Erfolgreich im stationären Einzelhandel: Wege zur konsequenten Profilierung im digitalen Zeitalter [1. Aufl. 2020] 978-3-658-27159-6, 978-3-658-27160-2

Der Autor – ausgewiesener Handelsexperte mit breiter Expertise – bietet mit seinem Buch eine vollständige Analyse der ak

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German Pages XIX, 273 [284] Year 2020

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Erfolgreich im stationären Einzelhandel: Wege zur konsequenten Profilierung im digitalen Zeitalter [1. Aufl. 2020]
 978-3-658-27159-6, 978-3-658-27160-2

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIX
Einleitung: Warum der stationäre Einzelhandel handeln muss (Wolfgang Merkle)....Pages 1-4
Digital und stationär – zwei bedeutende Dimensionen des aktuellen Wettbewerbs (Wolfgang Merkle)....Pages 5-35
Der selbstbewusste Konsument – die neue Anspruchsdimension für den Einzelhandel (Wolfgang Merkle)....Pages 37-60
Zwischenergebnis: Quo vadis Einzelhandel? (Wolfgang Merkle)....Pages 61-72
Gestaltungsaspekte bei der Entwicklung eines eigenständigen und differenzierenden Geschäftsmodells (Wolfgang Merkle)....Pages 73-243
Zusammenfassung: Warum der Handel handeln sollte… (Wolfgang Merkle)....Pages 245-247
Back Matter ....Pages 249-273

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Wolfgang Merkle

Erfolgreich im stationären Einzelhandel Wege zur konsequenten Profilierung im digitalen Zeitalter

Erfolgreich im stationären Einzelhandel

Wolfgang Merkle

Erfolgreich im stationären Einzelhandel Wege zur konsequenten Profilierung im digitalen Zeitalter Mit Expertenwissen von Annerose Beurich, Matteo Thun, Dr. Peter Lensker, Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer, Peter Dräger, Claus Schuster

Wolfgang Merkle Merkle. Speaking. Sparring. Consulting. Hamburg, Deutschland

ISBN 978-3-658-27159-6 ISBN 978-3-658-27160-2  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-27160-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

In den letzten Jahren wird in Wirtschaftspresse und Medien regelmäßig über den stationären Einzelhandel und seinen besonderen Herausforderungen berichtet. Auf der einen Seite mit Beiträgen über Unternehmenskrisen, Geschäftsaufgaben und Insolvenzen – häufig mit der begleitenden Begründung, dass sie im digitalen Zeitalter gegenüber dem neuen Wettbewerb aus dem Internet nicht mehr bestehen können. Und Überschriften wie ‚Dem deutschen Einzelhandel droht ein Massensterben‘ oder ‚Der Einzelhandel droht zum Opfer der Digitalisierung zu werden‘ und die begleitenden Prognosen, dass im aktuellen Umfeld bis zu 50.000 Läden verschwinden werden, zeichnen ein überaus düsteres Bild. Auf der anderen Seite hat dies in den einschlägigen Fachmedien eine intensive, höchst facettenreiche und nicht immer widerspruchsfreie Diskussion ausgelöst, wie der stationäre Einzelhandel mit dieser Situation umgehen sollte. Mit Anregungen zu einer Optimierung des Flächenerlebnisses, mit Hinweisen für eine notwendige Digitalisierung, mit der Hinterfragung der Mitarbeiterkompetenz und Ratschlägen für die Entwicklung eines neuen ‚Mindset‘. Beiträge und Kommentare aus den unterschiedlichsten Richtungen, von Agenturen, Beratungsunternehmen und Branchen-Experten – in einer fast unübersichtlichen Vielfalt. Diese Situation war Auslöser für die Erstellung des vorliegenden Buches: • Zum einen soll dieses Buch einen kompakten und strukturierten Überblick über die vielfältigen Meinungen, Begründungen und Handlungsempfehlungen liefern, die derzeit in den vielfältigen Fachzeitschriften und Online-Beiträgen diskutiert werden und damit einen Beitrag zur Reduzierung der Themenkomplexität leisten. Das Ziel ist, eine verständliche und logische Zusammenfassung der für den Handel relevanten Konzepte, Themen und Phänomene zu liefern, die aktuell diskutiert werden. Dabei wird versucht, die häufig mit ‚Buzzwords‘ versehenen Phänomene zu erläutern und in ihrer Bedeutung für den stationären Einzelhandel zu hinterfragen. • Zum zweiten soll der Text sensibilisieren, wachrütteln und zum Nachdenken anregen. Denn tatsächlich wird der stationäre Einzelhandel nicht nur aus der Digitalisierung, sondern auch aus einem gesellschaftlichen Wertewandel heraus aktuell mit ganz V

VI

Vorwort

massiven und grundlegenden Veränderungen konfrontiert. Mit massiven Konsequenzen: Denn die Veränderungen haben nicht nur den Wettbewerb nochmals intensiviert, sondern auch das Anspruchsniveau der Konsumenten deutlich erhöht. Ganz offensichtlich aber haben viele Händler den Ernst dieser Situation noch zu wenig erkannt, um daraus Maßnahmen abzuleiten. • Und schließlich soll die inhaltliche Diskussion der einzelnen Themen konkrete Denkanstöße, Anregungen und Inspirationen vermitteln, um den notwendigen Veränderungsprozess einzuleiten und neue Wege zu beschreiten. Denn insgesamt geht es nicht nur darum, sich im Wettbewerb bloß zu behaupten; im heutigen Umfeld wird es noch wichtiger, genau die Alleinstellungsmerkmale zu schärfen, die für die eigenen Kunden und ihre Bindung an das Unternehmen wirklich relevant sind. Über die inhaltliche Strukturierung der verschiedenen Themen soll das Buch eine Brücke schlagen zwischen Theorie und Praxis, zwischen begründendem und lesenswertem Hintergrundwissen und praxisnahen, inspirierenden Beispielen aus dem stationären ­Einzelhandel. Unter der Zielsetzung gerade auch für die unternehmerische Praxis Mehrwert zu liefern, wurden einzelne Merk-Boxen mit Hervorhebungen wichtiger Erkenntnisse integriert; genauso wie einzelne Think-Boxen mit konkreten Fragen als Anregung zum Einstieg eines eigenen Optimierungsprozesses. Und schließlich über eine Integration mehrerer Experten-Interviews, die parallel zur Erstellung des Textes geführt wurden und aus der jeweiligen Perspektive sehr wertvolle Erfahrungen, Einsichten und Empfehlungen bereitstellen. Kann ein einzelner Händler aus der Lektüre dieses Buches bereits ein unmittelbares Handlungsrezept ableiten? JEIN. Denn auf der einen Seite sind die jeweiligen Ausgangsituationen, Wettbewerbsumfelder, Kundengruppen, Branchen-Spezifika usw. viel zu unterschiedlich. Dafür kann es kein allgemeingültiges Rezept geben. Auf der anderen Seite aber findet der Leser über die vielen Praxisbeispiele, über eine Vielzahl der in den jeweiligen Themenfeldern gestellten Fragen und über etliche Vorschläge zum weiteren Vorgehen wichtige inhaltliche Inspirationen, die das eigene Handeln anregen sollen. Ich würde mich außerordentlich freuen, wenn das im Ergebnis gelingt. Hamburg im Juni 2019

Wolfgang Merkle

Verzeichnis der Experten-Interviews

Annerose Beurich Erfolgreich im Bucheinzelhandel im digitalen Zeitalter

Matteo Thun Store Design und Ladenarchitektur – warum das physische Einkaufserlebnis im digitalen Zeitalter eine so hohe Bedeutung hat

Dr. Peter Lensker Von der Strategie zum ganzheitlichen Markenerlebnis – die Überwindung der Umsetzungslücke

Dr. Peter Lensker Prozesse im stationären Einzelhandel – ein noch immer unterschätzter Aspekt der Markenprägung und -gestaltung

Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer Die Bedeutung eines professionellen Online-Auftritts auch für stationäre Einzelhändler

Peter Dräger Erfolgreiches PoS-Marketing im digitalen Zeitalter

Claus Schuster Erfolgreiche Kommunikation für den stationären Einzelhandel

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung: Warum der stationäre Einzelhandel handeln muss. . . . . . . . . . . 1 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2 Digital und stationär – zwei bedeutende Dimensionen des aktuellen Wettbewerbs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1 Die Entstehung von Online-Konkurrenz als neue Herausforderung im Wettbewerb. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2 Der Wettbewerb innerhalb des stationären Sektors – dynamischer und stärker denn je. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3 Der selbstbewusste Konsument – die neue Anspruchsdimension für den Einzelhandel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.1 Gründe und Kennzeichen eines veränderten Bewusstseins. . . . . . . . . . . . . 39 3.2 Zwischenergebnis: Konsumenten mit neuem Anspruchsniveau. . . . . . . . . 47 3.3 Die Entstehung ‚digitaler‘ Konsumentengruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4 Zwischenergebnis: Quo vadis Einzelhandel?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.1 Die Notwendigkeit zum unternehmerischen Handeln – jetzt…!. . . . . . . . . 61 4.2 ‚Handel-ist-Wandel‘ – ein verloren gegangenes Wesensmerkmal des Einzelhandels?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.3 Das stationäre Shopping-Erlebnis – die generelle Chance zur Profilierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5 Gestaltungsaspekte bei der Entwicklung eines eigenständigen und differenzierenden Geschäftsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.1 Ableitung relevanter Gestaltungsaspekte stationärer Geschäftsmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.2 Entwicklung genereller Alleinstellungs- und Profilierungsmerkmale als Voraussetzung der Wettbewerbsfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 IX

