Erläuterungen seiner Zusätze zu Stieglitz Schrift über den animalischen Magnetismus [Reprint 2019 ed.] 9783111502069, 9783111135724

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Erläuterungen seiner Zusätze zu Stieglitz Schrift über den animalischen Magnetismus [Reprint 2019 ed.]
 9783111502069, 9783111135724

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C.

w.

H u f e l a n d

Erläuterungen

seiner

Zusätze

211 S t i e g l i t z Schrift über

den

animalischen Magnetismus.

Berlin, im \iiiag

1817.

der RealschnlbucLhancIliinj;.

V o r w o r t .

Is' ts Werk von Gott > so wird's bestehn. Ist's Menschen Tand, -vvirds untergelm. D ieses W o r t spricht alles a u s , u n d ao mag es auch hier zur Einleitung dienen. E s heifst mit andern W o r t e n : W a s aus der Wahrheit geboren ist, u n d in der Wahrh e i t , zur E h r e G o t t e s , getrieben w i r d , das wird sicher bestehen, u n d Frucht tragen. Was aber unwahr in sich selbst ist, u n d nicht für die W a h r h e i t , sondern für irrdisrhe Zwecke getrieben wird, da« wird nimmer bestehen , sondern vernichtet in 6ich selbst untergehen. Der animalische Magnetismus, dieser so lange problematische, so lange z u den Verirrungen des menschlichen Geistes oder zu den absichtlichen T ä u s c h u n g e n gerechnete, Gegens t a n d , ist n u n als Thatsache dargestellt, ü b t einen solchen Einflute auf die heilende K u n s t a u s , wird so allgemein verbreitet, u n d durch so achtbare u n d glaubwürdige M ä n n e r bekräftigt u n d ausgeübt; dafs er die ganze A u f m e r k samkeit nicht blos der Aerzte, sondern jedes d e n k e n d e n M e n s c h e n verdient. A 8

Eine Menge Phänomene, die lange Zeit unter den Namen, Magie, Sympathie, geheime Künste und Wunderkräfte, aus der gesunden Physik verbannt, und in die Reeion des Aber glaubens oder des Betrugs verwiesen waren treten wieder hervor, und ganz kek uns unter die Augen. Die Zeiten haben sich geändert. Sie haben nicht mehr den Scheiterhaufen zu fürchten, nicht mehr das Ariathema der geistlichen Macht« Aber wohl die Fackel der strengen physischen Untersuchung, und das Anatliema der Wahrheit und der gesunden Vernunft. — Schon einmal wurde die Menschheit von Aberglauben und Scheiterhaufen zuerst durch die Aerzte, diese Vorsteher der lebenden Natur, befreit, d i e , auf Gefahr selbst verbrannt zu werden, die Magie für etwas Natürliches, und die Hexen und Besessenen für Kranke erklärten. — Es ist abermals an u n s , die Menschheit für dem Aberglauben und allen seinen Folgen zu sichein, die mit Gewalt auf uns eindringen, und die wichtige Frage zu untersuchen: giebt es wirkliehe Thatsachen, welche nicht nach den bekannten Gesetzen und Kräften der Natur, und eben so wenig durch Betrug und T a u schung, erklärt werden können, welche also eine uns noch unbekannte Verbindung und Wirkungsart der Körper auf einander beweisen? — W i e glücklich sind wir, dafs wir in Zeiten leben, wo wir diesen wichtigen Gegenstand frei und unbesorgt p r ü f e u , und

selbst W u n d e r k r ä f t e der physikalischen Unters u c h u n g unterwerfen k ö n n e n ! — M a n kann es wohl der armen Menschheit v e r l e i h e n , w e n n sie, schon so viel T a u s e n d e von J a h ren auf solche W e i s e durch geheime Kräfte getäuscht, etwas schüchtern u n d auf ihrer H u t ist, und es heifst es gut mit ihr meinen, w e n n man sorglältig wehrt, dafs nicht wieder falsche Waare eingeführt werde. Aber nicht blos der Aberglaube ist es, was wir bei der U n t e r s u c h u n g zu fürchten u n d z u meiden h a b e n , sondern auch der Spott, die Blindheit, u n d die Halsstarrigkeit des Unglaubens. D e n n wir wollen es u n s aufrichtig gestehen: Das eine schadet der wahr e n Untersuchung e b e n so viel wie das andere. Unglauben ist auch eine Befangenheil des Geistes; das im voraus absprechende u n d wegwerfende Urtheil über alles, was wir für jetzt nicht begreifen k ö n n e n , das absichtliche Verschliefsen des Geistesauges, thut der wahr e n Erkenntnifs u n d den Fortschritten der Wissenschaft eben so viel Schaden. Der höchste U n g l a u b e wird zuletzt in der T h a t wieder ein Aberglaube, eine abergläubische F u r c h t vor dem Aberglauben. Aberglaube heifst n i c h t , das Unbegreifliche glauben ( d e n n das t h u n wir alle) sondern das Unerwiesene glauben. D e m meir.ten Aberglauben liegt etwas sehr wahres z u m G r u n d e . Ea braucht n u r v o n d e m dunkeln

