Erziehungshilfen als Beruf: Einblicke in die Belastungen und Entlastungen eines Arbeitsfeldes [1. Aufl. 2020] 978-3-658-28495-4, 978-3-658-28496-1

Obwohl die Qualität und Kontinuität der Arbeitsbeziehungen von mehr als 100.000 Fachkräften, die in den „Hilfen zur Erzi

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Erziehungshilfen als Beruf: Einblicke in die Belastungen und Entlastungen eines Arbeitsfeldes [1. Aufl. 2020]
 978-3-658-28495-4, 978-3-658-28496-1

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-X
Einleitung (Dirk Nüsken)....Pages 1-3
Erzieherische Hilfen: Rechtliche und konzeptionelle Rahmungen (Dirk Nüsken)....Pages 5-7
Die Praxis der Erziehungshilfen (Dirk Nüsken)....Pages 9-15
Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst (Dirk Nüsken)....Pages 17-92
Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenbera-tung der Ev. Jugendhilfe Menden: Evaluationsgegenstand und Durchführung (Dirk Nüsken)....Pages 93-134
Ausblick (Dirk Nüsken)....Pages 135-139
Back Matter ....Pages 141-164

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Dirk Nüsken

Erziehungshilfen als Beruf Einblicke in die Belastungen und Entlastungen eines Arbeitsfeldes

Erziehungshilfen als Beruf

Dirk Nüsken

Erziehungshilfen als Beruf Einblicke in die Belastungen und Entlastungen eines Arbeitsfeldes

Dirk Nüsken Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Diakonie Evangelische Hochschule ­Rheinland-Westfalen-Lippe Bochum, Deutschland

ISBN 978-3-658-28496-1  (eBook) ISBN 978-3-658-28495-4 https://doi.org/10.1007/978-3-658-28496-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ......................................................................................... 1 2. Erzieherische Hilfen: Rechtliche und konzeptionelle Rahmungen ...................................................................................... 5 3. Die Praxis der Erziehungshilfen ...................................................... 9 4. Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst .............................. 17 4.1 Theoretische Zugänge ............................................................... 17 4.2 Forschungsstand........................................................................ 47 4.2.1 Studien zu Anforderungen und Belastungen im Sozial und Erziehungswesen ............................................................. 47 4.2.2 Studien zu Belastungen im Allgemeinen Sozialdienst ............. 52 4.2.3 Studien zu Belastungen in den Hilfen zur Erziehung ............... 71 4.3 Erkenntnisse aus den Studiengruppen im Vergleich.................... 90 5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung der Ev. Jugendhilfe Menden: Evaluationsgegenstand und Durchführung ................................................................................ 93 5.1 Die Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden ........................................ 94 5.2 Die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung ................................ 96 5.3 Der Evaluationsauftrag .............................................................. 98 5.4 Das Wirkungsmodell ................................................................. 99 5.5 Datenerhebung ........................................................................ 104 5.6 Auswertung............................................................................. 108 5.7 Fazit........................................................................................ 122 5.8 Einschränkungen ..................................................................... 133 6. Ausblick........................................................................................ 135 Anhang ............................................................................................. 141 Literaturverzeichnis ........................................................................ 149

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tätigkeitsgruppen sozialpädagogischer Aktivitäten nach Frommann ................................................................................... 10 Tabelle 2: Organisationsbindung (Häufigkeiten). Quelle: Mohr 2017, S. 187 ................................................................... 83 Tabelle 3: Zufriedenheit mit Arbeit und Beruf (Häufigkeiten). Quelle: Mohr, 2017, S. 188 .................................................................. 84 Tabelle 4: Emotionale Erschöpfung (Häufigkeiten). Quelle: Mohr 2017, S. 190 .................................................................. 86 Tabelle 5: Bewertung bisheriger und zukünftiger Angebote ............... 110 Tabelle 6: Bewertung bisheriger und zukünftiger Angebote ............... 111 Tabelle 7: Handlungsspielraum und Rückmeldungen ......................... 112 Tabelle 8: Qualifizierung ................................................................... 112 Tabelle 9: Soziale Ressourcen ............................................................ 112 Tabelle 10: Information und Mitsprache ............................................ 114 Tabelle 11:Sinnhaftigkeit der Arbeit .................................................. 114 Tabelle 12: Anforderungen und Störungen ......................................... 116

Abbildungsverzeichnis Grafik 1: Analyseebenen von Be- und Entlastungen an Arbeitsplätzen (eigene Darstellung) ..................................................... 22 Grafik 2: Balancen von Anforderungen und Einflussmöglichkeiten und sozialer Unterstützung im „Job Demand-Control-Support Modell“ (eigene Darstellung in Anlehnung an Karasek/Theorell 1990) .................................................................................................. 24 Grafik 3: Vier-Felder-Schema des Anforderungs-Kontroll-Unterstützungs-Modells nach Karasek (1979, S. 288 und 1990). Grafik in Anlehnung an: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2013, S. 15 ................................ 25 Grafik 4: Das Modell beruflicher Gratifikationskrisen in Anlehnung an Siegrist 2013, Quelle: Institut für Gesundheit in Organisationen (eigene Darstellung) .................................................... 29 Grafik 5: Das JD-R Grundmodell nach Demerouti, Bakker, Nachreiner & Schaufeli (2001). Grafik: Demerouti 2007 (eigene Darstellung)............................................................................. 31 Grafik 6: Disbalancen nach Demerouti. Grafik: Demerouti 2007 (eigene Darstellung)............................................................................. 35 Grafik 7 Modell der Emotionsarbeit nach Grandey 2000 (eigene Darstellung)............................................................................. 38 Grafik 8: Grundmodell einer Wirklogik (eigene Darstellung) ............... 99 Grafik 9: Bisherige Wirkungskette (eigene Darstellung) ..................... 101 Grafik 10: Wirkungskette ab 2015 (eigene Darstellung) ..................... 101 Grafik 11: Modell der Programmevaluation (eigene Darstellung) ....... 103 Grafik 12: Beratungskontexte ............................................................ 120

X

Abbildungsverzeichnis

Grafik 13: Bewertung der Beratung ................................................... 121 Grafik 14: Bewertung des Nutzens der Beratung ................................ 122 Grafik 15: Betriebliches Gesundheitsmanagement (Quelle Hungerland 2016, S. 408, eigene Darstellung).................................... 137

1. Einleitung Die Hilfen zur Erziehung (HzE) haben in den letzten Jahren eine hohe Dynamik entfaltet, blickt man auf die Zunahme der Fallzahlen, die Differenzierung der Leistungen und die Fachdiskurse etwa zur Beteiligung, zur Sozialraumorientierung, zum Kinderschutz oder zur Inklusion, um nur einige der jüngsten Debatten und Impulse anzusprechen. Darüber hinaus bilden die Entwicklung der Ausgaben für die HzE und die Fragen nach der Steuerung sowie der Qualität von erzieherischen Hilfen Spannungsfelder, welche die Diskurse mitbestimmen und zuweilen zu kritischen Verschiebungen von leitenden Orientierungen und Handlungspraxen führen (vgl. Düring et al. 2014). Kaum in Blick geraten bei alldem jedoch die Fachkräfte, in erster Linie die ErzieherInnen und SozialpädagogInnen bzw. SozialarbeiterInnen, die diese Arbeit tagtäglich leisten. Obwohl die Qualität und Kontinuität der Arbeitsbeziehungen von Fachkräften zu Kindern und Jugendlichen ein nachgewiesener Wirkfaktor in den HzE ist (vgl. z. B. Albus et al. 2010, S. 150; Gabriel/Keller/Studer, 2007, S. 29 ff), liegen erst wenige Erkenntnisse dazu vor, unter welchen Bedingungen Fachkräfte Hilfen gut gestalten können, welchen Belastungen sie unterliegen und welche Entlastungsmöglichkeiten für sie und die HzEOrganisationen bestehen. Alltagssprachlich ist der Begriff „Belastung“ zumeist negativ konnotiert, assoziiert werden dabei die negativ belastenden Aspekte einer Situation oder Tätigkeit und deren Folgen. Arbeitsbzw. organisationspsychologisch versteht man den Begriff jedoch neutral als Gesamtheit aller Einflüsse, denen Menschen bei ihrer Arbeit begegnen. Diese können zu Kompetenzerfahrungen, Anerkennung und Freude an der Bewältigung führen oder negative psychische oder/und physische Folgen nach sich ziehen. Solch negative Belastungserfahrungen werden zumeist mit den Begriffen „Beanspruchung“ oder „Fehlbelastung“ bezeichnet (vgl. DIN EN ISO 10076-1; Pamme/Merchel, 2014, S. 60, Hungerland 2016, S. 402, Rudow 2010, S. 12). In der Diskussion um die Charakteristika und Auswirkungen beruflicher Tätigkeit in der Kinder- und © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Nüsken, Erziehungshilfen als Beruf, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28496-1_1

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1. Einleitung

Jugendhilfe hat sich jedoch der alltagssprachliche Begriff der Belastungen durchgesetzt (vgl. Petry 2013; Poulsen 2012, Seckinger et al. 2008). Er wird deshalb im Folgenden verwendet und zielt ausnahmslos auf die negativen Aspekte des Begriffes. Dem gegenüber stehen Entlastungen als Bezeichnung für Faktoren, die erleichternde Funktion haben, die zur Bewältigung von Einflüssen und Anforderungen beitragen. Zur Frage von be- und entlastenden Faktoren liegen allgemein für das Sozial- und Gesundheitswesen wie auch für die Arbeit in den Sozialdiensten der Jugendämter einige Studien und Erkenntnisse vor. Sehr wenig aber wissen wir über die Arbeit bei den Leistungserbringern, also den (zumeist) freien Trägern der erzieherischen Hilfen. Die in den Jahren 2015 - 2017 durchgeführte Evaluation der „barrierefreien“ MitarbeiterInnenberatung (gemeint ist das barrierefrei genannte Konzept einer anonymen, kurzfristig möglichen und für die Fachkräfte kostenfreien, trägerexternen Beratung) der Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden bildet einen naheliegenden Anlass, die grundsätzliche Frage nach den Arbeitsbedingungen, konkret nach den Belastungen und Entlastungen in den erzieherischen Hilfen, zu stellen und am Beispiel einer Evaluation bei diesem Träger zu beleuchten. Die hier vorliegende Studie gibt zunächst einen Überblick zu einschlägigen theoretischen Ansätzen wie zu aktuell veröffentlichten Studien zu den als Belastung identifizierten Faktoren in den HzE. Darüber hinaus gibt sie am Beispiel eines freien Trägers Einblicke in ein belastungssensibles Organisationskonzept in den HzE. Hierzu sollen nach einer kurzen allgemeinen Skizze der HzE zunächst grundlegend Belastungen im Kontext beruflicher Tätigkeiten und nachfolgend spezifisch im Sozial- und Erziehungsdienst erörtert werden. Anschließend wird die Evaluation dargestellt, die anlässlich der Einführung einer leicht zugänglichen (barrierefreien) Beratung auf den Weg gebracht wurde. Die Ergebnisse werden diskutiert und weitere Forschungsbedarfe

1. Einleitung

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und einige Empfehlungen für die Praxis bilden den Abschluss dieses Beitrages. Für die Unterstützung bei der Datenerhebung und -auswertung der vorgelegten Evaluation danke ich Daniela Engelbracht und Regina Reiffenberg, für grafische Gestaltungen und Recherchen Marius Biele. Hilfreich waren mir zudem didaktische Anregungen zur Veröffentlichung von Wolfgang Böttcher und Hinweise zu den ASD-Tätigkeiten von Peter Lukasczyk. Die in Kapitel 5 vorgelegte Evaluation wäre ohne das umfangreiche Engagement von Geschäftsführung, MitarbeiterInnenvertretung und der MitarbeiterInnen der Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden in den Jahren 2015 - 2017 nicht möglich gewesen. Dafür möchte ich herzlich Dank sagen. Bochum, im Frühjahr 2019 Dirk Nüsken

2. Erzieherische Rahmungen

Hilfen:

Rechtliche

und

konzeptionelle

Als „Hilfen zur Erziehung“ (HzE) werden seit Einführung des SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) 1990/1991 Beratungs-, Betreuungs- und Hilfearrangements für junge Menschen und ihre Familien bezeichnet, wie sie in den §§ 27 bis 35 des SGB VIII normiert sind. Diese Hilfen gelten Familien mit erzieherischen Problemen, die sie nicht alleine oder mit Hilfe etwa der Kindertagesstätte oder der Schule lösen können. Auch junge Volljährige sind Zielgruppe der erzieherischen Hilfen. Träger der Leistungen und damit auch der Kosten ist der zuständige öffentliche Träger, also das jeweilige Stadt- oder Kreisjugendamt. Erbracht werden erzieherische Hilfen aufgrund des Subsidiaritätsprinzips (§ 4 Abs. 2 SGB VIII), allerdings zumeist von freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe. Hilfen zur Erziehung können in ambulanter Form (z. B. durch Sozialpädagogische Familienhilfe), teilstationär (z. B. in Tagesgruppen) oder stationär (etwa durch Heimerziehung oder Pflegefamilien) wie auch in flexiblen und integrierten Formen geleistet werden. Auch die Erziehungsberatungsstellen und -einrichtungen zählen zu den HzE. Die Hilfen haben familienunterstützende, familienergänzende oder familienersetzende Funktion, wobei die Herkunftsfamilie der jungen Menschen auch bei stationären Hilfen einbezogen wird und somit als solche nicht ersetzt wird oder werden soll. Erzieherische Hilfen können von den Sorgeberechtigten freiwillig beantragt, von den Sozialdiensten der Jugendämter mit Nachdruck initiiert (und ebenfalls „freiwillig“ beantragt) oder von den Familiengerichten (auch gegen den Willen der Eltern) veranlasst werden. In den Hilfen zur Erziehung bündeln sich zahlreiche und bisweilen auch widersprüchliche Leistungen: Erzieherische Hilfen können für junge Menschen Ruhe und Unterstützung, Schutz und Hilfe, Bildungsorte und neue Chancen, zum Teil gar Rettung aus unerträglichen Verhältnissen wie Vernachlässigung und Misshandlung bedeuten. Zugleich erleben die betroffenen Kinder und Jugendlichen und ihre Eltern diese oftmals als © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Nüsken, Erziehungshilfen als Beruf, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28496-1_2

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2. Erzieherische Hilfen: Rechtliche und konzeptionelle Rahmungen

unerwünscht und als Bedrohung. Hilfen zur Erziehung werden je nach Konstellation eben auch als Eingriff, Kontrolle und Disziplinierungsmaßnahme verstanden (vgl. Trede 2009, S. 15), und sind dies zuweilen auch. Dies zeigt sich nicht nur im Kontext von Sorgerechtsentzügen, sondern angesichts der insbesondere in den ambulanten Hilfen anzutreffenden Schutz-, Kontroll- oder Sicherheitskonzepte (s. Schone 2008; LWL 2013, IGfH 2015) zumindest in Teilen auch in weniger dramatischen Situationen. Gesteuert werden die Hilfen im Rahmen einer individuellen Hilfeplanung (§ 36 SGB VIII). Art und der Umfang der Hilfe sollen sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall richten (§ 27, Abs. 2 SGB VIII). Die individuelle Gestaltung einer Hilfe ist dabei jedoch nicht losgelöst von ihrem Kontext möglich. So stehen gruppenbezogene Angebote wie etwa Soziale Gruppenarbeit oder die Tages- oder Wohngruppen vor der Herausforderung, mehrere verschiedene individuelle Bedürfnisse und Interessen zugleich zu berücksichtigen und darüber hinaus in einem Gruppenprozess bearbeitbar zu gestalten. Andererseits bieten gerade Gruppensettings besondere Unterstützungs- und Bildungsgelegenheiten, die mittels einzelfallbezogener Hilfen (z. B. Erziehungsberatung, Erziehungsbeistandschaft, Intensive Sozialpädagogische Einzelbetreuung) nicht unbedingt ermöglicht werden (vgl. Richter, 2018, S. 828 f.). Bedeutende Kontextbedingungen für ihren Erfolg sind Ort und Umfang einer HzE. So zeigen sich deutliche Unterschiede, blickt man etwa auf eine Sozialpädagogische Familienhilfe, bei der die Familienhelferin für zwei oder vier Stunden in der Woche in die Wohnung einer Familie kommt und hinsichtlich von Erziehungs- oder Alltagsproblemen berät, oder ob ein Kind werktäglich nachmittags eine Tagesgruppe aufsucht, um schulisch und sozial gefördert zu werden. Ein weiteres Beispiel ist eine Hilfe, bei der ein/e Jugendliche/r in einer Wohngruppe aufwächst und hier den Lebensmittelpunkt hat, in dem Alltagserleben und pädagogische sowie ggf. therapeutische Unterstützung verbunden sind.

2. Erzieherische Hilfen: Rechtliche und konzeptionelle Rahmungen

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Diese unterschiedlichen Kontexte – wie auch die Spannungsfelder von Hilfe und Schutz oder Nähe und Distanz und der erwähnte unterschiedliche Freiwilligkeitscharakter – sind nicht nur für die jungen Menschen und ihre Familien relevant, sie prägen ebenso die Leistungserbringung der Fachkräfte, die ein hohes Maß an eigenständiger Verantwortungsbereitschaft und Reflexivität erfordert. Trotz der hier skizzierten Vielfalt der Erziehungshilfen verbindet sie doch ihre gesellschaftliche Funktion und ihr sozialpädagogischer Auftrag. Die gesellschaftliche Funktion besteht darin, ein zur Familienerziehung komplementäres kompensatorisches Sozialisationsfeld darzustellen. Hilfen zur Erziehung werden nämlich geleistet, wenn das Aufwachsen in der Familie (und in den regulären Erziehungs- und Bildungsinstitutionen) nicht gesichert ist oder als problematisch eingeschätzt wird (vgl. Trede 2009, S. 24 f.). Laut § 27 SGB VIII besteht der Anspruch der Personensorgeberechtigten auf eine Hilfe, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Gemeinsam stellen die Erziehungshilfen auch ein sozialpädagogisches Handlungsfeld dar, da sie – fußend auf der Entwicklungstatsache von Kindern und Jugendlichen (Bernfeld 1973, S. 51) – einen Erziehungs-, Bildungs- und zuweilen auch Interventionsauftrag wahrnehmen. Dieses Handlungsfeld soll der Bewältigung von im Laufe des Aufwachsens von jungen Menschen auftretenden Problemen (Böhnisch spricht von sozialstrukturell und institutionell bedingen Konflikten 1979, S. 22) mit dem Ziel der Selbstständigkeit und Selbstverantwortung dienen. In § 1 Abs. 1 wird dies als Recht eines jeden jungen Menschen auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit normiert.

3. Die Praxis der Erziehungshilfen Wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt, übernehmen Fachkräfte in den erzieherischen Hilfen beruflich und im Rahmen einer Hilfeplanung einen Teil der elterlichen und gesellschaftlichen Verantwortung für junge Menschen und deren Familien. Im Rahmen der Analysen des Arbeitsfeldes Hilfen zur Erziehung beschreibt Gragert (2004, S. 206), dass das Herbeiführen von Klärungen in schwierigen Lebenssituationen und das Entschärfen sowie der Abbau von Krisen vom Gesetzgeber als die spezifischen Aufgaben der Erziehungshilfe definiert werden. Die Fachkräfte sollen Förderungen initiieren, entwickeln und begleiten, die insgesamt entlastend wirken und beim Aufbau neuer Lebensperspektiven helfen.1 Die Fachkräfte tun dies in der Praxis, indem sie zunächst in unterschiedlichen Settings am Leben von jungen Menschen und ihren Familien teilnehmen, und sie tun dies mit dem Blick auf die Entwicklung von jungen Menschen und Familiensystemen und mit solidarischer Zuwendung und einer eigenen fachlichen Positionierung die auch Anforderungen und Begrenzung einschließt (vgl. Frommann 2009, S. 94; Merchel 2016, S. 75). Ziel ihres Wirkens ist es, sich insofern überflüssig zu machen, als dass Familien (wieder) selbst für sich und ein gelingendes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen sorgen können bzw. junge Erwachsene in der Lage sind, selbstständig ihr Leben zu bestreiten. Was aber tragen Fachkräfte dazu bei? Wie lässt sich deren Wirken jenseits von übergreifenden (sozialpädagogischen) Konzepten wie z. B. der Alltagspädagogik, der Traumapädagogik oder der Systemischen Beratung (s. Macsenaere et al. 2014) beschreiben? Und was geschieht zwischen abstrahierender Theorie und konkreten Handlungen wie etwa Anträge 1

Gragert bezieht sich hier ohne Nennung von Randzeichen auf den Frankfurter Lehr-und Praxiskommentar zum KJHG/SGB VIII von Münder et al. 1998. Entsprechende Ausführungen finden sich dort in dieser oder einer ähnlichen Formulierung aber weder im Rahmen der Kommentierungen der Aufgaben der Jugendhilfe (§ 2) noch bei den Vorbemerkungen oder Kommentierungen der §§ 27-41. Es scheint sich um eine spezifische Interpretation und Formulierung von Gragert zu handeln.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Nüsken, Erziehungshilfen als Beruf, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28496-1_3

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3. Die Praxis der Erziehungshilfen

ausfüllen, Einkaufen oder Eltern einzuladen? Frommann (2009, S. 95) hat versucht, Tätigkeitsgruppen zu bilden, die in allen erzieherischen Hilfen vorkommen können und in ihren jeweiligen Kombinationen das Repertoire pädagogischen Agierens bilden. Frommann verzichtet auf Bezeichnungen für die gebildeten sechs Tätigkeitsgruppen, die inhaltlichen Beschreibungen (Überschriften) erleichtern jedoch das Verständnis und werden hier (wenn auch wie die Sammlung als solche nicht völlig trennscharf gelingen kann) referiert: Tabelle 1:

Tätigkeitsgruppen Frommann

Reflektiertes Zuwenden Erkennen Situationen beurteilen Akzeptieren, aufnehmen Zuhören Verstehen Beantworten Zur Verfügung stehen Ernst nehmen Ordnen Teilnehmen

sozialpädagogischer

Reflektiertes Handeln Lehren Bilden Selbständigkeit beachten Grenzen setzen Anleiten Informieren Erklären, interpretieren Zurückhaltung üben Rücksicht nehmen Abwarten Etwas unternehmen Eingreifen

Aktivitäten

Reflektiertes Arrangieren Unterstützen Mittel bereitstellen Beraten Begleiten Behandeln Anregen Ausgleichen Vermitteln Vertreten

nach

3. Die Praxis der Erziehungshilfen Sichern von Grundbedürfnissen Schützen Pflegen Ernähren Waschen Kleiden Wärmen Raum geben Heilen Beaufsichtigen

Mitmachen & Einlassen Zusammen spielen Zusammen arbeiten Anfangen Erinnern (sich und die anderen) Vorbeugen Freigeben Eröffnen (sich und Wege) Trösten Versöhnen

11 Förderndes Fordern Beobachten Aufklären Herausfordern Zumuten Riskieren, wagen Üben, trainieren Chancen geben Gemeinsam ein Ziel verfolgen Ziele unterscheiden Praktische Schritte danach ausrichten Angemessene Forderungen stellen Durchhalten

Ein solcher Systematisierungsversuch ist sicher nicht als abschließend zu verstehen. Zum Beispiel tauchen, zumindest explizit, kaum administrative Tätigkeiten auf, und sozialpädagogisch relevante Tätigkeiten mit Blick auf den Abbau gesellschaftlicher Benachteiligung sind auch nicht zu finden. Dennoch macht eine solche Übersicht die Komplexität und den hohen emotionalen Anteil (Sensibilität, Einfühlungsvermögen, spürbares Engagement) der Arbeit in den Erziehungshilfen deutlich. Sozialkompetenzen hinsichtlich der Beziehungs- und Konfliktfähigkeit erscheinen unabdingbar. Dabei kommt der Persönlichkeit der Fachkräfte, die gewissermaßen als Instrument im Hilfeprozess zu verstehen ist, eine besondere Rolle zu. Dies verweist zugleich auf eine notwendige professionelle Qualität der Beziehung und damit auf eine angemessene Distanz zu den jungen Men-

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3. Die Praxis der Erziehungshilfen

schen und ihren Familien. Der sich daraus ergebende Spagat zwischen Nähe und Distanz ist eine permanente Anstrengung für dieses Berufsfeld (vgl. Hungerland 2016, S. 405). Zudem wird sichtbar, dass es mit Blick auf die Anforderungen an Fachkräfte nicht nur einer positiven Grundhaltung zu Kindern und Jugendlichen und ihren Familien bedarf, sondern auch eines entsprechenden Fachwissens (z. B. zu rechtlichen Fragen oder zu Familiendynamiken) wie eines einschlägigen Methodenspektrums (z. B. zu sozialpädagogischer Diagnostik oder zu lösungsorientierter Beratung). Als Selbstkompetenzen lassen sich ferner die Bereitschaft und Fähigkeit bezeichnen, selbstständig und verantwortlich zu reflektieren und zu handeln. Deuerlein (2014, S. 567) verweist darüber hinaus auf drei zentrale Inhalte im Bereich Selbstkompetenz: Angemessene Lebenserfahrung, eine „überschaubare“ persönliche Lebenssituation und eine humane, gerechte, demokratische Grundhaltung. Angesichts der auch für die Erziehungshilfen relevanten Tatsache, dass Prozesse und Ergebnisse Sozialer Arbeit nicht standardisiert werden können (Stichworte hier: Technologiedefizit, KoProduktion der Leistungserbringung), ließe sich nicht zuletzt auch auf ein gutes Maß an Kreativität, Zuversicht und Frustrationstoleranz verweisen. Ausführliche Darstellungen von Aufgabenprofilen und Qualifikationsanforderungen mit Kompetenzlisten der HzE insgesamt wie zu einzelnen Hilfeformen finden sich bei Gragert (2004, S. 206 ff.) und mit Blick auf die Heimerziehung bei Andrick et al. (2016, S. 90 f.). Solche Anforderungsprofile zeigen die notwendige Verbindung von Fach- und Personalkompetenz, denn die Fachkräfte müssen professionell Hilfen gestalten und sich jungen Menschen und ihren Familien erkennbar zuwenden, ohne sich dabei vom Geschehen vereinnahmen zu lassen. Die Tätigkeiten in den erzieherischen Hilfen umfassen die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die Arbeit mit Eltern, die Arbeit im Team und die Kooperation mit anderen Akteuren wie insbesondere den im ASD, in

3. Die Praxis der Erziehungshilfen

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Schulen, Kitas, Gerichten, Gesundheitswesen und Behörden tätigen. Auch pflegerische Tätigkeiten, Essensvorbereitungen, handwerkliche wie administrative und konzeptionelle Aufgaben können zum Profil gehören. Für solche Dienstleistungen gelten die MitarbeiterInnen als zentraler Qualitätsfaktor für die Leistungserbringung, denn die Qualität der Leistungen hängt in besonderer Weise von der Fähigkeit der Fachkräfte ab, eine Bereitschaft zur Koproduktion bei den AdressatInnen herzustellen und diese aufrechtzuerhalten und weiter zu entwickeln. Darüber hinaus sind die Ausgangssituationen und die darauf bezogenen Handlungsprogramme mit hoher Unsicherheit belastet, so dass die Fachkräfte vor die Aufgabe gestellt sind Situationen und Lebenskonstellationen der AdressatInnen fachlich gut zu interpretieren („Fallverstehen“), und auf dieser Grundlage angemessene Hypothesen für wahrscheinlich nützliche Hilfeaktivitäten zu entwickeln (vgl. Merchel 2016, S. 73 f.). Die Aufgaben der pädagogischen Fachkräfte sind somit nicht standardisierbar, da sich erzieherische Hilfen – aus gutem Grund – in der Praxis relativ individuell gestalten. Nicht nur, dass es unterschiedliche Formen und Konzepte gibt, hinzukommt, dass die persönlichen Beziehungen zu den Adressaten konstitutiv sind, weil Kontexte der Hilfen variieren und die Vorgeschichten der Adressaten wie deren Bereitschaft und Fähigkeit zu einer Koproduktion sehr unterschiedlich sind. Diese Individualität der realen Hilfeszenarien und Hilfeprozesse sperrt sich gegen Versuche, Hilfen manualisiert – also rezepthaft – zu erbringen. Das bedeutet nicht, dass fachliche Standards etwa im Rahmen der Hilfeplanung, der Beteiligung oder der Einschätzung von Kindeswohlgefährdungen und damit ein Handeln nach den „Regeln der Kunst“ von sekundärer Bedeutung wären. Undenkbar ist im Rahmen einer demokratischen und emanzipatorischen Erziehungshilfe (und der Sozialpädagogik insgesamt) jedoch eine Formalisierung einzelner Schritte der Hilfepraxis unter Absehung der sich jeweils „im Spiel“ befindenden Subjekte. Lebensweltorientierte Erziehungshilfen ließen sich ohne einen (immer individuellen) Subjektbezug nicht erbringen. Insofern verbieten sich standardisierte und manualisierte Interventionen bei Kin-

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3. Die Praxis der Erziehungshilfen

dern, Jugendlichen und ihren Familien innerhalb von nicht standardisierbaren sozialen Beziehungen. Und sie würden auch von beiden Seiten kaum akzeptiert werden: weder von den Professionellen noch von den jungen Menschen und ihren Familien. Professionelle erzieherische Hilfen beruhen deshalb sehr wohl auf der Reflektion und Berücksichtigung von sozialpädagogisch-fachlichen und rechtlichen Standards, nicht aber auf einer technologischen Anleitung professioneller Praxis“ (vgl. Otto/Polutta/Ziegler 2010, S. 22). Das Handeln von Fachkräften in den erzieherischen Hilfen ist somit einerseits gekennzeichnet von einem positiven Maß an Handlungs- und Entscheidungsspielraum und der Vielfältigkeit der Aufgaben. Wenn auch zumeist in Teamstrukturen und kollegiale Beratung eingebunden verantworten die Fachkräfte zum großen Teil die konkrete Arbeitsvorbereitung, Durchführung und Kontrolle der eigenen Arbeitstätigkeit selbst. Andererseits verfügen Sie über keine Garantien des Gelingens, denn bei den beruflichen Tätigkeiten in den erzieherischen Hilfen handelt es sich im Wesentlichen um personenbezogene Dienstleistungen. Ob nun Eltern beraten oder Kinder und Jugendliche gefördert werden: Stets geht es um Tätigkeiten, die direkt auf die Person des Nutzers – seinen Wissensstand, seine psychische Disposition oder seine Motivation – abzielen. Selbst die Erstellung von fachlichen Beurteilungen ist nur unter aktiver Mitwirkung der Adressaten möglich (vgl. Olk u. a. 2003, S. XII). Anders als bei sachbezogenen Dienstleitungen, etwa in einer KFZ-Werkstatt, bei denen die Präsenz und Mitwirkung des Nutzers kein unmittelbarer Bestandteil des Dienstleistungssprozesses ist, diese zumeist auch nicht notwendig ist, stehen bei personenbezogenen Dienstleitungen die Interaktionsbeziehungen von Produzent und Konsument im Mittelpunkt der Leistungserbringung. Die sozialwissenschaftlichen Debatten um mikrosoziologische und interaktionstheoretische Dienstleistungskonzepte haben aufgezeigt, dass soziale Dienstleistungen stets „uno-actu“ erbracht werden, dass also Produktion und Konsumtion der Leistung zusammenfallen, die Leistung wird

3. Die Praxis der Erziehungshilfen

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also während des Produktionsprozesses verbraucht. Bei personenbezogenen Dienstleistungen, wie den HzE, ist dabei nicht nur die Präsenz des Adressaten erforderlich, sondern auch seine aktive Mitwirkung, da Resultate des Produktionsprozesses ohne eine Kooperation von Produzent und Konsument nicht zu erzielen sind. Die Nutzer sozialer Dienstleistungen sind somit zentraler „Produktionsfaktor“ und zumindest „Ko-Produzent“ (vgl. ebd.), wenn nicht gar der Primärproduzent sozialer Dienstleistungen, da Nutzerinnen und Nutzer sozialer Arbeit ihr Leben, ihr Verhalten, ihre Entwicklung aktiv produzieren müssen, während professionelle sozialpädagogische Hilfe solche Aneignungsprozesse „lediglich“ unterstützen, anregen oder kritisch begleiten kann (vgl. Schaarschuch/Oelerich 2005, S. 11). Wirkungen personenbezogener Dienstleistungen werden somit in hohem Maße von den Nutzerinnen und Nutzern beeinflusst. Kinder, Jugendliche und ihre Familien sind keine Erziehungsobjekte (vgl. Böttcher/Nüsken 2015, S. 350). Mehr noch: Die Erziehungs- und Sozialisationsprozesse von Kindern und Jugendlichen wie die Lebenswelt von Eltern werden von einer Vielzahl von Faktoren geprägt, von denen die erzieherischen Hilfen stets nur eine begrenzte Anzahl im Hinblick auf die Ermöglichung von gelingenden Aneignungsprozessen beeinflussen kann. Welche Belastungen bei einer derart konstituierten beruflichen Tätigkeit entstehen oder entstehen können, soll im nächsten Kapitel erörtert werden.

4. Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst Der Wandel der gesellschaftlichen Wirklichkeit und die damit einhergehende zunehmende Komplexität der unterschiedlichen Bedingungen, unter denen Kinder und Jugendliche heute aufwachsen, hat auch die Erziehungshilfen in den letzten Jahren in fachlicher und sozialer Hinsicht verändert: Steuerungs- und Sparbestrebungen, (vermeintliche) Fachkonzepte wie „ambulant vor stationär“, rechtliche Reformen (etwa zum Kinderschutz oder zur Beteiligung und Beschwerde), die öffentliche Aufmerksamkeit für fehlgelaufene Kinderschutzfälle, Spezialisierungen, neue Dokumentationspflichten wie auch die vielfach benannte Zunahme der Problemlagen (Multiproblemfamilien) und die Anforderungen durch junge geflüchtete Menschen lassen sich hier anführen (ausführlich BMFSFJ 2013, S. 334 ff.; AGJ 2015; Deutscher Verein 2015). Mit Blick auf die Anforderungen an die Fachkräfte in den HzE kann deshalb davon ausgegangen werden, dass diese gestiegen sind, empirisch belegen lässt sich dies allerdings lediglich für den Allgemeinen Sozialdienst der Jugendämter (s. 4.2.1). Ob mit steigenden Anforderungen auch andere oder zunehmende Belastungen verbunden sind und welche möglichen Entlastungsstrategien zum Tragen kommen (können), lässt sich erst klären, wenn man Belastungen im Kontext von beruflicher Tätigkeit grundsätzlich, d. h. theoretisch und soweit wie möglich auch empirisch betrachtet. 4.1 Theoretische Zugänge „Indem wir arbeiten, begegnen wir der Welt“ (Bauer, 2013, S. 14). Nach Bauer finden mit der Arbeit gleich drei Weltbegegnungen statt: die mit der äußeren Welt (Natur, Zivilisation), die mit sich selbst (Körper, Sinne, Bedürfnisse, Potenziale, Grenzen) und die mit dem sozialen Umfeld (soziale Zugehörigkeit, soziale Hierarchien, Konkurrenz). Alle drei Dimensionen von Arbeit stehen miteinander und mit den physischen und psy-

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4. Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst

chischen Bedürfnissen und dem Funktionssystem des menschlichen Organismus in Verbindung und haben das Potential, Menschen gesund zu erhalten wie auch krank zu machen. Positiv zeigt sich das Potential in der Begegnung mit der äußeren Welt dort, wo Orte als lebensförderlich erlebt werden. Selbstbegegnung zeigt sich dem entsprechend dort, wo Menschen durch Arbeit ihre Kompetenzen erleben und Arbeit zum Teil ihrer Identität wird. Dort, wo Arbeit Anerkennung, Zugehörigkeit und soziale Teilhabe ermöglicht, zeigt sich das positive Potenzial der sozialen Dimension. Die jeweils destruktiven Gegenpole stellen Naturzerstörung und lebensfeindliche Orte der äußeren Welt, Arbeitssucht, körperlicher Verschleiß und psychische Erkrankungen wie Burn-out oder Depression als Element von Selbstbegegnung und mit Blick auf die soziale Dimension der Kampf um Anerkennung und Ressourcen und die sich daraus ableitende Gewalt dar. (vgl. ebd. S. 15 f.). Dort wo Menschen Gefallen und Freude an dem empfinden, was sie durch ihre Arbeit gestalten, wo sie sich in dem, was sie tun, in ihrer Identität wiedererkennen und wo sie für das Geleistete die Anerkennung und Wertschätzung anderer erhalten, dort wird Arbeit zur Resonanzerfahrung. Die Suche nach Spiegelungs- und Resonanzerfahrungen als Grundmotiv menschlichen Lebens wird aktuell aus verschiedenen theoretischen Perspektiven diskutiert: mit Bauer (2005) neurobiologisch (Ausschüttung von Botenstoffen), mit Rosa (2016) soziologisch (Resonanz zwischen gesellschaftlichen Bedingungen und sozialen Beziehungen) und mit Taylor (2012) philosophisch (Ursehnsucht des Menschen). Empirisch zeigt eine Untersuchung des Robert Koch Institutes (2011) bei 12.300 Erwachsenen auf, was am häufigsten als Belastung bei der Arbeit erlebt wird. Die Befragten geben zu 40% (Mehrfachnennungen möglich) an, dass sie Zeit- und Leistungsdruck als belastend erleben. Es folgten lange Arbeitszeiten und Arbeitswege mit 35%. Physische Belastungen wie Lärm, Kälte und Hitze wurden von 34% angegeben, Arbeiten in un-

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bequemen Stellungen spielten für 26% eine Rolle, Schichtarbeit für 21% und das Arbeiten unter strengen Vorgaben für 19%. Gefragt nach Belastungsfaktoren, die sich am stärksten auf die Gesundheit auswirken, zeigen die ausgewiesenen Risikoverhältnisse, dass der Faktor „Beeinträchtigungen im Arbeitsklima“ als stark oder sehr stark gesundheitsbelastend empfunden wird. Es folgen bei Frauen Zeit- und Leistungsdruck und das Heben bzw. Tragen schwerer Lasten, bei Männern Lärm, Kälte oder Hitze sowie Schichtarbeit. Eine auf dem Mikrozensus beruhende Studie des statistischen Bundesamtes zur Qualität der Arbeit aus dem Jahr 2012 (die Datenquelle stammt aus 2007) zeigt ferner, dass Erwerbstätige angeben, etwas häufiger durch psychische (12%) als durch körperliche (11%) Belastungen beeinträchtigt zu sein. Als Auslöser psychischer Belastungen werden Zeitdruck und Arbeitsüberlastung genannt (11%), während Mobbing oder Belästigungen am Arbeitsplatz eine vergleichsweise geringe Rolle spielten (1%) (Statistisches Bundesamt 2012, S. 8 f.). Der Stressreport 2012 (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2013) zeigt mit einer Befragung von 17.500 abhängig beschäftigen Erwerbstätigen (u. a.), wovon sich die Befragten am Arbeitsplatz am stärksten belastet fühlen: Termin- und Leistungsdruck geben 34% an, ständige Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit 26%, den Zwang zu sehr schneller Arbeit 19% und 18% nennen hier die Notwendigkeit, verschiedene Aufgaben gleichzeitig erledigen zu müssen (vgl. ebd. S. 34 f.). Die Studie "Betriebliches Gesundheitsmanagement 2018" der pronova BKK zeigt anhand einer OnlineBefragung von 1.650 Beschäftigten die Gründe für die körperliche als auch psychische Erschöpfung auf. Die Befragten geben Termindruck (34%), gefolgt von emotionalem Stress durch Kunden oder Patienten (30%), Überstunden und ein schlechtes Arbeitsklima (je 29%) an (pronova BKK 2018, S. 24). Die Analysen des Stressreportes 2012 zeigen darüber hinaus, dass die genannten Belastungen nicht nur mit den Arbeitsbedingungen wie Ar-

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beitsmenge, Zeitdruck, Fragmentierungen etc. im Zusammenhang stehen, sondern ebenso mit dem Klima am Arbeitsplatz. Als soziale Ressourcen werden die gute Zusammenarbeit mit Kollegen, sich am Arbeitsplatz als Teil einer Gemeinschaft fühlen sowie Hilfe/Unterstützung durch KollegInnen und durch direkte Vorgesetzte genannt (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2013, S. 77 f.). Wenn, wie gezeigt, den Belastungen am Arbeitsplatz eine erkennbar hohe Bedeutung zukommt, erscheint es lohnenswert, sich einigen grundlegenden Modellen zur Erforschung arbeitsbedingter Belastungen zu widmen. Bauer (2013) folgend sollen hier zunächst die allgemeinen Modelle zur Erfassung von Belastungsfaktoren bzw. Stress am Arbeitsplatz von Theorell/Karasek, von Siegrist und von Demerouti/Bakker vorgestellt werden. Es folgt das für Dienstleistungsberufe und Tätigkeiten im Sozial- und Gesundheitswesen besonders relevante Modell der Emotionsarbeit nach Hochschild, Zapf und Grandey. Weitere Modelle werden abschließend lediglich skizziert. Stress ist hier, wie in der englischen Bezeichnung, zunächst wertneutral als Handlungsenergie oder Aktivierung zu verstehen. Erst bei einem unausgeglichenen Verhältnis von Anforderungen und Ressourcen zu ihrer Bewältigung entsteht Stress im umgangssprachlichen, also belastenden Sinn. Die im Folgenden dargestellten Modelle widmen sich dem Arbeitsplatz und der an ihm zu leistenden Arbeit, strukturelle Aspekte (Art und Umfang der Beschäftigungsverhältnisse, Angemessenheit der Entlohnung, Arbeitszeiten, Arbeitswege) kommen nicht systematisch vor. Persönlichkeitseigenschaften der jeweiligen Erwerbstätigen bleiben eher unberücksichtigt. Die genannten Aspekte jenseits der konkreten Arbeitssituation sind keineswegs unbedeutend, so geben etwa Umfang und Dauer von Arbeitsverhältnissen dem beruflichen Wirken von Fachkräften Sicherheit und Perspektive, und das Gehalt sichert nicht nur den Lebensunterhalt, es stellt auch einen Anerkennungsfaktor dar (zur Bedeutung von Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitszeiten s. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2013). Hinsichtlich

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von Arbeitsbedingungen in ambulanten HzE verweist auch Merchel (u. a.) auf die Anstellungsbedingungen und die sachliche und räumliche Ausstattung, die Fachkräfte benötigen, um die Unsicherheit und Komplexität diese Handlungsfeldes bewältigen zu können (2016 S. 76 ff.). Dass darüber hinaus auch Persönlichkeitszüge wie Gelassenheit oder Neugier die Bewältigungsmöglichkeiten an einem Arbeitsplatz beeinflussen, ist nicht nur naheliegend, die umfangreichen persönlichkeitspsychologischen Studien zu den sogenannten „Big Five“ belegen diesen Sachverhalt auch eindringlich. Mit den fünf Faktoren werden verschiedene Charakterzüge in fünf allgemeingültigen Persönlichkeitsdimensionen zusammengefasst. Dazu zählen Neurotizismus (z. B. Ängstlichkeit, Depressivität vs. Angespanntheit, Reizbarkeit), Extraversion (extravertierte Menschen gelten als gesellig, aktiv, optimistisch, lebenslustig, introvertierte Menschen dagegen treten distanziert, aufgabenorientiert und reserviert auf), Gewissenhaftigkeit (gemeint ist Pflichtbewusstsein und Genauigkeit vs. Unzuverlässigkeit und Nachlässigkeit), Offenheit für neue Erfahrungen (zielt ab auf das Interesse einer Person an neuen Dingen, die Vorliebe für Abwechslung vs. Konventionalität und der Orientierung an bereits Vertrautem) und Verträglichkeit (z. B. anderen entgegen kommen, Konfrontation vermeiden vs. Unnachgiebigkeit und Streitsucht) (vgl. Lang, 2009 S. 31 ff.). Trotz der Bedeutung solcher Faktoren sollen im Kontext der folgenden Erörterungen aber die Belastungen und Entlastungen, die auf den Arbeitsplatz und die dort zu leistenden Tätigkeiten bezogenen sind, im Mittelpunkt stehen. Wie noch zu zeigen sein wird, sind sie im Hinblick auf die Spezifika der Arbeit in den erzieherischen Hilfen von besonderer Relevanz. Die nachfolgenden Modelle zielen dementsprechend vorwiegend auf die in der Grafik dargestellte mittlere Ebene der Analyse von Arbeitsplätzen mit ihren typischen Arbeitsprozessen ab. Arbeitsverhältnisse und Strukturen werden aber z. T. auch aufgegriffen.

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Grafik 1: Analyseebenen von Be- und Entlastungen an Arbeitsplätzen (eigene Darstellung)

Persönlichkeitseigenschaften Arbeitsplätze und die dort zu leistende Arbeit Arbeitsverhältnisse und Strukturen

Bei Windemuth, Jung und Petermann (2010) findet sich ein ähnliches Modell. Drei sich jeweils wechselseitig beeinflussende Ebenen werden hier zur Darstellung psychischer Belastungen in beruflichen Kontexten verwendet. Auf der obersten Ebene befinden sich die MitarbeiterInnen mit ihrem Selbst- und Fremdbild, ihrer Kreativität, ihrer Fitness etc. Auf der mittleren Ebene sind die Unternehmen mit den betrieblichen Rahmenbedingungen, der sozialen Arbeitsumgebung und den Arbeitsaufgaben etc. zu finden. Die unterste Ebene bildet die Gesellschaft mit den tarifrechtlichen Bestimmungen, der Wirtschaftslage und den vorherrschenden Werten etwa mit Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder den Umgang mit Zeit etc. (vgl. ebd. S. 13 ff.).

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Das Job Demand-Control Modell Der US-amerikanische Soziologe Robert Karasek (1979) entwickelte das Job Demand-Control Modell (JDC), um das Zusammenspiel von Anforderungen (demands) und Entscheidungsspielraum (control/ decision latitude) hinsichtlich von gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Arbeitstätigkeiten aufzuzeigen. In diesem Modell wird nach dem Verhältnis bzw. der Balance von Arbeitsanforderungen und dem jeweiligen Handlungs- und Entscheidungsspielraum gefragt. Leitend ist dabei die Grundannahme, dass eine arbeitsbedingte Fehlbeanspruchung (job strain) nicht durch einzelne Aspekte einer Tätigkeit entsteht, sondern durch das Zusammenwirken der Anforderungen, welche die Arbeitssituation an eine Person stellt und dem Ausmaß, im Umgang mit diesen Anforderungen eigenständige Entscheidungen treffen zu können (vgl. Gebele 2009, S. 6). Dem Modell zufolge kommt es zu gesundheitsgefährdenden Beeinträchtigungen, wenn steigende Anforderungen (z. B. durch vermehrte oder komplexere Aufgaben) mit einem niedrigen oder sinkendem Handlungsund Entscheidungsspielraum (z. B. Möglichkeiten die Arbeit selbst zu planen, die Arbeitsmenge zu beeinflussen, zu entscheiden, wann eine Pause gemacht wird) zusammenfallen. Andererseits kann eine erhöhte Belastung bei gleichzeitig vorhandenem Entscheidungsspielraum eine lern- und persönlichkeitsförderliche Wirkung von Arbeitstätigkeiten ermöglichen (vgl. Rigotti 2018). Johnson und Hall (1988) ergänzten das JDC-Modell um die Komponente der sozialen Unterstützung (social support) durch Mitarbeiter und Vorgesetzte als wesentliche Ressource zur Vermeidung von Fehlbeanspruchung. Diese theoretische Weiterentwicklung zum Job-Demand-ControlSupport- (JDCS-) Modell wurde später auch von Karasek und Theorell (1990) übernommen. Ein erhöhtes Fehlbeanspruchungsrisiko besteht demnach bei Tätigkeiten, die sich durch hohe Anforderungen, geringe

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Einflussmöglichkeiten und wenig soziale Unterstützung auszeichnen (vgl. Gebele 2009, S. 8 f.). Soziale Unterstützung am Arbeitsplatz kann nach Karasek und Theorell in zwei Arten unterschieden werden. Als sozio-emotionale Unterstützung z. B. in Form von Mitgefühl oder Aufmerksamkeit und als instrumentelle soziale Unterstützung in Form von direkter tätigkeitsbezogener Unterstützung durch zusätzliche Ressourcen. Soziale Unterstützung am Arbeitsplatz kann von Vorgesetzten wie von Kolleginnen und Kollegen geleistet werden (vgl. ebd. S. 9). Eine gesundheitsförderliche Arbeit besteht nach diesem Modell in einer Balance von Anforderungen auf der einen Seite mit dem Entscheidungsspielraum und der sozialen Unterstützung auf der anderen Seite. Grafik 2: Balancen von Anforderungen und Einflussmöglichkeiten und sozialer Unterstützung im „Job Demand-Control-Support Modell“ (eigene Darstellung in Anlehnung an Karasek/Theorell 1990)

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Bringt man die jeweils zwei möglichen Ausprägungen (hoch/niedrig) der dargestellten Einflussgrößen in ein Verhältnis miteinander, so ergibt sich ein Vier-Felder Schema. Grafik 3: Vier-Felder-Schema des Anforderungs-Kontroll-UnterstützungsModells nach Karasek (1979, S. 288 und 1990). Grafik in Anlehnung an: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2013, S. 15

Kommen niedrige Anforderungen an einem Arbeitsplatz mit geringem Entscheidungsspielraum (eigene Kontrolle) und wenig sozialer Unterstützung zusammen, lassen sich solche Arbeitsplätze mit Karasek als „passive Jobs“ bezeichnen. Belastungen entstehen hier durch die oftmals wenig kreativen Tätigkeiten und die unzureichenden Möglichkeiten, Potentiale zu entfalten. Langeweile und die Gefahr eines „Bore-out-Syndroms“ können entstehen. Dem gegenüber stehen Tätigkeiten mit hohen Anforde-

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rungen und hohen Entscheidungsmöglichkeiten. Dem Modell nach können hier neben Freude an der Arbeit und einem großen Leistungsvermögen aber auch Gefährdungen durch Selbstausbeutung entstehen. Bei geringen Anforderungen und großen Entscheidungsmöglichkeiten besteht hingegen eine Tendenz zur Unterforderung, und bei hohen Anforderungen und geringer Entscheidungskompetenz ergeben sich hohe psychische Belastungen und Beeinträchtigungen der Gesundheit. Zum JDC-Modell liegt eine hohe Anzahl an empirischen Studien vor. An dieser Stelle soll die empirische Befundlage weder ausgebreitet noch diskutiert werden (eine Übersicht findet sich bei Gebele 2009). Ausgewählte Hinweise sollen aber gegeben werden. Im Stressreport 2012 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird auf widersprüchliche Ergebnisse der empirischen Befundlage zur Validierung dieses Modells hingewiesen (vgl. ebd. S. 14). Das Modell sei zudem simplifizierend. So reiche es nicht aus, lediglich Handlungsspielraum und soziale Unterstützung als Ressourcen zu betrachten. Auch sei der postulierte synergistische Effekt der drei Faktoren (gemeint ist, dass der Effekt aller drei Faktoren zusammen eine stärkere Wirkung aufweist als die Summe der Einzeleffekte) oft schwach oder zeige sich nicht in der erwarteten Richtung (vgl. ebd. S.14 f.). Auch Gebele (2009, S. 17) stellt zusammenfassend fest, dass die Ergebnisse bzgl. des Zusammenhangs von Komponenten des JDC Modells mit Indikatoren physischer Gesundheit uneinheitlich sind. Jedoch können für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems Zusammenhänge aufgrund der großen Anzahl unterstützender Studien als bestätigt angesehen werden. Auch Effekte von Tätigkeitsmerkmalen auf den Stresshormonhaushalt sind wahrscheinlich. Gebele kommt in seiner Bilanz der Forschungslage trotz dieser Einschränkungen jedoch zu dem Ergebnis, dass zusammenfassend festgehalten werden könne, dass die Effekte einzelner Komponenten des JDC Mo-

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dells in nahezu allen empirischen Studien zu psychologischen OutcomeVariablen (psychische Gesundheit oder Teile dieser) nachgewiesen wurden. Belegt werden kann demnach insbesondere die Strain-Hypothese. Es gilt demnach als erwiesen, dass es gesundheitlich stark belastend ist, wenn bei steigenden Anforderungen der Entscheidungsspielraum geringer wird. Die Iso-Strain-Hypothese zu den Effekten von steigenden Anforderungen bei geringen Entscheidungsspielraum und geringer sozialer Unterstützung kann demzufolge etwas seltener, aber dennoch in einer großen Anzahl von Studien bestätigt werden. Ein Einfluss der im JDC Modell beschriebenen Tätigkeitsmerkmale auf das psychische Wohlbefinden und die psychische Gesundheit gilt insgesamt betrachtet als empirisch gesichert (vgl. Gebele 2009, S. 14). Das Modell der beruflichen Gratifikationskrisen Der Schweizer Medizinsoziologe Johannes Siegrist (1996) entwickelte das Modell beruflicher Gratifikationskrisen, auch Effort-Reward Imbalance Modell genannt (ERI). Beeinträchtigungen entstehen in diesem Modell durch Dysbalancen von Anstrengung bzw. Leistung (effort) und Belohnung bzw. Gratifikation (reward). Demnach sind Menschen, die sich stark engagieren, sich verausgaben, dafür aber nur wenig Anerkennung oder Gehalt erhalten, gefährdet, in eine Gratifikationskrise zu geraten. Diese kann sich in der Folge gesundheitsschädigend auswirken, denn als Folge eines (dauerhaften) Missverhältnisses zwischen Geben und Nehmen (Effort-Reward Imbalance) kann chronischer Stress (Wut, Ärger, Enttäuschung) und damit eine erhöhte Cortisol-Ausschüttung entstehen. Dies wiederum zieht eine Schwächung des Immunsystems und weitere Gesundheitsrisiken wie ein erhöhtes Risiko einer DepressionsSymptomatik nach sich (vgl. Hapke et al. 2013). Siegrist differenziert zwischen einer extrinsischen und einer intrinsischen Quelle der Verausgabung (Siegrist, 1996b; Siegrist, 2002). Extrinsische Verausgabungen können durch von außen herangetragene Anforderungen und Verpflichtungen entstehen (z. B. Mehrarbeit, Arbeits-/Zeitdruck). Intrinsische Ver-

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ausgabungen resultieren aus einer übersteigerten, beruflichen Verausgabungsneigung, einem Überengagement (overcommitment). Der Efford-Reward-Imbalance Fragebogen (Version 22.11.2012, Siegrist 2012) nimmt einerseits Arbeitsaufkommen, Anzahl und Ausmaß der Arbeitsunterbrechungen, Zwang zu Überstunden und körperliche Verausgabung in den Blick und fragt anderseits nach Gratifikationsmerkmalen wie Anerkennung, Unterstützung, Gerechtigkeit am Arbeitsplatz, Arbeitsplatzsicherheit, Aufstiegschancen, Gehalt und persönlicher Wertschätzung durch KollegInnen und Vorgesetzte. Darüber hinaus wird die Bewertung der Passung von Ausbildung und Engagement mit der Anerkennung (materiell wie immateriell) sowie das mögliche Überengagement (Arbeit „mit nach Hause nehmen“, sich aufopfern) erfragt. Von Bedeutung ist damit nicht eine objektive Ausgeglichenheit zwischen Anstrengung und Belohnung, sondern eine subjektive Sicht: In welchem Maß wird die wahrgenommene Gratifikation als gerecht empfunden? Die Skizze zeigt, dass bei diesem Modell sowohl Aspekte des sozialen Kontextes der Arbeit als auch individuelles Bewertungsverhalten und die persönliche Verausgabungsneigung einbezogen werden.

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Grafik 4: Das Modell beruflicher Gratifikationskrisen in Anlehnung an Siegrist 2013, Quelle: Institut für Gesundheit in Organisationen (eigene Darstellung)

Kritisiert wird an diesem Modell, das es relativ wenige Formen von Arbeitsbelastung berücksichtigt, die zu Stress führen können (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2013 S. 17). Der Fragebogen umfasst diesbezüglich lediglich sechs Fragen. Auch wenn zur Überprüfung des ERI Modells weniger Studien vorliegen als dies für das JDC-Modell der Fall ist, gelten die gesundheitlichen Auswirkungen von Effort-Reward-Imbalance insbesondere bzgl. HerzKreislauf-Erkrankungen und psychischer Störungen mittlerweile als gut belegt (vgl. zusammenfassend z. B. Gebele 2009; Schirmer 2015). Einige Parallelen zwischen dem JDC- und dem ERI-Modell sind leicht zu erkennen. Beide Modelle beinhalten als Variable die in der Arbeitstätigkeit begründet liegenden Anforderungen an das Individuum (Job De-

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mands bzw. Effort). Die Anforderungskomponenten beider Modelle sind zudem konzeptionell sehr ähnlich, da sie potentielle psychologische Stressoren, die sich aus Charakteristika der Arbeit (insbesondere Menge, Beschaffenheit und Zeit) ergeben, definieren. Darüber hinaus teilen beide Modelle die Annahme, dass das Risiko arbeitsbedingter Fehlbeanspruchung durch das Verhältnis von Arbeitsanforderungen auf der einen Seite (Job Demands bzw. Effort) und Ressourcen (Decision Latitude bzw. Reward) andererseits bestimmt wird. Bezüglich der Ressourcen aber unterscheiden sich diese Modelle. Während Decision Latitude, also die Entscheidungs- oder Einflussmöglichkeiten ein direktes Merkmal der Arbeitstätigkeit sind, stellen die mit Reward gemeinten Anerkennungen keine Tätigkeitsmerkmale dar, sondern im sozialen Kontext angesiedelte Gratifikationen, welche ihr Gewicht erst durch die subjektive Wahrnehmung der Angemessenheit erhalten. Anders als das ERI-Modell, welches lediglich für eine Konstellation (hohe Leistung und niedrige Anerkennung) Aussagen trifft, lassen sich mit dem JDC-Modell Aussagen zu allen vier möglichen Konstellationen von Job Demands und Decision Latitude treffen (vgl. Gebele 2009, S. 34). Das Job-Demands-Resources Modell Eine Zusammenführung und Weiterentwicklung des JDC- und des ERIModells stellt das Job-Demands-Resources Modell (JD-R) der niederländischen Psychologen Evangelia Demerouti und Arnold Bakker (Demerouti et al., 2001, Bakker/Demerouti 2007, 2014) dar. Übersetzt lässt sich hier vom Arbeitstätigkeit-Anforderungen-Ressourcen-Modell sprechen (vgl. Schladitz 2018). Das im Rahmen der Burn-out-Forschung entwickelte Modell beschäftigt sich nicht nur mit den negativen Folgen von Arbeitsbedingungen wie Stress oder Burnout, sondern berücksichtigt auch Aspekte, die zu positiven Auswirkungen für die Mitarbeiter führen können.

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Drei zentrale Annahmen liegen dem Modell zugrunde (vgl. Bakker/Demerouti, 2014): Erstens, die Merkmale einer Arbeitstätigkeit lassen sich den beiden Kategorien Arbeitsbelastungen (job demands) und Arbeitsressourcen (job resources) zuordnen. Zweitens, jede Kategorie mit ihren Elementen und Ausprägungen stößt einen eigenen Prozess an. Im Falle der Arbeitsbelastungen ist dies der Prozess der Gesundheitsbeeinträchtigung (health impairment process). Arbeitsressourcen hingegen rufen einen motivationalen Prozess (motivational process) hervor. Drittens, beide Arbeitsmerkmal-Kategorien wirken nicht nur auf Prozesse, sondern interagieren miteinander (vgl. Schmidt 2017, S. 9). Grafik 5: Das JD-R Grundmodell nach Demerouti, Bakker, Nachreiner & Schaufeli (2001). Grafik: Demerouti 2007 (eigene Darstellung)

Zu den Arbeitsbelastungen bzw. -anforderungen zählen die aus den anderen Modellen bereits bekannten Faktoren wie Arbeitsauslastungen oder Zeitdruck, hinzukommen aber qualitative Aspekte wie emotionale Belastungen durch besonders herausfordernde KundInnen oder KlientInnen, genauso wie Rollenkonflikte, wie sie z. B. bei Führungskräften oder auch im Erziehungs- und Bildungswesen vorkommen können.

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Zu den Arbeitsressourcen zählen hier sämtliche körperlichen, psychologischen, sozialen oder organisationalen Aspekte der Arbeit, die im Zusammenhang mit dem Erreichen von arbeitsbezogenen Zielen stehen und die Arbeitsbelastungen minimieren sowie die persönliche Entwicklung und Lernen stimulieren können (vgl. Bakker/Demerouti, 2007, S. 312). Arbeitsressourcen sind hier mit Blick auf Arbeitsbelastungen relevant, entfalten jedoch auch darüber hinaus Wirkung. Ressourcen können in diesem Modell in der Aufgabe selbst zu finden sein (z. B. Anforderungsvielfalt, selbstbestimmte Ausführung), aus dem organisationalen Rahmen entspringen (etwa durch die Beteiligung an Entscheidungsprozessen) wie aus sozialen (Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte, Arbeitsklima, Supervision) und strukturellen Aspekten (wie der Arbeitsplatzsicherheit, den Karrieremöglichkeiten und der Bezahlung) erwachsen (vgl. Schmidt 2017, S. 11). Die beiden zentralen Prozesse in diesem Modell beziehen sich auf Gesundheitsbeeinträchtigungen und Motivation. Im Gesundheitsbeeinträchtigungsprozess werden Arbeitsbelastungen, die zu einem Burn-out führen können, mit (allgemeinen) Gesundheitsbeschwerden verknüpft. Diese wiederum wirken sich negativ auf die Arbeitsleistung aus. Hinter dieser Annahme liegen Erklärungen, die aus dem Kontrollmodell zum Belastungsmanagement (engl. state regulation model of compensatory control; Hockey, 1995, 1997) stammen. Nach Hockey reagieren Menschen auf (zunehmende) Belastungen im Allgemeinen nicht passiv erduldend, sondern sie versuchen, ihre Arbeitsziele auch unter stark beanspruchenden Bedingungen zu erreichen. Hierzu kommen mehrere Strategien in Frage. Eine Möglichkeit ist die Aufwandssteigerung (direct control), bei der kognitive und physische Reserven mobilisiert werden (mit mehr Anstrengung oder/und länger arbeiten, um das Ziel zu erreichen). Das Arbeitsziel bleibt jedoch unverändert und wird als erreichbar erachtet. Kurzfristig können Arbeitskräfte mit dieser Strategie durchaus Erfolg haben. Dauerhafte Aufwandssteigerungen führen jedoch zu gesundheitlichen Beein-

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trächtigungen z. B. zu Erschöpfung und Irritationen und zur Ausschüttung von Stresshormonen und zur Schwächung des Immunsystems (vgl. Bakker/Demerouti, 2007, S. 313). Eine alternative Strategie zur Aufwandssteigerung ist die Veränderung des gesteckten Arbeitszieles (indirect control), es wird z. B. zeitlich verschoben oder das Anspruchsniveau wird gesenkt. Diese passive Bewältigungsstrategie führt dazu bzw. soll dazu führen, dass die Anstrengung auf einem als normal empfundenem Niveau gehalten werden kann und damit weitere Verausgabungen und die damit verbundenen Folgen verhindert werden (vgl. ebd.). Diese Strategie geht jedoch auf Kosten der womöglich selbstgesteckten höheren Leistungsziele und führt in diesen Fällen zu individuellen oder organisationsinternen Enttäuschungen. In anderen Fällen sind Arbeitsziele extern vorgegeben, so dass eine Reduktion des Anspruchsniveaus oder eine Zieländerung nicht oder nur um den Preis der Enttäuschung externer Akteure möglich ist (vgl. Schmidt 2017 S. 13). Die mit dem motivationalen Prozess verknüpften Theorien gehen von direkten wie von indirekten Wirkungen der Arbeitsressourcen auf das Engagement und die Motivation von Arbeitskräften aus, die wiederum die Leistungsfähigkeit positiv beeinflussen. Die Zusammenfassung von Schmidt (2017 S. 13 f.) verweist hier u. a. auf die Theorie der Ressourcenerhaltung (COR-Theorie nach Hobfoll 1989; Hobfoll/Shirom, 2000) und die Zielsetzungstheorie nach Locke/Latham, 2002. Gemeinsam ist diesen und weiteren theoretischen Zugängen die Annahme, dass Ressourcen grundsätzlich das Engagement von Arbeitskräften und damit deren Motivation, deren Zielsetzung, deren Selbstwirksamkeitserwartung und deren Bereitschaft, sich anzustrengen beeinflussen. Nicht zuletzt werden auch deren Bedürfnisse nach Autonomie, nach Kompetenz und nach sozialer Eingebundenheit adressiert. Die Interaktion von Arbeitsbelastungen und -ressourcen mit Blick auf Burnout und Arbeitsengagement bildet die dritte Grundannahme des JD-

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R Modells. Eine Form der Interaktion wird als „Puffer-Effekt“ beschrieben (Schaufeli/Bakker 2004, S. 299). Arbeitsressourcen „puffern“ – also vermindern – hierbei den Einfluss von Arbeitsbelastungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit. Arbeitskräfte, die über viele Ressourcen, beispielsweise soziale Unterstützung, Handlungsspielraum oder Feedback von Vorgesetzten verfügen, können besser auf Arbeitsbelastungen (beispielsweise durch Zeitdruck oder emotionale Belastungen etwa durch „schwierige“ KundInnen oder KlientInnen) reagieren und diese bewältigen. Ein zweiter Interaktionseffekt zeigt sich in hohen Belastungssituationen. Insbesondere hier führen ausreichende bzw. zunehmende Ressourcen dazu, dass hohe Arbeitsbelastungen bewältigt werden können (vgl. Schmidt 2017, S. 16). Praktisch ist hier etwa an die Entlastung von bestimmten Tätigkeiten, an Unterstützung durch Coaching aber auch an (rechtzeitige) Fort- und Weiterbildung und die Verlässlichkeit sozialer Unterstützung zu denken. In einem Vier-Felder-Schema lassen sich auch hier die möglichen Konstellationen von Anforderungen und Ressourcen darstellen:

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Grafik 6: Disbalancen nach Demerouti. Grafik: Demerouti 2007 (eigene Darstellung)

Auch zum bzw. mit dem JD-R Modell sind in den letzten Jahren zahlreiche Studien durchgeführt worden (für einen kurzen Überblick siehe Bakker & Demerouti, 2014, Bunte 2015). Schmidt (2017, S. 15) verweist auf die zunehmenden empirischen Belege zu diesem Modell. Kritisiert wird an dem Job-Demands Resources Modell, dass psychische Bewertungsprozesse unberücksichtigt bleiben. Gemeint ist, dass aus Arbeitsanforderungen direkt (ohne psychische „Umwege“) Stress und aus den Arbeitsressourcen ebenso direkt Motivation erfolgt. „Die psychischen Prozesse, die bei der Stressentstehung oder Motivationsentstehung eine Rolle spielen, werden in einer großen Black Box zusammengefasst, die wie eine Gedankenblase zwar über dem Modell schwebt, aber nie genannt wird. So lässt sich das Job Demands-Resources Model zwar als Arbeitscharakterisierungsmodell bezeichnen, nicht jedoch als Stressmodell oder Moti-

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vationsmodell, das das Entstehen dieser psychischen Prozesse in Gänze zu erklären sucht“ (Bunte 2015, S. 64). Konzept der Emotionsarbeit (Hochschild 1983, 1990, Zapf et al. 2000, Grandey 2000) Mit dem Konzept der Emotionsarbeit stehen nach Zapf et al. (2000) Zusammenhänge zwischen Stress und den spezifischen Arbeitsanforderungen in sozialen und Gesundheitsberufen und allgemein in der Dienstleistungsarbeit im Fokus. Diese Berufsarbeit erfordert nicht nur das Regulieren von Kognitionen, sondern auch die regelmäßige und häufige Regulation von Emotionen. Emotionsarbeit kann dabei positive und negative Auswirkungen haben, etwa Freude oder Ärger. Wird jedoch dauerhaft eine sehr hohe Anforderung an das „Gefühlsmanagement“ gestellt und kommt es oft zum Widerspruch zwischen den in der Situation geforderten Gefühlsäußerungen und den tatsächlichen Gefühlen und damit zum Stress, dann lassen sich dem Konzept zufolge abnehmende berufliche Motivation und Entfremdung beobachten und Erkrankungen wie „Burnout“ können entstehen (vgl. ebd. S. 21). Eine aktuelle Zusammenfassung zu diesem Modell bietet ein Review der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Schöllgen/Schulz 2016). Demnach ist das zentrale Bestimmungsstück von Emotionsarbeit das Zeigen eines bestimmten Emotionsausdrucks (bzw. das Unterdrücken inadäquater Emotionen) im Rahmen personenbezogener Tätigkeiten (vgl. ebd. S. 4). Der Begriff „Emotionsarbeit“ wurde von der USamerikanischen Soziologin Arlie Russell Hochschild geprägt und erstmals an FlugbegleiterInnen untersucht. FlugbegleiterInnen sind normalerweise sehr aufmerksam und freundlich zu den Fluggästen. In der Regel bedienen sie die Fluggäste mit einem Lächeln im Gesicht. Hochschild argumentiert an dieser Stelle, dass dieses Lächeln und diese Freundlichkeit nicht einem individuellen Arbeitsstil entspringt, sondern dass dieses Lächeln im Interesse des Unternehmens erbracht und vom Unternehmen

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gefordert wird (vgl. Zapf et al. 2000, S. 1). Das Konzept bezieht somit auf Dienstleistungstätigkeiten bzw. personenbezogene Tätigkeiten im Kontext von Organisationen. Hochschild nimmt dabei berufliche Tätigkeiten in den Blick, in denen der häufige telefonische oder persönliche Kontakt mit Klienten/Kunden und die Anforderung, diesen gegenüber einen bestimmten Emotionsausdruck zu zeigen (bzw. inadäquate Emotionen zu unterdrücken) und damit bei ihnen bestimmte Gefühlszustände hervorzurufen, zentrales Charakteristikum sind. Angenommen wird, dass sich Emotionsarbeit negativ auf die (psychische) Gesundheit der Beschäftigten auswirkt, da die zu zeigenden Emotionen nicht notwendigerweise mit der tatsächlichen Gefühlslage übereinstimmen. Konkret: Das Zeigen vor allem von positiven Emotionen wird vom Unternehmen erwartet und gleichbleibende Freundlichkeit wird somit zu einer Arbeitsanforderung und nicht zu etwas, was im freien Ermessen von Angestellten liegt. Man stelle sich etwa eine Krankenschwester, Altenpflegerin oder Erzieherin vor, die sich den Kranken, alten Menschen oder Kindern gegenüber gefühlskalt wie ein Roboter verhält und versuchen würde, die Arbeitstätigkeit ausschließlich in Begriffen der Informationsverarbeitung zu beschreiben. Ein solches Verhalten würde weder den Erwartungen der PatientInnen oder KlientInnen entsprechen noch der „Kundenorientierung“ der Organisation und auch nicht den Kennzeichen professioneller Arbeit (vgl. Zapf et al. 2000, S. 2). Neuere Konzepte greifen Hochschilds Ideen auf, heben jedoch den multifaktoriellen und prozessualen Charakter von Emotionsarbeit stärker hervor (zusammenfassend siehe Grandey, Diefendorff & Rupp, 2013) (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2016, S. 10). Zapf et al. (2000, S. 3) etwa unterscheiden die folgenden Aspekte der Emotionsarbeit in beruflichen Kontexten: Den Ausdruck positiver Gefühle, den Ausdruck negativer Gefühle und den Umgang mit negativen Gefühlen, die Wahrnehmung von Gefühlen anderer (Sensitivitätsanforderung), den Interaktionsspielraum (gemeint ist der Einfluss z. B. darauf, ein Gespräch beenden zu können) und die emotionale Distanz (i. S. v. Gefühle ausdrücken zu müssen, die man nicht hat).

