniffenen Lippen trinken’). Die hd. Entsprechung an mehreren Stellen auf − unter Umständen parallel Þnipfen, nüpfen hat sich nur mundartlich gehalten. gebildet. In Deutschland gebrauchen es D. Jenisch ÞNippel. – EWNl 3 (2007), 425f. und F. H. Jacobi seit 1796, um damit den deutschen Idealismus zu kritisieren, nach dem der menschliNippes Spl (auch m.) ’kleine, wertlose Ziergegenstänchen Erkenntnis der Welt nur rohe Sinnesdaten vorde’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. nippes Pl., gegeben sind, während die Ganzheit des Erkenntnisdas sich aber in erster Linie auf Kleidung und alte gegenstands durch Anschauungs- und Denkformen Kleidungsstücke bezieht, und erst im weiteren ’altes des erkennenden Subjekts erzeugt wird. 1884 beanZeug’ meint, etwa wie nhd. Klamotten. Und so wird sprucht Turgenjew, das Wort Nihilist erfunden zu hadas Wort auch im frühen 19. Jh. (Campe) durch ben, um die Vertreter eines russischen politischen ’Modetand’ übersetzt (und falls der negative UnterAnarchismus zu charakterisieren. ton fehlen soll, mit ’Modegerät’). Die BedeutungsentEbenso nndl. nihilist, ne. nihilist, nfrz. nihiliste, nschw. nihilist, wicklung geht also von ’Kleidung’ zu ’Zierat zu Kleinnorw. nihilist, nisl. nı´hilisti. – DF 2 (1942), 203f.; Pöggeler, dung’ zu ’Modetand’ und dann zu ’altes Zeug, das die O. AB 19 (1975), 197–210; GB 4 (1978), 371–411; Cottez (1980), Besitzer lieben, das aber meist recht geschmacklos 268; Kunnas, T. NSt 13 (1984), 253–278.

noch2

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ist’. Die Herkunft des französischen Wortes ist unklar. Ebenso nschw. nipper, nnorw. nips. – DF 2 (1942), 205 f.; DEO (1982), 419.

-nis Suffix bildet Adjektivabstrakta, auch zu Partizipi-

en, von denen aus neuhochdeutsch eine Umdeutung zu Verbalabstrakta erfolgt erw. obs. (–), mhd. -nüsse, -nisse f./n., ahd. -nissa f. und -nissi n., as. -nissi, -nussi f . Vergleichbar sind ae. -ness, -nyss und gt. -inassus. Die gotische Form zeigt, dass es sich um -in-assuhandelt; letztlich vielleicht tu-Abstrakta zu Verben auf -at-. Dittmer, E. FS Kolb (1989), 53–69; Suzuki, S. IF 95 (1990), 184–207; EWNl 3 (2007), 426f.

Nische Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. niche gleicher

Bedeutung. Dieses gehört zu frz. nicher ’ein Nest bauen’ (einer Ableitung von l. nı¯dus m. ’Nest’). Ebenso nndl. nis, ne. niche, nfrz. niche, nschw. nisch, nnorw. nisje; ÞNest. – DF 2 (1942), 206; LM 6 (1993), 1200; EWNl 3 (2007), 426.

Niss (Nisse) Sf ’Lausei’ erw. fach. (9. Jh.), mhd. niz,

Nix Sm ’Wassergeist’ erw. obs. (9. Jh.), mhd. nickes n.,

ahd. nihhus m./n. ’Krokodil’, mndd. necker, mndl. nicker. Aus g. *nikwus m. ’Wassergeist’ (teilweise auch konkret ’Walross, Flusspferd’ u.ä.), auch in anord. nykr, ae. nicor. Das Wort ist morphologisch und lautlich erklärbar als eine Partizipialbildung zu der Wurzel (ig.) *neig w- ’waschen, reinigen’ in ai. ne´nekti, gr. nı´zo¯, air. nigid, auch l. noege¯um n. ’Schweißtuch’. Die Bedeutung wäre dann ’der sich gewaschen hat’ (’rein’?); doch findet sich kein Hinweis auf einen diesbezüglichen sachlichen oder mythologischen Hintergrund. Anders Knobloch (Kompositum; ÞNixe). Bei den mit dem Namen verbundenen mythischen Vorstellungen scheint sich ein NikolausKult eingemischt zu haben. Ebenso nndl. nikker, nschw. näck; ÞNixe. – Lecouteux, C. Euphorion 78 (1984), 280–288; EWNl 3 (2007), 425.

Nixe Sf std. (11. Jh.), mhd. nickese, wazzernixe, ahd. nic-

chessa. Femininum zu ÞNix, in der Romantik mit einer mehr spielerischen Vorstellung verbunden. Knobloch, J. MS 91 (1981), 373–375.

nizze, ahd. (h)niz, mndd. nete, nit, mndl. nete. Aus g. nobel Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. noble gleicher *hnito¯ f. ’Lausei’, auch in ae. hnitu, nnorw. gnit. Außergermanisch vergleichen sich zunächst gr. konı´s, gewöhnlich im Plural konı´des ’Eier von Läusen, Flöhen, Wanzen’, alb.-geg. the¨ni aus (ig.) *knid- mit unklarem Sprossvokal im Griechischen. Dazu mehrere Varianten: *sknid- in mir. sned, kymr. nedd; *g hnid- in anord. gnit, russ. gnı´da, lett. gnı˜da; *g hlid- in lit. glı`nda und vielleicht l. le¯ns (lendis), alle mit gleicher Bedeutung. Wegen der lautlichen Vielfalt ist eine weitere Herleitung nicht möglich. Ebenso nndl. neet, ne. nit. – Wissmann (1963–1968), 28–30; Griepentrog (1995), 474–476; EWNl 3 (2007), 412.

nisten Vsw std. (11. Jh., nesten 9. Jh.), mhd. nisten, ahd.

nisten. Aus wg. *nist-ija- Vsw. ’nisten, ein Nest bauen’, auch in ae. nist(i)an. Abgeleitet von ÞNest. Niveau Sn std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. niveau m.,

Bedeutung, zunächst mit französischer Schreibung. Das Wort stammt aus l. no¯bilis ’adelig, vornehm’ (eigentlich ’kenntlich, bekannt’), zu l. no¯scere ’kennenlernen’. Ebenso nndl. nobel, ne. noble, nfrz. noble, nschw. nobel, nnorw. nobel. Zur lateinischen Sippe s. Þrekognoszieren, zur germanischen Verwandtschaft s. Þkönnen. – DF 2 (1942), 207f.; Moebus, G. Neue Jahrbücher für Antike und Deutsche Bildung 117 (1942), 275–292; Jones (1976), 463f.; Brunt (1983), 392; EWNl 3 (2007), 427f.

Nobiskrug Sm ’Hölle’, ndd. auch ’schlechte, abgelegene

Schenke’; obd. entsprach ursprünglich Nobishaus ’Hölle’ per. arch. (15. Jh.). Die Herkunft des ersten Bestandteils ist umstritten und nicht ausreichend erklärbar. Eine Verbindung mit l. no¯bis ’uns’ (z.B. in o¯ra pro¯ no¯bis ’bitte für uns’) lässt sich nicht ausreichend wahrscheinlich machen. Knobloch vermutet als Ursprung it. nobiso ’Wildfang’ und it. orco ’Menschenfresser’.

dieses aus afrz. livel ’Wasserwaage, gleiche Höhe’, aus früh-rom. *libellum ’Wasserwaage’, aus l. lı¯bella f., einem Diminutivum zu l. lı¯bra f. ’Waage’. Der WechKnobloch, J. in GS Kretschmer 1 (1956), 175–180; Krogmann, sel von anlautend /l/ zu /n/ im Französischen aufW. JVNS 65/66 (1939/40), 55–77; Röhrich 2 (1992), 1098. grund einer Dissimilation mit dem /l/ des Artikels. noch1 Adv ’außerdem, bis jetzt’ std. (8. Jh.), mhd. noch, Ins Deutsche zunächst entlehnt in der Bedeutung ahd. noh, as. noh. Ebenso in afr. noch, gt. nauh. Zu’Wasserwaage’. Verb: Þnivellieren. sammengerückt aus nu ’jetzt’ (Þnun) und g. *-h, das Ebenso nndl. niveau, ne. level, nfrz. niveau, nschw. niva˚, l. -que, gr. -te und ai. -ca entspricht und etwa ’und, nnorw. niva˚; ÞLibelle. – DF 2 (1942), 206f.; Brunt (1983), 391f.; auch’ bedeutet. EWNl 3 (2007), 427. nivellieren Vsw ’ausgleichen, ebnen’ per. fach. (17. Jh.).

Entlehnt aus frz. niveler (eigentlich ’mit der Wasserwaage abmessen’), zu afrz. nivel, älter livel, ’Wasserwaage’ (ÞNiveau). Ebenso nndl. nivelleren, ne. level, nfrz. niveler, nschw. nivellera, nnorw. nivellere; ÞLevel, ÞLibelle, ÞLiter. – HWPh 6 (1984), 867–869; EWNl 3 (2007), 427.

Ebenso nndl. nog. S. auch Þnoch 2. – Lühr, R. MSS 34 (1976), 80f.; EWNl 3 (2007), 429.

noch2 Konj ’und nicht’ std. (8. Jh.), mhd. noch, ahd.

noh, as. noh. Wie afr. noch, nach zusammengerückt aus der Negation ne, ni und -uh, einer Variante von -h (Þnoch 1). Mit anderer Vokalisierung gt. nih. Außergermanisch vergleicht sich l. neque. Unklar ist, in welchem Umfang Þauch bei den deutschen Formen

Nock

658

eine Rolle gespielt hat (vgl. as. nec aus ne oc? oder ne ak?). Lühr, R. MSS 34 (1976), 80f.; EWNl 3 (2007), 428.

Nock Sm (auch Nockerl n., Nock per. ndd. n., Nocken erw.

non- LAff ’nicht, ohne’, z.B. in Nonkonformismus erw.

bildg. (–). Das Element wurde in lateinischen und französischen Komposita entlehnt und analogisch weiterverwendet; sein Ursprung ist l. no¯n- ’nicht’. Moderne Bildungen stehen unter stärkerem Einfluss des Englischen.

fach.) ’knolliger Berg’, Nockerl ’Klößchen, Suppeneinlage’, Nock ’Ende einer Rahe’, Nocken ’Vorsprung an Algeo, J. ASp 46 (1971), 87–105; Rey-Debove/Gagnon (1988), einer Welle’ per. oobd. (16. Jh.). Wohl zusammenge620; Carstensen 2 (1994), 959f.; EWNl 3 (2007), 430f. hörige Gruppe von Wörtern mit einer schwer abgrenzbaren Verwandtschaft. Auszugehen ist wohl von Nonchalance Sf ’liebenswürdige Ungezwungenheit, Unbekümmertheit’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus Wörtern für etwas Kurzes, Gedrungenes (’Klotz, frz. nonchalance (auch: ’Nachlässigkeit, SaumseligKlumpen, Knopf’ u.ä.). Vgl. etwa anord. hnykill keit’), einer Ableitung von frz. nonchalant ’nachläs’Knoten, Geschwulst’, nisl. hnju´kur ’Bergkuppe’ u.a.. sig, saumselig, unbekümmert’, zu afrz. chalant Kluge (1911), 588f.; Schatz, J. FS Kluge (1926), 126; Kret’angelegen’, dem PPräs. von afrz. chaloir ’angelegen schmer (1969), 294; Lühr (1988), 219; EWNl 3 (2007), 429f. sein’ und frz. non- ’nicht’, aus l. cale¯re ’warm sein, -nom LAff zur Bildung desubstantivischer Personensich erwärmen, angelegen sein’ (ÞKalorie). Adjektiv: bezeichnungen, z.B. Ökonom, dann auch für Werknonchalant. zeuge, z.B. ÞMetronom. per. fach. (–). Das Element Ebenso nndl. nonchalance, ne. nonchalance, nschw. nonchawurde in lateinischen Entlehnungen ins Deutsche lans, nnorw. nonchalanse. – DF 2 (1942), 210; EWNl 3 (2007), übernommen; sein Ursprung ist gr. -no´mos, ein auf 431. Hinterglieder von Komposita beschränktes Nomen None Sf ’Teil des Stundengebets’ per. fach. (9. Jh.). Agentis, zu gr. ne´mein ’zuteilen, bebauen, verwalten’. Schon mit ahd. no¯na übernommen aus l. (ho¯ra) no¯na − Eine Weiterbildung davon in Komposita ist das ’neunte Stunde’ und gelegentlich auch außerhalb der Abstraktsuffix -nomie (z.B. ÞÖkonomie). speziellen Bedeutung verwendet. Bei der normalen ÞNomade. – Cottez (1980), 269; EWNl 3 (2007), 430. Rechnung beginnt der Tag um 6 Uhr in der Frühe, Nomade Sm ’Angehöriger eines umherziehenden Voldann ist die None um 3 Uhr nachmittags. Wird der kes’ erw. exot. (16. Jh.). Entlehnt aus l. Nomades Pl. Tag um 3 Uhr in der Frühe begonnen, so ist die None ’die Nomaden’, einer Substantivierung von l. nomas um Mittag, daher ne. noon ’Mittag’. None bezeichnet ´ (-adis) ’weidend’, aus gr. noma´s, zu gr. nome¯ f. auch den 9. Ton der diatonischen Tonleiter. ’Weide’, zu gr. ne´mein ’(als Weide) zuteilen, teilen, Ebenso nndl. none, ne. nones, nfrz. none. – Wünschmann abweiden’. (1966), 25–30; LM 6 (1993), 1232; EWNl 3 (2007), 429. Ebenso nndl. nomade, ne. nomad, nfrz. nomade, nschw. nomad, nnorw. nomade. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þnehmen; Þ-nom. – DF 2 (1942), 209; LM 6 (1993), 1217–1222; EWNl 3 (2007), 430.

Nomen Sn ’Substantiv’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus

l. no¯men (auch: ’Name, Benennung’). Adjektive: nominal, nominell; Verb: Þnominieren. Ebenso nndl. nomen, ne. noun, nfrz. nom, nschw. nomen, nnorw. nomen; ÞPronomen, ÞRenommee. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞName. – HWPh 6 (1984), 874–888 (zu Nominalismus); LM 6 (1993), 1222–1227.

Nomenklatur Sf per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus l.

no¯mencla¯tu¯ra ’Aufruf der Namen, Namensliste’ zu l. no¯men ’Name’ und einer Ableitung von l. cala¯re ’rufen’. Ebenso nndl. nomenclatuur, ne. nomenclature, nfrz. nomenclature, nschw. nomenklatur, nnorw. nomenklatur. – DF 2 (1942), 209.

Nominativ Sm erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. (ca¯sus)

no¯mina¯tı¯vus, der Fall der Benennung, zu l. no¯mina¯re ’benennen’ (ÞNomen). Ebenso nndl. nominatief, ne. nominative, nfrz. nominatif, nschw. nominativ, nnorw. nominativ.

nominieren Vsw ÞNomen.

Nonne Sf std. (9. Jh.), mhd. nunne, ahd. nunna, mndd.

nunne, mndl. nonne. Wie in andere Sprachen übernommen aus spl. nonna (Anrede an eine Klosterfrau, etwa im Sinn von ’ehrwürdige Mutter’, dann allgemein Bezeichnung einer Klosterfrau). Das Wort ist ein kindersprachliches Lallwort, vgl. it. nonna ’Großmutter’, it. nonno m. ’Großvater’. Wie entsprechend bei ÞMönch wird das Wort übertragen auf verschnittene (weibliche) Tiere; wegen der Farbe der Klostertracht gibt es auch Übertragungen auf Tierbezeichnungen (einen Taucher, einen Nachtschmetterling). Dann seit dem 16. Jh. Benennung verschiedener hohler Werkzeuge und Gegenstände, deren einpassende Stücke häufig die Bezeichnung Mönch tragen. Bekannt ist vor allem Nonne ’Hohlkreisel’ und Mönch und Nonne für ’Hohlziegel und daraufliegender Ziegel’. Man verstand darunter zumindest in späterer Zeit Bezeichnungen für die Geschlechtsteile (und damit verbunden eine Anspielung auf geschlechtlich ausschweifendes Leben von Mönchen und Nonnen); es ist aber ziemlich unwahrscheinlich, dass damit das ursprüngliche Benennungsmotiv getroffen ist. Eher handelt es sich um sekundäre Umdeutungen.

Notdurft

659 Ebenso nndl. non, ne. nun, nschw. nunna, nisl. nunna. – EWNl 3 (2007), 431.

Nonsens Sm ’Unsinn’ std. (18. Jh.). Entlehnt aus ne.

nonsense, einer Zusammensetzung aus ne. non ’nicht, un-’ (aus l. no¯n ’nicht’) und ne. sense ’Sinn’, dieses aus l. se¯nsus, zu l. sentı¯re (se¯nsum) ’fühlen, empfinden, wahrnehmen’. Ebenso nndl. nonsens, ne. nonsense, nfrz. non-sens, nschw. nonsens, nnorw. nonsens; Þsensibel. – DF 2 (1942), 212; Ganz (1957), 154; Rey-Debove/Gagnon (1988), 622; Carstensen 2 (1994), 963f.; EWNl 3 (2007), 431.

Noppe Sf ’Wollflocke, Knötchen im Gewebe’ per. fach.

(14. Jh.), spmhd. nop(pe), mndd. nop(pe). Wohl eine Lautvariante zu dem unter ÞKnopf genannten Komplex. EWNl 3 (2007), 433f.

Nößel Smn ’kleines Hohlmaß’ per. arch. (15. Jh.), fnhd.

nözzelı¯nn. Herkunft unklar (Diminutiv zu ÞNuss 1?). Nostalgie Sf ’Rückwendung zu Früherem’ erw. fremd.

(17. Jh.). Neo-kl. nostalgia (zu gr. no´stos m. ’Rückkehr’ und gr. a´lgos n. ’Schmerz’) ist eine Lehnübersetzung von nhd. ÞHeimweh durch einen Schweizer Arzt (J. Hofer 1688). Die Weiterentwicklung zur heutigen Bedeutung unter englischem und französischem Einfluss. Ebenso nndl. nostalgie, ne. nostalgia, nfrz. nostalgie, nschw. nostalgi, nnorw. nostalgi. – Oberle´, R. Bulletin de la Faculte´ des lettres de Mulhouse 2 (1969), 63–65; Dietrich, M. SD 18 (1974), 2–4; Gerschmann, K.-H. AB 19 (1975), 83–88; Hofer, J. SD 19 (1975), 142f.; Cottez (1980), 271; HWPh 6 (1984), 934f.; EWNl 3 (2007), 436.

Not Sf std. (8. Jh.), mhd. no¯t, ahd. no¯t m./f., as. no¯d. Aus

g. *naudi- f. ’Zwang, Not’, auch in gt. nauþs, anord. nordanonti 8. Jh.), mhd. norden n., ahd. nord m./n., naud(Ñ r), ae. nı¯d, ne¯ad u.ä., afr. ne¯d, na¯d. Wohl ein tias. north. Aus wg. *norþa-, auch in ae. norþ, afr. north, Abstraktum, das unmittelbar verglichen werden teils als Substantiv (althochdeutsch), teils als Adverb kann mit apreuß. nautins (Akk. Pl.) ’Not’ und der (altenglisch, altsächsisch), teils beides (altfriesisch). Ableitung cˇech. nutiti ’zwingen, nötigen’. Daneben Morphologisch abweichend von der gleichen Grundaber eine dentale Erweiterung der gleichen Grundlage anord. nordrÑ n., wieder anders mhd. norden n., lage in lit. panu¯´sti ’verlangen, gelüsten’, akslav. nuditi ahd. nordan n. Zu einem Wort, das ’unten’ und auch ’zwingen’ und g. *neudo¯ f. ’Verlangen’ (Þniedlich). ’links’ bedeutet, vgl. gr. ´eneroi Pl. ’die Unteren, UnDie Grundlage *na¯w- in lit. no˜ve˙ ’Bedrückung, Qual, terirdischen’, gr. ne´rteros ’unterer, unterirdisch’, Tod’, lit. no˜vyti ’bedrücken, vernichten, quälen’, russ. umbr. nertru ’links’, arm. nerk in ’der untere’, und ona´vit’sja ’müde werden, sich abplagen’. Adjektiv: nötig. vielleicht ai. naraka- ’Hölle’, vielleicht weiter zu lit. ne´rti ’untertauchen’. Die Sonne steht bei ihrem Ebenso nndl. nood, ne. need, nschw. nöd, nisl. neyd;Ñ ÞNotdurft, Þnötigen. – Röhrich 2 (1992), 1099–1101; Heidermanns Höchststand im Mittag oder Süden; das Gegenstück (1993), 422f.; EWNl 3 (2007), 431f.; RGA 21 (2002), 422–424. ist entsprechend Mitternacht oder Norden. Im Süden ist sie ’oben’, im Norden ’unten’. Entsprechend ist, Notar Sm erw. fach. (10. Jh.), mhd. noder, not¢re, nowenn sich der Seefahrer oder der Opfernde dem Mortarje, ahd. nota¯ri. Ist entlehnt aus l. nota¯rius ’Schreigenlicht im Osten zuwendet, der Norden links. Adber, Sekretär, Geschwindschreiber’, einer Substantijektiv: nördlich, in weiterentwickelter Bedeutung vierung von l. nota¯rius ’zum Schreiben gehörig’, zu l. nordisch. nota¯re (nota¯tum) ’kennzeichnen, aufzeichnen, beSchröder, H. GRM 17 (1929), 421–427; Velten, H. V. JEGP 39 merken, anmerken’ (Þnotieren), zu l. nota f. (1940), 443–449; EWNl 3 (2007), 433. ’Kennzeichen, Zeichen, Merkmal, Schrift, Brief’. Die nörgeln Vsw std. (17. Jh.). Auch nürgeln, nergeln, nirheutige Bedeutung ausgehend von der mittellateinigeln, snörgeln. Zu einer Grundlage *sner-, die eine schen Bedeutung ’durch kaiserliche Gewalt bestellter Reihe von Schallverben liefert, vgl. etwa Þschnarren, öffentlicher Schreiber’. Adjektiv: notariell; LokalbeÞschnurren und Þschnarchen. Nomen Agentis: zeichnung: Notariat. Nörgler; Abstraktum: Nörgelei. Ebenso nndl. notaris, ne. notary, nfrz. notaire, nschw. notarius Nord (als Substantiv meist Norden) Sm std. (11. Jh.,

Norm Sf std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. no¯rma ’Richt-

publicus, nisl. no´tarı´us; Þrekognoszieren. – LM 6 (1993), 1271–1281; DF 2 (1942), 214; EWNl 3 (2007), 436.

schnur, Regel’ (zunächst ein Geräte zum Messen rechter Winkel), das unklarer Herkunft ist. Adjektive: Notdurft Sf std. stil. phras. (8. Jh., Bedeutung 15. Jh.), mhd. no¯tdurft, ahd. no¯tdur(u)ft, no¯tthurf(t) u.ä., as. normal, normativ; Verben: normen, normieren. no¯dthurft. Wie gt. naudiþaurfts, das auch Adjektiv Ebenso nndl. norm, ne. norm, nfrz. norme, nschw. norm, sein kann, ti-Abstraktum zu Þbedürfen, wohl aus nnorw. norm; Þenorm. – Oppel, H.: KANΩN (Diss. Berlin 1937), 73–106; DF 2 (1942), 212; HWPh 6 (1984), 906–928, 931f. einer syntaktischen Fügung mit instrumentalem (zu normativ); EWNl 3 (2007), 434f. ÞNot, also ’aus Not bedürfen’. Entsprechend ae. nı¯dþearf Adj. ’bedürftig’. Schon mittelhochdeutsch Norne Sf ’Schicksalsgöttin’ erw. bildg. (18. Jh.). Von auch speziell sı¯ne no¯tdurft tuon ’seine Notdurft verKlopstock und Herder entlehnt aus anord. norn richten’. Das Adjektiv notdürftig zeigt noch die allge’Schicksalsgöttin’, dessen Herkunft unklar ist. meinere Bedeutung. Ebenso nndl. norne, ne. norn, nschw. norna, nisl. norn. – Hoops (1911/19), III, 341f.; LM 6 (1993), 1251; RGA 21 (2002), 388–394.

EWNl 3 (2007), 432.

Note

660 Note Sf std. (8. Jh.). Entlehnung aus l. nota ’Zeichen,

Kennzeichen’ u.a., zunächst in gleicher Bedeutung, dann in der mittellateinischen Bedeutung ’Musiknote’. Weitere Bedeutungen seit dem 16. Jh. Ebenso nndl. noot, ne. note, nfrz. note, nschw. not, nisl. no´ta; Þnotieren, Þrekognoszieren. – DF 2 (1942), 214f.; Röhrich 2 (1992), 1101; EWNl 3 (2007), 433.

notieren Vsw ’aufschreiben’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus

l. nota¯re, einer Ableitung von l. nota ’Kennzeichen, Zeichen, Merkmal, Schrift, typographische Zeichen’, zu l. no¯scere ’kennenlernen’. Abstraktum: Notierung. Ebenso nndl. noteren, ne. note, nfrz. noter, nschw. notera, nnorw. notere; ÞKonnotation, ÞNotar, ÞNote, ÞNotiz, Þrekognoszieren. – LM 6 (1993), 1281f.; EWNl 3 (2007), 436f.

nötigen Vsw std. (11. Jh.), mhd. no¯tegen, no¯tigen, ahd.

Ebenso nndl. noga, ne. nougat, nfrz. nougat, nschw. nougat; Þnuklear. – EWNl 3 (2007), 429.

Novelle Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus it. novella (eigent-

lich ’kleine Neuigkeit’), dieses aus einer Substantivierung von l. novellus ’neu, jung’, einem Diminutivum zu l. novus ’neu’. Die literarische Bedeutung im Italienischen als ’Erzählung einer neuen Begebenheit’. Die juristische Bedeutung ’Nachtragsgesetz’ nach l. Novellae co¯nstitu¯tio¯nes (ein Teil des römischen Rechts, der erst nach dem Codex herausgegeben wurde). Verb: novellieren; Täterbezeichnung: Novellist. Ebenso nndl. novelle, ne. novel, nfrz. nouvelle, nschw. novell, nisl. no´vella; ÞNovum. – Hirsch, A.: Der Gattungsbegriff ’Novelle’ (Berlin 1928); Kraus, W. ZRPh 60 (1940), 16–28; DF 2 (1942), 216f.; LM 6 (1993), 1301–1304.

November Sm std. (11. Jh.). Entlehnt aus l. (me¯nsis) no¯tego¯n. Entsprechend as. no¯dian, afr. ne¯da, ae. November, einer Ableitung von l. novem ’neun’. So nı¯dan, anord. neydaÑ , gt. nauþjan ’zwingen’. Eigentlich bezeichnet als der neunte Monat des im März begin’machen, dass der andere es für nötig hält’. nenden altrömischen Kalenderjahres. Zu nötig s. ÞNot. Notiz Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. no¯titia (eigentlich

’Bekanntsein, Kenntnishaben’), einer Ableitung von l. no¯tus ’bekannt’, dem PPP. von l. no¯scere ’kennenlernen’. Ebenso ne. notice, nndl. notitie, nfrz. notice, nschw. notis, nnorw. notis. Zur Sippe des lateinischen Wortes s. Þrekognoszieren. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þkönnen. – LM 6 (1993), 1286.

Notnagel Sm ÞNeidnagel. notorisch Adj ’(für etwas Negatives) bekannt’ per.

Ebenso nndl. november, ne. November, nfrz. novembre, nschw. november, nisl. no´vember. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þneun. – Szemere´nyi (1989), 56–59; EWNl 3 (2007), 437f.

Novize Sm ’jmd., der eine Vorbereitungszeit ver-

bringt’ per. fach. (14. Jh.). Entlehnt aus l. novı¯cius, einer Ableitung von l. novus ’neu’. Ebenso nndl. novice, ne. novice, nfrz. novice, nschw. novis, nnorw. novise; ÞNovum. – DF 2 (1942), 218; LM 6 (1993), 1311f.

Novum Sn ’Neuheit’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus l.

novum, einer Substantivierung von l. novus ’neu’.

fremd. (15. Jh., Form 17. Jh.). Zunächst als notori entlehnt aus l. no¯to¯rius, einer Weiterbildung zu l. no¯tus ’bekannt’.

Ebenso nndl. novum. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þneu; ÞInnovation, ÞNovelle, ÞNovize, Þrenovieren. – DF 2 (1942), 218.

Ebenso nndl. notoir, ne. notorious, nfrz. notoire, nschw. notorisk, nnorw. notorisk; Þrekognoszieren. – EWNl 3 (2007), 437.

Nu Smn (nur noch in im Nu) std. phras. (13. Jh.). Sub-

Notwehr Sf std. (13. Jh.). Für älteres mhd. lı¯bwer

stantiviert aus mhd. nu¯ f./n. ’jetzt’ (Þnun). Nuance Sf ’Abstufung, feiner Unterschied’ erw. fremd.

(’Wehr des Lebens, Abwehr einer Lebensgefahr’). Wohl Lehnübersetzung aus l. necessa¯ria (oder le¯gitima) defensa (frz. le´gitime defense).

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. nuance, Abstraktum zu frz. nuer ’abschattieren’ (zu l. nu¯be¯s ’Wolke’). Verb: nuancieren.

RGA 21 (2002), 432f.

Ebenso nndl. nuance, ne. nuance, nfrz. nuance, nschw. nyans, nnorw. nyanse. – DF 2 (1942), 218–220; Wandruszka, M. ZRPh 70 (1954), 233–248 (= KS 1–19); EWNl 3 (2007), 439.

notwendig Adj std. (16. Jh.). Bezeichnung für Maßnah-

men, die eine Not abwenden und deshalb unerlässlich sind. HWPh 6 (1984), 946–986; LM 6 (1993), 1296–1298.

Notzucht Sf erw. fach. (16. Jh.). Rückgebildet aus mhd.

no¯tzühten, mit mhd. no¯tzogen, ahd. no¯tzogo¯n ’einen ’Notzug’ machen’, d.h. eine Frau mit Gewalt, Zwang entführen (fortzerren). Im 16. Jh. wird die Sippe zum Fachausdruck für ’Vergewaltigung’, für das zuvor mhd. no¯tnumft, no¯tnunft ’das Nehmen mit Gewalt’ gegolten hatte. Wahl, G. ZDW 9 (1907), 7–18; LM 6 (1993), 1298f.

Nougat Smn erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. nou-

gat m., dieses aus prov. nogat ’Nusskuchen’, einer Ableitung von prov. noga ’Nuss’, aus l. nux (nucis) f. ’Nuss’.

nüchtern Adj std. (11. Jh.), mhd. nüehter(n), ahd. nu-

ohturn, mndd. nuchtern, nochtern, mndl. nucht(e)ren, nuechteren u.ä. Das Wort ist zunächst ein Wort der Klöster, und deshalb liegt die Annahme nahe, es sei aus l. nocturnus ’nächtlich’ entlehnt. Dem widerspricht allerdings der Langvokal; außerdem ist gr. ne¯´pho¯ ’ich bin nüchtern’, arm. nawt i ’nüchtern’ möglicherweise auf (ig.) *na¯g wh-t- zurückzuführen, das dem deutschen Wort lautlich genau entsprechen könnte. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass ein Erbwort sekundär an l. nocturnus angeglichen wurde. Abstraktum: Nüchternheit; Präfixableitung: ernüchtern; Partikelableitung: ausnüchtern. EWNl 3 (2007), 439.

Nuss1

661 Nücke Sf (auch Nucke f. und Nück m.) ’versteckte Bos-

Ebenso nndl. numismatiek, ne. numismatics, numismatology,

nfrz. numismatique, nschw. numismatik, nnorw. numismatikk. heit’ per. reg. (16. Jh.), fnhd. nicke, nücke. Übernom– Cottez (1980), 272. men aus mndd. nuck(e), mndl. nucke. Zu nucken ’aufmucken, seine Unzufriedenheit durch Gesten äu- Nummer Sf std. (16. Jh.). Entlehnt im Rahmen der ßern’. Kaufmannssprache aus it. numero m. (das auch in dieser Form im Deutschen gebräuchlich wurde und Vgl. Þmucken. – Brugmann, K. IF 13 (1902/03), 153–155; Röhin der noch anzutreffenden Abkürzung No. erhalten rich 2 (1992), 1101. ist). Das feminine Genus im Anschluss an ÞZahl. Das nuckeln Vsw ’langsam saugen’ erw. reg. (17. Jh.). Wohl italienische Wort aus l. numerus m. ’Zahlzeichen’, das lautbedeutsame Abwandlung von Þsuckeln, das zu letztlich mit Þnehmen verwandt ist. Weniger stark Þsaugen gehört. Der Nasal bringt die geschlossenen eingedeutscht sind die grammatischen Termini Lippen zum Ausdruck. Rückgebildet Nuckel ’Sauger, Numerus für ’Zahl’ (morphologische Kategorie) und Schnuller’, regional auch ’weibliche Brust’. Numerale ’Zahlwort’ (aus dem Neutrum des zugehöNudel Sf std. (16. Jh.). Wohl eine Lautvariante zu rigen Adjektivs). Verb: nummerieren; Adjektiv: ÞKnödel, Knuddel (Þknuddeln) u.ä. Anders Kramer: numerisch. aus grödner. menu`dli ’viereckige Teigplätzchen in der Ebenso nndl. nummer, ne. number, nfrz. nume´ro, nschw. numSuppe’ mit Abfall der unbetonten Erstsilbe. Dieses mer, nisl. nu´mer. – DF 2 (1942), 222; Röhrich 2 (1992), 1102f.; aus einem dolomitenladinischen Fortsetzer von l. EWNl 3 (2007), 440. minutulus ’zerkleinert, winzig’. nun Adv std. (8. Jh.), mhd. nu¯, nu, ahd. nu, no, as. nu, Kramer, J. Schlern 64 (1990), 97–99; Röhrich 2 (1992), 1101; nu¯. Aus g. *nu Adv. ’jetzt’, auch in gt. nu, anord. nu´, EWNl 3 (2007), 428. ae. afr. nu. Dieses aus gleichbedeutendem ig. *nu in Nudismus Sm ’Freikörperkultur als Weltanheth. nu, ai. nu´, nu¯´, toch. A nu, toch. B no, gr. ny, ny˜n, schauung’ per. fach. (20. Jh.). Zu l. nu¯dus ’nackt’ geakslav. nyneˇ, lit. nu¸˜, erweitert in l. nunc und als Verbildet. Entsprechend Nudist ’Anhänger des Nudisbalpräfix in air. nu`. Das auslautende -n im Deutschen mus’ (gelegentlich auch mit allgemeiner Bedeutung). ist im 13. Jh. angetreten, wohl im Anschluss an andere Ebenso nndl. nudisme, ne. nudism, nfrz. nudisme, nschw. nuZeitadverbien (Þdann, Þwann). dism, nnorw. nudisme. – EWNl 3 (2007), 439.

Nugat Sn ÞNougat. nuklear Adj ’den Atomkern betreffend’ erw. fach.

Ebenso nndl. nu, ne. now, nschw. nu, nisl. nu´; Þneu, Þnoch 1, ÞNu. – Behaghel 3 (1928), 224–232; Wauchope, M. M. in Recent Developments in Germanic Linguistics, ed. R. LippiGreen (Amsterdam 1992), 57–67; EWNl 3 (2007), 438f.

(20. Jh.). Wohl nach englischem Vorbild zu l. nucleus ’Kern’ in der speziellen Bedeutung ’Atomkern’, zu l. Nuntius Sm (Botschafter des Papstes) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. nu¯ntius ’Bote, Verkünder, nux (nucis) ’Nuss’. Melder’. Abstraktum: Nuntiatur. Ebenso nndl. nucleair, ne. nuclear, nfrz. nucle´aire, nschw. nukleär, nnorw. nukle¢r. – Strauss u.a. (1989), 431; Carstensen 2 (1994), 968–971.

Ebenso nndl. nuntius, ne. nuncio, nfrz. nonce, nschw. nuntie, nnorw. nuntius; ÞAnnonce. – DF 2 (1942), 222.

nur (älter nuer, nuwer, newer) Adv std. (11. Jh.), mhd. ne wære. Entsprechend ahd. ni wa¯ri, as. ni wa¯ri; auch afr. deutung, feminine Substantivierung von l. nullus newe¯re, ne¯re, ae. ne w¢ ¯ re. Eigentlich ’wäre es nicht’ ’keiner’. Dieses ist eine Lehnbedeutung von arab. sifr, ˙ aus dem Irrealis von Þsein 2 und der Negation gebildas ebenfalls ’Null’ und ’leer’ bedeutet und das seidet. nerseits ai. ´su¯nya- ’Null, leer’ übersetzt (ÞZiffer). Als Þnein, Þun-. – Behaghel 3 (1928), 232f.; Lindquist (1961), Adjektiv in null und nichtig ist das Wort im Rahmen 68–71. der Rechtssprache im 16. Jh. aus dem gleichen Adjektiv l. nullus entlehnt worden. Der Ausdruck null-acht- nuscheln Vsw std. stil. (15. Jh.), fnhd. nuseln ’näseln’. fuffzehn für (sinnlosen) Schematismus wurde verAlso eigentlich ’durch die Nase (und deshalb undeutbreitet durch die Roman- und Filmtrilogie 08/15 von lich) sprechen’. H. H. Kirst (1954). Gemeint war damit der 1908 und ÞNase, ÞNüster. 1915 verbesserte Maschinengewehr-Typ, dann über- Nuss1 Sf ’Fruchtkern’ std. (8. Jh.), mhd. nuz, ahd. tragen auf den Maschinengewehr-Drill und soldati(h)nuz, mndd. not(e), mndl. not(t)e. Aus g. *hnut- f. sche Übungen überhaupt. ’Nuss’, auch in anord. hnot, ae. hnutu. Semantisch Ebenso nndl. nul, ne. null, nfrz. nul, nschw. nolla, nisl. nu´ll; entsprechen einerseits l. nux (nucis), andererseits mir. Þannullieren. – Schirmer (1912), 48; DF 2 (1942), 220–222; cnu´, kymr. cneuen; die anzusetzende Lautform ist Röhrich 2 (1992), 1101f.; EWNl 3 (2007), 439f. aber umstritten (entweder ig. *kneu- mit verschieNumismatik Sf ’Münzkunde’ per. fach. (18. Jh.). Entdenen Erweiterungen oder Umformungen einer gelehnt aus frz. numismatique. Dieses zu l. nomisma, aus meinsamen Grundform, deren Ansatz unsicher ist). gr. no´misma ’Geldstück’, eigentlich ’allgemein gültige Nach Sommer zu den Lautnachahmungen mit *kn-, Einrichtung’ zu gr. ne´mein (Þnehmen). die ein Knacken bezeichnen (Þknacken). Null Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. nulla gleicher Be-

Nuss2

662 Ebenso nndl. noot, ne. nut, nschw. nöt, nisl. hnot; ÞHaselnuss, nütze Adj std. (9. Jh.), mhd. nütze, ahd. nuzzi, as. nutti. Þnuklear, ÞNuss 2. – Sommer (1977), 13; Röhrich 2 (1992), Aus g. *nuti- Adj., wg. *nutja- Adj. ’nütze’, auch in gt. 1104–1106; LM 6 (1993), 1323f.; Griepentrog (1995), 471–473; unnuts, ae. nytt. Adjektiv der Möglichkeit zu dem in EWNl 3 (2007), 433; RGA 21 (2002), 448–450.

Nuss2 Sf ’Stoß’ (besonders in Kopfnuss) per. reg.

Þgenießen vorliegenden Verb, also ’was genossen werden kann’.

(16. Jh.). Entweder eine Übertragung von ÞNuss 1 Heidermanns (1993), 429f. (vgl. nussen ’prügeln’) oder eine Ableitung von einem Nutzen Sm std. (8. Jh., Form 16. Jh.), mhd. nu(t)z, ahd. Verbum für ’schlagen’, das allerdings nicht klar fassnuz. Aus vd. *nut-i- ist neuhochdeutsch erweitert bar ist (ae. hneotan ’schlagen’ ist eine unsichere Vaworden, vielleicht unter Einfluss anderer Bildungen riante von üblichem ae. hnı¯tan; ahd. firniozan aus der gleichen Wurzel. Abstraktum zu dem in ’abreiben’ bei Notker liegt in der Bedeutung ab). Þgenießen bezeugten Verb, also ’das zu Genießende’. Röhrich 2 (1992), 1104–1106. Die Kurzform noch in Nutz und Frommen und in Nüster Sf (meist Pl.) std. stil. (18. Jh.), mndd. noster, ÞEigennutz. Adjektiv: nützlich; Verb: nützen (nutzen). nuster(en), afr. noster(n) u.ä. Aus ndd. nüster überHWPh 6 (1984), 992–1008; Röhrich 2 (1992), 1106; LM 6 nommen. Eine (t)r-Ableitung wie lit. nas(t)raı˜ m. Pl. (1993), 1324–1327; EWNl 3 (2007), 440f. ’Rachen, Schlund, Maul’, lit. apı`nas(t)ris m. ’KopfNymphe Sf ’Quellgöttin’ erw. bildg. (16. Jh.). Entlehnt stück am Pferdezaum, Maulkorb’, akslav. nozdri Pl. aus l. nympha, nymphe¯, dieses aus gr. ny´mphe¯ ’Göttin ’Nüstern’. Weiterbildung zu dem Wort ÞNase. Das niederen Ranges’. Das griechische Wort steht (ungegermanische Wort würde dabei eine Schwundstufe fähr) gleichbedeutenden Wörtern mit anlautendem zeigen, was nicht ganz selbstverständlich ist. Ein ähnl- gegenüber, und da dieses l- in mehreren Sprachen licher Lautstand in fnhd. nuseln ’durch die Nase spreauftritt, muss der griechische Anlaut auf Assimilation chen’ (Þnuscheln). an den folgenden Nasal zurückgeführt werden. Die Nut(e) Sf ’Rinne’ erw. fach. (9. Jh.), mhd. nuot, ahd.

nuot. Ti-Abstraktum zu mhd. nüejen, ahd. nuoen ’glätten’; hierzu weiter mhd. nüejel, nüegel, ahd. nu(o)il u.ä. ’Nuthobel’ und ahd. (h)nuoa, nuoha, as. hno¯a ’Fuge, Ritze’. Außergermanisch vergleicht sich gr. kne˜n ’schaben, kratzen’, lit. kn(i)o´tis ’sich abschälen, sich loslösen’. Die Nut wäre also ursprünglich wohl das ’Herausgekratzte, Herausgescharrte’. nutschen Vsw ’lutschen’ per. reg. (17. Jh., auch nutscheln

seit dem 16. Jh.). Lautgebärde wie Þlutschen und Þnuckeln. Nutte Sf ’Dirne’ std. vulg. (20. Jh.). Ursprünglich ber-

linerisch und das gleiche Wort wie ÞNut(e) als vulgäre Bezeichnung des weiblichen Geschlechtsteils und dann übertragen zu ’Mädchen’ und dann zu ’Hure’. Bei Tieren heißt das Geschlechtsteil auch ÞNuss 1; eine sichere Trennung (Nuss − Nutte) ist für diesen Bereich nicht möglich.

l-Wörter sind: l. lumpa, limpa (später gräzisiert zu lympha, s. Lymphe) ’Wassergöttin, Wasser’, lit. lau˜me˙ ’eine Fee (gelegentliche Hinweise auf Wasser)’. Dies weist auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt *lum-b h- (nach Hyllested *lwem-bh-, um ai. Ra´mbha¯, Name einer Nymphe, mit einzubeziehen). – Nicht hierher gehört gr. ny´mphe¯ ’Braut, Verlobte, heiratsfähiges Mädchen’ (dieses gehört mit unklarer Nasalierung zu l. nu¯bere ’heiraten’). Ebenso nndl. nimf, ne. nymph, nfrz. nymphe, nschw. nymf, nnorw. nymfe. – DF 2 (1942), 223f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 399; Hyllested, A. in FS Rasmussen, 219–233; EWNl 3 (2007), 425.

O

o (oh) Interj std. (11. Jh.). Wohl zusammenhängend mit Obacht Sf erw. südd. (17. Jh.). Aus Þob 2 und einer Sub-

Þau mit abweichender Lautentwicklung, da hier das dort hinzutretende we¯ fehlt. Oase Sf erw. exot. (18. Jh.). Entlehnt aus l. Oasis, dieses

stantivierung von achten (ÞAcht 2), also ’das Achten auf (etwas)’. Þbeobachten.

aus gr. o´asis, das seinerseits aus dem Ägyptischen ent- Obdach Sn erw. obs. (10. Jh.), mhd. obedach, ahd. lehnt ist (altägypt. wh t). Früh wurde ein Plural Oasen ob(a)dah ’Überdach, schützendes Dach’. Zu ÞDach ˙ neue Singular Oase rückgebilgebildet, aus dem der und Þob 2. det ist. Obduktion Sf ’Öffnung einer Leiche zur Feststellung Ebenso nndl. oase, ne. oasis, nfrz. oasis, nschw. oas, nnorw. oase. – Littmann (1924), 12; DF 2 (1942), 224; Lokotsch (1975), 168; EWNl 3 (2007), 442.

ob1 Konj std. (8. Jh.), mhd. ob(e), op, ahd. obe, ubi, ibu

der Todesursache’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. obductio (-o¯nis) ’Verhüllen, Bedecken’, einer Ableitung von l. obdu¯cere (obductum) ’etwas über einen Gegenstand ziehen, verschließen, verhehlen’, zu l. du¯cere ’ziehen’ und l. ob-. Bezeichnet wird damit vermutlich das Ende des Vorgangs.

u.ä., as. ef . Aus g. *eba- (mit verschiedenen Kasusformen), auch in gt. ibai, anord. ef, ae. of. Wahrscheinlich zusammengerückt aus dem PronominalEbenso nndl. obductie, nschw. obduktion, nnorw. obduksjon. stamm *e- (neben *i-?) und *b ho- ’beide’, das unter Zur Sippe des lateinischen Wortes s. Þproduzieren. – DF 2 Þbeide behandelt ist. Ursprünglich hätte das Wort (1942), 224. also ’diese beiden’ bedeutet, was als Eingang einer Obelisk Sm (rechteckige Säule) per. exot. (16. Jh.). EntAlternativfrage leicht zu der Bedeutung ’ob’ hätte lehnt aus l. obeliscus, dieses aus gr. obelı´skos ’kleiner führen können. Bei ae. gif (ne. if ) und afr. jef, jof Spieß’, einem Diminutivum zu gr. obelo´s ’Obelisk, scheint sich die Entsprechung von gt. jabai eingeSpitzsäule, Bratspieß’. mischt zu haben (aus dem Pronominalstamm *jaEbenso nndl. obelisk, ne. obelisk, nfrz. obe´lisque, nschw. obelisk, und dem gleichen zweiten Element). Nach Lühr Parnnorw. obelisk; ÞObolus. – DF 2 (1942), 224; EWNl 3 (2007), tikel der Beteuerung *-b he/-b ho, die einerseits an die 442. Fragepartikel u, andererseits an den Pronominaloben Adv std. (9. Jh., obana ’von oben’ 8. Jh.), mhd. stamm e- antritt. oben(e), ahd. oban(a), as. ovana. Aus g. *uban- (+ EnEbenso nndl. of, ne. if, nschw. om. S. auch Þoder. – Behaghel dung), auch in anord. ofan, ae. ufan, afr. ova. 3 (1928), 233–237; Lühr, R. MSS 34 (1976), 81f. ob2 (durch oberhalb und über ersetzt) Adv/Präp

Þauf , Þob 2, Þober 1. – Röhrich 2 (1992), 1107; EWNl 1 (2003), 365f.

’oberhalb’ per. arch. (8. Jh.), mhd. ob(e), ahd. oba. Ober Sm ’Kellner’ std. (19. Jh.). Gekürzt aus OberkellAus g. *ub- mit nicht mehr feststellbarer Kasusenner. dung, auch in gt. uf ’auf’, anord. of, ae. of ’ob-, EWNl 3 (2007), 442. über-’. Dieses aus ig. *up- ’hin’, auch in ai. u´pa 1 ’gegen, hin, zu’, l. superus ’der obere’ (Herkunft des s- ober Adj std. (8. Jh.), mhd. ober, ahd. obaro. Wie gt. ufaro Komparativbildung zu Þob 2. Vgl. ai. u´paraunklar). ’der untere, hintere, spätere’, avest. upara- ’der obere’ Þoben, ÞObst, Þoft, Þüber. und l. superus. ob- Präfix teilweise durchsichtiges, aber nicht produkÞob 2, Þoben, ÞOberst, ÞObrigkeit. – EWNl 3 (2007), 484. tives Wortbildungselement mit der Bedeutung 2 ’gegen, entgegen’ (z.B. Þobstruieren) per. fremd. (–). ober Präp per. reg. (18. Jh.), as. obÐ ar, obÐ er, ofer, afr. uver. Ae. ofer. Mittel- und niederdeutsche EntspreDer Ursprung ist l. ob ’gegen ... hin, nach ... hin’. − chung zu hd. Þüber. Die Assimilationsformen lauten: vor /k, ts/: oc- bzw. ok- (z.B. Þokkasionell, Þokkupieren), vor /f/: of- (z.B. oberhalb Adv/Präp std. (11. Jh.), mhd. oberhalbe, oberÞofferieren, ÞOffizier) und vor /p/: op- (z.B. halp, spahd. zuo oberhalbe. Zu Þober 1 und dem unter Þopportun, ÞOpposition). Þhalb entwickelten mhd. halbe ’Seite’. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞAfter.

Oberhand

664

Oberhand Sf erw. phras. (12. Jh.), mhd. diu obere hant, obliegen Vsw erw. obs. (9. Jh., Form 17. Jh.), mhd. ob-

mndd. overe hant rückt seit dem Ende des 12. Jhs. zusammen zu Oberhant ’Übermacht’. Zu ÞHand im Sinne von ’Macht, Gewalt, Besitz’. Þüberhandnehmen. – Röhrich 2 (1992), 1107.

Obers Sn ’Sahne’ per. oobd. (19. Jh.). Eigentlich das

Obere der Milch, substantiviert in der Form des Neutrums (wobei die Endung nicht mehr als Endung empfunden wird). Kretschmer (1969), 401f.

Oberst Sm std. (16. Jh., früher auch mit der Nebenform

ÞObrist). Superlativ zu Þob 2 und Þober 1, also ’der Oberste’, früh beschränkt auf das Heereswesen. Meist stark flektiert. Meyer, R. M. ZDW 12 (1910), 151.

Oberwasser Sn erw. phras. (15. Jh.). Eigentlich fach-

sprachlich für das gestaute Wasser, das über das oberschlächtige Rad einer Mühle läuft. Heute fast nur noch übertragen (Oberwasser bekommen oder haben) für ’Vorteil, bessere Position’. Röhrich 2 (1992), 118.

Objekt Sn std. (14. Jh.). Entlehnt aus ml. objectum ’das

ligen, ahd. obaligan ’oben liegen, obsiegen’. Im 16. Jh. Bedeutungsentlehnung mir liegt etwas ob ’es ist mein Geschäft’ zu l. incumbere, dann wird die Partikel zum festen Präfix. obligat Adj ’erforderlich, verpflichtend’ per. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. obliga¯tus, dem PPP. von l. obliga¯re ’verbinden, zusammenbinden, verpflichten’, zu l. liga¯re ’zusammenbinden, verbinden’ und l. ob-. Die Bedeutung ist also ’verbindlich, woran man gebunden ist’. Modifikation: obligatorisch; Abstraktum: Obligation. Ebenso nndl. obligaat, ne. obligatory, nfrz. obligatoire, nschw. obligat, nnorw. obligat; Þlegieren. – DF 2 (1942), 226f.; Jones (1976), 465; Schramm, H.-P. AB 11 (1967), 119–147 (zu Obligation); HWPh 6 (1984), 1065–1072; EWNl 3 (2007), 442f.

Oboe Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it. oboe m. und

frz. hautbois m., einer Zusammensetzung aus frz. haut ’hoch klingend’ (aus l. altus ’hoch’; Þalt) und frz. bois m. ’Holz’ (ÞBusch). So benannt nach dem obertonreichen Klang. Älter ÞHoboe, noch älter französische ÞSchalmei. Ebenso nndl. hobo, ne. oboe, nfrz. hautbois, nschw. oboe, nisl. o´bo´. – DF 1 (1913), 268; Relleke (1980), 154; EWNl 2 (2005), 438.

(dem Verstand) Vorgesetzte’, dem substantivierten PPP. von l. obicere (obiectum) ’entgegenwerfen, vorsetzen’, zu l. iacere ’werfen’ und l. ob- (Lehnüberset- Obolus Sm ’kleine Geldspende’ erw. bildg. (18. Jh.). Über l. obolus entlehnt aus gr. obolo´s, der Bezeichzung zu gr. antikeı´menon, auch hypokeı´menon). Die nung einer kleinen Münze (sechster Teil einer DrachBedeutung dieses Terminus der mittelalterlichen Phime). Das Wort bedeutet eigentlich ’spitziger Stab’ losophie zeigt sich vor allem auch in objektiv, das und weist deshalb vielleicht auf eine entsprechende ’(vom Subjekt unbeeinflusst) vorgegeben’ bedeutet. Geldform (oder eine Abbildung auf der Münze). Der Gegensatz zu ÞSubjekt liegt auch in der GramEbenso nndl. obool, ne. obol, nfrz. obole, nschw. obol; ÞObelisk. matik vor, die damit ein Satzglied bezeichnet, das – Röhrich 2 (1992), 118; RGA 21 (2002), 498–515. vom Prädikat betroffen ist, im Gegensatz zum SubObrigkeit (zunächst Oberkeit) Sf std. (14. Jh.). Zu jekt, das als Träger der Handlung gesehen wird. einem nur regional bezeugten oberig (zu Þober 1). Die Ebenso nndl. object, ne. object, nfrz. objet, nschw. objekt, Bedeutung ist zunächst ’Höherstehen, Herrschaft’, nnorw. objekt; ÞAdjektiv.Deutsches Ersatzwort: ÞGegenstand, früher genauer: Gegenwurf. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 86; DF 2 dann konkret im heutigen Sinn. (1942), 225f.; HWPh 6 (1984), 1026–1052; Karstens, M. AB 35 (1992), 214–256; LM 6 (1993), 1335 f . EWNl 3 (2007), 442.

Objektiv Sn erw. fach. (19. Jh.). Zunächst bei optischen

Geräten mit zwei Linsen diejenige, die dem Objekt zugewandt ist (älter Objektivglas im Gegensatz zum Okularglas auf der Seite des Auges). Ebenso nndl. objectief, ne. objective, nfrz. objectif, nschw. objektiv, nnorw. objektiv.

Oblate Sf ’dünne, aus Mehl und Wasser gebackene

Scheibe’ erw. fach. (8. Jh.), mhd. obla¯t[e] f./n., ahd. obla¯ta, ovela¯ta. Entlehnt aus ml. oblata (hostia) ’dargebrachtes Abendmahlsbrot’, zu l. obla¯tus, dem PPP. von l. offerre ’darreichen, entgegentragen’, zu l. ferre ’tragen’ und l. ob-. Zunächst in der mittellateinischen Bedeutung entlehnt, seit dem 13. Jh. auch ’feines Backwerk’. Ebenso nndl. oblaat, oblie, ne. oblate, nfrz. oblat, oublie, nschw. oblat, nisl. obla´ta; ÞDifferenz, ÞPrälat. – DF 2 (1942), 226; LM 6 (1993), 1336f.; EWNl 3 (2007), 483.

Obrist Sm ÞOberst. Observatorium Sn ’Beobachtungsstation’ erw. fach.

(17. Jh.). Gebildet zu l. observa¯re ’beobachten, auf etwas achten’ (zu l. serva¯re ’erhalten, beobachten’ und l. ob-), wohl nach dem Vorbild von frz. observatoire. Danach auch observieren. Ebenso nndl. observatorium, ne. observatory, nfrz. observatoire, nschw. observatorium, nnorw. observatorium; Þkonservieren. – DF 2 (1942), 228f.; LM 6 (1993), 1339f.; HWPh 6 (1984), 1072–1081 (zu Observation).

obskur Adj ’fragwürdig, sonderbar’ erw. fremd.

(17. Jh.). Entlehnt aus l. obscu¯rus ’dunkel’. Ebenso nndl. obscuur, ne. obscure, nfrz. obscure, nschw. obskyr, nnorw. obskur. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞScheuer. – DF 2 (1942), 229–231; EWNl 3 (2007), 443.

obsolet Adj ’veraltet’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus l.

obsole¯tus ’unscheinbar, abgenutzt, abgetragen’, zu l. obsole¯scere ’nach und nach vergehen, sich abnutzen’, wohl nach dem Vorbild des Englischen.

oder

665 Ebenso nndl. obsoleet, ne. obsolete, nfrz. obsle`te, nschw. obsolet. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 631f.

Obst Sn std. (8. Jh.), mhd. obez, ahd. obaz, mndd. ovet,

avet. Aus vd. *uba-¢ ¯ taz n. ’Dazu-Essen’ zu dem unter ÞAas aufgeführten Wort für ’Essen’ und Þob 2 in der alten Bedeutung ’hin(zu)’. Die alte Bedeutung ist also ’Zukost, Beikost’ und umfasst ursprünglich mehr als heute (z.B. auch Hülsenfrüchte). Das auslautende -t ist erst im 16. Jh. angetreten.

des Stiers. Der zweite Bestandteil ist mhd. zim(b)ere, dann mundartlich zem, zim, zemmel, zimer und zahlreiche andere. Der Zusammenhang des Wortes mit ÞZiemer ’Rückenstück des Wildes’ erklärt sich durch die Entlehnung aus frz. cimier, das 1) ’Schwanz’ bedeutet, dann 2) durch Übertragung ’männliches Glied’ und 3) durch Verschiebung ’das Fleischstück unmittelbar beim Schwanz des Hirsches’.

Weitzenböck, G. Teuthonista 7 (1930/31), 155–157; Tilander, T. SN 13 (1941), 1–10; Müller (1966), 98f. Ebenso nndl. ooft; ÞAas, Þessen, Þob 2. – Benware, W. A. BGDSL-T 101 (1979), 337; Röhrich 2 (1992), 1108; LM 6 (1993), Ocker Sm erw. fach. (10. Jh.), mhd. ocker, ogger, ahd. 1340–1342; Kisch, G. ZM 14 (1938), 107f. (anders: zu gr. opso´ockar. Ist entlehnt aus l. o¯chra f., das aus gr. o¯chro´s nion); EWNl 3 (2007), 463; RGA 21 (2002), 517–523.

obstinat Adj ’unbelehrbar, hartnäckig, starrsinnig’ per.

’gelblich’ unklarer Herkunft stammt.

Ebenso nndl. oker, ne. ochre, nfrz. ocre, nschw. ockra, nnorw. oker. – DF 2 (1942), 232; Lüschen (1979), 285; EWNl 3 (2007), 449.

fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus l. obstina¯tus, dem adjektivischen PPP. von l. obstina¯re ’auf etwas bestehen, sich etwas hartnäckig vornehmen’, zu l. sta¯re ’sich Octan Sn ÞOktan. behaupten, fest stehen’ (ÞDistanz) und l. ob-. Ebenso nndl. obstinaat, ne. obstinate, nfrz. obstine´, nschw. ob- Ode Sf ’feierliches Gedicht’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. o¯de¯, dieses aus gr. (poet.) aoide¯´, o¯ide¯´ ’Gesang’ stinat, nnorw. obstanasig, obsternasig. – DF 2 (1942), 231. (zu gr. aeı´dein ’singen’). obstruieren Vsw ’hemmen, zu verhindern suchen’ per. Ebenso nndl. ode, ne. ode, nfrz. ode, nschw. ode, nnorw. ode; fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. obstruere (obstru¯ctum), ÞKomödie, ÞMelodie, ÞParodie, ÞProsodie, ÞRhapsodie, zu l. struere ’übereinanderschichten’ (ÞStruktur) und ÞTragödie. – DF 2 (1942), 232; LM 6 (1993), 1345f.; EWNl 3 l. ob-. Abstraktum: Obstruktion. (2007), 445. Ebenso nndl. obstructie, ne. obstruct, nfrz. obstruer, nschw. oböde Adj std. (9. Jh., ono¯di 8. Jh.), mhd. œde, ahd. o¯di, struktion, nnorw. obstruere. – DF 2 (1942), 231.

obszön Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. obscoenus, ob-

sce¯nus, zu l. ce¯num, caenum ’Schmutz, Unflat’ und l. ob-. Abstraktum: Obszönität. Ebenso nndl. obsceen, ne. obscene, nfrz. obsce`ne, nschw. obscen, nnorw. obscøn. – DF 2 (1942), 231f.; Marcuse, L.: Obscön (München 1962); HWPh 6 (1984), 1081–1089; EWNl 3 (2007), 443.

Ochse Sm std. (8. Jh.), mhd. ohse, ahd. ohso. Aus g.

(un)o¯diÑ . Aus g. *auþja- Adj. ’öde’, auch in gt. auþ(ei)s, anord. audrÑ , ae. ¯ıedeÑ ’verwüsten’. Außergermanisch kann entsprechen gr. au´to¯s ’eitel, leer’ zu gr. auto´s ’selbst’ sowie air. u´athad ’Einzelheit, Vereinzelung’; vielleicht weiter zu au- ’weg’ in dem l. Präfix au-. Abstraktum: Öde. ÞEinöde gehört ursprünglich nicht hierher, ist aber sekundär angeglichen. Heidermanns (1993), 111.

*uhso¯n m. ’Ochse’ (mit schwundstufigem Suffix in der Flexion), auch in gt. auhsa, anord. oxi, uxi, ae. oxa, afr. oxa. Dieses aus ig. *ukso¯n m. ’(kastrierter) Ochse, Mastochse’, auch in ai. uksa¯´, toch. B okso ˙ ’Stier’, kymr. ych ’Ochse’. Möglicherweise aus einer (unbekannten) nicht-indogermanischen Sprache entlehnt.

Odem Sm ÞAtem.

Ebenso nndl. os, ne. ox, nschw. oxe, nisl. uxi; ÞAuerochse, Þochsen, ÞWake. – Kiehnle, C.: Vedisch ’uks’ und ’uks/vaks’ ˙ ˙ (Wiesbaden 1979), 42–94; Zimmer, S. ZVS 95˙ (1981), 84–92; Benediktsson, H. NOWELE 7 (1986), 29–97; Röhrich 2 (1992), 1109f.; LM 6 (1993), 1343; EWNl 3 (2007), 481f.

oder Konj std. (8. Jh., Form 10. Jh.), mhd. oder, häufiger

ochsen Vsw std. stil. (19. Jh.). In der Studentensprache

dem älteren büffeln (ÞBüffel) nachgebildet. Ochsenauge Sn erw. stil. (15. Jh.). Mehrere übertragene

Bedeutungen: 1) Seit dem 17. Jh. ’Dachfenster’ wie frz. œil-de-bœuf m., vgl. ne. bull’s eye für ’Schiffsfenster’ und die Teilübersetzung nhd. ÞBullauge. 2) ’Spiegelei’ seit frühneuhochdeutscher Zeit bezeugt. Übertragen nach der Form. Ochsenziemer Sm ’Klopfpeitsche’ erw. obs. (17. Jh.).

Der Ochsenziemer besteht aus der getrockneten Rute

Ödem Sn ’Flüssigkeitsansammlung im Gewebe’ per.

fach. (19. Jh.). Entlehnt aus gr. oı´de¯ma ’Geschwulst’, Konkretbildung zu gr. oideı˜n ’schwellen’. Ebenso nndl. oedeem, ne. (o)edema, nfrz. œde`me, nschw. ödem, nnorw. ødem. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞEiter. – Cottez (1980), 279; EWNl 3 (2007), 445.

mhd. od(e), ahd. odo u.ä., mndd. oder. Das -r ist unter Einfluss von Þaber und Þweder angefügt. Die ältesten Formen sind ahd. eddo, as. ettho; entsprechend ae. oddÑ aÑ , gt. aiþþau. Der zweite Bestandteil ist der Dual des Demonstrativums, also ’diese beiden’; der erste Bestandteil ist unklar. As. eftha, afr. jeft(ha) u.ä. weisen auf Þob 1, doch gilt dies kaum für alle genannten Formen. Ebenso nndl. of, ne. or. – Horn, W. BGDSL 61 (1899), 116–151; Behaghel 3 (1928), 237–242; Härd, J. E.: Mnd. ’oder’, ’oft’ und Verwandtes (Göteborg 1967); Cercignani, F. JIES 12 (1984), 329–334; Liberman, A. in The Ring of Words, ed. U. Goebel, D. Lee (Lewiston, Queenston, Lampeter 1993), 181–201; Lühr, R. MSS 34 (1976), 77–94 (anders); Lühr, R. HS 109 (1996), 144–160; EWNl 3 (2007), 447; EWahd 2 (1998), 950.

Odermennig Odermennig Sm (eine Art Mohn) per. fach. (11. Jh.),

mhd. odermenie f., ahd. avermonia f . Unter lautlicher Entstellung entlehnt aus l. agrimo¯nia f., das auf gr. a´rgemon n. zurückgeht. Dies bedeutet eigentlich ’weißer Fleck im Auge’, und die Pflanze wird als Heilmittel dagegen verwendet (sekundäre Angleichung eines ursprünglich fremden Namens?).

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openlı¯c. Weiterbildung zu Þoffen im Sinn von ’vor Augen liegend’, erst spät im politischen Sinn ’der Öffentlichkeit zugänglich gemacht’. Hierzu Öffentlichkeit seit dem 18. Jh. als Ersatzwort für Publizität (Þpublik). Der Übergangslaut -t- erscheint seit 1300. Präfixableitung: veröffentlichen.

Ebenso nndl. agrimonie, ne. agrimony, nfrz. aigremoine, ndn. agermaane. – Marzell 1 (1943), 139–141; LM 6 (1993), 1349.

Ladendorf, O. ZDW 5 (1903/04), 118 (zu Öffentlichkeit); Ladendorf (1906), 228f.; Pfaff (1933), 44; GB 4 (1978), 413–467; HWPh 6 (1984), 1134–1140; LM 6 (1993), 1370.

Odyssee Sf erw. bildg. (19. Jh.). In französischer Form

offerieren Vsw per. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus l. of-

(frz. odysse´e) übernommen aus l. Odyssea, gr. Ody´sseia, dem Namen des homerischen Epos von den Irrfahrten des Odysseus. Ebenso nndl. odyssee, ne. odyssey, nfrz. odysse´e, nschw. odysse´, nnorw. odysse´.

Ofen Sm std. (8. Jh.), mhd. oven, ahd. ovan, mndd.

ferre, zu l. ferre ’tragen’ und l. ob-, wohl unter Einfluss von frz. offrir. Konkretum: Offerte. Das Offerto¯rium als Bestandteil der katholischen Messe (’Darbringung der Opfergaben’) geht auf eine kirchenlateinische Bildung zurück (zu l. fertum ’Opfergabe’). Ebenso nndl. offreren, ne. offer, nfrz. offrir, nschw. offerera,

nnorw. offerere; ÞDifferenz. – DF 2 (1942), 235; Jones, W. J. SN oven, mndl. oven. Aus (spät-)g. *ufna- m., auch in 51 (1979), 265 (zu Offerte); LM 6 (1993), 1370 (zu Offertorium); anord. ofn, ae. of(e)n, afr. oven. Daneben mit h gt. EWNl 3 (2007), 447. auhns und mit g aschw. oghn. Außergermanisch offiziell Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. officiel, dieses stimmt dazu in der Bedeutung gr. ipno´s ’Ofen’; weiter über ne. official aus l. officia¯lis ’zum Amt gehörig’, zu entfernt steht ai. ukha¯´ f., ukha´- ’Topf, Kochtopf, Feul. officium ’Pflicht, Amt’, weiter zu l. opus n. ’Werk’ erschüssel’. Man versucht einen gemeinsamen Ansatz und l. ops ’Werk’ und l. facere ’tun’ (Þinfizieren) als ig. *uk wh-, doch lassen sich nicht alle lautlichen Be’Werkverrichtung’. sonderheiten erklären. Vermutlich liegt ein Lehnwort Ebenso nndl. officieel, ne. official, nfrz. officiel, nschw. officiell, aus einer unbekannten Sprache vor. Gemeint war urnnorw. offisiell. – DF 2 (1942), 236; EWNl 3 (2007), 448. sprünglich eine Art ’Backofen’, später ein ’BadeOfen’. Daraus die heutige Bedeutung. Offizier Sm std. (15. Jh., Bedeutung 16. Jh.). Entlehnt Ebenso nndl. oven, ne. oven, nschw. ugn, nisl. ofn. – Hoops aus frz. officier, dieses aus ml. officiarius ’Inhaber (1911/19), III, 360f.; Lühr (1988), 334; Röhrich 2 (1992), 1110f.; eines Amtes’, zu l. officium n. ’Pflicht, Amt’ LM 6 (1993), 1365; EWNl 3 (2007), 484; Davis, G. W. in FS (Þoffiziell). In der Bedeutung ’Beamter’ schon früher Rauch, 147–154; RGA 22 (2003), 13–17. bezeugt. offen Adj std. (8. Jh.), mhd. offen, ahd. offan, as. opan. Ebenso nndl. officier, ne. officer, nfrz. officier, nschw. officer, nnorw. offiser. – DF 2 (1942), 236f.; Jones (1976), 467f.; EWNl 3 Aus g. *upena- Adj. ’offen’, auch in anord. opinn, ae. (2007), 448. open, afr. epe(r)n, open. Mit n-Suffix und Ablaut gebildet von der gleichen Grundlage wie Þauf ; entfern- Offizin Sf ’Werkstätte mit nicht-handwerklicher Arbeit ter verwandt sind Þob 2, Þoben, Þober 1. Verb: öffnen. (Buchdruckerei, Apotheke usw.)’ per. fach. (18. Jh.). Ebenso nndl. open, ne. open, nschw. öppen, nisl. opinn; Þauf , Entlehnt aus l. officı¯na ’Werkstätte’, älter l. opificı¯na, Þöffentlich. – Szemere´nyi, O. Scripta minora 4 (Innsbruck zu l. opifex ’Handwerker’ (zu l. opus ’Werk’ und l. 1991), 2275ff.; Heidermanns (1993), 639f.; EWNl 3 (2007), 470. facere ’tun’; Þoffiziell). offenbar Adj std. (10. Jh.), mhd. offenb¢re, offenba¯r(e), Ebenso nndl. officinaal, ne. officinal, nfrz. officine, nschw. officin, nnorw. offisin. – DF 2 (1942), 237f. offenbar, ahd. offanba¯ri, mndd. openbar(e), mndl. openbare. Weiterbildung zu Þoffen im Sinn von ’vor offiziös Adj ’halbamtlich’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt Augen stehend’, wobei -ba¯ri von Anfang an nur noch aus frz. officieux, das eigentlich ’dienstbeflissen, verdie Funktion eines Suffixes hatte. Verb: offenbaren bindlich’ bedeutet (aus l. officio¯sus ’dienstbereit’ zu mit dem Abstraktum Offenbarung. officium ’Dienst’; Þoffiziell). So zunächst auch im HWPh 6 (1984), 1105–1130 (zu Offenbarung); LM 6 (1993), Deutschen, das dann der Weiterentwicklung im 1368f.; EWNl 3 (2007), 470. Französischen folgt (offiziöse Quellen sind Quellen, die zur Information bereit sind, ohne dazu ausdrückoffensiv Adj erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. oflich autorisiert zu sein). fensif, einer alten Gegensatzbildung zu frz. de´fensif; formal zu frz. offendre aus l. offendere (offe¯nsum) Ebenso nndl. officieus, ne. officious, nschw. officiös, nnorw. offisiøs. – DF 2 (1942), 238f.; EWNl 3 (2007), 448. ’anstoßen, verletzen, beschädigen’. Abstraktum: Offensive. Offsetdruck Sm (ein Flachdruckverfahren) per. fach. Ebenso nndl. offensief, ne. offensive, nfrz. offensif, nschw. offen(20. Jh.). Entlehnt aus ne. offset (eigentlich ’Abziesiv, nnorw. offensiv. – DF 2 (1942), 234f.; Jones (1976), 467. hen’), zu ne. set off ’abziehen, entfernen’, aus ne. off öffentlich Adj std. (8. Jh., Form 13. Jh.), mhd. offenlich, ’ab, weg’ und ne. set ’legen, setzen’. So bezeichnet, da ahd. offanlı¯h, as. opanlı¯ko Adv. Entsprechend ae. bei diesem Verfahren das zu Druckende zunächst auf

Ohrfeige

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einen mit Gummi überzogenen Zylinder gebracht wird, von dem es dann auf Papier ’abgezogen’ wird.

oft Adv std. (8. Jh.), mhd. oft(e), ahd. ofto, as. ofto, ohto.

a¯ma¯d. Aus ÞMahd und a¯-, etwa im Sinne von ’übrig’. Daneben mhd. üemet, zusammengesetzt aus Mahd und uo-, etwa im Sinn von ’nach’ (ahd. uoquemo ’Nachkomme’). Hieraus wohl der Umlaut von Öhmd.

Ebenso nndl. oom; ÞHeim. – Blümel, R. BGDSL 53 (1929), 55–58; Much, R. ZDA 69 (1932), 46–48; Mezger, F. ZVS 76 (1960), 296–302; RGA 1 (1973), 525–527; Szemere´nyi (1977), 53–61; Ruipe´rez (1984), 73–83; Hettrich, H. AL 27 (1985)[1987], 462f.; Jones (1990), 147–162; EWNl 3 (2007), 465.

Ebenso nndl. oor, ne. ear, nschw. öra, nisl. eyra; ÞÖhr, ÞÖse. – LM 6 (1993), 1375; Röhrich 2 (1992), 1113–1118; SchmidtWiegand (1991), 293–295 (zu sich hinter die Ohren schreiben); Vennemann (1997), 896f. (Entlehnung aus dem Semitischen); EWNl 3 (2007), 465.

Ebenso nndl. offsetdruk, ne. offset, nfrz. offset, nschw. offset, nisl. offsetprent. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 638f.

Þmähen. – EWahd 1 (1988), 2–4, 190. Aus g. *ufta- (mit verschiedenen Kasusformen) ’oft’, auch in gt. ufta, anord. opt, ae. oft, afr. ofta. Herkunft ohne Präp std. (8. Jh.), mhd. a¯n(e), ahd. a¯nu, a¯no u.ä., as. a¯no. Aus g. *¢¯ neu (u.ä.) ’ohne’, auch in anord. a´n, unklar. Vielleicht zu Þob 2 und seiner Sippe als ’übermäßig’. Vgl. anord. of n. ’große Menge’. o´n, afr. o¯ne, daneben von g. *enu: gt. inu ’ohne’. Außergermanisch entspricht (mit abweichendem VoEbenso ne. often, nschw. ofta. – Wood, F. A. JEGP 2 (1899), 214; kalismus) gr. a´neu ’fern von, ohne’ und vielleicht Härd, J. E.: Mnd. ’oder’, ’oft’ und Verwandtes (Göteborg 1967). toch. AB a¯n˜u ’Aufhören, Ruhe’. Die angesetzten Formen sehen aus wie endungslose Lokative von oh Interj Þo. u-Stämmen; falls das tocharische Wort das zugehö1 Oheim (Ohm [so ursprünglich niederdeutsch]) rige Grundwort zeigt, wäre von ’mit Aufhören, beim Sm erw. obs. (9. Jh.), mhd. œheime(e), ahd. o¯heim Aufhören’ auszugehen. Vermischungen mit Þun- in ’Bruder der Mutter’, mndd. o¯m, mndl. oom, o(o)me. Þungefähr und Þunlängst. Aus wg. *awa-haima- m. ’Mutterbruder’, auch in ae. Hamp, E. P. JIES 10 (1982), 189f.; EWahd 1 (1988), 289f.; Röh¯eam, afr. ¯em. Das Wort bedeutet eigentlich ’der im rich 2 (1992), 1111f.; Lenz (1991); Fritz, M. HS 108 (1995), Haus des Großvaters lebt’. Für die älteste Zeit ist an195–204. zunehmen, dass nur für die Sippe des Vaters ausführOhnmacht Sf std. (9. Jh., Form 13. Jh.), mhd. a¯maht, lichere Verwandtschaftsbezeichnungen bestanden, ahd. a¯maht(-ı¯g), unmaht. Gebildet aus ÞMacht und für die Mutterseite dagegen nur für den Großvater dem Präfix a¯-, das hier wie in ÞAmeise ’fort, weg’ (der gleich bezeichnet wurde wie der Großvater väbedeutet (etwas anders ÞÖhmd). Ausgangsbedeuterlicherseits). Noch in voreinzelsprachlicher Zeit tung also etwa ’Machtlosigkeit, Kraftlosigkeit’. Nach (vermutlich im Zusammenhang mit größerer Sessdem regionalen Wandel von a¯ zu o¯ wurde das erste haftigkeit) zeigte sich das Bedürfnis, auch die VerElement mit Þohne gleichgesetzt und entsprechend wandtschaft der Mutterseite spezieller zu bezeichnen. geschrieben. Dabei wurde der Mutterbruder in mehreren SpraGrosse, R. SSAWL (1988), 42–48; EWahd 1 (1988), 2–4; Röhchen aus dem Wort für den Großvater gebildet (vgl. l. rich 2 (1992), 1112f.; EWNl 1 (2003), 133. avunculus zu l. avus, entsprechend kymr. ewythr, lit. Ohr Sn std. (8. Jh.), mhd. o¯r(e), ahd. o¯ra, as. o¯ra. Aus g. avy´nas). Zu l. avus ’Großvater’ stimmen gt. awo *auzo ¯n n. ’Ohr’, auch in gt. auso, anord. eyra, ae. ¯eare, ’Großmutter’, anord. afi ’Großvater’. Im Neuhochafr. a¯re. Dieses aus ig. *aus- (mit verschiedenen deutschen wurde die Unterscheidung zwischen Stammbildungen) in l. auris f., air. o´, lit. ausı`s f., akOheim und ÞVetter (ursprünglich ’Vaterbruder’) aufslav. ucho, gr. ou˜s (mit Vollstufe o¯u?), avest. usˇgegeben und schließlich durch das undifferenzierte (Schwundstufe u?). Weitere Herkunft unklar. ÞOnkel, das aus dem Französischen stammt, ersetzt.

Ohm1 Sm ÞOheim. 2

Ohm Smn ’ein Flüssigkeitsmaß’ per. arch. (12. Jh.),

mhd. a¯me, o¯me m./f./n., mndd. am(e) f./n., mndl. ame. Wie afr. a¯m(e), ae. ome f. /(m.?). Entlehnt aus spl. ama f. ’Gefäß, Weinmaß’ zu l. (h)ama f. ’Feuereimer’, das aus gr. a´me¯ f. ’Eimer’ stammt. Ebenso nndl. aam. Vgl. Þnachahmen. – EWahd 1 (1988), 201–203.

Ohm3 Sn ’Maßeinheit des elektrischen Wider-

stands’ erw. fach. (19. Jh.). 1881 festgelegt durch Reichsgesetz und benannt nach dem Physiker Georg Simon Ohm. Öhmd Sn ’Grasschnitt nach der Heuernte, zweiter

Heuschnitt’ per. wobd. (12. Jh.), mhd. a¯ma¯t, ahd.

Öhr Sn std. (11. Jh.), mhd. œr(e), o¯r(e), spahd. o¯ri. Aus

vd. *auzja-. Zugehörigkeitsbildung zu ahd. o¯ra ’Ohr’. ’Henkel, Öse’ bedeuten die Wörter für ’Ohr’ auch unmittelbar. Ebenso nndl. oor, ne. ear, gr. ou˜s; ÞOhr, ÞÖse. – Kluge (1926), 42.

Ohrenschliefer Sm ÞOhrwurm. Ohrfeige Sf std. (16. Jh.), mndd. o¯rvige. Vermutlich ist

an ÞFeige, übertragen im Sinne von ’unförmige Schwellung’ am Ohr, gedacht. Verb: ohrfeigen. Ebenso nndl. oorvijg, nschw. örfil, nnorw. ørefik. Vgl. ÞDachtel und nndl. muilpeer ’Ohrfeige’ (’Maulbirne’). – EWahd 3 (2007), 211.

Ohrwurm

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Ohrwurm Sm erw. reg. (13. Jh.). Zahlreiche verschiede-

capere ’nehmen, fassen, ergreifen’ und l. ob-. Abstrakne regionale Bildungen, die meistens das Wort ÞOhr tum: Okkupation. enthalten; auch frz. perce-oreille und ne. earwig. Die Ebenso nndl. occuperen, ne. occupy, nfrz. occuper, nschw. ockupera, nnorw. okkupere; Þkapieren. – DF 2 (1942), 239. frühesten deutschen Belege etwa seit dem 14. Jh., am ältesten altenglische Belege etwa aus dem 8. Jh. Letzt- Ökologie Sf ’Lehre von den Wechselbeziehungen zwilich geht die Bezeichnung darauf zurück, dass in der schen Organismen und ihrer Umwelt’ erw. fach. Spätantike solche Tiere getrocknet und zerstoßen als (19. Jh.). Neubildung zu gr. oı˜kos m. ’Haus, HaushalHeilmittel gegen Ohrenkrankheiten verwendet wurtung, Wirtschaft’ und Þ-logie (aber wohl eigentlich den; deshalb die Bezeichnung spl. auricula f., verdeutKreuzung aus ÞÖkonomie und ÞBiologie). Gemeint licht in dem frz. Bezeichnungstyp cure-oreille f. Die war ursprünglich die Wirtschaftlichkeit der NaturBezeichnung wurde (später und anderenorts) nicht vorgänge, doch hat sich die Blickrichtung im Laufe mehr verstanden und mit den krankheitsverursader Zeit ausgeweitet. Das Wort erscheint zuerst bei chenden Ohrwürmern der antiken Medizin identifidem deutschen Zoologen E. Haeckel 1866 (der angebziert. Daraus entstand der Volksglaube, die Ohrwürlich frühere Beleg bei H. D. Thoreau beruht auf mer würden durch die Ohren ins Gehirn kriechen, einem Lesefehler); die Theorie wird ausgebaut durch und daraus wiederum die verdeutlichenden BezeichH. Reiter 1885 und den Dänen E. B. Warming 1895. nungen frz. perce-oreille, nhd. Ohrenschliefer u.ä. Seit etwa 1970 wird das Wort zum Schlagwort der Wissmann (1963–1968), 629–682; Seebold (1981), 230–238; Umweltbewegung, wodurch öko- als Lehnaffixoid EWNl 3 (2007), 468. üblich wird (Ökosystem usw.). Auch als Kürzung Öko -oid Suffix zur Bildung von Bezeichnungen für untym. für Anhänger von Umweltbewegungen benützt. pische Exemplare, z.B. Suffixoid = ’suffixähnliches Ebenso nndl. oecologie, ne. (o)ecology, nfrz. ´ecologie, nschw. Element’ per. fach. (–). In neoklassischen Bildungen ekologi, nnorw. økologi; ÞDiözese. – Goodland, T. R. Science 188 (1975), 313 (Leserbrief); HWPh 6 (1984), 1146–1149; Strauss verwendet nach dem Muster griechischer Komposita u.a. (1989), 475–504; EWNl 1 (2003), 656. mit Fugenvokal -o- + -eide¯s ’aussehend’ (ÞWeise). Wellmann, H. FS H. Moser (1975), 409–431; Cottez (1980), Ökonomie Sf ’Wirtschaftlichkeit’ erw. fach. (16. Jh.). 198f. Entlehnt aus l. oeconomia ’Haushaltung, Verwaltung’, dieses aus gr. oikonomı´a, zu gr. oikono´mos ’Haushalokay (auch o.k.) Interj ’in Ordnung’ std. stil. (20. Jh.). ter, Verwalter’, zu gr. oı˜kos m. ’Haus’ und gr. ne´mein Entlehnt aus am.-e. okay (o. k.). Die Abkürzung ent’teilen, verteilen’. Adjektiv: ökonomisch. springt scherzhaften Abkürzungen fehlerhafter Ebenso nndl. economie, ne. economy, nfrz. ´economie, nschw. Schreibungen durch amerikanische Journalisten in ekonomi; ÞDiözese, Þ-nom. – DF 2 (1942), 239–242; Brandt, I.: Boston um 1839 (wie K. G. für no go − falsch geDie Geschichte des Wortes ’economie’ (Leipzig 1950); HWPh 6 schrieben know go oder o. w. = all [w]right) und hat (1984), 1149–1162; Stemmler, Th.: Ökonomie (Tübingen 1985); all correct (oll korrekt) als Vollform. Zuerst bezeugt PSG 8 (1988), 51–104; Descat, R. Quaderni Urbinati di Cultura 1839 in der Boston Morning Post. Classica 28 (1988), 103–119; EWNl 1 (2003), 657f.

Ebenso nndl. o.k., ne. okay, nfrz. o.k., nschw. okay, nisl. o´kei. – Oktan Sn (ein gesättigter Kohlenwasserstoff) per. fach. Read, A. W. ASp 38 (1963), 5–27, 83–102, 39 (1964), 83–101; (19. Jh.). Neubildung mit dem Fachwort-Suffix -an Mieder, W. SS 31 (1975), 132–135; Greco, F. A. / Degges, M. der Chemie zu gr. okto¯´ ’acht’, da es 8 KohlenstoffASp 50 (1975)[1978], 333–335; Rey-Debove/Gagnon (1988), 640f.; Röhrich 2 (1992), 1118f.; Carstensen 2 (1994), 986–988. Atome enthält (C8 H18). Bestandteil von Kraftstoffen,

Ökelname Sm ÞEkelname. okkasionell Adj ’gelegentlich’ per. fremd. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. occasionnel, zu frz. occasion ’Gelegenheit’, dieses aus l. occa¯sio (-o¯nis), Abstractum von l. occidere ’fallen, sein Ende erreichen’, zu l. cadere ’fallen, sinken’ und l. ob-. Ebenso nndl. occasioneel, ne. occasional, nfrz. occasionnel, ndn. okkasionel; ÞKadenz. – DF 2 (1942), 239; EWNl 3 (2007), 443.

okkult Adj ’verborgen’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt

aus l. occultus, dem PPP. von l. occulere ’verdecken, verbergen’. Abstraktum: Okkultismus. Ebenso nndl. occult, ne. occult, nfrz. occulte, nschw. ockult, nnorw. okkult. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þhehlen. – DF 2 (1942), 239; HWPh 6 (1984), 1142–1146; EWNl 3 (2007), 443f.

okkupieren Vsw ’besetzen’ per. fremd. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus l. occupa¯re (eigentlich ’einnehmen’), zu l.

für deren Klopffestigkeit die Oktanzahl ein Maßstab ist. Ebenso nndl. octaan, ne. octane, nfrz. octane, nschw. oktan, nisl. oktan. – Cottez (1980), 276f.

Oktav Sn (ein Buchformat) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt

aus l. in octa¯vo u.ä. ’in Achteln’ (zu l. octo ’acht’). Das Format entsteht, wenn der Bogen Papier in 8 Blätter gefalzt wird. Ebenso nndl. octavo, ne. octavo, nfrz. in-octavo, nschw. oktave, nisl. octavo. – DF 2 (1942), 242.

Oktave Sf ’Intervall von acht diatonischen Tonstu-

fen’ erw. fach. (13. Jh.). Übernommen aus ml. octa¯va, dem substantivierten Femininum von l. octa¯vus ’der Achte’. Ebenso nndl. octaaf, ne. octave, nfrz. octave, nschw. oktav, nnorw. oktav. – DF 2 (1942), 242f.

