Essen im antiken Judentum und Urchristentum: Diskurse zur sozialen Bedeutung von Tischgemeinschaft, Speiseverboten und Reinheitsvorschriften 9789004391901, 9004391908

In Essen im antiken Judentum und Urchristentum untersucht Christina Eschner die Auseinandersetzungen zum jüdischen Geset

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Essen im antiken Judentum und Urchristentum: Diskurse zur sozialen Bedeutung von Tischgemeinschaft, Speiseverboten und Reinheitsvorschriften
 9789004391901, 9004391908

Table of contents :
Essen im antiken Judentum und Urchristentum: Diskurse zur sozialen Bedeutung von Tischgemeinschaft, Speiseverboten und Reinheitsvorschriften
Inhalt
Vorwort
Abkürzungen
Teil I: Einleitung
Einleitung und Vorüberlegungen
1 Zum Gegenstand und zur Zielsetzung dieser Arbeit
1.1 Ein Überblick über die urchristlichen Diskurse zu grundlegenden Essenspraktiken
1.2 Die Darstellung der urchristlichen Essenspraxis vor dem Hintergrund von jüdischen und paganen Essensbräuchen als eigener Schwerpunkt
2 Die identitätsstiftende Funktion von Essensregeln, Reinheitsfragen und des jüdischen Gesetzes als zentrale Erkenntnis der Forschung und Grundlage der vorliegenden Arbeit
2.1 Die soziale und identitätsstiftende Bedeutung von Bestimmungen zum Essen
2.2 Das Rein-Unrein-Paradigma als Mittel der sozialen Abgrenzung – soziologische und kulturanthropologische Erkenntnisse
2.3 Zur identitätsstiftenden Bedeutung des Gesetzes
2.3.1 Von der Heilsinstanz zum Mittel der sozialen Abgrenzung – die Wende in der Forschung zum jüdischen Gesetz innerhalb der „New Perspective on Paul“
2.3.2 Das Gesetz als Instanz zur Regelung des praktischen Lebens – die Abgrenzung der vorliegenden Arbeit gegenüber anderen Fragestellungen zum Gesetz
3 Zum methodischen Ansatz und zum Aufbau dieser Arbeit
Teil II: Gesetzesanordnungen zum Essen in den Schriften des antiken Judentums
Einleitung
IIA Die Gesetzesanordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel als Hintergrund der Essensvorschriften im Judentum des Zweiten Tempels und rabbinischen Judentum
1 Anordnungen zu verbotenen Speisen
1.1 Die unterschiedlichen Anordnungen zu Speisen im Überblick
1.1.1 Die Unterscheidung zwischen für Israel erlaubten und verbotenen Tierarten
1.1.2 Die richtige Schlachtung als Voraussetzung für den Verzehr eines Tieres
1.1.2.1 Bestimmungen zum Verzehr von Aas grundsätzlich erlaubter Tierarten
1.1.2.2 Das Verbot des Blutgenusses
1.1.3 Das Verbot von Götzenopferfleisch
1.2 Zur Unreinheit verbotener Speisen – zwischen physisch übertragbarer Unreinheit und Ausdruck für ein Verbot
Exkurs 1: Zur rituellen und moralisch-ethischen Form der Unreinheit
1.2.1 Rituelle Unreinheit als Folge des Verzehrs von Aas
1.2.2 Die Unreinheit der verbotenen Tierarten – eher moralische als rituelle Unreinheit
1.2.2.1 Die Bezeichnung der verbotenen Tiere als „unrein“ oder als „Abscheulichkeit“
1.2.2.2 Die Entwicklung der Unreinheitsterminologie zu einer Sammelbezeichnung für das Verbotene
1.2.2.3 Strafen als Folgen eines Verzehrs verbotener Fleischsorten
1.3 Zur sozialen Funktion der Speisegebote – die Einhaltung der Speisegebote als Mittel zur Heiligung und Abgrenzung Israels von anderen Völkern
2 Anordnungen zur Tischgemeinschaft – kein zentraler Bereich in der hebräischen Bibel
3 Rituelle Reinheitsvorschriften im Zusammenhang des Essens
3.1 Der Ausschluss unreiner Personen von heiligen Speisen
3.2 Rituelle Unreinheit von Gefäßen und ihres Inhalts
IIB Gesetzesanordnungen zum Essen in griechischen Texten des antiken Judentums
1 Anordnungen zu verbotenen Speisen
1.1 Die strikte Differenz von jüdischen und heidnischen Speisen als Zentrum der Rezeption der Speisegebote im griechischsprachigen Judentum
1.1.1 Die Vermeidung von Schweinefleisch als Hauptkennzeichen der Juden
1.1.2 Die grundsätzliche Ablehnung der bei Heiden üblichen Speisen
1.1.2.1 Die vegetarische Ernährung Daniels anstelle einer Versorgung von der Tafel des Königs
1.1.2.2 Die Ablehnung der „Brote der Heiden“ durch Tobit
1.2 Die Abgrenzung der Juden von den Nichtjuden mithilfe der jüdischen Speisegebote
1.2.1 Die Speisegebote als Mittel zur Aufrechterhaltung der Existenz der Juden als eigenes Volk (1. Makkabäerbuch)
1.2.2 Die jüdischen Speisegebote als Grenzmauern zum Schutz der Juden vor einem schädlichen Einfluss der Nichtjuden (Aristeasbrief)
1.3 Die Gegenüberstellung der jüdischen und der nichtjüdischen Lebensweise als Hintergrund der κοινός-Terminologie
1.3.1 Die κοινός-Terminologie als referentielles Synonym zur Unreinheitsterminologie
1.3.1.1 Das Spektrum an Bezeichnungen für verbotene Speisen und ihre unterschiedlichen Hintergründe
1.3.1.2 Zur sogenannten Sonderverwendung von κοινός κτλ. im griechischsprachigen Judentum und Urchristentum
1.3.1.3 Die Gegenüberstellung zum Jüdischen als Spezifikum der κοινός-Terminologie im Vergleich zur Unreinheitsterminologie
1.3.2 Die sogenannte jüdische Sonderverwendung von κοινός κτλ. – kein Übersetzungsäquivalent eines Unreinheitsbegriffs, sondern eine Anwendung des üblichen Gebrauchs
1.3.2.1 Zu den Problemen einer Herleitung der κοινός-Begrifflichkeit von der Unreinheitsterminologie
1.3.2.2 Der übliche Gebrauch von κοινός κτλ. für das Gemeinsame
1.3.2.3 Der soziale Hintergrund von κοινός κτλ. mit Bezug auf verbotene Speisen
1.3.3 Der Anspruch der Juden auf eine bessere Lebensweise und einen besonderen Status im Vergleich zu den Heiden als Zentrum von κοινός κτλ.
1.4 Zentrale Folgen einer Einhaltung und Übertretung der Speisegebote
1.4.1 Die verunreinigende Wirkung von verbotenen Speisen
1.4.1.1 Die Unreinheit infolge des Genusses von Götzenopfern als physisch verursachte Unreinheit
1.4.1.2 Unreinheit als Sammelbezeichnung für das gesetzestreuen Juden Verbotene
1.4.2 Die Übertretung der Speisevorschriften als Sünde
1.4.3 Die Bedeutung der jüdischen Speisevorschriften für die gesellschaftliche Stellung
1.4.3.1 Ein Leben in Schande als Folge einer Übertretung der Speisevorschriften
1.4.3.2 Die Erlangung einer ehrenvollen Stellung aufgrund der Unterstützung durch Gott
2 Anordnungen zur Tischgemeinschaft
2.1 Die Einhaltung der jüdischen Speisegebote als Grundvoraussetzung für eine Tischgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden
2.1.1 Die strikte Ablehnung der Teilnahme an einem heidnischen Mahl (Esther)
2.1.2 Getrennte Speisen als Ermöglichung und Hindernis eines gemeinsamen Mahls von Juden mit Nichtjuden
2.1.2.1 Die Mitnahme eigener Speisen zu einem Mahl bei Nichtjuden (Judith)
2.1.2.2 Die Teilnahme Josephs an einem heidnischen Mahl an einem gesonderten Tisch (Joseph und Aseneth)
2.1.3 Wirkliche Mahlgemeinschaft durch das Entgegenkommen der Nichtjuden (Aristeasbrief)
2.2 Die Gesetzestreue der Mahlteilnehmer in moralisch-ethischerHinsicht als Kriterium zur Beschränkung der Tischgemeinschaft zwischen Juden
2.2.1 Zentrale Motive der griechisch-römischen Tradition vom Symposium
2.2.1.1 Tischgemeinschaft als Gemeinschaft mit Freunden
2.2.1.2 Die zentrale Bedeutung der Gemeinschaft und der Tischgespräche
2.2.1.3 Das Ideal der Statuskongruenz der Mahlteilnehmer
2.2.2 Die Beschränkung der Tischgemeinschaft auf Gerechte
2.2.2.1 Der Gerechte bzw. Weise als Freund und Tischpartner (Sirach)
2.2.2.2 Das Essen mit jemandem, der mit seinem ganzen Herzen Gottes gedenkt (Tobit)
2.2.3 Weitere Ermahnungen zur Vermeidung des Essens mit moralisch verdorbenen Menschen
2.3 Die Regelungen zur Tischgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden und anderen Juden im Vergleich
3 Rituelle Reinheitsvorschriften im Zusammenhang des Essens
IIC Gesetzesanordnungen zum Essen in hebräisch-aramäischen und verwandten Texten des antiken Judentums
1 Anordnungen zu verbotenen Speisen
1.1 Die Rezeption der Speiseanordnungen aus Lev 11/Dtn 14 in den Schriften aus Qumran
1.1.1 Anordnungen zum Verzehr von Heuschrecken und das Verbot von Aas (Tempelrolle)
1.1.2 Anordnungen zu verbotenen Kleintieren in Speisen und zur Schlachtung von Fisch und Heuschrecken (Damaskusschrift)
Exkurs 2: Das strikte Verbot des Blutgenusses
1.2 Speiseanordnungen im Zusammenhang mit Opfervorschriften
1.3 Das strikte Verbot von heidnischen Speisen
2 Anordnungen zur Tischgemeinschaft
2.1 Das strikte Verbot der Tischgemeinschaft mit Heiden aufgrund von deren Unreinheit (Jubiläenbuch)
2.1.1 Die strikte Gegenüberstellung von Juden und Heiden mithilfe des Gegensatzes von heilig und unrein
2.1.2 Die Unreinheit der Heiden als moralische oder rituelle Unreinheit?
2.1.2.1 Sexuelle Vergehen als vorrangig moralische Unreinheit
2.1.2.2 Das Unreinheitsparadigma in Jub 22,16 als Mittel zur Regelung des sozialen Kontakts – die physischen Implikationen der im Hintergrund des Tischgemeinschaftsverbots stehenden Unreinheit der Heiden
2.1.2.3 Zur Bewertung der Heiden als rituell unrein in anderen jüdischen Quellen
2.1.3 Das strikte Verbot der Tischgemeinschaft in Jub 22,16 im Vergleich zur Tischgemeinschaftspraxis mit Heiden im Diasporajudentum
2.2 Rituelle Reinheit als Kriterium für die Definition der Grenzen des Gemeinschaftsmahls und der Gemeinschaft insgesamt (Gemeinschaftsregel)
2.2.1 Die hohen Reinheitsanforderungen an das Gemeinschaftsmahl
2.2.2 Die am Gemeinschaftsmahl besonders auffallende Reinheit als konstitutives Merkmal der Gemeinschaft insgesamt
2.2.2.1 Die Aufnahme in die Gemeinschaft als einzige Möglichkeit der Erlangung ritueller Reinheit
2.2.2.2 Unterschiedliche Reinheitsgrade als unterschiedliche Stufen der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft
2.2.3 Die Praxis der Tischgemeinschaft in 1QS im Vergleich zu anderen jüdischen Gruppen
3 Rituelle Reinheitsvorschriften im Zusammenhang des Essens
3.1 Anordnungen in Bezug auf das heilige Essen
3.1.1 Der Zustand des Menschen als Hindernis für heilige Speise in 4QMMT
3.1.1.1 4QMMT – eine Gemeinschaft zwischen Kontakt mit und Absonderung von der Mehrheit des Volkes
3.1.1.2 Das Verbot von heiliger Speise für Blinde und Taube zur Vermeidung von Vermischungen
3.1.1.3 Das Verbot von heiliger Speise für einen geheilten Aussätzigen
3.1.1.4 Das Verbot des Zugangs zur „Reinheit der Heiligkeit“ für den rituell Unreinen
3.1.2 Das Verbot von heiliger Speise für Unreine in weiteren Texten der Gemeinschaft von Qumran
3.1.2.1 Unreinheit durch Körperflüssigkeiten als Hindernis für den Zugang zu heiliger Speise
3.1.2.2 Das Verbot des Essens von heiliger Speise für Nichtisraeliten oder für durch den Kontakt mit Heiden entweihte Priester
3.1.3 Das Verbot von Hunden in der heiligen Stadt (4QMMT)
3.2 Anordnungen zum Essen während einer ausgedehnten Reinigungsphase
3.2.1 Der Beginn des Reinigungsprozesses als Voraussetzung für das Essen (4Q514)
3.2.2 Die Forderung nach einer erneuten Reinigung vor dem Essen für den Fall eines Kontaktes mit Unreinheit während der Reinigungsphase (4Q274)
3.3 Rituelle Unreinheit von Gefäßen und ihres Inhalts
3.4 Die besondere Gefahr einer Verunreinigung durch Flüssigkeiten
3.4.1 Zur Verunreinigung von Speisen durch den Kontakt mit Flüssigkeiten
3.4.2 Die Unreinheit des Flüssigkeitsstrahls
Teil III: Auseinandersetzungen um Fragen des Essensin der urchristlichen Literatur
Einleitung
IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen
1 Der Streit um das Essen von Götzenopferfleisch in der Gemeinde von Korinth (1 Kor 8,1–11,1)
1.1 Der Genuss von Götzenopferfleisch – ein Überblick über die verschiedenen Problemfelder
1.2 Die weitere Geltung des strikten Götzenopferfleischverbots mit den Erkenntnishabenden als einziger Ausnahme (1 Kor 8,1–13)
1.2.1 Der unterschiedliche Erkenntnisstand der Gemeindeglieder zur Existenz anderer Götter als ausschlaggeben des Kriterium beimGenuss von Götzenopfern (1 Kor 8,4–6)
1.2.2 Das Essen von Götzenopfern durch den Schwachen als Götzendienst
1.2.3 Die Befleckung des schwachen Wissens als direkte Folge des Essens von Götzenopferfleisch (1 Kor 8,7b)
1.2.3.1 Die zentrale Bedeutung der Erkenntnisfähigkeit für die Frage des Genusses von Götzenopferfleisch
1.2.3.2 Die Befleckung des schwachen Wissens in 1 Kor 8,7b als Reformulierung von Lev 11,43f.
1.2.3.3 Das Essen von Götzenopferfleisch – keine Quelle ritueller Unreinheit, aber bleibendes Verbot für den Schwachen
1.2.3.4 Die Relativierung des Verbots von Götzenopferfleisch vor dem Hintergrund des stoischen Konzepts vom sittlichen Handeln als Spezifikum der Argumentation des Paulus
1.3 Die Unvereinbarkeit der Teilnahme an Mählern im heidnischen Tempel mit einer Teilnahme am Tisch des Herrn (1 Kor 10,14–22)
1.4 Die Anweisungen des Paulus zum Umgang mit Fleisch auf dem Markt und bei privaten Mählern – keine Notwendigkeit zu einem genauen Nachforschen, aber Vermeidung eines bewussten Essens von Götzenopferfleisch (1 Kor 10,23–11,1)
1.5 Zusammenfassung
2 Die Auseinandersetzung um jüdische Speisegebote in der Gemeinde von Rom (Röm 14,1–15,13)
2.1 Die Frage der Einhaltung der jüdischen Speisegebote als Hauptproblem der Auseinandersetzung innerhalb der Gemeinde von Rom
2.2 Die grundsätzliche Relativierung des Konfliktes mit der Bedeutungslosigkeit des Essens für das Eschaton
2.3 Die Argumentation des Paulus gegen eine Übertretung der jüdischen Speisegebote durch den Schwachen
2.3.1 Die Zustimmung des Paulus zu einer Unreinheit bzw. zum Verbot bestimmter Speisen für die gesetzestreuen Judenchristen (Röm 14,14)
2.3.2 Das Essen der umstrittenen Speisen durch den Schwachen als Sünde (Röm 14,23)
2.4 Hinweise auf eine nähere Bestimmung des Konflikts
2.4.1 Die Erwähnung von Fleisch- und Weinverzicht als zwingendes Argument für das Verbot von Götzenopferfleisch oder Blutgenuss?
2.4.2 Die deutlichen Differenzen von Röm 14,1–15,13 und 1 Kor 8,1–11,1
2.4.3 Das Schweinefleischverbot als Hintergrund der Auseinandersetzung in der Gemeinde von Rom
2.5 Zusammenfassung
3 Das Verbot von Speisen als zentraler Bestandteil des Aposteldekrets (Apg 15,20.29; 21,25)
3.1 Das vierfache Enthaltungsgebot der Heidenchristen als Zusammenstellung von verbotenen Speisen und moralischen Vergehen
3.1.1 Das Aposteldekret als Speise- und Sittenregel
3.1.2 Die für das zeitgenössische Judentum typische Konzeption der physisch übertragbaren Unreinheit von Götzen als Hintergrund von τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων
3.2 Die Anordnungen des Aposteldekrets – keine Verpflichtung der Heidenchristen auf das Gesetz, sondern Kriterien für eine Absage an ihren bisherigen heidnischen Lebenswandel
3.2.1 Die Zustimmung des Jakobus zu einer Auflösung der strikten Gegenüberstellung der Heiden zum Volk Gottes
3.2.2 Die Enthaltungsvorschriften als Gegensatz zu einer Verpflichtung der Heidenchristen auf das Gesetz, aber als grundsätzlich notwendige Forderungen (Apg 15,19.28)
3.2.3 Die Enthaltungsvorschriften als grundlegende und universa lgültige Forderungen für eine richtige Verehrung Gottes
3.2.3.1 Die traditionsgeschichtliche Herleitung der Enthaltungsvorschriften aus Lev 17f. und deren Probleme
3.2.3.2 Die Enthaltungsvorschriften des Jakobus als universal gültige Regeln für die richtige Verehrung Gottes
3.2.4 Die strikte Gegenüberstellung von Juden und Heiden im Hinblick auf die Einhaltung der vier Enthaltungsvorschriften (Apg 15,21)
3.3 Das Verhältnis des Petrus und Paulus zum Aposteldekret – breiter Konsens oder Grund für neue Auseinandersetzungen?
3.3.1 Die Position des Jakobus im Vergleich zu der des Petrus – keine grundsätzliche Differenz, sondern Ergebnis einer anderen Sichtweise auf die Heiden
3.3.2 Das Aposteldekret im Rahmen der Theologiegeschichte des Urchristentums: das Verhältnis von Apg 15,20.29 zu Gal 2,11–14
3.4 Zusammenfassung
IIIB Auseinandersetzungen um die Praxis der Tischgemeinschaft
1 Der Ausschluss des unzüchtigen Bruders vom Mahl der Gemeinschaft als konkrete Exkommunikationsmaßnahme (1 Kor 5,1–13)
1.1 Der Gebrauch von συναναμίγνυμαι zur Bezeichnung einer räumlichen Verbindung
1.2 Der Ausschluss des verdorbenen Gemeindegliedes als zentrale Forderung des Paulus
1.2.1 Das Rühmen der Gemeinde als Gegensatz zu deren Status als ungesäuerter Teig (1 Kor 5,6–8)
1.2.2 Sexuelle Vergehen als moralisch-ethisches Fehlverhalten und Verstoß gegen den Willen Gottes
1.2.3 Der fehlende Ausschluss des Unzüchtigen durch die Gemeinde als Vernachlässigung ihres Richteramtes (1 Kor 5,12f.)
1.3 Das Kontaktverbot mit dem Unzüchtigen – keine Forderung mit Bezug auf den Unzüchtigen im Kosmos, sondern mit Bezug auf den unzüchtigen Bruder
1.3.1 Die Forderung nach einer räumlichen Distanz als Zentrum von συναναμίγνυμαι in 1 Kor 5,9–11
1.3.2 Die scharfe Ablehnung eines Rückzugs aus dem Kosmos
1.3.3 Das Verbot der Tischgemeinschaft mit dem unzüchtigen Bruder – kein Verbot des Kontaktes außerhalb der Gemeinschaft, sondern Ausschluss vom Gemeinschaftsmahl
1.3.4 Die Definition der Grenzen einer Gemeinschaft durch Zulassung zum Gemeinschaftsmahl als generelles Kennzeichen des antiken Gruppenmahls
1.4 Zusammenfassung
2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen aufgrund ihrer gleichberechtigten Zugehörigkeit zu den Kindern Gottes (Gal 2,11–21)
2.1 Der Konflikt in Antiochia als Auseinandersetzung innerhalb des Judenchristentums
2.2 Der größere Rahmen: die Frage nach der Zugehörigkeit der unbeschnittenen Glaubenden zu den Kindern Gottes
2.2.1 Die Auseinandersetzung in Galatien als Konflikt um die Definition der Kinder Abrahams
2.2.2 Der Apostelkonvent als Entscheidung für die Rettung der Heidenchristen ohne Beschneidung
2.2.3 Der antiochenische Zwischenfall – eine Auseinandersetzung um die Einhaltung der jüdischen Speise- oder Reinheitsvorschriften durch Judenchristen?
2.3 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen – eine grundsätzliche Frage nach dem Erwählungsstatus von Heidenchristen im Vergleich zu dem der Judenchristen
2.3.1 Die Aufgabe der Mahlgemeinschaft als Ausschluss der Heidenchristen aus der Gruppe
2.3.2 Die Kennzeichnung des Verhaltens des Petrus vor dem Hintergrund der Abgrenzung Israels als Volk Gottes von den Heiden (Gal 2,12.14)
2.3.3 Der Anspruch der gesetzestreuen Judenchristen auf eine besondere Stellung bei Gott im Vergleich zu den Heidenchristen als Kern der Auseinandersetzung
2.4 Das Leben im Glauben an Christus als einziges Merkmal der Kinder Gottes (Gal 2,15–21)
2.4.1 Die grundsätzlich gleiche Situation von Juden- und Heidenchristen (Gal 2,15–17)
2.4.1.1 Die unterschiedliche Herkunft von Juden- und Heidenchristen (Gal 2,15)
2.4.1.2 Die grundsätzlich gleiche Situation der Juden- und Heidenchristen im Hinblick auf die Erlangung der Gerechtigkeit (Gal 2,16.20f.)
2.4.1.3 Die Bestimmung der Judenchristen als Sünder in Analogie zu den Heidenchristen (Gal 2,17)
2.4.2 Die Abgrenzung mithilfe des Gesetzes als Gegensatz zu einem Leben für Gott (Gal 2,18f.)
2.5 Zusammenfassung
3 Die Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern zum Zwecke ihrer moralischen Besserung
3.1 Das Mahl Jesu mit den Zöllnern und Sündern als Therapie (Mk 2,15–17 mit Mt 9,10–13/Lk 5,29–32)
3.1.1 Die Schilderung der Szene (Mk 2,15)
3.1.1.1 Jesus als Gastgeber des Mahls
3.1.1.2 Die Zöllner und Sünder als zu Jesus kommende Gäste
3.1.2 Die Beschränkung der Tischgemeinschaft auf Gerechte als Argument der Gegner (Mk 2,16)
3.1.2.1 Mk 2,15–17 als Auseinandersetzung um Tischgemeinschaft zwischen Juden
3.1.2.2 Die moralisch-ethische Verdorbenheit der Zöllner als Grund der Kritik
3.1.2.3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern – keine Frage der rituellen Unreinheit
3.1.3 Die moralische Besserung der Zöllner und Sünder als Zweck des Mahls mit ihnen (Mk 2,17)
3.1.3.1 Das Wirken des markinischen Jesus als „Arzt“ während des Mahls
3.1.3.2 Tischgemeinschaft als Gelegenheit zum Ruf in die Nachfolge
3.1.4 Die Tradition vom Symposium als Hintergrund von Mk 2,15–17
3.1.4.1 Die weisheitliche und popularphilosophische Mahnung zur Tischgemeinschaft mit moralisch guten Personen als Hintergrund von Mk 2,16
3.1.4.2 Zur Tradition von Tischgemeinschaft als „Therapie“ in Mk 2,17
3.1.4.3 Die Tradition vom Symposium als Erklärung für die Entstehung des Textes
3.1.4.4 Mk 2,15–17 als Indiz für einen hellenistischen Hintergrund des Verfassers
3.1.5 Zusammenfassung
3.2 Jesus als „Freund der Zöllner und Sünder“ in der Spruchquelle (Lk 7,33–35/Mt 11,18f.)
3.3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern als Mittel zur Umkehr im lukanischen Sondergut
3.3.1 Die Gleichnisse vom Suchen des Verlorenen als Rechtfertigung für Jesu Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern (Lk 15,1f.)
3.3.2 Die Tischgemeinschaft Jesu mit Zachäus zur Rettung des Verlorenen (Lk 19,1–10)
4 Juden und Heiden an einem Tisch – Mahlgemeinschaft im Rahmen der grundsätzlichen Öffnung der Heilsgemeinschaft für Nichtjuden (Apg 10,1–11,18)
4.1 Zentrale Merkmale der Tischgemeinschaft in Apg 10,1–11,18
4.1.1 Tischgemeinschaft mit Cornelius – kein Gruppenmahl, sondern Vorbereitung der Aufnahme der Nichtjuden in die Heilsgemeinschaft
4.1.2 Tischgemeinschaft mit Cornelius als Mahl mit gottesfürchtigen Heiden
4.2 Die Aufhebung bisher geltender Unterscheidungen als Zentrum der Vision des Petrus
4.2.1 Die Aufforderung zum Schlachten und Essen als Ermahnung zum Verzicht auf bisher geltende Unterscheidungen
4.2.2 Die Aufforderung des Geistes zum Mitgehen mit den Boten des Cornelius, ohne eine Unterscheidung zu machen
4.3 Die strikte Unterscheidung zwischen Juden und Heiden als Hintergrund des Tischgemeinschaftsverbots und die Abschaffung der mit ihr verbundenen Abwertung der Nichtjuden
4.3.1 Die Einkehr von Petrus im Haus des Cornelius als etwas der jüdischen Sitte Widersprechendes (Apg 10,28)
4.3.1.1 Die enge Verbindung mit Nichtjuden als Problem der Tischgemeinschaft mit ihnen
4.3.1.2 Die rituelle Unreinheit der Nichtjuden als Grund für die Ablehnung einer engen Verbindung und der Tischgemeinschaft mit ihnen
4.3.2 Die Verteidigung der Tischgemeinschaft und des engen Kontaktes durch eine Neubewertung der Nichtjuden
4.3.2.1 Die positive Bewertung der gottesfürchtigen und gerechten Heiden durch Gott als Grundlage ihrer Neubewertung durch Petrus (Apg 10,35)
4.3.2.2 Die Vision des Petrus – keine Außerkraftsetzung der Speisegebote, sondern Aufforderung zur Auflösung der strikten Unterscheidung von Juden und Nichtjuden
4.3.3 Die fehlende Unterscheidung Gottes zwischen Juden und Heiden als entscheidender Legitimationsgrund auch für die Aufnahme der Heiden in die Heilsgemeinschaft
4.4 Apg 10,1–11,18 im Vergleich zu verwandten urchristlichen Traditionen
4.4.1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Apg 10,1–11,18 und Gal 2,11–14 im Hinblick auf die Neubewertung der Mahlteilnehmer und die Abschaffung der abgrenzenden Bedeutung des Gesetzes
4.4.2 Die grundsätzliche Auflösung der Unterscheidung von gesetzestreuen Juden und Heiden durch Gott als entscheidende Differenz von Apg 10,1–11,18 zu Mk 7,1–23
4.5 Zusammenfassung
Exkurs 3: Die Praxis der Tischgemeinschaft als Hintergrund der Disziplinarregel in Mt 18,17
IIIC Die Konstitution der Gemeinschaft Jesu in Auseinandersetzung um rituelle Reinheitsvorschriften im Zusammenhang des Essens
1 Die rituelle Reinheit der Hände beim Essen: der Diskurs um den Brauch des Händewaschens vor dem Essen (Mk 7,1–23mit Mt 15,1–20)
1.1 Die Frage nach der Gesetzesobservanz als zentrales Thema und Verbindungsglied der einzelnen Unterabschnitte des Textes
1.1.1 Der Vorwurf Jesu an die Gegner: die Aufhebung des Gebotes Gottes durch die Überlieferung von Menschen (Mk 7,6–13)
1.1.1.1 Die Gegenüberstellung der Gebote der Pharisäer zum Gebot Gottes
1.1.1.2 Die Korbanpraxis als Beispiel für die Auflösung des Gebotes Gottes
1.1.2 Unreinheit oder Gesetzesobservanz als zentrales Thema von Mk 7,14–23?
1.1.2.1 Die Abwertung des Gesetzesübertritts als Spezifikum der κοινός-Terminologie
1.1.2.2 Die Abwertung der Gesetzesuntreue als Zentrum der Verwendung von κοινός κτλ. in Mk 7,1–23
1.2 Der Brauch des Händewaschens als elitärer Sonderbrauch oder allgemeiner identity marker für ein Leben nach dem Gesetz?
1.3 Die Verschiebung des Kriteriums für Gesetzestreue durch den markinischen Jesus (Mk 7,14–23)
1.3.1 Die grundsätzlich positive Bewertung des Gesetzes durch den markinischen Jesus
1.3.2 Die Ablehnung des Händewaschens als Kriterium für Gesetzestreue durch den markinischen Jesus
1.3.2.1 Die strikte Ablehnung des Händewaschens mithilfe der negativen κοινόω-Formulierungen, aber keine Außerkraftsetzung aller rituellen Gesetzesvorschriften
1.3.2.2 Die Bewertung des Verhaltens Jesu als Reinerklärung aller Speisen in Mk 7,19fin – keine Außerkraftsetzung der jüdischen Speisegebote nach Lev 11/Dtn 14
1.3.3 Der Vorrang von moralischen Anordnungen als generelles Kennzeichen der Auslegung des Gesetzes im Markusevangelium und im Diasporajudentum
1.3.3.1 Der Schwerpunkt auf den moralisch-ethischen Geboten als generelle Tendenz der markinischen Gesetzesauslegung
1.3.3.2 Die Nähe der Auslegung des Gesetzes durch den markinischen Jesus zum hellenistischen Judentum
1.4 Zusammenfassung
2 Die Reinheit des Tischgeschirrs (LkQ 11,37–41/MtQ 23,25f.)
2.1 Die Ablehnung einer bloßen Reinigung des äußeren Bechers (Mt 23,25f.)
2.2 Die grundsätzliche Relativierung des Konfliktes mit der Bedeutungslosigkeit des Essens für das Eschaton
Teil IV: Ergebnisse
Ergebnisse und Schlussfolgerungen mit Blick auf die bisherige Forschungsgeschichte
1 Keine grundsätzliche Auflösung der jüdischen Speisegebote für Judenchristen bei Paulus, aber bedingungslose Öffnung des Gemeinschaftsmahls für Heidenchristen durch eine Neudefinition der Kinder Gottes
1.1 Die Forderung bestimmter Speisevorschriften für Heidenchristen – zwischen notwendiger Enthaltung bei einer defizitären Erkenntnis der Einzigkeit Gottes und Rücksichtnahme auf judenchristliche Gemeindeglieder
1.2 Der Konflikt mit Petrus in Antiochia – keine Auseinandersetzung um die bloße Frage nach der Geltung der Speisegebote, sondern um unterschiedliche ekklesiologische Modelle
2 Eine andere Bestimmung der Funktion der Tischgemeinschaft und eine Ablehnung des Händewaschens, aber keine Auflösung der nach Lev 11/Dtn 14 verbotenen Tiersorten bei Markus
2.1 Das Mahl Jesu mit Zöllnern und Sündern – eine generelle Frage des sozialen Status, kein Streit über jüdische rituelle Reinheitsvorschriften
2.2 Mk 7,1–23 – ein Bruch mit dem bei Juden weit verbreiteten Brauch des Händewaschens, aber keine Auflösung der rituellen Reinheitsvorschriften oder gar des Gesetzes insgesamt
3 Keine Auflösung der grundlegenden Speisegebote für Judenchristen nach Lev 11/Dtn 14 und die Verpflichtung der Heidenchristen auf universale Verbote bei Lukas
3.1 Das gemeinsame Mahl zwischen Petrus und Cornelius – keine Auflösung der jüdischen Speisegebote nach Lev 11/Dtn 14, sondern Abschaffung der strikten Unterscheidung zwischen Juden und Heiden (Apg 10,1–11,18)
3.2 Das Aposteldekret – Verpflichtung der Heidenchristen auf Verbote, die der Verehrung Gottes grundsätzlich widersprechen
4 Grundzüge der urchristlichen Praxis zum Essen – keine Abschaffung der Gesetzesvorschriften zum Essen, aber der mit ihnen verbundenen Abgrenzungsfunktion
4.1 Der traditionsgeschichtliche Hintergrund der urchristlichen Essenspraktiken im Diasporajudentum
4.2 Die urchristlichen Diskurse zur Tischgemeinschaft von Juden und Heiden – kein Bruch mit den jüdischen Speisegeboten oder Tischgemeinschaftspraktiken, sondern Folge einer neuen Bewertung der Heiden
4.3 Ein kurzer Leitfaden der Essenspraxis in frühchristlichen Gemeinden
Literatur
1 Quellen (Textausgaben/Textsammlungen, Übersetzungen und Kommentare)
1.1 Bibelausgaben und Bibelübersetzungen
1.2 Apokryphen und Pseudepigraphen
1.3 Philo von Alexandrien und Flavius Josephus
1.4 Textausgaben und Übersetzungen zu den Schriften vom Toten Meer
1.5 Rabbinische Literatur
1.6 Antike christliche Autoren
1.7 Pagane griechische und römische Autoren (in Auswahl)
1.8 Inschriften und Papyri
2 Hilfsmittel
2.1 Wörterbücher
2.2 Grammatiken
2.3 Konkordanzen
2.4 Weitere Hilfsmittel
3 Sekundärliteratur
3.1 Kommentare
3.2 Monographien, Aufsätze, Lexikonartikel
Stellenregister
Altes Testament
Alttestamentliche Pseudepigraphen
Philo von Alexandrien und Flavius Josephus
Schriften von Qumran
Rabbinische Literatur
Neues Testament
Frühchristliche Schriften außerhalb des Neuen Testamentes
Pagane griechische und römische Autoren
Inschriften und Papyri
Sachregister

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Essen im antiken Judentum und Urchristentum

Ancient Judaism and Early Christianity arbeiten zur geschichte des antiken judentums und des urchristentums

Founding Editor Martin Hengel † (Tübingen)

Executive Editors Cilliers Breytenbach (Berlin) Martin Goodman (Oxford)

Editorial Board Lutz Doering (Münster) – Tal Ilan (Berlin) – AnneMarie Luijendijk (Princeton) Judith Lieu (Cambridge) – Tessa Rajak (Reading/Oxford) Daniel R. Schwartz ( Jerusalem) – Sacha Stern (London) Amram Tropper (Beersheba) – Christiane Zimmermann (Kiel)

volume 108

The titles published in this series are listed at brill.com/ajec

Essen im antiken Judentum und Urchristentum Diskurse zur sozialen Bedeutung von Tischgemeinschaft, Speiseverboten und Reinheitsvorschriften Von

Christina Eschner

LEIDEN | BOSTON

Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Names: Eschner, Christina, 1978– author. Title: Essen im antiken Judentum und Urchristentum : Diskurse zur sozialen  Bedeutung von Tischgemeinschaft, Speiseverboten und Reinheitsvorschriften  / by Christina Eschner. Description: Leiden ; Boston : Brill, 2019. | Series: Ancient Judaism and  early Christianity, ISSN 1871-6636 ; volume 108 | Includes bibliographical  references and index. Identifiers: LCCN 2019014086 (print) | LCCN 2019014416 (ebook) |  ISBN 9789004391901 (ebook) | ISBN 9789004391833 (hardback : alk. paper) Subjects: LCSH: Law (Theology) | Christianity and law. | Law  (Theology)—Biblical teaching. | Law—Biblical teaching. | Jewish law. Classification: LCC BT96.3 (ebook) | LCC BT96.3 .E83 2019 (print) |  DDC 296.7/309—dc23 LC record available at https://lccn.loc.gov/2019014086

Typeface for the Latin, Greek, and Cyrillic scripts: “Brill”. See and download: brill.com/brill-typeface. issn 1871-6636 isbn 978-90-04-39183-3 (hardback) isbn 978-90-04-39190-1 (e-book) Copyright 2019 by Koninklijke Brill NV, Leiden, The Netherlands. Koninklijke Brill NV incorporates the imprints Brill, Brill Hes & De Graaf, Brill Nijhoff, Brill Rodopi, Brill Sense, Hotei Publishing, mentis Verlag, Verlag Ferdinand Schöningh and Wilhelm Fink Verlag. All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, translated, stored in a retrieval system, or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording or otherwise, without prior written permission from the publisher. Authorization to photocopy items for internal or personal use is granted by Koninklijke Brill NV provided that the appropriate fees are paid directly to The Copyright Clearance Center, 222 Rosewood Drive, Suite 910, Danvers, MA 01923, USA. Fees are subject to change. This book is printed on acid-free paper and produced in a sustainable manner.

Inhalt Vorwort xiii Abkürzungen xvi

teil i Einleitung Einleitung und Vorüberlegungen 3 1 Zum Gegenstand und zur Zielsetzung dieser Arbeit 3 1.1 Ein Überblick über die urchristlichen Diskurse zu grundlegenden Essenspraktiken 4 1.2 Die Darstellung der urchristlichen Essenspraxis vor dem Hintergrund von jüdischen und paganen Essensbräuchen als eigener Schwerpunkt 6 2 Die identitätsstiftende Funktion von Essensregeln, Reinheitsfragen und des jüdischen Gesetzes als zentrale Erkenntnis der Forschung und Grundlage der vorliegenden Arbeit 9 2.1 Die soziale und identitätsstiftende Bedeutung von Bestimmungen zum Essen 10 2.2 Das Rein-Unrein-Paradigma als Mittel der sozialen Abgrenzung – soziologische und kulturanthropologische Erkenntnisse 12 2.3 Zur identitätsstiftenden Bedeutung des Gesetzes 15 3 Zum methodischen Ansatz und zum Aufbau dieser Arbeit 22

teil ii Gesetzesanordnungen zum Essen in den Schriften des antiken Judentums Einleitung 27 IIA Die Gesetzesanordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel als Hintergrund der Essensvorschriften im Judentum des Zweiten Tempels und rabbinischen Judentum 32 1 Anordnungen zu verbotenen Speisen 32 1.1 Die unterschiedlichen Anordnungen zu Speisen im Überblick 33 1.2 Zur Unreinheit verbotener Speisen – zwischen physisch übertragbarer Unreinheit und Ausdruck für ein Verbot 38

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Inhalt

Exkurs 1: Zur rituellen und moralisch-ethischen Form der Unreinheit 38 1.3 Zur sozialen Funktion der Speisegebote – die Einhaltung der Speisegebote als Mittel zur Heiligung und Abgrenzung Israels von anderen Völkern 48 2 Anordnungen zur Tischgemeinschaft – kein zentraler Bereich in der hebräischen Bibel 51 3 Rituelle Reinheitsvorschriften im Zusammenhang des Essens 52 3.1 Der Ausschluss unreiner Personen von heiligen Speisen 52 3.2 Rituelle Unreinheit von Gefäßen und ihres Inhalts 54 IIB Gesetzesanordnungen zum Essen in griechischen Texten des antiken Judentums 55 1 Anordnungen zu verbotenen Speisen 58 1.1 Die strikte Differenz von jüdischen und heidnischen Speisen als Zentrum der Rezeption der Speisegebote im griechischsprachigen Judentum 59 1.2 Die Abgrenzung der Juden von den Nichtjuden mithilfe der jüdischen Speisegebote 72 1.3 Die Gegenüberstellung der jüdischen und der nichtjüdischen Lebensweise als Hintergrund der κοινός-Terminologie 85 1.4 Zentrale Folgen einer Einhaltung und Übertretung der Speisegebote 107 2 Anordnungen zur Tischgemeinschaft 118 2.1 Die Einhaltung der jüdischen Speisegebote als Grundvoraussetzung für eine Tischgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden 119 2.2 Die Gesetzestreue der Mahlteilnehmer in moralisch-ethischer Hinsicht als Kriterium zur Beschränkung der Tischgemeinschaft zwischen Juden 146 2.3 Die Regelungen zur Tischgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden und anderen Juden im Vergleich 178 3 Rituelle Reinheitsvorschriften im Zusammenhang des Essens 180 IIC Gesetzesanordnungen zum Essen in hebräisch-aramäischen und verwandten Texten des antiken Judentums 185 1 Anordnungen zu verbotenen Speisen 190 1.1 Die Rezeption der Speiseanordnungen aus Lev 11/Dtn 14 in den Schriften aus Qumran 191 Exkurs 2: Das strikte Verbot des Blutgenusses 202 1.2 Speiseanordnungen im Zusammenhang mit Opfervorschriften 203 1.3 Das strikte Verbot von heidnischen Speisen 206

Inhalt

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2 Anordnungen zur Tischgemeinschaft 208 2.1 Das strikte Verbot der Tischgemeinschaft mit Heiden aufgrund von deren Unreinheit ( Jubiläenbuch) 208 2.2 Rituelle Reinheit als Kriterium für die Definition der Grenzen des Gemeinschaftsmahls und der Gemeinschaft insgesamt (Gemeinschaftsregel) 224 3 Rituelle Reinheitsvorschriften im Zusammenhang des Essens 239 3.1 Anordnungen in Bezug auf das heilige Essen 242 3.2 Anordnungen zum Essen während einer ausgedehnten Reinigungsphase 264 3.3 Rituelle Unreinheit von Gefäßen und ihres Inhalts 272 3.4 Die besondere Gefahr einer Verunreinigung durch Flüssigkeiten 276

teil iii Auseinandersetzungen um Fragen des Essens in der urchristlichen Literatur Einleitung 283 IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen 284 1 Der Streit um das Essen von Götzenopferfleisch in der Gemeinde von Korinth (1 Kor 8,1–11,1) 285 1.1 Der Genuss von Götzenopferfleisch – ein Überblick über die verschiedenen Problemfelder 285 1.2 Die weitere Geltung des strikten Götzenopferfleischverbots mit den Erkenntnishabenden als einziger Ausnahme (1 Kor 8,1–13) 289 1.3 Die Unvereinbarkeit der Teilnahme an Mählern im heidnischen Tempel mit einer Teilnahme am Tisch des Herrn (1 Kor 10,14–22) 310 1.4 Die Anweisungen des Paulus zum Umgang mit Fleisch auf dem Markt und bei privaten Mählern – keine Notwendigkeit zu einem genauen Nachforschen, aber Vermeidung eines bewussten Essens von Götzenopferfleisch (1 Kor 10,23–11,1) 315 1.5 Zusammenfassung 318 2 Die Auseinandersetzung um jüdische Speisegebote in der Gemeinde von Rom (Röm 14,1–15,13) 320 2.1 Die Frage der Einhaltung der jüdischen Speisegebote als Hauptproblem der Auseinandersetzung innerhalb der Gemeinde von Rom 321

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Inhalt

2.2 Die grundsätzliche Relativierung des Konfliktes mit der Bedeutungslosigkeit des Essens für das Eschaton 327 2.3 Die Argumentation des Paulus gegen eine Übertretung der jüdischen Speisegebote durch den Schwachen 330 2.4 Hinweise auf eine nähere Bestimmung des Konflikts 341 2.5 Zusammenfassung 347 3 Das Verbot von Speisen als zentraler Bestandteil des Aposteldekrets (Apg 15,20.29; 21,25) 348 3.1 Das vierfache Enthaltungsgebot der Heidenchristen als Zusammenstellung von verbotenen Speisen und moralischen Vergehen 350 3.2 Die Anordnungen des Aposteldekrets – keine Verpflichtung der Heidenchristen auf das Gesetz, sondern Kriterien für eine Absage an ihren bisherigen heidnischen Lebenswandel 358 3.3 Das Verhältnis des Petrus und Paulus zum Aposteldekret – breiter Konsens oder Grund für neue Auseinandersetzungen? 374 3.4 Zusammenfassung 383 IIIB Auseinandersetzungen um die Praxis der Tischgemeinschaft 385 1 Der Ausschluss des unzüchtigen Bruders vom Mahl der Gemeinschaft als konkrete Exkommunikationsmaßnahme (1 Kor 5,1–13) 386 1.1 Der Gebrauch von συναναμίγνυμαι zur Bezeichnung einer räumlichen Verbindung 388 1.2 Der Ausschluss des verdorbenen Gemeindegliedes als zentrale Forderung des Paulus 393 1.3 Das Kontaktverbot mit dem Unzüchtigen – keine Forderung mit Bezug auf den Unzüchtigen im Kosmos, sondern mit Bezug auf den unzüchtigen Bruder 405 1.4 Zusammenfassung 419 2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen aufgrund ihrer gleichberechtigten Zugehörigkeit zu den Kindern Gottes (Gal 2,11–21) 420 2.1 Der Konflikt in Antiochia als Auseinandersetzung innerhalb des Judenchristentums 421 2.2 Der größere Rahmen: die Frage nach der Zugehörigkeit der unbeschnittenen Glaubenden zu den Kindern Gottes 423 2.3 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen – eine grundsätzliche Frage nach dem Erwählungsstatus von Heidenchristen im Vergleich zu dem der Judenchristen 435

Inhalt

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2.4 Das Leben im Glauben an Christus als einziges Merkmal der Kinder Gottes (Gal 2,15–21) 447 2.5 Zusammenfassung 465 3 Die Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern zum Zwecke ihrer moralischen Besserung 466 3.1 Das Mahl Jesu mit den Zöllnern und Sündern als Therapie (Mk 2,15–17 mit Mt 9,10–13/Lk 5,29–32) 467 3.2 Jesus als „Freund der Zöllner und Sünder“ in der Spruchquelle (Lk 7,33–35/Mt 11,18f.) 515 3.3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern als Mittel zur Umkehr im lukanischen Sondergut 519 4 Juden und Heiden an einem Tisch – Mahlgemeinschaft im Rahmen der grundsätzlichen Öffnung der Heilsgemeinschaft für Nichtjuden (Apg 10,1–11,18) 530 4.1 Zentrale Merkmale der Tischgemeinschaft in Apg 10,1–11,18 533 4.2 Die Aufhebung bisher geltender Unterscheidungen als Zentrum der Vision des Petrus 540 4.3 Die strikte Unterscheidung zwischen Juden und Heiden als Hintergrund des Tischgemeinschaftsverbots und die Abschaffung der mit ihr verbundenen Abwertung der Nichtjuden 551 4.4 Apg 10,1–11,18 im Vergleich zu verwandten urchristlichen Traditionen 572 4.5 Zusammenfassung 577 Exkurs 3: Die Praxis der Tischgemeinschaft als Hintergrund der Disziplinarregel in Mt 18,17 578 IIIC Die Konstitution der Gemeinschaft Jesu in Auseinandersetzung um rituelle Reinheitsvorschriften im Zusammenhang des Essens 581 1 Die rituelle Reinheit der Hände beim Essen: der Diskurs um den Brauch des Händewaschens vor dem Essen (Mk 7,1–23 mit Mt 15,1–20) 582 1.1 Die Frage nach der Gesetzesobservanz als zentrales Thema und Verbindungsglied der einzelnen Unterabschnitte des Textes 584 1.2 Der Brauch des Händewaschens als elitärer Sonderbrauch oder allgemeiner identity marker für ein Leben nach dem Gesetz? 598 1.3 Die Verschiebung des Kriteriums für Gesetzestreue durch den markinischen Jesus (Mk 7,14–23) 605 1.4 Zusammenfassung 631 2 Die Reinheit des Tischgeschirrs (LkQ 11,37–41/MtQ 23,25f.) 632 2.1 Die Ablehnung einer bloßen Reinigung des äußeren Bechers (Mt 23,25f.) 633

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Inhalt

2.2 Die fehlende Notwendigkeit zu einer Beachtung der Reinheitsvorschriften als Konsequenz des Almosengebens (Lk 11,37–41) 636

teil iv Ergebnisse Ergebnisse und Schlussfolgerungen mit Blick auf die bisherige Forschungsgeschichte 641 1 Keine grundsätzliche Auflösung der jüdischen Speisegebote für Judenchristen bei Paulus, aber bedingungslose Öffnung des Gemeinschaftsmahls für Heidenchristen durch eine Neudefinition der Kinder Gottes 642 1.1 Die Forderung bestimmter Speisevorschriften für Heidenchristen – zwischen notwendiger Enthaltung bei einer defizitären Erkenntnis der Einzigkeit Gottes und Rücksichtnahme auf judenchristliche Gemeindeglieder 642 1.2 Der Konflikt mit Petrus in Antiochia – keine Auseinandersetzung um die bloße Frage nach der Geltung der Speisegebote, sondern um unterschiedliche ekklesiologische Modelle 644 2 Eine andere Bestimmung der Funktion der Tischgemeinschaft und eine Ablehnung des Händewaschens, aber keine Auflösung der nach Lev 11/ Dtn 14 verbotenen Tiersorten bei Markus 646 2.1 Das Mahl Jesu mit Zöllnern und Sündern – eine generelle Frage des sozialen Status, kein Streit über jüdische rituelle Reinheitsvorschriften 646 2.2 Mk 7,1–23 – ein Bruch mit dem bei Juden weit verbreiteten Brauch des Händewaschens, aber keine Auflösung der rituellen Reinheitsvorschriften oder gar des Gesetzes insgesamt 648 3 Keine Auflösung der grundlegenden Speisegebote für Judenchristen nach Lev 11/Dtn 14 und die Verpflichtung der Heidenchristen auf universale Verbote bei Lukas 650 3.1 Das gemeinsame Mahl zwischen Petrus und Cornelius – keine Auflösung der jüdischen Speisegebote nach Lev 11/Dtn 14, sondern Abschaffung der strikten Unterscheidung zwischen Juden und Heiden (Apg 10,1–11,18) 650 3.2 Das Aposteldekret – Verpflichtung der Heidenchristen auf Verbote, die der Verehrung Gottes grundsätzlich widersprechen 651

Inhalt

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4 Grundzüge der urchristlichen Praxis zum Essen – keine Abschaffung der Gesetzesvorschriften zum Essen, aber der mit ihnen verbundenen Abgrenzungsfunktion 652 4.1 Der traditionsgeschichtliche Hintergrund der urchristlichen Essenspraktiken im Diasporajudentum 653 4.2 Die urchristlichen Diskurse zur Tischgemeinschaft von Juden und Heiden – kein Bruch mit den jüdischen Speisegeboten oder Tischgemeinschaftspraktiken, sondern Folge einer neuen Bewertung der Heiden 655 4.3 Ein kurzer Leitfaden der Essenspraxis in frühchristlichen Gemeinden 658 Literatur 659 Stellenregister 744 Sachregister 790

Vorwort Die vorliegende Studie wurde am 1. November 2017 von der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin unter dem Titel „Tischgemeinschaft und andere Essensfragen im antiken Judentum und Urchristentum. Wer darf was mit wem und in welchem Zustand essen?“ als Habilitationsschrift angenommen. Für die Drucklegung wurde sie an einigen Stellen überarbeitet und um aktuelle Literaturbeiträge ergänzt. Die vielfältigen Regelungen zu Fragen des Essens im antiken Judentum und Urchristentum haben mich über Jahre beschäftigt. An dieser Stelle sei mein herzlichster Dank all denen ausgesprochen, die mich in dieser Zeit begleitet und unterstützt haben. Zuerst und ganz besonders danke ich Herrn Prof. Dr. Cilliers Breytenbach (Berlin), der den Anstoß zu dieser Arbeit gegeben und sie wie schon meine Dissertation in einzigartiger Weise betreut hat. Ihm kann ich eigentlich nicht genug danken für seine intensive Begleitung in den unterschiedlichsten Phasen der Entstehung dieses Buches, für seine Motivation, seine kritische Lektüre und sein Interesse an meinem Thema während der gesamten Zeit. Von seinem fachkundigen Urteil habe ich in meiner Arbeit sehr profitiert. An dem erfolgreichen Abschluss dieses Forschungsprojektes hat er nie gezweifelt, auch dann nicht, als mein Leben durch ein berufsbegleitendes Vikariat und die Geburt von nunmehr drei Kindern zwar sehr viel bunter, reicher und schöner, die Zeit am Schreibtisch dadurch aber doch immer wieder eingeschränkt wurde. Dass es zur Fertigstellung dieses Buches kam, ist nicht zuletzt auch sehr guten Arbeitsbedingungen und dem scheinbar unerschöpflichen Vertrauen von Prof. Breytenbach zu verdanken. Gerade auch dafür bin ich von Herzen dankbar. Herrn Prof. Dr. Jens Schröter (Berlin) danke ich für die Mühen eines Zweitgutachtens, das die vorliegende Arbeit vor allem durch seine Fachkenntnisse zum Matthäusevangelium bereichert hat. Auch Herrn Prof. Dr. Lutz Doering (Münster) bin ich für die Übernahme eines ausführlichen Gutachtens zu großem Dank verpflichtet. Die Sorgfalt dieses Gutachtens mit vielen konstruktiven Kommentaren und hilfreichen Hinweisen zum Judentum des Zweiten Tempels war ein großer Gewinn für mich. Mein Dank gilt ferner dem gesamten Herausgeberkreis von „Ancient Judaism and Early Christianity“ für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Reihe. Das ist eine große Ehre für mich. Darüber hinaus danke ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Colloquiums am Lehrstuhl von Prof. Breytenbach für ihr anhaltendes Interesse an meinem Thema. Die Zusammensetzung dieses Kreises änderte sich über die Jahre mehrfach, aber die konstruktive Arbeitsweise blieb stets gleich.

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Vorwort

Stellvertretend für alle Colloquiumsmitglieder möchte ich hier Frau PD Dr. Bärbel Bosenius nennen, die auch ein Votum zu meiner Arbeit verfasst hat, das ebenfalls sehr hilfreich war. Gerade in den Jahren meiner Elternzeiten waren meine Berlinbesuche dank der herzlichen Atmosphäre in diesem Kreis und am gesamten Lehrstuhl immer ein besonderes Ereignis, auf das ich mich jedes Mal gefreut habe und von dem ich mit zahlreichen inhaltlichen Präzisierungen und neuen Denkanstößen wieder nach Hause zurückgekehrt bin. Ein Meilenstein für die Erarbeitung der vorliegenden Studie war ein sechsmonatiger, durch die DFG geförderter Forschungsaufenthalt in Oxford (November 2011–April 2012). An diese besondere Zeit denke ich mit großer Dankbarkeit und Freude zurück. In ihr konnte ich mich ganz dem Studium der jüdischen Quellen widmen und zudem mit mehreren Experten in direktem Kontakt stehen, die selbst im Grenzbereich zwischen dem antiken Judentum und frühen Christentum arbeiten. Dies gilt vor allem für Prof. Dr. Martin D. Goodman, Prof. Dr. Christopher M. Tuckett und Prof. Dr. Markus Bockmuehl. Darüber hinaus ermöglichte mir der Aufenthalt am renommierten „Centre for Hebrew and Jewish Studies“ den wissenschaftlichen Austausch mit anderen Gastwissenschaftlern, insbesondere aus dem Bereich der Qumranforschung. Zu diesen gehörten Prof. Dr. Esther Eshel (Jerusalem) und Prof. Dr. Daniel K. Falk (Pennsylvania State University). Durch sie habe ich in anregenden Diskussionen und intensiven fachlichen Gesprächen viele neue Erkenntnisse und wertvolle Impulse für meine weitere Arbeit bekommen. Außerdem konnte ich durch persönliche Begegnungen mit Forschenden aus aller Welt feststellen, wie aktuell das vorliegende Thema auch heute noch ist. Zahlreiche Anregungen haben sich auch aus Gesprächen mit weiteren Experten auf den unterschiedlichsten Gebieten ergeben. Namentlich seien an dieser Stelle Prof. Dr. Johan Thom (Stellenbosch), Prof. Dr. Daniel R. Schwartz (Jerusalem), Dr. Yair Furstenberg (Jerusalem), Prof. Dr. Klaus Haacker (Berlin) und Dr. Ivana Petrovic (jetzt Charlottesville) genannt. Eine große Hilfe bei der Literaturrecherche und -beschaffung war mir Frau Dipl.-Theol. Barbara Beyer (Berlin). Gerade in den Zeiten, in denen ich nur selten in Berlin und mir der Zugang zu Bibliotheken dadurch erschwert war, hat sie mir stets schnell und unkompliziert auch abgelegene Fachliteratur beschafft. Sie hat mich auch bei der ständigen Aktualisierung des Literaturverzeichnisses und der Erstellung der Register sehr unterstützt. Herr Dipl.-Theol. Matthias Müller (Berlin) hat sich um die Endkorrektur dieser Arbeit verdient gemacht. Dabei hat er sich – wie gewohnt – als höchst aufmerksamer und kompetenter Leser erwiesen. Ohne seinen genauen Blick für die formale und leserfreundliche Gestaltung eines Buches, wäre das vorliegende Buch nicht das Buch, das es jetzt ist. Sehr dankbar bin ich auch für die gute und problemlose

Vorwort

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Zusammenarbeit. Ich hätte mir keinen besseren Lektor wünschen können. Für alle Hilfe bei der Fertigstellung eines anspruchsvollen Manuskriptes für den Druck danke ich außerdem bei Brill Frau Marjolein van Zuylen und Frau Fem Eggers. Mein besonderer Dank gilt schließlich meiner Familie und unseren engen Freunden, die mich in den letzten Jahren verständnisvoll begleitet haben. Dadurch haben sie in besonderer Weise zum Gelingen der vorliegenden Arbeit beigetragen. Dies gilt vor allem für meinen Mann, Pfarrer Ulf Stoischek. Ihm danke ich für seine Geduld und Unterstützung, mehr aber noch dafür, dass er – obwohl beruflich oft selbst stark gefordert – immer wieder dafür gesorgt hat, dass neben der Arbeit auch das Familienleben und die gemeinsame Zeit mit unseren Kindern ihren Platz hatten. Ihm möchte ich daher dieses Buch widmen. Ganz besonders danke ich auch meiner Mutter, Pfarrerin i.R. Elisabeth Eschner. Sie hat sich in den letzten sechs Jahren sehr in die Betreuung unserer Kinder eingebracht und dafür oftmals eigene Wünsche zurückgestellt. Schließlich sei auch Magdalena, Johanna und Jonathan gedankt. Ihre erfrischende Lebendigkeit und Neugierde, ihre ansteckende Lebenslust, Phantasie und Freude haben die Zeit der Entstehung dieser Arbeit ebenso bereichert wie ihre Gelassenheit gerade auch in hektischen Situationen des Lebens. Christina Eschner

Berlin und Cremlingen, im Mai 2019

Abkürzungen Bibliographische Abkürzungen folgen S.M. Schwertner, IATG³ – Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (Berlin ³2014), ebenso die Abkürzungen biblischer Bücher und verwandter Texte (einschließlich Philo, Josephus und der rabbinischen Literatur). Abkürzungen von Werktiteln sonstiger antiker Autoren orientieren sich am SBL Handbook of Style for Biblical and Related Studies (Atlanta ²2014). Kürzel für die neutestamentlichen Manuskripte folgen der 28. Auflage des Nestle-Aland, die der Septuaginta-Manuskripte der Ausgabe von Rahlfs. Weitere Abkürzungen: AGRW

R.S. Ascough/P.A. Harland/J.S. Kloppenborg, Associations in the Greco-Roman World. A Sourcebook, Waco, TX 2012 ΒΑΑ W. Bauer/K. und B. Aland, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments, Berlin ⁶1988 BDR F. Blass/A. Debrunner, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, bearbeitet von F. Rehkopf, Göttingen ¹⁷1990 CIIP H.M. Cotton u.a. (Hg.), Corpus Inscriptionum Iudaeae/Palaestinae, Berlin 2010ff. Clines D.J.A. Clines, The Dictionary of Classical Hebrew, 8 Bde., Sheffield 1993–2011 EzTrag Ezechiel der Tragiker GI/II (Tob) „Kurztext“ (GI ), repräsentiert durch B und A, und „Langtext“ (GII ), repräsentiert durch S J. Lust/E. Eynikel/K. Hauspie, A Greek-English Lexicon of the SeptuaGELS gint, Revised Edition, Stuttgart 2003 K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch aus Georges den Quellen zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und Antiquitäten unter Berücksichtigung der besten Hülfsmittel, 2 Bde., Leipzig ⁷1879–1880 J.S. Kloppenborg/R.S. Ascough, Greco-Roman Associations. Texts, GRA I Translations, and Commentary, Bd. 1: Achaia, Central Greece, Macedonia, Thrace (BZNW 181), Berlin 2011 Hoffmann/von Siebenthal H. von Siebenthal, Griechische Grammatik zum Neuen Testament. Neubearbeitung und Erweiterung der Grammatik Hoffmann/von Siebenthal, Gießen 2011 IGBulg G. Michailov (Hg.), Inscriptiones Graecae in Bulgaria repertae, 5 Bde., Sofia 1956–1997 IGLSkythia Inscriptiones Scythiae Minoris Graecae et Latinae, Bukarest 1980ff.

Abkürzungen

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Köhler/Baumgartner L. Köhler/W. Baumgartner, Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament, 6 Bde., Leiden 1967–1996 Louw/Nida J.P. Louw/E.A. Nida, Greek English Lexicon of the New Testament. Based on Semantic Domains, 2 Bde., Stuttgart 1991 LXX Deutsch Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung, hg. von W. Kraus, Stuttgart ²2010 Moulton/Milligan J.H. Moulton/G. Milligan, The Vocabulary of the Greek New Tes­ tament. Illustrated from the Papyri and Other Non-Literary Sources, London 1930 T. Muraoka, A Greek-English Lexicon of the Septuagint, Leuven 2009 Muraoka Neuer Wettstein G. Strecker/U. Schnelle u.a. (Hg.), Neuer Wettstein. Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus, Berlin 1996ff. The Oxyrhynchus Papyri, London 1898ff. P.Oxy. Pape W. Pape, Griechisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bde., Braunschweig ³1880 Paralipomena Jeremiou ParJer Passow F. Passow, Handwörterbuch der griechischen Sprache, 4 Bde., Leipzig ⁵1841 (Nachdruck Darmstadt 2008) Preisigke F. Preisigke, Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden, 3 Bde., Heidelberg 1925–1931 TestMos Testament des Mose Θ Theodotion

teil i Einleitung



Einleitung und Vorüberlegungen 1

Zum Gegenstand und zur Zielsetzung dieser Arbeit

Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind die in den urchristlichen Schriften überlieferten Anordnungen zum Essen, und zwar näherhin die grundlegenden Fragen, die sich stellten, wenn man um den Tisch zusammenkam. Dieses Thema resultiert aus der an den urchristlichen Texten selbst gewonnenen Erkenntnis, dass der Bereich des Essens für das Urchristentum offenbar insgesamt von zentraler Bedeutung war.1 Mehrfach werden auch die grundlegenden Fragen des Essens in den Schriften des Urchristentums behandelt. Dabei waren die entsprechenden Bräuche zum Essen im Laufe der Geschichte des Urchristentums augenscheinlich Anlass für Konflikte und verlangten demzufolge eine Klärung. Entsprechende Diskurse sind von den frühesten neutestamentlichen Texten (Paulus) bis hin zur Apostelgeschichte bezeugt und lassen sich grundsätzlich auch schon für den historischen Jesus annehmen.2 Gerade Fragen des Essens sind demzufolge in den beiden ansonsten oft unterschiedlich geprägten urchristlichen Rezeptionswegen festzustellen, d.h. sowohl innerhalb der Jesusüberlieferung als auch innerhalb der Apostelüberlieferung. Bereits diese breite Bezeugung zeigt: Konflikten zum Essen kam offenbar in der Zeit des Urchristentums generell eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung der Identität3 der Gemeinschaft der Glaubenden in Abgrenzung von anderen 1  Zur hohen Bedeutung des Essens im Urchristentum im Allgemeinen vgl. z.B. Apg 2,42; 6,1–7; 10,1–11,18; 16,34; 20,7–12. Speziell zum Bereich der Tischgemeinschaft vgl. den Beitrag Mußners mit dem programmatischen Titel „Das Wesen des Christentums ist συνεσθίειν“. Ihm zufolge ist συνεσθίειν „ein besonderes ‚Wort der Gnade‘ im Neuen Testament“ (99; vgl. ders., Gal, 423). Ähnlich auch Klinghardt, Einführung, 4: „Das Mahl war die wichtigste Instanz zur Identitätsbildung in den frühchristlichen Gemeinden“. 2  So ist zwar die synoptische Tradition wie auch die Apostelüberlieferung nachösterlich, jedoch spricht viel dafür, dass die Traditionen zur Tischgemeinschaft und zu Reinheitsfragen durchaus einen Anhalt am historischen Jesus haben, da sich gerade von daher eine Klärungsbedürftigkeit nahelegt. 3  Der Begriff der „Identität“ wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit für die Werte und die aus ihnen resultierenden Denk- bzw. Verhaltensweisen eines bestimmten Individuums oder einer Gemeinschaft gebraucht, die durch Selbstzuschreibung von innen und Fremdzuschreibung von außen als wesentliche Merkmale für diese Person oder Gruppe angesehen werden. Dabei passt der von Brubaker/Cooper, Beyond „Identity“, am Identitätsbegriff bemängelte Aspekt der Abgrenzung gut zu den im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehenden Fragen, da in den zur Debatte stehenden Fällen die Bestimmung der Identität einer Gemeinschaft jeweils gerade deutlich in Abgrenzung zu anderen Gruppen erfolgt. Zur Funktion von Grenzziehung bei der Identitätsbildung religiöser Gruppen vgl. auch Lieu, Christian Identity, 98–146. © koninklijke brill nv, leiden, 2019 | doi:10.1163/9789004391901_002

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I Einleitung und Vorüberlegungen

Gruppen zu. Dies wird zudem auch daran deutlich, dass entsprechende Auseinandersetzungen zu konkreten Fragen des Essens mehrfach mit gravierenden Wendepunkten der Geschichte des Urchristentums verbunden sind. So umfasst das vorliegende Thema Texte, die für die Geschichte des Urchristentums insgesamt zentrale Bedeutung und damit eine lange Forschungstradition hinter sich haben (vgl. vor allem Gal 2,11–21; Apg 10,1–11,18; 15,1–29). Diese Auseinandersetzungen, in deren Rahmen sich das Urchristentum formiert und seine Gestalt gewinnt, sollen im Folgenden nachgezeichnet werden. Ein Überblick über die urchristlichen Diskurse zu grundlegenden Essenspraktiken Welche Fragen des Essens wurden nun aber im Urchristentum genau diskutiert? Die in der urchristlichen Literatur überlieferten Texte zum Essen decken ein ganzes Spektrum an unterschiedlichen Fragen und Regeln ab. Im Fokus der vorliegenden Arbeit sollen die Texte stehen, in deren Rahmen jeweils die Kernfragen des Essens, d.h. die Praxis zu grundsätzlichen Voraussetzungen für das Essen, geklärt werden. Die entsprechenden Anordnungen lassen sich im Wesentlichen drei Bereichen zuordnen, und zwar erstens der Frage nach erlaubten und verbotenen Speisen, zweitens Regeln zu der für die Antike insgesamt besonders zentralen Tischgemeinschaft sowie drittens rituellen Reinheitsgesetzen. Dabei lässt sich bereits an dem in der Forschung gängigen Sprachgebrauch deutlich erkennen, dass die Vielschichtigkeit des Befundes oftmals nicht ausreichend wahrgenommen, sondern geradezu eingeebnet wird. Hier ist die Forschung nämlich insofern unpräzise, als der Begriff „Speisegesetze“ häufig gleichsam als Oberbegriff für alle Anordnungen rund um das Thema „Essen“, vor allem für Speisevorschriften und Reinheitsbestimmungen, verwendet wird. Die Speise- und Reinheitsgesetze sind jedoch dadurch unterschieden, dass erstere Vorschriften zu verbotenen und erlaubten Nahrungsmitteln zum Inhalt haben,4 wohingegen die Reinheitsgesetze vor allem die Art und Weise der Nahrungsaufnahme behandeln, und zwar zum einen die Reinheit bzw. Unreinheit des Körpers, d.h. des Zustandes, in dem man sich selbst befinden muss, um Speisen zu sich zu nehmen,5 zum anderen die R ­ einheit von 1.1

4  Vgl. dazu 1 Kor 8,1–11,1; Röm 14,1–15,13; Apg 15,20.23b–29; vgl. auch Apg 10,9–16 (die Erscheinung wird mehrfach rekapituliert, vgl. 11,5–10). 5  Vgl. dazu die Auseinandersetzung um die rituelle Reinheit der Hände vor dem Essen in Mk 7,1–23/Mt 15,3–20. Zu Reinheitsfragen im Zusammenhang des Essens vgl. auch Joh 2,6 und den im Urchristentum mehrfach erwähnten Brauch der Fußwaschung (1 Tim 5,10; Lk 7,38.44; Joh 12,1–8; 13,1–20). Er findet im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch keine nähere Berücksichtigung. So wird er zwar bereits in jüdischen Schriften mehrfach als Zeichen der

1 Gegenstand und Zielsetzung

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Gegenständen, die im Zusammenhang des Essens benutzt werden.6 Das Thema der vorliegenden Arbeit lässt sich also folgendermaßen formulieren: Wer darf was mit wem wann, und zwar insbesondere in welchem Zustand, essen?7 Dabei stellen sich im Rahmen der Bearbeitung der einzelnen Traditionen insbesondere folgende Fragen: Worin bestehen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Themenkomplexe? Welche Themen zum Essen zeigen sich in mehreren Rezeptionssträngen des Urchristentums? Innerhalb des Komplexes der Tischgemeinschaft sind beispielsweise zum einen in mehreren voneinander unabhängigen Rezeptionssträngen Diskurse zur Mahlgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern überliefert.8 Sie werden dementsprechend einen Schwerpunkt der Arbeit bilden. Zum anderen lassen sich Kontroversen zur Tischgemeinschaft von Juden und Heiden feststellen.9 Angesichts dieser Fragestellung finden im Rahmen der vorliegenden Arbeit diejenigen urchristlichen Texte, in denen bestimmte Einzelfragen des Essens erörtert werden, keine eingehendere Berücksichtigung. Dies gilt dementsprechend auch für solche Texte, die für die Geschichte des Urchristentums von durchaus entscheidender Bedeutung sind, wie beispielsweise die Tradition zum Abendmahl in 1 Kor 11,17–34.10 Im Zentrum dieses ausführlichen   Gastfreundschaft erwähnt und ist vor diesem Hintergrund auch mit dem Bereich des Essens verbunden (vgl. z.B. Gen 18,4; 19,2; 24,32; 43,24; vgl. auch JosAs 7,1; 13,15; 20,2–5). Anders als der Brauch des Händewaschens wird er jedoch nicht als zwingende Voraussetzung für die Aufnahme von Speise dargestellt. So ist beispielsweise auch in dem ausführlichen Diskurs zur Fußwaschung in Joh 13,1–20 nicht etwa grundsätzlich strittig, ob man sich vor dem Essen überhaupt die Füße waschen muss oder nicht. Vielmehr geht es um die Frage, wie im Fall einer Waschung der Füße durch eine andere Person zu verfahren ist. Dabei ist für diesen Fall eine Abhängigkeit von der sozialen Hierarchie der Mahlteilnehmer üblich. Von dieser Regel weicht der joh. Jesus jedoch ab, wobei Petrus eine Fußwaschung durch Jesus mit dessen höherer Stellung zunächst zurückweist. 6  Vgl. dazu die Frage nach der Reinheit des Tischgeschirrs in LkQ 11,39–41/MtQ 23,25f. 7  Vgl. zu dieser Formulierung Feeley-Harnik, Table, 72, deren Grundthese lautet: „Food articulated in terms of who eats what with whom under which circumstances, had long been one of the most important languages in which Jews conceived and conducted social relations among human beings and between human beings and God. Food was a way of talking about the law and lawlessness“. 8  Vgl. dazu Mk 2,14–17/Mt 9,9–13/Lk 5,27–32; LkQ 7,33–35/MtQ 11,18f.; LkS 15,2; 19,1–10, bes. 19,7. 9  Vgl. Apg 10,28 ([…] ὡς ἀθέμιτόν ἐστιν ἀνδρὶ Ἰουδαίῳ κολλᾶσθαι ἢ προσέρχεσθαι ἀλλοφύλῳ· κἀμοὶ ὁ θεὸς ἔδειξεν μηδένα κοινὸν ἢ ἀκάθαρτον λέγειν ἄνθρωπον; vgl. 10,15); 11,3 (εἰσῆλθες πρὸς ἄνδρας ἀκροβυστίαν ἔχοντας καὶ συνέφαγες αὐτοῖς); Gal 2,11–14. 10  Vgl. dazu Schröter, Abendmahl, daneben ausführlich den Sammelband Hellholm/Sänger, Eucharist (hier nur zum Teil berücksichtigt, da erst nach Fertigstellung der vorliegenden Arbeit veröffentlicht).

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I Einleitung und Vorüberlegungen

und oft untersuchten Diskurses steht keine der oben genannten drei grundlegenden Fragen, sondern eher die Regelung des genauen organisatorischen Ablaufs des Mahls, und zwar insbesondere das angemessene Verhalten der Mahlteilnehmer anderen Mahlteilnehmern gegenüber während dieses Mahls. So soll die Verteilung der Speisen, die bisher durch soziale Hierarchien und ein egoistisches Verhalten der Reichen geprägt war, damit aber gerade dem Gemeinschaftsaspekt des Mahls widerspricht (vgl. auch 11,18–21), fortan von einem gemeinschaftlichen Umgang mit diesen Speisen geprägt sein (11,33f.). Das Gemeinschaftsmahl der Glaubenden wird innerhalb der vorliegenden Arbeit jedoch dann ausführlich behandelt werden, wenn ein Diskurs zu einer der drei oben genannten grundlegenden Fragen des Essens speziell das Gemeinschaftsmahl betrifft, beispielsweise die Frage, wer an ihm teilnehmen soll (so in 1 Kor 5,1–13; Gal 2,11–14). Ebenfalls keine ausführliche Berücksichtigung findet der Bereich des Fastens.11 Die Darstellung der urchristlichen Essenspraxis vor dem Hintergrund von jüdischen und paganen Essensbräuchen als eigener Schwerpunkt Der besondere Beitrag der vorliegenden Arbeit liegt in der Verknüpfung der Frage nach der Bedeutung der grundlegenden urchristlichen Vorschriften zum Essen mit einer detaillierten Suche nach jüdischen und etwaigen paganen Parallelen dieser Anordnungen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht demzufolge darin, die urchristliche Praxis des Essens in Bezug auf die drei grundlegenden Fragen nach der Art der Speisen, der Beschaffenheit der Mahlteilnehmer und den rituellen Voraussetzungen für das Essen vor dem größeren Hintergrund der antiken Mahlpraxis zu interpretieren und gegebenenfalls in ihrem Rahmen zu verorten. Welche Konzeption und Praxis des Mahls stehen beispielsweise im Hintergrund der in Apg 10,1–11,18 verteidigten Tischgemeinschaft mit Nichtjuden und woher stammen sie? Welche Praxis des gemeinsamen Essens liegt der Kritik an der Tischgemeinschaft Jesu mit den Zöllnern und Sündern zugrunde und wo lassen sich ähnliche Vorwürfe finden? Die im Zentrum der Arbeit stehenden urchristlichen Diskurse zum Essen legen eine solche Auslegung vor dem Hintergrund der im antiken Judentum überlieferten Anordnungen zum Essen selbst nahe. So zeigt bereits ein erster Überblick über den neutestamentlichen Befund zu den drei großen 1.2

11  Die jüdische Fastenpraxis (vgl. Lk 18,12; Did 8,1) wird im Urchristentum ebenfalls nicht grundsätzlich außer Kraft gesetzt (vgl. Mt 6,16–18), sondern vom mk. Jesus als für seine Zeit nicht passend dargestellt, für die Zukunft jedoch wieder in Aussicht gestellt (Mk 2,18–22; zu urchristlichen Fastensitten vgl. Apg 13,2f.; 14,23; Did 8,1).

1 Gegenstand und Zielsetzung

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Problemkreisen des Essens, dass gerade diese Texte insgesamt eng mit dem Themenkomplex des jüdischen Gesetzes verbunden sind. Häufig werden diese urchristlichen Auseinandersetzungen zum Essen durch ein Verhalten Jesu, der Apostel oder der Gemeindeglieder ausgelöst, das vor dem Hintergrund der Praxis zu entsprechenden Fragen im antiken Judentum als auffällig bzw. anstößig bewertet wird. Die im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehenden urchristlichen Diskurse zu Essensfragen setzen demzufolge in jedem Fall einen engen Kontakt mit einem jüdischen Kulturhorizont voraus. Gerade dieses jüdische Umfeld fordert nämlich offenbar jeweils zu einer eingehenderen Diskussion der im Urchristentum üblichen Mahlpraxis heraus. Dabei sind Vorschriften zum Essen in der Tat ein zentraler Bestandteil des jüdischen Gesetzes und dienen dementsprechend neben anderen Gesetzesbestimmungen zur Definition der jüdischen Lebensweise und damit der Identität der Juden.12 Daher soll im Folgenden sowohl für das antike Judentum als auch für das Urchristentum aufgezeigt werden, wie die Identität der jeweiligen Gemeinschaft unter Verwendung von Anordnungen zum Essen aus diesen drei grundlegenden Bereichen bestimmt wurde. Im Einzelnen waren Essensfragen auch im Judentum ein Gegenstand von Diskussionen. So existieren im antiken Judentum beispielsweise durchaus unterschiedliche Auffassungen zur Erlaubnis der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden. Damit stellt sich jedoch in besonderer Weise die Frage, ob und – wenn ja – inwiefern die jeweiligen Trägerkreise der urchristlichen Diskurse zum Essen die Debatten zu entsprechenden Themen im zeitgenössischen Judentum kannten und auf ihrem eigenen Hintergrund an dieser Diskussion teilnahmen. Die Differenziertheit des Judentums ist dabei durchaus eine Chance, wenn es darum geht, die urchristlichen Essensaussagen in dieses Panorama von unterschiedlichen Essenspraktiken im antiken Judentum einzuzeichnen. Durch sie könnte man dem Ziel näherkommen, der urchristlichen Überlieferung einen bestimmten Platz im facettenreichen Bild der zeitgenössischen jüdischen Strömungen zuzuweisen. Die Fragen, die es im Verlauf der Arbeit zu stellen und zu klären gilt, lassen sich somit folgendermaßen umreißen: Welche Essensvorschriften aus den drei grundlegenden Bereichen werden in den verschiedenen jüdischen Kreisen diskutiert? Wie werden diese in den verschiedenen Traditionsströmen behandelt? Gibt es beispielsweise Dinge, die sich überall durchhalten, und – wenn ja – welche Dinge sind dies? Welche Anordnungen zum Essen stehen dann im 12  Zur Lebensweise als zentralem Merkmal der jüdischen Identität vgl. Neusner in der Einleitung zu Nock, Conversion, xv: „[t]o be a Jew in antiquity was not only to believe but also to identify oneself with a particular political entity and ethnic group, to live in one way and not in some other“.

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I Einleitung und Vorüberlegungen

Zentrum der urchristlichen Diskurse zum Essen? In welcher Form reagieren diese auf jüdische Vorschriften? Dabei stellen sich mit Blick auf das Verhältnis zwischen den jüdischen und urchristlichen Essensvorschriften näherhin folgende Fragen: Wo nehmen die urchristlichen Diskurse jüdische Traditionen gegebenenfalls variierend auf? Wie lange dauert eine bestimmte Praxis an und von wem wurde sie gehalten? Lassen sich die in der urchristlichen Tradition belegten Auseinandersetzungen zu Essensvorschriften womöglich sogar als Teil des größeren innerjüdischen Diskurses zu den entsprechenden jüdischen Anordnungen verstehen? Wo werden im Urchristentum jüdische Traditionen gesprengt, d.h. wo entfernt sich das Urchristentum von den grundlegenden Gesetzesvorschriften zum Essen im antiken Judentum oder bei einzelnen jüdischen Gruppen wie der Gemeinschaft von Qumran bzw. der Pharisäer? Ist beispielsweise ein Satz wie Mk 7,15 (nach zahlreichen Forschern authentisches Jesusgut) im antiken Judentum überhaupt denkbar, d.h. lassen sich für ihn Parallelen im jüdischen Umfeld ausfindig machen?13 Die Untersuchung dieser Fragen kann einen wichtigen Beitrag zur Sozialgeschichte des antiken Judentums und Urchristentums leisten. Der Grund für diese Schwerpunktsetzung liegt in der bisher vorliegenden Forschung zu Fragen des Essens. So hat der gesamte Komplex des Essens zwar gerade in letzter Zeit vermehrt das Interesse der neutestamentlichen Forschung auf sich gezogen.14 Eine zusammenhängende Untersuchung der urchristlichen Vorschriften zum Essen, die diese vor dem Hintergrund vergleichbarer Debatten in Zeugnissen des antiken Judentums in ihrem größeren literarischen Kontext analysiert, ist jedoch ein Desiderat. Demgegenüber wurden die urchristlichen Texte zur Sabbatproblematik15 und Ehescheidungspraxis16 in der neutestamentlichen Exegese bereits unter dieser bzw. einer ähnlichen Fragestellung mehrfach thematisiert. Zudem haben Fragen um Ehe und 13  Ausführlich zu dieser Frage mit einer Nennung von Vertretern der verschiedenen Forschungspositionen Meier, Jew, 384–397, der selbst bis auf den Korbanspruch in Mk 7,10–12 für die gesamte Perikope eine Herkunft vom historischen Jesus ausschließt (342–477, bes. 369–399.413–415). 14  Abgesehen von dem Sammelband Hellholm/Sänger, Eucharist, sind in den letzten Jahren mehrere Untersuchungen zu Mählern erschienen, zuweilen mit Blick auf deren Funktion für die Identität, vgl. vor allem Klinghardt/Taussig, Mahl, sowie die beiden Aufsatzbände aus dem SBL-Seminar „Meals in the Greco-Roman World“, und zwar Smith/Taussig, Meals in the Early Christian World; Marks/Taussig, Meals in Early Judaism. Vgl. daneben auch Taussig, Beginning; Al-Suadi, Essen; Ehrensperger/MacDonald/Sutter Rehmann, Decisive Meals; ferner Al-Suadi/Smit, Handbook of Early Christian Meals. 15  Vgl. vor allem die detaillierte Untersuchung durch Doering, Schabbat; daneben auch Mayer-Haas, Geschenk. 16  Vgl. vor allem Delling, Paulus’ Stellung; Baltensweiler, Ehe.

2 Die identitätsstiftende Funktion von Essensregeln

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Ehescheidung eine geringere soziale Dimension, da es sich bei ihnen strenggenommen um eine Angelegenheit des Privatrechts handelt. Die urchristlichen Diskurse zu Fragen des Essens gehören hingegen insofern in den Bereich des Sozialrechts, als sie sich in besonderer Weise am Kontakt von Juden bzw. Judenchristen17 mit Heiden entzünden und damit per se eine grenzüberschreitende Ausrichtung haben. Gerade dieser Grenzbereich zwischen Judentum und Christentum ist nun aber für die neutestamentliche Wissenschaft besonders interessant. In der Konfliktsituation zwischen Judenchristen und Heidenchristen bewegt sich das Verhalten des Judenchristentums grundsätzlich zwischen folgenden zwei Polen, nämlich zum einen der strikten Gesetzesobservanz, die dazu führte, dass die Beschneidung als notwendige Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum von Gott erwählten Volk angesehen wurde, sodass die Judenchristen auf der Gesetzesobservanz der Heidenchristen insistierten, zum anderen genau umgekehrt der radikalen Öffnung für die Heiden. Was ergibt sich für dieses Spannungsfeld von den Anordnungen zum Essen her? 2

Die identitätsstiftende Funktion von Essensregeln, Reinheitsfragen und des jüdischen Gesetzes als zentrale Erkenntnis der Forschung und Grundlage der vorliegenden Arbeit

Ziel des folgenden Abschnittes ist es nicht, eine umfassende Darstellung der äußerst umfangreichen Forschungsgeschichte zum vorliegenden Thema und den mit ihm zusammenhängenden Problemen zu bieten. Vielmehr werden die oft recht intensiv geführten Forschungsdebatten, die Detailfragen betreffen, im Rahmen der Untersuchung des jeweiligen Textes dargestellt und ausgewertet werden, für den sie besonders relevant sind. An dieser Stelle soll hingegen nur ein knapper Überblick der Forschungserkenntnisse zu einem für das vorliegende Thema insgesamt zentralen Aspekt folgen, nämlich zur Frage nach der sozialen Bedeutung des Essens und der mit ihm in Verbindung stehenden Themen. Er soll dazu verhelfen, die vorliegende Arbeit generell in der zu diesem Thema existierenden Forschungslandschaft zu verorten und die Grundlagen 17  Die Begriffe „Judenchristen“ und „Heidenchristen“ sind in den Quellen nicht belegt, sondern Termini auf der Ebene der Beschreibungssprache, die ich aufgrund des Fehlens anderer prägnanter Begriffe verwende. Dabei ist die Rede von „Judenchristen“ in dieser frühen Zeit jedoch nicht etwa dergestalt zu verstehen, dass es sich neben Juden und Christen um eine weitere Kategorie handelt. Zur Forschungsgeschichte vgl. Lemke, Judenchristentum (zu den unterschiedlichen Verständnismöglichkeiten im Deutschen z.B. 46–48); vgl. auch Carleton Paget, Definition, der dafür plädiert, Begriffe wie „Jewish Christian“ oder „Jewish Christianity“ aufzugeben.

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I Einleitung und Vorüberlegungen

zu klären, auf denen sie selbst aufbaut. Im Einzelnen haben die urchristlichen und jüdischen Essensbräuche in mehrfacher Hinsicht eine soziale Bedeutung, wobei diese bisweilen speziell als identitätsstiftend zu bestimmen ist. Dabei gilt dies abgesehen vom Bereich des Essens selbst auch für das Rein-UnreinParadigma und das Gesetz, welche jeweils eng mit den jüdischen und urchristlichen Essensvorschriften verbunden sind. Die soziale und identitätsstiftende Bedeutung von Bestimmungen zum Essen Für den Komplex des Essens lässt sich in mehrfacher Hinsicht eine soziale Funktion erkennen. Diese steht insbesondere im Zentrum der Forschungsrichtung, die sich dem Thema „Essen“ unter dem speziellen Fokus der Tischgemeinschaft widmet. Ihr Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass gemeinsame Mahlzeiten nicht nur der Nahrungsaufnahme dienen, sondern vor allem auch soziale Ereignisse sind.18 Insofern sich bei Mählern eine Gemeinschaft konstituiert, ist für sie eine soziale Funktion evident. Im Einzelnen liegen durchaus vielfältige soziale Funktionen vor.19 Dabei dienen gemeinsame Mähler vor allem dazu, bereits bestehende soziale Beziehungen zu pflegen oder neue soziale Beziehungen aufzubauen.20 Im Falle des Gruppenmahls hat das gemeinsame Essen eine zentrale Bedeutung für die Gruppenidentität. Dies wird in der Forschung in mehrfacher Hinsicht hervorgehoben, und zwar insbesondere mit Bezug auf die Beschränkung des Gruppenmahls. Gerade die Entscheidung darüber, wer am Gruppenmahl teilnehmen darf und wer nicht, sei nämlich unmittelbar verbunden mit der Frage nach dem Selbstverständnis der entsprechenden Gruppe.21 Dabei wird betont, dass Essen in der Antike ins2.1

18  Vgl. dazu Douglas, Food. 19  Vgl. exemplarisch Jenks, Eating, 252–254: Essen diene zur Schaffung der Gemeinschaft untereinander und mit Gott. 20  Vgl. dazu vor allem Moxnes, Meals, der in seiner Untersuchung zu den Mählern bei Lukas insgesamt vier unterschiedliche Dimensionen herausgearbeitet hat. Danach fungieren Mähler als Grenze zwischen Gruppen und als Ausgangspunkt für die Bildung von neuen Gruppen, als Indikatoren für Hierarchien (vgl. die Sitzordnung) und als Gelegenheiten der Reziprozität. 21  So betont beispielsweise White, Fellowship, 179, dass eine Gruppe dann, wenn sie darüber diskutiert, wer zur Tischgemeinschaft zugelassen ist, in Wirklichkeit darüber diskutiert, wer sie ist. Ähnlich verbindet auch Feeley-Harnik, Table, 71–106, bes. 85ff., die Frage des Essens eng mit der Gruppenidentität und plädiert dafür, dass Tischgemeinschaft oder deren Fehlen vor dem Hintergrund der Gruppenzugehörigkeit interpretiert werden sollte. Auch Esler betont in seiner Studie mit einem besonderen Fokus auf der Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden die Wichtigkeit, die das gemeinsame Essen für die Gruppenidentität hat, und kommt vor diesem Hintergrund zu dem allerdings problematischen Ergebnis, dass Tischgemeinschaft von Juden und Heiden geradezu

2 Die identitätsstiftende Funktion von Essensregeln

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gesamt eine Angelegenheit der Gleichheit war, sodass die Grundthese dieser Forschungsrichtung lautet: „Likes eat with likes“.22 Abgesehen von der Frage der Mahlteilnehmer wird in der Forschung auch die Ausgestaltung des jeweiligen Gruppenmahls, d.h. die Art und Weise, in der dieses gefeiert wird, als ein Mittel bewertet, mit dem die jeweilige Gruppe ihre Identität bestimmt.23 Gerade in ihr unterscheiden sich nämlich die einzelnen Gruppen. Solche Unterschiede schaffen aber in jedem Fall Identität. Dabei gilt dieser Zusammenhang zwischen dem Gruppenmahl und der Identität der Gemeinschaft nicht nur für jüdische Gruppen oder gar Gruppen, die sich besonders stark abgrenzen wie beispielsweise die Gemeinschaft von Qumran. Er ist vielmehr generell für das Gemeinschaftsmahl und damit auch für Mähler griechischer Vereine typisch.24 Auch die Frage, welche Speisen jemand isst, hat Bedeutung für die Identität der essenden Person, wie sich mit dem berühmten Ausspruch Feuerbachs „Der Mensch ist, was er isst“ pointiert zum Ausdruck bringen lässt.25 Dies ist jedoch mit Blick auf das antike Judentum nicht in einem materialistischen Sinne zu verstehen,26 sondern dergestalt, dass die Einhaltung bestimmter Speiseregeln das Selbstbild der Juden prägt und daher durch sie die Zugehörigkeit zur Gruppe der Juden bestimmt wird.27 Identität ist dementsprechend in diesem Fall kulturell bedingt.28 Dabei lässt sich diese identitätsstiftende Funktion ausgeschlossen gewesen sei (Community, 71–109). Vgl. dazu auch Smith, Banquet, bes. 28; daneben, dass die Symposiumstexte selbst die Frage der Identität diskutieren, so Ebner, Mahl, 67f.76f. 22  So die Formulierung bei Neyrey, Meals, 170. Er will Mähler „as a form of language, a communication, a code or a symbol“ interpretieren (179). Vgl. auch White, Fellowship, 177, unter Hinweis auf Plut. Mor. 612D; vgl. 660B. 23  Vgl. dazu vor allem Rapp, Behaviour, 42f.45.48, unter Hinweis auf die konkreten Essensbräuche wie Wahl der Gäste, Häufigkeit und Ort, die verschiedenen Tischgänge, die Themen der Tischgespräche und das Verhalten während des Mahles. Vgl. dazu auch Klinghardt/Stäubli, Essen, 120. 24  Vgl. dazu vor allem Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 35–43, mit Beispielen für die Gruppenidentität aus dem antiken Vereinswesen. Vgl. dazu auch speziell für den paganen Bereich Garnsey, Food, 128–138, mit der Kapitelüberschrift „You Are with Whom You Eat“. 25  An ihn schließt offenbar Neyrey, Meals, 168, an, wenn er die symbolische Bedeutung der Speisevorschriften mit dem Sprichwort „you are what you eat“ erläutert. 26  So Feuerbach, Naturwissenschaft, 263, selbst. 27  Vgl. dazu z.B. Tomson, Food Laws, 193: „Habits about food have a strong social impact. In Judaism, such habits are structured by a framework of formulated food laws. These serve to define community and identity, both internally and in relation to non-Jews.“ Vgl. auch Löhr, Speisenfrage, 17.23. 28  Zur Bedeutung von Speisevorschriften für die Konstruktion der vor allem ethnischen Identität vgl. Öhler, Essen, 184–193. Zu einem Überblick über Speisegebote in verschiedenen Kulturen vgl. Garnsey, Food, 82–99, wobei sich für die griechisch-römische Antike

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I Einleitung und Vorüberlegungen

der jüdischen Speisevorschriften insofern gut erklären, als für sie zum einen Reinheitsfragen von entscheidender Bedeutung sind und es sich bei ihnen zum anderen um einen zentralen Teil des Gesetzes handelt. Für beides lässt sich nämlich eine identitätsstiftende Bedeutung nachweisen (s.u. 2.2 und 2.3). Essenspraktiken gehören demnach zu den zentralen Kategorien, durch die eine bestimmte Gruppe ihre eigenen Werte sowie Verhaltens- bzw. Lebensweisen definiert und damit zugleich ihre Stellung gegenüber anderen Gruppen gewinnt. Das Rein-Unrein-Paradigma als Mittel der sozialen Abgrenzung – soziologische und kulturanthropologische Erkenntnisse Gerade der Komplex des Essens ist generell eng mit Reinheitsfragen verbunden. Dies lässt bereits der neutestamentliche Befund deutlich erkennen. Dort erscheint die Unreinheitsterminologie nämlich in allen drei großen Themenkreisen des Essens. So findet sie sich bei Paulus im Zusammenhang mit verbotenen Speisen (Röm 14,14; 1 Kor 8,7). In Mk 7,1–23 und LkQ 11,39.41/MtQ 23,25f. wird die Reinheits-/Unreinheitsvorstellung im Kontext von rituellen Fragen des Essens gebraucht. In der Apostelgeschichte werden Reinheitsfragen mehrfach aktualisiert, so im Rahmen der Frage nach der Tischgemeinschaft des Petrus mit den Heiden im Hinblick auf Menschen (Apg 10,28) und auf verbotene Speisen (Apg 10,14; 11,8), Letzteres ebenfalls im sogenannten Aposteldekret (15,20). In der Forschung wurde auch für die Einhaltung von Reinheitsgeboten eine identitätsbildende Funktion festgestellt. Dabei spielen Reinheitsfragen nicht nur im Judentum, sondern in zahlreichen Kulturen und Religionen eine zentrale Rolle. Aus diesem Grund war die Frage nach der Bedeutung und Funktion von Reinheitsvorstellungen – abgesehen von der Erforschung der jüdischen und urchristlichen Schriften – auch Gegenstand intensiver ethnologischer und (kultur)anthropologischer Forschungen.29 Richtungsweisend waren vor allem die Arbeiten von Mary Douglas in den 1960er Jahren, deren Ergebnisse sich wie folgt zusammenfassen lassen: Gerade Douglas hat gegen einen bis dahin lange Zeit andauernden Forschungstrend nachgewiesen, dass die Vorstellung der Verunreinigung nicht auf sogenannte primitive Kulturen oder Religionen beschränkt ist, sondern grundsätzlich alle Religionen Reinheitsvorstellungen 2.2

wenige Speisetabus feststellen lassen (84). Vgl. z.B. die Speisevorschriften bei den Ägyptern nach Plut. Mor. 353C–354A (vor allem verbotene Fische). 29  Zu einem Forschungsüberblick vgl. Fornaro, Reinigung.

2 Die identitätsstiftende Funktion von Essensregeln

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haben.30 In diesem Zusammenhang betont sie, dass es sich bei der Klassifikation von Dingen und Personen als „rein“ oder „unrein“ letztlich um Definitionsfragen handelt. Dabei stellt die Einteilung in „rein“ und „unrein“ näherhin ein Ordnungssystem zur Kategorisierung der Welt dar, durch welches der Kontakt zu den Personen und Objekten um einen herum definiert wird.31 Im Einzelnen werden Reinheit und Schmutz in verschiedenen Gemeinschaften bzw. Kulturen unterschiedlich definiert und sind somit gesellschaftsspezifisch bzw. kulturell bedingt. Die Reinheits- bzw. Unreinheitsvorstellung sei nämlich jeweils in ein gesellschaftliches Gesamtsystem eingebunden.32 Von diesem Befund ausgehend betont Douglas, dass die Ordnungskategorien „rein“ und „unrein“ eine zentrale Bedeutung für die Gruppenzugehörigkeit und damit eine gesellschaftliche Funktion haben. Dabei seien diese Reinheitskonzeptionen weniger in einem hygienischen als in einem symbolischen Sinn zu verstehen33 und haben in erster Linie eine Bedeutung für das soziale Verhalten. Die Beachtung der entsprechenden Reinheitsgebote schaffe Einheit nach innen und soziale Abgrenzung nach außen. Im Einzelnen trete Unreinheit sowohl an den äußeren Grenzen als auch an den inneren Trennlinien einer Gruppe auf, sodass Reinheitsvorschriften grundsätzlich sowohl zur Grenzziehung nach außen34 als auch zur Binnendifferenzierung einer Gemeinschaft35 dienen können. Dabei würden Gruppen, die sich nach außen abgrenzen, auch der Trennung 30  Vgl. dazu Douglas, Reinheit, 19–59, bes. 59. Diese Erkenntnis hat sich in der Forschung durchgesetzt, zur generellen Verbreitung der Konzeption von Reinheit und Unreinheit vgl. die Aufsatzbände Malinar/Vöhler, Un/Reinheit; Burschel/Marx, Reinheit; Frevel/ Nihan, Purity. Zur Reinheits-/Unreinheitskonzeption speziell in den sogenannten Hochbzw. Weltreligionen vgl. vor allem Angenendt, Reinheit, bes. 47f. Zur Unreinheitskonzeption im pagangriechischen Bereich vgl. vor allem Parker, Miasma, und den Sammelband Vöhler/Seidensticker, Katharsiskonzeptionen. Zu einer reichen Materialsammlung aus der griechischen und römischen Religion mit Zeugnissen aus benachbarten und früheren Kulturen (z.B. etruskischen) vgl. Paoletti/Camporeale/Saladino, Purification. 31  Vgl. dazu Douglas, Reinheit, 12: „Schmutz als etwas Absolutes gibt es nicht: er existiert nur vom Standpunkt des Betrachters aus. […] Schmutz verstößt gegen Ordnung. Seine Beseitigung ist keine negative Handlung, sondern eine positive Anstrengung, die Welt zu organisieren.“ Dabei ist Schmutz das, was in einem Ordnungssystem „fehl am Platz ist“ (52; vgl. 59.202). „Wo es Schmutz gibt, gibt es auch ein System“ (52f.). 32  Vgl. Douglas, Reinheit, 60. 33  Vgl. dazu, dass auch für die Erklärung der biblischen Reinheitsvorschriften medizinischhygienische Gründe allein nicht ausreichen, sondern bisweilen symbolische Gründe angeführt werden. So stehe Reinheit stets im Zusammenhang mit Leben, Unreinheit aber in Verbindung mit dem Verlust von Lebenskraft und daher mit dem Bereich des Todes. Dementsprechend werde Menstruationsblut deshalb als verunreinigend angesehen, weil es nicht der Erzeugung von Kindern dient (so Liss, Purity, 350–352). 34  Vgl. Douglas, Reinheit, 151–169. 35  Zur Strukturierung der Gesellschaft im Inneren vgl. Douglas, Reinheit, 170–182.

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I Einleitung und Vorüberlegungen

zwischen „rein“ und „unrein“ eine höhere Bedeutung beimessen als Gemeinschaften, die stärkere Beziehungen mit der Außenwelt haben.36 Während vor allem die ursprüngliche Deutung der jüdischen Speisevorschriften durch Douglas37 zahlreichen Widerspruch gefunden hat38 und schließlich von ihr selbst modifiziert wurde,39 hat die These einer ordnenden40 und abgrenzenden bzw. identitätsstiftenden Bedeutung der Unreinheitsvorstellung in der Forschung breite Aufnahme erfahren,41 und zwar auch in der Forschung zu den biblischen Reinheitsvorschriften.42 Dabei ist zu betonen, dass diese abgrenzende Funktion des Rein-Unrein-Paradigmas gerade darin begründet liegt, dass sich verschiedene Kulturen in dem von ihnen jeweils vertretenen Rein-Unrein-Code deutlich unterscheiden. Indem jede Kultur ihr eigenes Reinheits- bzw. Ordnungssystem hat, sind die von einer Gemeinschaft im Unterschied zu anderen Gruppen jeweils akzeptierten Reinheitsvorstellungen ein Mittel der sozialen Distinktion und damit ein Mittel zur Konstruktion 36  Konkret sieht Douglas eine Korrespondenz zwischen dem Stellenwert, den eine Gruppe den Grenzen ihrer Gemeinschaft und den Grenzen des Körpers einräumt, und zwar vor dem Hintergrund ihrer Annahme, dass der menschliche Körper die Gesellschaft symbolisiert, dazu vor allem Reinheit, 152: „Der Körper liefert ein Modell, das für jedes abgegrenzte System herangezogen werden kann. […] Es ist ausgeschlossen, dass wir Rituale interpretieren können, in denen Exkremente, Muttermilch, Speichel und Ähnliches eine Rolle spielen, wenn wir den Körper nicht als ein Symbol für die Gesellschaft begreifen oder übersehen, daß die Kräfte und Gefahren, die es in der Sozialstruktur geben soll, im kleinen auch durch den Körper ausgedrückt werden können.“ So gehäuft vgl. vor allem dies., Ritual; Deciphering, 75–77; Symbols, 69–87; Atonement, 120–128; Joy, 11f. 37  Vgl. dazu, dass Douglas Lev 11 zunächst von den Kategorien der Schöpfung in Gen 1 her deutet. Danach gelten Vermischungen, d.h. Elemente, die schöpfungsmäßig ursprünglich getrennt waren, als unrein (vgl. Lev 19,19). Zu solchen Hybridgebilden zählen auch Tiere, die nicht eindeutig dem Ideal ihrer „Klasse“ zugeordnet werden können (Reinheit, 60–78). 38  So vor allem Milgrom, Lev I, 718–736; vgl. auch Eilberg-Schwartz, Savage, 177–179.189f. 39  Zu ihrer veränderten Deutung der biblischen Speisegebote vgl. Douglas, Leviticus as Literature, 134–175; Animals; Joy. Insgesamt tritt die komparative Methode zurück und das Spezifische der jüdischen Speiseregeln wird von ihr stärker betont. 40  Vgl. z.B. Erbele-Küster/Tönges, Reinheit/Unreinheit, 471; Liss, Purity, bes. 345–347. Kritisch gegenüber der Annahme eines symbolischen Ordnungssystems, das der biblischen Vorstellung von Unreinheit zugrunde liegt, jedoch z.B. Lemos, Dirt. 41  Vgl. dazu vor allem von Braun, Begriff, 9: „was sich letztlich hinter der Reinheit verbirgt, ist eine Definition von dem, was die Gemeinschaft zu einer ‚Einheit‘ werden lässt. Es sind Gesetze, die die Gemeinsamkeit ebenso betonen wie den Ausschluss von allem oder allen, die als ‚unrein‘ oder als verunreinigend bezeichnet werden“. Vgl. dazu auch Stausberg, Rein, 239, sowie die ersten drei Prinzipien bei Burschel/Marx, Reinheit, 10–13: (1) ordnend, (2) grenzziehend, (3) identitätsstiftend, (4) religiös, (5) modifizierbar und (6) gelegentlich erblich. 42  Vgl. dazu vor allem Kessler, Identität; vgl. auch Malina, Welt, 145–177.

2 Die identitätsstiftende Funktion von Essensregeln

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der eigenen Identität. Dieser Prozess der Identitätsbildung nach außen liegt dabei auch deutlich im Fokus der jüdischen Speisevorschriften innerhalb des biblischen Buches Levitikus.43 Mit dieser Bewertung als identitätsstiftende Kategorie hat die anthropologisch grundlegende Vorstellung von Reinheit und Unreinheit eine ähnliche Bedeutung, wie sie vor allem in der „New Perspec­ tive“ für das jüdische Gesetz herausgearbeitet wurde (s.u. 2.3.1). 2.3 Zur identitätsstiftenden Bedeutung des Gesetzes Der enge Zusammenhang des vorliegenden Themas mit dem Komplex des jüdischen Gesetzes erfordert an dieser Stelle eine zumindest knappe Ausei­ nandersetzung mit der Frage nach der Bedeutung des Gesetzes und deren Erforschung in der Judaistik und neutestamentlichen Wissenschaft. Dabei lässt sich auch für das jüdische Gesetz deutlich eine soziale Funktion erkennen, welche in der Forschung gegenüber anderen Deutungsvorschlägen zunehmend Berücksichtigung gefunden hat. 2.3.1

Von der Heilsinstanz zum Mittel der sozialen Abgrenzung – die Wende in der Forschung zum jüdischen Gesetz innerhalb der „New Perspective on Paul“ Das Gesetz war in der Erforschung des Neuen Testamentes bereits Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Im Zentrum der Forschung stand zumeist die Sicht des Paulus auf das Gesetz, und zwar spezieller die Frage nach der soteriologischen Relevanz des Gesetzes. Aus dieser Fragerichtung resultierte dann eine äußerst kritische Sicht des Gesetzes: Das Gesetz sei als Heilsweg ungeeignet. Auch in der Erforschung der synoptischen Überlieferung wurde das Gesetz vorrangig vor dem Hintergrund der Kategorien von Gesetzestreue und Loslösung vom Gesetz behandelt.44 Häufig wird eine solche Untersuchung des Gesetzes und seiner Geltung mit der Frage verbunden, ob das Gesetz Heil verbürgen bzw. vermitteln kann oder nicht.45 Diese Untersuchung des Gesetzes unter soteriologischen Gesichtspunkten resultiert dabei vermutlich

43  Vgl. dazu, dass Douglas gerade in ihren späten Arbeiten in den 1990er Jahren herausarbeitet, dass die Reinheitsvorschriften in Levitikus nicht dazu dienen, die Israeliten hie­ rarchisch zu ordnen und untere Schichten zu unterdrücken. Vielmehr sind alle Israeliten von ritueller Unreinheit betroffen und können von dieser gereinigt werden (Atonement, 112f.; Animals, 5–8; Wilderness, 150–159; Contagion, 95f.; Leviticus as Literature, viii). 44  Zur Kritik an dem innerhalb der religionsgeschichtlichen Schule verbreiteten Verständnis von Jesus und der frühen Kirche in Abgrenzung vom Judentum vgl. vor allem Müller, Rückschau, bes. 103–117. 45  Vgl. dazu im Rahmen der vorliegenden Arbeit den Forschungsüberblick zum Gesetz bei Markus (s.u. IIIC 1.3.3.1).

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I Einleitung und Vorüberlegungen

vor allem aus einem primären Interesse an der paulinischen Rechtfertigungs­ theologie und einer Übertragung der für Paulus in diesem Rahmen in Anschlag gebrachten Gesetzesinterpretation auf die synoptische Tradition. Dabei findet sich eine solche Auslegung bisweilen auch in der ­jüngeren Forschung zu den Synoptikern,46 ungeachtet der Tatsache, dass sich gerade innerhalb der Paulusforschung bereits vor mehr als 30 Jahren mit der sogenannten „New Perspective on Paul“ ein entscheidender Richtungswechsel in dieser Frage vollzogen hat. Sie bestimmt den eigentlichen Anlass der paulinischen Gesetzeskritik nämlich als ein soziologisches Problem, wenn sie in dieser zuallererst eine Verwerfung eines identitätsstiftenden partikularistischen Bundeszeichens sieht: Die vor allem von Stendahl,47 Sanders und Dunn verfochtene „New Perspective on Paul“ richtet sich zwar besonders gegen die lutherischreformatorische Paulusexegese. Dabei ist sie – angesichts ihres methodischen Leitsatzes, Paulus vor dem Hintergrund des Judentums seiner Zeit zu verstehen – zuallererst auch eine neue Perspektive auf das jüdische Gesetz insgesamt. So will Sanders unter Neutestamentlern eine Deutung der bei Paulus und den Synoptikern belegten Gesetzesdiskurse erreichen, die offener für die Widersprüche in der Gesetzesfrage ist, weil sie ihre Basis in einer anderen und positiveren Gesamtsicht des antiken Judentums hat. Vertreter der „New Perspective“ bestreiten, dass das Gesetz je Heilsweg gewesen ist. Vielmehr sehen sie wie beispielsweise Sanders die Funktion des Gesetzes eher als identity marker,48 46  Vgl. so wieder ausdrücklich Repschinski, Gesetz, 234, dem zufolge „jede Diskussion des Gesetzes in einen theologischen Zusammenhang gestellt werden muss, der die Frage nach der Erlösung und nach der hinter der Erlösung wirkenden Autorität des Auferstandenen und der Gnade Gottes stellt“. Anders verhält es sich demgegenüber in der jüngeren Matthäusforschung (s.u. 2.3.2). 47  Zu Stendahl als Vater der „New Perspective on Paul“ vgl. seinen wegweisenden Aufsatz „The Apostle Paul and the Introspective Conscience of the West“, in dem er aufzeigt, dass die klassisch-abendländische Deutung der Rechtfertigungslehre mit ihrem Paradigma des „introspektiven Gewissens“ das Anliegen des Paulus vollständig verkenne. Im Zentrum der paulinischen Überlegungen stehe nicht etwa ein zeitlos gültiges Dilemma, nämlich die moralische Unvollkommenheit des Einzelnen, sondern der Nachweis, dass die Gemeinschaft der Juden keinen Heilsvorrang gegenüber den anderen Völkern hat. Damit handelt es sich aber um ein historisches Problem, und zwar um das Verhältnis von Juden und Heiden untereinander bzw. die Integration der Heiden in das Volk Gottes. 48  Zusammenfassend zu den Merkmalen des „Bundesnomismus“ vgl. Sanders, Paul and Palestinian Judaism, 422, wobei die Funktion des Gesetzes in der Folgezeit oftmals auf folgende Formel gebracht wurde: Das Gesetz ist nicht Zulassungsbedingung zum Bund („getting in“), sondern Mittel zum Darinbleiben („staying in“).

2 Die identitätsstiftende Funktion von Essensregeln

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d.h. als Zeichen einer besonderen Identität Israels, oder wie Dunn da­ rüber hinaus auch als boundary marker, d.h. als soziale und ethnische ­Abgrenzungsbestimmungen gegenüber anderen Völkern.49 Dunn zufolge sind die ἔργα νόμου, denen Paulus in Gal 2,16 den Glauben an Christus gegenüberstellt, vor allem und in erster Linie Identitätsmerkmale des Judentums (und zwar konkret das Gebot der Beschneidung, Reinheits- und Speisevorschriften und der Festkalender, d.h. Sabbat), die Einheit nach innen und Abgrenzung nach außen garantieren. Genau hierin, d.h. in der strikten Ablehnung der Ausgrenzungsfunktion des Gesetzes und nicht etwa in der Verwerfung des Gesetzes als solchem, aber auch nicht in der Gegenüberstellung von Gesetz und Glaube, müsse die eigentliche Pointe der paulinischen Gesetzeskritik gesehen werden.50 Als Identitätsmerkmal einer bestimmten Gruppe bedingt das Gesetz nämlich eine partikulare Definition des Gottesvolkes, die jedoch in deutlichem Widerspruch zur universalen Ausrichtung des paulinischen Evangeliums steht. Das Gesetz sei für Paulus demzufolge problematisch, weil es eine Integration der Heiden unmöglich macht, nicht aber, weil es als alternativer Heilsweg der Rettung über Christus widerspräche. Die sogenannte „neue Paulusperspektive“ ist von Beginn an bis in die Gegenwart auf Kritik und Skepsis gestoßen.51 Die Einwände betreffen vor allem deren strikte Ablehnung einer reformatorischen Paulusdeutung, wobei der „New Perspective“ bisweilen eine unpräzise oder falsche Darstellung der lutherischen Position vorgeworfen wird. Demgegenüber werden die von ihr eingebrachten Korrekturen der bis dahin üblichen Bewertung des Gesetzes und der Einschätzung des Judentums zur Zeit des Paulus als legalistische Religion insgesamt anerkannt. Dabei wird vielfach eingeräumt, dass die Frage nach 49  Vgl. Dunn, Röm I, lxix: „The law thus became a basic expression of Israel’s distinctiveness as the people specially chosen by (the one) God to be his people. In sociological terms the law functioned as an ‚identity marker‘ and ‚boundary,‘ reinforcing Israel’s sense of distinctiveness and distinguishing Israel from the surrounding nations“ (Hervorhebung im Original). 50  Vgl. dazu, dass Dunn zufolge die Pointe von Gal 2,16 gerade darin besteht, dass Paulus das ursprünglich gänzlich unproblematische Nebeneinander verschiedener Identitätsmerkmale in ein Gegeneinander überführt (vgl. die ausführliche Exegese von Gal 2,16 in Dunn, New Perspective). 51  Im Laufe der Zeit haben sowohl die „alte (lutherische)“ als auch die „neue Paulusperspektive“ ihre Positionen in Reaktion auf die jeweils andere Seite der Debatte in vielfältiger Weise differenziert. Zur Bewertung der „New Perspective“ vgl. Haacker, Verdienste und Grenzen; Gerber, Blicke.

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I Einleitung und Vorüberlegungen

dem Verhältnis von Juden und Heiden für die paulinische Theologie insgesamt eine wichtigere Rolle spielt, als ihr im Rahmen der reformatorisch-lutherischen Theologie zugemessen wird.52 Gerade die generelle Einsicht der „neuen Paulusperspektive“ zum Gesetz bleibt demzufolge gültig: Das Gesetz sollte im antiken Judentum den Gehorsam gegenüber Gottes Willen sicherstellen, wie er in der jeweiligen (Gruppen-)Halacha53 zum Ausdruck kommt, es war jedoch nicht Heilsweg, sondern vielmehr selbstverständlicher Ausdruck des Gottesverhältnisses mit einer primär sozialen Funktion.54 In erster Linie diente es nämlich der Bewahrung der jüdischen Identität.55 2.3.2

Das Gesetz als Instanz zur Regelung des praktischen Lebens – die Abgrenzung der vorliegenden Arbeit gegenüber anderen Fragestellungen zum Gesetz Eine Durchsicht der neutestamentlichen Schriften lässt – über das im Zentrum der „New Perspective“ stehende paulinische Briefkorpus hinaus – generelle Zweifel an der Richtigkeit einer Fragestellung laut werden, die sich einseitig auf die Gültigkeit und Heilsbedeutung des Gesetzes konzentriert. Sie muss gerade auch mit Blick auf die in den synoptischen Schriften überlieferten Aussagen zum Gesetz zumindest als eine deutliche Einengung bewertet werden. Eine so grundsätzliche Alternative zwischen einer fortdauernden Geltung und Ablehnung des Gesetzes, zum Teil spezifisch als heilsvermittelnde Größe, übersieht nämlich gänzlich das bei den Synoptikern festzustellende Interesse an einer inhaltlichen Diskussion des Gesetzes. So zeigt eine Durchsicht der zentralen Gesetzestexte in den synoptischen Evangelien, dass gerade in den frühen Strängen der synoptischen Überlieferung von Markus und der Logienquelle nicht die allgemeine Gültigkeit des Gesetzes oder dessen Wert mit Blick auf das Heil thematisiert werden, sondern zumeist konkrete 52  Zu dieser Differenz zwischen Paulus und Luther vgl. z.B. Stolle, Nomos, 66. 53  Der Begriff „Halacha“ fehlt in den nichtrabbinischen Schriften, wird jedoch in der Forschung häufig in einem generellen Sinne für das Phänomen des jüdischen Gesetzes gebraucht, da es keinen Begriff gibt, der die Bedeutung des jüdischen Gesetzes besser beschreiben kann (Schiffman, Halakhah, 123f.; zur generellen Verwendung dieses Terminus vgl. auch Tomson, Halakhah, 137f.). „Halacha“ meint immer das Gesetz in einer bestimmten Auslegung bzw. Gestalt. Im Einzelnen kann „Halacha“ in doppelter Bedeutung gebraucht werden, und zwar entweder für die Gesamtheit aller Weisungen, die das ganze Leben regeln, d.h. ein bestimmtes Set an Geboten und Verboten, oder für die Regelung einer Einzelfrage. 54  Vgl. Tomson, Halakhah, 144. 55  Vgl. Tomson, Halakhah, 142. Zum Gesetz als Mittel der Identitätsstiftung speziell im Dias­ porajudentum vgl. vor allem die detaillierten Untersuchungen von Weber, Gesetz im hellenistischen Judentum; ders., „Gesetz“ bei Philon.

2 Die identitätsstiftende Funktion von Essensregeln

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Einzelbestimmungen des Gesetzes (Näheres s.u. IIIC 1.3.3.1). Bei diesen handelt es sich abgesehen von den im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehenden Essens- und Reinheitsfragen insbesondere um die Einhaltung des Sabbats56 und die Frage der Ehescheidung (Mk 10,1–12/Mt 19,1–12; LkQ 16,16–18/MtQ 5,31f.; 1 Kor 7,10f.; vgl. auch Joh 8,1–11).57 Die Fokussierung auf das Gesetz als Instanz der Heilsvermittlung, welche die bisherige Forschung zum Gesetz in den sy­ noptischen Schriften oftmals beherrscht hat, steht somit in deutlicher Spannung zum Befund dieser frühen synoptischen Texte. Ihr Schwerpunkt liegt nämlich offenbar gerade auf der Praxis des Gesetzes.58 Darin stimmen die in den synoptischen Evangelien belegten Gesetzesdiskurse grundsätzlich mit den in den Schriften des antiken Judentums überlieferten Gesetzesdebatten überein. So ist die Halacha im Judentum des Zweiten Tempels zunächst die Instanz, die das Leben im konkreten Alltag regelt und damit stets in einem aktuellen Anwendungsbezug steht, worauf vor allem die große Zahl an halachischen Einzelbestimmungen hindeutet. Die Halacha galt nicht als etwas ein für alle Mal Abgeschlossenes – sie musste ständig weiterentwickelt werden. Neue halachische Entscheidungen wurden erforderlich, wenn als Folge veränderter sozialer, wirtschaftlicher oder technischer Gegebenheiten Fragen auftauchten,

56  Zu Gesetzeskonflikten Jesu wegen seiner Sabbatpraxis vgl. insbesondere die Tradition vom Ährenraufen der Jünger (Mk 2,23–28/Mt 12,1–8/Lk 6,1–5) und von der Heilung der verdorrten Hand (Mk 3,1–6/Mt 12,9–14/Lk 6,6–11), zur Frage der Heilung am Sabbat vgl. auch die lk. Dubletten (13,10–17; 14,1–6). Die Tradition vom Sabbatbruch findet sich daneben auch in der Logienquelle (LkQ 14,5/MtQ 12,11f.) und bei Johannes (5,1–9; 7,19–24 ausdrücklich mit dem Argument, dass Beschneidung am Sabbat stattfinden darf; 9,1–41). Mit Blick auf die ersten Christen findet sich bei Lukas hingegen eine Nachricht von der Einhaltung des Sabbats (Lk 23,56; vgl. auch Mt 24,20). 57  Insgesamt finden sich im lk. Doppelwerk mehrfach Aussagen zum Tempel (vgl. auch Lk 17,14; Apg 21,23–26), die teils affirmativ (LkS 2,22–24), teils tempelkritisch (vgl. vor allem die Stephanusrede Apg 7,47–50; vgl. 6,13) sind. Der Apostelgeschichte zufolge benutzten Christen den Tempel als Versammlungs- und Verkündigungsstätte (2,46f.; 5,12.20f.42) und gerieten darum in Konflikt mit der Tempelbehörde (4,1–3; 5,25f.; 6,13f.). Dabei stehen im Zentrum der Bindung der Christen an den Tempel nicht mögliche Opfer, sondern das Gebet (3,1). 58  Diese Beobachtung findet sich in der älteren Forschung selten, z.B. bei Limbeck, Gebrauch, 152: Anstelle einer „Auseinandersetzung mit irgendwelchen frühjüdischen Gesetzestheologien“ findet sich „in den gesetzeskritischen Passagen des Neuen Testamentes […] vielmehr die urchristliche Auseinandersetzung mit bestimmten jüdischen Gesetzespraktiken – auf die Praxis bezogen und für die Praxis bestimmt“ (Hervorhebungen im Original). In der jüngeren Forschung wird hingegen vermehrt die Frage diskutiert, wie sich die Haltung Jesu zur Tora in die Gesetzesdiskurse des antiken Judentums einordnen lässt (vgl. exemplarisch Doering, Jesus; Kazen, Jesu Interpretation).

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I Einleitung und Vorüberlegungen

für die es bis dahin keine halachischen Antworten gab.59 Dabei lässt ein Vergleich der im antiken Judentum und bei den Synoptikern überlieferten Gesetzesdiskurse abgesehen von der primären Orientierung an der Gesetzespraxis im Allgemeinen eine Überschneidung der jeweils verhandelten Gesetzesthemen erkennen. Fragt man nämlich nach dem Inhalt der Gesetzesdebatten im antiken Judentum, so ist es auffällig, dass genau die Fragen, welche dann den Anlass für die in den urchristlichen Schriften überlieferten Gesetzeskonflikte bilden, auch zentrale Themen der Gesetzesauslegung im Judentum zwischen 200 v.Chr. und 100 n.Chr. sind. Auch in den Quellen des Judentums dieser Zeit konzentrieren sich die Gesetzesdiskurse nämlich auf den Sabbat, Speise- und Reinheitsfragen sowie den Kult. Darüber hinaus sind auch Fragen des Umgangs mit Heiden und Eheangelegenheiten (Ehepartner, Ehebruch und Ehescheidung) verbreitete Gesetzesthemen. Offenbar ist Jesus der synoptischen Tradition zufolge also mit den Gesetzesfragen in Konflikt geraten, die im antiken Judentum selbst Gegenstand von Diskussionen waren. Diese konkreten Anwendungsfälle des Gesetzes zeigen – ebenso wie die in Jos. Ant. 14,260 belegte Bezeichnung „die vom Gesetz gebotenen Bräuche“ (τὰ νομιζόμενα ἔθη) –, dass die Frage nach dem Gesetz zunächst eine Frage nach der genauen Praxis des Gesetzes ist. Gerade diese Funktion des Gesetzes für das praktische Leben wird jedoch in der Forschung zumeist nicht näher behandelt. So lässt sich bei einer Sichtung der Sekundärliteratur zum Gesetz im Judentum ebenfalls ein besonderes Interesse an dessen Heilsbedeutung feststellen.60 Eine Gesamtdarstellung zur Auslegung des Gesetzes im antiken Judentum unter dem speziellen Fokus der geübten Gesetzespraxis ist demgegenüber ein Desiderat. Entsprechend dieser grundlegenden Erkenntnis besteht das Ziel der vorliegenden Arbeit darin, die Regelung des alltäglichen Lebens, und zwar konkret des Bereichs des Essens, durch das Gesetz zu erheben. Dabei soll durch eine Untersuchung der Kernfragen des Essens mit ihren jeweils unterschiedlichen Bräuchen ein reeller historischer (und zwar frühjüdischer) Hintergrund für die Auslegung des Gesetzes in der urchristlichen Tradition konstruiert werden. Damit liegt der Fokus bei der Untersuchung des Gesetzes auf der mit ihm verbundenen sozialen Funktion, welche sich auch für die Reinheits- und Essensvorschriften als zentral erwiesen hat. Durch diese Herangehensweise soll die oftmals einseitige Ausrichtung der bisherigen Forschung auf die allgemeine Frage nach der Geltung und Heilsbedeutung des Gesetzes vermieden werden. Dies ist insbesondere deshalb zu beachten, weil es sich bei den im Zentrum 59  Vgl. Tomson, Halakhah, 142: „Halakhah, as the articulation of Jewish behaviour, strives for specificity and diversity, it shuns generalization and it fosters concreteness“; vgl. auch 144. 60  Vgl. z.B. Avemarie, Tora; vgl. Limbeck, Ordnung.

2 Die identitätsstiftende Funktion von Essensregeln

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der vorliegenden Arbeit stehenden Traditionen zum Essen zumeist um Auseinandersetzungen handelt. Wie die Forschungsgeschichte zum Gesetz zeigt, präjudiziert ein Einsatz bei den zum Gesetz überlieferten Konfliktszenen der synoptischen Evangelien (vgl. vor allem Mk 2,27; 3,4; 7,15) jedoch geradezu eine Deutung von der Abschaffung des Gesetzes durch Jesus, wenn man diese allein unter der Frage nach der Auflösung oder Beibehaltung des Gesetzes auswertet und nicht als Teil eines größeren Diskurses zu den halachischen Einzelvorschriften sieht. Dabei soll die Frage nach einer etwaigen soteriologischen Bedeutung des Gesetzes zwar nicht zum Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit genommen werden, jedoch andererseits keineswegs von vornherein grundsätzlich bestritten werden. Sie soll jedoch nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie in den Texten selbst deutlich verhandelt wird, und nicht gleichsam generell an alle Texte zum Gesetz herangetragen werden. Zugleich soll nicht vorschnell eine grundsätzliche Auflösung des Gesetzes als Spezifikum der urchristlichen Texte angenommen werden. Eine solche differenzierte Diskussion der Geltung und Reichweite der Tora im frühen Christentum lässt sich in der jüngeren Matthäusforschung feststellen. Entsprechend der sehr weit auseinanderliegenden Aussagen zum Gesetz im Matthäusevangelium existiert in der Forschung zum Gesetz bei Matthäus insgesamt ein breites Spektrum an Positionen. Dieses bewegt sich zwischen der Annahme einer strengen Toraobservanz für Matthäus61 über eine Zwischenposition, die die Erfüllung und Modifizierung des Gesetzes durch Jesus miteinander zu verbinden sucht,62 bis hin zu einer diametral entgegengesetzten Forschungsrichtung, die eine 61  Häufiger wird das Matthäusevangelium als ein Dokument in der Auseinandersetzung mit frührabbinischen Bewegungen verortet, so z.B. Hummel, Auseinandersetzung, 64: „Die Kirche des Matthäus hat ihre eigenen, christlichen Halachot neben den pharisäischen, ihre eigenen Gemeinde- und Frömmigkeitsregeln neben den jüdischen, ihre eigene Gesetzestradition neben der der Rabbinen, ihre eigene Kirchenzucht, während sie selbst noch unter pharisäischer Jurisdiktion steht, ihre eigene Lehrgewalt, die sie neben den Lehrstuhl des Mose stellt, auf dem die ‚Schriftgelehrten und Pharisäer‘ sitzen.“ Vgl. auch Vahrenhorst, Matthäus. 62  So Barth, Gesetzesverständnis, der das uneinheitliche Verhältnis des Matthäus zum Gesetz auf die historische Ebene verlagert, nämlich hin zu einem Konflikt zwischen einem heidenchristlichen und einem judenchristlichen Teil der Gemeinde. Das Matthäusevangelium fordere beide Gruppen zu einem maßvollen Umgang mit ihren Positionen auf, und zwar die Heidenchristen zu einer notwendigen Erfüllung des Gesetzes, die Judenchristen zu Barmherzigkeit und Großzügigkeit. Zumeist werden die fortdauernde Gültigkeit und die zumindest teilweise Auflösung des Gesetzes durch Jesus über die Christologie miteinander verbunden, so Borg, der am Matthäusevangelium zunächst nur insofern inte­ ressiert ist, als es einen Zugang zum historischen Jesus eröffnet. Ihm zufolge herrscht im Judentum des 1. Jh. n.Chr., vor allem im pharisäischen Judentum, eine strenge Auslegung der Gesetzesvorschriften (vor allem des Heiligkeitsgesetzes) nach dem Buchstaben vor,

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I Einleitung und Vorüberlegungen

Loslösung des Matthäus vom Gesetz annimmt,63 je nachdem welche Aussagen des Matthäus zum Gesetz die entsprechenden Forscher zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen nehmen und ins Zentrum einer Rekonstruktion der matthäischen Gesetzesauffassung stellen. Dabei wird die Auseinandersetzung um das Gesetz bei Matthäus gerade in der jüngeren Matthäusforschung verstärkt in das zeitgenössische Judentum eingezeichnet. Bisweilen ist mit der Untersuchung der Rezeption und Interpretation des Gesetzes bei Matthäus gar eine innerjüdische Verortung der matthäischen Gemeinde verbunden.64 So betont etwa Konradt, dass der matthäische Jesus seine Gesetzesauslegung wesentlich im Rahmen des Konfliktes mit den Pharisäern entfalte. Es gehe somit nicht um die Tora an sich, sondern um die Tora in ihrem Verständnis durch die Schriftgelehrten und Pharisäer.65 An diese grundlegenden Einsichten soll im Folgenden angeknüpft werden. Dementsprechend wird beispielsweise auch das Markusevangelium, das als frühester Text aus der Evangelienliteratur im Zentrum dieser Arbeit stehen soll, zunächst unter der Perspektive untersucht, dass es durchaus in Berührung mit judenchristlicher Tradition stand. 3

Zum methodischen Ansatz und zum Aufbau dieser Arbeit

Die vorliegende Arbeit schließt an die Betonung der sozialen Funktion des Essens bzw. der Anordnungen zum Essen und der im Zusammenhang mit ihnen stehenden Reinheits- und Gesetzesfragen an, wie sie in der Forschung bereits häufig wahrgenommen wurde. Dabei ist sie deutlich historisch ausgerichtet, wenn sie danach fragt, welche Bedeutung die jeweils diskutierten Essenspraktiken für das alltägliche Leben der ersten Christen hatten. Im Einzelnen umfasst das vorliegende Thema sowohl sozialgeschichtliche als auch wohingegen Jesus in seiner Verkündigung wieder das eigentliche Ziel des Gesetzes, nämlich Liebe und Barmherzigkeit, ins Zentrum stellt (Conflict, 123–134). 63  So Banks, Understanding, der πληρόω in Mt 5,17 nicht nur im Sinne von „realisieren, erfüllen“, sondern vor dem Hintergrund von dessen Verwendung in Verbindung mit der Erfüllung alttestamentlicher Prophezeiungen mit der Konnotation von „Neuheit/ Überlegenheit“ versteht (231f.). Vgl. dazu auch Strecker, Weg, 144f., bes. 147; Trilling, Israel, 167–186, die das Matthäusevangelium bereits als ein heidenchristliches Evangelium betrachten. Eine Loslösung vom Gesetz sieht auch Foster, Community, 259f., und zwar in der Gesetzesauslegung in den Antithesen und im Aufruf des Auferstandenen zur Heidenmission in Mt 28,16–20. 64  Vgl. dazu Konradt, Erfüllung, 289, der damit Einsichten von Saldarini, Overman, Sim und Runesson folgt (vgl. dazu Konradt, Matthäus, 3–5). Speziell mit Blick auf die Frage nach jüdischen Reinheitsvorschriften vgl. Runesson, Purity. 65  Vgl. Konradt, Erfüllung, 312–314.

3 methodischer Ansatz und Aufbau

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kulturgeschichtliche Fragestellungen, zumal abgesehen von der konkreten Praxis des Essens insbesondere auch die dahinterliegenden Deutungsmuster der eigenen Essensbräuche und der anderer Gruppen untersucht werden sollen.66 Mit dieser historischen Frage sind jedoch sowohl philologische als auch theologische Fragen untrennbar verbunden. So setzt die historische Arbeit die philologische zwangsläufig voraus, da sich die urchristliche Praxis zum Essen und deren Geschichte überhaupt nur über die Auswertung der Texte selbst rekonstruieren lassen. Dabei nimmt die vorliegende Arbeit mit Blick auf die Evangelien ihren Ausgangspunkt zwar zunächst streng bei der vorgestellten Welt der Erzählung. Zugleich fragt sie jedoch nach einem möglichen Ertrag für eine nähere Bestimmung des Verfassers sowie der Gemeindesituation und der Adressaten. Vorausgesetzt wird dabei, dass neben den Briefen auch die Welt der Erzählungen durchaus Rückschlüsse auf die reale Welt der Zeit und Trägerkreise ermöglicht, in der bzw. durch die sie entstanden sind. Die Rekonstruktion einer solchen historischen Kulisse aus den Texten bedeutet aber natürlich nicht, dass der Erzählstoff selbst als historisch anzusehen ist. Vor dem Hintergrund dieser Problematik besteht das Ziel der vorliegenden Arbeit weniger darin zu erheben, wie es tatsächlich war, sondern wie es die Verfasser der jeweiligen Schriften darstellen und bewerten. Die zentrale Frage lautet somit weniger „Was ist passiert?“, sondern vielmehr „Was wurde gedacht?“. Damit handelt es sich genaugenommen um eine Geschichte der urchristlichen Praxis zum Essen auf der Ebene der urchristlichen Schriften. Dementsprechend sollen die Aussagen zum Essen in der synoptischen Tradition nicht mit Blick auf die Rückfrage nach dem historischen Jesus und sein Gesetzesverständnis ausgewertet werden. Vielmehr soll das Augenmerk zunächst auf die literarische Ebene gelegt werden, um die Auslegung nicht voreilig zusätzlich mit der Frage nach dem historischen Jesus zu überfrachten, wie dieses in der Forschung häufig geschehen ist. Dabei sollen innerhalb der synoptischen Tradition das Markusevangelium und die Spruchquelle Q als Ausgangspunkt dienen, um auf ihrer Grundlage die Rezeption der entsprechenden Traditionen und Bestimmungen bei Matthäus und Lukas zu untersuchen. Darüber hinaus stehen theologische Fragen im Zentrum dieser Arbeit. So wird der Diskurs zwar jeweils in der Praxis geführt, aber den entsprechenden Praktiken liegt häufig eine theologische Deutung zugrunde. Sie sind nämlich jeweils eng mit einer Bewertung des entsprechenden Verhaltens verbunden, wobei das abgelehnte, d.h. selbst nicht praktizierte Verhalten als schlecht 66  Vgl. dazu, dass es sich bei Kulturgeschichte immer auch um Mentalitätsgeschichte handelt. Zum erweiterten Ansatz der sogenannten „Neuen Kulturgeschichte“ auf die Kultur insgesamt, d.h. nicht nur auf Kunst, Musik und Literatur, vgl. Burke, Kulturgeschichte.

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I Einleitung und Vorüberlegungen

bewertet wird. Eine veränderte Praxis basiert hingegen jeweils auf einer Umwertung. Dabei lässt sich gerade für die urchristlichen Diskurse zum Essen gehäuft beobachten, dass in ihrem Rahmen bisherige Bewertungen in Frage gestellt und stattdessen neue Bewertungen aufgerichtet werden. Mehrfach wird beispielsweise die Definition von rein und unrein verschoben oder sogar aufgelöst. Diese Umwertungen betreffen – wie sich zeigen wird – im Einzelnen verschiedene Bereiche. Aus dieser Zielsetzung und dem methodischen Ansatz ergibt sich Folgendes für das konkrete Vorgehen: Zunächst soll eine Suche nach verwandten Diskursen zum Essen im antiken Judentum und deren Auswertung folgen. Nur auf diese Weise wird sich überhaupt ein Einblick in das jüdische Umfeld der urchristlichen Anordnungen zum Essen gewinnen lassen. Im Anschluss an diese Untersuchung des jüdischen Materials ist der Ertrag zu den entsprechenden Vorschriften und deren Funktion in den untersuchten jüdischen Schriften mit Blick auf die urchristlichen Texte auszuwerten und fruchtbar zu machen. Dies erfolgt im Rahmen einer detaillierten Exegese der neutestamentlichen Texte, welche einen Vergleich der im Urchristentum überlieferten Essenspraktiken mit den an den jüdischen Texten gewonnenen analytischen Ergebnissen einschließt. Die von mir gezogenen Folgerungen basieren jeweils auf Analysen semantischer, syntaktischer, traditionsgeschichtlicher und weiterer Einzelfragen. Diese Detailarbeit ist ebenso wie die Forschungsgeschichte zur besseren Übersichtlichkeit des Öfteren eingerückt dargestellt.

teil ii Gesetzesanordnungen zum Essen in den Schriften des antiken Judentums



Einleitung Im Folgenden werden die Anordnungen, die in der Literatur des antiken Judentums zum Themenkomplex des Essens überliefert sind, genauer unter­ sucht werden. Dabei geben die neutestamentlichen Texte den Rahmen vor, da das überlieferte jüdische Material hier vor allem mit Blick auf seine mögliche Bedeutung für die im Urchristentum thematisierten Essenspraktiken ausge­ wertet werden soll. Durch eine sorgfältige Sichtung der jüdischen Schriften nach Anordnungen zum Essen soll nämlich in erster Linie eine Folie konstru­ iert werden, auf deren Hintergrund die urchristlichen Diskurse zu den grund­ legenden Fragen des Essens in den größeren Kontext der jüdischen Debatte(n) zu vergleichbaren Themen gestellt werden können. Aus diesem Grund ist die folgende Darstellung auf die drei grundlegenden Zusammenhänge des Essens beschränkt, in denen sie sich – wie eine kursorische Durchsicht gezeigt hat (s.o. I 1.1) – in der urchristlichen Literatur niedergeschlagen haben. Ein Durch­ gang durch die Schriften des antiken Judentums lässt jedoch erkennen, dass die zum Komplex des Essens gehörenden Anordnungen auch im jüdischen Bereich insgesamt breiter gefächert waren. Neben anderen Fragen wie bei­ spielsweise dem Zehnten umfassen sie aber gerade auch die dann im Urchris­ tentum verhandelten grundsätzlichen Themen, d.h. erstens Anordnungen zu verbotenen und erlaubten Speisen, zweitens Regelungen zur Tischgemein­ schaft und drittens rituelle Vorschriften, und zwar insbesondere die Frage nach den Voraussetzungen und dem Zustand, in dem man Speise zu sich neh­ men darf. Dabei finden sich innerhalb des Komplexes der Tischgemeinschaft sowohl Anordnungen für das gemeinsame Essen von Juden mit Heiden als auch solche, die gemeinsame Mahlzeiten unter Juden regeln. Wie im Urchris­ tentum sind auch diese Bestimmungen zum Essen im antiken Judentum in mehrfacher Hinsicht eng mit dem Komplex von Reinheit und Unreinheit verbunden. Aus diesem Grund ist die jeweilige Bedeutung des Rein-UnreinParadigmas näher zu untersuchen. Für die Erstellung eines Tableaus der zentralen Fragen zum Essen im antiken Judentum wurden sowohl die Schriften des griechischsprachigen Judentums als auch die jüdischen Schriften ausgewertet, die in Hebräisch oder Aramäisch abgefasst wurden. Zu diesen gehören angesichts des Überlieferungsbefundes insbesondere das Jubiläenbuch sowie die Texte vom Toten Meer, daneben die frühe rabbinische Literatur (vor allem Mischna, zum Teil Tosefta, Sifra, Sifre, Mechilta, Bereschit Rabba). Dabei finden rabbinische Quellen aufgrund der

© koninklijke brill nv, leiden, 2019 | doi:10.1163/9789004391901_003

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II Anordnungen zum Essen im antiken Judentum

mit ihnen verbundenen Datierungsprobleme1 nur dann Berücksichtigung, wenn sich in ihnen Themen bzw. Tendenzen beobachten lassen, die in ähnli­ cher Form bereits früher in anderen Schriften des antiken Judentums oder in den urchristlichen Texten selbst2 verhandelt werden.3 Gerade eine solche bis­ weilen feststellbare Überschneidung von Themen und Positionen rechtfertigt eine Auswertung der rabbinischen Quellen mit Blick auf die neutestamentli­ chen Texte. Sie lässt nämlich darauf schließen, dass die in der rabbinischen Literatur überlieferten Positionen bereits vor der Entstehung der entsprechen­ den Schriften im Judentum verbreitet waren.4 Dabei ist mit Blick auf tradi­ tionsgeschichtliche Fragen zudem zu berücksichtigen, dass die rabbinischen Texte selbst in Auseinandersetzung mit dem Christentum entstanden sind und damit zum Teil bereits selbst christlich beeinflusst sein können.5 Im Einzelnen lässt sich im jüdischen Bereich anstelle einer einheitlichen Auffassung zu den verschiedenen Bereichen des Essens eine Vielzahl von unterschiedlichen Bestimmungen feststellen. Diese Differenzen zeigen, dass das antike Judentum – entgegen einer insbesondere in der älteren Forschung verbreiteten Sicht – keine monolithische oder uniforme Größe war,6 sondern 1  Vgl. vor allem Stemberger, Rabbinic Traditions; daneben auch Müller, Datierung. 2  Eine breite Materialsammlung bietet Bill., doch ist mit ihr das Bild vom Gesetz als „Heilsweg“ und vom Judentum als „Lohn- und Leistungsreligion“ verbunden, vgl. dazu ausführlich Schal­ ler, Kommentar. 3  In der Forschung wurde hingegen lange Zeit generell von einer ungebrochenen Kontinuität der späteren pharisäisch-tannaitischen Überlieferung bis in die vorchristliche Zeit ausge­ gangen und daher von den frührabbinischen Gesetzesvorschriften auf eine entsprechende Praxis schon in früherer Zeit zurückgeschlossen. Zur Kritik an einem solchen Verfahren vgl. bes. Müller, Rückschau, 69–101; ders., Gesetz, 22–24, u.ö.; siehe auch Neusner, Verwendung; Schäfer, Pharisäismus. 4  Ausführlich zur Frage nach dem Verhältnis zwischen neutestamentlicher Wissenschaft und Judaistik im Allgemeinen Stemberger, Judaistik; vgl. auch Müller, Wissenschaft. 5  So mehrfach von Schäfer betont, vgl. den bezeichnenden Titel seines Buches „Die Geburt des Judentums aus dem Geist des Christentums“. 6  In der Forschung hat vor allem Sanders für seine Rekonstruktion eines vermeintlich einheit­ lichen Judentums heftige Kritik erfahren. Sanders will die Gemeinsamkeiten der verschie­ denen jüdischen Gruppen (vgl. vor allem Judaism, 45–303) durch eine Suche nach einem zeitunabhängigen „pattern of religion“ herausarbeiten. In ihrem Rahmen postuliert er eine für alle relevanten jüdischen Gruppen gültige allgemeine Grundstruktur („Common Juda­ ism“), die er als „Bundesnomismus“ („Covenantal Nomism“) beschreibt. Dagegen wenden Kritiker wie z.B. Müller ein, dass eine solche Ansicht von einem normativen Judentum zu einer Einebnung der je spezifischen Differenzen führt, wodurch dann auch die uneinheit­ lichen Äußerungen zum Gesetz innerhalb des antiken Judentums unangemessen verein­ heitlicht werden (zu einer Zusammenstellung der Forscher, die an Sanders Kritik üben, vgl. Müller, Anmerkungen, 75f. Anm. 87). So zeigt Müller selbst in mehreren Arbeiten auf, wie offen die Interpretation der Tora war. Dementsprechend fordert er als grundlegenden

II Anordnungen zum Essen im antiken Judentum

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vielmehr in einer Vielzahl von unterschiedlichen Strömungen und Gruppen existierte.7 Diese Einsicht fordert dann aber dazu auf, die Unterschiede und Gräben,8 zugleich jedoch die Verbindungen zwischen diesen verschiedenen jüdischen Gruppen9 deutlich wahrzunehmen. Zu den von allen gesetzestreu­ en Juden geteilten Praktiken und Überzeugungen gehören aus dem Bereich des Essens in jedem Fall die grundlegenden Speisegebote aus Lev 11/Dtn 14. Differenzen in Schwerpunktsetzung und Ausrichtung lassen sich insbeson­ dere für die großen Richtungen des antiken Judentums feststellen, nämlich für das Diasporajudentum auf der einen Seite und das palästinische Judentum des qumranischen oder pharisäisch-rabbinischen Typs auf der anderen Seite. Dabei unterscheiden sich diese beiden Richtungen zum einen im Hinblick auf den Inhalt der entsprechenden Essensbestimmungen voneinander, wie die jeweilige Rezeption der biblischen Speisegebote besonders deutlich zeigt (s.u. IIB 1.1 und IIC 1.1). Sie divergieren jedoch darüber hinaus auch in Hinsicht auf die mit ihnen jeweils verbundene Abgrenzung voneinander (Näheres dazu jeweils in den Einleitungen zu IIB und IIC). Angesichts dieser Unterschiede werden die Schriften des griechischsprachigen Judentums und die Schriften, welche der Gemeinschaft von Qumran zugeordnet werden oder aus dem rab­ binischen Judentum stammen, im Folgenden jeweils in einem eigenen Ab­ schnitt behandelt. Dabei hat eine solche Vorgehensweise das Ziel, die jeweils eigenen Schwerpunkte genauer zu erkennen. Ihr liegt jedoch nicht die in der Forschung vielfach vertretene Gegenüberstellung oder gar die Annahme eines grundsätzlichen Gegensatzes zwischen dem sogenannten hellenistischen und dem palästinischen Judentum zugrunde. Ein solcher ist nämlich offen­ bar nicht zutreffend. So ist zwar für das griechischsprachige Diasporajuden­ tum bereits aufgrund der Verwendung der griechischen Sprache in besonderer Weise ein Einfluss durch die griechisch-hellenistische Kultur anzunehmen, doch scheint das Judentum im Zeitalter des Hellenismus generell einem sol­ chen Einfluss ausgesetzt gewesen zu sein. Dabei ist Hengel mit seiner These Neueinsatz gegenüber der älteren Forschung zum Gesetz eine Untersuchung der zeitlich und geographisch bedingten Besonderheiten im Hinblick auf die Vorstellungen über das Gesetz, seine Geltung, seine Pflege, sein Zustandekommen und seine Observanz (Anmer­ kungen, 70.75–77). 7  Vgl. exemplarisch Goodman, Variety; Stemberger, Pluriformität. Vgl. daneben Müller, Rück­ schau, 95–101. 8  So die Forderung von Tomson, Halakhah, 142. 9  Zu den Verbindungen vgl. Shemesh, Halakhah, z.B. 33–38, speziell zu den Beziehungen der rabbinischen Literatur zu den Überlieferungen der Qumrangemeinde vgl. ebd., 3.15.17f. Vgl. dazu auch Harrington, Impurity Systems, die die Schriften aus Qumran im Blick auf die Rein­ heitsvorstellung mit rabbinischen Texten vergleicht. Zur grundsätzlichen Frage vgl. auch Stemberger, Frage.

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II Anordnungen zum Essen im antiken Judentum

von einer durchgehenden Hellenisierung des Judentums Palästinas10 wohl zu weit gegangen.11 Ihm ist jedoch darin zuzustimmen, dass auch das Judentum im Mutterland entscheidend hellenistisch beeinflusst wurde. Dies lässt sich auch speziell am Überlieferungsbefund zum vorliegenden Thema erkennen. Bereits für das hebräische Sirachbuch ist nämlich eine Anknüpfung an Motive aus der griechischen Symposiumstradition zu beobachten (s.u. IIB 2.2.2.1). Aus diesem Grund wird der Begriff „hellenistisch“12 im Folgenden nur dann ver­ wendet, wenn der Einfluss des hellenistischen Kulturkreises besonders betont werden soll, doch impliziert dieser Gebrauch keinen Gegensatz zum palästi­ nischen Judentum. Vielmehr soll das primäre Unterscheidungskriterium der einzelnen Schriften – im Anschluss an die Erkenntnisse des Linguistic Turn – deren Abfassungssprache oder, sofern diese nicht mehr erreichbar ist, deren Überlieferungssprache sein.13 Dabei wird jeweils die Textgestalt zugrunde ge­ legt, welche als älteste Fassung Anordnungen zum Essen enthält. Mehrfach lässt sich für die entsprechenden Schriften jedoch eine andere Abfassungs­ sprache annehmen (vgl. z.B. Tob und Jdt). Mit der Analyse der einzelnen Vor­ schriften ist jeweils eine nähere Untersuchung der entsprechenden Schriften auf ihre ursprüngliche Provenienz verbunden. Ein solches Vorgehen resultiert daraus, dass sich die Herkunft einiger Schriften nur unsicher bestimmen lässt 10  Hengel nimmt auch für das Judentum des Mutterlandes eine so starke Hellenisierung an, dass es nach seiner Auffassung geradezu unmöglich ist, zwischen dem hellenistischen Diasporajudentum und dem palästinischen Judentum zu unterscheiden, so vor allem in Judentum, 191–195, vgl. schon die Überschrift „Das Judentum Palästinas als hellenistisches Judentum“. „Das gesamte Judentum ab etwa Mitte des 3. Jh.s. v.Chr. müßte im strengen Sinne als ‚hellenistisches Judentum‘ bezeichnet werden“ (193, Hervorhebung im Original). 11  Hengels Versuch aufzuzeigen, dass alle jüdischen Schriften, die zwischen dem 3. und 1. Jh. v.Chr. entstanden sind, durch den Hellenismus beeinflusst wurden, hat in der Forschung vielfach Kritik erfahren und wurde vor allem von Feldman in verschiedenen Arbeiten als überspitzt bewertet (Jew, 3–44, bes. 42; so schon ders., Hengel’s Judaism; Jewish Palestine; vgl. dann auch ders., Land of Israel). Einen geringeren hellenistischen Einfluss nimmt für Palästina auch Grabbe, Jews, an, u.a. im Anschluss an Goodman, dem zufolge die griechi­ sche Sprache in Galiläa weniger verbreitet war, als Hengel es annimmt (vgl. auch Grabbe, Moses). Ähnlich auch Collins, Judaism, 228; ausführlich ders., Cult. Zu dieser Frage vgl. auch Levine, Judaism, 3–32, mit einem Forschungsüberblick. 12  Zur Problematik des Forschungsparadigmas „Hellenisierung“ vgl. zuletzt Markschies, Hellenisierung, der jedoch dafür plädiert, an diesen Begriffen festzuhalten, und „Hel­ lenismus“ dabei als Epochenbezeichnung für die Zeit zwischen dem Regierungsantritt Alexander des Großen (336 v.Chr.) bis zur Schlacht von Actium (31 v.Chr.) versteht, und zwar zugespitzt auf den Bildungsbegriff (99–125, bes. 102.111.116). Zur Geschichte und Pro­ blematik dieses Epochenbegriffs vgl. auch schon Bichler, Hellenismus. 13  Vgl. dazu auch Hengel, Judentum, 193: „[…] und man sollte besser zwischen dem grie­ chischsprechenden Judentum der westlichen Diaspora und dem aramäisch/hebräisch­ sprechenden Judentum Palästinas bzw. Babyloniens unterscheiden“.

II Anordnungen zum Essen im antiken Judentum

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und die Abfassungssprache selbst kein zwingendes Kriterium für die Herkunft einer Schrift aus Palästina oder der Diaspora darstellt.14 Zum Zwecke der Übersichtlichkeit werden die in den verschiedenen Schrif­ ten überlieferten Gesetzesanordnungen zum Essen im Folgenden entspre­ chend den drei großen Themenkomplexen zusammengestellt und rubriziert, welche sich für die urchristlichen Diskurse erkennen ließen. Durch eine solche systematische Darstellung wird der Vergleich mit den im Urchristentum über­ lieferten Anordnungen erleichtert. Die entsprechenden Anordnungen sind jedoch immer in den Gesamtzusammenhang einer Schrift eingebunden. Da sich die funktionale Bedeutung der einzelnen Bestimmungen nur mit Blick auf das Gesamtwerk als größerem Rahmen erkennen lässt, sollen sie nicht losgelöst von ihrem literarischen Kontext untersucht werden.15 Vielmehr soll dieser – soweit für das Thema und d.h. für die Frage der Identitätsbestimmung relevant – zumindest exemplarisch genauer in den Blick genommen werden, um die jüdischen Bestimmungen nicht zum bloßen Steinbruch für neutesta­ mentliche Texte zu degradieren.

14  Vgl. dazu insbesondere, dass die Abfassung eines Textes in Griechisch – anders als in der älteren Forschung oftmals angenommen – nicht zwingend für dessen Herkunft aus der Diaspora spricht, da gerade für die höheren Schichten der Juden von Jerusalem in der Zeit der Hasmonäer davon auszugehen ist, dass sie durchaus mit der griechischen Sprache und Literatur vertraut waren. Zur griechischen Bildung und der Übersetzung aus dem Hebräischen ins Griechische in Palästina vgl. vor allem Hengel, Judentum, 108–190; dane­ ben auch Wacholder, Eupolemus, 279–287. 15  So z.B. im Überblick bei Heil, Speisegebote, 23–123. Ausführlicher zwar Cheung, Idol Food, 39–81, der überzeugend darstellt, dass Götzenopferfleisch im antiken Judentum allgemein verboten war, jedoch aufgrund einer ungenügenden Berücksichtigung des jeweiligen Gesamtrahmens viele Fragen offenlässt. Er schwankt im Hinblick auf den Grund für das Verbot von Götzenopferfleisch häufig zwischen genereller heidnischer Unreinheit und der Verbindung mit Götzendienst (z.B. 49.78f.).

IIA Die Gesetzesanordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel als Hintergrund der Essensvorschriften im Judentum des Zweiten Tempels und rabbinischen Judentum Die aus der Zeit des Judentums des Zweiten Tempels und danach überlie­ ferten Gesetzesbestimmungen zu Fragen des Essens haben ihre Grundlage in den Anordnungen der Tora. Aus diesem Grund können die späteren Vor­ schriften nicht losgelöst von den biblischen Gesetzesanordnungen behandelt werden. Erst vor ihrem Hintergrund lässt sich nämlich jeweils im Einzelfall entscheiden, in welcher Form sich die im Judentum des Zweiten Tempels und im rabbinischen Judentum überlieferten Essensvorschriften auf ein biblisches Gebot zurückführen lassen. Handelt es sich um eine direkte Aufnahme eines biblischen Gebotes oder um eine Auslegung, die über das biblische Gebot hi­ nausgeht? Wo setzt die spätere Rezeption eigene Schwerpunkte? Um Anknüp­ fungspunkte und das Verhältnis der späteren Gesetzesanordnungen zu den biblischen Bezugstexten jeweils genauer bestimmen zu können, soll an dieser Stelle ein Überblick über die Essensvorschriften folgen, die in der hebräischen Bibel zu den drei großen Themen des Essens belegt sind. Dabei können die ent­ sprechenden Anordnungen, die in der alttestamentlichen Forschung im Hin­ blick auf ihr genaues Verständnis zum Teil sehr umstritten sind, nicht alle im Detail untersucht werden, sondern nur im Hinblick auf die für die vorliegende Untersuchung, d.h. für die Rezeption in der Folgezeit, zentralen Fragen. Geht man die kanonisch gewordenen Schriften des Alten Testamentes mit Blick auf Gesetzesbestimmungen zu den drei grundlegenden Fragen des Essens durch, so fällt auf, dass diese hauptsächlich aus Anordnungen bestehen, wel­ che die Speisen betreffen. Demgegenüber begegnen der Komplex der Tisch­ gemeinschaft und Gesetze zum Zustand des Essenden nur selten, Letztere zudem nur für bestimmte Speisen oder Situationen. 1

Anordnungen zu verbotenen Speisen

Die jüdischen Speisegebote betreffen in erster Linie den Verzehr von Fleisch.1 Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über die als verboten oder unrein 1  Auch Früchte oder Korn dürfen unter bestimmten Umständen nicht gegessen werden, zu den einzelnen Bestimmungen vgl. Lev 19,23–25; 23,10.14. © koninklijke brill nv, leiden, 2019 | doi:10.1163/9789004391901_004

1 verbotene Speisen

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qualifizierten Tiere sowie die mit ihnen jeweils genau verbundenen Anord­ nungen gegeben werden.2 Anschließend soll nach der Bedeutung der Un­ reinheitsterminologie sowie verwandter Begriffe gefragt werden, da diese ein wiederkehrendes Motiv sind und demzufolge für die entsprechenden Bestim­ mungen zentrale Bedeutung haben. Darüber hinaus wird die Funktion der entsprechenden Speisegebote näher in den Blick genommen werden. 1.1 Die unterschiedlichen Anordnungen zu Speisen im Überblick Die jüdischen Speisegesetze lassen sich drei Bereichen zuordnen. Sie betreffen zum einen die Frage, welche Tiergattungen bzw. Tierarten von Juden gegessen werden dürfen und welche nicht. Dabei gilt das Verbot der entsprechenden Tiere generell und nicht nur für den Fall, dass ein Tier nicht auf die richtige Art und Weise getötet wurde. Abgesehen von dieser grundsätzlichen Eintei­ lung der Tiere in verbotene und erlaubte Fleischsorten unterliegen auch die erlaubten Tiere weiteren Beschränkungen, die zum einen die Sterbeart des Nahrungstieres betreffen, zum anderen die Zubereitung. So müssen die zur Nahrung erlaubten Tiere auf die richtige Art und Weise getötet werden,3 welche das generelle Verbot des Blutgenusses sicherstellt (vgl. Lev 17,10–14; Dtn 12,23–25 u.ö.). Abgesehen von dieser Trennung von Fleisch und Blut zielt die richtige Zubereitung drittens auf die vollständige Trennung von Milch und Fleisch.4 Im Folgenden werden vor allem die ersten beiden Komplexe näher in den Blick genommen werden, da gerade sie auch im Urchristentum Aufnahme gefunden haben (vgl. dazu vor allem Apg 10,1–11,18; 15,20.29; Röm 14,1–15,13). 1.1.1

Die Unterscheidung zwischen für Israel erlaubten und verbotenen Tierarten Zusammenhängende Bestimmungen zu der Frage, welche Speisen Juden essen dürfen und welche von ihnen zu meiden sind, bieten vor allem die in Lev 11 und Dtn 14 überlieferten Gesetze.5 Sie enthalten katalogartige Aufzählungen von erlaubten und verbotenen Tierarten. Dabei liegt das Verbot im Wesen und

2  Grundsätzlich zur hauswirtschaftlichen Verwertung von Tieren in Israel vgl. Wagner, Profani­ tät, 123–181. 3  Vgl. dazu auch, dass ein Ochse, der einen Menschen getötet hat und dafür gesteinigt wird, nicht gegessen werden soll (Ex 21,28). 4  Zur Forderung nach einer getrennten Zubereitung von Milch und Fleisch vgl. vor allem Dtn 14,21; vgl. auch Ex 23,19; 34,26. 5  In der neueren Forschung werden Dtn 14 und Lev 11 als unabhängige Bearbeitungen einer gemeinsamen Quelle bewertet (Hieke, Lev I, 416f., im Anschluss an Nihan, Meshel und Kazen). Daneben wird die Auffassung vertreten, dass Dtn 14 einen Grundtext von Lev 11 vor­ aussetze, wobei Lev 11 jedoch selbst noch eine nachträgliche Überarbeitung erfahren habe (so Achenbach, Systematik, 174; ähnlich Milgrom, Lev I, 698–704, der Dtn 14 als Kurzfassung von Lev 11 bewertet).

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IIA Anordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel

in der Beschaffenheit dieser Tiere begründet.6 In diesen Listen werden die zum Essen erlaubten und verbotenen Tiere entsprechend ihrem Lebensraum in vier Kategorien eingeteilt: Landtiere, Wassertiere, Vögel sowie Kriechtie­ re und Insekten. Von den großen Landtieren zählt Lev 11,4–8 das Kamel, den Klippdachs, Hasen und das (Wild-)Schwein (vgl. Dtn 14,7f.) zu den verbote­ nen Tieren und definiert diese als Vierfüßler, die wiederkäuen oder gespaltene Klauen haben, aber nicht beide Kriterien erfüllen. Alle Vierfüßler mit Klau­ en, die nicht gespalten sind, und solche, die nicht wiederkäuen, sind verboten (vgl. Lev 11,24–26). Demgegenüber sind nach Lev 11,3 die Vierfüßler erlaubt, die wiederkäuen und gespaltene Klauen haben (vgl. Dtn 14,6 mit Aufzählung der erlaubten Tiere in 14,4f., welche sich in Lev 11 nicht findet). Ebenfalls ver­ boten sind alle Vierfüßler mit Tatzen (11,27f.) und einige namentlich genannte Kleintiere (11,29–31). Von den Wassertieren sind alle Fische erlaubt, die Schup­ pen und Flossen haben (Lev 11,9–12; Dtn 14,9f.). Alle Schalentiere – wie Krab­ ben und Hummer – sind dementsprechend ausgeschlossen. Bei den Vögeln werden keine Merkmale genannt,7 sondern die verbotenen Arten aufgezählt. Zu ihnen gehören zum Beispiel Adler, Geier, Raben, Strauß und Fledermaus (Lev 11,13–19; Dtn 14,11–20). Schließlich finden sich Anordnungen zum Verzehr von Kriechtieren und Insekten. Dabei ist der Verzehr von Kriechtieren generell verboten8 und wird unter Hinweis auf die Heiligkeit Jahwes besonders einge­ schärft (Lev 11,41–44), ebenso der Genuss von Insekten (Dtn 14,19). Für gewisse Heuschreckenarten wird in Lev 11,20–23 eine Ausnahme gemacht. Danach gel­ ten nämlich zwar alle geflügelten Insekten als verboten. Ausgenommen sind jedoch solche, die oberhalb ihrer vier Füße, auf denen sie gehen, noch zwei Sprungbeine haben, mit denen sie hüpfen können, wie dies bei verschiedenen Heuschreckenarten der Fall ist. 6  Das übergeordnete Kriterium für die Klassifikation der Tierarten als „rein“ und „unrein“ lässt sich nicht deutlich erkennen und wird in der Forschung höchst unterschiedlich bestimmt (zu einem Überblick vgl. Milgrom, Lev I, 718–736). Die bisweilen vorgeschlagene Abgrenzung von heiligen Tieren in anderen Religionen (so vor allem Döller, Reinheits- und Speisegesetze, 181–208, bes. 188f.) scheidet aus, da Tiere, die in Israel als rein galten, durchaus auch heili­ ge Tiere fremder Götter waren. Kornfeld, Tiere, 146f., zufolge sind die unreinen Tiere eine Gefahr für das Leben. Achenbach sieht das Kriterium in der Ehrfurcht vor dem Leben, wobei vor allem solche Tiere ausgeschlossen seien, die sich von Aas ernähren oder im Verdacht stehen, anderweitig mit Aas in Berührung zu kommen (Systematik, 183f.), daneben auch die Tiere, die sich selbst von Fleisch und damit von Blut ernähren (179.186; vgl. auch 206–209). Ähnlich schon Wigand, Vorstellung, 432f., der besonders betont, dass das Verbot aus der Natur der Tiere resultiert, die wie beispielsweise das Schwein als Allesfresser oder auch Ge­ würm Ekel hervorrufen. Firmage, Laws, 187.193, sieht das ursprüngliche Paradigma in der Eig­ nung der Tiere für den Tempel. Israel solle das essen, was Gott in Form der Opfer „esse“ (197). 7  So dann mHul 3,6, wonach vor allem Vögel die selbst Aas fressen, verboten sind. 8  Vgl. dazu den sechsmaligen Gebrauch von ‫ ּכֹל‬in Lev 11,41–43.

1 verbotene Speisen

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1.1.2

Die richtige Schlachtung als Voraussetzung für den Verzehr eines Tieres Innerhalb der biblischen Schriften werden mehrfach der Verzehr von Tieren, die nicht als Speise getötet wurden, sondern anderweitig gestorben sind, und der Genuss von Blut verboten. Dabei gehört das Verbot von Aas mit dem ge­ nerellen Verbot von Blutgenuss insofern zusammen, als bei Tieren, die eines natürlichen Todes gestorben oder von anderen Tieren getötet worden sind, mit dem Fleisch auch Blut verzehrt wird.9 Um dies zu vermeiden, ist eine bestimm­ te Art der Tötung notwendig, bei der das Blut vollständig aus dem Körper des Tieres läuft. Jedes Tier, das anders als durch eine solche Schächtung gestorben ist, ist für Israeliten verboten. 1.1.2.1

Bestimmungen zum Verzehr von Aas grundsätzlich erlaubter Tierarten Der Verzehr der grundsätzlich erlaubten Nahrungstiere ist durch die Sterbeart dieser Tiere beschränkt. Dabei hat nur das Essen von solchen Tieren, die durch den Menschen zu Nahrungszwecken getötet wurden, keinerlei negative Fol­ gen auf den Essenden. Demgegenüber erfordern Tiere, die zwar von ihrer Be­ schaffenheit her grundsätzlich als rein betrachtet werden, jedoch nicht richtig geschlachtet wurden, in jedem Fall besondere Anordnungen. Dies betrifft zum einen Tiere, die durch Verletzung, Krankheit oder Alter, d.h. eines natürlichen Todes, gestorben sind (‫)נְ ֵב ָלה‬, zum anderen solche Tiere, die durch ein anderes (wildes) Tier getötet oder zumindest so schwer verletzt wurden, dass sie daran sterben (‫) ְט ֵר ָפה‬.10 Häufig werden diese Tiere zusammen genannt. Die Bestim­ mungen zum Verzehr solcher Tiere, die verendet sind oder von anderen Tieren zerrissen wurden, sind nicht einheitlich, sondern reichen von der Feststellung einer rituell verunreinigenden Wirkung auf den Menschen und der Forderung nach entsprechenden Maßnahmen bis zu einem generellen Speiseverbot.11 So verunreinigen verendete und zerrissene erlaubte Tiere nach Lev 11,39f. den Menschen, der sie isst, trägt oder berührt, einen Tag bis zum Abend. Dabei wird für den Fall des Essens und Tragens eines solchen toten Tieres eine Waschung der Kleider und offenbar auch des eigenen Körpers gefordert.12 Auffällig ist 9  Diese Verbindung wird in jedem Fall in Lev 17,10–16 hergestellt. 10  Mit ‫ ְט ֵר ָפה‬sind Tiere, die von wilden Tieren verletzt worden sind, gemeint (Gen 31,39; Ex 22,12). Vgl. Gen 37,33; 49,27; Ez 22,25; Nah 2,13; Ps 22,14. 11  Zur zeitlichen Anordnung der verschiedenen Vorschriften in Ex 22,30; Lev 11,39f.; 17,15 und Dtn 14,21 vgl. z.B. Veijola, Dtn, 300, mit Braulik, Dtn I, 108. 12  Vgl. dazu, dass Milgrom, Lev I, 682, zufolge das Waschen der Kleider das in Lev 11 nicht genannte Waschen des Körpers einschließt (mit entsprechenden Belegen). Dabei wird das Waschen des Körpers in Lev 17,15 ausdrücklich erwähnt. Für Lev 11 wird das Baden im Wasser nur im samaritanischen Text zu Lev 11,25 und in Lev 11,40 LXX genannt.

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IIA Anordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel

somit, dass beim Essen von nicht richtig geschlachteten, aber grundsätzlich erlaubten Tieren nach Lev 11,39f. dieselben Reinigungsmaßnahmen notwendig sind wie beim Tragen von solchem Aas, nicht aber etwa intensivere Anstren­ gungen. Zudem rufen die Anordnungen zur Reinigung in Lev 11,39f. zwar dazu auf, den Kontakt mit Aas und das Essen von Aas nach Möglichkeit zu vermei­ den, verbieten den Verzehr jedoch nicht explizit.13 Darin stimmt Lev 11,39f. mit der in Lev 17,15 belegten Anordnung überein.14 Nach Lev 17,15 wird sowohl der Einheimische als auch der Fremde bis zum Abend unrein, wenn sie ein verende­ tes oder zerrissenes Tier essen (‫וּט ֵר ָפה‬ ְ ‫אכל נְ ֵב ָלה‬ ַ ֹ ‫)וְ ָכל־נֶ ֶפשׁ ֲא ֶשׁר תּ‬, und sie müssen sich selbst und ihr Kleid waschen, um wieder rein zu werden.15 Demgegenüber wird in Lev 22,8 für Priester16 der Verzehr von Tieren, die eines natürlichen Todes gestorben oder durch ein anderes Tier zu Tode gekommen sind, strikt verboten (‫אָה־בהּ‬ ָ ‫אכל ְל ָט ְמ‬ ַ ֹ ‫וּט ֵר ָפה לֹא י‬ ְ ‫ ;נְ ֵב ָלה‬vgl. Ez 44,31). Eine Übertretung dieses Verbotes wird unter Todesstrafe gestellt (22,9), da die heiligen Priester dadurch unrein werden und sich damit entheiligen (22,9; vgl. 21,6). In Dtn 14,21 wird der Genuss von allen verendeten Tieren strikt untersagt (‫אכלוּ ָכל־נְ ֵב ָלה‬ ְ ֹ ‫)לֹא ת‬, wobei dieses Verbot nicht auf den Priester beschränkt ist, sondern allgemein für ganz Israel gilt. Solche Tiere sollen entweder einem permanent im Land lebenden (vgl. Dtn 5,14; 14,29; 24,14; 31,12) Fremden gegeben werden, der sie essen kann (‫ר־בּ ְשׁ ָע ֶריָך ִּת ְּתנֶ ּנָ ה וַ ֲא ָכ ָלהּ‬ ִ ‫) ַלגֵּ ר ֲא ֶשׁ‬, oder einem Ausländer verkauft werden (‫)אֹו ָמכֹר ְלנָ ְכ ִרי‬. Dabei hat dieses generelle Verbot von Aas für ganz Isra­ el seinen Grund offenbar darin, dass hier ganz Israel als heilig angesehen wird (vgl. Dtn 14,2.21; s.u. 1.3).17 Ebenso verbietet Ex 22,30 den Verzehr von schwer verletzten Tieren (‫ ) ְט ֵר ָפה‬und ordnet stattdessen an, solches Fleisch den Hun­ den vorzuwerfen.18

13  Demgegenüber sind nach Lev 7,24f. auch die Bestandteile solcher Tiere wie beispielswei­ se Fette zum Verzehr verboten. 14  Vgl. dazu, dass Milgrom Lev 11,39f. und 17,15 derselben Quelle, nämlich dem „Holiness Code H“ zuweist (Lev II, 1486f.1857f.). Damit korrigiert er seine zunächst vorgeschlagene Zuordnung von Lev 11,39f. zur „Priestly Source P₃“ (vgl. Lev I, 694–696, mit Lev II, 1857). 15  Zu Unreinheit als Folge des Verzehrs eines verendeten oder zerrissenen Tieres vgl. auch Ez 4,14. 16  In priesterlichen Kreisen ist das Essen von Aas demzufolge offenbar für Laien nicht ver­ boten, so Milgrom, Lev II, 1485f., im Anschluss an Hoffmann, aber gegen Cohen. 17  Während nach Lev 17,15 für den Einheimischen dasselbe gilt wie für den Fremden – beide werden durch den Verzehr eines verendeten oder zerrissenen Tieres unrein –, wird in Dtn 14,21 eine strikte Differenz zwischen beiden gesehen. Die Fremden und Ausländer sind von den Heiligkeitsgesetzen nicht betroffen, wohingegen Israel als heiliges Volk gleichsam so handeln soll wie Priester (vgl. dazu Schwartz, Prohibitions, 64). 18  Zur Bewertung von ganz Israel als heilig vgl. Ex 19,6.

1 verbotene Speisen

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1.1.2.2 Das Verbot des Blutgenusses Das strikte Verbot des Genusses von Blut wird innerhalb der biblischen Schrif­ ten häufiger eingeschärft (Gen 9,4; vgl. auch Lev 3,17; 7,26f.; 17,10–14; 19,26; Dtn 12,16.23–25; 15,23f.; 1 Sam 14,32–34; vgl. auch Ez 33,25), wobei der genaue Wortlaut variiert. So wird im Rahmen des Blutgenussverbots in Lev 7,26 kon­ kret das Blut von Vieh und Vögeln erwähnt. Bisweilen finden sich allgemeinere Formulierungen, denen zufolge das Blut jedes Fleisches (‫אכלוּ‬ ֵ ֹ ‫ל־בּ ָשׂר לֹא ת‬ ָ ‫ַדּם ָכּ‬ in Lev 17,14) bzw. jedes Blut (‫אכלוּ‬ ֵ ֹ ‫ל־דּם לֹא ת‬ ָ ‫ […] וְ ָכ‬in Lev 3,17; vgl. auch 17,10) zu vermeiden ist. Das Blutverbot ist Teil des Bundesschlusses zwischen Gott und Noah und damit zwischen Gott und der ganzen Menschheit (vgl. Gen 9,4).19 Der Grund für dieses Verbot des Blutgenusses besteht darin, dass das Leben im Blut ist (Gen 9,4; Dtn 12,23).20 In Lev 17,10–1421 wird abgesehen von die­ ser Begründung, der zufolge der Mensch das Leben ehren soll (17,11.14), noch ein weiterer theologischer Grund für das Blutverbot angeführt. Danach dient das Blut der Tiere, das an den Altar gestrichen wird, nämlich zur Beseitigung der Sünde der Menschen (17,11). Bei den Tieren, die zum Verzehr erlaubt sind, ist demzufolge eine strikte Trennung des Fleisches vom Blut erforderlich (vgl. Lev 19,26). Um sie sicherzustellen, muss das Blut wie Wasser auf die Erde ge­ gossen (Dtn 12,16.23f.; 15,23) und mit Staub bedeckt werden (vgl. Lev 17,13). Eine Übertretung dieses Gebotes hat dabei nach Lev 17 schwerste Folgen: Wenn jemand nämlich trotz dieses Verbotes Blut isst, so wird er aus dem Volk ausge­ rottet werden (vgl. ‫ יִ ָּכ ֵרת‬in Lev 17,14 mit 17,10; vgl. auch Lev 7,27).22 1.1.3 Das Verbot von Götzenopferfleisch Das Verbot des Genusses von Götzenopferfleisch ist bereits in den hebrä­ ischen Schriften überliefert, und zwar näherhin im Kontext der Einladung zu Mählern bei Nichtjuden.23 Im Vergleich zu anderen Verboten aus dem Be­ reich des Götzendienstes,24 wie beispielsweise dem Verbot, sich Götzenbilder 19  So auch Milgrom, Lev I, 713, für die Deuteronomiumsstellen. In Lev 17,10.12f. wird der Blut­ genuss hingegen für Israeliten und die unter ihnen wohnenden Fremdlinge verboten. 20  Vgl. Milgrom, Lev I, 713: „Mankind has a right to nourishment, not to life. Hence the blood, the symbol of life, must be drained, returned to the universe, to God.“ 21  Ausführlich zum Blutverbot innerhalb von Lev 17 vor allem Schwartz, Prohibitions, 34–63; vgl. daneben auch Milgrom, Lev I, 704–713; ders., Lev II, 1469–1484.1501–1503. 22  Zur Ausrottung (‫ )כרת‬aus dem Volk als generell äußerste Strafmaßnahme vgl. z.B. Lev 7,20; 18,28f.; 20,18; Num 19,20; zu einer detaillierten Übersicht der verschiedenen Fälle dieser Strafe und den Verständnismöglichkeiten dieser Formel (früher Tod, Aussterben der folgenden Generation, fehlende Vereinigung mit den Vorfahren im Leben nach dem Tod) vgl. Milgrom, Lev I, 424f.457–460. 23  So in Ex 34,15; Num 25,2; s.u. 2. 24  Zum Verbot und zur Gefahr des Götzendienstes vgl. Dtn 13; Lev 19,31.

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IIA Anordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel

anzufertigen,25 oder dem Opfer an heidnische Götter,26 ist es jedoch nur selten belegt. Zur Unreinheit verbotener Speisen – zwischen physisch übertragbarer Unreinheit und Ausdruck für ein Verbot Das Verbot bestimmter Speisen wird sowohl in Lev 11/Dtn 14 als auch in ande­ ren Rekursen auf jüdische Speisegebote unter Verwendung der Unreinheitster­ minologie und verwandter Begriffe eingeschärft. Besonders häufig werden in diesem Rahmen ‫ טמא‬27 und ‫ שקץ‬gebraucht, seltener auch ‫גאל‬.28 Dabei finden sich im Einzelnen – wie die vorangehende Untersuchung gezeigt hat – zwei Arten von unreinen Tieren: erstens Tiere, die per se von ihrer Beschaffenheit her unrein und damit verboten sind, zweitens Tiere, die zwar von ihrer Be­ schaffenheit her offenbar grundsätzlich rein sind, aufgrund ihrer Sterbeart je­ doch sekundär unrein werden können. Damit stellt sich jedoch in besonderer Weise die Frage, wie diese Unreinheit jeweils genauer zu verstehen ist. Dabei kommen grundsätzlich zwei Formen der Unreinheit in Frage. Eine Durchsicht der hebräischen Schriften zeigt nämlich, dass die Unreinheitsterminologie in ihnen in zweifacher Weise gebraucht wird. 1.2

Exkurs 1: Zur rituellen und moralisch-ethischen Form der Unreinheit In der hebräischen Bibel findet sich ein breites Spektrum an unterschied­ lichen Reinheitsfragen. Ziel dieses Abschnittes ist es daher nicht, einen detaillierten Überblick über Themen zur Reinheit und Unreinheit zu geben, sondern die Grundmerkmale der Reinheits- bzw. Unreinheitsvor­ stellung herauszustellen, die für das vorliegende Thema von besonderer Bedeutung sind.29 In der h ­ ebräischen Bibel lassen sich im Wesentlichen zwei Arten von Unreinheit erkennen, und zwar zum einen die sogenannte rituelle oder kultische30 Unreinheit, zum anderen die moralisch-ethische 25  Zu diesem häufig belegten Verbot vgl. Ex 20,4f./Dtn 5,8f.; Ex 20,23; 34,17; Lev 19,4; 26,1; Dtn 4,15–19.25f. 26  Zu Opfern an heidnische Götter, auch von Wein, vgl. Dtn 32,37f. 27  Vgl. abgesehen von der häufigen Verwendung in Lev 11/Dtn 14 auch Hos 9,3f.; Ez 4,13f.; vgl. auch Ri 13,4.7. 28  Zu ‫ גאל‬im Kontext von Speisefragen vgl. Dan 1,8; im Opferkontext in Mal 1,7.12. Abgesehen davon häufig für die Besudelung durch Blut (Jes 59,3; 63,3; Klgl 4,14). Vgl. daneben Zef 3,1 (für Jerusalem). 29  Zu einem Überblick über die verschiedenen Forschungsgebiete zur Unreinheit im Juden­ tum vgl. zuletzt Rogan, Purity; zur Frage der unterschiedlichen Formen von Unreinheit bes. ebd., 319–323. 30  Zur Terminologie von „kultisch“, „rituell“, „levitisch“ vgl. Klawans, Impurity and Sin, 23. Während im Zentrum von Levitikus der Tempel steht, ist die Bezeichnung der Unreinheit

Exkurs 1: Zur rituellen und moralisch-ethischen Unreinheit

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Unreinheit.31 Auch wenn die Übergänge bereits in diesen Schriften flie­ ßend sind,32 unterscheiden sich diese beiden Formen der Unreinheit hier doch deutlich im Hinblick auf ihre Ursachen und Auswirkungen.33 Die sogenannte rituelle Unreinheit34 (vor allem Lev 12–15; Num 19,10– 22) hat in erster Linie natürliche Ursachen. Sie wird vor allem durch den Kontakt mit einer Leiche oder durch Körperflüssigkeiten hervorgerufen, und zwar bei einer Frau beispielsweise durch den Wochenfluss nach der Geburt eines Kindes oder durch das Menstruationsblut. Sie ist mehr oder weniger unvermeidbar und hat ihre Ursache damit nicht in einem sündi­ gen Verhalten des Menschen.35 Bei dieser Form der Verunreinigung han­ delt es sich zudem üblicherweise um einen zeitlich befristeten Zustand, als „kultisch“ vor allem mit Blick auf das Judentum des Zweiten Tempels insofern proble­ matisch, als die entsprechende Unreinheit dann in jedem Fall für das alltägliche Leben von Bedeutung ist. 31  Grundlegend zum Folgenden Klawans, Impurity and Sin, bes. 21–42. 32  Zu Beispielen für eine Überlagerung von ritueller Unreinheit und Sünde vgl. z.B. Lev 7,20f.; 15,31; 22,3–7; Num 19,13.20. Dabei ist nicht das Zustandekommen der rituellen Unreinheit selbst sündhaft, wohl aber die Vernachlässigung von deren Beseitigung und die daraus folgende weitere Verunreinigung. 33  Dass sich die rituelle und moralisch-ethische Form der Unreinheit trotz der Überschnei­ dung in der Terminologie im Hinblick auf die jeweilige Ursache und die Art und Weise ihrer Beseitigung deutlich voneinander unterscheiden, wird in der Forschung allgemein gesehen. Strittig ist jedoch, wie die moralisch-ethische Unreinheit – auch im Blick auf ihr Verhältnis zur rituellen Unreinheit – genau zu bestimmen ist. So wird sie zumeist als eine Ableitung aus der Vorstellung der körperlichen Unreinheit und dementsprechend als eine Metapher gedeutet (so z.B. Milgrom, Lev I, 37; Neusner, Idea, 11–15.108; weitere Ver­ treter bei Klawans, Impurity and Sin, 32 mit Anm. 72f.; daneben Klauck, Heil, 34–36). Eine solche nur metaphorische Deutung der moralischen Unreinheit lehnt vor allem Klawans entschieden ab und versteht diese stattdessen als eine eigene Konzeption der Unreinheit. Nur an wenigen Stellen diene rituelle Reinheit bzw. Unreinheit zur Verdeutlichung von Gerechtigkeit bzw. Sündhaftigkeit (vor allem Jes 64,4f.; Ez 36,17; Jer 2,22; 33,8; Klgl 1,8.17; Ps 51,4f.9; vgl. Gen 35,2; Ps 73,13), wobei dieser metaphorische Gebrauch jeweils deutlich eingeführt werde (bes. Impurity and Sin, 32–36). Ähnlich für die Konzeption der inneren Reinheit im griechischen Bereich auch Petrovic/Petrovic, Inner Purity, die anhand der Erwähnung der inneren Reinheit in frühen Inschriften aufzeigen, dass diese Vorstellung so alt ist wie die der körperlichen (Un-)Reinheit. Röhser, Metaphorik, 39–48, zeigt am Beispiel des Mordes, dass im Hintergrund der metaphorischen Redeweise die wörtliche Verwendung steht, nämlich die durch Mord mit Blut befleckte Hand (bes. 47f.). Die These Klawans von zwei unabhängigen Reinheits-/Unreinheitssystemen hat in der Forschung mehrfach Kritik erfahren, wobei jeweils betont wird, dass die Grenze dieser beiden Systeme fließend ist und es möglicherweise gar kein wirkliches System gibt (vgl. Kazen, Dirt, 44f.; Miller, Pools, 228 Anm. 48; Nihan, Forms, 321 [Anm. 27] und 344–350; Lemos, Dirt, 288). 34  Ausführlicher zu den rituellen Reinheitsgesetzen vgl. auch Hoffmann, Lev I, 301–308. 35  So auch betont von Frymer-Kensky, Pollution, bes. 403; Wright, Spectrum, 157.

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IIA Anordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel

der entweder durch das bloße Abwarten oder aber durch Reinigungsri­ ten wie eine entsprechende Waschung beseitigt werden kann. Sie be­ zieht sich daher in erster Linie auf den Körper und hinterlässt an diesem einen materiellen Schaden, der durch physischen Kontakt übertragen werden kann.36 Aufgrund dieser ansteckenden Wirkung erfordert ritu­ elle Unreinheit eine gewisse Absonderung der als unrein qualifizierten Person, und zwar näherhin einen zeitlich befristeten Ausschluss37 vom Heiligen oder gar aus der Gemeinschaft.38 Dabei führt rituelle Unrein­ heit insbesondere zu Einschränkungen im Hinblick auf die Kultfähigkeit. Zum Schutz des Heiligen vor Verunreinigung sind rituell unreine Perso­ nen nämlich von heiligen Räumen und der Teilnahme an rituellen Akten strikt ausgeschlossen.39 Der Gebrauch der Unreinheitsterminologie ist bereits im biblischen Sprachgebrauch nicht auf solche Fälle von Unreinheit beschränkt, zu deren Beseitigung – wie für die Vorstellung der Unreinheit üblich – eine Waschung erforderlich ist. Reinheit erscheint nämlich häufiger als Gegen­ begriff zu Sünde40 oder in Parallelität zum Begriff der Gerechtigkeit.41 Dementsprechend bezieht sich das Rein-Unrein-Paradigma in diesen Fällen auf moralische Vergehen und deren Folgen (vgl. vor allem Lev 18; 20). Unreinheit resultiert demzufolge nicht aus dem physischen Kontakt mit etwas Unreinem, sondern aus einer falschen Handlung. Als Vergehen, die den Menschen in moralischer Hinsicht verunreini­ gen, werden hauptsächlich Blutvergießen bzw. Mord,42 Götzendienst43

36  Vgl. dazu den Gebrauch von ‫ נגע‬für den Weg der Übertragung, z.B. beim Anrühren toter Tiere, so in Lev 11,24; Dtn 14,8. 37  Der Zeitraum kann zwischen einem Tag (vgl. Lev 15,5.19.21–23 für jemanden, der mit einer Menstruierenden oder einem Mann mit Samenfluss in Kontakt kommt) über eine Woche (Num 19 für jemanden, der mit einem Toten in Kontakt gekommen ist; Lev 15,19 für die Menstruierende) bis hin zu längeren Zeiträumen reichen (vgl. Lev 12,1–8: 33 oder 66 Tage für eine Frau nach der Geburt eines Kindes, abhängig von dessen Geschlecht), ist jedoch nicht dauerhaft (so selbst im Fall des Aussätzigen, der bis zum Ende seiner Erkrankung isoliert werden soll, Lev 13,1–14,32). 38  Eine solche soziale Ausgrenzung als Folge seiner Krankheit wird beispielsweise mit Blick auf den Aussätzigen gefordert. Er ist nämlich insofern von gesellschaftlicher Teilhabe aus­ geschlossen, als er für die Zeit seines Leidens isoliert außerhalb des Lagers wohnen soll (Lev 13,45f.). 39  Vgl. Lev 7,20f.; 12,4f.; 15,31; 22,3–7; Num 5,1–4. 40  Zur verunreinigenden Wirkung der Sünde vgl. Lev 16,30; Ez 39,23f.; Hos 5,3; 6,10. 41  Zur Verbindung von Reinheit und Gerechtigkeit vgl. Spr 20,9; Hiob 4,17. 42  Vgl. Num 35,33f. 43  Vgl. Lev 19,31; 20,1–3; Jer 2,7.23; Ez 20,30f.; 23,30; 36,18.25; Ps 106,35–40.

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und sexuelle Vergehen44 genannt.45 Sie führen nicht zu einer temporären Verunreinigung, die ansteckend ist und einfach durch den Menschen selbst beseitigt werden könnte. Die Folgen für den Menschen, der diese schweren Vergehen verübt, sind vielmehr vor allem rechtlicher Art und dienen der Bestrafung. Sie bestehen im Einzelnen entweder aus einem permanenten Statusverlust, welcher einen Ausschluss vom enge­ ren Kontakt mit sozial Höhergestellten impliziert,46 dem Exil47 oder gar der Todesstrafe.48 Wie sind die entsprechenden Speiseanordnungen in Lev 11/Dtn 14 nun innerhalb dieses größeren Rahmens zur Unreinheitsvorstellung zu verorten? 1.2.1 Rituelle Unreinheit als Folge des Verzehrs von Aas Im Rahmen von Lev 11 trifft der Komplex der rituellen Unreinheit eindeutig auf den Gebrauch der Unreinheitsterminologie für einen Menschen zu, der Aas berührt hat (11,24–26.31). Bei der daraus resultierenden Unreinheit han­ delt es sich nämlich um einen vorübergehenden Zustand von einem Tag. Da­ rüber hinaus gehört auch die Verunreinigung durch den Genuss von Aas von Nahrungstieren (Lev 11,39f.) zur rituellen Form der Unreinheit. Wie für rituelle Unreinheit typisch, besteht nämlich auch diese Unreinheit temporär bis zum Abend und lässt sich durch entsprechende Waschungen beseitigen (11,40). Die Unreinheit der verbotenen Tierarten – eher moralische als rituelle Unreinheit Demgegenüber ist eine klare Zuordnung der aus dem Essen von verbotenen Tierarten resultierenden Unreinheit schwieriger, da sie sich in der Tat sowohl von den typischen Formen moralischer Unreinheit als auch von den üblicher­ weise für Formen der rituellen Unreinheit in Anschlag gebrachten Parametern deutlich unterscheidet. Daher schwankt die Forschung in der Frage, ob der 1.2.2

44  Vgl. Lev 18,6–20.22–30; Jer 3,1; vgl. Num 5,11–31; Dtn 24,4. 45  Zur Verbindung von Götzendienst und Mord vgl. Ez 22,1–4. 46  Vgl. dazu Klawans, Impurity and Sin, 29–31.33f.41, der u.a. im Anschluss an Qimron/ Strugnell, DJD 10, 145–147, aber gegen die gängige Forschung, eine Trennung zwischen einem Ausschluss wegen ritueller Unreinheit und wegen einer Degradierung im Status fordert (so Klawans, a.a.O., 110f.137; zu Vertretern für eine solche Vermischung vgl. 137 Anm. 6). 47  Bei sexuellen Vergehen (Lev 18,28), Götzendienst (Ez 36,19), Götzendienst und Blutver­ gießen (Ps 106,34–42); vgl. dazu auch die Androhung, dass Israel zum Spott unter den Völkern wird (Ez 22,1–4). 48  Todesstrafe für sexuelle Vergehen (Lev 18,29; 20,10.15.18), für Götzendienst (Lev 20,1–3).

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IIA Anordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel

Genuss der verbotenen Tiersorten einen rituell verunreinigenden Effekt hat49 oder eher eine moralisch-ethische Verunreinigung50 hervorruft. Aufschluss über die Art der „Unreinheit“ der verbotenen Tiersorten kann vor allem das auffällige Nebeneinander von ‫ שקץ‬und ‫ טמא‬in Lev 11 geben. So lässt sich für diese beiden Termini zwar deutlich eine Entwicklung zu Synonymen erken­ nen. Insbesondere der Gebrauch von ‫ שקץ‬spricht angesichts der Wortbedeu­ tung und sonstigen Verwendungsweise dieses Terminus jedoch für ein eher moralisches Verständnis der Unreinheit verbotener Fleischsorten. Die Bezeichnung der verbotenen Tiere als „unrein“ oder als „Abscheulichkeit“ Die von ihrer Beschaffenheit her erlaubten Tiere werden jeweils als „rein“ (‫)טהר‬51 bezeichnet (vgl. auch Gen 7,2.8; 8,20). Die generell verbotenen Tiere werden in den einzelnen Texten hingegen unterschiedlich benannt. Dabei ist die Bezeichnung weder innerhalb der Aufzählung von Lev 11 noch zwischen den beiden Listen in Lev 11 und Dtn 14 einheitlich. So schwankt die Bezeich­ nung in Lev 11,10–43 zwischen ‫ ָט ֵמא‬und ‫ ֶׁש ֶקץ‬.52 In Dtn 14,3–21 wird für die ver­ botenen Tiere hingegen durchgehend die Wurzel ‫ טמא‬verwendet. Daneben dient dort innerhalb der überschriftartigen Einleitung dieser Liste der Begriff ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ als allgemeine Bezeichnung für verbotene Speisen (14,3). Diese verschiedenen Bezeichnungen bedeuten unter pragmatischem Ge­ sichtspunkt jeweils, dass sich Israel von diesen Speisen unbedingt fernhalten soll. Im Einzelnen wird die Forderung nach einer strikten Kontaktvermeidung jedoch auf unterschiedliche Art und Weise zum Ausdruck gebracht. Im Zen­ trum des besonders häufig gebrauchten Terminus ‫ טמא‬liegt der Gedanke der 1.2.2.1

49  Wright, Spectrum, 165–169; ders., Unclean, 730f., ordnet die Speisegesetze der rituellen Unreinheit (d.h. „permitted“ oder „tolerated“) zu, u.a. mit dem Argument, dass sich kei­ nerlei Hinweise darauf finden, dass ein Übertreter der Speisegesetze das Heiligtum ver­ unreinige, ein Chattat-Opfer bringen muss oder gar die Todesstrafe verdient. 50  So vor allem im Anschluss an Milgrom und Hoffmann zuletzt Klawans, Impurity and Sin, 31f., u.a. mit dem Hinweis darauf, dass die Speisegebote in der Mischna nicht im Seder Toharot, sondern im Seder Kodaschim behandelt werden. 51  Die Wurzel ‫ טהר‬bedeutet im Qal „rein sein, werden“, das Piel ist meist deklarativ („für rein erklären“), oft jedoch auch faktitiv („reinigen“), vgl. Maass, ‫טהר‬, 646–648. Dabei beziehen sich die meisten Belege auf kultische Reinheit (Ringgren, ‫ ָט ַהר‬, 309–312), deutlich seltener hingegen auf moralische Reinheit (313f.). Vgl. Gesenius, s.v. ‫ טהר‬Qal: „kult. rein sein od. werden“; Piel 2a: „f. kult. rein erklären“; 2b: „kult. reinigen“; Köhler/Baumgartner, s.v. ‫טהר‬ Qal: „rein sein (c. ‫ ִמן‬v. kult. Verunreinigung“); Piel 1: „rein fegen“; 2: „(‫ ִמן‬v. kult. Verunreini­ gung) f. rein erklären“ (im Original teilweise hervorgehoben). 52  Im Einzelnen wird ‫ שקץ‬achtmal als Nomen (Lev 11,10–13.20.23.41f.) und dreimal als Verb gebraucht (11,11.13.43).

1 verbotene Speisen

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Verunreinigung.53 Durch eine solche Bezeichnung als „unrein“ wird die ent­ sprechende Speise mit einem Stigma belegt, welches Distanznahme zu ihr nötig macht und auslösen soll. Unreinheit hat nämlich in jedem Fall Konse­ quenzen und soll daher vermieden werden. Die im Gebrauch von ‫ טמא‬dem­ zufolge implizierte ablehnende Reaktion Israels wird ausdrücklich durch ‫שקץ‬ und ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ aktualisiert.54 Diese Termini stehen nämlich zwar in einer Ver­ bindung mit dem Wortfeld der Verunreinigung,55 haben jedoch eine eigene semantische Komponente. Sie bezeichnen selbst nicht den Vorgang der Ver­ unreinigung, sondern bestimmen die entsprechenden Speisen als etwas, das Abscheu, ja geradezu Ekel hervorruft. Sowohl ‫ שקץ‬56 als auch ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ  57 sind als „Abscheu, Gräuel“ bzw. „abscheulich, ekelerregend, verabscheuen“ zu glossie­ ren. Für diese beiden Begriffe lässt sich insgesamt eine deutliche Überlappung und Parallelität erkennen. Beide Termini dienen jeweils zur Kennzeichnung von solchen Dingen, die Juden strikt verboten sind. Dabei ist der Gebrauch von ‫ שקץ‬im Wesentlichen auf zwei Kontexte beschränkt. Abgesehen von Tieren, deren Verzehr aufgrund ihres Wesens für Israel generell verboten ist (Lev 11,10–43),58 wird er ansonsten nämlich nur mit Bezug auf fremde Götter 53  Vgl. Gesenius, s.v. ‫ טמא‬Qal: „kult. unrein sein od. werden, a. i.S.v. sich verunreinigen“, Piel 1: „f. kult. unrein erklären“, 2: „jem. od. etw. kult. verunreinigen“; Köhler/Baumgartner, s.v. ‫ טמא‬Qal: „kultisch unrein w.“; Piel 1: „entehren“; 2: „entweihen“; 3: „kultisch verunrei­ nigen“; 4: „für unrein erklären“; vgl. Clines, s.v. ‫ טמא‬Qal: „be(come) impure, unclean, alw. ritually“; Piel 1: „make impure, make unclean, defile, desecrate, alw. ritually“; 2: „declare impure, unclean“ (im Original teilweise hervorgehoben). 54  Vgl. dazu die parallele Verwendung von ‫ שקץ‬zu ‫אכלּו‬ ֵ ֹ ‫( לֹא ת‬Lev 11,11) bzw. ‫( לֹא יֵ ָא ְכלּו‬11,13). Vgl. dazu auch Hieke, Lev I, 423, der ausdrücklich feststellt, dass die Bestimmung der Tiere als ‫ שקץ‬nicht bedeutet, dass an den Tieren selbst etwas Schlechtes ist, sondern dass sie verboten sind. 55  Zur Verbindung von ‫ שקץ‬zu ‫ טמא‬vgl. abgesehen von der Verwendung als Parallelbegriffe für die Bezeichnung verbotener Tiere (vgl. dazu bes. Lev 11,43; 20,25) vor allem Lev 7,21; daneben gehäuft in Gestalt der Verunreinigung durch Götzendienst (Ez 5,11; 20,7.30; 37,23; Jer 7,30/32,34). Zur Parallelität von ‫ טמא‬und ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ vgl. Jer 2,7 u.ö. 56  Vgl. dazu Gesenius, s.v. ‫ ֶׁש ֶקץ‬: „Abscheuliches, Greuel“; Freedman/Welch, ‫ׁשקץ‬, 462. Dabei wird insbesondere für den Gebrauch in Lev 11 jeweils eine Abscheu gegenüber kultisch Unreinem angenommen, so besonders deutlich Köhler/Baumgartner, s.v. ‫ ׁשקץ‬Piel 1: „als kultisch unrein verabscheuen“ (im Original teilweise hervorgehoben). Dagegen s.u. 1.2.2.2. 57  Vgl. Gesenius, s.v. ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ : „was Abscheu erregt, Greuel, Abscheulichkeit“. Vgl. dazu vor allem den Gebrauch des Verbums ‫ תעב‬im Sinne von „hassen, ablehnen“ (z.B. Am 5,10; Ps 119,163). 58  Wie die Unreinheitsterminologie wird ‫ שקץ‬zum einen für die verbotenen Tiere ge­ braucht, und zwar zumeist in Gestalt der Formulierung ‫( ֶשׁ ֶקץ הוּא ָל ֶכם‬Lev 11,12.20.23; vgl. 11,10), daneben als Verbum (nur im Piel) mit der tabuisierten Nahrung als Objekt (Lev 11,11.13). Außerhalb von Levitikus findet sich ein ähnlicher Gebrauch höchstens

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IIA Anordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel

bzw. Götzen verwendet.59 Eine Nähe zwischen ‫ שקץ‬und ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ lässt sich be­ sonders deutlich daran erkennen, dass auch ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ abgesehen von Speise­ fragen mit Bezug auf Götzendienst gebraucht wird.60 Insgesamt wird ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ deutlich häufiger als ‫ שקץ‬und für ein ganzes Spektrum von Dingen verwendet, wie der Gebrauch innerhalb der Gräuellisten (Lev 18,6–23; Ez 22,2–12) zeigt. Eine besondere Vorliebe für ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ lässt sich in der deuteronomischen/deute­ ronomistischen Literatur erkennen.61 Näherhin soll Israel das verabscheuen, was Gott verabscheut. Bisweilen wird nämlich ausdrücklich festgestellt, dass Gott die entsprechenden Handlungen und Bräuche ablehnt.62 Dementspre­ chend bedeutet das Tun einer Sache, die als ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ bezeichnet wird, immer ein Handeln gegen Gott und damit eine Verfehlung.63 Bisweilen ist mit dem Begriff ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ deutlich eine Gegenüberstellung Israels zu anderen Völkern verbunden. Gelegentlich werden die entsprechenden Praktiken nämlich aus­ drücklich als Sitten gekennzeichnet, die zwar bei den umliegenden Völkern verbreitet sind,64 für Israel jedoch auf keinen Fall gelten sollen.65 Ein Israelit, der eine solche „Abscheulichkeit“ tut, soll hingegen aus seinem Volk ausgerot­ tet werden (Lev 18,29). in Jes 66,17. Zum anderen wird das Verbum ‫ שקץ‬auch mit dem Menschen als Objekt gebraucht (vgl. Lev 11,43; 20,25) und bezeichnet dann die Folge bei einer Missachtung des entsprechenden Nahrungstabus. Zu einer solchen Verbindung mit Bezug auf eine verbo­ tene Sache und den Menschen vgl. auch Hos 9,10 mit Bezug auf die Verehrung von Baal. 59  Vgl. vor allem Ez 8,10; daneben Ez 5,11; 7,20; 11,18.21; 20,7.30; 37,23; Jer 4,1; 7,30/32,34; 16,18. 60  Vgl. dazu vor allem die Zusammenstellung beider Begriffe, u.a. in Dtn 7,25f. innerhalb des Verbots, Götzenbilder in das Haus mitzunehmen. Man soll vielmehr Ekel und Ab­ scheu vor ihnen haben (‫) ַשׁ ֵקּץ ְתּ ַשׁ ְקּ ֶצנּוּ וְ ַת ֵעב ְתּ ַת ֲע ֶבנּוּ‬. Vgl. daneben 2 Kön 23,13; Ez 5,11 (‫ל־תֹּועב ָֹתיִ ְך‬ ֲ ‫וּב ָכ‬ ְ ‫קּוּציִ ְך‬ ַ ‫ל־שׁ‬ ִ ‫ ;) ְבּ ָכ‬7,20; 11,18.21; Jer 16,18; 32,34f. 61  So abgesehen von verbotenen Speisen in Dtn 14,3 vor allem für Götzendienst (7,25f.; 13,15; 20,18; 27,15; 32,16), heidnische Opferbräuche und Zauberei (12,31; 17,1.4; 18,12), sexuelle Ver­ gehen (22,5; 23,19; 24,4), falsche Gewichte (25,15f.). In Levitikus wird ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ hingegen nur für sexuelle Vergehen verwendet (Lev 18,22.26f.29f.; 20,13; vgl. dazu auch Ez 22,11; 33,26; vgl. daneben auch den Gebrauch für Mord in Ez 22,2; 23,36; 33,26). 62  Vgl. dazu die ausführlichen Feststellungen in Dtn 12,31; 32,16; daneben die im Deuterono­ mium gehäuft belegte Formel „etw. ist ein Gräuel für Jahwe“, z.B. Dtn 7,25f.; 17,1; 22,5; 23,19; 25,16; vgl. auch 27,15; 32,16. 63  So im Umfeld zum Teil ausdrücklich festgestellt; vgl. Dtn 24,4 (‫אָרץ‬ ֶ ‫ת־ה‬ ָ ‫;)וְ לֹא ַת ֲח ִטיא ֶא‬ Lev 18,25 (‫ ;) ֲעֹונָ ּה‬Jer 16,18 (‫אתם‬ ָ ‫ ;) ֲעֹונָ ם וְ ַח ָטּ‬Jer 2,7 mit 2,22; 7,30; 32,35. 64  Vgl. „Gräuel der Völker“ in Dtn 18,9–12; vgl. auch Lev 18,24.29f.; 1 Kön 14,24; 2 Kön 16,3; 2 Chr 36,14; vgl. Dtn 12,31; 20,18. 65  Vgl. dazu Preuß, ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ , bes. 584f. (bei den deuteronomischen/deuteronomistischen ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ -Bestimmungen handle es sich „nicht nur um kultische Abgrenzung […], sondern auch um ethisches Verhalten, das zu JHWH und seinem Volk […] nicht paßt, das Israel [meist aus seiner Umgebung] nicht übernehmen soll, weil damit sein JHWH-Glaube gefährdet wäre“); vgl. 590f.

1 verbotene Speisen

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1.2.2.2

Die Entwicklung der Unreinheitsterminologie zu einer Sammelbezeichnung für das Verbotene In Lev 11 lässt sich abgesehen von Lev 11,43 eine distinkte Verwendung von ‫שקץ‬ und ‫ טמא‬erkennen, wobei der Gebrauch dieser beiden Termini offenbar von der Frage einer Verunreinigung beim Berühren des jeweiligen Tierkadavers abhängt: Gerade das Problem der kultischen Verunreinigung auf taktile Art und Weise stellt eine Besonderheit von Lev 11 gegenüber Dtn 14 dar. Während Dtn 14 den Akzent auf die generelle Unterscheidung der zum Essen er­ laubten und verbotenen Tiere legt,66 werden die jeweiligen Fleischsorten in Lev 11 nämlich auch unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Ver­ unreinigung durch das Berühren oder Tragen eines gestorbenen Tieres klassifiziert. Dabei sind die Angaben in Bezug auf eine etwaige Verun­ reinigung beim Berühren des Aases von verbotenen Tieren nicht einheit­ lich. Damit verbunden ist eine auffällige Differenz im Gebrauch von ‫טמא‬ und ‫ שקץ‬für die jeweiligen Tiere. Als ‫ ָט ֵמא‬werden die verbotenen Vier­ füßler (Lev 11,4–8.24–28) und die acht namentlich genannten Kleintiere (11,29–38) bezeichnet. Für sie wird angeordnet, weder von ihnen zu essen noch ihr Aas anzurühren (vgl. auch 5,2). Kommt man hingegen trotz die­ ser Ermahnung67 mit dem Aas dieser Tiere in Berührung, so wird man unrein bis zum Abend, wobei für den Fall, dass man das Aas trägt, eine zusätzliche Forderung nach einer Waschung der Kleider erwähnt wird (11,24–26;68 vgl. 11,27f.). Sie zeigt deutlich, dass das Aas der entsprechen­ den Tiere als rituell verunreinigend angesehen wird. Die verbotenen Was­ sertiere (11,10–12), Vögel (11,13–19) und Kriechtiere (11,20–23.41f.) werden hingegen als ‫ ֶׁש ֶקץ‬bezeichnet. Sie sind zwar zum Verzehr ebenfalls strikt verboten (Lev 11,10–13.20.23.41f.), doch wird für sie eine Verunreinigung durch das Berühren ihres Aases auffälligerweise nicht erwähnt. Anstelle zusätzlicher Handlungsanweisungen wie einer notwendigen Waschung wird vielmehr gefordert, das Aas dieser Tiere als Speise zu vermeiden,

66  Eine Verunreinigung durch Berührung von Aas wird aber auch in Dtn 14,8 erwähnt. 67  Nach Milgrom, Lev II, 1485f., handelt es sich bei dieser apodiktischen Formulierung nicht um ein striktes Verbot, sondern um „an appeal to conscience“, da Strafmaßnahmen erst für den Fall einsetzen, dass der durch die Berührung von Aas unrein Gewordene nicht die nötigen Reinigungsmaßnahmen ergreift, sondern sich dem Heiligen in einem unreinen Zustand nähert (Lev 7,20f.). 68  Vgl. dazu, dass Lev 11,24f. mit V. 26 zusammengehört, Milgrom, Lev I, 667.

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IIA Anordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel

wie es für diese Tiere generell gilt.69 Die als ‫ ֶׁש ֶקץ‬bezeichneten Tiere, d.h. vor allem Wassertiere und Vögel, sind demzufolge aber offenbar ri­ tuell rein.70 Der Gebrauch von ‫ שקץ‬ist demzufolge auf das Nahrungsverbot beschränkt. Demgegenüber bezeichnet ‫ ָט ֵמא‬in Lev 11 ursprünglich offenbar nicht eine etwaige Verunreinigung durch Essen, sondern eine rituelle Verunreinigung durch eine Berührung von Aas.71 Tiere, die nur als Nahrung strikt verboten sind, werden somit offensichtlich ursprünglich gerade nicht als „unrein“ bezeichnet. In Lev 11,43f. und 20,25 lässt sich dann eine Entwicklung dieser beiden Ter­ mini zu einer gleichsam synonymen Verwendung erkennen,72 wodurch die Bedeutung von ‫ טמא‬eine Veränderung erfährt: In Lev 20,25 lässt sich eine deutliche Ausweitung des Begriffs ‫ טמא‬erken­ nen. Hier werden dann nämlich auch solche Tiere wie beispielsweise die Vögel, deren Aas offensichtlich gar nicht kultisch verunreinigt und die in Lev 11 als ‫ ֶׁש ֶקץ‬bezeichnet werden, als unrein (‫ )טמא‬qualifiziert. Um­ gekehrt wird ‫ שקץ‬auch innerhalb einer Formulierung mit dem Vieh ver­ wendet. Lev 20,25 ordnet nämlich an, zwischen reinem und unreinem Vieh zu unterscheiden, ebenso zwischen unreinen und reinen Vögeln (‫ין־העֹוף ַה ָטּ ֵמא ַל ָטּהֹר‬ ָ ‫וּב‬ ֵ ‫ין־ה ְבּ ֵה ָמה ַה ְטּה ָֹרה ַל ְטּ ֵמאָה‬ ַ ‫)וְ ִה ְב ַדּ ְל ֶתּם ֵבּ‬, „damit ihr euch73 nicht selbst zu etwas Abscheulichem, d.h. verabscheuenswert,74 macht am Vieh und an den Vögeln und an allem, was auf der Erde kriecht (‫א־ת ַשׁ ְקּצוּ ֶאת־נַ ְפשׁ ֵֹת ֶיכם ַבּ ְבּ ֵה ָמה ָוּבעֹוף ְוּבכֹל ֲא ֶשׁר ִתּ ְרמֹשׂ ָה ֲא ָד ָמה‬ ְ ֹ ‫)וְ ל‬, welches ich für euch als unrein unterschieden habe (‫ר־ה ְב ַדּ ְל ִתּי ָל ֶכם ְל ַט ֵמּא‬ ִ ‫) ֲא ֶשׁ‬.“ Diese Synonymität von ‫ טמא‬und ‫ שקץ‬zeigt sich auch in Lev 11,43f. in Form der 69  Vgl. dazu, dass mit Bezug auf diese Tiere das Verbum ‫ שקץ‬Piel zum einen mit deren Aas als Objekt gebraucht wird (so für die grundsätzlich verbotenen Wassertiere in Lev 11,11: ‫)וְ ֶאת־נִ ְב ָל ָתם ְתּ ַשׁ ֵקּצוּ‬, zum anderen mit den Tieren selbst, unabhängig vom Aas (so 11,13 mit Bezug auf die im Folgenden genannten Vögel). 70  Vgl. dazu, dass ‫ שקץ‬auch ansonsten anders als ‫ טמא‬nicht für eine solche Form der Unreinheit verwendet wird, die zeitlich befristet ist und die durch eine Waschung besei­ tigt werden soll. 71  Zu dieser Differenzierung vgl. zuletzt Hieke, Lev I, 423.429–431, im Anschluss an Milgrom und Meshel; mit einer Tabelle (430). Näheres zu dieser Unterscheidung vor allem bei Mil­ grom, Lev I, 648.656–659.682–684 (unter Hinweis darauf, dass ‫ שקץ‬auch bei den Rab­ binen stets den Gedanken der Nahrungsaufnahme impliziert); ausführlicher ders., Terms. 72  So Milgrom, Terms, 115f.; Freedman/Welch, ‫ׁשקץ‬, 463 („grundsätzliche Synonymität“). 73  Gegen Milgrom, Lev I, 684, der ‫יכם‬ ֶ ‫ ֶאת־נַ ְפׁש ֵֹת‬genauer als Kehle des Menschen versteht. 74  Anstelle von „verabscheuen“, ist ‫ שקץ‬in Lev 11,43; 20,25 als „sich abscheulich machen“ zu verstehen (vgl. Freedman/Welch, ‫ׁשקץ‬, 262f.).

1 verbotene Speisen

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gleichzeitigen Verwendung beider Begriffe für das Kleingetier.75 In Lev 11,43 folgt auf die ‫שקץ‬-Wendung nämlich eine Formulierung, in der das Verbum ‫ טמא‬Hitpael als Parallelbegriff zu ‫ שקץ‬verwendet wird.76 Durch diese Überlappung der beiden Begriffe ist ‫ טמא‬selbst eindeutig nicht mehr auf temporäre rituelle Unreinheit durch Berührung beschränkt, sondern bezieht sich auch auf die Vermeidung verbotener Tiersorten. Die Unreinheits­ terminologie steht damit selbst in deutlicher Nähe zu dem auf ‫ שקץ‬zutreffen­ den Verständnis im Sinne von „verabscheuen“.77 Sie ist somit gleichsam zu einer Sammelbezeichnung für das gesetzestreuen Juden Verbotene geworden, ohne dass diese verbotenen Dinge in jedem Fall in einem rituellen Sinne ver­ unreinigen würden. 1.2.2.3 Strafen als Folgen eines Verzehrs verbotener Fleischsorten Abgesehen von diesem präzisen Sprachgebrauch lassen sich weitere Argumente für eine Unterscheidung der Unreinheit verbotener Tierarten von der rituellen Unreinheit angeben.78 So werden für den Verzehr der generell verbotenen Tier­ arten eindeutige Merkmale der rituellen Unreinheit wie beispielsweise die Auf­ forderung zu entsprechenden Reinigungsmaßnahmen nicht erwähnt.79 Eine Übertretung dieses grundsätzlichen Verbots zieht in jedem Fall dauerhaftere und schwerwiegendere Sanktionen nach sich als beispielsweise nur eine tem­ poräre und einfach durch Waschung zu beseitigende Verunreinigung. So fordert Lev 20,25 etwa die Unterscheidung zwischen reinen und unreinen Tieren sowie die Vermeidung von unreinen Tieren in einem Kontext (vgl. 20,22–26), in dem 75  So zuletzt Hieke, Lev I, 429–431, der für Lev 11,43f. einen Einfluss von Lev 20,25f. annimmt. Milgrom, Lev I, 694, zufolge gehören Lev 11,43 und 20,25 zu H; vgl. dazu die Begründung der Speisegesetze durch die Heiligkeit Jahwes, wobei die für P typische Begrenzung von ‫ ֶׁש ֶקץ‬auf Nicht-‫ ָט ֵמא‬-Tiere (Lev 11,9–23.41f.) auf alle verbotenen Tiere ausgeweitet worden sei (vgl. Lev II, 1763, mit ders., Lev I, 684f.700f.). 76  Vgl. dazu auch den Gebrauch von ‫ טמא‬im Piel in Verbindung mit ‫יכם‬ ֶ ‫ ֶאת־נַ ְפׁש ֵֹת‬in Lev 11,44. 77  Milgrom schlägt für beide Verben ein Verständnis im Sinne von „revile, abominate“ vor (Terms, 114–116). Zum Gebrauch von ‫ טמא‬als Bezeichnung für Unreinheit durch Nah­ rungsaufnahme vgl. ders., Lev I, 685.694. 78  Zu einer Unterscheidung der durch das Essen verbotener Tierarten entstehenden Unrein­ heit von ritueller Unreinheit vgl. auch Tomson, Food Laws, 198f.: Die Speisegebote seien „defined by inherent qualities which are not transferable“ (199, Hervorhebung im Origi­ nal), unabhängig von Tempel und Priesterschaft. 79  Auf eine rituelle Unreinheit der verbotenen Tiersorten könnte höchstens Lev 11,26 hin­ weisen (so z.B. Gerstenberger, Lev, 130), doch wird die dortige Aussage von der Verun­ reinigung durch das Anfassen von verbotenen Vierfüßlern in der rabbinischen Tradition in Analogie zur Verunreinigung durch Aas in Lev 11,8.11.24.27f.31f. gelesen (vgl. dazu mit Belegen Tomson, Food Laws, 199 Anm. 3).

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IIA Anordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel

als Strafe für Gesetzesübertretung die Ausweisung aus dem verheißenen Land genannt wird.80 Mit dieser Bestrafung lässt sich für die Folgen des Genusses verbotener Tiersorten durchaus eine gewisse Nähe zur moralisch-ethischen Unreinheit erkennen. Allerdings führt die Übertretung des Verbotes von Mord, Götzendienst und sexuellen Vergehen zu noch einmal deutlich gravierenderen Konsequenzen als eine Übertretung des Verbots bestimmter Tierarten. Die in Lev 11 als ‫ טמא‬und ‫ שקץ‬bezeichneten Tierarten sind somit jeweils zum Genuss strikt verboten, doch verunreinigt ihr Verzehr nicht in einem solchen rituellen Sinne, wie es bei der Berührung vom Aas einiger dieser Tierarten und beim Essen vom Aas erlaubter Tiere der Fall ist. Zur sozialen Funktion der Speisegebote – die Einhaltung der Speisegebote als Mittel zur Heiligung und Abgrenzung Israels von anderen Völkern Während der genaue Hintergrund für die Klassifikation der verschiedenen Tierarten und die Konsequenzen eines solchen Verzehrs weder in Lev 11 noch in Dtn 14 ausführlicher erörtert werden, wird jeweils der Zweck der Speise­ gebote besonders betont. Dabei wird den Speisegeboten in beiden Rekursen jeweils im Rahmen einer Begründung für deren Einhaltung eine zentrale Be­ deutung für den besonderen Status Israels zugemessen. Sowohl in Lev 11 als auch in Dtn 14 wird nämlich ein Zusammenhang zwischen der Beachtung der Speisegebote und der Heiligkeit Israels hergestellt. Gerade in ihr zeichnet sich Israel gegenüber anderen Völkern aus.81 Dieser besondere Status Israels als hei­ liges Volk verbietet jedoch das Essen von etwas, das in scharfem Widerspruch zu eben dieser Heiligkeit Israels steht. Gerade dies ist nämlich beim Essen der als Abscheulichkeit prädizierten Speisen bzw. bei einer durch sie hervorgeru­ fenen Unreinheit der Israeliten der Fall (vgl. Lev 11,44b).82 1.3

80  So auch Hoffmann, Lev I, 303f.340, der für eine Zuordnung der durch das Essen verbote­ ner Tierarten verursachten Unreinheit zur moralischen Unreinheit außerdem noch auf den Gegensatz zur Heiligkeit (Lev 11,45; 20,26) verweist. 81  Zu Texten, denen zufolge Heiligkeit kein exklusiv auf die Priester beschränkter Zustand, sondern auf ganz Israel bezogen und mit einer Absonderung Israels von den Völkern ver­ bunden ist, vgl. vor allem Dtn 7,6; 14,2.21; 26,19; 28,9, daneben Ex 19,5f.; Lev 11,45; 19,2; 20,1–8.26; Jes 62,12; Obd 17. Zum Terminus der Heiligkeit als „Aus- und Abgrenzungsle­ xem“ bzw. Relationsbegriff vgl. vor allem Otto, Dtn II, 865f. 82  Die Bestimmung als „heilig“ steht grundsätzlich in einer Nähe zu „rein“, doch sind beide Begriffe nicht deckungsgleich. So enthält das Paar „heilig/profan“ im Vergleich zum Ge­ gensatzpaar „rein/unrein“ als zusätzliche Information die Verhältnisbestimmung zur Sphäre des Göttlichen, vgl. dazu die Graphik bei Milgrom, Lev I, 616.732; ausführlicher ders., Dynamics, bes. 29. Vgl. dazu auch Jenson, Holiness, 40–55; Kugler, Holiness.

1 verbotene Speisen

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Im Einzelnen unterscheiden sich Lev 11 und Dtn 14 im Hinblick auf ihre Argumentationsstruktur,83 und zwar aufgrund der generellen Differenz zwi­ schen der priesterlichen und der nichtpriesterlichen Tradition zur Heiligkeit Israels.84 Entweder Israel soll seinen Status als heiliges Volk gerade erst noch durch die Einhaltung der Speisegebote verwirklichen oder aber die Einhaltung der Speisegebote ergibt sich umgekehrt aus der Heiligkeit Israels und soll diese aufrechterhalten. In Lev 11,44f. und 20,26 wird das Motiv der Heiligkeit des Volkes in Gestalt einer Forderung an Israel verwendet. Dabei soll näherhin eine Entsprechung zwischen der Heiligkeit Israels und der Heiligkeit Gottes bestehen: „Denn ich bin Jahwe, euer Gott, ihr aber sollt euch heiligen und heilig werden, denn ich bin heilig […]. Denn ich bin Jahwe, der euch aus dem Land Ägypten heraufge­ führt hat, um euer Gott zu sein. Und ihr sollt heilig werden, denn ich bin heilig“ (11,44f.; vgl. 20,26). Damit gilt für die Speisevorschriften das, was mehrfach für die Satzungen generell festgestellt wird.85 Innerhalb dieser Tradition wird Isra­ el demzufolge durchaus dazu aufgerufen, Heiligkeit erst noch durch das Hal­ ten der Gebote zu realisieren, doch hat auch diese Heiligkeitsforderung ihre Grundlage in einem Handeln Gottes, nämlich in der von ihm bereits vollzoge­ nen Aussonderung Israels aus den Völkern,86 wie in Lev 20,24.26 ausdrücklich festgestellt wird.87 Dabei ergibt sich aus Lev 20,25f. im Einzelnen folgender Zusammenhang: Durch die richtige Unterscheidung von rein und unrein in Bezug auf Speisen, d.h. die Grenzziehung zwischen Tieren, die zum Verzehr erlaubt sind, und solchen, für die das nicht gilt, verwirklicht Israel seinen heiligen Status, und zwar die ihm von Gott zugedachte Heiligkeit, und ent­ spricht damit der von Gott vollzogenen Unterscheidung, nämlich der Abgren­ zung Israels von den Völkern.88 83  Abgesehen von der Gestalt, in der das Motiv der Heiligkeit Israels jeweils verwendet wird, besteht zwischen Lev 11 und Dtn 14 auch eine Differenz in Hinsicht auf die im unmittel­ baren Kontext dieses Motivs jeweils genannten Tiere. In Lev 11,43–45 wird mit der Hei­ ligkeitsformel vor allem das Verbot von Kriechtieren unterstrichen, in Dtn 14,21 hingegen das Verbot des Verzehrs von Aas (so auch Ex 22,30). 84  Vgl. Schwartz, Holiness, bes. 58f., zum Vergleich der priesterlichen und nichtpriesterli­ chen Heiligkeitstradition. 85  Die Verbindung zwischen der Heiligkeit Jahwes und der Heiligung Israels dient auch in Lev 19,2f.; 20,7f.; 22,32f., 26,11ff.; Num 15,40f. als Begründung für die Gesetzesobservanz. 86  Näheres dazu bei Schwartz, Holiness, 55–57. 87  Vgl. dazu auch die Erwähnung der Exodustradition in Lev 11,45. 88  In Lev 20,24–26 wird das Verb ‫ בדל‬Hifil zum einen für die Unterscheidung zwischen reinen und unreinen Tieren gebraucht, und zwar sowohl mit Bezug auf die von den Menschen vorzunehmende (20,25a) als auch von Gott bereits vorgenommene (20,25fin) Unterscheidung, zum anderen für die Aussonderung Israels aus den Völkern durch Gott (20,24fin.26).

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IIA Anordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel

In Dtn 14,21 wird das Motiv der Heiligkeit Israels dann zum Abschluss des Speiseabschnittes ausdrücklich in Form einer Referenz gebraucht, sodass die Erwählung Israels zum heiligen Volk als eine Gabe Gottes erscheint, welche jedoch an das Halten der Gebote gebunden ist. Dabei werden die Speisege­ bote innerhalb der jetzigen Textgestalt insgesamt mit der Heiligkeitsaussage gerahmt, denn die Heiligkeit Israels findet sich in Dtn 14,2 in identischer Form als Begründung für das Verbot von heidnischen Trauerriten (14,1b).89 In dieser Formulierung, welche dem apodiktischen Verbot des Genusses von gräuelhaf­ ten Tieren für Israel in Dtn 14,3 unmittelbar vorangeht, wird wie in Lev 20,24.26 zudem die Abgrenzung Israels gegenüber anderen Völkern expressis verbis ak­ tualisiert, und zwar diesmal unter Rückgriff auf die Tradition von der Erwäh­ lung Israels zum Volk Gottes.90 In ihr wird Israel nämlich nicht nur als heiliges Volk bezeichnet, sondern die Heiligkeit Israels mit dem Hinweis darauf unter­ strichen, dass Jahwe Israel aus allen Völkern zu seinem Eigentum erwählt hat. Damit wird in Dtn 14 im Kontext des Verbotes von heidnischen Trauerbräu­ chen und verbotenen Speisen das aktualisiert, was in einem anderen Zusam­ menhang bereits in Dtn 7 gesagt wird. Dort wird nämlich aus der besonderen Stellung Israels, und zwar aus dessen Erwählung zum heiligen Volk,91 die Ver­ pflichtung auf das Gesetz abgeleitet (7,11), ebenso das Verbot eines zu engen Umgangs mit den Völkern (7,2f.). Das von Gott erwählte und mit einem beson­ deren Status versehene Volk soll sich somit in seinem Verhalten von anderen Völkern unterscheiden.92 Sowohl nach Lev 11 als auch nach Dtn 14 erfordert die besondere Stellung Israels als heiliges Volk bzw. Gottesvolk demzufolge jeweils ein besonderes Verhalten Israels, das dem heiligen Gott angemessen ist. Diesem Zweck die­ nen auch die biblischen Speisegebote. Dabei lässt sich deutlich erkennen, dass die Speisegesetze bereits innerhalb der hebräischen Bibel in Verbindung mit dem Heiligkeitsgebot zentrale Bedeutung für die Abgrenzung ganz Israels als 89  In Dtn 14,21 schließt der Hinweis auf die Heiligkeit Israels unmittelbar an das Verbot von Aas an. Dabei wird mit dieser besonderen Stellung Israels die Forderung nach einem be­ sonderen Verhalten Israels im Vergleich mit dem Fremdling und Ausländer unterstrichen, wie sie sich deutlich im unterschiedlichen Umgang dieser Personengruppen und Israels mit Aas zeigt. Dennoch dient die Heiligkeit Israels hier offenbar als Begründung für alle zuvor genannten Speisevorschriften (so auch Veijola, Dtn, 299). 90  Zur Tradition von der Erwählung Israels durch Gott zu seinem Eigentumsvolk vgl. abgese­ hen von Dtn 7,6–11; 14,2 auch 10,15 (Väter); 1 Kön 8,53; Jes 41,8; 43,10. 91  Vgl. vor allem Dtn 7,6: „Denn ein heiliges Volk bist du für Jahwe, deinen Gott. Dich hat Jahwe, dein Gott, erwählt, um für ihn ein Volk des Eigentums unter allen Völkern zu sein, die auf der Erde leben.“ 92  Vgl. dazu, dass Dtn 7,6 als Begründung für die Forderung nach einer Vermeidung heidni­ scher Praktiken in Dtn 7,1–5 dient.

2 Tischgemeinschaft

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besonderes Volk von der Umwelt haben.93 Gerade diese soziale Funktion wird insbesondere im griechischsprachigen Diasporajudentum ausführlich ausge­ arbeitet werden. Dort werden die Speisegebote nämlich geradezu primär als Abgrenzungsverhalten bestimmt, in dem sich die Differenz Israels gegenüber den anderen Völkern widerspiegeln soll (s.u. IIB 1.1 und 1.2). 2

Anordnungen zur Tischgemeinschaft – kein zentraler Bereich in der hebräischen Bibel

In der hebräischen Bibel finden sich vielfach Hinweise und Nachrichten von gemeinsamen Mahlzeiten sowie Schilderungen von Mahlszenen, und zwar sowohl in Form einer Versorgung von vorbeikommenden Reisenden94 als auch eingeladenen Gästen.95 Dabei wird das gemeinsame Essen häufig mit gemeinsamer Freude in Verbindung gebracht.96 Insgesamt decken die bibli­ schen Mähler ein reiches Spektrum an unterschiedlichen Situationen ab und umfassen sowohl Mähler in einem eher politischen Sinne,97 daneben Feste,98 93  So besonders betont von Hartley, Lev, 163: „In following these dietary laws, the Israelites obeyed God’s instructions several times each day, developing deep in their consciousness an attitude of obedience to God. That all the people observed these laws at every meal was a mighty force of solidarity, uniting the people as God’s special treasure (Exod. 19:5). It separated the Israelites from their polytheistic neighbors and became a distinguishing mark of their national identity […]. They erect a high barrier against assimilation and amalgamation of the Jewish people, which would led to the loss of their racial identity.“ Ähnlich auch Hieke, Lev II, 807: „Die Unterscheidung, die Israel in der Tierwelt hinsicht­ lich des für das Essen bestimmten Fleisches macht, unterscheidet Israel wiederum von den anderen Nationen – und diese Differenzierung soll nicht nur den Esstisch betreffen, sondern auch den moralisch-ethischen Umgang miteinander.“ Vgl. dazu auch Houston, Purity, 147.242; Milgrom, Lev I, 689; daneben Firmage, Laws, 195, dem zufolge die Erwäh­ lung Israels als heiliges Volk eine Abgrenzung von anderen Völkern impliziert, jedoch diese Abgrenzung nicht das primäre Kriterium für die Einteilung der Speisen in rein und unrein sein kann. Generell skeptisch gegenüber einer Abgrenzungsfunktion der Speise­ vorschriften in vorhellenistischer Zeit hingegen Gerstenberger, Speisetabus, 189 (anders aber ders., Lev, 122.133). 94  Vgl. dazu Gen 18,5–8 (in TestAbr B 6,11 unter Verwendung der Rede vom gemeinsamen Essen: ποίησον ἵνα φάγωμεν μετὰ τῶν ἀνθρώπων τούτων εἰς τὸν οἶκον ἡμῶν); 19,3; 24,33; Ri 19,21; 1 Sam 9,19; 1 Kön 13,15–23. Vgl. dazu auch die Versorgung der Ruth durch Boas (Rut 2,14). Bisweilen gar als Versorgung der Feinde: 2 Kön 6,22f.; Spr 25,21f. 95  Vgl. 1 Kön 1,9.25.41; Hiob 1,4f. 96  So z.B. ausdrücklich 1 Kön 4,20. 97  Vgl. dazu z.B. Gen 26,28–31; 31,51–54; Ex 18,12; Jos 9,3–27. 98  Vgl. vor allem Ex 12; vgl. auch Gen 21,8; Ex 24,11; 1 Sam 1,3–15; 9,12f., daneben auch das Essen und Trinken bei einem Hochzeitsfest in Jer 16,8.

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IIA Anordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel

als auch Mahlzeiten in einem privaten Rahmen99 und beispielsweise Tischge­ meinschaft zwischen Vertrauten.100 Einschlägige Regeln zur Tischgemeinschaft lassen sich aber nur sehr verein­ zelt feststellen. Der dann insbesondere für das griechischsprachige Diasporaju­ dentum zentrale Komplex der Frage einer Tischgemeinschaft mit Nichtjuden klingt schon in der hebräischen Bibel an, und zwar in Ex 34,15. Dabei wird die Ablehnung eines gemeinsamen Mahls mit Heiden mit den bei einem solchen Mahl verwendeten Götzenopfern begründet, wie es sich dann im griechisch­ sprachigen Judentum mehrfach antreffen lässt (s.u. IIB 2.1). In Ex 34,15 wird Israel nämlich verboten, mit den Kanaanäern einen Bund zu schließen. Dabei werden als dringlichste Sorgen zum einen die Ehe mit Fremdstämmigen ge­ nannt, welche die Gefahr des Götzendienstes von Israeliten birgt (34,16), zum anderen, dass Israel von den Heiden zum Mahl eingeladen werden und in diesem Rahmen von den verbotenen Opfern an fremde Götter essen könnte.101 Daneben finden sich aber auch Nachrichten darüber, dass Juden bei Nichtju­ den gegessen haben, die keinerlei Einschränkungen erkennen lassen.102 3

Rituelle Reinheitsvorschriften im Zusammenhang des Essens

Rituelle Reinheitsvorschriften zum Essen betreffen zum einen den Zustand, in dem Speise, und zwar in der hebräischen Bibel nur heilige Speise, eingenom­ men werden soll, zum anderen Gefäße, die im Zusammenhang mit Nahrungs­ mitteln stehen, jedoch durch etwas verunreinigt wurden. 3.1 Der Ausschluss unreiner Personen von heiligen Speisen In den biblischen Schriften sind keine bestimmten Reinigungsmaßnahmen zum Essen von nichtheiliger Nahrung überliefert. Mehrfach findet sich jedoch die Forderung, dass man geheiligte Nahrungsmittel nur im Zustand der Rein­ heit essen soll, bei eigener ritueller Unreinheit jedoch nicht genießen darf. Während eine Verunreinigung von normalem Essen103 demzufolge offenbar 99  Zum Teil wird das Trinken von Wein besonders betont (1 Sam 25,36; 2 Sam 11,13). 100  Vgl. dazu vor allem Ps 41,10, wo jemand über einen Mann klagt, der der Mann seines Frie­ dens gewesen sei, dem er vertraut habe und der sein Brot gegessen, sich dann aber gegen ihn gewandt habe; vgl. auch Obd 7. 101  Vgl. daneben auch Num 25,1–4, bes. V. 2. 102  So in Bezug auf König Jojachin, der nach seiner Begnadigung durch den babylonischen König „alle Tage lang“ an dessen Tisch isst (2 Kön 25,29f.; Jer 52,31f.). 103  Zur Verunreinigung von Speise vgl. Hag 2,13: Wenn ein durch eine Leiche Verunreinigter irgendeine Speise berührt, so wird diese unrein.

3 Rituelle Reinheitsvorschriften

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keinerlei Bestrafung nach sich zieht, wird das Essen von heiliger Speise in einem unreinen Zustand und damit eine Verunreinigung von heiliger Speise unter schwerste Strafe gestellt. Dabei gehören diese Regeln in den größeren Rahmen der besonderen Zugangsvoraussetzungen, die das Heilige erfordert. Unreinheit hat nämlich generell den Ausschluss vom Heiligen zur Folge, sodass Unreinen keinerlei Zutritt zum Heiligen zu gewähren ist (vgl. Lev 22,3 mit 12,4). Im Einzelnen handelt es sich beim heiligen Essen nach der Tora zum einen um die Opfer, die vom Priester (vgl. Ex 29,33) und seiner Familie (vgl. Lev 22,10– 16) gegessen werden können, daneben aber auch um die Teile, die mit dem Volk in Berührung kommen, wie beispielsweise den Zehnten (Dtn 26,12f.; vgl. Lev 27,32). Ausführliche Anordnungen zum Genuss von Opfern sind in Lev 22,1–16 überliefert. Sie umfassen neben anderen Bestimmungen das strik­ te Verbot von Aas, durch welches die Priester selbst unrein werden würden (22,8; dazu s.o. 1.1.2.1), sowie Anordnungen zum Zustand des Priesters, in dem er heilige Speisen essen soll (22,3–7). Dabei ist es den Priestern strikt verbo­ ten, sich in einem Zustand der Unreinheit, von dem Lev 22,4f. unterschiedli­ che Formen aufzählt, dem Heiligen zu nähern bzw. heiliges Essen zu genießen (22,3f.). Vielmehr soll er das ihm zur Nahrung bestimmte (vgl. 22,7) Heilige erst dann essen, wenn er seinen Körper mit Wasser gewaschen hat und dann nach Sonnenuntergang wieder rein ist (22,4.6f.). Dabei besteht das Ziel dieser An­ ordnung in einem Schutz des Heiligen. Die Folge eines unachtsamen Umgangs mit dem Heiligen besteht nämlich in der Entheiligung des heiligen Namens Gottes (22,2). Eine solche Entheiligung des Heiligen ist aber eine Sünde,104 an der man stirbt (22,9). Gleiches trifft auch speziell auf den Priester zu, der in seiner Unreinheit in direkten Kontakt mit den heiligen Opfern kommt. Ein solcher Priester, der das Heilige dadurch willentlich mit Unreinheit in Verbin­ dung bringt, wird nämlich nach Lev 22,3 ausgerottet werden. Auch Laien dürfen offenbar die Portionen, die für sie erreichbar sind, nicht mit Unreinheit in Verbindung bringen (vgl. dazu die Anordnungen zum Zehn­ ten in Dtn 26,14) und damit auch nicht in einem Zustand der Unreinheit essen, wie die Anordnungen zum Passahopfer (Num 9,9–14) und zum SchelamimOpfer (Lev 7,19–21)105 zeigen. In Bezug auf letzteres wird nämlich festgestellt, 104  Zur Bewertung einer Entheiligung des Heiligen als Sünde vgl. Lev 22,9.15f. 105  Das Schelamim-Opfer war das einzige Opfer, bei dem Laien am Genuss des Opfers beteiligt waren und der Verzehr von geheiligten Nahrungsmitteln auch außerhalb des Tempel­ bereichs möglich war (zum Festmahl der Opfergemeinschaft vgl. vor allem Lev 7,15– 21.28–34; 19,5f.; 22,29f.). Dabei scheint das allgemeine Kultmahl bzw. das Opfermahl in der Familie in späterer Zeit zwar zurückgedrängt worden zu sein. Die besonderen Bemühun­ gen um das heilige Essen in Lev 7,19–21 lassen sich jedoch für den Fall am besten erklären,

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IIA Anordnungen zum Essen in der hebräischen Bibel

dass jeder, der rein ist, vom Opferfleisch essen darf (7,19fin). Jemand, der eine Unreinheit an sich hat, weil er sich in einem unreinen Zustand befindet (7,20) oder durch Berührung mit etwas Unreinem unrein geworden ist (7,21a), aber trotz seiner Unreinheit vom Opferfleisch isst, wird aus seinem Volk ausgerot­ tet werden (7,20fin.21fin; vgl. 22,3). Opferfleisch soll nämlich nicht mit etwas kultisch Unreinem in Berührung kommen und muss für den Fall einer solchen Verunreinigung durch Verbrennen im Feuer vernichtet werden (7,19a). 3.2 Rituelle Unreinheit von Gefäßen und ihres Inhalts Für den Zusammenhang des Essens ist darüber hinaus die Reinheit der Gefä­ ße von Bedeutung. Nicht nur die Speisen können nämlich rituell unrein sein, sondern auch die Gefäße, in denen man sie aufbewahrt hat (vgl. Lev 11,32). So wird beispielsweise nach Lev 11,32–36 jedes Gerät oder Gefäß, auf oder in das ein Tierkadaver fällt,106 unrein. Dabei müssen ein Tongefäß, ein Backofen oder ein Kochherd, die verunreinigt worden sind, zerstört bzw. eingerissen werden (11,33.35; vgl. 6,21; 15,12).107 Bei Gefäßen, die Nahrungsmittel enthalten, wird auch dieser Inhalt unrein (11,33). Darüber hinaus überträgt sich für den Fall, dass in ein verunreinigtes Gefäß erneut Nahrung eingefüllt wird, die Unrein­ heit vom Gefäß auf den Inhalt. So wird jedes Getränk in einem unreinen Gefäß unrein (11,34b), ebenso jede Speise, wenn Wasser auf sie kommt (11,34a).108 dass sie unter der Voraussetzung formuliert wurden, dass das Opferfleisch auch außer­ halb des Heiligtums gegessen werden konnte. Rituell unreinen Personen war es nämlich generell verboten, den heiligen Bereich zu betreten (s.o. Exkurs 1), sodass eine Verunreini­ gung von heiliger Speise in diesem Bezirk schon von daher ausgeschlossen war. Auf Laien als Teilnehmer am Opfermahl deutet auch die für den Text zentrale Gegenüberstellung zu Priestern hin. Dem priesterlichen Kultpersonal sollen nämlich gerade nur Teile des vegetabilischen Opfers (7,14) bzw. Brust und Keule des Gemeinschafts-Schlachtopfers (7,30–34; 10,14f.) zugesichert werden. Zu einem Bezug von Lev 7,19–21 auf Laien vgl. auch Milgrom, Lev I, 424 mit 382 (Lev 7,11–21 sei eine der drei Ausnahmen des ansonsten an Priester gerichteten Abschnittes Lev 6f.); vgl. auch Hieke, Lev I, 317. 106  Zur Reinheit und Unreinheit von Gefäßen vgl. auch Num 19,15 (beim Tod eines Men­ schen); Jes 66,20. 107  Ausführlich zur Verunreinigung von Tongefäßen Wright, Disposal, 93–113. 108  Ein Verständnis von Lev 11,34 mit Bezug auf die Verunreinigung durch Gefäße, d.h. nicht wie in Lev 11,33 durch das Aas direkt, wird in der Forschung mehrheitlich vertreten (an­ ders hingegen Milgrom, Lev I, 678f., der 11,34 insgesamt von der engeren Frage der Un­ reinheit der Gefäße trennen will). Meistens wird Lev 11,34a jedoch nicht so gedeutet, dass die sich in einem unreinen Gefäß befindende Speise in Analogie zu Lev 11,38 erst beim Kontakt mit Wasser unrein wird (so aber Yadin, Temple Scroll I, 326; Noam, Stringency, 9; vgl. auch Elliger, Lev, 141.153), sondern so, dass das Wasser aus einem unreinen Gefäß stammt, d.h. dass auf die Speise bereits unreines Wasser gegossen wird (so André, ‫ ָט ֵמא‬, 355; vgl. dazu auch exemplarisch die Übersetzungen von Noth, Lev, 75; Hieke, Lev I, 408).

IIB Gesetzesanordnungen zum Essen in griechischen Texten des antiken Judentums Innerhalb der in Griechisch abgefassten Schriften des antiken Judentums sind zahlreiche Anordnungen zum Essen überliefert. Dabei lassen sich insbe­ sondere Bestimmungen zu verbotenen Speisen sowie zur Tischgemeinschaft feststellen, wobei insgesamt ein deutlicher Schwerpunkt auf den jüdischen Speisegeboten zu beobachten ist. Sie liegen nämlich auch im Zentrum der Anordnungen, die gemeinsame Mahlzeiten von Juden mit Nichtjuden re­ geln (s.u. 2.1). In diesen Fällen überschneiden sich demzufolge die Frage der Tischgemeinschaft und die der Einhaltung der jüdischen Speisegebote, da das Zustandekommen eines gemeinsamen Mahls zwischen Juden und Nichtjuden in erster Linie von der Vermeidung der für Juden verbotenen Speisen abhängig ist. Die Tischgemeinschaft mit Nichtjuden ist demnach ein konkreter Anwen­ dungsfall, bei dem die generell geltenden und damit umfassenderen Speise­ gebote virulent werden. Im Vergleich mit dieser zentralen Bedeutung der jüdischen Speisevorschriften sind rituelle Regeln zum Zustand des Menschen, in dem dieser essen soll, im griechischsprachigen Diasporajudentum nur äußerst selten anzutreffen, was insbesondere im Vergleich mit den Schriften aus Qumran auffällt (s.u. IIC 3). Bereits eine erste Durchsicht der Bestimmungen zum Essen zeigt deutlich, dass sie besonders häufig im Rahmen der Auseinandersetzung mit der nichtjü­ dischen Umwelt belegt sind. Dies lässt sich schon daran erkennen, dass unter den Anordnungen zur Tischgemeinschaft Regelungen zum gemeinsamen Essen zwischen Juden und Heiden einen breiten Raum einnehmen. Darüber hinaus fällt auf, dass die entsprechenden Anordnungen zum Essen häufiger in Erzählungen eingebettet sind,1 die schildern, wie Juden in der Diaspora und damit in einem nichtjüdischen Umfeld leben, ohne dabei ihre Lebensweise nach dem Gesetz aufzugeben. So finden sich innerhalb der im hellenistischen Judentum entstandenen Septuaginta mehrere Erzählungen, die von einem Konflikt zwischen Juden und fremden Herrschern berichten. In ihnen wird jeweils dargestellt, wie Juden der Diaspora vielfach heidnischen Einflüssen ausgesetzt waren, vor allem weil sie am Hof fremder Herrscher lebten. Gerade in dieser Situation haben sie jedoch durch eine Beachtung der entsprechenden 1  Das Phänomen, dass Gesetzesbestimmungen in Form von Erzählungen thematisiert werden, gerät gerade in letzter Zeit mehr in den Blick der Forschung, vgl. dazu vor allem den Sammel­ band Adam/Avemarie/Wazana, Law and Narrative.

© koninklijke brill nv, leiden, 2019 | doi:10.1163/9789004391901_005

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Gesetzesanordnungen zum Essen – trotz einiger zum Teil notwendiger Kom­ promisse – eine vollständige Assimilation an die assyrische (Tob), babyloni­ sche (Dan; vgl. Jdt2) oder persische (Est) Gesellschaft vermieden. Dabei wird in den verschiedenen Erzählungen zum Teil ausdrücklich betont, dass das Leben in einem heidnischen Umfeld zu einem Konflikt zwischen der heid­ nischen und der jüdischen Lebensweise führen kann. Dies gilt insbesondere für die Tobiterzählung, wenn Tobit für die übrigen nach Ninive deportierten Familien feststellt, dass sie die „Brote der Heiden“ essen, d.h. aber die heid­ nische Lebensweise angenommen haben (Tob 1,10f.).3 Diese Erzählungen der Septuaginta werden zum einen von anderen Autoren des hellenistischen Ju­ dentums rezipiert.4 Zum anderen werden weitere Erzählungen geschaffen, die ausführlich den Kontakt zwischen Juden und Nichtjuden, auch mit Blick auf Essensfragen, thematisieren.5 Dabei lässt sich die gehäufte Entstehung solcher Erzählungen gut vor dem Hintergrund der historischen Situation der Diasporajuden erklären. Im Zeitalter des Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit war das Judentum nämlich nach der Fremdherrschaft durch die Assyrer, Babylonier und Perser wiederum auf vielfältige Weise dem Einfluss fremder Kulturen und deren Traditionen ausgesetzt. Diese Begegnung mit an­ deren (vor allem griechischen und römischen) kulturellen Traditionen barg erneut die Gefahr der Assimilation in sich. Gerade angesichts dieser Proble­ matik entstanden offenbar mehrere Erzählungen, die verdeutlichen sollen, wie Juden in der Vergangenheit in einer vergleichbaren Lage durch die Ein­ haltung der Forderungen des Gesetzes an ihrer jüdischen Lebensweise festge­ halten und damit ihre jüdische Identität bewahrt haben. Dabei handeln die Erzählungen zwar jeweils von anderen Personen und spielen in unterschied­ lichen Situationen. Allerdings sind jeweils die entsprechenden Protagonisten und deren Handlungen für die vom Verfasser vertretenen Überzeugungen von besonderer Bedeutung. Sie haben dabei offenbar die Funktion eines Modells bzw. Vorbildes, indem sie zeigen, wie sich ein Jude in einer fremden Umge­ bung richtig verhält. Dies lässt sich besonders deutlich für die Erzählung Joseph und Aseneth erkennen, gilt jedoch darüber hinaus.6 Mit Joseph und Aseneth stellt der Verfasser dieser Erzählung nämlich zwar zwei Figuren der Vergangenheit ins Zentrum, jedoch nicht in der Weise, dass diese Teil einer 2  Nebukadnezzar war in Wirklichkeit nicht – wie im Buch geschildert – König von Assyrien, sondern von Babylonien. 3  Dass man in der Fremde unreine Speise essen muss, findet sich innerhalb der hebräischen Bibel bereits in Hos 9,3f. (vgl. auch 8,13 LXX, dort über MT hinaus), vgl. auch Ez 4,13. 4  Vgl. dazu vor allem die Rezeption von Dan 1 bei Jos. Ant. 10,190–194. 5  Vgl. vor allem die Erzählung Joseph und Aseneth. 6  Vgl. dazu beispielsweise mit Blick auf Esther auch Clines, Scroll, 171; Marböck, Gebet, 253.

IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

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fernen Vergangenheit bleiben,7 sondern dergestalt, dass sich die Leser dieser Erzählung mit den an ihnen behandelten Themen8 identifizieren können und sich daher an den in dieser Schrift belegten Anordnungen orientieren sollen.9 Damit hat die Erzählung keinen rein literarischen Charakter, sondern spiegelt zum einen ein gewisses Selbstverständnis der hinter ihr stehenden jüdischen Gemeinschaft wider und hat zugleich eine identitätsstiftende Bedeutung.10 Dementsprechend sind dann aber auch die Gesetzesdiskurse innerhalb die­ ser Erzählungen nicht als rein literarische Zeugnisse, sondern als literarische Reaktion auf eine gelebte Praxis zu verstehen. Sie können also durchaus Auf­ schluss darüber geben, wie die Speisevorschriften zur Abfassungszeit dieser Schriften praktiziert und interpretiert wurden. Die Deutung der Speisegebote als Mittel der Abgrenzung innerhalb von mehreren Erzählungen lässt dem­ entsprechend darauf schließen, dass der tatsächlichen Einhaltung der Spei­ sevorschriften zu dieser Zeit – abgesehen von einer religiösen Dimension – in besonderer Weise eine abgrenzende11 bzw. identitätsbestimmende Bedeutung zugemessen wurde. Eine tatsächliche Praktizierung der Speisegebote durch die Diasporajuden im Zeitalter des Hellenismus und der Kaiserzeit wird zudem dadurch bestä­ tigt, dass sowohl die Einhaltung besonderer Speisebräuche durch die Juden als auch deren Ablehnung der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden nicht nur in jüdischen Quellen überliefert, sondern mehrfach auch durch pagane Autoren berichtet werden. Dabei spricht auch die allegorische Deutung der Speise­ gebote, wie sie im Diasporajudentum mehrfach zu finden ist (s.u. 1.2.2), kei­ neswegs gegen deren Einhaltung. Die den Speisegeboten in diesem Rahmen 7  Eine Darstellung von Joseph und Aseneth als Personen der griechisch-römischen Zeit betont z.B. Ahearne-Kroll, Joseph and Aseneth, 243–245.263. 8  Vgl. dazu Ahearne-Kroll, Joseph and Aseneth, 249, die in diesem Rahmen besonders auf die Frage nach Mischehen und die Definition einer monotheistischen Identität in einem polytheistischen Umfeld verweist (mit 262.264f.). 9  Im Einzelnen ist der Vorbildcharakter von Joseph und Aseneth durch deren Sonder­ stellung in gewisser Weise eingeschränkt, ausführlich dazu Zangenberg, Pragmatik; vgl. schon Burchard, Untersuchungen, 121; Chesnutt, Death, 136f.254–265; Ahearne-Kroll, Joseph and Aseneth, 216.249f.; Humphrey, Joseph and Aseneth, 53. 10  So auch Chesnutt, Death, 100; ders., Joseph and Aseneth, 359f.; Ahearne-Kroll, Joseph and Aseneth, 216.271f. 11  Der Terminus der „Abgrenzung“ ist im Fall der Verwendung für die Speisegebote als Gren­ ze zwischen zwei Gruppen zumeist in einem übertragenen Sinne von „Unterscheidung“ zu verstehen. Dabei setzen zwar sowohl die Speisegebote als auch die Regeln zur Tisch­ gemeinschaft dem Umgang mit Heiden jeweils eine Schranke. Nur selten bedeuten sie jedoch ein gänzliches Kontaktverbot vor dem Hintergrund einer konkreten Deutung im Sinne einer räumlichen Trennung (so nur im Rahmen der Auslegung der Speisegebote im Aristeasbrief; s.u. 1.2.2).

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zugemessene übertragene Bedeutung hebt nämlich deren wörtliche Bedeu­ tung gerade nicht auf.12 Die jüdischen Speisevorschriften sind vielmehr auf zwei Ebenen zu verstehen: Das jüdische Volk soll sie auf der buchstäblichen Ebene beachten, d.h. sich dieser Speisen tatsächlich enthalten, für andere Völ­ ker sind sie auf der allegorischen Ebene lehrreich.13 1

Anordnungen zu verbotenen Speisen

Bereits innerhalb der hebräischen Schriften haben die jüdischen Speisegebote eine zentrale Funktion für die Abgrenzung Israels von den umliegenden Völ­ kern, wie der mehrfach hergestellte Zusammenhang zwischen den Speisevor­ schriften und dem besonderen Status Israels als heiliges, von Gott auserwähltes Volk (vgl. bes. Lev 11,44f.; Dtn 14,21) zeigt. Demnach realisiert Israel durch die Einhaltung der Speisevorschriften seine Bestimmung als heiliges Volk bzw. entspricht der Sonderstellung, die Gott diesem Volk im Vergleich zu anderen Völkern zugedacht hat (s.o. IIA 1.3). Gerade diese abgrenzende bzw. identi­ tätsstiftende Bedeutung der Speisevorschriften für das Leben als Jude wird im Rahmen der Rezeption der biblischen Speisegebote im griechischsprachigen Diasporajudentum nun stark hervorgehoben und ausgebaut. Dies lässt sich gut aus dem Umstand erklären, dass sich die Frage nach dem Verhältnis der Juden zu den Heiden innerhalb des Diasporajudentums in besonderer Weise – nämlich geradezu als Hauptthema – stellt. Näherhin ist die Gegenüberstel­ lung der Juden und Heiden im Hinblick auf ihr Verhalten in Speisefragen Teil der generellen Gegenüberstellung der bei gesetzestreuen Juden verbreiteten Traditionen und der heidnischen Lebensweise.14 Dabei gewann der Bereich des Essens seit der Exilszeit aus dem Grund zentrale Bedeutung für die Iden­ titätsfindung der Juden, weil in ihr andere Identitätszeichen wie der Tempel 12  So z.B. Berthelot, L’interprétation. Gerade mit diesem Argument lehnt sie eine oftmals vorgeschlagene Deutung ab, die den Hintergrund von Arist 128–171 in der allegorischen Auslegung Homers sieht. In dieser werde nämlich der wörtliche Sinn durch den allegori­ schen ersetzt (258). Demgegenüber bestehe der Hintergrund von Arist 128–171 in der sym­ bolischen Auslegung der pythagoreischen Akusmata, in welcher die wörtliche Bedeutung nicht aufgelöst, sondern gerade unterstrichen werde (267f.). 13  So für Arist 128–171 z.B. Oegema, Unterweisung, 62; Weber, Gesetz im hellenistischen Judentum, 135; vgl. auch Delling, Bewältigung, 25: Die ethische Deutung sei „hilfreich gegenüber ironischer Mißdeutung“. Für eine besondere Betonung der wörtlichen Bedeu­ tung bei Philo vgl. z.B. Svebakken, Traditions, 106f.; gegen eine einseitige Bevorzugung der allegorischen/symbolischen vor der wörtlichen Bedeutung bei Philo z.B. auch Cheung, Idol Food, 60–65. Vgl. dazu Philo, Migr. 89. 14  Zu einer solchen Unterscheidung der Lebensweise der Heiden von der der Juden im All­ gemeinen vgl. z.B. 1 Makk 1,13f.; 2 Makk 4,9–14; Jos. Ant. 12,241.

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fehlten.15 Gerade im 1. Jh. n.Chr. fungieren die Speisegebote dann offenbar in besonderer Weise als bedeutsamer identity bzw. boundary marker für eine jüdische Lebensweise gegenüber der heidnischen Gesellschaft.16 Eine scharfe Kontrastierung der Juden und Nichtjuden in Hinsicht auf die von ihnen jeweils gegessenen Speisen wird im griechischsprachigen Judentum auch im Kontext der Frage nach der Möglichkeit gemeinsamer Mahlzeiten zwischen Juden und Heiden besonders betont (vgl. vor allem JosAs; s.u. 2.1.2.2b). Im Folgenden werden von den im griechischsprachigen Judentum überlieferten Essensvor­ schriften vor allem diejenigen genauer untersucht werden, deren Fokus auf dem Verbot des Genusses bestimmter Speisen liegt und in denen diese Frage unabhängig vom Kontext der Tischgemeinschaft erörtert wird. Die Rekurse, in denen Speisevorschriften in einem engen Zusammenhang mit dem Kom­ plex der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden stehen, werden hingegen in einem eigenen Abschnitt genauer unter dem Aspekt der Tischgemeinschaft behan­ delt werden, da sie in erster Linie der Begründung der entsprechenden Bestim­ mungen zur Tischgemeinschaft dienen (s.u. 2.1). Die strikte Differenz von jüdischen und heidnischen Speisen als Zentrum der Rezeption der Speisegebote im griechischsprachigen Judentum Das Verbot von Speisen kann – wie die Durchsicht der biblischen Schriften gezeigt hat – im Einzelnen verschiedene Gründe haben: Entweder es handelt sich um die nach Lev 11/Dtn 14 für Juden von ihrer Beschaffenheit her generell verbotenen Tiere oder um zwar grundsätzlich erlaubte Tiere, die jedoch nicht der durch das Gesetz geforderten Tötungs- und Zubereitungsart entsprechen (Lev 17,14f.) oder aber um heidnisches Essen, das mit Götzendienst in Berüh­ rung gekommen ist (Ex 34,15). Nicht für jeden Rekurs auf verbotene Speisen innerhalb des griechischsprachigen Judentums lässt sich mit Sicherheit sagen, welcher dieser Gründe genau vorliegt. Bei einem Vergleich der verschiedenen Diskurse ist jedoch eine auffallende Übereinstimmung zwischen ihnen zu er­ kennen. Besonders häufig wird in den verschiedenen Traditionen die Differenz zwischen Juden und Heiden in Bezug auf die bei ihnen jeweils üblichen Spei­ sen betont. Sie wird daran konkret anschaulich, dass das zwar bei Nichtjuden weit verbreitete, für Juden jedoch strikt verbotene Essen von Schweinefleisch und Götzenopferfleisch in den Mittelpunkt der Diskurse gerückt wird. In 3 Makk 3,7 wird zudem ausdrücklich festgestellt, dass sich die Juden im 1.1

15  So vor allem von MacDonald, Food, 168f., betont, und zwar für die Bedeutung von Lev 11/ Dtn 14 und andere Speisepraktiken. 16  Vgl. dazu auch GLAJ II, 39: „During the first century CE, the separation of Jews from gen­ tiles in dietary matters became more marked.“

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Hinblick auf die von ihnen praktizierten Speisebräuche von anderen Völkern unterscheiden (τὴν δὲ περὶ τῶν προσκυνήσεων καὶ τροφῶν διάστασιν). Dabei werden die auffälligen Unterschiede zwischen Juden und Heiden in der Speisepraxis17 offenbar deshalb besonders betont, weil gerade sie die Grundla­ ge für die im Diasporajudentum breit bezeugte Abgrenzung der Juden von den Nichtjuden mithilfe von Speisevorschriften ist. Nur Bestimmungen, die wie der Sabbat, die Beschneidung und eben auch die jüdischen Speisegebote für eine Gruppe typisch sind, bei einer anderen jedoch fehlen bzw. anders gere­ gelt werden, können nämlich ein Unterscheidungskriterium bilden und damit überhaupt eine abgrenzende Bedeutung haben. 1.1.1

Die Vermeidung von Schweinefleisch als Hauptkennzeichen der Juden Die in Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 belegten Speisegebote werden in den Schriften des griechischsprachigen Judentums mehrfach explizit erwähnt und thematisiert. Dabei finden sie sich nicht nur in der griechischen Überset­ zung der Texte wieder, in denen sie bereits in der hebräischen Bibel behandelt wurden. Vielmehr werden sie daneben auch in den sogenannten apokryphen Schriften der Septuaginta (z.B. 1–4 Makk) sowie den Pseudepigraphen (z.B. Arist) erwähnt, wobei sich eine deutliche Häufung innerhalb der Makkabäer­ bücher erkennen lässt. Darüber hinaus werden sie auch bei Philo18 und Jose­ phus, wenngleich nur selten, behandelt: Josephus erwähnt die von Mose überlieferten Speiseanordnungen in dem den Gesetzen des Mose gewidmeten Abschnitt der Antiquitates (Ant. 3–4) nur kurz,19 stellt jedoch eine ausführlichere Behandlung in einem ande­ ren Werk in Aussicht.20 In Ant. 3,259f.21 stellt er ausdrücklich fest, dass 17  Vgl. dazu, dass Juden und Heiden – abgesehen von den von ihnen jeweils gegessenen Speisen – u.a. auch in Bezug auf ihre Haltung zum Essen einander strikt gegenübergestellt werden: Während der Umgang mit Essen bei Juden durch Mäßigung gekennzeichnet ist, wird der der Heiden durch Trunkenheit und Völlerei bestimmt, so z.B. von MacDonald, Food, vor allem für Tobit, Judith und Esther herausgearbeitet (172f.176). 18  Zur Erwähnung der Speisegebote aus Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 bei Philo s.u. 1.2.2. 19  Zu weiteren Anspielungen auf die jüdischen Speisegebote vgl. Jos. C. Ap. 2,174 (περὶ σιτίων, ὅσων ἀπέχεσθαι χρὴ καὶ τίνα προσφέρεσθαι); Ant. 10,190–194 (Rekurs auf Dan 1); Bell. 2,152 ([…] φάγωσίν τι τῶν ἀσυνήθων); 7,264 (Johannes von Gischala habe auf seinem Tisch ver­ botene Speisen serviert: τράπεζάν τε γὰρ ἄθεσμον παρετίθετο). 20  Vgl. dazu, dass Josephus auf dieses Werk auch an anderer Stelle verweist, so Ant. 1,25.29. 192.214; 3,94.143.205.230.257.259.264; 4,198; 20,268. 21  Abgesehen von Ant. 3,259f. erwähnt Josephus die Speisegebote auch in Ant. 4,139 (s.u. 1.3.2.3).

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Mose eine grundsätzliche Unterteilung der Tiere in erlaubte und verbote­ ne getroffen habe (Καὶ περὶ τῶν ζῴων δὲ διέκρινεν ἕκαστον ὅτι τρέφοιντο καὶ οὗ πάλιν ἀπεχόμενοι διατελοῖεν), jedoch ohne die entsprechenden Tiere im Einzelnen aufzulisten oder Gründe für das Verbot bestimmter Tiere zu nennen. Für beides verweist Josephus auf das Werk, in dem er die Geset­ zesforderungen ausführlicher behandeln will. Demgegenüber führt Jose­ phus das Verbot des Genusses von Blut (vgl. Gen 9,4 u.ö.; s.o. IIA 1.1.2.2), eines Tieres, das eines natürlichen Todes gestorben ist (vgl. Dtn 14,21 u.ö.; s.o. IIA 1.1.2.1), des Netzes, das die Eingeweide zusammenhält,22 sowie des Fettes der Ziege, des Schafes und des Rindes (vgl. Lev 7,23) ausdrücklich an. Insbesondere das Verbot des Blutgenusses wird auch sonst im antiken Judentum mehrfach eingeschärft, und zwar auch in den Schriften aus Qumran und dem diesen nahestehenden Jubiläenbuch (s.u. Exkurs 2). Unter den von ihrer Beschaffenheit her verbotenen Tieren nimmt das Schwein eine deutlich erkennbare Sonderstellung ein. Für den Fall, dass eins der nach Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 verbotenen Tiere ausdrücklich genannt wird, handelt es sich nämlich jeweils um das Schwein, welches für Juden nach Lev 11,7/Dtn 14,8 unrein ist. Dabei lässt sich eine Rezeption der in Lev 11,1– 23.29–46/Dtn 14,3–21 belegten Speisegebote in Gestalt einer Zuspitzung auf das Verbot des Genusses von Schweinefleisch bereits früh nachweisen. Schon in Jes 65,4 und 66,17 erscheint das Essen von Schweinefleisch nämlich neben anderen Vergehen gegen Gott als Kennzeichen der Abtrünnigen (vgl. 65,3).23 Diese Tendenz ist dann verstärkt in den Schriften des Hellenismus und der römischen Kaiserzeit zu beobachten. In ihnen lassen sich nämlich bei den verschiedensten jüdischen und paganen Autoren Rekurse auf die Speisege­ bote der Tora nachweisen, in denen jeweils exemplarisch das Schwein als für Juden verbotenes Nahrungstier genannt wird.24 Im Hintergrund steht zumeist das Verhalten von Antiochos IV. Epiphanes, der die Abneigung der Juden gegenüber Schweinefleisch gewaltsam brechen wollte. Im Hinblick auf ihn 22  Josephus verbindet hier Speisegesetze mit Opfergesetzen. Ein spezielles Verbot, dem zufolge das die Eingeweide zusammenhaltende Fett nicht gegessen werden darf, findet sich innerhalb der biblischen Gesetze nämlich nicht, doch soll nach Lev 3,3 dieses auf dem Altar als Feueropfer dargebracht werden (vgl. Feldman, Judaean Antiquities, 307 Anm. 774). 23  Vgl. dazu auch Jes 66,3 LXX mit der gegenüber MT abweichenden Einleitung durch ὁ δὲ ἄνομος. Hübner, Schweine, 227f., geht davon aus, dass Schweine im vorexilischen Israel insgesamt durchaus gezüchtet und gegessen wurden. 24  Zu Belegen zur Verweigerung von Schweinefleisch bei den Juden vgl. Smallwood, Jews, 123 Anm. 16; Böhl, Juden, 126f.

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berichten verschiedene antike – auch nichtjüdische25 – Autoren, dass er die Juden sowohl zum Opfern26 als auch zum Essen des von ihnen strikt abge­ lehnten Schweinefleisches zwingen wollte.27 Besonders ausführlich wird diese Auseinandersetzung in den Makkabäerbüchern behandelt (s.u. 1.2.1), wobei jeweils die Enthaltsamkeit der Juden vom Genuss von Schweinefleisch heraus­ gestellt wird.28 Nachrichten über Juden, die zum Essen von Schweinefleisch gezwungen werden, sind jedoch nicht auf die Makkabäerbücher oder auf die von Antiochos IV. ausgehende Forderung beschränkt. Sie sind vielmehr auch für die römische Zeit überliefert. So berichtet beispielsweise auch Philo davon, dass in Alexandria jüdische Frauen öffentlich aufgefordert wurden, Schweine­ fleisch (κρέα χοίρεια) zu essen, bei einer Weigerung jedoch gefoltert wurden (Flacc. 96). Die Weigerung, Schweinefleisch zu essen, wurde offenbar generell als ein zentrales Merkmal der Juden bewertet. Gerade sie wird nämlich von Außenste­ henden in besonderer Weise mit Juden assoziiert. Dabei stellt die Ablehnung von Schweinefleisch – neben der Beschneidung – einen der Hauptvorwürfe dar, die den Juden von heidnischer Seite entgegengebracht wurden. Hinwei­ se auf eine entsprechende Kritik der Heiden am Schweinefleischverbot der Juden sind zum einen in den jüdischen Quellen selbst überliefert. Sowohl Philo29 als auch Josephus30 erwähnen etwa ausdrücklich eine Verspottung der Juden aufgrund ihres Verzichts auf Schweinefleisch. Zum anderen finden sich 25  Nach Diod. 34/35,1,3f. opferte Antiochos nach der Besetzung Jerusalems (168 v.Chr.) im Tempel vor dem Standbild des Mose ein riesiges Schwein (μεγάλην ὗν θύσας), bespreng­ te das Heiligtum und die heiligen Bücher mit dessen Blut und zwang den Hohepries­ ter sowie die übrigen Juden zum Verzehr von Schweinefleisch (τῶν τε κρεῶν ἀναγκάσαι προσενέγκασθαι τὸν ἀρχιερέα καὶ τοὺς ἄλλους Ἰουδαίους); vgl. GLAJ I, 181f. 26  Abgesehen vom Genuss von Schweinefleisch fordert Antiochos IV. von den Juden auch die Opferung von Schweinen (vgl. 1 Makk 1,47). Josephus berichtet in seiner Darstellung der entsprechenden Anordnungen genauer, dass Antiochos im Tempel Schweine schlach­ ten und daneben in jeder Stadt und in jedem Dorf Altäre für die von ihm verehrten Göt­ ter bauen ließ, auf denen täglich Schweine geopfert werden sollten (Ant. 12,253; vgl. Bell. 1,34). 27  Zu einem knappen Überblick über die verschiedenen Maßnahmen von Antiochos IV. und deren Bewertung in der Forschung vgl. Keel, Maßnahmen. 28  Der Komplex des Verzichts auf Schweinefleisch wird durch den gehäuften Gebrauch des Ausdrucks ὕειον κρέας (2 Makk 6,18; 7,1; 4 Makk 5,2) oder ein bloßes ὕειον (4 Makk 5,6; 6,15; vgl. 1 Makk 1,47) expressis verbis aktualisiert. 29  So berichtet Philo in seiner Darstellung der von ihm angeführten Gesandtschaftsreise alexandrinischer Juden nach Rom, der römische Kaiser Caligula habe die jüdische De­ legation gefragt: „Warum enthaltet ihr euch des Genusses von Schweinefleisch?“ (διὰ τί χοιρείων κρεῶν ἀπέχεσθε, Legat. 361). Dabei stellt er weiter ausdrücklich fest, dass die Juden auf diese Weise verhöhnt und verspottet wurden (363). 30  Josephus berichtet in C. Ap. 2,137 über Apion, er habe den Juden vorgeworfen, dass sie Tiere opfern, kein Schweinefleisch essen, und zudem habe er die Beschneidung verspottet

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zahlreiche Rekurse in der paganen Literatur, die erkennen lassen, dass die Ver­ meidung von Schweinefleisch bei den Juden sowohl den Griechen als auch den Römern gut bekannt war. So galt das Verbot des Essens von Schweinefleisch zwar grundsätzlich auch in Ägypten,31 wird jedoch sowohl in griechischen als auch in lateinischen Quellen vor allem für die Juden in Anschlag gebracht.32 Dabei wird das Schweinefleisch bei diesen paganen Autoren stets als beson­ ders schmackhaftes Fleisch bewertet, sodass das Essen von Schweinefleisch für Griechen33 und Römer34 selbstverständlich war, wie umgekehrt auch die Juden wussten.35 Gelegentlich werden zwar gewisse Überlegungen zum Grund für den Verzicht der Juden auf Schweinefleisch angestellt,36 doch bietet er den Heiden in erster Linie Anlass für Spott.37 Er g­ ehört in den Rahmen der im paganen Bereich generell häufig belegten Kritik am jüdischen Gesetz als (ὁ κατηγορῶν ἐγκαλεῖ γὰρ ὅτι ζῷα θύομεν καὶ χοῖρον οὐκ ἐσθίομεν καὶ τὴν τῶν αἰδοίων χλευάζει περιτομήν). 31  Vgl. dazu vor allem Hdt. 2,47, wonach das Schwein in Ägypten als unrein gilt (μιαρός) und das Opfern sowie das Essen von Schweinefleisch nur zugunsten bestimmter Götter (Selene und Dionysos) zu bestimmten Zeiten erlaubt ist; vgl. auch Plut. Mor. 353F–354A; Aelian, Nat. an. 10,16; vgl. auch Jos. C. Ap. 2,141; dann Orig. Cels. 5,34.41. 32  Sext. Emp. Pyr. 3,223 nennt den Juden und den ägyptischen Priester als solche, die eher sterben würden als Schweinefleisch zu essen (vgl. GLAJ II, 159). Auch Porphyrios betont die unbedingte Abneigung der Juden gegenüber Schweinefleisch (Abst. 1,14,4 neben den Juden werden auch die Phönizier als solche erwähnt, die Schweinefleisch meiden; 2,61,7), im Gegensatz zur Beseitigung anderer Traditionen (4,11,1). 33  Vgl. dazu, dass Plutarch das Schweinefleisch als τὸ δικαιότατον κρέας bezeichnet (Mor. 669C und F), d.h. als Fleisch, das die Juden mit größtem Recht essen können. 34  Vgl. Cic. Nat. d. 2,160. 35  Vgl. dazu die Wiedergabe der heidnischen Überzeugung bei Philo, Spec. 4,101. Auch der Verfasser des 4. Makkabäerbuches überliefert für Antiochos IV., dass er das Schweine­ fleisch als besonders schmackhaftes Fleisch (4 Makk 5,8), das Verhalten der Juden daher als Dummheit bewertet (5,9). 36  Vgl. dazu die Erörterung der Speisevorschriften bei Epikt. Diatr. 1,11,12f.; 1,22,4 (vgl. GLAJ I, 542). Als Grund für den Verzicht auf Schweinefleisch wird häufig eine Verbindung zwi­ schen dem Schwein und Aussatz hergestellt: vor allem Plut. Mor. 670F–671B neben ande­ ren Gründen wie z.B. der unreinen Lebensart von Schweinen; Mor. 353F; Tac. Hist. 5,4,2 (vgl. GLAJ II, 18); Aelian, Nat. an. 10,16 (jemand, der die Milch der Sau gekostet hat, be­ komme Aussatz). 37  Vgl. dazu vor allem die ausführliche Behandlung bei Plut. Mor. 669B–671C (vgl. GLAJ I, 550–553); vgl. auch die Anspielung in Plut. Cic. 7,6 (GLAJ I, 566); daneben Juv. Sat. 6,160; 14,98f. (vgl. GLAJ II, 99f.102f.). Petronius behauptet, die Juden würden ein porcinum numen verehren (Poemata 24 = Frg. 37; vgl. GLAJ I, 444). Macrobius, Saturnalia 2,4,11 überliefert in Bezug auf Augustus, er soll im Hinblick auf den Kindermord von Bethlehem gesagt haben, er wolle lieber das Schwein des Herodes sein als dessen Sohn (vgl. GLAJ II, 665); vgl. auch Erotianus, Frg. 33 (GLAJ I, 446). Strabo 16,2,37 führt zentrale jüdische Bräuche nicht auf Mose zurück, sondern bezeichnet sie als Folge des Aberglaubens (δεισιδαιμονία), zu dem es unter den Mose nachfolgenden Priestern gekommen sei. Als Bräuche erwähnt er den Verzicht auf Fleisch, worunter Schweinefleisch (so Schäfer, Judaeophobia, 95 Anm.

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etwas, durch das die Juden zu jedem Volk im Widerspruch stehen und sich daher gegen alle Menschen feindselig38 verhalten würden.39 Die soeben zusammengestellten Belege zeigen somit deutlich, dass die in Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 überlieferten Speisegebote innerhalb der Schrif­ ten des griechischsprachigen Judentums vorrangig in Gestalt des Verbotes von Schweinefleisch rezipiert wurden und sich auch bei den paganen Autoren in dieser Form niedergeschlagen haben.40 1.1.2 Die grundsätzliche Ablehnung der bei Heiden üblichen Speisen In den Schriften des griechischsprachigen Judentums sind abgesehen vom Schweinefleischverbot mehrere weitere Traditionen überliefert, die eine Ver­ meidung bestimmter Speisen durch Juden zum Inhalt haben. In den entspre­ chenden Texten wird jeweils besonders hervorgehoben, dass die Juden Speisen ablehnen, die bei Heiden üblich sind bzw. von ihnen zubereitet wurden, doch wird in ihnen weder das Schwein noch ein anderes nach Lev 11,1–23.29–47/ Dtn 14,3–21 verbotenes Tier ausdrücklich erwähnt. Dementsprechend kann es sich bei diesen Speisen grundsätzlich um Tiere, die für Juden von ihrer Art her durch das Gesetz generell verboten sind, oder aber um solche Tiere handeln, die – wie beispielsweise das Rind – eigentlich erlaubt waren, jedoch aus heidnischen Götzenopfern stammten. In 4 Makk 5,2 findet sich eine Zu­ sammenstellung von verbotenem Schweinefleisch und Götzenopferfleisch, wobei für letzteres der insgesamt nur sehr selten belegte Terminus εἰδωλόθυτα41

16) oder Götzenopferfleisch verstanden werden kann, die Beschneidung und das Aus­ schneiden der Mädchen. 38  Zur Bewertung der jüdischen Speisevorschriften als Zeichen des Menschenhasses durch die Heiden vgl. vor allem Schäfer, Judaeophobia, 66–81. 39  Kritik an der Menschenfeindlichkeit der Juden findet sich zuerst bei Hekataios (ca. 300 v.Chr., überliefert bei Diod. 40,3,4: ἀπάνθρωπόν τινα καὶ μισόξενον βίον) und ist in der grie­ chischen und römischen Antike dann generell weit verbreitet. Ein solcher Vorwurf hat sich selbst in 1 Thess 2,14f. niedergeschlagen. Zu einer Sammlung von Belegen vgl. Small­ wood, Jews, 123 Anm. 15; zur ausführlicheren Analyse vgl. Böhl, Juden, bes. 118; Sevenster, Roots, 89–144; vor allem Berthelot, Philanthrôpia, 79–184. Ausführlicher zu den Belegen, die den Vorwurf der Menschenfeindlichkeit speziell aus der Verweigerung der Tischge­ meinschaft ableiten s.u. 2.1. 40  Vgl. dann auch im Christentum, z.B. bei Epiph. Pan. 1,287f. 41  Nach 4 Makk 5,2 hat Antiochos befohlen, jeden einzelnen Hebräer heranzuschleppen und zu zwingen, vom Schweinefleisch und Götzenopferfleisch zu kosten (παρεκέλευεν τοῖς δορυφόροις ἕνα ἕκαστον Εβραῖον ἐπισπᾶσθαι καὶ κρεῶν ὑείων καὶ εἰδωλοθύτων ἀναγκάζειν ἀπογεύεσθαι). Abgesehen von dieser Formulierung findet sich der Terminus εἰδωλόθυτα in jüdischen Schriften nur in Ps.-Phok. 31; Sib 2,96, wobei für die beiden letzten Stellen ein urchristlicher Einfluss wahrscheinlich ist. Stattdessen findet sich in den jüdischen

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verwendet wird.42 Dabei gewinnt die in der hebräischen Bibel nur selten the­ matisierte Frage nach dem Verzehr von heidnischen Speisen aus Götzenopfern (s.o. IIA 1.1.3) im griechischsprachigen Judentum offenbar durch den zuneh­ menden Kontakt mit Nichtjuden an Bedeutung. Gerade eine solche Verbin­ dung der Speisen der Heiden mit Götzendienst ist nämlich der entscheidende Grund für die Ablehnung einer Tischgemeinschaft mit Heiden oder entspre­ chende Einschränkungen bei dieser (s.u. 2.1), wie die Erzählung Joseph und Aseneth besonders deutlich zeigt (s.u. 2.1.2.2b). 1.1.2.1

Die vegetarische Ernährung Daniels anstelle einer Versorgung von der Tafel des Königs Die Verbindung der bei Heiden üblichen Speisen mit Götzendienst ist offenbar auch der Grund für die zu Beginn der Danielerzählung überlieferte strikte Wei­ gerung Daniels, während seiner Zeit am heidnischen Hof von Babylon Fleisch oder Wein zu sich zu nehmen (vgl. Dan 1,3–21). Für sie besteht insgesamt eine deutliche Nähe zu den für Esther und Judith überlieferten Traditionen. Anders als innerhalb der Esther- und Juditherzählung wird in der Danielerzählung zwar nicht der spezielle Kontext der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden auf­ gerufen. Wie Esther und Judith (s.u. 2.1.1 und 2.1.2.1) lehnt jedoch auch Daniel Nahrungsmittel ab, die von der Tafel eines Heiden stammen. Nach Dan 1,5 LXX will Nebukadnezzar II. (neubabylonischer König von 605–562 v.Chr.) die Ver­ sorgung der an seinem Hof lebenden jungen Israeliten mit Lebensmitteln näm­ lich dergestalt regeln, dass sie während dieser Zeit täglich eine Essensration aus dem Haus des Königs bekommen sollen, und zwar vom königlichen Tisch43 und von dem Wein, den auch er selbst trinkt: καὶ δίδοσθαι αὐτοῖς ἔκθεσιν ἐκ τοῦ οἴκου τοῦ βασιλέως καθ’ ἑκάστην ἡμέραν καὶ ἀπὸ τῆς βασιλικῆς τραπέζης καὶ ἀπὸ τοῦ οἴνου οὗ πίνει ὁ βασιλεύς.44 Gerade diese Herkunft der Speisen und Getränke vom Tisch eines Heiden wird innerhalb der Danielerzählung besonders betont (vgl. 1,8.13.15). Dabei ist eine solche Verpflegung mit Speisen und Wein von der Tafel des Königs zunächst gerade eine Handlung, mit der Nebukadnezzar Schriften aber der Ausdruck θυσίαι τῶν εἰδώλων/θεῶν (z.B. Num 25,2; JosAs 12,5; vgl. auch Ex 34,15; Lev 17,7). Zur Wortbildung von εἰδωλόθυτα vgl. Klauck, Herrenmahl, 241–249. 42  In paganen Texten werden Tiere, die im Rahmen von heidnischen Opferzeremonien ge­ schlachtet wurden, hingegen ἱερόθυτον oder θεόθυτον genannt. 43  Mit der Bestimmung als Speisen „vom Tisch des Königs“ geben die Septuaginta und Theodotion den Ausdruck ‫ת־ּבג‬ ַ ‫ ִמ ַּפ‬wieder. Dieser ist biblisch nur in Dan 1,5.8.13.15 belegt. Bei ihm handelt es sich vermutlich um ein hebräisches Fremdwort, das evtl. auf das alt­ persische patibag zurückgeht. Häufig wird im Sinne eines Anteils, z.B. einer Abgabe an den König, gedeutet. Zum Hintergrund und zur Bedeutung vgl. Koch, Dan, 5. 44  Vgl. auch Dan 1,5 Θ: καὶ διέταξεν αὐτοῖς ὁ βασιλεὺς τὸ τῆς ἡμέρας καθ’ ἡμέραν ἀπὸ τῆς τραπέζης τοῦ βασιλέως καὶ ἀπὸ τοῦ οἴνου τοῦ πότου αὐτοῦ.

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diesen Jünglingen, die an seinem Hof zu seinen Dienern ausgebildet werden sollen,45 eine besondere Ehre erweist.46 Dennoch lehnt Daniel die Speisen, die der König für sie vorgesehen hat, strikt ab. Im Einzelnen wird nicht genauer aufgeführt, welche Speisen Daniel zurückweist. Der Zweck dieser Weigerung Daniels besteht jedoch offenbar in der Vermeidung einer Verunreinigung durch eben diese Speisen. Durch den Gebrauch von ἀλισγέω und συμμολύνω in Dan 1,8 LXX misst Daniel den vom Tisch des Königs stammenden Nahrungs­ mitteln nämlich durchaus eine verunreinigende Wirkung zu: Die ἀλισγέω-Terminologie ist in den aus der Antike überlieferten Schrif­ ten nur äußerst selten belegt und lässt sich nur innerhalb des jüdischen und christlichen Schriftencorpus finden. Das Verbum ist überhaupt nur innerhalb der Septuaginta47 nachweisbar und dient jeweils als Über­ setzungsäquivalent des hebräischen ‫ גאל‬II.48 Dabei wird innerhalb der Feststellung von Daniels Ablehnung der ihm vom König zugedachten Nahrungsmittel das im Hebräischen zweimal gebrauchte Verbum ‫גאל‬ Hitpael zum einen durch ἀλισγέω, zum anderen mit συμμολύνω über­ setzt: καὶ ἐνεθυμήθη Δανιηλ ἐν τῇ καρδίᾳ ὅπως μὴ ἀλισγηθῇ ἐν τῷ δείπνῳ τοῦ βασιλέως καὶ ἐν ᾧ πίνει οἴνῳ καὶ ἠξίωσε τὸν ἀρχιευνοῦχον ἵνα μὴ συμμολυνθῇ.49 Aus diesem Gebrauch von ἀλισγέω ist für ­dieses Verbum in zweierlei Hin­ sicht eine Nähe zum Wortfeld der Verunreinigung zu erkennen,50 und 45  Vgl. dazu, dass Nebukadnezzar für die Ausbildung an seinem Hof aus den nach Babylon deportierten Israeliten solche Jünglinge auswählen lässt, die sich sowohl durch ein tadel­ loses Aussehen als auch durch Weisheit auszeichnen (Dan 1,3f.). 46  Vgl. dazu vor allem die Tradition zu Kyros bei Xen. Cyr. 8,2,3f. (s.u. 1.4.3.2). 47  Vgl. daneben den Gebrauch des vom Verbum abgeleiteten Nomens in Apg 15,20: […] τοῦ ἀπέχεσθαι τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων καὶ τῆς πορνείας καὶ τοῦ πνικτοῦ καὶ τοῦ αἵματος; ParJer 7,32(37): […] τοῦ ἀπέχεσθαι ἐκ τῶν ἀλισγημάτων τῶν ἐθνῶν τῆς Βαβυλῶνος. 48  Für die Übersetzung von ‫ גאל‬II Nifal wird hingegen μολύνω verwendet (Jes 59,3; Klgl 4,14). Dabei lässt sich für das Verbum ‫ גאל‬II Nifal ein Gebrauch in einem wörtlichen Sinne von „besudeln“ erkennen (meist mit Blut), wohingegen dieses Verbum im Piel, Pual und Hit­ pael abgesehen von einer solchen wörtlichen Bedeutung (CD-A 12,16; 1QM 9,8) besonders häufig in einem übertragenen Sinne von „unrein“ verwendet wird. 49  Im Vergleich mit der hebräischen Fassung fällt der zweimalige Gebrauch des griechi­ schen Passivs anstelle des Hitpaels auf. Das Passiv lässt Daniel als handelndes Subjekt zurücktreten. 50  Vgl. dazu, dass für das Verbum ἀλισγέω zumeist eine Paraphrase im Sinne von „verunrei­ nigen“ vorgeschlagen wird (so Passow, s.v.: „beflecken, besudeln“; LSJ, s.v.: „pollute“; GELS, s.v.: „to pollute“ [Hervorhebungen im Original]), zum Teil im engeren Sinne von „rituell verunreinigen“ (so BAA, s.v.: „beflecken“ mit ἀλίσγημα: „rituell verunreinigen“ [im Origi­ nal teilweise hervorgehoben]; vgl. auch BDAG, s.v. ἀλίσγημα: „make ceremonially impure“; Muraoka, s.v. ἀλισγέω: „to destroy the purity or sanctity of“ [im Original teilweise hervor­ gehoben], bes. b.).

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zwar zum einen aus der Verwendung als Übersetzung für ‫גאל‬, welches den Gedanken der Unreinheit bezeichnet (s.o. IIA 1.2),51 zum anderen angesichts des Befundes, dass μὴ ἀλισγηθῇ in Dan 1,8 LXX parallel zur Wendung μὴ συμμολυνθῇ gebraucht wird.52 Die μολύνω-Terminologie be­ zeichnet nämlich ausdrücklich den Vorgang der Verunreinigung und ist im Rahmen der jüdischen Speisegebote als Unreinheitsbegriff fest veran­ kert (s.u. 1.3.1.1). Dabei aktualisiert der Übersetzer der Septuaginta durch den Gebrauch des Kompositums συμμολύνω näherhin den Gedanken des Mitbefleckt-Werdens.53 Abgesehen von Dan 1,8 LXX/Θ wird ἀλισγέω gehäuft in Mal 1,6– 14 LXX in einem Abschnitt gebraucht, in dem Priester dafür getadelt werden, dass sie Gott verdorbene (vgl. διεφθαρμένον in 1,14), und zwar geraubte und kranke (1,8.13), Opfer darbringen. Wie in Dan 1,8 wird mit ἀλισγέω das hebräische ‫ גאל‬II übersetzt, welches hier jedoch nicht im Hitpael, sondern im Piel (Mal 1,7) und Pual (Mal 1,7.12) verwendet wird. Dabei besteht für ἀλισγέω zum einen eine deutliche Nähe zur Vorstel­ lung von Unreinheit, da ἀλισγέω als Gegenbegriff zu καθαρός gebraucht wird.54 Zum anderen ergibt sich für ἀλισγέω ein Verständnis im Sinne von „geringschätzen, verachten“,55 da als Parallelbegriff zu ἀλισγέω das Verbum ἐξουδενέω verwendet wird, und zwar sowohl mit Bezug auf die von Gott zurückgewiesenen Opfer56 als auch mit Bezug auf den Tisch des Herrn, auf dem diese falschen Opfer dargebracht werden.57 Das Ver­ bum ἐξουδενέω aktualisiert nämlich expressis verbis den Gedanken der

51  Häufig wird auch in diesem Zusammenhang Unreinheit in einem kultischen Sinne verstanden, vgl. dazu Köhler/Baumgartner, s.v. ‫ גאל‬II Piel: „besudeln, kultisch unrein machen“ (im Original teilweise hervorgehoben); Gesenius, s.v. ‫ גאל‬II Piel: „kultisch verunreinigen“. 52  In Dan 1,8 Θ findet sich hingegen zweimal ἀλισγέω: καὶ ἔθετο Δανιηλ ἐπὶ τὴν καρδίαν αὐτοῦ ὡς οὐ μὴ ἀλισγηθῇ ἐν τῇ τραπέζῃ τοῦ βασιλέως καὶ ἐν τῷ οἴνῳ τοῦ πότου αὐτοῦ καὶ ἠξίωσε τὸν ἀρχιευνοῦχον ὡς οὐ μὴ ἀλισγηθῇ. 53  Zum Gebrauch dieses Kompositums vgl. Epikt. Ench. 33,6 (dort im Rahmen von Ausfüh­ rungen zur Tischgemeinschaft; s.u. 2.2.1.3c). 54  Vgl. dazu, dass der Gegensatz zu den von frevelhaften Priestern dargebrachten und in Mal 1,7 mithilfe von ἀλισγέω bezeichneten Opfern reine Opfer sind (θυσία καθαρά in 1,11). 55  Eine Nähe zum Gedanken der Verachtung erkennt auch Clines, s.v. ‫ גאל‬II Piel, wenn er als Synonym zu ‫ גאל‬das Verbum ‫„( בזה‬despise“) angibt (vgl. Mal 1,7). 56  So Mal 1,7 LXX: προσάγοντες πρὸς τὸ θυσιαστήριόν μου ἄρτους ἠλισγημένους καὶ εἴπατε ἐν τίνι ἠλισγήσαμεν αὐτούς ἐν τῷ λέγειν ὑμᾶς τράπεζα κυρίου ἐξουδενωμένη ἐστὶν καὶ τὰ ἐπιτιθέμενα βρώματα ἐξουδενωμένα (zur Verachtung der dargebrachten Speisen vgl. auch 1,12 LXX). 57  Vgl. Mal 1,7 LXX: […] τράπεζα κυρίου ἐξουδενωμένη ἐστίν […] mit 1,12 LXX: […] τράπεζα κυρίου ἠλισγημένη ἐστίν.

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Geringschätzung und Verachtung,58 welcher überhaupt im Zentrum des gesamten Abschnitts steht.59 Ein solcher enger Zusammenhang zur Ver­ achtung lässt sich auch im Kontext der einzig weiteren Überlieferung von ἀλισγέω in Sir 40,29 erkennen.60 Diese enge Verbindung zum Gedanken der Verachtung spricht jedoch nicht gegen ein Verständnis von ἀλισγέω im Sinne von „verunreinigen“. Vielmehr erklären die anderen Begriffe of­ fenbar genauer, in welchem Sinne die Verunreinigung zu verstehen ist. In Dan 1,8 stellt der Verfasser der Septuaginta demzufolge fest, Daniel habe es abgelehnt, so wie die anderen, die die Speisen des Königs und dessen Wein genießen, befleckt zu werden. Eine solche Verunreinigung durch Speisen spricht jedoch gerade eher für die biblischen Speisegebote als Hintergrund der Weigerung Daniels, diese Speisen zu sich zu nehmen.61 Angesichts des in der Tradition bereits fest verankerten 58  Vgl. dazu Passow, s.v. ἐξουδενέω bzw. ἐξουδενίζω: „für nichts halten, gering schätzen, herun­ tersetzen, verachten, verächtlich behandeln“. 59  Vgl. dazu die Verachtung des Namens Gottes in Mal 1,6 LXX: […] ὑμεῖς οἱ ἱερεῖς οἱ φαυλίζοντες τὸ ὄνομά μου καὶ εἴπατε ἐν τίνι ἐφαυλίσαμεν τὸ ὄνομά σου (vgl. Passow, s.v. φαυλίζω: „etwas schlecht finden, für schlecht halten, gering schäzen, verachten“). Sie ist gleichbedeutend mit der Entheiligung des Namens (so Mal 1,12 LXX: ὑμεῖς δὲ βεβηλοῦτε αὐτό) und steht im Kontrast zur Forderung nach der Verehrung Gottes und seines Namens (so 1,6.11.14). 60  In Sir 40,29 wird ἀλισγέω wie in Dan 1,8 ebenfalls in Verbindung mit Speisen gebraucht, die der Mensch isst, jedoch nicht mit den in Lev 11/Dtn 14 für Juden verbotenen Tiersorten oder mit Götzenopferfleisch, sondern mit fremden Speisen. Im Kontext wird nämlich vor den Folgen von Bettelei gewarnt. Dabei ist mit der Verunreinigung durch fremde Spei­ sen (ἀλισγήσει ψυχὴν αὐτοῦ ἐν ἐδέσμασιν ἀλλοτρίοις) offensichtlich eine Verachtung dieses Menschen verbunden. Im unmittelbaren Umfeld wird ein Leben in Bettelei nämlich als äußert negativ angesehen. Dieses sei nicht mehr als Leben zu bewerten (Sir 40,29), ja selbst der Tod sei einem solchen Leben vorzuziehen (40,28). 61  Gegen Sutter Rehmann, Tischgemeinschaft, Abschnitt 3. Sie kommt aufgrund ihrer Un­ tersuchung von ἀλισγέω zu der Überzeugung, dass dieses Verbum „entehrendes Verhalten, nicht kultisches Verunreinigen im Sinne der Speisegebote“ bezeichnet, und zieht daraus für Dan 1 den generellen Schluss: „Von Speisegeboten und kultischer Reinheit ist nichts zu sehen.“ Es gehe vielmehr darum, dass Daniel und seine Freunde sich als Weisheitsschüler nicht auf Saufen und Prassen am Hof einlassen wollten. Dabei ist ihr insofern Recht zu geben, als sich für ἀλισγέω durchaus eine gewisse Nähe zu Begriffen feststellen lässt, die den Gedanken der Verachtung zum Ausdruck bringen (s.o.). Aus diesem Befund zieht Sutter Rehmann jedoch insgesamt zu weitgehende Folgerungen. So lässt sich selbst aus einer Deutung, der zufolge im Zentrum von ἀλισγέω der Aspekt der Verachtung und Ge­ ringschätzung steht, keineswegs stichhaltig ableiten, dass die jüdischen Speisegebote in Dan 1,8 nicht im Blick sind. Abgesehen von Begriffen, die im engeren Sinne den Vorgang der Verunreinigung zum Ausdruck bringen, werden nämlich mehrere weitere Begriffe gebraucht, die die Folgen einer Übertretung der Speisegebote von anderen Vorstellungs­ hintergründen her zum Ausdruck bringen. Dies gilt auch für schuldhaft verursachte

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Zusammenhangs zwischen dem Verbot bestimmter Speisen und einer Verun­ reinigung durch sie wird der antike Leser nämlich durch eine Formulierung wie Dan 1,8 wohl in jedem Fall an diese ihm gut vertraute Vorstellung erin­ nert worden sein. Dabei lässt die gemeinsame Erwähnung von Fleisch- und Weinverzicht in erster Linie an eine Verbindung dieser Nahrungsmittel mit heidnischem Götzendienst denken. Abgesehen von Fleisch aus Götzenopfern wird nämlich bei den Heiden gerade Wein während einer Mahlzeit für den Götzendienst verwendet, wie die in Est C28 belegte Näherbestimmung des ab­ gelehnten Weins als Opferwein (οἶνον σπονδῶν) deutlich zeigt (s.u. 2.1.1). Auch innerhalb der Danielerzählung wird im Rahmen der Darstellung des Festmahls des Belschazzar (5,1–30) ausdrücklich vom Götzendienst der entsprechenden Mahlteilnehmer berichtet, und zwar in Verbindung mit einer Erwähnung von deren Weingenuss (vgl. 5,3f.). Nimmt man jedoch das Götzenopferfleischver­ bot als Hintergrund von Daniels Ablehnung der heidnischen Speisen an, so lässt sich die in Dan 1,8 belegte Verunreinigung durchaus im Sinne einer rituel­ len Unreinheit verstehen, wie häufig – wenngleich nicht unwidersprochen62 – angenommen wird.63 Die Verunreinigung durch Götzenopfer steht nämlich in großer Nähe zu ritueller Unreinheit (s.u. 1.4.1.1). kultische Unreinheit (vgl. dazu beispielsweise den Gebrauch von κοινόω in Mk 7,2.5.15a.18 vor dem Hintergrund des „Gemeinen“; s.u. IIIC 1.1.2). Dabei liegt der Gedanke einer Ab­ wertung von verbotenen Speisen und derjenigen, die solche Speisen essen, beispielsweise auch mit dem Gebrauch der βδελύσσω-Terminologie vor, da mit ihr das Verbotene von einem gesetzestreuen Standpunkt aus als „Gräuel“ bzw. „Scheußlichkeit“ bezeichnet wird (s.u. 1.3.1.1). Zudem schließt eine Deutung von ἀλισγέω als Bezeichnung für „entehrendes Verhalten“ einen Bezug auf eine Übertretung der Speisegebote auch deshalb nicht aus, weil auch eine solche durchaus als „entehrend“ bewertet wird (s.u. 1.4.3.1). Umgekehrt ergibt sich die von Sutter Rehmann vorgeschlagene Deutung nicht zwingend aus dem unmittelbaren Kontext, sondern ist wohl zu einem nicht unerheblichen Maße von ihrer Deutung der Juditherzählung beeinflusst. Auch die Ablehnung der Speisen des Holofer­ nes durch Judith deutet Sutter Rehmann nämlich als Verweigerung der Leckerbissen des Holofernes (vgl. Jdt 12,1), durch welche Judith Solidarität mit ihren belagerten Volksgenos­ sen üben wolle. Dabei zeichnet sich die von Daniel geforderte Verpflegung durch Hülsen­ früchte und Wasser zwar durchaus durch Einfachheit aus. Eine ausgiebige Schmauserei mit besonderen Köstlichkeiten, etwa als Gegensatz zu dieser einfachen Nahrung, wird jedoch im Umfeld von Dan 1,8 gerade nicht näher problematisiert. Demgegenüber wird in Dan 10,3 beispielsweise der Fleisch- und Weinverzicht mit dem Trauern näher begründet. 62  Gegen eine Deutung von Dan 1,8 mit dem Fokus auf einer kultischen Verunreinigung durch Speisen z.B. Begg/Spilsbury, Judaean Antiquities, 274 Anm. 813. Sie schlagen dane­ ben ein moralisches Verständnis vor (271 Anm. 789). 63  Vgl. dazu abgesehen von den Paraphrasen von ‫ גאל‬und ἀλισγέω im Sinne von ritueller oder kultischer Unreinheit in den Wörterbucheinträgen ausdrücklich Collins, Dan, 141– 143, bes. 142. Zur Deutung der Speisevorschriften in den verschiedenen Erzählungen als rituelle Unreinheit generell vgl. Satran, Daniel, 34.

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Im Einzelnen will Daniel offenbar vollständig auf solche Speisen verzich­ ten, die möglicherweise mit Götzendienst in Verbindung stehen. Er verwei­ gert nämlich geradezu jegliche tierische Nahrung, wie sich aus der von Daniel an den Obereunuchen Nebukadnezzars gerichteten Aufforderung, ihm und seinen Gefährten nur Hülsenfrüchte und Wasser zu geben (1,12), deutlich er­ kennen lässt (vgl. auch 1,16). Mit dieser Beschränkung auf vegetarische Kost geht Daniel über die biblischen Speisegebote hinaus. Ein solcher genereller Fleischverzicht lässt sich jedoch auch abgesehen von dieser Danieltradition in den Schriften des griechischsprachigen Judentums als eine der Maßnahmen finden, durch die gesetzestreue Juden eine Übertretung der biblischen Speise­ gebote unter allen Umständen ausschließen wollen.64 Gerade dieser Aspekt des generellen Fleischverzichts wird von Josephus in seiner Rezeption der Danielerzählung (Ant. 10,190–194) besonders betont, wenn er berichtet, dass Daniel sich von den Speisen des Königs und von jegli­ chem Lebendigen ferngehalten hat (τῶν ἀπὸ τῆς βασιλικῆς τραπέζης ἐδεσμάτων ἀπέχεσθαι καὶ καθόλου πάντων τῶν ἐμψύχων […] εἴ τι τῶν ἀψύχων ἕτερον βούλοιτο in 10,190).65 Im Einzelnen lässt sich für die Version bei Josephus jedoch eine deutlich andere Tendenz erkennen als für die biblische Danielerzählung. So stellt Josephus Daniel in erster Linie in eine philosophische Tradition, in wel­ cher der Verzicht auf Fleisch weit verbreitet war.66 Er nennt für den Fleischver­ zicht Daniels nämlich vorwiegend philosophische Gründe wie beispielsweise den Wunsch nach Askese.67 Dabei klingt zwar auch bei Josephus der Komplex 64  Vgl. dazu, dass sich auch Judas Makkabäus nach 2 Makk 5,27 bei seiner Ernährung auf Gras beschränkt hat, um eine Befleckung zu vermeiden. Zur Rekonstruktion der Speisen der Aufständischen vgl. z.B. Kislev, Food (Zusammenfassung bei Eshel/Zissu, Jericho, 19), wonach diese aus Früchten, Nüssen, Korn und Bohnen bestand. Vgl. daneben das Lob der vegetarischen Lebensweise innerhalb des Berichts des Josephus über verhaftete jüdische Priester in Rom. Im Hinblick auf sie stellt er fest, dass sie die Ehrfurcht gegenüber Gott selbst in dieser schlechten Situation nicht außer Acht gelassen und sich nur von Feigen und Nüssen ernährt haben (Vita 14). 65  Demgegenüber erwähnt Josephus den Wein aus Dan 1,5.8.16 nicht. 66  Vgl. dazu Begg/Spilsbury, Judaean Antiquities, 271f. (bes. Anm. 792 und 798), mit Be­ legen für die Orphiker (Plat. Leg. 782C–D), Pythagoreer (Philostr. Vit. Apoll. 6,11,5) und Therapeuten (vgl. Philo, Contempl. 37.73); vgl. Satran, Daniel, 36f. Vgl. daneben auch Sen. Ep. 108,22. Zu den Motiven für Vegetarismus in der Antike vgl. Beckwith, Vegetarianism; ausführlich Haussleiter, Vegetarismus. Die Argumente für eine vegetarische Lebensweise schließen beispielsweise auch die Seelenwanderung ein (so Empedokles). 67  Vgl. dazu Jos. Ant. 10,190: σκληραγωγεῖν ἑαυτόν; 194: […] καὶ τῶν σωμάτων πρὸς φιλοπονίαν εὐτονωτέρων […] οὔτε ταῦτα μαλακώτερα διὰ τὴν αὐτὴν αἰτίαν πᾶσαν. Näheres zu diesen Aus­ sagen und zum Rückgriff auf weitere Motive aus der philosophischen Tradition inner­ halb der Wiedergabe von Dan 1 durch Josephus bei Begg/Spilsbury, Judaean Antiquities, 271–276, mit zahlreichen Parallelen (bes. Anm. 789.796.797.818.823).

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der Reinheit bzw. Unreinheit an. Die Verwendung dieses Motivs unterscheidet sich jedoch deutlich von Dan 1,8. Josephus stellt nämlich keinen Zusammen­ hang zwischen speziell für Juden verbotenen Speisen und einer mit diesen Speisen verbundenen Verunreinigung her, sondern gebraucht auch dieses Motiv der Reinheit in einem allgemein philosophischen Sinne. Ihm zufolge ist nämlich die Seele der Jünglinge durch die einfache Nahrung rein und für die Bildung geeignet geworden und steht damit im strikten Gegensatz zu einer durch Nahrung beschwerten und abgestumpften Seele (οἱ δὲ ὡς καὶ τῶν ψυχῶν αὐτοῖς διὰ τοῦτο καθαρῶν καὶ πρὸς τὴν παιδείαν ἀκραιφνῶν γεγενημένων […] οὔτε γὰρ ἐκείνας ἐφείλκοντο καὶ βαρείας εἶχον ὑπὸ τροφῆς ποικίλης in Ant. 10,194).68 1.1.2.2 Die Ablehnung der „Brote der Heiden“ durch Tobit Eine ähnliche Tendenz zur Verschärfung der biblischen Speisegebote lässt sich auch innerhalb des Tobitbuches beobachten. Dieses hat seinen Ursprung deutlich im semitischen Sprachbereich, doch sind die entscheidenden Texte zum Komplex des Essens nur innerhalb der griechischen Fassung überliefert, welche den ältesten vollständigen Text des gesamten Buches darstellt. Zumeist wird für das Tobitbuch eine Entstehung um 200 v.Chr. angenommen,69 wobei im Hinblick auf den Entstehungsort häufig die östliche Diaspora, daneben aber auch Palästina vorgeschlagen wurde.70 Eine Zuspitzung der biblischen Speisegebote liegt mit der Bezeichnung der von Juden zu meidenden Speisen als „Brote der Heiden“ vor,71 da mit ihr offenbar eine Ablehnung geradezu aller bei Heiden üblichen Speisen verbunden ist.72 Dabei stellt Tobit sich selbst und 68  Zur Differenz zwischen diesem Gebrauch des Unreinheitsmotivs und dem innerhalb der biblischen Danielerzählung vgl. auch Begg/Spilsbury, Judaean Antiquities, 274f. Anm. 813.818. 69  Zur Datierung des Tobitbuches vgl. Fitzmyer, Tob, 51f., der für eine Entstehung in der Zeit zwischen 225–175 v.Chr. plädiert. 70  Zur Verortung des Tobitbuches in der Diaspora vgl. z.B. Schüngel-Straumann, Tob, 41, die konkret an Antiochia denkt; daneben auch Ego, Buch Tobit, 134f., die zahlreiche Vertreter für die beiden Alternativen einer Herkunft aus der östlichen Diaspora und aus Palästina nennt (Anm. 77 und 78). Für eine Entstehung in Palästina plädiert demgegenüber z.B. Fitzmyer, Tob, 52–54; für Samaria Milik, La patrie, aufgenommen von Rabenau, Studien, 178–182. 71  Gegen Sutter Rehmann, Tischgemeinschaft, Abschnitt 3, die einen Bezug von Tob 1,10f. auf die jüdischen Speisegebote ausschließt und die Weigerung Tobits zum Essen von heidnischen Broten stattdessen im Kontext der Zehnten- und Armengesetzgebung veror­ tet. Der Skopus von Tob 1,10f. liegt jedoch nicht auf der Solidarität Tobits mit den Armen, wie dies an den Stellen der Fall ist, die davon berichten, dass Tobit sein Brot mit den Armen geteilt hat (1,17; 2,2; 4,16). 72  Dass die Speisen der Heiden generell unrein sind, findet sich im Pentateuch nicht. Vgl. dazu Schumpp, Tob, 22; Schüngel-Straumann, Tob, 60 Anm. 9.

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seine Stammes- bzw. Volksgenossen im Hinblick auf das Essen solcher „Brote der Heiden“ einander strikt gegenüber (1,10f.). Er berichtet, dass alle seine Brü­ der und die Leute aus seinem Volk in der Gefangenschaft bei den Assyrern von den Broten der Heiden gegessen hätten (πάντες οἱ ἀδελφοί μου καὶ οἱ ἐκ τοῦ γένους μου ἤσθιον ἐκ τῶν ἄρτων τῶν ἐθνῶν). Demgegenüber betont Tobit, dass er selbst sich strikt geweigert habe, sich in Speisefragen so zu verhalten wie die Heiden. Er selbst habe sich nämlich davor gehütet, von den Broten der Heiden zu essen (ἐγὼ δὲ συνετήρησα τὴν ψυχήν μου μὴ φαγεῖν ἐκ τῶν ἄρτων τῶν ἐθνῶν in 1,11 GII ). Diese Feststellung ist auffällig. In ihr werden die Speisen der Heiden, die von Juden zu vermeiden sind, nämlich nicht auf tierische Nahrung einge­ schränkt. Damit ist diese Aussage Tobits aber offenbar dergestalt zu verstehen, dass er geradezu keinerlei heidnische Speise gegessen hat. Innerhalb dieser Wendung muss ἄρτος73 nämlich nicht auf die Bedeutung „Brot“ begrenzt sein,74 sondern ist wohl in einem weiteren Sinne von „Speise“ zu verstehen, wie dies für ἄρτος häufiger der Fall ist.75 Damit ist sie aber eine Bezeichnung für die gesamte Nahrung der Heiden.76 Die Abgrenzung der Juden von den Nichtjuden mithilfe der jüdischen Speisegebote Die für das griechischsprachige Diasporajudentum insgesamt auffällige strikte Gegenüberstellung der Juden und Nichtjuden im Hinblick auf die von ihnen gegessenen Speisen und die jeweils gepflegte Lebensweise insgesamt impliziert die Vorstellung vom Gesetz als Grenze zwischen den gesetzestreuen Juden auf der einen Seite und den Nichtjuden auf der anderen Seite. Eine solche Ab­ grenzung Israels gegenüber anderen Völkern mithilfe des Gesetzes77 wird in­ 1.2

73  Zu ἄρτος innerhalb des Tobitbuches vgl. neben Tob 1,10f. auch 1,17; 2,5; 4,16f.; 10,7; daneben auch in Tob 8,19 GII . 74  Zu einem Verständnis im Sinne von „Brot“ vgl. aber Sutter Rehmann, Tischgemeinschaft, Abschnitt 3. 75  Vgl. dazu Passow, s.v. ἄρτος: „Meist im Collectivsinn wie σῖτος“. Der Gebrauch von ἄρτος im Sinne von „Speise, Lebensmittel“ findet sich häufig in Verbindung mit ἐσθίω (so z.B. Gen 43,16; Ps 40,10 LXX; Mt 15,2; Mk 3,20; Lk 7,33; 2 Thess 3,8.12), wobei die Wendung „Brot essen“ oft für „Mahl halten“ steht. Zur umfassenden Bedeutung von ἄρτος vgl. auch Mal 1,7; Lk 15,17. 76  Zur Vermeidung heidnischer Speisen aus unterschiedlichen Kategorien vgl. auch Good­ man, Oil, 199. 77  Zur zentralen Bedeutung des Gesetzes für die Abgrenzung der Juden von den Nichtju­ den im Allgemeinen vgl. z.B. Philo, Mos. 1,278: Israel wohne von den Völkern abgesondert ([…] λαόν ὃς μόνος κατοικήσει, μὴ συναριθμούμενος ἑτέροις ἔθνεσιν), jedoch nicht etwa ent­ sprechend einer räumlichen Trennung (οὐ κατὰ τόπων ἀποκλήρωσιν καὶ χώρας ἀποτομήν), sondern entsprechend der Besonderheit seiner ausgezeichneten Sitten, sich mit anderen

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nerhalb des Diasporajudentums mehrfach deutlich erkennbar ausgearbeitet,78 und zwar bisweilen auch speziell für die jüdischen Speisevorschriften. Diese Traditionen sollen im Folgenden genauer dargestellt werden. Dabei wird in ihnen die Einhaltung der Speisegebote jeweils ausdrücklich mit dem Argu­ ment eingeschärft, dass der Sonderstatus der Juden, den diese im Vergleich zu den Nichtjuden haben, von der Beachtung dieser Vorschriften abhängt, andernfalls aber in Gefahr ist. Im Einzelnen begegnet diese Abgrenzungs­ funktion der jüdischen Speisegebote jedoch in unterschiedlicher Form. So wird innerhalb der Makkabäerbücher vor allem die national-politische Ebene der Abgrenzung der Juden von den Heiden betont. Innerhalb des Aristeas­ briefes werden die Speisevorschriften hingegen als Schutzmauer verstanden, mit denen Gott sein erwähltes Volk umgab, um eine zu enge Gemeinschaft der Juden mit Nichtjuden zu verhindern. Bei einem solchen Umgang würden die Juden nämlich mit den falschen Anschauungen der Nichtjuden wie deren Götzendienst in Verbindung kommen und dadurch insbesondere im Hinblick auf ihre Gottesverehrung schließlich selbst ebenso verdorben werden, wie die Nichtjuden es sind. 1.2.1

Die Speisegebote als Mittel zur Aufrechterhaltung der Existenz der Juden als eigenes Volk (1. Makkabäerbuch) Im 1. Makkabäerbuch79 hängt von der Einhaltung der Speisevorschriften ge­ radezu der Fortbestand Israels als eigenes Volk überhaupt ab. Der Kontext, in dem eine solche Abgrenzung der Juden mithilfe der Speisevorschriften besonders betont wird, besteht aus dem ersten Teil des 1. Makkabäerbuches, der von den Anfängen des makkabäischen Aufstandes berichtet (1,10–2,70), und zwar aus dem Abschnitt, in dem der Beginn der Verfolgungen der Juden durch Antiochos IV. Epiphanes geschildert wird. Dabei wird innerhalb dieser Darstellung der Ereignisse besonders betont, dass das Ziel des Antiochos in der Schaffung eines Einheitsvolkes besteht, in das auch die Juden eingegliedert werden sollen (1,41–63): nicht mischend, weil es von den väterlichen Traditionen nicht abweichen will (ἀλλὰ κατὰ τὴν τῶν ἐξαιρέτων ἐθῶν ἰδιότητα, μὴ συναναμιγνύμενος ἄλλοις εἰς τὴν τῶν πατρίων ἐκδιαίτησιν). 78  Zur Absonderung der Juden in der Diaspora vgl. den Überblick bei Delling, Bewältigung, 23–45. 79  Das 1. Makkabäerbuch wird gewöhnlich in die Zeit von Johannes Hyrkan (135/4–104 v.Chr.) datiert (so Schunck, JSHRZ I/4, 292; Schwartz, Israel, bes. 36–38); später hingegen Goldstein, 1 Makk, 62f. Dabei handelt es sich vermutlich um die griechische Übersetzung einer verlorengegangenen hebräischen Urfassung. Gelegentlich wird vermutet, dass diese Übersetzung ins Griechische in Jerusalem selbst angefertigt wurde (vgl. Hengel, Juden­ tum, 188, im Anschluss an Bickermann).

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(41) Da erließ der König Antiochos ein Dekret für sein ganzes Reich, dass alle (seine Untertanen) ein einziges Volk bilden (εἶναι πάντας εἰς λαὸν ἕνα) sollten (42) und jeder seine (besonderen) Gebräuche aufgeben sollte (ἐγκαταλιπεῖν ἕκαστον τὰ νόμιμα αὐτοῦ); und alle (anderen) Völker fügten sich dem Gebot des Königs. (43) Auch viele aus Israel fanden Gefallen an der von ihm gebotenen Verehrung der Götter und opferten den Göt­ zen und entweihten den Sabbat (ἐβεβήλωσαν τὸ σάββατον). (44) Doch der König sandte durch Boten (noch) schriftliche Anweisungen nach Jerusalem und in die Städte Judas, dass sie die dem Lande fremden Ge­ bräuche befolgen sollten (πορευθῆναι ὀπίσω νομίμων ἀλλοτρίων τῆς γῆς), (45) Brandopfer, (Schlacht-)Opfer und Trankopfer im Heiligtum unter­ lassen (κωλῦσαι ὁλοκαυτώματα καὶ θυσίαν καὶ σπονδὴν ἐκ τοῦ ἁγιάσματος), Sabbate und Feste entweihen (βεβηλῶσαι σάββατα καὶ ἑορτάς), (46) Hei­ ligtum und Heilige80 verunreinigen sollten (καὶ μιᾶναι ἁγίασμα καὶ ἁγίους). (47) Dagegen sollten sie Altäre, heilige Haine und Götzenheiligtümer errichten sowie Schweine und (andere) „gemeine“81 Tiere opfern (θύειν ὕεια καὶ κτήνη κοινά), (48) ihre Söhne sollten sie unbeschnitten lassen und sich (sc. ihre Seelen) durch allerlei Unreines und Gräuliches abscheulich machen (βδελύξαι τὰς ψυχὰς αὐτῶν ἐν παντὶ ἀκαθάρτῳ καὶ βεβηλώσει), (49) sodass sie das (jüdische) Gesetz vergäßen und alle (seine) Gebote abschafften (ὥστε ἐπιλαθέσθαι τοῦ νόμου καὶ ἀλλάξαι πάντα τὰ δικαιώματα). (50) Wer aber nicht nach der Weisung des Königs handelte (ὃς ἂν μὴ ποιήσῃ κατὰ τὸν λόγον τοῦ βασιλέως), sollte sterben […]. (62) Viele in Is­ rael aber blieben standhaft (ἐκραταιώθησαν) und beharrten bei ihrem Entschluss, „gemeine“ Speisen nicht zu essen (ὠχυρώθησαν ἐν αὑτοῖς τοῦ μὴ φαγεῖν κοινά). (63) Sie wollten lieber sterben, um sich durch Spei­ sen nicht zu verunreinigen und den heiligen Bund nicht zu entweihen (ἵνα μὴ μιανθῶσιν τοῖς βρώμασιν καὶ μὴ βεβηλώσωσιν διαθήκην ἁγίαν). Und so starben sie.82 Die vorliegende Schilderung der Einheitspolitik des Antiochos lässt deutlich erkennen, dass das Gesetz und speziell die Einhaltung der jüdischen Speisevor­ schriften eine Grenze zwischen den gesetzestreuen Juden auf der einen Seite und den Heiden auf der anderen Seite markieren.83 Gerade sie soll nämlich 80  D.h. Priester und Leviten als Diener am Heiligtum, so Schunck, JSHRZ I/4, 302 Anm. 46a. 81  Ausführlich zu dieser Wiedergabe von κοινός s.u. 1.3. 82  Übersetzung nach Schunck, JSHRZ I/4, 302f. 83  Vgl. dazu, dass das 1. Makkabäerbuch deutlich schärfer gegen Heiden gerichtet ist als bei­ spielsweise das 2. Makkabäerbuch, so Schwartz, The Other.

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durch die innerhalb des vorliegenden Textes besonders betonte Aufgabe der spezifisch jüdischen Bräuche84 und eine Übernahme fremder Bräuche (1,44) eingeebnet werden, sodass die Juden fortan mit den übrigen Völkern, die das Gesetz nicht haben, eine Gruppe bilden (1,41f.). Eine solche Abgrenzung der Juden von den Nichtjuden mithilfe des Gesetzes wird im näheren Umfeld der vorliegenden Passage explizit durch den Gebrauch des Verbums χωρίζω aktualisiert (1,11).85 Dieses ist Teil einer Formulierung, mit der berichtet wird, auf welche Weise Juden,86 die von heidnischen Praktiken angezogen wer­ den, daher gegen das Gesetz handeln (ἐξ Ισραηλ υἱοὶ παράνομοι)87 und sogar vom Bund abfallen (vgl. […] ἀπέστησαν ἀπὸ διαθήκης ἁγίας […] in 1,15), andere Juden dazu auffordern, die bisherige Trennung zu den Nichtjuden aufzugeben: „Lasst uns hingehen und mit den Völkern, die rings um uns sind, ein Bündnis schließen (πορευθῶμεν καὶ διαθώμεθα διαθήκην μετὰ τῶν ἐθνῶν τῶν κύκλῳ ἡμῶν), denn seitdem wir uns von ihnen abgesondert haben (ὅτι ἀφ’ ἧς ἐχωρίσθημεν ἀπ’ αὐτῶν), ist viel Unheil über uns gekommen (εὗρεν ἡμᾶς κακὰ πολλά).“ Dabei schließen sie sich dann durch eine Übernahme fremder Bräuche88 wie den Bau eines Gymnasiums in Jerusalem oder die Wiederherstellung der Vorhaut den anderen Völkern an (vgl. 1,15: καὶ ἐζευγίσθησαν τοῖς ἔθνεσιν). Eine solche Bedeutung des Gesetzes als Abgrenzung der Juden von den Hei­ den lässt sich auch für die im 2. und 4. Makkabäerbuch überlieferten Rekur­ se auf die Forderung des Antiochos nach einem Verzehr von Schweinefleisch durch die Juden deutlich erkennen. Dort wird die Übertretung des Schweine­ fleischverbots nämlich ausdrücklich als eine Assimilation an die griechischhellenistische Lebensweise bezeichnet. Im Zentrum der dort berichteten Ereignisse stehen der Hohepriester Eleazar und die sieben Brüder. Sie lassen sich nicht zum Essen von Schweinefleisch zwingen,89 sondern halten selbst 84  Zur Aufgabe der eigenen Bräuche vgl. neben 1 Makk 1,42.49 auch 1,52 (πᾶς ὁ ἐγκαταλείπων τὸν νόμον mit Gegensatz in 1,57); daneben auch die Vernichtung der Gesetzesbücher nach 1 Makk 1,56. Dass Antiochos IV. die Juden nicht nur hellenisieren, sondern deren beson­ dere Bräuche beseitigen wollte, betont auch Bickermann, Gott, 134f. 85  Zum Gebrauch von χωρίζω für die Abtrennung Israels von den Völkern und deren Unrein­ heiten vgl. auch 1 Esdras 7,13; 9,9; Esra 6,21; 9,1; Neh 9,2 (jeweils LXX). 86  Gemeint ist offenbar die Gruppe um Jason, den Bruder des Hohepriesters Onias III. (vgl. 2 Makk 4,7–15). 87  Vgl. dazu auch die Bezeichnung der hellenistischen Gegner der Makkabäer als „Gesetzlo­ se“ in 1 Makk 7,5; 9,23.58.69; 10,61; 11,25; 14,14. 88  Vgl. dazu innerhalb von 1 Makk 1,11–15 auch ποιῆσαι τὰ δικαιώματα τῶν ἐθνῶν (1,13); κατὰ τὰ νόμιμα τῶν ἐθνῶν (1,14). 89  Vgl. dazu die gehäufte Verwendung von ἀναγκάζω im Umfeld der Rede vom „Essen von Schweinefleisch“, so 2 Makk 6,18 (mit Bezug auf Eleazar); 7,1 (mit Bezug auf die sieben Brüder); 4 Makk 5,2 (mit Bezug auf jeden einzelnen Hebräer).

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

unter Androhung des Todes am Gesetz fest. Sie weigern sich sogar, auch nur zum Schein Schweinefleisch zu kosten.90 Dabei wird gerade innerhalb dieser Schilderungen der Auseinandersetzung zwischen Antiochos IV. und den Juden um das Essen von Schweinefleisch durch verschiedene Ausdrücke besonders betont, dass die Juden beim Genuss von Schweinefleisch von der für sie typi­ schen Lebensweise abweichen und sich stattdessen einer fremden Lebenswei­ se zuwenden, und zwar durch den Gebrauch der auffälligen Termini Ιουδαϊσμός auf der einen Seite und ἀλλοφυλισμός bzw. Ἑλληνισμός auf der anderen Seite: Nach 4 Makk 4,26 verfolgt Antiochos IV. mit dem Zwang zum Genuss unreiner Speise das Ziel, dass die Juden auf diese Weise der jüdischen Lebensart abschwören sollten (αὐτὸς διὰ βασάνων ἕνα ἕκαστον τοῦ ἔθνους ἠνάγκαζεν μιαρῶν ἀπογευομένους τροφῶν ἐξόμνυσθαι τὸν Ιουδαϊσμόν). Der innerhalb dieser Formulierung gebrauchte Terminus Ιουδαϊσμός zeigt, dass die Lebensform der Juden als eine eigene Lebensweise verstanden wurde, die sich von der der anderen Völker unterscheidet. Er ist innerhalb der Septuaginta nur in 2 Makk 2,21; 8,1; 14,38 (2×) und 4 Makk 4,26 belegt und steht den Begriffen ἀλλοφυλισμός (2 Makk 4,13; 6,24; vgl. 4 Makk 18,5) und Ἑλληνισμός (2 Makk 4,13)91 gegenüber.92 Dabei stellt Eleazar bei­ spielsweise unter Verwendung von ἀλλοφυλισμός fest, er wolle noch nicht einmal den Eindruck erwecken, dass er sich zu einer fremden Lebens­ weise hingewandt haben könnte (μεταβεβηκέναι εἰς ἀλλοφυλισμόν in 2 Makk 6,24).93 Zentrale Bedeutung für diese Abgrenzung der jüdischen Lebensweise gegenüber anderen Lebensformen hat das Gesetz, welches somit die besondere jüdische Lebensform garantiert. Dementsprechend wird das Verhalten Eleazars mehrfach als gesetzestreues Leben94 und Festhalten an den jüdischen Bräuchen (4 Makk 5,7) bewertet. Umgekehrt

90  Nach 2 Makk 6,21 schlagen diejenigen, die die Forderung des Antiochos durchsetzen, Eleazar vor, er solle von ihm selbst zubereitetes Essen bringen und dann vorgeben, er habe Opferfleisch gegessen. In 4 Makk 6,15 wird berichtet, dass einige aus der Umgebung des Königs Eleazar aus Mitgefühl und Bewunderung für seine Standhaftigkeit angeboten haben, sie würden ihm gekochte Speisen vorsetzen und Eleazar solle nur so tun, als ob er Schweinefleisch isst. Dabei ist offenbar auch diese Aussage im Sinne von 2 Makk 6,21 zu verstehen (so Klauck, JSHRZ III/6, 715 Anm. 15b). 91  Vgl. 2 Makk 4,10–20 und 6,9 (μεταβαίνειν ἐπὶ τὰ Ἑλληνικά). 92  Vgl. van Henten, Martyrs, 202. 93  Vgl. GELS, s.v. ἀλλοφυλισμός: „adoption of foreign customs or religions“ (Hervorhebung im Original). 94  Vgl. vor allem 4 Makk 7,7: ὦ σύμφωνε νόμου καὶ φιλόσοφε θείου βίου; vgl. auch 5,16: θείῳ […] νόμῳ πολιτεύεσθαι (mit 2,8; 4,23); 5,29.36; 6,18.21; 7,8; vgl. auch 7,9.

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wird durch den gehäuften Gebrauch von παράνομος κτλ.95 und verwand­ ten Ausdrücken96 im Umfeld der entsprechenden Aussagen zum Verzehr von Schweinefleisch explizit festgestellt, dass dieser eine Übertretung des Gesetzes bedeuten würde. Eine solche Bewertung ergibt sich auch durch die Bestimmung des Schweinefleisches mithilfe von ἀθέμιτος97 oder ἔκ­ θεσμος (4 Makk 5,14).98 Antiochos IV. zufolge soll das Volk der Juden durch die Aufgabe der eigenen Bräuche in einem Einheitsvolk aufgehen.99 In Entsprechung dazu verfolgen auch die frommen Juden, die eine solche Abkehr von der jüdischen Lebens­ weise ablehnen, eine politische Absicht. Ihr Festhalten am Gesetz zielt näm­ lich umgekehrt darauf, als eigenes Volk bestehen zu bleiben. Gerade innerhalb der Makkabäerbücher hat die Einhaltung der jüdischen Gesetze nämlich eine national-patriotische Funktion, wie insbesondere die gehäuft belegte Bestim­ mung der jüdischen Gesetze als οἱ πάτριοι νόμοι100 zeigt.101 Dieser Ausdruck ist zudem nicht auf das jüdische Gesetz beschränkt, sondern findet sich auch im paganen Bereich in ähnlichen Kontexten.102 Die politische Dimension des

95  Vgl. dazu im Einzelnen den Gebrauch von παράνομος (2 Makk 6,21), παρανομία (4 Makk 5,13; vgl. auch 4,19) und παρανομεῖν (4 Makk 5,17.20.27). 96  Vgl. dazu vor allem 4 Makk 4,24, wonach Antiochos durch seine Erlasse die Gesetzes­ treue des Volkes erschüttern wollte (καταλῦσαι διὰ τῶν δογμάτων τὴν τοῦ ἔθνους εὐνομίαν); vgl. daneben τὸν πάτριον καταλῦσαι νόμον (5,33); ὁ νόμος ὑπερηφανεῖται (5,21). Vgl. auch 4 Makk 5,34f.; 6,18. 97  Vgl. 2 Makk 7,1: ἀναγκάζεσθαι ὑπὸ τοῦ βασιλέως ἀπὸ τῶν ἀθεμίτων ὑείων κρεῶν ἐφάπτεσθαι; vgl. 2 Makk 6,5; vgl. auch 2 Makk 6,20: ὧν οὐ θέμις γεύσασθαι. 98  Die Besonderheit beim Gebrauch von ἀθέμιτος liegt offenbar darin, dass durch diesen allgemeineren Terminus die Forderung von Antiochos IV. auch für gebildete Heiden als etwas Unerhörtes dargestellt wird (so Schwartz, 2 Makk, 277). Zum Gebrauch und zur Bedeutung von ἀθέμιτος s.u. zu Apg 10,28 (IIIB 4.3.1.1), dort auch weitere Belege für Dinge, die durch das jüdische Gesetz verboten sind. 99  Vgl. dann umgekehrt das spätere Zugeständnis zur Ausübung ihrer eigenen Traditionen nach 2 Makk 11,24f.31. 100  So vor allem 2 Makk 6,1; 7,2.37; 3 Makk 1,3; 4 Makk 4,23; 5,33; 8,7 ([…] τὸν πάτριον ὑμῶν τῆς πολιτείας θεσμόν); 9,1; 18,5; vgl. dazu auch 2 Makk 7,24.30. 101  Die identitätsstiftende Bedeutung des Gesetzes sowie die damit verbundene politische und patriotische Dimension des Sterbens der Märtyrer betont vor allem van Henten, Mar­ tyrs: „This implies that the texts deal with issues of self definition and Jewish identity in both the religious-cultural and the political spheres“ (6); „Thus, the laws of God are at the same time presented as the laws of a specific people“ (13f.); ders., Datierung. 102  Vgl. dazu vor allem die Belege, die ebenfalls von einer Veränderung der „väterlichen Ge­ setze“ einer Stadt nach deren Eroberung berichten (so bei Doran, Persecution, 426–429).

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Gesetzes lässt sich auch an der vor allem im 1. und 2. Makkabäerbuch zu fin­ denden Charakterisierung der Juden als Volk erkennen.103 Die ausführlichen Rekurse auf die Auseinandersetzung zwischen Antio­ chos IV. und gesetzestreuen Juden in den Makkabäerbüchern lassen somit deutlich erkennen, dass insbesondere das Schweinefleischverbot als besonde­ res Merkmal der Juden verstanden wurde, durch das sie als eigenes Volk gegen­ über anderen Völkern identifiziert werden können. Ein erzwungener Verstoß gegen das Schweinefleischverbot wird dementsprechend als eine Assimilation an fremde Sitten und Praktiken, nämlich an die hellenistische Umgebung, be­ wertet. Der Begriff der „Apostasie“, d.h. des Abfalls vom Judentum, wird in die­ sem Zusammenhang jedoch nicht verwendet. Er wird hingegen beispielsweise in 1 Makk 1,15 (ἀπέστησαν ἀπὸ διαθήκης ἁγίας)104 für solche Juden gebraucht, die sich offenbar vollständig von ihren jüdischen Wurzeln losgesagt haben und nun aktiv gegen das Judentum und seine Bräuche vorgehen,105 beispielsweise indem sie selbst hellenistische Bräuche einführen.106 Juden, die das Verbot des Genusses von Schweinefleisch übertreten, verhalten sich demzufolge nicht so, wie sie sich verhalten sollen, werden dadurch aber nicht zu Heiden, sondern zu schlechten Juden.

103  Vgl. dazu im Einzelnen die Bestimmung der Juden als δῆμος (1 Makk 8,29; 12,6; 14,20; 15,17; 2 Makk 11,34), λαός (2 Makk 1,26.29; 2,7.17; 6,16; 8,2; 10,21; 13,11; 14,15; 15,14.24), ἔθνος (1 Makk 14,4.6.29.32; 2 Makk 10,8; 11,25.27), γένος (2 Makk 6,12; 7,16.38; 8,9; 12,31; 14,8f.) oder πολιτής (2 Makk 4,5.50; 5,6.8.23; 9,19; 14,8; 15,30). Vgl. van Henten, Martyrs, 193; ders., Selbstverständnis, 133 und 144 Anm. 41. Dabei wird im 2. Makkabäerbuch mehrfach die gemeinsame Herkunft der Juden betont, und zwar durch ὁμοεθνής (4,2; 5,6; 12,5; 15,30f.), ὁμόφυλος (4,10) und συγγενεῖς (5,6; 8,1). 104  Diese Begrifflichkeit findet sich daneben nur in 1 Makk 2,19 mit Bezug auf die anderen Völker für deren Abfall vom Gottesdienst der Väter: […] ἀποστῆναι ἕκαστος ἀπὸ λατρείας πατέρων αὐτοῦ. 105  Vgl. dazu auch Schimanowski, Integration, 131, dem zufolge man erst dann von Apostasie sprechen kann, wenn Juden aktiv gegen ihren früheren Glauben vorgehen. 106  Dass der Verfasser des 1. Makkabäerbuches zwischen denen, die aktiv gegen die jüdi­ schen Bräuche vorgehen, und solchen Juden, die sich unter Zwang assimilieren, offenbar einen deutlichen Unterschied sieht, zeigt auch folgende sprachliche Differenz: Während er in 1 Makk 1,15 im Hinblick auf Erstere feststellt, dass sie vom heiligen Bund abfallen (ἀπέστησαν ἀπὸ διαθήκης ἁγίας), entheiligen diejenigen, die die Speisegebote gezwun­ genermaßen übertreten, dadurch den heiligen Bund (μὴ βεβηλώσωσιν διαθήκην ἁγίαν in 1,63).

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1.2.2

Die jüdischen Speisegebote als Grenzmauern zum Schutz der Juden vor einem schädlichen Einfluss der Nichtjuden (Aristeasbrief) Auch in dem ungefähr zeitgleich zum 1. Makkabäerbuch entstandenen Aris­ teasbrief,107 einem vermutlich jüdischen Schreiben,108 sind die jüdischen Speisegebote engstens mit der Abgrenzung der Juden gegenüber den Heiden verbunden. Dabei werden das Gesetz und speziell die jüdischen Speisean­ ordnungen innerhalb der Deutung der jüdischen Gebräuche durch den Ho­ hepriester Eleazar (vgl. Arist 128–171) explizit als Grenze zwischen Juden und Heiden bezeichnet, und zwar in einem konkret räumlichen Sinne (so auch Eph 2,14). Anders als in den Makkabäerbüchern liegt der Fokus in diesem Fall nicht auf der politischen Funktion des jüdischen Gesetzes,109 sondern auf der Bedeutung des Gesetzes für die rechte Gottesverehrung und einen gerechten Umgang der Menschen untereinander. Eleazar zufolge geht es im Gesetz näm­ lich vorrangig um Frömmigkeit und Gerechtigkeit: διαστειλάμενος οὖν τὰ τῆς εὐσεβείας καὶ δικαιοσύνης πρῶτον ὁ νομοθέτης ἡμῶν (Arist 131). Gerade in diesen beiden Tugenden unterscheiden sich die Juden und Heiden jedoch Eleazar zu­ folge strikt voneinander. Im Gegensatz zu anderen Teilen des Aristeasbriefes, in denen die Juden und Heiden – insbesondere in Hinsicht auf diese beiden

107  Der Aristeasbrief wird meist auf die zweite Hälfte des 2. Jh. v.Chr. datiert, vor allem zwi­ schen 127–118 v.Chr.; vgl. Meisner, JSHRZ II/1, 43; Nickelsburg, Epistle, 75–80 (zwischen 130–100 v.Chr.); vgl. außerdem Feldmeier, Weise, 20; Walter, Literatur, 83–85; Woschitz, Parabiblica, 175; Oegema, Unterweisung, 56; so zuletzt auch Wright III, Aristeas, 21–30. Daneben wird jedoch auch für eine frühere Datierung auf 200–170 v.Chr. plädiert (Shutt, OTP II, 8f., im Anschluss an Jellicoe und Orlinsky; vgl. auch Orth, Ptolemaios) oder sogar davor (so Rappaport, Aristeas). Graetz, Abfassungszeit, 303–305, schlägt hingegen umge­ kehrt eine Spätdatierung in die Zeit von Kaiser Tiberius vor. 108  Aristeas stellt sich als jemand dar, der sich als Außenstehender mit dem Judentum be­ schäftigt (vgl. vor allem Arist 16), doch ist zu fragen, inwieweit es sich hierbei um eine Fiktion handelt und es sich bei Aristeas demzufolge doch um einen jüdischen Autor handelt (zu Argumenten vgl. Brodersen, Aristeas, 7–42, bes. 9–11, unter Hinweis auf frü­ here Forscher, die eine jüdische Verfasserschaft vorschlagen; ähnlich auch Oegema, Un­ terweisung, 53). Gegen eine einseitige Bewertung des Aristeasbriefes als an Nichtjuden gerichtete Schrift, die für das Judentum wirbt, wird dessen zentrale Bedeutung in letzter Zeit zunehmend gerade in der Selbstvergewisserung der eigenen Identität der Gemeinde Alexandrias gesehen (so Feldmeier, Weise, 34; im Anschluss an ihn vor allem Schima­ nowski, Aristeasbrief, 61–64). Die Wiedergabe der Texte des Aristeasbriefes im Folgenden nach der Übersetzung von Brodersen. 109  Vgl. dazu aber die seltene Bezeichnung der Juden als γένος (6), πολῖται (3.36.44.126), πεπολιτευμένοι (31).

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Tugenden – in eine große Nähe zueinander gerückt werden,110 ist die Ausle­ gung des Gesetzes durch Eleazar nämlich von der Auffassung einer grundle­ genden Differenz der Juden gegenüber allen anderen Völkern bestimmt (vgl. bes. 151). Dabei werden die Nichtjuden in religiös-moralischer Hinsicht auf­ fallend negativ bewertet. Als Hauptunterschied, der die Juden von allen üb­ rigen Menschen trenne, nennt Eleazar zunächst die Gottesverehrung, indem er den Monotheismus der Juden und den Polytheismus der Heiden einander strikt gegenüberstellt.111 Gerade diese Differenz macht Eleazar zufolge das Ge­ setz als Trennmauer zwischen Juden und Nichtjuden notwendig. So stellt er fest: Mose „umgab uns mit undurchdringlichen Wällen und eisernen Mauern (περιέφραξεν ἡμᾶς ἀδιακόποις χάραξι καὶ σιδηροῖς τείχεσιν), damit wir uns kei­ nesfalls mit einem anderen Volk vermischten (ὅπως μηθενὶ τῶν ἄλλων ἐθνῶν ἐπιμισγώμεθα κατὰ μηδέν), sondern rein an Körper und Seele bleiben (ἁγνοὶ καθεστῶτες κατὰ σῶμα καὶ κατὰ ψυχήν) und – befreit von den törichten Lehren – den einzigen und mächtigen Gott überall in der ganzen Schöpfung verehren“ (139). Die Abgrenzung der Juden von den Nichtjuden mithilfe des Gesetzes dient demzufolge in erster Linie der Aufrechterhaltung der Verehrung des ein­ zigen Gottes und damit dem Schutz der Juden vor der heidnischen Religion.112 Näherhin werden die Juden im vorliegenden Fall nicht nur zur Unterscheidung von den Heiden bei einem Kontakt mit ihnen aufgefordert, sondern im en­ geren Sinne zur Vermeidung eines solchen Kontaktes. Grundlegend für diese strikte Trennung der Juden von den Heiden ist die in der Antike allgemein verbreitete113 Erkenntnis, dass Menschen durch den Umgang mit Schlechten „verdorben werden und ihr ganzes Leben lang erbärmlich bleiben“ ([…] διότι κακοῖς ὁμιλήσαντες διαστροφὰς ἐπιλαμβάνουσιν ἄνθρωποι, καὶ ταλαίπωροι δι’ ὅλου 110  So für Ptolemaios in den Tischgesprächen, welche als Tendenz deutlich das Bemühen eines Ausgleichs zwischen Juden und Griechen erkennen lassen, indem insbesondere deren Gemeinsamkeiten betont werden (s.u. 2.1.3). 111  So Arist 132–140: Danach glauben die Juden Eleazar zufolge, dass es nur einen Gott gibt (132), wohingegen alle anderen glauben, dass es viele Götter gibt (134). Die anderen Völker erscheinen als Götzendiener, die selbstgemachte tote Bilder anbeten und gar Euheme­ rismus oder Tierkult (vgl. Röm 1,23) betreiben, d.h. Helden und Kriech- bzw. Raubtiere, selbst Kadaver, verehren. Da eine solche Verehrung sinnlos sei, könne sie nur als dumm und töricht bewertet werden (135–138). Nur den Juden stehe es daher aber zu, als „Men­ schen Gottes“ bezeichnet zu werden, da nur sie den wahren Gott verehren: […] ἀνθρώπους θεοῦ προσονομάζουσιν ἡμᾶς· ὃ τοῖς λοιποῖς οὐ πρόσεστιν, εἰ μή τις σέβεται τὸν κατὰ ἀλήθειαν θεόν (140). 112  Zu einer solchen Bestimmung des Zwecks der Abgrenzung der Juden mithilfe der Speise­ gebote vgl. auch Delling, Bewältigung, 24f.; Weber, Gesetz im hellenistischen Judentum, 133f., der zugleich betont, dass die stellvertretende Rolle der Juden für die ganze Mensch­ heit einen Exklusivismus abwehrt. 113  Vgl. zu einer solchen Anschauung vor allem 1 Kor 15,33b und zahlreiche entsprechende Belege aus dem paganen Bereich (s.u. 2.2.1.3c).