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Der Ausdruck negativer Gefühle kann dabei – je nach Berufsfeld – jedoch unterschiedliche Bedeutung habe. Für eine Erzieherin etwa ist es selbstverständlich negative Emotionen ausdrücken zu können (und zu müssen) um das Verhalten von Kindern beeinflussen zu können. Für Angestellte im Hotel- oder Bankwesen wäre dies zumindest ungewöhnlich und würde wohl als Zeichen misslungener Kommunikation bewertet werden. Ebenso unterschiedlich sind die Folgen der jeweiligen Emotionsarbeit zu erwarten (vgl. ebd.). Darstellen lässt sich das Modell der Emotionsarbeit nach Grandey wie folgt: Grafik 7 Modell der Emotionsarbeit nach Grandey 2000 (eigene Darstellung)

Im Zentrum dieses Modells zur Emotionsarbeit stehen die Emotionsregulationsstrategien Surface Acting und Deep Acting sowie der Begriff Emotional Dissonance. Vereinfacht beschrieben wird unter letztgenanntem der Zustand einer Diskrepanz zwischen dem geforderten Emotionsausdruck und dem tatsächlichen emotionalen Erleben verstanden. Emotionale Dissonanz wird als eine Form von Rollenkonflikt angesehen und er-

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zeugt einen Spannungszustand und soll sich dem Modell nach negativ auf das Befinden, aber auch auf die Motivation und letztlich die Leistung auswirken. Emotionale Dissonanz ist jedoch auch eine notwendige Voraussetzung für Emotionsarbeit, da emotionale Dissonanz den Einsatz von Strategien der Emotionsregulation motiviert bzw. motivieren kann. Als Möglichkeiten zum Umgang mit emotionaler Dissonanz gelten in diesem Modell Surface Acting (Oberflächenhandeln), also das äußere Darstellen der erwünschten Emotionen bspw. durch Anpassung von Mimik und Gestik (unabhängig von den erlebten Gefühlen), sowie Deep Acting (Tiefenhandeln), gemeint ist die Veränderung des Gefühlslebens in Richtung der (wahrgenommenen) Vorgaben bspw. durch kognitive Uminterpretation. Der im Review der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2016) zusammengefassten Studienlage zu dem Modell der Emotionsarbeit nach lassen sich auch Zusammenhänge zu Beanspruchungsfolgen aufzeigen. Insgesamt lässt sich demnach (u. a.) feststellen, dass die Zusammenhänge von Surface Acting zu den Burnout-Facetten (emotionale) Erschöpfung und Depersonalisation sowie zu Arbeitszufriedenheit als gesichert gelten können, d. h., häufigeres Surface Acting geht mit stärkerem Burn-out und geringerer Arbeitszufriedenheit einher. Ebenfalls gut bestätigt werden Zusammenhänge von Surface Acting zu weiteren Indikatoren negativen mentalen Befindens (z. B. Disstress) und es gibt Hinweise auf Zusammenhänge mit schlechterem (subjektiv berichtetem) körperlichen Befinden und mit stärkerer Kündigungsabsicht. Die meisten Studien deuten ferner darauf hin, dass mehr Deep Acting mit etwas weniger reduzierter Leistungsfähigkeit einhergeht (Burn-out-Facette). Deep Acting scheint jedoch keine (konsistenten) Zusammenhänge zu weiteren Befindensindikatoren aufzuweisen. Als gesichert kann jedoch gelten, dass stärkere emotionale Dissonanz mit größerer emotionaler Erschöpfung und stärkerer Depersonalisation sowie mit schlechterem mentalen und körperlichen Befinden einhergeht und dass emotionale Dissonanz abträglich für

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die Arbeitszufriedenheit ist. Ferner, dass stärkere (bzw. stärker wahrgenommene) Unternehmensregeln (Darstellungsregeln) bzgl. des Unterdrückens negativer Emotionen mit etwas mehr (emotionaler) Erschöpfung einhergehen. Es gibt zudem einige Hinweise, dass Deep Acting bzgl. des Zeigens positiver Emotionen mit einer etwas besseren emotionsbezogenen Arbeitsleistung einhergeht (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2016, S. 4 f.). Aufgrund des expliziten Bezuges des Modells der Emotionsarbeit zu den Sozial- und Gesundheitsberufen und angesichts des hohen Anteils dort tätiger weiblicher Fachkräfte soll an dieser Stelle auch ein kurzer Blick auf mögliche geschlechtsbedingte Unterschiede geworfen werden. Das Geschlecht spielte bereits in Hochschilds Arbeiten (1983) eine Rolle. Bei den dort dargestellten Jobs der Emotionsarbeit (Stewardess und Inkasso-Beauftragte) wurde eine hohe Geschlechtersegregation deutlich, wonach sich Frauen eher in Berufen finden, in denen der Ausdruck positiver (und die Unterdrückung negativer) Emotionen zentral ist und Männer in Berufen, die (auch) das Zeigen negativer Emotionen erfordern (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2016, S. 13 f.). In dem aktuellen Review der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin werden auf Grundlage der ausgewerteten Überblicksarbeiten und neueren Primärpublikationen für das Geschlecht (wie für das Alter) nur sehr wenige Zusammenhänge berichtet. Für Geschlecht und Alter werden mehrheitlich keine Korrelationen mit dem Surface Acting und dem Deep Acting gefunden (vgl. ebd. S. 29; 39). Zum Zusammenhang von emotionaler Dissonanz zu Alter werden ebenfalls mehrheitlich keine Assoziationen deutlich. Die Zusammenhänge zwischen emotionaler Distanz und Geschlecht sind heterogen, d. h. es zeigen sich vor allem keine Effekte oder etwas weniger Dissonanzerleben bei Frauen (vgl. ebd. S. 45).

4.1 Theoretische Zugänge

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Dem entsprechend zeigt sich insgesamt betrachtet, dass, nach den derzeit vorliegenden Studien, weder Geschlecht noch Alter Zusammenhänge zwischen Intensität und Variabilität des Emotionsausdrucks mit gesundheitlichen Folgen (Burn-out) moderieren (vgl. ebd. S. 54). Kritisch betrachten lässt sich an diesem Konzept (u. a.) die mangelnde Trennschärfe von Surface und Deep Acting. So gehen Oberflächenhandeln und Tiefenhandeln oft ineinander über. Ein erfolgreiches bloßes Beherrschen des Ausdrucks kann das echte Fühlen beeinflussen, genauso wie die Übernahme einer Emotion das Ausdrucksverhalten anregen kann. Hintergrund dazu ist das Kognitionsverständnis des Embodiment, welches – verkürzt dargestellt – besagt, dass durch Aufmerksamkeitsfokussierung und Aktivierung von Erlebnismustern auch Erleben beeinflusst werden kann: „Wie man geht, so geht einem und wie es einem geht, so geht man“ (Gunther Schmidt, zit. nach Lippmann/Jungmann-Ullfer, 2009, S. 281). Auch die überwiegend negative Konnotation von Emotionsarbeit und die wenig beachteten möglichen Grenzen (wann dürfen oder sollten Angestellte beispielsweise gegen Freundlichkeitsregeln verstoßen) werden kritisch diskutiert (vgl. z. B. Rastetter 2008, S. 21 f.). Anders als im JDC oder ERI-Modell wird hier nicht von zu balancierenden Be- und Entlastungsfaktoren ausgegangen, sondern es werden – ähnlich dem JD-R-Modell – beeinflussende Phänomene, Umgangsstrategien und Langzeitfolgen von Emotionsarbeit erklärt. Das JD-R-Modell ist jedoch umfangreicher und nimmt neben mentalen und emotionalen auch weiter Anforderungen und (im Prinzip) sämtliche Ressourcen auf. In welchem Verhältnis die auch im Modell der Emotionsarbeit vorzufindenden Ressourcen (Autonomie und Hilfe von KollegInnen und Vorgesetzten) zu den mit der Emotionsarbeit verbundenen Anforderungen stehen bleibt jedoch offen ebenso wie mögliche Varianzen in den Umgangsstrategien Surface Acting und Deep Acting.

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Weitere Modelle Beanspruchungen und Stresserleben werden auch in weiteren Modellen wie im Belastungs-Beanspruchungs-Modell (Rohmer/Rutenfranz, 1975) und im transaktionale Stressmodell nach Lazarus (Lazarus/Folkman, 1984) systematisch betrachtet. Nach dem Stressmodell von Lazarus liegt der Grund unterschiedlicher Stressreaktionen der Menschen in den jeweils individuellen Bewertungsprozessen, mit denen Menschen einer Beanspruchung begegnen. So können psychische Anforderungssituationen im Beruf, also etwa ein Konflikt, als positiv, unwichtig oder gar potenziell gefährlich (stressend) bewertet werden. Im Anschluss an eine solche Bewertung prüfen Menschen in einer für sie bedrohlichen oder überfordernden Situation demnach dann in einem zweiten Schritt, ob sie diese mit den ihnen verfügbaren Ressourcen bewältigen können. Nur wenn die Ressourcen als nicht ausreichend angesehen werden, wird eine Stressreaktion ausgelöst (vgl. Rundnagel et al. 2010, S. 19). Nach dem Belastungs-Beanspruchungs-Modell (Rohmer/Rutenfranz, 1975) können Belastungen, die etwa durch Störungen des Arbeitshandelns oder durch Zeitdruck entstehen, verstärkt werden, wenn diese nicht durch Arbeitsanforderungen wie z. B. einen großen Handlungsspielraum, hohe Kommunikationserfordernisse oder eine gute Qualifikation „abgepuffert“ werden (vgl. JD-R Modell). Somit kann es nach diesem Modell Arbeitsbedingungen geben, die die Entwicklung positiver gesundheitsfördernder Bedingungen, z. B. die Persönlichkeitsentwicklung, begünstigen und gleichzeitig höhere Risiken für Erkrankungen aufweisen (vgl. ebd.). Das Konzept der Vollständigen Tätigkeit (Hacker/Richter 1998) richtet den Blick auf fragmentierte bzw. umfassend ausgerichtete Tätigkeiten. Hier wird davon ausgegangen, dass eine möglichst große Vollständigkeit der Arbeit die Persönlichkeitsentwicklung bzw. Entwicklung von positiver Gesundheit fördert. Ist dies nicht gegeben, können negative Folgen

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für den arbeitenden Menschen entstehen. Arbeitsaufgaben sind demnach vollständig, wenn sie planerische, ausführende und kontrollierende Elemente umfassen. Ist dies der Fall, ermöglichen sie Handlungsspielraum, Selbstständigkeit beim Setzen von Zielen und beinhalten Entscheidungsmöglichkeiten. Sie sorgen für eine Aufgabenorientierung, die Interesse und Engagement hervorruft und die arbeitende Person zu einer intrinsisch motivierten Fortführung der Arbeit bringt (vgl. ebd. S. 20). Die keineswegs abschließende Darstellung von Modellen zur Erfassung von Belastungen bzw. Stress am Arbeitsplatz ließe sich noch weiterführen. Aspekte fairer Behandlung und gerechter Entscheidungen und Verteilungen stehen zum Beispiel im Fokus des Konzeptes der Organisationsgerechtigkeit (Greenberg/Cropanz 2001, Elovainio et al. 2002), und Glaser/Herbig (2012) entwickelten ein integriertes Modell, in dem psychische Belastungen mit psychischen Beanspruchungsfolgen für Lernen und Leistung genauso wie mit Gesundheitsbeeinträchtigungen verbunden werden. Zwischenbilanz Festgehalten werden kann zunächst, dass es kein allgemeingültiges Modell zur Erklärung von Be- und Entlastungen im Rahmen beruflicher Tätigkeiten gibt. Die Skizzen, insbesondere aber die ausführlicheren Darstellungen der drei allgemeineren Modelle haben aber auch gezeigt, dass prinzipiell betrachtet von Belastungen bzw. Stress dann ausgegangen wird, wenn ein Ungleichgewicht zwischen Anforderungen und den Mitteln, die zur Bewältigung dieser zur Verfügung stehen, vorliegt. Das gilt mit Blick auf die emotionale Dissonanz und die Möglichkeiten der Emotionsregulation (zumindest prinzipiell) auch für das Modell der Emotionsarbeit. Eher implizit nehmen die Modelle damit auch Aspekte der Salutogenese (der Frage nach dem Entstehen von Gesundheit) und des Resilienzkonzeptes (der Stärkung von psychischer Widerstandskraft) auf. Entscheidend dafür, ob mehr oder minder objektive Bedingungen als

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Belastungen empfunden werden und Stress erzeugen, dürften aber die subjektive Wahrnehmung und Einschätzungen der jeweiligen Situation sowie gewisse persönliche Voraussetzungen wie beispielsweise Kraftquellen (Ressourcen) oder Bewältigungsstrategien sein. Diese können von Person zu Person sehr unterschiedlich sein. Zudem kann ein und dieselbe Person in unterschiedlichen Situationen durchaus verschiedene Bewertungen vornehmen. Es erscheint somit nicht möglich, einzig aufgrund einer vorliegenden Situation abzuleiten, wie viel Belastung und Stress diese tatsächlich verursachen wird (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2013 S. 17 f.). So können Arbeitsanforderungen (in bestimmten Maßen) sowohl energiezehrend als auch stimulierend sein. Wirken sie auf bestimmte Personen stimulierend, können sie eher zu den Arbeitsressourcen gezählt werden, denn sie appellieren an Neugier, Kompetenz und Gründlichkeit der Arbeitskräfte und unterstützen so bei persönlichem Wachstum und Weiterentwicklung (vgl. van den Broeck et al., 2010, S. 5). Trotz der aufgeführten Einschränkungen liefern solche Modelle (insbesondere wenn sie in einschlägigen Studien zur Anwendung kommen) ein nützliches Rahmenkonzept zur Erklärung von Be- und Entlastungen, denn sie legen den Blick frei auf relevante Faktoren und mögliche bzw. zu erwartende Zusammenhänge. Relevanzen für die Hilfen zur Erziehung Betrachtet man die aufgeführten Modelle noch einmal hinsichtlich ihrer Relevanz für die erzieherischen Hilfen so zeigen sich insbesondere folgende Bezugspunkte: Im JDC wie im JD-R-Modell kommt der Balance von Anforderungen und Ressourcen eine zentrale Rolle zu. Zu den Arbeitsbelastungen bzw. -anforderungen zählen Faktoren wie Arbeitsauslastung oder Zeitdruck, hinzukommen qualitative Aspekte wie emotionale Belastungen durch besonders herausfordernde Fälle, genauso wie Rollenkonflikte. Letztere zeigen sich z. B. bei Führungskräften, die den Anforderungen ihrer Teams wie den Organisationszielen nachkommen müssen.

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Im Erziehungswesen sind solche Rollenkonflikte durch das „doppelte Mandat“ geprägt. Gemeint ist, das Tätigkeiten hier gleichsam den Interessen und Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen und ihren Familien dienen sollen, wie auch dem gesellschaftlichen Auftrag etwa nach Sicherung des Kindeswohls. Zu den Arbeitsressourcen zählen dem JDR-Modell nach sämtliche körperliche, psychologische, soziale oder organisationale Aspekte der Arbeit, die im Zusammenhang mit dem Erreichen von arbeitsbezogenen Zielen stehen und die Arbeitsbelastungen minimieren sowie die persönliche Entwicklung und Lernen stimulieren können (vgl. Bakker/Demerouti, 2007, S. 312). Arbeitsressourcen, entfalten auch (und jenseits von Belastungen) motivationale Wirkung. Ressourcen können in diesem Modell in der Aufgabe selbst zu finden sein (z. B. Anforderungsvielfalt, selbstbestimmte Ausführung), aus dem organisationalen Rahmen entspringen (etwa durch die Beteiligung an Entscheidungsprozessen) wie aus sozialen (Unterstützung durch KollegInnen und Vorgesetzte, Arbeitsklima, Supervision) und strukturellen Aspekten (wie der Arbeitsplatzsicherheit, den Karrieremöglichkeiten und der Bezahlung) erwachsen (vgl. Schmidt 2017, S. 11). Das JDC-Modell fasst Ressourcen hingegen enger und verweist auf den Handlungs- und Entscheidungsspielraum und die soziale Unterstützung der Fachkräfte. Zudem wird im JDC-Modell auf Gefährdungen, die durch Selbstausbeutung entstehen können verwiesen. Das ERI-Modell der beruflichen Gratifikationskrisen beschreibt Beeinträchtigungen durch Dysbalancen von Anstrengung bzw. Leistung und Belohnung bzw. Gratifikation. Demnach sind (auch in den HzE) Menschen, die sich stark engagieren, sich verausgaben, dafür aber nur wenig Anerkennung oder Gehalt erhalten, gefährdet, in eine Gratifikationskrise zu geraten. In unterschiedlichen Ausprägungen gehen die Modelle alle

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von Leistungs- und Gesundheitsbeeinträchtigungen aus wenn es zu Dysbalancen und Fehlbeanspruchungen kommt. Das Konzept der Emotionsarbeit widmet sich schließlich der Regulation von Emotionen im Kontext beruflicher Tätigkeiten. Zentral ist hier die Annahme, dass dauerhafte, sehr hohe Anforderung an das „Gefühlsmanagement“ und erlebte Widersprüche zwischen den in der Situation geforderten Gefühlsäußerungen und den tatsächlichen Gefühlen Stress verursachen. Konsequenz sind dem Modell nach abnehmende berufliche Motivation und Entfremdung, zudem können Erkrankungen wie Burn-out entstehen (vgl. Zapf et al. 2000, S. 21). Hinsichtlich der erzieherischen Hilfen sind ferner sämtliche von Zapf et al. ausgeführten Aspekte der Emotionsarbeit in beruflichen Kontexten relevant: Der Ausdruck positiver Gefühle, der Ausdruck negativer Gefühle und der Umgang mit negativen Gefühlen, die Wahrnehmung von Gefühlen anderer (Sensitivitätsanforderung), der Interaktionsspielraum (gemeint ist der Einfluss z. B. darauf, ein Gespräch beenden zu können) und die emotionale Distanz (i. S. v. Gefühle ausdrücken zu müssen, die man nicht hat) (vgl. Zapf et al. 2000, S. 3). Besondere Bedeutung (auch) für die HzE hat ferner das Deep Acting (Tiefenhandeln), gemeint ist die Veränderung des Gefühlslebens in Richtung der (wahrgenommenen) Vorgaben bspw. durch kognitive Uminterpretation. Diese Modulation von Gefühlen lässt – den vorliegenden Studien zufolge – nicht nur keine gesundheitsbeeinträchtigen Folgen erwarten, sondern kann zu besserer emotionsbezogenen Arbeitsleistung führen (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2016, S. 4f). Das Konzept der Emotionsarbeit verweist zudem auf die Bedeutung der Unternehmensregeln zur Emotionsarbeit (gemeint sind die formellen und informellen Regeln zum gewünschten oder akzeptierten Ausdruck von bestimmten Gefühlsäußerungen) sowie zur Autonomie und Hilfe von bzw. für Fachkräfte.

4.2 Forschungsstand

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4.2 Forschungsstand Was aber ist bekannt über Be- und Entlastungen im Rahmen der Tätigkeiten in den erzieherischen Hilfen? Dazu soll im Folgenden die vorliegende Studienlage aufgezeigt werden. 4.2.1 Studien zu Anforderungen und Belastungen im Sozial- und Erziehungswesen Zunächst lassen sich einige arbeitspsychologische bzw. arbeitsmedizinische Untersuchungen anführen. Solche Studien differenzieren z. T. auch nach Berufsgruppen, so dass hier allgemeine Erkenntnisse zum Sozialoder Erziehungsdienst oder zu den bisherigen in der amtlichen Berufsstatistik der Bundesagentur für Arbeit geführten Berufsgruppen 861 (Sozialarbeiter/Sozialpfleger) und 862 (Heimleiter/Sozialpädagoge) zu finden sind (zu den Umstellungen der Berufskennziffern s. Grgic 2014). Solche Erkenntnisse beziehen sich zwar nicht explizit auf die erzieherischen Hilfen, lassen aber eine erste Rahmung zu. Studien zur Arbeitsbelastung von ErzieherInnen sollen an dieser Stelle nicht aufgegriffen werden da – obwohl in den HzE zahlreiche ErzieherInnen arbeiten – solche Untersuchungen (z. B. Schreyer et al. 2012, Institut Arbeit und Wirtschaft, Uni Bremen 2012, Schreyer/Krause 2016, Rudow 2017) zumeist bzw. weitaus überwiegend der bisherigen Berufsgruppe 864 (KindergärtnerInnen, KinderpflegerInnen) oder wie im Fall der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Berlin (2015) der Tätigkeit von ErzieherInnen in der Schule gelten. Kindertageseinrichtungen stellen jedoch Regeleinrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe dar und sind trotz ähnlicher Aufgabenstellungen (Erziehung, Bildung und Betreuung) nicht mit erzieherischen Hilfen zu vergleichen, die durch Krisen ausgelöst und individuell geplant werden. Auch die den stationären Erziehungshilfen zuzurechnenden Pflegefamilien und damit die Belastungen von Pflegeltern werden nicht ausgeführt, da es sich hier zwar um eine HzE handelt, der familiäre Rahmen im privaten, (zumeist) nicht von Fachkräften gestalteten Umfeld jedoch ein

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zentrales und strukturelles Unterscheidungsmerkmal darstellt (s. dazu z. B. Jespersen 2011, Schäfer 2011). Im Stressreport 2012 (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2013) finden sich Angaben dazu, in welchen Wirtschaftszweigen psychische Anforderungen aus Arbeitsinhalt und -organisation besonders häufig angegeben werden. Hier wird festgestellt, dass diesbezüglich vor allem die Wirtschaftszweige verarbeitendes Gewerbe, Baugewerbe, Verkehr und Lagerei sowie das Gesundheits- und Sozialwesen hervortreten. So geben 68% der im Sozial- und Gesundheitswesen Tätigen an (N=1.991), häufig verschiedene Arbeiten gleichzeitig zu betreuen (S. 44). Mit Blick auf die Sozial- und Erziehungsberufe (N=1.890) sind es gar 73% (S. 46). Bei anderen Wirtschaftszweigen vorkommende psychische Anforderungen, wie der, dass kleine Fehler zu großen Verlusten führen oder ständig wiederkehrende Arbeitsvorgänge auszuüben sind, kommen hingegen deutlich unterdurchschnittlich vor. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen ausgeprägt ist der Wert beim Item „Verfahren verbessern/Neues ausprobieren“ (46%) (ebd.). Wie oben (Kap. 4.1) bereits erwähnt, bleibt hier jedoch offen, für welche Personen diese Anforderung tatsächlich eine Belastung darstellt, da ausprobierende oder entwickelnde Tätigkeiten auch inspirieren können. Aufgrund der Strukturmerkmale stationärer Hilfen erstaunen die hohen Werte der Sozial- und Erziehungsberufe bei der Sonn- und Feiertagsarbeit (53%) und bei den Vereinbarkeitsproblemen (46%) kaum (ebd. S. 60). Davon ausgehend, dass ein Wegfall von Pausen zu Erholungsmangel und Ermüdung führen kann, finden sich im Stressreport auch diesbezügliche Daten (ebd.). Hinter den Gesundheitsberufen, in denen 43% der Befragten angeben, häufig Pausen ausfallen zu lassen, folgen die Sozial- und Erziehungsberufe gleichauf mit den Ordnungs- und Sicherheitsberufen (jeweils 36%) (ebd.). Mit Blick auf die bereits thematisierte Bedeutung der Beschäftigungssituation zeigen die Daten des Stressreports, dass Sozial- und Erziehungsberufe hier mit 22% bei den befristeten Arbeitsverhältnissen und mit 17% bei

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der negativen wirtschaftlichen Lage des Betriebes die höchsten Werte erreichen. Umstrukturierungen der Arbeit in den letzten zwei Jahren fanden bei 47% der Befragten statt. Dies ist ein mittlerer Wert aller Berufsgruppen. Insgesamt zeigt sich die vergleichsweise häufig vorkommende mehrfache Belastung der Sozial- und Erziehungsberufe durch Aspekte der Beschäftigungssituation. Gefragt nach der Ressource Handlungsspielraum antworten 81% der Befragten aus den Sozial- und Erziehungsberufen, dass sie ihre Arbeit selbst planen und einteilen können. Dies stellt den höchsten Wert aller Berufsgruppen dar. Darüber hinaus geben 39% an, Einfluss auf die Arbeitsmenge zu haben, dies ist hinter den Ordnungsund Sicherheitsberufen (40%) der zweithöchste Wert. Deutlich unterdurchschnittlich ist hingegen der Wert bei der eigenen Entscheidung, wann eine Pause gemacht werden kann (40%). Lediglich in den Gesundheitsberufen ist dies mit 39% noch schwächer ausgeprägt. Abgesehen von den Pausenentscheidungen verfügen die Sozial- und Erziehungsberufe damit über einen im Vergleich höheren Handlungsspielraum als andere Berufsgruppen. Auch zur Ressource „soziale Unterstützung“ finden sich im Stressreport Daten. Die Werte der Berufsgruppen hinsichtlich der sozialen Unterstützung liegen insgesamt gesehen in einem hohen Bereich, und die Streuung fällt geringer aus als bei anderen Aspekten. Für die Sozial- und Erziehungsberufe liegen die Werte bei der guten Zusammenarbeit mit den Kollegen (88%) und bei der Hilfe/Unterstützung vom direkten Vorgesetzten (59%) exakt im Durchschnitt aller Berufsgruppen. Bei den Antworten der Fragen danach, ob sich MitarbeiterInnen am Arbeitsplatz als Teil einer Gemeinschaft empfinden (86%) und Hilfe und Unterstützung von KollegInnen zu erfahren (82%), liegen die Werte etwas über dem Durchschnitt von jeweils 80%. Dienstleistungs- und Gesundheitsberufe erreichen hier jedoch noch höhere Werte. Beanspruchung und Stress sind in den Sozial- und Erziehungsberufen hoch ausgeprägt. Eine auf dem Mikrozensus beruhende Studie zur Qualität der Arbeit (Statistisches Bundes-

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amt 2015) zeigt auf, dass Zeitdruck, mit einer Nennung von 21%, in der Berufsgruppe Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung am stärksten ausgeprägt ist (S. 9). Eine Stresszunahme in den letzten zwei Jahren bemerken laut Stressreport 2012 48% (durchschnittlich 43%), und eine quantitative Überforderung geben 28% an, dies ist zugleich der Höchstwert (Durchschnittswert 19%) (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2013 S. 90). Schließlich werden Beanspruchungs- und Stressfolgen ausgewiesen. Bei den muskuloskelletalen Beschwerden liegt der Wert der Sozial- und Erziehungsberufe (68%) leicht unter dem Durchschnitt (70%), bei den psychovegetativen (63%:57%) darüber und bei körperlicher und emotionaler Erschöpfung mit 26% deutlich über dem Durchschnitt von 17%. Im Gesamtvergleich heißt es dazu im Stressreport: „Der Vergleich der Wirtschaftszweige lässt die Branche Gesundheit und Sozialwesen hervortreten – hier liegen alle Werte zu Beanspruchungs- und Stressfolgen über denen der Gesamtstichprobe und bei fast allen Merkmalen finden sich hier die Spitzenwerte, was in dieser Branche aber auch z. T. geschlechtsbedingt ist“ (ebd. S. 97). Gemeint ist mit Letzterem, dass festgestellt wurde, dass Frauen bei allen Beschwerdeindizes höhere Werte berichten, ebenso wie auch ein höheres Maß an Erschöpfung und einen schlechteren subjektiven Gesundheitszustand angeben, was nur in den wenigsten Fällen mit dem Beruf assoziiert ist (vgl. ebd. S. 96). Untersuchungen des wissenschaftlichen Institutes der AOK (2011a, 2011b) analysierten die einem Burn-out zugerechneten Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage). Bezugsgruppe waren die etwa zehn Mio. erwerbstätigen Mitglieder der AOK. Zu berücksichtigen ist, dass Burn-out ein Zustand physischer und psychischer Erschöpfung ist, den ein Arzt bei der Krankschreibung als diagnostische Zusatzinformation dokumentieren kann. Ausgewiesen werden hier die AU-Tage je 1.000 AOK-Mitgliedern. Die Daten zum Burnout in einzelnen Berufsgruppen zeigen für die Jahre

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2009 und 2010 die hohen Werte der hier in einer Berufsgruppe zusammengefassten HeimleitInnen und SozialpädagogInnen (jeweils Platz eins) und SozialarbeiterInnen und SozialpflegerInnen (2009 Platz zwei, 2010 Platz drei). 2010 zeigt sich hier bei HeimleiterInnen und SozialpädagogInnen mit 233 Tagen der Spitzenwert. Zum Vergleich: Bei KindergärtnerInnen/KinderpflegerInnen liegt dieser Wert bei 149 Tagen. Zusammenfassung Zusammenfassend zeigen die hier angeführten Untersuchungen zum Sozial- und Erziehungsdienst erste allgemeine Belastungsfaktoren auf. Die hohen Werte bei der Sonn- und Feiertagsarbeit und bei den Vereinbarkeitsproblemen verweisen auf Anforderungen, die durch Schichtdienste, insbesondere in stationären Einrichtungen, zu sehen sind. Ebenfalls strukturell bedingt sind die überdurchschnittlich hohen Angaben bei befristeten Arbeitsverhältnissen und die als schwierig empfundene wirtschaftliche Lage der Organisationen. Die Angaben zum häufigen Wegfall von Pausen weisen dagegen auf Arbeitsverdichtungen und eine mangelnde zeitliche Strukturierbarkeit der Tätigkeiten hin. Eine Stresszunahme in den letzten zwei Jahren wird überdurchschnittlich häufig wahrgenommen, und bei quantitativen Überforderungen nehmen Sozial- und Erziehungsberufe einen Spitzenwert ein. Gut 1/4 der Befragten gibt eine solche Überlastung an. Psychovegetative Beschwerden, insbesondere körperliche und emotionale Erschöpfung sind erkennbar ausgeprägter als in anderen Berufsgruppen. Auffällig hoch sind zudem die Daten zu den einem Burn-out Syndrom zuzurechnenden Berufsunfähigkeitstagen. Die Werte zur sozialen Unterstützung durch KollegInnen und Vorgesetze liegen im Durchschnitt. Beschäftigte in Sozial- und Erziehungsberufen verfügen über einen vergleichsweise höheren Handlungsspielraum als andere Berufsgruppen. Hier zeigt sich in Abhängigkeit von den jeweiligen Arbeitsanforderungen

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(s. JDC und JD-R-Modell) eine mögliche Ressource dieser Tätigkeiten. Deutlich werden damit sowohl strukturell bedingte wie auch im Zusammenhang mit einer Arbeitsverdichtung zu betrachtende Belastungen und einige ihrer Folgeerscheinungen. 4.2.2 Studien zu Belastungen im Allgemeinen Sozialdienst Blickt man auf die Zielgruppen und beruflichen Aufträge, so ist den HzE die Tätigkeit der Sozialdienste der Jugendämter recht nahe. Diese Dienste, oftmals Allgemeiner Sozialdienst (ASD) oder Bezirkssozialdienst (BSD) genannt, sind (in kommunal unterschiedlichen Konstellationen) für die Beratungs- Hilfe- und Schutzaufgaben zuständig, die im Kontext von Erziehungsfragen und den Problemen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien entstehen können. Dazu zählt auch die Prüfung von Rechtsansprüchen auf erzieherische Hilfen und die Steuerung von HzE im Rahmen des Hilfeplanverfahrens. Die Tätigkeiten eines ASD sind prinzipiell jedoch breiter gefächert als die innerhalb einer erzieherischen Hilfe und enthalten höhere Anteile an Verwaltungstätigkeiten. Auch gehen die Zielgruppen eines ASD über die Kinder, Jugendlichen und Familien mit erzieherischem Hilfebedarf hinaus. Der ASD ist zudem stets ein kommunaler sozialer Dienst, der durch seine Dienstleistungsorientierung definiert ist wie durch die staatliche Garantenstellung in Fällen von Kindeswohlgefährdungen sowie durch seine Letztverantwortung bzw. Letztzuständigkeit. Gemeint ist damit, dass unabhängig davon, ob HzE durchgeführt werden oder nicht, ein ASD prinzipiell für diese jungen Menschen und ihre Familien zuständig ist. Der leistungserbringende Träger einer HzE ist lediglich für seine unmittelbaren Klienten zuständig. Deutlicher noch als in den HzE, denen eine Überprüfung des Hilfeanspruchs ja vorrausgeht, zeigt sich eine weitere Schwierigkeit des ASD darin, dass die Arbeit sowohl hinsichtlich der Anzahl der zu erwartenden Fälle als auch der zu bearbeitenden Problemkonstellationen kaum planbar ist.