Olympiade

669 Oktober Sm std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. (me¯nsis) Oct-

o¯ber, zu l. octo¯ ’acht’. So bezeichnet als der achte Monat des im März beginnenden altrömischen Kalenderjahres. Ebenso nndl. oktober, ne. october, nfrz. octobre, nschw. oktober, nisl. okto´ber. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þacht. – Szemere´nyi (1989), 56–59; EWNl 3 (2007), 449.

oktroyieren Vsw Þaufoktroyieren. okulieren Vsw ’eine Veredelungstechnik für Bäu-

me’ per. fach. (17. Jh.). Verkürzt übernommen aus l. inocula¯re ’durch Einsetzen von Augen (Knospenansätzen) veredeln’, Präfixableitung zu l. oculus ’Auge, Knospenansatz’. Ebenso nndl. oculeren, nschw. okulera, nnorw. okulere.

Ökumene Sf ’Siedlungsraum des Menschen, Gesamt-

heit der Christen’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus l. oecu¯mene¯ ’bewohnte Erde’ (von den Griechen teils als ’der bewohnbare Teil der Erde’ verstanden, teils als ’der griechisch sprechende Teil der Erde’), dieses aus gr. oikoume´ne¯ (ge¯´), dem Partizip von gr. oikeı˜n ’bewohnen’, einer Ableitung von gr. oı˜kos m. ’Haus, Wohnung’. Adjektiv: ökumenisch. Ebenso nndl. oecumenisch, ne. (o)ecumene, nfrz. œcoume`ne, nnorw. økumenisk; ÞDiözese. – HWPh 6 (1984), 1174–1177.

Okzident Sm ’Abendland’ per. fach. (13. Jh.), mhd. oc-

cident[e]. Entlehnt aus l. (so¯l) occide¯ns (-entis) (eigentlich ’untergehende Sonne’), dem PPräs. von l. occidere ’niederfallen, untergehen’, zu l. cadere ’fallen, sinken’ und l. ob-. Zunächst ’Richtung des Sonnenuntergangs’, dann ’Land in der Richtung des Sonnenuntergangs, Abendland’. Adjektiv: okzidental. Ebenso nndl. occident, ne. Occident, nfrz. Occident, nschw. occident, nnorw. oksidenten; ÞKadenz.Ersatzwort ist ÞAbendland. – DF 2 (1942), 243–245; LM 6 (1993), 1383.

Öl Sn std. (8. Jh.), mhd. öl(e), ol(e), ol(e)i, ahd. oli, ole,

Ebenso ne. old (’alt’). Zur germanischen Verwandtschaft s. Þalt. – Carstensen 2 (1994), 989–991, 992–994 (Oldtimer).

Oldtimer Sm ÞOldie. Oleander Sm (strauchartige Pflanze mit länglichen,

ledrigen Blättern) per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus it. oleandro und frz. ole´andre, diese aus ml. lorandrum f. ’Lorbeerbaum’ unter Einfluss von l. olea f. ’Ölbaum, Olivenbaum’. Die lautlichen Einzelheiten sind aber unklar. Ebenso nndl. oleander, ne. oleander, nfrz. ole´andre, nschw. oleander, nnorw. oleander. – DF 2 (1942), 245f.; EWNl 3 (2007), 449.

Ölgötze Sm std. stil. (16. Jh.). Bezeugt in Wendungen

wie wie ein Ölgötze ’steif und stumm’, den Ölgötzen tragen ’die Dreckarbeit verrichten’. Der Ursprung der Wendung ist nicht ausreichend klar, obwohl seit früher Zeit Erklärungen gegeben werden. Auch ÞGötze allein wird in dieser Zeit in entsprechenden Bedeutungen gebraucht. Vgl. auch fnhd. götzenträger, dessen Bedeutung ebenfalls nicht ausreichend klar ist (Beruf? Vergehen? Schimpfwort?). Hildebrand, R. KS (1897), 126–129 = ZDU 5 (1891), 202–205; Drescher, K. FS zur Jahrhundertfeier der Universität Breslau (1911), 453–463; HWDA 6 (1935), 1247f.; Knobloch, J. Lingua 26 (1970/71), 310; Röhrich 2 (1992), 1120f.

Oligarchie Sf ’Gemeinwesen, in dem einige wenige die

Herrschaft ausüben’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus gr. oligarchı´a¯ (eigentlich ’Herrschaft von wenigen’), zu gr. olı´gos ’wenig’ und gr. a´rchein ’herrschen’. Abwertende Bezeichnung eines Herrschaftszustands, bei dem die Macht in den Händen weniger liegt, die nicht aufgrund staatsmännischer Fähigkeiten regieren, sondern wegen ihrer Abkunft, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppierung usw. Ebenso nndl. oligarchie, ne. oligarchy, nfrz. oligarchie, nschw. oligarki, nnorw. oligar ki; ÞAnarchie. – DF 2 (1942), 246; Cottez (1980), 282; HWPh 6 (1984), 1178–1182.

as. oli. Wie ae. ¢l entlehnt aus ml. olium aus l. oleum; dieses aus gr. ´elaion, das aus einer unbekannten SpraOlive Sf erw. exot. (16. Jh.). Entlehnt aus l. olı¯va (auch: che entlehnt ist. Das Wort bezeichnet ursprünglich ’Ölbaum, Olivenbaum’, verwandt mit l. oleum n. auch die Olive und den Ölbaum. Demgemäß war Öl ’Öl’), dieses aus gr. ela¯´a¯, elaı´a¯. Adjektiv: oliv (Farbzunächst ’Olivenöl’. Erst seit dem 12. Jh. werden auch bezeichnung). aus anderen Sämereien entsprechende Flüssigkeiten Ebenso nndl. olijf, ne. olive, nfrz. olive, nschw. oliv, nisl. olı´fa; gewonnen, die nach dem (Oliven-)Öl bezeichnet ÞÖl. – Littmann (1924), 21; DF 2 (1942), 246; LM 6 (1993), werden. Die Lautform des gt. alew ’Öl’ ist noch nicht 1399; EWNl 3 (2007), 450. ausreichend geklärt. Verb: ölen; Adjektiv: ölig. Olm Sm ’Schwanzlurch’ per. fach. (11. Jh.), mhd. olm, Ebenso nndl. olie, ne. oil, nfrz. huile, nschw. olja, nisl. olı´a; ahd. olm, mndl. olm. Herkunft unklar. ZusammenÞLinoleum, ÞMenthol, ÞOlive, ÞPetroleum. – Hoops, J.: Gehang mit ÞMolch bei falscher Ablösung des Anlauts schichte des Ölbaums (Heidelberg 1944); Szemere´nyi (1989), denkbar. Das Wort bezeichnet landschaftlich den Sa129–140; Röhrich 2 (1992), 1119f.; LM 6 (1993), 1383f.; EWNl 3 (2007), 449f.; RGA 21 (2002), 586–588. lamander und wird dann von L. Oken auf den neu entdeckten Schwanzlurch übertragen. Oldie Smn ’etwas nach längerer Zeit noch Aktuelles, z.B. ein beliebter alter Schlager’ per. grupp. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. oldie, oldy, einer hypokoristischen Ableitung von ne. old ’alt’. Oldtimer ist ’etwas/jmd., das/der zu einer älteren Zeit gehört’, z.B. ein solches Auto. Das Englische selbst bevorzugt andere Ausdrücke (veteran usw.).

Olympiade Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. olympiade,

dieses aus gr. Olympia´s (-a´dos), zu gr. Olympı´a, dem Namen des heiligen Bezirks, der dem Zeus geweiht und Austragungsort der antiken Sportwettkämpfe war (der Olympos ist das Gebirge in Griechenland, das als Sitz der Götter galt). Wiederaufnahme der

Ölzweig

670

Sache in internationalem Rahmen 1896. Im Griechi- ondulieren Vsw ’Haare (mit einer Brennschere) lockig schen ist eine Olympiade der Zeitraum zwischen zwei formen’ erw. obs. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. onduler, olympischen Spielen. Ein Olympionike ist im Grieeiner Rückbildung zu frz. ondulation ’Wallen, Wochischen ein Sieger bei den olympischen Spielen, mogen’. Dieses ist eine neoklassische Bildung zu l. undern jeder Teilnehmer. dula ’kleine Welle’, einem Diminutivum zu l. unda Ebenso nndl. olympiade, ne. Olympiad, nfrz. olympiade, nschw. ’Welle, Woge’. olympiad, nisl. o´lympı´adaÑ . – DF 2 (1942), 248; Röhrich 2 (1992), 1121; LM 6 (1993), 1402f.; EWNl 3 (2007), 451.

Ebenso nndl. onduleren, nfrz. onduler, nschw. ondulera, nnorw. ondulere; Þredundant.

Ölzweig Sm std. (13. Jh.), mhd. öl(e)zwı¯. Ist eine Klam- Onkel Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. oncle, zunächst

merform aus Ölbaumzweig.

Oma Sf std. stil. (19. Jh.). Kindersprachliche Form von

Großmama. EWNl 3 (2007), 451f.

Ombudsmann Sm ’Beauftragter zur Wahrung staats-

bürgerlicher Interessen’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus schwed. ombudsman ’Bevollmächtigter (der Regierung)’, besonders ’Wehrbeauftragter’, zu schwed. ombud ’Vertreter, Bevollmächtigter’. Ebenso nndl. ombudsman, ne. Ombudsman, nnorw. ombudsman. Das schwedische Wort zu anord. umbod,Ñ zu anord. bjo´daÑ um ’seine Vollmacht übertragen’. – Korle´n, G. MoS 1980, 157–160; EWNl 3 (2007), 452.

Omelett(e) Sn erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. ome-

lette f., dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist.

in französischer Form. Das Wort bürgert sich ein im Zuge der Aufgabe der Unterscheidung zwischen ÞOheim ’Mutterbruder’ und ÞVetter ’Vaterbruder’. Ebenso ne. uncle, nfrz. oncle, nschw. onkel, nnorw. onkel. – Ruipe´rez (1984), 83–86; Brunt (1983), 398; Röhrich 2 (1992), 1121; EWNl 3 (2007), 431.

Onyx Sm ’ein als Schmuckstein verwendetes Mine-

ral’ per. fach. (13. Jh.), mhd. onichel. Entlehnt aus gr. o´nyx (auch: ’Kralle, Klaue, Nagel’); das Bedeutungsmotiv ist nicht klar. Ebenso nndl. onyx, ne. onyx, nfrz. onyx, nschw. onyx, nisl. o´nyx, o´nix. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞNagel. – Lüschen (1979), 37f., 285f.; EWNl 3 (2007), 463; RGA 22 (2003), 105–107.

Opa Sm std. stil. (19. Jh.). Kindersprachliche Umbil-

dung von Großpapa.

EWNl 3 (2007), 469. Ebenso nndl. omelet, ne. omelet(te), nfrz. omelette, nschw. omelett, nnorw. omelett. Afrz. alumette, das aus l. la¯mella ’Scheibe’ Opal Sm ’ein milchigweißes Mineral’ per. fach. (17. Jh.). zu stammen scheint; zusätzlicher Einfluss von l. o¯vum ’Ei’ ist Entlehnt aus l. opalus, dieses aus gr. opa´llios, aus ai. wahrscheinlich. – DF 2 (1942), 248; Brunt (1983), 397; EWNl 3 u ´ pala- ’Stein’. Der Stein soll ursprünglich aus Indien (2007), 452. gekommen sein. Opalglas ist nach der Farbe so be-

Omen Sn ’Vorzeichen’ (immer mit dem Zusatz Þgut

nannt. oder Þböse) erw. bildg. (16. Jh.). Entlehnt aus l. o¯men Ebenso nndl. opaal, ne. opal, nfrz. opale, nschw. opal, nisl. o´pal. ’Vorzeichen’, dessen Herkunft unklar ist. Das zuge– Littmann (1924), 16; Lüschen (1979), 286; Lokotsch hörige Adjektiv ominös aus l. o¯mino¯sus ist in seiner (1975), 167; EWNl 3 (2007), 469. Bedeutung auf das schlechte Omen eingeschränkt. Oper Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus it. opera (in musica) Ebenso nndl. omen, ne. omen, nschw. omen, nnorw. omen. – ’Musikwerk’ über frz. ope´ra m. Die italienische Form DF 2 (1942), 248f.; EWNl 3 (2007), 452. Opera hält sich bis ins 18. Jh. und wird dann durch die Omnibus Sm std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. (voiture) eingedeutschte Form Oper ersetzt. Gleichermaßen omnibus (eigentlich ’Fahrzeug für alle’), dieses aus l. wird it. operetta ’Werkchen’ für eine kleine Oper omnibus ’für alle’, zu l. omne¯s ’alle’. Die Kurzform meist komischen Inhalts zunächst in dieser Form zu ÞBus aus ne. bus. Beginn des 18. Jhs. entlehnt und dann zu Operette einEbenso nndl. omnibus, ne. bus, nschw. omnibus, nnorw. omgedeutscht. nibus. – DF 2 (1942), 249f.; EWNl 1 (2003), 404f.; EWNl 3 (2007), 453.

Onanie Sf ’Selbstbefriedigung’ erw. fach. (18. Jh.). Aus

dem Englischen übernommen. Die Bezeichnung greift zurück auf den biblischen Onan, der seinen Samen auf die Erde fallen ließ und dafür von Gott bestraft wurde. An der betreffenden Stelle (1. Mose 38, 9) ist allerdings ’Coitus interruptus’ gemeint, so dass der sachliche Anschluss nur sehr lose ist. Verb: onanieren. Ebenso nndl. onanie, ne. onanism, nfrz. onanisme, nschw. onani, nnorw. onani. – Stiven (1936), 26; DF 2 (1942), 250f.

Ebenso nndl. opera, ne. opera, nfrz. ope´ra, nschw. opera, nisl. o´pera. – DF 2 (1942), 251f.; Carstensen, B. FS Leisi (Tübingen 1989), 131–156 (zu modernen Verwendungen); Röhrich 2 (1992), 1121; EWNl 3 (2007), 470f.

operieren Vsw std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. opera¯rı¯

’arbeiten, verrichten, pflegen, bearbeiten’, zu l. opus ’Werk, Arbeit, Beschäftigung’. Die medizinische Bedeutung nach der Auffassung, die in dem Chirurgen einen Handwerker sieht. Abstraktum: Operation; Nomen Agentis: Operateur; Adjektiv: operativ; Adjektiv der Möglichkeit: (in)operabel. Von der allgemeineren Bedeutung etwa Kooperation ’Zusammenarbeit’ und operationalisieren ’standardisieren’.

-ör

671 Ebenso nndl. opereren, ne. operate, nfrz. ope´rer, nschw. operera, Opposition Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. oppositio nnorw. operere. Zum lateinischen Grundwort gehören außer (-o¯nis), einer Ableitung von l. oppo¯nere (oppositum) der unveränderten Entlehnung ÞOpus noch ÞOper und Ope’entgegenstellen’, zu l. po¯nere ’stellen, legen’ und l. rette, auf Umwegen über das Französische auch ÞManöver; ob-. Adjektiv: oppositionell; Verb: Þopponieren; vermutlich mit ihm verwandt ist l. ops ’Reichtum, Vermögen’, Nomen Agentis: Opponent. wozu l. co¯pia ’Vorrat, Fülle’, das über die kanzleisprachliche Ebenso nndl. oppositie, ne. opposition, nfrz. opposition, nschw. Bedeutung ’Vervielfältigung’ unser ÞKopie ergibt (vgl. auch opposition, nnorw. opposisjon; ÞPosition. – DF 2 (1942), ÞCopyright). Zu l. ops s. auch ÞOptimum, ÞOptimismus und 254–256; Ganz (1957), 158f.; GB 4 (1978), 469–517; HWPh 6 Þopulent. Eine alte Entlehnung aus dem Verb ist Þopfern. Zur (1984), 1237–1240; EWNl 3 (2007), 473f. germanischen Verwandtschaft s. Þüben. – DF 2 (1942), 252f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 400; HWPh 6 (1984), Optik Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. (ars) optice¯ ’die 1208–1216; EWNl 3 (2007), 471. Lehre vom Sehen’, dieses aus gr. optike¯´ (te´chne¯), zu gr.

optiko´s ’das Sehen betreffend, zum Sehen gehörig’; zu faro¯n, mndd. opperen, offeren, älter oppron. Die Begr. o´sse ’die beiden Augen’ (ig. *ok w¯ı). Adjektiv: deutung ’opfern’ wird in christlicher Zeit vorwiegend optisch; Täterbezeichnung: Optiker. durch eine Entlehnung aus l. offerre ’darbringen’ erEbenso nndl. optica, ne. optics, nfrz. optique, nschw. optik, nnorw. optikk; ÞPanoptikum, ÞZyklop. – DF 2 (1942), 256f.; fasst, das gleichbedeutendes ahd. offro¯n, afr. off(e)ria, Röhrich 2 (1992), 1122; LM 6 (1993), 1419–1422; EWNl 3 (2007), ae. offrian, anord. offra ergeben hat. Im hochdeut474f. schen Bereich steht dafür aber eine zwar ähnliche, aber lautlich nicht übereinstimmende Form mit Optimismus Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. optimisAffrikata (die Vorform von nhd. opfern). Die traditime, einer neoklassischen Bildung zu l. optimus onelle Auffassung führt diese Formen mit Affrikata ’bester’. Zunächst Schlagwort für die Leibnizsche auf l. opera¯rı¯ ’arbeiten’ u.ä., auch ’Almosen geben’ Lehre, wonach diese Welt die beste aller möglichen (Þoperieren) zurück, was aber semantisch unbefrieWelten sei. Damit hängt die Auffassung zusammen, digend ist. Eine schon alte konkurrierende Auffasdass sich die Welt weiter zum Guten und Vernünftisung zieht deshalb die Annahme einer unregelmäßigen verändert. Daraus dann die heutige Bedeutung, gen Entwicklung bei der Verbreitung von Entlehnundie ein Vertrauen auf Gutes bzw. Besseres in sich gen vor und findet in der gegenwärtigen Forschung schließt. Täterbezeichnung: Optimist; Adjektiv: stärkere Befürworter. Die Deutung dieser Unregeloptimistisch. mäßigkeit (für die es Parallelen gibt) ist allerdings Ebenso nndl. optimisme, ne. optimism, nfrz. optimisme, nschw. ohne Zusatzannahmen nicht möglich. Abstraktum optimism, nnorw. optimisme; Þoperieren. – DF 2 (1942), 257f.; Opfer n. in mhd. opfer, opher, ahd. opfar, offar, mndd. HWPh 6 (1984), 1240–1246; EWNl 3 (2007), 475f. opper, offer (eigentlich Rückbildung aus dem Verb). Optimum Sn ’günstigster erreichbarer Wert’ per. fach. Ebenso nndl. offeren, ne. offer, nfrz. offrir, nschw. offra, nnorw. (20. Jh.). Entlehnt aus l. optimum, einer Substantivieofre. – HWPh 6 (1984), 1223–1237; Must, G. IF 93 (1988), rung von l. optimus ’bester’. Verb: optimieren; Adjek225–236; Röhrich 2 (1992), 1121; LM 6 (1993), 1411–1413; Gustiv: optimal.

opfern Vsw std. (8. Jh.), mhd. opfern, ahd. opfaro¯n, of-

mani, R. in FS Meid (1999), 139–144.

Opium Sn ’ein Schmerzmittel und Rauschgift’ erw. fach.

(15. Jh.). Entlehnt aus l. opium (eigentlich ’Mohnsaft’), aus. gr. o´pion, dieses zu gr. opo´s m. ’Pflanzensaft’. Ebenso nndl. opium, ne. opium, nfrz. opium, nschw. opium, nisl. o´pı´um. Das griechische Wort aus ig. (eur.) *sok w- ’Saft’. – DF 2 (1942), 254; Röhrich 2 (1992), 1122; LM 6 (1993), 1413–1415; EWNl 3 (2007), 472.

opponieren Vsw ÞOpposition. opportun Adj ’nach den Umständen von Vorteil’ per.

Ebenso nndl. optimum, ne. optimum, nfrz. optimum, nschw. optimum, nnorw. optimum; Þoperieren. – Heydel, J. SD 16 (1972), 65–67; EWNl 3 (2007), 475.

Option Sf ’Möglichkeit, Vorkaufsrecht’ per. fach.

(20. Jh.). Entlehnt aus l. optio (-o¯nis) ’freier Wille, freie Wahl, Belieben’. Ebenso nndl. optie, ne. option, nfrz. option, nschw. option, nnorw. opsjon; Þadoptieren. – EWNl 3 (2007), 474f.

opulent Adj ’sehr reichlich’ per. fremd. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus l. opulentus, zu l. ops (opis) ’Vermögen, Reichtum’.

fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus l. opportu¯nus (eigentlich Ebenso nndl. opulent, ne. opulent, nfrz. opulent, ndn. opulent; ’zur Einfahrt bequem’), zu l. portus ’See-Einfahrt, Þoperieren. – DF 2 (1942), 258. Hafen’ und l. ob-; weiter zu l. porta ’Tor, Eingang’. Opus Sn ’Werk’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. opus Abstraktum: Opportunismus; Täterbezeichnung: ’Werk’. Opportunist. Ebenso nndl. opus, ne. opus, nfrz. opus, nschw. opus, nisl. opus; Ebenso nndl. opportuun, ne. opportune, nfrz. opportun, nschw. opportun, nnorw. opportun; ÞPortier. – Ladendorf, O. ZDW 5 (1903/04), 118; DF 2 (1942), 255; Jones, W. J. SN 51 (1979), 265; Strauss u.a. (1989), 272–275.

Þoperieren. – DF 2 (1942), 259f.

-or Suffix Þ-ator. -ör Suffix Þ-eur.

Orakel

672

Orakel Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. o¯ra¯culum, einer

Ableitung von l. o¯ra¯re ’reden, sprechen’, zu l. o¯s (o¯ris) ’Mund’. Zunächst Bezeichnung der ’Stätte, an der die Sprüche der Götter erteilt werden’, dann auch Bezeichnung dieser Sprüche selbst. Verb: orakeln. Ebenso nndl. orakel, ne. oracle, nfrz. oracle, nschw. orakel, nnorw. orakel; ÞOratorium. – DF 2 (1942), 259; Röhrich 2 (1992), 1123; LM 6 (1993), 1424; EWNl 3 (2007), 476; RGA 22 (2003), 134–142.

Orange Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. (pomme d’)

orange, dieses aus span. naranja, aus arab. na¯rangˇ, aus pers. na¯rangˇ. Der Vokal /o/ in volksetymologischer Anlehnung an frz. or m. ’Gold’. Adjektiv: orange (als Farbbezeichnung); Lokalbildung: Orangerie. Ebenso nndl. oranje, ne. orange, nfrz. orange, nschw. orange, nnorw. oransje; ÞPomeranze. – Littmann (1924), 81, 83, 132; DF 2 (1942), 259f.; Lokotsch (1975), 125; Jones (1976), 470; Brunt (1983), 399f.; Kiesler (1994), 240f.; Tazi (1998), 216; EWNl 3 (2007), 476f.

Orang-Utan Sm erw. exot. (17. Jh.). Entlehnt aus mal.

orang utan ’Dschungel-Mensch’; von den Europäern auf die Bezeichnung der Affenart übertragen. Ebenso nndl. orang-oetan(g), ne. orang(o)utan, o(u)rangoutang, oranutan, nfrz. orang-outan(g), nschw. orangutang, nnorw. orangutang. – DF 2 (1942), 260.

Orden Sm std. (11. Jh.), mhd. orden ’Regel, Ordnung,

Reihenfolge’, dann ’christlicher Orden (der einer Regel folgt)’. Ist entlehnt aus l. o¯rdo (ordinis), das ursprünglich ein Fachwort der Weberei ist (das angezettelte Gewebe). Die alte Bedeutung ’Ordnung’ noch in Þordentlich, Þordnen, Ordnung, sonst hat sich die Bedeutung verengt auf ’christlicher Orden’. Von den in stärker weltlich orientierten Orden üblichen Ehrenzeichen kommt die heute vorherrschende Bedeutung (es geht dabei ursprünglich nicht um das Ehrenzeichen, sondern um die damit verbundene Aufnahme in einen ’Orden’). Ebenso nndl. orde (auch: ’Ordnung’), ne. order (auch: ’Ordnung, Befehl, Auftrag’), nfrz. ordre (auch: ’Ordnung, Befehl, Auftrag’), nschw. orden, nisl. ordaÑ ; Þordinär. – LM 6 (1993), 1430f.; EWNl 3 (2007), 478.

ordentlich Adj std. (11. Jh., Form 16. Jh.), mhd. orden-

lı¯ch, ahd. ordenlihho Adv. Weiterbildung zu einer frühen Entlehnung des unter ÞOrden dargestellten Wortes für ’Ordnung’. Ausgangsbedeutung ist ’in fester Reihenfolge’, heute stärker an Ordnung angeschlossen. Das -t- ist im 16. Jh. angewachsen. Ebenso ne. orderly, nfrz. ordonne´, nschw. ordentlig, nnorw. ordentlig. – EWNl 3 (2007), 478.

Order Sf ’Anweisung, Befehl’ per. fremd. (17. Jh.). Ent-

Oratorium Sn (geistliches Musikwerk) per. fach.

lehnt aus frz. ordre, das von l. ordo ’Ordnung, Regel’ (17. Jh.). Entlehnt aus ml. oratorium (auch: stammt. Verb: ordern, Þbeordern. ’Bethaus’), einer Ableitung von l. o¯ra¯tor m. ’Bitter, Ebenso nndl. order, ne. order, nschw. order, nnorw. ordre; Beter, Redner’, zu l. o¯ra¯re ’beten, reden’ (ÞOrakel). ÞOrden. Wohl so bezeichnet nach den musikalischen Andach- ordinär Adj ’gewöhnlich, sehr unfein’ erw. fremd. ten der Oratorianer, in denen hymnenartige Gesänge (17. Jh.). Entlehnt aus frz. ordinaire (älter: ’gewohnt, vorkamen und allegorische Figuren auftraten. Man normal, durchschnittlich, gewöhnlich’), dieses aus l. stellte bald diese Form des geistlichen musikalischen o¯rdina¯rius ’ordentlich, der Gewohnheit entspreDramas der weltlichen Oper gegenüber. chend’, zu l. o¯rdo (ordinis) ’Reihe, Ordnung’. Die peEbenso nndl. oratorium, ne. oratorio, nfrz. oratoire, nschw. orajorative Bedeutung ergibt sich durch häufige Gegentorium, nisl. o´ratorı´um. – DF 2 (1942), 260; EWNl 3 (2007), 477. überstellung mit dem Feinen und ’Außer-GewöhnOrchester Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. orchestre lichen’ (vgl. Þgemein). Die ursprüngliche Bedeutung m., dieses aus l. orche¯stra f. ’Platz für Musiker, Tänzer noch in ÞOrdinarius. und Pantomimen auf der Vorderbühne, (älter: der Ebenso nndl. ordinair, ne. ordinary, nfrz. ordinaire, nschw. orvornehmste Platz vorn im Schauspielhaus, der für die dinär, nnorw. ordin¢r; ÞOrden, ÞOrnament. – DF 2 (1942), Senatoren bestimmt war)’, aus gr. orche¯´stra f. 262f.; Jones (1976), 470f.; EWNl 3 (2007), 478. ’Tanzplatz, Platz zwischen Bühne und ZuschauerOrdinarius Sm ’ordentlicher Professor’ per. fach. raum’, zu gr. orcheı˜sthai ’tanzen, springen’. Später (16. Jh.). Verselbständigtes Attribut aus Professor ormetonymische Übertragung auf die dort spielenden dinarius ’ordnungsgemäß berufener Professor’, zu l. Musiker und dann auf eine entsprechende Gruppe o¯rdo (ordinis) ’Reihe, Ordnung’. Lokalbildung: von Musikern allgemein. Ordinariat. Ebenso nndl. orkest, ne. orchestra, nschw. orkester, nisl. orkestur. – DF 2 (1942), 261; Marshall, M. H. Symposium 4 (1950), 1–39, 366–389; Cottez (1980), 292; EWNl 3 (2007), 481.

Orchidee Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. orchide´e,

einer neoklassischen Bildung zu gr. o´rchis m. ’Hoden’. So bezeichnet aufgrund der charakteristischen Form der Wurzelknollen. Ebenso nndl. orchidee, ne. orchid, nschw. orkide´, nnorw. orkide´. Vgl. Knabenkraut, eine Orchideenart, mit dem gleichen Benennungsmotiv. – Cottez (1980), 292; EWNl 3 (2007), 477.

Ebenso nndl. ordinarius, nfrz. ordinaire, nschw. ordinarie professor; Þordinär.

Ordinate Sf ’Abstand von der horizontalen Achse in

einem Koordinatensystem’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. (lı¯nea) o¯rdina¯ta ’geordnete Linie’, zu l. o¯rdina¯tus ’geordnet, ordentlich’, dem PPP. von l. o¯rdina¯re ’ordnen, in Reihen aufstellen’ (Þordinieren). Ebenso nndl. ordinaat, ne. ordinate, nfrz. ordonne´e, nschw. ordinata, nnorw. ordinat; Þordinär, ÞKoordinate. – Schirmer (1912), 49.

Orkan

673 ordinieren Vsw ’in das Amt einführen’ per. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. o¯rdina¯re ’ordnen, verordnen’, zu l. o¯rdo (o¯rdinis) m. ’Reihe, Ordnung’. Ebenso ne. ordain, nfrz. ordonner, nschw. ordinera, nnorw. ordinere. – DF 2 (1942), 263.

ordnen Vsw std. (9. Jh.), mhd. ordenen, ahd. ordino¯n.

Entlehnt aus l. o¯rdina¯re ’ordnen’, zu l. o¯rdo (o¯rdinis) ’Ordnung’. Abstraktum: Ordnung; Nomen Agentis: Ordner. Ebenso nndl. ordenen, ne. put in order, nfrz. ordonner, nschw. ordna, nnorw. ordne; ÞOrden, Þordinär. – HWPh 6 (1984), 1249–1309 (zu Ordnung); EWNl 3 (2007), 477f.

Ordonanz Sf ’Offiziersanwärter, Befehl’ per. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus frz. ordonnance ’Befehl, Anordnung’, einer Ableitung von frz. ordonner ’anordnen’, aus l. o¯rdina¯re ’bestimmen, verordnen, ordnen’, zu l. o¯rdo (o¯rdinis) m. ’Reihe, Ordnung’. Aus ’Befehl’ wird ’der zur Ausführung von Befehlen Bestimmte’. Ebenso nschw. ordonnans, nnorw. ordonnans; Þordinär. – DF 2 (1942), 264; Jones (1976), 471f.; LM 6 (1993), 1442f.

Organ Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. organum

Orgel Sf std. (9. Jh., Form 13. Jh.), mhd. organe, orgene,

orgel(e), ahd. organa. Entlehnt aus dem Plural von l. organum n. ’Musikinstrument, Orgelpfeife’; dieses aus gr. o´rganon ’Werkzeug’, auch ’Musikinstrument’ (sachlich liegt eine ’Flötenblasmaschine’ zugrunde). Das n wurde durch Suffixersatz oder Dissimilation im Plural zu l. Das -n- noch in der Täterbezeichnung Organist. Verb: orgeln. Ebenso nndl. orgel, ne. organ, nfrz. orgue, nschw. orgel, nisl. orgel; ÞOrgan. – Relleke (1980), 128–130; Röhrich 2 (1992), 1123; LM 6 (1993), 1451; EWNl 3 (2007), 480.

Orgie Sf erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus l. orgia n.,

eigentlich ’nächtlicher Geheimkult’, aus gr. o´rgia n. Pl., letztlich zu gr. ´ergon n. ’Werk, Wirken’ (ÞEnergie). Ebenso nndl. orgie, ne. orgy, nfrz. orgie, nschw. orgie, nnorw. orgie. – DF 2 (1942), 268; Meier-Brügger, M. HS 101 (1988), 104–107; EWNl 3 (2007), 480.

Orient Sm std. (12. Jh.), mhd. orient. Ist entlehnt aus l.

orie¯ns (orientis), Partizip von l. orı¯rı¯ ’sich erheben, aufgehen’, wohl aus Wendungen wie l. in oriente so¯le ’in Richtung der aufgehenden Sonne’. Einwohnerbezeichnung: Orientale; Herkunftsadjektiv: orientalisch.

’Werkzeug, Instrument’, dieses aus gr. o´rganon, einer ablautenden Bildung zu gr. ´ergon (ÞEnergie). Die heutigen Bedeutungen gehen im wesentlichen von Ebenso nndl. Orie¨nt, ne. Orient, nfrz. Orient, nschw. orient, der Grundbedeutung eines Elements mit bestimmter nnorw. orient. Vgl. ÞOkzident; Þorientieren, ÞOriginal, ÞReise. Funktion aus (z.B. für Körperteile wie Herz und Nieorientieren Vswrefl std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. orire, die Sprechwerkzeuge [’lautes Organ’]); so etwa enter, einer Ableitung von frz. orient ’SonnenaufPresseorgan als ’der Teil einer Vereinigung, der für die gang, Osten, Orient’ (ÞOrient). Die Bedeutung als Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist’ (usw.). Adjektiv: Verallgemeinerung von ’die Position nach der (auforganisch; Abstraktum: Organismus; Verb: gehenden) Sonne bestimmen’. Abstraktum: Þorganisieren. Orientierung. Ebenso nndl. orgaan, ne. organ, nfrz. organe, nschw. organ, nnorw. organ;ÞOrgel. – DF 2 (1942), 264f.; Hennig, J. Sprache im Technischen Zeitalter 28 (1968), 376–383 (zu organisch); Hennig, J.: Der Begriff ’Organ’ in der Medizin (München 1971); HWPh 6 (1984), 1317–1325; Ehlich, K. in Language Adaptation. Ed. F. Coulmas (Cambridge 1989), 135–157; EWNl 3 (2007), 479.

organisieren Vsw std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. orga-

niser, einer Ableitung von frz. organe ’Werkzeug, Organ’, aus l. organum ’Werkzeug, Instrument’ (ÞOrgan). Das französische Verb in Analogie zu ml. organizare ’mit Werkzeugen formen, gestalten, zurechtmachen’. Abstraktum: Organisation; Nomen Agentis: Organisator; Präfigierung: reorganisieren. Ebenso nndl. organiseren, ne. organize, nschw. organisera, nnorw. organisere. – DF 2 (1942), 265–267; GB 4 (1978), 519–622; HWPh 6 (1984), 1326–1329, 1330–1358; Röhrich 2 (1992), 1123.

Orgasmus Sm erw. fach. (18. Jh.). In der modernen Wis-

senschaftssprache (wohl zuerst im Englischen) entlehnt aus l. orgasmus, aus gr. orgasmo´s f. ’heftige Erregung’, zu gr. orga˜n ’(vor Begierde) strotzen’, zu gr. orge¯´ f. ’Trieb, Gemütsbewegung’. Ebenso nndl. orgasme, ne. orgasm, nfrz. orgasme, nschw. orgasm, nnorw. orgasme. – EWNl 3 (2007), 479f.

Ebenso nndl. ori¡nteren, ne. orient(ate), nschw. orientera, nnorw. orientere. – DF 2 (1942), 268f.; Röhrich 2 (1992), 1123f.; LM 6 (1993), 1454; EWNl 3 (2007), 480.

Original Sn std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. orı¯gina¯le (ex-

emplar), zu l. orı¯gina¯lis ’ursprünglich’, einer Ableitung von l. orı¯go (orginis) f. ’Ursprung’, einer Ableitung von l. orı¯rı¯ ’sich erheben, sichtbar werden, entspringen, entstehen’. Die Entlehnung ist wohl eigentlich aus dem Französischen (frz. original mit Relatinisierung). Abstraktum: Originalität; Adjektive: original, originell. Ebenso nndl. origineel, ne. original, nschw. original, nnorw. original; ÞOrient. – DF 2 (1942), 269–273; Ganz (1957), 159–161; HWPh 6 (1984), 1373–1378; LM 6 (1993), 1456f.; EWNl 3 (2007), 481.

Orkan Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus nndl. orkaan, die-

ses aus span. huraca´n. Vgl. ne. hurricane, das teilweise als ÞHurrikan entlehnt wird. Ebenso nndl. orkaan, nfrz. ouragan, nschw. orkan, nnorw. orkan, nisl. orkan. – Kluge (1911), 598f.; Littmann (1924), 150; Loewe, R. ZVS 61 (1933), 48–54; Palmer (1939), 103–105; DF 2 (1942), 273f.; Plischke, H. FS Mortensen (Bremen 1954), 131; EWNl 3 (2007), 481.

Ornament Ornament Sn std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. o¯rna¯mentum,

674 Ebenso nndl. orthopedie, ne. orthop(a)edics, nschw. ortopedi,

nnorw. ortopedi; ÞPädagogik. – Cottez (1980), 294. einer Ableitung von l. o¯rna¯re ’ausstatten, schmücken, zieren’ (aus *o¯rd[i]na¯re zu l. o¯rdo (o¯rdinis) m. ’Reihe, -os, -ös Suffix zur Bildung von desubstantivischen AdOrdnung’). Adjektiv: ornamental. jektiven mit der Bedeutung ’versehen mit’ (z.B. Ebenso nndl. ornament, ne. ornament, nfrz. ornement, nschw. trichinös, luxuriös, Þrigoros) per. fach. (–). Wurde teils ornament, nnorw. ornament; Þordinär. – DF 2 (1942), 274; LM in lateinischen (-os), vor allem aber in französischen 6 (1993), 1468–1473. Entlehnungen (-ös) übernommen; sein Ursprung ist l. -o¯sus. Ornat Sm ’feierliche Amtstracht’ per. fach. (13. Jh.). Entlehnt aus l. o¯rna¯tus ’Ausstattung, Schmuck’, zu l. -ose Suffix zur Bildung von Substantiven, vor allem mit o¯rna¯re ’ausstatten, schmücken’ (ÞOrnament). der Bedeutung ’Erkrankung’ (z.B. ÞPsychose, Ebenso nndl. ornaat, nschw. ornat, nnorw. ornat. – DF 2 (1942), ÞTuberkulose) per. fach. (–). Wurde in griechischen 274; RGA 22 (2003), 222–224. Entlehnungen in die Volkssprachen übernommen und wurde in den Fachsprachen produktiv. Sein UrOrt Smn std. (8. Jh.), mhd. ort, ahd. ort, as. ort, ord. Aus sprung ist gr. -o¯sis. g. *uzda- m., auch in anord. oddr m., ae. ord m., afr. ord n. Die Bedeutung ist ursprünglich ’Spitze’, besonCottez (1980), 294f. ders ’Waffenspitze’, dann ’äußerstes Ende’ und lokal Öse Sf std. (15. Jh.), spmhd. o¯se, mndd. os(s)e, ouse. betrachtet ’Gegend, Stelle’. Außergermanisch verGehört wohl zu ÞÖhr und damit zu ÞOhr mit Desgleichen sich mit der Bedeutung ’Spitze’ lit. usnı`s f. onorisierung des stimmhaften -z-. ’Distel’ und vielleicht alb. usht, ushte¨r ’Ähre’. Adjekösen Vsw ’in ein Boot eingedrungenes Wasser austiv: örtlich; Verb: orten; Kollektiv: Ortschaft. Das Dischöpfen’ per. ndd. (13. Jh.). Sekundäre Verbalbilminutivum Örtchen wird auch als Hüllwort mit der dung zu anord. ausa Vst. ’gießen, schöpfen’, verwandt Bedeutung ’Toilette’ verwendet. mit l. haurı¯re ’schöpfen’. Bei der Bedeutung ösen Ebenso nndl. oord, nschw. udd, nisl. oddur. – Röhrich 2 ’verwüsten’ handelt es sich wohl um ein anderes Wort (1992), 1124; EWNl 3 (2007), 466. (zu Þöde). ortho- LAff ’aufrecht, richtig, gerade’ (z.B. in Oser Sm ÞAser. ÞOrthographie, ÞOrthopädie) per. fach. (–). VorOsmose Sf per. fach. (19. Jh.). Abstrahierende Rückbilnehmlich in neoklassischen Bildungen verwendet; dung aus den von dem französischen Physiker der Ursprung ist gr. ortho´s ’gerade, aufrecht’. Dutrochet gebildeten Termini frz. endosmose Cottez (1980), 293f. ’Eindringen’ und frz. exosmose ’Hinausdringen’. Georthodox Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. orthodoxus bildet zu gr. o¯smo´s ’Eindringen’ und gr. ´endon ’rechtgläubig’, dieses aus gr. ortho´doxos, zu gr. ortho´s ’hinein’ und gr. ´exo¯ ’hinaus’. ’richtig, recht, gerecht’ und gr. do´xa ’Meinung, Glau-

Ebenso nndl. osmose, ne. osmosis, nfrz. osmose, nschw. osmos, be’, weiter zu gr. dokeı˜n ’glauben, meinen’, das mit l. nnorw. osmose. doce¯re ’lehren, unterrichten’ verwandt ist. Die kirchOssi Sm ’Ostdeutscher’ std. stil. (20. Jh.). Frühe Gegenliche Bedeutung zunächst für die ’Rechtgläubigen’ satzbildung zu ÞWessi ’Westdeutscher’ (vorwiegend nach dem Konzil von Nicäa im Jahr 325; dann beimit negativem Unterton), s.d. behalten von der Ostkirche. Ebenso nndl. orthodox, ne. orthodox, nfrz. orthodoxe, nschw. Osten Sm std. (11. Jh., ostanonti 8. Jh.), mhd. o¯sten ortodox, nisl. orto´dox. – DF 2 (1942), 274f.; Cottez (1980), 293; m./n., ahd. o¯stan m./n. Die einfache Form ost ist im HWPh 6 (1984), 1379–1387; LM 6 (1993), 1483f.; EWNl 3 (2007), Deutschen erst spätmittelhochdeutsch bezeugt, vgl. 481. ae. ¯east; ’von Osten’ mhd. o¯stena¯n, ahd. o¯stana, as. Orthographie Sf ’Rechtschreibung’ erw. fach. (15. Jh.). o¯stana, ae. ¯eastan, anord. austan. Der zugrunde lieEntlehnt aus l. orthographia, dieses aus gr. orthogragende Stamm g. *austa- hängt zusammen mit ig. phı´a ’Rechtschreibung’ (etwa im Titel einer Schrift *ausos ’Morgenröte’ in ai. usa¯´-, l. auro¯ra, gr. he´o¯s, ¯eo¯´s, ˙ des Grammatikers Herodian). Nominalableitung zu lit. ausˇra` f.; die Bedeutung ’Osten’ auch in avest. usˇasgr. orthogra´phos ’richtig schreibend’, zu gr. orthotara- ’gegen Morgen, östlich’, lett. a`ustrums ’Osten’ ’richtig’ und gr. gra´phein ’schreiben’ (ÞGraphik). und wohl auch ursprünglich l. auster, das aber nur Ebenso nndl. orthografie, ne. orthography, nfrz. orthographe, mit der Bedeutung ’Süden’ bezeugt ist − offenbar aufnschw. ortografi, nnorw. ortografi. – DF 2 (1942), 275; Cottez grund einer Neu-Orientierung, bei der die als (1980), 293. ’vorne’ betrachtete Himmelsrichtung von ’Ost (SonOrthopädie Sf ’medizinische Lehre von Störungen des nenaufgang)’ zu ’Süd’ (Sonnenhöchststand) überBewegungsapparates’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus ging. Adjektiv: östlich. frz. orthope´die, einer Neubildung zu gr. ortho´s Ebenso nndl. oosten, ne. east, nschw. öster, nisl. austur; ÞOstern. – Schröder, H. GRM 17 (1929), 421–427; Velten, ’gerade, recht’ (Þortho-) und gr. paideı´a ’Erziehung, H. V. JEGP 39 (1940), 443–449; HWPh 6 (1984), 1394–1396; Ausbildung, Übung’. EWNl 3 (2007), 468.

oval

675 ostentativ Adj ’herausfordernd, betont’ per. fremd.

(20. Jh.). Neubildung zu nicht mehr üblichem Ostentation ’Zur-Schau-Stellung, Prahlerei’, aus l. ostenta¯tio, Abstraktum zu l. ostenta¯re ’darbieten, prahlen’, Intensivbildung zu l. ostendere ’entgegenhalten, zeigen’. Ebenso nndl. ostentatief, ne. ostentatious, nfrz. ostentatoire, nschw. ostentativ, nnorw. ostentativ; ÞTenor 2, Þob-. – DF 2 (1942), 275f.

Osterluzei Sf ’Aristolochia clematitis’ (eine Heilpflan-

und Ostern (Heidelberg 1986), 49–77; Gutenbrunner, S. FS Baetke (1966), 122–129; Gippert, J. Die slawischen Sprachen 17 (1989), 13–35, besonders 32f.; Röhrich 2 (1992), 1126; LM 6 (1993), 1518–1520; Udolph, J.: Ostern. Geschichte eines Wortes (Heidelberg 1999); Bammesberger, A. Literatur in Bayern 59 (2000), 2–6; Seebold, E. BN 35 (2000), 347–351; RGA 22 (2003), 331–338.

oszillieren Vsw ’schwingen, in der Ausdehnung

schwanken’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus l. oscilla¯re ’sich schaukeln’, einer Ableitung von l. oscillum ’Schaukel, Hängematte’, zu l. cillere ’bewegen’ und l. ob(s)-.

ze) per. fach. (11. Jh., Form 15. Jh.), fnhd. ostirluzi, spahd. astriz(a), astrenza. Unter Anlehnung an einEbenso nndl. oscilleren, ne. oscillate, nfrz. osciller, nschw. oscilheimische Formen entlehnt und weitergebildet aus l. lera, nnorw. oscillere. aristolochia, das aus gr. aristolochı´a stammt. Der griechische Pflanzenname bedeutet ’bestes Gebären’ (gr. Otter1 Smf ’Wassertier’ std. (9. Jh.), mhd. ot(t)er m., ahd. ottar m., mndl. otter. Aus g. *utra- m. ’Otter’, a´ristos ’bester’ und gr. lo´chos ’Lager, Kindbett’, zu auch in anord. otr m., ae. oter m. Altertümliche AbÞliegen), weil die Pflanze den Wöchnerinnen beim leitung zu dem Wort für ’Wasser’ (ig. *wedo¯r) mit Abgang der Nachgeburt helfen sollte. Schwundstufe beider Silben (ig. *udr-o- m.) wie in ai. Marzell 1 (1943), 389–391. udra´- m. ’ein Wassertier’, gr. hy´dra f. ’WasserschlanOstern Sn (oder Spl) std. (8. Jh.), mhd. o¯ster, o¯stern f. ge’, gr. ´enydris f. ’Otter’, und als ’Otter’ l. lutra f. (mit Pl., ahd. o¯stara, o¯staru¯ f. Pl. Vgl. ae. ¯eastron Dat. Pl. unklarem Anlaut), air. odra´n m., lit. u¯´dra f., aruss. Das Wort bezeichnet ein christliches Fest mit einem vydra f. aus der christlichen Terminologie nicht deutbaren Namen. Als eine christliche Bezeichnung wird es von Knobloch erklärt: Eine lateinische Bezeichnung albae (paschalis) für ’Ostern’ ist vom 5. Jh. an bezeugt, meint allerdings die weißen Kleider der um diese Zeit Getauften. Da l. alba ’weiß’ im französischen Bereich ausstirbt, behält alba die spezielle Bedeutung ’Morgenlicht, Morgenröte’, was durch das germanische Wort wiedergegeben sein kann (vgl. ÞOsten). Als Bezeichnung für ein heidnisches germanisches Fest ist das Wort bei Beda (in altenglischer Form) bezeugt, wobei er auf eine Göttin Eostre verweist. Dieser Name kann Laut für Laut mit dem Namen der griechischen Göttin Eos und der römischen Göttin Aurora vergleichen werden (auch Osten gehört dazu), ist aber im Germanischen außerhalb der Beda-Stelle nirgends bezeugt; dass er die Bezeichnung einer Frühlingsgöttin war, ist denkbar; ebenso die Benennung nach dem Tagesanbruch, der wiederum bei dem christlichen Fest eine liturgische Rolle spielt (auf den Tagesanbruch wurde der Zeitpunkt der Auferstehung Christi gesetzt; deshalb schlug um diesen Zeitpunkt die Trauer über den Tod des Herrn um in Freude über die Auferstehung, so Gippert). Der neueste Erklärungsversuch (Udolph) geht von germanischen Wasserweihen aus, für die im Altnordischen der Terminus ausa vatni, eigentlich ’mit Wasser begießen’ bezeugt ist. Da der zentrale Termin für die christlichen Taufen in früher Zeit Ostern war, kann dieses Fest nach der symbolischen Handlung der Wasserbegießung (in christlicher Umdeutung) bezeichnet worden sein. Adjektiv: österlich. Ebenso ne. Easter; ÞOsten. – Frings, Th./Niessen, J. IF 45 (1927), 276–306; Bischoff, K. ZM 21 (1953), 28–33; Knobloch, J. Sprache 5 (1959), 27–45; Knobloch, J.: Weihnachten

Ebenso nndl. otter, ne. otter, nschw. utter, nisl. otur. – RGA 9 (1995), 146–148; EWNl 3 (2007), 482.

Otter2 Sf ’Schlange’ erw. reg. (16. Jh.). Variante zu

ÞNatter mit falscher Ablösung des anlautenden n. Fest geworden in ÞKreuzotter. Ebenso nndl. adder, ne. adder.

Ottomane Sf (eine gepolsterte Liege ohne Rückenleh-

ne) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. ottomane, einer Substantivierung von frz. ottoman ’türkisch’, dieses aus arab. Utma¯n, dem Namen des Gründers ¯ des türkischen Reiches. Ebenso nndl. ottomane, ne. ottoman, nschw. ottoman, nisl. otto´man. – Littmann (1924), 88f.; DF 2 (1942), 276.

outen Vsw zunächst ’die homosexuelle Veranlagung

von jemandem (ohne dessen Einverständnis) öffentlich machen’, dann auch in Bezug auf andere Besonderheiten, Schwächen und Abweichungen. Heute vorwiegend reflexiv für dergleichen Selbstbekenntnisse per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus gleichbedeutendem e. to out; ins deutsche Verbalsystem übernommen (z.B. geoutet). Die Ausgangsbedeutung ist ’(ein Geheimnis) nach außen (out) bringen’. Outsider Sm ÞAußenseiter. Ouvertüre Sf ’einleitendes Musikstück’ erw. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus frz. ouverture (eigentlich ’Eröffnung’), aus l. apertu¯ra ’Öffnung, Eröffnung’, einer Ableitung von l. aperı¯re ’öffnen’. Ebenso nndl. ouverture, ne. overture, nfrz. ouverture, nschw. uvertyr, nnorw. ouverture; ÞAperitif . – DF 2 (1942), 277; Jones (1976), 475; Brunt (1983), 402; EWNl 3 (2007), 483.

oval Adj ’elliptisch’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus

spl. o¯va¯lis (eigentlich ’eiförmig’), zu l. o¯vum ’Ei’.

Ovation

676 Ebenso nndl. ovaal, ne. oval, nfrz. ovale, nschw. oval, nnorw. oval. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞEi. – Schirmer (1912), 50; DF 2 (1942), 277f.; Cottez (1980), 298; EWNl 3 (2007), 484.

Ovation Sf ’heftiger Beifall’ per. fremd. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus l. ova¯tio (-o¯nis) (zunächst: ’der kleine Triumph [im Gegensatz zum feierlichen Siegeszug]’), einer Ableitung von l. ova¯re ’frohlocken, jubeln’. Ebenso nndl. ovatie, ne. ovation, nfrz. ovation, nschw. ovation, nnorw. ovasjon. – DF 2 (1942), 278; EWNl 3 (2007), 484.

Overall Sm ’einteiliger Arbeitsanzug’ erw. fremd.

(20. Jh.). Entlehnt aus ne. overall (eigentlich ’über alles’), aus ne. over ’über’ und ne. all ’alles’. Ebenso nndl. overall, ne. overall, nschw. overall, nnorw. overall; Þüber, Þall. – Carstensen 2 (1994), 1015; EWNl 3 (2007), 484.

Oxyd (auch Oxid) Sn ’Sauerstoffverbindung’ erw. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. oxyde, einer fachsprachlichen Bildung aus gr. oxy´s ’scharf, bitter, sauer’ (vgl. ÞSauerstoff ). Verb: oxydieren. Ebenso nndl. oxyde, ne. oxide, nfrz. oxyde, nschw. oxid, nisl. oxı´d.Ñ

Ozean Sm std. (12. Jh., Form 17. Jh.), mhd. Occe¯ne. Ist

entlehnt aus ml. occeanus, dieses aus l. o¯ceanus, aus gr. o¯keano´s ’der die Erdscheibe umfließende Weltstrom’, dann ’Weltmeer’. Adjektiv: ozeanisch. Ebenso nndl. oceaan, ne. ocean, nfrz. oce´an, nschw. ocean, nnorw. osean. – DF 2 (1942), 278f.; EWNl 3 (2007), 444.

Ozon Smn (eine besondere Form des Sauerstoffs) erw.

fach. (19. Jh.). Von C. F. Schönbein 1839 neu gebildet aus gr. o´zon n. ’das Duftende’, zu gr. o´zein ’riechen, duften’. So benannt als Gas mit einem ausgeprägten, charakteristischen Geruch. Ebenso nndl. ozon, ne. ozone, nfrz. ozone, nschw. ozon, nisl. o´son. – DF 2 (1942), 279; EWNl 3 (2007), 485.

P Paar Sn std. (13. Jh.), mhd. pa¯r, par, mndd. pa¯r, mndl.

Bündel’). Aus der Bedeutung ’Gepäck, Tross’ stammt paer ’zwei von gleicher Beschaffenheit’. Nach der die Bedeutung ’Gesindel’ (wie auch bei ÞBagage); hochdeutschen Lautverschiebung entlehnt aus l. pa¯r dabei neutrales Genus. Die moderne Verwendung in (pa¯ris) ’Paar’ (als Adjektiv ’gleich’, als Substantiv Multipack u.ä. kommt aus dem Englischen. Diminutiv: Päckchen; Kollektivum: ÞGepäck. auch ’Gefährte’). Mit Bedeutungsverallgemeinerung ein paar ’einige’. Die Erklärung der Wendung zu ÞPaket. – Carstensen 3 (1996), 1021; EWNl 3 (2007), 489. Paaren treiben ist umstritten; vermutlich liegt die Packeis Sn ’übereinandergeschobene Eisschollen des Umdeutung eines anderen Wortes vor, nämlich zum Polarmeers’ per. fach. (18. Jh.). Wohl als ’Ballen von barn bringen. Dies wird erklärt als ’ins Netz treiben; Eis’ aufzufassen (nach dem Vorbild anderer Sprajmd. so einschließen, dass er keinen Ausweg mehr chen, z.B. Englisch?). hat’ (Tappius 1539). Danach könnte ursprünglich Rey-Debove/Gagnon (1988), 661. mhd. be¯r(e) ’sackförmiges Fischernetz’ gemeint gewesen sein (dieses zu l. pe¯ra f. ’Beutel’) zu gr. pe¯´ra¯ f. packen Vsw std. (16. Jh.). Zusammen mit dem Grundwort ÞPack übernommen aus mndd. pa(c)ken ’ein ’Ranzen’. Bündel machen, packen’. Die Bedeutung ’fortgehen’ Ebenso nndl. paar, ne. pair, nfrz. paire, nschw. par, nnorw. par; von sich packen geht auf mndd. sik paken ’sich bepaÞKomparativ, ÞParität, ÞParoli. – Röhrich 2 (1992), 1128; cken (um fortzugehen)’ zurück (vgl. etwa seinen Hut EWNl 3 (2007), 486. nehmen). Die Bedeutung ist weiterentwickelt in dem paaren Vsw std. (15. Jh.). Zunächst in der Bedeutung partizipialen Adjektiv packend. ’Paare bilden, zwei und zwei zusammenstellen’ (ÞPaar). Heute überwiegend sich paaren, meist vom Begatten der Tiere gesagt. Abstraktum: Paarung. Ebenso nndl. paren, ne. pair, nfrz. apparier, nschw. para, nnorw. pare.

Pacht Sf std. (16. Jh.), fnhd. pacht(en), packt. Mittel-

deutsche Form von üblicherem phaht(e) ’Vertrag, Steuer, Zins’, früh (schon vor der hochdeutschen Lautverschiebung) entlehnt aus spl. pacta ’Vertrag, Steuer’ (Plural von l. pactum ’das Vereinbarte’), das mit l. pangere ’befestigen, einschlagen’ verwandt ist. Die verschobene Form erlischt in der Schriftsprache im 18. Jh., lebt aber mundartlich noch heute. Eine erneute Entlehnung desselben lateinischen Wortes ergibt im 15. Jh. ÞPakt. Verb: pachten. Ebenso nndl. pacht; ÞPalis(s)ade. – DF 2 (1942), 286f. (Pakt); LM 6 (1993), 1607–1609; EWNl 3 (2007), 487; RGA 22 (2003), 427–433.

Pack Smn (auch Packen m.) ’Bündel, Ballen’ std. stil.

EWNl 3 (2007), 489f.

Pädagogik Sf erw. fach. (18. Jh.). Neubildung zu Pädagoge, dieses über das Lateinische zu gr. paid-

ago¯go´s m. ’Kinderführer’, zu gr. paı˜s (paido´s) m./f. ’Kind, Knabe’ und gr. a´gein ’führen’. Der Pädagoge war ursprünglich ein Sklave, der die Kinder führte und begleitete; daraus entwickelt sich dann die Bedeutung ’Betreuer, Lehrer’. Adjektiv: pädagogisch. Ebenso nndl. pedagogie, ne. pedagogics, nfrz. pe´dagogie, nschw. pedagogik, nnorw. pedagogikk. Zum Vorderglied gehören noch ÞEnzyklopädie, ÞOrthopädie, ÞPäderastie, ÞPage, ÞPedant; zur germanischen Verwandtschaft s. ÞFohlen. Zum Hinterglied s. ÞDemagoge, ÞSynagoge; weitere Zusammenhänge unter ÞAgonie und Þagieren. – DF 2 (1942), 279–281; GB 4 (1978), 623–647; Cottez (1980), 310f.; HWPh 7 (1989), 1–35; LM 6 (1993), 1613; EWNl 3 (2007), 517.

Padde Sf ’Kröte, Frosch’ per. ndd. (16. Jh.), mndd. pad-

de, pedde, mndl. padde, nndl. pad(de). Auffällig ist die lautliche Nähe von gr. ba´trachos m. ’Frosch’. Ansonsten ist die Herkunft unklar.

(13. Jh.). Aus mndl. pac, mndd. pack(e) übernommen. Ursprünglich ein Wort des flämischen WollhanVgl. me. pad(e), padde u.ä., ne. paddock, aschw. padda; dels. Seine Herkunft ist trotz weiter Verbreitung unÞSchildpatt. – Lühr (1988), 299. klar. Ähnliche Wörter können herangezogen werden, Paddel Sn std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. paddle, das seit doch da sie ihrerseits etymologisch unklar sind, lässt dem 17. Jh. die entsprechenden Ruder der Indianer sich über den Zusammenhang wenig aussagen und Malaien bezeichnet. Herkunft unklar. Verb: (anord. baggi ’Packen, Bündel’, me. bagge ’Sack, Beupaddeln. tel’, afrz. baga ’Bündel’; vgl. noch l. ba¯iulus m. Ebenso nndl. peddel, ne. paddle, nschw. paddela˚ra, nnorw. ’Lastträger’, gr. ba´stagma n. ’Last’, kymr. baich ’Last, paddel. – Kluge (1911), 602; EWNl 3 (2007), 517f.

Päderastie Päderastie Sf ’Knabenliebe’ per. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus gr. paiderastı´a (zu gr. paı˜s [paido´s] m./f. ’Knabe’ und gr. eraste¯´s m. ’Liebhaber’). Ebenso nndl. pederastie, ne. p(a)ederasty, nfrz. pe´de´rastie, nschw. pederast, nnorw. pederast; ÞPädagogik. – DF 2 (1942), 281; LM 6 (1993), 1613; EWNl 3 (2007), 518.

paff Adj/Interj Þbaff . paffen Vsw ’stark rauchen’ std. stil. (18. Jh.). Zunächst

in der Studentensprache. Lautmalend zum starken Ziehen an der Pfeife. Sommer, F. IF 51 (1933), 231.

Page Sm erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. page

’Edelknabe’, dieses aus it. paggio, dieses aus gr. paidı´on n. ’Knäbchen, kleiner Diener’.

678 Pakt Sm ÞPacht. Paladin Sm ’Palastritter’ per. arch. (18. Jh.). Über frz.

paladin entlehnt aus it. paladino; dieses aus l. pala¯tı¯nus ’zum (kaiserlichen) Palast gehörig’, zu l. pala¯tium n. ’Palast’. Ebenso nndl. paladijn, ne. paladin, nfrz. paladin, nschw. paladin. – DF 2 (1942), 288.

Palais Sn ÞPalast. paläo- LAff ’alt, urgeschichtlich’ per. fach. (–). Ent-

nommen aus gr. palaio´s ’alt’. Die älteste Bildung dieser Art ist Paläographie (18. Jh.). Cottez (1980), 301f.

Palast Sm std. (12. Jh.), mhd. palas m./n. Entlehnt aus

(18. Jh.). Entlehnt aus l. pa¯gina¯re ’abfassen, schreiben’, zu l. pa¯gina ’Seite, Blatt Papier, Kolumne, Schrift, Geschriebenes’. Das Verb nimmt im Deutschen die engere Bedeutung ’Seiten(zahlen) geben’ an, die sich an die Bedeutung anlehnt, die sich beim Substantiv durchsetzt.

afrz. palais, dieses aus l. Pala¯tium n., ursprünglich Name des palatinischen Berges in Rom, einem der sieben Hügel, auf denen die Stadt erbaut wurde. Danach zunächst der dort von Romulus errichtete Stadtteil, dann Bezeichnung der dort gelegenen Wohnung von Kaiser Augustus und seinen Nachfolgern. Schließlich Übergang vom Namen zum Appellativum. Das auslautende /t/ ist nachträglich angewachsen. ÞPalais ist eine spätere Entlehnung aus derselben Quelle; ÞPfalz dagegen ist so früh übernommen, dass es noch von der Lautverschiebung betroffen wurde.

Ebenso nndl. pagineren, ne. paginate, nfrz. paginer, nschw. paginera, nnorw. paginere. – DF 2 (1942), 283; EWNl 3 (2007), 488f.

Ebenso nndl. paleis, ne. palace, nfrz. palais, palace, nschw. palats, nnorw. palass; ÞPaladin. – DF 2 (1942), 288–290; LM 6 (1993), 1632.

Ebenso nndl. page, ne. page, nschw. page, nnorw. pasje; ÞPädagogik. – DF 2 (1942), 282f.; LM 6 (1993), 1624f.; EWNl 3 (2007), 488.

paginieren Vsw ’mit Seitenzahlen versehen’ per. fach.

Palatal Sm ’Vordergaumenlaut’ per. fach. (19. Jh., Palatin u.ä. 17. Jh.). Wohl in Deutschland gebildet zu l. Entlehnt aus port. pagode ’Götzenbild, Götzentempalatum ’Gaumen’. pel’, das (wohl über das Malayische) auf ein indisches Ebenso nndl. palatale klank, ne. palatal, nfrz. palatale, nschw. Wort zurückgeht. Allerdings ist die Entstellung durch palatal, nnorw. palatal. – DF 2 (1942), 290. die portugiesischen Handelsreisenden so groß, dass das indische Vorbild nicht mit Sicherheit angegeben Palatschinke Sf ’gefüllter Pfannkuchen’ per. österr. werden kann. (20. Jh.). Entlehnt aus cˇech. palacˇinka, dieses aus unEbenso nndl. pagode, ne. pagoda, nfrz. pagode, nschw. pagod, gar. palacsinta, aus rum. placinta, das zu l. placenta nisl. pago´daÑ . – Littmann (1924), 128; DF 2 (1942), 283f. gehört. Kretschmer (1969), 606f. Paillette Sf ’glänzendes Metallplättchen, ein feiner (Seiden)Stoff’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. Palaver Sn std. stil. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. palaver paillette, einem Diminutivum zu frz. paille ’Stroh’, ’langwierige, wortreiche Verhandlungen; langes Gedieses aus l. palea ’Spreu’. Das Diminutivum im Franrede’, dieses aus port. palavreado m. und port. palavra zösischen bezieht sich auf die helle Farbe von Stroh. f. ’Wort’, aus l. parabole¯ f. ’Gleichnis, Parabel’, aus gr. In der Bedeutung ’Stroh’ ist frz. paille bereits im Mitparabole¯´ f. (eigentlich ’das Nebeneinanderwerfen’), telhochdeutschen entlehnt; die Bedeutung ’feiner zu gr. paraba´llein ’vergleichen, danebenwerfen’, zu Stoff’ seit dem 18. Jh. gr. ba´llein ’treffen, werfen’ und gr. para-. Man geht Ebenso nndl. pailletten, ne. paillette, nfrz. paillette, nschw. paldavon aus, dass sich die Bedeutung im Portugiesijett, nnorw. paljett. schen als Bezeichnung der Seeleute für die langwierigen Verhandlungen mit den Eingeborenen Afrikas Paket Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. paquet m., einer entwickelte. Verb: palavern. Ableitung von frz. baque ’Bündel, Packen’, dieses aus mndl. pac. Die moderne Bedeutung ’zusammenhänEbenso ne. palaver, nschw. palaver, nnorw. palaver; ÞParabel. – DF 2 (1942), 291; Röhrich 2 (1992), 1128; EWNl 3 (2007), 490. gendes Angebot, Gesamtheit der Bedingungen’ usw. stammt aus ne. package. Pale Sf ’Erbsenschote’ per. ndd. (19. Jh.). Herkunft unEbenso nndl. pakket, ne. packet, nschw. paket, nnorw. pakke; geklärt. Hierzu pa(h)len ’Erbsen entschoten’. Pagode Sf (ostasiatischer Tempel) per. exot. (16. Jh.).

ÞPack. – DF 2 (1942), 285f.; Jones (1976), 480f.; Carstensen 3 (1996), 1024f.; EWNl 3 (2007), 490.

Vgl. Þpulen und vielleicht pellen (ÞPelle).

pan-

679 Paletot Sm (ein dreiviertellanger Mantel) per. arch.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. paletot, das es seinerseits aus dem Englischen hat. Dorthin ist es als paletok aus dem Anglo-Normannischen gekommen. Ebenso nndl. paletot, ne. paletot, nfrz. paletot, nschw. paleta˚. Das Wort bedeutet wohl ursprünglich ’Bedeckung für Stroh’ aus norm. etoc ’Schicht, Haufe’ und norm. palle ’Stroh’. – DF 2 (1942), 291f.; DEO (1982), 421.

Palette Sf ’Farbenmischbrett, Stapelunterlage’ std.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. palette (auch: ’kleine Schaufel’) oder it. paletta, einem Diminutivum zu l. pa¯la ’Spaten, Wurfschaufel’. Die Übertragung von ’Schaufel’ zu ’Malertafel’ wohl nach der Form; die Bedeutung ’Vielfalt’ sekundär nach den vielen verschiedenen Farben auf einer Malerpalette. Die Bedeutung ’Stapelunterlage’ geht wohl auf die Bedeutung ’Schaufel’ zurück. Ebenso nndl. palet, pallet, ne. palett, nschw. palett, nnorw. palett; Þpalletti. – DF 2 (1942), 292; EWNl 3 (2007), 490, 491f.

paletti (in alles paletti) Adj ’alles in Ordnung’ per.

Räderwerken, bei denen mit Pfählen gesperrt und gebremst wurde. Vgl. nndl. pal, it. paletto ’kleiner Pfahl, Riegel’ zu it. palo ’Pfahl, Stange’.

Palme Sf std. (8. Jh.), mhd. palme, balme m./f., ahd.

palma, as. palma. Wie ae. palma, anord. palma entlehnt aus l. palma, das ’flache Hand’ bedeutet (die Blätter der Palme lassen sich mit Fingern vergleichen). Das lateinische Wort ist urverwandt mit ahd. folma, ae. folm ’Hand’, as. folmos m. Pl. ’Hände’. Ebenso nndl. palm, ne. palm, nfrz. palme, nschw. palm, nisl. pa´lmi. – DF 2 (1942), 296; Cottez (1980), 302; Röhrich 2 (1992), 1128f.; LM 6 (1993), 1645; EWNl 3 (2007), 492.

Pampe Sf (auch Pamps m.; Pappe; Pampf oobd. m.

’Brei’) std. vulg. ndd. (16. Jh.). Mit der Ableitung pampen, pampfen, pampsen ’den Mund vollstopfen’ bezeugt seit dem 16. Jh. Wie entsprechendes Þmampfen lautmalend für das Essen (und Sprechen) mit vollem Mund. Vgl. nicht mehr papp sagen können; Þpampig, ÞPappe, Þpapp.

phras. grupp. (20. Jh.). Weder Erklärungen aus dem Pampelmuse Sf erw. exot. (18. Jh.). Aus nndl. pompelItalienischen noch aus dem Hebräischen können moes entlehnt. Eigentlich die (sehr große und bitter einen plausiblen Weg ins Deutsche namhaft machen. schmeckende) Frucht eines nur in SO-Asien vorkomVgl. die Diskussion in SD 28 (1984), 31f., 126f., 143–145. menden Baumes, dann auf die grapefruit übertragen. Da tamil. pampalima¯s(u) wohl aus dem NiederlänPalimpsest Smn ’nach Abkratzen wieder beschriebene dischen entlehnt ist, ist die Herkunft unklar. Wohl ein Pergamenthandschrift’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt unbekanntes einheimisches Wort, das im vorderen aus l. palimpse¯stos m., dieses aus gr. palı´mpse¯stos m. Teil angeglichen wurde an nndl. pompoen ’Kürbis’ ’wieder abgerieben’, zu gr. pa´lin ’wieder, neuerdings’ und im hinteren Teil an eine malayische Nebenform und gr. psa´ein ’reiben’. limoes ’Limone, Zitrone’ oder ein entsprechendes Ebenso nndl. palimpsest, ne. palimpsest, nfrz. palimpseste, Wort (ÞLimonade). nschw. palimpsest. – DF 2 (1942), 292; Cottez (1980), 302; LM 6 (1993), 1641f.

Palindrom Sn (eine Buchstabenfolge, die vorwärts und

rückwärts gelesen sinnvoll ist) per. fach. (18. Jh.). Neubildung zu gr. palı´ndromos ’zurücklaufend’, zu gr. pa´lin ’zurück, wieder’ und gr. drameı˜n ’laufen’. Ebenso nndl. palindroom, ne. palindrome, nfrz. palindrome, nschw. palindrom. – Cottez (1980), 302; LM 6 (1993), 1642.

Palisander Sm (ein Edelholz) per. fach. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. palissandre, das aus einer Mundart Guyanas stammt. Ebenso nndl. palissander, ne. palisander, nfrz. palissandre, nnorw. palisander. – DF 2 (1942), 293.

Palis(s)ade Sf ’Pfahl, Wand aus Pfählen’ erw. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus frz. palissade, dieses aus prov. palissada, einem Kollektivum zu prov. palissa ’Pfahlzaun’, aus gallo-rom. *palı¯cea, einem Kollektivum zu l. pa¯lus m. ’Pfahl’ (zu l. pangere ’einschlagen’).

Ebenso nndl. pompelmoes, frz. pamplemousse. – Littmann (1924), 123; EWNl 3 (2007), 573.

Pamphlet Sn ’Streitschrift, Flugschrift’ erw. obs.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. pamphlet m., älter Pamphilet, zum Titel des Liebesromans Pamphilus gebildet wie Catonet für die Distichen Catos. Im englischen Bereich wird dies zu einer allgemeinen Bezeichnung für Schriften zu aktuellen Fragen. Ebenso nndl. pamflet, ne. pamphlet, nschw. pamflett, nnorw. pamflett. – DF 2 (1942), 297f.; Palmer (1960), 59; Rey-Debove/Gagnon (1988), 669f.; EWNl 3 (2007), 492.

pampig Adj ’frech, unverschämt’, auch ’klumpig’ erw.

ndd. (20. Jh.). Übernommen aus ndd. pampig, eigentlich ’breiig’ zu ÞPampe. Der Bedeutungsübergang ist entsprechend zu Þpatzig, Þbatzig ausgegangen von ’klumpig’, ’hingeklatscht’ (z.B. von Antworten), dann als Charakteristik für denjenigen, der sich so zu anderen verhält.

Ebenso nndl. palissade, ne. palisade, nfrz. palissade, nschw. pa- Pamps Sm ÞPappe. lissad, nnorw. palisade. Zur lateinischen Verwandtschaft s. pan- Präfix ’gesamt, ganz, völlig’ (z.B. panarabisch) per. Þkompakt. – DF 2 (1942), 294; Jones (1976), 479f.; LM 6 (1993), fach. (–). Wurde in griechischen Entlehnungen ins 1642; EWNl 3 (2007), 491; RGA 22 (2003), 466f.

Pall Smn ’Sperrklinke’ per. ndd. (20. Jh.). Vermutlich

eine niederdeutsch-niederländische Variante zu dem Wort ÞPfahl, ausgehend von einfacheren Rädern und

Deutsche übernommen und auch in neoklassischen Bildungen verwendet; es geht auf gr. pa˜n, pa˜s ’all, jeder, ganz’ zurück. − Daneben steht die Variante panto- (ÞPantomime).

Cottez (1980), 303; EWNl 3 (2007), 492f.

panaschieren

680

panaschieren Vsw ’beim Wählen Kandidaten verschie- Panoptikum Sn ’Kuriositätenkabinett’ erw. obs.

dener Parteien zusammenstellen’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. panacher, eigentlich ’eine panache machen’. Dies ist ein (mehrfarbiger) Federbusch (zu l. penna ’Feder’), wobei vor allem der Gedanke der Mischung im Vordergrund steht. Ebenso nndl. panacheren, ne. panache, nfrz. panacher; ÞPennal 1.

Pandur Sm ’Fußsoldat’ per. arch. (18. Jh.). Entlehnt aus

ung. pandu´r, angeblich so benannt nach der ungarischen Stadt Pandu´r, die die Heimat der ersten Panduren gewesen sein soll. Ebenso nndl. pandoer. – DF 2 (1942), 303; EWNl 3 (2007), 494.

Paneel Sn per. fach. (18. Jh.). Entnommen aus mndd.

panne¯l ’Wandverkleidung’ (u.a.). Dieses aus afrz. panel ’Lappen, Kissen, Tafel’, das wohl zu l. pannus ’Lumpen’ gehört. Ebenso nndl. paneel, ne. panel, nfrz. panneau, nschw. panel, nisl. panill. – DF 2 (1942), 303f.; EWNl 3 (2007), 494.

Panel Sn (eine repräsentative Personengruppe, Diskus-

(19. Jh.). Neubildung zu gr. pa˜n ’alles’ und gr. optiko´s ’mit dem Sehen zusammenhängend’, also etwa ’Sammlung von Sehenswürdigkeiten’. Ebenso nndl. panopticum, ne. panopticon, nschw. panoptikon, nnorw. panoptikon; ÞOptik. – DF 2 (1942), 306; Rey-Debove/ Gagnon (1988), 674.

Panorama Sn ’Ausblick, Rundschau’ erw. fach. (18. Jh.).

Neubildung des Engländers R. Barker 1796 zur Bezeichnung einer Maschine, die größere Bilder stückweise zeigte, zu gr. pa˜n ’alles’ und gr. ho´ra¯ma ’Sehen, Erscheinung’, zu gr. hora´ein ’sehen’. Dann übertragen auf einen Rundblick in der Landschaft. Ebenso nndl. panorama, ne. panorama, nfrz. panorama, nschw. panorama, nnorw. panorama. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 323f.; DF 2 (1942), 307f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 674f.; Lockwood (1995), 118; EWNl 3 (2007), 495.

panschen Vsw Þpantschen. Pansen Sm ’Tiermagen’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus

frz. panse f. ’Wanst, Bauch, Pansen’. Dieses letztlich zu l. pantex (-ticis) ’Wanst’.

sionsrunde) per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. panel Ebenso nndl. pens, ne. paunch; ÞPanzer. – EWNl 3 (2007), (discussion), dieses aus afrz. panel ’Stück Stoff’. Aus524f. gehend von der Bedeutung ’Stück Stoff, Stück Pergament’ entwickelt sich die Bedeutung ’Liste’, dann Panther Sm std. (12. Jh.), mhd. pantel, pant(i)er. Entlehnt aus l. panthe¯r(a) m./f., zu gr. pa´nthe¯r, dessen spezieller ’Liste von Juroren’; daraus dann metonyweitere Herkunft unklar ist. Vermutlich Entlehnung, misch ’Gruppe von Juroren’. Dies wird dann veralldie zusammenhängen könnte mit ÞPardel und gemeinert zu ’ausgezeichnete Personengruppe’. ÞLeopard. Ebenso nndl. panel, ne. panel, nfrz. panel, nschw. panel, nnorw. panel. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 672f.; Carstensen 3 (1996), 1025f.; EWNl 3 (2007), 494.

Panier Sn ÞBanner. panieren Vsw std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. paner ’mit

Brotbröseln bestreuen’, einer Ableitung von frz. pain ’Brot’, dieses aus l. pa¯nis. Konkretum: Panade. Ebenso nndl. paneren, nfrz. paner, nschw. panera, nnorw. panere; ÞApanage, ÞPastille. – DF 2 (1942), 306; EWNl 3 (2007), 495.

panisch Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. panique, die-

ses aus gr. pa¯niko´s ’durch Pan bewirkt’. Die Griechen hielten das Auftreten des mit Ziegenhörnern und Ziegenfüßen ausgestatteten (Fruchtbarkeits-)Gottes Pan für schreckenerregend. Abstraktum: Panik. Ebenso nndl. panisch, ne. panic, nfrz. panique, nschw. panisk, nnorw. panisk. Vgl. ÞAngst. – DF 2 (1942), 298f. (zu Pan, Panik); Röhrich 2 (1992), 1130 ff.; EWNl 3 (2007), 495.

Panne Sf std. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. panne gleicher

Bedeutung. Das französische Wort war zunächst in der Sprache der Schifffahrt (und von dort aus übertragen auf die Bühnensprache) ein Ausdruck für ’stecken bleiben’; vermutlich ausgehend von frz. rester en panne u.ä. ’stilliegen, stecken bleiben’, wobei frz. panne eigentlich eine Stellung der Segel ohne Fahrtwind bezeichnet. Ebenso nndl. panne – Knobloch, J. Lingua 26 (1970/71), 310; DEO (1982), 422; Röhrich 2 (1992), 1132; EWNl 3 (2007), 495.

Ebenso nndl. panter, ne. panther, nfrz. panthe`re, nschw. panter, nnorw. panter. – LM 6 (1993), 1659f.; EWNl 3 (2007), 496.

Pantoffel Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. pantofola f.,

dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist. − In den Bildungen unter dem Pantoffel stehen, Pantoffelheld usw. ist Pantoffel zum einen Sinnbild für den häuslichen Bereich, zum anderen − wie allgemein ’Schuh’ und ’Fuß’ − Zeichen der Macht. Ebenso nndl. pantoffel, nfrz. pantoufle, nschw. toffel, nnorw. tøffel. Das Wort taucht zuerst im Südfranzösischen auf und ist vielleicht zu panne ’Stück Stoff’ gebildet als ’Stoffschuh’. – Creizenach, W. ZDW 12 (1910), 133; Öhmann, E. NPhM 43 (1942), 28; DF 2 (1942), 311–313; Keller, H.-E. FS Wartburg (1958), 441–454; DEO (1982), 423; Röhrich 2 (1992), 1133–1138; EWNl 3 (2007), 496.

Pantomime Sm ’ein Künstler, der mit Körperbewegun-

gen Geschichten erzählt; eine derart erzählte Geschichte’ f. erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. pantomı¯mus m., dieses zu gr. pa˜n ’alles’ und gr. mimeı˜sthai ’nachahmen’. Adjektiv: pantomimisch; Abstraktum: Pantomimik. Ebenso nndl. pantomime, ne. (panto)mime, nfrz. pantomime, nschw. pantomim, nnorw. pantomime; ÞMimik. – DF 2 (1942), 313f.; Cottez (1980), 303; LM 6 (1993), 1660f.

pantschen (panschen) Vsw ’Wein oder Bier verfäl-

schen’ erw. fach. (18. Jh.). Vermutlich aus ’im Wasser herumstampfen’ (als verächtliche Ausdrucksweise für unangemessenen Umgang mit alkoholischen

Pappenstiel

681

Flüssigkeiten). Dieses zu pantschen, patschen ’klatschen, schlagen’ (auf Wasser, auf den nackten Hintern usw.). Lautmalend. Die spezielle Bedeutung ist zuerst in (Über)Namen bezeugt: Panschenwein (15. Jh.). Þmantschen. – Förster, U. SD 30 (1986), 21.

Panzer Sm std. (12. Jh.), mhd. panz(i)er n. Entlehnt aus

frz. pancier ’Rüstung für den Leib’, das von frz. panse f. ’Leib’ abgeleitet ist (ÞPansen). Das maskuline Genus erst in neuhochdeutscher Zeit unter Einfluss der Gerätenamen auf Þ-er, die Maskulina sind. Ebenso nndl. pantser, nschw. pansar, nnorw. panser. – Maschke (1926), 182; Röhrich 2 (1992), 1138; LM 6 (1993), 1661; EWNl 3 (2007), 496; RGA 27 (2004), 375–403.

Papa Sm std. stil. (17. Jh.). Unter Einfluss des frz. Kin-

Labialen) würde das Essen aus dem Mund fallen. Daher auch ÞPappe, ÞPampe ’Brei’ und Verben wie pampen, Þmampfen usw., auch Þpäppeln. Vgl. aber auch das unter Þpapperlapapp Angeführte. Þpappen.

Pappe Sf std. (18. Jh.). Zunächst mhd. pappe, peppe

’Brei’, ein lautmalerisches Kinderwort, das auch in anderen Sprachen (l. pappa m., pa¯pa ’Brei’ u.a.) und in ähnlichen Formen (ÞPampe) auftritt. Das gleiche Wort ist obd. Papp ’(Mehl-)Kleister’. Hierzu Pappendeckel als Material des Buchbinders, das aus zusammengeklebten Papierschichten besteht. Aus diesem verkürzt ist Pappe in entsprechender Bedeutung. ÞPappel 2. – Röhrich 2 (1992), 1139; EWNl 3 (2007), 496.

Pappel1 Sf ’Baumname’ std. (13. Jh.), mhd. papel(e), derworts papa gebräuchlich geworden. Wie bei ahd. popilboum, papilboum m., mndd. poppele. EntÞMama ist es nicht ausgeschlossen, dass ein davon lehnt aus l. po¯pulus f. und spl. papulus f. Eine einheiunabhängiges deutsches Lallwort entsprechender Gemische Entsprechung liegt vielleicht in Vielbaum stalt ebenfalls vorhanden war, doch ist diese Annah’Schwarzpappel’ vor. me bei Papa weniger wahrscheinlich, da die germaEbenso nndl. populier, ne. poplar, nfrz. peuplier, nschw. poppel, nischen Kinderwörter eher einen Dental verwenden nnorw. poppel. – Hoops (1905), 230–232; Bathe, M. ZM 23 (vgl. ne. daddy, gt. atta u.a.).

(1955), 1–13; LM 6 (1993), 1666; EWNl 3 (2007), 579. Ebenso nndl. papa, ne. pa(pa), nfrz. papa, nschw. pappa, nisl. pabbi. – DF 2 (1942), 315f.; Rosenkranz, B. Kratylos 31 (1986), Pappel2 Sf ’Malve’ std. (9. Jh.), mhd. papel(e), as. pap90–92; EWNl 3 (2007), 496f. pilla. Vermutlich gehört das Wort als Weiterbildung

Papagallo Sm ÞPapagei. Papagei Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus frz. papegai, die-

zu ÞPappe ’(Kinder)Brei’, weil aus den gekochten Malvenblättern ein Brei zubereitet werden kann. Schnetz, J. ZO 9 (1933), 225–231; Krogmann, W. ESt

ses aus span. papagayo, dieses aus arab. babbag˙a¯ , 69 (1934/35), 176f. (anders). letztlich unbekannter Herkunft. Von it. pappagallo pappeln (auch babbeln) Vsw ’schwatzen’ std. stil. desselben Ursprungs stammt Papagallo ’Südländer, (16. Jh.). Lautmalend wie nndl. babbelen, ne. babble, der auf erotische Abenteuer mit Touristinnen aus ist’; nfrz. babiller. so bezeichnet nach der auffälligen Kleidung und dem EWNl 1 (2003), 197f. eitlen Gehabe. Ebenso nndl. papegaai, nschw. papegoja, nisl. pa´fagaukur. – päppeln Vsw std. stil. (19. Jh.). Meist Þaufpäppeln, eiLittmann (1924), 79, 152; DF 2 (1942), 316–318; LM 6 (1993), gentlich ’mit Brei (ÞPappe) aufziehen’. Schon mhd. 1662f.; Tazi (1998), 217; EWNl 3 (2007), 497. pepelen (mit etwas abweichender Stammbildung). Papier Sn std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. papy¯rum (wohl Pappelstiel Sm ÞPappenstiel. über frz. papier), einer Nebenform von l. papy¯rus f. pappen Vsw ’kleistern’ std. stil. (15. Jh.). Eigentlich mit ’Papyrus, daraus hergestelltes Papier’, dieses aus gr. Kleisterbrei zusammenhängen; dann auch intransipa´py¯ros m./f., das seinerseits auf ein ägyptisches Wort tiv. Adjektiv: pappig. zurückgeht (aägypt. pa-per-aa ’was zum Pharao geÞPappe. hört’ − die Papierherstellung aus der Papyrus-Staude war im alten Ägypten ein königliches Monopol). Die Pappenstiel Sm (in der Wendung ’keinen Pappenstiel [wert]’ u.ä.) std. phras. (16. Jh.). Zuerst als Sache ist bei uns durch die Araber bekannt geworden. ÞPappelstiel, Pappenstiel, Pappenblume u.ä. Dies sind Die moderne Bedeutung ’Schriftstück’ stammt aus niederdeutsche Bezeichnungen des Löwenzahns (hd. dem Englischen. ÞPfaffenplatte, Pfaffenröhrlein, Pfaffenstiel). Gemeint Ebenso nndl. papier, ne. paper, nfrz. papier, nschw. papper, sind die abgeblasenen Blütenstände des Löwenzahns, nisl. pappı´r. – Littmann (1924), 10; Christensen, H. G. OLZ die kahl sind wie der Schädel eines Pfaffen (mit der 41 (1938), 204f.; DF 2 (1942), 318–320; McGready Glotta 46 (1968), 251; Goeman, A. C. M. FS Alinei 1 (1986), 352–359; RöhTonsur). Unter Umständen ist dieses Bild eine Umrich 2 (1992), 1138; LM 6 (1993), 1664–1666, 1693–1695; Carsdeutung: Schon im Lateinischen gilt pappus ’weißtensen 3 (1996), 1028f.; EWNl 3 (2007), 497. flockiger Samenstand’ neben der Bedeutung papp Interj std. stil. (15. Jh.). Meist in der Wendung ’Großvater, alter Mann’ in Bezug auf das weiße Haar. nicht mehr papp sagen können. Wenn man den Mund Der Samenstand des Löwenzahns galt lange als Bild voll hat, können nur noch Nasale ordentlich artikuder Vergänglichkeit (weil er so leicht abzublasen ist). liert werden − bei Verschlusslauten (hauptsächlich Der abgeblasene Stiel gilt als schlechthin wertlos. Ent-

papperlapapp sprechend s. ÞPfifferling (wegen der Häufigkeit) und ÞPfifferstiel. Dittrich, H. MS 72 (1962), 25; Röhrich 2 (1992), 1140.

papperlapapp Interj ’nichts da’ std. stil. (18. Jh.). Nach-

bildung sinnloser Silben; vgl. Þpappeln u.ä. Bezeugt zuerst als päperlepäp. Vgl. noch l. papae ’ei, potztausend’ u.ä. Paprika Sm std. (19. Jh.). Entlehnt aus serb. pa`prika,

dieses ist eine Weiterbildung zu serb. pa`par ’Pfeffer’, aus l. piper n. ’Pfeffer’ (ÞPfeffer). Ebenso nndl. paprika, ne. paprika, nfrz. paprika, nschw. paprika, nnorw. paprika. – Bielfeldt (1965), 20; EWNl 3 (2007), 498.