Nebel, der es umgiebt, befreit zu werden, und es giebt uns ein schönes Korn der Wahrheit, Es ist gewifs, bestätigen sich die bisher kund gewordenen Erscheinungen des Magnetismus, so heben sie alle bisher angenommenen Gesetze der Natur a u f , und erschüttern die Grundfesten alles Wissen». — Wir können es uns nicht verbergen, wir stehen an einem Abgrunde, an einem gefährlichen Scheidewege. Auf der einen Seite die Gefahr wieder zu versinken in die Nacht der trüben Zauber- und Hexen weit. Alles, was dahin gehört, Zauberei, Sympathie, Exorcism u s , Anmiete, Wahrsagerei, Geistererschein u n g , Zauberspif gel, Wunderkuren, alles diefs spricht das einzige W o r t , Magnetismus, aus; alles diefs schliefst er in sich ein. — Auf der andern Seite aber stehen wir vor dem Aufgang einer neuen Morgenröthe f ü r Wissenschaft und Menschheit, einer neuen E n t deckung, die alles übertrifft, was jemals entdeckt worden ist, die uns den Schlüssel der tiefsten Geheimnisse der Natur verspricht, und somit eine neue Welt eröffnet. Noch nie war eine günstigere Zeit f ü r solche Untersuchungen als die gegenwärtige. Die Naturwissenschaft und Naturforschung zu einem Grade der Vollkommenheit gedieh e n , auf welchem sie noch nie war; E i n e Menge neuer, schon an das Innerste angrenw n d e r , Kräfte und Gesetze der Natur ent-

deckt und benutzet; Eine Menge n e u « Mittel und Wege zu ihrer Befragung und Erfornchung! — U n d eben so günstig ist die Stimmung der Geister. Entfesselt von dem Zwang und der Binde des Aberglaubens, gestärkt und erhellt das Auge des Geistes durch scharfe und rein empirische Naturforschung, der eine Theil streng ungläubig, festhaltend an den bestehenden Grenzen der Natur, und nichts annehmend, als was genau empirisch erwiesen werden k a n n ; der andre erfüllt von einem regen Sireben nach dr-m Höhern und Unsichtbaren auch in der Natur, sich nicht begnügend mit dem äufsem Leben, sondern auch das innere Leben zu erforschen suchend, und eben dadurch empfänglich für höhere AnBehauungen und Verbindungen, die dem ersten entgehen; E i n e Tendenz unsers Zeitalters , die gewifi in ihrem Prinzip sehr zu ehren ist, und schon manche schöne Frucht getragen hat, die aber leicht zur Schwärmerei und Phantasterei fuhren kann, wenn sie nicht von der andren Seite her beschränkt und geleitet wird. Lafst uns diesen günstigen Zeitpunkt, diese neuen höchstmerkwürdigen Erscheinungen, die er uns darbietet, nicht ungenutzt vorbeigehen. Lafst uns den Aberglauben auf immer vernichten, indem wir die Naturerschein u n g e n , die ihm bisher immer zum Grunde lagen, und ihn insgeheim nährten, entweder in

ihrer vollen Nichtigkeit darstellen, oder sie ins Gebiet der Naturforschung ziehen, und zur Klarheit und Wissenschaft erheben. Lafst uns die Grenzen des menschlichen Wissens und Wirkens zu einer neuen Sphäre ausdehnen, oder, wenn sie sich nicht bestätigt, die alte desto fester schliefsen. Lafst uns endlich dea W e r t h dieser neuen Entdeckung als Heilmittel untersuchen, genau prüfen und würdigen. Alles kommt auf die Untersuchung zweies Punkte an. Sind die ThatSachen wahr? In welchem Kausalvcrhältnifs stehen sie unter sich und mit der Aufsenwelt? Lassen sie sich als Modifikationen schon bekannter Naturthätigheilen erklären, oder ist dadurch eine neue Naturthätigkeit, eine neue Kraft, ein neuer Sinn, ein neues Ve/ bindungs - und Erkenntnifsmittd zwischen uns und der Natur, aufzufinden?