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Trotz der skizzierten Unterschiede erscheint es aber lohnenswert, einige der vorliegenden Studien zu Belastungen im ASD aufzugreifen, nicht zuletzt auch deshalb, da die Sozialdienste der Jugendämter im Rahmen der Hilfeplanung auch die Leistungserbringung der HzE-Träger rahmen und beeinflussen. Einblicke eröffnet hier zunächst die bundesweite Online-Befragung des Deutschen Jugendinstitutes zur Arbeitssituation und Personalbemessung im ASD (Seckinger et al. 2008). Einleitend wird hier beschrieben, dass die Fachkräfte im ASD es häufig mit komplexen Problemlagen zu tun haben, die Entscheidungen unter Zeitdruck erfordern und für die es selten eindeutige Lösungen gibt. Solche belastenden Arbeitssituationen sind demnach nicht vermeidbar, sondern Ergebnis der originären Aufgabenstellung des ASD. Die daraus resultierende Unsicherheit von Entscheidungen trägt zusammen mit der vorhandenen hohen Verantwortung, die die Fachkräfte haben, zu einer hohen Arbeitsbelastung bei. Ferner wird auf die steigende fachliche Komplexität in der Arbeit des ASD und die damit erhöhten Anforderungen an die MitarbeiterInnen (vgl. z. B. GisselPalkovich 2007) verwiesen und darauf, dass die Ressourcenausstattung nicht mit dem Aufgabenzuwachs mitgehalten hat (vgl. ebd. S. 8 f.). Der Ende 2007/Anfang 2008 durchgeführten Untersuchung liegen Daten des Jugendhilfeb@rometers, einer repräsentativen bundesweiten OnlineBefragung (Vollerhebung) zugrunde, an der sich 328 (Rücklauf 54%) Leitungskräfte von Jugendämtern beteiligt haben. Die Fragestellungen galten der Personalbedarfsbemessung, der Arbeitsbelastung und den Folgen der Arbeitsbelastung wie den Strategien im Umgang mit hoher Arbeitsbelastung. Eingegangen werden soll im Folgenden auf Aussagen zu den Belastungen und zu den Belastungsfolgen. Der Erhebung zufolge wird die Arbeitsbelastung der Fachkräfte im ASD von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Genannt werden die Komplexität und unsichere Entscheidungssituationen, die Verdichtung und zu

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wenige Erholungsphasen, emotionale Betroffenheit, ständige Veränderung der Arbeitsbedingungen und ein Job-Enlargement ohne JobEnrichment. Diese Befunde sollen im Folgenden kurz beschrieben werden. Komplexität und unsichere Entscheidungssituationen meinen das eingangs bereits erwähnte Zusammenfallen von komplexen Problemsituationen mit Entscheidungszwängen und der fehlenden Gewissheit um „richtige“ Lösungen. Dazu werden in der Veröffentlichung jedoch keine Daten angeführt. Verdichtung und zu wenige Erholungsphasen stehen im Zusammenhang damit, dass beinah alle ASD (98%) eine Verdichtung ihrer Arbeit in den letzten fünf Jahren angeben. Mit Verdichtung ist hier das Phänomen gemeint, dass für die einzelne Aufgabe weniger Zeit vorhanden ist (und diese damit rascher und ggf. weniger intensiv bearbeitet wird) und der dadurch mögliche Zeitgewinn mit zusätzlichen Aufgaben ausgefüllt wird. Auch Ruhephasen sind von diesem Effekt betroffen. In diesem Kontext geben 94% der befragten Ämter an, dass bei ihnen die psychische Belastung der ASD-MitarbeiterInnen zugenommen hat (vgl. Seckinger 2008, S. 41). In 63% der ASD gibt es ferner Überlastungsanzeigen, wobei sowohl die Anzahl der Überlastungsanzeigen bezogen auf die Mitarbeiterzahl als auch die Anzahl der ASD, in denen es Überlastungsanzeigen gibt, in den letzten Jahren gestiegen sei (vgl. ebd. S. 42). Zur emotionalen Betroffenheit wird in der Studie ausgeführt, dass Belastungen nicht allein dadurch entstehen, dass es die Fachkräfte im ASD mit Familien in schwierigen Lebenssituationen zu tun haben, sondern dadurch, dass immer weniger Zeit für eine begleitende und unterstützende Tätigkeit bleibt, deren Erfolge auch für die MitarbeiterInnen des ASD sichtbar werden. Hintergrund dazu sind zum einen, dass vermehrte Aufgaben von den ASDs wahrzunehmen sind: Von 89% der ASD werden zusätzliche Aufgaben und eine wachsende Arbeitsbelastung durch die Einführung des § 8a SGB VIII angegeben, 91% sehen gestiegene Dokumentationsanforderungen (vgl. Seckinger et al. 2008, S. 38 ff.). Hinzu

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kommt die Häufung in der Bearbeitung von Krisenfällen, welche zur Folge haben, dass der Arbeitsalltag des ASD überwiegend aus Belastungsspitzen entsteht (vgl. ebd. S. 43 f.). Der Blick auf die Arbeitsbedingungen widmet sich insbesondere den organisatorischen Veränderungen der ASD-Arbeit und ihren Folgen. Angeführt wird dazu, dass 53% der befragten Jugendämter solche Veränderungen (z. B. der Arbeitsabläufe, Dokumentationsverfahren, Zuständigkeiten) mit stärkeren Belastungen zusammenbringen (vgl. ebd. S. 36). Job-Enlargement ohne JobEnrichment meint, dass es zwar zu einer Ausweitung der Aufgaben des ASD gekommen ist, nicht aber zu einer Verbesserung des Arbeitsplatzes durch Ausweitung der Handlungsautonomie und einen Zuwachs an Anerkennung. Eine wachsende Arbeitsmenge ohne gleichzeitig wachsende Entscheidungskompetenzen führt aber zu einer Zunahme an Fremdbestimmung und einem Verlust an Handlungsautonomie (vgl. ebd. S. 36, vgl. 4.1 Job Demand-Control-Support Modell). Auch die Auswirkungen hoher Arbeitsbelastung in den ASD werden in der DJI-Studie beschrieben. So bleibt in sechs von zehn Sozialdiensten Arbeit unerledigt liegen. Familien müssen deshalb lange Wartezeiten bei der Vorbereitung und in der begleitenden Hilfeplanung hinnehmen. Bei 40% der ASD steigt die Anzahl der Krankheitstage aufgrund der Arbeitsbelastung, etwas über ein Viertel der ASD-Leitungen (27%) sieht in der hohen Arbeitsbelastung die Ursache für einen Anstieg der Fehlerquote. Bei einem Fünftel der ASD (21%) gibt es aufgrund der hohen Arbeitsbelastung eine erhöhte Fluktuation (vgl. ebd. S. 46). Die befragten Jugendämter reagieren durchaus auf solche Entwicklungen und geben dazu Folgendes an: Eine wichtige Strategie, die negativen Auswirkungen der hohen Arbeitsbelastungen zu reduzieren, wird in einer Stärkung der Fachkräfte im ASD gesehen. Dazu sollen Weiterqualifizierung und Supervision sowie eine Verbesserung von Teamstrukturen dienen – 36% der Jugendämter und 39% der Ämter mit Überlastungsanzeigen geben dies an. Gut ein Drittel (37%) der ASD versucht, Entlastungen

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durch interne Umstrukturierung zu erreichen, hierzu zählt auch die Verlagerung von Arbeiten aus dem ASD in Spezialdienste oder zu Angeboten freier Träger (outsourcing). Ein Viertel schafft neue Stellen im ASD oder versucht dies zumindest. 13% suchen Effizienzsteigerungen etwa durch Arbeiten, die weggelassen und Arbeitsabläufe, die vereinfacht werden. Als dramatisch beschreibt die Studie die Situation in Jugendamtsbezirken, in denen die Leitung Qualitätsverminderung als Entlastungsstrategie angibt. Diese ASD werden (ohne Prozentangabe) jenem Drittel gleichgestellt, die keine Möglichkeiten für eine Entlastung sehen, obwohl diese erforderlich wäre (vgl. ebd. S. 48 ff.). Die DJI-Studie zeigt somit strukturelle Belastungsfaktoren der ASD-Tätigkeit wie auch eine Verschärfung durch Arbeitsverdichtung und organisationale Veränderungsprozess wie deren Folgen für die Organisationen und einige Begegnungsstrategien auf. Dabei wird deutlich, dass (Stand 2007/2008) das Verhältnis von Aufgaben und Ressourcen in den meisten Regionen aus dem Gleichgewicht gekommen ist. Für die Interpretation der Daten ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass das Jugendhilfeb@rometer keine MitarbeiterInnenbefragung, sondern eine Organisationsbefragung ist und lediglich dahingehend Repräsentativität beanspruchen kann. Die Perspektive der operativ tätigen Fachkräfte ist zum einen nicht erfasst, gleichsam kann so ausgeschlossen werden, dass diese Befragung als Beschwerdemöglichkeit gegenüber der eigenen Institution genutzt wurde. Der verwendete Fragebogen ist nicht dokumentiert und kann damit nicht bewertet werden. Die jeweils nicht näher bestimmte Leitungsebene hatte die Aufgabe, vor dem Hintergrund ihrer Gesamtverantwortung den Fragebogen auszufüllen. Es handelt sich somit um eine Selbstbeschreibung der Organisation, die in der Regel von der Leitung und häufig auch durch die zuständige Referats/Dezernatsleitungen bzw. BürgermeisterInnen oder LandrätInnen freizugegeben ist (vgl. ebd. S. 45).

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Den Fachkräften des ASD selbst wendet sich die Studie von Jungbauer/Büchel (2013) zu. Gefragt wird hier danach, ob bzw. in welchem Ausmaß Fachkräfte im ASD eines Jugendamtes beruflich bedingte Stressbelastungen erleben und welcher Art diese sind (vgl. ebd. S. 2). Zur Erfassung von Stressbelastungen diente das „Trierer Inventar zum Chronischen Stress / TICS“ (Schulz, Schlotz & Becker, 2004). Dieses Fragebogeninstrument enthält 57 Items, die alltägliches Belastungserleben in neun verschiedenen Bereichen (Skalen) erfasst. Die Fragestellungen bezogen auf die letzten drei Monate galten, um einige Beispiele zu nennen, der Häufigkeit der erlebten Arbeitsüberlastung (z. B. „Ich habe zu wenig Zeit, um meine täglichen Aufgaben zu erfüllen“) oder der sozialen Überlastung (z. B. „Das Wohlergehen anderer hängt davon ab, wie zuverlässig ich meine Arbeit mache“) (vgl. ebd.). Dazu kamen einige Items, die den Spezifika der Arbeit des ASD galten (Fallzuständigkeit, -bearbeitung und -dokumentation, Hinweise auf Kindeswohlgefährdung, Umgang mit problematischen Fällen). Befragt wurden 80 ASD-Fachkräfte, sich aus einer Anfrage an 76 Jugendämter in NRW rekrutierten. Die Analysen zeigen, dass die befragten ASD-Fachkräfte in ihrem Berufsalltag wesentlich mehr Stressbelastungen erleben als Personen aus der Normalbevölkerung mit denen sogenannte TICS-Normwerte gebildet wurden. (vgl. ebd. S. 3). Als klinisch relevante Stressbelastung werden die Werte der Stressskalen Arbeitsüberlastung, soziale Überlastung, Überforderung und Mangel an sozialer Anerkennung bewertet (vgl. ebd. S. 4). Aufschlussreich erscheint auch die Beantwortung einiger einzelner Items des Fragebogens. So bekundeten etwa drei Viertel der Befragten, zu wenig Zeit zu haben, um alle Arbeitsschritte zu dokumentieren (häufig: 43%, immer: 31%); zwei Drittel waren der Auffassung, sie hätten zu viele Fälle zu bearbeiten und drei Viertel gaben an, dringend benötigte Erholung zeitweise oder sogar häufig aufschieben zu müssen. Mehr als die Hälfte der Befragten empfindet zumindest manchmal Angst, wichtige Anhaltspunkte einer möglichen Kindeswohlgefährdung zu übersehen;

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26% haben häufig oder sogar immer diese Befürchtung. Viele ASDFachkräfte können demnach auch in ihrer Freizeit nicht richtig abschalten: 35% bekannten, in ihrer Freizeit häufig oder sogar immer über problematische Fälle nachzudenken, bei 41% ist dies zumindest manchmal der Fall (vgl. ebd. S. 5). Angesichts der Aufgabenstellung des ASD wenig erstaunlich erscheinen Werte zu der Aussage „Ich habe Arbeiten zu erledigen, bei denen ich sehr viel Verantwortung für andere Menschen trage“ (Skala soziale Überlastung): 95% der Befragten gaben hier an, dies sei in ihrem Arbeitsalltag immer (63%) oder häufig (33%) der Fall (vgl. ebd.). Einschränkend muss hier allerdings auf die unkontrollierte und nicht repräsentative Auswahl der Befragten hingewiesen werden. Schließlich bleiben die abschließenden Empfehlungen (Stellenaufstockung, veränderte Arbeitsorganisation, Supervision etc.) zumeist bekannten Strategien behaftet und stehen nur teilweise mit den vorgelegten Ergebnissen im Zusammenhang. Eine Studie von Blüml (2006) vergleicht die Tätigkeit im ASD mit anderen sozialpädagogischen Aufgaben innerhalb der Jugendhilfe und zeigt auf, dass diese im besonderen Maße als Stress auslösend erlebt wird. Blüml verweist dazu auf eine Fragebogenerhebung zur Selbstbewertung von Stressoren bei den Beschäftigten eines Stadtjugendamtes mittlerer Größe aus dem Jahr 2003. Auch wenn die Daten aus dem Jahr 2003 nicht mehr als aktuell gelten können, der angelegte Vergleich macht sie dennoch relevant. Verglichen werden hier die Ausprägungen der Angaben zum Stressor „Zeitbudget“ der beteiligten Beschäftigten von verschiedenen Arbeitsbereichen des Jugendamtes (Verwaltung, Spezialdienste, Freizeiteinrichtungen und Kindertagesstätten). Die höchsten Belastungswerte waren in der Gruppe der ASD-Fachkräfte anzutreffen. Gissel-Palkovich und Schubert (2010) befragten im Rahmen einer Studie zur gelingen Praxis des ASD 119 Fachkräfte aus 16 Jugendämtern deren

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Arbeit nach Experteneinschätzung als besonders positiv eingeschätzt wird. Die Befragung zur subjektiv empfundenen Arbeitsbelastung zeigt, dass die Hälfte der Befragten eine hohe oder sehr hohe Arbeitsbelastung verspürt und dass zwei Drittel die Fallarbeit als belastend wahrnehmen. Fallberatungen werden insbesondere dann als belastend wahrgenommen, wenn dadurch Arbeit regelmäßig unerledigt liegen bleibt und wenn Fallund Teambesprechungen wenig institutionalisiert stattfinden. Fallunspezifische Arbeit wird dagegen als weniger belastend erlebt (vgl. ebd. S. 50). Eine von Rudow im Jahre 2010 vorgelegte Untersuchung kennzeichnet psychische Belastungen der Fachkräfte des ASD der Stadt Mannheim. Auf Grundlage von halbstandardisierten Interviews mit allen Fach- und Leitungskräften des ASD wurde ein Fragebogen zu Belastungen und Entlastungen mit folgenden Dimensionen entworfen: Arbeitsaufgaben, Arbeitsorganisation, Kooperationspartner, Klienten, Team, Leitung, Arbeitsmittel, Arbeitsraum und -umgebung (vgl. Rudow 2010, S. 16). Als Belastungen der BezirkssozialarbeiterInnen werden die Anzahl der HzE- und der Fälle von Kindeswohlgefährdung angeführt. Es geraten die Komplexität, die Schwierigkeit und Intransparenz der Fälle, die Art und Weise der Falldokumentation, die fehlende Zeit zur Lösung der Fälle, zu wenig Fachpersonal für die (große) Anzahl der Fälle, die Erwartungen der Partner, der Umfang der Verwaltungsaufgaben und die Verfügbarkeit und Beschaffung von Arbeitsmitteln in den Blick. Bei den Sachgebietsleitungen treten demnach folgende Hauptbelastungen auf: Fehlende Handlungsmöglichkeiten bei schwierigen MitarbeiterInnen, Umgang mit schwierigen MitarbeiterInnen, Erfüllung der Leitungsaufgaben unter Zeitdruck, Zusammenarbeit mit der Verwaltung und fehlende Zeit für die Arbeit mit der Gruppe.

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Als Entlastungsfaktoren genannt werden: • Ein offenes Team bei Fragen und Problemen, • eine Sachgebietsleitung mit viel Sachkompetenz, • die Möglichkeit, Probleme mit KollegInnen informell besprechen zu können, • eine effektive kollegiale Fallberatung, • die Unterstützung im Team bei Problemen und • die Möglichkeit, die Sachgebietsleitung bei Problemen ansprechen. Bei den Sachgebietsleitungen wird zudem auf die funktionierende Zusammenarbeit mit Leitungen anderer Sachgebiete hingewiesen. Darüber hinaus führt Rudow an, dass oft die Wertschätzung und Anerkennung der schwierigen und verantwortungsvollen Arbeit, vor allem besonderer Leistungen, durch Arbeitgeber und Vorgesetzte, aber auch durch Politik und die öffentliche/mediale Wahrnehmung fehlt (vgl. ebd. S. 17 ff.). Einschränkend muss hier die wenig transparente Darstellung der Erhebung angeführt werden. Weder die Entwicklung des Fragebogens noch die Analyse der Ergebnisse werden beschrieben. Die Ergebnisse lassen sich somit kaum nachvollziehen. Häufigkeiten und Gewichtungen lassen sich der Darstellung nicht entnehmen, und die aufgeführten starken, überdurchschnittlichen und hauptsächlichen Belastungen bleiben in der Abgrenzung unklar. Unter dem Titel „Die Last der Arbeit im ASD“ ist die Dissertation von Ulrike Petry (2013) erschienen. Auf Grundlage von 20 Interviews mit Fachkräften aus fünf Großstädten rekonstruiert Petry Faktoren zu Be- und Entlastungen und porträtiert die 20 Befragten jeweils unter einem charakterisierenden Motto. Abschließend werden sechs Typen mit Blick auf das Belastungsempfinden und die Handlungsmuster gebildet. Gegliedert in Helfersystem, Klientensystem und Öffentlichkeit werden zahlreiche Be-

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und Entlastungsfaktoren dargestellt (s. ebd. S. 89 ff.). In der zusammenfassenden Analyse wird deutlich, dass einige Aspekte ausschließlich als belastend empfunden werden, so etwa die gesellschaftliche Entwicklung (z. B. Zunahme von Armut), der Anstieg der Fallzahlen und die zunehmende Komplexität der Fälle. Bei anderen Aspekten entscheidet die Ausprägung darüber, ob eine Be- oder eine Entlastung wahrgenommen wird. So können KollegInnen als entlastend wahrgenommen werden, wenn das Verhältnis als gut und ein Teamzusammenhalt geschildert wird. Rivalität und ein schlechtes Teamklima führen jedoch dazu, dass Belastung entsteht. Ebenso verhält es sich mit Instrumenten und Prozessstandards, die im jeweiligen Umgang als hinderlich oder als hilfreich beschrieben werden. So kann ein standardisiertes Verfahren den Sinn haben, einen persönlichen Austausch als Entscheidungsgrundlage für eine richtige und passende Hilfe zu unterstützen oder gar zu ersetzen. In einem Fall kann das als entlastend wahrgenommen werden, im anderen Fall als eine Belastung, wenn hierdurch die Entwertung der Arbeit der Fachkräfte gesehen wird (vgl. ebd. S. 84 f.). Folgende Zusammenhänge werden von Petry (S. 85 f.) aufgezeigt: • Arbeitsbelastung im ASD entsteht durch Ansprüche der Öffentlichkeit und der Politik, die zu (weiteren) Absicherungen/ Verfahren und Dokumentationen führen. • Die Anzahl und die Schwere der Fälle wirken von der Klientenebene und die Personalsituation (Unterbesetzungen, Krankheitsausfälle, Bezahlung) von Seiten des Helfersystems auf die Arbeitsbelastung ein. • Dazu kommen mangelnde öffentliche Wertschätzung der Arbeit, die Angst vor Fehlentscheidungen und Bedrohungssituationen sowie Team- und Leistungskonflikte. Als Entlastung werden Wertschätzung von KollegInnen, Leitung und Klienten beschrieben, ebenso wie die selbstbestimmte und abwechslungsreiche Arbeit. Hinzu kommen das Gespür für die Sinnhaftigkeit des Tuns,

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wie die Dispositionen und Ressourcen und die jeweilige „Selbstsicht“. Letzteres meint die Sicht auf sich selbst, die eigene Arbeit und die Ansprüche an diese. Das tatsächliche Erleben von Belastungen wird jedoch durch die Konstellationen bzw. Kombinationen be- und entlastender Faktoren geprägt sowie die Fähigkeit und Möglichkeit, diese auszubalancieren (vgl. ebd. S. 88). Auch Verena Klomann fragt im Rahmen ihrer Dissertation zur Präsenz reflexiver Professionalität (2013) nach den Belastungssituationen von Fachkräften in den Sozialdiensten der Jugendämter. Datenquelle der quantitativen Querschnittstudie sind 464 MitarbeiterInnen der Sozialen Dienste aus 81% der Jugendämter im Rheinland (Rücklaufquote 56%). Die Fragen der Online-Erhebung widmeten sich vor allem der AdressatInnenorientierung im Sinne von Ermächtigung und Perspektivenerweiterung sowie möglichen Zusammenhängen mit professionellen Einstellungen, berufsbiographischen, arbeitssituationsbezogenen und organisationalen Aspekten (vgl. Klomann 2013, S. 125). Gefragt wurde beispielsweise nach der Zufriedenheit mit dem Maß an selbstständigen Entscheidungsmöglichkeiten im eigenen Tätigkeitsfeld, nach der Regelmäßigkeit von Feedback in den Teams, nach der Angst vor falschen Entscheidungen in Kinderschutzfällen, nach gesundheitlichen Belastungen und danach, ob die Fachkräfte ihre Vorstellungen von „gutem pädagogischen/sozialarbeiterischen Handeln“ in ihren Tätigkeiten vollständig verwirklichen können. In diesem Kontext gaben 37% der Befragten an, ihre Fähigkeiten bei der Arbeit kaum zu nutzen, ihre Aufgaben nur unzureichend zu erfüllen sowie auf Grund von Vertretungssituationen häufig nur eine Notversorgung gewährleisten zu können und darüber hinaus häufig zu wenig Zeit zur geforderten Aufgabenerledigung zu haben (vgl. Klomann 2014, S. 117). 39% der Fachkräfte mit einer Beschäftigungsdauer von unter einem Jahr gaben an, häufig mit den zuvor benannten Aspekten konfrontiert zu sein.

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Fachkräfte, die über 15 Jahre in den Sozialen Diensten der Jugendämter tätig sind, sind dies nur zu 23%. Weiter gaben 17% der Befragten – Frauen dabei signifikant häufiger als Männer – an, bei ihrer Arbeit häufig Frustration zu erleben und Schwierigkeiten zu haben, nach der Arbeit abschalten zu können. Zudem haben sie häufig Überforderungsgefühle sowie Angst vor unangenehmen Ereignissen. Anhand der vier gebildeten Cluster (vier Belastungsintensitäten) zeigt sich, dass knapp die Hälfte (46%) der Beschäftigten dem dritten und vierten Cluster angehören und damit häufig Stresssituationen und eine hohe Arbeitsbelastung erleben. Fachkräfte in Sonderdiensten und Leitungskräfte erleben dagegen eher selten eine beeinträchtigende psychische Beanspruchung (vgl. ebd. S. 118 f.). Das vorliegende Datenmaterial zeigt ferner, dass bei weiblichen Beschäftigten die benannten körperlichen Symptome (Kopf- oder Magenschmerzen, Rücken-, Nacken- oder Schulterschmerzen, Niedergeschlagenheit, Schlafprobleme) signifikant häufiger auftreten als bei männlichen Beschäftigten. Darüber hinaus werden folgende Zusammenhänge sichtbar: MitarbeiterInnen mit einer hohen organisationalen Bindung sowie einer ausgeprägten Identifikation mit diesem Arbeitsfeld, einer hohen Zufriedenheit mit der Selbstständigkeit und der organisationalen Unterstützung sowie der Einschätzung, die eigene Vorstellung von „guter Arbeit“ umsetzen zu können und einem ausgeprägten Selbstwirksamkeitserleben, benennen ein selteneres Auftreten körperlicher Symptome (vgl. ebd. S. 119). Auch körperliche Symptome treten bei ASD-MitarbeiterInnen häufiger auf als bei Leitungskräften. Schließlich zeigen sich Zusammenhänge zwischen dem Auftreten körperlicher Symptome und folgenden Items: Aufgaben nur unzureichend zu erledigen, die eigenen Fähigkeiten begrenzt zu nutzen, häufig nur eine Notversorgung sicherstellen zu können. Im Zusammenhang stehen ferner das Erleben von Zeitmangel und von Frust, Überforderung und Besorgnis.

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Insgesamt bestätigt sich in der Studie eine hohe psychische Belastung der Professionellen in den Sozialen Diensten der Jugendämter: Mehr als ein Drittel der Befragten erlebt häufig Stresssituationen, wiederum ein Drittel hiervon weist zudem eine ausgeprägte Belastungs- und Abschaltproblematik auf (Klomann 2014, 222). Dabei geben weibliche Beschäftigte häufiger an, Frustration, Abschaltprobleme und Besorgnis sowie körperliche Symptome zu erleben. Klomann schlussfolgert anhand ihrer Studienergebnisse u. a., dass die Etablierung von Sonder- und Spezialdiensten im ASD kritisch zu sehen ist und mit Blick auf Be- und Entlastungsphänomene neu diskutiert werden muss. Ferner, dass es für einen professionellen Umgang mit den Risiken einer Tätigkeit im Kinderschutzkontext einer konstruktiven Fehlerund Feedbackkultur sowie verlässlicher Räume zur Reflexion und zum kollegialen Austausch bedarf. Dadurch, dass stärker belastete Beschäftigte eine geringere Identifikation mit den Aufgaben sowie eine geringere organisationale Bindung aufweisen, ist zudem die personelle Kontinuität gefährdet. Personelle Kontinuität sowie qualifizierte und zufriedene Mitarbeiter/innen sind jedoch als zentrale Voraussetzungen professioneller Sozialer Arbeit zu verstehen (vgl. Klomann 2014, S. 120). Die derzeit aktuellste Studie zum ASD wurde von Beckmann/Ehlting/Klaes unter dem Titel „Berufliche Realität im Jugendamt: der ASD in strukturellen Zwängen (2018) vorgelegt. Als Stichprobe für die gut 13.000 Fachkräfte im Bereich ASD dienten 652 Fachkräfte aus 175 der 563 Jugendämter in Deutschland. Die Fragebogenerhebung fand zwischen April und August 2017 statt. In drei Wellen wurde eine repräsentative Stichprobe unter Berücksichtigung der Anzahl der Jugendämter in den Bundesländern und hinsichtlich der unterschiedlichen Größen der Städte und Kreise erzielt (vgl. ebd. S. 45 ff.). Ergänzend wurden vertiefende Leitfadeninterviews mit zwölf ASDFachkräften aus unterschiedlichen Bundesländern durchgeführt. Den in

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der Studie dargelegten Fachdiskursen (insbesondere zum Kontraktmanagement und zum Kinderschutz) folgend, stehen diese Thesen zur Prüfung an: 1. Die aktuellen Rahmenbedingungen im ASD behindern eine professionelle sozialpädagogische Arbeit und 2. Ein in seiner sozialpädagogischen Professionalität eingeschränkter ASD konterkariert den Grundgedanken des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (vgl. ebd. S. 39). Anlass und Ziel der Studie werden wie folgt beschrieben: „Da die Fokussierung der Medien und der Politik auf die oft als unzureichend charakterisierten oder gar dramatischen Ergebnisse sozialpädagogischer und sozialarbeiterischer Arbeit zu kurz greift, will die vorliegende Studie die dahinterliegenden und eben für die Ergebnisse mitverantwortlichen Strukturen und Prozesse in den ASD der Jugendämter offenlegen. Man könnte auch sagen, dass die Studie auf eine Ist-Zustandsbeschreibung der tagtäglichen Arbeitsvollzüge im ASD abzielt, auf deren Grundlage Aussagen zur vorhandenen Struktur- und Prozessqualität getroffen werden können“ (ebd.). Der Fragebogen umfasste 44 Fragen, die in vier Haupthemen gegliedert waren. Fragen zur Personalsituation widmeten sich z. B. der Personalauswahl oder der Anzahl der HzE-Fälle der Fachkraft. Fragen zu den Arbeitsbedingungen galten z. B. der Büroausstattung und den Zeitanteilen für Klientenkontakte und Dokumentation. Fragen zur sozialpädagogischen Arbeit umfassten u. a. Einschätzungen zur Beteiligung und zu Beschwerdemöglichkeiten wie auch zu den Supervisionsmöglichkeiten. Fragen zu weiteren Einflusskriterien nahmen schließlich mögliche Budgetierungen und die Entscheidungsfindung bei Hilfemaßnahmen in den Blick (vgl. ebd. S. 155 ff.). Die Daten zur Strukturqualität der ASD zeigen beispielsweise, dass in etwa einem Drittel (32%) der Jugendämter kein Einarbeitungsmodell für

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Berufseinsteiger vorhanden ist und dass solche Einarbeitungsmodelle, wenn sie vorhanden sind, in der Hälfte der Fälle maximal drei Monate dauern (vgl. ebd. S. 52 f.). Die Fallzahlenbelastung gleichzeitig laufender Hilfen zur Erziehung bewegt sich zwischen 24 und 140 laufenden Fällen (vgl. ebd. S. 55). Als Hauptgründe für den Zuständigkeitswechsel innerhalb des ASD wird die MitarbeiterInnenfluktuation angegeben (vgl. ebd. S. 56). Beispiele aus den Angaben zur Prozessqualität sind etwa, dass 93% der Befragten angeben, Supervision zu haben, 45% davon sogar monatlich. Auf Dokumentationstätigkeiten entfallen nach den Angaben der Fachkräfte 63% der Arbeitszeit, auf Klientenkontakte 37%. Hilfeplanprotokolle werden demnach zumeist (72%) binnen eines Monates nach dem Hilfeplangespräch erstellt. Für einen Hausbesuch steht bei 45% der Jugendämter maximal eine Stunde zur Verfügung. Hinsichtlich der Beteiligung stimmten 32% der ASD-Fachkräfte der Aussage „Beteiligung heißt für mich, Kinder dürfen kontinuierlich im Hilfeprozess mitbestimmen“ voll und 60% eingeschränkt zu. In Bezug auf die Sorgeberechtigten stimmten der entsprechenden Aussage 57% voll und 42% eingeschränkt zu. Fachliche Gesichtspunkte werden bei der Frage nach den Kriterien zur Vergabe von Aufträgen an freie Träger am häufigsten genannt (556 Nennungen), gefolgt von der Verfügbarkeit (530 Nennungen und finanziellen Aspekten (434 Nennungen) (vgl. ebd. S. 64 ff.). Gefragt nach den drei wichtigsten Fähigkeiten im ASD entfielen 631 Nennungen auf Aspekte der Fachlichkeit/Haltung/Wertschätzung. Belastbarkeit wurde 306 Mal explizit genannt. Es folgt Empathie mit 263 Nennungen (vgl. ebd. S. 76). Im Ergebnis sehen die Autorinnen einen zusätzlichen Fachkräftebedarf im ASD im Volumen von gut 16.000 Stellen um eine HzEFallzahlengrenze von 35 HzE pro Vollzeitstelle zu gewährleisten. Hierzu werden auch Aspekte aus den Interviews angeführt, die die Fallzahlenbelastung in Kombination mit der erlebten Fluktuation und den hohen Krankenständen als Belastung thematisieren.

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Bilanzierend zeigen die Autorinnen Belastungen durch eine hohe Fallzahlenbelastung in zahlreichen Jugendämtern und den hohen Anteil an Dokumentationsarbeiten bzw. -zeiten auf. Letztgenannte Tätigkeiten werden als Erweiterung der Arbeitsanforderungen im Zuge rechtlicher Reformen und der damit auch im Zusammenhang stehenden Absicherungsbestrebungen interpretiert (vgl. ebd. S. 120 f.). „Mit Blick auf die eingangs formulierten Thesen lässt sich zusammenfassend sagen, dass die Studie eine bedenkliche Einarbeitungssituation in einem Drittel der Jugendämter aufzeigt. [...] Die schriftliche Befragung zeigt auch, dass ein Drittel der Fachkräfte in ihren Interaktionen mit den Betroffenen in ihrer wichtigen Funktion als Beratungsinstanz allein dadurch eingeschränkt wird, dass die den Adressatinnen durch eine unzureichende Bürosituation keinen geschützten Gesprächsrahmen bieten können. [...] Die Auseinandersetzung mit der Personalsituation und der Fallzahlbelastung zeigt, dass zwar aktuell 41% mehr Fachkräfte im ASD arbeiten als im Jahr 2010, aber diese sich weiter steigenden Hilfebedarfen ausgesetzt sehen, für deren – nach fachlichen Gesichtspunkten – ideale Abdeckung die ASD-Stellen bundesweit verdoppelt werden müssten“ (ebd. S. 126). Kritisch muss angemerkt werden, dass mit der Studie von vornherein ein Interesse verbunden war, den Mangel an finanziellen Ressourcen und an Fachkräften sichtbar zu machen. Diese Begründung findet sich jedenfalls im Vorwort der Studie, das von Goral und Kubisch-Piek stammt, die wiederum dem Kooperationspartner der Studie, dem Jugendamt BerlinMitte angehören. Die Autorinnen waren offenbar eher an Bestätigung als an Falsifikation der Thesen interessiert. Ergebnisoffen war die Studie somit nicht angelegt. Im Fragebogen bleiben zudem einige Aspekte unklar. So ist die Frage nach der Fallzahlenbelastung nicht losgelöst vom Personalmanagement (z. B. durchschnittliche Vakanzzeiten und Einsatz von Springerkräften) und den sonstigen Aufgaben in einem ASD, der gewöhnlich ein Mischarbeitsplatz ist, zu betrachten. Diese Mischung der Aufgaben eines ASD ist lokal durchaus unterschiedlich geregelt und ins-

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besondere abhängig von den jeweiligen Spezialdiensten (z. B. § 35a SGB VIII oder UMF) und den weiteren Beratungsaufgaben (z. B. Trennungsund Scheidungsberatung). Im Fragebogen wird zwar nach den Aufgaben des ASD gefragt, jedoch offen, d. h. die Anzahl und Häufigkeit der Aufgaben jenseits der HzE-Fälle wird nicht konkret genug bestimmt, um Fallzahlenbelastungen zu bewerten. Die Studie ignoriert ferner, dass Fallzahlen abhängig sind von der vorgesehenen und realisierten Qualität der Bearbeitung, der Dokumentation und nicht zuletzt von den erforderlichen Fahrtzeiten, die in Landkreisen mitunter erheblich sein können. Fallzahlen können somit sehr unterschiedlich ausfallen und sind nicht grundsätzlich richtig oder falsch. Deshalb dienen Angaben aus vorliegenden Empfehlungen zur Personalbemessung im ASD der Orientierung und ersetzen keine qualifizierte Personalberechnung. Solche Empfehlungen, mit denen in der Studie argumentiert wird, gehen allenfalls von mittleren Bearbeitungszeiten bei mittlerer Qualität aus. Werte von 50 oder 100 HzE-Fällen und mehr ermöglichen freilich keine professionelle Durchführung des Hilfeplanverfahrens, das soll keineswegs in Frage gestellt werden. Hier muss eine fachliche Untersteuerung der Organisation konstatiert werden, das meint, dass hier offenbar fachlich und fachpolitisch kein Wert auf das Erkennen und Bearbeiten solcher Fehlentwicklungen gelegt wird. Auf die fehlerhafte Berechnung der von den Autorinnen hergeleiteten fehlenden 16.000 Stellen im ASD verweist die Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik (Mühlmann/Pothmann 2018).2 Die im Fragebogen aufgerufene 2

So sind die Daten weder aktuell, noch werden in der Berechnung – wie es angemessen wäre – die am Erhebungsstichtag gleichzeitig laufenden Hilfefälle verwendet. Stattdessen wird die gesamte Summe von im Laufe des Jahres beendeten Hilfen hinzugerechnet. Auch werden familienorientierte Hilfen nicht als ein Fall, sondern anhand der Kinderzahl erfasst. Einbezogen werden ferner Erziehungsberatungen gem. § 28 SGB VIII, die aber in aller Regel ohne Beteiligung der ASD organisiert werden. Darüber hinaus werden in der Berechnung Personen (auch mit Teilzeitstellen) statt Vollzeitäquivalente zugrunde gelegt (vgl. Mühlmann/Pothmann 2018, S. 2).