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Inhaltsverzeichnis

5.2.1 Inhalte und Prozess zur Entwicklung einer ganzheitlichen Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 5.2.2 Preispolitik – ein echter Profilierungshebel?. . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 5.2.3 Beispiele kundenfokussierter Profilierungsmaßnahmen. . . . . . . . . 89 5.2.4 Aktuelle Trendentwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft – ein Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 5.3 Schaffung physischer Erlebnismomente als Kernelement einer stationären Einzelhandelskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5.3.1 Besondere Wirkungsweisen eines physischen Einkaufserlebnisses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 5.3.2 Entwicklung des physischen Einkaufserlebnisses – Schaffung von Atmosphäre, Aufenthaltsqualität und Attraktivität. . . . . . . . . . 120 5.4 Mitarbeiter: Notwendige Arbeitskraft oder überzeugender Markenbotschafter?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 5.5 Operative Exzellenz: Ohne perfekte Umsetzung nützt auch die brillanteste Strategie wenig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 5.5.1 Die besondere Bedeutung einer operativen Exzellenz im Einzelhandel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 5.5.2 Bestandteile und Ausprägungen einer operativen Exzellenz. . . . . . 150 5.5.3 Erfassung und Bewertung der operativen Erlebnisqualität . . . . . . . 158 5.6 Nutzung digitaler Technologien – zunehmend wichtiges Gestaltungselement auch im stationären Einzelhandel. . . . . . . . . . . . . . . . 169 5.6.1 Digitale Anwendungen im stationären Einzelhandel – warum ist das Thema wichtig?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 5.6.2 Beispiele digitaler Anwendungen im Ladengeschäft des Einzelhandels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 5.6.3 Entscheidungskriterien zur Auswahl digitaler Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 5.7 Erfolgreiche Handelskommunikation: Relevanz, Partizipation und Interaktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 5.7.1 Steigende Vielfalt an Werbewegen – wachsende Bedeutung digitaler Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 5.7.2 Hohe Ausgaben im Markt, fehlende inhaltliche Differenzierung, zunehmende Reaktanz der Konsumenten – kommt Werbung überhaupt noch „durch“?. . . . . . 215 5.7.3 Ansatzpunkte für eine wirkungsvolle Handelskommunikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 5.8 Mentale Bereitschaft und offene Unternehmenskultur – Voraussetzungen für einen permanenten Anpassungsprozess. . . . . . . . . . . 228 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

Inhaltsverzeichnis

XI

6 Zusammenfassung: Warum der Handel handeln sollte… . . . . . . . . . . . . . . . 245 Die Experten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Stimmen zum Buch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Glossar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Über den Autor

Prof. Dr. Wolfgang Merkle ist seit 2015 Marketing und Management Consultant im Einzelhandel und verwandten Branchen. Parallel dazu ist er Professor für Marketing & Management an der UE – University of Applied Sciences Europe in Hamburg. Zuvor war er 25 Jahre in verschiedenen Führungspositionen als Chief Marketing Officer, Bereichsvorstand, Geschäftsführer und Direktor in Unternehmen wie Tchibo, Galeria Kaufhof, ZARA, Massimo Dutti und Otto tätig. Wolfgang Merkle berät Unternehmen in Aufsichtsratsund Beiratsmandaten, als Sparring-Partner in der Reflektion der Unternehmenspositionierung, als ‚Operating Expert‘ in der Umsetzungsbegleitung von Unternehmensstrategien in das Tagesgeschäft, als Consultant in Management- und Marketing-Projekten sowie als Impulsgeber zu aktuellen unternehmerischen Themen. Seine eigenen unternehmerischen Erfahrungen hat er in verschiedenen Publikationen zur Führung von Unternehmen und zur Konzeption ganzheitlicher Marketing-Konzepte wieder- und weitergegeben. Kontakt: Merkle. Speaking. Sparring. Consulting. [email protected] www.merkle-consulting.com

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Abkürzungsverzeichnis

bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise CRM Customer Relationship Management eCRM CRM im digitalen Umfeld d. h. das heißt Ed. Editor FMCG Fast Moving Consumer Goods GfK Gesellschaft für Konsumforschung ggfs. gegebenenfalls Hrsg. Herausgeber i. d. R. in der Regel o. J. ohne Jahr o. V. ohne Verfasser PoE Point of Experience PoP Point of Purchase PoS Point of Sale ROPO  Research-Offline-Purchase-Online aber auch Research-Online-Purchase-Offline S. Seite SB Selbstbedienung SEO Search Engine Optimization sog. so genannt u. a. unter anderem USP Unique Selling Proposition usw. und so weiter vgl. vergleiche VKF Verkaufsförderung z. B. zum Beispiel z. T. zum Teil

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.1 Abb. 1.2 Abb. 1.3 Abb. 2.1 Abb. 2.2 Abb. 2.3 Abb. 2.4 Abb. 2.5 Abb. 2.6 Abb. 2.7 Abb. 3.1 Abb. 3.2 Abb. 3.3 Abb. 3.4 Abb. 3.5 Abb. 4.1 Abb. 4.2 Abb. 4.3

Berichte über die Bedrohung des stationären Einzelhandels. . . . . . . . . 2 Visualisierung des Ladensterbens und verödender Innenstädte. . . . . . . 2 Expertenmeinungen zur aktuellen Situation des stationären Einzelhandels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Zwei Ursachen der aktuellen Herausforderungen im stationären Einzelhandel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Geschätzte Marktanteile von Amazon im deutschen Einzelhandel nach Kategorien im 1. Quartal 2018. . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Anteil des Onlinehandels am Gesamtumsatz in Deutschland 2018 (in %) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Verschiebung der Einkaufspräferenzen im Weihnachtsgeschäft . . . . . . 16 Prognose: Online-Anteil am Einzelhandelsumsatz bis 2024. . . . . . . . . 17 Dynamische Entwicklung neuer Vermarktungskonzepte innerhalb des stationären Einzelhandels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Multioptionaler Wettbewerb im stationären Einzelhandel – am Beispiel des Schuheinzelhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Endgültig auf ‚Käufermärkten‘ angekommen: Deutliche Veränderungen im Verhalten der Konsumenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Anteil der Onliner in Deutschland, die das Netz für folgende Aktivitäten nutzen (in %). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 ‚Flip the system‘ – Veränderung von Hierarchien in der digitalen Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Das ‚neue‘ Konsumentenverhalten – Hintergründe und Charakteristika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 ‚Digitale‘ Konsum-Generationen im Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Proteste von Fachhändlern gegen den Online-Handel. . . . . . . . . . . . . . 63 Zukunft des stationären Einzelhandels – Inhaltliche Schwerpunkte der Diskussion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Warum Deutsche online shoppen – wichtigste Vorteile beim Online-Kauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 XVII

XVIII

Abb. 4.4 Abb. 5.1 Abb. 5.2 Abb. 5.3 Abb. 5.4 Abb. 5.5 Abb. 5.6 Abb. 5.7 Abb. 5.8 Abb. 5.9 Abb. 5.10 Abb. 5.11 Abb. 5.12 Abb. 5.13 Abb. 5.14 Abb. 5.15 Abb. 5.16 Abb. 5.17 Abb. 5.18 Abb. 5.19 Abb. 5.20 Abb. 5.21 Abb. 5.22 Abb. 5.23

Abb. 5.24 Abb. 5.25

Abbildungsverzeichnis

Analyse kanalspezifischer Vorteile Stationär vs. Online . . . . . . . . . . . . 69 Generelle Handlungsempfehlung: Krise als Chance begreifen . . . . . . . 74 Analyse von Expertenempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Sieben Gestaltungsaspekte zur Schärfung des eigenen Geschäftsmodells. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Entwicklung genereller Alleinstellungsund Profilierungsmerkmale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Auf Schnäppchenjagd: Anteil der Befragten, die sich beim Kleidungskauf nach Sonderangeboten richten . . . . . . . . . . . . . . . 86 Mythos und Realität – die wahre Wirkung von Preisen. . . . . . . . . . . . . 88 Trendkategorien im Wellenmodell: Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Exemplarischer Überblick aktueller Trendstudien. . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Systematische Ableitung genereller Alleinstellungsund Profilierungsmerkmale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Multisensorisches Marketing: Profilierung über alle fünf Sinne . . . . . . 114 Individuelle und authentische Beratung als „neue“ Kernkompetenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Kompetentes Management des Tagesgeschäfts – in der Praxis häufig unterschätzt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Gestaltungsfelder einer operativen Exzellenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Top-18-Shoppingkiller im Einzelhandel (Kundenschmerz ist ‚sehr hoch‘ und ‚hoch‘). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Erfassung der Erlebnismomente im Einzelhandel – Überblick . . . . . . . 163 Erfassung der Erlebnisqualität Customer Journey im Ladengeschäft eines stationären Einzelhändlers. . . . . . . . . . . . . . . . 165 Digitale Anwendungen innerhalb des Ladengeschäfts: Mehrwert oder Spielerei?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Überblick: Anwendungen mit Mehrwert für den Kunden und operativem Nutzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Einsatzmöglichkeiten der Beacon-Technologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Smart Store Matrix: Status Quo und Potentiale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Entwicklung des Mediamix im Handel bis 2021. . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Rückläufige Auflagen überregionaler Tageszeitungen im 1. Quartal 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Entwicklung der durchschnittlichen täglichen Nutzungsdauer des Internets in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2018 (in Minuten). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Durchschnittliches Alter der Zuschauer ausgewählter Sender. . . . . . . . 209 Die Top 20 Werbespender in Deutschland 2018. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