Zu einer befriedigenden Erörterung aber •eheint es sehr nöthig, den Gegenstand nicht so isolirt, wie gewöhnlich, sondern von einer allgemeinen Ansicht, und nicht blos in seiner gegenwärtigen Erscheinung, sondern auch in der Vergangenheit, zu betrachten, da bis jetzt die Grenzen zwischen magnetischen, und andern ähnlichen Wundererscheinungen noch nicht gezogen sind, vielmehr eines zur Erläuterung des andern dienen kann.

aaoosonooooacoouooooooaoiooouoooQ—

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I V l a n hat auf eine mir unbegreifliche W e i s e meine Zusätze zu dem Auszug des Stieglitzschen Werks, so wie den ganzen Auszug aug Stieglitz, sowohl in Absicht ihres Zweckes als ihres Sinnes mifsverstanden. Man hat mir Absichten untergelegt, die mir nie in den Sinn kamen. Ja man hat ea so weit getrieben, mich einen Feind und Gegner des Magnetismus zu nennen. Leider hat mich diese Erfarung von neuem belehrt, wie schwer es manchen wird, Sache und Meinung zu unterscheiden, u n d wie leicht sie in den Irrthum verfallen, den für einen Feind der Sache zu halten, der nur ein Gegner ihrer Ansicht ist. Ich sehe mich deshalb genöthigt, hier sowohl über die Absicht als über den Inhalt jenec Blätter einige Erklärungen beizufügen. Dafs ich kein F e i n d , sondern ein Freund des Magnetismus b i n , habe ich hinlänglich bewiesen. Ich gehöre zu den ersten, welche, nachdem sie lange gezweifelt, durch unzweifelhafte Thatsachen belehrt, im Jahre lSog den Magnetismus als Factum und als Heil« mittel anerkannten, u n d es öffentlich aussprachen * ) . " ) S. Jouni, d. pr, Heilli. 1809.

Seit dieser Zeit bin ich unverändert thätig gewesen, mir genauere Kenntnisse und Evfarungen über diesen Gegenstand zu verschaff e n ; ich benutzte jede Gelegenheit, die sich mir darbot, die Erscheinungen selbst zu beobachten. Ich unternahm selbst einige Monate lang die magnetische Beliaudlung einer Kranken, um mich von allem zu unterrichten. Ich veranlafsie die Errichtung einer Commission zur Untersuchung dieses Gegenstandes, und war Mitglied derselben, bis sie, ohne meine Schuld, auseinander ging. Aber je mehr sich mir auf diesem Wege merkwürdige und bestätigende Erfarungen darboten, wovon ich in der Folge einige rnittheilen werde, desto mehr wurde, ich überzeugt, wie leicht dabei Täuschungen, so wie Uebertreiblmgen und Schwärmereien, sich einmischen, wie viel noch unbestimmtes und schwankendes in der Sache, und dafs sie noch lange nicht reif genug sey, um darüber feststehende Gesetze und genügende Theorien auszusprechen ; dafs also alle Arbeit noch dahin gerichtet seyn müsse, die Thatsachen selbst genauer zu prüf e n , zu vervielfältigen, zu berichtigen, u n d so das Kausalverhäiftiifs zu entwickeln. Mit Bedauern sah ich, dafe der eine Theil des Publikums das Ganze als eine völlig ausgemachte Sache ansah, sfch dem unbedingten Glauben hingab-, u n d , daraufgestützt, auch jeden andern Aberglauben begierig aufzufassen anfing; wärend der andre Theil desto hartnäckiger im strengen Unglauben verharrend, selbst nicht einmal sehen wollte das, was vor seinen Augen vorging. Beides war der reinen

U n t e r s u c h u n g im h ö c h s t e n G r a d e hindetlieh. — Das allerschlimmste aber w a r , dafa viele, die d a v o n s p r a c h e n , gar n i c h t w u f s t e n , w o v o n eigentlich die R e d e war. — D a s W e r k v o n Stieglitz schien mir d e s w e g e n e i n e sehr e r w ü n s c h te E r s c h e i n u n g , weil es die Begriffe ü b e r diese Sache berichtigte, u n d zeigte, was bis jetzt daiin e n t s c h i e d e n , u n d wa9 n o c h n i c h t entschieden s e y , u n d einer g e n a u e m U n t e r s u c h u n g b e d ü r f e . A b e r es w u r d e v o n d e m gröfsern P u b l i k u m z u wfinig gelesen, weil es vielen z u weitlauftig, vielen zu gelehrt war. Diefs allein, d e n P r ü f u n g s g e i s t , die helle Kritik, die es e n t h i e l t , m e h r in das P u b l i k u m z u b r i n g e n , u n d d a d u r c h d e m Wahren in der Sache befördeilich z u 9eyn, war d e r G r u n d , w a r u m ich es in e i n e n A u s z u g brachte u n d b e s o n d e r s d r u c k e n liefs. E s w a r die n ä m l i c h e G e s i n n u n g , die m i c h bisher f ü r diese A n g e l e g e n h e i t b e s e e l t e , die m i c h a u c h jetzt t r i e b , diese Schrift ins P u b l i k u m z u b r i n g e n , u n d ich bin mir b e w u f s t , es dabei e b e n so redlich u n d g u t mit der Sache gemeint z u h a b e n , wie i m m e r . A m liebsten h ä t t e ich selbst etwas ges c h r i e b e n , d e n n in m a n c h e n Stücken war ¡Stieglitz A n s i c h t n i c h t die m e i n i g e , wie ich a u c h a n m a n c h e n O r t e n b e m e r k t habe. A b e r es fehlte mir an Z e i t , u n d die Schrift enthielt so viel T r e f f l i c h e s , u n d besonders eine so s t r e n g e P r ü f u n g , worauf es ja e b e n hier am m e i s t e n a n k a m , dafs ich f ü r das beste hielt, die I d e e n , so wie sie w a r e n , z u g e b e n , m e h r als Gährungsetoff u n d Anstois zur U n t e r s u c h u n g u n d Zweifel, a b u m damit m e i n e U t r b e r z e u gungen auszusprechen.