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τοῦ ζῇν εἰσιν), das Zusammenleben mit Weisen jedoch „aus der Unwissenheit ins Leben“ führt (ἐὰν δὲ σοφοῖς καὶ φρονίμοις συζῶσιν, ἐξ ἀγνοίας ἐπανορθώσεως εἰς τὸν βίον ἔτυχον in 130). Ein solcher Umgang mit Schlechten liegt nun aber – ­angesichts der negativen Bewertung der Nichtjuden – für den Fall eines Kon­ taktes von Juden mit Nichtjuden vor. Dementsprechend sind die Juden bei einem Umgang mit Nichtjuden von deren Seite zwangsläufig einem schlechten und geradezu schädlichen Einfluss in religös-moralischer Hinsicht ausgesetzt. Ein Abfall der Juden in den heidnischen Götzendienst und andere schlechte Taten würde jedoch auch für sie Verderben bringen.114 Diese zunächst für das Gesetz im Allgemeinen geäußerte Funktion aktiviert Eleazar dann in ähnlicher Form ausdrücklich für die jüdischen Speisegebote, daneben auch für weitere Reinheitsvorschriften.115 So umgab Mose die Juden von allen Seiten mit Reinheitsvorschriften116 in Bezug auf Speisen und Geträn­ ke, Berühren, Hören und Sehen, damit sie nicht durch etwas mitverunreinigt werden oder Umgang mit Schlechten haben und dadurch verdorben werden: ὅπως οὖν μηθενὶ συναλισγούμενοι μηδ’ ὁμιλοῦντες φαύλοις διαστροφὰς λαμβάνωμεν, πάντοθεν ἡμᾶς περιέφραξεν ἁγνείαις καὶ διὰ βρωτῶν καὶ ποτῶν καὶ ἁφῶν καὶ ἀκοῆς καὶ ὁράσεως νομικῶς (142). Innerhalb dieser Formulierung knüpft Eleazar deut­ lich an seine zuvor geäußerte Feststellung zum Gesetz als Mauer in Arist 139 an und verbindet diese mit seiner Aussage in Arist 130.117 Damit führt er die bereits in Lev 11,44f. und Dtn 14,21 angelegte Bedeutung der Speisevorschriften für eine Sonderstellung der Juden gegenüber den Nichtjuden näher aus. Nun schirmen die Speisevorschriften die Juden nämlich konkret vor einem Um­ gang mit Nichtjuden ab, durch welchen sie selbst wie diese zu Götzendienern werden und ihren besonderen Status (vgl. neben der Verehrung des einzigen Gottes auch die Reinheit in Arist 139) gerade verlieren würden. Diesen Aspekt der Unterscheidung der Juden von den Heiden betont Eleazar auch innerhalb seiner Auslegung der einzelnen Speisegesetze, und zwar im Rahmen seiner

114  Vgl. dazu auch, dass die schlechten Werke des Menschen, selbst die Gedanken an schlech­ te Taten, Gott nicht verborgen bleiben (Arist 132f.), Schuldige jedoch von göttlichen Stra­ fen betroffen sein werden (131). 115  Das Fehlen einer Beschränkung auf die Speisegebote betont Delling, Bewältigung, 25, dem zufolge sich „Hören und Sehen“ auf Kontakte mit der heidnischen Religion beziehen. 116  Zu ἁγνεία vgl. vor allem Arist 106; Philo, Spec. 3,81; Jos. Ant. 8,96; Num 6,21 LXX; 1 Makk 14,36; 1 Tim 4,12; 5,2. 117  Vgl. dazu, dass in Arist 142 wie in 139 im Anschluss an die Feststellung vom Gesetz als Mauer ein ὅπως-Satz gebraucht wird. Anstelle der in Arist 139 genannten Vermischung wird in 142 konkret der schlechte Umgang aus 130 erwähnt. Darüber hinaus wird in Arist 142 aus 130 auch διαστροφὰς ἐπιλαμβάνουσιν unter Abänderung in das Simplex aufge­ nommen, welches das Gegenteil zum Reinbleiben von Körper und Seele aus Arist 139 ist. Neu ist gegenüber Arist 130 und 139 das Verbum συναλισγέω.

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Erklärung für die Erlaubnis von Tieren, die gespaltene Hufen haben.118 Im Ein­ zelnen bringt Eleazar die gespaltenen Hufe der erlaubten Tiere (150–153) in zweifacher Hinsicht mit dem Gedanken der Unterscheidung119 in Verbindung. Sie sind zum einen ein Zeichen für die notwendige Unterscheidung zwischen richtig und falsch (τὸ γὰρ διχηλεύειν καὶ διαστέλλειν ὁπλῆς ὄνυχας σημεῖόν ἐστι τοῦ διαστέλλειν ἕκαστα τῶν πράξεων ἐπὶ τὸ καλῶς ἔχον in 150), wobei diese wiederum auf die Gerechtigkeit zielt (μετὰ διαστολῆς οὖν ἅπαντα ἐπιτελεῖν πρὸς δικαιοσύνην ἀναγκάζει τὸ σημειοῦσθαι διὰ τούτων in 151). Zum anderen dienen sie der Un­ terscheidung der Juden von allen (anderen) Menschen (ἔτι δὲ καὶ διότι παρὰ πάντας ἀνθρώπους διεστάλμεθα in 151). Mit dieser Kritik an der falschen Gottesverehrung ist eine negative Bewer­ tung der Heiden in Hinsicht auf die Ausübung der Gerechtigkeit verbunden. Gerade sie steht im Zentrum der Deutung der Vorschriften zu den verschiede­ nen Tierarten (142–169). Bei dieser handelt es sich um eine frühe120 und beson­ ders ausführliche allegorische Auslegung der Speisegebote, wie sie innerhalb der Schriften des Diasporajudentums auch abgesehen vom Aristeasbrief zu finden ist.121 Dabei richtet sich diese allegorische Deutung (vgl. τροπολογῶν in 118  Abgesehen von ihrer Bedeutung für eine Unterscheidung sind Tiere mit gespaltenen Hufen ein Zeichen, das die Einsichtigen in besonderer Weise an Gott erinnert (153.161). Dies gilt auch für die Wiederkäuer, denn das Wiederkäuen sei „nichts anderes als eine Erinnerung an Leben und Bestehen“ (154). Dabei werden zweihufige Tiere und Wieder­ käuer in eine Nähe zu den besonderen Zeichen der Juden an der Kleidung, den Türen und den Handgelenken gerückt, welche Eleazar zufolge ebenfalls zur Erinnerung an Gott und den besonderen Status der Juden dienen (158f.). Im Hintergrund dieser jüdischen Erinnerungszeichen stehen die Anordnungen zu den Kleiderquasten (Num 15,37–40), zur Mezuza (Dtn 6,9; 11,20) und zu den Phylakterien bzw. Tefillin (Dtn 6,8; 11,18), welche die Worte des Schema Israel enthalten und um den Unterarm sowie den Kopf geschlungen wurden. Vgl. dazu Mt 23,5. Ausführlich zu diesen drei Bräuchen vgl. Wright III, Ritual Practices. 119  Der Gedanke der Unterscheidung wird in Arist 150–161 vor allem durch διαστέλλω κτλ. aktiviert. Dieses wird sowohl für die Tiere mit gespaltenen Hufen (in Arist 150 neben διχηλεύω, zum Gebrauch dieses Verbums für zweihufige Tiere vgl. schon Lev 11,3–7; Dtn 14,6f. [jeweils LXX]; Arist 153) als auch für die Unterscheidungsfähigkeit des Menschen (150f.153; vgl. auch 161; so schon in Lev 11,47 LXX für die Unterscheidung von reinen und unreinen Tieren) sowie die Trennung der Juden von den Heiden (Arist 151) gebraucht. 120  Die Auslegung der Speisevorschriften im Aristeasbrief wird häufig als die älteste über­ lieferte allegorische Auslegung des Gesetzes überhaupt bewertet (so Barclay, Jews, 146f.). Vgl. daneben aber auch Aristobulos. 121  Die allegorische Auslegung der Speisegesetze ist nicht auf den Aristeasbrief beschränkt, sondern findet sich in anderer Form, jedoch mit teilweisen Berührungspunkten auch bei Philo, Spec. 4,100–131 (vgl. bes. 4,100–109.116); Agr. 131–145; vgl. auch die symbolische Aus­ legung der nach Lev 11,21 erlaubten Kriechtiere in Her. 239. Sein Schwerpunkt liegt nicht auf der Gerechtigkeit, sondern auf der Selbstbeherrschung (vgl. dazu auch 4 Makk 1,33f.). Zur Überarbeitung von Arist 128–171 durch Philo und dieser Besonderheit vgl. Svebak­ ken, Traditions, bes. 102–107. Ausführlich zur allegorischen Deutung der Speisegebote bei

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Arist 150) der jüdischen Speisegebote an ein heidnisches Publikum (128) und lässt das Bemühen erkennen, den Sinn der biblischen Speisegebote aus Lev 11 zu erklären.122 Als Tendenz dieser Auslegung ist deutlich eine moralisch-ethi­ sche Zielrichtung zu beobachten. Im Zentrum steht nämlich die Forderung des Gesetzes nach einem Leben in Gerechtigkeit. So betont Eleazar mehr­ fach, dass das jüdische Gesetz auf die Gerechtigkeit ausgerichtet ist.123 Dies gilt ausdrücklich auch für die jüdischen Speisevorschriften. Sie sind ein Zei­ chen dafür, was man tun soll.124 Jedes Wort der Speisevorschriften ziele näm­ lich auf „die Gerechtigkeit und das gerechte Zusammenleben der Menschen“ (πᾶς λόγος ἀνατείνει πρὸς δικαιοσύνην καὶ τὴν τῶν ἀνθρώπων συναναστροφὴν δικαίαν).125 Dieses exemplifiziert Eleazar an einigen der in Lev 11/Dtn 14 ge­ nannten Tiere, und zwar an den Vögeln (Arist 145–148), den zweihufigen und den wiederkäuenden Tieren (153–161) sowie am Verbot von Wiesel und Maus (144.163–169).126 Dabei werden zum einen die verschiedenen Tiere jeweils mit bestimmten Verhaltensweisen in Verbindung gebracht. Die verbotenen Tiere Philo generell Rhodes, Diet. Josephus stand der allegorischen Auslegung offenbar eher kritisch gegenüber (vgl. C. Ap. 2,255). Auch für das Urchristentum ist dann in Barn 10,2–12 eine allegorische Auslegung der Speisegebote überliefert, wobei dort der symbolische Sinn den wörtlichen geradezu ersetzt (vgl. 10,9; Näheres zum Verhältnis zu Arist 128–171 bei Hvalvik, Struggle, 119–122). Grundsätzlich zum Phänomen der allegorischen Ausle­ gung vgl. Birnbaum, Interpretation; zur allegorischen Deutung von Speisegeboten bei den Pythagoreern, im hellenistischen Judentum und Urchristentum vgl. Grant, Dietary Laws. 122  Vgl. dazu, dass Eleazar nach dem tieferen Sinn (λόγος βαθύς) und dem natürlichen Sinn (φυσικὸς λόγος/φυσικὴ διάνοια τοῦ νόμου) fragt (143.171), den der Einsichtige wahrnehmen kann (148.153). 123  Vgl. dazu vor allem Arist 168: Das Gesetz befiehlt, „niemanden mit Wort oder Tat zu schä­ digen“ (μήτε λόγῳ μήτε ἔργῳ μηδένα κακοποιεῖν), denn alles sei „zum Zweck der Gerechtig­ keit gesetzlich geregelt“ (πάντα κεκανόνισται πρὸς δικαιοσύνην). Nichts sei durch die Schrift zufällig oder nur um des Erzählens willen angeordnet, sondern „damit wir unser ganzes Leben lang auch in unseren Taten gegen alle Menschen Gerechtigkeit üben (ἵνα δι’ ὅλου τοῦ ζῇν καὶ ἐν ταῖς πράξεσιν ἀσκῶμεν δικαιοσύνην πρὸς πάντας ἀνθρώπους), eingedenk Gottes des Herrschers.“ 124  Vgl. dazu vor allem die Verwendung von σημεῖον (Arist 150.159), σημειόομαι (148.151) und παράσημον (147.158). Dass die Bedeutung der Speisevorschriften Eleazar zufolge nicht auf die Speisen an sich beschränkt ist, zeigt sich auch daran, dass er gerade die übrigen Men­ schen außerhalb des Judentums als solche bestimmt, deren Streben im Unterschied zur Gottesverehrung der Juden allein auf Speisen, Getränke und Kleidung gerichtet ist (140f.). 125  So Arist 169. Vgl. auch bes. Arist 144: Danach solle man nicht etwa meinen, dass Mose die Speisevorschriften wegen der Mäuse und des Wiesels (Lev 11,29) aufgestellt habe. „Viel­ mehr ist alles um der Gerechtigkeit willen zur reinen Beachtung und zur Bildung des Cha­ rakters ehrwürdig angeordnet worden“ (ἀλλὰ πρὸς ἁγνὴν ἐπίσκεψιν καὶ τρόπων ἐξαρτισμὸν δικαιοσύνης ἕνεκεν σεμνῶς πάντα ἀνατέτακται). Vgl. daneben auch Arist 148f. 126  Nicht erwähnt werden Fische und Insekten bzw. Kriechtiere. Das in den Rekursen des griechischsprachigen Judentums auf jüdische Speisevorschriften besonders häufig

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

sind selbst schlecht, die erlaubten Tiere üben hingegen Gerechtigkeit.127 Zum anderen wird ein Zusammenhang zwischen dem Charakter der Tiere und dem der Menschen hergestellt.128 Der Mensch soll sich nämlich keinesfalls so ver­ halten, wie die verbotenen Tiere, sondern gerade wie die ihm erlaubten Tiere.129 In diesem Rahmen werden mehrfach Unreinheitstermini gebraucht. Sie be­ stehen im Einzelnen aus μιαίνω (166), μολύνω κτλ.,130 συναλισγέω (142) sowie aus ἀκάθαρτος κτλ.,131 daneben auch aus dem Antonym καθαριότης (145). Dabei werden diese Begriffe aus dem Wortfeld von Reinheit und Unreinheit jeweils im Sinne der moralisch-ethischen Reinheit bzw. Unreinheit verwendet. Dies lässt sich deutlich an der engen Verbindung zwischen der Unreinheitstermi­ nologie und Begriffen erkennen, die das Verüben von Vergehen zum Ausdruck bringen,132 ebenso aus der Gegenüberstellung zur Gerechtigkeit.133 Dabei fin­ erwähnte Schwein wird zwar nicht ausdrücklich genannt (so aber bei Philo, Agr. 144f.), ist jedoch in Arist 153–162 eingeschlossen. 127  Vgl. dazu Arist 145f.: Die erlaubten Vögel sind zahm und von ausgezeichneter Reinheit (πάντα ἥμερα καθέστηκε καὶ διαφέρει καθαριότητι), weil sie sich selbst von Weizen und Hülsenfrüchten ernähren (146). Die verbotenen Vögel sind hingegen „wild und fleisch­ fressend“ und „unterdrücken die übrigen mit ihrer Kraft“. Sie ernähren sich ungerechter­ weise (μετὰ ἀδικίας) von den zahmen Vögeln, reißen auch andere Tiere und vergehen sich (ἀδικοῦσι) gegen tote und lebende Menschen. 128  Damit lässt sich als Hintergrund für das Verbot des Verzehrs bestimmter Speisen die Vor­ stellung erkennen, dass der Mensch nur das essen soll, was seinem Charakter ähnlich ist. Eine solche Auffassung findet sich ausdrücklich in 4 Makk 5,26: „Was zu etwas unseren Seelen Verwandtem werden kann, gestattet er zu essen, aber eine Fleisch(art) zu verzeh­ ren, die zu ihr im Gegensatz verharren wird, verbietet er“ (Übersetzung LXX Deutsch). Sie geht offenbar auf einen Einfluss der stoischen Oikeiosis-Lehre zurück (vgl. Klauck, JSHRZ III/6, 713 Anm. 26a, unter Hinweis auf SVF II, 724; Breitenstein, Beobachtungen, 160). 129  Vgl. Arist 144–149.163–166, bes. 146–149: „(147) Indem er [sc. Mose] sie [die verbotenen Vögel] unrein nannte (ἀκάθαρτα προσονομάσας), setzte er durch sie ein Zeichen, dass diejenigen, denen das Gesetz auferlegt ist, in ihrer Seele Gerechtigkeit üben (δικαιοσύνῃ συγχρῆσθαι) und niemanden im Vertrauen auf die eigene Kraft unterdrücken und auch nichts wegnehmen, sondern ihr Leben in Gerechtigkeit führen sollen (ἐκ δικαίου τὰ τοῦ βίου κυβερνᾷν), wie von den oben genannten Vögeln die zahmen [Vögel] Hülsenfrüchte, die auf der Erde wachsen, verzehren und nicht zur Vernichtung verwandter Wesen Gewalt anwenden. (148) Damit wollte der Gesetzgeber den Einsichtigen zu verstehen geben, dass sie gerecht sein sollten (εἶναι δικαίους), nichts mit Gewalt vollenden und nicht im Vertrauen auf die eigene Kraft gegen andere Gewalt ausüben.“ In Arist 149 wird er­ gänzt, dass man, wenn man die verbotenen Tiere nicht einmal berühren darf, erst recht nicht deren Verhaltensweisen übernehmen dürfe. 130  Arist 152; vgl. daneben auch μολυσμός in 166. 131  Arist 128f.147.166.169; vgl. daneben auch ἀκαθαρσία in 166. 132  Arist 166: τῷ τῆς ἀσεβείας μολυσμῷ; 152: οἱ γὰρ πλείονες τῶν λοιπῶν ἀνθρώπων ἑαυτοὺς μολύνουσιν ἐπιμισγόμενοι, συντελοῦντες μεγάλην ἀδικίαν; vgl. auch 146. 133  Vgl. dazu z.B. Arist 147f.

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det sich die Vorstellung der moralischen Unreinheit zum einen für die verbo­ tenen Tiersorten, zum anderen mit Bezug auf Menschen. So sind die Tierarten, die Gerechtigkeit üben, selbst rein.134 Die nach Lev 11 verbotenen Tierarten verüben hingegen verwerfliche Taten und sind daher unrein.135 Gleicherma­ ßen sind auch die Menschen, die moralisch falsche Handlungen begehen, unrein,136 wobei es sich vor allem um die Völker handelt.137 Innerhalb der Auslegung der jüdischen Speisevorschriften durch Eleazar werden die Heiden demzufolge primär als Götzendiener und solche angese­ hen, die ungerecht handeln. Die Speisegebote werden demgegenüber als ein Mittel zur Ausübung von Gottesfurcht und Gerechtigkeit bewertet138 und haben als solche die Funktion einer Grenze zwischen den Juden und den Völ­ kern. Dabei stellt Aristeas die Speisegebote insgesamt als zutiefst logisch dar (vgl. 143) und bietet sie damit auch als Brücke zwischen Juden und frommen Heiden an (s.u. 2.1.3).139 Die Gegenüberstellung der jüdischen und der nichtjüdischen Lebensweise als Hintergrund der κοινός-Terminologie Sowohl im griechischsprachigen Judentum als auch im Urchristentum be­ gegnen in Diskursen zum Essen mehrfach Termini, die zum Wortfeld κοινός κτλ. gehören. Besonders häufig findet sich das Adjektiv κοινός, daneben sind aber auch das Verbum κοινόω sowie das Nomen κοινοφαγία belegt. Diese breite 1.3

134  So in Arist 145 für die erlaubten Tiere. 135  So in Arist 147 für die verbotenen, nämlich ungerechten (vgl. 146) Vögel, wobei deren Be­ zeichnung als „unrein“ dazu anleiten soll, dass die Menschen gerecht sind, vgl. auch 169. 136  Vgl. dazu Arist 166: Danach folge aus der Kritik am Verhalten des Wiesels, das „durch die Ohren empfängt, aber durch die Schnauze gebiert“ (165; eine solche Anschauung war in der Antike allgemein verbreitet, vgl. dazu z.B. Aristot. Gen. an. 3,6 [756B]; zu weiteren Belegen vgl. Wright III, Aristeas, 309f.), mit Blick auf die Menschen: „Ebenso ist deswegen eine derartige menschliche Handlungsweise unrein (καὶ διὰ τοῦτο ὁ τοιοῦτος τρόπος τῶν ἀνθρώπων ἀκάθαρτός ἐστιν). Was nämlich Leute wie Denunzianten (vgl. Arist 167) durch das Ohr aufnehmen, dem geben sie in der Rede Gestalt und stürzen damit andere ins Unglück. Selbst völlig befleckt vom Makel der Gottlosigkeit, vollbringen sie eine außeror­ dentliche Unreinheit (ἀκαθαρσίαν οὐ τὴν τυχοῦσαν ἐπετέλεσαν, μιανθέντες αὐτοὶ παντάπασι τῷ τῆς ἀσεβείας μολυσμῷ).“ 137  Vgl. dazu Arist 152, wobei als Beispiel der ungerechten Handlungsweise der Mehrheit der übrigen Menschen, durch die sie sich beflecken, sexuelle Vergehen aufgeführt werden. 138  Vgl. dazu auch die allgemeine Aussage zum Gesetz in Arist 127: Danach besteht die rechte Lebensführung im Einhalten der Gesetze (τὸ γὰρ καλῶς ζῇν ἐν τῷ τὰ νόμιμα συντηρεῖν εἶναι). 139  Vgl. Rhodes bei Wright III, Aristeas, 283f.: „In demonstrating the ,profound logic‘ (§143) of the dietary laws, the author has turned boundary markers into bridges that make possible a rapprochement between philosophically minded Jews and devout Gentiles.“ Vgl. auch ebd., 376; Lieu, Ramparts, 306; dies., Christian Identity, 110f.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Bezeugung der κοινός-Terminologie deutet auf eine Schlüsselstellung dieser Begrifflichkeit für die vorliegende Fragestellung hin. Daher verdient die lexi­ kalische Bedeutung der κοινός-Terminologie eine genaue Klärung. Eine solche Untersuchung wird zeigen, dass sich die Kontrastierung der Juden und der Hei­ den in Bezug auf Speisefragen innerhalb des griechischsprachigen Judentums selbst in der Terminologie niedergeschlagen hat. Im Zentrum von κοινός κτλ. steht nämlich die Gegenüberstellung zwischen den gesetzestreuen Juden und den Übrigen – seien es die das Gesetz nicht praktizierenden Juden oder Hei­ den – im Hinblick auf Lebensweise, Herkunft bzw. Status. Dabei lässt gerade diese Terminologie besonders deutlich erkennen, dass die Differenz zum Verhalten der Umwelt im Diasporajudentum zentrale Bedeutung für die Definition der eigenen jüdischen Lebensform hatte.140 Mithilfe von κοινός κτλ. bestim­ men gesetzestreue Juden die Bräuche, die sie selber strikt vermeiden, nämlich ausdrücklich als „gemein“, d.h. als das ansonsten allgemein Übliche,141 welches jedoch im Vergleich zum Jüdischen zugleich als minderwertig einzustufen ist. Eine solche Wiedergabe mit „gemein“ wird – wie im Folgenden nachgewiesen werden wird – sowohl dem semantischen Potential von κοινός κτλ. als auch der Sprachentwicklung, die zur Verwendung im Kontext des Gesetzes geführt hat, weitaus besser gerecht als die in der Forschung stattdessen primär gewählte Übersetzung mit „unrein“. So ist κοινός κτλ. nämlich zwar durchaus offen für eine enge Verbindung mit der Unreinheitsterminologie. Ein etwaiges Verständ­ nis als „unrein“ ergibt sich jedoch erst aus dem Kontext, nämlich dem im Um­ feld gebrauchten Rein-Unrein-Paradigma, liegt jedoch nicht im Wort selbst. Von seiner Wortbedeutung her bezeichnet κοινός κτλ. hingegen das „Gemeine“ im Gegensatz zu etwas Besonderem. Angesichts der häufigen Verwendung von κοινός κτλ. mit Bezug auf Speisefragen bestätigt die ­semantische Entwicklung von κοινός κτλ. zudem speziell die zentrale Bedeutung der jüdischen Speise­ vorschriften für die Abgrenzung der Juden gegenüber den Heiden. 140  Zur Definition der jüdischen Identität durch Abgrenzung von anderen vgl. grundsätzlich schon Lev 18,3. Dieses Verfahren der Definition der eigenen Gruppenidentität durch Ab­ grenzung zu und Überbietung von anderen ist nicht auf das Judentum und Christentum beschränkt, vgl. Ascough, Community-Ethos. 141  Dem Gebrauch von κοινός κτλ. liegt somit eine umgekehrte Blickrichtung zugrunde als der Bestimmung der von Juden gemiedenen Speisen mithilfe von ἀσυνήθης (so in Jos. Bell. 2,152: φάγωσίν τι τῶν ἀσυνήθων). Mit ihr wird das für Juden Verbotene nämlich wie beim Gebrauch von ἄθεσμος für verbotene Speisen (Jos. Bell. 7,264) explizit als etwas der (jüdischen) Sitte Widersprechendes qualifiziert. Im Zentrum von ἀσυνήθης steht der Gedanke der Gewohnheit bzw. Gewöhnung (vgl. Passow, s.v. συνήθεια 2), wobei die ne­ gierte Form als „etwas, woran jemand nicht gewöhnt ist“ (vgl. Passow, s.v. ἀσυνήθης; dane­ ben s.v. συνήθης 2b) zu paraphrasieren ist. Am nächsten kommt dieser Formulierung der Gebrauch von βρώματα ἀσυνήθη für ungewohnte Speisen bei Galen (De consuetudinibus [Dietz, 114]; vgl. auch Comp. med. [Kühn XIII, 167]).

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1.3.1

Die κοινός-Terminologie als referentielles Synonym zur Unreinheitsterminologie Die κοινός-Terminologie wird – wie sowohl der Gebrauch im griechischsprachi­ gen Judentum als auch die urchristliche Verwendung zeigen – häufig in enger Verbindung mit Begriffen gebraucht, die explizit den Vorgang der Verunreini­ gung bezeichnen. Angesichts dieses Befundes stellt sich in besonderer Weise die Frage nach einer Verortung von κοινός κτλ. innerhalb dieses Spektrums von Unreinheitsbegriffen sowie verwandter Termini. 1.3.1.1

Das Spektrum an Bezeichnungen für verbotene Speisen und ihre unterschiedlichen Hintergründe Wie im Hebräischen (vgl. dazu vor allem die Verben ‫ טמא‬und ‫גאל‬, ‫ שקץ‬und ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ ; s.o. IIA 1.2.2.1), so wird auch im Griechischen ein ganzes Spektrum an unterschiedlichen Begriffen für die verbotenen142 Speisen verwendet. Beson­ ders häufig lassen sich im Rahmen von Texten, die jüdische Speisevorschrif­ ten behandeln, Begriffe wie μιαίνω,143 μολύνω144 und ἀκάθαρτος145 antreffen. Mit ihnen werden wie schon in der hebräischen Bibel entweder die verbo­ tenen Speisen selbst als „unrein“ bestimmt oder aber derjenige, der solche Speisen isst. Dabei handelt es sich bei ihnen um Begriffe, die im Griechischen 142  Die Tiere, deren Verzehr Juden in Lev 11/Dtn 14 untersagt wird, werden zum Teil aus­ drücklich als „verboten“ bezeichnet, so 4 Makk 1,33: τὰς ἀπειρημένας τροφάς; 1,34: παντοίων βρωμάτων τῶν ἀπηγορευμένων ἡμῖν κατὰ τὸν νόμον. Daneben auch τὰ δὲ ἐναντιωθησόμενα ἐκώλυσεν σαρκοφαγεῖν in 5,26. 143  So für den Menschen abgesehen von Lev 11,43f.; Hos 9,4; Ez 4,14 (jeweils LXX) vor allem 1 Makk 1,63: καὶ ἐπεδέξαντο ἀποθανεῖν ἵνα μὴ μιανθῶσιν τοῖς βρώμασιν […]; 4 Makk 5,36: οὐδὲ μιανεῖς μου τὸ σεμνὸν γήρως στόμα, οὐδὲ νομίμου βίου ἡλικίαν; JosAs 11,9.16; 12,5: μεμίαται τὸ στόμα μου ἀπὸ τῶν θυσιῶν τῶν εἰδώλων καὶ ἐκ τῆς τραπέζης τῶν θεῶν τῶν Αἰγυπτίων. Für die Speisen vgl. μιαρῶν τροφῶν (4 Makk 4,26). Vgl. dazu den gehäuften Gebrauch von μιαίνω im Kontext von Handlungen, die gegen das Gesetz verstoßen, zumeist in Verbindung mit dem Heiligtum: 1 Makk 1,46; 4,45 ([…] ἐμίαναν τὰ ἔθνη αὐτο […]); 7,34; 14,36; Dan 11,31 LXX. Vgl. dazu auch μιασμός: 1 Makk 4,43 ([…] τοὺς λίθους τοῦ μιασμοῦ […]); 13,50. 144   Vgl. dazu vor allem Dan 1,8 LXX: […] ἠξίωσε τὸν ἀρχιευνοῦχον ἵνα μὴ συμμολυνθῇ; 2 Makk 5,27, wonach Judas Makkabäus mit den Seinen in der Wüste nur von Pflanzen lebte, um sich nicht beflecken zu müssen (καὶ τὴν χορτώδη τροφὴν σιτούμενοι διετέλουν πρὸς τὸ μὴ μετασχεῖν τοῦ μολυσμοῦ); vgl. Jes 65,4 LXX: […] οἱ ἔσθοντες κρέα ὕεια καὶ ζωμὸν θυσιῶν μεμολυμμένα πάντα τὰ σκεύη αὐτῶν. Vgl. daneben auch die Verwendung von μολύνω für Handlungen, die gegen das Gesetz verstoßen, so 1 Makk 1,37: ἐμόλυναν τὸ ἁγίασμα; 2 Makk 6,2; 14,3. 145  Gehäuft in Lev 11 LXX, z.B. 11,4f.29.43; vgl. auch Lev 20,25; Dtn 14,7f.10.19; Hos 9,3; Ez 4,13 (jeweils LXX). Mehrfach auch im Aristeasbrief, so 128: τῶν νομιζομένων ἀκαθάρτων εἶναι κνωδάλων; 129: τὰ μὲν ἀκάθαρτα νομίζεται πρὸς βρῶσιν, τὰ δὲ καὶ πρὸς τὴν ἁφήν; 147: ἀκάθαρτα προσονομάσας; 169: περὶ βρωτῶν οὖν καὶ τῶν ἀκαθάρτων ἑρπετῶν καὶ κνωδάλων. Vgl. 1 Makk 1,48. Allgemein für etwas, das dem Gesetz widerspricht, in 1 Makk 4,43; daneben ἀκαθαρσία (1 Makk 13,48; 14,7).

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

üblicherweise im Rahmen der materiellen Unreinheitsvorstellung verwendet werden. Sowohl μιαίνω146 als auch μολύνω147 bezeichnen nämlich den Akt des Besudelns mit dem Resultat einer Anhaftung, die es zu entfernen bzw. abzu­ waschen gilt. Darüber hinaus hat die Bewertung der verbotenen Speisen als „unrein“ im griechischsprachigen Judentum zur Entstehung der Sondervoka­ bel μιαροφαγέω κτλ. geführt. Das Kompositum μιαροφαγέω sowie das Nomen μιαροφαγία sind innerhalb des 4. Makkabäerbuches mehrfach belegt148 und beziehen sich auf verbotenes Schweine- und Götzenopferfleisch (5,2.6.8; 6,15). Aufgrund der Zusammensetzung aus den beiden Bestandteilen „unrein“ und „essen“ bezeichnen diese Termini expressis verbis das Essen von unreiner bzw. verunreinigender Speise.149 Umgekehrt werden erlaubte Speisen unter Ver­ wendung der καθαρόω-Terminologie als „rein“ qualifiziert.150 Diejenigen, die sich standhaft weigern, Schweinefleisch zu essen, sterben rein.151 Im Rahmen von Speisefragen besteht die Funktion der verschiedenen Un­ reinheitstermini vor allem darin, gesetzestreue Juden von den entsprechenden Speisen fernzuhalten. Diesem Zweck dienen – wie bereits im Hebräischen, so auch im griechischsprachigen Judentum – mehrere weitere Termini, die im Kontext der Speisegebote gleichsam synonym zur Unreinheitsterminologie für die Juden verbotenen Speisen gebraucht werden. Dabei überlappen sich die verschiedenen Begriffe zwar, sind jedoch nicht einfach deckungsgleich. Sie greifen nämlich im Einzelnen auf unterschiedliche Hintergründe zu­ rück. Mehrfach werden Termini aus dem Wortfeld βδελύσσω gebraucht. Mit ihnen wird zum Ausdruck gebracht, dass die entsprechende Speise Ekel und Abscheu hervorrufen soll152 und derjenige, der sie isst, sich selbst wiederum 146  Vgl. Passow, s.v. μιαίνω: „urspr. einen weissen Körper auf der Oberfläche mit einer andern Farbe überziehen, also färben, bemalen, […] Dah. b) insbes. verunreinigen, besudeln, beflecken, verschmutzen“ (Hervorhebungen im Original). Zu μιαίνω im Urchristentum vgl. bes. Joh 18,28; Tit 1,15 (2×); Hebr 12,15; Jud 8. 147  Vgl. Passow, s.v. μολύνω 1a: „besudeln, beflecken, verunreinigen, beschmutzen“ (u.a. von Schweinen), „besprengen, bestreuen“ (Hervorhebung im Original). Zu μολύνω im Urchris­ tentum vgl. bes. 1 Kor 8,7; Offb 3,4 (unbeschmutzte Kleider); 14,4. 148  Zum Verbum μιαροφαγέω vgl. 4 Makk 5,3.19.25; 8,2.12.29; 11,16; 13,2; zu μιαροφαγία auch 4 Makk 5,27; 6,19; 7,6; 11,25. 149  Vgl. Passow, s.v. μιαροφαγέω: „unreine od. verunreinigende Speise essen“. 150  So abgesehen von Lev 11,47; Dtn 14,11.20 (jeweils LXX) z.B. Arist 145: τῶν γὰρ πτηνῶν, οἷς χρώμεθα, πάντα ἥμερα καθέστηκε καὶ διαφέρει καθαριότητι. Vgl. dazu auch Jdt 10,5: ἄρτων καθαρῶν. 151  Vgl. 2 Makk 7,40: καὶ οὗτος οὖν καθαρὸς μετήλλαξεν παντελῶς ἐπὶ τῷ κυρίῳ πεποιθώς; vgl. 4 Makk 5,37. 152  Im Einzelnen wird das Verbotene als βδέλυγμα bezeichnet (vgl. dazu z.B. Gen 43,32 LXX) und damit als „Abscheulichkeit“ qualifiziert; vgl. dazu Passow, s.v. βδέλυγμα: „das Verab­ scheute, Scheusal“; GELS, s.v.: „abomination, sth abominable (of idols and cultic objects)“;

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zu jemandem macht, vor dem man Abscheu empfindet.153 Damit findet sich eine Vorstellung wieder, die bereits in der hebräischen Bibel für verbotene Speisen belegt ist. Dort werden nämlich innerhalb der ausführlichen Rekur­ se auf die jüdischen Speisegebote – abgesehen von der Klassifikation mithilfe des semantischen Begriffspaares „rein-unrein“ – die Begriffe ‫ שקץ‬und ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ gebraucht, in deren Zentrum ebenfalls der Gedanke von Ekel und damit das emotionale Moment von „unrein“ bzw. „schmutzig“, d.h. das Distanzverhalten selbst, liegen (s.o. IIA 1.2.2.1). Dabei lässt sich die Aufnahme dieser Vorstellung deutlich an dem Befund erkennen, dass die βδελύσσω-Terminologie in der Sep­ tuaginta sowohl als Übersetzungswort für die ‫שקץ‬-Begrifflichkeit154 als auch als Äquivalent zu ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ (vgl. dazu Dtn 14,3 LXX) fungiert. 1.3.1.2

Zur sogenannten Sonderverwendung von κοινός κτλ. im griechischsprachigen Judentum und Urchristentum Innerhalb dieses Spektrums stellt die κοινός-Terminologie eine weitere Be­ zeichnung dar. Sie ist als Bestimmung von Speisen und anderen Dingen, die für gesetzestreue Juden verboten sind, offenbar überhaupt erst innerhalb des grie­ chischsprachigen Judentums im Rahmen der Auseinandersetzung frommer Juden mit dem Hellenismus neu entstanden. Sie begegnet nämlich mehrfach in Kontexten, in denen Juden ihre eigenen Bräuche aufzugeben drohen, indem sie sich an die Lebensweise der Heiden anpassen. Eine solche Verwendung fin­ det sich beispielsweise im Rahmen der Schilderung der Einheitsbestrebungen von Antiochos IV. in 1 Makk 1,41–63 (s.o. 1.2.1).155 Dort wird zweimal das Adjek­ tiv κοινός156 zur Näherbestimmung von Speisen gebraucht, und zwar zum einen Muraoka, s.v.: „what is abominable, loathsome“ (Hervorhebungen im Original). Der Ge­ danke der Abscheu wird besonders deutlich aus 4 Makk 5,8, wenn Antiochos Eleazar vorwirft, dass er das besonders schmackhafte Schweinefleisch verabscheut (διὰ τί γὰρ τῆς φύσεως κεχαρισμένης καλλίστην τὴν τοῦδε τοῦ ζῴου σαρκοφαγίαν βδελύττῃ;); vgl. dazu GELS, s.v. βδελύσσω Medium: „feel a loathing at“; Muraoka, s.v. II: „to loathe, dislike intensely“ (Hervorhebungen im Original). 153  So in großer Nähe zu Lev 11,43; 20,25 (beide LXX) in 1 Makk 1,48: βδελύξαι τὰς ψυχὰς αὐτῶν ἐν παντὶ ἀκαθάρτῳ καὶ βεβηλώσει. Vgl. GELS, s.v. βδελύσσω Aktiv: „to make repulsive or abominable“; Muraoka, s.v. I.2: „to render abominable“ (Hervorhebungen im Original). Vgl. dazu auch Tit 1,15f., dort in Verbindung mit der Unreinheitsterminologie. 154  Zu βδελύσσω κτλ. als Übersetzungsäquivalent von ‫ שקץ‬im Kontext von Speisefragen vgl. bes. Lev 11,10–13.20.23.41–43; 20,25; Jes 66,17: ἔσθοντες κρέας ὕειον καὶ τὰ βδελύγματα; vgl. auch Ez 8,10 (jeweils LXX). 155  Auch Haacker, Röm, 286, sieht den Hintergrund für den Gebrauch der κοινός-Termi­ nologie in der seleukidischen Zwangsangleichung der Juden an „die hellenistische ‚Allgemeinheit‘“. 156  In 4 Makk 7,6 wird zudem das Verbum κοινόω im Rahmen von Speisefragen gebraucht, und zwar in Verbindung mit der Heiligkeitsvorstellung (s.u. 1.4.1.2).

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für verbotene Opfer (θύειν ὕεια καὶ κτήνη κοινά in 1,47), zum anderen für Tiere, die gesetzestreue Juden nicht essen (ὠχυρώθησαν ἐν αὑτοῖς τοῦ μὴ φαγεῖν κοινά in 1,62). Dabei steht κοινός zwar in enger Verbindung mit anderen Termini aus dem Bereich der Befleckung.157 Durch den Gebrauch von κοινός wird jedoch of­ fenbar in besonderer Weise der für den gesamten Abschnitt zentrale Gedanke betont, dass die Juden mit dem Essen der entsprechenden Speisen etwas über­ nehmen, das den anderen Völkern außerhalb des Judentums gemeinsam, d.h. bei diesen allgemein üblich ist.158 Wie besonders die Zusammenstellung mit ὕεια in 1 Makk 1,47 deutlich zeigt, handelt es bei den in 1 Makk 1,47.62 als κοινά bezeichneten Tieren nämlich um solche Tiere, die von den anderen Völkern des Reiches durchaus gegessen werden. Bei Josephus zeigt sich ein ähnlicher Gebrauch der κοινός-Terminologie. Er verwendet nicht nur das Adjektiv κοινός zur näheren Bestimmung eines zum Wortfeld des Essens und Trinkens gehörenden Nomens,159 sondern kann für diesen Gedanken auch das zusammengesetzte Sub­ stantiv κοινοφαγία gebrauchen. Dieses findet sich ebenfalls im Kontext der Übertretung der väterlichen Gesetze:160 „Nach Alexanders Tod wurde sein Reich unter seine Nachfolger aufgeteilt. Der Tempel auf dem Berg Garizim blieb bestehen, und wenn jemand durch die Einwohner von Je­ rusalem des Genusses ,gemeiner‘ Speise161 oder der Verletzung des Sab­ bats oder eines anderen Vergehens angeklagt wurde (εἰ δέ τις αἰτίαν ἔσχεν παρὰ τοῖς Ἱεροσολυμίταις κοινοφαγίας ἢ τῆς ἐν σαββάτοις παρανομίας ἤ τινος 157  Vgl. vor allem 1 Makk 1,63: […] ἵνα μὴ μιανθῶσιν τοῖς βρώμασιν; daneben auch 1,48: […] βδελύξαι τὰς ψυχὰς αὐτῶν ἐν παντὶ ἀκαθάρτῳ καὶ βεβηλώσει. 158  Zu einem solchen Verständnis vgl. auch Bauckham, James, 103: „ ‚Profane animals‘ were those commonly used for sacrifice and food among other peoples, but forbidden to Jews by the Torah.“ Anders Goldstein, 1 Makk, 222f., dem zufolge Antiochos die Opferung von Tieren fordert, die man nach dem jüdischen Gesetz nicht opfern darf, wobei Goldstein of­ fenbar weniger an unreine, sondern eher an fehlerhafte Tiere denkt (vgl. seinen Hinweis auf Lev 22,19–24; Dtn 15,21; 17,1). 159  Vgl. dazu Jos. Ant. 4,137: […] ὡς καὶ τὰς τροφὰς ὑμῖν ἰδιοτρόπους εἶναι καὶ τὰ ποτὰ μὴ κοινὰ τοῖς ἄλλοις (s.u. 1.3.2.3). Innerhalb seiner Wiedergabe der in 1 Makk 1 geschilderten Aus­ einandersetzung mit Antiochos verwendet Josephus κοινός jedoch nicht (vgl. Ant. 12,253; Bell. 1,34f.). 160  Vgl. Jos. Ant. 11,340: […] Σαμαρεῖται μητρόπολιν τότε τὴν Σίκειμαν ἔχοντες κειμένην πρὸς τῷ Γαριζεὶν ὄρει καὶ κατῳκημένην ὑπὸ τῶν ἀποστατῶν τοῦ Ἰουδαίων ἔθνους; vgl. dazu auch die entgegengesetzten Formulierungen, die ein Leben entsprechend den Gesetzen erwäh­ nen: […] χρήσασθαι τοῖς πατρίοις νόμοις […] τοὺς ἐν Βαβυλῶνι καὶ Μηδίᾳ Ἰουδαίους τοῖς ἰδίοις ἐπιτρέψῃ νόμοις χρῆσθαι, […] (11,338); […] τοῖς πατρίοις ἔθεσιν ἐμμένοντες καὶ κατὰ ταῦτα ζῶντες (11,339). 161  Vgl. LSJ, s.v. κοινοφαγία: „eating of what is common or profane“ (Hervorhebung im Original).

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ἄλλου τοιούτου ἁμαρτήματος), floh er zu den Sikimitern und behauptete, zu Unrecht beschuldigt zu sein.“162 Das Adjektiv κοινός dient jedoch im griechischsprachigen Judentum nicht nur zur Kennzeichnung der von Juden zu meidenden Speisen und Getränke, son­ dern kann auch mit Bezug auf andere Dinge oder Handlungen verwendet wer­ den, welche Juden verboten sind. So gebraucht Josephus κοινός beispielsweise in Verbindung mit βέβηλος für die entweihte Verehrung Gottes und damit als Gegensatz zur Heiligkeit: Im Kontext schildert Josephus, wie Judas Makkabäus den von Antiochos ge­plünderten Tempel in Jerusalem reinigt und wiederherstellt (vgl. auch 1 Makk 4,36–51). In diesem Rahmen stellt er genauer fest, dass die Wie­ dereinweihung des Tempels genau an demselben Tag stattfand, an dem drei Jahre vorher „ihr heiliger Gottesdienst sich in eine entweihte und ‚gemeine‘ Sitte umgewandelt hatte“ (μετέπεσεν αὐτῶν ἡ ἅγιος θρησκεία εἰς βέβηλον163 καὶ κοινὴν συνήθειαν164 μετὰ ἔτη τρία).165 Dabei bildet diese von Antiochos vollzogene Handlung den Gegensatz zur Reinigung des Tem­ pels durch Judas, wie die mehrfach im Umfeld gebrauchte Reinigungster­ minologie166 deutlich zeigt. Daneben verwendet Josephus κοινός auch für die ungesetzliche Lebensform als ganze, und zwar konkret für den heidnischen Lebenswandel von abgefallenen Juden.167 Abgesehen von Dingen, die dem jüdischen Gesetz widersprechen, wird das Adjektiv κοινός auch unmittelbar für die Näherbestimmung von Menschen 162  Jos. Ant. 11,346. 163  Vgl. Passow, s.v. βεβηλόω: „gemein machen, entheiligen, entweihen, beflecken, profanie­ ren“ und s.v. βέβηλος: „zugänglich, wozu jeder freien Zutritt hat, ungeweiht, dem Heiligen u. Geweihten entgegengesetzt“ (Hervorhebung im Original); BAA, s.v. βέβηλος: „jedermann zugänglich, profan, unheilig“ (im Original hervorgehoben). Vgl. dazu 1 Makk 1,43.45.48.63; 2,12.34; 3,51; 4,44 u.ö. 164  Vgl. BAA, s.v. συνήθεια 2b: „d. Gewohnheit, d. Gepflogenheit, d. Gebrauch, d. Sitte“ (Hervorhe­ bung im Original). 165  Jos. Ant. 12,320. 166  Vgl. Jos. Ant. 12,316: […] τὸν ναὸν καθαρίσαι […]; 12,318: […] ἄχρι τὸν ναὸν αὐτὸς ἁγνίσειεν καὶ καθάρας ἐπιμελῶς αὐτὸν […]. Vgl. auch 1 Makk 4,36.41.43. 167  Vgl. dazu Jos. Ant. 13,4: Der seleukidische General Bakchides „versammelte alle Juden um sich, die von ihren väterlichen Gesetzen abgefallen waren und die ,gemeine‘ Lebensweise gewählt hatten (Βακχίδης δὲ τῶν Ἰουδαίων τοὺς ἀποστάντας τῆς πατρίου συνηθείας καὶ τὸν κοινὸν βίον προῃρημένους συναθροίσας), und übertrug ihnen die Verwaltung des Landes.“

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gebraucht.168 Sowohl bei Josephus als auch innerhalb des Aristeasbriefes findet es sich jeweils in einem Zusammenhang, in dem geschildert wird, warum das jüdische Gesetz den Griechen so lange unbekannt geblieben sei. In ihrer fast wortgleichen Darstellung vom Handeln des griechischen Historikers Theopompos (geb. um 377 v.Chr. in Chios, gest. nach 320 v.Chr.) gebrauchen Josephus169 und Aristeas170 κοινός jeweils mit Bezug auf Nichtjuden, wobei diese Bestimmung eine Gegenüberstellung von Juden und Nichtjuden mit einer deutlichen Abwertung der Nichtjuden erkennen lässt. Die Nichtjuden sind nämlich „‚gemeine‘ Menschen“, und zwar ganz offensichtlich im Gegen­ satz zu den Juden. Dass eine solche Bestimmung auf die Juden nicht zutrifft, zeigt die Tatsache, dass die Juden, denen das Gesetz offenbar gemacht wurde, augenscheinlich mit Göttlichem in Kontakt kommen dürfen. Im Hintergrund steht die Bestimmung der Juden als heiliges Volk. Damit bildet κοινός auch in diesem Rahmen einen Gegensatz zur Heiligkeit. Im griechischsprachigen Judentum wird κοινός κτλ. demzufolge sowohl zur Näherbestimmung der Heiden als auch mit Bezug auf die heidnische Lebens­ weise gebraucht, und zwar jeweils mit einer deutlich erkennbaren negativen Färbung. Die urchristlichen Autoren knüpfen mit ihrem Gebrauch der κοινός-Ter­ minologie deutlich an diese Verwendung innerhalb des griechischsprachi­ gen Judentums an. Dabei begegnen sowohl das Adjektiv κοινός als auch das Verbum κοινόω gerade innerhalb der urchristlichen Diskurse zu Fragen des Essens gehäuft. Termini, die zum Wortfeld κοινός κτλ. gehören, finden sich näm­ lich in allen drei Themenbereichen des Essens. Gerade die κοινός-Begrifflichkeit ist somit – trotz variierender Bezüge – offenbar ein sich durchziehender 168  Eine solche Verwendung mit Bezug auf die verbotene Sache und den Menschen, der sie begeht, findet sich nicht nur für die Unreinheitsterminologie, sondern beispielsweise auch für ‫( שקץ‬s.o. IIA 1.2.2.2). 169  Vgl. Jos. Ant. 12,112: Als Ptolemaios II. sich wunderte, dass das jüdische Gesetz von den Griechen so lange unerwähnt blieb, erzählte ihm Demetrios, „wie Theopompos, der etwas aus dem Gesetz habe abschreiben wollen, länger als dreißig Tage in Geistesstörung ver­ sunken gewesen sei und in seinen lichten Augenblicken Gott mit Bitten zu besänftigen gesucht habe, weil er richtig geahnt habe, dass dies die Ursache seines Wahnsinns sei. Aus einem Traum habe er dann auch wirklich erkannt, dass er von dem Unglück betroffen worden sei, weil er Göttliches anzutasten und es ,gemeinen‘ Menschen mitzuteilen im Sinne gehabt habe (τοῦτ’ αὐτῷ συμβαίη περιεργαζομένῳ τὰ θεῖα καὶ ταῦτ’ ἐκφέρειν εἰς κοινοὺς ἀνθρώπους θελήσαντι)“ (Übersetzung nach Clementz). 170  Vgl. Arist 315: „Da sei ihm in einem Traum bedeutet, dass er vorwitzig Göttliches ,gemei­ nen‘ Menschen mitteilen wollte (τὰ θεῖα βούλεται περιεργασάμενος εἰς κοινοὺς ἀνθρώπους ἐκφέρειν); davon ablassend sei er wieder hergestellt worden“ (Übersetzung nach Meisner, JSHRZ II/1, 84f.).

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Terminus und gleichbleibendes Motiv im Rahmen von Auseinandersetzungen um Gesetzesbestimmungen zum Essen. Im Einzelnen wird κοινός κτλ. wie be­ reits in 1 Makk 1,62 mehrfach für verbotene Speisen gebraucht, und zwar sowohl von Paulus (Röm 14,14) als auch vom Verfasser der Apostelgeschichte inner­ halb der Vision des Petrus (Apg 10,14f.; 11,8f.). Letzterer verwendet das Adjektiv κοινός darüber hinaus auch im Rahmen von Anordnungen zur Tischgemein­ schaft zur Näherbestimmung von andersstämmigen Menschen, d.h. Nichtju­ den, mit denen Juden keinen Umgang haben sollen (vgl. Apg 10,28 mit 11,3). Bei Markus findet sich die κοινός-Terminologie zudem gehäuft im Rahmen einer Ausei­nandersetzung zum Zustand, in dem das Mahl eingenommen werden soll, und zwar sowohl für ungewaschene Hände (κοιναῖς χερσίν in Mk 7,2.5) als auch mit Bezug auf den Menschen (vgl. z.B. ἐκεῖνο κοινοῖ τὸν ἄνθρωπον in 7,20; daneben 7,15.18.23). Im Einzelnen wird κοινός κτλ. jeweils als Parallelbegriff zu einem Unreinheitsbegriff171 oder als Antonym zu einem Reinheitsbegriff172 verwendet, wie sie auch abgesehen von κοινός κτλ. mit Bezug auf Fragen des Essens innerhalb der urchristlichen Schriften belegt sind.173 Abgesehen von Texten, in deren Zentrum Fragen des Essens stehen, wird κοινός κτλ. im Urchristentum mehrfach als Gegenbegriff zu „heilig“ verwen­ det,174 wie es sich auch bei Josephus in Ant. 12,320 (s.o.) beobachten lässt.175

171  Vgl. dazu vor allem die Verwendung in Verbindung mit ἀκάθαρτος in Apg 10,14.28; 11,8; vgl. dann auch Just. Dial. 20,3: οὐ διὰ τὸ εἶναι αὐτὰ κοινὰ ἢ ἀκάθαρτα οὐκ ἐσθίουσιν/ἐσθίομεν; ProtevJak 6,1. 172  Vgl. dazu vor allem Apg 10,15; 11,9, wo die Verben κοινόω und καθαρίζω jeweils ein kon­ tradiktorisches Gegensatzpaar bilden. Vgl. dazu auch Röm 14,14 mit 14,20b sowie den Gebrauch von καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα in Mk 7,19fin im Umfeld der mehrfach beleg­ ten κοινός-Terminologie (Mk 7,2.5.15.18.20.23). 173  Zum Gebrauch der Unreinheitsterminologie im Zusammenhang des Essens vgl. vor allem μολύνω (1 Kor 8,7), daneben auch ἀλισγέω (Apg 15,20); für den Gedanken der Reinheit vgl. καθαρός κτλ. in Lk 11,39–41. 174  Vgl. dazu vor allem den Gebrauch als Gegenbegriff zu ἁγιάζω in Hebr 9,13: εἰ γὰρ τὸ αἷμα τράγων καὶ ταύρων καὶ σποδὸς δαμάλεως ῥαντίζουσα τοὺς κεκοινωμένους ἁγιάζει πρὸς τὴν τῆς σαρκὸς καθαρότητα; 10,29: […] τὸ αἷμα τῆς διαθήκης κοινὸν ἡγησάμενος, ἐν ᾧ ἡγιάσθη. Vgl. auch Apg 21,28: […] Ἕλληνας εἰσήγαγεν εἰς τὸ ἱερὸν καὶ κεκοίνωκεν τὸν ἅγιον τόπον τοῦτον. Vgl. dann auch Did 14,2: […] ἵνα μὴ κοινωθῇ ἡ θυσία ὑμῶν. 175  Vgl. dazu auch die bei Epiphanius von Salamis (315–403 n.Chr.) überlieferte, jedoch wohl aus dem Testament des Mose stammende Verwendung von κοινόω mit Bezug auf Engel: Epiphanius verweist auf eine ihm überlieferte Tradition, der zufolge die Engel den Leich­ nam des heiligen Mose begraben hätten. Obwohl sie sich nicht gewaschen hätten, seien sie durch den Körper des Heiligen nicht „gemein“ gemacht worden: ἐνεταφίασαν οἱ ἄγγελοι, ὡς ἡ εἰς ἡμᾶς ἐλθοῦσα παράδοσις ἔχει, τὸ σῶμα Μωυσέως τοῦ ἁγίου καὶ οὐκ ἐλούσαντο ἀλλ’ οὔτε ἐκοινώθησαν οἱ ἄγγελοι ἀπὸ τοῦ ἁγίου σώματος (Pan. 1,202; AssMos Frg. 7).

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1.3.1.3

Die Gegenüberstellung zum Jüdischen als Spezifikum der κοινόςTerminologie im Vergleich zur Unreinheitsterminologie Die soeben dargestellte Verwendung von κοινός κτλ. im griechischsprachigen Judentum und auch im Urchristentum lässt deutlich erkennen, dass mit ihr in erster Linie eine Gegenüberstellung der Heiden zu den Juden und ihren Bräu­ chen verbunden ist. Dabei lässt sich zumeist ein enger Bezug dieser Termino­ logie auf das Gesetz erkennen, wie insbesondere der häufig im Kontext der jüdischen Speisevorschriften belegte Gebrauch zeigt. Gerade damit enthält die κοινός-Terminologie jedoch eine entscheidende Zusatzinformation zu der des Öfteren in ihrem Umfeld belegten Unreinheitsterminologie wie μιαίνω oder μολύνω. So kann beispielsweise μιαίνω grundsätzlich sowohl auf rituelle Un­ reinheit des Körpers als auch auf moralische Unreinheit referieren,176 bringt dabei jedoch jeweils nur das Faktum der Verunreinigung zum Ausdruck, un­ abhängig davon, welche Ursache diese Unreinheit hat. Dabei kann sich μιαίνω auf etwas durch das Gesetz strikt Verbotenes beziehen und überschneidet sich in dieser Verwendung mit κοινόω.177 Unreinheit ist jedoch nicht immer mit einer Gesetzesübertretung verbunden, sondern kann auch natürliche Ursachen haben, beispielsweise die Absonderung von Körperflüssigkeiten wie Samen und Menstruationsblut, eine ansteckende Krankheit oder den Kontakt mit Toten, und ist in diesen Fällen geradezu unvermeidbar. Auch für solche Fälle der Verunreinigung wird die μιαίνω-Terminologie häufig gebraucht.178 Demgegenüber findet sich κοινός κτλ. nie für diese Formen der unvermeidba­ ren, nichtsündhaften körperlichen Unreinheit,179 sondern ist stets auf solche Dinge oder Handlungen beschränkt, die durch das Gesetz verboten sind. Der Gebrauch von κοινός κτλ. impliziert demzufolge, dass sich die entsprechende Unreinheit durch eine Erfüllung des Gesetzes vermeiden ließe.180 Innerhalb 176  Zur Verwendung von μιαίνω für kultische, aber auch für ethische Verunreinigung vgl. Vahrenhorst, Sprache, 57, zum Gebrauch bei Josephus: Danach werde μιαρός häufiger in ethischer (Jos. Ant. 2,22; 7,168; Bell. 1,506) und seltener in kultischer Bedeutung (C. Ap. 1,266.294), das Verbum μιαίνω hingegen vor allem für kultische Verunreinigung (Ant. 3,275; Bell. 1,39; 6,95), selten mit Bezug auf ethische Sachverhalte (Ant. 16,39; Bell. 1,500; 4,562) gebraucht. 177  Vgl. dazu die Verwendung von μιαροφαγία in 4 Makk 5,27; 6,19; 7,6 für das Essen von ver­ botenen Speisen neben κοινοφαγία bei Jos. Ant. 11,346. 178  Vgl. dazu den gehäuften Gebrauch im Rahmen von Lev 12–15 LXX: so für Krankheit in Lev 13,3.8.11.14f.20.22.25.44.59; für Unreinheit durch Körperflüssigkeiten in Lev 15,31f. u.ö. 179  Der Jude, der etwas durch das Gesetz Verbotenes tut, kann als „unrein“ und κοινός, d.h. „gemein“, bezeichnet werden. Der Jude, der Samenfluss etc. hat, wird hingegen nur als „unrein“ bezeichnet. 180  Mit dieser Beschränkung auf Unreinheit, die aus einer verbotenen Handlung resultiert, stimmt κοινόω κτλ. grundsätzlich mit der Verwendung von βδελύσσω überein. Auch dieses

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von Zusammenstellungen mit ἀκάθαρτος etc. präzisiert κοινός somit den offe­ neren Begriff der Unreinheit im Blick auf eine solche Form der Unreinheit, die aus einer Nichteinhaltung des Gesetzes oder der fehlenden Zugehörigkeit zum Judentum resultiert. 1.3.2

Die sogenannte jüdische Sonderverwendung von κοινός κτλ. – kein Übersetzungsäquivalent eines Unreinheitsbegriffs, sondern eine Anwendung des üblichen Gebrauchs Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, vor welchem Hintergrund dieser Gebrauch von κοινός κτλ. als Terminus technicus für etwas frommen Juden strikt Verbotenes entstanden ist. In diesem Rahmen wird sich zeigen, dass die κοινός-Begrifflichkeit gerade kein Übersetzungsäquivalent der Septua­ ginta zu einem hebräischen Unreinheitsbegriff ist, wie dies bislang zumeist angenommen wird. Vielmehr hat sich die Verwendung von κοινός für das from­ men Juden Verbotene ausgehend von dem für κοινός üblichen Gebrauch als Bezeichnung für das Gemeinsame bzw. allgemein Verbreitete entwickelt. Dabei hat sich bereits im griechischsprachigen Judentum eine Sichtweise auf das „allgemein Übliche“ entwickelt, der zufolge dieses im Vergleich zum Besonderen minderwertig ist. Bei den als κοινός bezeichneten Dingen handelt es sich demzufolge um solche, die zwar bei den anderen, nämlich den Heiden, üblich und verbreitet sind, für fromme Juden aber aufgrund ihrer Nichtent­ sprechung zum Gesetz strikt verboten sind. 1.3.2.1

Zu den Problemen einer Herleitung der κοινός-Begrifflichkeit von der Unreinheitsterminologie Für die soeben genauer dargestellten κοινός- bzw. κοινόω-Wendungen päfe­ rieren die einschlägigen Wörterbücher zumeist eine Wiedergabe mit „un­ rein“ bzw. „verunreinigen“. In diesem Rahmen bieten einige Wörterbücher als Alternative zu „verunreinigen“ eine Wiedergabe mit „gemein machen“181 und Verbum und seine hebräischen Äquivalente ‫ שקץ‬und ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ werden nämlich nicht für natürliche Unreinheit gebraucht, sondern schließen immer den Gedanken der schuld­ haften Verursachung ein (s.o. IIA 1.2.2.1). Zur Verbindung von κοινός und βδέλυγμα vgl. Offb 21,27. 181  Vgl. Passow, s.v. κοινόω 3: „verunreinigen, NT“, sowie s.v. κοινός I.3 für die Septuaginta; Mk 7,2; Röm 14,14: „gemein, d.i. unrein, opp. ἡγιασμένος“; Pape, s.v.: „Im N.T. gemein ma­ chen, verunreinigen, auch bei Ios“; GELS, s.v. κοινός: „common, impure“ und s.v. κοινόω für 4 Makk 7,6: „to make common, to make unclean“ (Hervorhebungen jeweils im Original). Vgl. dazu auch Louw/Nida, die abgesehen von „to make unclean, defile, to profane“ (so 53.33; 53.39) gerade für Apg 10,15 auch ein Verständnis als „to call something common, to regard something as defiled“ (53.40) vorschlagen.

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„profanieren“182 an. Dabei führen sie diese Glossierung sowohl für die im 1. Makkabäerbuch und bei Josephus belegten κοινός-Wendungen als auch für die urchristlichen Belege als Sonderbedeutung gegenüber dem normalen Ge­ brauch von κοινός κτλ. an. Im Hintergrund einer solchen Wiedergabe steht nämlich zumeist eine Bewertung von κοινός κτλ. als Übersetzungsvokabel zu einem hebräischen Terminus. Dabei wird die κοινός-Terminologie überwie­ gend als Übersetzungsäquivalent des hebräischen ‫ טמא‬angesehen,183 welches in der Bedeutung von „unrein sein oder unrein werden“ zu glossieren (s.o. IIA 1.2.2.1) und in der hebräischen Bibel vielfach als Antonym zu ‫„( טהר‬rein sein“) belegt ist.184 Gegenüber einer Deutung von κοινός κτλ. als Übersetzungsäquivalent zu ‫טמא‬ sind jedoch erhebliche Zweifel angebracht. So gibt es keinen einzigen Beleg – beispielsweise in Form desselben Textes im Hebräischen und in griechischer Übersetzung –, der nachweisen könnte, dass ‫ טמא‬überhaupt mit κοινός κτλ. übersetzt wurde. Die κοινός-Terminologie wird in der Septuaginta insgesamt nur selten zur Übersetzung hebräischer Begriffe verwendet, dient jedoch in einem solchen Fall jeweils nur zur Übersetzung von Formulierungen, in deren Zentrum der Gedanke der Gemeinsamkeit oder Gemeinschaft steht (Spr 1,14; 25,24; vgl. 21,9 S1). Die Wurzel ‫ טמא‬wird hingegen stets mit einem Terminus aus

182  Vgl. dazu LSJ, s.v. κοινός A.VII: „common, profane“ und s.v. κοινόω I.3: „make common, de­ file, […] deem profane“ (Hervorhebungen im Original); BAA, s.v. κοινόω 2: „gemein machen, verunreinigen im kult. Sinn […] b. […] d. Tempel profanieren, entweihen“; s.v. 3: „für (kul­ tisch) unrein ansehen od. erklären“; s.v. κοινός 2: „gemein, gewöhnlich, profan“ (im Original teils andere Hervorhebungen); Muraoka, s.v. κοινόω: „to render ritually profane“; s.v. κοινός: „ritually profane“ (Hervorhebungen im Original). 183  So ausdrücklich Hauck, κοινός, 797, für Mk 7,2. Vgl. dazu auch Paschen, Rein, 165–168: „Das Adjektiv κοινός ist also wohl ein Begriff, der das hebräische ‫ ָט ֵמא‬auf dem kulturellen Hin­ tergrund des Seleukidenreiches und seiner Einheitsbestrebungen neu formuliert“ (167f.). Er erkennt das Fehlen entsprechender Belege für eine Ableitung von κοινός als Überset­ zungswort und den im Hintergrund von 1 Makk 1,47.62 liegenden Gedanken, dass die als κοινός bezeichneten Tiere „von den anderen Völkern des Reiches gegessen werden“ (167), versteht κοινός aber dennoch als „Unreinheitsausdruck“ im Sinne des „kultisch Unreinen“ (166f.). Ebenso Booth, Jesus, 214; Schneider, Die „Schwachen“, 108–115, der eine Wiederga­ be mit „gemein“ ablehnt (110 Anm. 114) und demgegenüber gerade die Deckungsgleich­ heit beider Begriffe betont (112). 184  Zum Gegensatz von ‫ טמא‬und ‫ טהר‬vgl. vor allem die Formulierungen, die zu einer Unter­ scheidung zwischen rein und unrein auffordern (so Lev 10,10; 20,25; vgl. Ez 22,26; 44,23), konkret z.B. mit Bezug auf erlaubte und verbotene Tiere (Lev 11,47) und im Gesetz über Aussatz, das bestimmt, wann etwas unrein und wann etwas rein ist (Lev 14,57). Vgl. auch Lev 11,32; Hiob 14,4. Besonders häufig in Lev 13: ‫( טמא‬13,3.8.11.15.20.22.25.27.30.44) und ‫( טהר‬13,6.13.17.23.28.34.37).

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dem Wortfeld ἀκάθαρτος κτλ.185 und μιαίνω κτλ.,186 seltener auch mit βεβηλόω187 und anderen Begriffen188 übersetzt, jedoch nie mit κοινός κτλ. Dieser Befund spricht deutlich gegen ein Verständnis von κοινός κτλ. als Übersetzungswort des hebräischen ‫טמא‬. In Hinsicht auf die κοινός-Belege in 1 Makk 1,47.62, für welche ebenfalls häufig ein Verständnis im Sinne von „unrein“ vorgeschlagen wird, fehlt eine hebräische Vorlage. Zudem ist das 1. Makkabäerbuch – trotz einer vermutlich bestehenden hebräischen Vorlage – in seiner überlieferten Fassung als der griechische Text zu lesen, der er ist.189 Abgesehen von ‫ טמא‬wird für κοινός κτλ. auch eine Herkunft vom hebrä­ ischen ‫ חֹל‬vorgeschlagen.190 Dabei lässt sich für die κοινός-Terminologie durch­ aus ein Gebrauch als Gegenbegriff zur Heiligkeit erkennen (zu Belegen s.o. 1.3.1.2), sodass sie sich bisweilen im Sinne von „profanieren“ glossieren lässt. Als Übersetzung für ‫ חֹל‬findet sich jedoch κοινός κτλ. in der Septuaginta ebenso wenig wie für ‫טמא‬, sondern jeweils βεβηλόω κτλ.,191 welches explizit eine Ent­ heiligung von Geweihtem bezeichnet. 185  Vgl. ἀκάθαρτος für ‫ טמא‬Qal (Lev 11,24–27.31–36.39f.; 12,2.5; 13,46; 14,36.46; 15,4–11.16–24.27; 17,15; 22,5f.; Num 19,7f.10f.14.16.21f.), Nifal (Lev 11,43), das Adjektiv ‫( ָט ֵמא‬Lev 5,2; 7,19.21; 10,10; 11,4–8.26–29.31.35.38.47; 13,11.15.36.45.51.55; 14,40f.44f.57; 15,2.25f.; 20,25; 27,11.27; Num 5,2; 9,6f.10; 18,15; 19,13.15.17.19f.22; Dtn 12,15.22; 14,7f.10.19; 15,22; 26,14; Ri 13,4; 2 Chr 23,19; Koh 9,2; Hos 9,3: Unreines essen; Am 7,17; Jes 6,5; 35,8; 52,1.11; 64,5, Klgl 4,15; Ez 4,13; 22,5.26; 44,23) und das Nomen ‫( ֻט ְמ ָאה‬Ri 13,7.14; Sach 13,2) – ἀκαθαρσία vor allem für das Nomen ‫( ֻט ְמ ָאה‬Lev 5,3; 7,20f.; 15,3.25f.30f.; 16,16.19; 18,19; 22,3.5; Num 19,13; Ri 13,7 A; 2 Sam 11,4; 2 Chr 29,16; Esra 6,21; 9,11; Klgl 1,9; Ez 22,15; 24,11; 24,13 A; 36,17.25; 39,24) und ‫( ָט ְמ ָאה‬Mi 2,10), daneben für ‫ טמא‬Qal (Lev 20,25), Piel (Jer 39[32],34) und das Adjek­ tiv ‫( ָט ֵמא‬Lev 22,4; Jer 19,13; Ez 22,10). 186  Vgl. μιαίνω vor allem für ‫ טמא‬Piel (Gen 34,5.13.27; Lev 11,44; 13,3.8.11.15.20.22.25.27.30.44. 59; 15,31; 18,28; 20,3; Num 5,3; 6,9; 19,13.20; 35,34; Dtn 21,23; 2 Kön 23,8.10.13.16; 2 Chr 36,14; Ps 78[79],1; Jes 30,22; Jer 2,7; 7,30; Ez 5,11; 9,7; 18,6.11.15; 20,26; 22,11; 23,17.38; 33,26; 36,17f.), daneben Qal (Lev 5,3; 13,14; 15,32; 18,25.27; 22,5.8; 23,17; Num 19,20; Ps 105[106],39; Hag 2,13; Ez 22,3f.; 44,25), Nifal (Lev 18,24; Num 5,13f.20.27–29; Hos 5,3; 6,10; Jer 2,23; Ez 20,30f.43; 23,7.13.30), Hitpael (Lev 11,24.43; 18,24.30; 21,1.3f.11; Num 6,7; Hos 9,4; Ez 14,11; 20,7.18; 37,23; 44,25), ‫( ָט ֵמא‬Num 6,12; Hag 2,13f.), ‫( ֻט ְמ ָאה‬Num 5,19; Ez 24,13), vgl. auch Ez 4,14; Dtn 24,4 – ἐκμιαίνομαι (Passiv) für Qal (Lev 18,20.23.25; 19,31). 187  Vgl. βεβηλόω für ‫ טמא‬Piel in Ez 43,7f.: den Namen Gottes entweihen. 188  Daneben nur ἐξαίρω (Jes 30,22); ἀποκαθημένη (Lev 15,33); ῥύπος (Hiob 14,4), ἁμαρτία (Lev 14,19). 189  So u.a. auch Sipilä, Language, 104. Zu den Problemen, die sich bei einer Rekonstruktion einer hebräischen Vorlage aus einem griechischen Text ergeben, vgl. Davila, Apocryphon. 190  So Hauck, κοινός, 791, der die im 1. Makkabäerbuch und bei Josephus anzutreffenden κοινός-Belege mit dem hebräischen ‫ חֹל‬in Verbindung bringt und für sie – trotz des von ihm selbst erkannten Fehlens entsprechender Belege – eine solche Herkunft von ‫חֹל‬ vorschlägt. 191  Vgl. Muraoka, Index, s.v. ‫ ;חֹל‬vgl. auch das gänzliche Fehlen einer Übersetzung der Wurzel ‫ חלל‬mit κοινόω (jeweils s.v.).

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

1.3.2.2 Der übliche Gebrauch von κοινός κτλ. für das Gemeinsame Für eine Bestimmung der Bedeutung von κοινόω κτλ. ist zunächst von der Semantik dieses Begriffs auszugehen. Dabei bezeichnet dieses Verbum übli­ cherweise eine Handlung, durch die etwas zu einem gemeinsamen Gut bzw. Gemeingut von mehreren Menschen wird. Die Denotation des Verbums κοινόω lässt sich somit paraphrasieren als „etwas bestimmten Menschen bzw. einer Menschengruppe gemeinsam, d.h. zum gemeinschaftlichen Eigentum, ma­ chen, sodass diese es teilen“.192 Das Verbum κοινόω enthält demzufolge als zen­ trales semantisches Merkmal die Information, dass etwas, das vorher nicht im Allgemeinbesitz war, durch einen entsprechenden Vorgang in den Gemeinbe­ sitz überführt wird. Im Hintergrund dieses Verbums steht somit die Aufteilung in einen gemeinsamen Bereich und einen nichtgemeinsamen Bereich. Diese semantische Funktion trifft auch auf das im Vergleich zum Verbum insgesamt deutlich breiter überlieferte Adjektiv zu, wie die für κοινός bei weitem am häu­ figsten belegte Zusammenstellung mit ἴδιος in Wendungen wie ἴδιον καὶ κοινόν κτλ. deutlich zeigt.193 Diese Verbindung ist auch im griechischsprachigen Ju­ dentum häufig belegt.194 Dabei werden in ihr jeweils die gemeinsamen (zu­ meist öffentlichen) Dinge dem eigenen Bereich, d.h. den individuellen bzw. persönlichen Angelegenheiten, gegenübergestellt.195 Im Einzelnen kann genauer ausgedrückt werden, wem die entsprechenden Dinge gemeinsam sind. Zu diesem Zweck wird in Verbindung mit κοινός κτλ.

192  So auch die Glossierungen in den Wörterbüchern für den gängigen Gebrauch, vgl. Pas­ sow, s.v. κοινόω: „gemein machen, d.i. 1) gemeinschaftlich machen, zum gemeinsamen Eigenthum machen, […]; dah. mittheilen […]. Dah. verbinden, vereinigen, […] 2) mitthei­ len, bekannt machen“; Pape, s.v. 1: „gemein machen, Einem Etwas mittheilen, Einen theil­ nehmen lassen; […] Einem etwas mittheilen, ihn davon in Kenntnis setzen“; LSJ, s.v. 1: „communicate, impart information, […] 2. make common, share“ (Hervorhebungen im Original). 193  Vgl. Passow, s.v. κοινός 1: „was Mehreren oder Allen gemeinsam ist, zweien oder einigen Din­ gen (od. Personen) auf gleiche Weise zukommend, gemeinsam, gemeinschaftlich, gemein, opp. ἴδιος“ (Hervorhebungen im Original); Pape, s.v. 1 und 2; vgl. auch LSJ, s.v. II. Vgl. z.B. Aristot. Eth. nic. 3,13 (1118B). 194  Vgl. Philo, Decal. 5.173 (ἴδιαι καὶ κοιναί); Deus 17; Agr. 35.47.151; Plant. 146; Ebr. 79.129; Sobr. 40; Spec. 2,12.145; Fug. 36; Mos. 2,291; Gig. 29; Leg. 1,106; 3,30.86; Legat. 4.11; Contempl. 61; Conf. 46; Virt. 3; Jos. Ant. 12,227: τά τε ὑμέτερα ἴδια νομιοῦμεν καὶ τὰ αὑτῶν κοινὰ πρὸς ὑμᾶς ἕξομεν. Vgl. auch die Wendung ἰδίᾳ […] κοινῇ (s. Passow, s.v. κοινός: „Adv. κοινῇ […] 2. öffent­ lich“) z.B. in Philo, Det. 175; Post. 117; Ebr. 109; Fug. 210; Decal. 51; Spec. 1,150; 4,134; Praem. 67.119.168; Legat. 22; Conf. 21; Jos. Ant. 14,151; 16,39; Bell. 7,260. 195  Vgl. dazu bes. Philo, Abr. 20, wo eine Mischung von öffentlichen und privaten Dingen abgelehnt wird; vgl. Legat. 193. Vgl. auch Jos. Ant. 2,342 (einen Weg nur für die Israeliten anstelle eines allgemeinen Weges).

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insbesondere ein Genetiv196 oder eine πρός-Wendung197 gebraucht.198 Inner­ halb dieser Wendungen können geradezu alle Menschen als Besitzer der je­ weils erwähnten Sache genannt werden,199 und zwar zumeist in Form einer Genitivverbindung wie κοινὸν ἀνθρώπων ἁπάντων200 oder einer Präpositional­ wendung wie πρὸς πάντας ἀνθρώπους201 bzw. einer Dativwendung.202 In diesen umfassenden Ausdruck sind dann auch die Personen eingeschlossen, für die zusätzlich noch etwas Besonderes gilt. Mehrfach stellt Philo mit einer solchen Formulierung fest, dass die Opfer und Feste der Juden eine doppelte Bedeu­ tung haben, und zwar sowohl eine für die Juden spezifische als auch eine allen Menschen gemeinsame Bedeutung.203 Dass jemand oder etwas zum einen Teil an dem Gemeinsamen hat, daneben auf diese Person oder Sache aber auch etwas Besonderes zutrifft, wird häufiger durch vergleichbare Wendungen zum Ausdruck gebracht.204 196  So z.B. Philo, Leg. 3,67: κοινὸν σοφοῦ τε καὶ ἄφρονος; Spec. 4,133: Einzelgesetze, die zu allen zehn Geboten in einer Beziehung stehen (κοινὰ πάντων); Somn. 1,11: τὸ δὲ πάθος τοῦτο κοινὸν ἁπάντων ἐστὶ τῶν φιλομαθῶν; Sobr. 67: ἃ κοινὰ καὶ τῶν ἐπαρατοτάτων καὶ κακίστων ἐστίν; Det. 136: ἃ καὶ τῶν φαυλοτάτων ἐστὶ κοινά; Post. 159; vgl. auch Ebr. 68; Deus 95; Her. 301; Abr. 7; Spec. 1,117.247; 3,42: κοινὰ τῶν πατρίδων ἄγη καὶ μιάσματα; 4,72; Aet. 103; Legat. 50.145.194. 197  Vgl. Philo, Abr. 199 (τί δὴ τῶν εἰρημένων πρὸς ἑτέρους κοινόν;); Spec. 4,35: ὁ μὲν πρὸς τὰ ἄψυχα κοινὸς διὰ κλοπῆς; Somn. 1,18; Legat. 371; in Verbindung mit einem Genitiv in Jos. Ant. 11,87: καὶ τοῦτο μόνον εἶναι κοινόν […] πρὸς αὐτοὺς καὶ πᾶσιν ἀνθρώποις ἀφικνουμένοις εἰς τὸ ἱερὸν […]; 12,227. 198  Vgl. daneben z.B. auch die Feststellung Philos mit Bezug auf die sinnliche Seele, durch die den Menschen und den vernunftlosen Tieren das Leben als etwas Gemeinsames zuteil­ wird (καθ’ ἣν ἡμῖν τε καὶ τοῖς ἀλόγοις κοινὸν τὸ ζῆν συμβέβηκεν in Spec. 4,123). 199  Bisweilen ergibt sich dieser Gedanke aus dem Kontext, so Philo, Spec. 1,168. 200  Vgl. Philo, Spec. 2,188; 3,133: ὁ πάντων κοινὸς ἀγχιστεύς; Virt. 224; Deus 36: ἐν τοῖς ἀνθρώπων ἁπάντων κοινοῖς θεάτροις; vgl. Post. 112: κοινὴ πάντων νόσος; Conf. 9: κοινὴ πάντων ἐτμήθη; Decal. 42.76; QG 1 Frg. 96: κοινὸν γὰρ τοῦτο πάντων τῶν ἀνθρώπων; Praem. 14. Vgl. Philo, Flacc. 117; Jos. Ant. 7,383; Bell. 3,369; C. Ap. 2,259; vgl. auch 2,193 (ein Tempel für alle Juden, so auch Vita 348). 201  So Philo, Spec. 2,190; Mut. 40: τῶν κοινῶν πρὸς ἅπαντας ἀνθρώπους δικαίων; Jos. Ant. 4,138: τῶν μὲν ἡμετέρων κοινῶν ὄντων πρὸς ἅπαντας. 202  Vgl. Jos. Ant. 16,178: τοῦτο γὰρ κοινὸν ἅπασιν; vgl. Philo, Plant. 79: κοινὸς μὲν πόθος ἅπασίν ἐστι ποτὸν ἀνευρεῖν; Virt. 206; Somn. 1,176. 203  So für das Trompetenfest: διττὸν λόγον ἔχουσα, τὸν μὲν ἴδιον τοῦ ἔθνους, τὸν δὲ κοινὸν ἀνθρώπων ἁπάντων (Spec. 2,188 mit Wiederaufnahme in 2,190), für das Fest der ungesäuerten Brote (2,150); vgl. Spec. 2,162. Zu ähnlichen Formulierungen vgl. auch Philo, Legat. 371, wonach die Juden zum einen Sonderrechte haben, zum anderen solche, die allen gemeinsam sind (τὰ ἐξαίρετα νόμιμα καὶ τὰ κοινὰ πρὸς ἑκάστας τῶν πόλεων αὐτοῖς δίκαια). In Virt. 206 nennt er zum einen allgemein für alle Menschen geltende Beispiele gegen das Brüsten mit einer hohen Herkunft, daneben solche, die speziell für Juden gelten. 204  So unterliegen alle Pfandgüter, einschließlich der Tiere, die jemandem zur Aufbewahrung gegeben wurden, der Gefahr des Diebstahls, doch gilt für Tiere auch die Gefahr des Todes (Philo, Spec. 4,35). Vgl. auch Mos. 1,137: τὰ τῶν ἄλλων διπλοῦν πένθος πρὸς τῷ ἰδίῳ καὶ τὸ

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Abgesehen von diesen häufig belegten κοινός-Formulierungen, denen zu­ folge das Gemeinsame geradezu umfassend gilt, finden sich bisweilen auch solche Wendungen, deren Fokus gerade darauf liegt, dass bestimmte Personen oder Dinge umgekehrt vom Gemeinsamen ausgeschlossen sind. Zu diesem Zweck wird κοινός ein ergänzender Ausdruck, zum Beispiel der Dativ ἀλλοῖς, hinzugefügt, welcher aussagt, dass die genannten Dinge anderen gemeinsam, jedoch damit zugleich strikt auf diese beschränkt sind: So bezeichnet Philo die Opfer, welche für die Laien gelten, als „die allen anderen gemeinsamen Opfer“ (Ταῦτα μὲν κοινὰ τῶν ἄλλων), wenn er sie den Opfern der Priester gegenüberstellt (Spec. 1,255). Bei Josephus findet sich in C. Ap. 2,117 die gegen Juden gerichtete Anklage, sie hätten nicht die Götter, die den anderen gemeinsam sind (τί δ’ ἡμῶν ἔτι κατηγορεῖ τὸ μὴ κοινοὺς ἔχειν τοῖς ἄλλοις θεούς). In Ant. 8,67 berichtet Josephus im Kontext seiner Erzählung vom Bau des Salomonischen Tempels, dass die 30 Sei­ tengemächer jeweils ein eigenes Dach hatten, das mit den Dächern der benachbarten Gebäude nicht zusammenhing, wohingegen der Rest des Gebäudes ein gemeinsames Dach hatte (καὶ τοῖς μὲν οἴκοις ἴδιος ἦν οὗτος ἑκάστῳ πρὸς τοὺς πλησίον οὐ συνάπτων, τοῖς δ’ ἄλλοις ὑπῆρχεν ἡ στέγη κοινή). Bisweilen ist mit dem Gebrauch des Adjektivs κοινός eine deutliche Bewertung der mit ihm näher bestimmten Sache verbunden. Dies gilt für solche Formulie­ rungen, in denen etwas durch κοινός als eine geradezu allgemein gültige Sache bestimmt wird.205 Diesem Üblichen wird nämlich gelegentlich explizit das Be­ sondere und darüber hinaus das Herausragende strikt gegenübergestellt. Eine solche Gegenüberstellung ist im paganen Griechisch mehrfach belegt,206 und κοινόν; Decal. 76: οὐ μόνον τὸ κοινὸν ἔγκλημα χώρας ἁπάσης, ἀλλὰ καὶ ἕτερον ἐξαίρετον; vgl. auch Somn. 1,18.176; Leg. 3,86; Jos. Bell. 4,226. 205  Zu einer solchen Verwendung im Allgemeinen vgl. Passow, s.v. κοινός I.2: „gemein, d.i. ge­ wöhnlich, allgemein gebräuchlich“; LSJ, s.v. III: „common, ordinary“ (Hervorhebungen im Original). So z.B. Philo, Agr. 43: τὰ κοινὰ τῆς φύσεως καὶ ἀκίνητα νόμιμα. 206  Vgl. dazu schon den Gegensatz zwischen dem, was das gewöhnliche Volk isst, und den erlesenen Leckerbissen bei Alcman, Frg. 17,6–8 bei Athenaios 10,10 (416C–D): οὔτι γὰρ ἁδὺ τετυγμένον ἔσθει | ἀλλὰ τὰ κοινὰ γάρ, ὥσπερ ὁ δᾶμος, | ζατεύει. Häufiger findet sich κοινός mit Bezug auf das Verständnis bzw. die Kenntnisse, die man allgemein voraussetzen kann (Polyb. 2,62,2; 6,5,2; 10,27,8) im Gegensatz zum Außergewöhnlichen (Ps.-Plat. Ax. 366B: ἐγὼ δὲ εὐξαίμην ἂν τὰ κοινὰ ταῦτα εἰδέναι· τοσοῦτον ἀποδέω τῶν περιττῶν). In Plut. Mor. 580F wird die Frage gestellt, ob der Schutzgeist des Sokrates tatsächlich eine besondere und außerordentliche Kraft besessen habe ([…] τὸ Σωκράτους δαιμόνιον ἰδίαν καὶ περιττὴν ἐσχηκέναι δύναμιν), oder ob er nicht die allen gemeinschaftliche Fassungskraft durch Übung gekräftigt habe (οὐχὶ τῆς κοινῆς μόριόν τι μαντικῆς τὸν ἄνδρα πείρᾳ βεβαιωσάμενον).

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zwar insbesondere mit Bezug auf den Stil der Rede,207 wobei unter dem als κοινός bewerteten Stil die allgemein übliche Rede beispielsweise im Gegensatz zur poetischen Sprache verstanden wird.208 Im Einzelnen wird dieses Verhält­ nis zwischen dem allgemein Verbreiteten und dem Besonderen unterschied­ lich bewertet: Entweder das Besondere wird vor dem Hintergrund einer Kritik am Besonderen und damit Elitären im Sinne eines Tadels an einer Überhe­ bung als negativ bewertet,209 sodass das als κοινός Qualifizierte im Verhältnis dazu als besser bewertet wird. Oder das Besondere wird gerade umgekehrt als etwas bewertet, das dem allgemein Üblichen überlegen ist. Besonders deutlich lässt sich eine negative Bewertung des „Gemeinen“ dann erkennen, wenn es dem „Schönen“ gegenübergestellt wird.210 Eine solche Verwendung von κοινός mit einer Abwertung des Allgemeinen findet sich auch im griechischsprachi­ gen Judentum: Philo zufolge erhält Mose von Gott nicht etwa eine gewöhnliche Herr­ scher- bzw. Königsgewalt (ἄρχοντος ἢ βασιλέως κοινήν τινα ἀρετὴν ἀνῆπτεν αὐτῷ), sondern wird von ihm geradezu zum Gott erklärt (Sacr. 9). Nach Josephus stirbt Isaak nicht auf gewöhnliche Weise (ἀποθάνῃς οὐ τὸν κοινὸν ἐκ τοῦ ζῆν τρόπον), weil Gott ihn für wert (ἄξιος) befunden hat, nicht durch Krankheit, Krieg oder anderes Unglück aus dem Leben zu scheiden (Ant. 1,230). Die zwei Teile der von Mose in der Wüste errichteten Hütte, wel­ che den Priestern zugänglich sind, bedeuten das Land und Meer als allgemein zugänglicher Ort (ὥσπερ βέβηλόν τινα καὶ κοινὸν τόπον),211 im Gegensatz zum dritten Teil, welcher wie der Himmel allein Gott vorbe­ halten ist (Ant. 3,181).

Vgl. dann im 2. und 3. Jh. n.Chr. auch P.Oxy. VI 905,5; X 1273,6.17 jeweils mit Bezug auf gewöhnliches, d.h. aber geringerwertiges Gold. 207  Im Einzelnen wird κοινός entweder parallel zu συνήθης (so Dion. Hal. Isocr. 2; Dem. 56) oder aber als Gegensatz zu dem für das Außergewöhnliche verwendeten περισσός ge­ braucht (Dem. 10: […] λέγω δὲ τὸ ἐξαλλάττειν ἐκ τοῦ συνήθους καὶ μὴ τὸ κοινὸν ἀλλὰ τὸ περιττὸν διώκειν; Longinus, Subl. 40,2: […] ὅμως κοινοῖς καὶ δημώδεσι τοῖς ὀνόμασι καὶ οὐδὲν ἐπαγομένοις περιττὸν ὡς τὰ πολλὰ συγχρώμενοι; vgl. dazu auch Dion. Hal. Isocr. 3; Lys. 3). 208  Vgl. dazu Dion. Hal. Comp. 25: […] ἐν τοῖς κοινοῖς ὀνόμασι καὶ τετριμμένοις καὶ ἥκιστα ποιητικοῖς […]. 209  So z.B. Dion. Hal. Thuc. 28. 210  So z.B. Plut. Mor. 751B: καλὸν γὰρ ἡ φιλία καὶ ἀστεῖον. ἡ δὲ ἡδονὴ κοινὸν καὶ ἀνελεύθερον. 211  Zur abwertenden Bedeutung der Verbindung βέβηλον καὶ κοινόν vgl. vor allem die äußerst negative Verwendung in Jos. Ant. 12,320 (s.o. 1.3.1.2).

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Besonders deutlich lässt sich ein Tadel am Üblichen und damit ein pejora­ tives Verständnis von κοινός („von geringerer Qualität“)212 im Deutschen durch eine Wiedergabe mit Begriffen wie „gemein“,213 „vulgär“214 oder noch negativer mit „ordinär“215 zum Ausdruck bringen. Sie ist aus dem üblichen Gebrauch im Sinne von „gemeinsam“ bzw. „allgemein verbreitet“ abgeleitet, schließt jedoch eine gewisse Bevorzugung des Besonderen gegenüber der gemeinsamen Sache als konnotatives Merkmal ein. Eine solche Abwertung des allgemein Üblichen lässt sich mit Bezug auf Personen am ehesten mithilfe von Ausdrücken wie „Allgemeinheit“, „die breite Masse“ oder „alle Welt“ wiedergeben.216 Besonders nahe kommt dem griechischen κοινός das englische common, da dieses sowohl die positive Verwendung im Sinne von „gemeinsam“ als auch die negative im Sinne von „gemein“ umfasst, sodass wie im Griechischen beide Bedeutungsnu­ ancen mit einem Begriff ausgesagt werden können. 1.3.2.3

Der soziale Hintergrund von κοινός κτλ. mit Bezug auf verbotene Speisen Bei Josephus ist mit Bezug auf Speisen, die Juden nicht essen, eine κοινόςFormulierung belegt, die deutlich zeigt, dass die soeben dargestellte übliche Verwendung von κοινός im Sinne von „gemeinsam, gemein“ auch im Hinter­ grund des Gebrauchs dieser Terminologie mit Bezug auf die jüdischen Spei­ segesetze steht. Die entsprechende Formulierung ist Teil der Erzählung von der Verführung der Hebräer durch die Midianiterinnen (Ant. 4,126–140; vgl. Num 25,1; 31,16). Dabei fällt an dieser Version insgesamt auf, dass Josephus die mit ihr verbundene Gefahr in einem äußerst allgemeinen Sinne in der 212  Zu dieser tadelnden Bedeutung vgl. bes. LSJ, s.v. κοινός III.3: „common, of inferior quality“ (Hervorhebung im Original); vgl. dazu Preisigke, s.v. κοινός 1: „gering, gemein, Durch­ schnittswert darstellend“. 213  Vgl. dazu Wahrig, s.v. gemein: „1 gewöhnlich, häufig (vorkommend), verbreitet 2 einfach, normal 3 gemeinsam 4 niedrig(gesinnt), hinterhältig, niederträchtig […]; der ~e Mann der einfache Mann aus dem Volke; […] das ~e Volk das einfache V., die breite Masse“ (Hervorhe­ bungen im Original). Ausführlicher zum Bedeutungswandel von „gemein“ im Sinne von „gewöhnlich“ hin zu einem pejorativen Begriff im Sinne von „hinterhältig, boshaft“ Keller/ Kirschbaum, Bedeutungswandel, 64–69. 214  Vgl. dazu Wahrig, s.v. vulgär: „gemein, gewöhnlich, ordinär; ~er Ausdruck; ~es Benehmen; ~e Sprache [< lat. vulgaris ‚allgemein‘; zu vulgus ‚Menge‘]“ (Hervorhebungen im Original). 215  Vgl. dazu Wahrig, s.v. ordinär: „1 (urspr.) landläufig, alltäglich, gebräuchlich 2 (heute meist fig.) gewöhnlich, unanständig“ (Hervorhebungen im Original). 216  Eine Wiedergabe mit „gemeines, einfaches bzw. gewöhnliches Volk“ ist insofern irrefüh­ rend, als sie an eine Unterscheidung innerhalb eines Volkes denken lässt, im Fokus von κοινός κτλ. jedoch gerade die Gegenüberstellung des heiligen Volkes und der unheiligen Völker steht.

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Ab­schaffung der jüdischen Gesetze sieht.217 Dieses Motiv führt er bereits in­ nerhalb seiner Wiedergabe des Ratschlags Bileams zur Verführung der jüdi­ schen Männer an.218 Dementsprechend lässt Josephus die Midianiterinnen in ihrer Rede an die jüdischen Männer dann sagen: „Weil euch diese Dinge gut scheinen, eure Sitten und Lebensweise aber zu denen der ganzen Menschheit so verschieden sind (τοῖς δ’ ἔθεσι καὶ τῷ βίῳ πρὸς ἅπαντας ἀλλοτριώτατα χρῆσθε), dass ihr sogar eigene Speisen und Getränke habt, die den anderen nicht ge­ meinsam sind (ὡς καὶ τὰς τροφὰς ὑμῖν ἰδιοτρόπους εἶναι καὶ τὰ ποτὰ μὴ κοινὰ τοῖς ἄλλοις), ist es notwendig, dass ihr, wenn ihr mit uns zusammenleben wollt, auch unsere Götter verehrt“ (Ant. 4,137). Im Folgenden berichtet Josephus, dass die jüdischen Männer auf die Bitte der Mädchen eingehen. Dabei bezeichnet er diese Reaktion der Jünglinge als „Genießen fremdartiger Speisen“219 und be­ wertet sie als Übertretung der väterlichen Gesetze.220 Für das innerhalb dieser Aussage belegte κοινός lässt sich das zum Kern­ bestand dieses Wortes gehörende Element des Gemeinsamen noch deutlich erkennen,221 und zwar insbesondere durch den Zusatz τοῖς ἄλλοις. Eine solche Ergänzung lässt sich in Verbindung mit κοινός nämlich generell häufiger an­ treffen, wobei mit ihr jeweils präzisiert wird, wem die entsprechenden Dinge gemeinsam sind (s.o. 1.3.2.2). Dabei stellt Josephus durch den Gebrauch von τοῖς ἄλλοις ausdrücklich einen Gegensatz zwischen dem Besonderen der Juden 217  So Spilsbury, Image, 127–129; ausführlich van Unnik, Account, bes. 252: Die Gefahr sei nicht „the personal danger of immorality, but ‚of complete ruin of their own institution‘“. 218  Vgl. Jos. Ant. 4,130: Danach sollen die Midianiterinnen ihre Bereitschaft, dem Wunsch der jüdischen Männer entsprechend bei diesen zu bleiben, an die Bedingung knüpfen, dass diese „die väterlichen Gesetze und den Gott, der sie ihnen zu achten geboten hatte, hintansetzen und die Götter der Midianiter und Moabiter verehren“ (αὐτοὺς ἀφέντας τοὺς πατρίους νόμους καὶ τὸν τούτους αὐτοῖς θέμενον τιμᾶν θεὸν τοὺς Μαδιηνιτῶν καὶ Μωαβιτῶν σέβωσιν). 219  Vgl. Jos. Ant. 4,139: ξενικοῖς τε βρώμασιν ἔχαιρον; vgl. auch τὸ νέον γευσάμενον ξενικῶν ἐθισμῶν (4,140). 220  Vgl. Jos. Ant. 4,139: παρέβησαν τὰ πάτρια θεούς […] καὶ πάντ’ εἰς ἡδονὴν τῶν γυναικῶν ἐπὶ τοὐναντίον οἷς ὁ νόμος αὐτῶν ἐκέλευε ποιοῦντες διετέλουν; 4,140: […] τὴν παρανομίαν […]; 4,154: […] πολλοὶ τῶν παρανομησάντων. 221  Im unmittelbaren Umfeld zur Aussage von den besonderen Speisen der Juden wird κοινός ein weiteres Mal im Sinne von „gemeinsam“ verwendet, und zwar mit Bezug auf die den anderen Völkern außerhalb des Judentums gemeinsamen Götter. Die Midianiterinnen fordern die jüdischen Männer nämlich dazu auf, dass sie, die in ihr Land kommen, auch die eigenen Götter dieses Landes (τοὺς ἰδίους αὐτῆς θεούς) verehren, zumal ihre Götter allen gemeinsam seien (καὶ ταῦτα τῶν μὲν ἡμετέρων κοινῶν ὄντων πρὸς ἅπαντας), wohin­ gegen der Gott der Jünglinge bei keinem anderen Volk verehrt werden würde (τοῦ δ’ ὑμετέρου πρὸς μηδένα τοιούτου τυγχάνοντος in 4,138). Zu diesem Vorwurf vgl. auch Jos. C. Ap. 2,117, wo Josephus durch τοῖς ἄλλοις ausdrücklich feststellt, dass die Götter den anderen gemeinsam sind: τί δ’ ἡμῶν ἔτι κατηγορεῖ τὸ μὴ κοινοὺς ἔχειν τοῖς ἄλλοις θεούς.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

und dem den anderen Gemeinsamen her. Näherhin wird μὴ κοινά τοῖς ἄλλοις als referentielles Synonym zu ἰδιότροπος222 verwendet und bezeichnet somit die besonderen Getränke der Juden, welche bei den Menschen außerhalb des gesetzestreuen Judentums gerade nicht verbreitet seien. Damit werden die Regeln der Juden zu verbotenen Speisen innerhalb dieses Vorwurfs dergestalt ausge­ legt, dass sie geradezu eigene Speisen und Gebräuche haben. Strenggenom­ men haben Juden jedoch nicht eigene Speisen und Getränke, sondern lehnen die bei anderen verbreiteten ab. Der für κοινός übliche Gebrauch trifft auch auf die im griechischsprachigen Judentum zumeist belegten κοινός-Wendungen zu, die sich auf etwas durch das Gesetz Verbotenes beziehen und nicht um τοῖς ἄλλοις erweitert sind. Diese Formulierungen lassen sich gut vor dem Hintergrund der für κοινός mehrfach zu findenden Gegenüberstellung des „Gemeinen“ zum Besonderen erklären.223 Die mit ihr häufig verbundene Abwertung des „Gemeinen“ ließ sich nämlich gerade auch für die dort belegte Verwendung mit Bezug auf Heiden oder die heidnische Lebensweise erkennen. Sie wird zudem daran besonders deut­ lich, dass die entsprechenden κοινός-Formulierungen – anders als etwa die um τοῖς ἄλλοις erweiterte Wendung bei Josephus – jeweils aus der Sicht von gesetzestreuen Juden formuliert sind, die das als „gemein“ Qualifizierte für sich selbst strikt ablehnen. Dabei kommt eine Wiedergabe mit „gemein“ der jüdischen und urchristlichen Verwendung von κοινός κτλ. auch insofern nahe, als sie neben der Bedeutung von κοινός κτλ. auf der Ebene der Semantik zu­ gleich diesen pragmatischen Gehalt von κοινός κτλ. berücksichtigt.224 Auch im Deutschen impliziert die Bestimmung einer Sache oder eines Menschen als „gemein“ oder „ordinär“ nämlich als Handlungsaufforderung eine gewisse

222  Vgl. dazu auch den Gebrauch von ἴδιος: […] ἐν ᾗ βιώσονται μόνοι κατὰ τοὺς ἰδίους νόμους (Ant. 4,138); κίνδυνον παντελοῦς τῶν ἰδίων ἐθισμῶν ἀπωλείας (4,140). So häufiger, vgl. z.B. auch Ant. 19,290: […] τοὺς ἰδίους δὲ νόμους φυλάσσειν. 223  Vgl. dazu, dass sich ein solcher Gegensatz von „gemein“ und „besonders“ dann ausdrück­ lich innerhalb der Auslegung von Mt 15,18 in Clem. Al. Paed. 2,6,49,1 findet. Er stellt näm­ lich dem „gemeinen, heidnischen, unerzogenen und zuchtlosen“ (κοινὸν καὶ ἐθνικὸν καὶ ἀπαίδευτον καὶ ἀσελγῆ) Menschen den „besonderen, anständigen und weisen“ (ἴδιον καὶ κόσμιον καὶ σώφρονα) gegenüber. 224  Vgl. dazu, dass beim Gebrauch von κοινός κτλ. im Sinne von „gemein“ die pragmatische Intention in einem gewissen Gegensatz zur lexikalischen Bedeutung steht. Die entspre­ chende Sache wird nämlich jeweils zwar als allgemein verbreitet bewertet, doch soll eine solche Bestimmung als Reaktion gerade eine Vermeidung dieser Sache hervorrufen. Be­ sonders deutlich lässt sich diese pragmatische Funktion durch eine Paraphrase von κοινός κτλ. als „ausgeschlossen“ zum Ausdruck bringen: Das allgemein Übliche bzw. „Gemeine“ ist das für Juden Ausgeschlossene.

1  verbotene Speisen

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Dis­tanz zu dieser Größe, wie sie für den jüdischen und urchristlichen Ge­ brauch von κοινός κτλ. geradezu zentral ist. Der jüdische und urchristliche Gebrauch von κοινός κτλ. mit Bezug auf Dinge, die durch das Gesetz verboten sind, ist somit keineswegs als Überset­ zungsäquivalent zu „unrein“ und damit als jüdische Sonderverwendung ein­ zustufen. Er hat sich vielmehr vor dem für diesen Terminus typischen sozialen Hintergrund, und zwar der Verwendung von κοινός im Sinne von „gemein“, „vulgär“, entwickelt, wie sie sich im griechischsprachigen Judentum – auch unabhängig vom Gesetz – mehrfach findet.225 Der Gebrauch von κοινός κτλ. hat demzufolge gegenüber der bereits in der hebräischen Bibel mit Bezug auf verbotene Speisen belegten Unreinheits- und βδελύσσω-Terminologie einen eigenen Hintergrund und stellt damit eine neue Vorstellung innerhalb des grie­ chischsprachigen Judentums dar. 1.3.3

Der Anspruch der Juden auf eine bessere Lebensweise und einen besonderen Status im Vergleich zu den Heiden als Zentrum von κοινός κτλ. Der Gebrauch von κοινός κτλ. für etwas, das im Gegensatz zum Judentum steht, spiegelt sowohl ein bestimmtes Selbstverständnis der gesetzestreuen Juden als auch eine bestimmte Sichtweise auf das Gesetz wider. Mit ihm nehmen die das Gesetz praktizierenden Juden nämlich für sich in Anspruch, sich in positi­ ver Hinsicht deutlich von der Allgemeinheit bzw. vom allgemein Üblichen zu unterscheiden. Zum einen verstehen sie sich selbst – wie der Bezug von κοινός auf Nichtjuden zeigt – als eine Gruppe, welche gegenüber der Umwelt einen Sonderstatus hat. Zum anderen beurteilen sie – wie die häufige Verwendung von κοινός κτλ. für etwas Ungesetzliches zeigt – die jüdische Lebensweise nach dem Gesetz als eine Lebensweise, welche sich von der nichtjüdischen deutlich unterscheidet226 und dieser zudem überlegen ist. Die Juden zählen sich somit nicht zur breiten Masse, sondern sind ein besonderes Volk. Dementsprechend tun sie nichts, das als „gemein“ bewertet werden müsste, sondern sollen ihr Leben auf eine besondere Weise führen. Innerhalb des griechischsprachigen Diasporajudentums wird durch die Bestimmung der Heiden als „gemeine Masse“ demzufolge die Differenz zwi­ schen der Gesamtheit der (gesetzestreuen) Juden und den anderen Völkern

225  Vgl. dazu Tuor-Kurth, Unreinheit, 232–234, die die Doppelbedeutung von „gemeinsam“ und „gemein/unrein“ als entscheidend für den Sondergebrauch von κοινός im Judentum und Urchristentum bewertet, jedoch zu wenig zwischen Denotation und Referenz unter­ scheidet, wenn sie κοινός als geradezu gleichbedeutend mit „heidnisch“ ansieht. 226  So Jos. C. Ap. 1,61: […] τῆς περὶ τὸν βίον ἡμῶν ἰδιότητος.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

besonders betont. Eine solch ausdrückliche Gegenüberstellung des „Gemei­ nen“ und Besonderen, in der das allgemein Übliche negativ bewertet wird, ist in der Antike auch für andere Gruppen mehrfach überliefert. Dabei findet sich die Forderung nach einer besonderen Lebensweise auch im paganen Bereich. So ist beispielsweise für die Pythagoreer der Spruch überliefert, man solle nicht auf den Hauptwegen (ταῖς λεωφόροις μὴ βαδίζειν ὁδοῖς), sondern auf den kleinen Pfaden gehen. Dieser Spruch wurde in der Antike vielfach aufgenom­ men, und zwar auch bei Philo und dann bei Clemens von Alexandria.227 Dabei wird er zum einen dahingehend gedeutet, dass diese Wege unrein sind.228 Zum anderen werden die ausgetretenen Wege als diejenigen angesehen, auf denen eben die οἱ πολλοί gehen. Dabei soll man dann aus dem Grund nicht auf diesen Wegen gehen, weil man sich nicht mit den Überzeugungen der Masse zufrie­ denstellen und ihnen folgen soll. Auch dieser Anordnung liegt demzufolge die Auffassung zugrunde, dass das, was die Allgemeinheit tut, minderwertig ist und daher für die eigene Gruppe nicht ausreicht. Der für sich selbst reklamier­ te höhere Status verlangt vielmehr nach etwas Besonderem. Dabei wird die breite Masse zumeist mit οἱ πολλοί bezeichnet,229 daneben jedoch gelegentlich auch mit κοινός.230 Dass man sich nicht wie die breite Masse verhalten soll, ist auch abgesehen von diesem Spruch häufig zu finden und scheint demzufolge ein durchaus verbreitetes Muster gewesen zu sein. Dabei findet es sich bei­ spielsweise bei Gaius Musonius Rufus in Verbindung mit dem Verhalten beim Essen.231

227  Zur Nähe zum breiten und schmalen Weg in Mt 7,13f. vgl. auch Thom, Highways, 106. 228  So Aelian, Var. hist. 4,17: „Pythagoras schrieb auch vor, dass man kein Herz essen solle, keinen weißen Hahn und vor allem kein Aas. Ferner solle man nicht ins Bad gehen und nicht die Landstraßen benutzen; denn es sei nicht sicher, ob diese rein seien.“ Vgl. auch Jambl., De vita Pythagorica 83. 229  Vgl. Philo, Prob. 2f., dem zufolge sich geradezu alle Philosophen daher über die Meinun­ gen der Masse erhoben (δόξας δ’ ἀγελαίους ὑπερκύψαντες) und einen neuen Pfad von Wor­ ten und Meinungen einrichteten. Mit οἱ πολλοί bei Athenaios 10,77 (452E); Porph. Vit. Pyth. 42; Clem. Al. Strom. 5,5,31,2. Vgl. auch Hier. Ruf. 3,39,58f. 230  So Jambl., Protrepticus 21, der u.a. feststellt: Man müsse die gewöhnlichen Ansichten über­ gehen (καὶ τὰ μὲν δοξάσματα τὰ κοινά φησι δεῖν ὑπερορᾶν), die besonderen und geheimen aber hochachten (τὰ δὲ ἴδια καὶ ἀπόρρητα περὶ πολλοῦ ποιεῖσθαι). Dabei steht κοινός parallel zum mehrfach gebrauchten Ausdruck τὴν δημώδη ζωήν. 231  Vgl. dazu Gaius Musonius Rufus, Dissertationum a Lucio digestarum reliquiae 18B: Jeder, der ein anständiger Mensch sein will, werde doch wohl nicht der Masse ähnlich sein wollen (οὐ γὰρ δὴ ἐπιεικής τις βουλόμενος εἶναι ἄνθρωπος ἀξιώσει παραπλήσιός τις εἶναι τοῖς πολλοῖς), und daher nicht etwa leben, um mit höchstem Sinnengenuss zu essen, sondern essen, um zu leben.

1  verbotene Speisen

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1.4 Zentrale Folgen einer Einhaltung und Übertretung der Speisegebote Innerhalb des griechischsprachigen Judentums wird im Rahmen von Texten zu jüdischen Speisegeboten mehrfach festgestellt, dass eine Übertretung der Speisegebote Unreinheit hervorruft. Daneben werden als Folgen einer Über­ tretung der jüdischen Speisegebote in den entsprechenden Texten häufiger das Sündersein und ein Leben in Schande genannt. 1.4.1 Die verunreinigende Wirkung von verbotenen Speisen Innerhalb der Schriften des griechischsprachigen Judentums lassen sich ins­ besondere für die Verwendung des Unreinheitsmotivs im Vergleich zu dem be­ reits in der hebräischen Bibel mit den Speisegeboten verbundenen Gebrauch dieses Topos entscheidende Neuerungen beobachten. Sie betreffen zunächst den Sprachgebrauch selbst, wie sich vor allem an der Entstehung neuer Ter­ mini (vgl. μιαροφαγέω κτλ., κοινός κτλ., ἀλισγέω) erkennen lässt (s.o. 1.1.2.1 und 1.3.1). Da die verschiedenen Unreinheitsbegriffe jedoch sowohl für schuldhaft verursachte rituelle Unreinheit als auch für moralische Unreinheit gebraucht werden können, lässt sich aus der Terminologie selbst keine sichere Entschei­ dung darüber treffen, welche Art der Verunreinigung im Fall von verbotenen Speisen jeweils vorliegt. Dafür ist zu klären, ob die entsprechende Unreinheit das Ergebnis einer unmoralischen Handlung oder aber das Resultat eines (ver­ botenen) physischen Kontakts mit etwas Unreinem ist. Auch wenn eine strikte Unterscheidung zwischen ritueller und moralischer Unreinheit ein modernes Konstrukt ist, das zumindest für die Zeit des Zweiten Tempels kaum gilt, sind hier für verbotene Speisen im Einzelnen dennoch unterschiedliche Tenden­ zen zu erkennen. Darüber hinaus lassen sich nun insgesamt mehrere Formu­ lierungen feststellen, in denen dasjenige konkretisiert wird, was am Menschen verunreinigt wird. 1.4.1.1

Die Unreinheit infolge des Genusses von Götzenopfern als physisch verursachte Unreinheit Innerhalb der Erzählung Joseph und Aseneth232 wird die im griechischspra­ chigen Diasporajudentum breit belegte Vorstellung einer Befleckung durch verbotene Speisen mehrfach aktiviert, und zwar ausdrücklich mit Bezug auf Götzenopfer. Dabei besteht zum einen insofern eine gewisse Besonderheit, als diesen Formulierungen zufolge die Speisen aus Götzenopfern speziell am Mund der Aseneth eine Befleckung hinterlassen haben. Mehrfach stellt Ase­ neth selbst nämlich rückblickend fest, dass ihr Mund von den Opfern der 232  Zur Entstehungszeit s.u. 2.1.2.2.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Götzen befleckt ist.233 Innerhalb dieser Erzählung spielt der Mund insgesamt eine zentrale Rolle. Dabei steht die Befleckung des Mundes der Aseneth offen­ bar im Hintergrund der Weigerung Josephs, Aseneth zu küssen (JosAs 8,5–7; ausführlich s.u. 2.1.2.2b).234 Zweitens lässt sich innerhalb der Erzählung von Joseph und Aseneth für Götzenopferfleisch und Götzenbilder deutlich die Erfahrung einer vergegen­ ständlichten Unreinheit erkennen, die physisch vermieden werden muss. So wird die Absage der Aseneth von ihrem früheren Lebenswandel in JosAs 9,2 explizit als Abkehr von den heidnischen Götzen (μετενόει ἀπὸ τῶν θεῶν αὐτῆς, ὧν ἐσέβετο) sowie als Abscheu gegenüber allen Götzenbildern (προσώχθισε τοῖς εἰδώλοις) bezeichnet. Diese Abkehr wird dadurch konkret anschaulich, dass Aseneth ihre bisherigen Götzen zerstört.235 Dies betrifft auch den Bereich des Essens. Aseneth wirft nämlich ihre Götzen,236 ihren Besitz (vor allem ihre Klei­ dung und ihren Schmuck), ihre Speisen wie Mastvieh, Fische und Kalbfleisch sowie alle Opfergaben, die den Götzen geopfert waren, und die Weingefäße der Trankopfer an sie aus ihrem Haus (10,11–13): […] καὶ πάσας τὰς θυσίας τῶν θεῶν αὐτῆς καὶ τὰ σκεύη τοῦ οἴνου τῆς σπονδῆς αὐτῶν καὶ ἔρριψε πάντα διὰ τῆς θυρίδος τῆς βλεπούσης πρὸς βορρᾶν.237 In diesem Zusammenhang trägt Aseneth – der 233  Vgl. JosAs 12,5: „Befleckt ist mein Mund von den Opfern für die Götzenbilder und von dem Tisch der Götter der Ägypter“ (μεμίαται τὸ στόμα μου ἀπὸ τῶν θυσιῶν τῶν εἰδώλων καὶ ἐκ τῆς τραπέζης τῶν θεῶν τῶν Αἰγυπτίων); vgl. auch 11,9: „[…] und ich aß von den Opfern der Göt­ zen, und mein Mund ist befleckt von ihrem Tisch (καὶ ἔφαγον ἐκ τ θυσι αὐτῶν καὶ τὸ στόμα μου μεμίαται ἐκ τῆς τραπέζης αὐτῶν). Und ich habe nicht den Mut, den Herrn an­ zurufen, den Gott des Himmels, den Höchsten und Allmächtigen Josephs, denn befleckt ist mein Mund von den Opfern für die Götzenbilder (διότι μεμίαται τὸ στόμα μου ἀπὸ τῶν θυσιῶν τῶν εἰδώλων)“; 11,16: „[…] mein Mund ist befleckt von den Opfern für die Götzenbil­ der und von den Lobpreisungen für die Götter der Ägypter“ (τὸ στόμα μου μεμίαται ἀπὸ τῶν θυσιῶν τῶν εἰδώλων καὶ ἀπὸ τῶν εὐλογιῶν τῶν θεῶν τῶν Αἰγυπτίων). 234  Burchard, JSHRZ II/4, 649 Anm. 8/5i, verweist auf Hdt. 2,41, wonach die Ägypter es strikt ablehnen, einen Griechen zu küssen und irgendein Kochutensil von ihm zu benutzen. Zur Verunreinigung durch den Kuss vgl. auch ders., Küssen, 319. Zur zentralen Bedeutung des Mundes vgl. auch JosAs 12,5, wonach sich Aseneth, die am Mund befleckt ist und viel­ fach vor dem Herrn gesündigt hat, nicht als würdig genug ansieht, ihren Mund zum Herrn zu öffnen. 235  Mehrfach wird festgestellt, dass Aseneth Hass auf die heidnischen Götter erfasste, sodass sie diese zerstörte bzw. hingab, damit sie von den Menschen zertreten werden (11,4f.; vgl. 12,9.12; 13,11; 19,5). 236  Vgl. dazu, dass nach JosAs 2,3 an den Wänden des Gemachs der Aseneth zahllose goldene und silberne Darstellungen ägyptischer Gottheiten angebracht sind, die sie anbetete und denen sie täglich Opfer darbrachte. 237  Der längere Text präzisiert die bloße Aussage vom Werfen des Besitzes aus dem Haus dahingehend, dass Aseneth diesen aus dem Fenster wirft, das nach Norden blickt. Damit ist klar, dass Aseneth den Besitz auf die Straße wirft (vgl. dazu Kraemer, Aseneth, 52).

1  verbotene Speisen

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längeren und vermutlich ursprünglicheren238 Textfassung zufolge – besondere Sorge dafür, dass nicht einmal ihre Hunde mit ihrem bisherigen Essen in Be­ rührung kommen, indem sie dieses den fremden Hunden gibt (καὶ ἔδωκε πάντα τοῖς κυσὶ τοῖς ἀλλοτρίοις).239 „Aseneth sagte sich nämlich: ‚Nie und nimmer essen meine Hunde von meinem Mahl und dem Opfer der Götterbilder (οὐ μὴ φάγωσιν οἱ κύνες μου ἐκ τοῦ δείπνου μου καὶ ἐκ τῆς θυσίας τῶν εἰδώλων), sondern essen sollen es die fremden Hunde (ἀλλὰ φαγέτωσαν αὐτὰ οἱ κύνες οἱ ἀλλότριοι)‘“ (10,13).240 Diese Notwendigkeit der Zerstörung der Götzen bzw. der mit ihnen in Berührung gekommenen Gegenstände241 zeigt eindrücklich, dass die ent­ sprechende Unreinheit zu etwas deutlich stärker Greifbarem geworden ist, als es in der hebräischen Bibel der Fall ist, in der nur die Tat des Götzendienstes in moralischer Hinsicht verunreinigt (s.o. Exkurs 1). Offenbar verunreinigt nun nämlich geradezu jeglicher körperlicher(!) Kontakt mit Götzen bzw. Götzen­ opfern. Sie selbst sind infektiös, woraus sich zugleich eine klare Möglichkeit der Lösung des Problems des Götzendienstes gewinnen lässt, nämlich die Vernichtung der mit Götzendienst in Verbindung stehenden Gegenstände. Auch wenn für diese Unreinheit keine Riten zu deren Beseitigung genannt werden, resultiert sie somit nicht einfach aus einer falschen Handlung.242 Vielmehr wird die Unreinheit der Götzenbilder hier o­ ffenbar materiell vor­ gestellt. Damit lässt aber bereits die Erzählung Joseph und Aseneth deutlich erkennen, dass die in der hebräischen Bibel zu findende Differenzierung von ritueller und moralischer Unreinheit mit Bezug auf den Bereich des Götzen­ dienstes zunehmend undeutlicher wird und beide Kategorien ineinander übergehen.243

238  Vgl. dazu ausführlich Fink, Joseph und Aseneth, 72–98. Kraemer, Aseneth, 225, sieht dage­ gen wie Philonenko den kürzeren Text als den ursprünglichen an. 239  In der kürzeren Textfassung zu JosAs 10,13 findet sich hingegen nur das bloße „für die Hunde als Speise“ (καὶ ἔρριψεν πάντα διὰ τῆς θυρίδος τοῖς κυσὶ βοράν), ohne dass die eigenen Hunde davon explizit ausgenommen werden würden. 240  In ihrem Gebet führt Aseneth diese Handlung erneut an: ἰδοὺ κύριε τὸ δεῖπνόν μου τὸ βασιλικὸν καὶ τὰ σιτία δέδωκα τοῖς κυσὶ τοῖς ἀλλοτρίοις (13,8). 241  Vgl. dazu abgesehen von Joseph und Aseneth auch die Zerstörung des Altars in 1 Makk 4,45 mit 4,43. 242  Anders als es Klawans vorauszusetzen scheint, sind nicht alle Fälle von Unreinheit, für die kein klares Procedere zur Beseitigung durch etwaige Reinigungsmaßnahmen überliefert ist, automatisch der moralischen Unreinheit zuzuweisen. 243  Zu einer ähnlichen Vorstellung von einer rituellen Unreinheit der Götzen im palästini­ schen Judentum s.u. IIC 2.1.2.2 und 2.1.2.3.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

1.4.1.2

Unreinheit als Sammelbezeichnung für das gesetzestreuen Juden Verbotene Für die innerhalb der Makkabäerbücher gehäuft belegten Unreinheitsfor­ mulierungen und damit für das in ihnen primär thematisierte Verbot von Schweinefleisch ist eine solche Vorstellung der physisch verursachten bzw. rituellen Verunreinigung hingegen nicht deutlich zu erkennen. Dabei las­ sen sich unter den verschiedenen Unreinheitsformulierungen innerhalb der Makkabäerbucher zum einen solche feststellen, die eine auffallende Nähe zu den bereits in den biblischen Schriften belegten Wendungen haben (vgl. bes. 1 Makk 1,48.63 mit Lev 11,43), zum anderen solche, welche sich in dieser Form noch nicht in der im christlichen Kanon zum Alten Testament gewordenen Sammlung von israelitischen Schriften nachweisen lassen. Sowohl innerhalb der bereits traditionellen244 als auch in den offenbar neu geschaffenen Wen­ dungen steht die Verunreinigung häufig in enger Verbindung mit Formulierun­ gen, die das Essen unreiner Speisen als Gegensatz zu einem gesetzestreuen Leben qualifizieren. Die Unreinheitsterminologie wird in den Makkabäer­ büchern im Kontext der jüdischen Speisevorschriften demzufolge offenbar als Sammelbezeichnung für das gesetzestreuen Juden Verbotene gebraucht.245 Dabei knüpft ein solcher Gebrauch an die biblischen Vorschriften zu verbote­ nen Tiersorten in Lev 11 an.246 Im 4. Makkabäerbuch, das im Hinblick auf seine Datierung umstritten ist247 und zumeist erst um 100 n.Chr.248 oder sogar später249 datiert wird, finden sich mehrere Aussagen zur Befleckung durch verbotene Speisen. In ihnen wird wie innerhalb der Erzählung Joseph und Aseneth die Befleckung einzelner 244  Vgl. dazu die enge Verbindung der Unreinheitsterminologie mit der Entweihung des hei­ ligen Bundes in 1 Makk 1,63. 245  Zu einer solchen Deutung der Unreinheitsterminologie vgl. auch Schwartz, 2 Makk, 268 (zu 2 Makk 5,27). 246  Zur Entwicklung der Unreinheitsterminologie als Sammelbezeichnung für verbotene Dinge in Levitikus s.o. IIA 1.2.2.2. Vgl. dazu auch, dass in den Makkabäerbüchern primär das Verbot von Schweinefleisch behandelt wird, für das Essen von verbotenen Tiersorten jedoch bereits innerhalb von Levitikus eine größere Nähe zur moralischen als zur rituel­ len Unreinheit zu erkennen ist (dazu s.o. IIA 1.2.2). 247  Vgl. Schunck, JSHRZ I/4, 742: Die „Vorschläge schwanken zwischen der Mitte des 1. Jh. v.Chr. und dem 1. Drittel des 2. Jh. n.Chr.“ 248  Zu Vertretern dieser zumeist angenommenen Spätdatierung: van Henten, Datierung, 144; vgl. auch ders., Martyrs, 78; Klauck, JSHRZ III/6, 669. Für eine Frühdatierung zu Beginn des 1. Jh. n.Chr. optiert hingegen Bickermann, Date, 276–281, der von 4 Makk 4,2 aus auf einen Zeitraum zwischen 18 und 54 n.Chr. schließt; präzisiert von Hadas, Maccabees, 95f. (Zeit Caligulas, 37–41 n.Chr.). 249  Ein Vertreter einer extremen Spätdatierung auf das erste Drittel des 2. Jh. n.Chr. (116/117) ist Breitenstein, Beobachtungen, 173–175.179 (im Anschluss an Dupont-Sommer).

1  verbotene Speisen

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Körperteile, die mit den Speisen in Berührung kommen (Mund, Zähne, Bauch), erwähnt. Anders als im Rahmen von Joseph und Aseneth legt sich jedoch die Vorstellung einer physisch bewirkten Unreinheit des Menschen für sie nicht nahe. Vielmehr wird die Unreinheitsterminologie in diesen Aussagen eher in einem metaphorischen oder poetischen Sinne verwendet: Im Zentrum steht der standhafte Eleazar (4 Makk 5–7). Dabei stellt er in 4 Makk 5,36f. im Rahmen seiner Weigerung zum Genuss von Schweineund Götzenopferfleisch fest, dass Antiochos ihm weder den reinen Mund des Greisenalters noch die Zeit seines gesetzestreuen Lebens beflecken soll (οὐδὲ μιανεῖς μου τὸ σεμνὸν γήρως στόμα οὐδὲ νομίμου βίου ἡλικίαν), son­ dern er rein (ἁγνόν in 5,37)250 von den Vätern aufgenommen werden will. Für seinen Widerstand (6,30; 7,4) wird Eleazar folgendermaßen geprie­ sen: „O du des Priestertums würdiger Priester. Du hast die heiligen Zähne nicht befleckt (οὐκ ἐμίανας τοὺς ἱεροὺς ὀδόντας) und den Magen, der nur Gottesfurcht und Reinigung gefasst hat,251 nicht durch den Verzehr von unreinen Speisen ‚gemein‘ gemacht bzw. entheiligt (οὐδὲ τὴν θεοσέβειαν καὶ καθαρισμὸν χωρήσασαν γαστέρα ἐκοίνωσας252 μιαροφαγίᾳ)“ (7,6). In­ nerhalb dieser Formulierung verfolgt der Verfasser demnach zwar den Weg, den die Speisen durch den Körper nehmen, verwendet zur Näher­ bestimmung des Magens jedoch gerade eine eher moralische Kategorie, wenn er mit Bezug auf ihn in Parallelität zur Reinheit von Gottesfurcht spricht. Insgesamt erscheint Unreinheit, welche aus dem Essen von ver­ botenen Speisen resultieren würde, in erster Linie als Gegensatz zu den zentralen Forderungen an Israel, nämlich einem gesetzestreuen Leben, Heiligkeit und Gottesfurcht. Der Gebrauch der Unreinheitsterminologie für die zum Verzehr verbotenen Tiere besagt demzufolge aber offenbar nicht, dass das Essen dieser Tiere in einem rituellen Sinne verunreinigen würde, wie dies beispielsweise für das Essen von Aas oder den Kontakt mit einer Leiche gilt. Auch in 4 Makk 7,6 bringt die Unreinheitsterminologie somit zum Ausdruck, dass ein Jude, der als unrein qualifizierte Tiere isst, sich nicht so verhält, wie es das Gesetz fordert und wie er sich dementsprechend als Jude verhalten soll, durch eine solche Aufgabe des Gesetzes aber ein schlechter Jude wird. 250  Vgl. dazu den gehäuften Gebrauch von ἁγνός in Arist 31.139.144.292.317. 251  Gemeint ist, dass Eleazar nur erlaubte Speisen aß, vgl. Klauck, JSHRZ III/6, 719 Anm. 6c. 252  Die Lesart ἐκοίνωσας (S) ist der Variante ἐκοινωνήσας (A) vorzuziehen, so auch Klauck, JSHRZ III/6, 719 Anm. 6d.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Damit ist im Hinblick auf die Unreinheit verbotener Speisen zusammenfas­ send festzuhalten, dass durch die Verwendung des Unreinheitsparadigmas die entsprechenden Speisen in jedem Fall als verboten gekennzeichnet werden. Es ist dann jedoch eine zweite Frage, ob diese Speisen auch im engeren Sinne durch einen physischen Kontakt verunreinigen. 1.4.2 Die Übertretung der Speisevorschriften als Sünde Innerhalb der Schriften des griechischsprachigen Judentums wird das Essen von verbotenen Speisen mehrfach ausdrücklich als Sünde qualifiziert. Dies gilt beispielsweise für die Bewertung des Essens von Götzenopfern innerhalb der Erzählung Joseph und Aseneth. So zählt Aseneth in ihrem Sündenbekennt­ nis (21,10–21) nämlich unter ihren Sünden auf, dass sie fremde Götter verehr­ te (καὶ ἐσεβόμην θεοὺς ἀλλοτρίους ὧν οὐκ ἀριθμός), Brot aus ihren Opfern aß (καὶ ἤσθιον ἄρτον ἐκ θυσι αὐτῶν), Brot der Erwürgung aß () und Kelch des Hinterhalts vom Tisch des Todes trank ().253 Josephus erwähnt in Ant. 11,346 das Essen verbotener Speisen in Verbindung mit der Übertretung des Sabbats und anderen Vergehen ([…] ἤ τινος ἄλλου τοιούτου ἁμαρτήματος). Eine Verbindung des Essens von verbotenen Speisen und dem Sünder-Werden findet sich auch im 4. Makkabäerbuch. Hier bewertet Eleazar nämlich das Es­ sen von unreinen Speisen eindeutig als Sünde, und zwar sogar als eine gravie­ rende Sünde, wenn er einen offenbar zu erwartenden Einwand des Antiochos abweist.254 So soll Antiochos nicht etwa der Auffassung sein, es sei eine kleine, d.h. zu vernachlässigende, Sünde, wenn die Juden Unreines essen (μὴ μικρὰν οὖν εἶναι νομίσῃς ταύτην, εἰ μιεροφαγήσαιμεν, ἁμαρτίαν in 4 Makk 5,19). Die Über­ tretung des Gesetzes in kleinen und großen Dingen sei nämlich völlig gleich­ wertig (5,20). Eleazar vertritt somit die Überzeugung, dass eine Übertretung der Speisegebote gerade nicht weniger schlimm ist als ein Verstoß gegen an­ dere Gesetze.255

253  Vgl. JosAs 21,13f. Zum Zusammenhang von Götzendienst und Sünde vgl. auch JosAs 12,5: „Ich habe gesündigt, Herr, vor dir habe ich vielfach in Unwissenheit gesündigt, denn ich verehrte tote und stumme Götterbilder.“ 254  Vgl. dazu, dass Antiochos selbst dem alten Eleazar vor Beginn der Folterungen nach 4 Makk 5,6 den Rat gegeben haben soll, sich durch das Kosten von Schweinefleisch zu retten. 255  Damit steht der Verfasser des 4. Makkabäerbuches in großer Nähe zur Auffassung der Stoa (vgl. dazu deSilva, 4 Makk, 133f.).

1  verbotene Speisen

113

1.4.3

Die Bedeutung der jüdischen Speisevorschriften für die gesellschaftliche Stellung In den Schriften des griechischsprachigen Judentums wird eine Übertretung der Speisevorschriften mehrfach im Kontext von Schande verortet, deren Ein­ haltung hingegen umgekehrt mit Ehre in Verbindung gebracht. Damit werden auf die biblischen Speisegebote Werte angewendet, die gerade für die hellenis­ tische Kultur von entscheidender Bedeutung waren.256 Dabei haben inner­ halb dieser antiken Scham-Ehre-Kultur öffentliches Rühmen und soziale Ehre einen besonders hohen Stellenwert, sodass öffentlicher Tadel umgekehrt eine besonders tiefe Scham bewirkt. 1.4.3.1

Ein Leben in Schande als Folge einer Übertretung der Speisevorschriften Innerhalb des 2. Makkabäerbuches wird mit Bezug auf Eleazar ausdrücklich festgestellt, dass ein etwaiger Genuss verbotener Speisen ein Leben in Ab­ scheu und Schande zur Folge hat. Dabei wird die gravierende Beschädigung des Ansehens mit Begriffen zum Ausdruck gebracht, die grundsätzlich eine deutliche Nähe zur Unreinheitsvorstellung aufweisen, und zwar durch die Ter­ mini μύσος257 (2 Makk 6,19.25) und κηλίς258 (6,25). Der Gedanke der S­ chande ergibt sich für μύσος deutlich aus der Gegenüberstellung zu εὔκλεια.259 In 2 Makk 6,19 berichtet der Verfasser nämlich, Eleazar habe freiwillig den Tod auf sich genommen, da er den Tod voll Ruhm einem Leben in Schande vorgezogen habe (ὁ δὲ τὸν μετ’ εὐκλείας θάνατον μᾶλλον ἢ τὸν μετὰ μύσους βίον ἀναδεξάμενος αὐθαιρέτως ἐπὶ τὸ τύμπανον προσῆγεν). In 2 Makk 6,25 stellt Eleazar dann durch die parallele Verwendung von μύσος mit κηλίς fest, er wolle seinem Alter nicht Abscheu und Schande bringen (μύσος καὶ κηλῖδα τοῦ γήρως κατακτήσωμαι). 1.4.3.2

Die Erlangung einer ehrenvollen Stellung aufgrund der Unterstützung durch Gott Innerhalb des 2. und 4. Makkabäerbuches wird ausführlich geschildert, wie die standhafte Einhaltung der Speisegebote durch Eleazar und die sieben Brüder

256  Zum antiken Konzept von „Honour and Shame“ vgl. zuletzt den Überblick über die For­ schung bei Harrison, Ethics, 82–86; ausführlich ders., Language. 257  Vgl. dazu Passow, s.v. μύσος: „alles Ekel od. Abscheu Verursachende, physischer u. morali­ scher Schmuz, bes. alles Stinkende, wobei man aus Ekel od. um es nicht zu riechen mit der Nase schnaubt; übertr. abscheuliche, schändliche Handlung od. Rede, durch die man verunreinigt zu werden fürchtet“ (Hervorhebungen im Original). 258  Vgl. dazu Passow, s.v. κηλίς: „Fleck, Blutfleck […]; Schmuz, Schmuzfleck, […] b) übertr., Schandfleck, Makel, Brandmal, Schmach“. 259  Vgl. dazu Passow, s.v. εὔκλεια: „guter Ruf, Ruhm“.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

schließlich zu deren Tod führt. Daneben finden sich jedoch – in der Forschung allerdings weniger beachtete – Traditionen, nach denen die Folge einer Ein­ haltung der Speisegebote gerade eine äußerst hohe und ehrenhafte Stellung ist, und zwar selbst am Hof eines heidnischen Herrschers. Ein solcher Zusam­ menhang lässt sich besonders deutlich im Rahmen der Behandlung der Spei­ segebote in Dan 1 erkennen. Dies gilt insbesondere für die Septuaginta-Version, welche den im masoretischen Text bereits deutlich erkennbaren Gedanken der Ehre260 weiter ausbaut. So wird in Dan 1,20 LXX – über den masoretischen Text sowie die Theodotion-Fassung hinaus – explizit festgestellt, dass der König die jüdischen Jünglinge verherrlichte (καὶ ἐδόξασεν αὐτοὺς ὁ βασιλεύς) und sie zu Beamten in den Angelegenheiten in seinem ganzen Königreich einsetzte. Zudem wird der Kontext von Ehre und Ansehen auch unmittelbar im An­ schluss an die in Dan 1,8 belegte ἀλισγέω-Formulierung durch den Ausdruck τιμὴν καὶ χάριν (1,9 LXX) expressis verbis aktualisiert. In diesem Rahmen wird ausdrücklich Gott als Urheber der Daniel vom Obereunuchen erwiesenen Ehre genannt.261 Dabei zeigt ein Vergleich mit der hebräischen Vorlage sowie der Theodotion-Fassung, dass die Septuaginta mit diesem Ausdruck deutlich von diesen beiden Versionen abweicht: Die Formulierung, welche auf die Weigerung Daniels zum Essen der vom Tisch des Königs stammenden Speisen aus Dan 1,8 jeweils folgt, lautet in den verschiedenen Fassungen folgendermaßen: MT: LXX: Θ:

‫יסים‬ ִ ‫וּל ַר ֲח ִמים ִל ְפנֵ י ַשׂר ַה ָסּ ִר‬ ְ ‫ת־דּנִ יֵּ אל ְל ֶח ֶסד‬ ָ ‫ֹלהים ֶא‬ ִ ‫וַ יִּ ֵתּן ָה ֱא‬

καὶ ἔδωκε κύριος τῷ Δανιηλ τιμὴν καὶ χάριν ἐναντίον τοῦ ἀρχιευνούχου. καὶ ἔδωκεν ὁ θεὸς τὸν Δανιηλ εἰς ἔλεον καὶ εἰς οἰκτιρμὸν ἐνώπιον τοῦ ἀρχιευνούχου.

Innerhalb der Übersetzung von Theodotion wird die im masoreti­ schen Text gebrauchte Wendung ‫ ְל ֶח ֶסד ְוּל ַר ֲח ִמים‬mit dem Ausdruck εἰς ἔλεον καὶ εἰς οἰκτιρμόν wiedergegeben. Die Termini ἔλεος und οἰκτιρμός dienen auch sonst vorrangig zur Übersetzung des hebräischen ‫  ֶח ֶסד‬262 260  So besonders betont von Kirkpatrick, Honor, der Dan 1–6 vor dem Hintergrund des Ansat­ zes von Malina auslegt, vgl. bes. 39–66. 261  Vgl. dazu, dass der gesetzestreue Daniel von Gott auch die besonderen Gaben geschenkt bekommt, aufgrund derer er zum Beamten des Königs wird, nämlich besondere Weisheit (Dan 1,17.19f.; vgl. 5,11f.; 6,4) und die Fähigkeit zur Deutung von Träumen und Visionen (1,17). 262  Für die Übersetzung von ‫ ֶח ֶסד‬dient in der Septuaginta bei weitem am häufigsten ἔλεος (vgl. dazu Muraoka, Index, s.v. ‫ ; ֶח ֶסד‬zu einer Vielzahl von Belegen s. Hatch/Redpath,

1  verbotene Speisen

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und ‫ ַר ֲח ִמים‬.263 Damit bleibt Theodotion nah am hebräischen Text und bringt den Gedanken zum Ausdruck, dass Daniel durch Gott Erbarmen und Mitleid vor dem Obereunuchen fand. In der Septuaginta ist hinge­ gen stattdessen die Wendung τιμὴν καὶ χάριν belegt. Sie ist insofern auf­ fällig, als diese Termini nur äußerst selten für die Wiedergabe von ‫ֶח ֶסד‬ und ‫ ַר ֲח ִמים‬verwendet werden. Dies gilt sowohl für χάρις264 als auch ganz besonders für τιμή.265 Auch der Übersetzer der Septuaginta-Version des ­Danielbuches gebraucht nämlich abgesehen von Dan 1,9 jeweils ἔλεος für die Wiedergabe von ‫( ֶח ֶסד‬vgl. 9,4) und ‫( ַר ֲח ִמים‬9,18).266 Demgegenüber verwendet er τιμή ansonsten als Übersetzungsäquivalent von ‫„( יְ ָקר‬Ehre, Ansehen“).267 Dieser Befund zeigt, dass auch der Septuaginta-Übersetzer des Danielbuches den Begriff τιμή entsprechend der üblichen Bedeu­ tung „Ehre, Ansehen“ gebraucht268 und damit Dan 1,9 MT offenbar freier wiedergibt. Durch die Verbindung τιμὴν καὶ χάριν stellt der SeptuagintaÜbersetzer von Dan 1,9 nämlich fest, dass Gott Daniel Ehre und Gunst269 Concordance, s.v. ἔλεος). Die οἰκτιρμός-Terminologie findet sich für ‫ ֶח ֶסד‬nur in Jer 38(31),3: εἰς οἰκτίρημα. 263  Hauptsächlich wird ‫ ַר ֲח ִמים‬in der Septuaginta mit οἰκτιρμός wiedergegeben, vgl. dazu ab­ gesehen von den Belegen in der Theodotion-Fassung des Danielbuches (s.u. Anm. 266): 2 Sam 24,14; 1 Kön 8,50; Sach 1,16; 7,9; Jes 63,15; Ps 24(25),6; 39(40),12; 50(51),3; 68(69),17; 76(77),10; 78(79),8; 102(103),4; 105(106),46; 118(119),77.156; 144(145),9; Sir 5,6; Neh 1,11; 9,19.27.28.31; 1 Chr 21,13; 2 Chr 30,9. Daneben findet sich seltener auch ἔλεος: Dtn 13,17(18); Jes 47,6; 54,7; 63,7; Jer (49)42,12; Dan 9,18 LXX; Sir 5,6; 16,11f.; 51,8. Die Kombination von ‫ ֶח ֶסד‬und ‫ ַר ֲח ִמים‬/ἔλεος und οἰκτιρμός findet sich in Hos 2,21; Sach 7,9; Ps 102(103),4. Zur Zusammenstellung dieser beiden Begriffe vgl. auch Ps 24(25),6; 39(40),12; 50(51),3; 68(69),17. 264  So lässt sich χάρις abgesehen von Dan 1,9 LXX nur in Gen 43,14 LXX; Sir 3,18 LXX als Übersetzungswort für ‫ ַר ֲח ִמים‬nachweisen. Als Wiedergabe von ‫ ֶח ֶסד‬findet sich χάρις in der Septuaginta nur in Sir 7,33; 40,17; Est 2,9 (Hier wird ‫ ֶח ֶסד‬allerdings parallel zu ‫ ֵחן‬gebraucht, vgl. 2,15.17) sowie in 1 Esdras 8,77 als Wiedergabe von Esra 9,9 (Dort wird ‫ ֶח ֶסד‬in der Septuaginta jedoch mit ἔλεος übersetzt). Daneben findet sich χάρις auch in 1 Esdras 8,4, doch handelt es sich hier um eine nur freie Wiedergabe von Esra 7,6, wo keine Formulierung mit ‫ ֶח ֶסד‬steht. 265  Für eine Wiedergabe von ‫ ֶח ֶסד‬findet sich τιμάω höchstens einmal, und zwar in 1 Esdras 8,26 innerhalb der Wiedergabe von Esra 7,28 (dort aber in der Septuaginta ἔλεος). Vgl. dazu Muraoka, Index, s.v. ‫ ֶח ֶסד‬. 266  Der Gebrauch von οἰκτιρμός für ‫ ַר ֲח ִמים‬findet sich hingegen nicht in der SeptuagintaFassung des Danielbuches, aber in Dan 1,9; 2,18; 9,9.18 Θ. 267  Vgl. Dan 2,37; 4,27(30) LXX; daneben auch bei Theodotion (2,6; 4,27[30].33[36]; 5,18.20; 7,14). 268  Vgl. Passow, s.v. τιμή II.2: „Ehre, Achtung, Ansehen, in denen Jem. steht; überh. jede Auszeichnung, achtungsvolle Behandlung, Belohnung“ (Hervorhebungen im Original). 269  Vgl. Passow, s.v. χάρις 2: „die erfreuliche Sache oder Handlung, Gunst, Huld, Gefälligkeit, Wohltat, Liebesdienst“.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

vor dem Obereunuchen gegeben hat. Er bringt demzufolge weniger den Gedanken der Barmherzigkeit und des Mitleids zum Ausdruck, sondern hebt besonders den Aspekt der Ehre und des Geneigtseins hervor. Für den Septuaginta-Übersetzer von Dan 1 lässt sich demzufolge angesichts von Dan 1,9.20 ein besonderes Interesse an der Vorstellung der Ehre, des Anse­ hens und der Herrlichkeit erkennen.270 Auch in Tob 1,10–13 wird das Motiv der Ehre und Gunst im unmittelbaren Umfeld von Speisefragen gebraucht, wobei sich für die dortige Verwendung insgesamt eine deutliche Nähe zu Dan 1,8f. 20 LXX feststellen lässt: Wie Daniel steigt auch Tobit in ein hohes Amt am Hof eines heidnischen Herrschers auf, und zwar offenbar gerade wegen seiner toratreuen Le­ bensweise. Die in Tob 1,10f. belegte Feststellung von der vollständigen Vermeidung von heidnischen Speisen durch Tobit macht nämlich deut­ lich, dass dieser seine ehrenvolle Stellung am heidnischen Hof nicht etwa dadurch erlangt hat, dass er sich unter Aufgabe der jüdischen Bräuche an die heidnische Lebensweise assimiliert hätte. Vielmehr hat er seine herausgehobene Position gerade als jemand erlangt, der Gottes Gesetze treu bewahrt hat. In Tob 1,12 wird die strikte Vermeidung von heidnischen Speisen durch Tobit nämlich dahingehend bewertet, dass er mit seinem ganzen Herzen Gottes gedachte.271 Daraufhin habe Gott ihm Gunst und Anmut272 vor Salmanassar gegeben und er sei dessen Einkäufer gewor­ den (καὶ ἔδωκεν ὁ ὕψιστος χάριν καὶ μορφὴν ἐνώπιον Ενεμεσσαρου καὶ ἤμην αὐτοῦ ἀγοραστής in 1,13). Diese Feststellung von der durch Gott bewirkten Gunst und Anmut erinnert sprachlich stark an die in Dan 1,9 LXX beleg­ te Feststellung, der zufolge Daniel durch Gott beim Obereunuchen Ehre und Gunst findet (καὶ ἔδωκε κύριος τῷ Δανιηλ τιμὴν καὶ χάριν ἐναντίον τοῦ ἀρχιευνούχου).

270  Vgl. zur Nähe der Vorstellung von der Ehre und Herrlichkeit, dass sich in der SeptuagintaVersion von Dan 2,6; 4,33 die δόξα-Terminologie findet, in den entsprechenden Wendun­ gen bei Theodotion hingegen τιμή. 271  Der Anschluss von Tob 1,12 divergiert in den beiden Textfassungen: Im Kurztext dient die Aussage vom Gedenken an Gott der Begründung der Verweigerung der heidnischen Spei­ sen (καθότι ἐμεμνήμην τοῦ θεοῦ ἐν ὅλῃ τῇ ψυχῇ μου). Im Langtext wird hingegen mit der Aussage vom Gedenken Gottes die auf sie folgende Formulierung der Erlangung einer besonderen Stellung Tobits vorbereitet (καὶ ὅτε ἐμεμνήμην τοῦ θεοῦ μου ἐν ὅλῃ ψυχῇ μου). 272  Zu dieser Wiedergabe von μορφή vgl. Schumpp, Tob, 23f.

1  verbotene Speisen

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Innerhalb der Daniel- und Tobiterzählung erscheinen die Protagonisten demzufolge aus dem Grund als nachahmenswerte Beispiele für Toratreue, weil gerade sie, die in durchaus schwierigen Situationen strikt an ihren jüdischen Traditionen festgehalten haben, dafür von Gott in besonderer Weise ausge­ zeichnet worden und selbst am Hof von heidnischen Herrschern zu einer überaus ehrenvollen Stellung gekommen sind. Der Gedanke der Ehre findet sich in Verbindung mit dem Thema „Essen“ nicht nur in jüdischen Schriften, sondern auch in paganen Texten. So ist beispiels­ weise innerhalb der von Xenophon stammenden Cyropaedia eine Erzählung über das Verhalten des persischen Königs Kyros II. (ca. 559–530 v.Chr.) über­ liefert, in welcher – unter gehäuftem Gebrauch von τιμάω κτλ. und θεραπεύω – ausdrücklich ein Zusammenhang zwischen den Speisen vom Tisch des Königs und der Erlangung von Ehre und Achtung hergestellt wird. Zum einen ist die Versorgung mit Nahrungsmitteln vom Tisch des Königs nämlich ein Zeichen für dessen Zuneigung und Verehrung, zum anderen sollte sie aber auch gerade dazu führen, dass diesen Personen auch von anderen Menschen abgesehen vom König Achtung zuteilwird.273 Gerade die Danielerzählung steht mit der mehrfachen Bestimmung der von Daniel verweigerten Speisen als Nahrung, die vom Tisch des Königs stammt (1,5.8.13.15), in deutlicher Nähe zu dieser Er­ zählung. Dabei zeigt die Kyros-Tradition zum einen, dass eine Verteilung von Speisen und Getränken vom Tisch des Königs an diejenigen, die an seinem Hof leben und von ihm grundsätzlich geehrt werden, ein Brauch ist, der offenbar durchaus verbreitet war. Zudem findet sich innerhalb dieser Kyrostradition auch die in Dan 1,9 LXX besonders betonte Verehrung derjenigen, die solche Nahrung bekommen, durch andere Menschen abgesehen vom König wieder.274 273  Im Einzelnen stellt Xenophon in Cyr. 8,2,3f. fest, der persische König Kyros habe Spei­ sen und Getränke von seiner Tafel an seine Freunde verteilt, um ihnen auf diese Weise seine Aufmerksamkeit und Zuneigung zu zeigen ([…] διεδίδου οἷς δὴ βούλοιτο τῶν φίλων μνήμην ἐνδείκνυσθαι ἢ φιλοφροσύνην), daneben auch an diejenigen, über deren Dienst wie das Wachehalten er sich freute, um dadurch zu zeigen, dass er ihre Gefälligkeit wahr­ nimmt (8,2,3). Zudem habe der König aber auch seine Diener mit Speisen von seiner Tafel geehrt, wenn er sie loben wollte (ἐτίμα δὲ καὶ τῶν οἰκετῶν ἀπὸ τῆς τραπέζης ὁπότε τινὰ ἐπαινέσειε in 8,2,4) und um ihre Ergebenheit (εὔνοιαν) zu erreichen. Schließlich habe er seinen Freunden auch dann etwas von seiner Tafel geschickt, wenn er wollte, dass sie von vielen anderen Menschen geachtet wurden (εἰ δὲ καὶ θεραπεύεσθαί τινα βούλοιτο τῶν φίλων ὑπὸ πολλῶν). Menschen, die etwas von der Tafel des Königs bekommen, würden nämlich generell besonders geachtet werden (τούτους πάντες μᾶλλον θεραπεύουσι), weil man sie für hochangesehene Personen halte (νομίζοντες αὐτοὺς ἐντίμους εἶναι). 274  Innerhalb der Kyrostradition wird zwar neben τιμάω κτλ. vor allem die θεραπεύω-Ter­ minologie verwendet, doch steht diese durchaus in gewisser Nähe zu dem in Dan 1,9 LXX

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Bei einem genaueren Vergleich fällt jedoch mit Blick auf dieses Motiv zugleich eine entscheidende Differenz von Dan 1,9 LXX zu der bei Xenophon überlie­ ferten Tradition auf. Während Kyros durch die Versorgung seiner Freunde mit Nahrungsmitteln von seinem Tisch das Ziel verfolgt, dass diese von anderen Menschen geachtet werden, findet Daniel vor dem Ober­eunuchen nicht etwa dadurch Ehre und Achtung, dass er von den Speisen des Königs gegessen hat, sondern auf die Veranlassung Gottes hin, und zwar gerade als jemand, der sich weigert, die Speisen des Königs zu essen. 2

Anordnungen zur Tischgemeinschaft

Die innerhalb der urchristlichen Diskurse zum Essen mehrfach belegte συν­ εσθίω-Terminologie sowie verwandte Begriffe (vgl. Gal 2,12; Lk 15,2; Apg 11,3; vgl. Mk 2,16, 1 Kor 5,11) lassen sich in ähnlicher Form auch in der griechisch­ sprachigen Literatur des antiken Judentums nachweisen, ebenso in zeitgenös­ sischen pagangriechischen Texten. Wie innerhalb des Urchristentums finden sich nämlich auch im griechischsprachigen Judentum und im pagangriechi­ schen Bereich gehäuft Anordnungen dazu, mit welchem Personenkreis Tisch­ gemeinschaft zu pflegen und mit welchem eine solche zu vermeiden ist. Diese Traditionen, in deren Rahmen ausdrücklich die Frage der Teilnehmer an einem gemeinsamen Mahl durch den Gebrauch entsprechender Termini aktualisiert wird, sollen im Folgenden näher untersucht werden. Dabei war diese Frage offenbar innerhalb des Diasporajudentums besonders virulent. Während An­ ordnungen zu Speisen nämlich bereits in der im christlichen Kanon zum Alten Testament gewordenen Sammlung von israelitischen Schriften mehrfach be­ legt sind, gilt dasselbe nicht für den Komplex der Tischgemeinschaft. So gibt es in den biblischen Schriften zwar gelegentlich Hinweise auf Mahlgemein­ schaften, jedoch keine einschlägigen Regeln zur Tischgemeinschaft (s.o. IIA 2). Im Einzelnen lassen sich die verschiedenen Bestimmungen zur Tischgemein­ schaft in den griechischen Texten des antiken Judentums zwei Gruppen zu­ ordnen. Zum einen finden sich Regeln zur Praxis der Tischgemeinschaft von Juden mit Heiden. Daneben gibt es jedoch auch Anordnungen, die dazu auf­ fordern, Tischgemeinschaft innerjüdisch auf Gerechte oder bestimmte andere Personen zu beschränken. Dabei unterscheiden sich diese beiden Gruppen auch im Hinblick auf die Begründung für die Beschränkung des Mahls deut­ lich voneinander. gebrauchten χάρις, vgl. dazu z.B. Plut. Mor. 863B: […] ἀλλὰ θεραπείᾳ καὶ χάριτι τοῦ Ἱππονίκου.

2  Tischgemeinschaft

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Die Einhaltung der jüdischen Speisegebote als Grundvoraussetzung für eine Tischgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden Im Hinblick auf die Frage der Tischgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden existiert im Diasporajudentum keine einheitliche Position und Praxis.275 In­ nerhalb der entsprechenden Schriften finden sich nämlich zum einen Texte, die von einem gemeinsamen Mahl zwischen Juden mit Nichtjuden berichten, zum anderen aber auch solche Texte, denen zufolge Tischgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden mit gewissen Einschränkungen versehen oder sogar ganz vermieden wurde. Gerade die unterschiedlichen Positionen in den Quel­ len haben in der Forschung zu sehr verschiedenen Antworten auf die Frage geführt, inwieweit Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden tatsächlich praktiziert wurde. Sie reichen von einer kategorischen Ablehnung jeglicher Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden276 bis zur entgegengesetzten Position, dass eine vollständige Ablehnung der Tischgemeinschaft mit Heiden in Diaspora-Kreisen selten war.277 Eine nähere Untersuchung der überlieferten Belege wird zeigen: Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden kann den griechischen Texten des antiken Judentums zufolge für den Fall zustande kom­ men, dass die Einhaltung der jüdischen Speisegebote während dieses Mahls gewährleistet ist. Auf eine gewisse Distanz der Juden gegenüber gemeinsamen Mahlzeiten mit Nichtjuden lassen auch entsprechende Zeugnisse in der paganen Literatur schließen. Wie die jüdischen Speisegebote (s.o. 1.1.1) wird auch die Verweige­ rung der Tischgemeinschaft durch Juden von den paganen Autoren als äußerst negativ bewertet. Sie dient jeweils als Beweis dafür, dass die Juden dem üb­ rigen Menschengeschlecht gegenüber feindselig eingestellt seien. Einen sol­ chen Zusammenhang zwischen der Absonderung der Juden278 beim Essen und dem Hass gegenüber anderen Menschen außerhalb des Judentums stellen 2.1

275  Vgl. Dunn, Incident, 147: „[…] a broad range of social intercourse between faithful Jew and God-fearing Gentile, with strict Jews avoiding table-fellowship as far as possible, and those less scrupulous in matters of tithing and purity willingly extending and accept­ ing invitations to meals where such Gentiles would be present“ (im Original teilweise hervorgehoben). 276  Vgl. Esler, Community, 73–86, auf der Grundlage einer Zusammenstellung von Belegen aus dem palästinischen Judentum und dem Diasporajudentum. 277  So Sanders, Purity, bes. 279–283; Hill, Hellenists, 118–122, mit einer Kritik an Esler, der nicht ausreichend zwischen einer Einhaltung der Speisegebote und der Bereitschaft zur Tischgemeinschaft mit Heiden unterscheide. Die Weigerung, die jüdischen Speisgebote zu übertreten, schließe Tischgemeinschaft mit Heiden nicht aus. Zur Verbindung von Juden und Heiden in der Diaspora im Allgemeinen vgl. Feldman, Jew, 45–83. 278  Zu anderen Verhaltensweisen der Juden als Zeichen von deren Absonderung vgl. Juv. Sat. 14,103f.: Hier werden die Juden so dargestellt, dass sie sich schon einfachsten Formen

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

sowohl Tacitus279 als auch Diodor280 und Philostrat281 her. Im Hintergrund einer solchen Bewertung steht offenbar die gerade im griechisch-römischen Bereich weit verbreitete Tradition vom Gastmahl unter Freunden (s.u. 2.2.1.1). Von einem solchen Standpunkt aus erscheint Tischgemeinschaft nämlich als Indiz für eine enge, freundschaftliche Beziehung, fehlende Tischgemeinschaft hingegen umgekehrt als ein Beweis für Feindschaft. Dass die durch Juden ab­ gelehnte Tischgemeinschaft mit Nichtjuden von der nichtjüdischen Seite als Hass ihnen gegenüber ausgelegt wurde, hat sich selbst in der jüdischen Litera­ tur niedergeschlagen,282 und zwar besonders deutlich in 3 Makk 3,4–7: Nach 3 Makk 3,4 fürchten die Juden Gott, wandeln nach dessen Gesetz und nehmen daher eine Trennung hinsichtlich der Speisen vor (σεβόμενοι δὲ τὸν θεὸν καὶ τῷ τούτου νόμῳ πολιτευόμενοι χωρισμὸν ἐποίουν ἐπὶ τῷ κατὰ τὰς τροφάς), weswegen sie jedoch einigen als verhasst erscheinen (δι’ des menschlichen Umgangs gegenüber Nichtjuden verschließen. Nichtjuden würden sie nämlich weder den Weg zeigen noch Zugang zum Trinkwasser eröffnen. 279  Vgl. Tac. Hist. 5,5,1f.: et quia apud ipsos fides obstinata, misericordia in promptu, sed adversus omnes alios hostile odium. separati epulis […]. 280  Vgl. Diod. 34/35,1,2: […] τὸ μῖσος τὸ πρὸς τοὺς ἀνθρώπους· διὰ τοῦτο δὲ καὶ νόμιμα παντελῶς ἐξηλλαγμένα καταδεῖξαι, τὸ μηδενὶ ἄλλῳ ἔθνει τραπέζης κοινωνεῖν (vgl. auch μισανθρωπία und τὰ μισόξενα νόμιμα in 34/35,1,3f.). 281  Philostr. Vit. Apoll. 5,33,4: Er berichtet, die Juden seien nicht nur von den Römern, son­ dern von der ganzen Menschheit abgefallen, da sie ein isoliertes Leben erfunden hätten, wobei er als Beispiel anführt, dass sie keine Gemeinsamkeit des Tisches, der Trankopfer, der Gebete und der Opfer zulassen (οἱ γὰρ βίον ἄμικτον εὑρόντες καὶ οἷς μήτε κοινὴ πρὸς ἀνθρώπους τράπεζα μήτε σπονδαὶ μήτε εὐχαὶ μήτε θυσίαι […]). 282  Besonders intensiv setzt sich beispielsweise Josephus mit der Kritik an der Absonde­ rung der Juden auseinander. Er erwähnt den den Juden entgegengebrachten Vorwurf der Menschenfeindlichkeit mehrfach, wobei er im Einzelnen unterschiedliche Kritikpunkte nennt. Unter diesen findet sich auch, dass Juden Menschen mit einer anderen Lebenswei­ se die Gemeinschaft verweigern (so C. Ap. 2,258: μηδὲ κοινωνεῖν ἐθέλομεν τοῖς καθ’ ἑτέραν συνήθειαν βίου ζῆν προαιρουμένοις; vgl. auch 2,79.148, dort in Verbindung mit dem Vorwurf der Gottlosigkeit; vgl. auch 1,309; 2,121; vgl. daneben 2,291; Ant. 4,137f.; 8,117; 11,212.217; 13,245; 16,42). Dabei weist Josephus diesen Vorwurf dadurch zurück, dass er andere Bei­ spiele einer durchaus als positiv bewerteten (C. Ap. 2,256–270) und zudem sogar strikte­ ren (so in 2,260f.273 für die Spartaner) Abgrenzung anführt. Zudem bestehe das alleinige Ziel der Juden in der Treue gegenüber ihren Traditionen (2,271–277), deren Überlegenheit auch daraus ersichtlich werde, dass selbst andere sie übernehmen (2,280–286). Ein Be­ weis gegen die Menschenfeindlichkeit der Juden sei auch, dass jeder, der diese Bräuche selbst übernimmt, bei ihnen Aufnahme findet (2,209f.261). Auf die Kritik an ihren Geset­ zesvorschriften reagieren auch andere jüdische Autoren. So werden die Juden im Esther­ buch innerhalb des Ediktes zum Schutz der Juden als Bürger bezeichnet, die nach sehr gerechten Gesetzen leben (E15f.). Dadurch wird die innerhalb des Erlasses des Artaxerxes belegte Bewertung der Juden als Volk, das nach absonderlichen und befremdlichen Ge­ setzen lebt (B4–7), zurückgewiesen.

2  Tischgemeinschaft

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ἣν αἰτίαν ἐνίοις ἀπεχθεῖς ἐφαίνοντο).283 Die Tatsache, dass sich die Juden unter anderem in Hinsicht auf Speisen von anderen Völkern unterschei­ den (τὴν δὲ περὶ τῶν προσκυνήσεων καὶ τροφῶν διάστασιν ἐθρύλουν), würde nämlich von Andersstämmigen284 dahingehend bewertet werden, dass sie weder für den König noch für die Truppen Verbündete sein könnten, d.h. solche, die gemeinsam essen und trinken und in diesem Rahmen ge­ meinsam Trankopfer darbringen285 (φάσκοντες μήτε τῷ βασιλεῖ μήτε ταῖς δυνάμεσιν ὁμοσπόνδους τοὺς ἀνθρώπους γίνεσθαι in 3,7). Mit dem Terminus ὁμόσπονδος klingt die im griechisch-römischen Bereich fest verankerte Verbindung von Tischgemeinschaft und Freundschaft an. Er findet sich nämlich mehrfach im Kontext der Tischgemeinschaft,286 wobei im Um­ feld bisweilen ausdrücklich die in der Antike weit verbreitete Vorstellung aktualisiert wird, dass es sich bei denjenigen, die gemeinsam essen, um Verbündete287 bzw. Freunde288 handelt. Dies zeigt auch die Fortsetzung in 3 Makk 3,7 mit der ὁμόσπονδος gegenüberstehenden Feststellung, die Juden seien feindselig gesinnt und würden sich der Staatsverwal­ tung heftig widersetzen (δυσμενεῖς δὲ εἶναι καὶ μέγα τι τοῖς πράγμασιν ἐναντιουμένους). Während die Heiden den Juden aufgrund der Ablehnung von Tischgemeinschaft Feindschaft unterstellen, lehnt der Verfasser des 3. Makkabäerbuches diesen Zusammenhang ab: Trotz fehlender Tischge­ meinschaft treffe der Vorwurf der fehlenden Treue gerade nicht zu (3,3; vgl. 5,31; 6,25; 7,7). Der Grund für die Einschränkungen bzw. Ablehnung einer Tischgemeinschaft mit Nichtjuden liegt – wie 3 Makk 3,7 ebenfalls deutlich zeigt – in den jüdi­ schen Speisegeboten.289

283  Vgl. dazu die Gegenüberstellung zum positiven Ruf der Juden in 3 Makk 3,5. 284  Zu möglichen Identifikationen der ἀλλόφυλοι vgl. Croy, 3 Makk, 64. 285  Vgl. GELS, s.v. ὁμόσπονδος: „sharing a common cup; […] showing loyality to the king“ (im Original hervorgehoben); Muraoka, s.v.: „bound by treaty“ (im Original hervorgehoben). 286  Vgl. dazu vor allem die parallele Verwendung zu Begriffen aus dem Umfeld der Tischge­ meinschaft, z.B. bei Hdt. 9,16,2: Ἐπεὶ νῦν ὁμοτράπεζός τέ μοι καὶ ὁμόσπονδος ἐγένεο; Aischin. Fals. leg. 55: […] ἀλλ’ ἐπὶ τοὺς συσσίτους καὶ ὁμοσπόνδους […]; 163: […] ὁ τῶν ὁμοσπόνδων καὶ συσσίτων κατήγορος; Cass. Dio 41,57,4: ἀλλήλοις τοὺς ὁμοφύλους, τοὺς συσκήνους, τοὺς συσσίτους, τοὺς ὁμοσπόνδους. 287  So Dinarchus, Demosth. 24: […] ἧς ὁμόσπονδος καὶ ὁμοτράπεζος πολλάκις γέγονεν, ἣν αὐτός φησι σύμμαχον ἡμῖν ποιῆσαι. 288  Vgl. dazu die Wiedergabe von ὁμόσπονδος in den antiken Lexika: Hesych, s.v.: φίλος; eben­ so Photius, s.v. und Suda, s.v. 289  Die sehr viel schwieriger zu erfüllenden Reinheitsvorschriften waren hingegen offenbar kein Thema der Diaspora (vgl. z.B. Sanders, Purity, 282).

122

IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Für die jeweils vertretene Position zur Tischgemeinschaft sind die konkre­ ten Umstände des Mahls von entscheidender Bedeutung, und zwar insbeson­ dere die Frage, wer das entsprechende Mahl ausrichtet. Dabei galten vor allem solche Mahlzeiten als problematisch, die im Hause eines Nichtjuden stattfan­ den, und zwar weil in diesem Fall der nichtjüdische Gastgeber für die Auswahl und Zubereitung der Speisen verantwortlich war. Angesichts der Differenz zwischen den bei Juden und Heiden üblichen Speisen sowie der mit Speisen verbundenen Praktiken stellen gerade solche Fälle die Juden vor das Problem der Einhaltung der jüdischen Speisebräuche. Auch in Hinsicht auf solche Mäh­ ler bei Heiden findet sich ein breites Spektrum an unterschiedlichen Lösungs­ möglichkeiten. Dabei hängt das jeweilige Verhalten der Juden in Bezug auf das gemeinsame Essen entscheidend von dem Verhalten der Nichtjuden ab. Dieses variiert nämlich ebenfalls im Hinblick auf die Bereitschaft, den Juden mit den ihnen eigenen Bräuchen entgegenzukommen. Im Einzelnen reicht das Verhal­ ten der Juden von einer strikten Verweigerung jeglicher Teilnahme an einem heidnischen Mahl als Extremposition auf der einen Seite über die Teilnahme an solchen Mählern, jedoch mit gesonderten Speisen, bis hin zu einem wirkli­ chen gemeinsamen Mahl, einschließlich gemeinsamer Speisen, auf der ande­ ren Seite.290 Diese Bandbreite an unterschiedlichen Verhaltensweisen hat sich auch in der literarischen Tradition, nämlich in den verschiedenen Erzählun­ gen, niedergeschlagen. Dabei sollen die jeweiligen Einschränkungen in erster Linie offenbar sicherstellen, dass die Juden bei einem gemeinsamen Mahl mit Heiden nicht mit deren Götzendienst in Berührung kommen und an ihm teil­ nehmen. Gerade der Götzendienst der Heiden wird nämlich im Umfeld der verschiedenen Traditionen häufig als besonders problematisch herausgestellt. Ein solcher Zusammenhang zwischen der Ablehnung einer Tischgemeinschaft mit Heiden und der Begründung mit den bei einem solchen Mahl verwende­ ten Götzenopfern findet sich – abgesehen von dem generellen Verbot des Göt­ zendienstes – schon in der hebräischen Bibel (s.o. IIA 1.1.3; vgl. bes. Ex 34,15; Num 25,2).

290  Zu den verschiedenen Möglichkeiten, wie sich ein Jude im Hinblick auf Tischgemein­ schaft mit Heiden verhalten konnte, vgl. Bockmuehl, Law, 58: „1. refuse all table fellowship with Gentiles and refuse to enter a Gentile house, 2. invite Gentiles to their house and prepare a Jewish meal, 3. take their own food to a Gentile’s House, or indeed 4. dine with Gentiles on the explicit or implicit understanding that food they would eat was neither prohibited in the Tora nor tainted with idolatry.“

2  Tischgemeinschaft

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2.1.1

Die strikte Ablehnung der Teilnahme an einem heidnischen Mahl (Esther) Für die Figur der Esther sind in Bezug auf die Praxis der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden die schärfsten Gegensätze überliefert. So wird bereits im he­ bräischen Text des Estherbuches berichtet, dass Esther Ahasveros und Haman im Zuge des von ihr unternommenen Rettungsversuches ihres Volkes zwei­ mal selbst zu einem von ihr ausgerichteten Mahl einlädt (5,4–8; 7,1–9 MT). Auch die Septuaginta überliefert dann diese von Esther für Artaxerxes291 und Haman ausgerichteten Mähler,292 und zwar offenbar ohne eine etwaige Span­ nung zu Esthers Verhalten zur Tischgemeinschaft zu empfinden oder gar aus­ zugleichen, wie sie in den Zusätzen zum Buch Esther überliefert sind. In ihnen stellt sich Esther nämlich selbst so dar, dass sie sich vehement geweigert habe, am Tisch genau dieser Personen, nämlich am Tisch Hamans und an den könig­ lichen Mählern, überhaupt teilzunehmen: Während der masoretische Text zum Estherbuch die Frage, ob Esther am Hof des Ahasveros die jüdischen Speisegesetze gehalten hat, nicht expli­ zit behandelt und mit Est 2,9 einen Text überliefert, dessen Verständnis offen ist,293 bietet die Septuaginta-Version des Buches Esther294 hierzu nähere Informationen. Der entsprechende Text ist Teil eines Gebetes der 291  Vgl. dazu, dass Ahasveros in der Septuaginta mit Artaxerxes I. identifiziert wird. 292  Zum Vergleich der unterschiedlichen Textversionen vgl. Kahana, Esther, 218–227.271–298. 293  Est 2,9 MT berichtet, dass der König Esther mit Essen versorgt habe, lässt jedoch offen, ob es sich dabei um Essen entsprechend den jüdischen Speisegesetzen handelt oder nicht. So wird innerhalb der Auslegung dieser Passage im babylonischen Talmud (bMeg 10a– 17b) für das Esther angebotene Essen sowohl ein Verständnis im Sinne von jüdischen Speisen als auch im Sinne von Schweinefleisch vorgeschlagen, einschließlich einer Paral­ lelisierung mit Dan 1,16; vgl. dazu Plietzsch, Eating, 39. Häufig werden die SeptuagintaZusätze als Korrektur des masoretischen Textes verstanden, so z.B. Blomberg, Jesus, 42. 294  Die Entstehung der griechischen Zusätze des Estherbuches wird entweder auf die späte Hasmonäerzeit, insbesondere in die Regierungszeit der Königin Alexandra (76–67 v.Chr.) und die Jahre direkt davor datiert (78/77 v.Chr.), oder früher auf das Jahr 114 v.Chr. (vgl. dazu Mittmann-Richert, Einführung, 100, die für eine Entstehung im ausgehenden 2. Jh. v.Chr. plädiert). Während die Zusätze früher allgemein als originalgriechisch angese­ hen wurden (vgl. Hanhart, Esther, 96; Mittmann-Richert, Einführung, 99f.), wird heute zunehmend die Existenz einer hebräischen oder aramäischen Vorlage diskutiert (so vor allem Tov, Books, 379–384, dem zufolge die Zusätze A, C, D und F aus dem Hebrä­ ischen übersetzt wurden, und zwar von derselben Person, die die griechische Fassung dieses Buches überhaupt erst geschaffen hat; zu weiteren Vertretern vgl. auch Bardtke, JSHRZ I/1, 25–28). Nur B und E wären dann originalgriechisch. Als Abfassungsort wer­ den Jerusalem (vgl. F11) oder seltener die Diaspora vorgeschlagen, wobei die erweiterte Estherfassung in jedem Fall deutlich erkennbar an die Diaspora gerichtet ist (MittmannRichert, Einführung, 102f.; vgl. dazu auch, dass das Verhältnis zur nichtjüdischen Umwelt

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Esther295 und steht in einer engen Verbindung mit ihrer ehelichen Ver­ bindung zu einem Nichtjuden sowie ihrer öffentlichen Rolle als Königin. Innerhalb dieses Gebetes erscheint Esther als eine Jüdin, die trotz man­ cher erzwungener Assimilation an nichtjüdische Bräuche grundsätzlich an ihrer jüdischen Identität festhält,296 wobei diese durch das Gesetz be­ stimmt wird (C26–29).297 So betont Esther innerhalb ihres Gebetes mehr­ fach ihre innere Abscheu (vgl. den dreimaligen Gebrauch von βδελύσσομαι in C26–27) gegenüber der heidnischen Lebensweise. Dabei verabscheut sie insbesondere das Bett eines Unbeschnittenen und gänzlich Fremden (καὶ βδελύσσομαι κοίτην ἀπεριτμήτων καὶ παντὸς ἀλλοτρίου in C26). Esther hat König Ahasveros demzufolge nicht freiwillig geheiratet, sondern ihr widerstrebt diese Ehe, und zwar weil Ahasveros ein Nichtjude ist, der das Gesetz nicht einhält. Generell hasst Esther nämlich die Ehre von solchen, die das Gesetz nicht halten (ἐμίσησα δόξαν ἀνόμων in C26a). Der daraus folgende Gedanke, dass sie die für Juden geltenden Anordnungen – wie beispielsweise das Verbot der Ehe mit Fremdstämmigen (Esra 10,2; Neh 13,23–27) – nur gezwungenermaßen nicht hält, wird dann in Hinsicht auf ihre öffentliche Rolle als Königin explizit geäußert. Die Rolle einer nichtjüdischen Herrscherin nehme sie nämlich nur in der Öffentlich­ keit298 und nur gezwungenermaßen ein, verabscheut zudem die Zeichen ihrer königlichen Würde.299 Während sie damit – wenngleich als persi­ sche Königin notgedrungen – gegen jüdische Vorschriften verstößt, hält sie jedoch an den jüdischen Speisevorschriften strikt fest. So stellt Esther im Gebet über sich selbst fest: „Deine Magd hat nicht am Tisch Hamans gegessen, ich habe kein königliches Gelage300 (mit meiner Anwesenheit) genauer bestimmt wird als im hebräischen Text). Die folgenden Stellenangaben der Zusätze richten sich nach Hanhart, Esther (Göttinger Septuaginta). 295  Zum Aufbau des Gebetes vgl. Marböck, Gebet, 242f. 296  Vgl. vor allem Est 2,20 LXX: Danach hatte bereits Mardochai Esther befohlen, Gott zu fürchten und seine Anordnungen zu befolgen, Esther ihr Verhalten aber auch später nicht verändert. 297  Zur Bedeutung des jüdischen Gesetzes für das Estherbuch vgl. Mittmann-Richert, Einfüh­ rung, 105f.; Marböck, Gebet, 250f. 298  So besonders betont von Schorch, Piety, 36f., dem zufolge sich Esther als Frau nur im Privaten an die jüdischen Gesetze halten kann, in der Öffentlichkeit jedoch gegen sie ver­ stoßen muss. 299  Zur unausweichlichen Zwangslage vgl. Est C27: σὺ οἶδας τὴν ἀνάγκην μου sowie den zwei­ maligen Gebrauch von βδελύσσομαι wie in C26. Dabei setzt Esther ihren königlichen Schmuck mit einer unreinen Monatsbinde gleich und qualifiziert damit ihr Königin-Sein als eine Verunreinigung, die der der Menstruation vergleichbar und damit nicht sündhaft ist (vgl. Kottsieper, Zusätze, 176). 300  Innerhalb des Estherbuches wird mehrfach davon berichtet, dass der persische König ein Mahl für seine Freunde bereitet hat (vgl. 1,2f.: […] δοχὴν ἐποίησεν τοῖς φίλοις καὶ τοῖς λοιποῖς

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geehrt und habe keinen Opferwein getrunken“ (C28: καὶ οὐκ ἔφαγεν ἡ δούλη σου τράπεζαν Αμαν301 καὶ οὐκ ἐδόξασα συμπόσιον βασιλέως οὐδὲ ἔπιον οἶνον σπονδῶν). Innerhalb der Septuaginta-Version wird Esther gleichsam zu einem Vorbild für jüdische Torafrömmigkeit in einer heidnischen Umwelt.302 Dabei fungiert offenbar gerade die Weigerung Esthers, an heidnischen Mählern teilzuneh­ men, als Beweis dafür, dass sie während ihres Aufenthaltes am persischen Hof – soweit es ihr möglich war – an einem gesetzestreuen Leben festgehalten hat. Sie hat die jüdischen Speisegesetze nicht übertreten und sich damit so verhalten, wie es Gott von seinem auserwählten Volk fordert.303 So ließ sich bereits in der hebräischen Bibel ein enger Zusammenhang zwischen der Ein­ haltung der Speisegebote (und zwar der verbotenen Tiersorten) und der Son­ derstellung Israels gegenüber allen anderen Völkern feststellen (s.o. IIA 1.3). Dieser findet sich auch im Gebet der Esther wieder, wenn sie um Gottes Hilfe für Israel bittet, indem sie die Erwählung Israels betont.304 Der Zweck der von Esther verweigerten Teilnahme an königlichen Gelagen besteht offenbar in einer Vermeidung des Götzendienstes:

ἔθνεσιν καὶ τοῖς Περσῶν καὶ Μήδων ἐνδόξοις καὶ τοῖς ἄρχουσιν τῶν σατραπῶν; 2,18), wobei φίλος innerhalb des Estherbuches ein Ehrentitel für die Angesehenen zu sein scheint (vgl. dazu den Gebrauch von φίλος in 1,3.13; 2,18; 3,1; 5,10.14; 6,9.13 [2×]; 5,22; 10,3; vgl. Kahana, Esther, 9f.). 301  Anders hingegen im sogenannten A-Text: In ihm wird nicht speziell der Tisch Hamans erwähnt, sondern stattdessen der Gedanke der Verweigerung der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden aktualisiert: […] ἐπὶ τῶν τραπεζῶν αὐτῶν ἅμα. Damit hat der A-Text den Septuaginta-Text nach Hanhart, Esther, 88, falsch interpretiert. Dafür wäre jedoch das Verhältnis des A-Textes zum Septuaginta-Text genauer zu klären. 302  Vgl. Marböck, Gebet, 253. 303  Die Erwähnung Hamans in der Septuaginta (τράπεζαν Αμαν) kann vor dem Hintergrund von dessen zentraler Rolle als Anstifter der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung darauf hindeuten, dass die von Esther verweigerte Tischgemeinschaft abgesehen von der religi­ ösen auch eine politische Dimension umfasst (so z.B. Plietzsch, Eating, 40, dem zufolge die Einhaltung der Speisegebote nicht nur ein Zeichen für Esthers individuelle Religiosi­ tät, sondern auch ein Ausdruck für ihre Opposition gegen eine Politik ist, die gegen das Leben und Gott gerichtet ist). Der Grund für die Verweigerung der Tischgemeinschaft besteht jedoch primär in der Einhaltung der jüdischen Speisegebote (gegen Sutter Reh­ mann, Tischgemeinschaft, Abschnitt 1 und 5). 304  Vgl. dazu Esthers Hinweis auf die Erwählung Israels bzw. der Väter als ewiges Erbe: […] σύ, κύριε, ἔλαβες τὸν Ισραηλ ἐκ πάντων τῶν ἐθνῶν καὶ τοὺς πατέρας ἡμῶν ἐκ πάντων τῶν προγόνων αὐτῶν εἰς κληρονομίαν αἰώνιον (C16); vgl. C20; daneben auch im Gebet Mardochais (C8f.; vgl. auch F9). Die Erwählung Israels als ewiges Erbteil stellt ein zentrales Motiv des Han­ delns Gottes im griechischen Estherbuch dar, vgl. dazu Marböck, Gebet, 246–248.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

So zeigt die Näherbestimmung des Weins als Opferwein (οἶνον σπονδῶν) deutlich, dass Esther Nahrungsmittel ablehnt, die mit Götzendienst in Verbindung stehen.305 Götzendienst wird zudem von Esther innerhalb ihres Gebetes heftig verurteilt (vgl. C17–21). Sie betont die Einzigkeit des Gottes Israels (C14: κύριέ μου ὁ βασιλεὺς ἡμῶν σὺ εἶ μόνος; vgl. C21f.), wie auch Mardochai allein Gott verehren will (C7). Im Hintergrund des von Esther abgelehnten Opferweins steht die im paganen Bereich gängige Praxis, den Göttern während eines Mahls Wein als Opfer darzubringen. Die Aussage der Esther, sie habe solchen Wein nicht getrunken,306 setzt voraus, dass der für ein solches Libationsopfer verwendete Wein von den einzelnen Mahlteilnehmern getrunken wurde. Dies lässt sich aus paganen Nachrichten zu den Libationen bestätigen: Beim Umgang mit Libationswein gab es nämlich grundsätzlich zwei Formen. Bei einer die­ ser Praktiken wird der libierte Wein der Gottheit geweiht, ohne dass alle Mahlteilnehmer davon trinken, bei der anderen Form hingegen trinken alle Mahlteilnehmer aus dem Kelch, der den geweihten Wein enthält.307 Esther lehnt somit eine Teilnahme an von Heiden ausgerichteten Mählern strikt ab, da es in ihrem Rahmen zu götzendienerischen Praktiken wie paga­ nen Libationsopfern mit Wein kommt. Dies bedeutet jedoch keine grundle­ gende Verweigerung der Mahlgemeinschaft, wie ihre Einladung von Ahasveros und Haman zu einem von ihr selbst ausgerichteten Festmahl zeigt. 2.1.2

Getrennte Speisen als Ermöglichung und Hindernis eines gemeinsamen Mahls von Juden mit Nichtjuden Abgesehen von einer strikten Verweigerung jeglicher Teilnahme an Mählern bei Nichtjuden sind Traditionen überliefert, in denen eine Teilnahme an sol­ chen Mählern unter bestimmten Bedingungen durchaus möglich ist. Gerade 305  Zum Weinverbot vgl. auch mAZ 5,3.5: Wenn ein Israelit mit einem Heiden isst und den Raum verlässt, darf er den Wein vom Tisch nicht mehr trinken, aber den Wein vom Bei­ stelltisch. Solange der Jude anwesend ist, kann er nämlich sicherstellen, dass mit dem Wein keine Libation stattfindet. Vom Seitentisch wird der Gast aber nicht nehmen, son­ dern warten, bis ihm gebracht wird (vgl. Tomson, Paul, 231). Zum strikten Verbot von Libationswein vgl. mAZ 5,8–10. 306  Umgekehrt wird für Aseneth vor ihrer Bekehrung ein Trinken vom Opfertrank berichtet (vgl. JosAs 8,5; 10,13); s.u. 2.1.2.2b. 307  Zu diesen beiden Formen des Libationsopfers vgl. Klinghardt, Typology, 11f., unter Hinweis auf die Erwähnung des gemeinsamen Trinkens des Libationsweins bei Athenaios 11,111 (504A) mit einem Zitat von Menander; speziell zu dieser Form vgl. auch Smith, Sympo­ sium, 29 (mit Diod. 4,3); Taussig, Beginning, 74. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Trankspende vgl. Bettenworth, Gastmahlszenen, 163f.

2  Tischgemeinschaft

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sie lassen die zentrale Bedeutung der beim Mahl verwendeten Speisen für die im Diasporajudentum verbreitete Vorstellung zur Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden erkennen. Die entsprechenden Sonderregelungen betreffen nämlich jeweils die verwendeten Speisen. Dabei steht auch in diesen Fällen vor allem der Götzendienst der Nichtjuden beim Essen einem gemeinsamen Mahl von Juden mit Nichtjuden im Weg. Durch gesonderte Speisen, die anders als die bei Heiden üblichen nicht mit Götzendienst in Verbindung stehen, wird das Verbot des Götzendienstes jedoch offenbar als erfüllt angesehen. Im Ein­ zelnen kann sich der jüdische Gast zu diesem Zweck entweder selbst eigene Speisen zum Mahl mitbringen (s.u. 2.1.2.1) oder aber der heidnische Gastgeber serviert ihm gesonderte Speisen, die er nach den jüdischen Vorschriften aus­ gewählt und zubereitet hat (s.u. 2.1.2.2). Dabei ermöglichen getrennte Speisen zwar einerseits die Teilnahme der Juden an einem von Heiden ausgerichte­ ten Mahl, stehen andererseits aber einer echten Tischgemeinschaft auch im Weg, da diese das Teilen der Nahrung zur Voraussetzung hat. Dies lassen die entsprechenden Traditionen selbst dadurch deutlich erkennen, dass sich die Rede vom gemeinsamen Essen in ihnen nicht findet. Von einem gemeinsamen Essen im eigentlichen Sinne des Wortes kann somit für diese Fälle offenbar nicht gesprochen werden, wie der Verfasser von Joseph und Aseneth beson­ ders klar dokumentiert, wenn er das Syntagma συνεσθίω μετά mit Bezug auf einen solchen Fall sogar ausdrücklich negiert (7,1). In diesen Fällen wird somit deutlich zwischen dem Beisammensein während eines Mahls und dem Ver­ zehr von gemeinsamen Speisen unterschieden. 2.1.2.1

Die Mitnahme eigener Speisen zu einem Mahl bei Nichtjuden ( Judith) Das Judithbuch berichtet von einem Zusammensein von Juden mit Nichtju­ den bei einem Mahl, in dessen Rahmen getrennte Speisen gegessen werden. Dabei ist diese Schrift zwischen 142–104 v.Chr. zu datieren308 und vermutlich in Palästina entstanden. Insgesamt ist jedoch anzunehmen, dass bereits sehr früh eine Verbreitung auch in der Diaspora intendiert war.309 In Jdt 12,10–13,9 wird ausführlich von einem gemeinsamen Mahl der hebräischen Witwe Judith 308  Zu einer Datierung in die Zeit unter Johannes Hyrkan vgl. Mittmann-Richert, Einfüh­ rung, 85. 309  Vgl. dazu Mittmann-Richert, Einführung, 85f., die selbst eine Abfassung in Palästina an­ nimmt, jedoch auch Vertreter für eine Entstehung in der Diaspora nennt (Anm. 9 und 10). Für eine Entstehung in Palästina plädiert auch Gera, Jdt, 94–96, durch einen Vergleich mit den aus der Diaspora stammenden Novellen Esther und Dan 1–6. Die vielfach vorkom­ menden Hebraismen werden bisweilen als Indiz für eine ursprüngliche Abfassung auf Hebräisch angesehen.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

mit dem assyrischen Feldherrn Holofernes erzählt, der als General des (ba­ bylonischen) Königs Nebukadnezzar II. erscheint. Dies ist für die Erzählung insofern von zentraler Bedeutung, als es auf die Ermordung des Holofernes abzielt und in dieser gipfelt (13,6–11). Näherhin wird dieses entscheidende Mahl bereits in Jdt 12,1–4 durch einen entsprechenden Hinweis auf die Dif­ ferenz zwischen Judith und Holofernes in Bezug auf Speisen vorbereitet. Danach ordnet Holofernes an, Judith (etwas) von seinen schmackhaft zu­ bereiteten Speisen310 vorzusetzen und (ihr) von seinem Wein zu trinken (zu geben): […] συνέταξεν καταστρῶσαι αὐτῇ ἀπὸ τῶν ὀψοποιημάτων αὐτοῦ καὶ τοῦ οἴνου αὐτοῦ πίνειν (12,1). Judith lehnt diese Speisen und den Wein des Holofernes (vgl. die zweimalige Verwendung von αὐτοῦ) jedoch ab. Statt die Speisen des Holofernes zu genießen, will sich Judith vielmehr vollständig auf die von ihr selbst mitgebrachten Nahrungsmittel beschränken (ἀλλ’ ἐκ τῶν ἠκολουθηκότων μοι χορηγηθήσεται in 12,2). Diese wurden bereits in Jdt 10,5 erwähnt. Danach hat Judith ihrer Magd nämlich sowohl Wein und Öl gegeben als auch einen Sack mit geröstetem Korn, Feigenkuchen311 und reinen Broten aufgeladen (ἔδωκεν τῇ ἅβρᾳ αὐτῆς ἀσκοπυτίνην οἴνου καὶ καψάκην ἐλαίου καὶ πήραν ἐπλήρωσεν ἀλφίτων καὶ παλάθης καὶ ἄρτων καθαρῶν), ebenso eigenes Geschirr. Durch die Bestim­ mung als „rein“ werden die Brote offenbar in einen Gegensatz zu den bei Heiden üblichen Speisen gebracht und dadurch als erlaubt qualifiziert.312 Als Hinter­ grund für die Weigerung Judiths, sich durch Holofernes bewirten zu lassen, ist nämlich deutlich das Streben nach einer Einhaltung des Gesetzes zu erkennen: Mit der Beschränkung auf die von ihr selbst mitgebrachten Speisen un­ terscheidet sich Judith von ihrem Volk, wie sie es selbst darstellt. In Bezug 310  Das Nomen ὀψοποίημα ist innerhalb der Septuaginta nur hier belegt. 311  Diese Nahrungsmittel erinnern an die in 1 Sam 25,18 aufgeführten Lebensmittel. 312  Zwar findet sich die Bezeichnung ἄρτος καθαρός vor allem in pagangriechischen Texten auch für ein Brot, das sich aufgrund des verwendeten Mehls durch eine hohe Qualität auszeichnet (zu Belegen s. Mau, Bäckerei, 2736f.). Eine solche Deutung legt sich jedoch für Jdt 10,5 aus dem Grund nicht nahe, weil Judith offenbar nur das Nötigste mitnimmt, die Köstlichkeiten des Holofernes jedoch gerade ablehnt (12,1). Die von Judith aufgezähl­ ten Nahrungsmittel stellen nämlich nur den Grundbedarf dar (vgl. dazu die Trias „Getrei­ de, Wein, Öl“, zu Belegen s.u. 2.1.2.2b). Dabei steht Judith mit ihrer einfachen Nahrung in deutlichem Gegensatz zu Holofernes (vgl. dazu MacDonald, Food, 170–172). Angesichts der Gegenüberstellung der von Judith selbst mitgebrachten Brote zu den Speisen des Holofernes in Jdt 12,1f. ist die Bestimmung ihrer eigenen Brote als „rein“ in Jdt 10,5 am ehesten als Gegensatz zu „heidnisch“ zu verstehen. Eine solche Verwendung von „rein“ findet sich auch in Jos. Vita 74 für den Gegensatz zu fremdem Öl (vgl. dazu Goodman, Oil, 188–190). Die „reinen“ Brote stehen damit im Gegensatz zu ἐκ τῶν ἄρτων τῶν ἐθνῶν in Tob 1,11 GII (s.o. 1.1.2.2).

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auf dieses berichtet Judith nämlich von einer Übertretung der Speisege­ bote, für welche es bestraft werden wird (11,11–15). Als die Vorräte infolge der wochenlangen Belagerung Betulias durch die Truppen des Holofer­ nes zu Ende gingen, habe das Volk sich entschieden, alles aufzuwenden, was Gott ihnen in seinen Gesetzen zu essen verboten hat.313 Judith weist hingegen den Einwand des Holofernes strikt zurück, ihr könnten bei einem längeren Aufenthalt an seinem Hof die Vorräte ausgehen (12,3f.). Darüber hinaus lässt sich der Kontext des Gesetzes auch daran erkennen, dass Judith das Essen der Speisen des Holofernes als ein Verhalten bewer­ tet, durch welches Anstoß entstehen würde: οὐ φάγομαι ἐξ αὐτῶν ἵνα μὴ γένηται σκάνδαλον (12,2). Der Gebrauch von σκάνδαλον im Rahmen von Jdt 5,20f. zeigt angesichts der dort verwendeten Parallelbegriffe314 deutlich, dass Judiths Verhalten nicht darauf ausgerichtet ist, bei anderen Men­ schen keinen Anstoß zu erregen, sondern darauf, bei Gott durch die Ein­ haltung des Gesetzes keinen Anstoß zu erregen. Mehrfach wird Judith als gottesfürchtige Frau bezeichnet,315 wobei diese Bestimmung in Jdt 11,17 um die Angabe erweitert wird, dass sie dem Gott des Himmels Tag und Nacht dient (ἡ δούλη σου θεοσεβής ἐστιν καὶ θεραπεύουσα νυκτὸς καὶ ἡμέρας τὸν θεὸν τοῦ οὐρανοῦ).316 Die vollkommene Weigerung Judiths, die Speisen des Holofernes zu essen, zielt somit darauf, nichts Verbotenes zu essen. Holofernes lässt Judith dann am vierten Tag im Lager der Assyrer (12,10) erneut durch den Verwalter Bagoas zu einem Trinkgelage (πότον; vgl. 6,21; 13,1) in sein Zelt einladen. Dieser soll Judith, die unter seiner Aufsicht ist, dazu über­ reden, zu Holofernes zu kommen und mit ihm und seinen Knechten zu essen und zu trinken (πεῖσον δὴ πορευθεὶς τὴν γυναῖκα τὴν Εβραίαν, ἥ ἐστιν παρὰ σοί, τοῦ ἐλθεῖν πρὸς ἡμᾶς καὶ φαγεῖν καὶ πιεῖν μεθ’ ἡμῶν in 12,11). Auf Drängen des Holofernes erscheint Judith schließlich zum Mahl (12,14–16) und legt sich zu 313  Vgl. Jdt 11,12: ἐπεὶ παρεξέλιπεν αὐτοὺς τὰ βρώματα καὶ ἐσπανίσθη πᾶν ὕδωρ ἐβουλεύσαντο ἐπιβαλεῖν τοῖς κτήνεσιν αὐτῶν καὶ πάντα ὅσα διεστείλατο αὐτοῖς ὁ θεὸς τοῖς νόμοις αὐτοῦ μὴ φαγεῖν διέγνωσαν δαπανῆσαι. Hieronymus deutet im Sinne des Blutgenusses (vgl. Schmitz/ Engel, Jdt, 333). 314  In Jdt 5,20 setzt die Wendung ὅτι ἔστιν ἐν αὐτοῖς σκάνδαλον τοῦτο die Formulierung εἰ μὲν ἔστιν ἀγνόημα ἐν τῷ λαῷ τούτῳ καὶ ἁμαρτάνουσιν εἰς τὸν θεὸν αὐτῶν fort. In Jdt 5,21 wird sie durch die Wendung εἰ δ’ οὐκ ἔστιν ἀνομία ἐν τῷ ἔθνει αὐτῶν kontrastiert. 315  Vgl. Jdt 8,8 (ἐφοβεῖτο τὸν θεὸν σφόδρα); 8,31 (γυνὴ εὐσεβὴς εἶ). 316  Judith richtet sich im Lager der Assyrer auch abgesehen von den jüdischen Speisegeboten streng nach den Gesetzen. So begibt sie sich – mit der Erlaubnis des Heerführers – zur Morgenwache aus dem Lager in die Schlucht von Betulia, wo sie rituelle Waschungen vollzieht und betet (12,6–9); zum Beten vgl. auch Jdt 11,17.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Tisch (καὶ εἰσελθοῦσα ἀνέπεσεν Ιουδιθ). Sie stimmt auch seiner Aufforderung zum Trinken zu (12,17f.), doch wird in diesem Rahmen wiederum betont, dass sie sich auf die von ihrer Magd zubereiteten Speisen und Getränke beschränkt (καὶ λαβοῦσα ἔφαγεν καὶ ἔπιεν κατέναντι αὐτοῦ ἃ ἡτοίμασεν ἡ δούλη αὐτῆς in 12,19). Judith nimmt demzufolge nicht die Speisen und Getränke zu sich, die Holo­ fernes ihr anbietet. Gerade diese getrennten Speisen sind offenbar der Grund dafür, dass der Erzähler das Festmahl nicht als ein gemeinsames Mahl ansieht. Eine solche Bewertung lässt sich nämlich deutlich an dem Befund erkennen, dass im Vergleich zur Einladung der Judith zum Mahl durch Holofernes für die Wiedergabe der tatsächlichen Situation beim Festmahl dann ein deutlich an­ derer Präpositionsgebrauch festzustellen ist. Durch den Wechsel der Präposi­ tion μετά317 in κατέναντι stellt der Verfasser fest, dass es sich nicht um ein Mahl mit Holofernes handelt, sondern lediglich um ein Essen vor ihm, d.h. in seiner Gegenwart.318 Durch das Zusammensein beim Mahl, jedoch mit getrennten Speisen, wird die Differenz zwischen Juden und Heiden gerade besonders betont.319 Dies lässt sich auch deutlich innerhalb der Erzählung Joseph und Aseneth erkennen, für welche die Gegenüberstellung von jüdischen und heid­ nischen Speisen besonders zentral ist. 2.1.2.2

Die Teilnahme Josephs an einem heidnischen Mahl an einem gesonderten Tisch ( Joseph und Aseneth) Die Erzählung Joseph und Aseneth, die vermutlich im 1. Jh. v.Chr. bis 1. Jh. n.Chr.320 in Ägypten durch einen Juden321 abgefasst wurde, ist geprägt von

317  Vgl. dazu abgesehen von Jdt 12,11 auch 12,13: […] καὶ πίεσαι μεθ’ ἡμῶν εἰς εὐφροσύνην οἶνον […]; 12,17: πίε δὴ καὶ γενήθητι μεθ’ ἡμῶν εἰς εὐφροσύνην. 318  Vgl. dazu Passow, s.v. κατεναντίον: „entgegen, gegenüber, vor, sowohl rein örtlich als feindlich“. 319  Ähnlich auch Gera, Jdt, 368f., mit Beispielen aus dem paganen Bereich. 320  Aufgrund der für Joseph und Aseneth erkennbaren regen Beziehungen zur nichtjüdi­ schen Umwelt kann die Erzählung nicht später als 115 n.Chr. entstanden sein (Burchard, PVTG 5, 187), sodass angesichts des Einflusses der Septuaginta grundsätzlich eine Ent­ stehung zwischen 150 v.Chr. bis 115 n.Chr. in Frage kommt (vgl. Vogel, Einführung, 11–13). Sehr früh datiert Riessler, Joseph und Asenath, 4–13, der ein hebräisches Original und eine Herkunft aus dem palästinischen Judentum annimmt und daher für eine Entstehung zwi­ schen dem Aufstand der Makkabäer und der Zerstörung des Tempels 70 n.Chr. plädiert. In das 2. oder 1. Jh. v.Chr. datiert zuletzt auch Bloch, Joseph und Aseneth, bes. 25. Zumeist wird eine Datierung in die erste Hälfte des 1. Jh. n.Chr. vorgeschlagen (vgl. Oegema, Un­ terweisung, 103; Sänger nimmt genauer eine Datierung in die 30er Jahre des 1. Jh. n.Chr. [Erwägungen, 104] bzw. zuletzt in die Zeit zwischen 50 v.Chr. bis ca. 30 n.Chr. [ders., Brot, 192] an) oder aber in die zweite Hälfte des 1. Jh. n.Chr. oder die ersten Jahre des 2. Jh. n.Chr. (Vogel, Einführung, 15). 321  So die Mehrheit der Forscher (vgl. z.B. Chesnutt, Joseph and Aseneth, 357f., und die aus­ führliche Diskussion bei Ahearne-Kroll, Joseph and Aseneth, 143–197) gegen Kraemer,

2  Tischgemeinschaft

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mehreren Gegenüberstellungen unterschiedlicher sozialer Gruppen. Unter diesen nimmt die Unterscheidung von Juden und Heiden eine zentrale Stellung ein.322 Zwischen Juden und Heiden herrscht jedoch kein generelles Kontakt­ verbot. Vielmehr kommt es zwischen ihnen zu Begegnungen und Beziehungen unterschiedlicher Art. Im Zentrum der Erzählung steht die Begegnung von Jo­ seph und Aseneth, der Tochter des heidnischen Priesters Pentephres, welche schließlich zu deren Heirat führt. a)

Die Bewirtung Josephs mit gesonderten Speisen

Innerhalb der Erzählung Joseph und Aseneth setzt das gemeinsame Essen dem Kontakt zwischen Juden und Nichtjuden offenbar insofern eine Schranke, als wirkliche Tischgemeinschaft zwischen Juden und Nichtjuden, die den Genuss gemeinsamer Speisen einschließt, umgangen wird. Joseph kehrt jedoch durch­ aus in das Haus eines Heiden zum Mahl ein. So wird berichtet, dass Pentephres für Joseph ein großes Mahl vorbereiten lässt (3,4), mit seiner Frau und seiner Verwandtschaft (bis auf Aseneth) bei der Ankunft Josephs vor diesem auf die Knie fällt (5,7) und ihn als Gast ehrenvoll behandelt (7,1). Dabei hat Joseph ausdrücklich das Haus des Pentephres für sein Mittagsmahl ausgewählt (3,2). Bereits aus diesem Kontext lässt sich erkennen, dass der Verfasser – abgesehen von dem heftig kritisierten Götzendienst – den Heiden gegenüber nicht grund­ sätzlich negativ oder gar feindlich eingestellt ist.323 Im Haus des Pentephres nimmt Joseph dann an einem von einem Nichtjuden ausgerichteten Mahl teil, isst jedoch nicht am selben Tisch wie die Ägypter (7,1). Joseph sitzt nämlich offenbar auf einem Thron (vgl. ἐκάθισεν ἐπὶ θρόνου in 7,1) an einem separaten Tisch, der für ihn allein hingestellt wurde ([…] παρέθηκεν αὐτῷ τράπεζαν κατ’ ἰδίαν) und an dem er das speziell für ihn vorbereitete Essen serviert bekommt. Die Wendung παρατίθημι τράπεζαν (vgl. auch Apg 16,34) bezeichnet in einem konkreten Sinn das Stellen eines Tischs vor jemanden, den man be­ wirten will.324 Daraus ist eine übertragene Verwendung im Sinn von „den die Joseph und Aseneth als christliches Werk bewertet (so schon 1889 Batiffol, Prière d’Aseneth, 7–18.30–37) und daher später in das 3./4. Jh. n.Chr. datiert sowie die Entste­ hung in Ägypten anzweifelt (Kraemer, Aseneth, bes. 225–293). Besonders stark für den jüdischen Ursprung des Werks plädiert Burchard, Untersuchungen, 99–107. 322  Vgl. Chesnutt, Death, 97, der daneben zwei weitere Konfliktsituationen herausarbeitet, und zwar zum einen die Spannung innerhalb der jüdischen Gemeinschaft zwischen Juden, die für eine Heirat zwischen Konvertiten und gebürtigen Juden sind, und solchen Juden, die dies ablehnen, und zum anderen den Konflikt zwischen den Konvertiten zum Judentum und ihren früheren heidnischen Familien. 323  Vgl. die positive Bewertung von Pentephres in JosAs 1,3; 3,3. 324  So ursprünglich bei Homer vor dem Hintergrund der Praxis, dass jeder Gast seinen ei­ genen Tisch hatte (Od. 5,92; 21,29; Il. 24,476); so auch Hdt. 6,139,3; Diocles Med., Frg. 179;

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Tisch decken bzw. bereiten“, „ein Mahl auftragen bzw. Speisen vorset­ zen“ hervorgegangen.325 Damit wäre es grundsätzlich auch möglich, die Aussage in JosAs 7,1 in einem recht freien Sinn von „sie bewirteten ihn für sich allein“ zu verstehen. Dann könnte Joseph mit an einer großen Tafel sitzen, wie es offenbar in Gen 43,31–34 vorausgesetzt wird. Für den Gebrauch innerhalb der Erzählung Joseph und Aseneth lässt sich jedoch noch deutlich die lokale Grundvorstellung von παρατίθημι τράπεζαν er­ kennen.326 Das Stellen eines Extratisches vor Joseph327 schließt dabei das Decken des Tisches und damit die Bewirtung mit Speisen ein.328 Durch die Erwähnung eines Extratisches wird demzufolge besonders betont, dass Joseph nicht etwa dieselben Speisen wie die Nichtjuden isst. Dabei stellt der Verfasser im Rahmen einer Begründung für diese Sondervorkehrung aus­ drücklich fest, dass Joseph nicht mit den Ägyptern aß, da ihm ein gemein­ sames Mahl mit den Ägyptern ein Gräuel gewesen sei (διότι οὐ συνήσθιε μετὰ τῶν Αἰγυπτίων, ὅτι βδέλυγμα329 ἦν αὐτῷ τοῦτο). Mit dieser Bestimmung der Tischgemeinschaft als Gräuel liegt deutlich erkennbar eine Anspielung auf Gen 43,32fin vor, wo ebenfalls ein Mahl zwischen Joseph und Ägyptern mit getrennten Speisen erwähnt wird: Im Einzelnen stellt JosAs 7,1 eine Umkehrung von Gen 43,32fin LXX dar. In Gen 43,32 LXX wird nämlich berichtet, dass Joseph und den Ägyp­ tern, die gewöhnlich mit ihm speisten, gesondert aufgetragen wird (καὶ und auch noch bei dem häufig auf ältere Quellen zurückgreifenden Athenaios 4,39 (153D) (jeder bekommt einen eigenen Tisch); 6,60 (252C); 7,34 (289E); 11,14 (465F); 14,45 (639F); vgl. auch Diog 5,7. Gelegentlich wird die Nahrung ausdrücklich neben dem Tisch erwähnt (so Ps.-Apollod. 1,121: οἱ δὲ παρέθεσαν αὐτῷ τράπεζαν ἐδεσμάτων; Jos. Ant. 6,338). 325  Vgl. Passow, s.v. τράπεζα 2a: „τράπεζαν παρατιθέναι, den Tisch vorsetzen, serviren“ mit 2b: „die Tafel, d.i. das Essen selbst, die Mahlzeit, die Speisen“ (Hervorhebungen im Origi­ nal). Zu Formulierungen, in der der Tisch eindeutig als Metonymie für „Speisen“ steht, vgl. schon Thuk. 1,130; vor allem Jos. Bell. 7,264: τράπεζάν τε γὰρ ἄθεσμον παρετίθετο. Zum Schwerpunkt auf den Speisen vgl. auch Polyb. 38,8,11; Plut. Mor. 132E; TestAbr A 4,9; 6,4; Polyain. 4,12,3; Chariton, Chaer. 1,13,2; Athenaios 6,109 (275B); 10,31 (428A). 326  Vgl. dazu, dass mit dem Ausdruck παρατίθημι τράπεζαν in JosAs 15,14; 16,1 berichtet wird, dass Aseneth einen Tisch hinstellt, den sie dann auch wieder wegstellt (17,7f.). 327  So auch Burchard, JSHRZ II/4, 646 Anm. 7/1c, dem zufolge es sich bei τράπεζα um eine Art Tablett mit separatem Gestell handelt. 328  Vgl. dazu, dass ein aufgestellter Tisch offenbar üblicherweise Nahrungsmittel umfasst, wie die Tatsache zeigt, dass der umgekehrte Sachverhalt in JosAs 16,1 ausdrücklich fest­ gestellt wird. Zur Bewirtung Josephs durch Pentephres vgl. auch, dass von Joseph selbst mitgebrachte Speisen nicht erwähnt werden. 329  Zu βδέλυγμα vgl. JosAs 8,7.

2  Tischgemeinschaft

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παρέθηκαν αὐτῷ μόνῳ καὶ αὐτοῖς καθ’ ἑαυτοὺς καὶ τοῖς Αἰγυπτίοις τοῖς συνδειπνοῦσιν μετ’ αὐτοῦ καθ’ ἑαυτούς). Als Begründung wird angeführt, dass die Ägypter mit den Hebräern nicht zusammen Brote essen kön­ nen, weil den Ägyptern dies ein Gräuel ist (οὐ γὰρ ἐδύναντο οἱ Αἰγύπτιοι συνεσθίειν μετὰ τῶν Εβραίων ἄρτους βδέλυγμα γάρ ἐστιν τοῖς Αἰγυπτίοις). An dieser Aussage fällt der unterschiedliche Gebrauch von Verben auf, die das gemeinsame Essen bezeichnen: Innerhalb der verneinten Formulie­ rung wird das Verbum συνεσθίω gebraucht, wobei dessen Fokus aufgrund der vorangehenden Feststellung von der gesonderten Bewirtung offenbar auf der (getrennten) Nahrungsaufnahme als solcher liegt (vgl. dazu auch die Ergänzung um ἄρτους). Demgegenüber werden die Ägypter unmittel­ bar zuvor mit συνδειπνοῦσιν gerade als solche bestimmt, die gemeinsam mit Joseph speisen.330 Diese Differenz lässt sich dergestalt erklären, dass im Zentrum von συνδειπνέω weniger die gemeinsame Nahrungsaufnah­ me, sondern primär das gesellige Zusammensein mit anderen bei einem Mahl liegt.331 Die Ägypter sind somit nach Gen 43,32 LXX durchaus mit Joseph während eines Mahls zusammen, essen jedoch gesonderte Spei­ sen. Gleiches gilt offenbar für Joseph im Haus des Pentephres. Indem der Verfasser von Joseph und Aseneth das συνεσθίειν für die von ver­ schiedenen Tischen essenden Nichtjuden und Joseph verneint, macht er deut­ lich, dass zum συνεσθίειν das Essen der gleichen Speisen dazugehört. Dass ein gemeinsames Essen nicht nur aus dem Beisammensein besteht, sondern not­ wendigerweise das Essen von derselben Tafel einschließt, ist ein generell ver­ breiteter Gedanke und findet sich beispielsweise auch bei Plutarch. Bei ihm werden die Speisen nämlich zwar oft zugunsten der Gemeinschaft beim Essen zurückgestellt (s.u. 2.2.1.1 und 2.2.1.2), aber auch bei ihm sind gemeinsame Spei­ sen Voraussetzung für ein gemeinsames Mahl.332 330  Im Hebräischen findet sich hingegen zweimal ‫ אכל‬Qal + ‫ ֵאת‬. 331  Zum geselligen Aspekt des Mahls als Fokus von δειπνέω vgl. auch Plut. Mor. 697D: „Heute habe ich gegessen, aber nicht gespeist“ (βεβρωκέναι, μὴ δεδειπνηκέναι σήμερον). Hier be­ zeichnet δειπνέω somit den Gegensatz zur Nahrungsaufnahme für sich alleine, d.h. zu einem Essen ganz ohne Tischpartner. 332  Nach Plut. Mor. 643A ist das Essen von gemeinsamer Nahrung ein zwingendes Kriterium dafür, dass ein Essen von verschiedenen Menschen, die zusammen sind, als gemeinsa­ mes Essen bezeichnet werden kann. Ein Essen von verschiedenen Tafeln löst nämlich das gemeinsame Essen auf (vgl. dazu auch die Kritik an der Praxis einer portionsweisen Verteilung der Speisen in Mor. 642F; 644C). Vgl. dazu auch die Kritik an der damals übli­ chen ungleichen Behandlung von Mahlteilnehmern unterschiedlicher sozialer Herkunft, so vor allem bei Martial und Juvenal in Form einer Kritik an unterschiedlichen Speisen

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Das Essen an einem eigenen Tisch dient dabei offenbar näherhin dem Zweck, dass Joseph nicht Speisen isst, die mit Götzendienst in Berührung gekommen sind. Gerade eine solche Verbindung mit Götzendienst wird innerhalb der Er­ zählung nämlich als Kennzeichen der bei Heiden üblichen Speisen eingeschärft. b)

Die strikte Gegenüberstellung von Juden und Nichtjuden mithilfe von Speisen

Innerhalb der Erzählung werden Joseph und Aseneth einander insbesonde­ re in Hinsicht auf die von ihnen gegessenen Speisen strikt gegenübergestellt. Eine solche Kontrastierung der heidnischen und jüdischen Speisen findet sich erstmals in JosAs 8,5 (vgl. daneben 8,9; 15,5; 16,16; 19,5; 21,14.21)333 im Zusam­ menhang des ersten Zusammentreffens von Joseph und Aseneth im Haus des Pentephres. Aseneth war von ihrer Mutter aus dem Obergeschoss geholt und vor Joseph gestellt worden (8,1), wo sie von ihrem Vater aufgefordert wurde, Jo­ seph zu küssen (8,4). Joseph selbst weist diesen Kuss jedoch mit dem Hinweis zurück, dass Aseneth mit ihrem Mund Götzen preist und Speisen von deren Tisch isst (8,5–7): In JosAs 8,5 wird der Gegensatz zwischen Joseph und Aseneth vor ihrer Hinwendung zum Judentum334 durch zwei Ketten von vier einander je­ weils entgegengesetzten Gliedern herausgearbeitet.335 Dabei stehen sich der jeweils an erster Stelle der Reihe genannte Lobpreis des lebendigen Gottes und der Lobpreis der toten und stummen Götzen strikt gegen­ über.336 Zudem nimmt innerhalb dieser Gegenüberstellung der Verweis auf die für Aseneth und Joseph jeweils üblichen Speisen und den von (vgl. dazu Stein-Hölkeskamp, Gastmahl, 98f.); vgl. auch Plin. Ep. 2,6; Lukian, Sat. 17; oder bei Sirach (vgl. bes. 32,1f.; dazu Rapp, Behaviour, 54f.). 333  Vgl. dazu, dass in JosAs 8,5; 15,5; 16,16 abgesehen von Brot und Kelch als dritter Bestandteil die Salbe genannt wird. 334  Vgl. dazu, dass die in JosAs 8,5 für Joseph aufgeführte Speise, der Trank und die entspre­ chende Salbe im Zuge der Verwandlung der Aseneth in JosAs 15,5 auch ihr in Aussicht gestellt werden. 335  Zur Betonung der semantischen Gegensatzpaare in Joseph und Aseneth vgl. Niebuhr, Ethik, 199. 336  Auffällig ist in JosAs 8,5 vor allem der gehäufte Gebrauch der εὐλογέω-Terminologie, und zwar insbesondere mit Bezug auf Joseph: Mit dem Lobpreis vor dem Gebrauch von Spei­ sen, Trank und Salbe (vgl. JosAs 15,5) führt der Verfasser offenbar ein Beispiel für den Lobpreis Gottes an, d.h. der erste Teil der Formulierung macht eine generelle Aussage, welche durch die drei folgenden Glieder konkretisiert wird (vgl. Burchard, Studien, 272). Zur Gegenüberstellung des Lobpreises Gottes und der Götzenbilder im Zusammenhang des Essens vgl. auch Dan 5,4 LXX.

2  Tischgemeinschaft

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ihnen gebrauchten Kelch eine zentrale Rolle ein. Im Einzelnen stellt Jo­ seph fest, dass es ihm als einem gottverehrenden337 Mann, der mit sei­ nem Mund den lebendigen Gott preist (οὐκ ἔστι προσῆκον ἀνδρὶ θεοσεβεῖ ὃς εὐλογεῖ τῷ στόματι αὐτοῦ τὸν θεὸν τὸν ζῶντα) und gepriesenes Brot des Lebens338 (d.h. Brot, über das der Lobpreis gesprochen wurde339 und das zum Leben führt340) isst (καὶ ἐσθίει ἄρτον εὐλογημένον ζωῆς) und geprie­ senen Kelch der Unsterblichkeit trinkt (καὶ πίνει ποτήριον εὐλογημένον ἀθανασίας) und sich salbt mit gepriesener Salbe der Unsterblichkeit (καὶ χρίεται χρίσματι εὐλογημένῳ ἀφθαρσίας), nicht geziemt, eine fremde Frau zu küssen (φιλῆσαι γυναῖκα ἀλλοτρίαν), die mit ihrem Mund tote und stum­ me (vgl. 11,8; 12,5; 13,11) Götzenbilder preist (ἥτις εὐλογεῖ τῷ στόματι αὐτῆς εἴδωλα νεκρὰ καὶ κωφά) und von deren Tisch Brot der Erwürgung341 isst (καὶ ἐσθίει ἐκ τῆς τραπέζης αὐτῶν ἄρτον ἀγχόνης) und aus deren Trankop­ fer Kelch des Hinterhaltes trinkt (καὶ πίνει ἐκ τῆς σπονδῆς αὐτῶν ποτήριον ἐνέδρας) und sich mit Salbe des Verderbens salbt (καὶ χρίεται χρίσματι ἀπωλείας). Essen und Trinken erscheinen somit als entscheidendes Identitätsmerkmal für ein jüdisches Leben in einer heidnischen Umwelt, mit dem die jüdische Lebensweise von der heidnischen deutlich abgegrenzt werden kann. In der Forschung wurde der mehrfache Rekurs auf Speise, Kelch und Salbe häufig in einem speziellen Sinn als Hinweis auf ein besonderes 337  Mit θεοσεβής werden in Joseph und Aseneth nicht die sogenannten Gottesfürchtigen be­ zeichnet, die in dieser Erzählung nicht vorkommen, sondern fromme Juden (vgl. neben 8,5–7 auch 4,7; 28,7), häufig in Verbindung mit der Wendung οὐκ ἔστι προσῆκον (21,1; 23,9f.12; 29,3). Vgl. dazu auch den Erzählerkommentar in JosAs 8,8: φοβούμενος τὸν θεόν. 338  Zum Verhältnis dieser Wendungen zur Abendmahlstradition, vor allem zu Joh 6, vgl. Burchard, Studien, 279–289; Gerber, Blickwechsel, 207f. 339  Im Hintergrund steht der jüdische Brauch, dass über den Speisen vor deren Verzehr der Lobpreis Gottes gesprochen wurde. Diese Praxis des Lobspruches als Tischgebet ist unter anderem belegt in Sib 4,24f.: „Glückselig werden auf Erden jene Menschen sein, die den großen Gott lieben werden, indem sie ihn lobpreisen (ὅσσοι δὴ στέρξουσι μέγαν θεὸν εὐλογέοντες), bevor sie trinken und essen (πρὶν πιέειν φαγέειν τε)“; Ps.-Philo, De Jona 32; mBer 6,1: „Gepriesen seist du, Herr, unser Gott, König der Welt, der Brot aus der Erde her­ vorgehen lässt“ (vgl. 6,4–8). Vgl. Burchard, Studien, 273. Der Lobpreis über Speisen findet sich auch im Urchristentum (vgl. bes. Lk 9,16; Röm 14,6; 1 Kor 10,16.30f.; Clem. Al. Paed. 2,1,13,2; Aristides, Apologia 15,10). 340  Der Genitiv ζωῆς bringt als Genitiv der Richtung (vgl. Hoffmann/von Siebenthal, §164) zum Ausdruck, dass Brot und auch der Becher durch über ihnen gesprochene Gebete zum Gott Israels zu Segens- und Lebensgaben werden. 341  Im Hintergrund könnte die falsche Schlachtungsart stehen, so Sanders, Purity, 279.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Kultmahl gedeutet.342 Dieses rituelle Mahl wurde näherhin entweder im Sinne eines wiederkehrenden Mahls oder als Initiationsritus verstanden, welcher im Zusammenhang mit der Hinwendung zum Judentum steht.343 Dazu wird als Argument oft die in JosAs 16,15f. hergestellte Verbindung zwischen dem Essen der Honigwabe und dem Essen des Brotes des Le­ bens angeführt. Unmittelbar nachdem der Engel Aseneth die Honigwabe in den Mund geschoben hat und sie diese gegessen hat, stellt er nämlich fest, dass sie nun Brot des Lebens gegessen und den Kelch der Unsterb­ lichkeit getrunken habe und mit Salbe der Unvergänglichkeit gesalbt wor­ den sei (vgl. 19,5). Gegen eine solche Deutung erheben andere Forscher vom Gesamtduktus der Erzählung her Einspruch. So plädiert beispiels­ weise Chesnutt im Hinblick auf die Verwendung der Trias „Brot, Kelch und Salbe“ im Kontext der Erzählung für eine Deutung als Rekurs auf die gewöhnlichen Speisen, die bei Heiden eben häufig mit Götzendienst in Verbindung stehen, nicht jedoch auf die Speisen kultischer Mähler. Dazu verweist er insbesondere auf den Gebrauch dieser Trias mit Bezug auf Joseph in JosAs 8,5344 sowie auf die auffällige Erwähnung der Salbe in­ nerhalb dieser Trias. Da es sich bei dieser Trias um eine Aufzählung der drei grundlegenden Güter des menschlichen Bedarfs handelt,345 deute die Erwähnung der Salbe ebenfalls darauf hin, dass Speise und Trank in der Erzählung Joseph und Aseneth als generelle Kennzeichen der jüdi­ schen Identität bewertet werden.346 Dafür spreche außerdem, dass im 342  Von einigen Forschern wird auf Mähler verschiedener jüdischer Gruppen verwiesen, so vor allem auf das Mahl der Essener (Nauck und Beckwith) und auf das der Therapeuten (Philo, Contempl. 37.64–89; vgl. Kuhn und Delcor), dazu Chesnutt, Death, 31–33.54; aus­ führlich ders., Scrolls. 343  Zu einer knappen Übersicht über die bisherigen Forschungsmeinungen vgl. Burchard, Studien, 271f. Eine Deutung im Sinne eines Initiationsritus betonen vor allem die For­ scher, die eine Verbindung zu den Mysterienreligionen favorisieren, z.B. Kilpatrick, Phi­ lonenko, Smith und Kee (dazu Chesnutt, Death, 31f.40.47–49); daneben Klauck, dem zufolge das Essen der Honigwabe durch Aseneth eine sakramentale Handlung ist, die Mysterieninitiationen aufgreift, diese aber überbietet (Herrenmahl, 187–196). Gegen eine Deutung, die hinter der Erzählung Joseph und Aseneth eine jüdische Gruppe sieht, wel­ che den Mysterienkulten nahesteht, vgl. Vogel, Einführung, 19–21. 344  Vgl. Chesnutt, Death, bes. 128–135 mit 99.252; ders., Joseph and Aseneth, 359f. 345  Vgl. dazu die häufige Trias „Getreide, Wein, Öl“ in Dtn 7,13; 11,14; 12,17; 14,23; 18,4; 28,51; 2 Chr 31,5; Neh 5,11; Jer 31,12; Hos 2,10.24; Joel 2,19; Hag 1,11; Ps 104,14f.; Jdt 10,5; Jub 13,26; 32,12; 1QH 10,24; TestXII.Jud 9,8; Sib 3,243.745; Jos. Bell. 1,299; Offb 6,6. Vgl. ausführlich dazu Dalman, Brot (allerdings auf der Grundlage von vorwiegend rabbinischen Zeugnissen). Zur weiten Verbreitung dieser Trias im Mittelmeerraum, wenngleich mit Differenzen, vgl. Garnsey, Food, 13–17. 346  Vgl. Chesnutt, Death, 134f.; ders., Joseph and Aseneth, 361.

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antiken Judentum offenbar auch der Gebrauch von Öl wie das Verhalten in Bezug auf Essen und Trinken als Kennzeichen der jüdischen Lebens­ weise fungierte.347 Ähnlich argumentiert nun auch Sänger. Während er früher, ausgehend von JosAs 16,14–16 die grundlegenden Elemente eines „Proselyten-Aufnahmeformulars“ rekonstruieren wollte,348 betont er jüngst, dass die Trias aus Brot, Kelch und Salbe jeweils pars pro toto für eine bestimmte Existenzweise stehe.349 Nach Burchard steht im Zentrum der Reihe von Speise, Trank und Salbe weder ein besonderes Kultmahl noch ein Mahl überhaupt, sondern der richtige jüdische Umgang mit die­ sen Dingen des täglichen Bedarfs. Somit werden der jüdische Gebrauch dieser drei grundlegenden Bedarfsgüter und deren Verwendung bei den Heiden einander gegenübergestellt.350 Diesen Forschern zufolge weist dann auch JosAs 16,14–16 nicht auf ein kultisches Mahl hin, sondern hat wie JosAs 8,5–7 eine enge Verbindung zum alltäglichen Essen.351 Sowohl bei Juden als auch bei Nichtjuden haben das Essen und Trinken somit jeweils eine Beziehung zu Gott, und zwar im Fall von Joseph durch den Lob­ preis Gottes vor dem Essen, im Fall von Aseneth durch die Darbringung der Speisen an Götzen. Die von Aseneth vor ihrer Hinwendung zum Judentum gegessenen Speisen werden nämlich gehäuft ausdrücklich als Opfer der Göt­ zen bezeichnet.352 Mit der strikten Kontrastierung der Speisen der Juden und 347  Vgl. dazu Chesnutt, Oil. Die Gegenüberstellung der von Joseph und Aseneth verwende­ ten Salbe erinnert im Einzelnen vor allem an die Ablehnung von heidnischem Öl durch Juden, wie sie beispielsweise bei Josephus mit Bezug auf Salbe belegt ist (zu Belegen s. ebd., 127). Chesnutt denkt im Anschluss an Hoenig, Oil, bes. 64–66, speziell an die Ver­ bindung von heidnischem Öl mit Götzendienst (Chesnutt, Oil, 122.126.132). Dies ist zwar grundsätzlich möglich, in den Quellen jedoch nicht ausdrücklich belegt. So argumentiert Goodman, Oil, 198, dem zufolge die Vermeidung von heidnischem Öl eher eine instinkti­ ve Angelegenheit als ein Resultat der Auslegung der biblischen Reinheitsgebote ist (199f.). Für eine solche Deutung lässt sich anführen, dass sich aus ihr die Abschaffung in rabbini­ scher Zeit gut erklären lässt. Im Einzelnen denkt Goodman u.a. an verbotene heidnische Zusatzstoffe (198f.201f.). 348  Vgl. Sänger, Judentum, 174–187. 349  So Sänger, Brot, 193–212, bes. 195.199f. 350  Vgl. Burchard, JSHRZ II/4, 604f.; ders., Studien, 274.278 (ähnlich schon Jeremias, Supper); zu weiteren Argumenten gegen ein kultisches Mahl vgl. ebd., 272f. 351  Vgl. Chesnutt, Death, 104f.; ähnlich Burchard, dem zufolge JosAs 16,15f. in dem Sinne zu verstehen ist, dass Aseneth nun zum ersten Mal Brot des Lebens gegessen hat (Studien, 275), wobei das Essen des Manna nur Aseneth allein zukommt. Gesegnetes Brot, Kelch und Salbe sind somit nicht identisch mit dem Manna, aber dessen Ersatz für die gewöhn­ lichen, umkehrwilligen Menschen (277). 352  Vgl. JosAs 12,5: ἀπὸ τῶν θυσιῶν τῶν εἰδώλων; vgl. 11,9.16 (ausführlich zu den Belegen s.o. 1.4.1.1).

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der heidnischen Opfer findet sich mit Bezug auf Speisen die Differenz wieder, welche für die Unterscheidung zwischen Juden und Heiden innerhalb der Er­ zählung Joseph und Aseneth insgesamt zentral ist. Der grundlegende Unter­ schied von Heiden und Juden besteht dem Verfasser dieser Erzählung zufolge nämlich im Gegensatz zwischen Götzendienst und der Verehrung des höchs­ ten Gottes,353 wie die besondere Betonung des Götzendienstes der Aseneth deutlich zeigt. Vor ihrer Hinwendung zum Gott Josephs erscheint Aseneth ausschließlich als Götzendienerin (2,3; 11,7f.; 12,5, 13,11; 21,13). Den Herrn, den Gott des Himmels, kannte sie hingegen nicht, und auf Gott, den Höchsten des Lebens, vertraute sie nicht (21,15). Selbst auf ihrem Schmuck sind die Namen der Götter der Ägypter überall eingegraben und die Angesichter aller Götter­ bilder abgebildet (3,6).354 Der entscheidende Wandel, den Aseneth im Verlauf der Erzählung durchmacht, besteht in der Abkehr von den Götzen hin zum Gott der Juden,355 der damit ihr Gott wird (vgl. 26,8). Wie gravierend diese Wende im Leben der Aseneth vom Verfasser der Erzählung bewertet wird, zeigt die von ihm verwendete Metapher der Wiedererneuerung und Wieder­ lebendigmachung für die Umkehr der Aseneth: Gott musste Aseneth wieder lebendig machen, damit diese ihr Essen nicht mehr den Götzen darbringt (15,5 mit 8,9; vgl. 16,16; 27,10). c)

Die Hinwendung zum Judentum als Voraussetzung für wirkliche Tischgemeinschaft

Der Grund für die von Joseph abgelehnte Tischgemeinschaft mit Heiden be­ steht somit in den bei Heiden üblichen Speisen, und zwar insbesondere darin, dass heidnische Speisen mit Götzendienst in Verbindung stehen. Demgegen­ über unterscheidet sich die Speise der Aseneth nach ihrer Hinwendung zum Judentum nicht mehr von der Speise der als Juden geborenen Menschen. Dann isst Aseneth nämlich dieselbe Speise, die Joseph bereits nach JosAs 8,5 isst.356 Folglich ist ein gemeinsames Mahl dann möglich: In JosAs 20,1f. wird – in großer Nähe zu JosAs 7,1 – berichtet, dass Joseph wiederum im Haus des Pentephres einkehrt, einen Ehrensitz bekommt und seine Füße gewaschen werden. Aseneth lädt Joseph zu einem großen 353  Vgl. Chesnutt, Death, 98.103.108; vgl. dazu auch Ahearne-Kroll, Joseph, 216. 354  Vgl. dazu Michel, Gemmen. 355  Für den Gott der Juden findet sich häufig die Bezeichnung als Gott Josephs (3,3; 6,7; 21,4). Weitere zentrale Gottesprädikationen sind: Gott der Hebräer (11,10); höchster Gott (9,1; 19,8); Gott, der Höchste (11,17; 15,12); wahrer und lebendiger Gott (11,10). 356  Vgl. den Gebrauch derselben Wendung in JosAs 15,5; 16,16 mit Bezug auf Aseneth, welche in JosAs 8,5 für Joseph verwendet wurde (vgl. auch 21,21).

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Mahl ein, das sie selbst vorbereiten lässt (20,1 mit 18,2.5.11). Das entspre­ chende Mahl gehört in den Zusammenhang der Vorbereitungen für die Hochzeit von Joseph und Aseneth, bei denen auch die Eltern der Aseneth sowie deren ganze Verwandtschaft anwesend sind (20,6). Offenbar sind somit auch sie eingeschlossen, wenn berichtet wird, dass „sie danach aßen, tranken und fröhlich waren“ (καὶ μετὰ ταῦτα ἔφαγον καὶ ἔπιον καὶ εὐφράνθησαν in 20,8).357 Die in JosAs 7,1 belegte Einschränkung der Tisch­ gemeinschaft findet in diesem Zusammenhang keinerlei Erwähnung mehr. Spezielle Vorkehrungen wie ein Extratisch oder besondere Speisen sind dabei offenbar aus dem Grund nicht mehr nötig, weil sich die Situa­ tion gegenüber JosAs 7,1 entscheidend verändert hat. Aseneth hat sich von ihren vorherigen Götzen ausdrücklich losgesagt und sich zum Gott Josephs gewandt.358 Zudem treibt auch ihre Familie offenbar keinen Göt­ zendienst mehr.359 Unmittelbar vor der Feststellung des gemeinsamen Essens in JosAs 20,7 wird nämlich berichtet (vgl. dazu das μετὰ ταῦτα zu Beginn von 20,8), dass die Familie der Aseneth, nachdem sie deren Schönheit sieht, Gott, der die Toten lebendig macht, die Herrlichkeit gibt.360 Da es sich bei der Bezeichnung Gottes als „Gott, der die Toten lebendig macht“, um ein zentrales jüdisches Gottesprädikat handelt,361 lässt diese Aussage auf eine Hinwendung der Familie der Aseneth zum Judentum schließen.362 Wirkliche Tischgemeinschaft hat somit dem Zusammenhang von JosAs 20,7f. zufolge die Übereinstimmung der Mahlteilnehmer in Bezug auf die Verehrung 357  Die Deutung des zweiten Mahls im Haus des Pentephres (20,6–8) sowie des Hochzeits­ mahls (21,7f.) sind in der Forschung umstritten: Während Burchard, JSHRZ II/4, 694 Anm. 20/8a; Niebuhr, Ethik, 198; Zangenberg, Ägypten, 182, diese Belege als Hinweis auf ein ge­ meinsames Mahl deuten, interpretiert Vogel, Einführung, 18, sie in der Linie von JosAs 7,1 im Sinne einer Trennung während des Mahls, wobei er als Grund für die fehlende Tisch­ gemeinschaft rituelle Grenzen annimmt: „Die Notiz 20,7 sollte nicht so gelesen werden, als seien rituelle Schranken bei Nichtjuden, mit denen man sich über den Gottesbegriff einig ist, hinfällig“ (Anm. 78). Die serbisch-kirchenslawische Überlieferung fügt ausdrück­ lich ergänzend „zusammen“ hinzu; vgl. Burchard, PVTG 5, 254. 358  Zu Anzeichen für diesen Statuswechsel vgl. die Transformation (16,16) und die Verleihung eines neuen Namens (15,7; 16,16). 359  Anders Sanders, Purity, 275, der gerade die alleinige Bekehrung der Aseneth betont. 360  So in der längeren Textform: […] καὶ ἐχάρησαν καὶ ἔδωκαν δόξαν τῷ θεῷ τῷ ζωοποιοῦντι τοὺς νεκρούς. Im kürzeren Text findet sich stattdessen […] καὶ ἐχάρησαν καὶ ἐδόξασαν τὸν θεὸν καὶ ἔφαγον καὶ ἔπιον. 361  Vgl. z.B. 2 Makk 7,23.29; Röm 4,17; ausführlich dazu Zimmermann, Namen, 427–465. 362  Ähnlich Burchard, JSHRZ II/4, 694 Anm. 20/7b, der abgesehen von dieser Gottesprädika­ tion auch auf die Wendung „Herrlichkeit geben“ verweist.

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des Gottes Israels zur Voraussetzung363 und erfordert daher von Nichtjuden, die Götzendiener sind, die vorherige Abkehr von ihren heidnischen Göttern. Darin stimmt Tischgemeinschaft mit anderen Formen des engen Kontaktes überein.364 Auch die Ehe von Joseph und Aseneth hat nämlich zwar nicht die Herkunft aus einer jüdischen Familie, aber die Verehrung des Gottes Israels zur Bedingung und kann daher erst nach der Abkehr der Aseneth von den Götzen zustande kommen (19,10f.; vgl. 7,5).365 Innerhalb der Erzählung Joseph und Aseneth sind die Anordnungen zur Tisch­ gemeinschaft somit ebenso wie die Vorschriften in Bezug auf die Vorausset­ zungen für eine Ehe der Hauptforderung der gesamten Schrift zugeordnet, nämlich der strikten Warnung vor dem Götzendienst. Sie dienen dem Ziel, Götzendienst von Juden zu vermeiden. Dabei lässt sich in Joseph und Aseneth auch mit den Anordnungen zur Tischgemeinschaft eine stärkere Tendenz der Abgrenzung der Juden gegenüber Nichtjuden erkennen als beispielswei­ se im Aristeasbrief.366 Tischgemeinschaft ist aber nicht etwa generell auf die als Juden geborenen Menschen beschränkt, sondern auf solche, die den Gott Israels anstelle der Götzen verehren. Dabei zeigt gerade das gemeinsame Essen in JosAs 20,8 an, dass die Heiden, die sich von ihrem früheren Lebenswandel losgesagt haben und nun den Gott Israels verehren, mit Joseph als jemandem, der von Geburt Jude ist, anders als vor ihrer Umkehr offenbar grundsätzlich auf einer Ebene stehen. Auf eine solche religiöse Statusgleichheit zwischen geborenen Juden und Proselyten deuten weitere Motive hin,367 sodass in der 363  Vgl. dazu, dass Aseneth zwar bereits zu Beginn der Erzählung als eine Frau beschrieben wird, die nichts mit den Töchtern der Ägypter gemein habe, sondern den Töchtern der Hebräer gleich sei (1,5), doch betrifft dies ihre Schönheit (vgl. 1,4). 364  Der tiefere Grund für das Verbot einer engeren Gemeinschaft eines gottverehrenden Juden mit Götzendienern liegt darin, dass Gott selbst die Götzendiener hasst (11,7–9). 365  Die Abkehr von heidnischen Göttern ermöglicht beispielsweise den zu Beginn der Erzäh­ lung ausgeschlossenen Kuss. Während Joseph bei seiner ersten Begegnung mit Aseneth den Kuss mit dem Argument verweigert, sie sei eine Götzendienerin (8,5), küsst er sie im Anschluss an Aseneths Hinwendung zum Judentum dreimal (19,10f.). Nun gehört Ase­ neth nämlich zu den Frauen, die mit ihrem Mund den lebendigen Gott preisen und die ein gottverehrender Mann daher küssen darf (vgl. 8,7). 366  So auch Barclay, Jews, 204–216; Niebuhr, Ethik, 198–201. 367  Auf eine Gleichwertigkeit der Aseneth mit geborenen Juden und eine Integration in deren Gemeinschaft deutet insbesondere der Befund hin, dass bereits Joseph in JosAs 8,9 Gott darum bittet, er möge Aseneth zu seinem auserwählten Volk zählen (καὶ συγκαταρίθμησον αὐτὴν τῷ λαῷ σου […]), ebenso die Feststellung, dass ihr Name nun im Buch der Leben­ digen steht (15,4.12x). Chesnutt, Death, 131, verweist auf das Essen der Honigwabe: „By having Aseneth eat from the honeycomb, the author places this convert on a par with the Jew by birth, and indeed with the angels of God, who eat the same immortal food.“

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Legitimation der Zugehörigkeit von Proselyten zur jüdischen Gemeinschaft das Ziel der Erzählung insgesamt liegen könnte.368 Jüdische Identität wird in­ nerhalb der Erzählung Joseph und Aseneth somit nicht (nur) durch jüdische Abstammung definiert und konstituiert, sondern durch die Verehrung des Gottes Israels.369 2.1.3

Wirkliche Mahlgemeinschaft durch das Entgegenkommen der Nichtjuden (Aristeasbrief) Im Aristeasbrief370 wird ausführlich371 von einem Mahl zwischen Juden und Heiden berichtet. Konkret handelt es sich um die Teilnahme der jüdischen Ge­ sandtschaft am königlichen Festbankett des ägyptischen Königs Ptolemaios II. Philadelphos (281–246 v.Chr.).372 Dabei wird im Rahmen seiner Einladung dieser Gäste aus Juda ausdrücklich der Kontext des gemeinsamen Speisens aktualisiert (διὸ καὶ δειπνῆσαι σήμερον μεθ’ ὑμῶν βουλήσομαι in 180). Auch in die­ sem Fall findet das entsprechende Mahl demzufolge bei einem Heiden statt. Während es sich bei den Mählern zwischen Juden und Heiden mit getrennten Speisen nicht um eine wirkliche Mahlgemeinschaft handelt, stellt das Mahl der jüdischen Gesandtschaft am ägyptischen Hof tatsächlich ein gemeinsa­ mes Mahl dar, nämlich ein Mahl mit gemeinsamen Speisen. Dies ist möglich, weil die nichtjüdische Seite Rücksicht auf die jüdischen Speisegebote nimmt und sich beim Mahl selbst entsprechend den jüdischen Speiseregeln verhält. Ptolemaios als nichtjüdischer Gastgeber ist nämlich bereit, die beim Mahl

Thiessen führt abgesehen von der Bewertung der Umkehr der Aseneth als Neuschöpfung vor allem den acht Tage dauernden Umkehrprozess der Aseneth (9,5) an. Dieser stehe u.a. in Parallelität zur Beschneidung des männlichen Neugeborenen am achten Tag nach der Geburt und bringe damit zugleich die Unterscheidung als auch deren Überwindung zum Ausdruck (Transformation, bes. 233–239). 368  So nimmt Chesnutt beispielsweise an, dass die Erzählung von Joseph und Aseneth gegen Gruppen, die die Aufnahme von Heiden in die jüdische Gemeinschaft kritisieren und unterbinden wollen, aufzeigt, dass umkehrwillige Heiden bei Gott und in der Gemeinde willkommen sind (Death, bes. 118–150). Vgl. auch Zangenberg, Ägypten, 183; Vogel, Ein­ führung, 27f. (mit besonderer Betonung der Legitimation von jüdisch-nichtjüdischen Mischehen). 369  So Ahearne-Kroll, Joseph, 241. 370  Zum Autor und zur Datierung des Aristeasbriefes s.o. 1.2.2. 371  Die Schilderung des Mahls macht ca. ein Drittel des gesamten Werks aus. 372  Von diesem Gastmahl zwischen Ptolemaios und den jüdischen Gesandten berichtet auch Jos. Ant. 12,93–97, wobei er ebenfalls von der Bewirtung entsprechend der gewohnten Lebensweise und dem Gebet nach Art in Judäa weiß. Nach Ant. 12,105 bringt Dorotheos den Übersetzern Lebensmittel von der Tafel des Ptolemaios (so auch innerhalb der Dani­ elerzählung; s.o. 1.1.2.1). Auch Philo, Mos. 2,33 erwähnt das Gastmahl.

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verwendeten Speisen unter Beachtung der jüdischen Bräuche zubereiten zu lassen (181–183) und das Mahl nach jüdischen Regeln zu feiern (184–185): So stellt Ptolemaios ausdrücklich fest, dass auch er selbst während des entsprechenden Mahls jüdische Speisen essen wird: „‚Alles‘, sagte er, ‚wird für euch nach euren Bräuchen zubereitet sein, und für mich mit euch‘ (πάντα δ’ ὑμῖν, εἶπε, παρέσται καθηκόντως, οἷς συγχρήσησθε, κἀμοὶ μεθ’ ὑμῶν). Als jene freudig zustimmten, ließ er ihnen die schönsten Quartie­ re in der Nähe der Burg zuweisen und das Mahl vorbereiten“ (181). Für jede Stadt, die eigene Gebräuche in Hinsicht auf Getränke, Speisen und Lager hat (ὅσαι γὰρ πόλεις εἰσίν, αἳ τοῖς αὐτοῖς συγχρῶνται πρὸς τὰ ποτὰ καὶ βρωτὰ καὶ στρωμνάς), hat der ägyptische König einen eigenen Beamten, der für Gäste zum Zwecke eines angenehmen Aufenthaltes alles nach deren Bräuchen vorbereitet (καὶ κατὰ τοὺς ἐθισμοὺς οὕτως ἐσκευάζετο) (182). Dem für die Juden zuständigen Beamten Dorotheos befiehlt der ägyptische König, „die Gebräuche so zu beachten, wie es bei allen seinen Gästen aus Judäa geschieht (ἐκέλευσε τῷ Δωροθέῳ τοῖς ἐθισμοῖς οἷς χρῶνται πάντες οἱ παραγινόμενοι πρὸς αὐτὸν ἀπὸ τῆς Ἰουδαίας, οὕτως ἐπιτελεῖν). Des­ halb verbat er sich die Opferherolde, die Opferpriester und die anderen, die gewöhnlich die Gebete sprechen, und bat Elissaios, den ältesten Priester unter denen, die mit uns gekommen waren, das Gebet zu spre­ chen. Der stand auf und sprach in denkwürdiger Weise“ (184). Das Gebet sprechen demzufolge nicht die ägyptischen Opferpriester, sondern ein jüdischer Priester, und zwar in Form eines Segens über den gastgebenden König (185). Sowohl durch die Einhaltung der jüdischen Gebräuche in Bezug auf die Spei­ sen als auch durch das von einem Juden gesprochene Tischgebet ist der bei einem gemeinsamen Essen von Juden mit Nichtjuden auf jüdischer Seite be­ sonders gefürchtete Götzendienst ausgeschlossen. Damit können Juden wäh­ rend des entsprechenden Mahles nicht selbst zu Götzendienern werden. Die vorliegende Tradition zur Tischgemeinschaft innerhalb des Aristeas­ briefes zeigt somit, dass die vollständige Mahlgemeinschaft zwischen Juden und Heiden gemeinsame Speisen und die Verehrung des jüdischen Gottes bei diesem Mahl einschließt. Sie setzt somit voraus, dass während des Mahls auch vonseiten der Nichtjuden kein Götzendienst getrieben wird. Darin stimmt das Mahl innerhalb des Aristeasbriefes grundsätzlich mit der Sicht zur Tischge­ meinschaft in der Erzählung Joseph und Aseneth überein. Auch dort wird die Teilnahme von Joseph am Mahl bei Pentephres an einem gesonderten Tisch gerade als Fehlen von Tischgemeinschaft bewertet (JosAs 7,1; s.o. 2.1.2.2a).

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Wirkliche Tischgemeinschaft mit gemeinsamen Speisen erfordert daher die Abkehr der Aseneth von den heidnischen Göttern hin zum Gott Israels (20,6– 8; s.o. 2.1.2.2c). Das Mahl zwischen Ptolemaios und den jüdischen Gesandten im Aristeasbrief unterscheidet sich vom Mahl in JosAs 20,6–8 jedoch darin, dass es sich in diesem Fall um ein Mahl zwischen Juden und Heiden ohne eine vorangegangene Bekehrung der Nichtjuden handelt, wie sie bei Aseneth vor­ liegt. Dieser auffällige Unterschied lässt sich gut vor dem Hintergrund des Ge­ samtrahmens, und zwar der jeweils vertretenen Bewertung der nichtjüdischen Mahlteilnehmer, erklären. Die nichtjüdischen Gastgeber divergieren nämlich nicht nur in Bezug auf das konkrete Verhalten im Zuge des von ihnen ausge­ richteten Gastmahls, sondern auch in ihrer grundsätzlichen Einstellung zum Gott der Juden erheblich voneinander. Dabei geht Aristeas offenbar gerade von einer großen Nähe des Ptolemaios zur jüdischen Gottesverehrung aus: Innerhalb der Erzählung Joseph und Aseneth werden die Heiden – insbe­ sondere am Beispiel der Person der Aseneth – so auffallend stark als Göt­ zendiener qualifiziert, dass eine Handlungsweise frei von Götzendienst überhaupt nur durch radikale Umkehr möglich ist. Eine ähnliche Sicht der Nichtjuden als Götzendiener findet sich auch innerhalb des Aristeas­ briefes im Rahmen der Erklärung der jüdischen Speisegebote (s.o. 1.2.2). Ptolemaios und sein Hof werden hingegen deutlich positiver dargestellt, als die Heiden im Umfeld der allegorischen Auslegung der Speisegebote gekennzeichnet werden.373 So lässt sich sowohl die heftige Verurteilung der unter Heiden verbreiteten Vergöttlichung hervorragender Menschen (Arist 134–137) als auch die Ablehnung des Tierkultes der Ägypter (138) nicht als unmittelbare Kritik an den Ptolemäern auffassen. Diese erschei­ nen nämlich gerade als solche, die Zeus und damit die olympischen Göt­ ter verehren (16).374 Dabei ebnet Aristeas die zentrale Differenz zwischen den den einzigen Gott verehrenden Juden und den polytheistischen Hei­ den geradezu ein, wenn er Zeus und den Gott der Juden miteinander identifiziert. Er erklärt nämlich gegenüber Ptolemaios, dass die Juden den Gott verehren, den alle – und damit auch die Ägypter – verehren, sie selbst diesen jedoch nur anders nennen.375 Überhaupt erscheinen 373  Vgl. dazu Barclay, Jews, 141–143. 374  Die Wahl von Zeus deutet gerade auf die Kritik am Polytheismus innerhalb des gebildeten Heidentums zugunsten des Monotheismus hin (vgl. dazu Weber, Gesetz im hellenisti­ schen Judentum, 129f.). 375  So Arist 16: τὸν γὰρ πάντων ἐπόπτην καὶ κτίστην θεὸν οὗτοι σέβονται, ὃν καὶ πάντες, ἡμεῖς δέ, βασιλεῦ, προσονομάζοντες ἑτέρως Ζῆνα καὶ Δία. Zur Aussage, dass Juden und Heiden densel­ ben Gott verehren, vgl. auch Jos. Ant. 12,22.

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Ptolemaios und sein Hof innerhalb des Aristeasbriefes niemals als Göt­ zendiener. Ptolemaios zollt dem jüdischen Gott vielmehr eindeutig Res­ pekt, wenn er vor den überbrachten Torarollen niederfällt (177; vgl. auch 317) und diese für ihn die Worte Gottes enthalten (177; vgl. Jos. Ant. 12,90). Zudem arbeitet der Verfasser eine besondere Nähe zwischen Ptolemaios und den Juden heraus, wenn er Ptolemaios – wie er es sonst von den Juden aussagt – mehrfach Gottesfurcht376 und Gerechtigkeit377 attestiert.378 Auffallend positiv wird Ptolemaios auch in den breit geschilderten Tischge­ sprächen (Arist 187–295) während des an sieben Tagen stattfindenden Mahls mit den jüdischen Gesandten gekennzeichnet: Abgesehen von den Voraussetzungen für das Zustandekommen eines ge­ meinsamen Mahls zwischen Juden und Nichtjuden schildert der Aristeas­ brief ausführlich den Verlauf des Mahls zwischen Ptolemaios und den jüdischen Gesandten. Die bei diesem Mahl stattfindenden Tischgesprä­ che erinnern stark an die Tischgespräche bei Platon und Xenophon und lassen damit auf einen Einfluss der Symposiumstradition schließen. In ihnen befragt der König jeden Anwesenden zu philosophischen Fragen. Die jüdischen Gesprächspartner lassen Ptolemaios Anerkennung und Respekt zuteilwerden.379 Dabei erscheint Ptolemaios wiederum in erster Linie als gerechter380 und frommer381 H ­ errscher im Umgang mit seinen Untertanen. Er will nichts Ungesetzliches tun.382 Mehrfach werden die Tugenden des Ptolemaios auf Gott zurückgeführt, der ihm diese Gaben

376  Vgl. dazu den gleichzeitigen Gebrauch von εὐσέβεια für die Juden (Arist 131.215) und für Ptolemaios, so bes. 42, wo ausdrücklich von der Frömmigkeit gegenüber dem Gott der Juden die Rede ist (ἣν ἔχεις πρὸς τὸν θεὸν ἡμῶν εὐσέβειαν); vgl. auch 37 (die Freilassung der Kriegsgefangenen durch Ptolemaios sei das Tun von etwas Frommem und ein Weihege­ schenk an den größten Gott); vgl. auch 24; Jos. Ant. 12,52. 377  Vgl. dazu den Gebrauch von δικαιοσύνη für Ptolemaios (Arist 18.24.43.46.125) und die Juden (131.144–149.168f.). 378  Zur Gerechtigkeit und Frömmigkeit des Ptolemaios vgl. auch Jos. Ant. 12,56. 379  Vgl. Arist 199.216.219.280.282. Ptolemaios wird dafür gelobt, dass er allen Gutes erweist (249.281). Vgl. dazu auch umgekehrt die hohe Bewertung der Gesandten durch Ptole­ maios (200). 380  Vgl. Arist 267.280.292. Zur zentralen Bedeutung der Gerechtigkeit für die Herrschaft gene­ rell vgl. 209.259. 381  Vgl. dazu Arist 229 mit 215.261. Frömmigkeit sei die Auffassung, dass Gott alles bewirkt und ihm kein Ungerechter verborgen bleibt (210). Vgl. dazu auch die Furcht Gottes in 189. 382  So Arist 240.

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geschenkt habe.383 Ptolemaios wird von Gott wegen seiner tugendhaften Haltung geehrt.384 Diese positive Kennzeichnung des Ptolemaios ist ge­ rade bei einem Vergleich mit den übrigen Traditionen zur Tischgemein­ schaft mit Heiden auffällig. Bei den nichtjüdischen Mahlteilnehmern handelt es sich nämlich häufiger um einen heidnischen Herrscher. Dem innerhalb des Aristeasbriefes positiv bewerteten Ptolemaios stehen je­ doch im Fall der für Esther und Judith überlieferten Mähler mit Haman und Holofernes zwei äußerst negativ bewertete Nichtjuden gegenüber. Diese sind nämlich geradezu Gegner der Juden, wobei das entsprechen­ de Mahl der Rettung der Juden dient.385 Damit lässt sich im Hinblick auf die Frage der Tischgemeinschaft im Aristeas­ brief Folgendes festhalten: Das Mahl, das Ptolemaios ausrichtet, entspricht so­ wohl in Hinsicht auf die Speisen als auch in Hinsicht auf das Tischgebet den jüdischen Regeln. Dieser Verzicht des Ptolemaios auf Götzendienst bei einem gemeinsamen Mahl mit Juden ist dabei offenbar nicht nur ein Zeichen für be­ sondere Gastfreundschaft. Er ist nämlich verbunden mit einer insgesamt auf­ fallend positiven Bewertung von Ptolemaios. Dieser ist jemand, der sich durch Gerechtigkeit und Gottesfurcht auszeichnet. Gerade damit steht das Mahl des Ptolemaios mit den jüdischen Gesandten insgesamt in deutlicher Nähe zu dem im griechisch-römischen Bereich (s.u. 2.2.1.3c) und auch im griechischspra­ chigen Judentum (s.u. 2.2.2) breit belegten Ideal vom Mahl als Gemeinschaft zwischen Gleichen,386 und zwar Gerechten bzw. moralisch Guten. Die Beson­ derheit des Aristeasbriefes besteht dabei darin, dass in ihm dieses Ideal auf ein Mahl zwischen Juden und Nichtjuden angewendet wird. Bei diesem handelt es sich nämlich üblicherweise gerade nicht um das Mahl von Gleichen, beispiels­ weise solchen, die den gleichen Gott verehren. Vielmehr zielen die verschie­ denen Anordnungen zur Tischgemeinschaft zwischen Juden und Nichtjuden ansonsten allenfalls darauf, Juden unter Wahrung ihrer eigenen Bräuche und 383  Im Einzelnen hat Gott Ptolemaios Einsicht (Arist 267), eine edle Gesinnung (274), Ver­ stand und Urteilsvermögen (276), Milde und Menschenfreundlichkeit (290), eine reine und makellose Gesinnung (292) gegeben, ebenso den wichtigen Gedanken, dass seine Beamten seine Untertanen nicht ungerecht behandeln sollen (271). 384  So Arist 285. 385  Vgl. dazu besonders die Tradition zu Judith: Holofernes will Judith verführen (Jdt 12,12.16), Judith hingegen will in die Nähe des Holofernes gelangen, um ihn zu ermorden. Der An­ griff erfolgt unmittelbar in der Nacht nach dem gemeinsamem Mahl, als Holofernes be­ trunken ist und sich nicht wehren kann (12,20; 13,2), in dessen Zelt, und zwar über seinem Bett (13,4–8). 386  Die Anknüpfung an griechisch-hellenistische Ideale lässt sich für den Aristeasbrief brei­ ter nachweisen, vgl. dazu Schimanowski, Aristeasbrief, 60.

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damit ihrer Differenz gegenüber den Heiden überhaupt eine Teilnahme an nichtjüdischen Mählern zu ermöglichen. Die Gesetzestreue der Mahlteilnehmer in moralisch-ethischer Hinsicht als Kriterium zur Beschränkung der Tischgemeinschaft zwischen Juden In den griechischsprachigen Schriften des antiken Judentums wird nicht nur die Frage der Tischgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden mehrfach behan­ delt, sondern auch das Verhalten von Juden in Hinsicht auf ein gemeinsames Mahl mit anderen Juden geregelt. Dabei wird in den entsprechenden Anord­ nungen jeweils gefordert, Tischgemeinschaft mit Juden zu unterlassen, die in ihrer Lebensführung gegen den Willen Gottes verstoßen, indem sie ungerecht oder anderweitig moralisch verdorben sind. Für diese Anordnungen, die die Voraussetzungen für eine Tischgemeinschaft zwischen Juden näher festlegen, lässt sich insgesamt auf einen großen Einfluss aus dem hellenistischen Bereich schließen. Dafür spricht bereits der Überlieferungsbefund. Während die im Hintergrund der Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden stehenden Speisegebote bereits in den hebräischen Schriften aus vorhellenistischer Zeit mehrfach und an zentraler Stelle (nämlich in der Tora) belegt sind, gilt dies für die entsprechenden Vorschriften zur innerjüdischen Tischgemeinschaft nicht in derselben Weise. Sie lassen sich nämlich vor allem in der jüdischen Weis­ heitsliteratur feststellen und finden sich innerhalb der hebräischen Schriften erst im Sirachbuch, welches offenbar selbst bereits hellenistisch beeinflusst ist (s.u. 2.2.2.1). Mehrfach sind die entsprechenden Anordnungen dann innerhalb der Septuaginta überliefert, und zwar unter Verwendung der Rede vom „ge­ meinsamen Essen“ auch an solchen Stellen, an denen im erhaltenen hebrä­ ischen Text zumindest diese Formulierungsweise (Spr 23,6–8 LXX) oder aber gar der Zusammenhang des Essens insgesamt (Ps 100,5 LXX) fehlen.387 Darüber hinaus besteht für die entsprechenden Bestimmungen auch in inhaltlicher Hinsicht eine deutliche Nähe zu und Übereinstimmung mit paganen Texten, wie vor allem eine genauere Untersuchung der griechischen Tradition zum Symposium und der Regelung der Tischgemeinschaft im Sirachbuch zeigen wird. Gerade die Regeln zur Tischgemeinschaftspraxis zwischen Juden lassen 2.2

387  Die Vermeidung der Tischgemeinschaft mit verkommenen Menschen klingt innerhalb der hebräischen Bibel zwar bisweilen an, doch wird der Schwerpunkt dann jeweils auf die Speisen gelegt, die von einem verdorbenen Menschen stammen, so z.B. in Ps 141,4b MT, wo sich der Beter weigert, von den schmackhaften Speisen derjenigen zu essen, die Un­ rechtstaten verüben. In der Septuaginta-Version findet sich anstelle dieser Aussage vom Essen dann hingegen die allgemeine Feststellung, dass sich der Beter nicht mit den Aus­ erwählten dieser Menschen verbinden will (καὶ οὐ μὴ συνδυάσω μετὰ τῶν ἐκλεκτῶν αὐτῶν).

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demzufolge aber klar erkennen, dass im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem griechisch-hellenistischen Kulturkreis jüdische Essensvorschriften nicht nur zur Abgrenzung von der nichtjüdischen Umwelt (so vor allem die Speise­ gebote aus Lev 11/Dtn 14) dienen, sondern auch selbst in enger Anknüpfung an hellenistische Motive formuliert wurden. Dies gilt auch für die urchristlichen Schriften. In ihnen wurde die griechische Tradition vom Symposium nämlich insbesondere für die mehrfach belegte Deutung des gemeinsamen Essens Jesu mit den Zöllnern und Sündern herangezogen, wie sich im Rahmen einer ge­ naueren Analyse der entsprechenden urchristlichen Texte deutlich feststellen lassen wird (s.u. IIIB 3). 2.2.1

Zentrale Motive der griechisch-römischen Tradition vom Symposium Anders als in der im christlichen Kanon zum Alten Testament gewordenen Sammlung von israelitischen Schriften ist die Tradition der Tischgemeinschaft in der griechisch-römischen Welt tief verwurzelt. Dabei sind in der pagangrie­ chischen Literatur des 1. und 2. Jh. n.Chr. mehrere längere Abhandlungen über­ liefert, die Fragen der Tischgemeinschaft regeln, beispielsweise innerhalb der neun Bücher der Quaestiones convivales des Plutarch (vgl. auch dessen Septem sapientium convivium) oder innerhalb der Deipnosophistae des Athenaios, die ihrer Form nach Tischgespräche während eines Gastmahls sind. Sie zeigen deutlich, dass die Beschränkung der Tischgemeinschaft auf bestimmte Perso­ nen kein Spezifikum des Judentums des Zweiten Tempels ist. Auch im zeit­ genössischen paganen Umfeld müssen potentielle Mahlteilnehmer nämlich bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Bisweilen lässt sich ausdrücklich eine moralisch-ethische Zielrichtung erkennen, wenn gefordert wird, dass man seine Tischpartner sorgfältig aus dem Kreis anständiger Personen auswäh­ len soll. Gerade dieses Kriterium der moralischen Beschaffenheit wurde in der Forschung generell – auch in der Forschung zum Symposium selbst – bislang nicht ausreichend berücksichtigt, ist jedoch für die Anordnungen zur innerjü­ dischen Mahlgemeinschaft im hellenistischen Judentum und Urchristentum von zentraler Bedeutung. Dabei hat die Beschränkung des Mahls auf mora­ lisch Gute im pagangriechischen Bereich ihre Grundlage in der dortigen ge­ nerellen Sichtweise zum Mahl. Innerhalb der philosophischen Tradition zum Symposium galt es nämlich als Ideal, das gemeinsame Mahl auf enge Vertraute und Freunde einzugrenzen, zwischen denen prinzipiell eine gewisse Gleich­ heit bestehen sollte. Entscheidende Bedeutung für das Mahl hat die Gemein­ schaft selbst, und zwar insbesondere in Gestalt der Tischgespräche unter den Mahlteilnehmern. Gerade diese Motive der Freundschaft und Tischgespräche begegnen auch im Rahmen der entsprechenden jüdischen und urchristlichen

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Anordnungen zur Tischgemeinschaft zwischen Juden. Aus diesem Grund sol­ len im Folgenden die zentralen Topoi aus der griechisch-römischen Konzepti­ on zum Symposium näher dargestellt werden, welche augenscheinlich sowohl auf die Diskurse im griechischsprachigen Judentum als auch auf diejenigen im Urchristentum entscheidenden Einfluss ausübten.388 Auf diese Weise wird deutlich werden, worin die eigentliche Gefahr einer Tischgemeinschaft mit schlechten Menschen liegt. Gerade die am gemeinsamen Essen grundsätzlich besonders positiv bewertete Gemeinschaft wird bei moralisch verdorbenen Menschen nämlich zum Problem, und zwar deshalb, weil enge Gemeinschaft mit Schlechten geradezu notwendigerweise zu einer Verschlechterung der eigenen moralischen Beschaffenheit führt. 2.2.1.1 Tischgemeinschaft als Gemeinschaft mit Freunden In der griechisch-römischen Kultur spielen Gastmähler für den gesellschaft­ lichen Umgang eine große Rolle. Gewöhnlich stehen Tischgenossen in einer engen Beziehung zueinander. In Bezug auf den äußeren Rahmen dieser Gast­ mähler handelt es sich nämlich vor allem um die beiden folgenden Situatio­ nen: Zum einen waren Symposien die zentrale Betätigungsform politischer und religiöser Vereine,389 zum anderen veranstaltete jemand ein Mahl für seine Freunde.390 Die zentrale Bedeutung der Freundschaft für den Komplex der Tisch­ gemeinschaft391 lässt sich deutlich im Rahmen einer Durchsicht der griechi­ schen Literatur nach Texten erkennen, die von einem gemeinsamen Essen berichten. Sie zeigt nämlich, dass Termini wie συνεσθίω κτλ., συνδειπνέω κτλ. und συσσιτέω κτλ., welche auf den Komplex der Mahlgemeinschaft verweisen, häufig in Verbindung mit Begriffen verwendet werden, die das Verhältnis zwi­ schen Menschen als ein freundschaftliches bestimmen. Besonders ausführlich erläutert Plutarch (1. Jh. n.Chr.) den Zusammenhang zwischen Tischgemein­ schaft und Freundschaft am Beginn des vierten Buches seiner Tischgespräche (Mor. 659E–660C): In diesem Rahmen geht Plutarch von einem Ratschlag des Polybios an den jüngeren Scipio Africanus aus, wonach dieser den Markt, auf dem er mit den Angelegenheiten der Bürger beschäftigt war, nicht eher verlassen 388  Zu einer umfassenderen Darstellung des römischen Gastmahls vgl. vor allem Stein-Höl­ keskamp, Gastmahl. Für den griechischen Bereich vgl. die Einzeluntersuchungen Betten­ worth, Gastmahlszenen; Köster, Trink- und Mahlgemeinschaften. 389  Dazu s.u. IIIB 1.3.4. 390  Vgl. Smith, Symposium, 9f. 391  Zu einem knappen Überblick vgl. Smith, Symposium, 55.

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soll, bevor er sich jemanden zum Freund gemacht hat (μὴ πρότερον ἐξ ἀγορᾶς ἀπελθεῖν ἢ φίλον τινὰ ποιήσασθαι τῶν πολιτῶν). Dabei sei Freund­ schaft in diesem Fall nicht in einem engeren Sinne von unwandelbarer und beständiger Freundschaft (φίλον δὲ δεῖ μὴ πικρῶς μηδὲ σοφιστικῶς ἀκούειν ἐκεῖνον τὸν ἀμετάπτωτον καὶ βέβαιον),392 sondern in einem wei­ teren Sinne von Wohlwollen (ἀλλὰ κοινῶς τὸν εὔνουν) zu verstehen. Der Unterschied zwischen Freundschaft und bloßem Wohlwollen liege näm­ lich darin, dass Letzteres zu allen Menschen bestehen kann, wohingegen Freundschaft allein mit den Guten bzw. Rechtschaffenen eingegan­ gen werden soll ([…] εὔνους μὲν αὑτῷ παρασκευάζειν ἅπαντας, φίλους δὲ ποιεῖσθαι τοὺς ἀγαθούς). Wahre Freundschaft könne nämlich nur über eine ­längere Zeitdauer und Tugend entstehen (φιλία γὰρ ἐν χρόνῳ πολλῷ καὶ δι’ ἀρετῆς ἁλώσιμον), Wohlwollen hingegen schon durch Umgang, das Zusammensein und Scherz zwischen Geschäftsmännern (εὔνοιαν δὲ καὶ χρεία καὶ ὁμιλία καὶ παιδιὰ πολιτικῶν ἀνδρῶν ἐπάγεται). Vor diesem Hin­ tergrund regt Plutarch an, den Ratschlag des Polybios auf das Gastmahl zu übertragen. Auch dieses solle man wie den Markt nicht eher verlas­ sen, bevor man sich das Wohlwollen und die Freundschaft eines der mit­ anwesenden Gäste erworben hat ([…] ὥστε δεῖν μὴ πρότερον ἀναλύειν ἢ κτήσασθαί τινα τῶν συγκατακειμένων καὶ παρόντων εὔνουν ἑαυτῷ καὶ φίλον). Zum Gastmahl kommen vernünftige Menschen Plutarch zufolge nämlich zum einen mit dem Ziel, neue Freunde zu gewinnen, zum anderen aber, um die alten zu erfreuen (εἰς δὲ συμπόσιον οἵ γε νοῦν ἔχοντες ἀφικνοῦνται κτησόμενοι φίλους οὐχ ἧττον ἢ τοὺς ὄντας εὐφρανοῦντες). Derjenige, der die Zahl seiner Freunde beim Weggehen von einem Gastmahl nicht vergrö­ ßert hat, zeige damit, dass er Gast nur dem Bauche, nicht der Seele nach gewesen ist. Zum Gastmahl komme man nämlich nicht nur deshalb zu­ sammen, um Fleisch, Wein und Nachtisch mit den anderen Gästen zu tei­ len, sondern auch die Gespräche, den Scherz und die Freundlichkeit, die 392  Die Voraussetzungen für wahre Freundschaft erläutert Plutarch genauer in Mor. 94A–B. Danach erfordert wahre Freundschaft drei Dinge: die Tugend als etwas Schönes, den Um­ gang als etwas Angenehmes und den Gebrauch als etwas Notwendiges (τὴν ἀρετὴν ὡς καλόν, καὶ τὴν συνήθειαν ὡς ἡδύ, καὶ τὴν χρείαν ὡς ἀναγκαῖον). Man soll sich einen Freund durch Prüfung wählen, gerne mit ihm umgehen, im Notfall sich seiner bedienen. Dies steht einer größeren Anzahl von Freunden im Weg. Ähnliche Aussagen finden sich bereits bei Aristoteles. Er führt in Eth. nic. 9,8 (1168B7f.) folgende Kennzeichen der Freundschaft an: Einheit (μία ψυχή), gemeinsames Gut (κοινὰ τὰ τῶν φίλων) und Gleichheit (φιλότης – ἰσότης), daneben in Eth. nic. 9,8 (1169A18–20) die Verpflichtung zum Einsatz des Lebens. Daher gelte: „Keinen Freund hat, wer viele Freunde hat“ (Eth. eud. 7,12 [1245B20f.]); vgl. auch Eth. nic. 9,10 (1170B–1171A, bes. 1171A15f.). Zur Begrenzung der Freunde auf wenige vgl. auch Theognis 1,73–86.

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zur Freundschaft führe (ὁ γὰρ σύνδειπνος οὐκ ὄψου καὶ οἴνου καὶ τραγημάτων μόνον, ἀλλὰ καὶ λόγων κοινωνὸς ἥκει καὶ παιδιᾶς καὶ φιλοφροσύνης εἰς εὔνοιαν τελευτώσης). Wie die Griffe der Ringer Sand benötigen, so gebe der Wein, mit Gesprächen gemischt, die Gelegenheit dazu, Freunde zu fassen (αἱ μὲν γὰρ παλαιόντων ἐπιβολαὶ καὶ ἕλξεις κονιορτοῦ δέονται, ταῖς δὲ φιλικαῖς λαβαῖς ὁ οἶνος ἁφὴν ἐνδίδωσι μιγνύμενος λόγῳ). Der Begriff der „Freundschaft“ kann – wie Plutarch selbst feststellt393 – im Kontext der Tischgemeinschaft demzufolge insgesamt in einem recht weiten Sinne gebraucht werden,394 wobei grundsätzlich auch ein politischer Hinter­ grund möglich ist.395 Er zeigt in jedem Fall besonders deutlich, dass zwischen Tischgenossen ein positives Verhältnis bestehen soll. Der innerhalb des vorliegenden Textes breit ausgeführte Zusammenhang zwischen Tischgemeinschaft und Freundschaft gilt in der paganen Antike generell. So sind nicht nur bei Plutarch Texte überliefert, die vom gemeinsa­ men Essen von Freunden berichten396 oder auf ein solches schließen lassen.397 Vielmehr finden sich solche Texte schon bei Homer398 und den Historikern

393  Vgl. dazu, dass enge Freundschaft hingegen eine längere Phase der Verbundenheit voraus­ setzt. Nach Plut. Mor. 94A ist nämlich nicht derjenige ein Freund, mit dem man einmal zusammengetrunken hat, sondern mit dem man seit Langem den „Scheffel Salz gegessen hat“ (zu diesem Sprichwort schon Aristot. Eth. nic. 8,4 [1156B25]; und dann z.B. Cic. Amic. 19,67). 394  Der Terminus amicitia konnte neben privaten, emotionalen Beziehungen auch für politische, auf einen bestimmten Zweck ausgerichtete Bündnisse verwendet werden. Zur Weite des Bedeutungsspektrums von amicitia generell vgl. vor allem Brunt, Fall, 351–381, bes. 381; vgl. auch Konstan, Friendship, 122–148. 395  Die politische Bedeutung von amicitia lässt sich im Kontext der Tischgemeinschaft besonders deutlich beim Historiker Cassius Dio erkennen. Er berichtet mehrfach, dass römische Kaiser gemeinsam mit den führenden Männern gegessen haben (so für Vitellius in 65,2,3; für Hadrian in 69,7,3), und bezeichnet die Männer der Senatsaristokratie in die­ sem Rahmen gelegentlich ausdrücklich als Freunde des Kaisers. So habe Vespasian jeden Tag von den Senatoren und anderen Persönlichkeiten viele zu seinen Tischgenossen ge­ macht, und auch er selbst habe oft bei seinen engsten Freunden gespeist (καὶ πολλάκις καὶ αὐτὸς παρὰ τοῖς πάνυ φίλοις ἐδείπνει in 66,10,6). Demgegenüber stellt Cassius Dio für Kaiser Antoninus, genannt Caracalla, fest, er habe den größten Teil mit seinen Freigelassenen verprasst, hingegen nur wenig für seine Freunde aufgewendet, wobei er Letzteres damit begründet, dass er mit den Senatoren nicht mehr zusammen essen wollte (77,18,4). 396  Vgl. Plut. Mor. 726E: συνδειπνοῦντες τοῖς φίλοις; 531B: ἐν συμποσίῳ φίλου; Alex. 54,4: […] τὸν Ἀλέξανδρον ἐν τῷ συμποσίῳ πιόντα φιάλην προτεῖναί τινι τῶν φίλων; Vgl. auch Ant. 28,7: […] συνδειπνεῖν παρ’ αὐτῷ μετὰ τῶν ἄλλων ἑταίρων ἐπιεικῶς. 397  So Plut. Cat. Min. 68,1. 398  Vgl. Hom. Il. 17,577: […] ἐπεί οἱ ἑταῖρος ἔην φίλος εἰλαπιναστής.

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wie Herodot (5. Jh. v.Chr.),399 Xenophon (5.–4. Jh. v.Chr.),400 Diodorus Sicu­ lus (1. Jh. v.Chr.),401 Dionysios von Halikarnassos (1. Jh. v.Chr.)402 und Cassius Dio (2. Jh. n.Chr.),403 ebenso bei den Rednern Isaeus (5.–4. Jh. v.Chr.),404 Lysias (5.–4. Jh. v.Chr.)405 und Aischines (4. Jh. v.Chr.)406 sowie bei dem Philosophen Theophrast (4.–3. Jh. v.Chr.).407 Darüber hinaus überliefert auch Athenaios (2. Jh. n.Chr.) in seinem „Gastmahl der Gelehrten“ im Anschluss an ältere Quel­ len Rekurse, die vom Essen mit Freunden berichten.408 Umgekehrt wird Tisch­ gemeinschaft mit Feinden strikt abgelehnt.409 399  Vgl. Hdt. 5,24,4: König Dareios bittet Histiaios, ihn nach Susa zu begleiten und als sein Tischgenosse und Ratgeber (ἐμός τε σύσσιτος ἐὼν καὶ σύμβουλος) alles mit ihm zu teilen. Unmittelbar zuvor in 5,24,3 bezeichnet Dareios ihn als einen einsichtigen und wohlge­ sonnenen Freund (ἀνὴρ φίλος συνετός τε καὶ εὔνοος). 400  Vgl. Xen. Cyr. 3,2,25: Nachdem die bis dahin verfeindeten Armenier und Chaldäer ein Bündnis geschlossen hatten, lud Kyros beide Völker zu sich zum Essen ein, weil sie nun Freunde waren (συνδείπνους ἔλαβεν ἀμφοτέρους πρὸς ἑαυτὸν ὡς φίλους ἤδη). Vgl. auch Cyr. 8,7,14, wonach man zu den Tischgenossen zwar ein weniger enges Verhältnis hat als zu Mitgliedern der eigenen Familie, aber ein engeres als zu Menschen, die in einem anderen Zelt wohnen (καὶ πολῖταί τοι ἄνθρωποι ἀλλοδαπῶν οἰκειότεροι καὶ σύσσιτοι ἀποσκήνων). 401  Vgl. Diod. 37,22a,1: Sertorius habe es nicht für würdig gehalten, die führenden Männer zu seinen Gastmählern einzuladen, und seinen Freunden außerdem keinerlei Gunstbezeu­ gung zuteilwerden lassen (οὐδὲ φιλανθρωπίας οὐδεμιᾶς μετεδίδου τοῖς φίλοις). 402  Vgl. Dion. Hal. Ant. rom. 10,7,3: οὗτός μοι συνεδείπνει παρὰ φίλῳ. 403  Vgl. Cass. Dio 2 bei Zon. 7,11,9 (Boissevain I, 30,21f.): […] καὶ ἐξ ἀνδρῶνος, ἐν ᾧ συνειστιᾶτο φίλοις, ὄφις μέγας ἐπιφανεὶς αὐτόν τε καὶ τοὺς συσσίτους ἐξέβαλε. 404  Vgl. dazu den Gebrauch von συσσίτους in Verbindung mit dem Gedanken der Freund­ schaft in Isaeus, De Nicostrato 18. 405  Vgl. Lys., De caede Eratosthenis 22 und 39. 406  Vgl. dazu, dass ein Vorgehen gegen solche, mit denen man Tischgemeinschaft hatte, kri­ tikwürdig ist, so Aischin. Fals. leg. 22 (im Gegensatz zu einem Vorgehen gegen erbitterte Feinde); vgl. auch 97 und 163. 407  Vgl. Theophr. Char. 24,9: Ein hochmütiger Mann „isst, wenn er seine Freunde bewirtet, nicht selbst mit ihnen (καὶ ἑστιῶν τοὺς φίλους αὐτὸς μὴ συνδειπνεῖν), sondern trägt einem seiner Untergebenen auf, sich um sie zu kümmern.“ 408  So Athenaios 6,57 (250E) im Anschluss an Hegesander (3. Jh. v.Chr.): τοὺς συνδειπνοῦντας τῶν φίλων. In 10,11 (418B) berichtet Athenaios im Anschluss an Polybios (3.–2. Jh. v.Chr.) 20,6,6, dass viele Böotier nach der Schlacht von Leuktra den Freunden Beiträge für geselli­ ge Zusammenkünfte zur Verfügung gestellt hätten. Sogar solche, die eigene Nachkommen hatten, hätten den größten Teil ihres Vermögens ihren Tischgenossen zugeteilt, sodass es viele Böotier gab, denen im Monat mehr Mahlzeiten geboten wurden, als der Monat Tage hat. 409  Dion Chrysostomos nennt in einem Abschnitt (40,31), in dem er die negativen Folgen eines rivalisierenden Verhaltens von Städten erläutert, mehrere Handlungen, die er als äußerst unglücklich (δυστυχέστατον) bewertet. Unter ihnen findet sich neben dem Ein­ kauf bei und dem Verkauf an Menschen, die einen hassen, dem Einlaufen in einen Hafen, in dem man nicht erwünscht ist, der Aufnahme von Menschen, die auf einen schimpfen,

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Im Einzelnen lässt sich der Gedanke der Freundschaft im Umfeld von Bele­ gen zur Tischgemeinschaft – wie innerhalb des oben behandelten Textes des Plutarch – in zweifacher Gestalt feststellen:410 Einerseits dient das gemein­ same Mahl der Pflege bereits bestehender freundschaftlicher Beziehungen. Eine solche Überzeugung vertritt offenbar Lukian (2. Jh. n.Chr.). Er äußert den Gedanken der Freundschaft mehrfach in Verbindung mit dem der Tischge­ meinschaft411 und betont, dass das Eingehen von Tischgemeinschaft bereits die Freundschaft zu den entsprechenden Tischgenossen zur Voraus­setzung hat: Niemand würde seinen Feind oder einen unbekannten Menschen oder auch nur einen, mit dem er wenig Umgang hat, zu Tisch einladen, son­ dern man müsse erst ein Freund geworden sein, um Trankopfer, Tisch und die Mysterien dieser Kunst zu teilen (Ὅτι οὐδεὶς ἐχθρὸν ἢ ἀγνῶτα ἄνθρωπον ἀλλ’ οὐδὲ συνήθη μετρίως ἐπὶ δεῖπνον καλεῖ, ἀλλὰ δεῖ πρότερον οἶμαι τοῦτον γενέσθαι φίλον, ἵνα κοινωνήσῃ σπονδῶν καὶ τραπέζης καὶ τῶν τῆς τέχνης ταύτης μυστηρίων). Daher heiße es oft: „Wie sollte der unser Freund sein, da er doch weder mit uns gegessen noch getrunken hat?“ (Ποταπὸς δὲ οὗτος φίλος ὅστις οὔτε βέβρωκεν οὔτε πέπωκεν μεθ’ ἡμῶν). Daraus werde aber deutlich, dass man nur den, mit dem man gegessen und getrunken hat, für einen echten Freund hält (δῆλον ὅτι τὸν συμπίνοντα καὶ συνεσθίοντα μόνον πιστὸν φίλον ἡγουμένων).412 Das gemeinsame Essen und Trinken ist somit für Lukian geradezu ein Erkennungszeichen dafür, wer bereits zu den Freunden eines Menschen gehört. Gerade eine solche Schlussfolgerung steht offenbar im Hintergrund des in Lk 7,34/Mt 11,19 belegten Vorwurfs. Auf der Basis der üblicherweise geltenden freundschaftlichen Beziehung von Tischgenossen lässt sich dann nämlich aus dem gemeinsamen Essen Jesu mit Zöllnern und Sündern tatsächlich eine Be­ wertung Jesu als deren Freund herleiten (s.u. IIIB 3.2). sowie der Benutzung eines Schiffes, dessen Besatzung einen verwünscht, auch das ge­ meinsame Essen mit Leuten, die einzig Abneigung gegen einen empfinden (συνεστιᾶσθαι δὲ ἐνίοτε τοῖς ἀλλοτριωτάτοις). 410  Zum Erzeugen und Befördern von Freundschaft als Ziel des Gastmahls vgl. Plut. Mor. 618E; Plat. Leg. 640C–D.671E–672A. 411  Vgl. Lukian, Gall. 9: „Ich feiere heute den Geburtstag meiner Tochter und habe viele Freunde dazu eingeladen“ (θυγατρὸς τήμερον ἑστιῶ γενέθλια καὶ παρεκάλεσα τῶν φίλων μάλα πολλούς); 12: „[…] und gab Befehl, sogleich ein herrliches Gastmahl anzurichten zur Bewirtung der Freunde“ (ἐκέλευον ἑστίασίν τινα λαμπρὰν εὐτρεπισθῆναι ἐς ὑποδοχὴν τῶν φίλων). 412  Vgl. Lukian, Par. 22.

2  Tischgemeinschaft

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Andererseits finden sich aber auch Texte, denen zufolge das gemeinsame Essen erst ein Mittel zum Aufbau freundschaftlicher Beziehungen ist. Eine sol­ che freundschaftsbildende Funktion des Mahls wird mehrfach von Plutarch erwähnt,413 ist aber auch darüber hinaus belegt.414 Bisweilen wird die zentrale Rolle von Freunden für ein Gastmahl ausdrück­ lich thematisiert. So wird dem Zusammensein mit dem Freund während des Mahls geradezu eine größere Bedeutung zugemessen als den Speisen selbst oder allen anderen äußeren Dingen.415 Für das Gelingen eines Gastmahls ist demzufolge die Auswahl der Gäste von entscheidender Bedeutung. Sie soll sich vor allem auf die besten und vertrautesten Freunde richten.416 Dabei wird eine Beschränkung von Tischgemeinschaft auf Freunde und enge Vertraute gegen andere Praktiken417 verteidigt.418 So lehnt Plutarch den verbreiteten 413  Vgl. Plut. Cat. Maj. 25,3f.: Plutarch berichtet, dass der ältere Cato seine Vertrauten unter den benachbarten und unweit lebenden Gutsbesitzern zum Mahl eingeladen hat (ἐκάλει γὰρ ἑκάστοτε τῶν ἀγρογειτόνων καὶ περιχώρων τοὺς συνήθεις καὶ συνδιῆγεν ἱλαρῶς). Er habe die Tafel für die beste Gelegenheit gehalten, Freundschaften zu schließen (τὴν δὲ τράπεζαν ἐν τοῖς μάλιστα φιλοποιὸν ἡγεῖτο). Zur freundschaftsbildenden Funktion des Mahls vgl. neben Plut. Mor. 659E–660C auch 612D ([…] τῷ φιλοποιῷ λεγομένῳ […] τῆς τραπέζης); 621C; 709B, D (ἀρχήν τινα συνηθείας καὶ φιλίας) und E. 414  Diodor (18,46,2) führt die Einladung zum gemeinsamen Essen ([…] κατὰ τὰ σύνδειπνα καθ’ ἡμέραν τοὺς ἀξιολογωτάτους ἐν μέρει παραλαμβάνων ἐπὶ τὰς ἑστιάσεις) neben dem Vertei­ len von Kriegsbeute als eine der Maßnahmen auf, mit denen sich Alcetas die Pisidier zu Bündnispartnern (συμμάχους) machte, die ihm wohlwollend gegenüber eingestellt sind ([…] ἰδίους ταῖς εὐνοίαις κατεσκεύασεν). 415  Vgl. Plut. Mor. 708C: „Keine Speise, kein Wein, keine Salbe bringt so viel Vergnügen wie ein wohlgesonnener und lieber Tischgenosse“ (οὔτε γὰρ ὄψον οὔτ’ οἶνος οὔτε μύρον οὕτως ἡδέως διατίθησιν ὡς σύνδειπνος εὔνους καὶ προσηνής). Vgl. auch Mor. 147F–148A. 416  So hebt Plutarch (Mor. 678C–D) einen gewissen Onesikrates positiv hervor. Andere hät­ ten nämlich ihm zu Ehren Gastmähler veranstaltet und zu diesen immer eine Menge solcher eingeladen, von denen man glaubte, dass sie auch nur in irgendeiner Beziehung zu Plutarch stehen (ἐκαλοῦντο γὰρ ἀεὶ πολλοὶ τῶν ὁπωσοῦν προσήκειν δοκούντων). Im Gegen­ satz dazu habe Onesikrates die Gastmähler auf die besten und vertrautesten Freude des Plutarch beschränkt (οὐ πολλοὺς ἀλλὰ τοὺς σφόδρα συνήθεις καὶ οἰκειοτάτους παρέλαβεν ἐπὶ τὸ δεῖπνον). Vgl. dazu auch Cass. Dio 66,10,6: καὶ πολλάκις καὶ αὐτὸς παρὰ τοῖς πάνυ φίλοις ἐδείπνει. 417  Das Problem, dass zu Gastmählern zu viele Gäste eingeladen werden, verhandelt Plutarch vor allem in Mor. 678C–679E. Angesichts der großen Zahl von Freunden ist die Auswahl der Gäste aus diesem weiten Freundeskreis auch vom Anlass des Gastmahls abhängig zu machen (679C–E). 418  Vgl. Plut. Mor. 707C: Ein gewisser Caesernius habe die Praxis abgelehnt, dass eingela­ dene Gäste weitere Personen zum Mahl mitbringen. Er sei nämlich im Anschluss an Hesiod (vgl. Op. 342) der Meinung gewesen, man müsse vor allem Freunde zum Mahl (τὸν φιλέοντ’ ἐπὶ δαῖτα καλεῖν) oder höchstens Vertraute und Bekannte zur Gemeinschaft des Trankopfers, der Tafel, der Unterhaltung beim Wein und des Wohlwollens einladen

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Brauch, dass geladene Gäste weitere ungeladene Personen zu einem Gastmahl mitbringen, grundsätzlich ab.419 Er lässt ihn nur für den Fall zu, dass es sich bei demjenigen, der ohne vorherige Einladung mitgebracht wird, um einen Freund des Gastes420 oder um einen Vertrauten des Gastgebers421 handelt. Auch Sene­ ca fordert in Rückgriff auf Epikur422 dazu auf, der Auswahl der Gäste besonde­ re Aufmerksamkeit zu widmen ([…] circumspiciendum est, cum quibus edas et bibas), denn ein Mahl ohne Freund sei eine Abfütterung von Löwe und Wolf (visceratio leonis ac lupi).423 2.2.1.2 Die zentrale Bedeutung der Gemeinschaft und der Tischgespräche Die Beschränkung der Tischgemeinschaft auf enge Freude hat ihren Grund darin, dass auf diese Weise der Gemeinschaftsaspekt des Mahls in besonderer Weise gefördert wird. Im Fall der Tischgemeinschaft mit Freunden handelt es sich nämlich insofern um ein gelungenes Mahl, als dieses ein Zusammensein mit Vergnügen ist: So bewertet Plutarch es als weniger unangenehm, mit Menschen, die einem zuwider sind, gezwungenermaßen auf einem Schiff zu fahren, in einem Haus zu wohnen424 oder gemeinsam in einem Gerichtshof zu sitzen als mit solchen Menschen gemeinsam zu essen. Nichts sei aber angenehmer als das Gegenteil, d.h. als das Gastmahl mit den Vertrauten. Der Grund für diese Bewertung besteht in der Beschaffenheit des Gast­ mahls. Dieses sei nämlich ein Miteinander-Teilen des Ernstes und des Scherzes, der Gespräche und Handlungen (κοινωνία γάρ ἐστι καὶ σπουδῆς καὶ παιδιᾶς καὶ λόγων καὶ πράξεων τὸ συμπόσιον). Daher dürfe aber nicht (εἰ δὲ μή, γνωρίμους αὑτῶν καὶ ἐπιτηδείους παρακαλεῖν ἐπὶ κοινωνίαν σπονδῆς καὶ τραπέζης καὶ λόγων ἐν οἴνῳ γινομένων καὶ φιλοφροσύνης). 419  Vgl. Plut. Mor. 707A–710A. 420  Vgl. Plut. Mor. 708B–C: Bewirtet man einen Freund, so solle man dessen Bekannte, Freunde und Verwandte (τοὺς γνωρίμους αὐτοῦ καὶ συνήθεις ἢ οἰκείους) miteinladen. Man erweise ihm nämlich eine größere Ehre und Gefälligkeit, wenn es einem nicht entgeht, dass er diese am meisten schätzt, am liebsten in ihrer Gesellschaft ist und sich freut, dass sie ebenso wie er geehrt und eingeladen wurden (τούτους ἀσπάζεται μάλιστα καὶ τούτοις ἥδιστα σύνεστι καὶ χαίρει τιμωμένοις ὁμοίως καὶ παρακαλουμένοις). In anderen Fällen soll man dem Freund die Wahl der mitzubringenden Personen lassen, vor allem wenn er viele Freunde und Bekannte hat (708C). 421  Vgl. Plut. Mor. 709A: μάλιστα μὲν καλεῖν τοὺς τοῦ δειπνίζοντος οἰκείους καὶ συνήθεις. 422  Bei den Epikureern wurde die Gemeinschaft der Freunde höher bewertet als die Speisen, vgl. dazu Lehmeier, Mähler, 62. 423  Vgl. Sen. Ep. 19,10. 424  Vgl. Plut. Mor. 148A.

2  Tischgemeinschaft

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jeder Beliebige Zugang haben (ὅθεν οὐ τοὺς τυχόντας), sondern nur solche, die miteinander befreundet und vertraut sind (ἀλλὰ προσφιλεῖς εἶναι δεῖ καὶ συνήθεις ἀλλήλοις), damit sie mit Vergnügen miteinander zusammen sind (ὡς ἡδέως συνεσομένους).425 Der für das gemeinsame Mahl im Vergleich zum Essen alleine gerade spezi­ fische Aspekt der Gemeinschaft bildet offensichtlich den Kern der Tischge­ meinschaft.426 So definiert Plutarch das Gastmahl als „Gemeinschaft bei Tisch“ (ἡ συμποτικὴ κοινωνία).427 Die elementare Bedeutung der Gemeinschaft mit Freunden für eine Mahlzeit wird auch an dem Befund deutlich, dass die Be­ griffe „Gemeinschaft“428 oder „Freundschaft“429 als namensgebend für die Be­ zeichnung des Mahls diskutiert werden. Die Gemeinschaft des Mahls besteht vor allem aus den beim Essen statt­ findenden Tischgesprächen. Die zentrale Bedeutung der Gemeinschaft in Form der Tischgespräche stellt Plutarch mehrfach ausdrücklich fest.430 Diese sei nämlich geradezu wichtiger als die Nahrungsaufnahme selbst.431 Erst das 425  So Plut. Mor. 708D. Vgl. auch Plut. Lyc. 12,6: βουλόμενοι πάντας ἡδομένους ἀλλήλοις συνεῖναι. 426  Zur κοινωνία als zentralem Merkmal des gemeinsamen Mahls vgl. den kurzen Überblick bei Smith, Symposium, 54f. 427  So Plut. Mor. 615A. 428  Vgl. dazu auch, dass Plutarch in Mor. 726E berichtet, die Römer würden die Abendmahl­ zeit wegen der Gemeinschaft cena nennen (τὸ μὲν γὰρ δεῖπνόν φασι κῆναν διὰ τὴν κοινωνίαν καλεῖσθαι). Die alten Römer nahmen nämlich das frühe Mahl allein ein, ihre Abendmahl­ zeit aber mit Freunden (καθ’ ἑαυτοὺς γὰρ ἠρίστων ἐπιεικῶς οἱ πάλαι Ῥωμαῖοι συνδειπνοῦντες τοῖς φίλοις). 429  Vgl. Plut. Lyc. 12,1: Die Lakedaimonier würden die Gemeinschaftsmähler „Phiditia“ nen­ nen, wobei der Grund entweder darin bestehe, dass diese Mahlzeiten Freundschaft oder Wohlwollen begründen (εἴτε ὡς φιλίας καὶ φιλοφροσύνης ὑπαρχόντων), oder aber darin, dass sie an Einfachheit und Sparsamkeit gewöhnen. 430  So Plut. Mor. 614E: wie der Wein, so müsse auch die Unterhaltung etwas Gemeinsames sein, an dem sich alle beteiligen können (δεῖ γὰρ ὡς τὸν οἶνον κοινὸν εἶναι καὶ τὸν λόγον, οὗ πάντες μεθέξουσιν); 643B: die Gäste würden dadurch zu allgemeiner Gemeinschaft veran­ lasst, dass sie sich gemeinschaftlich miteinander unterhalten und an der Musik gleichen Anteil haben (ἀλλὰ καὶ τοῦτ’ ἴσως αὐτὸ πρὸς τὴν ἁπάντων κοινωνίαν ἐκκαλεῖται τοὺς συνόντας, ὅτι καὶ λόγῳ κοινῷ πρὸς ἀλλήλους χρώμεθα καὶ ᾠδῇ, ψαλτρίας τε τερπούσης; καὶ αὐλητρίδος ὁμοίως μετέχομεν); 644D: das Wichtigste und Kostbarste, nämlich die Gespräche, das Zu­ trinken und den freundschaftlichen Umgang, solle man gemeinschaftlich haben (εἶναι κοινά, λόγους, προπόσεις, φιλοφροσύνας). 431  Vgl. dazu vor allem Plut. Mor. 679A: Man solle dem Gastmahl eher den Wein als die ge­ meinsame Unterhaltung (λόγου κοινωνίαν) entziehen. Vgl. daneben auch Mor. 147E–F, wonach der vernünftige Mensch zum Gastmahl nicht deshalb kommt, um wie ein Gefäß angefüllt zu werden, sondern um etwas Ernsthaftes oder Scherzhaftes zu tun, etwas zu hören oder zu reden, wozu die Gelegenheit die Tischgenossen auffordert, wenn sie

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

gemeinsame Essen mit einem Freund und die dadurch ermöglichte Unterhal­ tung mit ihm machen Plutarch zufolge ein Essen überhaupt zu einem richti­ gen Mahl, das über die bloße Nahrungsaufnahme hinausgeht:432 So soll ein Mann, der seine Abendmahlzeit alleine gehalten hat, Plut­ arch zufolge gesagt haben: „Heute habe ich gegessen, aber nicht gespeist“ (βεβρωκέναι, μὴ δεδειπνηκέναι σήμερον). Dadurch habe er zum Ausdruck gebracht, dass jede Mahlzeit zur Würze Gemeinschaft und fröhliches Beisammensein erfordert (ὡς τοῦ δείπνου κοινωνίαν καὶ φιλοφροσύνην ἐφηδύνουσαν ἀεὶ ποθοῦντος). Die wirklich göttliche Würze der Mahlzeit und des Tisches sei nicht das Salz, welches zwar alles, womit es gemischt wird, dem Geschmack nach angenehm macht, sondern die Gegenwart eines guten und vertrauten Freundes (δείπνου δὲ καὶ τραπέζης θειότατον ὡς ἀληθῶς ἥδυσμα φίλος ἐστὶ παρὼν καὶ συνήθης καὶ γνώριμος), und zwar nicht wegen des gemeinsamen Essens und Trinkens, sondern vielmehr wegen der wechselseitigen Unterhaltung (οὐ τῷ συνεσθίειν καὶ συμπίνειν, ἀλλ’ ὅτι λόγου μεταλαμβάνει καὶ μεταδίδωσιν).433 Die Tischgespräche sind für ein Mahl somit unverzichtbar, wie sich auch daran erkennen lässt, dass die Möglichkeit des Gespräches ausschlaggebend für die Größe des Gastmahls war. Dieses darf nämlich Plutarch zufolge nur so groß sein, dass sich alle Gäste an den Tischgesprächen beteiligen können. Ist die­ ses hingegen nicht der Fall, so wird geradezu das Gastmahl selbst aufgelöst434 bzw. dessen Ziel ist verschwunden.435 miteinander fröhlich sein wollen (zum gemeinsamen Mahl als Miteinanderteilen der Un­ terhaltung und des Scherzes vgl. auch Mor. 660B [s.o. 2.2.1.1] und 708D [s.o.]). 432  Die Auffassung, dass das Essen in Gemeinschaft angenehmer sei als das Essen für sich allein, findet sich bereits bei Aristot. Eth. eud. 7,12 (1246A7f.): Im Umfeld wird die unter­ schiedlich hohe Bewertung des Beisammenseins diskutiert. Die von einigen Menschen vertretene These, dass es ein Freundschaftszeichen sei, an allem gemeinsam teilzuhaben (καὶ οἴονται τὸ μετέχειν ἅμα πάντων φιλικόν), wird mit dem Beispiel verdeutlicht, dass es angenehmer sei, gemeinsam zu essen, und zwar die gleichen Speisen (ὥσπερ συνδειπνεῖν ἅμα φασὶν ἥδιον ταὐτὰ ἔχοντας), als getrennt zu sein. 433  Vgl. Plut. Mor. 697D. 434  Vgl. dazu vor allem Plut. Mor. 678D: „Wenn es (sc. das Gastmahl) die rechte Größe über­ schreitet (ἐὰν δ’ ὑπερβάλῃ διὰ πλῆθος), sodass keine wechselseitige Unterhaltung und ge­ genseitige Freundschaftsbezeugungen mehr stattfinden und sich die Gäste nicht mehr gegenseitig kennen (ὡς μηκέτι προσήγορον ἑαυτῷ μηδὲ συμπαθὲς εἶναι ταῖς φιλοφροσύναις μηδὲ γνώριμον), dann ist es kein Gastmahl mehr (οὐδὲ συμπόσιόν ἐστι).“ Vgl. auch Mor. 679A–B: Zu große Mähler seien daher ungastliche und freundschaftslose Mähler (ἀμίκτων γὰρ αὕτη καὶ ἀφίλων δείπνων in 679B). 435  So Plut. Mor. 614E–615A, vor allem: οἴχεται τῆς συμποτικῆς κοινωνίας τὸ τέλος (615A).

2  Tischgemeinschaft

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Das soeben vor allem aus Texten des Plutarch gewonnene Bild gilt auch für den römischen Bereich. Mehrfach findet sich bei Cicero die Feststellung, dass die lateinische Bezeichnung des Gastmahls als convivium im Vergleich zu den griechischen Benennungen als συμπόσιον oder σύνδειπνον treffender sei, da im Zentrum nicht das gemeinsame Essen und Trinken, sondern das gemeinsame Leben stehe.436 Dabei legt auch er jeweils besonderes Gewicht auf die wäh­ rend des Mahls stattfindenden Tischgespräche: Cicero empfiehlt seinem Freund L. Papirius Paetus, seine Teilnahme an Gastmählern nicht ganz aufzugeben, indem er die Auffassung vertritt, dass nichts das Leben mehr verschönere und mehr zu einem glückseligen Leben beitrage als der Umgang mit Freunden während eines gemeinsa­ men Mahls. Dabei führt er diese Wirkung der Tischgemeinschaft genauer auf die während des Essens stattfindenden Tischgespräche zurück und versteht unter einem glückseligen Leben nicht das Vergnügen, sondern das gemeinsame Zusammenleben und die Entspannung des Geistes. Gerade die Gespräche im Freundeskreis beim Mahl würden nämlich ein gemeinsames Zusammenleben437 und Entspannung des Geistes schaffen (nec id ad voluptatem refero sed ad communitatem vitae atque victus remissionemque animorum, quae maxime sermone efficitur familiari, qui est in conviviis dulcissimus).438 Gerade um der während des Mahls stattfindenden Tischgespräche willen ist das Mahl demzufolge auf enge Freunde zu beschränken. 2.2.1.3 Das Ideal der Statuskongruenz der Mahlteilnehmer Als Idealfall eines Mahls gelten innerhalb der Tradition vom Symposium ge­ nerell eindeutig egalitäre bzw. statushomogene Tischgemeinschaften. Im Einzelnen lässt sich dieses Prinzip der Gleichheit in unterschiedlicher Form nachweisen, und zwar mit Blick auf die gemeinsamen Interessen der Mahlteil­ nehmer, deren Vorlieben sowie deren moralische Beschaffenheit. 436  Vgl. Cic. Fam. 9,24,3; Sen. 45. Ausführlich zu Cicero und dem convivium Egelhaaf-Gaiser, Nachbarn. 437  Vgl. Georges, s.v. communitas I: „die Gemeinschaft […] Cic.: c. vitae u. vitae atque victus, gleichs. Gemeinsamkeit des Lebens, gemeinsames Zusammenleben“. 438  So Cic. Fam. 9,24,3. Vgl. dazu auch Cic. Sen. 45: Hier lässt Cicero den älteren Cato fest­ stellen, für ihn habe die Freude an Gastmählern weniger in körperlichen Vergnügen be­ standen (neque enim ipsorum conviviorum delectationem voluptatibus corporis magis) als vielmehr im Zusammensein mit seinen Freunden und den dabei geführten Gesprächen (quam coetu amicorum et sermonibus metiebar).

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten Die Übereinstimmung im Hinblick auf die angestrebten Interessen trotz ­sozialer Statusinhomogenität

Innerhalb der griechisch-römischen Mahlpraxis bildet man mit den Teilneh­ mern an einem gemeinsamen Mahl in jedem Fall eine Interessengemeinschaft. Dies zeigt bereits die Forderung nach einer Beschränkung auf die amici, da es sich bei diesen engen Vertrauten um Gleichgesinnte und Verbündete handelt, die sich bei ihren Vorhaben gegenseitig unterstützten.439 Zu diesen amici kön­ nen grundsätzlich auch sozial niedriger Gestellte gehören, sodass Mähler über die Statusgrenzen der verschiedenen gesellschaftlichen und sozialen Gruppen hinweg durchaus vorkommen.440 Dabei ist Tischgemeinschaft offenbar gerade ein Mittel, mit dem man zu Personen aus anderen gesellschaftlichen Gruppen engeren sozialen Kontakt pflegt und mit diesen in einem Austausch steht.441 Dass bei solchen Mählern zwischen heterogenen Tischgenossen die Hierar­ chie durch besondere Regelungen wie eine entsprechende Tischordnung, be­ sondere Speisen oder größere Portionen extra geregelt wurde,442 zeigt jedoch, dass auch in diesen Fällen der unterschiedliche Status von Personen nicht völlig ausgeblendet wurde.443 Innerhalb der urchristlichen Schriften finden sich Hinweise auf statusinhomogene Mähler insbesondere in 1 Kor 11,17–34 und Lk 14. Hier haben sowohl die Praxis der gesellschaftlich gemischten Runde beim Symposium (Lk 14,12–24) als auch Anordnungen für eine entsprechende Sitzordnung (14,7–11) Niederschlag gefunden.

439  So auch Stein-Hölkeskamp, Gastmahl, 37. 440  Zur sozialen Heterogenität der Privatmähler und der Vereinssyssitien gegen eine in der Forschung häufig pauschal angenommene soziale Homogenität vgl. Klinghardt, Gemein­ schaftsmahl, 84–97. 441  Vgl. Stein-Hölkeskamp, Gastmahl, 101: „Die Gastmähler waren somit Orte der lebendigen Kommunikation zwischen den Angehörigen der verschiedenen gesellschaftlichen Grup­ pen. Sie boten den Rahmen für Aufbau und Pflege von horizontalen und vertikalen Kon­ takten aller Art und konnten deshalb zum Ausgleich der unterschiedlichen Interessen dieser Gruppen beitragen.“ 442  Vgl. dazu z.B. die Regelungen für Mähler zwischen Armen und Reichen, dazu SteinHölkeskamp, Gastmahl, 92–101; Ebel, Mähler, 47f. Vgl. dazu auch Klinghardt/Stäubli, Essen, 121. 443  Zu den Grenzen der Tischgemeinschaft aufgrund der sozialen Stellung vgl. exemplarisch Xen. Symp. 1,15: Der bei Kallias ungeladen auftauchende Spaßmacher Philippos, der zwar als Gegenleistung für seine Unterhaltung der Mahlteilnehmer einen Anteil am Mahl be­ kommt, weiß genau, dass ihn keiner einladen noch zu einem von ihm selbst veranstalte­ ten Mahl in sein Haus kommen wird.

2  Tischgemeinschaft b)

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Die Übereinstimmung der Mahlteilnehmer im Hinblick auf Vorlieben und Charakter

Für das Gelingen eines Gastmahls ist zudem eine gewisse Gleichheit der Tischgenossen im Hinblick auf ihren Charakter und ihre Vorlieben notwendig. Andernfalls ist das eigentliche Ziel des gemeinsamen Mahls, nämlich das Zu­ sammensein mit Vergnügen, gefährdet, wie Plutarch mehrfach feststellt: Der­ jenige, der beim Gastmahl unähnliche und nicht zusammenpassende Leute einführt (ὁ δ’ ἀσυμφύλους καὶ ἀσυναρμόστους ἐπάγων), wie es zum Beispiel der Fall ist, wenn jemand starke Trinker zu einem nüchternen Gastgeber, üppige Prasser zu einem Mann von einfacher Lebensweise oder alte Besserwisser zu einem jungen, lebensfrohen Gastgeber mitbringt, handle unangemessen und ersetze das fröhliche Beisammensein durch Verdruss.444 Das Ideal einer Tischgemeinschaft unter Gleichen gilt nicht nur im griechi­ schen, sondern auch im römischen Bereich. So fordert Horaz, Gastmähler auf vertraute Freunde zu beschränken (ne fidos inter amicos / sit qui dicta foras eliminet). „Nur gleich und gleich sollen zusammenkommen und sich gesellen“ (ut coeat par iungaturque pari).445 Dieses Sprichwort ist in der Antike allgemein verbreitet446 und wird demzufolge von Horaz auf den Kontext der Tischge­ meinschaft angewendet. Damit zeigt er aber deutlich, dass Tischgemeinschaft unter Gleichen eine konkrete Form der in der Antike weit verbreiteten Suche nach einem Kontakt mit Wesensgleichen ist. Zugleich lässt er erkennen, dass für Freunde, wie es Tischgenossen sein sollen, generell eine gewisse Egalität angenommen wurde.447 c)

Die Beschränkung der Tischgemeinschaft auf moralisch gute Menschen

Im paganen Bereich wird im Rahmen von Anordnungen zur Tischgemeinschaft mehrfach ausdrücklich betont, dass die Gleichheit unter Mahlteilnehmern 444  So Plut. Mor. 709B. Vgl. dazu auch Mor. 708D: Während Köche verschiedene Zutaten mit­ einander mischten, komme ein gutes und angenehmes Gastmahl niemals dadurch zu­ stande (σύνδειπνον δὲ χρηστὸν οὐκ ἂν γένοιτο καὶ κεχαρισμένον), dass Menschen an einem Ort zusammenkommen, die nicht gleichartig sind und nicht die gleichen Leidenschaften haben (ἀνθρώπων μὴ ὁμοφύλων μηδ’ ὁμοιοπαθῶν εἰς τὸ αὐτὸ συμφθαρέντων). 445  So Hor. Ep. 1,5,24–26. 446  Zum Sprichwort „Gleich und gleich gesellt sich gern“ in allgemeiner Form vgl. z.B. Plat. Symp. 195B (ὅμοιον ὁμοίῳ άεὶ πελάζει) und Cic. Sen. 7 (pares autem vetere proverbio cum paribus facillime congregantur); vgl. Hom. Od. 17,217f. 447  So vor allem Aristot. Eth. nic. 8,2 (1155A32–34): „Menschen von gleicher Art sind Freunde“ (καὶ τοὺς ὁμοίους φίλους). Er zitiert in diesem Rahmen das Sprichwort „Gleich und gleich gesellt sich gern“ (ὅθεν τὸν ὅμοιόν φασιν ὡς τὸν ὅμοιον). Vgl. auch Hom. Il. 22,262–266; Od. 17,218; Plat., Lysis 214B–D.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

speziell aus einer gleich guten moralischen Beschaffenheit bestehen soll. Dabei wird eine Mahlgemeinschaft mit moralisch verdorbenen Personen bis­ weilen ausdrücklich verboten. Der Zweck dieser Verbote besteht darin, nicht ebenso verdorben zu werden wie die bereits negativ beurteilten Tischpartner. Eine entsprechende Anordnung lässt sich bereits im letzten großen unvollen­ deten Dialog Platons, den Nomoi, feststellen. Dort wird das Verbot jeglichen Kontakts mit einem Täter448 unter Verwendung der Konzeption der Unrein­ heit eingeschärft, indem als geradezu zwangsläufige Folge eines solchen Kon­ takts die eigene Unreinheit hingestellt wird: Bei den moralisch verdorbenen Menschen handelt es sich genauer um Kinder, die ihre Eltern misshandeln. Sie sollen für immer aus der Stadt verwiesen und von den heiligen Stätten ausgeschlossen werden. Falls sie aber zurückkehren sollten, so droht ihnen der Tod. Die lebenslange Dauer der Verbannung zeigt, dass deren Zweck nicht eine etwaige Bes­ serung des Täters,449 sondern stattdessen das Fernhalten der vom Täter ausgehenden Befleckung ist. Diesem Ziel dienen auch entsprechend scharfe Restriktionen für diejenigen, die mit dem Täter willentlich in Kontakt kommen. Diese werden nämlich ebenfalls zeitweilig aus der Stadt und von den Heiligtümern ausgeschlossen. In diesem Rahmen wird das gemeinsame Essen und Trinken als Beispiel eines engen Kon­ takts genannt. So darf ein freier Bürger, der mit einem Menschen, der seine Eltern misshandelt hat, zusammen isst oder trinkt oder sich in sonst eine ähnliche Gemeinschaft mit ihm begibt (ἐὰν δέ τις τῷ τοιούτῳ, ὅσοι ἐλεύθεροι, συμφάγῃ ἢ συμπίῃ ἤ τινα τοιαύτην ἄλλην κοινωνίαν κοινωνήσῃ) oder ihn auch nur willentlich(!) berührt, falls er ihm irgendwo begegnet (ἢ καὶ μόνον ἐντυγχάνων που προσάπτηται ἑκών), weder ein Heiligtum noch den Markt noch überhaupt die Stadt betreten, bevor er nicht gereinigt ist (μήτε εἰς ἱερὸν ἔλθῃ μηδὲν μήτ’ εἰς ἀγορὰν μήτ’ εἰς πόλιν ὅλως πρότερον ἢ καθήρηται). Durch den Kontakt mit einem solchen Menschen hat er näm­ lich selbst Anteil an dem fluchbringenden Geschick bekommen (νομίζων κεκοινωνηκέναι ἀλιτηριώδους τύχης). Hält er sich nicht an das Gesetz, so befleckt er selbst die Heiligtümer sowie die Stadt ([…] ἱερὰ καὶ πόλιν μιαίνῃ).450

448  Zu Beispielen für das Verbot jeglichen Kontakts mit dem Täter vgl. Parker, Miasma, 194. 449  So im Fall eines zeitweiligen Exils, vgl. Plat. Leg. 867C–E. 450  Plat. Leg. 881B–E, bes. D–E. Paraphrase unter Verwendung der Übersetzung und des Kom­ mentars von Schöpsdau, Platon, 68.364.

2  Tischgemeinschaft

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Dass jemand, der seine Eltern verachtet, in einem körperlich ansteckenden Sinne unrein ist, lässt sich im griechischen Bereich ansonsten nicht antref­ fen. Vielmehr ist diese Auffassung451 offenbar Platons persönliche Vision und Idee,452 mit der er sehr viel strenger ist als die alltägliche griechische Religi­ on. Damit lassen sich aus der vorliegenden Forderung Platons keine direk­ ten Schlüsse darauf ziehen, was in der Bevölkerung tatsächlich praktiziert wurde. Die Ablehnung einer Tischgemeinschaft mit Schlechten ist im paga­ nen Bereich jedoch weiter verbreitet, und zwar insbesondere mit Blick auf Verbrecher.453 Sie findet sich bei Platon zum Beispiel speziell für Mörder. Die in diesem Rahmen von ihm ebenfalls ausdrücklich erwähnte Gefahr der eigenen Befleckung454 ist im griechischen Bereich generell verbreitet.455 Zumeist wird die Ablehnung einer Tischgemeinschaft mit Schlechten – an­ stelle der bei Platon belegten körperlichen Verunreinigung – jedoch mit der Ge­ fahr der Verschlechterung des eigenen Charakters begründet. Dabei steht das für den Komplex der Tischgemeinschaft insgesamt zentrale Motiv der Freund­ schaft auch im Hintergrund dieser Beschränkung von Tischgemeinschaft auf 451  Diese gravierenden Folgen für denjenigen, der seine Eltern verachtet, haben ihren Ur­ sprung offenbar in der Auffassung Platons, dass Eltern wandelnde Tempel sind (vgl. dazu Parker, Miasma, 196f., unter Hinweis auf Plat. Leg. 869B; 931A; vgl. auch 931D). Damit kommt nämlich eine Verachtung der Eltern einer Verachtung der Götter gleich. 452  Bei den Nomoi handelt es sich um den Entwurf einer ideellen Gesetzgebung für eine Ko­ lonie, die auf Kreta gegründet werden sollte. Eine so harte Bestrafung, wie sie der vorlie­ gende Text fordert, findet sich im attischen Recht zwar nicht, doch ist derjenige, der seine Eltern misshandelt, in seinen politischen Rechten eingeschränkt (vgl. Aischin. Tim. 28). 453  Vgl. dazu vor allem die Nachricht bei Lysias, dass niemand sich bereitgefunden hätte, Tisch oder Zelt mit Agoratos zu teilen, da ihn alle für einen Verbrecher gehalten haben, mit dem niemand reden wollte (In Agoratum 79). Vgl. dazu auch Dion. Hal. Ant. rom. 8,28,3: Keiner, der selbst fromm und gerecht ist, will einen Verbrecher an Opfern, Libatio­ nen oder an seinem Herd teilhaben lassen ([…] καὶ οὔτε θυσιῶν οὔτε σπονδῶν οὔθ’ ἑστίας, ὅποι ποτ’ ἂν ἀφίκῃ, κοινωνεῖν ἐθελήσει σοι τῶν εὐσεβῶν καὶ δικαίων οὐθείς […]). 454  Vgl. dazu die Forderung in Plat. Euthyphr. 4B–C, dass man selbst einen Herd- und Tisch­ genossen (ἐάνπερ ὁ κτείνας συνέστιός σοι καὶ ὁμοτράπεζος ᾖ) für den Fall anzeigen muss, dass dieser jemanden ohne Recht getötet hat, da man sonst selbst ebenso befleckt wer­ den würde, wenn man wissentlich mit einem solchen zusammenlebt (ἴσον γὰρ τὸ μίασμα γίγνεται ἐὰν συνῇς τῷ τοιούτῳ συνειδώς). 455  So ist es eine weit verbreitete Überzeugung, dass unreine Personen wie z.B. Mörder von öffentlichen Plätzen entfernt werden müssen, damit sie diese nicht beflecken (so neben Plat. Leg. 868A; 871A auch Dion. Hal. Ant. rom. 3,72,6; 4,24,8), oder aber vom Altar und damit von der Ausübung von Riten im heiligen Bereich ausgeschlossen sind (Dion. Hal. Ant. rom. 3,35,6; 3,72,5). In der griechischen Mythologie ist es mehrfach zu finden, dass ein Mörder aus der Gemeinschaft entfernt und zudem durch einen Reinigungsritus (meist das Blut eines Tieres) gereinigt werden muss, dann in seine Gemeinschaft zurückkehren kann und von da an als ungefährlich gilt; vgl. dazu Parker, Miasma, 375–392, vor allem die Reinigung des Orestis durch Apollon (386–388).

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

moralisch gute Menschen. Ein solcher Zusammenhang lässt sich auch in der für die urchristlichen Schriften relevanten Zeit wiederfinden: Plutarch zufolge gilt die Ablehnung von Tischgemeinschaft mit frevel­ haften (μοχθηρούς) Menschen selbst für den Fall, dass ein rechtschaffe­ ner Freund jemanden zu einem frevelhaften Menschen mitnehmen will. Man dürfe nämlich nicht zulassen, dass man durch einen rechtschaffe­ nen Mann der Freund eines frevelhaften Mannes werde (μοχθηρὸν διὰ χρηστοῦ φίλον).456 Damit soll für den Komplex der Tischgemeinschaft aber das gelten, was für Freundschaft ­generell als positiv angesehen wird. Freundschaft wird nämlich – auch abgesehen von dem konkreten Fall der Tischgemeinschaft – von der guten moralischen Beschaffenheit ab­ hängig gemacht. Bereits Aristoteles stellt beispielsweise fest, dass die vollkommene Freundschaft die der Guten ist, da Freunde in einem sol­ chen Fall an sittlichem Gehalt zunehmen und sich gegenseitig vervoll­ kommnen (δοκοῦσι δὲ καὶ βελτίους γίνεσθαι ἐνεργοῦντες καὶ διορθοῦντες ἀλλήλους).457 Bei Athenaios und den von ihm zitierten früheren Autoren wird im Kontext von Tischgemeinschaft die für sie geforderte Freundschaft mehrfach aus­ drücklich an die charakterlich gute Beschaffenheit der entsprechenden Per­ sonen geknüpft: Zu Beginn des fünften Buches der Deipnosophistae stellt Athenaios die Ansichten verschiedener griechischer Dichter und Philosophen zu unter­ schiedlichen Fragen der Tischgemeinschaft wie Anlässen, Personen und zeitlicher Ausdehnung zusammen. Dabei gibt er zunächst der Auffas­ sung Recht, dass vor allem vertraute Freunde bei einem Festmahl anwe­ send sein sollten, da dies die schönste Erinnerung sei: διὸ καί τις οὐ κακῶς ἔφη· οὐ χρὴ συμποσίοιο φίλους ἀπέχεσθαι ἑταίρους / δηρόν· ἀνάμνησις δὲ πέλει χαριεστάτη αὕτη.458 Im Folgenden stellt er verschiedene Traditionen zu den Gästen eines Gastmahls zusammen. Sie unterscheiden sich zwar in 456  Vgl. Plut. Mor. 709D–E. 457  So Aristot. Eth. nic. 9,12 (1172A8–14). Auch an dieser jeweiligen Beschränkung auf Gute lässt sich deutlich die Nähe von Tischgemeinschaft und Freundschaft erkennen. Zur Be­ schränkung von Freundschaft auf moralisch gute Menschen vgl. auch Aristot. Eth. nic. 8,10 (1159B6f.): Gute machen selbst keine Fehler und lassen sie auch beim Freund nicht zu; vgl. auch Eth. nic. 8,4 (1156B7f.); daneben z.B. auch Plut. Mor. 659F–660A (Text s.o. 2.2.1.1); Sen. Tranq. 7,1f. (Text in Neuer Wettstein II/1, 404). 458  Athenaios 5,2 (186B–C).

2  Tischgemeinschaft

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Hinsicht auf die genaue Bestimmung der Gäste, fordern jedoch jeweils, dass diese aus charakterlich gut beschaffenen Menschen bestehen sol­ len. So sei schon Homer der Ansicht gewesen, dass man die Besten und Verehrungswürdigen zu einem Gastmahl einladen müsse (ἔπειθ’ ὁ μὲν Ὅμηρος ἐκδιδάσκει τίνας κλητέον, εἰπὼν ὡς τοὺς ἀρίστους τε καὶ ἐντίμους χρὴ καλεῖν: κίκλησκεν δὲ γέροντας ἀριστῆας Παναχαιῶν).459 Darin weiche er etwa von Hesiod ab, welcher der Auffassung gewesen sei, dass man vor allem die Nachbarn einladen müsse. Es ist jedoch Athenaios zufolge geradezu widersinnig, den Grad der Freundschaft nach der örtlichen Ent­ fernung und nicht nach dem Charakter zu beurteilen.460 Dabei können sich die Teilnehmer eines Gastmahls Homer zufolge zwar zum Zwecke der Vielfalt eines Gastmahls durch ihr Lebensalter und ihre Anschauun­ gen voneinander unterscheiden, müssten jedoch darin übereinstimmen, dass sie dem vorbildlichen Verhalten nacheifern.461 Innerhalb der antiken Mahlpraxis gilt Tischgemeinschaft mit guten Männern als besonders erstrebenswert.462 Sie wird dabei aus dem Grund als etwas be­ sonders Positives bewertet, weil man durch gute Menschen Gutes lernt, wie es Gaius Musonius Rufus (1. Jh. n.Chr.) besonders deutlich zum Ausdruck bringt:463 Im Einzelnen führt Gaius Musonius Rufus zwei Zitate des Dichters der Theognidea (nach Suda 2. Hälfte des 6. Jh. v.Chr.) an. Bereits dieser habe es nämlich vehement abgelehnt, dass man bei Tisch mit schlechten Män­ nern zusammenkommt, wenn er den jungen Kyrnos dazu auffordert: „Iss und trink mit denen, mit denen sitze zusammen und mache dich denen angenehm, deren Macht groß ist“ (καὶ μετὰ τῶν464 σύ γε πῖνε καὶ ἔσθιε,

459  Hom. Il. 2,404. 460  Vgl. Athenaios 5,3 (186E–187A). 461  Vgl. Athenaios 5,3 (187A–B): Als Beispiele für ein vorbildliches Verhalten, das jedoch auf unterschiedliche Art und Weise verwirklicht worden sei, nennt Athenaios Nestor, Aias und Odysseus. 462  Auch Cicero empfiehlt in Fam. 9,24,3 den engen Kontakt am Tisch mit anständigen Män­ nern (cum viris bonis). 463  Gaius Musonius Rufus, Dissertationum a Lucio digestarum reliquiae 11. 464  Vgl. dazu, dass sich das μετὰ τῶν auf die Guten bezieht, welche bei Theognis unmittelbar vor der Tischgemeinschaftsaussage erwähnt werden. Theognis fordert nämlich zunächst generell dazu auf, engen Kontakt nur mit Guten zu haben, was bei Gaius Musonius Rufus nicht ausdrücklich erwähnt wird: „Merke dir dies: Pflege keinerlei Gemeinschaft mit schlechten Leuten, / sondern halte dich stets an die Guten (ταῦτα μὲν οὕτως ἴσθι· κακοῖσι δὲ μὴ προσομίλει / ἀνδράσιν, ἀλλ’ αἰεὶ τῶν ἀγαθῶν ἔχεο). / Iss und trink mit denen, mit denen

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καὶ μετὰ τοῖσιν / ἵζε, καὶ ἅνδανε τοῖς, ὧν μεγάλη δύναμις).465 Dieser Text zur Tischgemeinschaft bedeute, dass gute Männer eine große Macht zum Nutzen der Menschen haben, wenn man mit ihnen zusammen trinkt, isst oder zusammensitzt (ὅτι γε μὴν οὐκ ἄλλους τινὰς ἢ τοὺς ἀγαθοὺς ἄνδρας λέγει μεγάλην ἔχειν δύναμιν πρὸς ἀνθρώπων ὠφέλειαν, εἰ συνεσθίοι καὶ συμπίνοι τις αὐτοῖς καὶ συγκαθέζοιτο). Diese Interpretation ergibt sich nach Gaius Mu­ sonius Rufus aus folgenden Versen von Theognis: „Von den Edlen wirst du nämlich Edles lernen,466 wenn du dich aber mit Schlechten mischst, machst du dir noch den Sinn, den du besitzt, zunichte“ (ἐσθλῶν μὲν γὰρ ἀπ’ ἐσθλὰ μαθήσεαι· ἢν δὲ κακοῖσι / †συμμιγῇς, ἀπολεῖς καὶ τὸν ἐόντα νόον).467 Dabei lässt die mehrfache Überlieferung dieses Zitats auf eine insgesamt weite Verbreitung dieses Wortes schließen.468 Epiktet, der wohl berühmteste Schüler des Gaius Musonius Rufus, rät dann dringend von einer Tischgemeinschaft mit Ungebildeten ab und fordert für den Fall, dass sie sich nicht vermeiden lässt, dazu auf, besonders darauf zu achten, die Differenz zu diesen Menschen zu wahren. Ihm zufolge führt das gemeinsame Essen mit Ungebildeten nämlich geradezu zwangsläufig zur Ver­ schlechterung der Guten. Diese Gefahr stellt Epiktet seinen Lesern dadurch besonders eindrücklich vor Augen, dass er einen solchen Umgang mit dem engen Kontakt zwischen einem Reinen und Unreinen parallelisiert. Dabei er­ innert er sie daran, dass dieser unweigerlich zur Unreinheit des bislang Reinen führt:

sitze zusammen und mache / dich denen angenehm, deren Macht groß ist“ (1,31–34); vgl. dazu auch das Verbot, sich schlechte Leute zum Freund zu nehmen, in Theognis 1,61f.113. 465  Vgl. Theognis 1,33f. 466  Vgl. dazu auch die lehrreiche Bedeutung des Besuchs bei einem Guten in Theognis 1,563–566. 467  Vgl. Theognis 1,35f. Der von der Schwundstufe gebildete Aorist συμμιγῇς ist die am besten bezeugte Lesart. Diese Form ist nicht in grammatischer, jedoch in metrischer Hinsicht problematisch, was Hense in seiner Ausgabe durch crux (†) deutlich macht. Der Daktylus erfordert nämlich als zweite Silbe anstelle einer Länge, wie es bei συμμιγῇς der Fall ist, eine kurze Silbe, wie sie im Original bei Theognis mit der Form συμμίσγηις vorliegt. 468  Das gesamte Zitat von Theognis 1,33–36 findet sich bei Plat., Menon 95D; vgl. daneben vor allem Aristot. Eth. nic. 9,12 (1172A13f.), wo Theognis 1,35 als Abschluss einer Abhandlung zu dem auch mit dem Komplex der Tischgemeinschaft eng verbundenen Thema „Freund­ schaft“ verwendet wird. Darüber hinaus findet sich eine Aufnahme von Theognis 1,35f. in Xen. Mem. 1,2,20 und Symp. 2,4; Diogenes von Sinope, Epist. 29,3; dann auch bei Clem. Al. Strom. 5,8,52,4.

2  Tischgemeinschaft

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Einladungen zum Gastmahl bei Andersgesinnten und Ungebildeten schlage aus (ἑστιάσεις τὰς ἔξω καὶ ἰδιωτικὰς διακρούου).469 Wenn aber ein­ mal ein solcher Anlass kommt, dann sei deine Aufmerksamkeit darauf gerichtet, dass du niemals zum Wesen der Menge herabsinkst (μήποτε ἄρα ὑπορρυῇς εἰς ἰδιωτισμόν). Denn wisse: Hat jemand einen unreinen Ge­ fährten (ἐὰν ὁ ἑταῖρος ᾖ μεμολυσμένος), so muss er, wenn er engen Um­ gang mit ihm pflegt, mit unrein werden (καὶ τὸν συνανατριβόμενον αὐτῷ συμμολύνεσθαι ἀνάγκη), auch wenn er selbst rein sein sollte (κἂν αὐτὸς ὢν τύχῃ καθαρός).470 Die bei Gaius Musonius Rufus erwähnte lehrreiche oder aber verderbliche Auswirkung des gemeinsamen Essens hat ihre Grundlage näherhin in den Tischgesprächen während des Mahls. Diese bieten nämlich – bei einem ent­ sprechend positiven Inhalt – die Möglichkeit, etwas Gutes zu lernen, können aber – bei einem falschen Inhalt – gerade auch negative Folgen haben: So fordert etwa Plutarch, die Tischgespräche müssten etwas Nützliches, Lehrreiches und Angemessenes enthalten (ἄν γε δὴ χρήσιμον ἐνῇ τι καὶ πιθανὸν καὶ οἰκεῖον τοῖς λεγομένοις). Daher müsse man die Themen der Tischgespräche ebenso sorgfältig auswählen wie die Freunde, die man einlädt, zumal unnütze Gespräche beim Wein die schändlichen Leiden­ schaften erregen und die Sitten verderben ([…] ἐμβάλλουσι πρὸς τὰ πάθη καὶ προσδιαστρέφουσιν).471 Dabei f­indet sich das geforderte Zusammen­ sein mit tugendhaften Menschen im Inhalt der Tischgespräche wieder, wenn als Thema beispielsweise die guten Werke der tüchtigen Männer genannt werden.472 Die zentrale Bedeutung der Tischgespräche wird auch bei Lukian (2. Jh. n.Chr.) deutlich. Ihm zufolge ist Tischgemeinschaft mit Schlechten ebenfalls unter allen Umständen zu vermeiden.473 Dabei stellt er unter anderem eine 469  Die lateinische Überlieferung lautet: Convivia cum hominibus extraneis et rudibus, discipline non imbutis. 470  Epikt. Ench. 33,6. 471  Vgl. Plut. Mor. 697D–E. Zur Spannung zwischen dem Ideal der Tischgespräche und der tatsächlichen Praxis, in deren Rahmen es offenbar durchaus auch zu Streitigkeiten kam, vgl. Slater, Conversation, bes. 122f. 472  So berichtet Plut. Cat. Maj. 25,4, dass Cato der Ältere beim Mahl nur Gespräche über die guten Taten der tüchtigen Männer zuließ, das Gespräch über die Schlechten und Nichts­ würdigen hingegen verbot. 473  Vgl. Lukian, Pseudol. 30f. Danach kann Lukian zwar durchaus Verständnis für jeman­ den zeigen, der aus der Not heraus (z.B. aus Hunger) Vergehen verübt, ja er kann selbst

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solche Verbindung von Tischgenossen und Ratgebern her, wie sie bereits in Hdt. 5,24,4 belegt ist.474 Galen warnt wiederum mehrfach rigoros vor einem gemeinsamen Mahl mit den Reichen und Mächtigen, da dies unvereinbar mit dem Streben nach Wahrheit sei.475 Mit der Verschlechterung des eigenen Charakters unterscheidet sich Tisch­ gemeinschaft mit den falschen Menschen im Hinblick auf die Gefahr, die sie birgt, nicht von anderen Formen des engen Kontakts. Bereits Platon stellt näm­ lich grundsätzlich fest, dass man bei einer engen Verbindung zu schlechten Menschen mit diesen gleichsam verwächst, damit aber zwangsläufig dassel­ be tut und erleidet wie diese schlechten Menschen: […] τοῖς δὲ προσκολλᾶσθαι διώκοντα κατὰ τὰς συνουσίας· προσπεφυκότα δὲ τοῖς τοιούτοις ἀνάγκη ποιεῖν καὶ πάσχειν ἃ πεφύκασιν ἀλλήλους οἱ τοιοῦτοι ποιεῖν καὶ λέγειν.476 Enger Umgang mit schlechten Menschen bewirke daher eine Verschlechterung des eigenen Cha­ rakters, da man durch ihn diesen schlechten Menschen ähnlich wird.477 Eine da­rüber hinwegsehen, wenn jemand diesen durch Unverschämtheiten erworbenen Be­ sitz wieder verprasst. Nicht entschuldbar ist es ihm zufolge aber, wenn man mit solchen Personen an derselben Tafel sitzt (οὐ γὰρ ὅσιον ἐπὶ τὴν αὐτὴν ἑστίαν τοὺς ταῦτα διατιθέντας καλεῖν καὶ φιλοτησίας προπίνειν καὶ ὄψων τῶν αὐτῶν ἅπτεσθαι). 474  Lukian, Jupp. trag. 49 zufolge würde ein umsichtiger Schiffskapitän gute und schlechte Menschen unterscheiden, den besseren Personen den besseren Platz oben bei ihm selbst geben, den schlechteren hingegen den Platz unten, und die Besseren zu seinen Tischge­ nossen und Ratgebern machen (καὶ συσσίτους ἔστιν οὓς καὶ συμβούλους ἐποιήσατ’ ἄν). 475  Galen zufolge schließt ein enger Kontakt mit den Reichen und Mächtigen Schmeichelei ein, welche notwendig zu Lügen führe. Daher könne jemand, der Reiche und Mächtige besucht und sogar mit ihnen isst ([…] ἢ καὶ συνδειπνοῦντα), nicht die Wahrheit sagen, sondern sei vielmehr gänzlich schlecht, da er Reichtum, Macht, Ehre und Ruhm liebe. Umgekehrt könne man bei denen, die weder mit den Reichen und Mächtigen verkehren noch mit ihnen essen, sondern ein gemäßigtes Leben führen, erwarten, dass sie die Wahr­ heit sagen (so De propriorum animi cuiuslibet affectuum dignotione et curatione [Kühn V, 8f.]). Dabei kritisiert Galen, dass Handwerker nicht durch ihre Leistung Anerkennung be­ kommen, sondern durch den Kontakt mit den Mächtigen. So werde ihm empfohlen, am Morgen Leute zu begrüßen und am Abend mit den mächtigen Menschen zusammen zu essen (εἰς ἑσπέραν τε συνδειπνοῖμι τοῖς δυναμένοις). Dadurch nämlich würde einem Hand­ werker Vertrauen und Ansehen zuteilwerden. Bei den Gastmählern zählten aber nicht mehr wie in früheren Zeiten das Musizieren sowie der Austausch von philosophischen Argumenten, sondern einzig der unkontrollierte Genuss von Wein (De methodo medendi 1,1 [Kühn X, 2f.]). Galen selbst ist zu einem solchen Lebenswandel nicht bereit: Wäh­ rend andere durch die ganze Stadt herumlaufen, mit den Reichen und Mächtigen essen (περιθέοντες ὅλην τὴν πόλιν ἐν κύκλῳ καὶ συνδειπνοῦσι καὶ παραπέμπουσι τοὺς πλουτοῦντάς τε καὶ δυναμένους), war er selbst besonders fleißig (9,4 [Kühn X, 609]). 476  Plat. Leg. 728B–C. 477  Vgl. dazu vor allem ὁμοιοῦμαι (Passiv) in Plat. Leg. 656B; Resp. 500C; Theaet. 177A. Zur Ab­ hängigkeit des Zustands der Seele, d.h. ihrer Schlechtigkeit oder Tugend, von ihrem Um­ gang vgl. auch Plat. Leg. 904D.

2  Tischgemeinschaft

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solche Überzeugung war auch in der der Entstehung der urchristlichen Schrif­ ten näherliegenden Zeit üblich.478 Sie hat sich in einem allgemeinen Sinne in der Sprichworttradition niedergeschlagen, beispielsweise in Form der auch in 1 Kor 15,33 belegten Sentenz „Schlechter Umgang verdirbt den eigenen guten Lebenswandel“ (φθείρουσιν ἤθη χρηστὰ ὁμιλίαι κακαί). Diese ist ursprünglich ein Zitat aus einer Tragödie des Euripides,479 war jedoch im Hellenismus gene­ rell weit verbreitet.480 Diese Texte zeigen deutlich, dass mit der Beschränkung des Mahls auf Gute innerhalb der Tradition vom Symposium eine Forderung speziell auf gemeinsame Mahlzeiten angewendet wird, die prinzipiell für jede Form des engen Kontaktes gelten soll. 2.2.2 Die Beschränkung der Tischgemeinschaft auf Gerechte Unter den Anordnungen zur Tischgemeinschaft zwischen Juden findet sich mehrfach die Aufforderung, Tischgemeinschaft nur mit Gerechten einzuge­ hen, Ungerechte jedoch von einem gemeinsamen Mahl auszuschließen. Wie man selbst gerecht sein soll, so soll man auch Tischgemeinschaft nur mit sol­ chen Personen pflegen, die ebenso gerecht sind wie man selbst. Im Hinter­ grund dieser Bestimmungen steht demzufolge die Auffassung, dass zwischen den Personen, die gemeinsam essen, Statusgleichheit und Egalität bestehen soll, wie es auch in paganen Texten mehrfach gefordert wird. 2.2.2.1 Der Gerechte bzw. Weise als Freund und Tischpartner (Sirach) Eine Beschränkung der Tischgemeinschaft auf Gerechte wird expressis verbis in dem vermutlich in das 2. Jh. v.Chr. zu datierenden Sirachbuch gefordert.481 Dabei wird der Komplex des gemeinsamen Essens bereits im hebräischen Si­ 478  Vgl. z.B. mit Bezug auf die zu erziehende Jugend: Plut. Mor. 12D; 13A. 479  Der Vers wurde häufig Menander zugewiesen (Thais, Frg. 187 Körte), stammt aber ur­ sprünglich aus einer Tragödie des Euripides (Frg. 1024 TrGF). 480  Vgl. dazu die Belege in BAA, s.v. ἦθος (Diod. 12,12,4; 16,54,4); zu weiteren Belegen vgl. Neuer Wettstein II/1, 400–404. Vgl. daneben auch Philo, Ios. 83 und den zwölften der pseudepi­ graphischen Kratesbriefe aus der Kaiserzeit: „Weder macht das Landleben rechtschaffen noch verdirbt die Stadt den Charakter, sondern der Umgang mit guten oder schlechten Menschen“ (Οὐ ποιεῖ ἀγρὸς σπουδαίους οὐδὲ ἄστυ φαύλους, ἀλλ’ αἱ σὺν τοῖς ἀγαθοῖς καὶ κακοῖς διατριβαί). 481  Die hebräische Urschrift des Sirachbuches ist im ersten Viertel des 2. Jh. v.Chr. entstan­ den, wobei entweder eine Frühdatierung um 190 v.Chr. (so Sauer, JSHRZ III/5, 490) an­ genommen wird oder aber eine spätere Entstehung um 180 v.Chr. (Skehan/Di Lella, Sir, 9–16) oder 175 v.Chr. (so zuletzt Marböck, Sir, 32), als sich die Auseinandersetzung mit dem Hellenismus durch den Hohepriester Onias III. bereits verschärft hatte, da er der hellenistischen Kultur in Judäa mehr Einfluss zugestand als sein Vorgänger Simon II. Die griechische Fassung stammt von Sirachs namenlosem Enkel aus Ägypten und wird ent­ weder um 132 v.Chr. (so Sauer, a.a.O.) oder um 117 v.Chr. (so Marböck, Sir, 27) datiert.

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rachbuch (9,16) aufgerufen, und zwar in einer Form, die angesichts der auffäl­ ligen Formulierungsweise schon für den hebräischen Text auf einen Einfluss aus dem griechischen Kulturkreis schließen lässt. In ihm wird nämlich für den Zusammenhang des gemeinsamen Essens die Constructus-Verbindung ‫בעלי‬ ‫ לחמך‬gebraucht, welche innerhalb des hebräischen Sprachraums eindeutig eine Neuerung darstellt.482 Besonders klar zeigt sich eine Anknüpfung an die griechische Tradition vom Gastmahl dann in der griechischen Fassung des Sirachbuches. In Sir 9,16 LXX wird nämlich der Terminus σύνδειπνοι verwen­ det, welcher deutlicher als der ihm entsprechende hebräische Ausdruck den Gedanken des gemeinsamen Essens zum Ausdruck bringt und in der pagan­ griechischen Tradition zur Tischgemeinschaft fest verankert ist.483 So heißt es in Sir 9,16 LXX: „Gerechte Männer seien deine Tischgenossen, und in der Furcht des Herrn bestehe dein Ruhm“ (ἄνδρες δίκαιοι ἔστωσαν σύνδειπνοί σου καὶ ἐν φόβῳ κυρίου ἔστω τὸ καύχημά σου). Innerhalb des Sirachbuches bedeutet diese Forderung nach einer Tischge­ meinschaft mit Gerechten eindeutig, dass man sich zu einem gemeinsamen Mahl nur mit solchen treffen soll, die das Gesetz halten und ebenso gottes­ fürchtig sind, wie man selbst es ist bzw. sein soll. Die als Kriterium für Tischge­ meinschaft genannte Gerechtigkeit der Tischgenossen steht im vorliegenden Kontext nämlich in einer engen Verbindung zur Gottesfurcht (vgl. 9,16b) und zur Weisheit. So wird in Sir 9,14f. als Parallele zur Tischgemeinschaft mit dem Gerechten (9,16) zum Kontakt mit dem Weisen ermahnt. Damit spiegelt sich 482  Die im hebräischen Text von Sir 9,16 (HA) belegte Constructus-Verbindung ‫בעלי לחמך‬ lässt sich in den im christlichen Kanon zum Alten Testament gewordenen Schriften nicht nachweisen, ebenso wenig dann in Qumran oder in der Mischna. Das Verständnis die­ ses singulären Ausdrucks ist unter den Kommentatoren umstritten. Aufgrund von ana­ logen Verwendungen von ‫ בעל‬im hebräischen Sirachbuch ist diese Wendung am ehesten mit „Anteilhaber an deinem Brot“ wiederzugeben (vgl. Clines, s.v. ‫בעל‬: „possessors of your bread […] owners of your bread“ [im Original hervorgehoben]; Gesenius, s.v. I 4: „deine Tischgenossen“). Ein solches Verständnis ergibt sich insbesondere aus Sir 6,5b (HA Lévi)/6,6b  (HA Strack), wo der Ausdruck ‫ בעל סודך‬zur Bezeichnung eines engen Freun­ des gebraucht wird, welcher als „Anteilhaber an deinem vertrauten Rat“ erscheint. Damit handelt es sich bei den ‫ בעלי לחמך‬aber nicht um die Gastgeber (so aber Sauer, JSHRZ III/5, 528: „Getreue Männer seien deine Gastgeber, und in der Furcht Gottes bestehe dein Ruhm“; ders., Sir, 102), sondern um diejenigen, die von dem mit „Du“ angesprochenen Adressaten Anteil an dessen Broten bekommen, d.h. um dessen Gäste (so auch Mopsik, La Sagesse, 125 mit Anm. 4; ebenso in der syrischen Übersetzung, vgl. dazu Smend, Sir, 88: „die Essenden deines Tisches“). Im hebräischen Sirachbuch richtet sich die Forderung in Sir 9,16 somit vermutlich speziell an den Gastgeber und verbietet ihm mit der Aufforde­ rung „Gerechte Männer seien deine Gäste“ eine Bewirtung von Ungerechten. 483  Zum Gebrauch von σύνδειπνος vgl. u.a. Eur., Ion 1172; Xen. Cyr. 2,2,28; Plut. Mor. 660B; Athenaios 15,33 (686A).