Abbildungsverzeichnis

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Abb. 5.26 Wahrnehmung von Werbung – zunehmende Schwierigkeit, Kunden zu erreichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Abb. 5.27 Wirkungsvolle Handelskommunikation: relevant, partizipativ und interaktiv. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Abb. 5.28 Content-Marketing: Kommunikation ‚über Bande‘. . . . . . . . . . . . . . . . 221 Abb. 5.29 Der Einzelhandel benötigt ein neues mentales Denken. . . . . . . . . . . . . 229

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Einleitung: Warum der stationäre Einzelhandel handeln muss

„Handel ist Wandel“ ist eine altbekannte und immer wieder neu zitierte Weisheit über die systemimmanente Dynamik gerade in diesem Wirtschaftszweig. Es gibt kaum eine Branche, die schon immer von einer derart starken Wettbewerbsintensität und daraus resultierend einer so hohen Anpassungsnotwendigkeit geprägt wird. Und so vergeht keine Woche, in der nicht über die Entstehung neuer Unternehmen, das plötzliche Verschwinden ehemals vertrauter Namen oder die Übernahme vermeintlicher Alleinstellungsmerkmale nun auch bei den Wettbewerbern berichtet wird. Denn der Handel gehört schon immer zu den Branchen, der von einer hohen Dynamik geprägt ist, in der sich ein Imitations- oder Wettbewerbsschutz nicht durchsetzen lässt und zu dem es keine direkten Zugangsbarrieren gibt. So muss sich jeder Einzelhändler in einem Konkurrenzumfeld aus ständig neuen Sortimenten, Warenpräsentationen und Handelsformaten immer wieder neu erfinden, um seine Kunden mit relevanten Mehrwerten nachhaltig für sich zu begeistern. Allerdings: In der öffentlichen Diskussion gibt es immer mehr Meldungen, die eine solche Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit des stationären Einzelhandels anzweifeln, weshalb man den Eindruck gewinnt, dass die lange gültige ‚Handel-ist-Wandel‘-Mechanik immer weniger funktioniert. Durch die Digitalisierung und dem parallelen Wertewandel der Gesellschaft wenden sich offensichtlich immer mehr Konsumenten vom klassischen Einzelhandel ab und erledigen ihre Einkäufe im Internet. Ein solcher Eindruck wird durch lebendige Headlines belegt (vgl. Abb. 1.1). In den Medien wird öffentlichkeitswirksam nicht nur von der generellen Bedrohung durch den eCommerce, sondern sehr konkret von einem dadurch ausgelösten Retail-Kollaps und einem sich damit verbundenen Massensterben berichtet. Begleitet werden solche Berichte durch bedrückende Reportagen und Fotos von geschlossenen und allmählich verwahrlosenden Geschäften oder sukzessive verwaisender Innenstädte und Shoppingcenter (vgl. Abb. 1.2). Und tatsächlich zeigen die © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Merkle, Erfolgreich im stationären Einzelhandel, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27160-2_1

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1  Einleitung: Warum der stationäre Einzelhandel handeln muss d͗

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Abb. 1.1   Berichte über die Bedrohung des stationären Einzelhandels. (Quelle: Eigene Darstellung)

Foto: etailment.de

Foto: Wolfgang Merkle

Foto: Wolfgang Merkle

Foto: Wolfgang Merkle

Foto: Wolfgang Merkle

Foto: dpa

Abb. 1.2   Visualisierung des Ladensterbens und verödender Innenstädte. (Quelle: Eigene Darstellung)

Schließungen in vielen Branchen, wie groß die Bedrohung tatsächlich ist: So leiden nicht nur Fotofachgeschäfte, Blumenläden, der Spielzeugfachhandel und Musikfachgeschäfte. Auch klassische Handwerksbetriebe wie Metzgereien sind fast komplett aus dem Stadtbild verschwunden. Und dieses Schließungsszenario betrifft nicht nur kleinere Läden; auch größere, ehemals prominente und überregional tätige Unternehmen wie Strauss Innovation oder Toys „R“ Us haben mit ihren Konzepten Insolvenz anmelden müssen. Und mit Blick in die aktuelle Berichterstattung zeigt sich, dass die Krise auch im textilen Einzelhandel angekommen ist – selbst einst erfolgsverwöhnte Unternehmen wie Esprit und Gerry Weber sind nun betroffen (vgl. Kolf 2019).

1  Einleitung: Warum der stationäre Einzelhandel handeln muss

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Die Bedrohung wird konkret durch Analysen und Prognosen von Branchenexperten belegt. So hat der Präsident des HDE Hauptverband des deutschen Einzelhandels vor einiger Zeit prognostiziert, dass bis zu 50.000 Läden vom Markt verschwinden werden (vgl. Sanktjohanser 2014, S. 3); einzelne Fachbücher zeichnen diese Zahlen sogar noch dramatischer, „…we predict that 50 % of all current brands and retailers will disappear“ (Lewis und Dart 2014, S. 132). In der aktuellen Umsatz- und Strukturprognose des HDE wird demzufolge für 2019 von einer generell getrübten Stimmung in den Unternehmen berichtet, „rosige Aussichten“ werden „nur für den E-Commerce“ vorhergesehen (Gerth 2019a). Dieser für den stationären Einzelhandel pessimistische Ausblick wird zudem durch Beschreibungen einer immer geringeren Anpassungsfähigkeit oder sogar einem mangelnden Anpassungswillen ergänzt: „Manche Händler wollen sogar sterben…“ (Heinemann 2015) ist eine der kraftvollen Beschreibungen der aktuellen Situation im stationären Einzelhandel (vgl. Abb. 1.3). Und wie konkret die Bedrohungslage des stationären Einzelhandels wirklich ist, zeigt sich schließlich auch in aktuellen Meldungen der Wirtschafts- und Finanzpresse. So publiziert die Anlegerschutzvereinigung DSW – Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. mit Blick auf die Börsenkursentwicklung verschiedener Unternehmen jedes Jahr die größten ‚Kapitalvernichter‘ – die Namen der Unternehmen mit der schlechtesten Kursentwicklung im ‚Prime Standard‘. In 2018 sind gleich drei prominente Unternehmen des Einzelhandels in der Top-10-Negativ-Liste aufgeführt: Steinhoff Holding, dem Möbelkonzern, zu dem auch Poco gehört, der Modehersteller Gerry Weber, der im Januar 2019 sogar Insolvenz anmelden musste, sowie Tom Tailor. Steinhoff auf dem zweiten Platz mit einem Verlust von rund 69 Prozent innerhalb eines Jahres, Gerry Weber auf dem dritten Platz mit einem Verlust von 76 Prozent in 2018 und Tom Tailor auf dem fünften Platz mit einem Minus von gut 80 Prozent (Anmerkung: Das Ranking stützt sich nicht allein auf die Kursverluste des vorangegangenen Jahres, sondern auf dem Mittel der letzten drei Jahre; Quelle: o. V. 2019).

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Abb. 1.3   Expertenmeinungen zur aktuellen Situation des stationären Einzelhandels. (Quelle: Eigene Darstellung)

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1  Einleitung: Warum der stationäre Einzelhandel handeln muss

Literatur Gerth, S. (2019a). Direkter Weg zum Kunden: Warum der klassische Handel kaum noch gebraucht wird. e.tailment vom 13.03.2019. https://etailment.de/news/stories/einkaufen-customizing-direktvertrieb-kundenloyalität-22115. Zugegriffen: 15. März 2019. Heinemann, G. (2015). Manche Händler wollen wahrscheinlich sterben. https://etailment.de/news/ stories/Gerrit-Heinemann-digitale-transformation-3759. Zugegriffen: 16. Aug. 2016. Kolf, F. (2019). Der Einzelhandel droht 2019 zum Opfer der Digitalisierung zu werden. Handelsblatt vom 03.01.2019. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/handelsblatt-branchencheck-der-einzelhandel-droht-2019-zum-opfer-der-digitalisierung-zu-werden/23820150.html?ticket=ST-92196-cNLLYOG1dlHxUVbMQ7Lf-ap5. Zugegriffen: 5. Jan. 2019. Lewis, R., & Dart, M. (2014). The new rules of retail, competing in the world’s toughest marketplace. New York: St. Martin’s Press. o. V. (2019). DSW-Auswertung: Das sind die größten deutschen Kapitalvernichter, in Spiegel Online vom 14. März 2019. http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/boerse-diese-unternehmen-haben-am-meisten-kapital-verbrannt-a-1257669.html. Zugegriffen: 16. März 2019. Sanktjohanser, J. (2014). Deutscher Handelskongress 2014; Eröffnungsrede des HDE-Präsidenten Josef Sanktjohanser am 19. November 2014. https://einzelhandel.de/images/Eroffnungsrede_ HDK_SJ_FINAL.pdf. Zugegriffen: 15. Jan. 2015.