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U n d wa9 ist denn im Wesentlichen J e t InhaU dessen, was ich selbst in dieser Schrift gesagt habí? „Ich erkenne an, dafs dem Magnetismus Realität zum Grunde liegt, dafs er, wenn er sich ferner bestätigt, eine der gröfsten Entdeckungen ist, welche die neue Zeit gemacht hat. Aber zugleich, dafs er noch immer Gegenstand der empirischen Forschung i s t , und dafs er noch grofsen Täuschungen und Verirrungen ausgesetzt ist. Ich warne dagegen, und bitte, ihn noch mehr und strenger empirisch zu behandeln und zu prüfen." Gewifs jeder Freund der Wahrheit dankt es jenen Männern, die, mit Enthusiasmus für die Sache erfüllt, sich d f r Erforschung und Selbstausübung dieser wichtigen Angelegenheit widmeten, ihre Kräfte, Zeit, und andre Voriheile opferten, ja, was noch schwerer ist, den Spott und die Verläumdung ertrugen. Sie haben durch ihre Standhaftigkeit die Sache fest cehalten, und ohne sie würden wir die wichtigen Erfarungen nicht haben, auf denen wir weiter bauen können. Sie werden, wenn die Entdeckung sich bestätigt, sich ein unsterbliches Verdienst erworben haben. Ja selbst, wenn es nicht seyn sollte, verdient schon bei d e n e n , die es redlich meinen, das reine Streben unsre Achtung, u n d wird immer Nutzen haben. Aber eben so müssen diese Männer es denen danken, welche frei und unbefangen, u n d aufser dem magnetischen Kreise stehend, die Sache rein objektiv anschauen u n d beurtheilen.



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Beide Partheien müssen s e y n , w e n n die W a h i h e i l entdeckt werden soll, u n d liier mehr wie irgendwo. — Die eine, in der Sache selbst lebend, ja einen B e s t a n d t e i l des E x p e riments ausmachend — ein U m s t a n d , der diefs Experiment v o n jedem andern unterscheidet — , u m die Entdeckung immer weiter zu treiben, u n d manches z u beobachten, was nur in dieser L a g e möglich ist; wobei aber freilich, eben indem sie eines mit der Sache u n d darin befangen u i r d , sie sich nichr m e h r aufser ihr z u versetzen, n o c h weniger ßie rein u n d o h n e Vorliebe anzuschauen verm a g ; und eben hierin möchten wir den Magnetismus das gefährlichste aller E x p e r i m e n t e n e n n e n ; denn es giebt nicht leicht einen Gegenstand, der so viel anziehendes, un6ern liebsten Neigungen mehr schmeichelndes, die Phantasie mehr aufre^endts, ja, w e n n wir ein physisches Agens a n n e h m e n , selbst physisch m e h r berauschendes, h a t , als eben der Magnetismus. W a s kann nicht schon die Betangenheit in einem System für W i r k u n g auf den Geist t h u n , u n d was ist die Kraft eines Systems gegen diese Zaubfcrktaft? — D i e andere Part hei, aufser dem Zauberkreise stehend, von allem dem nicht ergriffen, i m m t r nüchtern u n d juliig , u m die Sache als blofsen Gegenstand der Bt obarhtung a n z u schauen, Mängel und Fehler der fl» o b a r h t u n g z u entdecken, zu rügen, zu zweifeln, zu sichten. — Verdienen d e n n diese nicht eben so gut unsern D a n k , u n d fördern sie rnchi eben so gut die Wahrheit, w e n n sie n u r dabei redlich u n d aus reinem Triebe zu W i r k e geli^n? — F n r w a h r , das heifet nicht die Sache aitwur-