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aber in Sir 9,15f. die für das Sirachbuch generell typische Gleichsetzung von Weisheit und Gesetzeserfüllung wider: Innerhalb des Sirachbuches handelt es sich bei dem Weisen näherhin ge­ nerell um einen Gottesfürchtigen. Das zentrale Kennzeichen des Weisen ist nämlich die Gottesfurcht, welche für Sirach insgesamt entscheidende Bedeutung hat.484 Dabei wird die Weisheit innerhalb des Sirachbuches geradezu mit der Gottesfurcht485 und der Tora486 identifiziert. Für Sirach ist demzufolge ­Weisheit nur durch die Erfüllung des Gesetzes487 zu erlan­ gen, sodass die Weisheit auf Israel488 bzw. genauer auf die Gesetzestreu­ en beschränkt ist.489 Nur der Gerechte ist der Weise.490 Mit dieser Beschränkung der Tischgemeinschaft auf Gesetzestreue gelten für diesen Bereich die Regeln, welche Sirach zufolge bei allen Formen eines enge­ ren Kontakts eingehalten werden sollen. Er fordert nämlich, dass das Gesetz und die Gottesfurcht die Grundlage für jeglichen engeren Umgang sind:

484  Zur zentralen Bedeutung der Gottesfurcht vgl. vor allem Sir 1,11–2,18; 7,29; 10,19–24; 33(36),1–3, 40,26f.; vgl. dazu vor allem Haspecker, Gottesfurcht, 87–105, dem zufolge Got­ tesfurcht das zentrale Thema des Buches ist (bes. 136 mit 96). Marböck hingegen identi­ fiziert die Weisheit als Hauptthema (vgl. dazu Weisheit, passim; zu zentralen Texten vgl. bes. Sir 14,20–27; 24; 51,13–29). 485  Vgl. vor allem Sir 21,11: συντέλεια τοῦ φόβου κυρίου σοφία; daneben auch Sir 1,1.14.16.18.20.27. Vgl. dazu schon die Verbindung von Gottesfurcht und Weisheit in Ps 111,10 (aufgenommen in Sir 1,14; Spr 1,7; 9,10); vgl. auch Spr 2,5; Hiob 28,28. 486  Vgl. Sir 1,26; 15,1; 38,34; 43,33; bes. 19,20: „Jede Weisheit ist Furcht des Herrn, und in jeder Weisheit (ist das) Tun des Gesetzes und die Erkenntnis seiner Allherrschaft.“ Zur zentra­ len Bedeutung des Gesetzes für Sirach vgl. vor allem Sir 24, wobei die Weisheit in Sir 24,23 als personifizierte Botin Gottes erscheint, die den Menschen das Gesetz bringt (zur Ver­ bindung von Gesetz und Weisheit vgl. auch 24,23–27); vgl. auch Sir 6,37. Zu den Ursprün­ gen dieser Gleichsetzung in der hebräischen Bibel (bes. Ps 1; 119; Bar 3,9–4,4; Dtn 4,5–8; 30,16) sowie zu entsprechenden Texten aus der Zeit Sirachs z.B. im Testament des Levi vgl. Jolley, Function, 86–110. 487  Beim Gesetz handelt es sich genauer um die fünf Bücher Mose, vgl. dazu vor allem den Ausdruck βίβλος διαθήκης (Sir 24,23) und die Erwähnung von Mose als Autorität (45,5). 488  Vgl. dazu Sir 24,8.10–12, wonach Weisheit in Israel wohnt. 489  Vgl. dazu Skehan/Di Lella, Sir, 75f. (im Anschluss an Smend); 145: „fear of the Lord = wis­ dom = gift of the Lord = discipline = keeping the commandments“; 220.264; Jolley, Func­ tion, 118.125.150.156–158. 490  Vgl. Sir 1,10; 43,33. Vgl. dazu auch, dass Unverständige und Sünder Sir 15,7f. und 19,22 zufol­ ge Weisheit nicht erlangen können.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Sir 6,34–37 ermahnt zum häufigen Umgang mit Weisen.491 Man soll in der Menge der Ältesten stehen und sich dem Weisen anschließen: ἐν πλήθει πρεσβυτέρων στῆθι καὶ τίς σοφός; αὐτῷ προσκολλήθητι (6,34 LXX). In Sir 37,1–6 wird festgestellt, dass eine Freundschaft in Notsituationen in Gefahr geraten kann, und daher vor einem Freund gewarnt, der nur den Namen „Freund“ trägt (37,1). In diesem Zusammenhang fordert Sirach zum Kontakt mit einem Gottesfürchtigen auf, der die Gebote hält und von gleicher Gesinnung ist wie man selber (ἀλλ’ ἢ μετὰ ἀνδρὸς εὐσεβοῦς ἐνδελέχιζε ὃν ἂν ἐπιγνῷς συντηροῦντα ἐντολάς ὃς ἐν τῇ ψυχῇ αὐτοῦ κατὰ τὴν ψυχήν σου in 37,12; vgl. auch 6,17). Im Unterschied zu Menschen, die in einer Angelegenheit eigene Interessen verfolgen (37,7–11), kommt ein solcher daher als guter Ratgeber in Frage.492 Mehrfach wird innerhalb des Sirachbuches umkehrt das Verbot eines Kontaktes mit dem Sünder eingeschärft.493 Der Gottesfürchtige soll nichts mit dem Sünder zu schaf­ fen haben (13,17; vgl. dazu auch Spr 29,27) und sich nicht etwa in dessen Sünden hineinziehen lassen (Sir 12,14).494 Dabei ist das Verbot des Kon­ taktes mit dem Gottlosen abgesehen von Sir 9,16 ein weiteres Mal mit dem Bereich des Essens verbunden. So wird in Sir 12,5 wie in Tob 4,17 (s.u. 2.2.2.2) die Gabe von Brot an die Gottlosen verboten (εὖ ποίησον ταπεινῷ καὶ μὴ δῷς ἀσεβεῖ ἐμπόδισον τοὺς ἄρτους αὐτοῦ καὶ μὴ δῷς αὐτῷ), und zwar mit der Begründung, dass der Gottlose dies gegen den Geber einsetzen könne und von Gott selbst gehasst werde (Sir 12,5f.). Ähnliche Ermahnungen lassen sich auch in anderen jüdischen Schriften an­ treffen, wobei sich Sir 9,16 insgesamt gut in den Befund zur jüdischen Weis­ heitsliteratur einreiht. Gerade dort finden sich nämlich mehrfach Sprüche, die in allgemeiner Form zur Gemeinschaft des Weisen mit dem Gerechten auffordern.495 Die spezielle Ablehnung von Zusammenkünften mit Sündern bei gemeinsamen Mahlzeiten und die im Umfeld von Sir 9,16 feststellbaren motivischen Überschneidungen sprechen jedoch dafür, dass Sirach innerhalb 491  Zur Aufforderung zum Umgang mit Weisen vgl. auch Sir 8,8; Spr 13,14.20; 15,31. 492  Damit zeigt sich wiederum die Identität zwischen dem Weisen und Gottesfürchtigen, denn in Sir 9,14b findet sich die Aufforderung, sich mit Weisen zu beraten: καὶ μετὰ σοφῶν συμβουλεύου (9,14b). 493  Vgl. dazu auch die Mahnungen an die Sünder in Sir 16,1–14; 41,8–11. 494  Vgl. dazu auch das Verbot des Kontaktes mit einem Unverständigen in Sir 22,13. 495  Vgl. dazu vor allem Ps 1,1. Dort wird der Gerechte in Form einer Klimax aufgefordert, den Rat der Gottlosen nicht zu befolgen, dem Beispiel der Sünder nicht zu folgen und Gemeinschaft mit Spöttern (zum Spott Gottes vgl. Jes 28,15; Ps 73,8–11; Mal 3,14) strikt zu vermeiden. Zum Verbot der Versammlung mit Frevlern und Toren vgl. auch Ps 26,4f.; Spr 1,10–19.

2  Tischgemeinschaft

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dieser Forderung zugleich deutlich an die Symposiumstradition anknüpft. Dabei war er mit den Gastmählern der hellenistischen Zeit durchaus vertraut und akzeptierte diese, wie vor allem Sir 31(34),12–32(35),13 zeigt. Die Anord­ nungen in diesem Text weisen nämlich enge Beziehungen zu griechischen Symposien auf:496 In diesem Abschnitt thematisiert Ben Sira das Benehmen bei Tisch – ein Thema, das der israelitisch-jüdischen Tradition bis dahin fremd war und ihr offenbar durch die griechisch-hellenistische Kultur vermittelt wurde. Dabei erläutert Sirach sowohl die Pflichten der Gäste (31,12–31)497 als auch die des Gastgebers (32,1–13). Gerade aufgrund dieser Passage wird in der Forschung angenommen, dass die gute Kenntnis Sirachs vom Ab­ lauf eines Gastmahls darauf beruht, dass er selbst häufig dazu eingeladen wurde498 und daran teilgenommen hat. Ebenso wird dieser Abschnitt als Indiz dafür ausgewertet, dass Sirach dem Hellenismus grundsätzlich po­ sitiv gegenübergestanden hat.499 Im Einzelnen lässt sich der Rückgriff Sirachs auf die Symposiumstradition an der Aufnahme von folgenden drei Motiven erkennen, die in besonderer Weise mit der Mahlpraxis in der griechisch-römischen Antike verbunden waren (s.o. 2.2.1): der zentralen Bedeutung der Tischgespräche, der Überzeugung, dass Tischgemeinschaft zwischen Freunden stattfinden soll, sowie der Auffassung, dass zwischen Tischgenossen und Freunden idealerweise eine gewisse Gleich­ heit in der moralischen Beschaffenheit besteht.500 Alle drei Topoi finden sich bei Sirach nämlich zum Teil im direkten Umfeld zur Tischgemeinschaftsaussa­ 496  Vgl. dazu Kieweler, Benehmen, 195–210. 497  Im Zentrum der dortigen Ermahnungen stehen die Tischsitten, wobei die Forderungen nach einem maßvollen Essen sowie nach Bescheidenheit beim Essen als besonders wichtig erscheinen. Ähnliche Ermahnungen lassen sich auch innerhalb der pagangrie­ chischen Mahlpraxis nachweisen, so besonders ausführlich bei Gaius Musonius Rufus, Dissertationum a Lucio digestarum reliquiae 18B: Maßlosigkeit beim Essen zeige den Schlemmer nicht als Menschen, sondern als Schweinen oder Hunden ähnlich. Man solle den Tischgenossen denselben Anteil gönnen. Vgl. daneben z.B. Epikt. Ench. 36; Galen, De propriorum animi cuiuslibet affectuum dignotione et curatione (Kühn V, 31f.), der vor allem dazu auffordert, weniger zu essen als die Tischgenossen und Leckerbissen zu vermeiden. Vgl. dazu auch Xen. Cyr. 5,2,17 für die Perser. 498  Vgl. Marböck, Weisheit, 162–164. 499  So Snaith, Ecclesiasticus, 172–174, mit einem Überblick über Forscher, die eine Kenntnis paganer Werke durch Sirach annehmen. 500  Zudem findet sich auch das in Sir 9,14b belegte Motiv des Ratgebers (καὶ μετὰ σοφῶν συμβουλεύου; vgl. dazu Sir 8,17 und 37,7–11, wo ebenfalls zur Vorsicht bei der Auswahl der Ratgeber gemahnt und in diesem Rahmen in Sir 37,12 gefordert wird, solche zu wählen,

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

ge wieder. So geht der Anordnung zur Tischgemeinschaft unmittelbar eine Er­ mahnung voraus, die das Verhalten bei Gesprächen betrifft (9,15; vgl. 6,35). Dort fordert Sirach: „Mit Verständigen sei dein Gespräch und all deine Erörterung im (Horizont des) Gesetz(es) des Höchsten“ (μετὰ συνετῶν ἔστω ὁ διαλογισμός σου καὶ πᾶσα διήγησίς σου ἐν νόμῳ ὑψίστου).501 Dabei lässt sich für diese Aussage eine besondere Nähe zur Formulierung von der Tischgemeinschaft erkennen, wie insbesondere der parallele Aufbau von Sir 9,15 und 9,16 zeigt.502 Sie lässt aber darauf schließen, dass in diese Gespräche die Unterhaltungen bei Tisch in jedem Fall eingeschlossen sind (vgl. auch 32,3–12). Dabei soll der Inhalt dieser Gespräche Sirach zufolge aus dem Gesetz (9,15b) bzw. der Gottesfurcht (9,16b) bestehen.503 Zweitens durchzieht das für die Vorstellung der Tischgemeinschaft zen­ trale Motiv der Freundschaft das gesamte Sirachbuch.504 Dabei hat das für Sirach demzufolge entscheidende Konzept der Freundschaft505 offenbar überhaupt einen griechisch-hellenistischen Hintergrund.506 Während dieses in der hebräischen Bibel nämlich keine zentrale Rolle spielt,507 ist es im grie­ chischen Bereich überaus weit verbreitet.508 Dabei findet es sich innerhalb des Sirachbuches sowohl im Umfeld der Anordnung in Sir 9,16 (vgl. 9,10) als auch darüber hinaus im Kontext der Tischgemeinschaft.509 An dieser in der die sich an das Gesetz halten) in ähnlicher Form in pagangriechischen Belegen zur Tisch­ gemeinschaft (Hdt. 5,24,3; Lukian, Jupp. trag. 49; s.o. 2.2.1.3c). 501  In der Vulgata folgt diese Forderung hingegen auf die Anordnung zur Tischgemeinschaft. 502  Zum parallelen Aufbau von Sir 9,15f. vgl. Marböck, Sir, 147: „dem konkreten rechten Um­ gang der ersten Vershälfte entspricht jeweils die persönliche Haltung im zweiten Versteil“. 503  Zur Parallelität der Bewahrung des Gesetzes und der Gottesfurcht vgl. vor allem Sir 32,34– 33,1; vgl. auch 10,19; 23,27. Diese Verbindung basiert auf Dtn 10,12f.; vgl. Ps 19,7–9; 112,1; 119,63; Koh 12,13. 504  Vgl. dazu Sir 6,1–17; 7,18; 9,10; 12,8–12; 13,25; 14,13; 19,13–17; 20,16.23; 22,19–26; 27,16–21; 29,10; 37,1–6; 41,25; vor allem die Bestimmungen zum treuen Freund in Sir 6,14–17; 7,18. 505  Zum Verständnis der Konzeption der Freundschaft im Sirachbuch vgl. vor allem Corley, Friendship; ders., Teaching; daneben den Sammelband Reiterer, Freundschaft. 506  So auch Marböck, Sir, 110f. 507  Dass das Thema der Freundschaft in der Hebräischen Bibel dennoch durchaus eine grö­ ßere Bedeutung hat, als oftmals angenommen wurde, zeigt zuletzt Olyan, Friendship. 508  Vgl. dazu den Sammelband Fitzgerald, Perspectives, der den Bogen von der Zeit vor Aris­ toteles bis zu Plutarch (vgl. dazu den Beitrag von O’Neil) spannt und auch Philo berück­ sichtigt. Zu einem Überblick generell unter Einschluss der biblischen Schriften vgl. Treu, Freundschaft. 509  Vgl. dazu Sir 6,10 mit 6,8f., dort allerdings mit der Zuspitzung, dass ein Freund, der der Tischgenosse eines Menschen ist, diesen in der Not im Stich lässt: καὶ ἔστιν φίλος κοινωνὸς τραπεζῶν καὶ οὐ μὴ παραμείνῃ ἐν ἡμέρᾳ θλίψεώς σου. Vgl. dazu die Parallelen bei Marböck, Sir, 112: Sir 37,4; Ps 41,10; Theognis 1,115f.643f.: „Gefährten bei Trank und Speise gibt es viele, wenige aber in einer ernsten Sache.“

2  Tischgemeinschaft

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pagangriechischen Umwelt häufig hergestellten Verbindung von Freundschaft und Tischgemeinschaft510 lässt sich der Einfluss der griechischen Vorstellung vom Gastmahl auf Sirach besonders deutlich erkennen. Dabei vertritt Sirach drittens die Auffassung, dass zwischen denen, die engen Kontakt miteinander pflegen, eine gewisse Gleichheit bestehen soll: Der Gedanke der Gemeinschaft unter Gleichen (37,12) und die Proble­ me, die aus ungleichen Verhältnissen entstehen können, werden in Sir 13 unter Anwendung mehrerer Beispiele behandelt. Dabei besteht das Pro­ blem eines Kontaktes von ungleichen Personen darin, dass das schlechte Verhalten eines verdorbenen Menschen auf andere abfärbt, wie in Sir 13,1 am Beispiel des Kontaktes mit einem Hochmütigen verdeutlicht wird. Wer Gemeinschaft mit einem Hochmütigen hat, der wird ihm ähnlich werden (ὁ κοινωνῶν ὑπερηφάνῳ ὁμοιωθήσεται αὐτῷ). Eine solche Befürch­ tung, dass es bei einer Ungleichheit der Mahlteilnehmer zu einer Ver­ schlechterung des Zustandes der Guten kommt, wird nun gerade auch im Rahmen der Anordnungen zum Symposium mehrfach geäußert (s.o. 2.2.1.3c).511 Zudem handelt es sich beim Hochmut um ein moralisches Vergehen (vgl. Mk 7,22), sodass es sich innerhalb von Sir 13,1 wie inner­ halb der pagangriechischen Tradition näherhin um eine Verschlechte­ rung des eigenen Charakters handelt. Gerade deshalb erfordert die Wahl der Personen, zu denen man häufigen und engen Kontakt hat, besondere Vorsicht.512 Zudem ist es Sirach zufolge das Normale, dass jedes Lebe­ wesen seinesgleichen liebe und jeder Mensch den, der ihm gleicht: πᾶν ζῷον ἀγαπᾷ τὸ ὅμοιον αὐτῷ καὶ πᾶς ἄνθρωπος τὸν πλησίον αὐτοῦ (13,15). Jedes Fleisch versammelt sich nach seiner Art und ein Mensch verbindet sich mit dem ihm Gleichen: πᾶσα σὰρξ κατὰ γένος συνάγεται καὶ τῷ ὁμοίῳ αὐτοῦ προσκολληθήσεται ἀνήρ (13,16). Die Gemeinschaft von Sünder und From­ mem wird in Sir 13,17 hingegen mit der von Wolf und Lamm513 verglichen

510  Die Verbindung von Tischgemeinschaft und Freundschaft findet sich auch bei Josephus. In seiner Selbstbiographie berichtet er von einem solchen Mahl mit seinen Freunden: […] ἐτύγχανον μετὰ τῶν φίλων καὶ τῶν τῆς Γαλιλαίας πρώτων ἑστιώμενος (Vita 220); vgl. auch den im Umfeld artikulierten Gedanken der Freunde (222) bzw. engsten Freunde (223). 511  Vgl. dazu, dass sich der Gebrauch von ὁμοιοῦμαι (Passiv) für das Ähnlichwerden durch den Kontakt mit Schlechten aus Sir 13,1 bereits mehrfach bei Platon findet (s.o. 2.2.1.3c). 512  Vgl. dazu auch die Forderung zur besonderen Vorsicht bei der Aufnahme von Gästen in Sir 11,29–34. 513  Vgl. dazu, dass sich Wolf und Lamm erst in der Endzeit zueinandergesellen werden (Jes 11,3).

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

(τί κοινωνήσει λύκος ἀμνῷ οὕτως ἁμαρτωλὸς πρὸς εὐσεβῆ).514 Dabei trifft Egalität auf die Forderung der Tischgemeinschaft mit Gerechten in Sir 9,16 insofern zu, als diese sich an den Weisen und damit an jemanden richtet, der selbst gesetzestreu und gottesfürchtig ist (vgl. bes. 9,15b.16b). Diese Beschränkung der Tischgemeinschaft auf Gerechte bzw. Gesetzestreue in Sir 9,16 dient somit dem Zweck, dass die Gerechten bei ihrer Bindung an das Gesetz bleiben und nicht durch Sünder verdorben werden. Im Einzel­ nen zeigt diese Bestimmung deutliche Anknüpfungspunkte an die Regelun­ gen innerhalb der griechisch-römischen Mahlpraxis. Insbesondere das von Sirach vertretene Ideal vom Mahl als Gemeinschaft zwischen Gleichen findet sich nämlich auch dort, wenn Tischgemeinschaft mit Schlechten strikt abge­ lehnt wird. Die Motive aus der Tradition zum Symposium werden jedoch von Sirach vor dem Hintergrund der Weisheit515 bzw. Gottesfurcht516 als größerem Rahmen angewendet, und zwar indem der Gute, auf den der Kontakt in der Symposiumstradition beim Essen zu beschränken ist, genauer als der mit dem Weisen identifizierte Gerechte bzw. Gesetzestreue bestimmt wird. Deshalb fordert Sirach als Voraussetzung für Tischgemeinschaft dann nämlich konkret die gleich gute Beachtung des Gesetzes durch das Gegenüber. Damit lässt die Anordnung zur Tischgemeinschaft in Sir 9,16 aber exempla­ risch Folgendes erkennen: Sirach greift eindeutig griechische Vorstellungen auf und ermahnt seine Zeitgenossen gerade mit ihnen zu einer verstärkten Orientierung am jüdischen Gesetz. 2.2.2.2

Das Essen mit jemandem, der mit seinem ganzen Herzen Gottes gedenkt (Tobit) Innerhalb des Tobitbuches517 wird das Thema „Essen“ vor allem dazu ge­ braucht, die Gesetzestreue Tobits herauszustellen.518 Diesem Zweck dient 514  Abgesehen von der Kontrastierung des Frommen und Sünders wird in Sir 13,18–24 vor allem der soziale Gegensatz zwischen arm und reich in den Blick genommen (vgl. 13,2–7); zur Vorsicht im Umgang mit Reichen und Mächtigen vgl. Sir 13,4–13; 31(34),12–18; 32(35),1–13. 515  Ein solcher Bezug auf die Weisheit wird auch für andere das Essen betreffende Anord­ nungen innerhalb des Sirachbuches festgestellt. So betont z.B. Rapp, dass im Zentrum von Sir 31,12–32,13 primär nicht die Frage nach guten Manieren, sondern die der Identi­ tät steht. Ihr zufolge bieten diese Verhaltensregeln am Tisch nämlich ein Bild des weisen Menschen, d.h. es geht nicht darum, ob jemand sich richtig benimmt, sondern ob jemand zur Gruppe der weisen Männer gehört (Behaviour, bes. 44.53). 516  Vgl. dazu, dass Sirach auch das Freundschaftsmotiv im Rahmen der Gottesfurcht veran­ kert (so Corley, Teaching, 113f.). 517  Zur Datierung des Tobitbuches s.o. 1.1.2.2. 518  So auch Jacobs, Food, 130.137, unter Hinweis auf Tob 1,11.17; 4,16.

2  Tischgemeinschaft

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abgesehen von der Feststellung Tobits in 1,10f., er habe sich der „Brote der Heiden“ enthalten (s.o. 1.1.2.2), auch der Komplex der Tischgemeinschaft. Dieser wird in Tob 2,2 GII expressis verbis mit Bezug auf Tischgemeinschaft zwischen Juden aktualisiert. Danach fordert Tobit seinen Sohn Tobias nämlich dazu auf, einen Armen aus den Brüdern zu bringen, der mit seinem ganzen Herzen des Herrn gedenkt519 (βάδιζε καὶ ὃν ἂν εὕρῃς πτωχὸν τῶν ἀδελφῶν ἡμῶν ἐκ Νινευητῶν αἰχμαλώτων ὃς μέμνηται ἐν ὅλῃ καρδίᾳ αὐτοῦ καὶ520 ἄγαγε αὐτόν), damit er gemeinsam mit Tobit esse (καὶ φάγεται κοινῶς μετ’ ἐμοῦ). Bei diesem Mahl handelt es sich – abgesehen von der Versorgung des Armen aufgrund der Barmherzigkeit Tobits – zugleich wiederum um ein Mahl mit Gleichen, denn auch Tobit wird als jemand charakterisiert, der mit seiner ganzen Seele Gottes gedenkt (καθότι ἐμεμνήμην τοῦ θεοῦ ἐν ὅλῃ τῇ ψυχῇ μου521 in 1,12). Mit dieser Forderung lässt sich zugleich eine Beschränkung der Tischgemeinschaft auf Gerechte wiederfinden, da das Gedenken Gottes innerhalb des Tobitbuches in enger Verbindung mit der Vermeidung von Sünde und Gesetzesübertretung522 sowie mit dem Tun der Gerechtigkeit523 steht. Überhaupt ist das Tun der Ge­ rechtigkeit eine der zentralen Forderungen des Tobitbuches.524 Tobit selbst wird mehrfach als gerecht qualifiziert,525 ebenso als barmherzig und gottver­ ehrend (14,2 GI ). Mit Bezug auf den Komplex des Essens findet sich eine Beschränkung auf Gerechte ein weiteres Mal innerhalb der letzten Ermahnungen Tobits an seinen Sohn. Sie steht wie schon Tob 2,2 GII in einem Kontext, in dem zur Gabe von Brot an die Hungrigen bzw. Armen aufgefordert wird (4,16).526 Im Anschluss an diese Ermahnung ruft Tobit konkret zur reichlichen Gabe von Broten an den Gerechten auf, verbietet eine solche aber für den Sünder (4,17): „Schütte deine 519  Zum Gedenken vgl. auch Tob 1,12; 2,6; 4,4f.19; 6,16; 14,7.9. 520  Die kürzere griechische Version liest anstelle des καί die Wendung τοῦ κυρίου. Zur Rekon­ struktion des Textes vgl. Jacobs, Food, 134 Anm. 54. 521  Der Ausdruck ἐν ὅλῃ τῇ ψυχῇ μου spiegelt ebenso wie ἐν ὅλῃ καρδίᾳ αὐτοῦ dtn.-dtr. Sprach­ gebrauch wider. Beide Wendungen kommen zumeist in Verbindung miteinander vor und sind grundsätzlich austauschbar (Dtn 4,29; 6,5; 13,4; 26,16; 30,2.6.10 u.ö.). 522  Vgl. dazu vor allem Tob 4,19: „der Gebote gedenken“. 523  Vgl. dazu die Ermahnung an den Sohn in Tob 4,5 (mit 4,21); vgl. auch Tob 14,7–9 GII mit GI ; vgl. dazu auch Jes 64,4; daneben Jer 51,50; Ez 6,9; Ps 42,7. 524  Zur Forderung nach dem Tun der Gerechtigkeit vgl. vor allem Tob 13,6 GI ; 14,7 GI ; 14,8f. GII . Die Gerechtigkeit steht im Einzelnen in enger Verbindung mit der Barmherzigkeit (vgl. 14,11 GI ; vgl. auch die häufigen Zusammenstellungen von Gerechtigkeit und Barmherzig­ keit: Tob 1,3; 2,14; 3,2; 12,8–10; 13,6; 14,7). 525  Zur Kennzeichnung Tobits als gerecht vgl. vor allem Tob 1,3 GI : ἐγὼ Τωβιτ ὁδοῖς ἀληθείας ἐπορευόμην καὶ δικαιοσύνης πάσας τὰς ἡμέρας τῆς ζωῆς μου καὶ ἐλεημοσύνας πολλὰς ἐποίησα τοῖς ἀδελφοῖς μου καὶ τῷ ἔθνει τοῖς συμπορευθεῖσιν μετ’ ἐμοῦ εἰς χώραν Ἀσσυρίων εἰς Νινευη; vgl. auch Tob 7,7 GII ; 9,6 GII . 526  Vgl. dazu auch Tob 1,17.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Brote auf das Grab der Gerechten und gib sie nicht den Sündern“ (ἔκχεον τοὺς ἄρτους σου ἐπὶ τὸν τάφον τῶν δικαίων καὶ μὴ δῷς τοῖς ἁμαρτωλοῖς).527 Im Hinblick auf den genauen Hintergrund ist es umstritten, ob es sich um den Brauch der Totenspeisung528 handelt oder um die Spende von Speisen für eine Begräbnis­ feier, an denen man sich beteiligen soll.529 Angesichts des Befundes, dass der Brauch der Totenspeisung in jüdischen Quellen häufig kritisiert wird,530 passt eine Deutung als Leichenmahlzeit zum Beistand und Trost der Hinterbliebe­ nen jedoch deutlich besser zum Frömmigkeitsideal des Tobitbuches. Einen Hinweis auf die Praxis des Mahls unter Gerechten bietet auch Ps 154,12f. Dabei ist der genaue Wortlaut von V. 13 zwar unsicher,531 doch ist von V. 12 her klar, dass es sich bei der dort erwähnten Tischgemeinschaft um ein gemeinsames Mahl unter Gerechten handelt. Weitere Ermahnungen zur Vermeidung des Essens mit moralisch verdorbenen Menschen Dass Tischgemeinschaft auf Menschen zu beschränken ist, die untadelig und moralisch einwandfrei sind, liegt auch im Hintergrund der Belege, die ein ge­ meinsames Mahl mit bestimmten Menschen verbieten und in diesem Rahmen jeweils eine konkrete negative Verhaltensweise dieser Menschen nennen. So betont der Beter von Ps 100 LXX mehrfach, dass er den Umgang mit verdor­ benen Menschen stets strikt abgelehnt hat. In diesem Rahmen verwendet 2.2.3

527  Vgl. dazu auch den allgemeinen Ratschlag, keinem Bösen etwas Gutes zu tun (so z.B. Ps.Phok. 152); zur Gegenüberstellung von Sündern und Gerechten vgl. auch den Rat im Buch des Ahiqar: „My son, pour out thy wine on the graves of the righteous, rather than drink it with evil men“ (2,10 [syr.] bzw. 2,13 [arab.]; in der armenischen Fassung [2,7] ohne „on the graves of the righteous“; Übersetzung APOT II, 730f.). 528  So Rabenau, Studien, 61f. 529  Vgl. Jer 16,7; Ez 24,17.22; Jos. Bell. 2,1. So Schumpp, Tob, 96–98; Schüngel-Straumann, Tob, 103; ausführlich MacDonald, Bread, dem zufolge es kein biblisches Verbot einer solchen Praxis gibt (102). 530  Zu Belegen s.u. zu Jub 22,17 (IIC 2.1.2.2). 531  Vgl. dazu die Wiedergabe der syrischen Überlieferung von Ps 154,13 bei van der Woude, JSHRZ IV/1, 44: „Auf deren Essen (ruht) wahrhaftig Sättigung und auf deren Trinken miteinander“; Charlesworth/Sanders, OTP II, 621 Anm. u: „and concern­ ing their feast in fellowship (are they) together“. Eshel/Eshel, 4Q448, 658, schlagen hin­ gegen ausgehend von dem in 11QPsa (11Q5 18) überlieferten hebräischen Text zu diesem Psalm (vgl. aber, dass diese Psalmen nicht aus der Gemeinschaft von Qumran stammen, so van der Woude, JSHRZ IV/1, 31.35) folgendes Verständnis vor: „When they eat with sati­ ety She [wisdom] is cited, and when they drink in a community together.“

2  Tischgemeinschaft

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er – anders als im masoretischen Text532 – auch das Motiv der Tischgemein­ schaft, wenn er feststellt: „Den, der heimlich seinen Nächsten verleumdete, habe ich verfolgt (τὸν καταλαλοῦντα λάθρᾳ τοῦ πλησίον αὐτοῦ, τοῦτον ἐξεδίωκον), mit einem in Hinsicht auf das Auge Hochmütigen (vgl. dazu Sir 13,1; s.o. 2.2.2.1) und in Hinsicht auf das Herz Unersättlichen habe ich nicht zusam­ men gegessen (ὑπερηφάνῳ ὀφθαλμῷ καὶ ἀπλήστῳ καρδίᾳ, τούτῳ οὐ συνήσθιον)“ (Ps 100,5 LXX). Gelegentlich wird die Ablehnung der Tischgemeinschaft mit verdorbenen Menschen auch konkret mit deren Verhalten am Tisch begründet, und zwar dann, wenn dieses der eigentlich besonders geschätzten angenehmen At­ mosphäre bei einem gemeinsamen Mahl entgegensteht. So wird in Spr 23,6– 8 LXX533 beispielsweise vor einem gemeinsamen Mahl mit einem Neidischen bzw. Missgünstigen534 gewarnt, und zwar sowohl vor einer Bewirtung durch ihn (23,6f.) als auch vor einer Einladung dieses Menschen zu sich selbst (23,8). Ein gemeinsames Mahl mit ihm wird in beiden Fällen offenbar als eine zutiefst unangenehme Angelegenheit bewertet, und zwar sowohl aufgrund der Tisch­ sitten dieses Mannes als auch aufgrund der Tatsache, dass ihm geradezu eine zerstörerische Wirkung auf die eigenen Worte zugeschrieben wird.535 Später warnt dann der Syrer Menander in seinen Sentenzen536 vor dem Essen mit einem verdorbenen Menschen, da dieser das verschlinge, was seinem Gegen­ über gehört und – weil er schlecht ist – nur Schlimmes von ihm rede.537 532  In Ps 101,5 MT heißt es „den will ich nicht ertragen“. Grund für die Abweichung der Sep­ tuaginta ist eine andere Vokalisation des hebräischen Textes (s. den textkritischen Appa­ rat der BHS). 533  Die Septuaginta-Version weicht vor allem in Spr 23,7.8a erheblich vom masoretischen Text ab. In Spr 23,6 MT findet sich nicht die Rede vom gemeinsamen Essen, sondern der Fokus liegt auf den Speisen. 534  Zu βάσκανος vgl. Spr 28,22; Sir 18,18; 37,11. 535  Spr 23,6–8 LXX: „(6) Speise nicht mit einem neidischen Mann und begehre nicht seine Bissen (μὴ συνδείπνει ἀνδρὶ βασκάνῳ μηδὲ ἐπιθύμει τῶν βρωμάτων αὐτοῦ), (7) denn wie einer, wenn er ein Haar verschlucken sollte, (isst), so isst und trinkt er (ὃν τρόπον γὰρ εἴ τις καταπίοι τρίχα οὕτως ἐσθίει καὶ πίνει). (8) Auch führe ihn nicht zu dir hinein und iss (nicht) deinen Brocken mit ihm (μηδὲ πρὸς σὲ εἰσαγάγῃς αὐτὸν καὶ φάγῃς τὸν ψωμόν σου μετ’ αὐτοῦ), denn er wird ihn ausbrechen und deine schönen Worte verletzen (ἐξεμέσει γὰρ αὐτὸν καὶ λυμανεῖται τοὺς λόγους σου τοὺς καλούς).“ 536  Die syrischen Menandersprüche sind wahrscheinlich nachchristlich, vermutlich auf die 2. Hälfte des 2. Jh. oder den Beginn des 3. Jh. zu datieren, vgl. dazu Baarda, OTP II, 585. 537  Vgl. Riessler, Schrifttum, 1054, Spruch 59/OTP II, 601, Z. 333–335. Menander fordert auch dazu auf, das gemeinsame Essen mit einem bösen Sklaven zu unterlassen, damit dessen Herren nicht glauben, dass man den Sklaven im Diebstahl unterrichten wolle (Riessler, Schrifttum, 1050, Spruch 24/OTP II, 596, Z. 154–156).

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Die Regelungen zur Tischgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden und anderen Juden im Vergleich Sowohl die Regelungen zu gemeinsamen Mahlzeiten zwischen Juden als auch die Bestimmungen zu Mählern zwischen Juden und Nichtjuden haben je­ weils das Ziel, dass fromme Juden durch die jeweilige Tischgemeinschaft nicht schlechter werden, als sie es bislang sind. In beiden Fällen besteht der Grund für eine Einschränkung des Mahls nicht in einer rituellen Unreinheit des Ge­ genübers, wie es innerhalb des palästinischen Judentums durchaus der Fall ist (so in Jub 22,16 und 1QS; s.u. IIC 2). Im Einzelnen unterscheiden sich die Praxis der Tischgemeinschaft zwischen Juden und Nichtjuden und die eines gemein­ samen Essens unter Juden jedoch deutlich voneinander. Die im griechischsprachigen Diasporajudentum belegten Nachrichten zur Tischgemeinschaft zwischen Juden und Nichtjuden lassen erkennen, dass das gemeinsame Essen von Juden mit Nichtjuden in jedem Fall besonderen Rege­ lungen bzw. Einschränkungen unterlag. Bedingung für das Zustandekommen eines gemeinsamen Mahls ist die Einhaltung der jüdischen Speisegebote, wel­ che in erster Linie auf die Verhinderung von Götzendienst zielt. Lässt sich als verbindendes Merkmal somit die Vermeidung von Götzendienst erkennen, so variiert das geforderte Verhalten angesichts dieser Gefahr in den verschiede­ nen Schriften jedoch erheblich voneinander. Dabei besteht – abgesehen von einer strikten Vermeidung der Tischgemeinschaft (Esther in den SeptuagintaZusätzen) – durchaus die Möglichkeit eines Mahls zwischen Juden und Hei­ den, ohne dass die Juden die Speisegebote übertreten. Im Einzelnen kann dies auf unterschiedliche Weise erfüllt werden: Die Minimalbedingung für eine Teilnahme von Juden an Mählern bei Nichtjuden besteht in getrennten Speisen von Gast und Gastgeber, sei es, dass die Juden sich ihre Speisen selbst mitbrin­ gen (Judith) oder ihnen von dem einladenden Nichtjuden gesonderte Speisen serviert werden (JosAs). Ein solches Mahl wird dann jedoch von verschiede­ nen jüdischen Autoren jeweils gerade nicht als ein gemeinsames Essen bewer­ tet. Wirkliche Mahlgemeinschaft, die auch gemeinsame Speisen einschließt, setzt hingegen voraus, dass die Speisen den jüdischen Vorschriften entspre­ chen, und zwar entweder im Rahmen eines von den Juden selbst abgehaltenen Mahls (Esther im masoretischen Text) oder aber dergestalt, dass die Nichtju­ den ein Mahl unter Einhaltung der jüdischen Speisetabus und Beachtung der Zubereitungsregeln ausrichten und damit selbst auf Götzendienst verzichten (so Ptolemaios im Aristeasbrief durch ein gemeinsames, von einem Juden gesprochenes Gebet). Die Gefahr des Götzendienstes, die als Hauptsorge bei einem gemeinsamen Mahl mit Heiden erscheint, ist dabei im Fall einer Teil­ nahme an Mählern der Heiden durchaus gegeben. Gerade der Bereich des Es­ sens ist nämlich bei den Heiden eng mit Götzendienst verbunden. Dies betrifft 2.3

2  Tischgemeinschaft

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zum einen die Herkunft der heidnischen Speisen, vor allem des Fleisches, aus Götzenopfern (JosAs; vgl. auch 4 Makk 5,2), zum anderen götzendienerische Praktiken während des Mahls wie vor allem das Libationsopfer von Wein (vgl. dazu vor allem Esther), daneben auch das Gebet an Götzen anstelle des Lob­ preises des einen Gottes (so in Joseph und Aseneth; im Aristeasbrief hingegen durch das Gebet eines Juden ausdrücklich vermieden). Während beim gemeinsamen Mahl von Juden und Heiden die bei diesem Mahl verwendeten Speisen das Haupthindernis darstellen, wird im Fall von Tischgemeinschaft zwischen Juden die Gemeinschaft während des Essens, d.h. der Kontakt an sich, in einigen Fällen als problematisch bewertet, und zwar dann, wenn es sich bei den Mahlteilnehmern um moralisch verdorbene Menschen handelt. Voraussetzung für ein gemeinsames Mahl soll vor allem die Ge­ rechtigkeit des Gegenübers sein, d.h. dessen Erfüllung des jüdischen Gesetzes. Als konkrete Vergehen derjenigen, mit denen Tischgemeinschaft vermieden werden soll, werden – anstelle des im Kontext der Heiden belegten Götzen­ dienstes – schlechte moralische Eigenschaften wie vor allem Hochmut und Neid genannt. Gelegentlich werden zwar Speisen erwähnt, doch sind nicht die Speisen selbst, etwa deren Verbindung mit Götzendienst, das Problem, son­ dern der maßlose Umgang der als verdorben bewerteten Menschen mit diesen Speisen. Dabei liegt die Gefahr nicht in einer Beteiligung an verbotenen Prakti­ ken während des Mahls wie beispielsweise in der Anbetung der Götzen im Fall einer Tischgemeinschaft mit Nichtjuden. Vielmehr besteht die Befürchtung, dass schlechte Menschen bei engen Kontaktformen mit Guten auf diese einen negativen Einfluss haben, sodass auch vorher gute Menschen von da an einen verdorbenen Lebenswandel führen. Sind nämlich bislang anständige Personen dem negativen Einfluss von verkommenen Personen ausgesetzt, dann werden sie – so die Überzeugung – diesen zwangsläufig ähnlich. Konkret bergen ge­ rade die während des Essens stattfindenden Gespräche, die üblicherweise als Möglichkeit des Austauschs besonders positiv bewertet werden, bei einer Tischgemeinschaft mit Schlechten die Gefahr einer solchen negativen Ein­ flussnahme. Mit der Erwähnung der Tischgespräche und der Forderung nach einer Beschränkung der Tischgemeinschaft auf moralisch integre Personen stehen diese Anordnungen in besonderer Nähe zu der im paganen Bereich zu findenden Praxis der Tischgemeinschaft. Gerade innerhalb der Tradition zum Symposium wird nämlich der Gemeinschaft in Form der Tischgespräche zen­ trale Bedeutung für das Gelingen eines Gastmahls beigemessen. Dabei wird zudem mehrfach dazu aufgefordert, Tischgemeinschaft mit moralisch verdor­ benen Personen strikt zu vermeiden. Mit dieser Ermahnung wird die generelle Forderung, engere Gemeinschaftsformen um des eigenen Charakters willen auf Gute zu beschränken, konkret auf den Bereich der Tischgemeinschaft

180

IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

angewendet. Die Beschränkung der Tischgemeinschaft im hellenistischen Ju­ dentum auf moralisch gute Menschen unterscheidet sich somit nicht grund­ sätzlich von der für griechisch-römische Mähler konstitutiven Praxis. Sie wird jedoch im Judentum deutlich in den Gegensatz von Sündern und Gerechten und damit in die Frage nach der Erfüllung des Willens Gottes als größerem Rahmen eingeordnet. 3

Rituelle Reinheitsvorschriften im Zusammenhang des Essens

Rituelle Reinigungsriten vor dem Essen werden insbesondere für das Judentum in Palästina breit überliefert. Dabei lassen sich für die Gemeinschaft von Qum­ ran besonders strikte Anweisungen feststellen (s.u. IIC 3). Grund­sätzlich sind rituelle Reinigungsmaßnahmen aber durchaus auch mehrfach für das Dias­ porajudentum überliefert,538 jedoch primär als (Hände-)Waschen vor dem Beten539 und dem Studium der Tora.540 Allerdings sind Waschungen offenbar auch im Diasporajudentum nicht auf diesen Bereich beschränkt. So finden sich auch Hinweise auf eine Reinigung nach dem Kontakt mit einem Toten,541 und zwar auch im Kontext des Essens.542 Demgegenüber bleibt die bisherige Forschung mit Blick auf die Frage, inwieweit auch im Diasporajudentum eine generelle, wie auch immer geartete Reinigung vor dem Essen verbreitet war, recht vage und hält eine solche meist für unwahrscheinlich. Insbesondere mit Tob 7,9b GII findet sich jedoch ein in der Forschung bislang nicht ausreichend beachteter Beleg, der darauf hindeutet, dass eine rituelle Reinigung vor dem Essen durchaus auch im Diasporajudentum verbreitet war,543 und zwar auch 538  Zu einem allgemeinen Überblick über die Beachtung von Reinheitsvorschriften in der Diaspora vgl. Sanders, Purity, 258–271, im Vergleich zu der in Jerusalem und Judäa vor 70 n.Chr. (ebd., 214–227). 539  Vgl. vor allem Arist 304–306, wonach das Händewaschen im Meer am Morgen vor dem Gebet ein Zeichen dafür ist, dass man nichts Schlechtes getan hat. Vgl. daneben auch die Waschung des ganzen Körpers in Sib 3,591–593; 4,162–166, mit dem Ausstrecken der Hände zum Himmel (4,166). Dass Reinheit die Voraussetzung für ein Gebet ist, findet sich grundsätzlich auch in Qumran (z.B. 4Q512 11 x 2–5; 4Q274 1 i 1; vgl. Baumgarten, DJD 35, 102; ders., Purification Rituals, 202). Vgl. auch Apg 16,13. 540  Vgl. dazu vor allem Jos. Ant. 12,106. 541  Vgl. Tob 2,9 GII ; Philo, Spec. 3,206. 542  Speziell zum Waschen vor dem Essen nach dem Kontakt mit einem Toten vgl. Tob 2,5: καὶ ἐπιστρέψας ἐλουσάμην καὶ ἤσθιον τὸν ἄρτον μου ἐν λύπῃ. 543  Insgesamt scheint GII jedoch eine Textform zu repräsentieren, die auch in den in Qum­ ran gefundenen Fragmenten des Tobitbuches belegt ist. Dort findet sich die Aussage von der Waschung vor dem Essen zwar nicht, doch bietet 4Q197 4 iii 11 zu Tob 7,9 Platz für eine Wendung, die GII nahesteht (vgl. Broshi, DJD 19, 51.53). Damit könnte bereits das

3 Rituelle Reinheitsvorschriften

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vor gewöhnlichen Mahlzeiten, ohne dass eine besonders schwere Form der Verunreinigung vorliegt.544 Im Hintergrund steht die Ankunft des Tobias im Haus Raguels, die auf die Hochzeit des Tobias mit dessen Tochter Sarra zielt. Dabei wird in Tob 7,9b GII in Bezug auf das Mahl, das zur Vorbereitung die­ ser Hochzeit dient, Folgendes bemerkt: „Und als sie gebadet und sich gewa­ schen und sich zum Essen niedergelegt hatten, sagte Tobias zu Raphael […]“ (καὶ ὅτε ἐλούσαντο καὶ ἐνίψαντο καὶ ἀνέπεσαν δειπνῆσαι εἶπεν Τωβιας τῷ Ραφαηλ […]). Deutlich ist hier in jedem Fall der enge Zusammenhang zwischen dem Essen und einer vorherigen Reinigung.545 Auffällig ist die Dopplung der auf den Vorgang der Reinigung zielenden Verben.546 In ihr bezeichnet ἐλούσαντο offenbar die Reinigung des ganzen Körpers, ἐνίψαντο hingegen das Waschen einzelner Körperteile. Das Verbum νίπτω wird nämlich generell häufig für das Waschen von Händen und Füßen gebraucht.547 Dies gilt insbesondere für den Fall, dass es in Verbindung mit λούω verwendet wird.548 Dabei ist νίπτω dann

aramäische Tobitbuch diese oder eine ähnliche Wendung enthalten haben. Insgesamt wird GII als ältere Textfassung bewertet. 544  Im Hintergrund von Jdt 11,13 steht hingegen offenbar das Verbot, dass unreine Menschen das Essen von Priestern anfassen (als Fortsetzung von Lev 22,3; Jes 66,20). 545  Für Judith wird in Jdt 12,6–10 eine Reinigung berichtet, bei der es sich eher um ein Unter­ tauchen als um bloßes Händewaschen handelt (ἐβαπτίζετο ἐν τῇ παρεμβολῇ ἐπὶ τῆς πηγῆς τοῦ ὕδατος in 12,7). Dabei wird im näheren Umfeld zwar auch der Komplex des Essens erwähnt (καὶ εἰσπορευομένη καθαρὰ παρέμενεν ἐν τῇ σκηνῇ μέχρι οὗ προσηνέγκατο τὴν τροφὴν αὐτῆς πρὸς ἑσπέραν in 12,9), doch wird im unmittelbaren Anschluss an diese Reinigung vom Gebet der Judith berichtet (12,8; vgl. auch V. 6). Damit kann es sich um eine gegen­ über dem Händewaschen ausgiebigere Reinigung vor dem Gebet handeln. Möglich ist daneben auch eine Beseitigung der durch den Kontakt mit Heiden entstandenen Un­ reinheit (zu diesen beiden Möglichkeiten vgl. Alon, Uncleanness, 152–157; ders., Bounds, 201–203; Sanders, Purity, 258–261). 546  In der Vetus Latina zu Tob 7,9 findet sich hingegen nur ein Verbum, und zwar laverunt. 547  Vgl. dazu, dass νίπτω häufig für die Waschung einzelner Körperteile gebraucht wird, so Passow, s.v. νίζω 1: „netzen, waschen, besonders Hände und Füsse“; Louw/Nida, 47.9: „νίπτω: to wash a part of a body, usually the hands or feet“; GELS, s.v. νίπτω Aktiv und Medium: „to wash (a part of the body)“ (Hervorhebungen im Original). 548  Vgl. dazu vor allem TestXII.Lev 9,11. Hier wird Levi zum einen dazu aufgefordert, sich vor dem Betreten des Heiligtums zu baden (καὶ πρὸ τοῦ εἰσελθεῖν εἰς τὰ ἅγια, λούου), zum an­ deren dazu, sich im unmittelbaren Zusammenhang mit der Opferhandlung Hände und Füße zu waschen (καὶ ἐν τῷ θύειν, νίπτου· καὶ ἀπαρτίζων πάλιν τὴν θυσίαν, νίπτου); zum Ver­ ständnis von νίπτω mit Bezug auf Hände und Füße vgl. Ex 30,19–21 LXX, wo für die Rei­ nigung vor dem Betreten des Heiligtums und das Waschen der Hände und Füße vor der Opferung insgesamt νίπτω gebraucht wird (vgl. 38,27; zum Waschen vor der Darbringung von Opfern vgl. auch Jub 21,16; CD-A 11,21–12,1). Zu einer Verwendung von λούω für den ganzen Körper und νίπτω für Körperteile vgl. dann auch Joh 13,10.

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

von der vorliegenden Situation her am ehesten auf die Hände zu beziehen.549 So ließe sich bei einer Waschung der Füße zum einen anstelle einer durch das Medium zum Ausdruck gebrachten Selbstwaschung eher eine Waschung durch den Gastgeber erwarten, war eine solche doch in erster Linie ein Zei­ chen der unmittelbar vor der Tischgemeinschaftsaussage besonders hervor­ gehobenen Gastfreundschaft (vgl. καὶ ἔθυσεν κριὸν ἐκ προβάτων καὶ ὑπεδέξατο αὐτοὺς προθύμως in 7,9a).550 Zudem ist νίπτω zwar häufiger auch mit Bezug auf eine Fußwaschung belegt, doch wird in diesem Zusammenhang jeweils ausdrücklich τοὺς πόδας als Objekt gebraucht,551 und zwar auch innerhalb des Tobitbuches.552 Demgegenüber kann gerade für die Waschung der Hände ein ausdrückliches Objekt fehlen.553 Die Dopplung der beiden Verben in Tob 7,9b GII ist dann am ehesten so zu verstehen, dass λούω das ganz normale Waschen des Körpers im Sinne der Körperpflege554 bezeichnet, wohingegen νίπτω spe­ ziell die Reinigung der Hände vor dem Essen zum Ausdruck bringt.555 Für ein solches Verständnis spricht auch, dass die zweite Feststellung mit νίπτω in einem solchen Fall keine bloße Wiederholung der vorangehenden Reinigungs­ aussage ist. Anders als bei der Fußwaschung handelt es sich nämlich gerade beim jüdischen Brauch des Händewaschens weniger um eine Waschung aus hygienischen Gründen,556 sondern vor allem um einen rituellen Brauch, der eine bestimmte Praxis und besondere Technik beim Abspülen verlangt. Dass rituelle Fragen in der Diaspora ebenfalls von Belang waren, zeigt auch der archäologische Befund zu den Synagogen in der Diaspora.557 Gegen ältere Positionen, denen zufolge es in der Diaspora keine Mikwaot gegeben

549  Zu einem solchen Verständnis von νίπτω vor dem Hintergrund einer Bedeutungsdifferen­ zierung der beiden Verben vgl. auch Fitzmyer, Tob, 229f., im Anschluss an Rosso. Anders hingegen Moore, Tob, 219f., der ἐνίψαντο als Dublette ausscheidet, und zwar unter Hinweis auf Couroyer, der ein unterschiedliches Verständnis dieser beiden Verben vor dem Hin­ tergrund ablehnt, dass sie jeweils als Übersetzung von ‫ רחץ‬dienen. Ähnlich Littman, Tob, 120, der die Dublette als Fehler in der Textüberlieferung bewertet. 550  So in JosAs 7,1, wo Joseph nach seiner Ankunft im Haus des Pentephres vor dem Essen die Füße gewaschen werden, vgl. auch JosAs 20,2–5. 551  Vgl. Gen 18,4; 19,2; 24,32; 43,24; Ri 19,21; 1 Sam 25,41; 2 Sam 11,8; Hld 5,3 (jeweils LXX); TestAbr A 3,7.9; 6,6; TestAbr B 3,6.8f.; JosAs 7,1; 13,12; 20,2–5. 552  Vgl. Tob 6,3 GII : καὶ κατέβη τὸ παιδίον περινίψασθαι τοὺς πόδας εἰς τὸν Τίγριν ποταμόν. 553  So schon Hom. Od. 1,138; 4,54. 554  Vgl. zu einer solchen Waschung vor gemeinsamen Mahlzeiten u.a. Rut 3,3; Ez 23,40f. 555  Vgl. dazu den Gebrauch von νίπτω κτλ. in Mk 7,2f. 556  Die Fußwaschung zielt in jedem Fall auch darauf, die durch das Tragen von Sandalen vom Staub verschmutzten Füße zu reinigen. 557  Ausführlich zum archäologischen Befund zu den Synagogen in Palästina und der Diaspo­ ra vgl. Runesson/Binder/Olsson, Synagogue.

3 Rituelle Reinheitsvorschriften

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hat,558 wird gerade in der jüngeren Forschung betont, dass die Synagogen in der Diaspora durchaus Vorkehrungen zur rituellen Reinigung kannten. Dabei bleibt die Frage nach der genauen Art der rituellen Reinigung im Vergleich zu Palästina zwar deutlich unsicherer, doch lassen sich in jedem Fall zahlrei­ che Wasserbecken nachweisen, die am ehesten zum Händewaschen vor dem Gebet gedient haben.559 Daneben wurden auch größere Zisternen gefunden, die sich zwar baulich von den Mikwaot im Mutterland unterscheiden, jedoch offenbar durchaus der Reinigung des ganzen Körpers dienten.560 Damit lässt sich aber insgesamt erkennen, dass auch in der Diaspora rituelle Reinheit im Kontext der Synagoge zentrale Bedeutung hatte.561 In diesem Zusammenhang wird bisweilen angenommen, dass das Händewaschen vor dem Essen auch in der Diaspora ein verbreiteter Brauch gewesen sei.562 Dabei lässt sich zwar die Verwendung der gefundenen Handwasserbecken für die Reinigung vor Mahlzeiten nicht vollständig sichern. In jedem Fall spielten gemeinsame Mahlzei­ ten im Kontext der Synagoge jedoch offenbar durchaus eine gewisse Rolle,563 sodass ein Gebrauch im Zusammenhang von Mahlzeiten möglich erscheint. 558  So z.B. Rutgers, Heritage, 105; Claußen, Versammlung, 220f. Dabei wird auf die in der Diaspora häufig zu beobachtende Nähe der Synagogen zu natürlichen Gewässern oder zum Meer verwiesen und dementsprechend eine rituelle Reinigung in diesen natürlichen Wasserquellen angenommen. Vereinzelt wurde in der älteren Forschung auch für Syna­ gogen in der Diaspora eine Mikwe angenommen. Eine solche identifizierte Bruneau für ein Gebäude auf Delos, bei dem es sich seiner Meinung nach um eine Synagoge handelt, wobei sich für diese Mikwe allerdings keine Stufen nachweisen lassen (Bruneau denkt an eine Leiter) und die Datierung insgesamt zwischen dem Zeitraum von Julius Caesar und ca. 88 n.Chr. schwankt (Israélites, 491–495.500f.). Die Bewertung des entsprechenden Ge­ bäudes als Synagoge ist allerdings insgesamt umstritten (im Anschluss an andere grund­ sätzlich zustimmend z.B. Trebilco, Communities, 134 mit Anm. 34; Kraabel, Synagogue, 491–494; ablehnend hingegen Shanks, Judaism, 43f.). 559  So in den Synagogen von Ostia, Priene und Sardes, Dura Europos, Gerasa. 560  So betont von Runesson, Water, 123–126, z.B. gegen Rutgers. Runesson verweist u.a. auf unterschiedliche Reinigungstechniken wie beispielsweise die Besprengung (ebd., 125). 561  Vgl. dazu Haber, Essays, die durch einen Vergleich zwischen Palästina und der Diaspora zu Reinheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Synagoge (164–178) zu dem Ergeb­ nis kommt, dass Juden in der Diaspora in Bezug auf die Synagoge sogar stärker auf mora­ lische und rituelle Reinheit achteten als im Mutterland (178f.). 562  Vgl. dazu Runesson, Water, 126f., dem zufolge die Unterschiede zwischen Israel und der Diaspora daher weniger ausgeprägt sind, als zumeist angenommen wird. 563  Zur Frage nach synagogalen Gemeinschaftsmählern vgl. den Überblick bei Stein, Mahl­ feiern, 65f., dem zufolge zwar durchaus Synagogen mit eigenen Speiseräumen gefunden wurden (z.B. in Stobi und Cäsarea), Gemeinschaftsmähler jedoch nicht das Zentrum der „gelebten jüdischen Identität“ gewesen sind. Zur Frage nach synagogalen Mählern vgl. auch Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 258–267. Vgl. dazu, dass selbst in einigen Synago­ genkomplexen in Palästina sogenannte Triclinia gefunden wurden, z.B. auf Herodium und in Jericho (vgl. Netzer, Synagogue).

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IIB Anordnungen zum Essen in griechischen Texten

Damit ist die in der Forschung vornehmlich zu findende Bewertung des Hän­ dewaschens als speziell bei den Pharisäern verbreiteter Brauch jedoch auch von diesem Befund her problematisch (zu weiteren Gründen s.u. IIIC 1.2). Auch in der Diaspora haben Juden demzufolge offenbar in stärkerem Maße rituelle Reinheitsvorschriften im Zusammenhang des Essens beachtet, als in der Forschung bislang angenommen wurde. Im Vergleich zu den grundlegen­ den Speisegeboten aus Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 haben diese jedoch im Diasporajudentum eine deutlich geringere Bedeutung, gerade auch für die Auseinandersetzung mit der nichtjüdischen Umwelt.

IIC Gesetzesanordnungen zum Essen in hebräisch-aramäischen und verwandten Texten des antiken Judentums Auch innerhalb der Texte, welche mit der Gemeinschaft von Qumran in Ver­ bindung gebracht werden, sowie in anderen Schriften des palästinischen Judentums lassen sich zahlreiche Gesetzesbestimmungen feststellen, die den Komplex des Essens betreffen. Hinweise darauf, dass Anordnungen zum Es­ sen auch im Judentum Palästinas eine zentrale Rolle spielten, ließen sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit bereits innerhalb der Untersuchung der grie­ chischsprachigen Schriften des antiken Judentums erkennen. Dies gilt etwa für das 1. Makkabäerbuch (s.o. IIB 1.2.1), das hinsichtlich seiner Herkunft un­ sichere Tobitbuch (s.o. IIB 1.1.2.2) oder das Judithbuch (s.o. IIB 2.1.2.1), dessen Originalsprache sich nicht genau bestimmen lässt.1 Im Hinblick auf die Identifikation der Gemeinschaft von Qumran und das methodische Vorgehen sind folgende grundlegende Einsichten festzuhal­ ten: Die Wurzeln der hinter den Texten vom Toten Meer stehenden Gemein­ schaft sind in der Forschung nach wie vor stark umstritten. So wird bisweilen aufgrund einiger übereinstimmender Gesetzesbestimmungen2 eine Identität oder sehr frühe Verbindung der Qumrangemeinschaft mit den Sadduzäern angenommen.3 Häufiger wurde sie jedoch mit den Essenern identifi­ziert,4 wobei für die Essener wie auch für andere jüdische Gruppen wie zum Beispiel 1  Vgl. daneben auch, dass sich die Forderung nach einer Beschränkung der Tischgemeinschaft auf Gerechte bereits im hebräischen Sirachbuch findet (s.o. IIB 2.2.2.1). 2  Es besteht in der Tat eine gewisse Übereinstimmung zwischen der in 4QMMT belegten Auffassung zur Unreinheit des Flüssigkeitsstrahls mit der Position, die in mYad 4,7 den Sadduzäern zugeschrieben wird (s.u. 3.4.2), doch ist umstritten, inwieweit die Gespräche am Ende des Traktates mYad historische Positionen wiedergeben (dazu Stemberger, Pharisäer, 46–50). 3  Für eine Identifikation der Qumrangemeinschaft mit den Sadduzäern plädiert vor allem Schiffman in einer Reihe von Aufsätzen, vor allem auf der Basis von 4QMMT. Dabei ist die Gemeinschaft von Qumran ihm zufolge aus der Gruppe der Sadduzäer hervorgegan­ gen, als die Hasmonäer die Praktiken der Pharisäer am Tempel einführten. Vgl. dazu vor allem Schiffman, Halakhah, 136.140; Non-Jews, 152–154; History, 175–216.273; Pharisaic and Sadducean Halakhah. 4  So sieht Baumgarten trotz wahrgenommener Beziehungen zu den Sadduzäern (Controversies, 163f.; ders., DJD 35, 81–83) eine größere Nähe zu den Essenern (ausführlich ders., Elements; Fitzmyer, Community); vgl. auch Harrington, Impurity Systems, 51; dies., Purity Texts, 7–9; Broshi, Qumran, in seiner Darstellung der unterschiedlichen Bereiche, in denen Reinheit re­ levant ist. Vgl. zu dieser Frage Collins, Community, bes. 142–156.

© koninklijke brill nv, leiden, 2019 | doi:10.1163/9789004391901_006

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IIC Anordnungen zum Essen in hebräisch-aramäischen Texten

die Therapeuten5 gelegentlich eine Nähe zu den Pythagoreern6 hergestellt wird.7 Sowohl eine Identifikation mit den Sadduzäern8 als auch eine Ver­ bindung mit den Essenern sind mit zahlreichen Problemen verbunden und haben sich in der Forschung daher nicht durchsetzen können. Dabei hat die Zuordnung zu den Essenern gerade in letzter Zeit erneut heftigen Widerspruch erfahren.9 Für die jüngere Qumranforschung lässt sich zudem insgesamt ein auffälliger Paradigmenwechsel im methodischen Vorgehen erkennen, welcher sich vor dem Hintergrund der in der älteren Forschung vertretenen Positionen und Arbeitsweisen erklären lässt. So nahm die ältere Forschung für die nahe der Siedlung Khirbet Qumran am Westufer des Toten Meeres gefundenen Schriften insgesamt einen sektenhaften Charakter an und ging damit von einer grundsätzlichen Einheitlichkeit des Textfundes aus. Demgegenüber wer­ den die einzelnen Schriften, die am Toten Meer gefunden wurden, in der jün­ geren Forschung verstärkt je für sich untersucht. Aus den in diesem Rahmen erkennbaren Differenzen zwischen den einzelnen Schriften10 folgt eine stärke­ re Unterscheidung innerhalb des Textfundes. Dabei wird vor allem zwischen nicht-jachadischen (Weisheitstexte, 1 Henoch, aramäische Texte, 11QT) und jachadischen Texten unterschieden, wobei die Frage von Texten zwischen diesen beiden Gruppen umstritten ist (Dimant). Zudem werden Vorläufer des Jachad redaktionskritisch in Texten wie der Damaskusschrift erhoben (Hempel), und es wird das Verhältnis der D- und S-Texte diskutiert. Insgesamt wird für 5  Vgl. dazu, dass Philo Mahlzeiten der Therapeuten als besonders einfach kennzeichnet. Diese essen kein Fleisch, sondern nur Brot, trinken keinen Wein, sondern nur Wasser. Sie beschränken sich auf das Nötigste und vermeiden Leckerbissen (Contempl. 37.73). Zur Essenspraxis der Therapeuten vgl. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 183–216; den Überblick bei Stein, Mahlfeiern, 77–89; Ebner, Mahl; McGowan, Food; Brumberg-Kraus, Banquets; Leonhardt-Balzer, Funktion, 259–262. 6  Zu Speisegeboten bei den Pythagoreern vgl. Diog. Laert. 8,33–35: Danach verzichten die Pythagoreer auf alles Fleisch von Aas, Barben, Schwarzschwänze, Eier, eierlegende Tiere und Bohnen. 7  Josephus bezeichnet die Essener in Ant. 15,371 ausdrücklich als eine jüdische Gruppe, die den Pythagoreern im griechischen Bereich entspricht (γένος δὲ τοῦτ’ ἔστιν διαίτῃ χρώμενον τῇ παρ’ Ἕλλησιν ὑπὸ Πυθαγόρου καταδεδειγμένῃ). Zur Frage nach möglichen Übereinstimmungen vgl. Fauth, Salutatio; Taylor, Pythagoreans. Bergmeier sieht den Grund für diese Darstellung der Essener in Analogie zu den Pythagoreern gar in einer eigenen „pythagoraisierenden Essener-Quelle“ (Qumran-Essener-Hypothese, 76–83). Ein direkter Einfluss ist insgesamt eher unwahrscheinlich (vgl. Collins, Community, 82–84). 8  Vgl. dazu van der Woude, Fifty Years, 24. 9  Zu einem Überblick und der Kritik an dieser These vgl. Bergmeier, Qumran-EssenerHypothese, 1–144. Gegen eine Identifikation der Gemeinschaften(!) hinter den Schrif­t­ rollen vom Toten Meer mit den Essenern vgl. auch Regev, Jubilees, bes. 430–435. 10  So z.B. von Davies, Judaism(s), 42f., betont.

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die sogenannten Qumrantexte also angenommen, dass sie durchaus verschie­ denen Ursprungs sind und eine Entwicklung widerspiegeln.11 Dabei ist es das Kennzeichen des sogenannten Sektenmaterials von Qumran (1QS, 1QH, 1QM), dass sich diese Texte nicht an ganz Israel wenden, sondern nur an einen Teil, welcher sich deutlich abschottet. Eine Unterscheidung zwischen diesen „sec­ tarian“ (d.h. gruppenspezifischen) und den nicht-jachadischen Texten wird in der Forschung bisweilen speziell unter Hinweis auf das mit Essensfragen eng verbundene Thema der Reinheit vorgenommen. Danach würden sich diese beiden Textgruppen nämlich vor allem in Hinsicht auf das Verhältnis zwischen der rituellen Unreinheit, die im Zentrum zahlreicher Texte steht, und der Konzeption der ethischen Unreinheit deutlich voneinander unterscheiden.12 Die jüngere Qumranforschung betont demzufolge, dass hinter den Texten vom Toten Meer nicht nur eine einzige Gemeinschaft steht. Vielmehr wird heute von verschiedenen sogenannten „sectarian groups“ ausgegangen, die nicht alle in Qumran lebten (Schofield und J.J. Collins; vgl. schon H. Stegemann). Dabei ist der Jachad keineswegs mit den Essenern identisch, doch gibt es Beziehungen. Die Bedeutung eines solchen methodischen Ansatzes wird insbesondere vor dem Hintergrund der häufig nur sehr fragmentarisch überlieferten Texte an­ schaulich. Oftmals wird nämlich selbst der Wortlaut von korrupten Textstellen unter Verwendung anderer Qumrantexte rekonstruiert.13 Durch eine solche Vorgehensweise werden jedoch mögliche Differenzen zwischen den verschie­ denen Texten nicht ausreichend wahrgenommen. Damit wird zum einen die Suche nach möglichen Parallelen von vornherein verzeichnet. Zum anderen wird es erschwert, die jeweilige Schrift vor ihrem eigenen Hintergrund zu 11  So Klawans, Impurity and Sin, 90f.; Werrett, Purity, 302–304. 12  Vgl. dazu vor allem Klawans, dem zufolge das Kennzeichen der eigentlichen Qumrantexte (1QS, 1QM, 1QH) darin besteht, dass in ihnen die beiden ansonsten getrennten Konzep­ tionen der ethischen und rituellen Unreinheit geradezu miteinander verschmolzen werden. In ihnen bedeute rituelle Verunreinigung zugleich moralische Verunreinigung und umgekehrt (so Impurity and Sin, bes. 75–91). Eine Verbindung dieser beiden Unreinheitsvorstellungen in den Schriften aus Qumran wird in der Forschung gene­ rell häufig angenommen (zu Vertretern vgl. ders., Immorality, 8 Anm. 40; vgl. auch Baumgarten, Zab, 275). Dabei umfasse die Damaskusschrift sowohl Texte, die die an­ sonsten übliche Trennung von ethischer und ritueller Unreinheit vertreten (Klawans, Impurity and Sin, 52–56, als Auslegung von CD-A 4,12–5,11), als auch solche, die die für Qumran typische Vermischung beider Vorstellungen zum Ausdruck bringen (ebd., 80.90). Näheres dazu, einschließlich einer Kritik durch Himmelfarb s.u. 2.2.1. 13  In der Forschung wurden insbesondere Lücken in 4QMMT von der Tempelrolle her gefüllt (vgl. dazu und zu den damit gegebenen Problemen Werrett, Purity, 204f. mit 187–194; vgl. dazu dass Maiden, Scripture, geradezu eine direkte Abhängigkeit von 4QMMT von der Tempelrolle annimmt); vgl. auch Dombrowski, Translation, 2.5 (gegen eine Deutung von 1QS her).

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verstehen. Ein Vorgehen, das dagegen jeder Qumranschrift ihr eigenes Recht zubilligt, bedeutet natürlich umgekehrt nicht, dass das Gemeinsame dieses Schriftenkomplexes aus dem Blick geraten darf.14 Insgesamt weisen die Gesetzesbestimmungen zum Essen, die in den Schriften vom Toten Meer überliefert sind, deutliche Differenzen gegenüber den Essens­ vorschriften aus dem Diasporajudentum auf. Sie betreffen zunächst den Inhalt der Anordnungen. Dies lässt sich bereits daran erkennen, dass die im grie­ chischsprachigen Judentum nur äußerst selten belegten rituellen Vorschriften zum Zustand des Essenden in den Schriften aus Qumran einen besonders brei­ ten, wenn nicht den größten Raum einnehmen. Sie bestehen vor allem aus besonderen Vorschriften für Unreine und umfassen ein ganzes Spektrum von Einzelfragen. Daneben werden sowohl die Frage verhandelt, welche Speisen ge­ gessen werden dürfen und welche generell zu meiden sind, als auch die Frage, mit wem Tischgemeinschaft erlaubt ist. Auch die jeweiligen Bestimmungen zu diesen beiden Komplexen unterscheiden sich jedoch inhaltlich deutlich von den aus dem griechischsprachigen Judentum überlieferten Anordnungen. Insgesamt lässt sich auch im Vergleich zu den bereits in der hebräischen Bibel überlieferten Essensvorschriften als Tendenz häufiger eine Präzisierung und – damit verbunden – eine deutliche Verschärfung feststellen.15 Dies gilt sowohl für die besonders zahlreich überlieferten Reinheitsvorschriften (s.u. Einleitung zu 3) als auch für die Rezeption der in Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3– 21 belegten Speisegebote (s.u. 1.1.2). Die entsprechenden Anordnungen sind dann jeweils nur in der hinter der jeweiligen Schrift stehenden Gruppe selbst verbreitet, woraus diese gerade die falsche Gesetzeserfüllung der anderen Juden und für sich selbst mit einem gewissen Exklusivitätsanspruch eine ide­ ale Verwirklichung des Lebens nach dem Gesetz ableitet. Mit den besonderen Gesetzesanordnungen16 ist demzufolge auch eine funktionale Differenz ge­ genüber dem griechischsprachigen Judentum verbunden. So stimmen beide Richtungen des antiken Judentums zwar grundsätzlich darin überein, dass Bestimmungen zum Essen – so unterschiedlich sie im Einzelnen auch sind – ein Mittel zur Bestimmung der eigenen Identität sind, wobei diese jeweils in Abgrenzung von anderen konstituiert wird. Im Hinblick auf die Ausrichtung dieser Abgrenzung unterscheiden sie sich jedoch deutlich voneinander. 14  Zu diesem Anliegen vgl. vor allem Harrington, Holiness, 110f. 15  Vgl. dazu die Unterteilung des Gesetzes in nigleh, d.h. die geschriebene Tora, die für alle Juden offen ist, und nistar als fortgeschrittene Offenbarung des Willens Gottes, die nur der Gemeinschaft von Qumran zuteilwurde (vgl. Schiffman, Halakhah, 133; ausführlicher ders., Halakhah at Qumran, 22–32). 16  Zu einem Überblick über die Gesetzesbestimmungen, in denen sich die Gemeinschaft von Qumran von anderen Juden unterscheidet, vgl. Sanders, Sect, 16–32.

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Innerhalb des griechischsprachigen Diasporajudentums fungieren die zentra­ len jüdischen Gebote (Beschneidung, Sabbat und die Speisegebote) – wie be­ reits im Fall der biblischen Speisegebote – zur Abgrenzung der Gesamtheit der prinzipiell gesetzestreuen Juden von den Heiden, die nicht nach dem jüdischen Gesetz leben müssen.17 In den Schriften, die der Gemeinschaft von Qumran zugeordnet werden, und zwar insbesondere in den sogenannten sektenhaften Texten, wird diese Grenze hingegen jeweils enger gezogen, und zwar de facto direkt um die eigene Gruppe, welche hinter der jeweiligen Schrift steht. Hier grenzt sich nämlich eine Einzelgruppe durch die jeweilige Gruppenhalacha, d.h. eine besonders strikte Auslegung des Gesetzes, als Elite von allen übri­ gen ab, und zwar auch von anderen Juden, die in ihrer Gesetzesauslegung und -erfüllung zwar weniger streng verfahren, jedoch die grundlegenden jüdi­ schen Regeln beachten und damit insbesondere in ihrer eigenen Einschätzung durchaus gesetzestreu sind. Mit dieser Grenzziehung zu anderen Juden, deren Gesetzesausübung aus der Sicht der Verfasser der jeweiligen Schrift als defizitär zu bewerten ist, reiht sich die Gemeinschaft von Qumran in eine generelle Tendenz zur Auslegung des Gesetzes im Judentum des Zweiten Tempels ein, verstärkt jedoch ein zu dieser Zeit verbreitetes Phänomen. So lässt sich als Charakteristikum des Judentums des Zweiten Tempels sowie des rabbinischen Judentums18 ins­ gesamt eine Vielfalt an Aussagen zu einzelnen Gesetzesfragen feststellen. Dabei bestimmten offenbar die einzelnen jüdischen Gruppen19 ihre jeweilige Identität primär durch die Art und Weise, in der sie das Gesetz im Vergleich zu anderen Gruppen auslegten. Die verschiedenen jüdischen Denominationen divergierten nämlich in der Praxis des Gesetzes deutlich voneinander,20 wie 17  Näheres s.o. Einleitung zu IIB. 18  Die entscheidende Neuerung der rabbinischen Literatur gegenüber den Schriften der Qumrangemeinde besteht offenbar gerade darin, dass die Diskussionen nun explizit the­ matisiert werden, und zwar unter Angabe der zurückgewiesenen Positionen. Insgesamt handelt es sich beim rabbinischen Judentum eher um eine „great coalition“, in der man „agreed to disagree“ (Cohen, Yavneh, 29). Die Debatte wird somit gewissermaßen interna­ lisiert, doch findet sich daneben deutlich eine Ausgrenzung von Minim (vgl. Goodman, Function, 165–167). 19  Der historische Hintergrund der Entstehung dieser Gruppen liegt vermutlich in der Rückkehr aus dem babylonischen Exil. Als die Grenze zu anderen Völkern nicht mehr bestand, haben sich offenbar kleine Gruppen gebildet, welche ein Mittel waren, gegen die Ereignisse auf nationaler Ebene zu protestieren (vgl. dazu Baumgarten, Sectarian Context, 140.146). Für eine Anwendung der soziologischen Methode auf jüdische Sondergruppen vgl. vor allem ders., Jewish Sects. 20  Im Hinblick auf den Ursprung der unterschiedlichen Gesetzesauslegungen in verschiede­ nen jüdischen Gruppen besteht in der Forschung Uneinigkeit (vgl. dazu den Überblick bei Shemesh, Halakhah, 5). Entweder die Dispute zwischen den verschiedenen Gruppen zur

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die unterschiedlichen Antworten zu den zentralen Gesetzesfragen in der Qumrangemeinde und dem rabbinischen Judentum besonders deutlich illus­ trieren. Sie trugen dementsprechend in erster Linie Auseinandersetzungen zum Gesetz untereinander aus.21 Die verschiedenen Untergruppen innerhalb des Judentums haben somit jeweils ein eigenes Bild vom Judentum und ent­ werfen eigene Richtlinien für ein Leben nach dem Gesetz. Dabei zielt die je­ weilige Gesetzespraxis durchaus auf das richtige Verhalten für ganz Israel ab, wird aber immer nur in einer bestimmten Gruppe angewendet. Diejenigen, die das Gesetz auf diese bestimmte Art und Weise praktizieren, gehören zur Gemeinschaft. In diesem Kontext von konkurrierenden Traditionen besteht die Besonderheit der Gemeinschaft von Qumran in der strikten innerjüdi­ schen Abgrenzung als „wahres Israel“ gegenüber dem Rest.22 Eine genauere Untersuchung der in den Qumranschriften und im Urchri­s­ tentum thematisierten Essensvorschriften wird zeigen, dass auch die  im Urchristentum überlieferten Anordnungen in Schwerpunktsetzung und inhalt­ licher Gestaltung deutlich anders gelagert sind als der Entwurf der Gemein­ schaft von Qumran (s.u. IIIC 1.3.3.2). Die im Folgenden dargestellte Auswertung der Essensvorschriften innerhalb der Qumranschriften veranschaulicht dem­ zufolge besonders deutlich, dass unterschiedliche jüdische Gruppierungen Essensregelungen in sehr verschiedener Weise zur Definition der jeweiligen Gruppenidentität eingesetzt haben. 1

Anordnungen zu verbotenen Speisen

In den Schriften, die der Gemeinschaft von Qumran zugeordnet werden, finden sich unter den Anordnungen zum Essen auch Vorschriften, die re­ geln, welche Tiere gegessen werden dürfen und welche verboten sind. Diese Bestimmungen nehmen jedoch einen verhältnismäßig kleinen Raum ein.23 So besteht das überlieferte Material nur aus wenigen Texten, in denen meh­ rere Speiseanordnungen ausführlicher erwähnt werden. Im Hinblick auf die Frage, welche Tiere unter welchen Umständen zum Verzehr erlaubt sind,

Zeit des Zweiten Tempels haben ihre Wurzeln schon in biblischer Zeit (so Israel Knohl), oder sie sind in der Zeit des Zweiten Tempels selbst entstanden (so Shemesh selbst). 21  Darin unterscheidet sich das Judentum vom Christentum, in dem meistens dogmatische Glaubensfragen diskutiert werden (vgl. Schiffman, Halakhah, 125f.). 22  Zum Gebrauch von Gesetzesbestimmungen als „sociological boundary markers“ inner­ halb der Gemeinschaft von Qumran vgl. Schiffman, Halakhah, 131; ders., History, 371. 23  Vgl. Werrett, Purity, 31.

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bieten die Texte vom Toten Meer kein einheitliches Bild.24 Im Einzelnen han­ delt es sich hauptsächlich um eine Rezeption der in Lev 11/Dtn 14 überlieferten Speiseanordnungen, wobei die dortigen Bestimmungen jedoch deutlich präzi­ siert werden (vgl. vor allem 11Q19 48,1–7 und CD-A 12,11b–15a). Daneben findet sich bisweilen das Verbot von Speisen, die in Verbindung mit Heiden standen. Die Rezeption der Speiseanordnungen aus Lev 11/Dtn 14 in den Schriften aus Qumran In den Texten vom Toten Meer wird mehrfach Bezug auf die Speiseanordnun­ gen aus Lev 11 bzw. Dtn 14 genommen. Eine nähere Untersuchung dieser Texte zeigt, dass die entsprechenden Anordnungen keine bloße Wiederho­ lung der Gesetze der Tora, d.h. der in Lev 11 und Dtn 14 selbst überlieferten Speisegesetze, sind. Vielmehr stellen sie offenbar eine Weiterführung der dort belegten Regelungen dar. Dabei handelt es sich zum einen um eine Harmonisierung zwischen verschiedenen Varianten eines biblischen Gebotes, zum anderen um eine Präzisierung und Verschärfung der in der Tora grund­ gelegten Speisegebote, die sich als Auslegung der mosaischen Gesetze bewer­ ten lässt.25 Näherhin hält offenbar insbesondere CD-A 12,11b–15a die in Lev 11 grundgelegten Speisegesetze für ergänzungsbedürftig und füllt daher die ent­ sprechenden Lücken durch Zusatzforderungen aus. Im Einzelnen haben die verschiedenen Texte zwar zum Teil dieselben Tiere zum Gegenstand oder weisen dasselbe grundlegende Interesse auf, unter­ scheiden sich jedoch im Hinblick auf den Inhalt der konkreten Anordnungen auffällig voneinander. Dies lässt vor allem ein Vergleich der in der Tempelrolle und in der Damaskusschrift überlieferten Speisevorschriften erkennen. In beiden Schriften werden insbesondere die Anordnungen zum Verzehr von Kleintieren wie Heuschrecken jeweils näher behandelt. Darüber hinaus lässt sich als gemeinsames Interesse eine genaue Beachtung der Sterbeart der zur Nahrung dienenden Tiere erkennen. Insbesondere der Genuss von Aas, d.h. von Tieren, die nicht als Speise getötet wurden, sondern anderweitig gestor­ ben sind, wird nämlich verboten, und zwar bisweilen zugespitzt in Form des Verbotes des Blutgenusses, d.h. von Tieren, die nicht auf die richtige(!) Art und Weise geschlachtet wurden. 1.1

Das besondere Interesse am Umgang mit toten Tieren zeigt sich auch an der Aufnahme der Anordnungen, die die Berührung von Aas regeln. 24  So Schiffman, Forbidden Foods, 79f. 25  So für die Bestimmungen in der Damaskusschrift z.B. Davies, Judaism(s), 33; ausführli­ cher ders., Halakhah.

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Eine solche Verunreinigung durch Berührung von toten Tieren wird in Lev 11,29–40 breit behandelt. Sie steht innerhalb der Schriften aus Qumran insbesondere im Fokus von 11Q19 50,20–51,5a/11Q20 14,17–15,1, wird dane­ ben auch in 4Q524 2,3 behandelt. Dabei zeigt der nur sehr fragmenta­ risch überlieferte Text 11Q19 50,20–51,5 eine große Nähe zu Lev 11,29–39 und wird vor dessen Hintergrund rekonstruiert,26 weist jedoch zugleich die Tendenz der Verschärfung auf. So lässt sich in 11Q19 51,4b–5 deutlich eine entsprechende Aufzählung erkennen, die festlegt, dass jeder Teil eines toten Tieres verunreinigt.27 Daneben werden möglicherweise die Reinigungsmaßnahmen selbst erweitert.28 Demgegenüber werden in den Schriften aus Qumran die mit Juden ansonsten primär in Verbindung gebrachten Speisevorschriften aus Lev 11/Dtn 14 auffäl­ ligerweise nicht diskutiert. Darin unterscheidet sich die Rezeption der bibli­ schen Speisegebote in den Schriften aus Qumran gravierend von der in den Schriften des griechischsprachigen Judentums zu beobachtenden Auslegung. Dies lässt sich deutlich daran erkennen, dass das bereits in Lev 11,7/Dtn 14,8 be­ legte Verbot des Genusses von Schweinefleisch, welches gehäuft im griechisch­ sprachigen Judentum, vor allem in den Makkabäerbüchern, rezipiert wird (s.o. IIB 1.1.1), in den überlieferten Texten aus Qumran vollkommen fehlt.29 Dabei war dies offenbar aus dem Grund kein Gegenstand von Diskussionen, weil es in einer Auseinandersetzung unter Juden als gemeinsame Basis vorausgesetzt werden konnte.30 Dass die Vermeidung von Schweinefleisch tatsächlich eine 26  So Qimron, Temple Scroll, 74; García Martinez u.a., DJD 23, 399. 27  Vgl. dazu auch 4QMMT B72–74, wonach jeder Knochen eines Toten verunreinigt, unab­ hängig davon, ob Fleisch daran ist oder nicht. Dagegen verunreinigen nach mHul 9,1f. die Teile eines toten Tieres nur dann, wenn man sie isst. Vgl. Yadin, Temple Scroll I, 340f. 28  So Yadin, der 11Q19 51,1–3 dergestalt rekonstruiert, dass die Berührung eines toten Tieres verunreinigt und entsprechende Reinigungsmaßnahmen wie das Waschen des Körpers und der Kleider erfordert (Temple Scroll II, 226). Diese Forderung geht dann aber inso­ fern über die Bestimmungen in Lev 11 hinaus, als dort für das Berühren von Aas stets nur das Abwarten bis zum Abend erforderlich ist (so 11,24.27.31.39), das Waschen der Kleider nur für das Tragen oder Essen von Aas gefordert wird (11,25.28.40) und das Baden im masoretischen Text überhaupt nicht erwähnt wird (dieses ist jedoch offenbar bereits im masoretischen Text impliziert; s.o. IIA 1.1.2.1). Zudem stehe die Betonung der bis zum Sonnenuntergang andauernden Unreinheit der Auffassung vom Tebul Jom entgegen, der bereits als rein genug galt, um vor Sonnenuntergang an bestimmten Riten teilzunehmen (vgl. dazu Yadin, Temple Scroll I, 339–341: hier würden priesterliche Regeln auf die ge­ wöhnlichen Israeliten angewendet werden). 29  Anders hingegen in den rabbinischen Texten, in denen das Schwein geradezu als Meto­ nymie für Rom verwendet wird (vgl. dazu Rosenblum, Jews, 102–110). 30  Vgl. dazu, dass in mBQ 7,7 ausdrücklich festgestellt wird, dass in ganz Israel nirgends Schweine gezüchtet werden.

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gängige Praxis war, wird auch durch den archäologischen Befund bestätigt.31 Vor diesem Hintergrund zeigt das Fehlen des Schweinefleischverbotes in den Qumranschriften deutlich, dass das Grundlegende und Selbstverständliche keine tiefere Diskussion verlangt und daher nicht explizit wiederholt werden musste. Demgegenüber werden aber gerade jeweils umstrittene Fragen näher behandelt, zum Beispiel solche Dinge, in denen sich die hinter den Schriften aus Qumran stehenden Gruppen von anderen Juden unterscheiden. Gleiches gilt offenbar für die Beschneidung, die in den Schriften aus Qumran nicht näher thematisiert wird.32 1.1.1

Anordnungen zum Verzehr von Heuschrecken und das Verbot von Aas (Tempelrolle) Die Tempelrolle, welche zwar besondere Ideale repräsentiert,33 aber noch nicht als exklusiv und damit als im Jachad entstanden einzustufen ist,34 bie­ tet in 11Q19 48,1–7 ausführlichere Speisevorschriften. Der überlieferte Text35 lässt deutlich erkennen, dass der Verfasser im Wesentlichen keine neuen Bestimmungen fordert, sondern die Anordnungen aus Lev 11 und Dtn 14 mit­ einander verbindet und in diesem Rahmen Differenzen zwischen den beiden Listen entscheidet, offenbar um dadurch die biblischen Anordnungen zu ver­ einheitlichen. Darüber hinaus präzisiert der Verfasser der Tempelrolle offene Formulierungen der Anordnungen der Tora.36 Es ist somit ganz offensichtlich sein Anliegen, einen harmonisierenden autoritativen Text zu erstellen.

31  Vgl. dazu exemplarisch, dass in Galiläa bei Ausgrabungen kaum Schweinefleischknochen gefunden wurden (nur ca. 2%), vgl. dazu Aviam, Hierarchy, 34. 32  Vgl. demgegenüber die Rede von der Beschneidung des Herzens etc. in 1QpHab 11,13; 1QS 5,5; vgl. Jub 1,23. 33  Collins, Models, 60.63, bewertet die Tempelrolle als „utopian document“. 34  In der Forschung wird die Tempelrolle gewöhnlich als älter als die Gemeinschaft von Qumran bewertet (zu diesem Forschungskonsens vgl. z.B. Harrington, Purity Texts, 50), wenn auch mit Differenzen, vgl. vor allem White Crawford, Temple Scroll, 81f.: „the mi­ lieu [of disaffected priests] that gave rise to the Qumran sectarian community“; daneben García Martínez, Temple Scroll, 931. 35  Der Anfang von 11Q19 48 ist nur äußerst fragmentarisch überliefert, doch lässt sich in 11Q19 48,1 ein Rekurs auf Dtn 14,18 erkennen. Dementsprechend wird 11Q19 48,1–5 in Anlehnung an Lev 11,13–21 als eine Aufzählung von verbotenen Vögeln (zu einer ähnli­ chen Liste von unreinen Vögeln vgl. Dtn 14,11–18) vor den entsprechenden Anordnungen zu den Insekten rekonstruiert, wobei jedoch nicht genügend Platz für die Aufzählung aller unreinen Vögel oder eine einleitende Bemerkung bleibt (so Yadin, Temple Scroll II, 206 Anm. 01–05). Anders Qimron, Temple Scroll, 69. 36  Darin lässt sich eine generelle Tendenz der Tempelrolle erkennen: Teils werden Geset­ zesbestimmungen der Tora wörtlich wiederholt, teils durch Kombination verschiedener Stellen eine neue Botschaft geschaffen (vgl. dazu Paganini, Rezeption, 37f.239–255).

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In 11Q19 48,3–4 gibt der Verfasser zunächst die vier Heuschreckenarten zum Verzehr frei, welche bereits in Lev 11,22 von dem generellen Verbot aller geflügel­ ten Insekten mit vier Beinen ausgenommen sind (vgl. Lev 11,20–23).37 Zugleich liefert er für diese Ausnahme der Heuschrecken dieselbe Erklärung, welche sich schon in Lev 11,21 findet. Sie beruht auf einem körperlichen Merkmal der Heuschrecken. Danach dürfen solche geflügelten Insekten gegessen wer­ den, die außer den vier Füßen, auf denen sie gehen, noch zwei Schenkel zum Springen haben (11Q19 48,4b–5).38 Eine solche Einschränkung des generellen Verbotes von geflügelten Insekten findet sich innerhalb der Speisevorschriften in Dtn 14 nicht. Vielmehr ordnet Dtn 14,19 umgekehrt kategorisch an, dass alle Insekten mit Flügeln unrein sind und daher nicht gegessen werden sollen (‫אָכלוּ‬ ֵ ֵ‫)וְ כֹל ֶשׁ ֶרץ ָהעֹוף ָט ֵמא הוּא ָל ֶכם לֹא י‬. Der Autor der Tempelrolle folgt dem­ zufolge sowohl in seiner Liste der erlaubten Heuschrecken als auch in seiner Begründung den präziseren Anordnungen in Lev 11,21f.39 und korrigiert mit diesen Dtn 14,19.40 Über den später biblisch gewordenen Text hinaus fügt er in der Beschreibung der erlaubten geflügelten Insekten abgesehen von den Springgliedmaßen mit der Wendung ‫ ולעוף בכנפיו‬hinzu, dass sie mit Flügeln fliegen (11Q19 48,5). Dieser Zusatz kann entweder lediglich betonen, dass diese erlaubten Insekten Flügel haben,41 oder er verbietet das Essen von Insekten, bevor sie vollständig ausgereift sind, d.h. ihnen Flügel gewachsen sind, um so sicherzustellen, dass man nicht aus Versehen etwas Verbotenes isst.42 Dieser Aufzählung von zum Verzehr erlaubten geflügelten Insekten folgen zwei Formulierungen, in denen der Verfasser der Tempelrolle den Genuss von Speisen strikt verbietet. Sie sind parallel aufgebaut: Jeweils wird das Verbum ‫ אכל‬in Verbindung mit einer Negation gebraucht, beide Male wird diesem Ausdruck ‫ לוא תואכלו‬ein Objekt vorangestellt, das die verbotene Speise nennt und in diesem Rahmen das auf die Ganzheit referierende ‫ כול‬umfasst. Dabei liegt der Fokus auf der richtigen Art und Weise der Tötung der zum Essen 37  Vgl. dazu, dass nach Krauss, Archäologie I, 112f., Heuschrecken einen Teil der Nahrung der ärmeren Bevölkerung bildeten (vgl. auch Mk 1,6 für Johannes den Täufer; dazu ausführ­ lich Kelhoffer, Diet). 38  Zu einer solchen Erlaubnis bestimmter Heuschreckenarten vgl. auch mHul 3,7; bHul 65a–66a. 39  11Q19 48,3–5 nimmt Lev 11,21f. sehr wörtlich auf. Die geringen sprachlichen Abweichun­ gen resultieren aus der Umstellung von Lev 11,21 und 11,22. Vgl. Schiffman, Forbidden Foods, 77. 40  Vgl. Yadin, Temple Scroll II, 205; I, 320; Werrett, Purity, 125. Maier, Tempelrolle, 203, denkt hingegen eher an bereits vorliegende, fest geprägte Formulierungen. 41  So Schiffman, Forbidden Foods, 78, unter Hinweis auf mHul 3,7; tHul 3,9; Sifra Sche­ ratzim 5,8. 42  Vgl. Yadin, Temple Scroll I, 320.

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erlaubten Tiere. Der Verzehr von Tieren, die verendet sind und damit nicht richtig geschlachtet wurden, wird nämlich strikt untersagt: „Keinerlei Aas von Geflügeltem oder vom Vieh dürft ihr essen, sondern dem Ausländer sollt ihr es verkaufen“ (‫ נבלה בעוף ובבהמה לוא תואכלו כי מכור לנוכרי‬/ ‫( )כול‬11Q19 48,5fin–6).43 Anordnungen, die das Essen von verendeten Tieren verbieten, finden sich bereits unter den biblischen Speisevorschriften (Dtn 14,21; Lev 22,8; Ez 44,31; vgl. Ex 22,30; s.o. IIA 1.1.2.1). Dabei deutet die Erlaubnis, solches Fleisch an den Ausländer zu verkaufen, auf Dtn 14,21 als Basistext dieser Anordnung.44 Auffällig ist jedoch, dass die dort ebenfalls zugestandene Möglichkeit, solches Fleisch dem Fremdling zu geben, der es selbst essen kann (‫ר־בּ ְשׁ ָע ֶריָך‬ ִ ‫ַלגֵּ ר ֲא ֶשׁ‬ ‫) ִתּ ְתּנֶ נָּ ה וַ ֲא ָכ ָלהּ‬, in der Paraphrase von Dtn 14,21 in der Tempelrolle fehlt. Durch diese Auslassung berücksichtigt der Verfasser offenbar zugleich die in Lev 17,15 belegte Bestimmung, welche das Essen von einem verendeten und zerrisse­ nen Tier zwar nicht explizit verbietet, der zufolge jedoch der Fremde wie der Israelit durch solches Fleisch unrein wird. Die vorliegende Anordnung in der Tempelrolle lässt sich somit als eine Harmonisierung von Dtn 14,21 und Lev 17,15 verstehen.45 Daneben könnte die fehlende Erlaubnis zum Essen von Aas für den ‫ ּגֵ ר‬ihren Grund in der Bedeutungsverschiebung dieses Begriffes haben, welcher in den Texten vom Toten Meer bereits den Proselyten bezeichnet.46 Gegenüber der offenen Formulierung in Dtn 14,21 präzisiert die Tempelrolle durch Einfügung von ‫בעוף ובבהמה‬, dass diese Anordnung für Vögel und Vieh gilt, verbleibt damit jedoch grundsätzlich ebenfalls im Rahmen der biblischen Anordnungen.47 Zum Abschluss seiner Speisevorschriften ordnet der Verfasser der Tempel­ rolle Folgendes an: „Und keinerlei Gräuel dürft ihr essen, denn ein heiliges 43  Die Erlaubnis, Aas dem Ausländer zu verkaufen, findet sich offenbar auch in 4Q251 12,5 (Lehmann/Larson/Schiffman, DJD 35, 40). Zur Aufnahme von Dtn 14,19–22 vgl. auch 4Q45 21 i und 22 (zum Text s. DJD 9, 141). 44  Vgl. Brin, Uses, 524; Swanson, Temple Scroll, 176f.; Yadin, Temple Scroll II, 207f.; Schiffman, Forbidden Foods, 78; anders aber offenbar noch ders., Deuteronomic Paraphrase, 545f., wenn er eine Harmonisierung von Lev 11,13–25 und Dtn 14,1–3.11–21 vorschlägt, wobei Levitikus als Basistext fungiere. Maier, Tempelrolle, 203, nimmt anstelle einer direkten Abhängigkeit vom masoretischen Text eine Zwischenstufe an. 45  Vgl. Yadin, Temple Scroll I, 321; Schiffman, Forbidden Foods, 78. 46  So Paganini, Rezeption, 36f., im Anschluss an Milgrom, Studies in the Temple Scroll, 520; Maier, Tempelrolle, 203. 47  Die zusätzliche Erwähnung von Vögeln und Vieh kann durch Ez 44,31 beeinflusst sein, doch lässt die Tempelrolle die dortige Einschränkung auf Priester aus und versteht das Verbot damit offenbar wie Dtn 14,21 an ganz Israel gerichtet, vgl. Yadin, Temple Scroll II, 207f. Gegen eine Abhängigkeit des Gesetzes von Ez 44,31, aber für einen möglichen Einfluss von Ez 44,31 auf den Wortlaut auch Schiffman, Forbidden Foods, 78 Anm. 54.

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Volk bist du für Jahwe deinen Gott“ (‫ תואכלו כי עם קדוש אתה‬/ ‫וכול תועבה לוא‬ ‫( )ליהוה אלוהיכה‬48,6b–7). Mit dieser Aufforderung schärft er das Verbot von

Speisen auf zweierlei Art noch einmal besonders ein, und zwar zum einen dadurch, dass er verendete Tiere und die von ihm im Vorfeld aufgeführten Speiseverbote insgesamt zusammenfassend als ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ bewertet, zum anderen dadurch, dass er in diesem Rahmen mit der Heiligkeit Israels argumentiert. Für diese Formulierung lässt sich eine deutliche Nähe zum Sprachgebrauch des Deuteronomiums erkennen.48 Dabei handelt es sich näherhin um eine Ver­ bindung von Dtn 14,3 und 14,21. Der erste Teil dieses Verbots stammt nämlich aus Dtn 14,3,49 wo der gesamte Abschnitt zu Speisebestimmungen in Dtn 14,3– 21 überschriftartig mit der Anordnung „Du darfst keinerlei Gräuel essen“ ein­ geleitet wird50 und der Begriff ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ als allgemeine Bezeichnung für die im Folgenden aufgezählten verbotenen Speisen insgesamt fungiert. Dieses deu­ teronomische/deuteronomistische Vorzugswort für Dinge, die für Israel strikt verboten sind (s.o. IIA 1.2.2.1), hat in den Texten vom Toten Meer überhaupt eine breite Aufnahme erfahren,51 wobei vor allem die Tempelrolle biblische Belege rezipiert,52 den Gebrauch von ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ daneben aber auch auf Verbote ausweitet, die in dieser Form keine direkte biblische Grundlage haben.53 Das Verbot, Gräuel zu essen, wird in 11Q19 48,7 durch die Erinnerung an die beson­ dere Stellung Israels, nämlich dessen Heiligkeit, begründet und unterstrichen. Damit schließt der Verfasser der Tempelrolle seine Speiseanordnungen aber 48  11Q19 51,8f. greift hingegen Lev 11,43; 20,25 allgemeingültig auf, wie der an Lev 11,43–45 angelehnte Sprachgebrauch in 11Q19 51,5b–10 deutlich zeigt. Dort findet sich nämlich zum einen die in Lev 11 gehäuft gebrauchte ‫שקץ‬-Terminologie, zum anderen wird die Heiligkeit Israels nicht als Referenz, sondern wie in Lev 11,44f. als Forderung gebraucht. 49  Vgl. Yadin, Temple Scroll II, 208; Schiffman, Forbidden Foods, 78; nicht beachtet von Swanson, Temple Scroll, 176f. 50  In 11Q19 48,7 steht das Verbot wie in der Septuaginta, Peschitta und Vulgata in der 2. Person Plural im Gegensatz zum masoretischen Text, vgl. Yadin, Temple Scroll II, 208. 51  Zum Gebrauch von ‫ תועבה‬in den Schriften aus Qumran vgl. die Belege bei Clines, s.v. ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ , abgesehen von der Tempelrolle vor allem 4QMMT C7; 4Q169 3–4 iii 1. Dabei hat sich ‫ תועבה‬in den Schriften aus Qumran offenbar zu einer Sammelbezeichnung für Sünde generell entwickelt, insbesondere für schwere Sünden (vgl. Klawans, Impurity and Sin, 70.77). 52  Der Verfasser der Tempelrolle gebraucht ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ nicht nur für verbotene Speisen aus Dtn 14,3, sondern greift auch die Bewertung der Opferung von Tieren mit Gebrechen als Gräuel auf (Dtn 17,1 in 11Q19 52,4) und verwendet diesen Terminus besonders häufig im Kontext des Götzendienstes (11Q19 55,6 = Dtn 13,15; 11Q19 55,20 = Dtn 17,4; 11Q19 60,16–21 = Dtn 18,9–13; 11Q19 62,16 = Dtn 20,18. Vgl. dazu auch 11Q19 2,8–10 mit Dtn 7,25f. [mit ‫שקץ‬, ‫ תועבה‬jedoch nur in der Rekonstruktion]). Daneben findet er sich auch für verbotene sexuelle Praktiken (11Q19 66,14–17 mit Lev 18,22.26f.29f.; 20,13). 53  So z.B. für die Schlachtung trächtiger Tiere in 11Q19 52,5.

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wie in Dtn 14,21 ab. Dort findet sich nämlich der Hinweis auf die Heiligkeit Israels ebenfalls im unmittelbaren Anschluss an das Verbot, verendete Tiere zu essen, wobei er jedoch zugleich der Begründung aller in Dtn 14,3–21 aufgeliste­ ten Speisevorschriften dient (s.o. IIA 1.3).54 Das Verbot des Genusses von gestorbenen oder zerrissenen Tieren lässt sich mehrfach als Hintergrund von Anordnungen in den Schriften der Gemein­ schaft von Qumran feststellen,55 wobei bisweilen ausdrücklich eine solche Schlachtung gefordert wird, durch die das Verbot des Blutgenusses eingehalten wird. In diesem Rahmen lässt sich in der Damaskusschrift mit der Forderung nach einer rituellen Schlachtung von Fischen und sogar Insekten eine deutli­ che Zuspitzung gegenüber der Tempelrolle erkennen. Anordnungen zu verbotenen Kleintieren in Speisen und zur Schlachtung von Fisch und Heuschrecken (Damaskusschrift) Die aus dem 10. und 12. Jh. stammenden Handschriften zur Damaskusschrift56 bieten unter dem Gesetzesmaterial in CD-A 12,11b–15a Verhaltensregeln, die die Vermeidung von bestimmten Speisen zum Inhalt haben.57 Im Vergleich mit den in der Tempelrolle überlieferten Speiseanordnungen zeigen sie grö­ ßere Abweichungen von den in der Tora überlieferten Speisevorschriften. Die entsprechenden Bestimmungen haben nämlich jeweils keine direkten bibli­ schen Parallelen,58 sondern weisen die Tendenz der Erweiterung, Präzisierung und Verschärfung der biblischen Speisevorschriften auf. Dabei ergänzt der Verfasser der Damaskusschrift die Bestimmungen nach Lev 11,1–47/Dtn 14,3–21 jeweils um zusätzliche Regeln, die als Ziel eine besonders genaue Einhaltung

1.1.2

54  Der Hinweis auf die Heiligkeit Israels wird vom Verfasser der Tempelrolle in direktem Anschluss an die Speisevorschriften in seiner Wiedergabe von Dtn 14,1f. aufgenom­ men, wo sich die in Dtn 14,21 belegte Formulierung in identischer Form als Begründung für das Verbot von verbotenen Trauerriten findet (11Q19 48,8–10). Diese sprachliche Übereinstimmung von Dtn 14,2 und 14,21 mag in 11Q19 48,5b–7 den Übergang von der Paraphrase von Dtn 14,21 zur Anordnung in Dtn 14,2 begünstigt haben. Vgl. Yadin, Temple Scroll II, 208; Schiffman, Forbidden Foods, 78. 55  Vgl. dazu 4Q251 (4QHalakha A) 12,3–5 (zum Text vgl. Lehmann/Larson/Schiffman, DJD 35, 39–41, und Shemesh, 4Q251, 297f.). Dort werden über die in der Tempelrolle genannten verendeten Tiere (‫ )נבלה‬hinaus auch solche erwähnt, die von anderen Tieren verletzt wurden (‫)טרפה‬. Es handelt sich um eine Harmonisierung von Dtn 14,21 und Ex 22,30, wie sie sich in Lev 22,8 mit Blick auf Priester findet. 56  Der in Qumran gefundene Text 4Q266 9 ii 1–2a wird als Parallele zu CD-A 12,14–15a gewer­ tet, ist jedoch insgesamt sehr fragmentarisch. 57  Hempel, Laws, 161f., zufolge existierten die Reinheitsregeln in CD-A 12,11b–18 zunächst unabhängig und wurden dann in die Damaskusschrift aufgenommen. 58  Vgl. dazu die in CD-A 3,14 erwähnte Offenbarung von verborgenen Dingen.

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der Gebote erkennen lassen.59 Dies zeigt sich deutlich bei einem Vergleich der in CD-A 12,11–15 belegten Anordnungen mit rabbinischen Bestimmungen zu den entsprechenden Speisen. Im Rahmen eines solchen Vergleichs erweisen sich die Bestimmungen in der Damaskusschrift nämlich jeweils als die stren­ gere Position.60 Eine solche Verschärfung der Praxis des Gesetzes ist eine generelle Tendenz des Gesetzesmaterials der Damaskusschrift und wird vom Verfasser ausdrück­ lich als Notwendigkeit gefordert. Zu Beginn seiner Schrift stellt er in seinem Rückblick auf die sündige Geschichte Israels (vgl. vor allem 2,14–3,20) näm­ lich unter anderem fest, dass die Vorfahren die göttliche Satzung nicht ein­ gehalten haben (1,20; 2,6.16–18.21; 5,21), sondern Gott verlassen und vom Weg abgewichen sind (1,3f.13; 3,14; 6,1),61 dafür aber von Gott bestraft wurden.62 Gerade daraus habe sich die hinter der Damaskusschrift stehende Gruppe als kleine Erneuerungsbewegung entwickelt (1,7–11), deren Ziel ein Wandel in Vollkommenheit ist (2,15f.; 3,12; vgl. 20,6f.).63 Die Mitglieder der Gemeinschaft verstehen sich als Bekehrte Israels (6,5) bzw. als solche, die zum Gesetz des Mose umgekehrt sind (16,1f.5f.). Dabei trägt die Damaskusschrift Züge, die als „sektenhaft“ zu bestimmen sind.64 Die strengere Gesetzesauslegung der Damaskusschrift ist nämlich mit einer deutlichen Abgrenzung verbunden.65 Die entsprechenden Verschärfungen des Gesetzes sollen demzufolge die 59  Vgl. dazu Werrett, Purity, 32; Schiffman, Forbidden Foods, 66. 60  Parallelen für die von der Damaskusschrift vertretene Position lassen sich für alle drei Speiseanordnungen hingegen bei den Karäern feststellen, vgl. vor allem Lieberman, Light, 193 Anm. 23; 197 mit Anm. 56, im Anschluss an Schechter, Documents, LI Anm. 20.23 (mit Belegen). 61  Anders aber Abraham und seine Nachkommen nach CD-A 3,2–4. 62  Vgl. dazu CD-A 1,5–7: Gott strafte Israel 390 Jahre lang, u.a. durch das Exil unter Nebu­ kadnezzar (1,6). Vgl. auch 2,21. 63  Vgl. dazu auch CD-A 1,20f., wonach die in Vollkommenheit Wandelnden verabscheut wor­ den seien. Nach CD-A 7,4–6 ist der Bund nämlich etwas für diejenigen, die Gottes Gesetze genau beachten (vgl. 3,11f.). 64  So auch Davies, Judaism(s), 31. 65  Die Gemeinschaft hinter der Damaskusschrift bestimmt sich selbst als eine solche, die vom Weg des Volkes abgewichen ist (‫ סרו מדרך העם‬in CD-A 8,16; CD-B 19,29). Zur Trennung vgl. auch die Forderung nach einer Abgrenzung von den Söhnen der Grube in CD-A 6,14b–15 ([…] ‫ מבני השחת‬/ ‫ ;)]…[ ולהבדל‬mit einem anderen Verbum auch in 4Q266 1a–b,1. Zudem werden die Mitglieder der Gemeinschaft insgesamt in einen deut­ lichen Gegensatz zum Volk gebracht. So versteht sich die hinter der Damaskusschrift ste­ hende Gemeinschaft selbst als wahres Israel im Unterschied zum historischen Israel (vgl. bes. CD-A 3,13 mit 1,4f.; 4,4f.). Das Verhältnis der Gemeinschaft der Damaskusschrift zu Israel wird in dualistischen Ausdrücken wiedergegeben (CD-A 2,2–13), wenngleich der Dualismus zwischen Licht und Finsternis in der Damaskusschrift noch fehlt (vgl. Collins, Construction, 36).

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Gesetzespraxis des historischen Israel korrigieren, welche als unzureichend bewertet wird. Im Einzelnen werden in CD-A 12,11b–15a drei Speiseregeln aufgestellt. Die erste Forderung zeigt eine deutliche Zuspitzung auf das Verbot von Klein­ tieren: „Niemand darf sich durch irgendein Tier oder ein Kriechtier zum Abscheu machen, indem er davon isst (‫ בכל ֗החיה והרמש‬/ ‫אל ישקץ איש את נפשו‬ ‫)לאכל מהם‬, von den Larven der Bienen bis zu allen Lebewesen, die im Wasser wimmeln66 (‫ החיה אשר תרמוש במים‬/ ‫( “)מעגלי הדבורים עד כל נפש‬12,11b–13a). Im Hintergrund dieser Anordnung stehen deutlich erkennbar die Bestimmungen aus Lev 11,1–47,67 deren Schwerpunkt ebenfalls auf dem Verbot von Kleintieren liegt.68 Dabei ist nach Lev 11 der Genuss von jeglichen Kleintieren strikt ver­ boten (11,43), sei es von solchen, die auf der Erde kriechen (11,44; 20,25; vgl. auch 11,20f.46), sei es von Wasserkleintieren (11,46; vgl. auch 11,10–12). Die in CD-A 12,11b–13a überlieferte Anordnung geht jedoch noch über die biblischen Speisegebote hinaus, da der Ausdruck ‫ מעגלי הדבורים‬innerhalb der dortigen Vorschriften fehlt. Er ist in seiner genauen Bedeutung umstritten, zeigt aber mit ‫ הדבורים‬in jedem Fall einen Bezug auf Bienen, wobei für ihn unter anderem vor dem Hintergrund des syrischen ‘eghlē dĕ-dhebburiyāthā ein Verständnis als „Larven der Bienen“69 vorgeschlagen wird.70 Ziel dieser Forderung ist es dem­ zufolge offenbar, Larven im Honig dadurch zu verhindern, dass man den Honig durch Sieben filtert.71 Die hinter der Damaskusschrift stehende Gemeinschaft verbietet somit das Essen und Trinken von Speisen und Flüssigkeiten, welche verunreinigende Kleinlebewesen enthalten und fordert zu diesem Zweck, 66  Zur Verbindung von ‫ נפש חיה‬mit ‫ רמש‬als Verb für Wasserkleintiere vgl. Gen 1,21; Lev 11,46; vgl. 4Q422 1,8. Zur Verbindung von ‫ ַחּיָ ה‬und ‫ ֶר ֶמׂש‬vgl. auch Gen 1,24; 8,19. 67  Die Anknüpfung der vorliegenden Speisevorschrift in CD-A 12,11b–13a an den Abschnitt zu verbotenen Speisen in Lev 11 lässt sich deutlich am Gebrauch von ‫ שקץ‬erkennen. In Lev 11 begegnet nämlich eine besondere Konzentration dieser Wurzel. Dabei lässt sich für die Wendung ‫ שקץ נפש ב‬näherhin eine deutliche Abhängigkeit von Lev 11,43; 20,25 er­ kennen. Wie dort wird nämlich das negierte Verbum ‫ שקץ‬in CD-A 12,11f. nicht mit einer zu vermeidenden Sache wie beispielsweise einer verbotenen Speise (so in Lev 11,11.13), son­ dern mit dem Menschen als Objekt gebraucht. Vgl. dazu auch die Aufnahme von Lev 11,43; 20,25 in abgewandelter Form, nämlich mit dem heiligen Geist als Objekt, in CD-A 7,3f.: ‫ איש את רוח קדשיו כאשר הבדיל אל להם‬/ ‫ולא ישקץ‬. 68  Das Verbot von Kleintieren hat in Lev 11 durch seine Schlussstellung in Lev 11,43f.46 Ach­ tergewicht. 69  So zuerst Ginzberg, Sekte, 112, aufgenommen von Liebermann, Light, 192 Anm. 22, der den Ausdruck als Hapaxlegomenon versteht. 70  Revel, Inquiry, 355, liest anstelle von ‫ מעגלי הדבורים‬ein ‫„( מרגלי הדבורים‬Füße der Bienen“); aufgenommen u.a. von Golb, Laws, 53. 71  So Rabin, Documents, 61; vgl. auch Schechter, Documents, LI Anm. 20 (anders hingegen XXIV).

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Speisen und Flüssigkeiten vor dem Verzehr durch entsprechende Maßnahmen von diesen zu befreien. Darin unterscheidet sich die Damaskusschrift von der Gesetzesauslegung in rabbinischen Zeugnissen, denen zufolge man Kriechtiere in Speisen essen durfte, solange sie nicht von der Speise getrennt waren (vgl. vor allem tTer 7,11: für Wein und Essig; vgl. Sifra Schemini 3,1; bHul 67a).72 Auch für die beiden folgenden Vorschriften lässt sich eine deutliche Verschärfung der biblischen Speisegesetze erkennen, und zwar näherhin unter dem Aspekt der Tötung von Tieren, die als Nahrung dienen sollen. Im Zentrum der zweiten und dritten Vorschrift steht nämlich die richtige Sterbeart von Fischen und Heuschrecken (CD-A 12,13b–15a). Sowohl beim Fisch als auch bei Heuschrecken handelt es sich jedoch um Tiere, die nach der Tora prinzipiell für den Genuss erlaubt sind, ohne dass dafür weitere Vorschriften beispiels­ weise zu deren Tötung erforderlich wären. Demgegenüber soll der eigentlich reine Fisch (Lev 11,9–12) nach der Damaskusschrift nur dann gegessen wer­ den, wenn er noch lebendig geöffnet wurde und das Blut herausgeflossen ist: ‫ונשפך ֗ד ֗מ ֗ם‬ ֗ ‫ חיים‬/ ‫( והדגים אל יאכלו כי אם נקרעו‬CD-A 12,13b–14a). Ein Fisch, der bereits vor der Zubereitung als Speise tot war und damit nicht ausbluten konn­ te, ist demzufolge für den Verzehr verboten. Damit schränkt der Verfasser von CD-A 12,13b–14a den Genuss von Fisch dadurch entscheidend ein, dass er zwei andere grundlegende biblische Speisevorschriften auf den Fall des Fisches aus­ weitet: erstens die Bestimmung, dass Tiere, die eines natürlichen Todes gestor­ ben sind oder durch ein anderes Tier getötet wurden, nicht gegessen werden dürfen (so vor allem Dtn 14,21; s.o. IIA 1.1.2.1), zweitens das generelle Verbot des Genusses von Blut (Gen 9,4 u.ö.; s.o. IIA 1.1.2.2).73 Auch die den Verzehr von Heuschrecken betreffende Anordnung zeigt eine deutliche Ergänzung der Bestimmungen der Tora, und zwar auch im Vergleich zu deren Rezeption in der Tempelrolle. Während die in Lev 11,20–23 formulier­ te Erlaubnis von geflügelten Insekten, die hüpfen können, in 11Q19 48,3–5 unter Aufzählung der vier verschiedenen Heuschreckenarten aufgenommen wird (s.o. 1.1.1), findet sie in CD-A 12 nämlich auffälligerweise keinerlei Erwähnung. Stattdessen schränkt der Verfasser der Damaskusschrift den Verzehr von Heu­ schrecken durch eine Anordnung ein, die ebenfalls deren Tötung betrifft und sich nicht direkt auf ein biblisches Gebot zurückführen lässt. Dabei sollen 72  So vor allem Liebermann, Light, 191–193 mit Anm. 22; im Anschluss an ihn u.a. Schiffman, Forbidden Foods, 67. 73  Vgl. dazu Werrett, Purity, 33f. mit Anm. 49; vgl. auch 94f.: Ihm zufolge zeigt vor allem CD-A 12,13b–14a zwei Tendenzen für die Gesetzesauslegung durch den Verfasser auf: ers­ tens die Verbindung verschiedener Anordnungen, um dadurch eine präzisere Vorschrift zu schaffen, zweitens die Ausweitung von Anordnungen der hebräischen Bibel auf Fälle, für die sie dort noch nicht erwähnt werden.

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Heuschrecken offenbar nur dann gegessen werden, wenn sie unmittelbar vor Beginn des Kochens noch lebendig waren. In der Damaskusschrift wird näm­ lich gefordert, dass Heuschrecken ins Feuer und Wasser kommen, d.h. gewor­ fen werden, und zwar während sie noch lebendig sind, da dies die Bestimmung ihrer Natur sei:74 ‫ עד הם חיי֗ ֗ם כי֗ ֗הוא משפט‬/ ‫וכל החגבים במיניהם יבאו באש או במים‬ ‫( בריאתם‬CD-A 12,14b–15a). Der Verfasser der Damaskusschrift versteht die grundsätzlichen Formulie­ rungen zum Blutgenussverbot in Lev 3,17; 17,10.14 somit nicht nur mit Bezug auf alle Unterarten der Vögel und des Viehs, sondern weitet sie auf alle Tiere aus. Dabei lässt sich für die Anordnungen zum Genuss von Fisch und Heuschrecken in CD-A 12 als Tendenz insgesamt eine Angleichung an die Bestimmungen zu Landtieren feststellen. Wie Landtiere haben Fische Blut und müssen daher in einer solchen Weise getötet werden, dass der Verzehr des Blutes ausgeschlossen ist. Ähnliches gilt offenbar auch für Heuschrecken.75 Darin unterscheidet sich die Position der Damaskusschrift von rabbinischen Zeugnissen, denen zufolge das Verbot des Genusses von Blut und die Anordnung der rituellen Schlachtung nur für Landtiere gilt, der Genuss von Fischen76 und Heuschrecken77 jedoch keine bestimmte Art der Tötung zur Voraussetzung hat. 74  Zu dieser Wendung vgl. CD-A 4,21; mMiq 6,7 (vgl. Rabin, Documents, 62). Zu einem Bezug dieser Begründung auf Fische und Heuschrecken vgl. Schiffman, Forbidden Foods, 68f. Grundsätzliche dazu Schwartz, Law and Truth, bes. 231. 75  Vgl. dazu Schiffman, Forbidden Foods, 69: „In the case of locusts, it is assumed that their life essence, even though they do not have blood in the conventional sense, can be inter­ rupted by putting them into fire or water.“ 76  In rabbinischen Quellen wird eine rituelle Schlachtung von Fischen ausdrücklich ab­ gelehnt. So wird mehrfach berichtet, dass ein gewisser Jacobus aus dem Dorf Neburai bei Tyrus für seine Lehre bestraft wurde, dass auch bei Fischen eine rituelle Schlachtung nötig ist, da Fische in Gen 1,20 zusammen mit den Vögeln erwähnt werden (BerR 7,2; QohR 7,47). Gegen eine rituelle Schlachtung von Fischen auch bHul 27b. Nach bKer 21b (Ausspruch Rabs) ist Fischblut dann verboten, wenn es gesammelt ist. 77  Zur ausdrücklichen Erlaubnis von Fisch- und Heuschreckenblut in Verbindung miteinan­ der vgl. mKer 5,1; tTer 9,6: Dort wird der Verzehr von Fisch und Heuschrecken grundsätz­ lich erlaubt, seien sie lebendig oder tot (vgl. auch tKer 2,19). Vgl. auch Sifra Zav 10,11 (zu Lev 7,26; Winter, Sifra, 233f.). In bKer 20b–21b sind Fische und Heuschrecken Teil einer Liste von Tieren, deren Blut erlaubt ist. Unter diesen finden sich auch Kriechtiere. Gegen eine Schlachtung von Kriechtieren auch Sifra Schemini 10,4 (zu Lev 11,39; Winter, Sifra, 315). Nach bMeil 17a ist das Blut der Kriechtiere hingegen unrein. In PRE 9,3 findet sich eine nähere Begründung dafür, warum Fische und Heuschrecken nicht rituell geschlach­ tet werden müssen. Im Hintergrund dieser Überzeugung steht die Einstufung dieser Tiere als Lebewesen, die aus dem Wasser geschaffen wurden, und zwar deshalb, weil sie von Gott am fünften Tag erschaffen worden sind. Dabei dient die Schächtung dem Zweck, das Blut von Tieren, die nicht auf dem Altar geopfert werden können, mit Staub zu bedecken, doch beziehe sich diese Forderung nur auf Landtiere, nicht auf Wassertiere.

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Exkurs 2: Das strikte Verbot des Blutgenusses Das biblische Verbot des Genusses von Blut (s.o. IIA 1.1.2.2), welches im Hintergrund der Anordnungen zum Verzehr von Fisch und Heuschre­ cken innerhalb der Damaskusschrift steht, wird innerhalb des anti­ ken Judentums breit rezipiert. Es wird sowohl in den Schriften des griechischsprachigen Judentums als auch in den Schriften aus Qumran und im rabbinischen Judentum78 mehrfach thematisiert. Innerhalb der Damaskusschrift wird das Verbot des Blutgenusses beispielsweise auch abgesehen von den Anordnungen zum Verzehr von Fisch und Heuschre­ cken erwähnt. Nach CD-A 3,6 gehört es zu den Sünden der Vorfahren (3,1–13), dass sie in Ägypten Blut gegessen haben, offenbar weil sie das Blut nicht vollständig aus dem Tier haben herauslaufen lassen. Dafür wurden sie in der Wüste ausgerottet (3,7; vgl. Lev 17,14). Innerhalb der Tempelrolle wird das Verbot des Blutgenusses gleich zweimal eingeschärft,79 und zwar zum einen in 11Q19 52,11b–12a als Wiedergabe von Dtn 15,23 und in 11Q19 53,5–8 als Wiedergabe von Dtn 12,23–25. In beiden Fällen wird über den biblischen Text hinaus jeweils die Anordnung eingefügt, das auf die Erde gegossene Blut mit Staub zu bedecken (so 11Q19 52,12a und 53,5b– 6a: ‫)וכסיתו בעפר‬. Diese Ergänzung geht offenbar auf einen Einfluss von Lev 17,13 zurück.80 Dabei wird diese Anordnung aus Lev 17,13 innerhalb der Tempelrolle von Wildtieren, die auf der Jagd getötet wurden,81 auf fehlerhafte Tiere ausgeweitet. Da sie ebenfalls nicht auf dem Altar dargebracht wurden, konnte auch ihr Blut nicht auf den Altar gegossen werden, sondern soll stattdessen mit Staub bedeckt werden.82 Besonders betont wird das Verbot des Blutgenusses innerhalb des Jubiläenbuches.83 Dabei wird für eine Begründung für dieses Verbot ebenfalls auf Gen 9,4f. verwiesen, wonach das Leben bzw. die Seele jedes 78  Ausführlich dazu Werman, Rules; Müller, Bluttabu. 79  Zum Verbot des Blutgenusses vgl. daneben auch 1QGenApokr 11,17. 80  So Yadin, Temple Scroll II, 238 mit I, 314; Schiffman, Animals, 172; Maier, Tempelrolle, 219. Anders Paganini, Rezeption, 83f., der von einer festgeprägten Formulierung ausgeht. 81  Nach Lev 17,13 muss Blut nur dann auf die Erde gegossen und mit Staub bedeckt wer­ den, wenn das besagte Tier ein Wildtier oder Vogel ist, nicht hingegen das Blut von Vieh (‫)בהמה‬. 82  Vgl. dazu, dass es sich bei der Forderung nach dem Bedecken des Blutes um einen Substitutionsritus für das auf dem Altar geschlachtete Tier handelt, dessen Blut auf den Altar gegossen wurde (vgl. u.a. Dtn 12,27). Zu einem solchen Verständnis als Sub­ stitutionsritus in der rabbinischen Exegese vgl. mHul 6,1; vgl. auch bHul 84a. Vgl. dazu vor allem Schiffman, Animals, 172; ders., Slaughter, 74f.81f. 83  Das Verbot des Blutgenusses findet sich auch in Hen(aeth) 7,5; 98,11 in Form einer Bewertung von Blutgenuss als größter Sünde.

Exkurs 2: Das strikte Verbot des Blutgenusses

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Fleisches im Blut wohnt (Jub 6,7; 7,32; 21,18). Wie in Lev 17,13 wird das Bedecken des Blutes gefordert (Jub 7,31; 21,17). Solchen, die den Schwur Noahs und seiner Söhne, kein Blut zu essen (6,10), brechen (so festgestellt in 6,18.38; 11,2), wird hingegen angedroht, dass sie und ihre Nachkommen von der Erde ausgerottet werden (6,7–14, bes. 6,7.12f.; 7,28–32, bes. 7,28f. 31f.). Als Beispiele für Lebewesen, deren Blut keinesfalls gegessen werden darf, werden in Jub 6,12; 21,6 zwar nur Tiere, Vögel und Vieh genannt. Daneben betont der Verfasser jedoch, dass keinerlei Blut von irgendei­ nem Fleisch (6,10) bzw. von irgendeinem Körper (7,28) gegessen werden darf, sondern grundsätzlich der Genuss von jeglichem Blut verboten ist (vgl. 21,18).84 Sowohl bei Josephus als auch bei Philo sind Rekurse auf das Verbot des Blutgenusses festzustellen.85 Dabei führen auch sie als Begründung für dieses Verbot von Blut in unterschiedlicher Weise die bereits biblisch belegte Überzeugung an, dass das Leben im Blut ist.86 Josephus betont zudem in besonderer Weise, dass der Genuss von jeglichem Blut (vgl. αἵματος […] παντός in Ant. 3,260) verboten ist. 1.2 Speiseanordnungen im Zusammenhang mit Opfervorschriften In den Schriften aus Qumran werden Gesetze zum Genuss von Tieren zudem häufiger in Verbindung mit Opfergesetzen erwähnt. Anordnungen zu Opfern und Festen sind in den Texten vom Toten Meer generell zahlreich belegt. Insbesondere in der Tempelrolle finden sich Opfervorschriften, die Fragen des Essens berühren. Dabei macht die Tempelrolle den Verzehr von Fleisch in Jerusalem offenbar von einer Opferung der entsprechenden Tiere im Tempel abhängig:

84  Nach Albeck, Jubiläen, 25, deutet diese Betonung des Verbotes von jeglichem Blutgenuss darauf hin, dass auch dem Jubiläenbuch zufolge – wie innerhalb der Damaskusschrift – das Blut der Fische und Heuschrecken verboten ist. 85  Vgl. daneben auch die Erwähnung des Blutgenussverbots in LAB 3,11; TestXII.Lev 18,53–57 (MS Athos Cod. 39). 86  Vgl. dazu vor allem Jos. Ant. 1,102: […] χωρὶς αἵματος ἐν τούτῳ γάρ ἐστιν ἡ ψυχή; 3,260: αἵματος μέντοι παντὸς εἰς τροφὴν ἀπηγόρευσε τὴν χρῆσιν ψυχὴν αὐτὸ καὶ πνεῦμα νομίζων (vgl. Lev 17,14; Dtn 12,23). Vgl. dazu auch Philo, Spec. 4,123, wonach der Genuss von Blut deshalb verboten sei, weil es die Substanz der Seele sei (ὅτι οὐσία ψυχῆς ἐστίν), zwar nicht der denkenden und vernünftigen, wohl aber der sinnlichen, durch die den Menschen und den vernunft­ losen Tieren das Leben als etwas Gemeinsames zuteilwird (zum Leben im Blut vgl. auch Philo, Spec. 1,205; Det. 80f.84; Her. 54.60.63.65).

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Die in der Tempelrolle überlieferten Opfergesetze87 gehören in den größeren Kontext der Bestimmungen, die innerhalb dieser Schrift für einen neuen Tempel aufgestellt werden. Ihnen liegt nämlich die Ansicht zugrunde, dass der gegenwärtige Tempel und die Riten unrein sind. In 11Q19 52 finden sich zahlreiche Opfervorschriften, die unter Aufnahme entsprechender Gesetze im Deuteronomium (vgl. bes. Dtn 12,21–27) fest­ legen, welche Tiere wo geschlachtet werden dürfen.88 Im Zentrum dieser Anordnungen steht eine strikte Gegenüberstellung zwischen Jerusalem und anderen Städten. Dabei darf in Jerusalem der Tempelrolle zufol­ ge offenbar nur Opferfleisch gegessen werden.89 In 11Q19 52,19–21 wird nämlich gefordert, dass in Jerusalem nur das Fleisch von Tieren gegessen werden soll, die auch im Tempel geopfert wurden,90 d.h. aber nur von makellosen Tieren. Mehrfach wird in 11Q19 52 nämlich festgestellt, dass als Opfer für Gott nur fehlerlose Erstgeburten von Rindern und Kleinvieh (52,7b–9; vgl. Dtn 14,23; 15,19f.) dargebracht werden dürfen, fehlerhafte Tiere dafür hingegen strikt verboten sind (11Q19 52,3b–5a; vgl. Dtn 17,1), sei es eine Erstgeburt mit Gebrechen (11Q19 52,9b–10) oder ein reines Tier mit Gebrechen (52,16b–19a). Solche defektbehafteten Tiere dürfen jedoch außerhalb des Tempels und außerhalb von Jerusalem gegessen werden.91 Die Beschränkung des Verzehrs von Fleisch in Jerusalem auf Opferfleisch gehört in den größeren Rahmen der Verbote, die sicherstel­ len sollen, dass nichts Unreines in den Tempel bzw. nach Jerusalem ge­ langt. Dies betrifft nicht nur die Speise selbst (47,5–7), sondern sogar die Überreste von Tieren, mit denen die Speisen transportiert werden. So for­ dert 11Q19 47,7–18, dass nur Häute von Tieren, die im Tempel geschlachtet 87  Zur häufigen Behandlung von Opfer- und Festvorschriften in der Tempelrolle generell vgl. vor allem 11Q19 13–29; 32–35; 43; 46–48; 50–53; 60; 63–65. 88  Vgl. dazu genauer Yadin, Temple Scroll I, 312–320; Schiffman, Slaughter; ders., Animals; Shemesh, New Reading; Tov, Contrastive Analysis; Paganini, Rezeption, 55–76. 89  Vgl. dazu Werrett, Purity, dem zufolge der Verfasser Jerusalem und die Laien damit auf ein „priest-like level of purity“ erhebt (135f.171). 90  Genaueres zu diesem Verbot von profanen Schlachtungen in Jerusalem bei Yadin, Temple Scroll I, 318–320; zur Ableitung dieser Anordnung aus Dtn 12,27 vgl. Schiffman, Slaughter, 79. 91  So in 11Q19 52,10b–12 für ein defektbehaftetes erstgeborenes Tier; in 11Q19 52,17–19a für alle reinen Tiere mit Gebrechen (vgl. Dtn 15,21–25). Dabei wird in 11Q19 52,17f. der Ort, an dem solche Tiere mit Fehlern gegessen werden können, zusätzlich näher bestimmt, und zwar mit einer Entfernung von 30 sogenannten Ris vom Tempel aus. Vgl. dazu auch, dass nach 11Q19 52,13b–15 reine Rinder, Schafe und Ziegen für den Fall, dass der Besitzer nicht wei­ ter als drei Tagesreisen vom Tempel entfernt ist, umgekehrt im Tempel geopfert werden müssen.

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wurden, in die Stadt des Heiligtums gebracht werden dürfen, um den Tempel und die Stadt nicht zu verunreinigen.92 Tiere, deren Häute zum Transport von Dingen in den Tempel verwendet werden sollten, mussten somit zuvor im Tempel geschlachtet werden. Selbst in Form von Geräten dürfen andere als im Tempel geopferte Tiere nicht in den heiligen Bezirk gebracht werden.93 Daneben finden sich spezielle Anordnungen zur Opferung und zum Genuss des Fleisches von trächtigen Tieren sowie von Muttertier und Jungtier: 11Q19 52,5–7 verbietet zum einen die Schlachtung eines trächtigen Tieres, zum anderen die Schlachtung von Muttertier und Jungem am selben Tag. Während sich das Verbot einer Schlachtung von Muttertier und Jungem am selben Tag aus Lev 22,28 herleiten lässt (vgl. Dtn 22,6),94 hat das Verbot der Schlachtung eines trächtigen Tieres keine direkte bibli­ sche Grundlage. Vielmehr wird beim Verbot des Opferns trächtiger Tiere95 offenbar das biblische Verbot einer gleichzeitigen Schlachtung von Muttertier und Jungem aus Lev 22,28 bis auf den frühestmöglichen Zeitpunkt, nämlich noch im Mutterleib, ausgedehnt. In 4Q251 werden diese Opferregelungen deutlich in den Kontext des Essens gestellt, wobei der Fokus auf dem Essen solcher Jungtiere bzw. ungeborenen Jungtiere liegt. Dabei verbietet 4Q251 12,1–2 dem rekonstruierten Text zufolge,96 ein Tier zu essen, das nicht sieben Tage bei seiner Mutter war,97 ebenso 92  Vgl. dazu, dass selbst die Häute von erlaubten Tieren (d.h. von Tieren, die von ihrer Art her rein sind), die außerhalb des Tempels geschlachtet wurden, als unrein angesehen werden (11Q19 47,7–10.15–17); vgl. Yadin, Temple Scroll II, 201. Zu unreinen Häuten von unreinen Tieren vgl. mHul 9,2. 93  Vgl. dazu, dass einige Forscher von der Tempelrolle her auch 4Q394 3–7 ii 2–4/4Q395 1,12 (= 4QMMT B18–23) im Sinne einer Anordnung rekonstruieren, die den Gebrauch der Überreste von Tieren in Form von Häuten und Knochen regelt (so Qimron, Halakha, 154; Schiffman, 4QMMT, 87f.; ders., Miqṣat, 448; Harrington, Purity Texts, 84), dagegen Werrett, Purity, 188. 94  Zum Verbot des Tötens von Mutter und Jungtier am selben Tag vgl. auch Philo, Virt. 134–142. 95  Zum Verbot des Opferns eines trächtigen Tieres vgl. auch 4Q270 2 ii 15; zur Auslegung mit entsprechenden Parallelen vgl. Yadin, Temple Scroll I, 312f.; Schiffman, Miqṣat, 448–451. Nach mHul 4,5 ist die Opferung eines trächtigen Tieres dagegen erlaubt. 96  Vgl. dazu die Textrekonstruktionen bei Lehmann/Larson/Schiffman, DJD 35, 39–41, und Shemesh, 4Q251, 297f. 97  Vgl. dazu Lev 22,27 und Ex 22,29, wonach ein Tier erst am 8. Tag geopfert werden soll. In der rabbinischen Literatur wird Lev 22,27 nur auf Opfer bezogen, dazu Schiffman, Forbidden Foods, 70.

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Fleisch von einem ungeborenen Jungtier zu essen (‫במ ֗ע[י ] ֗אמו ואל‬ ֗ ‫אש] ֗ר‬ ‫)יאכל בשרו‬, vermutlich da es nicht rituell geschlachtet wurde.98 Auch der Bereich des Zehnten,99 der sich innerhalb der Jesusüberlieferung als Kritik Jesu an den Pharisäern niedergeschlagen hat,100 wurde in Qumran aufgenommen.101 Abgesehen von der Frage, was überhaupt gegessen werden kann, finden sich auch Bestimmungen, während welcher Zeit die Opfer geges­ sen werden102 und von wem sie gegessen werden dürfen. Dabei wird gerade diese Frage nach dem Zustand, in dem man heilige Speise essen kann, in den Schriften aus Qumran breit behandelt (s.u. 3.1). 1.3 Das strikte Verbot von heidnischen Speisen Die hinter den Texten vom Toten Meer stehende Gemeinschaft schließt Speisen, die in Kontakt mit Heiden gekommen sind, für Juden offenbar be­ sonders strikt aus. Entsprechende Anordnungen finden sich beispielsweise in 4QMMT unter den allerdings nur sehr fragmentarisch überlieferten und daher nicht vollständig gesicherten Texten. In 4QMMT B3–5 wird nämlich offenbar in einem Kontext, in dem Opfer und Gaben von Heiden zurück­ gewiesen werden (4QMMT B3–9), das Getreideopfer von Nichtjuden abge­ lehnt. Das Korn von Nichtjuden sollen Juden weder essen, noch soll man es in den Tempel bringen.103 Daneben wird insbesondere Fleisch, das Heiden gehört, strikt abgelehnt.104 So wird innerhalb der Damaskusschrift105 offen­ bar verboten, Fleisch, das von Heiden geopfert wurde, zum Tempel oder zum 98  So Lehmann/Larson/Schiffman, DJD 35, 40. Qimron/Strugnell rekonstruieren auch 4QMMT B36–38 im Sinne eines Verbotes der Opferung eines trächtigen Tieres, wobei für ein ungeborenes Jungtier, das man bei der Opferung eines trächtigen Tieres noch lebend entdeckt, festgelegt werde, dass dieses nur dann gegessen werden darf, wenn es rituell geschlachtet worden ist (DJD 10, 50f. mit 157f.); Einwände dagegen bei Werrett, Purity, 192–194. 99  Vgl. dazu vor allem Dtn 14,22–29; 26,12–15; Lev 27,31f. 100  Vgl. dazu, dass Jesus nach Mt 23,23 par. die Pharisäer für eine einseitige Beachtung des Zehntgesetzes kritisiert. 101  Vgl. dazu z.B. 4QMMT B62–64. Vgl. dazu auch die Frage nach dem Verfall/„Unreinwerden“ von Zehntem (Jub 32,10–14; 11Q19 43,11f.; Doering, Purity, 266). 102  Vgl. Lev 7,15b; vgl. 4QMMT B9–13; 11Q19 20,11–13. 103  So die Rekonstruktion bei Qimron/Strugnell, DJD 10, 46f.; vgl. auch Harrington, Holiness, 125. Dagegen Elman, Ritual Context. Zum Streitpunkt von Gaben und Opfern von Heiden vgl. auch mPar 2,1. 104  Vgl. dazu, dass in 4QMMT B8–9 vermutlich Schlachtopfer von Heiden abgelehnt und als Hurerei mit Götzen betrachtet werden (Qimron, Halakha, 148–150). 105  Zu Heiden innerhalb der Damaskusschrift vgl. den Überblick bei Schiffman, History, 372–375.

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Gemeinschaftsmahl zu bringen.106 Darüber hinaus ist der Damaskusschrift zufolge auch der Verkauf von Speisen an Heiden beschränkt.107 Nach CD-A 12,8b–10 sollen nämlich reine Tiere und Vögel nicht an Heiden verkauft wer­ den, da diese sie anderen Göttern opfern könnten. Bereits durch einen Ver­ kauf an Heiden würde der Jude demzufolge offenbar den Götzendienst der Nichtjuden unterstützen.108 Auch aus seiner Kornkammer und seiner Wein­ kelter soll ein Jude nichts an einen Heiden verkaufen.109 Demgegenüber fin­ det sich in der rabbinischen Literatur ein abgestuftes System im Umgang mit heidnischen Speisen, welches von einer unbedenklichen Nutzung bis zu einem vollkommenen Verbot reicht. Entsprechende Speisegebote werden vor allem im Traktat Avoda Zara der Mischna behandelt, in dessen Zentrum gene­ rell der Umgang von Juden mit Nichtjuden steht.110 Dabei wird in mAZ 2,3–7 eine dreifache Unterscheidung vorgenommen. Das Kriterium für ein striktes Verbot ist eine mögliche Verbindung der entsprechenden Lebensmittel mit Götzendienst. Unter den Nahrungsmitteln, die für Juden generell verboten sind, d.h. auch für Handelsbeziehungen ausgeschlossen sind, wird nämlich beispielsweise Schweinefleisch nicht erwähnt, sondern vielmehr Fleisch und Wein der Heiden (2,3), und zwar weil diese anderen Göttern geweiht worden sein könnten (vgl. 5,9). Daneben finden sich Lebensmittel, deren Verzehr zwar für Juden verboten ist, die aber beispielsweise zum Handeln erlaubt sind. Zu diesen gehören nicht solche Speisen, die anderen Göttern dargebracht wor­ den sein könnten, sondern zum Beispiel Milch, die ein Nichtjude gemolken hat, ohne dass ihn ein Jude dabei beobachtet hat, und das Brot der Heiden (2,6).111 Generell erlaubt ist hingegen zum Beispiel Milch, die ein Nichtjude unter Aufsicht eines Juden gemolken hat (2,7).

106  Vgl. 4Q269 8 ii 1–2; 4Q271 2 8–10 (jeweils in Verbindung mit Metallen, die von Heiden stammen). Zu einer solchen Rekonstruktion dieser Fragmente vgl. Baumgarten, DJD 18, 130f.173f.; vgl. Schiffman, History, 374, und u.a. im Anschluss an ihn auch Reed, Role, 151. 107  Generell war der Verkauf von Produkten offenbar der Damaskusschrift zufolge nicht ver­ boten, musste aber vom Aufseher kontrolliert werden (vgl. CD-A 13,15f.; 4Q266 9 iii 1–3). 108  So Reed, Role, 149. 109  Schiffman, History, 373, nennt als Grund, dass dieses Essen und Trinken nicht verzehntet worden ist. 110  Zu Vorschriften zu heidnischen Speisen in der rabbinischen Literatur vgl. Stemberger, Gentile Food, und den Überblick bei Tomson, Paul, 158.168–176. Zu Speisevorschriften im rabbinischen Bereich generell vgl. den Überblick bei Stein, Dietary Laws; ausführlicher die Studie von Rosenblum, Food, zum Folgenden bes. 86–89. 111  Die Nutzung von Fischlake und Käse der Heiden ist umstritten (mAZ 2,4), ebenso die von Öl (2,5). Vgl. dazu auch yShab 1,7,3c (18 Halachot).

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Anordnungen zur Tischgemeinschaft

Auch in den Schriften des antiken Judentums, die nicht in griechischer Sprache abgefasst wurden, lassen sich mehrfach Anordnungen zur Tischgemein­schaft feststellen.112 Sie betreffen ebenfalls sowohl die Frage nach einer Tischge­ meinschaft von Juden mit Nichtjuden als auch die Frage nach den Grenzen der innerjüdischen Mahlgemeinschaft. Die Begründung für die entsprechenden Beschränkungen unterscheidet sich jedoch deutlich von derjenigen, welche sich im Rahmen der griechischsprachigen Schriften für diese beiden Komplexe antreffen ließ. Anders als im Diasporajudentum besteht das Zentrum der Argumentation in den im Folgenden behandelten Texten jeweils aus der Bewertung der von der Tischgemeinschaft ausgeschlossenen Mahlteilnehmer als rituell unrein. Das strikte Verbot der Tischgemeinschaft mit Heiden aufgrund von deren Unreinheit ( Jubiläenbuch) Eine besonders scharfe Ablehnung der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden findet sich im Jubiläenbuch. Dort ist nämlich ein striktes Verbot der Tischge­ meinschaft mit Nichtjuden Teil der letzten Ermahnungen Abrahams an sei­ nen Enkel Jakob (22,10–24). Die Grundforderung dieser Passage lautet „Trenne dich von den Völkern“. Sie wird unmittelbar durch eine Aufzählung von drei Handlungen präzisiert, die jeweils eine enge Form des Kontaktes darstellen. Abraham fordert Jakob nämlich auf: „Trenne dich von den Völkern und iss nicht mit ihnen und handle nicht nach ihrem Werk und sei nicht ihr Gefährte!“ (22,16).113 Die Verwendung des Tischgemeinschaftsverbots im Kontext dieser Forderung nach einer generellen Trennung von den Heiden deutet darauf hin, dass unter dieses Verbot der Tischgemeinschaft jegliche Teilnahme an einem Mahl mit Heiden fällt, d.h. beispielsweise auch solche Mähler, die von Juden ausgerichtet werden.114 Eine solch strikte Abgrenzung115 lässt sich mehrfach als Hintergrund der Forderungen des Jubiläenbuches erkennen.116 Auch innerhalb der letzten Ermahnungen an Jakob ist der zu meidende Kontakt nicht auf das Verbot der Tischgemeinschaft beschränkt, sondern umfasst darüber hinaus die

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112  Zur Rekonstruktion des Ablaufs eines jüdischen Gastmahls aus rabbinischen Quellen vgl. Bill. IV/2, 611–639. 113  Übersetzung von Berger, JSHRZ II/3, 437. 114  Für eine solche Deutung spricht auch der Befund, dass Sondervorkehrungen zur Vermei­ dung bestimmter Speisen nicht erwähnt werden. Zu einem solch strikten Verstän­dnis von Jub 22,16 vgl. auch Bockmuehl, Law, 59. 115  Zur Scheidung von den Heiden vgl. u.a. schon Num 23,9. 116  Zur Forderung der Abgrenzung vgl. vor allem Jub 20–22; 25; 30; daneben Jub 7; 36.

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Ermahnung, den religiösen Bräuchen der Heiden nicht zu folgen (22,17f.), und insbesondere die innerhalb des Jubiläenbuches besonders eindringlich geäu­ ßerte Ermahnung, keine Frau aus den Kanaanäern zu heiraten (22,20–22).117 Im Rahmen des Jubiläenbuches haben Abgrenzungsprozesse von den Völ­ kern demzufolge generell eine zentrale Bedeutung für die Identitätsfindung Israels.118 Dabei wird diese Schärfe der Abgrenzung von den Heiden als In­ diz für eine besonders starke Konfrontation mit dem Hellenismus zur Zeit der Abfassung des Jubiläenbuches bewertet. Die besondere Betonung der Abgrenzung lässt sich nämlich für den Fall gut erklären, dass die Gefahr einer Assimilation der Juden an die heidnische Lebensweise besonders groß war. Im Einzelnen weise die große Bedeutung der Bewahrung der nationalen und religiösen Identität des Volkes Israel auf die Krise unter Antiochos IV. Epiphanes im 2. Jh. v.Chr. hin,119 sodass das Jubiläenbuch zumeist in die frühe Makkabäerzeit datiert wird.120 Dabei lässt sich sowohl für das Verbot der 117  Zum strikten Verbot von Mischehen vgl. auch Jub 20,4f.; 25,1.3–10; 27,8–10; 30,7–17 (vgl. dazu ausführlich Frevel, Moloch). Zum Mischehenverbot in der hebräischen Bibel und im Judentum des Zweiten Tempels vgl. die Belege bei Heckel, Bild, 287 Anm. 82. 118  Dies betont vor allem Schwarz mit dem Titel seiner Arbeit „Identität durch Abgrenzung“, vgl. bes. 17–40: Er bezeichnet die Forderung nach Abgrenzung als „Grundsatzforderung“ des Jubiläenbuches: „Die Forderung nach Abgrenzung erscheint dabei als die wesentli­ che Bundesbestimmung“ (21, Hervorhebung im Original). Vgl. auch Berger, Jubiläenbuch (RAC), 35. 119  Vgl. exemplarisch Schwarz, Identität, 18 und 99–129, bes. 99f. 120  Insgesamt schwankt die Datierung zwischen dem Anfang und dem Ausgang des 2. Jh. v.Chr., wobei als Terminus ante quem 100 v.Chr. gilt, da das Jubiläenbuch zu dieser Zeit in der Damaskusschrift zitiert wird (CD-A 16,3f.; 10,7–10 mit Jub 23,11) und die früheste Handschrift des Jubiläenbuches, wie sie in Qumran erhalten geblieben ist, auf die Zeit zwischen 125 und 100 v.Chr. datiert wird (so VanderKam, Studies, 215). Die Dekrete der Antiochos-Zeit werden im Jubiläenbuch nicht erwähnt, sodass dieses entweder vor 167 v.Chr. entstanden ist (so Nickelsburg, Literature, 73f.; Goldstein, Date; Knibb, Jubilees, 252–254) oder aber erst um 150 v.Chr. Für eine besonders frühe Entstehung, nämlich vor 164 v.Chr., plädiert auch Schwarz, Identität, 102. Zumeist wird das Jubiläenbuch in die frühe Makkabäerzeit zwischen 165 und 140 v.Chr. datiert (vgl. Stemberger, Midrasch, 15). In diesem Rahmen plädieren für eine Frühdatierung z.B. Oegema, Unterweisung, 82 (zwischen ca. 164 und 152 v.Chr.) und VanderKam, Studies, 214–285; ders., Origins, 19f. (160–150 v.Chr.). Etwas später datiert Berger, JSHRZ II/3, 299f.; ders., Jubiläenbuch (RGG⁴), 594, nämlich auf die Mitte des 2. Jh. v.Chr. (145–140 v.Chr.), vgl. dazu, dass er Jub 15,34 („Denn sie haben ihre Glieder wie die Heiden gemacht“) im Sinne der Wiederherstellung der Vorhaut versteht, was nach 1 Makk 1,15 als eine der Maßnahmen zur Assimilation an hellenistische Sitten praktiziert wurde. Noch später, nämlich in das späte ausgehende 2. Jh. v.Chr., datieren Charles, Jubilees, lxii; Mendels, Land, 59.148f. (zwischen 130 und 120 v.Chr.); Himmelfarb, Kingdom, 76f.; Werman, Hellenistic Context („written c. 100 B.C.E.“). Zur Diskussion um die Datierung vgl. auch Segal, Jubilees, 35–41.319–322; zuletzt die Diskussion um ein redaktionelles Wachstum in ders., Dynamics; vgl. dazu auch die Kritik an Kugel und Segal bei VanderKam, One Author.

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Tischgemeinschaft mit den Heiden in Jub 22,16 als auch für die im unmittel­ baren Umfeld genannten Forderungen plausibel machen, dass sie gegen die Hellenisierungstendenzen von Antiochos IV. gerichtet sind. Diese betreffen nämlich gerade speziell den Bereich des Essens121 und zielen darauf, dass die Juden die Gefährten der Heiden werden, wie es in Jub 22,16 mit der vierten Forderung entschieden abgelehnt wird.122 Das Jubiläenbuch reagiert somit eindeutig auf Tendenzen und Vorstellun­ gen, die im hellenistischen Judentum verbreitet waren,123 strebt jedoch in erster Linie eine deutliche Abgrenzung des Judentums gegenüber dem Helle­ nismus an.124 Damit gehört es selbst nicht in das hellenistische, sondern, wie in der Forschung stets festgestellt wird, in das palästinische Judentum.125 Auch in der Gemeinschaft von Qumran stand es offenbar in hohem Ansehen, wie

121  Im Hintergrund des Tischgemeinschaftsverbots könnte der von Antiochos IV. auf die Juden ausgeübte Zwang zur Übertretung der Speisegebote stehen, so Charles, Jubilees, 140; im Anschluss an ihn Endres, Interpretation, 44f. 122  Die Forderung, nicht etwa ein Gefährte der Heiden zu werden, erinnert an den Beginn der Herrschaft des Antiochos, wie er in 1 Makk 1,11–15 geschildert wird (vgl. dazu auch Doe­ ring, Purity, 272 Anm. 45). Nach 1 Makk 1,11 fordern Juden, die sich gegen das Gesetz stel­ len, ihre Landsleute nämlich umgekehrt dazu auf, die bisherige Trennung von den Heiden aufzugeben und stattdessen mit ihnen einen Bund zu schließen (διαθώμεθα διαθήκην μετὰ τῶν ἐθνῶν τῶν κύκλῳ ἡμῶν ὅτι ἀφ’ ἧς ἐχωρίσθημεν ἀπ’ αὐτῶν εὗρεν ἡμᾶς κακὰ πολλά). In 1 Makk 1,15 wird dieses Verhalten dann als Abfall vom heiligen Bund und Verbindung mit den Heiden bezeichnet ([…] ἀπέστησαν ἀπὸ διαθήκης ἁγίας καὶ ἐζευγίσθησαν τοῖς ἔθνεσιν καὶ ἐπράθησαν τοῦ ποιῆσαι τὸ πονηρόν). Auch Schwarz, Identität, 100; Endres, Interpretation, 237f., identifizieren die Juden in 1 Makk 1,11 mit der Gruppe, gegen die sich das Jubiläenbuch richtet, ebenso VanderKam, Origins, 20–22. Ihm zufolge weist der Verfasser des Jubiläenbuches die in 1 Makk 1,11 erkennbare Überzeugung, dass es vor der Gesetzgebung eine bessere Zeit gegeben habe, dadurch strikt zurück, dass er die Gesetze selbst in der Schöpfung verankert. 123  Vgl. dazu Werman, Hellenistic Context, 157. 124  Das Jubiläenbuch greift Motive und Themen, die im hellenistischen Judentum verwendet wurden, um zwischen dem Hellenismus und dem Judentum eine Brücke zu schlagen, gerade nicht auf, sondern betont umgekehrt die Differenz zur hellenistisch geprägten Umwelt (zu Beispielen vgl. Werman, Hellenistic Context, 140f.151.154f.; zur Art und Weise der Abgrenzung vgl. auch Charles, Jubilees, li–lvi). Gegen universalistische Tendenzen bei Philo und Josephus legt der Verfasser des Jubiläenbuches auch durch den Gebrauch von Abraham als zentraler Identifikationsfigur den Fokus auf das spezifisch Jüdische, und zwar insbesondere dadurch, dass er Abraham „zum Prototypen eines jüdischen Schriftgelehrten [macht], der sich deutlich von seinem nicht-jüdischen Umfeld distan­ ziert“ (so Mühling, Abraham, 197; vgl. auch 208–210). 125  Vgl. dazu auch, dass das Buch am ehesten in Jerusalem entstanden ist, so Berger, JSHRZ II/3, 299f. mit Anm. 3; im Anschluss an ihn auch Oegema, Unterweisung, 83.

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die dort gefundenen Manuskripte des Jubiläenbuches zeigen.126 Dies lässt sich unter anderem speziell am Befund zum Komplex der Tischgemeinschaft er­ kennen. Gerade zwischen dem Verbot der Tischgemeinschaft mit Heiden in Jub 22,16 und dem Ausschluss aus dem Gemeinschaftsmahl in 1QS 5,7–20 be­ steht nämlich grundsätzlich eine enge Verbindung.127 2.1.1

Die strikte Gegenüberstellung von Juden und Heiden mithilfe des Gegensatzes von heilig und unrein Der Verfasser des Jubiläenbuches schärft das Verbot der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden unter Rückgriff auf das Rein-Unrein-Paradigma ein. Im Rahmen einer Begründung für seine Forderung nach einer strikten Trennung von den Nichtjuden bringt er die Nichtjuden nämlich mit Unreinheit in Verbindung. Im Einzelnen qualifiziert er das Werk der Heiden, an dem Jakob sein eigenes Handeln keinesfalls ausrichten soll,128 und die Wege der Heiden als unrein:129 „Denn ihr Werk ist Unreinheit, und alle ihre Wege sind befleckt und Nichtigkeit 126  Vgl. Neusner, Idea, 55–58. Die Verbindungen zwischen dem Jubiläenbuch und den Schriften vom Toten Meer bedeuten jedoch nicht, dass das Jubiläenbuch selbst als „sek­ tenhaft“ einzustufen ist (zur Bewertung als „non-sectarian“ vgl. z.B. auch Regev, Jubilees, 428–430; Hellermann, Purity, 413). Zu weit geht somit z.B. Wacholder, Jubilees, 210, der für eine Bestimmung als „sectarian“ plädiert, u.a. da das Jubiläenbuch die Mosetora ersetzten wollte (dagegen vgl. Boccaccini, Movement, 195f., u.a. im Anschluss an Himmelfarb und VanderKam). 127  Zu einer Verbindung von Jub 22,16–22 und den Gesetzen zur Abgrenzung in der Gemein­ schaftsregel vgl. Shemesh, Origins, 234–238, und vor allem Furstenberg, Outsider Impurity, 43–46: Er sieht 4QSd 1 i 5–10 und 1QS 5,7–20 als Relektüre von Jub 22,16f. an, wobei die dort mit Bezug auf die Heiden getroffenen Aussagen nun auf alle Nichtmitglieder der Gemeinschaft von Qumran, d.h. auch auf außenstehende Juden, übertragen worden seien. Segal, Jubilees, bes. 320–322, nimmt im Anschluss an Kister insbesondere für Jub 23 eine Überarbeitung durch der Gemeinschaft von Qumran zumindest nahestehende Kreise an, in der die Polemik gegen den Hellenismus in eine innerjüdische Auseinandersetzung va­ riiert worden sei. 128  Die Bestimmung des Werks der Heiden als unrein in Jub 22,17 steht in besonders enger Verbindung mit der Forderung aus Jub 22,16, nicht nach dem Werk der Heiden zu han­ deln. Ähnliche Anweisungen finden sich im Jubiläenbuch gehäuft, vgl. bes. Jub 21,21–23 (vgl. dazu auch 22,19 mit 21,23); 3,31 („nicht wie die Heiden“). Zur Übernahme des Werks der Heiden als Gefahr einer Vermischung mit ihnen vgl. schon Ps 106,35; 2 Kön 17,15. 129  Der Topos von der Unreinheit der Werke und Wege begegnet häufiger innerhalb des Jubiläenbuches, vgl. Jub 21,21: „Ich sehe, mein Sohn, alles Werk der Menschenkinder, daß es Sünde ist und böse. Und alle ihre Werke sind Unreinheit und Nichtigkeit und Befleckung. Und Gerechtigkeit ist nicht bei ihnen“; 23,17: „[…] Und jeder Mund pflegt Sünde zu reden, und all ihr Werk ist Unreinheit und Abscheulichkeit, und alle ihre Wege sind Befleckung und Unreinheit und Verdorbenheit“ für solche, die den Bund verlassen (23,16) (Übersetzung Berger, JSHRZ II/3, 433.443).

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und Abscheulichkeit. […] Und all ihr Werk ist eitel und nichtig“ (22,16f.).130 Die Verbindung der Heiden mit Unreinheit wird sowohl durch eine Häufung von Unreinheitsformulierungen mit unterschiedlichen Unreinheitstermini als auch durch den Gebrauch der umfassenden Ausdrücke „alle Wege“ und „alles Werk“131 besonders betont. In Jub 22,19 wird diese Unreinheit der Heiden dann noch einmal aktiviert, und zwar in direkter Verbindung mit einer erneuten Abgren­ zungsforderung. Hier wünscht Abraham für Jakob: „Der höchste Gott […] ent­ ferne dich von ihrer Unreinheit und von allem ihrem Irrtum.“132 Innerhalb des Jubiläenbuches werden sowohl Unreinheitstermini als auch Begriffe, die aus dem Umfeld der Unreinheit stammen,133 insgesamt häufig ­verwendet. Dabei wird Unreinheit bereits in Jub 1,9 ausdrücklich mit Nichtjuden assoziiert und auch darüber hinaus mehrfach festgestellt (11,16f.; 20,7).134 Genauer ist die Bewertung der Wege und Werke der Nichtjuden als „un­ rein“ innerhalb des Jubiläenbuches in eine strikte Kontrastierung der Juden und Nichtjuden eingebettet. Die Verbindung der Nichtjuden mit Unreinheit steht nämlich im radikalen Gegensatz zur Bestimmung Israels als heiliges Volk. Die Heiligkeit Israels hat für das Jubiläenbuch insgesamt zentrale Bedeutung. Sie wird sowohl im Umfeld des Tischgemeinschaftsverbots herausgestellt als auch im Kontext der anderen großen Abgrenzungsforderung innerhalb des Jubiläenbuches, dem Verbot von Mischehen: Nach dem Jubiläenbuch handelt es sich bei Israel um ein besonderes Volk (vgl. Ex 19,5; Dtn 7,6; Am 3,2), das aus allen Völkern von Gott ausgeson­ dert wurde und daher aus anderen Völkern herausragt (vgl. Jub 2,19–21;135 130  Übersetzung von Berger, JSHRZ II/3, 437. 131  Vgl. dazu die zweimalige Verwendung von „alle“ in Jub 22,16f. 132  Übersetzung von Berger, JSHRZ II/3, 437f. 133  Während sich die zentralen Unreinheitstexte des Jubiläenbuches in den griechischen Fragmenten nicht näher nachweisen lassen (vgl. dazu Denis, Liber Jubilaeorum), wur­ den sie zum Teil innerhalb der Schriften aus Qumran überliefert. Die entscheidenden Unreinheitstermini finden sich jedoch oft nur in der Rekonstruktion. Relativ sicher ist das bereits in den biblischen Schriften gehäuft belegte ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ bezeugt. Abgesehen von diesem Terminus und ‫ טמא‬werden mehrere Begriffe rekonstruiert, in deren Zentrum der Gedanke der Schande bzw. Schmach liegt (‫ ְּכ ִל ָּמה‬, ‫ ֶח ְר ָּפה‬, ‫ ֶּת ֶבל‬, ‫)נְ ָא ָצה‬. Vgl. dazu vor allem Jub 1,9 in 4Q216 ii 6: ‫( [הג]ו֗ ים ו[אחר כ] ֗ל[מתם ואחר חרפת]ם‬vgl. Ez 36,6.15); Jub 23,21 in 4Q176 19–20,2: ]‫בח[בל תועבותיהמה‬ ֗ ‫ ;[ויטמאו את קודש הקודשים בטמ]א‬Jub 21,21 in 4Q219 ii 23–24: ‫ [מעשיהמה טומאה ונאצ] ֗ה ותבל‬/ ]‫ ;וכול‬Jub 21,23 in 4Q219 ii 28: ‫[סורה‬ ‫( מכול מ] ֗ע ֗שיהמה ומכול תועבותיהמה‬so auch 4Q221 1,4–5); Jub 35,14 in 4Q223–224 2 ii 8: ‫[… טומאת הנ] ֗שי֗ ם ואחר תעות הנ֗ [שים‬. 134  Vgl. VanderKam, Jubilees, 132. 135  Vgl. dazu Schwarz, Identität, 21, der die Aussonderung Israels aus den Völkern im Zusam­ menhang des Sabbats (Jub 2,19–21) als „ideologische Grundlage“ der Forderung nach Abgrenzung bezeichnet.

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vgl. auch 15,32; 19,18; 22,11), allein geheiligt ist (2,31), von Gott zu sei­ nem Eigentum erwählt wurde (33,11) und daher sein Volk ist (22,9–13; vgl. auch 1,17.21). Nach Jub 33,20 ist Israel ein heiliges Volk (vgl. 22,12; 30,8),136 ein Volk des Erbes (vgl. 22,10.15) und hat insgesamt priesterlichen Charakter (vgl. 16,17f.; vgl. Ex 19,6). Dabei wird die Heiligkeit innerhalb des Jubiläenbuches strikt auf das Volk Israel beschränkt137 und gilt – an­ ders als in den biblischen Schriften – nicht erst seit Mose und dem Sinai, sondern wird bereits bei den Erzvätern verankert.138 Näherhin hat diese Heiligkeit Israels ihren Grund in Gottes eigener Heiligkeit (Jub 16,26; vgl. Lev 19,2) und gehört mit der Heiligkeit der Engel zusammen (Jub 15,27; 31,14). Folglich darf in Israel aber keine Unreinheit gefunden werden (30,8; 33,20). Geht Israel hingegen eheliche Verbindungen mit den Heiden ein, so wiegt eine Verunreinigung durch Mischehen beispielsweise so schwer, dass Israel nicht mehr rein werden kann (30,14). Die Anwesenheit von fremden Eheleuten im heiligen Israel bewirkt nämlich eine Form der Unreinheit in ihm, die nicht durch Opfer beseitigt werden kann, sondern nur durch die Tötung des Übertreters (30,7–10).139 Der Grund für die Abgrenzungsforderungen des Jubiläenbuches besteht somit in der Heiligkeit Israels. Als heiliges Volk muss Israel nämlich Kontakt mit allem, was zu eigener Unreinheit führen könnte, in jedem Fall vermeiden. Dies gilt dann insbesondere für den Kontakt zu den als unrein bewerteten Heiden. Wie der Sabbat (vgl. bes. 2,19–21) fungiert demzufolge auch Reinheit als Identitätszeichen, d.h. als Zeichen der Erwählung, und als Grenze. 2.1.2 Die Unreinheit der Heiden als moralische oder rituelle Unreinheit? In welchem Sinne ist diese Unreinheit der Nichtjuden innerhalb des Jubi­ läenbuches und speziell im Kontext des Verbots der Tischgemeinschaft zu 136  Zur Heiligkeit Israels s.o. die Belege in IIA 1.3. 137  So besonders betont von Werman, Concept, 169–173, die für den Gebrauch des Konzepts von der Heiligkeit im Jubiläenbuch im Verhältnis zu den biblischen Schriften folgende Besonderheit feststellt: Zwar universalisiere der Verfasser des Jubiläenbuches die bibli­ schen Anordnungen, die nun nicht mehr auf das Land Israel beschränkt sind, sondern für die ganze Erde gelten. Dabei können die Völker dem Jubiläenbuch zufolge jedoch auch durch das Halten der entsprechenden Anordnungen grundsätzlich keine Heiligkeit erlangen. 138  Vgl. dazu Milgrom, Concept, 281f. Kennzeichnend für das Jubiläenbuch ist im Vergleich zu den biblischen Schriften eine Verlagerung der Erwählung Israels vom Sinai zurück in den Kontext der Schöpfung. In Entsprechung dazu wird auch die Gabe des Gesetzes als inte­ graler Bestandteil dieses Bundes in die Väterzeit versetzt (zu einer Übersicht der Belege vgl. Charles, Jubilees, lii–liii; ausführlich dazu Segal, Jubilees, 273–316). 139  Zur Todesstrafe bei sexuellen Vergehen vgl. auch Jub 33,10; 41,17.25f.

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verstehen, in einem rituellen oder – wie gerade in der jüngeren Forschung mehrfach behauptet wird – in einem moralischen Sinne? Die Frage nach der genauen Art der Unreinheit im Jubiläenbuch hat in der Forschung zu einer breiten Diskussion geführt. Entgegen einer in der älteren Forschung vorherrschenden Richtung, die Unreinheit gene­ rell als rituelle Unreinheit versteht, plädieren die Forscher nun zuneh­ mend für eine Unterscheidung von ritueller Unreinheit und anderen Formen der Unreinheit. In diesem Rahmen wurde festgestellt, dass Reinheit im Jubiläenbuch neben physisch-rituellen Aspekten140 auch ethisch-moralische141 umfasst. Auch ­speziell für die im Hintergrund des Tischgemeinschaftsverbots stehende Unreinheit der Nichtjuden in Jub 22,16 wird anstelle einer Deutung als rituelle Unreinheit, wie sie in der Forschung mehrfach vorgeschlagen wurde,142 nun für ein Verständnis im Sinne der moralischen Unreinheit plädiert.143 Damit lässt sich für die Auslegung von Jub 22,16f. eine Entwicklung beobachten, wie sie sich für die Auslegung der im Judentum des Zweiten Tempels belegten Unreinheit der Heiden als generelle Tendenz feststellen lässt. Die Unreinheit der Nichtjuden wurde in der Forschung nämlich oft in einem rituellen Sinne interpretiert: Weil Heiden die Reinheitsvorschriften nicht beachteten, hätten sie notwendigerweise als unrein gegolten, sodass Juden jeglicher Kontakt mit ihnen untersagt gewesen sei.144 Gegen diese verbreitete 140  Zu einer Betonung der rituellen Unreinheit vgl. Endres, Interpretation, 31: Er sieht ange­ sichts der in Jub 21 behandelten Themen das Hauptinteresse des Verfassers in kultischritueller Reinheit; vgl. auch 248. 141  Auf die Bedeutung der moralischen Unreinheit innerhalb des Jubiläenbuches verweist vor allem Klawans, Impurity and Sin, 46–48. Sie wird im Anschluss an ihn vor allem von Ravid, Purity, betont. Sie stellt fest, dass die Ursache von Unreinheit im Jubiläenbuch vor allem Sünde sei (72), da Unreinheit weniger mit natürlichen Prozessen in Verbindung stehe, sondern primär mit der Absicht, das Gesetz zu verletzen (71f.81). Aus dem Befund, dass physische Unreinheit im Jubiläenbuch nur für den Fall der Wöchnerin thematisiert wird, nicht jedoch im Zusammenhang von Krankheit und Aussatz (64.75f.), schließt sie auf eine insgesamt marginale Bedeutung der rituellen Unreinheit und verwendet statt­ dessen die Kategorie der „metaphysical impurity“ (71f.) für die Verunreinigung Israels durch die Lebensweise der Heiden (Jub 1,7–9.14) und die Verunreinigung des Sabbats (2,25–27). 142  In einem rituellen Sinne deutet z.B. Milgrom, Concept, 282 mit 279; vgl. auch Blomberg, Holiness, 72. 143  Besonders vehement plädiert Klawans für eine Deutung im Sinne von ethischer Unrein­ heit, so in Impurity and Sin, 46–48; ders., Idolatry, 403–405. Vgl. auch Hayes, Impurities, 47. 144  So Schürer, Geschichte II, 89–92; III, 182f.; Dunn, Incident, 142 mit 154. Anders hingegen Alon, dem zufolge die Unreinheit der Heiden nicht aus einer mangelnden Beachtung der

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Forschungsposition wird in jüngeren Untersuchungen betont, dass sich die jüdischen Gruppen in ihrer Vorstellung von Unreinheit und damit auch in ihrer Bewertung der Heiden als unrein voneinander unterschei­ den. Dabei finde sich die Vorstellung von einer rituellen Unreinheit der Heiden zwar in einzelnen Gruppen,145 doch sei diese bei weitem nicht die einzige oder gar gängigste Konzeption zur Unreinheit der Heiden. Erst in rabbinischer Zeit seien Heiden als generell rituell unrein ange­ sehen worden. Davor galten sie hingegen aufgrund von bestimmten unmoralischen Verhaltensweisen wie zum Beispiel Götzendienst als ethisch unrein, d.h. als moralisch verdorben.146 In diesem Fall wurde je­ doch ein Kontakt mit ihnen nicht als rituell verunreinigend bewertet.147 Entscheidend für eine Datierung der Entstehung der Vorstellung von der rituellen Unreinheit der Heiden148 ist insbesondere die Bewertung der entsprechenden Konzeption in Esra und Nehemia, und zwar die Frage, ob es sich bei der dort konstatierten Unreinheit von Heiden um rituelle149 oder nur um moralische Unreinheit150 handelt. rituellen Reinheitsvorschriften in Lev 11–15 resultiert, sondern ihnen qua Herkunft inhä­ rent ist und damit permanent gilt (Uncleanness, 147f.). Zur Unreinheit der Heiden vgl. auch Neyrey, Idea, 108. 145  Ein gewisser Konsens besteht in der Forschung darin, dass Heiden in den späten Schriften der Gemeinschaft von Qumran als generell rituell unrein bewertet wurden, so vor allem Klawans, Impurity and Sin, 81f., u.a. unter Hinweis auf 4Q169 (4QpNah) 3–4 iii 1. In Qumran seien Außenseiter und damit auch Heiden per se als rituell unrein angesehen worden, und zwar vor dem Hintergrund einer Identifikation von moralischer und ritueller Reinheit. Zur Unreinheit der Heiden in Qumran vgl. auch Harrington, Impurity Systems, 104–108; dies., Purity Texts, 116–123. Vorsichtiger hingegen Hayes, Impurities, 63–66. 146  So die Rekonstruktion der Sichtweise zur Unreinheit der Heiden in den verschiedenen Überlieferungssträngen der jüdischen Literatur durch Klawans, Impurity and Sin, 134f. Auch Hayes, Impurities, bes. 47–54, zufolge wurden Heiden im Judentum des Zweiten Tempels noch nicht als rituell unrein bewertet. 147  So Klawans, Notions, 288. 148  Für eine Frühdatierung plädiert vor allem Alon, dem zufolge die rituelle Unreinheit der Heiden schon eine der ersten Halachot war und sich bis zu den Schriften der he­ bräischen Bibel zurückverfolgen lässt (so Uncleanness, 147.168, gegen Büchler, Impurity, dem zufolge die Unreinheit der Heiden eine Neuerung des 1. Jh. n.Chr. ist). Das Verbot für Heiden, den Tempel zu betreten (so u.a. nach Jos. Ant. 12,145f.), basiere nämlich auf der Annahme, dass Heiden unrein sind (so Alon, Uncleanness, 165–167.187). Zustimmend zuletzt Noam, Gentileness, 41. Demgegenüber bewerten Klawans, Notions, bes. 302–311; Hayes, Impurities, 107–144, die Unreinheit der Heiden in rabbinischen Quellen als eine Neuerung. 149  Dafür, dass eine rituelle Unreinheit der Nichtjuden bereits bei Esra und Nehemia (bes. Neh 13,4–9; vgl. auch Esra 6,21) vorliegt, argumentiert Olyan, Ideology, 10–12. 150  So Klawans, Impurity and Sin, 44–46.

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Der Verfasser des Jubiläenbuches behandelt Fragen der rituellen Unreinheit nicht ausführlich151 und denkt offenbar nicht primär in den Kategorien der levitischen Unreinheit.152 Das bedeutet aber nicht, dass das Konzept der physisch-rituellen Unreinheit für ihn generell keine Rolle mehr spielt. Gerade auf die im Kontext des Tischgemeinschaftsverbots aktualisierte Unreinheit der Heiden trifft nämlich das zentrale Merkmal der rituellen Unreinheit zu (s.u. 2.1.2.2). 2.1.2.1 Sexuelle Vergehen als vorrangig moralische Unreinheit Im Rahmen des Jubiläenbuches wird die Unreinheitsterminologie besonders häufig in Verbindung mit sexuellen Vergehen verwendet,153 und zwar auch im Kontext des zentralen Verbotes von Mischehen.154 Für diese legt sich primär ein Verständnis im Sinne der moralischen Unreinheit155 nahe, welche näher­ hin genealogische Aspekte umfasst: Eine genealogische Begründung vertritt vor allem Hayes für das im Jubiläenbuch belegte Verbot von Mischehen. Dabei handle es sich bei dieser genealogischen Unreinheit um eine Unterform der moralischen Unreinheit.156 Grundsätzlich arbeitet Hayes zwei unterschiedliche Tra­ ditionsstränge heraus: Zum einen waren Ehen vor allem mit Kanaanäern deshalb verboten, weil diese die Israeliten zum Götzendienst verlei­ ten konnten (vgl. bes. Dtn 7,2–4).157 Zum anderen wird als Grund für das Verbot von Mischehen die mit ihnen verbundene Entweihung des 151  Zur ausdrücklichen Erwähnung eines Reinigungsritus vgl. vor allem Jub 31,1; vgl. 21,16. 152  Darin ist Ravid grundsätzlich Recht zu geben. Ihre einseitige Betonung der moralischen Unreinheit auf Kosten der rituellen Reinheitsgesetze ist jedoch problematisch und in der Forschung nicht unwidersprochen geblieben. Vgl. dazu vor allem VanderKam, Angle, der insbesondere auf die Vorgaben des im Jubiläenbuches verarbeiteten Stoffs aus Genesis und Exodus verweist; ähnlich auch Doering, Reinheit, 259f., der ein Fehlen der Vorstellung von ritueller Unreinheit innerhalb des Jubiläenbuches ausführlich zurückweist (245–257; zuvor schon ders., Purity). 153  Zur Erwähnung von Unreinheit in Verbindung mit Unzucht vgl. vor allem Jub 4,22.26; 7,20f.; 9,15; 16,5f.8; 20,3–6 (Wächter verbinden sich mit den Töchtern der Menschen); 23,14; 41,23–26 (Unzucht mit der Schwiegertochter); 50,5; vgl. auch 33,7.9–11.13f.19f. (im Zusammenhang der Verunreinigung der Bilha durch Ruben), wobei nach 33,20 Unzucht die größte Sünde ist (vgl. 30,10). 154  Vgl. vor allem Jub 30,2–15 (in Verbindung mit der Verunreinigung der Dina). Vgl. daneben, dass eheliche Verbindungen mit Kanaanäerinnen zu Unreinheit führen (25,1); vgl. 35,14. 155  Zur moralischen Unreinheit vgl. vor allem Jub 22,14 (hier Vergebung als Weg zur Besei­ tigung von Unreinheit). 156  Vgl. Hayes, Impurities, 69f.73.76f. 157  Vgl. Hayes, Intermarriage, 6f.; vgl. dazu auch Ri 3,5f.; 1 Kön 11,1f.; 16,31; TPsJ zu Lev 18,21.

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heiligen Samens Israels angeführt (vgl. bes. Esra 9,1f.; Tob 4,12; TestXII. Lev [aram.] 17f.).158 Diese aus Esra stammende Tradition liege auch der Argumentation im Jubiläenbuch zugrunde (vgl. bes. Jub 30,7–15; daneben z.B. 16,26; 25,3.18).159 Damit sei die im Jubiläenbuch mehrfach im Kontext des Verbotes von Mischehen erwähnte Unreinheit der Heiden jedoch nicht – wie bisweilen vertreten160 – vor dem Hintergrund der rituellen Unreinheit zu deuten, welche durch den physischen Kontakt mit Heiden übertragen werden könnte, sondern als moralisch-ethische Unreinheit, die aus der Sünde verbotener sexueller Beziehungen resultiert.161 Eine einseitige Deutung als moralische Unreinheit wird jedoch auch diesen im Umfeld von sexuellen Vergehen gebrauchten Unreinheitsformulierungen nicht gerecht, da sich für die aus sexuellen Vergehen resultierende Unreinheit innerhalb des Jubiläenbuches offenbar auch die Vorstellung der physisch über­ tragbaren Unreinheit findet.162 2.1.2.2

Das Unreinheitsparadigma in Jub 22,16 als Mittel zur Regelung des sozialen Kontakts – die physischen Implikationen der im Hintergrund des Tischgemeinschaftsverbots stehenden Unreinheit der Heiden Bei der in Jub 22,16 genannten Unreinheit geht es eindeutig um Dinge von prak­ tischer Relevanz. Näherhin lässt sich für sie deutlich eine ordnende Funktion in Bezug auf den sozialen Kontakt erkennen, wie sie gerade für die Vorstellung der rituellen Unreinheit typisch ist.163 Die Unreinheit der Heiden in Jub 22,16f. zielt nämlich eindeutig darauf, dass die Juden engen Kontakt zu Nichtjuden vermeiden. Gerade aus der Unreinheit der Werke der Heiden wird ja offenbar die im direkten Kontext geäußerte Forderung nach einer strikten Abgrenzung von den Nichtjuden abgeleitet. Erfordert die entsprechende Unreinheit der 158  Vgl. Hayes, Intermarriage, 9–14. 159  Vgl. Hayes, Intermarriage, 19–22. 160  So z.B. Endres, Interpretation, 75f. (Anm. 49) und 145. 161  So vor allem Hayes, Intermarriage, 5.16.20f.25. In einem moralischen Sinne deutet auch Klawans die in Verbindung mit dem Verbot von Mischehen stehende Unreinheit in Esra und Nehemia (vgl. vor allem Idolatry, 398–401) und auch im Jubiläenbuch (405). 162  Vgl. dazu Werman, Paradigm, 14–16, der zufolge die Verunreinigung durch physischen Kontakt und eine nichtphysische Verunreinigung Israels im Jubiläenbuch miteinander verbunden sind. Auch Doering, Purity, 264, plädiert dafür, dass sich im Jubiläenbuch in Bezug auf sexuelle Kontakte neben der Vorstellung der moralischen Unreinheit auch die der rituellen Unreinheit findet. 163  So vor allem von Douglas in der Forschung herausgearbeitet und in der Folge vielfach aufgenommen (s.o. I 2.2).

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Heiden nun aber eine solche Trennung, so handelt es sich offensichtlich um Unreinheit, die durch körperlichen Kontakt übertragen werden kann. Als sol­ che hat sie eine materielle Basis und gehört eher zu der Unreinheit, die als „rituell“ bezeichnet wird. Gerade für die rituelle Unreinheit ist es nämlich im Unterschied zur moralischen Unreinheit typisch, dass die Verunreinigung aus dem körperlichen Kontakt mit etwas Unreinem resultiert und das Unreine daher physisch zu meiden ist.164 Statt von kultischer oder ritueller Unreinheit sollte man allerdings eher von physisch übertragbarer Unreinheit sprechen, da die Folgen einer Übertretung des Kontaktverbotes, d.h. einer Verunreinigung durch den Kontakt mit Heiden, innerhalb des Jubiläenbuches unklar bleiben.165 Konkret soll das Verbot der Tischgemeinschaft die Juden offenbar an der Teilnahme an hellenistisch-heidnischen Götzendienstpraktiken hindern,166 durch welche sie selbst zu Götzendienern werden würden.167 Wie im Jubiläen­ buch insgesamt erscheinen die Nichtjuden nämlich auch im unmittelbaren Umfeld des Tischgemeinschaftsverbots als solche, die durch und durch vom Götzendienst bestimmt sind:168 In Jub 22,17f. werden die Werke und Wege der Heiden im Anschluss an die generelle Feststellung von deren Unreinheit konkretisiert, wobei die kritisierten Praktiken der Heiden auch Bräuche umfassen, die eine Ver­ bindung zum Essen haben. Die im Einzelnen aufgezählten Handlungen kennzeichnen die Heiden als solche, die Toten opfern,169 Dämonen anbeten170 und auf den Gräbern essen (22,17).171 Zudem werden die 164  Vgl. dazu, dass die moralische Unreinheit hingegen keine räumliche Trennung erfordert, da sie nicht übertragbar ist. 165  Eine Beseitigung der Unreinheit durch Riten ist beispielsweise nicht deutlich erkennbar. 166  Ähnlich die Funktion der Speisevorschriften in Arist 134–142 mit 152, vgl. bes. 139.142.145 (s.o. IIB 1.2.2). 167  Vgl. dazu Schwarz, Identität, 23–25, der speziell an die Teilnahme an kultischen Mahl­ zeiten denkt. 168  Zu einer besonders strikten Auffassung zum Götzendienst der Heiden vgl. auch mHul 2,7: Nach Rabbi Eliezar macht jemand, der ein Tier schlachtet und von diesem auch nur den allergeringsten Teil dem Heiden zukommen lassen könnte, dieses für den Juden untaug­ lich. Die Absicht des Heiden sei auch unausgesprochen immer auf den Götzendienst gerichtet. 169  Zu Hinweisen auf solche Opfer an Tote auch durch Israel vgl. Dtn 26,14; Ps 106,28; Sir 7,33; EpJer 26. Abgelehnt werden solche Opfer in Sir 30,18f.; Sap 14,15; Sib 3,547 (in Verbindung mit Opfern an Götzen); 8,382–384; Pirke Avot 3,4 (Spruch von Rabbi Simon). Zur Deutung von Tob 4,17 s.o. IIB 2.2.2.2. 170  Zu Opfern an Dämonen vgl. bes. Dtn 32,17; Lev 17,7; Ps 106,37; Bar 4,7; Hen(aeth) 19,1; Sib 8,386. 171  Als Hintergrund des Essens auf den Gräbern lässt sich an die heidnische Sitte der Parentalia denken. Dabei handelt es sich um ein römisches Fest, das vor allem Kinder zu

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Heiden als Irrende charakterisiert, die keine Erkenntnis in ihren Irrtum haben, wenn sie anstelle von Gott Holz und Stein anbeten (22,18). Damit ist deutlich der Zusammenhang des Götzendienstes zu erkennen. Mehrfach wird Israel vor Götzendienst gewarnt (20,7f.; 21,5; 36,5).172 Für Götzendiener gibt es nämlich keine Hoffnung, sondern sie haben kein Gedenken auf der Erde und werden nicht auferstehen aus der Erde, son­ dern enden wie die Einwohner Sodoms (22,22). Dieser Kontext des Götzendienstes spricht jedoch nicht automatisch – wie häu­ fig in der Forschung angenommen – für ein moralisch-ethisches Verständnis173 der im unmittelbaren Umfeld des Tischgemeinschaftsverbots aktivierten Unreinheitsaussage. Im Fokus von Jub 22,16 steht nämlich nicht das Verbot von Götzendienst an sich, d.h. das Verbot einer unmoralischen Handlung. So wird Jakob nicht etwa dadurch zum Vermeiden von Götzendienst aufge­ fordert, dass ihm für einen solchen Fall eigene moralische Unreinheit ange­ droht wird, wie sie sich auch die Völker aufgrund verbotener Handlungen zugezogen haben.174 Problematisch mit Blick auf die Reinheit der Juden ist hier vielmehr der physische Kontakt zu Überträgern von Unreinheit, und zwar zu Menschen, die Götzendienst treiben.175 Gerade vor einem solchen Kontakt wird aber innerhalb des Jubiläenbuches mehrfach gewarnt.176 Darüber hinaus sind gegenüber einer Deutung, die aufgrund des Götzendienstes für eine mo­ ralische Unreinheit der Heiden plädiert, generelle Zweifel angebracht. Die im Zusammenhang mit Götzendienst stehende Unreinheit wird vom Verfasser des Jubiläenbuches nämlich augenscheinlich insgesamt weniger im Sinne der Ehren ihrer Eltern an deren Gräbern hielten. Es umfasste neben Opfern an die Toten auch ausschweifende Gastmähler, zu denen man die Verstorbenen einlud (zu einer Sammlung von Belegen vgl. vor allem Rönsch, Jubiläen, 124f.; vgl. auch Lindsay, Banquet, 75). Zur Diskussion der weiten Verbreitung von Kultfeiern für Tote in der Umwelt Israels vgl. Pope, Song, 210–229. Dabei kam es in Griechenland oder Kleinasien offenbar nur bei besonders herausgehobenen Personen wie Herrschern zu einem Mahl der Hinterbliebenen am Grab (vgl. Ruggendorfer, Mahl, bes. 1610). 172  Vgl. dazu auch die Zerstörung der Götzen durch Jakob in Jub 31,2. 173  Gegen Klawans, Idolatry, 405, der eine Verunreinigung im Rahmen von Götzendienst ein­ seitig als moralische Unreinheit auslegt. 174  So beispielsweise in Lev 18,24 LXX mit Bezug auf sexuelle Vergehen und Kinderopferung: μὴ μιαίνεσθε ἐν πᾶσιν τούτοις· ἐν πᾶσι γὰρ τούτοις ἐμιάνθησαν τὰ ἔθνη ἃ ἐγὼ ἐξαποστέλλω πρὸ προσώπου ὑμῶν. 175  Vgl. dazu die Rede von ihrem Werk in Jub 22,16f., ihren Götzen und ihrer Unreinheit in Jub 20,7 etc. 176  Bereits in Jub 1,9 wird festgestellt, dass Israel durch engen Kontakt mit den Heiden durch diese zum Götzendienst verleitet werden und das Gesetz sowie die Gebote vergessen wird (vgl. 1,14). Vgl. dazu auch Jub 11,16: Abram trennt sich von seinem Vater, um nicht mit ihm Götzen anbeten zu müssen.

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moralischen Unreinheit aufgrund einer verbotenen Handlung, sondern deut­ lich konkreter gedacht. Er sieht offenbar die Götzen selbst als unrein an.177 Eine solche Tendenz zur Konkretisierung der Unreinheit beim Götzendienst war im antiken Judentum offensichtlich weiter verbreitet. Sie lässt sich sowohl im Diasporajudentum178 als auch im rabbinischen Judentum179 feststellen. Die Götzen schließen die Unreinheit demzufolge gleichsam ein und verunreinigen daher durch physischen Kontakt. Damit steht die für Götzendienst geltende Unreinheit aber insgesamt der Konzeption der rituellen Unreinheit näher als der moralisch-ethischen Form der Unreinheit.180 Gerade für den Bereich des Götzendienstes ist somit eindeutig festzustellen, dass die in den Schriften der hebräischen Bibel deutlich ausgeprägte Grenze zwischen moralischer und ri­ tueller Unreinheit in der Folgezeit insgesamt zunehmend verschwimmt.181 Zur Bewertung der Heiden als rituell unrein in anderen jüdischen Quellen Die Völker werden also innerhalb des Jubiläenbuches als sündig (vgl. dazu 23,23f.) und durchaus auch als physisch verunreinigend angesehen. Eine sol­ che Sicht der Nichtjuden passt gut zur Vorstellung der rituellen Unreinheit der Heiden, wie sie Josephus im Umfeld seiner Darstellung der Gruppe der Essener äußert. Für die Mitglieder der Gemeinschaft der Essener überliefert er näm­ lich, dass sie sich schon bei einer Berührung von einem weniger eingeweihten Mitglied waschen würden, als ob sie mit einem Andersstämmigen Umgang ge­ habt hätten ([…] ὥστ’ εἰ ψαύσειαν αὐτῶν ἐκείνους ἀπολούεσθαι καθάπερ ἀλλοφύλῳ συμφυρέντας in Bell. 2,150). Dieser Vergleich ist offenbar dergestalt zu verstehen, 2.1.2.3

177  Vgl. dazu, dass in der Sprache des Jubiläenbuches Götzen und Unreinheit geradezu aus­ tauschweise gebraucht werden, so vor allem Jub 11,4: „Und sie begannen, Statuen zu ma­ chen und unreine Bilder“ (Übersetzung von Berger, JSHRZ II/3, 386); 20,7; vgl. auch 1,9; 11,16f.; 21,5. 178  Vgl. dazu vor allem die Belege in der Erzählung Joseph und Aseneth (s.o. IIB 1.4.1.1). 179  Zur Unreinheit von Götzen in der rabbinischen Literatur vgl. Hayes, Impurities, 131–138. 142.215–221. 180  Eine Verbindung zwischen der rituellen Unreinheit der Heiden und der Tradition von der rituellen Unreinheit der Götzen nimmt z.B. auch Alon, Uncleanness, 147.169f., an. 181  Ein fließender Übergang zwischen diesen beiden Kategorien scheint somit im Judentum des Zweiten Tempels generell weiter verbreitet gewesen zu sein, als es beispielsweise Klawans annimmt. Er sieht nämlich zwar für die Gemeinschaftsregel, die Kriegsrolle und die Loblieder aus Qumran geradezu eine Vermischung von ritueller und morali­ scher Unreinheit (so Impurity and Sin, 75–91; s.o. Einleitung zu IIC), geht für das übri­ ge Judentum jedoch im Wesentlichen von einer fortdauernden Unterscheidung dieser beiden Kategorien aus. Eine allzu strikte Trennung zwischen moralischer und ritueller Unreinheit trifft jedoch offenbar auch auf das Jubiläenbuch nicht zu (vgl. auch Doering, Purity, 272–274).

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dass Heiden per se als rituell unrein angesehen wurden und die für sie gelten­ de rituelle Unreinheit von den Essenern auf die Außenstehenden bzw. weni­ ger eingeweihten Mitglieder übertragen und ausgeweitet wurde.182 Damit lässt sich aber auch von dieser Praxis her für das Judentum in vortannaitischer Zeit durchaus auf eine Sichtweise der Heiden als rituell unrein schließen. Die in Jub 22,16 somit bereits angelegte Vorstellung von der rituellen Unreinheit der Heiden wird dann im rabbinischen Judentum stark ausgebaut. Dabei werden die im Jubiläenbuch zum Teil noch offenen Fragen präzisiert. So werden beispielsweise in den rabbinischen Quellen nicht nur die Werke und Wege der Heiden als unrein bewertet oder deren Gegenstände,183 sondern die Person des Nichtjuden selbst.184 In diesem Rahmen werden die Nichtjuden dann – anders als beispielsweise noch innerhalb des Jubiläenbuches – ­ausdrücklich mit verschiedenen Formen der levitischen Unreinheit, und zwar mit Unreinheit durch Körperflüssigkeiten, in Verbindung gebracht.185 Damit verbunden sind die rabbinischen Quellen weit klarer in Bezug auf die ge­ naue Bestimmung des zu vermeidenden Kontaktes. Im Hinblick auf den Intensitätsgrad des Kontaktes, welcher angesichts der Unreinheit der Heiden jeweils verboten wird, vertreten die verschiedenen jüdischen Richtungen nämlich durchaus unterschiedliche Auffassungen. Dies lässt sich deutlich daran erkennen, dass jeweils andere Formen des Kontaktes ausgeschlos­ sen werden. Innerhalb des Jubiläenbuches handelt es sich vor allem um enge Beziehungen wie das gemeinsame Essen und die Ehe. Im rabbinischen Judentum wird dann die Verunreinigung bei einem Kontakt mit Heiden deut­ lich ausgeweitet.186 Hier werden Heiden nämlich – aufgrund der Vorstellung von der Unreinheit ihres Körpers – in einer solchen Weise als rituell verunreini­ gend angesehen, dass geradezu jeglicher Kontakt, d.h. auch jede Berührung, zu

182  Hayes, Impurities, 63–67, und Klawans, Notions, 299f., verstehen nicht nur das Baden nach dem Kontakt mit einem Nichtmitglied, sondern auch das in Jos. Bell. 2,150 als Vergleich angeführte Baden nach dem Kontakt mit einem Heiden als eine Sondertradition der Essener. 183  Vgl. dazu z.B. die Unreinheit von Gefäßen, die von Heiden stammen (mAZ 5,12). 184  Vgl. dazu abgesehen von Jos. Bell. 2,150 auch 1QS 5,13, wo das jüdische Nichtmitglied als unrein bewertet wird, nicht nur seine Werke und sein Besitz wie in 4QSd 1 i 5–10; 1QS 5,19f. 185  Nichtjuden stehen in der rabbinischen Literatur in Analogie zu Menstruierenden und mit Ausfluss Behafteten. Zur Bewertung des Nichtjuden als zab vgl. die Belege bei Bill. IV/1, 374a und b; Furstenberg, Outsider Impurity, 52–54, bes. Anm. 37; Hayes, Impurities, 122–124. 186  Demgegenüber ist das Diasporajudentum deutlich weniger streng. So verweigert Joseph der Aseneth zwar den Kuss, weil er sich dadurch verunreinigen würde, kehrt jedoch durchaus in das Haus eines Heiden zum Mahl ein (s.o. IIB 2.1.2.2).

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einer Verunreinigung führt.187 Dadurch ist dann auch speziell ein Hausbesuch von Juden bei Heiden bzw. ein gemeinsames Essen mit ihnen problematisch.188 Eine solche Sichtweise gilt jedoch auch im rabbinischen Judentum offenbar nicht generell.189 Neben Traditionen, denen zufolge Tischgemeinschaft mit Heiden für Juden verboten ist, finden sich nämlich auch solche Nachrichten, die ein Mahl von Juden mit Heiden vorauszusetzen scheinen.190 Im Jubiläenbuch lässt sich demzufolge die später vor allem im rabbinischen Judentum deutlich weiter entwickelte Vorstellung erkennen, der zufolge die Heiden generell rituell unrein sind. Gerade diese Sichtweise der Heiden wird dann in Apg 10,1–11,18 aufgelöst (s.u. IIIB 4.3.1.2 und 4.3.2.1). 2.1.3

Das strikte Verbot der Tischgemeinschaft in Jub 22,16 im Vergleich zur Tischgemeinschaftspraxis mit Heiden im Diasporajudentum Bei einem Vergleich von Jub 22,16 mit den im griechischsprachigen Judentum überlieferten Traditionen zur Tischgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden fällt auf, dass das Ziel jeweils darin liegt, Israel frei von dem als äußerst negativ bewerteten Götzendienst der Heiden zu halten. Die Antwort, die der Verfasser des Jubiläenbuches auf diese Herausforderung gibt, unterscheidet sich in ihrer strikten Formulierungsweise jedoch deutlich von den in der Literatur des griechischsprachigen Judentums überlieferten Regelungen. Die Forderung 187  Zur Unreinheit der Heiden in rabbinischen Quellen vgl. das reiche Belegmaterial bei Alon, Uncleanness, 149–156; Neusner, Ohalot, 340–345. Zur Auseinandersetzung mit Alon vgl. Hayes, Impurities, 199–204; wiederum zur Auseinandersetzung mit Hayes und Klawans vgl. Noam, Another Look. Vgl. daneben auch Balberg, Purity, 122–147. 188  Zu Belegen vgl. Bill. IV/1, 374c–e. Zur Gefahr der Verunreinigung durch Heiden im Zu­ sammenhang eines gemeinsamen Essens vgl. vor allem mOhal 18,7: „Wohnungen der Heiden sind unrein“. 189  Vgl. dazu die sehr unterschiedlichen Forschungspositionen zur Möglichkeit einer Tisch­ gemeinschaft von Juden mit Heiden im rabbinischen Judentum. So wird aus der Unreinheit der Heiden bisweilen gefolgert, dass Tischgemeinschaft von Juden und Heiden praktisch unmöglich war, so z.B. Esler, Community, 86: „One consequence of this attribution of ritu­ al impurity to Gentiles is that it is difficult to imagine how it would be possible for any gen­ uine table-fellowship to occur even between Jew and Gentile in a Jewish home“. Ähnlich Bill. IV/1, 374, die jedoch Ausnahmen einräumen (vgl. dazu die Belege zur Erlaubnis von Hausbesuchen von Juden bei Heiden unter IV/1, 374i und k). Deutlich positiver bewertet hingegen Tomson vor allem im Anschluss an Cohen die Praxis der Tischgemeinschaft mit Heiden in tannaitischer Zeit: Trotz der vielen Beschränkungen sei es auffällig, dass es keine Halachot gibt, die gegenseitige Gastfreundschaft von Juden und Heiden verbieten würden. Vielmehr sei eine Richtung erkennbar, der zufolge Juden keineswegs von der Tischgemeinschaft mit Heiden Abstand genommen haben, sondern sogar stolz auf ihre Gastfreundschaft waren (vgl. Tomson, Paul, 231–235). 190  Vgl. mBer 7,1: „auch der Fremdling darf nicht zum Tischsegen mitgerechnet werden“; aus­ drücklich für Tischgemeinschaft mit Heiden in mAZ 5,5 (zum Text s.o. IIB 2.1.1 Anm. 305).

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nach einer grundsätzlichen Vermeidung der Tischgemeinschaft mit Heiden ist hier nämlich erheblich strenger als die entsprechenden Bestimmungen zur Tischgemeinschaft im Diasporajudentum. So stellt für dieses offensicht­ lich die Einhaltung der Speisevorschriften das zentrale Problem bei einem gemeinsamen Essen mit Nichtjuden dar, wobei pragmatische Lösungen wie beispielsweise getrennte Speisen angesichts einer wohl nur schwerlich ganz vermeidbaren Tischgemeinschaft mit Heiden durchaus möglich sind (s.o. IIB 2.1). Dabei deutet die vermutlich ursprüngliche Herkunft des Judithbuches aus Palästina darauf hin, dass die Frage der Tischgemeinschaft von Juden und Heiden auch in Palästina mithilfe der Speisegebote geregelt werden konnte (s.o. IIB 2.1.2.1). Im Gegensatz dazu wird das Problem der Tischgemeinschaft innerhalb des Jubiläenbuches nicht auf die Speisen beschränkt. Im Umfeld des scharf formulierten Tischgemeinschaftsverbots mit Heiden werden die beim Mahl verwendeten Speisen nicht erwähnt.191 Steht demzufolge die Forderung zur Übertretung der Speisegebote durch Antiochos IV. im Hintergrund des Tischgemeinschaftsverbots in Jub 22,16 (s.o. Einleitung zu 2.1), so ist es auffällig, dass diese nicht etwa in der Form zurückgewiesen wird, dass zu einer stand­ haften Verweigerung von Schweinefleisch und Götzenopferfleisch durch eine Bes­timmung dieser Speisen als unrein aufgefordert wird.192 Vielmehr liegt der Akzent auf den Mahlteilnehmern, wie sich besonders deutlich an dem Ge­ brauch der Unreinheitsterminologie in Jub 22,16 erkennen lässt.193 Während Israel heilig ist, werden die Heiden bzw. genauer ihre Werke und Wege inner­ halb des Jubiläenbuches per se als unrein bewertet. Aus dieser Bestimmung Israels und der Nichtjuden ergibt sich dann aber für Israel insgesamt ein 191  Ein Hinweis auf die jüdischen Speisevorschriften findet sich aber in Jub 32,8, wo der Verfasser deutlich zwischen reinen und unreinen Tieren unterscheidet. Daneben schärft er vor allem das Verbot des Blutgenusses mehrfach ein (vgl. 6,7–14.18.38; 7,28–32; 11,2; 21,6.18; s.o. Exkurs 2). 192  Die Speisen stehen hingegen im Zentrum des ungefähr zeitgleich zum Jubiläenbuch ent­ standenen 1. Makkabäerbuches (vgl. 1 Makk 1,41–63; s.o. IIB 1.2.1), dann auch mehrfach im 2. und 4. Makkabäerbuch. 193  Die Differenz zwischen Jub 22,16 und den im Diasporajudentum belegten Diskursen zur Tischgemeinschaft von Juden mit Heiden lässt sich insofern besonders deutlich am Gebrauch der Unreinheitsterminologie erkennen, als diese sich in beiden Über­ lieferungssträngen findet, jedoch im Einzelnen in deutlich voneinander abweichender Art und Weise. Im Diasporajudentum ist das Motiv der Unreinheit eng mit den Speise­ geboten verbunden (s.o. IIB 1.4.1). Entsprechend der Forderung nach einer generellen Trennung von den Heiden wird die Unreinheitsterminologie in Jub 22,16 jedoch nicht spe­ ziell mit Bezug auf die für Juden verbotenen, jedoch durch entsprechende Maßnahmen zu vermeidenden Speisen, sondern in einem weiteren Sinne mit Bezug auf das ganze Werk der Heiden verwendet.

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generelles Tischgemeinschafts- und Kontaktverbot mit den Heiden. Es gilt nicht nur, heidnische Speisen zu meiden, sondern die Heiden. Die Anordnung zur Tischgemeinschaft in Jub 22,16 deutet demzufolge auf unterschiedliche Konzeptionen und Praktiken in Bezug auf die Frage der Tischgemeinschaft in Palästina und der Diaspora hin. Im Hinblick auf die Frage, inwieweit eine Anordnung wie Jub 22,16 praktiziert wurde, ist jedoch zu berücksichtigen, dass selbst ein solch striktes Tischgemeinschaftsverbot mit Heiden nicht zwangsläufig bedeutet, dass Juden gar nicht mit Heiden speisten. Vielmehr lässt sich ein entsprechendes Verbot auch dergestalt deu­ ten, dass es gerade einer gängigen Praxis der Tischgemeinschaft widerspricht, indem es eine stärkere Abgrenzung fordert, als praktiziert wurde. In diesem Fall spiegelt dieses Verbot gerade eine gegensätzliche Praxis wider und will diese unterbinden.194 Mit Blick auf die Adressaten des Jubiläenbuches folgt dann aus dieser letzten Ermahnung Abrahams an Jakob, dass sie sich gegen andere Tendenzen strikt von den Heiden trennen und keineswegs mit ihnen essen sollen. Rituelle Reinheit als Kriterium für die Definition der Grenzen des Gemeinschaftsmahls und der Gemeinschaft insgesamt (Gemeinschaftsregel) Auch in der Gemeinschaft von Qumran spielten Fragen der Tischgemeinschaft eine entscheidende Rolle. Entsprechende Anordnungen finden sich insbe­ sondere innerhalb der Gemeinschaftsregel (1QS).195 Dabei glaubt die hinter dieser Schrift stehende Gemeinschaft offenbar ihren elitären Anspruch – wie für Sektentexte typisch – nicht anders als durch strikte Abschottung verwirk­ lichen zu können. So bezeichnet der Verfasser von 1QS die Vollmitglieder der Gemeinschaft nämlich als „Männer der vollkommenen Heiligkeit“ (8,20.23),196 „Söhne des Lichts“ (1,9; 3,24f.; vgl. 3,20) bzw. „Söhne der Wahrheit“ (4,5 mit 2,26; vgl. 1QH 11,11) oder „Söhne der Gerechtigkeit“ (3,20.22) im Gegenüber zu den anderen Juden und Nichtjuden als „Söhnen des Unrechts“ (3,21; 5,2.10; 8,13; vgl. CD-A 6,15), die auf den Wegen der Finsternis (3,21) und des Frevels (5,11) wandeln. Von diesen will die Gemeinschaft von 1QS sich strikt trennen197 und 2.2

194  So z.B. Hill, Hellenists, 120, mit Bezug auf das Verbot der Tischgemeinschaft in Jub 22,16. 195  Zum terminologischen Wechsel von Gemeinderegel für 1QS und Gemeinschaftsregel für 1QSa (so Lohse) vgl. Xeravits/Porzig, Einführung, 141; Stökl Ben Ezra, Qumran, 248. 196  Zum Gebrauch des Ausdrucks „Männer vollkommener Heiligkeit“ als Bezeichnung für die Mitglieder der Gemeinschaft vgl. auch CD-B 20,7. 197  Vgl. dazu vor allem den Gebrauch von ‫ בדל‬in 1QS 5,1f.10; 8,13; vgl. dazu auch 5,15. Nach 1QS 5,18f. sollen umgekehrt die Menschen außerhalb der Gemeinschaft und alles, was ihnen gehört, abgesondert werden.

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anders als diese in Vollkommenheit nach dem Gesetz wandeln (3,9–11; 4,22; 8,18.21.25). Für eine Bewertung von 1QS als „sektenhaft“ spricht insbesondere, dass dieser Dualismus zwischen Gruppenmitgliedern und Außenstehenden (vgl. bes. 5,10–13) geradezu wichtiger als die verbindende Kategorie „Israel“ ist.198 So war der Eintritt in die Gemeinschaft gleichbedeutend mit dem Eintritt in den Bund (1,16f.; 5,20; vgl. auch 5,8; 6,15f.), weil Außenstehende generell nicht zum Bund gerechnet werden (5,11.18f.). Dabei wird die deutlich schärfe­ re Tendenz zur Abgrenzung in 1QS als beispielsweise in der Damaskusschrift (vgl. vor allem CD-A 6,14b–16; 8,16; CD-B 19,29) von einigen Forschern auf un­ terschiedliche Organisationsformen der hinter diesen beiden Schriften ste­ henden Gruppen zurückgeführt.199 Die in 1QS dargelegten Vorstellungen und Regeln sind jedoch wohl gerade nicht auf die Gemeinschaft in Qumran be­ schränkt. Vielmehr ist die hinter 1QS stehende Jachad-Gemeinschaft mit der neueren Forschung als eine weiter verbreitete Gemeinschaft zu betrachten.200 Insgesamt ist zudem davon auszugehen oder zumindest damit zu rechnen, dass die einzelnen Bestimmungen in 1QS auch eher ein angestrebtes Ideal als eine gängige Praxis widergeben können.201 In jedem Fall lässt sich für die Darstellung des Gemeinschaftsmahls in 1QS ein besonderes Interesse an ritu­ eller Reinheit erkennen. Zudem zeigt auch der archäologische Befund zu den in Qumran gefundenen Speiseräumen,202 und zwar insbesondere die direkt am Eingang eines Speisesaals gefundene Mikwe, dass rituelle Reinheit für die 198  Gerade der sektenhafte Charakter der hinter 1QS stehenden Gemeinschaft ist in der Forschung Konsens, so Collins, Communities, 163f. 199  Häufig wird für die Mitglieder der Gemeinschaft der Damaskusschrift angenommen, dass sie in Städten und Dörfern, d.h. in mehreren Siedlungen untergliedert, lebten, wohinge­ gen es sich bei der hinter 1QS stehenden Gruppe um eine einzelne Gemeinschaft handelt, die in einer isolierten Siedlung lebte (so beispielsweise Davies, Food, 159, dem zufolge der entscheidende Unterschied zwischen 1QS und der Damaskusschrift darin besteht, dass in der hinter der Damaskusschrift stehenden Gemeinschaft auch innerhalb der Familie gemeinsame Mähler stattfinden; vgl. auch Metso, Halakhah, 296). 200  Vgl. dazu, dass in neueren Arbeiten einerseits die Verbindung des Jachad mit Vorläu­ fergruppen, andererseits die Verbreitung dieser Gruppe, gegebenfalls in unterschiedli­ chen Variationen, über Qumran hinaus vertreten wird. So vor allem Collins, Community, 65–68.208–211; ders., Communities, bes. 159f.167; Stökl Ben Ezra, Qumran, bes. 145.260, unter Hinweis auf 1QS 6,1f.; aufgenommen z.B. von Frey, Zeugnisse, 107.113f. mit 101f. Anm. 1. Vgl. dazu auch, dass die Essener Josephus zufolge gerade keine eigene Stadt haben, son­ dern in jeder Stadt wohnen (Bell. 2,124). 201  Dieses Problem eines möglichen Gegensatzes zwischen Textwelt und realer Welt ließ sich bereits für Jub 22,16 erkennen (s.o. 2.1.3). Die Beschreibung eines Ideals anstelle einer tat­ sächlichen Praxis wird bisweilen sogar für Josephus angenommen: Sanders, Pharisees, 157; Maccoby, Ritual, 36. 202  Zu archäologischen Hinweisen auf die Existenz von Speiseräumen vgl. Magness, Meals, 91–107, zu Rekonstruktionsversuchen Pfann, Table, 164–171.

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in jedem Fall auch in Qumran verortete Gemeinschaft von 1QS von zentraler Bedeutung war.203 2.2.1 Die hohen Reinheitsanforderungen an das Gemeinschaftsmahl In den Schriften vom Toten Meer, und zwar insbesondere in 1QS und der Damaskusschrift, werden – jeweils in Verbindung mit dem Verbum ‫– נגע‬ ­mehrfach Ausdrücke gebraucht, in deren Zentrum die Vorstellung der Reinheit steht. Im Einzelnen handelt es sich um die Wendungen „Reinheit der Männer der Heiligkeit“ (‫)טהרת אנשי הקודש‬204 und „Reinheit der Vielen“ (‫)טהרת הרבים‬,205 daneben auch um den Terminus ‫ טהרה‬an sich.206 Für sie legt sich am ehes­ ten ein Bezug auf das Gruppenmahl (vgl. 1QS 6,3–6) nahe,207 wie er in der Forschung vielfach vorgeschlagen wurde: Der Begriff ‫ טהרה‬ist in den Schriften Qumrans generell breit bezeugt. Dabei ist in Hinsicht auf seine genaue Referenz unklar, ob er sich auf ein Reinigungsbad, das Gemeinschaftsmahl oder auf etwas anderes bezieht.208 Avemarie hat aus den Gesetzestexten der Tempelrolle und 4QMMT für ‫ טהרה‬insgesamt vier Bedeutungsschattierungen heraus­ gearbeitet, von denen eine im Sinne von „reiner Speise“209 zu verste­ hen sei.210 Dabei wird in der Forschung generell vor allem für die oben 203  So Magness, Meals, 107. Zu Beschaffenheit und räumlicher Verteilung der in Qumran ge­ fundenen Mikwaot vgl. vor allem ebd., 107–109; dies., Archaeology, 142–147. Zu weiteren baulichen Vorkehrungen vgl. auch Becker, Mahlvorstellungen, 65–74. 204  Vgl. 1QS 5,13 (vgl. 4Q258 1 i 7); 8,17: ‫אל יגע בטהרת אנשי הקודש‬. Rekonstruiert für 4QSb 9,8f. 205  Vgl. 1QS 6,16f.: ‫ הרבים‬/ ‫ ;לוא יגע בטהרת‬7,19. Vgl. dazu auch den Ausschluss aus der „Reinheit der Vielen“ in 1QS 6,25; 7,3.16 (vgl. 4Q270 7 i 6). 206  So in 11Q19 49,21; 63,14 (s.u. 3.1.2.2, zum Bezug auf das Essen und Trinken vgl. Yadin, Temple Scroll I, 365f. mit 311); 4Q274 2 i 3; vgl. auch 4Q274 1 i 2 (s.u. 3.2.2). Vgl. dazu auch das bloße ‫ טהרה‬in 1QS 8,24; CD-A 9,21.23 (4Q270 6 iv 11–13); vgl. auch 4Q269 11 i 4; daneben 1QS 6,22; 7,25. 207  Vgl. dazu auch die Rede vom Anfassen des gemeinsamen Essens in Jos. Bell. 2,139 für die Essener: πρὶν δὲ τῆς κοινῆς ἅψασθαι τροφῆς. 208  So Ringgren, ‫ ָט ַהר‬, 315, im Anschluss an Paschen, Rein, 94ff. 209  Vgl. dazu auch den Gebrauch von ‫ טהרות‬in der rabbinischen Literatur für Reinheits­ speisen, so z.B. tDem 2,11 u.ö. 210  Vgl. Avemarie, Tohorat, 222–224. Im Einzelnen schlägt er folgende vier Bedeutungs­ schattierungen vor: (1) „pure things“, einschließlich „pure food“ (so für 11Q19 47,17; 49,21; 63,14; 4QMMT B23.54.65.68), (2) „state of purity“ (für 11Q19 47,10.15; 4QMMT B56), (3) „purification“ (für 11Q19 45,15), und (4) „purity laws“ (für 4QMMT B13.52; evtl. auch für B3). Zu ‫ טהרה‬als Bezeichnung für Essen vgl. auch Clines, s.v. ‫ ָט ֳה ָרה‬: „1. (process of) pu­ rification, purification ritual, perh. purification regulation(s), […] period of purification […] 2. purity […] 3. (ritually) pure thing(s) […] 4. pure food […]“ (im Original teilweise hervorgehoben).

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genannten Wendungen, in denen dieser Terminus in Verbindung mit einer Gruppe von Menschen gebraucht wird, häufig für einen Bezug auf das Gemeinschaftsmahl plädiert.211 Für eine solche Deutung spricht, dass in jedem Fall eine enge Verbindung dieser Wendungen zum Komplex der Tischgemeinschaft besteht. Dies lässt sich deutlich in 4Q256 (4QSb) 9,8b–9a und 4Q258 (4QSd) 1 i 7b–8a erkennen, wenn im direkten Umfeld der Rede von der Berührung durch den Gebrauch ‫ אכל‬ausdrücklich der Komplex des Essens aufgerufen wird. Dort wird nämlich das Verbot, die „Reinheit der Männer der Heiligkeit“ zu berühren, jeweils durch das Verbot eines gemeinsamen Essens mit der Gemeinschaft fortgesetzt: ‫ [הקד]ש ואל יוכל אתו ב[יחד‬/ ‫( [וא] ֗ש ֗ר לא יגעו לטהרת אנשי‬4Q258 1 i 7b–8a).212 Dass sich die Rede von der „Berührung der Reinheit der Männer der Heiligkeit“ auf das Essen der Gemeinschaft bezieht, lässt sich zudem auch daraus schließen, dass sich eine ebensolche Verwendung von ‫ נגע‬in Verbindung mit dem Trank feststellen lässt.213 Dass es sich bei der „Reinheit der Männer der Heiligkeit“ um das Gemein­ schaftsmahl handelt, legt – abgesehen von den sprachlichen Indizien – auch die enge Verbindung dieser Wendung mit dem Konzept der Gemeinschaft nahe. So ist zum einen die Zulassung zur „Reinheit der Männer der Heiligkeit“ mit einer Aufnahme in die Gemeinschaft (1QS 6,16f.19.22; vgl. auch 8,17–19) ver­ bunden. Umgekehrt geht innerhalb der Bestrafungsmaßnahmen (6,24–7,25) ein zeitweiliger Ausschluss aus der „Reinheit der Vielen“214 mit einem Aus­� 211  So z.B. Liebermann, Discipline, 203; Gnilka, Gemeinschaftsmahl, 44–47; Rabin, Qumran Studies, 7f.; Milgrom, Lev I, 974; Harrington, Purity, 724f.; Davies, Food, 160. Für ‫טהרת‬ ‫ הרבים‬auch Schiffman, Sectarian Law, 161–168; García Martínez, Problem, 152–154. 212  Zu den Texten s. Alexander/Vermes, DJD 26, 53f.93f. Ein genauerer Vergleich von Jub 22,16f. 20 mit 4QSd 1 i 5–11 legt zudem nahe, dass es sich bei dem Verbot, die „Reinheit der Männer der Heiligkeit“ zu berühren, um eine Weiterentwicklung handelt, da er in Jub 22,16 keine Entsprechung hat (vgl. dazu Furstenberg, Outsider Impurity, 44 Anm. 15, im Anschluss an Licht). 213  So 1QS 7,20: ‫לוא יגע {בטהרת} משקה הרבים‬. Vgl. 4Q284a 1,3. 214  Vgl. dazu die jeweilige Verwendung von ‫ בדל‬im Hifil bzw. Hofal in Verbindung mit einem Ausdruck der Reinheit (1QS 6,25; 7,3.16; vgl. auch 8,24; CD-A 9,21.23) und das Verbot, die „Reinheit der Vielen“ bzw. die „Reinheit der Männer der Heiligkeit“ zu berühren (1QS 7,19f.; 8,17). Verbunden mit diesem zeitweiligen Ausschluss aus der Tischgemeinschaft waren reduzierte Essensrationen. Dabei finden sich unter den Strafmaßnahmen in 1QS 6,24– 7,25 zum einen Forderungen, die sowohl einen Ausschluss als auch eine Bestrafung durch Essensentzug (‫ )ענש‬erwähnen (6,24f.26f.; 7,2f.4f.15b–16a.18b–21), zum anderen aber auch solche, die allein einen Essensentzug nennen (7,3b–4a.5b–15a.17b–18a). Unklar und daher in der Forschung umstritten ist, ob der Entzug von Speise auch in den zuletzt ge­ nannten Fällen einen Ausschluss aus der Tischgemeinschaft einschließt. Während z.B.

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schluss aus der Gemeinschaft einher (8,16–18.21–24).215 Gerade dieser auffällige Zusammenhang zwischen Zugang und Ausschluss aus der Gemeinschaft lässt sich jedoch bei einem Bezug der Wendung „Reinheit der Männer der Heiligkeit“ auf das Gemeinschaftsmahl gut erklären.216 Das Gemeinschaftsmahl hatte nämlich in der Antike allgemein die Funktion, die Grenzen der Gemeinschaft nach außen zu definieren. Die Erlaubnis, am Essen und Trinken einer Gemein­ schaft teilzunehmen, fällt demzufolge mit der Aufnahme in diese Gemeinschaft zusammen und ist gleichbedeutend mit ihr.217 Dabei zeigt gerade sie den Statuswechsel der entsprechenden Person für jeden deutlich erkennbar an, wie es auch in 1QS besonders betont wird. Im Judentum des Zweiten Tempels gewannen Reinheitspraktiken im Zu­ sammenhang des Essens zwar insgesamt an Bedeutung. Die Bezeichnung des Gemeinschaftsmahls als „Reinheit der Männer der Heiligkeit“ deutet jedoch darauf hin, dass die entsprechende Gruppe sich vor einem priesterlichen Hintergrund als eine heilige Gemeinschaft verstand (vgl. dazu vor allem 8,5–9; daneben auch 9,5f.; 5,6). Damit lässt sich aber auch für das Gemeinschafts­mahl durchaus annehmen, dass für dieses zumindest als Ideal eine deutliche Nähe zum Verzehr von heiliger Speise angestrebt wurde, wie er innerhalb der übrigen Schriften vom Toten Meer gehäuft behandelt wird.218 Dafür spricht auch, dass die Bezeichnung des Gemeinschaftsmahls als „Reinheit der Männer der Heiligkeit“ auffallend an die Bezeichnung der Opfer als „Reinheit der Heiligkeit“ erinnert. Dementsprechend wurden innerhalb der Gemeinschaft von Qumran offenbar Vorschriften, die nach der hebräischen Bibel nur für Opfer gelten (s.o. IIA 3.1), auf das Gruppenmahl übertragen. Das reine Essen der Gemeinschaft wurde somit entsprechend dem für heiliges Essen notwendigen Reinheitsstandard Schiffman, Sectarian Law, 159–161, und Davies, Food, 158, für eine Unterscheidung beider Strafen plädieren, argumentiert Klawans dafür, dass beides untrennbar zusammengehört und daher auch dann, wenn nur der Entzug von Essen genannt wird, ein Ausschluss aus der Mahlgemeinschaft mitgemeint ist (Impurity and Sin, 84). 215  Vgl. dazu vor allem die gemeinsame Erwähnung einer Absonderung von der Reinheit und vom Rat in 1QS 8,24: ‫ ;והובדל מן הטהרה ומן העצה‬vgl. daneben die Entsprechung von 1QS 8,17 und 8,22. 216  Gerade dieser Zusammenhang findet bei einem zwar grundsätzlich möglichen Verständ­ nis von ‫ טהרה‬in einem weiteren Sinne nicht ausreichend Berücksichtigung. Für ein solch offenes Verständnis im Sinne von „reiner Speise“ auch abgesehen vom Gemeinschaftsmahl plädiert z.B. Hempel, Dinner, 60–62, wobei sie vor allem auf die Reinheitsvoraussetzungen bei der Herstellung der Lebensmittel in 4Q274 3 und 4Q284a 1 (s.u. 3.4.1) verweist. 217  So z.B. ausdrücklich Bilde, Meal, 153: „participation in the common meal is the primary expression of full membership of the community“. 218  Zu entsprechenden Anordnungen zum heiligen Essen innerhalb der Gemeinschaft von Qumran s.u. 3, bes. 3.1.

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gegessen bzw. sollte so gegessen werden.219 Gerade diese Nähe zu einem pries­ terlichen Mahl wurde von einigen Forschern als Argument für die vielfach vertretene These ausgewertet, dass die Gemeinschaft von Qumran sich selbst und die von ihr geübten Praktiken generell als Ersatz für den Tempel ansah.220 Diesen Forschern zufolge hat die Gemeinschaft von Qumran, für die zumeist das Fehlen eines Opferkultes angenommen wird,221 ihr Gruppenmahl näm­ lich geradezu als Ersatz für die Opfer am Tempel betrachtet.222 Auch wenn 219  Für die Gemeinschaft von Qumran wird in der Forschung generell häufig eine Ausweitung der priesterlichen Gesetze auf das ganze Volk bzw. die Mitglieder der Gemeinschaft an­ genommen (zu Vertretern s.u. 3 Anm. 259), speziell für den Bereich des Essens vor allem Qimron, Halakha, dem zufolge der Unterschied zwischen ‫ טהרת הקודש‬und ‫ טהרה‬zwar darin besteht, dass Ersteres im Gegensatz zu Letzterem im Tempel gegessen wurde (138 mit Anm. 39), die Gemeinschaft die rituelle Reinheit ihres Essens jedoch entspre­ chend der ‫טהרת הקודש‬, d.h. der Regeln für heiliges Essen, einhielt (142). Vgl. daneben Rabin, Qumran Studies, 8; Schiffman, Communal Meals, 53; Magness, Archaeology, 140; Reed, Role, 163; Klawans, Immorality, 9; ebenso Lawrence, Washing, z.B. 85f.88f., der den Gegensatz jedoch überspitzt, wenn er feststellt, dass der hebräischen Bibel zufolge nur die Priester Opfer in einem reinen Zustand essen mussten, nicht jedoch die Laien, in Qumran hingegen alle für das Gemeinschaftsmahl rein sein mussten (so 88f. Anm. 20). Eine vorherige Reinigung vor dem Genuss von Opfern wird nämlich auch von Laien bereits in den biblischen Gesetzen gefordert (vgl. Lev 7,19–21; s.o. IIA 3.1, so auch von Lawrence, Washing, 94 Anm. 31, angemerkt). Zur Betonung der besonderen Reinheit des Gemeinschaftsmahls vgl. auch Newton, Concept, 34: „meals eaten by the full members of Qumran were in fact ordinary meals eaten in a state of purity“; Harrington, Purity, 725; Milgrom, Lev I, 974.994, mit einer Unterscheidung zwischen reiner und heiliger Speise; Smith, Meals, 531; Davies, Food, 160f.; Regev, Temple, 276. 220  Zu dieser weit verbreiteten Forschungsposition vgl. z.B. Harrington, Purity Texts, 37f.; Sanders, Judaism, 376f.; ausführlich Schiffman, Community, der u.a. auf die Reinheits­ anordnungen im Rahmen der Aufnahmeprozedur in die Gemeinschaft verweist, jedoch die These von einem Ersatz der Opfer am Tempel durch das Gemeinschaftsmahl strikt ablehnt (272–274). Vgl. dazu auch Frey, Zeugnisse, 124f., der für die Mähler der JachadGemeinschaften zwar den besonders hohen Standard levitischer Reinheit betont, eine besondere Sakralität jedoch strikt ablehnt. 221  Anders Magness, der zufolge in Qumran durchaus Opfer dargebracht wurden (so zuletzt dies., Sacrifices), dagegen aber vor allem Schiffman, Qumran Temple. 222  So vor allem Yadin, Temple Scroll I, 311, der vor allem die Parallele von „Reinheit des Heiligtums“ und „Reinheit der Vielen“ als Indiz dafür auswertet, dass die Gemeinschaft ihr Mahl als Ersatz für den Dienst im Tempel angesehen hat; vgl. auch Kuhn, Supper, 68; Gnilka, Gemeinschaftsmahl, 54; Magness, Meals, 95f., vor allem mit dem Argument, dass die Behandlung der bei diesen Mahlzeiten übrig gebliebenen Tierknochen eine Nähe zu der der Reste der Opfer am Tempel aufweise (vgl. auch 81–86; dies., Archaeology, 119). Strikt dagegen allerdings Schiffman, der betont, dass die hohen Reinheitsstandards des Gemeinschaftsmahls grundsätzlich nicht bedeuten, dass es sich bei diesem um ein „sacred meal“ handelt (so vor allem Communal Meals, 55 u.ö.; History, 335–337; Eschatological Community, 59–64; Sectarian Law, 191–197).

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diese Schlussfolgerung vermutlich zu weit geht,223 so lässt die Darstellung des Gemeinschaftsmahls in 1QS doch darauf schließen, dass offenbar nur vollkom­ men Reine am eigentlichen Gemeinschaftsmahl teilnehmen durften.224 Das damit geforderte höhere Reinheitslevel impliziert zwar, dass selbst derjenige, der schon seit längerer Zeit ein Mitglied der Gruppe von 1QS ist und sich vor einer Teilnahme am Gemeinschaftsmahl ebenfalls reinigen muss,225 biswei­ len gar von diesem ausgeschlossen ist, nämlich für den Fall, dass er sich in einem mehrere Tage dauernden Reinigungsprozess befindet.226 Auch er kann nämlich eine Verunreinigung durch natürliche Ursachen nicht grundsätzlich 223  So betont z.B. Klawans, dass die Gemeinschaft von Qumran trotz ihrer negativen Sichtweise auf den bestehenden Tempel ihre Institutionen nicht als vollwertigen Ersatz des Tempels angesehen habe (Temple, 162–168; ders., Purity, 396). Goodman, Sectarians, äußert generell Zweifel daran, dass die Gemeinschaft von Qumran sich gänzlich vom Tempel abgewendet hat. 224  Anders zuletzt Wassén, die eine Unterscheidung zwischen den besonderen Mahlzeiten der Gemeinschaft am Sabbat und an Festtagen einerseits und den alltäglichen Mahlzeiten andererseits vorschlägt. Erstere erfordern auch ihr zufolge vollkommene Reinheit, wo­ hingegen letztere zwar eine Anfangsreinigung voraussetzen würden, bei ihnen jedoch geringere Formen der Unreinheit durchaus erlaubt seien, wie sie beispielsweise bis zum Ende einer mehrere Tage dauernden Reinigung noch bestehen (Meals, 91–96; dies., Levels, 120f.). Bei einer solchen Deutung ist jedoch fraglich, inwiefern es sich bei den we­ niger strikten Mählern im eigentlichen Sinne um Gemeinschaftsmähler handelt, da es für diese gerade typisch ist, dass durch Zulassung zu ihnen die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft insgesamt geregelt wird. Dies ist jedoch – wie die jeweilige Entsprechung zu Jachad-Aussagen zeigt – nur für die strikteren reinen Mähler der Fall. Grundsätzlich anders hingegen Himmelfarb, Impurity, 32 Anm. 51: Die Bezeichnung des Essens als ‫טהרה‬ meine nicht etwa „consecrated food“ (so vor allem gegen Klawans), sondern bringe ledig­ lich die Tatsache zum Ausdruck, dass die Speisen die Standards der Tora erfüllen, denn die Tora bezeichne verbotene Tiere als „unrein“ (Lev 11,4–8; Dtn 14,7–9.19), erlaubte Vögel hingegen als „rein“ (Dtn 14,11). Unter den Vorschriften der Tora finde sich jedoch – anders als für heiliges Essen – keine Forderung nach einem Essen von reiner Speise in einem Zustand der Reinheit. 225  Josephus berichtet in seiner Darstellung der Essener von einer solchen Vorbereitung der Gruppenmitglieder auf die Teilnahme am Gemeinschaftsmahl durch rituelle Waschungen (Bell. 2,129–132). Ihm zufolge nehmen die Essener vor jeder der beiden gemeinsamen Mahlzeiten (einer am späten Vormittag, einer am Abend) ein kaltes Bad (ἀπολούονται τὸ σῶμα ψυχροῖς ὕδασιν καὶ μετὰ ταύτην τὴν ἁγνείαν […] in 2,129) und ziehen sich bestimmte, gleichsam heilige Kleidungsstücke an (vgl. dazu 2,131: ὡς ἱερὰς καταθέμενοι τὰς ἐσθῆτας; vgl. dazu, dass sie während des Bades offenbar ein anderes Gewand aus Leinen tragen, 2,129 mit 2,161; zur Kleidung der Essener vgl. auch 2,123.137). Dabei betont er den hohen Reinheitsstandard dieses Mahls. Die Mitglieder hätten sich nämlich selbst rein dem Speisesaal genähert, als ob es eine Art Heiligtum sei (αὐτοί τε καθαροὶ καθάπερ εἰς ἅγιόν τι τέμενος παραγίνονται τὸ δειπνητήριον in 2,129). 226  So der Einwand von Himmelfarb, Impurity, 33, gegen eine Deutung, der zufolge 1QS die für heiliges Essen geltenden Reinheitsstandards für das Gemeinschaftsmahl durchsetzen

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vermeiden und wird dementsprechend schuldlos durchaus temporär unrein. In 1QS 5–8 finden sich jedoch ausführliche Anordnungen, die in einem enge­ ren Sinne die Voraussetzungen für eine Zulassung von neuen Mitgliedern zum Gruppenmahl regeln. Gerade sie lassen erkennen, dass es sich bei dem ent­ sprechenden Mahl näherhin um ein Mahl von moralisch und rituell vollkommen Reinen handelt. 2.2.2

Die am Gemeinschaftsmahl besonders auffallende Reinheit als konstitutives Merkmal der Gemeinschaft insgesamt Nach 1QS erfordert die Teilnahme von bisher Außenstehenden am reinen Essen und Trinken der Gemeinschaft eine ausgiebige vorherige Reinigung und ist daher nur den stärker in die Gemeinschaft Eingeweihten möglich. Dabei be­ steht die Besonderheit von 1QS darin, dass hier rituelle Reinheit grundsätzlich nur durch eine solche Aufnahme in die Gemeinschaft von 1QS bewirkt werden kann, der Rest Israels(!) hingegen insgesamt als unrein angesehen wird. Gerade dieser Exklusivitätsanspruch von 1QS auf Reinheit zeigt aber deutlich, dass die für das Gemeinschaftsmahl entscheidende vollkommene Reinheit das zentra­ le Identitätszeichen dieser Gemeinschaft im Unterschied zu Außenstehenden ist. Wie für antike Gemeinschaftsmähler typisch fungiert in 1QS die Praxis des Gemeinschaftsmahls, und zwar konkret dessen Reinheitspraxis, demzufolge zur Definition dieser Gemeinschaft in Abgrenzung zu anderen Gruppen mit an­ deren Praktiken. Sie spiegelt dabei in besonderer Weise das Selbstverständnis dieser Gruppe als den allein vollkommen Reinen wider. 2.2.2.1

Die Aufnahme in die Gemeinschaft als einzige Möglichkeit der Erlangung ritueller Reinheit Die Reinigung, an deren Ende die Aufnahme zum gemeinsamen Essen und Trinken der Gemeinschaft steht, setzt sich im Einzelnen aus verschiedenen Etappen zusammen, die neue Mitglieder im Rahmen ihrer Aufnahmeprozedur nacheinander zu durchlaufen hatten.227 Dieser Prozess wird innerhalb der Schrift selbst mehrfach geschildert. Danach müssen die Aufnahmeinteressier­ ten auf ihren Aufnahmewunsch hin zunächst einen Schwur ableisten,228 in dem sie sich verpflichten, zum Gesetz des Mose zurückzukehren, und zwar zum wollte. In einem solchen Fall müssen rituell Unreine nämlich immer wieder von Zeit zu Zeit ausgeschlossen sein. 227  Zur Aufnahme in die Gemeinschaft, deren Organisation und Bestrafungsmaßnahmen vgl. Hempel, Community Structures. 228  Nach CD-A 15,5–16 (par. 4QDa 8 i 1–10/4QDe 6 ii 1–21/4QDf 4 ii 1–7) wurde der Schwur an dem Tag abgelegt, an dem sich der Interessent um Aufnahme bemüht. Die Praxis, die Kandidaten einen Schwur ableisten zu lassen, sich selbst den Zielen der Gemeinschaft zu

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Gesetz entsprechend der Auslegung des Rates der Männer der Gemeinschaft.229 Sie sollen sich von den Männern des Frevels absondern (‫ולהבדל מ[כו] ֗ל ֗אנ֗ שי‬ ‫) ֗העול‬,230 doch war ihnen damit die Teilnahme am reinen Essen der Gemein­ schaft nicht sofort möglich.231 Als direkte Vorstufe zu einer Zulassung zum Gemeinschaftsmahl wird eine Reinigung des Körpers genannt.232 Mit dieser Forderung gilt für denjenigen, der in die Gemeinschaft neu aufgenommen wird, grundsätzlich dasselbe wie für die Mitglieder selbst, da auch für diese in jedem Fall eine vorherige Waschung vor dem Essen vorauszusetzen ist. Von diesen regelmäßigen Waschungen unterscheidet sich die Reinigung des Neumitglieds jedoch insofern, als es sich bei ihr nicht nur um die Beseitigung der typi­ schen Formen levitischer Unreinheit wie beispielsweise einer Verunreinigung durch Körperflüssigkeiten handelt. Vielmehr legt der Verfasser von 1QS stets besonderen Wert darauf, dass eine rituelle Reinigung des Körpers im Fall des Neumitglieds zwingend an eine vorherige moralische Umkehr gebunden ist. Ihm zufolge können nämlich durch eine Waschung überhaupt nur diejeni­ gen gereinigt werden, die vollkommen zum Gesetz in der von 1QS vertretenen Gestalt233 umkehren234 und denen damit Sündenvergebung durch den Geist unterwerfen, war offenbar eine pragmatische Entscheidung, die Existenz und Integrität der Gemeinschaft sicherzustellen (zur Funktion des Schwurs vgl. Metso, Halakhah, 298). 229  So 4QSd 1 i 7. In 1QS 5,9f. wird darüber hinaus das erwähnt, was den Söhnen Zadoks offen­ bart ist. 230  Der in CD-A 15,5–16 (par. 4QDa 8 i 1–10/4QDe 6 ii 1–21/4QDf 4 ii 1–7) belegte Schwur er­ wähnt nicht die in 1QS genannte zweite Forderung, nämlich sich von Außenstehenden fernzuhalten. Auch in der Damaskusschrift findet sich jedoch eine deutliche Tendenz der Absonderung (s.o. 1.1.2). 231  So nach 4QSd 1 i 7b–8a/4QSb 9,8f.; vgl. 1QS 5,13. 232  Ein solcher Reinigungsritus wird in 1QS 5,13 – über 4QSb 9,6–13/4QSd 1 i 5–11 hinausge­ hend – erwähnt. Dort wird nämlich Nichtmitgliedern, die nicht bereits umgekehrt sind, verboten, „das Wasser zu betreten, um die Reinheit der Männer der Heiligkeit zu berüh­ ren“ (‫)אל יבוא במים לגעת בטהרת אנשי הקודש‬. Zum Betreten des Wassers zum Zwecke der Reinigung vgl. die Anordnungen zur Wassertiefe in CD-A 10,10–13. Eine genauere Schilderung der Reinigungsvorgänge, die im Verlauf der Aufnahme in die Gemeinschaft stattfinden, ist in 1QS 3,3–9 überliefert (vgl. ‫ טהר‬in 3,4f.7f.). In diesem Rahmen wird ebenfalls die Reinigung des Körpers als Abschluss des gesamten Aufnahmeprozesses genannt. Dabei wird in Bezug auf die Reinigung genauer festgestellt, dass sie durch die Demut der Seele gegenüber allen Vorschriften Gottes erfolgt, und zwar genauer durch die Besprengung mit Reinigungswasser (zu ‫ מי נדה‬vgl. auch 1QS 3,4 und Num 19,9.13.20f.) und die Heiligung (vgl. 1QS 3,4) durch Wasser der Reinigung (‫מי דוכי‬, wobei dieser Ausdruck wie ‫ מי רחץ‬in 1QS 3,5 keine biblische Parallele hat): ‫ בשרו‬/ ‫ובענות נפשו לכול חוקי אל יטהר‬ ‫( להזות במי נדה ולהתקדש במי דוכי‬3,8b–9). 233  Vgl. dazu auch die Betonung der Umkehr zum Gesetz nach 1QS 6,14f.; daneben auch die Feststellung von einer Wiederaufnahme nach einer entsprechenden Läuterung in 1QS 8,17–19. 234  Vgl. dazu die Begründung für das Verbot des Zugangs zur Wasserreinigung in 1QS 5,13b–14: „Denn sie werden nicht gereinigt, wenn sie nicht umgekehrt sind von ihrer Bosheit (‫כיא‬

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zuteilwird.235 Damit findet sich die für 1QS generell zentrale Kontrastierung der Gemeinschaft und der Außenstehenden wieder: Diejenigen, die der Ge­ meinschaft beigetreten sind, wurden in diesem Rahmen von Sünde und Unreinheit gereinigt. Alle außerhalb der Gemeinschaft sind hingegen als sol­ che automatisch unrein und können, solange sie sich nicht der Gemeinschaft anschließen, niemals rituelle Reinheit erlangen (vgl. neben 5,13f. vor allem 3,4–6a). Rituelle Reinheit ist nach 1QS demzufolge ausschließlich an die Zuge­� hörigkeit zu dieser Gemeinschaft und das Befolgen ihrer Satzungen gebunden. Dazu passt, dass jemand, der sich verfehlt und von den Regeln der Gemeinschaft abweicht, die „Reinheit der Männer der Heiligkeit“ nicht berühren darf (vgl. vor allem 7,19; 8,16–18). Er wird dementsprechend offenbar wieder rituell un­ rein und durch Aufseher zumindest zeitweise vom reinen Essen und damit zugleich aus der Gemeinschaft ausgeschlossen (vgl. 6,25; 7,2f.16).236 Nichtmitglieder werden in 1QS demzufolge sowohl als moralisch (vgl. 4,9f.; 5,19) als auch per se als rituell unrein angesehen. Damit besteht in Bezug auf die Reinigung des Aufnahmeinteressierten in jedem Fall eine enge Verbindung von ritueller Unreinheit und moralischer Unreinheit bzw. Sünde. Angesichts der Notwendigkeit einer Waschung für solche, die als Sünder beschrieben werden, ‫ כי אם שבו מרעתם‬/ ‫ ;)לוא יטהרו‬denn unrein ist er unter allen, die sein Wort übertreten (‫)כיא טמא בכול עוברי דברו‬.“ 235  In 1QS 3,1–9 wird in Bezug auf den Zusammenhang zwischen moralischer Umkehr und ritueller Reinigung ausführlich eine der rituellen Reinigung vorangehende Sündenbe­ seitigung durch den Geist erwähnt (3,6b–8a; vgl. dazu auch 4,20–22 mit Bezug auf die eschatologische Reinigung). In der Forschung wird für 1QS generell eine enge Verbindung zwischen Sündenbeseitigung und ritueller Reinigung gesehen. Im Einzelnen schwankt die Auslegung zwischen einer Bewertung der Sündenbeseitigung als Voraussetzung der rituellen Reinigung (so z.B. Flusser, Sect, 243f.; Leaney, Rule, 139), einer wechselseitigen Abhängigkeit dieser beiden Ereignisse (so vor allem Klawans, Impurity and Sin, 85f.: „re­ pentance from sin and purification from defilement have become mutually dependent […] moral repentance is not efficacious without ritual purification, and ritual purification without moral repentance is equally invalid“) und einer Vermischung mit einem bloß metaphorischen Verständnis des Wasserritus (so vor allem Toews und Himmelfarb, da­ gegen s.u.). 236  Für folgende Vergehen wird als Strafe ausdrücklich ein zeitweiliger Ausschluss aus der Reinheit und damit aus der Gemeinschaft genannt: falsche Angaben zum Eigentum (1QS 6,24f.), üble Rede gegen einen Priester (7,2f.), Abkehr von der Wahrheit mit nachfolgen­ der Umkehr (7,18–21) sowie verschiedene Handlungen gegen andere Gruppenmitglieder wie Jähzorn gegen den Nächsten (6,26f., wobei in 6,27 offenbar die Forderung nach einem Ausschluss zu ergänzen ist), Verleumdung des Nächsten (7,15f.); vgl. dazu auch den Ausschluss für ein Jahr bei wissentlicher falscher Anklage eines Mitglieds (7,4f.). Zu einem permanenten Ausschluss führen hingegen u.a. Fluchen (7,1f.), Verleumdung der Vielen (7,16f.), bewusste Verletzung des Gesetzes (8,21–23a). Näheres zu diesen Vergehen und den entsprechenden Strafen mit möglichen Parallelen zu Anordnungen in anderen Gruppen bei Weinfeld, Pattern, bes. 10–57.

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und der Abhängigkeit der Wirksamkeit dieser Waschung von einer moralischen Umkehr lässt sich zudem durchaus eine gewisse Überlagerung dieser beiden Konzepte feststellen. Damit ist es naheliegend, wenngleich nicht zwingend,237 dass in der Auffassung von 1QS die Außenstehenden als Effekt ihres sündigen Verhaltens nicht nur moralisch unrein, sondern darüber hinaus auch rituell unrein sind.238 Im Zentrum der in 1QS im Kontext der Tischgemeinschaft ge­ brauchten Unreinheitsaussagen liegt aber nicht etwa eine solche Identifikation von Sünde und ritueller Unreinheit an sich, wie es Klawans angesichts seiner auffallenden Betonung einer fehlenden Differenzierung zwischen diesen beiden Unreinheitsformen in 1QS offensichtlich annimmt.239 Vielmehr dient rituelle Unreinheit hier in erster Linie dazu, die Grenze zwischen innen und außen zu ziehen.240 Dies zeigt auch die auffällige Bestimmung des Besitzes 237  Vgl. vor allem Himmelfarb, Impurity, 37, die eine Vermischung dieser beiden Konzeptio­ nen selbst für 1QS ablehnt: 1QS sehe Sünden nicht als „defiling“ an: „Sin and impurity appear side by side, as two aspects of human imperfection.“ Gegen eine Vermischung von ritueller und moralischer Unreinheit auch Ginsburskaya, Right. Eine solche Deutung kann jedoch den eigens hergestellten engen Zusammenhang zwischen moralischer und ritueller Reinigung nur schwer erklären. 238  Zu einer solchen Überlagerung vgl. schon Leaney, Rule, 139f.: „The sect is the first group within Judaism of whom we know who believed that moral failure (sin in our modern sense) incurred ritual defilement“ (139). Vgl. auch Neusner, Idea, 54; Newton, Concept, 40– 49, bes. 41.48f.; Furstenberg, Outsider Impurity, 40f.; vor allem Klawans, der betont, dass in 1QS grundsätzlich alle Sünden als rituell verunreinigend angesehen werden (Im­purity and Sin, 83f.). Harrington, Purity Texts, 112.116–118.123–127, zufolge werden außenstehen­ de Juden von der Gemeinschaft hingegen vor allem deshalb als rituell unrein angese­ hen, weil sie die Reinigungsriten des Gesetzes nicht entsprechend den Vorschriften der Gemeinschaft einhalten (bes. 124). Ausführlicher zur Bestimmung von außenstehenden Juden und Heiden als generell rituell unrein innerhalb der Literatur aus Qumran und der Bedeutung einer solchen Bewertung für die Regelung des sozialen Kontaktes vgl. dies., Outsiders. 239  Vgl. dazu vor allem Klawans, Impurity and Sin, 75–91, bes. 75: „At Qumran the once dis­ tinct concepts of ritual and moral impurity were merged into a single conception of de­ filement. That is, what we see at Qumran is not merely an association between ritual and moral impurity, but a basically complete identification of ritual and moral impurity.“ Ähnlich auch 82–84.88.90. Vgl. dazu auch die häufige Rede von „ritually defiling force of sin“ (so z.B. 79, Hervorhebung im Original, vgl. auch 90). 240  Gerade dies spricht gegen ein Verständnis des Wasserrituals am Ende des Aufnahme­ prozesses als bloße Metapher für moralische Reinigung, wie z.B. Toews, Purification, 93f., es vorschlägt. Der im Fokus stehende Kontakt zu anderen wird nämlich gerade durch rituelle Unreinheit geordnet (s.o. 2.1.2.2). Dabei ist Himmelfarb darin Recht zu geben, dass im Hintergrund der Forderungen zum Gemeinschaftsmahl in 1QS nicht die leviti­ schen Reinheitsgesetze aus der Tora stehen (so Impurity, 29.33). Dies bedeutet jedoch nicht, dass rituelle Reinheits- und Unreinheitsfragen generell keinerlei Bedeutung für die Fragen des Ausschlusses haben, wie sie es vertritt (33), wenn sie für die Rein-UnreinTerminologie in 1QS ebenfalls eine nur metaphorische Verwendung annimmt (34).

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von Außenstehenden als „unrein“.241 Diese Bewertung zielt nämlich ebenfalls darauf ab, Kontakt mit Nichtmitgliedern strikt zu unterbinden. Eine solche Funktion des Rein-Unrein-Paradigmas als soziales Ordnungsprinzip lässt sich im Kontext von Fragen der Tischgemeinschaft eindeutig auch in Jub 22,16 (s.o. 2.1.2.2) und Apg 10,28 (s.u. IIIB 4.3.1.2) erkennen. Auch dort ist mit der Bestimmung der Nichtjuden als unrein nämlich jeweils die Forderung nach einer strikten Trennung von ihnen, beispielsweise einer Vermeidung von Tischgemeinschaft, verbunden. Im Vergleich dazu besteht die Neuerung in 1QS darin, dass dieses Ordnungssystem hier nicht auf den Kontakt zwischen Juden und Heiden, sondern auf den Kontakt zwischen Mitgliedern der Gemeinschaft und außenstehenden Juden angewendet wird.242 Nach 1QS ist ein Sünder, d.h. insbesondere das sündige Nichtmitglied, aber auch ein Mitglied, das gegen das Gesetz handelt, demzufolge rituell unrein wie ein Nichtjude, woraus sich eine strikte Vermeidung engeren Kontaktes, insbesondere innerhalb derselben Gemeinschaft, ergibt. Reinheit fungiert hier somit speziell als Kriterium für die Definition der Grenze um eine einzelne jüdische Gruppe.243 Dementsprechend sind permanent Unreine, die nicht gereinigt werden können, generell aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Dabei werden in 1QSa 2,3–10244 unter solchen Menschen, die irgendeine Unreinheit an sich haben, insbesondere Kranke mit 241  Nach 1QS 5,18–20 haftet am Besitz des Nichtmitglieds Unreinheit (vgl. CD-A 6,15; CD-B 20,7), sodass es einem Gruppenmitglied streng verboten ist, etwas aus dem Besitz des Nichtmitgliedes (vgl. 1QS 5,14f.) wie Essen und Trinken anzunehmen (5,16; vgl. 4Q266 11,14–15). Erst im Rahmen der Aufnahme des Novizen wird sein Besitz in die Hand des Aufsehers übergeben (vgl. 1QS 6,19f. mit 3,2). Auch der Besitz des Ausgeschlossenen ist strikt zu meiden, wobei ein Kontakt mit solchem Besitz für das Gruppenmitglied gerade­ zu zum eigenen Ausschluss führt (7,24f.; 8,23f.). Umgekehrt darf auch das Nichtmitglied keinesfalls am Besitz der Vielen teilhaben (6,17). 242  Vgl. dazu, dass sich Jub 22,16f.20 und 4QSd 1 i 5–11 auch sprachlich sehr nahestehen. Die Entwicklung der Tradition von Jub 22,16–22 hin zu 1QS 5,13f. zeigt Furstenberg, Outsider Impurity, 43–46, auf. Dabei findet sich in 1QS auch insofern eine Neuerung, als das Nichtmitglied in 1QS 5,13f. ausdrücklich als unrein bezeichnet wird, nicht nur wie im Jubiläenbuch und 4QS dessen Werke und Besitz (so 4QSb 9,13/4QSd 1 i 11/1QS 5,19f.). Grundlegend hierfür Shemesh, Origins. 243  Zu einer ähnlichen Bewertung von Nichtmitgliedern als per se rituell unrein vgl. auch mHag 2,6, vgl. dazu Furstenberg, Outsider Impurity, 51. 244  Die jeweilige Beschränkung auf Reine sowie weitere Parallelen zwischen dem Gemein­ schaftsmahl in 1QS (vgl. bes. 6,3–6) und dem eschatologischen Mahl in 1QSa 2,11–22 wurden von einigen Forschern dahingehend ausgewertet, dass die Gemeinschaft von Qumran ihr Gemeinschaftsmahl als ein antizipiertes eschatologisches Mahl bewertet habe (so vor allem Schiffman, Communal Meals, 53–56; vgl. Dunn, Jesus, 263). Ähnlich zu­ letzt Bergmann, Aspekte, der zufolge in erster Linie das eschatologische Mahl in 1QSa als Vorbild für die Mähler der Gemeinschaft von Qumran dient, wohingegen die gegenwärti­ gen Zustände des Tempels weniger Bedeutung für diese hätten. Vgl. auch Frey, Zeugnisse,

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physischen Defekten genannt, durch die sie von priesterlichen Funktionen ausgeschlossen sind.245 2.2.2.2

Unterschiedliche Reinheitsgrade als unterschiedliche Stufen der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft Innerhalb der Gemeinschaft selbst bestehen offenbar unterschiedliche Stufen der Zugehörigkeit,246 die vom jeweiligen Reinheitszustand des Menschen ab­ hängig sind. Die einzelnen Gruppenmitglieder sind nämlich offensichtlich nicht alle in derselben Weise rein, sondern vielmehr existieren unterschiedliche Reinheitsgrade.247 Dies lässt sich deutlich aus der unterschiedlichen Zeitdauer schließen, die vergangen sein muss, bis ein Aufnahmeinteressierter Zugang zum Essen oder später auch zum Trinken erhält. In Hinsicht auf die Teilhabe am Essen und Trinken der Gemeinschaft existiert ein abgestuftes System mit drei Graden, wie vor allem die genauere Darstellung der Aufnahmeprozedur in 1QS 6,13–23 aufgrund der dort genannten zeitlichen Angaben erkennen lässt.248 Danach hat der Aufnahmewillige im ersten Jahr keinen Anteil am 122, dem zufolge es in 1QSa 2,17–22 um „eine eschatologisch ‚abgesicherte‘ Regel für die Gegenwart“ geht. 245  Nach CD-A 15,15–17 wurden neben Blinden, Lahmen und Tauben auch psychisch Kranke nicht in die Gemeinschaft aufgenommen (vgl. 4Q266 8 i 6–9). 246  Die mehrfache Erwähnung unterschiedlicher Rangstufen (vgl. u.a. 1QS 5,23f.; 6,22; 7,21; 8,19) deutet insgesamt auf eine hierarchische Ordnung der Gemeinschaft hin. 247  Eine Entsprechung zwischen Zugehörigkeitsgrad und Reinheitsgrad findet sich auch in der Darstellung der Essener in Jos. Bell. 2,150. Josephus berichtet nämlich, dass die Essener in Abhängigkeit von der Dauer ihrer Zugehörigkeit in vier Untergruppen eingeteilt wer­ den würden (Thackeray zufolge muss dies in Verbindung mit Bell. 2,137f. gelesen wer­ den; die ersten drei Jahre im Aufnahmeprozess entsprechen den ersten drei Graden, das Vollmitglied ist dann im vierten und höchsten Grad, so LCL 203, 381 Anm. b, im Anschluss an Lightfoot). Josephus erwähnt zudem die Gefahr einer Verunreinigung durch andere Gruppenmitglieder. Jemand, der weiter eingeweiht ist, bade nämlich für den Fall, dass er durch einen weniger Eingeweihten berührt worden ist, und zwar so, als ob er mit einem Nichtjuden Kontakt gehabt hätte ([…] ὥστ’ εἰ ψαύσειαν αὐτῶν ἐκείνους ἀπολούεσθαι καθάπερ ἀλλοφύλῳ συμφυρέντας). Offenbar ist er demzufolge in höherem Maße rein als der weniger Eingeweihte und sieht sich gerade deshalb als durch diesen verunreinigt an. 248  Die vor allem in 1QS 6,16–23 zu findenden zeitlichen Angaben stehen in gewisser Nähe zur Beschreibung der Essener in Jos. Bell. 2,119–161, bes. 137–150, unterscheiden sich je­ doch im Detail. Danach dürfen Interessenten nach einem Jahr am heiligen Wasser Anteil haben (καθαρωτέρων τῶν πρὸς ἁγνείαν ὑδάτων μεταλαμβάνει), was deutlich an das in Bell. 2,129 erwähnte Reinigungsbad vor dem Essen erinnert (vgl. ἀπολούονται τὸ σῶμα ψυχροῖς ὕδασιν καὶ μετὰ ταύτην τὴν ἁγνείαν). Zu den Treffen der Gemeinschaft sind sie jedoch nicht zugelassen (παραλαμβάνεται δὲ εἰς τὰς συμβιώσεις οὐδέπω), d.h. offenbar auch nicht zum gemeinsamen Essen. Erst nach zwei weiteren Jahren, d.h. nach insgesamt drei Jahren der Vorbereitung, dürfen sie am „gemeinsamen Essen“ teilnehmen und müssen dafür ebenfalls Schwüre ableisten (2,138f.). Diese finden Josephus (2,139–142) zufolge jedoch

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Essen oder gar Trinken der Gemeinschaft. Nach Ablauf dieses ersten Jahres, in dem sein Geist und seine Werke geprüft werden sollen, erhält er zunächst Zugang zur „Reinheit der Vielen“, d.h. zum Essen der Gemeinschaft (6,16f.). Auf diese Zulassung zur Tischgemeinschaft folgt ein weiteres Jahr, bevor die Interessenten auch in die Trinkgemeinschaft (‫משקה‬249) aufgenommen wer­ den (6,20f.; 7,20). Dieses abgestufte System der Zugehörigkeit findet sich inner­ halb der Bestrafungsmaßnahmen wieder. Ein Verstoß gegen das Gesetz führt nämlich zu einem einjährigen Ausschluss aus „der Reinheit der Vielen“ (6,25; 7,2f.15f.), wohingegen der Ausschluss aus dem „Trank der Vielen“ zwei Jahre dauert.250 Die Trinkgemeinschaft ist demzufolge aber eindeutig noch einmal ein engerer Kreis als die Mahlgemeinschaft, nämlich gleichsam der innerste Kern der Gemeinschaft, sodass mit der Zulassung zu ihr eine höhere und enge­ re Form der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft verbunden ist als mit der Teilhabe am Essen der Gemeinschaft. Im Einzelnen entspricht der Zulassung zum Trank offenbar ein höherer Reinheitsgrad der Person als der Zulassung zum Essen. Die längere Zeitspanne bis zu einer Zulassung zum Trank der Gemeinschaft dient nämlich vermutlich gerade dazu, einen höheren Reinheitszustand zu er­ zielen. Ein solch höherer Reinheitsgrad ist dabei für den Zugang zum Trank der Gemeinschaft insofern durchaus erforderlich, als Flüssigkeiten generell leich­ zu einem späteren Zeitpunkt statt, zu dem der Charakter der Interessenten bereits ge­ prüft worden ist, nämlich unmittelbar vor der Erlaubnis zur Teilnahme am gemeinsa­ men Mahl (d.h. drei Jahre später als nach CD-A 15,5–16). Er berichtet ebenfalls von einer Strafmaßnahme, die im Ausschluss aus der Gemeinschaft besteht, wodurch einige, da sie von Außenstehenden keine Nahrung annehmen dürfen, an Hunger gestorben seien (Bell. 2,143). Zu einer Analyse der Beschreibung der Essener bei Josephus mit Blick auf dessen literarisches Gesamtziel vgl. den Hollander, Dining. Ihm zufolge stehen die Essener für die Judäer insgesamt, sodass Josephus durch die positive Beschreibung der Essener den Charakter der Judäer als besonders positiv herausstellt, und zwar im Gegenüber zu ande­ ren negativen Auffassungen als Folge des Jüdischen Krieges (u.a. im Anschluss an Mason). 249  Zu einem solchen Verständnis des „Trinkens der Vielen“ vgl. Leaney, Rule, 191–195; Newton, Concept, 10–26. Nicht deutlich zu erkennen ist, ob das „Trinken der Vielen“ ein Teil der Tischgemeinschaft oder ein Extraereignis war. Handelt es sich beim Essen und Trinken um dasselbe Ereignis, dann muss man davon ausgehen, dass die Interessenten zunächst im ersten Jahr am Essen des Gemeinschaftsmahls teilhaben konnten, aber ihr eigenes Trinken mitbringen mussten. Wenn es zwei verschiedene Ereignisse sind, dann durften Neuaufgenommene an dem einen früher teilnehmen als an dem anderen (vgl. Reed, Role, 153). 250  Vgl. dazu die genaueren Angaben zur Bestrafung in 1QS 7,19f.: Diejenigen, die mit verstock­ tem Herzen wandeln, werden zwei Jahre bestraft: Im ersten Jahr haben sie keinen Zugang zur „Reinheit der Vielen“, im zweiten Jahr haben sie keinen Zugang zum Trinken, sondern sitzen hinter den Männern der Gemeinschaft. Vgl. dazu auch 1QS 8,24f., wonach jemand, der unabsichtlich sündigt, zwei Jahre lang niemanden richten oder an Entscheidungen des Rats teilnehmen darf.

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IIC Anordnungen zum Essen in hebräisch-aramäischen Texten

ter verunreinigt werden können als feste Nahrung und dann selbst stark ver­ unreinigend wirken (s.u. 3.4), beispielsweise indem sie auch die für Unreinheit grundsätzlich weniger empfänglichen Speisen verunreinigen.251 2.2.3

Die Praxis der Tischgemeinschaft in 1QS im Vergleich zu anderen jüdischen Gruppen In das gemeinsame Mahl einschließlich des gemeinsamen Trinkens aufgenom­ men zu werden, ist nach 1QS demzufolge die höchste Stufe eines Prozesses, mit dem die volle Mitgliedschaft erreicht ist (vgl. 6,21f.: ‫ הגורל לקרבו ליחד‬/ ‫ואם יצא לו‬ ]…[). Dabei besteht das Besondere am Gemeinschaftsmahl in 1QS nicht etwa in der strikten Beschränkung der Tischgemeinschaft auf Personen aus dem ei­ genen Kreis an sich,252 da eine solche für das Gemeinschaftsmahl geradezu typisch ist. Sowohl die identitätsstiftende als auch die abgrenzende Bedeutung des Mahls, wie sie sich deutlich für das Gemeinschaftsmahl in 1QS erkennen lassen,253 sind kein Spezifikum dieser Gruppe.254 Die Gemeinschaft von 1QS war jedoch offenbar gerade im Hinblick auf die Voraussetzungen für eine 251  Ähnlich Baumgarten, DJD 35, 132, im Anschluss an Licht. Vgl. auch Reed, Role, 152, im Anschluss an Schiffman. 252  Zu einer solchen Beschränkung des Gemeinschaftsmahls auf Gruppenmitglieder vgl. auch Jos. Bell. 2,129, wonach bei den Essenern nur solche, die keine anderen Ansichten haben, zum Raum zugelassen sind, in dem das Essen stattfindet (καὶ μετὰ ταύτην τὴν ἁγνείαν εἰς ἴδιον οἴκημα συνίασιν ἔνθα μηδενὶ τῶν ἑτεροδόξων ἐπιτέτραπται παρελθεῖν). De­m­ entsprechend ist die Feststellung, die Essener würden zu ihrem Mahl Fremde zulassen (2,132), nicht auf Außenstehende, sondern am ehesten auf Essener aus anderen Gemein­ den zu beziehen. Zur Erkennung dieser Essener vgl. den Vorschlag bei Baumgarten, Essene, 56–60, dem zufolge sich die Essener vor allem durch einfache Nahrung und Kleidung von der Umwelt abhoben (vgl. Philo, Hypoth. 11,5.11f.). 253  Die identitätsstiftende Bedeutung des Gemeinschaftsmahls von Qumran wird in der Forschung vielfach betont; vgl. z.B. Bilde, Meal, 162f.: Das Gemeinschaftsmahl „seems to have had a crucial position as possibly the most tangible expression, not only of the communal character of the group but also of its ‚purity‘ and its genuine ‚priestly‘ stamp, in other words, of its collective identity.“ Ähnlich auch Reed, Role, 160.163. Dabei nimmt beispielsweise Davies für die Gemeinschaft von 1QS eine Funktion des Mahls sowie der Speisefragen an, die entscheidend über deren Bedeutung bei anderen Gruppen wie z.B. bei der hinter der Damaskusschrift stehenden Gemeinschaft hinausgeht. So symbolisie­ re das Mahl in 1QS nämlich die „corporate identity“ (Food, 159). Darüber hinaus sei „the integrity of the sectarian society/body“ (157) davon abhängig, was jeder Einzelne zu sich nehme (vgl. 160–162). 254  Diese Übereinstimmung des Gruppenmahls von Qumran mit den generellen Merkmalen des Gemeinschaftsmahls betont auch Smith, Meals, 531: „In many ways participation at the common table symbolized membership in the community […]. The function of the meal as a boundary marker, setting the community apart from the outside world, is a feature it shared with meals in the culture at large.“

3 Rituelle Reinheitsvorschriften

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solche Zugehörigkeit zur Gemeinschaft und damit zum Gemeinschaftsmahl deutlich strikter als andere jüdische Gruppen. Auffällig sind nämlich die hohen Anforderungen, die an eine solche Mitgliedschaft gestellt werden. Sie zeigen sich zum einen an den hohen Reinheitsstandards des Mahls selbst, zum anderen an der längeren Phase, welche einer Zulassung zum Gruppenmahl und besonders zur engeren Form der Trankgemeinschaft vorgeschaltet ist. Diese ausgedehnte Aufnahmedauer soll dabei offenbar durch Prüfungen in re­ gelmäßigen Abständen (vgl. 5,20–25; 6,17f.21) sicherstellen, dass Umkehr und Reinigung des Aufnahmeinteressierten vollkommen stattgefunden haben, so­ dass man sich auf das Neumitglied, das man bisher noch nicht genau kannte, auch verlassen kann. Gerade damit lässt sich aber deutlich erkennen, dass der besondere Fokus auf rituellen Reinheitsvorschriften in 1QS nicht etwa eine Vernachlässigung der moralischen Reinheit bedeutet, wie es in der Forschung zu Qumran oft den Anschein hat. Abgesehen vom Gemeinschaftsmahl selbst zieht der Verfasser von 1QS insgesamt deutlich engere Grenzen als etwa andere jüdische Gruppen, und zwar selbst im Vergleich zum Jubiläenbuch. Durch die für 1QS charakteristi­ sche Bewertung von allen Außenstehenden als prinzipiell rituell unrein ist eine Trennung von ihnen nämlich aus dem Grund geradezu unausweichlich, weil nur durch sie das Reinbleiben der Gemeinschaft garantiert werden kann. Die Reinheit der Gemeinschaft hängt nämlich von der Reinheit der einzelnen Gruppenmitglieder ab, sodass Kontakt mit Unreinen umgekehrt eine Gefahr für die rituelle Reinheit der ganzen Gemeinschaft darstellt. Dementsprechend war offenbar Tischgemeinschaft mit Außenstehenden, auch anderen Juden, generell nicht erlaubt.255 3

Rituelle Reinheitsvorschriften im Zusammenhang des Essens

Reinigungsriten waren in Palästina generell weit verbreitet, wie die zahlrei­ chen Funde von Mikwaot in Judäa, Galiläa und Qumran zeigen.256 Rituelle 255  Vgl. dazu das Verbot, Lebensmittel oder Getränke anzunehmen, die Nichtmitgliedern ge­ hörten, es sei denn gegen einen Kaufpreis (1QS 5,16f.), sodass sich mit dem Wechsel des Besitzers offenbar auch der Reinheitszustand des Objektes verändert (vgl. dazu Knibb, Community, 112). Für unreine Außenstehende ist es zudem generell ausgeschlossen, dass sie etwas vom reinen Essen anfassen dürfen. 256  Eine weite Verbreitung von Mikwaot betont vor allem Sanders, Judaism, 222–229, bes. 223f.; ders., Pharisees, 217–219; vgl. auch Harrington, Purity Texts, 31f. Zu Mikwaot in Gamla, auf den Herodes-Festungen Masada und Herodium und in Jerusalem vgl. Reich, Synagogue; zu unterschiedlichen Arten von Mikwaot in Judäa Zissu/Amit, Common

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IIC Anordnungen zum Essen in hebräisch-aramäischen Texten

Reinheitsvorschriften zum Essen sind besonders häufig in den Schriften aus Qumran überliefert. Sie betreffen ein ganzes Spektrum von unterschiedli­ chen Fragen. Zumeist handelt es sich um Anordnungen, die den Zustand des Menschen regeln, in dem dieser Speise zu sich nehmen soll (s.u. 3.1 und 3.2). Dabei fordern sie jeweils entsprechende Waschungen, und zwar insbesonde­ re für den Kontakt mit dem Heiligen, der nur bestimmten, nämlich insbeson­ dere reinen Menschen erlaubt ist (s.u. 3.1). Darüber hinaus wird die rituelle Unreinheit von Gefäßen (s.u. 3.3) sowie die Gefahr der Verunreinigung durch Flüssigkeiten mehrfach thematisiert (s.u. 3.4). Diese besonders häufige Behandlung von rituellen Fragen zum Essen reiht sich in den generellen Befund zu den Schriften aus Qumran ein. Die Gemeinschaft in Qumran zeichnet sich nämlich grundsätzlich durch ein be­ sonderes Interesse an Reinheitsfragen aus. Dabei lässt sich beobachten, dass sie offenbar höhere Reinheitsstandards fordert, als im sonstigen Judentum üblich waren. Als generelle Tendenz ist nämlich ein Streben nach Heiligkeit und damit vor einem primär kultischen Hintergrund ein priesterliches Ideal festzustellen.257 So sind die einzelnen Anordnungen, beispielsweise in 4QMMT,258 primär am Tempel orientiert. Die in den biblischen Schriften mit den Priestern verbundenen Reinheitsvorschriften werden offenbar verallge­ Judaism; speziell zu Galiläa Aviam, People, 10.32. Vgl. auch Magness, Archaeology, 134–162, mit einem Überblick über Mikwaot in Qumran und im rabbinischen Judentum. Mehrfach finden sich Regelungen zur Wassertiefe bei Tauchbädern (vgl. z.B. mMiq 1,1–7,7; mEd 1,3) sowie Vorkehrungen für dieses Wasser (vgl. CD-A 10,11); vgl. dazu auch den Überblick bei Adler, Purity, 241–245. In der Forschung wurden diese Mikwaot und daneben auch der Gebrauch von Steingefäßen häufig in eine enge Verbindung mit dem Tempelkult gebracht, und zwar weil sich nach der Zerstörung des Tempels 70 n.Chr. ein deutlicher Rückgang solcher Maßnahmen zur Erlangung und Sicherstellung von ritueller Reinheit zeige (so z.B. Yitzhak Magen und Ronny Reich). Demgegenüber argumentiert z.B. Adler vom archäolo­ gischen Befund her dafür, dass Fragen der rituellen Reinheit in Palästina mindestens bis 135 n.Chr. insgesamt weit verbreitet (Decline, 273.277) und demzufolge keineswegs aus­ schließlich vom Tempel abhängig waren (279; ausführlich ders., Cult, bes. 236f.245–248). Vgl. dazu auch Amit/Adler, Observance; daneben Miller, Intersection, 241–248, dem zu­ folge nach 70 n.Chr. das Haus bzw. die Familie als primärer Ort der Reinigungsriten fun­ gierte; ähnlich Galor, Installations, bes. 210. Insgesamt ist am ehesten davon auszugehen, dass der Tempel ein Faktor war, der für Reinheit entscheidend war, aber nicht der einzige. Gerade die Unterschiede zwischen der Diaspora (keine Verbreitung von Mikwaot) und Palästina lassen sich am ehesten durch den Tempel erklären. 257  So exemplarisch für 4QMMT u.a. Harrington, Holiness, 124. 258  Vgl. dazu von Weissenberg, die jedoch zugleich betont, dass für die Gemeinschaft von 4QMMT keineswegs eine vollständige Trennung vom Tempel zwingend ist (Centrality, 305); vgl. auch Regev, der allerdings wohl zu weit geht, wenn er feststellt, dass alle Gesetzesbestimmungen in 4QMMT mit Bezug auf den Tempel zu verstehen seien (so vor allem ders., Temple, 245–249).

3 Rituelle Reinheitsvorschriften

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meinert, d.h. vom Tempel auf die ganze Stadt und von Priestern auf alle und damit auf den Alltagsbereich ausgeweitet.259 Dieser generelle Befund lässt sich auch für den Bereich des Essens beobachten. So besteht die entscheiden­ de Neuerung gegenüber den biblischen Anordnungen offenbar darin, dass in den Schriften aus Qumran auch für solche Speisen ein Reinheitszustand ver­ langt wurde, die keine Opfer sind. Zwar finden sich in den der Gemeinschaft von Qumran zugeordneten Schriften zum einen Texte, denen zufolge Fleisch, das kein Opferfleisch ist, anscheinend auch von Unreinen gegessen werden durfte.260 Deutlich ist aber zugleich in jedem Fall eine Anwendung priester­ licher Interessen auf das Gemeinschaftsmahl, das vermutlich in deutlicher Nähe zu den für Opfer geltenden Vorschriften praktiziert wurde. Nach der Gemeinschaftsregel muss man nämlich offenbar vollkommen rein sein, um am Gemeinschaftsmahl teilnehmen zu können (s.o. 2.2.1). Darüber hinaus lassen mehrere Texte darauf schließen, dass nicht nur für das reine Essen der Gemeinschaft, sondern vor jedem Essen eine Reinigung erforderlich war.261 In 259  Vgl. dazu exemplarisch García Martínez, Problem, 142f.146, vor allem für die Tempelrolle; Harrington, Purity Texts, 52; dies., Holiness, 127, für 4QMMT und die Tempelrolle: Die Verfasser von 4QMMT sahen Heiligkeit als „not just the responsibility of an elite priest­ hood but required a stringent lifestyle with regard to ritual purity of the whole people of Israel“. Allgemeiner auch Naudé, Holiness, 184f. 260  Dem Verfasser der Tempelrolle zufolge setzt das Essen von Fleisch, das kein Opferfleisch ist, offenbar keinen reinen Zustand des Essenden voraus. In 11Q19 52,10f. stellt er nämlich fest, dass das Fleisch von Tieren mit Gebrechen, die als Opfer nicht in Frage kommen und daher nicht im Tempel dargebracht werden dürfen (zu 11Q19 52,7b–12a s.o. 1.2), sowohl von Reinen als auch von Unreinen gegessen werden darf. Dabei macht der Verfasser der Tempelrolle dies dadurch besonders deutlich, dass er in 11Q19 52,11 gegenüber Dtn 15,22 ein ‫„( בכה‬unter euch“) einfügt (ebenso in 11Q19 53,4 als Zusatz zu Dtn 12,22). Durch diesen Zusatz bezieht sich ‫ הטמא והטהור‬nämlich nicht auf die unreinen und reinen Tiere (zu einem solchen Bezug auf die Speise aber Maier, Tempelrolle, 219.223; ders., Temple Scroll, 46; Steudel, Texte, 111.113), sondern auf die Menschen (so auch Yadin, Temple Scroll II, 234.238, im Anschluss an ihn Schiffman, Animals, 171): „In deinen Toren sollst du es essen, der Unreine und der Reine unter Dir zusammen (‫ )תואכלנו הטמא והטהור בכה יחדיו‬wie den Hirsch und die Gazelle.“ Ein solches Verständnis von ‫ הטמא והטהור‬als Subjekt und nicht als Objekt zu ‫ תואכלנו‬wird durch die Septuaginta bestätigt, in der sich ebenfalls ein entsprechender Zusatz findet (Dtn 15,22 LXX: […] φάγῃ αὐτό ὁ ἀκάθαρτος ἐν σοὶ καὶ ὁ καθαρός; vgl. auch Dtn 12,15.22 LXX), vgl. Schiffman, Septuagint, 285. 261  Eine maximale Ausweitung der Forderung nach einem Essen in Reinheit auf jegli­ che, d.h. auch normale Speise abgesehen vom reinen Essen der Gemeinschaft, nimmt Baumgarten, DJD 35, 80, an, ebenso Harrington, die 4Q274 als Beleg für „the requirement that all Israelites bathe before eating any food“ ansieht (Purity Texts, 57; vgl. auch dies., Holiness, 119), vgl. auch Milgrom für 4Q514 (s.u. 3.2.1). Auch Sanders sieht die Besonderheit der Gemeinschaft von Qumran – etwa im Gegenüber zu den Pharisäern – in dem Rein­ heitszustand der Essenden vor allen(!) Mählern (vgl. Sect, bes. 21–23). Dagegen aber Neusner (vor allem Pictures), der dies auch für die Pharisäer annimmt; ähnlich Schiffman,

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IIC Anordnungen zum Essen in hebräisch-aramäischen Texten

einigen Texten wird nämlich von mehrtägig unreinen Personen für das Essen, und zwar selbst für das Essen gewöhnlicher Speise in Einsamkeit, ein vorhe­ riges Reinigungsbad sowie eine Waschung ihrer Kleider gefordert (s.u. 3.2). Damit wird in der Gemeinschaft von Qumran aber ein deutlich höheres Maß an Reinheit für gewöhnliches Essen verlangt als in der hebräischen Bibel.262 In ihr findet sich nämlich zwar die Forderung, dass heiliges Essen nur in einem Zustand der Reinheit gegessen werden soll und beispielsweise verunreinigte Priester daher vor dem Essen von heiligen Speisen baden müssen (Lev 22,3–7). Entsprechende Anordnungen, die den Genuss von gewöhnlichen Speisen an einen gewissen Reinheitszustand knüpfen, sind jedoch in der hebräischen Bibel noch nicht überliefert. Demnach scheint die bereits in der hebräischen Bibel belegte Forderung nach einem reinen Zustand des Menschen beim Essen von heiliger Speise zu einer generellen Anordnung erhoben und damit auf das Essen insgesamt angewendet worden zu sein. Im Folgenden werden die Texte näher untersucht, in denen diese Fragestellung abgesehen vom Komplex des Gemeinschaftsmahls näher behandelt wird. Anordnungen in Bezug auf das heilige Essen 3.1 Anders als es bei den Speisevorschriften der Fall ist (s.o. 1), steht im Zentrum der rituellen Reinheitsvorschriften, die in den Schriften aus Qumran zum Essen überliefert sind, nicht der Schutz des Menschen vor Verunreinigung durch Speise. Darin unterscheiden sich diese Vorschriften zugleich von dem Diskurs zum Händewaschen in Mk 7,1–23. Dort wird die Gefahr nämlich darin gesehen, dass sich die Unreinheit ausgehend von ungewaschenen und damit rituell verunreinigten Händen auf Speisen und über diese dann auf den ganzen Menschen überträgt (s.u. IIIC 1.1.2.2). Demgegenüber handelt es sich bei den Reinheitsvorschriften innerhalb der Texte vom Toten Meer in erster Linie um Beschränkungen, die einem bereits Unreinen auferlegt werden. Das Leitmotiv der entsprechenden Anordnungen besteht somit jeweils im Schutz von (heiliger) Speise vor einem Kontakt mit Unreinheit. Um diesen Schutz zu gewährleisten und dadurch eine Verunreinigung des heiligen Essens zu ver­ hindern, schließt eine bereits bestehende Verunreinigung des Menschen die­ sen von heiligen Speisen aus. Um Zugang zu heiliger Speise zu erlangen, ist vielmehr ein Zustand der Reinheit erforderlich, welcher im Fall von unreinen Communal Meals, 53. Zur Kritik dieser Positionen von Neusner und Sanders s.u. IIIC 1.2. Grundsätzlich anders hingegen Himmelfarb, die sogar für das Gemeinschaftsmahl einen geringeren Grad an ritueller Reinheit als für die „Reinheit der Heiligkeit“, d.h. das heilige Essen, annimmt (s.o. 2.2.1). 262  Vgl. dazu auch, dass 11Q19 47,3–18 ein höheres Maß an Reinheit für gewöhnliche Städte fordert: Alle Städte müssen rein sein, aber Jerusalem muss rein und heilig sein.

3 Rituelle Reinheitsvorschriften

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Personen zunächst durch entsprechende Reinigungsriten hergestellt werden muss. Dieser Fokus auf einer Waschung vor dem Essen heiliger Speise lässt als Hintergrund deutlich die bereits in der Tora belegte Forderung erken­ nen, in einem unreinen Zustand unter keinen Umständen vom Heiligen zu essen, damit die entsprechenden Personen nicht ihre Unreinheit übertragen und dadurch das Heilige verunreinigen (vgl. neben Lev 22,3–7 auch 7,19–21; s.o. IIA 3.1).263 Dabei wird eine genauere Untersuchung zeigen, dass es sich inhaltlich nicht um eine bloße Wiederholung der bereits in der Tora belegten grundlegenden Anordnungen zum Essen handelt. Dies soll im Folgenden vor allem an den in 4QMMT überlieferten Gesetzesanordnungen zum Genuss von heiliger Speise aufgezeigt werden, indem diese exemplarisch in ihrem größe­ ren Kontext untersucht werden. Dadurch wird sich zeigen, dass das bereits in den biblischen Gesetzen unter Strafe gestellte Verbot des Genusses von heili­ ger Speise in einem Zustand der Unreinheit in 4QMMT ausgedehnt (so beim Aussätzigen) und abgeändert wird (so beim Blinden).264 Dabei unterschei­ det 4QMMT generell nicht näher zwischen solchen Gesetzesbestimmungen, die eine biblische Grundlage haben, und solchem Material, das einen an­ deren Ursprung hat, sondern führt beides auf das Buch des Mose zurück.265 Überhaupt bewertet die Verfassergruppe die Anordnungen, die nicht direkt auf ein biblisches Gesetz zurückgehen, nicht als etwas Neues, sondern offen­ bar als treue Wiedergabe von Gottes Willen. Der Zustand des Menschen als Hindernis für heilige Speise in 4QMMT Das als 4QMMT bezeichnete Dokument266 ist von hoher Bedeutung für die Gemeinschaft von Qumran, wie die Überlieferung in insgesamt sechs Hand­� schriften zeigt. Zudem wird dieser Text auf eine sehr frühe Zeit der Gemein­ schaft von Qumran datiert,267 und zwar bisweilen gar auf die Mitte des 2. Jh. 3.1.1

263  Dieses Verbot wurde offenbar generell eingehalten, so Sanders, Judaism, 156f. 264  Zum Umgang von 4QMMT mit Gesetzen aus der Tora vgl. Bernstein, Employment, 46: 4QMMT gehe nicht nur des Öfteren über das biblische Gesetz hinaus, sondern widerspre­ che diesem auch. 265  Vgl. Bernstein, Employment, 32. Die Gemeinschaft von Qumran lehnte die Vorstellung von der Tradition der Älteren (Pharisäer) und das spätere rabbinische Konzept der münd­ lichen Tora generell ab und sah auch die außerbiblischen Gesetze als vollständig durch biblische Interpretation inspiriert an (Schiffman, Halakhah, 131). 266  Die Bezeichnung des durch die Handschriften 4Q394–399 überlieferten Textes als 4QMMT geht auf die in C27 belegte Wendung ‫„( מקצת מעשי התורה‬Einiges vom Tun der Werke der Tora“) zurück. 267  Vgl. Qimron/Strugnell, DJD 10, 109: Die Handschriften werden auf 75 v.Chr. bis 50 n.Chr. datiert.

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IIC Anordnungen zum Essen in hebräisch-aramäischen Texten

v.Chr.268 Im Einzelnen ist sowohl das Genus dieses Textes als auch seine genaue Herkunft umstritten. Ausgangspunkt für eine nähere Verortung der Identität des Verfassers von 4QMMT sind die im Text vorausgesetzten drei Gruppen, wie sie sich in der auffälligen Verwendung von Formen der 1. Person Plural,269 der 2. Person Singular und Plural270 sowie der 3. Person Plural271 in Gestalt von Suffixen und Verbformen deutlich fassen lässt:272 Innerhalb des Werkes findet sich mehrfach der Gebrauch der 1. Person Plural für die Verfassergruppe sowie der 2. Person Singular und Plural für die Adressaten. Dieser Befund wurde dahingehend ausgewertet, dass es sich bei 4QMMT um einen Brief handelt, den die entstehende Gemein­ schaft in Qumran an priesterliche Autoritäten in Jerusalem gesandt hat. Dabei wurde 4QMMT zunächst unmittelbar mit dem in 4QpPsa (4Q171) 4,7–9 erwähnten Schreiben des Gründers der Qumrangemeinschaft, dem sogenannten „Lehrer der Gerechtigkeit“, an den damals amtieren­ den Hohepriester Jonathan (um 150 v.Chr.) identifiziert.273 Von einigen Forschern wurde diese These jedoch dahingehend modifiziert, dass 4QMMT nicht vom Lehrer der Gerechtigkeit selbst stamme, sondern aus priesterlichen Kreisen in seinem Umfeld. 4QMMT sei zudem noch vor der Übernahme des Hohepriesteramtes durch den Hasmonäer Jonathan im Jahre 153 v.Chr. entstanden, woraus sich die für 4QMMT auffällige Gesprächsbereitschaft ergebe.274 4QMMT gehöre somit zu den Gründungsdokumenten der Essener, die später in Qumran ein Zentrum hatten.275 In diesem Schreiben lege die Gemeinschaft die Gründe dar, 268  Vgl. Qimron/Strugnell, DJD 10, 121, plädieren für den Zeitraum zwischen 159–152 v.Chr. 269  Vgl. vor allem 4QMMT B1.29.37.42.55.65; C7.9.26; vgl. auch C10.20 (zum Teil rekonstruiert). 270  Zur 2. Person Plural vgl. vor allem 4QMMT B68–70.80; C7–8. Die 2. Person Singular findet sich nur im Epilog (vgl. C10.26–32). 271  Ein Bezug der Formen der 3. Person Plural auf Gegner legt sich vor allem für 4QMMT B6.10.35 nahe. 272  Zu den unterschiedlichen Personalformen vgl. detailliert von Weissenberg, 4QMMT, 17–21.134–143.224f.: Ihr zufolge geht der Gebrauch der 2. Person Singular, welcher insbe­ sondere für die Bestimmung als Brief herangezogen wird, primär auf eine Aufnahme des Sprachstils des Deuteronomiums zurück. 273  So Qimron/Strugnell, Letter, 400f.; Betz, Text, 193–200; Eshel, 4QMMT, 64f. 274  So selbst Qimron/Strugnell, DJD 10, 113f. (in Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich um einen Traktat handelt) und 116–121. 275  Zu dieser Identifikation der Gemeinschaft von Qumran mit den Essenern s.o. Einleitung zu IIC. Schiffman bestimmt die Ursprünge der Gemeinschaft von Qumran zwar anders, wenn er sie mit den Sadduzäern identifiziert (s.o. Einleitung zu IIC), versteht 4QMMT jedoch ebenfalls als einen nach außen gerichteten Brief (so Letter, 64f.; Miqṣat, 457; Community, 270; vgl. auch ders., Miqtsat).

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die zu ihrer Trennung von Jerusalem geführt habe. Dabei wird die Gruppe, welche der Verfassergruppe von 4QMMT gegenübersteht und im Brief mit „sie“ bezeichnet wird, zumeist mit der ebenfalls in dieser Zeit entstehenden pharisäischen Partei in Verbindung gebracht.276 Von einigen Forschern wird diese Bestimmung von 4QMMT als persönlicher Brief generell abgelehnt277 und der Text vielmehr als Zirkularschreiben bestimmt, das sich an ein breiteres Publikum wendet.278 Darüber hinaus wird 4QMMT bisweilen nicht als ein Schreiben an Außenstehende, son­ dern umgekehrt als ein Text für die Mitglieder der Gemeinschaft selbst bestimmt, und zwar als ein vor allem dem Studium dienender Text, der die Geschichte und zentralen Anliegen der Gemeinschaft verdeutlichen soll,279 oder als ein historisierendes Schreiben, das jedoch fiktiven Cha­ rakter habe.280 Zudem wird 4QMMT gerade in der jüngeren Forschung nicht mehr so früh angesetzt, wie es früher üblich war.281 In jedem Fall spiegelt 4QMMT deutlich eine innerjüdische Auseinanderset­ zung über Gesetzesfragen wider, die vermutlich in der zweiten Hälfte des 2. Jh. v.Chr. zwischen verschiedenen jüdischen Kreisen stattfand. Dabei lässt eine nähere Untersuchung des Gesamtentwurfes von 4QMMT deutlich erkennen, dass die entsprechenden Gesetzesbestimmungen eine zentrale Funktion für das Selbstverständnis der hinter 4QMMT stehenden Verfassergruppe haben. Der Verfasserkreis von 4QMMT verwendet nämlich offenbar einen verschärf­ ten Entwurf von Gesetzesanordnungen zu dem Zweck, sich durch Abgrenzung 276  Vgl. Qimron/Strugnell, DJD 10, 114–117 mit 175–177; Werrett, Purity, 273: „a letter written to the Temple establishment by the founders of the nascent Qumran community outlining certain halakhic differences between their community and their Pharisaic opponents“. Anders Schwartz, MMT, 74–80, der die Pharisäer als Adressaten des Briefes sieht, die Priester hingegen als diejenigen, von denen sich 4QMMT abgrenze. 277  Zu generellen Anfragen an die Klassifizierung von 4QMMT als Brief vgl. Grabbe, 4QMMT, 90f. Anm. 5; Strugnell, Second Thoughts, 61–63.70–73, u.a. mit dem Argument, dass man ansonsten mit einer starken redaktionellen Bearbeitung rechnen müsse (vgl. auch ders., Appendix 3, 204f.); vgl. dazu auch Hempel, 4QMMT, 84; ausführlicher dies., Context. 278  So von Weissenberg, 4QMMT, 144–168.232f. (u.a. aufgrund der hohen Anzahl von Kopien des Textes). Dabei stehe die Struktur von 4QMMT dem Bundesformular (vgl. Dtn) nahe (105–143.218). 279  So Fraade, 4QMMT; so auch Reinhartz, Language, bes. 102–105. 280  So Grossman, 4QMMT (mit einer Diskussion der verschiedenen Möglichkeiten einer Gat­ tungszuordnung des Textes). 281  Während Qimron/Strugnell, DJD 10, 119–121, noch eine Entstehung zwischen 159–152 v.Chr. vorschlagen, verweist Stökl Ben Ezra, Qumran, 281, etwa auf die Zeit zwischen 110 oder 105 und 76 v.Chr. Grundlegend für eine Datierung in das 1. Jh. v.Chr. Collins, Community, 88–121, bes. 103–118.

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IIC Anordnungen zum Essen in hebräisch-aramäischen Texten

von anderen jüdischen Gruppen und deren unzureichender Einhaltung des Gesetzes als eine Gruppe darzustellen, die sich durch eine bessere Gesetzeser­ füllung als die Mehrheit des Volkes auszeichnet. 3.1.1.1 4QMMT – eine Gemeinschaft zwischen Kontakt mit und Absonderung von der Mehrheit des Volkes Die direkte Auseinandersetzung der hinter 4QMMT stehenden Gruppe mit einer anderen jüdischen Gruppe über Gesetzesfragen zeigt sich vor allem im zweiten Hauptteil des Schreibens. Insgesamt besteht 4QMMT aus drei Teilen: Auf einen ersten Teil (4QMMT A), in dem Kalenderfragen behandelt werden,282 folgt eine Darstellung der Position des Absenderkreises zu vorwiegend ritu­ ellen Regelungen (4QMMT B). Dabei definiert die hinter 4QMMT stehende Gruppe die von ihr befolgten Bestimmungen deutlich in Abgrenzung von an­ deren Praktiken, welche offenbar innerhalb der mit „sie“ bezeichneten Gruppe (sogenannte „they group“) verbreitet sind, vom Verfasserkreis von 4QMMT je­ doch scharf kritisiert werden. Diese Gegenüberstellung bringt die Gruppe von 4QMMT mehrfach durch den Gebrauch von Formen der 1. Person Plural zum Ausdruck.283 Im dritten Teil (4QMMT C) stellt der Verfasserkreis dann fest, dass er bzw. seine Gruppe sich von der Mehrheit des Volkes284 abgesondert hat, und verwendet in diesem Rahmen das Verbum ‫פרש‬:285 ‫הע[ם‬ ֗ ‫ש] ֗פ ֗רשנו מרו֗ ב‬ (C7). Damit distanziert sich die Verfassergruppe deutlich von der Mehrheit des Volkes und versteht sich stattdessen als eine eigene Gruppe, die im Vergleich zum Volk eine Minderheit darstellt. Zugleich nimmt sie für sich einen beson­ deren Status in Anspruch, wenn sie als Zweck dieser Abgrenzung angibt, nicht bei den vom Volk geübten Praktiken mitmischen286 und sich an ihnen nicht

282  Dieser Teil ist nur in einem der Manuskripte überliefert. Dabei gehört 4Q394 1–2 i–v 1–18 wohl nicht dazu (vgl. das andere Format), während 4Q394 3–7 i 1–3 als Ende eines (an­ deren) Kalenderabschnitts wenigstens zu Handschrift a gehört. Vgl. die Diskussion bei Weissenberg, 4QMMT, 33–37.129–133.230. 283  Zum Gebrauch von „wir“ in Verbindung mit Überzeugungen der Verfassergruppe vgl. 4QMMT B1.29.37.42.55.65; C10. 284  So die von Qimron/Strugnell, DJD 10, 58, vorgeschlagene und zumeist vertretene Rekon­ s­truktion. Die genaue Bedeutung ist jedoch unklar, da das Bezugswort nicht vollständig erhalten ist. So plädiert Bar-Asher Siegal, Who Separated, für die Lesart ‫הע]מים‬ ֗ und inter­ pretiert im Sinne einer Absonderung von den Völkern. 285  Vgl. Clines, s.v. ‫ פרס‬I 4a: „separate (oneself)“ (im Original hervorgehoben). In der hebrä­ ischen Bibel findet sich der Gebrauch von ‫פרש‬/‫ פרס‬noch nicht im Sinne von „sich abson­ dern“, aber dann im Mischna-Hebräisch (mAv 2,4). 286  Vgl. Clines, s.v. ‫ ערב‬3: „be involved with, meddle in“ (im Original hervorgehoben).

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beteiligen zu wollen: ‫אלה‬ ֗ 288‫לגב‬ ֗ ]‫ ֗ע[מהם‬287‫ומלבוא‬ ֗ ‫האלה‬ ֗ ‫[ו]מהתערב בדברים‬ ֗ (C8). Aus der nach Ansicht von 4QMMT von den Übrigen nicht richtig geübten Gesetzespraxis zieht die hinter 4QMMT stehende demzufolge die Konsequenz, sich selbst abzusondern, um nicht von den bei der Mehrheit verbreiteten Praktiken betroffen zu sein. Dabei definieren sich die Verfasser positiv als sol­ che, bei denen Untreue,289 Falschheit290 und Bosheit291 fehlen:292 ‫ו֗ ֗אתם י[ודעים‬ ‫ורעה‬ ֗ ‫ [י] ֗מצא בידנו מעל ושקר‬/ ]‫( שלוא‬C8–9). Die Masse des Volkes wird hingegen mit Unreinheit in Verbindung gebracht:293 Der Gedanke, dass im Volk verunreinigende Praktiken stattfinden, lässt sich klar aus der in 4QMMT B75–82 formulierten Kritik erkennen, da in deren Rahmen der Terminus ‫ עם‬eindeutig mit Bezug auf die negativ be­ werteten Gegner gebraucht wird:294 Dabei stellt der Verfasser im Einzel­ nen fest, dass im Volk verbotene sexuelle Verbindungen stattge­funden haben: ‫( ועל הזונות הנעסה בתוך העם‬B75). Durch diese Vereinigungen werde aber der heilige Same Israels verunreinigt ([ ‫]והם ] ֗מתוככים ומטמאי֗ [ם‬ ]… ‫זרע[ הקודש‬ ֗ ‫ )את‬und der Same jedes einzelnen Israeliten (B81–82). Umstritten ist, zwischen wem diese ungesetzlichen Verbindungen genau bestehen. Dabei handelt es sich Qimron zufolge – auf der Basis sei­ ner Rekonstruktion von 4QMMT B80 im Sinne eines Rekurses auf eine Vermischung von Priestern und Laien – um Eheverbindungen zwischen

287  Die Verbindung ‫( ביא עם‬vgl. 4QMMT B65, vgl. auch B68 mit ‫ )לבית‬steht parallel zum vo­ rangehenden ‫ התערב‬und meint „vermischen“, vgl. Qimron/Strugnell, DJD 10, 54.58. 288  Die Bedeutung dieser Präposition ist unklar, vgl. Qimron/Strugnell, DJD 10, 98. Zum ähn­ lichen Gebrauch in rabbinischer Literatur vgl. Qimron, Halakha, 134. 289  Zu ‫( מעל‬s. auch 4QMMT C4) vgl. Köhler/Baumgartner, s.v. ‫ ָמ ַעל‬I 1: „Pflichtwidrigkeit, Untreue ([…] immer gegen Gott)“ (im Original hervorgehoben), Gesenius, s.v.: „Untreue, Treubruch, Abfall“. Zur Untreue gegen das Gesetz vgl. z.B. CD-A 9,16f. 290  Zum Gebrauch von ‫ ֶׁש ֶקר‬zur Kennzeichnung des ganzen Verhaltens vgl. die Stellen bei Clines, s.v.: „general conduct, or as a general principle“, zum Teil in Verbindung mit ande­ ren Negativbegriffen: Jes 57,4; Ps 7,15; 1QS 4,9; 4Q169 3–4 ii 2; 1QpHab 10,10; 11Q5 22,6. 291  Zu ‫ ָר ָעה‬vgl. 4QMMT C29; vgl. Clines, s.v. 1: „(ethical) evil, evil deed, wickedness, wicked act“; zu Verbindungen mit anderen Negativbegriffen vgl. Jes 13,11; Hos 7,1; Hiob 22,5; Hos 7,3; Jer 2,19. 292  Zur Wendung „in unseren Händen gefunden werden“ vgl. neben „finden“ (1 Sam 25,28; 1 Kön 1,52) auch 1 Sam 24,12 („ist in meiner Hand“). 293  Vgl. dazu, dass Qimron/Strugnell, DJD 10, 58, die Lücke am Ende von 4QMMT C7 der­ gestalt rekonstruieren, dass die Absonderung vom Volk als eine Trennung von dessen Unreinheit qualifiziert wird: ]‫הע[ם ומכול טמאתם‬ ֗ ‫ש] ֗פ ֗רשנו מרו֗ ב‬. 294  Vgl. dagegen den Gebrauch von ‫ עם‬mit Bezug auf die insgesamt positiver bewertete Adressaten-Gruppe „dich und dein Volk“ in 4QMMT C27.

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Israeliten.295 Baumgarten und anderen zufolge kritisiert diese Passage hingegen verbotene Ehen zwischen Juden und Heiden.296 In 4QMMT C7–9 zeigen sich somit deutlich das Bewusstsein und der Anspruch, eine eigene Gruppe zu bilden, die anderen jüdischen Gruppen überlegen ist. Eine solche Selbstdefinition als Elite kann zwar im Extremfall zu „sektenhaf­ ter Abschottung“ führen, ist jedoch nicht gleichbedeutend damit.297 Sie gilt in keinem Fall für 4QMMT.298 Auffällig sind an dieser nach außen gerichte­ ten Schrift nämlich gerade der offene Ton und das Fehlen von Polemik,299 worin sie sich deutlich von der Darstellung von Nichtmitgliedern in anderen Qumranschriften unterscheidet.300 Die Verfassergruppe von 4QMMT sucht mit den mit „ihr“ angeredeten Adressaten ausdrücklich das Gespräch, ver­ sucht sie von der eigenen Position zu überzeugen und hält es grundsätzlich für möglich, dass diese zur Einsicht kommen, d.h. aber sich der Auffassung anschließen, die innerhalb des Schreibens dargelegt wird. So vertritt sie zwar offensichtlich die Auffassung, dass den Adressaten das richtige Verständnis des Gesetzes und die richtige Gesetzespraxis momentan noch fehlen, wenn in 4QMMT C10 als Ziel des Schreibens angegeben wird, dass die Adressaten das Buch des Mose sowie die Bücher der Propheten und Davids verstehen301 295  Vgl. Qimron, Halakha, 171–175 (vgl. Qimron/Strugnell, DJD 10, 94); so auch Harrington, Holiness, 122. 296  Vgl. Baumgarten, Halakha, 515. Aufgenommen von Werrett, Purity, 203.207. Vgl. dazu auch Hayes, Intermarriage, 27–29, die 4QMMT in der Linie der u.a. in Esra und im Jubiläenbuch belegten Tradition deutet, dass Ehen mit Heiden zu einer Entweihung bzw. Verunreinigung des heiligen Samens Israels führen. Gegen eine Beschränkung des Ausdrucks ‫ בתוך העם‬auf das von Qimron vertretene Verständnis im Sinne von „marriages between Israelites“ auch Kugler, Strategies, 136. 297  Diese Differenz zwischen einem elitären Anspruch und sektenhafter Abschottung betont z.B. Maier, Purity, 108.112. 298  Gegen eine weit verbreitete Deutung von 4QMMT C7 im Sinne einer vollständigen sekten­ haften Abtrennung der Gemeinschaft vgl. vor allem von Weissenberg, 4QMMT, 202f., im Anschluss an Hempel; vgl. auch Davies, Judaism(s), 41; Baumgarten, Legal Dispute, bes. 305.309. 299  Vgl. dazu ausführlich Hempel, Context. 300  Vgl. dazu den Gebrauch von ‫ עם‬für die Außenstehenden in 4QMMT im Gegensatz zu deren Bezeichnung als „Söhne der Dunkelheit“ (vor allem 1QS 1,10; 3,21) im Gegensatz zu den „Söhnen des Lichtes“ (1QS 1,9; 2,16; 3,13.20.24f.) oder den „Männern der Heiligkeit“ (1QS 5,13.18; 8,17.20.23). Vgl. dazu auch die Gegenüberstellung zwischen dem histo­ rischen und wahren Israel in der Damaskusschrift. Zur besonderen Darstellung der Außenstehenden in 4QMMT vgl. auch Qimron/Strugnell, DJD 10, 113. 301  Zur Verbindung von ‫ בין ב‬vgl. Neh 8,8; Dan 9,2, hier im Hifil; Clines, s.v. Qal (mit Präposition): „introducing object or (understand) about“ (143, Hervorhebung im Original).

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(‫)]כתב]נ֗ ו אליכה שתבין בספר מו֗ ֗ש ֗ה[ ו]בספר[י הנ] ֗ביאים ובדוי֗ [ד‬. In 4QMMT C26–32 wendet sich die Verfassergruppe dann jedoch erneut direkt an die Adressaten und fordert sie dazu auf, ihre Position noch einmal zu überdenken, schreibt ihnen in diesem Zusammenhang ausdrücklich Einsicht302 und Kenntnis303 des Gesetzes (‫ עמך ערמה ומדע תורה‬in C28) zu. Der für 4QMMT durchaus erkennbare Exklusivitätsanspruch auf die rich­ tige Auslegung des Gesetzes bedeutet demzufolge nicht, dass sich die hin­ ter 4QMMT stehende Gruppe gänzlich abschottet und von Außenstehenden zurückzieht. Damit ist auch das Verbum ‫ פרש‬in 4QMMT nicht im Sinne einer sektenhaften Abschottung, sondern eher in einem neutralen Sinne zu verstehen,304 zumal 4QMMT mit diesem Terminus gerade von dem für die Schriften aus Qumran ansonsten üblichen Sprachgebrauch für Abgrenzung abweicht.305 4QMMT zeigt demzufolge aber deutlich, dass die Gemeinschaft von Qumran am Anfang ihres Bestehens ihre Gesetzesauslegung an ganz Israel richtete und versuchte, Außenstehende, „dich und dein Volk Israel“, für ihre Gesetzesauslegung zu gewinnen.306 3.1.1.2

Das Verbot von heiliger Speise für Blinde und Taube zur Vermeidung von Vermischungen Unter den von 4QMMT eingeforderten Gesetzesbestimmungen finden sich – abgesehen von den dominierenden Anordnungen zu Opfern und den Regeln zu Eheschließungen – auch solche, die den Komplex des Essens und spezi­ ell den Zustand betreffen, in dem heilige Speise gegessen werden darf. Dabei ist der Gedanke, dass der Zugang zum Heiligen an einen besonderen Zustand der Person gebunden ist, beispielsweise in 4QMMT B49–54 in Gestalt einer Anordnung für Blinde und Taube überliefert. Einschränkungen für Blinde sind

Qimron/Strugnell, DJD 10, 59.89, verstehen diese Verbindung als „careful study of a writ­ ten text“. 302  Der Terminus ‫ ָע ְר ָמה‬bezeichnet eine Klugheit, die sich positiv oder negativ auswirken kann (s. Köhler/Baumgartner, s.v.); zur positiven Bedeutung in 4QMMT C28 vgl. auch Qimron/Strugnell, DJD 10, 86. 303  Das Nomen ‫ ַמ ָּדע‬ist aramäisches Synonym zum hebräischen ‫( ַּד ַעת‬Qimron/Strugnell, DJD 10, 92); zu weiteren Belegen vgl. Clines, s.v. 304  Ein neutrales oder sogar positives Verständnis von ‫ פרש מן‬in 4QMMT schlagen auch Qimron/Strugnell, DJD 10, 111, vor. 305  Für die Abgrenzung der Gemeinschaft von Qumran wird sonst ‫ סור מן‬gebraucht (so z.B. ‫ סור מדרך העם‬in CD-A 8,16; CD-B 19,29). Vgl. dazu auch Qimron/Strugnell, DJD 10, 99.111. 306  Vgl. Klawans, Impurity and Sin, 159: Sowohl die Tempelrolle als auch 4QMMT stammten aus einer Zeit, „before the sect fully emerged as a distinct entity“.

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in den Schriften aus Qumran insgesamt häufiger belegt.307 Im Vergleich zu anderen Belegen308 fällt in Hinsicht auf 4QMMT B49–54 auf, dass Blinde und Taube innerhalb dieses Schreibens nicht etwa – aufgrund einer Bewertung ihrer Behinderung als Krankheit – wie andere Kranke als per se rituell unrein angesehen werden. Vielmehr stellt der Verfasser von 4QMMT besonders heraus, dass Blinde und Taube durch ihre körperlichen Einschränkungen das Gesetz und damit auch die zentralen Gesetze der Reinheit nicht kennen bzw. einhal­ ten können.309 So werden die Blinden 4QMMT zufolge aufgrund ihrer fehlen­ den Wahrnehmungsmöglichkeiten nicht vor allen Vermischungen (‫)תערובת‬310 gewarnt (B49–50).311 Der Taube hingegen hat die Gesetze Israels und insbe­ sondere die Reinheitsgebote312 nicht gehört (B53) und weiß daher nicht, wie er entsprechend diesen Weisungen zu handeln hat (B54). Die dem Blinden ab­ gesprochene Fähigkeit, Vermischungen strikt zu vermeiden, führt jedoch zu Unreinheit, wie innerhalb von 4QMMT selbst im Kontext von Eheregelungen ausdrücklich festgestellt wird: Der innerhalb der Näherbestimmung des Blinden gebrauchte Terminus

‫ תערובת‬fällt an diesem Schreiben besonders auf.313 Er ist wie das

307  Vgl. 1QSa 2,3–10: Behinderte sind vom Rat der Gemeinschaft ausgeschlossen; 1QM 7,4f.: Blinde und Lahme sind vom eschatologischen Kampf ausgeschlossen; 4Q266 8 i 6–9 (vgl. CD-A 15,15–17); 11Q19 45,12–14. Näheres bei Shemesh, Angels. 308  Vgl. dazu 11Q19 45,12–14: Blinde sollen aus der Stadt ausgeschlossen werden, damit sie diese nicht verunreinigen (‫)לוא יטמאו את העיר‬, denn Jahwe wohne unter den Söhnen Israels für immer und ewig. Yadin zufolge werden in dieser Anordnung zwar nur Blinde erwähnt, doch bezieht sie sich auch auf andere Menschen mit Behinderungen (Temple Scroll I, 289–291; II, 193); vgl. auch Schiffman, Exclusion, 309f. 309  Zur Betonung dieses eher rationalen Grundes vgl. Qimron, Halakha, 160f., der eine solche Begründung selbst für 11Q19 45,12–14 für möglich hält; Maier, Purity, 104; Olyan, Disability, 106; White Crawford, Temple Scroll, 80; Loader, Dead Sea Scrolls, 64; Lawrence, Washing, 131; vor allem Dorman, Body, 209f.: „the problem is not their possessing a physical defect, but more the fact that this defect causes functional problems. It is the fear that due to a blind or deaf person’s functional limits they cannot act in accordance to the proscriptions that safeguard the sanctuary in some way.“ 310  Vgl. Clines, s.v. ‫ ַּת ֲער ֶֹבת‬: „mixture, mixing, (inter)mingling“ (im Original hervorgehoben). 311  Nach 4QMMT B51 können sie beispielsweise nicht die Vermischungen vom Schuldopfer sehen (so die Rekonstruktion und Interpretation von 4QMMT B51 bei Qimron/Strugnell, DJD 10, 52). 312  Zu ‫ טהרה‬im Sinne von „purity regulation“ vgl. Qimron, Halakha, 140; vgl. Clines, s.v. ‫ָט ֳה ָרה‬ 1; zu einer ähnlichen Zusammenstellung vgl. 1QS 6,22. 313  Vgl. dazu, dass sich der Begriff ‫רֹובת‬ ֶ ‫ ַּת ֲע‬abgesehen von 4QMMT B48.50 nur in 11Q19 45,7; 50,2 findet.

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entsprechende Verbum ‫ערב‬314 innerhalb von 4QMMT auch im Rahmen des Verbots von bestimmten Eheverbindungen belegt (vgl. B48). Dabei zeigt der entsprechende Kontext deutlich, dass die Vermeidung von Vermischungen315 der strikten Trennung zwischen rein bzw. heilig und unrein dient.316 Die Ablehnung von verbotenen Eheverbindungen wird nämlich mit der Heiligkeit begründet.317 Mischungen haben hingegen einen verunreinigenden Effekt (B81–82, vor allem ‫זרע‬ ֗ ‫ומטמאי֗ [ם ]את‬ ‫)]הקודש‬. 4QMMT zufolge sind Blinde und Taube somit aus dem Grund unrein, weil sie die Vorschriften zur Reinheit entweder nicht praktisch umsetzen können (Blinde) oder diese unzureichend vernommen haben (Taube). Sind sie damit aber eine Gefahr für das Heilige, so ist ihnen den Verfassern von 4QMMT zufolge offenbar der Zugang zur „Reinheit des Heiligtums“ zu verwehren. Dabei wird in 4QMMT B54 festgestellt: „Sie haben Zugang318 zur Reinheit des Heiligtums“ (‫באי֗ ֗ם‬ ֗ ‫והמה‬ ‫)לטה[ר] ֗ת ֗המקדש‬.319 Diese Wendung ist jedoch vermutlich als Wiedergabe einer bei den Gegnern verbreiteten und von 4QMMT kritisierten Praxis320 und

314  So die Rekonstruktion für 4QMMT B80 durch Qimron/Strugnell, DJD 10, 56. Vgl. dazu Clines, s.v. ‫ ערב‬1: „associate with, mix oneself with, intermingle“. 315  Die Abneigung gegenüber Vermischungen ist offenbar ein generell verbreitetes Anliegen. Die Forderung nach einer strikten Vermeidung von verbotenen Eheverbindungen wird nämlich in 4QMMT B76–82 an drei Beispielen veranschaulicht, die jeweils das Interesse erkennen lassen, Dinge, die nicht zusammengehören, getrennt zu halten: Ein reines Tier soll nicht mit einer anderen Art gekreuzt werden (‫)כלאים‬, Kleider sollen nicht aus ge­ mischten Stoffen bestehen, ein Feld oder Weinberg nicht mit zwei Arten bepflanzt wer­ den (vgl. Lev 19,19; Dtn 22,9.11). 316  Zur Forderung nach einer Unterscheidung zwischen heilig und unheilig sowie unrein und rein vgl. bes. Lev 10,10 (‫וּבין ַה ָטּהֹור‬ ֵ ‫וּבין ַה ָטּ ֵמא‬ ֵ ‫וּבין ַהחֹל‬ ֵ ‫וּל ַה ְב ִדּיל ֵבּין ַהקּ ֶֹדשׁ‬ ֲ ); vgl. auch Lev 11,47; 20,25, dann u.a. CD-A 6,17f.; 12,19f. 317  Vgl. 4QMMT B79: ]‫[ב]גלל שהמה קדושים ובני אהרון ק[דושי קדושים‬, vgl. dazu auch die besondere Betonung der Heiligkeit Israels im Kontext, so B76: ‫קודש ישראל‬. 318  Qimron/Strugnell, DJD 10, 88f., verstehen den Ausdruck ‫ בוא ל‬parallel zu ‫( נגש ל‬B23) im Sinne von „have access to, be admitted“. 319  Vgl. dazu die Wiedergabe von 4QMMT B54 bei Qimron/Strugnell, DJD 10, 53: „nevertheless they have access to the sacred food“; Dombrowski, Translation, 11: „while they come to the purity of the sanctuary“; García Martínez/Tigchelaar, Dead Sea Scrolls II, 797: „But these are approaching the purity of the temple“. 320  Vgl. dazu den Gebrauch des Partizips Plural ‫ באים‬in 4QMMT B54 (4Q396 1–2 ii 6). Qimron/ Strugnell, DJD 10, 80, zufolge dient das Partizip Plural zumeist zur Wiedergabe der von 4QMMT kritisierten Praxis der Gegner (vgl. auch 135). Zu einem Verständnis als abgelehn­ te Praxis vgl. Harrington, Holiness, 123; Olyan, Disability, 106; White Crawford, Temple Scroll, 80.

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nicht als von 4QMMT selbst vertretene Position zu verstehen.321 In einem sol­ chen Fall widerspricht 4QMMT B54 der in Lev 21,21–23 für Priester belegten Anordnung. Der Aussage von Lev 21,17–23 zufolge darf ein Priester mit einem Fehler nämlich zwar nicht selbst Opfer darbringen oder sich dem Vorhang und dem Altar nähern, aber durchaus von den Opfern, und zwar vom Heiligen und Hochheiligen, essen (21,21f.).322 Genau dieser Komplex des Essens wird aber offenbar in 4QMMT B54 mit dem Ausdruck ‫ טהרת המקדש‬aktualisiert: Die Verbindung ‫ טהרת המקדש‬findet sich abgesehen von 4QMMT B54 in 11Q19 47,17 in einem Kontext, der deutlicher als 4QMMT B54 den Zusammenhang des Essens erkennen lässt. Der Text in 11Q19 47,17f. for­ dert, dass die „Reinheit des Heiligtums“ ausschließlich in Häuten von Tieren in die Tempelstadt gebracht wird, die im Tempel geschlachtet wurden. Mit dieser Bestimmung bilanziert der Verfasser die zuvor in 11Q19 47 mehrfach ausführlicher geschilderten Anordnungen (vgl. vor allem 47,6f.12f.; s.o. 1.2) und verweist in diesem Zusammenhang mit dem Ausdruck ‫ טהרת המקדש‬zusammenfassend auf die dort im Einzelnen auf­ geführten Flüssigkeiten und Nahrungsmittel.323 Bei diesen handelt es sich um „Wein, Öl, jede Speise und jedes ‫“מושקה‬324 (‫ײן ושמן וכול אוכל וכול‬ ‫מושקה‬, 47,6f.). Zugleich wird im Umfeld dieser Anordnung mehrfach die Heiligkeit der ganzen Tempelstadt betont.325 In diesem Rahmen bezieht sich der Ausdruck „Reinheit des Heiligtums“ (‫ )טהרת המקדש‬spezieller auf Speisen und Getränke, die in den Tempel gebracht werden,326 und 321  Gegen die Forscher, welche die den Blinden und Tauben betreffende Anordnung zwar im Sinne eines Ausschlusses aus dem Tempel, aber mit der Erlaubnis zum Essen des Heiligen verstehen, vgl. dazu die Übersetzung von Wise/Abegg/Cook, Scrolls, 458: „They may, how­ ever, participate in the pure food of the sanctuary.“ Lawrence, Washing, 131, folgt dieser Übersetzung und vertritt daher die Auffassung, dass 4QMMT im Einklang mit Lev 21,22 steht. 322  Zu einem solchen Ausschluss von Priestern mit einer Beeinträchtigung vom Opferdienst, aber einer Erlaubnis, von den heiligen Speisen zu essen, vgl. auch Jos. Ant. 3,278f.; mZev 12,1; mMen 13,10. Zum Ausschluss von Blinden und Lahmen aus dem Heiligtum vgl. 2 Sam 5,8. 323  Vgl. Yadin, Temple Scroll II, 205; I, 311. 324  Für ‫ מושקה‬wird zumeist vor dem Hintergrund einer Deutung als Äquivalent zu ‫ משקה‬ein Verständnis im Sinne von „Flüssigkeit/Getränk“ vorgeschlagen. Dem widerspricht Yadin und plädiert auf der Basis von 11Q19 47,7; 49,7.9 für eine Paraphrase mit „foodstuff on which liquids are poured“ (Temple Scroll II, 203; vgl. I, 416; s.u. 3.4). 325  Zur Bewertung der ganzen Tempelstadt als heilig und rein vgl. 11Q19 47,3–6.10f.17f.; vgl. auch 45,13f. 326  Vgl. dazu Yadin, Temple Scroll II, 205: „Everything sent to the Temple is intended, as spe­ cified in ll. 6–7 and 12–13“; ausführlicher ders., Temple Scroll I, 308–311, bes. 311.

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bezeichnet demzufolge heilige Speisen und Getränke. Damit entspricht er in seiner Bedeutung dem Terminus ‫( קודשים‬B71) und der Wendung ‫טהרת‬ ‫( הקודש‬B65.68), welche ebenfalls zur Bezeichnung von Opfergaben ge­ braucht werden.327 In 4QMMT B54 wird es somit abgelehnt, dass Blinde und Taube Zugang zu hei­ ligem Essen haben. Dabei legt es der Anklang an Lev 21,21f. nahe, dass es sich bei den Blinden und Tauben um Priester handelt.328 Das Verbot von heiliger Speise für einen geheilten Aussätzigen 3.1.1.3 Das Verbot des Genusses von heiliger Speise wird expressis verbis im Rahmen einer Anordnung für einen geheilten Aussätzigen aufgerufen. Dort wird das Verbum ‫ אכל‬nämlich ausdrücklich in Verbindung mit ‫ קודשים‬gebraucht.329 Dabei hat die entsprechende Bestimmung ihre nächste Parallele in dem in Lev 22,4 belegten Verbot, dem zufolge Priester keine heiligen Opfergaben essen sollen, während sie selbst unrein sind. In 4QMMT finden sich jedoch keine konkreten Angaben darüber, ob die Verfassergruppe dieses Schreibens diese Anordnung auf Priester begrenzt oder ebenso Laien im Blick hat.330 Im Einzelnen insistiert 4QMMT B64–72 darauf, dass Aussätzige, die zwar geheilt sind, sich aber noch im sieben Tage dauernden Reinigungs­prozess befinden, nicht in Kontakt mit einem Ort kommen sollen, der „Reinheit der Heiligkeit“ (‫;טהרת הקודש‬331 vgl. 2 Chr 30,19) enthält: ‫[… שלוא י]בואו עם טהרת‬ ]…[ ]‫הק ֗וד[ש‬ ֗ (B65). Stattdessen sollen sie weiterhin in gewisser Hinsicht 327  Zur Deutung von 4QMMT B54 als Rekurs auf heiliges Essen vgl. vor allem Qimron, Halakha, 138 (mit Betonung der Synonymität zu ‫ ;)קודשים‬Harrington, Holiness, 123; Olyan, Restrictions, 39 Anm. 3; ders., Disability, 106. Dagegen plädiert Dorman, Body, 204f., für ein offeneres Verständnis im Sinne von „heilige Objekte“, welche heiliges Essen einschließen können. 328  Vgl. Olyan, Disability, 161 Anm. 13. Auch Dorman, Body, 213f., sieht Priester hinter den Blinden und Tauben, leitet dies aber nicht aus der Betonung des heiligen Essens, sondern aus den im Kontext erwähnten Einschränkungen der Blinden und Tauben her, welche eine unzureichende Erfüllung der gerade von Priestern zu leistenden rituellen Akte mit sich bringen. Zu einem Bezug auf Priester vgl. auch Lawrence, Washing, 131.247. Dagegen vertritt Harrington, Holiness, 123, die Auffassung, „the author of MMT is concerned that Jews of any status, because of their lack of vision and hearing, might accidentally defile holy offerings“. 329  Diese Anordnung zum geheilten Aussätzigen ist gut überliefert, vgl. 4Q396 1–2 iii 4b–11; 1–2 iv 1/4Q397 6–13,6–10/4Q394 8 iv 14b–16. 330  Gegen eine Begrenzung auf Priester z.B. Lawrence, Washing, 94.247. 331  Die Schreibweise ‫ טהרה‬steht wie im Mischna-Hebräisch für die Form ‫ ָט ֳה ָרה‬. Daneben findet sich die Schreibweise ‫( טוהרה‬vgl. 1QS 6,22; 4Q266 6 ii 11; 4Q525 5,5), vgl. Qimron, Hebrew, 17.100.

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abgesondert und isoliert bleiben. Mit dieser Auffassung widerspricht die hinter 4QMMT stehende Gruppe offenbar einer andauernden Praxis der geg­ nerischen Gruppe. In B67–68 stellen sie nämlich fest, dass sich Aussätzige, während sie noch unrein sind, einem Haus nähern würden, das die „Reinheit der Heiligkeit“ enthält (‫ [הצרועים באים ע] ֗ם ֗טהרת‬/ ‫[…] ועתה בהיות טמאתם ֗עמהם‬ ]…[ ‫) ֗הקודש לבית‬.332 Damit verstößt man jedoch nach Sicht der hinter 4QMMT stehenden Verfassergruppe gegen Gottes Gebote. Übertritt man die gesetzli­ che Anordnung zur Absonderung von noch nicht gereinigten Aussätzigen wissentlich, so wird man dadurch nämlich nach B70 zu einem, der (Gott) geringschätzt333 und lästert334 (‫ומג[ד]ף‬ ֗ ‫)שהואה בוזה‬.335 Der Grund für die geforderte Absonderung des ehemals Aussätzigen be­ steht offensichtlich darin, dass ein bereits geheilter Aussätziger während der mehrtägigen Reinigungsphase immer noch unrein ist und daher die „Reinheit der Heiligkeit“ verunreinigen würde.336 Das Essen von heiliger Speise setzt demzufolge ein höchstes Maß an Reinheit voraus und ist deswegen zwar ge­ heilten, aber noch unreinen Aussätzigen erst nach Abschluss der Reinigung 332  Zu einem solchen Verständnis als Rekurs auf die Praxis der Gegner vgl. Qimron/Strugnell, DJD 10, 55, auf der Basis einer Rekonstruktion unter Verwendung des Partizips Plural ‫ באים‬in B68 (4Q396 1–2 iii 8), welches Qimron/Strugnell, DJD 10, 80.135, zufolge zumeist zur Wiedergabe der von 4QMMT kritisierten Praxis der Gegner dient. Zum Bezug dieser Wendung auf eine gegnerische Praxis vgl. auch Qimron, Halakha, 169; Werrett, Purity, 184.186.203; so nun auch Wise/Abegg/Cook, Dead Sea Scrolls, 469; anders hingegen in der Ausgabe von 1996, in der sie die sachlich jedoch gleichbedeutende Wiedergabe wählen: „le[pers must not enter]“ (362). 333  Zu ‫ בזה‬Qal im Sinne von „geringschätzen, verachten“ vgl. Köhler/Baumgartner, s.v.; vgl. auch Gesenius, s.v.; Clines, s.v.: „despise“, mit Gott als Objekt: 1 Sam 2,30; 2 Sam 12,9f.; Koh 14,2. 334  Zu ‫ גדף‬Piel vgl. Köhler/Baumgartner, s.v.: „schmähen […], (Gott) lästern“ (im Original her­ vorgehoben); Gesenius, s.v.: „höhnen, lästern“; Clines, s.v.: „revile“; mit Gott als Objekt in Num 15,30; 2 Kön 19,6; Jes 37,6; Ez 20,27; Sir 48,18. Zum Gebrauch in den Schriften aus Qumran generell vgl. CD-A 12,8; 1QpHab 10,13; 4Q371a–b 12; 4Q372 1,13. 335  Zur Rekonstruktion von 4QMMT B68–70 auf der Grundlage von Num 15,27–31 vgl. Qimron/Strugnell, DJD 10, 54f.; Qimron, Halakha, 169. Deutlich ist die Bezeichnung „Gott Geringschätzende und Gotteslästerer“ für solche, bei denen die von 4QMMT abgelehnten Praktiken in Gebrauch sind. Sie kann sich im Einzelnen entweder auf die gegnerische Gruppe beziehen, die noch nicht endgültig gereinigten Aussätzigen den Zugang zu hei­ ligem Essen erlaubt (so Qimron, Halakha, 169), oder auf den einzelnen Aussätzigen, der während seiner Reinigungsphase in ein Haus geht, das heilige Speise enthält (so Werrett, Purity, 186.203). 336  Vgl. dazu auch die Interpretation dieser Anordnung bei Regev, Temple, 248: „People af­ flicted by skin-disease should stay away from the ‚purity of the holiness‘ (‫)טהרת הקודש‬. They must not defile the sacred (such as heave offerings), even when it is not situated in the Temple.“

3 Rituelle Reinheitsvorschriften

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erlaubt. Dementsprechend wird Folgendes festgelegt: „Während sie noch die Unreinheit des Aussatzes an sich haben, soll man sie nicht vom Heiligen essen lassen337 (‫ )[ואף בהיות להמה טמאות נגע] אין להאכילם מהקו[ד]שים‬bis zum Sonnenuntergang des achten Tages“ (B71–72). Bei der als ‫ קודשים‬bezeichneten Speise handelt es sich um Opfergaben, d.h. um Speise, die auf dem Altar darge­ bracht wurde und dadurch geheiligt war.338 Diese Betonung der Heiligkeit der Speise in 4QMMT B71 legt auch für die zuvor in B65.68 gebrauchte Wendung ‫ טהרת הקודש‬ein Verständnis mit Bezug auf heilige Speise nahe.339 Abgesehen von diesem kontextuellen Indiz lassen sich für eine solche Deutung weitere Gründe anführen: Der Ausdruck ‫ טהרת הקודש‬findet sich nicht nur in der späteren rabbini­ schen Literatur mit Bezug auf heilige Speisen,340 sondern auch in den Texten vom Toten Meer in 4Q513 (4QOrdb) 2 ii 1 mit der Wendung ‫להגי֗ עם‬ ‫בטהרת [הקו] ֗דש כיא טמאי֗ ֗ם[ המה‬.341 Dieser Text ist zwar insgesamt nur fragmentarisch überliefert, doch lässt sich als Begründung der Gedanke der Unreinheit erkennen (‫)טמאי֗ ֗ם‬. Diese Unreinen sollen offenbar das heilige Essen nicht berühren.342 So deutet der dortige Gebrauch von ‫ בטהרת הקודש‬in Verbindung mit dem Verbum ‫ נגע‬für den Ausdruck ‫טהרת‬ ‫ הקודש‬selbst auf ein Verständnis im Sinne von „Speise“ hin. Das Verbum ‫ נגע‬wird in den Schriften aus Qumran nämlich mehrfach in Verbindung mit ähnlichen Wendungen gebraucht, welche zumeist als Rekurs auf das Essen der Gemeinschaft verstanden werden. Sie bestehen – abgesehen von der Wendung „Reinheit der Heiligkeit“ – aus dem bloßen ‫ טהרה‬oder aus den Formulierungen „Reinheit der Männer der Heiligkeit“ (‫טהרת‬ ‫ )אנשי הקודש‬bzw. „Reinheit der Vielen“ (‫( )טהרת הרבים‬s.o. 2.2.1). 337  Die Verbindung von ‫ אין‬mit Infinitiv ist in einem prohibitiven Sinne zu verstehen (Qimron/Strugnell, DJD 10, 80), der Gebrauch von ‫ אכל‬im Hifil ist im Sinne von „let some­ one eat of the sacred food“ aufzulösen (vgl. Qimron, Halakha, 142 mit 96f.). 338  Tiere werden durch die Übergabe an Jahwe heilig (vgl. Lev 27,9). Zum Verständnis in 4QMMT vgl. Qimron/Strugnell, DJD 10, 55.138; Harrington, Holiness, 123. 339  Vgl. Qimron, Halakha, 142; so auch vorgeschlagen für 4QMMT B23.65.68 durch Clines, s.v. ‫ ָט ֳה ָרה‬4: „pure food, i.e. the meals of the elect“ (im Original hervorgehoben). 340  Vgl. Jastrow, Dictionary, 520: „observance of levitical rules originally prescribed for the handling of sacred food; also (mostly in pl.) secular food so prepared or pretended to be so prepared“ (Hervorhebung im Original). 341  Vgl. daneben auch, dass der Ausdruck ‫ לטהרת הקדש‬auf Scherben von Masada zu finden ist, die möglicherweise Gefäße waren, die reines Essen für Priester enthielten, so Yadin/ Naveh, Masada I, 34–39; Avemarie, Tohorat, 220.223. 342  Vgl. dazu den Gebrauch des Hifils zur Erteilung einer Erlaubnis, so Qimron/Strugnell, DJD 10, 96f.

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Mit der in 4QMMT B72 genannten Zeitangabe bestimmt der Verfasser des Textes offensichtlich den in Lev 14,1–32 nicht genau definierten Zeitpunkt, mit dem der Reinigungsprozess abgeschlossen und somit vollständige Reinheit hergestellt ist.343 Dabei ist die Reinigung 4QMMT zufolge erst am Abend des achten Tages nach Sonnenuntergang vollständig abgeschlossen. Damit fällt für 4QMMT sowohl gegenüber Lev 14 als auch im Vergleich zu rabbinischen Regelungen eine deutliche Verschärfung auf.344 Mit Lev 14 stimmt 4QMMT jedoch offenbar darin überein, dass der vom Aussatz Geheilte – anders als während seiner Krankheit345 – vermutlich wieder das Lager/die Stadt betreten darf,346 jedoch sieben Tage lang noch nicht sein Haus.347 Im Fokus der An­ ordnung zur Absonderung eines zwar geheilten, aber noch nicht gereinigten 343  Vgl. dazu das Nebeneinander von Aussagen, die von einer Reinigung des Aussätzigen sprechen, in Lev 14,7.8.9.20; Num 19,19, die sich als verschiedene Phasen verstehen lassen (so Qimron, Halakha, 166). 344  In Lev 14 findet sich zwar kein Rekurs auf heiliges Essen. Nach Lev 14,7.20 bringt der geheilte Aussätzige jedoch nach sieben Tagen der Reinigung am achten Tag sein Opfer dar und gilt von da an als vollständig vom Aussatz rein. In mNeg 14,3 wird dementspre­ chend einem Aussätzigen das Essen von heiliger Speise am achten Tag direkt nach der Darbringung des Opfers erlaubt, ohne Forderung, bis zum Sonnenuntergang zu warten (mHag 3,3 verlangt eine weitere Waschung). Zu dieser Tendenz der Verschärfung vgl. Qimron, Halakha, bes. 166f.169f., der für 11Q19 45,17f. eine Anordnung für den Aussätzigen rekonstruiert, in der zwischen reinem und heiligem Essen unterschieden werde. Letzteres könne der geheilte Aussätzige erst am achten Tag nach Sonnenuntergang essen, reines Essen dagegen offenbar früher, und zwar entweder am siebenten Tag oder am achten Tag nach der Darbringung des Opfers (so 168). Anders Himmelfarb, Impurity, 24f., die in 4QMMT B64–72 dennoch keine bewusste Polemik gegen eine weniger strenge Praxis sieht. 345  Der Aussätzige muss, bevor er geheilt ist, aus dem Lager ausgeschlossen werden (Lev 13,45f.; 14,3), um dieses nicht zu verunreinigen (vgl. Num 5,3). Josephus spricht anstelle einer Absonderung des Aussätzigen vom Lager von dessen Ausschluss aus der Stadt, d.h. aus Jerusalem (Ant. 3,261.264; Bell. 5,227; C. Ap. 1,282), offenbar damit ein solcher Ausschluss von Aussätzigen aus Jerusalem als eine zu seiner Zeit gängige Praxis erscheint (so Feldman, Judaean Antiquities, 308 Anm. 778). In C. Ap. 1,281 wird hingegen eine Absonderung von jeder Stadt und jedem Dorf erwähnt (zur Verschärfung der Isolation in C. Ap. 1,281 vgl. Barclay, Against Apion, 151 Anm. 952.955); so auch 11Q19 48,14–17 gegenüber 45,17f.; 46,16– 18 (Jerusalem), evtl. auch in 4Q274 1 i 0–4 (s.u. 3.2.2). Zum Ausschluss eines Aussätzigen aus der Stadt vgl. auch mKel 1,7. 346  Qimron, Halakha, 168f., bewertet 4Q396 1–2 iii 5b–6a nicht als ein bloßes Zitat von Lev 13,46, sondern rekonstruiert im Sinne einer Kritik an der Praxis der Gegner, und zwar an der von ihnen nicht unterbundenen Zulassung zu einem Haus. Zu weiteren Gründen für eine solche Rekonstruktion gegen die von Bernstein, Employment, 42–44, vorgeschla­ gene Deutung als Ausschluss aus der Stadt vgl. Werrett, Purity, 185f. 347  Auf der Grundlage eines für 4Q396 1–2 iii 6b–7a angenommenen Zitates aus Lev 14,8, wo­ nach der geheilte Aussätzige nach Rasur und Waschung das Lager wieder betreten darf, rekonstruieren Qimron/Strugnell im Sinne eines Ausschlusses aus dem Haus (DJD 10, 54).

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Aussätzigen steht nämlich offenbar weniger die Gefahr einer Verunreinigung des Lagers. Vielmehr zielt sie spezieller auf das Verbot des Genusses von hei­ liger Speise und damit auf die Abgrenzung eines Unreinen von einem Ort, an dem sich heilige Speise befindet, damit diese durch ihn nicht verunreinigt wird.348 Mit dem Sonnenuntergang am achten Tag ist der bislang Unreine je­ doch rein und hat damit Zugang zum Heiligen. 3.1.1.4

Das Verbot des Zugangs zur „Reinheit der Heiligkeit“ für den rituell Unreinen In 4QMMT B23 findet sich eine weitere Anordnung, die offenbar wie 4QMMT B65 festlegt, dass einem rituell Unreinen der Zugang zu heiliger Speise un­ tersagt ist. Der Text ist nur äußerst fragmentarisch überliefert, sodass in der Rekonstruktion des genauen Wortlautes manche Unsicherheit bleibt. Deutlich ist, dass im Zentrum dieser Vorschrift ein Mensch steht, der die Haut des Kadavers eines reinen Tieres trägt.349 Für ihn findet sich in einer der beiden Handschriften, die diese Bestimmung überliefert,350 die folgen­ de Buchstabenreihe ‫( ֗גש לטהרת ֗ה‬4Q398 1–3,2). Sie wird bisweilen zu einer Formulierung ergänzt, mit der einem solchen Menschen eine Zulassung zur „Reinheit der Heiligkeit“ (vgl. B65.68), d.h. zu heiliger Speise, verboten wird: [‫]לוא י] ֗גש לטהרת ֗ה[קודש‬.351 Innerhalb dieser Wendung ist die Verbindung ‫ נגש ל‬nämlich als Äquivalent zu der in den biblischen Schriften häufig belegten Wendung ‫נגש אל‬352 und daher im Sinne von „Zugang haben“353 zu verstehen. Im Hintergrund steht dabei die Vorstellung, dass das Tragen eines Kadavers den entsprechenden Menschen verunreinigt,354 wodurch dieser wiederum das Heilige verunreinigen kann. 348  Vgl. dazu auch Werrett, Purity, 186: „4QMMT’s focus is on protecting sacred food from being contaminated and not on protecting the camp/city from being defiled“. 349  Vgl. dazu und zur Einordnung dieser Bestimmung in den größeren Kontext der Anordnung zu Tierhäuten Qimron, Halakha, 154–156. 350  Diese Anordnung wird überliefert in 4Q397 1–2,2–3/4Q398 1–3,1–2. 351  Zu dieser Rekonstruktion von 4Q397 1–2,3/4Q398 1–3,2 vgl. Qimron/Strugnell, DJD 10, 48f. mit 155. Vgl. dagegen eine andere Rekonstruktion bei Dombrowski, Translation, 6f.30, im Sinne von Dtn 14,21 (Aas kann dem Fremdling gegeben werden). 352  Zu dieser in der hebräischen Bibel häufig belegten Verbindung vgl. Köhler/Baumgartner, s.v. ‫ נגׁש‬Qal 2. 353  Vgl. dazu vor allem Milgrom, der betont, dass mit ‫נגש‬/‫ קרב‬mehr gemeint ist als der bloße, möglicherweise rein zufällige physische Kontakt, nämlich eine bewusste Zulassung. Da­ her plädiert er für eine Wiedergabe mit „have access to, be admitted to“ (Levitical Termi­ nology, 33.40f.; ausführlicher ders., Use). Vgl. auch Liebermann, Discipline, 202. 354  Zur Verunreinigung durch den Kadaver eines grundsätzlich erlaubten Tieres vgl. Lev 11,39 neben 11,25 (Verunreinigung durch Aas eines unreinen Tieres).

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3.1.2

Das Verbot von heiliger Speise für Unreine in weiteren Texten der Gemeinschaft von Qumran Die in 4QMMT mehrfach überlieferte Vorstellung, dass der Zugang zu heiliger Speise an einen reinen Zustand des Menschen geknüpft ist, lässt sich auch in anderen Texten, die der Gemeinschaft von Qumran zugeordnet werden, gehäuft und in unterschiedlicher Form antreffen. Ein Überblick über diesen Befund soll das breite Spektrum verdeutlichen. 3.1.2.1

Unreinheit durch Körperflüssigkeiten als Hindernis für den Zugang zu heiliger Speise Das Verbot, heilige Speisen zu essen, gilt insbesondere für solche Menschen, die aufgrund von Körperflüssigkeiten rituell unrein sind. Dabei kann es sich im Einzelnen entweder um Frauen handeln, die durch Blut unrein sind, oder aber um Männer, die durch Samen unrein sind. Für beide finden sich in den Schriften aus Qumran Anordnungen, die den Verzehr von heiliger Speise verbieten. Die D-Handschriften aus Höhle 4 bieten im Rahmen einer Relektüre von Lev 12–15 zweimal Anordnungen, die unreine Frauen vom Genuss heiliger Speisen ausschließen, und zwar zum einen eine Frau, die von einem krankhaf­ ten Blutfluss betroffen ist, zum anderen eine Frau, die durch den Wochenfluss nach der Geburt eines Kindes unrein ist. Dabei wird offenbar jeweils die in Lev 12,4 belegte Vorschrift auf den Bereich des Essens angewendet: In 4Q266 6 ii 3b–4 wird gefordert, dass eine Frau, die unter einem un­ normalen Blutfluss leidet355 (vgl. Lev 15,25) nichts Heiliges isst und das Heiligtum vor dem Sonnenuntergang am achten Tag nicht betritt (]…[ ‫המקדש עד בו השמש ביום ֗השמיני‬ ֗ ‫ ֗א ֗ל‬/ ]‫ואל ֗ת[בו‬ ֗ ‫ קודש‬356‫)והיאה אל תוכל‬. Während die in Lev 15,25–30 belegten näheren Anordnungen in die­ sem Zusammenhang fehlen,357 steht nun der dort noch nicht erwähn­ te Komplex des Essens im Zentrum der Restriktionen, die der unreinen 355  In 4Q266 6 ii 2–3 wird die Frau beschrieben als eine, die „wieder“ einen (Blutfluss) sieht, aber nicht zur Zeit ihrer siebentägigen Periode (teilweise rekonstruiert). Gemeint ist also offenbar die zabah, so auch Baumgarten, DJD 18, 56. 356  Formen von ‫ אכל‬werden in 4QD gewöhnlich ohne Aleph geschrieben (s. Konkordanz in DJD 18, 202). 357  Im Einzelnen werden weder die von besagter Frau ausgehende Gefahr der Verunreinigung durch Dinge, auf denen sie liegt oder sitzt, noch die für den Fall einer von ihr ausgegan­ genen Verunreinigung zu ergreifenden Reinigungsmaßnahmen erwähnt (Lev 15,26f.). Ebenso fehlt der von der Frau selbst zu durchlaufende Prozess nach dem Ende ihres Blutflusses, welcher aus einem siebentägigen Warten und der Darbringung von zwei Tauben durch einen Priester besteht, durch welche die Frau von ihrer Unreinheit gereinigt

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Frau auferlegt werden. Zum anderen wird im Vergleich zu den biblischen Bestimmungen ausdrücklich hinzugefügt, dass diese Beschränkungen erst nach Sonnenuntergang am achten Tag nicht mehr gelten. Diese zu­ sätzliche Angabe wurde offenbar durch den in Lev 15 besonders gehäuft zu findenden Gebrauch der Wendung „unrein sein bis zum Abend“358 be­ einflusst und richtet sich gegen das in der rabbinischen Literatur dann häufig belegte Konzept vom Tebul Jom.359 Eine Frau, die von ihrem Blutfluss gereinigt ist, sieben Tage gewartet hat und für die am achten Tag das Opfer durch die Priester dargebracht wurde, muss demzufolge offen­ bar noch bis zum Abend des achten Tages warten, bis ihre Reinigung ab­ geschlossen ist und sie dann mit Heiligem in Kontakt kommen darf. Mit dem Verbot, das Heiligtum zu betreten, erinnert diese Bestimmung deut­ lich an die in Lev 12,4 mit Bezug auf die Wöchnerin formulierte Anweisung, weder heilige Dinge zu berühren noch das Heiligtum zu betreten, bis die Tage ihrer Reinigung vollendet sind. Diese Bestimmung aus Lev 12,4 wird offenbar in 4Q266 6 ii 3b–4 auf die durch einen krankhaften Blutfluss Unreine übertragen und dabei dergestalt abgeändert, dass an die Stelle des allgemeinen Berührens heiliger Dinge das Essen heiliger Speisen tritt. Wie Lev 12,4 macht somit auch 4QD den Zugang zum Heiligen vom Reinheitszustand des Menschen abhängig, verändert jedoch die Art und Weise, in der man mit dem Heiligen in Berührung kommt. Der Grund für diese Veränderung liegt offenbar darin, dass heiliges Essen die einzige Form war, durch welche ein Nichtpriester und damit eine Frau Kontakt mit heiligen Dingen haben konnte.360 Ein solcher Einfluss von Lev 12,4 wird dadurch bestätigt, dass sich wenig später in 4Q266 6 ii 9–10 für die Wöchnerin361 (4Q266 6 ii 5–12) selbst eine ebensolche Abwandlung wird (15,28–30; vgl. dazu auch die Anordnungen für den an einem krankhaften Ausfluss leidenden Mann in 15,13f.). 358  So z.B. für den Mann mit Samenerguss während der Nacht (Lev 15,16–18), diejenigen, die durch die Berührung mit Unreinen selbst unrein wurden (15,7.19) oder den Besitz des Unreinen (15,5–11.21–23.27). Vgl. daneben auch Lev 11,22.25.28.40; 17,15; Num 19,8.10. 359  Vgl. dazu Baumgarten, DJD 18, 56; ders., Controversies, 157–161; ausführlich auch Schiffman, Pharisaic and Sadducean Halakhah. Die Tradition, dass man bis zum Abend warten muss, bevor man rein ist, wird als Gegenposition zum Vorläufer des rabbinischen Konzeptes des Tebul Jom den Sadduzäern zugeschrieben. Anders Himmelfarb, Purity Laws, 166, die darin eine allgemeine Systematisierungstendenz sieht. 360  So Milgrom, Lev I, 751: „for the likelihood is that the only sancta she will chance to touch will be the sacred food for her table“; mehrfach aufgenommen z.B. von Himmelfarb, Impurity, 22; dies., Purity Laws, 164f.; Werrett, Purity, 56.59. 361  Zu Anordnungen für die Frau im Wochenbett vgl. auch die in 11Q19 48,14–17a erkennbare Absonderung der durch die Geburt eines Kindes unreinen Frau.