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Frage danach, ob mindestens die Hälfte der Dokumentation nach fachlichen Gesichtspunkten überflüssig ist, erscheint zudem tendenziös, zumal unbestimmt bleibt, warum hier die 50%-Marke gewählt wurde und was unter fachlichen Gesichtspunkten verstanden wird. Rechtlich und fachlich unangemessen erscheint zudem die Frage nach der Auftragsvergabe an freie Träger. Hier hätte das Wunsch- und Wahlreicht der Leistungsberechtigten gem. § 5 SGB VIII berücksichtigt werden müssen. Zusammenfassung Fasst man die Ergebnisse zu den Belastungen in den ASD zusammen, so werden diese auf mehreren Ebenen sichtbar. Charakteristisch für die Tätigkeit im ASD ist der Umgang mit komplexen Problemlagen, mit Entscheidungen, die unter Zeitdruck zu fällen sind und für die es selten eindeutige Lösungen gibt. Solche Kennzeichen entstammen der gesellschaftlichen Funktion der Sozialdienste, Schutz und Dienstleistung gleichsam zu leisten und verweisen auf das Spannungsverhältnis des Doppelten Mandats der Sozialen Arbeit wie auch auf das Technologiedefizit sozialpädagogischer Arbeit. Strukturell bedingt erscheinen auch Belastungen, die mit der Zunahme der Arbeit mit Familien aus Armutskontexten und mit gestiegenen Fallzahlen insgesamt in Verbindung gebracht werden. Mit Blick auf die Organisation der Arbeit in den Jugendämtern werden Belastungen durch Umorganisationsprozesse insbesondere aber durch Unterbesetzungen und Krankheitsausfälle deutlich. Die Studien verweisen mehrheitlich auf eine Ausweitung und Verdichtung der Tätigkeiten in den ASD in den letzten Jahren. Unter Einbezug von Veröffentlichungen zur Personalbemessung kommen auch Merchel/Pamme (2014 S. 61) zu dem Schluss, dass nicht nur strukturelle Merkmale der Arbeitsanforderungen im ASD zu psychischen Beanspruchungen führen, sondern dass die Arbeitsbelastung in den bundesdeutschen ASD zunimmt.

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Dieses Job-Enlargement ist offenbar ohne Job-Enrichment geblieben. Gemeint ist damit, dass es zu einer Ausweitung der Aufgaben des ASD gekommen ist, nicht aber zu einer Verbesserung des Arbeitsplatzes durch Ausweitung der Handlungsautonomie und einen Zuwachs an Anerkennung. Eine Verdichtung der Arbeit im ASD zeigt sich für Fachkräfte darin, dass sie wahrnehmen, nicht genügend Zeit für die Aufgaben etwa im Kontakt mit den Familien oder für die (gestiegenen) Dokumentationsaufgaben zu haben. Damit einher geht das Erleben eines Alltags, der zu großen Teilen aus Belastungsspitzen besteht, der durch zu wenige Erholungsphasen, durch emotionale Betroffenheit und Überforderungserleben geprägt ist. Als deutlicher Belastungsfaktor werden (zu) hohe Fallzahlen, insbesondere von Kindeswohlgefährdungen genannt. Auch die mangelnde öffentliche Anerkennung und die Ansprüche der Öffentlichkeit und der Politik werden als belastend wahrgenommen. Der in mehreren Studien ausgeführte Belastungsfaktor der Dokumentationsarbeit (Seckinger (2008), Jungbauer/Büchel (2013), Petry (2013), Beckmann/Ehlting/Klaes (2018)) lässt durchaus mehrere Schlüsse zu: So können Dokumentationen als belastend erlebt werden, weil sie aus Sicht der Fachkräfte ihren Zweck nicht erfüllen oder in der Abwägung des Einsatzes von Zeitkontingenten zulasten anderer (als wichtiger angesehener) Tätigkeiten gehen. Sie können jedoch auch auf Fortbildungsbedarfe zu rascheren und ggf. präziseren Dokumentationen hinweisen oder auf ein einseitiges Verständnis von Dokumentationen, die nicht nur der Legitimation sondern auch der Reflexion und Bewertung der eigenen Arbeit dienen (können). Als entlastend werden fallunspezifische Arbeiten und ein für Fragen, Probleme und Beratungen offenes Team sowie die Sachkompetenz von Leitungskräften genannt. Gleiches gilt für die Wertschätzung von KollegInnen, Leitung und Klienten und für eine selbstbestimmte und abwechslungsreiche Arbeit. Hinzu kommt ein Gespür für die Sinnhaftigkeit des

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Tuns. Darüber hinaus ergeben sich Hinweise darauf, dass MitarbeiterInnen mit einer hohen organisationalen Bindung sowie einer ausgeprägten Identifikation mit diesem Arbeitsfeld und einem hohen Selbstwirksamkeitserleben seltener körperliche Belastungssymptome erleben. Insgesamt werden die hohen psychischen Belastungen der Fachkräfte in den Sozialen Diensten der Jugendämter deutlich: Mehr als ein Drittel der Befragten erlebt häufig Stresssituationen, wiederum ein Drittel hiervon weist zudem eine ausgeprägte Belastungs- und Abschaltproblematik auf (Klomann 2014, 222). Dabei geben weibliche Beschäftigte häufiger an, Frustration, Abschaltprobleme und Besorgnis sowie körperliche Symptome zu erleben. 4.2.3 Studien zu Belastungen in den Hilfen zur Erziehung Eine der wenigen Studien, die sich explizit mit der Arbeitssituation in der Erziehungshilfe bzw. in einer den HzE nahen Institution (den Schweizer Justizheimen) beschäftigt, liegt mit Steinlin et al. 2016 vor. Konkret geht es um den Zusammenhang zwischen der Burn-out-Symptomatik und der Arbeitszufriedenheit bei pädagogischen Mitarbeitenden in den diesbezüglichen stationären Einrichtungen. Die AutorInnen gehen davon aus, dass Mitarbeitende in sozialpädagogischen Handlungsfeldern hohen Anforderungen und Belastungen ausgesetzt sind und dass es als Reaktion darauf zur Burnout-Symptomatik kommen kann. Diese wiederum führt zu Arbeitsausfällen und wirkt sich negativ auf die Kontinuität und Qualität der pädagogischen Betreuung aus (vgl. ebd. S. 163). In der vorliegenden Studie wurde eine Stichprobe von 319 pädagogischen Mitarbeitenden in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen (Justizheimen) in der Schweiz hinsichtlich Burnout-Symptomatik mittels der Burn-outScreening-Skalen (BOSS) untersucht. Die Arbeitszufriedenheit wurde mit einem selbst entwickelten Fragebogen erhoben, der auf traumapädagogischen Konzepten beruht.

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Die AutorInnen verweisen auf in stationären Einrichtungen zu erlebende Belastungen und Grenzverletzungen (Beschimpfungen, Drohungen und tätliche Angriffe). Vor diesem Hintergrund gehen sie auf damit im Zusammenhang stehende Erschöpfungssymptome auf psychischer und körperlicher Ebene, auf eine posttraumatische Symptomatik als Folge von bedrohlichen Erlebnissen sowie auf Symptome von Sekundärtraumatisierung aufgrund der Befassung mit den lebensgeschichtlichen Belastungen der Kinder und Jugendlichen ein (vgl. ebd. S. 164). Arbeitszufriedenheit gerät hier aus traumapädagogischer Sicht in den Blick. Traumapädagogische Konzepte beinhalten einerseits die Sensibilisierung des Betreuungspersonals für die Auswirkungen der lebensgeschichtlichen Belastungen der Kinder und Jugendlichen auf ihr Verhalten, ihre Beziehungsfähigkeit und ihre Emotionsregulationsfähigkeit. Ebenso wichtig erscheint andererseits der Fokus auf das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden (Lang, 2013; Schmid, 2010, 2013; Schmid u. Lang, 2012). Das wesentliche Ziel der Traumapädagogik, die Schaffung eines „sicheren Ortes“, gilt für alle Beteiligten, also für Kinder und Jugendliche, für Betreuende und für Führungskräfte. Basis hierfür ist eine Umgebung, die durch Wertschätzung, Transparenz, Partizipationsmöglichkeiten und Freude geprägt ist (vgl. ebd. S. 166 f.). Für die vorliegende Fragebogenstudie wurden alle vom Schweizerischen Bundesamt für Justiz anerkannten Erziehungseinrichtungen in der Deutschschweiz angeschrieben. Diese Einrichtungen zeichnen sich dadurch aus, dass mindestens ein Drittel der Plätze für Kinder und Jugendliche, die straffällig und/oder in ihrem Sozialverhalten erheblich gestört sind, vorgehalten werden. Diese Plätze gelten jungen Menschen im Alter von sieben bis 25 Jahren. Von den 700 versendeten Fragebögen wurden 319 ausgefüllt retourniert (vgl. ebd. S. 168).

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Konkret gefragt wird danach, wie gefährdet pädagogisch Mitarbeitende in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in der Schweiz bezüglich Burn-out-Symptomatik sind und inwiefern die unterschiedlichen Facetten der Arbeitszufriedenheit und deren Summe mit der Burn-out-Gefährdung assoziiert sind. (vgl. ebd. S. 167). Die 27 Items des Fragebogens umfassen Aspekte der Unterstützung durch Vorgesetzte, Partizipation und Transparenz, der Kommunikation und Unterstützung im Team, der Freude an der Arbeit und hinsichtlich der institutionellen Strukturen und Ressourcen. In den Blick genommen werden z. B. Einschätzungen dazu, inwiefern die Fachkräfte den Eindruck haben, Kindern und Jugendlichen gerecht zu werden oder inwieweit sie Entscheidungsprozesse in den Einrichtungen gut nachvollziehen können. Zur Erfassung der Burn-out-Gefährdung dienten die Burnout-ScreeningSkalen (BOSS; Hagemann u. Geuenich, 2009). BOSS ist ein ScreeningInstrument zur Erfassung aktueller psychischer (kognitiver und emotionaler) körperlicher und psychosozialer Beschwerden in arbeitsbezogenen, persönlichen und zwischenmenschlichen Bereichen, wie sie typischerweise im Rahmen eines Burnout-Syndroms auftreten (vgl. ebd. S. 168). Die berechneten Korrelationen zeigen erkennbare Zusammenhänge zwischen den Burnout-Skalen und den Arbeitszufriedenheitswerten. Bei den Einzelwerten stechen institutionelle Strukturen und Ressourcen mit Blick auf die Arbeitszufriedenheit am stärksten hervor. Für alle Aspekte der Arbeitszufriedenheit galt: je niedriger die Arbeitszufriedenheit, desto höher die mit dem BOSS gemessene Belastung (vgl. ebd. S. 173). Durch den Vergleich der beiden Gruppen der Mitarbeitenden mit einer höheren und einer niedrigen Arbeitszufriedenheit ermitteln die AutorInnen, dass eine Person mit einer insgesamt niedrigeren Arbeitszufriedenheit ein 5,4 Mal höheres Risiko aufweist, für einen Burnout gefährdet zu sein, als eine Person mit einer vergleichsweise höheren Arbeitszufriedenheit. Bei den einzelnen Faktoren zeigt sich demnach der stärkste Einfluss bei der

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4. Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst

Freude an der Arbeit mit einem relativen Risiko von 7,7 für eine BurnoutGefährdung bei Personen mit einer vergleichsweise niedrigeren Arbeitszufriedenheit. Schlussendlich wird bei 18% der Stichprobe der bestehende Verdacht auf ein Burn-out-Syndrom ausgewiesen (vgl. ebd. S. 174 ff.). Die abschließenden Empfehlungen lauten: „1. Einrichtungen sollten eine Kommunikationskultur schaffen, die von Offenheit und Transparenz gekennzeichnet ist und in der Fehler, Ängste, Zweifel und Belastungen ausgesprochen werden dürfen. Dafür braucht es Fallbesprechungen und Supervisionen, in denen Interaktionen mit den Kindern und Jugendlichen und die damit verbundenen Gefühle und Gedanken beleuchtet werden. Vorgesetzte sollten mit gutem Vorbild vorangehen und eigene Belastungen und Unsicherheiten ansprechen. 2. Mitarbeitende sollten genügend zeitliche und finanzielle Ressourcen zur Verfügung haben um ihre Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen so gestalten zu können, dass beide Seiten dabei Freude Spaß und Entspannung erfahren dürfen. Sie sollten dafür wenn nötig von anderen Aufgaben entlastet werden. Für Teamtage sowie Teamsitzungen sollte ausreichend Zeit eingeräumt werden. 3. Einrichtungen sollten ein möglichst klares und detailliertes Konzept für Krisensituationen ausarbeiten insbesondere auch für Grenzverletzungen gegenüber Mitarbeitenden und dieses Konzept konsequent anwenden, auch wenn Mitarbeitende keine sichtbaren Belastungssymptome aufweisen“ (ebd. S. 177). Bei der Interpretation dieser Ergebnisse gilt es jedoch, mehrere Einschränkungen zu bedenken. So weisen die AutorInnen selbst auf die mögliche Verzerrung durch die freiwillige und anonyme Erhebung hin und darauf, dass etwa persönlichkeitsspezifische Faktoren, die nicht erhoben

4.2 Forschungsstand

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wurden, sowohl die Arbeitszufriedenheit als auch die BurnoutGefährdung beeinflussen können. Darüber hinaus ist zu beachten, dass es sich bei den Befragten nicht um Fachkräfte stationärer Einrichtungen handelt, die ohne weiteres etwa mit deutschen Regelgruppen zu vergleichen wären. Grund dazu ist zum einen das föderale politische System der Schweiz, in dem 26 Kantone souverän agieren, „soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist“ (Art. 3 Bundesverfassung). Alle Staatsaufgaben, die nicht explizit dem Bund übertragen sind, fallen demnach den Kantonen zu. Auch die Bereiche Justiz, Bildung und Erziehung sowie das Sozial- und Gesundheitswesen sind so je nach Kanton spezifisch arrangiert. Insgesamt deutlich enger ist zudem die Verschränkung von Jugendstrafgesetz mit dem Erziehungsgedanken zu verstehen. Dies zeigt sich in den individueller und fachlich anspruchsvoller arrangierten Sanktionen der Jugendstrafrechtspflege. Insgesamt betrachtet, zeigt sich in der Schweiz kein dualistisches System, in dem auf der einen Seite die Jugendstrafjustiz und auf der anderen das System der Kinder- und Jugendhilfe steht, wie dies bspw. für Deutschland bekannt ist. Stattdessen gestalten die Kantone das Zusammenwirken im Bereich des Jugendstrafrechts eigenständig. Daneben tritt das Bundesamt für Justiz als Genehmigungs- und Finanzierungsbehörde für stationäre Angebote auf, die im Bereich der Jugendstrafrechtspflege genutzt werden sollen. Diese Einrichtungen sind meist sowohl im Rahmen der Jugendstrafrechtspflege mit der Durchführung von Schutzmaßnahmen (teils auch unter Freiheitsbeschränkung) wie auch im zivilrechtlichen Kindesschutz tätig und betreuen daher auch junge Menschen im Hinblick auf Schutz und Sozialisierung, bei denen nicht die Legalbewährung das zentrale Erziehungsziel darstellt (vgl. Manzoni/Beier/Eberitzsch 2018). Die in der Studie analysierte Arbeitszufriedenheit und Burnout-Gefährdung zeigt sich somit in Einrichtungen, die deutlicher in Zwangskontexten agieren als dies der Begriff Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen suggeriert. Auch sind die erarbeiteten Empfeh-

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4. Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst

lungen nicht alle aus der Studie ableitbar. Auf grundsätzlich kritische Aspekte solcher Studien, die sich mit möglichen Prävalenzen beschäftigen, weist Keupp (2017) hin: „Sehr viele der kolportierten Daten sind Ergebnis der bestehenden professionellen Systemabläufe, also allenfalls Behandlungsprävalenzen, oder Interessenbekundungen der Anbieterseite und sollten nicht als wahre Prävalenzen (miss)verstanden werden.“ Ebenfalls aus einem psychiatrischen Kontext stammt die Studie „Belastungen in stationären Einrichtungen“ für Kinder- und Jugendliche“ von Rau et al. (2017). Ziel dieser Studie ist es, Belastungserleben bei Fachkräften mittels des „Perceived Stress Questionnaire“ (PSQ) in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zu erheben sowie dessen Zusammenhang mit Alter, Dauer der Tätigkeit im Arbeitsfeld und Geschlecht zu untersuchen (vgl. ebd. S. 331). An der online-Erhebung nahmen 426 Fachkräfte aus Wohngruppen, Außenwohngruppen und aus Einrichtungen für Betreutes Wohnen teil. Die Daten stammen von Teilnehmenden der öffentlich beworbenen BMBF-Studie „Ich bin sicher“, die sich primär mit der Beteiligung und dem Schutz und der Sicherheit vor Gewalt in Einrichtungen auseinandersetzt. Der eingesetzte PSQ-Fragebogen enthält 20 Items zu (berufsbezogenen) Gefühlszuständen mit Blick auf die letzten vier Wochen. Die vier Skalen widmen sich den Komplexen Freude, Anspannung, Sorgen und Anforderungen. Gefragt wurde u.a. danach, wie häufig sich die Teilnehmenden ausgeruht, gehetzt, sicher und geschützt oder unter Termindruck gefühlt haben (vgl. PSQ20 W4). Bei der Auswertung kamen u. a. multivariate Varianzanalysen (Bestimmung von Mittelwertunterschieden bestimmter Variablen, z. B. von älteren und jüngeren Fachkräften) zum Einsatz. Die Ergebnisse zeigen zunächst, dass sich die Fachkräfte aus den stationären Hilfen im Vergleich zur erwachsenen Allgemeinbevölkerung zum einen durch den Termin- und Zeitdruck, durch zu viele Aufgaben und hohe Anspannung belasteter fühlen. Zum anderen empfinden sie jedoch mehr Freude im Leben aufgrund von Ausgegli-

4.2 Forschungsstand

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chenheit, verfügbarer Energie und einem Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Schutz (vgl. Rau et al. 2017, S. 335). Die AutorInnen werten dies als Hinweis darauf, dass es sich bei den Befragten um eine belastete Zielgruppe handelt, die gleichzeitig über eine positive Grundeinstellung im Leben verfügt. Sie weisen ferner darauf hin, dass es möglicherweise auch eine Rolle spielt, dass die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen neben Gefühlen von Anspannung, Erschöpfung und Termindruck positive Gefühle hervorrufen kann. Mit Blick auf die aufgeworfene Fragestellung zeigt sich, dass sich insbesondere jüngere Fachkräfte (unter 30 und unter 45 Jahren) höheren Belastungen speziell durch Anspannungen im Sinne von Erschöpfungszuständen, Unausgeglichenheit und fehlender körperlicher Entspannung ausgesetzt sehen und ältere Fachkräfte tendenziell weniger Belastungserleben berichten. Geschlecht und Dauer der Tätigkeit im Berufsfeld stehen jedoch in keinem Zusammenhang mit dem Belastungserleben. An dieser Stelle wird auf ein mögliches Kardinalproblem der Sozialen Arbeit verwiesen, wonach Fachkräfte, die sich den Anforderungen nicht gewachsen sehen, frühzeitig aus dem Berufsfeld ausscheiden und somit in dieser Studie nicht erfasst wurden (vgl. ebd.). Unabhängig vom Alter und der Berufserfahrung beeinflusst die Sicherheit vor Gewalt in der Einrichtung das Belastungserleben positiv. Hier zeigt sich die Verantwortung der Einrichtung, Fachkräfte vor Gewalt zu schützen und Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Gefährdungen vermieden oder möglichst geringgehalten werden. Bilanzierend weisen die AutorInnen darauf hin, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation möglicherweise nicht nur dazu beitragen, Belastungserleben zu reduzieren, sondern gleichzeitig eine Ressource in dem Sinne sind, dass Spaß bei der Arbeit erhalten wird und dies auch ins Alltagsleben einwirkt: „Glückliche Menschen arbeiten besser mit anderen zusammen, sind kreativer, gehen eher Problemlösungen an, haben mehr Energie sind optimistischer, engagierter, weniger krank, lernen schneller, machen weniger Fehler und treffen bessere Entscheidungen. Damit stellt sich aus organisations- und wirtschaftspsychologischer Sicht die Frage, welche

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4. Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst

organisationalen Rahmenbedingungen geeignet sind, um Wohlbefinden und Freude zu fördern“ (ebd. S. 335 f.). Einschränkend weisen die AutorInnen darauf hin, dass personalen Voraussetzungen wie Distanzierungsfähigkeit und emotionaler Stabilität hier ebenfalls eine große Bedeutung zukommt und diese durch betriebliche Maßnahmen nicht unmittelbar veränderlich sind. Ferner lässt das Studiendesign keine kausalen Zusammenhänge zwischen Arbeit und Belastung zu, auch können Wirkungen von Bewältigungsstrategien nicht aufgezeigt werden. Schließlich ist auf die unkontrollierte Stichprobe und die mangelnde Repräsentativität hinzuweisen (vgl. ebd. S. 336). Im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung führte Irmhild Poulsen 2010/2011 unter dem Titel „Stress und Belastung bei Fachkräften der Jugendhilfe ein Beitrag zur Burnoutprävention“ eine Befragung von Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe durch. Die 100 Befragten rekrutierte die Autorin aus den Kontakten zu Teilnehmenden ihrer Workshops und Tagungen zum Thema Burnoutprävention. Die Befragten stammen aus unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe und sowohl von öffentlichen wie von freien Trägern. Die meisten sind SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen. Es wurden 62 Frauen und 38 Männer befragt (vgl. Poulsen 2012, S. 33 ff.). Der anonym auszufüllende Fragebogen enthielt Fragen zu einigen soziodemografischen Daten, vor allem aber offene Fragen zur Wahrnehmung von Arbeitsbelastungen und Stress im Berufsalltag, aber auch zu Vorschlägen für Verbesserungen, zur betrieblichen Gesundheitsfürsorge und zu Fortbildungsbedarfen (vgl. ebd. S. 117 ff.). Die Aufschlüsselung der Tätigkeitsfelder zeigt, dass 15% der Befragten aus betreuten Wohnformen, Heimeinrichtungen und Jugendwohngemeinschaften und damit explizit aus den HzE stammen. Ungewöhnlicherweise den Jugendämtern zugerechnet werden Inobhutnahmeeinrichtungen, Erziehungsbeistandschaften und Sozialpädagogische Familienhilfe und damit weitere Erziehungshilfen, die zumeist von freien Trägern geleistet werden. Auch wenn die vorgenommenen Zuordnungen und die

4.2 Forschungsstand

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Antworten mit Mehrfachnennungen den Überblick erschweren, so finden sich hier mindestens 20 Fachkräften aus den HzE wieder (vgl. ebd. S. 38 f.). Die methodisch nicht näher beschriebene Auswertung (es werden allerdings einige Antworten aus den Fragebögen und die zugeordneten Kategorien genannt) fasst jedoch alle Tätigkeitsfelder zusammen und lässt keine Einblicke in Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu. So äußern 55% aller Befragten eine hohe oder sehr hohe Arbeitsbelastung, 17% schildern krankmachende Belastungen. Als Belastung am häufigsten genannt werden Zeit- und Termindruck (72 Nennungen), zu viel Bürokratie (54 Nennungen) und Personalmangel (46 Nennungen). Es folgen Arbeitsverdichtung (38 Nennungen) und zu viele Fälle und die multiplen Problemlagen von Klienten mit jeweils 36 Nennungen. Wahrgenommene gesundheitliche Beeinträchtigungen sind Schlafstörungen (34 Nennungen), abends nicht abschalten zu können und Rückenschmerzen (je 16 Nennungen) sowie Kopfschmerzen/Migräne (15 Nennungen). Es folgen große Müdigkeit (14 Nennungen) und Muskelverspannungen (13 Nennungen) (vgl. ebd. S. 69). Hilfen, die seitens der Träger angeboten werden, sind: Supervision (23 Nennungen), kollegiale Beratung/Reflexion (13 Nennungen) und Unterstützung durch Vorgesetze (10 Nennungen). Fortbildungen oder Seminare zum Stressmanagement werden weniger als zehn Mal genannt. 20 Teilnehmende berichten von geringen oder gar keinen Hilfen (vgl. ebd. S. 76). Ein betriebliches Gesundheitsmanagement nehmen 34 Befragte wahr, bei sieben ist ein solches im Aufbau begriffen, 22 Mal wird dies explizit verneint. Als konkrete Angebote haben Sportangebote und interne Fortbildungen mit je zehn die häufigsten Nennungen (vgl. ebd. S. 80 f.). Geäußerte Erwartungen der Befragten sind: Angebote zum Gesundheitsschutz (17 Nennungen), mehr Personal und mehr Lob und Wertschätzung (je 14 Nennungen) und mehr kollegiale Beratung/Supervision und eine bessere Infrastruktur (je neun Nennungen). Fortbildungen zum Stressmanagement, zur Burnoutprävention und Work-Life-Balance werden mit insgesamt 29 Nennungen bei den gewünschten Fortbildungen am häufigsten genannt. Mehr Personal (40

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4. Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst

Nennungen), mehr Respekt (30 Nennungen) und eine bessere Bezahlung (24 Nennungen) stellen die meistgenannten Forderungen zur Verbesserung der Arbeitssituation dar. In einer zusammenfassenden Veröffentlichung geht Poulsen (2014) auch auf Konflikte mit Vorgesetzten und im Team ein. So wird das Führungsverhalten von Vorgesetzten von fast 20% der Teilnehmenden als belastend empfunden. In den Blick genommen werden hier autoritäre Führungskräfte, die den Bezug zur Praxis längst verloren hätten, Vorgesetzte, die hilfloser als die Fachkräfte selbst empfunden werden, mangelnde Unterstützung und fehlende Rückendeckung sowie die Erfahrung der Individualisierung bei geäußerten Überlastungsaussagen oder Überlastungsanzeigen. Auch Unstimmigkeiten im Team, die Erfahrung von Mobbing und Querelen in der Abteilung verursachen Stress im Berufsalltag (vgl. ebd. S. 122). Führungskräfte entfalten demnach aber auch entlastende Funktion. So äußern zehn Teilnehmende explizit, dass sie mit ihren Vorgesetzten sehr zufrieden seien, sie erleben Unterstützung, Offenheit, Gesprächsbereitschaft und Engagement von ihnen. Auch eine zeitnahe Unterstützung in Personalfragen und bei Überlastungsanzeigen wird als Unterstützung wahrgenommen. Die Möglichkeit flexibler Arbeitszeiten und ein Ampel-System gegen Stress werden ebenso gewürdigt wie die Gestaltungsfreiheit in der Arbeit (vgl. ebd. S. 124). Auch wenn die Studie von Poulsen einige Mängel wie die unkontrollierte TN-Auswahl, die wenig transparente Entwicklung des Fragebogens und der Auswertung enthält, so zeigt sie mit Blick auf die Kinderund Jugendhilfe zum einen eine Reihe von Belastungsfaktoren auf, die auch aus den anderen dargestellten Studien bekannt sind (Zeit- und Termindruck, Personalmangel etc.). Darüber hinaus weitet sie auch den Blick auf Entlastungserwartungen von Fachkräften. Diese beziehen sich, wie dargestellt, auch auf personelle Unterstützung, deutlich aber auch auf einschlägige Beratungs- und Fortbildungsmöglichkeiten wie auf Wertschätzung und die Rolle und Funktion von Führungskräften.

4.2 Forschungsstand

81

Arbeitsbedingungen in der ambulanten Erziehungshilfe thematisiert Röttgen (2011) anhand von Gesprächen mit MitarbeiterInnen eines freien Trägers aus Münster. Im Hinblick auf den empirischen Anspruch muss festgestellt werden, dass es sich hier um die Dokumentation von Erfahrungswissen handelt, eine systematische Erhebung wird nicht vorgenommen, generalisierende Bedeutung wird nicht beansprucht. Thematisiert werden die erlebten Absenkungen von Stundenkontingenten für die Familien, unrealistische Erwartungen an Hilfen, die Zunahme an Zusatzqualifikationen, die Verschiebung des Arbeitsschwerpunktes von der Förderung der Kinder zur Beratung der Eltern, die Zunahme von psychischen Erkrankungen bei Eltern, von Kontrollaufträgen und des Dokumentationsaufwandes. Erwähnt wird auch die „Angst, etwas zu übersehen“ und die höhere Rollenklarheit sowie der Mangel an Reflexionszeit und an Regenerationsmöglichkeiten. Auch die Bedeutung von Arbeitsplatzsicherheit und die der Anerkennung der Tätigkeit werden aufgegriffen. Im Rahmen des vom Evangelischen Erziehungsverband e.V. (EREV) und des St. Elisabeth-Verein Marburg initiierten Weiterbildungsprojektes „Zukunft Personalentwicklung“ (ZuPe) wurden 60 Führungskräfte aus Einrichtungen der ambulanten, teil- und vollstationären Kinder- und Jugendhilfe in Fragen der Organisations- und Personalentwicklung geschult. Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung der Universität Bielefeld wurde hier der Frage nachgegangen, welche Organisationsbedingungen eine professionelle Soziale Arbeit ermöglichen. Ein Element der Begleitforschung war eine quantitative Online-Befragung von Fach- und Führungskräften bei Trägern in der Kinder- und Jugendhilfe, u. a. zu ihrem Arbeitsalltag, zur Zusammenarbeit mit KollegInnen und Vorgesetzten, zur Zufriedenheit mit der Einrichtung und dem Beruf, zur Beurteilung des Qualitätsmanagements und zur Arbeitsbelastung. Befragt werden konnten knapp 2.000 Fachkräfte aus 55 Einrichtungen (Rücklauf

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4. Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst

33%). Die Teilnehmenden rekrutierten sich aus den 59 Einrichtungen, deren Führungskräfte an der o.g. Weiterbildung teilnahmen. Ausgewertet werden konnten zumeist 1.700 - 1.850 Angaben von pädagogisch tätigen Fachkräften. Die Analysen und Ergebnisse wurden an unterschiedlichen Stellen publiziert (EREV-Schriftenreihe 02/2012; EREV TPJ 03/2013). Sehr detaillierte Darstellungen finden sich in der aus dem Projekt hervorgegangenen Dissertation von Simon Mohr (2017). Unter dem Titel „Abschied vom Managerialismus - Das Verhältnis von Profession und Organisation in der Sozialen Arbeit“ fragt Mohr nach charakteristischen Merkmalen von Organisationen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und analysiert diese hinsichtlich ihrer Ausprägung und Relevanz für die Dienstleistungserbringung (ebd. S. 158). Der für die MitarbeiterInnen verwendete Fragebogen widmete sich auch der Erfassung wesentlicher Dimensionen von Arbeitsbedingungen, Arbeitszufriedenheit und Arbeitsbelastungen (vgl. ebd. S. 163) und macht diese Studie deshalb für die hier vorliegende Studie relevant. Zur Einordnung der Ergebnisse ist es notwendig darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Einrichtungen der befragten Fachkräfte ausnahmslos um freie gemeinnützige Träger handelte. Der Anteil der Träger aus dem diakonischen Spektrum betrug 75%. Hinsichtlich der Rechtsform und der Wertgebundenheit kann die Studie damit nicht als repräsentativ gelten, durchaus aber mit Blick auf die Größentypen der Einrichtungen wie auch hinsichtlich der Alters- und Geschlechtsverteilungen. Im Abgleich mit der Personalstatistik der Kinderund Jugendhilfe sind Teilnehmende mit FH- oder Universitätsabschluss leicht überrepräsentiert, gleiches gilt für den Anteil von Teilzeitbeschäftigten. Alle Einrichtungen sind schwerpunktmäßig im Bereich der Hilfen zur Erziehung tätig, hauptsächlich in den Bereichen ambulanter Hilfen nach § 30/§ 31 SGB VIII und stationären Hilfen nach § 34 SGB VIII (vgl. ebd. S. 165 ff.). Hinsichtlich der Be- und Entlastungsfaktoren in den HzE sind zunächst die Analysen der Studie zur Organisationsbindung relevant. Organisationsbindung wird hier als Indikator für eine Identifikation mit den Zwe-

4.2 Forschungsstand

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cken der Organisation beschrieben, der tendenziell mit einer höheren Arbeitsmotivation, einer höheren Arbeitszufriedenheit und schließlich einer größeren Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden einhergeht. Tabelle 2: Organisationsbindung (Häufigkeiten). Quelle: Mohr 2017, S. 187 Organisationsbindung (n=1546)

trifft gar nicht zu

trifft eher zu

trifft voll zu

1%

trifft eher nicht zu 9%

Ich bin bereit, mich besonders für den Erfolg meiner Einrichtung zu engagieren. Die Zukunft meiner Einrichtung liegt mir sehr am Herzen.

56%

35%

1%

9%

50%

40%

Bei einem attraktiven Angebot einer anderen Einrichtung (Gehalt, Tätigkeit, etc.) hätte ich kein Problem damit, die Einrichtung zu wechseln. Ich fühle mich in meiner Einrichtung wohl.

12%

43%

30%

14%

1%

9%

54%

36%

Meine Wertvorstellungen denen meiner Einrichtung ähnlich.

2%

17%

58%

23%

sind sehr

Die Häufigkeitstabelle zeigt zunächst die hohe Identifikation der Fachkräfte mit ihren Trägern. 90% der befragten Mitarbeitenden sind „bereit, sich besonders für den Erfolg ihrer Einrichtung zu engagieren“, ebenso vielen „liegt die Einrichtung am Herzen“ und gut 80% der Mitarbeitenden gaben an, dass die „eigenen Wertvorstellungen denen ihrer Einrichtung sehr ähnlich“ sind. Ebenfalls etwa 90% fühlen sich in ihrer Einrichtung wohl. Andererseits zeigen die Daten eine erkennbare Wechselbereitschaft der Mitarbeitenden. So geben 45% an, bei einem attraktiven Angebot einer anderen Einrichtung kein Problem damit zu haben, die Einrichtung zu wechseln (vgl. ebd. S. 187).