Papst Sm std. (11. Jh., Form 13. Jh.), mhd. ba¯bes(t),

682 50; DF 2 (1942), 324f.; Siegert (1950), 146; HWPh 7 (1989), 65–74; Röhrich 2 (1992), 1141; LM 6 (1993), 1695; von Heydebrand, R. AB 34 (1991), 27–122 (zum Terminus der Literaturwissenschaft); EWNl 3 (2007), 498, 499; Chatton (1953), 57f.

Parade Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. parade, dieses

aus span. parada, einer Ableitung von span. para´r ’zieren, schmücken’ (eigentlich ’zubereiten’; Þparat). Paradebett ist so benannt als ursprüngliche Bezeichnung des ’Bettes, in dem der Leichnam fürstlicher Personen aufgebettet war’; dann verallgemeinernd übertragen auf ’Prunkbetten’. Verb: paradieren. Ebenso nndl. parade, ne. parade, nfrz. parade, nschw. parad, nnorw. parade. – DF 2 (1942), 325–328; Jones (1976), 481f.; Röhrich 2 (1992), 1141; EWNl 3 (2007), 499.

ba¯bst, ahd. ba¯bes. Entlehnt aus einer spl. Form pa¯pes Paradeiser Sm ÞParadiesapfel. (auch in afrz. papes neben afrz. pape), einer gräzisieParadies Sn std. (8. Jh.), mhd. paradı¯s[e], pardı¯s[e], renden Form von l. pa¯pa ’Vater’, das zur ehrenden ahd. paradı¯s. Entlehnt aus spl. paradı¯sus m., dieses aus Anrede von Bischöfen, Patriarchen und Äbten gegr. para´deisos m. (auch: ’Park’), das auf ein iranisches worden war. Zu der Gräzisierung vgl. gr. prophe¯te¯s Wort zurückgeht (avest. pairi-daeza- m. Pl. neben gr. prophe¯ta u.a. Die Form kommt im Nord’Umwallung’, apers. paridaida- m. ’Lustgarten, Wildwesten in die germanischen Sprachen, vgl. mndl. park’, npers. pa¯le¯z ’Garten’, eigentlich ’der Ummaupa¯us, nndl. paus, mndd. pa¯wes(t), pauwst, as. pa¯vos, erte, Umwallte’). Das Wort kommt ins Griechische, afr. pa¯us, pa¯ves u.a. Das auslautende -t ist seit dem weil Xenophon es für die Bezeichnung der Parks per13. Jh. angewachsen. Das b für p wie häufig in frühen sischer Adeliger und Könige gebraucht. In der grieEntlehnungen; das p der Hochsprache durch Neuchischen Bibel (Septuaginta) wird das Wort dann für Anschluss an l. pa¯pa. den ’Garten Eden’ gebraucht, wodurch es zu einem Ebenso nndl. paus, ne. pope, nfrz. pape, nschw. pa˚ve, nisl. pafı´; Terminus der christlichen Mythologie wird. ÞPfaffe. – DF 2 (1942), 321–324; Öhmann, E.: Neuhochdeutsch ’Papst’ (Helsinki 1969); Benware, W. A. BGDSL-T 101 (1979), 334f.; EWahd 1 (1988), 412–415; Röhrich 2 (1992), 1141; LM 6 (1993), 1667–1685; EWNl 3 (2007), 515.

Papyrus Sm ÞPapier. para- Präfix ’bei, entlang, abweichend, halb’ (z.B.

Ebenso nndl. paradijs, ne. paradise, nfrz. paradis, nschw. paradis, nisl. Paradı´s. – Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 192; Littmann (1924), 16; DF 2 (1942), 328f.; Siegert (1950), 146f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 400; Lokotsch (1975), 131; Röhrich 2 (1992), 1141f.; LM 6 (1993), 1697–1699; EWNl 3 (2007), 499.

ÞParataxe, ÞParagraph, Þparallel, ÞParodie, paraParadiesapfel Sm per. reg. (14. Jh.), mhd. par(a)dı¯sapfel militärisch) per. fach. (–). Wurde in griechischen Ent’schöner Apfel, Granatapfel’ (mit dem Gedanken an lehnungen ins Deutsche übernommen; der Ursprung den verführerischen Apfel im Paradies). Nach Einist gr. para´ ’bei, neben’. − Vor Vokalen lautet die führung der Tomate wird die Bezeichnung im baiForm par- (z.B. parallel). Schwach produktiv in der risch-österreichischen Raum auf die neue Frucht Bedeutung ’halb-, pseudo-’, wie in para-militärisch übertragen. Deshalb heute noch österr. Paradeiser. ’halbmilitärisch’. Ebenso ne. pardiseapple, nfrz. pomme de paradis. – Littmann Cottez (1980), 303–305.

Parabel Sf ’Gleichnis; Kurve des Kegelschnitts’ erw.

(1924), 16.

Paradigma Sn ’Muster, Klasse, wissenschaftliche Rich-

fach. (9. Jh.). Im Althochdeutschen in der Bedeutung tung’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. paradı¯gma, ’Beispiel, Gleichnis’ entlehnt aus l. parabole¯, parabola, dieses aus gr. para´deigma, zu gr. paradeikny´nai ’als dieses aus gr. parabole¯´ (auch ’eine Kurve des KegelBeispiel hinstellen’, zu gr. deikny´nai ’zeigen’ und gr. schnitts’; eigentlich ’das Nebeneinanderwerfen’), zu para-. Adjektiv: paradigmatisch. gr. paraba´llein ’vergleichen, nebeneinanderstellen, Ebenso nndl. paradigma, ne. paradigm, nfrz. paradigme, nschw. paradigm, nnorw. paradigma; Þapodiktisch. – Leser, E. danebenwerfen’ zu gr. ba´llein ’werfen’ und gr. para-. ZDW 15 (1914), 14; DF 2 (1942), 329f.; HWPh 7 (1989), 74–81. Die mathematische Bedeutung nach dem gleichen Abstand, den die Punkte einer solchen Kurve von paradox Adj ’seltsam, widersprüchlich’ erw. fremd. dem Brennpunkt und der Leitlinie haben. Adjektiv: (17. Jh.). Entlehnt aus l. paradoxos, dieses aus gr. paparabolisch. ra´doxos, zu gr. do´xa ’Meinung’ und gr. para-, also Ebenso nndl. parabel, parabool, ne. parable, parabola, nfrz. pa’gegen die Meinung’. Substantivierung: Paradox; Abrabole, nschw. parabel, nnorw. parabel. Vom gleichen Grundstraktum: Paradoxie, gelegentlich auch das griechiwort gehen aus ÞPalaver, ÞParlament, ÞParole und ÞPolier. sche Para´doxon. Zur weiteren Verwandtschaft s. ÞSymbol. – Schirmer (1912),

Pardel

683 Ebenso nndl. paradox(aal), ne. paradoxical, nfrz. paradoxal, nschw. paradox(al), nnorw. paradoksal. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þdekorieren. – DF 2 (1942), 330f.; Cottez (1980), 306; HWPh 7 (1989), 81–97.

Paraffin Sn ’eine wachsartige Masse zur Herstellung

Parapluie Smn ’Regenschirm’ per. arch. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. parapluie m., einer Neubildung nach Vorbild von frz. parasol m. ’Sonnenschirm’ mit frz. pluie f. ’Regen’ statt frz. sol m. ’Sonne’. Ebenso nndl. paraplu, nfrz. parapluie, nschw. paraply, nnorw.

von Kerzen usw.’ erw. fach. (19. Jh.). Neubildung zu l. paraply. – DF 2 (1942), 338f. parum ’wenig’ und l. affı¯nis ’angrenzend, vertraut, Parasit Sm ’Schmarotzer’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt verwandt’, aus l. fı¯nis m./f. ’Grenze’ und l. ad-. So aus l. parası¯tus (auch: ’Tischgenosse’), dieses aus gr. bezeichnet nach der schwachen chemischen Reaktipara´sı¯tos (eigentlich ’mit einem anderen essend’), zu onsfähigkeit. gr. sı˜tos ’Speise’ und gr. para-. Die wertfreie BedeuEbenso nndl. paraffine, ne. paraffin, nfrz. paraffine, nschw. patung ’Tischgenosse’ erhält die pejorative Komponenraffin, nisl. paraf(f)ı´n; Þdefinieren. – EWNl 3 (2007), 499f. te durch solche Tischgenossen, die sich als SchmeichParagraph Sm std. (13. Jh.), mhd. paragraf ’Zeichen, ler oder Possenreißer eine freie Mahlzeit zu erringen Buchstabe’. Ist entlehnt aus spl. paragraphus f. suchen. Adjektiv: parasitär. ’Zeichen, das die Trennung im Text markiert’, dieses Ebenso nndl. parasiet, ne. parasite, nfrz. parasite, nschw. paaus gr. para´graphos (gramme¯´) f. ’Trennungslinie’, aus rasit, nnorw. parasitt. – DF 2 (1942), 339f.; LM 6 (1993), 1702. gr. paragra´phein ’danebenschreiben’, zu gr. gra´phein Parasol Sm ’Sonnenschirm’ per. arch. (18. Jh.). Ent’schreiben’ und gr. para-, also eigentlich ’das danelehnt aus frz. parasol, dieses aus it. parasole, dieses bengeschriebene, hinzugefügte Zeichen’. Ursprüngeine Zusammenrückung aus it. para il sole ’halte die lich eine Markierung für den Personenwechsel oder Sonne ab’ (Þparat, Þsolar). für die vom Chor vorzutragenden Passagen, dann Ebenso nndl. parasol, ne. parasol, nfrz. parasol, nschw. parasoll, metonymisch übertragen auf solche Abschnitte. nnorw. parasoll. Ebenso nndl. paragraaf, ne. paragraph, nfrz. paragraphe, nschw. paragraf, nnorw. paragraf; ÞGraphik. – DF 2 (1942), 331–333; Röhrich 2 (1992), 1142; LM 6 (1993), 1700f.; EWNl 3 (2007), 500.

parallel Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. paralle¯los, par-

alle¯lus, dieses aus gr. para´lle¯los ’nebeneinander’, zu gr. alle¯´lo¯n ’einander’ und gr. para-. Abstraktum: Parallele. Ebenso nndl. parallel, ne. parallel, nfrz. paralle`l, nschw. parallel, nnorw. parallell; Þallo-. – Schirmer (1912), 50f.; DF 2 (1942), 333–335; HWPh 7 (1989), 98–100; EWNl 3 (2007), 500.

Paralyse Sf ’Lähmung’ per. fach. (14. Jh.). Im Mittel-

hochdeutschen (par[a]lis) entlehnt aus l. paralysis, dieses aus gr. para´lysis ’Lähmung’, zu gr. paraly¯ein ’wegnehmen, auflösen, lähmen’, aus gr. ly¯ein ’lösen’ (ÞAnalyse) und gr. pa´ra, para´ ’daneben, dabei, neben’ u.a. Verb: paralysieren. Ebenso nndl. paralysie, ne. paralysis, nfrz. paralysie, nschw. paralysi, nnorw. paralyse. – DF 2 (1942), 336.

Paranoia Sf ’Geistesgestörtheit, die zu Wahnvorstel-

lungen führt’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus gr. para´noia ’Torheit, Wahnsinn’, Abstraktum zu gr. para´-noos ’wahnsinnig’, eigentlich ’neben dem Verstand seiend’, zu gr. no´os, nou˜s m. ’Sinn, Verstand, Vernunft’ und gr. para-. Adjektiv: paranoisch, paranoid. Ebenso nndl. paranoia, ne. paranoia, nfrz. paranoı¨a, nschw. paranoia, nnorw. paranoia.

Paraphrase Sf ’Umschreibung’ erw. fach. (17. Jh.). Grä-

parat Adj ’bereit’ erw. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus l. pa-

ra¯tus, dem adjektivischen PPP. von l. para¯re ’bereiten, einrichten’. Ebenso nndl. paraat, nschw. parat, nnorw. parat. Das zugrunde liegende lateinische Verbum ist über romanische Sprachen entlehnt als Þparieren 1 und Þparieren 2, wozu die Präfigierungen Þpräparieren, Þreparieren gehören (aus dem Lateinischen). Das Partizip in parat und Þseparat; eine Weiterbildung dazu über die romanischen Sprachen in ÞParade, eine andere (aus dem Lateinischen) in ÞImperativ; ein Abstraktum in ÞApparat, ein anderes zu einer Präfigierung in ÞImperium; ein Imperativwort in ÞParasol (und ÞParapluie). – DF 2 (1942), 340f.; EWNl 3 (2007), 498.

Parataxe Sf ’Gleichordnung’ per. fach. (19. Jh.). Einge-

führt von F. Thiersch: Griechische Grammatik 31826 für die Abfolge von Teilsätzen, die sich nicht gegenseitig voraussetzen. Gebildet zu ÞSyntax. Gr. parata´ssein bedeutet ’nebeneinanderstellen, in Schlachtreihe aufstellen’. Ebenso ne. parataxis, nfrz. parataxe, nnorw. parataxe.

Parcours Sm ’festgelegte Hindernisstrecke’ per. fach.

(20. Jh.). Entlehnt aus frz. parcours, dieses aus spl. percursus ’das Durchlaufen’, zu l. percurrere (percursum) ’durchlaufen, durcheilen’, zu l. currere ’laufen, rennen’ und l. per-. Ebenso nndl. parcours; Þkonkurrieren.

pardauz Interj std. (17. Jh.). Gebraucht für einen dröh-

nenden Fall. Zuerst bezeugt als ndd. pardues. Schallwort wie bauz, pauz und potz.

zisierende Bildung gr. para´phrasis, ml. paraphrasis, zu Schröder (1906), 54–57. gr. phra´sis ’Ausdruck’ (ÞPhrase) und gr. para-, eiPardel Sm (Raubtier) per. arch. (15. Jh.). Entlehnt aus gentlich ’was neben der Rede ist, ihr hinzugefügt l. pardalis f. wie ahd. pardo, mhd. part (-des), parde wird; erweiternde Rede’. (Pard bei Luther, vgl. ÞLeopard) aus dem Grundwort Ebenso nndl. parafrase, ne. paraphrase, nfrz. paraphrase, l. pardus. Dies über gr. pa´rdalis f., pa´rdos entlehnt aus nschw. parafras, nnorw. parafrase. – DF 2 (1942), 337f.

Pardon

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einer Gruppe von Bezeichnungen für große Raubkatzen, die am besten in den iranischen Sprachen bezeugt ist. Ebenso nndl. pardel, nisl. pardusdy´r; ÞLeopard, ÞPanther.

Pardon Smn erw. obs. (15. Jh.). Entlehnt aus frz. pardon

m., einer postverbalen Ableitung von frz. pardonner ’verzeihen’, dieses aus spl. perdonare ’vergeben’ (eigentlich ’gänzlich schenken’), zu l. do¯na¯re ’geben, schenken’ und l. per-, zu l. do¯num n. ’Geschenk, Gabe’, zu l. dare ’geben’. Verb: pardonieren. Ebenso nndl. pardon, ne. pardon, nfrz. pardon, nschw. pardon, nnorw. pardong. – DF 2 (1942), 341f.; Jones (1976), 482f.; Röhrich 2 (1992), 1142.

Parenthese Sf ’Einschub’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt

Moeller-Schina (1969), 101–103; Brunt (1983), 404f.; ReyDebove/Gagnon (1988), 682f.; Carstensen 3 (1996), 1030f.; Strauss u.a. (1989), 553–557 (zu -park); EWNl 3 (2007), 501f., 527.

Parka Sm ’(gefütterter) Anorak’ per. fach. (20. Jh.).

Entlehnt aus ne. parka, dieses aus russ. pa´rka ’Pelz aus Schaffellen’ o.ä., letztlich aus dem Samojedischen. Ebenso nndl. parka, ne. parka, nfrz. parka, nschw. parkas, nnorw. parka(s). – Rey-Debove/Gagnon (1988), 683; Carstensen 3 (1996), 1031f.; EWNl 3 (2007), 502.

parken Vsw std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. to park ’ein

Fahrzeug auf einem park = Abstellplatz abstellen’, also zur Nebenbedeutung von ÞPark. Die ursprüngliche Bedeutung ist ’in eine gesicherte Umgebung bringen’, dann erst ’abstellen’.

aus l. parenthesis, dieses aus gr. pare´nthesis (eigentlich Ebenso nndl. parkeren, ne. park, nfrz. parking, nschw. parkera, ’das Dazwischenstellen’), einer Ableitung aus gr. ennnorw. parkere. – Moeller-Schina (1969), 103f.; Rey-Debotithe´nai und gr. para- ’neben’, weiter zu gr. en ’in’ und ve/Gagnon (1988), 684, 688; Carstensen 3 (1996), 1033f. gr. tithe´nai ’setzen, stellen’. Parkett Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. parquet m., Ebenso nndl. parenthese, ne. parenthesis, nfrz. parenthe`se, einer Ableitung von frz. parc m. ’abgeschlossener nschw. parentes, nnorw. parentes; ÞTheke. – DF 2 (1942), 343f. Raum’ (ÞPark). Von der Bedeutung ’abgeteilter Parfum Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. parfum m., Raum’ zu ’abgeteilter Platz im Theater’. Dann auch einer Ableitung von frz. parfumer ’mit Duft erfüllen’, für abgeteilte Stücke des Fußbodens, zum Parkett im dieses aus it. perfumare, aus früh-rom. *perfumare heutigen Sinn; das dann weiter sinnbildlich für ge’stark duften’, zu l. fu¯ma¯re ’rauchen, dampfen, qualsellschaftlich und politisch hochrangige Ereignisse men’, zu l. fu¯mus m. ’Rauch, Dampf, Qualm’. Versteht; vgl. auch sich sicher auf dem Parkett der hohen bum: parfümieren; Lokalbildung: Parfümerie. Politik bewegen. Ebenso nndl. parfum, ne. perfume, nschw. parfym, nnorw. parfyme. – Röhrich 2 (1992), 1142; EWNl 3 (2007), 501.

parieren1 Vsw ’einen Angriff abwehren’ erw. obs.

(15. Jh.). Entlehnt aus it. parare ’sich vorbereiten, Vorkehrungen treffen’, dieses aus l. para¯re. Abstraktum: Parade. Ebenso nndl. pareren, ne. parry, nfrz. parer, nschw. parera, nnorw. parere; Þparat. – DF 2 (1942), 348.

parieren2 Vsw ’ein Pferd mäßigen, anhalten’ per. arch.

(16. Jh.). Entlehnt aus frz. parer, dieses aus span. parar, eigentlich ’Vorkehrung treffen’, aus l. para¯re. Abstraktum: Parade. Þparat. – DF 2 (1942), 348.

parieren3 Vsw ’gehorchen’ erw. stil. (16. Jh.). Entlehnt

aus l. pa¯re¯re, eigentlich ’erscheinen, sichtbar sein’. ÞKomparse, Þtransparent. – DF 2 (1942), 349.

Parität Sf ’Gleichsetzung, Gleichstellung’ per. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus l. paritas zu l. pa¯r (ÞPaar). Ebenso nndl. pariteit, ne. parity, nfrz. parite´, nnorw. paritet. – DF 2 (1942), 349f.

Park Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. parc unter zu-

sätzlichem Einfluss von dem (ebenfalls aus diesem entlehnten) ne. park (’Grünanlage’ und ’Fahrzeugpark’). In der Bedeutung ’Gehege’ war das Wort schon früher entlehnt worden. Das französische Wort geht zurück auf ml. parricus ’Gehege’, das in einer früheren Entlehnung ÞPferch ergeben hat. Ebenso nndl. park, ne. park, nfrz. parc, nschw. park, nisl. parkur; Þparken, ÞParkett. – DF 2 (1942), 350f.; Ganz (1957), 165;

Ebenso nndl. parket, ne. parquet, nfrz. parquet, nschw. parkett, nnorw. parkett. – DF 2 (1942), 351; Brunt (1983), 406; EWNl 3 (2007), 502.

Parlament Sn std. (13. Jh., erneut 17. Jh.). In den meis-

ten romanischen Sprachen werden die lateinischen Wörter für ’Wort’ und ’sprechen’ zurückgedrängt oder verdrängt durch ein ursprünglich aus der griechischen Bibelsprache stammendes parabola ’Wort’ (ursprünglich ’Gleichnis’ s. Parabel) und parabolare ’sprechen, reden’. Im Französischen werden diese zu parole und (über spl. paraulare) parler. Zu letzterem ist afrz. parlement das Abstraktum, bedeutet also ’Vorgang des Sprechens’. Daraus entwickelt sich die Bedeutung ’Besprechung’, dann ’Beratung über öffentliche Dinge’; konkret wurden so die obersten Gerichtshöfe in Frankreich bezeichnet. In der allgemeinen Bedeutung ’Rede’ wird das Wort im 13. Jh. aus dem Französischen ins Deutsche entlehnt, bleibt dort aber selten. Wichtig wurde das Wort in England, also im Anglo-Normannischen: Dort bezeichnete es die Volksversammlung (in Form der Abordnungen von Geistlichkeit und Adel). Diese Wortverwendung ist nur in England üblich, in Frankreich hießen die entsprechenden Einrichtungen Etats ge´ne´raux. Die anglo-normannische Wortbedeutung ist seit dem frühen 14. Jh. bezeugt; das Wort wird (nachdem die Bedeutung der Volksvertretung in England gewachsen war) ins Deutsche entlehnt (ist also eine Entlehnung aus dem Englischen in latinisierter Lautform). – Parlamentär ’Unterhändler’ wurde aus frz. parlemen-

Partie

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taire übernommen, das die alte Bedeutung ’Gespräch, Verhandlung’ fortsetzt; so auch parlieren ’reden, plaudern’. Täterbezeichnung: Parlamentarier.

Parte Sf ’Todesanzeige’ per. österr. (20. Jh.). Gekürzt

Ebenso nndl. parlement, ne. parliament, nfrz. parlement, nschw. parlament, nnorw. parlament. Das griechische Wort parabole¯´ bedeutet eigentlich ’Gegenüberstellung, Vergleich’, wird dann aber in der biblischen Sprache der Septuaginta zu ’Gleichnis’ und dann als Lehnbedeutung von hebr. maschal zu ’Wort’. In dieser Bedeutung kommt es in die romanischen Sprachen und setzt sich dort weitgehend durch, ebenso die verbale Ableitung. ÞParabel. – DF 2 (1942), 351–357; Chatton (1953), 99–101; Moeller-Schina (1969), 104–106; Jones, W. J. SN 51 (1979), 266; GB 4 (1978), 649–676; Rey-Debove/Gagnon (1988), 685–687; Wagner, M. PSG 10 (1988), 55–106; LM 6 (1993), 1722–1731; EWNl 3 (2007), 502f.

Partei Sf std. (13. Jh.). Im Mittelhochdeutschen (mhd.

Parmesan Sm (vollfetter Käse) per. exot. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. parmesan, dieses aus it. parmigiano, so benannt nach der italienischen Stadt Parma. Ebenso nndl. parmezaanse kaas, ne. Parmesan, nfrz. parmesan, nschw. parmesanost, nnorw. parmesan. – DF 2 (1942), 357.

Parodie Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. parodie, dieses

aus l. paro¯dia ’Gegenrede (bei der man sich der Worte des Vorredners bedient)’, dieses zu gr. paro¯ideı˜n ’ein Lied komisch nachahmen, verspotten’, zu gr. (poet.) o¯ide¯´ ’Lied, Gesang, Gedicht’ und gr. para-. Die Bedeutung ’überzeichnende Nachahmung’ beim neuzeitlichen Substantiv nach dem griechischen Verb. Verb: parodieren. Ebenso nndl. parodie, ne. parody, nfrz. parodie, nschw. parodi, nnorw. parodi; ÞOde. – DF 2 (1942), 359; Pöhlmann, E. Glotta 50 (1972), 144–156; Jones (1976), 486; HWPh 7 (1989), 122–129; LM 6 (1993), 1737–1742; EWNl 3 (2007), 503.

Parodontose Sf ’Erkrankung des Zahnbettes’ per. fach.

(20. Jh.). Neubildung zu gr. odou´s, odo¯´n (-o´ntos) m. ’Zahn’ mit dem Suffix Þ-ose ’Erkrankung’ und gr. para-. Die Bedeutung ist demnach ’eine Erkrankung des neben den Zähnen Gelegenen’. Ebenso nndl. parodontose, ne. parodontosis, nfrz. parodontose, nschw. parodontit.

Parole Sf ÞParlament. Paroli (in der Wendung jemandem Paroli bieten)

Sn per. phras. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. paroli f. ’das Doppelte des ersten Einsatzes im Kartenspiel’, dieses aus it. paroli Pl., einem Diminutivum zu it. paro ’gleich’, aus l. pa¯r (ÞPaar); frz. jouer a` paroli bedeutet demnach zunächst ’um den doppelten Einsatz spielen’. Vgl. die Funktion von Þkontra bei dem modernen Spielen um Geld. – DF 2 (1942), 361; Röhrich 2 (1992), 1142.

Part Sm ’Anteil, Rolle’ erw. fach. (12. Jh.). Seit mittel-

hochdeutscher Zeit in verschiedenen Bedeutungen übernommen aus frz. part f. ’Teil, Anteil’, das auf l. pars (partis) f. ’Teil’ zurückgeht. Ebenso ne. part, nfrz. part, nschw. part, nnorw. part; ÞPartei. – Schirmer (1911), 140; Rosenquist (1942), 377–385; DF 2 (1942), 362–364; EWNl 3 (2007), 503.

aus Partezettel gleicher Bedeutung, das aus frz. donner part ’Nachricht geben’ entlehnt ist. partı¯e) entlehnt aus afrz. partie, einem substantivierten Partizip von afrz. partir ’teilen’, aus l. partı¯rı¯, zu l. pars (partis) ’Teil’. Das Wort bezeichnet im frühen Deutschen den (selbständigen) Teil eines größeren Ganzen, z.B. eine Prozesspartei, eine Seite in einer Auseinandersetzung (während die einfache Bedeutung ’Teil’ mehr und mehr von ÞPart und ÞPartie übernommen wird). Bei den politischen Auseinandersetzungen, vor allem um die Einheit Deutschlands im 19. Jh., hat Partei normalerweise einen schlechten Klang. Zwar gibt es bei der politischen Gruppenbildung im 19. Jh. Partei auch als Selbstbezeichnung, doch wird im Parlament ÞFraktion vorgezogen, außerhalb ÞVerein; eine Partei ist dagegen nur eine Interessengruppe (Lasalle gründet 1863 den Allgemeinen deutschen Arbeiterverein, spricht aber von Arbeiterpartei und Fortschrittspartei). Zwar fordern programmatische Überlegungen schon seit der Mitte des Jahrhunderts für eine Partei auch eine klare Organisation, doch bildet sich der heutige Parteienbegriff erst im Lauf des 20. Jhs. aus (speziell nach dem Ende des 1. Weltkriegs, z.T. wohl unter englischem und französischem Einfluss). Adjektive: parteiisch, parteilich. Ebenso nndl. partij, ne. party, nfrz. parti, nschw. parti, nnorw. parti. Fortsetzer und Erweiterungen von l. pars ’Teil’ sind ÞPart, ÞPartie, ÞPartei, ÞParty und ÞWiderpart; dazu aus einer Phrase Þapart und ÞApartheit; ein Adjektiv ist partiell (und partial), ein Kompositum ÞPartizip. Diminutive sind ÞPartikel und ÞParzelle, eine Art Nomen Agentis ist ÞPartisan, ein Abstraktum zu einer Präfigierung ist ÞAppartement (mit ÞApartment). Zum abgeleiteten Verb l. partı¯re ’teilen’ gehören ÞPartitur und ÞPartner. Entfernter verwandt sind ÞPortion und ÞProportion. – Rosenquist (1942), 403–427; DF 2 (1942), 364–374; Greive, A.: Frz. ’part, partie, parti’ (Diss. Bonn 1961); GB 4 (1978), 677–733; HWPh 7 (1989), 134–138. [Herangezogen wurde die Magisterarbeit von C. Lorenz]; EWNl 3 (2007), 504.

Parterre Sn std. stil. (17. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. parterre m., einer Zusammenrückung aus frz. par terre ’in der Höhe der Erde’, aus l. terra f. ’Erde’. Die Bedeutungsentwicklung im Deutschen geht (zunächst in Österreich) aus von Verwendungen wie sie wohnen parterre ’ebenerdig’. Ebenso nndl. parterre, ne. parterre, nschw. parterr, nnorw. parterr; ÞTerritorium.Ersatzwort ist Erdgeschoss. – DF 2 (1942), 374–376; Kretschmer (1969), 357f.; Jones (1976), 488; Brunt (1983), 407f.; EWNl 3 (2007), 503f.

Partie Sf ’Teil, Runde, Spiel, Ausflug’ std. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. partie; das Wort hat als spätere Entlehnung keinen Diphthong (im Gegensatz zu ÞPartei gleicher Herkunft); in Landpartie, Jagdpartie usw. liegt eine metonymische Übertragung vor von ’Abteilung von Personen als Gesellschaft’ hin zu den

Partikel

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Aktivitäten, die von solchen Gruppen unternommen Parvenü Sm ’Aufsteiger, Neureicher’ erw. obs. (18. Jh.). werden. Entlehnt aus frz. parvenu(e), einer Substantivierung von frz. parvenir ’hinkommen, gelangen’, aus l. perEbenso nndl. partij, ne. party, nschw. parti, nnorw. parti. – DF 2 (1942), 376–380; Röhrich 2 (1992), 1142f. venı¯re, zu l. venı¯re ’kommen’ und l. per-, also eigentlich ’der Hinzugekommene’. Partikel Sfn ’Teilchen’ n., ’unflektierbares Wort’ f. erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. particula f. ’Teilchen’, einem Diminutiv zu l. pars (partis) f. ’Teil’. Adjektiv: partikulär.

Ebenso nndl. parvenu, ne. parvenu, nfrz. parvenu(e), nschw. parveny, nnorw. parveny; Þintervenieren.Ersatzwort ist Emporkömmling. – DF 2 (1942), 387f.; EWNl 3 (2007), 505.

Ebenso nndl. partikel, ne. particle, nfrz. particule, nschw. partikel, nnorw. partikkel; ÞPartei. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 65; DF 2 (1942), 380–384; EWNl 3 (2007), 504.

Parze Sf ’Schicksalsgöttin’ erw. bildg. (15. Jh.). Entlehnt

Partisan Sm ’Untergrundkämpfer’ erw. fach. (17. Jh.).

aus l. Parca und noch lange in lateinischer Form verwendet. Im 17. Jh. Plural Parzen und daraus rückgebildet der heutige Singular. Die Herkunft des Namens ist ungesichert.

Entlehnt aus frz. partisan ’Parteigänger’, dieses aus it. Ebenso nndl. parce, nfrz. parque, nschw. parce. – DF 2 (1942), partigiano, einer Ableitung von it. parte f. ’Teil’, aus l. 388. pars (partis) f. Dann ’Teilnehmer an einer kleinen, selbständig kämpfenden Truppe’ und im 20. Jh. die Parzelle Sf ’kleines Stück Land’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. parcelle, einer Weiterbildung von l. parheutige Bedeutung. ticula, Diminutiv von l. pars (partis) ’Teil’. Ebenso nndl. partizaan, ne. partisan, nschw. partisan, nnorw. partisan; ÞPartei. – Öhmann, E. NPhM 42 (1941), 81f.; DF 2 (1942), 384f.; HWPh 7 (1989), 155–159; EWNl 3 (2007), 505.

Partitur Sf ’Zusammenstellung aller Stimmen eines

mehrstimmigen Musikwerks’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus it. partitura, dieses aus ml. partitura ’Verteilung, Einteilung’, aus l. pars (partis) ’Teil’. Ebenso nndl. partituur, nschw. partitur, nnorw. partitur; ÞPartei. – DF 2 (1942), 385f.; EWNl 3 (2007), 505.

Partizip Sn ’Verbaladjektiv’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt

Ebenso nndl. perceel, ne. parcel, nschw. parcell, nnorw. parsell; ÞPartei. – DF 2 (1942), 388f.; EWNl 3 (2007), 526.

Pasch Sm ’besonderer Wurf mit Würfeln’ per. fach.

(17. Jh.). Über das Niederländische in regionaler Aussprache übernommen aus frz. passe-dix, wörtlich ’überschreite zehn’, einem Spiel mit drei Würfeln, bei dem nur gewinnen kann, wer mehr als 10 Augen und auf zwei Würfeln gleiche Augenzahl wirft. Dazu paschen1 ’würfeln’.

aus l. participium, einer Substantivierung von l. parDF 2 (1942), 389. ticeps (-cipis) ’Anteil habend, beteiligt sein an’, zu l. Pascha Sm ’herrischer Mann, der sich gerne bedienen pars (partis) f. ’Teil’ und l. capere ’nehmen, ergreifen’. lässt’ std. exot. ass. (18. Jh.). Entlehnt aus türk. pasˇa Das Partizip ist eine Verbform, die an der Nominal(ein hoher türkischer Titel), aus pers. pa¯di-sˇa¯h flexion teilnimmt. Adjektiv: partizipial; eine allgemei’Oberkönig’. nere Bedeutung in dem Verb partizipieren. Ebenso nndl. pasja, ne. pasha, nfrz. pacha, nschw. pascha, Ebenso nndl. participium, ne. participle, nfrz. participe, nschw. particip, nnorw. partisipp; ÞPartei, Þkapieren.Ersatzwort ist Mittelwort. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 63f.; DF 2 (1942), 386.

nnorw. pasja; ÞSchah, ÞSchach. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 324; Littmann (1924), 106; DF 2 (1942), 389f.; LM 6 (1993), 1751f.; EWNl 3 (2007), 507.

Partner Sm std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. partner, das

paschen1 Vsw ÞPasch. von ne. part ’Teil’ abhängig ist. Umbildung aus me. 2 parcene¯˘r n., das auf afrz. parconier zurückgeht. Dieses paschen Vsw ’schmuggeln’ per. grupp. (18. Jh.). Aus dem Rotwelschen, in dem seit dem 18. Jh. passen, aus l. partio¯na¯rius ’Teilhaber’ (zu l. partı¯tio f. baaschen ’kaufen’ bezeugt ist. Herkunft unklar; man ’Teilung’, über l. partı¯rı¯ ’teilen’ zu l. pars [partis] f. vermutet romani pa¯ˇs f. ’Teil’ als Grundlage. Ein an’Teil’). deres paschen 1 unter ÞPasch. Ebenso nndl. partner, ne. partner, nfrz. partenaire, nschw. partner, nnorw. partner; ÞPartei. – Schirmer (1911), 141; DF 2 (1942), 386f.; Ganz (1957), 167; Rey-Debove/Gagnon (1988), 688–690; Carstensen 3 (1996), 1034f.; EWNl 3 (2007), 505.

Kluge (1901), 240, 341; Wolf (1985), 238f.

Paspel Smf ’Litze’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. partout ’überall’, aus frz. tout ’ganz’, aus l. to¯tus, und frz. par aus l. per.

passepoil m. gleicher Bedeutung und dem deutschen Lautstand angepasst. Das französische Wort bedeutet eigentlich ’über das Haar/Gewebe hinausgehend’, also ’zugesetzter Rand’.

Ebenso nnorw. partout; ÞPassepartout, Þtotal. – DF 2 (1942), 387; Jones (1976), 491; Brunt (1983), 408.

Ebenso nndl. passepoil, nfrz. passepoil, nschw. passpoal. – DF 2 (1942), 400.

partout Adv ’durchaus, unter allen Umständen’ std. stil.

Party Sf ’gesellige Feier’ erw. fremd. (20. Jh.). Entlehnt

aus ne. party, dieses aus frz. partie mit ähnlicher Bedeutungsspezialisierung wie bei Landpartie usw. Ebenso nndl. party, nschw. party, nnorw. party. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 691f.; Carstensen 3 (1996), 1036f.

Pass1 Sm ’Übergang im Gebirge’ erw. fach. (14. Jh.).

Entlehnt aus frz. pas ’Schritt, Gang’, das auf gleichbedeutendem l. passus beruht. Entlehnt wird zunächst die Bedeutung ’Durchgang’ (15. Jh.), im 16. Jh. die Bedeutung ’Gang (des Pferdes)’; eine Bedeutung

Pastete

687

’rechtes Maß’ hängt zusammen mit Þpassen; dann auch weitere Bedeutungen, die in der heutigen Sprache keine Rolle mehr spielen. Ebenso nndl. pas, ne. pass, nfrz. pas, nschw. pass, nnorw. pass; Þpassieren, ÞPassglas, Þzupass. – DF 2 (1942), 393–395; Röhrich 2 (1992), 1143; EWNl 3 (2007), 505f.; RGA 22 (2003), 444–449.

Pass2 Sm ’Ausweis’ std. (17. Jh.). Im Einklang mit nndl.

sind vor allem die Ableitungen des tu-Abstraktums l. passus ’Schritt’: Unmittelbar entlehnt ist ÞPassus und über das Französische ÞFauxpas; zum abgeleiteten Verbum *passare gehören Þpassen und passieren mit den oben genannten Ableitungen; außerdem ÞPass 1, ÞPass 2, ÞKompass, ÞPassepartout, ÞPassglas und zu einer Spezialbedeutung Þpesen; eine Weiterbildung in ÞSpaß. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞFaden. – Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 192; DF 2 (1942), 395–399, 400–403; Ganz (1957), 167f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 400; Jones (1976), 499–501; EWNl 3 (2007), 508f.

pas. Gekürzt aus paßbrif und paßport, die seit dem 15. Jh. bezeugt sind. Letzteres ist entlehnt aus frz. pas- Passion Sf ’Leidenschaft; Darstellung der Leidensgeseport (wie it. passaporto ’das Mitgeführte für den schichte Christi’ erw. fremd. (14. Jh.). Im MittelhochDurchgang, die Durchreiseerlaubnis’); ersteres ist deutschen (mhd. passio¯n m., passie) entlehnt aus kireine Teilübersetzung. chen-l. passio (-o¯nis) ’Leiden Christi’, aus spl. passio Ebenso nndl. pas, ne. passport, nfrz. passeport, nschw. pass, (-o¯nis) ’Leiden, Erdulden, Krankheit’, einer Ableinnorw. pass; Þpassieren. – DF 2 (1942), 393–395; Röhrich 2 tung von l. patı¯ (passus sum) ’erdulden, hinnehmen, (1992), 1143; EWNl 3 (2007), 507. sich in einer Stimmung befinden’. Die Bedeutung Passat Sm (ein tropischer Ostwind) per. fach. (18. Jh.). ’Leidenschaft’ wird aus dem Französischen überEntlehnt aus mndl. passaat, dessen weitere Herkunft nommen, wo sie sich als Spezialisierung und Intennicht sicher geklärt ist. sivierung von ’sich in einer Stimmung befinden’ herausbildet. Adjektiv: passioniert. Ebenso nndl. passaat, nschw. passad, nnorw. passat. – Kluge (1911), 608; Öhmann, E. NPhM 41 (1940), 39; DF 2 (1942), 399f.; EWNl 3 (2007), 507f.

passen Vsw std. (13. Jh.). Wndd. (ge)passen ’zum Ziel

Ebenso nndl. passie, ne. passion, nfrz. passion, nschw. passion, nisl. passı´u; ÞPatience, ÞPatient. – DF 2 (1942), 403–406; Jones, W. J. SN 51 (1979), 266f.; LM 6 (1993), 1760–1769; EWNl 3 (2007), 509.

kommen, erreichen’ ist entlehnt aus frz. passer ’vorübergehen, hingehen’. Daraus zunächst die neu- Passiv Sn ’eine Diathese des Verbs’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus spl. passı¯vum ’leidende Handlungsweise’ hochdeutsche Bedeutung ’gut sitzen, angemessen zu l. patı¯ ’leiden’ (ÞPassion). Im Plural als ’Verbindsein’, wie auch in anpassen und jemandem etwas verlichkeiten’, Gegenwort zu Aktiva (Þaktiv). Auch als passen (eigentlich ’anprobieren’); ebenso unpässlich Adjektiv verwendet; Abstraktum: Passivität. und in Fremdwortform passabel. Ein zweiter, ebenEbenso nndl. passief, ne. passive, nfrz. passif, nschw. passiv, falls im Mittelniederdeutsch-Mittelniederländischen nnorw. passiv. – DF 2 (1942), 406–408; HWPh 7 (1989), 164–168; vorgegebener Bedeutungsbereich ist ’sich hinwenden EWNl 3 (2007), 509. zu’, das zu Þaufpassen und etwas verpassen führt. Spät (17. Jh.) ist die Bedeutung ’verzichten’ beim Karten- Passus Sm ’Abschnitt’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. passus, das eigentlich ’Schritt’ bedeutet aber kanzleispiel (’an etwas vorübergehen’). sprachlich auch ’(einzelne) Angelegenheit, Fall’. Ebenso nndl. passen, ne. pass, nschw. passa, nnorw. passe; Þpassieren. – Röhrich 2 (1992), 1143; EWNl 3 (2007), 508.

Passepartout Smn ’überall geltender Pass’, dann auch

’auswechselbarer Rahmen’ und ’Hauptschlüssel’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. passepartout (’passt überall’). Ebenso nndl. passe-partout, ne. passe-partout; ÞPass 2, Þpartout. – DF 2 (1942), 400

Passglas Sn ’Messglas’ per. arch. (17. Jh.). Zu ÞPass 1 in

der Bedeutung ’rechtes Maß’. passieren Vsw ’geschehen, vorbeigehen, durchge-

Ebenso nndl. passus, ne. passus, nschw. passus, nnorw. passus; Þpassieren. – DF 2 (1942), 408.

Paste Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. pasta ’Teig’; so

häufig noch in Zahnpasta, sonst Paste. Eine neue Entlehnung desselben Wortes ist Pasta ’Nudelgericht’, it. pasta asciutta ’Teigwaren’ (eigentlich ’trockener Teig’, aus ml. pasta ’Teig’, das vermutlich aus dem Griechischen stammt). Ebenso nndl. paste, pasta, ne. paste, nfrz. paˆte, nschw. pasta, nnorw. pasta; ÞPastell, ÞPastete. – DF 2 (1942), 409.

Pastell Sn (ein mit sehr zarten Farben gemaltes hen’ erw. stil. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. passer, aus Bild) erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it. pastello m. früh-rom. *passare ’schreiten’, zu l. passus ’Schritt’, ’Malerstift’ (und frz. pastel m.), einem Diminutivum zu l. pandere (passum) ’auseinanderbreiten, ausspreizu it. pasta f. ’Teig, Brei’ (ÞPaste). Die Stifte sind so zen’, einem Kausativum zu l. pate¯re ’offen sein, offenbezeichnet, weil sie durch Trocknen und Formen stehen’. Dazu passabel ’gangbar, annehmbar’, Passage einer bestimmten Farbpaste hergestellt werden. ’Reise, Durchgang’, Passagier ’Reisender, Fahrgast’, Ebenso nndl. pastel, ne. pastel, nfrz. pastel, nschw. pastell, Passant ’Fußgänger, Durchreisender’, passe´ ’vorbei’, nnorw. pastell. – DF 2 (1942), 409f.; EWNl 3 (2007), 510. passim ’im Vorübergehen, an verschiedenen Stellen’. Pastete Sf ’ein Teiggericht mit Fleisch’ u.ä. erw. fach. Ebenso nndl. passeren, ne. pass, nschw. passera, nnorw. passere. (14. Jh.). Im Mittelhochdeutschen (mhd. paste¯de, Zu dem verwandten l. pate¯re ’offenstehen’ s. ÞPatent; zum Präsens von l. pandere ’ausspreizen’ s. ÞExpansion. Verbreitet paste¯te, baste¯de) wohl über das Mittelniederländische

pasteurisieren und Mittelniederdeutsche entlehnt aus mfrz. paste´e, einer Ableitung von ml. pasta ’Teig’ (ÞPaste) mit sekundärem d-Einschub. Ebenso nndl. pastei, nfrz. paˆte´, nschw. pastej, nnorw. postei. – DF 2 (1942), 410f.; Öhmann, E. NPhM 74 (1973), 3–5; Röhrich 2 (1992), 1144; EWNl 3 (2007), 510.

pasteurisieren Vsw ’durch Erhitzen keimfrei ma-

chen’ erw. fach. (20. Jh.). Bildung zum Eigennamen Louis Pasteur, einem französischen Biologen und Chemiker, der im 19. Jh. die Grundlagen dieses Verfahrens entwickelte. Ebenso nndl. pasteuriseren, ne. pasteurize, nfrz. pasteuriser, nschw. pastörisera, nisl. pastörhita.

Pastille Sf (ein mit Wirkstoffen versetztes Kügel-

chen) erw. obs. (18. Jh.). Entlehnt aus l. pa¯stillus m. ’Kügelchen aus Mehlteig’ (eigentlich ’kleines Brötchen’), einem Diminutivum zu l. pa¯nis m. ’Brot’. Ebenso nndl. pastille, ne. pastil(l)e, nfrz. pastille, nschw. pastill, nnorw. pastill; Þpanieren. – DF 2 (1942), 411.

Pastor Sm ’Geistlicher’ erw. reg. (14. Jh.). Im Frühneu-

hochdeutschen entlehnt aus ml. pastor ’Seelenhirte’, aus l. pa¯stor ’Hirte’, zu l. pa¯scere (pa¯stum) ’fressen lassen, weiden lassen, weiden’. Seit der Reformation ist Pastor die Bezeichnung für protestantische Geistliche, aber regional beschränkt. Adjektiv: pastoral. Die Pastorelle ’Schäfer(innen)dichtung’ geht auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes zurück. Ebenso nndl. pastoor, ne. pastor, nfrz. pasteur, nschw. pastor, nisl. pastor. – DF 2 (1942), 411f.; LM 6 (1993), 1773f. (zu Pastorellen); EWNl 3 (2007), 510.

Patate Sf ÞBatate. Pate Sm std. (13. Jh.), mhd. bate, pate, mndd. pade. Ur-

sprünglich norddeutsche Entlehnung aus l. pater (spı¯ritua¯lis) ’geistiger Vater, Pate’ mit Abfall des auslautenden r und schwacher Flexion. Verwandt ist mhd. pfetter, hd. (dial.) ÞPfetter gleicher Bedeutung aus der ml. Weiterbildung patrinus. Im Neutrum (häufig auch Diminutiv Patchen u.ä.) bedeutet das Wort Patenkind. Ebenso nndl. peet; ÞPater, ÞPatrizier. – Hildebrandt, R. FS Schmitt (1988), 667–670; Röhrich 2 (1992), 1144; LM 6 (1993), 1779f. (zu Patenschaft); EWNl 3 (2007), 519.

Patent Sn ’eine Urkunde über bestimmte Rechte’ erw.

688 Ebenso nndl. patent, ne. patent, nschw. patent, nnorw. patent. Zu Wörtern aus der verwandten Grundlage l. pandere ’ausspreizen, schreiten’ s. Þpassieren. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 324; Schirmer (1911), 141; DF 2 (1942), 413f.; Ganz (1957), 168f.; LM 6 (1993), 1780; EWNl 3 (2007), 511.

Pater Sm ’Klostergeistlicher’ erw. fach. (16. Jh.). Zu ver-

schiedenen Zeiten der lateinischen Anrede Pater entnommen (eigentlich ’Vater’, zunächst nur für den Abt, dann für Klostergeistliche allgemein). Ebenso nndl. pater, nschw. pater, nnorw. pater; ÞPatrizier. – DF 2 (1942), 414f.; EWNl 3 (2007), 512.

Paternoster Sm ’umlaufender, offener Aufzug’ erw.

obs. (18. Jh.). Die ältere Bedeutung ist ’Schöpfwerk, Hebewerk mit einem endlosen Arbeitsvorgang’. Bezeichnet nach dem Paternoster ’Rosenkranz’ (gekürzt aus Paternosterschnur), weil auch der Rosenkranz endlos weitergebetet werden kann. Weiter zu Paternoster ’Vaterunser’ (nach den Anfangsworten dieses Gebets, das im Rosenkranz die einzelnen ’Gesätze’ abschließt). Ebenso nndl. paternoster, ne. paternoster, nfrz. pater-noster, nschw. paternosterverk, nisl. Pater noster. – LM 6 (1993), 1781f.; EWNl 3 (2007), 512.

Pathologie Sf ’Lehre von den Krankheiten’ per. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus ml. pathologia, dieses aus gr. pathologı´a zu gr. pa´thos ’Leid’ und Þ-logie. Adjektiv: pathologisch. Ebenso nndl. pathologie, ne. pathology, nfrz. pathologie, nschw. patologi, nnorw. patologi; ÞPathos. – DF 2 (1942), 416f.

Pathos Sn ’Leidenschaft, überzogener Gefühlsaus-

druck’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus gr. pa´thos ’Leiden, Leidenschaft’, zu gr. pa´schein ’leiden, erleiden, erdulden’. Adjektiv: pathetisch. Ebenso nndl. pathos, ne. pathos, nfrz. pathos, nschw. patos, nnorw. patos; ÞAntipathie, ÞApathie, ÞHomöopathie, ÞPsychopath, ÞSympathie, ÞTelepathie, ÞPathologie. – DF 2 (1942), 415–417; Cottez (1980), 307; HWPh 7 (1989), 168–177, 193–199; EWNl 3 (2007), 512.

Patience Sf (ein Kartenspiel) per. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. patience (eigentlich ’Geduld’), dieses aus l. patientia ’Geduld, Erleiden, Erdulden’, zu l. patie¯ns ’erdulden, geduldig’, dem adjektivischen PPräs. von l. patı¯ (passus sum) ’erdulden, hinnehmen’. Ebenso nndl. patience, ne. patience, nschw. patiens; ÞPassion. –

fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. patente f. ’BestalDF 2 (1942), 417; EWNl 3 (2007), 512. lungsbrief, Gewerbeschein’, dieses eine gekürzte Substantivierung aus frz. lettre patente f. ’offener Brief’, Patient Sm std. (16. Jh.). Übernommen aus l. patie¯ns (-entis) ’duldend, leidend’, dem PPräs. von l. patı¯ nach l. (littera) pate¯ns f. ’offener (Beglaubigungs-) (passus sum) ’erdulden, hinnehmen, sich in einer Brief des Landesherrn’, zu l. pate¯ns (-entis) ’offen’, Stimmung befinden’. dem PPräs. von l. pate¯re ’offen sein, offenstehen’. Ebenso nndl. patient, ne. patient, nfrz. patient, nschw. patient, (Das moderne Patentwesen besteht aber erst seit dem nnorw. pasient; ÞPassion. – DF 2 (1942), 417f.; EWNl 3 (2007), 19. Jh.). Das Adjektiv patent ist neugebildet nach Zu512f. sammensetzungen wie Patentstrümpfe, Patentknöpfe Patina Sf (grünliche Schicht auf Kupfer) per. fach. ’Strümpfe, Knöpfe, die nicht nachgeahmt werden (18. Jh.). Entlehnt aus it. patina (älter: ’Firnis, Lackiedürfen’; es erhält die Bedeutungen ’modisch’ und rung’), aus l. patina ’Pfanne, Pfannengericht’. Wohl ’praktisch, nützlich; geschickt, selbstbewusst’. Verb: metonymisch so bezeichnet als Belag auf Pfannen patentieren.

Pauke

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und weiterem metallenen Kochgeschirr. Übertragen in Wendungen wie etwas setzt Patina an ’ist veraltet, überholt’. Ebenso nndl. patina, ne. patina, nfrz. patine, nschw. patina, nisl. patı´na; ÞPfanne. – DF 2 (1942), 418.

Patriarch Sm ’Bischof, hoher Geistlicher’ std. (12. Jh.),

Patrone Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. patron m.

’Form, Muster, Modell’, einer französischen Sonderbedeutung von ÞPatron. Zunächst Bezeichnung der aus Papier, Leinwand u.ä. hergestellten Form für die Treibladung von Feuerwaffen; dann Bezeichnung für Geschoss, Treibladung und Zündhütchen in einer Metallhülle. Für den Bedeutungsübergang gibt es Erklärungsansätze, aber die Einzelheiten sind unklar.

mhd. patriarc[he], patriarke. Ist entlehnt aus kirchen-l. patriarcha, patriarche¯s, dieses aus gr. patria´rche¯s, eigentlich ’Stammesführer’, zu gr. patria¯´ Ebenso nndl. patroon, ne. pattern, nschw. patron, nnorw. patron. – DF 2 (1942), 428; EWNl 3 (2007), 514. ’Vaterland, Stamm’, zu gr. pate¯´r ’Stammvater, Urvater, Vater’ und gr. a´rche¯ ’Spitze’ und gr. a´rchein Patrouille Sf ’Erkundung, Erkundungstrupp’ erw. fach. ’herrschen, Führer sein’. Abstraktum: Patriarchat; Ad(17. Jh.). Entlehnt aus frz. patrouille, einer postverjektiv: patriarchalisch. balen Ableitung von frz. patrouiller, patouiller Ebenso nndl. patriarch, ne. patriarch, nfrz. patriarche, nschw. ’herumstapfen’, zu frz. patte ’Pfote’. Das Verb ist entpatriark, nisl. patrı´arki; ÞPatrizier, ÞAnarchie. – DF 2 (1942), lehnt als patrouillieren. 419f.; Cottez (1980), 307; HWPh 7 (1989), 204–207; LM 6 (1993), 1785–1789.

Patriot Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. patriote

Ebenso nndl. patrouille, ne. patrol, nfrz. patrouille, nschw. patrull, now. patrulje. – DF 2 (1942), 429; Jones (1976), 504; Brunt (1983), 411f.; EWNl 3 (2007), 514f.

(auch: ’Landsmann’), dieses aus l. patrio¯ta ’Landspatschen Vsw std. stil. (15. Jh.). Lautmalend für ’ins mann’, dieses aus gr. patrio¯´te¯s, zu gr. pa´trios ’vaterWasser schlagen’ u.ä. Dazu Patsch m., Patsche f. ´ ländisch, väterlich’, zu gr. patria¯ f. ’Volk, Abstam’klatschender Schlag; (klatschende) Hand, Straßen´ mung’, zu gr. pate¯r ’Stammvater, Urvater, Vater’. Die schmutz (in den gepatscht wird)’. Zu letzterem seit Bedeutung ’Person mit großer Vaterlandsliebe’ entdem 17. Jh. in der Patsche sitzen (u.ä.) ’in Verlegenheit steht aus Fügungen wie guter Patriot ’guter Landssein’, eigentlich ’im Straßenschlamm festsitzen’ (von mann’, deren Attribute ’gut’ usw. in das Substantiv einem Wagen o.ä.). einbezogen werden. Adjektiv: patriotisch.

Röhrich 2 (1992), 1144f. (zu Patsche); EWNl 3 (2007), 532. Ebenso nndl. patriot, ne. patriot, nfrz. patriote, nschw. patriot, nnorw. patriot. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞVater; patt (auch neutrales Substantiv) Adj erw. fach. ÞPater, ÞPatriarch. – DF 2 (1942), 420–424; Krauss, W. FS (19. Jh.). Entlehnt aus frz. pat m. ’Stellung im SchachTheodore Bestermann, ed. Barber, W. H. u.a. (Edinburgh, spiel, bei der nicht mehr gezogen werden kann, ohne London 1967), 387–394 = KS (1997), 321–328; Jones (1976), dass der König angegriffen ist’. Die Stellung gilt als 502f.; Vierhaus, R. in: Deutschland im 18. Jh. (Göttingen unentschieden, daher die übertragene Bedeutung 1987), 96–109, 281–283; HWPh 7 (1989), 207–217; Strauss u.a. ’Handlungsunfähigkeit zweier Parteien, ohne dass (1989), 276–282; Eichenberger, Th.: Patria (Sigmaringen eine im Vorteil wäre’. Weitere Herkunft unklar. 1991; zu l. patria); Wenskus, R. GGA 245 (1993), 237–253 (zu Ebenso nndl. pat, nfrz. pat, nschw. patt, nisl. patt. – Röhrich 2 Eichenberger, Th.: Patria (Sigmaringen 1991); zu l. patria); (1992), 1145. EWNl 3 (2007), 513f.

patzen Vsw ’mangelhaft arbeiten’ std. stil. (19. Jh.). Wohl aus regionalem Patzen m. ’Klecks’ (österr.), der fach. (15. Jh., Form 18. Jh.). Im Frühneuhochdeutbeim Schreiben als Mangel empfunden wird. Vielschen entlehnt aus l. patricii Pl. ’die bevorrechteten leicht dasselbe Wort wie ÞBatzen. Daraus Patzer Bürger (des alten Roms)’, einer pluralischen Substan’(grober) Fehler’; auch ’jmd., der grobe Fehler tivierung von l. patricius ’zum Stande der l. patres macht’. Adjektiv: Þpatzig; Präfigierung: verpatzen. gehörig’, zu l. pater ’Vater’. Gemeint sind damit die Angehörigen des Geburtsadels Roms. patzig Adj ’schroff’ std. stil. (16. Jh.). Fnhd. patzig, Ebenso nndl. patrici¡r, ne. patrician, nfrz. patricien, nschw. paÞbatzig gehört zu ÞBatzen, Patzen ’Klumpen, Fleck’. tricier, nnorw. patrisier. Zur germanischen Verwandtschaft s. Wie bei Þpampig wird ’klumpig’ übertragen zu ÞVater; ÞPate, ÞPater, ÞPatriot, ÞPatron, ÞPatrone. – LM 6 ’hingeklatscht’ und dann von der Sache (Antwort (1993), 1797–1806 (zu Patriziat). usw.) auf den Urheber übertragen. Patron Sm ’Schutzherr’, besonders Schutzpatron EWNl 3 (2007), 515. ’Schutzheiliger’ erw. fremd. (12. Jh.), mhd. patro¯n(e) Pauke Sf std. (13. Jh.), mhd. pu¯ke, bouke. Unklarer Her’Schutzherr’. Entlehnt aus l. patro¯nus ’Schutzherr’, kunft, vermutlich lautmalend (vgl. päng u.ä.). Das auch ’Verteidiger vor Gericht’, zu l. pater ’Vater’. Das Verbum pauken als Kraftwort für ’schlagen’ hat eine Patronat ist im 18. Jh. das Recht des Grundherren, Reihe von Sonderbedeutungen entwickelt: ’Mensur eine Stelle zu besetzen (iu¯s patro¯na¯tus); in neuerer schlagen’ in der Studentensprache; einpauken ist wie Zeit die ’Schirmherrschaft’. einbläuen ein Kraftwort für zwangsweises Lernen und Patrizier Sm ’vornehmer, wohlhabender Bürger’ erw.

Ebenso nndl. patroon, ne. patron, nfrz. patron, nschw. patron, nnorw. patron; ÞPatrone, ÞPatrizier. – DF 2 (1942), 425–428; LM 6 (1993), 1806–1808; EWNl 3 (2007), 514.

Lehren (dazu Pauker ’Lehrer’). Rückbildung ist Pauke ’schallende Rede’, wozu Standpauke ’Strafpredigt’

Pausbacken (aus dem Stand gehalten, wie die Standrede der älteren Sprache). Relleke (1980), 111, 245–247; Röhrich 2 (1992), 1145; Nyström (1915), 135 (zu Pauker); EWNl 3 (2007), 515.

Pausbacken Spl ’dicke Backen’ std. stil. (18. Jh.). Älter

ist das Bahuvrı¯hi-Kompositum Pausback (Bausback, Pfausback) ’jmd. mit dicken Backen’, auch als Übername. Zu Þpausen, pfausen, bausen ’blasen, aufblasen’, das zu der unter ÞBausch behandelten Lautgebärde gehört. pauschal Adj std. (19. Jh.). Entlehnt aus neo-kl. pau-

schalis, einer Ableitung von nhd. Pausch(-quantum) ’Gesamtabfindung (an Stelle von Einzelgebühren)’, zu nhd. ÞBausch. Abstraktum: Pauschale. DF 2 (1942), 431.

Pause1 Sf ’Unterbrechung’ std. (14. Jh.), mhd. pu¯se,

690

auszugehen ist). Auf ihr beruht die wissenschaftliche Form papio; und die älteren spanischen Formen; auch (unter Lauteinfluss der konkurrierenden Form) etwa frz. babion ’Äffchen’. Diese bab/pap-Wörter sind kaum unabhängig von dem im Altägyptischen auftauchenden BABI, BAIBU, BABUI für einen in der Gestalt eines Pavians dargestellten Dämonen, der als Herr der Himmelstür auftritt (es ist eindeutig ein Pavian gemeint, denn Beschreibungen wie ’rot am Ohr, rot am Hintern’ treffen ein Hauptmerkmal der Paviane). Da Paviane in Ägypten nicht heimisch sind (wohl aber etwas weiter südlich) und die lautliche Vielfalt der ägyptischen Formen auffällt, wird damit gerechnet, dass die Bezeichnung nicht ursprünglich ägyptisch, sondern alt-afrikanisch ist. Ebenso nndl. baviaan, ne. baboon, nfrz. babouin, nschw. babian, nisl. ba´vian. – DF 2 (1942), 433; DEO (1982), 58; von Bissing, F. W.: Die altafrikanische Herkunft des Wortes Pavian (München 1951); SBAW 3 (1951); EWNl 1 (2003), 234f.

mndl. pose. Entlehnt aus afrz. pause, dieses aus l. pausa, dieses aus gr. pau˜sis ’Ruhe, Rast’ (nur mit Präfixen häufiger), zu gr. pau´ein ’aufhören machen, beenden’. Pavillon Sm ’runder, freistehender Bau’ erw. fremd. Ebenso nndl. pauze, ne. pause, nfrz. pause, nschw. paus, nnorw. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. pavillon ’Zelt’, dieses aus l. pause. – DF 2 (1942), 431; Miettinen (1962), 296–314; Cottez pa¯pilio (-o¯nis) (älter: ’Schmetterling’). Von ’Zelt’ (1980), 308; EWNl 3 (2007), 516, 577. dann übertragen auf weitere, festere kleine Bauten. Pause2 Sf Þpausen. Ebenso nndl. paviljoen, ne. pavillion, nschw. paviljong, nnorw. pausen (auch als bausen bezeugt) Vsw ’durchzeich-

paviljong. – DF 2 (1942), 433f.; Jones (1976), 505; LM 6 (1993),

1838; EWNl 3 (2007), 516. nen’ std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. poncer ’mit BimsPazifismus Sm ’Weltanschauung, die den Verzicht auf stein abreiben, durchpausen’ (zu frz. ponce ’Bimsjegliche militärische Handlungen verfolgt’ erw. fach. stein’). Die Technik bestand ursprünglich darin, die (20. Jh.). Neubildung zu l. pa¯cificus ’friedlich’, zu l. gezeichneten Linien an bestimmten Stellen zu durchpa¯x ’Friede’ und l. facere ’machen’. Täterbezeichstechen und Kohlenstaub o.ä. auf eine Unterlage nung: Pazifist. durchzureiben. Konkretum: Pause2. DF 2 (1942), 432.

Pavian Sm std. (16. Jh.). Das Wort für den Pavian war in

den klassischen Sprachen (gr.) kynokephalos ’Hundskopf’; doch tauchen seit dem 13. Jh. im Lateinischen neue Bezeichnungen auf wie babewynus, baboynus u.a., die ungefähr auf *baboı¯nus zurückführen, und bald auch in den Volkssprachen auftreten, wo sie besonders im Französischen (z.T. mit lautlichen Abweichungen) auch andere Bedeutungen (wie ’Dummkopf, Vogelscheuche’) haben. Zeitpunkt und Bedeutung lassen vermuten, dass das Wort im Gefolge der Kreuzzüge nach Europa gekommen ist. In dieser Form setzt es sich im Französischen, Englischen und später in anderen romanischen Sprachen durch. Daneben erscheinen andere Formen, die keine klaren Lautentsprechungen zu der frühesten Form sind. Eine davon beruht möglicherweise auf einem Suffixwechsel: mndl. baviaan, das auch ins Deutsche entlehnt wird und dort teilweise die der Lautverschiebung entsprechende Form Pavian bekommt; Adelung und andere führen das Wort noch unter B-, erst in der modernen Standardsprache setzt sich die P-Form durch. Stärker abweichend ist die vielleicht auf eine andere Entlehnung zurückgehende Form pap-io- (auch paf-io-, so dass vielleicht von *paph-

Ebenso nndl. pacifisme, ne. pacifism, nfrz. pacifisme, nschw. pacifism, nnorw. pasifisme. – DF 2 (1942), 434f.; GB 4 (1978), 767–787; HWPh 7 (1989), 218–229; Strauss u.a. (1989), 282–288.

Pech Sn std. (8. Jh.), mhd. pech, bech, ahd. peh, beh, as.

pik. Wie ae. pic, anord. bik entlehnt aus l. pix (picis) f.; schon alt auch als Bild für die Hölle gebraucht. Pech haben und Pechvogel stammt wohl vom Vogelfang mit Pechruten, doch kann auch das Bild für die Hölle mitgewirkt haben. Verb: Þpichen, verpichen. Ebenso nndl. pek, pik, (fig.) pech, ne. pitch, nfrz. poisse, nschw. beck, nnorw. bek; ÞPick 2. – Masser, A. FS Schützeichel (1987), 1195–1209; Röhrich 2 (1992), 1145f.; LM 6 (1993), 1846f.; EWNl 3 (2007), 516, 521; RGA 22 (2003), 538–541.

pecken Vsw ’stark trinken’ Þpicheln. Pedal Sn std. (16. Jh.). Über das Italienische entlehnt an

l. peda¯lis ’zum Fuß gehörig’, zu l. pe¯s (pedis) m. ’Fuß’. Ebenso nndl. pedaal, ne. pedal, nfrz. pe´dale, nschw. pedal, nnorw. pedal. Mit l. pe¯s ’Fuß’ oder einer nominalen Ableitung sind letztlich zusammengesetzt ÞMoped, ÞPediküre, ÞPionier und ÞVeloziped; auf verbalen Ableitungen beruhen ÞDepesche, ÞExpedition, ÞSpedition; zur germanischen Verwandtschaft s. ÞFuß. – Röhrich 2 (1992), 1146.

Pedant Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. pe´dant (auch:

’Schulmeister’), dieses aus it. pedante, vielleicht zu gr. paideu´ein ’erziehen, bilden, unterrichten’

Pelle

691

(ÞPädagogik). Die Bezeichnung für Schulmeister peinlich Adj std. (12. Jh.), mhd. pı¯nlich. Eigentlich ’Pein verursachend, schmerzlich’ (ÞPein), daraus die wird mit abwertendem Nebenton übertragen auf Träheutige Bedeutung ’unangenehm’. Eine rheinische ger einer ihnen zugeschriebenen Eigenschaft. Abstraktum: Pedanterie; Adjektiv: pedantisch. Variante ist Þpingelig ’zimperlich, pedantisch’. Ebenso nndl. pedant, ne. pedant, nschw. pedant, nnorw. pedant. – DF 2 (1942), 436–438; Jones, W. J. SN 51 (1979), 267; HWPh 7 (1989), 229–234; EWNl 3 (2007), 517.

Pedell Sm ’Hausmeister einer Schule’ erw. obs. (14. Jh.).

Entleht aus ml. pedellus, bedellus ’Diener, Bote’, dieses aus ahd. bitil (’Freier, Werber’, eigentlich ’Bittender’), zu ahd. bit(t)en ’bitten’ (Þbitten), vielleicht vermischt mit ÞBüttel. Die allgemeine Bezeichnung für ’Diener, Dienstbote’ wird hier eingeschränkt auf einen bestimmten Bediensteten.

Ebenso nndl. pijnlijk, ne. painful, nfrz. pe´nible, nschw. pinsam, nnorw. pinlig.

Peitsche Sf std. (14. Jh.), spmhd. pı¯tsche. Aus den da-

mals noch lebenden westslavischen Mundarten ins Ostmitteldeutsche entlehnt. Vgl. obsorb. bicˇ, vorauszusetzen ist akslav. bicˇ˘ı ’Geißel’ zu akslav. biti ’schlagen’. Ebenso nschw. piska, nnorw. pisk. – Müller (1966); Bellmann (1971), 256–262; Steinhauser (1978), 73–76; RGA 22 (2003), 546f.

Ebenso nndl. pedel, nschw. pedell, nnorw. pedell. – DF 2 (1942), Peitzker Sm (Süßwasserfisch) per. reg. (14. Jh.). Entlehnt aus dem Slavischen (poln. piskorz, obsorb. pis438f.

Pediküre Sf ’Fußpflege’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt

aus frz. pe´dicure, einer Neubildung zu l. pe¯s (pedis) m. ’Fuß’ und frz. cure ’Pflege, Sorge’ (aus l. cu¯ra). Ebenso nndl. pedicure, ne. pedicure, nfrz. pe´dicurie, nschw. pedikyr, nnorw. pedikyr; ÞPedal, ÞKur. – Cottez (1980), 310; EWNl 3 (2007), 518.

Peep-Show Sf (Kabinen mit einer durch ein kleines

Fenster gegen Entgelt zu betrachtenden nackten Frau) per. grupp. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. peepshow, zu ne. peep ’durch eine kleine Öffnung sehen’, dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. Ebenso nndl. peepshow, ne. peep show, ndn. peep-show; ÞShow. – Carstensen 3 (1996), 1041f.

Pegel Sm ’Wasserstand’ erw. fach. (18. Jh.). Übernom-

men aus ndd. pegel, mndd. pegel, peil, mndl. pegel ’Wasserstandsmarke’, das aus ml. pagella f. ’Maßstab’ entlehnt ist. Dieses bedeutet ursprünglich ’Spalte, (Kerbe)’ und ist Diminutiv zu l. pa¯gina f. ’Seite’. Ebenso nndl. peil, ne. peg, pail, nisl. peli; Þpeilen. – EWNl 3 (2007), 519, 520.

peilen Vsw ’den Standort bestimmen’ erw. fach.

(18. Jh.). Ursprünglich ’die Wassertiefe messen’. Aus dem Niederdeutsch-Niederländischen übernommen als Ableitung zu ÞPegel in einer Lautvariante. Ebenso nndl. peilen, nschw. pejla, nnorw. peile. – Kluge (1911), 610.

Pein Sf erw. obs. (8. Jh.), mhd. pı¯n m., pı¯n(e), ahd. pı¯n,

kor, zu poln. pisk ’Pfeifen, Quietschen’ u.ä. also ’Pfeifer’, weil der Fisch beim Ergreifen einen pfeifenden Ton von sich gibt, indem er Luft aus der Schwimmblase presst). Auch ÞBeitscher, ÞBeißker, ÞBißgurre u.ä. Auch umgeformt zu ÞSchlammbeißer (im Anschluss an ÞSteinbeißer, der sich an Steinen ansaugt). Bielfeldt (1965), 48; Eichler (1965), 92; Steinhauser (1978), 47f.

pejorativ Adj ’abwertend’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt

aus l. peioratus, dem adjektivischen PPP. von l. peiora¯re ’verschlechtern’. Ebenso nndl. pejoratief, ne. pejorative, nfrz. pe´joratif, nschw. pejorativ, nnorw. pejorativ.

pekuniär Adj ’das Geld betreffend’ per. fremd. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. pe´cuniaire, das aus l. pecu¯nia¯rius stammt, zu l. pecu¯nia ’Geld’. Ebenso nndl. pecuniair, ne. pecuniary, nfrz. pe´cuniaire, nschw. pekuniär, nnorw. pekuni¢r. – DF 2 (1942), 440; EWNl 3 (2007), 516.

Pelerine Sf ’Umhang’ erw. obs. (19. Jh.). Entlehnt aus

frz. pe`lerine (eigentlich ’von Pilgern getragener Umhang, Kragen des Pilgermantels’), zu frz. pe`lerin m. ’Pilger’, dissimiliert aus kirchen-l. pelegrinus m. (ÞPilger). Ebenso nndl. pelerine, ne. pelerine, nfrz. pe`lerine, nschw. pelerin. – DF 2 (1942), 441.

Pelikan Sm std. (13. Jh.), mhd. pellica¯n. Ist entlehnt aus

kirchen- l. pelica¯nus, dieses aus gr. peleka´n, zu gr. pe´as. pı¯na. Wie afr. pı¯ne, ae. *pı¯n, in ae. pı¯nian ’peinilekys ’Beil, Doppelaxt’. Angeblich so bezeichnet nach gen’ entlehnt aus spl. pe¯na ’Höllenstrafe’; daraus über der Schnabelform. ’Höllenqualen’ die heutige Bedeutung. Nach BamEbenso nndl. pelikaan, ne. pelican, nfrz. pe´lican, nschw. pelimesberger ist das Irische als Zwischenträger vorauskan, nisl. pelı´kani. – Suolahti (1909), 388–393; DF 2 (1942), zusetzen. Das spätlateinische Wort aus l. poena 441f.; Cottez (1980), 311; LM 6 (1993), 1864f.; EWNl 3 (2007), ’Buße, Strafe’ u.ä., das seinerseits aus gr. poine¯´ glei521. cher Bedeutung entlehnt ist. Adjektiv: Þpeinlich; Pelle Sf ’Schale’, besonders bei Kartoffeln, deshalb Verb: peinigen. Pellkartoffeln per. ndd. (18. Jh.). Übernommen von Ebenso nndl. pijn, ne. pain, nfrz. peine, nschw. pina, nnorw. mndd. pelle, mndl. pelle, das zu mndd. pellen, mndl. pine; Þpenibel, Þbenzen, Þverpönt. – Hoffmann (1956), 30–33; pellen ’schälen’ gebildet ist (im 15. Jh. als fnhd. pellen Hildebrandt, R. GS Frings (1990), 277–284; Bammesberger auch ins Deutsche entlehnt). Dieses aus afrz. peler (1999), 173; EWNl 3 (2007), 538. ’schälen’, das aus dem Lateinischen stammt.

Pelz

692 Ebenso nndl. pellen, ne. peel, nfrz. peler, ndn. pille, nnorw. pelle. Für das französische Wort kommen zwei lateinische Wörter als Ausgangspunkt in Frage, die sich möglicherweise vermischt haben, nämlich l. pellis ’Haut’ und frz. peler ’enthaaren, schälen’ aus l. pila¯re ’enthaaren’; ÞPelz, kompilieren (ÞKompilation). – Frings (1932), 180; Röhrich 2 (1992), 1147; EWNl 3 (2007), 522.

Pelz Sm std. (9. Jh.), mhd. bel(lı¯)z, bellez, ahd. pelliz,

mndd. pels, mndl. pels. Wie spae. pilece f. entlehnt aus spl. pellı¯cia ’Pelz’, einer Ableitung von l. pellis f. ’Haut’, vielleicht unter Einfluss von l. pilus ’Haar’. Ebenso nndl. pels, ne. pelt, nfrz. pelage, nschw. päls, nnorw. pels; ÞPelle, kompilieren (ÞKompilation). – Röhrich 2 (1992), 1147f.; LM 6 (1993), 1866–1868; EWNl 3 (2007), 522; RGA 22 (2003), 547–551.

pelzen Vsw ’pfropfen, veredeln’ per. arch. (11. Jh.), mhd.

belzen, pelzen, phelzen, ahd. pelzo¯n. Entlehnt aus vorrom. *impelta¯re ’einpropfen’ (prov. empeltar) zu l. pelta ’kleiner leichter Schild’ (so wird übertragen das Auge des Edelreises genannt). EWahd 1 (1988), 537f.

Penicillin Sn (ein Antibiotikum) erw. fach. (20. Jh.).

Entlehnt aus ne. penicillin, dieses aus l. Penicillium notatum, dem Namen eines Schimmelpilzes, aus l. pe¯nicillium ’Pinsel, Wundfäden, gezupfte Leinwand’, einem Diminutivum zu l. pe¯niculus m. ’Pinsel, Bürste, Schwamm’, einem Diminutivum zu l. pe¯nis m. ’Schwanz, männliches Glied’. Der so benannte Schimmelpilz ist der natürliche Produzent des nach ihm benannten Antibiotikums. Er hat seinen Namen wegen seiner pinselförmigen Sporenträger. Ebenso nndl. penicilline, ne. penicillin, nfrz. pe´nicilline, nschw. penicillin, nisl. penı´sillı´n; ÞFasel, ÞPenis, ÞPinsel 1. – Cottez (1980), 312; Rey-Debove/Gagnon (1988), 706; EWNl 3 (2007), 524.

Penis Sm erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus l. pe¯nis

’Schwanz, männliches Glied’. Ebenso nndl. penis, ne. penis, nfrz. pe´nis, nschw. penis, nnorw. penis. Das lateinische Wort aus ig. *pes-nis, entsprechend zu ai. pa´sas-, gr. pe´os n., ahd. fasal alle ’Penis’, weitere Herkunft unklar, ebenso die semantische Entwicklung. – EWNl 3 (2007), 524.

Pennal1 Sn ’Federbüchse’ per. arch. österr. (15. Jh.). Ent(18. Jh.). Entlehnt aus frz. pendant m., einem substanlehnt aus ml. pennale ’Federbüchse’ (zu l. penna f. tivierten Gerundium von frz. pendre ’herabhängen’, ’Feder’). aus gallo-rom. pendere, aus l. pende¯re, einem IntenEbenso nndl. pennenkoker, nschw. pennfodral, nnorw. pennal. sivum zu l. pendere (pe¯nsum) ’wägen, beurteilen’, Pennal2 Sm ’Student im ersten Semester, Gymna(eigentlich ’herabhängen lassen’). siast’ per. arch. (17. Jh.). Wohl metonymisch zu Ebenso nndl. pendant, ne. pendant, nschw. pendang, nnorw. ÞPennal 1. Daraus später (wohl unter dem Einfluss pendant; ÞPensum.Ersatzwort ist ÞGegenstück. – DF 2 (1942), des Plurals) Pennäler.

Pendant Sn ’passendes Gegenstück’ per. fremd.

443; EWNl 3 (2007), 523.

Pendel Smn std. (18. Jh.). Entlehnt aus ml. pendulum n.

Pennal3 Sn ’Gymnasium’ std. (19. Jh.). Wohl unter Ein-

fluss von ÞPenne rückgebildet aus Pennäler. ’Schwinggewicht’ (zu l. pendulus ’herabhängend’, das Penne Sf std. vulg. (17. Jh.). 1) ’Herberge’ rotw. Wohl zu l. pende¯re ’(herab)hängen’ gehört), zunächst in der aus wjidd. binjan ’Gebäude’; zuerst bezeugt als bonne, Form Pendul, die sich noch lange hält. Davon pendeln dann benne. 2) Dann wird das Wort auf ebenfalls und Pendler mit modernen Sonderbedeutungen (penrotw. pennen ’schlafen’ bezogen und als Penne deln als Verfahren der Wahrsagerei und für den Ver’behelfsmäßiges Nachtquartier’ aufgefasst. 3) In der kehr zwischen Wohnort und Arbeitsplatz). Schülersprache wird älteres ÞPennal 2 im Anschluss Ebenso nndl. pendel, ne. pendulum, nfrz. pendule, nschw. penan Þpennen und Penne ebenfalls zu Penne umgedel, nnorw. pendel; ÞPensum. – EWNl 3 (2007), 523. formt. penetrant Adj ’durchdringend, hartnäckig’ erw. fremd. Wolf (1985), 242; Knobloch, J. Lingua 21 (1968), 238 (anders); (17. Jh.). Entlehnt aus frz. pe´ne´trant, dem PPräs. von Knobloch, J. ZDPh 96 (1977) Sonderheft, 87f. frz. pe´ne´trer ’durchdringen’, dieses aus l. penetra¯re, zu pennen Vsw ’schlafen’ std. vulg. (19. Jh.). Übernommen l. penitus ’innerlich’. Das zugrunde liegende Verb in aus rotw. pennen gleicher Bedeutung. Dessen Herpenetrieren. kunft ist nicht ausreichend klar. Man vermutet wjidd. Ebenso nndl. penetrant, ne. penetrating, nschw. (Vb.) penetrepannai ’müßig’ als Ausgangspunkt. ra. – DF 2 (1942), 444; Brunt (1983), 414.

penibel Adj ’übertrieben genau, kleinlich’ erw. fremd.

Vgl. die Einwirkung auf ÞPenne. – Knobloch, J. ZDPh 96 (1977) Sonderheft, 87f.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. pe´nible ’mühsam, schmerzPension Sf ’Ruhestand(sgeld); Fremdenunterlich’, einer Ableitung von afrz. peine ’Strafe, kunft’ std. (15. Jh.). Entlehnt aus frz. pension ’Gehalt, Schmerz’, dieses aus l. poena ’Genugtuung, Buße, Ruhegehalt’, dieses aus l. pe¯nsio (-o¯nis) ’Zahlung, Strafe’, aus gr. poine¯´ (ÞPein). Die BedeutungsentAuszahlung’, eigentlich ’Abwägen’, zu l. pendere wicklung im Deutschen geht aus von ’mühsam ar(pe¯nsum) ’wägen, abwägen’, eigentlich ’herabhänbeiten’, d.h. ’sich Mühe machen’; daraus dann ’mit gen lassen’. Seit dem 18. Jh. wird die Bezeichnung der großer Sorgfalt bearbeiten’, dann ’übertrieben geBezahlung für Kost und Logis metonymisch übernau’. tragen auf ’Unterkünfte, in denen man gegen BezahEbenso nndl. penibel, nschw. penibel, nnorw. penibel. – DF 2 lung wohnen und essen kann’ (auch in Erziehungs(1942), 445; Brunt (1983), 414; EWNl 3 (2007), 524.

Periode

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anstalten: Pensionat). Pensionieren bedeutet eigentlich perfekt Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. perfectus, dem ’Ruhestandsgeld ausbezahlen’; dann ’in den Status PPP. von l. perficere (perfectum) ’fertigmachen, vollversetzen, der zu Ruhestandsgeld berechtigt’. enden’, zu l. facere ’machen’ und l. per-. Als SubstanEbenso nndl. pensioen, pension, ne. pension, nschw. pension, tiv Bezeichnung des vollendeten Vorgangs (Gegenpensionat, nnorw. pensjon, pensjonat; ÞPensum. – DF 2 (1942), satz: ÞImperfekt). Abstraktum: Perfektion. 446–450; Brunt (1983), 415; LM 6 (1993), 1872f.; EWNl 3 (2007), 525.

Pensum Sn ’zu erbringende Leistung’ erw. fremd.

(17. Jh.). Entlehnt aus l. pe¯nsum (ursprünglich: ’die den Sklavinnen als Tagesarbeit abgewogene Wolle’), dem substantivierten PPP. von l. pendere (pe¯nsum) ’wägen, abwägen’, eigentlich ’herabhängen lassen’. Ebenso nfrz. pensum, nschw. pensum, nnorw. pensum; Þsuspendieren. – DF 2 (1942), 450f.

Penthouse (auch Penthaus) Sn ’exklusive Wohnung

Ebenso nndl. perfect, ne. perfect, nfrz. parfait, nschw. perfekt, nnorw. perfekt; Þinfizieren. – DF 2 (1942), 453–456; Leser, E. ZDW 15 (1914), 61f. (zum Grammatikterminus); HWPh 7 (1989), 238–244 (zu Perfektibilität); HWPh 7 (1989), 244–248 (zu Perfektionismus); EWNl 3 (2007), 526.

perfide Adj ’treulos, heimtückisch’ erw. fremd. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. perfide, dieses aus l. perfidus, zu l. fide¯s ’Vertrauen, Glauben’, zu l. fı¯dere ’trauen, vertrauen, glauben’ und l. per-. Ebenso nndl. perfide, ne. perfidious, nfrz. perfide, nschw. perfid,

nnorw. perfid; ÞFöderalismus. – DF 2 (1942), 456. auf dem Flachdach eines Hauses’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. penthouse, dieses aus me. pentis Perforation Sf ’Reiß-, Trennlinie’ erw. fach. (18. Jh.). ’kleiner Anbau’, aus afrz. apentis ’Anhang’, aus l. apEntlehnt aus l. perfora¯tio (-o¯nis) ’die Durchbohrung’, pendicium, zu l. appendix (-icis) f., zu l. appendere ’an zu l. perfora¯re ’durchlöchern, durchbohren’, zu l. etwas aufhängen, zuwägen’, zu l. pendere (pe¯nsum) fora¯re ’bohren, durchbohren’ und l. per-. Das Verb ist ’wägen, abwägen’ (Þsuspendieren) und l. ad-. Die entlehnt als perforieren. heutige englische Form in volksetymologischem AnEbenso nndl. perforatie, ne. perforation, nfrz. perforation, schluss des mittelenglischen Wortes an frz. pente nschw. perforering, nnorw. perforering. – EWNl 3 (2007), 526f. ’schräg’ (da diese Anbauten nur eine einzige Dachperformativ Adj ’ausführend’ per. fach. (20. Jh.). Entschräge hatten). Die Bedeutung im Deutschen ist einlehnt aus ne. performative, zu ne. perform ’ausfühgeschränkt auf Anbauten auf Hausdächern und ihren ren’; dieses im Mittelenglischen wohl aus afrz. pargewöhnlich sehr exklusiven Charakter. fournir ’erlangen, vollenden’ entlehnt, dieses zu afrz. Ebenso nndl. penthouse. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 707f.; fournir ’versehen, ausstatten’ und l. per-, weiter aus Carstensen 3 (1996), 1043f.; EWNl 3 (2007), 525f. awfrk. *frummjan ’vollbringen, fördern’. Penunze Sf ’Geld’ per. vulg. (20. Jh.). Entlehnt aus Ebenso ne. perform, nfrz. performatif, ndn. performativ. – ReyDebove/Gagnon (1988), 714; EWNl 3 (2007), 527. poln. pienia˛dze Pl. (zu ÞPfennig).

Pep Sm ’Schwung, Pfiff’ per. grupp. (20. Jh.). Entlehnt

aus ne. pep, einer Kürzung von ne. pepper ’Pfeffer’. Hierzu die Hybridbildungen peppig und aufpeppen. Ebenso nndl. pep, ne. pep, nfrz. pep, ndn. pep, nnorw. pepp. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 708; Carstensen 3 (1996), 1044f.

Peperoni Sf ’kleine scharfe Paprikaschote’ erw. exot.

(20. Jh.). Entlehnt aus it. peperone m. ’Pfefferschote, Paprika’, zu it. pepe m. ’Pfeffer’ (ÞPfeffer). Was in Deutschland normalerweise als Peperoni bezeichnet wird, heißt in Italien peperoncini.

Pergament Sn std. (13. Jh.). Im Mittelhochdeutschen

(mhd. pergamente) entlehnt aus ml. pergamen(t)um, zu l. (charta) Pergame¯na f., aus gr. Pe´rgamon, dem Namen einer kleinasiatischen Stadt, die eine sehr große Bibliothek besaß und als der Erfindungsort des Pergaments angesehen wurde. Ebenso nndl. perkament, ne. parchment, nfrz. parchemin, nschw. pergament, nisl. pergament. – DF 2 (1942), 457; LM 6 (1993), 1885–1887.