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von Lev 12,4362 findet. Ihr wird nämlich ebenfalls strikt verboten, heilige Speise zu essen und das Heiligtum zu betreten (‫תוכל [קדוש‬ ֗ ‫[… והיאה] לא‬ ]‫)ולא תבו אל המקדש‬, wobei dies unter Todesstrafe gestellt wird.363 Auch im Falle einer Verunreinigung durch Samen wird in den Schriften aus Qumran als Voraussetzung für das Essen eine vorherige Reinigung gefordert. Eine solche Bestimmung ist in 4Q274 2 i 4–9 im Rahmen einer ausführlicheren Behandlung der Verunreinigung durch Samen überliefert.364 Dabei werden im Einzelnen unterschiedliche Fälle in den Blick genommen, für die jeweils verschiedene Reinigungsmaßnahmen gefordert werden, wie der differenzier­ te Gebrauch der Reinigungsterminologie zeigt. Zum einen wird in 4Q274 2 i 4–6a eine Reinigung durch Untertauchen durch die mehrfache Verwendung des biblisch für eine solche Reinigung der ganzen Person noch nicht verbrei­ teten ‫ טבל‬365 thematisiert. Eine solche Reinigung durch Untertauchen wird mit Blick auf jemanden gefordert, der direkt mit Samen in Kontakt gekom­ men ist. Gleiches gilt auch für das Gewand und ein Gefäß, an dem Samen ist 362  Das Verbot des Anfassens heiliger Objekte durch die Wöchnerin aus Lev 12,4 wird in Jub 3,10.13 aufgenommen. Baumgarten, DJD 35, 70f., rekonstruiert auch 4Q265 7,17b in diesem Sinne: ]‫בכול קודש [לא תגע ואל המקדש לא תבוא עד מלאת‬. 363  Die Todesstrafe ist biblisch für jemanden, der das Heiligtum in einem unreinen Zustand betritt, nicht belegt. Baumgarten, DJD 18, 56, verweist als nächste Parallele auf Num 19,20. 364  In 4Q274 2 i 4–9 lässt sich eine Ausweitung der biblischen Bestimmungen zur Verun­ reinigung durch krankhaften Ausfluss auf den normalen Samenerguss erkennen (vgl. Baumgarten, DJD 35, 88). So findet sich die innerhalb dieses Qumrantextes erwähnte Verunreinigung durch Tragen in Lev 15,10 nur für zab-Unreinheit, doch wird in Lev 15,10 kein Untertauchen, sondern eine Waschung des Körpers und der Kleidung, daneben Abwarten gefordert. Auch eine Verunreinigung durch Berühren des Bettes und Sitzes ist in den biblischen Reinheitsgesetzen nur mit Blick auf den zab belegt (vgl. Lev 15,5f.; vgl. daneben 15,22). Für die durch Samen hervorgerufene Unreinheit lässt sich in den Schriften der Gemeinschaft von Qumran im Vergleich zur Tora mehrfach die Tendenz der Intensivierung erkennen. So wird in 4Q274 1 i 8b–9 die Berührung von einem Mann, der einen Samenerguss hatte, als verunreinigend angesehen (vgl. auch 4Q272 1 ii 3b– 7a), wohingegen dies in Levitikus nicht gilt, sondern nur der Same selbst (Lev 15,16–18) oder die Berührung eines zab verunreinigend wirken (Lev 15,7). Zur Unreinheit durch Samenerguss vgl. auch 11Q19 45,7b–12. Vgl. dazu u.a. Himmelfarb, Impurity, 17–20; dies., Purity Laws, 159–163. 365  Für das Untertauchen einer Person findet sich ‫ טבל‬nur in 2 Kön 5,14 neben ‫ רחץ‬in 2 Kön 5,10, mehrfach hingegen für das Eintauchen von Gegenständen (Lev 14,6.51; Num 19,18; 1 Sam 14,27) und Körperteilen (Lev 4,6.17; 9,9; 14,16; Dtn 33,24; Jos 3,15) in eine Flüssigkeit wie Wasser oder Blut. Häufig ist ‫ טבל‬dann auch in der rabbinischen Literatur belegt. Zum Gebrauch für ein Tauchbad vgl. exemplarisch mBer 3,6; mHal 4,8; mYom 3,2; mMiq 1,8; 8,2; mNid 10,7; mZav 1,4. Adler zufolge handelt es sich beim Untertauchen des ganzen Menschen um eine Praxis, die im 1. Jh. v.Chr. entstanden (Origins, 10) und maß­ geblich durch den hellenistischen Brauch des Sitzbades beeinflusst worden ist (11–17).

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(vgl. Lev 15,17f.), darüber hinaus auch für denjenigen, der einen mit Samen befleckten Gegenstand trägt. Der Komplex des Essens wird dann ausdrück­ lich mit Bezug auf denjenigen erwähnt, der nicht direkt mit Samen in Kontakt gekommen ist, jedoch mit einem durch Samen verunreinigten Gegenstand, wobei es sich um das Bett oder den Sitz eines Mannes handelt, der einen Samenerguss hatte (4Q274 2 i 7b–9). Dabei soll jemand für den Fall, dass er selbst ein solches Bett oder einen solchen Sitz angefasst hat, sein Gewand je­ doch nicht damit in Berührung gekommen ist, sich selbst in Wasser waschen (]…[ ‫)[… ורחץ] ֗במים‬. Ist jedoch auch sein Gewand mit dem Bett oder Sitz in Berührung gekommen, so soll er auch dieses waschen (]…[ ‫)[נגע בו בגדו] וכבס‬.366 Dabei wird besonders betont, dass er für alles Heilige (d.h. heilige Speisen) sich selbst in Wasser367 und offenbar auch seine Kleider368 waschen soll (‫ בשרו‬/ ‫)[…] ולכול הקודשים ֗יכבס ֗א[יש] במים את‬. In 4Q274 2 i 6b–7a wird an­ scheinend eine Ausnahme zu diesen allgemeingültigen Regeln formuliert. Ihr zufolge muss ein armer Mann, dem Gewänder zum Wechseln möglicherweise nicht zur Verfügung stehen, offenbar nur sich selbst waschen (‫ורח]ץ‬ ֗ ), kann je­ doch auf das Waschen seines Kleides verzichten, auch wenn dieses mit dem durch Samen unreinen Bett oder Sitz in Berührung gekommen ist.369 Dabei soll er jedoch Sorge dafür tragen, dass sein rituell verunreinigtes Gewand nicht mit seiner Speise in Berührung kommt ([…] ‫)]…[ רק אל ֗יג ֗ע בו את להמו‬.370 Damit besteht der Zweck dieser Vorsichtsmaßnahme deutlich erkennbar darin, die Reinheit des Essens sicherzustellen.371

366  Innerhalb der Schriften aus Qumran wird ‫ רחץ‬wie bereits in den biblischen Schriften zumeist für das Waschen des Körpers und ‫ כבס‬für das Waschen der Kleidung verwendet. Zu einer solchen Verbindung beider Verben vgl. vor allem die Tempelrolle (11Q19 45,8f.15f.; 49,17f.20; 50,8.14f.); daneben 1QM 14,2; 4Q274 1 i 3.5.9 (s.u. 3.2.2), ohne ausdrückliche Erwähnung der Kleider auch in 4Q274 2 i 1; 4Q514 1 i 3.9 (s.u. 3.2.1). 367  Die Verwendung von ‫ כבס‬in Verbindung mit ‫( בשרו‬4Q274 2 ii 1) ist ungewöhnlich, da dieses Verbum sonst für das Waschen der Kleidung verwendet wird (so auch 4Q274 2 i 9a), für das Waschen des Körpers hingegen ‫( רחץ‬so z.B. Lev 22,6). 368  Der Text bricht vor einer Erwähnung der Reinigung der Kleider ab, doch ist eine solche wahrscheinlich, insbesondere wenn in 4Q274 2 i 7 gewöhnliche Speise gemeint sein sollte (so auch Baumgarten, DJD 35, 105). 369  Zu einem solchen Verständnis von 4Q274 2 i 6–7 vgl. Baumgarten, DJD 35, 80; aufgenom­ men von Werrett, Purity, 250f. 370  Diese Ausnahmeregelung steht der in der Forschung oft verbreiteten Auffassung entge­ gen, dass die Gemeinschaft von Qumran immer den strengstmöglichen Reinheitsstandard fordert (so Baumgarten, DJD 35, 80, im Anschluss an ihn auch Werrett, Purity, 250f.283). 371  Der Zusammenhang zwischen ‫ לחמו‬in 4Q274 2 i 7 und ‫ הקודשים‬in 4Q274 2 i 9b lässt an Lev 22,6f. als Hintergrund denken, wo eine ähnliche Verbindung zu finden ist, wenn das Heilige (‫ ) ַה ֳּק ָד ִׁשים‬als seine Speise (‫ ) ִכּי ַל ְחמֹו הוּא‬bestimmt wird. Baumgarten, DJD 35, 105,

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IIC Anordnungen zum Essen in hebräisch-aramäischen Texten

3.1.2.2

Das Verbot des Essens von heiliger Speise für Nichtisraeliten oder für durch den Kontakt mit Heiden entweihte Priester Mehrfach finden sich in den Schriften aus Qumran Anordnungen, denen zu­ folge Nichtjuden oder durch sie entweihte Juden heilige Opfer nicht essen dürfen. In 11Q19 63,14b–15 wird festgelegt, dass eine heidnische Frau, die als Kriegs­ beute gefangengenommen und dann die Frau eines Israeliten wurde, sieben Jahre lang nichts Reines, was ihrem jüdischen Mann gehört (‫ולוא תגע לכה‬ ‫ שבע שנים‬/ ‫)בטהרה עד‬, berühren darf und kein Schlachtopferfleisch essen darf, bis sieben Jahre vergangen sind (‫וזבח שלמים לוא תואכל עד ועבורו שבע שנים אחר‬ ‫)תואכל‬. Diese auf kultisch-rituelle Reinheit zielende Vorschrift geht über die Anordnungen in Dtn 21,10–13 hinaus und lässt damit für die Tempelrolle deut­ lich ein priesterliches Interesse erkennen.372 Die Erwähnung von reinem Essen (‫ )טהרה‬und heiligem Essen (‫ )זבח שלמים‬wird von einigen Auslegern im Sinne einer Gegenüberstellung bewertet, wobei dann auch für die Zeitangaben eine Differenz gesehen wird. Dabei stimmen die Forscher grundsätzlich darin über­ ein, dass für das Essen von Opfern eine längere Phase der Reinigung erforder­ lich ist. Im Hinblick auf die genaue Anzahl der Jahre, die bis zur Erlaubnis des Verzehrs von Schlachtopferfleisch vergangen sein müssen, schwanken die Forscher jedoch zwischen sieben373 und vierzehn Jahren.374 Nach 4Q421 12 ist es einem vermutlich heidnischen Sklaven oder einer Magd verboten, das heilige Essen im Tempel zu essen.375 Auch Priester und deren Familienangehörige376 sind für den Fall von heiligen Speisen ausgeschlossen, dass sie durch engen Kontakt mit Heiden denkt hingegen für 4Q274 2 i 7 an gewöhnliche Speise im Gegenüber zu heiliger Speise in 4Q274 2 i 9b. 372  Zu einem Überblick über verschiedene Lösungsmöglichkeiten zum Verhältnis zwischen Dtn 21,10–13 und 11Q19 63,14b–15 vgl. Maier, Tempelrolle, 274, der dort die Positionen von Yadin, Brin, Wise und Milgrom zusammenfasst. 373  Vgl. dazu Qimron, Halakha, 168 Anm. 166, dem zufolge die unterschiedlichen Zeitangaben dergestalt zu verstehen sind, dass für die Zulassung zum reinen Essen der Beginn des siebenten Jahres, für die zum heiligen Essen der Ablauf des siebenten Jahres nötig ist. Danach ist die Frau im achten Jahr rein (ähnlich schon Milgrom, Further Studies, 104f.). 374  So Yadin, Temple Scroll I, 367, ausdrücklich gegen den Vorschlag von Milgrom. Er schwankt zwischen einer Deutung der zweiten Feststellung zum Opferfleisch als gleich­ bedeutend zur ersten Aussage und einem Verständnis, dem zufolge das Essen von Opfern weitere sieben Jahre nach Abschluss der für die Zulassung zur Reinheit notwendigen sie­ ben Jahre erfordert, also insgesamt 14 Jahre. Letzteres vertritt auch Lehmann, Bride, 268f. 375  So Elgvin, DJD 20, 199. 376  Zu Bestimmungen darüber, wer abgesehen von den Priestern selbst aus deren Haushalt Opfer essen darf, vgl. schon Lev 22,10–16. Danach darf beispielsweise auch der Sklave des Hauses von der heiligen Speise essen (22,11). Die Tochter eines Priesters, die jemanden aus

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entweiht wurden. So soll nach 4Q266 5 ii 5–7 ein Priester,377 der von einem Nichtjuden gefangengenommen und daher offenbar durch dessen Unreinheit entweiht worden ist,378 sich zum einen nicht dem Gottesdienst hinter dem Vorhang nähern, zum anderen keine heilige Nahrung essen (‫ את‬379‫ואל ײכל‬ ‫)קודש ֗ה[קודשים‬. Bei den Kontakten, die zur Profanierung führen, kann es sich auch um verbotene eheliche Beziehungen mit Nichtjuden handeln.380 Auch eine Hure und eine profanierte Frau (vgl. Lev 21,9) sind von heiliger Speise strikt ausgeschlossen.381 Das Verbot von Hunden in der heiligen Stadt (4QMMT) 3.1.3 Die Verfassergruppe fordert in 4QMMT B58b–62a ein striktes Verbot,382 Hunde in das heilige Lager kommen zu lassen.383 Als besondere Gefahr wird deren herumstöberndes Verhalten auf der Suche nach Fressbarem genannt. Das ge­ nerelle Verbot von Hunden in Jerusalem soll nämlich verhindern, dass diese in Kontakt mit den Resten des heiligen Essens kommen können, und zwar einer nichtpriesterlichen Sippe heiratet, soll nicht mehr von den Anteilen der Opfergaben essen, die ihr Vater aus Tempelopfern erhalten hat und die gewöhnlich mit der gesamten Familie geteilt wurden. Wenn sie aber als Kinderlose in das Haus ihres Vaters zurück­ kehrt, darf sie wieder vom Heiligen essen (22,12f.). Vgl. dazu auch Num 18,11.13. 377  Bei diesem Priester ist wohl genauer an den Hohepriester zu denken, da der Zugang hin­ ter den Vorhang, der ihm aufgrund von Unreinheit verboten ist, nach Lev 16 generell nur Hohepriestern erlaubt ist (so Baumgarten, DJD 18, 51). 378  Zu einem solchen Verständnis von ‫ לחללה בטמאתם‬in 4Q266 5 ii 6 vgl. Baumgarten, DJD 18, 51. 379  An dieser Stelle findet sich oberhalb der Zeile ein Strich, der in der Forschung als Waw zur Korrektur des zweiten Jod in ‫ ייכל‬gedeutet wurde; vgl. Baumgarten, DJD 18, 50. 380  So in 4Q513 2 ii 1–5. Dort findet sich zunächst ein Hinweis auf jüdische Töchter, die Fremde heiraten. Baumgarten bezieht diese Aussage aufgrund der Erwähnung von Opfern auf Priestertöchter und versteht sie damit als Aufnahme von Lev 21,9 (so Baumgarten, Pole­ mics, 392f.). Schiffman, Ordinances, 159, sieht in 4Q513 2 ii 2b–3 hingegen eine Aussage zu den Priestern selbst, die verbotene Beziehungen eingehen. 381  In dem sehr fragmentarischen Text 4Q251 16,1–3a wird offenbar einer Hure und einer pro­ fanierten Frau das Essen heiliger Nahrung verboten. Lehmann/Larson/Schiffman, DJD 35, 44, beziehen dies auf die Ehefrauen von Priestern. Während diese gewöhnlich Anteil an den Opfergaben der Priester haben, sei ihnen dies nach 4Q251 16,2b–3 für den Fall verbo­ ten, dass es sich um eine Hure oder eine profanierte Frau handelt. Damit muss allerdings ein Bruch von Lev 21,7 angenommen werden, da es danach einem Priester generell verbo­ ten ist, eine Hure zu heiraten. 382  Zum prohibitiven Gebrauch des Infinitiv ‫ להבי‬vgl. Qimron/Strugnell, DJD 10, 80; zum Gebrauch des Hifils für eine Erlaubnis vgl. ebd., 97. 383  Vgl. dazu, dass diese Anordnung relativ gut überliefert ist (4Q394 8 iv 8b–12/4Q396 1–2 ii 9b–11; 1–2 iii 1–2). Ausführlich zur Frage von Hunden in der Gemeinschaft von Qumran vgl. Magness, Dogs; zur Sichtweise des Hundes im antiken Judentum überhaupt vgl. Schwartz, Dogs.

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konkret dass sie die Knochen vom Heiligtum, d.h. der Opfertiere, und das Fleisch, das noch an ihnen ist, fressen könnten: ‫ואין ֗ל ֗ה ֗בי֗ למחני ֗ה ֗ק[ו] ֗דש כלבים‬ ֗ ‫( שהם או֗ כלים ֗מקצת [ע] ֗צ ֗מות‬B58–59). Als Begründung für ‫המ ֗ק[דש ו] ֗הבשר עליהם‬ dieses Verbot von Hunden in Jerusalem wird auf die Heiligkeit der Stadt ver­ wiesen (B59–61), wobei die Tradition aus Dtn 12,11 nicht nur auf das Heiligtum, sondern offenbar auf ganz Jerusalem bezogen wird:384 Jerusalem sei das heilige Lager, der Ort, den Gott erwählte unter allen Stämmen Israels, das erste unter den Lagern Israels. Das generelle Verbot von Hunden in der heiligen Stadt dient also offenbar ebenfalls vor allem dem Schutz des heiligen Essens vor Verunreinigung (vgl. dazu Mt 7,6)385 und lässt darauf schließen, dass Hunde als unreine Tiere angesehen wurden.386 Anordnungen zum Essen während einer ausgedehnten Reinigungsphase Abgesehen von den soeben untersuchten Anordnungen, die eine Reinigung vor dem Verzehr von heiliger Speise fordern, sind in den Schriften vom Toten Meer auch mehrere Texte überliefert, denen zufolge sich Personen, deren Unreinheit über mehrere Tage anhält,387 vor dem Essen baden und ihre Kleider waschen sollen, selbst wenn sie dadurch ganz offensichtlich noch nicht vollständig rein werden. Dabei geht es in diesen Fällen offenbar nicht um den Genuss von Opfern, sondern um das Essen von gewöhnlicher Speise während der Reinigungsphase. Heilige Speise und das reine Essen der Gemeinschaft dürfen nämlich grundsätzlich nur in einem Zustand der voll­ kommenen Reinheit gegessen werden und erfordern damit in jedem Fall den Abschluss der Reinigung.388 Den im Folgenden näher zu untersuchenden 3.2

384  Vgl. dazu Harrington, Holiness, 112, mit einer Diskussion dieser Sichtweise Jerusalems in anderen Texten aus Qumran (114–116). Zur Heiligkeit Jerusalems vgl. schon Jes 52,1; Joel 4,17. 385  So Qimron, Halakha, 162f. Zur Absonderung des Hundes vom Heiligen vgl. auch Did 9,5. 386  Zum Hund als unrein vgl. Ex 22,30; oft wird der Hund zusammen mit dem Schwein ge­ nannt (Jes 66,3; Mt 7,6; 2 Petr 2,22). 387  Die mehrtägige bzw. mehrmalige Reinigung wurde vermutlich vom Aussatz in Lev 14,7–9 auf andere Unreinheiten übertragen. 388  Vgl. dazu 11Q19 49,19–21: Erst nach dem Abschluss des Reinigungsprozesses von einer Verunreinigung durch einen Toten darf man reine Sachen berühren, welche offenbar hei­ lige Dinge einschließen (vgl. Yadin, Temple Scroll II, 217). Die zwingende Notwendigkeit des Abschlusses der Reinigung vor dem Essen von reiner Speise zeigt auch die Anordnung in 4Q274 2 i 1–3. Dort wird festgelegt, dass die abschließende Besprengung eines mehrere Tage Unreinen für den Fall unterbleiben soll, dass der siebente Tag, an dem sie stattfinden muss, auf einen Sabbat fällt. Eine solche Besprengung würde nämlich eine Übertretung des Sabbatgebotes bedeuten. In diesem Zusammenhang wird jedoch das Berühren von reinen Dingen und damit das Essen von reiner Speise ausdrücklich untersagt.

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Texten zufolge muss die Reinigung zum Zeitpunkt des Essens hingegen zwar noch nicht abgeschlossen sein, jedoch zumindest begonnen haben. Bei einem Bezug auf gewöhnliche Speise stehen sie somit nicht im Widerspruch zu den Anordnungen zum Verzehr von heiliger Speise,389 sondern spiegeln die Überzeugung wider, dass Essen in Unreinheit generell zu vermeiden ist. Essen setzt den entsprechenden Verfassern zufolge somit grundsätzlich einen gewis­ sen Reinheitszustand voraus, welcher durch eine Anfangsreinigung erreicht wird.390 Im Einzelnen findet sich diese Vorstellung in zweifacher Gestalt, und zwar zum einen als Forderung, vor Beginn des mehrtägigen Reinigungspro­ zesses am ersten Tag keinerlei Speisen zu sich zu nehmen, d.h. zu fasten (4Q514 1 i 1–10), daneben auch als Forderung nach einem nochmaligen Bad bei einem erneuten Kontakt mit Unreinheit während der bereits begonne­ nen Reinigungsphase (4Q274 1 i 0–9).391 Im Hintergrund der entsprechenden Anordnungen stehen unterschiedliche Reinheits- bzw. Unreinheitsgrade, wie sie sich auch sonst in den der Gemeinschaft von Qumran zugewiesenen Texten bisweilen antreffen lassen.392 Der Beginn des Reinigungsprozesses als Voraussetzung für das Essen (4Q514) In 4Q514 (4QOrdc) 1 i 1–10, einem nur sehr fragmentarisch erhaltenen Text, der vermutlich aus dem 1. Jh. v.Chr. stammt,393 werden mehrere Anordnungen 3.2.1

389  Die Kohärenz dieser unterschiedlichen Anordnungen betont vor allem Milgrom, Ablu­ tions, 570; aufgenommen von Harrington, Purity Texts, 66. 390  Vgl. dazu Kazen, 4Q274, passim, bes. 77: „to eat their food in some sort of supposedly in­ termediate purity“ (vgl. auch 83 für 4Q514), der daneben auch von „relative purity“ (69.87) spricht. 391  Anordnungen zum Genuss von Speisen während einer Reinigungsphase wurden offenbar auch in den allerdings nur sehr fragmentarisch erhaltenen Texten 4Q284 2 i 1; 2 ii 3 behan­ delt (vgl. Baumgarten, DJD 35, 126). 392  Zu unterschiedlichen Reinheits- und Unreinheitsgraden vgl. vor allem die Unterscheidung zwischen jedem Israeliten und dem reinen Mann in 11Q19 49,8f. (s.u. 3.3), daneben die un­ terschiedlich lange Wartezeit bis zu einer Zulassung zum Gemeinschaftsmahl und zum Trank der Gemeinschaft (s.o. 2.2.2.2). Aus unterschiedlichen Unreinheitsgraden ergeben sich verschiedene Phasen der Ansteckung. So enthält 4Q266 6 ii 10b–11 möglicherweise die Anordnung, ein Neugeborenes in der ersten Zeit nach der Geburt von der Mutter zu trennen und durch eine Amme ernähren zu lassen, um es vor der Unreinheit der Mutter zu schützen (so Himmelfarb, Impurity, 25f.). Auch das erste Blut der Menstruierenden wurde offenbar als am stärksten verunreinigend angesehen (vgl. Kazen, 4Q274, 72–75). Harrington arbeitet exemplarisch für 4QMMT die unterschiedlichen Grade der Heiligkeit für Person, Essen und Raum heraus und nimmt eine Korrespondenz zwischen ihnen an (vgl. vor allem Holiness, 113f.125). 393  Vgl. Werrett, Purity, 218.

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überliefert, die den Zugang von unreinen Personen zum Essen regeln.394 Im Zentrum dieses Textes stehen offenbar Menschen, die über einen Zeitraum von mehreren Tagen unrein sind. Auf einen solchen mehrere Tage dauernden Reinigungsprozess deutet die nähere Bestimmung dieser Personen als „Unreine der Tage“ (‫טמאי הימים‬, Z. 5b–6.8–10a) hin.395 Dies sind offenbar Menschen, die durch Körperflüssigkeiten unrein geworden sind.396 Dabei kann es sich entweder nur um den an einem krankhaften Samenfluss leidenden Mann handeln,397 oder es können Personen eingeschlossen sein, die durch andere Körperflüssigkeiten verunreinigt worden sind, beispielsweise auch der Mann, der nachts einen Samenerguss hatte.398 Die das Essen betreffenden Anordnungen bestehen zum einen aus einem strikten Verbot zum Essen überhaupt, zum anderen aus der Erlaubnis zum Essen unter bestimmten Bedingungen. So wird mit der allgemeinen Wendung ‫ אל יאכל‬im vorliegenden Text wiederholt (Z. 3f.7f.) ein Verbot zum Ausdruck gebracht, ohne dass in diesem Rahmen ein Objekt gebraucht wird, welches das grundsätzliche Verbot zu essen in Hinsicht auf die verbotene Speise näher eingrenzen würde. Die von Unreinen geforderte Beschränkung im Essen be­ steht 4Q514 1 i zufolge somit nicht in der Vermeidung bestimmter, nämlich ge­ heiligter Speise, sondern in der Enthaltung von Speise überhaupt, d.h. auch der gewöhnlichen Nahrung.399 Auffällig sind in diesem Rahmen mehrere 394  Vgl. dazu, dass der im Allgemeinen für 4Q514 vorgeschlagene Text zweimal dieselbe Abfolge von Anordnungen in nahezu identischem Wortlaut aufweist (4Q514 1 i 3fin–6 und 1 i 7–10a). 395  Vgl. dazu auch den Gebrauch des Verbums „zählen“ in Z. 3, in der Rekonstruktion ergänzt um sieben Tage (‫)לספור ל[ו שבעת ימי ר] ֗חץ‬. 396  Vgl. dazu 4Q512 1–6 xii 2 und 5 (zum Text Baillet, DJD 7, 272f.), wonach der zab und die zabah zu den ‫ טמאי עתים‬und ‫ טהרת עתים‬zählen. 397  So Milgrom, Ablutions, 566: 4Q514 „deals exclusively with the zāb“, unter Hinweis auf die Richtigkeit der Rekonstruktion eines sieben Tage dauernden Reinigungsprozesses (565). Eine siebentägige Reinigungsdauer ist in der Tat für krankhafte Geschlechtsabsonde­ rungen typisch (vgl. Lev 15,13.28; 11Q19 45,15–17a; 4Q512 10 x 1–2 mit 11 x 2–5). Ein nor­ maler nächtlicher Samenerguss macht hingegen nur drei Tage unrein (11Q19 45,7–10 = 11Q20 12,2–4a). 398  So z.B. Kazen, 4Q274, 83, dem zufolge der Text zum einen von einem Mann handelt, der einen Samenerguss hatte, daneben von anderen mehrtägig Unreinen wie solchen, die in anderer Form durch Körperflüssigkeiten verunreinigt worden sind. Auf denjeni­ gen, der einen Samenerguss hatte, deute vor allem die Beschreibung der Reinigung als „Reinwerden von seiner Quelle her“ in Z. 4.7 hin (vgl. dazu Kazen, 4Q274, 83 Anm. 108). Sie ist auch in 1QM 7,6 belegt, wobei sich für den dortigen Kontext ein deutlicher Anschluss an die Bestimmung in Dtn 23,10–12 erkennen lässt (vgl. dazu den Rekurs auf Dtn 23,12–14 in 1QM 7,7). Nach Dtn 23,11f. ist ein Mann, der nachts einen Samenerguss hatte, aus dem Lager auszuschließen. 399  Zu einem Verständnis des Verbots mit Bezug auf gewöhnliche Speise vgl. vor allem Baumgarten, Purification Rituals, 208; vgl. auch Milgrom, der zwar ebenfalls eine Lesart

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Ergänzungen, die das Verbot des Essens im Hinblick auf dessen Zeitpunkt präzisieren. Diese zeitliche Bestimmung besteht jeweils aus einer Charakte­ risierung des Unreinen als eines solchen, der noch in seiner Anfangsunreinheit ist und noch nicht mit seiner Reinigung begonnen hat.400 Menschen, die auf­ grund von Samenfluss bzw. anderen Körperflüssigkeiten unrein geworden sind, sollen das Essen vor Beginn der Reinigung demzufolge generell unterlassen. Die Erlaubnis zum Essen für mehrtägig Unreine setzt dementsprechend den Beginn der Reinigung durch Baden und Waschen der Kleider voraus. Eine solche Auffassung steht offenbar im Fokus der positiven Anweisungen zum Essen, in denen das Verbum ‫ אכל‬ohne entsprechende Negation ver­ wendet wird, jedoch sowohl im Hinblick auf die Speise (‫)לחמם‬, die Art und Weise (‫ ) ֗כ ֗מ]שפט‬sowie den Zeitpunkt des Essens (‫ )אחר‬näher bestimmt wird (Z. 9b–10a; vgl. Z. 6b). In ihnen wird die Forderung nach einer Reinigung vor dem Essen nämlich wohl am ehesten mit Blick auf den Beginn eines mehre­ re Tage dauernden Reinigungsprozesses geäußert. So wird die Erlaubnis zum Essen durch ‫ אחר‬von dem unmittelbar vorher erwähnten Baden und Waschen (der Kleider) abhängig gemacht, welches näherhin am „Tag der Reinigung“ (‫ )ביום ט[הרת]ם‬stattfinden soll.401 Die Referenz dieser Zeitangabe ist nicht ein­ deutig zu bestimmen und kann sich daher sowohl auf den Anfang als auch auf das Ende402 des mehrere Tage dauernden Reinigungsprozesses beziehen. Die im Umfeld mehrfach betonte Notwendigkeit des Anfangs der Reinigung (Z. 4–5a.7–8a) lässt jedoch an eine Waschung denken, die zu Beginn des vorschlägt, in der sich das Verbot des Essens vor dem Beginn der Reinigung auf das reine Essen bezieht (vgl. Ablutions, 565.567), einem Bezug auf das gewöhnliche Essen jedoch den Vorrang gibt (569). 4Q514 stimme mit anderen Texten der Gemeinschaft von Qumran darin überein, dass man das reine Essen nicht vor dem Ende der Reinigungsphase essen soll, betone jedoch zugleich die Bedeutung der Waschung am ersten Tag für die Verringerung des Unreinheitsgrades (570); vgl. ders., 4QTohoraa, 67: „In 4QOrdc the first day ablution allows the person to eat from the common food of the community.“ Vgl. auch ders., Purification Rule, 177. Anders Werrett, Purity, 263, der angesichts der Frage, wie so jemand überleben kann, heiliges Essen in Betracht zieht. Auch Wassén, Meals, 91–94; dies., Levels, 113–117, bezieht die Essensverbote in 4Q514 1 i und 4Q274 1 i in einem engeren Sinne auf das reine Gemeinschaftsmahl an besonderen Tagen und Festen, jedoch nicht auf das normale Gemeinschaftsmahl oder gar das Essen in Einsamkeit. 400  Vgl. dazu vor allem Z. 7–8a: ‫ואל יאכל וז{עו}ד בטמאתו הרישנהם אשר לא החל לטהו֗ ר‬ ]…[ ‫ וגם אל יאכל עד בטמאתו הרישנה‬/ ‫ ;ממקרו‬zu den Problemen in der Textüberlieferung und zum Verständnis vgl. Baillet, DJD 7, 296–298. Vgl. auch Z. 3fin–5a. 401  Vgl. dazu Z. 8b–10a: ‫וכבסו במים וטהרו ואחר‬ ֗ ‫ ט[הרת]ם ירחצו‬/ ‫וכל[ ט] ֗מאי הימם ביום‬ ֗ ]…[ ‫ ֗כ ֗מ[שפט‬/ ‫ ;י֗ אכלו את לחמם‬vgl. Z. 3.5b–6a. 402  Das Ende der ausgedehnten Reinigungsphase liegt offenbar im Fokus von 4Q512 9 xi 2–3 (zum Text: Baillet, DJD 7, 271f.), wonach ebenfalls der zab Beschränkungen im Essen und Trinken unterliegt. Zum Bezug dieser Anweisung auf den letzten Tag der Reinigung vgl. z.B. Baumgarten, Purification Rituals, 203. Danach könnte dann der ehemalige zab wieder reines Essen zu sich nehmen, ohne dieses zu verunreinigen.

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Reinigungsprozesses stattgefunden hat.403 Dabei galt die Notwendigkeit zu einer Waschung am ersten Tag des Reinigungsprozesses ursprünglich für die Verunreinigung durch Leichen,404 doch finden sich Hinweise darauf, dass diese Vorschrift auf andere Verunreinigungsformen, beispielsweise die Unreinheit durch Körperflüssigkeiten, übertragen wurde.405 Dabei stellt dieses Bad am ersten Tag dem vorliegenden Text zufolge für jene, deren Reinigungsprozess sieben Tage dauert, offenbar das erforderliche Mindestmaß an Reinheit her, das ihnen den Genuss von gewöhnlicher Speise ermöglicht.406 Nach diesem ersten Bad bleibt man zwar noch unrein bzw. ansteckend, jedoch anschei­ nend auf einem geringeren Level. Dabei existieren im Einzelnen offensicht­ lich unterschiedliche Grade der Unreinheit, die jeweils mit unterschiedlichen Anordnungen verbunden sind.407 Im Hintergrund der vorliegenden Anordnungen steht somit die Über­ zeugung, dass Unreinheit auch vor dem Essen von gewöhnlicher Speise durch eine Anfangsreinigung herabgesetzt und damit zumindest teilweise beseitigt werden muss. Die damit erkennbare Forderung, selbst normales Essen nicht in einem Zustand der Unreinheit zu essen, ist auffällig. Sie stellt gegenüber dem

403  So Kazen, 4Q274, 83; vgl. auch Milgrom, Ablutions, 565f., der allerdings mit „healing“ übersetzt. 404  Biblisch ist die Forderung nach einer rituellen Reinigung am ersten Tag bei einer Verun­ reinigung durch Leichen zwar noch nicht belegt, findet sich jedoch im Judentum des Zweiten Tempels häufiger, und zwar sowohl innerhalb der Schriften aus Qumran (vor allem 11Q19 49,16b–21; 50,13–16; 1QM 14,2f.; 4Q414 2 ii 2.4; 4Q512 1–6 xii 5–6; evtl. 4Q277 1 ii 7b–10a) als auch darüber hinaus (Tob 2,5.9; Philo, Spec. 1,261; 3,205f.; Jos. Bell. 6,290). Vgl. Eshel, 4Q414, 8–10; Harrington, Purity Texts, 80f. Vgl. auch Joh 11,55; 12,1. 405  Vgl. dazu Eshel, der zufolge sich 4Q414 nicht notwendigerweise auf eine Verunreinigung durch Tote beziehen muss, da offenbar Ähnliches auch für eine Verunreinigung durch Körperflüssigkeiten gilt (Eshel, DJD 35, 139); vgl. auch Kazen, 4Q274, 80f.86f. Vgl. dazu ferner den Vergleich einer Verunreinigung durch Körperflüssigkeiten mit der durch eine Leiche in 4Q274 1 i 9 (s.u. 3.2.2). 406  So auch Baumgarten, Purification Rituals, 208: „Immersion was required before meals even during a person’s period of impurity in order to remove the primary degree of ritual uncleanliness.“ Zur Bedeutung der Reinigung am ersten Tag und den unterschiedlichen Graden von Unreinheit vgl. vor allem Milgrom. Ihm zufolge wurde die Reinigung am ers­ ten Tag entwickelt, um eine erste Schicht von Unreinheit zu beseitigen, sodass durch Tote verunreinigte Personen der Zugang zu profanen Personen, Objekten und Speisen möglich ist (vgl. Ablutions, 562–564; ders., Studies in the Temple Scroll, 512–518; vgl. auch ders., Lev I, 965–976.991–1000). 407  Auf unterschiedliche Reinheitsgrade deutet die Anordnung hin, gemäß der „Vorschrift der Reinheit“ (vgl. dazu, dass ‫ ֗כ ֗מ]שפט‬aus Z. 10 in Z. 6 näher als ‫כמשפ ֗ט ֗ה[ט]הרה‬ ֗ be­ stimmt wird) zu essen, da sie impliziert, dass es unterschiedliche Anordnungen gibt, ab­ hängig vom jeweiligen Reinheitsgrad. Zu einem solchen Verständnis dieser Wendung vgl. Milgrom, Ablutions, 569, aufgenommen z.B. von Harrington, Holiness, 119.

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unter anderem in Lev 22,3–7 überlieferten Verbot, Heiliges in einem Zustand der Unreinheit zu essen, nämlich eine deutliche Erweiterung dar.408 3.2.2

Die Forderung nach einer erneuten Reinigung vor dem Essen für den Fall eines Kontaktes mit Unreinheit während der Reinigungsphase (4Q274) Die in 4Q514 1 i 1–10 erkennbare Bestimmung, bei einem mehrtägigen Reini­ gungsprozess nicht zu essen, bevor eine anfängliche Reinigung stattgefunden hat, findet sich in ähnlicher Form auch in den als 4QTohorot A (4Q274) be­ nannten Fragmenten.409 Sie werden gewöhnlich in das 1. Jh. v.Chr. datiert,410 können ihre Ursprünge jedoch schon im 2. Jh. v.Chr. haben und damit vorqumranisch sein.411 Dabei scheint die in 4Q514 1 i 1–10 für die Anfangsphase des Reinigungsprozesses belegte Vorschrift in 4Q274 1 i 0–9 für den Fall, dass man während der Reinigungsphase erneut mit Unreinheit in Kontakt kommt, auf die Reinigungsphase selbst angewandt und übertragen worden zu sein. In den Fragmenten 1 und 2 wird das Problem der Verunreinigung durch Berührung eines Unreinen verhandelt. Dabei steht im Zentrum von 4Q274 1 i 0–9 nicht die Frage, welche Folgen es für einen Reinen hat, wenn er einen Unreinen berührt. Vielmehr geht es darum, welche Folgen es hat, wenn je­ mand, der unrein ist und sich momentan im Reinigungsprozess befindet, mit einem Unreinen in Kontakt kommt. Dabei werden im Einzelnen unter­ schiedliche Konstellationen in den Blick genommen, für welche jeweils die­ selbe Bedingung aufgestellt wird: Unreine, die während ihres (sieben Tage dauernden) Reinigungsprozesses andere Unreine berühren, unterliegen Res­ triktionen in Bezug auf das Essen. Sie sollen sich – wie mit der gleichsam als Leitmotiv des Textes gebrauchten Wendung ‫ורחץ במים ויכבס בגדיו ואחר יואכל‬ (4Q274 1 i 3.5.9) festgestellt wird – in Wasser baden und ihre Kleider waschen und erst dann essen: In 4Q274 1 i 0–2 wird gefordert, dass ein Unreiner, bei dem es sich ent­ weder um einen Mann, der an Ausfluss leidet (zab),412 oder um einen 408  Zu den Beziehungen von 4Q514 1 i zu Lev 22 vgl. Milgrom, Ablutions, 568. 409  Zu einer solchen Verbindung auch Baumgarten, DJD 35, 102. 410  So Baumgarten, DJD 35, 99. 411  So Harrington, Purity Texts, 57. Vgl. dazu vor allem Kazen, 4Q274, 53f.80f.86f., der 4Q274 1 i 0–9 als „presectarian“ einstuft, und zwar insbesondere aufgrund der für die Zeit des Zweiten Tempels generell erkennbaren Entwicklung einer sich ausbreitenden Reinheitspraxis, wobei auch die Ausweitung der rituellen Bäder am ersten Tag nicht nur in sektenhaften Kreisen, sondern allgemein stattgefunden habe. 412  Baumgarten plädiert dafür, dass es um den zab geht (Fluxes, 3f.; ders., DJD 35, 101f.), da der unreine Mann auf dem „bed of sorrow“ und „seat of sighing“ liegt (Lev 15,4). Dabei werde

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Aussätzigen413 handeln kann, sowohl von allen Unreinen abgesondert als auch in einer Entfernung von zwölf Ellen von der Reinheit, d.h. reinem Essen,414 „sitzen“ soll (]…[ ‫ הטהרה‬/ ‫)[…] בדד לכול הטמאים ישב ורחוק ֗מן‬.415 Diese Anordnung ist insofern auffällig, als eine solche Abgrenzung eines Unreinen von anderen Unreinen in den biblischen Schriften noch nicht begegnet.416 Sie wird im vorliegenden Zusammenhang dadurch be­ sonders betont, dass für den im Zentrum stehenden Unreinen speziell der Nordwesten der Stadt als Aufenthaltsort genannt wird, offenbar im Unterschied zu anderen Orten für andere Unreine.417 Kommt dennoch ein anderer Unreiner mit ihm in Kontakt,418 so soll er in Wasser baden und seine Kleider waschen, erst dann soll er essen (‫איש מכול הטמאים [אש] ֗ר‬ ‫ [יגע] ֗בו ורחץ במים ויכבס בגדיו ואחר יואכל‬in Z. 3). Dies wird in 4Q274 1 i 4–6 anhand einer Frau näher veranschaulicht, „die Blut absondert“ und bei der es sich wohl am ehesten um eine Menstruierende handelt.419 Sie soll nämlich sieben Tage nicht einen Mann berühren, der an Ausfluss leidet, einschließlich der Geräte, die er angefasst hat, oder einer Stelle, auf der er gesessen oder gelegen hat (4Q274 1 i 4–5), ebenso wenig eine Frau, die einen viele Tage andauernden Ausfluss von Blut hat (4Q274 1 i 6b). Wenn sie davon aber etwas berührt hat, so soll sie ihre Kleider wa­ schen und baden und dann darf sie essen (‫וא ֗ם נגעה תכבס בגדיה ורחצה‬ ֗ ]…[ ]…[ ‫ ואחר תוכל‬in Z. 5). Zugleich wird offenbar aber auch umgekehrt die der Ruf „unrein, unrein“ aus Lev 13,45 generell auf andere Unreine ausgeweitet (so DJD 35, 101). So aufgenommen von Werrett, Purity, 245f. 413  So Milgrom, 4QTohoraa, 61.63, vor allem aufgrund des Rufes „unrein, unrein“ in 4Q274 1 i 3, der in Lev 13,45 mit Bezug auf einen Aussätzigen verwendet wird, und der Forderung zur Absonderung (vgl. Lev 13,46). So auch Qimron, Halakha, 169 Anm. 170; Kazen, 4Q274, 68.86. 414  Das Nomen ‫ טהרה‬kann speziell das reine Essen (s.o. 2.2.1) bezeichnen (so Baumgarten, DJD 35, 102, mit seiner Deutung von ‫ קודשים‬in Z. 6; Werrett, Purity, 246), doch ist ein sol­ cher Bezug nicht zwingend (vgl. Kazen, 4Q274, 68). 415  Zur Absonderung vgl. auch 11Q19 46,16b–47,2, wonach offenbar drei getrennte Plätze au­ ßerhalb der Stadt für Hautkranke, an Ausfluss Leidende und Männer mit Samenerguss vorausgesetzt werden. 416  Vgl. dazu, dass für denjenigen, der von einem Ausfluss betroffen ist, in Lev 15,1–5 keine Absonderung vorgeschrieben wird. Vgl. dann aber 11Q19 46,18; 48,14–16; Jos. Ant. 3,261. 417  Diese Absonderung des zab stellt auch gegenüber dem rabbinischen Judentum eine Be­ sonderheit dar, vgl. dazu Baumgarten, DJD 35, 102; ders., Fluxes, 7. 418  So die Rekonstruktion von Baumgarten, DJD 35, 101; aufgenommen von Werrett, Purity, 245; Kazen, 4Q274, 59f. Anders Lawrence, Washing, 89. 419  Die Bestimmung einer Frau als „die, die Blut absondert“, kann sich entweder auf eine Menstruierende beziehen oder auf eine Frau, die an Blutfluss leidet. Für die Menstruation sprechen die unmittelbar im Folgenden erwähnten sieben Tage, so auch Kazen, 4Q274, 70f., im Anschluss an Baumgarten, Fluxes, 5; ders., DJD 35, 102; Milgrom, 4QTohoraa, 62.

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Menstruierende selbst während ihres Reinigungsprozesses für andere als ansteckend angesehen. Nach 4Q274 1 i 5–6 darf sie sich nämlich auf keinen Fall (mit anderen) mischen, d.h. Kontakt haben,420 damit sie die Lager der Heiligen421 Israels nicht verunreinigt422 ( ֗‫מחנ֗ י‬ ֗ ‫]…[ ל[ו] ֗א ֗ת ֗ג ֗אל את‬ ]…[ ‫)קד[שי] ישראל‬. Im Folgenden wird dann diese Verunreinigung durch eine Menstruierende näher behandelt und in diesem Rahmen das zuvor Gesagte zugleich noch einmal besonders betont, wenn für eine Person, die sich im Reinigungsprozess befindet und die in diesem grundsätzlich essen dürfte,423 für den Fall eines erneuten Kontaktes mit Unreinheit ein striktes Essensverbot ausgesprochen wird. In 4Q274 1 i 7–9 wird nämlich festgestellt, dass jeder Unreine, der während seines sieben Tage dauern­ den Reinigungsprozesses irgendeinen Unreinen wie beispielsweise den zab, die Menstruierende oder einen Mann mit Samenerguss berührt, (gar) nicht essen soll (‫ הטמאים האלה בשבעת‬/ ‫[…] ֗ה[איש הנ]וגע באדם ֗מ ֗כו֗ ֗ל‬ ]…[ ‫טה[רתו א]ל יוכל‬ ֗ ‫ ימי‬in Z. 8f.), so als ob er durch einen Toten verun­ reinigt worden wäre (]… ‫)[…] כאשר יטמא לנפ[ש האדם‬. Er soll zunächst baden und seine Kleider waschen und dann soll er essen (‫[… ור] ֗חץ וכבס‬ ]… ‫ ואח[ר] יא[כל‬in 1 i 9b–ii 1).424 Jeweils wird die Erlaubnis zu essen nach dem Kontakt mit einem Unreinen von einem vorherigen Bad und dem Waschen der Kleidung abhängig gemacht. Abgesehen von dem allgemeinen Verbum ‫ אכל‬finden sich im Hinblick auf die genauen Umstände des Essens keinerlei nähere Angaben, beispielsweise zur Art der Speise oder zu anderen Mahlteilnehmern. Die Beschränkung des Gemeinschaftsmahls auf vollkommen Reine macht einen Bezug auf dieses 420  In diesem Sinne einer Vermeidung des Kontaktes mit anderen versteht Baumgarten ‫( תתערב‬vgl. DJD 35, 102, unter Hinweis auf 11Q19 45,4; CD-A 11,4, gegen Qimron, der es speziell auf den Geschlechtsverkehr bezieht; vgl. auch Baumgarten, Fluxes, 5f.); so auch Kazen, 4Q274, 63. Undeutlich bleibt, ob die unreine Frau wie der zab in Z. 1–2 tatsäch­ lich abgesondert wohnt. Dagegen spricht Werrett, Purity, 280f., zufolge die vorliegende Aufforderung zur Kontaktvermeidung. 421  Baumgarten versteht ‫ קודשים‬unter Hinweis auf 4Q274 2 i 9 als Rekurs auf heilige Dinge wie das heilige Essen (DJD 35, 102), wohingegen Milgrom, 4QTohoraa, 60, und Kazen, 4Q274, 63 (unter Hinweis auf 1QM 3,5), ‫מחנ֗ י֗ קד[שי] ישראל‬ ֗ als „the camps of the holy (ones) of Israel“ übersetzen (vgl. auch 71). 422  Bei ‫ גאל‬handelt es sich im Kontext von Reinheitsfragen um ein Synonym zu ‫טמא‬, wie die austauschweise Verwendung in 11Q19 47,13.17f. zeigt. Zum Gebrauch von ‫ גאל‬für Unreinheit vgl. abgesehen von 11Q19 47,13 auch 1QM 9,8; CD-A 12,16 mit 11Q19 49,12 (s.u. Einleitung zu 3.4). 423  Vgl. Milgrom, 4QTohoraa, 68. 424  Zu einem solchen Verständnis von 4Q274 1 i 9 vgl. Baumgarten, DJD 35, 103.

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unwahrscheinlich. Folglich handelt es sich aber offenbar um die grundsätz­ liche Erlaubnis zum Essen, auch das in Abgeschiedenheit.425 Damit ist 4Q274 1 i 0–9 aber ebenso wie 4Q514 1 i 1–10 ein Hinweis darauf, dass Essen überhaupt, d.h. auch das normale Essen, eine vorherige Reinigung des Menschen erfordert. Die Anordnungen in 4Q274 1 i 0–9 gehen offenbar davon aus, dass die ur­ sprüngliche Unreinheit eines Menschen durch den von ihm bereits begon­ nenen Reinigungsprozess verringert worden ist, jedoch durch den Kontakt mit einem anderen Unreinen wieder erhöht wird.426 Dieser erneute Kontakt mit Unreinheit während der Phase der Reinigung führt zwar anscheinend nicht dazu, dass der wiederum Verunreinigte seinen sieben Tage dauernden Reinigungsprozess nochmals beginnen muss.427 Er erfordert jedoch – wie ver­ mutlich bereits zu Beginn des gesamten Reinigungsprozesses428 – erneutes Baden und Waschen vor dem Essen, welches die Unreinheit zwar nicht voll­ ständig beseitigt, aber auf ein Maß abmildert,429 welches Essen erlaubt. 3.3 Rituelle Unreinheit von Gefäßen und ihres Inhalts Auch die Gesetze zur rituellen Unreinheit von Gefäßen, wie sie in Lev 11,32– 38 insbesondere für den Kontakt mit Aas formuliert sind (s.o. IIA 3.2), 425  Vgl. dazu Harrington, der zufolge die sich im Reinigungsprozess befindenden Personen zwar anders als Unreine gerade nicht mehr länger außerhalb des Lagers lebten und damit eine besondere Bedrohung für reine Personen und Dinge darstellten (Purity Texts, 59.98; dies., Impurity Systems, 65.85f.), jedoch auch für sie in jedem Fall ein Ausschluss aus dem Gemeinschaftsmahl anzunehmen ist: „They would, of course, still be barred from the communal meal and have to eat separately but they would not have been allowed to eat at all unless they had bathed“ (Purity Texts, 59 mit 57). Vgl. auch Kazen, 4Q274, 87: „com­ mon food in relative purity“. 426  Die Vorstellung von unterschiedlichen Graden von Unreinheit und Reinigung betont vor allem Kazen, 4Q274, 85: „The text presupposes a graded understanding of impurity and re­ flects the ambition to prevent people who are lower on the scale from contacting people who are subject to a higher degree of impurity. The text is thus evidence for developing hi­ erarchies of impurities“ (vgl. auch 53f.77–80). Darin folgt er Beobachtungen von Milgrom, 4QTohoraa, 66, und Werrett, Purity, 247: „unclean individuals were capable of contracting additional forms of impurity if that form of impurity was greater than their own“. Vgl. dazu auch Harrington, Purity Texts, 59.96. Während in der rabbinischen Tradition ein be­ reits Unreiner nur für den Fall weiter verunreinigt wird, dass er in Kontakt mit jemandem kommt, der in höherem Maße unrein ist als er selbst, gilt Harrington zufolge eine solche weitere Verunreinigung in Qumran generell (vgl. Impurity Systems, 61f.80f.88f.). 427  So Baumgarten, Fluxes, 6; ders., DJD 35, 103. 428  Diese Parallelität der Bestimmungen in 4Q274 1 i 0–9 und 4Q514 1 i 1–10 deutet darauf hin, dass nach 4Q274 1 i 0–9 auch für das Essen in der Anfangsphase des Reinigungsprozesses grundsätzlich ein vorheriges Bad und das Waschen der Kleidung erforderlich ist (so auch Kazen, 4Q274, 78.84). 429  Vgl. Harrington, Holiness, 119: „A menstruant must bathe before eating if she has touched a zab, but this does not make her a pure person. She is impure but at a less severe level“.

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werden in den Schriften aus Qumran aufgenommen.430 Ausführlicher wird die Unreinheit von Gefäßen insbesondere in 11Q19 49,5–21 und 50,10–19 behan­ delt, und zwar im Zusammenhang mit der Verunreinigung durch Tote. Dabei wird sie näherhin zum einen mit Bezug auf die Verunreinigung eines Hauses durch eine Leiche erörtert (49,5–21), zum anderen im Kontext der Verunreinigung durch eine Frau, deren Kind im Mutterleib gestorben ist (50,10–19). Insbesondere für die Bestimmungen zur Verunreinigung eines Hauses durch einen in ihm gestorbenen Menschen lassen sich die entspre­ chenden Anordnungen in Num 19,14f.17–19431 als Hintergrund erkennen.432 In diesem Rahmen versteht der Verfasser der Tempelrolle die Aufforderung zur Besprengung aller Gegenstände im Zelt aus Num 19,18 offensichtlich so, dass alle Gegenstände im Haus unrein geworden sind. Im Einzelnen kombiniert er diese Aufforderung mit den Anordnungen zur Unreinheit von Gefäßen in Lev 11,32–38. Gerade für die Angaben, die über Num 19,14f.17–19 hinausgehen, ist nämlich ein deutlicher Einfluss von Lev 11,32–38 zu verzeichnen.433 Dabei werden innerhalb der Anordnungen zur Frau, die ein totes Kind in ihrem Bauch hat, die Anordnungen zum Umgang mit verunreinigten Tongefäßen aus Lev 11,33.35 aufgenommen.434 In Bezug auf sie wird festgestellt, dass sie ein Haus, das sie betritt, unrein macht (11Q19 50,11), ebenso alle Gefäße im Haus (50,12.16–18) und alle Menschen, die mit ihr Kontakt haben (50,13–16). Dabei können Dinge, die aus Ziegenhaar hergestellt worden sind, offenbar gereinigt werden (50,16f.), Gefäße aus Ton sollen jedoch zerstört werden, weil sie nicht mehr rein werden können (50,17b–19). Anders als bei der Verunreinigung von Gefäßen oder anderen Gegenständen durch ein totes Tier in Lev 11,32–38435 muss ein toter Mensch bzw. die Frau, die ein totes Kind in ihrem Bauch hat,

430  Die Frage, inwieweit die Anordnungen zur kultischen Unreinheit der Gefäße in Lev 11,32– 38 tatsächlich gehalten wurden, wird in der Forschung sehr unterschiedlich beantwortet. Sanders, Pharisees, 246f., zufolge waren die Pharisäer die einzigen Laien, die diese im Alltag nur schwer zu erfüllenden Gesetze der Tora eingehalten haben. Sie bedeuteten nämlich, dass man z.B. Olivenbäume praktisch bei jedem Regen abdecken musste. Regev, Individualism, bes. 185, zufolge waren Reinheitsfragen dagegen generell weit verbreitet. 431  Anders als in Num 19,14 geht es in 11Q19 49,5–21 nicht um ein Zelt, sondern um ein Haus (49,6). 432  Vgl. dazu auch die Aufnahme von Num 19,16 in 11Q19 50,4b–9. 433  Zur Annahme eines solchen Einflusses aus Lev 11,32–38 auch Yadin, Temple Scroll I, 326f.; Baumgarten, Liquids, 91–93; Schiffman, Impurity, 140f. 434  In 11Q19 49,7 wird mit der Bestimmung, dass in einem unreinen Haus nicht nur alle Flüssigkeiten, sondern auch trockene Speisen, diese jedoch erst bei Befeuchtung unrein werden, offenbar Lev 11,34.37f. auf den konkreten Fall der Verunreinigung eines Hauses durch eine Leiche angewendet (s.u. 3.4.1). 435  So 4Q274 3 ii 10–12 in der Rekonstruktion von Baumgarten, DJD 35, 108.

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mit den Dingen im Haus demzufolge nicht in direkten Kontakt kommen, um sie zu verunreinigen. Die innerhalb der Tempelrolle überlieferten Anordnungen zur Reinigung von Gefäßen zeichnen sich gegenüber Num 19,14–19 durch mehrere Zusatzin­� formationen aus. Die auffälligste Veränderung mit Blick auf die Verunreini­ gungsfähigkeit von Gefäßen436 besteht darin, dass der Tempelrolle zufolge grundsätzlich offenbar auch geschlossene Gefäße und deren Inhalt verunrei­ nigt werden können. In 11Q19 49,8f. macht der Verfasser der Tempelrolle näm­ lich eine Unterscheidung auf, der zufolge offene Gefäße und alle Flüssigkeiten in ihnen für jeden in Israel unrein sind (‫[…] והפתוחים יטמאו לכול אדם מישראל‬ ‫ אשר בהמה‬/ ‫ כול המושקה‬in 49,9f.). Für den reinen Mann437 werden hingegen offensichtlich selbst geschlossene Tongefäße und alles in ihnen unrein (]…[ ‫ יטמא‬/ ‫בהמה לכול איש טהור‬ ֗ ‫ וכלי חרש יטמאו וכול אשר‬in 49,8f.).438 Die Aussage in Num 19,15 impliziert dagegen, dass ein Deckel die Inhalte vor Verunreinigung schützen kann.439 436  Insbesondere für den Bereich der rituellen Reinigung der Gefäße lassen sich in der Tempelrolle mehrere zusätzliche Bestimmungen feststellen. Für diese ist im Vergleich zu den biblischen Anordnungen insgesamt eine deutliche Tendenz zur Konkretisierung zu erkennen. So wird in Num 19,14 zwar für Personen im Zelt nach einer Verunreinigung durch eine Leiche eine sieben Tage dauernde Unreinheit genannt (so auch 11Q19 50,13), jedoch keine Angabe zu der Frage gemacht, wie lange ein Haus oder dessen Geräte in einem solchen Fall unrein sind. Nach 11Q19 49,5–7; 50,11–12 sind dann auch sie sieben Tage unrein. In Num 19,18; 31,20–23 wird für die Reinigung unreiner Gegenstände und Gefäße kein spezieller Tag genannt, jedoch wird von denjenigen, die mit Leichen in Kontakt ge­ kommen sind, eine Reinigung am dritten und siebenten Tag erwähnt, und zwar genauer eine Besprengung (Num 19,18f.; 31,19.24). Den Bestimmungen in der Tempelrolle zufolge müssen Gefäße in einem Haus mit einem Toten am Tag gewaschen werden, an dem der Tote aus ihm entfernt wird (11Q19 49,13b–15), ebenso am dritten und siebenten Tag da­ nach, wobei an diesen Tagen dann auch eine Besprengung stattfindet (49,18–21). Eine solche Reinigung am ersten, dritten und siebenten Tag sowie Besprengung am dritten und siebenten Tag gilt der Tempelrolle zufolge auch für diejenigen, die ein unreines Haus betreten (11Q19 49,16b–18), ebenso auch für alle, die mit der Frau mit einem toten Kind im Bauch Kontakt hatten (11Q19 50,13–16). Näheres dazu bei Yadin, Temple Scroll I, 331f.; Schiffman, Impurity, 145. Zu der biblisch noch nicht belegten Reinigung am ersten Tag beim Kontakt mit Toten vgl. auch die Belege oben in Anm. 404. 437  Vgl. dazu die Erwähnung des reinen Mannes in Num 19,9.18. 438  Innerhalb der für den reinen Mann geltenden Anordnung in 11Q19 49,8 wird das Tongefäß zwar nicht ausdrücklich als „geschlossen“ bezeichnet, doch ergibt sich dies aus der Gegenüberstellung zum offenen Gefäß in 11Q19 49,9. Zu einem solchen Verständnis vgl. auch Yadin, Temple Scroll II, 214 mit I, 327; Werrett, Purity, 142, im Anschluss an Schiffman; Harrington, Holiness, 118f. 439  Zu einer solchen Vorstellung vgl. auch die von Harrington, Holiness, 118 Anm. 20, ange­ führten Belege: Sifra Schemini 7,5; Sifra Metzora Zabim 3,1f., denen zufolge Tongefäße nur

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Auffällig ist zudem, dass unter den Gegenständen, die gereinigt wer­ den müssen, auch Handmühle und Mörser genannt werden (11Q19 49,14). Damit erscheinen neben Geräten aus Holz, Eisen, Bronze sowie Kleidern, Säcken und Häuten (49,15f.) auch Gegenstände aus Stein als solche, die ver­ unreinigt werden. Mit einer solchen Verunreinigung von Stein, wie sie auch in CD-A 12,15–17 zu erkennen ist, unterscheidet sich die Gemeinschaft von Qumran jedoch deutlich von der in der rabbinischen Literatur mehrfach überlieferten Überzeugung, dass Stein für Unreinheit prinzipiell unemp­ fänglich ist.440 Gerade deshalb waren Steingefäße nämlich offenbar beson­ ders gebräuchlich, um die Ausbreitung von Unreinheit beim Essen oder bei der Aufbewahrung von reinen/heiligen Speisen zu verhindern.441 Der Grund für diese Verunreinigung von Handmühle und Mörser liegt entweder in der Beschaffenheit dieser konkreten Steingefäße442 oder aber in den Substanzen, die mit ihnen in Berührung kommen, wie insbesondere Öl.443 von innen unrein werden können, sodass ein Deckel das Hineinkommen von Unreinheit verhindern kann. 440  Vgl. dazu vor allem mOhal 5,5; mKel 10,1; mPar 5,5; mMiq 4,1; mYad 1,2. 441  Steingefäße wurden nicht nur am Tempel, sondern in ganz Palästina verwendet, und zwar vor allem seit der Herrschaft des Herodes. Die zentrale Bedeutung von Steingefäßen für Reinheitsfragen betont Deines, Steingefäße, und zwar vor dem Hintergrund von rabbi­ nischen Zeugnissen wie mBets 2,3 (vgl. insbesondere 221–246); allgemeiner auch Regev, Purity, 229. Dabei hat das besondere Interesse an Reinheitsfragen die große Verbreitung von Steingefäßen wohl befördert (vgl. auch Joh 2,6). Eine einseitige Herleitung vom Streben nach Reinheit (so z.B. Magen, Industry, 148 u.ö.) greift aber zu kurz, da Stein gerade auch als Statussymbol von wohlhabenderen Menschen nachgefragt wurde und darin vermutlich sogar die Hauptursache für die plötzliche Verbreitung von Stein liegt (so vor allem Miller, Observations, 415.418; erneut ders., Intersection, 153–183; Zangenberg, Pure Stone, bes. 551–554; Reed, Stone Vessels, 384f.). Zu Steingefäßen und Mikwaot als Identitätskennzeichen vgl. auch die Diskussion bei Miller, Pools. 442  So Yadin, Temple Scroll I, 330; II, 216, mit Verweis auf mOhal 8,3: „Diese (Dinge) brin­ gen (die Unreinheit), trennen aber nicht (von ihr) […]. Diesen fügt man hinzu die (vom) Menschen (angetriebene) Mühle“ (Übersetzung Bunte, Ohalot, 211.213). 443  Vgl. dazu ausführlich Eshel, Stone Vessels, 51f., mit dem Hinweis darauf, dass gerade diese Geräte häufig in Kontakt mit Öl kamen (aufgenommen von Werrett, Purity, 147, der dies durch die Forderung nach einer Reinigung des Hauses von Öl in 11Q19 49,11b–12a bestä­ tigt sieht; vgl. auch Maier, Purity, 118). Eshel versteht CD-A 12,15–17 als Beleg dafür, dass Steingefäße in der Gemeinschaft von Qumran nur bei Kontakt mit Öl als unrein angese­ hen werden (52). Mit dieser Deutung von CD-A 12,15–17 im Sinne einer verunreinigenden Wirkung von Öl folgt Eshel Baumgarten, der darin den Grund für die in CD-A 12,15b–16 besonders auffällige Verunreinigung von Rohmaterialien sieht (Avoidance, 190f.). Im Anschluss an Baumgarten, Avoidance, 183.186, liest Eshel, Stone Vessels, 48, innerhalb der umstrittenen Formulierung in CD-A 12,16 ‫„( שמן‬Öl“) anstelle von ‫„( שמו‬sein Name“), so zumeist in der Forschung (im Anschluss an andere Beall, Description, 45 mit Anm. 56; García Martínez/Tigchelaar, Dead Sea Scrolls I, 571; Charlesworth, Dead Sea Scrolls II, 53

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3.4 Die besondere Gefahr einer Verunreinigung durch Flüssigkeiten Flüssigkeiten können selbst unrein werden, zum Beispiel wenn etwas in sie hineinfällt oder sie mit etwas Unreinem in Berührung kommen. Diese Vorstellung hat sich bereits in Lev 11,34b niedergeschlagen. Dabei wurden gerade Flüssigkeiten im antiken Judentum generell als besonders anfällig für Unreinheit angesehen, nämlich anfälliger als feste Nahrung.444 Eine sol­ che Sichtweise trifft auch auf die Gemeinschaft von Qumran zu,445 wie die in 1QS 6,16–22 geforderte Dauer von zwei Jahren bis zur Zulassung von Novizen zum Trinken der Gemeinschaft anstelle der ein Jahr dauernden Zulassung zum Mahl deutlich zeigt (s.o. 2.2.2.2). Danach erfordert der Umgang mit Flüssigkeiten nämlich ein höheres Maß an Reinheit, woraus sich für sie im Umkehrschluss eine leichtere Anfälligkeit für Unreinheit ergibt. Zudem wur­ den Flüssigkeiten auch selbst als in einem besonders hohen Grad unrein und daher als stärker verunreinigend angesehen als feste Nahrung.446 Flüssigkeiten, die selbst zunächst rein und daher nicht direkt für eine Verunreinigung verantwortlich sind, können demzufolge durch unreine Dinge leicht verunreinigt werden447 und übertragen diese Unreinheit dann auf an­ dere Dinge und Menschen. Dies gilt beispielsweise für Flüssigkeiten, die sich in einem durch einen Toten verunreinigten Haus befinden. So werden bei­ spielsweise in 11Q19 49,11b–12a im Kontext der Verunreinigung eines Hauses durch eine Leiche konkret Öl, Wein und Feuchtigkeit von Wasser448 als die Anm. 188). Andere verbessern den Text zu „werden unrein wie sie“ (so Lohse, Texte, 93; vgl. Vermes, Scrolls, 111). 444  Auf eine solche höhere Anfälligkeit von Flüssigkeiten im Vergleich zu Speisen deutet be­ reits die Anordnung aus Lev 11,37f. hin, da ihr zufolge befeuchtete Nahrung leichter ver­ unreinigt wird als trockene Speise (zu entsprechenden Anweisungen in den Schriften der Gemeinschaft von Qumran s.u. 3.4.1; z.B. 11Q19 49,7). 445  Dass Flüssigkeiten leichter verunreinigt werden als Speisen, gilt auch für das rabbinische Judentum. Dies zeigt der Umstand, dass unreine Hände zwar Flüssigkeiten, nicht aber trockene gewöhnliche Speise verunreinigen (vgl. mToh 2,6). 446  Vgl. dazu, dass Flüssigkeiten in der rabbinischen Literatur immer im ersten Grad unrein sind (mPar 8,7). 447  Die Anordnung in 11Q19 49,7–10 (vgl. vor allem 49,7b–8a: […] ‫ יטמא‬/ ‫;]…[ כול המושקה‬ vgl. auch 49,9b–10) ist wohl am ehesten so zu verstehen, dass Flüssigkeiten selbst unrein werden (so die Mehrheit der Forscher; vgl. auch Baumgarten, DJD 35, 109, zu 4Q274 3 ii 12). Anders aber Yadin, der ausdrücklich gegen ein Verständnis von ‫ מושקה‬als Getränk, son­ dern für ein Verständnis von „solid food mixed with liquids“, und zwar genauer „food­ stuff with all liquids“ plädiert (Temple Scroll I, 416; vgl. auch II, 213f.). Dabei versteht er die Bestimmung zu ‫ מושקה‬als synonyme Formulierung zu der in 11Q19 49,7 belegten Feststellung, dass in einem Totenhaus befeuchtete Nahrung unrein wird (s.u. 3.4.1). 448  Zum Verständnis von „Wasserfeuchtigkeit“ vgl. Yadin, Temple Scroll II, 215, der auf mMakh 6,5 verweist. Danach zählt zum Wasser u.a. alles, was aus Auge, Ohr, Nase oder Mund herauskommt.

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Flüssigkeiten aufgeführt, die unrein geworden sind und dadurch das Haus ver­ unreinigt haben ([…] ‫)]…[ יכבדו את הבית מכול תגאולת שמן וײן ולחת מים‬.449 Dabei finden sich in den Schriften aus Qumran überhaupt häufiger Hinweise auf eine verunreinigende Wirkung von Öl.450 Bisweilen wird besondere Sorgfalt im Umgang mit Öl und anderen Nahrungsmitteln gefordert, durch welche das Öl selbst rein bleibt und eine Übertragung von Unreinheit durch Öl vermieden werden kann.451 Der Gebrauch von Öl war im antiken Judentum insgesamt in zweifacher Weise Beschränkungen unterworfen.452 So finden sich nämlich zum einen Hinweise darauf, dass eine Ablehnung speziell von heidnischem Öl durch gesetzestreue Juden eine weiter verbreitete Praxis war,453 zum anderen trifft die prinzipiell für alle Flüssigkeiten geltende Verunreinigungsfähigkeit auch auf Öl zu. Sie ist in Bezug auf den Bereich des Essens insofern beson­ ders zu beachten, als Öl im antiken Judentum wie in der Antike454 generell nicht nur zu kosmetischen Zwecken von zentraler Bedeutung war, sondern 449  Vgl. dazu Yadin, Temple Scroll I, 328f.; Schiffman, Impurity, 142f. 450  Zur Gefahr einer Verunreinigung durch Öl vgl. abgesehen von CD-A 12,15–17 (s.o. 3.3) auch 4Q513 13,4: ‫מגו]אלים בשמן‬. Zur Diskussion der Bedeutung von ‫ גאל‬vgl. Yadin, Temple Scroll I, 328f.; II, 204: Ihm zufolge wird ‫ גאל‬innerhalb der Gemeinschaft von Qumran gerade im Kontext von Verunreinigungen durch Flüssigkeiten gebraucht. Dabei liege im Fokus von ‫ גאל‬nicht nur die konkrete körperliche Verunreinigung durch einen Fleck (so Baumgarten, Avoidance, 184f.), sondern ‫ גאל‬bezeichne wie ‫ טמא‬eine Verunreinigung in einem rituellen Sinne, wie die synonyme Verwendung dieser beiden Verben in 11Q19 47,13.17f. zeige. 451  So ordnet 11Q19 47,3b–14 an, dass die Stadt des Heiligtums dadurch vor Verunreinigung ge­ schützt werden soll, dass nur reine Sachen in sie gebracht werden, wobei solche Reinheit ausdrücklich für Wein, Öl, jede Speise und jedes Getränk gefordert wird (47,6–7a). Gerade um sie zu gewährleisten, sollen Wein, Öl und alle Nahrungsmittel nur in solchen Häuten in die Stadt des Heiligtums gebracht werden, die von zuvor im Tempel geopferten Tieren stammen (47,11–14a; s.o. 1.2). Der Reinheit des Öls dient auch die Anordnung in 4Q284a 1,6b–8, wenn in ihr – wie in der Rekonstruktion des Textes durch Baumgarten, Liquids, 94 – vor einer etwaigen Verunreinigung im Rahmen der Gewinnung des Öls ge­ warnt wird. 452  Zu einer umfangreichen Sammlung des Materials zur Auffassung von Öl im antiken Judentum vgl. Chesnutt, Oil. 453  Zur Vermeidung von Öl, das durch Heiden hergestellt und bei diesen üblich war, vgl. vor allem Jos. Ant. 12,119f.: Antiochenische Juden, die am gymnasialen Sport teilneh­ men, wollen kein heidnisches Körperöl verwenden. Sie erhalten daher anstelle der üb­ lichen Ölration das Privileg einer bestimmten Summe Geldes, von der sie sich eigenes Öl kaufen können (vgl. Vita 74–76; Bell. 2,591f.). In tannaitischer Literatur wird dann heidnisches Öl als Nahrungsmittel zusammen mit dem Brot der Heiden als verboten genannt (mAZ 2,6). Zur Ablehnung speziell von heidnischem Öl vgl. Goodman, Oil (s.o. IIB 2.1.2.2b). 454  Vgl. Garnsey, Food, 12; für den griechisch-römischen Bereich vgl. auch Tyree/Stefanoudaki, Pit, 171.

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auch zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln gehörte und daher besonders häufig gebraucht wurde.455 Dabei lassen sich Hinweise darauf finden, dass Öl im antiken Judentum tatsächlich als stärker verunreinigend angesehen wurde als andere Flüssigkeiten.456 Die von Josephus für die Essener berichtete strikte Vermeidung von Öl zu kosmetischen Zwecken hat ihren Grund jedoch nicht in einer solchen verunreinigenden Wirkung des Öls, sondern vielmehr einen asketischen Hintergrund.457 Zudem finden sich auch bei Josephus keiner­ lei Hinweise auf eine generelle Vermeidung von Öl, beispielsweise auch als Nahrungsmittel, bei den häufig mit der Gemeinschaft von Qumran identifi­ zierten Essenern. 3.4.1

Zur Verunreinigung von Speisen durch den Kontakt mit Flüssigkeiten Der Umgang mit Flüssigkeiten erfordert im Zusammenhang des Essens ganz besondere Vorsicht. Abgesehen von der Gefahr einer Übertragung von Unreinheit durch unreine Flüssigkeiten können nämlich selbst reine Flüssig­ keiten einen verunreinigenden Effekt haben, und zwar dergestalt, dass sie feste Nahrung überhaupt erst empfänglich für Unreinheit machen. Dass trockene Nahrungsmittel erst durch Flüssigkeiten unrein werden, findet sich schon in Lev 11,37f.458 Danach bleibt Pflanzensamen, auf den ein Tierkadaver fällt, rein, solange er trocken ist (11,37). Erst wenn der Samen angefeuchtet wird, macht Kontakt mit etwas Unreinem diesen Samen unrein (11,38). Eine solche Sichtweise findet sich auch in den Schriften der Gemeinschaft von Qumran wieder. So ist nach 11Q19 49,7–8a in einem Haus, in dem jemand gestorben ist, nicht nur jede Flüssigkeit (vgl. 49,9f.), sondern auch jede Speise unrein, 455  Zur zentralen Bedeutung von Öl vgl. Goodman, Oil, 187, unter Hinweis auf archäologi­ sche Funde von Olivenpressen; ausführlicher zu solchen Olivenpressen selbst in kleinen Städten Galiläas Hestrin/Yeivin, Oil. 456  Vgl. dazu mToh 3,1f., wonach Öl immer, und zwar – im Unterschied zu anderen Flüssig­ keiten – selbst im geronnenen Zustand im ersten Grad unrein wird. Zu weiteren Belegen aus der rabbinischen Literatur vgl. Chesnutt, Oil, 128. So vertreten von Baumgarten, Avoidance, 191; im Anschluss an ihn Eshel, Stone Vessels, 52 mit Anm. 23; Werrett, Purity, 147; Maier, Purity, 118. 457  Nach Jos. Bell. 2,123 vermeiden die Essener im Rahmen ihrer Körperpflege Öl, da sie dieses als Fleck bewerten (κήλιδα), und baden nur in kaltem Wasser (2,129). Als Grund für diese Vermeidung von Öl wurde insbesondere von Baumgarten, der die Gemeinschaft von Qumran mit den Essenern gleichsetzt, eine mögliche Verunreinigung durch Öl angesehen (so vor allem Avoidance). Dagegen sieht Mason, Judean War, 101f., bes. Anm. 773f.777, das Motiv für diese Vermeidung von Öl in einem Bemühen um besondere Einfachheit, ins­ besondere aufgrund des in diesem Zusammenhang erwähnten Badens in kaltem Wasser, und plädiert daher für eine Nähe zu den Spartanern. Dabei versteht er κήλιδα konkret mit Bezug auf Flecken, die Öl zurücklässt. Die Deutung bleibt jedoch insgesamt fraglich. 458  Im Rahmen der Unreinheit von Gefäßen wohl auch in Lev 11,34a (s.o. IIA 3.2).

3 Rituelle Reinheitsvorschriften

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auf die Wasser gegossen wurde ([…] ‫)]…[ וכול אוכל אשר יוצק עליו ֗מ[י] ֗ם יטמא‬. Im Einzelnen wird diese Vorstellung zur Empfänglichkeit fester Nahrung für Unreinheit durch Befeuchtung sowohl in den Schriften aus Qumran als auch im rabbinischen Judentum weiter ausgebaut.459 Dabei war allein Wasser, das sich in Brunnen und Zisternen befindet (vgl. Lev 11,36) ausgenommen von dieser Fähigkeit, trockene Nahrung für Unreinheit empfänglich zu machen. Tau und Regen führen hingegen dazu, dass trockene Nahrung empfänglich für Unreinheit ist.460 Zudem wurde die Fähigkeit, trockene Nahrung für Unrein­ heit empfänglich zu machen, offenbar von Wasser auf andere Flüssigkeiten übertragen.461 Die Mischna weitet diese Fähigkeit insgesamt auf folgende sieben Flüssigkeiten aus: „Tau, Wasser, Wein, Öl, Blut, Milch, Bienenhonig“ (mMakh 6,4; vgl. auch 1,1). Innerhalb der Schriften aus Qumran462 lässt sich eine solche Ausweitung dergestalt erkennen, dass aus einer Frucht austreten­ der Saft diese empfänglich für Unreinheit macht.463 So soll nach 4Q274 3 i 6–8 eine Frucht, die von einem unreinen Menschen berührt wurde, nicht gegessen werden, wenn sie zerquetscht wurde und dadurch ihr eigener Saft herausge­ flossen ist.464 In 4Q284a 1,2–8 wird zum einen davor gewarnt, dass jemand, der nicht zur Trinkgemeinschaft zugelassen ist, Feigen sammelt, aus denen durch Drücken Saft herauskommen könnte. Zugleich darf jemand, der noch kein Mitglied der Trinkgemeinschaft ist, die Oliven nicht öffnen, bevor sie in die Presse gegeben werden, da das herauskommende Öl sie sonst empfänglich für Unreinheit machen würde.465 459  Vgl. dazu vor allem Baumgarten, Liquids; zu einem knappen Überblick vgl. ders., DJD 35, 89–91. 460  Vgl. dazu 4Q274 3 ii 4–9, wonach jemand, der unrein ist, und zwar evtl. weil er sich im Reinigungsprozess befindet, Grünes durchaus essen darf, dies jedoch für den Fall nicht essen soll, dass Tau und Regen darauf gefallen ist. Eine solche Fähigkeit findet sich für Tau und Regen auch in der rabbinischen Literatur, doch ist in diesem Fall die Einstellung des Besitzers des Essens entscheidend, d.h. ob er den Regen begrüßt oder nicht (Baumgarten, DJD 35, 90.108f.). 461  Noam, Stringency, 9, erklärt diese Ausweitung damit, dass Lev 11,34 so verstanden wurde, dass die in Lev 11,34a belegte Anordnung für die in Lev 11,34b erwähnten sämtlichen Getränke gilt, obwohl in Lev 11,34a ursprünglich nur Wasser genannt wird. 462  Vgl. dazu Yadin, der eine solche Ausweitung schon in 11Q19 49,7–9 erkennt. Ihm zufolge macht ‫ כול המושקה‬klar, dass nicht nur jede Speise, auf die Wasser kommt, sondern jede Speise, auf die irgendeine Flüssigkeit kommt, unrein wird (Temple Scroll I, 416, mit II, 213f.). 463  Auch in der rabbinischen Literatur kann der eigene Saft einer Frucht wie einer Weintraube oder Olive diese empfänglich für Unreinheit machen, doch ist dies – ähnlich wie bei Tau und Regen – ebenfalls von der Einstellung des Besitzers abhängig, und zwar davon, dass dieser wollte, dass die Flüssigkeit herauskommt (vgl. mMakh 6,8). 464  Vgl. dazu Baumgarten, DJD 35, 91.106f. 465  Vgl. dazu Baumgarten, DJD 35, 91.132.

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IIC Anordnungen zum Essen in hebräisch-aramäischen Texten

3.4.2 Die Unreinheit des Flüssigkeitsstrahls Abgesehen von den soeben dargestellten Problemen beim Umgang mit Flüs­ sigkeiten ist der hinter 4QMMT stehenden Verfassergruppe zufolge beim Um­ gießen von Flüssigkeiten in ein anderes Gefäß bzw. eine andere Flüssigkeit der Reinheitszustand beider Gefäße und Flüssigkeiten genau zu beachten. Im Gegensatz zu anderen jüdischen Gruppen nimmt nämlich die Gruppe von 4QMMT nicht nur eine Übertragung von Unreinheit mit dem Fluss, sondern selbst eine Verunreinigung gegen die Gussrichtung an, d.h. aufwärts, sodass für den Fall, dass das untere Gefäß oder die untere Flüssigkeit unrein ist, dann auch die Flüssigkeit im oberen Gefäß unbrauchbar wird. Innerhalb der entsprechenden Bestimmung zu Flüssigkeitsströmen (4Q394 8 iv 5–8a/4Q396 1–2 ii 6b–9a/4Q397 6–13,1–2a = 4QMMT B55–58) scheint es sich im Einzelnen um zwei Regeln zu handeln:466 Erstens ist der Strahl einer Flüssigkeit, die von einem reinen in ein unreines Gefäß gegossen wird, nicht rein (B55–56): ‫ [ט]הרה‬/ ‫„( שאין בהם‬Sie haben keine Reinheit in sich“). Ein sol­ cher Flüssigkeitsstrahl verunreinigt daher auch das obere zuvor reine Gefäß.467 Zweitens kann der Flüssigkeitsstrahl keine Barriere zwischen Reinem und Unreinem bilden (‫ [ל] ֗טהור‬/ ‫)ואף המוצקות ֗אינ֗ ם ֗מ ֗ב ֗די֗ לות בין הטמא‬, weil die flie­ ßende Flüssigkeit und die Flüssigkeit in einem Behälter zu einer einzigen werden (B56–58). Wird daher eine reine Flüssigkeit in eine unreine gegos­ sen, so stellt der Strahl der Flüssigkeit eine Verbindung zwischen den beiden Flüssigkeiten zur Übertragung der Unreinheit her. Er selbst ist daher unrein und verunreinigt auch die Flüssigkeit im oberen Gefäß.468 Im Hintergrund dieser Bestimmungen steht die Überzeugung, dass sich Unreinheit aufgrund der fehlenden Barriere ausbreitet, d.h. die Flüssigkeit wird als Einheit gewertet. Die Gegenposition nimmt stattdessen die Rechtsfiktion einer Trennung an.469

466  So die Auslegung des Textes bei Qimron, Halakha, 161f. Vgl. dazu auch Harrington, Holi­ ness, 121; Grabbe, 4QMMT, 93. 467  Diese Position zur Verunreinigung durch den Strahl einer Flüssigkeit entspricht der Auffassung der Sadduzäer in mYad 4,7, welche jedoch der Position der Pharisäer unterle­ gen ist. Nach rabbinischer Lehre wird beim Gießen aus einem reinen Gefäß in ein unrei­ nes das reine nicht verunreinigt, da der Strahl – außer bei zähen Flüssigkeiten wie dickem Honig – rein bleibt (mMakh 5,9). Der Streitpunkt ist also, ob sich Unreinheit auch gegen die Gussrichtung ausbreiten kann. 468  Dagegen mToh 8,9. 469  Vgl. Schwartz, Law and Truth, 232.

teil iii Auseinandersetzungen um Fragen des Essens in der urchristlichen Literatur



Einleitung Bei einer Durchsicht der im Urchristentum überlieferten Auseinandersetzungen zum Essen ist festzustellen, dass der Komplex der Tischgemeinschaft einen besonderen Schwerpunkt der urchristlichen Diskurse zum Essen darstellt. Eine grundsätzliche Auflösung der jüdischen Speisevorschriften, wie sie oftmals in der Forschung angenommen wird, lässt sich jedoch weder aus diesen Auseinandersetzungen zur Tischgemeinschaft noch aus den Diskursen herleiten, in deren Zentrum eindeutig die jüdischen Speisegebote stehen. Mit der Auseinandersetzung um das Händewaschen vor dem Essen findet sich in Mk 7,1–23 auch eine Diskussion um einen rituellen Brauch im Zusammenhang des Essens. Dieser wird vom markinischen Jesus ausdrücklich abgelehnt.

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen Im Folgenden werden die urchristlichen Diskurse näher untersucht, in deren Zentrum eine Auseinandersetzung um den Genuss bestimmter Speisen steht. In diesem Rahmen klingt der Kontext der Tischgemeinschaft bisweilen an (1 Kor 10,27), doch liegt der Fokus auch in diesem Fall nicht auf der Beschaffen­ heit der Mahlteilnehmer, sondern auf den jeweils servierten Speisen. Die Frage nach einer Einhaltung der jüdischen Speisegebote stellt sich im Urchristen­ tum insbesondere mit Blick auf das Zusammenleben von Juden und Heiden in einer Gemeinde. Dies zeigen sowohl die Auseinandersetzung in der Gemein­ de von Rom als auch die Tatsache, dass die Bestimmungen des sogenannten Aposteldekrets in den Zusammenhang der Aufnahme von Heiden in die Ge­ meinde gehören. Dabei wird in keinem der urchristlichen Diskurse zu Speise­ fragen die Geltung der jüdischen Speisegebote für Judenchristen grundsätzlich aufgelöst. Auf die Einhaltung der jüdischen Speisegebote durch Judenchristen geht überhaupt nur Paulus im Rahmen von Röm 14,1–23 näher ein. Abgesehen davon wird in den urchristlichen Diskursen zu Speisen die Frage behandelt, inwiefern sich auch Heidenchristen bestimmter Speisen enthalten müssen. Dabei besteht der Anlass der Auseinandersetzung in 1 Kor 8,1–11,1 eindeutig im Essen von Fleisch bzw. Speisen aus Götzenopfern, wohingegen im Rahmen der vergleichbaren Argumentation in Röm 14,1–23 das Stichwort des Götzen­ opfers fehlt. Das Verbot des Genusses von Götzenopferfleisch für Heiden­ christen lässt sich hingegen auch als Hintergrund des Aposteldekrets deutlich erkennen (Apg 15,20.29; 21,25).1 Gerade die Frage des Götzendienstes in Form des Genusses von Götzenopferfleisch bzw. der Teilnahme an heidnischen Mählern kam offenbar durch die Verbindung mit Nichtjuden auf, wie auch die aus dem Diasporajudentum überlieferten Diskurse zeigen. Dort besteht die Hauptsorge in Bezug auf Essensfragen nämlich darin, dass Juden durch heid­ nische Speisen mit Götzendienst in Berührung kommen könnten, und zwar sowohl im Fall eines gemeinsamen Essens mit Nichtjuden (s.o. IIB 2.1) als auch im Fall einer Versorgung mit Speisen durch sie (s.o. IIB 1.1.2.1).

1  Hinweise auf weitere urchristliche Auseinandersetzungen um jüdische Speisevorschriften finden sich innerhalb des Neuen Testamentes auch in Kol 2,16.20–22; 1 Tim 4,3f.; Tit 1,15 (hier zusammen mit einer ausdrücklichen Gegenüberstellung zu moralischer Unreinheit). Im Fol­ genden werden aber nur die Diskurse näher behandelt, in denen Anordnungen zu verbote­ nen Speisen eingehender diskutiert werden.

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1 Götzenopferfleisch in Korinth ( 1 Kor 8,1–11,1 )

1

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Der Streit um das Essen von Götzenopferfleisch in der Gemeinde von Korinth (1 Kor 8,1–11,1)

Der Komplex des Essens war offenbar ein höchst virulentes Thema innerhalb der korinthischen Gemeinde. In 1 Kor 8–11 liegt der Schwerpunkt nämlich ins­ gesamt auf Fragen des Essens. Dabei geht Paulus auf aktuelle Probleme ein, die das Essen betreffen. Während er sich in 1 Kor 11,17–34 Missständen widmet, die ihm in Bezug auf das Gemeinschaftsmahl der Gemeindeglieder zu Ohren gekommen sind, steht im Mittelpunkt von 1 Kor 8,1–11,1 die Frage nach dem Verzehr von Götzenopferfleisch. So zeigt der von Paulus mehrfach gebrauch­ te Terminus εἰδωλόθυτα deutlich, dass es nicht generell um Götzenopfer geht, sondern um etwas den Götzen Geschlachtetes.2 Auch diese Frage umfasst da­ bei mehrere Aspekte. Der Genuss von Götzenopferfleisch – ein Überblick über die verschiedenen Problemfelder Im Einzelnen nimmt Paulus in 1 Kor 8,1–11,1 unterschiedliche Mahlsituatio­ nen in den Blick. In 1 Kor 8,1–10,22 (vor allem 8,1–13 und 10,14–22) geht er auf die Frage einer Teilnahme an Mählern im Tempel ein. Demgegenüber wird in 1 Kor 10,23–11,1 als Situation offensichtlich ein Mahl in einem privaten Kon­ text im Haus eines Heiden vorausgesetzt (s.u. 1.4). Dabei zeigt die ausführliche Behandlung von Tempelmahlzeiten, dass die von den Erkenntnishabenden offenbar bislang praktizierte Teilnahme an solchen (kultischen und auch ge­ sellschaftlichen) Mahlfeiern im Tempel3 Paulus zufolge das Hauptproblem ist,4 und zwar sowohl für die Erkenntnishabenden selbst als auch für die 1.1

2  Zur Verwendung von εἰδωλόθυτα vgl. abgesehen von 1 Kor 8,1.4.7.10; 10,19 und 10,28 v.l. in ur­ christlichen Schriften Apg 15,29; 21,25; Offb 2,14.20; Did 6,3. Auch innerhalb der jüdischen Schriften ist εἰδωλόθυτα nur selten überliefert (zu Belegen s.o. Einleitung zu IIB 1.1.2 Anm. 41; vgl. vor allem 4 Makk 5,2). Dabei ist dieser Terminus bei einer Datierung des 4. Makkabäer­ buches nach dem 1. Korintherbrief (zu der für 4 Makk zumeist vorgeschlagenen Spätdatie­ rung s.o. IIB 1.4.1.2) vor Paulus nicht belegt. Der Gebrauch des Terminus εἰδωλόθυτα ist nicht neutral, sondern vor dem Hintergrund der Polemik gegen den paganen Götterkult zu verste­ hen (vgl. BDAG, s.v.: εἰδωλόθυτα ist „an expression which was possible only within Israelite tradi­tion, where it was used in a derogatory sense,“ und „within the Mosaic tradition it was unclean and therefore forbidden“; vgl. auch Newton, Deity, 183). 3  Zu einem Überblick über die Forschungsergebnisse zu paganen Kulten in Korinth vgl. Gäck­ le, Die Starken, 122–142, der im Anschluss an Fotopoulus, Food, 70, vor allem an die Teil­ nahme im Asklepieion denkt (181). Dabei geht Fotopoulos, Misidentification, bes. 49f., gegen Gooch u.a. davon aus, dass alle Speisen, die im Asklepieion serviert wurden, Götzenopfer waren. 4  So vor allem Fee, Εἰδωλόθυτα, 181–187; ders., 1 Kor, 359f., gegen die bis dahin übliche Deutung, die Fleisch vom Markt als Hauptproblem ansah; Konradt, Gericht, 345.347 mit Anm. 785f.

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

sogenannten „Schwachen“5 (vgl. 8,10). Mahlzeiten im Tempel stellen demzu­ folge offensichtlich eine besondere Gefahr im Blick auf den Genuss von Göt­ zenopferfleisch und andere Formen des Götzendienstes dar, doch ist das Essen von εἰδωλόθυτα nicht auf solche Mähler im Tempel begrenzt.6 Die Ausführungen des Paulus lassen folgende Argumentationslinie erken­ nen: Zunächst gibt Paulus denjenigen, die bedenkenlos Götzenopferfleisch essen, grundsätzlich Recht, jedoch nicht im Hinblick auf ihr Verhalten, sondern im Hinblick auf ihre Erkenntnis. Wie offenbar sie, so vertritt nämlich auch er selbst7 die Auffassung, dass es keine Götzen gibt (8,4–6; 10,19). Dennoch plä­ diert Paulus gerade nicht für den unter ihnen verbreiteten8 Genuss von Götzen­ opferfleisch. Vielmehr argumentiert er trotz der an sich richtigen Erkenntnis dafür, den Verzehr solchen Fleisches zu unterlassen, und zwar insbesondere durch eine gänzliche Aufgabe der Teilnahme an Tempelmahlzeiten, dane­ ben aber auch bei Mahlzeiten im privaten Rahmen, wenn sich herausstellen sollte, dass das dort verwendete Fleisch aus Götzenopfern stammt (10,28). Im Rahmen seiner detaillierten Behandlung von Tempelmahlzeiten führt Paulus im Einzelnen zwei unterschiedliche Begründungen an, weswegen die Teilnah­ me an solchen Mählern auch von den Erkenntnishabenden vermieden werden soll. Dies gilt nämlich zum einen um des schwachen Glaubensbruders willen (8,1–13),9 zum anderen um Christi willen (10,14–22, vor allem V. 20–22). In Hin­ sicht auf den Bruder argumentiert Paulus dergestalt, dass er das Verhalten der Erkenntnishabenden dem Handeln Christi in seinem Tod strikt gegenüberstellt. (im Anschluss an Fee, Willis, Merklein, Newton, Smit). Gegen eine Beschränkung auf Tem­ pelmahlzeiten, welche nur das Extrembeispiel für den Genuss von Götzenopfern seien, aber Cheung, Idol Food, 104–106. 5  Vgl. dazu, dass Paulus in 1 Kor 8 gehäuft von den Schwachen spricht (8,7.9–12; vgl. auch 9,22), sich für die den Schwachen gegenüberstehende Gruppe die Bezeichnung als Starke in 1 Kor 8,1–11,1 jedoch anders als in Röm 15,1 nicht findet. 6  Paulus zufolge ist für die Definition von Fleisch als Götzenopferfleisch nicht allein der Ort des Genusses, d.h. der Verzehr im Tempel ausschlaggebend (so aber Fee, 1 Kor, 359: „eidōlothyta does not refer primarily to marketplace food, but to eating of sacrificial food at the cultic meals in the pagan temples“; ders., Εἰδωλόθυτα, 181f.; vor allem Witherington III, Thoughts, 240; ders., Idol Meat, 42f., der εἰδωλόθυτον im Gegensatz zu ἱερόθυτον in 1 Kor 10,28 auf Fleisch beschränkt, das im Tempel gegessen wurde, dagegen Cheung, Idol Food, 319–322), sondern die Herkunft des Fleisches aus Opfern an andere Götter (so auch Fisk, Meat, 59, der bei Fee die fehlende Unterscheidung zwischen Bedeutung und Referenz diagnostiziert, 54–59; vgl. Cheung, Idol Food, 104f.; Gäckle, Die Starken, 180). 7  Vgl. dazu den Gebrauch der 1. Person Plural οἴδαμεν in 1 Kor 8,1.4; vgl. auch „wir alle“ in 1 Kor 8,1. 8  Vgl. das Motto πάντα ἔξεστιν in 1 Kor 10,23; vgl. 6,12. 9  Anders Ehrensperger, Table Disputes, 126f., der zufolge das Hauptanliegen des Paulus nicht im Schutz des schwachen Bruders, sondern in der Heiligkeit der Gemeinschaft besteht, wel­ che „a ritual category“ darstelle. Ihr zufolge sind für 1 Kor 8 somit kultische Belange zentral.

1 Götzenopferfleisch in Korinth ( 1 Kor 8,1–11,1 )

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Dieses ist nämlich – anders als das der Erkenntnishabenden – ein von der Liebe motiviertes und auf die Rettung des Bruders zielendes, und zwar ge­ nauer ein Unheil von ihm abwendendes Ereignis.10 Daher verlangt es in be­ sonderer Weise die Rücksichtnahme diesem schwachen Bruder gegenüber.11 In 1 Kor 10,14–22 fordert Paulus dann erneut dazu auf, an Mählern im Tempel nicht teilzunehmen und führt in diesem Zusammenhang als Begründung an, dass eine gleichzeitige Teilnahme am Tisch der Dämonen und am Herrenmahl ausgeschlossen ist. Damit ist das Essen im Tempel auch für den Erkenntnisha­ benden durchaus gefährlich. In der Forschung wird die Position des Paulus zum Essen von Götzen­ opferfleisch in 1 Kor 8,1–11,1 zumeist als spannungsreich bewertet: Besonders häufig wird dem Abschnitt 1 Kor 10,23–11,1 eine gewisse Son­ derstellung zugemessen, da Paulus den Genuss von Götzenopferfleisch hier deutlich weniger kritisch betrachte als im Rahmen seiner übrigen Argu­mentation.12 Zum Teil werden auch 1 Kor 8,7–13 und 10,14–22, wo Paulus jeweils das Essen im Tempel behandelt, als voneinander abwei­ chend bewertet. Während Paulus in 1 Kor 8,7–13 das Essen von Götzenop­ ferfleisch (wie in 10,25–11,1) als Adiaphoron bewerte, das lediglich um des Schwachen willen zu unterbleiben habe,13 verbiete er es in der stärker kultisch geprägten Situation in 1 Kor 10,14–22 hingegen auch mit Blick auf das Heil der Erkenntnishabenden strikt.14 Diesen Befund sucht man in der Forschung zum einen durch entsprechende Teilungshypothesen

10  Vgl. Eschner, Sünder I, 208–225. 11  Als Beispiel für eine besondere Rücksichtnahme verweist Paulus zudem mehrfach auf sich selbst, so in 1 Kor 8,13, wenn er feststellt, er werde kein Fleisch mehr essen, wenn dieses den Bruder zum Fehltritt verführt, in 1 Kor 9,4–23 hinsichtlich des Verzichts auf ein Recht, das ihm zusteht (zur Verbindung von 1 Kor 8 und 9 vgl. den Gebrauch von ἐξουσία in 8,9; 9,4–6.12.18); vgl. vor allem 1 Kor 9,20–22, wobei Paulus in V. 22 ausdrücklich die Schwachen erwähnt. Dabei steht die Gefahr des Untergangs des Schwachen durch das Verhalten des Erkenntnishabenden insofern im strikten Gegensatz zum Handeln des Paulus, als dieses auf die Rettung der anderen zielt (10,33). 12  So z.B. Fee, Εἰδωλόθυτα, 176f. 13  Vgl. dazu, dass 1 Kor 8,8 oft so ausgelegt wird, dass Essen in moralischer Hinsicht keine Bedeutung habe (Barrett, 1 Kor, 195; Witherington III, 1/2 Kor, 199; Fee, 1 Kor, 383f.). Dage­ gen Cheung, Idol Food, 134–136. 14  So z.B. Conzelmann, 1 Kor, 170.184, dem zufolge Paulus in 1 Kor 8,10 den Besuch der Tem­ pelrestaurants nicht verbietet; vgl. auch Witherington III, 1/2 Kor, 188.200; Newton, Deity, 198f.331–371, dem zufolge es in 1 Kor 8 um das Essen von Götzenopferfleisch geht, in 1 Kor 10,1–22 hingegen um die Opferakte selbst; Horrell, Idol Food, 122–130.

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

zu bewältigen,15 zum anderen dadurch, dass man zwischen 1 Kor 8,10 und 10,14–22 eine Differenz und Weiterführung im Hinblick auf die von Paulus angenommene Situation voraussetzt. Während 1 Kor 10,14–22 zu­ meist so gedeutet wird, dass es sich um eine Kultfeier handelt,16 wird für 1 Kor 8,10 nicht in jedem Fall ein kultischer Charakter angesetzt,17 son­ dern die entsprechende Feier von einigen Forschern eher als gesellschaft­ liche Veranstaltung im Tempel18 bewertet, welche Paulus somit – anders als die wirkliche Kultfeier – nicht verbiete.19 Einer solchen Trennung wird bisweilen heftig widersprochen.20 Eine genaue Analyse von 1 Kor 8,1–11,1 wird zeigen, dass Paulus im Einzelnen verschiedene Aspekte in den Blick nimmt, aufgrund derer Mähler im Tempel 15  Entgegen den in der Forschung bisweilen vorgeschlagenen Teilungshypothesen (so im Anschluss an Schmithals z.B. Richter, Freiheit, mit einem Überblick über die verschiede­ nen Teilungsvorschläge [573f.]) gehe ich im Folgenden mit der Mehrheit der Exegeten von der Einheitlichkeit des Textes aus. 16  So Collins, 1 Kor, 304; Becker, Paulus, 205; Söding, Starke, 348.361. Anders Konradt, Gericht, 391, dem zufolge es auch in 1 Kor 10,15–22 um kaum mehr als gesellschaftliche Mähler im Tempel geht. 17  Klauck, Herrenmahl, 248, zufolge geht es schon in 1 Kor 8 um die Teilnahme an einer Kultfeier; vgl. Weiss, 1 Kor, 211f.; Wolff, 1 Kor, 181; Cheung, Idol Food, 36–38.93–95; ähnlich Fee, Εἰδωλόθυτα, 178–187; ders., 1 Kor, 359–361.386. 18  Zur Nutzung der Speiseräume am Tempel vgl. vor allem Leypold, Bankettgebäude, 194– 201: Danach wurden zum einen Priester und hohe Beamte dadurch ausgezeichnet, dass sie während der Kultfeste in den Bankettgebäuden speisen konnten. Daneben konnten sich aber auch Privatpersonen einen Platz in den verschiedenen Speiseräumen mieten. Dabei belegen Inschriften, dass diese Vermietung der Speiseräume im Tempel nicht nur für Kultfeste, sondern auch für gesellschaftliche und familiäre Veranstaltungen wie Hoch­ zeiten galt (199). Sie stützen damit die bereits aus archäologischen Zeugnissen gewonne­ ne Sicht einer privaten Nutzung. Zu solchen privaten Mählern im Tempelbezirk vgl. auch Arzt-Grabner, Groups, der dafür papyrologische Funde von entsprechenden Einladungs­ briefen (auch aus späterer Zeit) auswertet. 19  Conzelmann, 1 Kor, 184.209, zufolge besteht das eigene Thema von 1 Kor 10,14–22 gegen­ über 1 Kor 8 in einer Teilnahme an heidnischen Kultmählern, im Anschluss an ihn Eck­ stein, Syneidesis, 245. Für eine Deutung von 1 Kor 8,10 im Sinne einer gesellschaftlichen Feier plädieren vor allem Oster, Use, 66f.; Schrage, 1 Kor II, 263f.; Fisk, Meat, 62f.; Borgen, Participation, 51.56; Horrell, Principles, 90f.100f.; vgl. auch Gäckle, Die Starken, 167.181, der 1 Kor 8,10 mit 10,27ff. verbindet. 20  So z.B. Cheung, Idol Food, 93. Gegen eine solche Trennung wenden einige Forscher ein, dass Mahlzeiten im Tempel, auch solche gesellschaftlicher Art, generell mit den entspre­ chenden Göttern in Verbindung standen, so z.B. Willis, Idol Meat, 56–61; Newton, Deity, 188.212.219.225.242.246–248.302–304. Auch Still III, Aims, betont, dass Paulus jegliche Teilnahme an Mahlzeiten im Tempel kategorisch ablehnt, wenngleich aus unterschied­ lichen, nämlich ethischen und theologischen Gründen.

1 Götzenopferfleisch in Korinth ( 1 Kor 8,1–11,1 )

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oder bei Heiden problematisch sein können, nämlich in 1 Kor 8,1–13; 10,25–11,1 den Genuss von Götzenopferfleisch,21 in 1 Kor 10,14–22 hingegen die für Kult­ mähler typische Gemeinschaft mit der entsprechenden Gottheit während des Mahls. Die Position des Paulus ist jedoch grundsätzlich kohärent.22 So ist für die Erkenntnishabenden, an die sich Paulus offenbar in 1 Kor 8,1–11,1 vorran­ gig wendet,23 Götzenopferfleisch nach 1 Kor 8,7–13 nicht um ihrer selbst wil­ len, sondern aus Rücksicht auf den Schwachen verboten. Sie werden nämlich nicht durch das Essen von Götzenopferfleisch zu Götzendienern, verstoßen aber durch die Teilnahme am Tisch der Dämonen, d.h. an Mählern, die der Verehrung anderer Götter dienen, gegen das Gebot der Alleinverehrung Got­ tes. Folglich sind Mähler im privaten Rahmen für sie selbst nicht gefährlich. Die weitere Geltung des strikten Götzenopferfleischverbots mit den Erkenntnishabenden als einziger Ausnahme (1 Kor 8,1–13) Im Hinblick auf die Frage, ob das Verbot des Genusses von Fleisch aus Göt­ zenopfern Paulus zufolge weiter gilt und solches Fleisch selbst eine verunrei­ nigende Wirkung hat oder nicht, herrscht in der Forschung keine einheitliche Sichtweise. Einige Forscher vertreten die Auffassung, dass das Fleisch aus Götzenopfern auch für Paulus in sich, d.h. in seiner Substanz, gefährliche Eigenschaften hat.24 Zumeist wird eine solche gefährliche Bedeutung des Flei­ sches bei Paulus jedoch verneint.25 Dabei lehnen einige Forscher zwar eine 1.2

21  Vgl. dazu vor allem 1 Kor 8,4: περὶ τῆς βρώσεως οὖν τῶν εἰδωλοθύτων. 22  So vor allem Delobel, Coherence, 177–186. 23  Zu den Erkenntnishabenden als direkten Adressaten vgl., dass sie von Paulus in der 2. Person Plural angesprochen werden. Demgegenüber spricht er nur über die Schwachen in der 3. Person Singular oder 3. Person Plural. Dies gilt auch für 1 Kor 10,23–29 (s.u. 1.4). 24  So vor allem Klauck, Herrenmahl, 248, der die gefährliche Wirkung des Götzenopferflei­ sches zwar nicht in 1 Kor 8,1–13 ausgearbeitet sieht, eine solche jedoch aus 1 Kor 10,14–22 herleitet. Dort liege der Fokus nämlich nicht nur auf den Dämonen als Tischgenossen, sondern auf der Opferspeise: „Selbst der Gedanke einer dämonischen Infektion der Opferspeisen ist nicht auszuschließen“ (271). Zu einer gefährlichen Wirkung der Speise selbst vgl. auch Gooch, Food, 55–59.85–88, der annimmt, dass Götzenopferfleisch „the contagion of idolatry“ oder „the contagion of demons“ trage (55f.86f.). 25  So vor allem Bosman, Conscience, 211; Barrett, 1 Kor, 236; u.a. im Anschluss an ihn Kon­ radt, Gericht, 389: „Dem Fleisch selbst haftet keine numinose Qualität an“ (vgl. auch 397); vgl. daneben Fee, 1 Kor, 387 zu 1 Kor 8,10: „It is not the food that destroys them, but the idolatry that is inherent in eating in the temples“; Conzelmann, 1 Kor, 181; Gäckle, Die Star­ ken, 239f.; Ehrensperger, Paul, 207 zu 1 Kor 10,23–11,1: „The food as such is not inherently affected and contaminated by the ritual in which it was involved, so it can be consumed in a non-sacrificial context provided the blessing over the food is offered to the One God“; ihr zufolge sind die Speisen in 1 Kor 8,1–11,1 generell nur in Hinsicht darauf relevant, in welchem Kontext sie gegessen werden (Table Disputes, 128.132). Gegen eine Deutung, der zufolge die Opferung des Fleisches an Dämonen in 1 Kor 10,14–22 eine Gefahr für das

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

verunreinigende Wirkung des Götzenopferfleisches bei Paulus ab, doch gilt ihnen zufolge das Verbot des Genusses von Götzenopferfleisch auch bei Pau­ lus strikt weiter.26 Daneben wird häufiger auch die These vertreten, dass Pau­ lus sich gerade darin von der jüdischen Tradition und dem außerpaulinischen Frühchristentum27 unterscheidet, dass er den Genuss von Götzenopfern nicht verbietet.28 Dabei wird das Verhältnis des Paulus zu anderen Diskursen zum Götzenopfer zum Teil dergestalt präzisiert, dass Paulus – anders als die jüdi­ sche Tradition und das übrige Urchristentum – nicht bereits das bloße Essen von Götzenopferfleisch als problematisch einstufe, sondern erst das Essen im Kontext der Verehrung der Götzen, d.h. im Kontext von Mählern, die der Verehrung anderer Götter dienen. Erst in diesem Fall und nicht schon durch Fleisch an sich darstellt, vgl. auch Lampe, Implikationen, 595, im Anschluss an ihn auch Williams, Spirit World, 147; vgl. daneben Burchard, Studien, 284, der die Differenz zwi­ schen 1 Kor 10,14–22 und der verunreinigenden Wirkung des Götzenopferfleisches in der Erzählung von Joseph und Aseneth betont. 26  Für ein generelles Verbot des willentlichen Genusses von Fleisch, das eindeutig als Göt­ zenopferfleisch identifiziert ist, d.h. auch im privaten Bereich, vgl. z.B. Cheung, Idol Food, 79–81.97.108f.140.296, dem zufolge Paulus damit der jüdischen Tradition eng verpflichtet bleibt (299); Shen, Canaan, 110.148.163f.169 und 177 Anm. 72, dem zufolge die mit dem Fleisch verbundenen Riten gefährlich seien (193 Anm. 240; vgl. ähnlich Cheung, Idol Food, 309); Sandelin, Idol Food, 121f. Gegen eine teilweise Auflösung des Götzenopferfleischver­ botes und für eine grundsätzliche Übereinstimmung des Paulus mit dem Judentum vgl. auch Tomson, Paul, 187–217, bes. 217; Fotopoulos, Food, 186–188.217.262f.; Rudolph, Jew, 93–97.108f. Auch Niebuhr, Fragen, 39.41, zufolge verbleiben die Anweisungen des Paulus in 1 Kor 8,1–11,1 grundsätzlich innerhalb der Torapraxis. Vgl. daneben Smit, Idol Offerings, 55–58.64f. 27  Zur Geltung des Götzenopferfleischverbots im weiteren Urchristentum und in der Alten Kirche vgl. neben Apg 15,20.29; 21,25; Offb 2,14.20 (ebenfalls in Verbindung mit dem Ver­ bot der Unzucht) das rigorose Verbot in Did 6,3: „Vor dem Götzenopferfleisch hüte dich sehr; denn es ist kultische Verehrung toter Götter.“ Das Verbot von Götzenopferfleisch findet sich dann auch bei den Apologeten (z.B. Aristides, Apologia 15,5; Just. Dial. 34,8 mit 35,1.6) und den Kirchenvätern, vgl. z.B. Iren. Haer. 1,6,3; 1,24,5; 1,26,3; 1,28,2; Tert. Jejun. 15,5 (als Wiedergabe der Auffassung des Paulus); Eus. Hist. eccl. 4,7,7. Während das Essen von Götzenopferfleisch in Did 6,3 nur als Götzendienst bezeichnet wird, zeigt Iren. Haer. 1,6,3 ausdrücklich, dass im 2. Jh. n.Chr. auch das Götzenopferfleisch als verunreinigend angesehen wurde. Zu einer Auswertung der Belege vgl. Cheung, Idol Food, 165–284, bes. 210–220; Popkes, Apokryphen. 28  Vgl. dazu z.B. Löhr, Speisenfrage, 25; Gäckle, Die Starken, 242, die betonen, dass die An­ weisungen des Paulus in 1 Kor 8,1–11,1 außerhalb der jüdischen Speisepraxis stehen. So auch Fee, dem zufolge Paulus selbst Götzenopferfleisch vom Markt gegessen habe (1 Kor, 476.482: „Paul now uses the text [Ps 24,1] to justify eating all food, even those forbidden by Jews […]. Apart from his radical statements on circumcision, it is hard to imagine anything more un-Jewish in the apostle than this“; Hervorhebung im Original). Beson­ ders häufig wird ein Gegensatz zwischen dem Aposteldekret und Paulus gesehen, so z.B. Barrett, Things, 149 mit Anm. 3; Brunt, Food, 113–116.

1 Götzenopferfleisch in Korinth ( 1 Kor 8,1–11,1 )

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den bloßen Verzehr von Götzenopfern betreibe man Paulus zufolge Götzen­ dienst.29 Dies gilt jedoch – wie eine nähere Untersuchung zeigen wird – auch bei Paulus nur für diejenigen, die die Erkenntnis haben. Grundlegend unter­ scheidet sich Paulus nämlich darin von der jüdischen Tradition, dass die Frage des Verzehrs von Götzenopferfleisch ihm zufolge vom Erkenntnisstand des ein­ zelnen Glaubenden abhängig ist. Diese eigentliche Besonderheit der Argumen­ tation des Paulus zum Problem des Götzenopferfleisches ist der tiefere Grund dafür, dass für diejenigen, die die Erkenntnis haben, eine Differenz zwischen dem bloßen Essen von Götzenopferfleisch und dem Essen im Kontext der Ver­ ehrung anderer Götter besteht. Für den Schwachen gilt hingegen eine solche Unterscheidung zwischen privaten Mählern und Kultmahlzeiten nicht. Für ihn ist nämlich – wie eine genauere Untersuchung von 1 Kor 8,1–13 zeigen wird – offensichtlich jegliches Essen von Fleisch aus Götzenopfern gefährlich, und zwar weil er nicht nur durch die Verbindung der Tempelmahlzeiten mit den Dämonen von der Alleinverehrung Gottes abfällt, sondern auch durch das Essen von Fleisch aus Götzenopfern. Der unterschiedliche Erkenntnisstand der Gemeindeglieder zur Existenz anderer Götter als ausschlaggebendes Kriterium beim Genuss von Götzenopfern (1 Kor 8,4–6) Die Erkenntnis, aufgrund derer Fleisch aus Götzenopfern auf die einzelnen Gemeindeglieder eine jeweils unterschiedliche Wirkung hat, betrifft die Exis­ tenz anderer Götter. Die Gegenüberstellung der Gemeindeglieder im Hinblick auf deren Erkenntnisstand zu dieser Frage bildet den Ausgangspunkt und die Grundlage der gesamten Argumentation des Paulus. Im Anschluss an eine überschriftartige Bestimmung des Themas (8,1: περὶ δὲ τῶν εἰδωλοθύτων) sowie eine strikte Gegenüberstellung der Erkenntnis und der Liebe (8,1–3) nennt Paulus in 1 Kor 8,4–6 als Inhalt dieser Erkenntnis nämlich ausdrücklich das Bekenntnis zum Monotheismus.30 Danach existiert überhaupt31 nur ein Gott (8,4fin.6). Im Einzelnen stellt Paulus fest, dass die von ihm als „wir“ bezeichne­ te Gruppe, zu der sich Paulus selbst zählt, weiß, dass kein Götze,32 d.h. keine 1.2.1

29  So vor allem Konradt, Gericht, 401 und 396; Popkes, Apokryphen, 328. 30  Das Bekenntnis in 1 Kor 8,4–6 weist sowohl zum hellenistischen Judentum als auch zur paganen Philosophie, insbesondere zur Stoa, Beziehungen auf (vgl. Söding, Starke, 350). Häufiger wird in 1 Kor 8,6 in der Forschung eine Auslegung von Dtn 6,4 gesehen, vgl. Ho­ fius, Gott, 106–108, ausführlich Waaler, Shema, bes. 440f. 31  Vgl. dazu die umfassende Aussage ἐν κόσμῳ in 1 Kor 8,4, die durch εἴτε ἐν οὐρανῷ εἴτε ἐπὶ γῆς in 1 Kor 8,5 aufgenommen wird. 32  Vgl. dazu, dass Paulus mit εἴδωλον in 1 Kor 8,4 (vgl. auch 8,7; 10,19; 12,2) an den innerhalb der erneuten Themenangabe in 1 Kor 8,4a gebrauchten Terminus εἰδωλόθυτα anknüpft.

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Gottheit, die mit einem Götterbild verehrt wird,33 im Kosmos ist und dass kein Gott außer einem existiert (ὅτι οὐδὲν εἴδωλον ἐν κόσμῳ καὶ ὅτι οὐδεὶς θεὸς εἰ μὴ εἷς in 8,4).34 Dabei sind unter dem Götzen aus der Perspektive des Pau­ lus die anderen Götter abgesehen vom Gott Israels zu verstehen,35 gegen die er auch sonst heftige Polemik36 übt, wie sie mit dem Begriff „Götze“ vorliegt (1 Thess 1,9). Unmittelbar im Anschluss an diese Feststellung schränkt Paulus diese Erkenntnis jedoch im Hinblick auf ihre Geltung ein,37 um sie dann für die mit „wir“ bezeichnete Gruppe erneut zu bekräftigen. In 1 Kor 8,5 erwähnt er nämlich, dass es andere Auffassungen zur Existenz der Götter neben dem einen Gott gibt. Danach existieren anderen zufolge38 durchaus viele Götter und viele Herren (ὥσπερ εἰσὶν θεοὶ πολλοὶ καὶ κύριοι πολλοί), bei welchen es sich jedoch Paulus zufolge lediglich um sogenannte Götter (εἴπερ εἰσὶν λεγόμενοι θεοί) handelt. In 1 Kor 8,6 vertieft Paulus seine Feststellung aus 1 Kor 8,4 von der Existenz nur eines Gottes, indem er das dem εἷς entgegengesetzte πάντα verwendet. Von dem einen Gott, den Paulus näher als den Vater (ὁ πατήρ) be­ stimmt, stammt alles (ἐξ οὗ τὰ πάντα καὶ ἡμεῖς εἰς αὐτόν). Darüber hinaus fügt Paulus dieser Aussage über den einen Gott – als Gegensatz zu den vielen Her­ ren aus 1 Kor 8,5 – eine weitere Feststellung über den einen Herrn bei (vgl. 1 Tim 2,5). Bei diesem handelt es sich um Jesus Christus,39 der – in Entspre­ chung zu Gott als dem Urheber der Schöpfung – näher als Mittler der ganzen 33  Gegen eine prädikative Deutung von οὐδέν („ein Götze ist ein Nichts“) spricht die Paralle­ lität von οὐδὲν εἴδωλον zu οὐδεὶς θεός, sodass jeweils ἐστίν zu ergänzen ist (so auch Denaux, Theology, 599). Da Paulus wohl kaum behaupten kann, dass es keine Götterbilder aus Holz und Stein gibt, ist εἴδωλον nicht auf das Götzenbild zu beschränken (so aber Wil­ liams, Spirit World, 146, der οὐδέν prädikativ deutet, vgl. 147 Anm. 19), sondern muss die im Götzenbild verkörperte Gottheit selbst meinen. 34  Bei der Aussage καὶ ὅτι οὐδεὶς θεὸς εἰ μὴ εἷς handelt es sich zwar wie bei der vorangehenden Wendung οὐδὲν εἴδωλον ἐν κόσμῳ ebenfalls um eine negierte Formulierung, die jedoch auf die positive Aussage von der Existenz nur eines Gottes abzielt. Dabei wird diese durch den Gebrauch des disjunktiven Konditionalsatzes εἰ μὴ εἷς als überschießendes Element besonders betont. 35  Für die Ausbildung des Monotheismus im Judentum kommt offenbar insbesondere den Weisheitsschriften entscheidende Bedeutung zu (vgl. Witte, Einheit; ders., Weisheit). 36  Zur Nichtigkeit anderer Götter vgl. Dtn 32,21; Jes 40–48 (vor allem 41,29; 44,9–20; vgl. auch 40,19f.; 45,5–7; 46,5–9 u.ö.); vgl. auch Jer 10,1–16; Ps 115,4–8; 135,15–18. Zum Hintergrund dieser Polemik und der ähnlichen Argumentationsweise des Paulus in 1 Kor 8,4 vgl. Was­ serman, Idol. 37  Vgl. Conzelmann, 1 Kor, 177; Fee, Εἰδωλόθυτα, 188f.; Wolff, 1 Kor, 171. 38  Vgl. dazu die Gegenüberstellung mit ἀλλ’ ἡμῖν in 1 Kor 8,6, wobei ἡμῖν als Dativ des Stand­ punktes zu verstehen ist: „von unserem Standpunkt aus“, „uns zufolge“. 39  Zu Jesus Christus als Herrn vgl. vor allem Röm 1,3f.; 4,24; 5,1; 1 Kor 1,7–10; 8,6; 9,1; 15,57; 2 Kor 1,3; 4,5.14; Gal 6,14; Phil 2,11; 3,8.20.

1 Götzenopferfleisch in Korinth ( 1 Kor 8,1–11,1 )

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Schöpfung bestimmt wird (δι’ οὗ τὰ πάντα καὶ ἡμεῖς δι’ αὐτοῦ). Die Einzigkeit von Gott und Christus wird somit jeweils dadurch begründet, dass Gott und Christus umfassend für die ganze Schöpfung zuständig sind.40 Innerhalb der Gemeinde von Korinth bleiben jedoch einige deutlich hin­ ter diesem Wissen der von Paulus mit „wir“ bezeichneten Gruppe zurück. In 1 Kor 8,7 stellt er nämlich fest, wie er dies bereits in 1 Kor 8,5 angedeutet hat, dass nicht jeder die Erkenntnis hat (Ἀλλ’ οὐκ ἐν πᾶσιν ἡ γνῶσις). Bei die­ ser handelt es sich offenbar um die unmittelbar zuvor geschilderte Erkennt­ nis, dass es nur einen Gott gibt, die Götzen hingegen gar nicht existieren. Den Schwachen fehlt somit die Erkenntnis des exklusiven Monotheismus.41 Dies bestätigt die von Paulus unmittelbar angeschlossene Aussage, in welcher er die Folgen dieses Fehlens der Erkenntnis mit Blick auf die konkrete Götzen­ opferfleischproblematik schildert. Dort stellt Paulus nämlich für diejenigen, die die Erkenntnis nicht haben, genauer fest, dass ihre Gewöhnung an den Götzen bis jetzt andauert (τῇ συνηθείᾳ42 ἕως ἄρτι τοῦ εἰδώλου).43 Begründet ist die fehlende Erkenntnis des Monotheismus somit in ihrer eigenen, offensicht­ lich heidnischen44 Vergangenheit, die bis in die Gegenwart reichende Aus­ wirkungen hat. Dabei ist unter dieser Gewöhnung an Götzen zwar nicht die eigene Verehrung anderer Götter zu verstehen, wohl aber die Tatsache, dass sie den anderen Göttern noch Realität und Existenz zumessen. Das Eintreten 40  Vgl. zu τὰ πάντα in BAA, s.v. πᾶς 2bβ: „Im abs. Sinn v. der Gesamtheit des Geschaffenen, dem Inbegriff aller Dinge, d. All“ (im Original hervorgehoben). 41  So auch Zeller, 1 Kor, 293 Anm. 81; ähnliche Hays, 1 Kor, 141. Abzulehnen ist die weit ver­ breitete Deutung, dass die Schwachen zwar grundsätzlich die Erkenntnis des Mono­ theismus besitzen und nur nicht die praktischen Konsequenzen aus dieser Erkenntnis gezogen haben, so z.B. Fee, 1 Kor, 379 („theoretical level“ vs. „experiential, emotional level“); Robertson/Plummer, 1 Kor, 168f.; Merklein, 1 Kor II, 192; Schrage, 1 Kor II, 254; im Anschluss an sie und weitere auch Konradt, Gericht, 355f. mit Anm. 830. 42  Zur Bevorzugung der Lesart συνήθεια vor συνείδησις vgl. Söding, Starke, 76; s. schon Lietz­ mann, 1/2 Kor, 38; Wolff, 1 Kor, 177 mit Anm. 75; Merklein, 1 Kor II, 170; Barrett, 1 Kor, 194; Fee, 1 Kor, 379; Hays, 1 Kor, 141; Schrage, 1 Kor II, 254–256. 43  Eine Übersetzung von συνήθεια als „Umgang“ scheidet insofern aus, als Paulus die Wen­ dung ἕως ἄρτι nicht in einem exklusiven Sinne, sondern im Sinne von „bis zu diesem Moment“ gebraucht (1 Kor 4,13; 15,6), eine Fortsetzung des Umgangs mit Götzen, wie sie ihn vor ihrer Bekehrung hatten, jedoch ausgeschlossen ist. Daher legt sich als Überset­ zungsäquivalent „Gewöhnung“ nahe. 44  Zur Bestimmung der Schwachen als Heidenchristen vgl. z.B. Rauer, Die „Schwachen“, 36–39.185; Conzelmann, 1 Kor, 183; Eckstein, Syneidesis, 237f.249; Söding, Starke, 353; Merklein, 1 Kor II, 170; Zeller, 1 Kor, 294; vgl. auch Wolff, 1 Kor, 166f., der die Judenchris­ ten jedoch nicht ausschließt. Dezidiert gegen diesen Forschungskonsens Phua, Idolatry, 26f.201–205, der vor dem Hintergrund unterschiedlicher Definitionen von Götzendienst im Judentum nachzuweisen sucht, dass sowohl Schwache als auch Starke Juden waren.

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des Paulus für die Schwachen, ohne auf einen entsprechenden Fortschritt in ihrer Erkenntnis zu dringen, lässt nämlich darauf schließen, dass auch sie sich im Rahmen ihrer Hinwendung zu Gott vollständig von den von ihnen bisher verehrten Göttern abgewandt haben (vgl. 12,2).45 Auch sie dienen somit nicht den Götzen, sondern einzig Gott, doch haben sie im Zuge ihrer Aufgabe der Verehrung der Götzen nicht die theoretische Erkenntnis mitvollzogen, dass diese übrigen Götter gar nicht wirklich existieren.46 Die von ihnen vertretene Position lässt sich somit am ehesten mit dem Begriff der Monolatrie oder des Henotheismus beschreiben.47 1.2.2

Das Essen von Götzenopfern durch den Schwachen als Götzendienst Für Paulus folgt aus der in 1 Kor 8,4–6 dargestellten Erkenntnis der NichtExistenz der Götzen, dass es strenggenommen gar kein Fleisch gibt, das an­ deren Göttern dargebracht wird (10,19). Darin ist er sich mit den Erkennt­ nishabenden einig. Folglich kann man prinzipiell alles Fleisch essen. Die Erlaubnis von Fleisch, das aus dem heidnischen Kult stammt, ist also eine logische Schlussfolgerung aus dem Monotheismus und der aus ihm abgelei­ teten Nicht-Existenz von Götzenopferfleisch. Das bedeutet aber nicht, dass Paulus das Verbot des Genusses von Götzenopferfleisch damit grundsätzlich außer Kraft setzt. Vielmehr sieht offensichtlich auch er den Genuss von Göt­ zenopferfleisch für diejenigen, die die Erkenntnis nicht haben, als verboten an. Darauf deutet bereits sein Bemühen hin, dass die Schwachen das Essen(!) von Götzenopferfleisch strikt vermeiden (8,10). Dass Paulus in Bezug auf die Schwachen am Verbot des Genusses von Götzenopferfleisch festhält, wird zudem durch die negativen Folgen bestätigt, die er für einen solchen Fall in dem auf 1 Kor 8,4–6 folgenden Abschnitt nennt. Hier greift Paulus nämlich offenbar auf die Konsequenzen zurück, die dem Essen von Götzenopferfleisch im antiken Judentum zugemessen werden, und wendet diese auf den konkre­ ten Fall an. In 1 Kor 8,7–13 thematisiert Paulus die Folgen, die das Essen von Fleisch aus Götzenopfern für die Schwachen hat, in erster Linie mit dem Ziel, die 45  Andernfalls wäre zu erwarten, dass Paulus wesentlich schärfer gegen sie vorgegangen wäre. Zudem wäre ihr Heil nicht erst durch das Verhalten der Erkenntnishabenden ge­ fährdet, wie Paulus es in 1 Kor 8,11 feststellt. 46  Vgl. dazu, dass der in der Kaiserzeit und Spätantike belegte heidnische Monotheismus im Gegensatz zum Monotheismus im Judentum, Christentum und im Islam nicht exklusiv war und daher häufiger als Henotheismus bezeichnet wird (Mitchell, Gott, 343f.349f.). 47  So auch Zeller, 1 Kor, 293.

1 Götzenopferfleisch in Korinth ( 1 Kor 8,1–11,1 )

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Erkenntnishabenden zur Rücksicht aufzufordern. Dazu stellt er ihnen mehr­ fach in drastischer Weise vor Augen, dass ihr auf die Erkenntnis insistieren­ des Handeln dramatische Folgen für die Schwachen haben kann.48 Gerade ihr Beispiel verleitet die Schwachen zum Essen des Fleisches aus Götzenopfern (8,10), welches für sie äußerst gefährlich ist. Isst ein schwacher Bruder nämlich Fleisch, obwohl er es für Götzenopferfleisch hält (ὡς49 εἰδωλόθυτον ἐσθίουσιν), so verliert er durch die Erkenntnis der Starken geradezu die eschatologische Rettung, die ihm durch den Tod Christi eigentlich bereits sicher ist (ἀπόλλυται50 γὰρ ὁ ἀσθενῶν ἐν τῇ σῇ γνώσει, ὁ ἀδελφὸς δι’ ὃν Χριστὸς ἀπέθανεν in 8,11). Die für Paulus zentrale Verbindung zwischen Sünde und eschatologischem Zugrun­ degehen als deren Folge51 zeigt deutlich, dass der Schwache Paulus zufolge mit dem Essen von Fleisch aus Götzenopfern zum Sünder wird. Einen solchen Zusammenhang zwischen dem Essen von Götzenopferfleisch und dem Sün­ derwerden stellt Paulus abgesehen von der Spitzenaussage in 1 Kor 8,11 durch weitere Formulierungen her, in denen er die Schuld und Verantwortung für das falsche Verhalten der Schwachen und die daraus resultierenden negativen Konsequenzen ebenfalls ausdrücklich den Erkenntnishabenden zuschreibt. Zu diesen Wendungen gehören zum einen die Rede von der Verletzung der schwachen συνείδησις (8,12; s.u. 1.2.3, vor allem 1.2.3.3), zum anderen der Ge­ brauch von πρόσκομμα (8,9; vgl. Röm 14,13.20f.; ansonsten Mt 4,6/Lk 4,11; Joh 11,9f.; Röm 9,32)52 und σκανδαλίζω (1 Kor 8,13; vgl. 2 Kor 11,29; Röm 14,13.21 v.l.; 48  Die Tragweite ihres Handelns zeigt Paulus den Erkenntnishabenden zum Abschluss sei­ ner Kritik an ihrem Verhalten durch den Gebrauch des Sündergedankens mit Bezug auf sie selbst auf. Demnach begehen sie für den Fall, dass der Schwache durch den Verzehr von Götzenopfern zugrunde geht, nicht etwa nur einen Fehltritt gegen den Bruder, son­ dern sogar gegen Christus, der für dessen Rettung gestorben ist (1 Kor 8,11): οὕτως δὲ ἁμαρτάνοντες εἰς τοὺς ἀδελφοὺς καὶ τύπτοντες αὐτῶν τὴν συνείδησιν ἀσθενοῦσαν εἰς Χριστὸν ἁμαρτάνετε (8,12). 49  Durch den Gebrauch von ὡς macht Paulus deutlich, dass der Schwache das aus heidni­ schen Opfern stammende Fleisch in der Überzeugung isst, es sei Götzenopferfleisch. Dass es für den Schwachen weiterhin Götzenopferfleisch gibt, zeigt auch die Aussage τοῦτο ἱερόθυτόν ἐστιν in 1 Kor 10,28, da sie sich vermutlich auf einen Schwachen bezieht (s.u. 1.4). 50  Zum Gebrauch von ἀπολλύω/ἀπόλλυμι für den eschatologischen Untergang bei Paulus vgl. 1 Kor 1,18; 15,18; 2 Kor 2,15; 4,3; Röm 2,12 (synonym: κριθήσονται); 14,15; vgl. auch Röm 9,22; Phil 1,28; 3,19; daneben 2 Thess 2,3.10; 1 Tim 6,9. 51  Vgl. dazu Eschner, Sünder I, 298–301 und 120–123. 52  Zum Gebrauch der πρόσκομμα-Terminologie vgl. auch 1 Kor 10,32. Dort schärft Paulus den Korinthern zum Abschluss seiner Ausführungen zum Umgang mit Götzenopferfleisch noch einmal ein, dass sie alles zur Ehre Gottes tun und den Menschen, nämlich den Juden, den Griechen und der Gemeinde Gottes keinen Anstoß geben sollen (ἀπρόσκοποι καὶ Ἰουδαίοις γίνεσθε καὶ Ἕλλησιν καὶ τῇ ἐκκλησίᾳ τοῦ θεοῦ), wie Paulus es selbst tut (10,31–11,1).

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vgl. ansonsten vor allem Mk 9,42f.45.47). Mit diesen Termini stellt Paulus fest, dass der Schwache mit dem Essen von Götzenopferfleisch einen Fehltritt begeht,53 bringt dies jedoch jeweils in der Form zum Ausdruck, dass er die Er­ kenntnishabenden bzw. deren Beharren auf ihrem Recht (1 Kor 8,9) als Ursache für den Fehltritt des Schwachen bestimmt.54 Ein solches Sünderwerden wird auch im antiken Judentum als eine der Folgen des Verzehrs von verbotenen Speisen genannt (s.o. IIB 1.4.2), sodass Paulus offenbar im Rahmen seiner Aus­ führungen in 1 Kor 8,7–13 an diese Bewertung anknüpft. Bei dieser Sünde han­ delt es sich im Fall des Genusses von Götzenopfern speziell um Götzendienst.55 Im Gegensatz zu den Erkenntnishabenden begehen diejenigen, die nicht strikt von der Existenz nur eines Gottes ausgehen, Paulus zufolge beim Essen von Fleisch, das anderen Göttern geopfert wurde, dementsprechend durchaus Götzendienst. Dies gilt trotz der Tatsache, dass es solches Fleisch strengge­ nommen gar nicht gibt. Auch das Essen von Fleisch, das an sich unbedenklich ist, hat Paulus zufolge somit negative Folgen, wenn es mit der falschen Über­ zeugung, nämlich als Götzenopferfleisch gegessen wird. Damit lässt sich für die Schwachen aber deutlich eine weitere Geltung des Götzenopferfleischver­ bots erkennen. Dies zeigt auch die in 1 Kor 8,7 belegte Rede von der Befleckung der schwachen συνείδησις. Die Befleckung des schwachen Wissens als direkte Folge des Essens von Götzenopferfleisch (1 Kor 8,7b) Abgesehen vom eschatologischen Zugrundegehen nennt Paulus in 1 Kor 8,7 in Bezug auf die schwachen Gemeindeglieder die Befleckung ihrer schwachen συνείδησις (καὶ ἡ συνείδησις αὐτῶν ἀσθενὴς οὖσα μολύνεται). In 1 Kor 8,12 spricht er darüber hinaus von der Verwundung bzw. Verletzung56 der schwachen συνείδησις durch den Erkenntnishabenden (τύπτοντες αὐτῶν τὴν συνείδησιν

1.2.3

53  Vgl. dazu Passow, s.v. πρόσκομμα: „Anstoss, Verstoss, Fehltritt“; s.v. προσκόπτω: „anschlagen, anstossen, bes. mit dem Fusse, dah. einen Fehltritt thun“. 54  Mit diesem Gebrauch von πρόσκομμα κτλ. knüpft Paulus an eine übliche Formulierungs­ weise an. Eine Verwendung dieser Terminologie mit Bezug auf Menschen, die andere zur Sünde verführen, lässt sich nämlich häufiger nachweisen, und zwar auch speziell in Ver­ bindung mit Götzendienst (vgl. vor allem Ex 23,33 LXX: […] ἐὰν γὰρ δουλεύσῃς τοῖς θεοῖς αὐτῶν οὗτοι ἔσονταί σοι πρόσκομμα; vgl. auch 34,12). Zu einem ähnlichen Gebrauch von σκάνδαλον vgl. Offb 2,14. 55  Vgl. dazu auch die Verbindung zwischen Götzendienst und dem eschatologischen Unter­ gang in 1 Kor 6,9f. Danach werden Götzendiener das Reich Gottes nicht ererben. 56  Das Verbum τύπτω wird sowohl im Sinne von „schlagen/misshandeln“ als auch von „verwunden/verletzen“ gebraucht (LSJ, s.v. I.1 und 4; III). Dabei liegt der Schwerpunkt im vorliegenden Zusammenhang auf der letzten Verwendungsweise, welche bereits das Ergebnis des Schlagens einbezieht (vgl. ἀπόλλυται in 1 Kor 8,11).

1 Götzenopferfleisch in Korinth ( 1 Kor 8,1–11,1 )

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ἀσθενοῦσαν). Die Aussage von der Verwundung steht offenbar in Parallelität zu der von der Befleckung, betont jedoch stärker als die passive Aussage von der Befleckung die Schuld der Erkenntnishabenden an diesem als negativ bewer­ teten Zustand des Schwachen. Dabei kommt der Befleckung der συνείδησις des Schwachen in 1 Kor 8,7fin für die Frage nach möglichen Folgen eines Verzehrs von Götzenopferfleisch besondere Bedeutung zu, da Paulus diese Aussage unmittelbar an die Feststellung vom Essen von Götzenopfern anschließt. In der Forschung wird μολύνεται in 1 Kor 8,7fin57 jedoch zumeist nur recht locker mit Bezug auf das unmittelbar zuvor erwähnte Essen von Götzenopferfleisch verstanden. So wird die Aussage des Paulus von der Befleckung der συνείδησις vor dem Hintergrund einer Deutung als „Gewissen“ zumeist darauf zurückge­ führt, dass der Schwache gegen sein Gewissen Götzenopferfleisch gegessen hat.58 Bisweilen wird die Befleckung der συνείδησις vor dem Hintergrund der zentralen Bedeutung des Gewissens für die Identität im Sinne eines Identitäts­ verlustes ausgelegt, welcher daraus resultiere, dass der Mensch nicht in Über­ einstimmung mit seiner Identität handelt, sondern vielmehr eine Kollision zwischen seinem Handeln und seinem Urteil über dieses Handeln entsteht.59 57  Zu μολύνω κτλ. in den urchristlichen Schriften vgl. 2 Kor 7,1; Offb 3,4; 14,4. 58  So z.B. Barrett, 1 Kor, 195; Lang, 1/2 Kor, 112; Robertson/Plummer, 1 Kor, 169; Wolff, 1 Kor, 179; Gäckle, Die Starken, 244; vgl. auch Schrage, 1 Kor II, 258. Eine solche Deutung ist vor allem dann problematisch, wenn man das Handeln gegen das Gewissen im Sinne eines bewussten Handelns gegen eine bereits im Vorfeld getroffene und Paulus zufolge an sich richtige Gewissensentscheidung versteht (so ausdrücklich Robertson/Plummer). Das setzt einen schon recht weit entwickelten Gewissensbegriff voraus, nämlich ein vorange­ hendes Gewissen, wie es in der Antike noch nicht belegt ist. Der antike Gewissensbegriff ist nämlich auf ein rückwärtsgewandtes Wissen um Verfehlungen beschränkt (s.u. 1.2.3.1). Darüber hinaus ist ein Handeln gegen eine bestehende feste Gewissensentscheidung an­ gesichts der sonstigen Darstellung des Konflikts wenig plausibel. So erwähnt Paulus zwar die Gefahr einer Verführung des Schwachen durch den Erkenntnishabenden (1 Kor 8,10), jedoch werden weder eine Verurteilung des Erkenntnishabenden und seines Handelns durch den Schwachen noch ein Essen gegen die eigene Überzeugung ausdrücklich fest­ gestellt. Beide Gedanken finden sich eher in Röm 14,1–15,13, jedoch dort gerade ohne den συνείδησις-Begriff (vgl. vor allem 14,3.10 und 14,22f.). Ausdrücklich gegen eine Deutung, der zufolge die Sünde des Schwachen im Handeln gegen seinen Glauben besteht, auch Dawes, Danger. Ihm zufolge wird der Schwache vielmehr durch den Starken zum Götzen­ kult verführt, weil er durch dessen Verhalten annimmt, dass die Teilnahme an Mählern in heidnischen Tempeln nicht zu kritisieren sei. 59  So z.B. Fee, 1 Kor, 381: „they could not cope with the dissonance between their heads and their hearts“; Jewett, Terms, 422f.: „schizophrenia“; im Anschluss an sie Bosman, Con­ science, 211f., der ein Verständnis im Sinne eines objektiven Schuldigwerdens ausdrück­ lich ablehnt; vgl. auch Merklein, 1 Kor II, 203; Wolter, Gewissen, 215, der zwar zahlreiche Belege zur Verunreinigung der Seele, des Geistes und des Herzens als Parallelen anführt, aber 1 Kor 8,7 im Sinne des Identitätsverlustes deutet.

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Damit wird die Befleckung der συνείδησις aber nicht mit Bezug auf das Essen des Götzenopferfleisches an sich verstanden. Sie ist nicht die direkte Folge des Essens, sondern das Ergebnis einer erst noch auf das Essen folgenden Be­ wertung dieser Tat durch das Gewissen. Dabei ist eine solche Deutung insbe­ sondere dadurch bedingt, dass die Unreinheit verbotener Speisen, wie sie im Judentum des Zweiten Tempels mehrfach belegt ist, als kultische bzw. rituelle Unreinheit interpretiert wird.60 Dazu stünde die moralisch verstandene Un­ reinheit des Gewissens dann aber in einem deutlichen Gegensatz.61 Daher wird 1 Kor 8,1–11,1 in der Forschung zumeist in dem Sinne ausgelegt, dass Pau­ lus die Verunreinigung durch das Essen von Götzenopferfleisch insgesamt auf­ gibt. Eine nähere Untersuchung der in 1 Kor 8,7 konstatierten Befleckung der συνείδησις wird jedoch zeigen, dass Paulus mit ihr durchaus die unmittelbare Folge des Essens(!) von Götzenopfern für den Schwachen bezeichnet, jedoch zugleich den Erkenntnisstand des Einzelnen als Spezifikum seiner Argumen­ tation besonders herausstellt. 1.2.3.1

Die zentrale Bedeutung der Erkenntnisfähigkeit für die Frage des Genusses von Götzenopferfleisch Der συνείδησις-Begriff spielt innerhalb der vorliegenden Kontroverse um das Götzenopfer in Korinth eine zentrale Rolle.62 Dabei bestimmt Paulus den Zustand, in dem die συνείδησις befleckt bzw. verletzt wird, näherhin jeweils als schwach (ἀσθενὴς οὖσα in 8,7; αὐτῶν τὴν συνείδησιν ἀσθενοῦσαν in 8,12). Da­ neben spricht er auch von der συνείδησις des Schwachen (vgl. ἡ συνείδησις αὐτοῦ ἀσθενοῦς ὄντος in 8,10). Im Hinblick auf den Grund für die Bestimmung als „schwach“, welche ganz offensichtlich im Gegensatz zur ἐξουσία (8,9) der Erkenntnishabenden steht, lässt sich in erster Linie an die fehlende Erkennt­ nis von der Nicht-Existenz der Götzen denken, welche unmittelbar vor der

60  Vgl. exemplarisch Heil, Speisegebote, 52.117.123; vgl. auch Schrage, 1 Kor II, 258f. Anm. 276. 61  So ausdrücklich Shen gegen Goochs These zum „contagion of idolatry“ bei Paulus: „The issue is not physical infection, but idolatrous association, which Gooch suggests but does not prefer“ (Canaan, 193 Anm. 240). Shens Einwand einer fehlenden Waschung ist aller­ dings nicht zwingend, da eine solche auch für Aseneth im Kontext einer eindeutig phy­ sisch übertragbaren Unreinheit von Götzenopfern nicht ausdrücklich erwähnt wird. 62  Zum Gebrauch von συνείδησις innerhalb der Kontroverse zum Götzenopfer vgl. 1 Kor 8,7– 12; 10,25–29. Häufig wird für den Begriff angenommen, dass er aus der Situation der Ko­ rinther stamme, wobei im Einzelnen sowohl eine Herkunft vonseiten der Schwachen selbst (so Wolter, Gewissen, 214) oder aber vonseiten der Erkenntnishabenden (Jewett, Terms, 422–424; Horsley, Consciousness, 581f.) vertreten wird. Zeller, 1 Kor, 293, zufolge stammt die Bestimmung als „schwach“ auf keinen Fall von den Korinthern, da sie bereits in 1 Thess 5,14 belegt ist.

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Aussage von der Befleckung in 1 Kor 8,7a konstatiert wurde.63 Damit ist die schwache συνείδησις aber nicht in einem moralischen Sinne zu verstehen, wie es in der Forschung häufiger vertreten wird64 und bei der zumeist vorgeschla­ genen Übersetzung von συνείδησις mit dem ethisch verdichteten Begriff „Ge­ wissen“ naheliegt. Abgesehen von diesem direkten Anschluss von 1 Kor 8,7b an 8,7a spricht vor allem die semantische Verbindung von συνείδησις zu den im vorliegenden Text gehäuft gebrauchten Begriffen aus dem Bereich des Wissens dafür, dass mit dem Terminus συνείδησις hier ebenfalls in erster Linie die Erkenntnis des Monotheismus verbunden ist. Die für den deutschen Gewissensbegriff zen­ trale moralische Komponente liegt nämlich keineswegs zwangsläufig im Zen­ trum von συνείδησις. Vielmehr bezeichnet dieser Terminus grundsätzlich das „(Mit-)Wissen (mit einem anderen) von etwas“ (vgl. z.B. Koh 10,20; Sir 42,18; 1 Petr 2,19) oder das Wissen um sich selbst, wobei sich diese reflexive Verwen­ dung bei einem Bezug auf das eigene fehlerhafte Verhalten im Sinne von Ge­ wissen verstehen lässt, daneben jedoch auch auf moralisch neutrale Dinge der entsprechenden Person (wie beispielsweise die eigene Unwissenheit) bezogen sein kann.65 Im vorliegenden Kontext werden auffälligerweise mehrere Termi­ ni aus dem Bereich des Wissens gebraucht (vgl. vor allem 1 Kor 8,1–4), wobei insbesondere eine etymologische Verwandtschaft von συνείδησις zu dem in 1 Kor 8,4 für die inhaltliche Angabe der γνῶσις gebrauchten οἴδαμεν (vgl. auch 8,1) besteht. Gerade diese Verwendung von συνείδησις in einem Kontext, in des­ sen Zentrum das Wissen steht,66 legt auch für συνείδησις selbst – anstelle einer 63  Zur fehlenden Erkenntnis als Grund für die Schwachheit vgl. Fotopoulos, Food, 215; Mal­ herbe, Determinism, 233 mit Anm. 4; Willis, Idol Meat, 94. Sie wird auch von den For­ schern vertreten, die dezidiert für ein Verständnis von συνείδησις als „Gewissen“ plädieren: vgl. Eckstein, Syneidesis, 243 (schwach seien die Normen, die vom νοῦς vorgegeben wer­ den); ähnlich Wolter, Gewissen, 214; Zeller, 1 Kor, 293.297; ausdrücklich dagegen Shen, Canaan, 145f. 64  Das schwache Gewissen wird im Rahmen einer moralischen Deutung (vgl. Shen, Canaan, 115) im Einzelnen entweder als ein solches näher bestimmt, das sich an falschen Normen orientiert (vgl. BDAG, s.v. ἀσθενέω 2: „weakness in determining correct courses of action“; Gundry-Volf, Conscience, 154), oder als ein solches, das anfällig ist, durch das Verhalten der Starken verführt zu werden (Lindemann, 1 Kor, 195; Thiselton, 1 Kor, 644). Ausdrück­ lich gegen ein moralisches Verständnis der schwachen συνείδησις aber schon Maurer, σύνοιδα, 913. 65  Vgl. Passow, s.v. 1: „das Mitwissen, die Mitwissenschaft […] 2) das Gewissen, das Bewusst­ seyn“. Vgl. dazu Hahn/Karrer, Gewissen, 774. 66  Zu einer ähnlichen Verwendung von συνείδησις in Verbindung mit εἰδότες vgl. Demokr. Frg. 297 (FVS): ἔνιοι θνητῆς φύσεως διάλυσιν οὐκ εἰδότες ἄνθρωποι, συνειδήσει δὲ τῆς ἐν τῷ βίῳ κακοπραγμοσύνης […]. Diese Wendung wird zwar ebenfalls von einigen Forschern in einem reflexiven Sinne mit Bezug auf das schlechte Gewissen gedeutet (so zuletzt

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Deutung in einem moralischen Sinne mit Gewissen67 – ein Verständnis in einem ­allgemeinen Sinne von „Wissen, Kenntnis, Erkenntnisfähigkeit“ nahe,68 und zwar von etwas anderem als den eigenen Taten.69 Im Zentrum der im Um­ feld belegten Formulierungen zum Wissen steht nämlich jeweils die Einzigkeit Gottes, sodass sich auf diese auch als Inhalt von συνείδησις schließen lässt.70 Im Duktus von 1 Kor 8,7 nimmt die Rede von der schwachen συνείδησις somit die vorangehenden Aussagen vom Fehlen der γνῶσις und der „Gewöhnung an Göt­ zen“ auf.71 Mit der Kontrastierung von γνῶσις und schwacher συνείδησις (vgl. Bosman, Conscience, 61), doch ist συνείδησις hier wohl in einem nichtreflexiven Sinn als „Wissen“ zu verstehen (so Eckstein, Syneidesis, 51, im Anschluss an Maurer und Schwy­ zer): „Etliche Menschen, die von der Auflösung der sterblichen Natur nichts verstehen, aber im Wissen um das Elend im Leben stehen […].“ 67  Um die Differenz zum moralischen Gewissen herauszustellen, plädieren einige Forscher dezidiert für ein allgemeines Verständnis von συνείδησις im Sinne von „Bewusstsein“ (vgl. Collins, 1 Kor, 324: „consciousness“ und „self-awareness“, ausdrücklich gegen ein Verständ­ nis des paulinischen Gebrauchs im Sinne von „modern notion of moral conscience“; Horsley, Consciousness, 581: „one’s inner consciousness or awareness“; im Anschluss an ihn Willis, Idol Meat, 92; vgl. auch Tomson, Paul, 208–216, der mit „consciousness“ über­ setzt [210f.]). 68  Für diese allgemeine Deutung lässt sich zudem der Befund anführen, dass eine solche Verwendung von συνείδησις auch für die in 2 Kor 4,2; 5,11 belegten Formulierungen wahr­ scheinlich ist. Auch dort wird nämlich gegen die Lutherübersetzung mit „Gewissen“ zunehmend entweder ein Verständnis als „Mitwissen“ vorgeschlagen (vgl. Hahn/Karrer, Gewissen, 776) oder aber zumindest angenommen, dass die ursprüngliche Bedeutung von „Mitwissen“ mitschwingt (u.a. Wolter, Gewissen, 215; Eckstein, Syneidesis, 232). Vgl. dazu insbesondere, dass συνείδησις hier nicht mit Bezug auf die Beurteilung des eigenen Verhaltens, sondern des Verhaltens anderer, nämlich des Paulus, gebraucht wird. 69  Vgl. dazu, dass die Tätigkeit der συνείδησις auch in 1 Kor 10,29 nicht auf das eigene voran­ gegangene Tun gerichtet ist. 70  Zu einer Deutung im Sinne von „Wissen um Gott bzw. die Götzen“ vgl. Gutbrod, Anthro­ pologie, 55–68, bes. 64f. (sowohl für 1 Kor 8 als auch für 10,25). Vgl. daneben Willis, Idol Meat, 92: „Those who were ‚weak‘ in συνείδησις were simply those who were ‚not know­ ing‘ (8:7) the truth about idols and idol meat“ (vgl. 94.96). Ein allgemeines Verständnis im Sinne von „Mitwissen“ schlagen auch Hahn/Karrer, Gewissen, 776, für συνείδησις in 1 Kor 8,7 vor. 71  Ein Indiz für ein Verständnis von συνείδησις in einem allgemeinen Sinne von „Wissen, Kenntnis“ von etwas anderem als der eigenen vorangegangenen Tat ist auch 1 Kor 8,7 v.l., wo συνείδησις mit einem Genitivus obiectivus verbunden und die Grundbedeutung von „Wissen“ noch gut zu erkennen ist (vgl. Zahn, Röm, 127 Anm. 39: „das aus der früheren Be­ teiligung am Götzendienst zurückgebliebene Bewußtsein um das Idol als ein wirkliches und mächtiges Wesen“). Da sich diese Lesart offenbar in erster Linie der gehäuften Ver­ wendung von συνείδησις im Kontext verdankt (vgl. Lietzmann, 1/2 Kor, 38; Conzelmann, 1 Kor, 181 Anm. 2), lässt die Entstehung dieser Textvariante dann aber darauf schließen, dass zumindest der für diese Lesart verantwortliche Abschreiber συνείδησις im vorliegen­ den Text im Sinne von „Wissen“ verstanden hat.

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dazu vor allem 8,10) stellt Paulus die verschiedenen Gruppen der Gemeinde von Korinth demzufolge direkt im Hinblick auf ihre den Monotheismus betref­ fende Erkenntnisfähigkeit gegenüber.72 Für den vorliegenden Zusammenhang ließe sich eine ethisch-moralische Dimension höchstens aus der befleckten συνείδησις in 1 Kor 8,7 erschließen. Eine solche befleckte73 συνείδησις steht einer reinen συνείδησις häufiger gegen­ über. Dabei wird eine reine συνείδησις insbesondere bei Philo im Kontext der Freiheit von Schuld und Sünde erwähnt.74 Auffallend ist jedoch, dass bei Pau­ lus zentrale Motive fehlen, die die Adressaten eindeutig zu einem Verständnis im Sinne eines schuldigen75 bzw. schlechten Gewissens veranlassen könnten: Im Rahmen der Verwendung von συνείδησις als „Gewissen“ wird biswei­ len betont, dass jemand durch das Gewissen seine schlechten Taten erkennt76 und das Zeugnis, das sich jemand selbst von seinen Taten gibt, im Falle von begangenen Verfehlungen dazu führt, dass der entspre­ chende Mensch an dieser Erkenntnis und damit an einem „schlechten Gewissen“ leidet.77 Im Vergleich dazu fällt jedoch auf, dass Paulus im vor­ liegenden Zusammenhang weder von einem solchen Leiden unter einem schlechten Gewissen spricht noch die schlechten Taten bzw. Unreinheit als Inhalt des Wissens nennt.78 So bezeichnet Paulus mit dem Motiv der Unreinheit zwar einen Vorgang, den die συνείδησις erleidet, nicht jedoch

72  Zum Zusammenhang zwischen den Termini des Wissens und συνείδησις vgl., dass in Röm 14,1–15,13 sowohl der Gedanke der Erkenntnis als auch der Terminus συνείδησις fehlen. 73  Zur Unreinheit der συνείδησις vgl. Tit 1,15: ἀλλὰ μεμίανται αὐτῶν καὶ ὁ νοῦς καὶ ἡ συνείδησις; daneben auch die Aussage von der Reinigung der συνείδησις in Hebr 9,14; vgl. auch die allerdings textkritisch unsichere und wohl als Glosse zu bewertende Rede von der Be­ fleckung der συνείδησις in Dion. Hal. Thuc. 8, dort im Kontext einer unmoralischen Hand­ lung, nämlich des Lügens: κράτιστον δὲ πάντων τὸ μηδὲν ἑκουσίως ψεύδεσθαι μηδὲ μιαίνειν τὴν αὑτοῦ συνείδησιν. 74  Zu den bei Philo mehrfach belegten Verweisen auf ein reines Gewissen vgl. vor allem Philo, Spec. 1,203; Prob. 99; Praem. 84; Legat. 165; vgl. daneben auch Jos. Bell. 1,453; 1 Tim 3,9; 2 Tim 1,3. 75  Vgl. dazu auch das ungerechte und frevelhafte Gewissen bei Dion. Hal. Ant. rom. 8,48,5: […] πάσης τ’ ἀδίκου καὶ ἀνοσίου συνειδήσεως καθαρά. 76  So z.B. Philo, Deus 135; vgl. Ebr. 125. 77  So z.B. TestXII.Rub 4,3: καὶ ἕως νῦν ἡ συνείδησίς μου συνέχει με περὶ τῆς ἁμαρτίας μου. 78  So aber durch Verwendung eines entsprechenden Genitiv-Attributes in Diod. 4,65,7: […] διὰ τὴν συνείδησιν τοῦ μύσους; Philo, Det. 146: οἱ συνειδήσει τῶν οἰκείων ἀδικημάτων ἐλεγχόμενοι; Virt. 124; vgl. Hebr 10,2. Vgl. dazu auch Plut. Mor. 556A.

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eine vom Gewissen selbst vollzogene Handlung.79 Auch im Umfeld von 1 Kor 8,7.12 erwähnt Paulus mögliche Schuldgefühle nicht. Die befleckte bzw. verwundete συνείδησις in 1 Kor 8,7.12 entspricht somit aber kaum un­ serem subjektiven Begriff von einem „schlechten Gewissen“,80 wie dies in der Forschung häufiger vorgeschlagen wird, wenn dieser Ausdruck mit dem Erkennen der Sünde81 und den damit hervorgerufenen Qualen des Gewissens wie beispielsweise Schuldgefühlen oder Gewissensbissen82 konkretisiert wird. Ebenso wenig ist die befleckte συνείδησις – stärker objektiv – im Sinne eines Gewissens zu verstehen, das in seiner Fähigkeit, als Kontrollinstanz im Menschen zu wirken, in der Zukunft beschädigt ist.83 Darüber hinaus lässt sich bei einem Verständnis von συνείδησις im Sinne von Wissen oder Erkenntnis auch die in 1 Kor 8,10 belegte Formulierung besser ver­ stehen als bei einer moralischen Deutung als Gewissen: In 1 Kor 8,10 stellt Paulus fest, dass die Beobachtung des Erkenntnisha­ benden bei Mählern im Tempel84 die συνείδησις des Schwachen dazu aufbaut,85 d.h. darin bestärkt, es dem Erkenntnishabenden gleichzutun und das Götzenopfer selbst zu essen (ἡ συνείδησις αὐτοῦ ἀσθενοῦς ὄντος οἰκοδομηθήσεται εἰς τὸ τὰ εἰδωλόθυτα ἐσθίειν). Hier folgt die Tätigkeit der 79  So hingegen Philo, Deus 135, wo das überführende Gewissen die zu verurteilenden Taten unrein macht. 80  So Weiss, 1 Kor, 228: „sie werden ängstlich, unsicher und gehen mit ‚schlechtem Gewissen‘ nach Hause“. 81  So Zeller, 1 Kor, 293.297. 82  So Orr/Walther, 1 Kor, 232; Shen, Canaan, 146: „made to feel guilty“, im Anschluss an ande­ re (vgl. 177 Anm. 78). Vgl. daneben auch Söding, Starke, 352: Durch das Essen von Opfer­ fleisch „kämen sie in einen inneren Zwiespalt, an dem ihr Glaube zu zerbrechen drohte.“ 83  So Merklein, 1 Kor II, 203: „Das Handeln des Schwachen verliert seine Authentizität. Die Kontrollinstanz des Gewissens wird, da sie sich mit der Nicht-Ratifizierung des eigenen Urteils arrangieren muß, beschädigt“; ähnlich als Möglichkeit von Orr/Walther, 1 Kor, 232, erwähnt: Das Verhalten der Starken führe insofern zu einer Verletzung, d.h. zu einer Schwächung bzw. Beschädigung der dem Menschen mit dem Gewissen gegebenen Kon­ trollinstanz, als die Erkenntnishabenden die Schwachen mit ihrem Verhalten dazu veran­ lassen, eine Handlung als richtig zu bewerten, die ihr Gewissen missbilligt. 84  Gegen die in der Forschung vorherrschende Auffassung, dass die Erkenntnishabenden zum Zeitpunkt des Briefes bereits an Mahlzeiten im Tempel teilnehmen (so z.B. Merklein, Fee, Schrage), deutet Sandelin, Idol Food, bes. 116f., den Konditionalsatz in 1 Kor 8,10 und 10,1–22 lediglich als eine Befürchtung des Paulus für die Zukunft. 85  Der Gebrauch von οἰκοδομηθήσεται in 1 Kor 8,10 knüpft an 8,1 (vgl. 10,23; 14,3) an und ist ironisch zu verstehen. Dieser Aufbau bedeutet nämlich gerade einen Untergang (8,11).

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συνείδησις somit nicht erst auf die Tat selbst, sondern vielmehr wird ge­ rade die συνείδησις zum Essen verleitet und ist somit bereits zeitlich vor dem zu kritisierenden Essen von zentraler Bedeutung. Eine Interpretati­ on als Gewissen ist dann aber insofern schwierig, als in diesem Fall das Gewissen als Norminstanz vor der Tat zu verstehen ist.86 Ein solches der Tat vorauslaufendes Gewissen, wie es insbesondere für den modernen Gewissensbegriff zentral ist, lässt sich jedoch für συνείδησις zur Zeit des Paulus nicht nachweisen.87 Eine Deutung von συνείδησις mit Bezug auf die Erkenntnis des Monotheismus passt hingegen gut in den vorliegen­ den Kontext. Dann steht im Zentrum von 1 Kor 8,10 nämlich folgende Aussage: Die schwache Erkenntnis, durch die der entsprechende Mensch kultisch gebrauchtes Fleisch als Götzenopferfleisch bewertet, wird durch den Anblick von anderen Essenden dazu verleitet, ebenfalls solches Fleisch zu essen. Das Essen von Götzenopferfleisch mit einer solchen Be­ wertung des Fleisches führt aber nach 1 Kor 8,11 zum eschatologischen Untergang. Damit ist im Hinblick auf den in 1 Kor 8 mehrfach gebrauchten συνείδησιςBegriff Folgendes festzuhalten: Im Fokus von συνείδησις liegt der für diesen Terminus und den gesamten Argumentationsgang zentrale Gedanke des Wis­ sens bzw. der Erkenntnis. Durch die Bestimmung als „schwach“ bringt Paulus in diesem Rahmen zum Ausdruck, dass diese Personen nicht dieselbe Er­ kenntnisfähigkeit wie die mit „wir“ Bezeichneten haben. Dabei ist dieses Wis­ sen deshalb nur schwach ausgeprägt, weil es die Götzen noch als real ansieht. Der Schwache ist dementsprechend auf dem Stand, den Paulus in 1 Kor 8,5 beschreibt. 1.2.3.2

Die Befleckung des schwachen Wissens in 1 Kor 8,7b als Reformulierung von Lev 11,43f. Mit der Rede von der Befleckung ist für 1 Kor 8,7 grundsätzlich eine Nähe zur jüdischen Tradition zum Essen von Götzenopferfleisch festzustellen. So wurde eine Übertretung der jüdischen Speisevorschriften im Judentum des Zweiten Tempels generell vielfach mit Unreinheit assoziiert (s.o. IIB 1.4.1). Innerhalb dieser breit bezeugten Tradition findet sich die Unreinheitsterminologie auch 86  Zeller, 1 Kor, 297, sieht in 1 Kor 8,10 einen Ansatz für die Entwicklung hin zum sogenann­ ten vorauslaufenden Gewissen, das vor der Tat über richtiges und falsches Handeln ent­ scheidet und dem Menschen daher sein Handeln vorschreibt. 87  Vgl. Hahn/Karrer, Gewissen, 776; Wolter, Gewissen, 214.216. Dementsprechend käme für das Gewissen bei Paulus von vornherein nur ein Verständnis als Kontrollinstanz im Men­ schen in Frage, die sein Handeln und Verhalten nachträglich beurteilt und richtet.

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speziell für das Essen von Götzenopferfleisch, und zwar indem die entspre­ chenden Speisen aus Götzenopfern als unrein bezeichnet werden88 oder aber der Mensch, der solches Fleisch gegessen hat.89 Auffällig ist, dass Paulus anstelle einer Verunreinigung des ganzen Men­ schen konkreter eine Befleckung von etwas Bestimmtem am Menschen er­ wähnt, nämlich eine Befleckung des Wissens. Dass speziell das Wissen durch den Genuss von verbotenen Speisen befleckt wird, ist in den jüdischen Quel­ len nicht überliefert. Diese Feststellung lässt sich jedoch durchaus vor dem Hintergrund der für das Judentum des Zweiten Tempels generell feststellba­ ren Tendenz zur Konkretisierung der Verunreinigung auf bestimmte Organe und Instanzen des Menschen erklären. Auch für den Verzehr von verbotenen Speisen findet sich nämlich mehrfach eine solche Befleckung einzelner Teile des Menschen. Dabei wird dann beispielsweise ein an der Nahrungsaufnahme direkt beteiligtes Organ wie der Mund als befleckt bezeichnet (s.o. IIB 1.4.1.1 und 1.4.1.2), doch ist die Tendenz zur Konkretisierung nicht auf solche Orga­ ne beschränkt. Innerhalb der Damaskusschrift lässt sich eine Formulierung feststellen, die in deutlicher Nähe zu 1 Kor 8,7 steht. Im Einzelnen schärft der Verfasser dieser Schrift das Verbot bestimmter Speisen unter Aufnahme der Aussage aus Lev 11,43f. ein, welche für die Rezeption der Speisegebote im Ju­ dentum des Zweiten Tempels offenbar generell besonders wichtig war.90 Dabei lässt die Aufnahme von Lev 11,43f. in der Damaskusschrift erkennen, dass diese Formulierung grundsätzlich im Hinblick auf den Terminus abgeändert wer­ den konnte, der sich auf den Menschen bezieht. Innerhalb der Damaskus­ schrift ist nämlich zum einen eine direkte Aufnahme von Lev 11,43f. belegt, in der wie dort vor einer Verunreinigung bzw. einem Abscheulichmachen der ‫ נֶ ֶפׁש‬gewarnt wird.91 Zum anderen ist eine Aussage überliefert, die ebenfalls in deutlicher Nähe zu Lev 11,43 formuliert ist, jedoch anstelle einer Verunreini­ 88  Die Götzenopferfleischproblematik lässt sich vielfach als Hintergrund der entsprechen­ den Diskurse annehmen. Explizit werden z.B. in 4 Makk 5,2f. Schweine- und Götzenop­ ferfleisch als unreine Speisen zusammengefasst (vgl. μιαροφαγῆσαι). 89  Vgl. vor allem JosAs 11,9.16; 12,5 (s.o. IIB 1.4.1.1); 4 Makk 5,36; vgl. auch 7,6. Möglicherweise auch in Dan 1,8 (s.o. IIB 1.1.2.1). 90  Eine solche Aufnahme von Lev 11,43 ist auch im griechischsprachigen Judentum deut­ lich in 1 Makk 1,48.63 zu erkennen. Vgl. dazu Lev 11,43 LXX (καὶ οὐ μὴ βδελύξητε τὰς ψυχὰς ὑμῶν ἐν πᾶσι τοῖς ἑρπετοῖς τοῖς ἕρπουσιν ἐπὶ τῆς γῆς καὶ οὐ μιανθήσεσθε ἐν τούτοις καὶ οὐκ ἀκάθαρτοι ἔσεσθε ἐν αὐτοῖς) mit 1 Makk 1,48 (βδελύξαι τὰς ψυχὰς αὐτῶν ἐν παντὶ ἀκαθάρτῳ καὶ βεβηλώσει) und 1 Makk 1,63 ([…] ἵνα μὴ μιανθῶσιν τοῖς βρώμασιν). Zum Verständnis von Lev 11,43f. selbst s.o. IIA 1.2.2.2. 91  So in der Gesetzessammlung („Laws“) in CD-A 12,11–15 unter Konkretisierung der verbo­ tenen Tiere (s.o. IIC 1.1.2). Zur Nähe mit Lev 11,43 (‫ל־ה ֶשּׁ ֶרץ‬ ַ ‫יכם ְבּ ָכ‬ ֶ ‫אַל־תּ ַשׁ ְקּצוּ ֶאת־נַ ְפשׁ ֵֹת‬ ְ ‫ ;) ַהשּׁ ֵֹרץ‬20,25 vgl. vor allem CD-A 12,11f.: ‫ בכל החיה והרמש לאכל‬/ ‫אל ישקץ איש את נפשו‬

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gung der ‫( נֶ ֶפׁש‬vgl. auch 1 Makk 1,48) eine Befleckung des heiligen Geistes als Folge einer Übertretung des Verbots nennt.92 Eine solche Befleckung des heili­ gen Geistes findet sich in den biblischen Schriften noch nicht. Zudem zielt der dort gebrauchte Terminus ‫ נֶ ֶפׁש‬gerade auf den ganzen Menschen. Damit zeigt die Damaskusschrift, insbesondere die sogenannte Mahnschrift, aber deutlich, dass der Terminus ‫ נֶ ֶפׁש‬im Rahmen einer Rezeption von Lev 11,43f. mit einzel­ nen Teilen des Menschen konkretisiert wurde und in diesem Zusammenhang auch eine eher geistige Instanz des Menschen als befleckt bezeichnet wer­ den konnte.93 Angesichts dieses Befundes lässt sich die zunächst auffällige Formulierung in 1 Kor 8,7b ebenfalls als eine Reformulierung von Lev 11,43f. verstehen, in deren Rahmen Paulus den Referenztext entsprechend der kon­ kreten Situation modifiziert. Zu diesem Zweck konkretisiert er zum einen die Verunreinigung des Menschen und überträgt zum anderen die Aussage aus Lev 11,43f., die dort auf verbotene Tiersorten bezogen ist, auf das Essen von Götzenopferfleisch. Das Essen von Götzenopferfleisch – keine Quelle ritueller Unreinheit, aber bleibendes Verbot für den Schwachen Entscheidend für eine nähere Bestimmung der Unreinheit in 1 Kor 8,7 ist in erster Linie der genaue Umstand, aus dem sie resultiert. Dabei lässt sich für den Komplex des Götzendienstes im Judentum zur Zeit des Paulus eine Ent­ wicklung hin zu einer physisch übertragbaren Unreinheit von Götzenopfer­ fleisch und anderen Gegenständen beobachten, die im Zusammenhang mit Götzendienst stehen (s.o. IIB 1.4.1.1). Eine solche Vorstellung legt sich nun für

1.2.3.3

]…[ ‫מהם‬. Zur Aufnahme von Lev 11,43 in hebräischen Texten des antiken Judentums vgl. auch 11Q19 51,8f.: […] ‫ את נפשותמה בכול אשר הבדלתי להמה לטמאה‬/ ‫ולוא ישקצו‬. 92  So in der sogenannten Mahnschrift („Admonition“) in CD-A 7,3f.: „Lass ihn sich fernhalten von allen Unreinheiten entsprechend ihrem Gebot (‫ ;)ולהבדל מכל הטמאות כמשפטם‬und keiner verunreinige (mache abscheulich) seinen heiligen Geist (‫ איש את רוח‬/ ‫ולא ישקץ‬ ‫)קדשיו‬, wie Gott für sie die Unterscheidung getroffen hat (‫“)כאשר הבדיל אל להם‬. Zur Verunreinigung des heiligen Geistes vgl. auch CD-A 5,11 (dort mit ‫ ;)טמא‬zum Geist vgl. 1QS 4,2–8. 93  Zum Bezug des heiligen Geistes auf den natürlichen Geist des Menschen, den dieser durch seine Geburt besitzt, vgl. Sekki, Meaning, 113f., evtl. mit einer Erneuerung des Geis­ tes. Vgl. dazu auch Himmelfarb, Impurity, 13, die betont, dass Unreinheit nach CD-A 7,3f. „not only as a physical, but also as a spiritual state“ bewertet werde (vgl. dazu, dass ein Ge­ nuss von verbotenen Fleischsorten offenbar schon in der hebräischen Bibel eher in einem moralischen Sinne als verunreinigend angesehen wurde; s.o. IIA 1.2.2). Die Präzisierung von ‫ נֶ ֶפׁש‬mit dem Geist lässt sich grundsätzlich damit erklären, dass der Geist als Lebens­ kraft Gottes den Menschen zur ‫נֶ ֶפׁש‬, d.h. zu einem lebenden Wesen, macht (Ps 104,29f. mit einer parallelen Vorstellung zu Gen 2,7, wo der Begriff ‫רּוח‬ ַ nicht begegnet; vgl. auch Jes 42,5; Ez 37,5f.9f.); vgl. daneben auch die Erneuerung des Geistes in Ez 36,26.

306

IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

die in 1 Kor 8,7 erwähnte Befleckung kaum nahe.94 Sie lässt sich weder mit dem recht freien Umgang des Paulus mit solchem Fleisch noch mit seiner sons­tigen Argumentation in Einklang bringen. Bei einer materiellen Unreinheit des Götzenopferfleisches würde nämlich jeglicher körperliche Kontakt mit dem entsprechenden Fleisch automatisch verunreinigen.95 In einem solchen Fall wird somit bereits durch die Opferung von Tieren an Götzen die Wirkung des entsprechenden Fleisches eindeutig und für alle Menschen in der gleichen Weise festgelegt. Eine Differenz in der Erkenntnisfähigkeit würde beim Essen von Fleisch aus Götzenopfern nicht zu unterschiedlichen Folgen führen, wie es von Paulus aber besonders betont wird. Gerade darin liegt offenbar die entscheidende Abweichung des Paulus von der Auffassung zum Götzenopfer­ fleisch im antiken Judentum. Dies lässt ein Vergleich mit den positiven Figu­ ren der jüdischen Tradition wie Eleazar, Esther und Judith deutlich erkennen. Sie entsprechen im Hinblick auf ihren Erkenntnisstand grundsätzlich den Erkenntnishabenden in 1 Kor 8,1–11,1. Auch für sie ist nämlich jeweils ein Be­ kenntnis zum Gott Israels als alleinigem Gott überliefert.96 Dennoch lehnen sie das Essen von Götzenopfern strikt ab.97 Eine 1 Kor 8,4–6 vergleichbare Ar­ gumentation, die Götzenopferfleisch vor dem Hintergrund der Nicht-Existenz der Götzen erlaubt, findet sich in diesem Rahmen nicht. Vielmehr findet sich mit dem sogenannten Brief des Jeremia eine Schrift, die die Existenz ande­ rer Götter strikt ablehnt, aber dennoch deutlich die Gefahr des Abfalls in den Götzendienst sieht. So warnt das Schreiben scharf vor einer Verehrung frem­ der Götter, obwohl diese nur Menschenwerk sind und selbst mit einer Vogel­ scheuche oder einer Dornenhecke verglichen werden können (69f.). Paulus zieht somit aus dem Monotheismus deutlich andere Konsequenzen, als in 94  Darin unterscheidet sich die Position des Paulus zum Götzenopferfleisch in 1 Kor 8,1–11,1 deutlich vom sogenannten Aposteldekret, in dem sich die Vorstellung der rituellen Un­ reinheit von Götzenopferfleisch niedergeschlagen hat (s.u. 3.1.2). 95  Vgl. dazu, dass eine Verunreinigung sich umgekehrt nur durch strikte Vermeidung von jeglichem physischen Kontakt verhindern lässt. Daher will Aseneth sicherstellen, dass selbst ihre Hunde nicht mit ihrem Götzenopferfleisch in Berührung kommen (JosAs 10,13 in der längeren Textfassung; 13,8). 96  Innerhalb dieser Bekenntnisse wird der Exklusivitätsanspruch des Gottes Israels anstelle des von Paulus verwendeten εἷς jeweils durch den Gebrauch von μόνος zum Ausdruck gebracht: Est C14 (vgl. dazu auch die Bezeichnung der Götzenbilder als „Nichtse“ in C21f.); mit Bezug auf den jüngsten Bruder schon in 2 Makk 7,37, mit Bezug auf Eleazar dann auch in 4 Makk 5,24 (hier mit einem zusätzlichen Partizip: ὥστε μόνον τὸν ὄντα θεὸν σέβειν μεγαλοπρεπῶς); daneben im Rahmen einer verneinten Formulierung in Jdt 9,14 mit 8,20. 97  Vgl. dazu auch Arist 132–139: Die Einhaltung der jüdischen Gesetze dient dort dem Zweck, die Juden, die die Ansicht vertreten, dass es nur einen Gott gibt (132.139), vor einem nega­ tiven Einfluss der götzendienerischen Nichtjuden zu schützen, damit sie weiterhin den einzigen Gott verehren.

1 Götzenopferfleisch in Korinth ( 1 Kor 8,1–11,1 )

307

der jüdischen Tradition zum Götzenopferfleisch zu finden sind. Dies bedeutet aber nicht, dass das Essen von Götzenopfern Paulus zufolge generell keine ver­ unreinigende Wirkung mehr hat. Vielmehr greift Paulus in 1 Kor 8,7 offenbar auf die biblische Tradition zum Götzenopferfleischverbot (vgl. Ex 34,15; s.o. IIA 1.1.3) zurück, in der Götzenopferfleisch ebenfalls noch nicht als rituell unrein angesehen wird, aber die Tat des Götzendienstes zu den drei Hauptvergehen gehört, denen eine verunreinigende Wirkung auf den Menschen zugeschrie­ ben wird (s.o. Exkurs 1). Anders als innerhalb der Erzählung von Joseph und Aseneth ist das Götzenopferfleisch in der Auffassung des Paulus somit zwar nicht grundsätzlich kontaminiert und damit infektiös. Wenn jedoch jemand, der die Götzen noch als existent ansieht, Fleisch isst, das diesen Götzen ge­ opfert wurde, dann betreibt er auch Paulus zufolge durch den Genuss von solchem Fleisch eindeutig Götzendienst und wird dadurch – wie für Götzen­ diener typisch – (moralisch) unrein. Die Befleckung der συνείδησις in 1 Kor 8,7 ist demnach durchaus in einem moralischen Sinne zu verstehen, aber den­ noch die unmittelbare Folge des Genusses von Götzenopfern. Sie bezieht sich nämlich nicht – wie aber in der Forschung zumeist angenommen – auf das subjektive Sünden- bzw. Schuldbewusstsein in Folge eines schlechten Gewis­ sens, sondern auf das Faktum der Übertretung des Verbotes von Götzendienst und die daraus folgende schlechte moralische Beschaffenheit des Menschen.98 Warum spricht Paulus jedoch gerade von einer Befleckung des Wissens? Innerhalb des griechischsprachigen Diasporajudentums lassen sich für eine Unreinheit infolge einer verbotenen Handlung, wie sie in 1 Kor 8,7 vorliegt, meh­ rere Formulierungen feststellen, die der Befleckung des Wissens in 1 Kor 8,7 auffallend ähneln.99 Dort finden sich innerhalb eines breiten Spektrums an Organen und Instanzen des Menschen, die durch unmoralische Handlun­ gen befleckt werden, nämlich auch eindeutig noetische Fähigkeiten wie der Verstand100 oder die Denkkraft bzw. Gesinnung.101 Dabei handelt es sich bei 98  Gelegentlich wird auch bei einer Deutung von συνείδησις als „Gewissen“ für ein Verständ­ nis im Sinne eines objektiven Schuldigwerdens plädiert, vgl. Cheung, Idol Food, 129.133; Eckstein, Syneidesis, bes. 241f., vgl. auch 56f.255; Wolff, 1 Kor, 179 mit Anm. 84; Gäckle, Die Starken, 213f. So auch Fitzmyer, 1 Kor, 345, wenn er feststellt, dass das Gewissen der Schwachen durch das Essen „is stained by an idolatrous act“. 99  Vgl. dazu auch die Verbindung von συνείδησις mit dem Verstand in Tit 1,15. 100  Vgl. dazu die Verunreinigung des Verstandes durch Begierde in TestXII.Is 4,4: ἵνα μὴ ἐν διαστροφῇ μιάνῃ τὸν νοῦν αὐτοῦ (nur in Handschrift G; vgl. Becker, JSHRZ III/1, 82 Anm. IV2b); vgl. auch Philo, Deus 89. In TestXII.Ben 8,2f. begegnet für denjenigen, der sexuelle Vergehen vermeidet, umgekehrt die Reinheit des Verstandes, wobei neben νοῦς in der Textgeschichte auch διάνοια überliefert ist (vgl. ebd., 135 mit Anm. VIII2a). 101  Vgl. dazu TestXII.Rub 6,1f., wo im Kontext der Ermahnung zu einer Vermeidung von Un­ zucht das Reinbleiben in Bezug auf die Gesinnung (καθαρεύειν τῇ διανοίᾳ) erwähnt wird

308

IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

den verschiedenen Organen, die befleckt werden, jeweils um etwas am Men­ schen, das in besonderer Weise für die unmoralische Handlung, die befleckt, verantwortlich bzw. an dieser maßgeblich beteiligt ist.102 Vor diesem Hinter­ grund lässt sich der zunächst überraschend anmutende Befund, dass Paulus speziell von der Befleckung des schwachen Wissens spricht, mit der zentra­ len Bedeutung der Erkenntnisfähigkeit des Menschen für die Frage des Es­ sens von kultisch gebrauchtem Fleisch erklären. Mit dem schwachen Wissen wird nämlich dasjenige am Menschen befleckt, aufgrund dessen jemand Pau­ lus zufolge überhaupt Götzendienst betreibt. Erst die schwache E ­ rkenntnis lässt jemanden Fleisch aus dem heidnischen Opferkult auch tatsächlich als Götzenopferfleisch essen. Mit der Befleckung des schwachen Wissens bringt Paulus somit den für ihn entscheidenden Gedanken zum Ausdruck, dass Speisen aus Götzenopfern nicht in jedem Fall eine verunreinigende Wir­ kung haben, sondern nur dann, wenn dem entsprechenden Menschen die Erkenntnis des Monotheismus fehlt. Die auffallende Rede von der Befleckung der schwachen συνείδησις, die eine höhere Differenzierung und Konkretisie­ rung erkennen lässt, passt somit zu der insgesamt höheren Komplexität in der Frage des Genusses von Götzenopferfleisch bei Paulus. Für eine solche Deu­ tung der Befleckung des Wissens als Ausdruck für das Sündersein103 spricht zudem die Parallelität zwischen der Unreinheitsaussage in 1 Kor 8,7 und der in 1 Kor 8,12 konstatierten Verwundung bzw. Verletzung der συνείδησις. Auch die Aussage vom Verletzen einer inneren Instanz des Menschen lässt sich nämlich grundsätzlich vor dem Hintergrund der Tradition der moralischen Verfehlung erklären.104 Damit sind beide Aussagen, die Paulus mit Bezug auf das Wissen des Schwachen formuliert, grundsätzlich aus demselben Hintergrund herleit­ bar. Angesichts dieses Befundes ist dann aber beispielsweise gegen Konradt festzuhalten, dass Paulus zufolge keineswegs erst bei der Teilnahme an Kult­ mahlzeiten für andere Götter und einer Anbetung der Götzen während solcher Mähler Götzendienst vorliegt. Vielmehr zählt er ganz offensichtlich im Fall des Schwachen auch das Essen von Fleisch, das Götzen dargebracht wurde, (vgl. TestXII.Ben 6,7 mit 6,5); vgl. auch Philo, Cher. 16: […] ἡ δὲ διάνοια οὐ γνώριμος […], ἀλλ’ ἄδηλον εἴτε ὑγιαίνει καὶ καθαρεύει εἴτε νοσεῖ μιάσμασι κεχρωσμένη πολλοῖς. Vgl. daneben auch den Gegensatz einer reinen und makellosen Gesinnung in Arist 292: […] ἁγνὴν καὶ ἀμιγῆ παντὸς κακοῦ τὴν διάνοιαν. 102  So ausdrücklich bei Philo, Deus 126 mit der Wendung κατάλογον ποιεῖται τῶν ἁμαρτημάτων αὐτῆς ἁπάντων. 103  Zur Nähe der Aussage von der Befleckung zum Sünderwerden vgl. auch Willis, Idol Meat, 95: „μολύνεται in 8:7 is explained by σκανδαλίζω in 8:13“. 104  Zur Vorstellung der Verletzung für die Sündhaftigkeit vgl. z.B. Plat. Gorg. 524B–525A; vgl. dazu Eschner, Moralische Stigmata. Die von Paulus in 1 Kor 8,12 betonte Besonderheit be­ steht wiederum darin, dass nicht derjenige, der den Fehltritt begeht, sich selbst verletzt, sondern die Erkenntnishabenden das Wissen der Schwachen verletzen.

1 Götzenopferfleisch in Korinth ( 1 Kor 8,1–11,1 )

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zu solchen götzendienerischen Handlungen und misst ihm dementsprechend eine verunreinigende Wirkung zu. Im Einzelnen ist die Rede von der Befleckung des Wissens zudem mögli­ cherweise dadurch beeinflusst, dass Paulus mit der Rede vom schwachen Wissen einen aus der Situation in Korinth stammenden Ausdruck aufnimmt. Dabei macht er den Erkenntnishabenden in 1 Kor 8,7.12 durch die Variation vom bloßen schwachen Wissen in das befleckte oder verwundete Wissen be­ sonders deutlich, welche gravierenden Folgen ihr Verhalten hat. Dadurch stellt er ihnen nämlich eindrücklich vor Augen, dass durch ihr Verhalten aus jeman­ dem, der zwar im Hinblick auf seine Erkenntnis eingeschränkt ist, nun sogar jemand geworden ist, der in Sünde und Schuld verstrickt ist. Die Erkenntnisha­ benden kritisieren die Schwachen somit für ihr defizitäres Wissen, doch wer­ den die Schwachen gerade durch das Verhalten der Erkenntnishabenden zu Menschen, die in sehr viel größerem Ausmaß zu verurteilen sind. 1.2.3.4

Die Relativierung des Verbots von Götzenopferfleisch vor dem Hintergrund des stoischen Konzepts vom sittlichen Handeln als Spezifikum der Argumentation des Paulus Im Vergleich zur jüdischen Tradition schränkt Paulus die verunreinigende Wirkung von Götzenopferfleisch deutlich ein. Der Grund für die unterschied­ lichen Regelungen zum Genuss von Götzenopfern bei Paulus und in der jü­ dischen Tradition liegt letztlich in einer unterschiedlichen Antwort auf die Frage, wann überhaupt Götzendienst vorliegt. Eine rituelle Unreinheit der Götzenopfer impliziert, dass bereits das bloße Faktum der Opferung an ande­ re Götter und die mit ihr angestrebte Verehrung anderer Götter dem Anspruch Gottes auf Exklusivität entgegensteht, selbst wenn diese anderen Götter nur vermeintlich existieren. Fleisch, das Götzen geopfert wurde, steht somit durch die kultische Verwendung zu Zwecken, die ausdrücklich gegen die Alleinver­ ehrung Gottes gerichtet sind, per se mit Götzendienst in Verbindung. Daher ist das Verbot von Götzendienst nur dann erfüllt, wenn man jegliches Fleisch aus solchen Opfern strikt meidet. Jüdischerseits sind die Götzen somit ebenfalls „Nichtse“, aber gerade die ihnen dargebrachten Opfer behalten Wirkmächtig­ keit. Für Paulus bedeutet hingegen der Verzehr von Fleisch, das anderen Göt­ tern geopfert wurde, nicht zwangsläufig Götzendienst. Ihm zufolge schützt vielmehr die Einsicht in den Monotheismus die Erkenntnishabenden vor dem Götzendienst und damit vor der Befleckung. Deshalb müssen sie im Unter­ schied zu den Schwachen das Fleisch aus Götzenopfern nicht strikt meiden.105 105  Vgl. dazu, dass Paulus sich mit der geradezu empfohlenen Sorglosigkeit im Umgang mit Fleisch vom Markt und bei privaten Einladungen in 1 Kor 10,25–27 an die Erkenntnisha­ benden richtet (s.u. 1.4).

310

IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Für die Bewertung ein und derselben Tat als erlaubte Handlung oder Götzen­ dienst ist Paulus zufolge somit die Erkenntnis ausschlaggebend, mit der der jeweilige Mensch die entsprechende Tat ausführt. Woher stammt eine solche Vorstellung, dass die Beurteilung einer Tat maßgeblich von der persönlichen Einsicht des Handelnden abhängig ist? Wurde diese Überzeugung, die offen­ bar gerade zu der entscheidenden Abweichung von der jüdischen Tradition zu Götzenopfern führt, gar von Paulus erstmalig entwickelt? Dieser auffällige und in der Forschung bisher ungeklärte Zusammenhang erinnert auffällig an das stoische Konzept vom sittlichen Handeln (κατόρθωμα). Dabei unterschei­ det die Stoa zwischen der Handlung an sich und einer richtigen Handlung.106 Richtige Handlungen sind nur solche Handlungen, die in Übereinstimmung mit der richtigen Vernunft getan werden. Richtige Handlungen sind nämlich diejenigen sogenannten zukommenden Funktionen (d.h. natürlichen Aktivi­ täten), die vollkommen sind, und zwar indem sie durch das für die Tugend konstitutive Wissen vervollkommnet werden.107 Damit findet sich die auch für Paulus zentrale Bedeutung des Wissens für die Wertigkeit einer Handlung wieder. Vor diesem Hintergrund lässt sich somit erklären, warum Paulus das ei­ gentlich negativ zu bewertende Essen von Götzenopferfleisch bei der richtigen Einsicht durchaus als positiv ansehen kann. Gegenüber dem antiken Juden­ tum verschiebt Paulus in der Frage nach dem Essen von Götzenopferfleisch den Fokus demzufolge vom physischen Kontakt auf die Handlung, und zwar unter Rückgriff auf die stoische κατόρθωμα-Lehre genauer auf die Handlung, die mit Einsicht ausgeführt wird. Die Unvereinbarkeit der Teilnahme an Mählern im heidnischen Tempel mit einer Teilnahme am Tisch des Herrn (1 Kor 10,14–22) In 1 Kor 10,14–22 weitet Paulus das Problem, das die im Zentrum der gesamten Argumentation stehenden Tempelmahlzeiten darstellen, vom bloßen Genuss von Götzenopferfleisch auf andere Formen des Götzendienstes aus. Dabei um­ fassen die im heidnischen Tempel stattfindenden Mähler nicht nur die Gefahr

1.3

106  Zu einem Überblick über die stoische Lehre vom naturgemäßen und sittlichen Tun vgl. Forschner, Ethik, 183–211. 107  Zu Belegen vgl. Long/Sedley, Philosophen, Nr. 59 („Zukommende Funktionen“), vgl. vor allem die Definition bei Stob. Ecl. 2,96f. (Text M bei Long/Sedley): „Weiterhin sagen wir, daß die Handlungen teils richtig, teils falsch (fehlerhaft) und teils keins von beiden sind. Die folgenden Handlungen sind richtige Handlungen: sich klug, besonnen, freundlich, wohltätig, gerecht und fröhlich verhalten, verständig spazieren – und überhaupt alles, was in Übereinstimmung mit der richtigen Vernunft getan wird (πάνθ’ ὅσα κατὰ τὸν ὀρθὸν λόγον πράττεται)“; daneben 2,85f. (Text B); 2,93 (Text K); Sextus Empiricus, Math. 11,200f. (Text G); Cic. Fin. 3,24f. (Nr. 64, Text H). Zu weiteren Belegen s. die Zusammenstellung unter SVF IV, s.v. κατορθόω, κατόρθωμα und κατόρθωσις.

1 Götzenopferfleisch in Korinth ( 1 Kor 8,1–11,1 )

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des Götzendienstes durch den Verzehr von Götzenopfern, sondern auch die Verbindung mit den Dämonen als Gastgebern eines solchen Mahls. Auch da­ durch ist der Alleinverehrungsanspruch Gottes wie im Fall des Verzehrs von Götzenopfern nicht gewährleistet. Bei den Dämonen handelt es sich nämlich ebenfalls eindeutig um widergöttliche Mächte.108 Götzendienst sollen die Korinther jedoch strikt vermeiden, wie Paulus durch die eindringliche For­ derung, den Götzendienst zu fliehen (φεύγετε ἀπὸ τῆς εἰδωλολατρίας in 10,14),109 von vornherein klarstellt.110 Im Einzelnen weist Paulus in 1 Kor 10,16–20 nach, inwiefern die Erkennt­ nishabenden beim Essen im Tempel zu „Gefährten der Dämonen“ (κοινωνοὶ τῶν δαιμονίων) werden (10,20). Dazu nennt er verschiedene Fälle, bei denen das Essen in einem religiösen Rahmen zu einer Verbindung mit der göttlichen oder widergöttlichen Macht führt, auf die das jeweilige Kultmahl bezogen ist.111 Ausgangspunkt ist in diesem Rahmen das Herrenmahl (10,16f.).112 Dabei stellt Paulus im Zusammenhang der betreffenden Erläuterungen in 1 Kor 10,16 fest, dass der gesegnete Kelch (vgl. JosAs 8,5) Gemeinschaft im Sinne des Teilhabens113 am Blut Christi114 herstellt (κοινωνία ἐστὶν τοῦ αἵματος τοῦ Χριστοῦ). 108  Als Dämonen wurden zunächst vor allem Mittelwesen bzw. Mittler zwischen Gott und Mensch verstanden, die die Gemeinschaft von Göttern und Menschen herstellen konnten (Plat. Symp. 202E; Plut. Mor. 360D–E; 361C; 415A). Zum Gebrauch von δαίμων in der grie­ chischen Literatur vgl. vor allem Rexine, Daimon (speziell zum klassischen Griechisch), und den Überblick bei Keener, Apg III, 2430–2432. Neben guten Dämonen werden damit auch finstere Mächte bezeichnet (vgl. Plut. Mor. 361B), wobei Plutarch für diese Anschau­ ung Empedokles, Demokrit, Platon und Chrysipp anführt (Mor. 419A). 109  1 Kor 10,14 wird entweder in einem räumlichen Sinne gedeutet, d.h. man soll die Teilnah­ me an Mählern im Tempel aufgeben (Burchard, Studien, 284; Fee, 1 Kor, 464 Anm. 11; Kon­ radt, Gericht, 385f.), oder im Sinne der Vermeidung der Götzenverehrung (Conzelmann, 1 Kor, 209). 110  Zur generellen Warnung vor Götzendienst vgl. auch 1 Kor 10,1–13, vor allem V. 7. 111  Die zentrale Begrifflichkeit dieses Abschnittes stellt die κοινωνία-Terminologie (1 Kor 10,16.18f.) sowie μετέχω (10,17.21) dar. 112  Vgl. dazu auch 1 Kor 10,1–13, wo Paulus offenbar das Manna (Ex 16) und das Wasser aus dem Felsen (Ex 17; Num 20) als Prototypen für das Abendmahl anführt. 113  Vgl. Passow, s.v. κοινωνία 1: „die Gemeinschaft, das Theilhaben od. Theilnehmen an etwas, die Theilnahme; auch die Gemeinschaft der Menschen untereinander“ (vgl. auch Passow, s.v. κοινωνέω 1). Dabei liegt im Fokus von 1 Kor 10,16 nicht die Gemeinschaft der Glauben­ den untereinander, sondern die Verbindung mit Christus. Eine solche vertikale Deutung wird in der Forschung zumeist vertreten (vgl. z.B. Newton, Deity, 331–371; Fotopoulos, Food, 234f.; Schrage, 1 Kor II, 437.439; Wolff, 1 Kor, 229f.; Lindemann, 1 Kor, 224; Klauck, Herrenmahl, 261f.; de Jonge, Koinonia, vor allem gegen Hollander). Daneben findet sich bisweilen eine horizontale bzw. ekklesiologische Deutung (so Klinghardt, Gemeinschafts­ mahl, 308–310; Conzelmann, 1 Kor, 211; Barrett, 1 Kor, 233; Baumert, ΚΟΙΝΩΝΙΑ). 114  Der in Verbindung mit κοινωνία gebrauchte Genitiv ist als Genitivus partitivus zu ver­stehen.

312

IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Das Brot, das die mit „wir“ Bezeichneten brechen, stellt eine Teilhabe am Leib Christi her (κοινωνία τοῦ σώματος τοῦ Χριστοῦ ἐστιν). Bevor Paulus diesen Ge­ danken der Teilhabe in 1 Kor 10,18–21 fortsetzt, führt er in 1 Kor 10,17 vom Leib Christi als Gegensatz zu den Dämonen erst noch einmal weg und nimmt statt­ dessen den Gemeinschaftscharakter des Herrenmahls genauer in den Blick:115 Im Rahmen einer Begründung (vgl. ὅτι) für 1 Kor 10,16 hebt Paulus auf den Umstand ab, dass man den Leib Christi nicht alleine besitzt, son­ dern mit anderen gemeinsam daran Anteil hat, indem er diejenigen, die daran teilhaben, geradezu als Einheit fasst (ὅτι εἷς ἄρτος, ἓν σῶμα οἱ πολλοί ἐσμεν). Diese Einheit leitet Paulus aus dem für ein Mahl entscheidenden Gemeinschaftsaspekt her, und zwar genauer aus der gemeinsamen Spei­ se bei einem Mahl (οἱ γὰρ πάντες ἐκ τοῦ ἑνὸς ἄρτου μετέχομεν). Zu diesem Zweck greift er auf die mehrfach belegte Vorstellung zurück, dass die Teilhabe an derselben Speise Einheit bewirkt.116 Alle gemeinsam haben somit an Leib und Blut Christi teil, weil sie durch das Essen von einem Brot eine Gemeinschaft sind. In 1 Kor 10,18 führt Paulus dann mit den Opfern Israels ein weiteres Beispiel an, das über den Gedanken des Verzehrs von Opfern mit der aktuellen Proble­ matik in Korinth, nämlich der Teilnahme an Mählern im Tempel, besonders eng verbunden ist.117 In diesem Rahmen stellt er fest, dass in Israel diejenigen, die die Opfer essen, am Altar teilhaben (οὐχ οἱ ἐσθίοντες τὰς θυσίας κοινωνοὶ τοῦ θυσιαστηρίου εἰσίν;). Im Fokus dieser Aussage liegt deutlich, dass nicht nur die Opferung118 – für sie ist eine Verbindung zum Altar ja ohnehin evident –, son­ dern auch das Mahl, bei dem die auf dem Altar dargebrachten Opfer gegessen werden, eine Verbindung zum Altar aufweist. Diejenigen, die die Opfer essen, haben somit eine Verbindung mit Gott. Im Hintergrund stehen offenbar die Schlachtopfer, bei denen nach Abzug des Priesteranteils der Rest am Tempel gegessen wird (Lev 7,15–18; 19,5f.), und zwar vom Hausvater mit der ganzen

115  So auch Zeller, 1 Kor, 338: Innerhalb der Auseinandersetzung komme es aber entschei­ dend darauf an, dass Starke und Schwache eine Gemeinschaft bilden. 116  Vgl. Plut. Mor. 642F–644D, vor allem 643A und 644C, wonach gesonderte Speisen das Ende der Gemeinschaft bedeuten. Zu gemeinsamen Speisen als Voraussetzung für eine Bewertung eines Mahls als gemeinsames Mahl s.o. IIB 2.1.2.2a Anm. 332, mit weiteren Belegen. 117  Vgl. dazu die jeweilige Verwendung von θύω in 1 Kor 10,18.20. 118  Vgl. Konradt, Gericht, 392 Anm. 1038.

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Hausgemeinschaft vor Gott (Dtn 12,7.18; vgl. 14,23.26).119 Bereits in der hebrä­ ischen Bibel klingt mit diesem Ausdruck „essen vor Gott“ eine Beziehung zwi­ schen den Essenden und Gott an. Philo bietet nähere Angaben dazu, inwiefern die Essenden bei diesem Mahl eine Verbindung zu Gott haben. Dies gilt näm­ lich insofern, als Gott der Gastgeber ist, dem die Gaben nach deren Opferung gehören (ὁ δ’ ἑστιάτωρ ἐστὶν οὗ συμβέβηκεν εἶναι καὶ τὴν παρασκευήν).120 Diese Vorstellung findet sich dann auch bei Paulus in 1 Kor 10,21 mit dem Kelch (vgl. 10,16) und Tisch121 des Herrn bzw. der Dämonen wieder, da Christus und die Dämonen mit dieser Redeweise als Gastgeber des jeweiligen Mahls erscheinen. Auffälligerweise werden nun nicht mehr die Götzen als Gegenpart zu Christus genannt, sondern stattdessen die Dämonen. Diese explizite Kontrastierung in 1 Kor 10,21 bereitet Paulus in 1 Kor 10,19f. dadurch vor, dass er in Anknüpfung an seine grundsätzliche Aussage in 1 Kor 8,4–6 erneut betont, dass es kein Göt­ zenopfer und keinen Götzen gibt (10,19). In 1 Kor 10,20 stellt er dann ausdrück­ lich eine Verbindung zur Situation der Korinther her. Zu diesem Zweck lässt er der negativen Aussage aus 1 Kor 10,19 einen neuen Gedanken folgen, nämlich dass die Opfer in heidnischen Tempeln den Dämonen und nicht dem einzigen Gott dargebracht werden (ἀλλ’ ὅτι ἃ θύουσιν, δαιμονίοις καὶ οὐ θεῷ [θύουσιν]). Die Adressaten der heidnischen Opfer, die doch eigentlich die heidnischen Götter sein sollen, werden demzufolge als Dämonen entlarvt.122 Damit greift Paulus ein Argument auf, das auch zeitgenössische pagane Philosophen im Rahmen ihrer Kritik an Opfern erwähnen.123 So führt beispielsweise Plutarch gegen die Darbringung von Opfern mehrfach an, dass sie nicht etwa an Götter gingen, sondern Besänftigungs- und Beschwichtigungsmittel seien, um böse Dämonen

119  Zu dieser über 1 Kor 9,13 hinausgehenden Deutung vgl. Zeller, 1 Kor, 339; Konradt, Gericht, 388 Anm. 1019, im Anschluss an Wolff. Gegen einen Bezug speziell auf die Priester, wie es der Randapparat in NΑ²⁷ als mögliche Referenz vorschlägt, ebenso gegen eine Deutung mit Bezug auf den Götzendienst Israels (so aber Cheung, Idol Food, 149f.; Fotopoulos, Food, 234f.). 120  So Philo, Spec. 1,221. 121  Hier steht nicht Brot, evtl. wegen der Gegenüberstellung zu „Tisch der Götzen“, was ein fester Ausdruck war (Burchard, Studien, 291 Anm. 47). Zum Motiv des Tisches vgl. JosAs 8,5; 11,9; 12,5; 21,14. 122  Gegen eine in der Forschung vielfach vorgeschlagene Deutung, der zufolge Paulus die Götzen und Dämonen gleichsetzt (vgl. u.a. Burchard, Studien, 284; Böttrich, Selbstver­ ständnis, 389), ist zu betonen, dass sie bei Paulus eher nebeneinander stehen (so auch Schrage, 1 Kor II, 444: „Paulus differenziert offenbar zwischen Götzen und Dämonen“). 123  Nicht überzeugend ist demgegenüber der Vorschlag Winters, Offering, 828–836, dem zu­ folge hinter den von Paulus erwähnten Dämonen lebende und verstorbene Mitglieder der Kaiserfamilie stehen, die vergöttlicht worden seien.

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abzuhalten.124 Abgesehen von dieser Gegenüberstellung der heidnischen Göt­ ter und der widergöttlichen Dämonen, wie sie sich aus der Fortsetzung von 1 Kor 10,19 mit 10,20 ergibt, betont Paulus dann in 1 Kor 10,20 den Gegensatz zwischen den Dämonen und dem Gott Israels.125 Mit dieser Gegenüberstel­ lung zeigt Paulus den Erkenntnishabenden unmissverständlich auf, dass eine Teilnahme an Mählern im Tempel durchaus dem Gebot der Alleinverehrung Gottes widerspricht. Die Opfer an heidnische Götter gehen nämlich nicht etwa ins Leere, da es diese Götter gar nicht gibt, wie es sich nach 1 Kor 8,4–6 denken ließe, sondern sie gehen an andere widergöttliche Mächte.126 Eine Teilnahme an Mählern im Tempel bedeutet dann aber, dass die Korinther dadurch in eine Beziehung mit den Dämonen treten (οὐ θέλω δὲ ὑμᾶς κοινωνοὺς τῶν δαιμονίων γίνεσθαι in 10,20fin). Zwischen 1 Kor 10,18 und 10,20 besteht nämlich folgen­ de Analogie: So wie in Israel diejenigen, die Opfer essen, durch dieses Essen eine Verbindung zum Altar und damit zu Gott eingehen, so kommen auch die Korinther durch eine Teilnahme an Mählern im Tempel mit dem Altar in Verbindung und auf diese Weise mit den Dämonen, weil dort den Dämonen geopfert wird, die es wirklich gibt.127 In 1 Kor 10,21 stellt Paulus dann aber aus­ drücklich fest, dass die Teilnahme (zu μετέχω vgl. 10,17) am Tisch des Herrn, d.h. an einem Mahl, bei dem Christus der Mahlherr ist, eine Teilnahme an einem Mahl im heidnischen Tempel, bei dem die Dämonen als Gastgeber auf­ treten, strikt ausschließt. Die Erkenntnishabenden verstoßen demzufolge bei einer Teilnahme an Mahlzeiten im Tempel zwar nicht durch das Essen von Götzenopferfleisch, wohl aber in anderer Hinsicht gegen das Gebot der Alleinverehrung Gottes, nämlich durch die Verbindung, die sie bei einem solchen Mahl mit den Dä­ monen eingehen. Daher sollen sie die Teilnahme an Mählern jeglicher Art im Tempel strikt unterlassen. Dies schärft Paulus dadurch ein, dass er die Teilnah­ me an solchen Mählern als eine Handlung bewertet, mit der man den Herrn 124  Besonders richtet sich Plutarch jeweils gegen die für frühere Zeiten überlieferten Men­ schenopfer, vgl. vor allem Mor. 417B–E (vgl. Eschner, Sünder II, 253–257); daneben Pel. 21, vor allem 21,6; Mor. 171C. Ähnlich dann auch Porphyrios (vgl. Zeller, 1 Kor, 341). Vgl. dazu auch Ps 106,37. 125  Mit der Gegenüberstellung des Gottes Israels und der Dämonen in 1 Kor 10,20a lässt sich ein deutlicher Anklang an Dtn 32,17 LXX erkennen, zumal sich im dortigen Umfeld auch die Vorstellung von der Nicht-Existenz der Götzen findet (Dtn 32,21). Eine Deutung als Zitat geht aber vermutlich zu weit. Die Hauptdifferenz besteht darin, dass in Dtn 32 Juden den Dämonen opfern, bei Paulus hingegen Heiden (vgl. auch Williams, Spirit World, 147). 126  Vgl. Zeller, 1 Kor, 340: „offenbar unabhängig von der Intention der Opfernden“. 127  Dass die Dämonen für Paulus tatsächlich existieren, betont auch Williams, Spirit World, 146–148, gegen Dunn.

1 Götzenopferfleisch in Korinth ( 1 Kor 8,1–11,1 )

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herausfordert, der doch aber stärker ist als die mit „wir“ Bezeichneten (10,22;128 vgl. 10,9).129 Die Anweisungen des Paulus zum Umgang mit Fleisch auf dem Markt und bei privaten Mählern – keine Notwendigkeit zu einem genauen Nachforschen, aber Vermeidung eines bewussten Essens von Götzenopferfleisch (1 Kor 10,23–11,1) Zum Abschluss seiner Argumentation geht Paulus in 1 Kor 10,23–11,1 auf andere Situationen neben den Mählern im heidnischen Tempel ein, in deren Rahmen sich die Frage nach dem Genuss von Götzenopfern ebenfalls in besonderer Weise stellt. Dabei leitet er diesen Abschnitt wie in 1 Kor 8,1 wiederum mit dem Motiv des Aufbaus ein. Trotz der grundsätzlichen Erlaubnis aller Dinge soll der Maßstab des eigenen Handelns nicht der eigene Vorteil, sondern der Aufbau des anderen sein (10,23f.). Da diese Forderung eindeutig gegen das bisherige Handeln der Erkenntnishabenden gerichtet ist, wendet sich Paulus offenbar auch in 1 Kor 10,23–11,1 weiterhin an die Erkenntnishabenden.130 Als Situatio­ nen, bei denen man abgesehen von den Mahlfeiern im Tempel mit Götzen­ opferfleisch in Berührung kommen kann, nennt er zum einen das Essen von Fleisch, das auf dem Fleischmarkt verkauft wird (10,25), zum anderen ein pri­ vates Mahl bei einem Nichtglaubenden (10,27f.), welcher offensichtlich ein Heide ist. Dabei fordert Paulus jeweils dazu auf, solches Fleisch zu essen, ohne um des Wissens willen genauere Nachforschungen (μηδὲν ἀνακρίνοντες διὰ τὴν συνείδησιν in 10,25.27)131 nach der Herkunft des Fleisches (vgl. 10,28) anzustel­ len. Diese Ermahnung deutet darauf hin, dass eine Herkunft aus Götzenop­ fern für Fleisch auf dem Markt und beim Gastmahl eines Heiden durchaus möglich, aber nicht zwingend ist.132 Trotz dieser eventuell bestehenden 1.4

128  Vgl. dazu den Eifer Gottes als Grund für das Verbot des Götzendienstes in Ex 20,5; 34,14; Dtn 4,24; 5,9; 6,15. 129  Vgl. dazu die Gefahr des eschatologischen Untergangs aufgrund von Fehlverhalten im Zu­ sammenhang des Herrenmahls in 1 Kor 11,29.34. 130  Gelegentlich wird für 1 Kor 10,23–29 angenommen, dass Paulus sich mit diesen Anweisun­ gen an die Schwachen wendet, dagegen aber mit weiteren Argumenten Willis, Idol Meat, 232f.; Fee, 1 Kor, 477 Anm. 10. Zu den Erkenntnishabenden als Adressaten von 1 Kor 10,25 vgl. schon Heinrici, 1 Kor, 286. 131  Vgl. BAA, s.v. ἀνακρίνω 1: „befragen, ausfragen, untersuchen“ (im Original hervorgehoben). 132  Insbesondere der Gebrauch von ἀνακρίνω spricht dafür, dass nicht alle Tiere rituell ge­ schlachtet wurden, wie dies in der Forschung aber bisweilen vertreten wurde (so vor allem Lietzmann, 1/2 Kor, 49–52; Wolff, 1 Kor, 166). Gegen eine umfassende Deutung auch Conzelmann, 1 Kor, 215f.; Klauck, Herrenmahl, 274f.; Barrett, Things, 145f. Koch, macella, betont, dass auf dem Fleischmarkt durchaus auch anderes Fleisch als aus paganen Opfe­ rungen angeboten wurde, da der Fleischbedarf wohl kaum aus solchen Opferungen allein

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Herkunft aus Götzenopfern verbietet Paulus jedoch weder den Genuss von Fleisch, das vom Fleischmarkt stammt, noch das Essen der Speisen, die der Ungläubige serviert. Damit weicht er in Bezug auf die Erkenntnishabenden wiederum deutlich von der jüdischen Tradition ab.133 Dies zeigt ein Vergleich mit den im Diasporajudentum gehäuft überlieferten Regelungen zur Tischge­ meinschaft von Juden mit Heiden deutlich. Auch diese haben ihren Grund je­ weils in der Befürchtung, dass die Juden durch das Mahl mit Heiden selbst zu Götzendienern werden könnten, und zwar indem sie die bei Heiden üblichen, für Juden jedoch verbotenen Speisen aus Götzenopfern essen oder an den göt­ zendienerischen Praktiken der Heiden wie Opfern und Gebeten an Götzen teil­ nehmen (s.o. IIB 2.1). Dabei wollen die jüdischen Protagonisten jedoch durch unterschiedliche Maßnahmen jeweils sicherstellen, dass sie auf keinen Fall Speisen aus Götzenopfern essen. Dies geschieht im Fall von Mählern bei Heiden entweder durch gesonderte Speisen (vgl. vor allem JosAs; s.o. IIB 2.1.2.2) oder aber dadurch, dass die Juden das Essen bei einem Heiden sogar generell vermei­ den und dementsprechend Einladungen von Heiden zu einem gemeinsamen Mahl ausschlagen (Est; s.o. IIB 2.1.1). Die deutlich weniger strengen Ermahnun­ gen des Paulus lassen sich damit erklären, dass ihm zufolge für die angespro­ chenen Erkenntnishabenden zwar der kultische Charakter eines heidnischen Göttern gewidmeten Mahls gefährlich ist, das Essen von Götzenopfern an sich aber keine negative Wirkung auf sie hat. Da dies auf die Schwachen nicht zutrifft, müssten sie strenggenommen nachforschen. Für die Erkenntnishabenden besteht somit grundsätzlich folgende Diffe­ renz: Während Paulus ihnen eine Teilnahme an Tempelmahlzeiten aufgrund einer Verbindung mit Dämonen strikt untersagt (vor allem 10,14–22), erlaubt er ihnen das gemeinsame Essen mit einem nichtglaubenden Heiden in einem privaten Rahmen selbst dann, wenn das verwendete Fleisch aus Götzenop­ fern stammen sollte. Auch bei solchen privaten Mählern soll der Erkennt­ nishabende jedoch nach 1 Kor 10,28 Fleisch, das als Götzenopfer identifiziert wurde, nicht essen, und zwar um dessen willen, der es angezeigt hat, und um der συνείδησις willen (μὴ ἐσθίετε δι’ ἐκεῖνον τὸν μηνύσαντα καὶ τὴν συνείδησιν). Dabei handelt es sich bei der συνείδησις in 1 Kor 10,28 – wie Paulus in 1 Kor 10,29 explizit feststellt – um die des anderen, und zwar offenbar um die des Schwachen.134 Mit dem Stichwort συνείδησις knüpft Paulus nämlich deutlich an gedeckt werden konnte (bes. 214). Zur Frage, ob alles in Griechenland gegessene Fleisch einen religiösen Bezug aufweist, vgl. zuletzt Ekroth, Meals. 133  Zu μηδὲν ἀνακρίνοντες als Abweichung des Paulus von der Tradition vgl. auch Barrett, Things, 146; Dunn, Theology, 705. 134  So schon Heinrici, 1 Kor, 286: συνείδησις beziehe sich in 1 Kor 10,25–29 insgesamt auf das Gewissen des Schwachen. Dagegen Conzelmann, 1 Kor, 218, der 1 Kor 10,29 auf das

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1 Kor 8,7–13 an, wo er den Terminus συνείδησις stets mit Bezug auf das Wissen des schwachen Bruders verwendet hat.135 Auch bei demjenigen, der die Herkunft aus Götzenopfern angezeigt hat, handelt es sich am ehesten um den schwachen Bruder:136 Im Hinblick auf den τις aus 1 Kor 10,28, der die Herkunft des Fleisches aus Opfern an andere Götter anzeigt, lässt sich nicht mit Sicherheit erken­ nen, ob es sich bei ihm um einen heidnischen Mitgast137 oder aber um den schwachen Bruder138 handelt.139 Von vornherein wenig plausibel ist der heidnische Gastgeber.140 Dabei wurde die Verwendung von ἱερόθυτον141 häufig im Sinne eines Bezugs auf einen Heiden gedeutet.142 Der Gebrauch von ἱερόθυτον anstelle des von Paulus vorrangig verwendeten εἰδωλόθυτον (8,1.4.7.10; 10,19) lässt sich jedoch auch bei einer Deutung mit Bezug auf den Schwachen erklären. So kann die Verwendung von ἱερόθυτον von Paulus bewusst zur Wiedergabe der Perspektive des Schwachen gewählt worden sein. Mit ihm kann er nämlich gegenüber dem Gebrauch von εἰδωλόθυτον zum Ausdruck bringen, dass der Schwache davon ausgeht, dass mit diesem Fleisch andere tatsächlich existierende Götter verehrt werden. Den Schwachen zufolge gibt es die anderen Götter durchaus und damit auch Fleisch, das ihnen geopfert wurde. Gewissen des Heiden bezieht, als den er den Anzeigenden aus 1 Kor 10,28 bestimmt (so auch Shen, Canaan, 164f.). 135  Vgl. dazu, dass Paulus auch in 1 Kor 10,24 τὸ τοῦ ἑτέρου verwendet, was sich primär auf den Schwachen beziehen muss. 136  In einem solchen Fall ist καί innerhalb der Verbindung δι’ ἐκεῖνον τὸν μηνύσαντα καὶ τὴν συνείδησιν explikativ zu verstehen (so auch Gooch, Conscience, 247). 137  So Lietzmann, 1/2 Kor, 51; Wolff, 1 Kor, 238f.; vor allem Fee, 1 Kor, 483–485. 138  So die Mehrzahl der Exegeten, vgl. u.a. Weiss, 1 Kor, 265; Klauck, 1/2 Kor, 78; Robertson/ Plummer, 1 Kor, 221; Barrett, 1 Kor, 242, mit dem Hinweis darauf, dass der schwache Bruder nachfragen muss; Fisk, Meat, 67; Thiselton, 1 Kor, 787; vgl. auch Schrage, 1 Kor II, 469f. 139  Zu einem Überblick über die unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten vgl. Zeller, 1 Kor, 345f. 140  Für den heidnischen Gastgeber plädiert Lang, 1/2 Kor, 131. In einem solchen Fall ist jedoch fraglich, warum dieser die Herkunft des Fleisches aus Götzenopfern anzeigen soll. Das würde ihn brüskieren. Gegen eine Identifikation mit dem Gastgeber spricht auch die Ver­ wendung des unbestimmten τις in 1 Kor 10,28, welches nur schwer auf den in 1 Kor 10,27 bereits eingeführten Gastgeber bezogen werden kann. 141  Zum Gebrauch von ἱερόθυτον vgl. vor allem Plut. Mor. 729C, wonach die Pythagoreer von dem Fleisch der Opfertiere essen, die sie den Göttern darbringen. Zur Verwendung von ἱερόθυτον für Opfertiere vgl. auch Ps.-Aristot. Mir. ausc. 123 (842B1); Oec. 2,2,20 (1349B13); Athenaios 14,79 (660C). 142  Vgl. exemplarisch Lietzmann, 1/2 Kor, 51; Conzelmann, 1 Kor, 217; Fee, 1 Kor, 484; Merklein, 1 Kor II, 277; Newton, Deity, 176–179.

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Bei einem solchen Bezug des τις auf den Schwachen legt sich für die Wen­ dung μὴ ἐσθίετε δι’ ἐκεῖνον τὸν μηνύσαντα καὶ τὴν συνείδησιν der Gedanke des Schutzes des schwachen Bruders nahe, wie er eindeutig im Fokus der in 1 Kor 8,11 belegten διά-Wendung liegt.143 Für den Ausdruck διὰ τὴν συνείδησιν ergibt sich von 1 Kor 8,7–13 her, dass der Erkenntnishabende Götzenopfer­ fleisch vermeiden soll, um das Wissen des schwachen Bruders vor Befleckung zu bewahren.144 In 1 Kor 10,29b–30 stellt Paulus dann fest, dass die von ihm geforderte Rücksicht auf das Wissen des anderen für die Erkenntnishabenden145 keine Einschränkung der eigenen Freiheit, Götzenopferfleisch zu essen, durch dieses andere Wissen bedeutet (ἱνατί γὰρ ἡ ἐλευθερία μου κρίνεται ὑπὸ ἄλλης συνειδήσεως;). Wenn man mit Dank genießt, kann man nämlich nicht verläs­ tert werden.146 Die Rücksicht auf den schwachen Bruder muss somit Paulus zufolge nicht so weit gehen, dass der Erkenntnishabende selbst nachforschen müsste, ob es sich bei Fleisch, dessen Herkunft unklar ist, um Götzenopferfleisch handelt. Wenn aber Fleisch als Götzenopferfleisch identifiziert ist, wie es im Tempel stets der Fall ist oder auch dann, wenn jemand bei einem privaten Mahl eine solche Herkunft ausdrücklich bekanntgibt, so muss er sich zum Schutz des Schwachen ebenfalls enthalten. Eindeutig als Götzenopferfleisch identifizier­ tes Fleisch, das der Schwache nicht essen darf, weil es ihn verunreinigen würde (8,7), soll somit auch der Erkenntnishabende nicht essen. 1.5 Zusammenfassung In 1 Kor 8,1–11,1 setzt Paulus sich ausführlich mit den Erkenntnishabenden in­ nerhalb der Gemeinde von Korinth auseinander, die das Essen von Götzen­ opferfleisch grundsätzlich für ungefährlich halten. Dabei legt er ihnen dar, warum sie den Genuss von solchen Speisen unterlassen sollen, obwohl sie mit ihrer Erkenntnis von der Einzigkeit Gottes grundsätzlich Recht haben. Zum einen sollen die Erkenntnishabenden mit Blick auf die eigene Rettung nicht an (kultischen) Mahlzeiten im Tempel teilnehmen, da eine solche Teilnahme am 143  Vgl. Eschner, Sünder I, 225–230. 144  In der Forschung wird die Wendung διὰ τὴν συνείδησιν hingegen oft so ausgelegt, dass das Nachfragen oder Essen das Gewissen beschweren (so die Lutherübersetzung), d.h. Gewissensbisse hervorrufen würde. Gegen eine solche Deutung spricht der Befund, dass etwaige Gewissensbisse offensichtlich generell nicht das Anliegen der paulinischen Ge­ wissensaussagen innerhalb der Götzenopferfleischproblematik sind (s.o. 1.2.3.1). 145  Paulus formuliert in 1 Kor 10,29f. zwar in der 1. Person Singular, meint jedoch die Erkennt­ nishabenden, wie die vorangehende Gegenüberstellung zwischen deren συνείδησις und der der Schwachen deutlich zeigt. 146  Umstritten ist, ob Paulus in 1 Kor 10,29f. einen Einwand von Gegnern oder aber eine mög­ liche Folgerung aus 1 Kor 10,29a abweist (zu Letzterem vgl. Zeller, 1 Kor, 346).

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Tisch der Dämonen mit einer Teilnahme am Tisch des Herrn unvereinbar ist (10,14–22). Zum anderen sollen sie nicht etwa andere Gemeindeglieder dazu bringen, sich ebenso zu verhalten wie sie selbst und Fleisch aus Götzenopfern zu essen (vgl. 8,10). In Bezug auf diese anderen kann nämlich schon ein sol­ ches Essen von Götzenopfern verheerende Folgen haben (8,11), und zwar dann, wenn den anderen die Erkenntnis von der Nichtexistenz der Götzen fehlt. Mit Blick auf diese Schwachen bewertet nämlich auch Paulus – anders als in Bezug auf die Erkenntnishabenden – b­ ereits das bloße Essen(!) von Götzenopfer­ fleisch als Götzendienst und damit generell als verboten. Für die Schwachen, die nach wie vor von der Existenz anderer Götter ausgehen, ist Fleisch, das anderen Göttern geweiht wurde, Götzenopferfleisch. Dabei führt das Essen von Fleisch aus Götzenopfern zu einer Befleckung der mit συνείδησις bezeich­ neten Erkenntnisfähigkeit der Schwachen (8,7) bzw. zu deren Verletzung (8,12). Mit dieser Redeweise und mit anderen Wendungen im Umfeld (8,9.13) bringt Paulus zum Ausdruck, dass der Schwache durch das Essen von Fleisch aus Götzenopfern gegen das Verbot des Götzendienstes verstößt und daher zum Sünder wird. Für die mit „wir“ Bezeichneten, die die Erkenntnis des Mo­ notheismus haben, gibt es hingegen gar kein Götzenopferfleisch, sodass ihnen das Essen jeglichen Fleisches erlaubt ist. Das Hauptgewicht bei Paulus liegt somit nicht auf möglichen gefährlichen Eigenschaften des Fleisches. Vielmehr ist das Essen von Götzenopfern für ihn in erster Linie eine Angelegenheit der Erkenntnis, weshalb der Genuss desselben Fleisches für die jeweils Essenden unterschiedliche Folgen haben kann. Dies lässt die im Kontext von verbotenen Speisen ansonsten nicht belegte Rede von der Befleckung des Wissens deutlich erkennen. Im Blick auf das Verhältnis des Paulus zu der jüdischen Tradition, die sich mit dem Genuss von Götzenopfern befasst, lässt sich festhalten, dass Paulus – anders als es in der Forschung häufiger angenommen wird147 – mit der Ver­ unreinigung durch das Essen von Götzenopfern zunächst von einer jüdi­ schen Prämisse ausgeht und das Verbot des Verzehrs von Götzenopfern in 1 Kor 8,1–11,1 nicht etwa grundsätzlich in Frage stellt oder gar aufhebt. Die ent­ scheidende Neuerung liegt jedoch darin, dass für Paulus aus der persönlichen Überzeugung des Einzelnen von der Nichtexistenz anderer Götter folgt, dass man Götzenopferfleisch essen kann, ohne dadurch automatisch zum Götzen­ diener zu werden.

147  Vgl. dazu exemplarisch die in Anm. 28 genannten Forscher.

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Die Auseinandersetzung um jüdische Speisegebote in der Gemeinde von Rom (Röm 14,1–15,13)

In Röm 14,1–15,13 nimmt Paulus neben 1 Kor 8,1–11,1 ein weiteres Mal zu einer Auseinandersetzung um Speisefragen Stellung. Dabei lässt sich jedoch grund­ sätzlich fragen, inwiefern sich die Ausführungen des Paulus in Röm 14,1–15,13 überhaupt auf einen aktuellen Konflikt beziehen.148 Die ausführliche Argu­ mentation des Paulus149 soll im Hinblick auf folgende, für das vorliegende Thema relevante Aspekte näher untersucht werden: Welcher Bereich des Es­ sens steht im Zentrum dieser Auseinandersetzung innerhalb der Gemeinde von Rom?150 Wie sind die Anweisungen in Bezug auf die sogenannten Schwa­ chen und Starken genau zu verstehen? Lassen sie eine generelle Auflösung der jüdischen Speisevorschriften erkennen? Insbesondere die Feststellung des Paulus in Röm 14,14 erscheint im Anschluss an eine detaillierte semantische Untersuchung der κοινός-Terminologie, die Paulus dort gebraucht, in einem deutlich anderen Licht, als für sie in der neutestamentlichen Forschung üb­ licherweise angenommen wird. Im Rahmen einer Analyse von Röm 14,1–15,13 stellt sich in besonderer Weise die Frage nach dem Verhältnis dieses Konflikts zur Auseinandersetzung um den Genuss von Götzenopferfleisch in der Ge­ meinde von Korinth (1 Kor 8,1–11,1; s.u. 2.4.2), daneben auch zu den Bestim­ mungen des sogenannten Aposteldekrets (Apg 15,20.29; 21,25).

148  Insgesamt ist in Röm 14,1–15,13 eine aktuelle Auseinandersetzung deutlich weniger zu er­ kennen als in 1 Kor 8,1–11,1, sodass sich der Text auch als generelle Reflexion des Paulus über das Zusammenleben in einer christlichen Gemeinde erklären lässt (zu einer Deu­ tung von Röm 14,1–15,13 im Sinne einer allgemeinen Mahnung vgl. z.B. Karris, Romans 14:1– 15:13, 71; Wehnert, Reinheit, 139); vgl. auch Aletti, Romans 14:1–15:6, dem zufolge Paulus durch die Wahl der Sprache einen aktuellen Konflikt ins Allgemeine ausweitet. Müller, Meinungen, 551–553, versteht Röm 14,1–15,7 (zur Trennung von 14,1–15,7 und 15,8–13 vgl. 539f.) dergestalt, dass in der Gemeinde zwar kein aktueller Konflikt vorliegt, jedoch das Potential zu einem solchen gegeben ist. Gegen eine Existenz von zwei Gruppen aus Star­ ken und Schwachen in der Gemeinde von Rom auch Sampley, Weak. 149  Zu einer ausführlichen Analyse der Argumentation des Paulus in Röm 14,1–15,13 vgl. Gäck­ le, Die Starken, 386–431. 150  Mit der Mehrheit der Forscher gehe ich von der Einheit des Römerbriefes aus und verste­ he Röm 14,1–15,13 dementsprechend als Hinweis auf die innerhalb der Gemeinde von Rom herrschenden Verhältnisse. Demgegenüber wird Röm 14,1–15,13 bisweilen im Rahmen von entsprechenden Teilungshypothesen als Bestandteil eines anderen Briefes verstanden, wobei dieser Abschnitt neben Röm 16 insbesondere als Teil eines an die Gemeinde von Ephesus gerichteten Schreibens angesehen wird (so Schenke/Fischer, Einleitung I, 141f., mit Hinweis auf andere).

2 Jüdische Speisegebote in Rom ( Röm 14,1–15,13 )

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Die Frage der Einhaltung der jüdischen Speisegebote als Hauptproblem der Auseinandersetzung innerhalb der Gemeinde von Rom Der Hauptstreitpunkt der vorliegenden Kontroverse besteht aus Fragen des Essens (vgl. die gehäufte Verwendung von ἐσθίω in Röm 14,2f.6.20f.23), und zwar konkreter aus Speisefragen. Dies zeigt deutlich der Gebrauch des No­ mens βρῶμα (14,15.20), welches den konkreten Gegenstand des Essens, d.h. die Speise, bezeichnet.151 Seinen Grund hat dieser Konflikt um Speisefragen offen­ bar in der Zusammensetzung der Gemeinde aus Juden- und Heidenchris­ten. Dabei bezeichnet Paulus die sich gegenüberstehenden Parteien wie im Rah­ men der Auseinandersetzung in 1 Kor 8,1–11,1 näher als „Schwache“152 und in Korrespondenz dazu als „Starke“.153 Anders als in 1 Kor 8,7 bestimmt er die Schwachen aber in Röm 14,1–15,13 nicht als solche, denen die Erkenntnis fehlt, dass die Götzen nicht existieren, sondern als solche, die „schwach in Hinsicht154 auf ihren Glauben“ (τὸν δὲ ἀσθενοῦντα τῇ πίστει) sind.155 Der Grund für diese Bestimmung liegt offenbar darin, dass den Schwachen der Glaube fehlt, dass grundsätzlich alle Speisen zum Verzehr erlaubt sind. Gerade darin unterschei­ den sie sich nämlich von der ihnen gegenüberstehenden Fraktion der Starken. Die in Röm 14,1 für die Näherbestimmung des Schwachen gebrauchte πίστιςTerminologie verwendet Paulus innerhalb seiner Ausführungen auch mit Bezug auf den Starken (vgl. 14,2.22). Dabei kennzeichnet er diesen in Röm 14,2 als jemanden, der glaubt, alles essen zu können (ὃς μὲν πιστεύει φαγεῖν πάντα). 2.1

In Röm 14,1–23 gebraucht Paulus die πίστις-Terminologie offenbar in einem doppelten Sinn.156 Dabei steht die Verwendung von πίστις κτλ. in Röm 14,1f. in deutlicher Nähe zu einem Überzeugtsein157 und damit auch zu den von Paulus in 1 Kor 8,1–11,1 gehäuft gebrauchten Termini aus dem Bereich des Wissens wie γνῶσις κτλ. (1 Kor 8,1–3.7.10f.), συνείδησις 151  Vgl. 1 Kor 3,2; 6,13; 8,8.13; 10,3; vgl. auch Mt 14,15/Lk 9,13; Mk 7,19; Lk 3,11; Joh 4,34; Hebr 9,10; 13,9; 1 Tim 4,3. 152  Vgl. dazu den Gebrauch des Partizips Präsens von ἀσθενέω in Röm 14,1f. wie in 1 Kor 8,11f., dort neben dem Adjektiv ἀσθενής in 8,7.9f.; 9,22. 153  Vgl. dazu den Gebrauch von οἱ δυνατοί in Röm 15,1, über 1 Kor 8,1–11,1 hinaus. 154  Der Dativ τῇ πίστει ist als Dativus respectus zu verstehen. 155  Vgl. dazu Röm 4,19 mit der ganz ähnlichen Formulierung καὶ μὴ ἀσθενήσας τῇ πίστει für Abraham, der der Verheißung Gottes vertraute (vgl. dazu auch ἀλλ’ ἐνεδυναμώθη τῇ πίστει, δοὺς δόξαν τῷ θεῷ in 4,20). 156  So auch Schlier, Röm, 403; gegen Wilckens, Röm III, 81.97, der πίστις in den verschiedenen Wendungen auf die Bedeutung „Glaube“ beschränkt sieht. 157  Vgl. dazu vor allem den Gebrauch von διακρίσεις διαλογισμῶν in Röm 14,1; ἕκαστος ἐν τῷ ἰδίῳ νοῒ πληροφορείσθω in 14,5.

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

(8,7.10.12; 10,25.27–29) und οἴδαμεν (8,1.4). Anders als für diese Begriffe ist für die πίστις-Terminologie und insbesondere deren Gebrauch durch Paulus der Gedanke der Bindung an Gott von zentraler Bedeutung. Gera­ de dieser ist offenbar auch der Grund dafür, dass Paulus in Röm 14,1–15,13 die πίστις-Terminologie verwendet. Die Bindung an Gott ist nämlich für den gesamten Gedankengang zentral, wie die Kennzeichnung des jewei­ ligen Verhaltens als Orientierung am Herrn (14,6) zeigt. Im Rahmen der Spitzenaussage in Röm 14,23 wird dann durch den πίστις-Begriff zudem offensichtlich in erster Linie diese Beziehung zu Gott aktualisiert.158 Dort stellt Paulus der πίστις nämlich ausdrücklich die Sünde gegenüber (πᾶν δὲ ὃ οὐκ ἐκ πίστεως ἁμαρτία ἐστίν). Sünde steht Paulus zufolge jedoch nicht im Gegensatz zu irgendeiner Überzeugung, sondern zum Dienst für Gott (s.u. 2.3.2). Der deutsche Begriff „Glaube“ umfasst diese beiden Aspekte der Überzeugung und der Bindung an Gott und kommt damit dem Ge­ brauch des griechischen πίστις κτλ. im vorliegenden Text wohl am nächs­ ten. Dabei lässt sich zwar der Gebrauch von πίστις κτλ. in Röm 14,1f.22 mit „Überzeugung“ wiedergeben, doch wird in einem solchen Fall weniger deutlich, dass im Griechischen in Röm 14,1f.22 und 14,23 derselbe Begriff verwendet wird. Die nähere Beschreibung des Verhaltens der Schwachen deutet darauf hin, dass hinter ihnen Judenchristen stehen, die sich dem Gesetz weiterhin ver­ pflichtet fühlen.159 Diejenigen, die eine nur schwache und damit schlechte 158  So auch Schlier, Röm, 418. Die häufiger zu findende Deutung von πίστις in Röm 14,23 im Sinne von „Überzeugung“ ist hingegen zumeist mit einer Interpretation im Sinne des Gewissens aus 1 Kor 8 verbunden (Fitzmyer, Röm, 698f.; Lohse, Röm, 381f. mit Anm. 27; Haacker, Röm, 280.290; Gäckle, Die Starken, 422–424). In Röm 14,1–15,13 ist jedoch insge­ samt nicht vom Gewissen die Rede, sodass eine solche Deutung für Röm 14,23 problema­ tisch ist (vgl. Käsemann, Röm, 366f.). Darüber hinaus ist ein Verständnis von συνείδησις im Sinne von „Gewissen“ auch für 1 Kor 8,1–11,1 fraglich (s.o. IIIa 1.2.3.1). 159  Vgl. dazu, dass die Mehrzahl der Exegeten in den Schwachen entweder Judenchristen oder Gottesfürchtige sieht, vgl. dazu den Forschungsüberblick bei Schneider, Die „Schwa­ chen“, 8–49, vor allem die Zusammenfassung (40–49), u.a. unter Hinweis auf Michel, Schmithals, Wilckens, Cranfield, Dodd, Dunn, D.A. Black (46), so auch Schneider selbst, ebd., 128.130.138.156. Dabei stützt er seine Einordnung der Schwachen – a­ bgesehen von den Berührungspunkten zwischen Röm 14,1–15,13 und Kol 2,16 (vgl. 77f.) – ebenfalls vor allem auf die Verwendung des in Röm 14,14 belegten Terminus κοινός im Sinne von „unrein“ (vgl. bes. 108–115, daneben 70.122f.132). Ebenso auch Gäckle, Die Starken, 369, mit weiteren Vertretern (Anm. 372). Dagegen liegt die Annahme wenig nahe, dass die römischen Schwachen im jüdisch-judenchristlichen Bereich vor allem einem synkretisti­ schen Einfluss ausgesetzt waren, der über das Judentum auch in die christliche Gemeinde eingedrungen sei (zu Vertretern vgl. Schneider, Die „Schwachen“, 48, unter Hinweis auf

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Überzeugung haben, werden als solche gekennzeichnet, die einerseits Gemüse (ὁ δὲ ἀσθενῶν λάχανα ἐσθίει in 14,2) und damit kein Fleisch essen (vgl. 14,3.6), andererseits bestimmte Tage höher als andere bewerten (14,5f.), wobei sich Letzteres offenbar auf den Sabbat und andere jüdische Feste bezieht.160 Der Komplex des jüdischen Gesetzes lässt sich innerhalb des vorliegenden Tex­ tes zudem deutlich mit dem Gebrauch von κοινός in Röm 14,14 feststellen (s.u. 2.3.1). Auch der gänzliche Verzicht der Schwachen auf Fleisch resultiert offenbar aus einer extremen Vorsicht vor einer Übertretung der jüdischen Speisegebote, wie ähnliche Beispiele innerhalb der jüdischen Tradition zur Einhaltung der Speisegebote zeigen. Dort wird nämlich bisweilen ausdrück­ lich für gesetzestreue Juden überliefert, dass sie gänzlich auf Fleisch verzich­ ten. Dabei befinden sich die entsprechenden Juden jeweils in einer Situation, in der sie keine andere Möglichkeit für eine Einhaltung der Speisegebote sehen als einen solchen generellen Verzicht auf Fleisch. Prominentester Ver­ treter einer solchen bewussten Entscheidung für eine einfache vegetarische Ernährung ist Daniel (vgl. Dan 1,12.16), doch ist sie auch für andere Personen überliefert (zu Belegen s.o. IIB 1.1.2.1). Ähnliches gilt offenbar für den Schwa­ chen innerhalb der Kontroverse in der Gemeinde von Rom. Auch er isst immer wieder,161 nämlich in kritischen Situationen, in denen er glaubt, einen Verstoß gegen Speisevorschriften nur noch durch einen generellen Verzicht auf Fleisch vermeiden zu können, vegetarische Kost. Damit erscheint er aber als jemand, der die jüdischen Speisegebote unter allen Umständen einhalten will.

Käsemann, Barrett, Zahn, Althaus, Murray, Zeller; vgl. auch Söding, Starke, 354; ableh­ nend auch Gäckle, Die Starken, 363), ebenso wenig die Versuche, religionsgeschichtliche Parallelen bei Pythagoreern, Mysterienreligionen und ägyptischen Therapeuten zu sehen (vgl. Rauer, Die „Schwachen“, 185f.; Lietzmann, Röm, 119f.; dagegen aber Gäckle, Die Star­ ken, 364f.). Ausführlich gegen eine Bestimmung der Schwachen in Rom als nichtchristliche Juden (so Nanos) Gagnon, Weak. Zur Diskussion der Identität der Schwachen vgl. auch Cranfield, Röm II, 690–698. Zweifel an der üblichen Bestimmmung der Schwachen als Judenchristen äußert zuletzt wieder Müller, Meinungen, 552. 160  Vgl. dazu die ähnliche Beschreibung der eindeutig gesetzestreuen Gegner in Bezug auf die Bewertung von Tagen in Gal 4,10. Zur Zusammenstellung von Essensfragen und dem Sabbat vgl. auch Kol 2,16f. 161  Das aspektneutrale Präsens ἐσθίει ist weniger durativ als vielmehr iterativ zu verstehen, d.h. „immer wieder isst er“. In der Forschung deutet man demgegenüber eher im Sinne eines ständigen Fleischverzichts und stellt sich die Situation dann konkret so vor, dass die entsprechenden Judenchristen nach der Trennung von der Synagogengemeinschaft nicht mehr bei jüdischen Metzgern einkaufen konnten, nahezu alles übrige Fleisch jedoch mit heidnischen Opferriten in Verbindung stand oder durch die falsche Tötungsart für sie per se verboten war (so Gäckle, Die Starken, 373, im Anschluss an Cranfield, Watson, Wil­ ckens, Lampe).

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Die Schwachen halten demzufolge weiterhin an zentralen jüdischen Ge­ setzesvorschriften fest und geraten dadurch in einen Konflikt mit solchen Gemeindegliedern, die diese Vorschriften nicht beachten. Dabei führt offen­ sichtlich insbesondere die unterschiedliche Haltung zur Geltung der jüdischen Speisegebote zu dieser durchaus schwerwiegenden Auseinandersetzung in der Gemeinde. Die Starken, die sich keinerlei Einschränkungen beim Essen unterworfen sehen, verachten die Schwachen für ihren Verzicht (14,3.10). Die Schwachen richten umgekehrt die Starken (14,3.10). Zudem werden sie durch die Speise der Starken betrübt (vgl. εἰ γὰρ διὰ βρῶμα ὁ ἀδελφός σου λυπεῖται in 14,15a). Dabei handelt es sich anscheinend näherhin um eine Kränkung und Beleidigung, die den Schwachen vonseiten der Starken durch ihre Speise zugefügt wird.162 Dies legt auch der Gebrauch von σκάνδαλον in Röm 14,13 nahe.163 Jede Partei beharrt auf ihrer Position (14,1) und bewirkt dadurch, dass der Frieden in der Gemeinde nachhaltig gestört ist, wie sich aus den Ermahnungen des Paulus im Umkehrschluss erkennen lässt. Aus der drei­ gliedrigen Reihe, die er in Röm 14,17b für die Beschreibung des Reiches Gottes gebraucht, greift Paulus nämlich gerade den in der vorliegenden Situation be­ sonders gefährdeten Frieden heraus und fordert im Rahmen einer Vertiefung in Röm 14,19164 zu intensiven Friedensbemühungen auf (Ἄρα οὖν τὰ τῆς εἰρήνης 162  Vgl. dazu, dass bei der λύπη-Terminologie der Gedanke der Trauer oft mit Ärger verbun­ den ist, wie folgende Übersetzungsvorschläge von Passow, s.v. λυπέω, verdeutlichen: „kränken, betrüben, bekümmern, beleidigen, ärgern, anfechten, in Leid, Betrübniss, Trau­ er, Unruhe versetzen“. 163  Der Gebrauch von πρόσκομμα κτλ. in Röm 14,20f. steht deutlich erkennbar in enger Ver­ bindung mit Sünde (14,23) und dem eschatologischen Untergang (14,20a.23), sodass sich für ihn ein Verständnis als Anstoß mit der Folge eines Zugrundegehens des Schwachen nahelegt (s.u. 2.3.2). Demgegenüber ist die von Paulus in Röm 14,13 formulierte Verbin­ dung τὸ μὴ τιθέναι πρόσκομμα τῷ ἀδελφῷ ἢ σκάνδαλον offener formuliert. Diese setzt Pau­ lus nämlich in Röm 14,15 (vgl. dazu, dass seine Feststellung in Röm 14,14 eine Parenthese ist) zunächst mit dem Blick auf die Gefühle des Schwachen fort (14,15a), dann auch mit dem Rekurs auf dessen eschatologischen Untergang (14,15b). Der Gebrauch des emotio­ nalen λυπέω spricht dafür, dass mit der von Paulus in Röm 14,13 gebrauchten Verbindung πρόσκομμα τῷ ἀδελφῷ ἢ σκάνδαλον neben der speziellen Vorstellung des Anstoßes, der zum eschatologischen Untergang führt, auch der Gedanke des Anstoßes im Sinne eines Ärgernisses aktiviert wird. Dieser ist mit dem σκάνδαλον-Begriff ebenfalls eng verbunden (vgl. dazu den Gebrauch von σκάνδαλον in 1 Kor 1,23; Gal 5,11). Auf ein Verständnis im Sinne eines Ärgernisses deutet auch die im Umfeld von Röm 14,13 erwähnte Verurteilung der Starken durch die Schwachen (14,3.10, im gegenseitigen Sinne unmittelbar vorher in 14,13a) hin. Der Gedanke des Ärgernisses impliziert nämlich ebenfalls eine solche negati­ ve Beurteilung des Verhaltens der Starken. 164  Vgl. daneben auch die entsprechende Bitte an Gott um Freude und Frieden für die Gemeinde in Röm 15,13.

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διώκωμεν).165 Damit verbunden sind Ermahnungen zu einem liebevollen Um­ gang (14,15) sowie zur Einmütigkeit.166 Die äußerst ausführliche Thematisierung dieser Auseinandersetzung durch Paulus spiegelt deutlich eine besondere Brisanz der unterschiedlichen Speise­ praktiken wider. Dabei lässt sich die strenge Einhaltung der Speisevorschriften zum einen mit der Herkunft des Schwachen aus dem Diasporajudentum erklä­ ren. Dort liegt nämlich der Schwerpunkt der zum Themenkomplex des Essens gehörenden Fragen tatsächlich insgesamt auf verbotenen Speisen, während im palästinischen Judentum sehr viel stärker auch rituelle Fragen im Mittel­ punkt stehen. Insbesondere die Speisegebote dienen nämlich seit der Exilszeit neben der Beschneidung und dem innerhalb der vorliegenden Auseinander­ setzung ebenfalls erwähnten Sabbat der Bewahrung der eigenen jüdischen Identität (s.o. IIB 1.1–1.2). Zum anderen sind Differenzen in der Speisepraxis aber auch aus dem Grund für das Zusammenleben in der Gemeinde ein Pro­ blem von gravierendem Ausmaß, als sie besonders bei gemeinsamen Mahlzei­ ten virulent werden, wie die im Diasporajudentum breit belegten Regeln zur Tischgemeinschaft von Juden und Heiden ebenfalls deutlich zeigen (s.o. IIB 2.1). Dabei beschränkt Paulus die Speiseproblematik und seine Argumentati­ on zwar nicht auf die Frage nach gemeinsamen Mahlzeiten zwischen diesen beiden Parteien, seien es private Mähler oder speziell das Gemeinschaftsmahl. Vielmehr legt er dar, wie unterschiedliche Speisen das Zusammenleben in der Gemeinde generell beeinträchtigen, sodass dementsprechend auch seine An­ weisungen offenbar grundsätzlich für jegliche Nahrungsaufnahme, d.h. auch unabhängig von dem speziellen Fall gemeinsamer Mahlzeiten, gelten sollen. Der Bereich der Tischgemeinschaft ist jedoch angesichts der zentralen Funk­ tion gemeinsamer Mähler für das Zusammenleben in einer Gemeinschaft in jedem Fall eingeschlossen.167 Gemeinsame Mahlzeiten waren nämlich gerade­ zu die Hauptorganisationsform von antiken Gemeinschaften (s.u. IIIB 1.3.4). Dabei haben Differenzen der Gemeindeglieder in Hinsicht auf Speisen im Fall 165  Zum Gebrauch von διώκω im Sinne eines intensiven Betreibens in Verbindung mit τὴν εἰρήνην vgl. 2 Tim 2,22; Hebr 12,14; 1 Petr 3,11. Zu einer solchen Verwendung von διώκω in Verbindung mit anderen Objekten vgl. z.B. Röm 9,30f.; 12,13; 1 Kor 14,1; Phil 3,12.14; 1 Thess 5,15; 1 Tim 6,11. 166  So die Bitte an Gott in Röm 15,5f., der Gemeinde Einmütigkeit zu schenken. 167  Dass die Tischgemeinschaft in die Problematik von Röm 14,1–15,13 eingeschlossen ist, lässt sich auch aus dem Gebrauch von προσλαμβάνω in Röm 14,1 erschließen, da dieses Verbum in seiner konkreten Bedeutung im Sinne von „aufnehmen in eine Haus- und Tischgemeinschaft“ zu verstehen ist (so Tuor-Kurth, Unreinheit, 235f. [mit Anm. 32] und 239).

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

der urchristlichen Gemeinden unmittelbare Auswirkungen auf die beim Ge­ meinschaftsmahl servierten Speisen. Da die Christen ihr Gemeinschaftsmahl offenbar in vorkonstantinischer Zeit generell in erweiterten Privathäusern feierten,168 handelt es sich nämlich auch beim Gruppenmahl der Glauben­ den grundsätzlich um ein Mahl in einem privaten Rahmen, das durch ein Ge­ meindeglied organisiert und ausgerichtet wird.169 Dabei sprechen die Signale des vorliegenden Textes dafür, dass dies in der Gemeinde von Rom vor allem durch die Starken geschieht.170 In einem solchen Fall lässt sich der Verzicht der Schwachen auf Fleisch nämlich damit erklären, dass sie nicht selbst für die entsprechenden Speisen sorgen können, wohingegen sich bei einer Vorberei­ tung des Mahls durch die Schwachen umgekehrt erwarten ließe, dass sie von vornherein nur solche Speisen servieren, die sie selbst essen dürfen.171 Bleibt den Schwachen damit aber nur die Möglichkeit, sich bei diesen Gruppenmäh­ lern von Speisen, die ihnen verboten sind, zu enthalten, so handelt es sich immer nur um eine eingeschränkte Mahlgemeinschaft.172 Das steht jedoch

168  Vgl. dazu, dass die Christen vor dem 4. Jh. keine eigene Sakralarchitektur für ihre Liturgie hatten, sondern sich in Privathäusern versammelten (so Zimmermann, Zeugnisse, 1616). 169  Grundlegend zu den Privathäusern als Treffpunkt der ersten Christen einschließlich gemeinsamer Mahlzeiten White, Origins I; vgl. auch den Überblick von Smith, House Church. White sieht gegen frühere Forscher den Versammlungsraum nicht im Atri­ um einer Villa, sondern in einem gewöhnlichen Speisezimmer (triclinium) und nimmt daher anstelle einer Versammlung aller Christen einer Stadt mehrere kleine Gruppen an, die sich zum Mahl trafen (Origins I, 107–109.119f.; vgl. auch 17.19f.). Dabei werden die genauen Umstände der Mahlfeiern der ersten Christen in der Forschung zum Teil recht unterschiedlich rekonstruiert. So übt z.B. Horrell Kritik an der zumeist vorausgesetzten Hypothese von der hohen sozialen Stellung der ersten Christen und schlägt als Ort der Treffen und Mähler anstelle der römischen Villen (so vor allem Murphy-O’Connor) die Läden, Werkstätten und insulae, d.h. Mietshäuser, vor (Horrell, Space). Smith, Hospitality, 107–109, plädiert wiederum unter Hinweis auf die räumlichen Rahmenbedingungen der urchristlichen Mahlzeiten, nämlich die kleinen Speiseräume, in denen man sich traf, für eine deutlich geringere Anzahl von Teilnehmern, als zumeist für sie angenommen wird. Ihm zufolge lag sie gewöhnlich nur zwischen 7 und 12 Personen (vgl. ders., House Church, 11–14). Unstrittig ist jedoch, dass es sich in der Anfangszeit des Christentums jeweils um privat vorbereitete Mahlzeiten handelt. 170  In Röm 16,23 wird Gaius als „Gastgeber der ganzen Gemeinde“ bezeichnet, was entweder bedeuten kann, dass er die Gemeinde in sein Privathaus einlädt, oder aber, dass er für die Kosten aufkommt. 171  Vgl. dazu z.B. die Tradition zur Tischgemeinschaftspraxis der Esther (s.o. IIB 2.1.1). Wäh­ rend sie eine Teilnahme an Mählern, die von Heiden ausgerichtet werden, strikt ablehnt, lädt sie sie andererseits Heiden zu Mählern ein, die von ihr selbst vorbereitet wurden. 172  Vgl. dazu, dass im Diasporajudentum ein Mahl zwischen Juden und Heiden mit getrenn­ ten Speisen gerade als Fehlen von Tischgemeinschaft bewertet wird (s.o. IIB 2.1.2).

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in besonderer Weise im Widerspruch zum Charakter und zur Funktion des Gemeinschaftsmahls (vgl. die Kritik in 1 Kor 11,17–31). Die grundsätzliche Relativierung des Konfliktes mit der Bedeutungslosigkeit des Essens für das Eschaton Paulus relativiert den aktuellen Konflikt auffälligerweise insbesondere da­ durch, dass er dem Essen generell und damit auch den gegenwärtig umstrit­ tenen Speisefragen jegliche Relevanz in eschatologischer Hinsicht dezidiert abspricht. Während die schwachen Gemeindeglieder in Rom offenbar der Frage nach dem Verbot bestimmter Speisen (zumindest in Hinsicht auf sich selbst) durchaus noch eine solche Bedeutung für die eschatologische Rettung beimessen,173 lehnt Paulus sie strikt ab. Dies erläutert er zunächst mit Blick auf den Ausgang des Gerichts (14,3–12). Dabei schließt Paulus insbesonde­ re an das Richten der Gemeindeglieder untereinander an (14,3.10.13). Dieses Verhalten ist zunächst insofern abzulehnen, als es ein Richten eines fremden Knechtes ist. Vom eigentlichen Herrn droht hingegen keiner der beiden Sei­ ten eine Verurteilung, da sowohl Essen als auch Verzicht jeweils mit Blick auf den Herrn174 geschehen (καὶ ὁ ἐσθίων κυρίῳ ἐσθίει, εὐχαριστεῖ γὰρ τῷ θεῷ· καὶ ὁ μὴ ἐσθίων κυρίῳ οὐκ ἐσθίει καὶ εὐχαριστεῖ τῷ θεῷ in 14,6). Zudem wird und kann das 2.2

173  Die Annahme einer soteriologischen Bedeutung des Gesetzes und damit auch der Speise­ vorschriften ist im Judentum weit verbreitet und lässt sich grundsätzlich auch für die von Paulus in Gal 2,11–14 geschilderte Kontroverse zur Tischgemeinschaft in Antiochia erken­ nen. Im Einzelnen besteht zwischen der dortigen Auseinandersetzung und dem Streit in der Gemeinde von Rom jedoch folgende entscheidende Differenz: Die Gegner des Paulus in Antiochia wollen die Heidenchristen im Rahmen ihrer Aufnahme in das Volk Gottes auf das Gesetz verpflichten (s.u. IIIB 2.3, bes. 2.3.2). Demgegenüber lehnen die Schwachen in Rom die Auffassung der Starken zwar als falsch ab (Röm 14,3.10), doch geht es offenbar insgesamt um die Frage der weiteren Gesetzesobservanz der Schwachen. Das Interesse der Schwachen selbst liegt nämlich – wie der Verzicht auf die entsprechenden Speisen zeigt – eindeutig primär auf der eigenen Vermeidung einer Gesetzesübertretung, und zwar mit dem Ziel, durch eine solche nicht ihre eigene Rettung zu gefährden. Ähnlich Heinin­ ger, Konflikt, bes. 107f.127, dem zufolge es in Antiochia um das „getting in“ der Heiden, in Rom hingegen um das „staying in“ der Juden (127) bzw. genauer um die Frage geht, „ob ehemalige Juden nach ihrer Konversion zum Christentum an den ihnen vertrauten identity markers festhalten dürfen“ (107, Hervorhebungen im Original). 174  Bei dem κύριος in Röm 14,4.6 handelt es sich vermutlich eher um Gott (so Lohse, Röm, 370f.; vgl. vor allem καὶ ὁ ἐσθίων κυρίῳ ἐσθίει, εὐχαριστεῖ γὰρ τῷ θεῷ in 14,6) als um Christus (so aber Boehmer, Röm, 155; Kühl, Röm, 447.449; Michel, Röm, 424: „[…] Christus in sei­ ner Vollmacht dem angefochtenen Bruder beistehen kann“), da Christus explizit erst in Röm 14,9 im Anschluss an die Ausführungen zum Leben und Sterben für den Herrn in Röm 14,7f. als Kyrios bezeichnet wird.

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Urteil175 durch den Herrn ganz anders als das der Menschen ausfallen (14,4).176 Darüber hinaus ist das Richten der Gemeindeglieder untereinander aber auch aus dem Grund unnötig, weil im Gericht Gottes jeder ohnehin für sich selbst Gott gegenüber Rechenschaft ablegen muss (14,10–12). Abgesehen von diesem Gerichtskontext sind Speisefragen aus dem Grund vollkommen irrelevant für das Eschaton, weil das Leben im Reich Gottes177 selbst durch völlig andere Umstände geprägt sein wird als durch Essen und Trinken.178 In Röm 14,17 thematisiert Paulus nämlich den Komplex des Essens ausdrücklich unter der Frage einer etwaigen Bedeutung für das Reich Gottes. In diesem Rahmen variiert er das in Röm 14,15 zweimal gebrauchte βρῶμα auf­ fälligerweise in das Nomen βρῶσις179 und ruft dadurch nicht speziell die beim Mahl verwendeten Speisen, sondern den Vorgang des Essens auf: Sowohl bei βρῶμα als auch bei βρῶσις handelt es sich zwar jeweils um von βιβρώσκω abgeleitete Nomen, doch unterscheiden sie sich im Einzelnen im Hinblick auf die Nominalbildung voneinander. Während es sich bei βρῶμα mit dem Suffix -μα, -ματος nämlich um ein Nomen zur Bezeich­ nung für das Ergebnis einer Handlung (sogenanntes Nomen rei actae) handelt, referiert βρῶσις wiederum mit dem Suffix -σις, -σεως auf eine Handlung selbst (Nomen actionis). Damit bezeichnet zwar βρῶμα das Nahrungsmittel, wohingegen βρῶσις als Verbalabstractum den Vorgang des Essens bzw. Speisens aktualisiert. Gleiches gilt für die beiden jeweils 175  Bei τῷ ἰδίῳ κυρίῳ handelt es sich um eine Grenzverwendung des Dativus commodi, die dem Dativ des Standpunktes nahekommt, vgl. Kühner/Gerth, Grammatik II/1, §423,18b: „nach dem Urteile, in den Augen jemandes“; es liegt also in den Augen des eigenen Herrn, ob er eine Handlung seines Knechtes als zu ihm stehend oder eben nicht als zu ihm ste­ hend bewertet. 176  Vgl. dazu, dass der Herr seinen Knecht, selbst wenn dieser fallen sollte, wieder hinstellen kann (zum Futur σταθήσεται als „können“, vgl. Kühner/Gerth, Grammatik II/1, §387,5c), denn die Macht dazu hat er. 177  Für den Gebrauch des Ausdrucks ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ in Röm 14,17 legt sich insbesondere angesichts des Rückgriffs auf die von Paulus allerdings vehement abgelehnte Vorstellung von der Basileia als Gastmahl in erster Linie ein räumliches Verständnis nahe. Ein sol­ ches Mahl setzt nämlich eindeutig einen entsprechenden Aufenthaltsraum voraus, wie die Rede vom Hereinholen (Mt 22,10–12; Lk 14,21–23; vgl. auch Mt 25,21.23) oder im Um­ kehrschluss vom Herausstoßen (Mt 22,13; vgl. Mt 25,30; Lk 13,28) klar erkennen lässt. Zur räumlichen Vorstellung von der Basileia im Allgemeinen vgl. vor allem den Gebrauch in Verbindung mit εἰς (Mt 5,20; 7,21; 18,3; 19,23f.; 21,31; Mk 9,47 [mit 9,43–46 und Mt 18,8f.]; 10,15.23–25; Lk 18,17.24f.; Joh 3,5; Apg 14,22; 2 Tim 4,18; 2 Petr 1,11), vgl. auch den Gebrauch mit ἐν (Mt 5,19; 8,11/Lk 13,28f.; Mt 11,11; 26,29/Mk 14,25/Lk 22,16; Lk 7,28; 14,15; 22,30; Eph 5,5). 178  Zur Zusammenstellung βρῶσις καὶ πόσις vgl. auch Joh 6,55; Kol 2,16. 179  Vgl. dann in Röm 14,20a wieder βρῶμα.

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von πίνω abgeleiteten Substantive πόμα und πόσις als Bezeichnung für das Getränk und das Trinken. Da Paulus selbst180 diese Differenzen zwi­ schen βρῶμα und βρῶσις (vgl. dazu 1 Kor 8,4; 2 Kor 9,10) noch kennt und beachtet,181 ist der für den Textfluss von Röm 14,15.17 zu verzeichnende Wechsel von βρῶμα in βρῶσις von ihm ganz offensichtlich keineswegs willkürlich vorgenommen worden. Vielmehr scheint Paulus das aus dem Vorhergehenden herausfallende und dem Hörer damit sofort in beson­ derer Weise auffallende βρῶσις bewusst einzusetzen. Dabei wechselt er mit ihm geschickt von der Ebene der Sachen auf den Gesamtvorgang des Essens über, bei welchem im Vergleich mit dem eindeutig auf das Objekt des Essens referierenden βρῶμα stärker die Person des Essenden im Blick ist (vgl. Mt 6,19f.).182 Paulus zufolge werden die Glaubenden somit nicht als Essende und Trinken­ de am Reich Gottes Anteil haben. Dabei klingt mit der Deutung des Reiches Gottes als Essen und Trinken die generell vielfach anzutreffende und auch im Urchristentum gelegentlich verbreitete Tradition vom Jenseits als ewig dauern­ des Freudenmahl an.183 Die deutlich kritische Note von Röm 14,17 zeigt, dass das Reich Gottes Paulus zufolge nicht aus einem solchen gemeinsamen Gast­ mahl bzw. Trinkgelage mit Gott besteht,184 sondern aus „Gerechtigkeit, Frie­ de und Freude im heiligen Geist“.185 Der Hinweis in Röm 14,17f. ist wohl so zu 180  Vgl. aber die Verwendung von βρῶσις eher im Sinne von „Speise“ in Joh 4,32; 6,27.55, dazu BAA, s.v. 3. 181  Vgl. dazu, dass Paulus das in Röm 14,15 von ihm verwendete βρῶμα im Folgenden grund­ sätzlich auch aufnehmen und ihm dessen Entsprechung πόμα an die Seite stellen könnte, da er auch diesen Terminus kennt, und zwar sogar in Verbindung mit dem vorliegenden βρῶμα (zu einer solchen Zusammenstellung vgl. 1 Kor 10,3f.); vgl. auch Hebr 9,10. 182  Gegen Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 367, der von den Realien, nämlich von „Speis und Trank“ redet. Dass der Fokus in Röm 14,17 weniger auf den Speisen als auf der Mahlge­ meinschaft liegt, betont auch Smit, Symposium, dem zufolge Paulus hier genauer an Ide­ ale des Symposiums anknüpft. 183  Vgl. dazu vor allem die Tradition von der königlichen Hochzeit (Mt 22,1–14/Lk 14,15–24); die Abendmahlstradition (Mk 14,25/Mt 26,29/Lk 22,16.18); vgl. auch Mt 8,11/Lk 13,28f.; Lk 12,37; 22,30, daneben auch Mt 25,21.23. 184  Vgl. dazu auch das Fehlen der Formel „bis ich es wieder trinken werde“ in der Version der Abendmahlstradition bei Paulus in 1 Kor 11,23–25. 185  Der Ausdruck ἐν πνεύματι ἁγίῳ ist zunächst nur an χαρά angeschlossen, doch legt sich durchaus ein Bezug auf alle drei Glieder dieser Trias nahe (so auch Käsemann, Röm, 364; Wilckens, Röm III, 93; Schlier, Röm, 416; nur auf χαρά hingegen Michel, Röm, 435 Anm. 22). Dafür spricht insbesondere der Befund, dass Paulus sowohl Gerechtigkeit (zum Ge­ brauch im Sinne einer menschlichen Verhaltensweise vgl. am ehesten Röm 8,10; dane­ ben mit Gerechtigkeit als zukünftigem Heilsgut in Gal 5,5; vgl. auch 2 Kor 3,8f.) als auch

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verstehen, dass dementsprechend Fragen des Essens aber auch für die Ge­ meinde, die der Vorläufer dieses Reiches ist und sich auf dieses vorbereitet, von weitaus geringer Bedeutung sind als etwa der für das Reich Gottes zentrale Frieden. Dabei schärft Paulus eine Orientierung an den Merkmalen des Rei­ ches Gottes auch für die gegenwärtige Zeit näherhin dadurch ein, dass er dieje­ nigen, die schon jetzt entsprechend den im Eschaton geltenden Verhältnissen handeln,186 ausdrücklich als Gott angenehm und bei den Menschen angese­ hen (εὐάρεστος τῷ θεῷ καὶ δόκιμος τοῖς ἀνθρώποις) qualifiziert (14,18). Wird hin­ gegen dem Essen und Trinken eine höhere Bedeutung eingeräumt als diesen drei grundlegenden Verhaltensweisen, wie es gegenwärtig in der Gemeinde der Fall ist, so kommt das einer Verlästerung des Guten, nämlich des Reiches Gottes, gleich (14,16). Die Argumentation des Paulus gegen eine Übertretung der jüdischen Speisegebote durch den Schwachen In Röm 14 fordert Paulus grundsätzlich beide Seiten, d.h. die Starken und Schwachen, zu gegenseitiger Rücksichtnahme auf. Sie sollen sich nicht mehr gegenseitig richten (μηκέτι οὖν ἀλλήλους κρίνωμεν in 14,13; vgl. auch 14,3.10), son­ dern sich gegenseitig annehmen (διὸ προσλαμβάνεσθε ἀλλήλους in 15,7) und un­ tereinander aufbauen ([…] τὰ τῆς οἰκοδομῆς τῆς εἰς ἀλλήλους in 14,19; vgl. 15,2).187 Damit fordert Paulus von beiden Seiten ein Verhalten, welches dem Handeln Gottes (vgl. 14,3fin) und Christi (15,3–8, vor allem V. 7) entspricht. Dennoch misst Paulus den Starken ganz offensichtlich eine besondere Verantwortung für den Schwachen zu. So lässt bereits die gleichsam überschriftartige Ermahnung der Starken zur Annahme des Schwachen (14,1) erkennen, dass Paulus deren Rücksichtnahme auf die Schwachen in besonderer Weise für nötig hält und dementsprechend in erster Linie auf diese hinwirkt (vgl. auch 15,1). Dies wird dadurch bestätigt, dass Paulus eine Veränderung ihres bisherigen Essverhal­ tens allein von den Starken fordert (vgl. 14,21). Die Schwachen ermahnt Paulus hingegen in keiner Weise dazu, die von ihnen bisher gemiedenen Speisen zu

2.3

Frieden (Gal 5,22) und Freude (vgl. dazu vor allem Gal 5,22: Frieden und Freude als Frucht des Geistes; zu Freude außerdem 1 Thess 1,6) mit dem Geist verbinden kann. 186  Vgl. dazu, dass sich das ἐν τούτῳ in Röm 14,18 als kollektiver Singular deuten lässt, wobei die Entstehung des Plurals (‫א‬² D¹ L Ψ 33 104 365 630 1175 1241 1505 𝔐 b vgmss sy) dann so zu erklären ist, dass durch den Plural der naheliegende Bezug auf πνεῦμα unterdrückt und stattdessen der dahinter zurückstehende Bezug auf die vorhergehende Aufzählung deutlicher gemacht werden soll. Anders jedoch z.B. Boehmer, Röm, 160, der mit Bezug auf den Geist deutet. 187  In dieser Aufforderung des Schwachen zu einem rücksichtsvollen Umgang mit den Star­ ken besteht eine Differenz von Röm 14,1–15,13 zu dem in 1 Kor 8,1–11,1 belegten analogen Gedankengang.

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essen. Vielmehr will er dies offenbar eher unter allen Umständen verhindern. Zu diesem Zweck erläutert er im Rahmen einer ausführlichen Argumentation die Folgen, die ein solcher Genuss auf die Schwachen haben würde (14,14–23). In ihrem Rahmen gibt er der Position der Schwachen zunächst dadurch Recht, dass er den von ihnen angenommenen verunreinigenden Effekt der umstritte­ nen Speisen mit Blick auf sie keineswegs außer Kraft setzt (14,14b). 2.3.1

Die Zustimmung des Paulus zu einer Unreinheit bzw. zum Verbot bestimmter Speisen für die gesetzestreuen Judenchristen (Röm 14,14) Grundsätzlich zählt sich Paulus zu den Starken (ἡμεῖς οἱ δυνατοί in 15,1) und vertritt demzufolge deren Position. Sie besteht aus der Auffassung, dass alle Dinge und damit auch alle Speisen rein sind (πάντα μὲν καθαρά in 14,20).188 Mit dieser Feststellung greift Paulus die Vorstellung von der Unreinheit verbotener Speisen auf, die in der Tradition zu jüdischen Speisevorschriften fest verankert ist (vgl. für das griechischsprachige Judentum die Belege oben IIB 1.4.1), weist diese jedoch zugleich grundsätzlich ab. Dabei lässt sich durch den Gebrauch von „rein“ als Gegenbegriff zu κοινός (14,14) deutlich der Zusammenhang des Gesetzes erkennen. Gerade die κοινός-Begrifflichkeit wird nämlich – anders als etwa die Unreinheitstermini im engeren Sinne wie μιαίνω und μολύνω – im griechischsprachigen Judentum aus der Sicht eines gesetzestreuen Juden speziell für solche Dinge verwendet, die ihm durch das Gesetz verboten und deshalb unrein sind (s.o. IIB 1.3.1.3). Für Paulus selbst gibt es demnach keine durch das Gesetz verbotenen Speisen mehr. Die Bewertung aller Speisen als rein spiegelt somit die auch sonst von Paulus mehrfach vertretene Überzeu­ gung wider, dass er selbst und die Glaubenden generell nicht mehr dem Gesetz verpflichtet sind.189 Damit lässt sich klar erkennen, dass die Speisevorschriften Paulus zufolge grundsätzlich keine Bedeutung für den richtigen Dienst Gott gegenüber haben.190 Insbesondere vor diesem Hintergrund ist es nun jedoch besonders auffällig, dass Paulus in Röm 14,14b offenbar die Position des Schwachen zur Unreinheit

188  Dass es sich bei der Überzeugung von der Reinheit aller Dinge um die Position der Star­ ken handelt, zeigt zum einen der Befund, dass Paulus sich in Röm 14,20 wie in 14,15 ein­ deutig an sie wendet, zum anderen der Bezug zu Röm 14,2 über die jeweilige Verwendung von πάντα: Diejenigen, denen zufolge alles rein ist, essen eben deshalb alle Speisen. 189  Zur Befreiung vom Gesetz vgl. vor allem Röm 7,1–6; 10,4; vgl. auch Gal 2,19; 3,25. 190  Vgl. dazu vor allem Röm 14,18, wonach Paulus offenbar den Dienst für Christus als ausrei­ chend ansieht.

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dieser Speisen referiert191 und ihr mit Blick auf diesen zudem sogar ausdrück­ lich zustimmt. Im Einzelnen stellt Paulus in Röm 14,14 im Rahmen einer Zwischenbemerkung192 zwei unterschiedliche Auffassungen zur Unreinheit von Dingen einander gegenüber. Der entscheidende Differenzpunkt dieser beiden Positionen liegt nicht in der grundsätzlichen Frage, ob es überhaupt Unreinheit gibt oder nicht. Beide Positionen gehen nämlich jeweils durchaus davon aus, dass es unreine Dinge gibt. Sie unterscheiden sich jedoch im Hin­ blick auf die Voraussetzungen für eine solche Unreinheit und damit zugleich in Bezug auf ihren Geltungsumfang strikt voneinander. Dabei lehnt Paulus in Röm 14,14a zunächst die Auffassung ab, dass etwas durch sich selbst (οὐδὲν κοινὸν δι’ ἑαυτοῦ) „gemein“, d.h. „unrein im Sinne einer Gesetzesübertretung“, ist. Damit bestreitet er jedoch keineswegs grundsätzlich, dass es überhaupt „Gemeines“ bzw. Unreines gibt, wie er dies dann mit Blick auf sich selbst in Röm 14,20 tut. Er verneint vielmehr spezieller, dass diese Unreinheit schon durch die Sache selbst bewirkt wird,193 ohne dass daran notwendigerweise wei­ tere Faktoren beteiligt sind, die nicht aus der Sache selbst bestehen. Der auffäl­ 191  Gegen Müller, Meinungen, 550–552, dem zufolge Röm 14,14 insgesamt in erster Linie auf die Überzeugung des Paulus verweist, d.h. gerade auch Röm 14,14b: „Schon gar nicht ent­ spricht das subjektive Verständnis von Unreinheit in 14,14 (wer etwas für unrein hält, für den ist es unrein) jüdischem Denken; denn die Unterscheidung von reinen und unreinen Tieren in Lev 11; 20,22ff. ist ein Gebot Gottes (Lev 11,1) und unterliegt keinesfalls persönli­ cher Ansicht oder Vorliebe“ (531). 192  Vgl. dazu, dass Röm 14,14 asyndetisch an die vorhergehende Aussage angeschlossen ist. Dabei ist die Feststellung in Röm 14,14 insofern als Parenthese zu bewerten, als sie den in Röm 14,13fin aufgerufenen und dann ab Röm 14,15 fortgesetzten Gedankengang zum Anstoß bzw. Ärgernis zunächst unterbricht, indem sie die Sichtweise des Schwachen näher erläutert. 193  Die Wendung δι’ ἑαυτοῦ ist wie für διά typisch in einem instrumentalen Sinne zu verste­ hen, so besonders häufig in Verbindung mit Personen, vgl. Pape, s.v. A.3: „δι’ ἑαυτοῦ, durch sich selbst, ohne fremde Beihülfe, selbstständig“; vgl. auch Passow, s.v. A.III.1: „Am häufigs­ ten δι’ ἑαυτοῦ, durch sich selbst, d.i. a) in eigener Person, ohne Vermittlung Anderer […] b) nach eigener Machtvollkommenheit, unabhängig, eigenmächtig“. In der Forschung wird hingegen häufiger eine Wiedergabe mit „in der Sache“ vorgeschlagen (vgl. dazu auch die häufige Rede von den „Dingen an sich“), wobei Röm 14,14a dann so verstanden wird, dass Paulus hier ablehnt, dass etwas aufgrund einer bestimmten Beschaffenheit unrein ist (so u.a. Lohse, Röm, 377; Jacobi, Jesusüberlieferung, 324, die als Vergleichsmaterial jedoch überwiegend relativ späte rabbinische Texte heranzieht). Eine solche Deutung erfordert jedoch strenggenommen ein ἐν ἑαυτῷ (so auch Schwartz, Good Manners, 297). Zudem ist sie insofern irreführend, als daraus dann zumeist gefolgert wird, dass diese Dinge ei­ gentlich rein sind und damit auch auf den Schwachen keine wirklich verunreinigende Wirkung mehr haben. Vielmehr sei der Schaden in einer Verletzung des Gewissens des Schwachen zu sehen (so z.B. Michel, Röm, 432; Barrett, Röm, 263.266; Kruse, Röm, 520; vgl. auch Käsemann, Röm, 363; Hultgren, Röm, 518). So ist Röm 14,14b jedoch – wie sich zeigen wird – ganz offensichtlich nicht zu verstehen (dazu s.u.). Vielmehr ist eine solche

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lige Gebrauch des im Vergleich zu Röm 14,20 zusätzlichen δι’ ἑαυτοῦ impliziert demzufolge, dass es durchaus unreine bzw. durch das Gesetz verbotene Dinge gibt, aber eben keine Unreinheit, die per se und damit für alle gleichermaßen gilt. Damit ist die Aussage in Röm 14,14a jedoch folgendermaßen zu bewerten: Sie ist nicht mit der Auffassung von der prinzipiellen Reinheit aller Speisen in Röm 14,20 deckungsgleich,194 sondern bereitet in erster Linie die für den vor­ liegenden Argumentationsgang zentrale Feststellung in Röm 14,14b vor, indem sie eine andere, grundsätzlich ebenfalls mögliche Überzeugung zu Unrein­ heit abweist. Dabei handelt es sich am ehesten um eine realistisch geprägte Sichtweise auf das Gesetz, wie sie im Judentum Palästinas verbreitet war.195 Die vorbereitende Funktion von Röm 14,14a ist insbesondere am Ausdruck δι’ ἑαυτοῦ zu erkennen. Dieser lässt nämlich bereits erwarten, dass Paulus im Fol­ genden einen außerhalb der Sache selbst liegenden Faktor für deren Unrein­ heit nennt, wie er es dann in Röm 14,14b mit der Perspektive des Einzelnen ausdrücklich tut. Zugleich liefert die Aussage in Röm 14,14a auch insofern die entscheidende Grundlage für Röm 14,14b, als die für das Argument des Paulus insgesamt zentrale Bedeutung der Sichtweise des Einzelnen überhaupt nur Deutung ganz offensichtlich von einer bestimmten und zudem selbst problematischen Auslegung von 1 Kor 8,11 beeinflusst (vgl. Jewett, Röm, 861f.; Klaiber, Röm, 250). 194  Die in der Forschung vielfach zu findende Deutung, wonach Paulus in Röm 14,14a mit einer anderen Formulierungsweise, nämlich in Form einer Litotes, bereits seine eigene Überzeugung bzw. die Position der Starken wiedergibt (so z.B. Cranfield, Röm II, 713; Schmithals, Röm, 503f.; Stuhlmacher, Röm, 201f.; Haacker, Röm, 285; Lohse, Röm, 377; Hei­ ninger, Konflikt, 114; Klaiber, Röm, 253; Kruse, Röm, 520; Jacobi, Jesusüberlieferung, 326; vgl. auch Schlier, Röm, 417), übersieht demzufolge das δι’ ἑαυτοῦ (so auch Zeller, Röm, 227) und damit, dass in Röm 14,14a die Unreinheit von Dingen anders als in Röm 14,20 gerade nicht generell ausgeschlossen wird. 195  Vgl. dazu Schwartz, Good Manners, 302–308, der betont, dass Paulus in Röm 14,14a spe­ ziell eine andere Vorstellung von Unreinheit zurückweist. Im Einzelnen erklärt Schwartz Röm 14,14 vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Situationen des Judentums in Isra­ el und in der Diaspora als Streit zwischen Realismus und Nominalismus. In beiden Fällen ist das Unreine etwas, das durch das Gesetz strikt verboten ist. Sie unterscheiden sich jedoch im Hinblick darauf, warum das Verbotene unrein ist. Dabei passe die von Paulus zurückgewiesene Auffassung, dass „etwas durch sich selbst unrein ist“, gut zu Priestern in Judäa, weil Judesein für sie der Standard ist, sodass die Gebote wie etwa auch der Tem­ pel gleichsam als gegebene Tatsachen aufgefasst wurden (304). Ausführlicher zu dieser eher realistisch geprägten Sichtweise auf das Gesetz vgl. ders., Judeans, 21–47. Dort stellt Schwartz sie dem rabbinischen Judentum gegenüber, welches er ebenfalls als nominalis­ tisch geprägte Richtung des Judentums ansieht. Dagegen wendet insbesondere Ruben­ stein, Nominalism, bes. 179–183, ein, dass das rabbinische Judentum keineswegs eine rein nominalistische Sichtweise zum Gesetz vertrete. Zu einem Überblick über diese Debatte zwischen Schwartz und Rubenstein vgl. Hayes, Realism, 119–122, die Schwartz grundsätz­ lich zustimmt.

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dadurch möglich ist, dass die Dinge nicht schon durch sich selbst und damit automatisch „gemein“ sind. Im Anschluss an die negative Aussage in Röm 14,14a stellt Paulus dann ausdrücklich fest, dass für jemanden, der der Überzeugung ist,196 dass etwas „gemein“ ist, dieses „gemein“ ist (εἰ μὴ τῷ λογιζομένῳ τι κοινὸν εἶναι, ἐκείνῳ κοινόν). Das innerhalb dieser Formulierung gebrauchte λογίζομαι steht im Gegensatz zu δι’ ἑαυτοῦ aus Röm 14,14a. Es zeigt deutlich, dass die Frage, ob etwas „gemein“ ist oder nicht, Paulus zufolge untrennbar von der Einstellung der essenden Person abhängt. Verboten ist etwas demzufolge über­ haupt nur für denjenigen, der eine solche Definition als „gemein“ selbst ver­ tritt. Dann ist die entsprechende Sache aber für ihn auch tatsächlich „gemein“ und damit verboten.197 Innerhalb der vorliegenden Argumentation misst Paulus demzufolge der Perspektive des Einzelnen eine entscheidende Bedeutung für das Vorliegen von Unreinheit zu.198 Dabei bringt er in Röm 14,14b zum Ausdruck, dass die Bewertung der entsprechenden Dinge wie Speisen als „gemein“ durchaus eine mögliche, aber eben nicht die einzige Auffassung zu dieser Sache ist. Da Paulus in Röm 14,14b offensichtlich die Sicht des schwachen Gemeinde­ glieds wiedergibt (s.o.), beschränkt er die Geltung der jüdischen Speisege­ bote auf diejenigen, die sich ihnen verpflichtet fühlen, und fordert sie nicht etwa für die gesamte Gemeinde in Rom. Eine grundsätzliche Außerkraftset­ zung der jüdischen Speisegebote, beispielsweise auch für diese gesetzestreu­ en Judenchristen, lässt sich aus Röm 14,14 – anders als es in der Forschung häufig angenommen wird199 – jedoch nicht erkennen, ebenso wenig aus der Gesamtargumentation.200 Dies gilt umso mehr, als Paulus in Röm 14,14b 196  Zum Gebrauch von λογίζομαι im Sinne von „überzeugt sein“ vgl. innerhalb des Römerbrie­ fes vor allem 2,3; 3,28; 6,11; 8,18. 197  So auch Schwartz, Good Manners, u.a. 300. 198  Auch Tit 1,15a wird in der Forschung häufig im Sinne einer solchen Sichtweise gedeutet. Gegen eine dafür vorgeschlagene Deutung des Dativs als Dativ des Standpunkts aber s.u. IIIC 2.2. 199  In der Forschung wird das Gewicht meistens einseitig auf Röm 14,14a gelegt und diese Aussage im Sinne einer strikten Außerkraftsetzung der Speisevorschriften bzw. des Geset­ zes insgesamt (d.h. nicht nur im Sinne einer Ablehnung einer bestimmten Sichtweise auf das Gesetz) verstanden, wobei die Grundlage für eine solche Auflösung häufig ausdrück­ lich im Tod Jesu Christi gesehen wird, so vor allem Heil, Speisegebote, 263–265.304f., der in der Aussage in Röm 14,14 im Anschluss an von Lips „einen Bruch ‚mit der ganzen jüdischen Tradition‘ sieht“ (264); vgl. auch Cranfield, Röm II, 713; Wilckens, Röm III, 90f.; Barclay, Law, 300; Löhr, Speisenfrage, 28; Gäckle, Die Starken, 400.431; Müller, Meinungen, 551; allgemein auch Räisänen, Judaism, 198. 200  So auch Holtz, Gott, 247–250, der zufolge es Paulus nicht um die „Abschaffung einer Lebensweise, der gesetzesobservanten, geht, sondern um die Relativierung beider“ (Her­ vorhebungen im Original); im Anschluss an sie auch Schwartz, Good Manners, 309.

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offenbar gerade die Position eines gesetzestreuen Juden anführt. So stellt sich bei einer in der Forschung durchaus mehrfach zu findenden Deutung, der zu­ folge Paulus in Röm 14,1–15,13 verschiedene Sichtweisen zugibt,201 in beson­ derer Weise die Frage, ob und wie sich die Auffassung in Röm 14,14b genauer verorten lässt. Dabei zeigt eine nähere Untersuchung dieser Formulierung, dass es sich hier nicht um eine rein subjektive Bewertung der Speisen als un­ rein bzw. verboten durch die essende Person (im Gegensatz zu einer Verpflich­ tung auf das Gesetz) handelt, wie dies in der Forschung bisweilen vertreten wird.202 Vielmehr trifft auf die in Röm 14,14b geäußerte Überzeugung die Blick­ richtung auf das Gesetz zu, wie sie für das Diasporajudentum typisch ist. In der Diaspora ist die Lebensweise nach dem Gesetz nämlich eine Lebensform neben anderen, die daher eine bewusste Entscheidung des einzelnen Juden erfordert und auf dieser basiert.203 Die Nähe von Röm 14,14b zum Diasporaju­ dentum lässt sich besonders deutlich durch einen Vergleich der vorliegenden Verwendung von κοινός mit der Vorstellung erkennen, die im griechischspra­ chigen Judentum mit dieser Begrifflichkeit verbunden ist. Dabei zeigt sich, dass die in Röm 14,14b belegte Verwendung von κοινός im Rahmen des breiten Traditionsstroms zu dieser Terminologie innerhalb des Urchristentums204 den insgesamt nahtlosesten Rückgriff auf diesen Terminus technicus und seinen 201  So u.a. Wolter, Kompromiss, 174; Dunn, Röm II, 820.830; Moo, Röm, 853. 202  So z.B. Weiss, Röm, 561; Cranfield, Röm II, 713f.; Dodd, Röm, 216; Fitzmyer, Röm, 696; zu­ letzt wieder Müller, Meinungen, 531. Ausdrücklich dagegen auch Haacker, Röm, 286; Jew­ ett, Röm, 860. 203  Zu einer Verortung von Röm 14,14b bzw. von Paulus im Diasporajudentum aufgrund der innerhalb dieser Formulierung geäußerten Entscheidung zu der besonderen Lebensform nach dem Gesetz vgl. auch Schwartz, Good Manners, 305, unter Hinweis auf Jos. Ant. 17,151: „the Law forbids those who choose to live according to it (even) to imagine setting up images and to prepare dedications of living beings“ (303, Hervorhebung C.E.). Die von Schwartz in Röm 14,14b entdeckte nominalistische Tendenz bedeutet, dass etwas durch das Gesetz als unrein definiert wird, und ist somit nicht gleichbedeutend mit dem in der Forschung für Röm 14,14b bisweilen vorgeschlagenen Verständnis im Sinne einer bloßen Projektion des Menschen. Vgl. dazu auch Furstenberg, Transforming Purity (Abschnitt V). Er deutet Röm 14,14b ebenfalls dergestalt, dass die von dem Schwachen gemiedenen Spei­ sen für diesen tatsächlich unrein sind und verortet Röm 14,14b innerhalb des Judentums. Insgesamt versteht er Röm 14,14 jedoch nicht wie hier und auch von Schwartz vorgeschla­ gen primär als Aussage zum Gesetz, sondern plädiert für die pharisäische Tradition von verschiedenen Reinheitsgraden in einer Gemeinschaft als Hintergrund dieser Wendung (ausführlicher zu dieser Vorstellung vgl. auch ders., Outsider Impurity, 47–54). Ähnlich auch Rudolph, Paul, 157–159, u.a. im Anschluss an Furstenberg. Gegen Engberg-Pedersen, Clean, 25–29, der den Hintergrund für Röm 14,14.20b.23b in der Stoa sieht. 204  Zu einem Überblick über die Verwendung von κοινός κτλ. mit den im Einzelnen recht unterschiedlichen Kontexten s.o. IIB 1.3.1.2.

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Hintergrund darstellt.205 Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Aufnahme dieses Begriffs nämlich nicht auf die Bestimmung einer Sache als etwas, das für fromme Juden durch das Gesetz verboten ist. Vielmehr gibt Paulus mit der Ge­ samtaussage von Röm 14,14b, der zufolge die Klassifikation von etwas als κοινός eine Sache der Perspektive ist, genau den Sachverhalt wieder, welcher für die Entstehung dieses Terminus im griechischsprachigen ­Diasporajudentum insgesamt ausschlaggebend war. Die κοινός-Terminologie ist nämlich kein Übersetzungsäquivalent zu einem Unreinheitsterminus im engeren Sinne. Stattdessen steht im Zentrum der besonderen Verwendung von κοινός im griechischsprachigen Judentum gerade die Gegenüberstellung von verschie­ denen Lebensweisen mit jeweils unterschiedlichen Sichtweisen auf dieselbe Sache, und zwar genauer die Gegenüberstellung der Vorschriften des Gesetzes zu anderen Lebensformen. Dabei gewinnt die κοινός-Terminologie – wie eine genaue Untersuchung des zu diesem Terminus überlieferten Befundes gezeigt hat – ihre Bedeutung im Sinne von „für fromme Juden verboten“ dadurch, dass mit ihr das gesetzestreuen Juden Verbotene wie etwa Schweinefleisch als das ansonsten allgemein Übliche, nämlich „Gemeine“, qualifiziert wird (s.o. IIB 1.3.2.3 und 1.3.2.2). Die Bestimmung der frommen Juden verbotenen Dinge als „gemein“ resultiert somit aus der Erfahrung, dass es andere Bräuche als die des Gesetzes gibt. Im Diasporajudentum setzt die Bewertung einer Sache als „gemein“ mit der Implikation des Verbotes dementsprechend stets eine be­ stimmte Perspektive voraus, nämlich die Wahl des Lebens nach dem Gesetz, wie Paulus es in Röm 14,14b ausdrücklich feststellt. Eine besonders markante Parallele zu Röm 14,14 stellt dabei der aus dem hellenistischen Judentum stam­ mende Aristeasbrief dar. Im Rahmen der dortigen Auslegung der jüdischen Speisevorschriften (vgl. Arist 128–171; s.o. IIB 1.2.2) heißt es nämlich in Arist 143 ausdrücklich, dass alles hinsichtlich des natürlichen Sinns gleich(wertig) ist (τὸ γὰρ καθόλου πάντα πρὸς τὸν φυσικὸν λόγον ὅμοια καθέστηκεν; vgl. 129). Dass der Verfasser des Aristeasbriefes offensichtlich nicht davon ausgeht, dass die 205  Im Fokus von Röm 14,14b liegt zwar – wie für κοινός κτλ. typisch – die Wahl einer bestimm­ ten Lebensweise durch den einzelnen Menschen, doch steht grundsätzlich fest, was mit der Entscheidung für ein solches Leben nach dem Gesetz als „gemein“ bzw. unrein anzu­ sehen ist. Demgegenüber ist im Rahmen von Mk 7,1–23 und Apg 10,1–11,18 diese Definition von Dingen bzw. Menschen als κοινός selbst Gegenstand der Diskussion, wobei bisher üb­ liche Definitionen entweder verschoben oder gar aufgehoben werden. Dabei behält der mk. Jesus in Mk 7,15–23 die Unterscheidung von gesetzestreu und κοινός als durch das Ge­ setz verboten bei, definiert diese Grenze jedoch anders, nämlich moralisch-ethisch (s.u. IIIC 1.3, vor allem 1.3.1). In Apg 10,1–11,18 wird die strikte Unterscheidung zwischen Juden und Nichtjuden als rein und unrein dann durch Gott selbst aufgelöst (s.u. IIIB 4.3.2.1).

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verbotenen Speisen von Natur aus unrein sind, zeigt darüber hinaus seine Aus­ sage zu den verbotenen Vögeln. In Bezug auf sie stellt er unter anderem fest, dass Mose sie unrein nannte (ἀκάθαρτα προσονομάσας in 147). Gerade durch die Verwendung von προσονομάζω macht er nun aber deutlich, dass Unrein­ heit nicht etwa automatisch besteht,206 sondern eine Frage der Definition ist, worin sich die insgesamt eher nominalistische Sichtweise des Diasporajuden­ tums auf das Gesetz widerspiegelt. Seiner Position in Röm 14,14 verleiht Paulus dadurch besonderen Nach­ druck, dass er sie als eine Überzeugung darstellt, die an den Herrn Jesus ge­ bunden ist (οἶδα καὶ πέπεισμαι ἐν κυρίῳ Ἰησοῦ). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die entsprechende Überzeugung ihm konkret vom Herrn vermittelt wurde.207 Vielmehr qualifiziert Paulus seine Überzeugung durch ἐν κυρίῳ Ἰησοῦ als eine solche, die ihre Grundlage im Herrn hat,208 wie er dies auch sonst häufiger in ähnlichen Formulierungen für andere Handlungen tut, die im Zusammenhang 206  Vgl. dazu auch Jacobs, Cultural Integration, 173f. 207  Für Röm 14,14 wird häufig eine direkte Abhängigkeit von dem in Mk 7,15 überlieferten Jesuswort angenommen, so z.B. Paschen, Rein, 171; Cranfield, Röm II, 712; Dunn, Röm II, 819.830: „Almost certainly Paul here echoes a saying of Jesus in the form in which it was cherished in the Hellenistic mission.“ Vgl. auch Jewett, Röm, 859. Ein solcher Bezug auf Jesustradition ist jedoch in mehrfacher Hinsicht problematisch. So besteht zwar zwi­ schen Mk 7,15 und Röm 14,14 eine gewisse Nähe, da jeweils im Rahmen einer Diskussion um Essensbräuche die κοινός-Terminologie gebraucht wird, doch ist eine solche Verwen­ dung zu dieser Zeit allgemein weit verbreitet. Ein engerer Bezug auf Mk 7,15.18.20.23 scheidet insofern aus, als es in Mk 7,1–23 nicht um Speisegebote geht, sondern um den rituellen Brauch des Händewaschens (gegen eine Deutung von Mk 7,19fin als Außerkraft­ setzung der jüdischen Speisegebote s.u. IIIC 1.3.2.2). Gegen eine Aufnahme von Mk 7,15 in Röm 14,14 z.B. auch Räisänen, Paul, 245–248, der eher umgekehrt eine Abhängigkeit des Spruches in Mk 7,15 von Röm 14,14 sieht (ders., Jesus, 238). Detailliert zuletzt Jacobi, Jesusüberlieferung, 300–386, bes. 380. Sie versteht ἐν κυρίῳ Ἰησοῦ stattdessen als Hin­ weis auf das Christusereignis, und zwar speziell auf den Heilstod Jesu, durch welchen Paulus – wie häufig in der Forschung angenommen – die Bedeutung der Speisegebote „reduziert“ (384; vgl. dazu auch 303f.: „Außerkraftsetzen der Speisegebote“). Im Rahmen von Röm 14,15.20 argumentiert Paulus mithilfe des Todes Jesu Christi jedoch weniger für die Bedeutungslosigkeit der Speisegebote, sondern verwendet ihn, das rettende Ereignis par excellence, vielmehr als Gegensatz zu einer Vernichtung des Schwachen durch den Starken (s.u. 2.3.2). Zudem ließe ein Bezug von ἐν κυρίῳ Ἰησοῦ auf den Heilstod Jesu im Anschluss an diese Wendung tatsächlich eher eine Aussage wie Röm 10,4 erwarten, der zufolge das Gesetz an sein Ende oder Ziel gekommen ist, nicht jedoch eine Argumentati­ on mit unterschiedlichen jüdischen Auffassungen zum Gesetz, in deren Rahmen Paulus die Gesetzestreue für Judenchristen in Röm 14,14fin gerade nicht außer Kraft setzt. 208  Vgl. dazu, dass die instrumentale Verwendung von ἐν mit Dativ von der Vorstellung des Handelns auf einer Basis abgeleitet ist und dementsprechend die Grundlage einer bestimmten Handlung benennt, d.h. „mit dem Herrn Jesus als Basis“. Vgl. dazu die

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mit seinem Apostolat stehen.209 Gerade dies ist nun jedoch für die vorliegende Situation von entscheidender Bedeutung. Durch den Hinweis auf den Herrn Jesus erscheint die Feststellung, dass für den Schwachen Dinge durchaus noch unrein sind, nämlich ausdrücklich als die in jedem Fall richtige Auffassung eines an Christus Glaubenden. Mit aller Deutlichkeit zeigt Paulus damit den Starken, an die er sich im Folgenden primär wendet, dass Unreinheit durchaus mit einem christlichen Standpunkt vereinbar ist. Gegen die Starken, die Un­ reinheit für Christusangehörige offenbar generell als überholt ansehen, hebt Paulus demzufolge durch ἐν κυρίῳ Ἰησοῦ hervor, dass Unreinheit auch inner­ halb der Gemeinde gilt, jedoch nicht generell, sondern nur unter der dann in Röm 14,14b genannten Bedingung. Für die Argumentation des Paulus in Röm 14,14.20 lässt sich somit folgen­ des Gefälle feststellen: In Röm 14,14a weist Paulus zunächst eine Auffassung ab, der zufolge Unreinheit gleichsam automatisch für alle gilt. In Röm 14,14b gibt er demgegenüber der Position eines Diasporajuden ausdrücklich Recht. Jemand, der sich an das Gesetz gebunden fühlt, soll dessen Übertretung ver­ meiden. In Röm 14,20 lehnt Paulus dann hingegen jegliche Unreinheit und damit auch die nominalistische Sicht auf das Gesetz aus Röm 14,14b für sich selbst grundsätzlich ab. Das Gesetz ist ihm zufolge aufgelöst. Nicht das Ver­ ständnis von Reinheit und Unreinheit in Röm 14,14b, sondern erst das in Röm 14,20 unterscheidet sich demzufolge grundsätzlich von dem jüdischen. Das Essen der umstrittenen Speisen durch den Schwachen als Sünde (Röm 14,23) Die besondere Aufforderung der Starken zur Rücksichtnahme auf die Schwa­ chen hat ihren Grund darin, dass die Speisen, die der Starke isst, der Schwa­ che jedoch als verboten ansieht, auf Letzteren auch Paulus zufolge durchaus eine negative Wirkung haben. Dabei misst er einem solchen Genuss durch den Schwachen äußerst dramatische Folgen zu. Während die entsprechen­ den Speisen nämlich für den Starken selbst keinerlei Gefahr mit Blick auf das Gericht Gottes darstellen, führt ein Genuss dieser Speisen durch den Schwa­ chen nun eben doch zu dessen eschatologischem Untergang. Wie im Rahmen seiner Antwort auf die Auseinandersetzung um das Essen von Götzenopfer­ fleisch in Korinth greift Paulus für die Kennzeichnung der Folgen, die das 2.3.2

Wiedergabe von Röm 14,14a in der Einheitsübersetzung: „Auf Jesus, unseren Herrn, grün­ det sich meine feste Überzeugung […].“ So auch Fitzmyer, Röm, 696. 209  Vgl. dazu vor allem ἐν κυρίῳ Ἰησοῦ in Phil 2,19; 1 Thess 4,1; mit bloßem ἐν κυρίῳ in Gal 5,10; Phil 2,24; 4,10; Phlm 20; sehr ähnlich mit ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (besonders häufig mit dem Rühmen) in Röm 15,17; Phil 1,26 (mit Bezug auf die Gemeinde); 3,3; 1 Kor 15,32; vgl. auch 1 Kor 4,17.

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strikte Festhalten der Starken an ihrer Position für den Schwachen haben kann, zum einen auf die πρόσκομμα- (Röm 14,13.20f.; vgl. 1 Kor 8,9) und σκάνδαλονTerminologie (Röm 14,13.21 v.l.; vgl. 1 Kor 8,13) zurück,210 zum anderen auf die ἀπόλλυμι-Terminologie (Röm 14,15.20; vgl. 1 Kor 8,11). Wie in 1 Kor 8,1–13 bewirkt der Starke demzufolge durch seine Speise den eschatologischen Untergang des Schwachen,211 und zwar weil der Schwache sich an diesen Speisen stößt (vgl. Röm 14,21; so auch 1 Kor 8,9; s.o. 1.2.2). Damit stehen die Starken als Ursache dieses Untergangs aber in besonders eklatanter Art und Weise im Gegensatz zum Handeln Christi bzw. Gottes. Abgesehen von der schon jetzt fehlenden Annahme des Schwachen vernichten die Starken in einem solchen Fall näm­ lich den Bruder, dem die Rettung durch den Tod Christi eigentlich prinzipiell sicher ist (Röm 14,15), und zerstören sogar das Werk Gottes (15,20a).212 Im Vergleich zu 1 Kor 8,1–13 führt Paulus im Rahmen von Röm 14,23 genauer aus, weshalb der Schwache bei einem Genuss des von ihm als verboten ange­ sehenen Fleisches zugrunde gehen wird. In diesem Rahmen aktiviert Paulus ausdrücklich den Zusammenhang der Sünde für den Schwachen. So stellt er fest, dass jemand, der den Glauben der Starken nicht hat, sondern für sich eine Unterscheidung in Bezug auf Speisen macht,213 für den Fall bereits gerichtet 210  Vgl. dazu aber, dass sich eine unmittelbare Verbindung beider Termini, wie Paulus sie in Röm 14,13 herstellt, in 1 Kor 8,9.13 nicht findet. 211  Zur Verwendung von ἀπολλύω/ἀπόλλυμι für die eschatologische Vernichtung vgl. die oben 1.2.2 (Anm. 50) zu 1 Kor 8,11 angegebenen Belegstellen. 212  Ausführlich zur Funktion der Sterbeformulierung innerhalb dieser strikten Kontrastie­ rung des Verhaltens der Starken mit dem Tod Christi im Hinblick auf ein von der Liebe ge­ prägtes und auf Rettung zielendes Handeln vgl. Eschner, Sünder I, 360–372, bes. 362–366. 213  Klar ist angesichts der Gegenüberstellung von Röm 14,23 zu 14,22, dass es sich bei der im Fokus von Röm 14,23 stehenden Person um den Schwachen handelt, der isst, ohne den Glauben des Starken zu haben. In diesem Rahmen steht ὁ δὲ διακρινόμενος in Röm 14,23a eindeutig im Gegensatz zu σὺ πίστιν [ἣν] ἔχεις aus Röm 14,22a und wird dementsprechend in der Forschung zumeist wie das Passiv διεκρίθη in Röm 4,20 im Sinne von „zweifeln“ verstanden (vgl. Cranfield, Röm II, 727 mit Anm. 4; Schlier, Röm, 418; Jewett, Röm, 871; Heininger, Konflikt, 118). Dabei kann das im unmittelbaren Umfeld artikulierte Motiv des Glaubens zwar auf den Gedanken des Zweifels hindeuten, doch muss eine solche Deutung für διακρίνω eine Sonderverwendung voraussetzen, die in jedem Fall erst für die urchristlichen Schriften erkennbar ist. Diese Annahme ist insofern nicht nötig, als sich διακρίνω mehrfach im Kontext von Speisefragen findet, und zwar in der für dieses Verbum typischen Verwendung im Sinne von „unterscheiden“. Dies gilt innerhalb der urchristlichen Diskurse zum Essen auch für die in Apg 10,20; 11,12 überlieferten διακρίνωFormulierungen. Sie sind nämlich anstelle der in der Forschung auch für sie zumeist vorgeschlagenen Wiedergabe mit „zweifeln“ oder „zögern“ eher im Sinne von „unterschei­ den“ zu verstehen, zumal ein solcher Gebrauch der διακρίνω-Terminologie innerhalb der im direkten Umfeld erwähnten Unterscheidung von verbotenen und erlaubten Tiersor­ ten nach Lev 11 fest verankert ist und das Motiv des Glaubens dort fehlt. Dabei ist der

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ist (κατακέκριται), dass er isst (ἐὰν φάγῃ), und zwar die umstrittenen Speisen. Damit greift Paulus erneut die zu Beginn seiner Argumentation behandelte Frage nach der Bedeutung der aktuellen Speiseproblematik für den Ausgang des Gerichts Gottes auf. Nun weist er eine endzeitliche Verurteilung214 des Schwachen jedoch nicht mehr ab (s.o. 2.2), sondern stellt sie sogar als schon geschehen dar (vgl. den Gebrauch des Perfekts). Im Rahmen einer näheren Begründung für dieses negative Gerichtsurteil identifiziert Paulus ein solches Essen der umstrittenen Speisen im Falle des Schwachen als Sünde. Dabei ist die fehlende Beachtung der Speisevorschriften nicht per se Sünde. Für den Starken gilt dies Paulus zufolge ja gerade nicht, sodass dessen fehlende Be­ achtung der entsprechenden Speisevorschriften für ihn keine negativen Kon­ sequenzen hat. Für denjenigen, der sich dem Gesetz noch verpflichtet fühlt, ist das Essen der umstrittenen Speisen jedoch Paulus zufolge durchaus eine Sünde, wie er über den Zwischengedanken des Glaubens feststellt. Derjenige, der die für Juden verbotenen Speisen isst, ohne den Glauben der Starken zu haben, handelt nämlich nicht aus dem Glauben heraus (ὅτι οὐκ ἐκ πίστεως). Alles, was nicht aus Glaube geschieht, ist jedoch automatisch Sünde (πᾶν δὲ ὃ οὐκ ἐκ πίστεως ἁμαρτία ἐστίν). Die aus dieser Feststellung erkennbare Bestim­ mung von Sünde als Gegensatz zu einem Handeln aus Glauben zeigt, dass πίστις hier nicht nur eine Überzeugung bezeichnet, sondern Paulus diesen Terminus hier eindeutig auf der theologischen Ebene im Sinne der Treue (vgl. Röm 3,3) und des Dienstes für Gott (vgl. das Fehlen einer näheren Bestimmung mit der Christusprädikation) verwendet. Gerade auf den Dienst für Gott trifft nämlich eine solch strikte Kontrastierung zur Sünde zu (Röm 6,10–23; 8,7; vgl. 1 Kor 15,17). Mit dieser Beurteilung als Handeln, das nicht aus dem Glauben kommt, steht das Essen der umstrittenen Speisen durch den Schwachen nun aber im strikten Gegensatz zu dessen Verzicht auf die entsprechenden Spei­ sen. Während die Vermeidung der umstrittenen Speisen nämlich mit Blick auf in Apg 10,1–11,18 neben dem Aktiv (11,12) belegte Gebrauch dieses Verbums im Medium (10,20) in dessen kognitiver Bedeutung („für sich einen Unterschied machen“) zu verste­ hen (s.u. IIIB 4.2.2 mit Belegen). Auch für ὁ δὲ διακρινόμενος in Röm 14,23a legt sich eine solche Deutung im Sinne von „unterscheiden“ nahe, insbesondere weil im Hintergrund der vorliegenden Auseinandersetzung ebenfalls dieses Verbot bestimmter Tiersorten nach Lev 11 zu liegen scheint (zu weiteren Gründen s.u. 2.4.3). Spitaler, Διακρίνεσθαι, 16f., plädiert hingegen für ein Verständnis im Sinne von „streiten“ und versteht die Aussage in Röm 14,23a mit Bezug auf die Starken (vgl. ders., Disputes, bes. 49f.59–61); vgl. dazu διακρίσεις διαλογισμῶν in Röm 14,1. 214  Zum paulinischen Gebrauch von κατακρίνω κτλ. mit Bezug auf das richtende Urteil im endzeitlichen Gericht Gottes vgl. neben Röm 14,23 vor allem 8,1.3.34; 1 Kor 11,32; vgl. auch Röm 2,1; 5,16.18; 2 Kor 3,9. Vgl. dazu mit Blick auf Röm 14,15 auch den synonymen Ge­ brauch von ἀπόλλυμι und κρίνω in Röm 2,12.

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den Herrn und damit im Dienst für ihn geschieht (14,6), handelt der Schwache beim Essen der verbotenen Speisen umgekehrt im Dienst der Sünde, die Gott gegenübersteht, und wird dementsprechend von Gott215 als Sünder verurteilt (vgl. Röm 3,7). Nicht das Essen der durch das jüdische Gesetz verbotenen Speisen an sich ist Paulus zufolge somit schon Sünde und damit eine Gefahr für die Rettung. Problematisch ist jedoch in jedem Fall ein Handeln, das nicht aus Glauben kommt bzw. auf den Herrn gerichtet ist. Dies ist beim Essen der umstrittenen Speisen durch den Schwachen aber der Fall. 2.4 Hinweise auf eine nähere Bestimmung des Konflikts Während Paulus die Folgen ausführlich erläutert, die das Verhalten der Starken auf die Schwachen haben kann, werden die Hintergründe des vorliegenden Konflikts von ihm nicht genauer thematisiert. Deutlich ist von Röm 14,14 her, dass die Schwachen deshalb kein Fleisch essen, weil sie kein Gesetz übertre­ ten wollen. Doch um welche Gesetzesvorschrift handelt es sich genau? In der Forschung wurde als Hintergrund des vorliegenden Konflikts häufig die Ge­ fahr des Verzehrs von Götzenopferfleisch vorgeschlagen, und zwar insbeson­ dere aufgrund des generellen Fleischverzichts des Schwachen (14,2).216 Eine solche Deutung im Sinne von Götzenopferfleisch ist jedoch insofern proble­ matisch, als sie offenbar vor allem aus 1 Kor 8,1–11,1 auf die vorliegende Aus­ einandersetzung übertragen wird. In Röm 14,1–15,13 selbst lässt sich nämlich der Kontext des Götzendienstes nicht klar erkennen (s.u. 2.4.2). Aus diesem Grund wird gelegentlich das Blutgenussverbot als Hintergrund von Röm 14,1– 23 vorgeschlagen.217 Beide Deutungen sind jedoch problematisch. Sie ste­ hen nicht nur in deutlicher Spannung zum sogenannten Aposteldekret aus Apg 15,20.29; 21,25,218 sondern auch zu anderen Aussagen des Paulus selbst, und 215  Vgl. dazu, dass κατακέκριται als Passivum divinum zu verstehen ist; vgl. τὸ κρίμα τοῦ θεοῦ in Röm 2,2f.; vgl. auch 2,5; 11,33; 1 Kor 5,13. 216  So schon die Überlegungen von Bill. III, 307f., denen zufolge Judenchristen in heidnischer Umgebung, „um nicht unwissentlich Götzenopferfleisch oder heidnischen Libationswein zu trinken, prinzipiell auf all u. jeden Fleisch- und Weingenuß verzichteten“. 217  So vor allem Gäckle, Die Starken, 373, und zwar ausdrücklich gegen eine Deutung im Sinne von Götzenopferfleisch. Eher seien nicht-jüdische Schlachtungsriten im Blick. Je­ des von Heiden geschlachtete Fleisch werde nämlich bereits durch die jüdischen Vor­ schriften widersprechende Tötungsart per se unrein, nicht erst durch Götzenopfer. 218  Bei einer Deutung von Röm 14,1–15,13 als Auseinandersetzung um das Verbot von Götzen­ opferfleisch oder Blutgenuss besteht im Hinblick auf den Streitpunkt zunächst tatsäch­ lich eine gewisse Nähe zu Apg 15,20.29. Dann fordert Paulus hier nämlich ebenso wie in Apg 15,20.29 Heidenchristen dazu auf, Fleisch aus Götzenopfern und solche Tiere zu ver­ meiden, die nicht entsprechend den jüdischen Vorschriften geschlachtet und zubereitet

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zwar insbesondere zu dessen Deutung des Verbotes von Götzenopferfleisch in 1 Kor 8,1–11,1. Die Indizien des vorliegenden Textes selbst sprechen insgesamt eher dafür, dass die Differenzen zwischen Starken und Schwachen im Hinblick auf die von ihnen gegessenen Speisen in den Tiersorten liegen, die für Juden verboten sind, d.h. insbesondere im Genuss von Schweinefleisch. 2.4.1

Die Erwähnung von Fleisch- und Weinverzicht als zwingendes Argument für das Verbot von Götzenopferfleisch oder Blutgenuss? Aus dem grundsätzlichen Fleischverzicht der Schwachen (Röm 14,2) selbst lassen sich keine sicheren Rückschlüsse auf den genauen Hintergrund der Kontroverse ziehen. Er ist nämlich sowohl für das Verbot von Götzenopfer­ fleisch als auch für das Verbot des Blutgenusses möglich. Eine Beschränkung auf pflanzliche Kost ist in 2 Makk 5,27 auch für Judas Makkabäus überliefert, mit dem in erster Linie die Verweigerung von Schweinefleisch verbunden ist. Der generelle Fleischverzicht ist somit kein zwingendes Argument dafür, dass die Schwachen in Rom das Verbot des Genusses von Götzenopferfleisch oder Blut einhalten wollten. Die Verbindung von Fleisch und Wein in Röm 14,21 kann grundsätzlich auf Götzenopfer als Hintergrund hindeuten,219 da neben Fleisch auch Wein im paganen Bereich häufig im Zusammenhang mit Götzendienst steht.220 Im vorliegenden Text fehlt jedoch eine ausdrückliche Bestimmung als Götzen­ opferfleisch oder Wein, der Götzen geweiht wurde, wie sie sich beispielswei­ se in Est C28 innerhalb der Wendung οὐδὲ ἔπιον οἶνον σπονδῶν (s.o. IIB 2.1.1) findet. Damit ist diese Verbindung aber kein stichhaltiger Hinweis auf Göt­ zenopferfleisch oder Libationswein. Zudem ist es ohnehin fraglich, ob die Feststellung vom Fleisch- und Weinverzicht in Röm 14,21 überhaupt in einem konkreten Sinne mit Bezug auf das Verhalten der Schwachen zu verstehen wurden. Die Antworten des Aposteldekrets und des Paulus auf diese Frage unterscheiden sich dann jedoch deutlich voneinander. Das Verbot von Götzenopfern oder Blutgenuss würde Paulus zufolge nämlich in Röm 14,1–23 nicht grundsätzlich für Heidenchristen, sondern lediglich aus Rücksicht auf die judenchristlichen Gemeindeglieder gelten. Dem­ gegenüber handelt es sich bei den Bestimmungen des Aposteldekrets aber offenbar um generelle Forderungen an Heidenchristen als Kriterien für eine richtige Verehrung Got­ tes (zu Gründen gegen eine oftmals auch für das Aposteldekret vorgeschlagene Deutung als bloßes Zugeständnis an die Judenchristen s.u. 3.2, vor allem 3.2.3.2). Zu Argumenten gegen eine grundsätzliche Ablehnung des Aposteldekrets durch Paulus s.u. 3.3.2. 219  Dies trifft vermutlich auf die Danieltradition zu (vgl. Dan 1,8.12.16; s.o. IIB 1.1.2.1). 220  Zu einem Verständnis des Weinverzichts aus Röm 14,21 als Hinweis auf die Furcht der Schwachen vor einer Verunreinigung durch Götzendienst vgl. Heil, Speisegebote, 259; Tomson, Paul, 244, der vor allem von der Erwähnung des Weins her andere Möglichkeiten wie das Fleisch verbotener Tiersorten nach Lev 11 und falsch geschlachtetes oder zuberei­ tetes Fleisch ausschließt (vgl. auch ders., Food Laws, 204).

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ist.221 So können Fleisch und Wein im vorliegenden Fall auch allgemein für Nahrungsmittel stehen, die eine deutlich bessere Qualität haben als vegeta­ rische Kost und beispielsweise Wasser (zu einer solchen Gegenüberstellung vgl. Dan 1,10.12f.16). Mit der Aufforderung, kein Fleisch zu essen und keinen Wein zu trinken (vgl. Röm 14,17), ruft Paulus die Starken dann aber in erster Linie zum Verzicht auf eigene Vorteile auf, und zwar um des Bruders willen. Für eine solche Deutung sprechen zum einen die Fortsetzung in Röm 14,21fin mit dem allgemeinen Appell, „nichts zu tun, woran222 sich dein Bruder stößt“,223 daneben auch die in 1 Kor 8,13 von Paulus mit Bezug auf sich selbst formulier­ te generelle Vermeidung von Fleisch. Diese ist nämlich ebenfalls am ehesten im Sinne eines solch radikalen Verzichts auf eigene Vorzüge zu verstehen (vgl. auch 1 Kor 9,22; 10,33, jeweils auf Paulus selbst bezogen). Die deutlichen Differenzen von Röm 14,1–15,13 und 1 Kor 8,1–11,1 2.4.2 Die Deutung von Röm 14,1–15,13 als Kontroverse um den Genuss von Götzen­ opferfleisch ist insbesondere dadurch bedingt, dass für diese Ausein­ander­ setzung eine große Nähe zu 1 Kor 8,1–11,1 gesehen bzw. vorausgesetzt wird.224 Die Argumentation des Paulus in Röm 14,1–23 weist durchaus gewisse Paral­ lelen und Übereinstimmungen in der Terminologie225 und den Motiven226 zu seiner Stellungnahme in 1 Kor 8,1–11,1 zum Genuss von Götzenopferfleisch auf.227 Zugleich bestehen jedoch auch deutliche Unterschiede,228 die gegen eine oftmals vertretene Deutung von Röm 14,1–15,13 in Analogie zu 1 Kor 8,1–13 221  Anders Söding, Starke, 354, der Röm 14,21 als direkten Rekurs auf das Verhalten der Schwa­ chen versteht, und zwar im Sinne von deren Abstinenz. 222  Zum Gebrauch von ἐν in Verbindung mit προσκόπτω vgl. Sir 32,20. 223  So auch Cranfield, Röm II, 696.725f., u.a. mit dem Hinweis darauf, dass sich Röm 14,21 auf den Verzicht der Starken, nicht der Schwachen bezieht und eine etwaige Vermeidung von Wein durch die Schwachen in der einführenden Beschreibung des Problems in Röm 14,2–5 nicht ausdrücklich erwähnt wird; ähnlich Gäckle, Die Starken, 372. 224  Zur Deutung von Röm 14,1–15,13 in Analogie zu 1 Kor 8,1–11,1 als Auseinandersetzung um Götzenopferfleisch vgl. die Vertreter bei Gäckle, Die Starken, 365. Vgl. daneben z.B. auch Bruce, Apg, 331. 225  Vgl. vor allem die jeweilige Verwendung von πρόσκομμα (1 Kor 8,9; Röm 14,13.20), σκάνδαλον κτλ. (1 Kor 8,13; Röm 14,13), ἀπολλύω/ἀπόλλυμι (1 Kor 8,11; Röm 14,15, vgl. V. 20), οἰκοδομέω κτλ. (1 Kor 8,1.10; Röm 14,19). 226  Vgl. dazu vor allem das Motiv vom Sterben Christi „für“ den schwachen Bruder (Röm 14,15; 1 Kor 8,11), das Liebesmotiv (1 Kor 8,1; Röm 14,15) und das Motiv des Verzichts auf Fleisch (in Röm 14,21 als Forderung an die Starken, in 1 Kor 8,13 mit Bezug auf Paulus selbst). 227  Zu einer Zusammenstellung von Gemeinsamkeiten zwischen 1 Kor 8.10 und Röm 14,1– 15,13 vgl. auch Cranfield, Röm II, 691f. 228  Zu einer ausführlichen Zusammenstellung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwi­ schen 1 Kor 8,1–11,1 und Röm 14,1–15,13 vgl. Schneider, Die „Schwachen“, 52–61; Gäckle, Die Starken, 438–444.

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sprechen. Die insgesamt auffälligste Differenz besteht darin, dass die im Rah­ men von 1 Kor 8,1–11,1 gehäuft gebrauchte Terminologie aus dem Bereich des Götzendienstes (εἴδωλον, εἰδωλεῖον, εἰδωλολατρία, εἰδωλολάτρης) und spezi­ eller die ausdrückliche Bezeichnung des Fleisches als Götzenopferfleisch (εἰδωλόθυτα, ἱερόθυτον) innerhalb des Zusammenhanges von Röm 14,1–15,13 vollkommen fehlen, ebenso ein Hinweis auf Dämonen (vgl. 1 Kor 10,20f.). Da­ rüber hinaus unterscheiden sich die beiden Rekurse auch in der Bestimmung der von Paulus jeweils als „schwach“ und damit als in irgendeiner Weise defizi­ tär qualifizierten Gruppe voneinander. So handelt es sich bei den Schwachen im Kontext von 1 Kor 8,1–11,1 offensichtlich um Heidenchristen, die auch nach ihrer Hinwendung zu Christus noch weiterhin von der Existenz der Götzen ausgehen (s.o. 1.2.1), in Röm 14,1–15,13 sind hingegen umgekehrt gesetzestreue Judenchristen gemeint (s.o. 2.1).229 Diese Differenz spiegelt sich deutlich in der Argumentation des Paulus für oder gegen eine Erlaubnis der jeweils umstrit­ tenen Speisen wider. So ist die Frage, ob man bestimmte Speisen essen kann, sowohl in 1 Kor 8,1–11,1 als auch in Röm 14,1–15,13 an die persönliche Sicht des Essenden gebunden. Während die Erlaubnis des Verzehrs von Götzenopfer­ fleisch in 1 Kor 8,1–13 die Erkenntnis230 von der Nichtexistenz der Götzen und der Singularität Gottes (vgl. 1 Kor 8,4–6) voraussetzt, spitzt Paulus die Diskus­ sion zu den umstrittenen Speisen in Röm 14,1–15,13 hingegen auf die Frage nach der Geltung des jüdischen Gesetzes zu. Bereits von daher legt sich das Problem des Verzehrs von Götzenopferfleisch jedoch kaum als Hintergrund der Auseinandersetzung in der Gemeinde von Rom nahe.231 Bei einer Deutung 229  Vgl. dazu, dass die in in Röm 14,1–15,13 erwähnte Beachtung bestimmter Tage und der Verzicht auf Wein in 1 Kor 8,1–11,1 fehlen. Eine weitere Differenz liegt im Anlass für den jeweiligen Konflikt. So geht es in 1 Kor 8,1–11,1 vor allem um die Teilnahme an Kult- und Privatmählern außerhalb der Gemeinde, in Röm 14,1–15,13 hingegen offenbar um Mahl­ zeiten innerhalb der Gemeinde. 230  Zur Differenz zwischen den von Paulus in 1 Kor 8,1–11,1 gehäuft gebrauchten Termini aus dem Bereich des Wissens und der in Röm 14,1f.22f. stattdessen von Paulus verwendeten πίστις-Begrifflichkeit s.o. 2.1. 231  Angesichts der aus Röm 14,14 für κοινός erkennbaren Gegenüberstellung der jüdischen und der heidnischen Lebensweise ist auch eine Deutung von Röm 14,1–15,13 mit Bezug auf das strikte Verbot des Blutgenusses mit Problemen behaftet. Dieses wird nämlich zwar im mosaischen Gesetz wiederholt, doch handelt es sich zunächst um ein an Noah und damit an alle Menschen gerichtetes Verbot (vgl. Gen 9,4; s.o. IIA 1.1.2.2). Auch das Aposteldekret trägt dem offenbar Rechnung, wenn dieses Verbot zwar als bei den Juden übliches Ge­ setz gekennzeichnet wird (Apg 15,21), jedoch wie die anderen Enthaltungsvorschriften als grundsätzlich für alle Menschen geltende Forderung aufgefasst wird (s.u. 3.2.3.2). In deut­ lichem Widerspruch dazu würde aber in jedem Fall eine Argumentation mit dem Gesetz stehen, der zufolge das Blutgenussverbot grundsätzlich nur für gesetzestreue Juden gilt, wie Paulus es augenscheinlich für das in Röm 14,14 als κοινός Bezeichnete voraussetzt

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von Röm 14,14 mit Bezug auf Götzenopferfleisch ergibt sich geradezu ein Wi­ derspruch zu 1 Kor 8,1–13. Im Fokus von Röm 14,14 liegt nämlich anders als in 1 Kor 8,1–13 nicht die unterschiedliche Beurteilung der Qualität des Fleisches, sondern die unterschiedliche Sichtweise zur Geltung des jüdischen Gesetzes. Mit dem Verbot von Götzenopferfleisch wäre die Argumentation des Paulus in Röm 14,14 dementsprechend folgendermaßen zu verstehen: Wer sich an das Verbot von Götzenopfern gebunden fühlt, für den sind sie verboten (14,14b). Wer sich dagegen dem jüdischen Gesetz und damit auch dem Verbot von Göt­ zenopfern nicht unterworfen sieht, für den sind sie erlaubt (14,20). Eine solche Begrenzung des Verbotes von Götzenopferfleisch auf Menschen, die sich dem jüdischen Gesetz noch verpflichtet fühlen, lässt sich jedoch aus 1 Kor 8,1–13 nicht ableiten. Im Rahmen der Götzenopferfleischproblematik in 1 Kor 8,1–11,1 argumentiert Paulus nämlich nicht etwa dergestalt, dass Götzenopferfleisch aufgrund einer fehlenden Bindung der Heidenchristen an das Gesetz für diese generell erlaubt ist. Vielmehr wird auch der Heidenchrist, der noch von der Existenz der Götzen ausgeht, durch das Essen von Götzenopferfleisch befleckt und im eschatologischen Sinne vernichtet (1 Kor 8,7.11). Das Verbot des Ge­ nusses von Götzenopferfleisch gilt dementsprechend auch für Heidenchristen weiter, die das jüdische Gesetz Paulus zufolge grundsätzlich nicht halten müs­ sen. Damit liegt es jedoch fern, dass Paulus das Verbot von Götzenopferfleisch dann in Röm 14,1–23 nur noch als Frage der Ethik behandelt. Darüber hinaus hängt in 1 Kor 8,1–13 die Frage, ob das entsprechende Fleisch erlaubt ist oder nicht, untrennbar von der größeren Frage ab, wie das Götzen geopferte Fleisch überhaupt zu bewerten ist. Dieses für 1 Kor 8,1–13 insgesamt zentrale Argument wird in Röm 14,1–15,13 jedoch gar nicht geäußert, sondern muss aus 1 Kor 8,1–13 in den vorliegenden Text hineingelesen werden. In Röm 14,1–15,13 handelt es sich demzufolge zwar wie in 1 Kor 8,1–11,1 um eine Auseinandersetzung um Speisefragen, doch ist die vorliegende Argumen­ tation deutlich anders gelagert als die ausführliche Diskussion des Konflikts in Korinth. Dass der Streitpunkt wie in Korinth speziell in der Frage nach dem Essen von Götzenopferfleisch liegt, lässt sich für die Kontroverse in Rom nicht erkennen.232

(gegen Söding, Starke, 354 mit Anm. 38, dem zufolge κοινός und καθαρός zeigen, dass sich die Schwachen in Rom auch auf noachidische Gesetze berufen). 232  Ausdrücklich gegen eine Deutung von Röm 14,1–15,13 als Auseinandersetzung um den Genuss von Götzenopferfleisch z.B. Cranfield, Röm II, 693; Gäckle, Die Starken, 365f.; Moo, Röm, 828 Anm. 4. Zur Betonung der Differenz zwischen 1 Kor 8,1–11,1 und Röm 14,1– 15,13 vgl. auch Söding, Starke, 353f.

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2.4.3

Das Schweinefleischverbot als Hintergrund der Auseinandersetzung in der Gemeinde von Rom Von den Textsignalen in Röm 14,1–23 her liegt das Verbot bestimmter Tier­ sorten nach Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 als Hintergrund der Auseinander­ setzung in der Gemeinde von Rom deutlich näher als das Verbot von Götzenopferfleisch.233 Für ein solches Verständnis spricht der in Röm 14,14 belegte Terminus κοινός. Diese Begrifflichkeit wird nämlich innerhalb des Diasporajudentums, in das sich die Feststellung des Paulus in Röm 14,14b gut einreiht (s.o. 2.3.1), ausdrücklich für die zwar Juden zum Verzehr verbotenen, bei Heiden aber durchaus üblichen Tiersorten gebraucht, und zwar insbesondere in Verbindung mit dem bei Nichtjuden als Nahrungsmittel besonders verbrei­ teten Schweinefleisch. Dabei war die Differenz von Juden und Heiden in Bezug auf den Genuss von Schweinefleisch, die für das Diasporajudentum insgesamt zentral ist, offenbar von entscheidender Bedeutung für die Entstehung von κοινός als Bezeichnung für das bei anderen Völkern Verbreitete, für Juden aber strikt Verbotene (vgl. vor allem 1 Makk 1,47.62; s.o. IIB 1.2.1 und 1.3.1.2). Da­rüber hinaus lässt sich auch die Feststellung des Paulus, die Starken würden die Schwachen für ihren Fleischverzicht verachten,234 gut vor dem Hintergrund einer Auseinandersetzung um das Schweinefleischverbot der Juden erklären. Die strikte Ablehnung von Schweinefleisch war nämlich Anlass für heftigen Spott der Heiden gegenüber Juden, wie pagane Quellen und die Auseinander­ setzung mit dieser Kritik in den Schriften des griechischsprachigen Judentums zeigen (s.o. IIB 1.1.1). Dabei war ein Verzicht auf Schweinefleisch den Heiden aus dem Grund vollkommen unverständlich, weil sie Schweinefleisch als be­ sonders schmackhaftes Fleisch bewerteten.235

233  Während sich die Mehrheit der Forscher in der Ablehnung einer Deutung von Röm 14,1– 15,13 als Auseinandersetzung um Götzenopferfleisch einig ist und den Streitpunkt statt­ dessen in den jüdischen Speisegeboten sieht (so z.B. ausdrücklich auch Cheung, Idol Food, 79.90; Shen, Canaan, 109f.), ist die Bestimmung, um welche Speisegesetze es sich genau handelt, weniger eindeutig. So denkt Paulus einigen Exegeten zufolge an die Spei­ segesetze insgesamt (vgl. Dunn, Röm II, 799–802). Andere schwanken zwischen einer Deutung als Auseinandersetzung um die Speisegebote nach Lev 11 oder um Askese, so z.B. Cranfield, Röm II, 693–695, der zu einer Deutung im Sinne der Unterscheidung von erlaubten und verbotenen Tiersorten sowie des Blutverbots tendiert (695). 234  Vgl. dazu ὁ ἐσθίων τὸν μὴ ἐσθίοντα μὴ ἐξουθενείτω (Röm 14,3) und ἢ καὶ σὺ τί ἐξουθενεῖς τὸν ἀδελφόν σου; (14,10). 235  Zum Gebrauch von διακρινόμενος in Röm 14,23a als weiteres Indiz für verbotene Tiersor­ ten s.o. 2.3.2.

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2.5 Zusammenfassung Im Zentrum der Auseinandersetzung um Speisefragen in der Gemeinde von Rom steht die Frage nach der Einhaltung der jüdischen Speisevorschriften, und zwar vermutlich konkret die Frage nach der Geltung der in Lev 11,1–23.29– 47/Dtn 14,3–21 überlieferten Verbote bestimmter Tiersorten. Die Schwachen vermeiden einen Genuss dieser Speisen, weil sie damit gegen das jüdische Ge­ setz verstoßen würden. Paulus selbst lehnt zwar die Auffassung entschieden ab, dass das „Gemeine“ allgemein vorgegeben und damit für alle verboten ist (Röm 14,14a). Er gibt jedoch unterschiedliche Standpunkte und in Abhängigkeit von einem entsprechenden Blickwinkel eine Unreinheit der Speisen durchaus zu, wie dies für den Gebrauch von κοινός κτλ. im griechischsprachigen Juden­ tum typisch ist. Wenn sich jemand wie die Schwachen dem Gesetz verpflichtet fühlt und daher davon überzeugt ist, dass etwas unrein bzw. durch das Gesetz verboten ist, dann ist es für ihn auch tatsächlich verboten (14,14b). Auch Paulus zufolge darf er das von ihm als verboten Angesehene dann nicht tun. Dabei ist nach Ansicht des Paulus die fehlende Einhaltung des Gesetzes nicht per se Sünde und hat nicht automatisch negative Folgen, wohl aber dann, wenn derjenige, der sich dem Gesetz verpflichtet fühlt, beim Genuss der Speisen, die er als verboten bewertet, nicht aus dem Glauben heraus (14,23) bzw. mit Blick auf den Herrn (14,6) handelt. Sowohl die Feststellung von der Reinheit aller Speisen in Röm 14,20 als auch die Tatsache, dass er sich zu den Starken zählt (15,1), zeigen, dass die gesetzes­ treue Perspektive des Schwachen in Röm 14,14b für Paulus nicht mehr gilt. Er fühlt sich dem Gesetz nicht mehr verpflichtet, fordert jedoch aus Rücksicht auf die Schwachen auch von den Starken einen Verzicht auf Speisen, die für Juden verboten sind. Anders als die aktuell in der Gemeinde diskutierten Es­ sensfragen ist nämlich der momentan vernachlässigte Frieden relevant für das Angenehmsein vor Gott und das Reich Gottes. Dementsprechend sollen die Gemeindeglieder ihr Leben nicht auf Speise und Trank ausrichten, sondern auf die Verhältnisse, wie sie im Reich Gottes herrschen. Dazu gehört dann aber, dass die Starken um des Friedens und der gegenseitigen Erbauung willen den Verzicht der Schwachen akzeptieren und sogar selbst auf eigene Vorzüge ver­ zichten, damit die Schwachen nicht betrübt sind oder mit dem Essen dieser Speisen gar eine Verfehlung begehen, durch welche sie in eschatologischem Sinne zugrunde gehen würden. Angesichts dieser gravierenden Konsequen­ zen, die der Genuss der eigentlich nicht verbotenen Speisen für die Schwachen hat, versucht weder Paulus, die Schwachen von der Hinfälligkeit der umstritte­ nen Speisegebote zu überzeugen, noch sollen offenbar die Starken darauf drin­ gen, dass die Schwachen diese Gebote nicht mehr einhalten müssen. Damit lässt sich im Rahmen von Röm 14,1–23 weder eine grundsätzliche Abschaffung

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der Speisegebote für die Judenchristen, die weiterhin einen gesetzestreuen Standpunkt vertreten, noch umgekehrt eine Verpflichtung der Heidenchristen auf sie erkennen. Für die gesamte Argumentation des Paulus in Röm 14,1–23 ist vielmehr gerade eine Gegenüberstellung von verschiedenen Lebensweisen und Perspektiven zentral. Dabei schließen die alleinige Orientierung des Pau­ lus an Christus und die grundsätzliche soteriologische Bedeutungslosigkeit einer Einhaltung der Gesetzesvorschriften nicht aus, dass andere Glaubende nach wie vor an einer Lebensweise nach dem Gesetz festhalten. 3

Das Verbot von Speisen als zentraler Bestandteil des Aposteldekrets (Apg 15,20.29; 21,25)

In Apg 15,1–35 schildert Lukas ausführlich das Treffen von Paulus und Barna­ bas mit den Aposteln und Älteren in Jerusalem aus Anlass der in Antiochia ausgebrochenen Auseinandersetzung um die Bedeutung der Beschneidung für die Rettung der Heiden (15,2–4). In Antiochia lehren nämlich einige aus Judäa Gekommene,236 dass die Beschneidung nach der Sitte des Mose (15,1: ἐὰν μὴ περιτμηθῆτε237 τῷ ἔθει τῷ Μωϋσέως, οὐ δύνασθε σωθῆναι) eine Bedingung für die Rettung sei. In Entsprechung dazu wird von einigen auf dem Apostel­ konvent die Beschneidung und die Einhaltung des Gesetzes des Mose verlangt (15,5: […] δεῖ περιτέμνειν αὐτοὺς παραγγέλλειν τε τηρεῖν τὸν νόμον Μωϋσέως). Die­ sen Beschneidungsforderern zufolge hängt die Rettung der nichtjüdischen Glaubenden demnach von deren Zugehörigkeit zum Bundesvolk Israel ab, sodass sie für eine Teilhabe am Heil durch Beschneidung und Verpflichtung auf das Gesetz in das Volk Israel bzw. den Bund Gottes mit Israel eingeglie­ dert werden müssen. Auf dem Aposteltreffen in Jerusalem wird eine solche Verpflichtung der Heiden auf Beschneidung und Gesetz schließlich zurückge­ wiesen. Insbesondere für Petrus und Jakobus überliefert Lukas längere Reden, in denen sie ihre Position genauer darlegen, wohingegen er auf die Beiträge von Paulus und Barnabas nur kurz verweist (15,12).238 Dabei lehnt bereits der 236  In Apg 15,1 werden die Beschneidungsforderer wie die Gegner des Petrus in Apg 11,1f. auch als aus Judäa kommend bezeichnet (τινες κατελθόντες ἀπὸ τῆς Ἰουδαίας), aber dann näher als aus der Partei der Pharisäer stammende Christen bestimmt (15,5: τινες τῶν ἀπὸ τῆς αἱρέσεως τῶν Φαρισαίων πεπιστευκότες). Schwartz zufolge ist deren Position mit der eines gewissen Eleazar identisch, der den zum Judentum übertretenden König Izates dafür kri­ tisierte, dass er nicht beschnitten war (God, 272, vgl. zu den Gemeinsamkeiten bes. 263). 237  Zu περιτμηθῆτε vgl. den Gebrauch des Passivs im Sinne von „sich … lassen“ (BDR §314₂). 238  Die für die Apostelgeschichte generell zu beobachtende Tendenz der Parallelisierung von Paulus und Petrus (s.u. Einleitung zu IIIB 4) findet sich auch in Bezug auf deren Position

3  Aposteldekret ( Apg 15,20.29; 21,25 )

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lukanische Petrus in seiner Rede (15,7–11) eine Verpflichtung der Heiden auf das Gesetz sowie eine Bedeutung der Beschneidung für die Rettung vehement ab. Als Argument führt er an, dass Gott den Geist auch an Nichtjuden und nicht etwa nur an die Beschnittenen gegeben hat (15,8). Gerade diese direkte Geistgabe an Nichtjuden ist nämlich ein besonders deutlicher Beweis dafür, dass die Nichtjuden als solche, d.h. als Nichtjuden, zum Heil gelangen. Demje­ nigen, der den Geist bekommen hat, fehlt ja nach der lukanischen Konzeption vom Heil nichts mehr zu seiner Rettung.239 Einzige Voraussetzung für sie ist dem lukanischen Petrus zufolge der Glaube, wie er mit der Aussage von der Herzensreinigung in Apg 15,9 feststellt. In Bezug auf sie betont er nämlich, dass Gott sie durch den Glauben vollzogen habe (τῇ πίστει καθαρίσας τὰς καρδίας αὐτῶν).240 Abgesehen vom Glauben wurden den Nichtjuden dem lukanischen Petrus zufolge somit aber von Gott keine weiteren Bedingungen auferlegt. Damit steht die von den Gegnern als Voraussetzung für die Rettung geforderte Beschneidung der Nichtjuden in deutlichem Gegensatz zum Handeln Gottes. Dies bringt der lukanische Petrus explizit zum Ausdruck, wenn er die jetzt von den Gegnern geforderte Verpflichtung der Heidenchristen auf das Gesetz als eine zusätzliche Last bewertet, mit der sie Gott geradezu versuchen (νῦν οὖν τί πειράζετε τὸν θεὸν ἐπιθεῖναι ζυγὸν ἐπὶ τὸν τράχηλον τῶν μαθητῶν […] in 15,10). Wie verhalten sich dazu aber die vom lukanischen Jakobus innerhalb seiner Rede (15,13–21) genannten Enthaltungsvorschriften? Gerade mit ihnen bringt Jako­ bus die Diskussion ja offenbar noch einmal deutlich voran, woraus sich insbe­ sondere erklärt, dass auch seine Rede nach der ausführlichen Darstellung der Rede des Petrus überhaupt noch so detailliert geschildert wird. Auch der luka­ nische Jakobus betont nämlich zunächst noch einmal den zuvor bereits von Petrus besonders herausgestellten Sachverhalt, dass die Initiative zur Auswahl der Heiden von Gott selbst ausging (15,14).241 Er führt dann jedoch insgesamt vier Dinge an, von denen sich die Heidenchristen strikt fernhalten sollen.242 Sein Vorschlag wird generell angenommen. Dementsprechend werden die vier zum Gesetz. In großer Nähe zu Apg 15,10 steht nämlich die Auffassung des lk. Paulus zum Gesetz. Demnach wird der Mensch durch Christus in all dem gerechtfertigt, worin das Gesetz ihn nicht gerecht machen konnte (vgl. Apg 13,38f.). Zur Nähe von Apg 13,38f. und 15,10 vgl. vor allem Klinghardt, Gesetz, 97–114. 239  Näheres zur Verbindung von Geistgabe und Rettung s.u. IIIB 4.3.3. 240  Der Dativ τῇ πίστει gehört zur Partizipialwendung und ist am ehesten instrumental oder aber kausal („wegen des Glaubens“) zu deuten. 241  Vgl. dazu, dass auch Paulus und Barnabas das Wirken Gottes unter den Heiden besonders betonen, wenn sie von den Zeichen und Wundern berichten, die Gott durch sie unter den Heiden gewirkt hat (Apg 15,12). 242  Zum Gebrauch von ἀπέχομαι in ähnlichen Verbindungen vgl. vor allem 1 Thess 4,3; 1 Tim 4,3; 1 Petr 2,11; daneben Hiob 28,28; Spr 9,18; Sap 2,16; Jes 54,14 (jeweils LXX); Philo,

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Enthaltungsvorschriften innerhalb der Apostelgeschichte insgesamt dreimal erwähnt, und zwar abgesehen von der Rede des Jakobus selbst (15,20)243 auch innerhalb des Briefes an die Gemeinden in Antiochia, Syrien und Kilikien (15,29),244 daneben als Erinnerung im Kontext der Ankunft des Paulus in Je­ rusalem (21,25).245 Dabei gewinnt das Aposteldekret insbesondere durch die Autorisierung in Briefform (quasi-)offiziellen Charakter.246 Worum handelt es sich aber bei diesen Bestimmungen und worin besteht ihre Funktion? Das vierfache Enthaltungsgebot der Heidenchristen als Zusammenstellung von verbotenen Speisen und moralischen Vergehen Die vier Forderungen des Aposteldekrets sind im Einzelnen sowohl im Hin­ blick auf ihre inhaltliche Bestimmung als auch in Hinsicht auf ihre Funkti­ on äußerst umstritten,247 wobei die Forschung insbesondere zwischen einer Bewertung als Speise- oder Sittenregel schwankt. Eine nähere Untersuchung dieser vier Enthaltungsvorschriften wird zeigen, dass in ihnen Speiseanord­ nungen eine zentrale Bedeutung zukommt. Drei der vier Verbote beziehen sich nämlich auf Regelungen, die Speisen betreffen. Unter diesen findet sich abgesehen von dem Verbot von Götzenopferfleisch auch das Verbot des Ge­ nusses von Blut und Ersticktem. 3.1

Legat. 361; Plut. Mor. 669C–D; speziell „sich von Tieren enthalten“: Jos. Ant. 3,259f. Zu wei­ teren ἀπέχομαι-Verbindungen vgl. auch Avemarie, Wurzeln, 21f. 243  Apg 15,20: ἀλλὰ ἐπιστεῖλαι αὐτοῖς τοῦ ἀπέχεσθαι τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων καὶ τῆς πορνείας καὶ τοῦ πνικτοῦ καὶ τοῦ αἵματος. 244  Apg 15,29: ἀπέχεσθαι εἰδωλοθύτων καὶ αἵματος καὶ πνικτῶν καὶ πορνείας, ἐξ ὧν διατηροῦντες ἑαυτοὺς εὖ πράξετε. 245  Apg 21,25: περὶ δὲ τῶν πεπιστευκότων ἐθνῶν ἡμεῖς ἐπεστείλαμεν κρίναντες φυλάσσεσθαι αὐτοὺς τό τε εἰδωλόθυτον καὶ αἷμα καὶ πνικτὸν καὶ πορνείαν. 246  Zu Briefen und Dekreten als verbreitetem Mittel der Kommunikation offizieller Ent­ scheidungen vgl. Ceccarelli, Letter Writing, 297–330. Dabei steht die Formulierung in Apg 15,28f. der üblichen Dekretsform nahe, die aus einem Satz mit ἔδοξεν + Dativ + Infi­ nitiv besteht (vgl. ebd., 299; vgl. auch Jos. Ant. 16,163). Zur Aufnahme der typischen Form hellenistisch-römischer Dekrete in Apg 15,23b–29 vgl. auch Ebel, Regeln, 319f.; Öhler, Dokument, 368–370. Im Einzelnen wird das Aposteldekret in Form eines autoritativen Gemeindebriefes verbreitet. Diese spezifische Kommunikationsform findet sich auch in 2 Makk 1,1–10; ApcBar(syr) 78–86; tSan 2,6 (vgl. Doering, Letters, 463–469, bes. 466f. mit 160–165.241–253.351–364). 247  Die intensive Forschung zum Aposteldekret dokumentiert der Sammelband Öhler, Apos­ teldekret, wobei als neue Forschungsfrage insbesondere die nach möglichen Verbindun­ gen zum antiken Vereinswesen dazugekommen ist.