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4. Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst

Ausgehend davon, dass die Arbeitszufriedenheit ein globales Maß für gute Organisationsbedingungen darstellt, widmet sich die Erhebung auch der Zufriedenheit der Fachkräfte mit ihrer Arbeit und dem Beruf. Tabelle 3: Zufriedenheit Quelle: Mohr, 2017, S. 188

mit

Arbeit

Zufriedenheit mit Arbeit und Beruf (n=1855)

Ich bin zufrieden mit meinen Möglichkeiten, mich durch meine Arbeit persönlich zu entfalten. Ich bin zufrieden mit der Möglichkeit, durch meine Arbeit etwas Sinnvolles zu leisten. Wenn ich noch einmal von vorne anfangen könnte, würde ich mich für einen anderen Berufszweig entscheiden.

und

Beruf

(Häufigkeiten).

trifft gar nicht zu 2%

trifft eher nicht zu 17%

trifft eher zu

trifft voll zu

55%

26%

0%

4%

53%

42%

42%

37%

14%

7%

Die Daten zeigen die sehr hohen Anteile der Befragten, die eher oder sehr zufrieden sind mit den Möglichkeiten, sich zu entfalten und Sinnvolles zu leisten. Nur jede/jeder Fünfte würde sich für einen anderen Berufszweig entscheiden, wenn er/sie noch einmal von vorne anfangen könnte. In Anbetracht der z. B. bei Karges/Lehner (2003) betonten prekären Arbeitsbedingungen, der mangelnden Anerkennung und geringen Wirksamkeit der Arbeit kommentiert Mohr diese Befunde als überraschend (vgl. ebd. S. 188 f.). Sie stimmen jedoch mit den unter 4.2.2 ausgeführten Befunden von Rau et al. (2017) überein, die kennzeichnen, dass Fachkräfte aus den HzE zwar Belastungen ausgesetzt sind, gleichzeitig aber über eine positive Grundeinstellung im Leben verfügen und dass die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen neben Gefühlen von Anspannung, Erschöpfung und Termindruck eben auch positive Gefühle hervorrufen kann. Weitere von Mohr angestellte Analysen zeigen, dass sowohl die

4.2 Forschungsstand

85

Zufriedenheit mit der Sinnhaftigkeit der Arbeit als auch die Identifikation mit dem Beruf vor allem durch die Handlungsspielräume und Mitbestimmungsmöglichkeiten in einer Organisation positiv beeinflusst werden (vgl. Mohr 2017, S. 189). Ähnliche Ergebnisse mit Blick auf eine relativ große berufliche Zufriedenheit von Fachkräften der stationären Jugendhilfe zeigt auch eine Untersuchung von Castello und Nestler: „Trotz zum Teil starker Belastungen zeigte sich die Mehrzahl aller MitarbeiterInnen mit Ihrer Arbeit zufrieden. Gestaltungsfreiheit und die Möglichkeit zur Partizipation werden meist positiv bewertet und sind möglicherweise ein Ausgleich für die nicht selten beklagte schlechte Bezahlung“ (Castello/Nestler 2004, S. 276.). Ebenfalls in Richtung von positiven Einstellungen lassen sich Daten von Mohr zur professionellen Selbstwirksamkeitserwartung interpretieren. Diese legen nahe, dass die Fachkräfte das belastende Kernproblem nicht in der mangelnden Überzeugung der eigenen Leistungsfähigkeit sehen. Nahezu alle befragten Fachkräfte (98,5%) „sind sich sicher, dass sie auch mit schwierigen Situationen zurechtkommen, wenn sie sich darum bemühen“. Immerhin 92% gaben an, „in ihrer Arbeit viele lohnenswerte Dinge erreicht zu haben“ (vgl. ebd. S. 191). An dieser Stelle ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Einschätzungen zur eigenen Kompetenz und Handlungs- und Leistungsfähigkeit verschiedenen Verzerrungseffekten unterliegen können. Solche werden in der Diskussion von Verfälschungsquellen von Erhebungen als Dunning-KrugerEffekt (die Tendenz das eigene Können zu überschätzen), als Vermessenheitsverzerrung (Form der systematischen Fehleinschätzung eigenen Könnens) oder als selbstwertdienliche Verzerrung (die Tendenz, eigene Erfolge im Zweifelsfall sich selbst und eigene Misserfolge eher äußeren Ursachen zuzurechnen) beschrieben (vgl. z. B. Bortz/Döring 2006, S. 231 ff.). Stets geht es um die Aufrechterhaltung eines positiven Selbstbildes und um die Abwehr von Hilflosigkeit.

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4. Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst

Auch Burn-out relevante Aspekte werden bei Mohr in den Blick genommen. Dargestellt werden sollen hier die Daten zur emotionalen Erschöpfung, darüber hinaus wurden Dimensionen des Zynismus (gemeint ist die emotionale Verhärtung, also gegenüber KlientInnen gefühl- oder interessenloser zu werden) erhoben, die allerdings nur sehr geringe Zustimmungsraten erhalten. Tabelle 4: Emotionale Erschöpfung (Häufigkeiten). Quelle: Mohr 2017, S. 190 Emotionale Erschöpfung (n=1800)

trifft gar nicht zu

trifft eher zu

12%

trifft eher nicht zu 47%

32%

trifft voll zu 9%

Es fällt mir schwer, nach der Arbeit abzuschalten. Ich reagiere häufig gereizt, obwohl ich es gar nicht will.

21%

51%

25%

3%

Ich fühle mich häufig ausgebrannt.

25%

43%

26%

6%

Meine Arbeit frustriert mich häufig.

29%

51%

18%

3%

Tabelle 4 zeigt die hohe Bedeutung von psychischen Belastungen in den Erziehungshilfen auf. 40% der Fachkräfte fällt es demnach schwer, „nach der Arbeit abzuschalten“, fast jede/jeder Dritte „fühlt sich häufig ausgebrannt“ und 28% der Mitarbeitenden „reagieren häufig gereizt, obwohl sie es gar nicht wollen“. Gut 60% der Befragten haben mindestens einer der vier Aussagen eher oder voll zugestimmt. Mohr schlussfolgert daraus, dass unabhängig eines Vergleiches mit anderen Berufsgruppen hier von einer manifesten Problematik ausgegangen werden muss (vgl. ebd. S. 190). Nimmt man darüber hinaus die hier ausgewiesene hohe Korrelation zwischen „emotionaler Erschöpfung“ und „Zynismus“ zur Kenntnis, so lässt sich darauf schließen, dass sich emotionale Belastung mit hoher

4.2 Forschungsstand

87

Wahrscheinlichkeit auch auf die Haltung gegenüber den KlientInnen (Zynismus) und darüber vermittelt auch negativ auf die Qualität der Leistungserbringung auswirkt (vgl. ebd. S. 192). Abschließend sei erwähnt, dass sich die bei Mohr zugrunde gelegten Merkmale eines professionellen Organisationstyps erkennbar auf die emotionale Erschöpfung von Fachkräften auswirken. Als Kernmerkmale einer professionellen Organisation wurden die drei Dimensionen „Autonomie“, „kollegiale Entscheidungsfindung“ und „Orientierung am Hilfebedarf“ definiert. Je stärker eine Einrichtung die Merkmale dieses professionellen Organisationstyps aufweist, desto geringer ausgeprägt ist die emotionale Erschöpfung unter den Mitarbeitenden und desto weniger verbreitet sind zynische Haltungen (vgl. ebd. S. 192). Kaum aufgegriffen werden in den präsentierten Studien die Personal- und Beschäftigungssituation in den HzE. Die Bedeutung von Umfang und Art der Beschäftigungsverhältnisse mit Blick auf Be- und Entlastungen bleibt damit offen. Die Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik konnte diesbezüglich zuletzt zumindest einen Überblick zu der Personalsituation geben (s. Monitor Hilfen zur Erziehung 2018). Beleuchtet wurden die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen in den HzE allgemein und in einzelnen Arbeitsbereichen. Ebenso strukturelle Veränderungen die sich mit Blick auf das Alter und das Geschlecht, den Anstellungsträger und die Qualifikation der Beschäftigten zeigen und einige Trends hinsichtlich von unbefristeten und befristeten Anstellungsverhältnissen. Die Daten der Personal- und Einrichtungsstatistik zeigen, dass Ende 2016 102.537 Beschäftigte in den Aufgabenbereichen der erzieherischen Hilfen tätig waren. Der Umfang der Beschäftigungsverhältnisse entspricht 75.543 rechnerischen Vollzeitstellen (Vollzeitäquivalenten). Das Personalvolumen ist damit im Vergleich zu 2014 mit damals 86.797 Beschäftigten (und 64.247 Vollzeitäquivalenten) weiter angewachsen (+18%). Der Anstieg an Vollzeitäquivalenten in den erzieherischen Hilfen schlägt sich vor

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4. Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst

allem in einer Personalzunahme in den stationären Hilfen nieder. Hintergrund dazu sind (auch) die zahlreichen auf- und ausgebauten Wohngruppen für junge geflüchtete Menschen. Ein knappes Drittel der Beschäftigten in den HzE sind Männer. Ihr Anteil liegt aktuell (2016) bei 29%. Mit Blick auf die Altersstruktur der tätigen Personen in den HzE zeichnen sich einige Veränderungen ab. Ein großer Zuwachs ist zwischen 2010 und 2016 bei den 25- bis unter 35-Jährigen zu beobachten (+ 6.100). Diese Entwicklung steht vor allem mit dem umfangreichen personellen Zuwachs bei den Berufseinsteiger(inne)n im Alter von 20 bis unter 25 Jahren im Jahr 2010 im Zusammenhang. Damit zeigt sich, dass viele der Berufseinsteiger/-innen im Arbeitsfeld der HzE geblieben sind. Zudem sind Zugänge auch in den anderen Altersgruppen zu verzeichnen. Zwischen 2014 und 2016 ist (bei einer leicht sinkenden Tendenz) ein insgesamt stabiles Niveau bei dem Anteil der Beschäftigten mit einer einschlägigen akademischen Ausbildung zu beobachten. Der Akademiker-Anteil betrug 2016 38%. Die Ausweitung der Personalkapazitäten in den letzten Jahren Jahre ist mit einer leichten Zunahme der befristeten Beschäftigungsverhältnisse verbunden. Deren Anteil lag 2016 in den HzE insgesamt bei 15% und ist damit um rund 2 Prozentpunkte gegenüber 2014 gestiegen (vgl. ebd. S. 39 ff.). Zusammenfassung Zusammenfassend zeigen die Studien zu den Be- und Entlastungsfaktoren der Fachkräfte in den HzE zunächst, dass Grenzverletzungen wie Beschimpfungen, Drohungen und tätliche Angriffe durch Klienten eindeutig als Belastung wahrgenommen werden und dass damit korrespondierend die Sicherheit vor Gewalt in den Einrichtung ein entlastender Faktor ist.

4.2 Forschungsstand

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Darüber hinaus werden Zeit- und Termindruck, zu viel Bürokratie, Personalmangel, Arbeitsverdichtung und zu viele Fälle und die multiplen Problemlagen von Klienten als Belastungsfaktoren empfunden. Die hohe Bedeutung von psychischen Belastungen in den Erziehungshilfen zeigt sich auch mit Blick darauf, dass es vielen Fachkräften schwerfällt „nach der Arbeit abzuschalten“, dass die Fachkräfte sich zu rund einem Drittel „häufig ausgebrannt fühlen“ und sie sich selbst häufiger als gereizt erleben, als sie dies wollen. Wahrgenommene gesundheitliche Beeinträchtigungen sind zudem Schlafstörungen, Rückenschmerzen und Kopfschmerzen sowie große Müdigkeit und Muskelverspannungen. Darüber hinaus zeigt sich, dass sich jüngere Fachkräfte (unter 45 Jahren) höheren Belastungen speziell durch Anspannungen im Sinne von Erschöpfungszuständen, Unausgeglichenheit und fehlender körperlicher Entspannung ausgesetzt sehen. Ältere Fachkräfte berichten tendenziell von weniger Belastungserleben. Neben den belastenden Faktoren zeigen die Studien jedoch auch, dass die Fachkräfte in den HzE Freude an ihrer Arbeit empfinden. Diese steht im Zusammenhang mit einer positiven Grundeinstellung im Leben, mit Ausgeglichenheit, verfügbarer Energie und einem Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Schutz. In Verbindung mit diesen Erkenntnissen stellt sich die Frage nach den organisationalen Rahmenbedingungen, die Wohlbefinden und Freude fördern können. Dazu finden sich in den Studien Hinweise auf eine durch Offenheit und Transparenz gekennzeichnete Organisationsgestaltung, auf Unterstützungs- und Reflexionsmöglichkeiten und nicht zuletzt auf zeitliche und materielle Ressourcen, mit denen Fachkräfte die Arbeit mit den jungen Menschen so gestalten können, dass für beide Seiten Freude und Entspannung erfahrbar wird. Die breit angelegte Studie von Mohr (2017) zeigt zudem die hohe Identifikation der HzE-Fachkräfte mit ihren Trägern. Diese schließt eine

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4. Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst

Wechselbereitschaft zu anderen Trägern zwar nicht aus, steht aber im Zusammenhang mit dem hohen Anteil der Fachkräfte, die mit ihren Entfaltungsmöglichkeiten und dem Erleben von Sinn in der Arbeit eher oder sehr zufrieden sind. Weiterhin wird deutlich, dass sowohl die Zufriedenheit mit der Sinnhaftigkeit der Arbeit als auch die Identifikation mit dem Beruf vor allem durch die Handlungsspielräume und Mitbestimmungsmöglichkeiten in einer Organisation beeinflusst werden. Als entlastend erleben die HzE-Fachkräfte Supervision, kollegiale Beratung und die Unterstützung durch Vorgesetzte. Das bei Letztgenanntem aber auch Fortbildungsbedarfe bestehen zeigt die Untersuchung von Poulsen (2012) auf. Würdigung finden zudem Möglichkeiten zu flexiblen Arbeitszeiten und die Sensibilität für Stress am Arbeitsplatz, welche sich z. B. durch Instrumente wie ein Ampel-System gegen Stress zeigt. Als Wünsche zur Verbesserung der Arbeitssituation werden personelle Unterstützung aber auch einschlägige Beratungs- und Fortbildungsmöglichkeiten und die Wertschätzung von Führungskräften aufgeführt. Abschließend sei nochmals der von Mohr nachgewiesene Zusammenhang zwischen den Merkmalen einer professionellen Organisation und der emotionalen Erschöpfung von Fachkräften in den HzE hervorgehoben. Dieser besagt: Je stärker die Kernmerkmale einer professionellen Organisation (Autonomie, kollegiale Entscheidungsfindung und Orientierung am Hilfebedarf) ausgeprägt sind, desto geringer zeigt sich die emotionale Erschöpfung unter den Mitarbeitenden und desto weniger finden zynische Haltungen Verbreitung. 4.3 Erkenntnisse aus den Studiengruppen im Vergleich Auch wenn die Fragestellungen und Studientypen der hier referierten Untersuchungen durchaus unterschiedlich sind, so zeigen sich im Vergleich der zentralen Ergebnisse der allgemeinen Studien zum Sozial- und Erziehungsdienst und der Studien zum ASD einige Gemeinsamkeiten. Es

4.3 Erkenntnisse aus den Studiengruppen im Vergleich

91

werden aber auch Unterschiede insbesondere zu den Erkenntnissen aus den HzE-Studien deutlich. Sowohl für die allgemeinen Studien zum Sozial- und Erziehungsdienst als auch für die ASD- und HzE-Studien gilt, dass sich Belastungen durch hohe Fallzahlen, Arbeitsverdichtung und Personalmangel bzw. Vertretungssituationen zeigen. Das Erleben von Überforderung, Stress und körperlicher und emotionaler Erschöpfung zeigt sich ebenfalls in allen drei Studiengruppen. Thema in allen drei Untersuchungsgruppen sind auch die Handlungsspielräume der Fachkräfte. Diese werden prinzipiell als höher im Vergleich zu anderen Berufsgruppen und als Ressource beschrieben, für den ASD jedoch als in neuerer Zeit vermindert bzw. als nicht ausreichend gekennzeichnet.Dokumentationspflichten wie auch die komplexen Problemlagen der jungen Menschen und ihrer Familien werden sowohl von den ASD- wie von den HzE-Fachkräften als belastend erlebt. Insbesondere die Abschaltproblematik wird in beiden Studiengruppen belastend bzw. als Folge von Belastungen ausgewiesen. Entlastende Funktion haben im ASD, wie in den HzE, insbesondere Beratungsmöglichkeiten und die Unterstützung von Vorgesetzten. Das Erleben der Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit, wie eine ausgeprägte Identifikation mit dem eigenen Arbeitsfeld, lassen sich für die Beschäftigten beider Gruppen als Ressource bzw. Puffer gegen Belastungen kennzeichnen. Die Frage nach bzw. das Erleben von Grenzverletzungen und Gewalt (und damit zusammenhängend der Schutz vor diesen) zeigt sich allein in den HzE-Studien. Als Gründe dafür kommen die jeweils gewählten Schwerpunkte der Studien in Frage. Denkbar ist aber auch eine höhere Sensibilität für diese Phänomene in den HzE, die mit der höheren lebensweltlichen Nähe und den unausweichlichen Dynamiken in teilstationären und stationären Einrichtungen verbunden ist.Auffällig ist, dass die in den allgemeinen Studien zum Sozial- und Erziehungsdienst angeführ-

92

4. Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst

ten Belastungen durch Sonn- und Feiertagsarbeit in den HzE-Studien so gut wie nicht vorkommen. Dies kann auf einen „blinden Fleck“ der dargelegten Studien hinweisen, möglich ist aber auch eine Akzeptanz der Schichtarbeit in den stationären HzE, d. h. Fachkräfte wissen um dieses Charakteristikum ihrer Arbeit oder lassen sich sogar bewusst darauf ein. Eine Akzeptanz von Schichtarbeit zeigt auch eine Untersuchung von Günder/Reidegeld (2005). Auf eine hohe Zufriedenheit von Fachkräften in stationären Hilfen weist auch eine Befragung des Fachverbands Evangelische Jugendhilfe e.V.(2009) hin. Belastungen durch Umorganisationsprozesse und eine mangelnde öffentliche Anerkennung, die für den ASD deutlich werden, scheinen in den HzE keine Rolle mit Blick auf Belastungen zu spielen. Explizit aufgegriffen wird in einigen HzE-Studien das Thema „Freude an der Arbeit“. Diese wird in einem Fall damit in Zusammenhang gebracht, dass die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen – bei allen Belastungen – per se Freude bereiten kann, und sie wird in einem anderen Fall mit Persönlichkeitseigenschaften der HzE-Fachkräfte verknüpft. Hingewiesen wird dabei auf ihre positive Grundeinstellung im Leben, ihre Ausgeglichenheit und Energie und ihr Gefühl von Sicherheit. Interpretieren ließe sich dies dahingehend, dass die HzE bestimmte Fachkräfte bzw. Fachkräfte mit bestimmten Eigenschaften (Persönlichkeitsmerkmalen) häufiger anziehen oder von diesen als Arbeitsfeld gesucht werden. Für die Wahl des Berufsfeldes von angehenden Fachkräften wie für die Ausbildung und für das Personalmanagement von öffentlichen und freien Trägern geben die Studien von Klomann (2014) und von Steinlin et al. (2016) ferner Hinweise darauf, wie wichtig personale – und damit in Ausbildung und Berufspraxis allenfalls bedingt beeinflussbare – Kompetenzen zum Umgang mit Risiken, zur Reflexion bzw. zu emotionaler Stabilität und zur Distanzierungsfähigkeit sind.

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung der Ev. Jugendhilfe Menden: Evaluationsgegenstand und Durchführung Die Darstellung der theoretischen Modelle wie der empirischen Erkenntnisse in Kapitel 4 haben gezeigt, dass es durchaus umfangreiche Diskurse und Forschungen insbesondere zu den Belastungen im Arbeitskontext gibt. Oftmals sind diese arbeits- oder gesundheitswissenschaftlich inspiriert. Zu den Belastungen und Entlastungen in den HzE liegen jedoch erst wenige empirische Erkenntnisse vor. Angesichts von über 100.000 Fachkräften in den HzE, deren Wirken dem Aufwachsen von etwa einer Million junger Menschen gilt (vgl. Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik 2018) erstaunt dieser Befund. Mit Blick auf die Leistungsqualität zudem, weil die Reflexion und die bewusste Ausgestaltung von Arbeitsbedingungen mindestens in zweifacher Hinsicht eine gute Leistungsqualität erzeugen kann: • konzeptionell, hinsichtlich der Frage: Welche Arbeitsbedingungen müssen geschaffen werden, um die Option ‚guter Arbeit‘ zu ermöglichen; • als auch beobachtend mit Blick darauf, wie sich Anforderungen entwickeln und welche Auswirkungen dies auf die Gestaltung von Arbeitsbedingungen hat (vgl. Merchel, 2016, S. 74 f.). Schließlich und nicht zuletzt auch, weil das Arbeitsschutzgesetz seit 2013 Arbeitgeber zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung verpflichtet. Aus einer solchen Beurteilung heraus sind zudem erforderliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes abzuleiten. Zu den Gefährdungen zählen gem. § 5 Abs. 3 ArbSchG ausdrücklich auch psychische Belastungen. Vor diesem Hintergrund und als Beispiel für ein belastungssensibles Organisationskonzept soll an dieser Stelle die in den Jahren 2015-2017 durchgeführte Evaluation bei der Stiftung Evangelische Jugendhilfe Menden dargestellt werden. Eine solche Evaluation wird zwar den aufgezeigten

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Nüsken, Erziehungshilfen als Beruf, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28496-1_5

94

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

Forschungsbedarf nicht befriedigen können, das ist auch nicht ihr Anspruch, dennoch kann sie einen Beitrag zum Diskurs um Be- und Entlastungen in den HzE und zur Erkenntnislage um mögliche Ansätze des sensiblen Umgangs von Organisationen mit diesem Phänomen liefern. Ferner zeigt sich hier ein (diskutierbares) Beispiel zum Umgang mit den gesetzlich und fachlich deutlich werdenden Aufgaben und Herausforderungen. 5.1 Die Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden Die Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden (Märkischer Kreis, nördliches Sauerland) beschäftigt gut 100 MitarbeiterInnen in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen der stationären und teilstationären Erziehungshilfen, der Beratung und Therapie. Dabei handelt es sich um sozialpädagogische Fachkräfte sowie Verwaltungs- und Wirtschaftskräfte. Die Stiftung lässt sich als differenzierte und dezentrale Jugendhilfeeinrichtung beschreiben, die sich seit vielen Jahren insbesondere mit den unterschiedlichen trauma- und bindungspädagogischen Konzepten auseinandersetzt und sich an diesen strukturell und sozialpädagogisch-fachlich orientiert (vgl. Stiftung Ev. Jugendhilfe 2014, S. 1). Die Einrichtung hält (Stand 2014) folgende Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien vor: • Heilpädagogische Wohngruppen für Kinder und Jugendliche • Wohngruppen für Jugendliche • Diagnose- und Vermittlungsgruppen für Kinder • Tagesgruppen • Mobile Betreuung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen • Ambulante und therapeutische Hilfen für Kinder, Jugendliche und Familien • Bereitschafts- und Dauerpflegefamilien und Westfälische Pflegefamilien für Kinder und Jugendliche

5.1 Die Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden

95

Die Hilfen gelten psychisch hoch belasteten Kindern und Jugendlichen und ihren Familien. Die jungen Menschen werden den Erfahrungen der Stiftung nach zum Teil als stark gefährdet eingeschätzt. Die Stiftung verfolgt das Ziel, die Entwicklungschancen der jungen Menschen durch pädagogische und therapeutische Mittel zu erhöhen (vgl. ebd.). Angesichts der hohen psychischen Belastungen und der traumatischen Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen benötigen die Fachkräfte, die mit diesen jungen Menschen und ihren Familien arbeiten, neben einem spezifischen Fachwissen insbesondere eine hohe Reflexions- und Handlungsfähigkeit, Belastbarkeit sowie eine eigene emotionale Stabilität (vgl. ebd. S. 2). Infolge von Regulationsstörungen und hohen Erregungszuständen kommt es, aus Sicht der Stiftung, zu Krisen- und Überforderungssituationen bei den Kindern und Jugendlichen in den HzE, die bei den Fachkräften häufig mit Gefühlen von Ohnmacht und Hilflosigkeit einhergehen können (vgl. ebd.). Ziel der Stiftung ist es diesem Phänomen mit einer reflektiertwertschätzenden Grundhaltung, mit verstehendem pädagogischem Handeln sowie einer achtsamen und wertorientierten Personalführung zu begegnen. Diese werden als Fundament der traumapädagogischen Grundhaltung in der Einrichtung beschrieben. Auf dieser Grundlage soll die traumpädagogische Orientierung auch eine systematische Personalund Organisationsentwicklung prägen, die alle MitarbeiterInnen in den Prozess einer umfassenden Gesundheitsprävention einbezieht (vgl. ebd. S. 2).

96

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

In der bisherigen Praxis der Personalentwicklung, Gesundheitsprävention und Mitarbeiterpflege bietet die Einrichtung bereits vielfältige Angebote an: • • • • • • •

Interne und externe Fort- und Weiterbildungen Einzel- und Gruppensupervision Gesundheitskurse im Bereich der Entspannung und Stressreduzierung Beratung und Fortbildung „Professionelles Handeln in Gewaltsituationen“ Kollegiale Beratungsmöglichkeiten MitarbeiterIn- und Teamgespräche Mitarbeiterfeste und „Come-together“ Aktionen

5.2 Die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung Hintergrund der Entwicklung dieser MitarbeiterInnenberatung war zum einen die Annahme einer allgemeinen Hemmschwelle zu einer frühzeitigen Hilfe z. B. durch Beratung und zum anderen das fehlende flächendeckende Angebot mit seinen langen Wartezeiten. Der Lösungsansatz der Stiftung bestand darin, ab 2015 den MitarbeiterInnen frühzeitig eine lösungsorientierte und unterstützende Beratung anzubieten. Diese soll chronische Belastungen und anhaltendes Stresserleben vermeiden helfen, sodass Ressourcen aktiviert und eine aktive Stressregulierung für den jeweiligen Mitarbeitenden ermöglicht werden können (vgl. ebd. S. 2 f.). Konkret stellt die Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden ihren MitarbeiterInnen zunächst in den Jahren 2015 und 2016 pauschal und unbürokratisch jeweils ein Kontingent von drei Beratungsstunden pro Jahr bereit, die diese für „Vieraugengespräche“ bei vertraglich gebundenen externen BeraterInnen nutzen können. Das Angebot gilt Fach- wie Führungskräften und sowohl den Fachkräften in den pädagogischen Diensten als auch in der Verwaltung. Diese drei Zeitstunden der barrierefreien (anonymen,

5.2 Die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung

97

kurzfristig möglichen und für die Fachkräfte kostenfreien) MitarbeiterInnenberatung werden als Arbeitszeit gewertet bzw. können von den MitarbeiterInnen als solche gewertet werden. Die letztendliche Entscheidung dazu obliegt den Fachkräften die eine solche Beratung a) ohne Angabe von Anlässen als Teil ihrer Arbeit kommunizieren können oder b) nicht kommunizieren wollen und an geeigneter Stelle „einfließen“ lassen oder in ihre Freizeit wahrnehmen. Die Mitarbeitervertretung der Einrichtung wurde aktiv in die Konzeptionierung und Durchführung des Beratungsangebotes einbezogen. Der Arbeitgeber erhält keine Informationen darüber, durch wen und zu welchem Themenspektrum das Angebot in Anspruch genommen wird. Die Anonymität der Nutzung dieses Angebotes bleibt gewahrt. Die MitarbeiterInnen erhalten Profile und Rufnummern der zur Verfügung stehenden BeraterInnen und nehmen selbstständig Kontakt auf. Der Einrichtung stehen zwei BeraterInnen mit unterschiedlichen supervisorischen und beraterischen Kompetenzen zur Verfügung. Eine solche Auswahl von zunächst (nur) zwei BeraterInnen erscheint zwar durchaus als Beschränkung, angesichts einer anvisierten Erprobung und des Aufwandes der mit der Auswahl und der vertraglichen Bindung verbunden ist aber nachvollziehbar. Zudem wurde diese Auswahl unter Beteiligung der MitarbeiterInnenvertretung vorgenommen. Der Inhalt der Beratung ist nicht begrenzt und kann neben beruflichen Themen, wie etwa Stress und Konflikte am Arbeitsplatz, ausdrücklich auch private Themen wie z. B. familiäre oder gesundheitliche Belastungen umfassen. Unabhängig von diesem neuen Beratungskonzept werden in der Einrichtung weiterhin sowohl Einzelsupervision als auch Teamsupervision angeboten (vgl. ebd. S. 3 f.). Durch diese trägerexterne, vertrauliche und für die MitarbeiterInnen kostenfreie Beratung soll deren Schwelle, sich Hilfe und Unterstützung zu holen, gesenkt werden. Mit diesem Angebot soll außerdem möglichen Chronifizierungen von Belastungen entgegengewirkt werden. Ferner soll die Beratung die Ressourcen, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit

98

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

der MitarbeiterInnen stärken und im Sinne einer traumapädagogischen Versorgungskette indirekt auch die Kinder und Jugendlichen in ihrer eigenen emotionalen Stabilität fördern. Dahinter steht die Annahme, dass nur stabile und sichere MitarbeiterInnen in der Lage sind, schwer belastende Kinder emotional halten zu können (vgl. ebd. S. 3). 5.3 Der Evaluationsauftrag Bereits in der Konzeption der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung wird auf die durchzuführende Evaluation verwiesen, die dazu dienen soll, die Inanspruchnahme und die Einflüsse der barrierefreien Beratung auf die Arbeitszufriedenheit sowie Gesundheit der MitarbeiterInnen und damit auf die pädagogische Arbeit zu erfassen (vgl. ebd. S. 4 f.). In den Blick geraten damit quantitative Dimensionen etwa hinsichtlich der Nutzungshäufigkeit, wie auch qualitative Aspekte z. B. hinsichtlich der Beratungskontexte und der Zufriedenheit mit der Beratung. Konkret beantworten werden sollen die Fragen nach der Akzeptanz (Nutzungshäufigkeit), nach der Bewertung der Güte der Beratung und nach dem Nutzen hinsichtlich des Anlasses der Beratung. Letztendlich soll die Evaluation auch mögliche Einflüsse der barrierefreien Beratung auf das Gesundheits- und Wohlbefinden der MitarbeiterInnen der Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden abbilden. Angesichts von bis zu drei Beratungsstunden pro Jahr werden hier jedoch keine Effekte im Sinn einer Wirkungsevaluation im engeren Sinn sondern lediglich Einschätzungen der Fachkräfte zum Nutzen und zu den möglichen Entwicklungen im Zuge der Inanspruchnahme der Beratung möglich sein. Am Ende steht schließlich auch die Beantwortung der Frage ob dieses Angebot über die Modellphase von zwei Jahren hinaus fortgeführt werden soll.

5.4 Das Wirkungsmodell

99

5.4 Das Wirkungsmodell Abstrakt gesehen handelt es sich bei dem Evaluationsauftrag zur barrierefreien MitarbeiterInnenberatung um eine „Programmevaluation“. Bei möglichen drei Beratungsgesprächen pro Jahr handelt es sich freilich um ein eher kleines Programm. Ein Programm (eine Maßnahme/ein Projekt) folgt – im Prinzip – einer bestimmten Logik (vgl. zum Folgenden z. B. Beywl/ Niestroy o. J.; W.K. Kellog Foundation 1998; Rossi/ Lipsey/ Freemann 2004). Diese Logik gilt es zunächst zu erfassen. Im Kern geht es dabei um eine Beschreibung der „Wirklogik“ in einem logischen Modell, welches – allgemein gesprochen – der Veranschaulichung und Klärung des Ablaufs eines Programms und der von ihm intendierten Wirkungen dient. Hingewiesen werden muss an dieser Stelle darauf, dass hier kein Kontrollgruppendesign zur Anwendung kam und dass keine statistischen Prüfungen von Signifikanzen vorgenommen wurden (s. FN 5). Dem entsprechend lassen sich Wirkungen hier nicht als statistische Effekte verstehen, sondern als von den Fachkräften vorgenommene Bewertungen, die durch die Erhebung systematisch darstellbar gemacht wurden. Bezogen auf die hier beschriebene Evaluation ist zunächst von zwei Variablen auszugehen: Der unabhängigen Variable der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung und der abhängigen Variable des Gesundheits- und Wohlbefindens der MitarbeiterInnen. Grafik 8: Grundmodell einer Wirklogik (eigene Darstellung)

Barrierefreie MitarbeiterInnenberatung

Gesundheits- und Wohlbefinden der MitarbeiterInnen

Die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung soll entlastende Funktion haben und zum Gesundheits- und Wohlbefinden der MitarbeiterInnen

100

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

beitragen. Eine simple Linearität der Modellierung würde jedoch unterschlagen, dass ein Programm stets unter besonderen Rahmenbedingungen arbeitet, mit bestimmten zeitlichen, personellen oder finanziellen Mitteln ausgestattet ist, in einem mehr oder weniger komplexen Verlauf umgesetzt wird und sich schließlich (intendierte wie nicht-intendierte) Effekte bzw. Wirkungen ergeben können. Mit Blick auf die abhängige Variable des Gesundheits- und Wohlbefindens wäre es zudem unlauter, die zahlreichen Einflusskatoren wie z. B. auch die vielen anderen Angebote der Stiftung (s. o.) und den komplexen Prozess, in dem diese entstehen, auf eine Dimension (hier barrierefreie MitarbeiterInnenberatung) zu reduzieren. Ebenfalls in den Blick zu nehmen und zu erheben sind deshalb Stressoren und Belastungen, wie auch Entlastungsfaktoren und die Funktionen der bereits bestehenden Beratungs- und Supervisionsangebote. Stressoren und Belastungen können – wie durch die Studien in Kapitel 4 gezeigt – insbesondere hohe Fallzahlen, Arbeitsverdichtung und Personalmangel bzw. Vertretungssituationen sein. Entlastend können beispielsweise Beratungsmöglichkeiten und die Unterstützung von Vorgesetzten, das Erleben der Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit, wie eine ausgeprägte Identifikation mit dem eigenen Arbeitsfeld sein. Die aufgeführten Beispiele zeigen bereits Aspekte der Komplexität des hier aufgelegten Vorhabens auf. Neben einer sinnvollen und dem Erkenntniszweck (s. o.), wie den zur Verfügung stehenden Ressourcen angemessenen Komplexitätsreduktion, ist es jedoch notwendig, die relevantesten der hier skizzierten weiteren Faktoren ebenfalls zu erheben und zu bewerten, um Fehlschlüsse durch ein unterkomplexes Modell und eine simplifizierende Scheinlinearität zu vermeiden. Lässt man gesellschaftlich-strukturelle Rahmungen der HzE wie tarifrechtlichen Bestimmungen, die Lage der kommunalen Haushalte oder den demografischen Wandel einstweilen außen vor, so lässt sich die bisherige Wirkungskette (bis Ende 2014) modelliert wie folgt darstellen:

5.4 Das Wirkungsmodell

101

Grafik 9: Bisherige Wirkungskette (eigene Darstellung)

Stressoren/

Gesundheit/

Belastungen

Wohl-

----------

befinden

der

Entlastun-

der

Mitarbeiter-

gen/ allg.

Mitarbeiter-

Innen

Beratung

Innen

Leistungsfähigkeit

Entwicklungsmöglichkeiten

der Kinder und Jugendlichen

Unter Einbezug der barrierefreien Beratung ab dem 01.01.2015 zeigt sich die Wirkungskette folgendermaßen: Grafik 10: Wirkungskette ab 2015 (eigene Darstellung)

Stressoren/ Belastungen

Gesundheit/

----------

Wohl-

Entlastun-

befinden

der

gen/ allg.

der

Mitarbeiter-

Beratung

Mitarbeiter-

Innen

Barrierefrei

Innen

e Beratung

Leistungsfähigkeit

Entwicklungs-

möglichkeiten der Kinder und Jugendlichen

102

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

Im Fokus der hier beschriebenen Evaluation stehen die quantitativen und qualitativen Aspekte der barrierefreien Beratung, wie auch die diesbezüglich relevanten Kontextfaktoren und die wahrgenommenen möglichen Veränderungen des Gesundheits- und Wohlbefindens der MitarbeiterInnen. Sie sollen auch gebeten werden, ihre Leistungsfähigkeit einzuschätzen. Darüberhinausgehende abhängige Variablen (die Entwicklungsmöglichkeiten der jungen Menschen) und weitere Kontextfaktoren (wie etwa strukturelle Entwicklungen) sollen und können logisch wie faktisch nicht erhoben werden. Idealerweise ließe sich aus Evaluationssicht an eine Längsschnittstudie denken, in der diejenigen Fachkräfte, die das neue Beratungsangebot wahrgenommen haben, verglichen werden mit Fachkräften, die bei identischen Arbeits-und Problemlagen dieses Angebot nicht wahrgenommen haben. Der Vergleich von Kontroll- und Experimentalgruppe ließe Schlüsse zur Bewertung der Wirkung der barrierefreien Beratung zu. Die nicht absehbare Gruppengröße der NutzerInnen der neuen Beratung und die kaum mögliche Identifizierung einer möglichst identischen Kontrollgruppe sprechen aber gegen ein solches Vorgehen. Wenn auch allein zu Evaluationszwecken so würde darüber hinaus eine De-Anonymisierung der NutzerInnen der neuen Beratung stattfinden. Die notwendige spezifische Befragung der NutzerInnen (wie der Kontrollgruppe) würde schließlich den Anspruch einer niedrigschwelligen (barrierefreien) Beratung konterkarrieren. Im Längsschnitt befragt werden sollen deshalb alle Fachkräfte der Stiftung und innerhalb dieser Befragung soll die Nutzung und die Bewertung der neuen Beratungsmöglichkeit aufgegriffen werden. Die Evaluation erfolgt somit im Kern durch eine MitarbeiterInnenbefragung. Der Fokus der Evaluation und die Erhebungszeitpunkte mit Blick auf die zweijährige Laufzeit stellen sich wie folgt dar: Eine Erhebung wird vor Einführung der neuen Beratung stattfinden, eine zweite nach einem Jahr und eine dritte nach zwei Jahren.