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Digital und stationär – zwei bedeutende Dimensionen des aktuellen Wettbewerbs

Bei der Suche nach den Ursachen der aktuellen Krise des stationären Einzelhandels hört man häufig die beiden Schlagwörter ‚Digitalisierung‘ und ‚Wertewandel‘: • Denn die Digitalisierung hat zum einen zur Entwicklung eines komplett neuen Wettbewerbs geführt. Damit sind zum Beispiel Amazon und Zalando als Warenhäuser des Internets entstanden, gleichzeitig aber auch andere Pfade zum Einkauf wie die Nutzung von Suchmaschinen oder Preisvergleichsportalen. • Die Digitalisierung hat zum anderen aber auch zu einer Veränderung des Konsumverhaltens geführt. Denn für Konsumenten haben sich mit dem durch das Internet entstandenen Onlinehandel nicht nur neue Einkaufsalternativen erschlossen; über die Entstehung der mobilen Welt der Smartphones oder neue Kommunikationsformen mit den sozialen Medien haben Konsumenten ein deutlich verändertes Einkaufsverhalten entwickelt. • Der Wertewandel der Gesellschaft hat zu einem deutlich veränderten Bewusstsein der Konsumenten geführt – mit der Konsequenz, dass eine in der Vergangenheit existierende Loyalität gegenüber ‚angestammten‘ Betriebsstätten nur noch in Ausnahmefällen zu beobachten ist. Konsumenten heute haben sich zu selbstbewussten, gleichberechtigten Partnern im Geschäftsleben entwickelt. Digitalisierung und Wertewandel sind wichtige Schlüsselbegriffe und werden zum besseren Verständnis deshalb im weiteren Verlauf noch weiter erläutert – die Digitalisierung in diesem Abschnitt, der Wertewandel im Abschn. 3.1 ‚Gründe und Kennzeichen eines veränderten Bewusstseins‘. Dennoch sollte bewusst sein: Digitalisierung und Wertewandel selbst sind nicht die primäre Ursache der massiven Veränderungen im stationären Einzelhandel, sondern eher begründende Hintergrundphänomene. Denn das eigentliche

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Merkle, Erfolgreich im stationären Einzelhandel, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27160-2_2

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2 Digital und stationär – zwei bedeutende Dimensionen … Deutliche Intensivierung des Webewerbs: • Internet als neue Dimension mit innovaven, z.T. disrupven Modellen, die im Webewerb neue Standards setzen • Aber auch : Wachsende Dynamik mit laufend neuer Betriebsformen und gleichzeigem Ausscheiden weniger spannender Konzepte innerhalb des staonären Sektors

Quelle: eigene Darstellung

Vollständige „Emanzipaon“ der Konsumenten: • Klassische Loyalitätggü. „angestammten“ Betriebsstäen nur noch im Ausnahmefall • Hohe Preissensibilität – Qualität und Convenience dabei als selbstverständliche Voraussetzung • „Konsumerismus“ – heute Realität...

Quelle: eigene Darstellung

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Abb. 2.1   Zwei Ursachen der aktuellen Herausforderungen im stationären Einzelhandel. (Quelle: Eigene Darstellung)

Problem der Branche ist aus den Konsequenzen von Digitalisierung und Wertewandel erwachsen (vgl. Abb. 2.1): • Nämlich erstens aus der Entstehung eines verschärften Wettbewerbs, der mit der Digitalisierung sogar noch um eine weitere (Online-)Komponente verstärkt wurde. Auf den Plan sind hoch innovativ agierende Online-Player getreten, die mit radikal andersartigen Geschäftsmodellen und komplett neuen Prozessen nicht nur „alte“ Gesetzmäßigkeiten in Frage stellen, sondern fortlaufend neue Benchmarks setzen; mit neuen Services, überzeugenden Angeboten und spannenden Präsentationen zu attraktiven Preisen. Wurden Unternehmen wie Amazon und Zalando von angestammten Playern anfangs noch kommentiert mit ‚das kann doch eigentlich gar nicht funktionieren‘ oder ‚das kann sich doch gar nicht rechnen‘ zeigt die Reaktion der Konsumenten, wie sie diese neuen Angebote schätzen – und ihnen so eine hohe Relevanz zusprechen; viele der neuen Angebote und Services haben sich zum neuen Standard entwickelt haben und die Branche damit komplett umgekrempelt. • Und zweitens mit einem parallel gewachsenen Selbstverständnis der Konsumenten, das nicht nur – durch den Wertewandel ausgelöst – noch kritischer und in seinen Reaktionen noch unberechenbarer geworden ist, sondern zu einer viel selbstbewussteren Kommunikation führt: Ganz selbstverständlich werden digitale Medien zu allen Tageszeiten und Anlässen genutzt und lassen die Menschen nicht nur sehr viel souveräner in dem Wissen werden über das sie beim Einkauf verfügen, sondern macht sie auch deutlich freier in ihren Entscheidungen, wo, wann und was sie konsumieren – und zwar nicht nur zu Hause an fest installierten Geräten, sondern auch mobil während des gesamten Tages. Der Konsument heute scheint sich in seinem Verhältnis zum Einzelhandel komplett ‚emanzipiert‘ zu haben.

2.1  Die Entstehung von Online-Konkurrenz als neue Herausforderung …

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Beide Facetten – sowohl die Intensivierung des Wettbewerbs wie auch die ‚Emanzipation‘ des Konsumenten – scheinen für den Einzelhandel so wichtig, dass sie im weiteren Verlauf erläutert werden müssen. Die Vorstellung der verschiedenen Facetten des verstärkten Handelswettbewerbs erfolgt in den nun folgenden Abschn. 2.1 und 2.2, die verschiedenen Aspekte zur Vorstellung eines neuen Verbraucherverhaltens werden im sich daran anschließenden Kap. 3 vorgestellt.

2.1 Die Entstehung von Online-Konkurrenz als neue Herausforderung im Wettbewerb In der Diskussion des sich verschärfenden Wettbewerbs und der Entstehung neuer Konkurrenten wurde früher „nur“ von einem Wettbewerb innerhalb des stationären Umfeldes berichtet. So hat der Einzelhandel noch vor 20 Jahren das stetige Wachstum großer internationaler Ketten beklagt, die mit der systematischen Expansion in alle bedeutenden Innenstädte den angestammten mittelständischen Einzelhandel immer stärker verdrängt haben. Häufig kommentiert wurde auch die zunehmende Bedeutung der Discounter, die sich mit ihren attraktiven Preisen und dem langsamen Ausbau ihrer Sortimente in ihrer Bedeutung zunehmend zum Nahversorger entwickelt haben. Aktuell konzentriert sich die Berichterstattung jedoch weitgehend auf die Digitalisierung und dem wachsenden Online-Wettbewerb, der – so der Eindruck – sogar den gesamten stationären Einzelhandel in seiner Existenzberechtigung in Frage stellt. Der digitale Raum ist zum wichtigen Fundament für Informationen, Werbung, Empfehlungen und Einkäufe geworden, die jederzeit und frei von irgendwelchen restriktiven Öffnungszeiten-Regelungen getätigt werden – ganz einfach von zu Hause aus, ohne nervige Parkplatzsuche und gestresstem Verkaufspersonal, mit bequemer Nach-Hause-Lieferung und kostenloser Abholung der Retouren nach persönlichem Wunschtermin. Für viele Konsumenten hat sich der Online-Handel nicht nur zu einer echten Alternative zu traditionellen stationären Einkaufsstätten entwickelt – für viele Konsumenten ist der Einkauf im digitalen Umfeld sogar ein vollwertiger Ersatz. Und Headlines wie „Der Einzelhandel droht 2019 zum Opfer der Digitalisierung zu werden“ (Kolf 2019) oder „Konkurrenz durch Online: Dem deutschen Einzelhandel droht ein Massensterben“ (Gassmann 2017a) scheinen den Eindruck zu bestätigen, dass die neuen großen digitalen Wettbewerber wie Amazon, Zalando und Ebay den stationären Einzelhandel komplett verdrängen. Worum geht es bei der Digitalisierung grundsätzlich? In einer engen Definition beschreibt die Digitalisierung zunächst nur die Überführung von analogen in digitale Daten. In einer breiteren Auffassung bezeichnet die Digitalisierung die Veränderung von Geschäftsmodellen durch die Verbesserung von Geschäftsprozessen über die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien. Und in einem nochmals erweiterten Verständnis wird die Digitalisierung sogar mit einer technologischen Revolution gleichgesetzt, da sie nahezu alle Lebensbereiche der heutigen Gesellschaft