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3.1.1 Das Aposteldekret als Speise- und Sittenregel Einige Forscher sehen die Enthaltungsvorschriften als rituelle Gesetze an.248 Andere widersprechen einer solchen Bestimmung strikt249 und verstehen sie als moralische Anordnungen, denen auch Paulus zustimmen könne. Dies gilt insbesondere für die Forscher, die den sogenannten westlichen Text (D-Text) gegenüber dem alexandrinischen Text (A B C 81) bevorzugen.250 Im Codex Bezae fehlt nämlich zum einen regelmäßig die Forderung nach dem Fernhal­ ten vom Erstickten, die sich nicht als ethisch relevant verstehen ließ, sodass sich drei Enthaltungsgebote moralischer Art finden, und zwar Götzendienst, Unzucht und Blutvergießen (Mord). Zum anderen wird die negative Form der Goldenen Regel hinzugefügt.251 Sowohl die Textüberlieferung als auch der Wortlaut der Enthaltungsbestimmungen selbst sprechen jedoch deutlich gegen eine Beschränkung auf moralische Verbote. So ist insgesamt die Lesart mit πνικτός zu bevorzugen.252 Die zentrale Bedeutung der Speisen lässt sich insbesondere durch einen Vergleich der drei unterschiedlichen Versionen zu den Enthaltungsvorschriften erkennen. Diese unterscheiden sich nämlich zum einen im Wortlaut voneinander, und zwar insbesondere in Hinsicht auf den Anfang der Verbotsreihe.253 Zweitens divergieren sie auch im Hinblick auf die Reihenfolge der vier Glieder voneinander. Dabei ist von Götzen in einem allgemeinen Sinne nur im Rahmen der ersten Erwähnung der Enthaltungsvor­ schriften in Apg 15,20 die Rede. In Apg 15,29 und 21,25 findet sich dann durch den Gebrauch von εἰδωλόθυτον konkret das Verbot von Götzenopferfleisch.254 248  Vgl. Conzelmann, Apg, 92f.; ähnlich Wood, Ethics, 252–255.257; O’Neill, Theology, 101f. 249  So z.B. Wilson, Luke, 76.79.94, mit der Begründung, dass dies Spannungen zu Apg 10,1– 11,18 impliziere, und zwar weil dort die ihm zufolge rituell zu verstehenden Speisegebote gerade aufgelöst werden würden (dagegen s.u. IIIB 4.3.2.2). 250  Vgl. Lake, Controversy, 364f.; Borgen, Catalogue, 138f. 251  In Apg 15,20 fehlt in D gig Irlat das Erstickte, jedoch wird die Goldene Regel in negati­ ver Form angefügt. In Apg 15,29 fehlt in D l Irlat (Tert) das Erstickte, doch findet sich die (negative) Goldene Regel. In Apg 21,25 fehlt wiederum in D gig das Erstickte. Zu einer ausführlichen Übersicht zum Textbefund des Aposteldekrets vgl. Meiser, Texttraditionen, 377–381. Zu einem Überblick über die Bewertung der beiden Textüberlieferungen in der Forschung vgl. Delobel, Decree. 252  Zur Ursprünglichkeit der viergliedrig kultisch-rituellen Fassung vgl. z.B. Kümmel, Form, 286; Haenchen, Apg, 432; Conzelmann, Apg, 92; Metzger, Commentary, 381; Catchpole, Paul, 429; Pesch, Apg II, 81; Schneider, Apg II, 173; Jervell, Apg, 59; Staats, Blutverbot, 807. 253  Vgl. daneben den Gebrauch von φυλάσσομαι in Apg 21,25 anstelle von ἀπέχoμαι in 15,20.29; daneben auch den Wechsel im Numerus (15,20: ein Pl., danach dreimal Sg.; 15,29: Pl./Sg. – Pl./Sg.; 21,25: alle im Sg.) sowie das Fehlen der Artikel vor den Verboten in Apg 15,29; 21,25. 254  Das Verbot des Genusses von Götzenopferfleisch findet sich auch in Did 6,3. Dabei ist dort wie in Apg 15,28 (vgl. 15,10.19) im Kontext von einem „ganzen Joch des Herrn“ die Rede (Did 6,2). Da unter diesem vermutlich ebenfalls das jüdische Gesetz zu verstehen

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Insbesondere damit lässt sich deutlich erkennen, dass es sich beim Vorschlag des Jakobus um Anordnungen zu Speisen handelt. Dann legt sich aber auch für Blut und Ersticktes eine Deutung als moralische Handlung kaum nahe. Dies gilt umso mehr, als in Apg 15,29 einerseits die Speiseanordnungen systema­ tisch zusammengestellt und mit dem Verbot von sexuellen Vergehen verbun­ den, andererseits „Blut und Ersticktes“ in der Weise zusammengestellt werden, dass Letzteres deutlich als eine Präzisierung des Blutverbotes bewertet wird.255 Darüber hinaus passt auch der Gebrauch von ἀπέχομαι besser zu Blut als zu Blutvergießen.256 Bisweilen wird die Entscheidung für den D-Text ausdrücklich mit dem Argument begründet, dass in den Schriften des Neuen Testamentes „alle Speisegesetze abgetan“ seien.257 Eine solche Deutung trifft jedoch – wie sowohl die Untersuchung von Mk 7,1–23 und 1 Kor 8,1–11,1 als auch spätere Texte zeigen – nicht zu. In Mk 7,1–23 werden nämlich keineswegs die grund­ legenden Speisegebote nach Lev 11/Dtn 14 aufgelöst (s.u. IIIC 1.3.2.2), ebenso wenig wird in 1 Kor 8,1–11,1 das Verbot von Götzenopferfleisch grundsätzlich für Heidenchristen aufgelöst (s.o. 1.2). Die Belege speziell zur Vermeidung von Blutgenuss in christlichen Kreisen reichen zudem bis in das 3. Jh. n.Chr.258 ist (vgl. Wengst, Didache, 95f.), legt sich insgesamt ein Bezug auf das Aposteldekret nahe. Näherhin wird das Verbot des Genusses von Götzenopferfleisch in Did 6,3 damit begrün­ det, dass ein solches Essen mit der Verehrung toter Götter gleichgesetzt wird. 255  Zum Zusammenhang zwischen dem Blutverbot und dem Verbot des Erstickten vgl. Bie­ tenhard, πνίγω, 455. Zur Deutung des Verbotes des Erstickten als gleichbedeutend mit dem vorangehenden Blutverbot z.B. auch Strange, Problem, 99; Johnson, Apg, 267. Das Verbot von Ersticktem findet sich in der hebräischen Bibel noch nicht. In dessen Hinter­ grund stehen wohl weniger die bereits biblisch belegten Verbote, ein von einem anderen Tier gerissenes Tier (Ex 22,30) oder ein von selbst gestorbenes Tier (Dtn 14,21) zu essen (s.o. IIA 1.1.2). Vielmehr bezieht es sich auf eine falsche Technik beim Schlachten, durch die das Tier noch Blut in sich behält. Dabei lässt sich die auffällige Rede vom Erstickten am besten damit erklären, dass ein Tier bei einer falschen Vorgehensweise beim Schlach­ ten an seinem eigenen Blut ersticken kann (ausführlich zu diesem Verständnis des Er­ stickten s.u. 3.2.3.1 und 3.2.4). 256  So Avemarie, Wurzeln, 21f.; ders., Decree, 384f. 257  So Resch, Aposteldekret, 37. 258  Vgl. insbesondere das Martyrium Lugdunense, bei Eus. Hist. eccl. 5,1,26 (ἀλόγων ζῴων αἷμα); Tert. Apol. 9,13 (animalium sanguis); Mon. 5,4 (sanguinis solius abstinentia); Min. Fel. Oct. 30,6 (edulium pecorum in cibis sanguinem); Orig. Comm. Rom. 2,13,14, wobei er ausdrücklich feststellt, dass das Verbot des Blutgenusses bereits Noah gegeben wurde und daher nicht nur für die Juden, sondern für alle Völker gilt; Ps.-Clem. Hom. 7,4,2; 7,8,1 (αἷμα). Eine Vernachlässigung des Blutverbotes lässt sich erst im 4. Jh. n.Chr. und auch nur im römischen Afrika nachweisen; vgl. dazu Staats, Blutverbot, 804–815, wobei sich eine ethische Deutung des Aposteldekrets vor allem bei Irenäus und einmal bei Tertullian findet, gerade letztere jedoch erkennen lässt, dass Tertullian das ursprüngliche Blutverbot noch bekannt war (806–809).

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Die in Apg 15,20.29 und 21,25 zusammengestellten Dinge, die Heidenchris­ ten meiden sollen, sind demzufolge nicht einheitlich, sondern umfassen so­ wohl eine moralisch verbotene Handlung als auch eindeutig Speisen. 3.1.2

Die für das zeitgenössische Judentum typische Konzeption der physisch übertragbaren Unreinheit von Götzen als Hintergrund von τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων Die Verbotsbestimmungen sind auch in Hinsicht auf die mit ihnen verbun­ dene Unreinheit nicht einheitlich. So handelt es sich bei Unzucht um ein sexuelles Fehlverhalten, für das im Judentum üblicherweise eine moralisch verunreinigende Wirkung angenommen wird (s.o. Exkurs 1). Demgegenüber wird vom lukanischen Jakobus für den Bereich des Götzendienstes – anders als in der Forschung häufig angenommen – nicht diese Form der moralischen Unreinheit aktiviert. Er erwähnt nämlich nicht die unmoralische Handlung selbst, sondern in Apg 15,29; 21,25 konkret die Götzenopfer. Ihnen misst der lu­ kanische Jakobus – wie eine nähere Untersuchung von Apg 15,20 zeigen wird – aber offenbar eine eher rituell-kultische Unreinheit zu. Innerhalb des vorliegenden Textes wird der Gedanke der Unreinheit expli­ zit überhaupt nur durch τῶν ἀλισγημάτων in Apg 15,20 aktiviert. Dabei ist die­ ser auffällige Terminus in einem konkreten Sinne mit Bezug auf unreine Dinge zu verstehen: Das Nomen ἀλίσγημα ist insgesamt nur sehr selten überliefert. Es fin­ det sich abgesehen von Apg 15,20 nur in ParJer 7,32(37),259 und zwar ebenfalls wie in Apg 15,20 als Genitivus separationis in Verbindung mit ἀπέχομαι: […] τοῦ ἀπέχεσθαι ἐκ τῶν ἀλισγημάτων τῶν ἐθνῶν τῆς Βαβυλῶνος. Das Nomen ἀλίσγημα ist vom Verbum ἀλισγέω abgeleitet. Dieses wird in Dan 1,8 LXX ebenfalls im Kontext des Kontaktes zwischen Juden und Heiden mit Bezug auf Speisen verwendet, die für Juden verboten sind.260 Dabei ließ die dortige Verwendung eine Verbindung zur Unreinheits­ terminologie erkennen (s.o. IIB 1.1.2.1), sodass sich auch für das Nomen ἀλίσγημα eine Wiedergabe mit dem Unreinheitsgedanken durchaus nahelegt. Im Deutschen wird dieses Nomen zumeist mit „Verunreini­ gung“ bzw. „Befleckung“ wiedergegeben und damit auf den Vorgang der

259  Daneben als Textvariante zu JosAs 21,10 (zum Text s.u. Anm. 275). 260  Das Verbum ἀλισγέω findet sich daneben in Sir 40,29 für erbettelte Speisen, in Mal 1,7. 12 LXX für verdorbene Opfer.

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Verunreinigung bezogen.261 Anstelle einer solchen Wiedergabe legt sich für ἀλίσγημα jedoch eher ein Verständnis mit Bezug auf die unreine und daher zu vermeidende Sache selbst nahe.262 Dafür spricht bereits die Wortbildung263 und insbesondere die Analogie zu dem von βδελύσσω ab­ geleiteten und im Kontext der Speisevorschriften mehrfach gebrauchten βδέλυγμα. Dieses bezeichnet nämlich ebenfalls nicht etwa den Vorgang des Abscheulichmachens, sondern bestimmt das Verbotene als „Ab­ scheulichkeit“ bzw. „Gräuel“. Dabei kann es sich sowohl auf Gegenstände wie verbotene Speisen264 oder Götterstatuen (2 Kön 17,32) als auch auf verbotene Handlungen265 beziehen (s.o. IIB 1.3.1.1). Näherhin ist der Terminus ἀλίσγημα im vorliegenden Fall offenbar auf den Be­ reich der Götzen beschränkt, da der Ausdruck τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων am ehesten dem in Apg 15,29 als erstes Glied gebrauchten Terminus εἰδωλόθυτον entspricht. Die Verwendung von ἀλίσγημα im Plural lässt sich zwar grundsätz­ lich als Indiz für einen Bezug266 auf alle vier im Folgenden aufgezählten Dinge auswerten,267 sodass es sich bei ἀλίσγημα gleichsam um eine Sammelbezeich­ nung für die angeschlossenen Verbote handeln würde, mit der zunächst eine allgemeine Rubrizierung dieser Verbote als unrein vorgenommen wird. Das auffällige Fehlen von ἀλίσγημα in Apg 15,29; 21,25, das mit einer gleichzeitigen 261  Vgl. Passow, s.v. ἀλίσγημα: „Befleckung, Verunreinigung“. So auch die Wiedergabe in den einschlägigen Bibelübersetzungen (vgl. z.B. Einheitsübersetzung, Lutherübersetzung und Bibelübersetzung von Menge) und der Kommentarliteratur (Haenchen, Apg, 424; Jervell, Apg, 385; Schneider, Apg II, 173; Pesch, Apg II, 70). 262  Anders als in den deutschen Bibelübersetzungen und Kommentaren lässt sich für die Übersetzung dieses Ausdrucks im Englischen bisweilen durchaus ein solches Verständnis finden. So wird als englisches Übersetzungswort von ἀλίσγημα zumeist „pollution“ vorge­ schlagen (LSJ, s.v. ἀλίσγημα), welches sowohl für den Vorgang der Verunreinigung als auch zur Bezeichnung der unreinen Sache verwendet werden kann (Merriam-Webster, s.v. pol­ lution 2: „pollutant“). Dabei wird für Apg 15,20 zumeist eine Wiedergabe in letzterem Sinn gewählt, z.B. Johnson, Apg, 258: „avoid things polluted by idolatry“. Anders Barrett, Apg II, 706: „defilements caused by idols“. 263  Vgl. dazu, dass die Abgrenzung eines Nomen rei actae gegenüber den Verbalabstrakta (Nomina actionis) zwar nicht scharf ist, Nomina rei actae auf -μα aber strenggenommen das Ergebnis der Handlung angeben, nicht die Handlung selbst. Vgl. dazu für weitere Be­ griffe von Lips, Apostolat, 308f.311.324–334. 264  So Lev 11,12.20.23.42; Dtn 14,3; Jes 66,17 (jeweils LXX). 265  Vgl. dazu vor allem den Gebrauch für götzendienerische Praktiken, häufig in Gestalt der Wendung τὰ βδελύγματα τῶν ἐθνῶν: Dtn 18,9 (20,18); 1 Kön 14,24; 2 Kön 16,3; 21,2; 2 Chr 28,3; 33,2; 36,14; 1 Esdras 7,13; Esra 9,1.11. 266  Zur Unklarheit des Bezuges vgl. Deines, Aposteldekret, 379; Avemarie, Wurzeln, 12. 267  So häufig in der Forschung, vgl. exemplarisch Wehnert, Reinheit, 26.69; Jervell, Apg, 385; Neubrand, Israel, 228; Rost, Aposteldekret, 576.

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Abwandlung von εἴδωλον in εἰδωλόθυτον verbunden ist, lässt sich jedoch besser erklären, wenn man ἀλίσγημα nur mit dem ersten Glied der Kette verbindet, nämlich mit der auf eine Enthaltung von Götzen zielenden Bestimmung.268 Der Gesamtausdruck τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων wird von Lukas269 dem­ zufolge gleichsam als Umschreibung für das konkret auf Götzenopferfleisch verweisende εἰδωλοθύτων in Apg 15,29 gebraucht.270 Damit bestätigt diese Ent­ sprechung von τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων zu εἰδωλοθύτων die oben vorge­ schlagene Wiedergabe von τῶν ἀλισγημάτων mit „Unreinheiten“.271 Wie ist vor dem Hintergrund eines solchen Bezugs auf die Götzen der Geni­ tiv τῶν εἰδώλων zu verstehen? Mit den Götzen folgt in Apg 15,20 auf ἀλίσγημα die Größe, mit der die Unreinheiten in Verbindung stehen. Damit legt sich für τῶν εἰδώλων ein Verständnis als Genitiv der Zugehörigkeit (Genitivus pos­ sessivus) nahe,272 durch den die Unreinheiten als zum Bereich der Götzen ­gehörig gekennzeichnet werden. Der Ausdruck τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων ist dementsprechend zu paraphrasieren als „Unreinheiten, die mit den Göt­ zen assoziiert werden“.273 Im vorliegenden Zusammenhang handelt es sich bei τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων demzufolge um etwas materiell Greifbares, wobei εἰδωλόθυτον eine Art und Weise benennt, in der Götzen verunreinigen können. Das Syntagma τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων ist somit zwar insgesamt weiter gefasst als das spezifische „Götzenopfer“ und wäre beispielsweise auch für Statuen bzw. Bilder anderer Götter offen,274 die in der Erzählung Joseph 268  Zu einem solchen Bezug vgl. auch Wedderburn, Decree, 370–372. Vgl. dazu auch, dass Blut in der hebräischen Bibel im Kontext des Blutgenussverbotes nie als unrein bezeich­ net wird, sondern dieser Gedanke aus der Unreinheit der nicht ausgebluteten Kadaver erschlossen werden muss (vgl. Lev 17,15f.). 269  Zumeist wird Apg 15,20 als ursprüngliche Form angenommen, so Wehnert, Reinheit, 65, u.a. mit dem Argument, dass die Formulierungsweise ohne Artikel, die die genannten Dinge als weniger spezifisch bewertet, auch für die sogenannten Lasterkataloge typisch ist und damit eine stilistische Verbesserung darstellt. 270  Bei einem Bezug von τῶν ἀλισγημάτων auf alle vier Glieder müsste man hingegen anneh­ men, dass Lukas relativ frei den personalen Ausdruck „Götzen“ in das konkrete Götzen­ opfer ändert und damit eine entscheidende Bedeutungsverschiebung vornimmt. 271  So für ParJer 7,32(37) auch Riessler, Schrifttum, 916; Schaller, JSHRZ I/8, 743, hingegen: „Befleckungen der Völker Babylons“. 272  Der in ParJer 7,32(37) auf τῶν ἀλισγημάτων folgende Genitiv gibt eindeutig näher an, bei wem die von den Juden als Unreinheiten bewerteten Dinge verbreitet sind (Genitivus possessivus), nämlich bei den Völkern Babylons. 273  Bei einer Verbindung aller vier Verbote mit ἀλίσγημα und einem Verständnis dieses Ter­ minus als „Verunreinigung“ sind die auf ἀλίσγημα folgenden vier Genitive hingegen als Genitivus originis zu verstehen, d.h.: „Befleckungen (verursacht) durch …“ bzw. „Befle­ ckungen, die kommen von …“ 274  Zu einem solchen Bezug von τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων auf alle Objekte, die in der Götzenverehrung verwendet wurden, vgl. Svartvik, Mark, 366.

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und Aseneth in Verbindung mit den Götzenopfern ebenfalls als unrein bewer­ tet werden.275 Die Gefahr des Götzendienstes wurde aber mit Bezug auf Hei­ denchristen wohl vor allem bei Götzenopfern virulent, denn eine andauernde aktive Verehrung der Götzen durch Anbetung der entsprechenden Standbilder ist für sie von vornherein ausgeschlossen. Mit der austauschweisen Verwendung von τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων und εἰδωλόθυτον in Apg 15,20.29 lässt sich demzufolge zweifelsfrei die Konkre­ tisierung der Unreinheit des Götzendienstes als materiell relevante und damit physisch erfahrbare Unreinheit wiederfinden, wie sie im antiken Judentum generell festzustellen ist. Gerade mit Blick auf die Verunreinigung durch Göt­ zen ist nämlich im Judentum des Zweiten Tempels und dann auch im rabbini­ schen Judentum im Vergleich zu älteren Aussagen eine Verschiebung zu einer dinglichen Unreinheit der Gegenstände zu beobachten, die mit den Götzen in Verbindung stehen. Während Götzendienst in den Schriften der hebräischen Bibel eindeutig eine religiös-moralische Form der Unreinheit zugeschrieben wurde (s.o. Exkurs 1), ist es nun nicht mehr die Handlung des Götzendienstes, die Unreinheit bewirkt, sondern die Dinge, d.h. die Götzenbilder oder das Götzenopferfleisch, sind selbst unrein und verunreinigen dementsprechend durch körperlichen Kontakt (s.o. IIB 1.4.1.1 und IIC 2.1.2.2). Vor diesem Hintergrund erweist sich eine Deutung der Enthaltungsvor­ schriften als einseitig moralisch verunreinigende Handlungen als nicht zutref­ fend. Eine solche Beschränkung auf moralische Unreinheit wird aber gerade in der jüngeren Forschung auch von denjenigen vertreten, die die viergliedrige Fassung des Aposteldekrets für ursprünglich halten. Sie ist dabei eng mit einer Ablehnung der Deutung des Aposteldekrets als Verpflichtung der Heidenchris­ ten auf das Gesetz oder dessen Teile verbunden.276 Ihr liegt dabei eine strik­ te Gegenüberstellung von moralischen und rituellen Reinheitsforderungen 275  Für Apg 15,20 lässt sich insofern eine deutliche Nähe zu Joseph und Aseneth erkennen, als sich in JosAs 21,10 eine Textvariante findet, die mit der Formulierung in Apg 15,20 eng verwandt ist: ἠλυτρώθη τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων (Text bei Burchard, PVTG 5, 348). 276  Diejenigen, die eine Herstellung von ritueller Reinheit als Ziel der Enthaltungsvorschrif­ ten strikt ausschließen, wenden sich damit vor allem gegen die in der Forschung dominie­ rende Annahme, dass nach Apg 15,14–21 die Heiden in das Gottesvolk integriert werden müssen. Genaugenommen lehnen sie nämlich die verbreitete Deutung ab, dass die Apos­ teldekretsverbote dazu dienen, die rituelle Reinheit der Heidenchristen herzustellen und dadurch die des Gottesvolkes zu gewährleisten, so z.B. Neubrand, Israel, 233; ähnlich Wil­ son, Luke, 94; Deines, Aposteldekret, 394; Rost, Aposteldekret, 567: Es sei zwar im lk. (und womöglich auch historischen) Kontext an Speisevorschriften gedacht, jedoch nicht im streng „reinheitsgesetzlichen“ Sinne, sondern vielmehr in Anknüpfung an ethische Maxi­ men des biblisch-monotheistischen Gottesglaubens.

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zugrunde, wobei zwar ethische Unreinheit für alle Menschen, die mit beson­ deren Regeln verbundene kultisch-rituelle Reinheit bzw. Unreinheit jedoch allein auf Israel bezogen sei.277 Eine solch strikte Gegenüberstellung zwischen moralischer und ritueller Unreinheit ist – wie der Bereich des Götzendienstes zeigt – für das Judentum des Zweiten Tempels generell problematisch und wird auch der in Apg 15,20.29; 21,25 überlieferten Zusammenstellung von verbote­ nen Dingen nicht gerecht.278 Die Frage, ob das Aposteldekret im Sinne einer Verpflichtung der Heidenchristen auf das Gesetz zu verstehen ist oder nicht, lässt sich aus der Reinheitsvorstellung selbst somit nicht beantworten. Dies ist vielmehr nur durch eine genaue Klärung des Hintergrundes der Enthaltungs­ gebote möglich, und zwar insbesondere von deren Gültigkeit und Reichweite. Eine solche Klärung ist aber von entscheidender Bedeutung, da von der Be­ wertung des Aposteldekrets insgesamt abhängt, welche Position Lukas zum Gesetzesgehorsam von Heidenchristen einnimmt.279 Gerade in dieser Frage bestehen unter den Forschern gravierende Differenzen. Während eine soterio­ logische Bedeutung des Gesetzes nämlich generell abgewiesen wird,280 reicht die Bandbreite zur Frage nach einer möglichen Gesetzesobservanz der Heiden­ christen (z.B. als Frage praktischer Ethik) von einer besonderen Betonung einer 277  So z.B. von Neubrand, Israel, 237f., betont. 278  Sowohl Neubrand als auch Rost stellen für Apg 15,20 vor dem Hintergrund einer Beschrän­ kung auf moralische Unreinheit eine Beziehung zu Apg 15,9 her. Durch die moralischen Gebote des Aposteldekrets sollten die Heidenchristen den ihnen von Gott nach Apg 15,9 geschenkten Reinheitsstatus aufrechterhalten (Neubrand, Israel, 238f.; Rost, Apostelde­ kret, 598). Gegen eine solche Deutung ist einzuwenden, dass die eindeutig moralisch zu verstehende Unreinheit des Herzens in Apg 15,9 und die Unreinheit der Götzen in Apg 15,20 gerade nicht auf derselben Ebene liegen. Die verschiedenen Unreinheitsaus­ sagen lassen sich somit nicht in ein System pressen. Insgesamt besteht für den Komplex der rituellen Unreinheit der Götzen, der im vorliegenden Zusammenhang durch den Gebrauch von ἀλίσγημα aktiviert wird, am ehesten eine Verbindung zur Unreinheit der Heiden in Apg 10,28a. Die rituelle Unreinheit der Götzen und die rituelle Unreinheit der Heiden gehören nämlich generell enger zusammen (vgl. dazu Jub 22,16; s.o. IIC 2.1.2.2). Demgegenüber ist die kultische Reinheit bzw. Reinigung, welche durch eine Waschung erfolgt, von der Reinheit bzw. Reinigung des Herzens zu unterscheiden. 279  Die Forschungspositionen zur Bedeutung des Gesetzes für Lukas liegen aufgrund des dis­ paraten Befundes, der sowohl Traditionen zu Gesetzestreue als auch gesetzeskritisches Material umfasst, insgesamt sehr weit auseinander. So plädiert z.B. Conzelmann, Mitte, 155, für ein lediglich historisches Interesse des Lukas am Gesetz, wenn er den Wert des Gesetzes in einer „nachdrücklich weissagende[n] Funktion“ sieht. Demgegenüber bewer­ tet Jervell gerade umgekehrt das Gesetz als eine Frage von aktueller Observanz und als Gegenstand der Praxis der lk. Gemeinde (vgl. vor allem Jervell, Law). 280  Zur Ablehnung einer Heilsfunktion des Gesetzes durch Lukas vgl. ausführlich Seifrid, Jesus.

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solchen Verpflichtung auf das Gesetz281 über eine teilweise Einhaltung des Gesetzes in Form der im Aposteldekret beschlossenen Einzelvorschriften282 bis zu einer Aufgabe des Gesetzes.283 Die Anordnungen des Aposteldekrets – keine Verpflichtung der Heidenchristen auf das Gesetz, sondern Kriterien für eine Absage an ihren bisherigen heidnischen Lebenswandel In der Forschung werden die vier Enthaltungsforderungen des Jakobus zu­ meist speziell vor dem Hintergrund des jüdischen Gesetzes gedeutet, und zwar in zweifacher Form. Besonders häufig werden sie als Minimalbedingung angesehen, die von den Heidenchristen für deren Zugehörigkeit zum erneuer­ ten Gottesvolk einzuhalten seien. Eine solche Bestimmung der Funktion des Dekrets ist maßgeblich von anderen forschungsgeschichtlichen Prämissen abhängig, und zwar insbesondere von der für Apg 15,14–21 vorausgesetzten Ekklesiologie. Für sie wird dann nämlich jeweils angenommen, dass Jakobus die Kirche als erneuertes Israel deute, in das die Nichtjuden integriert werden (so vor allem Jervell, dagegen s.u. 3.2.1). Gestützt wird eine solche Interpreta­ tion häufig auf eine traditionsgeschichtliche Herleitung der vier Forderungen von der Fremdlingsgesetzgebung aus Lev 17f. (so vor allem Wehnert, dagegen s.u. 3.2.3.1). Eine nähere Untersuchung von Apg 15,14–21 wird jedoch zeigen, dass beide Annahmen und damit auch die in der Forschung häufig vertretene Deutung der Enthaltungsvorschriften als Verpflichtung der Heidenchristen auf gesetzliche Mindestforderungen sich keineswegs zwingend aus den Signalen des Textes ergeben. Speziell das jüdische Gesetz wird zweitens auch dann als Hintergrund vo­ rausgesetzt, wenn die primäre Funktion des Dekrets in der Regelung des Kon­ taktes von Heidenchristen zu Judenchristen gesehen wird, und zwar genauer in der Rücksichtnahme auf die für Judenchristen nach wie vor relevanten Rein­ heitsregeln. Die einzelnen Bestimmungen dienten dazu, ein Miteinander von Juden und Heiden zu ermöglichen, das auch für die jüdische Seite akzeptabel

3.2

281  So Klinghardt, Gesetz: Er rekonstruiert für die historische Situation der Gemeinde einen Konflikt zwischen armen Heidenchristen und reichen Judenchristen. Ihm zufolge messen die Heidenchristen dem Gesetz großen Wert bei und unterwerfen sich im Aposteldekret grundsätzlich den jüdischen Reinheitsvorschriften. Ausgenommen von der Gesetzes­ treue seien das kultische Gesetz und der Tempelkult. 282  So zumeist, vgl. z.B. Salo, Treatment, 251f. 283  So Wilson, Luke, der die These vom Gesetz als einem „ethos for a particular ethnos“ (103) prägte. Das Gesetz behält seine Gültigkeit für die jüdischen Teile der Gemeinde, wohin­ gegen die Heidenchristen es nicht mehr halten (104).

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ist.284 Dabei wird die Funktion des Dekretes dann insbesondere in der Ermög­ lichung von Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden gesehen.285 Auch wenn drei der vier Enthaltungsvorschriften sich auf Speisen beziehen, ist eine solche Deutung von vornherein wenig naheliegend.286 So behandelt der Apos­ telkonvent nicht speziell die Frage der Tischgemeinschaft. Eine solche Deu­ tung ist vielmehr maßgeblich von der selbst äußerst fraglichen Annahme einer engen Verbindung zwischen dem Aposteldekret und Gal 2,11–14 abhängig.287 Eine Deutung, der zufolge die vier Dekretsbestimmungen von den Heiden­ christen primär nur aus Rücksicht auf die jüdischen Mitglieder der Gemeinde eingehalten werden sollen, erweist sich zudem auch bei einem Vergleich der Jakobusrede mit Röm 14,1–23 von vornherein als wenig naheliegend.288 Dort handelt es sich nämlich klar erkennbar um eine Frage der Ethik, doch lässt sich für Röm 14,1–23 insgesamt eine deutlich andere Argumentation erkennen als für die Rede des Jakobus in Apg 15,13–21.289 Der größere Rahmen des Apostel­ dekrets besteht zudem gerade aus der Frage, was Heidenchristen tun müssen, 284  So auch Mußner, Apg, 94. 285  Dass die entscheidende Bedeutung der Enthaltungsvorschriften in der Tischgemein­ schaft zwischen Juden und Heiden liegt, betonen vor allem Conzelmann, Apg, 92; Roloff, Apg, 232; Pesch, Apg II, 80f.; Schneider, Apg II, 187 mit 177 Anm. 24; Esler, Community, 99; vgl. auch Blomberg, Law, 66; Sánchez, Geschichtswerk, 158; Holtz, Bedeutung, 124f.; Hahn, Bedeutung, 108f.; Rohde, Gal, 101; Pervo, Apg, 376. 286  Gegen eine Ermöglichung von Tischgemeinschaft als Zweck des Aposteldekrets u.a. auch Jürgens, Anfang, 204–208, bes. 206; Bockmuehl, Law, 164; Radl, Gesetz, 173; Wilson, Gen­ tiles, 188f. 287  So deutlich bei Keener, Apg III, 2258f., zu erkennen. Dagegen aber s.u. 3.3.2. 288  Daneben zeigt auch der für das Aposteldekret am ehesten anzunehmende schöpfungs­ theologische Hintergrund, dass die vier Enthaltungsforderungen in Apg 15,20 auch für Heidenchristen als grundsätzlich verbindlich angesehen werden (s.u. 3.2.3.2). 289  In Röm 14,1–23 konstatiert Paulus zum einen explizit, dass die diskutierten Speisefragen mit Bezug auf Gott nicht relevant sind (14,17). Ebenso fordert er die Starken, d.h. die Hei­ denchristen, ausdrücklich dazu auf, die entsprechenden Speisen aus Rücksicht auf dieje­ nigen zu vermeiden, die an diesem Verhalten Anstoß nehmen (14,13.15.20f.). Dabei betont er als Zweck seiner Ermahnungen mehrfach die Einigkeit in der Gemeinde (vgl. 14,19 mit 15,2.5–7). Darüber hinaus stellt er ausdrücklich fest, dass die entsprechenden Speisen nur für diejenigen „unrein“ sind, die sie als „unrein“ ansehen (14,14), worunter im Kon­ text offenbar solche Gemeindeglieder zu verstehen sind, die sich dem Gesetz noch ver­ pflichtet fühlen (s.o. 2.3.1). Eine entsprechende Einschränkung, dass die genannten Dinge nur die gesetzestreuen Judenchristen verunreinigen würden, findet sich im Kontext von Apg 15,20.29 jedoch nicht. Vielmehr misst der lk. Jakobus den verbotenen Götzenopfern gerade umgekehrt eine generell verunreinigende Wirkung zu, wenn er für sie offenbar eine physisch übertragbare Unreinheit annimmt (s.o. 3.1.2). Zudem stehen im Zentrum von Röm 14,1–23 eindeutig speziell an Israel gerichtete Forderungen, und zwar offenbar das Verbot bestimmter Tiersorten nach Lev 11/Dtn 14 (s.o. 2.4.3).

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um gerettet zu werden (15,1.11), ohne dass für die Enthaltungsvorschriften eine neue und möglicherweise andere Bedeutung explizit erwähnt werden würde. Worin liegt dann aber die Funktion der vier Enthaltungsvorschriften? Sie besteht offenbar in erster Linie in einer strikten Absage der Heidenchristen an Verhaltensweisen, die sie zwar bisher praktiziert haben, die aber einer Vereh­ rung Gottes grundsätzlich widersprechen. Dabei ist der Fokus des Apostel­ dekrets – anders als in der Forschung zumeist vorausgesetzt – weniger auf das Verhältnis der Heidenchristen zu den Juden gerichtet. Vielmehr zielt es offen­ bar primär auf eine strikte Abgrenzung der Heidenchristen zu den Heiden. 3.2.1

Die Zustimmung des Jakobus zu einer Auflösung der strikten Gegenüberstellung der Heiden zum Volk Gottes In Apg 15,14 schließt der lukanische Jakobus zunächst unmittelbar an die Rede des Petrus an. Dabei bewertet er das von Petrus geschilderte Handeln Gottes dergestalt, dass Gott darauf gesehen habe,290 aus den Heiden ein Volk für sei­ nen Namen (τῷ ὀνόματι αὐτοῦ als Dativus commodi) zu nehmen (καθὼς πρῶτον ὁ θεὸς ἐπεσκέψατο λαβεῖν ἐξ ἐθνῶν λαὸν τῷ ὀνόματι αὐτοῦ). Die Erwähnung des Namens Gottes, durch die vor allem das Zitat in Apg 15,17 vorbereitet wird,291 bringt die besondere Verbindung dieses Volkes zu Gott zum Ausdruck, sodass diese Aussage deutlich erkennbar an die biblische Tradition vom Eigentums­ volk Gottes anknüpft. Mit dieser Formulierung stellt der lukanische Jakobus eine zumindest ähnlich enge Beziehung Gottes zu den Heidenchristen fest, wie sie grundsätzlich für die Juden gilt.292 Der Terminus ὁ λαός ist nämlich im lukanischen Doppelwerk eng mit einer herausgehobenen Stellung der entspre­ chend qualifizierten Menschen bei Gott verbunden. Bei diesem Begriff han­ delt es sich gleichsam um einen erwählungstheologischen Titel, der innerhalb des lukanischen Doppelwerkes primär für die besondere Stellung Israels im Verhältnis zu den anderen Völkern gebraucht wird (s.u. IIIB 4.3.2.1).293 Mit der Betonung der Herkunft dieses Volkes aus den Heiden lässt sich für Apg 15,14 deutlich eine gewisse Auflösung dieser in der Apostelgeschichte ansonsten mehrfach betonten Gegenüberstellung von ὁ λαός und τὰ ἔθνη (vor allem Apg 26,17.23; vgl. auch Lk 2,32; Apg 4,27; 28,27f.) erkennen. Gerade diesem 290  Zu ἐπισκέπτομαι vgl. Passow, s.v.: „auf etwas od. Jem. sehen“ (im Original teilweise hervor­ gehoben); vgl. Lk 1,68.78; 7,16; 19,44; Apg 15,14.36. 291  Der Name Gottes wird im lk. Doppelwerk sonst nur noch in Lk 1,49; 11,2; 13,35; 19,38 erwähnt. 292  So Dahl, People, 326, der für Apg 15,14 wie für 18,10 ein Verständnis im Sinne von „a great group of people“ vorschlägt. Vgl. auch Dupont, Un peuple. 293  Mit Bezug auf die Heiden findet sich dieser Terminus abgesehen von Apg 15,14 nur noch in 18,10.

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Zweck dient offenbar auch das im Folgenden angeführte Zitat aus Am 9,11f.294 In dessen Fokus liegt nämlich ebenfalls eine solche Beziehung der Nichtjuden als Nichtjuden zu Gott. Danach wird auf die Wiedererrichtung der zerfallenen Hütte Davids die Suche von Juden und Heiden nach Gott folgen (Apg 15,15–18). Eine Bewertung des Aposteldekrets als Verpflichtung der Heidenchristen auf das jüdische Gesetz wird insbesondere aus Apg 15,14–18 hergeleitet. Die dortigen Aussagen werden dann dergestalt gedeutet, dass Jakobus mit ihnen eine Integration der Nichtjuden in das erneuerte Gottesvolk, nämlich das erneuerte Israel, vertrete. Eine solche Deutung basiert insbe­ sondere auf einer ekklesiologischen Auslegung des Zitates aus Am 9,11f., die in der Forschung insgesamt primär vertreten wird.295 Dabei wird die „Hütte Davids“ kollektiv als Metapher für das erneuerte Gottesvolk Israel296 oder im Sinne des eschatologischen Tempels bzw. des neuen Jerusalem verstanden, was nach Lukas keine zukünftige Größe mehr, sondern die judenchristliche Gemeinde der Gegenwart sei.297 Das neue Gottesvolk besteht bei einer solchen Deutung dann genauer aus dem judenchristli­ chen Teil der Gemeinde und den zum Glauben gekommenen Nichtjuden, wobei zumeist angenommen wird, dass der lukanische Jakobus die Hei­ denchristen als einen nachgeordneten Teil dieses Gottesvolkes ansieht.298 294  Zum Vergleich von Apg 15,16–18 mit Am 9,11f. MT und LXX vgl. Meek, Mission, 56–64, der trotz einiger Abweichungen eine größere Nähe zum Septuaginta-Text erkennt. 295  In letzter Zeit wird für das Zitat aus Am 9,11f. verstärkt eine christologische Deutung vorgeschlagen, und zwar zumeist mit Bezug auf die Auferweckung und Erhöhung Jesu Christi, durch die dieser in die davidisch-messianische Herrschaft eingesetzt worden sei (so ausführlich Meek, Mission, bes. 93f.; Glenny, Hermeneutics, 23; vgl. auch schon Haen­ chen, Apg, 431; Schneider, Apg II, 182f.), daneben auch im Sinne einer Zukunftshoffnung auf die Errichtung der davidischen Herrschaft und des messianischen Friedensreiches (so vor allem Neubrand, Israel, 164–216; im Anschluss daran Rost, Aposteldekret, 589–597). Tanner plädiert für eine Erfüllung von Am 9,11f. über eine ausgedehnte Zeitphase, begin­ nend mit der Auferweckung Jesu bis zum Eschaton (Quotation, 85). 296  So vor allem Lohfink, Sammlung, 59f.; Roloff, Apg, 232; Weiser, Apg II, 382; Pesch, Apg II, 80; Fitzmyer, Apg, 555f.; Jervell, Apg, 395; Sánchez, Geschichtswerk, 147f. 297  So vor allem Bauckham, Gentiles, 157–159.165–170; Ådna, Heilige Schrift, 13–22; ders., James Position, 151–159; Witherington III, Apg, 459. 298  Zu einer solchen Deutung von Apg 15,14 vgl. vor allem Jervell, Aposteldekret, 239f.: „Israel […] ‚ein Volk aus Heiden‘ beigefügt“ (239). Dagegen Sellner, Heil, 392–400, der betont, dass Juden- und Heidenchristen Lukas zufolge gleichberechtigt zu dem einen Volk Gottes ge­ hören würden (ähnlich schon die Kritik Roloffs, Kirche, 203f., an Jervell). Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob Sellner im Rahmen seiner Auslegung durchaus unterschiedliche Ten­ denzen bei Lukas, wie sie beispielsweise für den lk. Petrus und den lk. Jakobus vorliegen, nicht doch zu stark einebnet. Jervell vertritt insgesamt die Auffassung, dass das Gesetz bei Lukas keine Sache der Soteriologie, sondern der Ekklesiologie sei (231 Anm. 29). Dagegen

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Vor dem Hintergrund einer solchen Integration der Nichtjuden in Isra­ el wird dann aber mit Blick auf die vier Enthaltungsbestimmungen in Apg 15,20.29 gefolgert, dass sie als zentrale rituelle Gesetzesvorschriften auf eine „Reinhaltung“ des erneuerten Gottesvolkes zielen.299 Eine solche Interpretation des Zitates ist in der Forschung jedoch umstritten. Abge­ sehen von den generellen Problemen einer ekklesiologischen Auslegung des Zitates aus Am 9,11f.300 ist eine solche Deutung insbesondere auf­ grund der Tatsache schwierig, dass man in diesem Fall zwingend eine se­ mantische Uminterpretation bzw. Neudefinition des Gottesvolk-Begriffs und damit des Gottesvolkes Israel voraussetzen muss. Der Erwählungs­ begriff λαός bezieht sich dann nämlich nicht mehr auf das ersterwähl­ te Volk Israel, sondern stattdessen auf die an Christus Glaubenden aus Juden und Nichtjuden. Das bedeutet, dass die judenchristliche Gemein­ de zusammen mit den Nichtjuden, die zum Glauben gekommen sind, das sogenannte „erneuerte“ bzw. „wahre Israel“ bildet. Damit muss man aber voraussetzen, dass Lukas den Erwählungsterminus λαός nur noch einem Teil Israels zuerkennt,301 sodass Israel als ersterwähltes Gottes­ volk durch die Christusanhängerschaft ersetzt wird. Eine solche Deutung wird in der Forschung zunehmend abgelehnt,302 zumal Lukas die Kirche nie als „wahres“ oder „neues“ Israel bezeichnet. Gegen eine Inanspruchnahme von Apg 15,14–16 für eine Deutung des Apostel­ dekrets im Sinne einer Gesetzesverpflichtung der Heiden ist insbesondere ein­ zuwenden, dass in Apg 15,14 nichts über das genaue Verhältnis des Volkes aus den Heiden zu den Juden als ersterwähltem Volk ausgesagt wird. Gleiches gilt spricht insbesondere Apg 15,1.11. Deshalb lehnt z.B. Bockmuehl, Law, 164 Anm. 86, eine Trennung zwischen ekklesiologischer oder soteriologischer Bedeutung ab. 299  Besonders vehement vertritt Jervell eine Deutung der Dekretsbestimmungen als Ver­ pflichtung auf zentrale reinheitsgesetzliche Forderungen (Aposteldekret, 232.239f.; ders., Apg, 396f.): „Die Absicht des Dekrets ist klar: Die Reinheit des Gottesvolkes, sodass die Kirche Volk Gottes verbleiben kann“ (Aposteldekret, 239). 300  Vgl. dazu, dass man im Falle einer solchen ekklesiologischen Deutung die „Hütte Davids“ als kollektive Größe verstehen muss, in der alttestamentlichen Forschung hingegen ein enger Bezug zur Natansweissagung in 2 Sam 7,12–16 und damit konkret zum davidischen Königtum gesehen wird (zu dieser Differenz vgl. Neubrand, Israel, 134–136; vgl. 141–160 zu einer Zusammenstellung der Probleme einer solchen ekklesiologischen Deutung). 301  Vgl. z.B. Lohfink, Sammlung, 47–62; Schröter, Heil, 304 und 296f.307, doch verneint Schrö­ ter selbst strikt, dass Israel vom Heil ausgeschlossen ist. 302  Vgl. dazu ausführlich Deutschmann, Synagoge, 233–247; vgl. auch schon Dahl, Story, 151. Vgl. dazu vor allem Neubrand, die Apg 15,14 in dem Sinne deutet, dass Gott neben Israel als ersterwähltem Volk ein eigenständiges Volk aus Nichtjuden aufbaut (Israel, 111– 116.131.157.215f. u.ö.); so auch Rost, Aposteldekret, 587–589.597.601.603.

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für das Zitat aus Am 9,11f. Nach Apg 15,16 ist die Wiedererrichtung der Hütte Davids nämlich zwar die Voraussetzung für die Suche der Nichtjuden nach Gott, aber von einer Integration der Nichtjuden in die wiedererrichtete Hütte ist nicht ausdrücklich die Rede. Sicher lässt sich zur Funktion des Zitates daher nur festhalten, dass damit die Entstehung der Kirche aus Juden und Heiden als schriftgemäß gedeutet werden soll. 3.2.2

Die Enthaltungsvorschriften als Gegensatz zu einer Verpflichtung der Heidenchristen auf das Gesetz, aber als grundsätzlich notwendige Forderungen (Apg 15,19.28) In Apg 15,19 stellt Jakobus ausdrücklich fest, dass er den Nichtjuden, die sich zu Gott hinwenden,303 keine Schwierigkeiten machen will: διὸ ἐγὼ κρίνω μὴ παρενοχλεῖν τοῖς ἀπὸ τῶν ἐθνῶν ἐπιστρέφουσιν ἐπὶ τὸν θεόν. In Apg 15,28 wird dies dergestalt aufgenommen, dass die Dekretsbestimmungen zwar als „notwen­ dige und geradezu unerlässliche Dinge“ gedeutet werden, das Auflegen einer anderen Last jedoch ausdrücklich abgelehnt wird (ἔδοξεν γὰρ τῷ πνεύματι τῷ ἁγίῳ καὶ ἡμῖν μηδὲν πλέον ἐπιτίθεσθαι ὑμῖν βάρος πλὴν τούτων τῶν ἐπάναγκες304). Damit erscheinen die vier Enthaltungsforderungen aber deutlich als Gegensatz zu einer Verpflichtung von Nichtjuden auf das Gesetz,305 wie insbesondere der intratextuelle Bezug zu Apg 15,10 erkennen lässt.306 Dort begegnet das Motiv vom Gesetz als Last nämlich schon einmal, wenn Petrus feststellt, dass Gott zufolge kein Joch auf den Nacken der Nichtjuden gelegt werden soll (ἐπιθεῖναι ζυγὸν ἐπὶ τὸν τράχηλον τῶν μαθητῶν). Die nähere Bestimmung dieses Jochs als ein solches, das weder die mit „wir“ bezeichneten Judenchristen selbst noch ihre Väter tragen konnten (ὃν οὔτε οἱ πατέρες ἡμῶν οὔτε ἡμεῖς ἰσχύσαμεν βαστάσαι), zeigt, dass es sich nicht nur auf das Faktum der Beschneidung beziehen kann, da die Väter alle beschnitten sind. Vielmehr muss es stattdessen auch das Hal­ ten des Gesetzes zwingend umfassen.307 Damit bewertet aber Jakobus das Gesetz offenbar wie Petrus ebenfalls nicht als eine zwingende Voraussetzung zur Erlangung des Heils der Heiden. Gerade angesichts dieser grundsätzlichen 303  Vgl. dazu auch Apg 15,3: τὴν ἐπιστροφὴν τῶν ἐθνῶν; 21,25: περὶ δὲ τῶν πεπιστευκότων ἐθνῶν. 304  Vgl. BAA, s.v.: „notwendigerweise“; BDAG, s.v.: „compulsory“, „essential“, „necessary“ (im Original teilweise hervorgehoben). 305  Die Feststellung in Apg 15,28 lässt sich durchaus so verstehen, dass die Dekretsbestim­ mungen als eine Last erscheinen. Der Fokus liegt jedoch darauf, dass es eine größere Last als sie gibt. 306  Zur Nähe von Apg 15,10 und 15,28 vgl. vor allem den jeweiligen Gebrauch von ἐπιτίθημι in Verbindung mit einer Last. 307  Vgl. dazu, dass in Apg 15,5 mit Blick auf die Gegner neben der Forderung der Beschnei­ dung (so auch 15,1) ausdrücklich auch das Halten des Gesetzes genannt wird: […] δεῖ περιτέμνειν αὐτοὺς παραγγέλλειν τε τηρεῖν τὸν νόμον Μωϋσέως.

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Gegenüberstellung des Aposteldekrets zu einer Verpflichtung der Heiden auf das Gesetz ist eine Identifikation dieser Enthaltungsbestimmungen mit dem jüdischen Gesetz aber wenig naheliegend, bedeutet sie eben doch eine zumin­ dest teilweise Gesetzesverpflichtung der Heiden.308 Dennoch handelt es sich bei diesen vier genannten Enthaltungsvorschriften offenbar um unabdingbare Forderungen, die auch die Heidenchristen nicht etwa nur aus Rücksicht auf die Judenchristen, sondern grundsätzlich um ihrer selbst willen einhalten müssen, nämlich für ihre Zugehörigkeit zum λαός. Darauf deutet bereits die Kennzeichnung als „notwendige Dinge“ und sinnvolles Handeln309 hin. 3.2.3

Die Enthaltungsvorschriften als grundlegende und universal gültige Forderungen für eine richtige Verehrung Gottes Auch die traditionsgeschichtliche Zuordnung der Forderungen des Jakobus spricht nicht zwingend für ein Verständnis der Aposteldekretsbestimmungen im Sinne einer zumindest teilweisen Verpflichtung der Heidenchristen auf das Gesetz. Grundsätzlich ist nämlich auch ein schöpfungstheologischer Hinter­ grund möglich, bei dem die entsprechenden Verbote insgesamt eher allgemeinmenschliche Gültigkeit haben. 3.2.3.1

Die traditionsgeschichtliche Herleitung der Enthaltungsvorschriften aus Lev 17f. und deren Probleme In der Forschung werden die Dekretsbestimmungen bei einem Verständ­ nis als rituelle Vorschriften vornehmlich von der Fremdlingsgesetzgebung in Lev 17f. hergeleitet.310 Diesen wird nämlich – im Gegensatz zu den vorwiegend 308  Gegen eine Bewertung der Einhaltung der Dekretsbestimmungen als Verpflichtung der Heidenchristen auf das Gesetz spricht auch der Kontext von Apg 21,25. Dort soll Paulus, dem Gesetzesuntreue vorgeworfen wird (21,21), durch die Auslösung von vier mittellosen Nasiräern (21,23f.) seine Gesetzestreue demonstrieren (21,24b). Der angeschlossene Hin­ weis auf das Aposteldekret dient wohl dazu abzusichern, dass diese besondere Beach­ tung der Reinheitsriten kein Rückschritt hinter die Bestimmungen des Aposteldekrets für Heidenchristen ist. Das bedeutet aber, dass das Gesetz sich nur auf die Judenchristen bezieht, nicht auf die Heidenchristen. Zu einem solchen Schluss kommt auch Avemarie, Decree, 388f., mit Blick auf die Funktion des Aposteldekretes im größeren Rahmen der Apostelgeschichte. 309  Vgl. dazu Apg 15,29fin mit ἐξ ὧν διατηροῦντες ἑαυτούς als supplementärem Partizip zu εὖ πράττειν im Sinne von „Ihr tut gut daran, euch zu enthalten.“ 310  Eine solche Herleitung des Dekrets aus Lev 17f. wurde von Waitz, Problem, bes. 227–263, in die Forschung eingebracht und seither vielfach aufgenommen. Zu Vertretern, die für eine primäre Herkunft aus Lev 17f. plädieren, vgl. vor allem Wehnert, Reinheit, 209–261, der genauer an die aramäische Targumtradition zu Lev 17f. denkt; Callan, Background; Bauckham, Gentiles, bes. 172–174; Müller, Tora, 137–199; ders., Bluttabu, bes. 11f., dem zu­ folge damit im Urchristentum mehr gefordert wird als von den Rabbinen; Catch­pole,

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ethisch ausgerichteten noachidischen Gesetzen – eine zumindest primäre, wenn nicht gar ausschließlich rituelle Zielrichtung zugeschrieben. Dabei ist gerade diese Herleitung eines der Hauptargumente dafür, dass das Ziel des ­Aposteldekrets in der Verpflichtung der Heidenchristen auf das jüdische Gesetz liege.311 Die in Lev 18,24–30 belegte Feststellung, dass die Nichtjuden durch die entsprechenden Vergehen unrein wurden, impliziere nämlich, dass auch sie die entsprechenden Gesetze kannten und hätten halten sollen. Daraus wurde gefolgert, dass die Fremdlingsgebote, die in biblischer Zeit das Verhältnis Israels zu den nichtjüdischen Beisassen regelten, und zwar da­ durch, dass sie die rituelle Reinheit der mit den Israeliten zusammenleben­ den Nichtjuden sicherten, nun für das Zusammenleben der Judenchristen mit den Heidenchristen gültig sein sollten.312 Die Annahme dieses biblischen Referenztextes ist selbst entscheidend von der zumindest fraglichen These be­ einflusst, der lukanische Jakobus vertrete eine Integration der Heiden in die Kirche als erneuertes Israel.313 Für die Nichtjuden als assoziiertem Teil Israels müsse dann eben das gelten, was nach den Regelungen in Lev 17f. für Heiden in Israel generell gelten soll. Eine solche Auslegung des Aposteldekrets bleibt zum einen insofern unsicher, als das Motiv der Unreinheit in Apg 15,20 gerade nicht ausdrücklich mit Bezug auf eine Gefährdung der Reinheit der Judenchris­ ten aktiviert wird. Schwerer wiegt jedoch, dass sie insgesamt auf einem pro­ blematischen Verständnis der Reinheitskonzeption von Lev 17f. und möglicher Verbindungen zu Apg 15,20 basiert. Auch in Lev 17f. handelt es sich nämlich um eine Zusammenstellung von moralischen und rituellen Geboten, sodass eine einseitige Inanspruchnahme von Lev 17f. als rituelle Reinheitsbestimmungen insgesamt verfehlt ist und zudem der postulierte Zusammenhang zwischen Paul, 429f.; zustimmend auch Bockmuehl, Law, 78.164–167; vgl. auch Salo, Treatment, 245f.; mit entsprechenden Präzisierungen Klinghardt, Gesetz, 112.181–206; Sánchez, Ge­ schichtswerk, 149–151.158; Kraus, Jerusalem, 146f. So auch zumeist in der Kommentarli­ teratur, vgl. z.B. Schneider, Apg II, 183f.; Weiser, Apg II, 383f.; Fitzmyer, Apg, 557f.; Pervo, Apg, 377; Jervell, Apg, 397. 311  Vgl. dazu vor allem Wehnert, Reinheit, 72.268f. Die Heiden seien durch Gott „rein“ erklärt worden, hätten aber die Pflicht, diese Reinheit durch Befolgung der Tora aufrechtzuerhal­ ten (76f.). Dabei sollen „sich die Heidenchristen im Beachten der Enthaltungsvorschriften in besonderer Weise als Teil des von Gott erwählten λαός (Apg 15,14), nämlich als Miter­ ben der Thora, erweisen“ (82). Vgl. dazu auch Avemarie, Wurzeln, u.a. 29f., dem zufolge das Aposteldekret durchaus „als ein Stück Tora für Nichtisraeliten gedacht war“. 312  So Conzelmann, Apg, 93; Haenchen, Apg, 453; Catchpole, Paul, 429; Roloff, Apg, 227; Pesch, Apg II, 81; Wehnert, Reinheit, 213–238. 313  So z.B. Radl, Gesetz, 172: „Für diese Situation aber, für den Fall, daß Heiden sich dem Volk Gottes (vgl. [Apg 15,]14) anschließen, gibt es Regelungen im Gesetz des Mose, Regeln für das Leben in Israel. Sie stehen in Lev 17 und 18. Auf sie greift Jakobus zurück.“ Ähnlich Müller, Tora, 161.

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Apg 15,20 zu Lev 18,24f. ausgesprochen fraglich ist.314 Gegen eine Herleitung der vier Dekretsbestimmungen von den in Lev 17f. überlieferten Bestimmun­ gen für die Fremden in Israel lassen sich weitere Gründe anführen: Als Argument für eine solche traditionsgeschichtliche Herleitung wird insbesondere auf die Reihenfolge der Enthaltungsvorschriften in Apg 15,29; 21,25 verwiesen, welche der der Fremdlingsgebote in Lev 17f. entspreche.315 Die Reihenfolge der vier Dekretsbestimmungen variiert jedoch insgesamt stark und kommt daher nicht als Argument in Frage.316 Strenggenommen begegnen in Lev 17f. zudem nur das Verbot des Genusses von Blut (17,10–12) sowie von sexuellen Vergehen (18,1–23), bei welchen es sich jedoch im Einzelnen um Inzest, gleichgeschlechtlichen Kontakt oder Verkehr mit Tieren und mit Menstruierenden handelt, wohingegen sich als Hintergrund für das Aposteldekret eher der Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe nahelegt.317 Weder der Terminus πορνεία318 noch das Verbot des Götzenopferfleisches finden sich in Lev 17f. Im Einzelnen wird daher die Forderung nach einer Enthaltung von den „Unreinheiten der Götzen“ (Apg 15,20) bzw. vom „Götzenopferfleisch“ (15,29; 21,25) mit dem Verbot, den Dämonen zu opfern (Lev 17,1–9, bes. 17,8f.), in Verbindung gebracht. Das Verbot, Ersticktes zu essen, wird oft im Sinne des Verbo­ tes des Genusses eines gefallenen oder zerrissenen Tieres (Lev 17,13–16) gedeutet.319 Dabei weist die Rede vom Erstickten insofern durchaus eine Nähe zum Verbot des Genusses von Aas auf, als der Hintergrund in bei­ den Fällen aus der Sterbeart des entsprechenden Tieres besteht. Vom Erstickten ist jedoch in Lev 17f. nicht ausdrücklich die Rede. Darüber 314  Für eine Verbindung zwischen Apg 15,20 und Lev 17f. wird in der Forschung insbeson­ dere ein Zusammenhang zwischen ἀλίσγημα und dem Gebrauch der Unreinheitstermi­ nologie in Lev 18,24f. gesehen, wo die aus sexuellen Vergehen resultierende Unreinheit der Völker als Grund für die Verunreinigung des Landes Israel bewertet wird. Sexuelle Vergehen gehören jedoch gerade zur Vorstellung der moralischen, nichtansteckenden Unreinheit (s.o. Exkurs 1). Zudem besteht zwischen ἀλίσγημα in Apg 15,20 und der Un­ reinheit in Lev 18,24f. auch aus dem Grund keine engere Verbindung, weil der Gebrauch von ἀλίσγημα in Apg 15,20 offenbar auf den Bereich der Götzen beschränkt ist (s.o. 3.1.2). 315  So Wehnert, Reinheit, 65: In Apg 15,29 werde die Reihenfolge an die zugrunde liegenden Fremdlingsgebote, d.h. an die Reihenfolge in Lev 17,10–12; 17,13–16; 18,6–30, angepasst. 316  So schon Six, Aposteldekret, 41, der insgesamt eine Verbindung mit Lev 17f. annimmt (35–44). 317  So Avemarie, Wurzeln, 26. Pesch, Apg II, 81, bezieht πορνεία hingegen auf verbotene Ver­ wandtschaftsehen (ebenso Fitzmyer, Apg, 557f.). 318  Vgl. dazu, dass πορνεία auch im Rahmen der in Lev 20,11–21 LXX aufgezählten sexuellen Verfehlungen ungenannt bleibt. 319  So exemplarisch Avemarie, Wurzeln, 18.

3  Aposteldekret ( Apg 15,20.29; 21,25 )

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hinaus lässt sich der ungewöhnliche Begriff πνικτός320 innerhalb der Sep­ tuaginta insgesamt nicht als Übersetzungsterminus für ‫ נְ ֵב ָלה‬oder ‫ְט ֵר ָפה‬ nachweisen. Er erscheint dann bei Philo (vgl. Spec. 4,122f.), doch stellt auch er keinen ausdrücklichen Zusammenhang zu Lev 17 her. Deutlich ist in jedem Fall, dass das Verbot von Ersticktem das Blutgenussverbot präzisiert, doch muss es sich beim Erstickten nicht um gestorbene oder von anderen Tieren getötete Tiere handeln.321 Die Bezeichnung als „Ersticktes“ lässt vielmehr eher daran denken, dass das entsprechende Fleisch speziell von solchen Tieren stammt, die nicht auf die richtige Art und Weise geschlachtet wurden, und zwar weil während des Schlachtens die Luftröhre der Tiere getroffen wurde und sie daher an ihrem eigenen Blut erstickt sind.322 Gegen eine Herleitung der Dekretsbestimmungen von den Fremd­ lings­geboten in Lev 17f. ist zudem einzuwenden, dass abgesehen von den in Apg 15,20.29 genannten vier Bestimmungen für den Fremdling wei­tere Anordnungen wie das Verbot des Molochdienstes (Lev 20,2) oder der Gotteslästerung (24,16) und vor allem das Sabbatgebot (Ex 20,10; Dtn 5,14) gelten.323 Darüber hinaus besteht auch insofern eine gravieren­ de Differenz, als die Fremdlingsgebote in Lev 17f. auf die Reinheit des 320  In der paganen Gräzität wird πνίγω im Sinne von „gedünstet, geschmort“ gebraucht (zu Belegen vgl. Wilson, Luke, 89f.; Wedderburn, Decree, 366), doch passt diese Bedeutung nicht zum Aposteldekret und dessen Kontext. 321  Dass Ausdrücke, die gerissene oder verendete Tiere bezeichnen, bisweilen parallel zum Erstickten erscheinen (vgl. z.B. Ps.-Clem. Hom. 7,8,1: „[…] an Götzenopferfleisch, Totem, Ersticktem, von Raubtieren Gerissenem, Blut […]“; vgl. auch 8,19,1), spricht nicht zwin­ gend für eine Anknüpfung an Lev 17 (so aber Avemarie, Wurzeln, 18 mit Anm. 58). Viel­ mehr handelt es sich offenbar eher um eine Zusammenstellung von Fleisch, das nicht richtig ausgeblutet ist, wobei dies auf unterschiedliche Art und Weise geschehen kann (vgl. dazu auch Wehnert, Mahl, 1066f., dem zufolge das Verbot des Verzehrs von Geris­ senem in Ps.-Clem. Hom. 7,8,1 über das Aposteldekret hinausgeht). Zur Analyse dieser Verbote vgl. Klijn, Pseudo-Clementines; Wehnert, Reinheit, 145–186. 322  So ausführlich Wehnert, Reinheit, 221–232, vor allem unter Hinweis auf Philo, Spec. 4,122. Vgl. dazu die Beschreibung der Schnitttechniken bei Aviam (s.u. 3.2.4). Dass unter dem Erstickten nicht richtig geschlachtetes Fleisch zu verstehen ist, lässt sich auch aus dem Gebrauch des hebräischen Äquivalents zu πνίγω schließen. Dieses gehört nämlich eben­ falls in den Kontext des Schlachtvorganges (zu Belegen vgl. Avemarie, Wurzeln, 17f., der dennoch einen Bezug des „Erstickten“ auf Lev 17,15 herstellt). 323  So z.B. Avemarie, Wurzeln, 9f. Zur Entkräftung dieses Einwandes werden verschiedene Kriterien für die Auswahl gerade dieser vier Enthaltungsgebote vorgeschlagen, so z.B. die „Ausrottungsformel“, der zufolge entsprechende Übeltäter aus dem Volk ausgerottet wer­ den (vgl. Lev 17,4.9f.10.14; 18,29; so Klinghardt, Gesetz, 181–206), die Tatsache, dass sich die übrigen Verbote wie Molochdienst und Gotteslästerung für solche, die sich zu Gott hinge­ wandt haben, ohnehin verbieten würden (Müller, Tora, 163), oder aber die Annahme, dass

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Landes Israel zielen und sich in der Septuaginta auf Proselyten, d.h. gera­ de nicht mehr auf Nichtjuden, beziehen (vgl. προσήλυτος in Lev 17,3. 8.10.12f.15; 18,26 LXX),324 in Apg 15,20.29 aber auf Heidenchristen und zudem auf die Situation von Judenchristen und Heiden in der Diaspora angewendet werden.325 Eine traditionsgeschichtliche Herleitung der vier Enthaltungsbestimmungen von der Fremdlingsgesetzgebung in Lev 17f. ist somit selbst mit zahlreichen Problemen belastet. Dabei ist es durchaus möglich, dass insbesondere jüdi­ sche Hörer mit einem entsprechenden Hintergrund einen Zusammenhang zu Lev 17f. mitgehört und dementsprechend das Aposteldekret als Anordnungen des Gesetzes verstanden haben, wie sie an die Gerim gerichtet sind. Eine sol­ che Verbindung ist jedoch keineswegs zwingend.326 Sie hat in der Forschung mehrfach Widerspruch erfahren.327 3.2.3.2

Die Enthaltungsvorschriften des Jakobus als universal gültige Regeln für die richtige Verehrung Gottes Die vier genannten Enthaltungsgebote widersprechen dem Gesetz zwar nicht, doch stellt das Gesetz nicht die einzige und vermutlich zudem nicht die primäre Bezugsgröße dieser Bestimmungen dar. Bei den in den Forderungen untersagten Verhaltensweisen handelt es sich nämlich nicht um spezielle Ge­ setzesvorschriften an Juden. Vielmehr stehen sie generell im Gegensatz zur richtigen Verehrung Gottes, und zwar genauer zur Verehrung Gottes als Schöp­ fer. So impliziert der Genuss von Götzenopfern die Verehrung anderer Göt­ ter neben Gott, sexuelle Vergehen bedeuten eine Verehrung des Geschöpfes anstelle des Schöpfers (Röm 1,25) und der Genuss von Blut bzw. Ersticktem verstößt ebenfalls gegen die Anerkennung Gottes als Herrn über das Leben, da im Blut das Leben wohnt und es daher dem menschlichen Gebrauch un­ verfügbar sein soll (Gen 9,4). Angesichts dieses Befundes legt sich für die De­ kretsbestimmungen anstelle einer Herleitung aus dem Gesetz durchaus auch die Präposition ‫„( בתוך‬inmitten“) ausschlaggebend für die Auswahl dieser Anordnungen gewesen sei (Bauckham, Jerusalem Church, 454f.458–460). 324  Vgl. dazu aber, dass die vor allem von Allen, Meaning, eingebrachte Ansicht, dass προσήλυτος bereits in der Septuaginta „Proselyten“ bedeutet, in der Forschung angezwei­ felt wurde (Butera/Moffitt, Dispute). 325  So besonders betont von Deines, Aposteldekret, 356–358. 326  Zu diesem Urteil kommt z.B. auch Löhr, Unzucht, 57f.62. 327  Zur strikten Ablehnung von Lev 17f. als Hintergrund der Dekretsbestimmungen vgl. Wil­ son, Luke, 84–102; Witherington III, Apg, 464f.; zurückhaltender auch Barrett, Apg II, 734f.; Jürgens, Anfang, 158f.

3  Aposteldekret ( Apg 15,20.29; 21,25 )

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eine schöpfungstheologische Begründung nahe.328 Dabei lassen sich zwar inhaltlich gewisse Überschneidungen zur Fremdlingsgesetzgebung in Lev 17f. feststellen.329 Der Hauptunterschied zu Lev 17f. besteht jedoch darin, dass diese Gebote weder auf das Land Israel beschränkt sind noch von den Heiden gar in erster Linie um Israels willen verlangt werden. Als schöpfungstheolo­ gisch verankerte Forderungen sind die entsprechenden Gebote von vornhe­ rein nicht nur an die Juden, sondern grundsätzlich an alle Menschen gerichtet. Gerade dies gilt nun auch für das innerhalb der vorliegenden Verbotsreihe stets als besonders auffällig bewertete Verbot des Blutgenusses. Während die­ ses in der späteren christlichen Auslegungstradition deutlich zurückgedrängt wird – wie schon die für das Aposteldekret selbst erkennbare moralische Deu­ tung als Mord zeigt –, geht es in der jüdischen Tradition auf den Bund zwi­ schen Gott und Noah (Gen 9,4) zurück und wird dementsprechend von der ganzen Menschheit gefordert.330 Diese universale Geltung wird dann auch im Judentum des Zweiten Tempels betont.331 Bisweilen wird das Dekret im Rahmen einer solchen schöpfungstheo­ logischen Herleitung speziell mit den sogenannten noachidischen Ge­ boten in Verbindung gebracht.332 Eine solche Herleitung bleibt jedoch 328  Zur Ablehnung einer Verpflichtung der Heidenchristen auf die Tora mit dem Argument einer schöpfungstheologischen Herleitung des Aposteldekrets vgl. vor allem Deines, Apos­ teldekret, 326.336. Ihm zufolge sind die vier Enthaltungsvorschriften als identitätsstiften­ de kulturelle Tabus zu verstehen, die das jüdische Volk innerhalb der paganen Umwelt der Diaspora absonderten und stabilisierten. Sie seien von Gott durch die Schöpfung gesetzt und darum grundsätzlich allen Menschen zugänglich (380). Daher müssten die Heidenchristen das jüdische Ethos in seinen schöpfungstheologischen (nicht: ritualge­ setzlichen) Grundzügen übernehmen, was von allen Menschen verlangt werden könne (368–377.381–393). Zur Anerkennung des Alleinverehrungsanspruchs und der Schöpfer­ macht Gottes als Zweck der Dekretsbestimmungen vgl. auch Neubrand, Israel, 242; Rost, Aposteldekret, 579.599.603f. 329  Vgl. dazu, dass die Fremdlingsgesetzgebung vermutlich selbst durch diese grundsätzlich für alle Menschen geltenden Gebote beeinflusst ist. 330  Vgl. dazu Milgrom, Lev I, 726, der mit Blick auf das Blutgenussverbot in Apg 15,20 aus­ drücklich feststellt, dass dieses deshalb weiterhin gültig sei, da es für die ganze Mensch­ heit gelte. 331  So vor allem im Jubiläenbuch, wo Noah im Rahmen des Bundesschlusses geradezu schwört, kein Blut zu essen (Jub 6,10; vgl. auch 6,19f.; s.o. Exkurs 2). 332  So schon Schrage, Ethik, 123 (Aposteldekret „offenbar an den noachitischen Geboten ori­ entiert“); Segal, Convert, 194–200, bes. 197f.; ders., History, 77f.: Das ursprüngliche Dekret stehe in großer Nähe zu den Fremdlingsgeboten, die spätere Auslegung hingegen zu den noachidischen Geboten. Vgl. auch Neubrand, Israel, 240f., und den Überblick bei Keener, Apg III, 2263–2269.

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

insgesamt unsicher,333 da sich eine entsprechende Sammlung dieser uni­ versal gültigen Gebote explizit erst in frührabbinischen Texten findet334 und somit nicht vor dem 3. Jh. nachgewiesen werden kann.335 Eine wirk­ liche Überschneidung mit dem Aposteldekret findet sich zudem nur mit den sexuellen Sünden, doch umfassen die noachidischen Gebote auch die Verbote des Blutvergießens und des Götzendienstes. Die häufige Erwähnung dieser Verbote, beispielsweise in den Lasterkatalogen des Paulus, lässt grundsätzlich vermuten, dass es Vorformen dieser Zusam­ menstellungen gegeben hat, die sogenannten protonoachidischen Gebo­ te, die das Aposteldekret beeinflusst haben könnten.336 Abgesehen von der Vermeidung der Probleme, die mit der Herleitung aus Lev 17f. verbunden sind, passt ein solcher schöpfungstheologischer Hinter­ grund deutlich besser zum größeren Rahmen des Aposteldekrets. Dieses be­ trifft dann nämlich durchaus die zentrale Frage des Apostelkonvents nach dem Heil der Heidenchristen (Apg 15,1.11), und zwar ohne dass sich ein Wi­ derspruch zur grundsätzlichen Ablehnung einer soteriologischen Bedeutung der Beschneidung und des Gesetzes ergibt. Aus der allgemeinen Gültigkeit der Enthaltungsbestimmungen folgt dann nämlich am ehesten, dass die Hei­ denchristen diese Anforderungen mit Blick auf ihr eigenes Gottesverhältnis erfüllen sollen.337 Dennoch fordert der lukanische Jakobus die gläubig gewor­ denen Heiden dann nicht etwa speziell dazu auf, eine Übertretung von be­ stimmten Geboten der Tora zu vermeiden. Sieht man das Kriterium für die Auswahl der Enthaltungsvorschriften in universal gültigen Geboten für die richtige Gottesverehrung, so lässt sich zugleich das Fehlen des Verbotes von 333  Zur Kritik an einer solchen Herleitung vgl. Löhr, Unzucht, 59–62, der das Aposteldekret selbst als Teil des jüdischen Diskurses um eine Zusammenfassung der Tora ansieht, die allgemein Anerkennung finden konnte. 334  Zur Darstellung der rabbinischen Traditionen vgl. Müller, Tora, 25–136. 335  Die älteste Überlieferung findet sich in tAZ 8,4. Die dortige Sammlung umfasst: (1) Das Gebot der Rechtspflege und die Verbote (2) von Götzendienst, (3) Gotteslästerung, (4) Unzucht, (5) Blutvergießen, (6) Raub und (7) ein Glied von einem noch lebenden Tier zu essen. Zu einer Zusammenstellung von früheren Texten, die eine Aufzählung von Vorschriften für Heiden bieten, vgl. Keener, Apg III, 2266. 336  Zu den sogenannten noachidischen Geboten und deren Bedeutung für das Neue Testa­ ment insgesamt vgl. vor allem Bockmuehl, Law, 145–173. 337  Anders Deines, Aposteldekret, der den Enthaltungsbestimmungen abgesehen von der Bedeutung für die Gottesbeziehung, die sich aus der schöpfungstheologischen Herlei­ tung ergibt, eine zentrale Funktion für die Rücksichtnahme auf die jüdische Mitwelt in den Diasporasynagogen zumisst (394), u.a. aufgrund seiner Deutung von Apg 15,21 (vgl. 342f.). Zur Rücksichtnahme auf Juden als Zweck des Aposteldekrets vgl. auch Was­ serberg, Mitte, 302f.

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Schweinefleisch gut erklären. Bei einer Deutung des Aposteldekrets als Ver­ pflichtung auf zentrale jüdische Gesetze (um Israels willen) ist dies nämlich in der Tat als auffällig zu bewerten, wie die Vertreter einer solchen Auslegung bisweilen selbst feststellen.338 Gerade das Verbot bestimmter Tiersorten wie Schweinefleisch hat bereits seit der hebräischen Bibel eine zentrale Funkti­ on für Israel als heiliges Volk (s.o. IIA 1.3) und gewinnt in der Diaspora sogar noch an Bedeutung (s.o. IIB 1.1.1). Die Erwähnung des universal gültigen Blut­ verbotes anstelle der in Lev 11/Dtn 14 nur für Israel formulierten Speiseverbote spricht somit ebenfalls dafür, dass der Blick des Jakobus bei der Formulierung des Aposteldekrets nicht primär auf eine Verpflichtung auf das jüdische Ge­ setz gerichtet ist. Dabei ist natürlich mit dem Aposteldekret auch im Fall einer schöpfungstheologischen Herleitung eine jüdische Perspektive verbunden, da die Bewertung als universal gültige Gebote aus der jüdischen Tradition heraus formuliert ist.339 So werden die Bestimmungen zwar per Dekret entschieden, wobei die Autorität des Beschlusses der Heilige Geist und die Apostel sind. Der Herkunftsbereich dieser Bestimmungen ist jedoch durchaus in der Tora zu sehen. Darüber hinaus besteht auch mit Blick auf die konkrete Praxis in gewisser Weise eine Verpflichtung auf jüdische Bräuche und damit das jüdi­ sche Gesetz, da die Enthaltung von Götzenopferfleisch, Blut und Ersticktem wohl am ehesten durch den Einkauf bei jüdischen Metzgern sichergestellt und daher durch einen solchen umgesetzt wird. Die strikte Gegenüberstellung von Juden und Heiden im Hinblick auf die Einhaltung der vier Enthaltungsvorschriften (Apg 15,21) Konkret fordert der lukanische Jakobus mit den Enthaltungsvorschriften eine strikte Abkehr vom Götzendienst und von der bisherigen heidnischen Lebens­ führung.340 Der Grund für die Auswahl gerade dieser vier Dinge und Verhal­ tensweisen durch den lukanischen Jakobus liegt nämlich offenbar weniger in festen Zusammenstellungen dieser Vergehen, wie das Fehlen enger traditions­ geschichtlicher Parallelen zeigt. Vielmehr liegt er darin, dass insbesondere diese Vergehen bei Nichtjuden besonders verbreitet waren. So werden die Heiden in verschiedenen Quellen in besonderer Weise mit diesen verbotenen Dingen assoziiert. Dabei zeigen die entsprechenden Rekurse, dass zu diesen verbote­ nen heidnischen Praktiken durchaus auch Essensfragen gehören.341 Beim 3.2.4

338  So z.B. Avemarie, Wurzeln, 30. 339  Darin ist Öhler, Dokument, 374, trotz der ansonsten m.E. zu stark betonten ethnischen Funktion grundsätzlich zuzustimmen. 340  So vor allem Wedderburn, Decree, 379–389; vgl. auch Barrett, Apg II, 733–735. 341  Witherington III, Apg, 460–464, bes. 464, bezieht die Dekretsbestimmungen hingegen nicht auf Speisen, sondern auf Elemente des heidnischen Kultes (vor allem Opferfleisch,

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Götzen­dienst handelt es sich um das Hauptvergehen der Heiden schlechthin,342 ebenso beim Genuss von Götzenopfern.343 Auch mit sexuellen Vergehen wur­ den die Heiden in besonderer Weise in Verbindung gebracht.344 Dies hat sich unter anderem mehrfach bei Paulus niedergeschlagen, und zwar insbesondere in 1 Kor 5,1345 und 1 Thess 4,3–8346 (vgl. auch Röm 1,21–27). Die unterschiedli­ che Praxis von Juden und Heiden im Hinblick auf den Genuss von Blut (vgl. auch Jub 6,19f.) und Ersticktem lässt sich besonders deutlich daran erkennen, dass im Judentum für Schlachtungen bestimmte Schnitttechniken entwickelt wurden, die im Gegensatz zu nichtjüdischen Schlachtungsriten347 ein voll­ ständiges Ausbluten des Tieres gewährleisten sollten, beispielsweise ohne dass das Tier durch eine Verletzung der Luftröhre an seinem eigenen Blut erstickt.348 Die Heiden verstoßen demzufolge gerade auch mit ihren Essenspraktiken gegen Anweisungen, die für die richtige Gottesverehrung generell erforderlich sind. Für die Juden gilt dies hingegen nicht. Diese Differenz der Juden zu den Heiden bringt der lukanische Jakobus offenbar zum Abschluss seiner Rede mit der in der Forschung allerdings insgesamt sehr umstrittenen349 Aussa­ Blut, Kultprostitution), sodass sie konkret als Warnung vor aktiver Partizipation am heid­ nischen Kult, beispielsweise vor einer Teilnahme an religiösen Feiern in paganen Tem­ peln, zu verstehen seien (vgl. ders., Thoughts, 251f.). 342  Vgl. dazu z.B. den Aristeasbrief (s.o. IIB 1.2.2). 343  Vgl. dazu den Komplex der Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden im griechisch­ sprachigen Judentum, vor allem in der Erzählung Joseph und Aseneth (s.o. IIB 2.1). 344  Vgl. exemplarisch auch Jub 25,1; Sap 14,22–27; zu rabbinischen Texten vgl. Avemarie, Wur­ zeln, 25. 345  Die in 1 Kor 5,1 belegte Feststellung, dass das sexuelle Fehlverhalten innerhalb der Ge­ meinde sogar größer ist als bei den Heiden (καὶ τοιαύτη πορνεία ἥτις οὐδὲ ἐν τοῖς ἔθνεσιν), greift auf die offensichtlich allgemein bekannte Sichtweise zurück, dass πορνεία bei den Nichtjuden in besonderer Weise verbreitet war. Vor diesem Hintergrund lässt sich das Verhalten innerhalb der Gemeinde dann nämlich sogar als schlimmer kennzeichnen als das der Nichtjuden. 346  In 1 Thess 4,3–8 stellt Paulus einen Zusammenhang zwischen πορνεία und πάθει ἐπιθυμίας her, wobei er πορνεία als Ausdruck der ungezügelten Lust den Völkern zuschreibt, aber nicht den Glaubenden in Thessalonich. 347  Die falsche Tötungsart könnte im Hintergrund der Bezeichnung der Speise der Aseneth als „Speise der Erwürgung“ stehen (JosAs 8,5; 21,14; s.o. IIB 2.1.2.2b). 348  Zu archäologischen Zeugnissen in Palästina auch in römischer Zeit, die auf eine genaue Beachtung des Blutverbotes durch entsprechende Praktiken bei Schlachtungen hinwei­ sen, vgl. ausführlich Aviam, Appearance. Zum Durchschneiden der Luftröhre der Tiere bei heidnischen Schlachtungen vgl. auch Sanders, Purity, 278; zur Diskussion dieser Frage vgl. auch mHul 1,3; 2,1; 3,1. 349  Vgl. dazu Barrett, Apg II, 737f.; daneben vor allem Roloff, Apg, 233: „Der letzte Satz der Jakobusrede gibt Rätsel auf, denn es ist nicht ganz deutlich, worauf er sich begründend zurückbezieht.“ Vgl. auch Pervo, Apg, 378.

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ge in Apg 15,21 zum Ausdruck. Der dortige Hinweis auf Mose ist nämlich am ehesten dergestalt zu deuten, dass sich die vorher in Apg 15,20 genannten vier Enthaltungsforderungen bereits bei Mose finden (vgl. das begründende γάρ). Damit stimmt das Aposteldekret mit dem überein, was im Judentum bereits seit alters her (vgl. dazu 15,7) überall kontinuierlich verkündigt wird (Μωϋσῆς γὰρ ἐκ γενεῶν ἀρχαίων κατὰ πόλιν τοὺς κηρύσσοντας αὐτὸν ἔχει ἐν ταῖς συναγωγαῖς κατὰ πᾶν σάββατον ἀναγινωσκόμενος). Anders als für die Heidenchristen sind die genannten Vorschriften für Juden demzufolge keine neuen Anordnun­ gen, sondern werden zeitlich und räumlich weit verbreitet gelehrt. Die jüdi­ sche Gemeinschaft trägt ihnen somit seit jeher mit der Erfüllung des Gesetzes Rechnung. Eine Verpflichtung der Heidenchristen auf das Gesetz oder ent­ sprechende Teile des Gesetzes lässt sich aus diesem abschließenden Hinweis auf Mose jedoch – anders als es in der Forschung vielfach vertreten wird350 – nicht gewinnen. Dagegen spricht insbesondere die dezidierte Verortung des Mosegesetzes „in den Synagogen“.351 Bei den vier Enthaltungsvorschriften handelt es sich in der Tat um solche Forderungen, deren Beachtung für das Judentum breit belegt ist. So klingt das Verbot des Genusses von Götzenopfern bereits in den biblischen Schriften an (s.o. IIA 1.1.3) und wird im späteren Judentum im Kontext der Auseinanderset­ zung zwischen Juden und Heiden besonders betont.352 Auch das strikte Ver­ bot des Blutgenusses findet sich nicht nur in den biblischen Schriften (s.o. IIA 1.1.2.2), sondern wird auch in der Folgezeit insgesamt vielfach aufgenommen, und zwar zum einen in dem am ehesten im palästinischen Bereich zu veror­ tenden Jubiläenbuch, in den Schriften aus Qumran und im rabbinischen Ju­ dentum, daneben aber auch im griechischsprachigen Judentum, zum Beispiel bei Philo und Josephus (s.o. Exkurs 2). Das Verbot von sexuellen Verfehlungen ist ebenfalls breit belegt. Dabei kann πορνεία im engeren Sinne für den Sexual­ 350  Vgl. exemplarisch Jervell, Apg, 398f.; ders., Aposteldekret, 231f.; Wehnert, Reinheit, 211. 351  Gerade angesichts dieser Verortung der Verkündigung von Mose in den Synagogen wird in der Forschung bisweilen umgekehrt dafür plädiert, dass in Apg 15,21 eine Gesetzesver­ pflichtung der Heidenchristen strikt abgelehnt wird. So sieht z.B. Schwartz, Futility, in der Bestimmung des Gesetzes durch Mose vor dem Hintergrund der Aussage in Apg 15,5 eine insgesamt negative Bewertung des Gesetzes. Daher schließt er Apg 15,21 nicht an die unmittelbar vorangehenden Enthaltungsvorschriften in Apg 15,20, sondern an Apg 15,19 an und bewertet Apg 15,21 damit gerade als Begründung für die dort abgelehnte Verpflich­ tung der Heiden auf das Gesetz. Das mosaische Gesetz ist eine Last, die schon die Juden faktisch nicht tragen. Daher müssen Heiden das Gesetz des Mose erst recht nicht über­ nehmen. So auch Rost, Aposteldekret, 600f. 352  Vgl. z.B. 4 Makk 5,2; zu weiteren Belegen s.o. IIB 1.1.2 Anm. 41. Zentrale Bedeutung hat der Komplex des Götzenopferfleisches vor allem für die Frage der Tischgemeinschaft zwi­ schen Juden und Heiden im griechischsprachigen Judentum (s.o. IIB 2.1).

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verkehr mit einer Prostituierten verwendet werden,353 sich daneben aber auch mit dem Gebrauch von μοιχεία für den Ehebruch überschneiden.354 Meist dient es als Sammelbezeichnung für illegitimen Sexualverkehr355 außerhalb einer legitimen Ehe (vgl. 1 Kor 7,1–9). Das Verhältnis des Petrus und Paulus zum Aposteldekret – breiter Konsens oder Grund für neue Auseinandersetzungen? Die Bestimmungen des Aposteldekrets werden in der Forschung häufig als „Kompromissvorschlag“ bewertet, sodass Jakobus letztlich für einen Mittel­ weg zwischen Petrus und den Pharisäern plädiere.356 Anstelle einer solchen Deutung, wie sie gerade auch mit der Bezeichnung als sogenannte Jakobus­ klauseln mitschwingt, ist für die Bestimmungen des Aposteldekrets jedoch eher von einem grundsätzlichen Konsens unter Jakobus, Petrus und auch Pau­ lus auszugehen.357 Darauf deutet bereits die zumindest von Lukas erwähnte Einigung auf den Vorschlag des Jakobus (Apg 15,28; vgl. dazu auch ὁμοθυμαδόν 3.3

353  Für Rahab (Jos 2,1 LXX) und Tamar (Gen 38,15 LXX); vgl. auch Spr 6,26a LXX; Philo, Mos. 1,302; ferner Mt 21,31f.; Lk 15,30. Ausgehend davon kann πορνεία metaphorisch den Abfall von Gott (Hos 4,12; Ez 16,1–52 mit Ez 23; vgl. Jer 2,20; 3,1ff. [jeweils LXX]; vgl. auch Offb 2,2) bezeichnen (vgl. dazu auch den Gebrauch für den illegitimen Sexualkontakt israelitischer Männer mit moabitischen Frauen im Zusammenhang mit exzessivem Götzendienst in Num 25). 354  Für den Sexualkontakt mit einer verheirateten Frau vgl. Sir 41,17 mit 41,20; Mt 5,32; 19,9; vgl. auch Offb 2,20–22. 355  Zu dieser umfassenden Bedeutung von πορνεία vgl. abgesehen von der Erwähnung dieses Terminus in den urchristlichen Lasterkatalogen (Mt 15,19; Mk 7,21f.; 2 Kor 12,21; Gal 5,19f.; Eph 5,3; Kol 3,5; vgl. auch πόρνοι: Eph 5,5; 1 Tim 1,10; Hebr 13,4; Offb 21,8; 22,15) auch den Gebrauch in der jüdischen Literatur (vgl. Kirchhoff, Sünde, 16–37), vor allem in den Testamenten der Zwölf Patriarchen, in denen dieser Begriff insgesamt sehr häufig belegt ist, und zwar beispielsweise für den Verkehr mit einer Nichtjüdin (TestXII.Jos 3,8) und den gleichgeschlechtlichen Sexualkontakt (TestXII.Lev 14,6); vgl. auch TestXII.Jud 14,2f.; TestXII.Dan 5,6; TestXII.Rub 1,6; 3,3; 4,7–11 (für Joseph mit der Frau Potiphars; vgl. Gen 39,7–18); TestXII.Lev 9,9; TestXII.Sim 5,3f. Im Jubiläenbuch, das einen Schwerpunkt auf sexuelle Vergehen legt, werden – abgesehen von Fremdehen (vor allem Jub 25,1; 30,2–15) – folgende verbotene sexuelle Handlungen aufgeführt: der gleichgeschlechtliche Verkehr (16,5), der Geschlechtsverkehr mit einer verheirateten Frau (39,6 für Joseph mit der Frau Potiphars) sowie mit der Ehefrau des Vaters (Jub 33) oder des Vaters mit seiner Tochter (16,8). Ursprünglich bezeichnet der Terminus πόρνος hingegen spezieller jemanden, der für Geld Unzucht treibt (vgl. dazu Passow, s.v. πόρνος 1). 356  So ausdrücklich Schneider, Apg II, 187 und 183f.; vgl. u.a. auch Pervo, Apg, 379; Pesch, Apg II, 81; Keener, Apg III, 2258.2269. 357   Ähnlich Bockmuehl, Law, 165, der anstelle einer Bewertung der Rede des Jakobus als „Kompromissvorschlag“ ebenfalls eher eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Jakobus und Petrus sieht.

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in 15,25) als Ergebnis des Apostelkonvents hin.358 Ein Vergleich zwischen der Rede des Jakobus und der des Petrus lässt zudem deutlich erkennen, dass deren Positionen keinen grundsätzlichen Gegensatz in der Sache darstellen. Eine prinzipielle Ablehnung der Aposteldekretsbestimmungen ist auch für Paulus selbst – anders als in der Forschung oft vertreten – wenig plausibel, und zwar trotz der Tatsache, dass es sich bei ihnen nicht um rein moralische Gebo­ te handelt. Damit stellt Lukas aber für Jakobus, Petrus und Paulus als den drei Hauptakteuren des Aposteltreffens eine grundsätzliche Übereinstimmung etwa im Gegenüber zu den Beschneidungsforderern fest. 3.3.1

Die Position des Jakobus im Vergleich zu der des Petrus – keine grundsätzliche Differenz, sondern Ergebnis einer anderen Sichtweise auf die Heiden Wenn nun Jakobus offensichtlich keine Verpflichtung der Heiden auf das Ge­ setz fordert und selbst das von ihm in die Diskussion eingebrachte Apostel­ dekret vermutlich nicht in einem solchen Sinne zu verstehen ist, stellt sich in besonderer Weise die Frage, warum die ausführliche Rede des Jakobus mit dem Aposteldekret überhaupt noch nötig ist. Worin besteht dann nämlich das Neue und Besondere dieser Rede etwa gegenüber der unmittelbar zuvor angeführten Rede des Petrus mit der vehementen Ablehnung einer soterio­ logischen Bedeutung des Gesetzes? Eine genauere Untersuchung der Rede des Petrus zeigt deutlich, dass der Grund für die zusätzliche Erwähnung des Aposteldekrets in erster Linie in einer unterschiedlichen Sichtweise des Pe­ trus und Jakobus auf die Heiden liegt. Im Vergleich zu Jakobus hat der luka­ nische Petrus nämlich ein deutlich positiveres Bild von den Nichtjuden. Dies lässt sich besonders an der Nähe der Rede des Petrus zur Corneliusperikope aus Apg 10,1–11,18 erkennen. Sowohl der lukanische Petrus selbst359 als auch Jakobus (vgl. 15,14)360 stellen einen direkten Zusammenhang zu dieser Erzäh­ 358  Zur Rezeption des Aposteldekrets vgl. den Überblick bei Barrett, Decree, 55–57; Wehnert, Reinheit, 187–208; ausführlich Lang, Bestimmungen. 359  Vgl. die Feststellung des lk. Petrus in Apg 15,7, dass Gott bereits vor langer Zeit bestimmt habe, dass die Nichtjuden durch ihn das Wort hören und glauben sollen (ἀφ’ ἡμερῶν ἀρχαίων ἐν ὑμῖν ἐξελέξατο ὁ θεὸς διὰ τοῦ στόματός μου ἀκοῦσαι τὰ ἔθνη τὸν λόγον τοῦ εὐαγγελίου καὶ πιστεῦσαι). Eine Differenz liegt allerdings darin, dass das Geschehen in Apg 15,7 als in ferner Zeit liegend bestimmt wird. 360  So die Mehrheit der Forscher, besonders betont bei Bruce, Decree, 122f., der das Apostel­ dekret damit geradezu als von Petrus inspiriert ansieht; gegen eine Deutung von Apg 15,14 als Rückverweis auf Simeons Aussage in Lk 2,25–35 (so vor allem Riesner, Speech; auf­ genommen von Neubrand, Israel, 119–130). Vom Kontext her wenig naheliegend ist der Vorschlag, den Heimerdinger, Simeon, gemacht hat, wonach Simeon sich auf einen Hohepriester mit diesem Namen beziehe.

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

lung her. Dabei lässt sich die Anknüpfung des Petrus an die Corneliusperiko­ pe vor allem daran erkennen, dass er die soteriologische Bedeutungslosigkeit des Gesetzes mit der von Gott nicht vorgenommenen Differenzierung zwi­ schen Juden und Heiden begründet. So konstatiert der lukanische Petrus in Apg 15,8 eine Entsprechung der Gabe des Geistes durch Gott an die Heiden zu der an die Juden (δοὺς τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον καθὼς καὶ ἡμῖν), wie sie für die Corneliusperikope zentral ist (10,47; 11,17; vgl. 11,15). Die bereits durch den Ge­ brauch von καθώς zum Ausdruck gebrachte gleiche Behandlung von Juden und Heiden stellt der lukanische Petrus dann noch einmal explizit in Apg 15,9 fest (καὶ οὐθὲν διέκρινεν μεταξὺ ἡμῶν τε καὶ αὐτῶν). Dabei lässt Lukas Petrus auch mit dem von ihm strikt verneinten διακρίνω deutlich an den Gebrauch dieses Verbums innerhalb der Corneliuserzählung anknüpfen (10,20; 11,12; vgl. auch 10,28.34). Der lukanische Petrus fasst demzufolge in Apg 15,7–9 offensichtlich seine zentralen Erkenntnisse aus der Begegnung mit Cornelius zusammen. Mit Cornelius hat er nun aber einen Heiden vor Augen, der sich gravierend von der negativen Bewertung der Nichtjuden unterscheidet, wie sie im Hintergrund der Dekretsbestimmungen liegt. Cornelius wird nämlich als jemand beschrie­ ben, der sich bereits vor seiner Hinwendung zu Christus grundsätzlich durch Gottesverehrung und Gerechtigkeit auszeichnet (s.u. IIIB 4.1.2), jedoch gerade nicht etwa als Unzüchtiger oder gar Götzendiener. Damit treffen aber die in Apg 15,20 genannten Verhaltensweisen auf ihn ohnehin nicht zu.361 Vielmehr 361  In der Forschung werden die Verbindungen zwischen Apg 15,7–10 und 10,1–11,18 zwar durchaus erkannt, jedoch wird die unterschiedliche Bewertung der Heiden nicht wahr­ genommen. So werten viele die Tischgemeinschaft des Petrus mit Cornelius gerade als einen Verstoß gegen den Vorschlag des Jakobus, so z.B. Wehnert, Reinheit, 74–81, 77: Petrus hätte „tatsächlich nicht ohne weiteres mit Kornelius und dessen Hausgemein­ schaft essen dürfen, sondern den bekehrten Heiden zunächst die Einhaltung grundle­ gender Vorschriften des jüdischen Ritualgesetzes einschärfen müssen“. Salo, Treatment, 252, sieht die Beziehung zwischen Apg 10,1–11,18 und 15,1–29 gar als eine Entwicklung von einer vollkommenen Freiheit vom Gesetz zu einer Verpflichtung auf dieses. Anders aber Regev, dem zufolge das Aposteldekret geradezu sicherstellen soll, dass alle Heiden im Rahmen ihrer Hinwendung zu Gottesfürchtigen werden, die im Synagogenverband ste­ hen (Conversion, 360f.368). Regev ist darin Recht zu geben, dass das Aposteldekret sich nicht an Gottesfürchtige, sondern an die götzendienerischen Heiden wendet (360), doch geht seine Deutung ansonsten weit über den Text hinaus, und zwar auch abgesehen von der grundsätzlichen Frage, inwieweit die Existenz von Gottesfürchtigen als Gruppe für Lukas überhaupt vorauszusetzen ist. So betont Lukas in der Tat, dass die Öffnung der Heilsgemeinschaft für Nichtjuden über die gottesfürchtigen Heiden verläuft, sodass auf sie ein abgestuftes System der Bekehrung durchaus zutrifft. Daraus ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig, dass dies grundsätzlich für alle Heiden gefordert wird. Auch für die in Apg 15,1–21 berichtete Bekehrung der Heiden lässt sich dies gerade nicht feststellen (so

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reiht sich die Erzählung von Cornelius in andere Bekehrungsgeschichten von Heiden ein, in denen diese ähnlich positiv bestimmt werden.362 Insgesamt stehen diesen positiv bewerteten Einzelpersonen jedoch zahlreiche Aussagen zu Heiden gegenüber, in denen diese als äußerst negativ gekennzeichnet wer­ den. Sie erscheinen unter anderem als solche, die Gott nicht die notwendige Verehrung bzw. Anerkennung zuteilwerden lassen (Apg 14,11–18; 17,18–34).363 Gerade auf diese Nichtjuden, die die typisch heidnische Lebensweise führen, beziehen sich jedoch die von Jakobus vorgeschlagenen Enthaltungsvorschrif­ ten. Der lukanische Jakobus hat demzufolge in seiner Rede insbesondere die beispielsweise götzendienerischen Heiden im Blick. Er führt somit gegenüber der Rede des Petrus insofern eine neue Perspektive an, als er darauf verweist, dass sich eben längst nicht alle Heiden so positiv verhalten wie Cornelius. Ins­ besondere für die große Mehrheit der Heiden, deren Bekehrung im Rahmen des Apostelkonvents berichtet wird (14,27; 15,3.12), lässt sich ein so positives Bild wohl kaum voraussetzen. Sie hat offenbar vielmehr eher eine den Dekrets­ bestimmungen entsprechende Vergangenheit, von der sie sich im Zusammen­ hang ihrer Hinwendung zu Christus dringend abkehren muss. Die zusätzliche Erwähnung der Enthaltungsbestimmungen bedeutet somit keine grundsätzliche Differenz zwischen Petrus und Jakobus, etwa dergestalt, dass Jakobus Bedingungen von den Heidenchristen fordert, die über das hin­ ausgehen, was Petrus selbst verlangt. Vielmehr steht Petrus den Forderungen des Jakobus durchaus nahe. Auch Petrus beschränkt in Apg 10,35 das GottAngenehmsein nämlich auf diejenigen, die Gott verehren und Gerechtigkeit tun (ὁ φοβούμενος αὐτὸν καὶ ἐργαζόμενος δικαιοσύνην δεκτὸς αὐτῷ ἐστιν; s.u. IIIB 4.3.2.1). Gerade diese Aussage lässt aber darauf schließen, dass auch Petrus eine Einhaltung der auf die richtige Gottesverehrung zielenden Dekretsbe­ stimmungen grundsätzlich für nötig hält. Der lukanische Petrus betont jedoch in seiner Rede nicht etwa die Verkommenheit der Heiden im Gegensatz zu den das Gesetz beachtenden Juden, sondern legt den Fokus vielmehr umgekehrt darauf, dass auch die Juden das Joch des Gesetzes selbst nicht tragen können ([…] ἐπιθεῖναι ζυγὸν ἐπὶ τὸν τράχηλον τῶν μαθητῶν ὃν οὔτε οἱ πατέρες ἡμῶν οὔτε von Regev selbst eingeräumt, vgl. 366). Dass sich die Heiden im Rahmen ihrer Bekehrung zu Christus der Gruppe der Gottesfürchtigen anschließen sollen, ergibt sich kaum aus dem Aposteldekret selbst, da dieses vom jüdischen Standpunkt aus recht minimale Dinge fordert. 362  Vgl. daneben vor allem den Kämmerer (Apg 8,26–39) und Sergius Paulus (13,6–12). 363  Zur negativen Kennzeichnung der Nichtjuden vgl. auch Lk 12,29f.; 17,26–29; 21,24; 22,25; 23,12.16.24f.; Apg 4,25–27; 7,7.19; 17,16; 19,23–41; 28,4–6; vgl. auch Stenschke, Portrait, 243–275.378–382.

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ἡμεῖς ἰσχύσαμεν βαστάσαι in 15,10). Als solche sind sie aber durch das Gesetz nicht gerecht, sondern brauchen ebenfalls die von Lukas insgesamt als zentra­ les Heilsereignis bewertete Sündenvergebung,364 und zwar durch den Glauben (vgl. auch 2,38).365 Auch diese Sicht findet sich innerhalb der Corneliusperi­ kope wieder. Die in Apg 10,43 Petrus in den Mund gelegte Aussage impliziert nämlich offenbar, dass Juden und Nichtjuden Sünden begehen.366 Sowohl die Nichtjuden, und zwar durchaus auch die gottesfürchtigen Nichtjuden, als auch die Juden brauchen demzufolge die Rettung in Form der Sündenvergebung,367 welche jeweils erst durch Jesus Christus stattfindet. Dementsprechend glau­ ben auch die Juden – wie der lukanische Petrus zum Abschluss seiner Rede feststellt – durch die Gnade des Herrn Jesus gerettet zu werden, wie auch die Nichtjuden (ἀλλὰ διὰ τῆς χάριτος τοῦ κυρίου Ἰησοῦ πιστεύομεν σωθῆναι καθ’ ὃν τρόπον κἀκεῖνοι in 15,11). Damit ist aber deutlich, dass Petrus in seiner Rede ins­ gesamt von einer großen Nähe zwischen Heiden und Juden ausgeht, und zwar weil er vor allem gottverehrende Nichtjuden im Blick hat, die generell eher auf die Seite der Juden als auf die der götzendienerischen Heiden gehören. Jakobus geht hingegen von einer größeren Differenz zwischen Juden und Hei­ den aus und fordert daher eine strikte Unterscheidung der Heidenchristen von den geradezu götzendienerischen Heiden. Die beiden Reden sind demzufolge längst nicht als so divergent anzusehen, wie es in der Forschung oft geschieht. 3.3.2

Das Aposteldekret im Rahmen der Theologiegeschichte des Urchristentums: das Verhältnis von Apg 15,20.29 zu Gal 2,11–14 Der Apostelkonvent, der für die Geschichte des Urchristentums von beson­ derer Bedeutung ist,368 hat abgesehen von Apg 15,1–29 auch bei Paulus in Gal 2,1–10 Aufnahme gefunden.369 Dabei stimmen beide Darstellungen zwar 364  Die Sündenvergebung ist das zentrale Heilsereignis innerhalb des lk. Doppelwerks. Heil bedeutet nämlich geradezu Erlass der Sünden (Apg 10,43). Die Sündenvergebung gehört eng mit der Rechtfertigung zusammen (13,38) und ist vor allem mit der Taufe verbunden (2,38; 22,16; 26,18). Zur Sündenvergebung vgl. auch Lk 1,77; 7,36–50 (bes. V. 47–49); 24,47; Apg 3,19; 5,31; vgl. auch Lk 18,13. 365  Zur Bindung der Sündenvergebung an den Glauben vgl. Apg 10,43; vgl. daneben auch, dass der Glaube an Jesus Heil bringt (Apg 16,31; 26,18). 366  So auch die Auslegung von Apg 10,43 durch Stenschke, Portrait, 254 Anm. 671. Vgl. dazu auch Apg 3,19. 367  Vgl. Stenschke, Portrait, 383f., im Anschluss an Marshall; vgl. auch 273. 368  Vgl. dazu vor allem Hahn, Bedeutung, 109–113. 369  In der Forschung wird das von Paulus in Gal 2,1–10 erwähnte Aposteltreffen in Jerusa­ lem mit mehreren der in der Apostelgeschichte erwähnten Jerusalembesuche des Paulus identifiziert (ausführlich zu den verschiedenen Vorschlägen Zeigan, Aposteltreffen; zu

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grundsätzlich im Ergebnis dieses Aposteltreffens überein, nämlich in der Verständigung auf die Möglichkeit der beschneidungsfreien Heidenmission, doch weisen sie ansonsten mehrere gravierende Differenzen auf.370 Beson­ ders auffallend ist das gänzliche Fehlen des Aposteldekrets in der Darstellung des Paulus. Dies verlangt in der Tat nach einer Erklärung.371 In der Forschung wurde diese Spannung zumeist dadurch zu lösen versucht, dass das nur von Lukas erwähnte Aposteldekret nicht als ursprünglicher Teil des Apostelkon­ vents betrachtet wird.372 Erst Lukas habe das Dekret nachträglich mit dem Apostelkonvent in Verbindung gebracht, sodass sich sein Bericht in Apg 15,1–35 genaugenommen auf zwei unterschiedliche Ereignisse bezieht.373 Dabei wird dann zumeist eine Verbindung zwischen dem Aposteldekret und dem antio­ chenischen Zwischenfall vorgeschlagen,374 wobei das Aposteldekret im Ein­ zelnen zumeist als Lösung des antiochenischen Konfliktes,375 seltener auch einem Überblick Keener, Apg III, 2195–2202). Am häufigsten wird in der deutschen For­ schung eine Verbindung zwischen Gal 2,1–10 und Apg 15,1–29 gesehen. 370  Zum Vergleich zwischen Gal 2,1–10 und Apg 15,1–29 vgl. die Tabelle bei Mußner, Gal, 127–132. 371  Zu einem Überblick über diese Frage Keener, Apg III, 2203–2206. 372  Insbesondere die Feststellung des Paulus in Gal 2,6, ihm sei von den maßgebenden Män­ nern nichts auferlegt worden, wird als Argument gegen eine Beschlussfassung des Apos­ teldekrets bereits auf dem Apostelkonvent bewertet. Vgl. dazu z.B. Conzelmann, Apg, 93: „Daß das Dekret auf dem Apostelkonzil beschlossen wurde, ist durch Gal 2,6 ausge­ schlossen.“ Zu weiteren Vertretern vgl. Haenchen, Apg, 452 (bes. Forscher aus dem 19. Jh., z.B. Overbeck und Weizsäcker); vgl. daneben auch Becker, Gal, 33; Avemarie, Wurzeln, 28. Anders hingegen zuletzt Haacker, der keinen Widerspruch zwischen Apg 15,28f. und Gal 2,6 und damit auch keinen Grund für eine Bewertung des Aposteldekrets als späteren Beschluss sieht, der von Lukas erst nachträglich mit dem Apostelkonzil verbunden wor­ den sei (Apg, Exkurs „Zum Verhältnis zwischen Apg 15 und Gal 2,1–10“). 373  So z.B. Mußner, Gal, 130: „Am wahrscheinlichsten […] ist, daß das ‚Aposteldekret‘ erst einige Zeit nach dem Apostelkonzil zustande kam und von Lukas in den Bericht über dasselbe hineingenommen wurde.“ 374  Entscheidende Bedeutung für eine solche Verbindung des von Jakobus stammenden Apos­teldekrets mit Gal 2,11f. hat wohl vor allem die Erwähnung der Jakobusleute in Gal 2,12 als eigentliche Ursache der dortigen Auseinandersetzung. 375  Dass das Aposteldekret die Lösung des antiochenischen Konflikts in Gal 2,11–14 ist, geht auf die Tübinger Schule zurück und wird bis heute von der Mehrheit der Forscher ange­ nommen (zu einer Vielzahl von Vertretern aus der älteren Forschung vgl. Haenchen, Apg, 452), vgl. dazu den Überblick bei Heil, Speisegebote, 150–160, der diesem Forschungskon­ sens zustimmt (158). So z.B. auch Hahn, Mission, 70–74, dem zufolge beide Ereignisse schon in der vorlk. antiochenischen Tradition verbunden wurden; Holtz, Bedeutung, 124f.; ders., Zwischenfall, 354f.; Kümmel, Form, 287; ausführlich Strobel, Folge, bes. 91f., der geradezu die Gegner des Paulus in Galatien mit den Vertretern des Aposteldekretes identifiziert (102 u.ö.); Öhler, Barnabas, 85.432–434; Schwemer, Paulus, 174; Konradt,

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als dessen Auslöser376 verstanden wird. Die fehlende Erwähnung des Apostel­ dekrets bei Paulus, etwa als Ergebnis des antiochenischen Zwischenfalls, wird dann bisweilen gar als Indiz dafür ausgewertet, dass Paulus es grundsätzlich ablehnt,377 sich jedoch im antiochenischen Konflikt mit Petrus in dieser Frage nicht durchsetzen konnte.378 Eine solche Rekonstruktion, der zufolge das Aposteldekret erst nach dem Apostelkonvent beschlossen wurde, stellt geradezu einen Forschungskonsens dar. An ihr sind jedoch erhebliche Zweifel angebracht.379 Dies gilt insbesonde­ re für die gelegentlich vertretene Auffassung einer grundsätzlichen Ablehnung des Aposteldekrets durch Paulus. Eine solche lässt sich weder aus der Dar­ stellung der Apostelgeschichte380 noch aus den Briefen des Paulus schlüssig Datierung, 26 (Anm. 25) und 27 (Anm. 30); daneben auch Pesch, Abkommen, 106f.; Weiser, Apostelkonzil, 152.163; Klinghardt, Gesetz, 219f.; Wehr, Petrus und Paulus, 69.73; vgl. auch Bruce, Decree, 119–122; Salo, Treatment, 234f. Innerhalb dieses größeren Rahmens finden sich bisweilen Nuancierungen: Pratscher, Herrenbruder, 87, zufolge gehört das Dekret ebenfalls in die Zeit nach dem antiochenischen Zwischenfall, stammt jedoch nicht aus Jerusalem oder gar von Jakobus, sondern aus Antiochia selbst und ist daher „eine Art freiwillige Selbstbeschränkung“ (Hervorhebung im Original); vgl. dazu erneut ders., Beitrag. Zeigan, Aposteltreffen, 492, zufolge dient das in Apg 15,1–35 berichtete Treffen insgesamt der Lösung der Auseinandersetzung in Gal 2,11–14, wohingegen Gal 2,1–10 seine lk. Paral­ lele in Apg 11,27–30; 12,25 habe. Dabei verortet er die Auseinandersetzung zwischen Pau­ lus und Petrus bei dem in Apg 18,22 erwähnten Besuch in Antiochia, sodass er Apg 15,1–35 vollständig aus dem lk. Aufriss herauslösen muss. Bisweilen wird das Aposteldekret nach dem Apostelkonvent, aber noch vor dem antiochenischen Zwischenfall verortet (so Catch­ pole, Paul, 442; im Anschluss an ihn auch Wilson, Luke, 77). 376  So Wehnert, Reinheit, 126–130; Catchpole, Paul, 442. Taylor, Jerusalem Decrees, zufolge ist eine unterschiedliche Deutung des Aposteldekrets der Grund für den antiochenischen Zwischenfall, wobei Jakobus das Aposteldekret vor dem Hintergrund eines Verständnis­ ses als noachidische Gebote im Sinne einer strikten Trennung von den Heiden auslege. 377  Dazu tendiert auch Avemarie, Wurzeln, 27–29; besonders betont von Strobel, Apostel­ dekret, 184; ders., Folge, 87; vgl. auch Hengel, Geschichtsschreibung, 91; Jervell, Apg, 407. Zuletzt stellt John, Identitätskrise, 619, erneut ausdrücklich fest, dass Paulus das Apostel­ dekret nicht mitgetragen hätte. 378  So z.B. ausdrücklich Schneider, Apg II, 191; Roloff, Apg, 227; Esler, Gal, 135.140. Demgegen­ über stellt z.B. Gibson, Peter, 275–283, grundsätzlich in Frage, dass sich Paulus im antio­ chenischen Streit mit Petrus nicht durchsetzen konnte. Besonders vehement weist Feld, Christus, 131, die in der Forschung vielfach vertretene These von einer Niederlage des Pau­ lus zurück. 379  Zweifel an einer Verbindung des Aposteldekrets mit Gal 2,11–14 werden in der Forschung nur selten geäußert, so aber z.B. Radl, Gesetz, 173 Anm. 15, und zwar mit dem Argument, dass der Fokus des Aposteldekrets nicht auf der Frage der Tischgemeinschaft liege; ähn­ lich auch Deines, Aposteldekret, 356.361f. 380  Die Apostelgeschichte bietet insgesamt keinen Hinweis darauf, dass Paulus die Anord­ nungen des Dekrets nicht eingehalten hat. Vielmehr wird der Beschluss des Apostelkon­ ventes einschließlich des Dekrets in Antiochia gerade positiv aufgenommen (vgl. 15,31:

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herleiten.381 Die Bestimmungen des Aposteldekrets u ­ mfassen nämlich g­ erade Dinge, die auch Paulus selbst verbietet und zutiefst ablehnt. Unzucht (πορνεία) wird beispielsweise auch von ihm unter keinen Umständen geduldet, sondern ist sogar ein zwingender Grund für den Ausschluss aus der Heilsgemeinschaft (1 Kor 5,1–13; s.u. IIIB 1.2). Gleiches gilt für Götzendiener.382 Dabei verunreini­ gen Götzenopfer Paulus zufolge zwar offenbar nicht generell durch physischen Kontakt. Auf diejenigen, die Götzen noch als real ansehen, haben sie jedoch durchaus einen verunreinigenden Effekt (1 Kor 8,7). Von ihnen fordert daher auch Paulus weiterhin eine strikte Vermeidung von Götzenopferfleisch (s.o. 1.2).383 Bei einer Beschränkung der Auseinandersetzung in Antiochia auf die durch das Aposteldekret verbotenen Speisen lässt sich somit aber der auffal­ lend scharfe Ton des Paulus in Gal 2,11.14 nur schwer erklären. Dies gilt umso mehr, wenn es sich – wie soeben dargelegt – beim Aposteldekret gar nicht bzw. zumindest nicht primär um die von Paulus besonders vehement bestrittene Verpflichtung der Heidenchristen auf das jüdische Gesetz handelt. Gerade die offenbar im antiken Judentum vertretene Bewertung der Aposteldekretsbe­ stimmungen als Forderungen, die prinzipiell von allen Menschen für die rich­ tige Gottesverehrung verlangt werden, lässt eine grundsätzliche Ablehnung dieser Forderungen durch Paulus äußerst fragwürdig erscheinen. Sie steht da­ rüber hinaus im strikten Widerspruch zu Gal 2,14. Dort bewertet Paulus das Verhalten des Petrus nämlich gerade dergestalt, dass dieser die Heiden zu einer παράκλησις und ἐχάρησαν). Nach Apg 16,4 übergibt Paulus die Beschlüsse auf seiner wei­ teren Mission. 381  Gegen eine Ablehnung der Aposteldekretsbestimmungen durch Paulus vgl. auch Böcher, Aposteldekret, 332: „Daß die Paulusbriefe den Genuß von Blut und Ungeschächtetem nir­ gendwo erwähnen, hat doch wohl den Grund, daß für Paulus solcher Verzicht selbstver­ ständlich war, auch bei seinen Lesern“; kritisch gegenüber der gängigen These von einer Ablehnung des Aposteldekrets durch Paulus auch Staats, Blutverbot, 792. Eine Anerken­ nung des Dekrets durch Paulus vertreten auch Kraus, Jerusalem, 163–165; Niebuhr, Fragen, 36f.; Gibson, Peter, 243. 382  Vgl. dazu, dass Unzüchtige und Götzendiener Paulus zufolge das Reich Gottes nicht erben werden (Gal 5,19–21; 1 Kor 6,9f.). 383  Gegen Wehnert, Reinheit, 135, der gerade darin einen Unterschied zwischen Paulus und dem Aposteldekret sieht, dass Paulus den „Verzehr von Götzenopferfleisch prinzipiell für erlaubt ansieht“. Eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen 1 Kor 8,1–11,1 und dem Aposteldekret sieht vor allem Cheung, Idol Food, 185–194, daneben auch Witherington III, jedoch nicht vor dem Hintergrund des generellen Verbotes von Götzenopferfleisch. Er zieht diese Verbindung vielmehr auf der Basis seiner Annahme, dass in Apg 15,19f.29 von den Heidenchristen nicht allgemein die Einhaltung der jüdischen Speisegebote gefordert werde, sondern spezieller, sich von Mahlzeiten in heidnischen Tempeln fernzuhalten. Ge­ rade angesichts dieser Beschränkung des Aposteldekretes auf den Bereich von paganen Tempeln (Idol Meat, 43) sei es aber anzunehmen, dass Paulus in 1 Kor 8,1–11,1 das Apostel­ dekret in der korinthischen Gemeinde in Kraft zu setzen versuche (54).

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spezifisch jüdischen Lebensweise (πῶς τὰ ἔθνη ἀναγκάζεις ἰουδαΐζειν) zwingen will. Bei einem Bezug von Gal 2,11–14 auf das Aposteldekret muss man für Pau­ lus demzufolge ein deutlich anderes Verständnis dieser Enthaltungsbestim­ mungen voraussetzen, als es offenbar im zeitgenössischen Judentum selbst üblich war. Diese Zweifel an einer Verbindung zwischen dem antiochenischen Zwischenfall und dem Aposteldekret werden durch eine genauere Untersu­ chung von Gal 2,11–14 selbst bestätigt. Die in der Forschung häufig vertretene Auslegung als Konflikt um Speisen ergibt sich nämlich vor allem aufgrund der vorausgesetzten Verbindung zu Apg 15,20, wie auch das Aposteldekret von der Erwähnung der Tischgemeinschaft in Gal 2,11–14 her häufig als Mittel zur Rege­ lung von Tischgemeinschaft gedeutet wird. Die Annahme einer engen Verbin­ dung zwischen Gal 2,11–14 und Apg 15,20 führt somit dazu, dass beide Texte in entscheidender Weise aus dem jeweils anderen Text gedeutet werden, was die Gefahr eines Zirkelschlusses mit sich bringt. Die Signale in Gal 2,11–14 lassen nämlich nicht erkennen, dass der Anlass des antiochenischen Zwischenfalls aus Speisefragen besteht oder gar auf die Enthaltungsvorschriften des Apostel­ dekrets beschränkt ist. In dessen Zentrum steht hingegen offenbar eher die prinzipielle Frage nach der Bedeutung der Beschneidung für die Zugehörigkeit zu den Kindern Abrahams (s.u. IIIB 2.3.3). Statt Gal 2,11–14 mit Apg 15,20.29 in ein einheitliches System zu bringen, sollten demzufolge die Unterschiede beachtet und Gal 2,11–14 als ein eigenes, vom Aposteldekret unabhängiges Er­ eignis bewertet werden. Die Darstellungen des Apostelkonventes in Gal 2,1–10 und Apg 15,1–29 sind somit nicht als geschichtliche Entwicklung von Gal 2,1–10 über Gal 2,11–14 hin zu Apg 15,1–29 zu verstehen. Vielmehr handelt es sich bei Gal 2,1–10 und Apg 15,1–29 um zwei Ansichten, die sich auf dasselbe Ereignis beziehen, wobei Paulus das Aposteldekret offenbar am ehesten deshalb nicht erwähnt, weil es für sein Argument in Gal 2,1–10 nicht von Bedeutung ist. Es ist eben weniger eine Sache des Gesetzes als eine Angelegenheit der generel­ len Abkehr vom heidnischen Lebenswandel. Im Einzelnen zeigen die beiden Rekurse auf dieses Ereignis gut, dass sich die betreffende Diskussion in zwei Richtungen entwickelt hat. Die Reflexion des Paulus betont die Freiheit vom Gesetz, die lukanische Reflexion mehr als eine Generation später betont hin­ gegen, dass unter Heiden Verhaltensweisen üblich sind, die deren Zugehörig­ keit zum Volk Gottes grundsätzlich ausschließen.384

384  Näheres zur Tendenz des Lukas innerhalb seines Berichts vom Apostelkonvent bei Wei­ ser, Apostelkonzil, 157–167.

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383

3.4 Zusammenfassung In der Forschung lässt sich auch für die viergliedrige Form des Aposteldekrets eine strikte Gegenüberstellung zwischen einer rituellen und einer moralischen Deutung der entsprechenden Verbote beobachten. Dieser Gegenüberstellung korrespondiert eine Bewertung als Verpflichtung auf Teile des Gesetzes auf der einen Seite und eine strikte Kritik an einer solchen These auf der anderen Seite. Eine genaue Untersuchung der Bestimmungen des Aposteldekrets lässt jedoch erkennen, dass eine solche Alternative zwischen moralisch-universalen und rituell-gesetzlichen Vorschriften nicht zutrifft. Dies zeigt besonders die vom lukanischen Jakobus mit ἀλίσγημα aktivierte Unreinheit von Götzen. Anders als in der Forschung häufig angenommen, wird damit nämlich nicht etwa die Handlung des Götzendienstes als verunreinigend bewertet, sondern – wie in­ nerhalb des zeitgenössischen Judentums weit verbreitet – die in Verbindung mit Götzendienst stehenden Gegenstände. Das Verbot des Götzenopferflei­ sches, das universal gilt, gehört somit innerhalb der Aposteldekretsbestim­ mungen gerade zur Konzeption der rituellen Unreinheit. Gegen eine primäre Deutung des Aposteldekrets als Verpflichtung auf Teile des jüdischen Gesetzes spricht nun aber, dass abgesehen vom Verbot des Göt­ zenopferfleisches auch die übrigen Verbote nach jüdischer Tradition keine spe­ ziell an Israel gerichteten Forderungen Gottes sind, sondern prinzipiell für alle Menschen gelten. Dies trifft auch auf das Blutgenussverbot zu. Dieses ist näm­ lich zwar auch in Lev 17f. belegt, wird jedoch in biblischer Tradition im Bund zwischen Noah und Gott verortet (Gen 9,4) und im Judentum des Zweiten Tempels dementsprechend rezipiert. Darüber hinaus stimmt Jakobus offenbar grundsätzlich mit Petrus darin überein, dass die Beschneidung und das Gesetz des Mose keine notwendigen Voraussetzungen für die Rettung der Heiden­ christen sind. Bei den vier von Jakobus geforderten Enthaltungsbestimmun­ gen handelt es sich dementsprechend offenbar weniger um eine Verpflichtung der Heidenchristen auf das Gesetz, sondern eher um elementare und universal gültige Anordnungen zur Anerkennung und adäquaten Verehrung Gottes. Sie sind bei den Heiden nicht gewährleistet. Anders als die Beschneidung und die Einhaltung des Gesetzes ist eine Aufgabe der schlimmsten heidnischen und geradezu gegen Gott gerichteten Praktiken jedoch für die Zugehörigkeit zum Volk, das Gott für sich aus den Heiden ausgewählt hat (Apg 15,14), zwingend erforderlich. Dementsprechend betont Jakobus, dass sich die Heiden im Rah­ men ihrer Hinwendung zu Christus von diesen negativen Verhaltensweisen deutlich distanzieren müssen, wie dies etwa bei Cornelius, den Petrus selbst in seiner Rede vorrangig im Blick hat, bereits vor der Hinwendung zu Chris­ tus der Fall ist. Damit besteht für das Aposteldekret aber eine deutlich engere

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IIIA Auseinandersetzungen um verbotene Speisen

Verbindung zur grundsätzlichen Frage des Apostelkonventes, als bei der übli­ chen Deutung als Verpflichtung auf das Gesetz angenommen wird. Im Fokus der Aposteldekretsbestimmungen liegt nämlich weniger der Schutz Israels, sei es die Gewährleistung von dessen Reinheit oder die Vermeidung eines Ärger­ nisses auf Seiten der Judenchristen, sondern das eigene Gottesverhältnis der Heidenchristen. Als Bilanz ist die Auslegung von Apg 15,1–29 in der bisherigen Forschung somit vor allem in folgenden zwei Punkten zu korrigieren: Zum einen lässt gerade die Forderung der Vermeidung von Götzenopferfleisch erkennen, wie deutlich die Aposteldekretsverbote im Rahmen der im antiken Judentum mit ihnen verbundenen Vorstellungen verbleiben. Zum anderen stehen sich Jako­ bus und Petrus insgesamt wohl sehr viel näher, als bislang überwiegend ange­ nommen wird.

IIIB Auseinandersetzungen um die Praxis der Tischgemeinschaft In den Schriften des Urchristentums sind mehrfach Texte überliefert, denen zufolge das gemeinsame Essen mit bestimmten Menschen als problematisch bewertet und daher eingehender erörtert wird. Solche Diskurse zu Fragen der Tischgemeinschaft finden sich sowohl im paulinischen Schriftencorpus (1 Kor 5,1–13; Gal 2,11–14) als auch in der frühen Jesusüberlieferung (Mk 2,15–17; LkQ 7,33–35/MtQ 11,18f.) und gehäuft im lukanischen Doppelwerk (LkS 15,2; 19,1–10; Apg 10,1–11,18). Bei den im Urchristentum zur Praxis der Mahlgemeinschaft überlieferten Kontroversen handelt es sich im Einzelnen um höchst unterschiedlich ge­ lagerte Probleme. Wie im antiken Judentum betreffen nämlich auch die ur­ christlichen Diskurse unterschiedliche Mahlsituationen, da die Terminologie des gemeinsamen Essens in Form von συνεσθίω κτλ. für verschiedene Formen der Mahlgemeinschaft gebraucht wird. In Entsprechung dazu werden inner­ halb der Anordnungen zur Tischgemeinschaft jeweils unterschiedliche Vo­ raussetzungen für das Zustandekommen eines gemeinsamen Mahls genannt. Ein kurzer Überblick, der im Folgenden näher erläutert werden wird, soll die sehr verschiedenen Gründe für eine Ablehnung der Tischgemeinschaft ver­ deutlichen. Die bei Paulus überlieferten Diskurse zum gemeinsamen Essen beziehen sich jeweils auf das Gemeinschaftsmahl der an Jesus Christus Glau­ benden. In ihrem Zentrum steht die Frage, wer an diesem Gemeinschaftsmahl teilnehmen darf. Dabei ist die Zulassung zum Mahl auf Gruppenangehörige beschränkt und bedeutet dementsprechend Zugehörigkeit zu dieser Gruppe. Ein Ausschluss aus der Tischgemeinschaft bedeutet umgekehrt den Ausschluss aus der Gemeinschaft. Mit dem Verbot der Tischgemeinschaft in 1 Kor 5,11 stellt Paulus somit fest, dass nach seiner Überzeugung ein Unzüchtiger nicht zur Gemeinde gehören darf, wohingegen er innerhalb der Auseinanderset­ zung in Antiochia betont, dass die aus den Völkern stammenden Glaubenden umgekehrt vollkommen gleichberechtigt zur Gemeinde gehören (Gal 2,12). Neben diesem Topos des Mahls zwischen Angehörigen derselben Gruppe fin­ den sich in der urchristlichen Literatur jedoch auch Diskurse zur Praxis der Tischgemeinschaft zwischen verschiedenen Gruppen. Bei diesen Mahlzeiten mit Personen, die einer anderen Gruppe zugehören als man selbst, liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern. Sie ist in mehreren, voneinander unabhängigen Traditionssträngen überliefert (Mk 2,15–17; LkQ 7,33–35/MtQ 11,18f.; LkS 15,2; 19,1–10). Daneben © koninklijke brill nv, leiden, 2019 | doi:10.1163/9789004391901_009

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

wird in Apg 10,1–11,18 an zentraler Stelle, nämlich im Rahmen der Öffnung der Gemeinde für Heiden, die Frage behandelt, ob Juden mit Nichtjuden Tisch­ gemeinschaft haben dürfen.1 Dabei gehört die Ablehnung von Tischgemein­ schaft sowohl im Fall der Zöllner als auch im Fall der Heiden jeweils in den größeren Kontext der von gesetzestreuen Juden allgemein geforderten Ver­ meidung eines engeren sozialen Kontaktes mit diesen Personen (vgl. Mt 18,17). Dieser Schwerpunkt auf dem Kontakt mit bestimmten Personen ist das Spezi­ fikum der Diskurse zur Tischgemeinschaft gegenüber den urchristlichen Aus­ einandersetzungen, in denen die Speisevorschriften ausführlich thematisiert werden. Die entscheidende Frage der urchristlichen Tischgemeinschaftspraxis ist demzufolge weniger „Wer isst was mit wem?“, sondern eher „Wer ist mit wem (was)?“ 1

Der Ausschluss des unzüchtigen Bruders vom Mahl der Gemeinschaft als konkrete Exkommunikationsmaßnahme (1 Kor 5,1–13)

Während sich innerhalb des Urchristentums mehrfach Diskurse finden, in denen ein bislang geltendes Verbot der Tischgemeinschaft in Frage gestellt wird, schärft Paulus es in 1 Kor 5,11 ausdrücklich ein. Dabei aktualisiert er das Motiv der Tischgemeinschaft expressis verbis mit dem Verbum συνεσθίω2 in einem Kontext, in dem er den Ausschluss eines moralisch anstößigen Men­ schen aus der Gemeinde fordert. Paulus ermahnt die Korinther eindringlich dazu, mit einem Menschen, der sich Bruder nennt (ἀδελφὸς ὀνομαζόμενος), zugleich aber ein Unzüchtiger oder Geiziger oder Götzendiener oder Lästerer oder Trunkenbold oder Räuber ist, nicht zu essen (τῷ τοιούτῳ μηδὲ συνεσθίειν). Unmittelbarer Anlass für dieses Verbot ist der konkrete Fall von sexuellem Fehlverhalten in der Gemeinde von Korinth. Im Rahmen von 1 Kor 5,1–13 nennt Paulus zunächst kurz diesen Vorfall (5,1). Dabei handelt es sich offensichtlich um die sexuelle Beziehung eines Mannes mit der Frau des eigenen Vaters.3 1  Der Komplex der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden klingt möglicherweise innerhalb der Erzählung von der Syrophönizierin (Mk 7,24–30/Mt 15,21–28) im Bildwort in Mk 7,27f. an, mit dem die Frau die ihr verwehrte Gemeinschaft mit Jesus und seinen Jüngern einfordert. 2  Abgesehen von 1 Kor 5,11 findet sich συνεσθίω im Neuen Testament sonst nur in Gal 2,12; Lk 15,2; Apg 10,41; 11,3. 3  Die Deutung des Ausdrucks γυναῖκά […] τοῦ πατρός in 1 Kor 5,1 ist in der Forschung äußerst umstritten und hat eine Vielzahl unterschiedlicher Interpretationen hervorgebracht. Er wird zumeist nicht mit Bezug auf die eigene Mutter, sondern die Stiefmutter verstanden, sodass es sich um einen Fall von Inzest mit der eigenen Stiefmutter handelt (vgl. Schäller, Porneia,

1 Der Ausschluss des unzüchtigen Bruders ( 1 Kor 5,1–13 )

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Anschließend wirft er den Korinthern vor, dass sie daran bisher offenbar kei­ nen größeren Anstoß genommen haben, und schildert das seiner Auffassung nach notwendige Verhalten der Gemeinde einem solchen Gemeindeglied ge­ genüber (5,2–8). Zum Abschluss formuliert er generellere Anordnungen (5,9– 13), wobei er vor allem die Vergehen innerhalb eines Sünderkatalogs in 1 Kor 5,10f. ausweitet.4 Auch diese Ermahnungen bleiben jedoch stets auf den kon­ kreten Fall bezogen, wie die abschließende Aufforderung zum Ausschluss des Übeltäters in 1 Kor 5,13fin zeigt.5 Im Zentrum der Erläuterungen zum Umgang mit dem Unzüchtigen in 1 Kor 5,9–11 steht das Verbum συναναμίγνυμαι, wie dessen zweifache Verwen­ dung innerhalb dieses kurzen Textes erkennen lässt. Mit diesem Verbum, das innerhalb der Schriften des Neuen Testamentes6 nur noch in 2 Thess 3,14 belegt ist,7 bezeichnet Paulus die Handlung, die die Gemeinde mit dem unzüchtigen Mitglied strikt vermeiden soll (5,11).8 Es geht auch dem Verbot der Tischge­ meinschaft in 1 Kor 5,11 unmittelbar voraus. Zur Bestimmung der genauen Ziel­ richtung von συναναμίγνυμαι sei der Untersuchung des direkten Kontextes in 57 mit Anm. 75, im Anschluss an Barrett, Meeks, Fee u.a.). Unklar ist auch die Art des Verhält­ nisses: Zumeist wird davon ausgegangen, dass es sich nicht um einen einmaligen Vorfall han­ delt, sondern der von Paulus verurteilte Mann in einer Ehe (Conzelmann, 1 Kor, 123) oder in einem Konkubinat (Schrage, 1 Kor I, 369) mit der Frau seines verstorbenen Vaters lebte (vgl. auch Barrett, 1 Kor, 132; Fee, 1 Kor, 200; Lindemann, 1 Kor, 123; Zeller, 1 Kor, 199: „in einer ehe­ ähnlichen, dauernden Beziehung“). In neuerer Zeit wird ein Bezug auf die Stiefmutter von einigen Forschern dezidiert abgelehnt. So nehmen Wolter, Brief, 185, und Thraede, Schwie­ rigkeiten, 180, an, dass es sich bei dem von Paulus kritisierten Fall weniger dramatisch um eine sexuelle Beziehung des Mannes mit der Konkubine des verstorbenen oder verlassenen Vaters handelt. 4  Vgl. dazu, dass 1 Kor 5,9–13 keinen eigenständigen Abschnitt darstellt, sondern als Übergang von dem konkreten Fall von Inzest in 1 Kor 5,1–8 zu weiteren Themen in den folgenden Pas­ sagen fungiert. Mit diesen ist 1 Kor 5,9–13 durch Stichwortanschluss verbunden, und zwar mit 1 Kor 6,1–11 über die κρίνω-Terminologie, mit 1 Kor 6,12–20 vor allem über die πορνείαTerminologie (zur Verbindung von 1 Kor 5,9–13 mit dem unmittelbaren Kontext vgl. Schäller, Porneia, 21). 5  Gegen Thiselton, 1 Kor, 408, dem zufolge mit 1 Kor 5,9 ein neues Thema beginnt, ist von der Einheit der Perikope 1 Kor 5,1–13 auszugehen (so auch Wolff, 1 Kor, 99; Fee, 1 Kor, 220f.; Schäl­ ler, Porneia, 64f.); ausführlich zur Gliederung des 1. Korintherbriefes Schrage, 1 Kor I, 94. 6  Zum Gebrauch von συναναμίγνυμαι im Urchristentum vgl. dann vor allem IgnPhld 3,4 (Die­ kamp/Funk II, 172). Danach droht jemandem, der sich mit einem Verderber des Weinbergs Christi mischt, ebenso wie diesem selbst der Untergang ([…] ἀλλ’ ἔστιν ἀλώπηξ, φθορεὺς ἀμπελῶνος Χριστοῦ. τῷ τοιούτῳ μὴ συναναμίγνυσθε, ἵνα μὴ συναπόλησθε αὐτῷ, κἂν πατὴρ ᾖ κἂν υἱὸς κἂν ἀδελφὸς κἂν οἰκεῖος). 7  Vgl. dazu auch 2 Thess 3,6: […] στέλλεσθαι ὑμᾶς ἀπὸ παντὸς ἀδελφοῦ. Zur Aufnahme von 2 Thess 3,14 vgl. Clem. Al. Paed. 2,1,10,1: καλὸν γὰρ μὴ συναναμίγνυσθαι τοῖς ἀτάκτοις. 8  Die Formulierungen des Paulus aus 1 Kor 5,9.11 werden von Clem. Al. Strom. 3,18,106,3; 3,18,107,3 aufgenommen.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

1 Kor 5,9–11 (s.u. 1.3) eine Analyse der Verwendung dieses Verbums in weiteren zeitgenössischen Texten vorangestellt. Der Gebrauch von συναναμίγνυμαι zur Bezeichnung einer räumlichen Verbindung Eine Durchsicht der griechischen Literatur nach der Verwendung von συν­ αναμίγνυμι bzw. συναναμίγνυμαι zeigt, dass dieses Verbum fast ausschließ­ lich mit Bezug auf Personen verwendet wird.9 Es kann sowohl im Aktiv mit einem personalen Akkusativobjekt10 als auch – wie in 1 Kor 5,9.11 – im Passiv verwendet werden. Wie bereits das Simplex μίγνυμαι11 und das Kompositum ἀναμίγνυμαι12 bringt auch das Bikompositum συναναμίγνυμαι, wenn es im Pas­ siv gebraucht wird, zum Ausdruck, dass Menschen nicht für sich allein blei­ ben, sondern mit anderen Menschen eine Verbindung eingehen und in einer solchen stehen. Es wird zumeist im Sinne von „sich mischen unter, verkehren mit“13 oder „kommunizieren mit“14 glossiert. Im Einzelnen findet sich im Grie­ chischen ein ganzes Spektrum an Verben, die eine Beziehung von Menschen zu anderen Menschen bezeichnen.15 In ihrem Zentrum steht häufig die posi­ tive Einstellung der beteiligten Personen zueinander und eine entsprechende 1.1

9  So auch Passow, s.v. συναναμίγνυμι: „zugleich beimischen, mit einmischen (fast nur von Personen)“. 10  Vgl. Athenaios 5,3 (177A) mit Bezug auf die Aufnahme von Menschen in die Tischgemein­ schaft: „Von diesen führte Platon den Arzt Eryximachos, den Dichter Aristophanes und andere ein (εἰσήγαγεν), von denen sich jeder aufgrund einer anderen Neigung in seinem Beruf auszeichnete, Xenophon gliederte aber auch einige einfache Menschen (in seine Tischgemeinschaft) ein (Ξενοφῶν δὲ καί τινας ἰδιώτας συνανέμιξε).“ 11  Vgl. Passow, s.v. μίγνυμι 4: „im Pass. am häufigsten vom Zusammenkommen, Zusammentreffen, Zusammenseyn, Leben, Umgehn und Verkehren der Menschen mit und unter einander, in mancherlei Verbindungen, μίσγεσθαί τινι, überh. mit Einem zusammenkommen od. zusammentreffen, umgehn, verkehren, zu thun haben, sich ihm zugesellen […]“ (Her­ vorhebungen im Original). 12  Vgl. LSJ, s.v. ἀναμείγνυμι II.2: „join company […]; have social intercourse“ (Hervorhe­ bung im Original); vgl. dazu auch die Belege bei Plut. Num. 20,4 und Dion Chrys. 40,28 (s.u. Anm. 21). 13  Vgl. Passow, s.v. συναναμίγνυμι: „Pass., sich mischen unter, verkehren mit“ (ebenso BAA, s.v.); LSJ, s.v. συναναμείγνυμι: „Pass., c. dat. […]; associate with“ (Hervorhebung im Origi­ nal); Louw/Nida, 34.1: „συναναμίγνυμι; συγχράομαι; συναπάγομαι; ὁμιλία, ας f: to associate with one another, normally involving spacial proximity and/or joint activity, and usually implying some kind of reciprocal relation or involvement – ‚to associate, to be in the com­ pany of, to be involved with, association‘.“ 14  So Thraede, Schwierigkeiten, 196. 15  Zu einer Zusammenstellung solcher Verben vgl. Louw/Nida, 34.1–34.21.

1 Der Ausschluss des unzüchtigen Bruders ( 1 Kor 5,1–13 )

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Gegenseitigkeit,16 wobei diese Verbundenheit von Menschen ihre Grundlage wiederum entweder in gemeinsamen Interessen17 oder einer gemeinsamen Vergangenheit18 haben kann.19 Worin liegt somit die besondere semantische Funktion von συναναμίγνυμαι gegenüber diesen Verben? Eine Beantwortung dieser Frage erfordert eine genauere Untersuchung des Gebrauchs dieses Ver­ bums in der nichtchristlichen Gräzität, in deren Rahmen insbesondere darauf zu achten ist, welche Menschen Kontakt miteinander haben und von welcher Art dieser jeweils ist. Eine entsprechende Auswertung der Belege zu συναναμίγνυμαι lässt er­ kennen, dass dieses Verbum in besonderer Weise das räumliche Zusam­ mentreffen und daraus folgende Zusammensein von Menschen zum Ausdruck bringt.20 Der Gebrauch von συναναμίγνυμαι impliziert daher jeweils einen Aufenthalt von Menschen am selben Ort. Dabei hängt dieser gemeinsame Aufenthaltsort davon ab, wo sich die Menschen befinden, unter die man sich mischt. Im Einzelnen sind unterschiedliche Bereiche 16  Vgl. vor allem Louw/Nida, 34.11: „φίλος, ου m: a male person with whom one associates and for whom there is affection or personal regard – ‚friend‘“; Louw/Nida, 34.5: „κοινωνία, ας f: an association involving close mutual relations and involvement – ‚close association, fellowship‘“. Daneben auch die ὁμιλία-Terminologie (Louw/Nida, 34.1). 17  So z.B. Louw/Nida, 34.7: „μετοχή, ῆς f: a relationship involving shared purposes and activity – ‚partnership, sharing‘“. 18  So Louw/Nida, 34.15: „σύντροφος, ου m: a close friend on the basis of having been brought up together – ‚close friend, intimate friend, friend since childhood‘“. 19  Zu weiteren Nuancen anderer Verben vgl. Louw/Nida, 34.2: „προσκαρτερέω: to asso­ ciate closely and continuously with – ‚to stay close to, to associate closely with‘“; 34.3: „διαμένω: to remain in an association for a period of time – ‚to remain, to continue‘“; 34.4: „συγκοινωνέω: to be associated in some joint activity, with the implication, in some con­ texts, of a somewhat enduring relation – ‚to participate with, to be in partnership with, to associate with‘“. 20  Vgl. dazu Plut. Art. 11,9: Die Kaunier, die sich dem Heer des Artaxerxes angeschlossen hatten, mischten sich unter die Begleiter des Kyros, in dem Glauben, es seien Freunde (ἔτυχον συναναμειχθέντες ὡς φίλοις τοῖς περὶ τὸν Κῦρον), merkten dann aber an der Farbe des Rockes über den Panzern, dass sie unter die Feinde geraten waren, und töteten Kyros. In Phil. 21,7f. berichtet Plutarch von einem feierlichen Zug aus Soldaten, der die Asche des Philopoimen nach Megalopolis bringt. Viele Zivilisten seien aus den umliegenden Städten und Dörfern gekommen (ἐκ δὲ τῶν διὰ μέσου πόλεων καὶ κωμῶν ἀπαντῶντες) und hätten sich dem Zug nach Megalopolis angeschlossen (συμπροῆγον εἰς Μεγάλην πόλιν). Diese Aussagen fasst Plutarch dann unmittelbar im Anschluss dergestalt zusammen, dass sich die älteren Männer mit Frauen und Kindern unter das Heer gemischt hatten (ὡς οὖν συνανεμείχθησαν αὐτοῖς οἱ πρεσβύτεροι μετὰ γυναικῶν καὶ παίδων in 21,8). Vgl. auch Jos., Vita 242: Es soll sich kein unbekannter Soldat unter die eigenen Truppen mischen (καὶ φροντίζειν κελεύσας ὑπὲρ τοῦ μηδένα στρατιώτην ἄγνωστον αὐτοῖς συναναμίγνυσθαι).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

möglich, beispielsweise der Markt, eine andere Stadt bei gemeinsamen Festen oder im Fall der Gruppe der Soldaten der Heereszug. Der Ge­ brauch von συναναμίγνυμαι ist grundsätzlich sowohl für unterschiedli­ che Personen als auch für unterschiedliche Anlässe bzw. Gelegenheiten einer Zusammenkunft offen. Die genaue Art des Kontakts wird daher häufiger durch weitere Formulierungen im unmittelbaren Umfeld der einzelnen συναναμίγνυμαι-Wendungen festgelegt. Sie geben an, was die entsprechenden Personen zusammen machen, wobei sich im Einzelnen eine ganze Bandbreite von unterschiedlichen Handlungen findet. Häu­ figer werden gemeinsame Feste und öffentliche Veranstaltungen21 bzw. der gesellschaftliche Verkehr22 genannt. Aus dieser Offenheit für unter­ schiedliche Situationen folgt zugleich, dass der Gebrauch dieses Ver­ bums ebenfalls nicht auf eine bestimmte Art der Beziehung oder eine bestimmte Einstellung beschränkt ist, aus der heraus Menschen eine räumliche Verbindung zu anderen Menschen eingehen. So kann eine durch συναναμίγνυμαι bezeichnete Verbindung von gemeinsamen Hand­ lungen und einer positiven Einstellung dieser Menschen zueinander be­ gleitet sein,23 doch ist dies nicht zwingend. Eine solche Verbindung kann grundsätzlich auch aus feindlichen Motiven resultieren und geradezu auf die Ermordung derjenigen zielen, unter die man sich mischt.24 Dass die­ 21  Vgl. dazu vor allem Dion Chrys. 40,28, wo ἀναμίγνυμαι in Verbindung mit anderen Ver­ ben gebraucht wird, die mit dem Präfix σύν zusammengesetzt sind. Im Umfeld fordert Dion Chrysostomos seine Vaterstadt auf, Frieden mit den Apameern zu halten. Zu diesem Zweck erläutert er die Vorteile von Frieden und Eintracht gegenüber Streit und Hass und argumentiert damit gegen den Rangstreit von Städten. Dabei stellt er genauer fest, dass es besser sei, sich bei Volksfesten, kultischen Feierlichkeiten und Schauspielen untereinan­ der zu mischen und miteinander zu opfern und zu beten (ἐν δὲ ταῖς κοιναῖς πανηγύρεσι καὶ θεῶν ἑορταῖς καὶ θέαις ὅσῳ κρεῖττον καὶ σωφρονέστερον ἀναμίγνυσθαι συνθύοντας ἀλλήλοις καὶ συνευχομένους), statt sich umgekehrt zu beschimpfen und zu verfluchen. Vgl. dazu auch die Feststellung von Plutarch, die Regierungszeit Numas sei in besonderer Weise durch das Fehlen von Krieg und inneren Konflikten geprägt gewesen. Stattdessen hätten Feste und Lustbarkeiten sowie gegenseitige freundliche Empfänge und wohlwollendes Bei­ sammensein von Menschen, die sich ohne Furcht besuchten und untereinander misch­ ten, Italien erfüllt: ἑορταὶ δὲ καὶ θαλίαι καὶ παρ’ ἀλλήλους ἀδεῶς ἰόντων καὶ ἀναμιγνυμένων ὑποδοχαὶ καὶ φιλοφροσύναι τὴν Ἰταλίαν κατεῖχον (Num. 20,4). 22  So metaphorisch Lukian, Char. 15, wenn er feststellt, dass sich Torheit zusammen mit anderen Lastern wie z.B. Hass und Zorn unter die Menschen mischt und mit ihnen zu­ sammen einen Staat ausmacht (τούτων δὲ ἡ ἄγνοια μὲν κάτω συναναμέμικται αὐτοῖς καὶ συμπολιτεύεται); vgl. Passow, s.v. συμπολιτεύω 2: „intr., Mitbürger seyn, Bürger Eines Staates seyn, zusammen Einen Staat ausmachen“. 23  Vgl. vor allem Plut. Num. 20,4; Dion Chrys. 40,28. 24  So vor allem Jos. Ant. 20,164f.: Gedungene Mörder mischten sich unter die Diener­ schaft des Hohepriesters Jonathan und töteten ihn (ἀνέβησάν τινες αὐτῶν εἰς τὴν πόλιν ὡς προσκυνήσοντες τὸν θεὸν ὑπὸ τὰς ἐσθῆτας ἔχοντες ξιφίδια καὶ συναναμιγέντες τῷ Ἰωνάθῃ

1 Der Ausschluss des unzüchtigen Bruders ( 1 Kor 5,1–13 )

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ses Verbum eine bloße räumliche Nähe bezeichnen kann, welche keine Übereinstimmung in Hinsicht auf gemeinsame Interessen oder Ansich­ ten einschließt, zeigt vor allem die bei Athenaios belegte Verwendung mit Bezug auf Spione.25 Da es nämlich die Aufgabe dieser Späher ist, Per­ sonen auszukundschaften, die dem Staat gefährlich werden könnten, be­ steht die räumliche Nähe in diesem Fall gerade zu solchen Menschen, die entgegengesetzte Ansichten haben. Eine solche Bedeutungsweite lässt sich bereits für das Simplex erkennen. Das Verbum μίγνυμαι wird nämlich sowohl für freundschaftliche Beziehungen als auch in einem feindlichen Sinn für die Verbindung von Menschen im Kampf verwendet, daneben für die leibliche Vermischung durch Beischlaf.26 Das Verbum συναναμίγνυμαι enthält im Vergleich zu anderen Termini, die auf eine Beziehung von Menschen zueinander verweisen, als zentrales semanti­ sches Merkmal den Aspekt der räumlichen Nähe. Dabei ist es jedoch nicht auf eine bestimmte Situation festgelegt. Vielmehr bedarf es in Hinsicht auf die ge­ naue Art dieser räumlichen Verbindung weiterer Erläuterungen im Kontext. Die Vorstellung der räumlichen Nähe lässt sich auch für die συναναμίγνυ­ μαι-Belege innerhalb der Septuaginta noch deutlich erkennen. Mehrfach wird diese Terminologie nämlich auch dort verwendet, um das Zusam­ mentreffen von Menschen zum Ausdruck zu bringen. In diesem Sinne wird das Verbum nicht nur im Passiv,27 sondern wie in den Papyri28 auch κτείνουσιν αὐτόν). Dieses Verhalten zieht dann weitere Kreise und fand allgemein in Je­ rusalem bei Festen statt (καὶ τὸν σίδηρον ὁμοίως κεκρυμμένον ἔχοντες συναναμιγνύμενοι τοῖς πλήθεσιν ἀνῄρουν μέν τινας ἑαυτῶν ἐχθρούς, οὓς δ’ ἐπὶ χρήμασιν ἄλλοις ὑπηρετοῦντες). 25  Athenaios 6,68 (256A) berichtet in einem Fragment Klearchs aus Soloi, dass die Höflin­ ge in Salamis entsprechend ihrer Abstammung in zwei Gruppen eingeteilt wurden, die Gerginoi und die Promalanges: „Von diesen mischen sich die Gerginoi unter die Bevölke­ rung in der Stadt, sowohl in den Werkstätten als auch auf den Märkten, und lauschen. Sie haben die Aufgabe von Spähern“ (ὧν οἱ μὲν Γεργίνοι συναναμιγνύμενοι τοῖς κατὰ τὴν πόλιν ἔν τε τοῖς ἐργαστηρίοις καὶ ταῖς ἀγοραῖς ὠτακουστοῦσι κατασκόπων ἔχοντες τάξιν). Alles, was sie hörten, leiteten sie dann weiter. 26  Vgl. dazu die Belege bei Passow, s.v. μίγνυμι 4a–d; Pape, s.v. μίγνυμι a–c. Wie das Simplex, welches besonders häufig für den sexuellen Verkehr verwendet wird (vgl. Passow, s.v. μίγνυμι 4d), kann auch συναναμίγνυμαι in einem solchen Sinne gebraucht werden. So stellt z.B. Lukian in Bezug auf den Fluss Alpheios fest, dass er sich mit der von ihm geliebten Quelle Arethusa vermischt und mit ihr zu einem Strom wird: συναναμίγνυσο τῇ πηγῇ καὶ ἓν ὕδωρ γίγνεσθε (Dialogi marini 3,2). 27  Vgl. Spr 20,19 Θ (fehlt in LXX): ἀποκαλύπτων μυστήριον πορεύεται δόλῳ, καὶ ἀπατῶντι χείλη αὐτοῦ μὴ συναναμίσγου; vgl. dazu z.B. auch das Simplex in Spr 14,16 LXX: σοφὸς φοβηθεὶς ἐξέκλινεν ἀπὸ κακοῦ ὁ δὲ ἄφρων ἑαυτῷ πεποιθὼς μείγνυται ἀνόμῳ. 28  Vgl. Preisigke, s.v. συμμίγνυμι und συμμίσγω; Moulton/Milligan, s.v. συναναμίγνυμι.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

im intransitiven Aktiv gebraucht.29 Die räumliche Zielrichtung ist einzig bei einigen Belegen in der Septuaginta und bei Philo verblasst, in denen die Juden zu einer Trennung von den Völkern aufgefordert werden, um nicht ihre eigenen Bräuche und damit ihre Sonderstellung zu verlieren. In diesen Fällen bezeichnet συναναμίγνυμαι die strikt abgelehnte Verbin­ dung mit den Völkern30 oder spezieller mit einem fremden Herrscher.31 Das Problem besteht dabei weniger in einer räumlichen Verbindung, sondern darin, dass ein solcher Kontakt zur Aufgabe der eigenen Le­ bensweise führt, wie bisweilen durch entsprechende Zusätze ausdrück­ lich festgestellt wird.32 Die übliche Verwendung von συναναμίγνυμαι ist jedoch offenbar auch für die Entwicklung dieses Gebrauchs maßgeblich gewesen, da er sich aus der Verwendung für die sexuelle Vereinigung ent­ wickelt zu haben scheint.33 Der generelle Befund zum Gebrauch von συναναμίγνυμαι lässt somit darauf schließen, dass Paulus mit diesem Verbum in 1 Kor 5,9.11 die räumliche Verbin­ dung mit anderen Menschen bezeichnet. Dabei wird die offene Verwendung von συναναμίγνυμαι durch 1 Kor 5,9–11 bestätigt, da Paulus dieses Verbum selbst sowohl für den denkbar weitesten Aufenthalt im Kosmos (5,9f.) als auch für den besonders engen Kontakt innerhalb der Gemeinde gebraucht (5,11).

29  So z.B. συμμείγνυμι in Ex 14,20; 2 Makk 3,7; 13,3; 15,26; Spr 11,15; συμμίσγω: 1 Makk 11,22; 2 Makk 14,14.16. 30  Vgl. dazu die Kritik in Hos 7,8 LXX: „Ephraim hat sich unter die Völker gemischt“ (Εφραιμ ἐν τοῖς λαοῖς αὐτοῦ συνανεμείγνυτο). 31  So in Dan 11,23 Θ mit Bezug auf Antiochos: καὶ ἀπὸ τῶν συναναμείξεων πρὸς αὐτὸν ποιήσει δόλον (LXX liest καὶ μετὰ τῆς διαθήκης καὶ δήμου συνταγέντος μετ’ αὐτοῦ); mit dem Simplex in 2 Kön 18,23 LXX: καὶ νῦν μίχθητε δὴ τῷ κυρίῳ μου βασιλεῖ Ἀσσυρίων mit Jes 36,8 LXX. 32  Vgl. Philo, Mos. 1,278, wenn Bileam ausdrücklich feststellt, dass die Juden ein Volk seien, das allein wohnen wird ([…] λαόν, ὃς μόνος κατοικήσει), den anderen Völkern nicht zuge­ zählt (μὴ συναριθμούμενος ἑτέροις ἔθνεσιν), nicht weil es von ihnen räumlich abgeschie­ den und örtlich getrennt ist (οὐ κατὰ τόπων ἀποκλήρωσιν καὶ χώρας ἀποτομήν), sondern gemäß der Besonderheit seiner ausgezeichneten Sitten (ἀλλὰ κατὰ τὴν τῶν ἐξαιρέτων ἐθῶν ἰδιότητα), mit anderen sich nicht mischend, weil es von der Vätersitte nicht abwei­ chen will (μὴ συναναμιγνύμενος ἄλλοις εἰς τὴν τῶν πατρίων ἐκδιαίτησιν); zu diesem Gebot vgl. Num 23,9. Zu einer solchen Vermischung in der Lebensweise vgl. auch den Zusatz in Ez 20,18 LXX zum MT: ἐν τοῖς νομίμοις τῶν πατέρων ὑμῶν μὴ πορεύεσθε καὶ τὰ δικαιώματα αὐτῶν μὴ φυλάσσεσθε καὶ ἐν τοῖς ἐπιτηδεύμασιν αὐτῶν μὴ συναναμίσγεσθε καὶ μὴ μιαίνεσθε (auf­ genommen von Just. Dial. 21,2). Mit dem Simplex in Ps 105,35 LXX: καὶ ἐμίγησαν ἐν τοῖς ἔθνεσιν καὶ ἔμαθον τὰ ἔργα αὐτῶν. 33  Vgl. Greeven, συναναμείγνυμι, 851. Vgl. dazu 2 Kön 14,14 LXX = 2 Chr 25,24 LXX (als Fehl­ übersetzung von „Geiseln“): τοὺς υἱοὺς τῶν συμμίξεων.

1 Der Ausschluss des unzüchtigen Bruders ( 1 Kor 5,1–13 )

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Der Ausschluss des verdorbenen Gemeindegliedes als zentrale Forderung des Paulus Im Zentrum von 1 Kor 5,1–13 steht die Forderung nach einer Entfernung des unzüchtigen Gemeindegliedes aus der Gemeinde. Sie durchzieht in unter­ schiedlicher Form den gesamten Text. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Verbum αἴρω/ἐξαίρω zu.34 Zweimal fordert Paulus an den entscheidenden Stellen des Textes, nämlich an dessen Anfang und Schluss, mit Formulierungen, die für ihn singulär sind,35 eine Entfernung des Übeltä­ ters aus der Gemeinde, so in 1 Kor 5,2 mit der Wendung ἵνα ἀρθῇ ἐκ μέσου ὑμῶν36 ὁ τὸ ἔργον τοῦτο πράξας, in 1 Kor 5,13 mit der Wendung ἐξάρατε τὸν πονηρὸν ἐξ ὑμῶν αὐτῶν. Dabei weist vor allem die letzte Aussage eine deutliche Nähe zu Formulierungen innerhalb des Buches Deuteronomium auf. In der Septuagin­ ta-Übersetzung wird dort nämlich mehrfach mit sehr ähnlichen Formulierun­ gen gefordert, einen Menschen, der sich nicht entsprechend den Vorschriften verhält, aus dem Gottesvolk zu entfernen (vgl. Dtn 17,7.12; 19,19; 21,21; 22,21f.24; 24,7 u.ö.).37 Zugleich zeigt gerade diese Formulierung, dass Paulus der Forde­ rung nach einer Entfernung des verdorbenen Bruders aus der Gemeinde be­ sonderes Gewicht zumisst, da die ganze Argumentation in ihr gipfelt. Daneben impliziert auch die Forderung nach einer Übergabe des Unzüchtigen an den Satan (1 Kor 5,5a) dessen Entfernung aus der Gemeinde.38 Sie liegt ebenfalls 1.2

34  Vgl. dazu Passow, s.v. αἴρω 1d: „wegheben, wegnehmen, aus dem Wege schaffen, umbringen“; s.v. ἐξαίρω 1: „trans., in die Höhe heben od. führen, erheben; aufheben, forttragen, fortbrin­ gen, herausbringen […]; auch: weggehen heissen, entfernen […]; dah. vertilgen, ausrot­ ten“ (Hervorhebungen im Original). 35  Vgl. dazu, dass ἐξαίρω innerhalb des paulinischen Schriftencorpus in 1 Kor 5,13 Hapaxlego­ menon ist, sonst nur in 1 Kor 5,2 als v.l.; αἴρω abgesehen von 1 Kor 5,2 nur noch in 1 Kor 6,15, jedoch nicht in Verbindung mit einer ἐκ-Wendung. 36  Zu einer ähnlichen Verwendung von ἐκ μέσου aus 1 Kor 5,2 vgl. 2 Kor 6,17. 37  Vgl. dazu vor allem Heil, Role, 89–103; Rosner, Paul, 63; ders., Function, 514, der die zen­ trale Bedeutung der Traditionen des Deuteronomiums für den vorliegenden Zusammen­ hang besonders betont und als Hintergrund für den Ausschluss des Unzüchtigen auf die Verbote in Dtn 27,20; 23,1 verweist (vgl. vor allem Paul, 82f.). 38  Die Forderung der Übergabe des Unzüchtigen an den Satan ist in jedem Fall mit einem Ausschluss aus der Gemeinschaft verbunden, geht jedoch evtl. darüber hinaus (so betont von Moses, Exclusion, 179 u.ö.). Im Einzelnen wurde die Frage, was eine Übergabe an den Satan für den Unzüchtigen genau bedeutet, unterschiedlich beantwortet. Dabei schwankt die Forschung zwischen einem wörtlichen Verständnis im Sinne einer Bestrafung des Fleisches (Kistemaker, Church Discipline, 43f.) bzw. dem frühen Tod (so Havener, Curse, 340f., der die Möglichkeit der Umkehr ablehnt; Smith, Curse, 159–174; zu Gründen dage­ gen vgl. Wolff, 1 Kor, 105) und einem übertragenen Verständnis von Fleisch als Sitz bzw. Ausdruck des Sünderseins im Gegensatz zum Geist (Yarbro Collins, Function, 259 mit einem Einschluss der physischen Vernichtung; Pfitzner, Community, 46f.; Fee, 1 Kor, 212f.; Wolff, 1 Kor, 104; Campbell, Flesh, 339–341; Collins, 1 Kor, 212; Thiselton, 1 Kor, 395–398;

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

im Hintergrund des in 1 Kor 5,12f. artikulierten Gegensatzes von „drinnen“ und „draußen“ (τοὺς ἔξω – τοὺς ἔσω). Auf welche Weise soll dieser Ausschluss des Unzüchtigen jedoch kon­ kret vollzogen werden? Worin liegt der Grund für diese strikte Forderung des Paulus? In der Forschung wird 1 Kor 5,1–13 zumeist so ausgelegt, dass der Unzüchtige eine Gefahr für die Reinheit der Gemeinde ist, sein Ausschluss dementsprechend der Reinigung der Gemeinde dient.39 Dabei wird die Rein­ heit bzw. Heiligkeit der Gemeinde als das zentrale Anliegen des Paulus von 1 Kor 5,1–13 bewertet, und zwar insbesondere von der Rede vom Sauerteig her.40 An diesem weit verbreiteten Verständnis sind jedoch generelle Zweifel angebracht. So fehlen in diesem Abschnitt die im 1. Korintherbrief ansonsten durchaus belegten Termini41 aus dem Bereich des Kultes.42 Insgesamt lässt sich für die Argumentation des Paulus in 1 Kor 5,1–13 kein besonderes Inte­ resse an Reinheitsfragen erkennen. Dies gilt auch für die Rede vom Sauerteig in 1 Kor 5,6–8.43 Bisweilen wird eine Deutung des Ausschlusses als Beseitigung des Unreinen zum Zwecke der Reinheit der Gemeinde auch aus einem spezi­ Konradt, Gericht, 318–320). Moses, Exclusion, bes. 189–191, deutet die Übergabe an den Satan vor dem Hintergrund von Hiob 2,4–6 als einen Ausschluss vom Leib Christi, wobei eine solche Übergabe an den Satan insgesamt auf Umkehr ziele (vgl. 1 Tim 1,20). 39  Vgl. vor allem Martin, Body, 168–174, bes. 168: „Paul’s primary concern in this passage is the purity of the church, the body of Christ, and his anxieties center on the man as a potentially polluting agent within Christ’s body, an agent whose presence threatens to pollute the entire body.“ So auch Newton, Concept, 86–97 und 53; Conzelmann, 1 Kor, 124; Schrage, 1 Kor I, 371; Lindemann, 1 Kor, 129.132; Collins, 1 Kor, 203.208; Wolff, 1 Kor, 106; Horrell, Identity, 203f.; Vahrenhorst, Sprache, 159.163; vgl. auch Konradt, Gericht, 313; mit einer besonderen Betonung der Heiligkeit Merklein, 1 Kor II, 25f.46. Vgl. dazu auch Ebel, Attraktivität, 187–189, mit dem Hinweis darauf, dass ein solcher Ausschluss aus der Gemeinde zum Schutz der anderen eine Besonderheit gegenüber antiken Vereinen ist. Yarbro Collins, Function, 259, leitet aus 1 Kor 5,5 die Gefahr der Verunreinigung des heili­ gen Geistes her, der den einzelnen Gemeindegliedern gegeben wurde. 40  Vgl. exemplarisch Harris, Beginnings, 11; vgl. auch 5.18.21; Holmberg, Paul, 771–774, der als Hintergrund von 1 Kor 5,1–11 genauer die für das Passah geforderten Reinheitsforderungen annimmt; Wolff, 1 Kor, 99.106. 41  Vgl. dazu vor allem die Rede von der Heiligkeit mit Bezug auf die Gemeinde (1 Kor 1,2: ἡγιασμένοις ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ; 6,1f.: οἱ ἅγιοι; vgl. auch 1,30; 6,11; 7,34) oder von der Gemeinde als Tempel (6,19). 42  So ausdrücklich auch Heil, Speisegebote, 173, und Vahrenhorst, Sprache, 158, die aber trotzdem eine kulttheologische bzw. heiligkeitstheologische Deutung vertreten. 43  In dem kurzen Rekurs auf den Sauerteig klingt der Komplex der Reinheit/Unreinheit allenfalls an, und zwar mit dem in 1 Kor 5,7a belegten Gebrauch des Verbums ἐκκαθαίρω (vgl. dazu 2 Tim 2,21; Dtn 26,13), welches im Vergleich zum Referenztext in Ex 12,15 LXX (ἀφανιεῖτε ζύμην ἐκ τῶν οἰκιῶν ὑμῶν) auffällt. Vgl. dazu Passow, s.v. ἐκκαθαίρω 2: „mit d. Acc. des Gegenstandes, welcher als Schmuz entfernt wird: wegpoliren, wegfegen, als schädlich entfernen od. vertilgen“.

1 Der Ausschluss des unzüchtigen Bruders ( 1 Kor 5,1–13 )

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ellen Verständnis von συναναμίγνυμαι im Sinne einer Angleichung an die Le­ bensweise der Heiden (s.u. 1.3.1) gewonnen. Eine nähere Untersuchung wird zeigen, dass sich eine solche Auslegung von 1 Kor 5,1–13 vor dem Hintergrund der Reinheitsvorstellung weder aus der Sauerteigmetapher noch aus dem Ge­ brauch von συναναμίγνυμαι herleiten lässt. 1.2.1

Das Rühmen der Gemeinde als Gegensatz zu deren Status als ungesäuerter Teig (1 Kor 5,6–8) Innerhalb von 1 Kor 5,1–13 übt Paulus wiederholt heftige Kritik am bisheri­ gen Umgang der Gemeinde mit dem konkreten Fall von Unzucht. So hätte ein solch schwerer Fall von sexuellem Fehlverhalten, wie er nicht einmal bei den Heiden vorkommt,44 Paulus zufolge zu Trauer führen sollen (5,2). Die Gemeinde ist aber umgekehrt aufgeblasen (vgl. καὶ ὑμεῖς πεφυσιωμένοι ἐστέ in 5,2) und rühmt sich. Dabei war das Rühmen offenbar eine Verhaltenswei­ se, die in der Gemeinde von Korinth insgesamt weit verbreitet war (vgl. 3,21; 4,6f.18f.; 8,1; vgl. auch 6,12; 10,23).45 Es wird von Paulus ausdrücklich als negativ bewertet (Οὐ καλὸν τὸ καύχημα ὑμῶν in 5,6). An diese Feststellung, dass das Rühmen nicht gut ist, schließt Paulus zur Verdeutlichung das Wort vom Sau­ erteig an. Dazu erinnert er die Korinther daran (οὐκ οἴδατε), dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert (ὅτι μικρὰ ζύμη ὅλον τὸ φύραμα ζυμοι). Bei diesem stehenden Spruch handelt es sich um eine ethische Maxime (vgl. Gal 5,9; vgl. daneben Mk 8,15/Mt 16,6/Lk 12,1; Mt 13,33/Lk 13,21), in deren Rah­ men die Durchsäuerung des Teigs vor dem Hintergrund des Passahkontex­ tes als etwas Negatives verstanden wird.46 Im vorliegenden Zusammenhang 44  Die Heiden führt Paulus auch in 1 Thess 4,4–6 als Negativbeispiel für sexuelle Vergehen an. Dabei dient diese Gegenüberstellung dazu, die Korinther in besonderer Weise zu be­ schämen (zu einem ähnlichen Vorgehen bei Seneca vgl. Hartog, Incest, 61–64). Insgesamt wird Unzucht nämlich nicht nur im Judentum, sondern auch im griechisch-römischen Bereich vielfach abgelehnt und im römischen Recht zudem verboten (vgl. ebd., 53–59). Zu rabbinischen Texten, die Heiden eine solche Inzestbeziehung wie den in Korinth auf­ getretenen Fall strikt verbieten, vgl. Tomson, Paul, 97–103. 45  Zu einem Überblick über die paulinischen Aussagen zum Rühmen der Gemeinde von Korinth und die verschiedenen Deutungsvorschläge vgl. Clarke, Leadership, 74–77.95–99. Ihm zufolge rühmt sich die Gemeinde des Unzüchtigen, weil dieser ein bedeutender und einflussreicher Mann war (bes. 85–88), doch bleibt diese Deutung insgesamt vage. Im Einzelnen liegt ein Verständnis, dem zufolge die Gemeinde untätig ist und sich trotz des Fehlverhaltens rühmt, näher als eine Deutung im Sinne des Rühmens wegen dieses Inzestfalls (so auch Konradt, Gericht, 300–308, dem zufolge die Korinther Fragen der Sexualethik wie die Speisegebote als Adiaphora bewertet haben [309]). 46  Dies zeigt auch die Textüberlieferung, da in ihr als Varianten zu ζυμοῖ in 1 Kor 5,6fin zum einen δολοῖ in D* und corrumpit in der lateinischen Übersetzung von Irenäus überliefert sind (ähnlich in Gal 5,9).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

vergleicht Paulus offenbar speziell das Rühmen der Gemeinde mit der Wirkung des Sauerteigs im Teig. Dabei besteht zwischen der Metapher vom Sauerteig und dem unmittelbar zuvor erwähnten Rühmen folgende Parallele: Der Sau­ erteig lässt den Teig aufgehen und führt damit eben zu dem, was das Rühmen der Gemeinde ist. Das Rühmen stellt nämlich ebenfalls ein Aufgeblasensein dar, wie Paulus in 1 Kor 5,2 ausdrücklich feststellt (καὶ ὑμεῖς πεφυσιωμένοι ἐστέ; vgl. auch 4,6f.18f.; 8,1; 13,4).47 Im Hintergrund steht die Vorstellung, dass derje­ nige, der sich rühmt, dadurch größer wird. Damit entspricht das Rühmen aber deutlich dem aufgegangenen Teig. Eine solche Verwendung des Sauerteigs mit Bezug auf das Rühmen von Menschen lässt sich auch bei Philo feststellen. Das Verbot, Sauerteig als Bestandteil von Opfergaben zu verwenden (Lev 2,11), be­ gründet er nämlich damit, dass der Opfernde nicht von Hochmut aufgebläht werden soll.48 Diese enge Übertragung der Rede vom Aufgehen des Teigs, die aus dem bildspendenden Bereich der Essenszubereitung stammt, auf den bild­ empfangenden Bereich, nämlich die Gemeinde, die sich falsch verhält, wurde in der bisherigen Forschung nicht wahrgenommen. Dazu passt jedoch, dass die Teigmetapher im vorliegenden Zusammenhang anders als in Gal 5,9 un­ mittelbar auf die Gemeinde angewendet wird: Im Anschluss an die Feststellung der gefährlichen Wirkung des Sauer­ teigs (1 Kor 5,6b) fordert Paulus die Korinther in 1 Kor 5,7 zur Beseitigung des alten Sauerteigs auf und nennt als Zweck dieser Entfernung, dass die Gemeinde ein neuer, d.h. frischer49 Teig50 ist (ἵνα ἦτε νέον φύραμα). Durch den Gebrauch von φύραμα in 1 Kor 5,6f. nimmt Paulus nicht die einzelnen

47  Abgesehen vom 1. Korintherbrief begegnet φυσιόω im Neuen Testament nur noch in Kol 2,18; φυσίωσις nur noch in 2 Kor 12,20. 48  Vgl. Philo, Spec. 1,293: „Sauerteig (ζύμην) aber ist verboten, weil er den Teig aufgehen lässt, was gleichfalls symbolisch zu deuten ist: es soll sich nämlich, wer dem Altar naht, nicht im geringsten vor Hochmut aufblähen und aufschwellen lassen (τὸ παράπαν ἐπαίρηται φυσηθεὶς ὑπ’ ἀλαζονείας), sondern er soll auf Gottes Größe blicken und sich die Gebrech­ lichkeit des Geschöpfes vor Augen halten, […]; er gebe dem rechten Gedanken Raum, entferne den stolzen Hochmut aus seinem Sinne und rotte den Dünkel aus, der ihm Fal­ len stellt (στέλλῃ τὸ τοῦ φρονήματος ὑπέραυχον ὕψος, τὴν ἐπίβουλον οἴησιν καθαιρῶν)“ (Über­ setzung Cohn). 49  Vgl. Passow, s.v. νέος 2: „neu, u. zwar a) von dem[,] was seit nicht langer Zeit besteht, neuerlich, was vor Kurzem entstanden od. noch nicht dagewesen ist“ (Hervorhebung im Ori­ ginal). Zur Wiedergabe mit „frischer Teig“ vgl. Barrett, 1 Kor, 128. 50  Vgl. dazu, dass φύραμα als zu φυράω gehörendes Nomen „Alles Gemischte, Geknetete“ bezeichnet (so Passow, s.v. φύραμα) und vom vorangehenden ζύμη her im Sinne des übli­ chen „Mehlteigs“ zu verstehen ist.

1 Der Ausschluss des unzüchtigen Bruders ( 1 Kor 5,1–13 )

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Gemeindeglieder, sondern die Gesamtheit der Gemeinde in den Blick,51 wie dies innerhalb des 1. Korintherbriefes für mehrere andere Metaphern der Fall ist.52 Dabei steht die Gemeinde als neuer Teig in radikalem Ge­ gensatz zum alten Sauerteig. Dies zeigt zum einen die Gegenüberstellung von παλαιός und νέος,53 zum anderen die Art des jeweiligen Teigs. Beim neuen Teig handelt es sich nämlich um einen Teig ohne Sauerteig, wie Paulus mit der Feststellung καθώς ἐστε ἄζυμοι konkretisiert.54 Mit dem Rühmen der Gemeinde verhält es sich demnach ebenso wie mit dem Durchsäuern des ganzen Teigs durch ein wenig Sauerteig: So wie schon ein klein wenig vom alten Sauerteig den Teig aufgehen lässt, was im Kontext von Passah schlecht ist, so führt der alte Sauerteig in der Gemeinde zu ihrem Auf­ geblasensein, was in dieser Situation ebenfalls schlecht ist, und zwar weil es der Gemeinde nicht angemessen ist: Obwohl der Zustand der Gesamtgemeinde als neuer Teig noch die von Paulus scharf geforderte Entfernung des Sauerteigs zur Voraussetzung hat (vgl. dazu den Gebrauch von νέον φύραμα im Finalsatz), wird die Ge­ meinde nicht erst durch eine solche Entfernung zum neuen Teig.55 Viel­ mehr besteht dieser Zustand grundsätzlich bereits, wie Paulus durch die Wendung καθώς ἐστε ἄζυμοι feststellt (vgl. den Indikativ ἐστε).56 Dabei verdankt die Gemeinde diesen Status der Tatsache, dass Christus als ihr Passahlamm geopfert worden ist (τὸ πάσχα ἡμῶν ἐτύθη57 Χριστός). Im 51  Zum Bezug der Metapher vom Teig auf die Gesamtgemeinde vgl. vor allem Robertson/ Plummer, 1 Kor, 102, unter Hinweis auf 1 Kor 10,17. 52  Zu anderen Metaphern für die Gemeinde als kollektiver Größe innerhalb des 1. Korinther­ briefes vgl. das Bild vom Tempel Gottes (3,16f.) und vom Leib Christi (10,17; 12,13). 53  Vgl. dazu, dass Paulus den Kontrast zwischen ein wenig Sauerteig und dem ganzen Teig aus 1 Kor 5,6 in 5,7 in die Gegenüberstellung von altem Sauerteig und neuem Teig variiert. 54  Zu dieser Verbindung von 1 Kor 5,7b und 5,7c vgl., dass Indikativ und Imperativ denselben Inhalt haben (Schrage, 1 Kor I, 381f.). Vgl. daneben den Gebrauch von ἄζυμοι als Gegenbe­ griff zum „alten Sauerteig“ in 1 Kor 5,8. Zur Verbindung von „neu“ und „ungesäuert“ vgl. u.a. Jos 5,11 LXX: ἄζυμα καὶ νέα. 55  Eine Deutung, der zufolge die Gemeinde durch die Entfernung des alten Sauerteigs über­ haupt erst zum neuen Teig wird, ließe innerhalb des Finalsatzes von 1 Kor 5,7 anstelle des von Paulus gebrauchten Konjunktivs Präsens ἦτε den Konjunktiv Aorist von γί(γ)νομαι erwarten, wie Paulus ihn durchaus mehrfach verwendet (vgl. z.B. Röm 3,19; 7,13; 15,16; 1 Kor 3,18; 9,23; 11,19; 2 Kor 5,21; Gal 3,14; Phil 2,15). 56  Zum Verhältnis von Indikativ und Imperativ vgl. Horrell, Identity, bes. 207f., dem zufolge der Imperativ die Funktion hat, die konstruierte und damit gefährdete Gruppenidentität aufrechtzuerhalten. 57  Zu θύω vgl. Ex 12,21; Dtn 16,2.5f. (jeweils LXX); 1 Esdras 1,1.6; 7,12; EzTrag 157; Mk 14,12.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Anschluss an die Beschreibung der Gemeinde als neuer Teig ohne Sau­ erteig in 1 Kor 5,7b.c stellt Paulus nämlich mithilfe eines explikativbegründenden καὶ-γάρ-Satzes58 fest, warum es zu diesem Zustand der Gemeinde gekommen ist, und greift dazu auf das Passahopfer zurück, in dessen Rahmen Ungesäuertes an die Stelle von Sauerteig bzw. durchsäu­ ertem Teig tritt.59 Im Hintergrund von ἄζυμοι steht die bereits in 1 Kor 5,7a anklingende Tradition (vgl. Ex 12,15 LXX), dass in der Festwoche nach der Opferung des Passah keinerlei Sauerteig, sondern nur ungesäuertes Brot gegessen werden soll.60 Die Gemeinde ist somit grundsätzlich bereits ein neuer Teig ohne alten Sau­ erteig, jedoch nur dann, wenn sich in ihr wirklich kein Sauerteig mehr befin­ det. Damit die Gemeinde dieser neue Teig nun auch tatsächlich ist, muss sie dementsprechend darauf achten, dass sie frei von altem Sauerteig bleibt. Dazu fordert Paulus sie schließlich auch in 1 Kor 5,8 unter Rückgriff auf die Vorstel­ lung des Feierns auf: In 1 Kor 5,8 versteht Paulus die Gemeinde im Anschluss an seinen Re­ kurs auf Christi Opferung als Passah in 1 Kor 5,7fin offensichtlich als die das Passahfest feiernde (ἑορτάζωμεν) Gemeinschaft.61 Für eine nähere Bestimmung dieser Feier greift Paulus die bereits für 1 Kor 5,7 zentrale Gegenüberstellung von Sauerteig und ungesäuertem Teig auf. Dabei er­ mahnt er die Korinther, das Fest nach der Opferung des Passah nicht im

58  Vgl. dazu BDR §452,3. 59  Abgesehen von der grundsätzlichen Zusammengehörigkeit von Passahopfer und Unge­ säuertem kann in 1 Kor 5,6–8 durch die Erwähnung des Satans in 1 Kor 5,5 die gemein­ schaftskonstituierende und apotropäische Bedeutung von Passah anklingen. Zu dieser Funktion von Passah als Schutz der Gemeinde vor dem Verderber und einer Auslegung von 1 Kor 5,7 vor diesem Hintergrund vgl. vor allem Schlund, Knochen, 189–191, im An­ schluss an Ostmeyer, ähnlich Moses, Exclusion, 186–189; Vahrenhorst, Sprache, 159–161. Demgegenüber lässt sich die in der Forschung weit verbreitete Deutung, die die Reini­ gung von den Sünden als zentrale Wirkung des Passah ansieht (so die meisten Kom­ mentatoren, z.B. Wolff, 1 Kor, 107; Schrage, 1 Kor I, 383; Fee, 1 Kor, 219; Barrett, 1 Kor, 128; Thiselton, 1 Kor, 406; mit dem Gedanken der Sühne: Merklein, 1 Kor II, 40), nicht aus der jüdischen Tradition zu Passah herleiten. 60  So Ex 12,8.15.18–20.39; 13,3.6f.; 23,15; 34,18; Lev 23,6; Num 9,11; 28,17; Dtn 16,3.8; Jos 5,11; 2 Chr 30,13.21f.; 35,17; Ez 45,21; Esra 6,22; 1 Esdras 1,11.17; 7,14 u.ö. (jeweils LXX). Schon am Abend des Tages, an dem die Passahlämmer geopfert werden (Ex 12,6), sollen die Israeli­ ten Mazzen essen (Ex 12,8.18). 61  So auch Schlund, Knochen, 189.

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Zustand62 des in der Schlechtigkeit und Verderbtheit bestehenden63 Sau­ erteigs (μὴ ἐν ζύμῃ παλαιᾷ μηδὲ ἐν ζύμῃ κακίας καὶ πονηρίας)64 zu feiern, sondern im Zustand des Ungesäuerten, d.h. in Lauterkeit und Wahrhaf­ tigkeit (ἀλλ’ ἐν ἀζύμοις εἰλικρινείας65 καὶ ἀληθείας66). Mit der Metapher vom Sauerteig legt Paulus den Korinthern demzufolge in 1 Kor 5,6–8 eindrücklich dar, warum sie das Rühmen aufgeben sollen. Dies gilt deshalb, weil das Rühmen dem Zustand der Gemeinde als neuer, ungesäuerter Teig strikt widerspricht. Das Rühmen bedeutet nämlich, dass sie aufgeblasen sind, also noch Sauerteig in sich haben, obwohl sie eigentlich als solche, die Christus als Passahopfer haben, schon neuer Teig ohne Sauerteig sind und sein sollen.67 Daher sollen sie den alten Sauerteig in ihnen entfernen, d.h. die Verderbtheit in ihnen, die zu ihrem Rühmen führt. Die Forderung nach einer Entfernung des alten Sauerteigs in 1 Kor 5,7a bezieht sich demzufolge nicht auf den Ausschluss des Unzüchtigen, wie in der Forschung jedoch zu­ meist angenommen wird,68 sondern zielt auf eine Beendigung der bisherigen 62  Zu einem solchen modalen Verständnis der Präposition ἐν in 1 Kor 5,8 vgl. z.B. Thiselton, 1 Kor, 407; vgl. BAA, s.v. ἐν 4cβ: „behaftet mit“ (Hervorhebung im Original); so z.B. Conzel­ mann, 1 Kor, 127 Anm. 52. 63  Für die Genitive in 1 Kor 5,8 legt sich am ehesten jeweils eine Deutung als Genitivus ep­ exegeticus bzw. appositivus nahe (so Hoffmann/von Siebenthal, §165a, im Anschluss daran Zeller, 1 Kor, 206 mit Anm. 62, vgl. auch Robertson/Plummer, 1 Kor, 104; Schrage, 1 Kor I, 385; Wolff, 1 Kor, 107). Demgegenüber deutet Thiselton, 1 Kor, 406, die Genitive in 1 Kor 5,8 als Genitivus obiectivus: „leaven of wickedness“ meine „leaven that generates, transmits, or ferments it“ (im Original teilweise hervorgehoben). 64  Zu κακία und πονηρία als Kennzeichen der heidnischen Vergangenheit vgl. Röm 1,29; zu κακία vgl. auch Tit 3,3; Kol 3,8; Jak 1,21; 1 Petr 2,1. 65  Zum Gebrauch des seltenen εἰλικρινεία vgl. 2 Kor 1,12; 2,17; vgl. auch den Gebrauch des Adjektivs in Phil 1,10 parallel zu ἀπρόσκοπος („tadellos“). 66  Zu ἀληθεία vgl. den Gebrauch als Gegensatz zu ἀδικία in 1 Kor 13,6; vgl. Passow, s.v. ἀλη­ θεία 2: „Wahrhaftigkeit, Wahrheitsliebe, Aufrichtigkeit“; vgl. dazu die Deutung im Sinne von „Integrität“ bei Thiselton, 1 Kor, 407; ähnlich Fee, 1 Kor, 219; Robertson/Plummer, 1 Kor, 104 (vgl. den Gebrauch als Gegensatz zum Schein in Phil 1,18). 67  Vgl. dazu, dass die Bestimmung der Gemeinde als πεφυσιωμένοι ἐστέ in 1 Kor 5,2 in radika­ lem Gegensatz zu deren Bestimmung als ἐστε ἄζυμοι in 1 Kor 5,7 steht. 68  Vgl. dazu vor allem diejenigen, die den alten Sauerteig in 1 Kor 5,7a speziell mit dem un­ züchtigen Gemeindeglied identifizieren (so besonders betont von May, Body, 68.71f., aus­ drücklich gegen einen Bezug auf dessen Fehlverhalten; vgl. Smith, Curse, 136f.; Heil, Role, 95–97; Vahrenhorst, Sprache, 159); vgl. dazu auch die Forscher, die unter dem Sauerteig das Verhalten des Unzüchtigen, d.h. dessen Laster, verstehen (so Merklein, 1 Kor II, 38f., dem zufolge sich ζύμη zunächst auf den Übeltäter, dann auch auf das unsittliche Tun be­ zieht; ähnlich Fee, 1 Kor, 215f.; Konradt, Gericht, 322–325). In einem weiteren Sinne deutet Schrage, 1 Kor I, 380f., mit Bezug auf die Beseitigung all dessen, was zum alten Äon gehört.

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Verhaltensweise der Gemeinde in dieser Angelegenheit, die aus noch vorhan­ dener Verderbtheit resultiert und in ihrem Rühmen besteht.69 Für ein solches Verständnis sprechen abgesehen von der Kennzeichnung der Gemeinde als „aufgeblasen“ in 1 Kor 5,2 zum einen der unmittelbare Anschluss von 1 Kor 5,7 an die Feststellung vom Rühmen in 1 Kor 5,6, die einen Bezug auf den Übeltäter unvermittelt erscheinen lässt, zum anderen auch die nähere Bestimmung des Sauerteigs und des Ungesäuerten in 1 Kor 5,8. Aus der Sauerteigmetapher lässt sich somit aber eine Deutung, der zufolge der Unzüchtige eine Gefahr für die Reinheit der Gemeinde ist, nicht herleiten. Eine solche Auslegung ist zudem mit generellen Problemen verbunden. Im Einzelnen passt insbesondere die Art der Unreinheit des Unzüchtigen nicht zur infektiösen Wirkung des Sauer­ teigs. So wird zwar bisweilen aus der Rede vom Sauerteig in 1 Kor 5,6–8 ein ritu­ elles Verständnis der Reinheit bzw. Unreinheit der Gemeinde angenommen.70 Sexuelle Vergehen gehören jedoch nicht zur Konzeption der rituellen Un­ reinheit, sondern führen zu moralisch-ethischer Unreinheit. Dabei zeigt eine nähere Untersuchung der paulinischen Auffassung zu verbotenen sexuellen Handlungen, dass auch Paulus selbst diese Überzeugung vertritt (s.u. 1.2.2). Ein Verständnis, dem zufolge der Unzüchtige als Sauerteig die Gemeinde als un­ gesäuerten Teig verunreinigt,71 legt sich damit aber kaum nahe, da moralische Unreinheit gerade nicht ansteckend bzw. übertragbar ist. Dass ein moralisch unreiner Mensch andere Menschen verunreinigt, etwa durch die im Zentrum von συναναμίγνυμαι stehende Gemeinschaft mit ihnen, ist im antiken Juden­ tum bis auf wenige Texte aus der Gemeinschaft von Qumran72 nicht belegt. Dementsprechend gilt, dass sich der Ausschluss eines Unreinen aus der Ge­ meinschaft mit anderen Menschen zur Bewahrung von deren Reinheit zwar mit ritueller Unreinheit begründen, aus moralischer Unreinheit jedoch nicht 69  Zu einer Verbindung zwischen dem Sauerteig und dem Rühmen unter Ablehnung des vielfach vertretenen Bezugs auf den Unzüchtigen vgl. auch Grosheide, 1 Kor, 124. 70  Zu einem kultischen Verständnis aufgrund der Sauerteigmetapher vgl. z.B. Greeven, συναναμείγνυμι, 852: „Die unmittelbare Nachbarschaft des Bildes vom Sauerteig (1 K 5,6– 8) hält den Gedanken an die kultische Verunreinigung wach.“ Gegen ein solches Verständ­ nis spricht bereits, dass Paulus sowohl den Sauerteig als auch dessen Gegenteil in 1 Kor 5,8 näher mit Begriffen kennzeichnet, die eindeutig auf die moralisch-ethische Beschaffen­ heit von Menschen verweisen. Dies gilt sowohl für die negativen (κακία und πονηρία) als auch für die positiven Gegenbegriffe (εἰλικρινεία und ἀληθεία). 71  So z.B. Smith, Curse, 136–138: „the Corinthian πόρνος is the ‚leaven‘ who is infecting – leavening – the wider Corinthian community“; vgl. auch Horrell, Identity, 202. 72  Zur Überlagerung von moralischer und ritueller Unreinheit in einigen Texten aus Qum­ ran s.o. IIC 2.2.2.1. In der Forschung wird zum Teil mit der Vorstellung von der Gemein­ schaft als Tempel Gottes eine Verbindung zwischen der Gemeinschaft von Qumran (vgl. 1QS, bes. 8,5–11; 9,4–6; 4Q174 1–2 i 6) und Paulus (1 Kor 3,16f.) hergestellt.

1 Der Ausschluss des unzüchtigen Bruders ( 1 Kor 5,1–13 )

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herleiten lässt. Vielmehr muss man für eine solche Deutung voraussetzen, dass Paulus diese Konzeption in verschiedener Hinsicht gravierend verän­ dert hat. So muss etwa im Hinblick auf den Ausschluss angenommen werden, dass Paulus Aussagen zur Unreinheit in Folge von sexuellen Vergehen, die sich ursprünglich auf das Heilige Land beziehen (vgl. Lev 18,28), auf die Gemein­ schaft überträgt.73 Letztlich wird eine solche Deutung überhaupt nur dann verständlich, wenn man eine enge Verbindung von 1 Kor 5,1–13 mit der Tem­ pelmetapher für die Glaubenden in 1 Kor 3,16f. voraussetzt.74 Die Annahme einer solchen Verbindung basiert jedoch bereits auf einem entsprechenden Verständnis der Sauerteigmetapher und ist damit selbst unsicher. Insgesamt wären bei einer Argumentation, in deren Zentrum die moralische Unreinheit des Unzüchtigen steht, in jedem Fall eher ein Schwerpunkt auf den Vergehen als auf der frevelhaften Person und eine Forderung nach einer Vermeidung solcher frevelhaften Taten als nach einem Ausschluss des Unzüchtigen zu er­ warten. Angesichts dieser entscheidenden Verschiebungen wäre jedoch in be­ sonderer Weise damit zu rechnen, dass Paulus ein solches Verständnis durch entsprechende Hinweise sicherstellt. 1.2.2

Sexuelle Vergehen als moralisch-ethisches Fehlverhalten und Verstoß gegen den Willen Gottes Den konkreten Vorfall innerhalb der Gemeinde bezeichnet Paulus mehrfach mithilfe der πορνεία-Begrifflichkeit (vgl. 5,1.9–11).75 Dabei durchziehen der Ter­ minus πορνεία und seine Derivate nicht nur 1 Kor 5,1–13, sondern diese Begriff­ lichkeit ist gleichsam das Leitwort für den größeren Abschnitt 1 Kor 5,1–7,9, in dem Paulus sexuelle Verfehlungen behandelt und in diesem Zusammenhang zugleich seine Auffassung zur Ehe darlegt (vgl. 5,1.9–11; 6,9.13.15f.18; 7,2). Im Ein­ zelnen bezeichnet die πορνεία-Begrifflichkeit verschiedene sexuelle Vergehen, und zwar abgesehen von dem Inzestfall in 1 Kor 5,1–13 auch den Kontakt mit Prostituierten im Rahmen eines römischen Banketts (6,12–20). Damit spiegelt der Gebrauch in 1 Kor 5,1–7,9 den für die Literatur des Judentums des Zweiten 73  So auch Vahrenhorst, Sprache, 159. 74  Zu einer solchen weit verbreiteten Annahme einer Verbindung zwischen 1 Kor 5,1–13 und 3,16f. vgl. insbesondere Rosner, Paul, 73–80; daneben z.B. Vahrenhorst, Sprache, 164; Thi­ selton, 1 Kor, 390; anders nur die Vertreter von Teilungshypothesen wie Sellin, Vorbrief; Probst, Paulus, 313–321. Die daneben bisweilen angeführte Rede vom Tempel in 1 Kor 6,18f., die sich speziell im Kontext von Unzucht findet (vgl. Vahrenhorst, Sprache, 158), ist keine Parallele. Dort ist nämlich nicht die Bedrohung der Heiligkeit der Gemeinschaft im Blick, sondern Paulus spricht vielmehr in Bezug auf den Leib des Einzelnen vom Tempel. 75  Den Übeltäter bezeichnet Paulus in 1 Kor 5,2 mit ὁ τὸ ἔργον τοῦτο πράξας, in 1 Kor 5,3 mit τὸν οὕτως τοῦτο κατεργασάμενον, in 1 Kor 5,5 als τὸν τοιοῦτον.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Tempels und die urchristlichen Texte generell festzustellenden Befund wider. In diesen Schriften wird die πορνεία-Terminologie nämlich zumeist im Sinne einer Sammelbezeichnung für jede Form des Sexualkontaktes außerhalb einer legitimen Ehe76 gebraucht.77 Sowohl die Ausführungen des Paulus in 1 Kor 5,1–13 als auch der größere Kontext zeigen eindeutig, dass Paulus den als πορνεία bezeichneten illegiti­ men Sexualverkehr als ein ethisch-moralisches Fehlverhalten bewertet. In 1 Kor 5,10f. und 6,9f. stellt Paulus πορνεία nämlich jeweils mit weiteren moralischethischen Vergehen zusammen,78 die dem Willen Gottes widersprechen: Im unmittelbaren Umfeld der συναναμίγνυμαι-Formulierungen und der Aussage von der Tischgemeinschaft weitet Paulus den Personenkreis, in Hinsicht auf den er ein Mischen und Tischgemeinschaft verbietet, auf weitere Menschen aus, indem er abgesehen von den Unzüchtigen in 1 Kor 5,10 zunächst die Habgierigen, Räuber und Götzendiener mit einbezieht (τοῖς πλεονέκταις καὶ ἅρπαξιν ἢ εἰδωλολάτραις), in 1 Kor 5,11 da­ rüber hinaus auch die Lästerer und Trunkenbolde79 anführt (πλεονέκτης ἢ εἰδωλολάτρης ἢ λοίδορος ἢ μέθυσος ἢ ἅρπαξ).80 Dabei versteht Paulus diese Personen als Beispiele für solche Menschen, die mit ihrem Verhalten gegen den Willen Gottes verstoßen. Dies zeigt abgesehen von der Erwäh­ nung der Götzendiener insbesondere die Zusammenstellung frevelhafter 76  Vgl. dazu, dass Schäller eine Übersetzung von πορνεία mit „Unzucht“ aufgrund des Feh­ lens dieses Begriffes in der deutschen Umgangssprache ablehnt und stattdessen eine Wiedergabe mit „illegitimer Sexualkontakt“ vorschlägt (Porneia, 5.50–53; im Anschluss an Thiselton). 77  Zur umfassenden Bedeutung von πορνεία κτλ. in der urchristlichen und jüdischen Lite­ ratur s.o. IIIA 3.2.4, vor allem die Belege in Anm. 355. Vgl. dazu auch BAA, s.v. πόρνος: „in uns. Lit ganz allg. der Unzüchtige, d. Unzucht Treibende“ (im Original hervorgehoben). So auch Schrage, 1 Kor I, 390f.; Merklein, 1 Kor II, 45; Loader, New Testament, 141f.168f. mit Jensen gegen Malina, dem zufolge die Bedeutung von πορνεία auf Ehebruch, Inzest und Kontakt mit Prostituierten beschränkt ist. 78  Vgl. dazu auch 1 Kor 5,13, wo Paulus mit τὸν πονηρόν auf den Unzüchtigen verweist und damit den moralischen Begriff πονηρία aufnimmt, den er in 1 Kor 5,8 für die Bestimmung des Sauerteigs verwendet hatte. 79  Zum Verständnis dieser Laster vgl. die kurze Übersicht bei Zeller, 1 Kor, 206f. 80  In 1 Kor 5,10 erweitert Paulus πόρνοις um drei Glieder (τοῖς πλεονέκταις καὶ ἅρπαξιν ἢ εἰδωλολάτραις), in 1 Kor 5,11 um fünf Glieder (πλεονέκτης ἢ εἰδωλολάτρης ἢ λοίδορος ἢ μέθυσος ἢ ἅρπαξ), wobei er die dritte und vierte Bestimmung aus 1 Kor 5,10 vertauscht und dazwischen „Lästerer und Trunkenbold“ einfügt. Zur unterschiedlichen Reihenfolge der einzelnen Glieder innerhalb der Lasterkataloge in 1 Kor 5,10f.; 6,9f. vgl. Merklein, 1 Kor II, 43. Die zentrale Bedeutung der πορνεία lässt sich daran erkennen, dass sie jeweils die erste Position innerhalb der paulinischen Lasterkataloge einnimmt. Harris, Beginnings, sieht einen Bezug der aufgezählten Laster zur Situation in Korinth.

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Personen in 1 Kor 6,9f. Innerhalb dieser zehngliedrigen Aufzählung von Einzelvergehen nennt Paulus die Personen aus 1 Kor 5,10 nämlich erneut81 und kennzeichnet sie in diesem Rahmen ausdrücklich als solche, die das Reich Gottes nicht ererben werden (vgl. dazu 5,12).82 Dabei stellt er dem dortigen Lasterkatalog eine Frage voran, in der er die Menschen, die vom Reich Gottes aufgrund ihrer Vergehen ausgeschlossen sind, nicht mithil­ fe von konkreten Einzeltaten bestimmt, sondern stattdessen allgemein als Ungerechte bezeichnet (Ἢ οὐκ οἴδατε ὅτι ἄδικοι θεοῦ βασιλείαν οὐ κληρονομήσουσιν;). Damit klingt der Zusammenhang zwischen Sündern und Gerechten an. Sexuelle Verfehlungen sind Paulus zufolge somit eine Handlung, durch die ein Mensch als ungerecht zu bewerten ist. Demgegenüber ist eine rituelle Unreinheit des Unzüchtigen aus diesen Zusammenstellungen nicht zu er­ kennen. Auch aus der Erwähnung der Reinigung in 1 Kor 6,11 lässt sich dies kaum herleiten. Die dortige Formulierung bezieht sich nämlich offenbar auf die Taufe,83 welche aber in erster Linie eine Reinigung von moralischen Ver­ gehen ist,84 wie die Fortsetzung der Reinigungsaussage mit der Heiligung und Rechtfertigung selbst zeigt (ἀλλὰ ἀπελούσασθε, ἀλλὰ ἡγιάσθητε, ἀλλὰ ἐδικαιώθητε ἐν τῷ ὀνόματι τοῦ κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ καὶ ἐν τῷ πνεύματι τοῦ θεοῦ ἡμῶν). Wie Unreinheit mit Ungerechtigkeit assoziiert ist (vgl. Röm 6,19), so gehören um­ gekehrt auch Reinheit bzw. Heiligkeit und Gerechtigkeit eng zusammen.85 Für eine Deutung, der zufolge der Unzüchtige zwar moralisch, aber nicht rituell unrein ist, spricht schließlich auch die Tatsache, dass sich das paulinische Verständnis von πορνεία in einem solchen Fall gut in den Gesamtbefund 81  Vgl. 1 Kor 6,9f.: οὔτε πόρνοι οὔτε εἰδωλολάτραι οὔτε μοιχοὶ οὔτε μαλακοὶ οὔτε ἀρσενοκοῖται οὔτε κλέπται οὔτε πλεονέκται, οὐ μέθυσοι, οὐ λοίδοροι, οὐχ ἅρπαγες βασιλείαν θεοῦ κληρονομήσουσιν. Vgl. dazu, dass λοίδορος ἢ μέθυσος abgesehen von 1 Kor 5,11 nur noch in 1 Kor 6,10 belegt ist. 82  Zu ähnlichen Aufzählungen von Lastern vgl. neben 1 Kor 5,10f.; 6,9f. vor allem Gal 5,19–21; Eph 5,3–5, wonach die entsprechenden Personen ebenfalls vom Reich Gottes ausge­ schlossen sind; daneben Kol 3,5; Offb 21,8; 22,15. Eine terminologische Überschneidung mit einigen der in 1 Kor 5,10f.; 6,9f. aufgeführten Vergehen lässt sich auch für die Listen in 1 Tim 1,9f.; Mk 7,21f./Mt 15,19 feststellen. 83  Zum Bezug von 1 Kor 6,11 auf die Taufe vgl. die Wiederaufnahme der Rede vom Namen Christi aus 1 Kor 1,13.15; darüber hinaus die Verbindung der Taufe mit der Reinigungster­ minologie (Apg 22,16; vgl. auch Eph 5,26; Hebr 10,22). Vgl. dazu auch Schnelle, Gerechtig­ keit, 37–44; ders., Taufe, 666. 84  Für diesen Forschungskonsens vgl. exemplarisch Klawans, Impurity and Sin, 154, mit seiner Bestimmung der Taufe bei Paulus als „a ritual of atonement, with eschatological connotation, that, among other things, purifies the initiate from moral impurity“. 85  Zur Verbindung von Reinheit und Gerechtigkeit vgl. auch die Gegenüberstellung der als „Heilige“ qualifizierten Gemeindeglieder zu den Ungerechten in 1 Kor 6,1f.

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einreiht.86 Sowohl in den Schriften des Urchristentums87 als auch in denen aus dem Judentum des Zweiten Tempels wird das mit πορνεία bezeichnete sexu­ elle Fehlverhalten nämlich mehrfach mit Unreinheit in Verbindung gebracht. Dabei deuten die entsprechenden Angaben zu dieser Unreinheit innerhalb der Texte aus dem antiken Judentum jeweils darauf hin, dass sie in einem moralisch-ethischen Sinne verstanden wurde.88 Sexuelles Fehlverhalten hat somit keinen Schaden am eigenen Körper zur Folge, der wie eine ansteckende Krankheit durch alltäglichen körperlichen Kontakt mit anderen übertragen werden könnte. 1.2.3

Der fehlende Ausschluss des Unzüchtigen durch die Gemeinde als Vernachlässigung ihres Richteramtes (1 Kor 5,12f.) Der Grund für die Forderung des Paulus nach einem Ausschluss des Unzüch­ tigen liegt demzufolge darin, dass Unzüchtige grundsätzlich gegen den Wil­ len Gottes verstoßen. Unzüchtige sind ungerecht und gehören damit zu den Außenstehenden, die sich genauso verhalten. So erinnert Paulus in 1 Kor 6,11 im Anschluss an seine Aufzählung von verdorbenen Menschen aus 1 Kor 6,9f. daran, dass einige der Glaubenden vor ihrer Hinwendung zu Christus ebenfalls moralisch verdorbene Menschen waren, wie es etwa Unzüchtige sind. Auch in 1 Kor 5,1–13 stellt er den Korinthern die Zugehörigkeit des Unzüchtigen zu den Außenstehenden eindrücklich vor Augen. Durch den Hinweis darauf, dass ein Verhalten wie der vorliegende Unzuchtsfall selbst unter Heiden nicht üblich ist (5,1), erscheint das unzüchtige Gemeindeglied nämlich als jemand, der schlimmer als die Heiden gegen den Willen Gottes verstößt. Unzucht ist dementsprechend mit der Zugehörigkeit zur Gemeinde und ihren Mitglie­ dern als denjenigen, die Gottes Willen erfüllen und gerecht sind, schlicht nicht vereinbar. In 1 Kor 5,12f. untermauert Paulus seine Forderung nach einem Ausschluss des Unzüchtigen aus der Gemeinde dadurch, dass er einen solchen Ausschluss als Bestandteil der richterlichen Aufgabe der Gemeinde bestimmt. Dabei 86  Vgl. dazu auch Dautzenberg, der die generelle Übereinstimmung des Paulus mit der Sexualethik im antiken Judentum betont und eine besondere Nähe zu den Testamenten der Zwölf Patriarchen sieht (Sexualethik, 296f.), wobei die Besonderheit der Position des Paulus in der „Spiritualisierung des kultischen Denkens“ bestehe (290). 87  Vgl. dazu die Zusammenstellung von πορνεία und ἀκαθαρσία in Gal 5,19; 2 Kor 12,21; Kol 3,5; Eph 5,3.5; vgl. auch Mk 7,21f./Mt 15,19; daneben Röm 1,23f. Vgl. auch Hebr 13,4; Offb 14,4; 17,4. 88  So z.B. Klawans, Impurity and Sin, 56–60, mit einer Zusammenstellung der Belege (vgl. bes. TestXII.Lev 14,5–15,1). Dabei werden sexuelle Vergehen bereits in der hebräischen Bibel als moralisch verunreinigend angesehen (vgl. dazu oben Exkurs 1).

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fordert er die Gemeinde ausdrücklich dazu auf, die Gemeindeglieder zu rich­ ten. Während Gott diejenigen, die „draußen“ sind, d.h. diejenigen außerhalb der Gemeinde, (für ein solches Verhalten) im Endgericht89 richten wird (τοὺς δὲ ἔξω ὁ θεὸς κρινεῖ in 5,13; vgl. 5,12), soll die Gemeinde die „innen“, d.h. die übri­ gen Gemeindeglieder und damit sich selbst, richten (οὐχὶ τοὺς ἔσω ὑμεῖς κρίνετε in 5,12). Bei diesem Richten handelt es sich nicht um eine Vorwegnahme des eschatologischen Gerichts, sondern um den Ausschluss aus der Gemeinde.90 Paulus zufolge ist es somit eine zentrale Aufgabe der Gemeinde, selbst dafür Sorge zu tragen, dass sich innerhalb der Gemeinde auch tatsächlich nur solche befinden, die mit ihrem Verhalten dem Willen Gottes entsprechen. Wird der Unzüchtige jedoch nicht aus der Gemeinde ausgeschlossen, kommt diese ihrer richterlichen Aufgabe nicht nach. Den Korinthern zeigt Paulus demzufolge sowohl mit der Metapher vom Sauerteig als auch mit dem Hinweis auf das ihnen obliegende Richteramt auf, dass sie selbst mit ihrem bisherigen Verhalten im aktuellen Unzuchtsfall nicht so handeln, wie Gott es von ihnen erwartet. Dass der Unzüchtige direkt die Reinheit der Gemeinde gefährdet und Paulus die Korinther deshalb zu einer Verhaltensänderung aufgefordert hätte, lässt sich dem vorliegenden Text hin­ gegen nicht entnehmen. Das Kontaktverbot mit dem Unzüchtigen – keine Forderung mit Bezug auf den Unzüchtigen im Kosmos, sondern mit Bezug auf den unzüchtigen Bruder Die Ausführungen des Paulus lassen deutlich erkennen, dass die Gemeinde seine bisherigen Ermahnungen zum Umgang mit dem Unzüchtigen bislang nicht befolgt hat. Paulus sieht sich nämlich im Anschluss an seine Forderung in einem früheren Brief (vgl. ἔγραψα91 ὑμῖν ἐν τῇ ἐπιστολῇ in 5,9) erneut dazu genötigt, die Korinther zu einem bestimmten Verhalten aufzufordern. Dabei haben seine Adressaten seine frühere Aussage offenbar falsch verstanden.92 Im unmittelbaren Umfeld der Tischgemeinschaftsaussage in 1 Kor 5,11 stellt 1.3

89  Zum Bezug auf das eschatologische Gericht vgl. Wolff, 1 Kor, 111; Barrett, 1 Kor, 133. 90  So auch Konradt, Gericht, 328. 91   Ἔγραψα in 1 Kor 5,9 ist durch die Ergänzung ἐν τῇ ἐπιστολῇ (vgl. 2 Kor 7,8) am ehesten auf einen vorhergehenden Brief zu beziehen (vgl. Conzelmann, 1 Kor, 127; vgl. Schrage, 1 Kor I, 388). 92  Strenggenommen sagt Paulus zwar in 1 Kor 5,10 nicht, dass die Korinther seine Forderung bislang falsch aufgefasst haben, sondern stellt fest, wie er selbst sie gemeint hat. Dieser Einwand lässt sich jedoch gut erklären, wenn man annimmt, dass er sich gegen ein Miss­ verständnis der Korinther richtet.

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er nämlich explizit fest, dass er seine Forderung aus 1 Kor 5,9 konkretisiert.93 Im Einzelnen präzisiert er seine frühere Ermahnung in 1 Kor 5,9–11 vor allem in Hinsicht auf die von ihm gemeinten Personen, wie ein Vergleich der συν­ αναμίγνυμαι-Formulierungen in 1 Kor 5,9.11 deutlich zeigt: In 1 Kor 5,9 gebraucht Paulus συναναμίγνυμαι in Verbindung mit dem nicht näher bestimmten Dativ πόρνοις und verweist damit zunächst in einem äußerst weiten Sinne auf Unzüchtige (vgl. das Fehlen des Arti­ kels). Diese allgemeine Aussage schränkt Paulus jedoch sofort ein, indem er in negativer Hinsicht feststellt, wer nicht damit gemeint ist. Zu die­ sem Zweck greift er πόρνοις aus 1 Kor 5,9 in 5,10 auf, fügt dort jedoch eine nähere Bestimmung in Form eines Genitivattributes bei, die deutlich macht, dass πόρνοις in 1 Kor 5,9 gerade nicht mit Bezug auf die Unzüch­ tigen dieses Kosmos zu verstehen ist (οὐ πάντως τοῖς πόρνοις τοῦ κόσμου τούτου). Lässt bereits diese negative Bestimmung eine positive Eingren­ zung erwarten, so folgt diese explizit in 1 Kor 5,11 in Form eines Kondi­ tionalsatzes, der vom gegenwärtigen Standpunkt alle möglichen Fälle in den Blick nimmt.94 Dort wird derjenige, der ein Unzüchtiger ist, näher als jemand gekennzeichnet, der sich Bruder nennt (ἐάν τις ἀδελφὸς 93  Umstritten ist, ob die Aussage in 1 Kor 5,11 lediglich eine bereits im Vorbrief von Paulus aufgestellte Präzisierung wiederholt oder aber eine Richtigstellung ist, die innerhalb des vorliegenden Briefes erstmalig von Paulus formuliert wird. So legt sich für den Fall, dass man ἔγραψα in 1 Kor 5,9 mit Bezug auf den Vorbrief versteht, eine solche Deutung auch für 1 Kor 5,11 nahe. Die Wendung νῦν δέ ist dann weniger zeitlich, sondern eher im Sinne einer korrigierenden Gegenüberstellung zu deuten (vgl. 7,14; 12,18.20; BAA, s.v. νῦν 2; so z.B. Wolff, 1 Kor, 109 und 98: „Tatsächlich aber schrieb ich euch …“; Robertson/Plummer, 1 Kor, 106; Zeller, 1 Kor, 207), sodass die Aussage in 1 Kor 5,11 keine grundsätzlich neue In­ formation für die Korinther enthält (vgl. dazu auch, dass für 1 Kor 5,11 wie für 12,18 als Text­ variante ein νυνί δέ überliefert ist, dazu BAA, s.v. νυνί 2b). Fee, 1 Kor, 224, versteht ἔγραψα in 1 Kor 5,11 hingegen anders als in 1 Kor 5,9 als Aorist des Briefstils und bezieht es daher auf den vorliegenden Brief (vgl. ebd., 222 Anm. 12; so auch Lietzmann, 1/2 Kor, 25; Barrett, 1 Kor, 131; Merklein, 1 Kor II, 41; Thiselton, 1 Kor, 413). Eine solche Deutung ist grundsätzlich möglich, da Paulus abgesehen vom Präsens (vgl. γράφω in 4,14) auch mit dem Aorist auf unmittelbar zuvor Geschriebenes verweisen kann (so z.B. in 1 Kor 9,15 nach Barrett, 1 Kor, 208). Für die Deutung als Briefstil lässt sich anführen, dass Paulus in diesem Fall νῦν im Sinne der üblichen zeitlichen Bedeutung verwendet (BAA, s.v. νῦν 1aγ) und sich zudem der Argumentationsgang in 1 Kor 5,9–11 gut verstehen lässt: In 1 Kor 5,10 erklärt Paulus dann nämlich, wie er seine zuvor geäußerte Forderung nicht verstanden wissen wollte, um in 1 Kor 5,11 noch einmal positiv festzuhalten, wie er sie gemeint hatte. 94  Die Konstruktion mit ἐάν und Konjunktiv Präsens in der Protasis „bezeichnet das unter Umständen zu Erwartende – vom gegebenen (allgemeinen oder konkreten) Standpunkt in der Gegenwart aus“ (BDR §373,1 mit §3737); vgl. Robertson/Plummer, 1 Kor, 106. Vgl. auch 1 Kor 4,15.

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ὀνομαζόμενος ᾖ πόρνος).95 Die Bruderbezeichnung wird von Paulus auch im 1. Korintherbrief 96 mehrfach für Personen gebraucht, die zur Gemein­ de gehören. Damit findet sich in 1 Kor 5,10f. eine Gegenüberstellung von Kosmos und Gemeinde,97 wie sie für den gesamten 1. Korintherbrief zen­ tral ist.98 Gemeint sind bei der von Paulus schon in 1 Kor 5,9 verbotenen Vermischung (συναναμίγνυμαι) demzufolge nicht alle Unzüchtigen, die es in der Welt gibt. Gemeint ist vielmehr ein unzüchtiges Mitglied der Gemeinde. Welche Art des Kontaktes soll mit ihm jedoch nach 1 Kor 5,9–11 unterblei­ ben? Für die Beantwortung dieser Frage ist zu klären, wie Paulus das Verbum συναναμίγνυμαι genau verstanden wissen will. In diesem Rahmen ist es auf­ schlussreich, dass Paulus selbst jeweils nähere Informationen anfügt. Offenbar hält er die Art des von ihm verbotenen Kontaktes selbst für klärungsbedürftig. Sowohl in 1 Kor 5,10 als auch in 1 Kor 5,11 nennt er jeweils eine konkrete Hand­ lung, durch die das Verbot der Vermischung (συναναμίγνυμαι) realisiert wird, und zwar zum einen das Verlassen des Kosmos, zum anderen das Verbot des gemeinsamen Essens.

95   Ὀνομαζόμενος ist auf ἀδελφός statt auf das Folgende („der Bruder, der πόρνος genannt wird“) zu beziehen, so auch Schrage, der jedoch auch die zweite Möglichkeit erwägt (1 Kor I, 390 mit Anm. 115). 96  Vgl. vor allem den Gebrauch der Bruderbezeichnung in 1 Kor 6,5–8; 8,11–13; daneben ge­ häuft als Anrede, z.B. 1 Kor 1,10f. Häufig wird die Anrede als Bruder als ein Kennzeichen bewertet, durch das sich die christliche Gemeinde von paganen Vereinen in der Um­ gebung abhob (so z.B. Ebel, Attraktivität, 203–213, bes. 211–213); vorsichtiger hingegen Harland, Dynamics, 63–81, dem zufolge die Bruderbezeichnung in kleinen Gruppen in Griechenland und Kleinasien verbreitet gewesen sei. 97  Diese strikte Gegenüberstellung betont vor allem Wolff, 1 Kor, 108, im Anschluss an Bult­ mann; vgl. auch Thiselton, 1 Kor, 410. 98  Innerhalb des 1. Korintherbriefes stellt Paulus mehrfach fest, dass Gott und der gottferne Kosmos einander antithetisch gegenüberstehen (1 Kor 1,20f.27f.; 2,12; 3,19; 2 Kor 7,10; zu der das Demonstrativpronomen umfassenden Genitivbestimmung τοῦ κόσμου τούτου vgl. 1 Kor 3,19; 7,31; zum Hintergrund im hellenistischen Judentum vgl. Wolter, Welt, 1894). Daraus folgt, dass die christliche Gemeinde durch ihre Zugehörigkeit zu Gott wesens­ mäßig vom Gott feindlich gegenüberstehenden Kosmos unterschieden ist (vgl. neben 1 Kor 5,10 vor allem 6,2; 11,32 mit Röm 3,6; vgl. Wolter, Welt, 1896f.; ähnlich Fee, 1 Kor, 223). Innerhalb des 1. Korintherbriefes nimmt Paulus dabei für Außenstehende offenbar grund­ sätzlich eine andere Beschaffenheit an als für Gemeindeglieder. Diese generelle Differenz lässt sich deutlich daran erkennen, dass Paulus zwar selbst eine Ehe mit Heiden nicht ausschließt, den unterschiedlichen Status des Außenstehenden jedoch dadurch anzeigt, dass der nichtchristliche Partner erst durch den Glaubenden geheiligt wird (1 Kor 7,14). Zum Weltverständnis des 1. Korintherbriefes vgl. Holtz, Gott, 264–275.

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1.3.1

Die Forderung nach einer räumlichen Distanz als Zentrum von συναναμίγνυμαι in 1 Kor 5,9–11 Wie eine genaue Untersuchung von συναναμίγνυμαι gezeigt hat, bringt dieses Verbum zum Ausdruck, dass Menschen mit anderen Menschen zusammen­ treffen, und zwar mit dem Ergebnis, dass sie sich gemeinsam am selben Ort aufhalten (s.o. 1.1). Diese räumliche Vorstellung wird am besten durch eine Wiedergabe von συναναμίγνυμαι mit dem konkreten und dem Stamm μίγνυμαι entsprechenden „mischen unter“ zum Ausdruck gebracht.99 Demgegenüber wird sie bei der in der Forschung verbreiteteren Wiedergabe mit „Umgang haben“100 oder „verkehren“101 weniger deutlich. Insbesondere das abstrakte „zu schaffen haben“102 transportiert diese räumliche Zielrichtung nicht. Dabei wird der räumliche Hintergrund im Rahmen der Auslegung von 1 Kor 5,9–11 meist nicht beachtet: Wird in der Forschung nach dem Hintergrund für den paulinischen Sprachgebrauch von συναναμίγνυμαι gefragt, so werden stets Hos 7,8 und Ez 20,18 LXX angeführt, und zwar zumeist unter Hinweis darauf, dass die Reinheit des Gottesvolkes an den Vergleichsstellen wie innerhalb des diskutierten Abschnittes im 1. Korintherbrief zentral sei.103 Dabei stellen einige Forscher selbst fest, dass diese Septuaginta-Belege dem paulini­ schen Gebrauch nicht vollkommen entsprechen. So findet sich innerhalb des paulinischen Textes kein Hinweis auf die im Hintergrund der Septua­ ginta-Belege stehende Fremdehenproblematik.104 Bei einer Deutung als Vermischung in Hinsicht auf Bräuche und Sitten, wie sie innerhalb der Septuaginta-Belege vorliegt, hätten bei Paulus zudem in der Tat in ers­ ter Linie die Verdorbenen des Kosmos gemeint sein müssen.105 Für den 99  Mit „mischen unter“ übersetzt z.B. Zeller, 1 Kor, 198 (auf S. 206 dann aber mit „Verkehr“). Vgl. Fee, 1 Kor, 222: „The verb literally means to ‚mix up together‘; in the context of social intercourse it means to ‚mingle with,‘ or ‚associate with‘ in a close way“. 100  So in der Elberfelder-Übersetzung; vorgeschlagen von Schrage, 1 Kor I, 385f. 101  So vorgeschlagen von Conzelmann, 1 Kor, 122.127 mit Anm. 56; Wolff, 1 Kor, 98 (neben „keine Beziehungen zu haben“); Merklein, 1 Kor II, 28. 102  So in der revidierten Lutherübersetzung von 1984 und der Einheitsübersetzung. 103  So z.B. Greeven, συναναμείγνυμι, 852, der daneben jedoch Plutarch hinzufügt; Wolff, 1 Kor, 108. 104  Vgl. Balz, συναναμ(ε)ίγνυμαι, 713; Schrage, 1 Kor I, 388. Vgl. dazu auch Merklein, 1 Kor II, 42, der συναναμίγνυμαι zunächst generell auf den gesellschaftlichen Kontakt bezieht (so 41f.). 105  Vgl. dazu auch Thraede, Schwierigkeiten, 207f., der feststellt, dass sich vom Gebrauch von συναναμίγνυμαι innerhalb der Septuaginta durchaus ein Bezug auf moralisch verdorbene Menschen außerhalb des eigenen Volkes nahelegt, Paulus hingegen den verbotenen Kon­ takt innerhalb der Gruppe meint.

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Fall, dass Paulus mit seinem Verbot in 1 Kor 5,10 eine moralische Distan­ zierung einschärfen wollte, wäre darüber hinaus zu erwarten, dass eine solche Trennung ihm zufolge unbedingt geboten ist, wenn nötig auch unter Vermeidung des Kontaktes zu Ungläubigen. Da Paulus mit Bezug auf die Übernahme heidnischer Praktiken einen deutlich schärferen Ton anschlagen kann,106 müsste die im Vergleich damit geradezu laxe Aussa­ ge in 1 Kor 5,10 umso mehr überraschen. Ein Verständnis von συναναμίγνυμαι in 1 Kor 5,9.11 im Sinne der SeptuagintaSonderverwendung als Angleichung an die Lebensweise der Heiden ist somit in mehrfacher Hinsicht problematisch. Demgegenüber lässt sich insbesonde­ re die Folgerung in 1 Kor 5,10fin gut vor dem Hintergrund der Vorstellung des Aufenthalts verschiedener Menschen innerhalb desselben Bereichs erklären, wie sie für dieses Verbum generell üblich ist. In 1 Kor 5,9 ist συναναμίγνυμαι als Gegensatz zu ἐπεὶ ὠφείλετε ἄρα ἐκ τοῦ κόσμου ἐξελθεῖν in 1 Kor 5,10fin zu bestimmen, da Paulus mit dieser Formulierung eine Begründung107 dafür lie­ fert, dass er bei seinem Verbot des mit συναναμίγνυμαι bezeichneten Verhal­ tens nicht die Verdorbenen des Kosmos im Blick hat. Zu diesem Zweck zieht er die Konsequenz (vgl. ἄρα) aus einem solchen falschen Verständnis. Für den Fall, dass er mit πόρνοις die Verdorbenen des Kosmos meinen würde, hätten die Korinther für eine Erfüllung seiner Forderung aus dem Kosmos heraus­ gehen müssen.108 Der Gebrauch von ἐξέρχομαι zeigt deutlich, dass das Ver­ bot in 1 Kor 5,9 in jedem Fall eine räumliche109 Trennung bedeutet, und zwar 106  So fordert Paulus in 2 Kor 6,17 unter Rückgriff auf Jes 52,11 zu einer radikalen Trennung von den Außenstehenden auf, wobei eine moralische Distanzierung naheliegt: διὸ ἐξέλθατε ἐκ μέσου αὐτῶν καὶ ἀφορίσθητε. 107  Zur begründenden Funktion von ἐπεί vgl. BDR §456₇: ἐπεὶ ἄρα wie ἐπεί mit nur lockerer Subordination: „denn sonst“, unter Hinweis auf 1 Kor 5,10; 7,14. 108  Zur Konstruktion mit ὠφείλετε vgl. BDR §358₂: Ausdrücke des Müssens, Sollens, Könnens bezeichnen bei einem Gebrauch im Imperfekt ohne ἄν, dass etwas notwendig war oder ist, aber nicht erfolgt ist. Dabei steht im Griechischen der Indikativ, im Deutschen der Konjunktiv. Die Korinther hätten demzufolge bei einem Bezug der paulinischen Forde­ rung auf die Lasterhaften des Kosmos selbst aus dem Kosmos gehen müssen, was sie aber nicht getan haben. Mit einem zusätzlichen ἄν würde hingegen ein Irrealis vorliegen, d.h. Paulus würde zum Ausdruck bringen, dass ein Herausgehen aus dem Kosmos von vorn­ herein unmöglich ist. 109  Durch den Gebrauch von κόσμος in Verbindung mit ἐξέρχομαι aktiviert Paulus für den Kosmos eindeutig räumliche Kategorien (BAA, s.v. κόσμος 5b). Vgl. dazu, dass κόσμος in der pagangriechischen Literatur ursprünglich qualitativ die Weltordnung bezeichnet, dann jedoch zunehmend zu einer Bezeichnung für den Kosmos als räumliche Größe wird (Wolter, Welt, 1892) und in dieser Verwendung auch im hellenistischen Judentum Aufnahme findet (1894).

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unabhängig davon, ob sich die Rede vom „Herausgehen aus dem Kosmos“ auf einen von vornherein unmöglichen physischen Rückzug aus dem Kosmos110 oder aber auf das Sterben111 bezieht. Mit Blick auf die Unzüchtigen des Kosmos ist die Forderung des Paulus dementsprechend folgendermaßen zu paraphra­ sieren: „Seid in jedem Fall abgeschieden von den Unzüchtigen des Kosmos und bleibt daher nicht im Kosmos!“ Damit lässt sich für συναναμίγνυμαι selbst jedoch umgekehrt deutlich die Vorstellung der räumlichen Nähe erkennen, die diesem Verbum semantisch vorgegeben ist. In 1 Kor 5,9.11 gebraucht Paulus die­ ses Verbum demnach offensichtlich in seiner konkret räumlichen Bedeutung von „sich mischen unter, sich aufhalten unter“. 1.3.2 Die scharfe Ablehnung eines Rückzugs aus dem Kosmos Der Begründungszusammenhang in 1 Kor 5,10 zeigt, dass Paulus Folgendes voraussetzt: Die Glaubenden leben grundsätzlich wie die Unzüchtigen des Kosmos innerhalb des Kosmos und stehen daher mit diesen zwangsläufig in einer ständigen und unlösbaren räumlichen Verbindung. Diese lässt sich nicht anders vermeiden als durch einen Rückzug aus dem Kosmos. Ein sol­ cher Rückzug stellt jedoch keine Forderung dar, die Paulus selbst vertritt. Trotz des Gegensatzes von Welt und Gemeinde nimmt er für sich selbst nämlich ein Leben innerhalb des Kosmos in Anspruch112 und erwartet dieses offensichtlich auch von seinen Adressaten.113 Bei einem von Paulus vorausgesetzten Leben im Kosmos halten sich die Glaubenden aber per se unter den Lasterhaften des Kosmos auf, können sich somit gar nicht von ihnen entfernt halten, sodass eine entsprechende Forderung absurd wäre.114 Dementsprechend weist Paulus 110  Vgl. Philo, Leg. 3,5: „Denn nicht kann einer aus der Welt fliehen“ (οὐ γὰρ ἔξω γέ τις τοῦ κόσμου φεύγειν δυνήσεται); im Anschluss an diese Stelle und Conzelmann, 1 Kor, 128, dann auch Schrage, 1 Kor I, 389 mit Anm. 112f.; ebenso Zeller, 1 Kor, 207 mit Anm. 70. 111  So vorgeschlagen von BAA, s.v. ἐξέρχομαι 1bδ; Schneider, ἔρχομαι, 678 Anm. 5; vgl. abgese­ hen von den dort genannten Belegen (vor allem 2 Clem 5,1; 8,3) auch M. Aur. 6,56,1 (Πόσοι, μεθ’ ὧν εἰσῆλθον εἰς τὸν κόσμον, ἤδη ἀπεληλύθασιν); ParJer 4,16 ([…] ὅτι ἐξῆλθον ἐκ τοῦ κόσμου τούτου); ApcBar(syr) 14,2.13. Häufiger innerhalb der urchristlichen Literatur findet sich das Pendant „in die Welt geschickt werden“ für „geboren werden“ (Joh 6,14; 11,27; 16,21; 1 Tim 1,15; 6,7; Hebr 10,5; so auch M. Aur. 5,1,1; Athenagoras 1,21). 112  Vgl. 2 Kor 1,12: […] ἀνεστράφημεν ἐν τῷ κόσμῳ. 113  Gegen eine Abschottung der Gemeinde spricht auch 1 Kor 14,23–25, wonach die Zusam­ menkünfte jederzeit für Außenstehende offen waren. Vgl. daneben Phil 2,15. Die Existenz der Gemeinde in der Welt betont auch Conzelmann, 1 Kor, 127f.; vgl. auch Joh 12,25; 13,1; 17,11; 1 Petr 5,9; 1 Joh 4,17. 114  Vgl. dazu Schrage, 1 Kor I, 389, der zwar „ein mögliches oder befürchtetes Mißverständnis“ in Betracht zieht (so Robertson/Plummer, 1 Kor, 104), jedoch zugleich vorschlägt, dass hier eine „bewußte Mißdeutung“ vonseiten der Korinther vorliegt. Der Bezug auf die Unzüchtigen der Welt habe den Korinthern als „bequeme Ausflucht“ bzw. dazu gedient,

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einen Bezug auf die Unzüchtigen des Kosmos mit dem τοῖς πόρνοις τοῦ κόσμου τούτου vorangestellten οὐ πάντως scharf zurück: Für οὐ πάντως werden in der Forschung unterschiedliche Deutungen vorgeschlagen.115 Dabei ist das Verständnis von οὐ πάντως jeweils mit der Frage verbunden, worin das Missverständnis vonseiten der Korinther genau besteht. Im Einzelnen bestimmen die Exegeten den Grad des Miss­ verständnisses unterschiedlich: Zumeist wird der Ausdruck οὐ πάντως im Sinne von „nicht überhaupt“ verstanden,116 sodass Paulus feststellen würde, dass seine Forderung nicht grundsätzlich auf alle Unzüchtigen des Kosmos zu beziehen sei. Seltener wird οὐ πάντως in einem stärke­ ren Sinne von „ganz und gar nicht“ gedeutet, sodass Paulus den Gegnern ein radikales Missverständnis seiner bereits zuvor geäußerten Forde­ rung bescheinigen würde, da sich diese gar nicht auf die Unzüchtigen der Welt bezieht.117 Während Paulus im ersten Fall also durchaus fordert, dass die Glaubenden sich von den Unzüchtigen des Kosmos fernhalten sollen, dies jedoch nicht zu einer generellen Anordnung macht, stellt er der zweiten Deutung zufolge fest, dass er die Unzüchtigen des Kosmos gar nicht im Blick hatte. Eine genaue Analyse von συναναμίγνυμαι, wel­ che die räumliche Zielrichtung dieses Verbums beachtet, spricht für die zweite Deutung, und zwar deshalb, weil eine Relativierung der Aussa­ ge bei einem räumlichen Verständnis nur schwer denkbar ist. Darüber hinaus lassen sich weitere Indizien für die zweite Deutung anführen. So lässt sich eine Verwendung von οὐ πάντως im üblichen Sinne von „durch­ aus nicht, ganz und gar nicht“118 bei Paulus in Röm 3,9; 1 Kor 16,12 deut­ lich erkennen.119 Auch der Fortgang der Argumentation des Paulus, in „die paulinische Mahnung ad absurdum zu führen“ (Hervorhebung im Original; im An­ schluss an Fee, 1 Kor, 221f., der hierzu näher auf die τινες in 1 Kor 4,18 verweist, die Paulus lächerlich machen wollen und dazu missverständliche Aussagen des Paulus ins Feld füh­ ren). Folgt man dieser Deutung und setzt damit voraus, dass die Korinther die Forderung des Paulus angesichts eines Bezugs auf die Unzüchtigen des Kosmos als absurd abgetan haben, so gibt Paulus ihnen in 1 Kor 5,10 grundsätzlich Recht. 115  Zur Diskussion von οὐ πάντως vgl. Thiselton, 1 Kor, 410. 116  So Conzelmann, 1 Kor, 122; Zeller, 1 Kor, 198.206; Fee, 1 Kor, 223; im Anschluss an BDR §433₃; BAA, s.v. πάντως 5b. 117  So z.B. Lightfoot, Notes, 208. 118  Vgl. BAA, s.v. πάντως 5a; Passow, s.v. πάντως bei Verneinung: „durchaus nicht, auf keine Weise“; LSJ, s.v. πάντως: „in no wise, by no means“ (im Original hervorgehoben). 119  Demgegenüber notieren BAA, s.v. πάντως 5b; BDR §433₃ für „nicht überhaupt“ als Beleg nur 1 Kor 5,10 (ohne Verneinung im Sinne von „überhaupt“, „wenigstens“ auch 1 Kor 9,22, vgl. BAA, s.v. 4).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

welcher der Blick einzig auf den unzüchtigen Bruder gerichtet ist, spricht eher für die zweite Deutung, ebenso der scharfe Ton, der darauf hindeu­ tet, dass Paulus sich in starkem Maße missverstanden fühlt. Damit lässt sich mit Blick auf die Funktion von 1 Kor 5,10fin Folgendes fest­ halten: Mit dieser Aussage stellt Paulus klar, dass sich das Verbot einer räum­ lichen Verbindung bei einem Leben im Kosmos nicht auf die Verdorbenen des Kosmos anwenden lässt. Daher kann sich das Verbum συναναμίγνυμαι Paulus zufolge sinnvollerweise nur auf die Zusammentreffen der Gemeinde beziehen. 1.3.3

Das Verbot der Tischgemeinschaft mit dem unzüchtigen Bruder – kein Verbot des Kontaktes außerhalb der Gemeinschaft, sondern Ausschluss vom Gemeinschaftsmahl In 1 Kor 5,11 gebraucht Paulus das Verbum συναναμίγνυμαι ausdrücklich mit Bezug auf den Bruder. Mit dem Verbot der Tischgemeinschaft nennt Paulus im Anschluss an diese συναναμίγνυμαι-Formulierung eine gemeinsame Handlung, die Menschen miteinander ausüben. Damit stellt sich die Frage: Auf welches Mahl bezieht sich dieses Verbot der Tischgemeinschaft? Darüber herrscht in der Forschung Unklarheit. Dabei findet sich hierzu insgesamt eine ganze Bandbreite von Vorschlägen, die von einem alleinigen Bezug auf das Abend­ mahl bis hin zu einer gänzlichen Ablehnung eines solchen Bezuges reicht: Einige Forscher verstehen das Verbot der Tischgemeinschaft in 1 Kor 5,11 im Sinne eines Ausschlusses des Unzüchtigen vom Abendmahl120 oder von jeglichen Mählern bei Gemeindeversammlungen,121 doch ist eine 120  So vor allem Greeven, συναναμείγνυμι, 852. 121  Thraede, Schwierigkeiten, 208, denkt daran, dass die Korinther Paulus zufolge einen mora­ lisch verdorbenen Menschen bei einer im Atrium oder in einer Wohnung stattfindenden Zusammenkunft der Gemeinde bei dessen Betreten mit Nichtbeachtung strafen und ihm die Teilnahme am gemeinsamen Essen untersagen oder ihn erst gar nicht hereinlassen sollten. Einen alleinigen Bezug auf das Herrenmahl lehnt er ab und schlägt stattdessen vor, „einfach auch einmal schlichte, wenn auch lebhafte (und offenbar auch kräftig theo­ logisierende) Gemeindeversammlungen mit Imbiss“ anzunehmen (Anm. 128). Entgegen dieser in der Forschung vielfach anzutreffenden Unterscheidung des Herrenmahls von gewöhnlichen Gemeinschaftsmahlzeiten zeigt gerade die Zuordnung des Abendmahls zu einem normalen Mahl, nämlich einem Sättigungsmahl (vgl. 1 Kor 11,17–34, vor allem V. 20.33), dass zwischen beiden keine grundlegende Differenz besteht. Dass das Abend­ mahl und Agapemahl im Urchristentum noch nicht getrennt waren, betonen z.B. Kling­ hardt, Gemeinschaftsmahl, 301; Smith, Meals and Morality, 327.337; Öhler, Cultic Meals, 497.499; Alikin, History, 103–108: „The Lord’s Supper was clearly a real meal; it was meant

1 Der Ausschluss des unzüchtigen Bruders ( 1 Kor 5,1–13 )

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solche Deutung selten. Häufiger wird in der Forschung dafür plädiert, das Verbot der Tischgemeinschaft nicht auf Gemeindemahlzeiten zu beschränken,122 sondern auch private Besuche der Gemeindeglieder123 oder gar private und öffentliche Mähler124 mit einzubeziehen. Zumeist wird dabei vor dem Hintergrund einer Deutung von μηδέ als „nicht einmal“125 ein Bezug auf das Herrenmahl gänzlich abgelehnt, beispiels­ weise in der Form, dass nur private Mähler gemeint seien.126 Das in 1 Kor 5,11fin angeschlossene Verbot der Tischgemeinschaft stellt dann zwar eine Steigerung dar, die Tischgemeinschaft selbst ist damit jedoch im Vergleich zu συναναμίγνυμαι eine weniger enge Form der Gemein­ schaft, was auf das Abendmahl nicht zutreffe.127 Das bedeutet, dass die Tischgemeinschaft von dem durch συναναμίγνυμαι bezeichneten Kontakt zu unterscheiden und noch vor diesem verboten sei. Dabei lässt sich insgesamt eine Unsicherheit in der Deutung der Verbindung zwischen συναναμίγνυμαι und dem Motiv der Tischgemeinschaft feststellen.128 In Hinsicht auf diese Deutungsvorschläge ist zunächst einzuräumen, dass eine Begrenzung des Verbotes auf Mähler innerhalb der Gemeinde aus dem Grund nicht zwingend ist, weil Paulus die Teilnahme von Glaubenden an außerhalb to satisfy the participants’ hunger“ (104); vgl. dazu auch die Rekonstruktion der bei die­ sem Herrenmahl servierten Speisen ebd., 57–62. 122  So z.B. auch Conzelmann, 1 Kor, 130, im Anschluss an Kümmel. 123  So z.B. Barrett, 1 Kor, 132; u.a im Anschluss an ihn auch Konradt, Gericht, 325 mit Anm. 662. So auch Collins, 1 Kor, 222f. 124  So im Anschluss an Lietzmann, Barrett, Klauck z.B. Schrage, 1 Kor I, 394 mit Anm. 142: „private, häusliche, aber auch öffentliche (in Vereinen oder bei Festen stattfindende) Mahlgemeinschaft“ unter Einschluss des Abendmahls. 125  Ein solches Verständnis wird auch von BAA für 1 Kor 5,11 vorgeschlagen, s.v. μηδέ 2: „nicht einmal, selbst nicht“ (im Original hervorgehoben; vgl. auch BDAG, s.v. μηδέ 2). 126  So z.B. Thiselton, 1 Kor, 415, der die Wendung daher deutet als „eating together in houses in everyday social relationships“. 127  So z.B. Robertson/Plummer, 1 Kor, 107; Conzelmann, 1 Kor, 122; Wolff, 1 Kor, 109 Anm. 82; Thiselton, 1 Kor, 415; ausführlich Fee, 1 Kor, 226: Er zieht in Erwägung, dass in 1 Kor 5,11fin lediglich christliche Gemeinschaftsmähler unter Einschluss des Abendmahls gemeint seien, wohingegen Mahlfeiern in einer stärker privaten Atmosphäre weiterhin erlaubt sein könnten, sieht jedoch andererseits den Gebrauch von μηδέ im Sinne von „not even“ als Indiz dafür, dass die Korinther nicht einmal die normalen sozialen Beziehungen fort­ setzen dürfen. 128  Vgl. dazu z.B. Grosheide, 1 Kor, 129f., der zwar μηδέ als „not“ versteht, aber dennoch deut­ lich zwischen dem Verbot der Tischgemeinschaft und dem Verbot des Umgangs un­ terscheidet. Während συναναμίγνυμαι Tischgemeinschaft einschließe, beziehe sich die Tischgemeinschaftsaussage auf solche Mahlzeiten, zu denen es abgesehen von einem regelmäßigen Kontakt kommt (z.B. auf Reisen).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

der Gemeinde stattfindenden Mählern nicht grundsätzlich verbietet. Viel­ mehr geht er ganz offensichtlich davon aus, dass Gemeindeglieder auch mit Außenstehenden gemeinsam essen (vgl. 1 Kor 10,27). Von daher wäre es durch­ aus möglich, dass Paulus die Gemeinde in Korinth in 1 Kor 5,11 dazu auffordert, dass sie in Zukunft auch bei diesen Mahlfeiern außerhalb der Gemeinde nicht mehr mit lasterhaften Brüdern essen sollen. Eine genaue Untersuchung des vorliegenden Kontextes spricht jedoch gegen eine solch offene Verwendung des Motivs der Tischgemeinschaft und stattdessen eher für einen engeren Bezug auf Tischgemeinschaften innerhalb der Gemeinde. So deutet bereits die besondere Betonung einer Entfernung des Übeltäters aus der Gemeinde (s.o. 1.2) auf den Gemeindekontext als Hin­ tergrund hin. Für einen solchen Bezug auf das Mahl der Gemeinde spricht auch die Erwähnung des Festes (5,8). Diese Bemerkung könnte nämlich in Hinsicht auf die Gemeinschaft den Gedanken an das gemeinsame Sitzen am Tisch des Herrn aufrufen.129 Ein Bezug der Tischgemeinschaftsaussage auf das Gemeinschaftsmahl im engeren Sinne legt sich insbesondere bei einem Vergleich von 1 Kor 5,11 mit anderen Texten zum Thema „Essen“ innerhalb des 1. Korintherbriefes nahe. So wird der Komplex des Essens in diesem Brief mehrfach aktualisiert, vor allem in 1 Kor 8–11 (s.o. IIIA 1). Dabei gibt Paulus dort jeweils detaillierte Anweisungen zu konkreten Problemen des Essens. Gerade im Vergleich zu diesem ausführlichen Argumentationsgang muss das äußerst knappe, dafür aber umso kategorischer wirkende Verbot in 1 Kor 5,11 besonders auffallen.130 Hier wird der Komplex des Essens von Paulus relativ unvermit­ telt in den Argumentationsgang eingeführt. Bereits dieser abrupte Rückgriff auf das Motiv der Tischgemeinschaft lässt darauf schließen, dass Paulus damit eine Vorstellung bei seinen Adressaten aktiviert, die allgemein verbreitet ist und deren Verständnis er daher bei den Korinthern auch ohne nähere Angaben voraussetzen kann.131 Dieser Befund lässt sich gut mit der Annahme erklären, dass Paulus hier mit der Tischgemeinschaft unter Brüdern auf das eigentlich unstrittige Mahl zwischen Gemeindegliedern verweist. Dabei spricht auch die 129  Zu einer solchen Verbindung zwischen der Erwähnung des Festes und der Tischgemein­ schaftsaussage in 1 Kor 5,11 vgl. auch Fee, 1 Kor, 218f. 130  Im Einzelnen unterscheiden sich 1 Kor 5,11 und 1 Kor 8–11 im Hinblick auf den jeweils im Zentrum liegenden Aspekt des Essens. So setzt 1 Kor 10,23–11,1 als Situation zwar die Einladung zu einem Mahl durch einen Heiden voraus, doch lassen sich Ausdrücke wie „gemeinsam essen“ innerhalb von 1 Kor 8–11 nicht finden. Umgekehrt werden die in 1 Kor 8–11 ausführlich behandelten Speisen in 1 Kor 5,11 nicht thematisiert. 131  Hätte Paulus damit gerechnet, dass die Korinther diese Formulierung von der Tischge­ meinschaft nicht im intendierten Sinne verstehen werden, so wäre gerade angesichts des offenbar schon einmal erfolgten Missverständnisses in besonderer Weise zu erwarten, dass er weitere Erklärungen gegeben hätte.

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Anknüpfung an das Vorangehende durch μηδέ nicht gegen einen Bezug dieses Verbots der Tischgemeinschaft auf das Herrenmahl. Diese Konstruktion deutet nämlich auf eine äußerst enge Verbindung der συναναμίγνυμαι-Formulierung und der Tischgemeinschaftsaussage hin: Bei der Durchsicht der συναναμίγνυμαι-Belege ließen sich mehrfach unter anderem mit καί vorgeschaltete oder angeschlossene Formulie­ rungen feststellen, die konkretere Handlungen benennen und auf diese Weise das Verbum συναναμίγνυμαι, das für unterschiedliche Formen des Zusammenseins offen ist, im Hinblick auf eine bestimmte Situation konkretisieren.132 Zu diesen Wendungen weist die in 1 Kor 5,11 belegte συναναμίγνυμαι-Formulierung in negierter Form eine deutliche Nähe auf. Der Aussage von der Tischgemeinschaft kommt innerhalb des vorliegen­ den Textes im Hinblick auf das Verbum συναναμίγνυμαι somit offenbar dieselbe präzisierende Funktion zu wie diesen Wendungen. Damit be­ steht zwischen dem Verbum συναναμίγνυμαι und dem Motiv der Tischge­ meinschaft jedoch kein Verhältnis der Über- und Unterordnung, wie es bei einem Verständnis von μηδέ im Sinne von „nicht einmal, selbst nicht“ vorliegt. Vielmehr ist Tischgemeinschaft nichts anderes als das durch συναναμίγνυμαι bezeichnete Zusammensein, wobei μηδέ im Sinne von „und nicht, auch nicht“ zu verstehen ist.133 Ein solcher Gebrauch ist für μηδέ als Fortsetzung von μή generell üblich,134 wohingegen ein Verständ­ nis als „nicht einmal, selbst nicht“ nur in besonderen Fällen vorkommt,135 die jedoch in 1 Kor 5,11 nicht vorliegen.136 132  Vgl. vor allem Lukian, Char. 15; Plut. Num. 20,4; Athenaios 6,68 (256A) (s.o. 1.1). 133  So auch Greeven, συναναμείγνυμι, 852, ausdrücklich mit dem Hinweis, dass das Tischge­ meinschaftsverbot eine „Art Epexegese zu μὴ συναναμείγνυσθαι“ sei. 134  Vgl. BAA, s.v. μηδέ 1: „auch nicht, und nicht“ (im Original hervorgehoben) mit Erläuterung: „setzt e. vorausgehende Negation (fast immer μή) fort […] b. so daß μή und μηδέ je ein Verbum für sich haben“ (vgl. BDAG, s.v. μηδέ 1: „and not, but not, nor“; im Original hervor­ gehoben; so auch Hoffmann/von Siebenthal, §252,12). 135  Vgl. BDR §445,2: „οὐδέ (μηδέ) am Satzanfang oder οὐ (μή) innerhalb desselben Satzstückes = ‚auch nicht‘, ‚nicht einmal‘“ (vgl. dazu vor allem die Fälle, in denen das auf μηδέ Folgende einen vorangehenden Infinitiv vervollständigt). 136  Schwiebert, Table Fellowship, 161f., vergleicht 1 Kor 5,11 mit Belegen wie Mk 2,2; 3,20; 8,26; Eph 5,3, für welche beispielsweise von BAA, s.v. μηδέ 2, ein Verständnis als „nicht einmal“ vorgeschlagen wird. Er kommt zu dem Ergebnis, dass diese Belege dem Gebrauch in 1 Kor 5,11 nicht verwandt sind. Vielmehr kämen als Parallelstellen solche Formulierungen in Frage, in denen zwei negierte Infinitive – abhängig von einem Verb des Sagens – mit­ einander durch μή … μηδέ verbunden seien. Da diese Verbindung in solchen Formulie­ rungen stets im Sinne von „not … nor“ verwendet werde (Apg 4,18; 21,21; 1 Tim 1,3f.; 6,17;

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Innerhalb des kurzen Verweises in 1 Kor 5,11 ist Tischgemeinschaft dem­ zufolge kein Punkt, der selbst strittig ist und daher einer eingehenderen Er­ läuterung bedarf. Vielmehr führt Paulus das gemeinsame Essen hier an, um jegliches Missverständnis im Hinblick auf das von ihm geforderte Kontakt­ verbot mit Unzüchtigen auszuschließen. Angesichts der im Hintergrund ste­ henden Praxis des Gemeinschaftsmahls der Glaubenden macht er mit dieser Essensaussage deutlich, dass sich sein Verbot des Mischens mit Unzüchtigen auf die Zusammenkünfte der Gemeinde bezieht, nicht jedoch auf jegliche Treffen, d.h. aber auch nicht auf Zusammenkünfte außerhalb der Gemeinde.137 Die Aussage in 1 Kor 5,11 ist somit folgendermaßen zu paraphrasieren: „Mischt euch nicht mit einem verdorbenen Bruder und esst nicht mit ihm, d.h. kommt mit einem verdorbenen Bruder nicht zu den Versammlungen der Gemeinde zusammen.“ Dabei hat Paulus den Gedanken des räumlichen Zusammentref­ fens der Gemeindeglieder bereits in 1 Kor 5,4 mit der für ihn auffälligen For­ mulierung συναχθέντων ὑμῶν aktualisiert.138 Ein Verständnis von 1 Kor 5,11 mit Bezug auf das Zusammensein der Gemeinde beim Mahl wird auch durch die auffallende Nähe dieser Formulierung zu 1 Kor 11,33 bestätigt. Dort spricht Pau­ lus nämlich in Hinsicht auf das Herrenmahl ebenfalls ausdrücklich von einem Zusammenkommen zum Essen (συνερχόμενοι εἰς τὸ φαγεῖν).139 Im Vergleich vgl. auch Röm 6,12f.; Hervorhebung im Original), vertritt Schwiebert für μηδέ in 1 Kor 5,11 dezidiert eine Deutung als „und nicht“. 137  Die Frage, ob man mit dem verdorbenen Gemeindeglied außerhalb des Gemeindekon­ textes gemeinsam essen darf, beispielsweise bei öffentlichen Mählern, liegt nicht im Blick (gegen Schrage, 1 Kor I, 394). In jedem Fall wäre eine Ausweitung des Verbotes auf solche Mähler ein äußerst drastisches Verbot, da an diesen Mählern sogar Außenstehende betei­ ligt sind, die Pointe des vorliegenden Textes jedoch offenbar gerade darin liegt, dass ein unzüchtiges Gemeindeglied einem Außenstehenden gleichzustellen ist. Zudem lässt sich der Kontakt mit dem verdorbenen Bruder genauso wie mit den Unzüchtigen des Kosmos nicht vollständig vermeiden. 138  Vgl. dazu, dass συνάγω in 1 Kor 5,4 bei Paulus Hapaxlegomenon ist, häufiger dagegen in den Evangelien belegt ist. 139  Für das Zusammenkommen der Gemeindeglieder wird das Verbum συνέρχομαι nur im 1. Korintherbrief gebraucht, dort jedoch häufiger (11,17f.20.33f.; 14,23.26). Während Paulus in 1 Kor 11 ausdrücklich den Gedanken der Zusammenkunft zu einem Mahl aktualisiert (vgl. abgesehen von 1 Kor 11,33 auch 11,20), fehlt ein solcher Zusammenhang in 1 Kor 14. Daraus wurde in der Forschung bisweilen die Folgerung gezogen, dass es sich um zwei unterschiedliche Versammlungstypen handle, und zwar um eine Mahlversammlung und eine Wortversammlung (vgl. exemplarisch Dunn, Theology, 618f.; Hofius, Gemeinschaft, 181, der vor allem zwischen einem öffentlichen Gottesdienst für alle und einer nur den Getauften vorbehaltenen Mahlfeier unterscheiden will). Insgesamt scheint es sich je­ doch nicht um zwei getrennte Zusammenkünfte, sondern um eine Veranstaltung zu han­ deln, die aus zwei Teilen, nämlich einem mahlorientierten und einem wortorientierten Teil, besteht (vgl. dazu den jeweiligen Gebrauch der Wendung συνέρχομαι ἐπὶ τὸ αὐτό in

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zum Verbum συνέρχομαι umfasst συναναμίγνυμαι zusätzlich die Bedeutung des zeitweisen Zusammenbleibens von Menschen. 1.3.4

Die Definition der Grenzen einer Gemeinschaft durch Zulassung zum Gemeinschaftsmahl als generelles Kennzeichen des antiken Gruppenmahls Das Verbot der Tischgemeinschaft besagt demzufolge, dass die Korinther mit dem Unzüchtigen keine engere Verbindung eingehen sollen als mit den Au­ ßenstehenden, die generell vom Gemeinschaftsmahl ausgeschlossen sind. Dies entspricht sachlich der von Paulus in 1 Kor 5,1–13 mehrfach geäußerten Forderung, dass ein Unzüchtiger nicht mehr zur Gemeinschaft gehören soll. Der innerhalb des vorliegenden Abschnittes mehrfach geforderte Ausschluss des Unzüchtigen aus der Gemeinde soll demnach konkret dadurch vollzogen werden, dass er von den Gemeindetreffen und dem dabei stattfindenden Mahl ausgeschlossen wird. Damit erscheint das Gemeinschaftsmahl in 1 Kor 5,11 in erster Linie als ein Mittel, das die Grenzen der Gemeinschaft festlegt:140 Die­ jenigen, die am Gemeinschaftsmahl teilnehmen dürfen, gehören zur Gemein­ schaft. Diejenigen, die vom Gemeinschaftsmahl ausgeschlossen sind, sind damit zugleich aus der Gemeinde ausgeschlossen.141 Eine solche Regelung der Grenzen einer Gemeinschaft durch Zulassung zu ihrem Gruppenmahl ist in der Antike allgemein verbreitet.142 Dabei hat diese Funktion der anti­ ken Gruppenmähler ihre Grundlage darin, dass antike Vereine und Gruppen ihre Gemeinschaft in entscheidender Weise im Rahmen von gemeinsamen Mahlzeiten praktizierten.143 So zeigen zahlreiche Inschriften, dass Vereine 1 Kor 11,20 und 14,23; so auch Klauck, Herrenmahl, 346–351; Klinghardt, Gemeinschafts­ mahl, 334–337; Wick, Gottesdienste, 202f.; Smith, Symposium, 200–202). 140  Im Rahmen der ausführlicheren Rekurse auf das Gemeinschaftsmahl innerhalb des 1. Ko­ rintherbriefes findet sich hingegen auch der Bezug auf den Tod Christi (11,26; vgl. 10,16). 141   Ähnlich Schwiebert, Table Fellowship, 162.164, der damit ein lediglich metaphorisches Verständnis des Verbots der Tischgemeinschaft ablehnt, wie er es bei Meeks und Smith sieht. 142  Zu dieser sozialen Funktion des Gruppenmahls im Allgemeinen s.o. I 2.1; vgl. auch Smith, Symposium, 203: „Indeed, as practiced by various Greco-Roman clubs and as exempli­ fied in the regulations of the Qumran community, exclusion from the community was especially effective when it was carried out at the communal banquet.“ Speziell vor dem Hintergrund der griechisch-römischen Vereine Ascough, Characteristics, 60–65. 143  Zum Aspekt der κοινωνία bei antiken Mählern vgl. vor allem Klinghardt, Gemeinschafts­ mahl, 155–158: Er betont, dass die antiken Vereine „wesentlich in den aktuellen Versamm­ lungen zu Syssition und Symposium existiert“ haben (157, Hervorhebung im Original). Vgl. dazu pointiert ebd., 524: „Gemeinschaftsleben ist in der hellenistisch-römischen An­ tike grundsätzlich Mahlgemeinschaftsleben […]. Das Mahl ist das Gemeinschaftsleben“ (Hervorhebungen im Original).

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regelmäßige und außergewöhnliche Mähler abhielten und diese gemein­ samen Mähler gar die primäre gesellschaftliche Handlung der entsprechen­ den Gruppen waren.144 Die zentrale Bedeutung des gemeinsamen Essens und Trinkens für diese Vereine lässt sich auch deutlich daran erkennen, dass die Tisch- und Trinkgemeinschaft geradezu zur Bezeichnung solcher Verei­ ne als συγκλίται145 oder συμποσιασταί146 diente.147 Wie im Fall dieser antiken Vereine148 sieht demzufolge auch Paulus die Gemeinde in Korinth als eine Gruppe, die in erster Linie in ihren Versammlungen zu gemeinsamen Mahl­ zeiten (vgl. 1 Kor 11,33) existiert.149 Bei einem solchen Ursprung von 1 Kor 5,11 in der allgemein verbreiteten Praxis des Gruppenmahls lassen sich zudem die Probleme vermeiden, die bei einer bisweilen vorgeschlagenen Herleitung aus den Schriften Qumrans beste­ hen. Abgesehen von gewissen Überschneidungen150 zeigen sich nämlich auch gravierende Differenzen, sodass die Traditionen aus Qumran keine wirklichen 144  Vgl. Ascough, Commensality, bes. 33f.; grundsätzlich zum Gruppenmahl Smith, Symposi­ um, 87–131. 145  So z.B. in der auf 66–67 n.Chr. datierten Inschrift IG X/2,1 70 aus Thessalonich (Text in GRA I, Nr. 74; AGRW, Nr. 48). Daneben finden sich weitere Inschriften, die Tischgenossen (συγκλίται) offenbar im 1. Jh. n.Chr. in Thessalonich aufgestellt haben, z.B. IG X/2,1 68 (AGRW, Nr. 51); IG X/2,1 58 und 69. Zu solchen Inschriften vgl. auch IGLSkythia III 68A mit θοινῆται (AGRW, Nr. 75). 146  Vgl. dazu die allerdings erst ins 3. Jh. n.Chr. datierte Inschrift IGBulg III/2 1626, die eine Mitgliederliste der Trinkgenossen des Asklepios angibt (Text in GRA I, Nr. 85; AGRW, Nr. 62). Zu weiteren Mitgliederlisten von Tischgemeinschaften vgl. IG V/1 209 mit σιτη­ θέντες (AGRW, Nr. 29). 147  Vgl. dazu auch Smith, Symposium, 114f.: Bei den Iobakchoi wurde der Terminus für das Bett, auf dem man aß (στιβάς), zu einer Bezeichnung, die für die Aktivitäten der Gruppe insgesamt und damit für die Gruppengemeinschaft schlechthin stand. 148  Zur Deutung der urchristlichen Mahlpraxis in Korinth vor dem Hintergrund des antiken Vereinswesens vgl. vor allem Ebel, Attraktivität, 1–150 und bes. 152–189; vgl. dies., Mähler; daneben Klinghardt, der den Grund für die in 1 Kor 11,17–34 geschilderten Probleme beim Herrenmahl darin sieht, dass sich die Gemeinde von Korinth erst als Verein konstituiert (Gemeinschaftsmahl, 294f.299–301); zur Deutung der Herausbildung der christlichen Gemeinden in Analogie zu antiken Vereinen vgl. auch Ascough, Voluntary Associations, der eine Interpretation vor dem Hintergrund des antiken Vereinswesens auch für die Gemeinde von Thessalonich vorschlägt (ders., Memories and Meals). Vgl. daneben Stein, Mahlfeiern, 47–64.328–348. 149  Vgl. dazu auch die vor allem von Alikin herausgearbeitete identitätsstiftende Funktion des Herrenmahls in 1 Kor 11,17–34. Entscheidende Bedeutung für die Bestimmung der Identität der Glaubenden haben ihm zufolge die theologische Interpretation des Mahls als Teilnahme am Tisch des Herrn und die Identifikation von Brot und Wein mit dem Fleisch und Blut Christi (so Alikin, Bread, bes. 120–124). 150  So findet sich auch in 1QS 6,24–7,25 der Gedanke, dass ein Ausschluss aus der Gemein­ schaft durch Ausschluss vom Gemeinschaftsmahl vollzogen wird (s.o. IIC 2.2.2.2).

1 Der Ausschluss des unzüchtigen Bruders ( 1 Kor 5,1–13 )

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Parallelen zu 1 Kor 5,11 darstellen, wie die entsprechenden Vertreter zum Teil selbst einräumen.151 Dabei unterscheidet sich Paulus vor allem darin deutlich von den Schriften, die der Gemeinschaft von Qumran zugeordnet werden, dass er gerade nicht für eine Abschottung vor der Welt plädiert, sondern den Kontakt mit den Unzüchtigen des Kosmos, d.h. mit Außenstehenden, im vorliegenden Zusammenhang offenbar sogar als unproblematisch bewertet.152 Zudem steht im Hintergrund entsprechender Anordnungen zur Kontaktvermeidung in den Schriften aus Qumran jeweils eine Bewertung der Außenstehenden oder ihres Besitzes als moralisch und rituell unrein (s.o. IIC 2.2, vor allem 2.2.2.1), wohin­ gegen sich dies für den 1. Korintherbrief nicht erkennen lässt. Insgesamt ist es fraglich, inwiefern die heidenchristlichen Adressaten des 1. Korintherbriefes überhaupt mit einem Ritual aus Qumran vertraut waren, wohingegen die Ver­ einstradition in ihrem direkten Umfeld in jedem Fall verbreitet war. 1.4 Zusammenfassung Strittig ist in 1 Kor 5,1–13 die Frage, ob ein Unzüchtiger zur christlichen Ge­ meinschaft gehören darf oder nicht. Dabei fordert Paulus die Korinther zu einer radikalen Änderung ihres bisherigen Umgangs mit diesem Unzüchtigen auf. Während die Korinther den konkreten Fall von Unzucht offenbar bisher als nicht so wichtig angesehen und sich sogar gerühmt haben (5,6), sollen sie Paulus zufolge ihr Richteramt wahrnehmen (5,12f.) und den Unzüchtigen aus der Gemeinde ausschließen (5,2.13). In diesem Zusammenhang verwendet Paulus das Motiv der Tischgemeinschaft, um mit ihm gegen mögliche Missver­ ständnisse klarzustellen, wie er seine bereits geäußerte Forderung, Unzüchtige zu meiden (5,9), genau verstanden wissen will. Dabei impliziert das von Pau­ lus unter Verwendung von συναναμίγνυμαι formulierte Verbot eines Mischens mit Unzüchtigen in jedem Fall die Forderung, sich an einem Ort aufzuhalten, 151  Hägerland, Rituals, und Liu, Temple Purity, 139f., verweisen im Hinblick auf den traditi­ onsgeschichtlichen Hintergrund des Tischgemeinschaftsverbots in 1 Kor 5,11 auf das Ritu­ al in 4Q266 11,14–15. Dort wird der Ausschluss eines Menschen gefordert, der mit einem bereits Ausgeschlossenen gute Beziehungen aufrechterhält, und als eine der verbotenen Handlungen das Essen vom Besitz des Ausgeschlossenen genannt. Paulus droht der Gemeinde von Korinth jedoch keinen Ausschluss an. Eine grundsätzliche Berührung zu Qumran sieht auch Vahrenhorst, Sprache, 163. 152  Hägerland, Rituals, 51, zieht als möglichen Hintergrund für 1 Kor 5,11 auch die in CD-B 20,7f. überlieferte Anordnung heran. Sie untersagt einem Mitglied den Umgang mit einem ausgeschlossenen Sünder im Besitz und in der Arbeit. Dabei ist dieses Verbot eingebettet in eine generelle Tendenz zu einer gewissen Abschottung gegenüber Außenstehenden. Hier ist nämlich nicht nur der Kontakt mit dem Besitz eines ausgeschlossenen Mitglieds der Gemeinschaft (so neben CD-B 20,7f. auch 1QS 7,24f.; 8,23f.), sondern erst recht der Kontakt mit dem Besitz von Außenstehenden (1QS 5,18–20; vgl. CD-A 6,14) verboten.

420

IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

an dem sich keine Unzüchtigen befinden. Im Einzelnen nennt Paulus jedoch zwei mögliche Situationen, in denen sich die Glaubenden unter Unzüchtige mischen können, nämlich eine räumliche Verbindung der Glaubenden mit den Unzüchtigen des Kosmos durch den gemeinsamen Aufenthalt im Kosmos und das Zusammensein mit dem Bruder bei den Treffen der Gemeinde. Zwi­ schen diesen beiden Formen des Kontaktes unterscheidet Paulus mithilfe des gemeinsamen Essens. Dabei verdeutlicht Paulus durch das Verbot der Tisch­ gemeinschaft in 1 Kor 5,11, dass das Verbum συναναμίγνυμαι im vorliegenden Kontext dann richtig verstanden ist, wenn man es im engeren Sinne auf die Gemeindeversammlungen bezieht. Im Hintergrund der vorliegenden Tisch­ gemeinschaftsaussage steht nämlich die verbreitete antike Praxis, dass Grup­ pen und Vereine ihre Gemeinschaft insbesondere beim gemeinsamen Essen verwirklichen. Ein Ausschluss von diesen Mahlzeiten bedeutet dann den Ausschluss aus der Gemeinschaft. Das an die συναναμίγνυμαι-Formulierung angeschlossene Verbot der Tischgemeinschaft ist somit keine Ausweitung des Kontaktverbots mit dem unzüchtigen Bruder über den Gemeindekontext hi­ naus auf geringere Formen des Kontaktes, wie dies in der Forschung zumeist vertreten wird. Sowohl der häufig zu beobachtende Gebrauch von συναναμίγνυμαι mit präzisierenden Verben als auch die additiv reihende Funktion der Kon­ junktion μηδέ sprechen dafür, dass Tischgemeinschaft im vorliegenden Zu­ sammenhang für die Gruppengemeinschaft schlechthin steht. In 1 Kor 5,1–13 verbietet Paulus der Gemeinde in Korinth somit keineswegs die räumliche Ver­ bindung mit den Unzüchtigen des Kosmos, wie sie sich bei einem Leben im Kosmos gar nicht vermeiden lässt. Er fordert die Korinther jedoch eindringlich dazu auf, sich bei ihren Treffen nicht mit Unzüchtigen zu mischen, wie es dann der Fall ist, wenn ein Unzüchtiger Teil der Gemeinde ist und daher an diesen Gemeindeversammlungen teilnehmen darf. 2

Tischgemeinschaft mit Heidenchristen aufgrund ihrer gleichberechtigten Zugehörigkeit zu den Kindern Gottes (Gal 2,11–21)

In Gal 2,11–14 schildert Paulus einen Konflikt zwischen ihm selbst und Pe­ trus, dessen Anlass in einer unterschiedlichen Praxis der Tischgemeinschaft liegt, und zwar in der Weigerung des Petrus, gemeinsam mit Nichtjuden153 zu essen. In seiner knappen Schilderung dieser Auseinandersetzung stellt Paulus 153  Zu τὰ ἔθνη als Gegenüberstellung zu den Juden vgl. innerhalb des Galaterbriefes abgese­ hen von Gal 2,12 auch 1,16; 2,2.7–9.14f.; 3,8.14.

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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zunächst fest, dass er Petrus direkt154 entgegengetreten155 sei (κατὰ πρόσωπον αὐτῷ ἀντέστην in 2,11), da (vgl. ὅτι) dieser seiner Ansicht nach verurteilt war (κατεγνωσμένος ἦν156 in 2,11fin). Im Anschluss an diese generellen Angaben in Gal 2,11 führt Paulus dann in Gal 2,12 Hintergrundinformationen für seine energische Reaktion gegen Petrus an (vgl. γάρ), indem er den konkreten Vor­ fall schildert. Demnach besteht der Anlass für den Konflikt in einer grundle­ genden Verhaltensänderung des Petrus, welche von der Anwesenheit einiger von Jakobus kommender Menschen abhängig gewesen sei. Vor deren Ankunft habe Petrus mit den Nichtjuden gegessen (μετὰ τῶν ἐθνῶν συνήσθιεν). Nach der Ankunft dieser Personen verweigerte Petrus hingegen die bis dahin prak­ tizierte Tischgemeinschaft (ὑπέστελλεν καὶ ἀφώριζεν ἑαυτόν).157 Die konkrete Situation besteht demzufolge offenbar darin, dass Paulus nun alleine mit den Nichtjuden isst, und zwar – wie eine nähere Untersuchung zeigen wird – mit den Heidenchristen, wohingegen Petrus und die übrigen Judenchristen eine eigene Mahlgemeinschaft bilden. Der Konflikt in Antiochia als Auseinandersetzung innerhalb des Judenchristentums Die Kontroverse um das Verhalten des Petrus ist nicht auf Paulus und Petrus beschränkt. Vielmehr sind an ihr weitere zentrale Personen des Urchristen­ tums beteiligt. Dabei handelt es sich näherhin um eine Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Richtungen innerhalb des Judenchristentums. Der Grund158 für die Aufgabe der Tischgemeinschaft durch Petrus besteht nämlich Paulus zufolge darin, dass Petrus diejenigen fürchtet, die aus der Beschnei­ dung stammen (φοβούμενος τοὺς ἐκ περιτομῆς159 in 2,12fin). Unter diesen Be­ schnittenen sind im vorliegenden Zusammenhang genauer die von Jakobus 2.1

154  Der Gebrauch von κατὰ πρόσωπον bringt zum Ausdruck, dass Paulus sich direkt mit Petrus auseinandersetzte. Der Ausdruck κατὰ πρόσωπον in Gal 2,11 ist somit wie in κατὰ πρόσωπον λέγω für „jemandem etwas ins Gesicht sagen“ zu verstehen (vgl. 2,14). 155  Vgl. dazu Passow, s.v. ἀνθίστημι 2: „sich entgegenstellen, entgegentreten, entgegenstehn, sich widersetzen, Widerstand leisten“. 156  Bei κατεγνωσμένος ἦν handelt es sich um einen Periphrasmus, und zwar genauer um eine häufiger vorkommende Umschreibung des Plusquamperfekts (BDR §352₃); vgl. BAA, s.v.: „er war gerichtet (durch sein Verhalten od. die öffentl. Meinung; […] er war verurteilt)“ (im Original teilweise hervorgehoben). 157  Zur Schilderung des Hintergrunds vgl. den Gebrauch des Imperfekts. Zu unterschied­ lichen Möglichkeiten einer Deutung dieser Imperfektformen vgl. John, Identitätskrise, 607f. Anm. 34. 158  Vgl. dazu, dass das Participium coniunctum φοβούμενος kausal aufzulösen ist. 159  Zur Verbindung οἱ ἐκ περιτομῆς vgl. Röm 4,12; Kol 4,11; Tit 1,10 sowie vor allem Apg 10,45; 11,2, dort ebenfalls im Kontext von Tischgemeinschaft (s.u. 4.4.1).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

kommenden Personen zu verstehen, wie die bereits vorangegangene Erwäh­ nung von deren Ankunft als Auslöser der Abgrenzung des Petrus zeigt. Petrus rechnet demzufolge vonseiten der Jakobus nahestehenden Judenchristen mit Kritik an einer Tischgemeinschaft mit Nichtjuden. Aus dieser Darstellung der Situation folgt, dass das Verhalten des Petrus in erster Linie die Sichtweise des Jakobus widerspiegelt. Dabei zeigt bereits die Beschreibung der Jakobusleute als solche, die aus der Beschneidung stammen, dass für sie die Orientierung an der Tora zentrale, wenn nicht die entscheidende Bedeutung hat.160 Die eigentliche Front, gegen die Paulus kämpft, bilden somit die Jakobus­ leute. Im Gegensatz zu Jakobus und dessen Anhängern bewertet Paulus die von Petrus bislang eingegangene Tischgemeinschaft offensichtlich als unpro­ blematisch. Kritik übt Paulus nämlich nicht etwa an der bisherigen Tischge­ meinschaft des Petrus mit den Nichtjuden, sondern gerade an deren Aufgabe. Das Verhalten des Petrus stuft Paulus aus dem Grund als besonders gefährlich ein, weil es bereits auf andere Judenchristen, nämlich selbst auf Barnabas, übergreift. Dabei qualifiziert Paulus den Rückzug des Petrus und derjenigen, die sich ihm anschließen, als Verstellung.161 Grundlage dieser Beurteilung ist die Tatsache, dass Petrus gegen seine eigene Überzeugung handelt, da er die Tischgemeinschaft mit den Nichtjuden Paulus zufolge nicht etwa deshalb aufgibt, weil er sie selbst für verboten hält, sondern lediglich deshalb, weil er eine Auseinander­ setzung mit denjenigen scheut, die zu Jakobus gehören (2,12fin). In der Darstellung des Paulus sieht Petrus das Gesetz nämlich offensichtlich trotz seiner Aufgabe der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden nicht als ver­ pflichtend für sein eigenes Leben an.162 Damit ist Petrus Paulus zufolge vor allem für sein inkonsequentes Verhalten zu kritisieren.

160  Zu diesem Verständnis und zum Bezug auf die Jakobusleute vgl. Reuter, Circumcision, 155.157. 161  Vgl. Gal 2,13: καὶ συνυπεκρίθησαν αὐτῷ [καὶ] οἱ λοιποὶ Ἰουδαῖοι, ὥστε καὶ Βαρναβᾶς συναπήχθη αὐτῶν τῇ ὑποκρίσει. Dabei bezeichnet ὑποκρίσις die Vortäuschung einer Einstellung oder Haltung, die man in Wirklichkeit nicht hat, vgl. Passow, s.v. ὑποκρίνω II.2d: „met., heu­ cheln, eine fremde Miene od. Sprache annehmen u. nachmachen, sich verstellen, so thun als ob“ (im Original teilweise hervorgehoben). 162  Vgl. dazu, dass Paulus Petrus ein Leben nach Art der Nichtjuden (Gal 2,14) attestiert, womit er der Aufgabe einer Orientierung am Gesetz auffallend nahekommt, die Paulus dann mit Bezug auf sich selbst in Gal 2,19 feststellt. Der Gebrauch des Präsens ζῇς deutet darauf hin, dass Petrus seinen eigenen Lebenswandel und damit auch seine Einstellung trotz der erneuten Aufrichtung des Gesetzes als Trennwand nicht verändert hat.

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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Darüber hinaus bewertet Paulus den Konflikt mit Petrus als eine Ausei­ nandersetzung von höchster theologischer Bedeutung, da in ihm das Wesen des Evangeliums schlechthin auf dem Spiel steht. Diejenigen, die Petrus fol­ gen, gehen nämlich nicht in die Richtung der Wahrheit des Evangeliums (οὐκ ὀρθοποδοῦσιν πρὸς τὴν ἀλήθειαν τοῦ εὐαγγελίου in 2,14).163 Der größere Rahmen: die Frage nach der Zugehörigkeit der unbeschnittenen Glaubenden zu den Kindern Gottes Das von Paulus in Gal 2,14 geäußerte Motiv der Wahrheit des Evangeliums ­begegnet innerhalb des Galaterbriefes an weiteren entscheidenden Stellen.164 Zum einen sieht Paulus die Wahrheit des Evangeliums auf dem Apostelkon­ vent gefährdet, wie er unmittelbar vor Gal 2,11–14 festgestellt hat (2,5). Zum an­ deren begegnet der Terminus der Wahrheit innerhalb der Auseinandersetzung mit der Gemeinde in Galatien selbst (5,7). Mit ihm wirft Paulus nämlich den Galatern vor, die im Begriff sind, zum Gesetz zurückzukehren, sie würden der Wahrheit nicht gehorchen. Mit dem Stichwort der Wahrheit des Evangeliums kennzeichnet Paulus den antiochenischen Konflikt somit deutlich in Analogie zu diesen beiden Auseinandersetzungen. Deren Kernproblem besteht jeweils in der Frage, ob Nichtjuden, die sich zu Christus hinwenden, auch noch be­ schnitten werden müssen, um das Heil zu erlangen bzw. zu den Kindern Got­ tes zu gehören. Die Verteidigung einer Zugehörigkeit der Heidenchristen zur Heilsgemeinschaft ohne Übernahme der jüdischen Identitätsmerkmale stellt dabei augenscheinlich insgesamt das zentrale Thema des Galaterbriefes dar.165

2.2

2.2.1

Die Auseinandersetzung in Galatien als Konflikt um die Definition der Kinder Abrahams Im Rahmen des Galaterbriefes setzt sich Paulus vor allem mit judenchristli­ chen Gegnern auseinander (1,6–9), die den Galatern ein „anderes Evangeli­ um“ (1,6) verkündigen und damit, aus der Sicht des Paulus, das Evangelium 163  Das Verbum ὀρθοποδέω ist im Neuen Τestament Hapaxlegomenon und wird in der For­ schung häufig in einem moralischen Sinne von „ordentlich wandeln, richtig handeln nach“ verstanden. Belege in den Papyri sprechen jedoch für ein räumliches Verständnis. Dazu passt mit Blick auf Gal 2,14, dass sich die Präposition πρός in einem solchen Fall in der für sie üblichen Bedeutung als Zielangabe verstehen lässt. Gal 2,14 ist somit zu para­ phrasieren als „they are not advancing towards the truth of the gospel“ (Winter, Instance, 161) oder „they were not on the right road toward the truth of the Gospel“ (Kilpatrick, Gal ii.14, 274). 164  Zur zentralen Bedeutung des Evangeliumsbegriffs für den Galaterbrief vgl. auch Gal 1,11. 165  So vor allem Lategan, Apostleship, 425f., dem zufolge Paulus im Galaterbrief nicht – wie in der Forschung zumeist vertreten – seinen Apostolat, sondern in erster Linie das von ihm verkündigte Evangelium verteidigt.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

verkehren (1,7). Im Zentrum des Konfliktes steht die Frage, wer zu den Kin­ dern Gottes166 und damit zu denjenigen gehört, die die Gerechtigkeit und das Heil erlangen. Bei den Kindern Gottes handelt es sich nämlich näherhin um die Erben Abrahams, die Anteil an dessen Verheißungen bekommen (vgl. 3,16).167 Strittig ist in diesem Zusammenhang, ob die Beschneidung und das Gesetz eine Bedeutung für die Zugehörigkeit zu den Kindern Gottes haben. Eine solche Auffassung vertreten offenbar die judenchristlichen Gegner des Paulus. Er kennzeichnet seine Gegner nämlich als solche, die das Gesetz zwar selbst nicht beachten (6,13), aber die Beschneidung (5,2; 6,12f.) und eventuell auch die Beobachtung von Festzeiten (vgl. 4,10) fordern. Für Paulus bedeutet der Versuch der Rechtfertigung durch das Einhalten des Gesetzes jedoch, der Wahrheit nicht zu gehorchen ([τῇ] ἀληθείᾳ μὴ πείθεσθαι in 5,7). Er lehnt eine Bewertung des Gesetzes als Kennzeichen der Kinder Gottes strikt ab,168 wie er vor allem in Gal 3,6–4,7 ausführlich darlegt.169 Innerhalb dieses Argumen­ tationsganges sucht Paulus nachzuweisen, dass die vorwiegend heidenchrist­ lichen und auch nach ihrer Hinwendung zu Christus unbeschnittenen (4,8f.; 5,2f.; 6,12f.170) Adressaten des Galaterbriefes Kinder Gottes (3,26; Näheres zum Vorgang der Adoption in 4,5–7; vgl. Röm 8,14–17) bzw. Kinder der Verheißung (vgl. Gal 4,28) sind. Bereits der Befund, dass Paulus innerhalb dieses Abschnit­ tes nicht etwa mit Mose, sondern mit Abraham als zentraler Gestalt argumen­ tiert (vor allem 3,6–29) und die Kinder Gottes in diesem Rahmen mit den Nachkommen bzw. den Erben Abrahams identifiziert, zeigt, dass ihm zufolge das Gesetz für die Frage, wer zu den Kindern Gottes gehört, bedeutungslos ist. Im Einzelnen führt Paulus folgenden Begründungszusammenhang an: Im Zentrum des Abschnittes Gal 3,6–4,7 steht die Frage, unter welchen Voraussetzungen man Anteil an den Verheißungen bekommt, die Abra­ ham von Gott gemacht wurden (vgl. Gen 12,3; 13,15). In diesem Rahmen 166  Der Ausdruck υἱοὶ θεοῦ (Gal 3,26) lässt sich statt mit „Kindern Gottes“ auch mit „Söhnen Gottes“ wiedergeben, insbesondere da das Thema der Gottessohnschaft im Galaterbrief „aufs Engste mit dem Thema der Beschneidung zusammenhängt“ (Zimmermann, Gott, 1 Anm. 1). Die Beschreibung des Verhältnisses zwischen Gott und Menschen als Bezie­ hung eines Vaters zu seinen Kindern entsteht offenbar in der Zeit des babylonischen Exils (vgl. Dtn 14,1; 32,5f.18f.; Jes 43,6; 45,11; 63,8). 167  Zu den Erben Abrahams als Kindern Gottes vgl. vor allem Gal 3,26.29; 4,7. 168  Paulus bewertet das Sein ὑπὸ νόμον (Gal 4,21) als einen durch Christus grundsätzlich über­ wundenen Zustand (3,23; 4,4f.; 5,18; vgl. 1 Kor 9,20). 169  Zur Argumentation des Paulus für die Abrahamssohnschaft der Glaubenden vgl. z.B. Kraus, Volk, 202–254. 170  Belege wie Gal 3,2f.13f.23f.; 4,2.5; 5,1 müssen nicht notwendigerweise auf Judenchristen hinweisen, sondern lassen sich grundsätzlich auch aus dem Gefälle der Rechtfertigungs­ lehre erklären.

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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betont Paulus in auffallender Art und Weise, dass Abraham aufgrund des Glaubens gerechtfertigt wurde (Gal 3,6; vgl. 3,18) und somit erst dann beschnitten wurde, als er bereits gerecht war (vgl. 3,17f.).171 Daraus folgt, dass nicht etwa diejenigen, die das Gesetz halten, die Kinder Abrahams sind. Diejenigen, die vom Glauben bestimmt sind,172 das173 sind die wah­ ren Kinder Abrahams (οἱ ἐκ πίστεως, οὗτοι υἱοί εἰσιν Ἀβραάμ in 3,7). Sie empfangen die Verheißung auf der gleichen Basis wie Abraham, nämlich ebenfalls aufgrund des Glaubens ([…] ἵνα ἡ ἐπαγγελία ἐκ πίστεως Ἰησοῦ Χριστοῦ δοθῇ τοῖς πιστεύουσιν in 3,22 mit 3,14). Gleiches gilt für die mit der Verheißung gleichzusetzende Rechtfertigung bzw. den Segen.174 Diejeni­ gen, die aus dem Glauben sind, werden mit dem glaubenden Abraham gesegnet (ὥστε οἱ ἐκ πίστεως εὐλογοῦνται σὺν τῷ πιστῷ Ἀβραάμ in 3,9) und aufgrund des Glaubens gerecht ([…] ἵνα ἐκ πίστεως δικαιωθῶμεν in 3,24). Auch die Völker sind somit Kinder Abrahams und damit Erben der an Abraham ergangenen Verheißung, und zwar ohne die „Werke des Geset­ zes“ (3,10–12.21), denn das Erbe hängt nicht vom Gesetz, sondern von der Verheißung ab (3,18a). Wie nämlich die Schrift vorausgesehen hat, macht Gott die Völker aufgrund des Glaubens gerecht (3,8). Dabei ermöglicht es der Tod Christi, dass der Abraham verheißene Segen den Völkern in Christus Jesus zuteilwird und sie den verheißenen Geist (d.h. das Verhei­ ßungsgut des Geistes, vgl. 3,2) durch den Glauben empfangen (3,13f.). Der Einschluss der nichtjüdischen Galater in die Abrahams- und Gotteskind­ schaft und damit die Anteilgewinnung an der an Abraham ergangenen Verhei­ ßung erfolgt in Christus (vgl. 3,14). Alle Glaubenden sind nämlich in Christus Jesus Gottes Kinder (Πάντες γὰρ υἱοὶ θεοῦ ἐστε διὰ τῆς πίστεως ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ in 3,26). Im Einzelnen greift Paulus auf die inkludierende Wirkung der Taufe zurück (3,26–29). Zunächst gilt die Verheißung Christus als dem einen Samen Abrahams (3,16.19). Durch die Taufe gilt jedoch das, was für Christus gilt, auch für die Getauften. Die, die in Christus hineingetauft worden sind, haben näm­ lich Christus angezogen (3,27). Sie sind alle einer in Christus (3,28fin). Sie ge­ hören somit zu Christus (εἰ δὲ ὑμεῖς Χριστοῦ) und sind als solche Abrahams Samen und entsprechend der Verheißung Erben (ἄρα τοῦ Ἀβραὰμ σπέρμα ἐστέ, κατ’ ἐπαγγελίαν κληρονόμοι in 3,29). 171  Vgl. dazu den Schriftbeweis, so in Gal 3,6 mit Gen 15,6 LXX, in Gal 3,11 mit Hab 2,4 LXX. 172  Zum Gebrauch von ἐκ mit Genitiv zur Angabe dessen, wovon ein Mensch bestimmt ist, vgl. Zerwick, Biblical Greek, §134f. 173  Vgl. dazu das anaphorische οὗτοι zur besonderen Betonung. 174  Zur engen Verbindung der Verheißung (Gal 3,16.18) mit der Rechtfertigung vgl. Gal 3,21, zu deren Verbindung mit dem Segen Abrahams vgl. Gal 3,14. Zur Verbindung von Rechtferti­ gung und Segen vgl. Gal 3,8f.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Die Ablehnung des Gesetzes als Kennzeichen der Kinder Gottes ist verbun­ den mit einer generellen Gegenüberstellung von Glaube und Gesetz als zwei alternativen Lebenswegen. So nennt Paulus in Gal 4,21–31 die beiden Söhne Abrahams als Begründer von zwei Bünden, wobei nur diejenigen aus der IsaakLinie Erben der Verheißung sind (vgl. 4,30). Im Einzelnen zielt auch dieser Ab­ schnitt auf die Integration der Christusgläubigen in die Erben Abrahams, die Anteil an dessen Verheißungen bekommen. Paulus zufolge sind die Glauben­ den nämlich wie Isaak Kinder der Verheißung (vgl. 4,23.28) und Kinder der Freien (vgl. 4,22.26.31). Damit knüpft Paulus aber deutlich an Gal 3,6–4,7 an. Eine Kontrastierung des Gesetzes und des Glaubens bzw. der Gnade Gottes findet sich insbesondere in Hinsicht auf die Erlangung der Gerechtigkeit. Im Hintergrund der von Paulus gehäuft verwendeten δικαιόω-Formulie­ rungen175 steht das Handeln Gottes176 im endzeitlichen Gericht.177 Dieses ist kein vernichtendes Richten, sondern es impliziert die eschatologische Rettung.178 Paulus verneint nun jedoch im Kontext des Galaterbriefes179 175  Vgl. vor allem den Gebrauch von δικαιόω in Gal 2,16f.; 3,8.11.24; 5,4; vgl. Röm 2,13; 3,20.24. 26.28.30; 4,2.5; 5,1.9; 8,30.33; vgl. dazu auch das Nomen δικαιοσύνη in Gal 2,21; Röm 1,17; 3,5.21f.26. u.ö. 176  Vgl. dazu die jeweilige Verwendung von δικαιόω im Passiv, das als Passivum divinum zu verstehen ist. 177  Vgl. dazu vor allem Röm 2,13; 3,20.30; 5,19 (mit 5,17). Zur Zukünftigkeit der Erlangung der Gerechtigkeit vgl. auch Gal 5,5 (ἐλπίδα δικαιοσύνης); Röm 8,33. Durch den Gebrauch der δικαιόω-Terminologie ruft Paulus bei seinen Adressaten den Komplex des Rechts auf. Das Verbum δικαιόω steht nämlich in Verbindung mit δική, wird aber nicht im Sinne von „eine gerechte Tat tun“, sondern als „ins Recht setzen“, „in Einklang mit dem Recht bringen“ verwendet (vgl. Passow, s.v. δικαιόω: „eig. gerecht oder recht machen“). Abzulehnen ist die von Käsemann stammende Deutung des Rechtfertigungsbegriffs vor dem Hintergrund des alttestamentlich-jüdischen Konzepts der Bundestreue. Dabei bedeutet δικαιοσύνη Käsemann zufolge bei Paulus nicht mehr nur – wie in der vorpaulinisch jüdisch-helle­ nistischen Tradition – „Bundestreue“, sondern Treue des Schöpfers zu seiner Schöpfung (Käsemann, Gottesgerechtigkeit, 190–192, im Anschluss an ihn: Stuhlmacher, Gerechtig­ keit, 77.90f., vgl. auch Müller, Gerechtigkeit, 112f.). Diese These wurde in der Forschung vielfach aufgenommen (vgl. bes. Kertelge, Rechtfertigung, 98f.309; ders., δικαιοσύνη, 791). 178  Vgl. dazu auch die Parallelität von Rechtfertigung und Rettung in Röm 10,10. Vgl. Röm 14,17. 179  Damit lässt sich ausschnittweise der Zusammenhang erkennen, den Paulus ausführlicher im Römerbrief erörtert. Auch innerhalb des Römerbriefes lehnt Paulus nämlich trotz einer bisweilen anzutreffenden positiveren Sicht auf das Gesetz (vgl. dazu Röm 7,10.12– 14.16.22.25) jegliche Bedeutung des Gesetzes für die Rechtfertigung ab. Das Gesetz for­ dert nämlich zwar durchaus das Gerechte und definiert es (so Röm 8,4: τὸ δικαίωμα τοῦ νόμου; vgl. auch Röm 1,32; 2,26). Den bei Zuwiderhandlung entstehenden Zustand kann es jedoch nicht verändern, sondern nur feststellen (Röm 3,20; 7,7.13) und in der Folge die Bestrafung fordern (Röm 4,15a).

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jegliche soteriologische Bedeutung des Gesetzes.180 So hat das Gesetz höchstens eine erzieherische Funktion, bis Christus kam (3,24f.), die Rechtfertigung erfolgt dann jedoch erst durch den Glauben ([…] ἵνα ἐκ πίστεως δικαιωθῶμεν in 3,24b). Das Gesetz hat hingegen eine verurteilen­ de Funktion, da es für alle, die nicht das ganze Gesetz halten (vgl. 3,10 mit 5,3), den Fluch hervorbringt (vgl. 3,13: τοῦ νόμου als Genitivus aucto­ ris). Von diesem Fluch befreien kann jedoch allein der Tod Christi (3,13f.; vgl. 4,4). Für Paulus schließen sich eine Rechtfertigung durch den Glauben und durch das Gesetz, wie sie seine Gegner vertreten, demzufolge strikt aus. Eine erneu­ te Orientierung am Gesetz hat nach seiner Auffassung vielmehr die denkbar negativsten Folgen. Diejenigen, die im bzw. durch das Gesetz gerecht werden wollen (οἵτινες ἐν νόμῳ δικαιοῦσθε),181 sind nämlich bereits solche geworden, auf die Christus keine Wirkung mehr hat (κατηργήθητε ἀπὸ Χριστοῦ),182 und haben die Gnade verlassen, d.h. sich von ihr abgewendet (τῆς χάριτος ἐξεπέσατε in 5,4).183 Christus und die Gnade Gottes gehören somit Paulus zufolge unlöslich 180  Innerhalb der „New Perspective“ wird die soteriologisch-eschatologische Dimension des Gesetzes im Vergleich zum Gesetz als sozial-ethnisches Abgrenzungsmerkmal (Näheres zum Richtungswechsel der „New Perspective“ s.o. I 2.3.1) zu wenig beachtet. So hat das Gesetz in jüdischen Texten durchaus eine Bedeutung für die endgerichtliche Entschei­ dung; vgl. dazu vor allem Gathercole, Soteriology, 37–169; zu tannaitischen Texten vgl. auch Avemarie, Tora, 38–44.291–294.582f.; Alexander, Torah. 181  Das Präsens ist hier im Sinne von „sie sind dabei“ zu verstehen, gleichsam konativ, vgl. BDR §319₂. 182  Das κατηργήθητε ist zunächst als Passiv zum Gebrauch von καταργέω als „wirkungslos/ nutzlos machen, seine Wirksamkeit nehmen“ im Sinne von „seine Wirksamkeit verlieren, unwirksam werden“ zu verstehen. Dabei ist der Gebrauch im Passiv mit Bezug auf Perso­ nen zwar zunächst merkwürdig (mit einem Gegenstand hingegen häufiger, vgl. Röm 4,14; 6,6; 1 Kor 13,8.10f.; 2 Kor 3,7.11.13f.; Gal 5,11), findet sich jedoch in Röm 7,2.6 in ähnlicher Form, nämlich in Verbindung mit einer ἀπό-Wendung (ohne hingegen auch in 1 Kor 2,6; 15,26; zum Gebrauch in Verbindung mit einer ἀπό-Wendung vgl. auch ActJ 84; anders dann bei Origenes mit einem Gegenstand als Subjekt und der ἀπό-Wendung eher als An­ gabe der Ursache, so Comm. Rom. 176.178; Fr. Eph. 12). Die in Röm 7,2.6 belegten Formu­ lierungen lassen deutlich erkennen, dass καταργέομαι ἀπό die Aufhebung einer Bindung bezeichnet. Dort steht diese Wendung nämlich im Gegensatz zu ἡ γὰρ ὕπανδρος γυνὴ τῷ ζῶντι ἀνδρὶ δέδεται νόμῳ (7,2) und ἐν ᾧ κατειχόμεθα (7,6). Damit ergibt sich für Gal 5,4 in Analogie zu Röm 7,2.6 ein Verständnis, dem zufolge die „ihr“ zu solchen geworden sind, die die Verbindung mit Christus verloren haben. 183  Vgl. dazu Passow, s.v. ἐκπίπτω 4: „abkommen, […] überh. abkommen von etwas, etwas aufgeben“; vgl. auch s.v. 5: „in scheinbar passiv. Sinne […] b) herausgetrieben oder ge­ worfen werden, vertrieben werden, […] vertrieben, aus dem Vaterlande verbannt wer­ den“. Vgl. auch LSJ, s.v. ἐκπίπτω 3: „to be driven out […]; to be banished“ (im Original

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

zusammen (vgl. dazu auch 2,20f.),184 stehen jedoch in diametralem Gegensatz zum Gesetz bzw. zur spezifischen Praxis des Gesetzes wie der Beschneidung (vgl. 5,6; 6,15). Wie dieser Überblick über die grundsätzliche Argumentation des Paulus im Galaterbrief deutlich zeigt, besteht das zentrale Thema dieses Briefes nicht aus dem Gesetz als solchem, sondern aus der Frage, wer zu den Kindern Abrahams bzw. Gottes gehört. Paulus argumentiert dafür, dass die unbeschnittenen Glau­ benden Teil der Kinder Gottes bzw. Abrahams sind, und zwar deshalb, weil die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft ihm zufolge nur durch den Glauben festgelegt wird.185 Damit integriert Paulus die unbeschnittenen Glaubenden in seine offenbar jedoch nicht konsensfähige Definition der Kinder Abrahams als den Glaubenden (3,7) bzw. den Getauften (3,29). Diejenigen, die das Ge­ setz halten, sind Paulus zufolge somit aber gar nicht die Kinder Gottes.186 Von daher erklärt sich auch, dass Paulus seinen Gegnern vorwirft, sie – die eine Beachtung des Gesetzes fordern – würden die Galater aus der Gemeinschaft ausschließen wollen (ζηλοῦσιν ὑμᾶς οὐ καλῶς, ἀλλὰ ἐκκλεῖσαι ὑμᾶς θέλουσιν in 4,17).187 Wenn sich die Galater nämlich den judenchristlichen Gegnern des Paulus anschließen, so verlieren sie damit ihre eigentlich bereits bestehende Zugehörigkeit zu den Kindern Gottes. Sie werden wieder zu solchen, die den Mächten dienen (4,9 mit 4,3). Der Apostelkonvent als Entscheidung für die Rettung der Heidenchristen ohne Beschneidung Im engeren Kontext besteht für den antiochenischen Konflikt (2,11–14) eine besonders große Nähe zum sogenannten Apostelkonvent. Abgesehen von der Verbindung über das Stichwort der Wahrheit des Evangeliums (2,5.14) sind beide Ereignisse Teil des ersten Abschnittes des Galaterbriefes (1,13–2,21), in welchem Paulus die Auffassung seiner Gegner auf der Grundlage einer

2.2.2

hervorgehoben). Zur Deutung der Gnade als Ort, der einer Polis vergleichbar ist, vgl. meine Auslegung von Röm 5,1f. in Eschner, Sünder I, 328–335. 184  Vgl. dazu den parenthetischen Anschluss von τῆς χάριτος ἐξεπέσατε mit der gegenüber Gal 5,4a chiastischen Wortstellung des Genitivs und Verbums. 185  Diese Vorstellung des Paulus wird in Kol 2,6–16 im Zusammenhang des Streits um die fremde Philosophie aufgenommen. Auch hier hat die Taufe die Beschneidung abgelöst, sodass Speisegebote und Feiertage keine Bedeutung mehr haben. 186  Vgl. dazu auch Gal 4,1–7: Diejenigen, die unter dem Gesetz sind, sind gerade nicht die Kinder Gottes, sondern müssen von Christus zunächst befreit werden (4,4f.; vgl. 3,10–13), worauf die Kindschaft dann erst folgt (4,5–7). 187  Vgl. dazu Passow, s.v. ἐκκλείω b: „von einer Gemeinschaft ausschliessen“; vgl. BAA, s.v. ἐκκλείω 1: „im Sinne d. Aufhebung e. Gemeinschaft“.

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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historisch-biographischen Argumentation zurückweist.188 In diesem Rahmen schildert er unmittelbar vor seiner Darstellung des antiochenischen Konflikts detailliert die Hintergründe, den Verlauf und die Ergebnisse des Apostelkon­ vents (2,1–10). Dabei erklärt sich diese genaue Schilderung aus der Tatsache, dass dort der Gegenstand des Streits zwischen Paulus und seinen judenchrist­ lichen Gegnern in Galatien bereits ausgiebig verhandelt und Paulus zufolge gelöst wurde, sodass die damalige Entscheidung ihm als Grundlage für den ak­ tuellen Konflikt in Galatien dienen kann. Der Anlass des Apostelkonvents be­ steht nämlich in der Frage, ob sich Nichtjuden im Rahmen ihrer Hinwendung zu Jesus Christus auch beschneiden lassen müssen, wie aus der Feststellung des Paulus, Titus sei nicht zur Beschneidung gezwungen worden (ἀλλ’ οὐδὲ Τίτος ὁ σὺν ἐμοί, Ἕλλην ὤν, ἠναγκάσθη περιτμηθῆναι in 2,3), im Umkehrschluss deut­ lich zu erkennen ist. Damit ist aber die Beschneidungsforderung der aktuellen Gegner des Paulus in Galatien als Widerspruch zu diesem Ergebnis des Apos­ telkonventes zu bewerten. Was ergibt sich nun jedoch vor diesem größeren Rahmen für den antiochenischen Zwischenfall, mit dessen Erwähnung Paulus doch offenbar eine ähnliche Absicht verfolgt wie mit der des Apostelkonvents? 2.2.3

Der antiochenische Zwischenfall – eine Auseinandersetzung um die Einhaltung der jüdischen Speise- oder Reinheitsvorschriften durch Judenchristen? In der Forschung werden als Kern der Kontroverse in Gal 2,11–14 zumeist spezi­ ell die jüdischen Gesetzesanordnungen zum Essen angenommen. Diese werden im Einzelnen unterschiedlich gefüllt, und zwar zumeist mit Speisevorschriften wie der Gefahr des Götzenopferfleisches,189 daneben auch mit einer ungenü­ genden Beachtung der rituellen Reinheitsvorschriften der Juden,190 vor allem

188  Abgesehen von den sprachlichen Anknüpfungen besteht auch im Hinblick auf die zen­ tralen Personen eine Nähe zum Apostelkonvent (Gal 2,9), da abgesehen von Petrus und Paulus mit den Anhängern des Jakobus auch dieser entscheidenden Anteil am Konflikt in Gal 2,11–14 hat. 189  An Fleisch und Wein aus heidnischem Götzendienst denkt vor allem Esler, Agreement, 286; ders., Gal, 93–116; ders., Christians, 68; daneben z.B. Konradt, Datierung, 25f. (Anm. 25) und 31. Zumeist ist in einem allgemeinen Sinn von „Speisegeboten“ die Rede (so z.B. auch Zimmermann, Gott, 47.49). 190  Vgl. Betz, Gal, 107f.: „Jewish dietary and purity laws“. Holmberg, Paul, 778, zufolge fordert Petrus die für das Passah notwendigen Reinigungsregeln, doch ist bereits die Herleitung dieses Hintergrundes für 1 Kor 5,11 nicht überzeugend (s.o. 1.2). Auch Kraus, Jerusalem, 158–162, spricht gehäuft von „rituellen Reinheitsforderungen“, meint damit jedoch offen­ bar Speisevorschriften.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

der der Pharisäer.191 Der Rückzug des Petrus und der übrigen Judenchristen von der Tischgemeinschaft mit Heidenchristen bedeute deren eigene Rück­ kehr zu den Speisegeboten.192 Eine solche Auslegung von Gal 2,11–14 als Kon­ flikt um eine Beachtung der Speisevorschriften resultiert in erster Linie aus der Erwähnung von Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden als grö­ ßerem Rahmen. Ausdrücklich werden die jüdischen Speisegebote nämlich im gesamten Umfeld von Gal 2,11–14 nicht erwähnt. Dabei ist die Beachtung der jüdischen Speisegebote innerhalb der Schriften des Diasporajudentums in der Tat das Hauptproblem des gemeinsamen Essens von Juden mit Nichtjuden, und zwar insbesondere das Verbot des Genusses von Götzenopferfleisch.193 Dessen Einhaltung ist gleichsam die Minimalbedingung, unter der ein ge­ meinsames Mahl mit Nichtjuden überhaupt zustande kommen kann. Im vorliegenden Zusammenhang werden jedoch weder in der Darstellung des Konfliktes in Gal 2,11–14 selbst noch im näheren Umfeld speziell die jüdischen Speisevorschriften194 oder rituelle Bestimmungen zum Essen erwähnt. Für die Situation in Antiochia ist eine bewusste Verwendung von verbotenen Speisen zudem ohnehin wenig wahrscheinlich.195 Im Hinblick auf rituelle Reinheits­ 191  So vor allem in der von Dunn, Incident, 151–158, vorgeschlagenen Rekonstruktion der in Antiochia üblichen Mahlpraxis, vgl. bes. 154–158: Die Heidenchristen vermeiden zwar Schweinefleisch und Fleisch, das von nicht richtig geschlachteten Tieren stammt, be­ achten jedoch Reinheitsvorschriften wie das Händewaschen und den Zehnten nicht ausreichend. Zum Verstoß der Judenchristen gegen pharisäische Reinheitsgesetze vgl. auch Segal, Convert, 194f. Jervis zufolge ist Petrus zwischen dem von Jakobus und seinen Anhängern vertretenen pharisäischen Verständnis des Gesetzes und der prophetischen Gesetzesinterpretation Jesu hin und her gerissen (Peter, 57). 192  Vgl. exemplarisch Öhler, Essen, 197. Dass Petrus zuvor die Speisegebote tatsächlich über­ treten habe, betont z.B. Wehr, Petrus und Paulus, 66. Die paulinische Bewertung des Lebensstils des Petrus als „heidnisch“ in Gal 2,14 bedeutet jedoch nicht zwingend, dass Petrus tatsächlich verbotene Speisen isst, sondern eher, dass er das Gesetz nicht mehr als Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum Volk Gottes und dessen Rettung ansieht (vgl. dazu die Fortsetzung von Gal 2,14 mit den Aussagen zum Gesetz in 2,16.19). 193  Ausführlich zu entsprechenden Traditionen s.o. IIB 2.1. Vgl. dazu auch, dass Paulus selbst das Verbot des Genusses von Götzenopferfleisch in 1 Kor 8,1–11,1 ausgiebig thematisiert (s.o. IIIA 1). 194  Eine Beschränkung auf die Einhaltung der jüdischen Speisegebote ist vom Gebrauch von ἰουδαΐζω in Gal 2,14fin selbst keineswegs zwingend, da dieses Verbum die Beschneidung grundsätzlich gerade umfassen kann und dies vom Kontext her auch für Gal 2,14 nahe­ liegt (s.u. 2.3.2). 195  Vgl. vor allem Bird, Incident, 347f. Dies wird in der Forschung bisweilen auch von den Forschern festgestellt, die die Forderung der Jakobusleute dennoch primär mit der Ein­ haltung der Speisegebote füllen. Dabei finden sich im Einzelnen unterschiedliche Lö­ sungsversuche. Eine Verwendung von Schweinefleisch wird für die Tischgemeinschaften in Antiochia generell abgelehnt (so ausdrücklich Heil, Speisegebote, 138). Auch ein wis­ sentlicher Genuss von Götzenopferfleisch sei wenig wahrscheinlich. So sehen die Jako­ busleute Tomson zufolge die Gefahr des Götzendienstes trotz aller Vorsichtsmaßnahmen,

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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vorschriften ist es ­generell fraglich, inwieweit diese außerhalb Israels über­ haupt praktiziert wurden.196 Zumindest für die Frage der Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden spielen sie in der Diaspora – anders als im palästi­ nischen Judentum – eindeutig keine entscheidende Rolle (s.o. IIB 2.3). Damit wäre aber eine ausführliche Erörterung der rituellen Vorschriften in besonde­ rer Weise zu erwarten, wenn speziell diese im Zentrum der Kritik stünden. Angesichts dieser Probleme plädieren in der jüngeren Forschung eini­ ge Exegeten dafür, dass das Kernproblem von Gal 2,11–14 in einer un­ ter­schiedlichen Bewertung der Heidenchristen in moralischer Hinsicht besteht.197 Ihnen ist darin Recht zu geben, dass der Fokus des vorliegen­ den Textes eindeutig auf den am Mahl beteiligten Personen liegt. Abgese­ hen davon ist eine solche Deutung jedoch mit gravierenden Problemen verbunden.198 Die in der Forschung verbreitete Deutung von Gal 2,11–14 als Auseinanderset­ zung um die Einhaltung von jüdischen Speisevorschriften ist insbesondere wobei er betont, dass Barnabas und Petrus die biblischen Gesetze nicht verletzt haben (Paul, 236; vgl. auch ders., Food Laws, 203). Ähnlich Öhler, Essen, 194f., der einen Genuss verbotener Speisen schon aufgrund der nur seltenen Verfügbarkeit von Fleisch für un­ wahrscheinlich hält. 196  Dezidiert gegen eine solche Praktizierung der pharisäischen Reinheitsbestimmungen in der Diaspora argumentiert Sanders, Jewish Association, 172; vgl. auch Tomson, Paul, 228f. Daneben lehnt z.B. auch Esler, Christians, 62–66, die von Dunn vorgeschlagene Deutung im Sinne der rituellen Reinheitsvorschriften grundsätzlich ab. Sie findet sich dann später auch bei Dunn nicht mehr (vgl. Gal, 121). Zur Verbreitung einiger Reinheitsvorschriften in der Diaspora siehe aber oben IIB 3. 197  So z.B. Bauckham, James, 124–126, und vor allem Zetterholm, Purity, mit einer Ablehnung der weit verbreiteten rituellen Deutung: Danach würden einige Judenchristen die Hei­ denchristen als moralisch rein ansehen, während die Gegner einer Tischgemeinschaft mit Heidenchristen sie aufgrund ihrer Beteiligung an heidnischen Praktiken als mora­ lisch unrein betrachteten. 198  Gegen eine moralische Neubewertung der Heidenchristen spricht vor allem der Befund, dass Paulus die Tischgemeinschaft nicht mit einer solchen positiven Beurteilung der Heidenchristen verteidigt. Vielmehr besteht der Skopus von Gal 2,16–19 offenbar gerade darin, dass Paulus umgekehrt die Judenchristen deutlich abwertet, indem er sie mit den als Sündern aus den Heiden qualifizierten Heidenchristen auf eine Stufe stellt (vgl. 2,17; s.u. 2.4.1.3). Dabei liegt mit der häufigen Verwendung der δικαιόω-Terminologie im Rah­ men von Gal 2,16–21 zwar eine sprachliche Nähe zur Vorstellung vor, dass man Tischge­ meinschaft auf Gerechte beschränken soll, wie sie z.B. in Sir 9,16 belegt ist. Anders als im Rahmen dieser üblichen Vorstellung handelt es sich im vorliegenden Fall bei der Gerech­ tigkeit jedoch nicht um den tadellosen Lebenswandel der Menschen (so z.B. im Fall der Formulierung ἐργαζόμενος δικαιοσύνην in Apg 10,35), sondern um das zukünftige Handeln Gottes im Gericht und damit um eine eschatologische Kategorie (s.o. 2.2.1).

432

IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

dadurch bedingt, dass für diesen Konflikt zwischen Paulus und Petrus eine enge Verbindung mit dem von Paulus allerdings gar nicht erwähnten Apos­ teldekret gesehen wird.199 Der Konflikt in Antiochia wird in der Forschung in unterschiedlicher Weise als Erklärungsmodell für die voneinander abwei­ chenden Darstellungen des Apostelkonzils durch Paulus und Lukas in An­ spruch genommen, und zwar insbesondere als eine Möglichkeit für deren Harmonisierung.200 Die Annahme einer solchen Verbindung ist jedoch selbst mit erheblichen Problemen verbunden. Die entsprechenden Forscher setzen in diesem Rahmen für das Aposteldekret jeweils ein bestimmtes Verständnis voraus, das insgesamt unsicher und umstritten ist.201 Dies betrifft insbesonde­ re die Frage, ob das Aposteldekret überhaupt eine so starke Israelausrichtung hat, dass eine Verpflichtung auf diese Vereinbarung als Forderung nach einem Leben als Jude gefasst werden kann, wie Paulus es Petrus in Gal 2,14 vorwirft (vgl. ἰουδαΐζω).202 Zudem lässt sich bei einer Deutung, der zufolge die Jakobus­ leute von den Heidenchristen lediglich die Einhaltung von Speisevorschriften fordern, die äußerst scharfe Reaktion des Paulus nur schwer erklären.203 In einem solchen Fall besteht die Position des Paulus in Gal 2,11–14 in einer strik­ ten Ablehnung einer Beachtung von Speisevorschriften durch Heidenchristen. Damit ergeben sich jedoch gravierende Spannungen zu anderen Aussagen des Paulus, und zwar insbesondere zu Röm 14,1–23.204 199  Im Einzelnen reicht das Spektrum der Auslegung von einer Deutung, der zufolge in An­ tiochia letztlich gerade nichts über das Aposteldekret hinaus verlangt worden sei (so Holtz, Zwischenfall, 355), bis zur umgekehrten Deutung, dass die Jakobusleute mehr for­ derten (so Niebuhr, Fragen, 37). 200  Zu Vertretern für eine solche Deutung s.o. IIIA 3.3.2. 201  Bei einer Verbindung zwischen Gal 2,11–14 und Apg 15,20.29 wird mit Blick auf das Apos­ teldekret vorausgesetzt, dass dieses in erster Linie die im Zentrum des antiochenischen Zwischenfalls stehende Tischgemeinschaft von Juden- und Heidenchristen ermöglichen sollte. Darüber hinaus wird die primäre Funktion des Aposteldekrets im Rahmen einer solchen Verbindung mit Gal 2,11–14 zumeist in der bloßen Rücksichtnahme auf die Juden­ christen gesehen. Beides ist in der Forschung zum Aposteldekret aber insgesamt strittig und trifft offenbar nicht zu (s.o. Einleitung zu IIIA 3.2). 202  In einer Israelzentriertheit des Aposteldekrets sieht z.B. Wolter, Paulus, 47f., das eigent­ liche Problem von Gal 2,11–14. Gegen eine Deutung des Aposteldekrets als Verpflichtung auf Teile des Gesetzes s.o. bes. IIIA 3.2.3. 203  Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die im Aposteldekret genannten Speisen gemeint sind, da für die Speiseverbote des Aposteldekrets durchaus mit einer grundsätzlichen Anerkennung durch Paulus zu rechnen ist (s.o. IIIA 3.3.2). 204  Versteht man Gal 2,11–14 so, dass Petrus Partei für die judenchristliche Minderheit inner­ halb der Gemeinde ergreift, so steht die Kritik des Paulus an einem solchen Verhalten im Gegensatz zu seiner eigenen Argumentation in einer vergleichbaren Situation in Röm 14,1–23. Dort fordert Paulus Heidenchristen nämlich umgekehrt dazu auf, aus Rück­ sicht auf Judenchristen auf Speisen zu verzichten, die für diese verboten sind (vgl. dazu

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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Abgesehen von diesen generellen Einwänden ist eine Auslegung von Gal 2,11– 14 mit Bezug auf die Frage nach der Geltung der jüdischen Speisevorschriften auch insofern problematisch, als bei ihr die Funktion von Gal 2,11–14 inner­ halb des Argumentationsganges von Gal 1,13–2,21 offenbleibt. Eine solche Deu­ tung nimmt für die Auseinandersetzung zwischen Paulus und Petrus nämlich eine deutlich anders gelagerte Problematik an als für den unmittelbar zuvor geschilderten Apostelkonvent und den Konflikt in Galatien. Sie bedeutet in jedem Fall eine entscheidende Einschränkung gegenüber der Frage des Apos­ telkonventes und der Auseinandersetzung in Galatien,205 da in deren Zen­ trum die Frage nach der Beschneidung der Heidenchristen und damit nach der umfassenden Geltung des Gesetzes für diese steht. Auch der Abschnitt, der sich direkt an die Schilderung des antiochenischen Zwischenfalls anschließt (2,15–21), handelt deutlich erkennbar vom gesamten Gesetz. Dort spricht Pau­ lus nämlich stets nur allgemein vom „Gesetz“ (2,19.21) oder den „Werken des Gesetzes“ (2,16).206 Bei einer Verpflichtung der Heidenchristen auf die jüdi­ schen Speisegebote ist zudem näher zu klären, ob sie diese grundsätzlich für eine Zugehörigkeit zum Gottesvolk207 oder aber – wie es in der Forschung zu­ meist vertreten wird – nur zur Aufrechterhaltung der Tischgemeinschaft mit den Judenchristen und damit aus Rücksicht auf sie einhalten sollen.208 Gerade im letzten Fall ergibt sich nun aber ein ganz besonders starker thematischer Bruch zum Anlass des Apostelkonvents und zum Konflikt in Galatien. Dann vor allem Röm 14,1–3; 15,1; daneben auch 1 Kor 9,20–22). Eine gegensätzliche Argumenta­ tion des Paulus in Röm 14,1–23 und Gal 2,11–14 nimmt z.B. Tomson, Paul, 244, an. McHugh kommt gar zu dem Schluss, dass Paulus der Position des Petrus später Recht gibt (Gala­ tians, bes. 322). 205  So z.B. Schnelle, Heide, 105f., der diese Differenz ausdrücklich feststellt. 206  Im Hinblick auf den Ausdruck ἔργα νόμου ist zwar umstritten, ob er sich auf das gesam­ te Gesetz bezieht oder auf besondere Gesetzesforderungen, und zwar insbesondere die sogenannten boundary markers (so Bachmann, Bemerkungen, 281–287, gegen Landmes­ ser). Auch im letztgenannten Fall liegt jedoch angesichts der fest verankerten Verbindung zwischen ἔργα νόμου und der Beschneidung (vgl. auch Röm 3,20.28 mit 2,25–29; 3,1.30) ein Bezug auf die Beschneidung näher als auf die Speisevorschriften (so aber das Verständnis von Gal 2,11–14 bei Bachmann, Bemerkungen, 285). 207  Dafür plädiert z.B. Wehnert, Reinheit, 127, angesichts der Parallele zur Auseinanderset­ zung in Galatien. Vgl. auch Schnelle, Heide, 103–109, dem zufolge es beim Konflikt in Antiochia wie beim Apostelkonvent nur um die Frage der Geltung des Gesetzes für Hei­ denchristen geht, Paulus die Frage nach der Geltung des Gesetzes für Judenchristen hin­ gegen erst in Gal 2,15ff. thematisiere. 208  Vgl. exemplarisch Öhler, Essen, dem zufolge die Verpflichtung der Heidenchristen auf Teile der Tora, vorrangig auf die Speisegebote (195.197), dazu dient, „die Mahlgemein­ schaft zu bewahren“ (195) und „eine Verbindung mit dem jüdischen Ethnos“ zu zeigen (196), bzw. aus einem „Zusammengehörigkeitsgefühl“ heraus geschieht (197).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

besteht der primäre Streitpunkt des Konflikts in Antiochia nämlich in dem gegenüber Gal 2,1–10 geradezu umgekehrten G ­ eltungsbereich des Gesetzes, und zwar in der Frage, inwieweit Judenchristen im Rahmen ihres Umgangs mit Heidenchristen von den für sie geltenden jüdischen Bräuchen abweichen dürfen.209 Danach kritisieren die Jakobusleute die in Antiochia mit Nichtju­ den geübte Tischgemeinschaft nämlich deshalb, weil bei dieser die jüdischen Gesetzesvorschriften zum Essen nicht ausreichend beachtet werden würden, sodass die Judenchristen diese bei einem solchen Mahl übertreten. Die For­ derung der Jakobusleute nach einer Beachtung der Speisevorschriften durch die Heidenchristen dient somit in erster Linie der Vermeidung einer Übertre­ tung des Gesetzes durch die Judenchristen. Ein solcher thematischer Bruch wird jedoch innerhalb des Textes Gal 2,1–21 von Paulus nicht angezeigt. Viel­ mehr besteht für Gal 2,11–14 nicht nur zum Vorausgehenden in Gal 2,1–10 eine enge Verbindung (s.o. 2.2.2), sondern auch zum Folgenden in Gal 2,15–21 ein auffallend nahtloser Übergang. Dabei schildert Paulus offenbar zunächst den konkreten Vorfall und kritisiert das Verhalten des Petrus, um dann in dem mit Gal 2,15 beginnenden Argumentationsgang eine nähere Begründung für diese Bewertung zu liefern. Die Ausführungen in Gal 2,15–21 haben nämlich zwar einen allgemeineren Charakter als die Schilderung des Konfliktes in Gal 2,11– 14, doch sind Gal 2,15ff. formal gesehen immer noch an Petrus gerichtet. Zudem knüpft Paulus auch in motivischer Hinsicht deutlich erkennbar an die voran­ gehende Darstellung der Auseinandersetzung zwischen Petrus und Paulus an.210 Eine genauere Analyse wird zeigen, dass der Kern der Argumentation des Paulus gegen das Verhalten des Petrus und der anderen Judenchristen in Gal 2,17f. liegt (s.u. 2.4.1.3 und 2.4.2), sodass die Rede des Paulus an Petrus offen­ bar durchaus bis Gal 2,21 reicht.211 Dabei führt Paulus in Gal 2,15–21 offensicht­ 209  Zu einer solchen Deutung vgl. exemplarisch Konradt, Datierung, 25f., der diese Differenz ausdrücklich feststellt. Vgl. auch Wolter, Paulus, 45f.49. 210  Vgl. dazu vor allem den Stichwortanschluss in Gal 2,14f.: Mit ἡμεῖς φύσει Ἰουδαῖοι καὶ οὐκ ἐξ ἐθνῶν ἁμαρτωλοί in Gal 2,15 greift Paulus die Feststellung Ἰουδαῖος ὑπάρχων aus Gal 2,14 auf und vertieft diese. 211  So z.B. Feld, Christus, 120f., der jedoch in Gal 2,15.17 die Einwände des Petrus sieht. Zu Gal 2,11–21 als Einheit vgl. auch Smit, Paulus, 140. Bei einer Deutung von Gal 2,11–14 als Konflikt um eine Geltung der jüdischen Speisegebote lässt sich gerade die grundsätzli­ che Argumentation ab Gal 2,16 nur schwer als Reaktion auf Gal 2,11–14 erklären. Dabei wird Gal 2,15ff. zumeist dergestalt gedeutet, dass Paulus sich in Gal 2,15ff. zwar noch for­ mal an Petrus wendet, sich aber der Sache nach auch oder sogar primär auf den Kon­ flikt in Galatien bezieht (vgl. vor allem Wehr, Petrus und Paulus, 62; daneben Lietzmann, Gal, 15; Burton, Gal, 117; Oepke, Gal, 87; Schlier, Gal, 87f.). Demgegenüber nehmen Betz, Gal, 113f.; Agouridēs, Peter, bes. 69, sogar eine wirkliche Trennung zwischen Gal 2,11–14 und 2,15–21 an.

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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lich seine Auffassung zum Evangelium an, auf deren Grundlage das Verhalten des Petrus als mit der Wahrheit des Evangeliums unvereinbar (2,14) zu verur­ teilen ist (2,11fin). Vor dem Hintergrund dieser engen Verbindungen zwischen Gal 2,11–14 und 2,15–21 lassen sich jedoch gerade aus Gal 2,15–21 entscheiden­ de Informationen für die Rekonstruktion des antiochenischen Zwischenfalls gewinnen. Für die dortige Argumentation des Paulus ist aber insgesamt eine auffallende Nähe zu den Ausführungen des Paulus mit Blick auf den Konflikt in Galatien festzustellen. Die für ihn konstitutive strikte Gegenüberstellung des Gesetzes und des Glaubens (s.o. 2.2.1) begegnet nämlich in Gal 2,15–21 wie­ der. Bereits diese Einbettung von Gal 2,11–14 in den näheren Kontext und den Gesamtduktus des Galaterbriefes lässt für den Konflikt zwischen Petrus und Paulus eine ähnliche Problematik erwarten wie für den Apostelkonvent und den Konflikt in Galatien.212 Eine genaue Analyse der Darstellung des Konflikts in Antiochia (2,11–14) und des anschließenden Abschnittes (2,15–21) wird zei­ gen, dass im Zentrum des sogenannten antiochenischen Zwischenfalls wie in diesen beiden Kontroversen die grundsätzliche Frage nach der Relevanz der Beschneidung und der Verpflichtung der Heidenchristen auf das Gesetz mit Bezug auf deren Verhältnis zu Gott steht.213 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen – eine grundsätzliche Frage nach dem Erwählungsstatus von Heidenchristen im Vergleich zu dem der Judenchristen Der Mahlkonflikt in Antiochia stellt somit weniger ein Problem von verbote­ nen Speisen als vielmehr ein Personenproblem dar.214 Der Grund für die von einigen Judenchristen abgelehnte Tischgemeinschaft mit Nichtjuden lässt sich nur aus der Kritik des Paulus am Verhalten des Petrus erschließen. Dieses kennzeichnet Paulus zum einen mit den Verben ὑποστέλλω und ἀφορίζω als Trennung von den Heidenchristen (Gal 2,12), zum anderen mit ἰουδαΐζω als 2.3

212  Zur Verbindung der Kontroverse in Antiochia und der Auseinandersetzung in Galatien vgl. auch Esler, Christians, bes. 57–62. 213  So gegen die in der Forschung übliche Beschränkung auf Speisevorschriften auch Böttger, Paulus und Petrus, 81 mit Anm. 15; Neitzel, Interpretation, 28 mit Anm. 47: „Erst das Thema der Beschneidung der Heidenchristen gibt der Auseinandersetzung zwischen Petrus und Paulus die Schärfe! Die Beachtung jüdischer Reinheitsvorschriften ist dagegen eine harm­ lose Sache.“ Gegen Popkes, Jakobus, 260.262f., der den antiochenischen Zwischenfall in Gal 2,11–14 vom Apostelkonvent in Gal 2,1–10 und der Kontroverse in Apg 15,1–29 gerade darin unterschieden sieht, dass es in ihm nicht um die Heilsbedeutung der Beschneidung geht. 214  So z.B. auch ausdrücklich Bird, Incident, 344; Richardson, Inconsistency, 348; Weidemann, Wasser, 747f. Stein, Mahlfeiern, 98, zufolge liegt der Grund für den Konflikt in Gal 2,11–14 in Realien- und Personenfragen.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Forderung nach einem jüdischen Leben der Heidenchristen (Gal 2,14). Die Verbindung von ἀφορίζω und ἰουδαΐζω zeigt, dass im Hintergrund der Abgren­ zung der Judenchristen deren Selbstverständnis als ersterwähltes Volk Gottes steht. Demzufolge liegt der Grund für die Aufgabe der Tischgemeinschaft mit Heidenchristen durch die entsprechenden Judenchristen offenbar darin, dass sie für sich eine Sonderstellung bei Gott reklamieren, welche in ihrer jüdischen Identität begründet ist und von der die Heidenchristen ohne Beschneidung dementsprechend ausgeschlossen sind. 2.3.1

Die Aufgabe der Mahlgemeinschaft als Ausschluss der Heidenchristen aus der Gruppe Problematisch ist die Tischgemeinschaft mit Heidenchristen im vorliegenden Fall offensichtlich insbesondere aufgrund der Gemeinschaft, die Petrus mit dem gemeinsamen Essen mit den Heidenchristen eingeht. Dies zeigt deut­ lich die gleich zweimalige Verwendung von Verben, die den gegensätzlichen Vorgang, nämlich eine Trennung, bezeichnen. Im Einzelnen bestimmt Paulus das Verhalten des Petrus in Gal 2,12 durch den Gebrauch von ὑποστέλλω zu­ nächst als eine Bewegung weg von den Nichtjuden,215 durch den Gebrauch von ἀφορίζω dann steigernd sogar als das Aufstellen einer Grenze216 zu ihnen.217 Durch ἀφορίζω bringt Paulus somit zum Ausdruck, dass die Aufgabe der Tischgemeinschaft durch Petrus eine regelrechte Spaltung der Gemeinde in Juden- und Heidenchristen bedeutet. Diese drastische und damit zunächst 215  Das Verbum ὑποστέλλω bezeichnet den Vorgang des Rückzugs (vgl. BDAG, s.v. ὑποστέλ­­­ λω 1: „to draw back or disappear from a position“ [im Original hervorgehoben]; BAA, s.v. 1: „zurückziehen“; vgl. auch Louw/Nida, 68.53, die daneben ein Verständnis von „to cease, to stop, to give up doing“ vorschlagen). Dabei wird ὑποστέλλω sowohl in Verbindung mit ἑαυτόν (vgl. Passow, s.v. I.2; vgl. Polyb. 1,16,10; 4,12,4; 7,17,1; 11,15,2; Plut. Arat. 47,1) als auch intransitiv (Passow, s.v. II.1; vgl. Polyb. 6,40,14; 10,32,3; Plut. Dem. 47,6) im Sinne von „sich zurückziehen“ gebraucht. Damit gilt für Gal 2,12: Das ἑαυτόν kann bei ὑποστέλλω fehlen, zumal es dann beim unmittelbar folgenden ἀφορίζω steht. Oft hat ein solcher Rückzug seine Ursache in Angst (vgl. LSJ, s.v. ὑποστέλλω I.3: „draw back for shelter“ [im Original hervorgehoben]; Louw/Nida, 68.53; 13.160), wie Paulus sie in Gal 2,12fin erwähnt. 216  Vgl. Passow, s.v. ἀφορίζω: „abgrenzen, d.i. 1) durch Grenzen trennen, scharf u. genau tren­ nen“ (im Original teilweise hervorgehoben). Zur Vorstellung der Grenze vgl., dass dieses Verbum gewöhnlich mit Bezug auf Länder und Gebiete verwendet wird; vgl. Passow, s.v. ἀφορίζω, bes. 1a und 2a. Vgl. dazu auch BDAG, s.v. ἀφορίζω: „lit. to mark off or set apart as if by a line or boundary“. 217  Die Wiedergabe mit „abgrenzen“ ist der für Gal 2,12 üblichen Übersetzung von ἀφορίζω mit „absondern“ (so auch der Vorschlag von BAA, s.v. ἀφορίζω 1) insofern vorzuziehen, als letztere nicht den im Zentrum von ἀφορίζω liegenden Gedanken zum Ausdruck bringt, dass die Trennung in Gestalt der räumlichen Vorstellung des Setzens einer Grenze (vgl. ὁρίζω, ὅρος) erfolgt.

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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überraschende Bewertung lässt sich gut vor dem Hintergrund der antiken Tra­ dition zum Gemeinschaftsmahl erklären, welches offensichtlich in Gal 2,11–14 im Blick ist. So handelt es sich bei dem zwischen Petrus und Paulus umstritte­ nen Mahl augenscheinlich nicht um ein Mahl mit Heiden vor deren Hinwen­ dung zu Christus,218 sondern um ein Mahl von Juden- und Heidenchristen.219 Dabei liegt der Fokus eindeutig auf dem Gemeinschaftsmahl an sich.220 Die besondere Brisanz der Auseinandersetzung besteht nämlich darin, dass ge­ rade die Tischgemeinschaft (beim Abendmahl) in Antiochia in Juden- und in Heidenchristen aufgeteilt wurde. Vor dem Hintergrund der antiken Praxis des Gemeinschaftsmahls bedeutet ein solcher Ausschluss der Heidenchristen aus dem Gemeinschaftsmahl nun aber in jedem Fall einen gewissen Ausschluss aus der Gruppe, der sich die Judenchristen selbst zurechnen. Da antike Grup­ pen ihre Gemeinschaft sogar primär in gemeinsamen Mählern realisierten, markieren die Grenzen des Mahls dann umgekehrt zugleich die Grenzen der Gemeinschaft.221 Dabei ließ sich ein Rückgriff des Paulus auf diese antike Pra­ xis bereits in 1 Kor 5,11 feststellen (s.o. 1.3.3). Vor diesem Hintergrund ergibt sich mit Blick auf die Kontroverse zwischen Petrus und Paulus Folgendes: Im Zen­ trum dieser Auseinandersetzung um Mahlgemeinschaft steht die Frage, ob die einzelnen Mahlteilnehmer tatsächlich (gleichwertig) zu einer Gruppe gehören oder nicht. Diese Tragweite des Verhaltens des Petrus wird in der Forschung nur selten wahrgenommen, weil der unlösliche Zusammenhang zwischen Gruppenmahl und Gruppengemeinschaft selbst weniger Berücksichtigung findet als die Frage nach einer etwaigen Geltung der jüdischen Speisegebote.

218  Darin besteht insofern eine entscheidende Differenz zu Apg 10,1–11,18, als dort Tischge­ meinschaft von Judenchristen mit Nichtjuden vor deren Hinwendung zu Christus kriti­ siert wird (s.u. 4.1.1). 219  So z.B. ausdrücklich Mußner, Gal, 138 mit Anm. 18. 220  Ein solcher Bezug auf das Gemeinschaftsmahl wird in der Forschung zumeist hergestellt, und zwar unter Einschluss des Herrenmahls (Bruce, Gal, 129; Heil, Speisegebote, 135f.; Jewett, Gospel, 241–248; Oepke, Gal, 89; Gibson, Peter, 245f.), da gewöhnliche Gemein­ schaftsmähler und das Herrenmahl nach 1 Kor 11,20 noch nicht getrennt waren (s.o. 1.3.3). Zur Betonung des Herrenmahls als besonderes Problem vgl. Schlier, Gal, 83; Lietzmann, Gal, 14. Dabei wird dann aber auch bei einem solchen Bezug auf das Herrenmahl das Problem in den verwendeten Speisen gesehen, vgl. vor allem Lührmann, Abendmahlsge­ meinschaft, 277f. und 280: „Das Problem der neuen Lebensform der Tischgemeinschaft in Antiochien lag in den Speisevorschriften des Gesetzes“; Zahn, Gal, 119; Esler, Gal, 108 (unter Hinweis auf die möglicherweise bestehende Verbindung der Speisen der Heiden mit Götzendienst). Unentschieden zwischen dem Herrenmahl oder privaten Mählern hingegen Mußner, Gal, 138. 221  Zum unlöslichen Zusammenhang zwischen Mahlgemeinschaft und Gruppengemein­ schaft s.o. 1.3.4.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

2.3.2

Die Kennzeichnung des Verhaltens des Petrus vor dem Hintergrund der Abgrenzung Israels als Volk Gottes von den Heiden (Gal 2,12.14) Für das Selbstverständnis der Gruppe, aus der die Heidenchristen ausgeschlos­ sen sind, hat offenbar die Herkunft aus dem von Gott zuerst erwählten Volk zentrale Bedeutung. Paulus stellt die Distanzierung des Petrus nämlich deut­ lich erkennbar so dar, dass sie ihre Ursache in der jüdischen Definition des Vol­ kes Gottes hat, nämlich in dessen Bestimmung mit den gesetzestreuen Juden. So erinnert die im vorliegenden Zusammenhang durch ἀφορίζω zum Ausdruck gebrachte Abgrenzung gegenüber Nichtjuden222 deutlich an die bereits in der hebräischen Bibel belegte Tradition von der Abgrenzung Israels von den Völkern:223 Die Abgrenzung Israels von den Völkern wird im griechischsprachigen Judentum durch verschiedene Verben zum Ausdruck gebracht. Zu diesen gehört neben χωρίζω224 auch ἀφορίζω. Unter Verwendung von ἀφορίζω findet sich diese Vorstellung vor allem in Lev 20,24–26 LXX (vgl. Jes 52,11; 56,3, jeweils LXX; ParJer 6,13f.). Dort wird gleich zweimal festgestellt, dass Gott Israel von allen Volksstämmen abgegrenzt hat,225 und zwar zu sei­ nem Eigentum.226 Israel aber soll durch die Einhaltung des Gesetzes, nämlich durch die Unterscheidung von reinen und unreinen Tieren,227 für Gott heilig sein. Mit ἀφορίζω wird somit zum Ausdruck gebracht, dass 222  Paulus erwähnt die Nichtjuden zwar nicht in unmittelbarer Verbindung mit dem Verbum ἀφορίζω, z.B. im Rahmen einer ἀπό-Wendung, wie sie in Lev 20,24 LXX für die Abgrenzung Israels von den Völkern oder auch in späteren Aufnahmen von Gal 2,12 belegt ist (Orig. Cels. 2,1). Die Abgrenzung von den Nichtjuden ergibt sich jedoch aus der Gegenüberstel­ lung zum unmittelbar vorangehenden μετὰ τῶν ἐθνῶν συνήσθιεν. 223  Zu einem Verständnis von ἀφορίζω mit Bezug auf die Abgrenzung des erwählten Volkes von den Völkern vgl. auch Heil, Speisegebote, 138f.; Jürgens, Anfang, 48f.; Bauckham, James, 125; vgl. auch den Hinweis auf Jub 22,16 bei Mußner, Gal, 140; Oepke, Gal, 88 Anm. 201; Schlier, Gal, 84 Anm. 3. Wenig naheliegend ist für den vorliegenden Kontext hingegen eine Parallelisierung mit der Abgrenzung von anderen Juden (so z.B. Zahn, Gal, 115f. Anm. 44, der eine Anspielung auf die Pharisäer erkennt: „Pt verwandelte sich plötzlich in einen Pharisäer“; Dunn, 4QMMT, 147f.152f., der eine Verbindung zur Abgrenzung in 4QMMT sieht: Bei den Anhängern des Jakobus handle es sich zwar nicht um Angehörige der hin­ ter 4QMMT stehenden Gruppe, doch stimme die Position der Gegner des Paulus mit der in 4QMMT zu findenden Praxis überein). 224  So z.B. 1 Makk 1,11; 1 Esdras 9,9 u.ö. (s.o. IIB 1.2.1). 225  Vgl. Lev 20,24 LXX: […] ἐγὼ κύριος ὁ θεὸς ὑμῶν ὃς διώρισα ὑμᾶς ἀπὸ πάντων τῶν ἐθνῶν. 226  Vgl. Lev 20,26 LXX: καὶ ἔσεσθέ μοι ἅγιοι ὅτι ἐγὼ ἅγιος κύριος ὁ θεὸς ὑμῶν ὁ ἀφορίσας ὑμᾶς ἀπὸ πάντων τῶν ἐθνῶν εἶναι ἐμοί. 227  Vgl. Lev 20,25 LXX: καὶ ἀφοριεῖτε αὐτοὺς ἀνὰ μέσον τῶν κτηνῶν τῶν καθαρῶν καὶ ἀνὰ μέσον τῶν κτηνῶν τῶν ἀκαθάρτων […] ἃ ἐγὼ ἀφώρισα ὑμῖν ἐν ἀκαθαρσίᾳ.