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digen, s o n d e r n ihr festen G r u n d g e b e n , u n d sie zur Mssmschaftlichen Wahrheit erheben. — N u r d u r c h freies A u s s p r e c h e n j e d e r M e i n u n g , d u r c h den K a m p f entgegengesetzter P ä r t h e i e n , u n d durch die H e i b u n g der Geister, wird die W a h r h e i t g e b o r e n . Diefs hat alle Geschichte g e z e i g t , u n d so m u f s es ierner bleiben. — D e s w e g e n , wer es redlich mit der W a h r h e i t m e i n t , Ireut sich d a r ü b e r , u n d wirkt mit, — Sollten wir wieder in die r o h e , Gott L o b , vergessene Zeit z u r ü c k f a l l e n , w o m a n nicht verschiedener M e i n u n g seyn k o n n t e , o h n e in Zänkereien u n d Factionen zu v e r f a l l e n ? — D a s sey ferne. — G e h e n wir a u c h a u f vers c h i e d e n e n W e g e n , so h a b e n wir d o c h gleiches Ziel, die W a h r h e i t , u n d sind eines in der A c h t u n g der Sache. Lafst u n s daher f r e u n d schaftlich die H a n d g e b e n , als F r e u n d e der Wahrheit, Lafst u n s , wie es wissenschaftlichen, gebildeten, Männern geziemt, ohne Hafs u n d Bitterkeit u n s r e A n s i c h t e n g e g e n e i n a n d e r aufstellen u n d v e r h a n d e l n . So allein g e w i n n t die W a h r h e i t , u n d das allein zeigt Von reiner Wahrheitsliebe. D e n n wer sich m i t L e i d e n s c h a f t urrd Hafs ausspricht, wer P e r s ö n l i c h k e i t e i n m i s c h t , der beweifst e b e n d a d u r c h , dafs er nicht die W a h r h e i t , s o n d e r n Gich selbst sucht. Ich w e r d e n u n die Hauptsätze d u r c h g e h e n , die ich in j e n e r Schrift n u r k u r z u n d flüchtig a n d e u t e t e , u n d ausführlicher angeb e n , was ich dabei dachte.

Was

ist übernatürlich ? Was gesunde

ist gegen die

Vernunft ?

E s ist eines der g e w ö h n l i c h s t e n U r t h r i l e , was m a n bei n e u e n u n g l a u b l i c h e n D i n g e n aussprechen h ö r t : das ist gegen die g e s u n d e V e r n u n f t , das ist ü b e r n a t ü r l i c h . D i e F r a g e m u f s also zuerst u n t e r s u c h t W e r d e n : Giebt es d e n n wirklich e i n e s o l c h e G r e n z l i n i e , die das U e b e m a t ü r l i c h e v o n d t m N a t ü r l i c h e n a b s o n d e r t , u n d der g e s u n d e n V e r n u n f t e r l a u b t , das jenseitige f ü r K o n t i e h a n le in ihrem R e i c h e zu e r k l ä r e n ? — D i e F r a g e fallt in e i n s z u s a w u n m mit d e r : Was ist m ö g l i c h , u n d was ist u n m ö g l i c h ? A l s o , w a s ist übernatürlich? Alles, was g e g e n die Gesetze der N a t u r u n d ihre G r e n z e n ist. — H i e r frage ich z u e r s t , w a i ist N a t u r ? N i c h t s a n d e r s als das Gebiet der E r i a r u n g . Sie allein m a c h t u n s die N a t u r . — Was sind also d i e Gesetze der N a t u r ? Die R e g e l n , die d i e E r f a r u n g aus d e n W i r k u n g e n d e r N a t u r abstrahirt h a t , d i e F o r m e n , die u n s r e e i g n e D e n k f o r m ihr a u f d r ü c k t e ; also G e s e t z e , die wir selbst gegeben h a b e n . — W a s heifsen die G r e n z e n der N a t u r ? Die G r e n z e " -insrer Erkenntnifs, unsrer Erfarung. — Dennach heifst, ü b e r n a t ü r l i c h , n i c h t s w e i t e r , «'s t u v a s , w a s aufser d e m jetzigen S t a n d p u n k t u'id G r e n z e n unsrer E r i a r u n g liegt. Da diese G r e n z e aber n o c h nicht geschlossen ist, so b r a u c h t es n u r e i n e n Schritt dec E r i a r u n g