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2 Digital und stationär – zwei bedeutende Dimensionen …

durchdringt – über Voice-gestützte Technologien wie Alexa oder ‚Internet-of-things‘-Anwendungen wie eine App-gestützte Steuerung der privaten Haustechnik über das Smartphone. Und welche Bedeutung hat der Begriff Digitalisierung für den stationären Einzelhandel? Natürlich beschäftigt man sich auch im Handel mit der Übertragung analoger in digitale Daten – sämtliche Prozesse in der Warenwirtschaft, Order, Preisauszeichnung, Personaleinsatzplanung usw. werden heute digital gesteuert und abgewickelt. Dazu gehört zunehmend auch die Frage, welche technologischen Anwendungen sonst noch zum Einsatz kommen sollten, um den Kunden über digitalen Medien bestmöglich zu erreichen oder ihn auf der Fläche noch besser bedienen zu können. Im weitesten Verständnis wird das Thema Digitalisierung jedoch aus einer Wettbewerbssicht heraus diskutiert. Aus und mit der Digitalisierung ist eine komplett neue, zusätzliche Wettbewerbsdimension entstanden, die zwischenzeitlich teilweise sogar den gesamten stationären Einzelhandel in Frage gestellt hat: So wird der Zalando-Mitbegründer Oliver Samwer immer wieder mit seinem provokativen Satz „Geschäfte sind Mittelalter … sie wurden gebaut, weil es damals kein Internet gab“ zitiert (o.V. 2015). Und tatsächlich hat das Internet für die heutige Konsumwelt eine große Bedeutung erlangt: Während noch vor wenigen Jahren der Konsum bis auf wenig Ausnahmen fast ausschließlich im stationären Umfeld stattgefunden hat, sind die neuen Online-Anbieter heute zu einer festen Größe im Wettbewerb und für die Verbraucher zu einer echten Alternative geworden. Im stationären Handel stagnieren die Umsätze in den letzten 10 Jahren bestenfalls, während das Online-Wachstum bis 2017 kontinuierlich zweistellige Steigerungsraten aufweisen konnte; selbst für 2019 werden aber noch immer 8,5 % Wachstum prognostiziert (HDE 2019, S. 7). Neben der Entstehung neuer Wettbewerber lässt sich die große Bedeutung der Digitalisierung auch mit der Geschwindigkeit und Massivität der damit ausgelösten Veränderungen erklären: Anders als bei den sich allmählich vollziehenden Entwicklungen der Vergangenheit, auf die man sich sukzessive und ‚evolutionär‘ einstellen konnte, bringen die aktuellen Entwicklungen etwas Grundsätzliches, Vehementes und „Revolutionäres“ mit sich. Die aus der Digitalisierung resultierenden Veränderungen erscheinen so grundlegend anders, dass sie mit plakativen Vokabeln wie „digitaler Tsunami“ (Clasen 2013) oder „digitaler Darwinismus“ (Kreutzer and Land 2016) versehen werden. Neben der schieren Menge an fast täglich neu auftretenden Konzepten, Mechanismen und Medien wird aufgrund komplett anderer Handlungs- und Vorgehensweisen zudem das bisherige Wissen über die eigentlich notwendigen Prozesse und Abläufe in Unternehmen massiv herausgefordert. So ist mit Uber eine Organisation entstanden, die selbst keine eigenen Fahrzeuge besitzen. Airbnb vermittelt Übernachtungsdienstleistungen, ohne selbst über ein einziges Bett oder Zimmer zu verfügen. Netflix hat das Videoverleihgeschäft revolutioniert, ohne selbst auch nur eine Videothek betrieben zu haben. Und diese wichtige Erkenntnis betrifft auch den Einzelhandel: Viele der neuen Online-Wettbewerber sind von Branchenfremden entwickelt worden, die mit der Digitalisierung neue und bis dahin ungewöhnliche Geschäftsmodelle und Serviceideen

2.1  Die Entstehung von Online-Konkurrenz als neue Herausforderung …

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realisiert haben. Die Gründer von Zalando haben vor der Entwicklung ihres neuen Geschäftsmodells kaum etwas mit dem Einzelhandel zu tun gehabt; Amazon eröffnet nun auch stationäre Ladengeschäfte, ohne dass dies ihrer originären Expertise entspricht. Die ‚digitale Revolution‘ im Einzelhandel umfasst drei Aspekte: 1. Revolution im Verkaufsprozess: Natürlich sind manche Prinzipien des eCommerce bereits aus dem ‚klassischen Distanzhandel‘ – ehemaligen Versendern wie Quelle, Otto und Neckermann – bekannt. Dennoch: Mit der Digitalisierung sind ganz neue Player in den Wettbewerb eingetreten, die über die bewusste Nutzung sämtlicher technologischer Möglichkeiten dem Kunden – zumindest gefühlt – ein komplett neues Einkaufserlebnis bieten. Von der immerwährenden 24 Stunden-/7-Tage-die-WocheVerfügbarkeit, über mit Nutzer-optimierte Websites mit ausgefeilten Beschreibungen, exzellenter Bebilderung, begleitenden Bewegtbild-Tutorials, individuell auf den Kunden zugeschnittene Angebote, den konkreten Bewertungen einzelner Produkte durch andere Verbraucher bis zum transparenten, nachverfolgbaren Lieferprozess und kostenloser, unkomplizierter Retouren- bzw. Abholpolitik – und das alles mit maximaler Angebots-/Preistransparenz. Ein ganz wesentlicher und vielen Konsumenten in der heutigen Gesellschaft geschätzter Vorteil des Online-Shopping ist dabei auch der bequeme Einkauf direkt aus dem eigenen Zuhause oder mobil über das eigene Smartphone, ohne Zeitverluste durch lange Staus im Straßenverkehr, ohne lästige Parkplatzsuche und ohne nervige Warteschlangen vor den Kassen in den Geschäften. 2. Revolution im Informations- und Kommunikationsprozess: Die mittlerweile von allen Menschen genutzten und geschätzten Suchmaschinen haben das bisherige Kommunikationsverständnis ‚gedreht‘. Während die notwendigen Informationen zum Produktangebot in der Vergangenheit von den Unternehmen selbst über ausgewählte Medien zum Konsumenten gebracht wurden – noch stärker kann man dabei von ‚drücken‘ = englisch ‚push‘ sprechen –, suchen Menschen nun von sich aus nach dem, was für sie interessant und relevant ist. Damit wird die Bedeutung der bisherigen ‚push‘-Kommunikationslogik – das absendende Unternehmen setzt von sich aus damit um ein in den Konsequenzen wichtiges ‚pull‘-Informationsprinzip ergänzt; die Menschen suchen zunehmend und selbstbewusst aus ihrer eigenen Initiative heraus nach dem, was für sie interessant ist. Mit der Entwicklung der sozialen Medien wurde das althergebrachte Kommunikationsverständnis jedoch noch mehr ‚auf den Kopf‘ gestellt: Denn über Kanäle wie Facebook, Twitter und Co können Konsumenten ihre eigene Meinung in der Öffentlichkeit absetzen; und wie die Heftigkeit einzelnen ‚shitstorms‘ zeigt, kann dieses Meinungsbild durchaus publikums- und breitenwirksam ausfallen. Was ursprünglich lediglich ein einseitiger Informationsfluss von Unternehmen hin zum Konsumenten war, hat sich damit heute zu einem echten dialogischen Austausch zwischen Unternehmen und Konsumenten in beide Richtungen entwickelt. In der Vergangenheit haben Unternehmen über Marktforschungen auf der Basis generalisierter

2 Digital und stationär – zwei bedeutende Dimensionen …

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Kundensegmente vermeintliche Kundenbedürfnisse erfragt und die Erkenntnisse daraus mit neuen Produkten oder Kampagnen – im besten Fall auf einzelne Zielgruppen zugeschnitten – beantwortet. Im Social Media-Zeitalter ist die Notwendigkeit einer Eins-zu-eins-Kommunikation angebrochen und erfordert eine neue Form der dialogischen, interaktiven Kommunikation. 3. Revolution in der Produktentwicklung: In der Vergangenheit gab es körperlich und haptisch greifbare Produkte, die – technologisch und Marken-technisch perfektioniert – in den Regalen der verschiedenen Händler angeboten wurde. Im digitalen Zeitalter sind jedoch auch neue, „entmaterialisierte“ digitale Produkte entstanden: Früher gab es die Schallplatte und später die CD, die man als reale, körperliche Produkte erworben hat; heute lädt man sich die jeweils interessantesten Songs per Streaming auf seinen Computer oder legt sie in seiner Cloud ab. Neben diesen grundlegenden Folgen aus der Digitalisierung ist für den stationären Einzelhandel die Entstehung eines komplett neuen Wettbewerbsumfeldes bedeutend. Denn mit der Digitalisierung hat sich der Wettbewerb über eine ganze Reihe von Aspekten deutlich intensiviert: • Entstehung einer neuen Wettbewerbsvielfalt: In der Vergangenheit gab es für den Konsumenten – mit Ausnahme der von ihrem Marktanteil relativ konstant bleibenden Versandunternehmen – im stationären Umfeld ‚nur‘ die Händler als Angebotsalternativen, die für ihn lokal auch erreichbar waren. Diese Situation hat sich mit dem Internet grundlegend verändert. Die Menschen haben heute quasi ‚auf Knopfdruck‘ direkten Zugriff weltweit auf alle Wettbewerber, die dort mit ihren Shops präsent sind. Merk-Box

Früher ging es vor allem um den Wettbewerb innerhalb des stationären Sektors – häufig ‚nur‘ als Kampf zwischen Fachhändlern und Discountern. Heute ist eine weitere wichtige Dimension dazu gekommen: Der Kampf Stationär gegen Online.