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Gott Israel eine Sonderstellung zugedacht hat (s.o. IIA 1.3). Damit gehört dieser Gebrauch von ἀφορίζω eng mit der weitaus häufiger belegten Tra­ dition von Israel als Gottes erwähltem Volk zusammen. Innerhalb der jüdischen Tradition vom Volk Gottes ist die Zusage an Israel, Gottes besonderes Eigentumsvolk zu sein, eng mit der Verpflichtung auf das Gesetz verbunden. Dieser Zusammenhang findet sich auch in Gal 2,11–14 wie­ der. Durch den Gebrauch von ἰουδαΐζω in Verbindung mit ἀφορίζω erscheint nämlich ausdrücklich das Gesetz als Mittel der Abgrenzung, wie es für die Tra­ dition von der Abgrenzung Israels von den Völkern typisch ist:228 In Gal 2,14 präzisiert Paulus seine in Gal 2,11b genannte heftige Reaktion gegen Petrus dergestalt, dass er die gegen Petrus gerichtete und öffentlich von ihm vorgetragene Rede anführt. In diesem Rahmen wirft Paulus Pe­ trus in Gestalt einer als Frage (vgl. πῶς innerhalb der Apodosis) formulier­ ten Anklage vor, er übe auf die Heiden einen Zwang (vgl. ἀναγκάζεις) aus. Paulus zufolge kommt die Ablehnung der Tischgemeinschaft mit den ἔθνη nämlich einer Nötigung dieser ἔθνη zu einem Leben nach Art der Juden gleich. Das insgesamt nur selten belegte Verbum ἰουδαΐζω wird wie inner­ halb der vorliegenden Wendung (vgl. τὰ ἔθνη) stets mit Bezug auf Nichtjuden gebraucht, die zu einem Leben als Juden kommen. Im Fokus steht somit jeweils die Übernahme der jüdischen Bräuche durch Menschen, die diese bisher nicht beachtet haben. Das Verbum ἰουδαΐζω gehört also eng mit dem in Gal 2,14 ebenfalls gebrauchten Ἰουδαϊκῶς ζῇς zusammen, umfasst jedoch als zusätzliche Information die Hinwendung von Nichtjuden zu einem solchen Leben nach Art der Juden. Dieser Aspekt lässt sich deutlich zum Ausdruck bringen, wenn man ἰουδαΐζω nicht nur „nach Art der Juden leben“229 oder „als Jude leben“,230 sondern genauer als „zu jemandem werden, der genauso lebt, wie Juden leben“ oder als „jüdische 228  Zum Gesetz als Mittel der Abgrenzung des Volkes Gottes von den Völkern in der hebrä­ ischen Bibel vgl. allgemein z.B. Ez 11,20. Daneben auch spezieller in Verbindung mit ver­ botenen Tiersorten, so vor allem in Lev 20,24–26 LXX, vgl. auch Dtn 14,1f.21 LXX (s.o. IIA 1.3). Insbesondere im Diasporajudentum erfährt diese Vorstellung dann breite Aufnahme. Besonders deutlich lässt sie sich z.B. innerhalb des Aristeasbriefes erkennen. In ihm wer­ den die jüdischen Speisevorschriften ausdrücklich als Grenze qualifiziert, die die Juden vor einem schädigenden Einfluss der Heiden schützt (139.142; s.o. IIB 1.2.2). Vgl. dazu Del­ ling, Bewältigung, 25 u.ö. 229  Vgl. Passow, s.v.: „nach Art der Juden denken oder handeln“; BAA, s.v.: „nach jüdischer Sitte leben“; BDAG, s.v.: „live as one bound by Mosaic ordinances or traditions, live in Judean or Jewish fashion“ (im Original mit weiteren Hervorhebungen). 230  Vgl. Louw/Nida, 41.32: „Ἰουδαΐζω: to customarily practice Jewish patterns of behavior – ‚to live as a Jew, to practice Judaism‘“.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Bräuche übernehmen“231 glossiert.232 Dabei schließt diese Übernahme der jüdischen Lebensweise offenbar gewöhnlich233 die Beschneidung ein, wie im Umfeld der ἰουδαΐζω-Belege innerhalb der jüdischen234 und auch der paganen235 Literatur mehrfach explizit festgestellt wird. Gal 2,14fin wird jedoch in der Forschung zumeist dergestalt gedeutet, dass Petrus bzw. die übrigen Judenchristen (2,12f.) nicht die Beschneidung der Hei­ denchristen, sondern lediglich eine etwas strengere Beachtung der Spei­ segebote fordern.236 Auch in Gal 2,14 impliziert die Forderung nach einer 231  So der Vorschlag Cohens, Ioudaïzein, 182.185, für Gal 2,14: „to adopt the customs and man­ ners of the Jews“ (vgl. auch 180.186). Dabei betont er, dass das Verb eine Verhaltensände­ rung zum Ausdruck bringt, keinen Wechsel des Seins, sodass eine häufig vorgeschlagene Wiedergabe mit „to become a Jew“ für das Judentum und das Urchristentum abzulehnen sei (175–180). Eine solche Verwendung finde sich erst in der späteren christlichen Litera­ tur (186). 232  Auf ἰουδαΐζω und verwandte Termini trifft entgegen einer Beschränkung auf eine ethni­ sche (so vor allem Mason) oder gar geographische Bedeutung eine unlösbare Verschrän­ kung von ethnischer und religiöser Bedeutung zu, wobei diese in Gal 2,11–21 aufgelöst wird, so zuletzt mit Blick auf Gal 2,14 betont von Sänger, Ἰουδαϊσμός, 175–178. 233  In Jos. Bell. 2,463 wird die Beschneidung nicht ausdrücklich erwähnt. Die Tatsache, dass die Personen, auf die mit τοὺς ἰουδαΐζοντας verwiesen wird, deutlich von den Juden unter­ schieden und anders als diese nicht ermordet werden, könnte dafür sprechen, dass sie die Beschneidung nicht vollzogen haben (so auch Mason, Judean War, 342; vgl. dazu auch Blaschke, Beschneidung, 224f. mit 118). 234  So ausdrücklich Est 8,17 LXX: καὶ πολλοὶ τῶν ἐθνῶν περιετέμοντο καὶ ἰουδάιζον διὰ τὸν φόβον τῶν Ιουδαίων; Alexander Polyhistor bei Eus. Praep. ev. 9,22,5 innerhalb der Wiedergabe von Gen 34,15–25: […] πρὶν ἂν ἢ πάντας τοὺς οἰκοῦντας τὰ Σίκιμα περιτεμνομένους ἰουδαΐσαι; Jos. Bell. 2,454: […] μέχρι περιτομῆς ἰουδαΐσειν. Vgl. Hengel, Juden, 109f. 235  Dies zeigt auch der Gebrauch in Plut. Cic. 7,6 angesichts der Fortsetzung mit Ἰουδαῖος: Plutarch berichtet, dass die Römer einen kastrierten Eber „Verres“ nennen. Das habe aber Cicero zu einer witzigen Äußerung während des Prozesses gegen Verres verleitet, als ein gewisser Caecilius, der im Verdacht stand, ein Leben nach Art der Juden zu füh­ ren (ἄνθρωπος ἔνοχος τῷ ἰουδαΐζειν), Anklage gegen Verres erheben wollte. Cicero hätte dann nämlich die Frage gestellt: „Was hat denn der Jude mit dem Schwein zu schaffen?“ (τί Ἰουδαίῳ πρὸς χοῖρον). 236  So z.B. Heil, Speisegebote, 136.140.168; aufgenommen von Mayer-Haas, Identi­tätsbe­ wahrung, 135f. Zu einer solchen Beschränkung von ἰουδαΐζω in Gal 2,14 auf die Einhal­ tung der jüdischen Speisegebote vgl. vor allem Söding, Apostel, 98f.; Schnelle, Heide, 105; Wehnert, Reinheit, 127; Borse, Gal, 105f.; Mußner, Gal, 145 Anm. 53; Oepke, Gal, 109; Holtz, Zwischenfall, 345f.352.354f. Gelegentlich wird vorgeschlagen, dass Paulus aber mit Blick auf die Auseinandersetzung in Galatien an die Beschneidung dachte (Schlier, Gal, 87; Eckey, Gal, 135f.). Die Beschränkung von ἰουδαΐζω innerhalb des sogenannten antiocheni­ schen Zwischenfalls auf Speisegebote resultiert vor allem daraus, dass bei einem Bezug auf die Beschneidung ein Bruch mit der Entscheidung des Apostelkonvents gesehen wird (so ausdrücklich Öhler, Essen, 195). Insgesamt bedeutet diese Forderung jedoch auch bei einem Bezug auf die Beschneidung offenbar keinen direkten Bruch, sondern eine andere

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Übernahme der jüdischen Lebensweise jedoch eher die Beschneidung und damit das Halten des ganzen Gesetzes.237 Dafür spricht zum einen die große Nähe zur Beschneidungsaussage in Gal 2,3,238 in der ausdrück­ lich das eng mit ἰουδαΐζω zusammengehörende περιτέμνω gebraucht wird. Dabei resultiert die Wahl von ἰουδαΐζω in Gal 2,14 wohl vor allem daraus, dass Paulus mit diesem Verbum angesichts seiner sprachlichen Nähe zu οὐχὶ Ἰουδαϊκῶς ζῇς die Widersprüchlichkeit im Verhalten des Petrus be­ sonders deutlich herausstellen kann.239 Für einen Bezug auf das Gesetz insgesamt spricht zweitens auch, dass in Gal 2,15–21 gehäuft in einem ge­ nerellen Sinne vom Gesetz die Rede ist. Paulus bewertet das Verhalten des Petrus demzufolge so, dass dieser von den Nichtjuden verlangt, sich beschneiden zu lassen und als Juden zu leben, bevor er bereit ist, mit ihnen zu essen und damit die Abgrenzung zu ihnen über­ wunden werden kann. Dabei folge Petrus mit seiner Abgrenzung von den Heidenchristen mithilfe des Gesetzes der Aussonderung der Juden durch Gott gegenüber den übrigen Völkern.240 Eine solche Deutung von Gal 2,12.14 mit Bezug auf die Abgrenzung des Volkes Gottes durch das Gesetz wird zum einen durch die Aussage in Gal 2,18 bestätigt, in der Paulus diese Tradition nochmals aufnimmt und dabei entscheidend uminterpretiert (s.u. 2.4.2). Dabei kann vor allem das soeben vorgeschlagene Verständnis von ἀφορίζω als „abgrenzen“ Interpretation der Entscheidung des Apostelkonventes, als Paulus sie selbst vertritt (s.u. 2.3.3). 237  So z.B. Burchard, Werken, 231: „Da 1,14 und 2,3 (vgl. 6,12) anklingen und Paulus in 5,2f. (vgl. 5,6.11; 6,12f.15) vor Beschneidung warnt, wird das Verb sie einschließen (vielleicht als Fernziel) und nicht nur ‚gottesfürchtiges‘ Leben bezeichnen (lexikalisch ist beides mög­ lich)“. Esler sieht zwar den Grund für die Ablehnung der Tischgemeinschaft in der Ge­ fahr des Götzendienstes, plädiert jedoch vehement dafür, dass Petrus die Beschneidung der Heidenchristen verlangt und damit direkt gegen die Einigung in Jerusalem verstoßen habe (u.a. Agreement, 286.307; Gal, 137f.; Community, 88). Für eine Deutung im Sinne der Beschneidung auch Bird, Incident, 352–354; Gibson, Peter, 250f. An eine Verpflichtung auf das ganze Gesetz denken auch Betz, Gal, 112; Lührmann, Gal, 41f. John, Identitätskri­ se, 613f., zufolge ist die Beschneidung „eine Art – nicht aktiv verfolgtes – ‚Fernziel‘ der Jakobusleute“. 238  Zur Verbindung von Gal 2,3 und 2,14 vgl. auch die jeweilige Verwendung von ἀναγκάζω. Vgl. daneben auch die gehäufte Verwendung von τὰ ἔθνη in Gal 2,2.7–9 und 2,12.14. 239  Die Forderung des Petrus, dass Nichtjuden die Lebensweise von Juden übernehmen müs­ sen, ist Paulus zufolge aus dem Grund in besonderer Weise zu tadeln, weil Petrus, obwohl er selbst Jude ist (vgl. dazu, dass das Partizip ὑπάρχων am ehesten konzessiv aufzulösen ist), selbst nicht nach Art der Juden, sondern nach Art der Nichtjuden lebt (εἰ σὺ Ἰουδαῖος ὑπάρχων ἐθνικῶς καὶ οὐχὶ Ἰουδαϊκῶς ζῇς). 240  Vgl. dazu den Gebrauch von ἀφορίζω mit Petrus als Subjekt im Vergleich zu der in Lev 20,24.26 LXX belegten Verwendung mit Gott als handelnder Person.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

erklären, warum Paulus in Gal 2,18 die auffällige Formulierung vom Aufbauen des Gesetzes und damit vom Gesetz als räumlicher Grenze gebraucht. Zum anderen greift Paulus diese Tradition auch in 2 Kor 6,16–18 in Schriftzitaten unter Verwendung von ἀφορίζω auf.241 Dabei werden diejenigen, die sich abgrenzen sollen, dort austauschweise als „Volk Gottes“ und „Kinder Gottes“ bezeichnet.242 Auch dieser Befund deutet darauf hin, dass die vorliegende Auseinandersetzung um Tischgemeinschaft mit der Frage nach der Definition der Kinder Gottes eng zusammengehört, die Paulus dann vor allem in Gal 3,6– 4,7 ausführlich behandelt. 2.3.3

Der Anspruch der gesetzestreuen Judenchristen auf eine besondere Stellung bei Gott im Vergleich zu den Heidenchristen als Kern der Auseinandersetzung Die Darstellung des Verhaltens des Petrus unter Rückgriff auf die jüdische Tra­ dition von Israel als Volk Gottes lässt mit Blick auf die von Petrus gefürchteten Jakobusleute als eigentliche Ursache seines Verhaltens Folgendes erkennen: Sie sind zwar zum Glauben an Jesus Christus gekommen, verbinden mit der Einhaltung des Gesetzes jedoch offenbar weiterhin eine abgrenzende und identitätsstiftende Funktion für das Volk Gottes. In ihrer Definition vom Volk Gottes sind demzufolge neben dem Glauben an Christus durchaus auch die Beschneidung und das Gesetz zentrale Merkmale dieser Gruppe. Wie passen diese Sichtweise und die Forderung nach einer Beschneidung als Voraussetzung für Tischgemeinschaft mit der auf dem Apostelkonvent getroffenen Entscheidung für eine beschneidungsfreie Mission der Heiden zusammen? Diese Frage stellt sich in besonderer Weise, weil doch offenbar auch Jakobus dort grundsätzlich der Auffassung zustimmt, dass für die Ret­ tung der Heidenchristen deren Beschneidung nicht zwingend erforderlich ist?243 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen geht den Jakobusleuten zu­ 241  Der in 2 Kor 6,17 (Aufnahme von Jes 52,11) belegte Gebrauch im Passiv in medialer Be­ deutung entspricht der Verwendung von ἀφορίζω in Gal 2,12 in Verbindung mit einem Reflexivpronomen (vgl. Jes 45,24 LXX: πάντες οἱ ἀφορίζοντες ἑαυτούς). Ansonsten verwen­ det Paulus ἀφορίζω für die Auswahl von Personen zu einer bestimmten Aufgabe (Röm 1,1; Gal 1,15; vgl. Apg 13,2). 242  Vgl. dazu 2 Kor 6,18 (Aufnahme von 2 Sam 7,14), wo der Rede von den Kindern Gottes das Bild vom Volk Gottes (2 Kor 6,16 als Zitat von Lev 26,12; Ez 37,27) unmittelbar vorangeht. Zur Verbindung der Bilder von den Kindern Gottes und vom Volk Gottes vgl. z.B. Hos 2,1, daneben den gleichsam synonymen Gebrauch in Verbindung mit dem heiligen Volk in Dtn 14,1f. 243  Vgl. dazu Gal 2,9. Auch der Beitrag des Jakobus nach Apg 15,13–21 ist in keinem Fall als Forderung nach einer Verpflichtung auf das Gesetz zu verstehen, vermutlich nicht einmal auf Teile davon (s.o. vor allem IIIA 3.2.2).

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folge jedoch offenbar über diesen Konsens hinaus und stellt eine zu enge Gemeinschaft ­zwischen Juden- und Heidenchristen dar. Steht die Verweige­ rung eines gemeinsamen Mahls im Widerspruch zur fehlenden Forderung nach der Beschneidung des Titus in Gal 2,3? Handelt es sich somit etwa um einen Bruch der Position des Jakobus auf dem Apostelkonvent? Bei einer Be­ wertung des antiochenischen Zwischenfalls und des Apostelkonventes als Auseinandersetzungen um dasselbe Grundproblem, nämlich die Beschnei­ dung bzw. Gesetzesobservanz der Heidenchristen, stellt sich die Frage nach dem historischen Verhältnis beider Ereignisse in besonderer Weise. Sie hat in der Forschung insgesamt unterschiedliche Lösungen erfahren: Zumeist wird der Konflikt in Antiochia entsprechend der Reihenfolge der geschilderten Ereignisse in Gal 2,1–14 chronologisch nach dem Apos­ telkonvent angesetzt.244 Um den Konflikt in Antiochia nicht bereits als einen Bruch der Ergebnisse des Apostelkonvents bewerten zu müssen, wird er bisweilen als Auslöser für den Apostelkonvent verstanden,245 welcher die im Zentrum des sogenannten antiochenischen Zwischen­ falls stehende Frage der Beschneidung und der Bedeutung des Gesetzes für Heidenchristen dann löse. Eine Datierung der Auseinandersetzung in Antiochia nach dem Apostelkonvent ist jedoch durchaus möglich, weil sich die auf dem Apostelkonvent getroffene Einigung offenbar nicht so­ fort durchgesetzt hat, wie der Konflikt in Galatien selbst deutlich zeigt.246 Die erneute Kontroverse in Antiochia bedeutet keinen Rückfall hinter die Verständigung auf dem Apostelkonvent. Sie resultiert vielmehr daraus, dass die Jakobusleute und Paulus jeweils unterschiedlich weitgehende Schlussfol­ 244  So die Mehrheit der Exegeten aufgrund des reihenden ὅτε δέ in Gal 2,11; vgl. vor allem Wechsler, Geschichtsbild, 297–305; Wehnert, Reinheit, 120–123; Wehr, Petrus und Paulus, 42–45. Dabei wird der antiochenische Zwischenfall zumeist auf 48/49 n.Chr. datiert (so z.B. Wechsler, Geschichtsbild, 304f.; Holtz, Zwischenfall, 346f.). Demgegenüber plädiert z.B. Schwemer, Paulus, 175–178, für eine deutlich spätere Datierung um 52 n.Chr. und ver­ bindet ihn mit dem in Apg 18,22 erwähnten Besuch in Antiochia, so auch Konradt, Datie­ rung, 22 Anm. 12 (im Anschluss an Schwemer, Hengel, Öhler und Wedderburn), der den antiochenischen Zwischenfall damit näher an die Auseinandersetzung in Galatien rückt (vgl. 30–32). 245  Zu einer solchen grundsätzlichen Umstellung des antiochenischen Zwischenfalls vor den Apostelkonvent vgl. schon Zahn, Gal, 112f., und vor allem Lüdemann, Paulus, 77–79.101– 105; zu weiteren vgl. Wechsler, Geschichtsbild, 298 Anm. 16; daneben auch Walker, Acts, 78; Trobisch, Council, 337f., der Gal 2,11–14 mit Apg 15,1f. identifiziert. 246  Vgl. dazu, dass Paulus auch das Verhalten seiner Gegner in Galatien in Analogie zu Gal 2,3 beschreibt: οὗτοι ἀναγκάζουσιν ὑμᾶς περιτέμνεσθαι (6,12).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

gerungen aus der Einigung auf die Möglichkeit der Rettung der Heidenchris­ ten ohne Beschneidung ziehen, wie sie auf dem Apostelkonvent errungen wurde.247 Im Zentrum des antiochenischen Zwischenfalls steht nämlich nicht die grundsätzliche Frage, ob Heidenchristen ohne Beschneidung und Verpflich­ tung auf das Gesetz vom Heil ausgeschlossen sind. Strittig ist vielmehr der Status der Heidenchristen, und zwar im Vergleich zu dem der Judenchristen. Wenn die Heidenchristen das Heil grundsätzlich auch ohne Beschneidung und Gesetzesbeachtung erlangen können, bedeutet dies dann, dass sie mit den Judenchristen vollkommen auf einer Stufe in Bezug auf ihr Verhältnis zu Gott stehen? Für Paulus ist das augenscheinlich der Fall (s.o. 2.2.1). Demge­ genüber folgt dies für Jakobus offenbar gerade nicht aus der Öffnung der Ge­ meinde für Heidenchristen. Er misst den Judenchristen als solchen, die aus dem ersterwählten Volk Gottes stammen, vielmehr eine gegenüber den Hei­ denchristen herausgehobene Stellung bei Gott zu, wie Gott es ihnen einst mit der Aufforderung zum Halten des Gesetzes zugesagt hat. Für Jakobus bringt das Gesetz den Judenchristen somit noch einen Vorteil im Hinblick auf ihren Status bei Gott. In der Terminologie des Galaterbriefes lässt sich die Differenz zwischen Jakobus und Paulus mit der für dieses Schreiben besonders zentralen Kate­ gorie der Abrahamskindschaft folgendermaßen ausdrücken: Während Ju­ denchristen und Heidenchristen Paulus zufolge vor dem Hintergrund einer grundsätzlichen Neudefinition vollkommen gleichberechtigt zu den Kindern Abrahams gehören, ist für Jakobus eher die von Paulus abgelehnte Definition der Abrahamskindschaft aufgrund der Beschneidung anzunehmen (Gen 17,7– 14). Jakobus zufolge sind somit zwar die Judenchristen Abrahamskinder und als solche in besonderer Weise Kinder Gottes, die Heidenchristen jedoch nicht. Dementsprechend sind sie vom Gemeinschaftsmahl der Kinder Abrahams ausgeschlossen. In der Sichtweise des Jakobus gehören die Heidenchristen letztlich somit eben doch nicht in derselben Weise zu den Kindern Gottes wie die Judenchristen. Er vertritt eher ein abgestuftes System im Hinblick auf die Zugehörigkeit zum Volk Gottes, in dem die Heidenchristen den Judenchristen in jedem Fall nachgeordnet sind.248 Wie Jakobus sich das Verhältnis zwischen Juden- und Heidenchristen im Einzelnen vorstellt, ist aus dem vorliegenden Text nicht genau zu erkennen. Möglich ist ein Verständnis der Heidenchristen 247  So grundsätzlich auch Holtz, Bedeutung, 143; vgl. auch Heil, Speisegebote, 159: „Der tiefere Grund für den antiochenischen Zwischenfall lag also in der unterschiedlichen Deutung des ,Apostelkonvents‘: Paulus verstand die Jerusalemer Abmachung (Gal 2,6–10; vgl. Apg 15,1–12) als Verpflichtung (,Heidenchristen dürfen nicht beschnitten werden‘), seine Geg­ ner als Konzession (,Heidenchristen müssen nicht unbedingt beschnitten werden‘)!“ 248  Zu einer solchen Rekonstruktion der Position des Jakobus vgl. auch Becker, Gal, 41.

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als assoziierter Teil zum Gottesvolk249 oder als separate Gruppe gegenüber den Judenchristen, die als zweites Volk Gottes dem ersten jedoch ebenfalls nach­ geordnet ist.250 Gerade eine solche abgestufte Zugehörigkeit von christusgläu­ bigen Juden und Heiden zum Volk Gottes stellt offenbar eine Gemeinsamkeit zwischen der Sicht des Jakobus in Gal 2,11–14 und der in Apg 15,13–21 dar. Auch dort gibt Jakobus die Möglichkeit zu, dass Heiden beschneidungsfrei das Heil erlangen können. Dabei sind die Speisegebote, insbesondere solch allgemeine wie die des Aposteldekrets, zwar Minimalbedingungen für das rechte Gottes­ verhältnis (s.o. IIIA 3.2.3, bes. 3.2.3.2), doch erlangen die Heidenchristen Jako­ bus zufolge dadurch wohl kaum denselben Erwählungsstatus, den die Juden durch den Beschneidungs- und Sinaibund haben. Tischgemeinschaft mit Judenchristen steht im vorliegenden Fall demzu­ folge für eine gleichwertige Zugehörigkeit zu den Kindern Gottes, wie die Ju­ denchristen sie für sich selbst in Anspruch nehmen. Indem Petrus mit den Heidenchristen isst, sieht er dies grundsätzlich als gegeben an und erkennt damit keine gravierende Differenz zwischen ihm und den Heidenchristen in ihrem Status bei Gott.251 Indem er sich abgrenzt und Tischgemeinschaft ver­ weigert, macht er hingegen deutlich, dass die Heidenchristen aufgrund ihrer fehlenden Zugehörigkeit zum ersterwählten Volk Gottes den Judenchristen nicht gleichgestellt sind, was ihr Verhältnis zu Gott angeht. Vielmehr nehmen Petrus und die sich ihm anschließenden Judenchristen mit der Beschneidung und Beachtung des Gesetzes für sich und die Judenchristen grundsätzlich nach wie vor einen höheren Erwählungsstatus vor Gott in Anspruch, als sie 249  Dass Jakobus eine bleibende Unterschiedenheit zwischen Juden- und Heidenchristen voraussetzt, wird in der Forschung zumeist angenommen, und zwar vornehmlich vor dem Hintergrund, dass die Heidenchristen zum Volk Gottes hinzukommen (IIIA 3.2.1). Bei einer Deutung der Heidenchristen als assoziierter Teil der Gemeinschaft gilt für das Gemeinschaftsmahl, dass es auf den engsten Kern beschränkt ist. 250  Neubrand hat für die Feststellung des lk. Jakobus in Apg 15,14 vorgeschlagen, dass die­ ser die Heidenchristen nicht als einen assoziierten Teil des ersterwählten Volkes ansieht, sondern eher als ein neues Volk Gottes, das neben dem ersterwählten Volk Gottes be­ steht und damit dem jüdischen Gesetz nicht unterworfen ist (vgl. Israel, 216; ausführlich s.o. IIIA 3.2.1; so aber auch schon Sieffert, Gal, 138). Dabei betont sie, dass es sich bei dem aus den Heiden stammenden Volk um ein „Israel gleichwertiges“ Volk handelt (z.B. Israel, 157; vgl. Rost, Aposteldekret, 603). Eine solche Deutung geht jedoch über Apg 15,14–17 hinaus. Über das Verhältnis der beiden Gruppen zueinander ist nämlich stenggenom­ men noch nichts gesagt, vielmehr verlangt dieses dann offenbar gerade erst noch eine Klärung. Dass Jakobus die Auffassung vertritt, die beiden Gruppen würden von Gott als vollkommen gleichwertig angesehen werden, erscheint gerade vor dem Hintergrund von Gal 2,11–14 eher fraglich. 251  Dazu passt die in Apg 10,1–11,18 in Bezug auf Petrus überlieferte Betonung der gleichen Behandlung von Juden und Heiden durch Gott (vgl. 10,47; 11,15.17; 15,8f.).

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den Heidenchristen zugestehen.252 Gerade darin liegt nun eine entscheiden­ de Differenz zu Röm 14,1–15,13, die den äußerst scharfen Ton des Paulus und die deutlich anders gelagerte Argumentation in Gal 2,11–21 gut erklären kann.253 Zudem erklärt sich vor diesem Hintergrund auch der Schwerpunkt auf dem Gesetz als Ganzem anstelle einer Erwähnung der Speisevorschriften. Der Konflikt in Antiochia zur Tischgemeinschaft ist demzufolge letztlich we­niger eine Auseinandersetzung um Essenspraktiken, sondern sehr viel grund­sätzlicher eine Kontroverse um die Definition der Kinder Gottes. Sie resultiert daraus, dass verschiedene Richtungen von Judenchristen in dieser Frage unterschiedliche Kriterien und damit unterschiedliche ekklesiologische Modelle vertreten.254 Dabei soll keinesfalls bestritten werden, dass damit die Frage verbunden ist, wie Gemeinschaft zwischen Juden und Heiden inner­ halb der Gruppe der Christusgläubigen möglich ist. Auch bei dieser konkre­ ten Frage nach dem Umgang untereinander ist jedoch stets impliziert, dass es sich bei jüdischen und paganen Christusgläubigen um verschiedene Teile des Gottesvolkes handelt, die relativ unverbunden nebeneinander stehen und eine abgestufte Zugehörigkeit zu Gott haben. Insgesamt zeigt die Kontroverse 252  Zu einer solchen Rekonstruktion des Vorwurfs der Jakobusleute vgl. Bird, Incident, 350f. 354, dem zufolge Jakobus damit vor allem eine Verfolgung durch gesetzestreue Juden ver­ hindern wollte (eine solche Abwendung einer Verfolgung sieht vor allem Gibson, Peter, 262–275, als Zweck des Handelns von Petrus selbst). Klein, Petrus und Paulus, 59f., zufolge wirft Paulus Petrus vor, „zwei Klassen von Christen“ zu schaffen. 253  Bei einer Deutung von Gal 2,11–14 als Auseinandersetzung um Speisegebote bleibt stets erklärungsbedürftig, warum Paulus hier deutlich anders argumentiert als in Röm 14,1– 15,13 (s.o. 2.2.3). Beide Kontroversen unterscheiden sich jedoch offenbar grundsätzlich voneinander: In Röm 14,1–15,13 besteht das Anliegen der gesetzestreuen Judenchristen anscheinend in erster Linie darin, selbst die Speisevorschriften einzuhalten, da sie glau­ ben, andernfalls gegen den Willen Gottes zu verstoßen und damit zum Sünder zu werden. In Gal 2,11–14 bewerten die gesetzestreuen Juden hingegen das Gesetz als Ganzes als eine Voraussetzung für die vollwertige Zugehörigkeit zum Volk Gottes und sprechen sie den Heidenchristen folglich ab. 254  Auch die Forscher, die Gal 2,11–14 primär als Konflikt um jüdische Speisevorschriften auslegen, stellen bisweilen fest, dass Paulus und die Jakobusleute unterschiedliche Auf­ fassungen zum Verhältnis von Juden- und Heidenchristen vertreten haben, so Kraus, Jerusalem, 160–163; Mayer-Haas, Identitätsbewahrung, 147; vgl. Wander, Gottesfürchtige, 212–218, der speziell auf das Verhältnis zwischen Juden und Gottesfürchtigen verweist. Ihnen gegenüber ist zu betonen, dass diese Frage nicht nur im Hintergrund dieses Kon­ fliktes steht, sondern geradezu dessen Zentrum und eigentlicher Anlass ist. Ähnlich auch Stein, Mahlfeiern, 99f.; vgl. auch Wolter, Paulus, 49; für die Position des Paulus auch Smith, Food, 359: „For Paul, however, the meal was viewed as constitutive of the Christian com­ munity, so that, as he saw it, to withdraw from that table was to deny equal religious status to the Gentile Christians“ (ähnlich schon Smith/Taussig, Many Tables, 62).

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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in Antiochien wie die Auseinandersetzung in Galatien, dass die Einheit der Gemeinschaft Jesu Christi aus Juden und Christen erst mühsam errungen wer­ den musste. Das Leben im Glauben an Christus als einziges Merkmal der Kinder Gottes (Gal 2,15–21) Auf seine Darstellung der Auseinandersetzung mit Petrus lässt Paulus einen längeren Abschnitt (2,15–21) folgen, in dem er seine Auffassung zur Bedeu­ tung des Gesetzes für die Erlangung der Gerechtigkeit und für ein Leben im Dienst Gottes grundsätzlich darlegt. Die dortigen Ausführungen bestätigen die soeben aus Gal 2,11–14 gewonnene Rekonstruktion der Mahlpraxis in An­ tiochia und der in ihrem Hintergrund stehenden Überzeugungen. In einem solchen Fall erweist sich die auf Gal 2,11–14 folgende Argumentation des Paulus mit ihrem deutlich erkennbaren Schwerpunkt auf dem Verhältnis von Judenund Heidenchristen (vgl. vor allem 2,15.17; s.u. 2.4.1.3) nämlich als tatsächlich stichhaltig. Im Einzelnen beweist Paulus zunächst in einem ersten Schritt mit seiner generellen These zur Rechtfertigung in Gal 2,16, dass die Judenchristen durch das Gesetz im Hinblick auf ihren Status vor Gott keinerlei Vorteil gegen­ über den unbeschnittenen Glaubenden haben, wie es die sich abgrenzenden Judenchristen annehmen. Sie sind nämlich letztlich ebenfalls Sünder (2,17a). In Gal 2,18f. stellt er dann klar, dass das Sündersein der Judenchristen nicht erst seit der Hinwendung zu Christus gilt, sondern aus ihrer Zeit unter dem Ge­ setz resultiert. Bei einer erneuten Abgrenzung mit dem Gesetz, wie sie in der Vergangenheit bestanden hat, wird man nämlich zu einem Diener der Sünde (2,18). Sieht man demzufolge eine etwaige Vorrangstellung der Judenchristen gegenüber den Heidenchristen als eigentlichen Grund für den sogenannten antiochenischen Zwischenfall (und nicht die Gefahr einer Übertretung der jüdischen Speisegebote durch die Judenchristen, wie es üblicherweise ge­ schieht), so lässt sich sowohl der Übergang von Gal 2,14 zu 2,15 als auch die Verbindung mit dem, was Paulus ab Gal 3,6 darlegt, gut erklären. In der Auslegungsgeschichte wurden die Formulierungen in Gal 2,17f. ange­ sichts der alles dominierenden Rechtfertigungsaussage in Gal 2,16 insgesamt stark vernachlässigt. Sie wurden zudem stets als besonders schwierig empfun­ den. Die Aussagen, die man in ihnen sah, konnte man schwerlich Paulus selbst zuschreiben. Bis in die gegenwärtige Forschung wird dieses Problem von weni­ gen Ausnahmen abgesehen stets dadurch zu lösen versucht, dass man Gal 2,17 und vor allem Gal 2,18 lediglich als bloße Zitate der gegnerischen Auffassung deutet. Dies bringt jedoch insofern große Schwierigkeiten mit sich, als Paulus in Gal 2,16–19 an keiner Stelle ausdrücklich feststellt, dass er eine Position 2.4

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

seiner Gegner aufgreift.255 Zudem liegt bei der in der Forschung gängigen In­ terpretation von Gal 2,17f. häufig ein Zirkelschluss vor, da die Auslegung eines Verses auf ein äußerst fragwürdiges Verständnis des jeweils anderen Verses auf­ baut. Eine genauere Untersuchung von Gal 2,17f. wird demgegenüber zeigen, dass sich diese Aussagen durchaus kohärent auf der Basis der eigenen Über­ zeugungen des Paulus lesen lassen. Dabei bietet Paulus offenbar insbesondere hier die zentralen Argumente gegen die Beschneidungsforderung des Petrus und der Jakobusleute. Mit Gal 2,18 übt Paulus nämlich offensichtlich selbst hef­ tige Kritik an der Forderung seiner Gegner nach einer Abgrenzung mithilfe des Gesetzes, indem er seine eigene Sicht auf eine solche Abgrenzung formuliert. 2.4.1

Die grundsätzlich gleiche Situation von Juden- und Heidenchristen (Gal 2,15–17) In Gal 2,15–17 setzt Paulus die Juden- und Heidenchristen mehrfach explizit in ein Verhältnis zueinander.256 In diesem Rahmen stellt er zwar durchaus eine Differenz zwischen den unbeschnittenen und den beschnittenen Glaubenden fest (2,15), betont jedoch besonders, dass sich die Situation von Juden- und Heidenchristen keinesfalls grundsätzlich voneinander unterscheidet (2,16f.). 2.4.1.1

Die unterschiedliche Herkunft von Juden- und Heidenchristen (Gal 2,15) In Gal 2,15 stellt Paulus zunächst fest, dass die Judenchristen eine andere Herkunft257 als die Heidenchristen haben und damit nicht etwa wie diese auf­ grund ihrer ethnischen Herkunft Sünder sind (ἡμεῖς φύσει Ἰουδαῖοι καὶ οὐκ ἐξ ἐθνῶν ἁμαρτωλοί). Während die Unbeschnittenen somit grundsätzlich als Sün­ der bewertet werden, gelte dies für die Juden258 von ihrer Abstammung her nicht. Im Hintergrund steht die in der Antike innerhalb des jüdischen Bereichs verbreitete Anschauung, der zufolge die Nichtjuden per se als fehlerhaft und verdorben angesehen werden.259 Eine solche Bewertung vertritt auch Paulus 255  Zu den grundsätzlichen Schwierigkeiten einer Rekonstruktion der Position tatsächlicher Gegner vgl. Berger, Gegner. Besonders problematisch daher Bouwman, Diener, 53f., dem zufolge sich die Perspektive der Gegner und des Paulus in Gal 2,14b–18 mehrfach abwech­ seln und selbst Gal 2,15 als Einwand der Gegner zu verstehen sei. 256  Vgl. dazu Gal 2,15: καὶ οὐκ ἐξ ἐθνῶν ἁμαρτωλοί; 2,16: καὶ ἡμεῖς εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν ἐπιστεύσαμεν; 2,17: εὑρέθημεν καὶ αὐτοὶ ἁμαρτωλοί. 257  Der Dativ φύσει ist als Dativ der Beziehung zu verstehen: „von Natur“ (vgl. BDR §197,2). 258  Vgl. den Gebrauch von Ἰουδαῖοι in Gal 2,13–15, was aufgrund der Gegenüberstellung zu den ἔθνη eindeutig im Sinne von „Juden“ zu verstehen ist. Zum Gebrauch von οἱ Ἰουδαῖοι für „Juden“ vgl. die bei der Diskussion von Mk 7,3 genannte Forschungsliteratur (s.u. IIIC 1.2). 259  Zur Charakterisierung der Nichtjuden als Sünder vgl. vor allem die synonyme Verwen­ dung der Bezeichnungen οἱ ἁμαρτωλοί und τὰ ἔθνη in Ps 9,17f.; 1 Makk 2,48; vgl. auch

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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und schränkt sie keineswegs ein, indem er wie beispielsweise Lukas in Apg 10,35 feststellen würde, dass sich in jedem Volk Menschen finden, die Gott fürchten und Gerechtigkeit tun (ἀλλ’ ἐν παντὶ ἔθνει ὁ φοβούμενος αὐτὸν καὶ ἐργαζόμενος δικαιοσύνην δεκτὸς αὐτῷ ἐστιν). Paulus erinnert somit in Gal 2,15 an die gemein­ same Basis und gibt den Judenchristen zunächst Recht, die sich aufgrund ihrer jüdischen Herkunft als den Heidenchristen überlegen bewerten.260 Trotz die­ ser besseren Herkunft unterscheiden sich die Judenchristen jedoch Paulus zu­ folge nicht grundsätzlich in ihrem Status bei Gott. In Gal 2,16f. legt er nämlich dar, dass auch die Judenchristen de facto Sünder sind, und zwar anders als es ihre Herkunft zunächst erwarten ließe. 2.4.1.2

Die grundsätzlich gleiche Situation der Juden- und Heidenchristen im Hinblick auf die Erlangung der Gerechtigkeit (Gal 2,16.20f.) Die in Gal 2,15 belegte Aussage impliziert, dass die zum Glauben an Chris­tus ge­ kommenen Nichtjuden aufgrund ihrer Herkunft Sünder sind und die Gerech­ tigkeit folglich überhaupt erst durch Christus erlangen können. Eine solche Erlangung der Gerechtigkeit durch Christus gilt jedoch Paulus zufolge nicht etwa nur für die Heiden (vgl. 3,8), sondern grundsätzlich für alle Menschen und damit auch für die Judenchristen. Ab Gal 2,16 bringt Paulus nämlich in mehreren Formulierungen zum Ausdruck, dass für die Erlangung der Gerech­ tigkeit allein der Glaube an Christus261 entscheidend ist, das Gesetz hingegen PsSal 2,1f., Tob 13,6; Jub 23,23f.; 4 Esr 4,23; ähnlich im Neuen Testament mit der alterna­ tiven Verwendung von ἁμαρτωλοί (Lk 6,33) und ἐθνικοί (Mt 5,47) in ein und demselben Logion (vgl. auch Mk 14,41/Mt 26,45 und Lk 24,7 mit Mk 10,33). Vgl. dazu auch BAA, s.v. ἔθνος: „Zuweilen schließt d. Wort den für jüd. Empfinden selbstverständl. Nebensinn d. relig. u. sittl. Minderwertigkeit ein“. 260  So ausdrücklich auch Barrett, Freedom, 18–20. 261  Die von Paulus in Gal 2,16 gebrauchte Wendung εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν spricht im Hinblick auf die jeweils an das Verbalsubstantiv πίστις angeschlossene Christusprädikation (vgl. neben den beiden Wendungen in Gal 2,16 auch 2,20fin) anstelle eines Verständnisses als Geniti­ vus subiectivus (so Matera, Gal, 94.100f.) eher für ein Verständnis als Genitivus obiectivus (so auch die Mehrzahl der Exegeten, z.B. Sieffert, Gal, 144; Schlier, Gal, 92f.; Mußner, Gal, 170; Rohde, Gal, 110 Anm. 51, unter Hinweis auf Kramer; Burton, Gal, 121; Betz, Gal, 117f.; Dunn, Gal, 138f., mit ausführlicher Diskussion in ders., Theology, 196f.379–385.727, vor allem gegen Hays und Hooker; Matlock, Rhetoric). Eine solche Deutung legt sich auch aufgrund der Parallelität zur Wendung ἐξ ἔργων νόμου nahe, da innerhalb dieser Genetiv­ verbindung das Gesetz eindeutig als Genitivus obiectivus aufzulösen ist („Werke, welche sich auf das Gesetz beziehen, d.h. durch welche die Vorschriften des Gesetzes erfüllt wer­ den“, so auch Rohde, Gal, 112). Daneben werden für das Gesetz innerhalb dieser Verbin­ dung ein Verständnis als Genitivus possessivus („Taten, die dem Gesetz angehören, d.h. das Gesetz fordert“, so Sieffert, Gal, 143; Fung, Gal, 113 Anm. 10), qualitatis (Zahn, Gal, 124 Anm. 60) oder auctoris (Rusam, Paulus, 58f.) vorgeschlagen. Ausgeschlossen ist hingegen im vorliegenden Kontext ein Verständnis als Genitivus subiectivus („Taten, welche das

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

dafür grundsätzlich keinerlei Bedeutung hat. Dabei schreibt er diese Einsicht einer Gruppe von Judenchristen zu, die mit „wir“ bezeichnet ist, und bestimmt sie damit als eine Auffassung, die zumindest auch der in erster Linie angespro­ chene Petrus selbst teilt. Mit Gal 2,16 erinnert Paulus Petrus demzufolge an dessen eigene Erkenntnis von der soteriologischen Bedeutungslosigkeit des Gesetzes, die seiner erneuten Abgrenzung mit dem Gesetz widerspricht. In Gal 2,16 stellt Paulus zunächst fest, dass auch die von ihm mit „wir“ bezeichneten Judenchristen262 (vgl. καὶ ἡμεῖς) deshalb zum Glauben an Christus gekommen sind,263 weil sie erkannt haben,264 dass ein Mensch ausgehend von den Werken des Gesetzes keinen Anteil an der Gerechtig­ keit bekommt (οὐ δικαιοῦται ἄνθρωπος ἐξ ἔργων νόμου),265 wenn nicht durch den Glauben an Jesus Christus266 (ἐὰν μὴ διὰ πίστεως Ἰησοῦ Χριστοῦ). Für eine genaue Verhältnisbestimmung der Rechtfertigung durch den Glau­ ben und der Rechtfertigung aufgrund des Gesetzes ist das Verständnis des Ausdrucks ἐὰν μή267 von entscheidender Bedeutung. Dies ist in der For­ schung umstritten. Gewöhnlich wird ἐὰν μή in einem exzeptiven Sinne von „wenn nicht, außer, ohne dass“268 gebraucht. Eine solche Verwendung Gesetz selbst herstellt/tut“). Zur zentralen Bedeutung des Ausdrucks πίστις Χριστοῦ für die Rekonstruktion der Theologie des Paulus vgl. Matlock, Detheologizing; zur neueren Diskussion von πίστις Χριστοῦ vgl. Ulrichs, Christusglaube, 1–71.94–148.248–254. 262  Durch den Gebrauch der 1. Person Plural bezieht Paulus die Aussage in Gal 2,16 offenbar auf eine größere Gruppe von Judenchristen (vgl. das umfassende „Wir“ in Gal 2,15), wobei er in das „Wir“ in jedem Fall neben Paulus den primär angesprochenen Petrus, vielleicht auch noch Barnabas und „die anderen Judenchristen“ einschließt (so Walker, Opponents, 565). Für den Fall, dass Paulus diese Feststellung auch auf seine Gegner bezieht (so Mar­ tyn, Gal, 248f.264; ausdrücklich dagegen aber Walker, Opponents, 565), ist jedoch anzu­ nehmen, dass die Gegner des Paulus dieser Auffassung nicht zustimmen würden (vgl. Scott, Common Ground, 433). 263   Ἐπιστεύσαμεν ist hier als ingressiver Aorist zu verstehen: „Glauben, d.h. Vertrauen erlan­ gen, zum Glauben kommen, gläubig werden“. 264  Vgl. dazu das kausal zu verstehende Partizip εἰδότες. 265  Zu ἐξ ἔργων νόμου in Verbindung mit δικαιόω κτλ. vgl. Röm 3,20; 4,2; 9,32; Phil 3,9; Jak 2,21.24f.; vgl. daneben Gal 3,2.5.10; Röm 9,11f.; 11,6; Eph 2,9; Tit 3,5; daneben ἐκ τοῦ νόμου in Röm 10,5; Gal 3,21; Phil 3,9; vgl. auch Röm 4,14.16 mit 4,12; Gal 2,12; Apg 11,2; ἐν τῷ νόμῳ in Gal 3,11; 5,4 mit 3,21 v.l.; Apg 13,38f.; vgl. Röm 3,19; daneben 2,12.23; zu διὰ νόμου vgl. auch Röm 3,20. 266  Zu ἐκ πίστεως in Verbindung mit δικαιόω κτλ. vgl. Gal 3,8.24; Röm 3,26.30; 5,1; 9,30.32; 10,6; Jak 2,24; vgl. daneben Röm 1,17 (Gal 3,11); 4,16; 14,23; Gal 3,2.5.7.9.12.22; 5,5; zu διὰ πίστεως vgl. Röm 3,22.30 (V. 28 v.l.); Phil 3,9; vgl. auch Röm 3,25.31; 2 Kor 5,7; Gal 3,14.26; Eph 2,8; 3,12.17. Vgl. daneben auch πίστει (Röm 3,28); ἐπὶ τῇ πίστει (Phil 3,9); vgl. auch Hebr 11,7. 267  Mit diesem Ausdruck macht Paulus mit einem Iterativ der Gegenwart eine allgemeingül­ tige Aussage. 268  Vgl. dazu BAA, s.v. ἐάν I.3b.

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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trifft auch auf die sonst bei Paulus überlieferten Belege zu diesem Aus­ druck zu,269 sodass grundsätzlich auch für Gal 2,16 von einer solchen Bedeutung auszugehen ist.270 Bei einem adverbialen Verständnis der Präpositionalwendung ἐξ ἔργων νόμου ergibt sich dann aber die Aussa­ ge, dass die Werke des Gesetzes durchaus eine Bedeutung für die Recht­ fertigung haben, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie mit dem Glauben an Christus verbunden sind.271 Damit besteht aber ein deutli­ cher Gegensatz zu den bei Paulus mehrfach belegten Aussagen, denen zufolge die Rechtfertigung allein durch den Glauben vollzogen wird.272 Dabei lehnt Paulus eine etwaige Bedeutung der Werke des Gesetzes für die Rechtfertigung auch im Folgenden in Gal 2,16fin ausdrücklich ab. Als Zweck (vgl. ἵνα) der Entscheidung zum Glauben nennt er dann nämlich noch einmal ausdrücklich die Rechtfertigung ausgehend vom Glauben und stellt ihr die fehlende Rechtfertigung ausgehend von den Werken des Gesetzes diametral gegenüber (ἵνα δικαιωθῶμεν ἐκ πίστεως Χριστοῦ καὶ οὐκ ἐξ ἔργων νόμου, ὅτι ἐξ ἔργων νόμου οὐ δικαιωθήσεται πᾶσα σάρξ273). Zudem ist es selbst für Petrus, der in jedem Fall in die Gruppe der „Wir“ einge­ schlossen ist, wenig naheliegend, dass er den Werken des Gesetzes noch eine Bedeutung für die Rechtfertigung zumisst.274 Dieses Problem wird in der Forschung auf unterschiedliche Art und Weise zu lösen versucht, und zwar bei einem exzeptiven Verständnis entweder dadurch, dass man

269  Der Ausdruck ἐὰν μή erscheint insgesamt elfmal bei Paulus und ist jeweils mit „wenn nicht; es sei denn, dass; außer“ wiederzugeben, zu Belegen vgl. Das, Another Look, 530f. 270  Zu einem solchen exzeptiven Verständnis für Gal 2,16 vgl. Longenecker, Gal, 83f.; Vouga, Gal, 58; Dunn, New Perspective, 96.102f. 271  Vgl. dazu die Wiedergabe bei Das, Another Look, 537: „a person is not justified by the works of the law except through faith in Christ [and then a person is justified by the works of the law]“ (Hervorhebung im Original). 272  Vgl. dazu besonders deutlich den ausschließenden Gegensatz in Röm 3,20–22.28, vor allem χωρίς in 3,21.28. Vgl. auch Röm 4,5.9.11.13; 10,11 und die Rede von der Rechtfertigung aus Gnade (Röm 3,24; 9,11f.; 2 Tim 1,9; Tit 3,5.7); vgl. auch Röm 5,18f. 273  Mit diesem Grundsatz nimmt Paulus indirekt die schon in Ps 143(142),2 überlieferte Aus­ sage (ὅτι οὐ δικαιωθήσεται ἐνώπιόν σου πᾶς ζῶν) auf, schränkt diesen Kerngedanken jedoch durch den Zusatz „aus Werken des Gesetzes“ ein (vgl. Röm 3,20). Dadurch drückt er seine Überzeugung aus, dass das von Ps 143,2 benannte Faktum nur abgesehen vom Glauben Gültigkeit hat (vgl. Gal 3,23f.). Zum Charakter dieser Anspielung auf Ps 143,2 vgl. Mußner, Gal, 174f., der von einem „Kontextzitat“ spricht. 274  Vgl. dazu, dass Petrus zunächst Tischgemeinschaft mit den Nichtjuden eingegangen ist und Paulus ihm geradezu einen Lebenswandel nach Art der Nichtjuden attestiert (Gal 2,14). Zu Gal 2,14 als Argument gegen ein komplementäres Verständnis von Glaube und Werken des Gesetzes vgl. auch Gathercole, Sola Fide, 325f.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

die ἐὰν-μή-Formulierung als ein Zugeständnis an die Gegner des Paulus versteht,275 oder aber dadurch, dass man die von Paulus in Aussicht gestell­ te Ausnahme nur auf einen Teil der Aussage bezieht.276 Daneben wird, um einen solchen Gegensatz zu vermeiden, für ἐὰν μή ein streng adversatives Verständnis vertreten.277 Diese Deutungsversuche278 übersehen jedoch, dass sich ἐὰν μή in Gal 2,16 durchaus in dem für diesen Ausdruck üblichen exzeptiven Sinne verstehen lässt, ohne den für Paulus typischen Ge­ gensatz der Werke des Gesetzes und des Glaubens aufzugeben. Für die im unmittelbaren Vorfeld gebrauchte Wendung ἐξ ἔργων νόμου ist näm­ lich insgesamt eine offene und schillernde Verwendungsweise festzu­ stellen, wobei für sie – anders als für die beiden in Gal 2,16fin belegten ἐκ-Wendungen – auch ein attributives Verständnis möglich ist.279 Deutet man ἐξ ἔργων νόμου aber in einem solchen Sinne als Näherbestimmung des Menschen, wie sie auf die (angesprochenen) Judenchristen zutrifft, dann ist die Erkenntnis der „Wir“ nicht so zu verstehen, dass jemand, der durch den Glauben gerechtfertigt wird, doch auch durch die Werke des Gesetzes gerechtfertigt wird, sondern – wie für Paulus typisch – so, dass jemand, der sich in seinem Leben an den Werken des Gesetzes orientiert, nicht gerechtfertigt wird, es sei denn durch den Glauben. 275  So Murphy-O’Connor, Common Ground, 95. Ein solches Verständnis legt sich jedoch ins­ besondere aufgrund der Schärfe in Gal 2,18–21 kaum nahe. 276  So Burton, Gal, 121; Walker, Translation, 517, wonach sich die Ausnahme nur auf die Tatsa­ che bezieht, „dass ein Mensch nicht gerecht wird“: „knowing that a person is not justified by works of law ([a person is not justified] except through faith in Jesus Christ)“. Pau­ lus vertrete somit zwei Auffassungen, nämlich zum einen, dass ein Mensch nicht durch Werke des Gesetzes gerecht wird, zum anderen, dass er nicht gerecht wird, außer durch den Glauben an Jesus Christus. 277  Zu einem solchen antithetischen Verständnis im Sinne von „(sondern) nur“ vgl. Goodwin, Gal ii 16, 126; Sieffert, Gal, 144; Zahn, Gal, 122 Anm. 57; Bruce, Gal, 138; Schlier, Gal 92 mit Anm. 6; Rohde, Gal, 110; Räisänen, Break, 547; Hunn, Ἐὰν μή, 289. 278  Das, Another Look, 532–539, schlägt für Gal 2,16a ein doppeltes Verständnis vor: Wäh­ rend die Gegner des Paulus ἐὰν μή in einem exzeptiven Sinne verstanden haben, sodass das Gesetz für den Fall einer Verbindung mit dem Glauben doch eine Bedeutung für die Rechtfertigung hat (so die Deutung Dunns), verstehe Paulus die Aussage im Sinne einer Rechtfertigung allein durch den Glauben, und zwar so, wie Walker, Translation, diesen Vers deutet (s.o. Anm. 276). 279  In Gal 2,16a befindet sich die Wendung ἐξ ἔργων νόμου in Apokoinu-Stellung, da für sie ein doppelter Bezug zum Verb und als Näherbestimmung zum „Menschen“ möglich ist. Hier gebraucht Paulus nämlich ἐξ ἔργων νόμου weder eindeutig adverbial, wie es bei einer Wortstellung der Fall wäre, in der δικαιοῦται eine Zwischenposition zwischen ἄνθρωπος und der Präpositionalwendung einnimmt (vgl. Gal 2,16fin = Röm 3,20; Gal 3,8; Jak 2,24; vgl. auch Jak 2,21.25), noch wie z.B. bei einer Substantivierung (vgl. Gal 3,7.9; Röm 3,26; 4,16) oder dem Gebrauch eines Partizips rein attributiv zur Bezeichnung der Eigenschaft der Menschen (vgl. Gal 3,10: Ὅσοι γὰρ ἐξ ἔργων νόμου εἰσίν […]). Vgl. Röm 4,2.

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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Diese strikte Gegenüberstellung von Gesetz bzw. genauer den Werken des Gesetzes und Glaube, wie sie für die Argumentation innerhalb des Galater­ briefes insgesamt zentral ist (s.o. 2.2.1), wird von Paulus auch im vorliegenden Abschnitt besonders betont: In Gal 2,20f. untermauert Paulus seine grundsätzliche These aus Gal 2,16 im Rahmen einer tiefergehenden theologischen Begründung. Durch die Verwendung des Terminus δικαιοσύνη (2,21) schließt er den Bogen zu sei­ ner These in Gal 2,16280 und kommt somit zum Abschluss seiner Über­ legungen auf seine eingangs geäußerte These von der Rechtfertigung zurück. Dabei verleiht er seiner diametralen Gegenüberstellung von Ge­ setz und Glaube aus Gal 2,16 dadurch besonderen Nachdruck, dass er das Gesetz nun direkt mit dem Tod Christi kontrastiert und für den Fall einer gegenteiligen Auffassung die denkbar schlimmste Folge nennt, und zwar die Aufhebung der Gunst bzw. Gnade281 Gottes (Οὐκ ἀθετῶ τὴν χάριν τοῦ θεοῦ in 2,21), die dieser den Menschen mit dem Tod Christi erwiesen hat ([…] τῇ τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ τοῦ ἀγαπήσαντός με καὶ παραδόντος ἑαυτὸν ὑπὲρ ἐμοῦ in 2,20; vgl. Röm 5,6–8).282 Für den Fall, dass man dem Gesetz doch eine Bedeutung für die Erlangung der Gerechtigkeit zumisst (εἰ γὰρ διὰ νόμου δικαιοσύνη), zerstört man somit geradezu die Wirkung des heils­ effektiven Todes Christi. Dann ist Christus nämlich umsonst gestorben (ἄρα Χριστὸς δωρεὰν ἀπέθανεν).283 Wenn nun jedoch auch die Judenchristen die Gerechtigkeit überhaupt erst ausgehend vom Glauben an Jesus Christus erlangen,284 dann befinden sie sich grundsätzlich in derselben Situation wie die Heidenchristen.

280  Vgl. dazu, dass Gal 2,16 und 2,21 durch den jeweiligen Gebrauch der δικαιόω-Terminologie eine Inclusio bilden. Vgl. zum Anschluss an Gal 2,16 auch schon den Gebrauch des Termi­ nus πίστις und σάρξ aus Gal 2,16 in 2,20. 281  Der χάρις-Begriff entstammt zwar dem Patronatswesen des Augustus und ist dementspre­ chend eine politische Deutungskategorie (vgl. Harrison, Language, 211–288), wurde von Paulus jedoch auf dem biblischen Hintergrund der Barmherzigkeit Gottes rezipiert, vgl. dazu Breytenbach, Charis; ders., Gott, 146–148. 282  Zu dieser Verbindung zwischen Gott und Christus, und zwar genauer der χάρις τοῦ θεοῦ in Gal 2,21 und der im Tod Christi bezeugten Liebe Christi in Gal 2,20, vgl. Eschner, Sünder I, 434f. 283  Vgl. dazu im Einzelnen Eschner, Sünder I, 428f. 284  Vgl. dazu als Parallele zu Gal 2,16 auch 3,2.5 mit der der Rechtfertigung gleichsam entspre­ chenden Gabe des Geistes.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

2.4.1.3

Die Bestimmung der Judenchristen als Sünder in Analogie zu den Heidenchristen (Gal 2,17) Dass zwischen den Judenchristen und Heidenchristen keine grundlegende Differenz besteht, stellt Paulus seinen Adressaten in Gal 2,17a auf unmissver­ ständliche Weise vor Augen. Letztlich sind nämlich auch die Judenchristen – trotz ihrer Herkunft aus den Juden – ebenso wie die Heidenchristen Sünder. Wie ist dieses Sündersein der Judenchristen jedoch genauer zu verstehen? Innerhalb der insgesamt schwierigen Auslegung von Gal 2,17 ist insbe­ sondere die Bedeutung der Wendung εὑρέθημεν καὶ αὐτοὶ ἁμαρτωλοί heftig umstritten. Dabei plädieren die meisten Kommentatoren dafür, dass Pau­ lus sich in Gal 2,17 auf der Grundlage seiner prinzipiellen Überlegungen in Gal 2,16 mit einem Einwand auseinandersetzt, welcher von judenchrist­ licher Seite möglicherweise gegen seine in Gal 2,16 geäußerte These von der Rechtfertigung zu erwarten ist und dabei letztlich aus einem Festhal­ ten am jüdischen Zusammenhang zwischen Gesetz und Heil resultiert.285 Im Hinblick auf die Frage nach der genauen Bestimmung des Umfangs 285  Anders aber vor allem Böttger, Paulus und Petrus, 91f. Während die Mehrzahl der Kom­ mentatoren zwischen Gal 2,17 und 2,18 insofern einen entscheidenden Gedanken­ fortschritt erkennt, als sie in Gal 2,17 einen gegnerischen Einwand und in Gal 2,18 die Zurückweisung dieses Vorwurfes durch Paulus sieht, versteht Böttger Gal 2,17 als eine Aussage des Paulus und füllt diese strikt von Gal 2,18 her, indem er Gal 2,17 – anstelle einer Gegenüberstellung zu Gal 2,18 (sc. des „Ichs“ zu Christus oder den als Sündern erfunde­ nen „Wir“) – als Parallele von Gal 2,18 deutet. Vor dem Hintergrund der sich daraus erge­ benden Identität der „Wir“ in Gal 2,17 mit dem generellen bzw. typischen „Ich“ aus Gal 2,18 (V. 18 verweise auf die näheren Hintergründe zu der Frage, aus welchem Grund die „Wir“ aus V. 17 sich als Sünder erwiesen haben) und eines Verständnisses von Gal 2,17 als Irrealis subsumiert er unter die als ἁμαρτωλοί gekennzeichneten „wir“ diejenigen Judenchristen, gegen die Paulus im Galaterbrief energisch kämpft, d.h. diejenigen Judenchristen, wel­ che nun wie das „Ich“ aus Gal 2,18 wiederum zum gesetzlichen Leben zurückkehren und damit ihr zeitweiliges gesetzloses Leben als sündhaft erklären. Gegen diesen Vorschlag Böttgers lässt sich – abgesehen von der Deutung von Gal 2,17 als Irrealis (s.u. und vor allem den auffälligen Befund, dass gerade der bei Böttger in Analogie zu Gal 2,17 verstan­ dene V. 18 nicht als Irrealis, sondern als Indefinitus formuliert ist) – vor allem der Befund anführen, dass man bei einem solchen Verständnis von Gal 2,17 einen Wechsel zwischen den in Gal 2,15f. und 2,17 mit „wir“ Bezeichneten annehmen muss. Da ein solcher Wechsel des Subjektes nicht deutlich markiert ist und im Duktus des paulinischen Gedankengan­ ges überraschend wäre, ist es wahrscheinlicher, dass das von Paulus in Gal 2,17 betont verwendete καὶ αὐτοί die Subjekte aus Gal 2,15 (ἡμεῖς) und 2,16 (καὶ ἡμεῖς) fortsetzt (vgl. Eckstein, Verheißung, 31) und damit nicht speziell auf den vom Rückfall in das Gesetz bedrohten Judenchristen verweist. Zum Bezug von Gal 2,17a auf die Judenchristen, die wie Petrus und die Galater das Gesetz wieder aufrichten, vgl. aber auch Neitzel, Interpre­ tation, 37; Soards, Seeking, 243–249.

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des gegnerischen Vorwurfes herrscht unter den einzelnen Kommentato­ ren hingegen Dissens: Entweder versteht man den gesamten V. 17 als das von den Gegnern des Paulus vorgebrachte Argument, oder nur die Fol­ gerung, dass Christus ein Diener der Sünde sei. Eine genaue Abgrenzung des gegnerischen Einwandes ist dabei aus dem Grund bedeutsam, weil sich beide Verständnismöglichkeiten insbesondere im Hinblick auf den Zeitpunkt, der jeweils für das Sünderwerden bzw. -sein angesetzt wird, gravierend voneinander unterscheiden: Entweder es handelt sich bei den als „Sündern“ qualifizierten „Wir“ um diejenigen Judenchristen, welche sich mit ihrer Hinwendung zu Christus vom Gesetz losgesagt haben, oder das Sündersein bezieht sich bei einer Deutung von Gal 2,17a als Auffas­ sung des Paulus – wie ich es im Folgenden vorschlagen werde – auf die Gesamtheit der Judenchristen und gilt bereits vor deren Bekehrung zu Christus.286 Mit der Aussage in Gal 2,17 schließt Paulus seine Erläuterungen von Gal 2,15f. offenbar dergestalt ab, dass er seine These aus Gal 2,15 vor dem Hintergrund seiner zweiten These von Gal 2,16 deutlich einschränkt: In Gal 2,17 arbeitet Paulus zum einen mit den beiden Termini „suchen“ und „finden“, die zu einem gemeinsamen Wortfeld gehören.287 Zum an­ deren gebraucht er den Terminus ἁμαρτωλοί als Bezeichnung für solche, die nicht gerecht sind,288 nun mit Bezug auf die mit „wir“ bezeichneten Judenchristen. Dabei lässt sich für Gal 2,15–17 eine Ringkomposition er­ kennen, da in Gal 2,17 deutlich die in Gal 2,15f. gebrauchte Begrifflichkeit aufgenommen wird, und zwar insbesondere in der Protasis von Gal 2,17a. Dort findet sich sowohl die in Gal 2,16 mehrfach aktualisierte Rechtfer­ tigungsterminologie als auch durch die Epanalepse von ἁμαρτωλοί der 286  Beide Verständnismöglichkeiten für Gal 2,17a nehmen Bruce, Gal, 140f., und Duncan, Gal, 67f., an, wobei Letzterer in diesem Zusammenhang von einer Fehlinterpretation der pau­ linischen Position durch die gesetzestreuen Judenchristen spricht; vgl. auch Lambrecht, Line of Thought, 485 mit 490f.495, der selbst unter Hinweis auf die gravierende Tragweite des Sündenbegriffes bei Paulus für die zweite Deutung plädiert; ähnlich Fung, Gal, 119f. 287  Innerhalb dieses rekurrenten Paares bestimmt Paulus das Finden jedoch nicht – wie gewöhnlich (vgl. dazu Mt 7,7f./Lk 11,9f.; Mt 12,43/Lk 12,24; Mt 13,45f.; 18,12f.; Lk 13,7; 15,8; Joh 7,34.36; Apg 17,27; 2 Tim 1,17; Offb 9,6) – im Aktiv als eine von den Suchenden selbst vollbrachte, sondern im Passiv als eine Handlung, die an den Suchenden vollzogen wird (vgl. Röm 10,20; 1 Kor 4,2). 288  Vgl. dazu das weit verbreitete Gegensatzpaar von „sündig“ und „gerecht“, z.B. Ps 1,5; 7,10; 37,12.16f.21.32; 75,11; Spr 11,31; 12,13; PsSal 2,34f.; 3,11; 13,11.

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bereits in Gal 2,15 belegte Sündergedanke.289 In diesem Rahmen ist mit Gal 2,15 das in Gal 2,16.17a Folgende bereits insofern implizit gesagt, als die Ablehnung eines Sünderseins ἐξ ἐθνῶν darauf schließen lässt, dass die mit „wir“ bezeichneten Judenchristen eben dennoch irgendwie Sünder sind, wie Paulus es in Gal 2,16 ausführt und in Gal 2,17a dann präzisierend resümiert.290 Näherhin problematisiert Paulus seine These aus Gal 2,15 in 2,17a über 2,16 in zwei Schritten. So nimmt er mit der Wendung ζητοῦντες δικαιωθῆναι ἐν Χριστῷ vor allem die Aussage von Gal 2,16 wieder auf: Da die von Paulus mit „wir“ Bezeichneten zum Glauben gekommen sind, damit sie ausgehend von diesem Glauben die Rechtfertigung erlangen,291 sind sie solche, die danach streben,292 in bzw. durch293 Christus gerechtfertigt zu werden. Damit gilt jedoch außerdem: Derjenige, der die Gerechtig­ keit überhaupt erst durch Christus erlangen will, gibt damit deutlich zu erkennen, dass sie ihm noch fehlt, da er sie sonst nicht erst durch einen anderen erlangen müsste. Als einer, der nicht gerecht ist, ist er aber eben ein Sünder. Die Aussage εὑρέθημεν καὶ αὐτοὶ ἁμαρτωλοί stellt somit eine Implikation bzw. logische Schlussfolgerung der vorangehenden Feststel­ lung vom Streben nach der Erlangung der Gerechtigkeit in Christus dar.294 Die Feststellung in Gal 2,17 ist somit wie folgt zu paraphrasieren: „Wenn auch wir nun gerade durch295 unser Streben, die Gerechtigkeit in Christus zu 289  Zur deutlichen Anknüpfung von Gal 2,17 an 2,15 vgl., dass das im Rahmen von Gal 2,17 be­ legte ἁμαρτωλοί auf denselben Begriff in Gal 2,15 zurückweist und auch καὶ αὐτοί mit Blick auf die dort gemeinten Heidenchristen als Vergleichspunkt formuliert zu sein scheint. 290  Vgl. dazu, dass der entscheidende Gedankenfortschritt von Gal 2,17 gegenüber 2,15f. darin liegt, dass Paulus in Gal 2,17 expressis verbis seine Überzeugung äußert, dass auch die Juden letztlich dennoch Sünder sind. Da sie sich implizit bereits aus der alleinigen Erlangung der Gerechtigkeit durch den Glauben aus Gal 2,16 ergibt, lässt sich Gal 2,17a gleichsam als ein Resümee von Gal 2,15f. bewerten, in welchem Paulus die Folgerung von Gal 2,16 mit Blick auf Gal 2,15 zieht. Das zur gesamten Konditionalperiode gehörende δέ in Gal 2,17a ist daher nicht kontrastiv zu verstehen, da Paulus vor allem in der Protasis nichts wirklich Neues anführt, sondern das vorher Gesagte nur verdeutlicht, indem er einen neuen Aspekt von Gal 2,16 benennt. 291  Das Futur δικαιωθήσεται in Gal 2,16fin kann entweder auf die zukünftige Rechtfertigung im Gericht (vgl. Röm 8,32–34) verweisen oder aber gnomisch gemeint sein. 292  Vgl. dazu, dass sich ζητέω mit folgendem Infinitiv in einem freieren Sinne von „anstreben, begehren, wünschen“ (vgl. BAA, s.v. ζητέω 2bγ; im Original teilweise hervorgehoben) wie­ dergeben lässt. 293  Zum Gebrauch von δικαιόω ἐν mit Dativ vgl. auch Gal 3,11; 5,4 mit 3,21 v.l.; Röm 5,9; vgl. auch Apg 13,38f. Grundsätzlich möglich ist ein Verständnis in einem lokalen oder in einem instrumentalen Sinne. Ähnlich Merklein, Auslegung, 309. 294   295  Da das Sündersein durch die Suche nach der Rechtfertigung sichtbar wird, lässt sich das Partizip ζητοῦντες modal auflösen („indem“, „bei“, so auch die meisten Exegeten im Rahmen

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erlangen, (wie die Heidenchristen, vgl. 2,15) eben doch als Sünder erfunden worden sind,296 ist297 Christus dann ein Diener der Sünde, d.h. jemand, der im Auftrag der Sünde handelt?298 Keineswegs!“ Damit handelt es sich bei der Aussage vom Sündersein in Gal 2,17a nicht – wie aber in der Forschung zumeist angenommen – um ein Zitat einer Auf­ fassung, die mögliche Gegner des Paulus gegen ihn vorbringen, sondern um eine von Paulus selbst vertretene Überzeugung.299 Das folgende ἆρα Χριστὸς ἁμαρτίας διάκονος ist dann als ein sich unmittelbar aus Gal 2,17a ergebendes Missverständnis eines fiktiven Gegners aufzufassen, wie es für den Diatri­ benstil300 typisch ist. Die Erkenntnis bzw. das Eingeständnis der Judenchristen, selbst Sünder zu sein, hängt gerade mit dem Glauben an Christus zusammen. Deshalb könnte man zu dem Schluss kommen, dass Christus selbst im Dienst der Sünde steht. Für ein solches Verständnis lässt sich – abgesehen von der Entsprechung von Gal 2,17a zur Grundsatzthese des Paulus in Gal 2,16 – auch der Befund anführen, dass sich die vorliegende μὴ-γένοιτο-Wendung in einem ihrer Interpretation von Gal 2,17a; anders in der Deutung Böttgers). Daneben ist auch eine kausale Deutung möglich („weil wir danach strebten, die Gerechtigkeit in Christus zu er­ langen“). Der Aorist εὑρέθημεν kann auf ein in der Vergangenheit liegendes historisches, abgeschlossenes Faktum verweisen, wobei sich in besonderer Weise der Zeitpunkt der Bekehrung nahelegt (so Sieffert, Gal, 150; Zahn, Gal, 128, die den Aorist Passiv εὑρέθημεν auf denselben Zeitpunkt wie die in Gal 2,16.18f. gebrauchten aktiven Aoristformen bezie­ hen; vgl. auch Schneider, Gal, 60). Ingesamt liegt der Fokus jedoch weniger auf dem Zeit­ punkt der Vergangenheit als auf dem Abschluss der Argumentation von Gal 2,15f., wobei sich der Gebrauch des Aorists aus dem Fehlen eines konfektiven/perfektiven Präsens (s. BDR §333,1b) erklären lässt (im Sinne von „Wenn sich nun aber daraus, d.h. aus dem Vorhergehenden von Gal 2,16, herausgestellt hat“). 296  Vgl. dazu die Verwendung von εὑρίσκω im Passiv mit Partizip oder Adjektiv (vgl. dazu, dass zu ἁμαρτωλοί ein ὄντες zu ergänzen ist; vgl. Röm 7,10) im Sinne von „sich zeigen, erscheinen, erkennbar werden, sich erweisen, erfunden werden“ (BAA, s.v. 2 mit 1c); un­ persönlich: „man erkennt von mir, dass ich …; es ergibt sich …“ 297  Die übliche Gestalt der μὴ-γένοιτο-Formulierungen spricht für die Lesart ἆρα (vgl. Schlier, Gal, 95 Anm. 8; Rohde, Gal, 113), doch ändert sich an der logischen Struktur auch nichts, wenn man die Folgerungspartikel bevorzugt (so Borse, Gal, 117); vgl. Vouga, Gal, 60. 298  Für das in Gal 2,17b bezeugte διάκονος ist wie für das in 2 Kor 5,18 belegte Nomen διακονία zunächst von dem für διακονέω üblichen Gebrauch im Sinne von „jemandem einen Dienst leisten“ auszugehen. In diesem Rahmen bezeichnet der Genitiv im vorliegenden Fall dann gleichsam den Auftraggeber zu einem Dienst (Genitivus possessivus), welcher aus der Sünde besteht. 299  Für eine Deutung als Überzeugung des Paulus spricht auch das Konditionalgefüge: Auf­ grund des Fehlens von ἄν im Hauptsatz ist Gal 2,17 nämlich nicht als Irrealis (so auch Rohde, Gal, 113 Anm. 68, im Anschluss an Oepke, Schlier, Sieffert, Zahn, Lambrecht und gegen Mußner, Lietzmann, Bultmann; zur Deutung als Irrealis vgl. auch Böttger, Paulus und Petrus, 91), sondern als Indefinitus zu verstehen (vgl. dazu neben der lateinischen Übersetzung auch den Gebrauch eines Indefinitus in Gal 2,18 und 2,21b). 300  Vgl. dazu Malherbe, Diatribe.

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solchen Fall in Analogie zur gewöhnlichen Gestalt dieser bei Paulus301 mehr­ fach belegten Formulierungsweise verstehen lässt. In allen übrigen μὴ-γένοιτοFormulierungen stellt deren Voraussetzung nämlich stets eine auch von Paulus geteilte Prämisse dar,302 aus welcher dann erst eine falsche Folgerung gezogen wird. Ein solcher Aufbau lässt sich grundsätzlich auch für die vorliegende For­ mulierung vertreten. Eine Bestimmung der Judenchristen als Sünder aus den Juden passt nämlich gut zu der von Paulus verschiedentlich geäußerten Auf­ fassung, dass grundsätzlich alle, d.h. auch die Juden, Sünder sind (Röm 2,12; 3,9.19.23; 5,12). Damit bezieht sich das Sündersein auf das Judenchristentum als Gesamtheit bis zu deren Rechtfertigung in Christus und schließt in jedem Fall die Zeit vor der Hinwendung zu Christus ein.303 Im Hinblick auf die Feststellung in Gal 2,17a lässt sich somit festhalten, dass sie sich durchaus als Überzeugung des Paulus verstehen lässt und sich als solche gut in den größeren Argumentationsgang einfügt. Eine Deutung von Gal 2,17a als Einwand der Gegner des Paulus ist somit nicht notwendig, wird jedoch in der Forschung zumeist vertreten: Versteht man bereits die Protasis von Gal 2,17 als eine sich aus Gal 2,16 ergebende Schlussfolgerung der Gegner, so wird der gegen Paulus vorge­ brachte Vorwurf dahingehend bestimmt, dass Paulus die Judenchristen, welche ob ihrer Herkunft aus dem auserwählten Volk Gottes von den Heiden unterschieden sind, mit seinem gesetzesfreien Evangelium zu einem Bruch des Gesetzes und damit zu einem dem Lebenswandel der Heiden entsprechenden Verhalten geführt habe. Als außerhalb des Gesetzes Seiende und ihre Rechtfertigung nicht im Gesetz, sondern in Chris­ tus Suchende sind sie, so die Kritik der gesetzestreuen Judenchristen an der Rechtfertigungslehre des Paulus, den das Gesetz nicht kennenden 301  Außerhalb des paulinischen Briefcorpus findet sich μὴ γένοιτο nur noch in Lk 20,16. 302  Vgl. Röm 3,3f.5f. (jeweils wie in Gal 2,17 in Verbindung mit einem Konditionalsatz) bzw. 3,31; 6,2.15; 7,7.13; 9,14; 11,1.11; 1 Kor 6,15; Gal 3,21. Eine etwas andere Struktur dieser Wen­ dung findet sich nur in Gal 6,14. 303  Zu einer Deutung von Gal 2,17 mit Bezug auf das gesamte Judenchristentum vor dem Christwerden vgl. Sieffert, Gal, 149; Zahn, Gal, 127f.; Schlier, Gal, 95; vgl. auch Oepke, Gal, 92; Amadi-Azuogu, Paul, 89. Auch Eckstein weist die Protasis in Gal 2,17a ausdrücklich Paulus selbst zu, wenn er, nach einer Ablehnung der anderen Verständnismöglichkeit (Verheißung, 36f.) positiv feststellt: „Die Aussage von V. 17a ist also nicht nur syntaktisch gesehen als Realis zu verstehen, sie gibt auch inhaltlich die eigene und tiefe Überzeugung des Apostels wieder, daß alle Judenchristen bei und mit ihrer Bekehrung zu Christus sich als die Sünder, die sie nach Gottes Urteil schon immer waren, erwiesen haben“ (37; vgl. 39f.); zum Verständnis von Gal 2,17b vgl. 37–41.

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(Röm 2,14; 1 Kor 9,21) und daher nicht nach der Gerechtigkeit trachten­ den (Röm 9,30f.), sondern sündigen Heiden (vgl. Gal 2,15) gleichgestellt und daher wie diese folglich notwendigerweise Sünder. Christus aber müsse insofern, als er sie zu dieser Verhaltensänderung verleitet habe, ein Diener der Sünde sein.304 Das Gesetz bietet somit der Auffassung der Gegner zufolge durchaus die Möglichkeit zur Gerechtigkeit, doch wurde mit dessen Aufgabe die entscheidende Differenz zwischen den sündigen Heiden und den nicht sündigen Juden beseitigt. Als Sünde wird dann – wie bereits in der Septuaginta305 – Gesetzlosigkeit verstanden, sei es, dass diese aus einer Unkenntnis des Gesetzes oder aus einer willentli­ chen Nichteinhaltung des Gesetzes resultiert. Die mit „wir“ bezeichneten Personen werden somit deshalb als Sünder befunden, weil sie das Gesetz nicht mehr einhalten.306 Ein solches Verständnis, dem zufolge das Sündersein der Judenchristen spezi­ ell aus der Aufgabe des Gesetzes resultiert und erst mit dem Christwerden ein­ setzt, ist vor allem deshalb problematisch, weil es die gesamte Interpretation von Gal 2,17f. auf eine im Text nicht genannte Voraussetzung aufbaut. So wird eine Außerkraftsetzung des Gesetzes in Gal 2,17a gar nicht ausdrücklich er­ wähnt. Sie wird als Grund des Sünderwerdens vielmehr vom Nachfolgenden her, nämlich aufgrund eines bestimmten Verständnisses von Gal 2,18, in den 304  So z.B. Rohde, der Gal 2,17 besonders deutlich auf den konkreten Vorfall in Antiochia bezieht (Gal, 113–115): Die Judenchristen, die zur Beachtung der jüdischen Speisegebote zurückkehrten, hätten deutlich gezeigt, dass ihr vorheriges Verhalten, d.h. ihre Nichtein­ haltung der Vorschriften des Gesetzes, Sünde gewesen sei. Gal 2,17a bringe somit zum Ausdruck, dass „die Judenchristen in Antiochia einschließlich des Paulus als offene Übertreter des Gesetzes und Sünder erfunden“ wurden (Hervorhebungen C.E.). Da aber das gesetzesfreie Evangelium des Paulus und daraus folgend ihre Stellung zu Christus und ihr Glaube sie zu diesem Verhalten, d.h. zu ihrem Bruch des Gesetzes, veranlasst hatten, konnte „der Schluß gezogen werden, daß Christus die Sünde nicht gehindert, sondern sie gefördert habe“ (114). Diesen Vorwurf weise Paulus jedoch in Gal 2,18 ab, indem er nicht Christus, sondern den zum Gesetz zurückkehrenden Judenchristen selbst dafür verant­ wortlich macht, dass dieser als Sünder erwiesen wird (115; vgl. Anm. 71); so auch Mußner, Gal, 176f.; Borse, Gal, 115; Lührmann, Gal, 45; Egger, Gal, 21; Zerwick, Gal, 48; vgl. auch Matera, Gal, 95.102; Becker, Gal, 43; Vouga, Gal, 60; Eckey, Gal, 135; Barrett, Freedom, 19. 305  Vgl. dazu die Bestimmung von Sünde mithilfe der ἀνομία-Terminologie, beispielsweise in der Nebeneinanderstellung von ἁμαρτωλός mit Ausdrücken wie ὁ ἐργαζόμενος τὴν ἀνομίαν (vor allem in Ps 91,8 LXX im Rahmen eines Parallelismus membrorum, daneben auch in Ps 27,3; 100,8; vgl. zur Zusammenstellung im Allgemeinen auch Ps 54,4; 124,3; 128,3, jeweils LXX) oder ἄνδρες ἄνομοι (1 Makk 2,44) und den Gebrauch von ἄνδρες παρανόμοι als Ap­ position zu ἔθνος ἁμαρτωλόν (1 Makk 1,34) sowie der Verbindung […] ἀπὸ ἁμαρτωλῶν τῶν ἐγκαταλιμπανόντων τὸν νόμον σου (Ps 118,53 LXX, vgl. auch V. 155). 306  Vgl. Burton, Gal, 125; vgl. auch Dunn, Gal, 141; Martyn, Gal, 255.

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Gedankengang von Gal 2,17a.b eingetragen, doch ist die dafür vorausgesetzte Deutung von Gal 2,18 selbst in vielfacher Hinsicht problematisch.307 Die Judenchristen wurden somit durch ihre Hinwendung zu Christus für jeden offensichtlich als die Sünder entlarvt, die sie auch schon vorher waren. Dies erläutert Paulus offenbar in Gal 2,18f. näher. Danach wird man nämlich gerade dann, wenn man sich erneut mit dem Gesetz abgrenzt, zu einem Die­ ner der Sünde (2,18), der man bereits vor der Hinwendung zu Christus war (2,19). 2.4.2

Die Abgrenzung mithilfe des Gesetzes als Gegensatz zu einem Leben für Gott (Gal 2,18f.) In Gal 2,18 begründet und expliziert (γάρ) Paulus seine in Gal 2,17fin artiku­ lierte Überzeugung, dass Christus keinesfalls ein Diener der Sünde ist.308 Zu diesem Zweck zeigt er gleichsam mit einem Argumentum e contrario309 auf, wer tatsächlich im Dienst der Sünde steht. Dies gilt nämlich nicht etwa für Christus, sondern vielmehr für die sich abgrenzenden Judenchristen. Im Ein­ zelnen wechselt Paulus in Gal 2,18 von der 1. Person Plural in die überindividu­ ell zu verstehende310 1. Person Singular und stellt in diesem Rahmen fest, was nach seiner Auffassung passiert, wenn man das Gesetz erneut als Trennmauer 307  Der Zusammenhang von Gal 2,17f. wird in der Forschung häufig als Aussage der Gegner so verstanden, dass die Judenchristen überhaupt erst mit der im Zuge der Hinwendung zu Christus stattfindenden Aufgabe des Gesetzes zu Sündern geworden sind, sich dann aber, wenn sie das Gesetz als Reaktion auf diese Erkenntnis zur Minderung der Sünde wieder aufbauen, selbst als diese Sünder, nämlich als Gesetzesübertreter, offenbaren und als solche bestraft werden würden. Gegen eine solche Deutung von Gal 2,18 s.u. 2.4.2. 308  Es ist in der Forschung umstritten, was Paulus mit dem von ihm zu Beginn von Gal 2,18 verwendeten γάρ begründet. Zum Bezug auf die dem γάρ direkt vorausgehende Ableh­ nung μὴ γένοιτο vgl. auch Sieffert, Gal, 153; Rohde, Gal, 114; Oepke, Gal, 93f.; Longenecker, Gal, 90; Bruce, Gal, 142. Vorgeschlagen wird daneben aber auch das dieser Ablehnung vorangehende ἁμαρτωλοί (so Mußner, Gal, 177; Borse, Gal, 115). 309  Für Gal 2,18 ist im Verhältnis zu Gal 2,17 – abgesehen von der Deutung Böttgers (s.o. Anm. 285) – in jedem Fall ein Gedankenfortschritt zu verzeichnen (nicht Christus ist ein Diener der Sünde, sondern ich bin ein solcher, wenn ich …). Da dieser jedoch als Argument für die Ablehnung von Gal 2,17b dient, verwendet Paulus γάρ zu Beginn von Gal 2,18 durchaus in der für γάρ typischen begründenden Funktion. Dabei steht das γάρ aus Gal 2,18 zwar einem Verständnis als „‚anknüpfend und fortführend‘ and not so differ­ ent from a slightly adversative δέ“ (vgl. dazu auch BAA, s.v. γάρ 4) nahe (so Lambrecht, Line of Thought, 491–493.495, unter Hinweis auf die dem vorliegenden Zusammenhang in ihrer Struktur sehr ähnliche μὴ-γένοιτο-Formulierung in Gal 3,21), wird jedoch nicht losgelöst von der Frage in Gal 2,17b gebraucht (so aber Lambrecht, dem zufolge Paulus in Gal 2,18 einen gänzlich neuen Gedanken einführt, vgl. vor allem Once Again, 153). 310  Vgl. dazu BDR §281₂ („von V 19 folgt wirkliche 1. Ps., doch so, daß das Gesagte allgemein von allen Christen gelten soll“); Stauffer, ἐγώ, 357. So auch Schlier (unter Hinweis auf Röm 3,7; 7,7ff.14ff.; 1 Kor 6,12.15; 10,29f.; 14,11.14f.), dem zufolge das „Ich“ in Gal 2,18 „nicht

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zu den Heiden aufrichtet (εἰ γὰρ ἃ κατέλυσα ταῦτα πάλιν οἰκοδομῶ; vgl. dazu neben Arist 139.142 vor allem Eph 2,14). In einem solchen Fall macht sich das „Ich“ Paulus zufolge zu einem Übertreter (παραβάτην ἐμαυτὸν συνιστάνω). Die­ ses Übertreterwerden bezieht sich nicht – wie in der Forschung beinahe aus­ schließlich angenommen – auf das Verlassen des Gesetzes,311 sondern ereignet sich im Zusammenhang des Wiederaufbaus des Gesetzes.312 Mit παραβάτης ἐμαυτὸν συνιστάνω stellt Paulus nämlich fest, dass der Aufbau des Gesetzes als Trennwand einen Übertritt in den durch eben diese Trennwand abgegrenzten Bereich bedeutet.313 Dabei qualifiziert er diese Rückkehr in den Wirkungs­ bereich des Gesetzes mit παραβάτης nicht vor einem neutralen Hintergrund, sondern bewertet ihn – vor allem aufgrund der Parallelität von Gal 2,17b und 2,18b – als einen Schritt in die falsche Richtung, nämlich als einen Schritt, durch den man selbst ein Diener der Sünde wird: In Gal 2,18 gebraucht Paulus den Terminus παραβάτης eindeutig in sei­ ner negativen Bedeutungsnuance, da er parallel zu der in Gal 2,17 gehäuft belegten ἁμαρτία-Begrifflichkeit verwendet wird.314 Im Hintergrund die­ ser Verwendung von παραβάτης für eine Verfehlung steht die Entfernung bzw. das Abweichen von etwas Gutem zu etwas Schlechtem,315 sodass das des persönlich von sich redenden Paulus, sondern das generelle und typische“ ist (Gal, 96 Anm. 4); vgl. Lührmann, Gal, 45; Vouga, Gal, 56. 311  In der Forschung wird Gal 2,18 zumeist folgendermaßen paraphrasiert: „Wenn ich das, was ich abgebrochen habe, wieder aufbaue, offenbare ich mich damit als ein solcher, der damals mit dem Abbrechen (also mit der Hinwendung zu Christus) ein Übertreter des Gesetzes wurde, d.h. dann können alle sehen, dass ich ein παραβάτης bin.“ Letztlich gilt somit: „Als ich das Gesetz aufgab, wurde ich ein Übertreter/Sünder.“ Vgl. dazu vor allem Eckey, Gal, 143, der die Übertretung speziell mit der zeitweiligen Teilnahme am gemein­ samen Herrenmahl mit den Heidenchristen füllt. 312  So nur Bachmann, Sünder, bes. 67f.70–77; Lambrecht, Transgressor, bes. 222; ders., Reason­ ing, 58f.66.73f. (unter Hinweis auf eine solche Deutung bei Wechsler und Lipsius). Vgl. auch Neitzel, Interpretation, 133f.136f., dort allerdings verbunden mit einem wenig wahr­ scheinlichen Bezug von Gal 2,17a auf die zum Gesetz zurückkehrenden Judenchristen (vgl. 37) und einer problematischen Deutung des διὰ νόμου als „Gesetz Christi“ in Gal 2,19 (vgl. 138–142). 313  Diese Deutung von Gal 2,18b im Sinne einer Abkehr von Gott anstelle einer Übertretung des Gesetzes werde ich an anderer Stelle im Rahmen eines eigenen Beitrages zu räumli­ chen Vorstellungen vom Heil im Urchristentum näher begründen. 314  Zum Gebrauch von παραβάτης in dessen negativer Bedeutungsnuance vgl. die folgenden Übersetzungsvorschläge für diesen Terminus, so z.B. BAA, s.v.: „d. Sünder“ (im Original hervorgehoben); Passow, s.v. παραβάτης 3: „der Übertreter, Frevler“; LSJ, s.v. II: „transgres­ sor“ (im Original hervorgehoben). 315  Im Hintergrund der παραβάτης zugrunde liegenden Verben παραβατέω bzw. παραβαίνω liegt die für παρά in Komposita häufig anzutreffende Verwendung, in der die Bewegung an der Seite von etwas als „eine Entfernung oder Abweichung herbeiführend“ gedacht

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ein παραβάτης jemand ist, der sich gegen eine als positiv bewertete Größe richtet. Bei dieser kann es sich im Einzelnen um unterschiedliche Dinge handeln, und zwar sowohl um einen Vertrag oder ein Gesetz als auch um Götter.316 Von diesen Verwendungsmöglichkeiten spricht der Gebrauch innerhalb des vorliegenden Textes für einen direkten Bezug auf Gott.317 Hier entspricht παραβάτης nämlich offensichtlich der Wendung ἁμαρτίας διάκονος aus Gal 2,17. In Gal 2,17b und 2,18b stellt Paulus nämlich Christus und das „Ich“ im Hinblick auf die Frage einander strikt gegenüber, durch wen die Sünde tatsächlich gefördert wird. Bei dem παραβάτης handelt es sich demzufolge im vorliegenden Text um jemanden, der im Dienst der Sünde steht, damit jedoch – aufgrund der für Paulus typischen Entgegen­ setzung von Gott und Sünde318 – nicht Gott dient (vgl. 2,19). Anders als in der Forschung stets angenommen, bezieht sich παραβάτης in Gal 2,18 somit nicht auf die Übertretung des Gesetzes, sondern bezeichnet das Abweichen von einem Leben für Gott. Dabei bringt Paulus in Gal 2,18 zum Ausdruck, dass gerade der erneute Aufbau des Gesetzes einer solchen Abkehr von Gott gleichkommt. Damit impliziert Gal 2,18 zugleich einen Vorwurf an Petrus. Auch Petrus hat nämlich – wie seine bisherige Mahlgemeinschaft mit den unbeschnittenen Glaubenden zeigt – das Gesetz als Trennwand zu den Heidenchristen mit seiner eigenen Hinwendung zu Christus eingerissen und sich zunächst nicht von ihnen abgegrenzt. Erst bei der Ankunft der Jakobus­ leute baut er das Gesetz von neuem als Grenzmauer auf, weicht jedoch da­ durch von Gott ab.319 Für Gal 2,17f. besteht somit folgender Begründungszusammenhang: Auch die Judenchristen sind Paulus zufolge Sünder, Christus jedoch kein Diener der Sünde, weil gerade umgekehrt der Glaubende, der erneut das Gesetz als wird, und zwar genauer als Abweichen von der rechten Richtung (vgl. Passow, s.v. παρά IV.2bb: „Diese Entfernung von dem Rechten wird zugleich oft als Widerstreben gegen das­ selbe gedacht“). 316  Vgl. dazu die Belege bei Passow, s.v. παραβαίνω 2a. 317  So ausdrücklich in der Wendung παραβάτης θεῶν (Polemon bei Macrobius, Satur­nalia 5,19,29) oder beim Gebrauch von παραβαίνω mit einem Gott als direktem Objekt (Belege bei Passow, s.v. παραβαίνω 2a). 318  Zum Gegensatz von Sünde und Gott vgl., dass Sünde Feindschaft gegen Gott ist (Röm 8,7); vgl. auch Röm 6,11. 319  Mit Gal 2,18 übt Paulus insofern deutlich Kritik am Verhalten des Petrus in Antiochia, als er mit der παραβάτης-Wendung offensichtlich das aufnimmt, was er in Gal 2,14 mit οὐκ ὀρθοποδοῦσιν πρὸς τὴν ἀλήθειαν τοῦ εὐαγγελίου zum Ausdruck gebracht hat. Mit beiden Formulierungen bewertet er eine Abgrenzung mithilfe des Gesetzes nämlich als nega­ tiv, und zwar jeweils vor einem räumlichen Hintergrund als einen Schritt in die falsche Richtung.

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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Grenze aufbaut, dadurch von Gott abweicht und ein Diener der Sünde wird. Das bedeutet, dass zwar die Entdeckung des Sünderseins der Judenchristen mit Christus, nämlich mit dem Streben nach einer Rechtfertigung durch ihn, in Verbindung steht, für das Sündersein der Judenchristen selbst aber das Gesetz verantwortlich ist. Damit liegt im Hintergrund von Gal 2,18 die bei Pau­ lus mehrfach und in unterschiedlicher Form belegte Auffassung, dass diejeni­ gen, die unter dem Gesetz sind, damit zugleich unter der Sünde sind.320 Mit dieser radikalen Kontrastierung von Gott und Gesetz zieht Paulus aus der Hin­ wendung zu Christus jedoch offenbar weitergehende Folgerungen als seine Gegner. Dabei weicht Paulus mit dieser strikten Gegenüberstellung von Gott und Gesetz tatsächlich gravierend von der alttestamentlich-jüdischen Tradi­ tion zum Gesetz ab,321 da in ihr das Beachten der Gesetzesvorschriften die wahre Gottesverehrung gewährleistet322 und daher eine identitätsstiftende Bedeutung für das Volk Gottes hat. Paulus zufolge ist ein solches Leben für Gott jedoch nur dann möglich, wenn man sein Leben einzig im Vertrauen auf Christus führt, wie er vor allem in Gal 2,19f. ausführt. Die soeben für Gal 2,18 vorgeschlagene Deutung wird durch die Fortset­ zung in Gal 2,19 insofern bestätigt, als sich in einem solchen Fall ein nahtloser Übergang323 zwischen Gal 2,18 und 2,19 ergibt.324 Mit Gal 2,19 begründet (vgl. 320  Vgl. dazu auch die Aussagen, dass alle, d.h. auch die Juden unter dem Gesetz, unter der Sünde sind (Gal 3,22; Röm 3,9). Vgl. dazu auch Röm 6,14, wo Paulus umgekehrt feststellt, dass über die, die nicht unter dem Gesetz sind, die Sünde nicht herrschen kann. Vgl. auch Röm 7,14. Dabei provoziert das Gesetz geradezu Übertretungen und mehrt die Sünde (Röm 5,20; 7,7–9.11.13; 1 Kor 15,56b). Zu einer solchen Deutung von Gal 2,18 vgl. auch Mar­ tyn, Gal, 256. 321  Zu einer solchen Bewertung von Gal 2,16 vgl. auch Räisänen, Break. 322  Vgl. dazu exemplarisch die enge Verbindung zwischen dem Halten der Gebote und der Gottesfurcht (Dtn 5,29; Ps 103,17f.; 112,1; Koh 12,13), daneben das Halten der Gebote als Liebe zu Gott (Ex 20,6) oder als Dienst für den Herrn (1 Kön 2,3). 323  Vgl. dazu den in der Forschung umstrittenen Bezug von Gal 2,19 zum Vorangehenden. So wird das γάρ in Gal 2,19a entweder als Begründung der Feststellung von Gal 2,18 ver­ standen, die ihrerseits das μὴ γένοιτο aus Gal 2,17b begründet (vgl. Vouga, Gal, 61; Sieffert, Gal, 154; Mußner, Gal, 179; Rohde, Gal, 115; Longenecker, Gal, 91) oder wie das γάρ zu Be­ ginn von Gal 2,18 unmittelbar auf Gal 2,17fin bezogen (Eckstein, Verheißung, 42.56). Für eine Begründung von Gal 2,17fin und 2,18 plädiert Schlier, Gal, 98. Zur Problematik eines begründenden Anschlusses im Falle der in der Forschung für Gal 2,17f. zumeist vertrete­ nen Deutung vgl. Oepke, Gal, 94, der eine begründende Funktion sowohl mit Blick auf Gal 2,17fin als auch mit Bezug auf Gal 2,18 ablehnt. 324  Bei der üblichen Deutung von Gal 2,18 ist der Übergang zu Gal 2,19 hingegen insofern unklar, als Paulus in Gal 2,18 und 2,19 dann genau das Gegenteil sagt. In einem solchen Fall zitiert er in Gal 2,18 zunächst die gegnerische Position („durch die Rückkehr zum Gesetz erweise ich mich als der Gesetzesübertreter bzw. Sünder, zu dem ich vorher durch die Aufgabe des Gesetzes bei der Hinwendung zu Christus wurde“), in Gal 2,19 stellt er seine eigene Sicht dagegen („ich wurde durch die Aufgabe des Gesetzes bei der Hinwendung zu

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

γάρ) Paulus nämlich offensichtlich, warum man durch den Aufbau des Geset­ zes von Gott abweicht. Dabei gilt dies deshalb, weil das „Ich“ damit sein Leben für Gott rückgängig macht, welches es zuvor gerade durch die Aufgabe des Gesetzes erlangt hatte. In Gal 2,19 nimmt Paulus nun nämlich den umgekehr­ ten Schritt zu Gal 2,18 in den Blick, d.h. das Ende eines Lebens für das Gesetz (ἐγὼ γὰρ διὰ νόμου νόμῳ ἀπέθανον). Dabei führt er als Zweck dieser Aufgabe des Gesetzes das Leben für325 Gott (θεῷ ζήσω)326 an. Dementsprechend gewinnt (vgl. dazu ζήσω als ingressiver Aorist) das „Ich“ Paulus zufolge das Leben für Gott aber überhaupt erst durch die Aufgabe des Gesetzes, welche im Rahmen der Hinwendung zu Christus stattgefunden hat (vgl. Χριστῷ συνεσταύρωμαι in 2,19fin). Vor der Hinwendung zu Christus befand das „Ich“ sich hingegen in einem ebensolchen Zustand, wie Paulus ihn in Gal 2,18 für den Fall einer Rück­ kehr zum Gesetz prognostiziert. Als solche, die unter dem Gesetz sind, dienen die Judenchristen somit nicht etwa Gott, sondern der Sünde, und zwar sowohl vor ihrer Hinwendung zu Christus als auch bei einer erneuten Rückkehr zum Gesetz. Vor diesem Hintergrund ist der Begründungszusammenhang in Gal 2,18f. folgendermaßen zu paraphrasieren: „Wenn ich das Gesetz als Trennmauer zwischen den Juden und Heiden wieder aufbaue, wie es Petrus und die Jako­ busleute durch ihr abgrenzendes Verhalten tun, dann mache ich mich damit zu jemandem, der einen als negativ zu bewertenden Übertritt begangen hat, nämlich weg von Gott. Ich bin ja schließlich durch das Gesetz hindurch in Bezug auf das Gesetz gestorben – indem ich nämlich mit Christus gekreuzigt worden bin –, damit ich dann für Gott leben kann.“

Christus zu jemandem, der Gott dient“). In der Forschung wird häufiger ein solch strikter Gegensatz zwischen Gal 2,18 und 2,19 angenommen, vgl. z.B. die Wiedergabe von Gal 2,19a in der Einheitsübersetzung: „Ich aber bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben […]“ (Hervorhebung C.E.); vgl. dazu Egger, Gal, 21f.; ebenso in der Übersetzung durch Menge: „Ich meinerseits dagegen bin durch das Gesetz […].“ Eine solch starke Kontrastierung ließe jedoch anstelle von γάρ in Gal 2,19a zumindest δέ oder sogar ἀλλ’ ἐγώ erwarten. 325  Der Dativ θεῷ ist am ehesten als Dativus commodi zu verstehen und gibt somit an, zu wes­ sen Vorteil etwas geschieht, so häufig bei Paulus (vgl. Hoffmann/von Siebenthal, §176a). 326  Das Leben für Gott, welches nach Gal 2,19 mit dem Gestorbensein des „Ichs“ für das Ge­ setz beabsichtigt ist, erwähnt Paulus auch in Röm 6,11, allerdings im Rahmen der Vorstel­ lung des Gestorbenseins der Sünde gegenüber, in Form einer Aufforderung ([…] ζῶντας δὲ τῷ θεῷ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ; vgl. auch V. 13.22 und in Bezug auf Christus auch V. 10fin). Zum Motiv vom Leben für Gott vgl. auch Lk 20,38 (vgl. auch 4 Makk 7,19; 16,25) sowie die Rede vom Leben für den Herrn (Röm 14,8) und für Christus (2 Kor 5,15). Ihm ist ein Leben für sich selbst entgegengesetzt (2 Kor 5,15; Röm 14,7). Vgl. auch die Wendung „für die Gerech­ tigkeit leben“ in 1 Petr 2,24.

2 Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ( Gal 2,11–21 )

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Für Gal 2,18 lässt sich besonders deutlich eine Anknüpfung an die Darstellung des sogenannten antiochenischen Zwischenfalls in Gal 2,11–14 erkennen. Hier nimmt Paulus nämlich die für Gal 2,11–14 zentrale Vorstellung vom Gesetz als Mittel zur Abgrenzung des Volkes Gottes auf. Er deutet diese jedoch radikal um, da ihm zufolge eine Abgrenzung mithilfe des Gesetzes einer Zugehörig­ keit zu den Kindern Gottes geradezu entgegensteht. Was ergibt sich daraus mit Blick auf die Auseinandersetzung um die Frage der Tischgemeinschaft mit Heidenchristen in Antiochia? Diejenigen, die sich wie Petrus mithilfe des Gesetzes von Nichtjuden abgrenzen, schließen Paulus zufolge nicht etwa die Heidenchristen, sondern sich selbst aus der Gemeinschaft der Kinder Gottes aus. Damit bestreitet Paulus jedoch letztlich, dass das Mahl, das die sich ab­ grenzenden Judenchristen feiern, überhaupt das Gemeinschaftsmahl der Kin­ der Gottes ist. 2.5 Zusammenfassung Bei der Kontroverse zwischen Petrus und Paulus in Antiochia handelt es sich um eine Auseinandersetzung zu der Frage, unter welchen Bedingungen Chris­ ten miteinander essen dürfen. Sie ist jedoch nicht auf den Bereich des Essens beschränkt. Strittig ist zudem nicht, ob Judenchristen weiterhin die Speisege­ bote halten müssen oder nicht. Die Jakobusleute als eigentliche Gegner des Paulus fordern von den Heidenchristen nämlich offenbar nicht nur, im Interes­ se eines gemeinsamen Mahls mit gesetzestreuen Judenchristen und damit vor­ nehmlich aus Rücksicht auf sie auch selbst die jüdischen Speisevorschriften zu beachten. Vielmehr verlangen sie von den Heidenchristen die Beschneidung und Einhaltung des Gesetzes für die Zulassung zu dem von ihnen praktizierten Gemeinschaftsmahl. Ihnen zufolge sind Heidenchristen von der Tischgemein­ schaft mit Judenchristen nämlich aus dem Grund ausgeschlossen, weil sie nicht dieselbe Sonderstellung bei Gott haben, die sie sich selbst aufgrund ihrer Her­ kunft aus dem von Gott zuerst erwählten Volk zumessen. Sie knüpfen Mahlge­ meinschaft mit Heidenchristen und damit deren gleichwertige Zugehörigkeit zu den Kindern Gottes auch an die Beschneidung und ein Leben nach dem Ge­ setz. Während die Jakobusleute damit weiterhin an der alttestamentlich-jüdi­ schen Definition des Volkes Gottes festhalten, lehnt Paulus eine Bewertung der Beschneidung und des Gesetzes als Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Kinder Abrahams dezidiert ab (3,6–4,7). Der paulinischen Verteidigung der Tischgemeinschaft mit Heidenchristen liegt nämlich die zentrale theologische Einsicht zugrunde, dass die Heidenchristen auch ohne Beschneidung nicht weniger zu den Kindern Gottes gehören als die Judenchris­ ten. Dabei betont er in Gal 2,15–21, dass das Gesetz gerade keinen positiven Unterschied zwischen Juden- und Heidenchristen macht, sondern vielmehr

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

bewirkt, dass die Judenchristen in ihrer Gesamtheit wie die Heidenchristen ebenfalls Sünder sind. Auch sie müssen nämlich die (als Heilsgut verstandene) Gerechtigkeit erst noch durch Gott im Gericht erlangen und brauchen dazu Christus (2,16f.20f.). Die Judenchristen, die dem Gesetz keine abgrenzende Bedeutung mehr zumessen und ihr Leben einzig an Christus ausrichten, führen nun ein Leben für Gott (2,19). Im strikten Gegensatz dazu sind diejenigen, die sich mit dem Gesetz abgrenzen, aber solche, die gleichsam im aktiven Dienst der Sünde stehen (2,18), und gehören darum keinesfalls zu den Kindern Gottes. Diese Verbindung zwischen Gal 2,18 und der Darstellung des antiochenischen Zwischenfalls in Gal 2,11–14 wird in der Forschung nicht ausreichend wahrge­ nommen. Sie zeigt aber deutlich, dass der Grund für den in Gal 2,11–14 geschil­ derten Konflikt in der für den gesamten Galaterbrief zentralen Frage besteht, ob die Gesetzeserfüllung (vgl. ἰουδαΐζω in 2,14) eine konstitutive Bedeutung für die Zugehörigkeit zu den Kindern Gottes (vgl. ἀφορίζω in 2,12) hat. Dabei geht es nach der grundsätzlichen Entscheidung auf dem Apostelkonvent nun um die Frage nach der genauen Verhältnisbestimmung von Juden- und Hei­ denchristen im Hinblick auf ihre Stellung bei Gott und damit innerhalb der Gemeinde. Jakobus betont die bleibende Unterschiedenheit zwischen Judenund Heidenchristen. Paulus geht hingegen von einer grundsätzlichen Gleich­ heit und Einheit aus, sodass die Lösung in der Tischgemeinschaftsfrage für ihn nur durch die Anerkennung dieser vollwertigen Zugehörigkeit der Heidenchris­ ten zur Gemeinschaft der Kinder Gottes erfolgen kann. 3

Die Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern zum Zwecke ihrer moralischen Besserung

Innerhalb der frühen literarischen Rezeption der Jesusüberlieferung ist Jesus in mehreren voneinander unabhängigen Quellen so in Erinnerung geblieben, dass seine Praxis der Tischgemeinschaft Anlass für Kontroversen war. Sichtet man die verschiedenen Belege (Mk 2,15–17/Mt 9,10–13/Lk 5,29–32; LkQ 7,34/ MtQ 11,19 und LkS 15,2; 19,1–10), so ergibt sich als gemeinsames Bild, dass in ihrem Zentrum jeweils ein Essen Jesu mit Zöllnern und Sündern327 steht. Bei 327  Die Tradition der Tischgemeinschaft Jesu mit Sündern findet sich auch in P.Oxy. X 1224 (zum Text s. Aland, Synopsis, 63). Die dortige Version unterscheidet sich von Mk 2,15–17 insbesondere in den beteiligten Akteuren. In P.Oxy. X 1224 werden zum einen nur die Sün­ der genannt, zum anderen als Kritiker Jesu die Schriftgelehrten, Pharisäer und Priester. Der sprachliche Wert von P.Oxy. X 1224 ist insgesamt gering, da die Rekonstruktion des äußerst fragmentarischen Textes auf dem Markus- bzw. Lukas-Text (vgl. dazu vor allem ὑγιαίνω wie Lk 5,31) basiert.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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diesen handelt es sich somit offenbar um solche, mit denen man nach Ansicht anderer Juden Tischgemeinschaft vermeiden sollte. Mit den Zöllnern und Sündern verbleiben die Mahlteilnehmer innerhalb des Judentums. Sie rufen jedoch offensichtlich eine Auseinandersetzung um die Grenzen der innerjüdischen Mahlgemeinschaft hervor. Worin besteht dann aber der genaue Kritik­ punkt an einem solchen Mahl? Wodurch werden also die Grenzen des Mahls in diesem Fall markiert? Eine nähere Untersuchung – insbesondere von Mk 2,16f. – wird Folgen­ des zeigen: Die Frage der Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ist – anders als in der Forschung häufig vertreten (s.u. 3.1.2.1) – ein eigenständiger Problemkomplex gegenüber der im antiken Judentum und im Urchristentum ebenfalls breiter thematisierten Mahlgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden. Beide Traditionen unterscheiden sich nämlich deutlich in Hinsicht auf den Grund für die jeweils abgelehnte Tischgemeinschaft. Das ausschlaggebende Kriterium für die Grenzen des Mahls besteht im Fall der Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern in einer guten ethisch-moralischen Beschaffenheit der Mahlteilnehmer (s.u. 3.1.2). Es liegt nicht in ritueller Reinheit, wie dies in der Forschung zumeist angenommen wird (s.u. 3.1.2.3) und bei Heiden (vgl. z.B. Jub 22,16; s.o. IIC 2.1) oder anderen Juden (vgl. 1QS; s.o. IIC 2.2) bisweilen der Fall sein kann. Das Mahl Jesu mit den Zöllnern und Sündern als Therapie (Mk 2,15–17 mit Mt 9,10–13/Lk 5,29–32) Innerhalb des Markusevangeliums sind zwei ausführlichere Mahlszenen über­ liefert, in deren Zentrum die Versorgung einer großen Menschenmenge mit Nahrung steht (6,34–44; 8,1–9). Von einem gemeinsamen Essen Jesu oder sei­ ner Jünger mit der Menge ist an diesen Stellen jedoch nicht explizit die Rede. In Mk 2,15f. findet sich hingegen ausdrücklich die Vorstellung des gemein­ samen Essens. Dabei ruft Markus zunächst durch den Gebrauch von κατά­ κειμαι328 den Kontext des Essens auf.329 Mithilfe der Formulierung καὶ πολλοὶ τελῶναι καὶ ἁμαρτωλοὶ συνανέκειντο τῷ Ἰησοῦ καὶ τοῖς μαθηταῖς αὐτοῦ konkre­ tisiert Markus die Situation dahingehend, dass er das durch κατάκειμαι ak­ tualisierte Essen näher als ein Mahl von vielen Zöllnern und Sündern mit Jesus und seinen Jüngern qualifiziert. Wie κατάκειμαι wird nämlich auch 3.1

328  Zum Gebrauch von κατάκειμαι im Kontext des Essens vgl. neben Mk 2,15/Lk 5,29 auch Mk 14,3; Lk 7,37; 1 Kor 8,10: ἐν εἰδωλείῳ κατακείμενον. Besonders häufig bei Platon im Sinne von „zu Tisch liegen“, so vor allem Symp. 174E; 175A und C; 177D–E; 185D; 213B–C; 222E; 223A–B; Resp. 372D; Ep. 360A. Daneben vgl. exemplarisch Jos., Vita 222; Lukian, Gall. 11; Athenaios 6,36 (239E). Vgl. dazu auch Kilpatrick, Ἀνακεῖσθαι. 329  In Mk 6,40; 8,6; Lk 11,37; 14,10; 17,7; 22,14 wird hingegen ἀναπίπτω verwendet.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

συνανάκειμαι330 mit Bezug auf das Liegen beim Essen verwendet.331 Dabei wird ein solches Verständnis der beiden Verben durch die unmittelbar folgen­ de, zweimalige Verwendung von ἐσθίει in Mk 2,16 abgesichert, welches durch den Gebrauch in Verbindung mit μετά zudem den durch das Präfix σύν zum Ausdruck gebrachten Gedanken des gemeinsamen Essens aufnimmt.332 Wäh­ rend sich der Kontext des gemeinsamen Essens demzufolge in unterschied­ licher Form deutlich erkennen lässt, ist die genaue Situation dieses Mahls schwieriger zu rekonstruieren. 3.1.1 Die Schilderung der Szene (Mk 2,15) Die Auslegung der Perikope vom Mahl Jesu mit den Zöllnern und Sündern wird durch eine Vielzahl von unklaren Bezügen des Textes erschwert. Dabei stellt vor allem Mk 2,15, wo die anstößige Szene geschildert wird, den Leser vor zahlreiche offene Fragen. Sie betreffen den Ort des Geschehens sowie den szenischen Rahmen. Auf wessen Haus bezieht sich die Wendung ἐν τῇ οἰκίᾳ αὐτοῦ? Wie ist die Wendung ἦσαν γὰρ πολλοὶ καὶ ἠκολούθουν αὐτῷ syntaktisch an das Vorangehende anzuschließen? Wer sind somit die πολλοί? Im Einzelnen lässt sich die Szene wie folgt rekonstruieren: Der markinische Jesus erscheint als jemand, der ein Mahl abhält. Dieses ist nicht auf einen be­ stimmten Kreis beschränkt, sondern offen für alle, die an Jesus interessiert sind und Kontakt zu ihm suchen. Dies gilt selbst dann, wenn es sich bei denjenigen, die von außen dazukommen, um Zöllner und Sünder handelt. Damit ist von vornherein die Verkündigung Jesu von zentraler Bedeutung für das Mahl mit den Zöllnern und Sündern.333 3.1.1.1 Jesus als Gastgeber des Mahls Die Ausgangssituation für den Konflikt gibt Markus durch κατακεῖσθαι αὐτὸν ἐν τῇ οἰκίᾳ αὐτοῦ (Mk 2,15) an. Innerhalb dieser Wendung ist die Referenz der Per­ sonalpronomen αὐτόν und αὐτοῦ offen. Bezieht man die beiden Personalpro­ nomen auf unterschiedliche Personen, so sind zwei verschiedene Deutungen 330  Zu συνανάκειμαι für das gemeinsame Liegen zu Tisch vgl. 3 Makk 5,39 (zur Mahlsitua­ tion ausdrücklich 5,36); Mk 6,22; Mt 14,9; Lk 7,49; 14,10.15. Daneben findet sich auch συγκατάκειμαι: Jos. Ant. 12,211; Plut. Cat. Maj. 17,3; Mor. 149A; 660A; 712E. 331  Mt 9,10 erhöht die Kohärenz des Textes dadurch, dass er die in Mk 2,15 nebeneinander gebrauchten zwei verschiedenen Komposita (κατάκειμαι und συνανάκειμαι) einander an­ gleicht (ἀνάκειμαι/συνανάκειμαι). Zu ἀνάκειμαι für das Liegen zu Tisch vgl. z.B. 1 Esdras 4,10; Tob 9,6 GII. 332  Vgl. dazu, dass in Lk 5,30 stattdessen das Begriffspaar „essen und trinken“ gebraucht wird (vgl. auch Lk 10,7; Mt 6,25; 11,18f.; 24,49; Gen 26,30; 2 Sam 19,36; Jes 22,13; Koh 5,18). 333  Demgegenüber ist in der lk. Parallele durchaus der Aspekt des Dankes zentral für das Mahl (so Schürmann, Lk I, 289).

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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möglich: Versteht man das als Subjektsakkusativ des AcI gebrauchte αὐτόν als Referenz auf den in Mk 2,14fin zuletzt als Subjekt von ἠκολούθησεν gebrauchten Levi und das αὐτοῦ auf den in Mk 2,14fin mit αὐτῷ erwähnten Jesus, so setzt die Szene einen Besuch Levis im Haus Jesu voraus.334 Möglich ist jedoch auch ein genau umgekehrter Bezug der beiden Personalpronomen, d.h. ein Verständnis von αὐτόν als Referenz auf Jesus und von αὐτοῦ auf Levi. In diesem Fall, wie er in der Forschung zumeist vertreten wird, besteht die vorausgesetzte Szene aus einem Mahl im Hause Levis, an dem Jesus als Gast teilnimmt.335 Einen solchen Besuch Jesu im Haus Levis setzt dann eindeutig Lk 5,29 voraus.336 Lukas stellt die Situation nämlich so dar, dass Jesus der Einladung zu einem Mahl folgt, das ein schon umgekehrter Zöllner für ihn ausrichtet.337 Obwohl er bei diesem Mahl auch auf bislang noch unbekehrte Zöllner trifft, schlägt er die Einladung nicht aus oder verlässt das Mahl, sondern ruft diese zu einer Sinnesänderung (5,32; s.u. 3.3.1) auf. Eine Einkehr Jesu in das Haus Levis ist für Mk 2,15 jedoch weit weniger deutlich zu erkennen.338 Vielmehr resultiert eine solche Deutung offenbar in erster Linie aus einer Auslegung von Mk 2,15 in Entsprechung zur Version des Lukas.339 Eine genauere Untersuchung von Mk 2,15 selbst spricht für einen Bezug beider Personalpronomen auf Jesus selbst, sodass es sich bei dem Haus um Jesu eigenes Haus handelt und der markinische Jesus selbst in der Rolle des 334  Verwiesen wird von Vertretern dieser Deutung auf das ἠκολούθησεν αὐτῷ in Mk 2,14fin, das den Eindruck erwecke, Levi folge Jesus in dessen Haus nach (so Ebner, Jesus, 140f.). Für eine solche Deutung ist die verbindende Funktion von καὶ γίνεται jedoch zu gering (s.u.). 335  So Pesch, Zöllnergastmahl, 64 Anm. 4; vgl. auch 79; ders., Mk I, 165; Klostermann, Mk, 29; Grundmann, Mk, 61; Lührmann, Mk, 59; Koch, Tischgemeinschaft, 61; vgl. dazu auch May, Home, der eine Deutung als Haus Jesu mit der Begründung ablehnt, sie übersehe die Reziprozität, in der auf die Einladung in die Nachfolge die Einladung zum Essen folge; so auch Yarbro Collins, Mk, 191. 336  Zu Jesus als Gast vgl. auch Lk 7,36; 10,39; 11,37; 14,1; 19,5–7. 337  So besonders hervorgehoben von Schürmann, Lk I, 289: „Das Verhalten des Levi wird in solcher Weise (diff Mk) breiter veranschaulicht, damit nachher deutlich werden kann, daß Jesu Verkehr mit den Zöllnern ein die Sünder rufender Bußruf vorausging und daß es sich um Tischgemeinschaft mit schon bekehrten ‚Sündern‘ handelt.“ Lk 5,30 bringe dann zum Ausdruck, dass es auch noch solche gibt, „die wirklich Sünder waren“ (vgl. auch 287.291). So auch Schneider, Lk I, 136, dem zufolge Lukas in den „anderen“ im Gegensatz zu Markus schon bekehrte Sünder sieht. 338  Gegen Levi als Gastgeber bei Markus auch Gnilka, Mk I, 104 (anders aber 106). 339  Vgl. dagegen aber, dass sich deutliche Unterschiede zwischen beiden Versionen erkennen lassen, z.B. für die in Mk 2,17 und Lk 5,32 jeweils gebrauchte καλέω-Wendung: So fasst Lukas durch Hinzufügung der Präpositionalwendung εἰς μετάνοιαν dieses Verbum in sei­ ner Darstellung von vornherein enger als Markus, bei dem das allgemeine καλέσαι einen doppelten Aspekt von „rufen zur Tischgemeinschaft“ und „rufen in die Nachfolge“ haben kann (s.u. 3.1.3.2).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Gastgebers erscheint.340 Ein Bezug des αὐτόν auf Jesus legt sich bereits an­ gesichts des Befundes nahe, dass in Texten, die wie Mk 2,15–17 stark von der mündlichen Erzählform geprägt sind,341 stets die Taten der Hauptfigur geschil­ dert werden. Nur dort, wo diese Hauptfigur von anderen Personen abgesetzt wird, wird sie namentlich aufgeführt. Von daher ließe sich die Renominali­ sierung innerhalb der Wendung καὶ πολλοὶ τελῶναι καὶ ἁμαρτωλοὶ συνανέκειντο τῷ Ἰησοῦ im Anschluss an die zweimalige Referenz auf Jesus mithilfe von Personalpronomen erklären. Gegen eine allzu enge Verbindung mit dem Vor­ hergehenden, wie man sie bei einem Bezug von αὐτόν auf Levi voraussetzen müsste,342 spricht auch die Formulierung καὶ γίνεται, da diese gerade einen stärkeren Einschnitt markiert: Durch καὶ γίνεται schließt Markus die Erzählung in Mk 2,15–17 nur in lo­ ckerer Form an die vorangehende Episode von der Berufung des Zöllners Levi (2,13f.) an.343 Eine Deutung, die die Berufung des Levi (2,14) und das gemeinsame Mahl mit Zöllnern und Sündern (2,15–17) als eine ge­ meinsame Szene konstruiert und von daher für einen Bezug des αὐτόν auf Levi plädiert, lässt sich von diesem Anschluss her somit nicht erhär­ ten. Der lose Anschluss passt jedoch gut zu dem Befund, dass die beiden Szenen in Mk 2,14 und 2,15–17 zwar durch die jeweilige Zuwendung Jesu zu Zöllnern verbunden sind, es sich jedoch nicht um dieselben Perso­ nen handelt. Beide Szenen unterscheiden sich nämlich darin vonei­ nander, dass in Mk 2,14 zwei Individuen im Zentrum stehen (Jesus und Levi), wohingegen der Personenkreis in Mk 2,15–17 aus drei Gruppen besteht (Jesus und seine Jünger, die Zöllner und Sünder, die Pharisäer). 340  So Theobald, Primat, 175, u.a. im Anschluss an Lohmeyer und Schweizer; vgl. auch Hofius, Tischgemeinschaft, 17 mit Anm. 42; Struthers Malbon, ΤΗ ΟΙΚΙΑ ΑΥΤΟΥ, 282f., im An­ schluss an sie auch Bosenius, Raum, 137. 341  Vgl. dazu abgesehen von der parataktischen Formulierungsweise auch den Anschluss mit καὶ γίνεται. Dieser entspricht zwar dem griechischen Sprachgebrauch und geht nicht etwa auf einen Hebraismus zurück (vgl. Hoffmann/von Siebenthal, §217e), doch han­ delt es sich nicht um einen elaborierten Sprachstil, sondern um eine nähesprachliche Formulierungsweise. 342  Gegen einen Bezug auf Levi spricht auch, dass dieser insgesamt eine geringe Bedeutung bei Markus hat. Er fehlt in der Liste der Zwölf in Mk 3,13–19. 343  Zu einem ähnlichen Anschluss vgl. Mk 2,23: καὶ ἐγένετο αὐτὸν ἐν τοῖς σάββασιν παραπο­ ρεύεσθαι. Hier wird ebenfalls mithilfe des Personalpronomens auf Jesus als Hauptperson hingewiesen. Lukas verbindet die Berufungsgeschichte und die Erzählung vom Zöll­ nergastmahl hingegen enger miteinander, wenn er anstelle der offenen Aussage vom „zu Tisch liegen“ in Lk 5,29 explizit feststellt, dass Levi ein großes Gastmahl ausgerichtet hat (καὶ ἐποίησεν δοχὴν μεγάλην Λευὶς αὐτῷ ἐν τῇ οἰκίᾳ αὐτοῦ; vgl. Lk 14,7–14, vor allem 14,13 und 14,16).

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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Der Anschluss mit καὶ γίνεται macht somit deutlich, dass die beiden Peri­ kopen als zwei unabhängige Szenen zu verstehen sind,344 die assoziativ über die Aufnahme derselben Grundbegriffe aneinandergereiht wer­ den. Diese bestehen aus der jeweiligen Verwendung von τελώνης oder eines mit ihm verwandten Begriffes (vgl. die Wiederaufnahme von ἐπὶ τὸ τελώνιον in Mk 2,14 durch τελῶναι in Mk 2,15). Die Szene in Mk 2,15–17 ist demzufolge mit Mk 2,14 nicht unmittelbar personell, sondern über die Zöllnerthematik verbunden, welche jeweils in einen Zusammenhang mit der Vorstellung der Nachfolge gebracht wird (vgl. 2,14 mit καλέσαι in 2,17; s.u. 3.1.3.2). Mit dem Präpositionalausdruck ἐν τῇ οἰκίᾳ αὐτοῦ verortet Markus die Szene in einem Haus, welches er offensichtlich Jesus selbst zuweist. Auch für αὐτοῦ legt sich nämlich am ehesten ein Bezug auf Jesus nahe: Ein Bezug beider Personalpronomen auf dieselbe Person ließe streng­ genommen den Gebrauch des Reflexivpronomens ἑαυτοῦ als Näherbe­ stimmung von ἐν τῇ οἰκίᾳ erwarten. In der Koine und vor allem im Neuen Testament ist die Verwendung des Reflexivpronomens jedoch nicht zwingend, da das Personalpronomen häufig als Reflexivum gebraucht wird.345 Dies gilt vor allem für Formulierungen wie ἐν τῇ οἰκίᾳ αὐτοῦ, bei denen im Hochgriechischen der Besitzer mithilfe eines Reflexivprono­ mens nur explizit aufgeführt werden würde, wenn dieser unklar wäre, wohingegen in der Septuaginta und im Neuen Testament die zusätzliche Angabe durch αὐτοῦ geradezu standardmäßig anstelle des Reflexivpro­ nomens hinzutritt.346 Von daher ist der Gebrauch des Personalprono­ mens mit Bezug auf das Subjekt des Satzes als das üblichere zu erwarten. 344  Für ein Verständnis von Mk 2,14 und 2,15–17 als zwei unabhängige Szenen spricht auch der Gattungswechsel von einer Berufungserzählung zu einer Chrie. 345  Zum Gebrauch des Reflexivpronomens in Abhängigkeit von einem Nomen vgl. BDR §283,4. Vor allem in der 3. Person Singular und 3. Person Plural wird anstelle des Reflexiv­ pronomens öfter das nichtreflexive Personalpronomen gebraucht, wie das Schwanken in der Überlieferung zwischen Reflexiv- und Personalpronomen zeigt (BDR §283,4₆). Die in der Koine generell anzutreffende Vernachlässigung des Reflexivpronomens wird in den biblischen Schriften durch den semitischen Hintergrund begünstigt, da weder das Hebrä­ ische noch das Aramäische zwischen reflexivem und nichtreflexivem Verhältnis unter­ scheiden (vgl. Hoffmann/von Siebenthal, §139j). 346  Vgl. vor allem Dtn 24,5 mit 24,1.3; daneben auch Gen 24,2; 43,16; 44,1.4; Lev 27,14f.; Dtn 20,6–8; Ri 19,21; Sir 21,8; Jer 22,13 (jeweils LXX); Lk 5,29; Mk 6,4/Mt 13,57; Mk 13,15/Mt 24,17; Mk 13,34 mit Mt 24,43 (Lk 12,39 mit οἶκος); in Verbindung mit einem Reflexivpronomen hingegen nur in Tob 8,11. Gleiches gilt für οἶκος, vgl. dazu vor allem die Mk 2,15 sehr ähnlichen

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Angesichts des Befundes, dass sich für den Subjektsakkusativ αὐτόν ein Verweis auf Jesus nahelegt, ergibt sich für die Wendung ἐν τῇ οἰκίᾳ αὐτοῦ ein Bezug auf Jesu eigenes Haus.347 Durch die knappe Formulierung κατακεῖσθαι αὐτὸν ἐν τῇ οἰκίᾳ αὐτοῦ richtet Markus den Fokus somit auf den für das Folgende entscheidenden Punkt, nämlich dass Jesus selbst das entsprechende Mahl ausrichtet. Dies gilt auch dann, wenn man Jesus vor dem Hintergrund der für ihn überlieferten Wan­ derexistenz (vgl. Mt 8,20/Lk 9,58) den Besitz eines eigenen Hauses abspricht und das ἐν τῇ οἰκίᾳ αὐτοῦ in einem weiteren Sinne auf das Haus bezieht, in dem Jesus logiert, beispielsweise im Haus der Brüder Simon und Andreas (1,29).348 Dann macht Markus durch die auffällige Bestimmung des Hauses als Jesu eigenes Haus, die sich ähnlich der Wendung „Ich gehe in mein Hotel“ im Munde eines Hotelgastes verstehen lässt, nämlich gerade besonders deutlich, dass Jesus bei dem in diesem Haus stattfindenden Mahl nicht als Gast, son­ dern als Gastgeber auftritt.349 Abgesehen von diesen grammatischen Gründen deuten weitere Indizien auf Jesus als Mahlherrn. In einem solchen Fall lassen sich nämlich einige Auffälligkeiten des Textes gut erklären: Gegenüber der Eingangsformulierung καὶ πολλοὶ τελῶναι καὶ ἁμαρτωλοὶ συνανέκειντο τῷ Ἰησοῦ καὶ τοῖς μαθηταῖς αὐτοῦ in Mk 2,15 lässt sich für Mk 2,16 ein gewisser Perspektivwechsel erkennen. In beiden Wendungen, Wendungen in 2 Sam 7,1 (καὶ ἐγένετο ὅτε ἐκάθισεν ὁ βασιλεὺς ἐν τῷ οἴκῳ αὐτοῦ)/1 Chr 17,1; 2 Kön 6,32 (καὶ Ελισαιε ἐκάθητο ἐν τῷ οἴκῳ αὐτοῦ); Ri 8,29 (jeweils LXX). 347  So für die Matthäus-Version vorgeschlagen von Sand, Mt, 195; Luz, Mt II, 43. 348  Im Markusevangelium wird mehrfach ein Haus in Kapernaum erwähnt (2,1; 9,33). Dieses ist wahrscheinlich mit dem Haus des Petrus gleichzusetzen, welches nur beim ersten Mal als „Haus des Simon und Andreas“ (1,29) bezeichnet wird. Vgl. dazu auch, dass Matthäus mehrfach ein Haus erwähnt, in dem Jesus weilt, dieses jedoch nur beim ersten Mal näher als Haus des Petrus (Mt 8,14) bezeichnet (zum bloßen ἡ οἰκία vgl. neben 9,10 auch 9,28; 13,1.36; 17,25). 349  Nimmt man an, dass es sich bei dem Haus Jesu in Mk 2,15 um das Haus der Brüder Simon und Andreas aus Mk 1,29 handelt, das der mk. Jesus gleichsam als Stützpunkt in Galiläa verwendet (so Bosenius, Raum, 138 u.ö.), so ähnelt die in Mk 2,15 vorausgesetzte Situation der Bewirtung der Leute des Cornelius durch Petrus in Apg 10,23. Dort wird berichtet, dass Petrus die Boten des Cornelius gastlich aufnimmt, und zwar nicht in ein Haus, das er besitzt, sondern in ein Haus, in dem er selbst nur zu Gast ist, nämlich in das Haus des Ger­ bers Simon (10,6.17.32 mit 9,43), vgl. dazu auch die jeweilige Verwendung von ξενίζω mit Bezug auf die Beherbergung der Leute des Cornelius durch Petrus (10,23) und mit Bezug auf Petrus selbst (10,32). Diese Szene zeigt somit, dass eine Bewirtung von Gästen auch für den Fall, dass man in dem Haus eines anderen selbst nur residiert, nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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in denen der Kontext des gemeinsamen Essens aufgerufen wird, sind nämlich nicht mehr die Zöllner und Sünder das Subjekt des nun anstel­ le von συνανέκειντο gebrauchten ἐσθίει, sondern Jesus. Die Jünger – in Mk 2,15 deutlich als Mahlteilnehmer qualifiziert – werden hingegen nicht mehr als Tischgenossen erwähnt, sondern erscheinen nun einzig als Ge­ sprächspartner der auftretenden Gegner. Damit gerät Jesus ganz in den Fokus der Kritik. Dies zeigt sich besonders deutlich daran, dass die Geg­ ner in ihrer Anklage, die sie den Jüngern gegenüber äußern, nicht etwa die Jünger direkt, sondern den markinischen Jesus kritisieren.350 Bei einer Deutung, in der Jesus die Rolle des Gastgebers innehat, ist dieser dann aber tatsächlich in besonderer Weise zu verurteilen, weil er als der­ jenige, der die Zöllner und Sünder einlädt, verantwortlich dafür ist, dass diese Verbindung mit den Zöllnern und Sündern zustande kommt. 3.1.1.2 Die Zöllner und Sünder als zu Jesus kommende Gäste Bevor Markus die sich an diesem Mahl entzündende Auseinandersetzung näher schildert, unterbricht er den Erzählgang durch folgende Erläuterung in Mk 2,15fin: ἦσαν γὰρ πολλοὶ καὶ ἠκολούθουν αὐτῷ. Der Gebrauch von γάρ in Verbindung mit dem Imperfekt zeigt deutlich, dass Markus die Erzählung mit dieser Wendung nicht einfach fortsetzt, sondern offenbar eine wichtige Hintergrundinformation liefert. Mithilfe dieser Formulierungsweise vertieft Markus nämlich innerhalb seiner Erzählung mehrfach351 das jeweils im Fokus stehende Geschehen durch nähere Angaben.352 Dabei liefert dieser Teilsatz offensichtlich eine Erklärung dafür, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass die Zöllner und Sünder nun mit Jesus und seinen Jüngern in dessen Haus essen. Der Duktus des Textes spricht nämlich für einen Bezug auf die zuvor durch πολλοὶ τελῶναι καὶ ἁμαρτωλοὶ συνανέκειντο geschilderte Haupthandlung: 350  Anders in Lk 5,30. Hier beklagen sich die Gegner Jesu nicht darüber, dass Jesus mit den Zöllnern und Sündern isst (so Mk 2,16/Mt 9,11; vgl. Lk 15,2; 19,7), sondern dass die Jünger selbst dies tun (vgl. auch Lk 5,33; 6,2), wobei ihr Vorwurf zudem unmittelbar an die Jünger adressiert ist (so auch 6,2): διὰ τί μετὰ τῶν τελωνῶν καὶ ἁμαρτωλῶν ἐσθίετε καὶ πίνετε; Damit geraten die Jünger Jesu, die vorher offenbar in Lk 5,29 in ἄλλων impliziert waren, in den Blick. Zudem wird der Vorwurf auf die Gemeinschaft Jesu zugespitzt (vgl. Klein, Lk, 225). Thema ist somit die Frage, was die Gemeinschaft um Jesus mit der der Zöllner zu tun hat. Damit könnte Lukas auf aktuelle Probleme seiner Gemeinde reagieren (so Govindu, Table Fellowship, 72). 351  Zur auffällig häufigen Verwendung des Imperfekts bei Markus vgl. Fanning, Aspect, 253–255. 352  Vgl. Decker, Deixis, 107: Das Imperfekt werde verwendet „for describing events that are more remote from the main storyline“; ausführlich zum Verhältnis von Aorist und Imper­ fekt vgl. Porter, Aspect, 198–207.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Für die Referenz der Wendung ἦσαν γὰρ πολλοὶ καὶ ἠκολούθουν αὐτῷ kom­ men grundsätzlich zwei Deutungen in Frage.353 Sie kann sich zum einen auf das unmittelbar vorher erwähnte μαθηταί beziehen,354 sodass die γάρWendung das an dieser Stelle im Verlauf des Markusevangeliums zum ersten Mal vorkommende Nomen erklärt, indem es die Jünger Jesu mit denjenigen identifiziert, die Jesus nachfolgen. Auffällig ist jedoch der Ge­ brauch von πολλοί. Damit knüpft Markus deutlich an die unmittelbar vo­ rangehende Wendung πολλοὶ τελῶναι καὶ ἁμαρτωλοὶ συνανέκειντο an. Dort werden jedoch die Zöllner und Sünder durch das unbestimmte Zahlwort πολλοί als große Menge bestimmt. Die im Rahmen der γάρ-Wendung zu findende Wiederaufnahme von πολλοί lässt somit in erster Linie an die Zöllner und Sünder als Subjekt dieses Erzählerkommentars denken.355 Dabei kann diese prinzipiell offene Formulierung die Jünger durchaus einschließen. Bei einem vorrangigen Bezug auf die Jünger Jesu ist der Wechsel der Deixis jedoch schwieriger zu erklären.356 Im Zentrum beider πολλοί-Formulierungen steht offensichtlich der Wechsel von einem Zöll­ ner in Mk 2,14 zu einer Vielzahl von Zöllnern und Sündern als Gegenüber Jesu. Das ἠκολούθουν ist somit als bloßes räumliches Hinterhergehen der Zöllner und Sünder zu verstehen, ohne dass darin eine bereits erfolgte Hinwendung zu Jesus und damit eine Veränderung des Lebens eingeschlossen ist. Für 353  Weniger naheliegend ist hingegen die in der Textgeschichte bisweilen zu findende Text­ variante und in der Forschung gelegentlich vertretene Deutung, in der für die Wendung καὶ ἠκολούθουν αὐτῷ eine Verbindung mit dem folgenden καὶ οἱ γραμματεῖς τῶν Φαρισαίων angenommen wird (so z.B. Swete, Mk, 39; Guelich, Mk, 97f.103). In einem solchen Fall sind nämlich die im Weiteren als Gegner Jesu auftretenden Personen in die Gruppe derjenigen eingeschlossen, von denen ausgesagt wird, dass sie hinterhergehen (ἀκολουθέω). Für die Gegner Jesu gebraucht Markus das Verbum ἀκολουθέω jedoch nicht (so auch Edwards, Mk, 81). Zur ausführlichen Diskussion vgl. vor allem Martini, Scribes, der sich aufgrund des Kontextes schließlich dagegen entscheidet (38f.). 354  So Weiss, Mk/Lk, 36; Zerwick, Untersuchungen, 132; daneben Thissen, Erzählung, 60; Pesch, Mk I, 165; Gnilka, Mk I, 106; im Anschluss an sie auch Ebner, Jesus, 140: Durch die Betonung der großen Menge werde die Auswahl der Zwölf in Mk 3,13–19 vorbereitet. Als Argument dient insbesondere die ausdrückliche Erwähnung der Zöllner und Sünder in Mk 2,16b, die im Sinne eines Subjektwechsels gedeutet wird: Wenn sich die Wendung in Mk 2,15fin nämlich auf die Sünder und Zöllner beziehen würde, so müssten sie in Mk 2,16b nicht noch einmal ausdrücklich genannt werden. Vgl. auch Edwards, Mk, 81. 355  So Schweizer, Mk, 31; Arens, Elthon-Sayings, 52; Theobald, Primat, 163 mit Anm. 37; Koch, Tischgemeinschaft, 60f. Blomberg, Holiness, 100, denkt konkreter an die Freunde Levis. 356  Vgl. dazu auch, dass bis Mk 2,13 erst die Berufung der beiden Brüderpaare berichtet wurde (1,16–20).

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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den Fall, dass es sich bei den Sündern und Zöllnern um bereits umgekehrte Sünder und Zöllner handelt, wäre der sich anschließende Konflikt nämlich unverständlich.357 Eine solche Deutung von ἀκολουθέω als räumliche Bezie­ hung entspricht dem semantischen Potential dieses Lexems und passt zudem gut zum markinischen Gebrauch dieses Verbums in Mk 2,15fin: Das Verbum ἀκολουθέω bedeutet ein Nachfolgen im konkret-räumlichen Sinne des Hinterhergehens.358 Dieses Sinnpotential von ἀκολουθέω trifft auch auf die von Markus gebrauchten ἀκολουθέω-Wendungen zu, wie ins­ besondere die selbst mit Bezug auf die Nachfolge der Jünger Jesu359 be­ legte Austauschbarkeit von ἠκολούθησαν αὐτῷ (1,18) mit ἀπῆλθον ὀπίσω αὐτοῦ (1,20; vgl. 1,17) zeigt.360 Diese referentielle Synonymität lässt näm­ lich deutlich erkennen, dass Jüngersein in der Vorstellung des Markus nicht nur eine Anerkennung der Lehre Jesu, sondern eine Begleitung Jesu auf seinem Weg, d.h. aber ein Sein in der Gegenwart Jesu,361 soziale Verbundenheit und Lebensgemeinschaft bedeutet.362 Dass das Verbum ἀκολουθέω diesen Bedeutungsaspekt des räumlichen Hinterhergehens bei Markus nicht verloren hat, wird zudem daran deutlich, dass der Ge­ brauch von ἀκολουθέω bei ihm keineswegs auf die Jünger beschränkt ist,363 sondern auch mit der (interessierten) Menge als Subjekt begegnet.364 Damit spiegelt der markinische Gebrauch von ἀκολουθέω die für Jesus breit belegte Situation eines Wanderpredigers wider, dem einige ständig hinterhergehen und sich ihm eng verbunden fühlen, während andere sich für ihn interessieren, sobald er in ihrer Gegend auftaucht, und daher 357  Eine Deutung, der zufolge der Satz καὶ ἠκολούθουν αὐτῷ in Mk 2,15fin festhalten will, „daß die Sünder und Zöllner von 2,15a solche waren, die bereits in die Nachfolge getreten sind, also bekehrte Sünder“ (so Klein, Lk, 223; ähnlich Völkel, Freund, 5f.), ist somit abzulehnen. 358  Vgl. BAA, s.v. 1: „eigtl. hinterhergehen, nachkommen“ (im Original hervorgehoben); LSJ, s.v.: „follow one, go after or with him“ (Hervorhebung im Original), häufig von Soldaten oder Sklaven. 359  Innerhalb der Schriften des Neuen Testamentes wird ἀκολουθέω mit wenigen Ausnahmen auf Jesus als Vorangehenden bezogen, anders aber in Mk 9,38; 14,13; Lk 22,10; Mt 9,19 (sel­ tener Beleg für ἀκολουθέω mit Jesus als Subjekt); Joh 11,31; 20,6. 360  Vgl. auch die Kombination εἴ τις θέλει ὀπίσω μου ἀκολουθέω in Mk 8,34. 361  Zur Deutung von Nachfolge als Zusammensein mit Jesus vor allem Mk 1,16–20; 10,17– 22.52; vgl. auch 4,10: οἱ περὶ αὐτόν. Vgl. auch Mt 8,19 par.; Lk 9,61. 362  Vgl. Breytenbach, Nachfolge, 273–279; ders., Identity, 57f.; du Toit, Herr, 37–44 (zur Seman­ tik von ἀκολουθέω bes. 37f.). 363  Zu Schülern, die Jesus folgen, vgl. neben Mk 1,18; 2,14; 8,34; 10,28–31 mit den Parallelen auch Mt 8,19–22 par.; 9,9 par.; 19,21 par.; Joh 1,37.43; 21,19–22. 364  Zur Menge, die Jesus auf seinem Weg ein Stück folgt, aber ihm nicht als Schüler folgt, vgl. Mk 3,7 (πολὺ πλῆθος); 5,24 (ὄχλος πολύς); 11,9.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

punktuell von außen zu seinem Gefolge dazustoßen. Dieser Umstand wird innerhalb der Jesusüberlieferung wiederholt festgestellt.365 Für die von Markus gebrauchten ἀκολουθέω-Wendungen ist somit zu­ nächst generell von der konkret räumlichen Grundvorstellung „nach­ folgen, hinterhergehen“ auszugehen.366 Dabei kann das jeweils durch ἀκο­λουθέω bezeichnete räumliche Hinterhergehen hinter Jesus eine Hin­ wendung zu Jesus und damit eine radikale Lebenswende bedeuten, muss eine solche aber nicht zwangsläufig umfassen. Für ein Verständnis des ἠκολούθουν in Mk 2,15 als bloßes räumliches Hinterhergehen spricht ins­ besondere die auffällige Differenz im Hinblick auf die kontextuelle Einbettung der beiden ἀκολουθέω-Wendungen in Mk 2,14fin und 2,15fin. Das in Mk 2,14fin mit Bezug auf Levi formulierte ἠκολούθησεν αὐτῷ ist nämlich eindeutig eine Reaktion auf den von Jesus zuvor ergangenen Ruf Ἀκολούθει μοι (vgl. Lk 9,23.59; 18,22; Joh 1,43).367 Ähnliche Signale, die auch für die in Mk 2,15fin belegte Wendung ἠκολούθουν αὐτῷ darauf hin­ deuten, dass dieses Hinterherlaufen eine Ausrichtung des eigenen Lebens an Jesus bzw. eine moralische Neuorientierung einschließt, fehlen je­ doch, beispielsweise ein bereits ergangener Ruf oder eine Notiz über das Verlassen des Bisherigen.368 Mithilfe des Einschubs in Mk 2,15fin stellt Markus demzufolge fest, dass die Zöllner und Sünder, die nicht zum dauerhaften Gefolge Jesu gehören, Jesus aus Interesse hinterhergegangen waren, und zwar bis zu dem Haus, in dem er sich befand. In dieses Haus hatte sich Jesus offenbar zuvor mit seinen Jüngern vor der Menge369 zurückgezogen. Damit geht das durch ἠκολούθουν bezeichnete Nachfolgen dem unmittelbar zuvor erwähnten Essen im Haus zeitlich voran,

365  Matthäus kann betont von der Nachfolge der Menge sprechen, vgl. Mt 4,25; 8,1; 12,15; 14,13; 19,2 (anstelle von συμπορεύονται πρὸς αὐτόν in Mk 10,1); 20,29; 21,9 (mit gegenüber Mk 11,9 hinzugefügtem οἱ δὲ ὄχλοι). Die Menge erscheint oft als interessiert an Jesus und offen für seine Botschaft (Mt 8,18.27 u.ö.). Zu ἀκολουθέω im Sinne des Hinterhergehens der Menge vgl. auch Lk 7,9 (mit Mt 8,10); 9,11; 23,27; Joh 6,2. 366  Das Verbum ἀκολουθέω ist demnach nicht vorschnell zu vergeistigen, wie es in den Nach­ folgeworten in Lk 14,26f.33 mit dem Ausdruck οὐ δύναται εἶναί μου μαθητής der Fall ist. 367  Lukas verdeutlicht diesen Aspekt der dauerhaften Nachfolge, indem er gegenüber Mk 2,14 καταλιπὼν πάντα hinzufügt (5,28). 368  So z.B. Mk 1,18: ἀφέντες τὰ δίκτυα; 1,20: ἀφέντες τὸν πατέρα αὐτῶν Ζεβεδαῖον ἐν τῷ πλοίῳ μετὰ τῶν μισθωτῶν; 10,28: ἰδοὺ ἡμεῖς ἀφήκαμεν πάντα καὶ ἠκολουθήκαμέν σοι. Vgl. auch Lk 5,11. 369  Ein vorheriges Zusammensein des mk. Jesus mit der Menge lässt sich aus der in Mk 2,13 belegten Feststellung von der Lehre Jesu an eine große Menschenmenge am See erschlie­ ßen; vgl. auch Mk 1,33.37.45; 2,2.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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sodass sich für das Imperfekt ἠκολούθουν370 im Deutschen eine Wiedergabe mit dem Plusquamperfekt371 nahelegt: „Sie waren nämlich viele, und372 sie waren ihm gefolgt.“ Eine solche Rekonstruktion der Situation in Mk 2,15–17 passt gut zum grö­ ßeren Rahmen, und zwar insbesondere zur Bedeutung des Hauses, wie Markus sie innerhalb seiner Erzählung etabliert. In einem solchen Fall trifft auf die Szene in Mk 2,15–17 nämlich der auch sonst von Markus mehrfach hervorge­ hobene Umstand zu, dass Jesus auch dann, wenn er sich von der Menge ent­ fernen will, nicht allein bleiben kann, da die Menge dorthin geht, wo er ist. Dabei dient gerade das Haus als Rückzugsort Jesu und seiner Jünger (7,17),373 nachdem sich Jesus zuvor mit seiner Lehre an eine große Menschenmenge ge­ wandt hat (7,14f.). Mehrfach wird das Haus dann jedoch von der Menge bela­ gert (2,1f.;374 3,20). Dabei steht die Darstellung in Mk 3,20 in gewisser Nähe zu der für Mk 2,15 soeben rekonstruierten Situation. Dort stört die Menge nämlich Jesus und seine Jünger, die sich in diesem Haus aufhalten, beim Essen (vgl. auch 6,31). Im Hinblick auf die vorausgesetzte Mahlsituation stimmen Markus und Matthäus demzufolge trotz des abweichenden Wortlautes prinzipiell gegen die Darstellung des Lukas überein, da sich die markinische Hintergrundnachricht in Mk 2,15fin und das an ihrer Stelle in Mt 9,10 belegte ἐλθόντες entsprechen. Beide unterscheiden sich somit nicht grundsätzlich, sondern vielmehr in ihrer Erzählweise voneinander. Sie haben näherhin einen anderen Kamerablick auf das von ihnen jeweils erzählte Geschehen.375 370  Zum Gebrauch von ἀκολουθέω im Imperfekt vgl. neben Mk 2,15 vor allem 5,24; 9,38; 10,52; 15,41; im Perfekt Mk 10,28; im Aorist Mk 1,18; 2,14; 3,7. 371  Da das Griechische keine Consecutio temporum kennt (Hoffmann/von Siebenthal, §193b), kann sich das griechische Imperfekt wie auch der Indikativ Aorist und das Plusquamperfekt je nach Kontext entweder auf die Vergangenheit oder die Vorvergan­ genheit beziehen (vgl. Hoffmann/von Siebenthal, §§201b und 198f). Eine Wiedergabe des Imperfekts mit dem deutschen Plusquamperfekt legt sich auch für die ImperfektWendungen in Mk 5,8.28; 6,18 nahe. Anders hingegen, wenn das im Imperfekt verwende­ te Verbum einen zeitgleich zur Haupthandlung bestehenden Zustand bzw. dauerhaften Vorgang bezeichnet (vgl. dazu Mk 1,16; 6,20.31.48; 9,31; 11,18.32; 16,8). 372  Das καί verbindet somit im üblichen Sinne zwei Teilsätze miteinander, sodass ein Ver­ ständnis von καί als Ersatz für ein Relativpronomen (so z.B. vorgeschlagen von BDR §442,4b; vgl. Guelich, Mk, 102) nicht notwendig ist. 373  Zum Haus als Rückzugsort Jesu und seiner Jünger vor der Menge vgl. vor allem die aus­ drückliche Ergänzung um ἀπὸ τοῦ ὄχλου in Mk 7,17. 374  Zur Nähe von Mk 2,15fin zu 2,1f. vgl. die dortige Verwendung von πολλοί: καὶ συνήχθησαν πολλοί (2,2). 375  In Mk 2,15 wird zunächst die Situation selbst geschildert und als Tischgemeinschaft von Zöllnern und Sündern mit Jesus und seinen Jüngern gekennzeichnet. Erst anschließend

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Die Formulierung ἦσαν γὰρ πολλοὶ καὶ ἠκολούθουν αὐτῷ ist demnach so zu verstehen, dass die Zöllner und Sünder gezielt zum Haus Jesu gehen, um mehr von ihm zu erfahren. Der markinische Jesus schickt sie nicht weg, wie es seine Gegner von ihm erwarten, sondern bittet sie herein und isst mit ihnen.376 Damit ist die in Mk 2,15–17 vorausgesetzte Situation der Behandlung der Sophisten vergleichbar, wie Platon sie in seinem Protagoras schildert (314C–E). Danach interessieren sich Sokrates und Hippokrates für die Lehre des Protago­ ras und bitten daher ohne vorherige Einladung377 um Einlass in das Haus des Kallias, des reichen Gastgebers des Protagoras. Der Türhüter des Hauses des Kallias hält sie für Sophisten und weist sie daher zunächst vehement ab. Nur mit Mühe erhalten sie schließlich Einlass. Erst als Sokrates und Hippokrates versichern, keine Sophisten zu sein, wird ihnen Zutritt zum Haus gewährt. Dieses Verhalten des Türhüters lässt deutlich erkennen, dass Menschen, die in einem schlechten oder zumindest zweifelhaften Ruf standen, auch im paga­ nen Bereich beim Mahl nicht willkommen waren. Gegenüber den Sophisten hegte man nämlich eine deutliche Abneigung.378 Eine ähnliche Bewertung gilt nun im antiken Judentum auch für die im vorliegenden Text genannten Zöllner.

trägt Markus die entsprechende Information über den Grund für diese Situation nach, indem er die Beschreibung der konkreten Situation mit ἦσαν γὰρ πολλοὶ καὶ ἠκολούθουν αὐτῷ verlässt. Demgegenüber berichtet Matthäus chronologisch entlang der Ereignisse, wie es zu der größeren Tischgemeinschaft gekommen ist und bleibt in diesem Rahmen in der Erzählung. Dabei lässt er den Erzählerkommentar in Mk 2,15fin aus, hebt jedoch stattdessen durch Hinzufügung von ἐλθόντες (Mt 9,10) hervor, dass die Zöllner und Sünder zum Haus dazustoßen, als Jesus gerade zu Tisch liegt. In der Textgeschichte von Mk 2,15 nimmt dann Cod. Ephraemi Syri rescriptus ἐλθόντες aus Mt 9,10 vor συνανέκειντο auf, da der Ersatz von ἠκολούθουν αὐτῷ durch ἐλθόντες offenbar nicht mehr verständlich war. 376  Damit steht Mk 2,15–17 in großer Nähe zur Situation in Lk 15,1f., wo das Kommen der Zöll­ ner und Sünder zu Jesus mit ἐγγίζοντες zum Ausdruck gebracht wird (dazu s.u. 3.3.1). 377  Plutarch fordert in Mor. 678E, dass auch für solche, die ohne vorherige Einladung zum Gastmahl kommen, ausreichend Platz zur Verfügung stehen sollte. Plut. Mor. 707A–710A zeigt, dass es üblich war, dass eingeladene Gäste weitere Personen zum Mahl mitbrach­ ten, die vom Gastgeber nicht eingeladen waren. 378  Als Grund für diese verächtliche Bewertung lässt sich das in den Schriften Platons mehr­ fach zu findende Motiv anführen, dass die Sophisten Geld für ihre Weisheiten verlangten: Apol. 19C–D; 31B; 33A–B; Euthyphr. 3D; Lach. 186C; Prot. 310D–E; 313Cff.; 328B–C; 349A; Hipp. maj. 281B; 282Cff.; 300D; Hipp. min. 364D; Resp. 337D; Theaet. 161D–E; 167C–D; Crat. 384D.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

479

3.1.2

Die Beschränkung der Tischgemeinschaft auf Gerechte als Argument der Gegner (Mk 2,16) In Mk 2,16 wird der Faden der in Mk 2,15 begonnenen Erzählung wieder auf­ genommen und fortgesetzt, indem mit den Schriftgelehrten der Pharisäer379 eine neue Personengruppe eingeführt wird.380 Diese werden anders als die bis­ lang erwähnten Personen nicht als Teilnehmer des entsprechenden Mahles, sondern als Beobachter gekennzeichnet (ἰδόντες381). Als Objekt (ὅτι) ihrer Be­ obachtung erscheint das gemeinsame Mahl Jesu mit den Sündern und Zöllnern (ἐσθίει μετὰ τῶν ἁμαρτωλῶν καὶ τελωνῶν).382 Dieses ist zugleich der Gegenstand ihrer an die Jünger gerichteten Frage (Ὅτι μετὰ τῶν τελωνῶν καὶ ἁμαρτωλῶν ἐσθίει;), welche eine Anklage Jesu beinhaltet.383 Durch den zweimaligen Ge­ b­rauch der chiastisch angeordneten Wendung ἐσθίει μετὰ τῶν ἁμαρτωλῶν καὶ τελωνῶν stellt Markus eindringlich fest, dass der Anlass für den vorliegenden Konflikt das gemeinsame Essen ist (vgl. auch συνανέκειντο). Die Pharisäer ver­ treten somit offensichtlich die Auffassung, dass Tischgemeinschaft nicht mit jedem praktiziert werden soll, sondern gewisse Grenzen hat. Kritikwürdig ist aus der Sicht der Pharisäer jedoch nicht, dass Jesus überhaupt mit anderen als seinen eigenen Jüngern isst. Vielmehr ruft speziell das gemeinsame Essen mit Zöllnern und Sündern Anstoß384 hervor, wie die mehrfache Erwähnung von 379  Innerhalb der Perikope vom Mahl Jesu mit den Zöllnern und Sündern hat Mt 9,11 als Geg­ ner Jesu nur die Pharisäer, wohingegen Lk 5,30 die „Pharisäer und ihre Schriftgelehrten“ koordiniert, jedoch durch Einfügung eines αὐτῶν zu einer Gruppe macht. 380  Vgl. dazu, dass die Pharisäer in Mk 2,16 zum ersten Mal im Markusevangelium erwähnt werden. 381  Der Gebrauch von ἰδόντες mit einem Objektsatz hängt funktional mit dem Einschub in Mk 2,15 und der damit verbundenen Unterbrechung des Erzählfadens zusammen. Vgl. auch die Hinzufügung von καὶ ἰδού in Mt 9,10, wodurch das entscheidende Geschehen mit ἰδόντες in Mt 9,11 eingerahmt wird. 382  Nicht näher behandelt wird die Frage, wie die Schriftgelehrten der Pharisäer zu ihren Beobachtungen kommen. 383  Zu den Pharisäern als Gegnern Jesu vgl. vor allem Mk 2,23–3,6; 7,1; 8,11; vgl. auch Mt 27,62; Apg 15,5; zu negativen Zeichnungen der Pharisäer vgl. Mt 23,23f./Lk 11,42; Lk 18,11f. Im Hin­ blick auf die Stellung der Pharisäer bei Lukas lässt sich zum einen erkennen, dass Lukas fünf Konflikte mit Pharisäern einfügt, die nicht bei Markus oder Matthäus zu finden sind (Lk 5,21; 11,53f.; 15,2; 16,14; 19,39), zum anderen aber einige bei Markus und Matthäus zu findende Kontroversen mit den Pharisäern streicht (Mk 3,22/Mt 19,3–8; Mk 10,2–12/ Mt 19,9; Mk 10,13). Oft treten Pharisäer und Schriftgelehrte als eine Gruppe gegen Jesus auf (Lk 5,17.21.30; 6,7; 7,30; 11,53; 14,3; 15,2). Lukas weist insofern ein relativ positives Phari­ säerbild auf, als von den sechs Mählern, die Jesus in anderen Häusern einnimmt (5,27–32; 7,36–50; 10,38–42; 11,37–54; 14,1–24; 19,1–10), drei im Haus eines Pharisäers lokalisiert sind (7,36; 11,37; 14,1). 384  Lk 5,30 bringt gegen Markus ausdrücklich eine Wertung des Verhaltens der Gegner zum Ausdruck, wenn dort mit ἐγόγγυζον festgestellt wird, dass die Tischgemeinschaft Jesu mit

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

τελῶναι καὶ ἁμαρτωλοί385 (2,15f.) zeigt. Während die lose Begegnung mit Levi am Zoll offenbar unproblematisch ist,386 geht Jesus mit dem gemeinsamen Essen nun eindeutig über den Grad des Kontaktes hinaus, den man den Phari­ säern zufolge zu Zöllnern und Sündern haben sollte. Für eine genauere Bestimmung des Kritikpunktes der Pharisäer am Verhal­ ten Jesu ist zu klären, um wen es sich bei den Zöllnern und Sündern genau handelt. Innerhalb der Tradition der Tischgemeinschaft Jesu mit den Zöllnern werden die Zöllner häufiger wie in Mk 2,15f. zusammen mit Sündern genannt (LkQ 7,34/MtQ 11,19; Lk 15,1). Dabei werden sie zum Teil selbst ausdrücklich als solche bezeichnet.387 Diese Identifizierung der Zöllner als Sünder lässt darauf schließen, dass es sich bei den Zöllnern und Sündern nicht um zwei unterschiedliche Gruppen handelt.388 Vielmehr werden offenbar dieselben Personen näher qualifiziert, und zwar in zweifacher Hinsicht. Die beiden Bestimmungen liegen nämlich nicht auf derselben Ebene, da τελῶναι eine Be­ rufsbezeichnung ist, das in Mk 2,15f. jeweils ergänzend hinzugefügte ἁμαρτωλοί hingegen eine Klassifizierung mithilfe einer theologischen Kategorie.389 Durch das für den vorliegenden Kontext zentrale390 Stichwort der „Sünder“ werden demzufolge offenbar die Zöllner selbst als Sünder gekennzeichnet,391 d.h. den Zöllnern und Sündern bei den Pharisäern und ihren Schriftgelehrten Anstoß erregte. Das Verbum γογγύζω findet sich bei Lukas nur hier (vgl. auch Mt 20,11; Joh 7,32), aber διαγογγύζω auch im Zusammenhang der Auseinandersetzung um Jesu Tischgemeinschaft mit Sündern und Zöllnern in Lk 15,2; 19,7; vgl. daneben auch γογγυσμός in Apg 6,1. 385  In Lk 5,29 wird anstelle der in Mk 2,15/Mt 9,10 belegten Verbindung τελωνῶν καὶ ἁμαρ­ τωλῶν die Wendung τελωνῶν καὶ ἄλλων verwendet. Erst die Pharisäer und ihre Schriftge­ lehrten sind diejenigen, die in Lk 5,30 feststellen, dass Jesus und die Jünger mit „Zöllnern und Sündern“ essen. Die Identitätszuweisung, Sünder zu sein, findet demnach durch die Pharisäer und nicht durch den Erzähler statt. 386  Vgl. dazu, dass sich zwar an der Tischgemeinschaft Jesu mit den Zöllnern und Sündern ein Konflikt entzündet, Markus jedoch im Rahmen seiner Darstellung der Berufung des Levi in Mk 2,14 nicht feststellt, dass dieser Kontakt Jesu mit Levi am Zoll Anstoß hervorge­ rufen hätte. 387  In Lk 19,7 bezeichnen die Kritiker Jesu Zachäus als einen ἁμαρτωλὸς ἀνήρ. Ähnlich abge­ sehen vom Kontext der Tischgemeinschaft auch in Lk 18,13: Dort bezeichnet sich der im Tempel betende Zöllner selbst als „Sünder“. 388  So aber häufig in der Forschung, wenn der in Mk 2,15f. gebrauchte Begriff ἁμαρτωλοί auf eine bestimmte Gruppe bezogen wird, zu den verschiedenen Vorschlägen vgl. Perrin, Rediscovering, 93f., dem zufolge unter „Sünder“ „other Jews who have made themselves as Gentiles“ zu verstehen sind. 389  So Wolter, Lk, 228. 390  Vgl. dazu die durchgehende Verwendung von ἁμαρτωλοί in Mk 2,15–17. 391  Die Zöllner und Sünder sind somit zwar parataktisch durch καί aneinandergereiht, doch überschneiden sich diese beiden Gruppen. Eine besonders enge Verbindung zwischen τελῶναι und ἁμαρτωλοί nehmen die Forscher an, die das καί epexegetisch auslegen, so z.B. Herrenbrück, Jesus, 230 („die sündigen Zöllner“) und 242. Anders Schmithals, Mk I, 168:

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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aber als solche, die gegen den Willen Gottes verstoßen.392 Durch eine solche Bestimmung der Zöllner lässt Markus die Pharisäer nun aber deutlich feststel­ len, dass sie nach ihrer Überzeugung von engeren Formen des gesellschaftli­ chen Kontaktes wie gemeinsamen Mahlzeiten auszuschließen sind. Durch die Bewertung der Zöllner als Sünder bringen sie diese nämlich insofern in eine Randgruppenposition, als die Sünderbezeichnung in der Antike zur Stigmatisierung von Außenseitern diente393 und damit eindeutig Verachtung impliziert.394 Dabei vertreten die Pharisäer mit einer solchen Marginalisie­ rung der Zöllner eine durchaus verbreitete Überzeugung. So lässt beispiels­ weise auch die Nennung der τελῶναι innerhalb der Disziplinarregel in Mt 18,17 deutlich erkennen, dass sie zu den Menschen gehören, mit denen man nichts zu tun haben soll.395 Mit der Bestimmung der abgelehnten Tischpartner als Sünder lässt sich insbesondere vor dem Hintergrund der Gegenüberstellung von Sündern und Gerechten, wie sie in Mk 2,17 expliziert wird,396 die Auffassung der Pharisäer zur Tischgemeinschaft positiv folgendermaßen bestimmen: Das gemeinsame Essen ist auf Gerechte zu beschränken, d.h. auf Menschen, die Gerechtigkeit üben397 und damit den Willen Gottes erfüllen,398 wie es die Pharisäer für sich „Gemeint sind Zöllner und andere Sünder“ (so auch Boring, Mk, 81). Damit handelt es sich aber bei den Zöllnern ebenfalls um eine Untergruppe der Sünder (Koch, Tischgemein­ schaft, 68; im Anschluss an ihn auch Landmesser, Jüngerberufung, 88 Anm. 88). 392  Vgl. dazu Rengstorf, ἁμαρτωλός, 331: Die ἁμαρτωλοί seien solche, die ihr Leben „in bewuß­ tem oder gewußtem Widerspruch mit dem göttlichen Willen (Tora)“ führen (im Original hervorgehoben). Dass es sich bei den ἁμαρτωλοί um Frevler gegenüber Gott handelt, wird dadurch bestätigt, dass allein Gott die Vollmacht hat, Sünden zu vergeben (Mk 2,7). Die Vollmacht des Menschensohnes zur Sündenvergebung (ἐξουσίαν ἔχει ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἀφιέναι ἁμαρτίας ἐπὶ τῆς γῆς in 2,10) hat ihre Grundlage dabei vermutlich darin, dass eben dieser Menschensohn sein Leben als Lösegeld für die vielen hingibt (δοῦναι τὴν ψυχὴν αὐτοῦ λύτρον ἀντὶ πολλῶν in 10,45). Ein Auslöseverfahren klingt als soteriologisches Kon­ zept auch in Mk 8,37; 14,22f. an. 393  So Wolter, Sünde, 482, vor dem Hintergrund des antiken Wirklichkeitsverständnisses. 394  Vgl. dazu, dass Juden, die sich selbst als die „Gerechten“ ansahen, die Sünderterminologie und verwandte Begriffe geradezu als Schimpfwort mit Bezug auf solche Juden verwendet haben, deren Verhalten aus ihrer Sicht für Juden nicht akzeptabel war, u.a. Hen(aeth) 5,6f.; 82,4; TestMos 7; CD-A 1,13–21. 395  Zur Nähe der Ablehnung der Tischgemeinschaft und der Disziplinarregel in Mt 18,17 s.u. Exkurs 3. 396  Vgl. den Gebrauch von δίκαιος als Antonym zu ἁμαρτωλός in Mk 2,17. Vgl. dazu auch die Verbindung von ἁμαρτωλοί (Lk 18,13) zu ἄδικοι (18,11). 397  Innerhalb des Markusevangeliums findet sich δίκαιος abgesehen von Mk 2,17 nur noch in Mk 6,20 mit Bezug auf Johannes den Täufer. 398  Vgl. Passow, s.v. δίκαιος 1a: „gerecht, Gerechtigkeit u. Billigkeit im Leben u. Handeln übend, allg. v. Hom. an, dem derjenige δικαιότατος ist, welcher seine Pflichten gegen Götter u. Menschen am besten inne hat“ (Hervorhebung im Original).

482

IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

selbst in Anspruch nehmen und es offensichtlich auch Jesus zuschreiben. Die Kritik an Jesu Tischgemeinschaft mit den Zöllnern und Sündern spricht näm­ lich zunächst für eine positive Einschätzung Jesu durch die Pharisäer. Grund­ sätzlich verorten sie Jesus in der Sicht des Markus nicht auf derselben Ebene wie die Sünder und Zöllner, sondern messen ihm eigentlich einen höheren Status zu.399 Würden sie Jesus von vornherein ebenfalls als Sünder einstufen, so wäre dessen Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern wohl kaum An­ stoß erregend. Gerade weil sie ihn aber als besser bewerten als die Zöllner und Sünder, sehen sie Tischgemeinschaft mit Sündern als gefährlich für ihn und daher als falsch an. Aus welchem Grund sind die Zöllner jedoch als „Sünder“ zu qualifizie­ ren und als solche zu meiden, d.h. inwiefern verstoßen sie gegen den Willen Gottes? Für eine Bewertung als Sünder kommen grundsätzlich drei Gründe in Frage: die Herkunft aus den Heiden, rituelle Unreinheit infolge einer Ver­ nachlässigung oder Übertretung von Reinheitsvorschriften oder moralischethisches Fehlverhalten. Mk 2,15–17 als Auseinandersetzung um Tischgemeinschaft zwischen Juden Bei den synoptisch-palästinischen τελῶναι handelt es sich um Juden.400 Dabei ist es umstritten, inwieweit sie als Apostaten401 bzw. Kollaborateure Roms zu bewerten sind, als welche sie in der Forschung häufig gesehen wurden.402 Der Vorwurf der Kollaboration der Zöllner mit der römischen Besatzungsmacht legt sich jedoch insbesondere für Galiläa, wo die Szene spielt, angesichts der 3.1.2.1

399  Vgl. dazu auch, dass andernfalls auch die Nachrichten über Mähler von Pharisäern mit Jesus (Lk 7,36–50; 11,37–54; 14,1–24) nur schwierig zu erklären wären. Das bedeutet jedoch nicht, dass Jesus für einen Pharisäer gehalten wurde (so aber Klausner, Jesus, 374.377.382 u.ö.), dagegen auch Davies/Allison, Mt II, 102 Anm. 103. 400  Gegen Tert. Pud. 9,4–7, der die synoptischen τελῶναι insgesamt als Heiden ansieht und damit die Frage nach der Tischgemeinschaft mit Heiden als Problem von Mk 2,15–17 an­ gibt. Im vorliegenden Zusammenhang zeigt bereits der jüdische Name Levi des unmittel­ bar zuvor erwähnten Zöllners, dass es sich bei den Zöllnern um Juden handelt. 401  So aber z.B. Schlatter, Mt, 195f. 402  Zu dieser in der Forschung gängigen Deutung der synoptischen Zöllner als sogenannte portitores, d.h. Angestellte von römischen Großpächtern, vgl. exemplarisch Braun, Gott, 97; Badian, Zöllner, 1; Sanders, Jesus and Judaism, 178; zu weiteren Vertretern vgl. die bei Herrenbrück, Jesus, 24 (Anm. 18) und 162 (Anm. 2), Genannten; vgl. auch ders., Zöllner, 184–186. So auch BAA, s.v. τελώνης.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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offenbar überwiegend jüdischen Landbevölkerung Galiläas403 nicht nahe.404 So mussten die Zölle hier offenbar nicht an die Römer, sondern an Herodes Antipas gezahlt werden, der zur Zeit Jesu in Galiläa (4 v.Chr.–39 n.Chr.) der Verpächter von Steuern und Abgaben war. Für Mk 2,14–17 lässt sich ange­ sichts von Kapernaum als Aufenthaltsort Jesu (vgl. Mk 2,1) konkret an Zölle im Zusammenhang der Fischerei denken.405 Die These von einer Kollaboration der Zöllner mit den Römern wird zudem bisweilen insgesamt strikt abgelehnt: Mit τελῶναι werden Menschen bezeichnet, die im Rahmen eines indirek­ ten Systems der Steuererhebung gegen eine Pachtsumme vom Staat das Recht erwarben, für eine bestimmte Zeit und in einem definierten Be­ reich Steuern und Zölle zu erheben.406 Diese Steuerpächter waren keine Staatsbeamten, sondern gleichsam „beliehene Unternehmer“.407 Das grie­ chische System der Steuerpacht wurde von den hellenistischen Staaten übernommen, besonders im ptolemäischen Ägypten.408 Diese hellenisti­ schen Kleinpächter waren seit der ptolemäischen Zeit auch in Palästina für die verschiedensten Abgaben zuständig und wurden durch die rö­ mischen Großsteuerpächter (publicani) oder deren Angestellte (portitores) nicht verdrängt. Damit handelt es sich – wie vor allem Herrenbrück betont – bei den synoptisch-palästinischen τελῶναι auch in römischer

403  Vgl. dazu, dass für Galiläa im 1. Jh. n.Chr. wohl insgesamt von einem deutlich jüdischen Gepräge auszugehen ist, wobei vor allem die Dörfer wenig hellenisiert gewesen zu sein scheinen (so gegen einen breiten Forschungskonsens vor allem Chancey, Gentile Galilee, 61f.117–119; zu Kapernaum vgl. 103; ders., Archaeology, 209). 404  Zur Beurteilung der Zöllner in den unterschiedlich regierten Gebieten zur Zeit Jesu und danach vgl. Donahue, Tax Collectors, 59–61: Es sei zwischen einer galiläischen und einer judäischen Sicht der Zöllner zu unterscheiden (59f.). Anders als für Judäa scheide für Ga­ liläa bis 44 n.Chr. eine Sichtweise der Zöllner als Kollaborateure mit Rom von vornherein aus (45). 405  So Hanson, Fishing Economy, 103; vgl. schon Schlatter, Mt, 302, in Anlehnung an OGIS 496,8–10. Herrenbrück, Jesus, 189, nennt den Einzug der „Gebühren für die Benutzung der Hafenanlagen“. Demgegenüber argumentiert Hakola, Production, dafür, dass es sich bei den entsprechenden Zöllen nicht um Abgaben für das Recht zum Fischen handelt, welches grundsätzlich frei war, sondern um Abgaben, die fällig wurden, wenn der Fisch vom Meer in die Stadt auf den Markt gebracht wurde (124–126). 406  Vgl. Schwahn, Τελῶναι, 418–425. 407  So die Begriffsbestimmung bei Herrenbrück, Jesus, 31, im Anschluss an Handrock. 408  Vgl. Schwahn, Τέλη, 307–310; Herrenbrück, Jesus, 108–161.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Zeit noch um diese hellenistischen Kleinpächter,409 d.h. aber um einhei­ mische jüdische und von Rom unabhängige Privatunternehmer.410 In der Forschung wird im Rahmen einer Auslegung der Kontroversen zu Jesu Tischgemeinschaft mit den Zöllnern dennoch häufiger angenommen, dass die Zöllner wegen ihres engen Kontakts mit den Heiden in Israel besonders ver­ achtet waren,411 und zwar bisweilen zugespitzt auf eine rituelle Unreinheit der Zöllner aufgrund eines solchen engen Umgangs mit den Heiden.412 Eine sol­ che Deutung erweist sich als wenig plausibel. Sie passt nämlich weder zum jü­ dischen Bild der Zöllner413 noch zum urchristlichen Befund zu den Zöllnern.414 Zwar stellt dann Matthäus die Zöllner in seinem Sondergut zweimal auf eine Stufe mit den nach damaliger Vorstellung ebenfalls strikt zu meidenden Nicht­ juden (Mt 5,46f.; 18,17). Die Zöllner werden in der urchristlichen Überlieferung jedoch ansonsten nicht als solche dargestellt, die in enger Verbindung mit den Heiden stehen und dafür Kritik erfahren. In der Forschung wird für die Tischgemeinschaft Jesu mit den Zöllnern und Sündern zudem in mehrfacher Hinsicht eine enge Verbindung mit dem im an­ tiken Judentum und Urchristentum breit belegten Komplex der Tischgemein­ schaft mit Nichtjuden angenommen. Dagegen sind jedoch generelle Zweifel angebracht: Bis in die jüngere Forschung wird vor allem die Auseinandersetzung um die Tischgemeinschaft mit Heiden in Gal 2,11–14 als „Sitz im Leben“ der Erzählung vom Zöllnergastmahl angesehen, und zwar entweder als „Sitz im Leben“ der vormarkinischen Überlieferung der Perikope vom

409  Vgl. dazu Herrenbrück, Jesus, 162–227, bes. 166.187–189.191.225f. Vgl. dazu auch ders., Zöll­ ner, 186–189. Kritisch gegenüber Herrenbrück z.B. Stenger, dem zufolge Herrenbrück ägyptische Verhältnisse zu stark auf Palästina überträgt (Besteuerung, 244 Anm. 137). 410  Gegen den Vorwurf der Kollaboration der Zöllner mit der heidnischen Besatzungsmacht ausdrücklich Herrenbrück, Vorwurf, bes. 190f.; ders., Jesus, bes. 162.189.210–213. 411  So exemplarisch Schürmann, Lk I, 288. 412  So z.B. explizit BAA, s.v. τελώνης: „Den strenggesinnten Juden war zudem der verunreini­ gende Verkehr m. Heiden, zu dem sein Amt auch den τελ. jüd. Herkunft dauernd nötigte, verhaßt.“ Vgl. auch Borg, Conflict, 85: „In both Herodian Galilee and Roman Judea, daily commercial intercourse with Gentile inhabitants and traders subjected tax collectors to grave risk of defilement. […] The collaboration of the tax collectors threatened the com­ munity goal of holiness which required separation from Gentile uncleanness and rule.“ Vgl. daneben Krieger, Zöllner, 129; Hartman, Mk, 95. 413  Ausdrücklich gegen eine solche Deutung z.B. Donahue, Tax Collectors, 59. 414  Zu diesem Schluss kommt z.B. auch Becker, Jesus, 204.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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Zöllnergastmahl415 oder der markinischen Redaktion.416 Um die stritti­ ge Tischgemeinschaft mit Heiden zu legitimieren, hätten die Verfechter einer Tischgemeinschaft mit Heiden auf die Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Heiden hingewiesen.417 Dabei wird gelegentlich auch eine thematische Übereinstimmung gesehen, und zwar insbesondere dann, wenn der in Mk 2,15f. gebrauchte Begriff der Sünder ausdrücklich mit den Heiden gefüllt wird.418 Dabei kann der Terminus ἁμαρτωλοί zwar grundsätzlich für Nichtjuden verwendet werden, doch liegt eine solche Deutung für den vorliegenden Text insofern nicht nahe, als er sich hier am ehesten auf die Zöllner selbst bezieht (s.o. Einleitung zu 3.1.2), es sich bei diesen jedoch um Juden handelt. Daneben wird für die Tischgemein­ schaft Jesu mit Zöllnern und Sündern eine enge Verbindung zur Thema­ tik der Tischgemeinschaft mit Heiden auch in der Form vertreten, dass als Hindernis jeweils die rituelle Unreinheit von Zöllnern und Sündern bzw. Heiden angesehen wird.419 Gegen eine solche Deutung ist vor allem einzuwenden, dass für das Bild der Zöllner in den urchristlichen Schrif­ ten eine etwaige rituelle Unreinheit offensichtlich gerade nicht zentral ist (s.u. 3.1.2.3). Über die Personen der Zöllner und Sünder lässt sich somit keinerlei Hin­ weis auf das Problem der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden als Hintergrund erkennen.420 Bei der Auseinandersetzung um die Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern handelt es sich vielmehr um einen Konflikt zur Frage der Tischgemeinschaft zwischen Juden.

415  So Kuhn, Sammlungen, 92–95; Gnilka, Mk I, 106; Pesch, Zöllnergastmahl, 83f.; ders., Mk I, 168f. 416  So Ernst, Mk, 96. Vgl. dazu auch Adamczewski, Mk, 54f. 417  So z.B. auch Lührmann, Mk, 59; Koch, Tischgemeinschaft, 71f. 418  Vgl. vor allem Pesch, Zöllnergastmahl, 83, dem zufolge „Sünder“ Terminus technicus für Heiden sein kann; ebd., 84: „Schon Jesus hat mit Zöllnern und Sündern (= Heiden) zu Tisch gelegen.“ 419  Vgl. exemplarisch mit Blick auf Mk 2,15–17 vor allem Gnilka, Mk I, 106: „Als Sünder galten insbesondere die Heiden, aber auch jene, die wie die Heiden die Reinheitsvorschriften nicht beachteten. Wer Tischgemeinschaft mit ihnen aufnahm, wurde selbst unrein.“ Vgl. auch Eckey, Mk, 122: „Tischgemeinschaft mit Heiden (vgl. Gal 2,11–14) und gewohnheits­ mäßigen Sündern war wegen des gottesdienstlichen Charakters eines Mahls und speziell wegen der jüdischen Reinheitsvorschriften für toratreue judenchristliche Kreise ein nur schwer überwindbares Ärgernis.“ 420  Gegen eine solche Verbindung auch Annen, Zöllner, bes. 67–69.

486

IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

3.1.2.2

Die moralisch-ethische Verdorbenheit der Zöllner als Grund der Kritik Das Fehlen von genaueren Angaben über den Grund der Anklage Jesu in Mk 2,16 lässt darauf schließen, dass Markus diesen bei seinen Lesern als bekannt vo­ raussetzen konnte. Dies lässt sich gut erklären, wenn man als Hintergrund unmoralische Taten der Zöllner annimmt. Solche moralischen Vergehen wer­ den für die Zöllner in der urchristlichen Literatur nämlich mehrfach erwähnt, und zwar bisweilen ausdrücklich im direkten Umfeld einer Kennzeichnung der Zöllner als Sünder. Dabei wird den Zöllnern jeweils vorgeworfen, dass sie beim Eintreiben der Steuerabgaben überhöhte Forderungen aufstellen421 und betrügen.422 Damit hat sich im Urchristentum eine Bewertung der Zöllner nie­ dergeschlagen, wie sie in der Antike allgemein verbreitet war. Auch im paganen Bereich unterstellte man den Zöllnern offenbar in erster Linie, dass sie ihren Beruf zur persönlichen Bereicherung benutzten, indem sie höhere Abgaben verlangten als die gesetzlich festgelegten Steuersätze.423 Mit den Zöllnern wer­ den demzufolge vorrangig Habgier, Erpressung, Verleumdung und Betrug beim Geldeintreiben, d.h. aber moralische Vergehen, assoziiert.424 Auf eine solche moralisch-ethische Verdorbenheit deutet insbesondere425 auch die gemeinsa­ me Erwähnung der Zöllner mit anderen Personengruppen hin, die ebenfalls eindeutig in einem moralisch-ethischen Sinne als schlecht bewertet werden.426

421  Dass die Zöllner höhere Forderungen als erlaubt eintrieben, lässt sich auch aus den Worten Johannes des Täufers in Lk 3,12f. schließen. Dabei unterstellte man den Zöllnern häufiger auch die in Lk 3,14 genannten Vergehen der Erpressung und Verleumdung (vgl. Herrenbrück, Steuerpacht, 2232–2234). 422  Vgl. dazu vor allem die Art und Weise, mit der Lukas den Zöllner Zachäus seine Umkehr beschreiben lässt (19,8). In ihr stellt Zachäus nämlich in Aussicht, dass er denjenigen, die er betrogen hat, den Verlust vierfach erstattet. 423  Die überhöhten Forderungen sind nicht zuletzt im Steuersystem selbst angelegt (vgl. dazu Herrenbrück, Steuerpacht, u.a. 2233.2236): Da das Recht, Gebühren und Abgaben zu erheben, käuflich erworben wurde (zum Verfahren Jos. Ant. 12,175ff.), trugen die ent­ sprechenden Steuerpächter das Risiko selbst (so auch Llewelyn, Tax Collection, 52) und mussten möglichst hohe Abgaben eintreiben, um selbst Gewinne zu machen. 424  So auch Herrenbrück, Steuerpacht, bes. 2232–2236.2241–2243. Zur Bewertung der Zöllner in Griechenland, Rom und Ägypten vgl. auch ders., Jesus, bes. 89–94.104–107.157–160. 425  Zur schlechten moralischen Bewertung der Zöllner vgl. auch MtQ 5,46. 426  So auch Jeremias, Zöllner, 295.300, gegen eine Deutung im Sinne von rituellen Verfeh­ lungen (294). Vgl. dazu auch ders., Theologie I, 111–113, wo er – im Unterschied zu den Zöllnern – für die Steuereinnehmer rituelle Unreinheit feststellt, weil diese in die Häuser gehen mussten.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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Dabei lassen sich in der urchristlichen Literatur427 ähnliche Reihen wie im pa­ ganen Bereich428 feststellen.429 Der Grund für eine Bewertung der Zöllner als Sünder und die damit ein­ hergehende Verachtung scheint somit in erster Linie in der erpresserischen Ausübung ihres Berufs gelegen zu haben.430 Demgegenüber ist die in der For­ schung primär verbreitete Deutung weniger naheliegend, die als Grund für die Kritik der Pharisäer an der von Jesus praktizierten Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern eine ungenügende Beachtung der rituellen Reinheitsge­ setze durch Jesus ansieht.431

427  So erscheinen die Zöllner in Lk 18,11 in einer Reihe mit „Räubern, Ungerechten, Ehebre­ chern“, in Mt 21,31f. neben Prostituierten. 428  Vgl. vor allem Lukian, Men. 11: […] μοιχοὶ καὶ πορνοβοσκοὶ καὶ τελῶναι καὶ κόλακες καὶ συκοφάνται. Daneben rückt Lukian sie in die Nähe von Räubern, wenn er sie in Verbindung mit Menschen erwähnt, die anderen während des Badens heimlich die Kleider stehlen: λωποδυτεῖ καὶ τελωνεῖ (Pseudol. 30). Vgl. auch Xeno Comicus, Frg. 1 (Kock): πάντες τελῶναι, πἀντες ἅρπαγες; Plut. Luc. 7,6f.; Pollux 9,32 (Texte in Neuer Wettstein I/1.2–1, 535f.538). Zu ähnlichen Reihen vgl. Herrenbrück, Steuerpacht, 2280–2282; ders., Jesus, 81–85. Häufig erscheint der Zöllner in Verbindung mit dem Bordellbesitzer (s. die Texte in Neuer Wett­ stein I/1.2–1, 536–539). 429  Auch im palästinischen Bereich werden die Zöllner in negativen Reihen in Verbindung mit Raub gebracht, doch unterscheiden sich die entsprechenden Aufzählungen ansons­ ten deutlich von den im pagangriechischen Bereich belegten Reihen, vgl. Herrenbrück, Jesus, 205–208. 430  Zum unrechtmäßig erworbenen Besitz als Grund für die Verachtung der Zöllner vgl. auch Derrett, Law, 281f. Dabei richtet sich ihm zufolge auch die Kritik an der Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern gegen eine solche Tischgemeinschaft mit Menschen, die ihren Reich­ tum auf unrechte Weise erworben haben. Indem Jesus Anteil an diesem Reichtum hat, werde er nämlich den Gegnern Jesu zufolge zu einem Partner der ungerechten Taten. 431  Gegen einen rituellen Hintergrund z.B. ausdrücklich Donahue, Tax Collectors, 59, der als Grund des negativen Urteils über die Zöllner stattdessen deren „dishonesty“ bewertet: „Jesus’ association with them would be seen as association with dishonest people.“ Ähn­ lich auch schon Abrahams, Studies I, 55f.: „The ,sinners‘ were thus not those who neglect­ ed the rules of ritual piety, but were persons of immoral life, men of proved dishonesty or followers of suspected and degrading occupations.“ Ihm zufolge besteht der Grund für die in rabbinischen Schriften belegte Ablehnung einer Tischgemeinschaft mit Sündern in dem Wunsch, beim Mahl Gesprächspartner zu haben, mit denen man gelehrte Diskussio­ nen führen konnte.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

3.1.2.3

Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern – keine Frage der rituellen Unreinheit In der Forschung wird sowohl für Zöllner432 als auch für Sünder433 häufig eine rituelle Unreinheit vorausgesetzt, die sie übertragen könnten, sodass Tisch­ gemeinschaft mit ihnen verunreinigt. Mit seiner Tischgemeinschaft mit Zöll­ nern und Sündern verstoße der markinische Jesus demzufolge gegen rituelle Reinheitsvorschriften.434 Dabei sehen einige Forscher als Besonderheit Jesu im Umgang mit Unreinheit geradezu eine Umkehrung des in der jüdischen Tradition breit bezeugten Übertragungsmechanismus von Unreinheit: Wäh­ rend dort stets Unreinheit als ansteckend betrachtet werde, habe Jesus nicht nur keinerlei Sorge, sich rituell zu verunreinigen, sondern gebe sogar umge­ kehrt etwas von seiner Heiligkeit weiter.435 432  Vgl. abgesehen von Borg, Conflict, 85 (s.o. Anm. 412) z.B. Marcus, Mk, 230; Westerholm, Jesus, 69–71, bes. 71: „In taking his message to the most notorious sinners, Jesus indi­ cated that the matter of ritual purity was at best a very subordinate consideration.“ Vgl. dazu auch Chilton, Jesus, 2803–2805, der sich zwar Herrenbrücks Bestimmung der Zöll­ ner grundsätzlich anschließt, für die urchristlichen Auseinandersetzungen um Zöllner jedoch generell einen Bezug auf Reinheit sieht; daneben Blomberg, der für die Zöllner als Folge ihres unmoralischen Verhaltens (Holiness, 24) neben moralischer Verdorben­ heit auch eine rituelle Unreinheit voraussetzt (so z.B. Jesus, 52); ähnlich Boring, Mk, 80; vgl. auch Ådna, Jesus’ Meals, 352 mit 336f. Gegen eine Vermischung von ritueller und moralischer Unreinheit in den entsprechenden rabbinischen Texten zu den Zöllnern aber Klawans, Impurity and Sin, 109, dem zufolge der Zöllner deshalb verachtet war, weil man ihm in Reinheitsfragen nicht vertrauen konnte (aufgenommen von Wills, Reflections, 259 mit Anm. 21f.; vgl. auch 262). 433  Vgl. exemplarisch Eckey, Mk, 124: „Für sie [die Pharisäer] ist kultische Unreinheit durch sozialen Kontakt mit Sündern übertragbar. Gemeinsames Essen und Trinken mit Unrei­ nen macht aus ihrer Sicht unrein.“ Vgl. auch Govindu, Table Fellowship, 59: „Jesus’ mission is not one of separation but one of association. Where the Pharisaic interest, because of its philosophy of exclusion stopped, there Jesus’ concern for sinners moves on to treat­ ment. Sinners are seen as needy and are to be helped, rather than as contaminating and deserving to be spurned“ (Hervorhebung C.E.). Vgl. auch Borg, Conflict, 84. 434  Vgl. z.B. Neyrey, Idea, 98.108; Gundry, Mk, 125f.128; ders., Mt, 213, zu Mt 11,19; Dunn, Jesus and Purity, 465; vgl. auch Jülicher, Gleichnisreden, 174f.; mit Bezug auf den historischen Jesus auch Borg, Jesus, 111f. Zu ritueller Unreinheit als Sorge der Pharisäer vgl. auch Gould, Mk, 43; Guelich, Mk, 102f. (mit einer Gefahr der moralischen Verunreinigung); Hooker, Mk, 97; Focant, Mk, 102.104. Vgl. dazu auch Park, Resources, 211f.275; Vledder, Conflict, 205f., dem zufolge der enge physische Kontakt das Problem des gemeinsamen Essens ist. 435  So Lane, Mk, 104; Marcus, Mk, 231, und im Anschluss an ihn vor allem Blomberg, Jesus, 62 (mit Bezug auf den historischen Jesus), zusammenfassend: „holiness, not impurity, turns out to be the most contagious“ (mit 52 für die Zachäusperikope); ders., Holiness, bes. 137 mit 128.150. Zu dieser Übertragung von Heiligkeit als Besonderheit der Jesustradition ge­ genüber dem Judentum vgl. ausdrücklich ebd., 85.93; ähnlich auch Holmén, Jesus, 2730f.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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Gegen eine solche Deutung ist vor allem einzuwenden, dass die dabei für Zöllner vorausgesetzte rituelle Unreinheit im Umfeld der urchristlichen Texte zu Zöllnern nicht erwähnt wird.436 Eine Auslegung von Mk 2,15–17 vor dem Hintergrund ritueller Unreinheit resultiert entweder aus der Annahme einer engen Verbindung dieser Erzählung zur Problematik der Tischgemeinschaft mit den ebenfalls als rituell unrein bewerteten Heiden (s.o. 3.1.2.1) oder aber daraus, dass in der rabbinischen Literatur belegte Aussagen zu den Zöllnern als Hintergrund des vorliegenden Diskurses bewertet werden. Dabei sind zwar in der rabbinischen Literatur Nachrichten überliefert, die häufig im Sinne einer besonderen rituellen Unreinheit der Zöllner verstanden werden.437 Ver­ gleichbare Aussagen lassen sich jedoch innerhalb der Synoptiker nicht aus­ findig machen. Auch aus den Signalen des vorliegenden Textes lässt sich eine solche Bewertung nicht plausibel ableiten, sondern wird vielmehr aus ande­ ren Texten bei Markus abgeleitet: Eine Deutung, der zufolge Jesus in Mk 2,15–17 rituelle Bestimmungen übertritt, ist vor allem dadurch bedingt, dass für Mk 2,15–17 ein gewis­ ser Zusammenhang mit Mk 7,1–23 angenommen wird.438 Dort schildert Markus ebenfalls eine Auseinandersetzung zwischen Jesus und den Pha­ risäern zu Fragen des Essens, in deren Zentrum eindeutig rituelle Rein­ heitsvorschriften stehen, und zwar die Forderung nach einem Essen mit gewaschenen Händen und damit nach der rituellen Reinheit der Speisen. Im Vergleich zu Mk 7,1–23 fällt jedoch auf, dass in Mk 2,15–17 notwen­ dige rituelle Reinheitsbräuche nicht erwähnt ­werden. Zudem wird die Vorstellung der rituellen Unreinheit in der Forschung bisweilen deswe­ gen angenommen, weil für Mk 2,15–17 eine besondere Nähe zu Texten wie Mk 1,40–45 und 5,25–34 gesehen wird, in denen Menschen auftreten, 436  Die Vorstellung einer Verunreinigung durch das Essen mit rituell Unreinen findet sich dann hingegen ausdrücklich in P.Egerton 2. In Frg. 1 recto (Z. 32–38) stellt nämlich ein Aussätziger, der zu Jesus kommt und um Reinigung bittet (vgl. Mk 1,40–45; dazu Nicklas, Papyrus Egerton 2, 143–145), fest, dass er mit Aussätzigen wanderte und aß und dadurch selbst unrein wurde. 437  Vgl. vor allem mToh 7,6: „Sind Steuereinnehmer in das Haus hineingegangen, ist das Haus unrein.“ Demgegenüber sind Steuereinnehmer und Diebe nach mHag 3,6 als glaub­ würdig anzusehen, wenn sie beteuern, nichts angefasst zu haben. Das Verhältnis von mToh 7,6 und mHag 3,6 ist in der Forschung umstritten (vgl. dazu den Vorschlag bei Furs­ tenberg, Outsider Impurity, 64–68). Maccoby lehnt eine Deutung von mToh 7,6 als Beleg für eine besondere rituelle Unreinheit der Zöllner strikt ab und betont stattdessen die moralische Verdorbenheit der Zöllner (vgl. Tax-Collectors, bes. 61.63). 438  Zu einer solchen Verbindung vgl. z.B. France, Mk, 134.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

von denen die Gefahr einer Übertragung ritueller Unreinheit ausgeht.439 Damit wird jedoch offenbar eine engere Verbindung vorausgesetzt, als Markus selbst herstellt.440 Darüber hinaus spricht der nähere Kontext gegen eine Deutung, der zufolge die Sünder in einem rituellen Sinne als unrein anzusehen sind. In der über das Stichwort der Sünde mit Mk 2,15– 17 enger verbundenen Heilungserzählung in Mk 2,1–12 wird nämlich mehrfach explizit festgestellt, dass Sünden durch Vergebung (2,5.7.9f.) beseitigt werden, d.h. nicht etwa durch Waschung, wie es für rituelle Un­ reinheit typisch wäre. Eine Deutung, die den Kern der Kritik der Pharisäer in einer Übertretung ritu­ eller Reinheitsvorschriften sieht, ist zudem durch ein bestimmtes Bild von den Pharisäern bedingt, und zwar durch eine in der Forschung vielfach verbreitete, jedoch äußerst fragwürdige Bewertung der Pharisäer als Vertreter besonderer ritueller Reinheitsbräuche: Für die Pharisäer wird in der Forschung bisweilen angenommen, dass sie auch für die alltäglichen Mähler ein Maß an Reinheit einhielten, wie es sonst nur für den Tempel verlangt wurde.441 Damit läge der Kri­ tikpunkt der Pharisäer aber in der fehlenden Einhaltung besonderer, von ihnen selbst befolgter ritueller Reinheitsbräuche durch Jesus. Eine solche Bewertung der Pharisäer lässt sich im Rahmen der Auslegung von Mk 2,15–17 besonders dann deutlich erkennen, wenn der Terminus ἁμαρτωλοί in einem äußerst weiten Sinne mit der breiten Masse, dem sogenannten Am haaretz, gefüllt wird.442 Im H ­ intergrund steht dabei 439  So z.B. Marcus, Mk, 231. 440  So wird in Mk 2,15–17 die innerhalb der Erzählung von der Reinigung eines Aussätzigen (1,40–45; vgl. 14,3) gehäuft verwendete Reinigungsterminologie (1,40–42.44) nicht ge­ braucht. Zudem finden sich in Mk 5,25–34 zwar Begriffe, die zum semantischen Feld des Arztes gehören (zu diesem Spektrum an Rettungsterminologie vgl. σῴζω in Mk 5,28.34; vgl. Mt 9,22; ἰάομαι in Mk 5,29; ὑγιαίνω κτλ. in 5,34) und dadurch eine Verbindung zum Arztwort in Mk 2,17 herstellen könnten. Das Arztwort in Mk 2,17 bezieht sich jedoch anders als die Rettungsterminologie innerhalb dieser Erzählung von der Heilung einer unreinen Frau gerade nicht auf eine konkrete Heilungshandlung, sondern ist ein Mittel zur Verteidigung des Kontaktes mit moralisch verdorbenen Menschen (s.u. 3.1.3.1). 441  Zu dieser These Neusners und deren Kritik im Allgemeinen, vor allem durch Sanders, s.u. IIIC 1.2. 442  Zu einer solchen in der Forschung vielfach vertretenen Identifikation der Sünder mit dem jüdischen Volk, d.h. den Farmern und einfachen Leuten, die sich keiner jüdischen Grup­ pe angeschlossen hatten, vgl. Rengstorf, ἁμαρτωλός, 331; im Anschluss an ihn Lane, Mk, 103f.; daneben die Übersicht bei Herrenbrück, Jesus, 229–235, im Anschluss an Ebertz; vgl.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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die Gegenüberstellung des Am haaretz zu den sogenannten Chaberim, bei welchen es sich jedoch nicht generell um die Pharisäer, sondern um eine Elite handelt (s.u. IIIC 1.2). Eine solche Gegenüberstellung legt sich jedoch für Mk 2,15–17 insofern nicht nahe, als sie nicht zu dem bei Mar­ kus insgesamt zu findenden Pharisäerbild als größerem Rahmen passt. Markus stellt die Pharisäer nämlich nicht so dar, dass sie die Einhaltung besonderer ritueller Reinheitsvorschriften verlangen, sondern so, dass sie die Einhaltung von Reinheitsregeln, die unter Juden weiter verbreitet waren, auch von Jesus und seinen Jüngern einfordern.443 Darüber hinaus lässt sich eine solche Gegenüberstellung zwischen den Chaberim und der breiten Masse, die rituelle Reinheitsvorschriften weniger genau be­ achtete und daher als unrein galt,444 erst deutlich später nachweisen.445 Die Inanspruchnahme der Kategorie des Am haaretz ist demzufolge für Mk 2,15–17 abzulehnen.446 auch Bill. I, 498, mit der dort genannten Parallelstelle. Vgl. daneben auch den Hinweis auf Neusner bei Green, Lk, 247. Vgl. auch Stolle, Mk, 75f. 443  Vgl. vor allem Mk 7,3. Auch für Mk 7,1–23 ist eine Auslegung vor dem Hintergrund der Gegenüberstellung des Am haaretz zu den Chaberim daher abzulehnen (s.u. IIIC 1.2). 444  Hauptkritikpunkte am Am haaretz waren die ungenügende Beachtung ritueller Rein­ heitsgesetze und des Gebotes des Verzehntens (so Oppenheimer, Am ha-Arets, 914; aus­ führlich dazu ders., Social History, 67–169). Zur rituellen Unreinheit des Am haaretz vgl. Büchler, ʿAm ha-ʾAreṣ, 41–64. 445  Vgl. dazu mit einer Nähe zum Komplex der Tischgemeinschaft vor allem mDem 2,2f.: Ein Chaber darf von einem Menschen aus dem Am haaretz nichts direkt erwerben und bei keinem Gesetzesunkundigen einkehren. Selbst wenn dieser die Zehntbestimmungen genau befolgen sollte, so gilt er dennoch als unrein und der Chaber würde sich an ihm verunreinigen (vgl. dazu, dass nach mDem 2,3 ein Mensch aus dem Am haaretz nicht in seiner Kleidung zu einem Gastmahl beim Chaber kommen darf). Vgl. dazu auch tDem 2,2 (vgl. dazu Freimark, Tosefta, 29 Anm. 19, mit Belegen, denen zufolge Tischgemeinschaft unter bestimmten Umständen zustande kommen kann). 446  Gegen eine Identifikation der Sünder mit dem Am haaretz und eine Deutung, die die Kritik der Pharisäer in Mk 2,16 mit dem Verstoß gegen spezielle Reinheitsregeln der Pha­ risäer füllt, vgl. z.B. ausdrücklich auch Westerholm, Jesus, 70, und vor allem Sanders, Jesus and Judaism, 174–211: Die Pharisäer hätten keinen so großen Einfluss gehabt, dass sie das ganze Volk als „Sünder“ bezeichnen konnten. Zudem könne man Jesus nicht dafür tadeln, dass er mit Leuten isst, die aus dem einfachen Volk stammen, da er selbst dazu gehöre und kein Gelehrter sei. Sanders lehnt eine Deutung von Mk 2,15–17 mit dem Fokus auf ritueller Unreinheit insgesamt ab. Der an Jesus gerichtete Vorwurf bestehe aus seiner Gemeinschaft mit Menschen, die Sünder waren, ohne vorangegangene Umkehr, wohin­ gegen dieses generelle Problem verharmlost werde, wenn man Tischgemeinschaft und Reinheit zu zentralen Fragen der Perikope macht (177–187). Auch Landmesser verweist zwar darauf, dass die Pharisäer Tischgemeinschaft mit dem Am haaretz ablehnen (Jün­ gerberufung, 93), doch sei dies noch einmal von ihrer Kritik an der Tischgemeinschaft mit Sündern zu unterscheiden, da Jesus eben selbst dem Am haaretz zuzuordnen ist (94 mit

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Die Pharisäer lehnen Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern somit nicht etwa aufgrund der Gefahr ab, dass man durch physischen Kontakt mit den rituell unreinen Zöllnern selbst rituell unrein werden könnte, sondern aufgrund der moralischen Vergehen der Zöllner.447 Ein solcher moralisch-ethi­ scher Hintergrund der Kritik der Pharisäer wird durch die Antwort des marki­ nischen Jesus in Mk 2,17 bestätigt. Diese lässt nämlich insofern Rückschlüsse auf den Inhalt der Kritik der Pharisäer zu, als sie die unmittelbare Reaktion Jesu auf diese Kritik ist, mit der er sich gegen sie verteidigt. Dabei ist das Arzt­ wort im pagangriechischen Bereich im Kontext der Gemeinschaft mit solchen Menschen fest verankert, die aufgrund eines moralisch verwerflichen Verhal­ tens oder eines moralisch fragwürdigen Zustandes wie Reichtum als negativ bewertet werden (s.u. 3.1.3.1). Damit lässt sich das Arztwort aber dann kohärent als Antwort des markinischen Jesus auf den Vorwurf der Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern verstehen, wenn dieser ebenfalls in der moralischen Verdorbenheit der Zöllner und Sünder begründet ist.448 3.1.3

Die moralische Besserung der Zöllner und Sünder als Zweck des Mahls mit ihnen (Mk 2,17) In Mk 2,17 schaltet sich der markinische Jesus in das Gespräch zwischen den Schriftgelehrten der Pharisäer und seinen Jüngern mit zwei asyndetisch angeschlossenen449 Sprüchen ein, welche als Abschlusssätze der Chrie den Höhepunkt der ganzen Passage bilden. Dabei stellt Markus eindeutig einen Zusammenhang zu der in Mk 2,16 an Jesu Verhalten geübten Kritik her: Als Jesus die mehrfach geäußerte Beschwerde der Gegner (vgl. das Imperfekt

Anm. 122, im Anschluss an Davies/Allison, Mt II, 100). Dabei besteht der Kritikpunkt der Pharisäer Landmesser zufolge darin, dass die sich bei der Tischgemeinschaft ereignen­ de „Gemeinschaft im Angesicht Gottes […] durch die Anwesenheit von Sündern gestört“ wird (131). 447  So auch Witherington III, Mk, 121. 448  Bei einer Deutung, die die Forderung der Pharisäer mit einer Trennung von rein und un­ rein bestimmt, passt die Antwort des mk. Jesus hingegen nicht zu dem ihm entgegenge­ brachten Vorwurf. Vgl. exemplarisch Klumbies, Mythos, 167f.: „Strenggenommen stellen die Antworten Jesu auf der durch die Schriftgelehrten repräsentierten Ebene keine ech­ ten Erwiderungen dar. Jesus reagiert weder erläuternd auf die implizit vorgetragene Frage nach seinem Gottesverständnis noch auf die nach seinem Selbstverständnis angesichts der Forderung auf Trennung zwischen rein und unrein“ (168, Hervorhebung im Original). Ähnlich Park, Resources, 274: „the legal issue of purity raised by the Pharisees is left un­ touched by Jesus“. 449  Auch in Lk 5,31f. stehen beide Sprüche unverbunden nebeneinander. Mt 9,13 fügt zwi­ schen die beiden Logien aus Mk 2,17 hingegen das Zitat aus Hos 6,6 (vgl. auch Mt 12,7) mit dem für ihn wichtigen Barmherzigkeitsmotiv (Mt 23,23) ein und bindet das zweite Logion vom Kommen Jesu durch γάρ an. Das Kommen Jesu ist demnach in der Schrift begründet und erfüllt diese.

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ἔλεγον in 2,16) zu Ohren kommt (ἀκούσας ὁ Ἰησοῦς), antwortet er darauf einmal mit einem pointierten Doppelspruch.450 Im Fokus des zweiten Spruches liegt zweifelsfrei der Sprecher und damit die Person Jesu selbst (ἦλθον). Der erste Spruch ist hingegen aus der Perspektive der Kranken gedacht und allgemein formuliert. Mit ihm nimmt der markini­ sche Jesus jedoch für sich selbst die Rolle des Arztes in Anspruch, wie die Ent­ sprechung zum zweiten Spruch zeigt: Für die beiden Teile des Doppelspruches ist eine äußerst enge Verbin­ dung zu erkennen. So verlässt Markus zwar mit dem zweiten Spruch den Bereich der Medizin und wechselt in die „theologische Klassifizierung (Gerechte/Sünder)“.451 Abgesehen von dieser Variation in der Semantik sind beide Sprüche jedoch durch die jeweils gebrauchte οὐ-ἀλλά-Struktur parallel aufgebaut, wobei sich οἱ ἰσχύοντες452 und δικαίους einerseits, οἱ κακῶς453 ἔχοντες und ἁμαρτωλούς andererseits entsprechen. Demnach werden Sünder in Analogie zu Kranken als solche verstanden, die Hei­ lung brauchen. Damit erscheint der markinische Jesus aber als Arzt, der diese Heilung vollzieht. In seiner Antwort gibt der markinische Jesus innerhalb der Kombination von zwei Logien somit die von seinen Gegnern als problematisch empfundene gra­ vierende Statusdifferenz zwischen ihm und den Sündern dezidiert zu. Gegen­ über der Kritik an der von ihm praktizierten Tischgemeinschaft mit Sündern rechtfertigt er sich jedoch dadurch, dass er diese als dringend notwendigen Kontakt qualifiziert, wie ein Arzt ihn zu Kranken hat. In diesem Rahmen weist er die Zuwendung zu Gesunden durch die antithetische Formulierungs­ weise454 rhetorisch überspitzt zurück:455 450   Λέγει kann als aspektneutrales Präsens grundsätzlich sowohl punktuell als auch itera­ tiv gemeint sein. Jesu Abschlusswort ist jedoch offenbar punktuell gemeint. Jedenfalls versteht Mt 9,12 das Präsens λέγει durch den Gebrauch des aspektorientierten εἶπεν als einmaliges Ereignis. 451  Ebner, Jesus, 133. 452  Vgl. BAA, s.v. ἰσχύω: „stark sein, kräftig sein […] bei Kräften sein, gesund sein“ (im Ori­ ginal hervorgehoben). In Lk 5,31 wird οἱ ἰσχύοντες entsprechend dem Bild vom Arzt in das gebräuchlichere οἱ ὑγιαίνοντες (BAA, s.v. ὑγιαίνω: „gesund sein, sich wohlbefinden“; im Original hervorgehoben) abgewandelt (so nur bei Lukas; vgl. Lk 7,10; 15,27). 453  Zu κακῶς in Verbindung mit Heilungserzählungen vgl. Mt 4,24; Mk 1,32.34 par.; 6,55 par. 454  Vgl. dazu, dass diese οὐκ-ἀλλά-Struktur abgesehen von Mk 2,17 auch in Barn 5,9; 2 Clem 2,4; Just. Apol. 1,15,8 begegnet, jedoch in Lk 19,10; 1 Tim 1,15; 2 Clem 2,5.7 fehlt. Dort werden die Gerechten nämlich nicht mehr erwähnt. 455  Zu einer solchen Gegenüberstellung der Gesunden und Kranken innerhalb des Arztbildes vgl. Plut. Mor. 230F: „Als Pausanias [König von Sparta, 408/407–395/394 v.Chr.] in Tegea

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Vielfach wird die Einschränkung des von Jesus angestrebten Rufens auf die Sünder als problematisch empfunden. Sie wird bisweilen dadurch umgangen, dass für δίκαιος und ἁμαρτωλός ein ironischer Gebrauch an­ genommen wird, sodass letztlich alle als Sünder offenbart werden und als solche am Tisch Jesu willkommen sind. Dies gelte auch für die zu­ nächst als gerecht erscheinenden Pharisäer.456 Eine solche Interpre­ tation lässt sich aus dem vorliegenden Text nicht herleiten,457 sondern geht vielmehr auf einen Einfluss der paulinischen Vorstellung von der Universalität der Sünde (Röm 1,18–3,23) zurück. Anstelle einer Über­ tragung paulinischer Theologumena auf das Markusevangelium ist das zweite Logion innerhalb des Spruchpaares in Mk 2,17 jedoch vor seinem eigenen Hintergrund sowie seiner kontextuellen Einbettung zu deuten. Dabei ist ein antithetisches Verständnis zwar für das Arztwort weniger problematisch als für das Wort vom Rufen, da Kranke im Gegensatz zu Gesunden tatsächlich einen Arzt nötig haben.458 Ein Verständnis im Sinne eines Ausschlusses der Gerechten ist jedoch vom Arztbild her pro­ blematisch, da ein Arzt die Gesunden nicht von sich wegstößt. Damit legt sich für die οὐ-ἀλλά-Konstruktion ein Verständnis als dialektische Negation und daher im Sinne einer Bevorzugung nahe: „nicht so sehr als vielmehr“.459 nach seiner Flucht ins Exil die Spartaner lobte, entgegnete ihm jemand: ‚Warum bist Du denn nicht in Sparta geblieben, sondern lebst im Exil?‘ Er sagte: ‚Weil auch die Ärzte nicht bei den Gesunden, sondern da, wo die Kranken sind, sich aufzuhalten pflegen‘ (ὅτι οὐδ’ οἱ ἰατροί, ἔφη, παρὰ τοῖς ὑγιαίνουσιν, ὅπου δὲ οἱ νοσοῦντες, διατρίβειν εἰώθασιν).“ 456  So Govindu, Table Fellowship, 56, unter Hinweis auf die übrigen Belege zu den Pharisäern (vgl. Lk 5,7.21.30.33; 6,2.7; 7,30.36; 10,25–29; 11,37–54; 12,1; 13,33; 14,1ff.; 16,14; 17,20f.; 19,39); vgl. auch 69f. Ähnlich Marcus, Mk, 228.231f. Vgl. auch Blomberg, Holiness, 101: „Sünder“ beziehe sich auf diejenigen, die in der Sicht der Pharisäer Sünder sind, ebenso „Gerechte“ auf diejenigen, die sich für gerecht halten. 457  Vgl. dazu auch Völkel, Freund, 6: Der Spruch enthalte „keine Anfrage an die Gesundheit der ‚Gesunden‘ und die Gerechtigkeit der ‚Gerechten‘.“ Vgl. auch Berger, Jesus, 248f., dem zufolge die Aussage, dass Gesunde den Arzt nicht brauchen, gerade eine „Anerkennung pharisäischer Gerechtigkeit durch Jesus“ bedeutet. 458  So auch Artem. 4,22: οὐ γὰρ τοῖς ὑγιαίνουσιν ἀλλὰ τοῖς κάμνουσι δεῖ θεραπειῶν; vgl. auch Dion Chrys. 3,100. 459  Zu dieser Formulierungsweise der dialektischen bzw. relativen Negation, in der die ei­ gentliche Aussage dadurch besonders betont wird, dass ihr eine negative gegenüber­ gestellt wird, vgl. Zerwick, Biblical Greek, §445. Sie wird für Mk 2,17 vorgeschlagen von BDR §448₁; Zerwick, Untersuchungen, 122f.; Pesch, Zöllnergastmahl, 74f.; ders., Mk I, 166.168; Ebner, Jesus, 148 Anm. 86; Gundry, Mk, 130. Vgl. dazu, dass in Mt 9,13 auf das Wort vom Arzt das Zitat aus Hos 6,6 folgt, für welches sich selbst ein Verständnis im Sinne einer dialektischen Negation nahelegt (s.u. IIIC 1.3.2.1).

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Der markinische Jesus verteidigt seine Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern in Mk 2,17 demnach mit folgendem Argument: Wenn er mit den Zöll­ nern und Sündern isst, so tut er dies, um ihnen gegenüber bei diesem Mahl als Arzt zu wirken, indem er sie während dieses Mahls ruft, und zwar – wie eine nähere Untersuchung von καλέσαι zeigen wird – in seine Nachfolge und damit zur Umkehr. 3.1.3.1 Das Wirken des markinischen Jesus als „Arzt“ während des Mahls Das Wort vom Arzt erinnert an die innerhalb der synoptischen Evangelien, und zwar auch im Markusevangelium, mehrfach zu findende Kennzeich­ nung Jesu als Arzt, der leibliche Krankheiten wie Aussatz (1,40–45), Lähmung (2,1–12), Blindheit (8,22–26; 10,46–52) oder Taubheit (7,31–37) heilt und Tote auferweckt (5,21–43).460 Als solcher erfüllt Jesus messianische Hoffnungen.461 Dabei kann diese offenbar weit verbreitete Tradition von Jesus als Arzt mit dazu geführt haben, dass Jesus das Arztwort in Mk 2,17 in den Mund gelegt wurde. Im Einzelnen gehört das Arztlogion jedoch nicht näher mit dieser Tradition von Jesus als Heiler körperlicher Krankheiten zusammen, wie dies in der Forschung insbesondere für das Arztwort und die Heilungserzählung in Mk 2,1–12 jedoch bisweilen angenommen wird.462 So besteht zwar sowohl in Mk 2,1–12 als auch in Mk 2,17 ein Zusammenhang zwischen Krankheit und Sünde,463 doch liegt dieser nicht auf derselben Ebene: In Mk 2,1–12 vergibt Jesu im Rahmen einer Heilung Sünden (2,5.7.9f.),464 wobei im Hintergrund offenbar die in der Antike durchaus belegte Vorstellung von leiblicher Krank­ heit als Folge von Sünde steht.465 Im Fokus des in Mk 2,17 in Verbindung mit Sündern gebrauchten Arztwortes liegt hingegen nicht eine solche Beseitigung 460  Zu Jesus als Arzt vgl. neben Markus vor allem das lk. Doppelwerk, und zwar neben dem Arztwort in Lk 5,31 auch Lk 4,23; zur Kennzeichnung der Sendung Jesu mit ἰάομαι vgl. Lk 5,17; 6,18f.; 7,7; 8,47; 9,11.42; 14,4; 17,15; 22,51; Apg 9,34; 10,38; vgl. auch ἴασις in Lk 13,32 (Apg 4,22); Apg 4,30. 461  Vgl. dazu vor allem Lk 4,18; 7,22, wo von Jes 61,1f. her Heilungen als Zeichen dafür erschei­ nen, dass die Gottesherrschaft gekommen ist. Zur Heilung als messianischer Hoffnung vgl. u.a. Ps 146,7f.; Jes 29,18f.; 35,1–6; 61,1f.; Jer 30,17; 33,6. 462  Zu einer solchen Verbindung des Arztwortes mit Mk 2,1–12 vgl. exemplarisch Pesch, Zöll­ nergastmahl, 84f. 463  Damit ist zu Beginn des Markusevangeliums zweimal auf engstem Raum von Sünde und Krankheit die Rede. Dies ist insofern auffällig, als Markus insgesamt nur selten Termini aus dem Wortfeld „Sünde“ gebraucht (so ἁμαρτία in 1,4f.; 2,5.7.9f.; ἁμαρτωλός abgesehen von 2,17 nur in 8,38; 14,41; vgl. auch ἁμάρτημα in 3,28f.). 464  Zur Verbindung der medizinischen Tätigkeit mit Sündenvergebung vgl. Jes 6,10; Sir 28,2f.; Ps 41,5; 103,3; 2 Chr 7,14. 465  So kann z.B. Aussatz eine Strafe für Sünde sein (Num 12,9f.; 2 Chr 26,18–21; zu Belegen für diese auch in den umliegenden Kulturen verbreitete Vorstellung vgl. Milgrom, Lev I,

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von physischen Krankheiten.466 Vielmehr greift der markinische Jesus mit sei­ ner Aussage auf die alltägliche Erfahrung des Umgangs eines Arztes mit Kran­ ken zurück und wendet sie auf sein Verhältnis zu den Zöllnern und Sündern an, wodurch diese als krank qualifiziert werden. Eine solche übertragene Ver­ wendung des Arztwortes lässt sich im hellenistischen Bereich mehrfach fest­ stellen. Beim Arztlogion handelt es sich nämlich um ein traditionelles Bildwort aus der Philosophentradition mit einer ethisch-moralischen Zielrichtung:467 Innerhalb der griechischen Philosophentradition ist das in Mk 2,17 beleg­ te Arztwort in ähnlicher Form jeweils im Mund von Personen überliefert, denen vorgeworfen wird, sich in schlechter Gesellschaft aufzuhalten. Dabei sind die entsprechenden Personen selbst grundsätzlich gut und anerkannt, werden jedoch dafür getadelt, dass sie mit Menschen zu­ sammen sind, die im moralischen Sinne als schlecht bewertet werden.468 Mehrfach handelt es sich bei diesen unanständigen Leuten um Reiche.469 Mit dem Arztwort verteidigen die entsprechenden Philosophen ihren als zu eng kritisierten Umgang mit moralisch schlechten Menschen dadurch, dass sie als Ziel dieses Kontaktes die Verbesserung des Zustandes dieser 820–823). Vgl. daneben auch die Sündenvergebung im Rahmen der Heilung des Gelähm­ ten in Mk 2,1–12 (vgl. ausführlich Zimmermann, Krankheit, bes. 242f.). 466  So auch Klaiber, Mk, 63. 467  Zu einer Zusammenstellung von Sprüchen vgl. Neuer Wettstein I/1.2–1, 784–786; mit einer Herleitung von Mk 2,17 aus diesem hellenistischen Hintergrund vgl. auch Yarbro Collins, Mk, 195f.; Wolter, Lk, 229. Ebner, Jesus, 150f., bietet ebenfalls eine Sammlung dieser hel­ lenistischen Tradition vom Arzt, lehnt sie jedoch für Mk 2,17 insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Perspektive als primären Hintergrund ab (154f.) und zieht dafür eher die jüdische Tradition vom Arzt heran (152f.160). 468  Vgl. Diog. Laert. 6,6: […] πονηροῖς συγγενέσθαι (s.u. Anm. 471); Gnomologium Vaticanum Epicureum 37: „Als ihm einer sagte, weshalb er sich den Schlechten nähere (διὰ τί τοῖς μοχθηροῖς πλησιάζει), sagte er: ‚Weil auch die Ärzte den Kranken (sich nähern) (ὅτι καὶ ἰατροὶ τοῖς νοσοῦσιν).‘“ In besonderer Nähe zum Sündergedanken in Mk 2,15–17 steht Luki­ an, Demon. 7, wobei dort die Schonung der Sünder besonders betont wird: Demonax sei selbst dann, wenn er strafen musste, nicht in Zorn geraten. Er habe nämlich die Verfeh­ lungen getadelt, denjenigen, die sich verfehlt haben (ἁμαρτάνοντες), hingegen vergeben, und zwar weil er der Auffassung gewesen sei, dass der Philosoph sich den Arzt zum Vor­ bild nehmen solle, der Krankheiten heilt, aber keinen Zorn gegen die Kranken anwendet. In Diog. Laert. 6,4 findet sich hingegen ein strenges Vorgehen des Arztes gegenüber sei­ nen Patienten. 469  Vgl. Diog. Laert. 2,70: „Als einer die Bemerkung machte, er sähe immer die Philosophen an den Türen der Reichen, erwiderte er [sc. Aristippos]: ‚Sieht man doch auch die Ärzte immer an den Türen der Kranken; allein deshalb möchte doch niemand lieber krank sein als heilen.‘“ Vgl. Diogenes von Sinope, Epist. 38,4 (s.u. 3.1.4.2); Dion Chrys. 8,8.

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Personen angeben. Zu diesem Zweck stellen sie bisweilen ausdrücklich fest, dass der für einen Arzt per d­ efinitionem gegebene Aufenthalt unter Kranken deren Heilung dient.470 Gelegentlich wird zudem betont, dass ein solches Zusammensein mit Kranken gerade nicht bedeutet, dass der Arzt selbst krank wird.471 Im Einzelnen gehört das Arztwort zu dem in der griechischen und römi­ schen Philosophie generell sehr beliebten Vergleich der Philosophie mit der Medizin: Im Zentrum dieses Vergleichs steht die Besserung des moralischen Le­ benswandels der Menschen, welche das generelle Ziel der hellenisti­ schen Philosophie ist, unabhängig von der konkreten philosophischen Richtung. Dabei wird zwischen dem Arzt und dem Philosophen folgende Analogie hergestellt: Wie der Arzt physische Krankheiten heile, so sei der Lehrer der Philosophie gegenüber den vorhandenen Krankheiten der Seele wie beispielsweise Zügellosigkeit und Habsucht der Seelenarzt.472 Krankheit dient somit als Bild für einen unmoralischen Lebenswandel bzw. das Sündersein, Heilung hingegen als Ausdruck für moralische Besserung. Eine solche Vorstellung findet sich bereits bei Platon,473 ist aber auch in der für die urchristlichen Schriften zeitlich relevanteren Literatur belegt, und zwar insbesondere bei Vertretern der Stoa wie

470  Diogenes bei Stob. Flor. 3,13,43: „Ein Athener stellte ihn zur Rede, weil er die Spartaner höher einstufte [als die Athener] und doch nicht dort wohnte. ‚Ja,‘ sagte er [sc. Diogenes], ‚aber der Arzt, der Gesundheit schafft, verbringt seine Zeit auch nicht unter Gesunden (οὐδὲ γὰρ ἰατρός, εἶπεν, ὑγιείας ὢν ποιητικὸς ἐν τοῖς ὑγιαίνουσι τὴν διατριβὴν ποιεῖται).‘“ 471  So wird bei Diog. Laert. 6,6 mit dem Fieber die Gefahr eines etwaigen negativen Einflus­ ses vonseiten des Kranken auf den Arzt angeführt, aber zugleich abgewiesen: „Als ihm einmal der Vorwurf gemacht wurde, mit den Schlechten (πονηροῖς) zu verkehren, sagte er [sc. Antisthenes]: ‚Auch Ärzte sind mit den Kranken (νοσούντων) zusammen, ohne Fie­ ber zu bekommen.‘“ Vgl. auch Appendix Gnomica 87: Ῥυμύλος ἐγκαλούμενος, ὅτι πονηροῖς σύνεστιν, ἔφη· καὶ ἰατροὶ τοῖς νοσοῦσιν, ἀλλ’ αὐτοὶ ὑγιαίνουσι. 472  Zum Gebrauch des medizinischen Bildfeldes für die moralische Besserung mit entspre­ chenden Belegen vgl. Dörnemann, Krankheit, 46–57; Wasserman, Death, 31–39; ausführ­ lich Nussbaum, Therapy. 473  Vgl. dazu, dass schon Platon Sokrates als Seelenarzt stilisiert (so vor allem Charm. 155A– 158E): Charmides soll geprüft werden. Sokrates soll sich als Arzt ausgeben, aber nicht nur den Körper, sondern auch die Seele heilen. Der Philosoph ist der bessere Arzt, weil er die Seele heilen kann, dann aber auch die Gesundheit des Körpers leicht zu erzielen ist (156E–157C). Zum Bild des Seelenarztes bei Platon vgl. auch Prot. 313E; Theaet. 167A.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Gaius Musonius Rufus,474 Epiktet475 und Seneca,476 ebenso gehäuft bei dem kynisch-stoischen Popularphilosophen Dion Chrysostomos,477 bei Plutarch478 und Philo von Alexandria.479

474  Vgl. vor allem Gellius, Noctes Atticae 5,1,2f., wo berichtet wird, dass die Rede eines Philo­ sophen Musonius zufolge nützlich und heilsam sein, außerdem Heilmittel für Irrtümer und Laster bieten soll ([…] quae dicuntur, utilia ac salubria sunt et errorum atque vitiorum medicinas ferunt). Sofern dies erfüllt ist, habe derjenige, der nicht ganz verkommen ist, während des Vortrags eines Philosophen keine Zeit noch Gelegenheit für maßlosen Bei­ fall, da er während dieser Rede dann vielmehr Scham und Reue (paeniteat) empfinden müsse. 475  Epiktet erläutert ausführlich, dass das Ziel der Philosophie in der moralischen Besserung der Menschen bestehe, nicht im eigenen Ruhm des Philosophen z.B. für einen gelun­ genen Vortrag (Diatr. 3,23,23–38). Er parallelisiert Philosoph und Arzt (3,23,27) und ver­ gleicht den Raum, in dem der Philosoph lehrt, mit einem Krankenhaus, aus dem man nicht so wieder herausgehe, wie man gekommen ist, sondern mit heilsamen Schmerzen (3,23,30f.). 476  Vgl. vor allem Sen. Lucil. 15,1f.; 50,9; 52,9; Tranq. 1,2; De constantia sapientis 13,2. 477  Vgl. z.B. Dion Chrys. 8,4–8: Diogenes habe in Korinth nicht in einer Wohnung oder bei einem Freund gelebt, sondern sich vorwiegend im Kraneion aufgehalten (8,4), und zwar aus folgendem Grund. „Wie der pflichtbewusste Arzt dort helfe, wo die meisten Kranken sind, so müsse der Mann, der eingesehen hat, worauf es im Leben ankommt, dort sich aufhalten, wo die meisten Menschen ohne diese Einsicht lebten, um ihnen ihren Unver­ stand vorzuhalten und sie von ihm zu überzeugen“ (8,5; Übersetzung Elliger). Dabei sei es verwunderlich, dass die Menschen ihn weniger beachten als einen Arzt körperlicher Leiden, wo doch der Schmerz, den eine verdorbene Seele verursacht, nicht geringer sei als der Schmerz bei körperlichen Krankheiten (8,7f.). Zum Philosophen als Arzt vgl. auch 1,8; 13,32; 17,1–6; 27,7f.; 32,17f.; 33,6f.44; 51,8; 77/78,42f. 478  Plutarch erwähnt ausdrücklich die Besserung des Charakters im Umfeld des Bildes vom Arzt (Mor. 73D–E): Wie der Arzt zur Heilung lieber Schlaf und Nahrung als unangeneh­ me Heilmittel nutzt, so wendet auch ein anständiger Freund, guter Vater und Erzieher zur Besserung des Charakters lieber Lob als Tadel an (οὕτω καὶ φίλος ἐπιεικὴς καὶ πατὴρ χρηστὸς καὶ διδάσκαλος ἐπαίνῳ μᾶλλον ἢ ψόγῳ χαίρει πρὸς ἐπανόρθωσιν ἤθους χρώμενος). In Mor. 74D nimmt er diesen Vergleich auf, indem er fordert: Wie die Ärzte den Schmerz nach einer Operation zu lindern versuchen, so sollen auch die, welche gewandt zurecht­ weisen (οἱ νουθετοῦντες ἀστείως), nicht einfach nur Ermahnungen (= das Herbe und Bittere) anbringen und dann verschwinden, sondern mit weiteren Gesprächen und freundlichen Worten mildern und erheitern (ἀλλ’ ὁμιλίαις ἑτέραις καὶ λόγοις ἐπιεικέσιν ἐκπραΰνουσι καὶ διαχέουσιν). Ähnlich vergleicht Plutarch in Mor. 13C–D den Vater, der seine Kinder erzieht, mit einem Arzt. Wie dieser Arzt bitteren Arzneien süße beimischt, so müsse der Erzieher Strafe mit Milde verbinden. Vgl. daneben auch Mor. 7D: Philosophie ist das einzige Heil­ mittel gegen die Krankheiten und Leidenschaften der Seele. 479  Philo, Deus 67f.135; Praem. 21; Decal. 150; Det. 110.123; Leg. 3,36; Virt. 3f.; Prov. 2,23 bei Eus. Praep. ev. 8,14,18–20 (Text in Neuer Wettstein I/1.2–1, 788). Vgl. dazu auch die Vorstellung der kranken Seele in Philo, Spec. 2,157: νοσήματα τῆς ψυχῆς; Contempl. 2; Conf. 22; vgl. auch Cher. 16; Prob. 12.

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Mit dem Arztwort reagieren demzufolge auch im paganen Bereich Men­ schen auf den Vorwurf, dass sie als solche, die von einem besseren moralischen Status sind, keinen engeren Kontakt zu verwerflichen Leuten haben sollten, weil sie dadurch selbst verdorben werden. Damit beweist das Arztwort zum einen den moralisch-ethischen Hintergrund der Kritik der Pharisäer am Ver­ halten Jesu (s.o. 3.1.2.2), zum anderen bietet es näheren Aufschluss zu der Frage, warum Tischgemeinschaft mit moralisch verdorbenen Leuten zu vermeiden ist. Der von den Pharisäern befürchtete Schaden für Jesus und seine Jünger besteht nämlich offenbar in der Gefahr einer Angleichung an Schlechte.480 Die an die Jünger gerichtete Frage lässt sich somit folgendermaßen umformulie­ ren: Warum haben Jesus und seine Jünger, die doch selbst gut sind, mit den Zöllnern und Sündern einen so engen Umgang wie Tischgemeinschaft, wo das doch bedeutet, dass sie durch die Sünder ebenso moralisch verdorben werden, wie diese es sind? Diese Gefahr weist der markinische Jesus durch das Arzt­ wort mit dem Argument zurück, dass er durch das gemeinsame Essen mit Zöll­ nern und Sündern diesen ebenso wenig gleich werde, wie ein Arzt durch seine Verbindung mit Kranken selbst erkrankt. Im Gegensatz zu den Pharisäern bewertet der markinische Jesus die Zöllner und Sünder nicht als solche, von denen eine Gefahr für seinen eigenen moralischen Zustand oder den seiner Jünger ausgeht, sondern als solche, die hilfsbedürftig sind und Heilung brau­ chen, sich selbst aber als denjenigen, der diese Heilung anbietet und vollzieht. Auch wenn Markus eine Heilung der Kranken im vorliegenden Kontext nicht ausdrücklich erwähnt, ist der Gedanke der Besserung dem Arztwort nämlich insofern inhärent, als „die Kranken den Arzt brauchen“, um gesund zu werden. 3.1.3.2 Tischgemeinschaft als Gelegenheit zum Ruf in die Nachfolge Der für das Arztwort typische Kontext der moralischen Besserung lässt sich auch im vorliegenden Text deutlich erkennen. Die Tätigkeit Jesu als Arzt be­ steht nämlich offensichtlich in einem Rufen der Sünder, und zwar genauer in einem Ruf in seine Nachfolge, wie Markus Jesus mit dem an das Arztlogion unmittelbar angeschlossenen Spruch verdeutlichen lässt: In dem auf das allgemeine Arztwort folgenden zweiten Spruch bezeichnet der markinische Jesus die von ihm ausgeübte Handlung mit dem Verbum καλέω. Bei καλέω handelt es sich um ein äußerst allgemeines Verbum,481 das in einer Vielzahl von Zusammenhängen verwendet wird. Auch die 480   Ähnlich Kilgallen, Jesus, 591–593. 481  Zur Offenheit von καλέω vgl. den Gebrauch in Mk 3,31 mit Jesus als Objekt des von den Verwandten Jesu ausgehenden Rufens.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Formulierung in Mk 2,17 ist äußerst offen, da Markus diesem Verbum ab­ gesehen vom Objekt keine weiteren Angaben beifügt. Deutlich ist somit, dass der markinische Jesus die Sünder in Kontakt mit sich bringt, doch kommen im Hinblick auf die Art dieses Kontaktes grundsätzlich mehre­ re Möglichkeiten in Frage. Die Forschung schwankt insgesamt zwischen einem Verständnis als „einladen“482 und „rufen“, wobei in Hinsicht auf Letzteres entweder der Aspekt des „Rufens in die Nachfolge“483 oder der des „Rufens zur Umkehr“484 betont wird. Angesichts der im unmittelbaren Umfeld geschilderten Mahlsituation ist es durchaus wahrscheinlich, dass die damaligen Hörer in dem Verbum καλέω dessen konkrete Bedeutung von „einladen zu einem Mahl“ mitgehört haben. Ein solches Verständnis ist von der Denotation von καλέω her grundsätzlich möglich485 und in den urchristlichen Schriften verschiedentlich belegt.486 Für eine solche Deu­ tung von Mk 2,17 lässt sich zudem anführen, dass Markus offenbar Jesus selbst als Gastgeber des Mahls mit den Zöllnern und Sündern voraussetzt 482  So z.B. Ebner, Jesus, 147f., dem zufolge „die Tätigkeit des Arztes als ‚Rufen‘ (καλεῖν) des Boten gedacht ist, was im Kontext des Gastmahls als ‚Einladung‘ gilt“. In der Forschung wird καλέω in Mk 2,17 häufiger als „einladen“ verstanden, jedoch dann zumeist nicht mit Bezug auf das vorliegende Mahl, sondern im Sinne einer Einladung zum eschatologi­ schen Mahl (vgl. z.B. Pesch, Mk I, 166: „Jesus ist gekommen […], die Sünder zum Gastmahl der Gottesherrschaft einzuladen“; Lohmeyer, Mk, 55f.; vgl. auch Klostermann, Mk, 31, der als „rufen zum Gottesreich“ deutet), wobei das Zöllnergastmahl bisweilen ausdrücklich als dessen Vorläufer bestimmt wird (Gnilka, Mk I, 109; Lane, Mk, 106; vgl. auch Withering­ ton III, Mk, 123). Eine solche Deutung ergibt sich jedoch weder aus der Kennzeichnung der konkreten Mahlsituation, noch passt sie zum engen Zusammenhang mit dem Arzt­ wort. Zudem muss man in einem solchen Fall zwischen Mk 2,17 und Lk 5,32 eine Differenz annehmen (so ausdrücklich Sellner, Heil, 140). Näher liegt jedoch, dass Lk 5,32 den bereits in Mk 2,17 angelegten Ruf zur Umkehr lediglich expliziert (so auch z.B. France, Mk, 136). 483  Vgl. BAA, s.v. καλέω 2: „berufen“, so auch für Mk 2,17 vorgeschlagen; vgl. auch Gnilka, Mk I, 103. Vgl. dazu auch diejenigen, die für Mk 2,17 eine Verbindung zu Mk 1,16–20 (Gundry, Mk, 130) oder 2,14 (Guelich, Mk, 106) sehen. 484  Vgl. Yarbro Collins, Mk, 196. 485  Vgl. BAA, s.v. καλέω 1b; LSJ, s.v. καλέω 2: „call to one’s house or to a repast, invite“ (Hervor­ hebung im Original). Zum Gebrauch von καλέω für „einladen zum Mahl“ vgl. vor allem Plat. Symp. 174E; 175B; 213A; Plut. Mor. 148A; 678C und F; 707A und C–D; 708A–B und E; 709A–C, E und F; Ant. 26,6; Cat. Maj. 25,3; Alex. 53,2 (κλῆσις); Lukian, Par. 22; Pseudol. 31; Diog. Laert. 7,184. Vgl. auch Hes. Op. 342; Aischin. Fals. leg. 162; Jdt 12,10: οὐκ ἐκάλεσεν εἰς τὴν κλῆσιν; Ex 34,15; 2 Sam 11,13 (jeweils LXX). Daneben auch παρακαλέω für „einladen zum Mahl“ in Plut. Mor. 707C; 708B–C; Alex. 53,3; Jos., Vita 222; Lukian, Gall. 9; Athenaios 6,36 (239E). 486  Vgl. Mt 22,3f.8f.; Lk 7,39; 14,7–9.12f.16f.; Joh 2,2; 1 Kor 10,27. Bisweilen wird eine solche Deu­ tung entweder durch den Kontext indiziert (vgl. vor allem Lk 7,39 mit 7,36) oder durch eine entsprechende εἰς-Wendung expressis verbis aktualisiert (Mt 22,3.9; Lk 14,8). Näheres dazu bei Al-Suadi, Power, bes. 138f.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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(s.o. 3.1.1.1). Damit ergibt sich als situationsbezogene Deutung: „Ich lade ein und esse, mit wem ich will“. Bei einer solchen Deutung von καλέω im Sinne von „Gäste beim Essen willkommen heißen“ bleibt jedoch un­ klar, inwiefern eine solche Einladung zum Mahl als Heilmethode des markinischen Jesus gelten kann. Aufgrund der parallelen Struktur der beiden Sprüche erscheint καλέω hier nämlich deutlich als zentrale Hand­ lung des Arztes, sodass die Tätigkeit Jesu als Arzt in Mk 2,17a mit dem Rufen aus dem zweiten Spruch in Mk 2,17b gleichsam identisch ist. Hat der Ruf Jesu in Mk 2,17 jedoch eine lebensverändernde Wirkung, wie es bei dem Ruf in seine Nachfolge prinzipiell der Fall ist, so lässt sich die für einen Arzt zunächst nicht unmittelbar naheliegende487 Tätig­ keit des Rufens gut vor dem moralischen Hintergrund des Arztlogions erklären. Der zweite Spruch in Mk 2,17 präzisiert dann nämlich, wie die im Arztwort implizierte moralische Besserung erfolgt: Der markinische Jesus wirkt verdorbenen Menschen gegenüber als Arzt, d.h. er bessert sie in moralischer Hinsicht, indem er sie in seine Nachfolge ruft. Aus der Zusammenstellung mit dem unmittelbar vorangehenden Arztwort resultiert somit, dass sich καλέω in Mk 2,17 nicht primär auf eine Einladung zum Mahl bezieht. Vielmehr legt sich vom Arztwort her in erster Linie ein Ver­ ständnis von „in die dauerhafte Nachfolge Jesu rufen“ nahe. Für eine solche Deutung spricht auch die Konstruktion, in der καλέω hier gebraucht wird. So findet sich dieses Verbum zwar im engeren Umfeld eines Mahls, der unmittel­ bare Kontext besteht jedoch aus ἔρχομαι: Das Rufen wird in Mk 2,17 als Zweck bzw. Absicht des mit ἦλθον erwähn­ ten Kommens Jesu qualifiziert. Worauf bezieht sich dieses Kommen Jesu? Innerhalb der vorliegenden Formulierung wird es einzig in Hinsicht auf seinen Zweck näher bestimmt, wie es in ähnlichen Formulierun­ gen ebenfalls durch einen Infinitiv finalis488 oder einen vergleichbaren

487  Der gewöhnlichen Vorstellung würde es eher entsprechen, dass man einen Arzt ruft, weil es jemandem schlecht geht (Epikt. Diatr. 3,23,27). Diese Vorstellung wird jedoch durch das mit Jesus als Subjekt gebrauchte καλέω gebrochen. 488  Vgl. Τί ἡμῖν καὶ σοί, Ἰησοῦ Ναζαρηνέ; ἦλθες ἀπολέσαι ἡμᾶς; (Mk 1,24); καὶ γὰρ ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου οὐκ ἦλθεν διακονηθῆναι ἀλλὰ διακονῆσαι καὶ δοῦναι τὴν ψυχὴν αὐτοῦ λύτρον ἀντὶ πολλῶν (10,45). Zu ἦλθον in Verbindung mit einem Infinitiv finalis vgl. auch Mk 5,14, dort nicht mit Jesus (so aber auch Mt 5,17; 10,34f.; 20,28; Lk 12,49 mit 12,51; 19,10), sondern den Leuten als Subjekt.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Präpositionalausdruck489 der Fall ist.490 Demgegenüber fehlen tempora­ le oder lokale deiktische ­Ausdrücke, die näher feststellen würden, wann und wo sich dieses Kommen Jesu ereignet hat.491 Deutlich ist somit nur, dass ἦλθον eine Handlung bezeichnen muss, die zeitlich vor καλέω liegt. Diese alleinige Betonung des Ziels legt für das ἦλθον ein Verständnis in einem sehr breiten und generellen Sinne nahe, nämlich als Angabe der Aufgabe. Damit ergibt sich ein Verständnis von „mein Ziel ist es …“492 oder „ich bin (dazu) da …“493 Zu diesem generellen Auftrag Jesu passt jedoch eine Deutung als Ruf in die Nachfolge besser als die spezielle Be­ deutung von „zu einem gemeinsamen Mahl einladen“. Von daher lässt sich der zweite Spruch in Mk 2,17 paraphrasieren als „Meine Aufgabe ist es, Sünder in die Nachfolge zu rufen“. Durch die Zuordnung des Rufens zur generellen Aufgabe des markinischen Jesus ergibt sich in besonderer Weise eine Verbindung von Mk 2,17 zur generel­ len Verwendung des Verbums καλέω innerhalb des Markusevangeliums, und zwar zu dessen Gebrauch im Vorfeld von Mk 2,15–17:

489  Vgl. Mk 1,38: καὶ λέγει αὐτοῖς, Ἄγωμεν ἀλλαχοῦ εἰς τὰς ἐχομένας κωμοπόλεις, ἵνα καὶ ἐκεῖ κηρύξω· εἰς τοῦτο γὰρ ἐξῆλθον. 490  Zu diesem grundsätzlichen Gebrauch vgl. BAA, s.v. ἔρχομαι 1aε, speziell mit Blick auf Jesus BAA, s.v. 1aη. 491  So die in Mt 8,29 überlieferten Worte der Besessenen von Gadara. Dabei variiert Matthä­ us die in Mk 5,7 belegte Schwurformel in eine Mk 1,24 verwandte Formulierung, welche jedoch um einen lokalen deiktischen Ausdruck ergänzt ist. Dieser führt explizit den Ort, an dem sich Jesus momentan befindet, als den Ort an, an den er gekommen ist: ἦλθες ὧδε πρὸ καιροῦ βασανίσαι ἡμᾶς; 492  In der Forschung wird das Gekommensein Jesu zumeist in diesem sehr weiten Sinn auf den Anfang der irdischen Wirksamkeit Jesu bezogen, so vor allem Arens, Elthon-Sayings, 63, dem zufolge ἦλθον auf „Jesus’ divine origin, the source of his authority“ anspielt und im Sinne von „my God-given mission is to …“ zu verstehen ist (vgl. auch 54f.: „my purpose is to …“; „my Lebensberuf is to …“). Die entsprechenden Worte vom Gekommensein wer­ den somit in Analogie zum Sendungswort (z.B. Mt 15,24: ἀπεστάλην) verstanden. Abgese­ hen von dieser generellen Deutung denken einige Kommentatoren in Hinsicht auf ἦλθον an Galiläa (Mk 1,14) als Zielort dieses Kommens, z.B. Lührmann, Mk, 62; Yarbro Collins, Mk, 196. 493  Die aus dem Kommen resultierende fortwährende Gegenwart Jesu, d.h. der permanente Zustand und damit die Wirkung einer vollendeten Handlung mit Blick auf die Gegen­ wart, liegt im Fokus des in Lk 5,32 anstelle des Aorists gebrauchten Perfekts („ich bin ge­ kommen und jetzt hier“): οὐκ ἐλήλυθα καλέσαι δικαίους ἀλλὰ ἁμαρτωλοὺς εἰς μετάνοιαν. Vgl. zum Gebrauch des Perfekts anstelle eines Aorists auch LkQ 7,33f./MtQ 11,18f.; vgl. Mk 9,13 (gegen Mt 17,12).

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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Im Verlauf des Markusevangeliums ist dem Leser das Verbum καλέω be­ reits in Mk 1,20 im Rahmen der Erzählung von der Berufung der ersten Jünger begegnet. Dabei verweist καλέω insofern deutlich auf den Ruf in die alles Bisherige aufgebende Nachfolge, als diese in Mk 1,20 als unmit­ telbare Reaktion auf das Rufen Jesu erscheint: καὶ εὐθὺς ἐκάλεσεν αὐτούς. καὶ ἀφέντες τὸν πατέρα αὐτῶν Ζεβεδαῖον ἐν τῷ πλοίῳ μετὰ τῶν μισθωτῶν ἀπῆλθον ὀπίσω αὐτοῦ. Für ein solches Verständnis von καλέω spricht auch die parallele Gestaltung der beiden kurzen Sequenzen zur Berufung des Simon und Andreas einerseits (1,16–18) und der Zebedaiden andererseits (1,19f.). Sie münden jeweils in der Feststellung der Nachfolge, welche in Hinsicht auf die Zebedaiden durch die Wendung ἀπῆλθον ὀπίσω αὐτοῦ (1,20), mit Bezug auf Simon und Andreas wie in Mk 2,14 mit dem Verbum ἀκολουθέω (1,18) zum Ausdruck gebracht wird. Voran gehen jeweils die Wahrnehmung der späteren Jünger und der an sie gerichtete Ruf. Dabei entspricht ἐκάλεσεν in Mk 1,20 der Wendung Δεῦτε ὀπίσω μου aus Mk 1,17, mit welcher Markus innerhalb der Berufung des Simon und Andreas Jesu Ruf in die Nachfolge in direkter Rede wiedergibt. Die Berufung des Zöll­ ners Levi, die in Mk 2,14 der Perikope von der Tischgemeinschaft unmit­ telbar vorausgeht, steht in deutlicher Nähe zu dieser Erzählung von der Berufung der ersten Jünger in Mk 1,16–20.494 Vor dem Hintergrund der aus Mk 1,17–20 sichtbar werdenden Verbindung von καλέω und ἀκολουθέω er­ gibt sich zudem mit Blick auf Mk 2,14–17 ein enger Zusammenhang zwi­ schen dem Rufen in Mk 2,17 und dem Imperativ ἀκολούθει μοι in Mk 2,14. In der Sicht des markinischen Jesus zielt Tischgemeinschaft demzufolge wie die Begegnung mit Levi am Zoll auf die Umkehr der Zöllner. Die Antwort des markinischen Jesus mit dem Wort vom Rufen lässt sich daher wie folgt para­ phrasieren: „Ich esse nicht – wie ihr es vertretet und fordert – mit Gerechten, sondern mit Sündern, weil gerade sie den Ruf in die Nachfolge brauchen, aus dem mein Auftrag besteht.“ Das Rufen verweist darauf, dass Jesus die Initiative zur Umkehr der Menschen von ihrem früheren Lebenswandel ergreift. Es impliziert je­ doch zugleich, dass die Gerufenen diesem Ruf Folge leisten sollen, wie 494  Markus knüpft in Mk 2,13 durch πάλιν an Mk 1,16 an. Die in Mk 2,14 erzählte Berufung des Zöllners Levi verläuft nach demselben Modell wie die Berufung der ersten Jünger in Mk 1,16–20. Wie dort geht der Ruf in die Nachfolge von Jesus aus und ist personen­ zentriert (Ἀκολούθει μοι). Lukas stellt eine zusätzliche Verbindung zur Berufung der ersten Jünger in Lk 5,1–11 (vor allem V. 11) her, indem er in Lk 5,28 hinzufügt, dass Levi alles zurückgelassen hat.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Levi und die Jünger, die ebenfalls von Jesus gerufen wurden, dies bereits getan haben, indem sie nun hinter Jesus hergehen. Damit ergibt sich in Hinsicht auf das zweite Logion in Mk 2,17 folgende Funktion: Es bringt zum Ausdruck, dass die im ersten Spruch erwähnte Veränderung nicht gleichsam automatisch stattfindet, indem es mit dem Rufen zugleich die Bereitschaft andeutet, diesem Ruf zu folgen. Nicht die bloße Gegenwart Jesu hat somit bereits eine heilende Funktion, sondern die dauerhafte Bindung an Jesus. Das bedeutet aber mit Bezug auf die Tischgemeinschaft, dass der markinische Jesus zwar das vorherige Verhalten der Zöllner und Sünder nicht als unüberbrückbare Barriere für eine Zuwendung zu ihnen ansieht.495 Er isst jedoch nicht einfach mit ihnen, ohne Forderungen auf­ zustellen, sondern mit dem Ziel, sie dadurch zu bessern. Gegen Sanders, der für den historischen Jesus eine Annahme der Sünder ohne Umkehr rekonstruiert,496 ist damit einzuwenden, dass eine solche Deutung sich aus Mk 2,14–17 nicht herleiten lässt.497 Gegenüber dem Vorwurf aus Mk 2,16 lässt Markus Jesus demzufolge feststel­ len, dass es ihm beim Essen mit den Zöllnern und Sündern nicht per se um Essen und Tischgemeinschaft geht, sondern vielmehr um den Ruf in die dau­ erhafte Nachfolge, welche insbesondere in moralischer Hinsicht eine grund­ legende Änderung des Lebenswandels und damit eine moralische Besserung

495   Ähnlich Witherington III, Mk, 123. Damit besteht für Mk 2,15–17 im Vergleich zur Gemein­ schaftsregel aus Qumran ein genau umgekehrtes Verhältnis zwischen der Umkehr und Tischgemeinschaft. Auch für das in der Gemeinschaftsregel erkennbare Mahl spielt das Motiv der Umkehr eine zentrale Rolle (s.o. IIC 2.2). In deutlichem Gegensatz zu Mk 2,15– 17 ist das gemeinsame Essen und Trinken jedoch auf den innersten Kreis beschränkt. Zudem ist in der Gemeinschaftsregel vor der Zulassung zur Tischgemeinschaft in Ver­ bindung mit einem längeren Reinigungsprozess erst eine ausgiebige Phase der Umkehr (vgl. dazu den Schwur) nötig, wohingegen Mk 2,15–17 zufolge die Neuausrichtung des Lebens durch das gemeinsame Essen gerade erst bewirkt wird. Beim Gemeinschaftsmahl in der Gemeinschaftsregel ist die Umkehr somit die entscheidende Voraussetzung für die Zulassung zum Mahl, in Mk 2,15–17 hingegen dessen Ziel bzw. Ergebnis. Dies resultiert aus der unterschiedlichen Verortung der Tischgemeinschaft: In der Gemeinschaftsregel handelt es sich um das Gemeinschaftsmahl im größeren Kontext der Absonderung der Gemeinschaft von Außenstehenden, in Mk 2,15–17 ist Tischgemeinschaft hingegen in das Handeln Jesu als Arzt und sein Rufen eingeordnet, d.h. aber in die Konstituierung seiner dauerhaften Nachfolgegemeinschaft. 496  Vgl. Sanders, Jesus and Judaism, 174–211: Indem Jesus mit den Sündern isst, akzeptiere er die Sünder, ohne sie zur Umkehr zu rufen. Die Forderung der Umkehr sei hingegen erst ein lk. Thema. 497  So auch Blomberg, Jesus, 47; ders., Holiness, 150.156.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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impliziert.498 Die Tischgemeinschaft ist somit nicht das eigentliche Ziel des markinischen Jesus, sondern ein Mittel, um sein grundlegendes Ziel, Sünder zur Umkehr zu rufen, konkret zu verwirklichen. Dazu nutzt der markinische Jesus das Mahl als eine Gelegenheit neben anderen, bei denen er mit Zöllnern und Sündern in Kontakt kommt. Im Einzelnen lässt sich die Situation während des Mahls somit wie folgt rekonstruieren: Während des Mahls setzt sich die Verkündigung Jesu fort, aufgrund derer die Zöllner und Sünder überhaupt ein Interesse an Jesus entwickelt haben und zu ihm gekommen sind. Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus Mk 2,15–17 Folgendes im Hinblick auf die Frage nach der Bedeutung des Gesetzes für den markinischen Jesus: Anders als es die Pharisäer erwarten, beschränkt er engeren Kontakt zwar nicht auf Gerechte und damit auf solche, die den Willen Gottes tun. Das bedeutet jedoch nicht etwa, dass das Gesetz als Wille Gottes für den markinischen Jesus bei diesem engen Kontakt oder gar generell keine Rolle mehr spielt. Das Gesetz hat im Rahmen der von ihm praktizierten Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sün­ dern dennoch eine zentrale Bedeutung, da die Nachfolge bzw. Umkehr, zu der der markinische Jesus bei ihr aufruft, den Gesetzesgehorsam nicht aus-, son­ dern gerade einschließt.499 3.1.4 Die Tradition vom Symposium als Hintergrund von Mk 2,15–17 Aus welcher Tradition und Praxis des Mahls sind die vom markinischen Jesus und seinen Gegnern vertretenen Sichtweisen herzuleiten? Eine Deutung mit dem eschatologischen Mahl als traditionsgeschichtlichem Hintergrund500 scheidet insofern aus, als entsprechende Indizien in Mk 2,15–17 fehlen (vgl. z.B. Lk 14,15) und es sich hier in keinem Fall um das Gruppenmahl an sich handelt, da der Ruf zur Nachfolge überhaupt erst während des Mahls statt­ findet.501 Demgegenüber lässt sich für die Tradition der Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern in Mk 2,15–17 eine große Nähe zum Symposium erkennen, wie sie in der Forschung bisweilen vertreten, jedoch auch heftig ab­ gelehnt wurde:

498  In Lk 5,32 erscheint die Umkehr durch Hinzufügung des Ausdrucks εἰς μετάνοιαν dann ausdrücklich als Ziel des Rufes. 499  Näheres zum Verständnis des Gesetzes bei Markus, vor allem zum Verhältnis zwischen Nachfolge und Gesetz s.u. IIIC 1.3.3.1. 500  Abgesehen von den oben in Anm. 482 genannten Forschern vgl. z.B. auch Hofius, der die Tischgemeinschaft Jesu mit Sündern als „Vorwegnahme des eschatologischen Mahles in der Königsherrschaft Gottes“ deutet (Tischgemeinschaft, 19–21). 501  Das Mahl mit dem zurückgekehrten Sohn in Lk 15,23 ist hingegen dem eschatologischen Mahl ähnlich.

506

IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Die Verortung der im Neuen Testament überlieferten Mähler im Spek­ trum der im 1. Jh. n.Chr. üblichen Mahlpraxis bildet insgesamt einen Schwerpunkt der Forschung zu urchristlichen Mahlfeiern. Im Zentrum dieser in erster Linie historisch ausgerichteten Studien steht die Frage, ob die neutestamentlichen Mähler eher dem griechisch-hellenistischen oder dem frühjüdischen Bereich, zum Beispiel der jüdischen Passahfei­ er, zuzuordnen sind. Dabei betont vor allem Smith den Ursprung der urchristlichen Mähler in der griechisch-römischen Tradition vom Sympo­ sium. Er vergleicht die im Urchristentum überlieferten Mähler (zum Bei­ spiel ihre Struktur, einzelnen Bräuche und hierarchischen Ordnungen) jedoch nicht genauer mit den Kennzeichen des Symposiums. Vielmehr entwickelt er ein Gerüst der typischen Elemente des griechisch-römi­ schen Mahls, das letztlich bei allen von ihm untersuchten Mählern vor­ liege. Vor dem Hintergrund dieser recht allgemeinen Typologie kommt Smith zu dem Ergebnis, dass Jesu Tischgemeinschaften von den Erzäh­ lern der Evangelien in Anlehnung an diese nach seiner Auffassung im gesamten antiken Mittelmeerraum verbreiteten griechisch-römischen Symposien geformt wurden und daher nicht authentisch sind.502 Die von Smith vertretene Symposiumshypothese ist mit mehreren Problemen behaftet503 und daher zum Teil heftig bestritten worden, so zum Beispiel von Blomberg, der unter Ablehnung einer Herleitung von den griechi­ schen Symposien vor allem die Authentizität der Tischgemeinschaft Jesu mit Sündern nachweisen will.504 Die Gestaltung der Erzählungen zur Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern lässt in der Tat einen 502  Vgl. Smith, Symposium, 219.222.229–239; ähnlich Klinghardt, Gemeinschaftsmahl. Vgl. dazu auch den knappen Vergleich der griechisch-römischen Symposiumstradition mit dem jüdischen und urchristlichen Befund zu Mählern bei Smith/Taussig, Many Tables, 21–35 mit 45–48. 503  Problematisch am Vorgehen von Smith ist vor allem die einseitige Betonung der Gemein­ samkeiten. Durch sie lässt sich nämlich kaum erklären, warum Mähler eine wichtige Bedeutung für die Identität der Gemeinschaft haben konnten, da eine solche Funktion eine Differenz gegenüber anderen Mählern zwingend voraussetzt (dazu s.o. I 2.1). Zudem berücksichtigt Smith vor allem die Verankerung innerhalb des Judentums insgesamt nicht ausreichend. 504  Vgl. Blomberg, Jesus, 35f.; ders., Holiness, 21f.: Der Terminus συμπόσια werde einzig in Mk 6,39 gebraucht (von Matthäus und Lukas hingegen gestrichen), doch passe das dor­ tige Sitzen in Gruppen nicht zum griechischen Symposium (Holiness, 105). Zu weiteren Gründen gegen die Einordnung der jüdischen Mähler als Symposium vgl. ebd., 93–96: Im Zentrum des jüdischen Mahles stehe das Brotbrechen, im Mittelpunkt des Symposi­ ums jedoch der Weingenuss. Tischgespräche spielten bei den Mählern Jesu keine zentrale Rolle, so gehe der entscheidende Dialog in Lk 24 dem gemeinsamen Essen voraus (160). Vgl. auch ders., Jesus, 61.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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deutlichen Einfluss der Symposiumstradition erkennen, doch bedeutet dies nicht, dass die Nachrichten zu Jesu Tischgemeinschaft erst sekundär sind. Dagegen spricht bereits die Bezeugung in mehreren voneinander unabhängigen Quellen.505 Die Nähe von Mk 2,15–17 zur Symposiumstradition betrifft nicht nur den Ge­ brauch des Verbums κατάκειμαι.506 Vielmehr weist die Darstellung in Mk 2,15– 17 enge motivische Anknüpfungen an das Symposium auf, die die Sicht des Mahls selbst betreffen. Dabei finden sich innerhalb der Tradition zum grie­ chisch-römischen Gastmahl in ähnlicher Form sowohl die den Pharisäern von Markus zugeschriebene Kritik als auch die offenbar vom markinischen Jesus vertretene Position zum Mahl wieder. Im Rahmen der Symposiumstradition lässt sich nämlich nicht nur die Ablehnung eines gemeinsamen Mahls mit moralisch Verdorbenen aufgrund der damit verbundenen Gefahr der eigenen moralischen Verschlechterung feststellen, sondern auch die Praxis eines Mahls zum Zwecke der moralischen Besserung von Menschen. Die Auffassung der Gegner und die des markinischen Jesus stammen demzufolge aus einem grö­ ßeren Vorstellungskomplex. 3.1.4.1

Die weisheitliche und popularphilosophische Mahnung zur Tischgemeinschaft mit moralisch guten Personen als Hintergrund von Mk 2,16 Mit der Beschränkung der Tischgemeinschaft auf Gerechte, und zwar mora­ lisch Gute, wie sie offenbar die Gegner Jesu vertreten (dazu s.o. 3.1.2.2), steht Mk 2,15–17 in besonderer Nähe zu entsprechenden Forderungen im griechisch­ sprachigen Diasporajudentum (vgl. Sir 9,16; Tob 2,2 GII). Für Sir 9,16 lässt sich nun aber selbst ein deutlicher Einfluss der Tradition vom griechisch-römischen 505  Zu einer ausführlichen Diskussion vgl. zuletzt Ådna, Jesus’ Meals, 342–349, der u.a. im Anschluss an Blomberg für die Historizität argumentiert und dabei insbesondere auf die Vorstellung vom eschatologischen Mahl verweist (349–352). 506  Der Gebrauch von κατάκειμαι deutet zwar auf das Symposium als Hintergrund hin, doch lässt sich von ihm her ein entsprechender Einfluss insofern nicht zwingend erweisen, als dieses Verbum zwar für das Symposium zentral ist (vgl. die häufige Verwendung von κατάκειμαι in Plat. Symp., zu Belegen s.o. Anm. 328; vgl. dazu auch Blümner, Leben und Sitten II, 30; ausführlich zur Ausstattung von Speiseräumen im römischen Bereich Roller, Dining Posture, 15–95; Dunbabin, Banquet, 11–71; zum griechischen Bereich Dunbabin, Dining Couch, 82–89), jedoch darüber hinaus auch für andere Mähler verwendet wurde. Dabei lässt sich für ἀνάκειμαι und κατάκειμαι insofern ein eher offener Gebrauch feststel­ len, als sie nicht auf eine bestimmte Position beim Essen beschränkt sind. Sie bezeichnen das Essen, wobei das Liegen zu Tisch möglich, jedoch nicht zwingend ist (vgl. dazu Louw/ Nida, 23.21; vgl. auch Noy, Sixth Hour, 138; Safrai, Home, 736f.).

508

IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Gastmahl erkennen. Sirach greift hier nämlich offenbar vor einem jüdischen Hintergrund die Forderung nach einer Tischgemeinschaft zwischen Gleichen auf, wie sie in der Symposiumstradition mehrfach belegt ist (s.o. IIB 2.2.2.1). Dabei sind innerhalb der Tradition vom griechischen Gastmahl häufiger Anweisungen überliefert, die Tischgemeinschaft speziell von der guten mo­ ralischen Beschaffenheit der Mahlteilnehmer abhängig machen. Eine Ab­ lehnung der Tischgemeinschaft mit moralisch zumindest fragwürdigen oder gar verwerflichen Menschen ist bereits bei Platon belegt, findet sich dann aber auch bei Autoren wie Plutarch, Epiktet und Gaius Musonius Rufus, die der Entstehung des Markusevangeliums zeitlich näher stehen (s.o. IIB 2.2.1.3c). Im Umfeld einiger dieser Anweisungen wird als Begründung für eine solche Beschränkung der Tischgemeinschaft auf moralisch einwandfreie Personen ausdrücklich die Sorge geäußert, dass enger Umgang mit den falschen Leu­ ten auf zuvor anständige Personen einen negativen Effekt hat. Diese negative Wirkung wird im Einzelnen auf unterschiedliche Art und Weise wiedergege­ ben: So spricht Sirach von einem Ähnlichwerden.507 Gaius Musonius Rufus be­ gründet unter Verwendung eines Zitates von Theognis die Tischgemeinschaft mit guten Männern damit, dass durch das Zusammensein mit Schlechten der Sinn ruiniert werde.508 So wie man durch den Umgang mit Guten Gutes lernt, so durch den Umgang mit Schlechten Schlechtes. Epiktet rät dringend dazu, Tischgemeinschaft mit der ungebildeten Menge zu vermeiden, und gibt als Ergebnis einer solchen Tischgemeinschaft das Herabsinken zur gemeinen Masse an.509 Begründet ist diese Gefahr in dem für antike Mähler zentralen Gemeinschaftsaspekt. Das gemeinsame Essen wird innerhalb der Symposi­ umstradition nämlich als eine Handlung bewertet, bei der es nicht nur um die bloße Nahrungsaufnahme, sondern vor allem um die Gemeinschaft beim Essen geht. Sie war geradezu wichtiger als die Speisen bzw. das Essen selbst.510 Im Rahmen dieser Gemeinschaft können Menschen nun aber auf andere 507  So zwar nicht im direkten Umfeld der Aussage von der Tischgemeinschaft, aber in Sir 13,1 LXX in Hinsicht auf den Kontakt mit dem Hochmütigen: ὁ κοινωνῶν ὑπερηφάνῳ ὁμοιωθήσεται αὐτῷ. 508  Vgl. Gaius Musonius Rufus, Dissertationum a Lucio digestarum reliquiae 11 mit einem Zitat von Theognis (1,35f.): ἢν δὲ κακοῖσιν / συμμίσγηις, ἀπολεῖς καὶ τὸν ἐόντα νόον. 509  Vgl. Epikt. Ench. 33,6 mit dem Vergleich einer eigenen Verunreinigung: μήποτε ἄρα ὑπορρυῇς εἰς ἰδιωτισμόν […] καὶ τὸν συνανατριβόμενον αὐτῷ συμμολύνεσθαι ἀνάγκη. 510  Die primäre Bedeutung der Gemeinschaft beim Essen wird sowohl im Umfeld des Motivs der Freundschaft (vgl. vor allem Plut. Mor. 147F–148A; 708C; Sen. Ep. 19,10; zu den Texten s.o. IIB 2.2.1.1) als auch in Verbindung mit dem Topos der Tischgespräche, aus denen die Gemeinschaft in erster Linie besteht (vgl. vor allem Plut. Mor. 697D; 708D; s.o. IIB 2.2.1.2), mehrfach ausdrücklich betont.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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Menschen Einfluss ausüben, und zwar insbesondere durch die während des Essens stattfindenden Tischgespräche. Innerhalb der Symposiumstradition werden gemeinsame Mahlzeiten somit als eine besonders enge Form des Kontaktes angesehen, wie man ihn nicht zu jedermann, sondern nur zu moralisch Guten haben soll. Das Befolgen des Gesetzes (Sir 9,15f.) oder die Orientierung an der Philosophie511 ermöglichen einen moralisch guten Zustand. Enger Kontakt mit verkommenen Menschen, wie er bei gemeinsamen Mahlzeiten gegeben ist, führt hingegen für Gute bzw. Gerechte umgekehrt gleichsam zwangsläufig dazu, dass sie selbst Schaden nehmen, weil vorher noch gute Menschen dadurch den schlechten Personen ähnlich, d.h. aber selbst ethisch-moralisch verdorben werden. Die Vermeidung einer Tischgemeinschaft mit solchen Personen, die als schlechter Umgang bewertet werden, dient somit dem Zweck, einen schlechten Einfluss dieser Personen auf Menschen, die sich selbst als höherwertig einstufen, zu ver­ meiden und dadurch den eigenen als intakt bewerteten Zustand zu b­ ewahren. Damit findet sich innerhalb der Tradition zum Symposium aber genau die Vor­ stellung, welche sich für Mk 2,15–17 aus dem Arztwort im Umkehrschluss als Position der Gegner Jesu rekonstruieren ließ (s.o. 3.1.3.1). Eine solche Überzeu­ gung war – auch abgesehen von der Frage der Tischgemeinschaft – zur Zeit des Markus verbreitet, und zwar sowohl im pagangriechischen Bereich512 als auch im griechischsprachigen Judentum.513 Die im vorliegenden Text von den Pharisäern vertretene Beschränkung des gemeinsamen Essens auf Gerechte und damit Gesetzestreue, wie sie beispielsweise auch in Sir 9,16 gefordert wird, stellt demzufolge eine konkrete Anwendung der generellen Forderung dar, engen Kontakt mit unanständigen Menschen zu unterlassen. Der größere Rah­ men, in dem Markus die ethisch-moralische Beschaffenheit der Tischpartner verortet, besteht dabei wie in Sir 9,16 aus der Frage, inwieweit diese mit ihrem Verhalten dem Willen Gottes entsprechen. 3.1.4.2 Zur Tradition von Tischgemeinschaft als „Therapie“ in Mk 2,17 Auch die vom markinischen Jesus vertretene Auffassung, dass das gemein­ same Essen mit Verdorbenen auf diese eine therapeutische Wirkung hat, ist in­ nerhalb der Tradition zum griechischen Gastmahl belegt. Dort gibt es nämlich einen anderen Strang, in dem das Ziel des gemeinsamen Essens in der morali­ schen Besserung der Mahlteilnehmer besteht. Bereits in den Gesetzen Platons 511  So vor allem Epikt. Ench. 33,6. 512  Zu Belegen s.o. IIB 2.2.1.3c, mit Parallelen zu 1 Kor 15,33. 513  Vgl. dazu Arist 142 in Verbindung mit den Speisegesetzen (s.o. IIB 1.2.2); daneben auch Philo, Prob. 76; Praem. 21.

510

IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

findet sich die Überzeugung, dass der Leiter eines Gastmahls fähig sein soll, den Charakter der Gäste zu erziehen und zu bilden ([…] τῷ δυναμένῳ τε καὶ ἐπισταμένῳ παιδεύειν τε καὶ πλάττειν in Leg. 671C).514 Sie lässt sich gut vor dem Hintergrund erklären, dass Platon Zusammenkünfte generell als die entschei­ dende Organisationsform bewertet, in der Menschen kommunizieren, um moralisch richtige Vorstellungen zu bewirken.515 In der platonischen Tradition ist das gemeinsame Essen somit eine der Situationen, bei denen die Philosophen mit schlechten Menschen in engen Kontakt kommen und sie von ihrer Lehre überzeugen wollen. Auch der im hel­ lenistischen Bereich weit verbreitete Vergleich von Philosophie und Medizin,516 wie er für das Arztwort in Mk 2,17 aufgewiesen wurde, ist speziell im Rahmen der Symposiumstradition belegt. Dort hat die bildliche Vorstellung vom Arzt demzufolge eine direkte Verbindung zum Komplex der Tischgemeinschaft mit moralisch schlechten Personen: Eine solche Verbindung zwischen Tischgemeinschaft und dem Bereich der Medizin ist in einem der Diogenes von Sinope zugeschriebenen Brie­ fe belegt (Epist. 38,4), welche vermutlich aus dem 1. Jh. v.Chr. stammen517 und damit vor dem Markusevangelium zu datieren sind. Diogenes misst dem gemeinsamen Essen deutlich eine therapeutische Funktion zu, wenn er feststellt, er habe nicht bei allen, sondern nur bei denjeni­ gen gespeist, die Heilung nötig hatten (ἐδείπνουν δὲ οὐ παρὰ πᾶσι, παρὰ μόνοις δὲ τοῖς θεραπείας δεομένοις). Dabei handle es sich um Menschen, die in ihrer Lebensart die Perserkönige nachahmten. Unter der mit dem Mahl beabsichtigten Heilung versteht Diogenes ganz offensichtlich eine 514  Das Gastmahl mit Wein trägt viel zur Erziehung bei (Leg. 641A–C; vgl. 780A–B; 806E), und zwar bietet es insbesondere die Möglichkeit der Erziehung zur Selbstbeherrschung (σωφροσύνη; vgl. Leg. 636A), weil man lernt, der Trunksucht zu widerstehen (649A–B; 671B–D). 515  Vgl. dazu, dass beispielsweise auch der Staatsmann die Menschen durch das Zusammensein mit ihnen bessern soll (Plat. Gorg. 515A–B, vor allem: τίνα φήσεις βελτίω πεποιηκέναι ἄνθρωπον τῇ συνουσίᾳ τῇ σῇ). 516  Eine Verbindung zwischen dem Gastmahl und dem Bereich der Medizin wird in den paganen Schriften, die in zeitlicher Nähe zur Entstehung des Markusevangeliums stehen, auch in anderer Form hergestellt, beispielsweise mit einem besonderen Blick auf den Körper. So kennzeichnet Plutarch den Gastgeber in seinen Tischgesprächen als Arzt, und zwar unter enger Anlehnung an die Beschreibung des Arztes durch Hippokrates (Vam­ vouri Ruffy, Symposium, 144–151). Dabei liegt der Fokus darauf, dass der Gastgeber wie ein Arzt die Bedürfnisse jedes Einzelnen im Blick haben und sein Verhalten daran anpassen soll, um auf diese Weise Schaden für Leib und Seele der Gäste zu vermeiden. Besondere Berücksichtigung findet der Umgang mit Wein. 517  So Malherbe, Cynic Epistles, 14f.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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radikale Änderung des bisherigen Lebenswandels. Er berichtet nämlich genauer, dass er einmal zu Gast bei einem ganz reichen jungen Mann gewesen ist, dieser aber durch das gemeinsame Essen mit ihm zu dem festen Entschluss gekommen sei, in Zukunft keinen Schritt mehr von ihm zu weichen (οὐ γὰρ μὴ ἀπολειφθῶ σου ἕνα πόδα). Daraufhin habe er seinen Besitz verteilt und sei ihm vom folgenden Tag an gefolgt (ἀπὸ τῆς αὔριον δὴ ἐξ ἐκείνου διανείμας τὴν οὐσίαν τοῖς αὑτοῦ ἐμοὶ ἀναλαβὼν τὴν πήραν καὶ διπλώσας τὸν τρίβωνα εἵπετο in 38,5). Angesichts des Befundes, dass es sich bei dem ärztlichen Handeln des markinischen Jesus offenbar ebenfalls um einen Ruf in die dauerhafte Nachfolge Jesu handelt (s.o. 3.1.3.2), ist für diesen Text zum Handeln des Diogenes eine besondere Nähe zu Mk 2,15– 17 zu erkennen. In ihm finden sich nämlich die auch für Mk 2,15–17 zen­ tralen drei Komplexe der Tischgemeinschaft, Medizin und des Rufens in ähnlicher Form wieder.518 Der markinische Jesus entkräftet demzufolge mit dem moralisch-ethisch aus­ gerichteten Arztwort die innerhalb der Symposiumstradition mehrfach beleg­ te Gefahr der moralischen Verschlechterung von Guten durch das Essen mit verdorbenen Personen, indem er dieser als Gegenmodell die ebenfalls aus der Symposiumstradition stammende Vorstellung von Tischgemeinschaft als The­ rapie gegenüberstellt. Die Tradition vom Symposium als Erklärung für die Entstehung des Textes Vor dem Hintergrund dieser Konzeption von Tischgemeinschaft als Thera­ pie lässt sich die oft als schwierig empfundene Entstehung von Mk 2,15–17 gut erklären. In Bezug auf diese stellt sich insbesondere die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Komplex der Tischgemeinschaft und der Ant­ wort Jesu mit dem Arztbild und dem Wort vom Rufen. Bislang blieb letztlich immer unklar, warum Markus Jesus gerade mit dem Arztbild und dem Wort vom Rufen auf den Vorwurf der Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern antworten lässt. Die Verwendung des Arztwortes im Kontext der Tischgemein­ schaft wurde in der bisherigen Forschung oft als unvermittelt bzw. unpas­ send empfunden.519 Dabei handelt es sich bei dem Zusammenhang zwischen

3.1.4.3

518  Zur Nähe zu Lk 19,1–10 s.u. 3.3.2. 519  Vgl. dazu vor allem Lohmeyer, Mk, 56: „Das Wort paßt auch wenig in die angegebene Si­ tuation. Denn heilt etwa dieser Arzt ‚Zöllner und Sünder‘ durch Tischgemeinschaft?“ Vgl. auch Schürmann, Lk I, 292: „Das Bildwort V 17a paßt nicht eigentlich in die Mahlsituation, war also vielleicht schon unabhängig vom jetzigen Zusammenhang isoliert tradiert?“

512

IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

dem Komplex der Tischgemeinschaft und dem Arztspruch bzw. dem ihm entsprechenden Wort vom Rufen um eine Verbindung von zwei bzw. drei520 vonei­nander unabhängigen Überlieferungen der Jesustradition. Dies zeigt der Befund zum Wort des Rufens besonders deutlich. Das Wort vom Rufen ist näm­ lich mehrfach in unterschiedlichen Kontexten, auch abgesehen vom Komplex der Tischgemeinschaft, belegt.521 Für diese Texte ist eine von Mk 2,15–17 un­ abhängige Tradierung anzunehmen,522 sodass sich für das Wort vom Rufen eine vorsynoptische Herkunft nahelegt. Dabei ist der Wortlaut am ehesten mit der parallelen Struktur in Mk 2,17; 2 Clem 2,4 und Barn 5,9 zu rekonstruieren. Das Wort vom Rufen stellt somit aber eindeutig eine eigenständige Tradition gegenüber der der Tischgemeinschaft dar. Ihre Verbindung ist erst sekundär entstanden. Dabei ist eine solche Zusammenstellung vor dem Hintergrund der Symposiumstradition insofern durchaus naheliegend, als es dort mit dem platonischen Modell vom gemeinsamen Essen als Mittel der Erziehung und Besserung523 einen traditionellen Zusammenhang zwischen Tischgemeinschaft und moralischer Besserung gibt. Vor diesem Hintergrund passt dann auch das im vorliegenden Kontext zunächst überraschend anmutende Arztwort gut zum Konflikt um die Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern. Es lässt sich nämlich aus dem Komplex der Tischgemeinschaft selbst herleiten. Dabei betont Markus durch das Arztwort die heilende Funktion des Mahls und ordnet die Tischgemeinschaftspraxis Jesu auf diese Weise besonders deutlich der Konzeption der therapeutischen Tischgemeinschaft zu. Damit ergibt sich für Mk 2,15–17 Folgendes: Die Verbindung zwischen dem gemeinsamen Essen und der Rolle des Arztes für die Hauptfigur eines solchen Mahls wurde nicht erst im Urchristentum erstmalig mit Bezug auf Jesus hergestellt, sondern Mar­ kus greift hier auf eine traditionelle Sichtweise innerhalb der Symposiumstra­ dition zurück und wendet diese auf Jesus an.

520  Neben dem Komplex der Tischgemeinschaft und dem Wort vom Rufen ist die Rede vom Gekommensein ein dritter eigenständiger Überlieferungskomplex. 521  Der Spruch vom Rufen der Sünder findet sich in einer gegenüber Mk 2,17 unveränderten Form auch in 2 Clem 2,4; Barn 5,9, daneben mehrfach in veränderter Form, nämlich mit dem Gedanken der Rettung des Verlorenen (vgl. Lk 19,10; 2 Clem 2,5.7) bzw. der Rettung der Sünder (1 Tim 1,15). 522  Zur Unabhängigkeit von 2 Clem 2,4 von den Synoptikern vgl. Donfried, Setting, 79. Zu einer Unabhängigkeit von Barn 5,9 von Mk 2,17 vgl. Köster, Überlieferung, 145: Das Logion sei der freien Gemeindetradition entnommen. 523  Mit der moralischen Besserung besteht zwischen Mk 2,15–17 und dem platonischen Mo­ dell eine Analogie in der Intention, doch gehören die Gesprächspartner bei Platon ge­ wöhnlich der Oberschicht an.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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Auch in den übrigen Texten zur Tradition der Tischgemeinschaft Jesu mit Zöll­ nern und Sündern finden sich weitere Hinweise auf einen Einfluss des grie­ chisch-römischen Symposiums auf diesen Komplex. So lässt sich in LkQ 7,34/ MtQ 11,19 mit der Bezeichnung Jesu als „Freund der Zöllner und Sünder“ der für die Symposiumstradition zentrale Topos der Freundschaft feststellen (s.u. 3.2). Darüber hinaus ist die Gemeinschaft in Form von Tischgesprächen insbe­ sondere für die lukanischen Mähler von ähnlich großer Bedeutung wie für das griechische Gastmahl (s.u. 3.3.1). 3.1.4.4

Mk 2,15–17 als Indiz für einen hellenistischen Hintergrund des Verfassers Mit der Tradition vom Symposium knüpft Markus an eine sowohl im paga­ nen Bereich als auch im hellenistischen Judentum verbreitete Vorstellung an. Damit ermöglicht Markus seinen vermutlich überwiegend heidenchristlichen Lesern ein Verständnis in Anlehnung an eine Vorstellung, die ihnen nicht fremd war. Auch für die heidenchristlichen Leser des Markus ist das gemeinsa­ me Essen mit moralisch Verdorbenen anstößig und verlangt daher nach einer entsprechenden Erklärung. Was lässt sich aus diesem Befund über den Verfasser des Markusevange­ liums ableiten? Die deutlich erkennbare Anknüpfung an das Arztwort und verschiedene Stränge innerhalb der Symposiumstradition lassen auf einen griechisch-hellenistischen Hintergrund des Autors schließen.524 Dies gilt umso mehr, als das Modell der therapeutischen Tischgemeinschaft im antiken Ju­ dentum offenbar keine breitere Rezeption erfahren hat.525 Auf eine starke Hellenisierungstendenz im Markustext deutet zudem die Darstellung der Kontroverse in Form einer Chrie hin. Chrien stammen nämlich nicht aus der jüdischen Tradition, sondern sind hellenistisch-griechischen Ursprungs. Die Chrien innerhalb der Jesusüberlieferung haben ihre nächsten Entsprechun­ gen in der griechischen Literatur der Kaiserzeit. Anders als in den Schriften des Judentums des Zweiten Tempels526 sind Chrien in den pagangriechischen

524  Vgl. dazu, dass Luz die mk. Streitgespräche wie Mk 2,15ff.; 2,23ff. im hellenistischen Juden­ tum verortet, vor allem weil die Pharisäer aus einer gewissen Distanz geschildert werden (Jünger, 167). 525  Vgl. dazu, dass sich der Gebrauch des Arztwortes speziell im Kontext der Tischgemein­ schaft in den Schriften des antiken Judentums nicht nachweisen lässt. 526  In der jüdischen Literatur des Zeitalters des Zweiten Tempels finden sich Chrien ins­ gesamt nur selten und gehen ebenfalls auf den Einfluss aus der griechischen Tradition zurück, so bei Philo (vgl. Greenspoon, Story) und im Testament Hiobs (vgl. VanderKam, Stories).

514

IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Sammlungen über Philosophen (vor allem zum Kyniker Diogenes) und Politi­ ker ausgesprochen zahlreich überliefert.527 3.1.5 Zusammenfassung Der Konflikt zwischen den Schriftgelehrten der Pharisäer und dem markini­ schen Jesus zur Frage der Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern hat seinen Grund in einer unterschiedlichen Bestimmung der Bedeutung und Funktion eines gemeinsamen Mahls. Dabei steht sowohl für die Pharisäer, wie Markus sie darstellt, als auch für den markinischen Jesus selbst jeweils die Gemeinschaft beim Essen im Zentrum. Die Ablehnung der Tischgemeinschaft mit Sündern und Zöllnern durch die Pharisäer resultiert jedoch nicht etwa aus einer rituellen Unreinheit der Zöllner bzw. rituellen Vorschriften, wie dies in der Forschung zumeist angenommen wird. Sie ist vielmehr in der schlechten moralisch-ethischen Beschaffenheit der Zöllner und Sünder begründet, wel­ che innerhalb der Synoptiker und darüber hinaus der Hauptkritikpunkt an den Zöllnern ist. Die Pharisäer verstehen das gemeinsame Essen – wie für die Antike breit belegt – als enge Form des gesellschaftlichen Umgangs, welcher den Tischpartnern die Gelegenheit des gegenseitigen Austauschs bietet. Von daher fordern sie eine Beschränkung des Mahls auf solche, die moralisch auf der gleichen Stufe stehen, und zwar genauer eine strikte Beschränkung auf Gute, um einen schlechten Einfluss unanständiger Leute auf diese Guten zu verhindern. Dabei bewegen sich die Pharisäer mit dieser Auffassung, die ihnen von Markus zugeschrieben wird, innerhalb einer gängigen Praxis. Sowohl im griechisch-römischen als auch im jüdischen Bereich wird nämlich häufig ge­ fordert, Tischgemeinschaft nur mit solchen einzugehen, die von ebenso un­ zweifelhafter moralischer Beschaffenheit sind wie man selbst. Andernfalls aber werden gefährliche Auswirkungen auf die eigene Person als notwendige Folge hingestellt. Auf einen solchen ethisch-moralischen Hintergrund der Kritik der Pharisä­ er deutet auch das vom markinischen Jesus in Mk 2,17 als Antwort angeführte Wort vom Arzt hin. Dieses wird nämlich im hellenistischen Bereich mehrfach zur Rechtfertigung des Kontaktes mit schlechten Menschen gebraucht, indem als Ziel eines solchen Kontaktes die moralische Besserung der Verdorbenen herausgestellt wird. Dieses Argument liegt auch im Fokus des vorliegenden 527  Vgl. dazu die Übersicht bei Berger, Hellenistische Gattungen, 1096–1103; Robbins, Chreia; Hezser, Chrie (einschließlich einer späteren Rezeption bei rabbinischen und patristi­ schen Autoren). Demgegenüber wollte Bultmann für die Streit- und Schulgespräche einen palästinisch-judenchristlichen Hintergrund nachweisen, doch ist das dafür von ihm herangezogene Vergleichsmaterial deutlich später (überwiegend post-tannaitisch) zu datieren und bietet keine wirklichen Parallelen (dazu Porton, Story).

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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Textes. Das zeigt insbesondere das Wort vom Rufen in Mk 2,17b, da dieser Ruf auf die dauerhafte Nachfolge Jesu und damit auf eine grundsätzliche Umkehr abzielt. Für den markinischen Jesus ist die von ihm praktizierte Tischgemein­ schaft mit Zöllnern und Sündern demzufolge kein Mittel zum Austausch zwischen Gleichartigen, sondern ein Mittel seiner Verkündigung (ἦλθον). Er sieht somit aber nicht einfach über das Fehlverhalten der Sünder hinweg oder wird – wie es die Gegner befürchten – gar selbst zu einem Sünder, sondern ruft umgekehrt diejenigen, die bisher gegen den Willen Gottes verstoßen, zur Erfüllung des Willens Gottes auf. Während die von den Pharisäern geforderte Beschränkung der Tischgemeinschaft auf gute Menschen den bereits vorhan­ denen guten Status aller Mahlteilnehmer aufrechterhalten soll, ermöglicht der markinische Jesus mit seiner Tischgemeinschaftspraxis geradezu die Verände­ rung eines bestehenden schlechten moralischen Status zum Positiven. Der vorliegende Text weist in mehreren Motiven eine große Nähe zur Tradi­ tion vom Symposium auf. Dort findet sich nicht nur die von den Gegnern Jesu vertretene Ablehnung von Tischgemeinschaft mit Verdorbenen, sondern auch deren Verteidigung mit dem Argument der moralischen Besserung, einschließ­ lich der vom markinischen Jesus zu diesem Zweck in Anspruch genommenen Rolle als Arzt. Dabei ist beispielsweise mit Bezug auf Diogenes die Vorstellung vom Mahl als Therapie überliefert, und zwar genauer durch das Rufen in die Nachfolge, das während dieses Mahls stattfindet. Damit gilt jedoch, dass Mar­ kus den Konflikt zwischen Jesus und den Pharisäern zur Tischgemeinschaft mit den Zöllnern und Sündern vor dem Hintergrund verschiedener Sichtwei­ sen zum gemeinsamen Essen darstellt, wie sie in der Tradition vom Symposi­ um bezeugt sind. Jesus als „Freund der Zöllner und Sünder“ in der Spruchquelle (Lk 7,33–35/Mt 11,18f.) Auch die der Spruchquelle zugewiesene Bezeichnung Jesu als ἄνθρωπος φάγος καὶ οἰνοπότης, φίλος τελωνῶν καὶ ἁμαρτωλῶν (Lk 7,34; vgl. Mt 11,19528) lässt noch deutlich erkennen, dass Jesus mit den Zöllnern und Sündern Umgang pflegte und damit Anstoß erregte. Bei dieser Bezeichnung handelt es sich eindeutig um einen Vorwurf, wie die kontextuelle Einbettung erkennen lässt: 3.2

Die Bezeichnung Jesu als „Freund der Zöllner und Sünder“ findet sich im Kontext der ersten Reaktion Jesu auf die sich abzeichnende Ablehnung

528  Mt 11,19 überliefert gegenüber Lk 7,34 eine umgekehrte Stellung von τελωνῶν und φίλος.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

durch seine Zeitgenossen.529 Diese Generation530 wird mit Kindern ver­ glichen, die in ihrem Spiel nicht wissen, was sie wollen und in jedem Fall mit dem, wozu sie aufgefordert werden, unzufrieden sind (Mt 11,17/ Lk 7,32). Das zeige sich in dem Urteil der Leute über Jesus und Johannes den Täufer, von denen es ihnen keiner hat recht machen können. Beide werden in ein Verhältnis zueinander gesetzt, indem sie durch das zwei­ malige ἦλθον (Mt 11,18f.) bzw. ἐλήλυθεν (Lk 7,33f.) einander zugeordnet werden.531 Beide unterscheiden sich im Hinblick auf ihr Essverhalten strikt voneinander, doch werden beide abgelehnt. Dabei wird Johannes der Täufer, der sich des Essens von Brot und des Trinkens von Wein enthält (vgl. Lk 7,33: μὴ ἐσθίων ἄρτον μήτε πίνων οἶνον)532 und dement­ sprechend Asket ist, als von Dämonen Besessener verurteilt (Δαιμόνιον ἔχει). Der essende und trinkende Menschensohn (ἐσθίων καὶ πίνων) wird hingegen als Fresser und Weinsäufer sowie als Freund der Zöllner und Sünder bezeichnet: Ἰδοὺ ἄνθρωπος φάγος καὶ οἰνοπότης, φίλος τελωνῶν καὶ ἁμαρτωλῶν (Lk 7,34). Dass es sich bei den Bezeichnungen von Johannes und Jesus um Schimpfwörter handelt, zeigt schließlich auch die jeweils folgende Aussage von der „Rechtfertigung der Weisheit“. Sie ist nämlich offenbar eine Gegenaussage zu den vorangehenden Schmähungen. Während das Volk beide nicht erkennt, sondern ablehnt, werden Johannes und Jesus,

529  Der genaue Kontext unterscheidet sich. Nach Mt 11,12–15 leidet das Königreich seit den Tagen Johannes des Täufers bis heute Gewalt, in Lk 7,29f. geben das Volk und die Zöllner Gott die Ehre, wohingegen die Pharisäer und Schriftgelehrten verachten, was Gott gefällt. 530  Die gegenwärtige Generation wird von Matthäus immer im negativen Sinne verstanden (12,45: „böse Generation“, 16,4: „böse und ehebrecherische Generation“). 531  Vgl. Schürmann, Lk I, 428: „Jesus ist hier Johannes neben-, nicht (wie später) untergeord­ net“. Bei Matthäus findet sich eine besondere Tendenz zur Parallelisierung von Johannes dem Täufer und Jesus. So verkündigt der Täufer keine Taufe zur Umkehr (so Mk 1,4b), sondern einen Ruf zur Umkehr, wodurch die Verkündigung des Täufers der Predigt Jesu angeglichen wird (vgl. Mt 3,2 mit 4,17). Das Wort von der Schlangenbrut (3,7) wird von Matthäus auch in der Drohpredigt Jesu (12,34; 23,33) aufgenommen. Das Wort vom Baum, der nicht gute Früchte bringt (3,10), wird wörtlich von Jesus in der Bergpredigt angeführt (7,19). Der abschließende Hinweis auf das Endgericht in Mt 3,12 begegnet häufig in Reden Jesu (7,19; 13,40–42.50; 25,31–46). Zur Parallelisierungstendenz vgl. neben Mt 11,2–19 auch 3,11f.; 17,10–12: Der Menschensohn wird unter den gleichen Leuten zu leiden haben wie Johannes der Täufer (21,23–27, V. 26 mit 21,46). 532  In Mt 11,18 fehlen bei Johannes dem Täufer im Vergleich zu Lk 7,33 die Objekte des Essens und Trinkens (d.h. Brot und Wein), wodurch sich eine Annäherung an die Beschreibung Jesu ergibt, in deren Rahmen diese näheren Bestimmungen jeweils ebenfalls fehlen.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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der in besonderer Weise als Weisheit Gottes verstanden wird,533 entwe­ der von ihren Kindern, d.h. der Gemeinde (vgl. Lk 7,35), oder wegen ihrer Werke, d.h. allein aus ihrem Handeln selbst (Mt 11,19),534 ins Recht gesetzt.535 Die negative Bewertung des Verhaltens von Johannes und Jesus durch die Leute ist demzufolge unzutreffend. Die nähere Kennzeichnung von Johannes dem Täufer und Jesus im Hinblick auf ihr Essverhalten deutet darauf hin, dass der Tadel an ihnen offenbar in eben diesem Essverhalten begründet ist. Die Bezeichnung Jesu als Fresser und Weinsäufer zeigt, dass der Kritikpunkt an seinem Verhalten in Bezug auf das Essen und Trinken zum einen in einem übermäßigen Genuss gesehen wird.536 Daneben ist das Essverhalten Jesu offenbar zugleich Anlass für den Tadel als „Freund der Zöllner und Sünder“. Problematisch sind in diesem Fall jedoch nicht die Speisen, sondern das gemeinsame Essen mit Zöllnern und Sündern, das in verschiedenen Traditionssträngen der Jesusüberlieferung mehrfach be­ legt ist. Dabei lässt sich insbesondere für Lk 7,34 eine große Nähe zu dieser Tra­ dition erkennen. Lk 7,34 bezieht sich nämlich klar auf Lk 5,29–32 zurück, der zentralen Szene innerhalb des Lukasevangeliums, in der Jesus als jemand dar­ gestellt wird, der mit Sündern und Zöllnern isst.537 Jesu Umgang mit Sündern im Rahmen von Tischgemeinschaften findet sich dann deutlich in der unmit­ telbar auf Lk 7,31–35 folgenden Erzählung wieder, wo die Salbung Jesu durch

533  Vgl. dazu, dass sich aus Lk 11,49 schlussfolgern lässt, dass Johannes und Jesus gleichsam Gesandte der göttlichen Weisheit sind. 534  Zur Differenz des Logions von der Rechtfertigung der Weisheit in Mt 11,19 und Lk 7,35 vgl. Luz, Mt II, 188f. Ihm zufolge knüpft Matthäus mit „Werke“ an Mt 11,2 an, sodass Werke der Weisheit „die Heilungswunder und die Verkündigung des Christus – und nicht des Johannes – in Israel“ sind. Mt 11,19e sei daher nur ein Kommentarwort zu V. 19a–d und nicht – wie in der Logienquelle – zu V. 18f. 535  Zu einer solchen Paraphrase von ἐδικαιώθη vgl. u.a. Wolter, Lk, 284.288. Dabei bringe diese Wendung zum Ausdruck, dass die Weisheit durch die Lebensführung ihrer Kinder als Weisheit „legitimiert“ wird (im Anschluss an Kilgallen). Ein Verständnis, dem zufolge die Weisheit „Recht bekommt“ (so vielfach, z.B. Schweizer, Mt, 172, unter Hinweis auf Lk 7,29; Röm 3,4f.; 1 Tim 3,16), sei demgegenüber zu schwach. Philipps, Wise Person, schlägt für das Motiv der Weisheit anstelle des biblischen Hintergrundes der Weisheit die philoso­ phische Tradition vom weisen Menschen vor. 536  Die Kombination φάγος καὶ οἰνοπότης erscheint nur hier im Neuen Testament. Zur nega­ tiven Sicht des übermäßigen Genusses vgl. Dtn 21,20; Spr 23,20f. Im Hintergrund des Vor­ wurfs an Jesus könnte das von seinen Jüngern im Gegensatz zu den Jüngern des Johannes nicht praktizierte Fasten stehen (Mk 2,18–22/Mt 9,14–17/Lk 5,33–38). 537  In Lk 7,34 ist wie in Lk 5,32 im Perfekt vom Gekommensein die Rede, hier ἐλήλυθεν.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

eine Sünderin538 im Haus eines Pharisäers während eines Essens stattfindet (7,36–50).539 Darüber hinaus lässt sich die in Lk 7,34/Mt 11,19 hergestellte Ver­ bindung zwischen dem Essverhalten Jesu und dessen Beleidigung als „Freund der Zöllner und Sünder“ gut erklären, wenn man das Essen auf die mehrfach überlieferten Konflikte zur Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern bezieht. Mit der Bezeichnung Jesu als „Freund“ ist nämlich insofern eine auf­ fallende Nähe zum Komplex der Tischgemeinschaft zu erkennen,540 als die hellenistische Tradition der Freundschaft ein zentraler Topos des griechischen Gastmahls ist (s.o. IIB 2.2.1.1). Innerhalb der antiken Mahlpraxis zum Sympo­ sium wird das gemeinsame Essen generell als eine Handlung angesehen, mit der Freunde und enge Vertraute Gemeinschaft pflegen. Eine solche Bewer­ tung gilt zudem nicht nur für den griechisch-römischen Bereich, sondern hat auch Aufnahme im hellenistischen Judentum erfahren, wie insbesondere das Sirachbuch zeigt (s.o. IIB 2.2.2.1). Angesichts dieses engen Zusammenhangs von Tischgemeinschaft und Freundschaft lässt sich aus dem Befund, mit wem jemand Tischgemeinschaft pflegt, im Umkehrschluss erkennen, wer zu des­ sen Freunden und Vertrauten gehört.541 Setzt man das mehrfach überlieferte gemeinsame Essen Jesu mit den Zöllnern und Sündern als Hintergrund der Bezeichnung Jesu als „Freund der Zöllner und Sünder“ an, so lässt sich deren Zustandekommen somit gut erklären. Auch diejenigen, die für die Beschimp­ fung Jesu als „Freund der Zöllner und Sünder“ ­verantwortlich sind, gehen von dem im Hellenismus allgemein gängigen Brauch der Tischgemeinschaft unter Freunden aus. Die Tischgemeinschaft Jesu mit den Zöllnern und Sündern lässt dann aber tatsächlich auf eine freundschaftliche Beziehung Jesu zu den Zöll­ nern und Sündern schließen. Dabei spiegelt der Gebrauch der Bezeichnung „Freund der Zöllner und Sünder“ als Vorwurf eine Bewertung wider, der zufol­ ge man zu den betreffenden Personen gerade keine freundschaftliche Bezie­ hung und damit auch keine Tischgemeinschaft haben soll. Damit steht diese Bezeichnung aber in deutlicher Nähe zur Kritik an der Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern in Mk 2,15–17, welche ebenfalls vor dem Hinter­ grund der Symposiumstradition dargestellt wird (s.o. 3.1.4.1 mit IIB 2.2.1.3c).

538  Vgl. dazu vor allem die Vergebung der Sünden in Lk 7,47f.: ἀφέωνται αἱ ἁμαρτίαι αὐτῆς αἱ πολλαί […]. Ἀφέωνταί σου αἱ ἁμαρτίαι. 539  Die von der Frau initiierte Salbung lässt darauf schließen, dass bei ihr – anders als bei den Zöllnern und Sündern mit Ausnahme des Levi – offenbar eine gewisse Veränderung schon vor der Mahlszene eingesetzt hat. 540  Zur Verbindung von Freundschaft und Tischgemeinschaft vgl. auch Lk 14,12, wo diese Tra­ dition jedoch gerade abgelehnt wird. 541  So z.B. ausdrücklich bei Lukian, Par. 22 (zur Stelle s.o. IIB 2.2.1.1).

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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Der Tadel Jesu als „Freund der Zöllner und Sünder“ basiert demzufolge auf der Tradition der Tischgemeinschaft Jesu mit den Zöllnern und Sündern und hat seinen Hintergrund ebenso wie die Deutung dieser Überlieferung in Mk 2,15–17 in der Symposiumstradition. Damit legt sich im Hinblick auf die Entstehung dieser Beschimpfung ein hellenistischer Einfluss nahe. Dies steht nicht im Widerspruch zur gängigen Verortung der Logienquelle in der palästinischen Jesus-Bewegung des 1. Jh. n.Chr. Auch für palästinische Juden lässt sich nämlich eine Anknüpfung an die ursprünglich aus dem Hellenismus stam­ mende Symposiumstradition durchaus voraussetzen. Dabei ist die Aufnahme der Symposiumstradition in der Logienquelle gut von der Anknüpfung an die Vorstellung und Praxis des griechischen Gastmahls her zu erklären, wie sie im Sirachbuch erkennbar ist. Dort finden sich nämlich Motive aus der Tradition zum Symposium nicht erst innerhalb der griechischen Übersetzung, sondern bereits im hebräischen Text (Sir 9,16 [HA]; s.o. IIB 2.2.2.1). Diese Aufnahme der Symposiums­tradition im hebräischen Sirachbuch zeigt, dass sie nicht nur im griechischsprachigen Judentum rezipiert wurde. Vielmehr war sie ganz offen­ sichtlich bereits vor der zumeist auf den Zeitraum zwischen 40–50 n.Chr. da­ tierten Entstehung der Logienquelle im religiösen Milieu Palästinas verbreitet. Mit dieser Aufnahme der Symposiumstradition lässt die Logienquelle deutlich erkennen, dass das Urchristentum Teil des offensichtlich generell in erhebli­ chem Maße hellenisierten Judentums ist.542 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern als Mittel zur Umkehr im lukanischen Sondergut Ein auffallender Schwerpunkt auf dem Komplex der Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern lässt sich innerhalb des Lukasevangeliums erken­ nen. Lukas, der generell ein besonderes Interesse an Mählern hat543 und dabei Elemente aus der griechischen Tradition aufnimmt,544 überliefert nämlich nicht nur die bereits in Mk 2,15–17 zu findende Tradition zur Tischgemein­ schaft Jesu mit Zöllnern und Sündern (Lk 5,27–32) sowie die in der Spruch­ quelle belegte Bezeichnung Jesu als „Freund der Zöllner und Sünder“ (Lk 7,34), sondern rekurriert auf diesen Stoff darüber hinaus auch in seinem sogenann­ ten Sondergut. Dabei wird jeweils der bereits in Lk 5,32 gegenüber Mk 2,17 3.3

542  Zur Hellenisierung des Judentums vgl. vor allem Hengel (s.o. Einleitung zu II). 543  Vgl. dazu im Allgemeinen zum Lukasevangelium z.B. McMahan, Meals; Smith, Table Fellowship; Ebner, Gastmahlszenen; Hallig, Eating Motif (mit einem besonderen Blick auf die Funktion des Motivs des Essens für die Gesamterzählung); daneben den Titel des Buches von Moessner: „The Lord of the Banquet“; zur Apostelgeschichte z.B. Marguerat, Meals. 544  So z.B. Ernst, Gastmahlgespräche, 57.62.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

verstärkte Aspekt der Umkehr (vgl. das zusätzliche εἰς μετάνοιαν) besonders hervorgehoben. In Lk 15 bestimmt der lukanische Jesus Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern durch die Gleichnisse vom Suchen und Finden des Verlorenen näher als Zuwendung zum Verlorenen, welche die Umkehr der Sünder zum Ziel hat. In Lk 19,1–10 wird an einem konkreten Einzelbeispiel dargestellt, wie die Einkehr Jesu in das Haus eines Sünders mit der in diesem Zusammenhang stattfindenden Tischgemeinschaft Rettung, d.h. moralische Besserung, bewirkt. 3.3.1

Die Gleichnisse vom Suchen des Verlorenen als Rechtfertigung für Jesu Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern (Lk 15,1f.) In Lk 15,1f. findet sich im Rahmen einer zusammenfassenden Darstellung der Verkündigung Jesu an die Zöllner (vgl. 7,29; 18,9–14; 19,1–10) und Sünder (vgl. 7,36–50; daneben auch 6,32f. mit Mt 5,46, dort Zöllner) eine weitere Notiz darüber, dass Jesus regelmäßig Kontakt mit Zöllnern und Sündern pflegte und durch dieses Verhalten Kritik auslöste: (1) Ἦσαν δὲ ἐγγίζοντες545 αὐτῷ πάντες οἱ τελῶναι καὶ οἱ ἁμαρτωλοί, ἀκούειν αὐτοῦ. (2) καὶ διεγόγγυζον546 οἵ τε Φαρισαῖοι καὶ οἱ γραμματεῖς λέγοντες ὅτι οὗτος ἁμαρτωλοὺς προσδέχεται καὶ συνεσθίει αὐτοῖς. Da­ nach weist Jesus die Zöllner und Sünder,547 die in seine Nähe kommen, nicht ab,548 sondern nimmt sie auf und gewährt ihnen Gastfreundschaft.549 Diese von ihm nicht verweigerte Gastfreundschaft umfasst auch Tischgemeinschaft. Die Nachricht vom gemeinsamen Essen in Lk 15,2 ruft deutlich Lk 5,27–32 in Erinnerung und weist auf Lk 19,7 voraus. Der lukanische Jesus rechtfertigt seine Zuwendung zu den Zöllnern und Sündern dadurch, dass er mit ihr dem Verhalten Gottes entspricht (vgl. vor allem die Kennzeichnung des Vaters in Lk 15,11–32). Zu diesem Zweck führt er ausführlich drei Gleichnisse an,550 in deren Zentrum jeweils die Suche und das Finden des Verlorenen stehen (vgl. bes. 15,4.6.8.24.32). Dieses Suchen des Verlorenen bringt zum Ausdruck, dass Gott die Sünder nicht aufgibt und sich selbst überlässt, sondern ihnen nachgeht, wobei er sie zur Umkehr bewegen 545  Das periphrastische Imperfekt rekurriert auf einen generellen Umstand, nicht auf ein be­ stimmtes Ereignis (vgl. Wolter, Lk, 522). 546  Die Reaktion auf den Umgang Jesu mit Zöllnern wird auch in Lk 19,7 mit διεγόγγυζον wie­ dergegeben; vgl. auch Lk 5,30: ἐγόγγυζον (schon dort über Mk 2,16 hinaus). 547   Πάντες ist am ehesten als Hyperbel zu verstehen. 548  Damit stimmt Lk 15,1f. im Hinblick auf die vorausgesetzte Mahlsituation mit der Darstel­ lung in Mk 2,15–17 überein (s.o. 3.1.1.2). 549  Zu einem ähnlichen Gebrauch von προσδέχομαι in Lk 15,2 vgl. Röm 16,2; Phil 2,29, jeweils im Sinne von „jemanden aufnehmen, jemandem Gastfreundschaft gewähren“ (vgl. Palz­ kill, προσδέχομαι, 392). 550  Zur Verbindung der Einleitung in Lk 15,1f. mit allen drei Gleichnissen vgl. Klein, Lk, 520.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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will. Ein integraler Bestandteil dieser Gleichnisse ist nämlich das für Lukas ge­ nerell besonders wichtige Konzept der μετάνοια.551 Dessen zentrale Bedeutung wird vor allem daran deutlich, dass der Gebrauch des Motivs der Umkehr bzw. Sinnesänderung552 zu einer gewissen Inkohärenz innerhalb der Erzählungen führt. Die Umkehr passt nämlich nur schlecht zu dem in den Gleichnissen je­ weils besonders herausgearbeiteten Finden des Verlorenen, da dies im Gegen­ satz zur aktiv von den Sündern zu vollziehenden Umkehr mit Blick auf das Verlorene einen passiven Vorgang, d.h. ein „Gefundenwerden“, darstellt.553 Das Verlorene wird demzufolge zwar gesucht und gefunden, muss jedoch zugleich umkehren. Tischgemeinschaft mit Sündern und Zöllnern gehört somit nach Lukas zum Suchen des Verlorenen, welches auf eine Umkehr dieses Verlorenen, d.h. der Sünder, zielt. Damit dient dann aber auch die Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern dieser Umkehr. Im Hinblick auf das Zustandekom­ men der Umkehr lässt sich in erster Linie an die während eines gemeinsa­ men Mahls stattfindenden Tischgespräche denken. Dabei deutet innerhalb des vorliegenden Kontextes insbesondere das in Lk 15,1 als Ziel des Zuströ­ mens der Zöllner und Sünder genannte Hören Jesu (ἀκούειν αὐτοῦ) auf eine lehrreiche Funktion der Tischgespräche hin. Sie findet sich ausdrücklich in der Symposiumstradition554 und gilt insbesondere für die Konzeption 551  Vgl. dazu vor allem die Formulierung in Lk 15,7, die der Wendung aus Mk 2,17 sehr ähnlich ist, jedoch anstelle von „Arzt“ die Umkehr erwähnt: οὕτως χαρὰ ἐν τῷ οὐρανῷ ἔσται ἐπὶ ἑνὶ ἁμαρτωλῷ μετανοοῦντι ἢ ἐπὶ ἐνενήκοντα ἐννέα δικαίοις οἵτινες οὐ χρείαν ἔχουσιν μετανοίας. Vgl. daneben auch Lk 15,10: οὕτως, λέγω ὑμῖν, γίνεται χαρὰ ἐνώπιον τῶν ἀγγέλων τοῦ θεοῦ ἐπὶ ἑνὶ ἁμαρτωλῷ μετανοοῦντι. Als Gegensatz zur Umkehr vgl. auch ἥμαρτον in Lk 15,18.21. Zu μετάνοια κτλ. als Schlüsselwort für das lk. Doppelwerk vgl. Lk 3,3.8; 5,32; 13,3.5; 15,1–32 (vor allem 15,7.10); 17,3; 24,47; Apg 2,38; 3,19; 5,31; 8,22; 11,18; 13,24; 17,30; 19,4; 20,21; 26,20; vgl. auch Mt 21,31f. Das Motiv der μετάνοια ist für Lukas eng mit heilsgeschichtlichen Wende­ punkten verknüpft (Lk 3,2f.; 24,47; Apg 2,38; vgl. auch Lk 15,1–10; Apg 20,21). 552  Für ein Verständnis von μετάνοια als „Sinnesänderung“ plädiert zuletzt Konstan, Regret, 128–132, im Gegensatz zu einer in der Forschung vielfach verbreiteten Deutung im Sinne von „Reue“. Demgegenüber sieht Sellner, Heil, 142–157, als Zentrum der lk. Verwendung von μετάνοια die Änderung des äußeren Lebenswandels an, welche bei einem Verständnis im Sinne von „Gesinnungswandel“ nicht ausreichend Berücksichtigung finde. 553  Im Fall der Gleichnisse vom verlorenen Schaf und vom verlorenen Geldstück besteht das schiefe Verhältnis zwischen Bild- und Aussageebene. Auf der Aussageebene ist von Umkehr die Rede (Lk 15,7.10), auf der Bildebene vom Suchen und Finden des Schäfers (15,4–6) bzw. der Frau (15,8f.). In der Parabel vom verlorenen Sohn finden sich die Motive der Umkehr (Lk 15,18f.21) und des Gefundenwerdens (15,24.32) nebeneinander innerhalb der Welt der Erzählung. 554  Vgl. dazu die lehrreiche Bedeutung des gemeinsamen Essens bei Gaius Musonius Rufus, die Verbindung von Tischgenossen und Ratgebern bei Lukian sowie die Forderung nach einem lehrreichen Inhalt der Tischgespräche bei Plutarch (Belege s.o. IIB 2.2.1.3c).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

von Tischgemeinschaft als Therapie (s.o. 3.1.4.2). Darüber hinaus spricht die Kompositionsstruktur des Lukas für einen Einfluss der Symposiumsliteratur. Das kompositorische Prinzip des Lukas besteht nämlich offenbar aus einer Aneinanderreihung mehrerer Gastmähler, die jeweils der größere Rahmen für lehrhafte Gespräche sind.555 Dies erinnert aber deutlich an das Symposium als literarische Gattung.556 Dabei besteht für Lk 15,1f. ein enger Zusammenhang zu Lk 14,1–24.557 Ein solcher Lehrkontext gilt auch für das in Lk 7,36–50 erwähn­ te Mahl, das durch das Auftreten einer Sünderin eine besondere Verbindung zum Komplex der Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern aufweist. Dort situiert Lukas nämlich den Unterricht, in dem sich Jesus mit dem Phari­ säer Simon befindet, in einem Gastmahl. Während der markinische Jesus beim Gehen lehrt, tut der lukanische Jesus dies gleichsam beim Essen. Die Tischgemeinschaft Jesu mit Zachäus zur Rettung des Verlorenen (Lk 19,1–10) Im Rahmen des Lukasevangeliums steht am Ende der öffentlichen Wirksam­ keit Jesu eine Begegnung mit Zachäus (19,1–10). Dort wird ein gemeinsames Mahl zwar nicht explizit erwähnt, doch wird eindeutig vorausgesetzt, dass Jesus auf seiner Reise558 in das Haus des Zöllners einkehrt. Als Gegenstand der Kritik an Jesus (vgl. διεγόγγυζον in 19,7) gibt Lukas nämlich an, dass „er hin­ gegangen ist, um bei einem Sünder559 Rast zu machen“ (παρὰ ἁμαρτωλῷ ἀνδρὶ εἰσῆλθεν καταλῦσαι in 19,7), wie eine nähere Untersuchung dieses Vorwurfs zeigt: 3.3.2

555  Vgl. dazu vor allem die Mähler von Jesus mit den Pharisäern: Lk 7,36–50; 11,37–54; 14,1–24. Zu einem Überblick über die Mahlkonzeption im Lukasevangelium insgesamt LeinhäuplWilke, Gast, 109–116; zum Einfluss der Gattung des Symposiums auf Lk 7,36–50; 11,37–54; 14,1–24 vgl. Steele, Symposium; daneben Smith, Symposium, 256–258. 556  Zur Entstehung der Symposiumsliteratur als literarischer Gattung im 4. Jh. v.Chr. (vor allem bei Platon und Xenophon) und deren Verbreitung bis in die Spätantike (vgl. Macro­ bius) vgl. Martin, Symposion; König, Saints. 557  Vgl. dazu, dass sich in Lk 14,12–24 eine weitere Tradition zum Mahl zwischen statusin­ kongruenten Personen findet: Nicht Gleichrangige, sondern Arme, Krüppel und Blinde werden zum Gastmahl hineingeholt. Zu den gemeinsamen Merkmalen für Erzählun­ gen zur Tischgemeinschaft mit Außenseitern auch außerhalb von Lukas vgl. McMahan, Meals, 130. Vgl. daneben auch, dass die Regeln zur Sitzordnung in Lk 14,7–11 Parallelen bei Dion Chrysostomos haben (dazu Becker, Vergleich, bes. 219–222, der darüber hinaus vorschlägt, Lk 14,7–11 vor dem Hintergrund der paganen Gastmahl-Leben-Vergleiche zu deuten). 558  Die Bewirtung von Fremden, die auf einer Reise bei einem örtlichen Gastgeber um Auf­ nahme bitten, ist ein zentrales Strukturelement der Gastmahlszenen innerhalb der anti­ ken Epik (vgl. dazu Bettenworth, Gastmahlszenen, 46–51). 559  Zu einzelnen Personen, die innerhalb des Lukasevangeliums als ἁμαρτωλός bestimmt werden, vgl. abgesehen von Lk 19,7 auch 5,8; 7,37.39; 18,13.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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Das innerhalb dieser Formulierung gebrauchte καταλῦσαι lässt sich am besten verstehen, wenn man es auf die Aufnahme Jesu in das Haus des Zachäus bezieht.560 Unmittelbar zuvor berichtet Lukas nämlich, wie es zu einem solchen Aufenthalt Jesu als Gast im Haus des Zachäus gekommen ist. Danach spricht Jesus Zachäus an, als er an dem Baum vorbeikommt, auf dem sich dieser befindet (vgl. 19,4), und fordert ihn zum Herabkom­ men auf. Er müsse nämlich heute in dessen Haus bleiben (σήμερον γὰρ ἐν τῷ οἴκῳ σου δεῖ με μεῖναι in 19,5). Dieser Aufforderung Jesu habe Zachäus Folge geleistet561 und562 ihn mit Freuden aufgenommen (καὶ ὑπεδέξατο αὐτὸν χαίρων in 19,6).563 Das in Lk 19,8–10 geschilderte Gespräch zwischen Jesus und Zachäus findet somit im Haus des Zachäus statt. Im Einzelnen weist die Erzählung über die Begegnung von Jesus und Zachäus eine auffallende Nähe zu Texten aus der Tradition zur Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern auf, wie Lukas sie schildert: Die Erzählung von der Begegnung Jesu mit Zachäus endet wie die Er­ zählung vom gemeinsamen Mahl Jesu mit den Zöllnern und Sündern in Lk 5,27–32 mit einem Spruch, der das Gekommensein564 Jesu565 näher auf das mit ihm verbundene Ziel hin bestimmt. Diesem wird in Lk 19,10 expressis verbis eine rettende Bedeutung zugemessen (σῶσαι τὸ ἀπολωλός; vgl. auch 19,9: Σήμερον σωτηρία τῷ οἴκῳ τούτῳ ἐγένετο), womit die in Lk 5,31 aktualisierte Funktion Jesu als Arzt anklingt (zur Verbindung von Lk 5,31f. mit 19,10 s.u.). Das in Lk 19,10 anstelle des Rufens zur Umkehr genannte Suchen des Verlorenen ist wiederum ein integraler Bestandteil der Gleich­ nisse in Lk 15,3–32, mit denen Lukas Jesus seine Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern rechtfertigen lässt (s.o. 3.3.1). Abgesehen von dieser 560  Vgl. dazu Passow, s.v. καταλύω A.II.3: „Halt machen, rasten […]; bes. bei Jem. einkehren, sich aufhalten, verweilen“; vgl. LSJ, s.v. II.2: „take up one’s quarters, lodge“ (Hervorhebung im Original) mit παρά und Dativ oder Akkusativ. So innerhalb des Neuen Testaments nur bei Lukas, vgl. auch Lk 9,12; vgl. κατάλυμα in Lk 2,7; Mk 14,14/Lk 22,11. 561  Vgl. καὶ σπεύσας κατέβη in Lk 19,6 mit der Aufforderung Ζακχαῖε, σπεύσας κατάβηθι in Lk 19,5. 562  Aufgrund der in Lk 19,5 gesetzten Szene ist das Subjekt von ὑπεδέξατο eindeutig Zachäus, wie es auch für das unmittelbar vorangehende κατέβη der Fall ist. 563  Zum Gebrauch von ὑποδέχομαι im Sinne von „gastlich aufnehmen“ vgl. Lk 10,38; Apg 17,7; Jak 2,25. 564  In Lk 19,10 wird das Gekommensein jedoch durch den Aorist ἦλθεν anstelle des Perfekts ἐλήλυθεν (5,32; 7,33f.) zum Ausdruck gebracht. 565  In Lk 19,10 findet sich anstelle des „Ichs“ aus Lk 5,32 die Rede vom Menschensohn wie in Lk 7,34 (dazu s.u.).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

zentralen Begrifflichkeit finden sich in Lk 19,1–10 weitere terminologische und motivische Übereinstimmungen mit Lk 15,1f.566 Dabei ähnelt auch die Darstellung der konkreten Umstände des Zusammentreffens zwi­ schen Jesus und Zachäus dem in Lk 15,1 genannten Hinzuströmen der Zöllner und Sünder zu Jesus. Zachäus hat nämlich Interesse an Jesus (καὶ ἐζήτει ἰδεῖν τὸν Ἰησοῦν τίς ἐστιν in 19,3) und begibt sich deshalb an den Ort, an dem Jesus durchkommen wird (ὅτι ἐκείνης ἤμελλεν διέρχεσθαι in 19,4). Der lukanische Jesus bittet Zachäus demzufolge offenbar um Gastfreund­ schaft, welche Tischgemeinschaft einschließt.567 Damit wird in Lk 19,1–10 nach Levi (5,27–32) eine weitere Einzelperson aus dem anonymen Kreis der Zöllner und Sünder (vgl. daneben auch 18,9–14) in das Zentrum einer Erzählung ge­ stellt, die Verbindungen zum Thema „Tischgemeinschaft“ aufweist.568 Zachäus wird als Oberzöllner569 eingeführt, der vermutlich noch mehr Geld als gewöhnliche Zöllner eingenommen hat. Ausdrücklich erwähnt Lukas den Reichtum von Zachäus (καὶ αὐτὸς ἦν ἀρχιτελώνης καὶ αὐτὸς πλούσιος in 19,2). Darüber hinaus wird Zachäus innerhalb der Formulierung, mit der Lukas die Reaktion auf das Verhalten Jesu wiedergibt, als Sünder gekennzeichnet (παρὰ ἁμαρτωλῷ ἀνδρὶ εἰσῆλθεν καταλῦσαι in 19,7). Die Umkehr, die Lukas Zachäus in Lk 19,8 selbst bekanntgeben lässt, findet demzufolge aber offensichtlich erst nach der Selbsteinladung und Einkehr Jesu in das Haus des Zachäus statt.570 Sie 566  Vgl. dazu vor allem die jeweilige Verwendung von διεγόγγυζον für die Kritik am Verhalten Jesu in Lk 15,2 und 19,7. Beide Erzählungen unterscheiden sich jedoch im Hinblick auf das Subjekt des jeweils konstatierten Murrens. Während dies in Lk 15,2 aus den Pharisäern und Schriftgelehrten besteht, ist es in Lk 19,7 die Menge (vgl. πάντες). Vgl. daneben auch die Verwandtschaft von ὑπεδέξατο in Lk 19,6 mit προσδέχεται in Lk 15,2. 567  Vgl. McMahan, Meals, 134. 568  Eine Differenz gegenüber der Erzählung vom Gastmahl im Haus Levis besteht darin, dass Levi – anders als Zachäus – bereits vor dem von ihm ausgerichteten Mahl umgekehrt ist (vgl. Lk 5,28). 569  Herrenbrück, Jesus, 277, sieht in dem im Pagangriechischen ansonsten nicht belegten ἀρχιτελώνης den „Vorsteher einer Pachtgesellschaft“. 570  So mit der Mehrzahl der Forscher gegen Fitzmyer, Lk II, 1220f., dem zufolge Zachäus ein „gerechter“ Zöllner ist. Fitzmyer versteht δίδωμι und ἀποδίδωμι in Lk 19,8 durativ, d.h. in dem Sinne, dass Zachäus schon immer die Hälfte seines Einkommens an die Armen gebe und eine Erpressung, in die er verwickelt war, vielfältig wiedergutmache. Dementspre­ chend bitte Zachäus Jesus nicht um Hilfe wie die Menschen in Lk 17,13; 18,38, bekunde nicht seine Trauer wie jene in Lk 15,21; 18,13, sondern verteidige sich in Lk 19,8; ähnlich Mitchell, Zacchaeus; ders., Use. Gegen eine solche Deutung spricht bereits, dass τὰ ὑπ­ άρχοντα anstelle der von Fitzmyer vertretenen Bedeutung „Einkommen“ eher im Sinne von „Habe“ und „Besitz“ zu verstehen ist. Zudem ist das Präsens hier am ehesten futurisch zu verstehen (s. Anm. 571). Zu weiteren Gründen vgl. Hamm, Zacchaeus.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

525

besteht aus der Bereitschaft des Zachäus,571 die Hälfte seines Vermögens an die Armen zu geben, und durch Erpressung unrechtmäßig erworbenes Gut572 dem Betrogenen um ein Vierfaches zurückzuerstatten.573 Damit erfüllt Zachä­ us die Forderungen von Johannes dem Täufer aus dessen Gerichtsankündi­ gung (3,7–9) und „Ständepredigt“ (3,10–14), in denen dieser in zentraler Weise zur μετάνοια aufruft (vgl. 3,8: ποιήσατε οὖν καρποὺς ἀξίους τῆς μετανοίας). Dabei fordert Johannes der Täufer unter anderem speziell zu dem von Zachäus ge­ nannten Teilen des Besitzes574 auf (3,11).575 Als Hintergrund der Kritik am Ver­ halten Jesu lässt sich somit die bereits für Mk 2,15–17 aufgewiesene Forderung erkennen, engen sozialen Kontakt nur zu moralisch Guten zu haben, mit Un­ gerechten jedoch strikt zu vermeiden (s.o. 3.1.2.2 und 3.1.4.1). Angesichts der Kennzeichnung des Zachäus als Sünder verstößt der lukanische Jesus mit sei­ ner Einkehr bei ihm nun aber gegen diesen Grundsatz. Auf die von Zachäus in Lk 19,8 konstatierte Veränderung seines Verhaltens hin lässt Lukas Jesus in Lk 19,9 antworten, dass diesem Haus heute Rettung zuteilgeworden sei (σήμερον σωτηρία576 τῷ οἴκῳ τούτῳ ἐγένετο). Im Folgenden vertieft der lukanische Jesus diese Feststellung von der Rettung des Zachäus näher in Hinsicht auf dessen Person sowie mit Blick auf sich selbst. Dabei führt er zum einen als Begründung577 für diese Rettung die Abrahamssohnschaft des Zachäus an (καθότι καὶ αὐτὸς υἱὸς Ἀβραάμ ἐστιν in 19,9fin), zum anderen stellt er fest, dass die Rettung des Verlorenen die Aufgabe des Menschensohnes sei: ἦλθεν γὰρ ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ζητῆσαι καὶ σῶσαι τὸ ἀπολωλός (19,10). Damit trifft der lukanische Jesus eine Aussage in Bezug auf sich selbst, wie die mehrfach

571  Zum Gebrauch des Präsens für das Futur vgl. abgesehen von Lk 19,8 auch Lk 12,40.54; 13,32; 14,19; 22,10; 23,54; Apg 20,22; vgl. BDR §323. 572  Vgl. dazu, dass das Konditionalgefüge in Lk 19,8 real formuliert ist. 573  Zum rechten Umgang mit Gütern vgl. Lk 12,13–21; 14,12–14.28–33; 16,1–12.19–31. 574  Vgl. dazu, dass von den Jesusnachfolgern hingegen verlangt wird, alles zu geben (Lk 12,33; 18,22.28). 575  Darüber hinaus lassen sich folgende weitere Verbindungen zwischen Lk 3,7–14 und 19,1–10 erkennen: Jeweils ist von Zöllnern die Rede (Lk 3,12; 19,2), jeweils wird das Verbum συκοφαντέω gebraucht (3,14; 19,8) und jeweils begegnet das Motiv der Abrahamssohn­ schaft (3,8; 19,9). 576  Das Nomen σωτηρία findet sich im lk. Doppelwerk abgesehen von Lk 19,9 nur noch in Lk 1,69.71.77; als Substantive daneben σωτήρ (Lk 2,11; Apg 5,31; 13,23 jeweils mit Bezug auf Jesus, in Lk 1,47 mit Bezug auf Gott) und σωτήριον (Lk 2,30; 3,6; Apg 28,28) für das Werk Gottes in Christus. 577  Innerhalb des Neuen Testaments ist καθότι nur im Lukasevanglium und in der Apostelge­ schichte belegt (Lk 1,7; 19,9; Apg 2,24.45; 4,35; 17,31). Es bedeutet eigentlich „gemäß dem, wie“ (so in Apg 2,45; 4,35), geht aber im Hellenismus in die Bedeutung „deshalb, weil“, „denn“ über (so BDR §456,4).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

überlieferte Austauschbarkeit von „ich“ und „Menschensohn“ beweist.578 Eine solche wechselweise Verwendung lässt sich auch für Lk 19,10 und die diesem Jesuslogion eng verwandte Formulierung in Lk 5,32 erkennen. Durch den Gebrauch von σῴζω lässt Lukas Jesus den Komplex der Rettung aufnehmen, welchen er unmittelbar zuvor in Lk 19,9 mit dem Nomen σωτηρία aktiviert hat, das diesem Verbum etymologisch verwandt ist. In welchem Sinne ist diese Rettung im vorliegenden Zusammenhang nun zu verstehen?579 Be­ reits die auffallende Nähe der vorliegenden Erzählung zu anderen Texten aus der Tradition zur Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern spricht dafür, dass es sich bei der Rettung in Lk 19,9f. um eine ebensolche moralische Besserung handelt, wie sie auch im Fokus des in Mk 2,17 gebrauchten Arztwor­ tes (s.o. 3.1.3.1) liegt (vgl. Lk 5,31). Dabei findet sich ein solcher Zusammenhang zwischen der Rettungsterminologie und dem Arztwort ausdrücklich bei Plut­ arch. Die in diesem Kontext gebrauchte ἁμαρτία- und μετανοέω-Terminologie zeigt, dass die σῴζω-Terminologie hier eindeutig eine „moralische Rettung, Besserung“ bezeichnet:580 Im Zentrum des von Plutarch mehrfach angeführten Spruches (vgl. Mor. 74C; 82A–B; 89B) steht die Frage, wie man jemanden von Verfehlungen fernhalten kann. Diogenes581 habe gesagt, „dass derjenige, der geret­ tet werden will, gute Freunde oder hitzige Feinde haben muss (ὥσπερ Διογένης ἔλεγεν ὅτι τῷ μέλλοντι σῴζεσθαι δεῖ φίλους ἀγαθοὺς ἢ διαπύρους ἐχθροὺς ὑπάρχειν). Die einen würden ihn belehren, die anderen tadeln (οἱ μὲν γὰρ διδάσκουσιν, οἱ δ’ ἐλέγχουσι).“ Dabei sei es besser, sich vor Verge­ hen zu hüten, indem man dem Rat gehorcht, als sich zu vergehen und dann wegen der Schmähungen umzukehren (βέλτιον δὲ τὰς ἁμαρτίας φυλάττεσθαι τοῖς συμβουλεύουσι πειθόμενον ἢ μετανοεῖν ἁμαρτάνοντα διὰ τοὺς κακῶς λέγοντας in Mor. 74C). Im Umfeld dieser Aussage findet sich zum einen mit Bezug auf eine moralische Besserung des Charakters (vgl. Mor. 73E) der Gebrauch von weiteren Begriffen, in deren Zentrum der 578  Zur austauschweisen Verwendung von „Menschensohn“ und „ich“ vgl. z.B. die letzte Seligpreisung (Lk 6,22/Mt 5,11), die Mahnung zum Bekennen (Lk 12,8/Mt 10,32) und das Petrusbekenntnis (Mt 16,13/Mk 8,27). Dieser Befund unterstützt die von Vermes vertrete­ ne These, dass es sich bei „Menschensohn“ um eine Umschreibung für die redende Person handelt (ausführlich Vermes, Son of Man). 579  Zur Breite des Gebrauchs von σῴζω, die von Rettung aus Lebensgefahr bis zum ewigen Leben reicht, vgl. Radl, σῴζω, 770. 580  So auch der Vorschlag von Passow, s.v. σώζω, u.a. unter Hinweis auf diese Stelle: „auch: moralisch gerettet werden, gebessert werden“ (S. 1801, Sp. 2). 581  In Mor. 89B führt Plutarch diesen Spruch auf Antisthenes zurück.

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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Gedanke der Heilung liegt, so z.B. θεραπεύω582 oder φάρμακον.583 Darüber hinaus wird derjenige, der eine solche Verbesserung bewirken soll, aus­ drücklich mit einem Arzt verglichen (Mor. 73D–E; 74D). Der Gebrauch von σῴζω κτλ. für die moralische Besserung von Menschen lässt sich insgesamt häufiger feststellen, und zwar beispielsweise auch bei Philo584 und Dion Chrysostomos, der diejenigen, die andere Menschen in moralischer Hinsicht bessern, ausdrücklich als „Retter“ bezeichnet.585 Wie die ­ἰάομαι-Begrifflichkeit, welche speziell die Handlung des Arztes bezeichnet (s.o. 3.1.3.1), gehört demzufolge auch die zwar allgemeinere, aber oftmals aus­ tauschweise zu ἰάομαι gebrauchte σῴζω-Terminologie zur hellenistischen Tra­ dition vom Philosophen als Arzt. Bei der Rettung in Lk 19,9f. handelt es sich somit in erster Linie um das Her­ beiführen einer Sinnesänderung, wie sie sich mit der von Zachäus in Lk 19,8 in Aussicht gestellten Wiedergutmachung deutlich erkennen lässt. Der lu­ kanische Jesus stellt demnach in Lk 19,9f. die soeben von Zachäus vollzoge­ ne Umkehr ausdrücklich fest und bestimmt sie zudem näher in Hinsicht auf seine eigene Rolle bei diesem Ereignis. Er selbst ist es, der diese Besserung in moralisch-ethischer Hinsicht bewirkt. Damit entspricht σῴζω in Lk 19,10 deut­ lich dem in Lk 5,32 besonders hervorgehobenen Motiv des Rufens zur Umkehr (vgl. das gegenüber Mk 2,17 hinzugefügte εἰς μετάνοιαν), wie es sich bereits aufgrund der jeweiligen Verwendung als Abschlusssentenz eines Konfliktes zum Thema „Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern“ nahelegt. Für die Variation des „Rufens zur Umkehr“ aus Lk 5,32 in das „Suchen und Retten des 582  Vgl. Plut. Mor. 74D: τῷ θεραπευομένῳ; vgl. 74A. Der Gebrauch von σωτηρία und θεραπεύω findet sich auch in der Wiedergabe dieses Spruches in Mor. 82A–B: ὥς που Διογένης ἔλεγε τῷ σωτηρίας δεομένῳ ζητεῖν προσήκειν ἢ φίλον σπουδαῖον ἢ διάπυρον ἐχθρόν, ὅπως ἐλεγχόμενος ἢ θεραπευόμενος ἐκφεύγοι τὴν κακίαν. 583  So Plut. Mor. 74D. 584  Vgl. dazu vor allem Philo, Spec. 1,239: In gewisser Weise werde auch jemand gerettet, der umkehrt, denn er werde von der Krankheit der Seele befreit (τρόπον γάρ τινα καὶ ὁ μετανοῶν σῴζεται, τὴν χαλεπωτέραν τῶν ἐν τῷ σώματι παθῶν νόσον ψυχῆς ἐκτρεπόμενος), die schlim­ mer ist als körperliches Leiden. Vgl. auch Philo, Det. 110: Die Leidenschaften der Seele werden durch ein vorbereitetes rettendes Heilmittel besänftigt ([…] προευτρεπισθέντι σωτηρίῳ πεπαίνεται φαρμάκῳ). 585  Dion Chrys. 32,18: Diejenigen, die mit Überredungskunst und Vernunft die Seelen besänf­ tigen und gefügig machen können, seien Retter und Beschützer derjenigen, die noch zu retten sind (οὗτοι δὲ σωτῆρές εἰσι καὶ φύλακες τῶν οἵων τε σώζεσθαι), indem sie die Schlech­ tigkeit eindämmen und unter Kontrolle bringen, bevor sie den äußersten Grad erreicht hat. Die Härte der Strafe verderbe, die Schärfe des Wortes habe hingegen von Natur aus die Eigenschaft zu retten (τὸ μὲν γὰρ τῆς τιμωρίας σκληρὸν ἀπόλλυσι, τὸ δὲ τοῦ λόγου πικρὸν σῴζειν πέφυκε).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Verlorenen“ lässt sich ein deutlicher Einfluss von Lk 15 erkennen, wo Lukas das Motiv vom „Suchen des Verlorenen“ im Kontext der Kritik an Jesu Tisch­ gemeinschaft mit Zöllnern und Sündern bereits ausführlich ausgearbeitet hat (vgl. vor allem ἀπολωλός in 15,4.6; s.o. 3.3.1).586 Für diese moralische Besserung des Zachäus hat offensichtlich der Aufent­ halt Jesu in seinem Haus zentrale Bedeutung. Mit der temporalen Näherbe­ stimmung der Rettung durch σήμερον knüpft der lukanische Jesus nämlich innerhalb seiner Zusage in Lk 19,9 deutlich an seine Aufforderung an, heute im Haus des Zachäus bleiben zu können (vgl. dazu σήμερον in 19,5). Mit Lk 19,9f. legitimiert der lukanische Jesus demzufolge unter Aufnahme zentraler luka­ nischer Motive seine Einkehr in das Haus des Zachäus vor dem Hintergrund der aus der Symposiumstradition stammenden Konzeption von Tischgemein­ schaft als Therapie (s.o. 3.1.4.2), wie dies in anderer sprachlicher Form bereits in Mk 2,17 belegt ist.587 Gerade durch den als kritisch bewerteten (19,7) Aufent­ halt Jesu im Haus des Zachäus und die dabei stattfindende Tischgemeinschaft ist es zur moralischen Besserung des Gastgebers gekommen. In der Forschung wird die in Lk 19,9f. konstatierte Rettung hingegen nicht auf die Umkehr bezogen, sondern primär588 auf die Heilsverwirklichung, welche zumeist von der Umkehr unterschieden wird.589 Im Vergleich zu einer Paraphrase als „moralisch bessern“ legt sich ein solches Verständnis 586  Zum Motiv der Rettung des Verlorenen vgl. auch 2 Clem 2,5.7; 1 Tim 1,15. 587  Für die Erzählung von Zachäus lässt sich eine besondere Nähe zu der Tischgemein­ schaftspraxis feststellen, die für Diogenes von Sinope in den sogenannten Diogenes­ briefen überliefert ist. Abgesehen von der jeweiligen Verwendung der Heilungs- bzw. Rettungsterminologie zur Verteidigung von Tischgemeinschaft mit moralisch zwielich­ tigen Personen finden sich auch die in Lk 19,2.8 erwähnten Motive des Reichtums und der Aufgabe des Besitzes im Zusammenhang der Tischgemeinschaftspraxis des Diogenes (Epist. 38,5) (s.o. 3.1.4.2). 588  Anders z.B. Fitzmyer, Lk II, 1220f., dem zufolge Zachäus in Lk 19,9f. nicht etwa Vergebung der Sünden erfährt, sondern gerade als unschuldig erwiesen wird. 589  Vgl. neben der Übersetzung mit „selig machen“ bei Luther exemplarisch Bovon, Lk III, 277: „Es ist ein in der Geschichte eingebettetes eschatologisches Heil oder ein Heil, dessen spirituelle Dimension untrennbar mit der materiellen Komponente verbunden ist.“ Vgl. daneben auch Schwindt, der vor allem die Gegenwart des Heils in Jesus betont (Gegen­ wart, 50.54–60), und Wolter, Lk, 615, dem zufolge die Rettungsterminologie in Lk 19,9f. auf „der höchsten theologischen Deutungsebene angesiedelt“ ist. Für die weit verbreitete Deutung im Sinne der Sündenvergebung vgl. z.B. O’Hanlon, Story, 19; vgl. auch Sellner, Heil, 121, der die Rettung zugleich allgemeiner als „Wiederherstellung der Gottesnähe“ deutet (126). Auch Taeger, Mensch, 199–203, versteht die Rettung in Lk 19,9f. als „‚Heil‘ im Vollsinn“, sieht jedoch für die lk. Soteriologie insgesamt einen deutlich ethischen Akzent. Heil bedeute bei Lukas nämlich weniger Erlösung (z.B. von der Macht der Sünde), son­ dern eher Läuterung zu einem besseren Lebenswandel (225–229).