5.4 Das Wirkungsmodell

103

Grafik 11: Modell der Programmevaluation (eigene Darstellung) T1, T2, T3

T1, T2, T3

Stressoren / Belastun-

Gesund-

gen

heit/

Leistungs-

Entwicklungs-

----------

Wohl-

fähigkeit

möglichkeiten

Entlastun-

befinden

der

der Kinder

gen/ allg.

der

Mitarbeite

und

Beratung

Mitarbeite

r-Innen

Jugendlichen

Barriere-

r-Innen

freie Beratung T2, T3

Zu allen drei Zeitpunkten sollen somit Be- und Entlastungsfaktoren erhoben werden. Gleiches gilt für die Selbsteinschätzungen zur Leistungsfähigkeit. Erwartungen an die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung werden ebenfalls zu allen drei Zeitpunkten erfragt, Nutzungserfahrungen mit dieser Beratung nach einem Jahr und zwei Jahre nach Beginn dieser.

104

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

5.5 Datenerhebung Anhand der in Kapitel 4.2.2 und 4.2.3 dargestellten Studien zeigen sich auch mögliche Instrumente zur Erfassung von Belastungen an Arbeitsplätzen.3 Als Instrumente werden häufig standardisierte Fragebögen z. B. Burn-out- oder Stress-Screening-Skalen genutzt. Solche Instrumente bzw. Testverfahren werden aber auch miteinander oder mit anderen Verfahren kombiniert und spezifiziert. Andere Fragebögen werden explizit für bestimmte Studien entwickelt, auch offene Fragen und Interviews finden Eingang in manche Erhebung. Leitend für die Auswahl und Entwicklung der Instrumente sind dabei neben dem Erkenntnisinteresse stets auch die disziplinären Einbettungen der Studien. Sichtbar wurden arbeitswissenschaftliche (z. B. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2013), psychiatrische (z. B. Steinlin et al. 2016), erziehungswissenschaftliche (z. B. Mohr 2017) wie auch sozialpädagogisch-pragmatisch orientierte Zugänge (z. B. Poulsen 2012). Für die hier vorgelegte Evaluation wurde ein Fragebogen auf Grundlage des Instrumentes PsyBel SuE (Psychische Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst Version: 1.0 Juni 2010) genutzt. Dieser wurde von ver.di (Rundnagel et al. 2010) explizit zur Erhebung psychischer Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst entwickelt. 4 Für dieses Instrument sprach zunächst der Anspruch psychische Belastungen speziell im Erziehungsdienst erheben zu wollen. Darüber hinaus zeigte die Prüfung 3

Ein Überblick zu solchen Instrumenten findet sich bei Richter (2010): Toolbox Version 1.2 - Instrumente zur Erfassung psychischer Belastungen. 1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Eine kurze tabellarische Darstellung zeigt Rundnagel unter: http://www.ergoonline.de/site.aspx?url=html/gesundheitsvorsorge/betriebliche_gesundheitsfoerd/gefaehrdung sbeurteilung_psychi.htm 4 Das Instrument wird von ver.di hier zur Verfügung gestellt: unter http://www.verdigefaehrdungsbeurteilung.de/upload/pdf/Erhebung-psychischer-Belastungen-im-Sozialund-Erziehungsdienst.pdf

5.5 Datenerhebung

105

der Kategorien und Operationalisierungen aber auch, dass wichtige Ergebnisse der in Kapitel 4 ausgeführten Studien hier berücksichtigt wurden. So wird beispielsweise explizit nach dem in den Studien von Klomann (2012) und Mohr (2017) mit Blick auf die Arbeitszufriedenheit, wie auch hinsichtlich von gesundheitlichen Auswirkungen von Belastungen identifizierten Faktor der Identifikation mit der Organisation/den Zielen der Organisation gefragt. Zum Einsatz kam das Grundmodul (die Spezialmodule gelten dem ASD und den Kindertagestätten), welches um spezifische Fragestellungen der Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden ergänzt wurde. Diese Fragestellungen wie auch die dafür notwendige Kürzung der Items des PsyBel SuE wurde im Vorfeld der Evaluation mit der Geschäftsführung und der MitarbeiterInnenvertretung der Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden abgestimmt. Für die Stiftung weniger relevante Fragenkomplexe des Grundmoduls des PsyBel SuE wurden dabei an einigen Stellen zusammengefasst, um den Bogen nicht zu umfangreich werden zu lassen. Erhalten blieb jedoch die Struktur des PsyBel SuE. Damit kann, soweit an dieser Stelle möglich, gewährleistet werden dass die Kategorien des PsyBel SuE und damit dessen Validität weitgehend erhalten bleibt. Zur Analyse von psychischen Belastungen nimmt das Instrument PsyBel SuE zunächst Kriterien auf, die üblicherweise in anerkannten und in der Praxis eingesetzten Verfahren verwendet werden (vgl. Toolbox der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Richter, 2010). Darüber hinaus berücksichtigt PsyBel SuE empirische Erkenntnisse zu den Tätigkeitsfeldern der Sozial- und Erziehungsdienste sowie arbeitswissenschaftliche Konzepte zum Zusammenhang von Arbeit, Gesundheit und Krankheit. Es baut insbesondere auf den Konzepten Belastungen/Beanspruchungen, Stress am Arbeitsplatz, Emotionsarbeit sowie dem Konzept der vollständigen Tätigkeit und dem Ressourcenansatz in Verbindung mit einem salutogenetischen Grundverständnis auf (vgl. ebd. S.

106

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

22; vgl. Kapitel 4.1). Berücksichtigung finden ferner die emotionalen und sozialen Anforderungen, wie die besondere Bedeutung der sozialen (kollegialen) Beziehungen für die in den Tätigkeitsfeldern der Sozial- und Erziehungsdienste vorhandenen Teamarbeitsstrukturen und die darin stattfindende Organisation von Arbeitsaufgaben. Mit dem Analyseinstrument PsyBel SuE werden subjektiv, also durch die Einschätzung der MitarbeiterInnen, die jeweiligen Arbeitsbedingungen und die dort vorhandenen einwirkenden Faktoren bewertet. Eine Beurteilung der individuellen Beanspruchung und der Beanspruchungsfolgen (Gesundheitsstatus) findet nicht statt (vgl. ebd. S. 22.). In das Instrument PsyBel SuE flossen verschiedene wissenschaftlich entwickelte Verfahren ein, so das Analyseinstrument SALSA (Salutogenetische Subjektive Arbeitsanalyse), der KFZA (Kurzfragebogen zur Arbeitsanalyse), Teile der Frankfurter Skalen zur Emotionsarbeit wie auch Aussagen aus dem COPSOQ (Copenhagen Psychosocial Questionnaire) (vgl. ebd. S. 23). PsyBel SuE enthält Aussagen, die auf einer FünferSkala bewertet werden. Es wird jeweils die Ist-Situation bewertet, eine Abfrage der Soll-Situation ist nicht vorgesehen. Der Einsatz einer FünferSkala fördert ggf. zwar einerseits ein mittenbetontes Antwortverhalten, ermöglicht allerdings im Gegensatz zu einer Vierer-Skala ein mittleres Urteil. Eine kürzere Skalierung würde dem Präzisionsniveau nicht gerecht, und eine längere bringt keine weiteren nutzbaren Erkenntnisse im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung (vgl. ebd.). Der Durchführung ging ein Prüfdurchlauf des Fragebogens durch die MitarbeiterInnenvertretung voraus. Diesem entsprangen einige Konkretionen und kleinere Anpassungen bei einigen Fragestellungen. Der Fragebogenbogen befindet sich in der Anlage dieser Veröffentlichung. Die AutorInnen von PsyBel SuE geben als Zielmarke für einen umfassenden Einsatz des Fragebogens, eine Rücklaufquote von über 50% an (vgl.ebd. S. 33).

5.5 Datenerhebung

107

Das Analyseinstrument enthält keine „Grenzwerte“, in der Beschreibung wird lediglich auf einige Orientierungshilfen für die Einordnung der Ergebnisse verwiesen. Die inhaltliche Interpretation der Ergebnisse muss und soll in den jeweiligen Organisationen bzw. Einrichtungen erfolgen (vgl. ebd. S. 37). Diesbezüglich wurden die Ergebnisse aller Erhebungszeitpunkte in den für die Stiftung relevanten Gremien präsentiert und zur Diskussion gestellt. Die Datenerhebung bei der Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden geschah anonymisiert und mittels des beschriebenen, mit der Geschäftsführung und der MitarbeiterInnenvertretung abgestimmten Fragebogens. Die Evaluation orientierte sich an den Standards für Evaluation der DeGEval (Nützlichkeit, Durchführbarkeit, Fairness, Genauigkeit). Um Möglichkeiten der De-Anonymisierung zu verhindern wurden Größenordnungen (Ranges) der relevanten Daten (z. B. beim Lebensalter oder der Dauer der Trägerzugehörigkeit) so gestaltet, dass Rückschlüsse auf bestimmte MitarbeiterInnen vermieden werden konnten. Auf eine Codierung und damit Individualisierung der Fragebögen wurde verzichtet um die beabsichtigte Niedrigschwelligkeit (und damit auch die Nicht-Nachvollziehbarkeit) der Inanspruchnahme der neuen Beratungsmöglichkeit nicht zu gefährden. Der Preis dieser Entscheidung ist freilich der, dass Verläufe einzelner Fachkräfte die Beratung in Anspruch nahmen oder nicht in Anspruch nahmen nicht sichtbar gemacht werden können. Die Sammlung der Fragebögen oblag der MitarbeiterInnenvertretung, die diese an das Evaluationsteam direkt weiterleitete. Die Beteiligung der MitarbeiterInnen an der Evaluation war freiwillig, die Bögen (in Papierform) konnten während der Arbeitszeit ausgefüllt werden und wurden in verschlossenen Einwurfkästen gesammelt. Die Datenerhebung erfolgte jeweils im Frühjahr, also in 2015 (T1), in 2016 (T2) und in 2017 (T3). Die Befragung zielte so (zumindest prinzipiell) darauf ab, die Ausgangssituation vor dem "Programm", nach einem Jahr Laufzeit und nach Abschluss des anvisierten Zeitraums erfassen und vergleichend analysieren zu können.

108

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

5.6 Auswertung An der Befragung nahmen durchschnittlich jeweils 57 MitarbeiterInnen teil, die Zielmarke von 50% wurde bei allen drei Erhebungen erreicht. Verteilt wurden stets gut 90 Fragebögen. Festzustellen war eine leichte Panel-Mortalität, also ein Rückgang der Anzahl der Teilnehmenden im Laufe der Befragungen. Im Folgenden werden jeweils Daten aus der letzten Befragung (2017, N=52) aufgeführt. Abweichungen zu den vorhergehenden Befragungen werden kommentierend ergänzt, so diese feststellbar waren. Die ausgeführten Ergebnisse gehen auf die wichtigsten Aspekte dieser Erhebung ein und werden anhand von Daten zu einigen beispielhaften Fragen zu den jeweiligen Kategorien dargestellt. Die Auswertung erfolgt deskriptiv, also beschreibend und ordnend. Für Korrelations- und Regressionsanalysen, die Beziehungen und die qualitative Beschreibung von Zusammenhängen von Variablen aufzeigen könnten, reichen die Fallzahlen in den hier erhobenen Skalen nicht aus.5 An den Befragungen beteiligt waren jeweils etwa 75% Frauen und 25% Männer. Etwa 85% sind in den pädagogischen Diensten tätig, ca. 15% in der Verwaltung und in anderen Diensten. Gut 55% üben Vollzeittätigkeiten und annähernd 45% Beschäftigungen in Teilzeit aus. Am stärksten vertreten sind MitarbeiterInnen mit einer Berufspraxis von 0-5, 6-10 und 5

Statistisch begründen lässt sich dies mit dem Bernoulli-Theorem, dem „Gesetz der großen Zahlen“, bzw. dem „zentralen Grenzwerttheorem“. Diese weisen – vereinfacht dargestellt – darauf hin, dass es gewisse Mindestgrößen in einzelnen Skalenwerten braucht, um Zufallseffekte ausschließen zu können. Erst mit einem zunehmendem Umfang von Mittelwerten aus sämtlichen der gleichen Grundgesamtheit entnommenen Werten geht die Verteilung des Umfangs n in eine Normalverteilung über. Üblicherweise geht man davon aus, dass dies bei einem Fall- bzw. Beobachtungsumfang ab n > 30 zunehmend der Fall ist.

5.6 Auswertung

109

11-20 Jahren, die Anteile betragen jeweils zwischen 21% und 29%. Relativ gleichmäßig verteilen sich auch die Altersgruppen. Die Beteiligungswerte, abgebildet in den Lebensjahrzenten der unter 30jährigen bis zu den 50-60jährigen liegen bei allen Befragungen jeweils zwischen 19% und 30%. Jeweils knapp 50% der Befragten arbeiten in Wohngruppen, knapp 15% in Tagesgruppen und gut 20% sind in Beratung/ambulanten Diensten tätig. Die Teilnahmequoten entsprechen im Wesentlichen der Personalstruktur der Stiftung. Kleinere Abweichungen zeigen sich beim etwas höheren Anteil der Befragten mit Vollzeitstellen, aus pädagogischen Diensten sowie der MitarbeiterInnen mit einer Berufspraxis zwischen elf und 20 Jahren. Etwas unterrepräsentiert sind hingegen Befragte, die eine Berufspraxis von null bis fünf Jahren aufweisen und Verwaltungsangestellte, bzw. sonstige Dienste wie Fahr- und Hauswirtschaftsdienste. Die Daten zur Bewertung bisheriger und zukünftiger Angebote zeigen, dass diese durchgehend positiv und sehr positiv eingeschätzt werden. Als Beispiel dazu lassen sich die Angaben zu Fortbildungsmöglichkeiten, zur Supervision, zu kollegialen Beratungsmöglichkeiten und zu MitarbeiterInnengesprächen anführen. Bei den hier aufgeführten Angaben handelt es sich jedoch sinngemäß um Einschätzungen, da nicht kontrolliert wurde (werden konnte) ob und in welcher Häufigkeit solche Angebote tatsächlich genutzt wurden.

110

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

Tabelle 5: Bewertung bisheriger und zukünftiger Angebote sehr hilfreich Trifft selten nie hilfreich teils/teil hilfreich hilfs zu reich

Interne und externe Fortund Weiterbildungen Einzel- und Gruppensupervisionen Kollegiale Beratungsmöglich keiten MitarbeiterInnengespräche

gibt es nicht in meinem Arbeitsfeld

29%

48%

8%

2%

0%

12%

27%

29%

17%

4%

2%

15%

23%

44%

17%

4%

0%

4%

37%

25%

23%

4%

0%

4%

Verbessert haben sich im Laufe der drei Befragungen die Werte bei den MitarbeiterInnengesprächen. Diese werden in 2017 häufiger als „sehr hilfreich“ und in weniger Fällen als „selten hilfreich“ bewertet. Auch die Erwartungen mit Blick auf die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung waren von Anfang an positiv ausgeprägt. Die Einschätzung dieser als „sehr hilfreich“ oder „hilfreich“ stieg im Laufe der drei Befragungen von zunächst 76% über 78% auf 89% in 2017 erkennbar an. Die Werte bei den hier ebenfalls erfragten Angeboten zur Gesundheitsfürsorge, zu spezifischen Konzepten (z. B. Handeln in Gewaltsituationen) wie auch zu kulturell inspirierten Angeboten (z. B. Teamtage, Mitarbeiterfeste) zeigen ähnliche Ausprägungen wie die in der Tabelle ausgeführten Daten.

5.6 Auswertung

111

Tabelle 6: Bewertung bisheriger und zukünftiger Angebote sehr hilfTrifft selten nie hilfreich teils/teils hilfhilfreich reich zu reich Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung nutzen zu können?

58%

31%

4%

2%

2%

gibt es nicht in meinem Arbeitsfeld

0%

Der Handlungsspielraum, wie auch die Rückmeldungen zu den eigenen Tätigkeiten werden insgesamt und gleichbleibend positiv bewertet, wie die beiden Beispielfragen zeigen. Insgesamt betrachtet empfinden sich die Fachkräfte gut qualifiziert für ihre Arbeit. Im Vergleich zu 2016 gab es einen Anstieg bei der Einschätzung des Einsatzes des eigenen Könnens und Wissens.

112

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

Tabelle 7:Handlungsspielraum und Rückmeldungen trifft Trifft Trifft immer/ meisteils/teil voll zu tens zu s zu Ich habe bei meinen Tätigkeiten einen Handlungsspielraum. Bei meiner Tätigkeit erfahre ich, ob ich meine Arbeit gut durchführe. Tabelle 8: Qualifizierung Ich kann bei meiner Arbeit mein Wissen und Können voll einsetzen. Veränderungen und neue Herausforderungen bei meiner Arbeit kann ich gut bewältigen.

trifft selten zu

trifft nie zu

31%

65%

4%

0%

0%

13%

62%

25%

0%

0%

42%

50%

8%

0%

0%

23%

69%

8%

0%

0%

Auch Fragen zu den Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten wie z. B. „Ich habe die betrieblichen Rahmenbedingungen, um mich beruflich durch Fortbildungen weiter zu entwickeln“ werden durchgehend mit Werten von 65% - 80% als immer oder meistens zutreffend eingeschätzt. Tabelle 9: Soziale Ressourcen

Ich kann mich auf meine Kollegen/Kolleginnen verlassen, wenn es bei der Arbeit schwierig wird.

trifft immer/ voll zu

trifft meistens zu

trifft teils/tei ls zu

trifft selten zu

trifft nie zu

48%

40%

11%

0%

0%

5.6 Auswertung

113

Die Fragen zu den sozialen Ressourcen zeigen, dass das Arbeitsklima, die Verlässlichkeit von KollegInnen und Vorgesetzen wie auch die Identifikation mit der Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden insgesamt ebenfalls als hoch bzw. gut bewertet werden. Die Werte zur Frage nach der Verlässlichkeit von KollegInnen erreichen 2017 mit einem Wert von 88% im Bereich von „trifft voll zu“ und „trifft meistens zu“ ihre höchste Ausprägung. Ebenfalls insgesamt hoch wird die Verlässlichkeit von Vorgesetzten eingeschätzt. Die beiden höchsten Ausprägungen bei den Fragen nach deren Verlässlichkeit bei Schwierigkeiten, nach regelmäßigen Rückmeldungen und nach deren Offenheit für Kritik umfassen hier 57% - 64%. Darüber hinaus gibt es bei diesen Fragen jeweils etwa 30% der Antworten im mittleren Bereich (teils/teils). Auch die Angaben zu den Information- und Mitsprachemöglichkeiten liegen insgesamt zu etwa 75% in den beiden höchsten Antwortkategorien, 20 - 25% entfallen auf die Antwort „teils/teils“. Im Vergleich zu 2016 bleiben die Daten annähernd gleich, in 2015 zeigten sich die positivsten Bewertungen hinsichtlich der Informiertheit mit gut 90% der Antworten in den Bereichen „trifft immer“ oder „trifft meistens zu“. Nahezu 90% der Befragten erleben ihre Arbeit als voll oder meistens durch die Gesellschaft anerkannt, dies ist zugleich der Höchstwert der drei Befragungen. Die Qualitätsstandards der eigenen Arbeit werden durchgehend mit etwa 80% als voll oder meistens sinnvoll erlebt.

114

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

Tabelle 10:Information und Mitsprache trifft immer/ voll zu Über wichtige Dinge und Vorgänge in der Ev. Jugend17% hilfe Menden bin ich ausreichend informiert. Bei uns werden MitarbeiterInnen an neuen Entwicklungen (z.B. Konzepte, Stan23% dards, Arbeitsbedingungen) beteiligt. Tabelle 11:Sinnhaftigkeit der Arbeit Meine Arbeit wird von der 42% Gesellschaft anerkannt. Die Qualitätsstandards meines 37% Arbeitsbereiches erachte ich als fachlich sinnvoll.

trifft meistens zu

trifft teils/teil s zu

trifft selten zu

trifft nie zu

58%

25%

0%

0%

50%

19%

2%

2%

46%

10%

2%

0%

52%

10%

2%

0%

Der Blick auf die Belastungen zeigt die fachlichen und psychischen Belastungen im Erleben der MitarbeiterInnen auf. Sie erleben ihre Arbeit als komplex und verantwortungsvoll. Ein hohes Maß an Stressregulation ist erforderlich. Die MitarbeiterInnen benennen Zeitdruck, verspätete oder nicht realisierte Pausen und emotionale Belastungen als Aspekte ihrer Arbeit. Allerdings gilt dies nicht für alle gleichermaßen: Etwa ein Drittel der Befragten ist von diesen Phänomenen nur teilweise oder selten betroffen. Gleiches gilt für die Wahrnehmung einer Zunahme der Arbeitsmenge und damit für die Arbeitsverdichtung in den letzten Jahren. Schaut man in die Grunddaten dieser MitarbeiterInnen so arbeiten diese Fachkräfte etwas häufiger in Beschäftigungsverhältnissen in Teilzeit (der Anteil beträgt hier 52% bei einer Teilnahmequote von Teilzeitkräften von 40%). Auch zählen diese Fachkräfte etwas häufiger zur Altersgruppe der 51- bis 60-Jährigen (35% bei einer Teilnahmequote von 21%). Die Verteilung hinsichtlich der Tätigkeitsfelder (Wohngruppe, ambulante Hilfen etc.)

5.6 Auswertung

115

entspricht den Teilnahmequoten dieser Gruppen, hier sind keine Auffälligkeiten festzustellen. Aus Sicht der Stiftung zeigen sich hier zwar Hinweise dahingehend, dass Teilzeitbeschäftigungen und ein höheres Lebensalter bei einigen Fachkräften zu weniger Druck- und Belastungsempfinden führen. Weitere Interpretationen oder Strategien sollen daraus aber nicht abgeleitet werden, da Beschäftigungsverhältnisse in Teilzeit nicht per se als vorteilhaft angesehen werden, und eine angemessene Mischung der Lebensalter der Fachkräfte als förderlich betrachtet wird. Das Empfinden von Zeitdruck hat im Zeitraum der Befragungen zugenommen. Zur Frage „Ich stehe häufig unter Zeitdruck“ gaben 2015 43% und 2016 47% „trifft immer zu“ oder „trifft meistens zu“ an, 2017 waren es 51%. Eine leichte Erhöhung ist auch bei den beiden höchsten Ausprägungen zur Zunahme der Arbeitsmenge feststellbar (von 47% auf 52%). Ob es sich hier allerdings um eine (zur letztendlichen Interpretation notwendigen) identische Stichprobe handelt muss hingegen kritisch betrachtet werden. Ohne eine Codierung (s. o.) lässt sich dies kaum nachweisen. Auf der Aggregatebene, also mit Blick auf alle befragten Fachkräfte, konnte (durch den Abgleich mit den Strukturdaten der MitarbeiterInnenstatistik) keine Abweichung festgestellt werden. Zurück zu den Daten: Das Empfinden von Hilflosigkeit und Ohnmacht ist wenig ausgeprägt. Solche Belastungsspitzen werden nur von wenigen MitarbeiterInnen häufiger erlebt. Unterbrechungen werden von etwa einem Viertel der Befragten häufiger als Belastungsfaktor empfunden, Personalwechsel und Krankheitssituationen von mehr als der Hälfte. Die Werte in den Kategorien „trifft immer“ oder „trifft meistens zu“ sind bei den Personalwechseln und Krankheitssituationen im Verlauf der Erhebung leicht angestiegen (von 46% auf 54%). Belastungen durch kurzfristige Änderungen der Arbeitszeiten werden von 40% der MitarbeiterInnen als voll oder meistens zutreffend bestätigt. Dieser Wert ist von 31% in 2015 angestiegen.

116

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

Tabelle 12: Anforderungen und Störungen Inhaltliche Anforderungen trifft immer/ voll zu Bei meiner Arbeit gibt es Dinge, die sehr schwierig und komplex 35% sind. Meine tägliche Arbeit erfordert ein hohes Maß an Stressregulati38% on. Arbeitsempfinden Ich stehe häufig unter Zeitdruck. 13% Es kommt vor, dass ich wegen zu viel Arbeit nicht oder verspätet 25% Pausen mache. Meine Arbeitsmenge hat sich in 29% den letzten zwei Jahren erhöht. Emotionale Anforderungen Bei meiner Arbeit gibt es oft Situationen, in denen ich starken 40% Emotionen anderer ausgesetzt bin. Während meiner Tätigkeit muss ich meine Gefühle häufig unter 29% Kontrolle behalten. Es gibt Situationen in denen ich mich hilflos und ohnmächtig 0% fühle. Störungen Unterbrechungen stören immer 10% wieder meine Arbeitsabläufe. Personalwechsel und Krankheitssituationen führen zu Problemen. 19% Es kommt häufig zu kurzfristigen Änderungen meiner Arbeitszeiten.

17%

trifft meistens zu

trifft teils/te ils zu

trifft selten zu

trifft nie zu

27%

29%

6%

2%

37%

19%

4%

0%

38%

38%

10%

0%

35%

27%

6%

8%

23%

29%

10%

2%

35%

13%

10%

2%

29%

21%

19%

0%

10%

33%

46%

12%

17%

31%

40%

0%

35%

23%

21%

2%

23%

35%

17%

8%

5.6 Auswertung

117

Auch einige allgemeine Bewertungen der eigenen Leistungsfähigkeit der MitarbeiterInnen wurden erhoben. Gefragt wurde zunächst nach der Einschätzung der derzeitigen Leistungsfähigkeit auf einer Skala von eins bis zehn, wobei zehn für die bestmögliche Leistungsfähigkeit steht. Durchgehend lag der Durchschnittswert bei allen Befragungen zwischen 7,8 und 8,1. Die Werte eins bis drei wurden jeweils nur in Einzelfällen vergeben. Die körperliche Leistungsfähigkeit wird jeweils zu etwa 3/4 mit sehr gut oder eher gut eingeschätzt. Vergleichswerte andere Studien zu dieser Frage liegen nach unseren Recherchen nicht vor. Die entsprechenden Anteile (sehr gut oder eher gut) bei der Einschätzung der psychischen Leistungsfähigkeit steigen im Befragungszeitraum von 59% auf 69% an. Jeweils etwa 80% der Befragten geben an, dass sie, ausgehend von ihrem jetzigen Gesundheitszustand, ihre derzeitige Arbeit auch in den nächsten zwei Jahren ausüben können. Fraglich ist dies nur für wenige MitarbeiterInnen, knapp 15% antworten auf diese Frage mit „nicht sicher“. Diese Fachkräfte stammen aus unterschiedlichen Altersgruppen und Beschäftigungsverhältnissen (Vollzeit/Teilzeit), sie arbeiten sowohl in Wohngruppen wie in ambulanten Diensten und auch die Dauer der Berufspraxis bei der Stiftung variiert. Es lässt sich somit kein Muster ausmachen. Das zeigen auch die unterschiedlichen Bedarfe dieser Fachkräfte mit Blick auf die mögliche Leistungsfähigkeit in zwei Jahren. Hier werden sowohl Aspekte der Arbeitsmenge (weniger Fallzahlen; nicht noch mehr Arbeit) als auch arbeitsorganisatorische Belange (Ausfälle intern auffangen, flexibleres Arbeiten für Eltern; stabiles Team) wie auch Wünsche nach einem Wechsel des Arbeitsfeldes, nach mehr Fortbildung oder nach Wertschätzung und Aufmerksamkeit genannt. Nur für jeweils eine Fachkraft der Befragungen aus 2015 und 2016 ist die Ausübung der derzeitigen Tätigkeit in zwei Jahren „unwahrscheinlich“. Im Rahmen der Betrachtung psychischer Leistungsreserven wurden auch die Wahrnehmungen von Freude, Engagement und Zuversicht (in der letzten Zeit) abgefragt. Bei allen drei Werten liegen die Anteile der Mit-

118

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

arbeiterInnen, die sich so häufig oder eher häufig bei der Arbeit erleben, im Bereich von 2/3 bis 4/5. Eher selten empfinden dies jeweils null bis zwölf Prozent. Alle drei Werte steigen 2017 im Vergleich zu 2015 leicht an, nachdem sie in 2016 zunächst etwas rückläufig waren. Freude erleben 82% (2017) statt 78% (2015) häufig oder sehr häufig, Engagement 89% statt 82% und Zuversicht 71% statt 69%. Gefragt nach ihrer Arbeitszufriedenheit auf einer Skala von eins bis zehn (zehn als Wert der höchsten Zufriedenheit) liegen die durchschnittlichen Werte im Bereich zwischen 6,6 und 7,3. Der Wert von 7,3 im Jahr 2017 stellt den höchsten Wert im Verlauf dar. Der Wert eins kommt gar nicht, die Werte zwei oder drei kommen in jeweils zwei bis fünf Prozent der Antworten vor. Die Höchstwerte neun und zehn werden in Anteilen zwischen drei und 17% angegeben. Bei der Frage danach, was es benötigt, die Arbeitszufriedenheit um einen Punkt zu steigern nennen die Teilnehmenden 2017 insbesondere Themen der Arbeitszeitgestaltung (etwa den Wunsch nicht kurzfristig für unbesetzte Dienste einspringen zu müssen), der Personalführung (z. B. das Wahrnehmen von Belastungen) und der Personalstruktur (z. B. der Wunsch nach Aushilfen). In 2015 und 2016 wurden hier zudem Aspekte auf der Teamebene (z.B. die Verlässlichkeit des Teams) und der Arbeitsinhalte (etwa der Wunsch nach weniger Verwaltungsaufgaben) aufgeführt. Gefragt nach den beiden aus ihrer Sicht größten Belastungsfaktoren ihrer derzeitigen Tätigkeit werden 2017 (wie in den beiden Vorjahren) vor allem Aspekte der Arbeitszeit (z. B. die Wahrnehmung von Zeitmangel) genannt. Auch Aspekte auf der Teamebene (z. B. psychische Belastungen) spielen in allen drei Befragungen (vor allem aber 2015) eine größere Rolle. Als belastend werden ferner Störungen, wie Unterbrechungen, kurzfristige zusätzliche Arbeiten und Unruhe genannt.

5.6 Auswertung

119

Die größte Ressource aus dem Arbeitskontext stellt für die Befragten die Teamebene dar. Explizit genannt werden insbesondere die Möglichkeiten zum Austausch und zur Reflexion. 38 bis 42 Nennungen entfielen auf diese Ressource. Es folgen persönliche Merkmale wie Humor und die eigene Fachlichkeit mit zehn bis 16 Nennungen und die Leitungsebene (fünf bis 13 Nennungen) und Rahmenbedingungen (der eigene Handlungsspielraum) mit acht bis zwölf Nennungen. Als wichtigste Ressourcen aus dem privaten Umfeld werden Familie und Partnerschaft mit 38 bis 41 Nennungen, gefolgt von Freunden (15 - 22 Nennungen) und Hobbies/Sport mit 13 - 28 Nennungen genannt. Unbedingt erhalten bleiben sollten vor allem Aspekte der Teamebene (z. B. wertschätzender Umgang und Zusammenhalt) mit 20 bis 28 Nennungen. Ebenso Aspekte der Arbeitsstruktur (z.B. Handlungsspielraum und freie Tages- und Dienstplangestaltung) mit fünf bis 21 Nennungen. Veränderungsbedarfe werden vor allem bei Rahmenbedingungen (z. B. Wunsch nach mehr Zeit für die Kinder und nach mehr Aushilfen und Personal) mit 22 - 29 Nennungen gesehen. Es folgen die schon angesprochenen Themen der Arbeitszeitplanung mit zwei bis 18 Nennungen und die ebenfalls bereits erwähnte Teamebene, die in den Jahren 2015 und 2016 13 bzw. 16 Nennungen erfährt, in 2016 aber nun noch einmal aufgeführt wird. Abschließend wurde auch die Nutzung und Bewertung der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung erfragt. 2015 fanden nach Angabe der Stiftung Ev. Jugendhilfe 26 Beratungen (Beratungstermine) statt. 14 MitarbeiterInnen machten dazu und zu den von ihren genutzten 21 Beratungen/Beratungsgesprächen Angaben. 2016 waren es 21 Beratungen, Angaben dazu machten 7 MitarbeiterInnen (14 Beratungen). Über beide Jahre hinweg nutzen die MitarbeiterInnen (N=21) diese Beratung achtmal einmalig, fünfmal zweimalig und sechsmal fanden drei Beratungsgespräche statt. Die Anlässe entstammen zu 3/4 einem beruflichen und zu 1/4

120

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

einem privaten Kontext. Alle Befragten (N=19) würden die Beratung wieder nutzen. Grafik 12: Beratungskontexte

Kontexte der Beratung 25%

Beruflicher Kontext Privater Kontext

75%

2/3 der NutzerInnen bewertet die Beratung mit sehr gut, 1/3 mit gut. Angesichts des gewählten Untersuchungsdesigns und des Erhalts von Anonymität und Niedrigschwelligkeit auch mit Blick auf die Evaluation muss jedoch offen bleiben, was innerhalb der neuen Beratung geschah und welche Faktoren hier zu den guten Bewertungen führten. Wollte man dies aufklären, so würden vertiefende Interviews mit NutzerInnen wie mit den BeraterInnen und teilnehmende Beobachtungen in Frage kommen. Solche Erhebungen zögen jedoch ethische Probleme nach sich und waren von der Stiftung auch nicht gewollt.

5.6 Auswertung

121

Grafik 13: Bewertung der Beratung

Bewertung der Beratung

33% sehr gut

gut 66%

Gefragt danach, ob sich die Problemstellung durch die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung verbessert hat gaben 1/4 eine sehr starke Verbesserung, 1/3 eine starke Verbesserung und 1/4 eine teilweise Verbesserung an.