Pergola Sf ’Vorbau, Laubengang’ per. fach. (17. Jh.).

per- Präfix ’hindurch, völlig, während’ (z.B. Þpervers,

Entlehnt aus it. pergola, dieses aus l. pergula ’Vorbau, Weinlaube’, zu l. pergere ’vordringen, fortsetzen’, zu l. regere ’richten, lenken, leiten’ und l. per-.

perkutan) per. bildg. (–). Wurde vornehmlich in lateinischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung ist l. per ’durch’ Präp. Im Deutschen nicht produktiv.

peri- Präfix ’umher, über ... hinaus, um ... herum’ (z.B.

Ebenso nndl. peperoni, ne. pepperoni.

Zur germanischen Verwandtschaft s. Þver-. – DF 2 (1942), 452; Cottez (1980), 313f.; Schmidt (1996), 74f.; EWNl 3 (2007), 526.

Perchten Spl ’Volkstümliche Masken an Fasching und

Ebenso nndl. pergola, ne. pergola, nfrz. pergola, nschw. pergola, nnorw. pergola; Þregieren. – DF 2 (1942), 457; EWNl 3 (2007), 527.

ÞPeripherie, ÞPeriode) per. bildg. (–). Wurde in griechischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen; der Ursprung ist gr. perı´. Nur in speziellen Fachausdrücken auch produktiv geworden.

Cottez (1980), 314f. Neujahr’ per. oobd. (14. Jh.). In mittelhochdeutschen Schwänken tritt ein Kobold Berhte in der Zeit nach Periode Sf ’Abschnitt, sich zyklisch WiederholenWeihnachten auf; hierzu vielleicht auch Berht(en)tac des’ erw. fach. (15. Jh., Form 17. Jh.). Entlehnt aus l. periodus ’Gliedersatz’, dieses aus gr. perı´odos, eigent’Epiphanie’. Alles weitere ist unklar. LM 6 (1993), 1879.

Peripherie lich ’Umgehen, Herumgehen, Umlauf’, zu gr. hodo´s ’Weg, Gang’ und gr. peri-. Zunächst Maskulinum, dann Femininum. Die Bedeutung ’Zeitabschnitt’ durch Rückgriff auf das Griechische. Adjektiv: periodisch; Verb: periodisieren. Ebenso nndl. periode, ne. period, nfrz. pe´riode, nschw. period, nnorw. periode; ÞMethode. – DF 2 (1942), 457–461; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 402; Siebenborn, E. HL 13, 2–3 (1986), 403–423; HWPh 7 (1989), 259–261; EWNl 3 (2007), 527.

Peripherie Sf ’Randgebiet, Randzone’ per. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus l. peripherı¯a ’Kreislinie’, dieses aus gr. periphe´reia, zu gr. periphe´rein ’im Kreis bewegen, herumdrehen, herumtragen’, zu gr. phe´rein ’tragen’ und gr. peri-. Von ’Kreislinie’ dann zu ’Randgebiet’ u.ä. Adjektiv: peripher.

694 Ebenso nndl. perplex, ne. perplexed, nfrz. perplexe, nschw. perplex, nnorw. perpleks; Þkompliziert. – DF 2 (1942), 469; Jones, W. J. SN 51 (1979), 267; Röhrich 2 (1992), 1150; EWNl 3 (2007), 528.

Perron Sm ’Bahnsteig, Plattform’ erw. obs. österr. schwz.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. perron ’Freitreppe’, eigentlich ’großer Stein’, dieses (als früh-rom. *petra¯tum) aus l. petra f., dieses aus gr. pe´tra f., gr. pe´tros m./f. Zuvor in der Bedeutung ’Freitreppe’ entlehnt; die deutschen Bedeutungen sind nur deutsch und niederländisch. Ebenso nndl. perron, ne. perron, nfrz. perron, nschw. perrong, nnorw. perrong; ÞPetersilie, ÞPetroleum, ÞPier 1. – DF 2 (1942), 470; EWNl 3 (2007), 528.

Persianer Sm ’ein Pelz aus dem kleingelockten Fell von

Ebenso nndl. periferie, ne. periphery, nfrz. pe´riphe´rie, nschw. periferi, nnorw. periferi; ÞMetapher.

Lämmern des Karakulschafes’ per. fach. (19. Jh.). Bildung zu Persien, dem ursprünglichen Herkunftsland.

Perle Sf std. (9. Jh.), mhd. perle, ahd. perala, as. perula.

Ebenso nndl. persianer, ne. Persian lamb, unschw. persianpäls, nisl. persı´an. – Littmann (1924), 103.

Entlehnt aus einem früh-rom. *perula, das vermutlich zu l. perna ’eine Art Muschel’ gehört. Einzelheiten bleiben unklar. Verb: perlen. Ebenso nndl. parel, ne. pearl, nfrz. perle, nschw. pärla, nisl. perla. – DF 2 (1942), 462f.; Lüschen (1979), 289f.; Röhrich 2 (1992), 1148–1150; LM 6 (1993), 1891f.; EWNl 3 (2007), 500f.; RGA 22 (2003), 564–587.

Perlmutter Sf (auch Perlmutt n.) std. (14. Jh.), spmhd.

persiflieren Vsw ’ironisierend nachahmen’ per. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus frz. persifler, dieses wohl zu frz. siffler ’auspfeifen’, aus l. sı¯bila¯re ’zischen, pfeifen’, und l. per-. Abstraktum: Persiflage. Ebenso nndl. persifleren, ne. persiflage, nfrz. persifler, ndn. persiflere, nnorw. persiflere. – DF 2 (1942), 470f.; Krauss, W. ASNSL 201 (1965), 1–28 = KS (1997), 273–299; EWNl 3 (2007), 529.

berlinmuoter. Lehnübersetzung von ml. mater perlaPerson Sf std. (12. Jh.), mhd. perso¯n[e]. Entlehnt aus l. rum. Das Wort bezeichnet ursprünglich die Muschel, perso¯na (auch: ’Charakter, Rolle’, eigentlich ’Maske die eine Perle enthält, sie also gewissermaßen geboren [des Schauspielers]’), dessen Herkunft umstritten ist. hat. Erst nachträglich ist es auf die Muschelschale beAdjektive: personal, personell, persönlich. schränkt, deren Innenseite aus dem gleichen Stoff ist Ebenso nndl. persoon, ne. person, nfrz. personne, nschw. person, wie die Perle und das Material für verschiedene Genisl. perso´na. – Littmann (1924), 11; Rheinfelder, H.: Das brauchs- und Schmuckgegenstände abgibt. Wort ’Persona’ (Halle 1928); Altheim, F.: Terra Mater (Gießen Ebenso nndl. paarlemoer, ne. mother-of-pearl, nschw. pärlemor, nisl. perlumo´diÑ r.

permanent Adj ’ständig, anhaltend’ erw. fach. (17. Jh.).

Entlehnt aus frz. permanent, dieses aus l. permane¯ns, dem PPräs. von l. permane¯re ’ausharren, verbleiben’, zu l. mane¯re ’bleiben’ und gr. per-. Ebenso nndl. permanent, ne. permanent, nschw. permanent, nnorw. permanent; Þimmanent, ÞMenagerie. – DF 2 (1942), 464f.; EWNl 3 (2007), 527f.

Perpendikel Smn ’Uhrpendel’ erw. obs. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus l. perpendiculum n. ’Senkblei, Richtblei’, zu l. perpendere ’genau abwägen’, zu l. pendere ’wägen, abwägen’ und l. per-. Mit Erfindung der Pendeluhr dann auf die dort verwendeten Uhrpendel übertragen. Ebenso ne. perpendicular, nfrz. perpendiculaire, nschw. perpendikel, nnorw. perpendikkel; ÞPensum. – Schirmer (1912), 52; DF 2 (1942), 467f.

perplex Adj erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. per-

plexe, dieses aus l. perplexus ’wirr durcheinander, verflochten, verschlungen’, zu l. plectere ’flechten’ und l. per-.

1931), 49f.; Wiesner, J. ZDS 25 (1969), 49–64; Wiesner, J. ZDPh 90 (1971), 6–35; Wiesner, J. BGDSL-H 92 (1970), 330–339; Scherner, M. AB 27 (1983), 56–72; HWPh 7 (1989), 269–345; Röhrich 2 (1992), 1150; Konersmann, R. Internationale Zeitschrift für Philosophie 2 (1993), 199–227; LM 6 (1993), 1900–1903; Greshake, G. in: Personale Freiheit und pluralistische Gesellschaft. Hrsg. G. Pöltner (Wien 1981), 75–86 (zum theologischen Begriff der (göttlichen) Person).

Perspektive Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. perspec-

tive ’Sehkunst, Fernsicht’, zu spl. perspectivus ’durchschauend’, zu l. perspectus ’durchschaut, völlig bekannt, bewährt’, dem PPP. von l. perspicere ’mit dem Blick durchdringen, hineinsehen, durchschauen’, zu l. specere ’sehen’ und l. per-. Ebenso nndl. perspectief, ne. perspective, nfrz. perspective, nschw. perspektiv, nnorw. perspektiv; Þinspizieren. – DF 2 (1942), 471–474; HWPh 7 (1989), 363–377; LM 6 (1993), 1906f.; EWNl 3 (2007), 529f.

Perücke Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. perruque (ei-

gentlich ’Haarschopf’), aus span. peluca zu span. pelo ’Haar’. Ebenso nndl. pruik, nfrz. perruque, nschw. peruk, nnorw. parukk. – DF 2 (1942), 474f.; Jones (1976), 507; Röhrich 2 (1992), 1151; EWNl 3 (2007), 602f.

Petz

695 pervers Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. pervers, die- Petersilie Sf std. (9. Jh.), mhd. petersilie, ahd. petrasile

ses aus l. perversus ’umgedreht, verkehrt, unrecht, schlecht, böse’, dem PPP. von l. pervertere ’umstürzen, völlig umwerfen’, zu l. vertere ’wenden, drehen, umkehren’ und l. per-. Abstraktum: Perversion; Verb: pervertieren. Ebenso ne. perverted, pervers, nfrz. pervers, nschw. pervers, nnorw. pervers; ÞVers. – DF 2 (1942), 475f.; HWPh 7 (1989), 379–382; EWNl 3 (2007), 530.

Pese Sf ’Treibriemen, endlose Spiralfeder’ per. fach.

(20. Jh.). Zu nndl. pees ’Sehne’? Oder zu nhd. Þpesen ’rennen’? EWNl 3 (2007), 519.

n. u.ä. Entlehnt aus ml. petrosilium n. aus gr. petrose´lı¯non n. ’Steineppich’, zu gr. pe´tros m./f. ’Stein’ und gr. se´lı¯non n. ’Eppich’. Ebenso nndl. peterselie, ne. parsley, nfrz. persil, nschw. persilja, nisl. steinselja; ÞSellerie, ÞPerron. – Röhrich 2 (1992), 1153; LM 6 (1993), 1941f.; EWNl 3 (2007), 531; RGA 22 (2003), 629–631.

Petition Sf ’Bittschrift, Gesuch, Eingabe’ per. fach.

(14. Jh.). Entlehnt aus l. petı¯tio (-o¯nis), zu l. petere ’zu erreichen suchen, greifen, bitten’. Ebenso nndl. petitie, ne. petition, nfrz. pe´tition, nschw. petition, nnorw. petisjon. Zu l. petere gehört noch Þrepetieren und als Partizip Þkompetent. Eine Ableitung ist ÞAppetit. – DF 2 (1942), 480f.; LM 6 (1993), 1944; EWNl 3 (2007), 532.

Pesel (auch Pisel) Sm ’heizbarer Wohnraum’ per. arch.

Petroleum Sn std. (16. Jh.). Neubildung zu gr. pe´tros ndd. (17. Jh., vereinzelt schon 9. Jh.), mhd. pfiesel m./f. ’Fels, Stein’, gr. pe´tra f., und l. oleum ’Öl, Baumm./n., ahd. pfiesal, mndd. pisel, pesel, mndl. pijsel, hd. öl’ (aus gr. ´elaion [dass.]). Also eigentlich ’Steinöl’. (dial.) Pfiesel ’heizbare Stube’ (steir.). In der niederEbenso nndl. petroleum, ne. petroleum, nfrz. pe´trole, nschw. deutschen Form in die Standardsprache aufgenompetroleum, nnorw. petroleum; ÞPerron, ÞÖl. – DF 2 (1942), 483; men. Entlehnt aus ml. balneum pensile, spl. pe¯salis, Cottez (1980), 317; EWNl 3 (2007), 532. das eine auf gemauerten Bögen ruhende Badestube Petschaft Sn ’Stempel zum Versiegeln’ erw. obs. bezeichnet, die mit warmer Luft geheizt ist, eigentlich (13. Jh.). Zuerst in verpetschaten ’versiegeln’. Entlehnt ’das hängende, schwebende Bad’. Die Bedeutungen aus sloven. pecˇa´t ’Siegel, Stempel’ mit nachträglicher ’Bad’ und ’heizbarer Raum’ hängen auch sonst zuAnlehnung an ÞSchaft. sammen (vgl. etwa ÞStube). DF 2 (1942), 484; Bellmann (1971), 270–272; Hinze, F. in MülVgl. afr. pı¯sel, ae. pı¯sle f. – Heyne (1899/1903), I, 166.

pesen Vsw ’rennen’ per. reg. (20. Jh.). Entlehnt aus ne.

to pace ’im Passschritt reiten’. Ebenso nndl. pezen; Þpassieren. – Stiven (1936), 78 (für einen Beleg, der die Entlehnung deutlich macht).

Pessimismus Sm std. (18. Jh.). Neubildung zu l. pessi-

mus ’der Schlechteste’, dem suppletiven Superlativ von l. malus ’schlecht’. Gebildet als Gegenbegriff zu ÞOptimismus. Adjektiv: pessimistisch; Täterbezeichnung: Pessimist. Ebenso nndl. pessimisme, ne. pessimism, nfrz. pressimisme, nschw. pessimism, nnorw. pessimisme. – DF 2 (1942), 477f.; HWPh 7 (1989), 386–395; EWNl 3 (2007), 530f.

Pest Sf std. (14. Jh., Form 16. Jh.). Wie in anderen eu-

ropäischen Sprachen; zuvor mhd. pestilenz, pestilencie m./f. Entlehnt aus l. pestilentia, das auf l. pestis ’Seuche, Unglück’ zurückgeht.

ler (1976), 79–99; Steinhauser (1978), 68f.; LM 6 (1993), 1989.

Petticoat Sm ’weiter, versteifter Unterrock’ erw. obs.

(20. Jh.). Entlehnt aus ne. petticoat (eigentlich ’kleiner Rock’), einer Zusammensetzung aus me. pety ’klein’ (aus frz. petit ’klein’) und me. coote ’Umhang, Mantel’ (aus afrz. cote, das wohl verwandt ist mit nhd. ÞKotze). Zunächst Bezeichnung eines leichten Umhangs, der z.T. unter dem Wams getragen wurde. Dann übertragen auf ’weites Wollzeug’, schließlich auch ’Unterrock’. Ebenso nndl. petticoat. – Carstensen 3 (1996), 1052f.; EWNl 3 (2007), 532.

Petting Sn ’Liebesspiel’ per. grupp. (20. Jh.). Entlehnt

aus am.-e. petting, Abstraktum von am.-e. to pet ’verzärteln, wie ein Spieltier behandeln’. Weitere Herkunft unklar.

Ebenso nndl. petting, ne. petting, nschw. petting, nnorw. petting. – Carstensen 3 (1996), 1053. Ebenso nndl. pest, ne. pestilence, nfrz. peste, nschw. pest, nisl. pest(i). – DF 2 (1942), 478f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), petto Þin petto. 400; Röhrich 2 (1992), 1151; LM 6 (1993), 1915–1921; Bergdolt, K.: Der schwarze Tod in Europa (München 1994, 31995) (Sach- Petunie Sf (eine Pflanze mit trichterförmigen Blüten) per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. pe´tunia, einer geschichte); EWNl 3 (2007), 531; RGA 22 (2003), 618–623.

Petarde Sf (ein mit Sprengpulver gefülltes Metallge-

fäß) per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. pe´tard m., einer Ableitung von frz. pe´ter ’knallen, furzen’, dies abgeleitet von frz. pet m. ’Furz, Blähung’, aus l. pe¯ditum n., dem substantivierten PPP. von l. pe¯dere ’furzen’. Ebenso nndl. petarde, ne. petard. – DF 2 (1942), 479f.; Gloning, Th.: Organisation und Entwicklung (Tübingen 2003), 388–392.

Neubildung zu frz. pe´tun m. ’Tabak’, das wohl über portugiesische Vermittlung aus den südamerikanischen Indianersprachen Guaranı´ und Tupı´ petume übernommen ist. Die Pflanze ähnelt der Tabakpflanze. Ebenso nndl. petunia, ne. petunia, nfrz. pe´tunia, nschw. petunia. – EWNl 3 (2007), 533.

Petz Sm ’Übername des Bären’ erw. obs. (16. Jh.). Ur-

sprünglich Koseform zu Bernhard, die auf das Tier übertragen wird, meist in der Fügung Meister Petz.

Petze

696 Petze Sf ’Hündin’ per. arch. (15. Jh.). Herkunft unklar;

ein Zusammenhang mit gleichbedeutendem anord. bikkja, ae. bicce, ne. bitch ist lautlich zwar nicht wahrscheinlich, aber von der Bedeutung her kaum abzuweisen. Auch übertragen mit der Bedeutung ’Dirne’. Þpetzen. – Schauwecker (1992), 3–5.

petzen Vsw ’verraten’ std. stil. (18. Jh.). Herkunft um-

arch. (13. Jh.), mhd. phalburgere, pfa¯lburger, mndd. palburgar. Vermutlich weil er nicht in den Mauern der Stadt wohnt, sondern zwischen seinen Pfählen. Erklärt wird das Wort schon früh als ’falscher Bürger’. Eine ähnliche Bezeichnung war ÞGrasbürger. Vgl. auch ÞSpießbürger, ÞSchildbürger. – Schmidt, M. G. ZK 9 (1902), 241–321; Schröder, E. FS Heymann (Weimar 1940), 52–60; Zeumer, K. ZSSR-GA 23 (1902), 87–101 (anders); LM 6 (1993), 1993.

stritten. Am ehesten zu ndd. inpetzen ’beschuldigen, anzeigen’ aus ml. impetere mit falscher Umsetzung in eine mitteldeutsche Form (Zoder). Die Bezeichnung Pfalz Sf per. arch. (8. Jh.), mhd. pfalenze, pfalz(e), ahd. pfalanza, pfalinza, falanza, as. palancea. Früh entlehnt des Petzenden als Petze f. dürfte am ehesten eine aus spl. palantia, einer Nebenform von pala¯tia Pl. L. Übertragung von ÞPetze ’Hündin’ sein, ohne dass Pala¯tium bezeichnete in der Kaiserzeit die kaiserliche dies auf die Herkunft zurückweisen muss. Das Verb oder sonst fürstliche Wohnung nach dem Haus des petzen, Þpfetzen ’kneifen’ scheint ein davon unabAugustus auf dem römischen Hügel Pala¯tı¯n. Die Pluhängiges Wort zu sein. Präfigierung: verpetzen. ralform für die Gesamtheit der Bauten der alten KaiZoder, R. KVNS 71 (1964), 58f.; Röhrich 2 (1992), 1154; serpfalzen. Foerste, W. NW 4 (1964), 77–79 (anders); Knobloch, J. FS Rosenfeld (1989), 487f.

Pfad Sm std. (8. Jh.), mhd. pfat m./n., ahd. pfad m./n.,

Ebenso nndl. palts, ne. palatinate, nfrz. palatinat. – Norden, E.: Alt-Germanien (Leipzig, Berlin 1934), 104–120, 304; Haubrichs, W. in Die Pfalz. Hrsg. F. Staab (Speyer 1990), 131–156; LM 6 (1993), 1993–2011.

mndd. pat m./n., mndl. pad, pat. Aus wg. *paþa- m. ’Pfad’, auch in ae. p¢þ, afr. path. Die Herkunft des Pfand Sn std. (8. Jh.), mhd. pfant (-des), ahd. pfant, as. Wortes ist unklar; zumal anlautendes ig. b-, das durch pant. Vermutlich früh entlehnt aus l. pondus (zu l. g. p- vorausgesetzt wird, sehr selten war (vielleicht gar pendere ’wägen’), das außer ’Gewicht’ auch ’Gleichnicht vorkam). Auffällig ist die lautliche Nähe zu iragewicht’ u.ä. bedeuten konnte. Das Pfand wurde also nischen Wörtern (avest. pad-, paθ-), die auf ig. als ’Gegengewicht’ o.ä. aufgefasst. Verb: pfänden. *pent (h)- zurückführen. Eine Entlehnung ist jedoch Ebenso nndl. pand, ne. pawn, nschw. pant, nnorw. pant; sachlich kaum wahrscheinlich (sie könnte allenfalls ÞPensum. – Knobloch, J. Lingua 26 (1970/71), 311; A˚rhamauf eine frühe Berührung mit den Skythen zurückmar, N. FS de Smet (1986), 20f.; LM 6 (1993), 2019; RGA 23 gehen). Ein Versuch der Erklärung aus dem Kelti(2003), 4–8. schen macht lautliche Schwierigkeiten. Nach SomPfanne Sf std. (9. Jh.), mhd. pfanne, ahd. pfanna, as. mer (s.u.) eigentlich ’Fußspur’ und letztlich lautpanna. Wie anord. panna, ae. panne, afr. panne, nachahmend für schwerfälliges Auftreten. ponne früh entlehnt aus spl. panna, das aus l. patina Ebenso nndl. pad, ne. path. – Kuhn, H. ZMF 28 (1961), 1–31; ’Schüssel’ verkürzt ist. Das lateinische Wort ist seiBailey, H. W. / Ross, A. S. C. TPhS (1961), 107–142; Bynon, nerseits entlehnt aus gr. pata´ne¯ ’Schüssel’. Th. TPhS (1966), 67–87; Sommer (1977), 13–15; Greule, A. ZVS 94 (1980), 208–219; Röhrich 2 (1992), 1154f.; EWNl 3

(2007), 487.

Pfaffe Sm std. stil. (9. Jh.), mhd. pfaffe, ahd. pfaffo,

Ebenso nndl. pan, ne. pan, nschw. panna, nisl. panna; ÞPatina. – Röhrich 2 (1992), 1155f.; EWNl 3 (2007), 492; RGA 23 (2003), 8f.

Pfarre Sf per. reg. (8. Jh.), mhd. pfarre, ahd. pfarra, mndd. pape, mndl. pape. Entsprechend gt. papa mndd. parre. Herkunft umstritten; vielleicht zu ’Geistlicher’. Entlehnt aus gr. papa˜s ’Kleriker’, wäheinem mit ÞPferch verwandten Wort, auf das spl. parrend ahd. ba¯bes (ÞPapst) auf gr. pa´ppas ’ehrwürdiger rochia, älter paroecia, aus gr. paroikı´a¯ ’NachbarVater, Papst’ zurückgeht. Entlehnung vor der hochschaft, Gemeinde’, zu gr. pa´roikos m. ’Nachbar’ eindeutschen Lautverschiebung. gewirkt hat. Hierzu Pfarrer, mhd. pfarr¢re, eigentlich Ebenso nndl. paap. – Sommer, F. IF 51 (1933), 231; Röhrich 2 ’der zur Gemeinde Gehörige’. (1992), 1155.

Pfaffenplatte Sf , PfaffenröhrleinSn, PfaffenstielSm

ÞPappenstiel. Pfahl Sm std. (10. Jh.), mhd. pfa¯l, ahd. pfa¯l, as. pa¯l. Wie

Ebenso nndl. parochie, ne. parish, nfrz. paroisse. – Trier (1951), 63 (zu Pfarrer); Kunze, K. in Würzburger Prosastudien II, FS Ruh. Hrsg. P. Kesting (München 1975), 35–76; Siegert (1950), 153 (zu Pfarrei); LM 6 (1993), 2021–2026.

anord. pa´l-stafr, ae. pa¯l, afr. pa¯l, pe¯l früh entlehnt aus Pfau Sm std. (9. Jh.), mhd. pfa¯(we), ahd. pfa¯wo, pfa¯(h)o¯, l. pa¯lus gleicher Bedeutung (hauptsächlich als Beas. pao. Wie anord. pa´i, ae. pa¯wa, pe¯a früh entlehnt standteil von Befestigungswerken, vgl. ÞPalis(s)ade, aus l. pa¯vo, das seinerseits auf eine andere Sprache zu l. pangere ’befestigen’). zurückgeht (Entlehnungsweg unsicher; der Vogel ist Ebenso nndl. paal, ne. pole, nfrz. pal, nschw. pa˚le, nnorw. pa˚le; aus Indien nach Europa gekommen). ÞPall. – Röhrich 2 (1992), 1155; EWNl 3 (2007), 486.

Pfahlbürger Sm ’Höriger, der das Stadtrecht in An-

spruch nimmt, ohne in der Stadt zu wohnen’ per.

Ebenso nndl. pauw, ne. peacock, peafowl, nfrz. paon, nschw. pa˚fa˚gel, nisl. pa´fugl. – Suolahti (1909), 224–226; Littmann (1924), 15; Röhrich 2 (1992), 1157f.; LM 6 (1993), 2026f.; EWNl 3 (2007), 515f.

Pferd

697 pfauchen Vsw Þfauchen. Pfausback Sm ÞPausbacken. Pfebe Sf ’Melonenart’ per. arch. (9. Jh.), mhd. pfe-

Pfeil Sm std. (8. Jh.), mhd. pfı¯l, ahd. pfı¯l, as. pı¯l. Wie ae.

pı¯l früh entlehnt aus l. pı¯lum n. ’Wurfspieß mit Eisenspitze’. Genus und Bedeutung nach gm. *flainaz ’Pfeil, Wurfspieß’.

dem(e) m./f.?, beben u.ä., ahd. pepano m., pfedema, Ebenso nndl. pijl, ne. pile, nschw. pil, nnorw. pil. – RGA 3 pedema u.a. In der Pluralform früh entlehnt aus l. (1978), 165–175; Röhrich 2 (1992), 1163f.; LM 6 (1993), 2027; pepo m. aus gr. pe´po¯n, eigentlich ’Weichling’, weil die Wagner, N. SW 32 (2007), 349–354; EWNl 3 (2007), 538. Frucht nur ganz reif gegessen wird (im Gegensatz Pfeiler Sm std. (10. Jh.), mhd. pfı¯l¢re, ahd. pfı¯la¯ri, as. etwa zu den Gurken). pı¯liri. Vor der hochdeutschen Lautverschiebung entEbenso nndl. pompoen, nfrz. pe´pon. – Marzell 1 (1943), 1264; lehnt aus spl. pı¯la¯re n., einer Weiterbildung von l. pı¯la EWahd 1 (1988), 506. f. ’Pfeiler’. Pfeffer Sm std. (8. Jh.), mhd. pfeffer, ahd. pfeffar, mndd. Ebenso ne. pillar, nfrz. pilier, ndl. pijler, pilaar, nschw. pelare, nnorw. pilar. – LM 6 (1993), 2027f.; EWNl 3 (2007), 538, 541. peper, mndl. peper. Wie ae. pipor, afr. piper früh entlehnt aus l. piper n. gleicher Bedeutung. Dieses aus gr. Pfennig Sm std. (8. Jh.), mhd. pfenni(n)c, ahd. pfending pe´peri n., dieses aus ai. pippalı¯´- f. ’Beere, Pfefferkorn’. u.a., as. penning. Mit dem Þ-ing- Suffix, das auch in Verb: pfeffern. anderen Münzbezeichnungen auftritt (vgl. etwa Ebenso nndl. peper, ne. pepper, nfrz. poivre, nschw. peppar, nisl. ÞSchilling); sonst ist die Herkunft unklar. Unerklärt pipar; ÞPaprika, ÞPep, ÞPeperoni, ÞPfifferling. – Hoops ist vor allem das Nebeneinander von Formen mit und (1911/19), III, 406; Littmann (1924), 16f.; Röhrich 2 (1992), ohne d. Am ehesten frühe Entlehnung aus l. pondus n. 1158–1160; LM 6 (1993), 2027; EWNl 3 (2007), 526; RGA 23 ’Gewicht’ (zu l. pendere ’wägen’), wobei aber ver(2003), 9–12. schiedene Fragen offen bleiben. Der Pfennig war unPfefferminze Sf std. (18. Jh.). Die Pflanze wurde Ende gefähr von 800–1200 die Währungseinheit. des 18. Jhs. in Deutschland eingeführt. Welche EinVgl. anord. pengr, penningr, ae. pen(d)ing, penig, afr. panni(n)g, zelsprache das Vorbild für den Namen abgegeben hat, penning u.a.; ÞPensum, ÞPenunze. – Schröder, E. ZDA 37 (1893), 124–127; Dickins LSE 1 (1932), 20f.; Schier, B. BGDSL ist unklar (l. ment[h]a piperı¯ta). Benennung nach 72 (1950), 311–314; Knobloch, J. BJ (1965), 143f.; Knobloch, J. dem scharfen Geschmack. Ebenso nndl. pepermunt, ne. peppermint, nfrz. menthe, nschw. pepparmynta, nisl. piparmynta. – EWNl 3 (2007), 526.

Pfeidler Sm ’Hemdenmacher, Hemdenhändler’ per.

Lingua 26 (1970/71), 311; Röhrich 2 (1992), 1164; LM 6 (1993), 2028f.; Vennemann, Th. in FS Bækken (2006), 269–290; EWNl 3 (2007), 524; RGA 23 (2003), 13–19.

Pfennigfuchser Sm std. stil. (18. Jh.). Eigentlich ’wer österr. (18. Jh.). Eine Bildung zu ahd. pfeit f., mhd. wegen Pfennigen (ÞPfennig) die Leute fuchst, d.h. pfeit f., as. pe¯da f., ae. pa¯d f., gt. paida f. ’Rock, Hemd’, plagt’ (Þfuchsen). das wie gr. baı´te¯ f. aus einer unbekannten Sprache Pferch Sm std. (9. Jh.), mhd. pferrich, ahd. pferrih, pfarentlehnt ist. Entsprechend wohl me. pedlere, ne. pedrih, mndd. perk, mndl. par(ri)c, per(ri)c. Wie ae. pearlar ’ambulanter Händler’. roc früh entlehnt aus ml. parricus, das für die frühe Ebenso ne. pedlar. – Thumb, A. ZDW 7 (1906), 261–267; KrogZeit nur indirekt bezeugt ist. Es handelt sich um eine mann, W. ZVS 71 (1954), 121–123; Frings, Th. BGDSL-H 77 (1955), 221–234; Hubschmid (1955), 89f. gallo-romanische Ableitung zu einem iberischen *parra ’Spalier’ (span. parra f. ’Weinlaube’. Verb: Pfeife Sf std. (9. Jh., beinpfı¯fa 8. Jh.), mhd. pfı¯f(e), ahd. (ein-, zusammen-)pferchen. pfı¯fa, as. pı¯pa. Wie ae. pipe, afr. pı¯pe früh entlehnt aus Ebenso ne. park, nfrz. parc; ÞPark. – RGA 23 (2003), 19–24. früh-rom. *pı¯pa ’Schalmei’, das rückgebildet ist aus l. pı¯pa¯re ’piepen, pfeifen’. Die Tabakspfeife ist nach Pferd Sn std. (9. Jh.), mhd. pfert, phärit, pherfrit u.ä., ihrer Ähnlichkeit mit dem Musikinstrument benannt spahd. pfarifrit, mndd. perde-. Zunächst ’Kurier(und wird auch in den Mund gesteckt). pferd, Postpferd’, in neuerer Zeit verallgemeinert. Ebenso nndl. pijp, ne. pipe, nfrz. pipe, nschw. pipa, nisl. pı´pa; Früh entlehnt aus ml. paraveredus, eigentlich ÞPipeline, ÞPipette. – Relleke (1980), 154–158; Röhrich 2 ’Beipferd zum Postpferd (ml. vere¯dus) auf Nebenli(1992), 1160–1162; EWNl 3 (2007), 539. nien’. Nach Dannenbauer hat sich das Wort durchgesetzt, weil der paraveredus bei Abgaben eine Rolle pfeifen Vst std. (11. Jh.), mhd. pfı¯fen, ahd. pfı¯fo¯n, mndd. spielte. Ml. veredus m. ist eigentlich ein keltisches pipen, mndl. pipen. Die schwache Flexion ist bei dieWort, vgl. kymr. gorwydd ’Pferd’ (wohl als *wo/we sem Verb älter als die starke. Entlehnung aus l. pipa¯re gleicher Bedeutung ist denkbar; doch kann es auch ’unter, bei’ und kelt. reda, raeda, re¯da ’Reisewagen’ sein, dass die lautmalende Bezeichnung immer wieaufzufassen), verwandt mit Þreiten. der neu gebildet wird und sich somit den LautgesetEbenso nndl. paard, ne. palfrey, nfrz. palefroi. – Herkner, E.: Roß, Pferd und Gaul (Diss. Marburg 1914); Dannenbauer, H. zen zu entziehen scheint (vgl. nhd. Þpiepen). AbZSSR-GA 71 (1954), 55–73; Maringer, J. JIES 9 (1981), 177–204; straktum: Pfiff. Ebenso nndl. pijpen, ne. pipe, nschw. pipa, nnorw. pipi. – Seebold (1970), 363; Röhrich 2 (1992), 1162f.

Hamp, E. P. in Markey/Greppin (1990), 211–226; Röhrich 2 (1992), 1164–1169; LM 6 (1993), 2029f.; Hänsel, B. / Zimmer, St. (Hrsg.): Die Indogermanen und das Pferd (Budapest 1994); EWNl 3 (2007), 486f.; RGA 23 (2003), 24–35.

Pfette

698 Pfette Sf ’Längsbalken im Dachstuhl’ per. fach.

(16. Jh.), fnhd. pfette. Trotz der späten Bezeugung frühe Entlehnung aus ml. patena ’Firstbaum’. Das lateinische Wort bedeutet ursprünglich ’Krippe’; aber so, wie bei der einfachen Krippe der Futtertrog auf Scherhölzern aufliegt, liegt die ursprüngliche Pfette auf gegabelten Balken. LM 6 (1993), 2030.

Pfetter Sm ÞPate. pfetzen (auch petzen md.) Vsw ’zwicken, kneifen’ per.

Pfinztag Sm ’Donnerstag’ per. oobd. (12. Jh.), mhd.

pfinztac. Aus gr. pe´mpte¯ he¯me´ra¯ ’der fünfte Tag’. Eine sekundäre Nebenform ist österr. Pfingsttag mit Anlehnung an ÞPfingsten. Gehört mit ÞErgetag und dem nur ahd. belegten pferintag ’Freitag’ zu den ostgermanischen Einflüssen auf das Bairische. Vgl. ÞDonnerstag. – Wiesinger, P. in Beumann/Schröder (1985), 153–200; Wiesinger, P. FS Hausmann (Graz 1987), 639–654.

Pfirsche Sf ÞPfirsich.

wmd. (15. Jh.), fnhd. pfetzen. Zunächst ’kitzeln’, dann Pfirsich Sm std. (12. Jh., Pfirsichbaum 9. Jh.), mhd. pfersich, mndd. persik. Wie ae. persoc entlehnt aus ml. die neuere Bedeutung. Herkunft unklar; Þpetzen persica (und zwar trotz der späten Bezeugung schon ’verraten’ ist wohl nicht verwandt. vor der hochdeutschen Lautverschiebung). Das Wort Pfiesel Sm ÞPesel. bedeutet eigentlich ’die persische (Frucht)’, weil der Pfifferling Sm std. (11. Jh.), mhd. pfefferlinc, pfifferling, Baum über Persien (aus China) in Europa eingeführt ahd. pfif(f)ra f., mndd. pep(p)erlink, mndl. pep(p)erwurde. Im Lateinischen auch Neutrum (indem l. link. Benannt als ’Pfefferpilz’ nach seinem Pfeffergema¯lum n. ’Apfel’ ergänzt wird). Im Deutschen zuschmack. Vermutlich galt der Name ursprünglich nächst meist Femininum (Pfirsiche, ÞPfirsche), dann dem Pfeffermilchling, der noch schärfer nach Pfeffer Maskulinum im Anschluss an ÞApfel. schmeckt. Die Wendung keinen Pfifferling für Ebenso nndl. perzik, ne. peach, nfrz. peˆche, nschw. persika, nisl. ’nichts’ bezieht sich auf das früher massenweise Aufferskja. – LM 6 (1993), 2032f.; EWNl 3 (2007), 530; RGA 23 (2003), 98–102. treten des Pfifferlings (ÞPappenstiel); es kann aber auch auf die übertragene Bedeutung ’Kot, Exkremen- Pfister Sm ’Bäcker’ per. arch. oobd. (12. Jh.), mhd. pfiste’ zurückgehen. ter, ahd. pfistur, mndl. pister. Früh entlehnt aus Marzell 1 (1943), 781–783; Röhrich 2 (1992), 1171. gleichbedeutendem l. pı¯stor. Öhmann, E. ZM 20 (1952), 99–101; Braun, W. in Dückert Pfifferstiel Sm ÞPappenstiel. pfiffig Adj std. (18. Jh.). Pfiffe verstehen und anwenden

(1976), 55–119; LM 6 (1993), 2033.

ist etwas, das über Sprachverstehen hinausgeht, was Pflanze Sf std. (9. Jh., pflanzon 8. Jh.), mhd. pflanze, ahd. pflanza, mndl. plante. Wie ae. plante, anord. nicht jeder kann (besonders in Bezug auf das Anplanta früh entlehnt aus l. planta ’Setzling’. Dieses ist locken von Tieren mit der Lockpfeife). Deshalb gilt in Rückbildung aus l. planta¯re ’die Erde um den Setzling früher Zeit Pfiff (Þpfeifen) als ’List, Kniff’, pfiffig als (mit der Sohle) festtreten’, zu l. planta ’Sohle’. Verb: ’schlau, raffiniert’. Hierzu auch Pfiffikus als pseudopflanzen. lateinische Bildung (wohl der Studentensprache). Ebenso nndl. plant, ne. plant, nfrz. plante, nschw. planta, nisl. Von welchem Anwendungsbereich der Pfiffe die planta; ÞPlan 2, ÞPlantage. – Trier, J. FS Arnold (1955), 253f.; Wendungen ausgegangen sind, lässt sich nicht beTrier (1981), 37–39; Hiersche, R. BN 18 (1983), 267f.; HWPh 7 stimmen.

Pfingsten Spl std. (13. Jh.), mhd. pfingeste(n) f., ahd. mit

(1989), 395–402; Draye, L. FS Fleischer (1997), 67–69; EWNl 3 (2007), 552.

gelehrter Teilübersetzung und Umdeutung fimfchusti Pflaster Sn std. (8. Jh.), mhd. pflaster m., ahd. pflastar, f. Pl., as. pinkoston f. Pl. Wie afr. pinkostra, pinxtera, as. pla¯star. Wie ae. plaster, anord. pla´str m./n. in den pinster Pl., anord. pı´kisdagr, pikkisdagr m. und unabBedeutungen ’Heilpflaster’ und ’Fußboden’ früh enthängig von diesen gt. paintekusten f. früh entlehnt aus lehnt aus l. emplastrum ’Wundpflaster’ und übertragr. pente¯koste¯´ f. (unter weiterem Einfluss von l. pengen ’Bindemittel für Steinbau’ (in alter Zeit ist das te¯coste¯ f., das aber wegen der frühen Entlehnung vor Pflaster mehr etwas Aufgestrichenes als etwas Aufgeder Lautverschiebung kaum die Quelle der Wörter in klebtes). Dieses aus gr. ´emplastron, einer Ableitung den germanischen Sprachen gewesen sein kann). Das von gr. empla´ssein ’aufschmieren’, aus gr. pla´ssein griechische Wort bedeutet ’fünfzigster (Tag nach Os’aus weicher Masse formen, bilden, gestalten’ und gr. tern)’; in der Festbezeichnung der germanischen en-. Sprachen ist es als (Dativ) Plural aufgefasst worden. Ebenso nndl. pleister, ne. plaster, nfrz. emplaˆtre, nschw. pla˚ster, Wegen der weiten Verbreitung des Wortes ist (wie bei nisl. pla´stur; ÞPlastik. – Röhrich 2 (1992), 1174; LM 6 (1993), ÞPfaffe, ÞSamstag u.a.) ein früher Einfluss des grie2046. chischsprachigen Christentums auf die wohl noch Pflastertreter Sm ÞGassenhauer. heidnischen Germanen anzunehmen. pflatsch Interj (als m. ’starker Regenguss’ u.ä.) erw. obd. Ebenso nndl. Pinksteren, nschw. pingst, nnorw. pinse. – Be(17. Jh.). Lautmalende Bildung wie Þklatsch und haghel 1 (1923), 66; Röhrich 2 (1992), 1171–1173; LM 6 (1993), 2030–2032; EWNl 3 (2007), 545. patsch (Þpatschen). Verb: pflatschen.

pflücken

699 Pflaume Sf std. (10. Jh., Pflaumenbaum 8. Jh., Form

11. Jh.), mhd. pflu¯me, ahd. pflu¯ma ’Pflaume’ (älter phrumboum). Entsprechend ae. plu¯me, ply¯me, anord. plo´ma. Daneben steht mit älterem r ahd. pfru¯ma, mhd. pfrume, noch fnhd. pfraume, mndd., mndl. pru¯me. Früh entlehnt aus gr. prou´mne¯ ’Pflaumenbaum’, gr. prou˜mnon n. ’Pflaume’, das auch l. pru¯nus gleicher Bedeutung geliefert hat und selbst wohl auf der Entlehnung aus einer kleinasiatischen Sprache beruht. Ebenso nndl. pruim, ne. plum, nfrz. prune, nschw. plommon, nisl. plo´ma; ÞPriem. – Bertsch (1947), 108–112; Tuaillon, G. FS Alinei 1 (1986), 211–237; Röhrich 2 (1992), 1174; LM 6 (1993), 2046; EWNl 3 (2007), 603.

pflaumen (anpflaumen) Vsw ’spöttische Bemerkungen

machen’ std. stil. (20. Jh.). Bezeugt seit der Jahrhundertwende, wie ÞPflaume ’spöttische Bemerkung’. Herkunft unklar: Entweder zu Pflaume (Matsch-) als Schimpfwort oder als ’mit (überreifen) Pflaumen bewerfen’ (Þveräppeln) oder umgedeutet aus ndd. plumen ’rupfen’. pflegen Vsw std. (8. Jh.), mhd. pflegen Vst., ahd. pflegan

Vst., ahd. flegan, plegan. Aus wg. *pleg-a- Vst. (aber mit wenigen Präteritalformen); wenn alle Bedeutungen zusammengehören, etwa als ’sich für etwas einsetzen’ zu erschließen, auch in ae. ple¯on, afr. plega. Aus der Ausgangsbedeutung könnte einerseits ’sich einsetzen für etwas, sorgen für, pflegen’ entstanden sein, andererseits ’spielen’ (ae. plegian ’spielen’, Zugehörigkeit allerdings nicht ausreichend sicher) und ’sich der Gefahr aussetzen’ (ae. pleoh, pliht ’Gefahr’). Lautlich kommt eine Herleitung aus ig. *bl- kaum in Frage, da ein solcher Anlaut nicht wahrscheinlich ist. Andererseits ist eine Entlehnungsmöglichkeit nicht festzustellen (und liegt auch bei einem starken Verb nicht unbedingt nahe). Man hat deshalb Erklärungen aus anderen Anlautgruppen gesucht, vor allem aus ig. *dl-, doch konnten die vorgebrachten Etymologien nicht ausreichend überzeugen. Herkunft also unklar. Deutungsmöglichkeiten ergeben sich am ehesten für die Annahme einer Entlehnung, wenn die verschiedenen Bedeutungen zunächst getrennt betrachtet werden. Dann ergibt sich (Deutung Wagner) für die Bedeutung ’pflegen, gewohnt sein’ eine semantisch einwandfreie Vergleichsmöglichkeit zu air. clecht ’Gewohnheit’, wenn für dieses eine Vorform *k wlek-to- angenommen wird, die in der Variante einer p-keltischen Sprache (wohl mit einer unerweiterten Stufe) ins Germanische entlehnt worden wäre (mit und ohne grammatischen Wechsel). Unter den gleichen Voraussetzungen lässt sich die Bedeutung ’Spiel, spielen’ mit air. cluiche ’Spiel, Sport’ verbinden (Vorform etwa *k wlok-jo-). Der Bedeutungsbereich ’Risiko, Gefahr’ findet hier keinen Anschluss und müsste anders erklärt werden (Deutung Brøndal): ml. plebı¯re, plevı¯re ’Bürgschaft leisten, haften’ (no-

minal ’Pflicht, Verpflichtung, Kaution’), das im Galloromanischen zu plegiare, plegare (auch -ere) wird (nach Brøndal etwas halsbrecherisch, aber nachvollziehbar von l. plebs ’einfaches Volk’ abgeleitet), vgl. afrz. pleiger ’garantieren’, frz. pleige ’Pfand’. Die starke Stammbildung müsste sekundär eingetreten sein (sie hat sich auch nicht auf die Dauer gehalten). Sucht man die keltischen Wörter weiter zu vergleichen, so ist das üblicherweise verglichene air. clichid ’bewegt, bewegt sich’ aus semantischen Gründe wohl eher beiseite zu lassen. Dagegen lässt sich die einfache Wurzel *k wel- ’drehen’ semantisch sowohl mit ’spielen’ (’tanzen’), wie auch mit ’gewohnt sein’ (vgl. etwa l. colere) leicht verknüpfen. Es wäre also von zwei Entlehnungen, die sekundär lautgleich wurden, auszugehen; die starke Stammbildung des Verbs wäre sekundär. – An die starke Flexion erinnert noch Gepflogenheit. Abstraktum: Pflege; Nomen Agentis: Pfleger; Adjektiv: pfleglich; Präfigierung: verpflegen. Ebenso nndl. plegen; ÞPflicht 1. – van Wijk, N. IF 23 (1908/09), 372; van Wijk, N. IF 28 (1911), 125f.; Brøndal (1917), 142–145 = (1948), 156–158; Trier, J. BGDSL 67 (1944), 143–150; Wagner, H. FS Wartburg (1958), 835–838; Seebold (1970), 363f.; Vennemann (1998), 252–254; EWNl 3 (2007), 556.

Pflicht1 Sf std. (11. Jh.), mhd. pfliht(e), ahd. pfliht, fliht,

mndd. plicht, mndl. plicht. Aus wg. *pleh-ti- f., auch in ae. pliht m. ’Gefahr, Wagnis, Schaden’, afr. plicht ’Obhut, Fürsorge, Sorgfalt’. Ein ti-Abstraktum zu Þpflegen in verschiedenen Bedeutungen dieses Wortes. Die heutige Bedeutung geht über ’Pflege’ zu ’Dienst, Obliegenheit’ (so schon mittelhochdeutsch). Trier, J. BGDSL 67 (1944), 136–143; HWPh 7 (1989), 405–433; Röhrich 2 (1992), 1175; LM 6 (1993), 2048; EWNl 3 (2007), 559; RGA 23 (2003), 102–104.

Pflicht2 Sf ’Schutzdach im Vorschiff’ per. arch. (9. Jh.),

mhd. pflihte, ahd. pflihta, mndd. plicht, mndl. plecht. Die Bedeutungen betreffen verschiedene Besonderheiten auf Schiffen. Offenbar entlehnt aus l. plecta ’Flechtwerk’, zu l. plectere ’flechten’. Ebenso nndl. plecht, nschw. plikt, nnorw. pligt; Þkompliziert. – Kluge (1911), 620f.; Melchers, P. FS Fehrle (Karlsruhe 1940), 159f.

Pflock Sm std. (14. Jh.), mhd. pfloc, pflocke, mndd.

pluck, plugge. Ausgangsbedeutung offenbar ’Holznagel’. Herkunft unklar. Partikelverb-Ableitung: anpflocken. Ebenso nndl. plug, ne. plug. – Lühr (1988), 271f.; Röhrich 2 (1992), 1175.

pflücken Vsw std. (9. Jh.), mhd. pflücken, mndd.

plucken, mndl. plocken. Wie ae. pluccian, ploccan, anord. plokka, plukka früh entlehnt aus ml. piluccare ’pflücken’ (vgl. it. piluccare ’Trauben abbeeren’). Dieses wohl eine Erweiterung zu l. pila¯re ’die Haare ausrupfen’. Ebenso nndl. plukken, ne. pluck, nschw. plocka, nisl. plokka; ÞKompilation. – Frings (1932), 202; Brüch, J. ZRPh 58 (1938), 331–343; Nörrenberg, E. NJ 71 (1948/50), 329; Plück, K. RV 40 (1976), 112–119; EWNl 3 (2007), 562.

Pflug

700 Pflug Sm std. (8. Jh.), mhd. pfluoc, ahd. pfluoc, mndd.

ploch. Bezeugung und Beleglage für dieses Ackergerät sind widersprüchlich. Zu beachten ist langob. plovum und die Angabe bei Plinius, dass im rätischen Gallien eine neue Form des Pflugs mit zwei Rädern angetroffen worden sei − sie heiße plaumora¯tum. Die Erklärungen zur Herkunft des Wortes reichen trotz aller Bemühungen nicht aus. Da der Pflug sprachlich wie sachlich einen zentralen Entwicklungsstand markiert, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die wohl älteste Form, mit der nur der Boden aufgerissen wird, vermutlich in gt. hoha reflektiert ist, da es auch in den arischen Sprachen eine Entsprechung hat und die Verwandtschaft mit Wörtern der Bedeutung ’Ast’ u.ä. auf primitive Techniken hinweist. Auch die europäischen Wörter von einer Wurzel *har¡- „pflügen“ (l. ara¯re, ara¯trum) bezeichnen wohl ursprünglich nur die alte Technik, besonders wenn heth. harsˇ- ’aufreißen, urbar machen, pflügen’ (ohne ein Wort für ’Pflug’) anzuschließen ist. Dagegen scheint die Sippe von Pflug, wie auch die von frz. charrue das weiterentwickelte Modell zu bezeichnen, mit dem die Scholle umgewendet wird. Für die Lautform von Pflug wird wohl auf das gleiche Verfahren wie bei Þpflegen (s.d.) zu verweisen sein: Auszugehen ist von der Wurzel *k wel- ’drehen, wenden’, die in mehreren Sprachen auch ’pflügen’ bedeuten kann, aber ohne ein Wort für ’Pflug’ (dem Wortsinn nach in dem neueren Verfahren ’die Scholle umwenden’): gr. pe´lomai unter anderem ’umwenden, pflügen’, vielleicht auch ai. karsati ’ziehen, schleppen, pflügen’ (s-Erweiterung, ˙Lautstand mehrdeutig; entsprechend gegebenenfalls gr. te´lson ’Grenzfurche’). Wenn ein entsprechendes Wort (für ’pflügen’ oder für ’Pflug’) in einer p-keltischen Sprache des Kontinents bestand, dann hätte dies mit anlautendem pl- ins (West-)Germanische entlehnt werden können. Die weiter vorauszusetzende Erweiterung hätte entweder wie bei pflegen ein (ig.) -k- oder eventuell -g h- sein können. Der Langvokal könnte zur Wurzelerweiterung gehören oder auf eine Zugehörigkeitsbildung mit Vriddhi zurückgehen (etwa ’Furche’ und ’Pflug’). Verb: pflügen.

Pfnüsel Sm ’Schnupfen’ per. wobd. (14. Jh.), mhd.

pf(n)iusel. Zu einem Verb, das in wndd. fniezen ’niesen’, abgewandelt in mhd. pfna¯sen ’schnauben’ bezeugt ist. Der ursprüngliche Anlaut ist fn-, das p ist angewachsen. Wörter dieser Bedeutung zeigen einander ähnliche lautmalende Lautformen. Vgl. Þniesen. – Weimann, K.-H. ZM 23 (1955), 156f.

Pforte Sf std. (8. Jh.), mhd. pforte, ahd. pforta, porza.

Entlehnt aus l. porta ’Tor’, und zwar so früh, dass der Anlaut noch verschoben wurde, nicht mehr dagegen das -t-. Ebenso nndl. poort, nfrz. porte, nschw. port, nisl. port; ÞPortier. – Christmann, E. Westmark 4 (1936/37), 162–169; Röhrich 2 (1992), 1176; EWNl 3 (2007), 576f.

Pförtner Sm std. (12. Jh.), mhd. pforten¢re, pfortener.

Entlehnt aus ml. portenarius ’Türhüter’ (zu l. porta f. ’Durchgang, Pforte’). Das seltene Wort wird im 18. Jh. durch die Entlehnung aus dem Französischen (ÞPortier) verdrängt und danach wieder eingeführt. In der Medizin steht das Wort für ’unterer Magenmund, d.h. Eingang des Darms’. Ebenso ndn. portner, nnorw. portner.

Pfosten Sm std. (12. Jh.), mhd. pfost(e), ahd. pfost,

mndd. post, mndl. post. Wie ae. post früh entlehnt aus l. postis ’(Tür)Pfosten’. Ebenso nndl. post, ne. post, nfrz. poteau, nschw. post; ÞPoster. – Schüwer, H. NW 19 (1979), 177–120; Trier (1981), 126–131; Röhrich 2 (1992), 1176; EWNl 3 (2007), 583.

Pfote Sf std. (16. Jh.). Aus dem Niederdeutschen über-

nommen und verhochdeutscht, mndd. pote, mndl. poot. Entsprechend afrz. poue, prov. pauta, so dass ein älteres (wohl auf einer Substratsprache beruhendes) früh-rom. *pauta ’Pfote’ erschlossen werden kann. Nach Sommer Lautnachahmung für das schwerfällige Auftreten. Vgl. ÞTappe. – Frings (1932), 179f.; Brüch, J. WSt 54 (1936), 173–180; Frings, Th. ZRPh 56 (1936), 371–374; Silfwerbrand (1958), 152f.; Sommer (1977), 13–15; Röhrich 2 (1992), 1176f.; EWNl 3 (2007), 577.

Pfriem(en) Sm erw. fach. (13. Jh.), mhd. pfriem(e),

mndd. preme, mndl. prieme. Daneben (als parallele oder ursprünglichere Bildung) mndd. pre¯ne, ae. pre¯on ’Eisengerät zum Entfernen von Tuchflocken’, nisl. prjo´nn ’Stricknadel’. Die weitere Herkunft ist unklar. Vielleicht Erweiterung zu ig. *g weru- ’Spieß’ (in l. veru¯, gt. qairu ’Pfahl, Stachel’) als ig. *g wreumen- und Labialisierung des Anlauts.

ÞPflugschar. – Trier, J. BGDSL 67 (1944), 122–126, 131–136; Mitzka, W. ZAgAs 6 (1958), 113–118; Wagner, H. FS Wartburg (1958), 835–838; Kratz, B. NPhM 66 (1965), 217–229; Kratz (1966); Pisani, V.: Indogermanen und Europa (München 1974), 48–50; Schmidt-Wiegand, R. in Schmidt-Wiegand (1981), 1–41; Röhrich 2 (1992), 1175f.; LM 1 (1980), 81–85; LM 6 (1993), 2048f.; Schmid, W. P. in Beck/Denecke/Jankuhn EWNl 3 (2007), 593. (1980), 77–81 (anders [vorgermanisches Substrat]); Beck, H. in pfropfen Vsw ’ein Edelreis aufsetzen’ erw. fach. (11. Jh.), Beck/Denecke/Jankuhn (1980), 82–98 (zur Etymologie von mhd. pfropfen. Faktitivum zu ahd. pfropfa ’Ableger’, Typen und Teilen des Pflugs); Schabram, H. in Beck/Denecke/ Jankuhn (1980), 99–126 (für das Altenglische); Vennemann das aus l. propa¯go ’Ableger’ entlehnt ist. Dieses zu l. (1998), 248–252; EWNl 3 (2007), 559f.; RGA 23 (2003), 104–114. propa¯ga¯re ’ausdehnen, fortpflanzen’, das zu l. pangere

Pflugschar Sm std. (14. Jh.), mhd. pfluocschar. Zusam-

mensetzung aus ÞPflug und einer Ableitung von ahd. sceran ’schneiden’ (Þscheren 1). EWNl 4 (2009), 65.

’befestigen, einschlagen’ gebildet ist. Die Geminate wohl aus Assimilation von *propg-, vgl. aber die ähnliche Lautentwicklung bei Þopfern. Ebenso nndl. proppen, ne. prop, nschw. proppa, nnorw. proppe. Vgl. Þimpfen; ÞPalis(s)ade, ÞPfropfen. – Frings (1932), 70f.

Phantom

701 Pfropfen Sm ’Stöpsel’ erw. reg. (18. Jh.). Übernommen

aus dem Mitteldeutschen. Geht wie Þpfropfen auf l. propa¯go ’Ableger’ und l. propa¯ga¯re ’ausdehnen, fortpflanzen, hineinstecken’ zurück (der Verschluss wird in die Flasche gesteckt, wie das Edelreis in die Erde oder in den Wildling). Verb: (voll)pfropfen. Ebenso nndl. prop, ne. prop, nschw. propp, nnorw. propp; ÞProppen. – Ponten (1969), 116–125; Kretschmer (1969), 368f.; Hildebrandt, R. ZDL 56 (1989), 137–155; Röhrich 2 (1992), 1177.

Pfründe Sf erw. fach. (9. Jh.), mhd. pfrüende, pfruonde,

pfuschen Vsw ’schlecht arbeiten’ std. stil. (16. Jh.). Am

ehesten zu der lautmalenden Interjektion (p)futsch ’kaputt’ (Þfutsch), die etwa das Abbrennen einer Rakete oder das Zerreißen von schlechtem Stoff wiedergibt. Präfigierung: verpfuschen; Nomen Agentis: Pfuscher; Abstraktum: Pfuscherei. Walther, C. ZDW 8 (1906), 194–199; Röhrich 2 (1992), 1178.

pfusen Vsw ’schwer atmen; schlafen’ per. schwz.

(20. Jh.). Lautgebärde des unter ÞBausch behandelten Typs.

Þpusten. – Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 209–212. ahd. pfruonta, as. provenda u.ä. Entlehnt aus ml. proPfütze Sf std. (8. Jh.), mhd. pfütze, ahd. pfuzza, puzza, venda ’was einem Geistlichen als Gegenleistung für mndd. putte, mndl. put(te) m./f. ’Grube mit Wasser’. seine Dienste zusteht’. Dieses ist offenbar verschmolWie anord. pyttr m., ae. pytt m., afr. pett m. früh entzen aus l. praebenda ’Darzureichendes’ und l. pro¯vilehnt aus l. puteus m. ’Brunnen’ (das regional auch de¯re ’versorgen’. Heute wird das Wort meist über’Lache’ u.ä. bedeuten kann). tragen verwendet für ’bequemes Einkommen’. Ebenso nndl. prove, ne. prebend, nfrz. pre´bende, nschw. prebende, nisl. pro´venta; ÞProviant, Þrevidieren. – Stutz, U. ZDW 1 (1901), 361–363; LM 6 (1993), 2050.

Pfuhl Sm erw. reg. (12. Jh.), mhd. pfuol, ahd. pfuol,

mndd. po¯l, pu¯l, mndl. poel. Aus wg. *po¯la- m. ’Sumpf, Morast’ unklarer Herkunft. Bei Annahme eines Erbworts würde lit. bala` ’Bruch, Sumpf’ entsprechen; doch spricht wenig für diesen Ansatz. Vermutlich entlehnt aus einer unbekannten Vorlage. ÞSwimmingpool. – Udolph (1994), 134–136.

Pfühl Smn ’Kissen’ per. arch. (8. Jh.), mhd. pfülwe, pful-

Ebenso nndl. put, ne. pit, nschw. puss, nisl. pyttur. – Dalen, A., A˚rhammar, N. FS Alinei 1 (1986), 291–293; EWNl 3 (2007), 610.

Phalanx Sf ’geschlossene Schlachtreihe’ erw. bildg.

(18. Jh.). Entlehnt aus l. phalanx, dieses aus gr. pha´lanx, eigentlich ’Baumstamm, Block’. So bezeichnet wurde die Schlachtreihe der griechischen Fußkämpfer. Ebenso nndl. falanx, ne. phalanx, nfrz. phalange, nschw. falang, nnorw. falanks; ÞBohle, ÞPlanke, ÞBalken. – DF 2 (1942), 485f.; EWNl 2 (2005), 54f.

we, ahd. pfuluwo m., pfuluwi(n) n., pfuluwi n., as. pu- Phallus Sm ’das (erigierte) männliche Glied’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. phallus, dieses aus gr. phallo´s. li(wi). Wie ae. pyle früh entlehnt aus l. pulvı¯nus m. Adjektiv: phallisch. ’Polster, Kissen’ unklarer Herkunft. Ebenso nndl. peluw, ne. pillow; ÞPfulmen. – EWNl 3 (2007), 522.

pfui Interj std. (13. Jh.). Lautgebärde zum Ausdruck des

Ebenso nndl. fallus, ne. phallus, nfrz. phallus, nschw. fallos, nnorw. fallos. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞBulle 1. – DF 2 (1942), 486; EWNl 2 (2005), 56; RGA 23 (2003), 135–139.

Phänomen Sn ’Erscheinung, etwas Ungewöhnliches, Abscheus (= Wegblasen von etwas, Ausstoßen des außergewöhnlicher Mensch’ erw. stil. (17. Jh.). EntAtems). Ähnlich l. fu¯, nfrz. fi, ne. fie, nndl. foei. Hd. lehnt aus l. phaenomenon ’Erscheinung, Lufterscheipfui, ndd. pfui sind seit etwa 1200 bezeugt, daneben nung’, dieses aus gr. phaino´menon, zu gr. phaı´nein mhd. fı¯(a), pfı¯, pfiu. Deutsch pf- ist hier eine Verstär’sichtbar machen, sehen lassen’. Adjektiv: kung von f. phänomenal . Schwentner (1924), 25f.; Röhrich 2 (1992), 1177; EWNl 2 (2005), 105.

Pfulmen Sm ’Kopfkissen’ per. arch. wobd. (16. Jh.). Ne-

benform zu ÞPfühl mit m für altes w. Ebenso ne. pillow.

Pfund Sn std. (8. Jh.), mhd. pfunt, ahd. pfunt, as. pund.

Ebenso nndl. fenomeen, ne. phenomenon, nfrz. phe´nome`ne, nschw. fenomen, nnorw. fenomen. Zu gr. phaı´nein ’erscheinen’ gehört als Abstraktum ÞPhase (mit ÞEmphase); zu anderen nominalen Ableitungen s. ÞPhantasie und ÞPhantom. Zu ähnlichen, aber zumindest nicht unmittelbar zugehörigen Wörtern entsprechender Bedeutung gehören ÞFanal, Þfoto-, ÞPhosphor. – DF 2 (1942), 486–488; HWPh 7 (1989), 461–483; EWNl 2 (2005), 68.

Wie gt. pund, anord. pund, ae. pund, afr. pund früh entlehnt aus l. pondo¯ ’Pfund’ (zu l. pondus ’Gewicht’, Phantasie Sf ÞFantasie. das mit l. pendere ’wägen’ verwandt ist). Ebenso nndl. pond, ne. pound, nschw. pund, nisl. pund; Phantom Sn ’Trugbild’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt ÞPensum. – Walz, J. A. ZDW 12 (1910), 192; Röhrich 2 (1992), aus frz. fantoˆme m., dieses mit unregelmäßiger Form1177; LM 6 (1993), 2051; EWNl 3 (2007), 573f.; RGA 23 (2003), entwicklung aus l. phantasma, aus gr. pha´ntasma, zu 123–131. gr. phanta´zesthai ’erscheinen, sichtbar werden’ (zu pfundig Adj ’prima’ std. stil. (20. Jh.). Ursprünglich einer Ableitung von gr. phaı´nein ’sichtbar machen’). ’voll gewichtig’, daraus verallgemeinert zu der heuEbenso nndl. fantoom, ne. phantom, nfrz. fantoˆme, nschw. fantigen Bedeutung. Davon abhängig das Komposititom, nnorw. fantom; ÞPhänomen. – DF 2 (1942), 488f. onsglied Pfunds-(Kerl usw.).

Pharisäer Pharisäer Sm ’selbstgerechter, heuchlerischer

702 philharmonisch Adj per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz.

Mensch’ erw. bildg. (18. Jh.). Im Neuhochdeutschen übertragen aus dem Namen spl. Pharisaeı¯ Pl. (Angehörige einer strengen, altjüdischen religiös-politischen Partei), dieses aus gr. Pharisaı˜os, aus hebr. p eru¯sı¯m Pl. (eigentlich ’die Abgesonderten’). Im Neuen Testament wird den angeblich besonders gesetzestreuen Pharisäern Äußerlichkeit und Heuchelei vorgeworfen; daraus die heutige Bedeutung.

philharmonique ’musikliebend’, einer Neubildung des 19. Jhs. zu gr. phı´los ’Freund, liebend’ und gr. harmonı´a ’Wohlklang, Musik’ (in der adjektivischen Form gr. harmoniko´s). Zunächst als Attribut ’musikliebend’ verwendet für Kunstakademien, Gesellschaften und Konzerte; dann wird vor allem das Substantiv Philharmonie in Eigennamen aufgenommen und auf große Orchester eingeschränkt.

Ebenso nndl. farizee¡r, ne. pharisee, nfrz. pharisien, nschw. farise´, nnorw. fariseer, nisl. farı´sei. – Littmann (1924), 32; HWPh 7 (1989), 535–542; Röhrich 2 (1992), 1179; EWNl 2 (2005), 59.

Ebenso nndl. filharmonisch, ne. philharmonic, nfrz. philharmonique, nschw. filharmonisk, nnorw. filharmonisk; ÞHarmonie. – DF 2 (1942), 494; Cottez (1980), 321; EWNl 2 (2005), 78.

Pharmazie Sf ’Lehre von den Arzneimitteln’ per. fach.

(15. Jh.). Entlehnt aus ml. pharmacia, dieses aus gr. pharmakı´a ’Heilmittel’, zu gr. pha´rmakon n. ’Heilmittel, Zaubermittel, Gift’. Adjektiv: pharmazeutisch; Täterbezeichnung: Pharmazeut. Ebenso nndl. farmacie, ne. pharmacy, nfrz. pharmacie, nschw. farmaci, nnorw. farmasi. – DF 2 (1942), 489f.; Cottez (1980), 319; LM 6 (1993), 2052–2054; EWNl 2 (2005), 59f.

Phase Sf ’Abschnitt, Stufe’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt

aus frz. phase, dieses aus gr. pha´sis ’Erscheinung, Anzeichen’, ti-Abstraktum von gr. phaı´nein ’sichtbar machen, sehen lassen’. Die Entwicklung der modernen Bedeutung geht aus von den Erscheinungsformen des Mondes und der Planeten; dann Verallgemeinerung. Teilweise hat seit Luther ein anderes Wort Phase ’Vorübergang des Herrn’ (aus hebr. pesah) ein˙ gewirkt. Ebenso nndl. fase, ne. phase, nfrz. phase, nschw. fas, nnorw. fase; ÞPhänomen. – DF 2 (1942), 490f.; HWPh 7 (1989), 542f.; EWNl 2 (2005), 60.

-phil- LAff (Wortbildungselement, das als Präfixoid

Philippika Sf ’leidenschaftliche Rede’ erw. bildg.

(19. Jh.). Entlehnt aus gr. ta` Philippika´, der Bezeichnung für die von Demosthenes gegen Philipp von Macedonien gehaltenen Kampfreden. Ebenso nndl. filippica, ne. philippic, nfrz. philippique, nschw. filippik. – DF 2 (1942), 495.

Philister Sm ’Spießbürger, alter Herr’ erw. stil. (17. Jh.).

Entlehnt aus l. Philistı¯nı¯ (Name eines nichtsemitischen Volkes an der Küste Palästinas), aus hebr. p elisˇtı¯m, f elisˇtı¯m Pl. Studentenverbindungen benützen diesen Namen des die Israeliten bekämpfenden Volkes, um Nicht-Studenten zu bezeichnen; daraus dann die Bedeutungen ’Spießbürger, ungebildeter Mensch’ bzw. ’im Berufsleben stehender alter Herr’. Bei der übertragenen Bedeutung hat wohl eine Streckform aus Fister mitgewirkt (ÞFist), die an den Völkernamen angepasst wurde. Ebenso nndl. filister, ne. philistine, nfrz. philistine, nschw. filister, nnorw. filister. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), 166f.; Schröder (1906), 20f.; Krüger, G. GRM 3 (1911), 116f.; Schoppe, G. GRM 10 (1922), 193–203, GRM 11 (1923), 183f.; Littmann (1924), 32; DF 2 (1942), 495–501; Morgan, E. MLR 51 (1956), 231–234, MLR 57 (1962), 69–72; Heisig, K. ZDPh 83 (1964), 345–350; Schumann, H.-G. AK 49 (1967), 111–130; Röhrich 2 (1992), 1179f.

(philo-) und als Suffix verwendet wird und die Bedeutung ’schätzend, liebend, Liebe zu (usw.)’ hat, z.B. bibliophil, frankophil, ÞPhilosophie, ÞPhilologie, ÞPhilanthrop, Þphilharmonisch) per. bildg. (–). Wurde in griechischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen und häufig in neoklassischen Bildun- philo- LAff Þ-phil-. gen verwendet. Es geht zurück auf gr. phı´los ’Freund, Philologie Sf erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. philofreundlich’. logia, das seinerseits aus gr. philologı´a entlehnt ist. Cottez (1980), 321; EWNl 2 (2005), 72; Landfester, M.: Das Dieses ist Abstraktum zu gr. philo´logos ’Freund der griechische Nomen ’phı´los’ und seine Ableitungen (Diss. TüRede’ aus gr. phı´los ’Freund, liebend’ und gr. lo´gos bingen 1966). ’Rede usw.’ Adjektiv: philologisch. Philanthrop Sm ’Menschenfreund’ per. fach. (18. Jh.). Ebenso nndl. filologie, ne. philology, nfrz. philologie, nschw. filologi, nnorw. filologi. – Schuppe, G. ZDW 15 (1914), 200; DF 2 Neubildung zu gr. phı´los ’Freund, liebend’ und gr. (1942), 502–504; Kuch, H.: Philo´logus (Diss. Berlin/Ost 1965); a´nthro¯pos ’Mensch’. Kuch, H. Altertum 11 (1965), 151–157; Landfester, M.: Das Ebenso nndl. filantroop, ne. philanthropist, nfrz. philanthrope, griechische Nomen ’phı´los’ und seine Ableitungen (Diss. Tünschw. filantrop, nnorw. filantrop; ÞMisanthrop. – DF 2 (1942), bingen 1966); HWPh 7 (1989), 552–572; EWNl 2 (2005), 80. 492–494; Cottez (1980), 321; HWPh 7 (1989), 543–552; EWNl 2 (2005), 76. Philosophie Sf erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. phi-

Philatelie Sf ’Briefmarkenkunde’ per. fach. (19. Jh.).

Entlehnt aus frz. philate´lie, einer Neubildung zu gr. phı´los ’Freund, liebend’ und gr. ate´leia ’Abgabenfreiheit’, im weiteren ’Freimarke, Briefmarke’. Ebenso nndl. filatelie, ne. philately, nfrz. philate´lie, nschw. filateli, nnorw. filateli. Zu gr. atele¯´s ’abgabenfrei’ s. ÞZoll 2. – DF 2 (1942), 494; EWNl 2 (2005), 76.

losophia, dieses aus gr. philosophı´a¯, Abstraktum zu gr. philo´sophos m. ’Freund der Weisheit’, zu gr. phı´los m. ’Freund’ und gr. sopho´s ’geschickt, weise’. Zunächst allgemeine Bezeichnung für das Streben nach Wissen (auf jedem Gebiet), dann eingeengt auf Fragen des Seins usw. Die moderne Bedeutung ’gedankliche

Physik

703

Ausrichtung, Politik’ nach dem Englischen. Täterbezeichnung: Philosoph; Adjektiv: philosophisch; Verb: philosophieren.

Ebenso nndl. foneem, ne. phoneme, nfrz. phone`me, nschw. fonem, nnorw. fonem. – Koerner, E. F. K. FS Heinrichs (Köln 1978), 82–93; Kohrt, M.: Problemgeschichte des Graphembegriffs und des frühen Phonembegriffs (Tübingen 1985), 63–162; EWNl 2 (2005), 111.

Ebenso nndl. filosofie, ne. philosophy, nfrz. philosophie, nschw. filosofi, nnorw. filosofi. – Malingrey, A. M.: Philosophie (Paris 1961); Heyde, J. E. FS Markwardt (1961), 123–141; Hey- Phonetik Sf per. fach. (19. Jh.). Neubildung zu gr. pho¯ne¯´ de, J. E. FF 35 (1961), 239–243; Heyde, J. E. Philosophia natu’Stimme, Ton, Laut, Rede, Sprache’ und dem zugeralis 7 (1961), 144–155; Öhmann, E. NPhM 64 (1963), 340; Weihörigen Adjektiv gr. pho¯ne¯tiko´s ’zur Stimme gehörig’. mann, K.-H. DWEB 2 (1963), 400; Landfester, M.: Das grieAdjektiv: phonetisch. chische Nomen ’phı´los’ und seine Ableitungen (Diss. Ebenso nndl. fonetiek, ne. phonetics, nfrz. phone´tique, nschw. Tübingen 1966); Cottez (1980), 321; Gumbrecht, H. V., Reifonetik, nnorw. fonetikk; ÞGrammophon, Þhomophon, chardt, R. in PSG 3 (1985), 7–88; HWPh 7 (1989), 572–879; LM ÞMikrophon, ÞSaxophon, ÞSinfonie, ÞTelefon, ÞXylophon. – 6 (1993), 2086–2104; Carstensen 3 (1996), 1054f.; EWNl 2 Koerner, E. F. K. FS Heinrichs (Köln 1978), 82–93; Cottez (2005), 80f. (1980), 324; HWPh 7 (1989), 927–931; EWNl 2 (2005), 111.

Phiole Sf ’eine bauchige Glasflasche mit langem

Hals’ per. fach. (8. Jh.), mhd. viole, ahd. fiala. Ist entlehnt aus ml. fiola, dieses aus l. phiala ’Trinkgefäß mit breitem Boden, Schale’, aus gr. phia´le¯ ’Trinkschale, flache Schale, Kessel’. Ebenso nndl. fiool, ne. phial, nfrz. fiole. – EWNl 2 (2005), 83.

phlegmatisch Adj ’träge, schwerfällig’ erw. fach.

Phonologie Sf ’strukturelle Lautlehre’ per. fach.

(20. Jh.). Entlehnt aus frz. phonologie, das zunächst noch keine derart festgelegte Bedeutung hat. Dann festgelegt besonders durch F. de Saussure und N. Trubetzkoy. Ebenso nndl. fonologie, ne. phonology, nfrz. phonologie, nschw. fonologi, nnorw. fonologi. – Cottez (1980), 324.

Phosphor Sm std. (17. Jh.). Gelehrte Substantivierung (16. Jh.). Entlehnt aus l. phlegmaticus, dieses aus gr. von gr. pho¯spho´ros ’lichttragend’, zu gr. (att.) pho˜s n. phlegmatiko´s, zu gr. phle´gma ’Schleim (als Ursache ’Licht’ und gr. phe´rein ’tragen’. So bezeichnet wegen der katarrhischen Krankheiten), Entzündung, Brand, der Leuchteigenschaften durch J. Elsholz 1676. NachFlamme’, zu gr. phle´gein ’entzünden, entflammen, weis als Element durch A. L. Lavoisier (1789). Verb: verbrennen’. So bezeichnet nach der antiken Temphosphoreszieren. peramentenlehre, die Körperflüssigkeiten für seeliEbenso nndl. fosfor, ne. phosphorus, nfrz. phosphore, nschw. sche Stimmungen verantwortlich machte. Täterbefosfor, nisl. fosfo´r; ÞPhänomen, ÞAmphore. – Lüschen (1979), zeichnung: Phlegmatiker; Abstraktum: Phlegma. Ebenso nndl. flegmatisch, flegmatiek, ne. phlegmatic, nfrz. flegmatique, nschw. flegmatisk, nnorw. flegmatisk. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þblaken. – DF 2 (1942), 505f.; EWNl 2 (2005), 94.

Phobie Sf ’krankhafte Angst’ per. fach. (20. Jh.). Abge-

löst aus älteren Komposita wie Hydrophobie ’Wasserscheu’ (wohl nach französischem Vorbild). Diese aus Komposita mit gr. pho´bos m. ’Furcht’. Adjektiv: -phob. Ebenso nndl. fobie, ne. phobia, nfrz. phobie, nschw. fobi, nnorw. fobi. Vgl. auch ÞKlaustrophobie und andere Krankheitsbezeichnungen mit -phobie. – Cottez (1980), 322; EWNl 2 (2005), 104.

-phon LAff (zur Bezeichnung einer Sprachzugehörig-

keit, z.B. anglo-phon ’englisch-sprachig’) erw. fach. (–). Neoklassische Bildungen (wohl nach französischem Vorbild) mit gr. pho¯ne¯´ ’Stimme, Klang, Laut’. Cottez (1980), 323.

Phonem Sn ’strukturelle Lauteinheit’ per. fach.

(20. Jh.). Entlehnt aus frz. phone`me, das von A. Dufriche-Desgenettes 1873 gebildet wurde als allgemeine Bezeichnung für ’Laut’ (der nicht auf ’Vokal’ oder ’Konsonant’ festgelegt ist). Von F. de Saussure 1879 aufgefasst als ’Laut, der von anderen Lauten strukturell unterscheidbar ist’. Im amerikanischen Englischen dann im Gegensatz dazu gebildet Phon als nicht in dieser Weise festgelegter Laut.

292; Cottez (1980), 325; EWNl 2 (2005), 119.

photo- LAff Þfoto-. Phrase Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. phrasis ’redne-

rische Ausdrucksweise, Diktion, Stil’, dieses aus gr. phra´sis ’das Reden, Ausdrucksweise’, zu gr. phra´zein ’deutlich machen, kundtun, sagen, sprechen’. Zunächst wertfrei ’Redewendung, Redeweise’; im 18. Jh. dann unter französischem Einfluss die abwertende Bedeutung. Im 20. Jh. wieder entlehnt aus ne. phrase ’Wortgruppe, Konstituente’. Abstraktum: Phraseologie. Ebenso nndl. frase, ne. phrase, nfrz. phrase, nschw. fras, nnorw. frase; ÞParaphrase. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 88; DF 2 (1942), 509–512; Röhrich 2 (1992), 1181; EWNl 2 (2005), 127f.

Physik Sf std. (15. Jh.), spmhd. fisike. Ist entlehnt aus l.

physica ’Naturlehre’, dieses aus gr. physike¯´ (techne¯´) ’Untersuchung der Natur’, zu gr. physiko´s ’die Natur betreffend, von Natur, natürlich’, zu gr. phy´sis ’Natur, Erzeugung, Geburt’, zu gr. phy´ein ’erzeugen, wachsen lassen, hervorbringen’. Adjektiv: physikalisch.

Ebenso nndl. fysica, ne. physics, nfrz. physique, nschw. fysik, nnorw. fysikk. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þbauen; ÞMetaphysik, ÞPhysis. – DF 2 (1942), 513f.; Gerlach (1962), 11–18; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 400; Schimank, H. Wissenschaft, Wirtschaft und Technik (München 1969), 454–468; Heller (1970), 23–55; Kraft, F. in Rapp/Schütt (1987), 73–100; HWPh 7 (1989), 937–947; LM 6 (1993), 2111–2117; EWNl 2 (2005), 145f.

Physiognomie Physiognomie Sf ’Gesichtszüge, Aussehen’ per. fach.

704 Ebenso nndl. pik, nfrz. pique, nnorw. pik. – DF 2 (1942), 521;

EWNl 3 (2007), 540. (14. Jh.). Entlehnt aus ml. phisionomia ’Gesichtszüge, Beurteilung nach den Gesichtszügen’, dieses aus Pick2 Sm ’Klebstoff’ per. oobd. (20. Jh.). Rückbildung gr. physiogno¯mı´a¯ ’Beurteilung nach den Gesichtszüaus picken ’kleben’, das eine Nebenform von Þpichen gen’. Zu gr. physiogno¯´mo¯n ’den Charakter nach den ist. Gesichtszügen beurteilend’, komponiert aus gr. phy´ÞPech, Þpicken 2. sis ’Natur, Naturell’ (zu gr. phy´ein ’erzeugen, hervor- Pickel1 (Bickel) Sm ’Spitzhacke’ std. (12. Jh.), mhd. bibringen’) und einer Ableitung von gr. gno¯´me¯ ckel. Zu bicken ’stechen, stoßen’ (Þpicken 1). Bei den ’Erkenntnisvermögen, Sinn, Beurteilung’, zu gr. Wörtern mit dieser Lautform und Bedeutungen wie gigno¯´skein ’erkennen, wahrnehmen, einsehen’. Ad’Spitze, Schnabel, spitzes Werkzeug’ u.ä. ist sowohl jektiv: physiognomisch. mit Lautmalerei wie auch mit Entlehnung zu rechEbenso nndl. fysionomie, ne. physiognomy, nfrz. physionomie, nen, da entsprechende Wörter in den romanischen nschw. fysionomi, nnorw. fysiognomi; ÞPhysis. – DF 2 (1942), Sprachen erscheinen (vgl. etwa it. beccare ’hacken’, 514–517; Cottez (1980), 329; HWPh 7 (1989), 955–963; LM 6 frz. beˆche f. ’Grabscheit’). Die geringe lautliche Fes(1993), 2117. tigkeit des deutschen Wortes spricht eher für EntlehPhysiologie Sf ’Lehre von den organischen Vorgännung (entweder des Verbs oder eines einfacheren gen’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus l. physiologia, Substantivs). dieses aus gr. physiologı´a, Abstraktum zu gr. physioÞpikant. – Kretschmer (1969), 371; EWNl 1 (2003), 314f.; lo´gos ’Naturforscher’ zu gr. phy´sis ’Natur’ und gr. EWahd 2 (1998), 21. lo´gos im Sinne von ’Lehre’. Adjektiv: physiologisch. Pickel2 Sm ’Eiterpustel’ erw. ndd. md. (17. Jh.). Zu

Ebenso nndl. fysiologie, ne. physiology, nfrz. physiologie, nschw. fysiologi, nnorw. fysiologi. – Cottez (1980), 329.

Physis Sf ’körperliche Beschaffenheit’ per. fremd.

(16. Jh.). Entlehnt aus gr. phy´sis ’Natur, Naturell’, tiAbstraktum zu gr. phy´ein ’erzeugen, wachsen lassen’. Adjektiv: physisch. Ebenso nndl. fysisch, ne. physique, nfrz. physique, nschw. fysisk, nnorw. fysisk. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þbauen. – DF 2 (1942), 518; Heller (1970), 23; EWNl 2 (2005), 146.

Piano Sn ’Klavier’ erw. obs. (19. Jh.). Entlehnt aus frz.

piano-forte, eigentlich ’leise − laut’, dieses aus it. pianoforte, zu it. piano ’leise, schwach’, aus l. pla¯nus ’flach’, und it. forte ’stark’ aus l. fortis (ÞFort). Das Instrument wurde so benannt, weil es im Gegensatz zum Spinett aufgrund der Tonerzeugung durch Anschlag der Saiten die Möglichkeit zur Lautstärkevariation bot. Täterbezeichnung: Pianist. Ebenso nndl. piano, ne. piano, nfrz. piano, nschw. piano, nisl. pı´ano´; ÞPlan 1. – DF 2 (1942), 519f.; Relleke (1980), 276f.; EWNl 3 (2007), 534.

picheln (auch picken3, pecken) Vsw ’stark trinken’ per.

wmd. (17. Jh.). Zu rhein. Pick ’Tresterwein, Schnaps’. Vgl. ofrz. pique ’Tresterwein, Nachwein’, frz. (Argot) picter ’lange trinken’. Weiter zu frz. piquer ’stechen’ usw. (da der Nachwein meist sauer ist). Vgl. frz. piquette ’Tresterwein, Rachenputzer’. – Foerste, W. NW 1 (1960), 12; Röhrich 2 (1992), 1181.

pichen Vsw ’mit Pech bestreichen, kleben’ erw. obs.

(13. Jh.), mhd. bichen, pichen, mndd. peken. Abgeleitet von ÞPech. Ebenso nndl. pekken, ne (dial.) pitch, nschw. becka, nnorw. beke; Þpicken 2, ÞPick 2, Þerpicht.

Pick1 (auch Piek) Sm ’heimlicher Groll’ per. reg.

(17. Jh.). Über das Niederdeutsche entlehnt aus frz. pique f., das neben ’Spitze’ auch ’Groll’ bedeutet.

ÞPocke, also aus *Pückel. Pickelhaube Sf ’Helm’ erw. obs. (13. Jh.), mhd. beckel-

hu¯be, bickenhu¯be, bickelhu¯be, mndd. pekelhuve. Bezeichnet ursprünglich eine unter dem Helm getragene Blechhaube, die dann zu einer eigenen Helmform entwickelt wird. Entsprechend it. bacinetto m., frz. bassinet m. ’flacher Helm’. Diese sind Weiterbildungen aus dem Wort ÞBecken, das als Grundlage des deutschen Wortes unmittelbar entlehnt wurde. Der Suffixwechsel (Lautveränderung?) erst im Deutschen. Ebenso nschw. pickelhuva.

Pickelhering Sm ’marinierter Hering’ per. ndd. (15. Jh.),

mndd. pickelherink, pekelherink. Zu ne. pickle ’Salzbrühe’ und ndd. ÞPökel. Ebenso nndl. pekelharing; Þpikant. – Röhrich 2 (1992), 1181f.

picken1 Vsw ’hacken’ std. (9. Jh.), mhd. bicken, ahd.

(ana)bicken, mndd. pecken, mndl. pecken. Wie unter ÞPickel 1 erwähnt, kommen hier wohl eine lautmalende Bildung und eine Entlehnung, die ’stechen, picken’ bedeutet, zusammen. Eine eindeutige Scheidung dürfte nicht möglich sein. Vgl. me. picchen, anord. pikka; Þpikant. – EWNl 1 (2003), 315; EWahd 2 (1998), 19–21; EWNl 3 (2007), 539f., 540f.

picken2 Vsw ’kleben’ per. österr. (20. Jh.). Nebenform

zu Þpichen (ÞPick 2). picken3 Vsw ’stark trinken’ Þpicheln. Picknick Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. piquenique

m. Dies ist wohl eine partielle Reduplikationsbildung zu frz. piquer ’aufspießen’. Die Bedeutung war ursprünglich ’ein Mahl, bei dem jeder für sich selbst aufkommt’; die moderne Bedeutung ’Mahlzeit im Freien’ nach dem Englischen. Verb: picknicken. Ebenso nndl. picknick, ne. picnic, nfrz. pique-nique, nschw. picknick, nnorw. piknik; Þpikant. – DF 2 (1942), 521f.; Carstensen 3 (1996), 1055f.; EWNl 3 (2007), 535.

Pikkolo

705 picobello Adj erw. stil. (20. Jh.). Scherzhafte Italianisie-

rung von Þpiekfein. Das Vorderglied hat keine Entsprechung im Italienischen. Carli, A. StG 10 (1972), 243–246.

Pidgin Sn ’Mischsprache’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt

aus ne. pidgin, das aus der Bezeichnung der chinesisch-englischen Verkehrssprache übernommen ist und auf andere Verkehrssprachen dieser Art übertragen wurde. Die Herkunft des Wortes ist unklar (vermutet wird eine Entstellung von ne. business). Ebenso nndl. pidgin, ne. pidgin, nfrz. pidgin, nschw. pidgin, nnorw. pidgin. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 732; Carstensen 3 (1996), 1057; EWNl 3 (2007), 535.