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mehr, und dag übernatürliche wird natürlich. E s existirt daher, absolut genommen, gar nichts übernatürliches, gar nichts unmögliches. Ferner, was heifst, gegen die gesunde Vernunft? — Alles, was unmöglich ist. — Was ist aber unmöglich in der Natur? — Die Vernunft erkennt selbst, dafs sie hierüber nichts a priori festsetzen kann, sondern dafs auch die Grenzen der Möglichkeit und Unmöglichkeit in der Natur erst durch die Erfarung bestimmt werden müssen. Da abet die K a t u r , und also auch die Erfarung unendlich ist, und wir die Grenzen nie schliefseu t o n n e n , so folgt, dafs nichts, auch das was das unmöglichste scheint, gegen die gesunde Vernunft überhaupt ist, weil es ja noch deriirist erfahren werden kann. — U n d das ist eben das Kennzeichen einer wirklich gesunden Vernunft, dafs sie sich darin nicht durch sich selbst beschränken läfst. Denn was hat wohl die Fortschritte der Wissenschaften mehr aufgehalten, als solche vorgefafste Meinungen u n d selbst gesteckte Grenzen, gewöhnlich Systeme genannt?

Die



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Die Vernunft ist kein Schlafen,

sondern ein

Wachen, E s ist der alte Streit, der wieder beginnt: ,ob der Mensih im Traume hoher et ehe als im WachenJa es scheint, clafs, wenn sich bei d e n niagnttischen Erscheinungen die M ö g lichkeit innerer Anschauungen u n d unmittelbarer geistiger Einwirkungen bestätigt, die arme V e r n u n f t mehr ins Gedränge kommen müsse, als jemals, und man mit Recht fragen könne, welche V e r n u n f t ist n u n die wahre, die schlafende oder die waihernle? — Es lafst sich allerdings fragen, warum seilten nicht im Trauine, w o der Mensch von der Sinnenwelt abgeschieden ist, Exaltationen des Geistes und Eingeb u n g e n möglich seyn, die wir nie im Wacheu haben k ö n n e n , u n d wodurch der Mcnsch weiter, als durch die wachende Vernunft, geführt würde? Anderseits aber ist wieder nicht zu l e u g n e n , dafs Schlaf der gebundene Zustand ist, das Wachen der freie, dafs im Schlafe dem Menschen alle äufsern Hüli'smittel der Erkenntnifs fehlen, ja dafs, wie die magnetischen Erfahrungen zeigen, der ganze Wille, das ganze geistige W e s e n des Menschen, darin abhängig ist von körperlichen und a n d e r n Einflüssen, ja, nach den neuesten Erfarungen, abhängig werden kann von dem Willen u n d dem Einflüsse eines andern Geistes. E i n solcher Zustand der höchsten Passivität u n d Abhängigkeit sollte nun höher stellen als der Zustand der Selb6tthäligkeit u n d B



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Freiheit des Geistes? — Wir sollten uns wieder hingeben dem blinden Glauben an die Einwirliungdunkler, unbekannter Mächte, und aufopfern das Höchste aller uns von Gott verliehenen Güter, die Freiheit und Selbstständigkeit unsers Geistes? — Haben wir schon vergessen das Reich des Betrugs und Aberglaubens, in das wir eben durch diesen Glauben gerathen waren, und dem wir uns nur mit Mühe, und noch nicht so gar lange, blo3 durch die Kraft jener wachenden Vernunft entwunden haben? Keinesweges. Ueber allen diesen Eingebungen und innern Anschauungen, über der Region des Traums, des Hades, thront der unsterbliche freie Geist, begabt von der Gottheit, deren Ausflufs er ist, mit dem Sinne für Wahrheit und mit der Kraft zu unterscheiden Wahres von Falschem, Gutes von Bösem, Licht von Finsternifs. Diese freie götiliche Kraft allein vermag uns zu erheben über das Körperliche und Irrdische, sowohl im Moralischen als im Physischen, und über alle seine Täuschungen, es von sich abzutrennen, und als etwas nicht zu ihr gehöriges, anzuschauen, zu ergreifen, und zu würdigen. Diese oberste Richterinn ist die Vernunft. Für unsre innere Anschauung ist es einerlei, ob das Bild, was sich ihr darbietet, von aufsen oder von innen erzeugt ist. Es ist immer nur das Bild, was sich ihr darstellt. Dieses nun zu prüfen, die innern Anschauungen selbst von einem höhern Standpunkte aus zu betrachten und zu unterscheiden, dazu ward uns die Vernunft gegeben.



i9

_

Jeder Mensch mufs zuerst sehen leinen. Das Kind greift nach dem Monde so gut wie nach der Lampe, die vor ihm steht. Die Vernunft allein ist es, die ihn durch Ver^leichung und Schlüsse seine Sinne gebrauchen, und die durch sie gegebenen Anschauungen verstehen lehrt. Eben so verhält es sich mit den Traum, mit der Exstase, mit dem-Somnabulisrnus und seinen Inspirationen. Wir wollen angeben, dafs dadurch ein neuer Sinn und mit ihm eine neue Welt in uns erwacht. Es bleibt doch immer nur ein Sinn, eine dadurch gegebene Anschauung, welche nun selbst erst wieder von der nicht im Traume befangenen Vernunft aufgefafst, objektiv betrachtet, geprüft und gewürdigt werden mufs.