3 Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern ( Mk 2,15–17 )

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der Rettungsterminologie in einem eschatologischen Sinne für den vor­ liegenden Zusammenhang jedoch weit weniger nahe.590 Es resultiert nämlich weniger aus den Indizien des vorliegenden Textes, sondern ins­ besondere daraus, dass Lk 19,10 als Herzstück und Zusammenfassung der ganzen lukanischen Soteriologie angesehen, in eine enge Verbindung zu Mk 10,45 gestellt591 und damit zugleich von Mk 2,17 unterschieden wird.592 Insbesondere eine allzu scharfe Trennung von Mk 2,17/Lk 5,31f. ist jedoch aufgrund der kontextuellen Nähe beider Worte problematisch. Darüber hinaus lässt sich eine solche eschatologische Deutung in keinem Fall auf die in Lk 19,9fin erwähnte Abrahamssohnschaft593 stützen. Im vorliegenden Zusammenhang besteht die Rettung nämlich nicht in einer Annahme als Abrahams Kind.594 Vielmehr stellt der lukanische Jesus der negativen Bestimmung des Zachäus als Sünder (19,7) eine ausgespro­ chen positive Kennzeichnung gegenüber. Auch als Sünder ist Zachäus ein Sohn Abrahams. Damit wird Zachäus aber als jemand gekennzeich­ net, der entgegen der von den πάντες offenbar angestrebten Ausgrenzung

590  Zum Gebrauch von σῴζω für die eschatologische Rettung vgl. vor allem die Verwendung im Umfeld von Aussagen zum Reich Gottes, so in Lk 8,12; 13,13; 18,26. Insgesamt wird zwar bereits in der Septuaginta die Rettungsterminologie in Form von ἰάομαι als Metapher für die Sündenvergebung gebraucht (z.B. Dtn 30,3 LXX gegen MT; 2 Chr 7,14; Ps 40,4; 102,3; 146,3 jeweils LXX), doch verwendet Lukas ἰάομαι – abgesehen von dem Zitat aus Jes 6,9f. in Apg 28,26f. – stets für die Heilung von Kranken (Lk 5,17; 6,19; 7,7; 8,47; 9,2.42; 14,4; 17,15; 22,51; Apg 9,34; 28,8) und mit Bezug auf Exorzismen (Lk 6,18; vgl. Apg 10,38). 591  Zu einer solchen Verbindung vgl. z.B. Schneider, Lk II, 378; ders., Menschensohn, bes. 279; Pokorný, Evangelist, 5. Dabei wolle Lukas das für Markus zentrale soteriologische Ver­ ständnis der stellvertretenden Lebenshingabe dahingehend korrigieren, dass das ganze Auftreten Jesu rettende Bedeutung hat. 592  Vgl. dazu Pokorný, Soteriologie, 185, dem zufolge Lk 19,10 im Vergleich zu Mk 2,17 „deutli­ cher soteriologisch akzentuiert“ ist. 593  Vgl. auch Lk 3,8; 13,16; 16,24f.; vgl. auch den Abrahamsbund in Apg 3,25. 594  Der Gebrauch von καθότι in einem kausalen Sinne spricht gegen ein Verständnis, dem zu­ folge Zachäus erst zum Sohn Abrahams wird. Gegen eine solche offenbar von Gal 3,7.29; Röm 4,16f. beeinflusste Deutung vor allem Dahl, Story, 140 mit Anm. 7; Fitzmyer, Lk II, 1221; Bovon, Lk III, 277. Dies zeigt auch Lk 3,8, wo das Motiv der Abrahamskindschaft im Munde von Johannes dem Täufer im Kontext der eschatologischen Rettung (vgl. dazu auch den Gebrauch der Abrahamsfigur in Lk 16,22; 13,28/Mt 8,11) begegnet. Gegenüber denjenigen, die aus ihrer Abrahamskindschaft gleichsam einen besonderen Anspruch auf Rettung vor dem zukünftigen Zorn (Lk 3,7) ableiten, stellt er klar, dass für die Ret­ tung gerade nicht eine Berufung auf Abraham als Vater genügt, sondern auch Früchte der Umkehr zwingend notwendig sind. Dass Zachäus erst durch seine Umkehr zu einem Sohn Abrahams wird, lässt sich aus dieser Aussage jedoch nicht gewinnen (gegen Taeger, Mensch, 201f.; Sellner, Heil, 122).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

eines Zöllners der Zuwendung Jesu zu ihm wert ist,595 wobei er geradezu ein Privileg auf diese hat.596 So fehlt bei Lukas zwar eine Beschränkung der Mission auf Israel,597 sodass eine Zugehörigkeit zu den Juden für die Zuwendung Jesu nicht zwingend ist. An der Priorität Israels hält Lukas jedoch generell fest.598 Bei den σῴζω-Formulierungen in Lk 19,9f. handelt es sich somit eher um eine ethische als um eine eschatologische Aussage. Dabei ist die Sinnesänderung bei Lukas mit der Vergebung vorangegangener Sünden eng verbunden.599 Im Fokus der Rettung von Lk 19,9f. liegt jedoch die Neuausrichtung des Le­ bens selbst und weniger die auffälligerweise auch gar nicht explizit erwähnte Sünden­vergebung.600 4

Juden und Heiden an einem Tisch – Mahlgemeinschaft im Rahmen der grundsätzlichen Öffnung der Heilsgemeinschaft für Nichtjuden (Apg 10,1–11,18)

Lukas thematisiert die Frage der Tischgemeinschaft601 zwischen christus­ gläubigen Juden und Heiden ausführlich im Rahmen seiner Erzählung von 595  So auch O’Hanlon, Story, 18 mit Anm. 62. Zu einer ähnlichen Funktion der Abrahams­ kindschaft vgl. Lk 13,16, wo der lk. Jesus mit ihr die Heilung einer kranken Frau am Sabbat rechtfertigt. 596   Ähnlich Jantsch, Jesus, 84, der betont, dass das Heil den Abrahamskindern gilt, daneben aber auch ein entsprechendes Verhalten wie μετάνοια erfordert. 597  Vgl. dazu abgesehen vom Missionsbefehl (Lk 24,47; Apg 1,8) das Nebeneinander von zwei Aussendungsreden, und zwar die Aussendung der Zwölf zum Volk Israel (Lk 9,1–6; im Unterschied zu Mt 10,5f. nicht ausdrücklich an Israel gebunden) und der 72 an die Völ­ ker (Lk 10,1–16); daneben auch die Auslassung der Erzählung von der Syrophönizierin (Mk 7,24–30). 598  Vgl. dazu z.B. Apg 2,39; 3,25f., daneben die Betonung einer Sonderrolle Israels durch den Gebrauch von λαός (s.u. 4.3.2.1). 599  Vgl. dazu vor allem Apg 5,31: […] καὶ σωτῆρα ὕψωσεν τῇ δεξιᾷ αὐτοῦ [τοῦ] δοῦναι μετάνοιαν τῷ Ἰσραὴλ καὶ ἄφεσιν ἁμαρτιῶν; vgl. Apg 2,38; 3,19. Zur Vergebung von Sünden vgl. auch Lk 1,77; 7,47–50; Apg 22,16. 600  Der Schwerpunkt von Lk 19,9f. ist demzufolge genau umgekehrt zu bestimmen, als es z.B. Herrenbrück, Jesus, 281, vorschlägt. Er bestimmt die Rettung in Lk 19,9a mit der „umfas­ senden Gnade“, die auch „eine neue ethische Orientierung“ einschließe. Ähnlich Jantsch, Jesus, 199, der beide Aspekte nennt, jedoch die Rettung des Verlorenen genauer mit der Sündenvergebung füllt: „Nach Lk 5,32; 19,10 wird also die Sendung Jesu konkretisiert als Ruf zur μετάνοια, die – wenn sie geübt wird – zur Rettung des Verlorenen, d.h. zu Sünden­ vergebung, und daraus folgend zur Rettung im endzeitlichen Gericht führt“ (vgl. auch 38f.84). 601  Zur zentralen Bedeutung von Mählern in der Apostelgeschichte vgl. Ascough, Function.

4 Juden und Heiden an einem Tisch ( Apg 10,1–11,18 )

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der Bekehrung des Cornelius in Apg 10,1–11,18.602 Sie gehört damit wie diese Bekehrung in den Kontext der grundsätzlichen Öffnung der Gemeinde für Nichtjuden.603 Dabei hat diese Erzählung von der Bekehrung des Cornelius für den Aufbau der Apostelgeschichte insgesamt zentrale Bedeutung. Die Auf­ nahme von Unbeschnittenen in die christliche Gemeinde ist nämlich offen­ sichtlich strittig (vgl. 10,14.28.47; 11,2.8.17) und bedarf einer Legitimation (vgl. 10,3.11–16.22.30; 11,5–10.13), welche mit der Bekehrung des Cornelius vollzogen wird. Mit ihr bietet Lukas demzufolge nach der Bekehrung des Äthiopiers (8,26–38) eine weitere individuelle Bekehrungsgeschichte, mit der innerhalb seiner Apostelgeschichte der Wendepunkt zur Heidenmission vollzogen wird. Die Bekehrung des Cornelius verortet der Erzähler näherhin in Cäsarea. Wie bereits beim Äthiopier604 findet demzufolge auch innerhalb der Corneliuser­ zählung der Übergang von der Verkündigung an die Juden zu der an die Heiden ­außerhalb von Jerusalem statt. Abgesehen von diesen Übereinstimmungen zur Bekehrung des Äthiopiers besteht für die Corneliusperikope auch eine gewisse Nähe zur Erzählung über die Bekehrung des Sergius Paulus in Apg 13,6–12, für die Paulus selbst zentrale Bedeutung hat. Dort handelt es sich nämlich wie im Fall von Cornelius um die Bekehrung eines herausgehobenen Römers. Mit die­ sen beiden Bekehrungsgeschichten stellt Lukas somit offenbar eine Parallelität zwischen Petrus und Paulus her, wie es sich auch sonst häufiger innerhalb der Apostelgeschichte feststellen lässt.605 Die Gestaltung der Erzählung in Apg 10,1–11,18 ist insofern besonders auf­ fällig, als sie mehrere Wiederholungen und Dopplungen enthält, in deren Rahmen vorherige Angaben zum Teil ergänzt werden.606 Insgesamt folgen auf eine ausführliche Vorstellung des Cornelius (10,1f.) zunächst die Darstellung einer Vision des Cornelius selbst (10,3–8; zur Erwähnung der Vision vgl. auch 602  Tischgemeinschaft mit Heiden wird in der Apostelgeschichte nach der grundsätzlichen Behandlung in Apg 10,1–11,18 mehrfach angedeutet, und zwar zum einen gemeinsame Mahlzeiten mit Heidenchristen (vgl. dazu vor allem Apg 16,14f.: Lydia nötigt Paulus und Silas zur Einkehr in ihr Haus, womit diese vor allem anerkennen, dass sie glaubt; daneben auch Apg 16,34), zum anderen auch mit noch nicht bekehrten Heiden (vgl. die Predigt beim Essen nach Apg 20,7–12). Vgl. auch Apg 27,33–38. 603  Dass die Corneliuserzählung im Verlauf der Apostelgeschichte für die Öffnung der Ge­ meinde für Heiden von zentraler Bedeutung ist, wird in der Forschung allgemein ver­ treten: vgl. z.B. Humphrey, Collision, bes. 67.78.81f.; Plunkett, Ethnocentricity; Wilson, Legends. 604  Vgl. dazu die Mission in Samarien und Gaza durch Philippus in Apg 8,4–40. 605  Vgl. dazu, dass sich Petrus und Paulus als Hauptfiguren der Apostelgeschichte insbeson­ dere im Hinblick auf ihre Machttaten entsprechen. So werden von beiden die Heilung von Lahmen (Apg 3,1–10; 9,32–35/14,8–11), eine Totenauferweckung (9,40–42/20,7–12), Be­ freiungswunder (12,6–19/16,25–39) und Dämonenaustreibungen (5,16/16,16–18) berichtet. 606  Zu dieser Gestaltung ausführlich Kurz, Effects (mit einem besonderen Fokus auf den unterschiedlichen Erzählfiguren); vgl. auch Witherup, Cornelius.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

10,22.30–32; 11,13f.) und des Petrus (10,9–16, vgl. auch 11,5–10).607 Daran schließt Lukas die Erzählung von der eigentlichen Bekehrung des Cornelius an. Sie berichtet davon, dass Petrus mit den Boten des Cornelius mitgeht (10,17–23), in Cäsarea mit Cornelius zusammentrifft (10,24–33) und in dessen Haus eine Mis­ sionspredigt hält (10,34–43). Noch während dieser Rede fällt der Geist auf die Heiden, womit über deren Taufe entschieden ist (10,44–48). In Apg 11,5–18 hält Petrus eine Verteidigungsrede, die insbesondere durch den ihm entgegenge­ brachten Vorwurf der Tischgemeinschaft mit den Heiden veranlasst ist (11,3). In diesem Rahmen erzählt Lukas, wie es zur Taufe des Cornelius gekommen ist, und rekapituliert dementsprechend zentrale Inhalte aus Apg 10. Tabella­ risch lassen sich die Entsprechungen innerhalb von Apg 10,1–11,18 folgender­ maßen darstellen: 10,1–8 10,9–16 10,17–29 10,30–48

Vorstellung und Vision des Cornelius Vision des Petrus in Joppe Petrus geht mit den Boten des Cornelius nach Cäsarea Ereignisse im Haus des Cornelius

(10,30–33) (11,5–10) (11,11f.) (11,13–16)

Innerhalb der Erzählung von der Bekehrung des römischen Hauptmannes Cornelius durch Petrus wird der Bereich des Essens zum einen in der Vision des Petrus (10,9–16), zum anderen innerhalb des Berichtes von der Bekehrung des Cornelius (11,3; vgl. 10,28) thematisiert. In Bezug auf diese beiden Teile fällt auf, dass in ihnen jeweils unterschiedliche Fragen des Essens verhandelt werden. So wird in beiden Teilen ausdrücklich das Verbum ἐσθίω verwendet, doch findet sich dieses innerhalb der Vision des Petrus mit Speisen als Objekt (vgl. […] οὐδέποτε ἔφαγον πᾶν κοινὸν καὶ ἀκάθαρτον in 10,14; vgl. 11,8). In ihrem Zentrum steht die Frage nach einer Unterscheidung von erlaubten und ver­ botenen Speisen. In Apg 11,3 wird das Verbum ἐσθίω dann in Verbindung mit Menschen gebraucht (vgl. […] συνέφαγες αὐτοῖς). Dadurch wird der Komplex der Tischgemeinschaft, und zwar genauer zwischen Juden und Nichtjuden, aufgerufen. Während innerhalb der Vision die Frage der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden nicht verhandelt wird, findet innerhalb der Erzählung von der Bekehrung des Cornelius eine etwaige Übertretung der Speisegebote kei­ nerlei ausdrückliche Erwähnung. Beide Rekurse auf den Komplex des Essens 607  Wie die Vision des Cornelius (Apg 10,2) geschieht die des Petrus im Gebet (10,9). Zudem wird der Terminus ὅραμα sowohl für die Vision des Cornelius (10,3) als auch für die Er­ scheinung des Petrus (10,17; 11,5) gebraucht. Schneider, Apg II, 67 Anm. 75, deutet beide daher als „korrespondierende Visionen“.

4 Juden und Heiden an einem Tisch ( Apg 10,1–11,18 )

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stimmen jedoch in der jeweiligen Verwendung der Unreinheitsbegrifflichkeit überein. So findet sich jeweils die Verbindung κοινὸς καὶ ἀκάθαρτος, welche ent­ weder mit Bezug auf Speisen (10,14; 11,8) oder mit Bezug auf Menschen (10,28) gebraucht wird. Angesichts dieses Befundes stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang dieser beiden Teile in besonderer Weise.608 In diesem Rah­ men gilt es mit Blick auf die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit vor allem zu klären, in welcher Form die in Apg 10,14; 11,8 anklingenden Speisegebote mit dem Verbot der Tischgemeinschaft mit Heiden in Apg 11,3 zusammengehören. Zielt Apg 10,1–11,18 tatsächlich auf eine Aufhebung der jüdischen Speisege­ bote, wie dies in der Forschung häufig vorgeschlagen wird und die Aufforde­ rung zum Genuss unreiner Speisen innerhalb der Vision des Petrus zunächst denken lässt? Worin besteht der Grund für das Verbot einer Tischgemeinschaft mit Nichtjuden in Apg 11,3? Ist dieser in einer Nichteinhaltung der jüdischen Speisegebote durch Heiden zu sehen oder in einer grundsätzlichen Gegen­ überstellung der Nichtjuden zu den Juden? 4.1 Zentrale Merkmale der Tischgemeinschaft in Apg 10,1–11,18 Besondere Kritik erfährt der lukanische Petrus im Rahmen der Erzählung von der Bekehrung des Cornelius für seine Tischgemeinschaft mit Heiden. Ge­ rade sie – und auffälligerweise nicht die Taufe609 – wird ihm von den Glau­ benden aus der Beschneidung (οἱ ἐκ περιτομῆς in 11,2),610 auf die Petrus in Jerusalem trifft, vorgeworfen. Dabei erwähnen sie auch das Gehen zu Heiden selbst: Εἰσῆλθες πρὸς ἄνδρας ἀκροβυστίαν611 ἔχοντας καὶ συνέφαγες αὐτοῖς (11,3). Dementsprechend steht im Zentrum dieser Kritik die Einkehr des Petrus und

608  In der Forschung werden die literarkritischen Spannungen in Apg 10f. unterschiedlich erklärt. Dibelius geht davon aus, dass Lukas hier zwei ursprünglich nicht zusammengehö­ rige Überlieferungsblöcke miteinander verbunden hat, und zwar eine Vision des Petrus, die das Problem der reinen und unreinen Speisen klären sollte, und eine Bekehrungs­ geschichte (so Dibelius, Bekehrung). Löning plädiert hingegen für die ursprüngliche Zusammengehörigkeit (vgl. Korneliustradition). 609  So auch festgestellt von Haenchen, Apg, 341.346; vgl. auch Bruce, Apg, 267. 610  Die Wendung οἱ ἐκ περιτομῆς ist im Urchristentum sonst nur in Röm 4,12; Gal 2,12; Kol 4,11; Tit 1,10 belegt. In Apg 10,45 findet sie sich ergänzt um πιστοί in der Form οἱ ἐκ περιτομῆς πιστοί. Sie bezieht sich in Apg 11,2 entweder auf die Urgemeinde insgesamt (Jervell, Apg, 314) oder auf einen Teil der Urgemeinde (zu Vertretern vgl. Jervell, Apg, 314 Anm. 200). 611  Die Wendung ἄνδρες ἀκροβυστίαν ἔχοντες (vgl. Gen 34,14 LXX) findet sich innerhalb der neutestamentlichen Schriften nur hier und bezeichnet den unbeschnittenen Nichtjuden. Das Nomen ἀκροβυστία ist mehrfach bei Paulus belegt.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

seiner Begleiter612 in das Haus des Cornelius (10,25f.; vgl. 11,12), in dem es somit offensichtlich – den Regeln der antiken Gastfreundschaft entsprechend613 – auch zur Tischgemeinschaft kommt.614 Dabei berichtet Lukas ausdrücklich, dass Petrus bei seiner Ankunft bei Cornelius eine große Anzahl von zusam­ mengekommenen Menschen vorfindet (εὑρίσκει συνεληλυθότας πολλούς in 10,27), welche aus den Verwandten und nächsten Freunden des Cornelius be­ steht (vgl. συγκαλεσάμενος τοὺς συγγενεῖς αὐτοῦ καὶ τοὺς ἀναγκαίους φίλους in 10,24). Dass es sich bei diesen um Nichtjuden handelt, geht eindeutig aus der Reaktion des Petrus auf diese Menschenmenge hervor (10,28). Petrus bezeich­ net sie nämlich explizit als andersstämmige Menschen (ἀλλοφύλῳ). Näherhin wird die Tischgemeinschaft zwischen Petrus und Cornelius als ein gemein­ sames Mahl von Juden mit gottesfürchtigen Heiden vor deren Bekehrung zu Chris­tus gekennzeichnet. 4.1.1

Tischgemeinschaft mit Cornelius – kein Gruppenmahl, sondern Vorbereitung der Aufnahme der Nichtjuden in die Heilsgemeinschaft Bei der umstrittenen Tischgemeinschaft zwischen Petrus und Cornelius han­ delt es sich offensichtlich noch nicht im engeren Sinne um das Gemeinschafts­ mahl der Glaubenden,615 sondern um ein Mahl zwischen christusgläubigen 612  Vgl. dazu, dass Apg 11,12 über 10,23 (vgl. auch 10,45) hinausgehend feststellt, dass Petrus von sechs Brüdern begleitet wurde: ἦλθον δὲ σὺν ἐμοὶ καὶ οἱ ἓξ ἀδελφοὶ οὗτοι. 613  Zur Auslegung von Apg 10,1–11,18 vor dem Hintergrund von Traditionen zur antiken Gast­ freundschaft vgl. Arterbury, Custom. Zur zentralen Bedeutung des Motivs der Gastfreund­ schaft für die Ausbildung der Gemeinschaft innerhalb der Apostelgeschichte insgesamt vgl. zuletzt Smith, Acts. 614  Strenggenommen ist Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden bereits in der Ein­ ladung der Gesandten des Cornelius durch Petrus in Apg 10,23 impliziert (εἰσκαλεσάμενος οὖν αὐτοὺς ἐξένισεν). Wie dann die Beherbergung des Petrus im Haus des Cornelius, so um­ fasst nämlich vermutlich auch die Beherbergung der Boten des Cornelius deren Bewir­ tung. Dabei fällt besonders auf, dass Petrus hier als Gastgeber auftritt, wo er doch selbst nur Gast im Haus des Gerbers Simon ist. Bereits mit diesem Hereinrufen von Heiden überschreitet Petrus demzufolge offenbar Reinheitsgrenzen, was letztlich bereits für die Einkehr des Petrus bei einem Gerber gilt (10,6.32 mit 9,43). Gerade in einem Kontext, in dem Fragen der Reinheit von zentraler Bedeutung sind, ist es wohl kein Zufall, dass Petrus ausgerechnet bei einem Gerber zu Gast ist. Gerber waren nämlich eine verachtete Berufsgruppe und wurden aufgrund ihres Umgangs mit Tierkadavern mit Unreinheit in Verbindung gebracht (vgl. die Belege bei Bill. II, 695). 615  Der für die Apostelgeschichte insgesamt zentrale Komplex des Gruppenmahls der zu Jesus Gehörenden (vgl. 2,42) wird auch innerhalb der vorliegenden Erzählung aufgeru­ fen, und zwar im Rahmen der Missionspredigt des Petrus. Er verweist nämlich auffälli­ gerweise darauf, dass Jesus nach dessen Auferweckung mit seinen Jüngern gegessen hat

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Juden und Nichtjuden vor ihrer Hinwendung zu Christus. In Apg 10,28 wird nämlich der enge Kontakt von Juden mit Nichtjuden unmittelbar nach dem Eintreffen des Petrus bei Cornelius als problematisch herausgestellt. Auf diese Ankunft im Haus des Cornelius folgen dann jedoch die Predigt des Petrus und die Taufe des Hauses des Cornelius erst noch (10,34–48). Dabei wird innerhalb der Erzählung mehrfach betont, dass das Ziel des Herbeiholens des Petrus und damit der Begegnung von Petrus und Cornelius in der Rettung des Cornelius besteht. Explizit wird dieses Motiv innerhalb der Beschreibung der Rede des Petrus in Apg 11,14 aktualisiert. Hier wird über frühere allgemeinere Angaben616 hinaus festgestellt, dass Cornelius mit seinem ganzen Haus durch die Worte des Petrus Rettung erfahren wird (ὃς λαλήσει ῥήματα πρὸς σὲ ἐν οἷς σωθήσῃ σὺ καὶ πᾶς ὁ οἶκός σου).617 Damit stehen Tischgemeinschaft mit Heiden und deren Taufe im vorliegenden Zusammenhang durchaus in einer engen Verbindung zueinander. Die Tischgemeinschaft mit Nichtjuden ist zwar nicht gleichbedeu­ tend mit der durch die Taufe vollzogenen Aufnahme in die Heilsgemeinschaft, führt jedoch schließlich zu dieser. In diesem Rahmen besteht zwischen dem gemeinsamen Essen mit Nichtjuden und deren Taufe insofern eine deutliche Analogie, als in Entsprechung zu und Fortführung der Erlaubnis des engeren Kontaktes wie Tischgemeinschaft (10,28) auch die Gabe des Geistes an Nicht­ juden und damit deren Taufe nicht an eine vorhergehende Beschneidung ge­ bunden sind (s.u. 4.3.3). Dabei wird diese beschneidungsfreie Aufnahme der Nichtjuden in die Heilsgemeinschaft insofern durch das gemeinsame Essen vorbereitet, als mit ihm der Kontakt von christusgläubigen Juden und Hei­ den generell zu engeren Formen hin geöffnet wird. Tischgemeinschaft stellt gleichsam einen Übergang zwischen der bisher praktizierten strikten Vermei­ dung engeren Kontaktes und der besonders engen Form der Gemeinschaft durch Zugehörigkeit zu derselben Gruppe dar. Tischgemeinschaft mit Nicht­ juden ist demnach im vorliegenden Fall – anders als in der Forschung oft

(10,41). Dabei dient Essen und Trinken im Kontext der Auferweckung Jesu in erster Linie als Erkennungszeichen Jesu (vgl. Lk 24,30.43). Im Rahmen von Apg 10,34–43 dient diese Tischgemeinschaft zudem als Beweis für eine besondere Kontinuität mit Jesus. 616  Vgl. dazu Apg 10,22, wonach Petrus Cornelius etwas zu sagen hat, und zwar nach Apg 10,33 etwas, das ihm vom Herrn aufgetragen worden sei ([…] ἀκοῦσαι πάντα τὰ προστεταγμένα σοι ὑπὸ τοῦ κυρίου). 617  Daneben liegt der Komplex der Rettung auch im Hintergrund der in Apg 11,18 belegten Rede von der „Umkehr zum Leben“ (s.u. 4.3.3) und wird außerdem bereits mit dem Motiv des Friedens (10,36) und des Erlasses der Sünden aufgerufen (10,43).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

gedeutet – keine Folge der Taufe,618 sondern eine entscheidende Vorstufe auf dem Weg zur Zugehörigkeit der Heiden zur Heilsgemeinschaft.619 4.1.2

Tischgemeinschaft mit Cornelius als Mahl mit gottesfürchtigen Heiden Für die Legitimation der Tischgemeinschaft mit Cornelius haben offensichtlich dessen Gottesfurcht und Gerechtigkeit entscheidende Bedeutung. Dies wird auch daran deutlich, dass diese Motive der Gottesfurcht und Gerechtigkeit dann in Apg 10,35 im Rahmen einer Grundsatzaussage zu Gott wiederkehren (s.u. 4.3.2.1). Dabei fällt an der vorliegenden Erzählung insgesamt besonders auf, dass der Beschreibung des Cornelius außerordentlich große Bedeutung zugemessen wird. So wird Cornelius nicht nur zu Beginn der Erzählung aus­ führlich vorgestellt (10,1f.), sondern diese Charakterisierung wird zudem in Apg 10,22 wiederholt und erweitert. Danach handelt es sich bei Cornelius zwar nicht um einen Juden (vgl. 10,28), sondern um einen (römischen?) Offizier620 in Cäsarea,621 der jedoch innerhalb der vorliegenden Erzählung zweimal aus­ 618  So z.B. Pervo, Apg, 281f., der den Vorwurf von Tischgemeinschaft mit Nichtjuden in Apg 11,3 als Aufnahme der in Apg 10,48 implizierten Tischgemeinschaft versteht. Er be­ tont, dass der in Apg 10,48 genannte Aufenthalt des Petrus im Haus des Cornelius über mehrere Tage sicherlich auch gemeinsame Mahlzeiten einschließt, die dann jedoch erst nach der Taufe des Cornelius stattfinden (so auch Keener, Apg II, 1792.1816.1819). Damit besteht die Funktion der Tischgemeinschaft Pervo zufolge aber darin, die bedingungslo­ se Annahme der Neubekehrten anzuzeigen (so auch vertreten von Matson, Narratives, 115–117.188, im Anschluss an Esler; Wasserberg, Mitte, 305; Avemarie, Tauferzählungen, 348.396). Ähnlich problematisch daher auch Nguyen, Peter, 80, wenn er mit Blick auf das Problem in Apg 10,1–11,18 folgendermaßen gegen die Taufe und stattdessen für Tischge­ meinschaft plädiert: Die Funktion der Corneliuserzählung „is not just the legitimacy of the Gentile mission or admission into the church but the legitimacy of complete integra­ tion of Jews and Gentiles in the Christian community which included table fellowship“. Auch Weidemann, Wasser, 735–737.740–743, bewertet die Mahlgemeinschaft im Hause des Cornelius als postbaptismale Mahlgemeinschaft. Vgl. zuletzt Smith, Acts, dem zufolge das Problem in Apg 10,1–11,18 abgesehen von den jüdischen Speisegeboten aus dem Grup­ penmahl als Mittel zur Ausbildung der Gemeinschaft besteht. 619  In Apg 10,1–11,18 nähert Lukas die Heidenchristen offenbar auch in Hinsicht auf ihr Verhältnis zu Gott den Judenchristen schrittweise an. Das Angenehmsein vor Gott als zentrales Argument für die Tischgemeinschaft mit Heiden in Apg 10,35 ist nämlich augen­ scheinlich weiter gefasst als die tatsächliche Zugehörigkeit zum Volk Gottes, da Cornelius als gottverehrender Nichtjude ja bereits vor seiner Bekehrung zu Christus eindeutig zu den Gott angenehmen Menschen gehört. Zu einer solchen Unterscheidung von „Gott angenehm“ und „gerettet“ vgl. auch Kilgallen, Clean. 620  Vgl. Apg 10,1, wonach Cornelius der Anführer einer Hundertschaft war (ἑκατοντάρχης ἐκ σπείρης τῆς καλουμένης Ἰταλικῆς). Vgl. dazu auch Lk 7,2; Apg 22,25; 28,16. 621  Cäsarea Maritima war Hauptstadt der römischen Provinz Judäa und damit der Verwal­ tungssitz der römischen Präfekten, bevor es wahrscheinlich 71 n.Chr. in eine römische Kolonie umgewandelt wurde. Zur Frage von Cäsarea als wichtiger Militäreinheit mit Blick

4 Juden und Heiden an einem Tisch ( Apg 10,1–11,18 )

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drücklich als gottesfürchtig (φοβούμενος τὸν θεόν in 10,2.22) gekennzeichnet wird. Dabei kann der Gebrauch dieses Ausdrucks speziell auf eine Zugehörig­ keit des Cornelius zur Gruppe der sogenannten Gottesfürchtigen hinweisen.622 Grundsätzlich wird φοβούμενος nämlich auch als Gruppenbezeichnung für diejenigen gebraucht, die dem Judentum nahestehen, jedoch nicht durch die Übernahme des ganzen Gesetzes, insbesondere der Beschneidung, soge­ nannte Proselyten623 geworden sind.624 Innerhalb des lukanischen Doppel­ werkes lässt sich jedoch insgesamt eine recht unspezifische Verwendung des Ausdrucks φοβούμενος τὸν θεόν (vgl. auch die Verwendung in Lk 18,2.4; 23,40) feststellen,625 sodass keine zwingenden Gründe für eine Deutung dieser Wen­ dung im Sinne eines Terminus technicus und für einen entsprechenden Grup­ penbezug vorliegen.626 Eine Synagogenverbindung des Cornelius wird nicht auf die Zeit von Agrippa (41–44 n.Chr.) vgl. Keener, Apg II, 1734–1742; ausführlich ders., Troops; speziell nach der Umwandlung in eine römische Kolonie auch Patrich, Studies, 71f. 622  So z.B. Jervell, Apg, 303, dem zufolge εὐσεβής die private Frömmigkeit benennt, wohinge­ gen φοβούμενος die Zugehörigkeit zu den Gottesfürchtigen zum Ausdruck bringt. 623  Vgl. dazu Goodman, Proselytizing; ausführlich ders., Mission. 624  Die Frage, ob φοβούμενοι (Lk 18,2; Apg 10,2.22.35; 13,16.26; vgl. auch Gal 2,12; 1 Joh 4,18), θεοσεβεῖς (vgl. Jos. Ant. 7,130.153; 12,284; 14,1.308; 20,195; vgl. auch C. Ap. 2,140; Joh 9,31; 1 Tim 2,10) und σεβόμενοι τὸν θεόν (Apg 13,50; 16,14; 17,4.17; 18,7) bereits im 1. Jh. n.Chr. als Terminus technicus für die Gruppe der sogenannten „Gottesfürchtigen“ existierten, war in der Forschung lange umstritten. Durch eine 1976 in Aphrodisias entdeckte zweiteilige Inschrift, die in das 4. oder 5. Jh. n.Chr. datiert wird (Text und Übersetzung bei Wander, Gottesfürchtige, 235–239; zur Einordnung vgl. bes. 121–128), wurde die Existenz einer Gruppe von „Gottesfürchtigen“ (zumindest für die Spätantike) bestätigt (vgl. Strecker, Gottesfürchtige, 229). Zu Vertretern, die insbesondere aufgrund der Inschrift von Aphro­ disias von der Existenz einer Gruppe von heidnischen Gottesfürchtigen ausgehen, vgl. Finn, God-Fearers; Feldman, Omnipresence; Trebilco, Communities, 145–166; MurphyO’Connor, God-Fearers. 625  Die Frage, inwieweit die Rekurse auf Gottesfürchtige in der Apostelgeschichte im Sinne einer festen Gruppenbezeichnung zu verstehen sind, ist in der Forschung stark umstrit­ ten. Dafür plädieren vor allem Siegert, Gottesfürchtige; Wander, Gottesfürchtige, 180–203, der für die Apostelgeschichte insgesamt ein fünfstufiges System der Nähe von Heiden zum Judentum rekonstruiert (197f.); vgl. Overman, God-Fearers, 151; grundsätzlich für möglich gehalten auch von Wilcox, God-Fearers. Gegen eine Auswertung der entspre­ chenden Belege aus der Apostelgeschichte für die Rekonstruktion einer solchen Gruppe MacLennan/Kraabel, God-Fearers, 141, wobei Kraabel, Disappearance, 117, die Existenz einer Gruppe von nichtjüdischen Gottesfürchtigen im Umfeld der Synagoge generell ab­ lehnt. Äußerst skeptisch gegenüber der Existenz einer Gruppe von Gottesfürchtigen vor dem 3. Jh. n.Chr. auch Jensen, God-Fearers. Zu einem Überblick über die Diskussion zu den Gottesfürchtigen im lk. Doppelwerk vgl. Keener, Apg II, 1751–1753. 626  Gegen eine Verwendung im Sinne einer Gruppenbezeichnung spricht die Kombination σεβομένων προσηλύτων in Apg 13,43. Innerhalb dieses Ausdrucks ist σεβόμενος wohl am ehesten als bloßes Adjektiv zu verstehen (so auch Munck, Apg, 126).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

ausdrücklich erwähnt.627 Der Ausdruck φοβούμενος τὸν θεόν kann demzufolge auch einfach in einem allgemeinen Sinne als individuelle Bestimmung eines frommen Menschen dienen.628 In jedem Fall wird Cornelius jedoch durch diese Bezeichnung eindeutig als jemand qualifiziert, der dem jüdischen Glau­ ben nahesteht.629 Auf eine persönliche Frömmigkeit des Cornelius weisen auch andere Angaben zu seiner Person innerhalb der vorliegenden Erzählung hin. In Verbindung mit dieser Bestimmung als gottesfürchtig wird Cornelius sowohl als fromm630 (vgl. εὐσεβὴς καὶ φοβούμενος τὸν θεὸν σὺν παντὶ τῷ οἴκῳ αὐτοῦ in Apg 10,2) als auch als gerecht (ἀνὴρ δίκαιος καὶ φοβούμενος τὸν θεόν in 10,22) charakterisiert. Mit dieser Kennzeichnung des Cornelius als fromm und gerecht greift Lukas auf eine zu seiner Zeit weit verbreitete Verbindung dieser beiden Tugenden zurück. Bereits im 5./4. Jh. v.Chr. lässt sich die Kom­ bination von εὐσέβεια und δικαιοσύνη nämlich im pagangriechischen Bereich als feste Wendung finden,631 mit der die ethischen Verpflichtungen der Men­ schen gegen Gott und andere Mitmenschen gleichsam zusammenfassend wiedergegeben werden. Sie wurde auch später vielfach aufgenommen, und zwar sowohl im paganen Bereich632 als auch innerhalb des zeitgenössischen griechischsprachigen Judentums.633 Der Rückgriff auf diese Zusammenstel­ 627  Der Fokus liegt grundsätzlich nicht auf einer Verortung in der Synagoge, da die Missi­ onspredigt innerhalb dieser Erzählung von vornherein nicht in der Synagoge (so aber Apg 13,5.14–42; 14,1; 16,13–15; 17,1–4.17; 18,4.7f.10.12; 19,10; 28,25–28), sondern im Haus des Cornelius stattfindet. Lukas verortet die Lehre und den Umkehrruf Jesu bzw. seiner Apos­ tel insgesamt häufiger in einem Haus als Gegensatz zum Tempel oder zur Synagoge, vgl. dazu ausführlich Matson, Narratives, zur Erzählung von der Bekehrung des Cornelius und seines Hauses bes. 86–134. 628  Die zur Gruppe der sogenannten Gottesfürchtigen gehörenden Heiden scheinen häufiger Wohltäter jüdischer Einrichtungen gewesen zu sein (Strecker, Gottesfürchtige, 229). Im vorliegenden Zusammenhang ist jedoch auffälligerweise von Almosen die Rede. 629  Insgesamt gab es ein breiteres Spektrum an unterschiedlichen Intensitätsgraden, in de­ nen Heiden eine Verbindung mit Juden bzw. zum Judentum eingehen konnten (vgl. dazu Cohen, Boundary). 630  Vgl. Passow, s.v. εὐσεβής: „derjenige, welcher die Gottheit, die Todten, die Eltern u. Ver­ wandten, die Obrigkeit, Freunde, Wohlthäter u. Aeltere ehrt, gottesfürchtig, fromm, ehrerbietig, dankbar“. Zu εὐσεβής vgl. auch die Kennzeichnung des Soldaten in Apg 10,7, der Cornelius treu ergeben ist. 631  So gehäuft bei Isokrates, vgl. vor allem Panath. 124, dort ausdrücklich εὐσέβειαν μὲν περὶ τοὺς θεοὺς δικαιοσύνην δὲ περὶ τοὺς ἀνθρώπους, ebenso 204 mit zusätzlichem φρόνησις (vgl. 217); vgl. auch 163.183; vgl. daneben De pace 33f.63; Nic. 2. 632  Vgl. dazu z.B. Diod. 1,2,2; 1,49,3; 1,92,5 (an der Spitze von mehreren Tugenden); 3,60,2; 3,64,7; 5,7,7; 5,8,3; 6,6,1; 6,8,1; 12,20,3; 33,5,6; Dion. Hal. Ant. rom. 1,4,2; 4,32,1; 8,2,2; 8,8,1; 8,28,3; 8,62,3; 13,5,3; Isocr. 7. 633  Vgl. Philo, Praem. 162; Legat. 213; daneben die häufige Verwendung im Aristeasbrief für die Juden (s.o. IIB 1.2.2) und für Ptolemaios (s.o. IIB 2.1.3); Jos. Bell. 2,139 (für die Essener).

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lung von zentralen Tugenden eignet sich dementsprechend insofern beson­ ders gut zur Kennzeichnung des Cornelius, als sie auch den vermutlich eher heidenchristlichen Adressaten des lukanischen Doppelwerkes als Ausdruck für ein gottgefälliges Verhalten vertraut war. Die Verwendung von δίκαιος zeigt vor dem Hintergrund des Gebrauchs dieses Terminus im lukanischen Doppelwerk634 deutlich, dass Cornelius auch mit dieser Bestimmung in eine große Nähe zu den Juden gerückt wird, die in Übereinstimmung mit den jü­ dischen Gesetzen leben.635 Dabei wird innerhalb der vorliegenden Erzählung mit Bezug auf Cornelius vor allem die Erfüllung ethischer Gebote betont. Ab­ gesehen von der mehrfachen Erwähnung des Gebetes zu Gott (καὶ δεόμενος τοῦ θεοῦ διὰ παντός in 10,2;636 vgl. 10,4.30f.) wird nämlich insbesondere die Almosentätigkeit des Cornelius für das jüdische Volk (ποιῶν ἐλεημοσύνας πολλὰς τῷ λαῷ in 10,2; vgl. 10,4.31; daneben 9,36; 24,17) angeführt. Dieses Almosenge­ ben wird in der jüdischen Tradition mehrfach als Kennzeichen des Gerechten und damit als Zeichen für Gesetzesgehorsam bewertet (vgl. u.a. Tob 4,7.16; 12,8; Sir 29,1). Auch das Almosengeben gehört demzufolge neben dem Gebet zur Frömmigkeitspraxis.637 Damit ist Cornelius aber eindeutig mehr als nur ein heidnischer Gönner der jüdischen Gemeinde,638 der zwar religiös tolerant ist, aber kein eigenes Verhältnis zum Gott Israels hat. Er wird vielmehr insgesamt als eine äußerst positive Gestalt gekennzeichnet, die dem Judentum sehr nahe steht.639 Er erscheint als ein Nichtjude, der jedoch nach gewissen Bestimmun­ gen des Gesetzes lebt und daher beim ganzen jüdischen Volk einen guten Ruf genießt640 (μαρτυρούμενός τε ὑπὸ ὅλου τοῦ ἔθνους τῶν Ἰουδαίων in Apg 10,22). Näherhin erfolgt die Öffnung der Heilsgemeinschaft für Nichtjuden demzufol­ ge über solche Nichtjuden, die gottesfürchtig und gerecht sind, also besonders 634  Vgl. dazu den Gebrauch von δίκαιος in Lk 1,6 (ἦσαν δὲ δίκαιοι ἀμφότεροι ἐναντίον τοῦ θεοῦ, πορευόμενοι ἐν πάσαις ταῖς ἐντολαῖς καὶ δικαιώμασιν τοῦ κυρίου ἄμεμπτοι); 2,25; 23,50. Zu δίκαιος vgl. daneben Lk 18,9; 20,20; 23,47. 635  Vgl. Fitzmyer, Apg, 457 (unter Hinweis auf Apg 10,35); Barrett, Apg I, 512. Pervo, Apg, 272, sieht hingegen einen Bezug auf die Almosentätigkeit des Cornelius. 636  Hamm, Praying, schlägt für διὰ παντός ein Verständnis von „regularly“ anstelle des in der Forschung häufig gewählten „constantly“ vor. 637  So z.B. von Sánchez, Geschichtswerk, 122, für die Verbindung aus Almosengeben und Gebet betont. Vgl. dazu auch die Anwendung kultischer Termini für den Bereich der Almosen, so Klinghardt, Gesetz, 37.275 und 49–51; daneben Pervo, Apg, 268. Vgl. dazu auch, dass viele Textzeugen in Apg 10,30 das Fasten einfügen, welches ebenfalls zur jüdi­ schen Frömmigkeitspraxis gehört. 638  Gegen Ogereau, Collection, 361 mit Anm. 4, der u.a. unter Hinweis auf den Gebrauch von θεοσεβής in Jos. Ant. 20,195 dafür plädiert, dass dieser Terminus „may not necessarily reflect pious commitment but benevolent attitude towards the Jews“. 639  So auch Barrett, Apg I, 493.497. 640  Zum Ansehen beim ganzen jüdischen Volk vgl. Apg 22,12; vgl. auch Lk 7,5.

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positiv bewertet werden und den zum Glauben gekommenen Juden damit oh­ nehin besonders ähnlich sind.641 Die Aufhebung bisher geltender Unterscheidungen als Zentrum der Vision des Petrus Das Zentrum des vorliegenden Textes bildet die Aufhebung bisheriger Unter­ scheidungen. Diese durchzieht in unterschiedlicher Form den gesamten Text. Dabei wird diese Forderung sowohl im Rahmen der Vision als auch in deren Deutung unter Verwendung der Unreinheitsterminologie aktiviert. Im Fokus dieser Unreinheitsaussagen steht nämlich – wie eine nähere Untersuchung zeigen wird – weniger das Thema der Reinheit und Unreinheit an sich, son­ dern in erster Linie der für das Reinheits-/Unreinheitsparadigma zentrale Vor­ gang der Unterscheidung. 4.2

4.2.1

Die Aufforderung zum Schlachten und Essen als Ermahnung zum Verzicht auf bisher geltende Unterscheidungen Am Tag nach der Vision des Cornelius nähern sich seine Boten der Stadt Joppe. Zu dieser Zeit hat Petrus um die sechste Stunde, d.h. um die Mittagszeit, beim Gebet eine Erscheinung, als er hungrig wird642 und für ihn etwas zu essen vor­ bereitet wird (10,9f.). Petrus sieht, wie ein Gefäß, das einem großen Leinentuch ähnelt, vom Himmel auf die Erde herabkommt (τὸν οὐρανὸν ἀνεῳγμένον καὶ καταβαῖνον σκεῦός τι ὡς ὀθόνην μεγάλην τέσσαρσιν ἀρχαῖς καθιέμενον ἐπὶ τῆς γῆς in 10,11; vgl. 11,5). Als er in dieses Gefäß hineinsieht, entdeckt er (vgl. 11,5fin–6), dass es drei unterschiedliche Klassen von Tieren enthält, und zwar alle Vier­ füßler, Kriechtiere und Vögel des Himmels (ἐν ᾧ ὑπῆρχεν πάντα τὰ τετράποδα καὶ ἑρπετὰ τῆς γῆς καὶ πετεινὰ τοῦ οὐρανοῦ in 10,12).643 Petrus erhält die Auf­ forderung, die entsprechenden Tiere zu schlachten und zu essen (θῦσον καὶ φάγε in 10,13; vgl. 11,7). Innerhalb der Formulierung, mit der Petrus Einspruch gegen diese Aufforderung erhebt, findet sich dann der bislang nicht explizier­ te Gedanke von unreinen Tieren. Petrus begründet (vgl. ὅτι) seine Weigerung nämlich, indem er feststellt, dass er noch nie etwas gegessen habe, was κοινὸς καὶ ἀκάθαρτος sei: Μηδαμῶς, κύριε, ὅτι οὐδέποτε ἔφαγον πᾶν κοινὸν καὶ ἀκάθαρτον (10,14). Diese Zusammenstellung von κοινός und ἀκάθαρτος hat für den vorlie­ genden Text insgesamt zentrale Bedeutung. Sie findet sich ein weiteres Mal 641  Vgl. Stenschke, Portrait, 148–164.310–314.382f.; ähnlich schon Jervell, People, 44. Vgl. dazu auch Taeger, Mensch, 60–63, der daneben jedoch betont, dass Cornelius als exemplarisch frommer Heide im Blick ist. 642  Zu stark betont wird das Motiv des Hungers von Sutter Rehmann, Caesarea. 643  In Apg 11,6 werden als Erdentiere zusätzlich zu den Vierfüßlern und Kriechtieren auch die wilden Tiere genannt: τὰ τετράποδα τῆς γῆς καὶ τὰ θηρία καὶ τὰ ἑρπετά. Zu ähnlichen Aufzählungen vgl. vor allem Gen 1,28.30; daneben Gen 1,24; 6,20; Röm 1,23.

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541

in der Formulierung, mit der Petrus seine Weigerung zum Schlachten und Essen rekapituliert (11,8). Dabei lässt die dortige Wiederholung insofern auf eine besondere Relevanz dieses Ausdrucks schließen, als sie in ihrem genauen Wortlaut von Apg 10,14 abweicht,644 der Ausdruck κοινὸν καὶ ἀκάθαρτον jedoch nahezu unverändert aufgenommen wird.645 Die Wendung κοινὸς καὶ ἀκάθαρτος war in der Forschung Anlass für zahlrei­ che Überlegungen, in deren Zentrum vor allem die Frage nach dem Verhältnis der beiden Begriffe zueinander stand. Dabei wurde für κοινός und ἀκάθαρτος häufig für ein wenigstens von der Konnotation her unterschiedliches Verständ­ nis plädiert.646 Im Einzelnen wird κοινός beispielsweise als eine dritte Katego­ rie zwischen rein und unrein verstanden647 oder aber als rituelle Unreinheit eines Juden aufgrund des Kontaktes mit einem Heiden.648 Anstelle dieser für κοινός κτλ. ansonsten nicht nachweisbaren Deutungen legt sich für die Verwen­ dung dieser Terminologie in Apg 10,14f.; 11,8f. ein Verständnis als Fachwort für

644  In Apg 11,8 wird das auf den Vorgang des Essens referierende Verbum ἐσθίω in εἰσῆλθεν εἰς τὸ στόμα μου abgewandelt (vgl. Mt 15,11.17) und dadurch das Subjekt des Satzes eben­ falls variiert: Μηδαμῶς, κύριε, ὅτι κοινὸν ἢ ἀκάθαρτον οὐδέποτε εἰσῆλθεν εἰς τὸ στόμα μου. Humphrey, Collision, 76, deutet die Veränderung von „nichts Unreines gegessen“ (10,14) zu „nichts Unreines ist in meinen Mund gekommen“ (11,8) dahingehend, dass das Motiv vom Hineingehen das zentrale Thema sei. So ist zwar nichts Unreines in den Mund des Petrus gekommen, jetzt sind aber unreine Heiden auf dem Weg zu dem Haus, in dem er sich befindet, und er selbst wird ein unreines Haus betreten. 645  In Apg 11,8 findet sich anstelle von κοινὸν καὶ ἀκάθαρτον allerdings die Verbindung κοινὸν ἢ ἀκάθαρτον (so auch innerhalb der Erzählung in 10,28; s.u. 4.3.1.2). 646  Vgl. Louw/Nida, 53.39: Es sei möglich, „that there is some subtle distinction in meaning, particularly on a connative level, between κοινός and ἀκάθαρτος in Acts 10:14, but it is diffi­ cult to determine the precise differences in meaning on the basis of existing contexts. The two terms are probably used in Acts 10:14 primarily for the sake of emphasis.“ 647  Wahlen, Vision, 512f., schlägt für die κοινός-Terminologie eine Deutung mit Bezug auf die Speisen vor, bei denen fraglich ist, ob die Abgaben wie der Zehnte entnommen wurden. Eine solche Einteilung als zweifelhafte Dinge existiert neben der grundsätzlichen Un­ terscheidung von rein und unrein als dritte Kategorie dann vor allem in rabbinischen Quellen (vgl. vor allem mDem). Der Gebrauch von κοινός κτλ. lässt sich jedoch nicht für diese zweifelhaften Dinge nachweisen, sondern wird im griechischsprachigen Judentum immer auf eindeutig verbotene und ausgeschlossene Dinge bezogen (vgl. dazu auch die von Wahlen, a.a.O., 513, selbst genannten Einwände). 648  Vgl. Parsons, Function, 264.266–268: Er unterscheidet deutlich zwischen der Wendung κοινὸν καὶ ἀκάθαρτον in Apg 10,14 und den Wendungen, in denen beide Begriffe anstelle von καί durch ἤ verbunden werden (10,28; 11,8). Während in Apg 10,14 beide Termini Sy­ nonyme seien, bezeichne κοινός in Apg 10,28 einen Juden, der rituell durch den Kontakt mit einem Heiden verunreinigt worden sei, und in Apg 11,8 Speise, die durch Vermischung mit unreiner Speise kontaminiert sei, wohingegen ἀκάθαρτος in Apg 10,28 einen Heiden bezeichne, der von Natur aus unrein ist, in Apg 11,8 hingegen Speise, die von Natur aus unrein ist (so u.a. im Anschluss an House, Defilement).

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

etwas den Juden strikt Verbotenes nahe. Ein solcher Gebrauch von κοινός κτλ. ist nämlich im griechischsprachigen Judentum gut belegt: Eine Untersuchung des in den jüdischen Schriften überlieferten Ge­ brauchs von κοινός κτλ. zeigt, dass diese Terminologie im Mund geset­ zestreuer Juden häufiger austauschweise zur Unreinheitsterminologie gebraucht wird,649 wobei κοινός κτλ. im Vergleich zur Unreinheitstermi­ nologie jeweils auf Dinge beschränkt ist, die durch das Gesetz verboten sind (s.o. IIB 1.3.1.3). Damit ergibt sich für die Zusammenstellung κοινὸς καὶ ἀκάθαρτος in Apg 10,14; 11,8, dass in ihr der weite Begriff der Unrein­ heit durch κοινός präzisiert wird. Danach handelt es sich nicht um eine unvermeidbare, natürliche Unreinheit, wie es vor allem für die verschie­ denen Formen der rituellen Unreinheit (z.B. Samenfluss, Menstruation, Wochenfluss oder Krankheiten wie Aussatz) der Fall ist, sondern um eine Unreinheit, die aus einer Gesetzesübertretung resultiert. Die nebenei­ nander gestellten Begriffe κοινὸς καὶ ἀκάθαρτος bezeichnen in Apg 10,14; 11,8 somit Speisen, die durch das Gesetz für Juden ausdrücklich verboten sind, wie vor allem der Gebrauch von κοινός in 1 Makk 1,62 (μὴ φαγεῖν κοινά; s.o. IIB 1.2.1) deutlich zeigt. Im Hintergrund der Entstehung von κοινός κτλ. steht die Sichtweise der Juden auf das Nichtjüdische als etwas allgemein Verbreitetes, das jedoch im Vergleich zu den besonderen jüdi­ schen Bräuchen von geringerem Wert sei. Diese Verwendung von κοινός κτλ. in einem eindeutig pejorativen Sinn lässt sich im Deutschen gut durch eine Wiedergabe mit „gemein“ oder „vulgär“ zum Ausdruck brin­ gen (s.o. IIB 1.3.2.3).650 649  Haenchen, Apg, 335, bezeichnet beide Begriffe als Hendiadyoin. Strenggenommen han­ delt es sich bei einem Hendiadyoin jedoch um eine Aneinanderreihung von zwei Begrif­ fen, die zwei unterschiedliche Aspekte des gemeinten Begriffs bezeichnen, wobei beide Begriffe parataktisch angeordnet, aber syntaktisch einander zugeordnet sind, und zwar oftmals adjektivisch, so z.B. „tyrannische Herrschaft“ (vgl. dazu Lausberg, Rhetorik, §305, der das Hendiadyoin als „Ausdruck einer subordinierenden Häufung […] durch die syn­ taktische Form der koordinierenden Häufung“ definiert). Im Vergleich dazu handelt es sich bei κοινὸς καὶ ἀκάθαρτος jedoch eher um eine Synonymenhäufung, da grundsätzlich auch ein Begriff ausreichend wäre. 650  Anders als für die in Röm 14,14 und Mk 7,1–23 überlieferten κοινός-Aussagen wird in der Forschung für die in Apg 10,14f.28; 11,8f. belegten κοινός-Wendungen häufiger eine solche Wiedergabe mit „gemein“ (so Jervell, Apg, 299; Roloff, Apg, 162; Eckey, Apg I, 233) oder „common“ (Bruce, Apg, 256; Barrett, Apg I, 488; Johnson, Apg, 181; Fitzmyer, Apg, 453; Parsons, Function, 265) vorgeschlagen (vgl. dazu auch Haacker, der Apg 10,28 folgen­ dermaßen übersetzt: „Und doch hat Gott mir den Wink gegeben, keinen Menschen als ordinär oder unsauber zu bezeichnen“, so Apg, z.St.). Demgegenüber plädiert Thiessen, Conversion, 127–131, nachdrücklich für die daneben in der Forschung weit verbreitete

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Durch den Gebrauch von κοινὸς καὶ ἀκάθαρτος macht Lukas demzufolge deutlich, dass die in Apg 10,14; 11,8 geäußerte anfängliche Weigerung des Pe­ trus zum Schlachten und Essen dem Empfinden eines gesetzestreuen Juden entspricht. Dabei erklärt sich die alleinige Erwähnung von verbotenen Speisen in Apg 10,14; 11,8 aus der Funktion dieser Formulierung. Mit ihr begründet der lukanische Petrus, dass er die an ihn ergangene Aufforderung nicht erfüllt. Sie ist jedoch nicht in dem Sinne zu verstehen, dass in dem Gefäß einzig unreine Tiere sind.651 Das in Apg 10,12 belegte universale πάντα deutet nämlich darauf hin, dass sich die drei erwähnten Klassen jeweils in Form aller zu ihnen gehörenden Arten in dem Gefäß befinden (vgl. dazu auch den Artikel τά). Aus dem auf eine solche Gesamtheit referierenden πάντα ergibt sich somit, dass sich unter den Tieren in dem Gefäß sowohl reine als auch unreine und damit für Juden nach Lev 11/Dtn 14 verbotene Tiere befinden.652 Im Fokus der Aufforde­ rung liegt dann aber nicht, dass Petrus nur unreine Tiere essen soll, sondern dass er von allen Tieren essen soll, ohne eine entsprechende Unterscheidung vorzunehmen, wie er dies bislang getan hat. Auf die Weigerung des Petrus zum Schlachten und Essen reagiert die zu ihm sprechende Stimme in Apg 10,15 mit einem Hinweis auf Gott als denje­ nigen, der über Reinheit und Unreinheit entscheidet (vgl. 11,9). Dabei weist die Stimme die von Petrus vorgenommene Unterscheidung zwischen reinen und unreinen Tieren dadurch strikt zurück, dass diese keineswegs der von Gott selbst vertretenen Auffassung entspricht. Dazu wird der von Petrus gebrauchte Ausdruck κοινὸς καὶ ἀκάθαρτος aus Apg 10,14 in Gestalt des Verbums κοινόω und des zum Antonym von ἀκάθαρτος gehörenden Verbums καθαρίζω aufgegriffen. Beide Verben stehen somit in einem Gegensatz. Sie werden jeweils in einem de­ klarativen Sinne verwendet.653 Im Fokus dieser Aussage der Stimme liegt näm­ Wiedergabe von κοινός mit „unrein“ (so auch Pervo, Apg, 258.261: „unclean and impure“; Munck, Apg, 90). Dabei lehnt Thiessen eine Wiedergabe mit „common“ ausdrücklich ab, weil er sie fälschlicherweise als gleichbedeutend mit dem von ihm zu Recht zurückge­ wiesenen Verständnis der Heiden als „profan“ ansieht (Conversion, 131). Ein solches Ver­ ständnis der Heiden als generell „profan“ vertritt z.B. Klawans, Notions, 292.298; vgl. auch Hauck, κοινός, 797. 651  Gegen Pesch, Apg I, 338, dem zufolge Apg 10,13f. voraussetzen, dass die Mehrheit der Tiere unrein war. Salo, Treatment, 210, vertritt gar die Auffassung, Lukas sehe alle Tiere in der Vision als unrein an. 652  Gegen Derrett, Animals, u.a. 173, dem zufolge die Vision auf die Anordnungen an Noah in Gen 9,3 zurückverweist. 653  Zu einem deklarativen Verständnis von καθαρίζω vgl. vor allem Mk 7,19fin (s.u. IIIC 1.3.2.2) sowie Lev 13,6.13.23 LXX. Dies wird für Apg 10,15; 11,9 insgesamt häufig vertreten, vgl. z.B. Hauck, καθαρός, 428; Haenchen, Apg, 335; Schneider, Apg II, 69 Anm. 88 und 89; zum deklarativen Verständnis von κοινόω vgl. Hauck, κοινόω, 810.

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lich der für die (Un-)Reinheitsvorstellung generell zentrale und in Apg 10,28 ausdrücklich fassbare (vgl. κοινὸν ἢ ἀκάθαρτον λέγειν) Gedanke, dass es sich bei der Bestimmung von Dingen und Personen als rein und unrein letztlich um Definitionsfragen handelt (s.o. I 2.2). Die Aufforderung der Stimme an Petrus ist somit folgendermaßen wiederzugeben: „Was Gott für rein, d.h. für erlaubt, erklärt hat (ἅ ὁ θεὸς ἐκαθάρισεν), das nenne du nicht ‚gemein‘, d.h. verboten (σὺ μὴ κοίνου)“ (10,15). Die Bewertungen von rein und unrein durch Petrus und Gott stehen demzufolge in einem Konflikt miteinander. Gerade darin liegt nun eine entscheidende Abwandlung der biblischen Tradition zu den jüdischen Speise­ geboten. In ihr wird nämlich mehrfach ein Zusammenhang zwischen Gott und den Juden formuliert, dem zufolge die Juden mit ihrer Einhaltung der Spei­ segebote genau die Unterscheidung zwischen rein und unrein befolgen, die Gott selbst für sie festgelegt hat.654 Diese Überzeugung liegt offenbar auch der Weigerung des Petrus zum Schlachten und Essen zugrunde. Während Petrus glaubt, mit der Einteilung in rein und unrein gottgemäß zu handeln, ist das der Himmelsstimme und damit Gott selbst zufolge nicht der Fall. Das Ziel der Vision besteht somit darin, dass Petrus ihm bislang als unrein und rein geltende Tiere ohne Unterschied essen soll, und zwar deshalb, weil die bisher von ihm vorgenommene Einteilung der Dinge in rein und unrein nicht die Definition der entsprechenden Dinge durch Gott selbst widergibt. Das, was Petrus als unrein und „gemein“ ansieht, bewertet Gott nämlich als rein. Die Aufforderung des Geistes zum Mitgehen mit den Boten des Cornelius, ohne eine Unterscheidung zu machen Für eine Bestimmung der Zielrichtung der Vision des Petrus ist zu beachten, dass Visionen von sich aus zunächst offen für mehrere Deutungen sind, deren Funktion jedoch vom argumentativen Kontext her beschränkt wird.655 Auffäl­ lig ist, dass die Visionen in Apg 10,1–11,18 nicht explizit – wie etwa in der Johan­ nesoffenbarung durch einen Angelus interpres – gedeutet werden. Sie werden jedoch offenbar durch den Fortgang der Ereignisse, und zwar insbesondere durch die Aussagen der handelnden Personen, sowie durch die Zusätze inner­ halb der Wiederholungen der Visionen interpretiert.656 Folglich kommt den Aussagen in Apg 10,19f.27–29.33–35 eine zentrale Funktion für die Deutung der Vision zu. Dabei erhält Petrus, als er noch selbst über den Sinn der Vision nach­ denkt (vgl. 10,19), durch den Geist657 die Aufforderung, mit den drei Männern 4.2.2

654  Vgl. dazu schon Lev 20,25, bes. ‫ר־ה ְב ַדּ ְל ִתּי ָל ֶכם ְל ַט ֵמּא‬ ִ ‫( […] ֲא ֶשׁ‬vgl. LXX: […] ἃ ἐγὼ ἀφώρισα ὑμῖν ἐν ἀκαθαρσίᾳ). So dann besonders betont in 11Q19 51,8–10, vgl. auch den Zusammen­ hang zwischen CD-A 6,17f. und 7,3f. 655  Vgl. Humphrey, Collision, 69.81. 656  Vgl. Humphrey, Collision, 73–77.82. 657  Zur Intervention des Geistes vgl. auch Apg 8,39; 13,4; 16,6f.; 20,22f.

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mitzugehen, die ihn suchen (καὶ πορεύου σὺν αὐτοῖς μηδὲν διακρινόμενος). Als Grund für diese Aufforderung führt der Geist an, dass die Männer von ihm selbst gesandt worden seien (ὅτι ἐγὼ ἀπέσταλκα αὐτούς in 10,20). Der Geist erklärt Petrus die Vision also nicht im Einzelnen, gibt jedoch eine entschei­ dende Handlungsanweisung an Petrus, die in unmittelbarer Verbindung zur Vision selbst steht und daher für deren Deutung in jedem Fall besondere Be­ deutung hat. Dabei scheint der Sinn der Vision darin zu bestehen, Petrus dazu aufzufordern, bisher geltende Unterscheidungen aufzugeben. Auf eine solche Funktion der Vision deutet vor allem die in Apg 10,20 belegte Wendung μηδὲν διακρινόμενος hin. Sie begegnet in ähnlicher Form auch in Apg 11,12, wenn der lukanische Petrus innerhalb seiner Darstellung der Ereignisse die in Apg 10,20 an ihn ergangene Anordnung wiederholt. Im Rahmen der dortigen Formulie­ rung wird von der Mehrheit der ältesten Textzeugen jedoch anstelle des Me­ diums διακρινόμενος ein aktives Partizip überliefert:658 εἶπεν δὲ τὸ πνεῦμά μοι συνελθεῖν αὐτοῖς μηδὲν διακρίναντα. Das Verbum διακρίνω wird in Apg 10,1–11,18 somit insgesamt zweimal in Verbindung mit μηδέν gebraucht, und zwar jeweils als Participium coniunctum zu einem Verb, das die Bewegung des Petrus hin zu Cornelius bezeichnet. Es qualifiziert demzufolge die Handlung des Mitgehens näher im Hinblick auf deren konkrete Umstände. Dabei erscheint διακρίνω in Apg 10,20 als Partizip Präsens Medium, in Apg 11,12 dann hingegen als Par­ tizip Aorist Aktiv. Mit beiden Partizipialwendungen wird Petrus – wie eine nähere Untersuchung zeigen wird – offenbar dazu aufgefordert, den Männern des Cornelius zu folgen, ohne einen Unterschied zu machen. In der Forschung wird für diese Wendungen, und zwar insbesondere für Apg 10,20, hingegen zu­ meist eine Sonderbedeutung von διακρίνω angenommen, doch bleibt eine sol­ che Entwicklung von διακρίνω für das 1. Jh. n.Chr. und auch danach insgesamt unsicher: Das Verbum διακρίνω wird von vielen Exegeten sowohl in Apg 10,20 als auch in Apg 11,12 im Sinne von „zweifeln“ verstanden.659 Insbesondere für Apg 10,20 plädiert die Mehrzahl der Exegeten für ein Verständnis 658  Der Textbefund ist insgesamt uneinheitlich. Abgesehen vom Gebrauch des Mediums im „Mehrheitstext“, der sich als Angleichung an Apg 10,20 erklären lässt, und einem gänzli­ chen Fehlen dieser Wendung in einigen Handschriften (𝔓⁴⁵vid D l p* syh) dominiert in der Textüberlieferung das aktive Partizip. Dabei wird διακρίναντα durch ‫א‬² A B 33 81 945 1739 bezeugt, διακρίνoντα durch ‫ *א‬E Ψ 1175, daneben ἀνακρίναντα durch 𝔓⁷⁴. 659  Vgl. die häufige Wiedergabe von Apg 10,20 und 11,12 mit „ohne Bedenken“, z.B. bei Haen­ chen, Apg, 331f.; Schneider, Apg II, 56.59 (vgl. 70: mit Hinweis auf die Annahme einer Sonderbedeutung); Jervell, Apg, 300f.; Fitzmyer, Apg, 456, der Apg 10,20 mit „without he­ sitation“ übersetzt (ebenso 11,12; vgl. 469.471), jedoch für seine Erklärung die gewöhnliche Bedeutung von „debate, dispute“ heranzieht.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

von „zweifeln“,660 wobei die Bedeutung „unterscheiden“ bisweilen mit in den Blick genommen wird.661 Dabei folgen die entsprechenden Exe­ geten mit dem Verständnis von Apg 10,20 als „zweifeln“ den einschlägigen Wörterbüchern. Diese differenzieren nämlich deutlich zwischen dem Gebrauch von διακρίνω im Aktiv und Medium. Während sie für die Ver­ wen­dung im Aktiv ein Verständnis in dem für διακρίνω grundlegenden Sinn von „unterscheiden“ vorschlagen,662 nehmen sie für den Gebrauch im Medium stets eine Sonderbedeutung von „zweifeln“ an.663 Bisweilen stellen die entsprechenden Wörterbücher ausdrücklich fest, dass sich ein solcher Gebrauch für das Verbum διακρίνω überhaupt erst in der ur­ christlichen Literatur nachweisen lässt.664 Dabei legt sich ein solches Verständnis für die entsprechenden Vertreter offenbar vor allem aus dem Grunde nahe, weil διακρίνω in mehreren urchristlichen Wendungen als Gegensatz zum Glauben gebraucht wird.665 Gegen die Annahme einer solchen urchristlichen Sonderbedeutung haben insbesondere Spitaler und auch Baumert666 Einspruch erhoben. Dabei untersucht Spitaler vor allem die Rezeptionsgeschichte der neutes­ 660  Vgl. dazu Gärtner/Bayer, Unterscheidung, 1719f.; vgl. auch Esler, Community, 94. 661  Vgl. Barrett, Apg I, 511, der für Apg 10,20 zwar ein Verständnis als „unterscheiden“ in Erwä­ gung zieht, diesem jedoch die Deutung als „zweifeln“ vorzieht (540); daneben Johnson, Apg, 185, der auch für Apg 11,12 „without doubting“ vorschlägt (198); Witherington III, Apg, 351 Anm. 100; Pervo, Apg, 272, der die Wendung in Apg 10,20 als „multivalent“ bestimmt, Apg 11,12 aber als „avoiding distinction“ deutet (262.287). 662  Vgl. dazu Passow, s.v. a: „auseinander scheiden, absondern, ausscheiden, trennen“; b: „un­ terscheiden“; LSJ, s.v. II: „distinguish“ (Hervorhebung im Original); BAA, s.v. 1b: „un­ terscheiden, e. Unterschied machen“ (im Original hervorgehoben), unter Hinweis auf Apg 11,12 (ebenso in BDAG, s.v. 2); vgl. auch Dautzenberg, διακρίνω, 733. 663  Vgl. dazu BAA, s.v. 2b: „mit sich im Streite sein, Bedenken tragen, zweifeln“ (im Origi­ nal weitere Hervorhebungen), u.a. mit Hinweis auf Apg 10,20, daneben auch Mt 21,21; Mk 11,23; Röm 4,20; 14,23; Jak 1,6; 2,4; Jud 22; Lk 11,38 D (ebenso in BDAG, s.v. 6; vgl. Daut­ zenberg, διακρίνω, 732–734; Louw/Nida, 31.37: „διακρίνομαι, διαλογισμός, οῦ m, διστάζω: to think that something may not be true or certain – ‚to doubt, to be uncertain about, doubt.‘ διακρίνομαι: πορεύου σὺν αὐτοῖς μηδὲν διακρινόμενος ‚go with them, with no doubts at all‘ Ac 10.20“; vgl. auch LSJ, s.v. VII: „doubt, hesitate, waver, […] usu. in Med. and Pass.“, unter Hinweis auf Apg 10,20 (Hervorhebungen im Original). 664  Vgl. BAA, s.v. 2b: „(in dies. Bed. erst seit d. NT nachweisbar)“; Büchsel, κρίνω, 948. Zu Vor­ schlägen für eine Herleitung und Begründung dieser Sonderverwendung durch unter­ schiedliche Forscher vgl. den Überblick bei Spitaler, Διακρίνεσθαι, 3f. 665  Vgl. Jak 1,6: αἰτείτω δὲ ἐν πίστει μηδὲν διακρινόμενος; Mk 11,23: […] μὴ διακριθῇ ἐν τῇ καρδίᾳ αὐτοῦ ἀλλὰ πιστεύῃ/Mt 21,21: ἐὰν ἔχητε πίστιν καὶ μὴ διακριθῆτε; Röm 4,20: εἰς δὲ τὴν ἐπ­ αγγελίαν τοῦ θεοῦ οὐ διεκρίθη τῇ ἀπιστίᾳ ἀλλ’ ἐνεδυναμώθη τῇ πίστει. Gegen eine solche Be­ gründung wendet sich Spitaler, Διακρίνεσθαι, 6. 666  Vgl. Baumert, Wortspiel.

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tamentlichen Belege, in denen διακρίνω im Medium gebraucht wird, bei den Kirchenvätern.667 Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Annahme einer Bedeutungsverschiebung von διακρίνω auf der Wiedergabe im Lateinischen basiert und daher erst deutlich später anzutreffen ist.668 Die Kirchenväter zeigen in ihrer Auslegung der neutestamentlichen διακρίνομαι-Belege nämlich keinerlei Anzeichen für einen Bedeutungs­ wechsel, sondern gebrauchen dieses Verbum im üblichen Sinn von „in Streit geraten, sich streiten“ oder „getrennt sein“.669 Eine nähere Untersuchung der in Apg 10,20; 11,12 belegten διακρίνω-Wendungen und ihres Kontextes zeigt, dass es für den Gebrauch dieses Verbums in Apg 10,20; 11,12 nicht nötig ist, eine etwaige christliche Sonderverwendung anzunehmen. Vielmehr legt der Kontext ein Verständnis in dem für διακρίνω üblichen Sinn von „unterscheiden“ nahe. So ist im Rahmen von Apg 10,1–11,18 deutlich der für διακρίνω zentrale Gedanke der Trennung und Unterscheidung zu erkennen, und zwar in Form der Gegenüberstellung von rein und unrein. Bei der Katego­ risierung von Dingen und Personen als rein und unrein handelt es sich nämlich generell um einen Vorgang der Unterscheidung. Dies lässt sich besonders deutlich daran erkennen, dass die διακρίνω-Terminologie auch für eine Einteilung von Dingen in rein und unrein verwendet wird.670 Darüber hinaus lässt sich bei Josephus der Gebrauch von δια­κρίνω mit Bezug auf die Unterscheidung z­ wischen den für Juden erlaubten und verbotenen Speisen nachweisen.671 Gerade eine solche Unterschei­ dung zwischen rein und unrein findet sich nun jedoch im Rahmen der Erzählung in Apg 10,1–11,18 im Umfeld der διακρίνω-Wendungen. Sie wird zum einen in Apg 10,14f. von Petrus mit Bezug auf Speisen getrof­ fen und von Gott abgewiesen (vgl. 11,8f.). Sie begegnet auch innerhalb 667  Vgl. Spitaler, Διακρίνεσθαι, 13–36. Vgl. dazu auch die ausführliche Untersuchung der Bele­ ge, die von einigen Forschern für ein Verständnis von „zweifeln“ angeführt werden, wobei Spitaler eine solche Deutung insgesamt abweist (8–12). 668  Vgl. Spitaler, Διακρίνεσθαι, 2.37–39. Zu weiteren problematischen Annahmen, die mit einer Deutung als „zweifeln“ verbunden sind, vgl. 4–13; ders., Doubting, 83–86. 669  Vgl. Spitaler, Doubting, 88–92. 670  Vgl. Plat. Phileb. 52C: „Nun wir also schon ziemlich unterschieden haben die reine Lust und die, welche man mit Recht unrein nennen kann […]“ (Οὐκοῦν ὅτε μετρίως ἤδη διακεκρίμεθα χωρὶς τάς τε καθαρὰς ἡδονὰς καὶ τὰς σχεδὸν ἀκαθάρτους ὀρθῶς ἂν λεχθείσας […]). 671  So stellt Josephus in Ant. 3,259 fest, Mose habe unterschieden, welche Tiere man essen darf und welche nicht: Καὶ περὶ τῶν ζῴων δὲ διέκρινεν ἕκαστον, ὅτι τρέφοιντο καὶ οὗ πάλιν ἀπεχόμενοι διατελοῖεν.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

der weiteren Erzählung, der eigentlichen Bekehrung des Cornelius, in Bezug auf Menschen und wird dort dann von Petrus selbst als nicht mehr gültig bestimmt (10,28). Ein Verständnis von διακρίνω im Sinne von „un­ terscheiden“ passt zudem besser zur Darstellung des Petrus in Apg 10,1– 11,18. Innerhalb der Vision wirkt Petrus nämlich keineswegs zweifelnd und unsicher, sondern in seiner Ablehnung einer Übertretung der Spei­ segebote und damit im Hinblick auf die Unterscheidung von rein und unrein äußerst entschieden.672 Abgesehen vom unmittelbaren Umfeld der Erzählung lassen sich weitere Ar­ gumente für eine Deutung von διακρίνω in Apg 10,20; 11,12 als „unterscheiden“ anführen: Unter den διακρίνω-Wendungen, die eindeutig im Sinne von „unterschei­ den“ zu verstehen sind, finden sich Formulierungen, die den in Apg 10,20; 11,12 belegten Wendungen auffallend ähnlich sind. In ihnen wird das Ver­ bum διακρίνω nämlich ebenfalls in Verbindung mit einer Verneinung in Gestalt von οὐδέν673 oder μηδέν674 gebraucht. Schließlich spricht auch der Gebrauch von διακρίνω im Rahmen von Apg 15,9 mit Blick auf die Verwen­ dung dieses Verbums in Apg 10,20; 11,12 für eine Deutung im Sinne von „unterscheiden“. Dort rekapituliert Petrus nämlich die in Apg 10,1–11,18 geschilderte Öffnung der Gemeinde für die Heiden (s.o. IIIA 3.3.1), indem er mithilfe der διακρίνω-Wendung feststellt, dass Gott selbst keinerlei Un­ terschied zwischen Juden und Heiden gemacht hat. In diesem Rahmen wird das Verbum διακρίνω ebenfalls in Verbindung mit einer Apg 10,20; 672  Vgl. dazu vor allem die emphatische Verneinung μηδαμῶς in Apg 10,14; 11,8, die sich in­ nerhalb der neutestamentlichen Schriften nur hier findet (vgl. aber Gen 18,25; Jona 1,14; Ez 4,14 [jeweils LXX]). 673  Vgl. Aristot. Pol. 1341A: „[…] und griffen alle Bildungsgegenstände auf und machten dabei keinen Unterschied“ (πάσης ἥπτοντο μαθήσεως, οὐδὲν διακρίνοντες); Plut. Comp. Lyc. Num. 2,4: Lykurg erlaubte den freien Bürgern nicht, Geschäfte zu betreiben, sondern dies war nur den Sklaven und Heloten möglich. „Numa nahm hingegen keine solche Scheidung vor“ (Νομᾶς δὲ οὐδὲν διέκρινε τοιοῦτον); App. Bell. civ. 5,12,120: διέκρινόν γε μὴν οὐδέν. Vgl. auch Lukian, Salt. 31: καὶ οὐδέν τι διακεκριμέναι τῶν τραγικῶν αἱ ὀρχηστικαί. Mit einem per­ sonalen ούδένα in Ηdt. 3,39,4: „Er raubte und plünderte alle aus ohne Unterschied“ (Ἔφερε δὲ καὶ ἦγε πάντας διακρίνων οὐδένα). 674  Vgl. dazu Hippokr., De aere, aquis et locis 7,12: „Wer gesund und kräftig ist, wird nicht un­ terscheiden (μηδὲν διακρίνειν), sondern immer das vorhandene Wasser trinken“; Cass. Dio 43,47,3: „Er nahm ferner eine große Zahl in den Senat auf, ohne einen Unterschied zu machen, ob jemand Soldat oder Sohn eines Freigelassenen war (μηδὲν διακρίνων μήτ’ εἴ τις στρατιώτης μήτ’ εἴ τις ἀπελευθέρου παῖς ἦν).“ Vgl. Herm 27,6: μηθὲν διακρίνων.

4 Juden und Heiden an einem Tisch ( Apg 10,1–11,18 )

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11,12 vergleichbaren Verneinung675 gebraucht: καὶ οὐθὲν διέκρινεν μεταξὺ ἡμῶν τε καὶ αὐτῶν.676 Von den beiden in Apg 10,20; 11,12 belegten διακρίνω-Wendungen lässt sich ein Verständnis im Sinne von „unterscheiden“ für die Formulierung in Apg 11,12 sicher nachweisen. Innerhalb der griechischen Literatur finden sich nämlich für den Gebrauch dieses Verbums im Aktiv677 und Passiv678 zahlreiche Pa­ rallelen mit einem Verständnis von „unterscheiden“. Demgegenüber verlangt der Gebrauch des Mediums in Apg 10,20 nach einer weiteren Erklärung. Die Verwendung von διακρίνω im Medium im Sinne von „unterscheiden“ ist näm­ lich nur unsicher belegt.679 Hat der Ausdruck μηδὲν διακρινόμενος in Apg 10,20 dann aber etwa doch eine eigene Bedeutung gegenüber μηδὲν διακρίναντα in Apg 11,12? Dies nehmen letztlich selbst die Vertreter an, die eine Sonderverwen­ dung für den Gebrauch in Apg 10,20 strikt ablehnen.680 Die Nähe der beiden Formulierungen in Apg 10,20 und 11,12 spricht jedoch gegen eine stark voneinan­ der abweichende Bedeutung von διακρίνω in diesen beiden Wendungen.681 Dabei lässt sich insbesondere von Apg 11,12 her mit Blick auf Apg 10,20 argu­ mentieren, dass beide διακρίνω-Formulierungen auf derselben Ebene liegen und daher jeweils als „wobei du keine Unterscheidung vornimmst“ zu verstehen 675  Die Form οὐθέν ist eine spätere unattische Form zu οὐδέν, s. Passow, s.v. οὐθεῖς. 676  In den neutestamentlichen Schriften kommt διακρίνω abgesehen von Apg 10,20; 11,12; 15,9 nur noch in Jak 1,6 in Verbindung mit μηδέν vor. 677  So z.B. Hom. Od. 8,195; Ηdt. 3,39,4; Aristot. Pol. 1341A; Plut. Comp. Lyc. Num. 2,4; App. Bell. civ. 5,12,120; Athenaios 6,36 (239B) im Anschluss an den Komiker Diodor (3. Jh. v.Chr.): Der Parasit „kommt in alle Häuser und macht keinen Unterschied zwischen arm und reich (οὐχὶ διακρίνας τὴν πενιχρὰν ἢ πλουσίαν)“; vgl. auch Athenaios 13,54 (588E): […] οὐ διακρίνουσα πλούσιον ἢ πένητα. Vgl. Jos. Ant. 3,259. 678  Zum Gebrauch von διακρίνω im Passiv im Sinne von „unterscheiden“ vgl. Thuk. 1,49: διε­ κέκριτο οὐδέν ἔτι. 679  Der Perfektstamm ist wohl am ehesten gesondert zu behandeln. Das in Plat. Phileb. 52C (s.o. Anm. 670) belegte διακεκρίμεθα ist nämlich entweder als Medium oder als Passiv mit einer nichtpassivischen Bedeutung zu verstehen. 680  Vgl. dazu Spitaler, der für das Medium in Apg 10,20 in Analogie zu dem in Apg 11,2 be­ legten Gebrauch von διακρίνομαι ein Verständnis als „streiten“, „sich auseinandersetzen“ vorschlägt (Doubting, 88–92: „without contest/dispute/objection“). Vgl. daneben auch Baumert, Wortspiel, der ausdrücklich für eine Deutung von διακρίνω als „unterschei­ den“ plädiert, wobei er das Medium dann als „sich distanzieren/abgrenzen von“ versteht (Wortspiel, 19f.23.31f.). Bei einer solchen Interpretation von Apg 10,20 als „Geh mit ihnen, dich keineswegs abgrenzend/distanzierend“ (ebd., 32) ist diese Aufforderung tautolo­ gisch formuliert und die Partizipialwendung hat gerade keine eigene Funktion, wie es sich jedoch aus ihrer zweimaligen Verwendung schließen lässt. 681  Vgl. dazu sowohl den jeweiligen Gebrauch in Verbindung mit μηδέν als auch den jeweili­ gen Gebrauch innerhalb der Aufforderung, mit den Männern des Cornelius mitzugehen.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

sind.682 Bei einem Vergleich beider Wendungen ist Apg 10,20 nämlich insge­ samt als die auffälligere Formulierung zu bewerten. Nicht nur der Gebrauch des Mediums, sondern auch der Gebrauch des Präsens ist insofern ungewöhn­ lich, als der Aorist das Üblichere ist, wenn kein Zeitaspekt vorliegt.683 Der Ge­ brauch des Mediums in Apg 10,20 lässt sich entweder als eine Assimilation an das dort ebenfalls im Medium gebrauchte πορεύομαι verstehen684 oder aber im Sinne der kognitiven Bedeutung des Mediums, welche die eigene Bezie­ hung des Petrus zum Unterscheiden bzw. sein eigenes Interesse eines solchen Unterscheidens betont („für dich keinen Unterschied machen“). In Apg 10,20 wird διακρίνω demzufolge mehr betont als in Apg 11,12, weil es zum ersten Mal vorkommt. Innerhalb der Wendung in Apg 11,12, bei der es sich um eine bloße Wiederholung handelt, muss Lukas dann die auffälligen Formen nicht noch einmal verwenden. Mit seinem Mitgehen mit den Boten des Cornelius erfüllt Petrus letzt­ lich den Auftrag, den Cornelius selbst im Gebet durch einen Engel erhalten hatte, nämlich Männer nach Joppe zu schicken, die Simon Petrus herbeiholen sollen.685 Die Vision des Petrus dient demzufolge offenbar in erster Linie dazu, dass Petrus gegen etwaige Widerstände686 diesem Ruf auch tatsächlich Folge leistet. Dabei spricht bereits der Anschluss von μηδὲν διακρινόμενος (10,20) bzw. μηδὲν διακρίναντα (11,12) an die Aufforderung zum Mitgehen mit den Boten des Cornelius dafür, dass sich das geforderte Unterlassen einer Unterscheidung auf diese herbeigekommenen Nichtjuden bezieht, also auf Menschen und damit nicht wie in der Vision selbst auf Speisen (s.o. 4.2.1). Dies wird durch den Fort­ gang der Erzählung in Apg 10,23b–11,18 bestätigt. Insbesondere der Zusammen­ hang in Apg 10,28f. nennt nämlich eine neue Bewertung der Mahlteilnehmer als Grund für das vom Geist geforderte Mitgehen des Petrus mit Heiden.

682  Ein Verständnis im Sinne von „unterscheiden“ legt sich auch für den Gebrauch des Medi­ ums in Röm 14,23 nahe (s.o. IIIA 2.3.2). 683  Durch den Gebrauch des Präsens erscheint das Unterschiedemachen in Apg 10,20 demzu­ folge als ein länger andauernder Prozess. 684  Vgl. dazu den in Apg 11,12 stattdessen belegten Gebrauch von συνελθεῖν αὐτοῖς. 685  Im Einzelnen werden μεταπέμπω (Apg 10,5.22.29; 11,13) und μετακαλέω (10,32) verwendet. 686  Zum möglichen Widerspruch beim Mitgehen mit den Gesandten des Cornelius vgl. Apg 10,29: διὸ καὶ ἀναντιρρήτως ἦλθον μεταπεμφθείς. Zu ἀναντίρρητος vgl. Passow, s.v.: wie ἀναντίλεκτος „ohne Widerspruch“; vgl. auch Apg 19,36.

4 Juden und Heiden an einem Tisch ( Apg 10,1–11,18 )

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Die strikte Unterscheidung zwischen Juden und Heiden als Hintergrund des Tischgemeinschaftsverbots und die Abschaffung der mit ihr verbundenen Abwertung der Nichtjuden Anders als in zahlreichen Traditionen innerhalb des Diasporajudentums (s.o. IIB 2.1) wird Tischgemeinschaft mit Heiden innerhalb der vorliegenden Erzählung offenbar nicht aufgrund der Unreinheit der Speisen wie Götzen­ opferfleisch, sondern wie in Jub 22,16 aufgrund der Unreinheit von Menschen abgelehnt. Die Öffnung der Tischgemeinschaft kommt dementsprechend nicht durch eine Regelung der Speisegebote zustande. Vielmehr basiert die Erlaubnis zu der von Petrus eingegangenen Tischgemeinschaft auf einer ra­ dikalen Neubewertung der Nichtjuden (Apg 10,28b). Im Anschluss an seine Vision sieht Petrus gottesfürchtige und gerechte Heiden nämlich nicht mehr als unrein und „gemein“ an, und zwar deshalb, weil auch Gott solchen Heiden gegenüber eine positive Einstellung hat. 4.3

4.3.1

Die Einkehr von Petrus im Haus des Cornelius als etwas der jüdischen Sitte Widersprechendes (Apg 10,28) Näheren Aufschluss zu der Frage, warum die Jerusalemer Judenchristen Tisch­ gemeinschaft mit Heiden ablehnen, bietet die Aussage des Petrus in Apg 10,28. Bereits hier lässt Lukas Petrus selbst den Vorwurf zum Ausdruck bringen, den die Jerusalemer Judenchristen ihm in Apg 11,3 in ähnlicher Form entgegenbrin­ gen. Bei seinem Eintreffen bei Cornelius stellt Petrus nämlich ausdrücklich fest – wie eine nähere Untersuchung von Apg 10,28 zeigen wird –, dass er mit diesem Kommen zu Nichtjuden gegen die gängige Praxis der Juden verstößt. Dabei lässt die dortige Aussage des Petrus zugleich erkennen, dass die Kritik der Jerusalemer nicht auf den Komplex der Tischgemeinschaft beschränkt ist, sondern in einem viel grundsätzlicheren Sinne die Frage betrifft, inwieweit überhaupt enger Kontakt mit Nichtjuden – wie beispielsweise auch das Betre­ ten des Hauses eines Nichtjuden687 – erlaubt ist. Bereits von diesem größe­ ren Rahmen her erweist sich eine Deutung als problematisch, der zufolge der Grund für die Kritik der Jerusalemer Judenchristen einseitig in der Einhaltung der jüdischen Speisegebote liegt. Das Problem bei einem engen Umgang mit Heiden besteht offenbar eher in deren ritueller Unreinheit.

687  Dass ein Jude es vermeidet, in das Haus eines Heiden zu gehen, könnte auch im Hinter­ grund der Feststellung von Lk 7,6 liegen.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

4.3.1.1

Die enge Verbindung mit Nichtjuden als Problem der Tischgemeinschaft mit ihnen Durch den Gebrauch von κολλάομαι in Apg 10,28a stellt der bei Cornelius an­ kommende Petrus ausdrücklich fest, dass er mit der Einkehr in dessen Haus eine Verbindung mit Nichtjuden eingegangen ist. Diese setzt die Überbrückung eines räumlichen Abstandes voraus (vgl. das angeschlossene προσέρχεσθαι688) und umfasst damit deutlich eine räumliche Komponente. Dabei bezieht sich das Verbum κολλάομαι stets auf eine besonders enge Verbindung von Menschen mit anderen Menschen. In dessen Hintergrund steht nämlich die Vorstellung des Anhaftens, wie eine nähere Untersuchung der Bedeutung dieses Verbums sowie verwandter Formulierungen zeigt: Das Verbum κολλάω bezeichnet im konkreten Sinne den Vorgang des „Zusammenleimens“, „Zusammenklebens“ oder „Zusammenlötens“. Es bringt somit zum Ausdruck, dass Dinge in eine besonders feste, unlös­ liche Verbindung zueinander gebracht werden.689 Von daher ergibt sich für die Verwendung dieses Verbums im Passiv dann ein Verständnis im Sinne von „sich anfügen“ bzw. „sich verbinden“,690 sodass mit κολλάομαι insbesondere der Anfang einer engen Verbindung zum Ausdruck ge­ bracht wird. Eine solche Verwendung von κολλάομαι mit einem persona­ len Dativobjekt,691 wie sie in Apg 10,28 vorliegt, lässt sich innerhalb der urchristlichen Literatur mehrfach nachweisen, und zwar insbesondere innerhalb der Apostelgeschichte. Abgesehen von Apg 10,28 findet sich ein solcher Gebrauch nämlich auch in Apg 5,13; 9,26; 17,34.692 Darüber hinaus

688  Zu einer Verwendung dieser beiden Verben in umgekehrter Reihenfolge vgl. Apg 8,29: πρόσελθε καὶ κολλήθητι τῷ ἅρματι τούτω. 689  Vgl. Passow, s.v.: „eig. zusammenleimen; überh. verbinden, fest zusammenfügen, […] zusammen-, anlöthen“ (Hervorhebungen im Original); vgl. LSJ, s.v.: „glue, cement […]; II. generally, join fast together, unite“ (Hervorhebungen im Original). Besonders häufig wird das Verbum bei Galen mit Bezug auf Wunden gebraucht. 690  Vgl. Passow, s.v. Passiv: „sich anfügen, anschmiegen, anschliessen, sich vereinigen, sich verbinden, sich verketten“; vgl. LSJ, s.v. Passiv: „cleave to, […] is indissolubly bound to“ (Her­ vorhebungen im Original); vgl. BAA, s.v. 2b: „sich eng anschließen an“; für Apg 5,13; 9,26; 10,28: „engen Kontakt mit jmdm. suchen“; 17,34: „der Nachfolger, Jünger jmds. werden“ (im Original hervorgehoben). Vgl. dazu auch Louw/Nida, 34.22: „προσκλίνομαι; κολλάομαι; προσκολλάομαι; προσκληρόομαι: to begin an association with someone, whether temporary or permanent – ‚to join, to join oneself to, to become a part of‘.“ 691  In Apg 8,29; Röm 12,9 hingegen mit einem Dativ der Sache. 692  Zum Gebrauch von κολλάομαι in Verbindung mit einem personalen Dativobjekt vgl. auch Mt 19,5 (als Zitat von Gen 2,24 LXX); Lk 15,15; 1 Kor 6,16f. Zur Verwendung in der weiteren urchristlichen Literatur vgl. vor allem die Forderung, eine Verbindung mit negativ bewer­ teten Menschen zu vermeiden (Barn 10,3–8; 19,2.6; Did 3,9), sich Heiligen (1 Clem 46,2;

4 Juden und Heiden an einem Tisch ( Apg 10,1–11,18 )

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ist die Verwendung von κολλάομαι mit einem personalen Dativobjekt so­ wohl in der pagangriechischen Literatur693 als auch im griechischspra­ chigen Judentum überliefert, und zwar in der Septuaginta694 und auch bei Philo.695 Neben κολλάομαι wird auch das Kompositum προσκολλάομαι in einem solchen Sinne gebraucht.696 Die Nähe von Simplex und Kom­ positum zeigt sich besonders daran, dass Philo sie austauschweise mit Bezug auf die Verbindung von Mann und Frau verwenden kann.697 Der Gedanke der Verbindung lässt sich dabei deutlich daran erkennen, dass als Antonym Begriffe gebraucht werden, die eine Trennung zum Ausdruck bringen.698 Dass es sich bei dem als κολλάομαι bezeichneten Kontakt um eine besonders enge Verbindung handelt, zeigen vor allem solche Belege, in denen κολλάομαι zusammen mit Begriffen verwendet wird, die eine Vereinigung bezeichnen.699 vgl. dagegen Herm 14,2; 74,1) und Gerechten (1 Clem 46,4; vgl. dagegen Herm 75,1) anzu­ schließen; vgl. 1 Clem 15,1; 30,3; 46,1; Barn 10,11; Herm 97,2; 103,3. 693  Vgl. dazu Plut. Mor. 94E: Danach soll man nicht gleich jeden beliebigen Menschen anneh­ men und sich mit ihm verbinden, auch keine Freundschaft mit solchen eingehen, die eine freundschaftliche Beziehung anstreben, sondern sich umgekehrt selbst für solche engen Beziehungen Personen aussuchen, die dieser wert sind (Διὸ δεῖ μὴ ῥᾳδίως προσδέχεσθαι μηδὲ κολλᾶσθαι τοῖς ἐντυγχάνουσι μηδὲ φιλεῖν τοὺς διώκοντας, ἀλλὰ τοὺς ἀξίους φιλίας διώκειν). 694  Vgl. dazu 2 Sam 20,2 LXX; 1 Makk 3,2; 6,21. Vgl. daneben auch die Verwendung im Sinne von „sich an Dirnen hängen“ (Sir 19,2). 695  Abgesehen von der Verbindung zwischen Menschen wird κολλάομαι in der jüdischen Tradition auch gehäuft für die Verbindung von Menschen zu Gott gebraucht. Zu dieser Verwendung im Sinne von „am Herrn hängen“ vgl. 2 Kön 18,6; Ps 62,9; Sir 2,3 (jeweils LXX); Herm 40,6. In Verbindung mit einer πρός-Wendung in Dtn 6,13 und 10,20 LXX (als Zitat bei Philo, Migr. 132). Mit προσκολλάομαι in Dtn 11,22; Jos 23,8; Ps 72,28 (jeweils LXX); Philo, QE 2 Frg. 3b. 696  Vgl. dazu Plat. Leg. 728B: […] τοῖς δὲ προσκολλᾶσθαι διώκοντα κατὰ τὰς συνουσίας; den Nachtrag in Hiob 41,9 LXX: ἀνὴρ τῷ ἀδελφῷ αὐτοῦ προσκολληθήσεται συνέχονται καὶ οὐ μὴ ἀποσπασθῶσιν; vgl. auch Sir 6,34; 13,16. 697  Vgl. Philo, Leg. 2,49: ἕνεκα τούτου καταλείψει ἄνθρωπος τὸν πατέρα καὶ τὴν μητέρα, καὶ προσκολληθήσεται πρὸς τὴν γυναῖκα αὐτοῦ, καὶ ἔσονται οἱ δύο εἰς σάρκα μίαν (als Zitat von Gen 2,24 LXX; vgl. Eph 5,31; Mk 10,7f.); daneben den Gebrauch von κολλάομαι mit einem Dativ in Philo, Leg. 2,50: […] οὐχ ἡ γυνὴ κολλᾶται τῷ ἀνδρί, ἀλλ’ ἔμπαλιν ὁ ἀνὴρ τῇ γυναικί. Zur Nähe von Simplex und Kompositum vgl. auch die Verwendung von κολλάομαι mit einer πρός-Wendung, z.B. 1 Esdras 4,20: […] πρὸς τὴν ἰδίαν γυναῖκα κολλᾶται (als Aufnahme von Gen 2,24 LXX). 698  Vgl. 2 Sam 20,2 LXX als Gegensatz zu denen, die sich von David lossagen: καὶ ἀνέβη πᾶς ἀνὴρ Ισραηλ ἀπὸ ὄπισθεν Δαυιδ ὀπίσω Σαβεε υἱοῦ Βοχορι καὶ ἀνὴρ Ιουδα ἐκολλήθη τῷ βασιλεῖ αὐτῶν ἀπὸ τοῦ Ιορδάνου καὶ ἕως Ιερουσαλημ; vgl. Hiob 41,9 LXX mit der Fortsetzung καὶ οὐ μὴ ἀποσπασθῶσιν. 699  Vgl. dazu vor allem die Verbindung προσκολλᾶται καὶ ἑνοῦται bei Philo, Leg. 2,49; daneben in 2,50 als Parallelbegriff zu ἀκολουθέω. Vgl. auch Philo, Migr. 132, wo die Frage τίς οὖν ἡ

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Durch den Gebrauch von ἀθέμιτόν ἐστιν ἀνδρὶ Ἰουδαίῳ wird die durch κολλᾶσθαι ἢ προσέρχεσθαι bezeichnete enge Verbindung mit den Nichtjuden als etwas bestimmt, das der jüdischen Sitte widerspricht: Die Wendung ἀθέμιτόν ἐστιν ist bereits in der pagangriechischen Literatur belegt,700 und zwar mehrfach in Kontexten, in denen Vergehen genannt werden, die gegen die Götter gerichtet sind.701 Im Judentum wird die­ ser Ausdruck dann vor allem von Josephus für solche Handlungen ver­ wendet, die fromme Juden nicht tun. Die entsprechenden Handlungen betreffen häufig den Umgang mit dem Tempel. So stellt Josephus bei­ spielsweise fest, dass es verboten sei, am Tempel Statuen, Tierbilder und andere Gestalten anzubringen, die einem Lebewesen gleichen.702 Da­ neben gebraucht er die Wendung in Verbindung mit dem Sabbat: Titus habe diesen Tag dem jüdischen Gesetz zuliebe als Feiertag berücksich­ tigen müssen, da es an ihm verboten sei, zu den Waffen zu greifen, aber auch Friedensverhandlungen zu führen.703 Mit Blick auf die Essener stellt Josephus fest, dass sie nur nach einem vorherigen Gebet des Pries­ ters essen, wohingegen das Essen vor dem Gebet strikt verboten sei.704 Abgesehen von Josephus705 findet sich der Gebrauch von ἀθέμιτος zur Näherbestimmung von Dingen, die frommen Juden verboten sind, bei­ spielsweise auch im 2. Makkabäerbuch. Dabei werden sowohl die für

κόλλα; mit der Wendung ἁρμόζουσι γὰρ καὶ ἑνοῦσιν beantwortet wird. In Plat. Leg. 728B wird προσκολλᾶσθαι mit der Vorstellung des Zusammenwachsens (προσπεφυκότα δὲ τοῖς τοιούτοις) zusammengefasst. 700  Vgl. bereits Eur. Phoen. 612: ἀθέμιτόν σοι μητρὸς ὀνομάζειν κάρα. 701  Vgl. dazu vor allem Xen. Cyr. 1,6,6: παρὰ γὰρ τοὺς τῶν θεῶν θεσμοὺς πάντα τὰ τοιαῦτα εἶναι· τοὺς δὲ ἀθέμιτα εὐχομένους […]; Hdt. 3,37,3: […] τὸ ἱρόν, ἐς τὸ οὐ θεμιτόν ἐστι εἰσιέναι ἄλλον γε ἢ τὸν ἱρέα (vgl. 5,27,3); Plut. Mor. 274A: καθάπερ ἐν ναῷ καὶ ἱερῷ γυμνοῦν ἑαυτὸν ἀθέμιτόν ἐστιν; vgl. dazu auch Arr., Anabasis 7,20,5 für die verbotene Jagd von Tieren, die der Arte­ mis geweiht sind, mit Ausnahme des Falls, dass man sie als Opfertier darbringt. Zu einer solchen Verwendung im Urchristentum vgl. ἀθέμιτον in 1 Petr 4,3. 702  So Jos. Bell. 1,650: ἀθέμιτον γὰρ εἶναι κατὰ τὸν ναὸν ἢ εἰκόνας ἢ προτομὰς ἢ ζῴου τινὸς ἐπώνυμον ἔργον εἶναι. Vgl. daneben Jos. C. Ap. 2,119: Es sei ein Frevel, die Pforten des Tempels geöffnet zu lassen (τὸ καταλιπεῖν ἠνοιγμένας ἦν ἀθέμιτον). Vgl. auch Bell. 4,205; Ant. 14,72 (μὴ θεμιτὸν ἦν). 703  Vgl. Jos. Bell. 4,99: δεῖν μέντοι τὴν ἡμέραν αὐτὸν ἐκείνην ἑβδομὰς γὰρ ἦν χαρίσασθαι τῷ Ἰουδαίων νόμῳ καθ’ ἣν ὥσπερ ὅπλα κινεῖν αὐτοῖς οὕτω καὶ τὸ συντίθεσθαι περὶ εἰρήνης ἀθέμιτον. 704  So Jos. Bell. 2,131: προκατεύχεται δ’ ὁ ἱερεὺς τῆς τροφῆς καὶ γεύσασθαί τινα πρὶν τῆς εὐχῆς ἀθέμιτον. 705  Vgl. auch Jos. Bell. 4,562.

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Juden verbotenen Opfer706 als auch das Schweinefleisch707 mithilfe von ἀθέμιτος näher bestimmt.708 Der Ausdruck ἀθέμιτόν ἐστιν kann sich demzufolge auf einen Verstoß gegen das jüdische Gesetz beziehen. Dies wird besonders deutlich, wenn er in Ver­ bindung mit einem Terminus wie παράνομος κτλ. gebraucht wird.709 Im Zen­ trum von ἀθέμιτόν ἐστιν steht jedoch zunächst der Gedanke, dass das jeweils Genannte etwas ist, das jemand schlicht nicht tut, wobei dies nicht durch ein formales Gesetz verboten sein muss, sondern auch einfach dem Brauch bzw. der Sitte widersprechen kann.710 Damit eignet sich der Gebrauch des offe­ neren ἀθέμιτόν ἐστιν für den konkreten Fall der engen Verbindung von Juden mit Nichtjuden jedoch besser als beispielsweise ein Ausdruck wie παράνομος. Offenbar gab es nämlich kein formales und gar allgemein gültiges Gesetz, das engen Umgang wie Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden prinzipiell verboten hat.711 Der Ausdruck ἀθέμιτόν ἐστιν bringt jedoch klar zum Ausdruck, 706  So 2 Makk 6,5: τὸ δὲ θυσιαστήριον τοῖς ἀποδιεσταλμένοις ἀπὸ τῶν νόμων ἀθεμίτοις ἐπεπλήρωτο. 707  So 2 Makk 7,1: […] ἀναγκάζεσθαι ὑπὸ τοῦ βασιλέως ἀπὸ τῶν ἀθεμίτων ὑείων κρεῶν ἐφάπτεσθαι; vgl. auch 2 Makk 6,20: […] ὧν οὐ θέμις γεύσασθαι. 708  Vgl. daneben auch den Gebrauch für Schmähungen in 2 Makk 10,34: […] ἐβλασφήμουν καὶ λόγους ἀθεμίτους προΐεντο; 12,14: […] καὶ προσέτι βλασφημοῦντες καὶ λαλοῦντες ἃ μὴ θέμις. In 3 Makk 5,20 hingegen zur Bestimmung der Juden selbst als frevelhaft (τὸν τῶν ἀθεμίτων Ιουδαίων ἀφανισμόν). 709  So z.B. für Jos. Bell. 1,650 in 1,649: τὰ κατασκευασθέντα παρὰ τοὺς πατρίους νόμους ἔργα; vgl. auch Vita 26: „Die Skythopoliten aber begingen das bei weitem Gottloseste und Geset­ zesloseste (πάντων ἀσεβέστατα καὶ παρανομώτατα): Denn als feindliche Juden von außen sie überfielen, nötigten sie die bei ihnen lebenden Juden, gegen die Stammesgenossen die Waffen zu erheben, was für uns ein Frevel ist (ὅπερ ἐστὶν ἡμῖν ἀθέμιτον).“ Zur Bewertung von Mord an Stammesgenossen als ἀθέμιτος vgl. auch Jos. Bell. 1,84.659. 710  Vgl. auch BDAG, s.v. ἀθέμιτος: „This term refers prim. not to what is forbidden by ordinance but to violation of tradition or common recognition of what is seemly or proper“; vgl. s.v. 1: „pert. to not being sanctioned, not allowed, forbidden“ (im Original weitere Hervor­ hebungen); vgl. dazu auch Schwartz, 2 Makk, 277; ders., Good Manners, 304. Vgl. dazu auch LSJ, s.v. θέμις I: „that which is laid down or established, law (not as fixed by statute, but) as established by custom“ (im Original teilweise hervorgehoben). 711  So auch Wilson, Law, 257. Innerhalb des Diasporajudentums sind viele Traditionen zu der wenngleich oft eingeschränkten Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden überlie­ fert (s.o. IIB 2.1). Für das palästinische Judentum lassen sich zwar bisweilen Verbote einer Tischgemeinschaft mit Nichtjuden erkennen, daneben aber auch Anzeichen für eine besondere Gastfreundschaft (s.o. IIC 2.1.2.3). Damit legt sich auch für das palästinische Judentum eher ein Verständnis nahe, dem zufolge Tischgemeinschaft mit Nichtjuden zwar nicht generell verboten ist, aber in jedem Fall Konsequenzen wie eine Verunreini­ gung hat (so auch Barrett, Apg I, 515). Gegen Roloff, Apg, 171, der von einem „für jeden Juden geltenden Verbot der Gemeinschaft mit Nichtjuden“ spricht.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

dass ein Jude, der einen äußerst engen Umgang mit Nichtjuden hat, sich nicht so verhält, wie es bei Juden eigentlich üblich ist. In Apg 10,28 wird das der jüdischen Sitte Widersprechende demzufolge nicht speziell mit dem gemeinsamen Essen zwischen Juden und Nichtjuden bestimmt,712 sondern vielmehr zunächst weiter gefasst als eine besonders enge Verbindung von Juden mit Nichtjuden. Genau sie stellt jedoch offenbar auch das zentrale Problem der in Apg 11,3 explizit erwähnten Tischgemein­ schaft dar. Ein Vergleich der in Apg 10,28 und 11,3 formulierten Wendungen zeigt nämlich deutlich, dass die durch κολλάομαι bezeichnete Verbindung und die Tischgemeinschaftsaussage einander entsprechen.713 Im Einzelnen lässt sich für Apg 11,3 eine gewisse Konkretisierung gegenüber Apg 10,28 feststel­ len: In Apg 11,3 wird mit dem gemeinsamen Essen anstelle des allgemeineren κολλάομαι eine konkrete Handlung genannt, bei der Juden mit Nichtjuden in enger Verbindung miteinander stehen.714 Tischgemeinschaft ist demzufolge eine Form des durch κολλάομαι bezeichneten intensiven Kontakts. 4.3.1.2

Die rituelle Unreinheit der Nichtjuden als Grund für die Ablehnung einer engen Verbindung und der Tischgemeinschaft mit ihnen Worin liegt nun jedoch das Problem an einer solchen engen Verbindung von Juden und Heiden? Warum lehnen die Jerusalemer Judenchristen sie strikt ab? Der Grund für das offensichtlich auch von Petrus bislang praktizierte 712   Ähnlich Haacker, Cornelius, 240: Apg 11,3 beziehe sich „gar nicht primär auf gemeinsa­ me Mahlzeiten, sondern handelt pauschal vom Umgang mit Heiden, spezieller vielleicht vom Betreten ihrer Häuser, wobei die Erwähnung der Tischgemeinschaft nur als beson­ dere Zuspitzung des Vorwurfs erscheint“. Vgl. dazu auch Pervo, Apg, 278 (im Anschluss an Plunkett); Jervell, Apg, 314. 713  Für Apg 10,28 und 11,3 lässt sich insgesamt eine deutliche Nähe erkennen. Sowohl in Apg 10,28 als auch in Apg 11,3 wird nämlich je eine Formulierung gebraucht, welche aus dem Verbum ἔρχομαι in Verbindung mit πρός besteht und damit den Gedanken des Na­ hekommens zum Ausdruck bringt. Dabei handelt es sich entweder um das Kompositum προσέρχομαι (10,28) oder aber um das Kompositum εἰσέρχομαι in Verbindung mit einer πρός-Wendung (11,3; vgl. dazu auch die Aussage vom Gehen in das Haus des Cornelius in 11,12: εἰσήλθομεν εἰς τὸν οἶκον τοῦ ἀνδρός). Diese Verben beziehen sich jeweils auf das Gehen von Juden zu Nichtjuden, welche in Apg 10,28 mithilfe von ἀλλοφύλῳ, in Apg 11,3 mit ἄνδρας ἀκροβυστίαν ἔχοντας bezeichnet werden. In beiden Fällen ist mit dieser ἔρχομαιFormulierung eine Wendung verbunden, in deren Zentrum die Verbindung von Men­ schen untereinander steht. Im Einzelnen werden die ἔρχομαι-Wendung und die eine enge Verbindung zum Ausdruck bringende Formulierung in Apg 10,28 und 11,3 in umgekehrter Reihenfolge verwendet. Dabei erscheinen sie in Apg 11,3 entsprechend der chronologi­ schen Abfolge mit dem Gehen als Voraussetzung für das gemeinsame Essen. 714  Vgl. dazu auch Jervell, Apg, 308: Das Verbum κολλάομαι werde in Apg 11,3 mit der Tischge­ meinschaft erklärt.

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Kontaktverbot mit Heiden besteht zweifelsfrei in deren Bewertung als un­ rein und „gemein“. Dies lässt sich deutlich daraus erkennen, dass Petrus in Apg 10,29 sein Kommen zu Cornelius umgekehrt mit der in Apg 10,28b ge­ nannten Abschaffung einer solchen Bewertung von Menschen als unrein und „gemein“ (μηδένα κοινὸν ἢ ἀκάθαρτον λέγειν ἄνθρωπον) begründet (διό). Aus der Fortsetzung des ἀλλόφυλος in Apg 10,28a durch κοινὸν ἢ ἀκάθαρτον in Apg 10,28b ergibt sich, dass die als unrein betrachteten Menschen im vorliegenden Fall Nichtjuden sind. Dabei gibt der lukanische Petrus innerhalb seiner Aussage in Apg 10,28 klar zu erkennen, dass auch er selbst bisher eine solche negati­ ve Sichtweise auf Heiden als unrein und „gemein“ vertreten hat.715 Bei dieser Unreinheit der Heiden handelt es sich näherhin eher um rituell-körperliche als um moralische Unreinheit.716 Die Einbettung von Unreinheit und Reinheit in die Ablehnung einer engen Verbindung mit Heiden und deren Erlaubnis zeigt nämlich deutlich, dass die Funktion des Rein-Unrein-Paradigmas hier in der Regelung des sozialen Kontaktes besteht. Gerade dies ist nun jedoch für rituelle Unreinheit typisch. Weil rituelle Unreinheit im Unterschied zu mora­ lischer Unreinheit durch körperlichen Kontakt übertragbar ist, löst die Bewer­ tung von Dingen oder Personen als rituell unrein physische Distanz zu diesen Dingen aus, wie Petrus es in Apg 10,28a selbst feststellt.717 Eine solche Bewertung der Heiden ist im zeitgenössischen Judentum durch­ aus verbreitet. In diesem Rahmen lässt sich für Apg 10,28; 11,3 eine besondere Nähe zum Jubiläenbuch erkennen (s.o. IIC 2.1).718 Dort findet sich nämlich genau der für Apg 10,28 erkennbare Zusammenhang zwischen ritueller Un­ reinheit der Heiden und einem Kontaktverbot zu ihnen wieder,719 und zwar 715  Vgl. dazu, dass κἀμοι in Apg 10,28b einen Gegensatz anreiht. 716  In Hinsicht auf die Unreinheit der Heiden in Apg 10,28 schwankt die Forschung vor allem zwischen einer Deutung als rituelle Unreinheit (so z.B. Pervo, Apg, 284; Barrett, Apg I, 515; Alon, Uncleanness, 154; Neyrey, Idea, 100; vgl. auch Heil, Speisegebote, 122, mit einer Über­ sicht über weitere Belege zur Unreinheit in Verbindung mit Heiden) und einer Deutung als moralische Form der Unreinheit (so vor allem Klawans, Notions, 300–302, der eine Deutung als rituelle Unreinheit vehement ablehnt; im Anschluss an ihn Hayes, Impuri­ ties, 50; vgl. auch Bauckham, James, 107; ders., Jerusalem Community, 73; Gibson, Peter, 118). Zu den Problemen einer moralischen Deutung vgl. aber vor allem Thiessen, Conver­ sion, 133–137, der stattdessen ein Verständnis als genealogische Unreinheit vertritt. 717  Zur Bewertung der Heiden als rituell unrein passt auch die Feststellung, der Tempel sei durch sie „gemein“ gemacht worden, so Apg 21,28: ἔτι τε καὶ Ἕλληνας εἰσήγαγεν εἰς τὸ ἱερὸν καὶ κεκοίνωκεν τὸν ἅγιον τόπον τοῦτον (vgl. auch 24,6). Zur Unreinheit der Heiden vgl. auch Joh 18,28. 718  Eine Verbindung zwischen Apg 10,28 und Jub 22,16 sieht z.B. auch Bockmuehl, Law, 59. 719  Zur rituellen Unreinheit als Ordnungsprinzip des sozialen Kontaktes im Jubiläenbuch s.o. IIC 2.1.2.2. Im Einzelnen werden in Jub 22,16 nicht die Heiden selbst, sondern alle Wege und Werke der Nichtjuden als unrein bewertet.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

einschließlich des Verbots von Tischgemeinschaft. Auch in Jub 22,16 wird die generelle Forderung nach einer Trennung von den Heiden mit dem Verbot von Tischgemeinschaft präzisiert, wie es sich für Apg 10,28; 11,3 feststellen ließ. Damit gehört Apg 10,28 wie Jub 22,16f. zu dieser frühen Form der Vorstellung von der Unreinheit der Heiden. Hier werden speziell enge Formen des Kontak­ tes zwischen Juden und Nichtjuden wie Tischgemeinschaft als verunreinigend angesehen, wohingegen dies im rabbinischen Judentum dann gleichsam für jegliche körperliche Berührung beim Umgang mit Nichtjuden, d.h. auch für eine nur flüchtige Begegnung, gilt.720 Dabei wird die Unreinheit der Heiden innerhalb des Jubiläenbuches insofern besonders stark herausgearbeitet, als mit Blick auf die Juden umgekehrt deren Selbstverständnis als heiliges Volk auffallend betont wird. Damit lässt Jub 22,16f. aber deutlich erkennen, dass die hinter Apg 10,28 stehende Tradition von einer Bewertung der Heiden als grundsätzlich unrein eine strikte Differenz zwischen Juden und Nichtjuden impliziert. Eine solche Gegenüberstellung von Juden und Nichtjuden steht auch im Zentrum des Begriffs κοινός, der in Apg 10,28 in Verbindung mit der Unrein­ heitsterminologie gebraucht wird. Die Verwendung dieser Begrifflichkeit für das frommen Juden Verbotene (s.o. 4.2.1) hat sich nämlich im griechischspra­ chigen Diasporajudentum gerade vor dem Hintergrund einer solchen Kon­ trastierung der jüdischen und der nichtjüdischen Lebensweise entwickelt (s.o. IIB 1.3.2.3). Die κοινός-Terminologie bezieht sich somit auf die Nichtju­ den im Gegenüber zu den Juden. Dabei bringt sie nicht das bloße Faktum der unterschiedlichen Herkunft zum Ausdruck.721 Sie impliziert vielmehr jeweils eine deutliche Abwertung des Nichtjüdischen, da sie wie Apg 10,28a (vgl. dazu ἀθέμιτόν ἐστιν ἀνδρὶ Ἰουδαίῳ) aus der Perspektive von gesetzestreuen Juden für die Übrigen formuliert ist und die gesetzestreuen Juden für sich selbst in diesem Rahmen den Anspruch auf Überlegenheit erheben (s.o. IIB 1.3.3). Eine solch abfällige Sichtweise auf Nichtjuden ist eindeutig mit dem Gebrauch von κοινός in Arist 315 und Jos. Ant. 12,112 verbunden. Dort werden die Nichtjuden durch κοινός nämlich als „‚gemeine‘ Menschen“ bezeichnet, welche als solche den Juden als dem heiligen Volk gegenüberstehen (s.o. IIB 1.3.1.2). Wie die Be­ zeichnung der Heiden als unrein, so spiegelt demzufolge auch der Gebrauch 720  Zu Belegen für eine Bewertung der Heiden als generell rituell unrein und dem daraus abgeleiteten Verbot der Tischgemeinschaft s.o. IIC 2.1.2.3, dort auch Belege für die gegen­ sätzliche Praxis, d.h. für den offenbar auch im rabbinischen Judentum durchaus mögli­ chen Umgang von Juden und Heiden, auch im Rahmen von Hausbesuchen bei Heiden. 721  Innerhalb der Corneliuserzählung finden sich mehrfach solche Ausdrücke, die die unter­ schiedliche Herkunft bzw. die Differenz von Juden und Heiden zum Ausdruck bringen, vgl. τὰ ἔθνη, ἄνδρας ἀκροβυστίαν ἔχοντας, ἀλλόφυλος.

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der κοινός-Terminologie das Bewusstsein eines gewissen Sonderstatus Israels gegenüber anderen Völkern wider. Die in Apg 10,28 vorausgesetzte negative Sichtweise der Heiden war dem­ zufolge im Judentum durchaus weiter verbreitet, und zwar die Bestimmung als rituell unrein vor allem im Jubiläenbuch und später im rabbinischen Ju­ dentum, die Bewertung als „gemeine Masse“ auch im Diasporajudentum. Ins­ gesamt wird in Apg 10,28a; 11,3 somit wie in Jub 22,16 eine deutlich striktere Position zur Frage des Kontaktes und der Tischgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden vertreten als beispielsweise im Diasporajudentum, wo Tischge­ meinschaft durch besondere Vorkehrungen wie Extraspeisen dann doch zu­ stande kommen kann (s.o. IIC 2.1.3). 4.3.2

Die Verteidigung der Tischgemeinschaft und des engen Kontaktes durch eine Neubewertung der Nichtjuden In Apg 10,28b wird die Ablehnung eines engeren Kontakts wie Tischgemein­ schaft mit Nichtjuden dadurch aufgehoben, dass die bisher für Nichtjuden angenommene rituelle Unreinheit, die einem solchen Umgang entgegensteht, außer Kraft gesetzt wird.722 Ebenso wird die degradierende Sichtweise von gesetzestreuen Juden auf Nichtjuden als „gemeine Masse“ abgeschafft. Worin liegt jedoch der tiefere Grund für diese deutlich wahrnehmbare Neubewer­ tung der Heiden durch Petrus? Sie resultiert offenbar aus der Erkenntnis, dass Gott selbst eine solche Sichtweise auf die Heiden, wie Petrus sie bislang vertre­ ten und auch für Gott vorausgesetzt hat, gerade nicht vertritt. Dabei zeigt eine genaue Untersuchung der Funktion der Vision des Petrus, dass diese Erkennt­ nis das zentrale Ergebnis der Vision ist und damit auf Gottes Veranlassung hin erfolgt. 4.3.2.1

Die positive Bewertung der gottesfürchtigen und gerechten Heiden durch Gott als Grundlage ihrer Neubewertung durch Petrus (Apg 10,35) Im Einzelnen wird in Apg 10,28 die Unterscheidung von Menschen in rein und unrein aufgrund ihrer nationalen Zugehörigkeit außer Kraft gesetzt. Durch den Gebrauch des besonders auffälligen Terminus ἀλλόφυλος723 in Apg 10,28

722  Die Zulassung der Heiden zum Mahl erfolgt in Apg 10,1–11,18 demzufolge durchaus durch eine Reinigung, jedoch nicht durch Waschungen wie z.B. innerhalb der Gemeinschaftsre­ gel aus Qumran mit Bezug auf das Gruppenmahl (vgl. dazu IIC 2.2.2), sondern durch eine neue Definition der Nichtjuden als rein. 723  Der Gebrauch dieses Terminus ist insofern auffällig, als er sich innerhalb der neutesta­ mentlichen Schriften nur an dieser Stelle findet, daneben nur noch als textkritische Vari­ ante in Apg 13,19 D*. Vgl. ferner 3 Makk 3,6.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

betont der lukanische Petrus nämlich, dass das Kriterium für die bisherige Ein­ teilung der Menschen in rein und unrein einzig in ihrer Herkunft liegt.724 Die Aufforderung, keinen Menschen mehr als „gemein“ und unrein zu bezeichnen, bedeutet somit, keinen Menschen aufgrund seiner Herkunft aus den Heiden (und nicht aus den Juden) automatisch als unrein bzw. „gemein“ anzusehen. Eine ebensolche Ablehnung der Unterscheidung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft findet sich in Apg 10,34f. wieder, und zwar mit Bezug auf Gott selbst. Dort stellt der lukanische Petrus zum Beginn seiner Missionspredigt fest, dass Gott die Person nicht ansieht (ὅτι οὐκ ἔστιν προσωπολήμπτης725 ὁ θεός). Vielmehr seien ihm solche, die ihn fürchten und Gerechtigkeit üben,726 ange­ nehm, d.h. sie werden von ihm akzeptiert,727 und zwar aus jedem Volk (ἀλλ’ ἐν παντὶ ἔθνει ὁ φοβούμενος αὐτὸν καὶ ἐργαζόμενος δικαιοσύνην δεκτὸς αὐτῷ ἐστιν). Das hier verwendete ἐν παντὶ ἔθνει bildet einen deutlichen Gegensatz zu einer strikten Unterscheidung von Juden und Nichtjuden. Demzufolge ist die positi­ ve Einstellung Gottes den Menschen gegenüber unabhängig von der Frage, aus welchem Volk jemand stammt. Mit dieser Aussage wird die Aufhebung einer scharfen Unterscheidung zwischen Juden und Nichtjuden, die Gott von Petrus in Apg 10,28 fordert, in der Sichtweise Gottes selbst verankert. Dies lässt sich deutlich an den auffallenden Anknüpfungen von Apg 10,34f. an 10,28 erkennen: Die Aussagen in Apg 10,28 und 10,35 sind zum einen aufgrund des Gedankens der Volkszugehörigkeit miteinander verbunden, der durch 724  Mit ἀλλόφυλος wählt Lukas einen Terminus, mit dem er die Differenz zwischen Juden und Heiden im Hinblick auf ihre Herkunft pointiert zum Ausdruck bringen kann, und zwar beispielsweise besser als mit der zumeist gebrauchten Bezeichnung der Heiden als τὰ ἔθνη (so auch Apg 10,45; 11,1.18). Durch den Terminus ἀλλόφυλος wird nämlich die Herkunft von Juden und Nichtjuden aus unterschiedlichen Stämmen besonders betont (vgl. Pas­ sow, s.v. ἀλλόφυλος: „von anderem Stamm od. Volk; ausländisch, fremd, fremdartig“). 725  Vgl. dazu, dass προσωπολήμπτης („einer, der die Person ansieht“) im Neuen Testament ein Hapaxlegomenon ist (vgl. Lk 20,21); vgl. dazu das unparteiliche Richten Gottes (Röm 2,11; Gal 2,6, Eph 6,9; Kol 3,25; 1 Petr 1,17; Jak 2,1.9). 726  Zu ἐργαζόμενος δικαιοσύνην vgl. Ps 14,2 LXX; Hebr 11,33; Jak 1,20; vgl. auch ἐργάζομαι ἀνομίαν (Mt 7,23); τὸ ἀγαθόν (Röm 2,10; Gal 6,10); κακόν (Röm 13,10). Barrett, Apg I, 520, schlägt für diese Wendung vor, dass sie mehr bezeichnet als das bloße Gutsein, aber nicht die Erfüllung des ganzen Gesetzes, da Cornelius – anders als es der Kontext erwarten lässt – dann nicht eingeschlossen sein könnte. Diese Aussage umfasse daher die grundlegenden Gebote wie Vermeidung von Götzendienst, Inzest, Ehebruch, Mord, Diebstahl und Essen von Fleisch, das Blut enthält. 727  Passow, s.v. δεκτός: „angenommen; annehmlich, angenehm“; Muraoka, s.v. δεκτός: „acceptable“ (Hervorhebung im Original). Der Gebrauch dieses von δέχομαι abgeleiteten Ver­ baladjektivs im Sinne einer positiven Einstellung geht deutlich aus der Parallelität zu ἀγαπάω in Spr 16,13; 22,11 LXX hervor.

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ἀλλόφυλος bzw. ἔθνος zum Ausdruck gebracht wird. Zum anderen ge­ hört auch das in Apg 10,35 gebrauchte δεκτός728 mit dem „gemein“ und „unrein“ in Apg 10,28 zusammen, wobei sich diese beiden Ausdrücke im Einzelnen gegenüberstehen. Der Terminus δεκτός erscheint nämlich mehrfach als Gegenbegriff zu βδέλυγμα κτλ.,729 welches neben der κοινόςund der Unreinheitsterminologie730 für die frommen Juden verbotenen Dinge (z.B. Lev 18,26 LXX), beispielsweise verbotene Speisen (vgl. Dtn 14,3 LXX), verwendet wird (s.o. IIB 1.3.1.1). Dabei wird δεκτός in Apg 10,35 nun mit Bezug auf Gott selbst gebraucht. Eine solche Verwendung lässt sich mehrfach innerhalb der Septuaginta antreffen. Dort steht δεκτός häufi­ ger in Verbindung mit Dingen oder Personen, die Gott angenehm sind, und zwar zumeist mit Opfern, die Gott annimmt, bzw. mit denjenigen, die das Opfer darbringen,731 daneben aber auch mit dem Betenden bzw. dem Gebet des Frommen,732 zuverlässig Handelnden733 und anderen Dingen.734 Für Apg 10,28.35 besteht somit folgende Argumentationsstruktur: Wenn Gott selbst die Nichtjuden, die gottesfürchtig sind und das Gerechte tun, keines­ wegs ablehnt, dann braucht auch Petrus solche Heiden keinesfalls als min­ derwertig zu betrachten und zu meiden, sondern würde mit einem solchen Verhalten der Sichtweise Gottes geradezu widersprechen. Petrus soll somit eine Unterscheidung zwischen Juden und Nichtjuden aufgrund ihrer Herkunft letztlich deshalb aufgeben, weil Gott selbst eine solche Differenz nicht macht. 728  Zu δεκτός im lk. Doppelwerk vgl. abgesehen von Apg 10,35 auch Lk 4,19 (Zitat) und 4,24 (gegenüber ἄτιμος in Mk 6,4/Mt 13,57); sonst in den neutestamentlichen Schriften nur noch 2 Kor 6,2; Phil 4,18 (mit Bezug auf Gott). 729  Vgl. dazu vor allem Spr 11,1 LXX: ζυγοὶ δόλιοι βδέλυγμα ἐνώπιον κυρίου στάθμιον δὲ δίκαιον δεκτὸν αὐτῷ; 12,22 LXX: βδέλυγμα κυρίῳ χείλη ψευδῆ ὁ δὲ ποιῶν πίστεις δεκτὸς παρ’ αὐτῷ; 15,8 LXX: θυσίαι ἀσεβῶν βδέλυγμα κυρίῳ εὐχαὶ δὲ κατευθυνόντων δεκταὶ παρ’ αὐτῷ. Vgl. dazu auch die Verwendung von βδέλυγμα für fehlerhafte Opfer (z.B. Dtn 17,1 LXX) im Gegensatz zu den Gott angenehmen Opfern. 730  Zum Gebrauch von βδελύσσω in Verbindung mit κοινός und der Unreinheitsterminologie vgl. 1 Makk 1,47f.62f. 731  Zum Gebrauch von δεκτός im Kontext von Opfern bzw. den Opfernden vgl. vor allem Lev 1,3f.; 17,4; 19,5; 22,19–21.29; 23,11; Mal 2,13; Jes 56,7; 60,7; verneint in Jer 6,20 (jeweils LXX); besonders häufig für fehlerlose Opfer, daneben aber auch für die Opfer des Gerech­ ten (Sir 35,6 LXX). Vgl. dazu auch Passow, s.v. δέχομαι 1b: „gnädig aufnehmen, huldvoll entgegennehmen“. 732  Vgl. Hiob 33,26 LXX; Spr 15,8 LXX; daneben auch für die Wege der Gerechten (Spr 15,28 LXX). 733  Vgl. Spr 12,22 LXX. 734  Vgl. dazu Spr 11,1 LXX für das korrekte Gewicht im Gegensatz zur falschen Waage.

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Darüber hinaus zeigt die Aussage in Apg 10,35 deutlich, dass die Aufhebung einer Unterscheidung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft nicht etwa so zu verstehen ist, dass es nun keinerlei Grenze mehr beim Kontakt von Juden und Nichtjuden gibt, wie dies von Apg 10,28 her den Anschein haben könnte. Die Forderung in Apg 10,28b, keinen (vgl. μηδένα) Menschen mehr als „gemein“ oder unrein zu bezeichnen, lässt nämlich zunächst in der Tat daran denken, dass eine entsprechende Einteilung von Menschen in rein und unrein insge­ samt nicht mehr existiert. Mit dieser Forderung wird demzufolge die für den vorliegenden Text zentrale Aufhebung der Unterscheidung besonders betont. Durch die Aussage in Apg 10,35 wird dann zum einen klargestellt, dass dies in der Tat mit Blick auf die Herkunft gilt, jedoch zugleich eine entscheidende Ein­ schränkung vorgenommen. Danach sind Gott nämlich nicht einfach alle Men­ schen angenehm, etwa unabhängig von ihrer Verhaltensweise. In Apg 10,35 betont Petrus vielmehr, dass eine positive Einstellung Gottes zwingend Gottes­ furcht und Gerechtigkeit der entsprechenden Personen voraussetzt und somit keinesfalls etwa Götzendienern gilt. Kriterium dafür, mit wem Juden engeren Kontakt haben können, ist somit zwar nicht mehr die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk, und zwar das Judesein bzw. die Beschneidung, wohl aber die Gottesfurcht und das Tun von Gerechtigkeit.735 Man soll somit keinen Men­ schen „gemein“ oder unrein nennen, sofern er Gott verehrt und Gerechtigkeit übt. Cornelius wird nun aber im vorliegenden Kontext auffallend deutlich als gottverehrend und gerecht geschildert (10,2.22; s.o. 4.1.2), sodass er offensicht­ lich zu den Heiden gehört, die Gott angenehm sind (vgl. vor allem 10,4.31). In Apg 10,28b; 11,3 wird demzufolge nicht etwa engerer Kontakt und Tischgemein­ schaft mit sämtlichen Nichtjuden und damit gar mit Götzendienern erlaubt. Die Beschränkung von engeren Kontaktformen auf solche, die Gott angenehm sind, bleibt vielmehr bestehen, aber die Nichtjuden gehören eindeutig dazu, sofern sie gottesfürchtig und gerecht sind. Entscheidend ist somit nicht die Herkunft, sondern das jeweilige Verhalten. Gerade diese im Zusammenhang der Tischgemeinschaft stattfindende Umwertung der Heiden von einer „gemeinen Masse“ zu Gott durchaus ange­ nehmen Menschen hat – wie schon die ausführliche Thematisierung zeigt – entscheidende Bedeutung für die Aufnahme der Heiden in die Heilsgemein­ schaft. Diese Aufnahme ist nämlich in jedem Fall mit einer Relativierung der in der jüdischen Tradition fest verankerten Sonderstellung Israels bei Gott verbunden, da eine solche dann eben nicht mehr auf Israel beschränkt ist. 735  Vgl. dazu, dass schon in Lk 1,50 die Gottesfurcht als entscheidende Voraussetzung dafür genannt wird, dass Gott sich aller Menschen erbarmt (καὶ τὸ ἔλεος αὐτοῦ εἰς γενεὰς καὶ γενεὰς τοῖς φοβουμένοις αὐτόν).

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Insbesondere mit Apg 10,28.35 zeigt sich nun jedoch eine solche Entwicklung von einem exklusiven Verständnis des Bundes zwischen Gott und Israel hin zu einer grundsätzlichen Gleichheit von Juden und Heiden. Umgekehrt bedeutet die fehlende Unterscheidung Gottes zwischen Juden und Heiden aber nicht etwa einen Ausschluss der Juden. An der Erwählung Israels durch Gott (vgl. Apg 13,17) hält Lukas – wie vor allem der unterschiedliche Sprachgebrauch von λαός für das heilige Volk736 und ἔθνη für die übrigen unheiligen Völker zeigt737 – nämlich fest.738 4.3.2.2

Die Vision des Petrus – keine Außerkraftsetzung der Speisegebote, sondern Aufforderung zur Auflösung der strikten Unterscheidung von Juden und Nichtjuden In der Forschung wird Apg 10,1–11,18 bis auf wenige Ausnahmen739 im Sinne einer Auflösung der Speisegebote für Judenchristen ausgelegt.740 Dies wird vor allem aus der Vision hergeleitet, indem die an Petrus ergehende Aufforderung zum Schlachten und Essen im Sinne einer Durchbrechung des Speiseverbots von unreinen Tieren gewertet wird.741 Häufig wird dann auch die in der an­

736  Vgl. dazu die Identifikation von ὁ λαός und Israel in Lk 2,32 (λαοῦ σου Ἰσραήλ); 13,17 (οῦ λαοῦ τούτου Ἰσραήλ); Apg 4,10 (παντὶ τῷ λαῷ Ἰσραήλ); 12,11 (τοῦ λαοῦ τῶν Ἰουδαίων); 13,24 (παντὶ τῷ λαῷ Ἰσραήλ). Ausnahmen sind die Pluralverwendung von λαός in Lk 2,31; Apg 4,25.27 (Zitat aus Ps 2,1 LXX und dessen Wiederaufnahme, wobei in Apg 4,27 von den „Stämmen Israels“ die Rede ist); daneben die Belege in Apg 5,37; 18,10. Zum Bezug der übrigen Belege von ὁ λαός auf Israel vgl. Deutschmann, Synagoge, 240–242. 737  Vgl. dazu vor allem die Gegenüberstellung von λαός für Israel und ἔθνη für die Völker in Lk 2,32; Apg 4,27; 26,17.23; 28,27f. 738  Zur Vorrangstellung Israels vgl. daneben auch Apg 13,23.46. Zur Frage nach dem Heil Isra­ els vgl. z.B. Sellner, Heil, 361–378, der die Offenheit des Lukas in dieser Frage betont. 739  Ausdrücklich anders aber z.B. Tomson, Food Laws, 207, der betont, dass es um „com­ munion with non-Jews“ gehe, ohne dass Speisevorschriften außer Kraft gesetzt werden würden. 740  In der Forschung zur Frage nach dem Gesetz im lk. Doppelwerk besteht ein gewisser Kon­ sens hinsichtlich der Gesetzestreue von Judenchristen innerhalb der lk. Gemeinde. Für eine vollständige Ablösung vom Gesetz plädieren jedoch z.B. Blomberg, Law, 70f.; Neyrey, Symbolic Universe, 295; Schwartz, End, 4f. Eine solche hält auch Seifrid, Jesus, 40.51, für möglich. 741  Zu Vertretern, die eine Aufhebung von Teilen des Gesetzes als entscheidend für die Vision ansehen, vgl. Pesch, Apg I, 339; Blomberg, Law, 64f.; Hübner, Gesetz, 190f., unter Hinweis auf Lev 11: „Apg 10f. ist also die Annullierung dieser alttestamentlichen Gesetze“; vgl. auch 30.185; Wilson, Law, 257; Sanders, Jews, 119: Apg 10,1–11,18 sei „a divinely approved sequel to the abolition of Jewish food laws“. Vgl. dazu auch Pervo, Apg, 544, dem zufolge das Gesetz bei Lukas „insofar as it deals with dietary laws and regulations for purity, is opposed to the manifest will of God (10:10–16)“; Weiser, Apg I, 253–262, bes. 255; Seifrid, Jesus, 41–44; Gib­ son, Peter, 122.128f. Milgrom, Lev I, 726, versteht Apg 10,1–11,18 so, dass die Speisegesetze

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schließenden Erzählung erwähnte Tischgemeinschaft zwischen Petrus und Cornelius ausdrücklich vor dem Hintergrund einer Aufhebung der jüdischen Speisegebote gedeutet.742 Gegen eine vollständige Abschaffung der Speisegebote spricht bereits der größere Kontext. So deutet das Aposteldekret darauf hin, dass die Unterschei­ dung zwischen reinem und unreinem Essen nicht vollständig außer Kraft gesetzt wurde (Apg 15,19f.29; 21,25; s.o. IIIA 3, bes. 3.1.2).743 Aber auch eine Auf­ lösung der Speisegebote aus Lev 11/Dtn 14 ergibt sich von den Textsignalen in Apg 10,1–11,18 keineswegs als Zweck dieser Erzählung. So ist es auffällig, dass Speisen im Rahmen von Apg 10,1–11,18 nur auf der Ebene der Vision in Form der unterschiedlichen Tiere erwähnt werden. Innerhalb der Erzählung selbst verweist Petrus dann aber zu seiner Verteidigung nicht etwa auf die beim Mahl verwendeten Speisen, und zwar weder darauf, dass Cornelius keine für Juden verbotenen Speisen serviert habe, worauf sich angesichts seiner Kenn­ zeichnung als „gerecht“ und „gottesfürchtig“ durchaus schließen lässt,744 noch da­rauf, dass für Judenchristen und damit für ihn selbst die jüdischen Speisege­ bote nicht mehr gelten würden. Überhaupt lässt sich eine Deutung der Vision im Sinne einer Freigabe aller Speisen nicht aus dem weiteren Handeln des Pe­ trus herleiten. So wiederholt sich zwar die Vision auf die Weigerung des Petrus hin mehrfach,745 aber auch dann wird nicht etwa davon berichtet, dass Petrus abgeschafft wurden. Damit sei die Trennung zwischen Juden und Heiden abgeschafft worden. Zu einer solchen Deutung von Apg 10,1–11,18 als Auflösung der Trennung zwi­ schen reinen und unreinen Speisen einerseits und des Unterschieds zwischen Juden und Heiden andererseits vgl. auch Merkel, Gesetz, 126f.; Keener, Apg III, 2234. 742  So exemplarisch Dibelius, Bekehrung, 99, der das Problem erlaubter und unerlaubter Fleischsorten aus der Petrusvision in die anderen Teile von Apg 10,1–11,18 hineinliest und daher das eigentliche Anliegen von Apg 11,3 in den Speisegeboten sieht: „er habe mit Unbeschnittenen zusammen gegessen, also offenbar auch Unreines“. Ähnlich Matson, Narratives, 114.119: „Thus, the abrogation of the food laws becomes an explicit feature of the household mission“ (vgl. auch 129.188). Auch Keener deutet Apg 10,23.48; 11,3 vor dem Hintergrund der jüdischen Speisegebote, denkt jedoch anstelle von Götzenopferfleisch oder Schweinefleisch, welches Cornelius wohl kaum serviert haben wird, an nicht richtig verzehntete Speisen (Apg II, 1777f.1816.1819f.). Vgl. Tyson, Dinner, 190f.195, auf der histori­ schen Ebene für die 40er und 50er Jahre des 1. Jh. n.Chr. 743  Vgl. Jervell, Apg, 306; vgl. auch Haenchen, Apg, 349. 744  So auch Barrett, Apg I, 533.538, dem zufolge Cornelius als Gottesfürchtiger Petrus nicht mit Schweinefleisch oder anderen unreinen Tieren bewirtet haben wird; vgl. auch Haa­ cker, Cornelius, 240; Wilson, Luke, 73; Keener, Apg II, 1816. 745  Vgl. dazu ἐπὶ τρίς in Apg 10,16 mit V. 13.15; vgl. auch 11,10. Je nachdem, ob man ἐπὶ τρίς auf das gesamte Procedere (d.h. die Aufforderung und Begründung in 10,13.15) bezieht oder nicht, wiederholt sich die Vision zweimal (so z.B. Haenchen, Apg, 335) oder aber die Auf­ forderung zum Schlachten und Essen ereignet sich noch ein weiteres Mal (von Schneider, Apg II, 69 mit Anm. 90 und 91 favorisiert).

4 Juden und Heiden an einem Tisch ( Apg 10,1–11,18 )

565

selbst tatsächlich unreine Tiere gegessen habe.746 Vielmehr erscheint Petrus zunächst weiterhin als unwissend (ὡς δὲ ἐν ἑαυτῷ διηπόρει747 ὁ Πέτρος τί ἂν εἴη τὸ ὅραμα ὃ εἶδεν in 10,17) und als jemand, der über den Sinn der Erscheinung nachdenkt (τοῦ δὲ Πέτρου διενθυμουμένου περὶ τοῦ ὁράματος in 10,19). Dass somit trotz mehrfacher Aufforderung zum Schlachten und Essen innerhalb der Vision im Rahmen der folgenden Erzählung nichts von einem solchen Han­ deln des Petrus berichtet wird, lässt darauf schließen, dass dies und damit die Übertretung der Speisegebote nicht das eigentliche Ziel der Vision sind.748 Das in der Forschung verbreitete Verständnis der Vision als Außerkraftset­ zung der Speisegebote nach Lev 11/Dtn 14 ist zudem insofern problematisch, als eine solche Auflösung der Speisevorschriften augenscheinlich nicht der Deutung der Vision durch den lukanischen Petrus entspricht. Lukas lässt Pe­ trus selbst in der Erzählung von der Bekehrung des Cornelius zweimal auf die Vision vom Schlachten und Essen der Tiere hinweisen und deren Ergebnis zusammenfassen.749 Dabei ist für beide Rückverweise eine deutliche Anknüp­ fung an Motive aus der Vision zu erkennen. Eine entscheidende Abwandlung ergibt sich jedoch jeweils daraus, dass die in der Vision in Bezug auf Tiere ge­ brauchten Motive von Petrus nun nicht mit Bezug auf Speisen, sondern jeweils viel grundsätzlicher mit Bezug auf Menschen ausgelegt werden.750 Dies lässt sich besonders deutlich am Gebrauch der Unreinheitsterminologie in Gestalt der Wendung κοινὸν ἢ ἀκάθαρτον erkennen.751 Sie wird sowohl innerhalb der 746  Gegen eine Deutung, dass Petrus Unreines gegessen hat, spricht vor allem Apg 11,10, wo erwähnt wird, dass schließlich alles wieder in den Himmel emporgezogen wurde (vgl. dazu καὶ ἀνεσπάσθη πάλιν ἅπαντα εἰς τὸν οὐρανόν gegenüber καὶ εὐθὺς ἀνελήμφθη τὸ σκεῦος εἰς τὸν οὐρανόν in 10,16). 747  Vgl. den Gebrauch des Imperfekts für eine länger andauernde Ratlosigkeit. 748  Vgl. dazu Klinghardt, der eine Außerkraftsetzung der Speisegebote als Skopus von Apg 10,1– 11,18 ebenfalls mit dem Argument ablehnt, dass „Petrus der Aufforderung ‚schlachte und iß‘ ja tatsächlich nicht nachkommt“ (Gesetz, 212 Anm. 14). Dagegen aber Merkel, Gesetz, 126 Anm. 33: „Wie sollen Tiere aus einer Vision geschlachtet und gegessen werden!“ 749  In Apg 10,28 weist der lk. Petrus durch die Wendung κἀμοὶ ὁ θεὸς ἔδειξεν deutlich auf die zuvor berichtete Vision zurück. In Apg 10,34f. stellt er zum Beginn seiner Missionspredigt zunächst noch einmal seine Erkenntnis fest, die er aus der Vision neu erlangt hat (vgl. ἐπ’ ἀληθείας καταλαμβάνομαι), wobei er gegenüber Apg 10,28 von Cornelius zusätzlich er­ fahren hat, dass Gott auch ihm erschienen ist. Dabei bringt er mit der im lk. Doppelwerk mehrfach belegten Wendung ἐπ’ ἀληθείας (Lk 4,25; 20,21; 22,59; Apg 4,27) zum Ausdruck, dass er, der zunächst im Hinblick auf den Sinn der Vision unsicher war (vgl. 10,19), nun die wahren Verhältnisse erkannt hat. 750  Dass der Schwerpunkt der Erzählung auf Menschen, nicht auf Tieren liegt, betont z.B. auch Jervell, Apg, 305f.308. 751  Abgesehen von der ausdrücklichen Verwendung der Unreinheitsterminologie in Apg 10,28 erinnert auch die nach Apg 10,35 von Gott abgelehnte Unterscheidung zwischen Juden und Heiden an die innerhalb der Vision von Gott vollzogene Reinigung der Tiere (10,15;

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Vision (Apg 10,14; 11,8) als auch in der Erzählung (10,28) verwendet und stellt damit sprachlich das engste Verbindungsglied zwischen diesen beiden Tei­ len dar. Der Gebrauch dieses Ausdrucks innerhalb der Aussage des Petrus in Apg 10,28b unterscheidet sich jedoch darin von dem innerhalb der Vision, dass er sich nun nicht mehr auf Tiere und damit auf Speisen, sondern auf Personen bezieht. Entscheidende Bedeutung für eine solche Anwendung der zentralen Forderung der Vision auf Menschen hat die Aufforderung des Geistes, Petrus solle mit den Boten des Cornelius mitgehen, ohne eine Unterscheidung vorzu­ nehmen (10,20; s.o. 4.2.2). Sie hat den zuvor noch unwissenden Petrus offenbar dazu veranlasst, eine Analogie zwischen den unreinen Speisen und den als un­ rein bewerteten Nichtjuden zu ziehen, auf deren Hintergrund er die Vision als eine Erlaubnis versteht, zu den Nichtjuden zu gehen. Damit ist die Ermahnung des Geistes das zentrale Bindeglied zwischen der Vision und der Erzählung von der Bekehrung des Cornelius. Geht man von der Kohärenz des Textes und damit zunächst davon aus, dass der lukanische Petrus den Sinn der Vision in Apg 10,28.34f. so wiedergibt, wie Lukas sie verstanden wissen will, so ist die Aufforderung zum Schlachten und Essen innerhalb der Vision somit nicht wörtlich zu verstehen. Vielmehr ist die Vision durch den Kontext im Sinne eines Bildes zu deuten, in das die Aufforde­ rung zu einer Öffnung des Kontaktes mit Heiden eingekleidet ist.752 Die Tiere und Speisen dienen Lukas somit gleichsam als Metapher. Dabei lässt sich der im Zentrum des ganzen Textes stehende Gedanke der Unterscheidung anhand der Tiere tatsächlich besonders gut verdeutlichen, da der Vorgang der Unter­ scheidung für die Einhaltung der jüdischen Speisegebote von entscheidender Bedeutung ist.753 Eine ähnliche symbolische Verwendung der jüdischen Spei­ 11,9). Dies gilt insbesondere angesichts der vorherigen Bezeichnung der Heiden als unrein in Apg 10,28. 752  Zu einer symbolischen Deutung der Vision vgl. Miller, Dream-Visions, 453f.: Ihm zufol­ ge spricht insbesondere das anfängliche wörtliche Verständnis der Vision durch Petrus für eine symbolische Deutung, da Petrus die Übertretung der Speisegebote nicht ein­ mal als Option betrachtet (vgl. auch ders., Dreams, 207). Vgl. auch Haenchen, Apg, 335: „der Wortsinn scheint für den Erzähler überhaupt nicht in Betracht zu kommen“; Pervo, Apg, 274f.; Roloff, Apg, 170; Miller, Vision; Avemarie, Tauferzählungen, 368; Löhr, Spei­ senfrage, 31; Haacker, Apg, zu Apg 10,28f. Thiessen, Conversion, 136f., verweist speziell auf den Vergleich von Juden und Heiden mit reinen und unreinen Tieren in Hen(aeth) 89,11–14 u.ö. Zur Vision vgl. zuletzt Moxon, Nightmare, dem zufolge jedoch nicht die Un­ terscheidung von Juden und Heiden, sondern in einem allgemeineren Sinne die Vorein­ genommenheit im Fokus stehe. 753  Dass die Einhaltung der jüdischen Speisegebote eine Sache der Unterscheidung zwischen rein und unrein ist, wird mehrfach ausdrücklich festgestellt, so schon in Lev 11,47 LXX mit διαστέλλω: […] διαστεῖλαι ἀνὰ μέσον τῶν ἀκαθάρτων καὶ ἀνὰ μέσον τῶν καθαρῶν καὶ ἀνὰ μέσον τῶν ζωογονούντων τὰ ἐσθιόμενα καὶ ἀνὰ μέσον τῶν ζωογονούντων τὰ μὴ ἐσθιόμενα; in Lev 20,25

4 Juden und Heiden an einem Tisch ( Apg 10,1–11,18 )

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sevorschriften ist auch im antiken Judentum selbst festzustellen, und zwar mit der beispielsweise bei Philo und im Aristeasbrief überlieferten allegorischen Auslegung der Speisegebote aus Lev 11/Dtn 14. Dabei werden die Speisevor­ schriften auch innerhalb des Aristeasbriefes dergestalt verstanden, dass sie sich auf das Verbot einer engen Verbindung mit sündigen Heiden beziehen (s.o. IIB 1.2.2). Zwischen der Vision und der Erzählung besteht somit folgender Zusammenhang: So wie Petrus innerhalb der Vision nicht mehr zwischen reinen und unreinen Tieren unterscheiden, sondern alles essen soll, so soll er im Hinblick auf die Frage nach einer Begegnung mit Cornelius keinen Unterschied mehr zwischen Juden und gottesfürchtigen Nichtjuden machen. Woraus lässt sich jedoch diese Übertragung von Tieren auf Menschen er­ klären? Die für die vorliegende Erzählung zentrale Verbindung zwischen einer Unterscheidung von Speisen und einer Unterscheidung Israels von den Völ­ kern ist nicht erst von Lukas geschaffen worden. Sie ist vielmehr bereits in der hebräischen Bibel mit der Tradition zu den jüdischen Speisegeboten fest verbunden754 und wird dann vor allem im griechischsprachigen Diasporaju­ dentum stark ausgebaut (s.o. IIB 1.1–1.3). Eine solche Unterscheidung der Juden von den Heiden durch Einhaltung der entsprechenden Speisevorschriften bil­ det auch den Schwerpunkt der allegorischen Auslegung der Speisegebote im Aristeasbrief.755 Gerade dieser Zusammenhang wird in Apg 10,1–11,18 aufgelöst. In Hinsicht auf die Frage nach einer Außerkraftsetzung des Gesetzes bzw. der jüdischen Speisegebote ist demzufolge festzuhalten: In Apg 10,1–11,18 werden nicht etwa die jüdischen Speisegebote an sich abgeschafft, jedoch die mit dem Gesetz und auch mit der Einhaltung der Speisevorschriften von Anfang an eng verbundene Funktion der Abgrenzung Israels von den Heiden. Damit lässt sich aber deutlich erkennen, dass die Öffnung der Heilsgemeinschaft für Heiden keine grundsätzliche Absage an das Gesetz bedeutet.756 Danach ist die Beschneidung nämlich zwar keine Bedingung mehr für die Rettung der Nicht­ juden, für Judenchristen wird die Geltung des Gesetzes jedoch offenbar nicht generell außer Kraft gesetzt.757 LXX mit άφορίζω: καὶ ἀφοριεῖτε αὐτοὺς ἀνὰ μέσον τῶν κτηνῶν τῶν καθαρῶν καὶ ἀνὰ μέσον τῶν κτηνῶν τῶν ἀκαθάρτων καὶ ἀνὰ μέσον τῶν πετεινῶν τῶν καθαρῶν καὶ τῶν ἀκαθάρτων […]; in Jos. Ant. 3,259 mit διακρίνω (zum Text s.o. Anm. 671). 754  Zur abgrenzenden Funktion der Speisegebote vgl. Lev 11,44f.; Dtn 14,2.21 (s.o. IIA 1.3). 755  Im Aristeasbrief findet sich in Bezug auf die jüdischen Speisevorschriften – abgesehen von der ausdrücklichen Bezeichnung als Grenze zwischen Juden und Nichtjuden – auch die Rede von der Unterscheidung der Juden von allen Menschen: ἔτι δὲ καὶ διότι παρὰ πάντας ἀνθρώπους διεστάλμεθα (151). 756  So auch Jervell, Apg, 317. 757  Dass das Gesetz offenbar auch in der Apostelgeschichte für Judenchristen weiterhin als gültig angesehen wird, lässt sich vor allem aus den Nachrichten schließen, denen zufolge

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

4.3.3

Die fehlende Unterscheidung Gottes zwischen Juden und Heiden als entscheidender Legitimationsgrund auch für die Aufnahme der Heiden in die Heilsgemeinschaft Innerhalb der vorliegenden Erzählung arbeitet Lukas besonders stark heraus, dass die Begegnung zwischen Petrus und Cornelius letztlich auf Gott selbst zurückgeht. So soll Cornelius auf Gottes Befehl handeln (10,5f.). Der Geist wie­ derum befiehlt Petrus, mit den Männern aus Cäsarea mitzugehen (vgl. 10,19f.; 11,12), und hat diese selbst gesandt (10,20). Auch das Einkehren des Petrus in ein heidnisches Haus geht auf einen göttlichen Befehl zurück, nämlich auf die Anordnung eines heiligen Engels (10,22b). Zudem hat Gott selbst die Unter­ scheidung zwischen rein und unrein bzw. „gemein“ aufgehoben (10,15; 11,9), wie er es innerhalb der Vision von Petrus fordert. Auch die Predigt des Petrus stammt von Gott (10,33fin). Durch diese auffällige Betonung der Initiative Got­ tes erscheint Petrus als jemand, der mit seinem Handeln den Willen Gottes erfüllt und der Einstellung Gottes zu den Heiden entspricht. Genau diese Ar­ gumentationsstruktur lässt sich innerhalb der vorliegenden Erzählung auch in Bezug auf die Taufe wiederfinden, durch die die eigentliche Aufnahme der Heiden in die Heilsgemeinschaft vollzogen wird. Die Taufe des Cornelius ist nämlich offenbar wie schon der engere Kontakt mit ihm beim Mahl umstrit­ ten, denn Petrus muss sich im Rahmen von Apg 10,1–11,18 auch für sie verteidi­ gen (vgl. bes. 10,45–48).758 Dabei rechtfertigt Petrus die Taufe von Nichtjuden wie im Fall der Tischgemeinschaft dadurch, dass er sein eigenes Handeln im Handeln Gottes verankert. Im Einzelnen stellt er die Taufe von Nichtjuden als notwendige Konsequenz zum Handeln Gottes dar, nämlich als Folge der von Gott selbst vollzogenen Gabe des Heiligen Geistes an die Nichtjuden (vgl. 10,45.47f.; 11,15–17). Angesichts dieser bereits stattgefundenen Geistverleihung an die Heiden konnte Petrus ihnen nämlich die Wassertaufe759 nicht mehr verwehren (10,47), hätte dies doch bedeutet, Gott selbst zu hindern: ἐγὼ τίς

Paulus die Juden nicht dazu auffordert, das Gesetz zu übertreten (Apg 21,18–26; 25,8; 28,17). Vgl. auch Lk 16,17. 758  Für die Jerusalemer Judenchristen wird zwar in Apg 11,3 explizit nur die Ablehnung der Tischgemeinschaft mit Heiden festgestellt. Dass aber auch die Taufe von Unbeschnitte­ nen durch Petrus Kritik hervorrief, zeigt deutlich das Staunen bzw. Entsetzen der Petrus begleitenden Judenchristen (καὶ ἐξέστησαν οἱ ἐκ περιτομῆς πιστοί) darüber, dass der Hei­ lige Geist auch auf die Heiden ausgegossen wurde (ὅτι καὶ ἐπὶ τὰ ἔθνη ἡ δωρεὰ τοῦ ἁγίου πνεύματος ἐκκέχυται in 10,45). Auch sie erwarten offenbar, dass sich die Nichtjuden für die Gabe des Geistes noch beschneiden lassen müssen. 759  Zu einer gewissen Höherbewertung der Geisttaufe im Vergleich zur Wassertaufe vgl. Apg 11,16 mit 1,5.

4 Juden und Heiden an einem Tisch ( Apg 10,1–11,18 )

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ἤμην δυνατὸς κωλῦσαι760 τὸν θεόν; (11,17).761 Ohne den Vollzug der Wassertau­ fe hätte Petrus demnach sogar gegen Gott gehandelt und sich seinem Willen widersetzt. Die Geistgabe erscheint demzufolge als eine Intervention Gottes zugunsten der Heiden. In diesem Rahmen findet sich das Motiv der fehlenden Unterscheidung Gottes zwischen Juden und Heiden wieder, das somit für die vorliegende Erzählung insgesamt konstitutiv ist. Der lukanische Petrus stellt nämlich besonders heraus, dass Gott Juden und Nichtjuden bei der Gabe des Heiligen Geistes gleichbehandelt.762 Damit hat die Geistgabe insgesamt die­ selbe Funktion wie die Vision des Petrus, spitzt die zuvor von Petrus konsta­ tierte Erkenntnis aus Apg 10,34f. jedoch mit Blick auf die Zugehörigkeit zur Heilsgemeinschaft zu. Mit der Vision hat Gott Petrus zunächst gezeigt, dass er selbst keine strikte Unterscheidung zwischen Juden und Heiden macht, sondern eine Beziehung zu gottesfürchtigen Heiden hat, wie er es jetzt von Petrus fordert. Mit der Geistgabe an Heiden,763 die zu Christus umgekehrt sind, zeigt Gott Petrus, dass solche Heiden ohne weitere Forderungen wie die Beschneidung sogar zur Heilsgemeinschaft dazugehören sollen und Petrus sie dementsprechend taufen soll. Damit geht der lukanische Petrus nun eindeutig über das hinaus, was im Judentum verbreitet ist.764 Mit der Geistgabe hat Gott aber bereits grundsätzlich über das Heil der Heiden und deren Zugehörigkeit zur Gemeinde entschieden, wie die enge Verbindung zwischen Geistgabe und Taufe zeigt: 760  Vgl. neben κωλῦσαι in Apg 10,47 auch 5,39; 8,36. 761  Vgl. dazu, dass D und w zur Verdeutlichung lesen: „dass er ihnen den Heiligen Geist nicht gebe, obgleich sie glauben“. 762  Die Übereinstimmung von Juden und Nichtjuden in Bezug auf die Geistgabe wird zum einen durch Formulierungen mit einem entsprechenden Vergleich zum Ausdruck ge­ bracht. Danach fiel der Geist ebenso auf die Heiden, wie er zu Beginn (d.h. an Pfingsten; vgl. Apg 2,3f.) auf die Apostel gefallen ist (ἐπέπεσεν τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον ἐπ’ αὐτοὺς ὥσπερ καὶ ἐφ’ ἡμᾶς ἐν ἀρχῇ in 11,15); vgl. 10,47 ([…] οἵτινες τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον ἔλαβον ὡς καὶ ἡμεῖς;); 15,8. Daneben wird in Apg 11,17 ausdrücklich festgestellt, dass Gott den Heiden die gleiche Gabe gegeben hat wie den Aposteln (εἰ οὖν τὴν ἴσην δωρεὰν ἔδωκεν αὐτοῖς ὁ θεὸς ὡς καὶ ἡμῖν πιστεύσασιν ἐπὶ τὸν κύριον Ἰησοῦν Χριστόν). Vgl. dazu auch die ausdrückliche Feststellung vom Fehlen einer Unterscheidung in 15,9. 763  Im Rahmen seiner Darstellung betont Lukas besonders, dass der Heilige Geist direkt an Nichtjuden im Rahmen ihrer Hinwendung zu Christus gegeben wird, vgl. dazu Apg 10,44, wonach der Heilige Geist noch während der Rede des Petrus auf alle Zuhörer, d.h. die ver­ sammelten Heiden, gefallen ist. Nach Apg 11,15 fällt der Geist auf die Zuhörer, als Petrus zu sprechen beginnt. 764  Vgl. dazu, dass sich auch im Judentum selbst bisweilen eine äußerst positive Sichtwei­ se auf Heiden findet, so z.B. in Ps.-Philo, De Jona (vgl. bes. 216–219). Danach haben Hei­ den offenbar durchaus eine Gottesbeziehung, wobei sie allerdings nicht zum Gottesvolk gehören. Näheres zum ausgesprochen positiven Bild der Heiden in De Jona bei Siegert, Heiden.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Im lukanischen Doppelwerk lässt sich für die Konzeption vom Geist765 im Vergleich zu Paulus zwar insofern eine gewisse Neuanwendung alter Kriterien feststellen, als der Geist hier insbesondere der Befähigung und Begabung zum apostolischen Dienst dient.766 Daneben bleibt der Geist als Antizipation der Endzeit aber bei Lukas wie bei Paulus eng auf die Rettung bezogen. Lukas stellt nämlich auch abgesehen von Apg 10,1–11,18 häufiger einen Zusammenhang zwischen der Geistverleihung und der Sündenvergebung bzw. der Taufe als Eingliederung in die Heilsgemein­ schaft her.767 Die Teilhabe am Heiligen Geist ist demzufolge ein Zeichen der eschatologisch Geretteten. Bisweilen fallen die Wassertaufe und Geistgabe zwar auseinander,768 doch gehören Wassertaufe und Geistgabe im Idealfall eng zusammen (Apg 2,3.41; vgl. 10,45–48). Dabei sieht Lukas diese Verbindung der Taufe mit der Geistgabe offenbar als entscheidende Voraussetzung dafür an, dass die Taufe zu einer Eingliederung in die Ge­ meinschaft der Geretteten (Apg 2,47) führt.769 Indem Petrus die Nichtjuden tauft, stimmt er somit dem Willen und Befehl Gottes zu, dass das Heil nicht auf Israel beschränkt und damit unlöslich an die Beschneidung geknüpft ist, sondern auch für Heiden offensteht,770 und zwar unmittelbar auf deren Glauben hin.771 765  Zu den verschiedenen Funktionen des Geistes in der Apostelgeschichte vgl. Gunkel, Geist, 137–265. 766  Vgl. dazu vor allem, dass der Geist Vollmacht und Kraft zur Verkündigung verleiht (Lk 4,18; 12,11f.; Apg 1,8; 2,3f.; 6,10). Durch den Geist sind die Apostel nachösterlich in gleicher Weise ausgestattet (Apg 4,8; 9,17; 13,9), wie Jesus selbst es war (Lk 4,1.14.18; 10,21). Der Geist lei­ tet die Missionare (so vor allem beim Apostelkonvent bei der Beschlussfassung, vgl. Apg 15,28; vgl. daneben auch 8,29; 13,2.4; 21,11), setzt die Presbyter als Aufseher und Hirten der Gemeinde ein (20,28), hindert aber auch (16,6f.). 767  Vgl. dazu vor allem Apg 2,38: Der Geist wird denen gegeben, die umgekehrt sind, sich tau­ fen lassen und damit die Sündenvergebung erlangen. Zur Deutung der Geistverleihung in Apg 2,38–40 als Teil des Heilsgeschehens vgl. auch Sellner, Heil, 248–266, bes. 261. 768  Vgl. dazu Apg 8,15–17; 19,3–6, wo der Geist erst nach der Taufe durch apostolische Hand­ auflegung kommt. 769  So Schröter, Taufe, bes. 580; ähnlich Avemarie, Tauferzählungen, 393f.397. Zur Verbindung zwischen Taufe und Geistverleihung vgl. den Exkurs bei Pesch, Apg I, 281–285. 770  Zur universalen Ausrichtung vgl. auch Apg 10,36: Jesus als „Herr aller“ (οὗτός ἐστιν πάντων κύριος). 771  Dass der Glaube die Voraussetzung für die Rettung ist, wird besonders betont, indem sowohl die Sündenvergebung (Apg 10,43) als auch die Geistgabe an ihn gebunden wer­ den (11,17). Dabei bezieht sich πιστεύσασιν in Apg 11,17 wohl insbesondere angesichts der Parallelisierung von Judenchristen und Heidenchristen nicht allein auf die Judenchristen (ἡμῖν), sondern auch auf die Heidenchristen (αὐτοῖς); so Haenchen, Apg, 342 Anm. 3; im

4 Juden und Heiden an einem Tisch ( Apg 10,1–11,18 )

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Der Aufnahme der Heiden in die Heilsgemeinschaft und damit dem Han­ deln des Petrus stimmen schließlich auch die Kritiker zu. Aus der Gabe des Hei­ ligen Geistes durch Gott (11,17) ziehen sie nämlich die Schlussfolgerung (ἄρα), dass Gott auch den Heiden, d.h. aber nicht etwa nur den Beschnittenen, die Umkehr zum Leben gegeben hat: Ἄρα καὶ τοῖς ἔθνεσιν ὁ θεὸς τὴν μετάνοιαν εἰς ζωὴν ἔδωκεν (11,18). Dabei lässt Lukas nun selbst die Kritiker des Petrus die Ini­ tiative Gottes zum Heil der Heiden besonders betonen. Der mit dieser Folge­ rung hergestellte Zusammenhang zwischen Umkehr bzw. Sinnesänderung772 und Geistgabe findet sich bei Lukas häufiger. Dabei erscheint die Umkehr je­ weils als notwendige Voraussetzung für die Geistgabe.773 Der Fokus in Apg 11,18 liegt nun jedoch nicht auf dem vonseiten der Menschen zu vollziehenden Schritt der Umkehr.774 Durch die auffällige Rede von der Gabe der Umkehr775 erscheint vielmehr wiederum Gott selbst als derjenige, der den ganzen Pro­ zess der Aufnahme der Nichtjuden in die Heilsgemeinschaft in Gang gebracht hat. Diese Gabe der Umkehr impliziert nämlich in der Konzeption des Lukas bereits die Erlangung des Heils (vgl. 11,14),776 wie die nähere Bestimmung als „Umkehr, die zum Leben führt“,777 deutlich zeigt. Die Kritik an einer Aufnahme der Heiden in die Heilsgemeinschaft wird somit dadurch zurückgewiesen, dass Gott selbst die Aufnahme der Heiden in die Ge­ meinde in entscheidender Weise veranlasst und bewirkt hat, und zwar zum einen durch die Sendung des Petrus zu Cornelius, zum anderen durch die Gabe des Geistes an sie. Gerade dadurch, dass Lukas das Handeln des Petrus jeweils als Entsprechung zum Handeln Gottes darstellt, erscheinen die einzel­ nen Schritte der Bekehrung des Cornelius in besonderer Weise als gottgewollt.

Anschluss an ihn Schneider, Apg II, 60 („Wenn nun Gott ihnen, nachdem sie zum Glau­ ben an den Herrn Jesus Christus gekommen sind […]“) mit 84 Anm. 235. 772  Zu Belegen und zum Verständnis von μετάνοια als Sinnesänderung s.o. 3.3.1. 773  Vgl. dazu vor allem Apg 2,38; daneben auch 5,32, wonach Gott den Geist denen gegeben hat, die ihm gehorchen. Ausführlich zu Taufe, Glaube und Umkehr als den Bedingungen der Rettung bei Lukas Jantsch, Jesus, 55–94. 774  So Apg 11,1: […] ὅτι καὶ τὰ ἔθνη ἐδέξαντο τὸν λόγον τοῦ θεοῦ (vgl. 2,41). Vgl. dazu die Formu­ lierung mit μετάνοια als Forderung in Apg 2,38. 775  Zur Umkehr als Gabe Gottes vgl. Apg 5,31; daneben Sap 11,23; 12,10.19. 776  Vgl. dazu, dass die Umkehr ein Mittel zum Erlass der Sünden ist, vgl. Lk 24,47 ([…] μετάνοιαν εἰς ἄφεσιν); Apg 2,38; 3,19; 5,31; 8,22. Zur rettenden Bedeutung der Umkehr vgl. auch Lk 13,3; 15,7. 777  Zu einer ähnlichen Bestimmung der μετάνοια vgl. 2 Kor 7,10: […] μετάνοιαν εἰς σωτηρίαν.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

4.4 Apg 10,1–11,18 im Vergleich zu verwandten urchristlichen Traditionen Die vorliegende Erzählung behandelt Themen und umfasst Motive, die sich in ähnlicher Form auch in anderen urchristlichen Traditionen zum Essen fest­ stellen lassen. Durch eine genaue Untersuchung der Frage, wie die entspre­ chenden Motive jeweils angewendet werden, lässt sich das besondere Profil von Apg 10,1–11,18 weiter schärfen. 4.4.1

Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Apg 10,1–11,18 und Gal 2,11–14 im Hinblick auf die Neubewertung der Mahlteilnehmer und die Abschaffung der abgrenzenden Bedeutung des Gesetzes Es ist auffällig, dass Petrus nicht nur in Apg 10,1–11,18, sondern auch in Gal 2,11– 14 und damit von der historischen Einordnung der Schriften her bereits vor Apg 10,1–11,18 im Zentrum einer Kontroverse um Tischgemeinschaft mit Nicht­ juden steht. Dieser Befund zeigt, dass es innerhalb des Urchristentums eine breitere Tradition gab, in der die Durchsetzung der beschneidungsfreien Hei­ denmission eng mit dem Verhalten des Petrus beim gemeinsamen Essen mit Nichtjuden verknüpft war. Im Einzelnen unterscheiden sich die beiden Dar­ stellungen in Gal 2,11–14 und Apg 10,1–11,18 jedoch deutlich voneinander:778 So liegt zwar der Auslöser für beide Auseinandersetzungen in einem Ver­ halten des Petrus, ebenso handelt es sich jeweils um Tischgemeinschaft mit Nichtjuden ohne deren vorherige Hinwendung zum Judentum. Zudem erhält (Apg 11,2f.) bzw. erwartet (Gal 2,12) Petrus offenbar jeweils Kritik von den Jerusalemer Judenchristen.779 Eine entscheidende Diffe­ renz zwischen diesen beiden Traditionen besteht jedoch darin, dass in Gal 2,11–14 die Tischgemeinschaft mit Heidenchristen strittig ist, d.h. die Gemeinschaft beim Mahl mit Heiden nach deren Bekehrung zu Christus, die Auseinandersetzung von Apg 10,1–11,18 sich jedoch an der Tischge­ meinschaft mit Nichtjuden vor deren Hinwendung zu Christus entzün­ det. Dabei liegt im Fokus von Gal 2,11–14 in einem engeren Sinn die Frage der Zugehörigkeit der unbeschnittenen Heidenchristen zu den Kin­ dern Abrahams.780 Bei der Diskussion zur Tischgemeinschaft zwischen

778  Gegen Pervo, Apg, 283, der vor dem Hintergrund einer Deutung von Apg 11,3 als Tischge­ meinschaft mit Cornelius nach dessen Taufe eine besondere Nähe zu Paulus behauptet. 779  Vgl. dazu den Gebrauch der Verbindung οἱ ἐκ περιτομῆς für die jeweils gegen Tischgemein­ schaft mit Nichtjuden auftretende Gruppe in Gal 2,12 und Apg 10,45; 11,2. 780  Zu dieser Deutung von Gal 2,11–14 und gegen die in der Forschung übliche Auslegung als Konflikt um die Geltung der Speisegebote s.o. 2.2.3.

4 Juden und Heiden an einem Tisch ( Apg 10,1–11,18 )

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Judenchristen und Heiden in Apg 10,1–11,18 geht es hingegen primär um die Frage, ob Juden mit Nichtjuden engeren Kontakt haben dürfen.781 Gal 2,11–14 und Apg 10,1–11,18 stimmen jedoch darin überein, dass das Verhält­ nis zwischen Juden und Heiden im Rahmen der Verteidigung der Tischge­ meinschaft mit den Nichtjuden grundsätzlich neu bestimmt wird. Dabei wird Tischgemeinschaft jeweils mit dem Argument legitimiert, dass zwischen den Judenchristen und den Heiden bzw. Heidenchristen keine Differenz in ihrem jeweiligen Status bei Gott besteht, wie sie offenbar von denjenigen vorausgesetzt wird, die eine entsprechende Tischgemeinschaft als problematisch bewerten. Im Einzelnen arbeiten Paulus und Lukas diese Gleichheit von Judenchristen und Heiden bzw. Heidenchristen jedoch in unterschiedlicher Weise heraus, nämlich mit einer genau entgegengesetzten Ausrichtung. So sind die Heidenchristen Paulus zufolge aus dem Grund genauso Kinder Abrahams wie die Judenchris­ ten, weil er eine Identifikation der Kinder Abrahams mit den Beschnittenen strikt ablehnt. Mit dieser Auffassung bewertet Paulus die Judenchristen deut­ lich schlechter als seine Gegner. Er stellt die Judenchristen nämlich mit den dezidiert negativ bewerteten Heidenchristen auf eine Stufe, da sie nach seiner Auffassung aufgrund ihrer Vergangenheit unter dem Gesetz letztlich ebenfalls Sünder sind wie die Heiden (Gal 2,17a). Dies resultiert Paulus zufolge aber zwingend aus der Tatsache, dass die Judenchristen wie die Heidenchristen die Gerechtigkeit überhaupt erst durch Christus und den Glauben an ihn erlan­ gen (vgl. Gal 2,16). Damit haben die zum Glauben gekommenen Juden Paulus zufolge mit dem Gesetz aber keinerlei Vorteil gegenüber den gläubig gewor­ denen Nichtjuden. Zu Kindern Gottes werden nämlich auch sie erst dadurch, dass sie das Gesetz als identitätsstiftende Größe aufgeben (s.o. 2.2.1 und 2.4.2). Lukas begründet die Gleichheit von Juden und Heiden hingegen umgekehrt dadurch, dass er Petrus eine deutlich positivere Sichtweise auf die Heiden vertreten lässt, als sie seine Gegner haben. Der lukanische Petrus betont, dass auch Heiden gottesfürchtig und gerecht sind. Damit hebt er den Status der Heiden jedoch schon vor deren Hinwendung zu Christus deutlich in Richtung der ebenfalls positiv bewerteten Juden an.782 Dabei wird auch in Apg 10,1–11,18 mit der Aufhebung einer Unterscheidung zwischen Juden und Heiden die Ab­ grenzungsfunktion des Gesetzes überwunden (s.o. 4.3.2.2), doch erfolgt dies 781  Diese beiden Fragen hält z.B. Barrett, Apg I, 495.533, getrennt, wenn er ausdrücklich fest­ stellt, dass sich Gal 2,12 auf Heidenchristen bezieht. 782  Vgl. dazu, dass sich auch innerhalb der Schriften des Paulus der Übergang von einer Bewertung als profan zu heilig findet, jedoch ebenfalls mit Bezug auf die Heidenchristen, vgl. dazu Fredriksen, Paul, 212–214.217.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

auf andere Weise als beispielsweise in Gal 2,11–21. In Gal 2,18 und auch in Eph 2,14–16 wird das Gesetz als Grenze zwischen Juden und Heiden nämlich erst mit der Bekehrung zu Christus durch die Eingliederung der Heiden in die Heilsgemeinschaft eingerissen (s.o. 2.4.2). Dies gilt grundsätzlich auch für Apg 10,1–11,18,783 doch ist die Auflösung der abgrenzenden Funktion des Geset­ zes hier nicht auf die Unterscheidung der Heilsgemeinschaft von den Übrigen beschränkt. Vielmehr wird diese Grenze zwischen Juden und Nichtjuden in Hinsicht auf die gottesfürchtigen Nichtjuden hier bereits vor deren Bekehrung zu Christus aufgehoben. Damit wird die Auflösung der Grenze zwischen Juden und Heiden gegenüber Gal 2,11–14 nach vorne verschoben, sodass schon zwi­ schen Gott und den Heiden, die noch nicht zu Christus umgekehrt sind, eine positive Beziehung besteht. Diese Besonderheit der Apostelgeschichte bei der Auflösung der Abgrenzung von Juden und Heiden wird in der Forschung mit ihrem einseitigen Blick für die Öffnung der Heilsgemeinschaft nicht ausrei­ chend wahrgenommen. Was ergibt sich aus diesem Befund mit Blick auf die im Zentrum beider Auseinandersetzungen stehende Figur des Petrus? Im Einzelnen lässt sich das Nebeneinander verschiedener Traditionen zur Position des Petrus in Bezug auf die Frage der Tischgemeinschaft mit Heiden am ehesten damit erklären, dass in Apg 10,1–11,18 einige Jahre nach Gal 2,11–14 dem dortigen Bild des Petrus ent­ gegengewirkt bzw. dieses korrigiert werden soll.784 In der Entwicklung des Ur­ christentums kommt es offenbar zu einer deutlich positiveren Sicht auf Petrus. So kritisiert Paulus Petrus in Gal 2,11–14 heftig dafür, dass er Tischgemeinschaft mit Heidenchristen vermeidet, um einem Konflikt mit anderen Judenchristen aus dem Weg zu gehen. Dabei wird Petrus insgesamt als schwankend bewer­ tet. Zunächst pflegt nämlich auch er Tischgemeinschaft mit Heidenchristen und teilt somit offenbar die Auffassung des Paulus von der vollkommenen Zugehörigkeit der unbeschnittenen Glaubenden zu den Kindern Abrahams. Als die Jakobusleute hinzukommen, wird jedoch die Differenz zwischen be­ schnittenen und unbeschnittenen Glaubenden für ihn erneut relevant. Lukas stellt Petrus in Apg 10,1–11,18 später hingegen so dar, dass gerade er den Schritt zur Aufnahme der Heiden in die Heilsgemeinschaft im Zusammenhang des gemeinsamen Essens mit ihnen vollzogen hat. Demnach isst Petrus sogar mit gottesfürchtigen Heiden und geht dementsprechend Tischgemeinschaft mit 783  In Apg 10,1–11,18 wird eine Bewertung des Gesetzes als Voraussetzung für die Zugehörig­ keit zum Volk Gottes im Rahmen der durch die Taufe stattfindenden Aufnahme von Hei­ den in die Gemeinschaft der Geretteten abgeschafft. 784  Vgl. dazu Pesch, Apg I, 335: „Mit 11,1 könnte Lukas eine Erzählung über den antiocheni­ schen Aufenthalt des Petrus und den dortigen Konflikt (Gal 2,11–15) ersetzt haben.“

4 Juden und Heiden an einem Tisch ( Apg 10,1–11,18 )

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Nichtjuden bereits einen Schritt früher als in Gal 2,11–14 ein. Zudem verteidigt er diese Handlungsweise dann selbstbewusst gegen Kritik. 4.4.2

Die grundsätzliche Auflösung der Unterscheidung von gesetzestreuen Juden und Heiden durch Gott als entscheidende Differenz von Apg 10,1–11,18 zu Mk 7,1–23 Für die vorliegende Erzählung lässt sich mit dem Gebrauch von κοινός eine deutliche Nähe zu der in Mk 7,1–23 verarbeiteten Tradition erkennen. In der dort überlieferten Kontroverse zum Händewaschen Jesu und seiner Jünger vor dem Essen wird diese Terminologie als Schlüsselbegrifflichkeit verwendet. Dabei gebraucht auch Lukas die κοινός-Terminologie wie Markus aus der Per­ spektive von gesetzestreuen Juden zum einen mit Bezug auf etwas, das ihnen durch das Gesetz verboten ist,785 zum anderen mit Bezug auf Menschen, die gesetzestreue Juden im Vergleich zu sich selbst als minderwertig ansehen. An­ gesichts dieser Übereinstimmungen legt sich ein Einfluss von Mk 7,1–23 auf Apg 10,1–11,18 nahe. Wie ist dieser jedoch zu bestimmen? Verlagert Lukas die Dis­ kussion aus Mk 7,1–23 um κοινός κτλ. etwa in die Erzählung von der Bekehrung des Cornelius?786 Dafür spricht der Überlieferungsbefund. Zwar kennt Lukas nämlich die in Mk 7,1–23 überlieferte Tradition, dass Jesus sich vor dem Essen nicht wäscht (vgl. Lk 11,37f.). Die in Mk 7,1–23 erzählte Ausein­andersetzung um Reinheit787 fehlt jedoch innerhalb seines Evangeliums.788 Dabei deuten inhaltliche Gründe darauf hin, dass Lukas mit Apg 10,1–11,18 bewusst auf die in Mk 7,1–23 zu κοινός vertretene Auffassung reagiert, und zwar indem er diese 785  Anstelle des im Zentrum von Mk 7,1–23 stehenden Brauchs vom Händewaschen werden im Rahmen von Apg 10,1–11,18 jedoch die jüdischen Speisegebote erwähnt. Vgl. dazu auch Röm 14,14 (s.ο. ΙΙΙΑ 2.3.1). 786  In der Forschung wird häufiger vertreten, dass Lukas das Material aus Mk 6,45–8,26 in Apg 10f. dahingehend überarbeitet hat, dass dieses zu seiner Auffassung vom Gesetz und von der Zulassung der Heiden zur Gemeinde passe. Dabei ist allerdings gerade die Bewer­ tung des mk. Gesetzesverständnisses selbst problematisch; vgl. z.B. Hübner, Gesetz, 184f., der für Mk 7,1–23 auch eine Außerkraftsetzung der Speisegebote aus Lev 11 voraussetzt (dagegen s.u. IIIC 1.3.2.2); Pettern, Omission. 787  Insgesamt werden innerhalb des Lukasevangeliums zwar Reinheitsfragen thematisiert, doch handelt es sich bei diesen nicht um verbotene Formen der Unreinheit infolge eines Gesetzesbruchs, sondern um die sogenannte natürliche Unreinheit beispielsweise beim Kontakt mit Toten (vgl. dazu das Anfassen des Sarges in Lk 7,14). Dabei wird die mögli­ cherweise anstößige Berührung von Unreinen bisweilen auffälligerweise unterdrückt (so z.B. im zusätzlichen Rekurs in Lk 17,14 neben 5,12–16 aus Mk 1,40–45). In Lk 7,36–50 wird Simon gegen die Tradition in Mk 14,3–9 als Pharisäer dargestellt und dadurch Tischge­ meinschaft mit einem Aussätzigen vermieden. Ausführlich dazu Koet, Purity. 788  Vgl. dazu aber, dass es abgesehen von einer bewussten Auslassung von Mk 6,45–8,26 durch Lukas auch möglich ist, dass er diesen Abschnitt in seinem Exemplar nicht gelesen hat.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

umdeutet. Aus der Verortung von Apg 10,1–11,18 am Übergang zur Öffnung der Heilsgemeinschaft für Heiden ergibt sich im Vergleich zu Mk 7,1–23 in der Tat eine entscheidende Differenz in Hinsicht auf den jeweiligen Gebrauch von κοινός für Menschen. Während sich diese Terminologie in Apg 10,1–11,18 auf die Einteilung der gesamten Menschheit in Juden und Heiden bezieht (s.o. 4.3.1.2), dient sie in Mk 7,1–23 der Einteilung der Juden in gute, nämlich geset­ zestreue Juden und schlechte Juden, die das Gesetz nicht praktizieren (s.u. IIIC 1.1.2.2). Dabei bleibt eine solche Gegenüberstellung von gesetzestreuen Juden zu anderen Juden mithilfe des Gesetzes in Mk 7,1–23 grundsätzlich intakt. Der markinische Jesus definiert nämlich das Leben nach dem Gesetz zwar anders als seine Gegner, sieht jedoch wie diese die Erfüllung des Gesetzes für die Be­ stimmung eines Menschen als gut oder „gemein“ durchaus noch als relevant an.789 Auch die Zugehörigkeit zum Reich Gottes bleibt ihm zufolge noch an das Praktizieren des Gesetzes gebunden, wie sich auch aus anderen Texten des Markusevangeliums erkennen lässt (s.u. IIIC 1.3.3.1). Dieser Zusammenhang wird dann in Apg 10,1–11,18 aufgehoben, wenn die bisher geltende Unterschei­ dung von Menschen in solche, die als „gemein“ zu bewerten sind, und solche, für die dies nicht gilt, insgesamt durch Gott selbst aufgelöst wird. Damit lässt sich als besondere Tendenz des Lukas im Vergleich zu Mk 7,1–23 zweierlei festhalten: Während es bei Markus um eine Differenz im Verhalten innerhalb der jüdischen Gemeinschaft geht, wird in Apg 10,1–11,18 die Unterscheidung von Juden und Heiden grundsätzlich abgeschafft. Lukas betont demzufolge, dass die Beschneidung und das Gesetz überhaupt keine zwingende Vorausset­ zung für eine Beziehung zu Gott und die Zugehörigkeit zur Heilsgemeinschaft sind. Damit verbunden variiert er die Tradition aus Mk 7,1–23 in Apg 10,1–11,18 789  Im Einzelnen zeigt der Gebrauch der κοινός-Terminologie durch den mk. Jesus in Mk 7,15– 23, dass er das Leben nach dem Gesetz grundsätzlich wie seine Gegner als eine der gesetz­ losen Lebensweise überlegene Lebensform bewertet und sich mit den entsprechenden κοινός-Wendungen gerade selbst dem gesetzestreuen Judentum zuordnet (s.u. IIIC 1.3.1). Vor diesem Hintergrund erweist sich die beispielsweise von Hübner vertretene strikte Gegenüberstellung zwischen dem mk. und lk. Jesus insgesamt als nicht zutreffend. Hüb­ ner bewertet nämlich das Fehlen der sogenannten mk. Konfliktszenen zu Jesus und dem Gesetz (Mk 2,27; 7,1–23; 10,2–9) dahingehend, dass der lk. Jesus als gesetzestreu gekenn­ zeichnet werde, und zwar im Gegensatz zum mk. Jesus. Lukas wolle zeigen, dass „Jesus während seines Erdenlebens in keiner Weise auch nur eine einzige Bestimmung der Torah außer Kraft gesetzt hat“ (so Gesetzesverständnis, 335, Hervorhebungen im Original; vgl. ders., Gesetz, 207f.) und der Bruch mit dem Gesetz erst in der frühen Kirche vollzogen wurde (Apg 10,1–11,18; 15). Anstelle einer solchen Deutung liegt die Differenz zwischen Markus und Lukas eher darin, dass in Mk 7,1–23 eine einzelne rituelle Vorschrift des Ge­ setzes abgelehnt, an der Geltung des Gesetzes als Kennzeichen der zu Gott Gehörenden jedoch festgehalten wird, wohingegen in Apg 10,1–11,18 dann gerade Letzteres abgeschafft wird.

4 Juden und Heiden an einem Tisch ( Apg 10,1–11,18 )

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dahingehend, dass er das Reinheitshandeln vom markinischen Jesus durch eine höchst auffällige Häufung von Visionen auf Gott als insgesamt höchste Autorität überträgt. Während Markus den Gebrauch von κοινός κτλ. im Kon­ text einer innerjüdischen Debatte erzählerisch mit Jesus verbindet, ist sie in Apg 10,1–11,18 missionstheologisch auf die Himmelsstimme und damit auf Gott selbst bezogen. 4.5 Zusammenfassung Das Thema der in Apg 10,1–11,18 ausführlich erzählten Bekehrung des Corne­ lius besteht aus der Integration der Nichtjuden, genauer der gottesfürchtigen Nichtjuden, in die Heilsgemeinschaft. Im Einzelnen werden zwei Probleme thematisiert: zum einen die Frage, ob Juden überhaupt engeren Kontakt wie Tischgemeinschaft mit Nichtjuden haben können, zum anderen die tatsächli­ che Aufnahme der Nichtjuden in die Heilsgemeinschaft durch die Geistgabe ohne vorherige Beschneidung. Damit ist die Aufnahme von Nichtjuden in die Heilsgemeinschaft in die generelle Legitimation eines engeren Umgangs von Juden mit Heiden eingebettet, und zwar enger, als ihn Juden der Darstellung des Lukas zufolge üblicherweise zu Heiden pflegen. Beides hat seine Grund­ lage darin, dass Gott selbst keine strikte Unterscheidung zwischen Juden und Nichtjuden vornimmt. Heiden sind nämlich nicht etwa prinzipiell von einem Verhältnis mit Gott ausgeschlossen, sondern Gott unter der Voraussetzung an­ genehm, dass sie sich gottesfürchtig und gerecht verhalten (10,35). Im Zentrum des vorliegenden Textes stehen nicht – wie in der Forschung zumeist angenommen – die jüdischen Speisevorschriften oder einseitig die Frage nach der Unreinheit bestimmter Speisen, sondern die Forderung, bisher gültige Unterscheidungen aufzugeben. Dieser Gedanke der Unterscheidung und deren Außerkraftsetzung verbindet die beiden Textteile miteinander. So soll Petrus innerhalb der Vision mit der Aufforderung zum Schlachten und Essen die bislang übliche Unterscheidung zwischen rein und unrein aufgeben, und zwar genauer die Unterscheidung zwischen reinen und unreinen Tieren (10,15; 11,9). Dabei zielt diese Forderung der Vision darauf, dass Petrus dann bei der Begegnung mit den Boten des Cornelius keine Unterscheidung mehr zwi­ schen Juden und gottesfürchtigen Heiden vornimmt, sondern engen Kontakt mit solchen Heiden eingeht (10,20; 11,12). Diese Forderung nach einer Beseitigung der Unterscheidung zwischen Juden und gottesfürchtigen Heiden bildet demzufolge den Skopus des gesamten Textes (10,28.35). Die Erzählung von der Bekehrung des Cornelius legitimiert engeren Um­ gang wie Tischgemeinschaft mit gottesfürchtigen Nichtjuden somit aber nicht durch eine Auflösung oder Neuregelung der jüdischen Speisegebote, wie in der Forschung zumeist angenommen wird, sondern durch eine neue

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

Sicht auf die Nichtjuden. Dabei lässt sich für die in Apg 11,3 explizit fassbare Ablehnung der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden eine große Nähe zu der in Apg 10,28 belegten Ablehnung einer engen Verbindung von Juden mit Nicht­ juden erkennen. Als Mittel, den Kontakt zu regeln, dient in diesem Rahmen die Bestimmung der Nichtjuden als unrein und „gemein“. Damit gehört die Ablehnung der Tischgemeinschaft in Apg 11,3 eng mit Jub 22,16 zusammen, wo Tischgemeinschaft mit Heiden aufgrund ihrer rituellen Unreinheit streng verboten wird. Bislang hat offenbar Petrus selbst die Nichtjuden – entspre­ chend dieser jüdischen Sitte – als unrein und „gemein“ angesehen, und zwar im Gegensatz zu sich selbst und den übrigen gesetzestreuen Juden, für die er ein Ausgesondertsein als heiliges Volk reklamiert. Nicht die Unreinheit der für Juden verbotenen Speisen, sondern die Bewertung der Nichtjuden als eine den Juden gegenüberstehende unreine und „gemeine Masse“ wird durch die Vision außer Kraft gesetzt. Der Aussage in Apg 10,28 zufolge soll Petrus keinen Menschen von einem engen Kontakt mit ihm ausschließen, nur weil er fremd­ stämmig ist. Mit der strikten Unterscheidung von Juden und Nichtjuden, die im Hintergrund eines solchen Verhaltens steht, widerspricht er nämlich der Bewertung Gottes (vgl. 10,15), die er doch erfüllen will (vgl. dazu, dass Petrus nach Apg 10,14 nichts durch das Gesetz Verbotenes essen will). Genau diese Erkenntnis, die Petrus durch die Vision vermittelt wird, ist der entscheidende Grund dafür, dass er schließlich Tischgemeinschaft mit Nichtjuden eingeht, die er vorher offenbar ablehnte. Im Rahmen von Apg 10,1–11,18 wird demzu­ folge eine restriktive Auffassung zur Tischgemeinschaft wie das in Jub 22,16 geforderte Verbot letztlich durch Gott selbst zurückgewiesen. Exkurs 3: Die Praxis der Tischgemeinschaft als Hintergrund der Disziplinarregel in Mt 18,17 Im Anschluss an eine Untersuchung der Tischgemeinschaftspraxis im antiken Judentum und Urchristentum lässt sich für die Disziplinarregel in Mt 18,17 eine deutliche Nähe zu diesem Komplex erkennen. Sie zeigt sich bereits daran, dass hier mit den Nichtjuden und Zöllnern gerade die Personen zusammengestellt werden, für welche in den Schriften des antiken Judentums und auch des Urchristentums mehrfach Regelungen überliefert werden, die Tischgemeinschaft mit ihnen entweder mit ent­ scheidenden Einschränkungen versehen oder aber ganz verbieten. Im Kontext der Disziplinarregel widmet sich Matthäus der Frage, wie mit einem Bruder, der an einem anderen Gemeindeglied sündigt (vgl. ἐὰν δὲ ἁμαρτήσῃ [εἰς σὲ] ὁ ἀδελφός σου […]), zu verfahren ist (18,15–17). In diesem Rahmen wird gefordert, ihn mehrfach zurechtzuweisen, auch im Beisein anderer (18,15f.). Für den Fall, dass sich der sündige Bruder

Exkurs 3: Die Tischgemeinschaft als Hintergrund von Mt 18,17

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trotz dieser Ermahnungen nicht einsichtig zeigt und sein Verhalten nicht ändert, soll man ihn nicht mehr als Bruder, sondern wie einen Nichtjuden und Zöllner betrachten und behandeln: ἔστω σοι ὥσπερ ὁ ἐθνικὸς καὶ ὁ τελώνης (18,17). Innerhalb dieser Anweisung wird zwar nicht explizit ein Ausschluss des sündigen Bruders aus der Gemeinde gefordert, doch zielt diese Aussage eindeutig darauf, das bisher bestehende enge Verhältnis zum Bruder nach mehrmaliger Prüfung schließlich aufzugeben.790 Die in ihr erwähnten Nichtjuden und Zöllner sind nämlich solche Personen, zu denen fromme Juden keinen engeren gesellschaftlichen Kontakt wie gemeinsame Mahlzeiten haben sollen. Der Rekurs auf Nichtjuden und Zöllner in Mt 18,17 spiegelt demzufolge dieselbe negative Sichtweise auf sie wider, wie sie auch den Regeln zur Vermeidung der Tischgemein­ schaft mit diesen Personen zugrunde liegt. Eine spezielle Herleitung der Dis­ziplinarregel aus Qumran ist somit vom Wortlaut her nicht zwin­gend,791 da die ihr entsprechenden Beschränkungen der Tischge­ meinschaft mit Zöllnern und Nichtjuden im antiken Judentum allgemein verbreitet sind. Mit dem Motiv des Ausschlusses aus der Gemeinschaft besteht eine Nähe zwischen Mt 18,17 und 1 Kor 5,11.792 An beiden Stellen wird der Aus­ schluss von Personen aus der Gemeinde gefordert. Dabei wird dieser Aus­ schluss in 1 Kor 5,11 mit dem Verbot der Teilnahme am Gemeinschaftsmahl verdeutlicht (s.o. IIIB 1.3.4). Auch für Mt 18,17 lässt sich eine Nähe zur Tradition der Tischgemeinschaft erkennen, doch greift Matthäus nicht auf das Gemeinschaftsmahl im engeren Sinne zurück, sondern auf die Praxis des Mahls als Mittel des gesellschaftlichen Kontaktes gerade auch jenseits der Gruppengrenze. Dadurch wird der Ausschluss des sündigen Gemeindegliedes innerhalb der sogenannten Exkommunikationsregel in Mt 18,17 insgesamt stärker formuliert als in 1 Kor 5,11. Durch die Gleich­ setzung des sündigen Gemeindeglieds mit Nichtjuden und Zöllnern wird 790  So mit der Mehrheit der Forscher (vgl. z.B. Davies/Allison, Mt II, 785) gegen Langner, Heide, die in diesem Spruch umgekehrt die Aufforderung zu einer besonderen Zuwen­ dung zu den Heiden und Juden sieht. 791  Eine enge Verbindung von Mt 18,17 mit der Disziplinarpraxis der Gemeinschaft von Qum­ ran (vgl. vor allem 1QS 5,25–6,1; CD-A 9,2–4; ferner 1QS 2,25–3,12; 6,24–7,25; 8,16–9,2; 11Q19 64,8) sieht etwa Gnilka, Kirche, 55–57; mehrfach aufgenommen, z.B. bei Roloff, Kirche, 167 mit Anm. 54; Herrenbrück, Jesus, 245. Gegen eine direkte Abhängigkeit hingegen aus­ drücklich auch Luz, Mt  III, 45f. Auch wenn Mt 18,17 somit nicht von Qumran herzuleiten ist, besteht insofern eine gewisse Verbindung, als es sich jeweils um Regeln einer Gemein­ de handelt, d.h. es werden ähnliche Mechanismen angewendet. 792  Zum Verhältnis von 1 Kor 5,11 mit Mt 18,17 vgl. z.B. Pfitzner, Community, 48f.; Rosner, Paul, 89f.

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IIIB Auseinandersetzungen um die Tischgemeinschaft

die bisher bestehende besonders enge Verbindung durch Zugehörigkeit zu derselben Gruppe nämlich geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Nicht­ juden und Zöllner bilden gleichsam den schärfsten Gegensatz zum Bru­ der, da diese Personengruppen auch von solchen Formen des Kontaktes ausgeschlossen sind, welche für fromme Juden zu anderen Juden jenseits der eigenen Gruppengrenze durchaus möglich sind. In Mt 18,17 wird somit besonders betont, dass zu einem sündigen Gemeindeglied auch abgesehen vom Gemeindekontext kein gesellschaftlicher Kontakt mehr bestehen soll. Die Aufforderung, zum sündigen Bruder fortan ein solches Verhältnis zu haben wie zu Nichtjuden und Zöllnern, ist somit folgen­ dermaßen zu paraphrasieren: „So sei er für dich wie ein Außenstehender, und zwar nicht wie ein solcher Außenstehender, mit dem man durch­ aus engen gesellschaftlichen Umgang pflegen kann, sondern wie ein solcher, zu dem man generell keinerlei engen gesellschaftlichen Kontakt haben soll.“ Mit der Forderung „der sei dir wie ein Nichtjude und Zöllner“ greift die Gemeinschaft um Jesus demzufolge auf die im antiken Judentum zu findende Ablehnung eines engeren Kontaktes wie Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Heiden zurück, welche Jesus selbst mit Bezug auf Zöllner mehreren Tradenten der Jesusüberlieferung zufolge nicht beachtet hat (Mk 2,15–17) und welche im späteren Verlauf des Urchristentums mit Bezug auf Heiden außer Kraft gesetzt wurde (Apg 10,1–11,18).

IIIC Die Konstitution der Gemeinschaft Jesu in Auseinandersetzung um rituelle Reinheitsvorschriften im Zusammenhang des Essens Innerhalb der urchristlichen Schriften sind auch Diskurse überliefert, denen zufolge sich die Gemeinschaft Jesu in Auseinandersetzung um kultisch deter­ minierte Verhaltensweisen beim Essen konstituiert hat. Markus schildert in Mk 7,1–23 (vgl. Mt 15,1–20) eine Kontroverse zwischen Jesus und den Pharisäern (vgl. Mk 2,15–3,6) und Schriftgelehrten (1,22), die sich am Verhalten der Jünger entzündet,1 und zwar konkreter daran, dass sie mit „ ‚gemeinen‘ (κοιναῖς), d.h. ungewaschenen Händen“ essen (7,2.5).2 Diese Auseinandersetzung ist aber nicht auf das Händewaschen vor dem Essen und damit auf die Frage der rituel­ len Reinheit von Händen beim Essen beschränkt, sondern wird von Markus in Mk 7,3f. im Rahmen eines Erzählerkommentars auf andere Reinheitsvorschrif­ ten wie das Waschen des Tischgeschirrs ausgedehnt (βαπτισμοὺς ποτηρίων καὶ ξεστῶν καὶ χαλκίων [καὶ κλινῶν]). Auch die sogenannte Spruchquelle lässt eine solche Auseinandersetzung in den Weherufen gegen die Pharisäer und Schrift­ gelehrten erkennen. Dabei lässt Lukas Jesus auf den Vorwurf, dass er sich vor dem Essen nicht gewaschen habe (Lk 11,38), mit dem Waschen von Bechern und Schüsseln antworten (11,39). Letzteres erwähnt auch Matthäus in seiner Version der Weherufe (Mt 23,25f.). Im Zentrum dieser Traditionen steht somit nicht die Frage nach verbotenen Speisen (dietary laws), sondern die Frage einer möglichen Übertragung von Unreinheit durch rituell verunreinigte Speisen.

1  Zum Verhalten der Jünger als Auslöser von Gesetzesdiskursen vgl. auch Mk 2,18–20; 2,23–28. Guttenberger, Mk, 165.172, denkt aufgrund von Mk 7,2 daran, dass nur einige Jünger sich vor dem Essen nicht die Hände waschen, Jesus und andere Jünger hingegen schon. 2  Die Formulierungen in Mk 7,2.5 unterscheiden sich darin, dass das als Objekt gebrauchte Brot in Mk 7,2 im Plural steht (so auch 6,44).

© koninklijke brill nv, leiden, 2019 | doi:10.1163/9789004391901_010

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IIIC Auseinandersetzungen um rituelle Reinheitsvorschriften

Die rituelle Reinheit der Hände beim Essen: der Diskurs um den Brauch des Händewaschens vor dem Essen (Mk 7,1–23 mit Mt 15,1–20)

Die in Mk 7,1–23 überlieferte Auseinandersetzung zwischen Jesus und den Pha­ risäern bzw. Schriftgelehrten zum Brauch des Händewaschens lässt sich mit Blick auf die inhaltliche Gestaltung im Groben in drei Abschnitte gliedern:3 Der Text setzt mit einer Darstellung der Szene und damit des eigentlichen Pro­ blems ein. Diese enthält – wie ein Vergleich mit der Parallele bei Matthäus besonders deutlich zeigt (Mk 7,2–4 ist Sondergut) – ausführliche Hintergrund­ informationen in Form einer Parenthese. In ihrem Rahmen erweitert Markus den konkreten Konfliktfall des Händewaschens um mehrere Hintergrundin­ formationen, und zwar erstens im Hinblick auf den Personenkreis, der die Pra­ xis des Händewaschens ausübt, indem er diese durch eine generalisierende Bemerkung nicht nur den Pharisäern, sondern allen Juden zuschreibt (οἱ γὰρ Φαρισαῖοι καὶ πάντες οἱ Ἰουδαῖοι). Zweitens nennt er mit dem Gang zum Markt ein Beispiel für eine konkrete Situation, die offenbar die Praxis des Waschens erfordert. Schließlich erweitert Markus den Brauch der Reinigung in Hinsicht auf das Objekt von den Händen bzw. vom Menschen auf das Tischgeschirr. In Mk 7,4 variiert Markus die speziell auf den Brauch des Händewa­ schens referierende Wendung πυγμῇ νίψωνται τὰς χεῖρας (als Aufnahme von ἀνίπτοις in V. 2)4 in βαπτίσωνται5 (A D K N W Γ Θ f ¹ f ¹³ 28 33 565 579 700 892 1241 1424 2542 𝔐 latt Or) oder ῥαντίσωνται (‫ א‬B sa). Dabei ist βαπτίσωνται im vorliegenden Kontext im Vergleich zu ῥαντίσωνται inso­ fern als schwierige Lesart zu bewerten, als der mit ῥαντίζω zum Ausdruck

3  Im Hinblick auf die jeweiligen Gesprächspartner Jesu lassen sich für Mk 7,1–23 ebenfalls drei Teile erkennen: (1) Auseinandersetzung Jesu mit Pharisäern und Schriftgelehrten (7,1–13), (2) Ausweitung der Belehrung auf das Volk (7,14–16), wobei die Gegner als Gesprächspartner Jesu zurücktreten, (3) Jüngerunterweisung – wieder in einem Haus (7,17–23). Zu ähnlichen Lehrszenen, die zunächst als Rede vor dem Volk und dann vor den Jüngern allein gestaltet sind, vgl. auch Mk 4,1–34, bes. 4,10.33f.; 10,1–12. 4  Vgl. dazu, dass νίπτω eine späte Form zu νίζω ist, welche vor allem für das Waschen von Händen und Füßen gebraucht wird (vgl. Passow, s.v. νίζω 1), mit Bezug auf das Waschen von Händen und Gesicht vgl. Mt 6,17. 5  Trotz vereinzelter Beispiele für den Gebrauch des Mediums als „sich … lassen“ (BDR §317₁) ist βαπτίσωνται hier nicht in einem solchen Sinn zu verstehen, sondern in seiner normalen refle­ xiven Verwendung, d.h. es bezeichnet eine Handlung, die das Subjekt an sich selbst vollzieht. Das Medium ἐβαπτίσατο lesen in Lk 11,38 auch 𝔓⁴⁵ und 700 anstelle von ἐβαπτίσθη.

1 rituelle Reinheit der Hände beim Essen ( Mk 7,1–23 )

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gebrachte Vorgang des Besprengens bzw. Benetzens (Hebr 9,13.19.21)6 sich besser in einen kohärenten Zusammenhang mit πυγμῇ7 νίψωνται bringen lässt als βαπτίζω. Letzteres bezeichnet nämlich in den Schrif­ ten des Neuen Testamentes ansonsten stets ein Ein- bzw. Untertauchen8 und wird abgesehen von Mk 7,4; Lk 11,38 immer für die Johannes- und die christliche Taufe verwendet. Damit liegt es näher, dass βαπτίσωνται in ῥαντίσωνται geändert wurde, um die Taufe vom Reinigungsritual des Händewaschens zu unterscheiden.9 Dabei ist jedoch auch für den Ge­ brauch von βαπτίσωνται in Mk 7,4 weniger ein Verständnis im Sinne von „untertauchen“ anzunehmen, sondern eher von „begießen, übergießen“, wie es für βαπτίζω auch möglich ist.10 In Mk 7,4 kann kaum gemeint sein, dass die Pharisäer (und alle Juden) zwischen dem Einkaufen und dem Essen regelmäßig ein Tauchbad nehmen.11 Gerade dieses Verständnis von βαπτίζω als „begießen“ wurde dann offenbar durch ῥαντίσωνται abgesi­ chert, indem durch diese Veränderung ein Missverständnis im Sinne von „untertauchen“ vermieden werden sollte. Innerhalb der Antwort des markinischen Jesus auf die Doppelfrage, die ihm in Mk 7,5 gestellt wird, lassen sich zwei Argumentationsgänge erkennen: Im 6  Vgl. dazu Passow, s.v. ῥαντίζω: „besprengen, bespritzen“. 7  Die Deutung der Angabe πυγμῇ wurde in der Forschung vielfach als problematisch be­ wertet. Bill. II, 13f., lehnen die Lesart πυγμῇ ab, da von einem Reiben mit der Faust in der Tradition zum Händewaschen vor dem Essen nicht die Rede sei. Sie lesen stattdessen πυκνά im Sinne von „stark“. Skeat, Note, sieht πυγμῇ als einen Schreibfehler an. Reynolds, Cupped Hand, zufolge bezieht sich πυγμῇ auf die Art und Weise, in der die Hand während des Waschens gehalten wird. Dagegen versteht Crossley, Halakah, 63–68, πυγμῇ als Aus­ druck für die minimale Wassermenge, die zur Reinigung notwendig ist, und verweist als Hintergrund auf entsprechende jüdische Traditionen, insbesondere in mYad. 8  Vgl. Passow, s.v. βαπτίζω 1: „oft und wiederholt eintauchen, untertauchen“; vgl. BAA, s.v.: „eintauchen, untertauchen“ (im Original hervorgehoben). 9  So auch Greeven/Güting, Textkritik, 356f., denen zufolge die Parallelität von Lk 11,38 zu Mk 7,4 für die Annahme einer Angleichung an diese Stelle zu schwach ist. 10  So Passow, s.v. βαπτίζω 1: „[…] benetzen, anfeuchten, begiessen“. Vgl. auch Georges, s.v. baptizo I: „beträufeln“. Auch das Fremdwort baptisterium im Lateinischen bezeichnet Bassins, die nicht zum Untertauchen benutzt wurden (vgl. Plin. Ep. 2,17,11). 11  So aber z.B. Stolle, Mk, 164.169; Boring, Mk 199; Guelich, Mk, 365; Baumgarten, Sectari­ an Context, 136f.; Booth, Jesus, 23f.: Für den Fall, dass jemand vom Markt kommt, dehne Markus die Art der Waschung von den Händen auf das Untertauchen des ganzen Körpers aus. Dies wäre dann in der Tat eine Neuerung (so Furstenberg, Defilement). Wiederum anders Bill. II, 14, die an ein Untertauchen der Hände im Unterschied zu einem Begießen der Hände denken. Dies ist jedoch angesichts des Gebrauchs des Mediums nur schwer möglich.

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Fokus des ersten Teils (Mk 7,5–13/Mt 15,3–9) steht die Frage nach dem Ver­ hältnis der Überlieferung der früheren Lehrer12 zum Gebot Gottes, wie das als Zentralwort gebrauchte παράδοσις zeigt (7,8f.13). Dabei gehören die im Zen­ trum stehenden Reinheitsregeln wie das Waschen der Hände vor dem Essen zu dieser παράδοσις der früheren Lehrer. In Mk 7,14 findet sich zum einem mit dem Wechsel der Hörerschaft (Menge), zum anderen auch insofern ein deutlicher Einschnitt, als im Zentrum von Mk 7,14–23/Mt 15,10–20 nun das Verbum κοινόω steht. Dieses durchzieht den zweiten Abschnitt geradezu als Programmwort.13 Damit stellt sich jedoch die Frage nach der Verknüpfung der verschiedenen Textteile in besonderer Weise. Dabei kommt insbesondere der κοινόω-Terminologie eine kohärenzstiftende Funktion zu, da sie ein verbinden­ des Element zwischen den verschiedenen Abschnitten ist. So bereitet Markus die Spitzenaussagen in Mk 7,15.18.20 offenbar bereits dadurch vor, dass er das Adjektiv κοινός an exponierter Stelle in der Eingangspassage im Rahmen der Situationsbeschreibung in Mk 7,2 gebraucht. Angesichts der damit erkennba­ ren Schlüsselfunktion14 der κοινόω-Begrifflichkeit für den vorliegenden Text ist eine genaue Klärung ihrer lexikalischen Bedeutung für das Textverständnis von besonderer Wichtigkeit. Die Frage nach der Gesetzesobservanz als zentrales Thema und Verbindungsglied der einzelnen Unterabschnitte des Textes Das zentrale Thema in Mk 7,1–23 ist die Frage nach der Beachtung des Geset­ zes. Dies zeigt sich besonders deutlich in Mk 7,1–13. Innerhalb dieses Abschnit­ tes fällt nämlich insgesamt eine starke Häufung von Rechtsterminologie auf, wobei sich dafür keine starre oder schematisierte Verwendung erkennen lässt. Im Einzelnen ruft Markus bei seinen Lesern offenbar eine Liste verschiede­ ner Rechtstermini ab, wie das Cluster an unterschiedlichen Formulierungen deutlich erkennen lässt. Besonders häufig finden sich in den verschiedenen Wendungen die Nomen παράδοσις (7,3.5.8f.13), ἐντολή (7,8f.) und ἐντάλματα 1.1

12  Πρεσβύτερος referiert nicht auf Ämter oder Gremien, was eine Übersetzung mit „Älteste“ nahelegen könnte, sondern allgemeiner auf eine Traditionslinie. Die Aufnahme der Tra­ ditionen früherer Lehrer war ein zentrales Kennzeichen der Pharisäer. So werden sie in Jos. Ant. 13,297 den Sadduzäern als diejenigen gegenübergestellt, die auch Traditionen weitergeben, die nicht im mosaischen Gesetz stehen. Vgl. dazu auch Philo, Spec. 4,149f. sowie die Belege bei Bill. I, 691–695, vor allem mAv 3,13. Vgl. dazu auch Baumgarten, Korban. 13  Vgl. dazu, dass die zentrale Aussage von Mk 7,15 in 7,18.20.23 jeweils unter Verwendung von κοινόω variierend wieder aufgenommen wird. 14  Vgl. dazu abgesehen vom häufigen Gebrauch in Mk 7,2.5.15.18.20.23 auch, dass Markus die gesamte Perikope in Mk 7,23fin mit der Wendung κοινοῖ τὸν ἄνθρωπον abschließt und der κοινόω-Terminologie damit Achtergewicht verleiht.

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(7,7). In Hinsicht auf die jeweils in Verbindung mit diesen Nomen gebrauchten Verben zeigt sich eine große Variationsbreite. So verwendet Markus in Verbin­ dung mit der Überlieferung der früheren Lehrer oder Menschen κρατέω (7,3f.8) und ἵστημι/τηρέω (7,9), mit dem Gebot Gottes ἀφίημι (7,8) und ἀθετέω (7,9). In Mk 7,13 setzt er diese Reihe mit der Wendung ἀκυροῦντες τὸν λόγον τοῦ θεοῦ fort, wobei das τὸν λόγον τοῦ θεοῦ parallel zum Ausdruck τὴν ἐντολὴν τοῦ θεοῦ (7,8f.) gebraucht wird. Dabei besteht das semantische Merkmal, in dem diese Wendungen übereinstimmen und durch das somit semantische Kohärenz hergestellt wird, aus dem Gedanken der Geltung bzw. umgekehrt der Auflö­ sung einer Satzung. Aufgrund dieser Gemeinsamkeit stellen die verschiedenen Wendungen gleichsam semantische Alternativen dar. Das als Hauptisotopie des ersten Argumentationsganges Jesu deutlich erkennbare Wortfeld der Einhaltung und Außerkraftsetzung von Überliefe­ rungen bzw. Geboten erfährt in dem mit Mk 7,14 beginnenden zweiten Argu­ mentationsgang Jesu keine direkte Fortsetzung. Dieser kreist um den Spruch in Mk 7,15 (vgl. Mt 15,11 und Lk 11,38–41/Mt 23,25f.; EvThom 14; P.Oxy. V 840), der – ausgelöst durch eine Frage der Jünger in Mk 7,1715 – in Mk 7,18f. und in 7,20–23 im Hinblick auf seine beiden Bestandteile erläutert wird. Dabei wird eine nä­ here Untersuchung der für diese Sprüche zentralen κοινόω-Terminologie zei­ gen, dass der markinische Jesus mit ihr die Frage der Erfüllung des Gesetzes fortsetzt, welche er zuvor in Mk 7,1–13 breit entfaltet hat. Der Vorwurf Jesu an die Gegner: die Aufhebung des Gebotes Gottes durch die Überlieferung von Menschen (Mk 7,6–13) In Mk 7,6–13 lässt Markus Jesus einen Gegenangriff auf die Pharisäer und Schriftgelehrten führen. Hier fällt auf, dass der Konflikt zwar an einem konkre­ ten Verhalten der Jünger aufbricht, der markinische Jesus jedoch in seiner Ant­ wort auf den speziellen Einwand der Gegner nicht näher eingeht. So werden in Mk 7,6–13 weder die aktuell strittige Praxis des Händewaschens noch generel­ le Fragen erwähnt, die mit dem Komplex des Essens zusammenhängen. Viel­ mehr lässt Markus Jesus die Anklage seiner Gegner in grundsätzlicher Weise beantworten. Dabei greift er innerhalb dieses ersten Argumentationsganges mit dem häufig gebrauchten Terminus παράδοσις sprachlich insbesondere den ersten Teil der in Mk 7,5 an den markinischen Jesus gerichteten Doppelfrage auf (Διὰ τί οὐ περιπατοῦσιν οἱ μαθηταί σου κατὰ τὴν παράδοσιν τῶν πρεσβυτέρων;). 1.1.1

15  In Mk 7,17 wird der Spruch aus Mk 7,15 als παραβολή eingestuft und den Jüngern näher er­ klärt, wie dies bereits mit der besonderen Unterweisung der Jünger zum Sinn der Gleich­ nisse der Fall war (vgl. 4,10–20). Dabei setzt Markus in Mk 7,18 das Jüngerunverständnis aus Mk 4,10–13.40; 6,52 fort (vgl. auch 8,14–21).

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1.1.1.1 Die Gegenüberstellung der Gebote der Pharisäer zum Gebot Gottes Die Antwort Jesu in Mk 7,6–13 lässt sich wiederum durch die zweimal von Markus gebrauchte Einleitungsformel16 in zwei Teile (7,6–8 und 7,9–13) un­ tergliedern. Zunächst weist der markinische Jesus die ihm entgegengebrachte Beschwerde17 über seine Jünger, diese würden nicht der Tradition der früheren Lehrer entsprechend wandeln, mit einem seinerseits an die Gegner gerichte­ ten Vorwurf zurück.18 In ihm zitiert er Jes 29,13 und bestimmt das Verhalten der Pharisäer und Schriftgelehrten auf diese Weise als vom Propheten Jesaja vorausgesagt (Mk 7,6f.). Dabei greift Markus deutlich auf die SeptuagintaFassung von Jes 29,13 zurück. Während in Jes 29,13 MT die äußerliche, me­ chanische Verehrung Gottes mit auswendig gelernten Formeln getadelt wird, liegt der Fokus der Kritik an der falschen und sinnlosen Verehrung in Jes 29,13 LXX auf dem falschen Inhalt der Lehre, und zwar darauf, dass von Menschen stammende Anordnungen gelehrt werden.19 Diese Neuerung der Septuaginta20 bildet auch das Zentrum der Verwendung des Zitates durch Markus, wie die syntaktische Gestaltung von Mk 7,7fin zeigt.21 Bereits durch das Zitat aus Jes 29,13 LXX macht der markinische Jesus demzufolge deutlich, dass die Geg­ ner selbst nicht das Gebot Gottes, sondern menschliche Satzungen lehren.22 16  Vgl. ὁ δὲ εἶπεν αὐτοῖς in Mk 7,6a und καὶ ἔλεγεν αὐτοῖς in Mk 7,9a, jeweils mit folgendem καλῶς, in Mk 7,9 in ironischem Sinn. 17  Vgl. dazu, dass die Frage der Pharisäer in Mk 7,5 einen Vorwurf impliziert. 18  Zur Ablehnung der Lehre der Pharisäer vgl. auch Mt 16,11f., wobei jedoch insofern eine ge­ wisse Inkongruenz zu Mt 23,2.3a besteht, als danach offenbar kaum Differenzen zwischen der Lehre Jesu und der der Pharisäer existieren. 19  Vgl. dazu, dass sich in Jes 29,13 LXX anstelle des passivischen ‫( ְמ ֻל ָּמ ָדה‬Pt. Pual Sg. f.) in Jes 29,13 MT das aktivische διδάσκοντες διδασκαλίας findet. 20  Zu anderen Änderungen im Zitat aus Jes 29,13 MT in der Septuaginta vgl. Lambrecht, Jesus, 384. 21  Für Jes 29,13 LXX ist neben der zumeist überlieferten Lesart διδάσκοντες ἐντάλματα ἀν­ θρώπων καὶ διδασκαλίας in einigen Handschriften auch der in Mk 7,7 zu findende Wortlaut διδάσκοντες διδασκαλίας ἐντάλματα ἀνθρώπων bezeugt (vgl. Apparat in Ziegler, Isaias, 224). In dieser Lesart ist zum einen die Reihenfolge von ἐντάλματα ἀνθρώπων und διδασκαλίας verändert. Zum anderen sind beide Objekte nicht durch καί miteinander verbunden und damit nebeneinander gestellt (so auch Kol 2,22), sondern ἐντάλματα ἀνθρώπων ist eine Apposition zu διδασκαλίας. Dadurch wird der zentrale Vorwurf des Ersatzes des Gottes­ gebotes durch Menschensatzungen besonders betont. Indem der Begriff διδασκαλίας, der mit dem Partizip διδάσκοντες über das Etymon verbunden ist (zur Verbindung διδάσκοντες διδασκαλίας als Figura etymologica, in der διδασκαλίας ein inneres Objekt ist, vgl. BDR §153₄), durch ἐντάλματα ἀνθρώπων ersetzt wird, macht der Verfasser nämlich stilistisch das, was die Gegner tun. Lehren werden dementsprechend gar nicht gelehrt, sondern an ihrer Stelle nur noch menschliche Satzungen. 22  Vgl. dazu Lambrecht, Jesus, 386: Das Verehren mit den Lippen meine die Bewahrung der Tradition von Menschen. Das Herz fern von Gott zu haben, bedeute die Zurückweisung

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Diesen Vorwurf artikuliert er in Mk 7,8 expressis verbis. Dort stellt der marki­ nische Jesus dann nämlich resümierend fest, dass die Gegner das Gebot Gottes aufgeben23 und menschliche Satzungen festigen bzw. stark machen (ἀφέντες τὴν ἐντολὴν τοῦ θεοῦ κρατεῖτε τὴν παράδοσιν τῶν ἀνθρώπων).24 Dabei knüpft Mar­ kus durch den Gebrauch von παράδοσις in Verbindung mit κρατέω25 deutlich an Mk 7,3 (κρατοῦντες τὴν παράδοσιν τῶν πρεσβυτέρων) an und greift darüber hinaus den ersten Teil der Doppelfrage in Mk 7,5 auf (vgl. κατὰ τὴν παράδοσιν τῶν πρεσβυτέρων in 7,5 mit κρατεῖν in 7,4). Er verändert jedoch die dort beleg­ te Verbindung „Überlieferung der früheren Lehrer“ in die „Überlieferung von Menschen“, die in deutlichem Kontrast zum Gebot Gottes steht. In Mk 7,9 konkretisiert und steigert Markus diese Gegenüberstellung des Gebotes Gottes zur Tradition der Menschen, indem er den markinischen Jesus unterstellen lässt, dass die Auflösung des Gebotes Gottes durch die Pharisäer eine zielgerichtete Handlung ist, die der Aufrichtung ihrer eigenen Überliefe­ rung dient: So postuliert der markinische Jesus in Mk 7,9 für die beiden Handlungen der Gegner expressis verbis einen finalen Zusammenhang (ἵνα). Dabei greift ἀθετεῖτε offenbar ἀφέντες aus Mk 7,8 auf, wie das in beiden Wen­ dungen gebrauchte Objekt τὴν ἐντολὴν τοῦ θεοῦ (vgl. außer 7,8f. auch in 10,5.19; 12,28.31) signalisiert. Das innerhalb des Finalsatzes gebrauchte στήσητε bzw. τηρήσητε26 nimmt hingegen das vorangehende κρατεῖτε auf, wie die als Objekt beider Wendungen gebrauchte menschliche Überliefe­ rung (nun durch τὴν παράδοσιν ὑμῶν direkt auf die Gegner bezogen) zeigt. Beide Wendungen zeichnen sich durch eine Kontradiktion der Objekte der Gebote Gottes. Vgl. auch Gnilka, Mk I, 282: „Sie sind Heuchler, weil sie an die Stelle der Gottesgebote die menschliche Überlieferung gestellt haben. Damit haben sie das göttli­ che Gebot zugunsten der menschlichen Satzung preisgegeben (vgl. Kol 2,22). Dennoch meinen sie, so Gott zu verehren.“ 23  Zu ἀφίημι in Verbindung mit den jüdischen Gesetzen vgl. z.B. Jos. Ant. 4,130: αὐτοὺς ἀφέντας τοὺς πατρίους νόμους […]; vgl. dazu auch 4 Makk 5,29: οὔτε τοὺς ἱεροὺς τῶν προγόνων περὶ τοῦ φυλάξαι τὸν νόμον ὅρκους οὐ παρήσω. 24  Matthäus betont den Gegensatz des Verhaltens der Pharisäer zum Gebot Gottes, wenn er das Gebot der Elternehrung mit der Wendung ὁ γὰρ θεὸς εἶπεν einleitet (Mt 15,4), während in Mk 7,10 auf das Gesetz des Mose (Μωϋσῆς γὰρ εἶπεν) zurückgegriffen wird. 25  Das Verbum κρατέω ist im vorliegenden Zusammenhang sowohl in der Bedeutung von „in Kraft/in Geltung bringen“ als auch in einem durativen Sinne „in Geltung halten, d.h. gelten“ zu verstehen (vgl. Passow s.v. I: „Von Dingen: die Herrschaft bekommen, d.i. in Ge­ brauch, in Geltung kommen, gelten“). In Verbindung mit Gesetzen vgl. νόμιμα ἐκράτησεν in Thuk. 6,5. 26  Zum Problem der Ursprünglichkeit von στήσητε oder τηρήσητε vgl. Greeven/Güting, Text­ kritik, 366f., mit unterschiedlichen Ergebnissen der Autoren.

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und Verben aus. Dem markinischen Jesus zufolge sehen die Pharisäer und die Schriftgelehrten demzufolge das Gebot Gottes als etwas Nicht­ aufgestelltes an (ἀθετεῖτε τὴν ἐντολὴν τοῦ θεοῦ), damit sie ihre Überliefe­ rung aufrichten können (τὴν παράδοσιν ὑμῶν στήσητε).27 Der Terminus παράδοσις durchzieht demzufolge gleichsam als Programmwort den gesamten Abschnitt (vgl. auch ᾗ παρεδώκατε in 7,13), erfährt aber entschei­ dende Veränderungen. Zunächst gebraucht Markus diesen von ihm in Mk 7,1– 13 insgesamt fünfmal verwendeten Begriff in der Verbindung τὴν παράδοσιν τῶν πρεσβυτέρων (7,3.5) in einem positiven oder zumindest neutralen Sinn, wertet die Überlieferung dann aber deutlich ab, indem er sie – in der Folge von ἐντάλματα ἀνθρώπων aus Mk 7,7fin – erst als menschlich (τὴν παράδοσιν τῶν ἀνθρώπων in 7,8), dann als Überlieferung der Gegner (τὴν παράδοσιν ὑμῶν in 7,9.13) qualifiziert. Diese Abwertung wird durch die jeweilige Gegenüberstel­ lung zum Gebot Gottes noch verstärkt. 1.1.1.2 Die Korbanpraxis als Beispiel für die Auflösung des Gebotes Gottes In Mk 7,10–13 lässt Markus Jesus den von ihm in Mk 7,9 an die Gegner adres­ sierten Vorwurf, sie würden das Gebot Gottes durch menschliche Tradition ersetzen, untermauern (vgl. γάρ in 7,10), indem er ihn ein konkretes Beispiel an­ führen lässt. Dazu stellt der markinische Jesus ein von Mose gebotenes Gesetz28 einem Brauch gegenüber, den er als Tradition der Pharisäer bewertet (vgl. 7,13). Der Schwerpunkt seiner Argumentation liegt darauf, dass dieser Brauch der Pharisäer, nämlich die sogenannte Korbanpraxis, in Konkurrenz zu dem von Mose vermittelten Gebot steht. So hat Mose gefordert, Vater und Mutter zu ehren (Τίμα τὸν πατέρα σου καὶ τὴν μητέρα σου; vgl. Ex 20,12/Dtn 5,16), ein ge­ genteiliges Verhalten jedoch unter Todesstrafe gestellt29 (Ὁ κακολογῶν πατέρα ἢ μητέρα θανάτῳ τελευτάτω; vgl. Ex 21,17/Lev 20,9).30 Die den Eltern entgegen­ zubringende Ehre umfasste eine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Mitteln (d.h. mit Nahrung und Kleidung), ebenso Hilfe und Pflege.31 Dieses 27  Vgl. Preisigke, s.v. ἵστημι 2: „einen Grundsatz aufstellen, Vorschrift erlassen, Bestimmung treffen, anordnen“. 28  Zu Mose als Gesetzgeber vgl. abgesehen von Mk 7,10 auch 1,44; 10,3f.; 12,19.26 (daneben in 9,4f. als Autoritätsfigur). 29  Zum Tod bei Elternfluch vgl. Spr 20,20; daneben die Belege aus der rabbinischen Literatur bei Bill. I, 709–711, vor allem mSan 7,4.8; 11,1; mShevu 4,13. 30  Zur Funktion von Ex 20,12/Dtn 5,16 und Ex 21,17 für Mk 7,9–13 vgl. Breytenbach, Vorschrif­ ten, 26–32. 31  Zu Mk 7,10 vor dem Hintergrund der jüdischen Tradition der Elternehrung vgl. Balla, Re­ lationship, 80–121, zur Unterstützung im Alter bes. 94f.; Jungbauer, Weg, 257–274, der für Mk 7,10 insbesondere einen Einfluss hellenistisch-jüdischer Tradition sieht, z.B. von der

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Anrecht der Eltern auf Unterstützung und Fürsorge wird jedoch von den Pha­ risäern und Schriftgelehrten insofern eingeschränkt, als sie von jemandem, der die sogenannte Korbanpraxis übt, nichts Weiteres mehr verlangen (Mk 7,11f.). Im Gegensatz zum Gebot des Mose lehren die Pharisäer und Schriftge­ lehrten dem markinischen Jesus zufolge nämlich (ὑμεῖς δὲ λέγετε): „Wenn jemand zu seinem Vater oder seiner Mutter sagt, Korban – das ist eine Opfergabe – sei,32 worin auch immer du von mir einen Nutzen erfährst (ὃ33 ἐὰν ἐξ ἐμοῦ ὠφεληθῇς)“, so lassen sie ihn nichts für seinen Vater oder seine Mutter tun (οὐκέτι ἀφίετε αὐτὸν οὐδὲν ποιῆσαι τῷ πατρὶ ἢ τῇ μητρί34). Dabei handelt es sich bei dem im Hinblick auf seine konkrete Anbindung zunächst schwierig zu deutenden Subkolon ὃ ἐὰν ἐξ ἐμοῦ ὠφεληθῇς nicht um einen über ὅ an das vorangehende κορβᾶν angeschlossenen iterativen Konditionalsatz,35 in dem die Apodosis fehlen würde. Vielmehr ist es als iterativer Relativsatz zu bewerten,36 in dem ὃ ἐάν anstelle von ὃ ἄν ver­ wendet wird.37 Der Konjunktiv ὠφεληθῇς ist demzufolge als prospektiver Konjunktiv zu verstehen, der besagt, dass das Eintreten der beschriebe­ nen Handlung vom Sprecher erwartet bzw. für möglich gehalten wird. Die Formulierung ὃ ἐὰν ἐξ ἐμοῦ ὠφεληθῇς bezieht sich demzufolge keineswegs auf ein irreales,38 sondern auf ein real gedachtes, zeitloses und damit all­ gemeingültiges Geschehen: Das, wovon man eigentlich ausgehen könn­ te, dass es gegeben wird, wird unterlassen. Grund für diese Abweichung Auslegung des Elterngebots bei Philo. Zur Elternehrung in der rabbinischen Literatur vgl. Bill. I, 705–711. 32  Κορβᾶν ist ein indeklinabler Appellativ – im Neuen Testament meistens Fremdwörter – von hebräisch ‫( קרבן‬aramäisch ‫קרבנא‬, in Mt 27,6: τὸν κορβανᾶν, vgl. BDR §58₁). Dabei ist die Ellipse einer Form von εἶναι (sc. ἔστω) als Kopula üblich (vgl. BDR §128₇). 33  Der Akkusativ der Sache bleibt auch beim Passiv (vgl. BDR §159,2). 34  Mit οὐκέτι ἀφίετε αὐτὸν οὐδὲν ποιῆσαι liegt am Anfang von Mk 7,12 ein Anakoluth vor: Mar­ kus verlässt nach ὑμεῖς δὲ λέγετε, ἐὰν εἴπῃ ἄνθρωπος […] die direkte Rede zugunsten der indirekten (vgl. BDR §470₅). 35  D.h. ὃ ἐάν anstelle von ἐὰν τοῦτο. 36  Zu einem solchen Verständnis vgl. Ernst, Mk, 199.204; vgl. auch Gnilka, Mk I, 275.283; Lührmann, Mk, 124. 37  Zu ὃς ἐάν in konditionalen Relativsätzen vgl. z.B. Mt 5,19a; dazu BDR §380,1; zur häufigen Verwendung von ἐάν anstelle von ἄν vgl. BDR §107₃. 38   B DR §360₇ schlägt dagegen mit der Lesart ὃ ἐὰν ἐξ ἐμοῦ ὠφελήθης ein irreales Verständnis vor („Opfer sei, was du als Nutzen von mir gehabt hättest“), konstatiert jedoch zugleich, dass ἐάν für ἄν beim Irrealis sonst nicht steht, wohl aber ἐάν anstelle von ἄν im verall­ gemeinernden Relativsatz. Ein solches irreales Verständnis findet sich z.B. auch in der Bibelübersetzung von Menge: „eine Gabe für den Tempelschatz soll das sein, was dir sonst als Unterstützung von mir zugute gekommen wäre“.

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von dem eigentlich zu Erwartenden ist die sogenannte Korbanpraxis, durch die etwas mithilfe der Dedikationsformel „Weihegeschenk sei, was dir von mir geschuldet wird“ zur Opfergabe erklärt wird.39 Mit diesem Gelübde wird nämlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Nutzung der entsprechenden Sache ausscheidet, indem sie (formal) zum alleinigen Gebrauch im Zusammenhang des Tempels ausgesondert wird.40 Die Korbanpraxis entzieht mit dem Gelübde, das eigene Eigentum Gott als Weihegabe darzubringen, den Eltern somit den Unterhaltsanspruch, der ih­ nen eigentlich zusteht. Damit setzen die Gegner aber durch ihre Überliefe­ rung, die sie selbst überliefern, das Gebot Gottes außer Kraft (ἀκυροῦντες τὸν λόγον τοῦ θεοῦ τῇ παραδόσει ὑμῶν ᾗ41 παρεδώκατε in 7,13).42 Der markinische Jesus bewertet demzufolge die von Mose geforderte Elternehrung als Gebot Gottes, die Korbanpraxis hingegen als eine an dessen Stelle tretende Satzung der Pharisäer.43 Im Hinblick auf den Argumentationsgang in Mk 7,6–13 mit dem von Markus massiv aufgerufenen Gedanken der Geltung von Geboten lässt sich somit Fol­ gendes festhalten: Während die Gegner Jesu das fehlende Händewaschen als ein Verhalten bewerten, das nicht mit der Tradition der Vorfahren überein­ stimmt und diese daher außer Kraft setzt, wirft der markinische Jesus seinen Gegnern vor, sie selbst würden das Gebot Gottes auflösen. Gegen den Vorwurf 39  Zur Korbanpraxis vgl. die rabbinischen Belege bei Bill. I, 711–717 (zu Beispielen für Ge­ lübde gegen Eltern vgl. vor allem mNed 5,6; daneben auch 9,1); Berger, Gesetzesausle­ gung, 490–492, mit Belegen bei Philo und Josephus. Zum Hintergrund dieses Gelübdes vgl. Num 30,3; Dtn 23,24. Auch in der rabbinischen Literatur gibt es jedoch Belege, denen zufolge die Elternehrung über einem Gelübde steht (mNed 9,1; SER 24; vgl. Dschulnigg, Mk, 205 Anm. 29). 40  Vgl. dazu Rengstorf, κορβᾶν, 862f., der den lediglich ausschließenden Charakter der Wen­ dung betont. Sie sage nicht, dass das jeweils als Korban Bezeichnete tatsächlich dem Tempel zugutekommt, sondern nur, dass es dem Gebrauch durch die betreffenden Per­ sonen entzogen ist. Dies zeigen auch die Korban-Gelübde auf Ossuarien (vgl. CIIP I/1 287.466.528.605), die offenbar deren Wiederverwendung für andere Begräbnisse verhin­ dern sollten (S. 308). 41  Vgl. dazu, dass ᾗ eine Attractio bzw. Assimilatio relativi für ἥν ist (vgl. BDR §294₂): „Das einfache Relativum gleicht sich im Kasus dem Bezugswort an, wenn es auch dem Relativ­ satz entsprechend einen anderen Kasus (meistens Akk.) haben müsste“ (BDR §294). 42  Das Partizip ἀκυροῦντες ist modal zu verstehen und wird vom Leser zunächst auf das in engerer Beziehung zu ihm stehende ἀφίετε bezogen werden, kann jedoch ebenfalls auf den mit λέγετε zum Ausdruck gebrachten Gesamtverhalt bezogen werden. 43  Zu Beispielen für die Aufhebung biblischer Gebote durch rabbinische Gesetze vgl. Bill. I, 717.

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einer Auflösung der Überlieferungen der früheren Lehrer setzt er demzufol­ ge den gewichtigeren Vorwurf einer Auflösung des Gebotes Gottes selbst. Der markinische Jesus stellt sich demnach so dar, dass er nicht der Tradition der Vorfahren, aber durchaus dem Gebot Gottes folgt. Fehlendes Händewaschen widerspricht einer solchen Befolgung des Gebotes Gottes nicht. 1.1.2

Unreinheit oder Gesetzesobservanz als zentrales Thema von Mk 7,14–23? Anders als im Rahmen von Mk 7,6–13 wird innerhalb des Argumentationsgan­ ges in Mk 7,14–23 mehrfach der Komplex des Essens aktualisiert, so expressis verbis mit πάντα τὰ βρώματα (7,19fin), aber auch mit εἰς τὴν κοιλίαν, καὶ εἰς τὸν ἀφεδρῶνα (7,19b) und offenbar auch mit ἔξωθεν τοῦ ἀνθρώπου εἰσπορευόμενον εἰς αὐτόν (7,15; vgl. 7,18). Damit nimmt Markus in diesem Argumentationsgang deutlich den zweiten Teil der in Mk 7,5 belegten Doppelfrage auf (ἀλλὰ κοιναῖς χερσὶν ἐσθίουσιν τὸν ἄρτον).44 Abgesehen von dem Gebrauch der zum seman­ tischen Feld des Essens gehörenden Terminologie zeigt sich dies auch in der gehäuften Verwendung des Terminus κοινός in Gestalt des Verbums κοινόω in­ nerhalb dieses Abschnittes (7,15.18.20.23). In der Forschung wird im Hinblick auf diese κοινόω-Formulierungen – wie für vergleichbare Wendungen generell45 – zumeist46 für ein Verständnis im Sinne von „verunreinigen“ plädiert.47 Dabei steht dieses Lexem bzw. Wortfeld durchaus in einer Verbindung mit der Un­ reinheitsterminologie. Häufiger wird κοινός κτλ. nämlich austauschweise mit Begriffen aus dem semantischen Feld der Unreinheit gebraucht (s.o. IIB 1.3.1.3 und IIB 1.2.1; vgl. vor allem 1 Makk 1,41–63; vgl. auch Apg 10,14.28; 11,8). Dies gilt auch für den vorliegenden Text. So wird in Mk 7,19fin durch den Ausdruck καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα expressis verbis der Komplex der Reinheit/Unrein­ heit aktualisiert. Dieser lässt für κοινόω insofern eine Nähe zum Gedanken der Unreinheit erkennen, als das innerhalb dieser Wendung gebrauchte καθαρίζων in einem gewissen Kontrast zur κοινόω-Terminologie steht, wenngleich beide 44  Für eine Verbindung zwischen Mk 7,5 und 7,15 plädiert auch Booth, Jesus, 33, der den von Lambrecht vorgeschlagenen Verbindungen ansonsten kritisch gegenübersteht. 45  Vgl. dazu, dass der Begriff κοινός häufig als ein Terminus technicus für Unreinheit an­ gesehen wird, wobei bisweilen ausdrücklich eine Entsprechung zum hebräischen ‫ָט ֵמא‬ angenommen wird (s.o. IIB 1.3.2.1). 46  Anders Yarbro Collins, Mk, 339.344: „profane“. 47  Vgl. die Übersetzung mit „verunreinigen“ (Gnilka, Mk I, 275f.; Pesch, Mk I, 378; Lührmann, Mk, 124; Lohmeyer, Mk, 141f.; Eckey, Mk, 247f.; Klaiber, Mk, 135; vgl. auch Luz, Mt II, 414f., für Mt 15,11.18.20) oder „defile“ (Marcus, Mk, 440.454, versteht „common“ als Synonym zu „impure“). Booth sucht nach einem Verständnis von κοινόω, das in beiden Hälften von Mk 7,15 dieselbe Wiedergabe ermöglicht, und schlägt daher ein Verständnis von „defile“ in einem offeneren Sinne von „spoil the character“ oder einfach „harm“ vor (Jesus, 210.214f.).

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Verben in Mk 7,14–23 in Verbindung mit unterschiedlichen Objekten verwen­ det werden. Nach Mk 7,19fin reinigt Jesus nämlich nicht Menschen, sondern Speisen.48 Zudem legt sich der Gedanke der Unreinheit für κοινός auch ange­ sichts der Entsprechung zu ungewaschenen (ἀνίπτοις) Händen (7,2) nahe.49 Auffällig ist jedoch, dass Markus den Begriff κοινός gerade nicht im Rahmen einer knappen Begriffsgleichsetzung mit dem bloßen ἀκάθαρτος wiedergibt. Dies gilt umso mehr, als Markus ἀκάθαρτος durchaus häufig verwendet (vgl. 1,23.26f.; 3,11.30; 5,2.8.13; 6,7; 7,25; 9,25). Dieser Befund spricht gegen eine biswei­ len vorgeschlagene Deutung, der zufolge Markus innerhalb seiner Erklärung ungenau für ἀκάθαρτος formuliert.50 Vielmehr verlangt dieser Sprachgebrauch nach einer Erklärung. Worin besteht aber das Spezifikum von κοινός κτλ. im Vergleich zu den typischen Unreinheitstermini? Die Abwertung des Gesetzesübertritts als Spezifikum der κοινός-Terminologie Semantisch liegt im Zentrum der κοινός-Begrifflichkeit nicht der Vorgang der Besudelung, wie dies bei den Unreinheitstermini μιαίνω oder μολύνω der Fall ist. Vielmehr besteht die Funktion der κοινός-Terminologie, wie eine ausführli­ che Untersuchung dieser Begrifflichkeit zeigt (s.o. IIB 1.3), in einer Abwertung der Dinge und Menschen, die nicht dem Gesetz entsprechen bzw. dieses nicht halten: 1.1.2.1

Für κοινός κτλ. lässt sich im Vergleich zu den Unreinheitstermini wie μιαίνω oder μολύνω eine deutlich spezifischere Verwendung erkennen. Während die Verben μιαίνω oder μολύνω nämlich generell für alle Formen der Unreinheit verwendet werden – unabhängig von deren Ursache –, ist der Gebrauch von κοινός κτλ. auf solche Fälle beschränkt, in denen Unreinheit die Folge einer Gesetzesübertretung ist (s.o. IIB 1.3.1.3). Dabei steht im Zentrum der κοινός-Terminologie die Gegenüberstellung des „Gemeinen“ zum Besonderen, wobei das Besondere gegenüber dem 48  Als direktes Gegensatzpaar wird κοινόω und καθαρίζω hingegen in Apg 10,15; 11,9 verwen­ det: ἃ ὁ θεὸς ἐκαθάρισεν, σὺ μὴ κοίνου. 49  Vgl. dazu, dass Hände offenbar grundsätzlich als unrein angesehen wurden, da sie „ge­ schäftig“ (‫)שהידיים עוסקניות‬, d.h. ständig in Gebrauch sind und dabei auch ohne Wissen oder Absicht mit Unreinem in Berührung kommen (so mToh 7,8 als Einwand gegen­ über jemandem, der sich offenbar seine Hände nicht waschen will, da er diese als rein bewertet). 50  So Hauck, κοινός, 797: „In Mk 7,2 entspricht κοιναῖς χερσίν, mit kultisch unreinen Händen, was durch ἀνίπτοις verdeutlicht wird, hebräischem ‫ ָט ֵמא‬und müßte in genauerer For­ mulierung mit ἀκαθάρτοις wiedergegeben werden“ (Hervorhebung im Original). Ähnlich Marcus, Mk, 440.

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„Gemeinen“ als höher bewertet werden kann (s.o. IIB 1.3.2.2). Das grie­ chischsprachige Judentum knüpft an diesen üblichen Gebrauch der κοινός-Terminologie an und entwickelt sie – vor dem Hintergrund einer strikten Gegenüberstellung der Lebensweise nach dem jüdischen Gesetz und der allgemein üblichen Lebensweise51 – zu einer herabwürdigenden Bezeichnung für das, was gesetzestreue Juden selbst als schlecht bewer­ ten (s.o. IIB 1.3.2.3). Das für κοινός κτλ. elementare semantische Merkmal der Abwertung lässt sich besonders deutlich durch eine Wiedergabe mit „gemein“ im Sinne von „vulgär“, „niedrig“, „schlecht“ zum Ausdruck bringen (s.o. IIB 1.3.2.3). 1.1.2.2

Die Abwertung der Gesetzesuntreue als Zentrum der Verwendung von κοινός κτλ. in Mk 7,1–23 Innerhalb der vorliegenden Erzählung knüpft Markus an diese Verwendung von κοινός κτλ. im griechischsprachigen Judentum deutlich erkennbar an. So zeigt bereits der Gebrauch dieses Lexems in Mk 7,2, dass Markus hier einen (jüdischen) Fachbegriff zitiert,52 dessen Bedeutung er anschließend gleich­ sam definiert und damit deutlich macht, wie er ihn verstanden wissen will.53 In Mk 7,2 gibt Markus mit dem Terminus κοινός nämlich den entscheidenden Grund wieder, an dem sich der von ihm im Folgenden geschilderte Konflikt zwischen Jesus und den Pharisäern bzw. Schriftgelehrten entzündet, obwohl er ein Verständnis des Adjektivs κοινός in Verbindung mit Händen offenbar bei seinen Lesern nicht voraussetzen kann, sondern selbst für erklärungsbedürftig hält.54 Im Zentrum seiner ausführlichen Erläuterung dieses Begriffes (7,2–4) steht zudem der Aspekt der Gesetzeserfüllung, welcher für den Gebrauch von κοινός κτλ. im griechischsprachigen Diasporajudentum von entscheidender Bedeutung ist. Markus legt nämlich besonderen Wert darauf, dass das Essen mit ungewaschenen Händen im Widerspruch zu einem Leben nach dem jü­ dischen Gesetz steht. So erklärt er den Ausdruck κοιναῖς χερσίν zunächst mit 51  Vgl. dazu, dass sich die κοινός-Terminologie vor allem im 1. Makkabäerbuch und bei Josephus findet, und zwar jeweils im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen Juden und Heiden, in der sich gesetzestreue Juden durch das Aufgeben ihrer eigenen Bräu­ che, insbesondere der Speisegebote, an die Lebensweise der Heiden anpassen sollen (s.o. IIB 1.3.1.1). 52  Vgl. dazu auch die Übersetzungen von hebräischen Wörtern in Mk 7,11; 14,36. 53  Vgl. dazu Haacker, Verwendung, 16.24–27, der für Lukas nachweist, dass er Fachwörter durch den Gebrauch von Synonymen erklärt. 54  Vgl. dazu, dass Matthäus in seiner Situationsbeschreibung in Mt 15,2 den Begriff κοινός dann auslässt, jedoch in Mt 15,11.18.20 das Verbum gebraucht.

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τοῦτ’ ἔστιν ἀνίπτοις, d.h. mit „ungewaschenen Händen“. Diese Gleichsetzung erläutert (γάρ) er dann in Mk 7,3 wiederum mit einer ausführlichen Hinter­ grundinformation, in welcher er das Händewaschen vor dem Essen näher als einen bei den Pharisäern und allen Juden verbreiteten Brauch bestimmt (οἱ γὰρ Φαρισαῖοι καὶ πάντες οἱ Ἰουδαῖοι ἐὰν μὴ πυγμῇ νίψωνται τὰς χεῖρας οὐκ ἐσθίουσιν), mit dem diese die Tradition der früheren Gesetzeslehrer halten (κρατοῦντες τὴν παράδοσιν τῶν πρεσβυτέρων55). Aus dieser Bestimmung folgt jedoch umgekehrt, dass diejenigen, die den Brauch des Händewaschens unterlassen, sich nicht so verhalten, wie es gesetzestreue Juden üblicherweise tun. Diese Schlussfol­ gerung lässt Markus die Pharisäer in Mk 7,5 ziehen, und zwar durch die aus­ drückliche Gegenüberstellung eines Lebens nach der Tradition der früheren Lehrer und des Essens mit Händen, die als κοινός zu qualifizieren sind.56 Diese Gegenüberstellung liegt dann auch im Fokus der Formulierungen, in denen die κοινός-Terminologie nicht mit Bezug auf Hände (7,2.5), sondern in Gestalt des Verbums κοινόω zur Bestimmung eines Menschen gebraucht wird.57 Ange­ sichts der Rekurrenz von κοινός in κοινόω ist dieses Verbum in Mk 7,15.18.20.23 nämlich vom Gebrauch des Adjektivs in Mk 7,2.5 zu verstehen, sodass auch das zentrale Inhaltselement des Verbums aus dem Verstoß gegen das Gesetz besteht. Dabei werden in Mk 7,14–23 mit κοινός näherhin Juden, die gegen das Gesetz verstoßen, äußerst negativ bewertet. Im griechischsprachigen Judentum wird κοινός κτλ. mehrfach mit Bezug auf Menschen verwendet, die nicht zu den gesetzestreuen Juden gehö­ ren. Bei den als κοινός bewerteten Menschen handelt es sich entweder um Heiden, die das jüdische Gesetz nicht haben und von gesetzestreu­ en Juden aufgrund ihrer fehlenden Zugehörigkeit zum heiligen Volk im Vergleich zu ihnen als minderwertig angesehen werden (so Jos. Ant. 12,112/Arist 315 und Apg 10,28), oder aber um Juden, die gegen das Gesetz verstoßen und sich in ihrem Lebenswandel nicht von dem der Heiden 55  Vgl. dazu auch Mk 7,4: καὶ ἄλλα πολλά ἐστιν ἃ παρέλαβον κρατεῖν. 56  Vgl. dazu den Gebrauch der οὐ-ἀλλά-Struktur in Mk 7,5. Zu ἀλλά als adversativer Kon­ junktion vgl. BDR §448; zu einem Überblick zum Gebrauch von οὐκ … ἀλλά bei Markus vgl. Neirynck, Duality, 90–94, dem zufolge Markus diese Konstruktion 89-mal verwen­ det. Dabei kann der zweite Teil entweder nur die positive Seite der ersten Aussage sein (Mk 2,17), der erste Teil durch sie erweitert werden (4,17; 10,40) oder im zweiten Teil etwas Neues angeführt werden (12,25; 1,44). Im vorliegenden Fall ist Letzteres der Fall (so auch Booth, Jesus, 63f.). 57  Im Rahmen von Mk 7,1–23 wird zwar nicht das Adjektiv κοινός mit Bezug auf den Men­ schen verwendet, sondern das Verbum κοινόω mit dem Menschen als Objekt. Dadurch besteht das Resultat des mit κοινόω bezeichneten Vorgangs aber aus einem Menschen, der selbst κοινός, d.h. „gemein“, ist.

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unterscheiden (so 4 Makk 7,6).58 Vom Wort κοινός κτλ. her ist demzufolge grundsätzlich offen, wie die Gruppe, die als „gemein“ bzw. „vulgär“ ange­ sehen wird, genau zu bestimmen ist. Dies ist daher vom jeweiligen Refe­ renzrahmen her zu klären. Aufgrund der Verwendung im Rahmen einer Kontroverse zwischen Juden um die Praxis des Gesetzes dient κοινός κτλ. in Mk 7,14–23 eindeutig nicht zur Bestimmung von Heiden, sondern von Juden, die zwar das Gesetz übertreten, damit jedoch grundsätzlich Juden bleiben.59 Das vom markinischen Jesus mehrfach gebrauchte Verbum κοινόω ist somit fol­ gendermaßen zu paraphrasieren: Etwas oder eine Handlung „macht den Men­ schen ‚gemein‘, d.h. unrein, und damit zugleich zu einem schlechten Juden, weil diese Verunreinigung aus einer Übertretung des Gesetzes, sei es einer ri­ tuellen oder einer moralischen Vorschrift, resultiert.“ Vor diesem Hintergrund von κοινός κτλ. lässt sich gut erklären, warum Markus gerade diese Begrifflichkeit anstelle der Unreinheitsterminologie wie μιαίνω oder μολύνω verwendet. Der Grund für den Gebrauch der κοινόςTerminologie besteht nämlich offenbar darin, dass in ihr die Frage der Unrein­ heit unlöslich mit der der Einhaltung des Gesetzes verbunden ist. Damit passt diese Terminologie aber besonders gut zum vorliegenden Kontext mit seinem Schwerpunkt auf dem Gesetz. Zwischen Mk 7,1–13 und 7,14–23 besteht dem­ zufolge kein wirklicher Themenwechsel, wie dies in der Forschung zumeist angenommen wird. In ihr wird nämlich die Frage der Einhaltung des Gesetzes bzw. der Tradition zwar als zentrales Thema von Mk 7,1–13 angesehen, wohin­ gegen vor dem Hintergrund einer entsprechenden Deutung von κοινός κτλ. als „unrein“ Fragen der Unreinheit als Schwerpunkt von Mk 7,14–23 bewertet werden.60 Dabei lässt sich ein solcher Fokus auf dem Thema der Unreinheit 58  Zu Belegen s.o. IIB 1.3.1.1. 59  Juden, die gegen das Gesetz verstoßen, werden damit nicht zu Heiden, sondern zu assi­ milierten Juden. Sie fallen nicht aus dem Bund heraus. Erst derjenige, der aktiv gegen den jüdischen Glauben vorgeht, wird als Apostat bewertet (s.o. IIB 1.2.1). 60  Vgl. dazu Guelich, Mk, 361f.; Booth, Jesus, 32f.; Repschinski, Gesetz, 179f.; France, Mk, 277, dem zufolge Mk 7,1–13 und 7,14–23 auch insofern in Spannung zueinander stehen, als der mk. Jesus in Mk 7,1–13 nur an den Vorschriften der Vorfahren Kritik übe, das Gesetz des Mose hingegen positiv bewerte, in Mk 7,14–23 dann jedoch einen zentralen Aspekt des Gesetzes des Mose, nämlich die Speisegebote und das Konzept der rituellen Unreinheit, abschaffe (ähnlich auch Pesch, Mk I, 367.377). So als Tendenz der Forschung schon von Lambrecht, Jesus, 359, wahrgenommen, der anstelle eines solchen Bruchs für eine Einheit der Perikope plädiert. Vgl. dazu auch Luz, Mt II, 415f., der in Bezug auf Mt 15,1–20 für eine Einheit mit zwei Themen plädiert, wobei Matthäus gerade die mit Mk 7,14 „inhaltlich ganz neu einsetzende mk Perikope vereinheitlichen“ wolle (416).

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deutlich in den rabbinischen Texten zum Händewaschen erkennen. Bei einem Vergleich dieser Texte mit Mk 7,1–23 fällt jedoch auf, dass sich die Diskussion zum Brauch des Händewaschens in Mk 7,14–23 im Hinblick auf die Frage einer Verunreinigung durch ungewaschene Hände von der Behandlung dieser Praxis in rabbinischen Quellen deutlich unterscheidet: Markus erwähnt nur das fehlende Händewaschen und die Tatsache, dass „Dinge, die in den Menschen hineingehen“ diesen nicht „gemein“ machen. Im Einzelnen setzt er offenbar folgenden Zusammenhang vo­ raus: Jemand, der ungewaschene und damit unreine Hände hat, konta­ miniert die Speisen, mit denen er in Berührung kommt. Solche Speisen verunreinigen dann wiederum den ganzen Menschen, was für diesen mit gewissen Einschränkungen, vor allem im Hinblick auf seine Kultfä­ higkeit, verbunden ist. Dabei führt Markus jedoch weder den Weg der Übertragung ritueller Unreinheit noch die Folgen einer solchen Verun­ reinigung näher aus. Demgegenüber wird in der Mischna61 festgestellt, dass ein Mensch, der selbst unrein ist oder dessen Hände unrein sind, die Priesterhebe,62 d.h. die für Gott und die Priester erhobenen Gaben, untauglich macht.63 Dabei war dies nicht nur für den Priester, sondern beispielsweise auch für den Besitzer dieser Gaben zu beachten. Bis zur Übergabe an Priester war die Hebe nämlich durch die Bauern selbst gefährdet.64 Darüber hinaus ist für Markus keinerlei Interesse an den diffizilen Argumenten der rabbinischen Texte zu erkennen. In ihnen lässt sich der biblisch noch nicht belegte65 Zusammenhang zwischen einer zunächst nur partiellen Unreinheit der Hände66 und einer Verun­ reinigung des ganzen Menschen auf dem Wege des Essens mit unreinen Händen ausdrücklich nachweisen. Dabei wird die Frage einer etwaigen 61  Abgesehen von der Ungültigkeit der Priesterhebe finden sich in späteren rabbinischen Texten für das Unterlassen des Händewaschens harte Strafen, die von Armut bis zum Tod reichen (vgl. vor allem bSot 4b; bShab 62b; bEr 21b Baraitha). Nach mEd 5,6 wurde Eliezar ben Hanok in den Bann getan, weil er sich, auf Überlieferung gestützt, dem Brauch nicht fügen wollte (Texte bei Bill. I, 702f.). 62  Vgl. dazu, dass Priesterhebe als heilig gilt und daher nur in Reinheit gegessen werden darf (vgl. Num 18,11f.); zur Priesterhebe vgl. Bill. IV/2, 646–650, bes. 647p. 63  In mZav 5,12 wird eine Liste von zehn Dingen überliefert, welche die Priesterhebe untaug­ lich machen. Innerhalb dieser Liste werden u.a. die Hände aufgeführt. 64  So auch Booth, Jesus, 168f. (gegen Büchler). Vgl. dazu die Vorkehrungen in mToh 4,5. 65  Das biblische Gesetz kennt vornehmlich Quellen der Unreinheit, die den ganzen Körper betreffen. 66  Vgl. dazu mZav 5,1, wonach jemand, der selbst durch einen an Samenfluss Leidenden ver­ unreinigt wurde, nur die Hände anderer Menschen, die er berührt, verunreinigt, nicht jedoch deren Körper.

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Verunreinigung durch eine genaue Unterscheidung verschiedener Grade von Unreinheit67 geregelt.68 In diesem Rahmen ist eine Übertragung der Unreinheit von Händen auf Speisen und von diesen auf den ganzen Men­ schen generell nur über Flüssigkeiten69 möglich.70 Gegenüber der in der Forschung häufig zu beobachtenden Tendenz, Mk 7,14– 23 vorrangig mit Blick auf Reinheitsfragen auszulegen, ist somit einzuwenden, dass Markus ein besonderes Interesse an Reinheit bzw. Unreinheit durch die 67  Milgrom, Lev I, 986–991, und Wright, Disposal, 179–228, haben die unterschiedlichen Grade von Unreinheit in der Bibel untersucht und die Maßnahmen, durch die man Reini­ gung erlangen kann. 68  In der Mischna bewirkt eine Unreinheitsquelle bei einer Sache oder Person immer eine Unreinheit, die einen Intensitätsgrad niedriger ist als der Unreinheitsgrad, den die Un­ reinheit verursachende Sache selbst hat, d.h. erstgradige Unreinheit erzeugt zweitgradige Unreinheit etc. Dabei findet eine Verunreinigung jedoch nur dann tatsächlich statt, wenn dasjenige, auf das die Unreinheit übertragen wird, für den entsprechenden Unreinheits­ grad überhaupt empfänglich ist, d.h. Unreinheit annehmen kann, die mindestens einen Grad niedriger ist als der Intensitätsgrad, den die Unreinheitsquelle hat; vgl. Lisowsky, Jadajim, 3. Zu einem knappen Überblick der verschiedenen Reinheitsgrade mit einer übersichtlichen Tabelle vgl. Bunte, Kelim, 71f.; vgl. auch Kazen, Jesus, 5–7. 69  Die Gefahr der Verunreinigung von Speisen über Flüssigkeiten ist im antiken Judentum allgemein verbreitet, und zwar im Einzelnen in unterschiedlicher Form (s.o. IIC 3.4.1). 70  Hände allein, d.h. ohne eine Verunreinigung des gesamten Körpers, konnten offenbar nicht anders als zweitgradig unrein werden (vgl. mYad 3,1; so auch Lisowsky, Jadajim, 3). Darauf deutet auch ihre Erwähnung in mYad 3,2; mZav 5,12 im Rahmen einer Aufzählung von Dingen hin, welche die Priesterhebe untauglich machen. Da die Priesterhebe nicht weniger als für Unreinheit im dritten Grad empfänglich war (vgl. Booth, Jesus, 128.168.184), müssen die Hände im zweiten Grad unrein sein. Damit können unreine Hände aber ge­ wöhnliche Speise nicht direkt verunreinigen, wenn sie nicht zuvor zusammen mit dem ganzen Körper durch eine der Hauptquellen der Unreinheit wie beispielsweise den Kon­ takt mit einer Leiche oder Kriechtieren im ersten Grad der Unreinheit verunreinigt wor­ den sind. Trockene gewöhnliche Speise (ḥullin) war selbst nämlich nur für Unreinheit des ersten und zweiten Grades empfänglich. Etwas, das selbst nur zweitgradig unrein ist, kann aber keine zweitgradige Unreinheit erzeugen (mYad 3,2). Dass trockene Speisen Un­ reinheit von Händen nicht empfangen können, zeigt besonders mHag 3,3, wonach das Essen von trockener Speise mit unreinen Händen im Fall der Hebe nicht verboten ist. Kamen nun jedoch Flüssigkeiten zwischen die Hände und gewöhnliche Speisen, so ver­ unreinigten die Hände die Flüssigkeit im ersten Grad (Flüssigkeiten werden immer erst­ gradig unrein, auch wenn sie mit nur zweitgradiger Unreinheit in Berührung kommen; vgl. mPar 8,7), diese dann die Speisen im zweiten Grad. Jemand, der solche zweitgradig unreine Speise isst, wird selbst zweitgradig unrein (vgl. mToh 2,2), wobei die Übertragung wiederum nur über Flüssigkeiten erfolgen kann. Dass jemand, der zweitgradig verunrei­ nigte Speise gegessen hat, dann selbst auch im zweiten Grad unrein ist, zeigt ebenfalls mZav 5,12. Danach macht nämlich auch ein Mensch, der erstgradig oder zweitgradig un­ reine Speisen gegessen hat, die nicht weniger als für drittgradige Unreinheit empfängliche Priesterhebe untauglich und muss dementsprechend selbst im zweiten Grad unrein sein.

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dafür gebräuchlicheren Verben μιαίνω oder μολύνω weit deutlicher zum Aus­ druck hätte bringen können. Im Fokus des von ihm stattdessen gebrauchten κοινός κτλ. stehen eher der Gegensatz zu einem Leben nach dem Gesetz und dessen Abwertung. Der Brauch des Händewaschens als elitärer Sonderbrauch oder allgemeiner identity marker für ein Leben nach dem Gesetz? Im Einzelnen zielen die in Mk 7,14–23 belegten κοινόω-Wendungen nicht auf eine Gegenüberstellung einer bestimmten Elite, die das Gesetz besonders genau beachtet, zu den gewöhnlichen Juden, die das Gesetz zwar grundsätz­ lich ebenfalls praktizieren, jedoch dabei weniger streng sind. Vielmehr handelt es sich bei den Juden, die durch die entsprechenden κοινόω-Wendungen als „gemein“ bewertet werden, um solche, die gegen elementare jüdische Geset­ zesanordnungen verstoßen und damit generell nicht so leben, wie man als Jude leben soll. Der Gegensatz zu κοινός ist somit etwas, das vorbildlich ist und im Vergleich zu dem das „Gemeine“ abfällt, das man aber durchaus von jedem Juden erwarten kann. Eine solche nähere Bestimmung der als „schlecht“ bewerteten Juden lässt sich deutlich aus den näheren Angaben des Markus zur Geltung des Brauchs des Händewaschens erkennen. In Mk 7,1–23 treten die Pharisäer wie vor allem in Mk 2,15–17.23–3,6 als Geg­ ner Jesu auf.71 In der Darstellung des Konfliktes um das Händewaschen durch Markus kritisieren die Pharisäer Jesus jedoch nicht etwa dafür, dass er und seine Jünger einen speziell bei ihnen selbst geltenden Brauch übertreten, d.h. eine pharisäische Bestimmung.72 Die im Fokus stehende Praxis des Händewa­ schens wird nämlich von Markus nicht als ein Sonderbrauch gekennzeichnet, der nur von einer bestimmten jüdischen Gruppe wie den Pharisäern prakti­ ziert wird und durch den sich diese Gruppe in ihrer Gesetzeserfüllung gegen­ über anderen grundsätzlich ebenfalls gesetzesobservanten Juden besonders 1.2

71  Vgl. dazu, dass Matthäus in seiner Darstellung von Mk 7,1–23 den Konflikt zwischen Jesus und den Pharisäern durch eine Gerichtsdrohung gegen die Pharisäer verschärft (Mt 15,13f.). Er bezeichnet Gott als Gärtner, der das Unkraut ausreißen wird, zu dem auch die Pharisäer zu zählen sind. Die Pharisäer werden zudem „blinde Führer“ genannt (vgl. 23,16f.). Grundsätzlich zum Vergleich der Darstellung der Pharisäer bei Markus und Mat­ thäus vgl. Pickup, Pharisees. 72  So Stemberger, Pharisäer, 73, der in diesem Zusammenhang auch auf die strengere Pra­ xis von rituellen Bädern verweist; wiederholt in ders., Pharisäer (RAC), 564f. Demgegen­ über wird das Händewaschen in der Forschung jedoch häufig als „pharisäische Praxis“ gedeutet (z.B. Vahrenhorst, Sprache, 58; vgl. auch Avemarie, Jesus, u.a. 264.272). Zu einer Deutung von Mk 7,1–23 vor dem Hintergrund einer Trennung der Pharisäer von anderen Juden durch höhere Reinheitsstandards vgl. z.B. auch Baumgarten, Sectarian Context, 136–138.

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auszeichnen würde. Vielmehr weitet Markus selbst den Brauch des Händewa­ schens in Mk 7,3 ausdrücklich auf alle Juden73 aus (vgl. οἱ γὰρ Φαρισαῖοι καὶ πάντες οἱ Ἰουδαῖοι) und bezeichnet ihn mehrfach als „Überlieferung der frühe­ ren Gesetzeslehrer“.74 Damit erscheint das Händewaschen aber gerade um­ gekehrt als eine unter Juden prinzipiell gültige Anordnung, die gesetzestreue Juden von solchen Juden unterscheidet, die das Gesetz nicht halten. Markus bewertet das Händewaschen vor dem Essen demnach geradezu als eine Art identity bzw. boundary marker für das allgemein Jüdische, wie dies insbesonde­ re für die Beschneidung, den Sabbat und die Speisegesetze gilt. Dabei handelt es sich bei der generalisierenden Bemerkung in Mk 7,3 zwar vermutlich um eine Übertreibung,75 sodass sich aus ihr nicht mit letzter Sicherheit bestimmen lässt, wie weit der Brauch des Händewaschens vor dem Essen genau verbreitet war. Dennoch hat sie grundsätzlich einen Anhalt an der Gesetzespraxis im Ju­ dentum des Zweiten Tempels. So sind Regeln, die den Genuss von Speisen an einen reinen Zustand des Menschen knüpfen, im Judentum des Zweiten Tem­ pels häufig zu finden. Dabei sind die von anderen Gruppen des palästinischen Judentums geforderten Reinigungsmaßnahmen zum Teil noch strikter.76 In jedem Fall gehört Mk 7,1–23 demzufolge in den Kontext eines insgesamt weit verbreiteten Interesses an ritueller Reinheit im Zusammenhang des Essens. Auf eine weite Verbreitung des speziellen Brauchs des Händewaschens deu­ tet zudem dessen Behandlung im Mischnatraktat Jadajim hin. Auch sie macht nämlich den Anschein, dass der Brauch des Händewaschens unter Juden weit­ hin üblich war. Geklärt wird dort nicht die allgemeine Frage, ob das Hände­ waschen zu praktizieren ist oder nicht, sondern die genaue Praxis, nämlich die Fragen der richtigen Technik des Händewaschens und die Bedingungen, welche das zum Händewaschen verwendete Wasser erfüllen muss.77 Das Hän­ dewaschen selbst wird jedoch offenbar als verbreiteter Brauch vorausgesetzt. 73  Für οἱ Ἰουδαῖοι in Mk 7,3 legt sich anstelle eines Verständnisses als „Judäer“ ein Bezug auf die Juden nahe. Für eine solche Deutung plädieren – gegen eine Beschränkung auf die ethnische Bedeutung durch Mason, Jews – vehement Schwartz, Jew, mit Bezug auf Jose­ phus; Cohen, Ioudaios; ders., Ioudaios. 74  Vgl. dazu Mk 7,3.5 neben dem Vorwurf, die Pharisäer würden ihre eigenen Satzungen auf­ richten (7,9.13). 75  Zu einer solchen Verallgemeinerung vgl. auch, dass in Arist 305 das Waschen vor dem Gebet als eine bei allen Juden verbreitete Sitte bezeichnet wird. 76  So findet sich innerhalb der Schriften, die der Gemeinschaft von Qumran zugeordnet werden, zwar mehrfach die Gefahr der Verunreinigung von (heiliger) Speise durch einen unreinen Menschen (s.o. IIC 3.1 und 3.2). Eine Unterscheidung zwischen der Unreinheit von Händen und der Unreinheit des ganzen Menschen fehlt jedoch. 77  Vgl. dazu z.B. mYad 1,1–2,4. Dabei setzt die Mischna ein zweimaliges Begießen der Hände voraus. Der erste Guss soll die Unreinheit selbst entfernen, der zweite Guss hingegen

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Bei der Praxis des Händewaschens handelt es sich somit zwar nicht um eine bereits in der Tora belegte Vorschrift,78 vielmehr findet sie sich erst s­ päter in rabbinischen Zeugnissen.79 Dennoch ist das rituelle Händewaschen vor einer Mahlzeit offenbar bereits im 1. Jh. n.Chr.80 ein unter Juden weiter verbreiteter Brauch,81 der die verschiedenen jüdischen Gruppen eher grundsätzlich eint.82 offenbar das Wasser des ersten Gusses, welches durch den Kontakt mit der Unreinheit selbst unrein geworden war (vgl. 2,2). Vgl. dazu dann auch tYad 1,1–2,8. 78  Innerhalb der Reinheitsgesetze in Lev 12–15 wird das Händewaschen vor dem Essen nicht erwähnt. Abgesehen vom Kontext des Essens findet sich in Ex 30,19–21; 40,12.31f. eine Anordnung zum Hände- und Füßewaschen für Aaron und seine Söhne vor dem Be­ treten der Stiftshütte (aufgenommen in TestXII.Lev [aram.] 19–21; vgl. auch TestXII.Lev 9,11; P.Oxy. V 840). Die einzige Stelle im Pentateuch zum Waschen der Hände eines Laien und zum Waschen der Hände abgesehen vom Körper ist das Händewaschen eines an Ausfluss Leidenden in Lev 15,11 (aufgenommen in 4Q277 1 ii 10b–13). Ebenso wenig findet sich eine Bestrafung für eine Verunreinigung von normalem Essen, sondern nur für die Verunreinigung der Speise der Priester (Lev 22,4). Die im Mischnatraktat Kelim ausführ­ lich verhandelte Unreinheit von Gefäßen (s.u. 2) wird hingegen schon in den hebräischen Schriften (Lev 11,32–35; 15,12; Num 19,15; s.o. IIA 3.2) und in der Septuaginta erwähnt. So werden in Jes 65,4 LXX explizit die Töpfe als „besudelt“ qualifiziert (μεμολυμμένα πάντα τὰ σκεύη αὐτῶν), wohingegen es im masoretischen Text heißt, dass in den Töpfen verdor­ benes Fleisch ist, was wohl dahingehend zu verstehen ist, dass das Fleisch nicht in der entsprechenden Zeit gegessen wurde. 79  Zur Erwähnung des Händewaschens (zumeist mit ‫נטל‬, daneben auch mit ‫ )רחץ‬abge­ sehen von der ausführlichen Behandlung in mYad 1,1–2,4 vgl. mHag 2,5f., wonach ge­ wöhnliche Speise nur das Übergießen bzw. Abspülen der Hände erfordert (‫)נטל‬, für den zweiten Zehnt, Hebe und Heiliges hingegen ein Untertauchen der Hände nötig ist (‫;)טבל‬ mHag 3,3; mEd 5,6; mBer 8,2.4; mHal 1,9; mBik 2,1; mEr 1,10; mMakh 4,7; tBer 4,8; 5,6.13, wobei in tBer 5,13 aber nur das Händewaschen nach dem Essen als Pflicht genannt wird, das Händewaschen vor dem Essen hingegen freiwillig sei. Nach bHul 105a ist dann aber das Händewaschen vor und nach dem Essen Pflicht. Vgl. evtl. auch in tDem 2,11 (zum Bezug von ‫ כנפים‬auf das Händewaschen vgl. Freimark, Tosefta, 35f. Anm. 90). Zu Zusam­ menstellungen von Belegen zum rituellen Händewaschen, insbesondere auch aus jünge­ ren rabbinischen Quellen, vgl. Bill. I, 695–704; II, 13f.; IV/2, 620–625; Deines, Steingefäße, 266–274; Alon, Bounds, 205–223; Hayes, Purity, 754; Crossley, Date, 183f. 80  Zur Verbreitung des Brauchs des Händewaschens in der Zeit Jesu vgl. u.a. Westerholm, Jesus, 73. Hart, Corban, 626f., geht davon aus, dass es seit Antiochos IV. Epiphanes (175–163 v.Chr.) üblich war, sich die Hände vor dem Essen von gewöhnlicher Speise zu waschen. Überlegungen zur Entstehung des Brauchs des Händewaschens finden sich in bShab 14b (entweder durch König Salomo oder die Schüler von Hillel und Schammai eingeführt). 81  Ein Hinweis darauf, dass das Händewaschen ein Identitätszeichen des Judeseins schlecht­ hin war, lässt sich aus der in BemR 20,21 (zu Num 24,3) und TanB Balak 24 überlieferten Tradition gewinnen. Hier wird für die Zeit Hadrians berichtet, dass ein jüdischer Händler Juden unter denjenigen, die bei ihm speisen, am Händewaschen erkennt und ihnen dann kein Schweinefleisch gibt (vgl. Bill. I, 703f.). 82  Rituelles Händewaschen bzw. Händewaschen als Ausdruck des Gehorsams gegenüber Gott ist ein Kennzeichen für die jüdische Lebensweise nach dem Gesetz. Grundsätzlich wuschen sich jedoch auch andere Völker vor dem Essen die Hände. Dies gilt auch für

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Dies gilt in jedem Fall für das palästinische Judentum, doch war die Reinigung vor dem Essen eventuell auch im Diasporajudentum verbreitet, wenngleich sich dort deutlich weniger Belege dafür finden. Gehäuft ist für das Diaspora­ judentum die Praxis des Händewaschens als Maßnahme zur Vorbereitung auf das Gebet oder das Lesen in der Tora überliefert (s.o. IIB 3).83 Daneben war je­ doch möglicherweise auch das Waschen vor dem Essen bekannt, um dadurch eine Verunreinigung über das Essen zu vermeiden. Dafür spricht zum einen die in der Forschung bislang nicht ausgewertete Notiz in Tob 7,9 GII, zum ande­ ren auch der Befund, dass rituelle Reinigungsmaßnahmen anscheinend auch in der Diaspora im Zusammenhang des Besuchs der Synagoge weiter verbrei­ tet waren, als bislang angenommen wurde (s.o. IIB 3). Vor diesem Hintergrund erscheinen Juden wie Jesus und seine Jünger, die den Brauch des Händewa­ schens nicht befolgen, als solche, die sich anders verhalten, als es Juden ge­ wöhnlich tun, und damit überhaupt außerhalb der Gruppe der gesetzestreuen Juden stehen. In der Forschung wird die Auseinandersetzung zwischen den Pharisäern und Jesus in Mk 7,1–23 hingegen häufiger ausdrücklich so ausgelegt, dass die Pharisäer Jesus und seine Jünger dazu auffordern, durch den Brauch des Hän­ dewaschens zu sogenannten Chaberim zu werden, d.h. zu besonders from­ men Juden.84 Der Brauch des Händewaschens wird dementsprechend als Abgrenzungsverhalten einer frommen jüdischen Elite gegenüber der breiten Masse der weniger strikten, aber dennoch grundsätzlich gesetzestreuen Juden bewertet.85 Eine solche in der Forschung bisweilen vertretene Deutung steht die Griechen und Römer (zu Belegen s. Lumpe, Essen, 617; Schnurbusch, Convivium, 156, in historischer Zeit aus hygienischen Gründen), bei denen es zudem üblich war, vor der Teilnahme am Mahl ein Bad zu nehmen (z.B. Plat. Symp. 174A; Plut. Brut. 34,8; Plin. Ep. 3,1,8; vgl. Schnurbusch, Convivium, 150). Dabei haben die Juden das Händewaschen möglicherweise sogar von den Griechen und Römern übernommen (Lumpe, Essen, 624; Furstenberg, Defilement, bes. 192f.), deuteten das von den Griechen aus hygienischen Gründen praktizierte Händewaschen in diesem Rahmen jedoch rituell bzw. religiös um (Lisowsky, Jadajim, 6f.; vgl. auch Lumpe, Essen, 624 und 617). Die zum Christentum be­ kehrten Griechen und Römer behielten die aus Gründen der Hygiene geübte Sitte des Händewaschens vor und nach dem Essen bei (vgl. Lumpe, Essen, 631, unter Hinweis auf Tert. Apol. 39,18). 83  Von dieser Tradition will Poirier den Brauch des Händewaschens in Mk 7,1–23 ableiten (s. dazu unten Poiriers Kritik an Sanders), doch ist m.E. die funktionale Differenz zu beachten. Eine Auswertung von Belegen zum Händewaschen vor Gebet oder Torastudi­ um aus der Diaspora für die pharisäischen Regeln wird in der Forschung bisweilen strikt abgelehnt, da Gebet und Studium der Tora in Palästina keinerlei Notwendigkeit für eine rituelle Reinigung umfassten (Sanders, Pharisees, 228; ebenso Neusner, Idea, 119). 84  So vor allem Booth, Jesus, 189–203. Ausdrücklich dagegen aber z.B. auch Marcus, Mk, 446. 85  Zur Deutung des Händewaschens als Brauch, der nur bei den Chaberim verbreitet gewe­ sen sei, vgl. neben Sanders (s.u.) auch ausdrücklich Booth, Jesus, 199f.

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jedoch zum einen in direktem Widerspruch zur Kennzeichnung des Hände­ waschens als eines für alle Juden üblichen Brauchs innerhalb des vorliegenden Textes. Zum anderen lässt sie sich nur schwer aus dem überlieferten Befund zum Händewaschen und zu den innerhalb des vorliegenden Textes genann­ ten Pharisäern herleiten. Auch der für die Pharisäer belegte große Einfluss auf das Volk spricht nämlich nicht zwangsläufig für eine Deutung des Hände­ waschens als elitäre Sonderregel der Pharisäer.86 Ein solches Verständnis des ­Händewaschens liegt dabei letztlich auch dann vor, wenn für die Pharisäer im Gegensatz zu anderen Gruppen ein besonderes Streben nach Heiligkeit beim gewöhnlichen Essen vorausgesetzt wird. Gerade diese Frage hat in der For­ schung im Einzelnen scharfe Kontroversen ausgelöst: In Hinsicht auf die Pharisäer87 ist die Quellenlage sehr unübersichtlich, sodass in der Forschung Uneinigkeit über den Stellenwert besteht, den Fragen der Tischgemeinschaft und Reinheit in den Kreisen der Pharisäer hatten. Dabei ist insbesondere das Verhältnis zwischen den Pharisäern und den sogenannten Chaberim umstritten. Bei den Chaberim handelt es sich offenbar nicht um alle Pharisäer,88 sondern um eine herausgehobene

86  Die Rolle der Pharisäer innerhalb des Judentums des Zweiten Tempels, insbesondere ihr Einfluss auf das Volk, ist in der Forschung zwar stark umstritten (zum Stand der älteren Forschung vgl. Goodblatt, Place), doch lassen Nachrichten bei Josephus durchaus auf einen großen Einfluss der Pharisäer schließen, und zwar im Gegensatz zu den im Volk verhassten Sadduzäern (Ant. 18,12–17; 13,288.297f.401). Dies bedeutet jedoch nicht, dass es sich beim Händewaschen um einen speziellen Brauch dieser Gruppe handelt, den sie im Volk durchsetzen will. So lässt sich nämlich aus den überlieferten Zeugnissen nicht sicher entscheiden, ob das Volk den Brauch des Händewaschens praktiziert, weil die Pharisäer dies lehren und fordern, oder ob das Volk hier einen bereits aus der Lehre der früheren Gesetzeslehrer stammenden Brauch praktiziert und die Pharisäer dieses Verhalten des Volkes als richtig bewerten. Ein großer Einfluss der Pharisäer im Volk lässt sich nämlich grundsätzlich auch damit erklären, dass die Pharisäer das Volk die Satzungen der Vor­ fahren lehren (so auch Goodman, Note, 120f.). In diesem Fall würden dann aber auch die Pharisäer selbst mit dem Händewaschen einen bereits zuvor verbreiteten Brauch als Gesetzesanordnung übernehmen (zu dieser Möglichkeit vgl. auch die bei Westerholm, Jesus, 143 Anm. 21, genannten Forscher). 87  Der Begriff „Pharisäer“ ist in seiner Bedeutung nach wie vor umstritten. Neben einem pas­ siven Verständnis („die Abgesonderten“) wird auch ein aktives Verständnis vorgeschlagen („die, die sauber zwischen Dingen trennen“). Baumgarten, Name, zufolge haben die Geg­ ner die Selbstbezeichnung pārôšîm, d.h. „die genau Unterscheidenden“, in den Namen pərûšîm, d.h. „die Separatisten“, geändert. 88  So aber Finkelstein, Pharisees II, 74–76, dem zufolge alle Pharisäer Chaberim waren; ähn­ lich zuletzt Waubke, Ḥaberim-Halacha, bes. 124f.132. Gegen eine solche Deutung spricht, dass die Chaberim in der Mischna als eine eigene, von den Pharisäern unterschiedene Gruppe erscheinen.

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Gruppe,89 die freiwillig besonders strikte, im Gesetz des Mose noch nicht vorgeschriebene Forderungen eingehalten90 und beispielsweise das ge­ meinsame Essen freiwillig in einem Zustand ritueller Reinheit zu sich ge­ nommen hat.91 Auch Neusner sieht keinen Grund für eine Identifikation der Pharisäer mit den Chaberim,92 doch entspricht das von ihm für die Pharisäer entworfene Profil eher dem Bild, wie es in den Quellen nicht für alle Pharisäer, sondern für die Chaberim gezeichnet wird. Neusner ist der Auffassung, dass das Zentrum der Gesetzesauslegung durch die pharisä­ ische Gemeinschaft vor 70 n.Chr. generell aus Reinheitsfragen bestand.93 Dabei setzt Neusner grundsätzlich eine enge Zusammengehörigkeit der Reinheitsfragen mit dem Tempel voraus. Dementsprechend haben die Pharisäer ihm zufolge auch ihr tägliches Essen zu Hause in einem Zustand der Reinheit94 eingenommen, und zwar so, als ob sie selbst Tempelpriester wären und das ganze Land wie der Tempel wäre.95 Die einst politischen Pharisäer seien eine Gruppe, die sich „From Politics to Piety“ entwickelt habe,96 wobei für diese Frömmigkeit Folgendes gelte: Sie „imposed perpetual ritualization of daily life“.97 Neusner zufolge haben die Pharisäer ihre Hände vor dem gewöhnlichen Essen somit als Imitation der Tempelpriesterschaft gewaschen.98

89  Gegen eine Identifikation der Pharisäer mit den Chaberim vgl. auch Saldarini, Pharisees, 216–220; Sanders, Jesus and Judaism, 187f.; Stemberger, Pharisäer, 79f. (gegen Neusner). 90  Unklar ist, ob ein solches Verhalten generell von allen Juden gefordert wurde. Grundsätz­ lich konnte jeder zu einem Chaber werden. 91  Informationen zu dieser besonders frommen Gemeinschaft finden sich neben mDem 2,2f. vor allem in tDem 2, wo die hohen Anforderungen für eine Aufnahme genannt werden; vgl. auch yDem 22d–23a; bBekh 30b–31a. Zu den Merkmalen dieser Gemeinschaft, ins­ besondere zu ihrer Nähe zu Qumran, vgl. Lieberman, Discipline; Rabin, Qumran Studies, 1–21; Neusner, Second Jewish Commonwealth. 92  Vgl. Neusner, Fellowship, 34 Anm. 1. 93  So Neusner, Judentum, 43.51. 94  Vgl. Neusner, Politics, 86: Ihm zufolge beschäftigen sich 67% der Perikopen, die im rab­ binischen Judentum vor 70 n.Chr. das Haus zum Zentrum haben, direkt oder indirekt mit der Tischgemeinschaft, und zwar insbesondere mit der rituellen Reinheit von Essen, Menschen und Geschirr (86). 95  So vor allem Neusner, Politics, 83: „Therefore, one must eat secular food (ordinary, every­ day meals) in a state of ritual purity as if one were a Temple priest“ (Hervorhebung im Original). So erneut Chilton/Neusner, Judaism, 152–155. 96  Zur Entwicklung der Pharisäer zu einem „pure food club“ vgl. abgesehen von Neusner, Politics, auch ders., Two Pictures. 97  Neusner, Politics, 90; vgl. dazu auch ders., Judentum, 24f.62. 98  Vgl. dazu auch Alon, Bounds: Während die Reinheitsgesetze den Sadduzäern zufolge auf Tempel und Priesterschaft beschränkt seien, würden die Reinheitsgesetze den Pharisäern zufolge für ganz Israel gelten.

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Dem hat vor allem Sanders vehement widersprochen. Er bezweifelt, dass es mehr als eine kleine Gruppe gegeben hat, die die Reinheitsgesetze so ernst genommen hat, wie es Neusner vermutet. Ein so starkes Interesse an Tischgemeinschaft könne nur für die Chaberim vorausgesetzt werden, aber nicht für alle Pharisäer.99 Dabei lehnt er zum einen die These Neusners ab, dass die Pharisäer in ihrer Lebensart die Priester imitieren wollten,100 damit verbunden jedoch auch, dass sich die Pharisäer vor dem gewöhnlichen Essen überhaupt ihre Hände wuschen.101 Ihm zufolge gelten die Reinheitsvorschriften nur für heilige Speisen wie Opfer, nicht jedoch für das normale Essen. Gewöhnliche Speisen mussten somit nicht in einem Zustand der Reinheit gegessen werden. Diese Auffassung von Sanders ist nicht unwidersprochen geblieben. Zum einen werden die Reinheitsfragen um den Tisch für die Pharisäer mehrfach als deutlich wichtiger angesehen, als Sanders dies vertritt.102 Zum anderen hat die Bestimmung der Motivation der Pharisäer durch Sanders von unter­ schiedlicher Seite Kritik erfahren. Hier hat Sanders einigen Forschern 99  Vgl. Sanders, Jesus and Judaism, 187f.; ders., Pharisees, 149–151: Das Essen von gewöhnli­ chen Speisen in einem Zustand der Reinheit sei nahezu unmöglich, da jeder verheiratete Pharisäer beinahe immer rituell unrein gewesen sei. Zur ausführlichen Auseinanderset­ zung mit der These von den Pharisäern als Nachahmern der Priester vgl. auch ders., Juda­ ism, 431–440. 100  Eine gewisse Nähe zur Lebensart der Priester lasse sich für die Pharisäer darin erken­ nen, dass sie eine Verunreinigung durch Tote oder eine Midrasunreinheit streng vermei­ den wollten. Dies sei „a minor symbolic gesture towards ‚living like a priest‘ “ (Sanders, Pharisees, 192; vgl. auch 248, im Original teilweise hervorgehoben; ähnlich ders., Juda­ ism, 440.438). Besser lasse sich die Intention der Pharisäer aber ausdrücken mit dem Streben nach „purity for its own sake“ (ders., Pharisees, 192, Hervorhebung im Original). Vgl. auch Sanders, Pharisees, 166: „some Pharisees observed some priestly food laws some of the time – when possible, which was not often“ (Hervorhebungen im Original). Zur Aufnahme der These Neusners in der Forschung und Kritik an ihr vgl. auch Birenboim, Kingdom, dem zufolge die Pharisäer nicht Priester imitieren wollten, jedoch das Volk zu einem Streben nach einer engen Gottesverbindung und damit nach Heiligkeit aufriefen (bes. 63–68). 101  Vgl. dazu vor allem Sanders, Pharisees, 131; vgl. auch 192, vgl. auch sein grundsätzlicher Widerspruch gegen die These Neusners, „that Pharisaism was essentially a purity move­ ment“ (242). Zur Kontroverse zwischen Neusner und Sanders vgl. auch Harrington, Pharisees. 102  So vor allem Harrington, Impurity Systems, 267–281; daneben Dunn, Jesus, 258–260, dem zufolge eine Gemeinsamkeit von Essenern und Pharisäern darin bestehe, dass beide Gruppen für ihre täglichen Mähler einen Grad an Reinheit fordern, wie es ansonsten für den Tempel verlangt wurde (263). Vgl. Klawans, Impurity and Sin, 108. Zu einer Rekon­ struktion der Pharisäer als besonders strenge Gruppe unter Bezug auf Quellen, die eher von den Chaberim handeln, vgl. auch Hofius, Tischgemeinschaft, 14f.

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zufolge die Forderung nach Heiligkeit zu wenig beachtet.103 Umgekehrt wird in der jüngeren Forschung eine ausschließlich tempelorientierte Auslegung der Reinheitsgesetze, wie sie sich auch bei Sanders findet,104 von unterschiedlicher Seite bestritten.105 In Mk 7,1–23 ist demzufolge die Gegenüberstellung der grundsätzlich gesetzes­ treuen Juden auf der einen Seite und der Juden, die es ablehnen, grundlegende jüdische Gesetzesnormen zu praktizieren, auf der anderen Seite im Blick. Die Verschiebung des Kriteriums für Gesetzestreue durch den markinischen Jesus (Mk 7,14–23) Im Rahmen der verschiedenen κοινόω-Formulierungen greift der markinische Jesus auf die Gegenüberstellung von Innerem und Äußerem zurück.106 Dabei versteht er diese beiden Prinzipien in seiner Argumentation als Gegensätze und spricht Dingen, die von außen in den Menschen hineingehen, die Fähig­ keit strikt ab,107 den Menschen „gemein“, d.h. im Rahmen einer Gesetzesüber­ tretung unrein zu machen: οὐδέν ἐστιν ἔξωθεν τοῦ ἀνθρώπου108 εἰσπορευόμενον εἰς αὐτὸν ὃ δύναται κοινῶσαι αὐτόν (7,15a; vgl. 7,18). Vielmehr machen dem 1.3

103  So die Kritik von Deines und Hengel an dem von Sanders benutzten Begriff „purity for its own sake“, die stattdessen von „the demand for holiness“ sprechen (Hengel/Deines, San­ ders’ „Common Judaism“, 46f.). 104  Dass auch Sanders wie Neusner u.a. grundsätzlich alle palästinischen Bemühungen um rituelle Reinheit an den Tempel bindet, zeigt seine Wendung „a minor symbolic gesture towards ‚living like a priest‘ “. Zu einem solchen Bild von den Pharisäern vgl. grundsätzlich auch Wilk, Evangelien, 107; Pickup, Pharisees, 88f. 105  Gegen eine Bewertung des Händewaschens als priesterliche Praxis vgl. z.B. Furstenberg, Defilement, 199f., dem zufolge dieser Brauch gerade aus dem griechisch-römischen Bereich stammt. Die weite Verbreitung des Händewaschens betonen vor allem Kazen, Issues, u.a. 117–119.135 mit 167–176; Regev, Individualism; ders., Purity. Auch Poirier will die Frage des Händewaschens vor gewöhnlichen Mahlzeiten von der Frage nach einer möglichen Nachahmung von Priestern trennen und verweist daher vor allem auf Rein­ heitsriten, die nicht mit dem Tempel verbunden sind. Dabei betont er, dass das Ziel des Händewaschens nicht nur ein Bemühen um Reinheit des äußeren Menschen, sondern insbesondere um Reinheit des Inneren sei, welche (wie im Diasporajudentum) eine Voraussetzung für Gebet und Torastudium war (so bes. Pharisees, 227–233; ders., Purity, 253.256–259). 106  Vgl. dazu im Einzelnen den Gebrauch von εἰς in Mk 7,15.18f. und ἐκ in Mk 7,15.20f.; vor allem ἔξωθεν in Mk 7,15.18; ἔσωθεν in Mk 7,21.23. Vgl. auch Lk 11,39f.; Mt 23,25f. (s.u. 2). 107  Im Vergleich zu den Aussagen, deren Subjekt die von innen aus dem Menschen heraus­ kommenden Dinge sind und die stets auf das Faktum referierende Verbformen verwen­ den, fällt für die Formulierungen, deren Subjekt aus den von außen in den Menschen hineingehenden Dingen besteht, die jeweilige Verwendung von δύναται (7,15a.18fin) auf. 108  Zum Gebrauch des Genitivs bei Adverbien vgl. BDR §184₁.

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markinischen Jesus zufolge solche Dinge den Menschen „gemein“, die aus ihm herauskommen: ἀλλὰ τὰ ἐκ τοῦ ἀνθρώπου ἐκπορευόμενά ἐστιν τὰ κοινοῦντα τὸν ἄνθρωπον109 (7,15b; vgl. 7,20.23). Mit dieser Antwort verschiebt der markinische Jesus – wie eine nähere Untersuchung dieser Wendungen zeigen wird – die Grenze zwischen Gesetzestreue und Gesetzesbruch zugunsten einer Ethisie­ rung. Er definiert das Leben nach dem Gesetz nämlich anders als seine Gegner, indem er als ausschlaggebendes Kriterium für eine gesetzeskonforme Lebens­ weise gegen den Brauch des Händewaschens das moralische Verhalten des Menschen bzw. dessen Herz nennt. Die zentrale Stellung, die der markinische Jesus den moralischen Geboten zumisst, bedeutet jedoch keine vollkomme­ ne Abschaffung ritueller Gesetzesvorschriften, wie es in der Forschung häufig vertreten wird (s.u. 1.3.2.1).110 Ebenso wenig ist die Antwort Jesu im Sinne einer Auflösung des Gesetzes überhaupt zu verstehen. Solche Deutungen lassen sich nämlich weder aus Mk 7,14–23 herleiten noch im Gesamtrahmen des Markus­ evangeliums plausibilisieren. 1.3.1

Die grundsätzlich positive Bewertung des Gesetzes durch den markinischen Jesus Die Verwendung von κοινός κτλ. spiegelt insgesamt eine äußerst positive Sicht des Sprechers auf das Gesetz und diejenigen wider, die es halten. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus dem Befund, dass im Zentrum dieser Terminolo­ gie eine negative Bewertung des Gesetzesübertritts steht (s.o. 1.1.2). Durch den Gebrauch von κοινός κτλ. sehen die jeweiligen Sprecher das Leben nach dem Gesetz dann nämlich grundsätzlich als eine herausgehobene Lebensform an, die im Vergleich zu einem Leben ohne das Gesetz höherwertig ist. Eine solche Bewertung des Gesetzes als äußerst positive Größe vertritt ganz offenbar auch der markinische Jesus. Angesichts des Befundes, dass die κοινός-Terminologie jeweils aus der Perspektive gesetzestreuer Juden verwendet wird, nimmt der markinische Jesus durch den Gebrauch von κοινόω selbst den Standpunkt eines gesetzestreuen Juden ein. Die κοινόω-Formulierungen, die Markus Jesus anführen lässt, sind nicht etwa in einem generellen Sinne verneint, beispiels­ weise in Form von „nichts kann den Menschen ‚gemein‘ machen bzw. macht ihn ‚gemein‘ “. Sie umfassen zudem positiv formulierte κοινόω-Wendungen (7,15b.20.23). Damit löst der markinische Jesus die im Hintergrund dieser 109  Zum Artikel beim Prädikatsnomen vgl. BDR §273₅. 110  Eine generelle Abschaffung der levitischen Unreinheit (so z.B. Schürmann, Lk II, 312, für Lk 11,41), d.h. auch der unvermeidbaren rituellen Unreinheit, ist bereits durch den Ge­ brauch der stets einen Gesetzesübertritt implizierenden κοινόω-Terminologie von vorn­ herein ausgeschlossen.

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Terminologie stehende Einteilung der Menschen in gesetzestreue Juden als die Guten im Vergleich zu anderen Menschen als den Schlechteren keineswegs auf,111 sondern hält den Zusammenhang zwischen Gesetzesbeobachtung und einer Bewertung als gut vielmehr gerade aufrecht. Ist demzufolge aber auch der markinische Jesus grundsätzlich davon überzeugt, dass ein Mensch durch Gesetzesübertretung schlecht wird, so kann von einer Auflösung des Geset­ zes durch ihn von vornherein keine Rede sein.112 Eine solche Abschaffung des Gesetzes wird in der Forschung jedoch häufiger und mit unterschiedlichen Nuancen aus der vorliegenden Perikope abgeleitet: Der Konflikt um das Händewaschen vor einer Mahlzeit hat aufgrund der Verwendung von Ausdrücken wie ἐντολὴ τοῦ θεοῦ und παράδοσις τῶν πρεσβυτέρων in der Forschung seit jeher für die Frage nach dem mar­ kinischen Gesetzesverständnis zentrale Bedeutung und wurde häufig als dessen Schlüssel angesehen. Dabei wird der markinische Umgang mit dem Gesetz in der Forschung insgesamt sehr unterschiedlich be­ wertet. Die Positionen reichen von einer Konstruktion der Theologie des Markusevangeliums als äußerst gesetzestreu113 bis zu der diame­ tral entgegengesetzten Beurteilung des Markusevangeliums als Zeugnis einer endgültigen Ablehnung der Verpflichtung auf das Gesetz. Dabei wird zwar selten auch unter Hinweis auf Mk 7,15114 eine gesetzestreue 111  Anders dann in Apg 10,1–11,18: Dort wird die strikte Gegenüberstellung der gesetzestreuen Juden zu den Heiden aufgelöst, und zwar in einem Kontext, in dem das Gesetz als zwin­ gendes Kriterium für die Definition des Volkes Gottes abgeschafft wird (s.o. IIIB 4.3.2.2 und 4.4.2). 112  Gegen eine völlige Abschaffung des Gesetzes als Skopus von Mk 7,1–23 spricht auch die Kritik des mk. Jesus an einer Aufhebung des Gesetzes Gottes durch die Gegner in Mk 7,8f.13 (s.o. 1.1.1). 113  Die Gesetzestreue des mk. Jesus wird vor allem von Crossley, Date, besonders betont, und zwar im Rahmen einer Frühdatierung des Markusevangeliums, das noch vor dem Beginn der Heidenmission der 40er Jahre entstanden sei. Diese Annahme stützt Crossley auf die These, dass Markus nicht einmal eine Anfrage an das Gesetz kenne. Er beschreibe Jesus als gesetzesobservant und fordere diese Observanz auch von seinen Lesern ein. Damit steht Crossley im strikten Gegensatz zur Mehrheit der Forscher, die das Markusevange­ lium als Zeugnis an Heidenchristen ansehen (vgl. Neyrey und bes. Svartvik) und denen zufolge das Interesse des Markus am Gesetz eher geschichtlicher als aktueller Art ist (vgl. auch Crossley, Mark 7.4). 114  Die Bewertung von Mk 7,15 als gesetzeskritische Aussage oder aber als Ansicht, die im Ju­ dentum verbleibt, hängt entscheidend von der Rekonstruktion der grammatischen Struk­ tur und des Inhalts dieses Spruchs ab. So wird die absolute Form, d.h. die vollkommene Abschaffung der kultischen Reinheitsgesetze, meist als Bruch mit der Tora gedeutet (so Booth, Jesus, 87–90; anders Berger, Gesetzesauslegung, 464–467, der Mk 7,15 als absolu­ te Absage an rituelle Unreinheit rekonstruiert, jedoch trotzdem wie für Philo auch für

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Auslegung115 des Markusevangeliums ­vertreten. Zumeist dient dieser Spruch aber als Indiz für eine gesetzeskritische Haltung des markini­ schen Jesus, wobei sich im Einzelnen unterschiedliche Abstufungen finden. Bisweilen wird die vorliegende Perikope dahingehend ausge­ wertet, dass der markinische Jesus hier das Gesetz insgesamt abschaffe, sodass es für Markus und seine Gemeinde generell keinerlei Bedeutung mehr hat.116 Eine solche Überwindung des gesamten Gesetzes durch den markinischen Jesus wird insbesondere für den Fall vertreten, dass man die in Mk 7,19fin belegte Wendung καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα nicht nur auf sekundär rituell verunreinigte Speisen, sondern auch auf die Speisegesetze aus Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 bezieht (dagegen s.u. 1.3.2.2). Damit wird für den markinischen Jesus eine grundlegend kriti­ sche Einstellung zum Gesetz angenommen, auch und gerade zu den Geboten und Verboten des Pentateuchs, nicht etwa nur zur Halacha. In jedem Fall wird diese Auseinandersetzung jedoch als Indiz dafür angese­ hen, dass zeremonielle und kultische Gebote ihre Bedeutung verlieren, Mk 7,15 keinen Grund für einen Bruch Jesu mit dem Gesetz sieht). Räisänen, Jesus, 232– 241, sieht in Mk 7,15 eine Auflösung auch der biblischen Speisegebote und lehnt daher eine Bewertung von Mk 7,15 als authentisches Jesuslogion ab, da eine solche Position in Mk 7,15 zu radikal für einen Juden des 1. Jh. sei (vgl. auch ders., Herkunft, 216–218). Anders Theißen, Reinheitslogion, 88, der ebenfalls die Speisegebote als Hintergrund von Mk 7,15 annimmt, den Spruch jedoch im Sinne einer Infragestellung, nicht eines Bruchs deutet. Banks, Jesus, 139–141, sieht hingegen in Mk 7,15 keine Aussage zum Gesetz. Das Logion „neither attacks nor, even in a qualified sense, affirms the Law. It moves in a different realm altogether, for it expresses an entirely new understanding of what does and does not constitute defilement“. 115  So vor allem Sanders, dem zufolge Jesus keine Auseinandersetzung um das Gesetz mit seinen Zeitgenossen wie den Pharisäern führte (vgl. vor allem Jesus and Judaism, 246– 269): Er findet in Mt 8,21f. par. ein Beispiel dafür, dass Jesus zu einer Gesetzesübertre­ tung aufruft, ansonsten aber keine weitere Aufforderung zu Gesetzesübertretungen in der Jesusüberlieferung. Jesus habe aber das Gesetz weder als endgültige Offenbarung des Willens Gottes noch als absolut verbindlich angesehen. „The synoptic Jesus lived as a lawabiding Jew“ (Synoptic Jesus, 90). Wenn aber schon der synoptische Jesus keine Gesetzes­ kritik übte, dann erst recht nicht der historische. „I think that further consideration of the evidence, however, will lead to the conclusion that there was no substantial conflict between Jesus and the Pharisees with regard to Sabbath, food, and purity laws“ (Jesus and Judaism, 265). Jesus habe weder Speisegesetze (Synoptic Jesus, 23–28) noch Rein­ heitsgesetze (29–42) außer Kraft gesetzt (vgl. auch 90–96). Zur Bewertung von Sanders vgl. Witherington III, Jesus Quest, 116–136. 116  So ausdrücklich Hübner, der aufgrund von Mk 7,15 zu dem Schluss kommt, dass Markus das Gesetz in seiner Gesamtheit ablehnt, selbst wenn er an der Schrifterfüllung festhält: „Fassen wir zusammen: Markus denkt nicht im geringsten nomistisch. Eher sind Anzei­ chen dafür vorhanden, dass er das Gesetz als solches ablehnt. Doch kann diese Aussage nicht mit letzter Bestimmtheit gemacht werden“ (Gesetz, 226; vgl. auch 222f.).

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wohingegen moralische und ethische Richtlinien – ­insbesondere durch die Autorität Jesu117 – ihren verpflichtenden Charakter ­behalten. Eine solche Deutung wurde von Berger in die Forschung eingebracht. Er ver­ gleicht in seiner ungefähr zeitgleich zu Hübner angefertigten Arbeit118 ausgewählte Stellen im Markusevangelium119 mit zahlreichen Parallelen aus der jüdischen, christlichen und hellenistischen Literatur. Aus dem Vergleich und seinen traditions- und formgeschichtlichen Beobachtun­ gen zieht Berger den Schluss, dass das markinische Material einen Blick auf die Tora bietet, wie er im Diasporajudentum entwickelt worden war. Diese Gesetzesinterpretation verwerfe kultische Gesetze und beschränke sich auf die ethischen Inhalte des Gesetzes.120 Eine solche Trennung von ethischer und kultischer Tora sowie von palästinischem und sogenann­ tem hellenistischem Judentum hat in der Forschung mehrfach Kritik er­ fahren, zumal Bergers Annahme einer kultischen Tora sich vor allem auf die Pseudoklementinen stützt, die jedoch sehr viel später als das Markus­ evangelium zu datieren sind.121 Eine Aufhebung der rituellen Reinheits­ regeln wird dennoch weiterhin als Skopus von Mk 7,1–23 angesehen.122 117  Die Autorität Jesu wird in der Forschung generell sehr stark gewichtet. Dabei wird sie dem Gesetz zumeist dergestalt entgegengesetzt, dass die Gesetzesobservanz als nur von der Autorität Jesu näher bestimmt angesehen wird. Im Einzelnen wird der Akzent wiederum entweder stärker auf eine Abschaffung des Gesetzes gelegt (so z.B. Sariola, Markus, 250– 261, bes. 250; ähnlich Loader, Jesus’ Attitude, 134, mit dem Hinweis darauf, dass die Auto­ rität Jesu durch Gott legitimiert werde und erst als solche eine Unterscheidung zwischen rituellem und ethischem Gesetz plausibel mache; vgl. auch Kampling, Gesetz, 149 mit 125f.131.139f.), oder es wird die Gesetzestreue des Markus verteidigt (so z.B. Dautzenberg, Gesetzeskritik, 55–61, gegen Hübner: bei Markus bleibe das Gesetz erhalten, wenn auch in der Autorität Jesu die Begründung für die Aufhebung von Einzelgeboten zu finden sei). 118  Vgl. dazu, dass Bergers Fokus nicht auf dem Markusevangelium, sondern dem histori­ schen Jesus liegt, der aber laut Berger auf dem Weg über das Markusevangelium zu erheben ist. Grundsätzlich geht Berger also von einer linearen Entwicklung von Jesus zur frühen Gemeinde aus, die sich im Markusevangelium niederschlägt und ihre Fortsetzung durch Lukas und Matthäus erfährt. 119  Berger untersucht vor allem die Frage nach dem höchsten Gebot (Mk 12,28–34), die Er­ zählung vom reichen Mann (Mk 10,17–22), die Diskussion um Korban (Mk 7,8–13) und die Ehescheidungsperikope (Mk 10,2–12). 120  Vgl. Berger, Gesetzesauslegung, 581: „Damit aber wird erkennbar, dass es nur zwei Arten von Geboten gibt, die in der Gemeinde gelten: die beiden Hauptgebote und die sozialen Dekaloggebote.“ 121  Zur Kritik an Berger vgl. ausführlich Hübner, Gesetzesverständnis; Kümmel, Jesusfor­ schung, 334–337. 122  Vgl. dazu z.B. Neyrey, Idea, bes. 113–124; ders., Approach, 84–89. Er bringt die Diskus­ sion jedoch dadurch einen Schritt voran, dass er den strikten Gegensatz zwischen einer gesetzestreuen und einer gesetzesfeindlichen Konstruktion der Theologie des

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Die in der Forschung oftmals vertretene Auffassung einer negativen Sicht oder gar Auflösung des Gesetzes durch den markinischen Jesus resultiert dem­ zufolge in erster Linie aus der unzureichenden Berücksichtigung der Implika­ tionen von κοινός κτλ., nämlich der besonders positiven Sicht auf das Gesetz. Gegenüber der in der Forschung häufig anzutreffenden Deutung ist somit fest­ zuhalten, dass der markinische Jesus sich und seinen engeren Kreis durch den Gebrauch von κοινός κτλ. innerhalb des gesetzestreuen Judentums verortet. Strittig zwischen Jesus und den Pharisäern ist nicht die Gültigkeit des Gesetzes als solche. Es steht jedoch zur Diskussion, was als κοινός κτλ. zu gelten hat, d.h. wo die Grenze zwischen den gesetzestreuen und das Gesetz nicht praktizie­ renden Juden genau verläuft, was diese Grenze bestimmt und welchen Stellen­ wert das Händewaschen in diesem Rahmen hat. Gerade darin unterscheidet sich die vorliegende Auseinandersetzung etwa vom Gebrauch von κοινός κτλ. im Rahmen des 1. Makkabäerbuches und bei Josephus, wo jeweils feststeht, was als κοινός, d.h. als „für fromme Juden verboten“, zu bestimmen ist und den Menschen daher zu jemanden macht, der sich nicht entsprechend den Bräu­ chen der Juden verhält. 1.3.2

Die Ablehnung des Händewaschens als Kriterium für Gesetzestreue durch den markinischen Jesus Eine genauere Untersuchung von Mk 7,14–23 zeigt, dass sich die Argumenta­ tion des markinischen Jesus in diesem Abschnitt wie in Mk 7,1–13 allein gegen eine Bewertung des Händewaschens als Vorschrift des Gesetzes richtet, nicht gegen alle rituellen Gesetzesvorschriften oder gar das Gesetz als solches. Mit einer solchen Ablehnung des Brauchs des Händewaschens fällt der vorliegende Markus­evangeliums aufhebt, indem er eine lineare Entwicklung von einer restriktiven jüdischen Gruppe hin zu einer inklusiven Gruppe postuliert, in der auch für Heidenchris­ ten Platz war. Dabei betont Neyrey, dass Reinheit Grenzen setze und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion definiere. Der mk. Jesus übertrete konsequent jüdische Reinheitsgesetze, aber die religiöse Identität Jesu und seiner Jünger werde durch eine neue Grenze definiert, die aus den zehn Geboten besteht. Reinheit wurde somit von einer äußeren zu einer inneren Grenze mit der Barmherzigkeit als Kriterium für die Reinheit des Herzens. Diese Verinnerlichung der Reinheit erlaubte die Überschreitung jüdischer Grenzen und die Aufnahme von Heiden in die Gemeinschaft. Häufiger wird eine Diffe­ renz zwischen Markus und dem historischen Jesus betont. So nimmt z.B. Ottenheijm, Impurity, 146f., eine Außerkraftsetzung der Reinheits- und Speisegesetze auf der Ebene der Endfassung des Markusevangeliums an, jedoch noch nicht beim historischen Jesus; ähnlich z.B. Dschulnigg, Mk, 202f. Demgegenüber sieht Stettler, Purity, 490.501f., bereits für den historischen Jesus eine solche Abschaffung der biblischen Reinheits- und Spei­ segebote. Vgl. dazu auch Koch, Tora, 603: „In Jesu Verkündigung der Nähe des Reiches Gottes und dessen Vorwegnahme in der Mahlgemeinschaft mit (nach Maßstäben des Ge­ setzes) ‚Sündern‘ wird die Reinheitstora sogar aufgehoben (Mk 7,15 […]).“

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Diskurs zwischen dem markinischen Jesus und den Pharisäern jedoch nicht aus dem Rahmen der innerjüdischen Auseinandersetzung zu diesem Brauch heraus,123 wie es bei einer Auflösung der Speisegebote nach Lev 11,1–23.29–47/ Dtn 14,3–21 der Fall wäre und in der Forschung häufig angenommen wird.124 Trotz der großen Verbreitung des Händewaschens und der damit gegebenen Ablehnung eines unter Juden breiter praktizierten Brauchs durch den marki­ nischen Jesus finden sich nämlich auch in der jüdischen Tradition durchaus Zeugnisse, die eine ähnliche Kritik an diesem Brauch erkennen lassen.125 1.3.2.1

Die strikte Ablehnung des Händewaschens mithilfe der negativen κοινόω-Formulierungen, aber keine Außerkraftsetzung aller rituellen Gesetzesvorschriften Die in Mk 7,15.18 überlieferten Spitzenaussagen sind nicht losgelöst von ihrem Kontext zu verstehen.126 Bereits die kontextuelle Einbettung in eine

123  So z.B. ausdrücklich Tomson, Food Laws, 209: „The hand washing story in Mark and Matthew describes a discussion between Jesus and Pharisees on purity laws in terms which as such do not transcend a first-century inner-Jewish conflict“ (vgl. auch ders., Purity Laws, 87). Auch Stegemann, Speisegesetze, 37–49, sieht Mk 7,15 – vor allem im Anschluss an Furstenberg (vgl. Defilement, 177.181), und Boyarin – nicht als Außerkraft­ setzung der gesamten Reinheitsvorschriften der Tora oder als Beginn der Relativierung der levitischen Speisegebote, sondern im Kontext eines innerjüdischen Diskurses über kultische Reinheit. Dabei weist er zudem darauf hin, dass sich eine solche Deutung be­ reits bei Weiss und Holtzmann findet. 124  In der Forschung wird die Auseinandersetzung in Mk 7,1–23 zumeist als deutlichster Kon­ fliktfall zwischen Judentum und beginnendem Christentum gewertet (vgl. exemplarisch die Überschrift zu Mk 7,1–23 bei Pesch, Mk I, 367: „Die Aufhebung der Unterscheidung ‚rein-unrein‘ als Barriere zwischen Juden und Heiden“; vgl. auch Mußner, Kraft, 99; Un­ tergaßmaier, Gesetzestradition, 184–186; Tuor-Kurth, Unreinheit, 242–244; Kampling, Gesetz, 143), d.h. in der hellenistisch-judenchristlichen oder gar heidnischen Kirche ver­ ortet. So bewertet Svartvik Mk 7,1–23 nicht als Auseinandersetzung zwischen Juden und Christen, sondern als innerchristliche Debatte, da die Reinerklärung aller Nahrung in Mk 7,19fin nur in heidenchristlicher Umgebung denkbar sei. Das Markusevangelium sei in einer heidenchristlichen Situation verfasst worden, die paulinisch geprägt gewesen sei (so Mark, z.B. 402). Eine solche Nähe des Markusevangeliums zu paulinischen Traditio­ nen ist jedoch sehr umstritten. 125  Zu kritischen Texten zum Brauch des Händewaschens in der jüdischen Tradition vgl. Vah­ renhorst, Matthäus, 398–402, der vor ihrem Hintergrund die Version des Matthäus als innerjüdische Kontroverse deutet. 126  Ähnliches gilt für die Argumentation mit dem Herz in Mk 7,19. Versteht man nämlich die Berührung mit dem Herzen losgelöst vom vorliegenden Kontext als einziges Kriterium dafür, ob ein Mensch „gemein“ wird oder nicht, dann sind rituelle Vorschriften, die eine Verunreinigung auf physischem Wege verhindern sollen, in der Tat als Teil des Gesetzes formal ausgeschlossen. Im vorliegenden Text erscheint das Herz jedoch in erster Linie als Gegensatz zum Bauch.

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Kontroverse zur Frage nach dem Händewaschen vor dem Essen lässt darauf schließen, dass unter den von außen in den Menschen hineingehenden Din­ gen konkret Speisen zu verstehen sind,127 und zwar spezieller solche Speisen, die durch fehlendes Händewaschen unrein geworden sind. Dabei ist zwar in­ nerhalb der verschiedenen negierten κοινόω-Wendungen nicht explizit von Speisen die Rede, die ohne vorheriges Händewaschen gegessen werden. Der Gebrauch der umständlichen Umschreibung als „Dinge, die von außen in den Menschen hineingehen“ verdankt sich aber offensichtlich dem Umstand, dass die Gegenüberstellung zu den im Fokus stehenden moralischen Vergehen als den aus dem Menschen herauskommenden Dingen auf diese Weise besonders deutlich gemacht werden kann.128 Ein Verständnis des Ausdrucks „Dinge, die von außen in den Menschen hineingehen“ als Verweis auf Speisen legt sich ins­ besondere angesichts der in Mk 7,19fin belegten Wendung καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα nahe. In ihr werden nämlich explizit Speisen erwähnt. Dabei spricht auch diese Formulierung grundsätzlich für eine Deutung der von außen in den Menschen hineingehenden Dinge in einem engeren Sinne als rituell verunreinigte Speisen. Mit Mk 7,19fin bringt Markus nämlich offenbar nicht etwa ein neues Thema wie die Abschaffung des Verbots bestimmter Tiersorten nach Lev 11,1–23.29–47 in den vorliegenden Zusammenhang ein. Vielmehr bewer­ tet Markus mit καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα die von Jesus in Mk 7,18f. unter Aufnahme von Mk 7,15 artikulierte Ablehnung einer Verunreinigung des Men­ schen durch Dinge, die von außen in ihn hineingehen, als eine Reinerklä­ rung aller grundsätzlich erlaubten Speisen (zu dieser Deutung von 7,19fin s.u. 1.3.2.2). Bei einem solchen Bezug der Dinge, die von außen in den Menschen hineingehen, auf rituell verunreinigte Speisen129 legt sich für die Gegenüber­ stellung zu den aus dem Menschen herauskommenden Dingen innerhalb der

127  Ausdrücklich gegen eine Beschränkung auf rituell unreine Speisen aber z.B. Kümmel, Reinheit, 122f. Ihm zufolge bedeutet die Aussage in Mk 7,15 in einem weiteren Sinne, „daß keine von außen kommenden Einwirkungen auf den Menschen ihn vor Gott unrein ma­ chen können, daß aber sehr wohl menschliche Worte und Taten ihn vor Gott unrein ma­ chen“ (123). Dagegen aber auch Räisänen, Jesus, 223. 128  Vgl. dazu, dass Matthäus den Bezug auf Speisen expliziert, indem er in Mt 15,11 an die Stelle des mk. αὐτόν ein τὸ στόμα einfügt (ebenso Mt 15,17; vgl. auch EvThom 14). Eine noch engere Verbindung zur Frage nach dem Essen und damit zum ersten Teil des Textes stellt Matthäus auch dadurch her, dass er zum Abschluss der Perikope in Mt 15,20 über Mk 7,23 hinaus noch einmal einen Hinweis auf das Händewaschen einfügt. 129  So auch Kister, Law, 150–154, der damit zugleich die in der Forschung dominierende Aus­ legung von Mk 7,15 als gesetzesfeindlich ablehnt. Gegen Lindars, Foods, der schon Mk 7,15 auf die Speisegebote aus Lev 11 bezieht (61), in der Aussage jedoch nur eine scheinbare Außerkraftsetzung dieser Vorschriften sieht (65f.71).

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κοινόω-Wendung in Mk 7,15 dann aber am ehesten ein exklusives Verständnis von οὐδέν … ἀλλά im Sinne von „nicht das …, sondern das“130 nahe.131 In der Forschung werden das Logion in Mk 7,15 und die ihm entsprechen­ den Aussagen in Mk 7,14–23 hingegen zumeist in einem allgemeinen Sinne als Gegenüberstellung von verschiedenen Formen der Unreinheit gedeutet, nämlich der äußeren Verunreinigung durch physischen Kon­ takt und der inneren Verunreinigung durch moralische Taten.132 Dabei plädieren einige Forscher für eine strikte Gegenüberstellung, der zufol­ ge in Mk 7,15 rituelle Unreinheit vollkommen beseitigt werde, sodass es nur noch die Unreinheit des Herzens gibt.133 Anderen Forschern zufolge verbindet Jesus beide Formen miteinander134 und wägt Quellen ritueller Unreinheit gegenüber Quellen moralischer Unreinheit im Hinblick auf ihre Bedeutung ab. Die Pharisäer sollten der moralischen Reinheit eine höhere Bedeutung beimessen als der rituellen Reinheit. Diese Forscher, welche den Spruch in Mk 7,15 zwar ebenfalls im Sinne einer generellen 130  Zu einer solchen exklusiven Verwendung von οὐ … ἀλλά vgl. auch Mk 7,5. 131  Eine Entscheidung darüber, ob eine absolute oder eine relative Verneinung gemeint ist, lässt sich jeweils nur anhand des Kontextes entscheiden (so Winer, Grammatik, §55,8). Für eine absolute Deutung von Mk 7,15 spricht auch der Befund, dass die negative Seite dieser Aussage dort, wo sie getrennt von der zweiten Hälfte wieder aufgegriffen wird, mit der universal (vgl. πᾶν) formulierten Wendung πᾶν τὸ ἔξωθεν εἰσπορευόμενον εἰς τὸν ἄνθρωπον οὐ δύναται αὐτὸν κοινῶσαι expliziert wird (7,18). 132  Vgl. dazu, dass die Wendungen εἰσπορευόμενον εἰς αὐτόν und ἐκπορευόμενα, von denen insbesondere εἰσπορευόμενον εἰς αὐτόν an eine Beschränkung auf Speisen denken lässt, in der redaktionsgeschichtlichen Forschung oft als nicht ursprünglich bewertet werden, so Paschen, Rein, 177; vgl. auch Booth, der aber ἐκπορευόμενα als ursprünglich ansieht (Jesus, 68.71.84). 133  Zu einer Deutung von Mk 7,15 im Sinne einer strikten Antithese vgl. exemplarisch Berger, Gesetzesauslegung, 464–467, der zwar εἰσπορευόμενον εἰς αὐτόν und damit die Einschrän­ kung auf Speisen offenbar von Anfang an zu diesem Logion zählt, jedoch andererseits Mk 7,15b gegen „alle Unreinheit nur durch Berührung“ gerichtet sieht (481 mit 464). Zu einem Verständnis in einem absoluten Sinne vgl. auch Hübner, Gesetz, 166–169, der in Mk 7,15 zugleich eine Abschaffung der Speisegesetze aus Lev 11 sieht (175). Vgl. daneben Boring, Mk, 203; Stolle, Mk, 171f. Häufig wird darin eine Differenz gegenüber Mt 15,11 gese­ hen, wo die grundsätzliche Abschaffung der Reinheitstora aus Mk 7,15 entschärft werde (vgl. z.B. Luz, Mt II, 424f.; Saldarini, Community, 134; Hübner, Gesetz, 176–182). 134  So ausdrücklich Klawans, dem zufolge der historische Jesus in Mk 7,1–23 eine Position in der unter Juden damals verbreiteten Diskussion um das Verhältnis von moralischer und ritueller Reinheit einnimmt (Impurity and Sin, 145). Der Differenzpunkt zwischen Jesus und den Pharisäern bestehe darin, dass die Pharisäer strikt zwischen moralischer und ritueller Unreinheit trennen. Beide haben nichts miteinander zu tun und können daher auch nicht in ein relatives Verhältnis zueinander gesetzt werden, wie Jesus es in Mk 7,1–23 tue (ebd., 147–150; ders., Moral and Ritual Purity, 281).

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Gegenüberstellung verschiedener Unreinheitsformen deuten, jedoch eine grundsätzliche Außerkraftsetzung der rituellen Gesetzesvorschrif­ ten bzw. rituellen Unreinheit als Skopus von Mk 7,15 ablehnen, schlagen für οὐδέν … ἀλλά ein Verständnis in einem relativen Sinn als Angabe einer Priorität vor. Damit sei Mk 7,15 folgendermaßen wiederzugeben: „Weni­ ger das, was von außen in den Menschen hineingeht, macht ihn unrein, sondern eher das aus dem Menschen Herauskommende.“135 Dabei ist ein solches relatives Verständnis für οὐδέν … ἀλλά grundsätzlich möglich. Bereits in der hebräischen Bibel finden sich ähnlich strikt formulierte Wendungen, in denen die absolute Verneinung eines Teils der Aussage vor allem rhetorische Gründe hat. Durch sie soll nämlich die ganze Auf­ merksamkeit auf den positiven Teil gelegt werden.136 Die entsprechen­ den Formulierungen sind daher nicht im Sinne eines ausschließenden Gegensatzes, sondern eher im Sinne einer Gewichtung zu verstehen, wie sich besonders deutlich an Hos 6,6 erkennen lässt.137 Ein solches Verständnis ist jedoch im vorliegenden Zusammenhang insofern nicht notwendig, als sich die negierten κοινόω-Wendungen in ihrem jetzigen Wortlaut nur schwer auf jegliche rituelle Verunreinigung durch Berüh­ rung beziehen lassen. 135  Eine solche relativierende Deutung der in Mk 7,15 belegten οὐδέν-ἀλλά-Wendung im Sinne von „nicht so sehr … als“/„not only … but also“ vertritt z.B. Westerholm, Jesus, 83; im An­ schluss an ihn und andere auch Booth, Jesus, 69–71; vgl. daneben Dunn, Ritual Purity, 51; Sanders, Jesus and Judaism, 260–264; Klawans, Impurity and Sin, 147; Regev, Moral Impu­ rity, 387f.; Kazen, Jesus, 65f.88; ders., Scipture, bes. 190f. Vgl. auch Repschinski, Gesetz, 179: „Für Markus steht der Vorrang ethischer Verhaltensregeln vor kultischen Vorschriften zur Diskussion“; 181: „Priorität ethischer Verhaltensweisen“ (Hervorhebungen C.E.). Loader, Historical Jesus, 145–148, schlägt für Markus ein antithetisches, für den historischen Jesus hingegen ein inklusives Verständnis vor. 136  Zur Möglichkeit eines solchen Verständnisses im Allgemeinen vgl. Zerwick, Biblical Greek, §445, der ausdrücklich Hos 6,6 als Beispiel nennt. Vgl. auch BDR §448₁: „relative Negation“ (unter Hinweis auf Mk 2,17b; 9,37). Demgegenüber plädiert Neirynck, Duality, 62f., in Hinsicht auf Mk 9,37; 13,11b vehement für die absolute Zielrichtung. Ein relatives Verständnis legt sich m.E. jedoch beispielsweise für die antithetische Formulierungswei­ se in Mk 2,17 nahe (s.o. Einleitung zu IIIB 3.1.3). 137  In Hos 6,6 wird die Exklusivität des Tempelkultes dadurch bestritten, dass das Erbarmen dem Tempelkult strikt gegenübergestellt wird (διότι ἔλεος θέλω καὶ οὐ θυσίαν); zu ähnlichen Gegenüberstellungen vgl. Jer 7,22–24; Ps 51,18–21 u.ö. Dies bedeutet jedoch keine vollkom­ mene Beseitigung der Opfer, da Hos 6,6 offenbar in Kreisen entstanden ist, die Opfer keineswegs generell ablehnten, sondern vermutlich sogar selbst dargebracht haben. Vgl. dazu, dass Hos 6,6b LXX im Sinne einer Gewichtung formuliert ist: καὶ ἐπίγνωσιν θεοῦ ἢ ὁλοκαυτώματα (vgl. auch 1 Sam 15,22). Zu ähnlichen Formulierungen im griechischspra­ chigen Diasporajudentum s.u. 1.3.3.2.

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Die Aussage in Mk 7,15 ist demzufolge durchaus im Sinne einer Antithese zu verstehen. Sie bedeutet jedoch keine vollkommene Außerkraftsetzung ri­ tueller Reinheitsbräuche, da in ihr im Hinblick auf die Frage, welche Bräuche zum Gesetz gehören, den moralischen Geboten nicht allgemein alle rituellen Bräuche gegenübergestellt werden, sondern nur rituell verunreinigte Speisen. Innerhalb der negativ formulierten κοινόω-Wendungen geht es demzufolge speziell darum, ob der rituelle Brauch des Händewaschens vor einer Mahlzeit gleichsam ein Kriterium für eine gesetzeskonforme Lebensweise ist, sodass sich an ihm ablesen lässt, ob jemand grundsätzlich gesetzestreu ist oder nicht. Eine solche Auffassung lehnt der markinische Jesus entschieden ab, wenn er feststellt, dass nichts, was von außen in den Menschen hineingeht, ihn „ge­ mein“ machen kann. Die Bewertung des Verhaltens Jesu als Reinerklärung aller Speisen in Mk 7,19fin – keine Außerkraftsetzung der jüdischen Speisegebote nach Lev 11/Dtn 14 Für seine mehrfach artikulierte Ablehnung des rituellen Händewaschens bie­ tet der markinische Jesus in Mk 7,19 eine medizinisch-anatomische Erklä­ rung (vgl. ὅτι). Für sie ist nun der Komplex der Unreinheit von Bedeutung. In ihrem Rahmen geht der markinische Jesus nämlich der Frage nach, inwieweit die von außen in den Menschen hineingehenden oder aber aus ihm heraus­ kommenden Dinge überhaupt einen Schaden wie Unreinheit am Menschen hinterlassen. Eben dies ist ihm zufolge für Speisen, die ohne vorheriges Hän­ dewaschen gegessen werden, nicht der Fall. Dabei führt er als Begründung an, dass Dinge, die wie Speisen von außen in den Menschen hineingehen, auch vollständig wieder aus ihm herauskommen. Sie passieren den Menschen näm­ lich nur und verschwinden dann direkt im Abort ([…] ἀλλ’ εἰς τὴν κοιλίαν, καὶ εἰς τὸν ἀφεδρῶνα ἐκπορεύεται), und zwar offenbar ohne eine Verunreinigung am Menschen zurückzulassen, die beispielsweise durch rituelle Reinigungsriten wie Waschungen beseitigt werden müsste. Speisen, die mit ungewaschenen Händen gegessen werden, führen somit dem markinischen Jesus zufolge gar nicht – wie von seinen Gegnern befürchtet – zu einer Verunreinigung des Menschen, und zwar seines Körpers. In Mk 7,19fin wird mit der Wendung καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα ausdrück­ lich das Motiv der Reinigung aktualisiert, und zwar mit Bezug auf Speisen.138 Diese Aussage findet sich – anders als die vorangehende Begründung mit dem Herzen – nicht im Munde des markinischen Jesus, sondern stellt einen 1.3.2.2

138  Das Verb καθαρίζω findet sich bei Markus sonst nur in Mk 1,40–42 im Zusammenhang der Heilung eines Unreinen.

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Erzählerkommentar dar. In welchem Sinn ist diese Reinigung aller Speisen zu verstehen? Der in der Matthäus-Parallele nicht überlieferte Ausdruck καθα­ ρίζων πάντα τὰ βρώματα hat in der Forschung eine Vielzahl unterschiedlicher Deutungen hervorgerufen. So ist er nicht nur in Hinsicht auf seine Ursprüng­ lichkeit umstritten, sondern auch in Bezug auf seine Zielrichtung. Auffällig ist die Wendung καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα insbesondere im Hinblick auf ihre syntaktische Anbindung, welche offensichtlich zu textkritischen Vari­ anten geführt hat.139 Dabei ist die Wendung καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα – bewertet man καθαρίζων nicht als groben sprachlichen Fehler in der Syntax (Solözismus)140 oder gar als Glosse141 – syntaktisch am ehesten an das aller­ dings bereits etwas weiter zurückliegende καὶ λέγει αὐτοῖς (7,18a) anzuschlie­ ßen und dementsprechend mit Jesus als Subjekt zu verstehen.142 Deutlich ist in jedem Fall eine zusammenfassende Funktion dieser Wendung. Mit καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα ist in Mk 7,19fin nämlich ein gewisser Abschluss erreicht, wie das einen Neueinsatz indizierende δέ innerhalb der Wendung ἔλεγεν δὲ ὅτι in Mk 7,20 deutlich zeigt. Dabei fasst Markus mit dieser Wendung anscheinend zusammen, was die vorhergehende Rede Jesu geleistet hat. Wenn nämlich – wie Jesus in Mk 7,18.19a.b dargelegt hat – alles, was (wie Speisen) von außen in den Menschen hineingeht,143 diesen nicht „gemein“ bzw. unrein machen kann (πᾶν τὸ ἔξωθεν εἰσπορευόμενον εἰς τὸν ἄνθρωπον οὐ δύναται αὐτὸν κοινῶσαι), dann gilt damit zugleich, dass alle Speisen selbst rein sind. Die in Mk 7,19fin zum Ausdruck gebrachte Reinigung aller Speisen ergibt sich demzufolge als Rückschluss aus der Feststellung in Mk 7,18 und 7,19a.b und ist eine Reinigung durch Worte. Für eine solche Deutung von Mk 7,19fin spricht auch die auffällige 139  Diese Lesart καθαρίζων ist den textkritischen Varianten καθαρίζoν (K Γ 33 700 2542 pm), καθαρίζει (D und in geringer Abwandlung in i r1) und καθαρίζεται (1047 sys) vorzuziehen (so auch Metzger, Commentary, 81). Die verschiedenen Lesarten lassen als Anliegen eine Klärung des syntaktischen Bezuges erkennen, wobei die beiden letzten finiten Varianten einen Bezug auf Jesus als Sprechenden herstellen, καθαρίζoν offenbar auf πᾶν τὸ ἔξωθεν aus Mk 7,18. 140  Für den Fall, dass man καθαρίζων auf τὸν ἀφεδρῶνα in Mk 7,19 bezieht (vgl. BDR §137₃), liegt eine Inkongruenz, nämlich eine Anfügung eines Partizips im Nominativ statt in einem obliquen Kasus vor. Vgl. dazu, dass einige Forscher Mk 7,19fin im Sinne einer Rei­ nigung der Ausscheidung im Abtritt deuten (zu Vertretern vgl. Gnilka, Mk I, 285 Anm. 46; vgl. auch Moulton/Turner, Grammar III, 316). 141  Dagegen aber Zerwick, Untersuchungen, 135, Cranfield, Mk, 241; im Anschluss daran Booth, Jesus, 49f., der diese Wendung als eine typisch mk. Zusammenfassung ähnlich Mk 7,12 und 7,3f. bewertet. So auch schon Turner, Marcan Usage, 27f. 142  Zu einem solchen zumeist hergestellten Bezug auf den Redenden vgl. u.a. Klostermann, Mk, 80; Lohmeyer, Mk, 142; Berger, Gesetzesauslegung, 481; Cranfield, Mk, 241. 143  Vgl. BDR §413₄: „Nach πᾶς ‚jeder‘ steht häufig das substantivierte Partizip mit Artikel, einem Relativsatz gleichwertig“ (Hervorhebung im Original).

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Stellung des Partizips καθαρίζων.144 Damit ist die in Mk 7,19fin belegte Wen­ dung καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα folgendermaßen zu paraphrasieren: „Da­ durch (d.h. auf diese Weise), nämlich durch diese Äußerung in Mk 7,18–19a.b, reinigte, d.h. erklärte145 er alle Speisen für rein.“ Um welche Speisen handelt es sich nun aber bei der in Mk 7,19fin konsta­ tierten Reinigung aller Speisen genau? Deutlich ist aus dem umliegenden Kontext, dass der markinische Jesus die sekundäre Verunreinigung von an sich reinen Speisen durch ungewaschene Hände und damit die Übertragung von abgeleiteter Unreinheit durch Speisen ablehnt. Demgegenüber liegt eine Außerkraftsetzung der jüdischen Speisegebote aus Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3– 21, d.h. eine Abschaffung der grundlegenden Einteilung der Tiere in reine und unreine Fleischsorten, wenig nahe, wie dies in der Forschung jedoch häufiger für Mk 7,1–23 vertreten wird.146 Zumeist wird die Wendung καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα in Mk 7,19fin nämlich auf die Speisegebote generell bezogen, sodass zumindest zur Zeit des Markus alle Speisen, d.h. auch die für Juden verbotenen Tiersorten, zum Verzehr freigegeben werden.147 Die Ablehnung einer Geltung der Speisegebote nach Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 durch den markinischen Jesus sei ein Hinweis für die von ihm vollzogene Abschaffung des ganzen Gesetzes.148 Gegen eine solche Deutung sind jedoch gravierende 144  Bei einer Deutung der Partizipialwendung in Mk 7,19fin als Rückschluss aus Mk 7,18.19a.b lässt sich zum einen die nachklappende Verwendung von καθαρίζων gut erklären. In die­ sem Fall hat das Partizip nämlich eine Verweisfunktion auf das Vorhergehende und folgt aus diesem Grund der Rede. Zum anderen sind insbesondere spätkommende Partizi­ pien häufig modal. Näherhin handelt es sich im vorliegenden Fall um eine umgedrehte Modalität, da hier Folgendes gilt: Indem der mk. Jesus die Aussage in Mk 7,18.19a.b macht, erklärt er alle Speisen für rein. 145  Zum deklarativen Gebrauch von καθαρίζω vgl. Hauck, καθαρός, 428. 146  Bereits die Kirchenväter verstanden Mk 7,1–23 so, dass damit biblische Speisegesetze ­(dietary laws) aufgehoben wurden (zu Belegen vgl. Tomson, Food Laws, 200f.). 147  So z.B. Repschinski, Gesetz, 359: „Markus verwischt die Grenzen zwischen dem ursprüng­ lichen Anlass der Auseinandersetzung, anderen Traditionen der Pharisäer, und Speise­ gesetzen, um letztlich alles aufzuheben […]“ (vgl. auch 180f.); vgl. dazu auch Klawans, Impurity and Sin, 144.147; Berger, Gesetzesauslegung, 481f.; Lührmann, Speisen, 85f.; Booth, Jesus, 219–221; Fredriksen, Jesus, 42; Hooker, Mk, 179f., obwohl sie den Widerspruch zu Mk 7,8f. durchaus sieht; Focant, Mk, 283; Stolle, Mk, 173; vgl. auch Eckey, Mk, 256; Mar­ cus, Mark, 45–49 (gegen Boyarin). Auch Svartvik sieht zwar in Mk 7,15 keine Abschaffung der Speisegesetze (Mark, 411), sondern einen alleinigen Bezug auf verunreinigtes Essen (406.409), erkennt eine Außerkraftsetzung der Speisegebote aber in Mk 7,19fin (375). Rudolph bezieht Mk 7,19fin ebenfalls speziell auf die Abschaffung der Speisegesetze aus Lev 11, beschränkt eine solche jedoch auf die Heidenchristen (Jesus, bes. 307–310). 148  So exemplarisch vor allem Repschinski, Gesetz, 185: „Mit der Deklaration der Reinheit aller Speisen stellt Markus klar, dass für ihn das Gesetz keinen verpflichtenden Charakter mehr hat“ (vgl. auch 181.212); vgl. auch Gnilka, Mk I, 285.287.

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IIIC Auseinandersetzungen um rituelle Reinheitsvorschriften

Bedenken einzuwenden. So könnte zwar das πάντα für eine Außerkraftsetzung auch der Speisevorschriften sprechen. Darüber hinaus ist die Begründung mit dem Weg der Speisen nach der Nahrungsaufnahme in Mk 7,19 auch auf die für Juden verbotenen Tiersorten anwendbar. Innerhalb der vorliegenden Kontro­ verse werden die Speisegesetze jedoch auffälligerweise gerade nicht erwähnt.149 Eine etwaige generelle Auflösung der Speisegebote nach Lev 11,1–23.29–47/ Dtn 14,3–21 passt zudem nicht zur Argumentation des markinischen Jesus in Mk 7,1–13.150 In einem solchen Fall ergibt sich nämlich eine deutliche Span­ nung zur äußerst positiven Sichtweise auf Mose in Mk 7,10. Innerhalb seiner Gegenüberstellung der Satzungen der früheren Gesetzeslehrer und des Gebo­ tes Gottes (7,9–13) sieht der markinische Jesus das von Mose vermittelte Ge­ setz offensichtlich als weiterhin zu befolgen an. Auch die in Lev 11,1–23.29–47/ Dtn 14,3–21 überlieferten Speisegebote wurden nun aber den Israeliten von Mose mitgeteilt (Lev 11,1). Damit würde die Argumentation des markinischen Jesus in Mk 7,9–13 jedoch deutlich an Überzeugungskraft verlieren, wenn er nun in Mk 7,14–23 auch die von Mose vermittelten Speisegebote ableh­ nen würde.151 Dies gilt umso mehr, als es im Hinblick auf die Vorschriften zu 149  Im Rahmen der Aufnahme von Mk 7,1–23 bei Matthäus lässt sich kein Bezug auf die jüdischen Speisegebote aus Lev 11/Dtn 14 erkennen. Bei einer Deutung von Mk 7,19fin als Abschaffung der Speisegebote müsste man dementsprechend für Matthäus eine be­ wusste Änderung der Aussageabsicht des Markus voraussetzen. Gelegentlich wird das Fehlen von Mk 7,19fin bei Matthäus dahingehend ausgewertet, dass Markus die Aufhe­ bung der Speisegebote im Blick habe, während Matthäus die Aussage von der Reinerklä­ rung in Mk 7,19fin auslasse, weil er den Diskurs auf rituelle Reinheitsfragen beschränke (so z.B. Booth, Jesus, 221f.; Sanders, Figure, 220, der – anders als für Jesus – für Markus eine Außerkraftsetzung der Speisegebote annimmt, welcher Matthäus aber widerspreche). Auch Luz betont, dass „das Zeremonialgesetz in der markinischen Gemeinde nicht mehr gilt“ (Mt II, 419), sich bei Matthäus jedoch keine grundlegende Abschaffung von Teilen der Tora finde, sondern nur eine Überordnung der „Sittengebote“ über rituelle Reinheit (424f.428); ähnlich Davies/Allison, Mt II, 517.535; Gnilka, Mt II, 24.26f.; im Anschluss an sie und andere auch Konradt, Rezeption, 344f. mit Anm. 106; ders., Mt, 240f.245; ders., Erfüllung, 306f.; pointiert auch Svartvik, Matthew, 40f.: „In short, Markan antinomianism has been transformed into Matthaean anti-Pharisaism“ (41, Hervorhebung im Original); vgl. auch Saldarini, Community, 134.138f.; Hübner, Gesetz, 176–182, bes. 181. Repschinski, Gesetz, 358, sieht die Differenz zwischen ἐκεῖνο in Mk 7,20 und κἀκεῖνα in Mt 15,18, für das er eine inklusive Bedeutung annimmt, als Beleg dafür, dass Matthäus nicht impliziert, dass es keine Speisen gibt, die verunreinigen. Er stelle vielmehr dar, dass die Dinge des Herzens ebenfalls verunreinigen können. Grundsätzlich anders hingegen Broer, Freiheit, 114–122, der für Matthäus keineswegs nur eine Aufhebung der mündlichen Tradition, son­ dern wie bei Markus eine Auflösung des Gesetzes sieht. 150  Ähnlich Tomson, Food Laws, 205; ders., Paul, 241. 151  Diesen Widerspruch sieht auch Kampling, der jedoch in Mk 7,15.19 trotzdem eine Au­ ßerkraftsetzung der Speisegebote aus Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 sieht (Gesetz, bes. 134–138).