Piek Sm ’heimlicher Groll’ ÞPick 1. piekfein Adj std. stil. (19. Jh.). Vom Niederdeutschen

peserik ’Geschlechtsglied’, vgl. ne. pizzle ’Geschlechtsglied der Tiere’. Weitere Herkunft unklar. Wick (1939), 42; Röhrich 2 (1992), 1182.

pieseln Vsw ’schwach, aber anhaltend regnen; urinie-

ren’ per. ndd. (20. Jh.). Gekreuzt aus Þpissen und Þnieseln. Pietät Sf ’Respekt, Rücksichtnahme’ erw. fremd.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. pieta¯s (-a¯tis), zu l. pius ’fromm, pflichtgemäß’. Ebenso nndl. pie¨teit, ne. piety, nfrz. pie´te´, nschw. pietet, nnorw. pietet. – DF 2 (1942), 524f.; HWPh 7 (1989), 971–974; LM 6 (1993), 2141f.

Pigment Sn (Farbstoff) erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus

l. pı¯gmentum ’Färbestoff, Farbe’, zu l. pingere (pictum) ’malen, bestreichen’.

her eingedrungen. Dort als mndl. puik eine alte QuaEbenso nndl. pigment, ne. pigment, nfrz. pigment, nschw. pigment, nnorw. pigment; ÞPinte, Þpittoresk. – DF 2 (1942), 526; litätsbezeichnung (die bei dem hochsprachlichen EWNl 3 (2007), 537. Wort durch Þfein erweitert ist). Zu nndl. (dial.) pu¯ken ’pflücken’ im Sinn von ’ausgesucht’. Pik Sn (Kartenfarbe) erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus Þpicobello. – Lasch (1928), 207; Kroes, H. W. J. GRM 40 frz. pique m., das eigentlich ’Spieß’ bedeutet (nach (1959), 88. dem Spieß mit schwarzem Blatt). Das gleiche Wort ist ÞPike. piepen Vsw std. stil. (16. Jh.). Die Nachahmung des Lautes junger Vögel ist weit verbreitet, ohne dass UrEbenso nndl. piek, ne. pike, nfrz. pique, nschw. pik, nnorw. pik; Þpikant. – DF 2 (1942), 526. verwandtschaft angenommen zu werden braucht. Vgl. Þpfeifen; ÞPiepmatz. – Röhrich 2 (1992), 1182; EWNl 3 pikant Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. piquant, Par(2007), 536. tizip zu frz. piquer ’stechen’, das übertragen von raffiniert gewürzten Speisen gesagt wird. Abstraktum Piephahn Sm ’männliches Geschlechtsglied’ per. kind. (in übertragener Bedeutung): Pikanterie. (17. Jh.). Meint eigentlich den Hahn und gehört zu der Gruppe kindersprachlicher Ausdrücke, die das ÞPickel 1, ÞPickelhering, Þpicken 1, ÞPicknick, ÞPik, ÞPike, Þpikiert, ÞPökel, Þprickeln. – Gombert, A. ZDW 3 (1902), männliche Geschlechtsglied als ’Schnabel’ bezeich267f.; DF 2 (1942), 526–528; Brunt (1983), 419; EWNl 3 (2007), nen. Piepmatz Sm ’junger Vogel’ std. kind. (20. Jh.). Zu

Þpiepen und dem Kosenamen ÞMatz 2 (für Matthias u.a.). piepsen Vsw std. stil. (17. Jh.). Zu der nachahmenden

Interjektion pieps, Weiterbildung von piep. Pier1 Smf ’Landungsbrücke’ erw. fach. (19. Jh.). In

hochdeutschen Texten seit dem 19. Jh., zuerst in der Schreibung Peer. Entlehnt aus gleichbedeutendem ne. pier, das im 14. Jh. aus frz. puiere entlehnt ist. Dieses aus afrz. appuye ’Stütze’ aus früh-rom. *podiare ’stützen, gründen’. Ebenso nndl. pier, ne. pier, nschw. pir, nnorw. pir; ÞPerron. – DF 2 (1942), 524; Livingston, Ch. H. Romance Philology 10

(1956/57), 196–201; Rey-Debove/Gagnon (1988), 732f.; EWNl 3 (2007), 536f.

Pier2 (auch Pieraas) Sm ’Wurm als Köder’ per. ndd.

540.

Pike Sf ’Spieß, Lanze’ erw. obs. (14. Jh.). Wie ÞPik ent-

lehnt aus frz. pique gleicher Bedeutung. Im Deutschen fest geworden in der Wendung von der Pike auf ’von Anfang an’ (schon seit dem 17. Jh.). Gemeint ist: vom einfachen Kriegsdienst an alle militärischen Chargen bis zum höchsten Rang zu durchlaufen. Das französische Wort gehört zu der Gruppe von piquer ’stechen’ (Þpikant). Ebenso nndl. piek, ne. pike, nfrz. pique, nschw. pik, nnorw. pik. – DF 2 (1942), 528f.; Röhrich 2 (1992), 1182; EWNl 3 (2007), 535.

pikiert Adj ’beleidigt, verstimmt’ erw. fremd. (17. Jh.).

Lexikalisiertes PPrät. von d. pikieren ’reizen, verstimmen’, (eigentlich ’stechen’), dieses aus frz. piquer. Ebenso nndl. gepikeerd, ne. piqued, nfrz. pique´, nschw. pikerad, nnorw. pikeret; Þpikant. – DF 2 (1942), 530f.; Jones (1976), 518; Brunt (1983), 420; EWNl 2 (2005), 238.

(15. Jh.), mndd. pı¯ra¯s, mndl. pier. Vielleicht weiter dazu nnorw. (dial.) piren ’dünn, schmal, schwach’, Pikkolo Smfn ’Kellner; eine Flöte; eine kleine Sektflannorw. (dial.) pir ’kleine Makrele’. Weitere Herkunft sche’ per. fach. (19. Jh.). In allen Bedeutungen entunklar. Der zweite Bestandteil von Pieraas ist ÞAas. lehnt aus Fügungen mit it. piccolo ’klein’. EWNl 3 (2007), 536.

piesacken Vsw ’plagen’ per. ndd. (18. Jh.). Zu ndd. (os-

sen)pesek ’Ochsenziemer’, zu ndd. pese ’Sehne’, ndd.

Ebenso nndl. piccolo, ne. piccolo, nfrz. piccolo, nschw. pickola, pickolo, nnorw. pikkolo. – DF 2 (1942), 531; DEO (1982), 431.

Pilger

706 Pilger Sm std. (8. Jh., Form 15. Jh.), mhd. bilgerı¯m, pil-

pimpeln Vsw ’wehleidig sein’ per. ndd. md. (17. Jh.). gerı¯n (daraus gekürzt), ahd. piligrı¯m (das noch in der Angelehnt an pimpeln, Þbimmeln, pimmeln Form Pilgrim in der gehobenen Sprache fortbesteht). (ÞPimmel) (vom Läuten kleiner Glocken). Sonst lautmalend. Dieses ist wie mndl. pelgrijm, afr. pilegrı¯m, pilugrı¯m, me. pilgrim, anord. pı´lagrimr, pelagrı´mr entlehnt aus pimpern Vsw ’Geschlechtsverkehr haben’ per. vulg. ndd. ml. pelegrinus mit Anpassung des Auslauts an die ger(20. Jh.). Ähnlich wie ÞPimmel zu beurteilen, wohl manischen Männernamen auf -grim. Das lateinische über ’mit dem Stößel im Mörser bearbeiten’. Wort bezeichnet ursprünglich die nach Rom wallfahrenden Ausländer und bedeutet eigentlich ’der Frem- Pimpernelle (auch Bibernelle) Sf ’Wiesenknopf’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. pimprenelle, dieses aus de’. Es ist dissimiliert aus l. peregrı¯nus ’fremd’ (zu l. ml. pimpinella, älter pipinella. Aus diesem ahd. bibiper und l. ager im Sinne des l. ager Roma¯nus, des nella, mhd. bibenelle und mhd. bibernelle (mit Anlehrömischen Stadtgebiets). Verb: pilgern. nung an ÞBiber? Vgl. das französische Wort), die älEbenso nndl. pelgrim, ne. pilgrim, nfrz. pe`lerin, nschw. pilgrim, tere Nebenform des Pflanzennamens. nnorw. pilegrim; ÞPelerine. – Semler, A. ZDW 11 (1909), 36–46; Schatz, J. BGDSL 49 (1925), 125–132; Gendre, R. AION-G 28/29 (1985/86), 211–215; LM 6 (1993), 2148–2154; EWNl 3 (2007), 521.

Pille Sf std. (14. Jh.), spmhd. pillule, mit Silbenschich-

tung aus fnhd. pillele. Dieses entlehnt aus l. pilula, das eigentlich ’Kügelchen, Bällchen’ bedeutet, ein Diminutiv zu l. pila ’Ball’ (eigentlich ’mit Haaren gefüllt’ zu l. pilus m. ’Haar’). Die spezielle Bedeutung ’empfängnisverhütende Pille’ wohl nach ne. pill. Ebenso nndl. pil, ne. pill, nfrz. pilule, nschw. piller, nisl. pilla; ÞKompilation. – DF 2 (1942), 532f.; Röhrich 2 (1992), 1184; LM 6 (1993), 2159; Carstensen 3 (1996), 1058; EWNl 3 (2007), 541.

Pilot Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus ndl. piloot ’Steu-

Ebenso nndl. bevernel, ne. pimpernel, nfrz. pimprenelle, nschw. pimpinell, nnorw. pimpernell. – Spitzer, L. Word 7 (1951), 211–218; EWahd 2 (1998), 12f.

Pimpf Sm ’Halbwüchsiger’ std. stil. (19. Jh.). Ursprüng-

lich Schimpfwort, eigentlich ’Furz’ (lautmalend für ’kleiner Furz’ im Gegensatz zu Pumpf, Pumps u.ä.). Die ursprüngliche Bedeutung bezeugt seit dem 19. Jh., die übertragene wenig später. Um 1920 ist die Ausgangsbedeutung nicht mehr bekannt, das Wort kann deshalb in der Jugendbewegung mit nur noch wenig verächtlichem Beiklang (’Kleiner’) verwendet werden. Götze, A. MS 50 (1935), 7–11.

ermann, Lotse’, aus frz. pilote, aus it. pilota m./f., älter Pinakothek Sf ’Gemäldesammlung’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. pinacothe¯ca, dieses aus gr. pinakothe¯´ke¯, pedota, dieses über mittelgriechische Zwischenstufen zu gr. pı´nax (-akos) ’Schreibtafel, Gemälde’ und gr. zu gr. pe¯do´n n. ’Steuerruder, Ruderblatt’. Die heutige Bedeutung ’Flugzeugsteuermann’ kommt im 20. Jh. the¯´ke¯ ’Behältnis, Aufbewahrungsort’, zu gr. tithe´nai auf. Die Bedeutung ’richtungweisend’ in Pilotprojekt ’setzen, legen’. usw. nach dem Englischen. Ebenso nndl. pinacotheek, ne. pinacotheca, nfrz. pinacothe`que, Ebenso nndl. piloot, ne. pilot, nfrz. pilote, nschw. pilot, nnorw. pilot. – Lohmeyer, K. ZDU 22 (1908), 454–456; Öhmann, E. NPhM 41 (1940), 151; DF 2 (1942), 533f.; Zastrow, D.: Entstehung und Ausbildung des französischen Vokabulars der Luftfahrt mit Fahrzeugen leichter als Luft (Tübingen 1963), 304–330; DEO (1982), 434; Carstensen 3 (1996), 1059f.; EWNl 3 (2007), 541.

Pils Sn erw. fach. (19. Jh.). Gekürzt aus Pilsener Bier,

nach der Stadt Pilsen in Tschechien. Ebenso nndl. pils, nfrz. Pilsen, nschw. pilsner, nisl. pilsner. – EWNl 3 (2007), 541f.

Pilz Sm std. (10. Jh.), mhd. bülz, bülez, ahd. buliz, ndd.

nschw. pinakotek; ÞTheke. – DF 2 (1942), 534f.; Cottez (1980), 332.

pingelig Adj ’zimperlich’ erw. wmd. (20. Jh.). Rheini-

sche Variante zu Þpeinlich. Röhrich 2 (1992), 1185.

Pingpong Sn ’Tischtennis’ std. (20. Jh.). Entlehnt aus

ne. pingpong, einer lautmalerischen Reduplikationsbildung. Ebenso nndl. pingpong, ne. ping-pong, nfrz. ping-pong, nschw. pingpong, nnorw. pingpong. – DF 2 (1942), 535; Rey-Debove/ Gagnon (1988), 733; Carstensen 3 (1996), 1061; EWNl 3 (2007), 544.

bülte. Vor der hochdeutschen Lautverschiebung entPinguin Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus ne. penguin, deslehnt aus l. bo¯le¯tus, das seinerseits aus gr. bo¯le¯´te¯s sen Herkunft nicht geklärt ist. stammt (oder umgekehrt? Weitere Herkunft unklar). Röhrich 2 (1992), 1184f.; LM 6 (1993), 2160; EWNl 1 (2003), 347; RGA 23 (2003), 166–174.

Pimmel Sm ’männliches Geschlechtsglied’ per. vulg.

ndd. (20. Jh.). Wohl übertragen als ’(Glocken)Schwengel’ oder ’Stößel beim Mörser’ (der auch bimm macht) zu pimmeln ’bimmeln’. EWNl 3 (2007), 536.

Ebenso nndl. pinguı¨n, ne. penguin, nfrz. pingouin, nschw. pingvin, nnorw. pingvin. – DF 2 (1942), 536; Lockwood, W. B. ZAA 17 (1969), 262–264; EWNl 3 (2007), 544; Sayers, W. NOWELE 56/57 (2009), 41–51.

Pinke Sf ’Geld’ (meist in der Verdoppelung Pinkepin-

ke) std. vulg. (19. Jh.). Aus dem Rotwelschen, wo es offenbar als lautmalend nach dem Klang der Münzen gebildet ist. Wolf (1985), 242 (anders unter Penunge).

Pirol

707 Pinkel Sm ’unbedeutender Mann’ per. ndd. (20. Jh.).

Ebenso nndl. pincet, ne. pincers, nschw. pincett, nnorw. pinsett.

– DF 2 (1942), 537; EWNl 3 (2007), 543; RGA 23 (2003), 178–182. Aus ofr. pink ’kleiner Finger, Geschlechtsglied’. Hier sicher aus der Bedeutung ’kleiner Finger’ übertragen. Pionier Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. pionnier, vielIm einzelnen ist der Zusammenhang der Bedeutunleicht eine Variante zu frz. peonier ’Fußsoldat’, zu gen nicht klar. afrz. peon ’Fußsoldat’, aus spl. pedo (-o¯nis), zu l. pe¯s (pedis) ’Fuß’. ÞFink. – Wolf (1985), 246 (unter Pink); Lühr (1988), 131f.; Röhrich 2 (1992), 1185.

pinkeln Vsw ’harnen’ erw. stil. (16. Jh.). Zu ÞPinkel

’kleiner Finger, Geschlechtsglied’ in der zweiten Bedeutung.

Ebenso nndl. pionier, ne. pioneer, nfrz. pionnier, nschw. pionjär, nnorw. pioner; ÞPedal. – DF 2 (1942), 537f.; Jones (1976), 513f.; DEO (1982), 435; EWNl 3 (2007), 546.

Pipapo Sn ’Drum und Dran’ per. stil. (19. Jh.). Moderne

Bildung unklarer Herkunft. Vielleicht aus p.p. herausgesponnen, vgl. das spielerische etcetera p.p. mit pin(ne), dessen hochdeutsche Entsprechung ahd. schnörkelhaftem p.p. = praemissis praemittendis pfin, mhd. pfinne, vinne, fnhd. pfinne sich nicht hält. (’nach Vorausschickung des Vorauszuschickenden’, Aus g. *penno¯n f. ’Nagel’ u.ä., auch in anord. pinni m., Vermerk auf Rundschreiben statt einzelner Titel in ae. pinn, as. pinn. Entlehnt aus ml. penna, das urden Anreden), bezeugt seit der Mitte des 19. Jhs. sprünglich ’Feder’ bedeutet, dann über ’gefiedert’ Pipeline Sf ’lange Rohrleitung’ per. fach. (20. Jh.). Entauch ’Pfeil’ und andere spitze Gegenstände, auch lehnt aus ne. pipeline, einer Zusammensetzung aus ’Nagel’. ne. pipe ’Röhre’ (ÞPfeife) und ne. line ’Strecke’ Ebenso nndl. pin, ne. pin, nschw. pinne, nnorw. pinne; ÞPinsel 2. – Kluge (1911), 617f.; LM 6 (1993), 2163; EWNl 3 (ÞLinie).

Pinne Sf ’Holznagel’ per. ndd. (18. Jh.). Aus mndd.

(2007), 543.

Pinscher Sm erw. fach. (19. Jh.). Die Hunderasse

Ebenso nndl. pijpleiding, ne. pipeline, nfrz. pipe-line, nschw. pipeline, nnorw. pipeline. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 735f.; Carstensen 3 (1996), 1065.

kommt aus England und wird an Ohren und Schwanz gestutzt, deshalb zu ne. pinch ’(ab)kneifen’; Pipette Sf ’ein kleines Röhrchen zur Entnahme kleiner aber ohne englisches Vorbild. Flüssigkeitsmengen’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. pipette, einem Diminutivum zu frz. pipe ’Röhre, Ebenso nndl. pincher, ne. pinscher, nnorw. pinsjer. Rohrpfeife’. Pinsel1 Sm ’Malwerkzeug’ std. (13. Jh.), mhd. bensel, Ebenso nndl. pipet, ne. pipette, nfrz. pipette, nschw. pipett, pensel. Entlehnt aus afrz. pincel, das aus ml. penicellus nnorw. pipette; ÞPfeife. ’Pinsel, Bürste’, eigentlich ’Schwänzchen’ stammt. Dieses zu l. pe¯nis ’Schwanz, männliches Glied’. Verb: Pipi Sn ’Urin’ std. kind. (20. Jh.). Nach dem Laut, mit dem den Kindern das Wasserlassen nahegelegt werpinseln. den soll und der in ähnlicher Form in verschiedenen Ebenso nndl. penseel, nfrz. pinceau, nschw. pensel, nisl. pensill; ÞPenicillin. – DF 2 (1942), 536; Röhrich 2 (1992), 1186; EWNl 3 Sprachen erscheint. (2007), 525.

Pinsel2 Sm ’einfältiger Mensch’ (besonders in

Þpissen.

Pips Sm (Hühnerkrankheit) per. fach. (15. Jh.), mhd.

ÞEinfaltspinsel) per. reg. (18. Jh.). Eigentlich phiphiz, ahd. pfipfiz, niederrheinische Form neben ’Knauser’, so bezeugt seit dem 17. Jh. als pinsule. Dies obd. pfipfes u.ä. Das auf l. pı¯tuı¯ta f. ’Verschleimung’ wiederum bedeutet eigentlich ’Pfriem’ und ist zuzurückgeht (der Wandel tw zu p wohl schon lateisammengesetzt aus ÞPinne und dem unter ÞSäule 2 nisch, aber dort nicht bezeugt). behandelten Wort für ’Pfriem’. Richey, Idioticon Ebenso nndl. pips, ne. pip, nfrz. pe´pie, nschw. pips. – Kurrelmeyer, W. JEGP 19 (1920), 513f.; EWNl 3 (2007), 546. Hamburgense unter Pinn-Suhl: ’Metaphorice bedeutet es einen kargen Filtz, wie bey den Italiänern un Lesi- Piranha Sm (ein kleiner Raubfisch mit scharfen Zähnante, d.i. ein Mitglied der satyrisch erdichteten nen) per. exot. (20. Jh.). Entlehnt aus port. piranha f., Compagnia della Lesina’. dieses aus der südamerikanischen Indianersprache Röhrich 2 (1992), 1186. Tupı´ piranha. Pinte Sf ’Flüssigkeitsmaß, Kanne’; ’Lokal’ (nach der Ebenso nndl. piranha, ne. piranha, nfrz. piranha. Kanne als Wirtshausschild) per. arch. (15. Jh.). EntPirat Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. pirata, dieses aus lehnt aus frz. pinte ’geeichtes Gefäß’. Für dieses wird l. pı¯ra¯ta, aus gr. peira¯te¯´s, zu gr. peira˜n ’wagen, unterHerkunft aus l. pincta ’markiert’ (zu l. pingere nehmen’, zu gr. peı˜ra f. ’Versuch, Wagnis’. Abstrak’malen, schmücken’ usw.) angenommen. tum: Piraterie. Ebenso nndl. pint, ne. pint; ÞPigment. – EWNl 3 (2007), 545.

Pinzette Sf (ein Instrument zum Fassen kleiner Gegen-

stände) erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. pincette, einem Diminutivum zu frz. pince ’Zange’, einer Ableitung von frz. pincer ’kneifen’.

Ebenso nndl. piraat, ne. pirate, nfrz. pirate, nschw. pirat, nnorw. pirat; Þempirisch. – Öhmann, E. NPhM 41 (1940), 151; DF 2 (1942), 538f.; LM 6 (1993), 2173; EWNl 3 (2007), 546.

Pirol Sm erw. fach. (14. Jh.), spmhd. (bruoder) piro. Und

(später) eine Menge von Spielformen, die offenbar

Pirouette den Namen des Vogels nach anderen Wörtern und Namen umgestalten. Der Vogelname scheint aus französischen Mundartformen entlehnt zu sein (frz. loriot), die ihrerseits letztlich auf gr. pyrro´s zurückführen (’rötlich’, Name eines Vogels). Ebenso ne. oriole, loriot, nfrz. loriot. – Suolahti (1909), 169–174; Falk, P. Acta Societatis Linguisticae Upsaliensis (1963), 17–48; LM 6 (1993), 2176.

Pirouette Sf ’eine schnelle Drehung um die eigene

Achse’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. pirouette, dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. Ebenso nndl. pirouette, ne. pirouette, nfrz. pirouette, nschw. piruett, nnorw. piruett. – DEO (1982), 436; Brunt (1983), 421; EWNl 3 (2007), 547.

pirschen (auch birschen) Vsw ’anschleichen’ std.

708 Pizza Sf ’Gericht aus mit Käse, Tomaten usw. belegtem

Hefeteig’ std. exot. ass. (20. Jh.). Entlehnt aus it. pizza, dessen weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist. Lokalbildung: Pizzeria. Ebenso nndl. pizza, ne. pizza, nfrz. pizza, nschw. pizza, nnorw. pizza. – Princi Braccini, G.: Studi di Lessicografia Italiana (Firenze 1987), 129–324 (zu d. beißen); EWNl 3 (2007), 549.

Placebo Sn ’wirkstofflose Imitation eines Medika-

ments’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. placebo. Ebenso nndl. placebo, ne. placebo, nfrz. placebo, nschw. placebo, nnorw. placebo. Das englische Wort geht auf den Anfang von Psalm 114, 9 zurück, der Anfangs-Antiphon der Totenvesper (place¯bo¯ Domino¯ in regio¯ne vı¯vo¯rum), dabei ist l. placebo ’ich werde gefallen’ 1. Sg. Fut. zu l. place¯re ’gefallen, gefällig sein’. Die bekannte Stelle gab Anlass zu verschiedenen übertragenen Verwendungen; ÞPlazet. – DF 2 (1942), 543; Rey-Debove/Gagnon (1988), 737f.; Röhrich 2 (1992), 1186f.

(13. Jh.), mhd. birsen, pirsen. Vermutlich entlehnt aus afrz. berser (ml. bersare) ’mit dem Pfeil jagen’, dessen placken Vswrefl ’sich abplagen’ erw. reg. (15. Jh.). IntenUrsprung dunkel ist. Abstraktum: Pirsch. sivbildung zu plagen. Þpreschen. – Segelcke (1969), 242f.; LM 6 (1993), 2176. pissen Vsw std. vulg. (14. Jh.). Zunächst im Niederdeut-

schen entlehnt aus frz. pisser, das ähnlich wie ÞPipi auf ein Wort und eine Interjektion der Ammensprache zurückgeht. Ebenso nndl. pissen, ne. piss, nfrz. pisser, nschw. pissa, nnorw. pisse; Þpieseln. – Röhrich 2 (1992), 1186; EWNl 3 (2007), 547.

Pissoir Sn erw. fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. pissoir

m. Ebenso nfrz. pissoir, nschw. pissoar, nnorw. pissoar; Þpissen.

Pistazie Sf (Strauch aus dem Mittelmeerraum mit ess-

ÞPlage.

Placken Sm ’Flecken’ per. ndd. (16. Jh.), mhd. placke,

mhd. auch pflacke, mndd. plack(e), mndl. plac(ke), plecke. Herkunft unklar. Vermutlich hierher auch obd. bletz ’Flicken’, bei dem vor dem z ein k geschwunden sein kann. Nach Sommer lautmalend für ’hinklatschen’, vgl. lett. plaksˇ ’Schall, wenn man mit der flachen Hand aufs Wasser schlägt’, lett. plaka ’Kuhfladen’ usw. ÞFleck. – Sommer (1977), 15.

baren Samenkernen) per. exot. (16. Jh.). Die Bezeich- plädieren Vsw erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. plai-

nung für den Strauch und die Frucht wurden beide im 16. Jh. entlehnt, und zwar der Pistazienbaum aus l. pistacia, dieses aus gr. pista´ke¯, der zugehörige essbare Samenkern aus l. pistacium n., aus gr. pista´kion n. Das griechische Wort ist orientalischen Ursprungs.

der, zu frz. plaid ’Streitfall, Gerichtshof’, dieses aus l. placitum ’Willensäußerung, Meinung, Lehrsatz’, einer Substantivierung von l. placitus ’was einem gefällt’, dem PPP. von l. place¯re ’gefallen, gefällig sein’. Abstraktum: Plädoyer.

Ebenso nndl. pleiten, ne. plead, nfrz. plaider, nschw. plädera, Ebenso nndl. pistache, ne. pistachio, nfrz. pistachier, nschw. nnorw. pledere; ÞPlazet. – DF 2 (1942), 544. pistasch, nnorw. pistasie. – Littmann (1924), 15; Jones (1976), 518; EWNl 3 (2007), 547. Plafond Sm ’Decke, Grenze’ per. österr. (18. Jh.). Ent-

Piste Sf ’Rennbahn’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus

frz. piste, das auf it. pesta ’Fährte, Bahn’ zurückgeht. Dieses zu it. pestare ’stampfen’. Ebenso nndl. piste, ne. piste, nfrz. piste, nschw. pist, nnorw. pist. – EWNl 3 (2007), 548.

Pistole Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus cˇech. pı´ˇst’ala, ei-

gentlich ’Pfeife, Rohr’. Ebenso nndl. pistool, ne. pistol, nfrz. pistolet, nschw. pistol, nnorw. pistol. – DF 2 (1942), 540f.; Bellmann (1971), 277f.; Jones (1976), 519f.; Steinhauser (1978), 81f.; DEO (1982), 436–438; Röhrich 2 (1992), 1186; EWNl 3 (2007), 548.

pittoresk Adj ’malerisch’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt

aus frz. pittoresque, dieses aus it. pittoresco, einer Ableitung von it. pittore ’Maler’, aus l. pictor, zu l. pingere (pictum) ’malen, abmalen’. Ebenso nndl. pittoresk, ne. picturesque, nfrz. pittoresque, nschw. pittoresk, nnorw. pittoresk; ÞPigment. – Meyer, R. M. ZDW 2 (1900), 57f., 256f.; DF 2 (1942), 541f.

lehnt aus frz. plafond, einer Zusammensetzung aus frz. plat ’eben’ (über das Vulgärlateinische aus gr. platy´s) und frz. fond ’Hintergrund, Gewölbe, Grund’ (aus l. fundus ’Grund, Boden’). So bezeichnet, um die ebenen Decken begrifflich zu unterscheiden von frz. fond ’Gewölbe’. Ebenso nndl. plafon(d), nfrz. plafond, nschw. plafond; Þplatt, fundieren (ÞFundament). – DF 2 (1942), 545; EWNl 3 (2007), 550.

Plage Sf (plagen Vsw) std. (11. Jh.), mhd. pla¯ge, pfla¯ge,

vla¯ge, mndd. plage, mndl. plage. Die vorauszusetzende ältere Form *pla¯ga ist entlehnt aus l. pla¯ga ’Schlag’ (auch in übertragener Bedeutung). Ebenso mhd. pla¯gen, mndd. plagen, mndl. plagen wohl unmittelbar aus l. pla¯ga¯re ’schlagen’ − es kann aber auch aus dem Substantiv abgeleitet sein. Beides sind ursprünglich religiöse Wörter, die erst im 16. Jh. verweltlicht werden.

Plasma

709 Ebenso nndl. plaag, ne. plague, nfrz. plaie, nschw. pla˚ga, nnorw. plage; Þplacken. – Hoffmann (1956), 33f.; EWNl 3 (2007), 549.

Plagiat Sn ’Fälschung, unrechtmäßige Nachah-

Planke Sf erw. reg. (13. Jh.), mhd. blanke, planke, mndd.

planke, mndl. planke. Entlehnt aus einer romanischen Nachfolgeform von l. planca ’Bohle, Brett’ (afrz. planche). Dieses ist entlehnt aus gr. pha´lanx gleicher Bedeutung (das urverwandt ist mit ÞBohle und weiter eventuell zu ÞBalken).

mung’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. plagiat m., zu l. plagia¯rius m. ’gelehrter Dieb’, eigentlich ’Menschendieb, Seelenverkäufer’, zu l. plagium Ebenso nndl. plank, ne. plank, nfrz. planche, nschw. planka, nisl. planki; ÞPhalanx. – Schüwer, H. NW 19 (1979), 120–132; ’Menschendiebstahl, Seelenverkauf’, zu gr. pla´gios EWNl 3 (2007), 552. ’unredlich, hinterlistig, versteckt’. Täterbezeichnung: Plagiator. plänkeln Vsw std. (14. Jh.), mhd. blenkeln ’herumklopEbenso nndl. plagiaat, ne. plagiarism, nfrz. plagiat, nschw. plafen, schallen machen’, südd. Plänkel ’Glockengiat, nnorw. plagiat. – DF 2 (1942), 545f.; EWNl 3 (2007), 550f. schwengel, eine Art Dreschflegel’. Bei Geplänkel handelt es sich um eine Übertragung auf kleinere SchiePlaid Smn ’Decke, Umhängetuch aus Wolle’ per. fach. ßereien nach dem lautlichen Eindruck. (18. Jh.). Entlehnt aus ne. plaid; es ist unklar, ob schott. gäl. plaide älter ist. Plankton Sn ’kleine Meereslebewesen’ per. fach. Ebenso nndl. plaid, ne. plaid, nfrz. plaid, nschw. pläd, nisl. plet. (19. Jh.). Neubildung zu gr. plankto´s ’umhergetrie– DF 2 (1942), 546f.; Brink-Wehrli (1958), 53, 59, 78; Reyben’, zu gr. pla´zesthai ’umherirren, verschlagen werDebove/Gagnon (1988), 738f. den’. Plakat Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus nndl. plakkaat, dieEbenso nndl. plankton, ne. plankton, nfrz. plancton, nschw. ses aus frz. placard, zu prov. placa ’Platte, Täfelchen’, plankton, nnorw. plankton. – DF 2 (1942), 550. einer Ableitung von frz. plaquer ’mörteln, furnieren’, planschen Vsw Þplantschen. aus mndl. placken ’ankleben, flicken’. Dazu das Diminutivum Plakette ’Schildchen, kleine Tafel’. Verb: Plantage Sf ’Großpflanzung’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. plantage, einer Ableitung von frz. planplakatieren; Adjektiv: plakativ. ter ’pflanzen’, aus l. planta¯re. Ebenso nndl. plakkaat, ne. placard, nfrz. placard, nschw. plakat, nnorw. plakat. – DF 2 (1942), 547f.

Plampe Sf ’Seitengewehr’ ÞPlempe.

Ebenso nndl. plantage, ne. plantation, nfrz. plantation, nschw. plantage, nnorw. plantasje; ÞPflanze, Þtransplantieren. – DF 2 (1942), 550–552; Jones (1976), 523; EWNl 3 (2007), 552.

Plan1 Sm ’Fläche’ erw. obs. (13. Jh.), mhd. pla¯n(e) f.,

plantschen Vsw std. stil. (18. Jh.). Lautmalend. plan. Entlehnt aus ml. pla¯num n. ’Ebene’, SubstantiVgl. Þpantschen, Þmantschen, platschen, Þplätschern. – vierung zum Adjektiv l. pla¯nus ’flach, eben’. Auch das EWNl 3 (2007), 561. Adjektiv ist als plan im 16. Jh. entlehnt, bleibt aber plappern Vsw std. stil. (16. Jh.). Lautmalende Bildung fachsprachlich. Verb: planieren. wie ahd. blabbezon, mhd. blepzen u.ä. Ebenso nndl. plan, ne. plain, nfrz. plan, nschw. plan, nnorw. plan. – DF 2 (1942), 548f.; Röhrich 2 (1992), 1187. 2

Plan Sm ’Grundriss, Vorhaben’ std. (18. Jh.). Entlehnt

aus frz. plan gleicher Bedeutung (und noch lange französisch ausgesprochen). Das französische Wort geht auf l. planta f. ’Fußsohle’ zurück (ÞPflanze): Der Plan ist eigentlich ein Grundriss. Verb: planen. Ebenso nndl. plan, ne. plan, nfrz. plan, nschw. plan, nnorw. plan; ÞPlantage. – Röhrich 2 (1992), 1187; EWNl 3 (2007), 551.

Plane Sf ’grobes Leintuch’ erw. fach. (11. Jh.), mhd. pla-

Plappert Sm ’Münze von acht Pfennig’ per. arch.

(15. Jh.), spmhd. plappert (obd.). Ist übernommen aus mndd. blaffert (mit Anlehnung an das Schallwort plapp). Dieses über mndl. blaffaert ’Weißpfennig’ aus frz. blafard ’bleich, fahl, bleifarben’, awfrk. *blaffardus, das wohl aus einem ahd. (wndfrk.) bleihvaro ’bleichfarbig’ stammt. Ausgangsbedeutung ist also ’Weißpfennig’. plärren Vsw std. stil. (13. Jh.), mhd. blerren, ble¯ren. Laut-

malend wie mndl. bleren ’blöken’. he, blahe, ahd. blaha. Eigentlich Plahene, daneben reHauschild, O. ZDW 12 (1910), 35, 39; Glombik-Hujer, H. gional ÞBlache, Plahe u.ä. Daneben anord. bl¢gja DWEB 5 (1968), 137–141; EWNl 1 (2003), 326. ’Tuch, Laken’. Vielleicht urverwandt mit l. floccus m. Pläsier Sn ’besonderes Vergnügen’ per. reg. (16. Jh.). ’Wollflocke’, aber alle Einzelheiten bleiben unklar. Entlehnt aus frz. plaisir m., zu afrz. plaisir ’gefallen’, ÞFlocke. aus l. place¯re. Planet Sm std. (13. Jh.), mhd. pla¯ne¯te. Ist entlehnt aus l. Ebenso nndl. plezier, ne. pleasure, nfrz. plaisir; ÞPlazet. – DF 2 plane¯tae, plane¯te¯s Pl., diese aus gr. pla´ne¯s, eigentlich (1942), 552f.; Dumonceaux (1975). ’umherschweifend’ (weil er sich nicht um die HimPlasma Sn ’Blutflüssigkeit; Substanz, in der sich Stoffmelsachse dreht). Lokalbezeichnung: Planetarium. und Energiewechsel vollzieht’ per. fach. (19. Jh.). Ebenso nndl. planeet, ne. planet, nfrz. plane`te, nschw. planet, Neoklassische Übernahme aus spl. plasma, dieses aus nisl. pla´neta; ÞWandelstern. – DF 2 (1942), 549; Gerlach gr. pla´sma ’Gebilde’ zu gr. pla´ssein ’kneten, bilden, (1962), 42; Röhrich 2 (1992), 1187f.; LM 6 (1993), 2200–2204; gestalten’. EWNl 3 (2007), 551f.

Plastik

710 Ebenso nndl. plasma, ne. plasm(a), nfrz. plasma, nschw. plasma, nisl. plasma; ÞPlastik, ÞPflaster. – DF 2 (1942), 554; Cottez (1980), 334f.; EWNl 3 (2007), 552f.

Plastik Sf ’bildhauerisches Kunstwerk’ std. (18. Jh.).

Diese Bezeichnungen enthalten von Anfang an eine positive und eine negative Nebenbedeutung. Positiv ist ’verständlich, rund heraus’, negativ ist ’unterlegen, minderwertig, grob’.

Lasch, A. BGDSL 42 (1917), 134–156; Seebold, E. ZDL 52 Entlehnt aus frz. plastique ’Bildhauerkunst’, einer (1985), 381. Substantivierung des Adjektivs frz. plastique ’formbar’. Dieses aus l. plasticus, aus gr. plastikos ’zur Platte Sf std. (9. Jh.), mhd. plate, blate ’Platte, BrustFormung geeignet; plastisch’, zu gr. pla´ste¯s m. harnisch, Tonsur’, ahd. platta ’Platte, Glatze’. Ent’Bildner, Bildhauer, Former, Schöpfer’, zu gr. pla´ssein lehnt aus ml. platta ’Platte’, Substantivierung aus ’aus weicher Masse bilden, formen, gestalten’. Die früh-rom. *plattus (Þplatt). Bedeutung ’Kunststoff’ (mit neutralem Genus) aus Ebenso nndl. plaat, ne. plate, nfrz. plat, nschw. platte, nisl. plata; ÞPlateau. – Röhrich 2 (1992), 1188; EWNl 3 (2007), 549f. ne. plastics selben Ursprungs, das eine ’formbare Masse’ meint (in der früheren DDR statt dessen meist Platteise Sf ’Scholle’ (Fischart) per. fach. (15. Jh.), mhd. Plast m.). Die plastische Chirurgie dient der Wiederblatı¯se, pletse, mndl. plad(d)ijs. Entlehnt aus einer roherstellung (’Formung’) nach Verbrennungen usw. manischen Nachfolgeform von gleichbedeutendem Adjektiv: plastisch. ml. platessa, das zu der Sippe von Þplatt gehört. Ebenso nndl. plastiek, plastic, ne. plastic (art), nfrz. plastique, nschw. plastik, plast, nisl. plast; ÞPflaster, ÞPlasma. – DF 2 (1942), 554f.; Eichhoff, J. FS Martin (1980), 163–166; Carstensen 3 (1996), 1066–1068; EWNl 3 (2007), 553.

Platane Sf (hochwachsender Laubbaum) erw. fach.

Ebenso ne. plaice. – EWNl 3 (2007), 550.

plätten Vsw ’bügeln’ erw. ndd. (18. Jh.). Spezialisierung

von mndd. pletten ’platt machen’. Abgeleitet von Þplatt. Ebenso nndl. pletten, ne. flatten, nschw. platta, nnorw. platte. –

(18. Jh.). Entlehnt aus l. platanus, dieses aus gr. pla´Kretschmer (1969), 373–376; EWNl 3 (2007), 558. tanos. Kann zu gr. platy´s ’weit, eben’ gehören, doch ist Plattform Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. plateforme, der Name eher fremden Ursprungs. ursprünglich ’Geschützdamm’ als Teil des FestungsEbenso nndl. plataan, ne. plane, nfrz. platane, nschw. platan, baus. Dieses geht seinerseits auf it. piatta forma zunnorw. platan. – DF 2 (1942), 556; EWNl 3 (2007), 554. rück. Plateau Sn ’Hochebene’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt Ebenso nndl. platform, ne. platform, nfrz. plate-forme, nschw. aus frz. plateau, auch ’flacher Gegenstand’, zu frz. plat plattform, nnorw. plattform. Zu den Grundwörtern s. Þplatt ’flach’, aus früh-rom. *plattus, aus gr. platy´s ’flach, und ÞForm. – DF 2 (1942), 558f.; Jones (1976), 524f.; Carstensen 3 (1996), 1068–1070; EWNl 3 (2007), 554. eben, weit, ausgedehnt’. Ebenso nndl. plateau, ne. plateau, nschw. plata˚, nnorw. plata˚; Þplatt. – DF 2 (1942), 556.

Platin Sn (Edelmetall) erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus

Plätz Sm ’Fleck, Flicken’ per. reg. (9. Jh.), mhd. plez, blez

’Flicken, Stück, Tuch, Untergrund’, seit dem 14. Jh. auch übertragen ’Eingeweide’ (vgl. Kuttelfleck u.ä.). Da gegenüber gt. plat n. (oder plats m.) ’Flicken’ keine Lautverschiebung erscheint, wohl entlehnt aus akslav. platu˘ ’Tuch, Leinwand’ (unklarer Herkunft).

span. platina f., eigentlich ’Silberplättchen’, einem Diminutivum zu span. plata ’Metallplatte, Silber’, zu früh-rom. *plattus ’flach’, aus gr. platy´s (Þplatt). Das Metall wurde von den Spaniern in Mittel- und SüdEWahd 2 (1998), 179–181. amerika gefunden (nachdem es der Sache nach schon Platz1 Sm std. (13. Jh.), mhd. plaz, blaz. Entlehnt aus ml. bei den Ägyptern vorkam). Benannt wurde es als plaplacea f. (und frz. place f.), dieses aus gr. plateı˜a f. tina (di Pinto) nach dem Fluss Pinto in Peru. ’breiter Weg, Straße, freie öffentliche Fläche in der Ebenso nndl. platina, ne. platinum, nfrz. platine, nschw. plaStadt’ (zu gr. platy´s ’flach, breit’). Die modernen Betina, nisl. platı´na. – DF 2 (1942), 556f.; Lüschen (1979), 293; deutungen teilweise unter dem Einfluss des EngliEWNl 3 (2007), 554. schen. plätschern Vsw std. (17. Jh.). Wie die Interjektion Ebenso nndl. plaats, ne. place, nfrz. place, nschw. plats, nnorw. platsch lautnachahmend. plass; Þplatt. – Röhrich 2 (1992), 1188f.; Carstensen 3 (1996), platt Adj std. (17. Jh.), mndd. plat, mndl. plat(t). Ent-

lehnt aus frz. plat ’flach’, das auf früh-rom. *plattus zurückgeht. Dieses aus gr. platy´s ’flach, eben, weit, ausgedehnt’. Verb: Þplätten; Konkretum: ÞPlatte. Ebenso nndl. plat, ne. plate, nschw. platt, nisl. plata; ÞPlafond, ÞPlatane, ÞPlatin, ÞPlatz 1, ÞPlatz 2, Þplatzieren; zur germanischen Verwandtschaft s. ÞFladen. – Röhrich 2 (1992), 1188; EWNl 3 (2007), 553.

plattdeutsch Adj std. (16. Jh.). Gemeint ist zunächst

wie bei Schlechtdeutsch und Bauerndeutsch die einfache, nicht-stilisierte und nicht gehobene Sprache.

1070; EWNl 3 (2007), 550.

Platz2 Sm per. reg. (14. Jh.). Mundartlich für verschie-

dene Gebäckarten, heute vor allem in der Diminutivform Plätzchen bekannt. Bezeugt ist im 14. Jh. pla(t)zbecke ’Kuchenbäcker’. Vermutlich zu Þplatzen mit verschiedenen Möglichkeiten des Benennungsmotivs. Der nordwestdeutsche Platz wird kreuzweise eingeschnitten, so dass er aufplatzt, der Kartoffelplatz prasselt beim Backen usw. Genauere Zuweisungen und Abgrenzungen sind praktisch nicht möglich. Auch ein Einfluss von ÞPlätz ist nicht ausgeschlossen.

Plisse´e

711 ÞPlätz, Þplatzen. – Wick (1939), 72; Kaspers, W. BGDSL-H 80 (1958), 179–189; Röhrich 2 (1992), 1188f.

platzen Vsw std. (17. Jh.), mhd. platzen, blatzen. Laut-

Plebejer Sm erw. bildg. (18. Jh.). Angepasst aus l. ple¯-

be¯ius ’Angehöriger des einfachen Volkes’ (l. ple¯bs). Adjektiv: plebejisch.

Ebenso nndl. plebejer, ne. plebeian, nfrz. ple´be´ien, nschw. plemalend wie platschen (Þplätschern), Þplantschen bej, nnorw. plebeier. – EWNl 3 (2007), 555. usw., die alle ein schallendes Geräusch bezeichnen. Hierzu auch Platzregen, bezeugt seit dem 15. Jh. Über- Plebiszit Sn ’Volksentscheid’ per. fach. (19. Jh.). Enttragen ist platzen vor Wut mit verschiedenen Erweilehnt aus l. ple¯biscı¯tum aus l. ple¯bs ’einfaches Volk’ terungen. Präfigierung: zerplatzen. und l. scı¯tum ’Beschluss’ (zu l. scı¯scere ’entscheiden’).

Platzhirsch Sm per. fach. (19. Jh.). Zunächst jäger-

Ebenso nndl. plebisciet, ne. plebiscite, nfrz. ple´biscite, nschw. plebiscit, nnorw. plebisitt. – DF 2 (1942), 561; Roos, A. G. MNAW 3 (1940), 251–294.

sprachlich für den stärksten Hirsch am Platz, dann übertragen auf gesellschaftlich dominierende (männPleite Sf std. stil. (19. Jh.). Aus dem Rotwelschen überliche) Personen. nommen (dort ist im 18. Jh. belegt Blede machen für plaudern Vsw std. (14. Jh.), spmhd. plu¯dern. Neben’durchgehen, entfliehen’). Aus wjidd. pleite ’Bankform zu spmhd. blo¯dern u.ä. Schallwort wie mndd. rott; fort, weg’ aus hebr. p ele¯ta¯(h) ’Rest, Überbleibsel; ˙ ’Bankrott’. Dazu pladeren ’schwatzen’, l. blatera¯re ’dumm daherreden’, Rettung, Entrinnen’, spät auch gr. phle´do¯n ’Schwätzer’. Pleitegeier mit verschiedenen Anwendungen (z.B. auf Þplauschen. das Pfändungssiegel mit dem Adler), angeregt durch plauschen Vsw ’vertraulich plaudern’ per. reg. (19. Jh.). wjidd. Pleite-geier ’Pleite-Geher’. Abwandlung von Þplaudern. Ebenso nndl. pleite (gaan); Þflötengehen. – Lokotsch (1975), plausibel Adj ’einleuchtend, begreiflich’ erw. fremd.

132; Wolf (1985), 249f.; Röhrich 2 (1992), 1189f.; EWNl 3

(2007), 557. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. plausible, dieses aus l. plausibilis, eigentlich ’Beifall verdienend’, zu l. plaudere Plempe (auch Plampe) Sf ’Seitengewehr’ per. vulg. (plausum) ’klatschen, Beifall spenden’. Die Bedeu(17. Jh.). Zu plampen ’baumeln’, weil das Seitengetungsentwicklung über ’was Zustimmung verdient’. wehr am Koppel baumelt. Auch ’fades Getränk’ (als Abstraktum: Plausibilität. hin- und hergeschütteltes), dazu Þverplempern, eigentlich ’verschütten’. Ebenso nndl. plausibel, ne. plausible, nfrz. plausible, nschw. plausibel, nnorw. plausibel; Þapplaudieren. – DF 2 (1942), 560; Brunt (1983), 423.

Plauze Sf ’Eingeweide’, besonders ’Lunge’ per. omd.

(16. Jh.). Entlehnt aus sorb. płuco n. ’Lungenflügel’, sorb. płuca Pl. ’Lunge’. Playboy Sm erw. fremd. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. play-

boy ’junger Mann, der nur ans Spielen (d.h. an sein Vergnügen, vor allem erotischer Art) denkt’. Zu ne. play ’spielen’ und ne. boy ’Junge’. Ebenso nndl. playboy, ne. playboy, nfrz. play-boy, nschw. playboy. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 743; Carstensen 3 (1996), 1072.

Plazenta Sf ’Mutterkuchen’ per. fach. (16. Jh.). Ent-

plentern Vsw ’die lichtraubenden Bäume aus-

hauen’ per. fach. (18. Jh.). Zu Blender ’lichtraubender Baum’ in bairischer Lautform. Plenum Sn ’Vollversammlung’ per. fach. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus ne. plenum, einer Neubildung zu l. ple¯num co¯nsilium ’vollzählige Versammlung’, zu l. ple¯nus ’voll’. Ebenso nndl. plenum, ne. plenum, nfrz. ple´num, nschw. plenum, nnorw. plenum. Zu dem zugrunde liegenden l. Verb gehören noch als Partizipien und deren Ableitungen Þkomplementär, Þkomplett, ÞSupplement. Ferner ÞKompliment, ÞManipulation. – DF 2 (1942), 563f.; ReyDebove/Gagnon (1988), 744.

Pleuelstange Sf ’Schubstange’ erw. fach. (19. Jh., weslehnt aus l. placenta gleicher Bedeutung, eigentlich cenbliuwil 9. Jh.). Mit oberdeutschem Lautstand zu ’flacher Kuchen’ (Übertragung nach der Form). DieBleuel (Þbleuen) ’Stampfer’. Die Umsetzung von ses aus gr. plakou˜s (plakou˜nta) ’flacher Kuchen’. Drehbewegungen zu Stoßbewegungen erfolgte zuerst Ebenso nndl. placenta, ne. placenta, nfrz. placenta, nschw. plabei den wassergetriebenen Stampfmühlen. centa. – DF 2 (1942), 560. Plazet Sn ’Einwilligung’ per. fremd. (16. Jh.). Hyposta-

plietsch Adj ’schlau’ per. ndd. (20. Jh.). Zusammengesierung der Formel l. placet ’es gefällt, ich stimme zu’, zogen aus mndd. polietsch ’politisch’. zu l. place¯re ’gefallen, gefällig sein’. Plinse Sf ’Pfannkuchen, Kartoffelpuffer’ per. omd. Ebenso nndl. placet; ÞPlacebo, Þplädieren, ÞPläsier. – DF 2 (16. Jh.). Entlehnt aus sorb. blinc ’dünner Buchwei(1942), 560f.; Röhrich 2 (1992), 1187. zenkuchen’. plazieren Vsw ’an eine Position bringen, einen Platz Eichler (1965), 98f.; Bellmann (1971), 150f. zuweisen’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. pla- Plisse´e Sn ’Gewebe mit vielen, schmalen Falten’ per. cer, zu frz. place (ÞPlatz 1). Abstraktum: Plazierung; fach. (19. Jh.). Substantivierung von frz. plisse´ ’gefalAdjektiv: deplaziert. tet’, dem PPrät. von frz. plisser ’in Falten legen’, zu frz. Ebenso nndl. plaatsen, ne. place, nfrz. placer, nschw. placera, nnorw. plassere. – DF 2 (1942), 543f.

pli m. ’Falte’, einer Ableitung von frz. plier ’falten’, dieses aus l. plica¯re (Þkompliziert). Verb: plissieren.

Plombe

712 Ebenso nndl. plisse´, ne. plissee, nfrz. plisse´, nschw. plisse´, nnorw. plisse´. – DF 2 (1942), 565.

Plombe Sf std. (18. Jh.). Rückbildung aus plombieren,

’Kram’, mndl. plundware f./(m.?) ’kleiner Hausrat’. Herkunft unklar. Dazu Þplündern und Plünnen. Lühr (1988), 132f.; EWNl 3 (2007), 563.

das im 18. Jh. aus frz. plomber entlehnt wurde. Dieses plündern Vsw std. (14. Jh.), mndd. plunderen, mndl. bedeutet eigentlich ’mit Blei verschließen’ (zu frz. plunderen, plondern, fr. plunderje. Zu ÞPlunder in plomb m., aus l. plumbum n.). wertfreier Bedeutung, also ’Plunder wegnehmen’. Ebenso nndl. plombe, nschw. plomb, nnorw. plombe. – DF 2 Abstraktum: Plünderung; Nomen Agentis: Plünderer. (1942), 565.

Plötze Sf (Karpfenart) per. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus

einer westslawischen Sprache, vermutlich obsorb. płoc´ica, eigentlich ’Plattfisch’. Wick (1939), 43f.; Müller, K. in: Beiträge zum deutsch-slawischen Sprachkontakt. Hrsg. E. Eichler (Berlin 1977), 69–84.

plotzen Vsw ’aufprallen’ per. reg. (17. Jh.). Zu lautnach-

EWNl 3 (2007), 562f.

Plural Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. plu¯ra¯lis (nume-

rus), zu l. plu¯s (-u¯ris) ’mehr’, dem suppletiven Komparativ zu l. multus ’viel’. Ebenso nndl. pluralis, ne. plural, nfrz. pluriel, nschw. plural(is), nnorw. plural(is); Þplus. – DF 2 (1942), 566; Cottez (1980), 339; HWPh 7 (1989), 988–995.

ahmendem Plotz ’Aufprall’. Auch in Formeln wie auf plus Konj/Adv/Präp std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. plus den Plotz ’Knall und Fall’, ndd. Plutz. Auch als Adjek’mehr’. tiv und Adverb gebraucht. Ebenso nndl. plus, ne. plus, nfrz. plus, nschw. plus, nisl. plu´s; plötzlich Adv std. (14. Jh.). Es gehört zu Plotz ’Aufprall’

ÞPlural. – DF 2 (1942), 566f.; Schmidt (1996), 76; EWNl 3

(2007), 563. (Þplotzen), das allerdings erst später bezeugt ist. Die Bedeutungsentwicklung geht aus von der Schnellig- Plüsch Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. peluche, einer keit (und auch Unerwartetheit) solcher Vorgänge Rückbildung zu afrz. peluchier ’zupfen’, das aus (vgl. auf einen Schlag u.ä., auch − mit spezieller Hereinem früh-rom. *pı˘luccare stammt. Dieses aus l. kunft − Knall und Fall). pila¯re ’enthaaren’ erweitert. Bahder (1925), 126f.; Oksaar, E.: Semantische Studien im Sinnbereich der Schnelligkeit (Stockholm 1958); EWNl 3 (2007), 561.

Ebenso nndl. pluche, ne. plush, nfrz. peluche, nschw. plysch, nnorw. plysj; ÞKompilation. – DF 2 (1942), 567; EWNl 3 (2007), 561.

Pluderhose (auch in anderen Lautformen: Fluderhose,

plustern Vsw std. (17. Jh.). Übernommen aus dem Nie-

Bloderhose) Sf erw. obs. (15. Jh.). Zu einem lautma-

derdeutschen: Mndd. plusteren, mndl. pluusteren, pluysteren, eine Weiterbildung zu mndl. pluysen ’zupfen’ (die Bedeutung von plu¯steren ist zunächst ’zerzausen’). Weitere Herkunft unklar. Partikelverb: aufplustern.

lenden Verb wie Þflattern; im konkreten Fall steht am nächsten das unter Þplaudern dargestellte Wort, doch lassen sich die näheren Zusammenhänge schwer bestimmen. plump Adj std. (16. Jh.). Übernommen aus ndd. plomp,

EWNl 3 (2007), 562.

nndl. plomp, plump ’dick, grob, stumpf’, das zu Pneu Sm ’Reifen’ erw. schwz. österr. (19. Jh.). Gekürzt einem Schallwort für einen dumpfen Fall gehört (vgl. aus Pneumatik ’Luftreifen’, das zu gr. pneu˜ma n. plumps u.ä.). ’Wind, Atem, Luft’ gebildet ist. Vgl. frz. pneu. – HWPh 7 (1989), 995–999 (zu Pneumatik); CotPlumpe Sf ’Pumpe’ per. omd. (17. Jh.). Lautmalende tez (1980), 339. (wohl von plumps u.ä. abhängige) Umgestaltung von ÞPumpe. Pöbel Sm erw. stil. (13. Jh.), mhd. povel, bovel. Entlehnt aus afrz. poble in der Bedeutung ’Dienerschaft, gePlumpsack Sm ’Kinderspiel’ erw. obs. (18. Jh.). Urmeine Leute’. Dieses ist eine regionale Form zu afrz. sprünglich wohl ein Kinderwort für ’schwerer Sack’ pueble, pueple, nfrz. peuple ’Volk’, das auf l. populus (der beim Abstellen Þplump macht), dann übertra’Volk’ zurückgeht. Die anderen germanischen Spragen auf ’plumper Mensch’ und auf das Spiel. chen (auch mndd. popel, mndl. popel) gehen auf das Bulitta (2000), 162. normale französische oder lateinische Wort zurück plumpsen Vsw std. stil. (18. Jh.). Eigentlich niederdeutund zeigen im allgemeinen nicht die gleiche Bedeusche Form, doch spielt in diesem Fall sicher auch die tungsverschlechterung. Diese beginnt im MittelLautmalerei eine Rolle, so dass dieses oder ein ähnhochdeutschen, setzt sich aber erst in neuhochdeutliches Wort auch oberdeutsch heimisch gewesen sein scher Zeit durch. Verb: (an-)pöbeln. kann. Ebenso nfrz. populace, nschw. pöbel, nnorw. pøbel; Þpopulär. – EWNl 3 (2007), 561.

Plunder Sm std. stil. (14. Jh.), mndd. plunderware m./f.

’kleines Hausgerät, Kleider’, mndd. plunder, mndl. plunder, plonder f. ’gebrauchter Hausrat, Bettzeug, Kleider’. Auch ohne r in mndd. plunne, plunde

Jones (1976), 511; HWPh 7 (1989), 999f.; EWNl 2 (2005), 237.

pochen Vsw std. stil. (13. Jh.), mhd. bochen, puchen,

mndd. boken, puchen, puggen, mndl. boken, bueken. Lautmalend (vgl. die Interjektion poch, die kaum ein Imperativ des Verbs ist). Frühneuhochdeutsch aus

Polemik

713

Ebenso nndl. pogrom, ne. pogrom, nfrz. pogrom(e), nschw. podem Zusammenhang des ans Tor oder auf den Tisch grom, nnorw. pogrom. – DF 2 (1942), 570. Pochens auch die Bedeutung ’wagen, herausfordern’. Daher der Name des Pochspiels, bei dem der Spieler Pointe Sf ’geistreicher Schlusseffekt’ erw. fremd. mit seinem Einsatz den Vergleich herausfordert. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. pointe, eigentlich ’Spitze’, Þpuckern. – EWNl 3 (2007), 563. dieses aus l. pu¯nctum n. ’Stich’, dem substantivierten PPP. von l. pungere (pu¯nctum) ’stechen’. Adjektiv: pochieren Vsw ’(Eier) in siedendem Wasser kopointiert. chen’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. pocher glei-

cher Bedeutung. Dieses zu frz. poche ’Tasche’, weil dabei das Eigelb von dem festwerdenden Eiweiß wie von einer Tasche umschlossen wird. Ebenso nndl. pocheren, ne. poach, nfrz. pocher.

Pocke Sf (Pocken Spl) std. (16. Jh.). Aus dem Nieder-

Ebenso nndl. pointe, ne. point, nschw. poäng, nnorw. poeng; ÞPunkt. – Brunt (1983), 425.

Pokal Sm erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus it. boccale

’Krug, Becher’, dieses aus spl. baucalis f. ’tönernes Kühlgefäß’, aus gr. bau´kalis f. ’enghalsiges Kühlgefäß’. Das anlautende /p/ wohl in volksetymologischer Anlehnung an l. po¯culum n. ’Trinkgeschirr, Becher’.

deutschen übernommen (lautgesetzliche Entsprechungen sind wmd. poche und fnhd. pfoche). Mndd. Ebenso nndl. bokaal, nschw. pokal, nnorw. pokal. – DF 2 (1942), pocke, poche, mndl. pocke, vergleichbar mit ae. pocc m. 571; EWNl 1 (2003), 346. Vermutlich sind bei diesen Wörtern für verschiedene Pökel Sm ’Salzlake’ per. ndd. (17. Jh.), mndd. pekel f., Krankheitserscheinungen die ’Bläschen’ im Vordermndl. pe¯kel(e), peeckel. Entlehnt aus einem romanigrund. Deshalb kann an ae. pocca m. ’Tasche, Sack’ schen Nachfolger von früh-rom. *piccare ’stechen’ angeknüpft werden, ebenso ahd. pohha m., mhd. in (vgl. den Umkreis von Þpikant) und mit deutscher pfochsnı¯den n. ’Beutelschneiden’. Endung versehen. Verb: (ein-)pökeln. Zu der zugrunde liegenden Lautgebärde vgl. ÞBausch; ÞPickel 2. – Kretschmer (1969), 377f.; Lühr (1988), 270f.; Rauch (1995), 110; EWNl 3 (2007), 567.

Podest Sn ÞPodium. Podex Sm erw. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus l. po¯dex

’Hinterteil’ (wohl in der Schulsprache). Ebenso ndn. podeks, nnorw. podeks; ÞPopo. – DF 2 (1942), 569.

Podium Sn ’erhöhte Plattform’ erw. fach. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus l. podium, dieses aus gr. po´dion ’Standplatz’, eigentlich ’Füßchen’, einem Diminutivum zu gr. pou´s (podo´s) m. ’Fuß’. Dazu wohl Podest ’kleines Podium’. Ebenso nndl. podium, ne. podium, nfrz. podium, nschw. podium, nnorw. podium; ÞAntipode, ÞKaliber, ÞPolyp; zur germanischen Verwandtschaft s. ÞFuß; zur lateinischen Form s. ÞPedal. – DF 2 (1942), 569; EWNl 3 (2007), 563.

Poesie Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. poe´sie, dieses

aus l. poe¯sis, aus gr. poı´¯esis, eigentlich ’Tun, Herstellung, Schöpfung’, zu gr. poieı˜n ’dichten’, (eigentlich ’machen, schaffen’). Poet ’Dichter’ wurde schon im 13. Jh. entlehnt, vermutlich aus afrz. poete (oder l. poe¯ta m.). Adjektiv: poetisch. Ebenso nndl. po¡zie, ne. poetry, nfrz. poe´sie, nschw. poesi, nnorw. poesi. – Maas, A.: ’Poet’ und seine Sippe (Diss. Freiburg 1905); Maas, A.: ZDW 6 (1904/05), 233–298; DF 2 (1942), 570; HWPh 7 (1989), 1000–1026; EWNl 3 (2007), 566f.

Pogge Sf ’Frosch’ per. ndd. (17. Jh.), mndd. pogge m./f.

Vielleicht mit Intensiv-Lautung zur gleichen Grundlage wie ne. frog (zu ig. *preu- ’springen, hüpfen’ als ’Hüpfer’) mit p für f und Ausfall von r. Claus, H. NJ 81 (1958), 107–115; Wagner, N. HS 103 (1990), 281–285.

Pogrom Smn ’Ausschreitungen gegen Minderheiten,

Judenverfolgung’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus russ. pogro´m, eigentlich ’Verwüstung, Unwetter’.

Ebenso nndl. pekel. Vgl. ne. pickle; im 15. Jh. auch pec ’Salzhering’; ÞPickelhering. – Foerste, W. NW 1 (1960), 11–13; Dittmaier, H. GS Foerste (1970), 205–207; Seibicke, W. MS 89 (1979), 33–44; EWNl 3 (2007), 521.

Poker Smn (Glücksspiel) erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt

aus ne. poker, dieses aus frz. poque, Variante von poche ’Tasche’; gemeint ist der Einsatz. Verb: pokern ’geschickt taktieren’. Ebenso nndl. poker, ne. poker, nfrz. poker, nschw. poker, nnorw. poker. – DF 2 (1942), 571f.; DEO (1982), 442; ReyDebove/Gagnon (1988), 748; Carstensen 3 (1996), 1079–1081; EWNl 3 (2007), 568.

Pol Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. polus, dieses aus gr.

po´los, eigentlich ’Drehpunkt, Achse’, zu gr. pe´lesthai ’sich bewegen’. Adjektiv: polar. Ebenso nndl. pool, ne. pole, nfrz. poˆle, nschw. pol, nisl. po´ll. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞHals. – DF 2 (1942), 572f.; HWPh 7 (1989), 1026–1029 (zu Polarität); Röhrich 2 (1992), 1190; EWNl 3 (2007), 575f.

Polder Sm ’eingedeichtes Land’ per. ndd. (18. Jh.).

Übernommen aus nndl. polder, das seit dem 16. Jh. bezeugt ist. Das Wort (oder ein gleichlautendes?) bedeutet auch ’Hühnerstall’ und stammt in dieser Bedeutung aus ml. pullarium n. (zu l. pullus ’Hühnchen’) über frz. poulailler ’Geflügelhof’. Eine Bedeutungsbrücke ist aber nicht zu ersehen. Herkunft also unklar. Ebenso nndl. polder, ne. polder, nfrz. polder, nnorw. polder. – Seelmann, U. NJ 47 (1921), 41–44; EWNl 1 (2003), 347; EWNl 3 (2007), 568.

Polemik Sf ’scharfer, verunglimpfender Angriff’ erw.

fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. pole´mique, einer Substantivierung von frz. pole´mique ’kriegerisch, den Krieg betreffend’, dieses aus gr. polemiko´s, zu gr. po´lemos m. ’Krieg, Schlacht, Kampf’. Adjektiv: polemisch; Verb: polemisieren.

Polente

714 Ebenso nndl. polemiek, ne. polemic, nfrz. pole´mique, nschw. polemik, nnorw. polemikk. – DF 2 (1942), 573f.; Cottez (1980), 342; HWPh 7 (1989), 1029–1034; Strauss u.a. (1989), 295–301.

Polente Sf ’Polizei’ std. vulg. (19. Jh.). Gaunersprach-

liche Abwandlung des Wortes ÞPolizei. Police Sf ’Versicherungsurkunde’ erw. fach. (17. Jh.).

Entlehnt aus it. polizza, dieses aus ml. apodixa ’Nachweis’, aus gr. apo´deixis, zu gr. apodeikny´nai ’vorzeigen, aufweisen, beweisen’, zu gr. deikny´nai ’zeigen, begreiflich machen, beweisen’ und gr. apo-. In der Form angeglichen an frz. police gleichen Ursprungs. Ebenso nndl. polis, ne. policy, nfrz. police, nschw. polis, nnorw. polise. Zur lateinischen Verwandtschaft s. Þdiktieren, zur germanischen Þzeihen; Þapodiktisch. – Schirmer (1911), 144; DF 2 (1942), 575f.; Jones (1976), 527f.; EWNl 3 (2007), 569.

Polier Sm ’Vorarbeiter, Bauführer’ per. fach. (14. Jh.).

che Ordnung’, dann ’durch die Polizei gewährleistete Ordnung’. Täterbezeichnung: Polizist; moviert: ÞPolitesse; Adjektiv: polizeilich. Ebenso nndl. politie, ne. police, nfrz. police, nschw. polis(ka˚r), nnorw. politi; Þpolitisch. – Zobel, K.: Polizei (Diss. masch. München 1952) (mit einem Wörterbuch der Komposita); GB 4 (1978), 875–897; Preu, P.: Polizeibegriff und Staatszwecklehre (Göttingen 1983); HWPh 7 (1989), 1080–1083; Röhrich 2 (1992), 1190f.; Nitschke, P. Zeitschrift für historische Forschung 19 (1992), 1–27; EWNl 3 (2007), 569.

Pollen Sm ’Blütenstaub’ erw. fach. (14. Jh.). Entlehnt

mit der Bedeutung ’feines Mehl, Staubmehl’ aus l. pollen n. gleicher Bedeutung. Die Bedeutung ’Blütenstaub’ ist neuzeitlich und international. Das lateinische Wort gehört zu einer Wortfamilie, in der die Bedeutungen ’Mehl; Pulver’ (ÞPulver) vorherrschen.

Entlehnt aus l. politor ’Mittelsmann zwischen Gutsherrn und Landarbeitern’.

Ebenso nndl. pollen, ne. pollen, nfrz. pollen, nschw. pollen, nnorw. pollen.

Ebenso nschw. polera. – Schirmer (1911), 144; Krause, K. WS 19 (1938), 158f.

Polster Smn std. (9. Jh.), mhd. polster, bolster m., ahd.

polieren Vsw std. (13. Jh.), mhd. polieren. Ist entlehnt

aus afrz. polir, dieses aus l. polı¯re, auch ’feilen’. Abstraktum: Politur. Ebenso nndl. polijsten, ne. polish, nfrz. polir, nschw. polera, nnorw. polere. – DF 2 (1942), 576f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 267; EWNl 3 (2007), 568f.

Politesse Sf ’Hilfspolizistin’ per. fach. (20. Jh.). Neu-

bildung nach Mustern wie Komtesse (ÞKomtess) zu einer rekonstruierten Vorform von ÞPolizei. Vermutlich scherzhafte Anspielung auf älteres Politesse ’Artigkeit’. politisch Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. politique,

dieses aus l. polı¯ticus, aus gr. polı¯tiko´s, zu gr. polı¯´te¯s ’Bürger, Staatsbürger’, eigentlich ’Stadtbürger’, zu gr. po´lis ’Stadt, Staat’. Abstraktum: Politik; Täterbezeichnung: Politiker; Verb: politisieren; Kompositionsform: Polit-.

polstar m./n. Aus g. *bulstra-, älter vermutlich *bulhstra- n. ’Polster’, auch in anord. bolstr m., bulstr m., ae. bolster n. Vermutlich zu einem g. *belg-a- Vst. ’aufschwellen’, das aber nur in der Bedeutung ’zürnen’ bezeugt ist, vgl. ae. belgan, as. belgan, ahd. belgan ’zürnen’, afr. ovirbulgen ’erzürnt’, aber anord. bolginn ’angeschwollen’. Die Bedeutung ’Kissen’ auch in apreuß. balsinis m., serbo-kr. bla`zina f., avest. bar¡zisˇ-. Die Frage, ob nicht in Wirklichkeit Entlehnungen aus einer unbekannten Sprache vorliegen, muss offen bleiben. Verb: polstern. ÞBall 1. – Röhrich 2 (1992), 1191; EWahd 2 (1998), 232f.

Polterabend Sm ’Vorabend der Hochzeit, an dem von

den Freunden des Brautpaars Geschirr u.ä. zerschlagen wird’ erw. reg. (16. Jh.). Auch pulternacht. Wahrscheinlich um Poltergeister o.ä. von dem jungen Paar fernzuhalten; deshalb vielleicht Klammerform aus Poltergeistabend; Þpoltern.

Ebenso nndl. politiek, ne. political, nfrz. politique, nschw. popoltern (auch als buldern, boldern bezeugt) Vsw std. litisk, nnorw. politisk, nisl. po´litı´skur; ÞKosmopolit, (15. Jh.). Lautnachahmend. ÞMetropole, Poliklinik, ÞPolizei. – Müller, C. ZDU 10 (1896), Ebenso nndl. balderen. – EWNl 1 (2003), 399. 777f.; Müller, C. ZDW 3 (1902), 257f.; Stegmann, A. CL 13 poly- Präfix ’viel’ (z.B. polygam, Polyhistor) erw. bildg. (1968), 33–47; GB 4 (1978), 789–874; Sternberger, D.: Drei (–). Wurde in griechischen Entlehnungen ins DeutWurzeln der Politik (Frankfurt 1978); Sternberger, D. in FS sche übernommen; sein Ursprung ist gr. poly´. In den der Wissenschaftl. Ges. an der Goethe-Universität Frankfurt (Wiesbaden 1981), 465–479; Irmscher, J. in Welskopf 4 (1981), Fachsprachen beschränkt produktiv. 158–167; Eichinger, L. M. FS Matzel (1984), 201–214; HWPh 7 Cottez (1980), 342f. (1989), 1038–1072; Röhrich 2 (1992), 1190; EWNl 3 (2007), polyglott Adj ’mehrsprachig’ per. fach. (18. Jh.). Ent569f.

Polizei Sf std. (14. Jh.). Entlehnt aus ml. policia ’Staats-

lehnt aus gr. poly´glo¯ttos, zu gr. glo˜ssa, glo˜tta ’Sprache, Zunge’ (ÞGlosse) und gr. poly-.

verwaltung’, dieses aus spl. polı¯tı¯a, aus gr. polı¯teı´a, zu Ebenso nndl. polyglot, ne. polyglot, nfrz. polyglotte, nschw. pogr. polı¯´te¯s m. ’Bürger, Staatsbürger’, eigentlich lyglott, nnorw. polyglott. – DF 2 (1942), 584f. ’Stadtbürger’, zu gr. po´lis ’Stadt, Staat’. Die heutige Polyp Sm ’Krake, Nesseltier, Geschwulst der SchleimBedeutung seit dem 18. Jh., metonymisch übertragen häute’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. polypus, dievon ’Staatsverwaltung’ auf ’ausführendes Organ der ses aus gr. poly´pous, einer Substantivierung von gr. Staatsverwaltung’, besonders unter dem Einfluss von poly´pous ’vielfüßig’, zu gr. pou´s ’Fuß’ und gr. poly-. Komposita wie Polizei-Ordnung, eigentlich ’staatli-

populär

715

Die Bedeutung ’Polizist’ entsteht in Übertragung der Tätigkeit der Fangarme auf die Arbeit der ÞPolizei (und gaunersprachlich polipee). Ebenso nndl. poliep, ne. polyp, nfrz. polype, nschw. polyp, nnorw. polypp; ÞPodium. – DF 2 (1942), 586f.

Pomade Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. pommade

(auch: ’Salbe’), dieses aus it. pomata, aus früh-rom. *pomata, zu spl. po¯mum n. ’Frucht, Apfel’, aus l. po¯mum n. ’Obstfrucht’. Bezeichnet nach der Beigabe ’Apisäpfel’. Adjektiv: pomadig (bei der Bedeutung ’langsam’ hat sich vielleicht poln. pomale ’langsam’ eingemischt).

Ebenso nndl. ponton, ne. pontoon, nfrz. ponton, nschw. ponton, nnorw. pongtong. – DF 2 (1942), 594; Jones (1976), 529f.; EWNl 3 (2007), 574f.

Pony Sn std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. pony, dessen

weitere Herkunft nicht sicher geklärt ist (schott.-e. pownie; dieses aus afrz. poulenet, aus ml. pullanus ’Fohlen’?). Dazu im Vergleich mit der Mähne dieser Tiere Pony(-schnitt) m., die Bezeichnung einer Frisur, bei der die Haare in kleinen Fransen in die Stirn hängen (diese Bedeutung ist nur deutsch: ne. fringe, am.-e. bang).

Ebenso nndl. pony, ne. pony, nfrz. poney, nschw. ponny, nnorw. ponni. – DF 2 (1942), 595; Ganz (1957), 175f.; DEO (1982), 443; Ebenso nndl. pommade, ne. pomade, pomatum, nschw. poRey-Debove/Gagnon (1988), 751f.; EWNl 3 (2007), 575. mada, nnorw. pomade; ÞPomeranze, ÞPommes frites. – DF 2 (1942), 588–590; Eichler (1965), 101f.; Jones (1976), 528; Biel- Popanz Sm ’Schreckgestalt, Wichtigtuer’ erw. reg. feldt (1982), 53; Brunt (1983), 426; Röhrich 2 (1992), 1191; (16. Jh.). Im ostmitteldeutschen Sprachraum aus EWNl 3 (2007), 572. einem slavischen Wort entlehnt.

Pomeranze Sf (Zitrusfrucht) erw. obs. (15. Jh.). Ent-

DF 2 (1942), 595; Röhrich 2 (1992), 1192.

lehnt aus it. pomarancia, einer Zusammensetzung aus Popcorn Sn ’Knuspergebäck aus geröstetem Mais’ per. it. pomo m. ’Apfel’ (aus l. po¯mum n.) und it. arancia fremd. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. popcorn, einer Zu’bittere Apfelsine’ (aus pers. na¯rangˇ). sammensetzung aus ne. pop ’knallen, knallend aufEbenso nschw. pomerans, nnorw. pomerans; ÞOrange, platzen’ (das wohl lautnachahmenden Ursprungs ist) ÞPomade. – Littmann (1924), 81, 83; DF 2 (1942), 590; Lound ne. corn ’Mais’ (gleichen Ursprungs wie nhd. kotsch (1975), 125; EWNl 3 (2007), 571f. ÞKorn 1). So bezeichnet, weil die Maiskörner beim Pommes frites Spl std. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. pomRösten aufplatzen, wodurch Popcorn die charakterismes frites, aus frz. pomme (de terre) ’Kartoffel’ (aus l. tische Form erhält. Verdrängt älteres Puffkorn u.ä. po¯mum n. ’Obstfrucht’ und l. terra f. ’Erde’, also Ebenso nndl. popcorn, ne. popcorn, nfrz. pop-corn, nschw. pop ’Erdapfel’) und frz. frire (frit) ’backen, braten’ corn, nisl. poppkorn. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 755; Carstensen 3 (1996), 1088. (ÞFrikadelle). Ebenso nschw. pommes frites, nnorw. pommes frites; ÞPomade. Popel Sm ’verhärteter Nasenschleim’ per. reg. (19. Jh.). – DF 2 (1942), 591. Ursprünglich mitteldeutsches Wort mit ähnlicher Be-

deutungsvielfalt wie ÞButzen. Abgrenzung und Ausgangsbedeutung unklar. aus l. pompa f. unter Einfluss von dessen Fortsetzer frz. pompe f. Das Maskulinum erst spät (unter Einpopelig Adj ’armselig’ per. reg. (19. Jh.). Vermutlich zu fluss von ÞPrunk?). Das lateinische Wort ist entlehnt ÞPöbel gebildet. ´ aus gr. pompe¯ f. ’feierlicher Aufzug’. Adjektiv: Popelin Sm (Popeline f.) (ein Stoff) std. (18. Jh.). Entpompös. lehnt aus frz. popeline f., dieses wohl aus frz. (drap de) Ebenso ne. pomp, nfrz. pompe, nschw. pomp, nnorw. pomp; Poperingue ’Stoff aus Poperingue’, dem Namen einer ÞPumphose. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 401; EWNl 3 flämischen Stadt. Die jüngere Bedeutung ist dabei ab(2007), 573. hängig von ne. poplin aus der gleichen Quelle. Poncho Sm ’Umhang’ per. exot. (19. Jh.). Entlehnt aus Ebenso nndl. popeline, ne. poplin, nfrz. popeline, nschw. poplin, span. poncho, dieses aus der südamerikanischen Innnorw. poplin, nisl. poplı´n. – DF 2 (1942), 595f. dianersprache Arauka poncho ’Wollgewebe’. Popo Sm std. kind. (18. Jh.). Das im 17. Jh. eingebürgerEbenso nndl. poncho, ne. poncho, nfrz. poncho, nnorw. poncho. te ÞPodex ’Hintern’ wird zu einer kindersprachlichen – DF 2 (1942), 592f.; EWNl 3 (2007), 573. Reduplikation umgestaltet. Bezeugt zuerst im NordPontifikat Sn ’Amt, Würde hoher Geistlicher’ per. fach. osten. (15. Jh.). Entlehnt aus l. pontifica¯tus m., zu l. pontifex Schulz, H. ZDW 10 (1908/09), 145–147. m. ’Oberpriester’, eigentlich wohl ’Brückenbauer’, zu populär Vsw std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. populaire, l. po¯ns (po¯ntis) m. ’Brücke, Steg’ und l. facere dieses aus l. popula¯ris, eigentlich ’zum Volk gehörig’, ’machen’. zu l. populus ’Volk’. Dazu die Abkürzung pop in PopEbenso nndl. pontificaat, ne. pontificate, nfrz. pontificat, nschw. musik (usw.). Abstraktum: Popularität. pontifikat; ÞFazit, ÞPonton. – DF 2 (1942), 594. Pomp Sm std. (13. Jh.), mhd. pomp(e) m./f. Entlehnt

Ponton Sm ’Brückenschiff’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt

aus frz. ponton, dieses aus l. ponto (-o¯nis), zu l. po¯ns (pontis) ’Brücke, Steg’.

Ebenso nndl. populair, ne. popular, nschw. populär, nnorw. popul¢r; ÞPöbel, Þpublik, ÞRepublik. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 756f.; EWNl 3 (2007), 578.

Pore

716 Pore Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. porus m., dieses aus Porto Sn std. (17. Jh.). Entlehnt aus it. porto m., eigent-

gr. po´ros m., eigentlich ’Durchgang’, zu gr. poreı˜n ’auf dem Weg bringen, hinüberbringen, schicken’ u.ä., zu gr. pe´ra¯n ’drüben, hinter, jenseits’. Adjektiv: porös. Ebenso nndl. porie, ne. pore, nfrz. pore, nschw. por, nnorw. pore. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þfahren. – DF 2 (1942), 596f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 401; EWNl 3 (2007), 579.

Pornographie Sf ’obszöne Darstellungen sexueller Ak-

lich ’das Tragen’, einer Ableitung von it. portare ’tragen’, aus l. porta¯re. Also ’das für das Überbringen zu Zahlende’. Ebenso nndl. port(o), nfrz. port, nschw. porto, nnorw. porto; Þtransportieren. – Schirmer (1911), 145; DF 2 (1942), 603f.; EWNl 3 (2007), 580.

Porträt Sn erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. portrait

m., das zurückgeht auf das substantivierte PPrät. von afrz. portraire ’bilden, entwerfen, darstellen’, aus l. pro¯trahere ’ans Licht bringen, hervorziehen’, zu l. trahere ’ziehen’ und l. pro¯-. Verb: porträtieren.

te’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus frz. pornographie, zu frz. pornographe m. ’Autor erotischer Schriften, Ebenso nndl. portret, ne. portrait, nfrz. portrait, nschw. por(älter: Autor von Büchern über Huren)’, aus gr. po´rne¯ trätt, nnorw. portrett; Þabstrakt. – DF 2 (1942), 604–606; ’Hure’ und gr. gra´phos m. ’Schreiber’, zu gr. gra´phein Brunt (1983), 428; EWNl 3 (2007), 582. ’schreiben’. Vielfach gekürzt als Porno (nach engPorzellan Sn std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. porcellana f., lisch-amerikanischem Vorbild). ursprünglich: ’Kaurischnecke, Porzellanschnecke’. Ebenso nndl. pornografie, ne. pornography, nfrz. pornographie, Die Übertragung auf das Porzellan erfolgte wegen der nschw. pornografi, nnorw. pornografi. – DF 2 (1942), 597; äußeren Ähnlichkeit des chinesischen Porzellans mit EWNl 3 (2007), 579. der gelblichweißen Schale der Schnecke/Muschel. Porree Sm ’Lauch’ erw. obs. (19. Jh.). Im NeuhochdeutDie Muschel wiederum heißt so nach it. porcellano m. schen entlehnt aus frz. porre´e, dieses aus l. porrum n. ’weibliches Geschlechtsorgan’ (eigentlich ’Schwein(das auch schon in ahd. Zeit entlehnt worden war). chen’, zu it. porco m. ’Schwein’), weil sie so ähnlich Ebenso nndl. prei, nfrz. poireau, nschw. purjolök, nnorw. purre. wie das weibliche Geschlechtsorgan geformt ist (vgl. – Öhmann, E. NPhM 44 (1943), 18–22; Marzell 1 (1943), 202f.; concha Veneris ’Venusmuschel’). Zum ZusammenSauerhoff (2001), 217; EWNl 3 (2007), 590. hang der Bedeutungen ’Schwein’ und ’weibliches GePorst Sm ’wilder Rosmarin’ per. reg. (14. Jh.), mhd. borschlechtsorgan’ s. ÞFerkel. se(r), mndd. pors. Anord. pors. Herkunft unklar. RGA 23 (2003), 287–289.

Port Sm ’Ort der Sicherheit, Hafen’ per. arch. (13. Jh.),

mhd. port(e), borte. Entlehnt aus afrz. port, das auf l. portus ’Hafen’ zurückgeht. Ebenso ne. port, nfrz. port. – DF 2 (1942), 597.

Portal Sn std. stil. (15. Jh.). Entlehnt aus ml. portale,

einer Augmentativ-Bildung zu l. porta ’Tür’. Ebenso nndl. portaal, ne. portal, nfrz. portail, nschw. portal, nnorw. portal; ÞPortier, ÞPforte. – DF 2 (1942), 598; EWNl 3 (2007), 580f.

Portemonnaie Sn std. alt. (19. Jh.). Entlehnt aus frz.

portemonnaie m., dieses zusammengesetzt aus frz. porte ’trage’, zu frz. porter ’tragen’, aus l. porta¯re, und frz. monnaie f. ’Geld, Münze’, aus l. mone¯ta f.

Ebenso nndl. porselein, ne. porcelain, nfrz. porcelaine, nschw. porslin, nnorw. porselen; ÞFerkel. – DF 2 (1942), 606f.; Andre´, J. Latomus 15 (1956), 298–301; Hommel, H. FS Zinn (Tübingen 1970), 75–90; Röhrich 2 (1992), 1192; Seebold (2005), 1340f.; EWNl 3 (2007), 580.

Posaune Sf std. (13. Jh.), mhd. busu¯ne, pusu¯ne, busı¯ne,

pu¯sı¯ne u.ä. Entlehnt aus afrz. buisine, boisine, dieses aus l. bu¯cina ’gewundenes Horn, Signalhorn’, aus l. *bovicina, zu l. bo¯s (bovis) m./f. ’Rind’ (verwandt mit gr. bou˜s) und l. canere ’singen, tönen’. Wohl so bezeichnet als ein Instrument, das der Form des Rinderhorns ähnelt. Verb: posaunen; Nomen Agentis: Posaunist. Ebenso nndl. bazuin, nschw. basun, nisl. ba´su´na; ÞBüffel, ÞChanson. – Suolahti (1929), 74f.; DF 2 (1942), 608; Relleke (1980), 49–54, 162–165; Röhrich 2 (1992), 1192; EWNl 1 (2003), 236.

Ebenso nndl. portemonnaie, nfrz. porte-monnaie, nschw. portmonnä, nnorw. portemone´; ÞPorto, ÞMünze. – DF 2 (1942), Pose Sf ’künstliche Haltung’ erw. fremd. (19. Jh.). Im 600; Brunt (1983), 428; EWNl 3 (2007), 581.

Portier Sm std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. portier, dieses

aus l. porta¯rius ’Türhüter, Pförtner’, zu l. porta f. ’Tor, Eingang’. Ebenso nndl. portier, ne. porter, nfrz. portier, nschw. portier, nnorw. portier. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞFurt; Þopportun, ÞPforte. – DF 2 (1942), 601f.; EWNl 3 (2007), 582.

Portion Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. portio (-o¯nis),

wohl verwandt mit l. pars (partis) ’Teil’. Ebenso nndl. portie, ne. portion, nfrz. portion, nschw. portion, nnorw. porsjon; ÞProportion. – DF 2 (1942), 602f.; Röhrich 2 (1992), 1192; EWNl 3 (2007), 581.

Rahmen der Künstlersprache entlehnt aus frz. pose ’Stellung’, zu frz. poser ’legen, stellen’, das auf l. po¯nere zurückgeht. Verb: posieren; im Bereich des Bodybuilding auch posen. Ebenso nndl. pose, ne. pose, nfrz. pose, nschw. pose; ÞPosition, ÞPositur, Þkomponieren. – DF 2 (1942), 608f.; Carstensen 3 (1996), 1092.

Position Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. positio (-o¯nis),

Abstraktum zu l. po¯nere (positum) ’setzen, stellen, legen’. Adjektiv: positionell. Ebenso nndl. positie, ne. position, nfrz. position, nschw. position, nnorw. posisjon. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 27; DF 2 (1942), 609f.; Röhrich 2 (1992), 1193; EWNl 3 (2007), 582.

potent

717 positiv Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. positif ’als

sicher feststehend, gesetzt’, dieses aus l. positı¯vus, zu l. po¯nere (positum) ’setzen, stellen, legen’. Der Positiv nach spl. gradus positı¯vus. Ebenso nndl. positief, ne. positive, nfrz. positif, nschw. positiv, nisl. po´sitı´fur; ÞPosition, Þkomponieren. – Schirmer (1912), 53; DF 2 (1942), 610–612; Ganz (1957), 177; Schalk (1966), 96–118; HWPh 7 (1989), 1106–1122; EWNl 3 (2007), 582f.