Egal ob aus dem nationalen oder aus dem internationalen Umfeld: Konsumenten müssen nicht mehr die Mühe weiter Wege auf sich nehmen, um bestimmte Fachhändler oder Spezialisten zu finden. Das Angebot ist mit der einfachen Suche über die Suchmaschinen oder die sozialen Medien fast unendlich groß geworden – und das betrifft nicht nur die Anzahl der Wettbewerber, sondern auch die jeweiligen Sortimente, die sowohl von ihrer Auswahlbreite wie -tiefe nunmehr nahezu alle Wünsche der suchenden Internet-User erfüllen. • Entstehung einer neuen Wettbewerbsintensität: Jahrzehntelang durfte der stationäre Handel seine Geschäfte nur im Rahmen des Ladenschlussgesetzes betreiben; mit fest vorgegebenen Ladenöffnungszeiten und klar definierten Wochenendregelungen.

2.1  Die Entstehung von Online-Konkurrenz als neue Herausforderung …

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Selbst wenn diese Rahmenbedingungen in den letzten Jahren aufgeweicht wurden: Online-Anbieter stehen ihren Kunden jederzeit zur Verfügung, 24 Stunden rund um die Uhr und sieben Tage die Woche und stellen ein scheinbar unbegrenztes Angebot zur Verfügung – mit einer Sortimentsbreite und -tiefe, die der Stationärhandel so nie bieten konnte. Und genau das nutzen die Menschen und kaufen sehr oft genau dann online, wenn Ladengeschäfte geschlossen haben; nachts und am Wochenende, wann immer sie möchten. Und über das mobile Internet heute nicht mehr nur von zu Hause aus, sondern jederzeit auch von unterwegs aus. Gleichzeitig ermöglicht es die Digitalisierung auch neuen Unternehmen bei nur geringen Markteintrittsbarrieren mit einem neuen Geschäftsmodell an den Markt zu gehen – häufig werden zum Testen einer neuen Idee nur ein Computer und ein Internetzugang benötigt. So können Start-Ups in kurzer Zeit extrem schnell wachsen und dadurch zu einer zentralen Bedrohung für etablierte Anbieter werden (vgl. Kreutzer und Land 2016, S. 13). • Entstehung neuer Standards und Gesetzmäßigkeiten: Durch die Digitalisierung ist es in vielen Branchen zu einer Verschiebung gelernter Branchenstandards gekommen. Gerade die erste Welle der Digitalisierung war die Domäne junger Start-Ups, die frei von den Konventionen bisher etablierter oder ‚üblicher‘ Prozesse, mit meist sehr schlanken eigenen Strukturen und ohne den Druck, auf bestehende Organisationen Rücksicht nehmen zu müssen ihre innovativen Ideen sehr unkompliziert verwirklicht haben (Kreutzer und Land 2016, S. 14). So war den klassischen Zeitungsverlagen die Bedrohung aus dem Internet lange Zeit nicht bewusst. Denn nach ihrer Definition war das Geschäftsmodell als ‚Präsentation von Informationen auf Papier‘ beschrieben; das Internet als Informationskanal damit ausgeklammert. Und so haben sich gerade auch im Handel komplett neue Angebotsformen und Serviceplattformen entwickelt; häufig von branchenfremden Unternehmen, die sich zu Beginn ihrer Aktivität mehr als Technologie- und Prozess-Provider denn als Händler verstanden haben und ihre Geschäftsmodelle damit deutlich unkonventioneller entwickelt haben als traditionelle Branchenvertreter. Im Ergebnis sind neuartige Angebotsplattformen, Marktplätze oder Preisvergleichs- und Vermittlungsportale entstanden, die den Handel komplett neu interpretieren; Geschäftsmodelle, die teilweise sogar ohne Warenbestände und unter Verzicht auf traditionell übliche Prozesse arbeiten – das war bisher nicht denkbar. Einer der Mitbegründer von Zalando beschreibt die unkonventionelle Herangehensweise: „Wir haben als BWLer angefangen, die keine Ahnung von Mode haben. Die ersten Schuhe, die wir bestellt haben, liegen wahrscheinlich immer noch im Lager“ (Friedrich 29. April 2016).

2 Digital und stationär – zwei bedeutende Dimensionen …

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Merk-Box

Die ‚neuen‘ Wettbewerber aus der digitalen Welt lassen sich nicht von den üblichen Vorgehensweisen einer Branche beeindrucken. Die jeweiligen Geschäftsmodelle werden konsequent neu aus einem ganzen anderen Blickwinkel heraus gestaltet – mit entsprechender Resonanz bei den Konsumenten. • Entstehung eines neuen Konsumentenverhaltens: Die Digitalisierung hat – neben den Auswirkungen des Wertewandels – die Entwicklung eines neuen Konsumverhaltens gefördert; denn die über die Entstehung neuer Wettbewerber deutlich erweiterte Auswahl, durch die mit den Smartphones jederzeit und in voller Transparenz vorliegende Information woanders verfügbarer Produkte und Preise und über die sehr schnelle Gewöhnung an neue Services und Standards ist die Loyalität der Konsumenten deutlich rückläufig. Und das wird begünstigt durch die sehr schnelle Verfügbarkeit von Angebotsalternativen im Internet, wonach der nächste Wettbewerber immer ‚nur‘ ‚just-one-click-away‘ ist. Aus diesem neuen Selbstverständnis heraus ist bei manchen Einzelhändlern deshalb auch die Befürchtung des sog. ‚Beratungsklaus‘ (engl. auch ‚Showrooming‘) entstanden, wonach viele Kunden sich im stationären Einzelhandel zunächst intensiv beraten lassen, um das jeweilige Produkt dann später – und günstiger – im Internet zu bestellen. Doch selbst wenn in jüngerer Zeit Untersuchungen zeigen, dass diese ‚ROPO‘-Logik (= Research-Offline-Purchase-Online) in der Praxis auch anders herum funktioniert – nämlich über das Phänomen, das andere Konsumenten sich immer erst im Internet vorinformieren, um ein Produkt dann später im stationären Handel zu erwerben (= Research-Online-Purchase-Offline) (Statista 2018) – der Konsument wechselt heute sehr viel schneller als früher seine Einkaufsstätte. Und so kann es sein, dass ein ungeduldiger Konsument auch bei gefühlt schlechten Prozessen wie z. B. langen Warteschlangen seinen Einkauf im Internet erledigt (vgl. Scholz 2017). Merk-Box

Konsumenten wechseln heute deutlich schneller zwischen den verschiedenen Einkaufsstätten – doch nicht nur aus einem rationalen Produkt-Preis-Vergleich heraus; auch schlechte Prozesse im stationären Geschäft können den Online-Kauf fördern. • Entstehung neuer Entwicklungsgeschwindigkeiten: Noch nie haben sich Technologien so schnell durchgesetzt wie aktuell. Die Digitalisierung bringt neue Technologien mit sich, die sich gefühlt fast explosionsartig verbreiten. Das Beispiel für die Verbreitung von Medien zeigt beeindruckend mit welcher Geschwindigkeit neue

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d­ igitale Anwendungen sich heute durchsetzen: Während das Fernsehen noch 38 Jahre, das Radio 13 Jahre benötigten, um 50 Millionen Nutzer zu gewinnen, gelang das dem Internet in nur vier Jahren. Facebook sammelte 50 Millionen Nutzer in einem Jahr ein, Twitter gelang das bereits nach neun Monaten, während das dem Nachrichtendienst WhatsApp nach knapp zwei Monaten gelungen ist (vgl. Kreutzer und Land 2016, S. 22). Amazon hat sich mit seinen hohen Innovationsraten mittlerweile zum ‚Angstgegner für deutsche Kaufleute‘ entwickelt, jede neue Entwicklung wird mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet (o. V. 2016c) (vgl. Abb. 2.2). Während Amazon anfangs vornehmlich Bücher, Spielzeug und Elektronik angeboten hat, vertreibt es heute ein Komplettsortiment von Haushaltswaren bis zur Mode. Das Unternehmen betreibt den größten Marktplatz für kleine Online-Händler und hat sich innerhalb kürzester Zeit in unterschiedlichen Branchen zu einem der größten Anbieter entwickelt. Mit seinem neuen Streaming-Angebot für Musik und Filme ist Amazon zudem auf dem Weg zum Mediengiganten. ‚Amazon Prime‘, eine Mischung aus günstigen Medieninhalten, einem fast grenzenlosen Sortiment und privilegierter Zustellung für seine Abonnenten – eines der ganz wenigen Loyalitätsprogramme übrigens, für die ein Kunde zu zahlen bereit ist – gilt als „Geniestreich“ (o. V. 2016c). Über die Lebensund Zahlungsgewohnheiten seiner Kunden weiß Amazon mehr als die gesamte Konkurrenz zusammen – auch mehr als Google oder Facebook. Und Amazon arbeitet weiter

Abb. 2.2   Geschätzte Marktanteile von Amazon im deutschen Einzelhandel nach Kategorien im 1. Quartal 2018. (Quelle: Universität St. Gallen via Handelsblatt; wiedergegeben in www.statista.com am 7. November 2018)

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an Innovationen; berichtet wird über Drohnen, Roboter oder selbstfahrende Autos, die Pakete innerhalb weniger Stunden ohne große Zusatzkosten liefern. Jeff Bezos von Amazon hat den Anspruch einmal beschrieben als „We don’t sell things. We help people make better purchase decisions.“. Merk-Box

Die Grenzen zwischen bisher klar getrennten Branchen verschwimmen zunehmend. Die aktuellen und zukünftigen Wettbewerber stammen nicht mehr nur aus dem Kreis bisher ‚bekannter‘ Herausforderer.