1 rituelle Reinheit der Hände beim Essen ( Mk 7,1–23 )

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bestimmten Tiersorten insgesamt fraglich ist, ob deren Übertretung überhaupt einen rituell verunreinigenden Effekt hat oder sie nicht eher zu einer morali­ schen Unreinheit führt, die auch dem markinischen Jesus zufolge grundsätz­ lich weiterhin gilt.152 Für das in Mk 7,19fin gebrauchte τὰ βρώματα legt sich somit kein Bezug auf alle grundsätzlich möglichen Speisen, sondern eher ein Verständnis in einem engeren Sinne mit Bezug auf solche Speisen nahe, die durch fehlendes Hände­ waschen sekundär rituell verunreinigt wurden. Die Wendung καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα bringt demzufolge zum Ausdruck, dass der markinische Jesus alle grundsätzlich erlaubten Speisen – unabhängig von gewaschenen oder ungewa­ schenen Händen – für rituell rein, d.h. zu solchen Speisen erklärt, die keinen weiteren Einschränkungen unterliegen.153 Die in Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 formulierten Speisegebote bleiben demgegenüber offensichtlich auch dem markinischen Jesus zufolge weiterhin in Geltung. 1.3.3

Der Vorrang von moralischen Anordnungen als generelles Kennzeichen der Auslegung des Gesetzes im Markusevangelium und im Diasporajudentum Nachdem der markinische Jesus in Mk 7,19 festgestellt hat, dass der Brauch des Händewaschens zur Vermeidung von Unreinheit nicht notwendig ist, thema­ tisiert er in Mk 7,20–23 die Frage nach einer etwaigen Verunreinigung durch Dinge, die aus dem Menschen herauskommen. Diese führen anders als Speisen, die mit ungewaschenen Händen gegessen werden, dem markinischen Jesus zufolge durchaus zu einer Verunreinigung. Für diese verunreinigende Wirkung ist offenbar die Verbindung der Dinge mit dem Herzen von entscheidender Bedeutung. Gerade im Hinblick auf eine solche Verbindung unterscheiden sich die von außen in den Menschen gehenden und die aus ihm herauskom­ menden Dinge diametral. Diese Differenz arbeitet der markinische Jesus be­ sonders stark heraus, indem er explizit feststellt, dass Dinge, die von außen in den Menschen hineinkommen, auf ihrem Weg durch den Körper nicht mit dem Herz in Berührung kommen (ὅτι οὐκ εἰσπορεύεται αὐτοῦ εἰς τὴν καρδίαν in 7,19a). Dass Speisen, die ohne Händewaschen gegessen werden, nicht in das 152  Bereits in den biblischen Anordnungen steht die durch das Essen verbotener Tiersorten hervorgerufene Unreinheit der moralisch-ethischen Unreinheit näher als der physischrituellen Unreinheit (s.o. IIA 1.2.2). Anders als für den Bereich des Genusses von Götzen­ opferfleisch lässt sich auch für deren Rezeption im griechischsprachigen Judentum keine deutliche Entwicklung zu einer physisch-rituellen Unreinheit erkennen (s.o. IIB 1.4.1.2). 153  So Tomson, Food Laws, 205f.209; Wahlen, Jesus, 72–79; vgl. auch Crossley, Date, 191–193. 200–205; ausführlich ders., Mark 7.1–23. Gegen eine Deutung von Mk 7,19fin als Auflösung der Speisegebote nach Lev 11 auch Guttenberger, Mk, 174f., der zufolge hier vor allem ve­ getarische Kost im Blick ist.

620

IIIC Auseinandersetzungen um rituelle Reinheitsvorschriften

Herz gehen, ist evident und dient daher offenbar in erster Linie als Vorberei­ tung und Betonung des Gegensatzes zu den von innen aus dem Menschen herauskommenden Dingen. Diese haben nämlich tatsächlich eine Verbindung zum Herzen, da sie aus dem Herzen stammen (ἔσωθεν γὰρ ἐκ τῆς καρδίας τῶν ἀνθρώπων οἱ διαλογισμοὶ οἱ κακοὶ ἐκπορεύονται in 7,21a).154 Näherhin handelt es sich bei diesen aus dem Herzen des Menschen kommenden Dingen um mo­ ralische Vergehen. Der markinische Jesus füllt sie nämlich in Mk 7,21f. konkret mit einzelnen moralisch schlechten Handlungen, wobei er als Klammer um diese Liste zudem die Ausdrücke ­„schlechte Gedanken“ (οἱ διαλογισμοὶ οἱ κακοί in 7,21) und „all dies Böse“ (πάντα ταῦτα τὰ πονηρά in 7,23) gebraucht. Damit lässt sich die Argumentation des m ­ arkinischen Jesus in Mk 7,19–23 folgender­ maßen näher bestimmen: Mord und andere moralische Vergehen, mit denen Juden gegen das Gesetz verstoßen, kommen aus dem Herzen des Menschen heraus, aber nicht ohne dabei einen Schaden am Menschen zurückzulassen. Damit ist das Gesetz durchaus auch für den markinischen Jesus – wie offenbar für seine Gegner – eine Instanz, die eine Verunreinigung des Menschen und damit verbundene negative Konsequenzen oder Sanktionen verhindert. Er verlagert die Frage, was den Menschen „gemein“ macht, jedoch vom rituellen Händewaschen in den Bereich der ethischen Verhaltensweise. Der Schwerpunkt auf den moralisch-ethischen Geboten als generelle Tendenz der markinischen Gesetzesauslegung Die soeben für Mk 7,1–23 herausgearbeitete Stellung des markinischen Jesus zum Gesetz reiht sich gut in den Gesamtbefund zum Gesetz bei Markus ein. Eine ähnliche Position des markinischen Jesus zum Gesetz lässt sich nämlich in anderen Erzählungen des Markusevangeliums feststellen. So deutet auch der größere Rahmen des Markusevangeliums keineswegs auf eine grundsätz­ liche Auflösung der rituellen Vorschriften oder des ganzen Gesetzes durch den markinischen Jesus hin, lässt jedoch einen Schwerpunkt auf den auch in Mk 7,20–23 besonders betonten moralischen Geboten erkennen. Eine Durchsicht des Markusevangeliums nach Aussagen zum Gesetz zeigt, dass Markus weniger an der Frage einer generellen Bedeutung des Gesetzes,155 sondern eher an der ganz konkreten Anwendungspraxis des Gesetzes, näm­ lich an einzelnen Gesetzesfragen, interessiert ist. Dieser Befund lässt sich für die frühe Jesusüberlieferung insgesamt beobachten. Auch in der noch im

1.3.3.1

154  Zum Herz als Ursprung von Vergehen vgl. das „steinerne Herz“ als Sitz alles Bösen in Ez 11,19f.; 36,26f.; daneben das verstockte und böse Herz in Jer 7,24. Vgl. dazu auch AssMos 7,9, wonach Herzen Unreines hervortreiben. 155  Vgl. dazu, dass der Begriff νόμος im Markusevangelium nicht belegt ist.

1 rituelle Reinheit der Hände beim Essen ( Mk 7,1–23 )

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palästinischen Judentum anzusiedelnden Spruchquelle Q, in der die Gesetzes­ problematik insgesamt nur sehr selten aktiviert wird (Mt 8,21f. par.; 12,11 par.; 23,4.23.25f. par.),156 werden nämlich hauptsächlich Einzelbestimmungen des Gesetzes behandelt.157 Erst mit Blick auf Matthäus fallen deutlich grundsätzli­ chere Äußerungen zur Geltung des Gesetzes auf.158 Im Einzelnen überliefert Markus neben Notizen, die von einer Aufnahme jüdischer Bräuche durch Jesus berichten,159 mehrfach Traditionen, denen zu­ folge Jesus in Konflikt mit bestimmten jüdischen Gesetzespraktiken gerät und dadurch einen Diskurs mit jüdischen Kreisen auslöst.160 Diese Auseinander­ setzungen konzentrieren sich auf lebenspraktische Themen und entzünden sich jeweils an einem konkreten Verhalten Jesu, das von den Zeitgenossen als gegen das Gesetz gerichtet empfunden wird. Sie bestehen – abgesehen von 156  Vgl. dazu, dass Kloppenborg, Nomos, 47f., die in Q belegten Gesetzesaussagen einer spä­ teren Schicht von Q zurechnet. 157  So findet sich in der Logienquelle zwar eine generelle Bemerkung, die keinen Zweifel daran lässt, dass Jesus an der Geltung der ganzen Tora festgehalten habe (LkQ 16,17/ MtQ 5,18). Dies ist jedoch der einzige Beleg, in dem innerhalb der Logienquelle zweimal der allgemeine Begriff νόμος begegnet (Lk 16,16f.), und zwar in einem affirma­tiven Sinn (zum Festhalten der Logienquelle am Gesetz vgl. auch Dautzenberg, dem zufolge sich gesetzeskritische Traditionen erst im hellenistischen Christentum finden, in dessen Kon­ text Markus gehöre, so Gesetzeskritik, 68f.; ders., Jesus, 367f.). Im Zentrum der übrigen Rekurse auf das Gesetz stehen hingegen wiederum konkrete Einzelanweisungen, welche zudem deutlich an die im Markusevangelium belegten Diskurse erinnern. So findet sich in der Logienquelle aus dem Bereich des Essens die Frage zur Reinheit (LkQ 11,39–41/ MtQ 23,25f.) aus Mk 7,1–23 wieder (s.u. 2); vgl. daneben auch, dass mit der Bezeichnung Jesu als „Freund der Zöllner und Sünder“ (LkQ 7,33–35/MtQ 11,18f.) die mk. Tradition vom Mahl Jesu mit den Zöllnern und Sündern (Mk 2,15–17) anklingt (s.o. IIIB 3.2). Da­ rüber hinaus finden sich wie bei Markus Auseinandersetzungen um die Ehescheidung (LkQ 16,16–18/MtQ 5,32) und den Sabbat (LkQ 14,5/MtQ 12,11f.). Abgesehen davon stellt die Logienquelle mit dem Verstoß gegen das Gebot der Elternehrung (LkQ 9,59f./MtQ 8,21f.) das Jüngersein wie Mk 1,16–20 par.; 10,28–31 par. (vgl. dazu auch die Neudefinition von Familie im Sinne des Tuns des Willens Gottes in Mk 3,35) ebenfalls in Spannung zu Eltern und Familie dar (LkQ 14,26/MtQ 10,37), indem der Nachfolge jeweils eine höhere Bedeu­ tung als der Familienbindung zugemessen wird. Hinzu kommt die Frage nach dem Zehn­ ten, dem die Barmherzigkeit gegenübergestellt wird (LkQ 11,42/MtQ 23,23; vgl. dazu auch LkQ 6,27–36/MtQ 5,38–48). 158  Vgl. dazu, dass der mt. Jesus auf der Gültigkeit des Gesetzes beharrt und Toragehorsam einschärft (Mt 5,17.19f. über MtQ 5,18/LkQ 16,17 hinaus). Vgl. dazu auch die Hinzufügung von „Das ist das Gesetz und die Propheten“ zur goldenen Regel (Mt 7,12 gegenüber LkQ 6,31). 159  So kennzeichnet Markus Jesus als einen Juden, der am Sabbat in die Synagoge geht (1,21; 6,2), das Dankgebet über das Essen spricht (6,41; 8,6; 14,22), sich entsprechend jüdischer Tradition kleidet (6,56) und das Passahmahl feiert (14,12–16). 160  Vgl. dazu den mehrfachen Gebrauch von ἔξεστιν in Mk 2,24.26; 3,4; 6,18; 10,2; 12,14.

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IIIC Auseinandersetzungen um rituelle Reinheitsvorschriften

Reinheitsfragen – insbesondere aus Fragen der Ehescheidungspraxis161 sowie aus Fragen der unbedingten Einhaltung des Sabbats. Dabei ist die Frage nach einer Einhaltung oder Auflösung des Sabbatgebotes durch den markinischen Jesus von besonderer Bedeutung. Angesichts der Tatsache, dass es sich beim Sabbat neben der Beschneidung und den grundlegenden Speisegeboten nach Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 um ein weiteres zentrales jüdisches Bekennt­ nis- und Identitätszeichen handelt, wird nämlich – wie oftmals auch in der Forschung betont – am Umgang des markinischen Jesus mit dem Sabbatge­ bot dessen Stellung zum jüdischen Gesetz überhaupt exemplarisch deutlich. Dabei wird die Geltung des Sabbatgebots durch den markinischen Jesus offenbar – anders als der Brauch des Händewaschens – nicht prinzipiell in Frage gestellt,162 jedoch durch die übergeordnete Stellung des Menschen über den Sabbat entschärft. Der nur in Mk 2,27 überlieferten Aussage163 zufolge muss sich nämlich die jeweilige Sabbatpraxis daran messen lassen, ob sie – wie ursprünglich von Gott intendiert – dem Wohl des Menschen dient. Steht die­ ses Prinzip mit der Einhaltung des Sabbats in Konkurrenz, so ist dem marki­ nischen Jesus zufolge auch eine Sabbatübertretung erlaubt. So stellt Markus sowohl innerhalb der Sabbatkontroverse um das Ährenraufen (2,23–28)164 als 161  Die von den Pharisäern aufgeworfene Frage nach der Möglichkeit der Ehescheidung beantwortet der mk. Jesus mit einem generellen Verbot (10,2–12). Dass er die eheliche Verbindung von einem geschiedenen Mann mit seiner neuen Frau als Ehebruch bezeich­ net, zeigt, dass die erste Ehe als prinzipiell unauflöslich angesehen wird (vgl. auch die Aufnahme von Gen 2,24 in Mk 10,8). Diese Grundsatzentscheidung fällt im Vergleich zu den vielen Einzelentscheidungen in Qumran und der Mischna besonders auf. 162  Gegen eine vollständige Auflösung des Sabbatgebots vgl. z.B. Sariola, Markus, 110, der gegen Schweizer in Mk 2,1–3,6 keinerlei Anzeichen für eine Überwindung des Gesetzes sieht. 163  Der Spruch in Mk 2,27 hat weder bei Matthäus noch bei Lukas eine Parallele, die stattdes­ sen nur die Relativierung des Sabbats durch die Autorität des Menschensohnes (Mk 2,28) überliefern. Für diesen Befund werden in der Forschung im Einzelnen genau entge­ gengesetzte Erklärungen vorgeschlagen. So haben Matthäus und Lukas das Logion in Mk 2,27 Strecker, Weg, 33 Anm. 1, zufolge deshalb ausgelassen, weil dieses die Einhaltung des Sabbats zwar relativiere, jedoch prinzipiell noch als selbstverständlich voraussetzt. Demgegenüber nimmt Barth, Gesetzesverständnis, 85 Anm. 1, an, dass die Aussage des Logions in Mk 2,27 den beiden anderen Evangelisten gerade zu liberal erschien. Haen­ chen, Weg, 118–123, schlägt wiederum vor, dass der ursprüngliche Spruch Jesu in Mk 2,27 schon zur Zeit des Markus als zu liberal angesehen wurde und daher durch Mk 2,28 ein­ geschränkt wurde. 164  Durch den Rückgriff auf die Erzählung von David aus 1 Sam 21,2–7 wird etwas Verbotenes mit der Not Davids und seiner Begleiter gerechtfertigt (vgl. χρεία und πεινάω in Mk 2,25). Das Motiv des Hungers wird auch in der späteren rabbinischen Literatur besonders betont (vgl. Bill. I, 618f.), wohingegen es sich dem biblischen Kontext der Davidsgeschichte nach eher um Eile gehandelt hat.

1 rituelle Reinheit der Hände beim Essen ( Mk 7,1–23 )

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auch innerhalb der Erzählung von der Heilung165 der verdorrten Hand (3,1–6)166 heraus, dass Jesus jeweils auf eine solche Notlage von Menschen reagiert. Mit dieser ethischen Auslegung des Gesetzes relativiert der markinische Jesus das Sabbatgebot mit dem Kriterium, welches für seine Gesetzeserfüllung insge­ samt zentrale Bedeutung hat. Dabei lassen sich die markinischen Diskurse um den Sabbat durchaus im Rahmen der innerjüdischen Auseinandersetzung zur Sabbatpraxis167 verstehen.168 Dass der markinische Jesus grundsätzlich am Gesetz festhält, zeigt sich auch an der zentralen Bedeutung des Gesetzes für seine Verkündigung. In ihrem Zentrum steht zwar die Botschaft von der Basileia, welche dementsprechend den größeren Rahmen bildet, in den die Gesetzesauslegung des markinischen Jesus hineingehört. Dennoch besteht zwischen dem Gesetz und der vom mar­ kinischen Jesus verkündigten Herrschaft bzw. dem Reich Gottes keine Kluft, wie es in der Forschung oft behauptet wird.169 Gegen eine strikte Gegenüber­ 165  Zur Heilung am Sabbat vgl. auch die Heilung eines Besessenen (Mk 1,21–28) und der Schwiegermutter des Petrus (1,29–31) am Sabbat. Problematisiert wird hier jedoch nicht die strikte Einhaltung des Sabbats, sondern vielmehr die Lehre Jesu in Vollmacht (1,22.27). Vgl. dazu, dass nach Mk 1,32 Kranke – wegen des Verbots des Tragens am Sabbat – erst nach Sonnenuntergang, also nach Sabbatausgang zu Jesus gebracht werden. 166  Vgl. dazu aber, dass die Alternativen von Leben und Tod (Mk 3,4) nicht zur Notlage der verdorrten Hand (3,1.3) passen. 167  Sowohl zum Ährenraufen als auch zur Frage der Heilung am Sabbat finden sich im an­ tiken Judentum verwandte Traditionen mit jeweils unterschiedlichen Positionen. Zur Frage nach Erntearbeit vgl. z.B. Ex 34,21; Philo, Mos. 2,22; Jos. Bell. 2,147; Jub 2,29; 50,9; CD-A 10,22f.; mEr 10,7; zur Heilung am Sabbat vgl. z.B. CD-A 11,9f.13–17; mShab 6,10; 14,3f.; 18,3; 22,6; mEd 2,5f.; mYom 8,6; mEr 10,13f. 168  So Crossley, Date, 84f.160–162; Mayer-Haas, Geschenk, 680. Auch Doering verortet die Sabbatpraxis Jesu im Rahmen der innerjüdischen Auseinandersetzung, betont jedoch zugleich deren Konfliktpotential (Schabbat, bes. 476–478; ders., Sabbath Healings, 235f.). 169  In der Forschung wird häufig ein Gegensatz zwischen der von Jesus verkündigten Basileia Gottes und dem Gesetz angenommen, und zwar besonders für den historischen Jesus, so z.B. Becker, Ethos Jesu, 35: „Unbeschadet, wie Jesus über Kult und Gesetz im einzel­ nen gedacht hat, seine Wirksamkeit als endzeitlicher Prophet der Gottesherrschaft mit der Annahme des Verlorenen und dem so gewährten ‚Leben‘ stellt sich neben das Gesetz und in Konkurrenz dazu. Und so ist es wohl auch damals allgemein empfunden wor­ den“; vgl. 38.40f. Zu einem Kontrast der Basileia Gottes zu den (Reinheits-)Geboten vgl. Müller, Rezeption, bes. 166: „In der Zeit der anbrechenden Gottesherrschaft gibt es keine dinghafte Unreinheit mehr, die selbstmächtig dem heilvollen Wirken des Schöpfergottes entgegenstehen könnte“. Weniger strikt auch Merklein, der das Gesetz der Basileia Gottes als konkurrierendes Handlungsprinzip gegenüberstellt (so Gottesherrschaft, 42.72–96), jedoch darin „keine grundsätzliche Kritik an der Tora“ sieht (106). Zum Teil wird diese Un­ abhängigkeit Jesu vom Gesetz mit einer Einschränkung der soteriologischen Bedeutung des Gesetzes verbunden, so z.B. Gnilka, Jesus, 213–224, bes. 214 (zu Lk 16,16 par.): „Diese Gottesherrschaft weist der Thora einen anderen Platz zu. Es ist auf jeden Fall nicht mehr

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stellung zwischen der Basileia Gottes und dem Gesetz spricht bereits, dass es eine grundlegende Überzeugung ist, dass die Basileia Gottes nur dort realisiert wird, wo dem durch das Gesetz vorgeschriebenen Willen Gottes Gehorsam ge­ leistet wird. Dies ist grundsätzlich auch die Sicht des markinischen Jesus. Im Rahmen des Markusevangeliums erfordert die Zugehörigkeit zur Basileia näm­ lich durchaus ein bestimmtes Verhalten der Menschen, wobei die E ­ inhaltung des Gesetzes als eine der Voraussetzungen für das Eingehen in die Basileia Got­ tes und damit für die Rettung genannt wird:170 Nach der kurzen Erzählung von den Kindern, denen das Reich Gottes ge­ hört (10,13–16), schildert Markus ausführlich die Geschichte von der Frage eines reichen Mannes, mit welchem Handeln er das ewige Leben ererben kann (10,17–22.23–27).171 Dabei ist das Erbe des ewigen Lebens eng mit dem Kommen in die βασιλεία τοῦ θεοῦ172 bzw. mit der Rettung (vgl. 10,26) verbunden. Die Antwort des markinischen Jesus zeigt, dass die Erfüllung der genannten Gebote durchaus eine Bedingung für das Erlangen des ewigen Lebens ist (10,19), jedoch alleine nicht ausreicht, da die Nachfolge notwendigerweise hinzutreten muss (10,21; vgl. die folgende Jüngerbeleh­ rung in 10,28–31). Die Nachfolge hinter Jesus, welche die Aufgabe aller Güter bedeutet, geht somit zwar über die Erfüllung des Gesetzes hinaus, steht dieser aber nicht entgegen, sondern schließt sie vielmehr ein. Auf eine solche inkludierende Beziehung zwischen der Hinwendung zu Jesus und der Einhaltung des Gesetzes deutet bereits die Erzählung in Mk 3,31– 35 hin. In ihr bestimmt der markinische Jesus nämlich das Kennzeichen seiner Familie anstelle einer leiblichen Abstammung mit dem Tun des Willens Gottes (3,35).173 Diese Definition lässt aber deutlich erkennen, das Zentrum, das sie innehat. Das Heil ist an die Gottesherrschaft gebunden, nicht an das Gesetz.“ 170  Vgl. dazu auch Dautzenberg, Jesus, 371f., der betont, dass ein grundsätzlicher Unterschied des Markusevangeliums zur Gesetzeskritik des Paulus darin bestehe, dass Markus das Gesetz als Weg zum Leben und zum Reich Gottes ansieht. 171  Zur Verbindung zwischen dem Gesetz und der Basileia vgl. auch Mk 12,34. Dass das Hi­ neingehen in die Basileia an das Tun des Willens Gottes gebunden ist, wird auch in Mt 7,21 geäußert. 172  Vgl. dazu, dass die Eingangsfrage nach dem Erbe des ewigen Lebens im Rahmen der Aus­ einandersetzung mit dem reichen Mann in Mk 10,23–25 dann mehrfach mit dem Motiv von der βασιλεία τοῦ θεοῦ fortgesetzt wird. 173  Matthäus bezeichnet das Tun des Willens Gottes noch deutlicher als Wesen des Jünger­ seins, indem er in Mt 12,49 berichtet, dass Jesus seine Hand über die Jünger ausstreckt. Jünger sind diejenigen, die die Gebote und Lehren Jesu hören und verstehen und Gottes Willen tun (12,50; zum Tun des Willens Gottes vgl. auch Mt 7,21; 21,31).

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dass der markinische Jesus sich und seine Gemeinschaft zu denen zählt, die das Wort Gottes hören und tun, und sich selbst dementsprechend eindeutig als gesetzestreu ansieht. In der Bindung an Jesus realisiert sich somit Markus zufolge auch die Erfüllung des Gesetzes. Daraus ergibt sich aber mit Blick auf die markinische Gemeinde Folgendes: Indem sie sich in der Nachfolge Jesu befindet, steht sie zugleich in dem rechten Gesetzesgehorsam, da Jesus in der Sicht des Markus das Gesetz nicht beseitigt, sondern neu ausgerichtet hat. Als integrale Bestandteile des Gesetzes nennt der markinische Jesus dabei häufiger wie in Mk 7,20–23174 ins­ besondere moralische Vorschriften wie die Dekaloggebote175 oder das Liebes­ gebot (vgl. 12,28–34), wobei von diesem Kriterium aus dann auch die übrigen Gesetzesanordnungen neu bestimmt werden. Die Auslegung des Gesetzes in einem primär ethisch-moralischen Sinn bedeutet andererseits aber auch bei ihm nicht etwa, dass er die Vorstellung der kultischen Unreinheit bzw. die Gesetzesbestimmungen vollständig verwirft, die rituelle Unreinheit betreffen und den Umgang mit ihr regeln:176 Innerhalb des Markusevangeliums wird der Komplex der rituellen Rein­ heit bzw. Unreinheit mehrfach im Rahmen von Heilungserzählungen aktualisiert. Dabei beseitigt der markinische Jesus mehrfach durch Hei­ lungen rituelle Unreinheit (vgl. vor allem Mk 1,40–45; 5,25–34; vgl. auch 174  In Mk 7,21f. führt der mk. Jesus zwölf verschiedene Taten und Haltungen an, von denen sich für die ersten sechs Handlungen mit der Reihe „Diebstahl (κλοπαί), Mord (φόνοι), Ehebruch (μοιχεῖαι)“ ein Anschluss an den Dekalog erkennen lässt (so auch Lambrecht, Jesus, 398; vgl. dazu auch die Zusammenstellung der vier Hauptvergehen: „stehlen, mor­ den, ehebrechen, falsch schwören“ in Jer 7,9, dagegen Booth, Jesus, 33). In Mt 15,19 wird diese Liste noch mehr an den Dekalog angepasst (vgl. Luz, Mt II, 426; Berger, Gesetzesaus­ legung, 391f.). 175  Vgl. dazu, dass der mk. Jesus in seiner Antwort an den reichen Mann Dekaloggebote auswählt, die auf soziale Verpflichtungen zielen (10,19). Innerhalb dieser sozialen Reihe nimmt er u.a. die in Mk 7,21f. genannten Vergehen „Diebstahl, Mord und Ehebruch“ in Form einer Verbotskette auf, ebenso das Gebot der Elternehrung aus Mk 7,10. 176  Vgl. aber zu einer weiteren Auseinandersetzung um rituelle Waschungen auch P.Oxy. V 840 (zum Text s. Aland, Synopsis, 219): Jesus wird von einem pharisäischen Hohepries­ ter gefragt, warum er und seine Jünger im Tempel herumgehen, ohne gebadet und ihre Kleidung gewechselt zu haben. Jesus antwortet: Der Pharisäer habe sich in Wasser gewa­ schen, in dem Hunde und Schweine waren, ebenso Prostituierte, während sich Jesus im Wasser des ewigen Lebens gewaschen habe. Miller, Intersection, 104–152, zufolge spiegelt P.Oxy. V 840 spätere christliche Anliegen wider und lässt keine Kenntnis der jüdischen Reinigungsriten mit deren genauen Praktiken erkennen. Zur Einordnung dieses Frag­ ments vgl. auch Bovon, Fragment; Kruger, Gospel.

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5,1–20). Innerhalb der Erzählung von der Reinigung eines Aussätzigen (1,40–45; vgl. 14,3) wird besonders hervorgehoben, dass die Berührung und Anrede des markinischen Jesus177 den Aussätzigen rein machen.178 Dennoch hält sich der markinische Jesus in diesem Rahmen an gängige Praktiken, nämlich an die Anordnungen des Mose, wenn er den geheil­ ten Aussätzigen damit beauftragt, sich dem Priester zu zeigen und ein Opfer für seine Reinigung darzubringen (1,44; vgl. Lev 14,2–32). Dabei be­ steht insofern kein Widerspruch zwischen der bereits durch den marki­ nischen Jesus hergestellten Reinigung und dieser Forderung nach einem entsprechenden Opfer, als der Priester im Zusammenhang dieses Opfers die bereits stattgefundene Reinigung feststellt.179 Dadurch wird die Re­ integration des ehemaligen Aussätzigen in die Gesellschaft ermöglicht.180 Darüber hinaus finden sich innerhalb der synoptischen Tradition weitere Belege, die deutlich erkennen lassen, dass der Zugang zum Heiligen181 ri­ tuelle Reinigung voraussetzt.182 Der markinische Jesus verneint somit zwar, dass Essen ohne vorheriges Hände­ waschen zu ritueller Unreinheit und damit zu Konsequenzen wie beispielswei­ se einem Ausschluss von reinen bzw. heiligen Dingen führt, nicht jedoch die Notwendigkeit eines solchen Ausschlusses von kultischen Dingen aufgrund

177  Von einem Wollen Jesu ist in der Jesusüberlieferung insgesamt nur fünfmal die Rede: Mk 1,41/Mt 8,3/Lk 5,13; Mk 14,36/Mt 26,39; Mt 23,37/Lk 13,34; Mt 15,32; Lk 12,49. 178  Vgl. dazu die gehäufte Verwendung der Reinigungsterminologie, und zwar den Gebrauch von καθαρίσαι (Mk 1,40); καθαρίσθητι (1,41); ἐκαθαρίσθη (1,42); περὶ τοῦ καθαρισμοῦ (1,44). In der Erzählung vom besessenen Gerasener (5,1–20) findet sich die Vorstellung vom „un­ reinen Geist“ (ἐν πνεύματι ἀκαρθάτῳ in 5,2 mit V. 8.13; vgl. daneben 1,23.26f.; 3,11.30; 6,7; 7,25; 9,25) und von den Schweinen als unreinen Tieren (5,13; vgl. 7,27; Mt 7,6; Lk 16,21 mit 15,15f.). Darüber hinaus klingen Reinheitsfragen auch in der Erzählung von der Hei­ lung der blutflüssigen Frau und der Auferweckung der Tochter des Jaïrus (Mk 5,21–43) mit der Berührung einer Frau, die an Blutfluss leidet (5,27; vgl. 1,41), und dem Berühren einer Toten (5,41) an. Anstelle der Reinheitsterminologie werden innerhalb der Erzählung von der Heilung der blutflüssigen Frau jedoch Begriffe gebraucht, die den Vorgang der Heilung bezeichnen (5,28f.34 mit V. 23). Zu diesen Erzählungen vgl. Kazen, Jesus, 89–198. 179  Vgl. dazu, dass Lev 14,7 auch in der Septuaginta und der jüdischen Exegese so verstan­ den wird, dass der Priester durch das Opfer nicht mehr reinigt, sondern die Reinigung feststellt. Durch eine solche Deutung soll offenbar eine Spannung zu der nach Lev 14,7a bereits stattgefundenen Reinigung vermieden werden (vgl. Vahrenhorst, Levitikon, 379). 180  Vgl. dazu den Ausschluss des Aussätzigen aus dem Lager (Lev 13,46) und dessen Zulas­ sung ins Lager nach der Reinigung (Lev 14,8). 181  Zum Heiligen vgl. auch die Bezeichnung Jesu als ὁ ἅγιος in Mk 1,24. 182  Vgl. dazu vor allem die Reinigung vor einem Tempelbesuch in Lk 2,22.

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von Unreinheit überhaupt, wie sie im Judentum des Zweiten Tempels weit ver­ breitet ist.183 1.3.3.2

Die Nähe der Auslegung des Gesetzes durch den markinischen Jesus zum hellenistischen Judentum Mit dieser auffälligen Betonung des moralischen Verhaltens reiht sich der mar­ kinische Jesus in eine breitere Strömung der Gesetzesauslegung innerhalb des Diasporajudentums ein.184 Dabei lässt sich auch für den provokanten Spruch in Mk 7,15 eine deutliche Nähe zum Diasporajudentum erkennen. Auch dort begegnet nämlich häufiger eine Gegenüberstellung von moralischer und ritu­ eller Unreinheit, in deren Rahmen jeweils strikt an der Bedeutung der morali­ schen Unreinheit festgehalten wird, wohingegen die der rituellen Unreinheit bisweilen deutlich eingeschränkt werden kann. Damit bieten diese Aussagen aber eine Erklärung dafür, warum der markinische Jesus als Gegenargument zu einer etwaigen Verunreinigung ritueller Art in Mk 7,14–23 auffälligerweise ge­ rade die besondere Gefahr der moralischen Unreinheit des Menschen anführt. So verwirft beispielsweise Philo das Konzept der kultischen Verunreinigung ebenso wenig185 wie offenbar der markinische Jesus (s.o. 1.3.2.1). Philo gibt der Reinheit der Seele als dem besseren Teil des Menschen jedoch den Vorrang.186 Die Unreinheit der Seele bewertet er im Vergleich zu der des Körpers als beson­ ders schlimme Form der Unreinheit.187 Dabei stellt Philo bisweilen ausdrück­ lich fest, dass moralisch-ethische Unreinheit deshalb eine besonders große Bedrohung ist, weil die durch moralische Vergehen hinterlassene Befleckung des Inneren des Menschen – anders als die Befleckung des Körpers – nicht einfach durch Waschungen beseitigt werden kann und daher dauerhafter ist.188 183  Ein Unreiner verunreinigt heilige Dinge (vgl. u.a. Num 19,20) und darf daher mit Opfern nicht in Berührung kommen. Er ist somit vom heiligen Tempel- bzw. Opferbezirk ausge­ schlossen (Jos. Ant. 9,155; Philo, Spec. 3,89; speziell für Trauernde: Philo, Mos. 2,231; für Menschen, die mehr Eigenliebe als Gottesliebe haben: Philo, Fug. 81) und darf nicht am Opfer teilnehmen (Jos. Bell. 6,426). 184  Zum Einfluss der Auslegung des Gesetzes im hellenistischen Judentum auf die Gesetzes­ interpretation bei Markus vgl. Yarbro Collins, Reception. 185  Vgl. Philo, Migr. 89; Spec. 3,63. 186  Vgl. Philo, Spec. 1,258. 187  Vgl. dazu Philo, Spec. 3,208f., wo die Unreinheit des Körpers und die der Seele in Verbin­ dung miteinander erwähnt werden: […] οὐκ ἐπὶ σώματος αὐτὸ μόνον ἱστάμενος, ἀλλὰ ἤθη καὶ τρόπους προσδιερευνώμενος ψυχῆς. ἀκάθαρτος γὰρ κυρίως ὁ ἄδικος καὶ ἀσεβής. Bereits Berger, Gesetzesauslegung, 465, bewertet diese Aussage Philos als nächste Parallele zu Mk 7,15. 188  Zur unterschiedlichen Art der Beseitigung der Unreinheit des Körpers und der Seele vgl. Philo, Spec. 1,258; vgl. dazu auch die untilgbaren Flecken des Mörders nach Spec. 3,89. Eine ganz ähnliche Argumentation findet sich bei Cic. Leg. 2,24.

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IIIC Auseinandersetzungen um rituelle Reinheitsvorschriften

Pseudo-Phokylides, ein hellenistischer Jude, stellt in seinen wahrscheinlich zwischen 30 v.Chr.–40 n.Chr. entstandenen189 Sentenzen die Seele und den Körper einander expressis verbis gegenüber: Ἁγνείη190 ψυχῆς, οὐ191 σώματος εἰσι καθαρμοί („Die Reinheit betrifft die Seele, nicht auf den Körper beziehen sich die Reinigungen“, Ps.-Phok. 228).192 Eine solche Höherbewertung der morali­ schen Reinheit vor ritueller Reinheit begegnet im Diasporajudentum – abge­ sehen von diesen Gegenüberstellungen zwischen der Reinheit der Seele und der des Körpers – auch in anderer Form, beispielsweise wenn das moralische Verhalten und rituelle bzw. kultische Praktiken einander kontrastiert werden. Dies findet sich ebenfalls vor allem bei Philo im Rahmen einer besonderen Betonung des ethisch-moralischen Sinns des Gesetzes. Dabei sind bei ihm zum Teil Aussagen überliefert, die scheinbar absolut formuliert sind. So kann Philo feststellen, dass Gott keine Freude an Opfern hat (ὁ θεὸς οὐ χαίρει, κἂν ἑκατόμβας ἀνάγῃ τις), sondern an frommer Gesinnung und an Männern, die einen frommen Lebenswandel führen (χαίρει δὲ φιλοθέοις γνώμαις καὶ ἀνδράσιν ἀσκηταῖς ὁσιότητος in Spec. 1,271). Das beste Opfer sei die Erfüllung der Gebote der Tugend (1,272).193 In ähnlicher Form wird im Aristeasbrief gefordert, Gott zu ehren, „aber nicht durch Gaben und Opfer, sondern durch die Reinheit der Seele und der frommen Auffassung“ (τοῦτο δ’ ἐστὶν οὐ δώροις οὐδὲ θυσίαις, ἀλλὰ ψυχῆς καθαρότητι καὶ διαλήψεως ὁσίας in Arist 234).194 Dabei schließen diese 189  So van der Horst, Sentences, 82f. Ausführlich zur Datierung der Sentenzen in das 1. Jh. v.Chr. bis 1. Jh. n.Chr. und deren Herkunft aus dem hellenistischen Judentum vgl. Wil­ son, Sentences, 3–13; zur Verankerung von Ps.-Phok. 228 im hellenistischen Judentum vgl. ebd., 71f. 190  So die Lesart in Cod. Baroccianus (B, 10. Jh.). Codex Parisinus (P, 12. Jh.) liest hingegen ἁγνεῖαι, welches dann als Subjekt, καθαρμοί als Prädikatsnomen zu verstehen ist: „Reinhei­ ten der Seele, nicht des Körpers sind die (wahren) Reinigungen“. Anders van der Horst, Sentences, 258, der ἁγνειῇ liest („Purifications are for the purity of the soul, not [for the purity] of the body“), aber zugibt, dass es keinen Textzeugen für diese Lesart gibt, sondern sie auf einer Konjektur von Ludwich, Spruchbuch, 23, basiert. Wilson, Sentences, 67, liest mit einer Konjektur von West: „Let there be purity of the soul where there are purifica­ tions of the body.“ In großer Nähe dazu steht Ps.-Epicharmos, Frg. 269: καθαρὸν ἂν τὸν νοῦν ἔχηις, ἅπαν τὸ σῶμα καθαρὸς εἶ. 191  Das οὐ ist in B und Cod. Vindobonensis (13./14. Jh.) überliefert. Varianten sind σου (Cod. Mutinensis, 10. Jh.) und τοῦ (P). 192  Möglich ist auch die Übersetzung mit „Die Reinigungen beziehen sich auf die Reinheit der Seele, nicht des Körpers“ (vgl. Walter, JSHRZ IV/3, 216 mit Anm. 228a). Zu Ps.-Phok. 228 als Parallele zu Mk 7,15 vgl. auch Berger, Gesetzesauslegung, 467. 193  Vgl. dazu, dass die Gegenüberstellung der Opfer der Gottlosen zum Gebet des Frommen aus Spr 15,8 auch in CD-A 11,21 aufgenommen wird; vgl. auch 1QS 9,4f. 194  Vgl. dazu auch, dass ein Verhalten, das Gott nicht die rechte Ehre gibt, umgekehrt eine verunreinigende Wirkung hat: μιανθέντες αὐτοὶ παντάπασι τῷ τῆς ἀσεβείας μολυσμῷ (Arist 166).

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Aussagen jedoch offensichtlich trotz ihrer exklusiven Formulierungsweise kul­ tische Vorschriften nicht generell aus, wie schon die ähnliche Formulierungs­ weise in Hos 6,6 zeigt.195 Auch Philo hält nämlich durchaus an Opfern fest und fordert dafür die Reinheit von Seele und Körper.196 Diese Formulierungen sind demzufolge am ehesten im Sinne einer höheren Gewichtung des moralischen Verhaltens gegenüber solchen Anordnungen zu verstehen, die in den Kontext des Kultes gehören. Eine ähnliche Auffassung lässt sich auch für den marki­ nischen Jesus feststellen. Er gibt nämlich ebenfalls einer Relativierung der Bedeutung der Opfer ausdrücklich Recht, und zwar wie in Hos 6,6 zugunsten einer Ausrichtung auf den Nächsten (Mk 12,33; vgl. auch 13,1f.). Dabei hat der Tempel jedoch grundsätzlich auch dem markinischen Jesus zufolge eine blei­ bende Bedeutung für das Gottesverhältnis, doch kann der gegenwärtige Tem­ pel diese nicht erfüllen (vor allem 11,15–19).197 Das Logion in Mk 7,15198 zeigt demzufolge sowohl mit dem Gebrauch von κοινόω als auch mit der Gegenüberstellung zwischen dem Brauch des rituellen Händewaschens und der moralischen Reinheit bzw. den moralischen Gebo­ ten wie sein Umfeld199 eine deutliche Nähe zum Diasporajudentum,200 wie sie sich bereits für Mk 2,15–17 erkennen ließ (s.o. IIIB 3.1.4, bes. 3.1.4.4). Dabei hält Markus mit der Erwähnung des Herzens in Mk 7,19.21 jedoch stärker als

195  Zum Verständnis von Hos 6,6 in einem relativen Sinne s.o. 1.3.2.1. Vgl. dazu auch die Er­ wähnung von Opfern in Arist 40.45.172. 196  Vgl. exemplarisch Philo, Spec. 1,257. Auch im Aristeasbrief wird grundsätzlich an der Forderung einer Reinheit des Körpers festgehalten (ἁγνοὶ καθεστῶτες κατὰ σῶμα καὶ κατὰ ψυχήν in Arist 139). 197  Vgl. dazu, dass der Tempel daher vor allem im Rahmen der Auseinandersetzungen des mk. Jesus in Jerusalem (11,1–13,37) durch das Haus und die familia Dei zurückgedrängt wird (vgl. Bosenius, Raum, 399–401, im Anschluss an Heil, Gray, Wenell). 198  Die in Mt 15,11b belegte Erwähnung des Mundes lässt speziell an eine Verunreinigung durch die Rede denken. Sie gehört ebenfalls zu der im Diasporajudentum ausgearbei­ teten Konzeption der moralischen Unreinheit (vgl. vor allem Philo, Decal. 93; Mut. 240), wohingegen sich in der rabbinischen Literatur keine Parallelen zu dieser Vorstellung fin­ den lassen (so Bill. I, 719f.). 199  Eine Nähe zum griechischsprachigen Judentum zeigt sich für Mk 7,1–23 auch mit dem Zitat nach der Septuaginta in Mk 7,7f. 200  Zur Herkunft von Mk 7,15 aus dem sogenannten hellenistischen Judentum vgl. vor allem Berger, Gesetzesauslegung, 465–467.469, wobei dieses Logion ihm zufolge ursprünglich selbständig überliefert wurde (463). Ähnlich für Mt 15,11 z.B. Luz, Mt II, 425. Dagegen Booth, dem zufolge der Spruch in Mk 7,15 im palästinischen Raum entstanden ist, da er von Anfang an Teil des vorliegenden Disputes sei, welcher aber in Palästina stattgefun­ den habe, da der Brauch des Händewaschens nur ein Brauch der Chaberim gewesen sei (Jesus, 89f.113f.).

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IIIC Auseinandersetzungen um rituelle Reinheitsvorschriften

etwa Philo an der biblischen Tradition fest,201 in welcher ausgehend von der altisraelitischen Anthropologie202 das Herz der Sitz des Denkens und Planens und damit der Willensentscheidung ist.203 Während sich die Gesetzesauslegung des markinischen Jesus demzufolge durchaus innerhalb des Diasporajudentums verankern lässt, bestehen hinge­ gen deutliche Unterschiede zur Gesetzespraxis, wie sie sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit beispielsweise für die Gesetzesbestimmungen zum Essen in 4QMMT und anderen Qumranschriften zeigte: Grundsätzlich interpretieren sowohl der markinische Jesus als auch die Gemeinschaft von Qumran die Gegenwart jeweils als unzureichend und prekär und fordern daher dringend eine Veränderung. Die beispielsweise hinter 4QMMT oder der Damaskusschrift stehende Gruppe stellt in die­ sem Rahmen die gegenwärtige Gesetzeserfüllung insgesamt in Frage und fordert ihre Zeitgenossen zu einer besonders genauen Beobachtung der Gesetze auf. Auch der markinische Jesus ruft zur Umkehr, und zwar ge­ nauer zur Nachfolge hinter seiner Person. Dabei vertritt auch er durchaus eine bestimmte Gesetzesauslegung und -praxis und beansprucht eben­ falls für sich, das Gesetz auf die richtige Weise zu erfüllen. Er wird je­ doch nicht etwa so geschildert, dass es sein primäres Ziel gewesen wäre, die Gesetzeserfüllung aller damaligen Juden durch besondere Gesetzes­ bestimmungen zu verschärfen. Im Zentrum der Gesetzesauslegung des markinischen Jesus steht zudem weniger die Frage, wie einzelne (vor allem rituelle) Gesetzesbestimmungen genau zu verstehen und konkret anzuwenden sind. Vielmehr fragt der markinische Jesus eher nach dem Sinn des Gesetzes als Ganzem. Die Gesetzesauslegung des markinischen Jesus und die der Gemeinschaft von Qumran unterscheiden sich dabei insbesondere im Hinblick auf die Frage, wie weit die jeweils angeführ­ ten Gesetzesanordnungen im Judentum des Zweiten Tempels insgesamt verbreitet sind. Anders als etwa 4QMMT und die Damaskusschrift führt der markinische Jesus nämlich nicht speziell nur bei ihm verbreitete und 201  Auch wenn Philo vor dem Hintergrund eines eher dichotomen Menschenbildes zumeist von einer Verunreinigung der Seele spricht, lässt sich die Vorstellung vom Herzen als Ort der Sünden auch bei ihm erkennen, wenn er feststellt, dass das Herz der Opfertiere nicht dargebracht wird, weil es mit Sünden in Verbindung steht (so Spec. 1,214f.). 202  In der biblischen Vorstellung ist das Herz weniger der Ort des Gefühls, sondern gehört in erster Linie mit dem Verstand zusammen, vgl. Fabry, ‫ ֵלב‬, 432–438; Krüger, Herz, 91–106. Vgl. auch z.B. Jub 22,18, wonach die Heiden kein Herz zum Nachdenken haben. 203  Vgl. dazu die enge Verbindung von οἱ διαλογισμοί mit dem Herz in Mk 7,21; vgl. vor allem Röm 1,21 mit dem Ausdruck ἡ ἀσύνετος αὐτῶν καρδία. Vgl. dazu auch Mk 6,52.

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damit gleichsam elitäre Sonderbräuche an, sondern moralische Anord­ nungen, die grundsätzlich bereits innerhalb der Mosetora genannt wer­ den und damit unter Juden allgemein üblich waren. Zudem praktiziert der markinische Jesus nicht einmal den offenbar im Judentum verbrei­ teten Brauch des Händewaschen, wohingegen für die Gemeinschaft von Qumran gerade spezielle rituelle Reinheitsgesetze zum Essen zentral sind. 1.4 Zusammenfassung Das Thema des Diskurses in Mk 7,1–23 besteht nicht aus einer generellen Ver­ hältnisbestimmung von verschiedenen Unreinheitsformen als solchen, näm­ lich der rituellen und moralischen Unreinheit. Vielmehr gibt diese Perikope speziell eine Antwort auf die Frage, welche Bedeutung das rituelle Hände­ waschen vor dem Essen für ein Leben nach dem Gesetz hat. Dabei lässt die von Markus mehrfach gebrauchte κοινός-Begrifflichkeit als zentrales Anliegen deutlich die Frage der Gesetzesübertretung erkennen, da diese Terminologie speziell für solche Dinge verwendet wird, bei denen Unreinheit mit einem Wi­ derspruch gegen das jüdische Gesetz verbunden ist. Mit Bezug auf Menschen wird sie entweder zur Degradierung von Nichtjuden oder aber – wie im vorlie­ genden Fall – von gesetzesuntreuen Juden gebraucht. Die Frage, ob Essen ohne vorheriges Händewaschen verunreinigt oder nicht, ist somit engstens verbun­ den mit der Frage, ob das Händewaschen ein jüdischer Brauch ist, durch dessen Nichtbeachtung man das Gesetz übertritt und damit ein schlechter Jude wird. Dabei wird die Praxis des Händewaschens (7,3) und dementsprechend eine Bewertung dieses Brauchs als Gesetzesvorschrift von Markus als im damaligen Judentum weit verbreitet dargestellt. Auch die Pharisäer rechnen die rituelle Vorschrift des Händewaschens zur Überlieferung der früheren Lehrer (vgl. 7,5) und sehen daher Speisen, die ohne vorheriges Händewaschen gegessen wer­ den, als etwas an, das den Menschen im Rahmen einer Gesetzesübertretung ri­ tuell unrein macht. Derjenige, der sich vor dem Essen nicht die Hände wäscht, wird demzufolge dadurch zu einem schlechten Juden. Damit bewerten die Pharisäer aber auch Jesus und seine Jünger als solche, die aufgrund des feh­ lenden Händewaschens selbst zu diesen schlechten Juden gehören. Einen sol­ chen Vorwurf weist der markinische Jesus strikt zurück. Dabei wendet er gegen die Position seiner Gegner ein, dass der rituelle Brauch des Händewaschens gar kein Gebot Gottes, sondern eine Menschensatzung ist, durch welche die Pharisäer umgekehrt das Gesetz Gottes auflösen (7,7–9.13). Dementsprechend verstoßen er und seine Jünger durch das Unterlassen des Händewaschens kei­ nesfalls gegen das Gesetz. Nachdem der markinische Jesus in Mk 7,1–13 die Gesetzesauslegung der Pharisäer heftig kritisiert hat, stellt er die konkrete

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Frage nach dem Brauch des Händewaschens in Mk 7,14–23 in den größeren Kontext der generellen Frage, was ein integraler Bestandteil des Lebens nach dem Gesetz ist. Dabei zeigt er durch die auffällige Argumentation mit dem Herz deutlich an, dass der Fokus bei der Auslegung des Gesetzes nach seiner Auffassung auf dessen moralischer Bedeutung liegen muss. Grundsätzlich hält er jedoch – wie vor allem der Gebrauch von κοινόω in Mk 7,15b.20.23 beweist – am Gesetz als Mittel für die Einteilung von Dingen und Menschen in gut und „gemein“ fest und bewertet das Leben nach dem Gesetz damit ausdrücklich als eine besondere Lebensweise, die der nicht am Gesetz orientierten Lebens­ form überlegen ist. Er teilt folglich mit den Pharisäern die Auffassung, dass ein Jude, der das Gesetz übertreten hat, als schlecht zu bewerten ist. Die Frage, ob jemand gesetzestreu ist oder nicht, entscheidet sich für den markinischen Jesus jedoch nicht am rituellen Brauch des Händewaschens vor dem Essen. Der markinische Jesus zählt sich selbst und die Gemeinschaft, die sich um ihn gruppiert, demzufolge mit zwei Argumenten zu den guten, gesetzestreuen Juden: zum einen mit der Begründung, dass der Brauch des Händewaschens gar keine Gesetzesvorschrift ist, zum anderen deshalb, weil er selbst und die ihm Nachfolgenden sich von moralischen Vergehen fernhalten. Durch diese wird der Mensch dem markinischen Jesus zufolge nun aber – anders als durch Speisen, die mit ungewaschenen Händen gegessen werden (7,19), – tatsächlich im Rahmen einer Gesetzesübertretung unrein (7,21–23). Gerade deshalb sind die moralischen Gebote ihm zufolge strikt einzuhalten, wie deren besondere Betonung innerhalb seiner Verkündigung signalisiert. 2

Die Reinheit des Tischgeschirrs (LkQ 11,37–41/MtQ 23,25f.)

Innerhalb der Kontroverse um das Händewaschen in Mk 7,1–23 weist der mar­ kinische Jesus eine rituelle Verunreinigung von Speisen durch fehlendes Hän­ dewaschen radikal zurück. Auch die Spruchquelle Q überliefert Worte Jesu, die eine vergleichbare Auseinandersetzung zwischen ihm und den Pharisäern erkennen lassen (Mt 23,25f./Lk 11,39–41). Sie finden sich jeweils in den soge­ nannten Weherufen gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten (Lk 11,39–52/ Mt 23,1–36). Im Zentrum dieser Sprüche steht die Reinigung des Tischge­ schirrs. Sie wird bereits in der hebräischen Bibel thematisiert (s.o. IIA 3.2) und im Judentum des Zweiten Tempels204 und innerhalb der rabbinischen Litera­

204  Vgl. dazu vor allem die Belege in den Schriften der Gemeinschaft von Qumran (s.o. IIC 3.3).

2 Reinheit des Tischgeschirrs ( Lk 11,37–41 )

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tur häufiger behandelt.205 Sie wird ferner in Mk 7,4 erwähnt. Zudem begegnet in diesen Sprüchen erneut der Gegensatz von Innerem und Äußerem, wel­ cher sich auch in Mk 7,14–23 als zentrales Argument des markinischen Jesus erkennen ließ. Dabei sieht Jesus den Weherufen zufolge ebenfalls das Innere als entscheidend an und wirft den Pharisäern vor, dass sie die Reinheit des Inneren vernachlässigen. Im Hinblick auf die genaue Bestimmung des Inneren unterscheiden sich die beiden synoptischen Versionen voneinander. Für die lukanische Fassung zeigt sich insofern eine besondere Nähe zu Mk 7,14–23, als in ihr wie in Mk 7,15.20f.23 ausdrücklich vom Inneren des Menschen die Rede ist (vgl. Lk 11,39). Matthäus erwähnt hingegen in Entsprechung zum Äußeren der Becher und Schüsseln das Innere des Tischgeschirrs (Mt 23,25f.). Die Ablehnung einer bloßen Reinigung des äußeren Bechers (Mt 23,25f.) In seinem fünften Weheruf lässt Matthäus Jesus als Begründung (vgl. ὅτι in Mt 23,25) für dessen Kritik an den Schriftgelehrten und Pharisäern anführen, dass sie das Äußere des Bechers und der Schüssel reinigen (καθαρίζετε τὸ ἔξωθεν τοῦ ποτηρίου καὶ τῆς παροψίδος), sie innen aber voll von Raub und Gier sind (ἔσωθεν δὲ γέμουσιν ἐξ ἁρπαγῆς206 καὶ ἀκρασίας). Die jeweils mit Bezug auf den Becher gebrauchte Rede von der Reinigung des Äußeren und Inneren lässt als Hintergrund eine konkrete Praxis der Pharisäer bei der Waschung von Gefä­ ßen erkennen. Dabei sind die Pharisäer in Bezug auf die Reinigung des Tisch­ geschirrs weit weniger streng als andere jüdische Gruppen.207 Anders als in 2.1

205  Zur Verunreinigung von Geschirr und Gegenständen vgl. die Materialsammlung bei Bill. I, 934–936. Vgl. daneben auch mZev 11,7; zu den genauen Forderungen beim Ablauf des Untertauchens mMiq 5,6; 6,2; 10,1. 206  Zu ἡ ἁρπαγή κτλ. vgl. vor allem Hebr 10,32; Lk 18,11; Mt 7,15; 1 Kor 5,10f.; 6,10. Wolter, Lk, 429.432, schlägt als Übersetzung „Raffgier“ vor; ähnlich Schürmann, Lk II, 312. 207  Vgl. dazu Furstenberg, der im Rahmen seiner Auslegung von Mt 23,25f. insbesondere die Differenz des Reinheitsverständnisses von Pharisäern und Sadduzäern betont (Control­ ling Impurity, 191f.). Dabei sieht er eine Parallele zwischen Jesu Kritik und der der Saddu­ zäer, u.a. aufgrund von deren Auffassung zur Unreinheit des Flüssigkeitsstrahls (s.o. IIC 3.4.2). Beide lehnen die von den Pharisäern vertretene Aufteilung eines Gegenstandes zum Zwecke der Eindämmung von Unreinheit ab. Eine wörtliche Deutung von Mt 23,25f. vertritt auch Neusner, Inside, dem zufolge dieses Q-Wort den Konflikt zwischen der Schule von Hillel und der von Schammai um die Frage nach der Reinheit von Gefäßen aufnimmt und dabei die schammaitische Position kritisiert (493f.); so auch erwogen von Schürmann, Lk II, 310 mit Anm. 26. Demgegenüber wird in der Forschung meist ein metaphorisches Verständnis vorgeschlagen (Davies/Allison, Mt III, 296; weitere Vertre­ ter bei Harb, Weherufe, 154f., die ein solches metaphorisches Verständnis auch selbst als wahrscheinlichste Deutung ansiehst), wobei Jesus die Praxis der Pharisäer verzeichne (Luz, Mt III, 336f.; Wolter, Lk, 432). Gegen eine Deutung des Bechers als Symbol für den

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IIIC Auseinandersetzungen um rituelle Reinheitsvorschriften

der hebräischen Bibel oder auch in der Gemeinschaft von Qumran, wo immer das ganze Gefäß unrein wird, nehmen die Pharisäer eine Unterscheidung zwi­ schen dem Inneren und Äußeren von Gefäßen vor.208 Sie reinigen ein Gefäß nämlich offenbar erst dann vollständig durch Waschung, wenn etwas Unreines auch mit dessen Innerem in Kontakt gekommen ist und dementsprechend an der Innenseite des Bechers eine Befleckung zurückgelassen hat. Für den Fall, dass ein Gefäß nur von außen durch etwas wie eine unreine Flüssigkeit ver­ unreinigt wurde, bewerten sie das Innere hingegen als unverändert rein. Sie wischen das Gefäß dann nur von außen ab, damit nicht etwa andere Speisen auf dem Tisch dadurch verunreinigt werden.209 Der Inhalt des Gefäßes muss dementsprechend aber nicht weggeworfen werden. Damit unterscheiden sich die Pharisäer von anderen Juden, die auch ein nur von außen verunreinigtes Gefäß vom Tisch entfernen, um es vollständig zu reinigen.210 Ihnen zufol­ ge reicht demnach ein bloßes Abwischen des Äußeren eines verunreinigten Gefäßes nicht aus, damit von diesem Gefäß keine Gefahr der Verunreinigung anderer Speisen ausgeht. Die bei den Pharisäern übliche Praxis des Abwi­ schens der Außenseite erscheint damit als eine zu oberflächliche Art der Rei­ nigung, die Reinheit des Äußeren nicht herstellen kann. Eine solche Position steht offenbar auch im Hintergrund der Kritik Jesu an der von den Pharisäern geübten Praxis. Entgegen der bei ihnen üblichen Trennung des Inneren vom Äußeren vertritt er eine enge Verbindung der Rei­ nigung des Inneren und Äußeren. Dabei fordert Jesus in Mt 23,26 gegen eine Beschränkung der Reinigung auf das Äußere des Bechers umgekehrt, den Aus­ gangspunkt bei der Reinigung des Inneren zu nehmen. Sie soll Priorität vor einer Reinigung des Äußeren haben. Näherhin setzt die Reinigung des Äuße­ ren Jesus zufolge offensichtlich die Reinigung des Inneren voraus. Die Pharisä­ er sollen nämlich das Innere des Bechers zuerst reinigen (καθάρισον πρῶτον τὸ

Menschen (so oftmals vertreten) spricht, dass Dinge wie Becher und Schüsseln nicht geschlossen sind. 208  Eine solche Unterscheidung zwischen dem Inneren und Äußeren von Gefäßen findet sich dann vor allem in rabbinischen Texten, bes. in mKel 25 (vgl. 25,1.3; daneben z.B. mHag 3,1 mit Bezug auf Priesterhebe im Gegensatz zu Opfern); zur alleinigen Verunreinigung des Äußeren vgl. vor allem mKel 25,6.8f. Ist ein Gefäß innen unrein, ist das ganze Gefäß un­ rein (25,6). Zur Frage nach einer Verunreinigung von Speisen und Getränken durch die Außenseite eines Gefäßes vgl. mToh 8,7. 209  Eine unreine Außenseite eines Gefäßes ist insofern eine Gefahr für andere Speisen, als durch sie eine Flüssigkeit verunreinigt wird, die an dieser Außenseite herabfließt, durch diese unreine Flüssigkeit dann jedoch der Tisch und die auf ihm stehenden Speisen unrein werden (vgl. tPar 8,2; SifZ zu Num 19,11). 210  So für Priester in tKel Baba Batra 3,7; vgl. auch 3,4.

2 Reinheit des Tischgeschirrs ( Lk 11,37–41 )

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ἐντὸς211 τοῦ ποτηρίου in 23,26), damit auch das Äußere des Bechers rein werde (ἵνα γένηται καὶ τὸ ἐκτὸς αὐτοῦ καθαρόν). Wird das Äußere eines Gefäßes dem­ zufolge aber nur dann rein, wenn auch das Innere gereinigt wird, so ist eine Reinigung des Äußeren Jesus zufolge nur dann möglich, wenn das ganze Gefäß durch Untertauchen gereinigt wird. Die Kritik Jesu besteht demzufolge aber nicht darin, dass die Pharisäer Reinigungsfragen zu streng beachten, sondern dass sie diese nicht ernst genug nehmen. Die enge Anknüpfung des Matthäus an einen speziellen Brauch der Phari­ säer lässt darauf schließen, dass er hier die ursprünglichere Version dieses für Jesus überlieferten Logions bewahrt.212 Dabei deutet jedoch bereits Matthäus durch die Bestimmung des Inhalts des Gefäßes mit Raub und Gier eine Verla­ gerung der Reinheitsfrage in den ethischen Bereich an. Zwar bleibt diese Rei­ nigung grundsätzlich auf das Tischgeschirr bezogen,213 doch klingen mit der Bestimmung des Inhalts des Geschirrs deutlich moralische Vergehen an. Dabei ist am ehesten daran zu denken, dass der Inhalt, d.h. das Essen, auf unredli­ che Weise erworben wurde.214 Damit bedeutet die Forderung zur Reinigung des Inneren des Bechers zugleich die Ermahnung zur Vermeidung ethischer Verfehlungen.215 Eine ähnliche moralische Zuspitzung findet sich auch in Mt 23,23 und im Anschluss an den Vergleich der Pharisäer mit übertünchten Gräbern (23,27). Dort bringt Jesus die Pharisäer nämlich ausdrücklich mit mo­ ralischen Verfehlungen in Verbindung, und zwar wiederum unter Betonung der Außen- und Innenperspektive (vgl. auch 23,27). Danach erscheint das Äu­ ßere der Pharisäer als gerecht (ἔξωθεν μὲν φαίνεσθε τοῖς ἀνθρώποις δίκαιοι), das Innere sei aber voller Heuchelei und Unrecht (ἔσωθεν δέ ἐστε μεστοὶ ὑποκρίσεως καὶ ἀνομίας in 23,28).

211  Vgl. den Gebrauch von ἐντός mit Genitiv: „innerhalb des Bechers, diesseits des Bechers“. 212  So aus sprachlichen Gründen auch Harb, Weherufe, 151f. 213  Vgl. dazu die Verwendung von γέμω mit Bezug auf die unmittelbar zuvor erwähnte Ver­ bindung aus Becher und Schüssel in Mt 23,25 und die Fortsetzung mit der von Jesus gefor­ derten Reinigung des Inneren des Bechers in Mt 23,26. 214  So z.B. Luz, Mt III, 337. 215  Die Bestimmung des Inhalts des Bechers mit Raub und Üppigkeit (Mt 23,25) lässt in Hin­ sicht auf die Forderung nach einer Reinigung des Inneren des Bechers daran zu denken, dass die Pharisäer diesen mit einem anderen, nämlich rechtmäßig erworbenen Inhalt füllen sollen. Vgl. zu einem solchen Verständnis, dass die Schüsseln in Mt 23,26 fehlen und hier nur noch von den Bechern die Rede ist, die eher als Schüsseln an ein metaphorisches Verständnis denken lassen.

636

IIIC Auseinandersetzungen um rituelle Reinheitsvorschriften

Die fehlende Notwendigkeit zu einer Beachtung der Reinheitsvorschriften als Konsequenz des Almosengebens (Lk 11,37–41) Anders als Matthäus liefert Lukas nähere Hintergrundinformationen zur Kritik Jesu am Verhalten der Pharisäer in Bezug auf die Reinigung des Tischgeschirrs. Lukas verortet den Spruch Jesu nämlich genauer im Kontext eines Gastmahls, zu dem ein Pharisäer Jesus einlädt (ἐρωτᾷ αὐτὸν Φαρισαῖος ὅπως ἀριστήσῃ παρ’ αὐτῷ).216 Jesus nimmt diese Einladung an und begibt sich zu Tisch, und zwar ohne vorher einen entsprechenden Reinigungsritus vollzogen zu haben. Lukas berichtet nämlich nach seiner bloßen Feststellung vom Hineingehen und Nie­ derlassen Jesu (εἰσελθὼν δὲ ἀνέπεσεν in 11,37),217 dass sich der Pharisäer, als er das sah, darüber wunderte, dass Jesus sich nicht zuerst vor dem Essen gewa­ schen hatte (ἐθαύμασεν ὅτι οὐ πρῶτον ἐβαπτίσθη πρὸ τοῦ ἀρίστου in 11,38).218 Um seine fehlende Waschung vor dem Essen zu begründen, stellt Jesus der Reinheit des Äußeren die Verdorbenheit des Inneren gegenüber, und zwar im Rahmen einer Anklage der Pharisäer (11,39). Diesen wirft er nämlich vor, dass sie sich um die Reinheit des Äußeren des Bechers und des Tellers kümmern (τὸ ἔξωθεν τοῦ ποτηρίου καὶ τοῦ πίνακος καθαρίζετε),219 jedoch ihr Inneres vernachlässigen, welches er deutlich als moralisch verdorben qualifiziert, wenn er feststellt, das Innere der Pharisäer sei voll beladen von moralischen Vergehen. Wie Matthä­ us mit Bezug auf das Geschirr (vgl. Mt 23,25), so führt auch Lukas innerhalb seiner Bestimmung des Inneren des Menschen als konkretes moralisches Ver­ gehen den Raub an (vgl. Lk 16,14f.), ergänzt aber die Bosheit (τὸ δὲ ἔσωθεν ὑμῶν γέμει ἁρπαγῆς καὶ πονηρίας in Lk 11,39).220 Mit einer solchen Vernachlässigung des Inneren zeigen die Pharisäer Jesus zufolge, dass sie unverständig sind (vgl. ἄφρονες in 11,40). Sie widerspricht Jesus zufolge nämlich der Tatsache, dass das Äußere und das Innere von Gott geschaffen wurden.221 Um dies zu betonen,

2.2

216  Zum Gebrauch von ἀριστάω in Lk 11,37 für „essen“ vgl. auch Joh 21,12.15; vgl. daneben auch ἄριστον in Lk 11,38. Als ἄριστον wird das Mahl am späten Vormittag oder Mittag benannt, im Gegensatz zu der mit δεῖπνον bezeichneten Abendmahlzeit. 217  Zum Gebrauch von ἀναπίπτω im Kontext des Essens vgl. Mk 6,40; Joh 13,12; vgl. auch Jdt 12,16. 218  Anders Booth, der ἐβαπτίσθη als Reinigung des ganzen Körpers deutet (Jesus, 23f.99. 200.218). Gegen eine Deutung als „untertauchen“ s.o. Einleitung zu 1. 219  Vgl. den Gebrauch von τὸ πίναξ in Lk 11,39 gegenüber ἡ παροψίς in Mt 23,25. 220  Zum Gebrauch von πονηρία vgl. auch Mk 7,22, dort allerdings im Plural. 221  Vgl. EvThom 89, wo Jesus fragt: „Weshalb wascht ihr die Außenseite des Bechers? Versteht ihr nicht, dass der, der die Innenseite geschaffen hat, auch der ist, der die Außenseite geschaffen hat?“ Für diesen Spruch legt sich am ehesten eine Abhängigkeit von Lk 11,40 nahe, und zwar insbesondere von der Textvariante in 𝔓⁴⁵ C D Γ 700 a c e, wo ebenfalls das Innere vor dem Äußeren erwähnt wird. So grundsätzlich auch Uro, Outside, 318, der

2 Reinheit des Tischgeschirrs ( Lk 11,37–41 )

637

identifiziert Jesus denjenigen, der das Äußere geschaffen hat, ausdrücklich mit demjenigen, der auch (vgl. καί) das Innere geschaffen hat.222 Schließlich for­ dert Jesus die Pharisäer konkret dazu auf, alles, was sie zur Verfügung haben,223 d.h. ihr Vermögen, als Almosen zu geben (πλὴν τὰ ἐνόντα δότε ἐλεημοσύνην in 11,41). Das Almosengeben stellt ein typisch lukanisches Motiv dar,224 sodass diese Ermahnung am ehesten vom Evangelisten stammt.225 In ihrem Zentrum liegt die Forderung nach einer radikalen Wendung im Lebenswandel der Pha­ risäer. Dies lässt sich vor allem daran erkennen, dass die Gabe von Almosen in unmittelbarem Gegensatz zum Raub aus Lk 11,39 steht. Die Pharisäer sollen somit das unrechtmäßig erlangte Vermögen zum Nutzen anderer weggeben. Wenn sie dies tun, d.h. Almosen geben und damit moralisch richtig handeln, ist ihnen alles rein (καὶ ἰδοὺ πάντα καθαρὰ ὑμῖν ἐστιν), d.h. dann müssen sie auch nichts anderes mehr beachten. Für den im Rahmen dieser Folgerung Jesu belegten Dativ ὑμῖν legt sich am ehesten eine Deutung als Dativus commodi nahe, d.h. als Dativ des Interesses, im Sinne von: „Und siehe, alles ist rein zu eurem Vorteil“, d.h. euch ist alles erlaubt, also auch das Essen ohne vorheriges Waschen.226 Diejenigen, die Almosen geben, haben somit den Vorteil, dass sie daneben aber auf die Möglichkeit hinweist, dass Lukas und Thomas auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen, und der vor allem eine Auslegung von EvThom 89 im Kontext des Thomasevangeliums anstrebt. 222  Vgl. dazu die zweimalige Verwendung von ποιέω mit Bezug auf dasselbe Subjekt in Lk 11,40, jedoch einmal mit dem Äußeren, einmal mit dem Inneren als Objekt: οὐχ ὁ ποιήσας τὸ ἔξωθεν καὶ τὸ ἔσωθεν ἐποίησεν. 223  So auch Wolter, Lk, 432. Demgegenüber ist eine Deutung von τὰ ἐνόντα als Inhalt des Bechers (so z.B. Schürmann, Lk II, 306.310.312) insofern wenig naheliegend, als hier anders als in Mt 23,25f. nicht vom Inneren des Bechers die Rede ist. 224  Vgl. vor allem Lk 12,33; daneben auch Lk 3,11; 6,30.33–35.38; 14,12–14; 18,22/Mk 10,21; Apg 9,36; 10,2.4.31; 20,35; 24,17. 225  So z.B. Harb, Weherufe, 151; Kloppenborg, Nomos, 38 Anm. 16. Weniger naheliegend ist demgegenüber eine Deutung, die als Grund für die Rede vom Almosen anstelle der eigentlich zu erwartenden Forderung nach einer Reinigung des Inneren einen Fehler bei der Übersetzung vom Aramäischen ins Griechische sieht (so vorgeschlagen von Schwarz, Almosen, der weitere Vertreter dieser Deutung nennt). 226  Im Hinblick auf die Dativfunktion von ὑμῖν wird in der Forschung häufig für eine Bestim­ mung als Dativ des Standpunktes (Kühner/Gerth, Grammatik II/1, §423,18b) plädiert, d.h. im Sinne von „für jmd.“, „vor jmd.“, „in jmds. Augen“, verwandt dem Dativus ethicus (vgl. BDR §192; Hoffmann/von Siebenthal, §176cd). Damit ergibt sich für Lk 11,41b folgendes Verständnis: „Alles ist rein nach eurem Urteil“, d.h. „dann gibt es aus eurer Perspektive keine unreinen Dinge mehr“ (so z.B. Wolter, Lk, 432). Im Fokus liegt dann die Bewertung der Dinge als unrein und rein, wie dies in Röm 14,14 durch τῷ λογιζομένῳ τι κοινὸν εἶναι ausdrücklich festgestellt wird (s.o. IIIA 2.3.1). Bei einer solchen Deutung steht jedoch die von Jesus in Lk 11,41 geforderte Perspektive geradezu im Widerspruch zum Standpunkt Jesu, wie Markus ihn in der vergleichbaren Auseinandersetzung in Mk 7,1–23 schildert.

638

IIIC Auseinandersetzungen um rituelle Reinheitsvorschriften

sich um Fragen der Reinheit nicht mehr kümmern müssen, wie es Jesus selbst mit der Vernachlässigung des Brauchs des Waschens vor dem Essen tut. Lukas baut demnach die bereits bei Matthäus angelegte ethische Tendenz deutlich aus. Die Kritik an der Reinheitspraxis der Pharisäer in Bezug auf die Reinheit von Gefäßen bedeutet jedoch offenbar insbesondere in der Spruch­ quelle Q ebenso wenig wie bei Markus, dass rituelle Unreinheit generell in Frage gestellt wird.227 Vielmehr wird das deutliche Missverhältnis zwischen der Sorgfalt, mit der sie ihre Ess- und Trinkgefäße reinigen, und ihren mora­ lischen Vergehen angeklagt. Gegen eine Außerkraftsetzung der rituellen Un­ reinheit bei Lukas spricht bereits, dass er ausdrücklich eine Analogie zwischen der Erschaffung des Äußeren und Inneren durch Gott herstellt. Daneben las­ sen sich selbst für die Formulierung in Lk 11,41 im Diasporajudentum Parallelen finden, die ähnlich strikt formuliert sind, jedoch keine grundsätzliche Aufhe­ bung der rituellen Reinheitsvorschriften bedeuten, sondern den Schwerpunkt auf moralischen Geboten gleichsam rhetorisch überspitzt zum Ausdruck brin­ gen (s.o. 1.3.3.2).

Der mk. Jesus verschiebt nämlich zwar die Grenzen zwischen Gesetzestreue und Geset­ zesbruch, hält aber grundsätzlich an der Einteilung der Dinge und Personen in rein und unrein fest. Dabei sieht er insbesondere moralische Verfehlungen weiterhin eindeutig als unrein und verboten an (s.o. 1.3). Weiter bleibt bei einer solchen Deutung unklar, inwie­ fern eine solche Veränderung der Bewertung von rein und unrein eine Konsequenz des Almosengebens ist. Für eine Deutung des ὑμῖν in Lk 11,41 als Dativ des Standpunktes wird häufig auf Tit 1,15 verwiesen. Auch dort legt sich jedoch anstelle des in der Forschung zumeist vertretenen Dativs des Standpunktes eher ein Verständnis als Dativus commodi nahe. Eine Deutung als Dativ des Standpunktes ist in Tit 1,15 insbesondere angesichts des ἀλλά-Satzes schwierig, da in einem solchen Fall unklar bleibt, inwiefern ein unreiner Sinn dafür von Bedeutung ist, dass die Unreinen nichts als rein, d.h. als erlaubt, bewerten. Bei einer Deutung des Dativs als Dativus commodi ergibt sich hingegen folgende Aussage: Alles ist rein zum Vorteil der Reinen, d.h. die Reinen brauchen sich um Unreinheit nicht zu kümmern und sind somit nicht an die Gebote gebunden (vgl. dazu die Ablehnung der Gebote in Tit 1,14). Weil sie eine reine Einstellung haben, ist nämlich alles, was sie tun, von sich aus rein. Die Unreinen und Ungläubigen haben hingegen diesen Vorteil nicht, sondern müssen auf Unreines achten. Weil ihr Sinn und Gewissen selbst schon unrein sind, d.h. sie eine falsche Einstellung haben, kann nämlich nichts, was sie tun, rein sein (vgl. 1,16). 227  Gegen Kloppenborg, Nomos, 38–40, der eine sehr grundsätzliche Infragestellung der ritu­ ellen Reinheitsgesetze für die Logienquelle annimmt (z.B. gegen Schulz); ähnlich Schür­ mann, Lk II, 312: „Der Liebende kennt keine levitische Unreinheit mehr.“ Dagegen spricht jedoch, dass das Reinheitsgesetz auch in LkQ 11,44/MtQ 23,27 als gültig aufgenommen wird, ebenso das Zehntgebot in Mt 23,23/Lk 11,42 (ähnlich Harb, Weherufe, 155f.159f., die in Lk 11,41 eine „Relativierung der kultischen Reinheitsgebote“ sieht).

teil iv Ergebnisse



Ergebnisse und Schlussfolgerungen mit Blick auf die bisherige Forschungsgeschichte Die vorliegende Arbeit legt die urchristlichen Diskurse zu grundlegenden Fragen des Essens vor dem Hintergrund vergleichbarer Essenspraktiken im jüdischen und paganen Bereich aus. Dabei führen eine entsprechende Durch­ sicht und Analyse der Schriften des antiken Judentums sowie der pagangrie­ chischen Schriften aus der Zeit des Hellenismus und der Kaiserzeit zu einem deutlich anderen und vor allem differenzierteren Bild, als in der Forschung bislang vertreten wird. Die bisherige Forschung ist insbesondere in folgenden zwei Punkten grundsätzlich zu korrigieren: Erstens lässt sich im Anschluss an eine genaue Untersuchung der im antiken Judentum und Urchristentum be­ legten Diskurse zum Essen festhalten, dass der Befund insgesamt deutlich facettenreicher ist, als zumeist angenommen wird. Dies gilt insbesondere für den Komplex der urchristlichen Praxis der Tischgemeinschaft. Gerade sie weist vielfache Übereinstimmungen sowohl mit jüdischen als auch mit paganen Bräuchen auf, die in der Forschung bislang nicht ausreichend wahrgenommen wurden. Dies gilt sowohl für die Auseinandersetzung zur Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern (s.u. 2.1) als auch für die Auseinandersetzungen zur Tischgemeinschaft mit Heiden (s.u. 4.2). Zweitens lässt eine genaue Ana­ lyse der urchristlichen Texte erkennen, dass die bei Juden üblichen Regeln des Essens im Urchristentum keineswegs grundsätzlich aufgelöst wurden, wie dies in der Forschung aber fast ausschließlich angenommen wird. Dies gilt sowohl für die Speisegebote als auch für die Tischgemeinschaftsregeln. Ein zusammenfas­ sender Überblick über die Rezeption der jüdischen Bräuche zum Essen in den verschiedenen urchristlichen Kreisen soll dies verdeutlichen. Dementspre­ chend werden die Untersuchungsergebnisse im Folgenden nicht mehr nach den entsprechenden Themenkomplexen zum Essen angeordnet, sondern nun in chronologischer Reihenfolge dargestellt, sodass sich auf diese Weise eine kurze Geschichte des Urchristentums, fokussiert auf Essensdiskurse, ergibt. Im Zentrum steht dabei die Frage nach der weiteren Geltung des Gesetzes. In dieser Hinsicht lässt sich festhalten, dass die verschiedenen Schriftengruppen zwar jeweils unterschiedliche Schwerpunkte in der Rezeption der breit gefä­ cherten jüdischen Essenspraktiken setzen, von einer generellen Auflösung der jüdischen Bräuche jedoch insgesamt nicht die Rede sein kann.

© koninklijke brill nv, leiden, 2019 | doi:10.1163/9789004391901_011

642 1

IV Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Keine grundsätzliche Auflösung der jüdischen Speisegebote für Judenchristen bei Paulus, aber bedingungslose Öffnung des Gemeinschaftsmahls für Heidenchristen durch eine Neudefinition der Kinder Gottes

Eine nähere Untersuchung der Diskurse zum Thema „Essen“ bei Paulus zeigt, dass er die jüdischen Speisegebote keinesfalls generell abschafft, wie es in der Forschung vielfach angenommen wird.1 Dies belegen zum einen die Texte, in deren Zentrum die jüdischen Speisegebote stehen, zum anderen aber auch die Auseinandersetzung zwischen Paulus und Petrus nach Gal 2,11–14, die in erster Linie die Frage der Tischgemeinschaft betrifft, jedoch in der Forschung zumeist mit dem Schwerpunkt auf den jüdischen Speisevorschriften ausgelegt wurde. Die Forderung bestimmter Speisevorschriften für Heidenchristen – zwischen notwendiger Enthaltung bei einer defizitären Erkenntnis der Einzigkeit Gottes und Rücksichtnahme auf judenchristliche Gemeindeglieder Die ausführliche Stellungnahme des Paulus zum Umgang mit Götzenopfer­ fleisch in 1 Kor 8,1–11,1 wird in der Forschung häufig so verstanden, dass Pau­ lus hier das in der jüdischen Tradition breit bezeugte Verbot des Verzehrs von Götzenopfern grundsätzlich abschafft. Mit der bei Paulus nicht erkennbaren rituellen Unreinheit des Götzenopferfleisches wird auch das Verbot des Göt­ zenopferfleisches an sich als nicht mehr gültig angesehen. Dabei resultiert die Annahme einer solchen Abschaffung des Götzenopferfleischverbotes auch für den Schwachen insbesondere daraus, dass man 1 Kor 8,7 nur im Sinne eines nachträglichen Gewissenskonfliktes deutet. Eine genaue Analyse der Argu­ mentation des Paulus zeigt jedoch, dass er zwar die Existenz von Götzen­ opferfleisch (10,19) verneint, das Götzenopferfleischverbot aber keineswegs grundsätzlich außer Kraft setzt. So ist ihm zufolge nicht nur eine Teilnahme an heidnischen Kultmählern in jedem Fall verboten (10,14–22), vielmehr ist auch der Genuss von Götzenopferfleisch bei anderen Gelegenheiten überhaupt nur unter der Bedingung erlaubt, dass der Betreffende die Erkenntnis von der Nichtexistenz der Götzen und damit von der Nichtexistenz von Götzenopfer­ fleisch besitzt. Für alle anderen fordert auch Paulus eine strikte Enthaltung 1.1

1  Vgl. dazu exemplarisch Heil, Speisegebote, bes. 304, der zu dem Ergebnis kommt, dass Paulus die Speisegebote ablehne, weil ihm zufolge der „Zweck der Speisegebote, die Reinheit und Heiligkeit des einzelnen und der Gemeinde“ bereits durch „Christus verwirklicht“ wurde (im Original hervorgehoben).

1 Paulus

643

von Götzenopferfleisch. Dies gilt gerade auch für Heidenchristen. Mit Blick auf denjenigen, dem diese Erkenntnis fehlt, liegen die Aussagen in 1 Kor 8,1–13 und Apg 15,20.29 dementsprechend weit weniger auseinander, als es in der Forschung oft vertreten wird. Eine Differenz besteht jedoch in der jeweils an­ genommenen Art der Verunreinigung, die sich der Essende durch den Genuss von Götzenopferfleisch zuzieht. Für den Bereich des Götzenopferfleisches lässt sich im Judentum des Zweiten Tempels deutlich die Tendenz der Verge­ genständlichung der Unreinheit und damit eine Entwicklung hin zu ritueller Unreinheit feststellen (vgl. vor allem JosAs), wie sie biblisch beispielsweise auf den Verzehr von Aas zutrifft. Nicht die Handlung des Götzendienstes, sondern die Götzenbilder bzw. das Götzenopferfleisch selbst verunreinigen durch phy­ sischen Kontakt (s.o. IIB 1.4.1.1). Eine solche Vorstellung hat sich offenbar in der austauschweisen Verwendung von ἀπέχεσθαι τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων und ἀπέχεσθαι εἰδωλοθύτων in Apg 15,20.29 niedergeschlagen (s.o. IIIA 3.1.2). Auch Paulus schreibt in 1 Kor 8,7 mit der Wendung ἡ συνείδησις αὐτῶν ἀσθενὴς οὖσα μολύνεται dem Essen(!) von Götzenopfern für den Fall eine verunreinigende Wirkung zu, dass es ohne die Erkenntnis von der Nichtexistenz der Götzen geschieht. Angesichts der Tatsache, dass das entsprechende Fleisch ihm zufol­ ge offensichtlich keine allgemein verunreinigende Wirkung hat, verbleibt Pau­ lus jedoch eher innerhalb der biblischen Vorstellung von einer moralischen Verunreinigung durch Götzendienst, welchen er nur dann vorliegen sieht, wenn die essende Person von der Existenz der Götzen ausgeht (s.o. IIIA 1.2.3, vor allem 1.2.3.3). In Röm 14,1–23 lässt sich für den Umgang des Paulus mit den jüdischen Speisegeboten zwar eine gewisse Freiheit feststellen, doch löst er die Gel­ tung der Speisevorschriften für Judenchristen gerade nicht grundsätzlich auf. Vielmehr betont er, dass die Entscheidung über eine Erlaubnis oder ein Ver­ bot der entsprechenden Speisen davon abhängt, ob sich der Einzelne dem Gesetz noch verpflichtet fühlt oder nicht, d.h. ob er die umstrittenen Speisen als „gemein“ ansieht (14,14b) oder alle Speisen als grundsätzlich rein bewertet (14,20). Wer sich dementsprechend wie die Schwachen noch an das Gesetz ge­ bunden fühlt, auf den haben die durch das Gesetz verbotenen Speisen – darin gibt Paulus den Schwachen grundsätzlich Recht – durchaus eine verunreini­ gende Wirkung (s.o. IIIA 2.3.1). Dementsprechend wirkt Paulus in Bezug auf solche gesetzestreuen Judenchristen keineswegs auf eine Aufgabe der Speise­ gebote hin, wobei der Konfliktpunkt am ehesten in den in Lev 11,1–23.29–47/ Dtn 14,3–21 überlieferten Verboten bestimmter Tiersorten liegt (s.o. IIIA 2.4.3). Die Heidenchristen werden umgekehrt nicht grundsätzlich auf eine Einhal­ tung der jüdischen Speisegebote verpflichtet, sollen sich aber aus Rücksicht von den Speisen enthalten, die für die schwachen Judenchristen verboten sind,

644

IV Ergebnisse und Schlussfolgerungen

um dadurch ein Miteinander zu gewährleisten, dem auch die Judenchristen zustimmen können. Der Konflikt mit Petrus in Antiochia – keine Auseinandersetzung um die bloße Frage nach der Geltung der Speisegebote, sondern um unterschiedliche ekklesiologische Modelle In der Forschung wird auch der Anlass für die Auseinandersetzung zwischen Petrus und Paulus in Antiochia (Gal 2,11–14) zumeist in den jüdischen Speise­ vorschriften gesehen, und zwar konkreter in der Frage, ob Judenchristen die jüdischen Speisegebote weiterhin strikt einhalten und damit auch als Chris­ ten ihre jüdische Identität zumindest teilweise bewahren sollen oder nicht. Demnach fordern die Gegner des Paulus, insbesondere die Jakobusleute, dass die Heidenchristen ebenfalls für Juden verbotene Speisen vermeiden sollen, wobei als Grund häufig die bloße Rücksicht auf die Judenchristen angenom­ men wird. In diesem Rahmen wird Gal 2,11–14 zumeist konkret mit dem von Jakobus stammenden Aposteldekret (Apg 15,20.29) in Verbindung gebracht. Eine genaue Untersuchung der Darstellung des Konfliktes selbst und seines engeren Kontextes zeigt jedoch, dass eine solche Deutung sowohl mit gene­ rellen Problemen verbunden ist (s.o. IIIA 3.3.2) als auch von den Signalen des vorliegenden Textes her wenig plausibel erscheint (s.o. IIIB 2.2.3). So wird der Komplex der jüdischen Speisevorschriften allein über die Aussage des gemein­ samen Essens von Judenchristen mit Nichtjuden in den Text hineingelesen. Eine Beschränkung des Gesetzes auf Speisevorschriften wird nämlich von Pau­ lus im Umfeld von Gal 2,11–14 selbst nicht genannt, sondern vielmehr themati­ siert er in Gal 2,15–21 die grundsätzliche Frage nach der Geltung des Gesetzes, und zwar mit Blick auf das Verhältnis zu Gott. Paulus gebraucht sowohl inner­ halb der Darstellung des Verhaltens des Petrus (2,12) als auch in seiner Reak­ tion darauf (2,18) die alttestamentlich-jüdische Tradition von der Abgrenzung der Juden als Volk Gottes von den Nichtjuden mithilfe des Gesetzes. Diese Abgrenzung kommt mit Blick auf die Heidenchristen einem gewissen Aus­ schluss aus der Gruppe gleich, der sich die Judenchristen selbst zurechnen, d.h. aus dem Volk Gottes bzw. den Kinder Abrahams. Im Hintergrund steht somit offenbar die antike Praxis vom Gemeinschaftsmahl im engeren Sinne, bei der die Frage, wer am Mahl teilnehmen darf, die Grenzen der Gemein­ schaft überhaupt definiert. 1.2

Auf die Praxis des Gemeinschaftsmahls greift Paulus auch in 1 Kor 5,11 im Rahmen seiner Ermahnungen zum Umgang mit dem in Korinth aufgetretenen Unzuchtsfall (5,1–13) zurück. Dabei ist Unzucht Paulus zufolge mit der Zugehörigkeit zur Gemeinde Jesu Christi unvereinbar,

1 Paulus

645

deren Mitglieder den Willen Gottes erfüllen und das Heil erlangen (vgl. 6,9f.). Folglich darf der Unzüchtige nicht an den Treffen der Gemeinde teilnehmen, deren zentraler Bestandteil – wie für antike Gruppen weit verbreitet – die gemeinsame Mahlzeit der Gruppenmitglieder ist. Tisch­ gemeinschaft ist somit nicht etwa eine losere Form des Kontakts als der Umgang innerhalb der Gemeinde, wie es in der Forschung zumeist ge­ deutet wird, sondern steht par excellence für diesen Umgang (s.o. IIIB 1.3.4). Das strikte Verbot von Tischgemeinschaft ist dementsprechend eine konkrete Maßnahme, durch die moralisch verdorbene Menschen, die nicht zur Heilsgemeinschaft gehören sollen, auch tatsächlich aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Aus dieser Praxis des Gemeinschaftsmahls als Hintergrund von Gal 2,11–14 ergibt sich mit Blick auf das Verhalten des Petrus Folgendes: Sein vorheriges Essen mit den Heidenchristen bedeutet deren vollwertige Zugehörigkeit, sein Rückzug umgekehrt, dass die Heidenchristen nicht in derselben Weise zu den Kindern Gottes gehören, wie es die Judenchristen für sich selbst in Anspruch nehmen. Gerade ein solcher Hintergrund kann sowohl die äußerst heftige Reaktion des Paulus und den scharfen Ton (2,11.14) als auch die unmittelba­ re Fortsetzung in Gal 2,15–21 gut erklären. Paulus argumentiert dann nämlich nicht etwa gegen Bestimmungen wie die des Aposteldekrets, sondern gegen eine Bewertung des Gesetzes als Kennzeichen der Kinder Gottes und die da­ raus folgende Einstufung der Heidenchristen als Kinder Gottes „zweiter Klas­ se“ (s.o. IIIB 2.3.3). So hat das Gesetz für Paulus seine abgrenzende Bedeutung zwischen denen, die zur Gemeinschaft der Kinder Gottes gehören, und denen, die nicht dazugehören, vollständig verloren. Die Funktion des Gesetzes als Bestim­mungsmerkmal der Kinder Gottes ist ihm zufolge vielmehr auf Chris­ tus übergegangen. Dementsprechend ist für ihn nun der Glaube das einzige Identitätskennzeichen der Kinder Gottes. Eine solche Überzeugung äußert Pau­ lus innerhalb des Galaterbriefes mehrfach. In Gal 3,26f. stellt er zum Beispiel explizit fest, dass die Integration in die Gemeinschaft der Kinder Gottes allein über den Glauben an Christus bzw. die Taufe erfolgt. Für die Gruppenidentität der Kinder Abrahams spielt die Differenz zwischen Juden und Griechen daher Paulus zufolge keine Rolle mehr (3,28; vgl. auch 5,6; 6,15; 1 Kor 12,13). Damit gehört der antiochenische Zwischenfall aber weniger mit dem Aposteldekret als vielmehr mit der grundsätzlichen Frage des Apostelkonventes (Gal 2,5) und der aktuellen Auseinandersetzung in Galatien zusammen. Zugleich besteht eine Themenüberschneidung mit Apg 10,1–11,18 (s.o. IIIB 4.4.1). Diese beiden Traditionen könnten demzufolge durchaus auf ein historisches Ereignis zu­ rückgehen, in dessen Zentrum eine Auseinandersetzung unter Betei­ligung von

646

IV Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Petrus um die Frage der Tischgemeinschaft von Juden mit Heiden im Rahmen der Hinwendung zu Christus stand. 2

Eine andere Bestimmung der Funktion der Tischgemeinschaft und eine Ablehnung des Händewaschens, aber keine Auflösung der nach Lev 11/Dtn 14 verbotenen Tiersorten bei Markus

Auch aus der Rezeption der Jesustradition bei Markus und in der Spruchquelle Q lässt sich eine Aufhebung der nach Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 verbote­ nen Tiersorten keineswegs herleiten. Im Zentrum der bei Markus und in der Logienquelle überlieferten Auseinandersetzungen zum Essen, in denen Jesus als handelnde Person auftritt, stehen Fragen der Tischgemeinschaft mit Zöll­ nern und Sündern (Mk 2,15–17/Mt 9,10–13/Lk 5,29–32; LkQ 7,33–35/MtQ 11,18f.; LkS 15,2; 19,1–10) und rituelle Vorschriften zum Essen (Mk 7,1–23/Mt 15,1–20; LkQ 11,39–41/MtQ 23,25f.), wohingegen die jüdischen Speisegebote nicht pro­ blematisiert werden. Das Mahl Jesu mit Zöllnern und Sündern – eine generelle Frage des sozialen Status, kein Streit über jüdische rituelle Reinheitsvorschriften In Mk 2,15–17 schildert Markus knapp eine Auseinandersetzung zwischen Jesus und den Pharisäern zur Frage der Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern. Dabei ist Tischgemeinschaft in der Auffassung der Pharisäer, wie Markus sie darstellt, zwar nicht auf Gruppenmitglieder, aber offenbar auf solche Juden zu beschränken, die gerecht sind. Das gemeinsame Essen setzt ihnen zufolge dementsprechend voraus, dass das Gegenüber sich ebenso gut am Willen Gottes orientiert, wie sie selbst es für sich in Anspruch nehmen. In der Forschung wird die Kritik an einem Mahl mit Zöllnern häufig in Analo­ gie zur Tischgemeinschaft mit den Heiden und zumeist vor dem Hintergrund einer rituellen Unreinheit der Zöllner gedeutet. Demgegenüber lässt eine genauere Untersuchung dieser Tradition Folgendes erkennen: Der Grund für die Kritik der Pharisäer an der Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern besteht darin, dass es sich bei einem solchen Mahl um das gemeinsame Essen mit moralisch verdorbenen Menschen handelt, welches ihnen zufolge strikt zu vermeiden ist. Die Zöllner sind nämlich Juden, mit denen in der urchrist­ lichen Literatur in erster Linie moralisch falsche Handlungen wie Betrug as­ soziiert werden. Enger gesellschaftlicher Kontakt wie die Gemeinschaft beim gemeinsamen Essen birgt damit aber die Gefahr der moralischen Verschlech­ terung von bislang guten Menschen. Im Rahmen dieses Kontakts üben die

2.1

2 Markus

647

moralisch verdorbenen Leute geradezu zwangsläufig einen schlechten Ein­ fluss aus, durch welchen die Guten falsche Verhaltensweisen übernehmen, die dann auch deren weiteres Handeln grundsätzlich (d.h. auch abgesehen vom Kontext der Tischgemeinschaft) bestimmen.2 Eine gleichsam ansteckende ri­ tuelle Unreinheit der Zöllner lässt sich für die entsprechenden urchristlichen Texte hingegen nicht erkennen. Damit unterscheidet sich die Ablehnung einer Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern aber deutlich von der Vermei­ dung der Tischgemeinschaft mit Heiden nach Apg 10,1–11,18. Dort wird die Ablehnung der Tischgemeinschaft und des engeren Kontakts mit Heiden ins­ gesamt nämlich tatsächlich aus deren physisch übertragbarer Unreinheit ab­ geleitet und mit dieser eingeschärft (10,28; 11,3). Jesus weist nach der Darstellung in den unterschiedlichen Überlie­ferungs­ strängen die Gefahr der moralischen Verschlechterung seiner eigenen Person und seiner Gemeinschaft radikal zurück. Stattdessen schreibt er seiner Mahl­ gemeinschaft mit Zöllnern und Sündern sogar umgekehrt eine zentrale Bedeu­ tung für deren moralische Besserung zu, wie der Arztspruch in Mk 2,17 (s.o. IIIB 3.1.3.1) oder das Wort vom Suchen und Retten des Verlorenen in Lk 19,10 (s.o. IIIB 3.3.2) zeigen. Näherhin lässt sich die Tradition der Tischgemeinschaft Jesu mit den Zöll­ nern und Sündern im Hinblick auf ihre traditionsgeschichtliche Herkunft auf eine vollkommen neue Basis stellen. Ein Vergleich mit Beschränkungen zur Tischgemeinschaft im jüdischen und paganen Bereich führt zu dem Ergebnis, dass sowohl die von den Gegnern Jesu vertretene Auffassung zu einem Mahl zwischen Statusgleichen als auch die Sichtweise des markinischen Jesus selbst aus der Tradition zum Symposium stammen.3 Auch für das griechisch-römi­ sche Symposium gilt nämlich grundsätzlich folgende Regel: Weil sich im Mahl selbst eine enge Gemeinschaft ereignet, ist es nicht allgemein, sondern nur für jene Personen offen, zu denen man eine so enge Gemeinschaft hat oder haben soll. Dabei wird bisweilen von den Mahlgenossen ausdrücklich eine einwand­ freie moralisch-ethische Beschaffenheit als Voraussetzung für das gemeinsame Essen gefordert (s.o. IIB 2.2.1.3c). In der bisherigen Forschung zum Symposium hat gerade dieses Motiv, anders als die vielfach betonte zentrale Bedeutung von Freundschaft und Gemeinschaft, keine ausreichende Berücksichtigung gefunden. Diese Bewertung des Symposiums als Angelegenheit von Personen, 2  In einem solchen Fall drohen auch den vormals Guten negative Folgen, etwa die Bestrafung mit dem Ausschluss aus der Gottesherrschaft (vgl. abgesehen von der Betonung der morali­ schen Gebote durch den mk. Jesus auch 1 Kor 6,9f.). 3  Zum Symposium als Hintergrund der Tradition der Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern vgl. auch das Motiv der Freundschaft in LkQ 7,34/MtQ 11,19 (s.o. IIIB 3.2).

648

IV Ergebnisse und Schlussfolgerungen

deren moralischer Status gleich gut ist, hat offenbar auch im Judentum Auf­ nahme erfahren, wie die in Sir 9,16 überlieferte Forderung einer Beschränkung der Tischgemeinschaft auf Gerechte erkennen lässt (s.o. IIIB 3.1.4.1). Daneben findet sich innerhalb der Symposiumstradition auch die vom markinischen Jesus vertretene Überzeugung von einer therapeutischen Tischgemeinschaft (s.o. IIIB 3.1.4.2). Offensichtlich werden in Mk 2,15–17 demzufolge Motive aus der Tradition vom griechisch-römischen Symposium auf die Mahlpraxis Jesu übertragen. Aus diesem Befund ergibt sich dann aber Folgendes: Markus stellt sowohl Jesus als auch die Pharisäer eindeutig vor einem hellenistischen Hin­ tergrund dar. Damit erscheinen die Pharisäer in Mk 2,16 nicht etwa in einem speziellen jüdischen Kontext als solche, die die Einhaltung bestimmter rituel­ ler Reinheitsvorschriften fordern. Der Konflikt um die Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern ist dementsprechend generell keine Diskussion um die Einhaltung spezieller jüdischer Vorschriften zum Essen, sondern eher eine Frage des sozialen Status. Dabei hebt der markinische Jesus mit der von ihm mit Zöllnern und Sündern praktizierten Tischgemeinschaft die soziale Ausgrenzung dieser Personengruppen aufgrund ihrer moralischen Verdorbenheit auf. Mk 7,1–23 – ein Bruch mit dem bei Juden weit verbreiteten Brauch des Händewaschens, aber keine Auflösung der rituellen Reinheitsvorschriften oder gar des Gesetzes insgesamt Die Kontroverse zur Praxis des Händewaschens vor dem Essen in Mk 7,1–23 ist, anders als es in der Forschung häufig angenommen wird, keine Auseinander­ setzung zu elitären Sonderbräuchen, wie es beispielsweise auf die Gesetzesbe­ stimmungen in 4QMMT zutrifft. Innerhalb dieser Auseinandersetzung treten zwar die Pharisäer als Gegner Jesu auf, wie es im Markusevangelium mehrfach geschieht. Dennoch ist das Händewaschen vor dem Essen kein speziell von den Pharisäern gelehrter und praktizierter Brauch, mit dem sie für sich im Ge­ gensatz zu den Jüngern Jesu eine besonders genaue Gesetzeserfüllung etwa in Analogie zu Tempelpriestern beanspruchen würden. Gegen eine solche in der Forschung vielfach vorgeschlagene Deutung (vgl. vor allem Neusner und Sanders) spricht insbesondere, dass das Händewaschen in Mk 7,3 ausdrücklich als ein in dieser Zeit unter Juden allgemein verbreiteter Brauch gekennzeich­ net wird (s.o. IIIC 1.2). Der markinische Jesus weicht somit durch die Missach­ tung des Händewaschens in seiner Gesetzesauslegung und -praxis nicht nur von der Auffassung der Pharisäer, sondern von der vieler anderer Juden ab.4 Dabei werfen die Pharisäer dem markinischen Jesus und seinen Jüngern zwar vor, durch das fehlende Händewaschen gegen das Gesetz zu handeln, doch 2.2

4  So in der Forschung selten, vgl. aber z.B. Stemberger und Kazen.

2 Markus

649

lässt die Antwort des markinischen Jesus eindeutig erkennen, dass er sich und seine Nachfolgegemeinschaft den gesetzestreuen Juden zuordnet. Dies zeigt insbesondere der Gebrauch der κοινός-Terminologie durch den markinischen Jesus. Sie impliziert nämlich grundsätzlich eine besonders positive Sichtwei­ se auf das Gesetz, was in der Forschung angesichts der verbreiteten Deutung als bloßer Unreinheitsausdruck nicht ausreichend wahrgenommen wird (s.o. IIIC 1.3.1). Zudem spiegelt die vom markinischen Jesus seinerseits an die Pha­ risäer gerichtete Anschuldigung, sie würden das Gesetz Gottes aufheben (7,8f.; vgl. 7,13), den Anspruch wider, dass er selbst es gerade nicht auflöst. Darüber hinaus setzt der markinische Jesus offenbar die von Mose vermittelten jüdi­ schen Speisegebote keineswegs grundsätzlich außer Kraft. Auch der Erzäh­ lerkommentar in Mk 7,19fin bezieht sich nämlich kaum auf die jüdischen Speisegebote nach Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21, wie es in der Forschung je­ doch häufig angenommen wird. Eine solche Deutung würde einen radikalen Bruch mit der gesamten Argumentation des markinischen Jesus darstellen (s.o. IIIC 1.3.2.2). Dabei bestimmt er das Leben nach dem Gesetz inhaltlich zwar anders, indem er das Kriterium vom Händewaschen auf moralische Anordnungen verschiebt. Trotz dieser besonderen Betonung der ethischen Gesetze sind die Ausführungen des markinischen Jesus in Mk 7,14–23 jedoch nicht im Sinne einer generellen Auflösung der rituellen Gesetzesvorschriften5 oder gar des Gesetzes insgesamt zu verstehen. Im Hinblick auf eine gesetzesfeindliche Konstruktion der Theologie des Markusevangeliums, wie sie in der Forschung häufig aus Mk 7,15 gewonnen wird, ist somit festzuhalten, dass sie weder diesem Spruch noch Mk 7,1–23 ins­ gesamt gerecht wird. Dort lehnt der markinische Jesus nämlich nicht etwa ein Leben nach dem Gesetz ab. Er bestreitet vielmehr speziell, dass die zwar weit verbreitete, aber im Vergleich zum Mosegesetz deutlich jüngere Forderung der Vorfahren nach einer Reinigung der Hände vor dem Essen ein allgemeines Identitätszeichen für das Leben nach dem Gesetz ist, welches grundsätzlich gerade auch nach seiner eigenen Auffassung einzuhalten ist. Mit dieser be­ grenzten Gesetzeskritik lässt sich Mk 7,1–23 jedoch gut als innerjüdische Debatte zu Reinheitsvorschriften verstehen.

5  Mit den in Mk 7,15–23 mehrfach belegten κοινόω-Wendungen bringt der mk. Jesus nicht etwa zum Ausdruck, dass die rituellen Bräuche insgesamt im Hinblick auf die Frage, ob jemand „gemein“ bzw. „unrein“ wird, eine geringere Bedeutung als moralische Vergehen haben, son­ dern schließt eine solche Wirkung speziell für Speisen aus, die ohne Händewaschen geges­ sen werden: Nicht diejenigen, die sich nicht die Hände waschen, sind gesetzesuntreue und damit schlechte Juden, sondern diejenigen, die moralische Vergehen verüben (dazu s.o. IIIC 1.3.2.1).

650 3

IV Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Keine Auflösung der grundlegenden Speisegebote für Judenchristen nach Lev 11/Dtn 14 und die Verpflichtung der Heidenchristen auf universale Verbote bei Lukas

Die Reflexion der Ereignisse zur Bekehrung des Cornelius und des Apostelkon­ vents durch Lukas am Ende des 1. Jh. n.Chr. lässt insgesamt folgende urchrist­ liche Praxis zu jüdischen Essensvorschriften erkennen: An der Gültigkeit des Mosegesetzes für Judenchristen wird festgehalten, sodass auch die zentralen Speisegebote für Judenchristen keineswegs grundsätzlich außer Kraft gesetzt werden. Eine Verpflichtung der Heidenchristen auf das jüdische Gesetz oder dessen Teile wird jedoch umgekehrt nicht gefordert, sondern lediglich die Ein­ haltung von solchen Geboten, die eine prinzipielle Voraussetzung für die Ver­ ehrung Gottes sind. Das gemeinsame Mahl zwischen Petrus und Cornelius – keine Auflösung der jüdischen Speisegebote nach Lev 11/Dtn 14, sondern Abschaffung der strikten Unterscheidung zwischen Juden und Heiden (Apg 10,1–11,18) Im Rahmen der Erzählung von der Bekehrung des Cornelius (Apg 10,1–11,18) wird innerhalb der Vision des Petrus mehrfach die in Lev 11,1–23.29–47/ Dtn 14,3–21 formulierte Unterscheidung der Juden zwischen reinen und un­ reinen Tiersorten erwähnt (vgl. bes. Apg 10,14; 11,8). Vor diesem Hintergrund wird das zentrale Problem der Erzählung häufig in der Frage gesehen, ob die jüdischen Speisevorschriften für Judenchristen weiter gelten oder nicht. Eine detaillierte Analyse zeigt jedoch, dass eine solche Auslegung, die eine Relati­ vierung oder gar Aufhebung der jüdischen Speisevorschriften als Skopus des Textes annimmt, nicht den Kern der Auseinandersetzung trifft. Innerhalb des Erzählteils, in dem über das Zustandekommen des Mahls ausführlicher berichtet wird, spielen die Speisevorschriften nämlich keinerlei Rolle. Es wird auffälligerweise nicht berichtet, dass Petrus diese tatsächlich übertreten hat, obwohl er es ja bei einem wörtlichen Verständnis der Vision augenscheinlich dürfte. Die Vision des Petrus, in der er aufgefordert wird, nicht mehr zwischen reinen und unreinen Tieren zu unterscheiden, hat demzufolge aber offenbar in erster Linie symbolische Bedeutung. Sie soll verdeutlichen, dass eine solche Unterscheidung in Bezug auf Menschen, und zwar zwischen Juden und got­ tesfürchtigen Heiden, bei Gott gar nicht existiert und dementsprechend auch von Petrus nicht mehr durchgeführt werden soll. Sie zielt somit nicht etwa auf eine Abschaffung der jüdischen Speisegebote, sondern darauf, die Nicht­ juden nicht weiterhin vom engeren Kontakt auszuschließen. Dabei führt die Vision Petrus näherhin zu einer anderen und differenzierteren Bewertung der 3.1

3 Lukas

651

Beschaffenheit der Heiden, die ihre Grundlage in seiner neuen Auffassung zur Beurteilung der Heiden durch Gott hat. Bisher ist offensichtlich auch er davon ausgegangen, wie es sich für das antike Judentum durchaus nachweisen lässt, dass Heiden aufgrund ihrer Herkunft, und zwar aufgrund ihrer fehlenden Zu­ gehörigkeit zum Bund Gottes mit Israel, per se als rituell unrein bzw. „gemein“ anzusehen sind (vgl. 10,28). Die Aufhebung der Unreinheit der Tiere innerhalb der Vision (10,15; 11,9) versteht Petrus jedoch als Aufhebung dieser Unreinheit der nichtjüdischen Menschen. Nun hat er erkannt, dass eine solche Bewertung der Heiden nicht deren Beurteilung durch Gott entspricht. Für den Fall, dass sie gottesfürchtig sind und Gerechtigkeit üben, sind nämlich auch die Heiden Gott selbst angenehm (10,35). Hat aber Gott demzufolge durchaus eine Bezie­ hung zu gottesfürchtigen Heiden, dann ist auch Petrus und allen Juden ein engerer Kontakt wie Tischgemeinschaft mit solchen Heiden möglich. Wie in Gal 2,11–14 ist auch hier die Ablehnung der Tischgemeinschaft mit Nichtjuden in einer deutlichen Abwertung der Nichtjuden gegenüber den Juden begründet, die Legitimation der Tischgemeinschaft erfolgt dann über eine Neubewertung der Heiden, und zwar eine deutlich positivere Bewertung der gottesfürchtigen Heiden, als es vorher üblich war. Darüber hinaus liegt auch im Fall der Tisch­ gemeinschaft zwischen Petrus und Cornelius das eigentliche Problem nicht in den Speisen, sondern in der sich beim gemeinsamen Essen ereignenden Gemeinschaft.6 Anders als in Gal 2,11–14 handelt es sich aber nicht um das Ge­ meinschaftsmahl im engeren Sinne. Das Aposteldekret – Verpflichtung der Heidenchristen auf Verbote, die der Verehrung Gottes grundsätzlich widersprechen Die Enthaltungsgebote des sogenannten Aposteldekrets (Apg 15,20.29; 21,25), die dem Bericht des Lukas zufolge Jakobus auf dem Apostelkonvent vorschlägt, wurden in der Forschung zumeist primär als Maßnahme zur Regelung des Ver­ hältnisses der Heidenchristen zu den Judenchristen gedeutet, und zwar ent­ weder im Sinne einer Verpflichtung auf gesetzliche Minimalforderungen zur Gewährleistung der Reinheit des Gottesvolkes Israel oder als bloßes Mittel zur Rücksichtnahme auf gesetzestreue Judenchristen innerhalb der Gemeinde. Beide Deutungen treffen in dieser Form nicht zu. So werden der Verzicht auf Blutgenuss und eine Enthaltung von Götzenopfern hier offenbar grundsätzli­ cher für ein neues Gottesverhältnis der nichtjüdischen Glaubenden verlangt. Der Fokus liegt in diesem Rahmen auf der Abkehr der Heiden von ihrer eigenen 3.2

6  Vgl. dazu die enge Verbindung zwischen der Vermeidung von Tischgemeinschaft in Apg 11,3 und des durch κολλάομαι bezeichneten engeren Kontaktes in Apg 10,28 (s.o. IIIB 4.3.1, vor allem 4.3.1.1).

652

IV Ergebnisse und Schlussfolgerungen

heidnischen Vergangenheit und damit auf der Unterscheidung der Heidenchris­ ten von den Heiden. Dabei bedeutet die Forderung nach einer Einhaltung des Götzenopferfleisch- und Blutverbots keine Verpflichtung der Heidenchristen auf das allein für Juden geltende Gesetz, sondern beide Verbote sind vielmehr Minimalbedingungen für die richtige Verehrung Gottes, welche bei den Juden erfüllt, bei den Heiden hingegen nicht erfüllt sind. Dies zeigt abgesehen vom Verbot des Götzenopferfleisches, welches dem richtigen Gottesdienst per se widerspricht, auch das Verbot des Blutgenusses, da dieses bereits Teil des Bun­ des zwischen Noah und Gott ist (vgl. Gen 9,4) und daher prinzipiell für alle Menschen verbindlich ist (s.o. IIIA 3.2.3). Dabei gilt eine solche Verpflichtung auf Vorschriften, die für die richtige Gottesverehrung generell von Bedeutung sind, trotz der Tatsache, dass das Aposteldekret insbesondere mit dem Ver­ bot von Götzenopferfleisch ein Verbot umfasst, dessen Übertretung eindeu­ tig zu ritueller Unreinheit führt (s.o. IIIA 3.1.2). Näherhin handelt es sich bei den Enthaltungsvorschriften keineswegs um Regeln, die nur von Jakobus für nötig gehalten werden, wie es in der Forschung häufig angenommen wird. Die entscheidende Differenz zwischen der Rede des Jakobus und der vorangegan­ genen Rede des Petrus besteht nämlich weniger in der Sache (beispielsweise einer unterschiedlichen Haltung zu der Frage, ob Heidenchristen Teile des Ge­ setzes halten müssen oder nicht), sondern eher darin, dass Petrus und Jakobus jeweils andere Heiden im Blick haben. Petrus bezieht sich in erster Linie auf Nichtjuden, die grundsätzlich bereits vor ihrer Bekehrung zu Christus gottes­ fürchtig und gerecht sind, wie der deutlich zu erkennende Rückgriff auf seine Erfahrungen aus der Begegnung mit Cornelius erkennen lässt. Jakobus macht demgegenüber mit den Enthaltungsvorschriften deutlich, dass Heiden durch die typisch heidnische Lebensweise grundlegend verdorben sind und sich dementsprechend ändern müssen (s.o. IIIA 3.3.1). Die vielfach angenommene Verbindung zwischen dem Aposteldekret und Gal 2,11–14 ist insgesamt unzu­ treffend (s.o. 1.2 und IIIA 3.3.2). 4

Grundzüge der urchristlichen Praxis zum Essen – keine Abschaffung der Gesetzesvorschriften zum Essen, aber der mit ihnen verbundenen Abgrenzungsfunktion

Eine wirkliche Aufhebung einer Gesetzesvorschrift zum Essen lässt sich nur für das Händewaschen in Mk 7,1–23 erkennen. Ansonsten sind die urchrist­ lichen Diskurse insgesamt weit weniger von einem Bruch mit der jüdischen Tradition gekennzeichnet, als dies in der Forschung angenommen wird.

4 Grundzüge der urchristlichen Praxis zum Essen

653

Der traditionsgeschichtliche Hintergrund der urchristlichen Essenspraktiken im Diasporajudentum Innerhalb des Urchristentums lassen sich weder eine Auflösung der Verbote von Götzenopferfleisch und Blutgenuss für Juden- und Heidenchristen noch eine Abschaffung des Verbots bestimmter Tiersorten nach Lev 11,1–23.29–47/ Dtn 14,3–21 für Judenchristen erkennen.7 Dies wird durch die weitere Ge­ schichte des Urchristentums bestätigt. Diskurse zu den jüdischen Speisevor­ schriften sind nämlich noch lange festzustellen, und zwar bis weit in die frühe Kirche hinein.8 Gerade diese anhaltende Beschäftigung mit ihnen zeigt, dass die Aufhebung der genannten Verbote vermutlich relativ spät erfolgte, was deutlich gegen eine grundsätzliche Abschaffung der jüdischen Speisegebote bereits im Urchristentum spricht. Deren fortdauernde Praktizierung insbe­ sondere durch Judenchristen macht aber deutlich, dass diese auch nach ihrer Hinwendung zu Christus zunächst durchaus an ihren jüdischen Lebensge­ wohnheiten festgehalten haben. Wo ist der urchristliche Befund zum Essen traditionsgeschichtlich einzu­ ordnen? Insgesamt weist die Rezeption der jüdischen Essenspraktiken im Urchristentum eine deutliche Nähe zum griechischsprachigen Diasporajuden­ tum auf. Dies gilt zunächst für die behandelten Themen. Ein Vergleich der urchristlichen mit jüdischen Essensaussagen lässt in jedem Fall deutlich er­ kennen, dass die Kontroversen um die im Urchristentum v­ erhandelten Fragen des Essens nicht erst im Urchristentum aufgekommen sind, sondern bereits ganz ähnlich im Diasporajudentum selbst ausgetragen wurden. So stellte sich beispielsweise die Frage nach dem Essen von Götzenopferfleisch, verbotenen Tiersorten (vor allem Schweinefleisch) oder nach der Tischgemeinschaft mit Heiden bereits für Juden in der Diasporasituation. Abgesehen von diesen the­ matischen Übereinstimmungen ist für die urchristlichen Essenspraktiken bis­ weilen auch eine Aufnahme der im Diasporajudentum vertretenen Positionen festzustellen. Dies trifft auch auf die zentralen Aussagen in Röm 14,14b und 4.1

7  Zu einer ähnlichen Bewertung im Blick auf die Behandlung der Frage der jüdischen Speise­ vorschriften aus Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 im Urchristentum kommt auch Tomson, wenn er feststellt, dass das Verbot bestimmter Fleischsorten im Urchristentum überhaupt kein Gegenstand von Konflikten oder eingehenderen Diskussionen war (Food Laws, 202). 8  Zur weiteren Geltung des Götzenopferfleischverbotes in der frühen Kirche s.o. Einleitung zu IIIA 1.2 Anm. 27; zur Geltung des Blutgenussverbots s.o. IIIA 3.1.1 Anm. 258. Zur Behandlung der Speisevorschriften aus Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 bei den Kirchenvätern vgl. Stein, Dietary Laws. Ihre praktische Bedeutung wird insgesamt zurückgedrängt, wobei sich jedoch häufig eine allegorische Auslegung findet, u.a. zum Zweck der Legitimation der Schrift. Zum Umgang mit den levitischen Reinheitsgesetzen vgl. Wendebourg, Reinheitsgesetze; Tomson, Purity Laws, bes. 74–78.

654

IV Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Mk 7,15 zu, die in der Forschung aber zumeist als spezifisch christliche Aus­ sagen angesehen werden. Ein entsprechender sprachlicher und motivischer Einfluss des Diasporajudentums zeigt sich bereits an der Verwendung der κοινός-Terminologie, welche innerhalb der urchristlichen Diskurse insgesamt häufig zu finden ist. Diese Begrifflichkeit ist nämlich überhaupt erst im grie­ chischsprachigen Judentum als Terminus technicus für das Juden durch das Gesetz Verbotene entstanden (s.o. IIB 1.3). In Röm 14,14b wird dieser Terminus im Rahmen einer Auseinandersetzung einer aus Juden und Heiden gemisch­ ten Gemeinde mit Bezug auf verbotene Speisen verwendet. Dabei lässt sich hier die für das Diasporajudentum typische und auch für die Entstehung von κοινός κτλ. maßgebliche Situation noch besonders deutlich erkennen, die in der Gegenüberstellung der jüdischen zur nichtjüdischen Lebensform besteht (s.o. IIIA 2.3.1). Gerade die für die Interpretation der Speisevorschriften im Di­ asporajudentum insgesamt zentrale Gegenüberstellung der bei Juden und der bei Heiden verbreiteten Speisen bzw. Bräuche führte dazu, dass das gesetzes­ treuen Juden Verbotene als „gemein“ bezeichnet wurde, und nicht wie in der Forschung bislang stets angenommen die Übersetzung hebräischer Unrein­ heitstermini. Dies zeigt deutlich der in der Forschung allerdings bisher nicht wahrgenommene Gebrauch von κοινός in Jos. Ant. 4,137 (s.o. IIB 1.3.2.3). Auch die innerhalb des Diskurses zum Händewaschen belegte κοινόω-Formulierung in Mk 7,15 ist grundsätzlich durchaus innerhalb des Dias­porajudentums denk­ bar, insbesondere da die in Lev 11,1–23.29–47/Dtn 14,3–21 formulierten Spei­ segebote offensichtlich nicht aufgelöst werden. Dabei greift Markus mit der Betonung der moralischen Gebote auf die im Diasporajudentum in besonde­ rer Weise zu beobachtende Ethisierung des Gesetzes zurück (s.o. IIIC 1.3.3.2). Anders als für die jüdischen Speisegebote lässt sich für den Bereich der Tischgemeinschaft insgesamt eine deutlich weniger strikte Gegenüberstel­ lung zwischen Bräuchen beobachten, die speziell bei Juden verbreitet sind, und solchen, die Heiden praktizieren. So sind gerade die im Diasporajuden­ tum überlieferten Anordnungen zur Tischgemeinschaft zwischen Juden selbst entscheidend durch Vorstellungen und Praktiken aus der griechischen Sympo­ siumstradition beeinflusst. Von dort stammen beispielsweise die Motive der Freundschaft und der guten moralischen Beschaffenheit der Mahlteilnehmer. Gleiches gilt offensichtlich für die im Urchristentum mehrfach überlieferte Tradition von der Tischgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern. Für diese lassen sich sowohl im Diasporajudentum als auch in der paganen Literatur des Hellenismus und der Kaiserzeit enge Parallelen nachweisen (s.o. IIIB 3.1.4). Paulus greift mit der Tradition vom Gemeinschaftsmahl ebenfalls auf eine in der Antike allgemein verbreitete Praxis zurück. Dass eine Gruppe ihre Ge­ meinschaft primär durch Tischgemeinschaft realisiert, gilt nämlich sowohl im

4 Grundzüge der urchristlichen Praxis zum Essen

655

antiken Judentum9 als auch im paganen Bereich in Form der Vereinsmähler (s.o. IIIB 1.3.4). Die urchristlichen Diskurse zur Tischgemeinschaft von Juden und Heiden – kein Bruch mit den jüdischen Speisegeboten oder Tischgemeinschaftspraktiken, sondern Folge einer neuen Bewertung der Heiden Der besondere Beitrag dieser Arbeit liegt in der Beurteilung und Einord­ nung der urchristlichen Tischgemeinschaftsaussagen. Die im Urchristentum überlieferte Tischgemeinschaftspraxis zeichnet sich durch einen äußerst viel­ schichtigen Befund aus. So finden sich nebeneinander Diskurse zu Gruppen­ mählern und zu Mählern mit Außenstehenden. Die Ablehnung einer solchen Mahlgemeinschaft jenseits der eigenen Gruppengrenze hat im Einzelnen wie­ derum recht verschiedene Gründe. Sie resultiert nämlich entweder aus den beim Mahl verwendeten Speisen oder aber aus der Beschaffenheit der Perso­ nen, wobei für Letztere wiederum entweder die rituelle Unreinheit oder aber die moralische Verdorbenheit der betreffenden Personen ausschlaggebend sein kann. Grundsätzlich stimmen die verschiedenen urchristlichen Diskur­ se zur Tischgemeinschaft darin überein, dass das Hauptproblem in der beim Mahl stattfindenden Gemeinschaft besteht. Dabei wird der für gemeinsame Mahlzeiten zentrale Aspekt der Gemeinschaft im Urchristentum in zweifa­ cher Form ausgearbeitet: Während das Gruppenmahl der Pflege der Gemein­ schaft der Glaubenden dient, haben die gruppenübergreifenden Mähler eine zentrale Bedeutung für die Konstitution der Gemeinschaft Jesu Christi, und zwar dergestalt, dass sie jeweils engen Kontakt zu bislang Außenstehenden ermöglichen, der dann zur Aufnahme in die Gemeinschaft führt, nämlich zur Nachfolge Jesu (Mk 2,17) bzw. zur Taufe der Heiden (Apg 10,43–48; 11,15–18). Die Gemeinschaft von Menschen liegt auch speziell im Zentrum der im Urchristentum überlieferten Diskurse zur Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden. Für diese hat die Einhaltung der jüdischen Speisegebote weit weniger Bedeutung, als es in der bisherigen Forschung veranschlagt wird. So werden die verschiedenen urchristlichen Auseinandersetzungen zum Essen von Juden mit Heiden in der Forschung hauptsächlich vor dem Hintergrund der jüdischen Speisevorschriften gedeutet und oftmals geradezu auf dieses Problem reduziert. Die Speisevorschriften werden offenbar als Grundproblem aller zum Thema der Tischgemeinschaft von Juden mit Heiden überlieferten 4.2

9  Ein besonders extremes Beispiel ist hier die hinter der Gemeinschaftsregel aus Qumran stehende Gruppe, da sie Tischgemeinschaft generell auf den eigenen Kreis beschränkt (s.o. IIC 2.2.3).

656

IV Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Diskurse angesehen. Gegen diese verbreitete Sichtweise ist jedoch einzu­ wenden, dass die Frage der Einhaltung der jüdischen Speisegebote innerhalb des Spektrums von Essensfragen nur ein Thema neben anderen darstellt. In 1 Kor 10,27–33 ist die Frage der Tischgemeinschaft zwar mit der Einhaltung der jüdischen Speisevorschriften verbunden. In Gal 2,11–14 und Apg 10,1–11,18 spielen die jüdischen Speisegebote jedoch für die Verteidigung solcher Mahl­ zeiten keine entscheidende Rolle, und zwar weder so, dass ihre Einhaltung durch die Judenchristen sichergestellt werden soll, noch in Gestalt einer grund­ sätzlichen Aufhebung. Vielmehr wird die Gemeinschaft mit Nichtjuden als pro­ blematisch bewertet, sei es die Zugehörigkeit zu derselben Gruppe oder der enge gesellschaftliche Kontakt, wie es die Gemeinschaft beim gemeinsamen Essen ist. Dabei wird Tischgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden weder von Paulus noch von Lukas durch eine Auflösung der im Judentum üblichen Re­ geln zu gemeinsamen Mahlzeiten legitimiert. So plädiert beispielsweise Pau­ lus in Gal 2,11–21 nicht etwa für eine Öffnung des Gruppenmahls für weniger assoziierte Mitglieder der Gemeinschaft oder gar Außenstehende. Vielmehr ist die Beschränkung des Gemeinschaftsmahls auf vollwertige Gruppenange­ hörige auch die Basis seiner Argumentation. Gerade weil Heidenchristen ihm zufolge auch ohne Beschneidung genauso zur Gemeinschaft der Kinder Got­ tes gehören wie die zum Glauben gekommenen Juden, ist ihr Ausschluss vom Gemeinschaftsmahl vollkommen verfehlt. Auch in Apg 10,1–11,18 verstößt der lukanische Petrus nicht etwa gegen die Regel, Tischgemeinschaft mit rituell Unreinen zu meiden. Die Verteidigung der Tischgemeinschaft mit Heiden hat vielmehr auch hier ihre Grundlage in einer deutlich anderen Bewertung der Nichtjuden, als sie in den jeweils im Hintergrund stehenden jüdischen Tradi­ tionen vorliegt. In Apg 10,1–11,18 wird nämlich eine Bewertung der Heiden als generell rituell unrein abgeschafft. Im Urchristentum werden demzufolge weder die jüdischen Speisegebote noch die unter Juden üblichen Bräuche zur Tischgemeinschaft grundsätzlich außer Kraft gesetzt.10 Im Hintergrund der jüdischen Traditionen zur Ableh­ nung der Tischgemeinschaft mit Heiden steht jedoch jeweils eine bestimmte Bewertung der Heiden durch die Juden. Während diese von einer deutlichen Differenz zwischen Juden und Heiden gekennzeichnet ist, wird die Bewertung der Heiden bzw. Heidenchristen innerhalb der urchristlichen Diskurse zur Tischgemeinschaft jeweils dahingehend verschoben, dass eine grundsätzli­ 10  Innerhalb des Urchristentums verstößt nur der mk. Jesus in Mk 2,15–17 gegen die für ein ideales Mahl vorausgesetzte Egalität bzw. Statushomogenität der Mahlteilnehmer. Dabei legitimiert er diese Abweichung dadurch, dass er die Besserung von bislang schlechten Menschen gerade als Ziel des entsprechenden Mahls bestimmt.

4 Grundzüge der urchristlichen Praxis zum Essen

657

che Gleichheit mit den Juden besteht. Dies geschieht im Einzelnen auf unter­ schiedliche Weise (s.o. IIIB 4.4.1). Sowohl bei Paulus als auch in Apg 10,1–11,18 verliert das Gesetz jedoch seine abgrenzende Funktion zwischen Israel als Volk Gottes und den anderen Völkern, wie dies etwa den Speisevorschriften in der hebräischen Bibel zugeschrieben (vgl. Lev 11,44f./Dtn 14,2.21) und von den Geg­ nern der jeweiligen Tischgemeinschaft mit Heidenchristen bzw. Heiden wei­ terhin vertreten wird.11 Dabei liegt der Fokus der urchristlichen Diskurse zum Essen offenbar insgesamt weniger auf der Abschaffung der einzelnen Speise­ gebote als auf dieser Aufgabe der mit dem Gesetz verbundenen Abgrenzung. Dies lässt sich deutlich bei Paulus erkennen. Er fordert nämlich von den Juden­ christen keineswegs eine grundsätzliche Aufgabe der Speisegebote, sondern kann sogar umgekehrt die Heidenchristen zu einer Einhaltung der entspre­ chenden Gebote aus Rücksicht auf Judenchristen ermahnen (Röm 14,1–15,13). Eine weitere Orientierung am Gesetz mit einer Bewertung des Gesetzes als identitätsstiftende Größe für das Volk Gottes neben Christus ist für ihn jedoch umgekehrt vollkommen ausgeschlossen (Gal 2,18f.). Mit der Abschaffung der abgrenzenden Bedeutung gilt für die jüdischen Speisevorschriften somit das, was das Spezifikum des urchristlichen Umgangs mit dem Gesetz insgesamt ist. Eine solche Abschaffung stellt dabei in der Tat eine entscheidende Abwei­ chung vom Diasporajudentum dar. Dort werden das Gesetz insgesamt und ins­ besondere die jüdischen Speisegebote primär als Identitätszeichen und damit als ein Mittel zur Abgrenzung des Volkes Gottes gegenüber fremden Völkern interpretiert (s.o. IIB 1.1–1.3). Eine Deutung der Geschichte des Urchristentums als Konflikt zwischen gesetzestreuen und gesetzeskritischen Richtungen, wie sie in der Forschung bisweilen vertreten wurde,12 erweist sich demzufolge vor dem Hintergrund der urchristlichen Essensvorschriften als unsachgemäße Verallgemeinerung. Das Spezifikum des urchristlichen Umgangs mit Gesetzesvorschriften zum Essen besteht konkreter zum einen in der Auseinandersetzung um kultisch bzw. rituell determinierte Verhaltensweisen (vgl. Mk 7,1–23), zum anderen in der Aufhebung der abgrenzenden Funktion des Gesetzes und der mit ihr verbun­ denen negativen Sichtweise auf die Heiden (Gal 2,11–21; Apg 10,1–11,18).

11  Demgegenüber hält der mk. Jesus grundsätzlich an einer besonderen Stellung der geset­ zestreuen Juden fest. Er gibt das Gesetz als Instanz, durch die eine Einteilung von Dingen und Menschen in gesetzeskonform bzw. gut auf der einen Seite und κοινός auf der an­ deren Seite erfolgt, nämlich noch nicht auf (s.o. IIIC 1.3.1 und IIIB 4.4.2) und misst dem Gesetz durchaus eine Bedeutung für die Rettung zu (s.o. IIIC 1.3.3.1). 12  So vor allem Baur, Christuspartei, 19–24, für die Situation in Korinth; zusammenfassend 54.74f.; vgl. auch ders., Einleitung, 319f.

658

IV Ergebnisse und Schlussfolgerungen

4.3 Ein kurzer Leitfaden der Essenspraxis in frühchristlichen Gemeinden Welche Vorschriften zum Essen gelten also im Urchristentum? Wo wird Vor­ handenes gesprengt? Die urchristliche Praxis des Essens lässt sich auf folgende vereinfachte Regeln bringen: Essen im Urchristentum erfordert grundsätzlich keinerlei Beschränkungen in Hinsicht auf rituelle Vorschriften wie Händewa­ schen. Darüber hinaus sind für diejenigen, die sich dem Gesetz nicht mehr unterworfen fühlen, grundsätzlich alle Speisen erlaubt, mit Ausnahme des Genusses von Götzenopfern und Blut, von denen sich auch Heidenchristen grundsätzlich enthalten sollen. Aus Rücksicht auf die Judenchristen kann dann auch gegebenenfalls ein Verzicht auf verbotene Tiersorten gefordert werden. Heidenchristen können grundsätzlich ohne weitere Voraussetzungen wie die Beschneidung am Gemeinschaftsmahl der Kinder Gottes teilnehmen. Ebenso können Glaubende mit gottesfürchtigen und gerechten Heiden essen. Jesus kann selbst mit Zöllnern und anderen sündigen Juden essen, sofern es deren Besserung dient. Dabei zeigt Apg 10,1–11,18, dass die Grenzen der Tisch­ gemeinschaft im Urchristentum zwar verschoben, aber nicht vollkommen aufgelöst werden. Nach Apg 10,28.35 ist nämlich kein Mensch schon einfach durch seine nichtjüdische Herkunft rituell unrein und schlecht. Für Göt­ zendiener gilt dies jedoch durchaus, sodass sie auch weiterhin strikt von der Tischgemeinschaft und dem engen Kontakt mit Judenchristen ausgeschlossen sind (s.o. IIIB 4.3.2.1). Christliche Tischgemeinschaft umfasst somit durchaus auch Heiden, aber keineswegs jedermann. Das Urchristentum ist demzufolge deutlich weniger strikt im Hinblick auf Essensfragen als das antike Judentum, propagiert jedoch keineswegs einen offenen Tisch, und zwar weder im Blick auf die Mahlteilnehmer noch auf die Speisen. Dabei wird im Urchristentum im Vergleich zum antiken Judentum insbesondere die Bewertung der Nicht­ juden durch die am Mahl beteiligten Judenchristen gravierend verändert. Die gängigen Bedingungen für eine Teilnahme am Mahl bleiben demgegenüber im Wesentlichen gleich.

Literatur Kommentarbände zu biblischen und verwandten Texten werden in den Fußnoten in der Regel unabhängig von der Sprache ihrer Abfassung mit der Abkürzung der be­ treffenden Texte als Kurztitel angegeben, z.B. Elliger, Lev, oder Fitzmyer, Tob. Sons­ tige Kurztitel sind in der nachfolgenden Bibliographie in uneindeutigen Fällen in Klammern nachgestellt, ebenso im Buch verwendete Abkürzungen (vgl. auch das Abkürzungsverzeichnis).

1

Quellen (Textausgaben/Textsammlungen, Übersetzungen und Kommentare)

1.1

Bibelausgaben und Bibelübersetzungen

Biblia Hebraica quinta editione cum apparatu critico novis curis elaborato, Fasz. 5: Deuteronomy, hg. von C. McCarthy, Stuttgart 2007. Biblia Hebraica Stuttgartensia. Editio funditus renovata, hg. von K. Elliger/W. Rudolph, Stuttgart ⁵1997. (BHS) Biblia Sacra Vulgata. Editio quinta, hg. von R. Weber/R. Gryson, Stuttgart ⁵2007. Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers. Bibeltext in der revidierten Fassung von 1984, Stuttgart 1987. Die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments, übersetzt von H. Menge, Berlin 1960. Die Heilige Schrift aus dem Grundtext übersetzt. Elberfelder Bibel, revidierte Fassung (Revision von 1985), Wuppertal ⁷1996. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Die Bibel, Stuttgart 1980. Novum Testamentum Graece post Eberhard et Erwin Nestle, hg. von K. und B. Aland u.a., Stuttgart ²⁷1993, ²⁸2012. (Nestle-Aland) Septuaginta. Id est Vetus Testamentum Graece iuxta lxx interpretes. Editio altera, hg. von A. Rahlfs/R. Hanhart, Stuttgart 2006. Septuaginta. Vetus Testamentum Graece Auctoritate Academiae Scientiarum Gottin­ gensis editum, Göttingen 1932ff. Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung, hg. von W. Kraus, Stuttgart ²2010. (LXX Deutsch) Ziegler, J. (Hg.), Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum Auctoritate Academiae Sci­ entiarum Gottingensis editum, Bd. 14: Isaias, Göttingen ²1967.

1.2 Apokryphen und Pseudepigraphen 1.2.1 Sammelwerke

Charles, R.H. (Hg.), The Apocrypha and Pseudepigrapha of the Old Testament in Eng­ lish, 2 Bde., Oxford 1913. (APOT)

660

Literatur

Charlesworth, J.H. (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, 2 Bde., New York 1983– 1985. (OTP) Kautzsch, E. (Hg.), Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, 2 Bde., Tübingen 1900. Riessler, P., Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, Darmstadt ⁴1979.

1.2.2 Einzelschriften und Schriftengruppen

Aristeasbrief Brodersen, K. (Hg.), Aristeas. Der König und die Bibel, Stuttgart 2008. Meisner, N., Aristeasbrief (JSHRZ II/1), Gütersloh 1973. Wright III, B.G., The Letter of Aristeas. „Aristeas to Philocrates“ or „On the Translation of the Law of the Jews“ (CEJL), Berlin 2015. Daniel, Esther, Judith Bardtke, H./Plöger, O., Zusätze zu Esther. Zusätze zu Daniel (JSHRZ I/1), Gütersloh 1973. Collins, J.J., Daniel. A Commentary on the Book of Daniel (Hermeneia), Minneapolis, MN 1993. Gera, D.L., Judith (CEJL), Berlin 2014. Hanhart, R. (Hg.), Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum, Bd. 8/3: Esther, Göttingen ²1983. Koch, K., Daniel, Bd. 1: Dan 1–4 (BKAT 22/1), Neukirchen-Vluyn 2005. Kottsieper, I., Zusätze zu Ester, in: O.H. Steck/R.G. Kratz/I. Kottsieper, Das Buch Ba­ ruch. Der Brief des Jeremia. Zusätze zu Ester und Daniel (ATD.A 5), Göttingen 1998, 111–207. Schmitz, B./Engel, H., Judit (HThKAT 20), Freiburg i.Br. 2014. Ziegler, J./Munnich, O./Fraenkel, D. (Hg.), Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum, Bd. 16/2: Susanna, Daniel, Bel et Draco, Göttingen ²1999. Jesus Sirach Beentjes, P.C. (Hg.), The Book of Ben Sira in Hebrew. A Text Edition of All Extant He­ brew Manuscripts and a Synopsis of All Parallel Hebrew Ben Sira Texts (VT.S 68), Leiden 1997. Lévi, I., L’Ecclésiastique ou la Sagesse de Jésus, fils de Sira. Texte original hébreu, édité, traduit et commenté, 2 Bde. (BEHE.R 10), Paris 1898–1901. Marböck, J., Jesus Sirach 1–23 (HThKAT 32), Freiburg i.Br. 2010. Mopsik, C., La Sagesse de ben Sira. Traduction de l’hébreu, introduction et annotation, Paris 2003. Sauer, G., Jesus Sirach (JSHRZ III/5), Gütersloh 1981. (Sauer, JSHRZ III/5) Sauer, G., Jesus Sirach/Ben Sira (ATD.A 1), Göttingen 2000.

Literatur

661

Skehan, P.W./Di Lella, A.A., The Wisdom of Ben Sira (AncB 39), New York 1987. Smend, R., Die Weisheit des Jesus Sirach, Berlin 1906. (Smend, Sir) Smend, R., Die Weisheit des Jesus Sirach. Hebräisch und Deutsch, Berlin 1906. Strack, H.L. (Hg.), Die Sprüche Jesus’, des Sohnes Sirachs. Der jüngst gefundene hebrä­ ische Text mit Anmerkungen und Wörterbuch (SIJB 31), Leipzig 1903. Joseph und Aseneth Battifol, P., Le Livre de la Prière d’Aseneth, 2 Bde. (Studia Patristica. Etudes d’ancienne littérature chrétienne), Paris 1889–1890. Burchard, C., Joseph und Aseneth (JSHRZ II/4), Gütersloh 1983. Burchard, C., Joseph und Aseneth. Kritisch herausgegeben (PVTG 5), Leiden 2003. Fink, U.B., Joseph und Aseneth. Revision des griechischen Textes und Edition der zwei­ ten lateinischen Übersetzung, Berlin 2008. Reinmuth, E. (Hg.), Joseph und Aseneth (Scripta antiquitatis posterioris ad ethicam religionemque pertinentia 15), Tübingen 2009. Jubiläenbuch Bauer, J.B., Clavis Apocryphorum Supplementum. Complectens voces versionis Ger­ manicae Libri Henoch Slavici, Libri Jubilaeorum, Odarum Salomonis, Graz 1980. Berger, K., Das Buch der Jubiläen (JSHRZ II/3), Gütersloh 1981. Charles, R.H., The Book of Jubilees or The Little Genesis. Translated from the Editor’s Ethiopic Text and Edited, with Introduction, Notes and Indices, London 1902 (Nach­ druck Jerusalem 1972). Denis, A.-M., Liber Jubilaeorum, in: ders., Fragmenta Pseudepigraphorum quae super­ sunt Graeca (PVTG 3), Leiden 1970, 70–102. Rönsch, H., Das Buch der Jubiläen oder Die kleine Genesis, Leipzig 1874. VanderKam, J.C., The Book of Jubilees. A Critical Text. Translation, 2 Bde. (CSCO 510, 511), Leuven 1989. Makkabäerbücher Croy, N.C., 3 Maccabees (Septuagint Commentary Series), Leiden 2006. deSilva, D.A., 4 Maccabees. Introduction and Commentary on the Greek Text in Codex Sinaiticus (Septuagint Commentary Series), Leiden 2006. Goldstein, J.A., I Maccabees. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 41), Garden City, NY 1976. Habicht, C., 2. Makkabäerbuch (JSHRZ I/3), Gütersloh 1976. Hadas, M., The Third and Fourth Books of Maccabees, New York 1953. Klauck, H.-J., 4. Makkabäerbuch (JSHRZ III/6), Güterloh 1989. Schunck, K.-D., 1. Makkabäerbuch (JSHRZ I/4), Gütersloh 1980. Schwartz, D.R., 2 Maccabees (CEJL), Berlin 2008.

662

Literatur

Paralipomena Jeremiou Schaller, B., Paralipomena Jeremiou (JSHRZ I/8), Gütersloh 1998. Psalm 151–155 (syrische Psalmen) Woude, A.S. van der, Die fünf syrischen Psalmen (einschließlich Psalm 151) (JSHRZ IV/1), Gütersloh 1974. Pseudo-Phokylides Horst, P.W. van der, The Sentences of Pseudo-Phocylides. With Introduction and Com­ mentary (SVTP 4), Leiden 1978. Walter, N., Fragmente jüdisch-hellenistischer Epik. Pseudepigraphische jüdisch-hel­ lenistische Dichtung. Pseudo-Phokylides, Pseudo-Orpheus, Gefälschte Verse auf Namen griechischer Dichter (JSHRZ IV/3), Gütersloh 1983. Wilson, W.T., The Sentences of Pseudo-Phocylides (CEJL), Berlin 2005. Testamente der zwölf Patriarchen Becker, J., Die Testamente der zwölf Patriarchen (JSHRZ III/1), Gütersloh ²1980. Tobit Ego, B., Buch Tobit (JSHRZ II/6), Gütersloh 1999. Ego, B., Buch Tobit (JSHRZ II/6), in: G.S. Oegema (Hg.), Einführung zu den Jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit. Unterweisung in erzählender Form (JSHRZ VI/1,2), Gütersloh 2005, 115–150. (Ego, Buch Tobit) Fitzmyer, J.A., Tobit (CEJL), Berlin 2003. Littman, R.J., Tobit. The Book of Tobit in Codex Sinaiticus (Septuagint Commentary Series), Leiden 2008. Moore, C.A., Tobit. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 40A), New York 1996. Schumpp, M.M., Das Buch Tobias (EHAT 11), Münster 1933. Schüngel-Straumann, H., Tobit (HThKAT 19), Freiburg i.Br. 2000.

1.3 Philo von Alexandrien und Flavius Josephus 1.3.1 Philo

Cohn, L. u.a. (Hg.), Philo von Alexandrien. Die Werke in Deutscher Übersetzung, 7 Bde., Berlin 1962–1964. Colson, F.H./Marcus, R./Whitaker, G.H., Philo, 10 Bde. und 2 Ergänzungsbde. (LCL), London 1929–1962. Smallwood, E.M. (Hg.), Philonis Alexandrini Legatio ad Gaium, Leiden 1961.

Literatur

663

1.3.2 Josephus

Barclay, J.M.G., Flavius Josephus. Translation and Commentary, Bd. 10: Against Apion, Leiden 2007. Begg, C.T./Spilsbury, P., Flavius Josephus. Translation and Commentary, Bd. 5: Judean Antiquities Books 8–10, Leiden 2005. Clementz, H., Des Flavius Josephus Jüdische Altertümer, 2 Bde., Wiesbaden ¹³1998. Clementz, H., Des Josephus Flavius kleinere Schriften. Selbstbiographie, Gegen Apio, Über die Makkabäer, Wiesbaden ²1995. Clementz, H., Flavius Josephus. Geschichte des Jüdischen Krieges, Wiesbaden ¹⁰1993. Feldman, L.H., Flavius Josephus. Translation and Commentary, Bd. 3: Judaean Antiqui­ ties Books 1–4, Leiden 2000. Mason, S., Flavius Josephus. Translation and Commentary, Bd. 1B: Judean War 2, Leiden 2008. Mason, S., Flavius Josephus. Translation and Commentary, Bd. 9: Life of Josephus, Leiden 2001. Michel, O./Bauernfeind, O., Flavius Josephus. De bello Judaico/Der Jüdische Krieg, 3 Bde., Darmstadt 1962–1969. Siegert, F., Flavius Josephus. Aus meinem Leben (Vita), Tübingen 2001. Siegert, F., Flavius Josephus, Über die Ursprünglichkeit des Judentums (Contra Apio­ nem), 2 Bde. (SIJD 6), Göttingen 2008. Thackeray, H.S.J., Josephus with an English Translation, 9 Bde. (LCL), London 1926–1965.

1.4

Textausgaben und Übersetzungen zu den Schriften vom Toten Meer

Alexander, P.S./Vermes, G. (Hg.), Qumran Cave 4, Bd. 19: Serek Ha-Yaḥad and Two Re­ lated Texts (DJD 26), Oxford 1998. Baillet, M. (Hg.), Qumran Grotte 4, Bd. 3: (4Q482–4Q520) (DJD 7), Oxford 1982. Baumgarten, J.M. (Hg.), Qumran Cave 4, Bd. 13: The Damascus Document (4Q266– 273), on the Basis of Transcriptions by J.T. Milik, with Contributions by S. Pfann and A. Yardeni (DJD 18), Oxford 1996. Baumgarten, J.M. u.a. (Hg.), Qumran Cave 4, Bd. 25: Halakhic Texts (DJD 35), Oxford 1999. Broshi, M. u.a. (Hg.), Qumran Cave 4, Bd. 14: Parabiblical Texts, Part 2 (DJD 19), Oxford 1995. Charlesworth, J.H. u.a. (Hg.), The Dead Sea Scrolls. Hebrew, Aramaic, and Greek Texts with English Translations, Tübingen 1994ff. Dombrowski, B.W.W., An Annotated Translation of Miqṣāt Ma‘aśēh ha-Tôrâ (4QMMT) (The Qumran Chronicle, Appendix B), Krakau ²1993. Elgvin, T. u.a. (Hg.), Qumran Cave 4, Bd. 15: Sapiential Texts, Part 1 (DJD 20), Oxford 1997.

664

Literatur

García Martínez, F./Tigchelaar, E.J.C. (Hg.), The Dead Sea Scrolls. Study Edition, 2 Bde., Leiden 1997–1998. García Martínez, F. u.a. (Hg.), Qumran Cave 11, Bd. 2: 11Q2–18, 11Q20–31 (DJD 23), Ox­ ford 1998. Lohse, E. (Hg.), Die Texte aus Qumran. Hebräisch und Deutsch, München ³1981. Maier, J., Die Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer, 3 Bde., München 1995–1996. Maier, J., Die Tempelrolle vom Toten Meer und das „Neue Jerusalem“. 11Q19 und 11Q20, 1Q32, 2Q24, 4Q554–555, 5Q15 und 11Q18. Übersetzung und Erläuterung, mit Grund­ rissen der Tempelhofanlage und Skizzen zur Stadtplanung (UTB 829), München ³1997. Maier, J., The Temple Scroll. An Introduction, Translation and Commentary (JSOTS 34), Sheffield 1985. Parry, D.W./Tov, E. (Hg.), The Dead Sea Scrolls Reader, Bd. 1: Texts Concerned with Religious Law, Leiden 2004. Qimron, E., The Temple Scroll. A Critical Edition with Extensive Reconstructions (JDS), Jerusalem 1996. Qimron, E./Strugnell, J. (Hg.), Qumran Cave 4, Bd. 5: Miqṣat Ma‘aśe ha-Torah (DJD 10), Oxford 1994. Rabin, C. (Hg.), The Zadokite Documents, Oxford ²1958. Schechter, S., Documents of Jewish Sectaries, Bd. 1: Fragments of a Zadokite Work, Cambridge 1910 (Nachdruck New York 1970). Skehan, P.W./Ulrich, E./Sanderson, J.E. (Hg.), Qumran Cave 4, Bd. 4: Palaeo-Hebrew and Greek Biblical Manuscripts (DJD 9), Oxford 1992. Steudel, A. (Hg.), Die Texte aus Qumran ii, Hebräisch/Aramäisch und Deutsch, Darm­ stadt 2001. Vermes, G., The Dead Sea Scrolls in English, London 1995. Wise, M.O./Abegg, M.G./Cook, E.M., The Dead Sea Scrolls. A New Translation, San Francisco ²2005 (Überarbeitung der Erstauflage von 1996). Yadin, Y., The Temple Scroll, 3 Bde., Jerusalem 1977–1983.

1.5 Rabbinische Literatur 1.5.1 Mischna

Bunte, W., Die Mischna. Text, Übersetzung und ausführliche Erklärung mit eingehen­ den geschichtlichen und sprachlichen Einleitungen und textkritischen Anhängen, Bd. 6/1: Kelim. Gefäße, Berlin 1972. Bunte, W., Die Mischna. Text, Übersetzung und ausführliche Erklärung mit eingehen­ den geschichtlichen und sprachlichen Einleitungen und textkritischen Anhängen, Bd. 6/2: Ohalot. Zelte, Berlin 1988. Bunte, W., Die Mischna. Text, Übersetzung und ausführliche Erklärung mit eingehen­ den geschichtlichen und sprachlichen Einleitungen und textkritischen Anhängen, Bd. 6/9: Zabim. Die mit Samenfluß Behafteten, Berlin 1958.

Literatur

665

Correns, D., Die Mischna ins Deutsche übertragen mit einer Einleitung und Anmer­ kungen, Wiesbaden 2005. Hopf, M., Die Mischna. Textkritische Ausgabe mit deutscher Übersetzung und Kom­ mentar. Toharot. Reinheiten, Jerusalem 2009. Krupp, M., Die Mischna. Textkritische Ausgabe mit deutscher Übersetzung und Kom­ mentar. ‘Avoda Sara. Götzendienst, Jerusalem 2002. Krupp, M., Die Mischna. Textkritische Ausgabe mit deutscher Übersetzung und Kom­ mentar. Chagiga. Festfeier, Jerusalem 2003. Krupp, M., Die Mischna. Textkritische Ausgabe mit deutscher Übersetzung und Kom­ mentar. Demai. Zweifelhaftes, Jerusalem 2008. Lisowsky, G., Die Mischna. Text, Übersetzung und ausführliche Erklärung mit einge­ henden geschichtlichen und sprachlichen Einleitungen und textkritischen Anhän­ gen, Bd. 6/11: Jadajim. Hände, Berlin 1956. Mischnajot. Die sechs Ordnungen der Mischna. Hebräischer Text mit Punktation, deutscher Übersetzung und Erklärung, Basel ³1968 (Nachdruck 1986). Samuel, H., Die Mischna. Textkritische Ausgabe mit deutscher Übersetzung und Kom­ mentar. Jadajim. Hände, Jerusalem 2011.

1.5.2 Tosefta

Freimark, P./Krämer, W.-F., Rabbinische Texte. Reihe 1: Die Tosefta. Übersetzung und Erklärung, Bd. 1/2: Seder Zeraim. Demai – Schebiit, Stuttgart 1971. (Freimark, Tosefta) Lisowsky, G./Schereschewsky, E., Rabbinische Texte. Reihe 1: Die Tosefta. Übersetzung und Erklärung, Bd. 6/2: Seder Toharot. Para – Mikwaoth, Stuttgart 1965. Lisowsky, G. u.a., Rabbinische Texte. Reihe 1: Die Tosefta. Übersetzung und Erklärung, Bd. 6/3: Seder Toharot. Toharot – Uksin, Stuttgart 1967. Lohse, E./Mayer, G., Rabbinische Texte. Reihe 1: Die Tosefta. Übersetzung und Erklä­ rung, Bd. 1/1: Seder Zeraim. Berakot – Pea, Stuttgart 1999. Windfuhr, W., Rabbinische Texte. Reihe 1: Die Tosefta. Übersetzung und Erklärung, Bd. 6/1: Seder Toharot. Kelim Baba kamma – Nega‘im, Stuttgart 1960.

1.5.3

Weitere rabbinische Quellen

Börner-Klein, D., Pirke de-Rabbi Elieser. Nach der Edition Venedig 1544 unter Berück­ sichtigung der Edition Warschau 1852 (SJ 26), Berlin 2004. Börner-Klein, D., Rabbinische Texte. Reihe 2: Tannaitische Midraschim, Bd. 3A: Sifre Zuta, Stuttgart 2002. Buber, S. (Hg.), Midrasch Tanchuma. Ein agadischer Commentar zum Pentateuch, Wilna 1885. Freedman, H./Simon, M., The Midrash Rabbah, Bd. 1: Genesis, London 1977; Bd. 4: Lamentations, Ruth, Ecclesiastes, Esther, Song of Songs, London 1980. Goldschmidt, L., Der Babylonische Talmud, 12 Bde., Darmstadt ⁴1996.

666

Literatur

Neusner, J., Sifra. An Analytical Translation, Bd. 2: Sav, Shemini, Tazria, Negaim, Meso­ ra, and Zabim, Atlanta 1988. Winter, J., Sifra. Halachischer Midrasch zu Leviticus (SGFWJ), Breslau 1938. Wünsche, A., Bibliotheca Rabbinica. Eine Sammlung alter Midraschim. Der Midrasch Kohelet, beigedruckt: Der Midrasch Bereschit Rabba, Hildesheim 1993.

1.6 Antike christliche Autoren 1.6.1 Sammelwerke

Diekamp, F./Funk, F.X. (Hg.), Patres apostolici, Bd. 2, Tübingen ³1913. Hennecke, E./Schneemelcher, W. (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen, 2 Bde., Tü­ bingen ⁶1990, ⁵1989. Lindemann, A./Paulsen, H. (Hg.), Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Paral­ lelausgabe, Tübingen 1992. Markschies, C./Schröter, J. (Hg.), Antike christliche Apokryphen in deutscher Überset­ zung, Bd. 1: Evangelien und Verwandtes, Tübingen 2012. Rauschen, G. u.a. (Hg.), Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten (BKV 12), Kempten 1932. Wengst, K. (Hg.), Didache (Apostellehre), Barnabasbrief, Zweiter Klemensbrief, Schrift an Diognet (SU 2), Darmstadt 1984.

1.6.2 Einzelschriften

Des Clemens von Alexandreia Der Erzieher II.III, Welcher Reiche wird gerettet wer­ den?, übersetzt von O. Stählin (BKV 2/8), München 1934. Des Clemens von Alexandreia Mahnrede an die Heiden, Der Erzieher I, übersetzt von O. Stählin (BKV 2/7), München 1934. Des Clemens von Alexandreia Teppiche wissenschaftlicher Darlegungen entspre­ chend der wahren Philosophie (Stromateis), übersetzt von O. Stählin (BKV 2/17–19), München 1936–1938. Eusebius Kirchengeschichte, kleine Ausgabe, hg. von E. Schwartz, Berlin ⁵1955. Minucius Felix, M., Octavius, hg., übersetzt und eingeleitet von B. Kytzler, München 1965. Photii Patriarchae Opusculum Paraeneticum. Appendix Gnomica. Excerpta Parisina, hg. von L. Sternbach, Krakau 1893. Tertullian, Apologeticum. Verteidigung des Christentums, hg., übersetzt und erläutert von C. Becker, München ⁴1992.

1.7

Pagane griechische und römische Autoren (in Auswahl)

Für die griechischen und römischen Schriften sei auf die Textsammlungen von TLG und BTL verwiesen, die für die Suche nach Belegen verwendet wurden. Über beide Sammlungen sind die meisten der herangezogenen Belege unkompliziert zu erreichen.

Literatur

667

Im Folgenden sind nur die verwendeten Übersetzungen aufgeführt sowie vor allem Textausgaben zu Fragmenten. Bibliotheca Teubneriana Latina (BTL) Online, Berlin, http://www.degruyter.com/view/ db/btl. Thesaurus Linguae Graecae (TLG) Online. A Digital Library of Greek Literature, Uni­ versity of California, Irvine, CA, http://www.tlg.uci.edu.

1.7.1 Quellensammlungen

Arnim, H. von, Stoicorum Veterum Fragmenta, 4 Bde., Leipzig 1903–1924 (Nachdruck 1964). (SVF) Diels, H./Kranz, W., Die Fragmente der Vorsokratiker, 3 Bde., Berlin 1951–1952. (FVS) Hansen, D.U. (Hg.), Frühe griechische Elegien. Griechisch und deutsch. Theognis, Mimnermos, Phokylides, Darmstadt 2005. Long, A.A./Sedley, D.N., Die hellenistischen Philosophen. Texte und Kommentare, übersetzt von K. Hülser, Stuttgart 2000 (englisches Original mit einem zweiten Band, der die griechischen und lateinischen Originaltexte umfasst: The Hellenistic Philosophers, 2 Bde., Cambridge 1987). Maidment, K.J./Burtt, J.O., Minor Attic Orators, 2 Bde. (LCL), London 1960–1962. Malherbe, A.J. (Hg.), The Cynic Epistles. A Study Edition, Greek Text with English Translation (SBLSBS 12), Missoula, MT 1977. Müseler, E. (Hg.), Die Kynikerbriefe, Bd. 2: Kritische Ausgabe mit deutscher Überset­ zung (SGKA 7), Paderborn 1994. Nauck, A. (Hg.), Tragicorum Graecorum Fragmenta, Leipzig 1889 (Nachdruck Hildes­ heim 1964). (TrGF) Nickel, R. (Hg.), Epiktet, Teles, Musonius. Ausgewählte Schriften, Zürich 1994. Stern, M., Greek and Latin Authors on Jews and Judaism, 3 Bde., Jerusalem 1974–1984. (GLAJ) Strecker, G./Schnelle, U. u.a. (Hg.), Neuer Wettstein. Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus, Berlin 1996ff. (Neuer Wettstein)

1.7.2

Einzelne Autoren

Aelian, On the Characteristics of Animals, übersetzt von A.E. Scholfield, 3 Bde. (LCL), London 1958–1959. Appian von Alexandria, Römische Geschichte, Erster Teil: Die römische Reichsbil­ dung, übersetzt von O. Veh, durchgesehen, eingeleitet und erläutert von K. Broder­ sen (BGrL 23), Stuttgart 1987. Appian von Alexandria, Römische Geschichte, Zweiter Teil: Die Bürgerkriege, über­ setzt von O. Veh, durchgesehen, eingeleitet und erläutert von W. Will (BGrL 27), Stuttgart 1989.

668

Literatur

Appian’s Roman History, hg. und übersetzt von H. White, 4 Bde. (LCL), London 1964–1972. Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 7: Eudemische Ethik, übersetzt von F. Dirlmeier, Berlin 1962. Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 6: Nikomachische Ethik, übersetzt von F. Dirlmeier, Berlin 1956. Aristoteles, Werke in deutscher Überstetzung, Bd. 9/4: Politik Buch VII/VIII. Über die beste Verfassung, übersetzt und erläutert von E. Schütrumpf, Berlin 2005. Arrian, Der Alexanderzug. Indische Geschichte, hg. und übersetzt von G. Wirth/O. von Hinüber, München 1985. Arrian, hg. und übersetzt von P.A. Brunt, 2 Bde. (LCL), London 1976. Athenaios, Das Gelehrtenmahl, eingeleitet und übersetzt von C. Friedrich, erläutert von T. Nothers, 4 Bde. (BGrL 47, 48, 51, 53), Stuttgart 1998–2000. Athenaios, Deipnosophistae, hg. und übersetzt von C.B. Gulick, 7 Bde. (LCL), London 1927–1941. Cassius Dio Cocceianus, Historiarum Romanarum quae supersunt, hg. von U.P. Boisse­ vain, 4 Bde., Berlin ²1955–1969. Cassius Dio, Römische Geschichte, übersetzt von O. Veh, 5 Bde., Zürich 1985–1987. Dio’s Roman History, hg. und übersetzt von E. Cary, 9 Bde. (LCL), London 1954–1968. Cicero, M. Tullius, Cato Maior und De senectute, hg. von M. Faltner, München 1963. Cicero, M. Tullius, Epistulae ad familiares libri XVI. Marcus Tullius Cicero an seine Freunde, lateinisch-deutsch, hg. von H. Kasten, München ⁶2004. Cicero, M. Tullius, Laelius de amicita. Marcus Tullius Cicero Laelius über die Freund­ schaft, lateinisch-deutsch, hg. von M. Faltner, München ³1980. Cicero, M. Tullius, Vom Wesen der Götter. Drei Bücher, lateinisch-deutsch, hg., über­ setzt und erläutert von W. Gerlach/K. Bayer, Darmstadt 1990. Dio Chrysostom, hg. und übersetzt von J.W. Cohoon/H.L. Crosby, 5 Bde. (LCL), London 1961–1964. Diodoros, Griechische Weltgeschichte, übersetzt von G. Wirth/O. Veh, eingeleitet und erläutert von T. Nothers/W. Will, 3 Bde. (BGrL 34, 35, 45), Stuttgart 1992–1998. Diodorus of Sicily, Library of History, hg. und übersetzt von C.H. Oldfather u.a., 12 Bde. (LCL), London 1933–1967. Dion Chrysostomos, Sämtliche Reden, übersetzt von W. Elliger, Zürich 1967. Dionysios of Halicarnassus, Roman Antiquities, hg. und übersetzt von E. Cary, 7 Bde. (LCL), London 1937ff. Dionysios of Halicarnassus, The Critical Essays, übersetzt von S. Usher, 2 Bde. (LCL), London 1974–1985. Epictetus, The Discourses as Reported by Arrian, The Manual, and Fragments, über­ setzt von W.A. Oldfather, 2 Bde. (LCL), London 1959–1961.

Literatur

669

Epiktet, Anleitung zum glücklichen Leben, Encheiridion (Handbuch der Moral), grie­ chisch-deutsch, hg. und übersetzt von R. Nickel, Darmstadt 2006. Galen, De dissectione musculorum et De consuetudinibus, hg. von F.R. Dietz, Leipzig 1832. Galen, Medicorum Graecorum opera quae exstant, hg. von C.G. Kühn, 20 Bde., Leipzig 1821–1833 (Nachdruck Hildesheim 1964–1965). Galen, Method of Medicine, hg. und übersetzt von I. Johnston/G.H.R. Horsley, 3 Bde. (LCL), Cambridge, MA 2011. Gellius, Aulus, Die attischen Nächte, übersetzt von F. Weiss, 2 Bde., Darmstadt 1975 (Nachdruck). Herodot, Historien, hg. von J. Feix, 2 Bde., München ⁵1995. Hippokrates, Ausgewählte Schriften, hg. von C. Schubert/W. Leschhorn, Zürich 2006. Homer, Ilias, griechisch-deutsch, übertragen von H. Rupé, Berlin ¹⁶2013. Homer, Odyssee, übertragen von A. Weiher, Berlin ¹⁴2013. Horaz, Sämtliche Werke, hg. und übersetzt von H. Färber u.a., München ¹¹1993. Isaeus, übersetzt von E.S. Forster (LCL), Cambridge, MA 1983. Isokrates, Sämtliche Werke, übersetzt von C. Ley-Hutton, eingleitet und erläutert von K. Brodersen, 2 Bde. (BGrL 36, 44), Stuttgart 1993, 1997. Iuvenalis, Satiren, hg. und übersetzt von J. Adamietz, München 1993. Lucian, übersetzt von A.M. Harmon u.a., 8 Bde. (LCL), London 1959–1969. Lukian, Werke, übersetzt und erläutert von C.M. Wieland, 3 Bde., Berlin 1971–1974. Menandri quae supersunt, hg. von A. Körte/A. Thierfelder, 2 Bde., Leipzig ²1953–1959. C. Musonii Rufi reliquiae, hg. von O. Hense, Leipzig 1905 (Nachdruck 1990). Philostratos, Das Leben des Apollonios von Tyana, hg. und übersetzt von V. Mumprecht, München 1983. Platon, Nomoi (Gesetze) Buch VIII–XII, übersetzt und kommentiert von K. Schöps­ dau, Göttingen 2011. Platon, Werke, übersetzt von F. Schleiermacher u.a., hg. von G. Eigler, 8 Bde., Darm­ stadt 1971–1983. Plutarch, Große Griechen und Römer, eingeleitet und übersetzt von K. Ziegler, 6 Bde., Zürich 1954–1965. Plutarch’s Lives, hg. und übersetzt von B. Perrin u.a., 11 Bde. (LCL), London 1959–1962. Plutarch, Moralia, hg. von C. Weise und M. Vogel, 2 Bde., Wiesbaden 2012. Plutarch’s Moralia, hg. und übersetzt von F.C. Babbitt u.a., 16 Bde. (LCL), London 1927–1976. Porphyrios, On Abstinence from Killing Animals, übersetzt von G. Clarke (LCL), Lon­ don 2000. Seneca, L. Annaeus, Philosophische Schriften, hg. von M. Rosenbach, 5 Bde., Darm­ stadt 1995. Sextus Empiricus, übersetzt von R.G. Bury, 4 Bde. (LCL), London 1949–1957.

670

Literatur

Tacitus, Historiae. Historien, hg. und übersetzt von J. Borst u.a., München ⁵1984. Theognis, nach E. Diehl, hg. von D. Young (BSGRT), Leipzig ²1971. Xeno Comicus, in: T. Kock (Hg.), Comicorum Atticorum Fragmenta, Bd. 3, Leipzig 1888, 390. Xenophon, Kyropädie. Die Erziehung des Kyros, hg. und übersetzt von R. Nickel, Darm­ stadt 1992. Xenophon, übersetzt von C.L. Brownson u.a., 7 Bde. (LCL), London 1961–1998.

1.8

Inschriften und Papyri

Ascough, R.S./Harland, P.A./Kloppenborg, J.S., Associations in the Greco-Roman World. A Sourcebook, Waco, TX 2012. (AGRW) Cotton, H.M. u.a. (Hg.), Corpus Inscriptionum Iudaeae/Palaestinae, Berlin 2010ff. (CIIP) Dittenberger, W. (Hg.), Orientis Graeci inscriptiones selectae, 2 Bde., Leipzig 1903–1905. (OGIS) Inscriptiones Graecae, Berlin 1873ff. (IG) Inscriptiones Scythiae Minoris Graecae et Latinae, Bukarest 1980ff. (IGLSkythia) Kloppenborg, J.S./Ascough, R.S., Greco-Roman Associations. Texts, Translations, and Commentary, Bd. 1: Achaia, Central Greece, Macedonia, Thrace (BZNW 181), Berlin 2011. (GRA I) Michailov, G. (Hg.), Inscriptiones Graecae in Bulgaria repertae, 5 Bde., Sofia 1956–1997. (IGBulg) The Oxyrhynchus Papyri, London 1898ff. (P.Oxy.) The Packard Humanities Institute, Searchable Greek Inscriptions. A Scholarly Tool in Progress, Ithaca, NY/Columbus, OH, http://epigraphy.packhum.org.

2 Hilfsmittel 2.1 Wörterbücher

Bauer, W./Aland, K. und B., Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testamentes und der frühchristlichen Literatur, Berlin ⁶1988. (BAA) Clines, D.J.A., The Dictionary of Classical Hebrew, 8 Bde., Sheffield 1993–2011. (Clines) Danker, F.W. (Hg.), A Greek-English Lexicon of the New Testament and Other Early Christian Literature, Chicago ³2000. (BDAG) Erto, M., Lexicon in Aristeae ad Philocratem epistulam, Hildesheim 2012. Georges, K.E., Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch aus den Quellen zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und Anti­ quitäten unter Berücksichtigung der besten Hülfsmittel, 2 Bde., Leipzig ⁷1879–1880. (Georges)

Literatur

671

Gesenius, W., Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testa­ ment, hg. von H. Donner, Berlin ¹⁸2013. (Gesenius) Jastrow, M., A Dictionary of the Targumim, the Talmud Babli and Yerushalmi, and the Midrashic Literature, New York 1903. Köhler, L./Baumgartner, W., Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testa­ ment, 6 Bde., Leiden 1967–1996. (Köhler/Baumgartner) Leslau, W., Comparative Dictionary of Ge’ez, Wiebaden 1991. Levy, J., Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim, 4 Bde., Darmstadt 1963. Liddell, H.G./Scott, R./Jones, H.S., A Greek-English Lexicon, Oxford 1968. (LSJ) Louw, J.P./Nida, E.A., Greek English Lexicon of the New Testament. Based on Semantic Domains, 2 Bde., Stuttgart 1991. (Louw/Nida) Lust, J./Eynikel, E./Hauspie, K., A Greek-English Lexicon of the Septuagint. Revised Edition, Stuttgart 2003. (GELS) Merriam-Webster’s Collegiate Dictionary, Springfield, MA ¹¹2014. (Merriam-Webster) Moulton, J.H./Milligan, G., The Vocabulary of the Greek New Testament. Illustrated from the Papyri and Other Non-Literary Sources, London 1930. (Moulton/Milligan) Muraoka, T., A Greek-English Lexicon of the Septuagint, Leuven 2009. (Muraoka) Pape, W., Griechisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bde., Braunschweig ³1880. (Pape) Passow, F., Handwörterbuch der griechischen Sprache, 4 Bde. Leipzig ⁵1841 (Nachdruck Darmstadt 2008). (Passow) Preisigke, F., Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden, 3 Bde., Heidelberg 1925– 1931. (Preisigke) Wahrig. Deutsches Wörterbuch, hg. von R. Wahrig-Burfeind, Gütersloh 2011. (Wahrig)

2.2 Grammatiken

Blass, F./Debrunner, A., Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, bearbeitet von F. Rehkopf, Göttingen ¹⁷1990. (BDR) Decker, R.J., Temporal Deixis of the Greek Verb in the Gospel of Mark with Reference to Verbal Aspect (Studies in Biblical Greek 10), New York 2001. Fanning, B.M., Verbal Aspect in New Testament Greek, Oxford 1990. Kühner, R./Gerth, B., Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache. Satzlehre, 2 Bde., Hannover ³1898–1904. Moulton, J.H./Turner, N., A Grammar of New Testament Greek, Bd. 3: Syntax, Edin­ burgh 1963. Porter, S.E., Verbal Aspect in the Greek of the New Testament, with Reference to Tense and Mood (Studies in Biblical Greek 1), New York 2003. Siebenthal, H. von, Griechische Grammatik zum Neuen Testament. Neubearbeitung und Erweiterung der Grammatik Hoffmann/von Siebenthal, Gießen 2011. (Hoff­ mann/von Siebenthal)

672

Literatur

Winer, G.B., Grammatik des neutestamentlichen Sprachidioms. Als sichere Grundlage der neutestamentlichen Exegese, Leipzig ⁶1855. Zerwick, M., Biblical Greek. Illustrated by Examples (SPIB 114), Rom 1963.

2.3 Konkordanzen

Abegg, M./Bowley, J.E./Cook, E.M. (Hg.), The Dead Sea Scrolls Concordance, 3 Bde., Leiden 2003–2010. Aland, K. (Hg.), Vollständige Konkordanz zum griechischen Neuen Testament, 2 Bde., Berlin 1978. Denis, A.-M. (Hg.), Concordance grecque des pseudépigraphes d’Ancien Testament, Louvain-la-Neuve 1987. Even-Shoshan, A. (Hg.), A New Concordance of the Bible. Thesaurus of the Language of the Bible, Hebrew and Aramaic, Roots, Words, Proper Names, Phrases and Syn­ onyms, Jerusalem 2000. Hatch, E./Redpath, H. (Hg.), A Concordance to the Septuagint and the Other Greek Versions of the Old Testament (Including the Apocryphal Books), 3 Bde., Oxford 1897–1906 (Nachdruck Graz 1975). Institut für neutestamentliche Textforschung/Rechenzentrum der Universität Müns­ ter (Hg.), Computer-Konkordanz zum Novum Testamentum Graece von NestleAland, 26. Auflage, und zum Greek New Testament, 3rd Edition, Berlin ²1985. Lisowsky, G./Rost, L., Konkordanz zum hebräischen Alten Testament, Stuttgart ³1993. Muraoka, T., A Greek-Hebrew/Aramaic Two-Way Index to the Septuagint, Leuven 2010.

2.4

Weitere Hilfsmittel

Accordance Bible Software 12, hg. von Oak Tree Software, Orlando, FL 2016. Aland, K. (Hg.), Synopsis Quattuor Evangeliorum, Stuttgart ¹⁵2001. Berger, K./Colpe, C., Religionsgeschichtliches Textbuch zum Neuen Testament (TNT 1), Göttingen 1987. BibleWorks 8. Software for Biblical Exegesis and Research, Norfolk, VA 2008. Chilton, B.D./Bock, D./Gurtner, D.M. (Hg.), A Comparative Handbook to the Gospel of Mark. Comparisons with Pseudepigrapha, the Qumran Scrolls, and Rabbinic Litera­ ture (The New Testament Gospels in Their Judaic Contexts 1), Leiden 2010. Greeven, H./Güting, E. (Hg.), Textkritik des Markusevangeliums (Theologie 11), Müns­ ter 2005. Jolliffe, R. u.a., Q 11:39a, 42, 39b, 41, 43–44. Woes against the Pharisees, hg. von G. Harb (Documenta Q), Leuven 2012. Lausberg, H., Elemente der literarischen Rhetorik. Eine Einführung für Studierende der klassischen, romanischen, englischen und deutschen Philologie, Ismaning ¹⁰1990. Levine, A.-J./Brettler, M.Z. (Hg.), The Jewish Annotated New Testament. New Revised Standard Version Bible Translation, Oxford 2011.

673

Literatur

Metzger, A., Textual Commentary on the Greek New Testament. A Companion Volume to the United Bible Societies’ Greek New Testament, Stuttgart ²1994. Qimron, E., The Hebrew of the Dead Sea Scrolls, Atlanta 1986. Schenke, H.-M./Fischer, K.M., Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments, 2 Bde., Berlin 1978–1979. Strack, H.L./Billerbeck, P., Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Mi­ drasch, 6 Bde. (Abhandlungen zur neutestamentlichen Theologie und Archäolo­ gie), München 1922–1961. (Bill.)

3 Sekundärliteratur 3.1 Kommentare 3.1.1 Levitikus

Elliger, K., Leviticus (HAT 1/4), Tübingen 1966. Gerstenberger, E.S., Das dritte Buch Mose. Leviticus (ATD 6), Göttingen 1993. Hartley, J.E., Leviticus (WBC), Dallas, TX 1992. Hieke, T., Levitikus, 2 Bde. (HThKAT 6), Freiburg i.Br. 2014. Hoffmann, D., Das Buch Leviticus, 2 Bde., Berlin 1905–1906. Milgrom, J., Leviticus. A New Translation with Introduction and Commentary, 2 Bde. (AncB 3), New York 1991–2000. Noth, M., Das dritte Buch Mose. Leviticus (ATD 6), Berlin 1964.

3.1.2 Deuteronomium

Braulik, G., Deuteronomium, 2 Bde. (NEB.AT 15, 28), Würzburg 1986–1992. Otto, E., Deuteronomium 1–11, 2 Bde. (HThKAT), Freiburg i.Br. 2012. Veijola, T., Das fünfte Buch Mose. Deuteronomium 1,1–16,17 (ATD 8/1), Göttingen 2004.

3.1.3 Hoheslied

Pope, M.H., Song of Songs. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 7C), Garden City, NY 1977.

3.1.4

Kommentare zu mehreren neutestamentlichen Schriften

Montefiore, C.G., The Synoptic Gospels, 2 Bde., New York ²1968. Weiss, B., Die Evangelien des Markus und Lukas (KEK 1/2), Göttingen ⁹1901.

3.1.5 Markusevangelium

Adamczewski, B., The Gospel of Mark. A Hypertextual Commentary (European Stud­ ies in Theology, Philosophy and History of Religions 8), Frankfurt a.M. 2014. Boring, E., Mark. A Commentary (NTL), Louisville, KY 2006.

674

Literatur

Cranfield, C.E.B., The Gospel according to Mark (CGTC), Cambridge ³1966. Dschulnigg, P., Das Markusevangelium (ThKNT 2), Stuttgart 2007. Eckey, W., Das Markus-Evangelium. Eine Orientierung am Weg Jesu. Ein Kommentar, Neukirchen-Vluyn ²2008. Edwards, J.R., The Gospel according to Mark, Grand Rapids, MI 2002. Ernst, J., Das Evangelium nach Markus (RNT 2), Regensburg 1981. Focant, C., The Gospel according to Mark. A Commentary, Eugene, OR 2012. France, R.T., The Gospel of Mark, Grand Rapids, MI 2002. Gnilka, J., Das Evangelium nach Markus, 2 Bde. (EKK 2), Zürich/Neukirchen-Vluyn 1978. Gould, E.P., A Critical and Exegetical Commentary on the Gospel according to St. Mark (ICC), Edinburgh 1955. Grundmann, W., Das Evangelium nach Markus (ThHK 2), Berlin ²1959. Guelich, R.A., Mark 1–8:26 (WBC 34A), Dallas, TX 1989. Gundry, R.H., Mark. A Commentary on His Apology for the Cross, Grand Rapids, MI 1993. Guttenberger, G., Das Evangelium nach Markus (ZBK.NT 2), Zürich 2017. Hartman, L., Mark for the Nations. A Text- and Reader-Oriented Commentary, Eugene, OR 2010. Hooker, M.D., A Commentary on the Gospel according to St. Mark (BNTC), London 1993. Klaiber, W., Das Markusevangelium, Neukirchen-Vluyn 2010. Klostermann, E., Das Markusevangelium (HNT 3), Tübingen ²1926. Lane, W.L., The Gospel according to Mark. The English Text with Introduction, Exposi­ tion and Notes (NICNT), Grand Rapids, MI 1974. Lohmeyer, E., Das Evangelium des Markus. Nach dem Handexemplar des Verfassers durchgesehene Ausgabe mit Ergänzungsheft (KEK 2), Göttingen ¹⁷1967. Lührmann, D., Das Markusevangelium (HNT 3), Tübingen 1987. Marcus, J., Mark 1–8. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 27), New York 2000. Pesch, R., Das Markusevangelium, 2 Bde. (HThKNT 2), Freiburg i.Br. ⁴1984, ³1984. Schmithals, W., Das Evangelium nach Markus, 2 Bde. (ÖTBK 2), Gütersloh 1979. Schweizer, E., Das Evangelium nach Markus (NTD 1), Göttingen ⁷1989. Stolle, V., Das Markusevangelium. Text, Übersetzung und Kommentierung (unter be­ sonderer Berücksichtigung der Erzähltechnik), Göttingen 2015. Swete, H.B., The Gospel according to St Mark. The Greek Text with Introduction, Notes and Indices, London 1898. Witherington III, B., The Gospel of Mark. A Socio-Rhetorical Commentary, Grand Ra­ pids, MI 2001. Yarbro Collins, A., Mark. A Commentary (Hermeneia), Minneapolis, MN 2007.

Literatur

675

3.1.6 Matthäusevangelium

Davies, W.D./Allison, D.C., A Critical and Exegetical Commentary on the Gospel ac­ cording to Saint Matthew, 3 Bde. (ICC), Edinburgh 1988–1997. Gnilka, J., Das Matthäusevangelium, 2 Bde. (HThKNT 2), Freiburg i.Br. 1986–1988. Gundry, R.H., Matthew. A Commentary on His Handbook for a Mixed Church under Persecution, Grand Rapids, MI ²1994. Konradt, M., Das Evangelium nach Matthäus (NTD 1), Göttingen 2015. Luz, U., Das Evangelium nach Matthäus, 4 Bde. (EKK 1), Zürich/Neukirchen-Vluyn ²1989–2002. Sand, A., Das Evangelium nach Matthäus (RNT), Regensburg 1986. Schlatter, D.A., Der Evangelist Matthäus. Seine Sprache, sein Ziel, seine Selbständig­ keit. Ein Kommentar zum ersten Evangelium, Stuttgart ²1933. Schweizer, E., Das Evangelium nach Matthäus (NTD 2), Göttingen 1986.

3.1.7 Lukasevangelium

Bovon, F., Das Evangelium nach Lukas, 4 Bde. (EKK 3), Zürich/Neukirchen-Vluyn 1989–2009. Fitzmyer, J.A., The Gospel according to Luke. Introduction, Translation and Notes, 2 Bde. (AncB 28), Garden City, NY 1981–1986. Green, J.B., The Gospel of Luke (NICNT), Grand Rapids, MI 1997. Klein, H., Das Lukasevangelium (KEK 1/3), Göttingen 2006. Schneider, G., Das Evangelium nach Lukas, 2 Bde. (ÖTBK 3), Gütersloh ³1992, ²1984. Schürmann, H., Das Lukasevangelium, 2 Bde. (HThKNT 3), Freiburg i.Br. ²1969, 1993. Wolter, M., Das Lukasevangelium (HNT 5), Tübingen 2008.

3.1.8 Apostelgeschichte

Barrett, C.K., The Acts of the Apostles, 2 Bde. (ICC), Edinburgh 1994. Bruce, F.F., The Acts of the Apostles. The Greek Text with Introduction and Commen­ tary, Grand Rapids, MI ³1990. Conzelmann, H., Die Apostelgeschichte (HNT 7), Tübingen ²1972. Eckey, W., Die Apostelgeschichte. Der Weg des Evangeliums von Jerusalem nach Rom, 2 Bde., Neukirchen-Vluyn 2000. Fitzmyer, J.A., The Acts of the Apostles. A New Translation with Introduction and Com­ mentary (AncB 31), New York 1998. Haacker, K., Die Apostelgeschichte (ThKNT 5), Stuttgart (im Druck). Haenchen, E., Die Apostelgeschichte (KEK 3), Göttingen ⁷1977. Jervell, J., Die Apostelgeschichte (KEK 3), Göttingen 1998. Johnson, L.T., The Acts of the Apostles (SaPaSe 5), Collegeville, MN 1992. Keener, C.S., Acts. An Exegetical Commentary, 4 Bde., Grand Rapids, MI 2012–2015. Munck, J., The Acts of the Apostles. Introduction, Translation and Notes, Revised by W.F. Albright/C.S. Mann (AncB 31), Garden City, NY 1967.

676

Literatur

Mußner, F., Apostelgeschichte (NEB 5), Würzburg ²1988. Pervo, R., Acts. A Commentary (Hermeneia), Minneapolis, MN 2008. Pesch, R., Die Apostelgeschichte, 2 Bde. (EKK 5), Zürich/Neukirchen-Vluyn 1986. Roloff, J., Die Apostelgeschichte (NTD 5), Göttingen 1981. Schneider, G., Die Apostelgeschichte, 2 Bde. (HThKNT 5), Freiburg i.Br. 1980–1982. Weiser, A., Die Apostelgeschichte, 2 Bde. (ÖTBK 5), Gütersloh 1981–1985. Witherington III, B., The Acts of the Apostles. A Socio-Rhetorical Commentary, Grand Rapids, MI 1998.

3.1.9 Römerbrief

Barrett, C.K., A Commentary on the Epistle to the Romans (BNTC 7), London ²1962. Boehmer, E., Des Apostels Brief an die Römer, Bonn 1886. Cranfield, C.E.B., A Critical and Exegetical Commentary on the Epistle to the Romans, 2 Bde. (ICC), Edinburgh 1975–1979. Dodd, C.H., The Epistle of Paul to the Romans (MNTC 6), New York 1947. Dunn, J.D.G., Romans, 2 Bde. (WBC 38), Dallas, TX 1988. Fitzmyer, J.A., Romans. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 33), New York 1993. Haacker, K., Der Brief des Paulus an die Römer (ThHK 6), Leipzig 1999. Hultgren, A.J., Paul’s Letter to the Romans, Grand Rapids, MI 2011. Jewett, R., Romans (Hermeneia), Minneapolis, MN 2007. Käsemann, E., An die Römer (HNT 8a), Tübingen ³1974. Klaiber, W., Der Römerbrief, Neukirchen-Vluyn 2009. Kruse, C.G., Paul’s Letter to the Romans (PNTC), Grand Rapids, MI 2012. Kühl, E., Der Brief des Paulus an die Römer, Leipzig 1913. Lietzmann, H., An die Römer (HNT 8), Tübingen ⁴1933. Lohse, E., Der Brief an die Römer (KEK 4), Göttingen 2003. Michel, O., Der Brief an die Römer (KEK 4), Göttingen ⁵1978. Moo, D.J., The Epistle to the Romans (NICNT), Grand Rapids, MI 1996. Schlier, Heinrich, Der Römerbrief (HThKNT 6), Freiburg i.Br. 1977. Schmithals, W., Der Römerbrief. Ein Kommentar, Gütersloh 1988. Weiss, B., Der Brief an die Römer (KEK 4), Göttingen ⁸1891. Wilckens, U., Der Brief an die Römer, 3 Bde. (EKK 6), Zürich/Neukirchen-Vluyn ²1987–1982. Zahn, T., Der Brief des Paulus an die Römer (KNT 6), Leipzig ³1925. Zeller, D., Der Brief an die Römer (RNT), Regensburg 1985.

3.1.10 Korintherbriefe

Klauck, H.-J., 1. Korintherbrief, 2. Korintherbrief, Leipzig 1990. Lang, F., Die Briefe an die Korinther (NTD 7), Göttingen ²1994.

677

Literatur

Lietzmann, H., An die Korinther I.II, ergänzt von W.G. Kümmel (HNT 9), Tübingen ⁴1949. Witherington III, B., Conflict and Community in Corinth. A Socio-Rhetorical Com­ mentary on 1 & 2 Corinthians, Grand Rapids, MI 1994.

3.1.11

1. Korintherbrief

Barrett, C.K., A Commentary on the First Epistle to the Corinthians (BNTC), London 1968. Collins, R.F., First Corinthians (SaPaSe 7), Collegeville, MN 1999. Conzelmann, H., Der erste Brief des Paulus an die Korinther (KEK 5), Göttingen ²1981. Fee, G.D., The First Epistle to the Corinthians (NICNT), Grand Rapids, MI 1987. Fitzmyer, J.A., First Corinthians. A New Translation with Introduction and Commen­ tary (AncB 32), New York 2008. Grosheide, F.W., Commentary on the First Epistle to the Corinthians (NICNT), Grand Rapids, MI 1953. Hays, R.B., First Corinthians, Louisville, KY 1997. Heinrici, C.F.G., Das erste Sendschreiben des Apostels Paulus an die Korinthier, Berlin 1880. Lightfoot, J.B., Notes on Epistles of St. Paul from Unpublished Commentaries, London ²1904. Lindemann, A., Der Erste Korintherbrief (HNT 9/1), Tübingen 2000. Merklein, H., Der erste Brief an die Korinther, 2 Bde. (ÖTBK 7), Gütersloh 2000. Orr, W.F./Walther, J.A., I Corinthians (AncB 32), New York 1976. Robertson, A./Plummer, A., A Critical and Exegetical Commentary on the First Epistle of St Paul to the Corinthians (ICC), Edinburgh ²1914 (Nachdruck 1958). Schrage, W., Der erste Brief an die Korinther, 3 Bde. (EKK 7), Zürich/Neukirchen-Vluyn 1991–1999. Thiselton, A.C., The First Epistle to the Corinthians (NICNT), Grand Rapids, MI 2000. Weiss, J., Der erste Korintherbrief (KEK 5), Göttingen ⁹1910. Wolff, C., Der erste Brief des Paulus an die Korinther (ThHK 7), Leipzig ²2000. Zeller, D., Der erste Brief an die Korinther (KEK 5), Göttingen 2010.

3.1.12 Galaterbrief

Becker, J./Luz, U., Die Briefe an die Galater, Epheser und Kolosser (NTD 8/1), Göttingen 1998. Betz, H.D., Galatians. A Commentary on Paul’s Letter to the Churches in Galatia ­(Hermeneia), Philadelphia 1979. Borse, U., Der Brief an die Galater (RNT 9), Regensburg 1984. Bruce, F.F., The Epistle to the Galatians. A Commentary on the Greek Text (NIGTC), Exeter 1982.

678

Literatur

Burton, E. de Witt, A Critical and Exegetical Commentary on the Epistle to the Gala­ tians (ICC), Edinburgh 1921 (Nachdruck 1959). Duncan, G.S., The Epistle of Paul to the Galatians (MNTC), London 1934. Dunn, J.D.G., The Epistle to the Galatians (BNTC), Peabody, MA 1993. Eckey, W., Der Galaterbrief. Ein Kommentar, Neukirchen-Vluyn 2010. Egger, W., Galaterbrief, Philipperbrief, Philemonbrief (NEB 9), Würzburg 1985. Esler, P.F., Galatians (New Testament Readings), London 1998. Fung, R.Y.K., The Epistle to the Galatians (NICNT), Grand Rapids, MI 1988. Lietzmann, H., An die Galater (HNT 10), Tübingen ⁴1971. Longenecker, R.N., Galatians (WBC 41), Dallas, TX 1990. Lührmann, D., Der Brief an die Galater (ZBK.NT 7), Zürich 1978. Martyn, J.L., Galatians. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 33A), New York 1997. Matera, F.J., Galatians (SaPaSe 9), Collegeville, MN 1992. Mußner, F., Der Galaterbrief (HThKNT 9), Freiburg i.Br. ⁵1988. Oepke, A., Der Brief des Paulus an die Galater, bearbeitet von J. Rohde (ThHK 9), Berlin ⁵1984. Radl, W., Galaterbrief (SKK 9), Stuttgart 1985. Rohde, J., Der Brief des Paulus and die Galater (ThHK 9), Berlin 1989. Schlier, H., Brief an die Galater (KEK 7), Göttingen ¹⁴1971. Schneider, G., Der Brief an die Galater, Düsseldorf 1964. Sieffert, F., Der Brief an die Galater (KEK 8), Göttingen ⁹1899. Vouga, F., An die Galater (HNT 10), Tübingen 1998. Witherington III, B., Grace in Galatia. A Commentary on St Paul’s Letter to the Gala­ tians, Edinburgh 1998. Zahn, T., Der Brief des Paulus an die Galater (KNT 9), Leipzig ³1922. Zerwick, M., Der Brief an die Galater, Düsseldorf 1964.

3.2

Monographien, Aufsätze, Lexikonartikel

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Stellenregister Altes Testament Gen 1,24 540A.643 1,28 540A.643 1,30 540A.643 2,24 622A.161 2,24 lxx 552A.692, 553A.697 6,20 540A.643 9,4f. 202f. 9,4 37, 61, 200, 344A.231, 368f., 383, 652 17,7–14 444 18,4 5A.5 19,2 5A.5 24,2 lxx 471A.346 24,32 5A.5 26,30 468A.332 34,14 lxx 533A.611 38,15 lxx 374A.353 43,16 lxx 471A.346 43,24 5A.5 43,31–34 132 43,32 lxx 88A.152, 132f. 44,1 lxx 471A.346 44,4 lxx 471A.346 Ex 12,15 lxx 394A.43, 398 14,20 lxx 392A.29 19,5 212 19,6 213 20,6 463A.322 20,10 367 20,12 588 20,18 lxx 408 21,17 588 21,28 33A.3 22,29 205A.97 22,30 35A.11, 36, 49A.83, 195, 197A.55, 264A.386, 352A.255 23,19 33A.4 29,33 53 30,19–21 600A.78

30,19–21 lxx 181A.548 34,15 37A.23, 52, 59, 122, 307 34,15 lxx 65A.41, 500A.485 52 34,16 34,21 623A.167 34,26 33A.4 38,27 lxx 181A.548 40,12 600A.78 40,31f. 600A.78 Lev 1,3f. lxx 561A.731 3,3 61A.22 3,17 37, 201 6,21 54 7,14 54A.105 7,15–21 53A.105 7,15–18 312 7,15 206A.102 7,19–21 53f., 229A.219, 243 7,20f. 39A.32, 40A.39, 45A.67 7,23 61 7,24f. 36A.13 7,26f. 37 7,26 37 7,27 37 7,28–34 53A.105 7,30–34 54A.105 10,10 96A.184, 251A.316 10,14f. 54A.105 11 33f., 83, 85, 147, 191–201, 339f.A.213, 352, 359A.289, 371, 543, 563A.741, 564f., 567, 575A.786, 612A.129, 613A.133, 615 87A.145 11 lxx 11,1–47 197 11,1–23 60f., 64, 184, 188, 346f., 608, 611f., 617–619, 622, 643, 646, 649f., 653f. 11,3–7 lxx 82A.119 11,3 34 11,4–8 34, 45, 230A.224 11,4f. lxx 87A.145 11,7 61, 192

Stellenregister 11,8 47A.79 34, 200 11,9–12 11,10–43 42f. 42A.52, 45 11,10–13 11,10–13 lxx 89A.154 11,10–12 45, 199 11,10 43A.58 11,11 42A.52, 43A.58, 46A.69, 47A.79 11,12 43A.58 11,12 lxx 354A.264 11,13–21 193A.35 11,13–19 34, 45 11,13 42A.52, 43A.58, 46A.69 11,20–23 34, 45, 194, 200 199 11,20f. 42A.52, 43A.58, 45 11,20 11,20 lxx 89A.154, 354A.264 194 11,21f. 11,21 82A.121, 194 194, 259A.358 11,22 11,23 42A.52, 43A.58, 45 11,23 lxx 89A.154, 354A.264 11,24–28 45 11,24–26 34 45A.68 11,24f. 11,24 40A.36, 47A.79 11,25 35A.12, 192A.28, 257A.354, 259A.358 45A.68, 47A.79 11,26 34, 47A.79 11,27f. 192A.28, 259A.358 11,28 11,29–47 60f., 64, 184, 188, 346f., 608, 611f., 617–619, 622, 643, 646, 649f., 653f. 11,29–40 192 11,29–38 45 11,29–31 34 11,29 83A.125 11,29 lxx 87A.145 47A.79 11,31f. 11,32–38 272f. 11,32–36 54 11,32–35 600A.78 54 11,32 11,33 54, 273 11,34 54, 273A.434, 276, 278A.458, 279A.461

745 11,35 54, 273 11,36 279 11,37f. 273A.434, 276A.444, 278 11,38 54A.108, 278 11,39f. 35f., 41 11,39 257A.354 11,40 192A.28, 259A.358 11,40 lxx 35A.12 11,41–44 34 11,41–43 lxx 89A.154 42A.52, 45 11,41f. 11,42 lxx 354A.264 11,43–45 49A.83 46f., 303–305 11,43f. 11,43f. lxx 87A.143 11,43 42A.52, 43A.55, 44A.58, 47, 110, 196A.48, 199, 304 11,43 lxx 87A.145, 89A.153 49, 58, 81, 567A.754, 657 11,44f. 11,44 47A.76, 48, 199 48A.80, 49A.87 11,45 199 11,46 11,47 96A.184, 251A.316 11,47 lxx 82A.119, 88A.150, 566A.753 39, 600A.78 12–15 40A.37 12,1–8 12,4f. 40A.39 12,4 53, 258–260 13,1–14,32 40A.37 94A.178 13,3 13,6 lxx 543A.653 94A.178 13,8 94A.178 13,11 13,13 lxx 543A.653 94A.178 13,14f. 94A.178 13,20 94A.178 13,22 13,23 lxx 543A.653 94A.178 13,25 94A.178 13,44 13,45f. 40A.38, 256A.345 269f.A.412, 270A.413 13,45 13,46 256A.346, 626A.180 13,59 94A.178 14,1–32 256 14,2–32 626 256A.345 14,3

746 Lev (Fortsetzung) 14,7–9 264A.387 256A.343, A.344, 626A.179 14,7 14,8 256A.343, A.347, 626A.180 256A.343 14,9 14,20 256A.343, A.344 14,57 96A.184 15,5–11 259A.358 15,5f. 260A.364 15,5 40A.37 15,7 259A.358, 260A.364 15,10 260A.364 15,11 600A.78 15,12 54, 600A.78 15,13f. 259A.357 15,13 266A.397 15,16–18 259A.358, 260A.364 15,17f. 261 15,19 40A.37, 259A.358 15,21–23 40A.37, 259A.358 15,22 260A.364 15,25–30 258 15,25 258 15,26f. 258A.357 15,27 259A.358 15,28–30 259A.357 15,28 266A.397 15,31f. 94A.178 15,31 39A.32, 40A.39 16,30 40A.40 17f. 358, 364–371, 383 366 17,1–9 17,4 lxx 561A.731 17,7 65A.41, 218A.170 17,10–16 35A.9 17,10–14 33, 37 17,10–12 366 37, 201 17,10 17,11 37 17,13–16 366 17,13 37, 202f. 17,14f. 59 17,14 37, 201f., 203A.86 355A.268 17,15f. 17,15 35A.11, 36, 195, 259A.358 18 40 18,1–23 366 18,3 86A.140 18,6–30 366A.315

Stellenregister 18,6–23 44 18,6–20 41A.44 18,22–30 41A.44 18,24–30 365 18,24f. 366 18,24 lxx 219A.174 18,26 lxx 561 18,28 41A.47, 401 18,29 41A.48, 44 19,5f. 53A.105, 312 19,5 lxx 561A.731 19,23–25 32A.1 19,26 37 19,31 40A.43 20 40 20,1–3 40A.43, 41A.48 20,2 367 20,9 588 20,10 41A.48 20,11–21 lxx 366A.318 20,15 41A.48 20,18 41A.48 20,22–26 47f. 20,24–26 49A.88 20,24–26 lxx 438, 439A.228 20,24 49f. 20,24 lxx 438A.222, A.225, 441A.240 49 20,25f. 20,25 43A.55, 44A.58, 46f., 49A.88, 96A.184, 196A.48, 199, 251A.316, 304A.91, 544A.654 20,25 lxx 87A.145, 89A.153, A.154, 438A.227, 544A.654, 566f.A.753 20,26 48A.80, 49f. 20,26 lxx 438A.226, 441A.240 263A.381 21,7 21,9 263 21,17–23 252 21,21–23 252 252f. 21,21f. 22,1–16 53 22,3–7 39A.32, 40A.39, 53, 242f., 268f. 22,3 53, 181A.544 22,4 253, 600A.78 22,6f. 261A.371 22,8 36, 53, 195, 197A.55

Stellenregister 22,9 36 53, 262A.376 22,10–16 22,11 262A.376 263A.376 22,12f. 22,19–21 lxx 561A.731 22,28 205 53A.105 22,29f. 561A.731 22,29 32A.1 23,10 23,11 lxx 561A.731 32A.1 23,14 24,16 367 442A.242 26,12 27,14f. lxx 471A.346 206A.99 27,31f. 27,32 53 Num 5,1–4 40A.39 5,3 256A.345 41A.44 5,11–31 9,9–14 53 18,11f. 596A.62 263A.376 18,11 263A.376 18,13 40A.37 19 19,8 259A.358 19,10–22 39 259A.358 19,10 19,13 39A.32 19,14–19 273f. 54A.106, 274, 600A.78 19,15 256A.343 19,19 39A.32, 627A.183 19,20 208A.115, 392A.32 23,9 24,3 600A.81 25,2 37A.23, 65A.41, 122 590A.39 30,3 31,20–23 274A.436 40A.42 35,33f. Dtn 5,14 367 588 5,16 5,29 463A.322 6,13 lxx 553A.695 216 7,2–4 7,6 50A.91, 212 10,20 lxx 553A.695

747 11,22 lxx 553A.695 313 12,7 264 12,11 12,15 lxx 241A.260 37 12,16 12,18 313 241A.260 12,22 12,22 lxx 241A.260 33, 37, 202 12,23–25 37 12,23f. 12,23 37, 203A.86 202A.82 12,27 14 33f., 83, 147, 191–201, 352, 359A.289, 371, 543, 564f., 567, 615 14,1f. 197A.54, 439A.228, 442A.242 424A.166 14,1 14,2 36, 50, 567A.754, 657 14,3–21 42, 60f., 64, 184, 188, 196f., 346f., 608, 611, 617–619, 622, 643, 646, 649f., 653f. 50, 196 14,3 354A.264, 561 14,3 lxx 34 14,4f. 14,6f. 82A.119 34 14,6 14,7–9 230A.224 34 14,7f. 14,7f. lxx 87A.145 40A.36, 61, 192 14,8 34 14,9f. 14,10 lxx 87A.145 14,11–18 193A.35 14,11–20 34 230A.224 14,11 14,11 lxx 88A.150 14,19–22 195A.43 34, 194, 230A.224 14,19 14,19 lxx 87A.145 14,20 lxx 88A.150 14,21 33A.4, 35A.11, 36, 49A.83, 50, 58, 61, 81, 195–197, 200, 257A.351, 352A.255, 567A.754, 657 14,21 lxx 439A.228 14,22–29 206A.99 313 14,23 313 14,26

748

Stellenregister

Dtn (Fortsetzung) 15,21–25 204A.91 241A.260 15,22 15,22 lxx 241A.260 37 15,23f. 15,23 37, 202 17,1 lxx 561A.729 17,7 393 17,12 393 19,19 393 20,6–8 lxx 471A.346 21,10–13 262 21,20 517A.536 21,21 393 22,21f. 393 22,24 393 23,24 590A.39 24,1 lxx 471A.346 24,3 lxx 471A.346 24,4 41A.44 24,5 lxx 471A.346 24,7 393 26,12–15 206A.99 26,12f. 53 26,13 lxx 394A.43 26,14 53, 218A.169 32,5f. 424A.166 32,17 218A.170 32,17 lxx 314A.125 32,18f. 424A.166 32,21 314A.125 Jos 2,1 lxx 374A.353 23,8 lxx 553A.695 Ri 8,29 lxx 472A.346 19,21 lxx 471A.346 Rut 3,3

182A.554

1 Sam 14,32–34 37 15,22 614A.137 622A.164 21,2–7

2 Sam 7,1 lxx 472A.346 7,14 442A.242 11,13 lxx 500A.485 19,36 468A.332 553A.694, A.698 20,2 lxx 1 Kön 2,3

463A.322

2 Kön 5,10 260A.365 5,14 260A.365 6,32 lxx 472A.346 14,14 lxx 392A.33 211A.128 17,15 18,6 lxx 553A.695 18,23 lxx 392A.31 1 Chr 17,1

472A.346

2 Chr 25,24 lxx 392A.33 1 Esdras 4,10 4,20 7,13 9,9

468A.331 553A.697 75A.85 75A.85, 438A.224

Esra 6,21 lxx 75A.85 9,1f. 217 9,1 lxx 75A.85 Neh 9,2 lxx 75A.85 Est 1,2f. 124A.300 2,9 123 2,18 125A.300 5,4–8 123 7,1–9 123 8,17 lxx 440A.234 C7 126

749

Stellenregister C8f. 125A.304 126, 306A.96 C14 C16 125A.304 126 C17–21 C20 125A.304 C21f. 126, 306A.96 C26–29 124 C26–27 124 69, 125, 342 C28 F9 125A.304 Jdt 306A.96 8,20 9,14 306A.96 10,5 88A.150, 128, 136A.345 128A.312, 129 11,11–15 11,12 129A.313 181A.544 11,13 11,17 129 12,1–4 128 12,1f. 128A.312 12,1 69A.61, 128 12,2 128f. 12,3f. 129 12,6–10 181A.545 129A.316 12,6–9 12,7 181A.545 12,8 181A.545 12,9 181A.545 12,10–13,9 127–130 500A.485 12,10 12,11 129, 130A.317 145A.385 12,12 130A.317 12,13 145A.385, 636A.217 12,16 130A.317 12,17 130 12,19 145A.385 12,20 145A.385 13,2 128 13,6–11 Tob 1,10–13 1,10f. 1,11 GII 1,12 1,13 1,17

116f. 56, 71A.71, 72, 116, 175 72, 128A.312 116 116 71A.71, 175A.526

2,2 2,2 GII 2,5 2,9 2,9 GII 4,7 4,12 4,16 4,17 7,9 GII 8,11 9,6 GII 12,8 13,6

71A.71 175, 507 180A.542, 268A.404 268A.404 180A.541 539 217 71A.71, 175, 539 170, 175, 218A.169 180–182, 601 471A.346 468A.331 539 448f.A.259

1 Makk 210A.122 1,11–15 75, 210A.122, 438A.224 1,11 58A.14 1,13f. 1,15 75, 78, 209A.120, 210A.122 73–75, 89f., 223A.192, 591 1,41–63 75 1,41f. 75 1,44 561A.730 1,47f. 1,47 62A.26, A.28, 90, 96A.183, 97, 346 1,48 87A.145, 89A.153, 90A.157, 110, 304A.90, 305 561A.730 1,62f. 1,62 90, 93, 96A.183, 97, 346, 542 1,63 78A.106, 87A.143, 90A.157, 110, 304A.90 448A.259 2,48 3,2 553A.694 4,43 109A.241 4,45 109A.241 6,21 553A.694 11,22 392A.29 2 Makk 3,7 4,9–14 5,27 6,5 6,15 6,18 6,19

392A.29 58A.14 70A.64, 87A.144, 342 77A.97, 555A.706 76A.90 62A.28, 75A.89 113

750

Stellenregister

2 Makk (Fortsetzung) 6,20 77A.97, 555A.707 76A.90, 77A.95 6,21 6,25 113 7,1 62A.28, 75A.89, 77A.97, 555A.707 7,37 306A.96 88A.151 7,40 10,34 555A.708 12,14 555A.708 13,3 392A.29 14,14 392A.29 14,16 392A.29 15,26 392A.29 3 Makk 3,3 3,4–7 3,4 3,6 3,7 5,20 5,31 5,36 5,39 6,25 7,7

121 120f. 120 559A.723 59f., 121 555A.708 121 468A.330 468A.330 121 121

4 Makk 1,33 87A.142 1,34 87A.142 77A.95 4,19 76, 87A.143 4,26 5,2f. 304A.88 5,2 62A.28, 64, 75A.89, 88, 179, 285A.2, 373A.352 5,3 88A.148 5,6 62A.28, 88 5,8 63A.35, 88, 89A.152 5,9 63A.35 5,13 77A.95 5,14 77 5,17 77A.95 5,19 88A.148, 112 5,20 77A.95, 112 5,24 306A.96 5,25 88A.148 5,26 84A.128, 87A.142 5,27 77A.95, 88A.148, 94A.177

5,29 587A.23 5,36f. 111 87A.143, 304A.89 5,36 5,37 88A.151, 111 6,15 62A.28, 76A.90, 88 6,19 88A.148, 94A.177 6,30 111 111 7,4 7,6 88A.148, 89A.156, 94A.177, 111, 304A.89, 595 7,19 464A.326 8,2 88A.148 8,12 88A.148 8,29 88A.148 11,16 88A.148 11,25 88A.148 13,2 88A.148 16,25 464A.326 Ps 170A.495 1,1 2,1 lxx 563A.736 9,17f. lxx 448A.259 14,2 lxx 560A.726 26,4f. 170A.495 172A.509 41,10 62,9 lxx 553A.695 72,28 lxx 553A.695 100,5 lxx 146, 177 103,17f. 463A.322 105,35 lxx 392A.32 106,28 218A.169 106,34–42 41A.47 106,35–40 40A.43 106,35 211A.128 106,37 218A.170, 314A.124 112,1 463A.322 141,4 146A.387 143(142),2 451A.273 154,12f. (syr.) 176 Spr 1,10–19 170A.495 6,26 lxx 374A.353 11,1 lxx 561A.729, A.734 11,15 lxx 392A.29 12,14 170 561A.729, A.733 12,22 lxx 13,14 170A.491

751

Stellenregister 13,20 170A.491 14,16 lxx 391A.27 15,8 628A.193 561A.729, A.732 15,8 lxx 15,28 lxx 561A.732 15,31 170A.491 20,9 40A.41 391A.27 20,19 Θ 588A.29 20,20 23,6–8 lxx 146, 177 177A.533 23,6 517A.536 23,20f. 170 29,27 Koh 5,18 10,20 12,13

468A.332 299 463A.322

Hiob 40A.41 4,17 33,26 lxx 561A.732 553A.696, A.698 41,9 lxx Sap 571A.775 11,23 571A.775 12,10 571A.775 12,19 218A.169 14,15 14,22–27 372A.344 Sir 519 553A.695 2,3 6,1–17 172A.504 172A.509 6,8f. 172A.509 6,10 6,14–17 172A.504 170 6,17 6,34–37 170 170, 553A.696 6,34 172 6,35 172A.504 7,18 218A.169 7,33 8,8 170A.491 171A.500 8,17 172 9,10 168 9,14f. 9,14 171A.500

9,15f. 509 9,15 172 9,16 167–174, 431A.198, 507–509, 648 9,16 (HA) 168A.482, 519 11,29–34 173A.512 12,5f. 170 12,8–12 172A.504 170 12,14 173, 508A.507 13,1 173 13,15 173, 553A.696 13,16 170, 173 13,17 172A.504 13,25 172A.504 14,13 553A.694 19,2 19,13–17 172A.504 172A.504 20,16 172A.504 20,23 471A.346 21,8 22,13 170A.494 22,19–26 172A.504 27,16–21 172A.504 539 29,1 29,10 172A.504 218A.169 30,18f. 31,1–3 171 171, 174A.515 31,12–32,13 134A.332 32,1f. 32,3–12 172 35,6 lxx 561A.731 170, 172A.504 37,1–6 172A.509 37,4 37,7–11 171A.500 170, 171A.500, 173 37,12 68, 353A.260 40,29 41,17 374A.354 374A.354 41,20 172A.504 41,25 299 42,18 PsSal 2,1f.

448f.A.259

Hos 2,1 442A.242 5,3 40A.40 6,6 492A.449, 494A.459, 614, 629

752

Stellenregister

Hos (Fortsetzung) 6,10 40A.40 392A.30, 408 7,8 lxx 8,13 lxx 56A.3 56A.3 9,3f. 9,3 lxx 87A.145 9,4 lxx 87A.143 Am 3,2 9,11f.

212 361–363

Mal 1,6–14 lxx 67 1,7 67 1,7 lxx 67A.56, A.57, 353A.260 1,12 67 1,12 lxx 67A.57, 353A.260 2,13 lxx 561A.731 Jes 22,13 468A.332 29,13 586 36,8 lxx 392A.31 43,6 424A.166 424A.166 45,11 45,24 lxx 442A.241 438, 442A.241 52,11 lxx 56,3 lxx 438 56,7 lxx 561A.731 60,7 lxx 561A.731 424A.166 63,8 65,4 61 65,4 lxx 87A.144, 600A.78 264A.386 66,3 66,17 61 66,17 lxx 89A.154, 354A.264 54A.106, 181A.544 66,20 Jer 2,7 40A.43 2,23 40A.43 3,1 41A.44 6,20 lxx 561A.731 7,9 625A.174 22,13 lxx 471A.346 Bar 4,7

218A.170

Ez 4,13 56A.3 4,13 lxx 87A.145 4,14 lxx 87A.143 8,10 lxx 89A.154 11,20 439A.228 20,18 lxx 392A.32, 408 40A.43 20,30f. 22,1–12 44 22,1–4 41A.45, A.47 22,26 96A.184 23,30 40A.43 23,40f. 182A.554 33,25 37 36,18 40A.43 36,19 41A.47 36,25 40A.43 37,27 442A.242 39,23f. 40A.40 44,23 96A.184 36, 195 44,31 Dan 1 60A.19 1,3–21 65 1,5 65, 117 1,8 65, 117, 304A.89, 342A.219 1,8 lxx 66–71, 87A.144, 353 1,8 Θ 66f. 1,9 lxx 114–117 343 1,10 1,12f. 343 1,12 70, 323, 342A.219 1,13 65, 117 1,15 65, 117 1,16 70, 123A.293, 323, 342A.219, 343 1,20 lxx 114 69 5,1–30 5,3f. 69 5,4 lxx 134A.336 11,23 Θ 392A.31 Alttestamentliche Pseudepigraphen Aḥiq 1,20 (syr.) 2,7 (armen.) 2,13 (arab.)

176A.527 176A.527 176A.527

753

Stellenregister Arist 143 16 31 111A.250 629A.195 40 45 629A.195 127 85A.138 128–171 58A.12, 79, 336f. 84A.131 128f. 87A.145 128 87A.145, 336 129 81 130 131 79 132–140 80A.111 132–139 306A.97 80A.111 132 134–142 218A.166 134–137 143 80A.111 134 135–138 80A.111 143 138 139 80f., 111A.250, 439A.228, 461, 629A.196 83A.124 140f. 80A.111 140 142–169 82 142 81, 84, 439A.228, 461, 509A.513 85, 336 143 144–149 84A.129 83, 111A.250 144 145–148 83 84A.127 145f. 84, 85A.134, 88A.150 145 84A.132, 85A.135 146 84A.133 147f. 147 84A.131, 85A.135, 87A.145, 337 83A.125 148f. 150–161 82A.119 150–153 82 82A.119 150f. 150 82 80, 82, 567A.755 151 152 84A.130, A.132, 85A.137, 218A.166 153–161 83 82A.118, A.119 153 82A.118 154

158f. 82A.118 82A.118, A.119 161 163–169 83 163–166 84A.129 84, 85A.136, 628A.194 166 168 83A.123 169 83A.125, 84A.131, 85A.135, 87A.145 629A.195 172 141 180 181–183 142 184–185 142 187–295 144f. 628 234 111A.250, 308A.101 292 304–306 180A.539 599A.75 305 92A.170, 558, 594 315 111A.250 317 AssMos Frg. 7

93A.175

EpJer 26 69f.

218A.169 306

4 Esra 4,23

448f.A.259

Hen(aeth) 5,6f. 7,5 19,1 82,4 98,11

481A.394 202A.83 218A.170 481A.394 202A.83

JosAs 179 138 2,3 131 3,2 131 3,4 138 3,6 135A.337 4,7 7,1 5A.5, 127, 131f., 138f., 142, 182A.550 140 7,5 134 8,4

754 JosAs (Fortsetzung) 8,5–7 108, 134f., 137 8,5 126A.306, 134, 136, 138A.356, 140A.365, 311, 313A.121, 372A.347 8,7 132A.329, 140A.365 8,8 135A.337 8,9 134, 138, 140A.367 9,2 108 10,11–13 108 10,13 109, 126A.306, 306A.95 11,4f. 108A.235 11,7f. 138 11,8 135 11,9 87A.143, 108A.233, 137A.352, 304A.89, 313A.121 11,16 87A.143, 108A.233, 137A.352, 304A.89 12,5 65A.41, 87A.143, 108A.233, A.234, 112A.253, 137A.352, 135, 138, 304A.89, 313A.121 12,9 108A.235 12,12 108A.235 13,8 109A.240, 306A.95 108A.235, 135, 138 13,11 13,15 5A.5 15,5 134, 138 15,14 132A.326 16,1 132A.326, A.328 16,14–16 137 136, 137A.351 16,15f. 134, 138 16,16 17,7f. 132A.326 108A.235, 134, 136 19,5 19,10f. 140 20,1f. 138f. 5A.5, 182A.550 20,2–5 20,6–8 139A.357, 143 20,7f. 139f. 20,7 139 20,8 139f. 21,1 135A.337 139A.357 21,7f. 21,10–21 112 21,10 353A.259, 356A.275 112A.253 21,13f. 21,13 138 134, 313A.121, 372A.347 21,14 21,15 138

Stellenregister 21,21 23,9f. 23,12 26,8 27,10 28,7 29,3

134, 138A.356 135A.337 135A.337 138 138 135A.337 135A.337

Jub 1,7–9 214A.141 1,9 212, 219A.176, 220A.177 1,14 214A.141, 219A.176 1,17 213 1,21 213 2,19–21 212f. 2,25–27 214A.141 2,29 623A.167 2,31 213 3,10 260A.362 3,13 260A.362 3,31 211A.128 6,7–14 203, 223A.191 6,7 203 6,10 203, 369A.331 6,12 203 6,18 203, 223A.191 6,19f. 369A.331, 372 203, 223A.191 6,38 7,28–32 203, 223A.191 7,28 203 203 7,31 203 7,32 11,2 203, 223A.191 11,4 220A.177 11,16f. 212, 220A.177 11,16 219A.176 213 15,32 209A.120 15,34 16,5 374A.355 374A.355 16,8 16,17f. 213 213, 217 16,26 19,18 213 20,4f. 209A.117 20,7f. 219 20,7 212, 219A.175, 220A.177 219, 220A.177 21,5 21,6 203, 223A.191 21,16 181A.548, 216A.151 21,17 203

755

Stellenregister 21,18 203, 223A.191 21,21–23 211A.128 21,21 211A.129, 212A.133 211A.128, 212A.133 21,23 22,10 213 22,11 213 22,12 213 213 22,15 22,16–22 235A.242 22,16f. 211f., 214, 217, 219A.175, 227A.212, 235A.242, 558 22,16 178, 208–211, 214, 217–224, 235, 357A.278, 438A.223, 467, 551, 558f., 578 209, 218 22,17f. 22,17 176A.530, 211A.128, 218 219 22,18 211A.128, 212 22,19 22,20–22 209 227A.212, 235A.242 22,20 219 22,22 211A.129 23,17 23,21 212A.133 220, 448f.A.259 23,23f. 25,1 209A.117, 372A.344, 374A.355 25,3–10 209A.117 217 25,3 217 25,18 27,8–10 209A.117 30,2–15 374A.355 30,7–17 209A.117 30,7–15 217 30,7–10 213 213 30,8 213 30,14 216A.151 31,1 31,2 219A.172 223A.191 32,8 32,10–14 206A.101 374A.355 33 213 33,11 213 33,20 212A.133 35,14 219 36,5 374A.355 39,6 623A.167 50,9

lab, siehe Ps.-Philo ParJer 410A.111 4,16 6,13f. 438 7,32(37) 66A.47, 353f., 355A.271, A.272 Ps.-Philo De Jona 135A.339 32 216–219 569A.764 lab 203A.85 3,11 Ps.-Phok. 31 228

64A.41 628

Sib 64A.41 2,96 218A.169 3,547 3,591–593 180A.539 135A.339 4,24f. 4,162–166 180A.539 8,382–384 218A.169 218A.170 8,386 syrische Menandersprüche 177A.537 24 177A.537 59 TestAbr A 4,9 A 6,4 B 6,11

132A.325 132A.325 51A.94

TestMos 7

481A.394

TestXII.Ben 6,5 6,7 8,2f.

308A.101 308A.101 307A.100

TestXII.Dan 5,6

374A.355

756

Stellenregister

TestXII.Is 4,4

307A.100

TestXII.Jos 3,8

374A.355

TestXII.Jud 14,2f.

374A.355

TestXII.Lev 374A.355 9,9 181A.548, 600A.78 9,11 14,5–15,1 404A.88 374A.355 14,6 18,53–57 (ms Athos Cod. 39) 203A.85 TestXII.Lev (aram.) 217 17f. 600A.78 19–21 TestXII.Rub 1,6 3,3 4,3 4,7–11 6,1f.

374A.355 374A.355 301A.77 374A.355 307A.101

TestXII.Sim 5,3f.

374A.355

Philo von Alexandrien und Flavius Josephus Philo Agr. 131–145 82A.121 84A.126 144f. Cher. 308A.101, 498A.479 16 Conf. 498A.479 22 Contempl. 498A.479 2 70A.66, 136A.342, 186A.5 37 136A.342 64–89 70A.66, 186A.5 73

Decal. 93 629A.198 150 498A.479 Det. 110 498A.479, 527A.584 498A.479 123 301A.78 146 Deus 498A.479 67f. 307A.100 89 126 308A.102 135 301A.76, 302A.79, 498A.479 Ebr. 125 301A.76 Flacc. 62 96 Fug. 627A.183 81 Her. 82A.121 239 Ios. 167A.480 83 Leg. 553A.697, A.699 2,49 2,50 553A.697, A.699 3,5 410A.110 3,36 498A.479 Legat. 165 301A.74 538A.633 213 62A.29 361 Migr. 627A.185 89 553A.695, A.699 132 Mos. 72A.77, 392A.32 1,278 374A.353 1,302 623A.167 2,22 141A.372 2,33 627A.183 2,231 Mut. 629A.198 240 Praem. 498A.479, 509A.513 21 84 301A.74 538A.633 162

757

Stellenregister Prob. 106A.229 2f. 12 498A.479 509A.513 76 99 301A.74 Prov. 2,23 498A.479 qe 553A.695 2 Frg. 3b Sacr. 101 9 Spec. 301A.74 1,203 313 1,221 527A.584 1,239 100 1,255 1,257 629A.196 627A.186, A.188 1,258 268A.404 1,261 628 1,271 628 1,272 396A.48 1,293 2,157 498A.479 627A.185 3,63 627A.183, A.188 3,89 268A.404 3,205f. 180A.541 3,206 3,208f. 627A.187 4,100–131 82A.121 63A.35 4,101 367 4,122f. 367A.322 4,122 203A.86 4,123 584A.12 4,149f. Virt. 498A.479 3f. 301A.78 124 134–142 205A.94 Jos. Ant. 203A.86 1,102 101 1,230 101 3,181 3,259f. 60f., 350A.242 3,259 547A.671, 549A.677, 567A.753 203 3,260 256A.345 3,261

3,264 256A.345 252A.322 3,278f. 4,126–140 102–104 4,130 587A.23 90A.159, 103, 654 4,137 4,139 60A.21, 103A.219 103A.219 4,140 132A.324 6,338 537A.624 7,130 537A.624 7,153 8,67 100 9,155 627A.183 10,190–194 56A.4, 60A.19, 70f. 70 10,190 71 10,194 11,346 90f., 94A.177, 112 143A.375 12,22 12,93–97 141A.372 141A.372 12,105 12,106 180A.540 12,112 92A.169, 558, 594 12,119f. 277A.453 12,145f. 215A.148 468A.330 12,211 12,241 58A.14 12,253 62A.26 537A.624 12,284 91, 93, 101A.211 12,320 91A.167 13,4 602A.86 13,288 13,297f. 602A.86 584A.12 13,297 602A.86 13,401 537A.624 14,1 554A.702 14,72 20 14,260 14,308 537A.624 335A.203 17,151 18,12–17 602A.86 20,164f. 390f.A.24 537A.624, 539A.638 20,195 Bell. 62A.26 1,34 1,84 555A.709 301A.74 1,453 1,649 555A.709 1,650 554A.702, 555A.709 555A.709 1,659 2,119–161 236A.248

758 Jos. Bell. (Fortsetzung) 2,123 278A.457 225A.200 2,124 2,129–132 230A.225 2,129 230A.225, 236A.248, 238A.252, 278A.457 2,131 230A.225, 554A.704 2,132 238A.252 2,138f. 236A.248 2,139–142 236f.A.248 2,139 226A.207, 538A.633 2,143 237A.248 2,147 623A.167 2,150 220, 221A.184, 236A.247 2,152 60A.19, 86A.141 2,161 230A.225 2,454 440A.234 2,463 440A.233 2,591f. 277A.453 4,99 554A.703 4,205 554A.702 4,562 554A.705 5,227 256A.345 6,290 268A.404 6,426 627A.183 7,264 60A.19, 86A.141, 132A.325 C. Ap. 105A.226 1,61 1,281 256A.345 1,282 256A.345 2,117 100, 103A.221 554A.702 2,119 62A.30 2,137 2,140 537A.624 63A.31 2,141 2,174 60A.19 2,255 83A.121 120A.282 2,258 Vita 70A.64 14 26 555A.709 74–76 277A.453 74 128A.312 173A.510 220 222 173A.510, 467A.328, 500A.485 173A.510 223 242 389A.20

Stellenregister Schriften von Qumran cd-a 1,13–21 481A.394 3,6 202 3,7 202 5,11 305A.92 6,14–16 225 6,14 419A.152 6,15 235A.241 6,17f. 251A.316, 544A.654 7,3f. 199A.67, 305A.92, 544A.654 8,16 225, 249A.305 9,2–4 579A.791 9,21 227A.214 9,23 227A.214 10,10–13 232A.232 10,11 240A.256 10,22f. 623A.167 11,9f. 623A.167 11,13–17 623A.167 11,21–12,1 181A.548 11,21 628A.193 12,8–10 207 12,11–15 191, 197–201, 304A.91 12,11–13 199f. 12,13–15 200 200 12,13f. 12,14f. 200f. 12,15–17 275, 277A.450 12,16 275A.443 251A.316 12,19f. 13,15f. 207A.107 15,5–16 237A.248 15,15–17 236A.245, 250A.307 cd-b 19,29 20,7f. 20,7

225, 249A.305 419A.152 235A.241

1QGenApokr 11,17

202A.79

1qm 7,4f. 14,2f.

250A.307 268A.404

759

Stellenregister 1qs 178, 467, 504A.495 1,9 248A.300 248A.300 1,10 2,16 248A.300 2,25–3,12 579A.791 3,1–9 233A.235 235A.241 3,2 232A.232 3,3–9 233 3,4–6 225 3,9–11 248A.300 3,13 3,20 248A.300 3,21 248A.300 3,24f. 248A.300 4,9f. 233 225 4,22 231 5–8 224A.197 5,1f. 228 5,6 211 5,7–20 5,10 224A.197 232A.234, 233, 235A.242 5,13f. 5,13 221A.184, 226A.204, 232A.231, A.232, 248A.300 235A.241 5,14f. 224A.197 5,15 239A.255 5,16f. 235A.241 5,16 235A.241, 419A.152 5,18–20 224A.197 5,18f. 248A.300 5,18 5,19f. 221A.184, 235A.242 233 5,19 5,20–25 239 236A.246 5,23f. 5,25–6,1 579A.791 225A.200 6,1f. 226, 235A.244 6,3–6 6,13–23 236f. 232A.233 6,14f. 6,16–22 276 226A.205, 227, 237 6,16f. 239 6,17f. 235A.241 6,17 235A.241 6,19f. 227 6,19 6,20f. 237

6,21f. 238 239 6,21 227, 236A.246 6,22 6,24–7,25 227, 418A.150, 579A.791 6,25 226A.205, 227A.214, 233, 237 233, 237 7,2f. 226A.205, 227A.214 7,3 237 7,15f. 226A.205, 227A.214, 233 7,16 227A.214, 237A.250 7,19f. 226A.205, 233 7,19 227A.213, 237 7,20 236A.246 7,21 235A.241, 419A.152 7,24f. 400A.72 8,5–11 228 8,5–9 224A.197 8,13 8,16–9,2 579A.791 228, 233 8,16–18 227, 232A.233 8,17–19 8,17 226A.204, 227A.214, 248A.300 225 8,18 236A.246 8,19 224, 248A.300 8,20 8,21–24 228 225 8,21 235A.241, 419A.152 8,23f. 224, 248A.300 8,23 237A.250 8,24f. 227A.214 8,24 225 8,25 400A.72 9,4–6 628A.193 9,4f. 228 9,5f. 1QSa 235f., 250A.307 2,3–10 2,11–22 235f.A.244 4qmmt 243A.266, 630f. 206 B3–9 B8–9 206A.104 206A.102 B9–13 B18–23 205A.93 251A.318, 255A.339, 257 B23 B36–38 206A.98

760

Stellenregister

4qmmt (Fortsetzung) B48 251 B49–54 249–253 B49–50 250 250 B53 B54 250–253 B55–58 280 B58–62 263f. B62–64 206A.101 B64–72 253–257 B65 253, 255, 257 B67–68 254 B68 253, 255, 257 B70 254 B71–72 255 B72–74 192A.27 B72 256f. B75–82 247f. B76–82 251A.315 B76 251A.317 B79 251A.317 B81–82 251 C7–9 248 C7 246 C8–9 247 247 C8 C10 248f. C26–32 249 C27 243A.266

4Q256 (4qsb) 9,8f. 9,13

227, 232A.231 235A.242

4Q258 (4qsd) 1 i 5–11 1 i 5–10 1 i 7–8 1 i 7 1 i 11

227A.212, 235A.242 211A.127, 221A.184 227, 232A.231 226A.204 235A.242

4Q266 5 ii 5–7 6 ii 3–4 6 ii 9–10 6 ii 10–11 8 i 6–9 9 ii 1–2 9 iii 1–3 11,14–15

263 258f. 259f. 265A.392 236A.245, 250A.307 197A.56 207A.107 235A.241, 419A.151

4Q269 8 ii 1–2

207A.106

4Q270 2 ii 15 7 i 6

205A.95 226A.205

4Q271 2 8–10

207A.106

4QpPsa (4Q171) 4,7–9

244

4Q45 21 i 22

4Q272 1 ii 3b–7a 260A.364

195A.43 195A.43

4Q174 1–2 i 6

400A.72

4Q197 4 iii 11

180A.543

4Q274 1 i 0–9 1 i 0–4 1 i 0–2 1 i 1 1 i 3 1 i 4–6 1 i 5 1 i 7–9 1 i 8–9 1 i 9 1 i 9–ii 1 2 i 1–3 2 i 4–9

4Q251 (4QHalakha A) 12,1–2 205f. 12,3–5 197A.55 195A.43 12,5 16,1–3 263A.381

265, 269–272 256A.345 269f. 180A.539 269f. 270f. 269 271 260A.364 269 271 264A.388 260f.

761

Stellenregister 2 i 4–6 2 i 6–7 2 i 7–9 3 3 i 6–8 3 ii 4–9 3 ii 10–12

260 261 261 228A.216 279 279A.460 273A.435

4Q277 1 ii 7–10 1 ii 10–13

268A.404 600A.78

4Q284 2 i 1 2 ii 3

265A.391 265A.391

4Q284a 1 1,2–8 1,3 1,6–8

228A.216 279 227A.213 277A.451

4Q414 2 ii 2 2 ii 4

268A.404 268A.404

4Q421 12

262

4Q512 1–6 xii 5–6 9 xi 2–3 10 x 1–2 11 x 2–5

268A.404 267A.402 266A.397 180A.539, 266A.397

4Q513 (4QOrdb) 2 ii 1 13,4

255 277A.450

4Q514 (4QOrdc) 1 i 1–10 1 i 3–4 1 i 4–5 1 i 6 1 i 7–8 1 i 9–10

241A.261 265–269, 272 266 267 267 266f. 267

11QPsa (11Q5) 18,12f.

176A.531

11Q19 20,11–13 206A.102 43,11f. 206A.101 45,7–12 260A.364 45,7–10 266A.397 250A.307, A.308, A.309 45,12–14 45,15–17 266A.397 45,17f. 256A.344, A.345 46,16–18 256A.345 47,3–14 277A.451 204 47,5–7 252, 277A.451 47,6f. 47,7–18 204f. 47,7–10 205A.92 47,7 252A.324 47,11–14 277A.451 47,15–17 205A.92 47,17f. 252 47,17 252 48,1–7 191, 193 200 48,3–5 48,3–4 194 194 48,4f. 195 48,5f. 194 48,5 196f. 48,6f. 196 48,7 256A.345, 259A.361 48,14–17 49,5–21 273–275 49,7–10 276A.447 279A.462 49,7–9 278f. 49,7f. 49,7 252A.324, 273A.434, 276A.444, A.447 265A.392, 274 49,8f. 278 49,9f. 252A.324 49,9 49,11f. 275A.443, 276f. 49,14 275 275 49,15f. 49,16–21 268A.404 49,19–21 264A.388 50,10–19 273f. 273 50,11 273 50,12

762

Stellenregister

11Q19 (Fortsetzung) 50,13–16 268A.404, 273 50,16–18 273 50,16f. 273 50,17–19 273f. 50,20–51,5 192 51,8–10 544A.654 51,8f. 196A.48, 305A.91 52,5–7 205 52,10–12 204A.91 52,10f. 241A.260 52,11f. 202 52,11 241A.260 52,12 202 52,17–19 204A.91 52,19–21 204 53,4 241A.260 53,5–8 202 53,5f. 202 63,14f. 262 64,8 579A.791 11Q20 12,2–4 266A.397 14,17–15,1 192 Rabbinische Literatur bBekh 30b–31a 603A.91 bEd 5,6

596A.61

BemR 20,21

600A.81

bEr 21b Baraitha

596A.61

BerR 7,2

201A.76

bHul 27b 201A.76 65a–66a 194A.38 67a 200

84a 105a

202A.82 600A.79

bKer 20b–21b 201A.77 21b 201A.76 bMeg 10a–17b 123A.293 bMeil 17a

201A.77

bShab 14b 62b

600A.80 596A.61

bSot 4b

596A.61

mAv 3,13

584A.12

mAZ 2,3–7 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 5,3 5,5 5,8–10 5,9 5,12

207 207 207A.111 207A.111 207, 277A.453 207 126A.305 126A.305, 222A.190 126A.305 207 221A.183

mBer 3,6 6,1 7,1 8,2 8,4

260A.365 135A.339 222A.190 600A.79 600A.79

mBets 2,3

275A.441

mBik 2,1

600A.79

763

Stellenregister mBQ 7,7

192A.30

mDem 2,2f. 2,3

491A.445, 603A.91 491A.445

mEd 1,3 2,5f. 5,6

240A.256 623A.167 600A.79

mEr 1,10 10,7 10,13f.

600A.79 623A.167 623A.167

mHag 600A.79 2,5f. 235A.243 2,6 634A.208 3,1 3,3 256A.344, 597A.70, 600A.79 489A.437 3,6 mHal 1,9 4,8

600A.79 260A.365

mHul 1,3 2,1 2,7 3,1 3,7 4,5 6,1 9,1f. 9,2

372A.348 372A.348 218A.168 372A.348 194A.38 205A.95 202A.82 192A.27 205A.92

mKel 1,7 10,1 25 25,1 25,3 25,6 25,8f.

600A.78 256A.345 275A.440 634A.208 634A.208 634A.208 634A.208 634A.208

mKer 5,1

201A.77

mMakh 1,1 4,7 5,9 6,4 6,5 6,8

279 600A.79 280A.467 279 276A.448 279A.463

mMen 13,10

252A.322

mMiq 1,1–7,7 1,8 4,1 5,6 6,2 8,2 10,1

240A.256 260A.365 275A.440 633A.205 633A.205 260A.365 633A.205

mNed 5,6 9,1

590A.39 590A.39

mNeg 14,3

256A.344

mNid 10,7

260A.365

mOhal 5,5 8,3 18,7

275A.440 275A.442 222A.188

mPar 2,1 5,5 8,7

206A.103 275A.440 276A.446, 597A.70

mSan 7,4 7,8 11,1

588A.29 588A.29 588A.29

764

Stellenregister

mShab 6,10 14,3f. 18,3 22,6

623A.167 623A.167 623A.167 623A.167

mShevu 4,13

588A.29

mToh 2,2 2,6 3,1f. 4,5 7,6 7,8 8,7 8,9

597A.70 276A.445 278A.456 596A.64 489A.437 592A.49 634A.208 280A.468

mYad 1,1–2,4 1,2 2,2 3,1 3,2 4,7

583A.7, 599f. 599A.77, 600A.79 275A.440 600A.77 597A.70 597A.70 185A.2, 280A.467

mYom 3,2 8,6

ser 24

590A.39

Sifra Metzora Zabim 274A.439 3,1f. Sifra Schemini 3,1 7,5 10,4

200 274A.439 201A.77

Sifra Zav 10,11

201A.77

SifZ zu Num 19,11

634A.209

TanB Balak 24

600A.81

tAZ 8,4

370A.335

tBer 4,8 5,6 5,13

600A.79 600A.79 600A.79

260A.365 623A.167

mZav 1,4 5,1 5,12

tDem 2 2,2 2,11

603A.91 491A.445 226A.209, 600A.79

260A.365 596A.66 596A.63, 597A.70

tKel Baba Batra 3,4 3,7

634A.210 634A.210

mZev 11,7 12,1

633A.205 252A.322

tKer 2,19

201A.77

Pirke Avot 3,4

218A.169

tPar 8,2

634A.209

pre 9,3

201A.77

tTer 7,11 9,6

200 201A.77

QohR 7,47

201A.76

tYad 1,1–2,8

600A.77

Stellenregister yDem 22d–23a 603A.91 yShab 1,7,3c

207A.111

Neues Testament Mt 516A.531 3,2 3,7 516A.531 3,10 516A.531 3,11f. 516A.531 3,12 516A.531 4,17 516A.531 4,25 476A.365 5,17 22A.63, 501A.488, 621A.158 621A.157, A.158 5,18 621A.158 5,19f. 374A.354, 621A.157 5,32 5,38–48 621A.157 484 5,46f. 486A.425, 520 5,46 5,47 448f.A.259 6,16–18 6A.11 582A.4 6,17 329 6,19f. 6,25 468A.332 7,6 264, 626A.178 621A.158 7,12 106A.227 7,13f. 633A.206 7,15 516A.531 7,19 7,21 624A.171, A.173 476A.365 8,1 476A.365 8,10 329A.183, 529A.594 8,11 472A.348 8,14 476A.365 8,18 8,19–22 475A.363 8,19 475A.361 472 8,20 608A.115, 621 8,21f. 476A.365 8,27 5A.8 9,9–13 9,9 475A.363

765 466f., 646 9,10–13 9,10 468A.331, 472A.348, 477, 478A.375, 479A.381, 480A.385 9,11 473A.350, 479A.379, A.381 493A.450 9,12 492A.449, 494A.459 9,13 9,14–17 517A.536 472A.348 9,28 501A.488 10,34f. 10,37 621A.157 516A.531 11,2–19 11,17 516 11,18f. 5A.8, 385, 468A.332, 502A.493, 515–519, 621A.157, 646 516A.532 11,18 11,19 152, 466, 480, 513, 515, 517f., 647A.3 12,1–8 19A.56 492A.449 12,7 12,9–14 19A.56 19A.56, 621A.157 12,11f. 621 12,11 476A.365 12,15 516A.531 12,34 12,49 624A.173 624A.173 12,50 472A.348 13,1 13,33 395 13,36 472A.348 13,40–42 516A.531 516A.531 13,50 13,57 471A.346 14,9 468A.330 14,13 476A.365 321A.151 14,15 15,1–20 581f., 595A.60, 646 593A.54 15,2 15,3–20 4A.5 584 15,3–9 587A.24 15,4 15,10–20 584 15,11 541A.644, 585, 591A.47, 593A.54, 612A.128, 613A.133, 629A.198, A.200 598A.71 15,13f. 15,17 541A.644, 612A.128

766 Mt (Fortsetzung) 15,18 104A.223, 591A.47, 593A.54, 618A.149 15,19 374A.355, 403A.82, 404A.87, 625A.174 15,20 591A.47, 593A.54, 612A.128 15,21–28 386A.1 16,6 395 16,11f. 586A.18 17,10–12 516A.531 17,12 502A.493 17,25 472A.348 18,15–17 578 18,15f. 578 18,17 386, 481, 484, 578–580 19,2 476A.365 19,3–8 479A.383 19,5 552A.692 19,9 374A.354, 479A.383 19,21 475A.363 20,11 480A.384 20,28 501A.488 20,29 476A.365 21,9 476A.365 21,21 546A.663, A.665 21,23–27 516A.531 21,31f. 374A.353, 487A.427, 521A.551 21,31 624A.173 21,46 516A.531 22,1–14 329A.183 500A.486 22,3f. 22,8f. 500A.486 23,1–36 632 23,2 586A.18 23,3 586A.18 23,4 621 23,16f. 598A.71 23,23f. 480A.383 23,23 206A.100, 492A.449, 621, 635, 638A.227 23,25f. 5A.6, 12, 581, 585, 605A.106, 621, 632–635, 637A.223, 646 23,25 636 634f. 23,26 23,27 635, 638A.227 635 23,28

Stellenregister 23,33 516A.531 24,17 471A.346 24,20 19A.56 24,43 471A.346 24,49 468A.332 329A.183 25,21 25,23 329A.183 25,31–46 516A.531 26,29 329A.183 26,45 448f.A.259 27,62 479A.383 Mk 1,4 516A.531 1,6 194A.37 1,14 502A.492 1,16–20 474A.356, 475A.361, 500A.483, 503, 621A.157 1,16–18 503 1,16 477A.371, 503A.494 1,17–20 503 1,17 475, 503 1,18 475, 476A.368, 477A.370, 503 1,19f. 503 1,20 475, 476A.368, 503 1,21–28 623A.165 1,21 621A.159 581, 623A.165 1,22 1,23 592, 626A.178 1,24 501A.488 1,26f. 592, 626A.178 623A.165 1,27 1,29–31 623A.165 472 1,29 1,32 623A.165 1,33 476A.369 476A.369 1,37 1,38 502A.489 489f., 495, 575A.787, 1,40–45 625f. 1,40–42 615A.138 1,40 626A.178 1,41 626A.178 588A.28, 626 1,44 1,45 476A.369 2,1–3,6 622A.162 2,1–12 490, 495, 496A.465 2,1f. 477

Stellenregister 2,1 472A.348, 483 476A.369 2,2 2,5 490, 495 481A.392, 490, 495 2,7 2,9f. 490, 495 2,10 481A.392 470 2,13f. 2,13 474A.354, A.356, 476A.369, 503A.494 5A.8, 483, 503f. 2,14–17 2,14 469–471, 474, 475A.363, 476, 477A.370, 480A.386, 500A.483, 503 513A.524 2,15ff. 2,15–3,6 581 2,15–17 385, 466–515, 518f., 520A.548, 525, 580, 598, 621A.157, 629, 646–648, 656A.10 467f., 480, 485 2,15f. 2,15 467A.328, 468–479, 480A.385 467 2,16f. 2,16 118, 468, 472, 473A.350, 479–482, 486, 492f., 504, 507–509, 520A.546, 648 2,17 469A.339, 471, 481, 492–505, 509–512, 514, 519, 521A.551, 526–529, 614A.136, 647, 655 6A.11, 517A.536 2,18–22 2,18–20 581A.1 513A.524 2,23ff. 479A.383, 598 2,23–3,6 19A.56, 581A.1, 622 2,23–28 470A.343 2,23 621A.160 2,24 622A.164 2,25 2,26 621A.160 21, 576A.789, 622 2,27 622A.163 2,28 3,1–6 19A.56, 623 623A.166 3,1 623A.166 3,3 21, 621A.160, 623A.166 3,4 475A.364, 477A.370 3,7 592, 626A.178 3,11 470A.342, 474A.354 3,13–19 477 3,20

767 3,22 479A.383 592, 626A.178 3,30 3,31–35 624 3,31 499A.481 621A.157, 624 3,35 4,1–34 582A.3 4,10–20 585A.15 4,10–13 585A.15 475A.361, 582A.3 4,10 582A.3 4,33f. 4,40 585A.15 5,1–20 626 5,2 592, 626A.178 477A.371, 592, 626A.178 5,8 592, 626A.178 5,13 501A.488 5,14 5,21–43 495, 626A.178 475A.364, 477A.370 5,24 489f., 625 5,25–34 5,27 626A.178 5,28 477A.371 626A.178 5,41 621A.159 6,2 471A.346 6,4 6,7 592, 626A.178 477A.371, 621A.160 6,18 477A.371, 481A.397 6,20 468A.330 6,22 6,31 477 6,34–44 467 506A.504 6,39 467A.329, 636A.217 6,40 621A.159 6,41 581A.2 6,44 6,48 477A.371 585A.15, 630A.203 6,52 621A.159 6,56 7,1–23 4A.5, 12, 242, 336A.205, 352, 489, 542A.650, 575–577, 581–632, 637f.A.226, 646, 648f., 652, 657 7,1–13 582A.3, 584f., 588, 595, 610, 631 479A.383 7,1 7,2–4 582, 593 7,2f. 182A.555 93, 581, 584, 592–594 7,2 581, 585, 616A.141 7,3f.

768 Mk (Fortsetzung) 7,3 448A.258, 491A.443, 584, 587f., 594, 599, 631, 648 7,4 582f., 587, 594A.55, 633 584 7,5–13 7,5 93, 581, 583–588, 591, 594, 599A.74, 613A.130, 631 7,6–13 585–591 7,6–8 586 7,6f. 586 7,7–9 631 7,7f. 629A.199 7,7 585f., 588 7,8–13 609A.119 7,8f. 584f., 587, 607A.112, 617A.147, 649 7,8 585, 587f. 7,9–13 586 7,9 585, 587f., 599A.74 7,10–13 588 7,10 587A.24, 588, 625A.175 7,11f. 589f. 7,11 593A.52 7,12 616A.141 7,13 584f., 588, 590, 599A.74, 607A.112, 631, 649 7,14–23 584, 591f., 594–598, 605f., 610, 613, 627, 632f., 649 7,14–16 582A.3 7,14f. 477 7,14 584f., 595A.60 336A.205, 576A.789 7,15–23 7,15 8, 21, 93, 337A.207, 584f., 591, 594, 605–608, 611–615, 617A.147, 618A.151, 627, 628A.192, 629, 632f., 649, 654 7,17–23 582A.3 7,17 477, 585 7,18f. 585, 605A.106, 612 7,18 93, 584, 585A.15, 591, 594, 605, 611, 613A.131, 616f. 7,19–23 620 7,19 93A.172, 321A.151, 543A.653, 591f., 608, 611A.124, A.126, 612, 615–620, 629f., 632, 649 7,20–23 585, 620, 625 605A.106, 633 7,20f.

Stellenregister 7,20 93, 584, 591, 594, 606, 616, 618A.149, 619, 632 7,21–23 632 7,21f. 374A.355, 403A.82, 404A.87, 620, 625A.174, A.175 7,21 605A.106, 620, 629f. 7,22 173, 636A.220 7,23 93, 584A.14, 591, 594, 605A.106, 606, 612A.128, 620, 632f. 7,24–30 386A.1 7,25 592, 626A.178 7,27f. 386A.1 7,27 626A.178 7,31–37 495 8,1–9 467 8,6 467A.329, 621A.159 8,11 479A.383 8,14–21 585A.15 8,15 395 8,22–26 495 8,34 475A.360, A.363 8,37 481A.392 9,4f. 588A.28 9,13 502A.493 9,25 592, 626A.178 9,31 477A.371 9,33 472A.348 9,38 477A.370 582A.3 10,1–12 10,1 476A.365 10,2–12 479A.383, 609A.119, 622A.161 10,2–9 576A.789 10,2 621A.160 588A.28 10,3f. 10,5 587 10,7f. 553A.697 10,8 622A.161 10,13–16 624 10,13 479A.383 10,17–22 475A.361, 609A.119, 624 10,19 587, 624, 625A.175 10,21 624 10,23–27 624 10,23–25 624A.172 624 10,26 10,28–31 475A.363, 621A.157, 624

Stellenregister 10,28 476A.368, 477A.370 448f.A.259 10,33 10,45 481A.392, 501A.488, 529 10,46–52 495 10,52 475A.361, 477A.370 11,1–13,37 629A.197 11,9 475A.364, 476A.365 11,15–19 629 477A.371 11,18 546A.663, A.665 11,23 477A.371 11,32 621A.160 12,14 588A.28 12,19 12,26 588A.28 12,28–34 609A.119, 625 587 12,28 587 12,31 629 12,33 624A.171 12,34 629 13,1f. 471A.346 13,15 13,34 471A.346 14,3 467A.328, 626 14,12–16 621A.159 523A.560 14,14 481A.392 14,22f. 14,22 621A.159 329A.183 14,25 593A.52 14,36 448f.A.259 14,41 15,41 477A.370 477A.371 16,8 Lk 539A.634 1,6 525A.576 1,47 562A.735 1,50 525A.576 1,69 1,71 525A.576 1,77 378A.364, 525A.576, 530A.599 523A.560 2,7 525A.576 2,11 626A.182 2,22 539A.634 2,25 525A.576 2,30 563A.736 2,31 360, 563A.736, A.737 2,32 521A.551 3,2f.

769 3,3 521A.551 525A.576 3,6 525 3,7–9 3,7 529A.594 3,8 521A.551, 525, 529A.593, A.594 3,10–14 525 321A.151, 525 3,11 3,12f. 486A.421 3,12 525A.575 3,14 486A.421, 525A.575 561A.728 4,19 4,24 561A.728 503A.494 5,1–11 5,12–16 575A.787 522A.559 5,8 476A.368 5,11 479A.383 5,17 479A.383 5,21 5,27–32 5A.8, 479A.383, 519f., 523f. 5,28 476A.367, 503A.494, 524A.568 466f., 517, 646 5,29–32 5,29 467A.328, 469, 470A.343, 471A.346, 473A.350, 480A.385 5,30 468A.332, 469A.337, 473A.350, 479A.379, A.383, A.384, 480A.385, 520A.546 492A.449, 523, 529 5,31f. 5,31 466A.327, 493A.452, 519, 523, 526 5,32 469, 500A.482, 502A.493, 505A.498, 517A.537, 519, 521A.551, 523A.564, A.565, 526f. 5,33–38 517A.536 473A.350 5,33 19A.56 6,1–5 473A.350 6,2 6,6–11 19A.56 479A.383 6,7 6,27–36 621A.157 621A.158 6,31 6,32f. 520 6,33 448f.A.259 7,6 551A.687 476A.365 7,9

770 Lk (Fortsetzung) 7,14 575A.787 520 7,29 7,30 479A.383 7,31–35 517f. 7,32 516 7,33–35 5A.8, 385, 515–519, 621A.157, 646 7,33f. 502A.493, 516, 523A.564 7,33 516 7,34 152, 466, 480, 513, 515–519, 523A.565, 647A.3 7,35 517 7,36–50 378A.364, 479A.383, 482A.399, 518, 520, 522, 575A.787 7,36 469A.336, 479A.383 7,37 467A.328, 522A.559 7,38 4A.5 7,39 500A.486, 522A.559 7,44 4A.5 7,47–50 530A.599 7,47–49 378A.364 7,47f. 518A.538 7,49 468A.330 529A.590 8,12 9,11 476A.365 523A.560 9,12 9,13 321A.151 9,16 135A.339 9,23 476 472 9,58 621A.157 9,59f. 9,59 476 475A.361 9,61 10,7 468A.332 10,38–42 479A.383 523A.563 10,38 10,39 469A.336 11,37–54 479A.383, 482A.399, 522A.555 11,37–41 632, 636–638 11,37f. 575 11,37 467A.329, 469A.336, 479A.383, 636 11,38–41 585 11,38 546A.663, 581, 582A.5, 583, 636 11,39–52 632

Stellenregister 11,39–41 5A.6, 93A.173, 621A.157, 632, 646 11,39f. 605A.106 12, 581, 633, 636f. 11,39 11,40 636 11,41 12, 606A.110, 637f. 11,42 479A.383, 621A.157, 638A.227 11,44 638A.227 11,53f. 479A.383 11,53 479A.383 12,1 395 12,13–21 525A.573 12,29f. 377A.363 12,33 525A.574 12,37 329A.183 12,39 471A.346 12,49 501A.488 12,51 501A.488 13,3 521A.551, 571A.776 13,5 521A.551 13,10–17 19A.56 13,13 529A.590 13,16 529A.593, 530A.595 13,17 563A.736 13,21 395 563A.736 13,24 13,28f. 329A.183 529A.594 13,28 14,1–24 479A.383, 482A.399, 522 14,1–6 19A.56 14,1 469A.336, 479A.383 479A.383 14,3 14,5 19A.56, 621A.157 14,7–14 470A.343 14,7–11 158, 522A.557 14,7–9 500A.486 14,10 467A.329, 468A.330 14,12–24 158, 522A.557 14,12–14 525A.573 14,12f. 500A.486 14,12 518A.540 14,13 470A.343 14,15–24 329A.183 468A.330, 505 14,15 14,16f. 500A.486 14,16 470A.343 14,26f. 476A.366 14,26 621A.157

Stellenregister 14,28–33 525A.573 476A.366 14,33 15 528 15,1–32 521A.551 15,1–10 521A.551 15,1f. 478A.376, 520–522, 524 15,1 480, 521, 524 15,2 5A.8, 118, 385, 386A.2, 466, 473A.350, 479A.383, 480A.384, 520, 524A.566, 646 15,3–32 523 521A.553 15,4–6 15,4 520, 528 15,6 520, 528 15,7 521A.551, A.553, 571A.776 521A.553 15,8f. 15,8 520 15,10 521A.551, A.553 15,11–32 520 626A.178 15,15f. 552A.692 15,15 15,18f. 521A.553 15,18 521A.551 15,21 521A.551, A.553 15,23 505A.501 15,24 520, 521A.553 15,30 374A.353 520, 521A.553 15,32 16,1–12 525A.573 636 16,14f. 479A.383 16,14 16,16–18 621A.157 621A.157 16,16f. 623A.169 16,16 568A.757, 621A.157, A.158 16,17 16,19–31 525A.573 626A.178 16,21 16,22 529A.594 16,24f. 529A.593 521A.551 17,3 17,7 467A.329 575A.787 17,14 17,26–29 377A.363 537 18,2 18,4 537 18,9–14 520, 524 18,11f. 479A.383

771 18,11 481A.396, 487A.427, 633A.206 18,12 6A.11 18,13 378A.364, 480A.387, 481A.396, 522A.559 18,22 476, 525A.574 529A.590 18,26 18,28 525A.574 19,1–10 5A.8, 385, 466, 479A.383, 511A.518, 520, 522–530, 646 524, 525A.575, 528A.587 19,2 19,3 524 19,4 523f. 469A.336 19,5–7 19,5 523, 528 523, 524A.566 19,6 19,7 473A.350, 480A.384, A.387, 520, 522–524, 528f. 19,8–10 523 19,8 486A.422, 524f., 527, 528A.587 526–530 19,9f. 19,9 523, 525f., 528f. 19,10 493A.454, 501A.488, 512A.521, 523, 525–527, 529, 647 479A.383 19,39 464A.326 20,38 377A.363 21,24 523A.560 22,11 467A.329 22,14 329A.183 22,16 329A.183 22,18 377A.363 22,25 329A.183 22,30 377A.363 23,12 377A.363 23,16 377A.363 23,24f. 476A.365 23,27 23,40 537 23,50 539A.634 23,56 19A.56 448f.A.259 24,7 24,30 535A.615 24,43 535A.615 24,47 378A.364, 521A.551

772 Joh 475A.363 1,37 1,43 475A.363, 476 500A.486 2,2 2,6 275A.441 4,32 329A.180 321A.151 4,34 5,1–9 19A.56 6 135A.338 6,2 476A.365 329A.180 6,27 6,55 328A.178, 329A.180 7,19–24 19A.56 7,32 480A.384 9,1–41 19A.56 537A.624 9,31 4A.5 12,1–8 13,1–20 4f.A.5 181A.548 13,10 13,12 636A.217 88A.146, 557A.717 18,28 21,12 636A.216 636A.216 21,15 21,19–22 475A.363 Apg 569A.762 2,3f. 570 2,3 2,38 378, 521A.551, 530A.599, 570A.767, 571A.773, A.776 570 2,41 3A.1, 534A.615 2,42 2,47 570 3,19 378A.364, A.366, 521A.551, 530A.599, 571A.776 529A.593 3,25 563A.736 4,10 415A.136 4,18 4,25–27 377A.363 4,25 563A.736 360, 563A.736, A.737 4,27 5,13 552 5,31 378A.364, 521A.551, 525A.576, 530A.599, 571A.775, A.776 571A.773 5,32 5,37 563A.736 3A.1 6,1–7 6,1 480A.384

Stellenregister 7,7 377A.363 7,19 377A.363 8,15–17 570A.768 8,22 521A.551, 571A.776 8,26–38 531 8,29 552A.688 9,26 552 539 9,36 9,43 472A.349, 534A.614 10,1–11,18 3A.1, 33, 222, 336A.205, 351A.249, 375–378, 385f., 437A.218, 445A.251, 530–578, 580, 607A.111, 645, 647, 650f., 656–658 10,1f. 531, 536 10,2 537–539 10,3–8 531 10,3 531 10,4 539 10,5f. 568 10,6 472A.349, 534A.614 10,7 538A.630 10,9–16 4A.4, 532 10,11–16 531 540 10,11 10,12 540, 543 10,13 540, 564A.745 10,14f. 93, 541f., 547 10,14 12, 531–533, 540–543, 566, 578, 591, 650 10,15 5A.9, 543f., 564A.745, 565A.751, 568, 577f., 592A.48, 651 564A.745, 565A.746 10,16 10,17–23 532 472A.349, 565 10,17 544, 568 10,19f. 544, 565 10,19 10,20 339f.A.213, 376, 545–550, 566, 568, 577 10,22 531f., 535A.616, 536–539, 568 10,23–11,18 550 10,23 472A.349, 534A.612, 534A.614, 564A.742 10,24–33 532 10,24 534 10,25f. 534 10,27–29 544

Stellenregister 10,27 534 10,28 5A.9, 12, 93, 235, 357A.278, 376, 531–536, 541A.645, A.648, 542A.650, 544, 548, 551–563, 566, 577f., 591, 594, 647, 651, 658 10,29 550A.686 10,30–32 532 539 10,30f. 10,30 531, 539A.637 539 10,31 10,32 472A.349, 534A.614 10,33–35 544 535A.616, 568 10,33 10,34–48 535 532, 535A.615 10,34–43 10,34f. 560f., 565A.749, 566, 569 376 10,34 10,35 377, 431A.198, 449, 536, 537A.624, 559–563, 565A.751, 577, 651, 658 535A.617, 570A.770 10,36 386A.2, 535A.615 10,41 10,43–48 655 378, 535A.617, 570A.771 10,43 10,44–48 532 569A.763 10,44 568, 570 10,45–48 10,45 421A.159, 533A.610, 534A.612, 568, 572A.779 568 10,47f. 10,47 376, 445A.251, 531, 568, 569A.762 536A.618, 564A.742 10,48 348A.236 11,1f. 574A.784 11,1 572 11,2f. 11,2 421A.159, 450A.265, 531, 533, 549A.680, 572A.779 11,3 5A.9, 93, 118, 386A.2, 532f., 536A.618, 551, 556–559, 562, 564A.742, 568A.758, 572A.778, 578, 647, 651 532 11,5–18 11,5–10 4A.4, 531f. 540 11,5f. 11,5 540 11,6 540A.643 540 11,7

773 11,8f. 93, 541f., 547 11,8 12, 531–533, 541–543, 566, 591, 650 11,9 543, 566A.751, 568, 577, 592A.48, 651 11,10 564A.745, 565A.746 11,12 339f.A.213, 376, 534, 545–550, 568, 577 532 11,13f. 11,13 531 11,14 535, 571 11,15–18 655 11,15–17 568 11,15 376, 445A.251, 569A.762, A.763 11,17 376, 445A.251, 531, 569, 570A.771, 571 521A.551, 535A.617, 571 11,18 11,27–30 380A.375 12,11 563A.736 12,25 380A.375 6A.11 13,2f. 13,6–12 531 537A.624 13,16 563 13,17 559A.723 13,19 525A.576, 563A.738 13,23 521A.551, 563A.736 13,24 537A.624 13,26 13,38f. 349A.238, 450A.265, 456A.293 378A.364 13,38 537A.626 13,43 563A.738 13,46 537A.624 13,50 14,11–18 377 6A.11 14,23 14,27 377 379, 380A.375 15,1–35 15,1–29 376A.361, 378, 382, 435A.213 15,1–21 376f.A.361 443A.245 15,1f. 15,1 348, 360, 362A.298, 363A.307, 370 348 15,2–4 15,3 377 15,5 348, 363A.307, 373A.351, 479A.383

774 Apg (Fortsetzung) 15,7–11 349 15,7–10 376A.361 15,7–9 376 373, 375A.359 15,7 15,8f. 445A.251 15,8 349, 376, 569A.762 15,9 349, 357A.278, 376, 548f., 569A.762 15,10 348f.A.238, 349, 351A.254, 363, 377f. 15,11 360, 362A.298, 370, 378 15,12 348, 377 15,13–21 349, 359, 442A.243, 445 15,14–21 356A.276, 358 15,14–18 361–363 15,14–17 445A.250 15,14 349, 360, 362, 365A.311, 375, 383, 445A.250 15,16 363 15,17 360 15,19f. 381A.383, 564 15,19 351A.254, 363f., 373A.351 15,20 4A.4, 12, 33, 66A.47, 93A.173, 284, 290A.27, 320, 341, 348–384, 432A.201, 643f., 651 15,21 344A.231, 370A.337, 371–374 15,23–29 4A.4, 350A.246 15,25 375 350A.246, 379A.372 15,28f. 15,28 351A.254, 363f., 374, 570A.766 15,29 33, 284, 285A.2, 290A.27, 320, 341, 348, 350–356, 362, 364A.309, 366, 378, 381A.383, 432A.201, 564, 643f., 651 380f.A.380 15,31 16,4 381A.380 16,13 180A.539 16,14f. 531A.602 537A.624 16,14 16,31 378A.365 16,34 3A.1, 131, 531A.602 537A.624 17,4 17,7 523A.563 377A.363 17,16

Stellenregister 17,17 537A.624 17,18–34 377 17,30 521A.551 17,34 552 18,7 537A.624 18,10 360A.292, A.293, 563A.736 18,22 380A.375, 443A.244 19,3–6 570A.768 19,4 521A.551 19,23–41 377A.363 20,7–12 3A.1, 531A.602 20,21 521A.551 21,18–26 568A.757 21,21 415A.136 21,25 284, 285A.2, 290A.27, 320, 341, 348, 350f., 353f., 364A.308, 366, 564, 651 21,28 93A.174, 557A.717 22,16 378A.364, 403A.83, 530A.599 24,6 557A.717 24,17 539 25,8 568A.757 26,17 360, 563A.737 26,18 378A.364, A.365 26,20 521A.551 26,23 360, 563A.737 27,33–38 531A.602 28,4–6 377A.363 28,17 568A.757 360, 563A.737 28,27f. 28,28 525A.576 Röm 426A.175, 450A.266 1,17 1,18–3,23 494 1,21–27 372 1,21 630A.203 1,23f. 404A.87 540A.643 1,23 1,25 368 2,12 450A.265, 458 2,13 426A.175, A.177 2,14 459 2,23 450A.265 2,25–29 433A.206 3,1 433A.206 3,3f. 458A.302 3,3 340

Stellenregister 3,5f. 458A.302 426A.175 3,5 3,6 407A.98 341 3,7 3,9 411, 458, 463A.320 3,19 450A.265, 458 3,20–22 451A.272 3,20 426A.175, A.177, A.179, 433A.206, 450A.265, 451A.273, 452A.279 426A.175 3,21f. 451A.272 3,21 450A.266 3,22 3,23 458 3,24 426A.175, 451A.272 450A.266 3,25 3,26 426A.175, 450A.266, 452A.279 3,28 426A.175, 433A.206, 450A.266, 451A.272 3,30 426A.175, A.177, 433A.206, 450A.266 450A.266 3,31 4,2 426A.175, 450A.265, 452A.279 426A.175, 451A.272 4,5 451A.272 4,9 451A.272 4,11 4,12 421A.159, 450A.265, 533A.610 451A.272 4,13 450A.265 4,14 4,15 426A.179 529A.594 4,16f. 4,16 450A.265, A.266, 452A.279 339A.213, 546A.663, A.665 4,20 426A.175, 450A.266 5,1 5,6–8 453 5,9 426A.175, 456A.293 458 5,12 5,17 426A.177 451A.272 5,18f. 426A.177 5,19 463A.320 5,20 6,10–23 340 464A.326 6,10 462A.318, 464A.326 6,11 415f.A.136 6,12f.

775 6,13 464A.326 463A.320 6,14 403 6,19 6,22 464A.326 331A.189 7,1–6 7,2 427A.182 427A.182 7,6 463A.320 7,7–9 426A.179 7,7 426A.179 7,10 7,11 463A.320 7,12–14 426A.179 7,13 426A.179, 463A.320 463A.320 7,14 426A.179 7,16 426A.179 7,22 426A.179 7,25 426A.179 8,4 340, 462A.318 8,7 8,14–17 424 8,30 426A.175 8,32–34 456A.291 426A.175, A.177 8,33 450A.265, 451A.272 9,11f. 459 9,30f. 9,30 450A.266 9,32 450A.265, A.266 10,4 331A.189, 337A.207 10,5 450A.265 10,6 450A.266 10,10 426A.178 451A.272 10,11 450A.265 11,6 14,1–15,13 4A.4, 33, 297A.58, 301A.72, 320–348, 446, 657 284, 359, 432, 643 14,1–23 433f.A.204 14,1–3 321f. 14,1f. 14,1 321, 324, 325A.167, 330 321 14,2f. 14,2 321, 323, 331A.188, 341f. 14,3–12 327 297A.58, 323f., 327, 330 14,3 14,4 328 14,5f. 323 14,6 135A.339, 321–323, 327, 341, 347 464A.326 14,7 464A.326 14,8

776

Stellenregister

Röm (Fortsetzung) 14,10–12 328 297A.58, 324, 327, 330 14,10 14,13 295, 324, 327, 330, 339, 343A.225, 359A.289 14,14–23 331 14,14 12, 93, 320, 322A.159, 323, 331–338, 345–347, 359A.289, 542A.650, 575A.785, 637A.226, 643, 653f. 14,15 321, 324f., 328f., 337A.207, 339, 343A.225, 359A.289 14,16 330 14,17f. 329 14,17 324, 328f., 343, 359A.289, 426A.178 14,18 330 14,19 324, 330, 359A.289 14,20f. 295, 321, 324A.163, 339, 359A.289 14,20 93A.172, 321, 328A.179, 331, 333, 337A.207, 338f., 343A.225, 345, 347, 643 14,21 295, 330, 339, 342f. 297A.58 14,22f. 14,22 321f., 339A.213 14,23 321f., 324A.163, 338–341, 346A.235, 347, 450A.266, 546A.663, 550A.682 15,1 330f., 347, 433f.A.204 330, 359A.289 15,2 15,3–8 330 15,5–7 359A.289 15,5f. 325A.166 15,7 330 15,13 324A.164 339 15,20 16,2 520A.549 16,23 326A.170 1 Kor 1,2 1,30 3,2 3,16f. 3,21 4,6f.

394A.41 394A.41 321A.151 397A.52, 400A.72, 401 395 395f.

4,18f. 395f. 5,1–7,9 401f. 6, 381, 385–420, 644 5,1–13 5,1–8 387A.4 5,1 372, 386, 401, 404 5,2–8 387 5,2 393, 395f., 400, 401A.75, 419 5,3 401A.75 5,4 416 5,5 393, 398A.59, 401A.75 5,6–8 394–401 5,6f. 396f. 5,6 395f., 397A.53, 400, 419 5,7 394A.43, 396–400 5,8 397A.54, 398–400, 402A.78, 414 5,9–13 387 5,9–11 387f., 392, 401, 405–419 5,9f. 392 5,9 387A.5, 388, 392, 405–410, 419 5,10f. 387, 402, 407, 633A.206 5,10 402f., 405A.92, 406–412 5,11 118, 385–388, 392, 402, 405–410, 412–420, 429A.190, 437, 579, 644f. 394, 404f., 419 5,12f. 5,13 387, 393A.35, 402A.78, 419 6,1–11 387A.4 394A.41, 403A.85 6,1f. 6,2 407A.98 6,9f. 296A.55, 381A.382, 402–404, 645, 647A.2 6,9 401 6,10 633A.206 394A.41, 403f. 6,11 6,12–20 387A.4, 401 6,12 395 6,13 321A.151, 401 6,15f. 401 6,16f. 552A.692 6,18f. 401A.74 6,18 401 6,19 394A.41 7,1–9 374 7,2 401 7,14 407A.98

Stellenregister 7,34 394A.41 8,1–11,1 4A.4, 284–321, 341–345, 352, 381A.383, 414, 430A.193, 642f. 8,1–13 285f., 289–310, 339, 343–345, 643 8,1–4 299 321 8,1–3 8,1 285A.2, 317, 322, 395f. 8,4–6 286, 291–294, 306, 313f., 344 285A.2, 291f., 317, 322, 329 8,4 292, 303 8,5 291–293 8,6 287, 289, 294–296, 317f. 8,7–13 298A.62 8,7–12 8,7 12, 88A.147, 93A.173, 285A.2, 293, 296–309, 317–319, 321f., 345, 381, 642f. 287A.13, 321A.151 8,8 8,9 295, 298, 319, 339, 343A.225 321 8,10f. 8,10 285A.2, 286, 287A.14, 288, 289A.25, 294f., 298, 301–303, 317, 319, 322, 467A.328 8,11 295, 303, 318f., 339, 343A.225, 345 8,12 295, 298, 302, 308f., 319, 322 8,13 295, 319, 321A.151, 339, 343 313A.119 9,13 9,20–22 433f.A.204 424A.168 9,20 9,21 459 9,22 343 10,1–22 302A.84 311A.110, A.112 10,1–13 10,3f. 329A.181 10,3 321A.151 315 10,9 10,14–22 285–289, 310–316, 319, 642 311 10,14 10,16–20 311 311 10,16f.

777 10,16 135A.339, 311–313, 417A.140 10,17 311A.111, 312, 397A.52 10,18–21 312 311A.111 10,18f. 10,18 312–314 313 10,19f. 10,19 285A.2, 286, 294, 313f., 317, 642 344 10,20f. 10,20 311, 313f. 311A.111, 313f. 10,21 10,22 315 10,23–11,1 285, 287, 289A.25, 315–318, 414A.130 289A.23, 315A.130 10,23–29 315 10,23f. 10,23 395 10,25–11,1 289 10,25–29 298A.62 10,25–27 309A.105 315, 322 10,25 10,27–33 656 10,27–29 322 315 10,27f. 10,27 284, 414, 500A.486 10,28 285A.2, 286A.6, 295A.49, 316–318 10,29f. 318 10,29 300A.69, 316 10,30f. 135A.339 10,31–11,1 295A.52 295A.52 10,32 10,33 343 11,17–34 5f., 158, 285, 412A.121, 418A.148, A.149 11,17–31 327 416A.139 11,17f. 11,18–21 6 416f.A.139, 437A.220 11,20 11,23–25 329A.184 11,26 417A.140 315A.129 11,29 11,32 407A.98 11,33f. 6, 416A.139 416–418 11,33 11,34 315A.129 12,13 397A.52, 645

778 1 Kor (Fortsetzung) 13,4 396 14,23–25 410A.113 14,23 416f.A.139 416A.139 14,26 15,17 340 15,33 80A.113, 167, 509A.512 15,56 463A.320 16,12 411 2 Kor 1,12 410A.112 4,2 300A.68 5,7 450A.266 5,11 300A.68 5,15 464A.326 6,2 561A.728 6,16–18 442 6,16 442A.242 6,17 409A.106, 442A.241 6,18 442A.242 7,1 297A.57 7,10 571A.777 9,10 329 12,21 374A.355, 404A.87 Gal 423 1,6–9 1,6 423 1,7 424 1,13–2,21 428, 433 1,14 441A.237 443 2,1–14 2,1–10 378f., 380A.375, 382, 429, 434, 435A.213 2,3 429, 441, 443 2,5 423, 428, 645 379A.372 2,6 2,9 429A.188, 442A.243 2,11–21 420–466, 434A.211, 446, 574, 657 2,11–15 574A.784 2,11–14 5A.9, 6, 327A.173, 359, 378–382, 385, 423, 428–447, 465f., 484f., 572–575, 642, 644f., 651, 656 2,11 381, 421, 435, 439, 443A.244, 645

Stellenregister 2,12f. 440 2,12 118, 379A.374, 385, 386A.2, 421f., 435–442, 450A.265, 466, 533A.610, 537A.624, 572, 573A.781, 644 2,13–15 448A.258 2,13 422A.161 2,14–18 448A.255 2,14f. 434A.210 2,14 381, 421A.154, 422A.162, 423, 428, 430A.192, A.194, 432, 435f., 438–442, 447, 451A.274, 462A.319, 466, 645 2,15–21 433–435, 441, 447–466, 644f. 2,15–17 448–460, 454 2,15f. 454A.285, 455, 456f.A.295 2,15 447–449, 450A.262, 455–457, 459 2,16–19 431A.198, 447f. 2,16f. 426A.175, 449, 466 2,16 17, 430A.192, 433, 447, 448A.256, 449–458, 573 2,17f. 434, 447f., 459, 462f. 2,17 431A.198, 447, 448A.256, 454–462, 463A.323, 573 2,18–21 452A.275 447, 456f.A.295, 460, 657 2,18f. 2,18 441f., 447f., 454A.285, 459–466, 574, 644 2,19f. 463 2,19 331A.189, 422A.162, 430A.192, 433, 460, 461A.312, 462–464, 466 2,20f. 428, 453, 466 2,20 453 2,21 426A.175, 433f., 453 3,2f. 424A.170 3,2 425, 450A.265, A.266, 453A.284 3,5 450A.265, A.266, 453A.284 3,6–4,7 424–426, 442, 465 3,6–29 424f. 3,6 425, 447 3,7 425, 428, 450A.266, 452A.279, 529A.594 3,8f. 425A.174

779

Stellenregister 3,8 425, 426A.175, 449, 450A.266, 452A.279 3,9 425, 450A.266, 452A.279 3,10–13 428A.186 3,10–12 425 3,10 427, 450A.265, 452A.279 3,11 426A.175, 450A.265, A.266, 456A.293 450A.266 3,12 3,13f. 424A.170, 425, 427 427 3,13 425, 450A.266 3,14 3,16 424f. 3,17f. 425 3,18 425 3,19 425 3,21 425, 450A.265, 456A.293 425, 450A.266, 463A.320 3,22 424A.170, 451A.273 3,23f. 424A.168 3,23 3,24f. 427 3,24 425, 426A.175, 427, 450A.266 331A.189 3,25 3,26–29 425 645 3,26f. 424f., 450A.266 3,26 3,27 425 3,28 425, 645 3,29 424A.167, 425, 428, 529A.594 428A.186 4,1–7 4,2 424A.170 428 4,3 4,4f. 424A.168, 428A.186 4,4 427 424, 428A.186 4,5–7 4,5 424A.170 4,7 424A.167 424 4,8f. 4,9 428 4,10 424 4,17 428 4,21–31 426 424A.168 4,21 4,22 426 4,23 426 4,26 426 4,28 424, 426

4,30 426 426 4,31 5,1 424A.170 5,2f. 424, 441A.237 424 5,2 5,3 427 5,4 426A.175, 427, 428A.184, 450A.265, 456A.293 426A.177, 450A.266 5,5 428, 441A.237, 645 5,6 5,7 423f. 395f. 5,9 5,11 441A.237 424A.168 5,18 5,19–21 381A.382, 403A.81 374A.355 5,19f. 404A.87 5,19 424, 441A.237 6,12f. 441A.237, 443A.246 6,12 6,13 424 6,15 428, 441A.237, 645 Eph 450A.266 2,8 2,9 450A.265 2,14–16 574 79, 461 2,14 450A.266 3,12 3,17 450A.266 5,3–5 403A.81 374A.355, 404A.87 5,3 374A.355, 404A.87 5,5 403A.83 5,26 553A.697 5,31 Phil 2,15 2,29 3,9 4,18

410A.113 520A.549 450A.265, A.266 561A.728

Kol 428A.185 2,6–16 2,16f. 323A.160 284A.1, 322A.159, 328A.178 2,16 2,20–22 284A.1 3,5 374A.355, 403A.82, 404A.87 421A.159, 533A.610 4,11

780

Stellenregister

1 Thess 1,9 2,14f. 4,3–8 4,3 4,4–6

292 64A.39 372 349A.242 395A.44

2 Thess 3,6 3,14

387A.7 387

1 Tim 415A.136 1,3f. 403A.82 1,9f. 374A.355 1,10 1,15 493A.454, 512A.521, 528A.586 292 2,5 2,10 537A.624 301A.74 3,9 284A.1 4,3f. 321A.151, 349A.242 4,3 5,10 4A.5 6,17 415A.136 2 Tim 1,3 1,9 2,21

301A.74 451A.272 394A.43

Tit 421A.159, 533A.610 1,10 1,14 638A.226 89A.153 1,15f. 1,15 88A.146, 284A.1, 301A.73, 307A.99, 334A.198, 638A.226 638A.226 1,16 3,5 450A.265, 451A.272 451A.272 3,7 Hebr 9,10 9,13 9,14 9,19

321A.151, 329A.181 93A.174, 583 301A.73 583

9,21 10,2 10,22 10,29 10,32 11,7 11,33 12,15 13,4 13,9

583 301A.78 403A.83 93A.174 633A.206 450A.266 560A.726 88A.146 374A.355, 404A.87 321A.151

Jak 1,6 546A.663, A.665, 549A.676 560A.726 1,20 546A.663 2,4 450A.265, 452A.279 2,21 2,24f. 450A.265 2,24 450A.266, 452A.279 2,25 452A.279, 523A.563 1 Petr 2,1 2,19 2,24 4,3

349A.242 299 464A.326 554A.701

2 Petr 2,22

264A.386

1 Joh 4,18

537A.624

Jud 8 22

88A.146 546A.663

Offb 285A.2, 290A.27 2,14 2,20–22 374A.354 285A.2, 290A.27 2,20 3,4 88A.147, 297A.57 88A.147, 297A.57, 404A.87 14,4 17,4 404A.87 374A.355, 403A.82 21,8 374A.355, 403A.82 22,15

781

Stellenregister Frühchristliche Schriften außerhalb des Neuen Testamentes Aristides Apologia 15,5 15,10

290A.27 135A.339

Barn 493A.454, 512 5,9 10,2–12 83A.121 552A.692 10,3–8 10,9 83A.121 553A.692 10,11 19,2 552A.692 19,6 552A.692 1 Clem 15,1 30,3 46,1 46,2 46,4

553A.692 553A.692 553A.692 552A.692 553A.692

2 Clem 2,4 493A.454, 512 2,5 493A.454, 512A.521, 528A.586 2,7 493A.454, 512A.521, 528A.586 410A.111 5,1 8,3 410A.111 Ps.-Clem. Hom. 7,4,2 7,8,1

352A.258 352A.258, 367A.321

Clem. Al. Paed. 2,6,49,1 104A.223 2,1,10,1 387A.7 135A.339 2,1,13,2 Strom. 3,18,106,3 387A.8 3,18,107,3 387A.8 5,5,31,2 106A.229 5,8,52,4 164A.468

Did 552A.692 3,9 6,2 351A.254 6,3 285A.2, 290A.27, 351f.A.254 8,1 6A.11 264A.385 9,5 14,2 93A.174 Diog 5,7

132A.324

Epiph. Pan. 1,202 1,287f.

93A.175 64A.40

Eus. Hist. eccl. 290A.27 4,7,7 352A.258 5,1,26 Praep. ev. 8,14,18–20 498A.479 440A.234 9,22,5 EvThom 14 89

585, 612A.128 636f.A.221

Herm 14,2 27,6 40,6 74,1 75,1 97,2 103,3

553A.692 548A.674 553A.695 553A.692 553A.692 553A.692 553A.692

Hier. Ruf. 3,39,58f. 106A.229 IgnPhld 3,4

387A.6

Just. Apol. 1,15,8

493A.454

782 Just. (Fortsetzung) Dial. 20,3 21,2 34,8 35,1 35,6 Iren. Haer. 1,6,3 1,24,5 1,26,3 1,28,2 Min. Fel. Oct. 30,6 Orig. Cels. 2,1 5,34 5,41 Comm. Rom. 2,13,14 ProtevJak 6,1 Tert. Apol. 9,13 39,18 Jejun. 15,5 Mon. 5,4 Pud. 9,4–7

Stellenregister

93A.171 392A.32 290A.27 290A.27 290A.27

290A.27 290A.27 290A.27 290A.27

352A.258

438A.222 63A.31 63A.31 352A.258 93A.171

352A.258 601A.82 290A.27 352A.258 482A.400

Pagane griechische und römische Autoren Aelian Nat. an. 10,16 Var. hist. 4,17

63A.31, A.36 106A.228

Aischin. Fals. leg. 22 55 97 162 163

151A.406 121A.286 151A.406 500A.485 121A.286, 151A.406

Alcman Frg. 17,6–8

100A.206

App. Bell. civ. 5,12,120

548A.673, 549A.677

Appendix Gnomica 87

497A.471

Ps.-Apollod. 1,121

132A.324

Aristot. Eth. eud. 7,12 (1245B20f.) 149A.392 7,12 (1246A7f.) 156A.432 Eth. nic. 8,2 (1155A32–34) 159A.447 8,4 (1156B7f.) 162A.457 8,4 (1156B25) 150A.393 8,10 (1159B6f.) 162A.457 149A.392 9,8 (1168B7f.) 9,8 (1169A18–20) 149A.392 9,10 (1170B–1171A) 149A.392 162A.457 9,12 (1172A8–14) 9,12 (1172A13f.) 164A.468 Pol. 1341A 548A.673, 549A.677 Ps.-Aristot. Mir. ausc. 123 (842B1) Oec. 2,2,20 (1349B13)

317A.141 317A.141

Arr. Anabasis 7,20,5

554A.701

Artem. 4,22

494A.458

783

Stellenregister Athenaios 132A.324 4,39 (153D) 5,2 (186B–C) 162 388A.10 5,3 (177A) 5,3 (186E–187A) 163 5,3 (187A–B) 163A.461 6,36 (239B) 549A.677 467A.328, 500A.485 6,36 (239E) 151A.408 6,57 (250E) 6,60 (252C) 132A.324 391A.25, 415A.132 6,68 (256A) 132A.325 6,109 (275B) 132A.324 7,34 (289E) 10,10 (416C–D) 100A.206 151A.408 10,11 (418B) 10,31 (428A) 132A.325 106A.229 10,77 (452E) 132A.324 11,14 (465F) 126A.307 11,111 (504A) 13,54 (588E) 549A.677 132A.324 14,45 (639F) 317A.141 14,79 (660C) 168A.483 15,33 (686A) Cass. Dio 151A.403 2 bei Zon. 7,11,9 121A.286 41,57,4 43,47,3 548A.674 150A.395 65,2,3 66,10,6 150A.395, 153A.416 69,7,3 150A.395 77,18,4 150A.395 Chariton Chaer. 1,13,2 Cic. Amic. 19,67 Fam. 9,24,3 Fin. 3,24f. Leg. 2,24 Nat. d. 2,160

132A.325

150A.393 157, 163A.462 310A.107 627A.188 63A.34

Sen. 7 45

159A.446 157A.436, A.438

Demokr. Frg. 297 (fvs) 299A.66 Dinarchus Demosth. 24

121A.287

Diocles Med. Frg. 179

131A.324

Diod. 1,2,2 538A.632 1,49,3 538A.632 1,92,5 538A.632 3,60,2 538A.632 3,64,7 538A.632 4,3 126A.307 4,65,7 301A.78 5,7,7 538A.632 5,8,3 538A.632 6,6,1 538A.632 6,8,1 538A.632 12,12,4 167A.480 12,20,3 538A.632 16,54,4 167A.480 18,46,2 153A.414 33,5,6 538A.632 34/35,1,2 120A.280 34/35,1,3f. 62A.25, 120A.280 37,22a,1 151A.401 40,3,4 64A.39 Diog. Laert. 2,70 496A.469 6,6 496A.468, 497A.471 7,184 500A.485 8,33–35 186A.6 Diogenes von Sinope Epist. 29,3 164A.468 38,4 496A.469, 510 38,5 511, 528A.587

784

Stellenregister

Dion Chrys. 498A.477 1,8 3,100 494A.458 498A.477 8,4–8 8,8 496A.469 13,32 498A.477 17,1–6 498A.477 498A.477 27,7f. 498A.477 32,17f. 527A.585 32,18 498A.477 33,6f. 498A.477 33,44 388A.12, 390A.21, A.23 40,28 151A.409 40,31 51,8 498A.477 77/78,42f. 498A.477 Dion. Hal. Ant. rom. 1,4,2 3,35,6 3,72,5 3,72,6 4,24,8 4,32,1 8,2,2 8,8,1 8,28,3 8,48,5 8,62,3 10,7,3 13,5,3 Comp. 25 Dem. 10 56 Isocr. 2 3 7 Lys. 3 Thuc. 8 28 Ps.-Epicharmos Frg. 269

538A.632 161A.455 161A.455 161A.455 161A.455 538A.632 538A.632 538A.632 161A.453, 538A.632 301A.75 538A.632 151A.402 538A.632 101A.208 101A.207 101A.207 101A.207 101A.207 538A.632 101A.207 301A.73 101A.209 628A.190

Epikt. Diatr. 1,11,12f. 63A.36 1,22,4 63A.36 3,23,23–28 498A.475 3,23,27 498A.475, 501A.487 Ench. 33,6 67A.53, 164f., 508A.509, 509A.511 171A.497 36 Erotianus Frg. 33 Eur. Frg. 1024 (TrGF) Ion 1172 Phoen. 612

63A.37 167A.479 168A.483 554A.700

Galen De methodo medendi 166A.475 1,1 166A.475 9,4 De propriorum animi cuiuslibet affectuum dignotione et curatione 166A.475, 171A.497 Gellius Noctes Atticae 5,1,2f.

498A.474

Gnomologium Vaticanum Epicureum 496A.468 37 Hdt. 2,41 2,47 3,37,3 3,39,4 5,24,3 5,24,4 5,27,3 6,139,3 9,16,2

108A.234 63A.31 554A.701 548A.673, 549A.677 172A.500 151A.399, 166 554A.701 131A.324 121A.286

Hes. Op. 342

500A.485

785

Stellenregister Hippokr. De aere, acquis et locis 7,12 548A.674 Hom. Il. 2,404 163 150A.398 17,577 22,262–266 159A.447 131A.324 24,476 Od. 131A.324 5,92 549A.677 8,195 159A.446 17,217f. 17,218 159A.447 21,29 131A.324 Hor. Ep. 1,5,24–26 159 Isaeus De Nicostrato 18 Isokrates De pace 33f. 63 Nic. 2 Panath. 124 163 183 204 217

151A.404

538A.631 538A.631 538A.631 538A.631 538A.631 538A.631 538A.631 538A.631

Jambl. De vita Pythagorica 106A.228 83 Protrepticus 21 106A.230 Juv. Sat. 63A.37 6,160 63A.37 14,98f. 14,103f. 119f.A.278

Kratesbriefe 12

167A.480

Longinus Subl. 40,2

101A.207

Lukian Char. 15 Demon. 7 Dialogi marini 3,2 Gall. 9 11 12 Jupp. trag. 49 Men. 11 Par. 22 Pseudol. 30f. 30 31 Salt. 31 Sat. 17

390A.22, 415A.132 496A.468 391A.26 152A.411, 500A.485 467A.328 152A.411 166A.474, 172A.500 487A.428 152, 500A.485, 518A.541 165f.A.473 487A.428 500A.485 548A.673 134A.332

Lys. De caede Eratosthenis 151A.405 22 39 151A.405 In Agoratum 161A.453 79 M.Aur. 6,56,1

410A.111

Macrobius Saturnalia 2,4,11 5,19,29

63A.37 462A.317

786

Stellenregister

Musonius Rufus, Gaius Dissertationum a Lucio digestarum reliquiae 11 163f., 508A.508 106A.231, 171A.497 18B Petron. Poemata 24

63A.37

Philostr. Vit. Apoll. 5,33,4 6,11,5

120A.281 70A.66

Plat. Charm. 155A–158E 497A.473 Ep. 467A.328 360A Euthyphr. 161A.454 4B–C Gorg. 515A–B 510A.515 524B–525A 308A.104 Leg. 510A.514 636A 640C–D 152A.410 641A–C 510A.514 649A–B 510A.514 166A.477 656B 671B–D 510A.514 510 671C 671E–672A 152A.410 728B–C 166 553A.696, 554A.699 728B 780A–B 510A.514 782C–D 70A.66 510A.514 806E 868A 161A.455 871A 161A.455 881B–E 160 166A.477 904D Lysis 214B–D 159A.447 Menon 164A.468 95D Phileb. 547A.670, 549A.679 52C

Prot. 497A.473 313E 314C–E 478 Resp. 467A.328 372D 500C 166A.477 Symp. 174A 601A.82 467A.328, 500A.485 174E 467A.328 175A 500A.485 175B 175C 467A.328 177D–E 467A.328 467A.328 185D 159A.446 195B 202E 311A.108 213A 500A.485 213B–C 467A.328 467A.328 222E 223A–B 467A.328 Theaet. 497A.473 167A 166A.477 177A Ps.-Plat. Ax. 366B

100A.206

Plin. Ep. 2,6 2,17,11 3,1,8

134A.332 583A.10 601A.82

Plut. Alex. 53,2 53,3 54,4 Ant. 26,6 28,7 Arat. 47,1 Art. 11,9 Brut. 34,8

500A.485 500A.485 150A.396 500A.485 150A.396 436A.215 389A.20 601A.82

Stellenregister Cat. Maj. 468A.330 17,3 25,3f. 153A.413 500A.485 25,3 25,4 165A.472 Cat. Min. 68,1 150A.397 Cic. 63A.37, 440A.235 7,6 Comp. Lyc. Num. 548A.673, 549A.677 2,4 Dem. 436A.215 47,6 Luc. 7,6f. 487A.428 Lyc. 155A.429 12,1 Mor. 498A.478 7D 167A.478 12D 167A.478 13A 498A.478 13C–D 498A.478, 527 73D–E 526 73E 74A 527A.582 526 74C 74D 498A.478, 527 526 82A–B 89B 526 94A–B 149A.392 150A.393 94A 553A.693 94E 132A.325 132E 147E–F 155A.431 153A.415, 508A.510 147F–148A 148A 154A.424, 500A.485 149A 468A.330 171C 314A.124 230F 493f.A.455 554A.701 274A 353C–354A 12A.28 353F–354A 63A.31 63A.36 353F 360D–E 311A.108 311A.108 361B 361C 311A.108 415A 311A.108 417B–E 314A.124

787 419A 311A.108 150A.396 531B 556A 301A.78 100A.206 580F 612D 153A.413 614E–615A 156A.435 155A.430 614E 615A 155A.427 152A.410 618E 621C 153A.413 642F–644D 312A.116 133A.332 642F 133A.332, 312A.116 643A 155A.430 643B 644C 133A.332, 312A.116 155A.430 644D 659E–660C 148–150, 153A.413 659F–660A 162A.457 468A.330 660A 660B 156A.431, 168A.483 669B–671C 63A.37 63A.33 669C 63A.33 669F 670F–671B 63A.36 678C–679E 153A.417 678C–D 153A.416 500A.485 678C 678D 156A.434 478A.377 678E 500A.485 678F 679A–B 156A.434 155A.431 679A 679C–E 153A.417 697D–E 165 133A.331, 156, 508A.510 697D 154A.419, 478A.377 707A–710A 500A.485 707A 707C–D 500A.485 153A.418, 500A.485 707C 708A–B 500A.485 154A.420, 500A.485 708B–C 708C 153A.415, 508A.510 708D 156A.431, 159A.444, 508A.510 500A.485 708E 709A–C 500A.485 154A.421 709A 709B 153A.413, 159A.444

788

Stellenregister

Plut. Mor. (Fortsetzung) 709D–E 162 153A.413 709D 709E 153A.413, 500A.485 500A.485 709F 712E 468A.330 726E 150A.396, 155A.428 317A.141 729C 751B 101A.210 Num. 20,4 388A.12, 390A.21, A.23, 415A.132 Pel. 21,6 314A.124 Phil. 21,7f. 389A.20 Pollux 9,32

487A.428

Polyain. 4,12,3

132A.325

Polyb. 1,16,10 436A.215 100A.206 2,62,2 4,12,4 436A.215 6,5,2 100A.206 6,40,14 436A.215 7,17,1 436A.215 10,27,8 100A.206 10,32,3 436A.215 11,15,2 436A.215 20,6,6 151A.408 38,8,11 132A.325 Porph. Abst. 1,14,4 2,61,7 4,11,1 Vit. Pyth. 42

63A.32 63A.32 63A.32 106A.229

Sen. De constantia sapientis 498A.476 13,2 Ep. 154A.423, 508A.510 19,10 108,22 70A.66

Lucil. 15,1f. 50,9 52,9 Tranq. 1,2 7,1f.

498A.476 498A.476 498A.476 498A.476 162A.457

Sext. Emp. Math. 11,200f. 310A.107 Pyr. 3,223 63A.32 Stob. Ecl. 2,85f. 2,93 2,96f. Flor. 3,13,43

310A.107 310A.107 310A.107 497A.470

Strabo 16,2,37

63A.37

Tac. Hist. 5,4,2 5,5,1f.

63A.36 120A.279

Theognis 1,31–34 163f.A.464 1,33–36 164A.468 1,33f. 163f. 1,35f. 164, 508A.508 164A.464 1,61f. 1,113 164A.464 1,115f. 172A.509 1,563–566 164A.466 1,643f. 172A.509 Theophr. Char. 24,9

151A.407

Thuk. 1,49 1,130 6,5

549A.678 132A.325 587A.25

789

Stellenregister Xen. Cyr. 1,6,6 2,2,28 3,2,25 5,2,17 8,2,3f. 8,7,14 Mem. 1,2,20 Symp. 1,15 2,4 Xeno Comicus Frg. 1 (Kock)

554A.701 168A.483 151A.400 171A.497 117f. 151A.400 164A.468 158A.443 164A.468 487A.428

Inschriften und Papyri ciip i/1 287 466 528 605

590A.40 590A.40 590A.40 590A.40

ig v/1 209

418A.146

ig x/2,1 58 68 69 70

418A.145 418A.145 418A.145 418A.145

IGBulg III/2 1626

418A.146

IGLSkythia III 68A

418A.145

P.Egerton 2 Frg. 1 recto (Z. 32–38)

489A.436

P.Oxy. 840 905,5 1224 1273,6 1273,17

585, 600A.78, 625A.176 101A.206 466A.327 101A.206 101A.206

Sachregister Aas 34A.6, A.7, 35f., 41, 45–48, 49A.83, 50A.89, 53, 54A.108, 61, 106A.228, 186A.6, 191f., 195–197, 272, 366f., siehe auch Tierkadaver; Waschung Abendmahl 5f., 329A.183, A.184, 412f., 437, siehe auch Herrenmahl Abgrenzung/Absonderung 12–14, 57A.11, siehe auch Unterscheidung Israels von den Völkern 48–51, 57f., 60, 72–85, 119f., 188f., 208–213, 217–224, 246A.284, 392, 436, 438–442, 462, 574, 644f., 657, siehe auch Gesetz als Grenze einer jüdischen Gruppe von anderen Juden 188–190, 193, 198, 231–235, 245–249, 438A.223, 504A.495 eines Aussätzigen 40A.37, A.38, 254, 256f., 270, 626, siehe auch Unreinheit von Aussätzigen eines Unreinen von anderen Unreinen  270 Abscheu 42–48, 74, 88f., 113, 124, 199, 211A.129, 212, 304f., 354, siehe auch Gräuel; Ekel Am haaretz 490f. amicitia 150A.394, 158 Antiochenischer Zwischenfall 379–382, 420–466, 644f. Apostasie 78, 482, 595A.59 Aposteldekret 284, 290A.28, 306A.94, 320, 341f., 344A.231, 348–384, 432, 445, 564, 644f., 651f. Apostelkonvent 348, 359, 370, 374f., 377–382, 423, 428f., 432f., 435, 440f.A.236, 442–445, 466, 645, 650f. Arztmetapher 490A.440, 492, 495–499, 509–515, 523, 526f., 647 Askese 70f., 278, 346A.233, 516 Assimilation an die griechisch-hellenistische Lebensweise 51A.93, 55f., 75, 78, 89, 116, 124, 209, 392, 395, 408f. Aussatz, siehe Absonderung eines Aussätzigen; Unreinheit von Aussätzigen Ausschluss aus dem Volk Gottes 37, 436–446, 465

aus der Gemeinschaft 237, 393f., 404f., 412–420, 436f., 465, 578–580 vom Heiligen oder aus der Gesellschaft  40, 160f., 234A.240, 252, 258–260, 269f., 596, 626f., 648 Befleckung 66–68, 70A.64, 85A.136, A.137, 87A.144, 88A.146, A.147, 90, 107f., 110f., 160f., 353–355, 627, 634, siehe auch Unreinheit des heiligen Geistes 304f. des Wissens/der Erkenntnisfähigkeit  296–309, 318f., 345 von Verstand, Denkkraft, Gesinnung  307f. Beschneidung 9, 17, 60, 62, 64A.37, 141A.367, 189, 193, 325, 348f., 363, 370, 382f., 424, 428f., 430A.194, 433, 435f., 440–445, 448, 465, 535, 537, 562, 567–570, 576f., 599, 622, 656, 658, siehe auch Gesetz Bienen(honig) 199, 279 Blut, siehe auch Unreinheit durch Körperflüssigkeiten Blutgenuss 33, 35, 37, 61, 129A.313, 191, 197, 200–203, 223A.191, 341–343, 344f.A.231, 350–352, 355A.268, 366–373, 381A.381, 383, 651–653, 658 Blutvergießen (Mord) 39A.33, 40f., 44A.61, 161, 351f., 369f., 560A.726, 620, 625A.174, A.175, 627A.188 Brot 52A.100, 112, 133–135, 137, 168A.482, 170, 175f., 186A.5, 312, 313A.121, 506A.504, 516, 581A.2 der Heiden 56, 71f., 207, 277A.453 des Lebens 135f. reine Brote 128 cena 155A.428 Chaber 491, 601–604, 629A.200 convivium 157, 165A.469 Dämonen 218, 287, 289, 291, 311–316, 319, 344, 366, 516 Dekalog 609A.120, 610A.122, 625

Sachregister Ehe 8f., 20, 221, 401 Ehescheidung 8f., 19f., 621A.157, 622 Fremdehen 52, 124, 209, 212f., 216f., 248, 374A.355, 407A.98, 408, siehe auch sexuelle Vergehen verbotene Eheverbindungen 247f., 250f. Ehre/Schande 113–118 Einladung (zu einem Mahl) 37, 52, 123, 126, 129f., 141, 151–154, 158A.443, 163, 165, 171, 177f., 316, 414A.130, 469, 473, 478, 500–502, 636, siehe auch Gast; Gastgeber Ekel 34A.6, 43, 88f., siehe auch Abscheu; Gräuel Elterngebot/Elternehrung 587A.24, 588–590, 621A.157, 625A.175 Epikureer 154A.422 Ersticktes 350–352, 366–368, 371f., siehe auch Aas; Blutgenuss Erwählung Israels 9, 50, 58, 73, 125, 140A.367, 213, 360, 435f., 438f., 444f., 458, 465, 563, siehe auch heiliges Volk; Volk Gottes Essen, siehe auch Speisegebote; soziale Bedeutung des Essens; Tischgemeinschaft; Gesetzesvorschriften, rituelle Abschaffung der jüdischen Vorschriften zum Essen 8, 641, 652, 655–657, siehe auch Gesetz, Aufhebung des; Speisegebote, Aufhebung der; Gesetzesvorschriften, Abschaffung im Urchristentum Essenspraktiken 4–8, 23f., 131f.A.324, 133f.A.332, 135A.339, 176A.529, 371f., 446, 641, 650, 653f., 658, siehe auch Praxis identitätsstiftende Bedeutung von Essensregeln 3f., 9–12, 174A.515, 188–190, 369A.328, 506A.503, siehe auch Identität; Speisegebote; Gemeinschaftsmahl Essener 136A.342, 185–187, 220f., 225A.200, 226A.207, 230A.225, 236A.247, A.248, 238A.252, 244, 278, 538A.633, 554, 604A.102 Exklusivitätsanspruch/Elite 188f., 193, 224, 231, 246–249, 491, 598–605, 631, 648, siehe auch „sektenhaft“, Jachad

791 Fasten 6, 265, 517A.536, 539A.637 Fisch 12A.28, 34, 83A.126, 108, 197, 200–202, 203A.84 Fleischsorten 33, 42, 45, 47, 305A.93, siehe auch Tierarten Fleischverzicht 70, 323, 326, 341–343, 346f., siehe auch Vegetarismus Fremdling/Fremdlingsgesetzgebung 37A.19, 50A.89, 195, 222A.190, 257A.351, 364–369 Freund/Freundschaft, siehe Tischgemeinschaft unter Freunden Frömmigkeit 79, 144, 173f., 537A.622, 538, siehe auch Gottesfurcht Fußwaschung 4f.A.5, 138, 181f. Gast 51, 126A.305, 127, 131, 141f., 149, 153f., 162f., 168A.482, 171, 173A.512, 178, 317, 472, 473–478, 511, 523, 534A.614 Gastfreundschaft 4f.A.5, 145, 182, 222A.189, 520, 524, 534, 555A.711 Gastgeber 122, 127, 141–143, 154, 159, 168A.482, 171, 178, 182, 311, 313f., 317, 326A.170, 468–473, 478, 500f., 510A.516, 522A.558, 528, 534A.614 Gefäße, siehe auch Unreinheit von Gefäßen/ Tischgeschirr, rituelle Stein/Steingefäße 240A.256, 275 Tongefäße 54, 273f. „gemein“ 74, 85–106, 111, 332–337, 542, 544, 558–562, 568, 576, 578, 581, 592–598, 605f., 611A.126, 616, 632, 643, 651, 654 Gemeinschaft, siehe auch Gemeinschaftsmahl beim Essen 10, 147f., 154–157, 179, 508f., 514, 517f., 646f., 651, 655f. enge Gemeinschaft 73, 148, 442f., siehe auch Kontakt, enger Gemeinschaftsmahl 11, 228, 231, 325, 437, siehe auch Gruppenmahl im Urchristentum 325–327, 385, 412–417, 436f., 465, 534f., 536A.618, 579, 642, 644f., 654–656, 658 in Qumran 207, 211, 224–239, 241, 265A.392, 271 synagogal 183A.563 in griechischen Vereinen 11, 417–420, 655

792 Gemeinschaftsmahl (Fortsetzung) identitätsstiftende Bedeutung des Gemeinschaftsmahls 183A.563, 238, 418A.149, siehe auch Identität Gerechtigkeit 40, 79, 82–85, 144f., 329, 376, 403, 449, 493f., 536–539, 559–564, 573, 577, 635, 651f., 658, siehe auch Rechtfertigung Gesetz/Gesetzesvorschriften, siehe auch Halacha; New Perspective on Paul; Tora als Grenze zwischen Juden und Heiden  73, 79–85, 422A.162, 439–442, 447f., 450, 460–466, 573f., 644f., 657, siehe auch Abgrenzung als identitätsstiftende Größe 7, 15–22, 77A.101, 325, 423–428, 442, 463, 573, 576A.789, 599, 622, 632, 645, 649, 657, siehe auch Identität des Mose 60f., 63A.37, 80f., 83A.125, 84A.129, 169A.487, 198, 211A.126, 213, 231, 243, 248, 337, 348, 365A.313, 373, 383, 424, 547A.671, 587A.24, 588–591, 595A.60, 603, 618, 626, 631, 649 im Markusevangelium 505, 576, 584–598, 607–610, 620–631 im Matthäusevangelium 21f., 621 bei Lukas 357f., 567, 576 moralische Gesetzesvorschriften 351–353, 356f., 365, 375, 383, 539, 606, 619f., 625, 627–632, 635–638, 649, 654, siehe auch Unreinheit, moralisch-ethische noachidische Gesetze 344f.A.231, 365, 369f., 380A.376 rituelle Gesetzesvorschriften 4f., 17, 20, 180–184, 188, 214, 234A.240, 250f., 351–353, 356f., 362, 364f., 383, 429–431, 482, 489–491, 514, 623A.169, 627–631, siehe auch Unreinheit, rituelle nominalistische Sichtweise auf das Gesetz 333A.195, 335A.203, 337f. realistische Sichtweise auf das Gesetz  333 Abschaffung ritueller Gesetzes­vor­ schriften im Urchristentum 606–615, 620, 625f., 638, 649 Aufhebung des Gesetzes 15, 21, 463f.A.324, 464, 585–591, 606–610, 617f., 620, 649

Sachregister Gesetzesobservanz 9, 15, 116f., 124f., 345, 363, 539, 584–598, 606f., 610, 625f., 641, 649 Gesetzespraxis 18–20, 189f., 198f., 246–248, 357A.279, 371, 428, 595, 620–623, 626, 630, 648, siehe auch Praxis Übertretung des Gesetzes 124, 458f., 461f., 463A.324, 592–595, 605–607, 608A.115, 631f. Verpflichtung (der Heidenchristen) auf das Gesetz 327A.173, 349, 356–375, 376A.361, 381–384, 433–435, 440f., 442A.243, 650–652 soteriologische Bedeutung des Gesetzes  15f., 20f., 327–330, 348f., 357, 370, 375, 383, 423–429, 430A.192, 443–445, 447, 449–454, 567–571, 576, 624 Werke des Gesetzes 425, 433, 450–452 Gottesfurcht 85, 111, 129, 135A.337, 144f., 168–170, 172, 174, 376, 449, 463A.322, 534, 536–539, 559–564, 573f., 577, 650–652, 658, siehe auch Frömmigkeit Gottesfürchtige 322A.159, 376f.A.361, 446A.254, 537f. Gottesherrschaft 296A.55, 328–330, 347, 381A.382, 403, 529A.590, 576, 623f., 647A.2 Gottesvolk, siehe Erwählung Israels; heiliges Volk; Volk Gottes Götzen 44, 134f., 137–140, 179, 286, 290–294, 298, 300, 303, 306–309, 313f., 316, 319, 321, 351, 353–357, 366, 381, 383, 643, siehe auch Unreinheit von Götzen Götzenbild 37f., 44A.60, 108f., 135, 138, 292A.33, 306A.96, 356, 643 Götzendienst 40, 44, 52, 73, 80f., 85, 109, 122, 125–127, 131, 134, 136, 138–140, 142–145, 178f., 196A.52, 207, 215f., 218–222, 284, 286, 289–291, 296, 300A.71, 305–311, 316, 319, 351, 353, 356f., 370–372, 376–378, 381, 383, 386, 402, 562, 643, 658 Götzenopfer/Götzenopferfleisch 37f., 52, 59, 64f., 69, 88, 107–109, 111f., 122, 137f., 179, 207, 223, 284–319, 341–345, 350–356, 366–368, 371–373, 381, 383f.,

Sachregister 429f., 437A.220, 551, 642f., 651–653, 658 Gräuel 43f., 50, 69A.61, 132f., 195f., 354, siehe auch Abscheu; Ekel Gruppenmahl  10f., 326, 505, siehe auch Gemeinschaftsmahl Händewaschen vor dem Essen 181–184, 430A.191, 489, 581–632, 648f., 652, 654, 658 vor dem Gebet und Studium der Tora  180, 181A.545, 183, 599A.75, 601, 605A.105, siehe auch Waschung vor dem Gebet Handwasserbecken 183 Halacha 18–21, 189, 207A.111, 215A.148, 222A.189, 608, siehe auch Gesetz; Tora Heidenchristen 9A.17 Heiligkeit der Gemeinschaft 228, 240, 286A.9, 394, 401A.74, 403 Israels 36, 48–50, 196f., 211–213, 223, 251, 438 Jahwes/Gottes 34, 49, 213 Jerusalems 242A.262, 252, 264 heilig/profan 48A.82, 96f., 263, 543A.650, 573A.782 heiliges Volk 48–50, 58, 92, 195f., 371, 558f., 562f., 578, siehe auch Erwählung Israels; Volk Gottes heilige Speise 52–54, 228, 229A.219, 230A.224, A.226, 240, 242–266, 267A.399, 269, 271A.421, 275, 600A.79, 604, siehe auch Opfer „Männer der (vollkommenen) Heiligkeit“  224, 248A.300, siehe auch „Reinheit der Männer der Heiligkeit“ Heiligtum 74, 87A.143, 160, 181A.548, 230A.225, 258–260, 264, siehe auch Tempel; „Reinheit des Heiligtums“ Herrenmahl 287, 311f., 315A.129, 412–416, 418A.148, A.149, 437A.220, 461A.311, siehe auch Abendmahl Heuschrecken 34, 191, 193f., 197, 200–202, 203A.84, siehe auch Tierarten (Insekten) ḥullin 597A.70 Hund 109, 263f., 625A.176

793 Ideal (als Gegensatz zur Praxis) 224f., 228, 240, siehe auch Praxis Identität 3, siehe auch soziale Bedeutung; Essen Gruppenidentität 3f., 10f., 188–190, 397A.56, 645, siehe auch Gemeinschaftsmahl jüdische Identität/Identitätskennzeichen 7, 56–59, 79A.108, 86, 124, 141, 209, 436, 644, 653, siehe auch Gesetz; Speisegebote; Reinheit Identitätskennzeichen der Glaubenden  423, 645 Insekten, siehe Tierarten Jachad 186f., 193, 225, 229A.220, siehe auch „sektenhaft“, Exklusivitätsanspruch Judenchristen 9A.17 Judentum, siehe auch Essener; Pharisäer; Sadduzäer; Therapeuten „Common Judaism“ 28A.6 Diasporajudentum 29–31, 55–58, 222–224, 325, 335–337, 346, 431, 601, 609, 627–630, 653f. jüdische Gruppen 28f., 185f., siehe auch Abgrenzung einer jüdischen Gruppe von anderen Juden hellenistischer Einfluss 29f., 146f., 168, 171–173, 209f., 513, 519 palästinisches Judentum 29–31, 210, 222–224, 519, 599, 601, 609 rabbinisches Judentum 27f., 189f. Qumran 185–190 Karäer 198A.60 Kelch 112, 126, 134A.332, 135–137, 311, 313 Kinder Abrahams 382, 423–428, 444, 465, 572–574, 644f., siehe auch Kinder Gottes; Volk Gottes Kinder Gottes 423–428, 442, 444–447, 465f., 573, 642, 645, 656, 658, siehe auch Kinder Abrahams; Volk Gottes Kontakt, enger 158, 163A.464, 164–167, 169, 173, 179, 208, 217, 219A.179, 221, 235, 386, 388–392, 400, 480, 499, 505, 508–510, 514, 525, 535, 551–562, 567f., 573, 577–580, 646f., 650f., 655f., 658, siehe auch Gemeinschaft, enge Korban 588–591

794 Kriechtiere, siehe Tierarten Kult 20, 285A.3, 294, 372A.341, 394, 614A.137, 629 Kultfähigkeit 40, 596, siehe auch Ausschluss vom Heiligen oder aus der Gesellschaft Kultfeier 219A.171, 288, 371f.A.341 Kultmahl 53A.105, 136f., 218A.167, 288A.19, 289, 291, 308, 310–316, 318f., 344A.229, 642 Leichenmahlzeit 176, siehe auch Totenspeisung Libation 126, 161A.453, 179, 341A.216, 342, siehe auch Trankopfer; Wein Liebesgebot 625 Mahl, siehe auch Abendmahl; Gemeinschafts­ mahl; Gruppenmahl; Herrenmahl; Kultmahl; Tischgemeinschaft bei einem Heiden 37, 314–318, siehe auch Tischgemeinschaft von Juden und Heiden im Tempel 285–289, 291, 302, 310–316, 318f., 381A.383 eschatologisches Mahl 328–330, 500A.482, 505, 507A.505 postbaptismale Mahlgemeinschaft  536A.618 Mahlpraxis 118f., 153f., 158, 165A.471, 179, 218f., 222A.189, 316, 416, 418, 420, 437, 447, 505–507, 514, 518f., 528A.587, 641, 551, 644f., 654, siehe auch Praxis Menschenfeindlichkeit als Vorwurf gegen die Juden 64, 119–121 Mikwe 182f., 225f., 239f., 275A.441 Milch 33, 207, 279 Monolatrie 294 Monotheismus 80, 126, 143, 291–294, 299–301, 303, 306–309, 314f., 318f., 642f. Mord, siehe Blutvergießen Nachfolge 471, 474–477, 499–505, 511, 515, 621A.157, 624f., 630, 655, siehe auch Umkehr New Perspective on Paul 15–18, 427A.180, siehe auch soziale Bedeutung des Gesetzes nigleh und nistar 188A.15

Sachregister Öl 128, 136A.345, 137, 207A.111, 252, 275–279 Orphiker 70A.66 Opfer 53, 74, 90, 100, 120A.281, 161A.453, 228f., 241, 249, 252f., 255, 256A.344, 259, 262–264, 312–314, 316, 555, 614A.137, 626, 627A.183, 628f., 630A.201, 634A.208, siehe auch heilige Speise; Libation; Passah; Schelamim-Opfer Opferfleisch 54, 241, 262 Opfervorschriften 203–206 Opferwein 69, 125f., siehe auch Libation; Trankopfer Parentalia 218f.A.171 Passah 53, 394A.40, 395, 397–399, 429A.190, 506, 621A.159 Pharisäer 22, 184, 185A.3, 206, 241A.261, 245, 280A.467, 335A.203, 348A.236, 429f., 438A.223, 470, 479–482, 487–492, 494, 499, 505, 507, 509, 514f., 518, 522, 524A.566, 575A.787, 581–590, 593f., 598, 599A.74, 601–605, 608A.115, 610f., 613, 617A.147, 622A.161, 625A.176, 631–638, 644, 648f. Praxis 23f., 57, 371, siehe auch Ideal; Essenspraktiken; Gesetzespraxis; Mahlpraxis; Reinheitspraktiken; Speisepraxis Priester 204A.89, 213, 228f., 236, 244, 245A.276, 247, 252f., 255A.341, 258A.357, 259, 262f., 605A.105, 626 priesterliches Ideal/Nachahmung der Priester 240–242, 602–605, 648 Priesterhebe 596, 597A.70, 600A.79, 634A.208 Proselyten 141, 195, 368, 537 Pythagoreer 70A.66, 83A.121, 106, 186 Ratgeber 151A.399, 166, 170, 171A.500, 521A.554 Rechtfertigung 403, 425–427, 449–455, 458f., 463, 466, 573, siehe auch Gerechtigkeit Reinheit, siehe auch Heiligkeit; Unreinheit; Waschung; Gesetzesvorschriften, rituelle als Identitätskennzeichen 213, 231, 275A.441, 598–600, 615, siehe auch Identität

Sachregister als Ordnungssystem 12–15, 217–220, 234f., 544, 557f. des Äußeren 80, 605, 632–638, siehe auch Unreinheit des Körpers des Inneren (der Seele/des Herzens)  80, 605A.105, 606, 610A.122, 627–629, 632–638, siehe auch Unreinheit der Seele; Befleckung von Verstand, Denkkraft, Gesinnung des Gottesvolkes/der Gemeinde  356A.276, 361f., 365f., 394f., 400f., 405, 408, 651 „der Männer der Heiligkeit“ 226–228, 232A.232, 233, 255, siehe auch Heiligkeit, Männer der (vollkommenen) „der Vielen“ 226f., 229A.222, 237, 255 „der Heiligkeit/des Heiligtums“ 228, 229A.222, 242A.261, 251–255, 257 unterschiedliche Reinheits- bzw. Unreinheitsgrade 236–238, 265, 268, 272A.426, 276, 335A.203, 597, 604A.102 vollkommene Reinheit 230f., 239, 241, 256, 259, 264, 271 Rein-Unrein-Paradigma 10, 12, 14, 27, 40, 86, 112, 211, 217, 235, 540, 557 Reinheitspraktiken 182, 221, 228, 231, 246f., 251f., 254, 256A.345, 260A.365, 269A.411, 514, 582, 596–601, 625A.176, 628, 631, 633f., 648, siehe auch Praxis Reinigungsprozess 230, 264–272, 274A.436, siehe auch unterschiedliche Reinheitsgrade Reinigung von den Sünden 233, 398A.59, 403, 490, 627f. Sabbat 8, 17, 19f., 60, 74, 90, 112, 189, 212A.135, 213, 264A.388, 323, 325, 367, 554, 599, 621A.157, 622f. Sadduzäer 185f., 259A.359, 280A.467, 584A.12, 602A.86, 633A.207 Salbe 135–137, 153A.415 Sauerteigmetapher 394–400, 405 Schande, siehe Ehre/Schande Schelamim-Opfer 53f. schlechter Einfluss (Verschlechterung von Guten) 81, 161, 164–167, 173, 179f., 496f., 499, 508f., 511, 514, 646f.

795 Schwein/Schweinefleisch 34, 59–64, 74–78, 84A.126, 88, 89A.152, 110f., 123A.293, 192f., 207, 223, 264A.386, 304A.88, 336, 342, 346, 371, 430A.191, A.195, 555, 600A.81, 625A.176, 626A.178, siehe auch Tierarten, verbotene „sektenhaft“ 186f., 189, 198, 211A.126, 224f., 248f., 269A.411, siehe auch Exklusivitätsanspruch; Jachad sexuelle Vergehen 41, 85A.136, 196A.52, 351–353, 366, 368, 370, 372–374, 376, 381, 385–420, 625A.174, A.176, 644f., siehe auch Unreinheit durch sexuelle Vergehen Sophisten 478 soziale Bedeutung, siehe auch Identität des Essens 9–12, siehe auch Gemeinschaft; Gemeinschaftsmahl; Kontakt, enger der Speisegebote 48–51, siehe auch Speisegebote, identitätsstiftende Bedeutung der des Gesetzes 15–22, siehe auch Gesetz als Grenze; Gesetz als identitätsstiftende Größe des Rein-Unrein-Paradigmas 12–15, siehe auch Reinheit als Ordnungssystem Speise, siehe auch heilige Speise; Opfer gemeinsame Speisen 127, 130–133, 141, 178, 312 gewöhnliche Speise 264–272, 602–604 Speisegebote 4, 11f., 17, 20, 32–38, 41–51, 55–146, 188–207, 284–384, 437, 446, 641–646, 650–652, 655f., siehe auch Götzenopfer; Schweinefleisch allegorische Deutung der Speisegebote  57f., 82–85, 143, 566f. Aufhebung der jüdischen Speisegebote  284, 290f., 294, 319, 334–338, 347f., 352, 533, 563–567, 575A.786, 577f., 595A.60, 608, 610A.122, 611f., 613A.133, 615–619, 641–643, 646, 649–651, 653, 655–657, siehe auch Gesetz, Aufhebung des identitätsstiftende Bedeutung der Speisegebote 57–59, 135f., 188, 325, 327A.173, 599, 622, 657, siehe auch Identität

796 Speisegebote (Fortsetzung) Übertretung der Speisegebote 112, 323, 327A.173, 330–341, 430, 433f., 447, 459A.304, 465, 532, 548, siehe auch Gesetz, Übertretung des Verpflichtung (der Heidenchristen) auf Speisegebote 429–435, 440, 465, 643f., siehe auch Gesetz, Verpflichtung (der Heidenchristen) auf das Speisepraxis 60, 126, 192f., 277, 290A.28, 325, 372, 430A.191, siehe auch Praxis Speiseraum 225, 230A.225, 288A.18, 326A.169 Stein/Steingefäße, siehe Gefäße Stoa 112A.255, 291A.30, 335A.203, 497f. Oikeiosis-Lehre 84A.128 κατόρθωμα-Lehre 309f. Sünde/Sünder 39f., 53, 112, 170, 173f., 175f., 196A.51, 202, 217, 220, 295f., 308, 319, 322, 338–341, 347, 387, 403, 447–449, 454–464, 466, 480–482, 485, 490, 493–495, 515, 529, 567, 573, 578–580, siehe auch Umkehr; Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern Sündenvergebung 232, 233A.235, 378, 490, 495, 518A.538, 528–530, 535A.617, 570, 571A.776, siehe auch Reinheit; Waschung Symposium 30, 144, 146–167, 171–174, 179, 505–515, 518f., 521f., 528, 647f., 654 Synagoge 182f., 373, 537f., 601, siehe auch Gemeinschaftsmähler, synagogale Taufe 378A.364, 403, 425, 428, 532f., 535f., 567–570, 571A.773, 572A.778, 583, 645, 655 Tebul Jom 192A.28, 259 Tempel 19A.57, 58, 90f., 203–206, 215A.148, 235A.244, 240f., 252, 262, 275A.441, 277A.451, 333A.195, 490, 554, 557A.716, 590, 603–605, 614A.137, 625A.176, 629, siehe auch Heiligtum Gemeinde von Qumran als Ersatz für den Tempel 229, 230A.223 Gemeinde als Tempel 394A.41, 397A.52, 400A.72, 401 Therapeuten 70A.66, 136A.342, 186 Tierarten verbotene Tierarten 33f., 41–48, 83–85, 110, 305, 339f.A.213, 342, 346, 371,

Sachregister 612, 617–619, 643, 658, siehe auch Schwein Insekten 34, 83A.126, 194, 197, siehe auch Heuschrecken Kriechtiere 34, 45, 49A.83, 80A.111, 82A.121, 83A.126, 199f., 201A.77, 540, 597A.70 Vierfüßler 34, 45, 47A.79, 540 Vögel 84A.127, 193A.35, 195, 201, 202A.81, 203, 207, 230A.224, 540 Wiederkäuer 34, 82A.118, 83 zweihufige Tiere 34, 82f. Tierkadaver 45, 54, 80A.111, 257, 278, 355A.268, 534A.614, siehe auch Aas; Waschung Tischgebet 135A.339, 142, 145, 554 Tischgemeinschaft, siehe auch Mahl mit Gerechten 145, 167–176, 431A.198, 479–482, 505, 507, 509, 525, 646–648 mit moralisch guten Menschen 145, 147, 159–167, 173–177, 486f., 488A.432, A.434, 489A.437, 492, 499, 507–509, 514f., 525, 646–648, 654f., siehe auch schlechter Einfluss mit rituell Reinen 178, 208–239, 484f., 488–492, 514, 556–559, 651, 655f. mit Zöllnern und Sündern 5, 147, 152, 385, 466–530, 610A.122, 621A.157, 641, 646–648, 654, 658 unter Freunden 120f., 147–157, 159, 161–165, 170–173, 508A.510, 513, 515–519, 647, 654 von Juden und Heiden 5, 119–146, 178–180, 208–224, 316, 325, 359, 385, 484f., 489, 530–578, 641, 646f., 653, siehe auch Mahl bei einem Heiden von Judenchristen und Heidenchristen  420–466, 572, 644–646 zur moralischen Besserung 492–505, 507, 509–515, 519–530, 647f., siehe auch Umkehr zwischen Gleichen 10f., 140f., 145, 147, 157–168, 170–175, 444–446, 466, 482, 508, 514f., 522A.557, 563, 573, 656f. zwischen Juden 146f., 167–180, 224–239, 482–485, 654 Tischgespräche 144, 147, 149f., 154–157, 165, 171f., 179, 506A.504, 508A.510, 509, 513, 521f. Tischsitten 171, 174A.515, 177

Sachregister Tongefäße, siehe Gefäße Tora 21f., 61, 146, 169, 230A.224, 290A.26, 370f., 422, 600, 607A.114, 609, 611A.123, 618A.149, 621A.157, A.158, siehe auch Gesetz; Halacha Verschärfung der Tora 188, 191f., 197–201, 243, 245, 256, 260A.364, 630f., siehe auch Exklusivitätsanspruch Totenspeisung 176, 218, siehe auch Leichenmahlzeit Trankopfer 108, 120A.281, 121, 135, 152, 153A.418, siehe auch Libation triclinium 183A.563, 326A.169 Trinkgemeinschaft 236f., 279, 418 Überlieferung der Vorfahren 584–591, 594f., 599, 602A.86, 618A.149, 631, 649 Umkehr/Sinnesänderung 138, 143, 232–234, 239, 469, 476, 491A.446, 495, 500–505, 511, 515, 519–530, 535A.617, 569–571, 630, 637, siehe auch Nachfolge; Tischgemeinschaft zur moralischen Besserung Unreinheit 86–89, 93–97, 105f., 204f., siehe auch Befleckung; Heiligkeit; Reinheit; Waschung der Heiden 211–224, 235, 262f., 336A.205, 357A.278, 365, 431A.197, 484f., 489, 551, 556–559, 578, 651 der Seele/des Herzens 349, 357A.278, 613, 618A.149, 619f., 627–630, 632, siehe auch Reinheit des Inneren; Befleckung von Verstand, Denkkraft, Gesinnung des Flüssigkeitsstrahls 280, 633A.207 des Körpers 221, 627–629, siehe auch Unreinheit, körperliche des Mundes 107f., 111, 134f., 140A.365, 304, 541A.644 durch Kontakt mit einem Unreinen  164f., 221f., 269–272, 626A.178 durch Kontakt mit Toten 39f., 52A.103, 111, 268, 271, 273–276, 575A.787, 597A.70, 604A.100, 626A.178, siehe auch Aas durch Körperflüssigkeiten 39f., 94A.178, 221, 258–261, 266–271, 489f., 542, 626A.178 durch sexuelle Vergehen 41, 85A.137, 216f., 247, 307A.100, 353, 366A.314, 400–404, siehe auch sexuelle Vergehen

797 von Aussätzigen 40A.37, 253–257, 489f., 542, 575A.787, 626, siehe auch Absonderung eines Aussätzigen von Außenstehenden 233–236, 239, 247 von Götzen/Götzenopferfleisch 69, 107–109, 220, 289f., 298, 303–309, 353–357, 359A.289, 381, 619A.152, 642f., 652, siehe auch Götzen von Kranken 94, 235f., 250, 256 von Speisen 38–48, 74, 107–112, 194f., 223, 331–338, 489, 540–544, 577, 591f., 615–619, 651, siehe auch Unreinheit von Götzenopferfleisch; Tierarten von Zöllnern 484f., 487–492, 514, 646f. genealogische Unreinheit 216f., 557A.716 körperlich/physisch übertragbare Unreinheit 39f., 108–110, 160f., 214–220, 305f., 310, 356, 381, 557, 613f., 646f., siehe auch Unreinheit des Körpers materielle Unreinheit 40, 88, 108f., 218, 305f., 355f., 643 moralisch-ethische Unreinheit 40–44, 84f., 94, 107, 213–220, 231, 284A.1, 307f., 353, 356f., 366A.314, 400f., 403f., 431A.197, 613f., 619, 627–631, siehe auch Unreinheit der Seele; Befleckung von Verstand, Denkkraft, Gesinnung rituelle/kultische/levitische Unreinheit  38–40, 45–47, 94, 107–110, 213–239, 298, 305–309, 353, 356f., 400f., 403f., 613f., 619, 627–629, 631 rituelle Unreinheit von Gefäßen/ Tischgeschirr 54, 240, 272–275, 581f., 600A.78, 632–638, siehe auch Gefäße Identifikation von moralischer und ritueller Unreinheit 160f., 187A.12, 232–235 Midrasunreinheit 604A.100 Verunreinigung (von Speisen) durch Flüssigkeiten beim Essen 236f., 240, 273A.434, 276–280, 597 Abschaffung von Unreinheit im Urchristentum 338, 544, 559–562, 576f., 595A.60, 606A.110, 625f., siehe auch Gesetzesvorschriften, Abschaffung ritueller

798 Unterscheidung Israels von den Völkern 49, 82, 121, 131, 138, 360–362, 533, 544–577, 650f., siehe auch Abgrenzung Israels von den Völkern der jüdischen und nichtjüdischen Lebensweise 85–106, 134–138, 654 von rein und unrein 49, 82A.119, 96A.184, 251, 438, 492A.448, 540–571, 617, 650 von richtig und falsch 82 von Speisen 49, 60, 82A.119, 120, 134–138, 339f., 438, 532, 540–544, 547f., 617, 650 Unzucht, siehe sexuelle Vergehen Vegetarismus 65–70, 84A.127, 323, 343, 619A.153, siehe auch Fleischverzicht Vereine, griechische, siehe Gemeinschafts­ mahl; Gruppenmahl Vierfüßler, siehe Tierarten Vögel, siehe Tierarten Volk Gottes 17, 382, 430A.192, 433, 436, 438–442, 444–446, 463, 465, siehe auch Erwählung Israels; heiliges Volk; Heiligkeit Israels Integration in das Volk Gottes 16A.47, 327A.173, 348, 356A.276, 358, 361f. Waschung 40, 88, 633f., siehe auch Händewaschen; Handwasserbecken; Fußwaschung; Unreinheit beim Essen oder Berühren von Aas 35f., 41, 111, 191f., 643, siehe auch Aas; Tierkadaver bei Unreinheit aufgrund von Körperflüssigkeiten 232, 259–261, siehe auch Unreinheit durch Körperflüssigkeiten nach Aussatz, siehe Unreinheit von Aussätzigen nach Kontakt mit einem Heiden 181A.545, 220f. nach Kontakt mit einem Toten 180, 192, siehe auch Unreinheit durch Kontakt mit Toten durch Untertauchen 181A.545, 260, 583, 600A.79, 633A.205, 635, 636A.218, siehe auch Mikwe

Sachregister vor dem Essen 180–184, 230A.225, 232, 236A.248, 240–243, 264–272, 636–638, siehe auch Händewaschen vor dem Essen vor dem Gebet 129A.316, 181A.545, siehe auch Händewaschen vor dem Gebet der Kleider 35, 45, 192A.28, 242, 260A.364, 261, 264, 267, 269–271 des Körpers 35, 53, 182, 192A.28, 232, 260A.364, 261, 264, 267, 269–271 von Sündern 233f., siehe auch Reinigung von Sünden Wein 38A.26, 65, 68f., 70A.65, 108, 128, 136A.345, 149f., 153A.415, A.418, 155A.431, 165, 166A.475, 186A.5, 200, 207, 252, 276, 279, 342f., 344A.229, 506A.504, 510A.516, 516f., siehe auch Opferwein Wiederkäuer, siehe Tierarten zab/zabah 221A.185, 258A.355, 260A.364, 266A.396, A.397, 267A.402, 269, 270A.417, 271 Zehnt 53, 71A.71, 206, 430A.191, 491A.444, A.445, 541A.647, 564A.742, 600A.79, 621A.157, 638A.227 zweihufige Tiere, siehe Tierarten Griechische Begriffe ἁγνεία/ἁγνός κτλ. 80, 81A.116, 83A.125, 111, 308A.101, 628 ἀθέμιτόν ἐστιν 77, 554–556 ἄθεσμος 86A.141 ἀκάθαρτος/ἀκαθαρσία κτλ. 74, 84, 85A.136, 87, 95, 97, 241A.260, 304A.90, 337, 404A.87, 438A.227, 566A.753, 592, 626A.178, 627A.187, siehe auch καθαρίζω, καθαρός κτλ. ἀκολουθέω 473–478, 503 ἀλισγέω/ἀλίσγημα 66–69, 93A.173, 107, 353–356, 366A.314, 383, 643 ἀλλοφυλισμός 76 ἀλλόφυλος 220, 236A.247, 534, 556A.713, 557–561

Sachregister ἀνάκειμαι 468A.331, siehe auch κατάκειμαι, συγκατάκειμαι, συνανάκειμαι ἀναπίπτω 181, 467A.329, 636 ἄνιπτος 582, 592, 594, siehe auch νίπτω ἀπέχομαι 62A.29, 70, 349f.A.242, 352f., 547A.671, 643 ἀπολούω, siehe λούω κτλ. ἀριστάω/ἄριστον 636 ἄρτος 72, 112, 128, 133, 135, 170, 176, 180A.542, 312, 516, 591 ἀσυνήθης 86A.141 ἀφορίζω 421, 435f., 438f., 441f., 466, 544A.654, 566f.A.753 βαπτίζω/βαπτισμός 181A.545, 581–583, 636 βδελύσσω/βδέλυγμα 69A.61, 74, 88f., 94f.A.180, 105, 124, 132f., 304A.90, 354, 561 βεβηλόω κτλ. 74, 90, 97, 101, 304A.90 βρῶμα 321, 324, 328f., 591, 608, 615–619 βρῶσις 328f. δειπνέω/δεῖπνον 66, 109, 133A.331, 152, 153A.416, 155A.428, 156, 181, 636A.216, siehe auch συνδειπνέω, σύνδειπνον, σύνδειπνος δειπνέω + μετά 141 δειπνέω + παρά 150A.395, 153A.416, 510 δεκτός 377, 560f. διακρίνω/διακρίνομαι 61, 339f.A.213, 346A.235, 376, 545–550, 567A.753 διάστασις 121 διαστέλλω 82, 566A.753, 567A.755 δικαιόω/δίκαιος/δικαιοσύνη 79, 82f., 144A.377, 168, 403, 425–427, 431A.198, 449–453, 481A.396, A.397, A.398, 493f., 517A.535, 538f., 560, 635 διχηλεύω 82 εἰδωλόθυτον 64f., 285f., 291, 317, 351, 353–356, 643, siehe auch ἱερόθυτον, θεόθυτον εἰδωλολατρία 311 εἴδωλον  135, 292, 353–356 ἔκθεσμος 77 ἐκκαθαίρω 394A.43, siehe auch καθαίρω Ἑλληνισμός 76 ἐντάλματα 584, 586A.21, 588

799 ἐντολή (τοῦ θεοῦ) 170, 539A.634, 584f., 587f., 607 ἐπιμείγνυμι/ἐπιμίγνυμι/ἐπιμίσγω 80, 84A.132, siehe auch συμμείγνυμι, συναναμίγνυμι ἔργα νόμου 17, 433A.206 ἐσθίω 60A.19, 62f.A.30, 72, 74, 86A.141, 87A.142, 90, 93A.171, 108A.233, 109, 112, 125, 129, 135, 139, 295, 302, 312, 316, 318, 321, 323, 327, 340, 416, 516, 532, 540, 541A.644, 542, 591, 594 ἐσθίω + κατέναντι 130 ἐσθίω + μετά/σύν 51A.94, 129f., 152, 163, 175, 177A.535, 468, 473, 479, siehe auch συνεσθίω εὐσέβεια/εὐσεβής 79, 129A.315, 144A.376, 174, 538f. θεόθυτον  65A.42, siehe auch εἰδωλόθυτον, ἱερόθυτον θεοσεβής κτλ. 111, 129, 135, 537A.624 θυσίαι τῶν εἰδώλων/θεῶν 64f.A.41, 87A.143, 108f., 137A.352 ἰδιότροπος 90A.159, 103f. ἱερόθυτον 65A.42, 286A.6, 295A.49, 317, siehe auch εἰδωλόθυτον, θεόθυτον ἰουδαΐζω 430A.194, 432, 435f., 439–441, 466 Ιουδαϊσμός 76 καθαίρω 160, siehe auch ἐκκαθαίρω καθαρίζω 349, 543f., 591, 608, 612, 615–619, 626A.178, 633–636, siehe auch ἀκάθαρτος/ἀκαθαρσία κτλ. καθαρμοί 628 καθαρός κτλ. 67, 85, 88, 93A.173, 111, 165, 181A.545, 230A.225, 241A.260, 307f.A.101, 331, 438A.227, 566A.753, 628, 635, 637, siehe auch ἀκάθαρτος/ ἀκαθαρσία κτλ. καλέω 152, 153A.413, A.416, A.418, 163, 469A.339, 471, 495, 499–503, siehe auch παρακαλέω κατάκειμαι 467f., 472, 507, siehe auch ἀνάκειμαι, συγκατάκειμαι, συνανάκειμαι καταλύω 522–524

800 κατόρθωμα 310 κηλίς 113 κοινὸς ἢ/καὶ ἀκάθαρτος 532f., 540–544, 557, 565f. κοινόω/κοινός 69A.61, 74, 85–107, 111, 320, 322A.159, 323, 331–337, 344f.A.231, 346f., 541f., 558f., 561, 575–577, 584f., 591–598, 605f., 610, 612–616, 631f., 649, 654 κοινοφαγία 85, 90, 94A.177 κοινωνία κτλ.  120A.280, A.282, 150, 152, 154–156, 160, 173f., 311f., 314, 417A.143 κολλάω/κολλάομαι 552f., 556, 651A.6, siehe auch προσκολλάομαι κρέας ὕειον 62A.28, 64A.41, 74, 89A.154, 90, 555A.707 κρέας χοίρειον 62f. λαός 78A.103, 360, 362, 364, 365A.311, 530A.598, 563 λούω κτλ. 180A.542, 181f., 220, 230A.225, 236A.248, 403 μετάνοια 469A.339, 502A.493, 505A.498, 520f., 525–527, 571 μιαίνω/μίασμα/μιαρός 63A.31, 74, 76, 84, 85A.136, 87f., 94, 97, 108A.233, 111, 161A.454, 219A.174, 301A.73, 304A.90, 307A.100, 307f.A.101, 331, 392A.32, 592, 595, 598, 628A.194 μιαροφαγέω κτλ. 88, 94A.177, 107, 111f., 304A.88 μοιχεία 374, 625A.174 μολύνω κτλ. 84, 85A.136, 87f., 93A.173, 165, 296f., 308A.103, 331, 337, 592, 595, 598, 600A.78, 628A.194, 643, siehe auch συμμολύνω μύσος 113, 301A.78 νίπτω 181f., 582f., 594 ξενίζω 472A.349 οἱ πάτριοι νόμοι 77 οἶνος 128, 150, 153A.415, 154A.418, 516 οἶνος σπονδῆς/σπονδῶν 69, 108, 125f., 342 ὁμοιοῦμαι 166A.477, 173 ὁμόσπονδος 121

Sachregister ὁμοτράπεζος 121A.286, A.287, 161A.454 ὁμόφυλος  159A.444 παραβάτης 461f. παράδοσις (τῶν πρεσβυτέρων) 584f., 587f., 590, 594, 607 παρακαλέω 154A.418, A.420, 500A.485, siehe auch καλέω παράνομος κτλ. 77, 90, 459A.305, 555 παρατίθημι τράπεζαν 60A.19, 131–133 περισσός 101A.207 περιτέμνω 429, 440A.234, 441, 443A.246 πίνω 65f., 112, 125, 128, 135, 139, 516, 342 πίνω + μετά 129f., 152, 163, 473A.350, siehe auch συμπίνω κτλ. πνικτός 351, 367 πόμα/πόσις 329, siehe auch πίνω πορνεία 366, 372–374, 381, 387A.4, 401–404 ποτήριον  112, 135, 581, 633, 635f. ποτόν 129 προσδέχομαι 520, 524A.566, 553A.693, siehe auch ὑποδέχομαι προσκολλάομαι 166, 170, 173, 553, siehe auch κολλάομαι πρόσκομμα 295f., 324A.163, 339, 343A.225 προσλαμβάνω 325A.167 ῥαντίζω 582f. σεβόμενοι 537A.624, A.626 σκανδαλίζω/σκάνδαλον 129, 295f., 308A.103, 324, 339, 343A.225 σπονδή 69, 74, 108, 120A.281, 121, 125f., 135, 152, 153f.A.418, 161A.453, 342, siehe auch ὁμόσπονδος στιβάς 418A.147 συγκατάκειμαι 468A.330, siehe auch ἀνάκειμαι, κατάκειμαι, συνανάκειμαι συγκλίται 418 συμμείγνυμι/συμμίγνυμι/συμμίσγω 164, 508A.508, siehe auch ἐπιμείγνυμι, συναναμίγνυμι συμμολύνω 66f., 165, 508A.508, siehe auch μολύνω συμπίνω κτλ. 152, 156, 160, 164, siehe auch πίνω συμποσιασταί 418

801

Sachregister συμπόσιον 125, 149, 150A.396, 154, 156A.434, 157, 162, 506A.504 συνάγω 416 συναλισγέω 81, 84 συνανάκειμαι 467f., 472–474, 478A.375, 479, siehe auch ἀνάκειμαι, κατάκειμαι, συγκατάκειμαι συναναμίγνυμι/συναναμίγνυμαι 72f.A.77, 387–392, 400, 406–417, 419f., siehe auch ἐπιμείγνυμι, συμμείγνυμι συνδειπνέω (+ μετά) 133, 148, 150A.396, 151A.402, A.407, A.408, 155A.428, 156A.432, 166A.475, 177A.535, siehe auch δειπνέω/δεῖπνον σύνδειπνον 153A.414, 157, 159A.444 σύνδειπνος 150, 151A.400, 153A.415, 168 συνείδησις 295–309, 316–322, 643 συνέρχομαι 416f. συνεσθίω (+ μετά) 118, 127, 132f., 148, 152, 156, 160, 164, 177, 385f., 421, 438A.222, 520, 532f., siehe auch ἐσθίω συνήθης 101A.207 συσσιτέω/σύσσιτος 121A.286, 148, 151A.399, A.400, A.403, A.404, 166A.474 σῴζω/σωτηρία 490A.440, 523, 525–530 τελῶναι 480–484 ὑποδέχομαι 523, 524A.566, siehe auch προσδέχομαι φίλος κτλ.  117A.273, 124A.300, 149–156, 159A.447, 162, 172A.509, 173A.510, 498A.478, 515f., 526, 534, 555A.693 φοβούμενος (τὸν θεόν) 129A.315, 135A.337, 377, 449, 537f., 560, 562A.735 χωρίζω κτλ. 75, 120, 210A.122, 438

Hebräische Begriffe

‫ אכל‬36f., 43A.54, 133A.330, 194–196, 199f., 206, 227, 241A.260, 252f., 255, 258, 262–264, 266f., 269–271, 279, 304A.91 ‫ בדל‬49A.88, 198A.65, 199A.67, 224A.197, 227A.214, 232, 251A.316, 280, 305A.92, 544A.654 ‫ בעלי לחמך‬168 ‫ גאל‬38, 66f., 271, 277 ‫ חֹל‬97 ‫ טבל‬260, 600A.79 ‫ טהר‬42, 96, 232A.232, 232f.A.234, 241A.260, 251A.316, 274, 280 ‫ טהרה‬226f., 228A.216, 229A.219, 230A.224, 232A.232, 250A.312, 252–255, 257, 262, 266A.396, 267, 270, 280 ‫ טמא‬38, 42–48, 96f., 194, 212A.133, 232f.A.234, 241A.260, 247, 250A.308, 251A.316, 254f., 263A.378, 266, 267A.400, A.401, 270f., 274, 276A.447, 277A.450, 279f., 304A.91, 305A.92, 591A.45, 592A.50 ‫  ְט ֵר ָפה‬35f., 197A.55, 367 ‫ כבס‬261, 267A.401, 269–271 ‫מושקה‬/‫ משקה‬237, 252, 274, 276A.447 ‫ נְ ֵב ָלה‬35f., 195, 197A.55, 367 ‫ נגע‬226f., 255, 262 ‫ נגש‬257 ‫ נטל‬600A.79 ‫ פרש‬246, 249 ‫ רחץ‬182A.549, 260A.365, 261, 267A.401, 269–271, 600A.79 ‫ ׁשקץ‬38, 42–48, 89, 92A.168, 94f.A.180, 196A.48, A.52, 199, 304A.91, 305A.92 ‫ּתֹוע ָבה‬ ֵ  42–44, 87, 89, 94f.A.180, 196, 212A.133 ‫ תערובת‬250f.