£ 2

Vernunft.

Die V e r n u n f t allein ist es, die uns vom T h i e r e unterscheidet, die u n s m i t d e r G o t t h e i t u n d d e r geis t i g e n W e l t in die w a h r e V e r b i n d u n g s e t z t , u n d e b e n so a l l e wahrte E r k e n n t n i f s , die wir bis j e t z t v o n der N a t u r h a b e n , v e r s c h a f f t hat, und verschaffen kann. W e n n ich hiet sage, Vernunft, so meine ich damit keineswegs jene Vernunft, dieallts begreift, und die sonach auch nichts als fxistirend annimmt, als was sie mit Händen greifen kann, denn solche Vernunft haben die Thiere auch. Sondern ich verstehe darunter jene Vernunft, welche begreift, dafs nicht Alles zu begreifen ist, das lieifst, dafs nicht Alies greifbar zu machen ist, sondern dafs t3 eben auiser dem Sichtbaren noch etwas Unsichtbares, aufser dem Begreiflichen noch etwas Unbegreifliches gebe; genug die das Daseyn der Unbegreiflichkeit selbst begreift und beweifst. — Das allein ist menschliche Vern u n f t , die den Menschen vom Thier unterscheidet. Je mehr er sich dieser hingiebt, und in ihr aufgeht, desto höher steigt er als Mensch, desto mehr lebt er in einer höhten W e l t , in der Idee. Je mehr er sich aber der blofsen Greiflichkeit und ßegreiflichkeit hingiebt, und nichts glaubt, als was er eben greift, desto mehr versinkt er in die Thierlieit, Sinnlichkeit, und Selbstsucht, und derto enger wird seine W e l t .

Die V e r n u n f t aber weifs u n d crf'ilm von der Aufsenwelt nichts von sich selbst, sondern alles nur durch Vermittlung, durch eigene dazu eingerichtete Organe , die wir Sinne n e n n e n ; durch deren Gebrauch, also durch Erfarung. — I n diesem indischen Daseyn ist ihr ganzes äufseres Erkentn;n durch Materie vermittelt. Jeder Sinn gie'ot uns r-ine eigne W e l t , das Auge die sichtbare, das Ohr die hörbare; U n d die ganze Erfarungswdt, welches eben unsre irrdische 'Welt ist, besteht eigentlich in diesem Sinnesreich u n d in den Sinnenwahrnehmungerj, die wir durch sie v o m Universum erhalten.

Naturforschung.

Die

Kunst die Natur zu

fragen. D i e wahre Naturforschung drei A u f g a b e n :

hat demnach

1. Die vermittelnde Materie, die O r g a n e der Erkenritnifs, recht und immer v o l l k o m m e ner brauchen z u lernen, ja sie selbst zu vervollk o m m e n und z u erweitern, sogar, wenn es möglich w ä r e , noch n e u e z u entdecken. Jeder M e n s c h mufs ja seine eignen Sinne eret gebrauchen, diese Instrumente, um mich so auszudrücken, erst spif-len lernen, das heifst, er mufs lernen diese Vermittelungsorgane mit der A u f s e n w e l t erst in gehörige V e r b i n d u n g und W e c h s e l w i r k u n g setzen. D i e höhere Kultur hat diese Sinne sehr erweitern gelehrt. W a s heifst ein T e l e s k o p anders, als ein Millionen Meilen weit vtrlängertes A u g e ; ein Mikroskop, a l s e i n e V e r v o l l k o m m n u n g des A u g e s bis z u einer u n s g e w ö h n l i c h unsichtbaren W e l t ? T>as höchste wäre die E n t d e c k u n g eines n e u e n S i n n e s , d. h . eines neuen Vermittelungsmiltels mit der A u f s e n w e l t . Mit einer solchen E n t d e c k u n g wäre uns eine neue W e l t g e g e b e n , und das ists, w a s u n s jetzt angekündigt wird. 2. D i e u n s durch den Gebrauch dieser O r g a u e i n u ö e t h t i h e i i isotionen v o n der A u s -