Gleichzeitig wird ein hohes Ungleichgewicht im Wettbewerb zwischen Amazon und angestammten Anbietern beklagt. Nicht nur, dass Personalkosten bei Amazon tarifvertraglich als Logistikunternehmen abgerechnet werden und damit im Vergleich zum Handel deutlich niedrigere Personalkosten zu tragen sind; auch in der Unternehmensbesteuerung zeigen sich gegenüber angestammten und unter deutschem Steuerrecht stehenden inländischen Anbietern ganz erhebliche Unterschiede: Unternehmen wirtschaften „quasi steuerfrei …, weil sie entsprechende Einzelabkommen mit [anderen] Staaten“ abgeschlossen haben (o.V. 2019). Merk-Box

Bedingt durch die strukturellen Vorteile mancher Online-Unternehmen – keine Einschränkungen hinsichtlich Ladenöffnungszeiten, deutlich günstigere Personalkostenstrukturen, erhebliche Unterschiede in der Unternehmensbesteuerung – müssen stationäre Einzelhändler noch größere Anstrengungen unternehmen, um in dem Wettbewerb mit Online auf Dauer bestehen zu können.

Neben Amazon sind für den Nutzer auch die vielen Spezialanbieter hoch relevant, zu denen man über das Internet leichten Zugang findet und die ein echtes ‚Long Tail‘-Business ermöglichen: Nämlich die Möglichkeit, Nischenprodukte auch jenseits der üblichen Sortimente schnell und einfach zu finden, für die man im stationären Einzelhandel i. d. R. viel Recherche-Aufwand und die Überwindung großer geografischer Distanzen auf sich nehmen muss. Für den Konsumenten spannend ist nicht nur die das zugleich breite wie tiefgefächerte Sortiment; selbst Nischen- oder sog. ‚Long Tail‘-Produkte lassen sich dort schnell finden und bilden allein mit diesem tiefen Angebot eine scharfe Konkurrenz zum traditionellen Fachhandel. Gleichzeitig liefert die Vielzahl begleitender Nutzungstipps, Anwendungs-Tutorials und Verbundangebote wie „wird oft zusammengekauft…“ oder „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch“ dem interessierten Besucher

2.1  Die Entstehung von Online-Konkurrenz als neue Herausforderung …

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einen hoch relevanten Mehrwert. Und schließlich vereinfachen Shop- und Produktbewertungen bzw. Rezensionen anderer Kunden die Einkaufsentscheidung und lassen die neuen Angebotsalternativen für einen immer souveräner agierenden Konsumenten zu einer ganz wichtigen Alternative zu den traditionellen Angeboten des stationären Handels werden. Verdeutlicht wird diese wachsende Bedeutung durch Zahlen, wonach mittlerweile ein Viertel der Deutschen mindestens einmal im Monat etwas im Internet bestellt, 9,4 Prozent sogar 20 Mal oder öfter im Jahr. Die hohe Bedeutung des neuen Online-Handels und ihre Fähigkeit mit neuen Angebotsformen und -services die Kunden für sich zu begeistern, zeigt sich besonders plastisch übe die großen Online-Anbieter Amazon und Zalando. Jeder vierte Artikel, den die Deutschen im Netz bestellen, läuft mittlerweile über Amazon, sein Anteil am gesamten deutschen Online-Handel beträgt schon jetzt mehr als 25 Prozent. Der zweitpopulärste Onlineshop ist zalando.de, rund 19 Prozent der Bevölkerung haben hier bereits Kleidung oder Schuhe gekauft. In der Betrachtung der unterschiedlichen Branchen zeigt sich, welche Bedeutung der Onlinehandel zwischenzeitlich gewonnen hat (vgl. Abb. 2.3). Im Bereich Consumer Electronic/Elektro werden mittlerweile 31 % des gesamten Einzelhandelsumsatzes über das Internet erzielt; im Bereich Fashion und Accessoires 27,7 %, im Bereich Freizeit und Hobby 26,4 % und im Büro- und Schreibwaren-Bereich immerhin 22,6 %. Für den stationären Einzelhandel ist das eine echte Herausforderung. Ein nicht unerheblicher Treiber für eine zunehmende Akzeptanz des neuen Online-Angebots scheinen aber auch Verkehrssituation und Verhalten örtlicher Behörden und Kommunen zu sein. Je schwieriger es wird, aufgrund von Staus und Baustellen mit dem eigenen Fahrzeug überhaupt in die jeweiligen Einkaufsgebiete oder

Abb. 2.3   Anteil des Onlinehandels am Gesamtumsatz in Deutschland 2018 (in %). (*DIY Kernsortimente, ohne Großhandel und Handwerker, ohne Leuchten/Lampen, ohne Deko/Haus/Heimtextilien; Quelle: HDE Online Monitor; wiedergegeben in statista.com am 21. Mai 2019)

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2 Digital und stationär – zwei bedeutende Dimensionen …

Innenstädte zu gelangen und dann dort auch noch einen (kostenpflichtigen…) Parkplatz zu finden, umso eher wird der gemütliche Online-Einkauf zu Hause zu einer tatsächlichen Alternative zum Stress von Einkaufsfahrt und Parkplatzsuche. Ein Beleg dazu findet sich in Berichten wie „Parkplätze weg, Kunden weg – … Geschäftsleute leiden unter … Umbau …“ (Hartung 31. August 2018) oder „In der Altstadt zermürben Renovierung und Auflagen des Denkmalschutzes die Inhaber…“ (Wood 18. Februar 2019). Die allmähliche Verschiebung der Einkaufspräferenzen wird schließlich auch mit einem Blick auf die Einzelhandelsumsätze im Weihnachtsgeschäft deutlich – traditionell eine der wichtigsten Umsatzphasen im Geschäftsjahr: So zeigen Befragungen, dass das Internet immer stärker als echte Einkaufsalternative gesehen wird und dementsprechend ihren Bedarf immer stärker in der Onlinewelt decken (vgl. Abb. 2.4). Gerade die letztgenannten Zahlen verdeutlichen, dass das Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten und Entwicklungen den Wettbewerb des Einzelhandels deutlich verstärkt hat. Mehr noch: Über die mit dem Internet einhergehende Entstehung innovativer, z. T. hoch disruptiver Geschäftsmodelle und durch die gleichzeitige Etablierung neuer Standards scheint das Internet eine neue Dimension des Wettbewerbs eröffnet zu haben. Der digitale Raum ist zum wichtigen Fundament für Informationen, Werbung, Empfehlungen und Einkäufe geworden, die jederzeit und frei von irgendwelchen restriktiven Öffnungszeiten-Regelungen getätigt werden – ganz einfach von zu Hause aus, ohne nervige Parkplatzsuche und gestresstem Verkaufspersonal, mit bequemer Nach-Hause-Lieferung und kostenloser Abholung der Retouren nach persönlichem Wunschtermin. Für viele Konsumenten hat sich der Online-Handel damit zu einer echten Alternative zu den traditionellen stationären Einkaufsstätten entwickelt.

Abb. 2.4   Verschiebung der Einkaufspräferenzen im Weihnachtsgeschäft. (Basis: 1000 (2015, 2017, 2018)/1500 (2016) Verbraucher (ab 18 Jahren) in Deutschland; Quelle: EY I Valid Research; wiedergegeben in: www.statista.com; 5. Dezember 2018; abgerufen am 10. Dezember 2018)

2.2  Der Wettbewerb innerhalb des stationären Sektors …

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Abb. 2.5    Prognose: Online-Anteil am Einzelhandelsumsatz bis 2024. (Quelle: https:// www.ibi.de/aktuelle-meldungen/1695-prognose-e-commerce-anteil-am-einzelhandelsumsatz-wird-bis-2024-nochmals-deutlich-steigen.html, abgerufen am 10. Januar 2019)

Wird der stationäre Einzelhandel deshalb aussterben? Nun, natürlich berichtet der HDE Handelsverband Deutschland die enormen Wachstumsraten des Internet; allein in 2018 ist der Online-Handel um zehn Prozent auf 53,4 Mrd. Euro Umsatz gewachsen (HDE 2018). Allerdings: der Gesamtanteil Online beträgt bisher ‚nur‘ ca. 10 % des gesamten Einzelhandelsvolumens. Und auch wenn Online weiter wachsen wird; Prognosen sagen dem Online-Handel bis 2024 ebenfalls ‚nur‘ Anteile zwischen 12,5 % in einem konservativen Szenario bis 17,5 % in einem progressiven Szenario aus (vgl. Abb. 2.5). Auch wenn diese neue Komponente im Einzelhandelswettbewerb zum kritischen Überdenken der eigenen Strategie anregen muss: die von vielen prognostizierte Apokalypse des stationären Einzelhandels ist noch nicht eingetreten.