122

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

Grafik 14: Bewertung des Nutzens der Beratung

Bewertung des Nutzens der Beratung 11% 25%

sehr starke Verbesserung starke Verbesserung

25%

teilweise Verbesserung etwas verbessert 33%

Keine Beratung blieb nach Angaben der MitarbeiterInnen ohne irgendeine Verbesserung. Kommentare, die mehrfach ausgeführt werden (7 Nennungen), sind dementsprechend positiv und regen eine Fortführung dieses Angebotes an. 5.7 Fazit Auf einen Blick Die Bewertung der Arbeitsbedingungen der befragten MitarbeiterInnen der Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden fällt, insgesamt betrachtet, sehr positiv aus. Angebote, Handlungsspielraum und Ressourcen werden durchgängig mit 60% - 80% im Bereich der beiden höchsten Ausprägungen bewertet. Durchaus werden Belastungen und Veränderungsbedarfe deutlich, offensichtlich bestehen aber ein konzeptionell-struktureller Rahmen und eine Organisationskultur, die eine grundsätzliche Sensibili-

5.7 Fazit

123

tät für die Belastungen dieses Arbeitsfeldes ermöglichen, als auch die Bereitschaft zur Realisierung von entlastenden Angeboten erkennen lassen. So zeigen die Daten zur Bewertung bisheriger Angebote, dass diese in hohem Maße als positiv und sehr positiv eingeschätzt werden. Bereits vor Beginn der barrierefreien Beratung waren somit umfangreiche Entlastungsangebote vorhanden. Dies bestätigten auch die Gespräche zur Planung und Zwischenauswertung mit den Gremien der Stiftung. Dabei kommen klassisch beratungsaffine Konzepte, wie Supervision und kollegiale Beratung, genauso vor wie spezifische Ansätze, etwa zum Handeln in Gewaltsituation oder eher soziokulturell ausgerichtete Angebote wie z. B. Mitarbeiterfeste. Im Zeitraum der Evaluation sind solche Elemente noch hinzugekommen, etwa spezielle Feedbackprozesse und die Etablierung eines Lösungsdialogs. Mit letztgenanntem sollen trotz Lösungsbestrebungen verbleibende Belastungen und Grenzen durch MitarbeiterInnenvertretung und Vorstand mittels einer einzureichenden „gelben Karte“ aufgegriffen werden. Wie in anderen dargestellten Studien wird die Arbeit in den HzE bei diesem Träger als komplex und verantwortungsvoll wahrgenommen. Ein hohes Maß an Stressregulation erscheint erforderlich. Zeitdruck, Verschiebungen von oder nicht realisierte Pausen und emotionale Belastungen durch die Arbeit werden wie in anderen HzE-Studien auch als Belastungsfaktoren gekennzeichnet. Anders als in den Studien zum ASD nehmen die befragten MitarbeiterInnen jedoch in hohem Maße wahr, dass ihre Arbeit gesellschaftlich anerkannt wird. Die in einigen allgemeinen Studien zu Arbeitsbelastungen wie in HzEStudien ausgewiesene Belastungen durch Sonn- und Feiertagsarbeit werden in Menden nicht thematisiert, sehr wohl aber Belastungen durch Unterbrechungen der Arbeitstätigkeit, vor allem aber durch kurzfristige Änderungen der Arbeitszeiten. Diese, wie auch die Belastungen etwa durch

124

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

Personalwechsel und Krankheitssituationen, werden dem entsprechend auch als Veränderungsbedarf benannt und mit Hinweisen auf verbindliche Arbeitszeiten, rasche Stellenbesetzungen und dem Wunsch nach Aushilfen versehen. Diesbezüglich entwickelt der Träger derzeit ein Modell zur dienstvertraglichen Regelung einer zusätzlichen Vergütung von kurzfristigeren Vertretungsdiensten. Als größte Ressource aus dem Arbeitskontext kennzeichnen die Befragten die Teamebene. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf Möglichkeiten zum Austausch und zur Reflexion verwiesen. Die wichtigsten Ressourcen aus dem privaten Umfeld sind für die Befragten Familie und Partnerschaft gefolgt von Freunden und Hobbies/Sport. Mit Blick auf die Ergebnisse zur barrierefreien MitarbeiterInnenberatung zeigt sich, dass diese in erster Linie eine Ergänzung bzw. Erweiterung bereits bestehender Entlastungsangebote darstellt. Die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung stellt jedoch keine beliebige Erweiterung dar. Sie ist eingebettet in ein „fruchtbares Klima“, denn die Erwartungen mit Blick auf die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung waren von Anfang an positiv ausgeprägt. Interpretiert wird dies seitens der Stiftung durch den gemeinsamen Entwicklungsprozess mit den MitarbeiterInnen und der MitarbeiterInnenvertretung. Die Einschätzung dieser als „sehr hilfreich“ oder „hilfreich“ stieg im Laufe der drei Befragungen erkennbar an. Die Anlässe zur Nutzung dieser Beratung entstammen zu 3/4 einem beruflichen und zu 1/4 einem privaten Kontext. Die mit dem Konzept verbundene Idee, auch Belastungen aus privaten Zusammenhängen aufgreifen zu können, wurde damit eingelöst. Alle befragten Nutzerinnen und Nutzer der Beratung würden diese wieder nutzen. 2/3 der NutzerInnen bewertet die Beratung mit sehr gut, 1/3 mit gut. Gefragt danach, ob sich die Problemstellung durch die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung verbessert hat, gaben 1/4 eine sehr starke Verbesserung, 1/3 eine starke Verbesserung und 1/4 eine teilweise Verbesserung an. Keine Beratung

5.7 Fazit

125

blieb nach Angaben der MitarbeiterInnen ohne irgendeine Verbesserung. Diesbezügliche Kommentare sind dementsprechend positiv und regen eine Fortführung an. Das Angebot kann damit als bewährt gelten und eine Weiterführung erscheint aus Sicht der Evaluation erfolgversprechend. Ein ausführliches Fazit Die befragten MitarbeiterInnen der Stiftung ev. Jugendhilfe Menden bewerten ihre Arbeitsbedingungen insgesamt sehr positiv. Konkret lässt sich dies mit Blick auf den Handlungsspielraum, wie auch die Rückmeldungen zu den eigenen Tätigkeiten, zu allen drei Zeitpunkten der Erhebung und mit Werten von 60%- 80% im Bereich der beiden höchsten Ausprägungen aufzeigen. Als positive Bewertungen begründen lassen sich diese Ausprägungen hinsichtlich des Pareto-Optimums. Das nach dem italienischen Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen Vilfredo Pareto benannte Prinzip verweist – vereinfacht gesagt – darauf, dass es einen theoretischen Zustand gibt, bei dem eine weitere Steigerung einer Ziel-Eigenschaft nicht möglich ist, ohne eine andere zu verschlechtern (vgl. Gablers Wirtschaftslexikon 2019). Übertragen würde dies z. B. bedeuten, dass der Versuch einer Steigerung eines hohen Wertes etwa mit Blick auf den Handlungsspielraum für manche Fachkräfte tatsächlich mit einer höheren Bewertung verbunden wäre, für andere jedoch mit Beliebigkeit oder fehlender Orientierung einher gehen und eben keine verbesserten Bewertungen nach sich ziehen würde. Ausgeprägt scheinen bei der Ev. Jugendhilfe Menden ferner die Lernund Entwicklungsmöglichkeiten der MitarbeiterInnen zu sein. Darüber hinaus werden alles in allem auch soziale Aspekte wie das Arbeitsklima, die Verlässlichkeit von KollegInnen und Vorgesetzen gut bewertet. Auf den Wert solcher Aspekte hinsichtlich der langfristigen Bindung von MitarbeiterInnen verweisen auch Theile (2018, S. 613) und die Beiträge des von Hagen & Meiß herausgegeben Bandes „Personalauswahl, Personalgewinnung und Personalbindung (EREV 2019). Hier zeigt sich zudem

126

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

ein Effekt, der unter 4.1 im Job-Demand-Control Modell bzw. im JobDemand-Control-Support-Modell dargestellt wurde: Der Handlungs- und Entscheidungsspielraum wie die soziale Unterstützung müssen den Arbeitsanforderungen entsprechen, soll es nicht zu Fehlbeanspruchungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen. Dementsprechend wird der Handlungsspielraum von den Befragten sowohl bei den Ressourcen im beruflichen Kontext wie auch bei den Aspekten, die unbedingt erhalten bleiben sollten, aufgeführt. Sowohl die theoretischen wie auch die empirischen Zugänge in Kapitel 4 zeigen die hohe Bedeutung der Teamebene im Sozial- und Erziehungsdienst auf. Diese erfüllt nicht nur soziale Funktionen, sondern ist als Reflexions- und Regulationsmedium im Kontext der mangelnden Standardisierbarkeit und Ergebnisoffenheit personenbezogener Dienstleistungen zu betrachten. Die Teamebene erweist sich ebenfalls als Ressource für die MitarbeiterInnen der Stiftung Ev. Jugendhilfe. Wie unter 4.2 etwa bei Poulsen (2012; 2014) aufgeführt, ist das fachliche und soziale Geschehen auf der Teamebene aber nicht per se ein Entlastungsfaktor, sondern kann – je nach Ausprägung – auch belastend wahrgenommen werden. Entsprechende Verbesserungsbedarfe werden hier zu Beginn der Erhebung deutlich, in der abschließenden Erhebung spielen diese keine erkennbare Rolle mehr. Hier haben den Angaben und Interpretationen der Stiftung nach auch entsprechende Entwicklungen wie die Einführung von systematischen und kontinuierlichen Feedbackprozessen und die Etablierung eines Lösungsdialogs von Fachkräften, Geschäftsführung und MitarbeiterInnenvertretung zur frühzeitigen Anzeige von Belastungen und Grenzen stattgefunden. Verbunden damit zeigt sich auch der Wunsch der MitarbeiterInnen, Aspekte der Teamebene (genannt werden etwa wertschätzender Umgang, ein „offenes Ohr“, Zusammenhalt, Vertrauen und Verständnis, Wohlfühlen) unbedingt zu erhalten. Ebenfalls als hoch, aber ggf. mit Blick auf die unterschiedlichen Rollen auf einem etwas geringeren Niveau, zeigt sich die Bewertung der Unterstützung durch Vorgesetz-

5.7 Fazit

127

te. Wie bei den Studien von Klomann (2012) und Mohr (2017) ausgeführt, kommt der Identifikation mit der Organisation/den Zielen der Organisation bzw. mit dem Arbeitsfeld eine erwiesene Bedeutung mit Blick auf die Arbeitszufriedenheit, wie auch hinsichtlich von gesundheitlichen Auswirkungen von Belastungen zu. Diesbezüglich zeigt die hier vorgelegte Evaluation, dass die Identifikation der MitarbeiterInnen mit der Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden als hoch bewertet werden kann. Anders als in den Studien zum ASD nehmen die befragten MitarbeiterInnen in hohem Maße wahr, dass ihre Arbeit gesellschaftlich anerkannt wird. Damit unterliegen sie dem bei Sigrist in Kapitel 4.1 aufgegriffenen Risiko einer Gratifikationskrise durch mangelnde (öffentliche) Anerkennung offenbar nicht oder weit weniger als dies in den ASD-Studien in Kapitel 4.3 deutlich wird. Ob dies mit einer grundsätzlich unterschiedlichen Wahrnehmung der Betrachtung von HzE-Trägern und ASD im Zusammenhang steht, oder ob sich hier Spezifika der Stiftung Ev. Jugendhilfe und ihres Umfeldes zeigen, muss freilich offen bleiben. Auch die Qualitätsstandards der eigenen Arbeit werden von den MitarbeiterInnen prinzipiell als sinnvoll erlebt. Ein erkennbarer Belastungsfaktor, wie bei den Dokumentationsstandards z. T. in den ASD-Studien ersichtlich, ist hier nicht auszumachen. Hinweise finden sich jedoch zu den teilweise als zu umfangreich erlebten Organisations- und Verwaltungsaufgaben. Positiv schätzen die MitarbeiterInnen die Möglichkeiten ein, ihr eigenes Können und Wissen im Rahmen ihrer Arbeit voll einsetzen zu können. Belastungen durch Unterforderungen, eine zu große Fragmentierung von Arbeitsprozessen oder Gefährdungen durch ein Bore-out-Syndrom zeigen sich somit nicht. Sowohl im Job-Demands-Resources Modell als auch im Konzept der Organisationsgerechtigkeit und bei den Kernmerkmalen einer professio-

128

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

nellen Organisation (Mohr 2017) spielt die Beteiligung von MitarbeiterInnen an Entscheidungsprozessen der Organisation eine große Rolle. Diese wird als Ressource betrachtet. Etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Befragten sehen sich, nach den hier vorliegenden Daten, im Rahmen der beiden höchsten Kategorien beteiligt bzw. ihre Ideen berücksichtigt. Auf die Antwortmöglichkeit „teils/teils“ entfallen hier 20% - gut 30%. Diese Quoten entsprechen in etwa den Daten der Studie von Mohr in der nach kollegialen, konkret nach demokratischen, Entscheidungsfindungen gefragt wird. Knapp 70% der Befragten geben dort „trifft eher zu oder trifft voll zu“ an. Mohr verwendet jedoch eine 4er-Skala ohne einen mittleren Wert „teils/teils“. Die Analyse der Belastungen zeigt die fachlichen und psychischen Belastungen im Erleben der MitarbeiterInnen auf. Wie in den in Kapitel 4.3 dargestellten Studien wird hier die Arbeit in den HzE als komplex und verantwortungsvoll wahrgenommen. Ein hohes Maß an Stressregulation erscheint erforderlich. Wie in zahlreichen anderen Studien auch dargelegt, kennzeichnen Zeitdruck, verschobene oder nicht realisierte Pausen und emotionale Belastungen die Arbeit der MitarbeiterInnen. Dass das Pausenverhalten zugleich Selbstmanagement- und Führungsaufgabe, wie auch Aspekt der Organisationsentwicklung ist, darauf verweist Körner (2018, S. 625). Die ausgeführten Belastungen gelten nicht für alle MitarbeiterInnen gleichermaßen. Etwa ein Drittel der Befragten ist von diesen Belastungen nur teilweise oder selten betroffen. Gleiches gilt für die Wahrnehmung einer Zunahme der Arbeitsmenge und damit für die Arbeitsverdichtung in den letzten Jahren. Der Blick in die Grunddaten dieser MitarbeiterInnen zeigt, dass diese etwas häufiger in Beschäftigungsverhältnissen in Teilzeit arbeiten und etwas häufiger zur Altersgruppe der 51- bis 60-Jährigen angehören. Die Verteilung hinsichtlich der Tätigkeitsfelder (Wohngruppe, ambulante Hilfen etc.) entspricht den Teilnahmequoten dieser Gruppen, hier sind keine Auffälligkeiten festzustellen. Damit zeigen sich hier zwar einige (kleine) Hinweise dahingehend, dass

5.7 Fazit

129

Teilzeitbeschäftigungen und ein höheres Lebensalter bei einigen Fachkräften zu weniger Druck- und Belastungsempfinden führen. Weitere Interpretationen oder Strategien sollen aus Sicht der Stiftung daraus aber nicht abgeleitet werden, da Beschäftigungsverhältnisse in Teilzeit nicht per se als vorteilhaft angesehen werden, und eine angemessene Mischung der Lebensalter der Fachkräfte als förderlich betrachtet wird. Weitere Analysen lassen die diesbezügliche Verteilung der Angaben und die kleinen Grundgesamtheiten in einzelnen Gruppen nicht zu, damit bleibt offen, für welche Dienste und MitarbeiterInnen dies gilt und aus welchen Gründen sich an dieser Stelle ein geringeres Belastungserleben zeigt. Zeitdruck wird dagegen relativ einheitlich als Belastungsfaktor wahrgenommen. Die in den allgemeinen wie in den HzE-Studien ausgewiesenen Belastungen durch Sonn- und Feiertagsarbeit werden nicht thematisiert, sehr wohl aber Belastungen durch Unterbrechungen der Arbeitstätigkeit, vor allem aber durch kurzfristige Änderungen der Arbeitszeiten. Diese, wie auch die Belastungen etwa durch Personalwechsel und Krankheitssituationen, werden dem entsprechend auch als Veränderungsbedarf benannt und mit Hinweisen auf verbindliche Arbeitszeiten, rasche Stellenbesetzungen und dem Wunsch nach Aushilfen versehen. Diesbezüglich entwickelt der Träger derzeit ein Modell zur dienstvertraglichen Regelung einer zusätzlichen Vergütung von kurzfristigeren Vertretungsdiensten. Das Empfinden von Hilflosigkeit und Ohnmacht erscheint bei der Stiftung Ev. Jugendhilfe Menden nur gering ausgeprägt zu sein. Solche Belastungsspitzen werden nur von wenigen MitarbeiterInnen häufiger erlebt. Anders als z. B. in der Studie von Steinlin et al. zeigt sich hier damit kein solcher Belastungsfaktor. Blickt man auf die diesbezügliche Sensibilität des Trägers mit dem Anspruch, auch seinen MitarbeiterInnen einen „sicheren Ort“ zu schaffen und die entsprechenden Beratungs- bzw. Wei-

130

5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

terbildungsangebote bereit zu stellen, so zeigen sich hier Hinweise auf einen Puffer-Effekt (vgl. Job-Demands-Resources Modell in Kapitel 4.1). Die Analyse der Antworten zur Frage nach den größten Belastungsfaktoren zeigt zusammenfassend noch einmal, dass Aspekte der Arbeitszeit wie etwa Zeitmangel, ungeplante Dienste, fehlende Vertretungen, wenig Pausen und Überstunden hier am häufigsten auszumachen sind. Auch Aspekte der Teamebene z. B. psychische Belastungen oder Krankenstände spielten in den Befragungen, vornehmlich im Jahr 2015, eine größere Rolle. Als belastend werden ferner Störungen wie Unterbrechungen, kurzfristige zusätzliche Arbeiten und Unruhe genannt. Die größte Ressource aus dem Arbeitskontext stellt für die Befragten die Teamebene dar. Am häufigsten genannt werden insbesondere die Möglichkeiten zum Austausch und zur Reflexion. Es folgen persönliche Merkmale wie Humor und die eigene Fachlichkeit, Aspekte der Leitungsebene und Rahmenbedingungen (der eigene Handlungsspielraum). Als wichtigste Ressourcen aus dem privaten Umfeld werden Familie und Partnerschaft gefolgt von Freunden und Hobbies/Sport genannt. Diese zu pflegen ist in erster Linie Aufgabe der Fachkräfte. Bei der Stiftung ev. Jugendhilfe Menden finden diese jedoch Anknüpfungspunkte etwa bei einem Lauftreff oder einem Familientag. Die Analysen zeigen ferner einige Veränderungen bei den Angaben während der drei Erhebungen auf. Aufgrund der nicht eingesetzten Codierung und damit Individualisierung der Fragebögen kann hier zwar nicht von nachweisbaren Entwicklungen ausgegangen werden, jedoch zeigen sich an dieser Stelle weitere Interpretationsanlässe. Wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, so lassen sich im Verlauf der Erhebung Verbesserungen bei folgenden Kriterien anführen: Mitarbeitergespräche, Einschätzung des Einsatzes des eigenen Könnens und Wissens, Teamebene, Verlässlichkeit von KollegInnen, gesellschaftliche Anerkennung, allgemeine Leistungs-

5.7 Fazit

131

fähigkeit, psychische Leistungsfähigkeit, Wahrnehmung von Freude, Engagement und Zuversicht sowie Arbeitszufriedenheit. Zugenommen haben hingegen die Wahrnehmung der Arbeitsmenge und damit eine Arbeitsverdichtung in den letzten Jahren, das Empfinden von Zeitdruck und der Belastungen durch kurzfristige Änderungen der Arbeitszeiten wie durch Personalwechsel und Krankheitssituationen. Abschließend soll an dieser Stelle noch einmal bilanziert werden, welche Rolle die neu eingeführte barrierefreie MitarbeiterInnenberatung im Kontext der insgesamt als positiv bewerteten Arbeitsbedingungen, wie auch der deutlich werdenden Belastungsfaktoren, spielt bzw. spielen kann. Die barrierefreie Beratung Blickt man zusammenfassend auf die Ergebnisse zur barrierefreien MitarbeiterInnenberatung, so stellt diese in erster Linie eine Ergänzung bzw. Erweiterung bereits bestehender Entlastungsangebote dar. Solch psychologische, soziale oder organisationale Ressourcen werden insbesondere im Job-Demands-Resources Modell (vgl. 4.1) im Zusammenhang mit dem Erreichen von arbeitsbezogenen Zielen, mit der Minimierung von Arbeitsbelastungen und mit persönlicher Entwicklung und der Stimulation von Lernprozessen im Zusammenhang gesehen. Die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung stellt jedoch keine beliebige Erweiterung dar. Sie trifft auf ein „fruchtbares Klima“, denn die Erwartungen mit Blick auf die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung waren von Anfang an positiv ausgeprägt. Interpretiert wird dies seitens der Stiftung durch den gemeinsamen Entwicklungsprozess mit den MitarbeiterInnen und der MitarbeiterInnenvertretung. Die Einschätzung dieser als „sehr hilfreich“ oder „hilfreich“ stieg im Laufe der drei Befragungen von zunächst 76% über 78% auf 89% zudem erkennbar an. Die Anlässe zur Nutzung dieser Beratung entstammen zu 3/4 einem beruflichen und zu 1/4 einem privaten Kontext. Die mit dem Konzept verbundene Idee, auch Belastungen aus privaten Zusammenhängen aufgrei-

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5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

fen zu können, wurde damit eingelöst. Alle befragten Nutzerinnen und Nutzer der Beratung (N=19) würden diese wieder nutzen. 2/3 der NutzerInnen bewertet die Beratung mit sehr gut, 1/3 mit gut. Gefragt danach, ob sich die Problemstellung durch die barrierefreie MitarbeiterInnenberatung verbessert hat, gaben 1/4 eine sehr starke Verbesserung, 1/3 eine starke Verbesserung und 1/4 eine teilweise Verbesserung an. Keine Beratung blieb nach Angaben der MitarbeiterInnen ohne irgendeine Verbesserung. Kommentare, die mehrfach ausgeführt werden, sind dementsprechend positiv und regen eine Fortführung dieses Angebotes an. Das Angebot kann damit als bewährt gelten und eine Weiterführung erscheint aus Sicht der Evaluation erfolgversprechend. Die Stiftung kam zu dem Schluss, das Angebot über den Erprobungszeitraum weiter führen zu wollen, auch da das Verhältnis von Aufwand und Ertrag als gut bzw. lohnenswert eingeschätzt wird. Einflüsse der barrierefreien Beratung auf die Arbeitszufriedenheit sowie die Gesundheit und das Wohlbefinden der MitarbeiterInnen insgesamt lassen sich weder kausal noch im Sinne von statistisch berechenbaren Einflussgrößen bestimmen. Dazu reichen die Fallzahlen in den einzelnen Skalen nicht aus. Die positiven Bewertungen der Fachkräfte lassen sich jedoch als Element der Arbeitszufriedenheit interpretieren. Für die NutzerInnen der Beratung erfüllte diese zudem ihren Zweck, d. h. sie konnten (in unterschiedlichen Ausprägungen) eine Verbesserung der als problematisch erlebten Situation wahrnehmen. Auch die hohe und nochmals gestiegene Erwartungshaltung mit Blick auf die hilfreichen Potentiale der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung lassen sich als (möglicher) Einflussfaktor auf Gesundheit und Wohlbefinden interpretieren. So haben Ergebnisse der Therapieforschung gezeigt, dass die Erwartungshaltung einen Wirkfaktor mit Blick auf den Therapieerfolg darstellt, (vgl. z. B. Lambert 1992; Lambert & Barley, 2001). In diesem Kontext lässt sich auch auf die Funktion der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung als Arbeitsressource verweisen. Im Rahmen der Erörterung des

5.8 Einschränkungen

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Job-Demands-Resources Modell in Kapitel 4.1 zeigte sich, dass Arbeitsressourcen positive motivationale und daran anschließend organisationale Folgen zugeschrieben werden. 5.8 Einschränkungen Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass eine solche einrichtungsspezifische Evaluation nicht repräsentativ für die Hilfen zur Erziehung sein kann. Sie ist es allenfalls für diesen Träger und wenn man akzeptiert, dass die Struktur der an der Befragung Teilnehmenden bei allen drei Befragungen im Wesentlichen der Personalstruktur entsprach und jeweils Teilnahmequoten von über 50% erzielt wurden. Auf kleinere Abweichungen mit Blick auf die Personalstruktur der Stiftung wurde unter 5.5 bereits hingewiesen. Solche zeigen sich beim etwas höheren Anteil der Befragten mit Vollzeitstellen, aus pädagogischen Diensten sowie bei der Beteiligung von MitarbeiterInnen mit einer Berufspraxis zwischen elf und 20 Jahren. Etwas unterrepräsentiert sind hingegen Befragte, die eine Berufspraxis von null bis fünf Jahren aufweisen und Verwaltungsangestellte und sonstige Dienste. Die Stiftung ev. Jugendhilfe Menden zeichnet sich durch einige Spezifika wie etwa die Zugehörigkeit zum diakonischen Spektrum, durch die Organisationsform einer Stiftung und durch konzeptionelle und kulturelle Eigenschaften wie eine stark traumaorientierte Prägung und ein breites Ressourcenspektrum aus. Vergleiche mit anderen Einrichtungen können und sollen hier nicht angestellt werden. Wollte man dies tun, so müssten nicht nur gleiche Instrumente zum Einsatz kommen sondern (u. a.) solche Spezifika als relevante Kontextfaktoren entsprechend Berücksichtigung finden.

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5. Die Evaluation der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung

Die Auswertung erfolgte ausschließlich deskriptiv. Für Korrelations- und Regressionsanalysen reichen die Fallzahlen in den hier erhobenen Skalen nicht aus. Beziehungen und die qualitative Beschreibung von Zusammenhängen von Variablen können damit nicht aufgezeigt werden. Nicht ausgeschlossen werden können zudem Verzerrungseffekte hinsichtlich von Einschätzungen zur eigenen Kompetenz und Handlungs- und Leistungsfähigkeit. Auf das Phänomen solcher selbstwertdienlicher Verzerrungen, die die Tendenz haben, eigenes Können zu überschätzen und die der der Aufrechterhaltung eines positiven Selbstbildes dienen, wurde in der Diskussion der Studie von Mohr in Kapitel 4.4 bereits eingegangen. Ob die hier im Befragungszeitraum ersichtliche Verbesserungen der Einschätzung, etwa der psychischen Leistungsfähigkeit, der Wahrnehmung von Freude, Engagement und Zuversicht sowie der Arbeitszufriedenheit im einem Zusammenhang mit der barrierefreien MitarbeiterInnenberatung stehen, muss offenbleiben. Gleiches gilt für mögliche Überlagerungen von positiven Einflüssen dieser Beratung durch die ebenfalls erkennbaren Zunahmen etwa beim Empfinden von Zeitdruck und der Belastungen durch kurzfristige Änderungen der Arbeitszeiten.

6. Ausblick Die vorgelegten Studien und die Analysen zur Stiftung ev. Jugendhilfe Menden machen Belastungsfaktoren der HzE auf mehreren Ebenen deutlich. Manche, wie etwa die Komplexität und Verantwortung der Tätigkeiten in den HzE, stehen im Zusammenhang mit den Charakteristika personenbezogener Dienstleistungen. Dazu zählt beispielsweise die Ergebnisoffenheit sozialpädagogischen Handelns. Solche Spezifika lassen sich nicht prinzipiell verändern. Damit verbundenen Belastungen kann jedoch durch strukturell und konzeptionell entlastende Faktoren wie etwa einer ausreichenden Handlungsfreiheit und durch verbindliche (kollegiale) Beratungsmöglichkeiten begegnet werden. Darüber hinaus zeigen sich Belastungen, die mit strukturellen Aspekten, wie etwa Personalmangel oder Vertretungssituationen, in Zusammenhang stehen. Hier bedarf es zum einen auskömmlicher personeller Ressourcen und zum anderen entsprechender Personalkonzepte, die insbesondere verbindliche Dienstzeiten ermöglichen und dauerhafte Belastungsspitzen verhindern. Überträgt man Erkenntnisse zum Personalmanagement des ASD so lässt sich an dieser Stelle insbesondere auf eine regelmäßige Personal- und Fallbemessung und ein rasches Stellenbesetzungsmanagement hinweisen (Khalaf 2012, Pamme/Merchel 2014, Merchel 2015). Darüber hinaus ist für die HzE auch an Springerdienste und flexible Aushilfen zu denken. Zu beachten ist bei letztgenannten jedoch die Bedeutung personeller Kontinuität in den HzE (s. z. B. Gabriel/Keller/Studer 2007; Freigang 2009). Ressourcen spielen auch eine Rolle hinsichtlich von Belastungen, die sich auf der Ebene von Arbeitsprozessen zeigen. In den Blick geraten hier u. a. Dokumentationsaufgaben und der in nahezu allen Studien thematisierte Zeitdruck und die oftmals wahrgenommene Arbeitsverdichtung. Begegnet werden kann solchen Belastungsfaktoren auf individueller wie konzeptioneller Ebene. Individuell geraten hier Beratungsmöglichkeiten (ex© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Nüsken, Erziehungshilfen als Beruf, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28496-1_6

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6. Ausblick

tern wie intern) und gesundheitsaffine Angebote, etwa zum Umgang mit Stresserleben oder zur Verteilung und Priorisierung von Arbeitsprozessen, in den Blick (vgl. Pamme 2014, S. 401 f.). Solche Ressourcen müssen jedoch konzeptionell gesichert werden und bedürfen der partizipativen Entwicklung wie das Beispiel aus Menden zeigt. In diesem Kontext auftretende Belastungsspitzen kann zudem durch Überprüfung und ggf. zeitweilige Anpassung der notwendigen Arbeitsumfänge und Verwaltungstätigkeiten begegnet werden. Darüber hinaus bedarf es aber inhaltlicher Orientierungen, die den Fachkräften Unterstützung bieten durch eine Strukturierung von Arbeitsaufgaben wie durch ein lebendiges und dynamisches Bild davon, wie „gelingende Arbeit“ und eine „gute Organisation“ von HzE aussehen soll (vgl. Merchel, 2015, S. 23). Die hier abschließend skizzierten Belastungsebenen wie deren Begegnungsmöglichkeiten sind stets als eingebettet in die jeweilige Organisationskultur zu betrachten. Als grundsätzlich förderlich lässt sich an dieser Stelle eine entsprechende Sensibilität für die Belastungen in den HzE ausmachen (vgl. ebd. S. 23 f.) und die Bereitschaft, diesen frühzeitig und offensiv zu begegnen. Dies betrifft die Fachkräfte und ihre Bereitschaft, sich mit Belastungsfaktoren auseinanderzusetzen und Entlastungsangebote einzufordern und anzunehmen. Insbesondere gefragt sind jedoch Führungskräfte, in ihrem Umgang mit (den spezifischen) eigenen wie mit den Belastungsfaktoren von MitarbeiterInnen und der Gestaltung von Ressourcen und Entlastungselementen. Eine solche belastungssensible Kultur und die Bereitschaft und Fähigkeit Entlastungsfaktoren zu entwickeln und vorzuhalten, lässt sich nicht verordnen. Sehr wohl aber besteht die zentrale Aufgabe eines fachlich fundierten Managements personenbezogener sozialer Dienstleistungen in allererster Linie darin, geeignete Rahmenbedingungen für die professionelle sozialpädagogische Praxis zu schaffen und zu gestalten (vgl. Mohr/Ziegler, 2012, S. 31). Zu diesen Rahmenbedingungen zählen auch die Bewertung von (psychosozialen) Belastungen und Initiativen für ausreichende Entlastungselemente (vgl. §

6. Ausblick

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5 ArbSchG). In der konkreten Gestaltung einer Organisationskultur wirken im Alltag jedoch insbesondere eher „weiche“ Faktoren wie Vertrauen, Kommunikation und Aushandlung (vgl. Quilling u.a. 2013, S. 11). In den Blick geraten dabei soziale Mechanismen zur Koordination von Tätigkeiten in unterschiedlichen Gruppen sowie in Organisationen. Solche Mechanismen aber beruhen auf gemeinsamen Grundannahmen, Werten und Normen. Als wohl wichtigste Funktion einer Organisationskultur lässt sich in diesem Zusammenhang die Vermittlung von Sinn und Zweck der Organisation sowie der Arbeit in der Organisation anführen (vgl. Richter 2004, S. 34). Das Verhältnis einer institutions-, arbeitsplatz- wie individuumsbezogenen Belastungssensibilität zeigt eine Grafik von Hungerland (2016, S. 408), die diese als Gesundheitsmanagement beschreibt und die Aufgaben von Organisation und Individuum systemischer, verhältnisorientierter und verhaltensorientierter Prävention zuweist. Grafik 15: Betriebliches Gesundheitsmanagement (Quelle Hungerland 2016, S. 408, eigene Darstellung)

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6. Ausblick

Deutlich wird hier zugleich, dass Maßnahmen der Arbeitsorganisationsgestaltung und Aufgabenbewältigung aus dem verhältnispräventiven Bereich unmittelbarer im Einflussbereich der Organisationen, hier der HzE, liegen. Die bereits aufgegriffen Hinweise zur stets einbettenden Funktion der Organisationskultur wie zur Selbstverantwortung der MitarbeiterInnen wie der Führungskräfte zeigen jedoch, dass ein betriebliches Gesundheitsmanagement alle drei Ebenen berücksichtigen muss. Abschließend machen die vorgelegten Analysen insgesamt auch deutlich, dass die Befundlage zu den Arbeitsbedingungen in den Hilfen zur Erziehung noch eher spärlich ist. Hier zeigt sich ein erheblicher Forschungsbedarf, darauf weisen Fuchs-Rechlin/Pothmann/Rauschenbach bereits 2011 hin. Umfassendere und längerfristige Studien gibt es nach wie vor kaum. Notwendige Erhebungen sollten dabei sowohl Effekte der Personalstruktur und der Beschäftigungsbedingungen wie auch der spezifischen Belastungskonfigurationen in bestimmten Strukturen und Leistungsfeldern der HzE aufgreifen. Gleiches gilt für notwendige Ressourcen und Entlastungsfaktoren. Für Be- wie Entlastungen stellt sich zudem die Frage nach der Reichweite der Auswirkungen auch mit Blick auf das Leistungsspektrum sowie die Qualität der Angebote (vgl. ebd.). Hinsichtlich der organisationalen Rahmungen gilt es ferner nach der Bedeutung von aktuell umfangreich publizierten Organisations- und Führungskonzepten zu fragen, die sich mit Begriffen „Reinventing Organizations“ (Laloux 2015) oder „Organisation für Komplexität“ (Pfläging 2014), „Holocracy“ (Robertson 2016) oder „Agilen Unternehmen“ (Nowotny 2018) allesamt mit neuen Organisationskonzepten beschäftigen, die sich insbesondere durch dezentrale, selbstorganisierte Teams, flache Hierarchien und eine Vertrauens- und Verantwortungskultur auszeichnen. Diesbezüglich gilt es entsprechende Entwicklungspotentiale für die HzE auszuloten und ebenso kritisch zu beleuchten, inwieweit solche „neue“ Organisationsprinzipien für (einige) Träger der HzE ggf. gar kein

6. Ausblick

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Novum darstellen, da entsprechende Prinzipien professionell und innovativ agierende HzE-Organisationen ohnehin oder zumindest in Teilen prägen. Gleichwohl gilt es nach den Herausforderungen und Grenzen traditioneller wie solcher „neuer“ Organisationsmodelle zu fragen. Angesichts der hohen Bedeutung von HzE für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen und auch mit Blick auf den sich abzeichnenden Fachkräftemangel (Theile 2018, van Santen 2018, Dittmann/Theile 2017) lohnt es sich, Arbeitsplätze und Arbeitsbedingung in den HzE so zu gestalten, dass Fachkräfte in der Lage sind, ihren Aufgaben gut nachzukommen, um dadurch Kindern und Jugendlichen gute Entwicklungsbedingungen zu ermöglichen. Dazu braucht es weitere und umfassendere Erkenntnisse als hier vorgelegt werden konnten und nicht zuletzt einen Diskurs zu den Arbeitsbedingungen in den HzE. Von möglichen Elementen eines solchen Diskurses zeugen die vorliegenden Ergebnisse.

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