Positur Sf ’Stellung, Haltung’ erw. fremd. (17. Jh.). Ent-

Posten Sm std. (15. Jh.). In zwei Schüben entlehnt aus it.

posta ’festgesetzt’ (ÞPost): 1) im 15. Jh. als kaufmännischer Terminus (Posten auf einer Rechnung usw.), eigentlich l. posita summa f. ’festgesetzte Summe’. 2) im 18. Jh. für ’militärische Wache’ aus der Bedeutung ’Standort, Position’. Verb: postieren. Ebenso nndl. post, ne. post, nfrz. poste, nschw. post, nnorw. post; ÞPosition, Þkomponieren. – Schirmer (1911), 145; Schirmer (1912), 53; DF 2 (1942), 616f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 268; Röhrich 2 (1992), 1194; EWNl 3 (2007), 583.

lehnt aus l. positu¯ra ’Stellung, Lage’, einer Ableitung von l. positus, dem PPP. von l. po¯nere ’setzen, stellen, Poster Sn ’Plakat zur Verschönerung von Wänden’ per. legen’. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. poster, zu ne. post Ebenso nndl. postuur, ne. posture, nfrz. posture, nschw. positur, ’(an einem Pfosten) anschlagen’, zu ne. post nnorw. positur; ÞPosition. – DF 2 (1942), 612f. ’Pfosten, Pfahl’, aus l. postis m. Posse Sf (auch Possen m.) std. (16. Jh.). Zunächst MasEbenso nndl. poster, ne. poster, nfrz. poster, nschw. poster, nnorw. poster; ÞPfosten. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 762; kulinum (das Femininum ist aus dem häufigen Plural Carstensen 3 (1996), 1093; EWNl 3 (2007), 584. rückgebildet). Daneben besteht die wohl ursprünglichere Bedeutung ’in Stein gemeißelte Figur’ (diese posthum Adj Þpostum. waren häufig Fratzen). Deshalb offenbar aus frz. bosse Postille Sf ’Predigtbuch, Erbauungsbuch’ per. arch. ’Erhabenheit’ (frz. ouvrage a` bosse ’erhabenes Bild’), (16. Jh.). Entlehnt aus ml. postilla, univerbiert aus post it. bozzo m. ’Höcker, Beule’. Auf den ursprünglichen illa verba sacrae scripturae ’nach diesen Worten der Bereich der Steinhauerei weisen auch noch die WenHeiligen Schrift’, dem üblichen Anfang der Predigt dungen Possen reißen, schneiden. Hierher auch nach dem zuvor verlesenen Text. Þpossierlich. Ebenso ne. boss. – Princi Braccini, G. AION-G 27 (1984), 135–205; Röhrich 2 (1992), 1193; EWahd 2 (1998), 253–255.

possessiv Adj ’besitzanzeigend’ per. fach. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus l. possessı¯vus, zu l. possı¯dere ’besitzen’, zu l. potis ’vermögend, mächtig’ und l. sede¯re ’verbleiben, sitzen’. Ebenso nndl. possessief, ne. possessive, nfrz. possessif, nschw. possessiv, nnorw. possessiv; Þpotent, ÞResidenz. – DF 2 (1942), 613f.

possierlich Adj ÞPosse. Post Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus it. posta, das eigent-

Ebenso nndl. postille, nschw. postilla, nisl. postilla. – DF 2 (1942), 617f.

Postillion Sm ’Kutscher einer Postkutsche’ erw. obs.

(16. Jh.). Entlehnt aus frz. postillon, dieses aus it. postiglione, zu it. posta f. ’Post’. Ebenso nndl. postiljon, nfrz. postillon, nschw. postiljon, nnorw. postiljong; ÞPost. – DF 2 (1942), 618f.

postulieren Vsw ’fordern’ erw. fremd. (15. Jh.). Entlehnt

aus l. postula¯re, zu l. poscere ’haben, wollen, verlangen, fordern’. Abstraktum: Postulat. Ebenso nndl. postuleren, ne. postulate, nfrz. postuler, nschw. postulera, nnorw. postulere. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þforschen. – Schirmer (1912), 53; DF 2 (1942), 619f.; HWPh 7 (1989), 1146–1157.

lich einen ’festgelegten Ort’ meint (l. posita ’festgelegt’). So wurden die Wechselstationen des frühen Postwesens genannt, an denen Boten und Pferde ge- postum Adj ’nach dem Tode (veröffentlicht)’, auch mit wechselt wurden. Mit der Sache hat sich die heutige Sekundärmotivation Þposthum (mit Anschluss an l. Bedeutung entwickelt. humus ’Erde’) per. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus l. Ebenso nndl. post, ne. post, nfrz. poste, nschw. post, nisl. po´stur; postumus ’letzter, letztes Werk’, Superlativ zu l. postÞkomponieren. – DF 2 (1942), 615; Röhrich 2 (1992), 1193f.; erus ’nachfolgend’. EWNl 3 (2007), 583. post- Präfix ’nach, hinter’ (z.B. postdatieren, Postposi-

tion) erw. bildg. (–). Wurde in lateinischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen, sein Ursprung ist l. post Präp./Adv. Im Fachwortschatz produktiv. Cottez (1980), 345f.; Kinne, M.: Die Präfixe post-, prae- und neo- (Tübingen 2000); EWNl 3 (2007), 583.

Postament Sn ’Unterbau, Sockel’ per. fach. (16. Jh.).

Neoklassische Bildung zu it. postare ’hinstellen’, dieses aus l. po¯nere (positum) ’stellen, hinlegen’. Ebenso nndl. postament, nschw. postament, nnorw. postament; Þkomponieren.Ersatzwort ist Fußgestell. – DF 2 (1942), 615f.

Ebenso nndl. postuum, ne. posthumous, nfrz. posthume, nschw. postum, nnorw. posthum. – DF 2 (1942), 621; EWNl 3 (2007), 584.

postwendend Adv std. (19. Jh.). Bezogen auf die alte

ÞPost mit Pferden: die Antwort wird der zurückkehrenden Postkutsche mitgegeben. Ebenso nndl. per kerende post, ne. by return of post, nfrz. par retour du courrier. Vgl. Þumgehend.

potent Adj ’stark, mächtig, zeugungsfähig’ per. fremd.

(19. Jh.). Entlehnt aus l. pote¯ns (-entis), dem PPräs. von l. *potere ’mächtig sein’, zu l. potis ’vermögend, mächtig’. Die Bedeutung ’zeugungsfähig’ ist rückgebildet aus Þimpotent. Abstraktum: Potenz.

Potentat Ebenso nndl. potent, ne. potent, nschw. potent, nnorw. potent; ÞDespot, Þpossessiv. – DF 2 (1942), 622; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 401; Ris, R. NPhM 71 (1970), 357–372; HWPh 7 (1989), 1167–1172; EWNl 3 (2007), 585.

Potentat Sm ’Machthaber, Herrscher’ per. fremd.

(16. Jh.). Entlehnt aus l. potenta¯tus m., abgeleitet von l. pote¯ns ’mächtig’. Ebenso nndl. potentaat, ne. potentate, nfrz. potentat, nschw. potentat, nnorw. potentat; Þpotent. – DF 2 (1942), 622; Ris, R. NPhM 71 (1970), 357–372.

Potential Sn ’Wirkungsmöglichkeit’ per. fremd.

718

aufgeschwollen’ o.ä. bedeutet. Hierzu gibt es einiges Denkbare, aber ohne ausreichende Sicherheit. EWNl 3 (2007), 586.

potz Interj erw. obs. (15. Jh.). In Flüchen als Entstellung

von Gottes (Potz marter = Gottes Marter, gemeint ist das Leiden Christi). Potztausend ist eine Steigerung von potz-sieben-schlapperment (bezogen auf die Sakramente). Vgl. frz. parbleu für par dieu, ne. good gracious für god gracious. – Schulz, H. ZDW 10 (1908/09), 154–157; Röhrich 2 (1992), 1194.

(19. Jh.). Entlehnt und substantiviert aus l. potentia¯lis Poularde Sf ’junges Masthuhn, Masthähnchen’ per. ’mächtig, wirksam’, dieses ist abgeleitet aus l. pote¯ns fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. poularde, zu frz. poule ’mächtig’ (Þpotent). Das Adjektiv ergibt, über das ’Huhn’, dieses aus l. pullus m. ’Jungtier, junges Französische entlehnt, potentiell. Huhn’. Ebenso nndl. potentiaal, ne. potential, nfrz. potentiel, nschw. potential, nnorw. potensial. – DF 2 (1942), 622f.

potenzieren Vsw ’vervielfältigen’ per. fach. (19. Jh.). Ab-

geleitet von Potenz ’Gewalt, Mächtigkeit’, in der mathematischen Bedeutung ’Produkt mehrerer gleicher Faktoren’. Ebenso ne. potentiate, nschw. potentiera, nnorw. potensere; Þpotent. – DF 2 (1942), 623f.

Potpourri Sn ’Zusammenstellung verschiedener Mu-

Ebenso nndl. poularde, ne. poulard(e), nfrz. poularde, nnorw. poulard. – DF 2 (1942), 625f.

poussieren Vsw ’den Hof machen, flirten’ erw. reg.

(19. Jh.). Entlehnt aus frz. pousser ’stoßen, vorantreiben’, aus l. pulsa¯re, einem Intensivum zu l. pellere (pulsum) ’stoßen, schlagen’. Die Bedeutung ’den Hof machen’ ist eine Sonderentwicklung der Studentensprache und geht wohl zurück auf ’eine Affäre vorantreiben’.

sikstücke’ u.ä. erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. Ebenso nndl. pousseren, ne. push; ÞPuls. – DF 2 (1942), 626f.; potpourri m. (speziell: ’Eintopf’, wörtlich ’Topf mit Brunt (1983), 430. Verfaultem’), zu frz. pot m. ’Topf’ und frz. pourrir prä- Präfix ’vor, voraus, voran’ (z.B. prädisponieren, ’faulen’. Es ist Lehnübersetzung zu span. olla podrida Prädetermination, ÞPräludium) erw. bildg. (–). f., der Bezeichnung eines Eintopfes. Wurde in lateinischen Entlehnungen ins Deutsche Ebenso nndl. potpourri, ne. potpourri, nfrz. pot-pourri, nschw. übernommen; sein Ursprung ist l. prae-. Im Fachpotpurri, nnorw. potpurri; ÞPott. – DF 2 (1942), 625. wortschatz produktiv. Pott Sm erw. reg. (16. Jh.). Aus dem Niederdeutschen: DF 2 (1942), 627f.; Cottez (1980), 347; Röhrich 2 (1992), 1195; mndd. pot, put, mndl. pot(t); entsprechend in mehKinne, M.: Die Präfixe post-, prae- und neo- (Tübingen 2000); reren Nachbarsprachen, ae. pott, anord. pottr. Aller EWNl 3 (2007), 588f. Wahrscheinlichkeit nach ein Lehnwort aus einer un- Präambel Sf ’feierliche Erklärung als Einleitung einer bekannten Sprache. Nach Brøndal späte EntwickUrkunde’ per. fach. (15. Jh.). Im Frühneuhochdeutlung aus ml. po¯tus ’Getränk, Trinkgefäß’. schen entlehnt aus ml. praeambulum n., zu spl. praeÞPotpourri. – Brøndal (1917), 169–171 = (1948), 179–181; Frings, Th. ZRPh 56 (1936), 371–374; Nörrenberg, E. NJ 71 (1948/50), 329f.; Hildebrandt, R. DWEB 3 (1963), 333–337; DEO (1982), 444; Röhrich 2 (1992), 1194; EWNl 3 (2007), 584f.

Pottasche Sf ’Laugensalz’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt

ambulus ’vorangehend’ zu l. ambula¯re ’gehen’ (ÞAllee) und l. prae-. Ebenso nndl. preambule, ne. preamble, nfrz. pre´ambule. – DF 2 (1942), 628.

Pracher Sm ’zudringlicher Bettler’ per. ndd. (16. Jh.), aus nndl. potasch (jetzt potas), das seit dem 16. Jh. mndd. pracher. Aus mndl. prachen ’zudringlich betbezeugt ist. Das Laugensalz wurde gewonnen, indem teln’. Vermutlich entlehnt aus poln. (dial.) procha gebrannte Pflanzenteile in einem Topf gekocht wur’das Betteln’, das mit fragen (ÞFrage) urverwandt ist. den. Zur Bezeichnungsgeschichte s. ÞAlkali. Ebenso nndl. potas, ne. potash, potassium carbonate, nfrz. potasse, nschw. pottaska, nisl. pottaska. – Lüschen (1979), 167f.

Pottwal Sm erw. fach. (18. Jh.). Älter nndl. potswal

(16. Jh.), ebenso potvisch und potshoofd. Letzteres ist im Flämischen die Aalquappe, und diese heißt auf ae. (u.a.) ¢ ¯ lepu¯ta, ne. eelpout, vgl. nndl. puitaal (zu einem g. *pu¯ta- ’Frosch’). Es ist deshalb nicht wahrscheinlich, dass der erste Bestandteil ÞPott ’Topf’ ist; es muss sich um ein Wort handeln, das ’groß,

Ebenso ndn. prakker, nschw. pracka, nisl. prakkari. – Wick (1939), 45f.; Eichler (1965), 104.

Pracht Sf std. (8. Jh.), mhd. braht m./f. ’Lärm, Ge-

schrei’, ahd. braht, as. braht m. Aus vd. *brahta-, neben dem ae. bearhtm m., as. brahtum m. ’Lärm, Menge’ stehen. Offenbar urverwandtes l. suffra¯gium n. ’Abstimmung, Beifall’ zeigt, dass von ’zustimmender Lärm, Akklamation’ auszugehen ist. Die junge Bedeutungsentwicklung wohl unter Einfluss von Þprangen.

Präliminarien

719 Þprahlen, ÞPrunk. – Röhrich 2 (1992), 1195; EWahd 2 (1998), 283–285; EWNl 3 (2007), 586.

Prädikat Sn erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus ml. prae-

dicatum ’Rangbezeichnung’, dem substantivierten PPP. von l. praedica¯re (praedica¯tum) ’öffentlich ausrufen, bekanntmachen, äußern, erklären, behaupten, vorhersagen’, zu l. dica¯re ’feierlich sprechen’ und l. prae-, einem Intensivum zu l. dı¯cere ’sprechen’. Die grammatische Bedeutung aus ’Aussage’. Adjektiv: prädikativ. Ebenso nndl. predikaat, ne. predicate, nfrz. pre´dicat, nschw. predikat, nnorw. predikat; Þdiktieren. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 85f.; HWPh 7 (1989), 1194–1211; EWNl 3 (2007), 589.

Präfekt Sm ’hoher Verwaltungsbeamter, Vorste-

her’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. praefectus, dem substantivierten PPP. von l. praeficere ’vorsetzen’, zu l. facere ’machen’ (Þinfizieren) und l. prae-. Ebenso nndl. prefect, ne. prefect, nfrz. pre´fet, nschw. prefekt, nnorw. prefekt. – DF 2 (1942), 632.

Präferenz Sf ’Vorliebe’ per. fremd. (17. Jh.). Entlehnt

aus frz. pre´fe´rence, zu frz. pre´fe´rer ’vorziehen’, dieses aus l. praeferre, zu l. ferre ’tragen’ und l. prae-. Ebenso ne. preference, nfrz. pre´fe´rence, nschw. preferens, nnorw. preferanse; ÞDifferenz. – DF 2 (1942), 632f.; EWNl 3 (2007), 589f.

Präfix Sn ’vorangestelltes Wortbildungselement’ per.

prägnant Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. pre´gnant

(älter: ’trächtig’), aus l. praegna¯ns (-antis) ’voll, strotzend, schwanger, trächtig’, zu l. (g)na¯scı¯ ’geboren werden’, das mit l. genus ’Geschlecht, Art’ verwandt ist, und l. prae-. Die Bedeutung ’knapp, treffend’ entsteht aus ’gehaltvoll’, wohl auch in Anlehnung an Þprägen. Abstraktum: Prägnanz. Ebenso nndl. pregnant, ne. pregnant, nschw. pregnant, nnorw. pregnant. – DF 2 (1942), 634f.; HWPh 7 (1989), 1249f.; Strauss u.a. (1989), 692–694; EWNl 3 (2007), 590.

prahlen (auch pro¯len) Vsw std. (16. Jh.), mndd. pralen

’viel sprechen’. Zu mndd. pra¯l ’Lärm, Prunk’. Herkunft unklar. Wahrscheinlich liegt ein Schallwort zugrunde, das über ’brüllen, grölen’ zu der heutigen Bedeutung gekommen ist. Abstraktum: Prahlerei; Adjektiv: prahlerisch. Vgl. auch ÞPracht. – Bahder (1925), 112–114; EWNl 1 (2003), 370; EWNl 3 (2007), 587f.

Prahlhans Sm std. (17. Jh.). Mit dem typisierend ver-

wendeten Personennamen ÞHans gebildet. Ebenso ndn. pralhans, nnorw. pralhans. – Kluge (1913), 32f.

Prahm Sm (Prähme f.) ’Fährkahn’ per. ndd. (14. Jh.),

mndd. pra¯m m. Entlehnt aus cˇech. pra´m m. ’Fahrzeug, Schiff’, einer Weiterbildung zu der Entsprechung der unter Þfahren behandelten Wurzel. Ebenso nndl. praam, ne. pra(a)m, nschw. pra˚m, nnorw. pram. – Kluge (1911), 623f.; Eichler (1965), 105; RGA 23 (2003), 363–367.

fach. (17. Jh.). Entlehnt aus ml. praefixum, substantiviert aus dem PPP. von l. praefı¯gere ’vorne anheften’. Praktik Sf ’Verfahrensweise, Methode’ std. (15. Jh.). Verb: präfigieren. Entlehnt aus ml. practica, dieses aus spl. practice, aus Ebenso nndl. prefix, ne. prefix, nfrz. pre´fixe, ndn. pr¢fiks, gr. pra¯ktike¯´ (te´chne¯) ’Wissen um praktisches Handeln nnorw. prefiks; ÞAffix, Þprä-. – DF 2 (1942), 633. und Tun’, zu gr. pra¯ktiko´s ’tätig, zu Geschäften taugprägen Vsw std. (8. Jh.), mhd. pr¢ch(en), br¢chen, ahd. lich, wirksam’, zu gr. pra¯´ssein ’tun, vollbringen’. Das bra¯hhen. Vergleichbar ist ae. abracian ’einpressen’, Praktikum ist eine ’Übung in einer bestimmten Betäostfr. prakken ’pressen’. Lautlich kann an Þbrechen tigung’; praktizieren ist im wesentlichen auf die Beangeschlossen werden, doch lassen sich die Bedeurufsausübung des Arztes eingeschränkt. Adjektiv: tungen nicht ohne weiteres verknüpfen. Falls mit ig. praktisch. *mreg- zu rechnen ist, kommen gr. ame´rgo¯ ’streife ab, Ebenso nndl. praktijk, ne. practice, nfrz. pratique, nschw. prakpresse aus’ und ai. marj- ’reinigen, abstreifen’, mndd. tik; ÞPragmatik, ÞPraxis. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), morken ’zerdrücken’ zum Vergleich in Frage. Ab401; Miettinen, E. NPhM 65 (1964), 1–43. strakta: Prägung, Gepräge; Partikelverb: einprägen. Prälat Sm ’kirchlicher Amtsträger’ per. fach. (13. Jh.), Röhrich 2 (1992), 1195f.; Heidermanns (1993), 140f. mhd. pre¯la¯t[e]. Ist entlehnt aus ml. praelatus, eigentPragmatik Sf ’Ausrichtung auf Nützliches, Lehre vom lich ’Vorgesetzter, Vorzüglicher’, dem substantiviersprachlichen Handeln’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt ten PPP. von l. praeferre (praela¯tus) ’vorziehen, vor´ aus gr. pra¯gmatike¯ (te´chne¯) ’Wissen um das richtige tragen’, zu l. ferre ’tragen’ und l. prae-. Handeln’, zu gr. pra¯gmatiko´s ’tüchtig, in StaatsgeEbenso nndl. prelaat, ne. prelate, nfrz. pre´lat, nschw. prelat, schäften erfahren’, zu gr. pra˜gma n. ’Handeln, Tun’, nisl. prela´ti. Die Verwandtschaft des Stammes l. ferre ist unter zu gr. pra¯´ssein ’tun, vollbringen’. Die linguistische ÞDifferenz behandelt, die von l. tuli unter Þtolerieren. Zu dem Stamm la¯tum gehören noch ÞOblate und die Weiterbildungen Bedeutung im 20. Jh. aus ne. pragmatics. Das Adjektiv ÞAblativ, ÞElativ, ÞSuperlativ, Þrelativ; ÞLegislatur. – DF 2 pragmatisch schon seit dem 17. Jh. Ebenso nndl. pragmatisch, ne. pragmatic, nfrz. pragmatique, nschw. pragmatisk, nnorw. pragmatisk; ÞPraktik. – DF 2 (1942), 633f.; Kuhn, A. FS Wartburg (1958), 478–481; KühneBertram, G. AB 27 (1983), 158–186; Rey-Debove/Gagnon (1988), 765f.; HWPh 7 (1989), 1234–1249; Belardi, W. AANL 1990, 99–109.

(1942), 637.

Präliminarien Spl ’Vorverhandlungen’ per. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus l. praeliminaria zu l. lı¯men ’Schwelle’, also ’das vor der Schwelle Liegende’. Ebenso nndl. preliminairen, ne. preliminary, nfrz. pre´liminaire, nschw. (Adj.) preliminär, nnorw. prelimin¢r. – DF 2 (1942), 637f.

Praline

720

Praline Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. praline, ur-

Þprangen. – Seebold (1970), 364; Schröter, U. in Dückert

(1976), 215–261; Röhrich 2 (1992), 1196f. sprünglich ’gebrannte Mandel’, so benannt nach dem französischen Marschall Plessis-Praslin (17. Jh.), für Pranke Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus einer romanischen den sein Koch diese Süßigkeit herstellte; dann VerallSprache als Nachfolger von ml. branca gleicher Begemeinerung auf weitere Süßigkeiten mit Füllung deutung, das wohl keltischen Ursprungs ist. Falls und Schokoladenüberzug. *wr- vorausliegt, kann lit. ranka`, akslav. ro¸ka ’Hand’ Ebenso nndl. praline, ne. praline, nschw. pralin. – DF 2 (1942), verglichen werden. 638; EWNl 3 (2007), 588.

prall Adj std. (18. Jh.). Entnommen aus dem Nieder-

deutschen. Mit der Bedeutung ’so, dass es zurückfedern kann’ gebildet aus Þprallen. prallen Vsw std. (16. Jh.). Mhd. prellen ist abweichend

gebildet. Herkunft unklar, vielleicht Schallwort. Þprall, Þprellen.

Präludium Sn ’Vorspiel’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus

l. praelu¯dium, zu l. praelu¯dere ’vorspielen, ein Vorspiel machen’, zu l. lu¯dere ’spielen’ und l. prae-. Ebenso nndl. preludium, ne. prelude, nfrz. pre´lude, nschw. preludium, nisl. prelu´dı´a; ÞIllusion. – DF 2 (1942), 638f.

Prämie Sf ’zusätzliche Vergütung’ erw. fach. (16. Jh.).

Entlehnt aus l. praemia Pl., zu l. praemium n. ’Belohnung, Auszeichnung’, zu l. emere (e¯mptum) ’nehmen, kaufen, erstehen’ und l. prae-. Verb: prämiieren. Ebenso nndl. premie, ne. premium, nschw. premie, nnorw. premie; ÞExempel. – Schirmer (1911), 146; DF 2 (1942), 639f.

Prämisse Sf ’Voraussetzung’ per. fach. (19. Jh.). Ent-

lehnt aus l. praemissio (-o¯nis), eigentlich ’das Vorausgeschickte’, zu l. praemittere (praemissum) ’vorausschicken’, zu l. mittere ’schicken, senden’ und l. prae-. Ebenso nndl. premisse, ne. premise, nfrz. pre´misse, nschw. premiss, nnorw. premiss; ÞMission. – DF 2 (1942), 640f.; HWPh 7 (1989), 1255f.

prangen Vsw std. (14. Jh.), spmhd. brangen, prangen,

mndd. prangen. Zu mhd. branc, pranc, mndd. prank ’Prahlerei, Prunk’. Ursprünglich niederdeutsche Sippe unklarer Herkunft. Vielleicht über eine Bedeutung ’drängen’ zu der unter ÞPranger dargestellten Sippe. Zu beachten ist gr. brenthy´omai ’brüste mich, gebärde mich anmaßend’ (aus ig. *breng wh-?). Abstraktum: Gepränge. ÞPracht, ÞPrunk. – Lühr (1988), 97–99.

Pranger Sm ’Schandsäule mit Halseisen, an die der

präparieren Vsw ’haltbar machen, vorbereiten, her-

richten’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus l. praepara¯re ’vorbereiten, bereithalten, im voraus zubereiten’, zu l. para¯re ’bereiten, zubereiten’ und l. prae-. Die Bedeutung ’haltbar machen’ entsteht in medizinisch-naturwissenschaftlichem Zusammenhang, wo präparieren das Vorbereiten von pflanzlichen (usw.) Körpern für Unterrichts- und Untersuchungszwecke meint. Hierzu Präparat. Abstraktum: Präparation; Nomen Agentis: Präparator. Ebenso nndl. prepareren, ne. prepare, nfrz. pre´parer, nschw. peparera, nnorw. preparere; Þparat. – DF 2 (1942), 642f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 401; Buntz (1973); EWNl 3 (2007), 591.

Präposition Sf ’Verhältniswort’ erw. fach. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus l. praepositio, eigentlich ’Voransetzung’. Ebenso nndl. prepositie, ne. preposition, nfrz. pre´position, nschw. preposition, nnorw. preposisjon; ÞPosition, Þprä-. – DF 2 (1942), 644.

Prärie Sf ’Grassteppe’ erw. exot. (19. Jh.). Entlehnt aus

frz. prairie, einem Kollektivum zu frz. pre´ m. ’Wiese’, dieses aus l. pra¯tum n. Ebenso nndl. prairie, ne. prairie, nfrz. prairie, nschw. prärie, nnorw. pr¢rie. – DF 2 (1942), 644f.; EWNl 3 (2007), 586f.

Präsens Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. (tempus) prae-

se¯ns (wörtlich ’gegenwärtige Zeit’), zu l. praese¯ns ’gegenwärtig, jetzig, offenbar’, zu l. prae ’da, bei der Hand’ und l. -se¯ns ’seiend’, dem (archaischen) PPräs. von l. esse ’sein, vorhanden sein’. Präsentieren ist demnach ’gegenwärtig machen, vorzeigen, darbieten’; dazu Präsent (ursprünglich: ’aus Ehrerbietung dargebrachte Gabe’). Die Präsenz ist das ’Zugegensein’. Ebenso nndl. presens, ne. present, nfrz. pre´sent, nschw. presens, nnorw. presens; ÞEssenz. – Leser, E. ZDW 15 (1914), 61; HWPh 7 (1989), 1259–1265; Strauss u.a. (1989), 694–697 (zu präsent); HWPh 7 (1989), 1256f. (zu Präsentation); EWNl 3 (2007), 591f.

Präservativ Sn ’Kondom’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt Schuldige geschlossen und zur Schau gestellt wird’ aus frz. pre´servatif m., einer Ableitung von frz. pre´(heute nur noch übertragen) erw. obs. (14. Jh.). Zuserver ’schützen, bewahren’, dieses aus spl. praesernächst in mndd. pranger, seit dem 16. Jh. als pranger, va¯re ’vorher beobachten’, zu l. serva¯re ’achtgeben, branger, z.T. auch fnhd. pfranger. Zu einer Grundlaaufpassen, verhüten, bewahren’ und l. prae-. ge, die in gt. anapraggans ’bedrängt’, mhd. pfrengen Ebenso nndl. preservatief, ne. preservative, nschw. preservativ; ’bedrücken, bedrängen’, mndd. prangen ’drücken, Þkonservieren. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 402. klemmen’ vorliegt. Der Pranger ist also gewissermaßen als ’Einspannung’ bezeichnet. Außergermanisch Präsident Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. pre´sident, dieses substantiviert aus l. praeside¯ns (-entis) vergleicht sich am ehesten lit. spren˜gti ’pressen, drän’voranstehend, befehligend’, dem PPräs. von l. praegen, drücken’ unter der Annahme des sekundären side¯re ’den Vorsitz haben, leiten, befehligen’, zu l. Abfalls von anlautendem s im Germanischen (oder sede ¯re ’sitzen’ und l. prae-. Verb: präsidieren; Kollekist Þwringen zu vergleichen?). Partikelableitung: tivum: Präsidium. anprangern.

preisen

721 Ebenso nndl. president, ne. president, nfrz. pre´sident, nschw. president, nnorw. president; ÞResidenz. – EWNl 3 (2007), 592.

prasseln Vsw std. (15. Jh.). Zuvor mhd. brasteln, pras-

Präzedenzfall Sm ’beispielhaftes (erstes) Vorkomm-

nis’ erw. fach. (19. Jh.). Gebildet mit l. praece¯de¯ns ’vorangehend’, dem PPräs. von l. praece¯dere ’vorangehen’, zu l. ce¯dere ’gehen, weichen’ und l. prae-.

teln, es ist also eine Konsonantenfolge erleichtert worden. Das Wort ist wie ae. brastlian ein Intensivum zu ahd. brasto¯n, mhd. brasten ’krachen’, das wohl Ebenso nndl. precedent, ne. precedent, nfrz. pre´ce´dent, nschw. precedensfall, nnorw. presedens; ÞAbszess. weiter zu dem unter Þbersten behandelten Verb gehört. Der Anlaut p- erscheint erst im Neuhochdeut- präzise Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. pre´cis, dieses schen. aus l. praecı¯sus ’kurz gefaßt’, dem PPP. von l. praecı¯dere (praecı¯sum) ’vorn abschneiden, kurz fassen prassen Vsw std. (16. Jh., zunächst brassen), mndd. abkürzen’, zu l. caedere ’hauen, schlagen, anschneibrassen. Weitere Herkunft unsicher. Eine Entlehnung den’ und l. prae-. Abstraktum: Präzision; Verb: aus frz. brasser ’brauen, vermengen’ ist nicht ausgepräzisieren. schlossen, doch liegt vermutlich auch eine Vermischung mit einer Schallwurzel vor. Einzelheiten bleiEbenso nndl. precies, ne. precise, nfrz. pre´cis, nschw. precis, nnorw. presis; Þdezidiert. – EWNl 3 (2007), 589. ben unklar. Nomen Agentis: Prasser; Präfigierung: verprassen. predigen Vsw std. (8. Jh.), mhd. predi(g)en, ahd. preEWNl 1 (2003), 374. di(g)on, bredigon, mndd. predeken. Entlehnt aus l. praedica¯re ’öffentlich verkünden’, Intensivum zu l. prätentiös Adj ’anmaßend, Ansprüche stellend’ per. dı¯cere ’sagen’ (Þdiktieren) mit l. prae-. Abstraktum: fremd. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. pre´tentieux, zu frz. ÞPredigt; Täterbezeichnung: Prediger. pre´tention ’Anspruch’, einer Ableitung von frz. pre´Ebenso nndl. prediken, preken, ne. preach, nfrz. preˆcher, nschw. tendre ’behaupten, Anspruch erheben’, aus l. praetenpredika, nisl. pre´dika. – EWNl 3 (2007), 590f. dere ’vormachen, vorschützen, vorgeben’, zu l. tendere (te¯nsum, tentum) ’spannen, ausspannen, ausdeh- Predigt (älter obd. Predig) Sf std. (9. Jh.), mhd. predige, nen’ und l. prae-. bredige, ahd. prediga, brediga. Entlehnt aus ml. predica ’öffentlicher Vortrag, Predigt’. Daneben mit Ebenso nndl. pretentieus, ne. pretentious, nfrz. pre´tentieux, nschw. pretentiös, nnorw. pretensiøs; ÞTendenz. – DF 2 (1942), Dental mhd. prediga¯t, das ein früh-rom. *predica¯ta 648f. voraussetzt. Präteritum Sn ’Zeitform der Vergangenheit’ per. fach. Ebenso nndl. preek, predikatie, nschw. predikan, nisl. pre´dikum; Þpredigen, Þdiktieren. – DF 2 (1942), 653; Benware, W. A. (17. Jh.). Entlehnt aus l. (tempus) praeteritum BGDSL-T 101 (1979), 346; Röhrich 2 (1992), 1197. ’vergangene (Zeit)’, dem PPP. von l. praeterı¯re (praeteritum) ’vorbeigehen, vorübergehen’, zu l. praeter Preis Sm std. (13. Jh.). In allen Bedeutungen entlehnt ’vorbei, vor’ und l. ¯ıre ’gehen’ (ÞExitus). aus frz. prix, das auf l. pretium n. ’Kaufpreis’ zurückEbenso ne. preterit(e), nfrz. pre´te´rit, nschw. preteritum, nnorw. geht. Zuerst mittelhochdeutsch als ’Wert’, dann auch preteritum. – DF 2 (1942), 650. ’Lob’ als Terminus des höfischen Lebens; dann im 15. Jh. nach dem Vorbild des Niederländischen auch Pratze Sf std. stil. (17. Jh.). Entlehnt aus it. braccio m. ’Kaufpreis’. Hierzu auch Þpreisen. ’Arm’, das l. bra(c)chium n. ’Unterarm’ fortsetzt. Ebenso nfrz. bras; Þbrachial.

präventiv Adj ’vorbeugend’ erw. fach. (19. Jh.). Ent-

Ebenso nndl. prijs, ne. price, nfrz. prix, nschw. pris, nnorw. pris; ÞPretiosen. – Lerch, E. RF 55 (1941), 57–82; Öhmann, E. ZM 26/27 (1958/60), 72–75; Miettinen (1962), 196–204; Röhrich 2 (1992), 1197f.; EWNl 3 (2007), 593f.

lehnt aus frz. pre´ventif, einer Neubildung zu l. praevenı¯re (praeventus) ’zuvorkommen’, zu l. venı¯re Preiselbeere (neben vielen mundartlichen Varianten) ’kommen’ (Þintervenieren) und l. prae-. Abstraktum: Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus obsorb. bruslica gleicher Prävention. Bedeutung, das zu russ.-kslav. (o)brusiti ’abstreiEbenso nndl. preventief, ne. preventive, nfrz. pre´ventif, nschw. chen’ gehört. Die Preiselbeeren wurden früher durch preventiv, nnorw. preventiv. Abkämmen mit einem besonderen Gerät geerntet. Praxis Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. pra¯xis ’VerfahEichler (1965), 105–107; Peters (1967); Bielfeldt, H. H. ZS ren’, dieses aus gr. pra˜xis, auch: ’Handeln, Tun, Be16 (1971), 704–716. schäftigung’, zu gr. pra¯´ssein ’tun, vollbringen’. Zupreisen Vst std. (13. Jh.), mhd. prisen, mndd. prisen, nächst entlehnt in der Bedeutung ’Tätigkeit, Verfahmndl. prisen. Zunächst Vsw., dann (schon seit dem ren’; im 18. Jh. dann als Gegenbegriff zu ÞTheorie 13. Jh.) starke Formen. Wie ÞPreis aus frz. prix ist ’Erfahrung, tatsächliche Betätigung’. Dazu dann auch preisen aus afrz. preisier ’schätzen, hochschätzen’, die Bedeutungsspezifizierung auf ’Tätigkeit bzw. Täauch ’rühmen’, entlehnt. tigkeitsräume von Ärzten und Anwälten’. Ebenso nndl. praktijk, ne. practice, nfrz. pratique, nschw. praxis, nnorw. praksis; ÞPraktik. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 402; HWPh 7 (1989), 1277–1307; EWNl 3 (2007), 587.

Ebenso nndl. prijzen, ne. praise, nfrz. appre´cier, nschw. prisa, nnorw. prise. – Miettinen (1962), 196f.; Öhmann, E. NPhM 64 (1963), 78; EWNl 3 (2007), 594.

preisgeben preisgeben Vsw std. (16. Jh.). Es übersetzt frz. donner

(en) prise und gehört deshalb zu ÞPrise. Eigentliche Bedeutung also ’zur Beute geben’. Ebenso nndl. prijsgeven, nschw. prisgiva, nnorw. prisgi.

prekär Adj ’sehr schwierig, heikel’ per. fremd. (18. Jh.).

722 Ebenso nndl. pressen, ne. press, nfrz. presser, nschw. pressa, nisl. pressa; ÞDepression.

pressieren Vsw ’eilig sein’ erw. reg. (17. Jh.). Entlehnt

aus frz. presser (Þpressen). Ebenso nndl. presseren, ne. press, ndn. presserende, nnorw.

presserende; Þpressant, ÞDepression. – DF 2 (1942), 655. Entlehnt aus frz. pre´caire (auch: ’bittend erlangt, unsicher’), dieses aus l. preca¯rius, eigentlich ’zum Bitten Presskopf Sm (auch Presswurst f.) ’das von Rinds- und gehörig’, zu l. preca¯rı¯ ’bitten, beten’, zu l. prex (precis) Schweinskopf abgelöste, gehackte, gekochte und ’Bitte’. Die Bedeutung ’heikel, schwierig’ als zusätzdann gepresste Fleisch’ erw. fach. (18. Jh.) liche Charakterisierung und Verallgemeinerung von Ebenso nndl. preskop. Situationen, in denen etwas nur auf Bitten hin gePrestige Sn ’Ansehen, Geltung’ erw. fremd. (19. Jh.). währt wurde. Entlehnt aus frz. prestige m., eigentlich ’Blendwerk, Ebenso nndl. precair, ne. precarious, nfrz. pre´caire, nschw. preNimbus’, dieses aus l. praestı¯gia f. ’Blendwerke, Gaukär, nnorw. prek¢r. Zur germanischen Verwandtschaft s. keleien’. In den Volkssprachen hat sich die positive ÞFrage. – DF 2 (1942), 653; EWNl 3 (2007), 589. Bedeutung ’Nimbus’ stärker durchgesetzt als die neprellen Vsw std. (13. Jh.), mhd. prellen. Eigentlich gative. ’einen Prall machen’ (zu Þprall und Þprallen). Die Ebenso nndl. prestige, ne. prestige, nfrz. prestige, nschw. presälteste Bedeutung ist ’mit einem gespannten Tuch tige, nnorw. prestisje. – DF 2 (1942), 655f.; HWPh 7 (1989), immer wieder hochwerfen’ (als Strafe oder zur Be1308–1310. lustigung). Dasselbe wurde auch mit gefangenen Pretiosen (auch Preziosen) Spl ’Kostbarkeiten’ per. Füchsen getan und mit der Wendung die Füchse prelfremd. (18. Jh.). Entlehnt aus l. pretio¯sa n. Pl., zu l. len (studentensprachlich) wird das Wort zu einem pretio¯sus ’kostbar’, zu l. pretium n. ’Preis’. Ausdruck für ’betrügen’ (vgl. die ÞZeche prellen). Die Ebenso nndl. preciosa, ne. preciousness, nfrz. pre´cieux, nschw. Einzelheiten des Bedeutungsübergangs sind unklar. Schulz, H. ZDW 9 (1907), 102–118; Röhrich 2 (1992), 1198–1201.

Premiere Sf ’Erstaufführung’ std. (19. Jh.). Entlehnt

aus frz. premie`re (repre´sentation), zu frz. premier ’erster’, aus vor-rom. prı¯marius ’erste von mehreren Personen’, aus l. prı¯ma¯rius ’einer der ersten, vornehm, ansehnlich’, zu l. prı¯mus, dem Superlativ von l. prior ’der erstere, vordere’. Ebenso nndl. premie`re, ne. premie`re, nfrz. premie`re, nschw. premiär, nnorw. premiere; ÞPrimus. – DF 2 (1942), 654.

preschen Vsw std. (19. Jh.). Ursprünglich niederdeut-

sches Wort zu mndd. bersen, barsen ’jagen’. Dies scheint aus Þpirschen entwickelt zu sein. pressant Adj ’eilig, dringend’ per. fremd. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. pressant, Partizip zu frz. presser. Ebenso nfrz. pressant; Þpressieren.

Presse Sf std. (12. Jh.), mhd. presse, ahd. p(f)ressa. Die

pretiosa, nnorw. pretiosa; ÞPreis. – DF 2 (1942), 657.

prickeln Vsw std. (18. Jh.). Aus dem Niederdeutschen

übernommen. Die hd. Entsprechung pfrecken begegnet vereinzelt im 15. Jh. Mndl. prikkelen, diminutiv zu prikken ’stechen’ oder denominativ zu prikkel ’Stachel, Reiz’. Mit -kk- auch mndd. pricken ’stechen’, mndd. pricke ’Stachel, Spitze’; sonst mit -k-: Mndd. prekel, mndl. prekel, ae. pricel ’Stachel, Spitze’ anord. prika ’Stange mit Spitze’; ae. prician ’stechen’. Herkunft unklar. Vielleicht Variante zu *pik-, für das aber Entlehnung anzusetzen ist (etwa Þpikant). Der Übergang von ’stechen’ zu ’reizen, prickeln’ u.ä. beruht teilweise auf einer metaphorischen Erfassung des Sinnesreizes, teilweise auf dem Brauch, Zugtiere mit einem Stachel ’anzustacheln’. EWNl 3 (2007), 594.

Priel Smf ’kleiner Wasserlauf am Watt’ per. ndd.

(18. Jh.). Herkunft unklar. älteste Bedeutung ist ’Kelter, Weinpresse’ und in dieEbenso auch nndl. priel. – Schwentner, E. NKB 46 (1933), ser ist das Wort entlehnt aus ml. pressa (zu l. premere 56–58. ’drücken, pressen’). Die Buchdruckerpresse wird nach Priem Sm ’Stück Kautabak’ per. arch. ndd. (18. Jh.). Eidem Vorbild von frz. presse so genannt (dieses ebengentlich ’Pflaume’, weil der Kautabak im Mund wie falls aus ml. pressa), ebenso die ’Gesamtheit der eine Backpflaume aussieht. Die Bezeichnung kam zuDruckschriften’ (später eingeengt auf die Gesamtheit nächst im Niederländischen auf (ndd. pruim, nndl. der Zeitungen und Zeitschriften). Eine gute/schlechte pruim ’Pflaume’; ÞPflaume). Presse haben nach dem Englischen. Ebenso nndl. pers, ne. press, nfrz. presse, nschw. press, nnorw. presse; ÞDepression. – GB 4 (1978), 899–927; Carstensen 3 (1996), 1101f.; EWNl 3 (2007), 528f.; RGA 23 (2003), 414f.

pressen Vsw std. (8. Jh.), mhd. pressen, ahd. presso¯n.

Entlehnt aus l. pressa¯re, einer Intensivbildung zu l. premere ’drücken, pressen’. Die ÞPresse ist eine davon zunächst unabhängige Entlehnung.

Richter, E. in: Wirtschaftslinguistik (1932), 273–276.

Priester Sm std. (9. Jh., priestarlih 8. Jh.), mhd. priester,

ahd. priester, pre¯star, as. pre¯star. Wie afr. pre¯ster(e) entlehnt aus einem dem frz. preˆtre vorausgehenden pre¯stre. Dieses ist über l. presbyter entlehnt aus gr. presby´teros ’der Ältere’ (zu gr. pre´sbys ’alt’). So bezeichnet werden zunächst die Gemeindevorsteher in

privat

723

der Anrede; mit der Stellung der so Bezeichneten ent- Prinz Sm std. (13. Jh.). Entlehnt aus frz. prince ’Fürst’, wickelt sich die Bedeutung. das auf l. prı¯nceps ’Erster, Vornehmster, Fürst’ zurückgeht (ÞPrinzip). Die Bedeutung ’Fürstensohn’ Ebenso nndl. priester, ne. priest, nfrz. preˆtre, nschw. präst, nisl. prestur. – DF 2 (1942), 659; EWNl 3 (2007), 593; RGA 23 (2003), kommt erst im Laufe des 17. Jhs. auf. 424–435.

prima Adj std. stil. (19. Jh.). Entlehnt aus Fügungen wie

Ebenso nndl. prins, ne. prince, nfrz. prince, nschw. prins, nisl. prins; ÞPrimus, Þkapieren. – EWNl 3 (2007), 595.

it. prima sorte ’beste Warensorte’, zu it. primo Prinzip Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. prı¯ncipium ’erster’, aus l. prı¯mus, dem Superlativ von l. prior ’der ’Grund, Grundlage, Anfang, Ursprung’, zu l. prı¯nceps erstere, vordere’. m. ’der Erste, der Vornehmste’, zu l. prı¯mus, dem Superlativ von l. prior ’der erstere, vordere’, und l. capere Ebenso nndl. prima, ne. prime, nschw. prima, nnorw. prima; ÞPrimus. – DF 2 (1942), 659f.; EWNl 3 (2007), 595. ’besetzen, ergreifen’. Adjektiv: prinzipiell. Ebenso nndl. principe, ne. principle, nfrz. principe, nschw. prinPrimadonna Sf ’erste Sängerin, hochempfindlicher cip, nisl. prinsı´p; ÞPrimus, Þkapieren. – HWPh 7 (1989), Mensch’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it. prima 1336–1373; Röhrich 2 (1992), 1202. donna, eigentlich ’erste Dame’. Ebenso nndl. primadonna, ne. prima donna, nfrz. prima donna, Prior Sm ’Klostervorstand’ per. fach. (13. Jh.). Entlehnt nschw. primadonna, nisl. prı´madonna; ÞPrimus, ÞDame 1. – aus l. prior, eigentlich ’der Erste, Vordere’, KompaDF 2 (1942), 660. rativ neben dem Superlativ l. prı¯mus ’erster’. Ebenso nndl. prior, ne. prior, nfrz. prieur, nschw. prior, nisl. primär Adj ’vorrangig’ per. fremd. (19. Jh.). Entlehnt prı´or. – DF 2 (1942), 665; EWNl 3 (2007), 595. aus frz. primaire. Ebenso nndl. primair, ne. primary, nfrz. primaire, nschw. pri- Priorität Sf ’Vorrang, Stellenwert’ erw. fremd. (17. Jh.). mär, nnorw. prim¢r; ÞPrimus, ÞPremiere. – DF 2 (1942), 660. Entlehnt aus frz. priorite´, aus l. prioritas ’Vorrang’, Abstraktum zu l. prior ’vorder’. Primel Sf std. (18. Jh.). Eingedeutscht aus ml. primula Ebenso nndl. prioriteit, ne. priority, nfrz. priorite´, nschw. priveris ’Erste des Frühlings’ (zu l. prı¯mus ’erster’). Ebenso nndl. primula, ne. primrose, nfrz. prime-ve`re, nschw. primula, nnorw. primula; ÞPrimus. – Cottez (1980), 347f.; Röhrich 2 (1992), 1202.

primitiv Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. primitif, die-

ses aus l. prı¯mitı¯vus ’das erste in seiner Art’, zu l. prı¯mus, dem Superlativ von l. prior ’der erstere, vordere’. Das Erste wird verstanden als das Urtümliche, insbesondere als etwas, das noch nicht durch weitere Bearbeitung und Entwicklung kultiviert worden ist. Ebenso nndl. primitief, ne. primitive, nschw. primitiv, nisl. prı´mitı´fur; ÞPrimus. – DF 2 (1942), 662f.; HWPh 7 (1989), 1315–1320.

Primiz Sf ’erste Messe eines Priesters’ per. fach. (19. Jh.).

Übertragen und entlehnt aus l. prı¯mitiae f. Pl. ’den Göttern dargebrachte Erstlinge der Früchte’. Dieses zu l. primus ’erster’ (ÞPrimus). DF 2 (1942), 663f.

Primus Sm ’Erster, Bester’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt

aus l. prı¯mus, dem Superlativ von l. prior ’der erstere, vordere’. Ebenso nndl. primus, ne. primus, nfrz. premier, nschw. primus, nisl. prı´mus; Þprima, Þprimär, ÞPrimadonna, ÞPrimiz; ÞPremiere, ÞPrimel, Þprimitiv, ÞPrinz, ÞPrinzip (usw.), ÞPriorität.

oritet, nnorw. prioritet; ÞPrimus, ÞPrior.

Prise Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. prise, im 16. Jh.

in der Bedeutung ’von einem Freibeuter aufgebrachtes Schiff’, im 18. Jh. als ’kleiner Griff Schnupftabak (und danach auch Salz u.ä.)’. Das französische Wort ist Verbalabstraktum zu frz. prendre ’nehmen, ergreifen’ (aus l. prehendere). Ebenso nndl. prijs, ne. prize, nschw. pris, nnorw. prise, pris; Þpreisgeben, ÞRepressalie, ÞReprise, ÞImpressario. – Kluge (1911), 628f.; DF 2 (1942), 665f.

Prisma Sn (ein lichtbrechender Körper) erw. fach.

(18. Jh.). Entlehnt aus l. prisma, dieses aus gr. prı˜sma, eigentlich ’das Zerschnittene’, zu gr. prı´zein ’sägen, zersägen’. Ebenso nndl. prisma, ne. prism, nfrz. prisme, nschw. prisma, nisl. prisma. – Schirmer (1912), 54; EWNl 3 (2007), 595f.

Pritsche Sf std. (12. Jh.), mhd. britze, brütsche, ahd. bri-

tissa. Kollektivbildung zu ÞBrett, sowohl in der Bedeutung ’einfache Liegestatt’ u.ä., nämlich ein Rost und darübergelegte Bretter, wie auch ’Narrenpritsche’ (die aus mehreren Lagen dünner Brettchen besteht). Verb: pritschen. Kluge (1926), 45f.; Röhrich 2 (1992), 1202; EWahd 2 (1998), 349; EWNl 1 (2003), 381f.

Printe Sf ’Bildgebäck’ per. reg. (19. Jh.). Kommt mit der privat Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. prı¯va¯tus, eigent-

Sache aus den Niederlanden. Nndl. prent bedeutet eigentlich ’Abdruck’; die Bezeichnung geht wohl darauf zurück, dass diese Pfefferkuchen als Heiligenfiguren gepresst waren. Das Wort selbst stammt wie ne. print aus afrz. preindre, das auf l. premere ’drücken, pressen’ (ÞPresse) zurückgeht. Ebenso ne. print, nnorw. prent.

lich ’abgesondert (vom Staat)’, dem PPP. von l. prı¯va¯re (prı¯va¯tum) ’berauben, absondern’, zu l. prı¯vus ’eigentümlich, eigen, einer Sache beraubt, für sich bestehend’. Verb: privatisieren. Ebenso nndl. prive´, ne. private, nfrz. prive´, nschw. privat, nnorw. privat; ÞPrivileg. – EWNl 3 (2007), 596.

Privileg

724

Privileg Sn ’Vorrecht’ erw. fach. (13. Jh.), mhd. prı¯vile¯g-

mer (1911), 148f.; GB 5 (1984), 1–16; HWPh 7 (1989), 1418–1438;

Carstensen 3 (1996), 1108f.; EWNl 3 (2007), 597. je, prı¯vilei[g]e. Ist entlehnt aus l. prı¯vile¯gium, eigentlich ’die Verordnung, die nur eine einzelne Person profan Adj ’weltlich, alltäglich’ erw. fach. (17. Jh.). Entbetrifft’, zu l. prı¯vus ’eigen, besonders’ und l. le¯x (le¯gis) lehnt aus l. profa¯nus, eigentlich ’vor dem heiligen Bef. ’Gesetz, Verordnung’. Verb: privilegieren. zirk liegend’, zu l. fa¯num ’ein heiliger, der Gottheit Ebenso nndl. privilegium, ne. privilege, nfrz. privile`ge, nschw. geweihter Ort’ und l. pro¯-. Verb: profanieren. privilegium, nnorw. privilegium; Þprivat. – Schirmer (1911), 148; DF 2 (1942), 667f.

pro- Präfix ’vor’ (z.B. ÞPrognose, Þprogressiv), ’zu je-

Ebenso nndl. profaan, ne. profane, nfrz. profane, nschw. profan, nnorw. profan; ÞFerien. – Welchering, P. AB 28 (1984), 63–99; HWPh 7 (1989), 1442–1446.

mandes Gunsten’ (z.B. proiranisch), ’an Stelle von’ Profession Sf ’Beruf’ erw. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus (z.B. ÞPronomen) und ’in Verhältnis zu’ (z.B. frz. profession, dieses aus l. professio ’öffentliche AnÞProportion) erw. bildg. (–). Wurde in lateinischen gabe’, zu l. profite¯rı¯ ’öffentlich angeben’ zu l. fate¯rı¯ und in griechischen Entlehnungen ins Deutsche ’bekennen’ und l. pro¯. Adjektiv: professionell. übernommen; der Ursprung ist l. pro¯ ’vor, für, zuProfessional ’Berufssportler’ (übernommen aus dem gunsten’ Präp. Adv., bzw. entsprechendes gr. pro´. Das Englischen) wird heute regelmäßig zu Profi gekürzt. Element ist häufig durchschaubar, aber nur in dem Ebenso nndl. professie, ne. profession, nfrz. profession, nschw. Typ pro-iranisch auch produktiv. profession, nnorw. profesjon. – Rey-Debove/Gagnon (1988), Cottez (1980), 348; Schmidt (1996), 76f.; EWNl 3 (2007), 596.

775, 778f.; Carstensen 3 (1996), 1109–1111; EWNl 3 (2007), 598.

probat Adj ’angemessen, tauglich, wirksam’ per. fremd. Professor Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. professor

(16. Jh.). Entlehnt aus l. proba¯tus, dem PPP. von l. proba¯re (proba¯tum) ’prüfen, untersuchen’, zu l. probus ’gut, tüchtig, brav’ und l. pro¯-. Ebenso nndl. probaat, ndn. probat, nnorw. probat; ÞProbe. – DF 2 (1942), 669.

Probe Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. proba ’Prüfung,

Versuch’, einer Rückbildung zu l. proba¯re ’prüfen’. Verben: proben, probieren. Ebenso nndl. proef, ne. proof, nfrz. ´epreuve, nschw. prov, nnorw. prøve; Þprobat, Þprüfen, Þapprobieren. – DF 2 (1942), 669; Röhrich 2 (1992), 1202f.; EWNl 3 (2007), 596.

’öffentlicher Lehrer’, zu l. profite¯rı¯ ’laut und öffentlich erklären’, zu l. fate¯rı¯ ’bekennen, gestehen, an den Tag legen’, zu l. fa¯rı¯ ’sprechen, kundtun’ und l. pro¯-. In der Antike Titel der Grammatiker und Lektoren; im Mittelalter gebräuchlicher Titel von Hochschullehrern. Seit dem 16. Jh. Titel von Lehrern an Lateinschulen. Abstraktum: Professur. Ebenso nndl. professor, ne. professor, nfrz. professeur, nschw. professor, nisl. pro´fessor; ÞProfession, Þfamos. – Nyström (1915), 121–124; Götze (1929), 11f.; Röhrich 2 (1992), 1203f.

Profil Sn std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. profil m., dieses

aus it. profilo m., einer Ableitung von it. profilare ’umreißen, den Umriss zeichnen’, zu it. filo m. lehnt aus l. proble¯ma, dieses aus gr. pro´ble¯ma, eigent’Strich, Linie, Faden’, aus l. fı¯lum ’Faden’. Profiliert lich ’das Vorgelegte’, zu gr. proba´llein ’vorwerfen, vorheißt ’scharf umrissen, deutlich gekennzeichnet’. halten’, zu gr. ba´llein ’werfen’ und gr. pro-. Die Ebenso nndl. profiel, ne. profile, nfrz. profil, nschw. profil, schwächere moderne Bedeutung ’Unannehmlichnnorw. profil; ÞFilet. – DF 2 (1942), 673f.; Jones, W. J. SN 51 keiten, Schwierigkeiten’ (besonders in Komposita) (1979), 268f.; Röhrich 2 (1992), 1204. wie im Englischen und vielleicht von diesem beeinProfit Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus mndl. profijt, dieses flusst. Adjektiv: problematisch. aus frz. profit, dieses aus l. pro¯fectus ’Zunahme, Ebenso nndl. probleem, ne. problem, nfrz. proble`me, nschw. Wachstum, Vorteil’, dem PPP. von l. pro¯ficere (pro¯problem, nnorw. problem; ÞParabel. – DF 2 (1942), 669–672; HWPh 7 (1989), 1397–1400; Carstensen 3 (1996), 1105f.; fectum) ’gewinnen, bewirken, vorwärts kommen’, zu EWNl 3 (2007), 596f. l. facere ’machen’ und l. pro¯-. Verb: profitieren; Adjektiv: profitabel. produzieren Vsw ’herstellen, hervorbringen’ std. Ebenso nndl. profijt, ne. profit, nfrz. profit, nschw. profit, (17. Jh.). Entlehnt aus l. pro¯du¯cere (pro¯ductum), einnorw. profitt; Þinfizieren. – Schirmer (1911), 149; Miettinen gentlich ’vorwärtsführen, vorführen’, zu l. du¯cere (1962), 269–273; EWNl 3 (2007), 598. ’ziehen’ und l. pro¯-. Abstraktum: Produktion; Nomen Acti: Produkt (die wirtschaftliche Bedeutung ist vom Profos Sm ’Verwalter der Militärgerichtsbarkeit’ per. Englischen abhängig); Adjektiv: produktiv; Täterbearch. (16. Jh.). Entlehnt und vereinfacht aus afrz. prevost, dieses aus l. praepositus ’Vorgesetzter’. zeichnung: Produzent. Problem Sn ’Schwierigkeit, Aufgabe’ std. (16. Jh.). Ent-

Ebenso nndl. produceren, ne. produce, nfrz. produire, nschw. producera, nnorw. produsere. Parallele Präfigierungen des lateinischen Verbs sind Þdeduzieren und Þreduzieren; Bildungen zum PPP. sind ÞDukaten und ÞViadukt, über die romanischen Sprachen auch ÞRedoute; ein Abstraktum in ÞObduktion und mit starker Weiterentwicklung in ÞDusche, ein Nomen Agentis in ÞKondukteur; ein Adjektiv in Þinduktiv; ÞDock. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þziehen. – Schir-

Ebenso nndl. provoost, nfrz. pre´voˆt; ÞPropst. – DF 2 (1942), 675.

profund Adj ’gründlich’ per. fremd. (18. Jh.). Entlehnt

aus frz. profond, dieses aus l. pro¯fundus ’geistig tief eingehend, tief, bodenlos’, zu l. fundus ’Grund, Boden’ (ÞFundament). Das /u/ in Anlehnung an das lateinische Adjektiv. Ebenso ne. profound. – DF 2 (1942), 676.

promenieren

725 Prognose Sf ’Vorhersage’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt

aus gr. pro´gno¯sis, eigentlich ’Vorherwissen’, zu gr. progigno¯´skein ’vorher erkennen’, zu gr. gigno¯´skein ’erkennen’ und gr. pro-. Verb: prognostizieren. Ebenso nndl. prognose, ne. prognosis, nfrz. pronostic, nschw. prognos, nnorw. prognose; ÞDiagnose.

Programm Sn std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. programma

’schriftliche Bekanntmachung, Aufruf, Erlass’, aus gr. pro´gramma, zu gr. progra´phein ’öffentlich hinschreiben, öffentlich anordnen, vorschreiben’, zu gr. gra´phein ’schreiben’ und gr. pro-. Die (Computer-)Programme nach englischem Vorbild. Adjektiv: programmatisch; Verb: programmieren. Ebenso nndl. program(ma), ne. program(me), nfrz. programme, nschw. program, nisl. pro´gramm; ÞGraphik. – Carstensen 3 (1996), 1111.

progressiv Adj ’fortschrittlich’ erw. fremd. (18. Jh.).

Entlehnt aus frz. progressif, einer Neubildung zu l. pro¯gredı¯ (progressus) ’vorwärtsschreiten, fortschreiten’, zu l. gradı¯ ’schreiten’ und l. pro¯-. Abstraktum: Progression. Ebenso nndl. progressief, ne. progressive, nfrz. progressif, nschw. progressiv, nnorw. progressiv; ÞGrad. – Jones, W. J. SN 51 (1979), 269; HWPh 7 (1989), 1446–1450.

Prohibition Sf ’Verbot’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus

l. prohibitio, Abstraktum zu l. prohibe¯re ’verbieten, fernhalten, abhalten’, zu l. habe¯re ’haben, halten, handhaben’ und l. pro-. Adjektiv: prohibitiv.

ÞProjekt und über das Französische in ÞSujet. Dazu eine Adjektiv-Bildung in ÞAdjektiv. Das Abstraktum in ÞInjektion, ÞInterjektion, eine andere Form in ÞKonjektur. Verschiedene Ableitungen aus t-Bildungen in ÞProjektil, ÞTrichter, ÞJet und ÞJeton; aus einer l-Bildung in ÞEjakulation. – DF 2 (1942), 680; HWPh 7 (1989), 1458–1462.

proklamieren Vsw ’öffentlich erklären’ erw. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus frz. proclamer, dieses aus l. pro¯cla¯ma¯re ’laut rufen, heftig rufen, schreien’, zu l. cla¯ma¯re ’laut rufen, schreien’ und l. pro-. Abstraktum: Proklamation. Ebenso nndl. proclameren, ne. proclaim, nfrz. proclamer, nschw. proklamera, nnorw. proklamere; Þdeklamieren. – DF 2 (1942), 680f.

Prokrustesbett Sn ’Schema, in das man etwas

zwängt’ erw. bildg. (19. Jh.). Nach einem bösartigen Riesen der griechischen Mythologie, der Menschen zu Tode marterte, indem er ihre Glieder mit einem Hammer einem zu großen oder zu kleinen Bett anpasste. Ebenso nndl. procrustesbed, ne. Procrustean bed, nfrz. lit de Proc(r)uste, nschw. prokrustesbädd, nnorw. prokrustesseng. – DF 2 (1942), 681; Röhrich 2 (1992), 1204.

Prokura Sf ’handelsrechtliche Geschäftsvoll-

macht’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus it. procura, zu it. procurare ’Sorge tragen’, aus l. pro¯cu¯ra¯re, zu l. cu¯ra¯re ’sorgen, sich angelegen sein lassen’, zu l. cu¯ra ’Sorge, Vorsorge, Interesse’ und l. pro¯-. Nomen Agentis: Prokurist.

Ebenso nndl. prohibitie, ne. prohibition, nfrz. prohibition, Ebenso nndl. procuratie, ne. procure, nfrz. procuration, nschw. nschw. prohibitiv, nnorw. prohibitiv. Eine parallele Abstraktprokura, nisl. pro´ku´ra; ÞKur. – Schirmer (1911), 149; DF 2 bildung ist ÞExhibition; t-Ableitung bei ÞHabitus, zu einer (1942), 681f. adjektivischen l-Ableitung gehört Þhabilitieren; zu einem Phraseologismus s. Þmalade. Unklar ist der Anschluss von Proletarier Sm ’besitzloser Lohnarbeiter, ungebildeter ÞProviant und ÞPfründe. Zur germanischen Verwandtschaft s. Mensch’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. pro¯le¯ta¯rius Þgeben. (Bürger der untersten Klasse), zu l. pro¯le¯s f. ’Nach-

Projekt Sn std. (17. Jh.). Entlehnt aus neo-kl. proiectum,

dieses latinisiert aus frz. projet m., einer Ableitung von frz. projeter ’entwerfen’. Dieses aus l. pro¯iecta¯re ’forttreiben, hinaustreiben’, einem Intensivum zu l. pro¯icere (pro¯iectum) ’vorwärtswerfen, vorstrecken’, zu l. iacere ’werfen’ und l. pro¯-. Verb: projektieren. Ebenso nndl. project, ne. project, nfrz. projet, nschw. projekt, nnorw. prosjekt; Þprojizieren. – DF 2 (1942), 677–679; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 402; EWNl 3 (2007), 598f.

Projektil Sn ’Geschoss’ per. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus

frz. projectile m., dieses aus neo-kl. projectilis, zu l. pro¯icere (pro¯iectum) ’vorwärtswerfen’, zu l. iacere ’werfen’ und l. pro¯-. Ebenso nndl. projectiel, ne. projectile, nfrz. projectile, nschw. projektil, nnorw. prosjektil; Þprojizieren. – DF 2 (1942), 679f.

projizieren Vsw ’auf etwas (z.B. eine Leinwand) abbil-

den’ erw. fach. (16. Jh., Bedeutung 19. Jh.). Entlehnt aus l. pro¯icere ’nach vorne werfen’ aus l. iacere ’werfen’ und l. pro¯-.

komme’, zu l. alere ’nähren, aufziehen’. Die neuzeitlichen Wirtschaftstheorien übernehmen ein lateinisches Wort, das nach einer Volkseinteilung den Bürger der untersten Klasse bezeichnet, der dem Staat nicht mit seinem Vermögen diente, sondern nur mit seiner Nachkommenschaft. Kollektivum: Proletariat; Adjektiv: proletarisch. Ebenso nndl. proletari¡r, ne. proletarian, nfrz. prole´taire, nschw. proletär, nnorw. proletar; ÞAliment. – Arnold, R. F. ZDW 8 (1906/07), 17f.; GB 5 (1984), 27–68; HWPh 7 (1989), 1462–1465.

Prolog Sm ’Vorrede’ erw. fach. (13. Jh.), mhd. prologe,

prologus. Ist entlehnt aus l. prologus, dieses aus gr. pro´logos, zu gr. lo´gos ’Rede, das Sprechen, Wort, Erzählung’, zu gr. le´gein ’(auf)lesen, reden, sprechen’ und gr. pro-. Ebenso nndl. proloog, ne. prologue, nfrz. prologue, nschw. prolog, nnorw. prolog; ÞLogik. – DF 2 (1942), 683; EWNl 3 (2007), 599.

Ebenso nndl. projecteren, ne. project, nfrz. projeter, nschw. pro- promenieren Vsw ’schlendernd spazieren gehen’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. se promener, zu frz. jektera, nnorw. projisere. Das Grundverb l. iacere ’werfen’ ist nur in projizieren entlehnt; das PPP. in ÞObjekt, ÞSubjekt, promener ’spazieren führen’, zu frz. mener ’führen’,

Promille

726

aus l. pro¯mina¯re ’forttreiben, vor sich hertreiben’ zu l. Propaganda Sf std. (18. Jh.). Gebildet nach Congregatio mina¯re ’treiben, antreiben’ und l. pro¯-. Abstraktum: de propaganda fide, dem Namen einer päpstlichen Gesellschaft zur Verbreitung des Glaubens (seit dem Promenade. Ebenso nndl. promenade, ne. promenade, nfrz. se promener, 17. Jh.). Dieses zu l. propa¯ga¯re ’weiter ausbreiten, ernschw. promenera, nnorw. promenere; Þeminent. – DF 2 (1942), weitern’, zu l. pro¯pa¯ge¯s ’Setzling, Nachkomme’ 684–687. (Þpfropfen). Verb: propagieren; Täterbezeichnung: Propagandist. Promille Sn ’tausendster Teil’ erw. fach. (20. Jh.). Schon Ebenso nndl. propaganda, ne. propagandism, nfrz. propagande, früher als Fachwort, doch erst durch die Alkoholnschw. propaganda, nnorw. propaganda. – Schirmer (1911), messung üblich geworden. Übernommen aus l. pro¯ 150; Schlepkow (1951); Dieckmann, W. ZDS 21 (1965), und l. mille ’tausend’. Ebenso nndl. pro mille, ne. per mill(e), nfrz. pour mille, nschw. promille, nisl. pro´mill; ÞMillion.

prominent Adj std. (20. Jh.). Unter Einfluss von ne. pro-

minent entlehnt aus l. pro¯mine¯ns (-entis), dem PPräs. von l. pro¯mine¯re ’hervorragen, hervortreten’, zu l. mine¯re ’ragen’ und l. pro¯-. Abstraktum: Prominenz. Ebenso nndl. prominent, nschw. prominent, nnorw. prominent; Þeminent. – DF 2 (1942), 687f.

Promotion Sf ’Verleihung der Doktorwürde’ erw. fach.

105–114; GB 5 (1984), 69–112; Strauss u.a. (1989), 303–316.

Propan Sn (ein gasförmiger Kohlenwasserstoff) per.

fach. (19. Jh.). Das Wort ist mit dem Reihensuffix -an der Alkane gebildet zu einer Grundlage, die auf Propion zurückgeht (dieses als ’in der Zahl der Kohlenstoffatome der Fettsäure vorausgehend’ zu gr. pro´ Adv. ’voran, vorher’ und gr. pı´o¯n ’Fett’). Zur gleichen Grundlage auch Propylen u.a. Ebenso nndl. propaan, ne. propane, nfrz. propane, nisl. pro´pan. – Cottez (1980), 349.

(17. Jh.). Entlehnt aus l. pro¯mo¯tio (-o¯nis) ’Beförderung (zu Ehrenstellen)’, zu l. pro¯move¯re ’vorwärts be- Propeller Sm std. (19. Jh.). Entlehnt aus ne. propeller, einem Nomen Instrumenti zu ne. propel ’antreiben, wegen, fortschieben’, zu l. move¯re ’bewegen’ und l. vorwärts treiben’, aus l. pro¯pellere, zu l. pellere (pulspro¯-. In der Bedeutung ’Absatzförderung’ (mit engum) ’treiben’ und l. pro¯-. Zunächst entlehnt als Belischer Aussprache) nach ne. sales promotion. Verb: zeichnung für eine Schiffsschraube. promovieren. Ebenso nndl. promotie, ne. promotion, nfrz. promotion, nschw. promotion, nnorw. promosjon. Das Verb l. move¯re ’bewegen’ ist außerhalb der Fachsprachen nur in promovieren entlehnt; das Abstraktum in ÞEmotion, Promotion, mit anderer Form in ÞMoment, ein Nomen Agentis in ÞMotor. Reiche Nachfolge hat das Adjektiv Þmobil (ÞAutomobil, ÞImmobilie, ÞMöbel usw.). Zu t-Bildungen gehören ÞLokomotive, ÞMeute, meutern (ÞMeuterei), ÞMotiv. Kurzwörter in ÞMob und ÞMoped. – Götze (1929), 8; Rey-Debove/Gagnon (1988), 782; Carstensen 3 (1996), 1113–1116; EWNl 3 (2007), 599.

prompt Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. prompt(e),

das auf gleichbedeutendes l. pro¯mptus zurückgeht (zu l. pro¯mere ’hervornehmen’, das zu l. emere ’nehmen’ gebildet ist). Ebenso nndl. prompt, ne. prompt, nfrz. prompt, nschw. prompt, nnorw. prompte; ÞExempel. – Schirmer (1911), 150; DF 2 (1942), 688f.; Jones, W. J. SN 51 (1979), 269; EWNl 3 (2007), 599f.

Ebenso nndl. propeller, ne. propeller, nschw. propeller, nnorw. propell; ÞInterpellation. – DF 2 (1942), 690; Röhrich 2 (1992), 1204; EWNl 3 (2007), 600f.

proper Adj ’sauber’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus

frz. propre, das auf l. proprius ’eigen, eigentümlich’ zurückgeht. Ebenso nndl. proper, ne. proper, nschw. proper, nnorw. proper. – DF 2 (1942), 690f.; Jones (1976), 543; HWPh 7 (1989), 1471; EWNl 3 (2007), 601.

Prophet Sm std. (13. Jh.), mhd. prophe¯t[e]. Entlehnt aus

l. prophe¯ta, prophe¯te¯s, dieses aus gr. prophe¯´te¯s, eigentlich ’Ausleger und Verkündiger der Orakelsprüche’, zu gr. pha´nai ’sagen, erklären’ und gr. pro-. Adjektiv: prophetisch; Verb: Þprophezeien. Ebenso nndl. profeet, ne. prophet, nfrz. prophe`te, nschw. profet, nnorw. profet; ÞBlasphemie. – DF 2 (1942), 691f.; HWPh 7 (1989), 1473–1481; Röhrich 2 (1992), 1204f.

Pronomen Sn ’Fürwort’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus prophezeien Vsw std. (14. Jh.). Abgeleitet von prophezı¯e

l. pro¯no¯men. Ebenso nndl. pronomen, ne. pronoun, nfrz. pronom, nschw. pronomen, nnorw. pronomen; ÞNomen, Þpro-. – DF 2 (1942), 689.

prononciert Adj ’entschieden, eindeutig’ per. fremd.

’Prophezeiung’, das im 12. Jh. aus kirchen-l. prophetia (und afrz. prophetie) entlehnt wurde, aber im 18. Jh. durch Prophezeiung verdrängt wurde.

Ebenso nndl. profeteren, ne. prophecy, nfrz. prophe´tiser, nschw. profetera, nnorw. profetere; ÞProphet.

Prophylaxe Sf ’Vorbeugung’ per. fach. (18. Jh.). Ent(19. Jh.). Entlehnt aus frz. prononce´, dem adjektivilehnt aus l. prophylacticum n., dieses aus gr. prophy´schen PPrät. von frz. prononcer ’aussprechen’, aus l. laxis, zu gr. prophy´lax m. ’Vorwächter, Vorposten’, zu pro¯nu¯ntia¯re, zu l. nu¯ntia¯re ’verkünden, melden’ und l. gr. phy´lax ’Wächter’ und gr. pro´-. pro¯-, zu l. nu¯ntius ’verkündigend, meldend’. Ebenso nndl. geprononceerd, ne. pronounced, nfrz. prononce´, nschw. prononcerad; ÞAnnonce.

Ebenso nndl. profylaxis, ne. prophylaxis, nfrz. prophylaxie, nschw. profylax, nnorw. profylakse. – DF 2 (1942), 692.

Proportion Sf ’Verhältnis’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt

aus l. proportio, zusammengebildet aus l. pro¯ portione

protestieren

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’je nach Anteil’. Adjektiv: proportional. Moderne Kür- prosperieren Vsw ’gedeihen, gut vorankommen’ per. zung (schwz., österr.) ÞProporz. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. prospe´rer, dieses aus l. pro¯spera¯re ’etwas gedeihen lassen’, zu l. pro¯sper Ebenso nndl. proportie, ne. proportion, nfrz. proportion, nschw. proportion, nisl. proporsjo´n; ÞPortion. – DF 2 (1942), 692–695; ’günstig’. Abstraktum: Prosperität. HWPh 7 (1989), 1482–1508.

Proporz Sm ’Verteilung nach dem Stimmenverhält-

nis’ erw. schwz. österr. (20. Jh.). Kurzwort von Proportional(wahl). Ebenso ne. proportional representation, nfrz. (re´presentation) proportionelle, nschw. proportionella val.

Proppen Sm per. ndd. (20. Jh.). Niederdeutsche Form

Ebenso ne. prosper. – DF 2 (1942), 703f.

Prostata Sf ’Vorsteherdrüse’ per. fach. (20. Jh.). Ent-

lehnt aus gr. prosta´te¯s m. ’Vorsteher’, einer Ableitung von gr. proista´nai ’vorstellen’. Die Drüse befindet sich am Eingang der Harnröhre männlicher Säugetiere. Ebenso nndl. prostaat, ne. prostate, nfrz. prostate, nschw. prostata, nnorw. prostata.

von ÞPfropfen. Das Adjektiv proppenvoll bedeutet wie Prostitution Sf erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. prostitution, dieses aus l. pro¯stitu¯tio (-o¯nis) ’Preisgabe obd. gepfropft voll eigentlich ’vollgestopft’ und geht auf die Grundbedeutung ’Stöpsel’ zurück. zu sexuellen Handlungen’, zu l. pro¯stituere ’für sexuelle Handlungen öffentlich preisgeben’, zu l. statuere Ebenso nndl. prop, nschw. propp, nnorw. propp. ’hinstellen’, zu l. sistere (statum) ’stellen, hinstellen’, Propst Sm ’kirchlicher Amtsträger’ per. fach. (8. Jh.), zu l. sta¯re ’stehen’. Verb: prostituieren; Nominalableimhd. prob(e)st, brobest, ahd. probost, probist, provost, tung: Prostituierte. mndd. prawest, mndl. provest, provoost, proofst. Wie Ebenso nndl. prostitutie, ne. prostitution, nfrz. prostitution, ae. pra¯fost, profost, afr. provest, progost, provost entnschw. prostitution, nnorw. prostitusjon; ÞStatut, ÞDistanz. – lehnt aus afrz. provost aus ml. propositus, umgeformt DF 2 (1942), 704–706. aus älterem praepositus ’Vorgesetzter’ (zu l. praepo¯nere ’voransetzen’). Die christliche Bedeutung ist vor Protagonist Sm ’Erster im Wettkampf, Hauptfigur’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus l. protagonista, allem ’Leiter eines Stifts oder Klosters’. Eine spätere vielleicht nach dem Vorbild des Englischen. Dieses Entlehnung des gleichen Wortes (frz. provost), das inaus gr. pro¯tago¯niste¯´s, zu gr. pro˜tos ’erster’ und gr. a´go¯n zwischen zu ’Zuchtmeister’ geworden war, ist fnhd. ’Kampf’. ÞProfos. Ebenso nndl. proost, ne. provost, nschw. prost, nnorw. prost. Zur lateinischen Sippe s. Þkomponieren. – Kluge (1911), 629f.; DF 2 (1942), 696.

Prosa Sf std. (9. Jh.), mhd. pro¯se, ahd. pro¯sa. Ist ent-

lehnt aus l. (o¯ra¯tio¯) pro¯sa (wörtlich ’schlichte, gerade gerichtete Rede’), zu l. pro¯rsus ’vorwärts gekehrt, geradezu’, zu l. versus, dem PPP. von l. vertere (versum) ’drehen, wenden’ und l. pro¯-. Adjektiv: prosaisch. Ebenso nndl. proza, ne. prose, nfrz. prose, nschw. prosa, nisl. pro´sa; ÞVers. – DF 2 (1942), 697f.; EWNl 3 (2007), 602.

prosit Interj ’zum Wohl!’ std. (16. Jh.). Entlehnt aus l.

pro¯sit ’es möge nützlich sein’, zu l. pro¯desse ’nützen’. Daraus gekürzt Prost. Verb: (zu-)prosten. Ebenso nschw. prosit, prost; ÞEssenz. – Kluge (1895), 116; DF 2 (1942), 699–701; Röhrich 2 (1992), 1205.

Prosodie Sf ’intonatorische Eigenschaften’ per. fach.

Ebenso nndl. protagonist, ne. protagonist, nfrz. protagonist; ÞAgonie. – DF 2 (1942), 706f.

protegieren Vsw ’fördern, begünstigen’ per. fach.

(16. Jh.). Entlehnt aus frz. prote´ger, dieses aus l. pro¯tegere (pro¯te¯ctum) ’beschützen, bedecken’, zu l. tegere ’schützen, decken, bedecken’ und l. pro¯-. Abstraktum: Protektion; Lokalbildung: Protektorat. Ebenso nndl. protegeren, ne. protect, nfrz. prote´ger, nschw. protegera, nnorw. protegere; ÞDetektiv.

Protein Sn ’Eiweißkörper’ per. fach. (19. Jh.). Der nie-

derländische Chemiker G. J. Mulder glaubte, bei seinen Untersuchungen die Grundsubstanz organischen Lebens entdeckt zu haben, und gab ihr nach Vorschlag von Berzelius den Namen Protein (Neubildung zu gr. pro˜tos ’erster’). Bei der Festlegung der Nomenklatur 1907 auf die Eiweißstoffe eingeengt.

Ebenso nndl. proteı¨ne, ne. protein, nfrz. prote´ine, nschw. pro(18. Jh.). Entlehnt aus l. proso¯dia, dieses aus gr. protein, nisl. pro´tı´n. – DF 2 (1942), 707; Cottez (1980), 351. so¯idı´a, eigentlich ’Zugesang’, zu gr. (poet.) o¯ide¯´ ’Gesang’, zu gr. aeı´dein ’singen’ und gr. pro´s- ’hinzu’. protestieren Vsw std. (15. Jh.). Entlehnt aus frz. protester, dieses aus l. pro¯te¯sta¯rı¯ ’öffentlich bezeugen, öfEbenso nndl. prosodie, ne. prosody, nfrz. prosodie, nschw. prosodi, nnorw. prosodi. Vgl. ÞAkzent; ÞOde. – Leser, E. ZDW fentlich dartun’, zu l. te¯sta¯rı¯ ’bezeugen’ und l. pro¯-, zu 15 (1914), 32f.; DF 2 (1942), 701. l. te¯stis ’Zeuge’. Die Bedeutung von protestantisch ’evangelisch’ geht zurück auf die Ablehnung der kaiProspekt Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. pro¯spectus serlichen Religionspolitik (Wormser Edikt) durch die ’Fernsicht, Aussicht, Hinsehen’, dem PPP. von l. pro¯evangelischen Stände auf dem Reichstag zu Speyer spicere ’aus der Ferne herabsehen, hinsehen, von fern 1529. Abstraktum: Protest; Täterbezeichnung: erblicken’, zu l. specere ’schauen’ und l. pro-. Adjektiv: Protestant. prospektiv. Ebenso nndl. prospectus, ne. prospect, nfrz. prospect, nschw. prospekt, nnorw. prospekt; Þinspizieren. – Schirmer (1911), 150; DF 2 (1942), 702f.

Ebenso nndl. protesteren, ne. protest, nfrz. protester, nschw. protestera, nnorw. protestere; ÞAttest, ÞTestament. – Lindeboom, J. MNAW 3 (1940), 47–77 (zu Protestant); HWPh 7 (1989), 1529–1536; EWNl 3 (2007), 601.

Prothese Prothese Sf ’künstlicher Ersatz für einen Körper-

teil’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus gr. pro´sthesis ’Zusatz, Vermehrung’, zu gr. the´sis ’Setzung’ und gr. pro´s ’hinzu’. Das fehlende /s/ erklärt sich aus einer Vermengung mit gr. pro´thesis ’Ausstellung; Vorsatz’. Ebenso nndl. prothese, ne. prosthesis, nfrz. prothe`se, nschw. protes, nnorw. protese; ÞThese. – DF 2 (1942), 707.

proto- Präfix ’vorderster, erster, bedeutsamster’ (z.B.

ÞPrototyp, ÞProtagonist, Protoplasma) per. fach. (–). Daneben vor Vokalen meist die Form prot-. In Bildungen aus dem Griechischen entlehnt. Der Ursprung ist gr. pro˜tos. In den Fachsprachen teilweise produktiv. Cottez (1980), 350f.; EWNl 3 (2007), 601f.

Protokoll Sn std. (16. Jh.). Entlehnt aus ml. protocollum,

dieses aus mgr. pro¯to´kollon, eigentlich ’vorgeleimtes Blatt’, zu gr. ko´lla˘ ’Leim’ und gr. proto-. Zunächst Bezeichnung der vorn an Papyrusrollen angeklebten Blätter mit den Daten über die Entstehung dieser Schriftrolle. Dann übertragen auf andere chronologische Aufzeichnungen. Die diplomatische Bedeutung aus dem Französischen, wo das Wort auch ’Sammlung von Regeln usw.’ bedeutet. Verb: protokollieren; Adjektiv: protokollarisch. Ebenso nndl. protocol, ne. protocol, nfrz. protocole, nschw. protokoll, nisl. pro´to´kollur. – DF 2 (1942), 708f.; Röhrich 2 (1992), 1205.

Prototyp Sm ’Modell, ideale Ausprägung’ erw. fach.

(17. Jh.). Entlehnt aus ml. prototypus; dieses aus gr. pro¯to´typon ’Urbild’, aus gr. pro˜tos ’erster’ und gr. ty´pos ’Prägung’ (ÞTyp). Ebenso nndl. prototype, ne. prototype, nfrz. prototype, nschw. prototyp, nnorw. prototyp.

Protz Sm ’Wichtigtuer’ erw. stil. (19. Jh.). Sonst mund-

artlich (bairisch) für ’Kröte’ (bezeugt seit dem 16. Jh.). Wahrscheinlich Bedeutungsverschiebung aus dem Tiernamen, dessen Herkunft nicht klar ist. Hierzu protzen und protzig (das aus älterem protz erweitert ist).

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’das jmd. von Staats wegen zukommende Nahrungsgeld’, zu l. praebe¯re ’hinhalten, hinreichen, darreichen’, zu l. habe¯re ’haben, halten, tragen’. Der Wechsel von prae- zu pro- wohl durch Anlehnung an l. pro¯vide¯re ’Vorsorge tragen, im voraus besorgen’. Die Einzelheiten bleiben aber unklar. Ebenso ne. provisions, nfrz. provisions, nschw. proviant, nnorw. proviant; ÞProhibition, ÞPfründe. – Öhmann, E. NPhM 42 (1941), 83f.; DF 2 (1942), 711–713.

Provinz Sf std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. pro¯vincia

’Herrschaftsbereich’. Adjektiv: provinziell. Ebenso nndl. provincie, ne. province, nfrz. province, nschw. provins, nnorw. provins. – Jones (1976), 543f.; Bertrand, J.-M. Journal des savants (juil.-de´c. 1989), 191–215; Röhrich 2 (1992), 1205.

Provision Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus it. prov(v)isione,

prov(v)igione, dieses aus l. pro¯vı¯sio (-o¯nis) ’Vorsorge, Vorkehrung’, zu l. pro¯vide¯re (pro¯vı¯sum) ’Vorsorge tragen, im voraus besorgen’, zu l. vide¯re ’sehen’ und l. pro¯-. Ebenso nndl. provisie, ne. provision, nfrz. provision, nschw. provision, nnorw. provisjon. Zur lateinischen Sippe s. Þrevidieren. – Schirmer (1911), 151; DF 2 (1942), 713–715; EWNl 3 (2007), 602.

provisorisch Adj std. (18. Jh.). Entlehnt und relatinisiert

aus frz. provisoire, das eigentlich ’Sorge tragend’ bedeuten müsste, aber das zusätzliche Merkmal ’vorläufig’ bekam. Konkretum: Provisorium. Ebenso nndl. provisorisch, ne. provisory, nfrz. provisoire, nschw. provisorisk, nnorw. provisorisk. – DF 2 (1942), 716f.

provozieren Vsw ’herausfordern’ erw. fremd. (16. Jh.).

Entlehnt aus l. pro¯voca¯re, zu l. voca¯re ’rufen’ und l. pro¯-. Abstraktum: Provokation; Adjektiv: provokativ; Täterbezeichnung: Provokateur. Ebenso nndl. provoceren, ne. provoke, nfrz. provoquer, nschw. provocera, nnorw. provosere. Zur Sippe von l. voca¯re ’rufen’ gehören als Verben Þevozieren und Þprovozieren, zum PPP. ÞAdvokat und ÞVogt, zu sonstigen Ableitungen s. ÞVokal und ÞVokabel. Zur deutschen Verwandtschaft s. Þerwähnen. – DF 2 (1942), 717f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 402.

Protze Sf ’Vorderwagen des Geschützes’ per. arch.

Prozedur Sf ’Vorgang’ erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus (15. Jh.). Im Bairischen seit dem 15. Jh. als protz, protfrz. proce´dure, zu frz. proce´der ’verfahren’ (aus l. zen m. ’Karren’ bezeugt; dieses aus ober- it. birozzo pro¯ce¯dere). Verb: prozedieren. m., it. biroccio m. ’Wagen’ entlehnt. Im 16. Jh. in mehEbenso nndl. procedure, ne. procedure, nfrz. proce´dure, nschw. procedur, nnorw. prosedyre; ÞProzess. – DF 2 (1942), 718f. reren Zusammensetzungen (Protzkasten, Protzwagen, Protzräder usw.) üblich, aus denen sekundär das Fe- Prozent Sn std. (15. Jh.). Gebildet zu it. per cento ’pro mininum abstrahiert wird. Partikelableitung: Hundert’, zu l. centum ’hundert’. Adjektive: abprotzen. prozentual, -prozentig. Öhmann, E. NPhM 42 (1941), 83.