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senwelt durch die V e r n u n f t z u p r ü f e n , oh gie auch o b j e k t i v , d. h. aufss r uns, w a h r sind, und in welchem Verhältnifs sie z u den übrigen E r s c h e i n u n g e n der A u f r . e n w e l t stehen ( Empirische Forschung'). D i e f s ist der Haupttheil der ganzen U n t e r s u c h u n g , die Feststellung der Thatsache. D i e s e begreift z w e i e r l e i : -Erstens, dafs das, was g e s c h e h e n oder w a h r g e n o m m e n ist, auch wirklich aufser u n s g e s c h e h e n oder da g e w e s e n , also k e i n e T ä u s c h u n g , w e d e r der A u f s e n welt, noch des äufsern S i n n e s u n d seiner Instrumente, n o c h des innern Sinnes u n d der Phantasie ist. Zweitens, dafs es , w e n n es als eine W i r k u n g oder H a n d l u n g erscheint, auch wirklich in der bestimmten Causalfolge, u n d den bestimmten Verhältnissen z u andern E r s c h e i n u n g e n g e s c h e h e n . D a z u gehört n u n die K u n s t B e o b a c h tungen u n d V e r s u c h e anzustellen, sie auf alle W e i s e z u v e r v i e l f ä l t i g e n , unter e n t g e g e n g e setzten R i c a t u n g e n u n d V e r h ä l t n i s s e n , unter d e m scheinbaren Causalverhiütnisse der E r scheinungen oder im G e g e n s a t z , mit andern R e a g e n t i e n ( w o r u n t e r bei lebenden Erschein u n g e n auch beobachtende, besonders u n g l ä u bige, I n d i v i d u e n z u rechnen s i n d j ; g e n u g die grofse K u n s t , die Natur zu fragen, die w e i t w i c h t i g e r , aber w e i t weniger bei u n s cultivirt ist, als die K u n s t z u erklären. 3. D i e s i n n l i c h w a h r g e n o m m e n e u n d feststehende E r s c h e i n u n g , das F a c t u m , z u er-

klären, das heifst, dac Sichtbare an das U n sichtbare knüpfen, und es zur Idee zu erheben. Diefs ist das reine Geschäft der Vernunft. Zuerst einen iiinern CnuFalzueammenhang in die Erscheinungen zu bring» n , sodann aus Verbindung und Virgleichung mehrerer ähnlicher Erscheinungen ein allgemeines Gesetz ihres Dastyns abzuleiten; und nun entweder eine unsichtbare Ursache anzu« n e h m e n , welche wir mit dem Worte, Kraft, zu bezeichnen pflegen, oder sie, wenn es die Erscheinungen erlauben, schon bekannten Gesetzen oder Kräfien unterzuordnen; endlich sie mit den Grundgesetzen des Universums in Verbindung zu bringen, denn das Streben nach Einheit ist der Karakter des vernünftigen Denkens. Diefs alles ist das Geschäft der Vernunft. Sie kann aber noch mehr. Sie kann, durch tiefes und anhaltendes Naturfor. sehen geübt und ausgebildet, und in diesem Element gleichsam einheimisch geworden, endlich eine Art von Divinitionsgabt erhalten, voraus zu a h n d e n , so wie in dei Geschichte, also auch in der Natur, was ge schehen wird, und was verborgen ist; genia lische Erleuchtungen und Erhebungen, wel che sie in den Stand setzen , Blicke in das Innere und in den geheimen Zusammenhang dt-r Erscheinungen zu thun, welche zu neuer Versuchen führen, und sich oft dann in der Realität bestätigen» Solche Vermuthutmer und Ahndungen müssen aber durchaus so lange als Hypothesen betrachtet werden, bis si< durch fortgesetzte und vervielfältigte Versuch« bestätigt sind. Aber sie dienen wesentlicl

c u m W e i ( e r f o r d e r n der W i s s e n s c h a f t , in so lern sie n e u e W e g e der U n t e r s u c h u n g angeben u n d d a z u a u f m u n t e r n . I n dieser B e z i e h u n g ist e b e n Hie Phantasie, die S c h ö p f e r k r a f t der Seele, v o n grofsc.m " W e r t h , u n d gewifs dasjenige, was die Z u k u n f t z u r Gegenwart, das Unsichtbare z u r ns c h a u u n g , macht, was j e n e e r l e u c h t e n d e n Blitze der Seele b e w i r k t , d u n k l e G e g e n d e n f r h e l l t , L ü c k e n a u s f ü l l t , u n d getrennte T h a t s a c h e n v e r b i n d e t , a u c h M u t h u n d Kraft zur Forts e t z u n g des W e g s gicbt. E s giebt P r o p h e t e n d t r N a t u r , so gut w i e P r o p h e t e n der G e schichte; V o n dieser A r t snitl iliie heifst im allgemeinen: jedes in Verbindung treten und Verkehren mit einer übersinnlichen Naturwelt. — N u n ist aber dieser tiegriff relativ, «tum den Alten, so w i e jetzt noch den W i l d e n , ist vieles übersinnlich u n d unbegreiflich, was es uns nicht m e h r ist, u n d so !