Provenienz Sf ’Herkunft’ per. fremd. (19. Jh.). Neoklas-

Ebenso nndl. procent, ne. per cent, nfrz. pour-cent, nschw. procent, nisl. pro´senta; ÞZentner. – Schirmer (1911), 151; DF 2 (1942), 719f.

sische Bildung zu l. pro¯venı¯re ’aus etwas hervorgehen, von irgendwo herkommen’. Prozess Sm std. (14. Jh.), spmhd. process ’Erlass, geEbenso ne. provenance, nfrz. provenance, nschw. proveniens, richtliche Entscheidung’. Ist entlehnt aus l. pro¯cessus nnorw. proveniens; Þintervenieren, Þpro-. – DF 2 (1942), 710. ’Fortgang, Fortschreiten’, dem Abstraktum von l. pro¯ce¯dere (pro¯cessum) ’vorwärtsgehen, vorrücken, Proviant Sm std. (15. Jh.). Entlehnt aus it. provianda f., vortreten’, zu l. ce¯dere ’gehen, treten’ und l. pro¯-. Das dieses vielleicht wie frz. provende aus l. praebenda f.

Psyche

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Wort ist im Mittelalter Ausdruck für ein Rechtsver- Prunk Sm std. (17. Jh.). Aufgenommen aus ndd. pronk, fahren, besonders bei der kirchlichen Rechtsspredieses zu mndl. bronc. Gehört zu Þprangen und minchung. Dann Verallgemeinerung zu ’Verfahrensweidestens indirekt zu ÞPracht. Herkunft im übrigen unklar. Verb: prunken. se’, woraus ’Herstellungsverfahren medizinisch wirkLühr (1988), 363; EWNl 3 (2007), 600. samer Tinkturen’ − daraus der Prozessbegriff der Chemie, und aus diesem der der Philosophie. Dazu prusten Vsw std. (15. Jh.). Übernommen aus ndd. pru¯sdie neoklassische Bildung ÞProzedur. Verb: ten. Dieses ist wohl eine Schallnachahmung wie prozessieren. anord. frysa, frusa ’schnauben’. Ebenso nndl. proces, ne. process, nfrz. proce`s, nschw. process, Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 212. nnorw. prosess; ÞAbszess. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 402; Jones, W. J. SN 51 (1979), 268; Röttgers, K. AB 27 (1983), Psalm Sm erw. fach. (8. Jh.), mhd. psalm[e], salm[e], ahd. psalm[o], salm[o]. Entlehnt aus l. psalmus m., 93–157; Röttgers, K. AB 29 (1985), 116–124; HWPh 7 (1989), dieses aus gr. psalmo´s m., auch: ’Lied, Gesang, Har1543–1562; Röhrich 2 (1992), 1205f.; EWNl 3 (2007), 597; RGA 23 (2003), 514–519. fenspiel’, eigentlich ’das Zupfen an den Saiten des

Prozession Sf std. (13. Jh.). Entlehnt aus l. pro¯cessio

(-o¯nis), eigentlich ’Vorrücken’, zu l. pro¯ce¯dere (pro¯cessum) ’vorwärtsgehen, vorrücken, vortreten’, zu l. ce¯dere ’gehen, treten’ und l. pro¯-. Ebenso nndl. processie, ne. procession, nfrz. procession, nschw. procession, nnorw. prosesjon; ÞAbszess.

prüde Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. prude. Dieses

bedeutet ursprünglich ’wacker, ehrenhaft’ und ist vermutlich in bestimmten Wendungen (wie frz. prude femme ’ehrenhafte Frau’?) unter Einwirkung von frz. prudent ’vorsichtig’ zu seiner speziellen Bedeutung gekommen. Abstraktum: Prüderie. Ebenso nndl. preuts, ne. proud, nfrz. prude, nschw. pryd. – DF 2 (1942), 720f.

prudeln Vsw ’sich suhlen’ per. reg. (18. Jh.). Nebenform

zu Þbrodeln. Hierzu reg. prudelig ’unordentlich’, Prudel ’Fehler’ (ÞPudel). prüfen Vsw std. (12. Jh.), mhd. prüeven, brüeven, pruo-

ven, mndl. pro(e)ven, pru(e)ven u.a. Entlehnt aus afrz. prover, das aus l. proba¯re ’prüfen’ stammt. Bei der Bedeutungsentwicklung haben wohl andere Wörter mitgewirkt. Schon im 13. Jh. wird das Verbalabstraktum mhd. prüefunge gebildet. Täterbezeichnung: Prüfer. Ebenso nndl. proeven, ne. prove, nfrz. prouver, nschw. prova, nisl. pro´fa; ÞProbe. – Öhmann (1918), 95f., 124; Fisher, R. Medium Aevum 51 (1982), 227–233; EWNl 3 (2007), 598.

Prügel Sm std. (15. Jh.), spmhd. brügel. Aber ahd. pru-

gilon ’abdecken mit Prügeln(?)’. Diminutivum zu einem vorauszusetzenden g. *bruga- ’Stämmchen, Prügel’, zu dem schwz. Brügi ’Prügeldamm, Plattform, Bühne’ usw. ein Kollektivum ist. Außergermanisch vergleicht sich vielleicht lit. bru¯kly˜s ’Stock, Prügel’. Entfernter verwandt ist das Wort ÞBrücke. Röhrich 2 (1992), 1206.

Prügelknabe (Prügeljunge) Sm std. (19. Jh.). Offenbar

zurückgehend auf eine für das 17. Jh. bezeugte Sitte (oder nur literarisches Motiv?), Fürstensöhne mit Kindern einfacherer Leute zusammen zu erziehen, wobei die anderen Kinder die Prügel bekamen, die der Prinz verdient hätte. Entsprechend ne. whipping boys. Röhrich 2 (1992), 1206.

Instruments’, zu gr. psa´llein ’zupfen, die Saiten der Lyra schlagen, ein Harfeninstrument spielen’. Kollektivum: ÞPsalter; Verb: psalmodieren; Täterbezeichnung: Psalmist. Ebenso nndl. psalm, ne. psalm, nfrz. psaume, nschw. psalm, nisl. sa´lmur. – Siegert (1950), 160; DF 2 (1942), 721; EWNl 3 (2007), 603f.

Psalter Sm ’Buch der Psalmen, mittelalterliches litur-

gisches Textbuch, mittelalterliche Zither’ per. fach. (9. Jh.), mhd. psalter, ahd. [p]salteri, salta¯ri u.ä. Ist entlehnt aus kirchen-l. psalte¯rium n., dieses aus gr. psalte¯´rion n. ’Saiteninstrument’, zu gr. psa´llein ’zupfen, die Saiten schlagen’. Ebenso nndl. psalter, ne. psalter, psaltery, nfrz. psautier, psalte´rion, nschw. psaltare, nisl. saltari; ÞPsalm. – Relleke (1980), 201f.

pseudo- LAff ’unecht, vorgetäuscht’ (z.B. pseudojuris-

tisch) erw. bildg. Wird vornehmlich in neoklassischen Bildungen verwendet; der Ursprung ist das Vorderglied pseudo- ’Lügen-’ in griechischen Komposita, zu gr. pseu˜dos ’Lüge’ und gr. pseu´dein ’täuschen’. − Vor Vokalen lautet die Form meist pseud- (z.B. ÞPseudonym). DF 2 (1942), 721f.; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 402; Cottez (1980), 352.

Pseudonym Sn ’angenommener Name’ erw. fach.

(17. Jh., Form 19. Jh.). Zunächst in der latinisierten Form Pseudonymus entlehnt aus gr. pseudo´nymos ’mit falschem Namen’ zu gr. pseu˜dos ’Lüge’ und gr. o´nyma, o´noma ’Name’. Ebenso nndl. pseudoniem, ne. pseudonym, nfrz. pseudonyme, nschw. pseudonym, nnorw. pseudonym, psevdonym; Þanonym, Þpseudo-. – Cottez (1980), 352; HWPh 7 (1989), 1567–1569.

pst Interj std. (17. Jh.). Lautgebärde. Das s, das hier an

die Stelle eines Vokals gesetzt ist, ist ein typischer Flüsterlaut, d.h. beim Flüstern (dem Sprechen mit tonlosen Vokalen) ist das s verhältnismäßig schallstark und deshalb auffallend. Schwentner (1924), 16.

Psyche Sf ’Seele, Seelenleben, Gemütsverfassung, Ge-

müt’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus gr. psy¯che¯´, ’(Lebens)Hauch’, zu gr. psy¯chein ’hauchen, atmen, blasen, leben’. Adjektiv: psychisch.

psychedelisch Ebenso nndl. psyche, ne. psyche, nfrz. psyche´, nschw. psyke, nnorw. psyke. – DF 2 (1942), 722–727; Cottez (1980), 353; EWNl 3 (2007), 604.

psychedelisch Adj ’das Bewusstsein verändernd, in

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’Bekanntheit, Werbung’ und Public Relations ’Selbstdarstellung einer Firma usw.’ eine Rolle. Ebenso nndl. publiek, ne. public, nfrz. public, nschw. publik, nnorw. publikum; Þpopulär. – Jones (1976), 544; Carstensen 3 (1996), 1119–1122; EWNl 3 (2007), 605.

Trance versetzend’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. psychedelic, einer Neubildung zu gr. psy¯che¯´ und gr. Puck Sm ’Spielscheibe beim Eishockey’ per. fach. de¯lou˜n ’offenbaren, klarmachen’, zu gr. de˜los (20. Jh.). Entlehnt aus ne. puck, dessen Herkunft un’offenkundig, sichtbar’ (1956 von H. Osmond in klar ist. einem Brief an A. Huxley geprägt und von T. Leary Ebenso nndl. puck, ne. puck, nschw. puck, nnorw. puck. – bekannt gemacht). Carstensen 3 (1996), 1122f. Ebenso nndl. psychedelisch, ne. psychedelic, nfrz. psyche´de´lique, Puckel Sm ÞBuckel. nschw. psykedelisk, nnorw. psykedelisk; ÞPsyche. – Rey-Debopuckern Vsw ’pulsieren’ per. ndd. (20. Jh.). Iterativbilve/Gagnon (1988), 787f.; Carstensen 3 (1996), 1117–1119.

Psychiater Sm erw. fach. (19. Jh.). Neubildung zu gr.

psy¯che¯´ ’Seele’ und gr. ia¯tro´s ’Arzt’. Abstraktum: Psychiatrie.

Ebenso nndl. psychiater, ne. psychiatrist, nfrz. psychiatre, nschw. psykiater, nnorw. psykiater. – Cottez (1980), 353; EWNl 3 (2007), 604.

Psychologie Sf std. (16. Jh., Form 18. Jh.). Zunächst in

dung zu ndd. pucken, das eine Intensivbildung zu Þpochen ist. puddeln1 Vsw ’Roheisen durch Mischen mit Eisenoxyd

im Hochofen entkohlen’ per. fach. (18. Jh.). Das in England erfundene Verfahren ist nach ne. puddle ’mischen, herumrühren (in einer Pfütze)’ benannt und so entlehnt worden.

Ebenso nndl. puddelen, nfrz. puddler, nnorw. pudle. – DF 2 lateinischer Form gebraucht und festgelegt als Be(1942), 727. zeichnung der ’Seelenlehre’, die vorher zu der Metapuddeln2 Vsw Þbuddeln. physik gerechnet wurde. Gebildet aus gr. psy¯che¯´ ’Seele, Lebenshauch’ und Þ-logie. Täterbezeichnung: Pudding Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus ne. pudding. Im Psychologe; Adjektiv: psychologisch. Deutschen bezeichnet das Wort nur eine Süßspeise, im Englischen ist diese Bedeutung (und Sache) jung Ebenso nndl. psychologie, ne. psychology, nfrz. psychologie, nschw. psykologi, nnorw. psykologi; ÞPsyche. – Lapointe, F. M. (16. Jh., eigentlich steht dafür eher ne. blancmange), RCSF 28 (1973), 138–160; Cottez (1980), 353; HWPh 7 (1989), älter ist die Bedeutung ’Wurst’ (so heute noch in ne. 1599–1653; EWNl 3 (2007), 604. black pudding ’Blutwurst’). In dieser Bedeutung ist Psychopath Sm ’krankhaft verhaltensgestörter das englische Wort entlehnt aus frz. boudin ’BlutMensch’ per. fach. (19. Jh.). Neubildung des 20. Jhs. wurst’, das zu l. botulus ’Wurst’ gehört. Die Übertrazu gr. psy¯che¯´ f. ’Lebenshauch, Seele’ und gr. pa´thos n. gung auf die Süßspeise offenbar nach der gestockten Konsistenz, die sowohl der Blutwurst wie auch dem ’Leid, Leiden’. Adjektiv: psychopathisch. Pudding eigen ist. Ebenso nndl. psychopaat, ne. psychopath, nfrz. psychopathe, nschw. psykopat, nnorw. psykopat; ÞPsyche, ÞPathos. – HWPh 7 (1989), 1682–1685.

Psychose Sf ’schwere geistig-seelische Störung’ per.

fach. (19. Jh.). Neubildung mit dem Krankheiten bezeichnenden Suffix Þ-ose oder Umdeutung der älteren Entlehnung aus gr. psy¯cho¯sis ’Beseelung’. Ebenso nndl. psychose, ne. psychosis, nfrz. psychose, nschw. psykos, nnorw. psykose. – Cottez (1980), 353; HWPh 7 (1989), 1691–1698.

Pubertät Sf ’Geschlechtsreife’ erw. fach. (16. Jh.). Ent-

lehnt aus l. pu¯berta¯s (-a¯tis), eigentlich ’Mannbarkeit’, zu l. pu¯be¯s (-eris) ’mannbar, männlich, erwachsen’. Adjektiv: pubertär.

Ebenso nndl. pudding, nfrz. boudin, nschw. pudding, nisl. bu´diÑ ngur. – Arnold, R. F. ZDW 9 (1907), 158; DF 2 (1942), 727f.; Ganz (1957), 180f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), 792; Röhrich 2 (1992), 1206f.; Carstensen 3 (1996), 1123; EWNl 3 (2007), 605f.

Pudel Sm std. (18. Jh.). Gekürzt aus Pudelhund, das seit

dem 17. Jh. bezeugt ist und sich auf das pudeln ’plätschern im Wasser’ bei dieser Hunderasse bezieht (die Pudel waren zur Wasserjagd abgerichtet). Das Verb gehört zu ndd. pu¯del, hd. pfu¯del, ne. puddle ’Pfütze’. Pudel ’Fehler’ vermutlich sekundär aus Prudel. Des Pudels Kern nach Goethe, Faust I, 1323 mit selbständiger Weiterentwicklung des Gebrauchs.

ÞPudelmütze. – Röhrich 2 (1992), 1207f.; EWNl 3 (2007), 563. Ebenso nndl. puberteit, ne. puberty, nfrz. puberte´, nschw. pubertet, nnorw. pubertet. – DF 2 (1942), 727; EWNl 3 (2007), 605. Pudelmütze Sf ’gestrickte Wollmütze’ erw. obs.

(18. Jh.). Ursprünglich nach dem Aussehen wie das Fell eines Pudels (ÞPudel). (17. Jh.). Entlehnt aus frz. public, dieses aus l. pu¯blicus, zu l. populus ’Volk, Gemeinde, Staat’. Das Publikum ist Puder Smn std. (15. Jh.). Entlehnt aus frz. poudre m., eigentlich ’die Öffentlichkeit, das Volk’; publizieren zunächst in französischer Form und der Bedeutung mit dem Abstraktum Publikation ist ’veröffentli’Haarmehl’ (zum Pudern der Haare), dann auf anchen’. In neuerer Zeit spielen auch die zugehörigen, dere Kosmetika ausgeweitet. Die heutige Schreibweiaus dem Englischen entlehnten Begriffe Publicity se seit dem 17. Jh. Das französische Wort bedeutet

publik Adj ’öffentlich, allgemein bekannt’ erw. fremd.

pumpen2

731

’Staub, Pulver, Puder’ und geht über l. pulvera¯re (ÞPulver) auf l. pulvis (-veris) m. ’Staub’ zurück.

pullen Vsw ’rudern’ per. ndd. (20. Jh.). Entlehnt aus ne.

Ebenso nndl. poeder, ne. powder, nfrz. poudre, nschw. puder, nisl. pu´duÑ r. – DF 2 (1942), 728f.; EWNl 3 (2007), 564.

Pullover Sm std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. pullover

Puff1 Sm ’Bordell’ std. vulg. (15. Jh.). Nach der Interjek-

to pull ’ziehen’. (eigentlich ’Überzieher’), zu ne. pull ’ziehen’ (aus ae. pullian, dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist) und ne. over ’über’. Kurzwort: Pulli.

tion puff zunächst die Bedeutung ’Stoß’, dann, offenbar vom Fallen der Würfel aus, auch Bezeichnung für Ebenso nndl. pullover, ne. pullover, nfrz. pull-over, nschw. pullover, nnorw. pullover. Vgl. als Gegensatzbildung ÞPullunder. – ein Brettspiel mit Würfeln. Da solche Spiele in den DF 2 (1942), 730; Rey-Debove/Gagnon (1988), 796f.; Carsalten Badehäusern zwischen Männern und Frauen tensen 3 (1996), 1123–1125. gespielt wurden und das Spiel dann zwanglos in mehr erotische Spiele übergehen konnte, galten die Bade- Pullunder Sm ’ärmelloser Pullover’ per. fach. (20. Jh.). häuser bald als eine Art Bordell, und Puff stand häuAnglisierende Gegensatz-Bildung zu ÞPullover; das fig als Teil für das Ganze; daraus Puff ’Bordell’; puffen ’unter’ soll dabei kennzeichnen, dass es sich um ein ’stoßen’, dann ’beschlafen’ mag mitgewirkt haben. unter der Jacke zu tragendes Kleidungsstück handelt. Röhrich 2 (1992), 1208.

Hannah, J. A. GLL 42 (1988), 60f.; Carstensen 3 (1996), 1125.

Puff2 Sm (auch Püffchen n., Puffe f.) ’Wäschepuff’ std.

Puls Sm std. (14. Jh.). Ist entlehnt aus l. pulsus, eigent-

(19. Jh.). Gehört zu einer anderen Ausprägung der Interjektion puff, die das Aufgeblasene u.ä. bezeichnet. Ursprünglich also ’etwas zum Hineinstopfen’.

lich ’Stoßen, Stampfen, Schlagen’, dem Abstraktum von l. pellere (pulsum) ’schlagen, stoßen’. Verb: pulsieren.

Vgl. ÞPuffer, ÞPuffärmel, ÞPuffbohne u.ä. und die unter ÞBausch genannte Lautgebärde. – EWNl 3 (2007), 564.

Ebenso nndl. pols, ne. pulse, nfrz. pouls, nschw. puls, nnorw. puls. Zur Sippe des Grundworts s. ÞInterpellation. – DF 2 (1942), 730–732; Röhrich 2 (1992), 1208; EWNl 3 (2007), 571.

Puffärmel Sm ’im oberen Teil aufgebauschte Är-

mel’ erw. obs. (15. Jh.). Das Wort kann zu dem unter Pult Sn erw. obs. (16. Jh.). Vereinfacht aus mhd. pulpit, pulpet, das entlehnt ist aus l. pulpitum ’Kanzel, Pult’ ÞPuff 2 genannten Komplex gehören; da aber im Romanischen eine entsprechende Wortsippe besteht, ist (eigentlich ’Brettergerüst’). Entlehnung nicht ausgeschlossen. Ebenso ne. pulpit, nfrz. pupitre, nschw. pulpet, nisl. pu´lt. – DF 2 Ebenso nndl. pofmouw, ne. puff(ed) sleeve, nfrz. manche bouffante, nschw. puffärm, nisl. pu´ffermi.

Puffbohne Sf ’Saubohne’ per. reg. (18. Jh.). Nach der

prallen Form bezeichnet. ÞPuff 2.

Puffer Sm std. (17. Jh.). Bezeugt in verschiedenen Be-

(1942), 732.

Pulver Sn std. (9. Jh.), mhd. pulver, ahd. pulver. Ist ent-

lehnt aus ml. pulvere, zu l. pulvis (-veris) m. ’Staub, Pulver’. Verben: pulvern, pulverisieren. Ebenso nndl. verpulveren, ne. pulverize, nfrz. pulve´riser, nschw. pulver, nnorw. pulver; ÞPollen, ÞPuder. – DF 2 (1942), 732; Röhrich 2 (1992), 1208f.

deutungen. Zunächst für ’Terzerol’ (lautnachahmend nach dem Knall); im 19. Jh. entsprechend zu ne. buf- Puma Sm (Raubtier mit dichtem braunem Fell) per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus der südamerikanischen fer für die Stoßfänger an Bahnwagen (zu puffen Indianersprache Ketschua puma. ’stoßen’). Regional für ’Eierkuchen, Kartoffelkuchen’ 2 Ebenso nndl. poema, ne. puma, nfrz. puma, nschw. puma, (vom Aufgehen beim Backen, also zu ÞPuff ). In der nnorw. puma. – EWNl 3 (2007), 565. ersten und dritten Bedeutung auch Puffert. Pummel Sm ’dicke Person, besonders Mädchen’ per. EWNl 1 (2003), 394. ndd. (20. Jh.). Ebenso Pumpel, schwz. Bumpel. Wohl pulen Vsw ’herausklauben’ per. ndd. (18. Jh.), mndd. zu der Sippe von Þbaumeln und ihrem Umkreis. pulen, mndl. pul(l)en. Zu mndd. pule ’Schale, Hülse’, also eigentlich ’schälen, enthülsen’. Vgl. palen und vielleicht pellen. – Schlemmer (1971), 180–182.

Pulk Sm ’zusammengehörige Gruppe von Fahrzeugen’.

Pumpe Sf std. (16. Jh.), mndl. (15. Jh.) pompe. Entlehnt

aus span. port. bomba ’Schiffspumpe’, das wohl lautmalenden Ursprungs ist. Verb: pumpen1.

Ebenso nndl. pomp, ne. pump, nfrz. pompe, nschw. pump, nisl. Älter Polk ’Truppenteil’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt pumpa; ÞPlumpe, Þpumpern. – DF 2 (1942), 733; EWNl 3 aus poln. po´łk und russ. polk ’Heer, Truppe, Schar’ (2007), 572. u.ä., das aus dem germanischen Wort für ÞVolk früh 1 pumpen Vsw ÞPumpe. entlehnt ist. 2 DF 2 (1942), 730. pumpen Vsw ’borgen’, auf Pump ’geborgt’ std. stil. (17. Jh.). Aus dem Rotwelschen und über die StudenPulle Sf ’Flasche’ erw. reg. (18. Jh.). Aus dem Niedertensprache allgemein üblich geworden. Herkunft des deutschen übernommen. Das niederdeutsche Wort rotwelschen Wortes unklar; nach Wolf Bedeutungsist entlehnt aus l. ampulla ’Flasche’. entlehnung aus rotw. stechen 1) ’(stoßen), stechen’, Ebenso nndl. pul; ÞAmpulle. – Röhrich 2 (1992), 1208; 2) ’geben, schenken’ (= ’etwas zustecken’); da die EWNl 3 (2007), 607.

pumpern Ausgangsbedeutung von rotw. pumpen = ’stechen, (stoßen)’ ist. Wolf (1985), 257; Röhrich 2 (1992), 1209.

pumpern Vsw ’klopfen’ per. reg. (20. Jh.). Wohl laut-

malend wie die unter ÞPumpe genannten Wörter. In der Bedeutung ’furzen’ zu Þpupen. Pumpernickel Sm std. (17. Jh.). Zunächst für

732 Punsch Sm erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus ne. punch,

zunächst in englischer Schreibung. Das englische Wort aus hindı¯ pa¯ntsch ’fünf’ (verwandt mit unserem Wort für ’fünf’), weil das Getränk aus fünf Grundstoffen besteht (Arrak, Zucker, Limonensaft, Gewürze und Wasser). Ebenso nndl. punch, ne. punch, nfrz. punch, nschw. punsch, nisl. pu´ns. – Arnold, R. F. ZDW 9 (1907), 158; Baist, G. ZDW 12 (1910), 300; DF 2 (1942), 736; Rey-Debove/Gagnon (1988), 798f.

’Kommissbrot’, dann eingeschränkt auf das nordwestfälische Roggenschrotbrot (als spöttische Bezeichnung von außen, die einheimische Bezeichnung Punze Sf (auch Punzen m., Bunzen m.) ’Stahlstemist Schwarzbrot oder grobes Brot). Als Spottname ist pel’ per. fach. (15. Jh.), mhd. punze m. ’Stichel’. Entdas Wort schon älter (als Bezeichnung eines groben lehnt aus it. punzone m. ’Stoß, Stempel’, das aus l. Flegels?); die Übertragung auf das Brot ähnlich wie pu¯nctio (-o¯nis) ’das Stechen, der Stich’ (zu l. pungere bei Armer Ritter u.ä. ÞNickel ist Kurzform von Ni’stechen’) entlehnt ist. kolaus; Pumper wohl ein regionales Wort für ’Furz’. Ebenso nndl. pons, ne. punch, nfrz. poincon, nschw. puns; Ebenso nndl. pompernikkel, ne. pumpernickel, nfrz. pumpernickel, nschw. pumpernickel. – Weiser, L. NZV 4 (1926), 14; Benary, W. ASNSL 154 (1928), 271f.; Goldbeck, I. MS (1951), 50–52; Möller, R. NW 1 (1960), 4–7; Gentner, C. JAWG 3 (1987), 56–66; Röhrich 2 (1992), 1209.

ÞPunkt. – RGA 23 (2003), 602–607.

˙

Pupe Smf (pupig Adj. ’wertlos’) ’nicht schäumendes

Bier’ f., ’Homosexueller’ m. per. vulg. (20. Jh.). Herkunft unklar.

Pumphose Sf erw. obs. (16. Jh.). Übernommen aus dem pupen Vsw ’furzen’ per. ndd. (18. Jh.). Lautmalend.

Niederdeutschen (zu pump ’Gepränge’ aus l. pompa; ÞPomp). Pumps Spl ’Damenschuh mit höherem Absatz’ erw.

fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. pumps, dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist. Das englische Plural-s wird im Deutschen meist auch in den (seltenen) Singular übertragen. Ebenso nndl. pumps, nschw. pumps, nnorw. pumps. – DF 2 (1942), 733; Carstensen 3 (1996), 1126; EWNl 3 (2007), 608.

Punk Sm (Angehöriger einer Jugendgruppierung, die

mit auffälligem Aussehen usw. Aufsehen erregt) per. grupp. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. punk (auch: ’Kerl, Halbstarker, Mist’), das gekürzt ist aus ne. punk-rock und zunächst eine Stilrichtung der Rockmusik bezeichnet. Ebenso nndl. punk, ne. punk, nfrz. punk, nschw. punk, nnorw. punk. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 800f.; Carstensen 3 (1996), 1128–1131; EWNl 3 (2007), 608.

Punkt Sm std. (14. Jh.), spmhd. punct, pun(k)t. Entlehnt

aus l. pu¯nctum n., pu¯nctus ’Punkt’, eigentlich ’Spitze’ (zu l. pungere ’stechen’). Adjektive: punktuell, Þpünktlich; Verb: punktieren. Ebenso nndl. punt, ne. point, nfrz. point, nschw. punkt, nisl. punktur. Auf die gleiche lateinische Form gehen zurück ÞKontrapunkt, Þbunt, Þkunterbunt, ÞPointe, ÞPunze, ÞSpund; auf Abstrakta des Grundverbs ÞAkupunktur und ÞInterpunktion. Entfernt verwandt ist vielleicht ÞPygmäe; zur deutschen Verwandtschaft s. ÞFichte. – DF 2 (1942), 734–736; Cottez (1980), 357; HWPh 7 (1989), 1711–1714; Röhrich 2 (1992), 1209–1211; EWNl 3 (2007), 608f.

pünktlich Adj std. (15. Jh.). Ausgangsbedeutung ’auf

Hierzu pumpern, Pup, Pups, Pupser ’Furz’. EWNl 3 (2007), 565.

Pupille Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus l. pu¯pilla, eigent-

lich ’unmündiges Mädchen, Waise’, zu l. pu¯pa ’Mädchen’, der movierten Form von l. pu¯pus m. ’Knabe, Kind’, evtl. über die Bedeutung ’Puppe’. Die Bedeutungsübertragung spielt darauf an, dass man im Augapfel seines Gegenübers sein eigenes Spiegelbild sieht; vgl. die Bedeutungen von gr. ko´re¯ ’Mädchen, Puppe, Pupille’, ähnlich auch im Altägyptischen. Ebenso nndl. pupil, ne. pupil, nfrz. pupille, nschw. pupill, nnorw. pupill; ÞPuppe. – DF 2 (1942), 736f.; Hommel, H. RMPh 92 (1943), 67–72 (anders); Röhrich 2 (1992), 1211; EWNl 3 (2007), 609.

Puppe Sf std. (15. Jh.), fnhd. puppe, boppe, mndl. puppe,

pop(pe). Ist entlehnt aus l. puppa, einer Variante von l. pu¯pa ’kleines Mädchen, Puppe, Larve’. Entlehnt wird zunächst die Bedeutung ’Spielzeug’, später auch ’Larve’. Die zweite Bedeutung beruht auf einer ungenauen Übersetzung von gr. ny´mphe¯ ’Braut’ (wegen der weißen Umhüllung). Präfixableitung: sich verpuppen, Þentpuppen. Ebenso nndl. pop, ne. puppet, nfrz. poupe´e, nschw. puppa, nisl. pu´pa: ÞPupille. – Wissmann (1963–1968), 13; Hogerheijde, H. FS Alinei 1 (1986), 340–348; Röhrich 2 (1992), 1211; Kügler, H. MVGB 49 (1932), 97–103 (zu der Redensart bis in die Puppen); EWNl 3 (2007), 565, 577; RGA 23 (2003), 607f.

puppern Vsw ’zittern’ per. ndd. (18. Jh.). Lautsymboli-

sche Bildung wie Þbibbern. pur Adj std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. pu¯rus ’rein, lauter’

den Zeitpunkt (genau) kommend’. Abstraktum: Pünktlichkeit.

(zu ig. *peu¡- ’reinigen’ in ai. pu¯ta´- ’rein, geläutert’ zu ai. pa´vate ’wird rein’ u.a.).

Ebenso nndl. punctueel, ne. punctual, nfrz. ponctuel, nschw. punktlig, nnorw. punktlig. – Röhrich 2 (1992), 1211.

Ebenso nndl. puur, ne. pure, nfrz. pur, nschw. pur, nnorw. pur; ÞPüree. – DF 2 (1942), 737; EWNl 3 (2007), 611.

Pyramide

733 Püree Sn (eine breiartige Speise) erw. fremd. (18. Jh.).

Putsch). Heute meist auf außereuropäische VerhältEntlehnt aus frz. pure´e f., dem substantivierten PPrät. nisse bezogen. Verb: (auf-)putschen. von afrz. purer ’durchsieben, reinigen’, aus l. pu¯ra¯re EWNl 1 (2003), 362; EWNl 3 (2007), 610f. ’reinigen’, zu l. pu¯rus ’rein’. Pütt Sm ’Bergwerksgrube’ per. wmd. (20. Jh.). Wohl Ebenso nndl. puree, ne. pure´e, nfrz. pure´e, nschw. pure´, nnorw. früh entlehnt aus l. puteus ’Brunnen, Brunnenpure´. – DF 2 (1942), 737f.; EWNl 3 (2007), 609f. schacht’. In der Literatursprache erst in moderner Purpur Smn std. (11. Jh., Purpur(schnecke) 9. Jh.), mhd. Zeit. purper, purpur m., ahd. purpur[a] f . Ist entlehnt aus l. Putte Sf (auch Putto m.) ’barocke Gipsfigur’ erw. fach. purpura f., dieses aus gr. porphy´ra¯ f. Die weitere Her(17. Jh.). Entlehnt aus it. putto m. ’Knäblein’. kunft ist nicht sicher geklärt. Adjektiv: purpurn. Ebenso nndl. putto, ne. putto, nfrz. putto, ndn. putto. – DF 2 Ebenso nndl. purper, ne. purple, nfrz. pourpre, nschw. purpur, (1942), 842. nisl. purpuri. – DF 2 (1942), 741; Cottez (1980), 357; Gipper, H. Glotta 42 (1964), 39–69; EWNl 3 (2007), 610. putzen Vsw std. (15. Jh.), fnhd. butzen ’schmücken’,

purren Vsw ’stochern, anstacheln, wecken’ per. ndd.

(18. Jh.), mndd. purren. Vgl. nschw. purra ’das Feuer schüren, antreiben, wecken’. Weitere Herkunft unklar. pürschen Vsw Þpirschen. Purzelbaum Sm std. (16. Jh.). Zunächst als burzelbaum

bezeugt. Zu sich aufbäumen (Þbäumen) und dann Þpurzeln. purzeln Vsw std. stil. (14. Jh.), fnhd. auch pürzeln, bur-

zeln. Zu spmhd. burzen ’stürzen’, weiter zu ÞBürzel, also ’mit dem Hinterteil voraus fallen’. Puschel (Püschel) Smf ’Quaste, Steckenpferd’ per. omd.

(20. Jh.). Nebenform zu Büschel (ÞBusch). puschen Vsw ’antreiben’ per. fremd. (20. Jh.). Entlehnt

aus ne. push, dieses aus frz. pousser, aus afrz. polser, poulser, aus l. pulsa¯re ’stoßen, stampfen, schlagen’, einem Intensivum zu l. pellere ’stoßen, schlagen’. Ebenso nndl. pushen, nfrz. pousser, nnorw. pushe; interpellieren (ÞInterpellation). – Carstensen 3 (1996), 1132f.

pusseln Vsw ’an etwas herumwerken’ per. ndd.

(20. Jh.). Herkunft unklar. Pustel Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus l. pu¯stula ’Haut-

bläschen’. Ebenso nndl. puistje, ne. pustule, nfrz. pustule.

pusten Vsw std. (18. Jh.). Entnommen aus dem Nieder-

deutschen. Die hochdeutsche Entsprechung ist pfausten (17. Jh.); s. Þpfusen ’stark atmen’. Letztlich zu der unter ÞBausch besprochenen Lautgebärde. Abstraktum: Puste. Röhrich 2 (1992), 1211.

Pute Sf (Puter m.) std. (16. Jh.). Entlehnt aus dem Nie-

derländischen, wo die Wörter als Lautmalereien zum Ruf dieser Vögel entstanden sind. Littmann (1924), 122.

Putsch Sm std. (19. Jh.). Ursprünglich schweizerisches

älter ’sauber machen’. In älteren Formulierungen wie Bäume putzen oder den Bart putzen geht das Wort offensichtlich auf l. puta¯re, amputa¯re ’ausschneiden, putzen’ zurück. In der weiteren Bedeutung (das Haus putzen usw.) konkurriert die Möglichkeit der Ableitung von butz ’Unreinigkeit’, also ’Unreines entfernen’. Vielleicht sind hier auch Sekundärmotivationen mit im Spiel. Der Übergang zu ’schmücken’ ist denkbar, aber nicht nachzuweisen; vielleicht handelt es sich um ein anderes Wort. Putz ’Oberflächenmörtel’ geht wohl von ’schmücken’ aus. ÞButzen. – Bach, A. ZDS 22 (1966), 76; Röhrich 2 (1992), 1211f. (zu Putz); Zimmer, St. MSS 53 (1992), 197–199; EWNl 3 (2007), 566.

putzig Adj erw. ndd. (18. Jh.). Ursprünglich ’sonder-

bar’. Herkunft unklar. ÞPosse. – Foerste, W. NW 2 (1961), 74f.

Puzzle Sn (ein aus Einzelteilen zusammenzusetzendes

Bild) erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. (jigsaw) puzzle, letzteres eigentlich ’Verwirrung’. Ebenso nndl. puzzel, nfrz. puzzle, nschw. pussel. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 805f.; Carstensen 3 (1996), 1136f.; EWNl 3 (2007), 611.

Pygmäe Sm ’Angehöriger einer sehr kleinwüchsigen

Rasse in Afrika’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus l. Pygmaeı¯ Pl., aus gr. Pygmaı˜oi Pl. = Angehörige eines sagenhaften Volkes in der Ilias, zu gr. pygmaı˜os ’eine Faust groß’, zu gr. pygme¯´ f. ’Faust’; dieses vielleicht weiter zu ig. *peug- in l. pungere ’stechen’. Ebenso nndl. pygmee, ne. pygmy, nfrz. pygme´e, nschw. pygme´, nnorw. pygme´. – DF 2 (1942), 743f.

Pyjama Sm std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. pyjamas Pl.,

dieses aus hindı¯ pa¯ja¯ma¯, pa¯yja¯ma¯ aus pers. pa¯ja¯ma¯ ’Beinkleid’. Die Europäer übernehmen diese Bekleidung, ergänzt durch eine entsprechende Jacke, vor allem als Nachtgewand der Männer; das /s/ im Englischen in Analogie zu breeches, trousers (usw.).

Ebenso nndl. pyjama, piama, ne. pyjamas, nfrz. pyjama, nschw. Wort mit der Bedeutung ’Stoß, Zusammenprall’. Im pyjamas, nnorw. pyjamas. – Littmann (1924), 124f.; Lo19. Jh. (wohl spöttisch) übertragen auf einen plötzlikotsch (1975), 129; Rey-Debove/Gagnon (1988), 806f.; chen Volksaufstand (Zürcher Putsch 1839); dann BeCarstensen 3 (1996), 1138; EWNl 3 (2007), 611. zeichnung für die aufständischen Demokraten in Pyramide Sf std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. py¯ramis Baden (Hecker-Putsch, Struve-Putsch, 1848) und von (-idis); dieses aus gr. py¯ramı´s, das aus dem Ägyptidort aus weiter übertragen (Kapp-Putsch, Röhm-

Pyromane schen übernommen ist. Als Bezeichnung der geometrischen Figur bereits im Lateinischen gebräuchlich. Ebenso nndl. piramide, ne. pyramid, nfrz. pyramide, nschw. pyramid, nisl. pı´ramı´di. – Schirmer (1912), 57; Littmann (1924), 13; DF 2 (1942), 744–748; Lokotsch (1975), 116; EWNl 3 (2007), 546f.

Pyromane Sm ’Person mit der krankhaften Veranla-

gung zur Brandstiftung’ per. fach. (20. Jh.). Neubildung zu gr. py˜r, py˘ro´s n. ’Feuer, Hitze, Wärme’ und gr. manı´a¯ f. ’Wahnsinn’, zu gr. maı´nesthai ’von Sinnen sein’. Ebenso nndl. pyromaan, ne. pyromaniac, nfrz. pyromane, nschw. pyroman, nnorw. pyroman; ÞBertram, ÞManie. – Cottez (1980), 359; EWNl 3 (2007), 611.

734 Pyrrhussieg Sm ’sehr teuer bezahlter Erfolg’ erw. bildg.

(20. Jh.). Bezeichnung nach dem Namen des Königs Pyrrhus, der einen sehr verlustreichen Sieg über die Römer errang. Ebenso nndl. pyrrusoverwining, ne. Pyrrhic victory, nschw. pyrrusseger, nnorw. pyrrhusseier. – Röhrich 2 (1992), 1212.

Python Smf (eine Riesenschlange) per. fach. (20. Jh.).

Nach gr. Py¯tho¯n, dem Namen der von Apollo getöteten Schlange, die das Orakel in Delphi hütete. Ebenso nndl. python, ne. python, nfrz. python, nschw. pyton, nnorw. pyton.

Q quabbeln Vsw ’schwabbeln’ per. ndd. (18. Jh.). Zu ndd.

quabbel ’Fettschicht, Wamme’, unerweitert nndl. kwab(be), vgl. nisl. kvap(i) ’Gallert, gallertartige, fettige Masse’. Hierzu quabbelig ’weich, schwammig’ und Quebbe ’schwankender Moorboden’. Lautmalend wie Þschwabbeln und wabbeln (Þwabbelig). S. auch ÞQuappe.

quackeln Vsw ’schwatzen, dummes Zeug treiben’ per.

ndd. (15. Jh.), mndl. quackelen, Iterativum zu Þquacken, mndl. kwakken. Letztlich wohl lautmalend als Þquaken, Þquäken. Nicht ganz klar ist die Nebenbedeutung ’prahlen’. ÞQuacksalber.

Quacksalber Sm erw. stil. (16. Jh.). Entlehnt aus nndl.

ÞQuart, ÞQuartal, ÞQuartett und ÞQuartier. Zur germanischen Verwandtschaft s. Þvier. – Schirmer (1912), 58; DF 3 (1977), 3f.; Cottez (1980), 361; EWNl 3 (2007), 151.

Quadrat Sn std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. quadra¯tus

’viereckig’ zu l. quadra¯re ’viereckig machen’ (ÞQuadrant). Adjektiv: quadratisch; Verb: quadrieren. Ebenso nndl. kwadraat, ne. quad(rat), nfrz. cadrat, nschw. kvadrat, nnorw. kvadrat. – DF 3 (1977), 4–7; EWNl 3 (2007), 151.

Quadratur Sf erw. bildg. phras. (18. Jh.). Entlehnt aus l.

quadra¯tu¯ra ’Verwandlung in ein Viereck’, Abstraktum zu l. quadra¯re (ÞQuadrat mit quadrieren). Üblich in Quadratur des Zirkels (Kreises) bezogen auf die geometrisch nicht lösbare Aufgabe, den Flächeninhalt eines Kreises in den Flächeninhalt eines Quadrats zu verwandeln. Deshalb ’unlösbare Aufgabe’.

kwakzalver, angeblich ’kwakender Salber’, zu mnl. Ebenso nndl. kwadratuur, ne. quadrature, nfrz. quadratur, qua¯ken ’schwatzen, prahlen’ (Þquackeln), also eine nschw. kvadratur. Art Marktschreier. Semantisch liegt näher, analog zu Quadriga Sf ’Viergespann’ per. fach. (17. Jh.). L. quaGesundbeter von *Quicksalber auszugehen (Þkeck). drı¯ga f. (aus *quadri-iuga ’mit vier Jochen’; Belegt ist eine solche Form allerdings nicht. Verb: ÞQuadrant, ÞJoch) bezeichnet den offenen zweirädquacksalbern. rigen Wagen, der von vier Pferden nebeneinander geEbenso ne. quak (doctor), nschw. kvaksalvare, nnorw. kvaksalzogen wird. Als Bestandteil des röm. Triumphzuges ver. – EWNl 3 (2007), 152. übernommen in moderne Darstellungen. Quaddel Sf ’Hautbläschen’ per. ndd. (17. Jh.), ahd. quedilla. Zuvor schon ahd. quedilla. Weitere Herkunft unklar. Vielleicht zu g. *kweþu- ’Bauch’ in gt. qiþus, anord. kvidrÑ , ae. cwidaÑ . ÞKutteln.

Quader Sm std. (11. Jh.), mhd. qua¯der(stein). Entlehnt

aus l. quadrus (lapis) ’vierseitiger (Stein)’ zu l. quattuor ’vier’. Ebenso nschw. kvadersten, nnorw. kvader(stein); ÞQuadrant. – DF 3 (1977), 1f.

Quadrant Sm ’in Grade unterteilter Viertelkreis, Win-

kelmesser’ per. fach. (16. Jh.). Neubildung zu l. quadra¯ns (-antis) ’Viertel, der vierte Teil’, dem substantivierten PPräs. von l. quadra¯re ’viereckig machen, viereckig zurichten’, zu l. quadrus ’viereckig’, zu l. quattuor ’vier’. Dazu quadrieren ’mit sich selbst multiplizieren’ im Sinne von ’ins Quadrat erheben’. Ebenso nndl. kwadrant, ne. quadrant, nfrz. quadrant, nschw. kvadrant, nnorw. kvadrant. Formal und semantisch gehören zu l. quadrus ’viereckig’ ÞQuader, ÞQuadrat, ÞQuadratur, ÞQuadriga und ÞQuadrille; mit romanischer Lautform Þkariert, ÞKaro, ÞKarree; semantisch weiterentwickelt ÞGeschwader, ÞSchwadron, ÞKader; s. auch ÞKaserne. Zu anderen Formen des lateinischen Zahlworts s. ÞQuarantäne,

Ebenso nndl. quadriga, ne. quadriga, nfrz. quadrige. – DF 3 (1977), 8.

Quadrille Sf ’(Musik für) von vier Paaren getanzter

Contretanz’ per. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. quadrille (auch in der Bedeutung ’Reitergruppe’), das zurückgeht auf span. cuadrille, einer Ableitung von l. quadrus ’viereckig’ (ÞQuadrant). Ebenso nndl. quadrille, ne. quadrille, nfrz. quadrille, nschw. kadrilj, nnorw. kvadrilje. – DF 3 (1977), 9–11; EWNl 3 (2007), 612.

Quai Smn ÞKai. quaken Vsw std. stil. (15. Jh.), fnhd. quacken. Junge laut-

malende Bildung wie nndl. kwaken. Entsprechend l. coaxa¯re ’quaken’. Þquackeln.

quäken Vsw ’mit gepresster Stimme weinen’ erw. stil.

(16. Jh.). Lautmalerisch. Dazu Quäke, Instrument, mit dem das Klagegeschrei des Hasen nachgeahmt wird (um Raubtiere anzulocken). Þquackeln. – Glombik-Hujer, H. DWEB 5 (1968), 203f.

Quäker Sm per. fach. (17. Jh.). Als Bezeichnung für den

Angehörigen der ’Society of Friends’ entlehnt. Diese

Qual

736 Ebenso nndl. quant(um), ne. quantum, nfrz. quantum, nschw. werden im Englischen mit dem Übernamen quaker kvant, nnorw. kvant. – Gerlach (1962), 59–62. ’Zitterer’ bedacht, weil sie nach dem Willen von G. Fox, dem Gründer der ’Society of Friends’, vor dem Quäntchen Sn erw. obs. (15. Jh., Form 18. Jh.), spmhd. Wort des Herrn zittern sollen. Ein lautgleiches deutquintı¯n, mndd. quentı¯n, quintı¯n. Mit erneuerter Versches Quäker gehört zu Þquäken und bezeichnet den kleinerung. Entlehnt aus früh-rom. *quintinus m. Bergfink oder den Raben (wegen ihrer Laute). ’Fünftel’ zu l. quı¯ntus ’der fünfte’. Ein Quäntchen ist ursprünglich der vierte Teil eines Lots; es ist unklar, Ebenso nndl. quaker, ne. Quaker, nfrz. quaker, nschw. kväkare, nisl. kvekari. – DF 3 (1977), 12f.; Rey-Debove/Gagnon (1988), wie die Vertauschung von ein Viertel und ein Fünftel 808. zu erklären ist. Þquinkelieren, ÞQuintessenz. Qual Sf std. (8. Jh.), mhd. qua¯l(e), ka¯l(e), ahd. qua¯la, as. qua¯la. Von anderer Ablautstufe anord. kvo¸l, ae. cwalu. Quantensprung Sm erw. fach. (20. Jh.). Ein QuantenAbleitung von dem nur westgermanisch bezeugten sprung beruht eigentlich auf einem theoretischen *kwel-a- Vst. ’leiden’ in ae. cwelan, as. quelan, ahd. Konzept, das normale Sterbliche kaum verstehen: der quelan. Dieses aus ig. (eur.) *g wel- ’sterben’, vermutQuantentheorie, begründet durch Max Planck 1900, lich älter ’stechen’ in air. at-bai(l) ’stirbt’, lit. ge´lti in dem hier einschlägigen Teil ausgebaut durch Albert ’stechen, wehtun’, arm. kełel ’quälen’. Verb: quälen. Einstein. Quantensprung bedeutet in dieser Theorie, dass sich ein mikrophysikalisches System unstetig Ebenso nndl. kwaal; ÞKilt. – Hoffmann (1956), 37f.; Seebold (1970), 313f.; Röhrich 2 (1992), 1214; EWNl 3 (2007), 150f., 157. (also in einem Sprung) durch Aufnahme oder Abgabe eines Quants verändern kann. Ein Quant ist Qualität Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. qua¯lita¯s (-a¯tis), dabei die kleinste denkbare Einheit physikalischer einer Ableitung von l. qua¯lis ’wie beschaffen, welGrößen, also eigentlich etwas unvorstellbar Winziges. cherlei, was für ein’. Aus ’Eigenschaft, Beschaffenheit’ Das Wort hat aber (wohl beeinflusst durch dann in einigen Ableitungen die Bedeutung ÞQuantität und ähnliche Mengenbegriffe) die Um’besondere Eigenschaft, besonders gute Eigenschaft, gangssprache dazu angeregt, in Quantensprung die Leistung’. Adjektiv: qualitativ; Verb: (dis-)qualifizieren. sprunghafte Entwicklung zu etwas unvermutet GroEbenso nndl. kwaliteit, ne. quality, nfrz. qualite´, nschw. kvalißem oder Sensationellem zu sehen (gewissermaßen tet, nnorw. kvalitet. Vgl. ÞQuantität. – Schirmer (1911), 151f.; den Sprung in eine andere Dimension). DF 3 (1977), 17–22; HWPh 7 (1989), 1748–1780; EWNl 3 (2007), 153f.

Qualle Sf std. (16. Jh.). Aus dem Niederdeutschen:

Ndd. qualle, nndl. kwal. Abgeleitet von Þquellen im Sinn von ’aufquellen’. Oder besteht ein Zusammenhang mit l. coa¯gulum n. ’das gerinnen machende Mittel, Lab’, das altsächsisch als quagul entlehnt wurde? Dazu andfrk. qua¯hlian ’gerinnen machen’. S. auch ÞQualster. – EWNl 3 (2007), 153.

Qualm Sm std. (16. Jh., twalm 8. Jh.). Übernommen aus

Quantität Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. quantita¯s

(-a¯tis), einem Abstraktum zu l. quantus ’von welcher Größe, wie groß’, einer Adjektivbildung zu l. quam ’wie, in welchem Grade’. Adjektiv: quantitativ; Verb: quantifizieren. Ebenso nndl. kwantiteit, ne. quantity, nfrz. quantite´, nschw. kvantitet, nnorw. kvantitet. Vgl. ÞQualität; ÞQuant, ÞQuantum. – Schirmer (1911), 152; Schirmer (1912), 59; Leser, E. ZDW 15 (1914), 32; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 402; DF 3 (1977), 23–26; HWPh 7 (1989), 1789–1828; EWNl 3 (2007), 154.

dem Niederdeutschen. Die nächstliegende Erklärung ist ein Anschluss an Þquellen, also ’das HervorquelQuantum Sn erw. fremd. (16. Jh.). Neutralform von l. lende’; es ist aber zu beachten, dass Wörter dieser quantus ’wie viel’. Wird aus der Wissenschaftssprache Bedeutung in den indogermanischen Sprachen häuund Kaufmannssprache übernommen und nicht einh fig von der Wurzel ig. *d eu¡- ’stieben, wirbeln’ gegedeutscht. h bildet werden, die eine Erweiterung ig. *d wel- zeigt. Ebenso nndl. quantum, ne. quantum, nfrz. quantum, nschw. Diese liegt vor in ahd. twalm ’Betäubung, Verwirkvantum, nnorw. kvantum; ÞQuantität. – DF 3 (1977), 271f.; rung’, mhd. twalm ’betäubender Dunst, Betäubung’ EWNl 3 (2007), 154. (as. dwalm, ae. dwolma), das lautgesetzlich zu qualm Quappe Sf erw. fach. (10. Jh.), mhd. quappa, ahd. quapgeworden sein kann. Allerdings stimmen die bezeugpa, kape, mndd. quabbe, quobbe, mndl. quabbe, quapten Bedeutungen nicht recht zu diesem Ansatz. Verb: pe. In der Bedeutung ’Kaulquappe’ zu vergleichen qualmen. mit apreuß. gabawo ’Kröte’, bulg. ˇza´ba ’Kröte’. Zu Kretschmer (1969), 382f.; Röhrich 2 (1992), 1214. nndl. kwab ’Quappe’, schlesw.-holst. Quabb ’dicker, Qualster (auch Kolster) Sm ’zäher Schleim’ per. ndd. pausbackiger Junge’. Also ’weiche Masse’. Sekundär (15. Jh.). Zur gleichen Grundlage wie ÞQualle mit wohl mit Þquabbeln u.ä. identifiziert. In der Bedeuden gleichen Entscheidungsschwierigkeiten. tung ’Aalquappe’ u.ä. wohl aus l. capito m. ’Döbel, Quant Sn ’kleinstmöglicher Wert einer physikalischen Dickkopf’ entlehnt und an das andere Quappe angeGröße’ per. fach. (20. Jh.). Von Max Planck 1910 als glichen. Einheit der ÞQuantität so benannt. Ebenso nndl. kwab. S. auch ÞKaulquappe, ÞAalquappe. – Lühr (1988), 276–278; EWNl 3 (2007), 151.

Quecke

737 Quarantäne Sf ’Isolierung von Personen mit anste-

Ebenso nndl. kwartier, ne. quarter, nschw. kvarter, nnorw.

kvarter; ÞQuadrant. – Jones (1976), 545f.; DF 3 (1977), 39–66; ckenden Krankheiten’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus EWNl 3 (2007), 155. frz. quarantaine, einer Ableitung von frz. quarante ’vierzig’, dieses aus spl. quarranta, aus l. quadra¯ginta¯, Quarz Sm std. (14. Jh.). Bezeugt als Fachwort des böhzu l. quattuor ’vier’. So benannt nach der Dauer der mischen Bergbaus. Herkunft unklar. In Anbetracht der semantischen Nähe kann das Wort nicht von ne. Hafensperre, der seuchenverdächtige Schiffe unter(dial.) chert ’Feuerstein, Hornstein, Kieselschiefer’, lagen. Ebenso nndl. quarantaine, ne. quarantine, nfrz. quarantaine, nschw. (dial.) kart ’kleiner Stein’ abgetrennt werden, nschw. karantän, nnorw. karantene; ÞQuadrant. – DF 3 (1977), so dass g. *kwarta- m. vorauszusetzen ist. Eine weitere 28–31; EWNl 3 (2007), 612. genaue Vergleichsmöglichkeit ergibt sich nicht, doch ist immerhin auf ig. *g wer-, g wor- ’Berg, Stein’ zu verQuark1 Sm std. (14. Jh.), spmhd. twarc, quarc, zwarg. Entlehnt aus ndsorb. twarog, das zu avest. tu¯raii- n. weisen. ’käsig gewordene Milch, Molke’, gr. ty¯ro´s ’Käse’, ae. Sommer, F. IF 31 (1912/13), 373–376; Lüschen (1979), 298f.; Dingeldein, H. J. MS 93 (1983), 306–319; RGA 24 (2003), 4–9; geþweor n. ’Käsestoff’ gehört. Ebenso nndl. kwark. – Bielfeldt, H. H. FF 39 (1965), 84; Kretschmer (1969), 559–565; Bellmann (1971), 135–138; Lokotsch (1975), 164; Röhrich 2 (1992), 1214f.; Steinhauser (1978), 57f. (anders); EWNl 3 (2007), 154. 2

Quark [kwt:k] Sn ’hypothetisches Elementarteil-

chen’ per. fach. (20. Jh.). 1964 von dem amerikanischen Physiker und Nobelpreisträger Murray GellMann so bezeichnet nach einer Phantasiebezeichnung für schemenhafte Wesen in Finnegans Wake von James Joyce mit englischer Aussprache, obwohl Joyce wohl an nhd. Quark in der Bedeutung ’Quatsch’ dachte. Lehnert, M.: Anglo-amerikanisches im Sprachgebrauch der DDR. Berlin 1990, 223–226.

quarren Vsw (Quarre f.) ’kläglich weinen’, Quarre

’weinerliches Kind, zänkische Frau’ per. ndd. (18. Jh.), mndd. quarren. Lautnachahmend; es steht dem ahd. queran ’seufzen’ verhältnismäßig nahe. Seebold (1970), 317f.; Röhrich 2 (1992), 1215.

Quart Sn ’vierter Ton einer diatonischen Tonleiter; eine

Haltung der Klinge beim Fechten; ein Buchformat’ per. fach. (14. Jh.). Entlehnt aus l. qua¯rtum ’Viertel’ (ÞQuadrant). Das Buchformat aus l. in quarto ’in vier Teile geteilt’ von der Teilung des Bogens. Ebenso nndl. kwart, kwarto, ne. quarto, quarte, nfrz. quarte, inquarto, nschw. kvart, nnorw. kvart. – DF 3 (1977), 31–33.

Quartal Sn ’Viertel eines Kalenderjahrs’ std. (16. Jh.).

Entlehnt aus ml. quartale ’vierter Teil’ (ÞQuadrant). Die Spezialisierung ist erst sekundär. Ebenso nndl. kwartaal, nschw. kvartal, nnorw. kvartal. – DF 3 (1977), 34f.

Quartett Sn erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus it. quar-

tetto, einer Ableitung von it. quarto ’vierter’. Ebenso nndl. kwartet, ne. quartet(te), nfrz. quartette, nschw. kvartett, nisl. kvartett; ÞQuadrant. – EWNl 1 (2003), 155.

EWNl 3 (2007), 155.

quasen Vsw Þquasseln. quasi Ptkl ’gewissermaßen’ per. fremd. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus l. quasi ’wie wenn’, zu l. quam ’wie’, zu l. quı¯ ’welcher, was für ein’ und l. sı¯ ’wenn’. Übernommen in der Kanzleisprache, dann auch – teilweise unter englischem Einfluss – als Präfixoid benutzt (quasiöffentlich). Ebenso nndl. quasi, ne. quasi, nfrz. quasi, nschw. kvasi-, nnorw. kvasi-; ÞQuantität. – DF 3 (1977), 66–69; Carstensen 3 (1996), 1141; EWNl 3 (2007), 612.

quasseln Vsw std. stil. (19. Jh.). Aus dem Niederdeut-

schen; bezeugt neben Þquasen und quaasken. Zu ndd. dwas ’töricht’, mndd. dwa¯s, das zu Þdösig, ÞDusel gehört und mit ÞDunst verwandt ist. Abstraktum: Quasselei. Lasch (1928), 210.

Quaste Sf (auch Quast m.) std. (11. Jh.), mhd. quast(e),

kost(e), mndd. quest quast, mndl. quast m. ’(Ast-) Knoten’. Aus g. *kwastu-/-a- m. ’Badequast’, eigentlich ’Laubbüschel’, auch in anord. kvo¸str; im Ablaut dazu mhd. queste m./f., ahd. questa f. ’Laubschürze’, as. quest ’Laubbüschel’. Lässt sich als ig. *gwozdo- vergleichen mit aserb. gvozdı˘ ’(Holz-)Nagel’, serbo-kr. gvo˝zd ’Nagel, Wald’, alb. gjethe ’Laub, Zweig’. Weitere Herkunft unklar. Vielleicht weiter zu gr. bo´strychos ’Haarlocke’, l. vespice¯s Pl. ’dichtes Gesträuch’, ai. guspita´- ’verflochten, verschlungen’. ˙ Jokl, N. Sprache 7 (1961), 113–156; EWNl 3 (2007), 155f. quatschen Vsw std. stil. (16. Jh., ’beschmutzen’ 9. Jh.).

Von Berlin aus verbreitet. Hierzu Quatsch. Lautmalend von Schlamm und weichen Massen wie ÞMatsch und Þklatsch. Lasch (1928), 209; Röhrich 2 (1992), 1214.

Quartier Sn erw. obs. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. quartier Quecke Sf erw. fach. (15. Jh.) mndd. quecke. Entspre-

m., dieses aus l. qua¯rta¯rius m. ’das Viertel’, zu l. qua¯rtus m. ’Viertel, der vierte Teil’, zu l. quattuor ’vier’. Die Bedeutungsentwicklung geht von ’Viertel’ zu ’Stadtviertel’, dann allgemein ’Stadtteil’ und ’Teil’, speziell ’Teil des Heereslagers, der Soldaten zur Unterkunft dient’. Schließlich Verallgemeinerung zu ’Unterkunft’. Verb: einquartieren.

chend ae. cwice f. Der Pflanzenname gehört ziemlich sicher zu einem Verb, das in anord. kweykja, kweikja ’anzünden, verbreiten, vermehren’, mndl. queken, queiken ’pflegen, füttern’, nndl. kwe(e)ken ’züchten, vermehren’ vertreten ist. Es ist auszugehen von ’vermehren’, da die Quecken sich rabiat vermehren.

Quecksilber

738

Die genannten Verben werden zu ig. *kwikwaQuerulant Sm ’Nörgler’ erw. fremd. (18. Jh.). Neoklas’lebendig, schnell’ (Þkeck) gestellt, was an sich mögsische Entlehnung aus ml. querula¯ns (-antis), dem lich ist, aber auf Ungereimtheiten formaler (gm. nur PPräs. von l. querula¯ri ’vor Gericht klagen, sich behier ai-Stufe) und semantischer Art (’leben’ = klagen’. Dieses zu l. querulus ’klagend, sich beschwerend’ zu l. querı¯ ’klagen’. ’verbreiten’?) stößt. Vgl. immerhin russ. (usw.) goit′ ’pflegen, mästen’ aus dem Kausativ der unerweiterten Ebenso nndl. querulant, ne. querolous, nfrz. querelleur, nschw. Wurzel. Es könnte sich also bei dem gesuchten Verb kverulant, nnorw. kverulant. – DF 3 (1977), 78–80. um die mediale oder reflexive Bedeutung eines Kau- Quese Sf ’Blutblase, Schwiele’ per. ndd. (19. Jh.), mndd. sativs handeln. que¯se. Ursprünglich ’Quetschstelle’, deshalb zu Nordstrandh, I.: Quecke und Brennessel (Lund 1953); HeerÞquetschen. oma, K. ZM 26 (1958), 193–199; Reiffenstein, I. DWEB 2 (1963), 317–346; Sauerhoff (2001), 197–199.

Quecksilber Sn std. (9. Jh.), mhd. quecsilber, kecsilber,

ahd. quecsilabar, mndl. quicsilver, quicselver. Wie ae. cwicseolfor frühe Lehnübersetzung aus l. argentum vı¯vum (weil das Metall wie Silber aussieht und beim Aufschlag in kleine, sehr bewegliche Tröpfchen zerfällt). Zum Bestimmungswort s. Þkeck. Ebenso nndl. kwik(zilver), ne. quicksilver, nfrz. vif-argent, nschw. quicksilver, nisl. kvikasilfur. – Lippmann (1919), 600–607; Röhrich 2 (1992), 1215; RGA 24 (2003), 9–11; EWNl 3 (2007), 160f.

Queder Sm ÞKeder. Quehle Sf ÞZwehle. quellen Vst std. (10. Jh., brunquella 8. Jh.), mhd. quel-

EWNl 3 (2007), 158.

Quetsche Sf ÞZwetschge. quetschen Vsw std. (13. Jh.), mhd. quetzen, quetschen,

mndd. quetten, quessen, mndl. que(e)tsen, quetsc(h)en, quessen. Herkunft umstritten, da keine semantisch naheliegende Vergleichsmöglichkeit vorliegt. Vielleicht entlehnt aus l. quatere ’schütteln, erschüttern’. ÞQuese. – EWNl 3 (2007), 158.

Quickborn Sm ’Jungbrunnen’ per. ndd. (19. Jh.). Nie-

derdeutsche Form von obd. Queckbrunnen, mhd. quecbrunne, keckbrunne, ahd. quecbrunno. Die Bedeutung ist eigentlich ’Quelle’ (’springender Brunnen’ zu mhd. quec, ahd. quec ’lebendig’; Þkeck), dann ’Jungbrunnen’ und übertragene Bedeutungen.

len, ahd. quellan, as. quellian. Vielleicht hierzu auch quicklebendig Adj std. stil. (19. Jh.). Altes quick ae. collenferhþ ’kühn’ (’mit geschwollenem Mut’?). ’lebendig’ (Þkeck) erhielt sich in der verdeutlichenAußergermanisch vergleicht sich vielleicht als Erweiden Zusammensetzung mit Þlebendig. terung gr. bly´zo¯ ’ich lasse hervorquellen, sprudle hervor’. Konkretum: Quelle. quieken Vsw std. (16. Jh.). Lautmalende Form; ähnlich quieksen (quixen 16. Jh.) und Þquietschen aus quikeÞQualle, ÞQualm, ÞQualster. – Seebold (1970), 314f.; Röhrich 2 (1992), 1215 (zu Quelle); RGA 24 (2003), 11; EWNl 3 zen. (2007), 158.

Quendel Sm ’wilder Thymian’ per. reg. (9. Jh.), mhd.

quendel, quenel f., ahd. quenela, konila, kunil f., as. quenela f . Wie ae. cunnele entlehnt aus l. cunı¯la, conı¯la f., das auf gr. konı´le¯ f. ’Majoran’ zurückgeht. quengeln Vsw std. stil. (18. Jh.). Eigentlich zwängeln

(Þzwingen, Þzwängen) in ostmitteldeutscher Lautform. quer Adj std. (9. Jh.). Mitteldeutsche Form von hd.

Þzwerch mit qu aus tw und Abfall des auslautenden -h. ÞQuertreiber, Þüberzwerch, Þzwerch. – Röhrich 2 (1992), 1216; EWahd 2 (1998), 911.

Querele Sf (meist Pl.) ’Unstimmigkeit’ per. fremd.

(17. Jh.). Entlehnt aus l. quere¯la ’Klage’. Ebenso ne. quarrel, nfrz. querelle; ÞQuerulant. – DF 3 (1977), 76–78.

Quertreiber Sm std. stil. (18. Jh.). Übernommen aus

nndl. dwarsdrijver ’ein Schiffer, der sein Schiff schlecht steuert und so in der Fahrrinne quer liegt’; übertragen auf ’Querkopf’, vor allem in Quertreiberei. Þquer.

quietschen Vsw Þquieken. quinkelieren Vsw per. arch. (17. Jh.). Aus dem Nieder-

deutschen: mndd. quinkeleren, lautlich assimiliert aus quinteliren zu quinteren aus ml. quintare ’in Quinten singen’. Bei der Entwicklung der deutschen Formen haben aber sicher auch lautnachahmende Ansätze eine Rolle gespielt. ÞQuentchen. – EWNl 3 (2007), 161.

Quintessenz Sf ’der wesentliche Kern’ erw. fach.

(17. Jh., in lateinischer Form 15. Jh.). Entlehnt aus ml. quinta essentia (eigentlich ’das fünfte Seiende’), zu l. quı¯ntus ’fünfter’ und l. esse ’sein’. In lateinischer Form quinta essentia, in deutschen Texten schon im 15. Jh. neben der Lehnübersetzung funfftwesen. Zunächst Bezeichnung des von Aristoteles den vier Elementen der griechischen Naturlehre zugefügten Äthers. Bei den Alchimisten Bezeichnung des ’Spiritus’, der Leben erzeugt und erhält. Er wurde von ihnen aus verschiedenen Stoffen gewonnen. Von der Bezeichnung solcher Extrakte dann Verallgemeinerung zu ’Wesen(tliches) einer Sache’. Ebenso nndl. kwintessens, ne. quintessence, nfrz. quintessence, nschw. kvintessens, nnorw. kvintessens; ÞQuentchen, ÞEssenz. –

739 Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 402; Buntz (1973); DF 3 (1977), 94–96; Cottez (1980), 361f.; HWPh 7 (1989), 1838–1841; Röhrich 2 (1992), 1216.

Quirl Sm std. (9. Jh., gidweran 8. Jh.). Mit ursprünglich

Quotient wohl ein Wort einer unbekannten Sprache an das Wort für Apfel und den Namen der kleinasiatischen Stadt Kydo¯nı´a angeglichen hat. Der Baum selbst wurde von Transkaukasien, Iran und Turkestan nach Griechenland gebracht.

mitteldeutscher Lautentwicklung aus mhd. twir(e)l, ahd. dwiril aus g. *þwerila- m. ’Quirl’, auch in nisl. Ebenso nndl. kwee, ne. quince, nfrz. coing, nschw. kvitten, nnorw. kvede. – Nehring, A. Glotta 13 (1924), 11–16 (hierzu die þyrill, ae. þwirel. Instrumentalbildung zu g. *þwer-aBemerkung 10, III, 64); Littmann (1924), 16; Marzell 1 Vst. ’rühren’ in ae. þweran, ahd. (gi)thweran. Dieses (1943), 1289–1292. aus einer semantisch schwer fassbaren Wurzel ig. *twer-, die etwa in ai. tva´rate ’eilt’ und gr. tory´no¯ ’ich Quiz Sn std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. quiz, wohl zu ne. rühre auf’ vorliegt. Der weitere Zusammenhang mit to quiz ’neugierig betrachten’, dessen Herkunft nicht gr. ty´rbe¯ f. ’Gewühl’ (Þturbulent) ist lautlich unklar. sicher geklärt ist. Verb: quirlen. Ebenso nndl. quiz, ne. quiz, nfrz. quiz, nschw. quiz, nnorw. Þdrillen, ÞSturm, Þturbulent. – Seebold (1970), 528; RGA 24 (2003), 35–37; EWahd 2 (1998), 925.

quitt Adj std. stil. (13. Jh.), mhd. quı¯t, quit ’ledig, frei’.

Entlehnt aus afrz. quite gleicher Bedeutung (aus l. quie¯tus ’ruhig’). Dazu quittieren aus frz. quitter ’einen Ort, eine Person verlassen’ u.ä.

quiz. – DF 3 (1977), 100; Rey-Debove/Gagnon (1988), 818; Carstensen 3 (1996), 1145f.; EWNl 3 (2007), 613.

Quote Sf ’Anteil’ erw. fach. (17. Jh.). Zunächst in itali-

enischer Form entlehnt aus it. quota ’Anteil’ (das zu l. quotus ’der wievielte’ gehört).

Ebenso nndl. quotum, ne. quota, nfrz. qota, nschw. kvot, nnorw. kvote; ÞQuotient. – Schirmer (1911), 153; DF 3 (1977), Ebenso nndl. kiet, ne. quits, nfrz. quitte, nschw. kvitt, nnorw. 102–104; EWNl 3 (2007), 613. kvitt. – Schirmer (1911), 152; Rosenquist (1942), 253–353; Öhmann, E. ZDW 17 (1961), 183f.; DF 3 (1977), 98f.; Löfstedt, B. Quotient Sm erw. fach. (15. Jh.). Umbildung von l. quoNPhM 80 (1979), 385f.; Röhrich 2 (1992), 1216; EWNl 3 (2007), tie¯ns ’wie oft’ als das ’so und so oft Teilbare’. 160, 613. Ebenso nndl. qotie¨nt, ne. quotient, nfrz. quotient, nschw. kvot, nnorw. kvotient, nisl. kvo´ti; ÞQuote. – DF 3 (1977), 104f. Quitte Sf std. (12. Jh.), mhd. quiten, ku¯ten, kütten, ahd.

quitina, quodana, kutina, kuten. Entlehnt aus l. (ma¯la) cydo¯nia f. (Sg.) ’Quittenbaum’, n. Pl. ’Quittenfrüchte’, dieses nach gr. kydo¯´nion me˜lon n., das

R Rabatt Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. rabais und

nachträglich teilweise italianisiert. Dieses zu frz. rabattre (u.a.) ’einen Preisnachlass gewähren’, eigentlich ’abschlagen’, zu spl. abattere und l. re-, aus l. abund l. battuere ’schlagen, klopfen’. Ebenso nndl. rabat, ne. rebate, nschw. rabatt, nnorw. rabatt; ÞBataillon. – Schirmer (1911), 153; DF 3 (1977), 107; Orioles, V. IL 4 (1978), 83–87; EWNl 3 (2007), 616.

Rabatte Sf ’Einfassungsbeet’ per. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus ndl. rabat, älter auch ’Faltenstreifen an der Gardine, Kleidersaum’. Dieses aus frz. rabat ’Aufschlag an der Kleidung, Kragen’, zu frz. rabattre ’umschlagen, niederdrücken’.

Ebenso nndl. raaf, ne. raven, nschw. ram(svart) ’kohlrabenschwarz’, nisl. hrafn; ÞKolkrabe, ÞRappe 1, ÞScharbe. – Suolahti (1909), 174–179; Kisch, G. ZM 14 (1938), 109; Fraenkel, M. ASNSL 202 (1966), 178–182; Röhrich 2 (1992), 1217–1219; EWNl 3 (2007), 614; RGA 24 (2003), 40–45.

Rabenvater Sm (Rabenmutter f.) std. stil. (16. Jh.). Nach

der (falschen) Auffassung, dass die Raben ihre Jungen aus dem Nest werfen, wenn sie sie nicht mehr ernähren wollen. Räbheu Sn ÞEfeu. rabiat Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus ml. rabiatus, dem

PPP. von ml. rabiare ’wüten’, zu l. rabie¯s ’Wut, Tollheit’, aus l. rabere ’toll sein, wüten, toben’.

Ebenso ne. rabbet, nfrz. rabat, nschw. rabatt, nnorw. rabatt; ÞRabatt. – DF 3 (1977), 107f.; Röhrich 2 (1992), 1217.

Ebenso nndl. rabiaat, ne. rabid, nnorw. rabiat; ÞRage, Þrappeln. – DF 3 (1977), 108f.

Rabatz Sm ’lärmendes Treiben’ std. vulg. (20. Jh.). Zu

Rache Sf std. (9. Jh.), mhd. ra¯ch(e), ahd. ra¯hha, as.

rabatzen (neben rabanzen u.a.) ’lärmen, toben’, auch einfach ’geschäftig sein’, mnl. rabat ’Lärm’. Streckform aus ratzen (Þranzen 1) ’herumtoben’. Zu beachten ist aber mfrz. rabascher ’Lärm machen (von Kobolden)’ zu einem als früh-rom. *rabbast- zu erschließenden romanischen Wort für ’Kobold’. Schröder (1906), 63f.; EWNl 3 (2007), 629.

wra¯ka. Aus g. *wr¢ ¯ k-o¯ f. (u.ä.) ’Rache’, auch in gt. wrekei, afr. wre¯ke, wre¯ze; ae. wr¢ ¯ c ’Verfolgung, Bedrängnis’. Verbalabstraktum zu dem unter Þrächen besprochenen starken Verb. Ruppel (1911), 33; RGA 3 (1978), 81–101; Röhrich 2 (1992), 1219; HWPh 8 (1992), 1–6; RGA 24 (2003), 45–47; EWNl 4 (2009), 639.

Rabauke Sm ’Rüpel’ erw. reg. (20. Jh.). Niederdeutsche Rachen Sm std. (9. Jh.), mhd. rache, ahd. (h)rahho,

Diminutivform (auf -ke) zu Rabau ’Schurke’, das aus nndl. rabauw gleicher Bedeutung entlehnt ist. Dieses aus frz. ribaud (aus ml. ribaldus) ’Lotterbube’. Also etwa ’kleiner Schurke’. Ebenso nndl. rabauw, nfrz. ribald.

Rabbi Sm ’geistliche Autorität einer jüdischen Gemein-

mndd. rak ’Gaumen’. Aus vd. *hrako¯n, entsprechend ae. hrace f. ’Kehle’. Vermutlich zu einer Schallwurzel, die ’röcheln’ u.ä. bedeutet, vgl. z.B. gr. kra´kte¯s ’Schreier’ zu gr. kra´zo¯ ’ich schreie’. Dann wäre der Rachen als ’Röchler’ o.ä. benannt, aber dies ist kaum ausreichend gesichert.

Röhrich 2 (1992), 1219. de’ per. fach. (16. Jh.). In Bezug auf jiddische Verhältnisse häufig in der jiddischen Form ÞRebbe verwen- rächen Vsw std. (9. Jh., girehhan 8. Jh.), mhd. rechen det; sonst auch eingedeutscht zu Rabbiner. UrsprüngVst., ahd. rehhan, as. wrekan. Aus g. *wrek-a- Vst. lich Anrede für Lehrer und Gelehrte (aus hebr. rabbı¯ ’verfolgen, rächen’, auch in gt. wrikan, anord. reka, ’mein Lehrer’), dann allgemeiner Titel für ordinierae. wrecan. Damit vergleicht sich am ehesten l. urge¯re ten Vertreter der jüdischen religiösen Lehre. ’pressen, drängen, treiben, niederdrücken’. Nomen Ebenso nndl. rabbi, rabbijn, ne. rabbi, nfrz. rabbi, rabbin, Agentis: Rächer. nschw. rabbin, nisl. rabbı´ni. – EWNl 3 (2007), 616.

Rabe Sm std. (8. Jh.), mhd. raben, ahd. (h)raban, mndd.

Ebenso nndl. wreken, ne. wreak, nschw. vräka, nisl. reka; ÞRache, ÞRecke, Þschiffreich, ÞWrack. – Seebold (1970), 568–570; EWNl 4 (2009), 641.

raven. Aus g. *hrabna- m. ’Rabe’, auch in anord. hrafn, ae. hr¢fn. Nebenformen sind ahd. (h)ram Rack Sm ÞArrak. (8. Jh.), rappo, rabo, mhd. rab(e), rapp(e), mndd. Racker Sm ’Schlingel’ std. stil. (18. Jh.). Altes Wort für rave. Der Vogel heißt nach seinem Schrei ig. (eur.) ’Abdecker, Schinder, Henker’, ursprünglich nieder*kra-p-no- ’der kra (macht)’. Ähnlich gr. ko´rax, l. cordeutsch (15. Jh.), vgl. mndd. racker, racher ’Abdeax, corvus ’Rabe’. cker, Totengräber’ u.ä. Vermutlich zu ndd. racke

Rädelsführer

741

’Kot, Unflat’ und weiter zu racken ’fegen, scharren’ (weiter entfernt ÞRechen). Der Racker ist also eigentlich der, der den Unrat fortschafft. Sich Þabrackern ähnlich wie sich Þschinden. Angstmann (1928), 44; EWNl 3 (2007), 622.

Racket Sn ’Tennisschläger’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt

aus ne. racket.

Erwartung kriegerischer Bedrohungen Radarstationen eingerichtet (Home Chain). Durch den Einsatz kürzerer Wellenlängen konnte vor allem die englischamerikanische Marine seit 1941 größere Erfolge erzielen. Der weitere Ausbau erfolgte dann vor allem in den Vereinigten Staaten, von denen dann auch die Weiterentwicklung im zivilen Bereich gefördert wurde.

Ebenso nndl. racket, ne. racket, nfrz. raquette, nschw. racket, Ebenso nndl. radar, ne. radar, nfrz. radar, nschw. radar, nisl. nnorw. racket. Das englische Wort könnte aus frz. raquette f. radar; ÞRadius. – DF 3 (1977), 109; Rey-Debove/Gagnon ’Handfläche’ (veraltet) stammen, das über mittellateinische (1988), 822; Carstensen 3 (1996), 1151f.; EWNl 3 (2007), 618. Vermittlung wohl von arab. ra¯ha kommt. Nicht bezeugt, aber ˙ vielleicht wahrscheinlicher, ist die Herkunft aus einem flämi- Radau Sm std. stil. (19. Jh.). Ausgehend von Berlin. Ofschen *raketse, das zunächst das Zurückschlagen im Tennis, fenbar Lautmalerei. Erscheint auch im Rotwelschen. dann den dazugehörigen Schläger bezeichnete, vgl. ndn. ketse Lasch (1928), 181f. ’Schläger’. Dieses aus frz. re- + frz. (pikard.) cache (aus l. captia ’Fang’ einem Ausdruck der Turnier- und Ballspiele). – GillRade Sf ’Getreideunkraut’ per. fach. (8. Jh.), mhd. meister, H. in: Zweites Internationales Seminar zur Geschichrat(t)e(n) m., ahd. rat(t)o m., as. rado. Herkunft unte der Sportwissenschaft (1982), 239–245; Gillmeister, H. Staklar. Vielleicht eine Zugehörigkeitsbildung zu ÞRad, dion 10 (1984), 31–40; Gillmeister, H. in Müller/Rühl (1985), indem die Pflanze (wegen der runden Blüten) als 54–74; Rey-Debove/Gagnon (1988), 821; Carstensen 3 Radträger aufgefasst worden wäre. (1996), 1150; EWNl 3 (2007), 617. Loewe, R. BGDSL 62 (1938), 43–52; Marzell 1 (1943), 153–155; Raclette Sfn (ein Käsegericht) per. fach. (20. Jh.). Ein Lühr (1988), 30.

Wort der französischen Schweiz (Unterwallis), zu frz. Radeberge (Radebere u.ä.) Sm ’Schubkarren’ per. omd. racler ’abschaben’, also eigentlich ’Abschabung’. In (14. Jh.), spmhd. radeber. Entsprechend zu ne. wheelder ursprünglichen Form wird die Schnittfläche eines barrow, eine Zusammensetzung aus ÞRad und einer halbierten Käselaibs am Feuer zum Schmelzen geAbleitung zu mhd. bern ’tragen, führen’. bracht, abgeschabt und über Pellkartoffeln verteilt. Ebenso nndl. racletten, nfrz. raclette.

Rad Sn std. (8. Jh.), mhd. rat, ahd. (h)rad, as. rath, afr.

reth. Aus vd. *raþa- n. ’Rad’. Aus ig. *roto- (und andere Stammbildungen) ’Rad, Wagen’, auch in air. roth, l. rota, lit. ra˜tas (Sg. ’Rad’, Pl. ’Wagen’), ai. ra´tham. (’Streitwagen’). Vermutlich zu einem *ret’laufen’, das in air. reithid, rethid ’rennt, läuft’ bezeugt ist. Entfernt verwandt sind Þgerade 2 und Þrasch. Auch kurz für ÞFahrrad. Die Bedeutung ’Taler’ ist rotwelsch und vermutlich ausgelöst durch die Abkürzung R(eichs) T(aler). Verben: rädeln, Þrädern, radeln. Ebenso nndl. rad. Zur lateinischen Sippe s. Þrotieren; Þgerade 2, ÞRade, ÞRadeberge, Þradebrechen, Þrädern, Þrasch. – Putschke, W. FS Weijnen. Hrsg. J. Kruijsen (Assen 1980), 337–352; Röhrich 2 (1992), 1219–1222; Häusler, A. in Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse in ur- und frühgeschichtlicher Zeit. Hrsg. F. Horst, B. Krüger (Berlin 1985), 121–133 (zur Sachgeschichte); Häusler, A. in Treue (1986), 139–154 (zur Sachgeschichte); Bomhard (1995), 37f.; Lasch (1928), 177 (zur Bedeutung ’Taler’); EWNl 3 (2007), 617; RGA 24 (2003), 49–55.

Radar Smn ’Ortsbestimmung (usw.) durch elektro-

ÞRad, Þgebären.

radebrechen Vsw ’eine Sprache schlecht sprechen’ std.

(16. Jh.), mndd. radebraken, mndl. radebraken. Ähnlich gebrochen sprechen (zu dem der Zusammenhang nicht ganz klar ist). Die ältere Bedeutung von radebrechen ist die Bezeichnung einer Hinrichtungsart, des Räderns (Þrädern), bei der dem Verbrecher (mit einem Rad) die Gliedmaßen gebrochen wurden, worauf er in die Speichen des Rades geflochten wurde. Die Bildung des Wortes ist nicht ganz eindeutig. Möglich wäre ein *radbrehhon, das aus der Fügung mit deme rade brehhan gebildet worden wäre; ein Zusammenhang mit der Sippe von Þwringen ist aber auch nicht auszuschließen. Das Rädern gilt als germanische Todesstrafe, doch ist seine Herkunft eher im Orient zu suchen (ins Germanische übernommen aus der griechischen Radfolter). ÞRad. – Heinertz, N. O. MoS 48 (1954), 252–260; Vergote, J. Zeitschrift für neutestamentl. Wissenschaft 37 (1938), 239–250 (zur Sachgeschichte); Vergote, J. Bulletin de l’Institut Hist. Belge de Rome 20 (1939), 141–163 (zur Sachgeschichte); Ström, F. On the Sacral Origin of the Germanic Death Penalties (Stockholm 1942; zur Sachgeschichte); EWNl 3 (2007), 618.

magnetische Wellen’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus Rädelsführer (älter Rädleinsführer) Sm std. (16. Jh.). Ein Rädlein bilden die im Ring stehenden Landsknechte. ne. radar, einem Initialwort aus ne. Radio Detecting And Ranging. Diese Bezeichnung wurde von der Das Wort erscheint dann frühneuhochdeutsch als Ausdruck für ’Zusammenrottung’; deshalb wird der amerikanischen Marine 1940 eingeführt. Der Sache Rädelsführer zum ’Anstifter’. In anderem Zusamnach geht es ursprünglich um eine deutsche Erfindung (Patent von Ch. Hülsmeyer 1904), die dann bemenhang bedeutet das Wort ’Anführer eines Reigens’. sonders in Großbritannien weiterentwickelt wurde. Peperkorn, B. ZDPh 60 (1935), 207–211. Ab 1937 wurden dann an der englischen Ostküste in

Räder

742 Räder (auch Rätter) Sm ’Sieb’ per. arch. (16. Jh.), mhd. Radius Sm ’Halbmesser’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt

reden Vst., ahd. redan Vst. ’sieben’. Außergermanisch vergleichen sich mir. crotha(i)d ’schüttelt’, lit. kre˙˜sti ’schütteln, rütteln’. Seebold (1970), 274f.

rädern Vsw ’mit dem Rad hinrichten’ std. (14. Jh.),

spmhd. reder(e)n. Abgeleitet von ÞRad. Zur Sache s. Þradebrechen.

Radi Sm per. oobd. (20. Jh.). Aus Radies falsch abgelöst. ÞRadieschen.

Radiator Sm ’Wärme abstrahlender Heizkörper’ per.

aus l. radius (eigentlich ’Stab, Strahl, Speiche’). Adjektiv: radial. Ebenso ne. radius, nschw. radie, nisl. radı´us; ÞRadar, ÞRadiator, ÞRadio. – Schirmer (1912), 59; DF 3 (1977), 117f.; Cottez (1980), 363f.; EWNl 3 (2007), 620.

Radler Sn (Radlermaß f.) ’Mischgetränk aus Bier und

Limonade’ per. obd. (20. Jh.). Ursprünglich bairisch. Getränk derjenigen, die mit dem Fahrrad in die Ausflugslokale gefahren sind und nicht zu viel Alkohol trinken wollen. Zuerst bezeugt für die Zeit um 1900 (Lena Christ).

fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. radiator, einer AbleiEichhoff, J. FS Martin (1980), 159–163. tung von ne. radiate ’Licht/Wärme abstrahlen’, dieses Raffel1 Sm ’Klatschmaul’ per. vulg. (14. Jh., Bedeutung zum PPP. von l. radia¯re (radia¯tum) ’strahlen’, zu l. radius ’Strahl, Stab, Spindel’. 18. Jh.). Zu spmhd. raffel m./n. ’Lärm’, das zu Þrappeln gehört und lautmalend ist. Ebenso nndl. radiateur, nfrz. radiateur, nschw. radiator, nnorw. radiator; ÞRadius. – EWNl 3 (2007), 619.

radieren Vsw std. (15. Jh.). Entlehnt aus l. ra¯dere (ra¯-

sum) ’scharren, schaben, kratzen, reinigen, rasieren’. Abstraktum: Radierung. Ebenso nndl. raderen, ne. erase, nschw. radera, nnorw. radere; Þrasant, Þrasieren, Þräß, ÞRaster. – DF 3 (1977), 110f.; EWNl 3 (2007), 619.

Radieschen Sn (selten auch Radies m.) std. (17. Jh.). Be-

zeichnet die kleinen Monatsrettiche, während bair. Radi den großen Rettich meint. Entlehnt aus (nord-) frz. radis m., woraus schon im 16. Jh. nndl. radijs. Das Diminutiv wird seit dem 18. Jh. fest. Das französische Wort kommt von l. ra¯dı¯x (-ı¯cis) f. ’Wurzel’, das auch ÞRettich ergeben hat. Ebenso nndl. radijs, ne. radish, nfrz. radis, nschw. rädisa, nisl. radı´sa; Þradikal. – Röhrich 2 (1992), 1222; EWNl 3 (2007), 619.

radikal Adj std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. radical, zu l.

ra¯dı¯ca¯liter Adv. ’gründlich, an die Wurzel gehend’, zu l. ra¯dı¯x (-ı¯cis) ’Wurzel, Ursprung, Stamm, Quelle’. Die heutige Bedeutung ist eine Intensivierung der alten Bedeutung ’von Grund auf’. Abstraktum: Radikalismus; Verb: radikalisieren.

Raffel2 Sf ’Gerät zum Abstreifen von Beeren’ per. fach.

(18. Jh.). Abgeleitet von Þraffen. In der Bedeutung ’Gerät zum Gemüseraspeln’ ist das Wort von raffeln abhängig, das wohl eine Intensivbildung zu raffen ist. raffen Vsw std. (14. Jh.), spmhd. raffen, reffen, mndd.

rapen. Anders gebildet anord. hreppa ’erlangen’. Intensivbildung zu einem Stamm g. *hrap-, der außergermanisch nicht vergleichbar ist (vielleicht mit abweichender Wurzelstufe oder Metathese, sowie abweichendem Auslaut l. carpere ’rupfen, ernten’). Ebenso nndl. rapen, ne. rap; ÞRaffel 2, ÞRaffke, Þrapsen, ÞRaspel. – Trier (1952), 76; Trier (1981), 93; EWNl 3 (2007), 626.

raffiniert Adj std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. raffine´,

dem PPrät. von frz. raffiner ’verfeinern, läutern; listig auf etwas aus sein’, zu frz. fin ’fein’ (mit l. re- und l. ad-), dieses wohl aus vor- rom. *finus, zu l. fı¯nis ’Grenze’ (in superlativischen Fügungen wie ’das ist das Äußerste = Beste’). Raffinieren, Raffinerie (usw.) tragen die Bedeutung ’verfeinern, reinigen, veredeln’, Raffinesse demgegenüber ’Geschick’.

Ebenso nndl. geraffineerd, ne. refined, nschw. raffinerad, Ebenso nndl. radicaal, ne. radical, nfrz. radical, nschw. radikal, nnorw. raffinert; Þfein. – DF 3 (1977), 118–124; Strauss u.a. nnorw. radikal; ÞRadieschen, ÞRasse, Þratzekahl, ÞRettich. – (1989), 698–704; Brunt (1983), 438. DF 3 (1977), 111–166; Cottez (1980), 363; GB 5 (1984), 113–133; Raffke Sm (Spottname für den Neureichen) per. vulg. Rey-Debove/Gagnon (1988), 823f.; Strauss u.a. (1989), (20. Jh.). Ausgehend von Þraffen und angelehnt an 324–330; HWPh 8 (1992), 11–15; EWNl 3 (2007), 619.

Radio Sn std. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. radio, einer

Kurzform von ne. radiotelegraphy ’Übermittlung durch Ausstrahlung elektromagnetischer Wellen’, zu l. radius m. ’Strahl, Stab’. Ebenso nndl. radio, ne. radio, nfrz. radio, nschw. radio, nnorw. radio; ÞRadius.Ersatzwort ist ÞRundfunk. – DF 3 (1977), 116f.; EWNl 3 (2007), 619f.

Radium Sn (radioaktives Erdalkalimetall) per. fach.

(20. Jh.). Entdeckt und bezeichnet von den französischen Physikern M. und P. Curie. Zu l. radius ’Strahl’ als ’das Strahlende’. Ebenso nndl. radium, ne. radium, nfrz. radium, nschw. radium, nisl. radı´um, radı´n.

die Familiennamen auf -ke. Rage Sf ’Wut, Empörung’ per. fremd. (18. Jh.). Entlehnt

aus frz. rage, dieses sicher zu einer spätlateinischen Zwischenstufe von l. rabie¯s. Dazu enragiert ’leidenschaftlich erregt’ aus frz. enrage´. Ebenso ne. rage; Þrabiat. – DF 3 (1977), 124f.; Röhrich 2 (1992), 1223; EWNl 3 (2007), 620.

ragen Vsw std. (13. Jh., biraget ’steil’ 8. Jh.), mhd. ragen,

mndl. ragen. Mit abweichendem Vokalismus ae. oferhr¢ ¯ gan ’überragen’. Herkunft unklar. Vielleicht zu gr. kro´ssai ’Zinnen, Absätze’, air. crich ’Ende, Spitze’, lit. kra˜ke˙ ’Stock’, russ. kro´kva ’Stange, Dachsparren’,

Rampe

743

evtl. auch heth. kurakki- ’Bauelement von Gebäuden’. S. auch Þregen. – Neumann, G. IF 75 (1970), 296.

Ragout Sn erw. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. ragouˆt

m. ’Tunke, Würzfleisch’, einer Ableitung von frz. ragouˆter ’Appetit machen, den Gaumen reizen’, dieses abgeleitet von frz. gouˆt m. ’Geschmack’, aus l. gu¯stus m.

S. auch ÞAnrainer. – Erben, W. ZSSR-GA 43 (1922), 1–65; Christmann, E. ZM 31 (1964), 195; Müller (1976), 21–58; RGA 24 (2003), 117–119.

Rainfarn Sm per. fach. (9. Jh.). Umgedeutet aus mhd.

reinevan(e), ahd. reinfano ’Grenzfahne’ zu ÞRain und ÞFahne. Der auch auf anspruchslosem Boden in weithin sichtbaren Gruppen wachsende Rainfarn kann durchaus mit einer Grenzmarkierung verglichen oder als solche benutzt werden.

Ebenso nndl. ragouˆt, ne. ragout, nfrz. ragouˆt, nschw. ragu, nisl. ragu´; Þdegoutieren, Þkosten 2. – Jones (1976), 549; DF 3 (1977), Räkel Sm, räkelnVsw ÞRekel. 125f.; Brunt (1983), 439; EWNl 3 (2007), 621. Rakete Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus it. rocchetto m.

Rahe Sf per. fach. (17. Jh., raha ’Stange’ 8. Jh.), mhd.

’Spule’, einem Diminutivum zu it. rocca ’Spinnstab’. rahe, ahd. raha. Aus dem Niederdeutschen: Mndd. So bezeichnet nach der Form der frühen Raketen, die ra¯, mndl. ra(a), rae, re(e). Spezialisiert aus einem allder Gestalt von Spinnstäben ähnelten. gemeinen Wort für ’Stange’ g. *raho¯ f. in anord. ra´, Ebenso nndl. raket, ne. rocket, nfrz. roquette, nschw. raket, ahd. raha. Außergermanisch vergleicht sich vielleicht nnorw. rakett; ÞRocken. – Lokotsch (1975), 134; Jones (1976), 554; DF 3 (1977), 126–128; EWNl 3 (2007), 621. lit. rı´eklas m., rı´ekle˙s f. Pl. ’Stangengerüst zum Trocknen und Räuchern’. Ralle Sf ’Wachtelkönig’ per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus S. auch ÞReck. – Trier (1952), 76; Heidermanns (1993), 440; frz. raˆle gleicher Bedeutung. EWNl 3 (2007), 614.

Ebenso nndl. waterral, ne. rail, nfrz. raˆle, nschw. rall.

Rahm1 Sm ’Sahne’ std. (11. Jh.), mhd. roum, mndd.

Rallye Sf ’Motorsport-Wettbewerb’ per. fach. (20. Jh.). ro¯m(e). Aus wg. *rauma- m. ’Rahm’, auch in ae. re¯am; Entlehnt aus ne. rally und frz. rallye m., zu frz. rallier, im Ablaut dazu anord. rju´mi. Falls von *raugma- auseigentlich ’verstreute Truppen sammeln’, zu frz. allier zugehen ist, vergleicht sich avest. raoγna- n., raoγniia¯’vereinen’ und frz. re-, aus l. alliga¯re ’binden, verbinf. ’Butter’. Weitere Herkunft unklar. Die neuhochden’, zu l. liga¯re ’binden’ und l. ad-. deutsche Form beruht auf einer Mundart, die mhd. Ebenso nndl. rally, nfrz. ralley, nschw. rally, nnorw. rally; ou zu a¯ entwickelt hat. Wo Rahm gegen ÞSahne seÞlegieren. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 830; Carstensen 3 (1996), 1155. mantisch differenziert wird, bezieht es sich eher auf den sauren Rahm. Präfixableitung: entrahmen; Parti- ram(m)dösig Adj per. ndd. (19. Jh.). Mit dem Verstärkelableitung: abrahmen. kungswort ndd. ramm ’ganz’ zu Þdösig. Ebenso nndl. room. – Röhrich 2 (1992), 1223; EWNl 3 (2007), 682.

Rahm2 Sm ’Ruß’ per. reg. (12. Jh., ra¯mag 8. Jh.), mhd.

ra¯m, ra¯n, ahd. ra¯m ’Schmutz’. Aus wg. *r¢ ¯ ma-, auch enthalten in ae. ro¯mig ’geschwärzt, rußig’. Außergermanisch vergleichen sich ai. ra¯ma´- ’dunkel, schwarz’ und mit anderer Ableitungssilbe l. ra¯vus ’grau’. Kretschmer (1969), 384f.; Bomhard (1995), 42f.

Rahmen Sm std. (11. Jh.), mhd. ram(e) f. ’Stütze, Gestell,

Gebhardt, A. ZDU 20 (1906), 659f.

Ramme Sm ’Gerät zum Durchstoßen’ erw. fach. (9. Jh.).

Umbildung aus dem Wort für den unverschnittenen Schafbock mhd. ram, ahd. ram, mndd. ram m., ae. ramm m. Dieses ist vermutlich eine Substantivierung von anord. ram(m)r ’kräftig, scharf, bitter’ (Benennung nach dem Geruch?). Weitere Herkunft unklar. Die gleiche Übertragung vom Tiernamen auf das Gerät bei l. arie¯s m. Verb: rammen.

Webrahmen’, ahd. ram m./f., rama f. ’Stütze’, mndd. Ebenso nndl. ram, ne. ram; Þgerammelt, Þrammeln. – EWNl 3 (2007), 622. rame(n), mndl. raem, rame ’Rahmen’. Vermutlich zu der Sippe von ÞRand, doch bleibt verschiedenes un- rammeln Vsw ’bespringen’ erw. fach. auch vulg. (11. Jh.), klar, besonders die Frage, ob eventuell (gut vergleichmhd. rammeln, ahd. rammilo¯n, rammalo¯n. Zu ahd. bares) hr- vorausliegt. Verb: rahmen. rammo ’Bock’, das eine Erweiterung des unter Ebenso nndl. raam; ÞRand, ÞRanft, ÞRumpf , Þrümpfen, ÞRamme genannten ram ist (das Verb kann auch unÞRumpsteak. – Heinertz, N. O. MoS 48 (1954), 229–252; mittelbar auf ram zurückgehen). Grundbedeutung ist Schüwer, H. NJ 104 (1981), 82–88; Röhrich 2 (1992), 1223; also etwa ’bocken’. Dazu wieder Rammler für das EWNl 3 (2007), 614f. Männchen von Hase und Kaninchen, mhd. rammeler rahn Adj ’schlank’ per. reg. (14. Jh.), spmhd. ran. Dazu ’Widder während der Brunstzeit’. Die andere Bedeuwohl Rahne f. ’lange rote Rübe’. Herkunft unklar. tung in verrammeln und Þgerammelt. Rain Sm erw. fach. (9. Jh.), mhd. rein, ahd. rein, mndd. EWNl 3 (2007), 623. rein ’Rain, Grenze’, mndl. reen. Mit anderem Genus Rampe Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. rampe vergleicht sich anord. rein(a) f. Außergermanisch ’Auffahrt’, im 19. Jh. dann noch einmal als bühnenkann dazugehören air. ro´en, ra´en ’Weg, Durchbruch’. technischer Ausdruck. Das französische Wort ist eine Weitere Herkunft unklar. Verb: anrainen. Ableitung zu frz. ramper ’schleichen, kriechen’, das

ramponieren vielleicht aus einem mit Þrümpfen verwandten germanischen Wort stammt. Ebenso ne. ramp, nschw. ramp, nnorw. rampe. – DF 3 (1977), 128f.; Röhrich 2 (1992), 1223.

ramponieren Vsw ’stark beschädigen und unansehnlich

machen’ erw. fremd. (18. Jh.). Entlehnt aus mndd. ramponeren, dieses aus afrz. ramposner ’hart anfassen’. Ebenso nschw. ramponera, nnorw. ramponere. – Schirmer (1911), 153; DF 3 (1977), 129f.

Rams Sm (Name verschiedener lauchartiger Gewäch-

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mit seinen eisernen Bändern; zu Rande kommen ist eigentlich ’bis zum Ende kommen’, älter zu Rand und Land kommen (16. Jh. − hier bedeutet es ’Küste’); am Rande bemerkt u.ä. bezieht sich auf den Brauch der Randbemerkungen in Büchern und Manuskripten. Ebenso nndl. rand, nschw. rand, nisl. rönd; ÞRahmen, Þrändeln, ÞRanft, ÞStrand. – Röhrich 2 (1992), 1223f.; EWNl 3 (2007), 624.

randalieren Vsw std. (19. Jh.). Gebildet zu einem heute

nicht mehr üblichen studentensprachlichen Randal, das gekreuzt ist aus nhd. dial. Rand ’Lärm, Tumult’ und ÞSkandal.

se) per. reg. (18. Jh., hochdeutsch in alter Zeit nicht Rande Sf ’rote Rübe’ per. schwz. (20. Jh.). Nebenform bezeugt), mndd. ramese, remese. Aus g. *hrameso¯n, zu Rahne (Þrahn). auch in ae. hramsan. Aus ig. (eur.) *kromus-, auch in gr. kro´m(m)yon ’Zwiebel’, mir. crem, crim, kymr. rändeln Vsw ’einem Metallstück durch Einpressen cra(f) ’Knoblauch’ und mit abweichendem Vokaliseinen aufgerauten Rand geben’ per. fach. (20. Jh.). Zu mus lit. kermu`ˇs˙e f. ’wilder Knoblauch’, russ. ˇceremsˇa´ f. ÞRand; rückgebildet ist Rändel als Bezeichnung für ’Bärlauch’. Weitere Herkunft unklar. das Werkzeug. Wallner, E.: Gissübel und Ramsau (München/Berlin 1940), Ranft Sm ’Brotrinde’ per. reg. (9. Jh.), mhd. ranft, 38–45; Marzell 1 (1943), 210f.; Sauerhoff (2001), 215f.; Kehr, ramft, ahd. ramft ’Einfassung’. Späte to-Ableitung zu K. FS Göschel (2001), 344–365.

Ramsch Sm std. stil. (18. Jh.). Von Norddeutschland

der in ÞRahmen dargestellten Grundlage. Die Bildung setzt eigentlich ein Verb als Grundlage voraus.

ausgehend üblich geworden. Herkunft umstritten. In ÞRand, ÞRahmen. Frage kommen: 1) Mndd. im rampe ko¯pen ’in Bausch Rang Sm std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. rang, das urund Bogen kaufen’, mndd. ramp ’zusammengewürsprünglich den Kreis der zu Gericht Geladenen befelte Menge verschiedener Gegenstände’ (aber woher zeichnet, dann die Zuschauerreihen bei Kampfspiekommt das s?). 2) frz. ramas(sis) ’Durcheinander’ zu len. Es ist entlehnt aus einer Entsprechung zu unsefrz. ramasser ’zusammenraffen, auflesen’. 3) (höchsrem ÞRing. Zu einem den Rang ablaufen s. ÞRank. tens als zusätzlicher Einfluss) rotw. ramschen Ebenso nndl. rang, ne. rank, nfrz. rang, nschw. rang, nnorw. e ’betrügen’ zu hebr. r mijah ’Täuschung, Trug’. Als rang; Þarrangieren. – HWPh 8 (1992), 17–21; Röhrich 2 (1992), Bezeichnung eines Kartenspiels geht das Wort auf 1224f.; EWNl 3 (2007), 624. jeden Fall auf frz. ramas und frz. ramser (aus frz. raRange Sf ’Wildfang’ per. reg. (15. Jh.), mndd. range. masser) zurück (ursprünglich ein Spiel, bei dem Bedeutet eigentlich ’läufiges Schwein’ (zu rangen ’eingesammelt’ wurde). Verb: (ver-)ramschen. ’sich hin- und herwenden’, nach der Unruhe des Wolf (1985), 261 (unter Ramme); EWNl 3 (2007), 624. Schweins in dieser Zeit; Þringen), wird dann aber Ranch Sf ’nordamerikanische Farm’ per. exot. (20. Jh.). schon früh als grobes Schimpfwort verwendet. In der Entlehnt aus ne. ranch, dieses aus mex.-span. rancho heutigen Verwendung wird die Ausgangsbedeutung m. ’vereinzelt gelegene Hütte; Gruppe von Personen, nicht mehr mitverstanden. die zusammen essen’, zu span. ranch(e)ar ’sich nieS. auch Þranzen 1. derlassen, (über Nacht) lagern, Hütten bauen’. Tärangeln Vsw erw. stil. (18. Jh.). Intensivbildung zu ranterbezeichnung: Rancher. gen (ÞRange), das zu Þringen gehört. Ebenso nndl. ranch, ne. ranch, nfrz. ranch, nschw. ranch. – Rey-Debove/Gagnon (1988), 832f.; Carstensen 3 (1996), 1157.

Rand Sm std. (9. Jh.), mhd. rant, ahd. rant, as. rand. Aus

rangieren Vsw std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. ranger,

auch ’aufstellen, einreihen’. Ebenso nndl. rangeren, ne. range, nschw. rangera, nnorw. rangere; Þarrangieren. – DF 3 (1977), 130–132; EWNl 3 (2007), 624f.

g. *randa-/o¯ ’Rand’, auch in ae. rand, afr. rand, rond; rank Adj ’schlank’ std. phras. zwi. (17.), mndd. rank, anord. ro¸nd f. Vermutlich eine Dentalableitung zu mndl. ranc. Vgl. ae. ranc ’gerade, stolz, tapfer’, anord. einer Grundlage mit m, die in ae. rima ’Rand, Grenze, Küste’ und ÞRahmen vorliegt. Auch ÞRanft gehört rakkr ’gerade, aufrecht’. Ausgangsbedeutung ist hierher. Man vergleicht Wörter wie lit. rem ˜ ti ’aufgerichtet, ausgestreckt’ zu einer Nasalierung von ig. *reg´- ’richten, gerade’ u.ä. Die Nasalierung auch in ’stützen’, aber die Bedeutungszusammenhänge innerhalb der zusammengestellten Sippe sind nicht lit. ra˛zˇy´ti ’straffen, sich recken’, ai. rjyati, rn˜ja´ti ˙ s. unter ˙ ausreichend aufgehellt. Umgangssprachlich (nord’streckt sich, eilt’, die einfache Wurzel Þrecht, deutsch) wird Rand auch als Metapher für ’Mund’ wo auch die weiteren Verwandten genannt sind. verwendet (indem an die Lippenumrandung gedacht Ebenso nndl. rank, nschw. rank. – Bahder (1925), 39f., 44; Lühr (1988), 136f.; Heidermanns (1993), 437; EWNl 3 (2007), wird). Außer Rand und Band bezieht sich auf das Fass 625.

Raps

745 Rank Sm (meist Ränke Pl.) ’Intrigen’ erw. obs. (14. Jh.),

Rapfen Sm ’Raubfisch’ per. fach. (16. Jh.). Zunächst als spmhd. ranc ’Kniff, Dreh’. Ae. wrenc ’Kniff, Betrug’, rape bezeugt; sonst ist die Entstehung dunkel. ursprünglich ’Krümmung’, zu Þrenken, vielleicht mit rapid(e) Adj std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. rapide, dieintensivierender Auslautvariation zu Þringen und ses aus l. rapidus, eigentlich ’reißend, raubgierig’, Þwringen. Die Ausgangsbedeutung vielleicht noch in dem PPP. von l. rapere ’raffen’. einem den Rang ablaufen (seit dem 15. Jh.), das heißt Ebenso ne. rapid, nfrz. rapide. – DF 3 (1977), 133. ’die Krümmung des Wegs abschneiden und so dem Rapier Sn (Fechtwaffe) per. fach. (16. Jh.). Entlehnt aus Vordermann zuvorkommen’. frz. rapie`re f. ’langer spanischer Degen’, dessen HerRanke Sf std. (11. Jh., Bedeutung 15. Jh.), mhd. ranc, kunft nicht sicher geklärt ist. mndd. rank(e), mndl. ran(c)ke. Bedeutungsmäßig geEbenso nndl. rapier, ne. rapier, nfrz. rapie`re. hört das Wort zu ÞRank und Þrenken als ’Windung, 1 sich Windendes’; allerdings ist in mittellateinischen Rappe Sm ’schwarzes Pferd’ std. (16. Jh.). Übertragen aus der älteren Bedeutung ’Rabe’. Die Form ist eine Glossaren des 7./8. Jhs. ein hranca ’Weinrebe’ begeminierte Variante zu ÞRabe. zeugt, das germanisch sein müsste. Falls dessen hrS. auch ÞRappen. – Röhrich 2 (1992), 1225. begründet ist und das Wort als Vorform von Ranke anzusehen ist, muss es von Rank getrennt werden, da Rappe2 (auch Rapp) Sm ’Traubenkamm’ per. wmd. dessen Sippe altes wr- hat. Eine sichere Entscheidung wobd. (14. Jh.), spmhd. rappe. Entlehnt aus gleichist nicht möglich. Verb: ranken. bedeutendem frz. raˆpe f., vergleiche it. raspo. Meyer-Lübke, W. WS 6 (1914), 230; Knobloch, J. IF 92 (1987), Rappe3 Sf (früher auch m.) ’Gelenkausschlag der Pfer29–32; EWNl 3 (2007), 625.

Ränke Spl ÞRank.

de’ per. fach. (15. Jh.), fnhd. rappe, rapfe. Zu ahd. rapfen ’verharschen’. Weitere Herkunft unklar.

Ranken Sm ’großes Stück Brot’ per. reg. (19. Jh.). Omd. Rappe4 Sf ’Reibeisen’ per. wmd. (18. Jh.). Entlehnt aus

dagegen Runke(n), auch ÞRunks, das auch übertragen als ’grober Kerl’ und ’großer Hund’ gebraucht wird. Herkunft unklar. S. auch ÞRunks.

Rankkorn Sn ’Halskrankheit, besonders der Schwei-

ne’ per. arch. (20. Jh., in zahlreichen Formen überliefert, auch als ÞRank und ÞRang). Das Grundwort wohl, weil sich am Hals der betroffenen Tiere kornförmige Flecken zeigen; das Bestimmungswort ist unklar. Vgl. nndl. wrong ’Wulst, eine Krankheit der Kühe’.

Ranküne Sf ’Groll, Hass’ per. fremd. (18. Jh.). Entlehnt

frz. raˆpe gleicher Bedeutung, das selbst germanischen Ursprungs ist (ÞRaspel). Ebenso nndl. rasp, ne. rasp (auch: ’Raspel’), nfrz. raˆpe (auch: ’Raspel’).

rappeln Vsw std. stil. (17. Jh.). Mit Intensivgemination

zu ndd. rapen ’klopfen’, mhd. entspricht raffeln (ÞRaffel 1). Die Bedeutung ’nicht recht bei Verstand sein’ (es rappelt bei jemandem) ist möglicherweise ausgelöst von md. reben, frz. reˆver ’träumen, phantasieren’ (zu l. rabe¯re ’irre sein, wüten, toben’). Partikelverb: sich aufrappeln. Þrabiat.

aus frz. rancune, dieses mit unregelmäßiger Forment- Rappen Sm (heute schwz. ’kleine Münze’) erw. fach. wicklung aus l. rancor m. ’alter Hass’ (eigentlich ’das Ranzige’), zu l. rance¯re ’ranzig sein’. Ebenso nndl. rancune, ne. ranco(u)r, nfrz. rancune; Þranzig. – DF 3 (1977), 132f.; EWNl 3 (2007), 624.

Ranzen Sm ’Reisesack’ std. stil. (16. Jh., älter 15. Jh. in

der Gaunersprache). Daneben Ränzel, mndd. rensel, auch renzer und rotw. ranz ’Sack’. Herkunft unklar. Röhrich 2 (1992), 1225.

ranzen1 Vsw ’brünstig sein’ per. fach. (17. Jh.), spmhd.

ranzen ’ungestüm springen’. Intensivbildung auf -zen zu rangen, ranken (ÞRanke) ’sich hin- und herwenden’ nach den Bewegungsspielen der Paarungszeit. ÞRange.

ranzen2 Vsw Þanranzen. ranzig Adj std. (18. Jh.). Übernommen aus nndl. ranzig.

(14. Jh.). Währungseinheit des Rappenmünzbundes (alemannisch) im 15./16. Jh. Zuerst bezeugt im zweiten Viertel des 14. Jhs. als Freiburger Münze. Vielleicht ursprünglich scherzhafte Bezeichnung der Münzen der Grafen von Freiburg mit Anspielung auf den Adler des Münzbildes − Rappen ist Nebenform zu ÞRappe 1 in dessen ursprünglicher Bedeutung ’Rabe’. Rapport Sm ’Bericht, Berichterstattung; sich auf Ge-

weben u.ä. stets wiederholendes Muster’ per. fach. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. rapport, eigentlich ’das Wiederbringen’, zu frz. apporter ’herbeibringen’ und frz. re-, aus l. apporta¯re, zu l. porta¯re ’befördern, tragen’ und l. ad-. Verb: rapportieren. Ebenso nndl. rapport, ne. rapport, nschw. rapport, nnorw. rapport; ÞPorto. – Jones (1976), 553; DF 3 (1977), 133–135; EWNl 3 (2007), 626.

Dieses aus frz. rance, das auf l. rancidus ’nach Fäulnis riechend’ zurückgeht. Raps Sm erw. fach. (18. Jh.). Über Rapst verkürzt aus Ebenso nndl. ranzig, ne. rancid, rank, nfrz. rance; ÞRanküne. – Rapp-Saat, ndd. rapsa¯d, nndl. raapzaad, ne. rape-seed EWNl 3 (2007), 626. (der Raps wird wegen der ölhaltigen Samen ange-

rapsen

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baut). Lehnübersetzung aus l. se¯men ra¯pı¯cium n. ’Rübsamen’, zu l. ra¯pum n., ra¯pa f. ’Rübe’. Ebenso ne. rape, nschw. raps, nnorw. raps. S. auch ÞRübe.

rapsen (rapschen) Vsw ’grapschen’ per. ndd. (17. Jh.).

Intensivbildungen zu ndd. rapen ’raffen’ (Þraffen). Rapunzel Sf (Salatpflanze) per. reg. (16. Jh.). Entlehnt

aus it. raponzolo, einer Ableitung aus it. rapo ’Rübe’. Ebenso nndl. rapunzel, nfrz. raiponce, ndn. rapunsel.

rar Adj std. (16. Jh.). Entlehnt über mndl. raer aus frz.

’Lauf, Ansturm’, mndd. ra¯s ’heftige Strömung’. Außergermanisch entspricht gr. ero¯¯e´ ’Schwung’, gr. ero¯´eo¯ ’ich fließe, ströme’ und vielleicht l. ro¯ra¯riı¯ ’Leichtbewaffnete, die mit Schleudern den Kampf einleiteten’. Zugrunde liegt ig. *ro¯s/r¡s- oder ig. *ras/ ro¯s-, das mit dem durch Þirre vorausgesetzten *er(e)s- zusammenhängen kann (lautlich unklar). Abstraktum: Raserei. Ebenso nndl. razen; Þirre. – Trier (1981), 24; EWNl 3 (2007), 630.

rare ’selten’, das auf l. ra¯rus ’locker, zerstreut, selten’ Rasen Sm std. (13. Jh.), mhd. rase, mndd. wrase. Urzurückgeht. Abstraktum: Rarität. Die Bedeutung ist sprünglich mitteldeutsch. Herkunft unklar. im Friesischen und Niederländischen stärker wertend ÞWasen, ÞWrasen. – Röhrich 2 (1992), 1226. (einerseits ’komisch’, andererseits ’vorzüglich, erlerasieren Vsw std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. raser, dieses sen’). aus l. ra¯dere (ra¯sum), auch: ’darüber streichen, scharEbenso nndl. rariteit, ne. rare, nfrz. rare, nschw. rar, nnorw. ren, schaben, kratzen, reinigen’. Nomen Instrumenti: rar. – DF 3 (1977), 136–140; Röhrich 2 (1992), 1226; EWNl 3 (2007), 615, 626f. Rasierer; Abstraktum: Rasur. rasant Adj ’schnittig, schnell’ std. (19. Jh.). Entlehnt aus

frz. rasant ’streifend’, dem PPräs. von frz. raser ’kahl scheren, rasieren, streifen’, aus l. ra¯dere (ra¯sum) ’darüber streichen, scharren, schaben, kratzen, reinigen, rasieren’. Die Bedeutung im Deutschen (ausgehend von der flachen Flugbahn von Geschossen) durch eine volksetymologische Anlehnung an nhd. Þrasen. Abstraktum: Rasanz. Ebenso nfrz. rasant (’streifend, langweilig’); Þradieren. – DF 3 (1977), 140–142; Trier (1981), 24.

Ebenso nndl. raseren, ne. raze, nschw. rasera, nnorw. rasere; Þradieren. – Jones (1976), 555; DF 3 (1977), 142–144; Röhrich 2 (1992), 1226; RGA 24 (2003), 137–143.

Räson Sf ’Vernunft’ erw. fremd. phras. (17. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. raison, dieses aus l. ratio (-o¯nis), zu l. re¯rı¯ (ratus sum) ’meinen, glauben, urteilen’. Verb: räsonieren. Ebenso ne. reason, nschw. reson, nnorw. resong; Þrational. – DF 3 (1977), 144–150.

Raspel Sf erw. fach. (16. Jh.). Rückbildung zu raspeln,

das schon etwas früher nachweisbar ist und deshalb wohl als Iterativum zu raspen, ahd. raspo¯n ’sammeln, co, mndd. rasch, mndl. ras(s)ch, ras. Aus g. *raska-, zusammensuchen’ aufzufassen ist. Dieses zu wg. älter *raþ-ska- Adj. ’rasch’. Dem Adjektiv können *hresp-a- Vst. ’reißen’ in afr. hrespa, ahd. (h)respan, zwei verschiedene Ansätze zugrunde liegen, die wohl ae. gehrespan. Weitere Herkunft unklar. zusammengeflossen sind: (1) anord. ro¸skr (mit S. auch ÞRaffel 2, ÞRappe 4. – Seebold (1970), 274; EWNl 3 u-Umlaut) ’tüchtig, tapfer’, me. rash. Der vor dem (2007), 627; RGA 24 (2003), 146f. sko-Suffix geschwundene Auslaut ergibt sich aus ahd. rad(o), mndd. rat, rade Adv., ae. -r¢ ¯ d(e), r¢ ¯ de räß Adj ’scharf’ per. obd. (9. Jh.), mhd. r¢ze, ahd. ra¯zi. ’schnell’, gt. raþs ’leicht’. Hierzu wohl das Verb, das in Herkunft unklar. Verwandtschaft mit l. ra¯dere (ra¯air. reithid, rethid ’läuft, rennt’ bezeugt ist (ÞRad). (2) sum) ’scharren’ oder l. ro¯dere (ro¯sum) ’nagen’ ist Anord. hradrÑ ’schnell’, ae. hr¢d Ñ ’schnell’, ahd. hrad denkbar. ’schnell’. Außergermanisch vergleicht sich lit. apiÞradieren, ÞErosion. kratai ’schnell’, das zu lit. kre˙˜sti ’schütteln, rütteln’ Rasse Sf std. (18. Jh.). Entlehnt aus frz. race, in dem der gehört; ÞRäder. Präfixableitung: Þüberraschen. zugrunde liegende Begriff seine ideologische AusEbenso nndl. ras, ne. rash; Þgerade 2, ÞRad, Þüberraschen. – prägung bekam; davor bedeutete das Wort ungefähr Heidermanns (1993), 304f., 693f. EWNl 3 (2007), 627. ’edle Abstammung’ und (später) auch ’Varietät, Art’. Rasch Sm ’leichtes Wollenzeug’ per. arch. (17. Jh.), Die Ideologisierung erfolgte vor allem durch Josef mndd. ras, mndl. ras(s). Gekürzt aus arraz, arras, arArthur de Gobineau (1853/55), bei dem ’reine Rasse’, reis, das auch spätmittelhochdeutsch auftritt. Der ’weiße Rasse’ (und deren Führungsrolle) eingeführt Stoff wurde bezeichnet nach seinem Herstellungsort, werden. Nach der Aufnahme des Begriffs im deutschder ndl. Stadt Arras (heute Nordfrankreich). sprachigen Raum wird diese Ideologie mit einem ausEbenso nndl. ras, ne. arras. geprägten Antisemitismus verknüpft, der schließlich zum Holocaust führte. Nach dem Ende des 2. Weltrascheln Vsw std. (17. Jh.). Lautnachahmend wie ebenkriegs wurde dadurch das Wort Rasse zu einem falls bezeugtes rischeln, ruscheln und raschen. ’Unwort’. In Frankreich ist das Wort bezeugt seit dem rasen Vsw std. (9. Jh.), mhd. ra¯sen, mndd. ra¯sen, mndl. 15./16. Jh.; es ist entlehnt aus ital. razza, 14. Jh. Eine rasen, razen ’toben’. Mit anderer Stammbildung ae. weitere Herleitung des Wortes ist ohne Zusatzannahr¢¯ san ’stürzen, eilen’, anord. ra´sa ’sich schnell bemen nicht zu erreichen. Dies gilt besonders für die wegen’. Wohl denominativ zu anord. ra´s, ae. r¢¯ s rasch Adj std. (9. Jh., rasco 8. Jh.), mhd. rasch, ahd. ras-

Ratte

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semantisch befriedigendste Lösung, die an l. linea an- raten Vst std. (8. Jh.), mhd. ra¯ten, ahd. ra¯tan, as. ra¯dan. knüpft, das besonders in der Fügung linea sanguinis Aus g. *r¢ ¯ d-a- Vst. ’raten’, auch in gt. -redan, anord. ra´daÑ , ae. r¢ ¯ dan, afr. re¯da. Dieses aus ig. *re¯d h’die Abstammung’ und ’die Verwandtschaftsfolge’ ’zurechtmachen, beraten’, in air. ra´d ’das Sprechen, bedeutet. Dies könnte (das ist die nicht beweisbare Sagen’, akslav. (ne)raditi, roditi ’sorgen für, sich kümZusatzannahme) ins Langobardische als *raiza (mit Lautverschiebung, also stimmloses s oder z zu reißen) mern um’, ai. ra¯dhno´ti ’wird fertig, gedeiht, bringt übersetzt worden sein, worauf das Wort als langobarfertig’. Vermutlich Erweiterung der Wurzel ig. *ar¡discher Rechtsausdruck in die italienische Volks’fügen’, die unter ÞArt 1 behandelt ist. sprache aufgenommen wurde (der Vokal wie bei ml. Ebenso nndl. raden, ne. read, nschw. ra˚da, nisl. ra´daÑ ; ÞGerät, sculdasius ’Schultheiß’). Adjektive: rassig, rassisch; ÞRat, ÞRätsel, Þverraten. – Seebold (1970), 365–367; EWNl 3 (2007), 618. Abstraktum: Rassismus. Ebenso nndl. ras, ne. race, nfrz. race, nschw. ras, nnorw. rase; ratifizieren Vsw ’einen völkerrechtlichen Vertrag in Þradikal. – Littmann (1924), 100f.; Oberhummer, E. AAWW Kraft setzen’ erw. fach. (15. Jh.). Entlehnt aus ml. ra(1929), 18, 205–214; Spitzer, L. AJPh 62 (1941), 129–143; Spittificare, zu l. ratus ’gültig, rechtskräftig, ausgerechzer, L.: Essays in historical semantics (New York 1948), 147–169; net’, dem PPP. von l. re¯rı¯ (ratus sum) ’meinen, glauAder (1958), 34; DF 3 (1977), 150–155; GB 5 (1984), 135–178; ben, urteilen’, und l. facere ’machen’. Abstraktum: Strauss u.a. (1989), 330–334; Miles, R. Argument 31 (1989), Ratifikation. 353–367; Miles, R.: Rassismus (Hamburg 1991; zur englischen Entsprechung); RGA 24 (2003), 153–156; EWNl 3 (2007), 617, 627.

rasseln Vsw std. (14. Jh.), spmhd. razzeln. Weiterbil-

dung zu mhd. razzen ’toben’. Zusätzlich beeinflusst durch mndd. rateln ’klappern’, das schallnachahmend ist (vgl. ae. hratele ’Rasseltopf’). Ebenso nndl. ratelen, ne. rattle. – EWNl 3 (2007), 628; RGA 24 (2003), 147–153.

Rast Sf std. (9. Jh., resti 8. Jh.), mhd. rast(e), ahd. rasta.

Ebenso nndl. ratificeren, ne. ratify, nfrz. ratifier, nschw. ratificera, nnorw. ratifisere; Þrational, Þinfizieren. – DF 3 (1977), 158–160.

Ration Sf std. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. ration, dieses

aus ml. ratio (-onis) ’berechneter Anteil’, aus l. ratio (-o¯nis) ’Berechnung, Vernunft’, zu l. re¯rı¯ (ratus sum) ’meinen, glauben, urteilen’. Verb: rationieren; Adjektiv: rationell. Ebenso ne. ration, nfrz. ration, ndn. ration, nnorw. rasjon; Þrational. – Weimann, K-H. DWEB 2 (1963), 403; DF 3 (1977), 162; EWNl 3 (2007), 625f.

Letzteres auch für ein Wegmaß (Weg zwischen zwei Ruhepausen?), was für gt. rasta, anord. ro¸st ausschließlich gilt. Außerdem as. rasta, resta ’Ruhelager, rational Adj ’vernunftgemäß’ erw. fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus l. ratio¯na¯lis, zu l. ratio (-onis), ’Rechnung, Totenlager’, ae. r¢st, rest ’Ruhe’. Beruht offenbar auf Denken, Vernunft’ zu l. re¯rı¯ (ratus) ’meinen, glaueiner nur germanischen s-Bildung zu der Wurzel, die ben’. Abstrakta: Rationalität, Rationalismus; Erweitein ÞRuhe vorliegt. rung: rationalistisch; Verb: rationalisieren. Ebenso ne. rest. S. auch ÞRüste. – Lofmark, C. MLN 80 (1965), 449–453; EWNl 3 (2007), 694f.

Raster Sm ’Gitternetz auf Glas oder Folie’; n. ’Gesamt-

Ebenso nndl. rationeel, ne. rational, nfrz. rationnel, nschw. rationell, nnorw. rasjonal. Zur germanischen Verwandtschaft s. ÞRede; ÞRation, ÞRate, ÞRäson, Þanberaumen. – DF 3 (1977), 163–171; HWPh 8 (1992), 37 ff.; EWNl 3 (2007), 629.

heit der Punkte eines TV-Bilds’ erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus l. ra¯strum n. ’Instrument zum Ziehen paralleler Linien’, eigentlich: ’Rechen’, älter: ’Karst, Hacke’ (zu l. ra¯dere ’kratzen, schaben’).

Ratsche (auch Rätsche) Sf ’Rassel’ per. reg. (16. Jh.). Erst

Ebenso nndl. raster, ne. raster, nschw. raster, nnorw. raster; Þradieren. – DF 3 (1977), 155 f .; EWNl 3 (2007), 627f.

Rätsel Sn std. (15. Jh.), fnhd. ra¯tisla, ra¯disla f., ra¯tsal,

Rat Sm std. (8. Jh.), mhd. ra¯t, ahd. ra¯t, as. ra¯d. Aus wg.

¯ d, afr. re¯d. Da*r¢ ¯ di- m. ’Rat, Vorrat’, auch in ae. r¢ neben anord. ra´d Ñ neutraler a-Stamm. Verbalabstraktum zu g. *r¢¯ d-a- Vst. ’raten’ (Þraten).

neuhochdeutsch gebildet zu mhd. ratzen, fnhd. ratschen ’klappern’. r¢tsel, ahd. ratissa 8. Jh., as. ra¯disli, ra¯dislo m. 9. Jh. Wie ae. r¢ ¯ dels m. eine Bildung auf isl-ja- zu Þraten. Daneben bestehen mit gleicher Bedeutung auch andere Bildungen.

Ebenso nndl. raadsel, ne. riddle. – RGA 24 (2003), 88–98. Ebenso nndl. raad, nschw. ra˚d, nisl. ra´d;Ñ ÞUnrat, ÞVorrat. – Ratte Sf std. (9. Jh.), mhd. ratte, ahd. ratta, as. ratta Röhrich 2 (1992), 1227; HWPh 8 (1992), 29–37; EWNl 3 (2007), 614; RGA 24 (2003), 69–72. (neben maskulinen Formen). Wie ae. r¢t entlehnt

Rate Sf std. (16. Jh.). Entlehnt aus l. (pars) rata

’berechneter Teil’ (zu l. re¯rı¯ ’urteilen, berechnen’). In Komposita wie Zuwachsrate unter dem Einfluss des Englischen. Ebenso ne. rate, nschw. rate, nnorw. rate; Þrational. – DF 3 (1977), 156–158; Mosch, R. MS 97 (1987), 172–177; Röhrich 2 (1992), 1227; Carstensen 3 (1996), 1160f.

aus den romanischen Sprachen (frz. rat m., it. ratto m. usw.). Weitere Herkunft unklar (nach DEO aus frührom. *radita¯re, zu l. ra¯dere ’nagen’). Nach Brøndal zu l. rapidus in der älteren Bedeutung ’gefräßig’. Unklar ist auch, warum neben Ratte auch Ratze auftaucht und warum dieses auch ’Marder’ und ’Iltis’ bedeuten kann.

Rattenkönig

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Ebenso nndl. rat, rot, ne. rat, nfrz. rat, nschw. ra˚tta, nisl. rotta. Rücksicht genommen wird’). Verbales auf den Raub S. auch ÞRatz. – Palander (1899), 74f.; Brøndal (1917), bauen ist heute nicht mehr gebräuchlich. 177–179 = (1948), 186f.; Knobloch, J. RMPh 115 (1972), 291f.; Raubein Sn ’Grobian’ per. reg. (19. Jh.). Rückgebildet DEO (1982), 455f.; Röhrich 2 (1992), 1227f.; Lühr (1988), aus raubeinig, was das gleiche meint. Für diese Be283–285 (anders); EWNl 3 (2007), 628; RGA 24 (2003), 157–159.

Rattenkönig Sm ’Wust’ per. fach. (16. Jh.). Nach der

zeichnung im eigentlichen Sinn gibt es verschiedene Ansatzpunkte, z.B. war das Wort Spottname verschiedener Polizei- und Militärtruppen wegen der rauen Gamaschen. Wie das Wort aber zu seiner heutigen Bedeutung kam, ist unklar.

Vorstellung von Ratten, die mit ihren Schwänzen ineinander verwirrt sind. In der älteren Sprache bezeichnet das Wort offenbar eine besonders große Ratte, die sich von anderen Ratten ernähren lässt. Das Bindeglied scheint das ’sich ernähren lassen’ zu sein. rauben Vsw std. (9. Jh.), mhd. rouben, ahd. roubo¯n, as. ro¯bÐ on. Aus g. *raub-o¯- Vsw., auch in gt. biraubon Rätter Smf ’Siebvorrichtung’ per. reg. (16. Jh.). Das ’ausziehen’, anord. raufa ’zerreißen’, ae. re¯afian, afr. gleiche Wort wie ÞRäder. ra¯via ’rauben’. Wohl deverbativ zu dem unter ÞRaub rattern Vsw std. (17. Jh.). Lautmalend. genannten starken Verb (und nicht denominativ zu Raub, was ebenfalls möglich wäre). Ratz Sm (bair. auch Ratze f.) ’Ratte’, aber auch ’SieEWNl 3 (2007), 686. benschläfer’ und ’Iltis’ per. reg. (14. Jh.). Hochdeutsche Form des Wortes ÞRatte. Schlafen wie ein Ratz Rauch Sm std. (9. Jh.), mhd. rouch, ahd. rouh m./n., as. bezieht sich auf die Bedeutung ’Siebenschläfer’; ebenro¯k. Aus g. *rauki- m. ’Rauch’, auch in anord. reykr, so ratzen (ugs.) ’fest schlafen’. ae. re¯c, afr. re¯k. Das Wort ist abgeleitet aus dem in Röhrich 2 (1992), 1230. Þriechen vorliegenden starken Verb, dessen ursprüngliche Bedeutung aber ’rauchen’ war. Verben: ratzekahl Adj std. stil. (18. Jh.). Umdeutung von rauchen, räuchern; Adjektiv: rauchig. Þradikal, vielleicht mit dem Gedanken an den kahlen Ebenso nndl. rook, ne. reek, nschw. rök, nisl. reykur. – Richter, Schwanz der Ratte. rau Adj std. (9. Jh.), mhd. ru¯ch, ahd. ru¯h, mndd. ru(we),

E. ZVS 55 (1928), 138–149; Röhrich 2 (1992), 1231; EWNl 3 (2007), 681f.

ru¯ch, ruge, mndl. ru(w). Aus wg. *ru¯hwa- Adj. ’rau’, Rauchnächte Spl ’die Zeit zwischen Heiligabend und auch in ae. ru¯h, ru¯wes. Außergermanisch vergleicht Dreikönig’ per. reg. (19. Jh.). Zu den verschiedenen sich ai. ru¯ksa´- ’rau, trocken, dürr’; weiterer Anschluss ˙ Zeiten, die so benannt werden können, und zu den an die Wurzel ig. *reu- ’reißen’ ist denkbar (ÞRaub). damit verbundenen Volksbräuchen s. HDA 7 (1936), Die Bedeutung ’bewaldet’ (in älterer Zeit noch häu529–532. Eigentlich Vorabend eines Feiertags, an dem figer) ist erhalten in Raue Alb, eigentlich ’bewaldetes das Haus und besonders der Stall mit Weihrauch ausWeideland’. Abstraktum: Rauheit; Verb: (auf-)rauen. geräuchert wird. Sekundär auch Raunächte, RaubEbenso nndl. ruig, ne. rough; ÞRauchwerk, ÞRoche(n). – Ader nächte, Rauhnächte u.ä. (1958), 86–97; Trier (1981), 27; Heidermanns (1993), 454f.; EWNl 3 (2007), 689, 695.

Rauchschwalbe Sf erw. fach. (16. Jh.). Sie heißt so, weil

sie gerne in den alten großen Räucherkaminen nistete. ro¯f . Aus wg. *rauba- m. ’Raub, erbeutete Rüstung’, Rauchwerk Sn ’feines Pelzwerk’ per. arch. (16. Jh.). auch in ae. re¯af n., afr. ra¯f n.; mit abweichender Schon in mittelhochdeutscher Zeit in der Bedeutung Stammbildung anord. reyfi n. ’abgerupfte Schafwolle’. Ableitung von g. *reuf-a- Vst. ’reißen, rupfen’ in ’Kürschnerhandwerk’. Zu dem Adjektiv rauch ’behaart, zottig’, das eine Variante von Þrau ist. anord. rju´fa, rjo´fa, ae. rofen ’zerbrochen’, ae. berofen ’beraubt’. Außergermanisch vergleichen sich l. rumSchier, B.: Zur Geschichte des Wortes ’Rauchware’ (Leipzig, Berlin 1950). pere ’zerbrechen, reißen’, ai. ru´pyati ’schmerzt stark’, kausativ ’verursacht Schmerz, bricht ab’; erweitert Räude Sf per. fach. (9. Jh.), mhd. riude, ru¯de, ahd. aus ig. *reu- ’reißen, rupfen’ in anord. ry´ja ’den Scha(h)riuþi, ru¯da, as. hru¯tho m. Aus g. *hru¯þo¯n m. (und fen die Wolle ausrupfen’, lit. ra´uti ’reißen, ausrupfen’, ähnliche Stammbildungen) ’Räude, Schorf’, auch in akslav. uru˘vati se˛ ’sich losreißen’. Verb: Þrauben. anord. hru´drÑ m. ’Schorf’, ae. (h)ru¯deÑ ’Räude’. HerEbenso nndl. roof; Þraufen, Þrau; und zu den lateinischen kunft unklar; vermutlich mit einem Suffix, das auch Wörtern Þabrupt und ÞRobe. – Wadstein, E. IF 14 (1903), in anderen Krankheitsnamen auftaucht, zu ig. 402–406; Kaspers, W. BGDSL-H 80 (1958), 177f.; Trier (1963), *krew¡- ’rohes Fleisch’ u.ä. in ai. kravı´s n. ’rohes 83; Seebold (1970), 378f.; Röhrich 2 (1992), 1230f.; RGA 24 Fleisch’, ai. kru¯ra´- ’wund, roh, blutig’, l. cruor m. (2003), 159–161. ’rohes, dickes Blut’, l. cru¯dus ’blutig, roh’, mir. cru´ n. Raubauz Sm erw. stil. (20. Jh.). Junges Wort; wohl zu ’Blut’, mir. cru´aid ’hart, fest’, lit. krau˜jas ’Blut’. Addem Schallwort bauz für einen plötzlichen Fall. jektiv: räudig. Raubbau Sm std. (18. Jh.). Ursprünglich bergmännisches Wort (’Abbau, bei dem nur auf schnellen Ertrag Raub Sm std. (8. Jh.), mhd. roub, roup, ahd. roub, as.

Raute2

749 raufen Vsw std. (8. Jh.), mhd. roufen, ahd. roufen, as.

Raupe Sm std. (14. Jh.), mhd. ru¯pe, mndd. rupe, mndl. (bi)ro¯pian. Aus g. *raup-ija- Vsw. (und andere rupe, ruyp(p)e, weitergebildet nndl. rups. WeitergeStammbildungen) ’raufen, rupfen’, auch in gt. raupbildet nndl. rups. Auch mit anderen Vokalisierungen. Herkunft unklar. jan ’ausrupfen’, ae. rı¯pan ’reißen’. Eine Auslautvariante (verschiedene Erweiterungen der gleichen WurS. auch ÞRobbe. – Röhrich 2 (1992), 1232; Boutkan, D., Kossmann, M. ABÄG 50 (1998), 5–11; EWNl 3 (2007), 694. zel?) zu der unter ÞRaub dargestellten Grundlage. Eine Rückbildung dazu ist Raufe ’Futterleiter’, mhd. Raureif (auch Raufrost) Sm std. (18. Jh.). In den Mundroufe, mndd. repe(l), eine Intensivbildung ist Þrupfen; arten weithin üblich. Gemeint ist der raue, gefrorene Abstraktum: Rauferei. Niederschlag, der sich bei Frost auf den Oberflächen EWNl 3 (2007), 688f. bildet. ÞReif 2. Rauke Sf ’Senfkohl’ per. reg. (16. Jh.). Entlehnt aus it. *ruca, belegt ist jedoch nur it. rucola, ruchetta, das auf Rausch1 Sm ’Trunkenheit’ std. (16. Jh.). Übertragen aus l. ¯eru¯ca ’wilde Rauke, Senfkohl’ zurückgeht. mhd. ru¯sch ’Rauschen, Ungestüm’ (zu Þrauschen). Ebenso nndl. raket, ne. garden rocket. Präfixableitung: berauschen. Raum Sm std. (9. Jh., ru¯mı¯ 8. Jh.), mhd. ru¯m, roum, ahd.

Vgl. Schädelbrummen u.ä. – EWNl 3 (2007), 676.

ru¯m, as. ru¯m. Aus g. *ru¯ma- m. ’Raum, Platz, Lager- Rausch2 Sm ’Name verschiedener Pflanzen’ per. reg. stätte’, auch in gt. ru¯m, anord. ru´m n., ae. ru¯m. Sub(14. Jh.), spmhd. rusch(e), mndd. rusch, risch, risk. stantivierung des Adjektivs g. *ru¯ma- ’geräumig’ in Vermutlich entlehnt aus l. ru¯scum n. ’Mäusedorn’. gt. ru¯ms, anord. ru´mr, ae. ru¯m, afr. ru¯m, mndd. ru¯m, Einzelheiten sind noch aufklärungsbedürftig. ahd. ru¯mi (8. Jh.), mhd. (ge)ru¯m(e), nhd. Þgeraum ÞAlmrausch. (und weitergebildet geräumig). Auch räumen, vor rauschen Vsw std. (13. Jh.), mhd. ru¯schen, riuschen, allem im Sinn von ’roden’ ist schon eine alte Bildung. mndd. ru¯schen, ru¯sken, mndl. ruuschen, ruysschen. Die dem Adjektiv zugrunde liegende Wurzel ig. *reuWie ae. hryscan ’krachen, sausen, schwirren’ lautmit schlecht fassbarer Ausgangsbedeutung ist bemalende Bildung. zeugt in avest. rauuah- n. ’freier Raum, Freiheit’, Ebenso nndl. ruisen, ne. rush; ÞGeräusch 1, ÞRausch 1. – EWNl 3 toch. AB ru- ’öffnen’, l. ru¯s n. ’Land’ und akslav. ra(2007), 691. vı˘nu˘ ’eben, gleich’. Rauschgelb Sn (gelbes Mineral, Arsenkies) per. fach. Ebenso nndl. ruim, ne. room, nschw. rum, nisl. ru´m; Þgeraum, (16. Jh.). Entlehnt aus it. risigallo gleicher Bedeutung ÞRäumte. – Heller (1970), 114–132; Röhrich 2 (1992), 1232; (span. rejalgar m., vgl. port. rosalgar ’Wurm, giftige HWPh 8 (1992), 67–111; Heidermanns (1993), 455f.; EWNl 3 gelbe Pflanze’). Dies aus arab. rahgˇ al-gˇa¯r ’Höhlen(2007), 690. staub’, welches eventuell entstellt ist aus marokkan.Räumte Sf ’Schiffsladung, offene See’ per. ndd. (18. Jh.). arab. rahgˇ al-fa¯r ’Rattenpulver (Rattengift)’. Der erste Übernommen aus mndd. ru¯mte, mndl. ruum(p)te, Bestandteil an it. rosso ’rot’ angeglichen. rumt, einer Weiterbildung von ÞRaum, etwa im Sinn Ebenso nndl. rusgeel. – Hess, J. J. VR 2 (1937), 475f.; Lüschen von ’Weite’. (1979), 301f. EWNl 3 (2007), 691.

Raunächte Spl ÞRauchnächte. Raun(e) Sm ’verschnittenes Pferd’ per. arch. (14. Jh.),

mfrk. ruun, mndd. rune, mndl. ruun, ruyn. Herkunft unklar, wohl zu ig. *reu¡- ’graben, ritzen’, nhd. (dial.) raunen ’schneiden’. Ebenso nndl. ruin; ÞRune. – Frenzel, M. in K. Müller (1976), 171–181; EWNl 3 (2007), 691.

raunen Vsw std. (8. Jh.), mhd. ru¯nen, ahd. ru¯ne¯n, ru¯no¯n,

räuspern Vsw std. (15. Jh.), spmhd. riuspern, ru¯spern.

Weiterbildung zu mhd. riuspen, ndd. ru¯spen ’aufstoßen, rülpsen’, ahd. giru¯spen ’sich sträuben’. Das Wort bedeutet eigentlich ’scharren, kratzen’ (’die Kehle freikratzen’). Vielleicht lässt sich it. ruspare ’scharren’ vergleichen, das auf l. ru¯spa¯rı¯ ’suchen’ (eigentlich ’durchwühlen’) zurückgeht. Raute1 Sm ’geometrische Figur’ erw. fach. (14. Jh.),

spmhd. ru¯te, mndd. rute, mndl. rute. Entstehung as. ru¯non. Wie ae. ru¯nian mit verschiedenen Stammdunkel. bildungen abgeleitet von einem Wort für ’Gerücht, Schirmer (1912), 63 (unter Rhombus); Götze (1919), 143; Geheimnis’: g. *ru¯no¯ f. in gt. runa, anord. ru´n, ae. ru¯n, Loewe, R. ZDPh 60 (1935), 330–362; EWNl 3 (2007), 691f. as. ru¯na, ahd. ru¯na; außergermanisch zu vergleichen Raute2 Sf ’Pflanze’ per. fach. (9. Jh.), mhd. ru¯te, ahd. ist air. ru´n, kymr. rhin ’Geheimnis’; entfernter verru¯ta, mndd. rude, mndl. rute. Wie ae. ru¯de entlehnt wandt ist l. ru¯mor ’Gerücht’. aus l. ru¯ta, das seinerseits aus gr. ry¯te¯´ stammt. Dieses ÞRune. wahrscheinlich aus einer Substratsprache. raunzen Vsw ’weinerlich klagen’ per. obd. (11. Jh.), ahd. Ebenso nndl. wijnruit, ne. rue(wort), nfrz. rue, nschw. ruta, nnorw. rude. ru¯nezzen, ru¯nezzon, ru¯nizzon ’murren’. Wohl zu Þraunen.

Ravioli

750

Ravioli Spl ’gefüllte Teigwaren’ per. fach. (20. Jh.). Ent- Realismus Sf ’Wirklichkeitssinn’ erw. fremd. (18. Jh.).

lehnt aus it. raviolo m., eigentlich ’kleine Rübe’, dieses aus l. ra¯pa f., ra¯pum n. ’Rübe’. Ebenso nndl. ravioli, ne. ravioli, nfrz. ravioli, nschw. ravioli, nnorw. ravioli; ÞRübe.

Razzia Sf erw. fach. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. razzia

(ursprünglich: ’Raub- und Beutezug’), dieses aus alger.-arab. gˇa¯ziya ’Angriff, militärische Unternehmung’. Ebenso nndl. razzia, ne. razzia, nschw. razzia, nnorw. razzia. – Littmann (1924), 67; Lokotsch (1975), 55; DF 3 (1977), 171f.; Tazi (1998), 218f.; EWNl 3 (2007), 630.

Re Sn (beim Kartenspiel Þkontra zu kontra) per. fach.

(18. Jh.). Kürzung aus Rekontra. Þre-, Þkontra.

re- Präfix (mit der Bedeutung ’wieder, zurück’, z.B.

Neoklassische Bildung wie frz. re´alisme zu ml. realis (Þreal). Adjektiv: realistisch: Täterbezeichnung: Realist. Ebenso nndl. realisme, ne. realism, nfrz. re´alisme, nschw. realism, nisl. realismi. – DF 3 (1977), 187–192.

Rebbach Sm ÞReibach. Rebbe Sm ÞRabbi. Rebe Sf std. (11. Jh., ¯ınreba 8. Jh.), mhd. rebe m./f., ahd.

reba, r¢ba. Dazu im Ablaut mndd. wı¯nrave(n) m. ’Weinstock’. Vgl. nschw. reva ’Ausläufer von Pflanzen’. Herkunft unklar. Vielleicht zu l. re¯pere ’kriechen, schleichen’, lit. re˙plio´ti ’kriechen, klettern’; dann bezogen auf die Ausläufer der Rebe. Knobloch, J. IF 92 (1987), 236–238.

Þregenerieren, Þreagieren, Þreparieren) erw. bildg. (–). Rebell Sm std. (16. Jh.). Entlehnt aus frz. rebelle m./f., einer Ableitung von frz. rebeller ’sich auflehnen’, aus Das Präfix wurde vornehmlich in lateinischen Entl. rebella¯re ’sich auflehnen, den Krieg gegen seinen lehnungen ins Deutsche übernommen; sein UrÜberwinder erneuern’, zu l. bellum n. ’Krieg’ und l. sprung ist l. re-. In neoklassischen Bildungen bere-. Verb: rebellieren; Abstraktum: Rebellion; Adjektiv: schränkt produktiv. rebellisch. EWNl 3 (2007), 630f.

reagieren Vsw std. (18. Jh.). Neoklassische Bildung zu l.

Ebenso nndl. rebel, ne. rebel, nfrz. rebelle, nschw. rebell, nnorw. rebell; ÞDuell. – DF 3 (1977), 192–196; EWNl 3 (2007), 631.

agere (a¯ctum) ’treiben, führen, leiten, tun’ und l. re-. rebeln Vsw ’zerreiben’ per. obd. (19. Jh.). Regionale BilAus der Sprache der Chemie verallgemeinert. Abdung zu der Schwundstufe von Þreiben. straktum: ÞReaktion; Nomen Instrumenti: ÞReaktor; Konkretum: Reagens, meist gleichgesetzt mit Reagenz, Rebhuhn Sn std. (9. Jh.), mhd. rephuon, ahd. rebahuon, das eigentlich ein Abstraktum ist (aber immer mndd. rapho¯n (anders). Wie der Sprachvergleich zeigt, handelt es sich hier um sekundäre AnpassunReagenzglas); Partikelverb (mit übertragener Bedeugen an ÞRebe und mndd. rap ’schnell’. Außergertung): abreagieren. Ebenso nndl. reageren, ne. react, nfrz. re´agir, nschw. reagera, manisch sind vergleichbar mbulg. jere˛bı˘ f. nnorw. reagere; Þagieren. – DF 3 (1977), 172–174. ’Rebhuhn’, lett. ir˜be ’Rebhuhn’; dazu weiter anord. jarpi m. ’Haselhuhn’. Diese wahrscheinlich zu ahd. Reaktion Sf erw. fach. (18. Jh.). Zunächst Abstraktum erpf ’dunkelbraun’, ae. earp, anord. jarpr ’braun’, zu Þreagieren, dann Übernahme der Bedeutungsentvielleicht auch gr. orphnaı˜os, orphno´s ’dunkelbraun’. wicklung während der französischen Revolution zu Semantisch ist die Erklärung einleuchtend, aber der ’Haltung gegen die Meinung der Mehrheit der Bürsehr starke Ablaut ist auffällig. ger’ (unter Rückgriff auf die Bildungsbedeutung). Hierzu besonders das Adjektiv reaktionär (mit der Rebus Smn ’Bilderrätsel’ erw. obs. (18. Jh.). Entlehnt aus Substantivierung als Nomen Agentis). frz. re´bus (de Picarde) m., dieses aus l. (de) re¯bus (quae Ebenso nndl. reactie, ne. reaction, nfrz. re´action, nschw. reakgeruntur) ’von Sachen, die sich ereignen’, zu l. re¯s f. tion, nnorw. reaksjon. – Starobinski, J. MLR 70 (1975), ’Sache, Ding’. So benannt nach scherzhaften BilderXXI–XXXI; DF 3 (1977), 174–178; GB 5 (1984), 179–230; Strauss rätseln von Studenten in der Picardie über Stadtereigu.a. (1989), 334–341; EWNl 3 (2007), 631. nisse. Reaktor Sm ’Vorrichtung, in der Reaktionen ablauEbenso nndl. rebus, ne. rebus, nfrz. re´bus, nschw. rebus, nnorw. rebus; Þreal. – EWNl 3 (2007), 631f. fen’ erw. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus am.-e. (nuclear) reactor. Rechen Sm std. (10. Jh.), mhd. reche, ahd. rehho, rech, Ebenso nndl. reactor, nfrz. reacteur, nschw. reaktor, nnorw. reaktor; Þreagieren. – DF 3 (1977), 179f.; Carstensen 3 (1996), 1166.

real Adj ’wirklich’ erw. fremd. (17. Jh.). Entlehnt aus ml.

realis ’wesentlich’, dieses zu l. re¯s ’Sache, Wesen’. Abstraktum: Realität; Verb: realisieren (dessen Bedeutung ’erkennen’ unter englischem Einfluss steht). Ebenso nndl. ree¨l, ne. real, nfrz. re´el, nschw. real, reel, nnorw. real; ÞRebus, ÞRepublik. – Kleinstück, J.: Wirklichkeit und Realität (Stuttgart 1971; zu Realität); DF 3 (1977), 180–187; Carstensen 3 (1996), 1167; EWNl 3 (2007), 631.

mndl. reke, reecke. Mit anord. reka f. eine Ableitung *rek-o¯n m. ’Rechen’ (neben *rako¯n in nschw. raka, ae. raca, mndd. rake f.) zu g. *rek-a- Vst. ’rechen’ in gt. rikan, me. re¯ken, afr. reka, mndd. reken, ahd. berechen, mhd. rechen. Weiter wohl zu Þrecken als ’ausstrecken’. Verb: rechen. S. auch ÞRacker, Þrecht. – Seebold (1970), 373f.; EWNl 3 (2007), 663f.

Redaktion

751 Rechenschaft Sm std. (14. Jh.). Zunächst rechinschaft

’Rechnungslegung’, dann bald auch übertragen verwendet. Zu Þrechnen. Recherche Sf ’Nachforschung’ per. fach. (18. Jh.). Ent-

lehnt aus frz. recherche, einer Ableitung von frz. rechercher ’aufsuchen, erforschen’, zu frz. chercher ’suchen’ und l. re-; weiter zu spl. circa¯re ’rings um etwas herumgehen, etwas umkreisen, durchsuchen’, zu l. circum ’ringsumher, in der Umgebung’. Verb: recherchieren. Ebenso ne. (Adj.) recherche´; ÞZirkus. – DF 3 (1977), 196f.; Brunt (1983), 443; EWNl 3 (2007), 633.

rechnen Vsw std. (10. Jh.), mhd. rechen(en), ahd. reh-

Nussbaum, O. JACh 5 (1962), 158–171; Deitmaring, U. ZDA 98 (1969), 265–292; van Leeuwen-Turnovcova´, J. in Akten des 23. linguistischen Kolloquiums (Tübingen 1989), 573–585; van Leeuwen-Turnovcova´, J.: Links und rechts. (Berlin 1990); EWNl 3 (2007), 634; RGA 24 (2003), 226–237.

rechtschaffen AdjPP std. (16. Jh.), fnhd. rechtschaffen.

Zum Partizip von Þschaffen, also ’recht beschaffen’. Reck Sn erw. fach. (19. Jh.). Von Jahn 1816 als nieder-

deutsches Mundartwort aufgenommen und als Bezeichnung eines Turngeräts durchgesetzt. Mndd. rick, reck, mndl. rec(ke), ric, mhd. ric(ke) m. ’waagrecht aufgelegte oder aufgehängte Stange(n)’ (s. auch ÞRick). Ohne Gemination (aus g. *riho¯n) nnorw. (dial.) rjaa, nschw. (dial.) ri. Ein ähnliches Wort s. unter ÞRahe.

hano¯n ’ordnen’, mndd. reken(en), mndl. reken(en). Aus wg. *rek-no¯- Vsw. ’rechnen’, auch in ae. (ge)recenian, afr. rek(e)nia. Faktitivum zu dem Adjektiv Recke Sm erw. obs. (18. Jh.). Wiederbelebt aus inzwi(Partizip) *rekna- ’gerichtet’ in ae. recen, afr. rekon, schen ausgestorbenem mhd. re(c)ke ’Krieger, Held’. mndd. reken zu dem unter Þrecht dargestellten Verb. Diese Bedeutung bekommt das Wort in literarischen Rechnen ist also ’gerichtet machen, in Ordnung brinDarstellungen; die ältere Bedeutung ist ’Flüchtling’ gen’. Gt. rahnjan wohl zu einer Variante der gleichen (ahd. reck(e)o, recch(e)o, 8. Jh., as. wrekkio, ae. wrecca, Wurzel. Abstraktum: Rechnung; Präfigierungen: be-, wr¢cca, zu dem unter Þrächen behandelten g. verrechnen; Partikelverben: ab-, ausrechnen. *wrek-a- ’verfolgen’, also ’der Verfolgte’). Ebenso nndl. rekenen, ne. reckon; ÞRechenschaft, Þrecht. – HWPh 8 (1992), 214–220; Heidermanns (1993), 444f.; EWNl 3

(2007), 648.

recht Adj std. (8. Jh.), mhd. reht, ahd. reht, as. reht. Aus

Ebenso ne. wretch. – Eppert (1963), 32–37; Gottschall, D. ZDA 128 (1999), 251–281; RGA 24 (2003), 295–297.

recken Vsw std. (8. Jh.), mhd. recken, ahd. rec(c)hen,

recken, as. rekkian. Aus g. *rak-eja- Vsw. ’ausstreg. *rehta- Adj. ’recht, gerade, richtig’, auch in gt. cken, ausdehnen’, auch in gt. ufrakjan, anord. rekja, raihts, anord. re´ttr, ae. riht, afr. riucht, riocht. Wie ae. reccan. Als Kausativum oder ähnliche Formation gleichbedeutendes l. re¯ctus, gr. orekto´s to-Partizip zu zu dem unter Þrecht behandelten Verb für ’lenken, ig. *reg´- ’lenken, richten, leiten’ in l. regere, gr. ore´go¯ richten, leiten’. Die Bedeutung ’recken’ ist wohl als ’ich recke mich’, ai. irajya´ti ’ordnet an, lenkt’, ai. ’gerade machen, aufrecht machen’ zu verstehen. rjyati, rn˜ja´ti ’streckt sich, eilt’, air. reraig ’lenkte’, lit. Ebenso nndl. rekken, nschw. räcka; Þstrecken, Þverrecken. – ˙ra˛zˇy´ti ˙’straffen, recken’. Sonderbedeutungen sind in EWNl 3 (2007), 649. rechter Winkel, Rechteck (= ’aufrecht’) und als GegenReckholder Sm ’Wacholder’ per. obd. (12. Jh.), mhd. satz zu Þlink (’richtig’ gegenüber ’ungeschickt’). reckholter, regholter, ahd. reckaltar. Zum zweiten EleEbenso nndl. recht, ne. right, nschw. rätt, nisl. re´ttur. Zur lament ÞHolunder, das erste ist unklar. Es kann zu teinischen Verwandtschaft s. Þregieren; Þgerecht, Þrank, Þrecken gehören im Hinblick auf die aufgeschosseÞRechen, Þrechnen, ÞRecht, Þrichten und weiter entfernt nen Jungtriebe des Strauchs. Þrecken. – Heidermanns (1993), 441f.; EWNl 3 (2007), 633.

Recht Sn std. (8. Jh.), mhd. reht, ahd. reht, as. reht. Wie Recorder Sm (ein Aufzeichnungsgerät) per. fach.

(20. Jh.). Entlehnt aus ne. recorder. Dieses aus mfrz. ae. riht, afr. riucht, riocht eine Substantivierung des recorder, aus l. recorda¯ri ’erinnern’ (eigentlich ’im Adjektivs Þrecht. Daneben eine selbständige SubstanHerzen behalten’ zu l. cor (cordis) ’Herz’). tivbildung aus der gleichen Wurzel (*rehtu-) in Ebenso nndl. recorder, ndn. recorder. anord. re´ttr m. und air. recht m., kymr. rhaith. Verb: rechten; Adjektiv: rechtlich. Recycling Sn ’Wiederverwertung von AbfallprodukBöckenförde, E. W. AB 12 (1968), 7–29; GB 5 (1984), 231–311; ten’ per. fach. (20. Jh.). Entlehnt aus ne. recycling, AbSchmidt-Wiegand, R. FS Schützeichel (1987), 937–958; Röhstraktum zu ne. to recycle ’wiederverwerten’, eigentrich 2 (1992), 1233f.; HWPh 8 (1992), 221 ff.; EWNl 3 (2007), lich ’wieder in den Produktionszyklus einordnen’, 633; RGA 24 (2003), 209–224. dann vor allem in die Umwelt-Diskussion einbezorechtfertigen Vsw std. (14. Jh.), spmhd. rechtvertegen, gen. Auch das Grundwort wird entlehnt als recyceln. rehtvertigen. Ableitung zu dem Adjektiv mhd. rehtEbenso nndl. recycling, ne. recycling, ndn. recycling, nnorw. revertec, rehtvertic ’gerecht, rechtmäßig’ (zu Þrecht und sirculasjon. – Hass, U. Sprachreport (1987), 5; Strauss u.a. (1989), 504–516; Carstensen 3 (1996), 1171ff. Þfertig). HWPh 8 (1992), 251 ff.; EWNl 3 (2007), 634f.

rechts Adv std. (16. Jh.). Entstanden aus dem adverbi-

alen Genetiv von Þrecht als Gegensatz von Þlink. Dieses als die ’richtige’ (Hand usw.).

Redaktion Sf std. (19. Jh.). Entlehnt aus frz. re´daction,

dieses zu l. reda¯ctum, dem PPP. von l. redigere ’in Ordnung bringen, eintreiben, wieder zurückbrin-

Rede

752 Ebenso nndl. redundant, ne. redundant, nfrz. redondant, gen’, zu l. agere ’tun’ und l. re-. Das französische Subnschw. redundant; Þondulieren. – HWPh 8 (1992), 383. stantiv in Anlehnung an frz. action ’Handeln, Tun’. Entsprechend das Grundverb Þredigieren aus frz. Reduplikation Sf ’Verdoppelung’ per. fach. (19. Jh.). re´diger und das Nomen Agentis Redakteur aus frz. Als grammatischer Fachterminus gebildet als l. rere´dacteur. duplica¯tio zu l. reduplica¯re ’verdoppeln’ (Þdoppelt). Ebenso nndl. redactie, ne. redaction, nschw. redaktion, nnorw. redaksjon; Þredigieren, ÞAgenda. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 403 (zu redigieren); DF 3 (1977), 197–199; EWNl 3 (2007), 637.

Rede Sf std. (8. Jh.), mhd. rede, ahd. reda, redı¯, redia,

Ebenso nndl. reduplicatie, ne. reduplication, nfrz. re´duplication, nschw. reduplikation, nnorw. reduplisere.

reduzieren Vsw ’verringern, vermindern’ erw. fremd.

(15. Jh.). Entlehnt aus l. redu¯cere (reductum) ’zurückziehen, zurückführen’, zu l. du¯cere ’ziehen, schleppen’ und l. re-. Abstrakta: Reduktion, Reduzierung.

radia u.ä., mndd. rede m./f., mndl. rede. Aus g. *raþjo¯n f. ’Rechenschaft’, auch in gt. raþjo, afr. rethe. Ebenso nndl. reduceren, ne. reduce, nfrz. re´duire, nschw. reDas Wort stimmt genau überein mit l. ratio, so dass ducera, nnorw. redusere; ÞRedoute, Þproduzieren. – Weimann, der Gedanke an eine Entlehnung naheliegt. Aus lautK. H. DWEB 2 (1963), 403; DF 3 (1977), 199–201; HWPh 8 lichen Gründen und wegen des weiteren Zusammen(1992), 370 ff.; Buntz (1973); EWNl 3 (2007), 638. hangs ist aber Urverwandtschaft wahrscheinlicher, Reede Sf ’Ankerplatz’ per. fach. (17. Jh.). Ursprüngliwobei sekundäre Beeinflussung durch das lateinische che Bedeutung ist ’Ort, an dem Schiffe bereit gemacht Wort anzunehmen ist. Die Weiterentwicklung der werden’ zu der niederdeutschen Entsprechung von Bedeutung steht unter dem Einfluss der Weiterentbereit (Þbereiten). Hierzu Reeder und Reederei. wicklung von Þreden. Ein ähnliches Wort mit der BeKluge (1911), 654; EWNl 3 (2007), 638. 1 deutung ’Zahl’ in Þgerade und Þhundert. Letztlich reell Adj ’anständig, ehrlich’ erw. fach. (18. Jh.). Entzu ig. *ar¡- ’fügen’ (ÞReim). lehnt aus frz. re´el, das auf l. rea¯lis beruht (Þreal). Die Ebenso nndl. rede; ÞRäson, Þreden, Þredlich. – Röhrich 2 Übertragung auf Charaktereigenschaften ist nur (1992), 1234f.; EWNl 3 (2007), 637f. deutsch. reden Vsw std. (9. Jh.), mhd. reden, ahd. red(i)o¯n, as. Ebenso nndl. ree¨l, nschw. rejäl, nnorw. reel. – DF 3 (1977), rediÑ o¯n, afr. rethia. Ableitung von ÞRede oder einem 201–203; HWPh 8 (1992), 383 ff.; EWNl 3 (2007), 639. verwandten Wort, ursprünglich mit der Bedeutung Reep Sn ’Seil’ per. ndd. (18. Jh.). Niederdeutsche Ent’Zahl’, so dass die Ausgangsbedeutung von reden sprechung zu ÞReif 1, das auch ’Seil’ bedeutet. Reeper ’zählen’ ist, das über ’erzählen’ zu der heutigen Beist ’Seiler’ und die Reeperbahn die (Arbeits-)Bahn des deutung kommt (vgl. gt. garaþjan ’zählen’). Eine NeSeilers − als Ortsname übergegangen auf das Dirnenbenform ist ahd. redino¯n, wozu Redner (mhd. reviertel in Hamburg. den¢re, ahd. redina¯ri); Adjektive: beredsam, redselig. redigieren Vsw ÞRedaktion. redlich Adj std. (11. Jh.), mhd. red(e)lih, ahd. redilı¯h.

Abgeleitet von ahd. redia ’Rechenschaft’ (ÞRede), also etwa ’wie man es verantworten kann’. Abstraktum: Redlichkeit. HWPh 8 (1992), 363 ff.; EWNl 3 (2007), 638.

Redoute Sf ’Saal für Feste, Feldschanze, Masken-

ÞFallreep, ÞReif 1. – Eichhoff, J. JMU 2 (1963), 111–119; Eichhoff, J. (1968), 87f.

Reet Sn ’Schilf, das auch zum Hausdecken benützt

wurde’ per. ndd. (20. Jh.). Niederdeutsche Entsprechung zu ÞRied 1. Refektorium Sn ’Speisesaal in einem Kloster’ per. fach.

(16. Jh.). Im Frühneuhochdeutschen entlehnt aus kirchen-l. refectorium, dieses zu l. reficere ’erquicken, wieder herstellen’, zu l. facere ’machen’ und l. re-.

ball’ per. arch. (17. Jh.). Entlehnt aus frz. redoute, dieses aus it. ridotto m., eigentlich ’Zufluchtsort’, aus l. Ebenso nndl. refectorium, ne. refectory, nfrz. re´fectoire, nnorw. reductum, dem substantivierten PPP. von l. redu¯cere refektorium; Þinfizieren. – EWNl 3 (2007), 642. (reductum) ’zurückziehen’, zu l. du¯cere ’ziehen, referieren Vsw ’vortragen, berichten’ erw. fach. schleppen’ und l. re-. Zunächst Bezeichnung eines (15. Jh.). Entlehnt aus frz. re´fe´rer, dieses aus l. referre Zufluchtsorts auf Burgen, dann ’abgesondertes Zim(rela¯tum), eigentlich ’wiederbringen, zurücktragen’, mer, Ballsaal’, schließlich metonymisch übertragen zu l. ferre ’tragen’ und l. re-. Dazu als Abstraktum auf dort abgehaltene Maskenbälle. Referat und als Nomen Agentis Referent. Stärker leEbenso nndl. redoute, ne. redoubt, nschw. redutt; Þproduzieren. xikalisiert sind Referendar (eigentlich ’ein Berichter– Jones (1976), 558–560; Brunt (1983), 445. statter aus den Akten’), Referenz ’Auskunft über jmd.’ redundant Adj ’überschüssig’ per. fach. (20. Jh.). Entund das Referendum ’Volksentscheid’ = ’das, was vorlehnt aus l. redunda¯ns (-antis) ’überströmend, überzubringen ist’. Referenz, Referent und referentiell in flüssig’, dem PPräs. von l. redunda¯re ’übertreten, der linguistischen Terminologie sind abhängig von überströmen, sich ergießen’, zu l. unda ’Welle, Woge’ der englischen Bedeutung to refer to ’sich beziehen und l. re- (unter Einfluss von ne. redundant). Abauf’. straktum: Redundanz.

Regent

753

Ebenso nndl. refereren, ne. refer, nfrz. re´fe´rer, nschw. referera, Refugium Sn ’Zufluchtsort’ per. fremd. (19. Jh.). Entnnorw. referere; ÞDifferenz. – Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), lehnt aus l. refugium, einer Ableitung von l. refugere 403; DF 3 (1977), 203–209; HWPh 8 (1992), 385 ff.; EWNl 3 ’sich flüchten, seine Zuflucht nehmen’, zu l. fugere (2007), 640.

’fliehen’ und l. re-.

Reff1 Sn ’Holzgestell’ per. reg. (12. Jh.), mhd. ref, ahd.

Ebenso ne. refuge, nfrz. refuge, nschw. refuge, nnorw. refuge. – DF 3 (1977), 223f.

ref . Vergleichbar ist zunächst anord. hrip ’Holzgestell zum Tragen von Holz und Torf’; außergermaRegal Sn ’Gestell’ std. (17. Jh.). Die Herkunft ist nicht nisch vielleicht lett. kribas ’zusammengebundene geklärt. Stäbe als Boden des Bauernschlittens’ und evtl. weiter DF 3 (1977), 226. l. corbis m. ’Korb’. Reff als Schimpfname für ein altes Regatta Sf ’Wettfahrt für Boote’ per. fach. (18. Jh.). Weib ist wohl aus der Bedeutung ’Gestell’ übertragen Entlehnt aus it. regata ’Gondelwettfahrt’, zu it. regatar und meint ’Knochengerüst’. ’wetteifern’ (vermutlich aus früh-rom. *captia¯re ’zu Reff2 Sn ’Vorrichtung zur Verkürzung der Segel’ per. erringen suchen’). fach. (18. Jh.), mndd. ref, mndl. reef . Ebenso anord. Ebenso nndl. regatta, ne. regatta, nfrz. re´gate, nschw. regatta, 1 rif; dazu reffen ’Segel verkürzen’. Vermutlich zu fläm. nnorw. regatta. – DF 3 (1977), 226f.; DEO (1982), 459. reef ’Streifen, Striemen’ und ähnliche Wörter. Regel Sf std. (9. Jh.), mhd. regel(e), ahd. regula, regile. Kluge (1911), 656f. Entlehnt aus l. re¯gula ’Maßstab, Richtschnur, Regel’, 1 2 reffen Vsw ÞReff . dessen Vokal schon mittellateinisch gekürzt worden reffen2 (auch als reffeln bezeugt) Vsw ’Flachs hewar. Weiter zu l. regere ’lenken, leiten’. Verben: regeln, cheln’ per. reg. (16. Jh.), mndl. repen, reepen, reypen. Þregulieren. Herkunft unklar. Ebenso nndl. regel, ne. rule, nfrz. re`gle, nschw. regel, nisl. regla; ÞRiffel.

reflektieren Vsw std. (17. Jh.). Entlehnt aus l. reflectere

Þregieren. – Oppel, H.: KANΩN (Diss. Berlin 1937), 73–106; Röhrich 2 (1992), 1235; HWPh 8 (1992), 427–450; EWNl 3 (2007), 642.

(reflexum) ’zurückdrehen, umwenden, sich zurückbeugen’, zu l. flectere ’biegen, beugen, krümmen’ und regen Vsw std. (13. Jh.), mhd. regen, mndd. rogen, regen ’aufrichten, erregen, bewegen’. Vermutlich als Kaul. re-. Nur zur Grundbedeutung ’Licht- oder Schallsativum zu Þragen, also eigentlich ’ragen machen’. wellen zurückwerfen’ gehört als Nomen Agentis Reflektor; stärker ausgedehnt ÞReflex, auch auf Regen Sm std. (8. Jh.), mhd. regen, ahd. regan, as. re’nachdenken’ übertragen das Abstraktum Reflexion. gan-, regin. Aus g. *regna- m./n. ’Regen’, auch in gt. Ein Sonderfall ist das Adjektiv reflexiv, das in die rign n., anord. regn n., ae. regn, re¯n, afr. rein. Herkunft grammatische Terminologie gehört. unklar. Verb: regnen; Adjektiv: regnerisch. Ebenso nndl. reflecteren, ne. reflect, nfrz. re´fle´chir, nschw. reflektera, nnorw. reflektere; Þflektieren. – Lhotta, R. SLWU 64 (1989), 70–94; Weimann, K.-H. DWEB 2 (1963), 403 (zu Reflex); DF 3 (1977), 209–215 (zu Reflex); Risos, A. AB 32 (1989), 170–180 (zu Reflex); HWPh 8 (1992), 388–396 (zu Reflex); HWPh 8 (1992), 396–405 (zu Reflexion); EWNl 3 (2007), 640f.

Reflex Sm Þreflektieren. reformieren Vsw std. (14. Jh.). Entlehnt aus l. refo¯rma¯re,

zu l. fo¯rma¯re ’gestalten, bilden’ (zu l. fo¯rma ’Gestalt, Figur’) und l. re-. Abstrakta: Reform, Reformation; Nomen Agentis: Reformator. Ebenso nndl. reformeren, ne. reform, nfrz. re´former, nschw. reformera, nnorw. reformere; ÞForm. – DF 3 (1977), 215–222; GB 5 (1984), 313–300; Strauss u.a. (1989), 342–344; HWPh 8 (1992), 409–416; EWNl 3 (2007), 641.

Refrain Sm ’Kehrreim’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus

Ebenso nndl. regen, ne. rain, nschw. regn, nisl. regn. – Lühr (1988), 333; Röhrich 2 (1992), 1235–1237; Bomhard (1995), 37; EWNl 3 (2007), 643.

Regenbogen Sm std. (10. Jh.), mhd. regenboge, ahd. re-

ganbogo, mndd. regen(s)boge, mndl. regenboge. Aus g. *regna-bogo¯n m. ’Regenbogen’, auch in anord. regnbogi, ae. regnboga, afr. reinboga. Zu ÞRegen und ÞBogen. Ebenso nndl. regenboog, ne. rainbow, nschw. regnba˚ge, nisl. regnbogi. – Lockwood, W. B. Maal og Minne 2 (2005), 195–197.

regenerieren Vsw ’wiederherstellen, sich erholen’ erw.

fremd. (16. Jh.). Entlehnt aus l. regenera¯re, zu l. genera¯re ’erzeugen’ und l. re-. Weiter zu l. genus n. ’Geschlecht’. Ebenso nndl. regenereren, ne. regenerate, nfrz. re´ge´ne´rer, nschw. regenerera, nnorw. regenerere; ÞGenus. – DF 3 (1977), 227–231; HWPh 8 (1992), 476–479.

frz. refrain, eigentlich ’Rückprall der Wogen von den Klippen’, einer Ableitung von afrz. refraindre Regenpfeifer Sm per. fach. (18. Jh.). Der Vogel heißt so, ’brechen’, aus l. refringere (refra¯ctum) ’aufbrechen, weil er angeblich vor Regen besonders laut pfeift und zerbrechen’, zu l. frangere ’brechen, zerbrechen’ und deshalb als Wetterprophet gilt. l. re-. Vgl. frz. pluvier zu l. pluvia f. ’Regen’. – Krappe, A. H. IF 50 Ebenso nndl. refrein, ne. refrain, nfrz. refrain, nschw. refräng, nnorw. refreng; ÞFragment. – DF 3 (1977), 222f.; EWNl 3 (2007), 641f.

(1932), 65f.

Regent Sm Þregieren.

Regenwurm Regenwurm Sm std. (9. Jh.), mhd. regenwurm, ahd. re-

ganwurm. Der Wurm heißt so, weil er nach Regen besonders häufig an der Erdoberfläche anzutreffen ist. Dolch, M. NJ 67/68 (1941/42), 184–191.

Regie Sf ’Leitung’ erw. fach. (18. Jh.). Entlehnt aus frz.

re´gie, dem substantivierten passiven Partizip von frz. regir ’leiten’ aus l. regere (Þregieren). Hierzu ÞRegisseur, das aus frz. re´gisseur entlehnt ist. Ebenso ne. regie, nschw. regi, nnorw. regi. – DF 3 (1977), 233f.; EWNl 3 (2007), 643f.

754

rere ’tragen’ und l. re-. Ein Register einer Orgel ist eigentlich eine Schnur, die eine Pfeifenreihe in Aktion setzt, dann die Pfeifenreihe selbst. Die Bedeutung geht aus von ’Schnur als Buchzeichen, zum Auffinden einer Stelle’, zu einer anderen Bedeutung des zugrunde liegenden Verbs. Hierzu: alle Register ziehen. Verb: registrieren; Lokalbildung: R