2.2 Der Wettbewerb innerhalb des stationären Sektors – dynamischer und stärker denn je Handel, Kultur und gesellschaftspolitische Entwicklung – das sind drei Dimensionen, die seit Urzeiten eng miteinander verknüpft sind. Parallel zur Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft haben Händler schon immer versucht, sich an die jeweiligen Erfordernisse und Erwartungen anzupassen und die Menschen für sich zu begeistern. Historisch hat der Handel bereits eine ganze Reihe spannender Phasen durchlaufen (Roth 2013): • Zeitalter des frühen Handels: Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich der Handel nur gemächlich, ohne größere Veränderungen entwickelt. Über Jahrhunderte hinweg dominierte der handwerksgetriebene Handel, zunächst auf Wochenmärkten, später auch in ersten kleineren Nachbarschaftsgeschäften.

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2 Digital und stationär – zwei bedeutende Dimensionen …

• Zeitalter der Massenproduktion: Mit der aufkommenden Massenproduktion – getrieben durch die Erfindung von Webstühlen, Dampfmaschinen und ersten Förderbändern – kam es zu nicht nur zu generellen Veränderungen des damaligen Wirtschaftssystems, sondern damit einhergehend auch im Handel: ab Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden die ersten Warenhäuser, begleitet von einer ersten Filialisierungswelle bei den Facheinzelhändlern. • Zeitalter des modernen Shoppings: Das ‚moderne Shopping‘ ist mit Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden, mit der sukzessiven Entwicklung von Supermärkten, der Einführung der Selbstbedienung, der Eröffnung erster Shopping-Center und Verbrauchermärkte, das Entstehen des Discount-Gedankens sowie der parallelen Erfindung von Fachmärkten. Bis zur Entstehung des Internet als komplett neue Wettbewerbsdimension haben sich die meisten der Veränderungen und Weiterentwicklungen fast ausschließlich innerhalb des stationären Sektors vollzogen. Einzelne kleinere Handwerksbetriebe und Fachhändler bekamen Ende des 19. Jahrhunderts Konkurrenz durch Warenhäuser, wenig später wurden kleine Lebensmittelhändler von größeren Supermärkten bedrängt, in einem weiteren Schritt etablierten sich großflächige Shopping-Center und Einkaufszentren, in den 1980-Jahren haben Discounter und Fachmärkte die Form des einfachen und billigen Einkaufens eingeführt – stets wurden bestehende Betriebsformen durch neue Handelskonzepte mit einer für den Konsumenten spannenden Angebotszusammenstellung, attraktiveren Präsentationen und zumeist günstigeren Preisen bedrängt. Jede dieser neuen Betriebsformen wurde zum jeweiligen Zeitpunkt des Markteintritts als Innovation angesehen, mit denen beim Konsumenten ein neuartiges Einkaufserlebnis ausgelöst wurde und damit in der Regel die Einkaufsstättenpräferenz verschoben hat. Diese Veränderungsdynamik – umgangssprachlich hört man dazu auch die Aussage ‚Das Bessere ist der Feind des Guten…‘ wird in der handelswissenschaftlichen Literatur mit dem Begriff ‚Wheel of Retailing‘ erklärt – er beschreibt die Notwendigkeit, dass sich jede Betriebsform aufgrund des parallel immer neu entstehenden Wettbewerbs über eine Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten bzw. potentiellen Wünsche der Verbraucher unbedingt weiterentwickeln muss, um nicht aus dem Markt verdrängt zu werden. Das systematische Aufgreifen, konsequente Weiterentwickeln und damit das Neuinterpretieren bestehender Ideen für die eigene Betriebsform ist schon immer ein systemimmanentes Prinzip des Einzelhandels. Es gibt keinen Imitations- und Wettbewerbsschutz erfolgreicher Konzepte – das Aufgreifen guter Ideen und noch bessere Umsetzen durch Andere ist fester Teil unseres Wettbewerbssystems. Insofern sind durch den Wettbewerb erzwungene Geschäftsaufgaben und Insolvenzen für die jeweils betroffenen Unternehmen zwar ‚bitter‘; sie zeigen auf der anderen Seite jedoch auch, dass die jeweilige Grundidee so spannend war, dass sie von anderen Unternehmen aufgegriffen und noch besser interpretiert und/oder günstiger angeboten wurde gemäß der allgemeinen Erkenntnis ‚Eine Kopie ist die höchste Form des Lobes‘. Die Verdrängung von kleineren Fachgeschäften durch noch breiter

2.2  Der Wettbewerb innerhalb des stationären Sektors …

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sortierte und preislich günstigere Kaufhäuser, die Verdrängung von Tier- und Zoogeschäften durch großflächige Fachmärkte und die Integration in große Pflanzenmärkte, die Insolvenz des spannenden Kochhaus-Konzepts durch eine (günstigere) Integration in den Lebensmittelhandel, der deutlich Gewinneinbruch bei Rapunzel durch die breite Listung von Bio-Sortimenten im Wettbewerb – alles das sind Beispiele für den permanenten Weiterentwicklungs- und Verdrängungsprozess im Einzelhandel. Deshalb sind Handelsbetriebe allein schon aufgrund dieses sich gegenseitig beeinflussenden und ständig neu antreibenden Wettbewerbs-Momentums permanent zum Überdenken des eigenen Geschäftsmodells und zum Weiterentwickeln der eigenen Profilierung gezwungen. Merk-Box

Das sog. ‚Wheel of Retailing‘ erklärt in einem handelsökonomischen Naturgesetz, dass jede Betriebsform vier Phasen von der Entstehung, Aufschwung, Annäherung und Rückzug oder Integration durchläuft und am Ende selbst wiederum über neue Betriebsformen aus dem Markt verdrängt wird.

Die jüngeren Entwicklungen sind Händlern natürlich besonders präsent – gerade auch deshalb, weil die Wettbewerbsintensität auch ohne die neu dazu gekommene Dimension der Digitalisierung bereits hoch eingeschätzt wurde. Bereits seit den 1990er Jahren wird von einem weiter zunehmenden Verdrängungswettbewerb berichtet, der durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist: • Noch stärkere Verankerung Preis-orientierter Betriebsformen: In nahezu allen Branchen haben die Discounter weiter expandiert – und das nicht nur im Lebensmittelbereich über Aldi, Lidl und Netto, sondern auch im Textileinzelhandel mit Konzepten wie KiK, Takko oder erlebnisorientierten Großflächenkonzepten wie Primark oder TK Maxx. Dazu gehören aber auch großflächige Fachmärkte anderer Branchen wie Fressnapf und Futterhaus oder im Möbelbereich IKEA und Pocco. • Weiter wachsende Bedeutung vertikaler Unternehmen: Seit 20 Jahren haben, insbesondere im Fashion-Bereich, ursprünglich aus der Herstellung kommende Unternehmen wie ZARA und H&M mit dem sukzessiven Aufbau eines eigenen, hoch professionellen Vertriebssystems den klassischen Textileinzelhandel in Bedrängnis gebracht. Dieses Geschäftsmodell ist so erfolgreich, dass die Unternehmen mit weiteren Submarken systematisch auch in den Wettbewerb um weitere Zielgruppen und Produktsortimente eingestiegen sind. Wie z. B. Fashion-Accessoires bei Massimo Dutti, Einrichtung und Möbel bei ZARA Home oder Kosmetika bei H&M. • Trend zur systematischen Sortimentsergänzung – bis hin zum Vollsortimenter: Immer mehr Unternehmen erweitern ihre Sortimente um angrenzende Angebote. So zu beobachten bei den großen Discountern, die sich in den letzten Jahrzehnten über einen

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gezielten Prozess allmählich vom selektiven Anbieter wesentlicher Grundnahrungsmittel zum umfassenden Vollsortimenter entwickelt haben. Oder bei den vertikalen Fashionanbietern, die ihr Angebot an Komplett-Outfits immer weiter perfektioniert haben und somit den Schuheinzelhandel oder Wäscheanbieter bedrängen. Oder auch bei Baumärkten, die neben Werkzeugen, Baustoffen und Gartenzubehör immer stärker zum Kompletteinrichter mit Lampen, Badezimmern, und Küchen werden. • Entstehung eigenständiger FMCG- und Hersteller-Konzepte: Immer mehr Hersteller haben den direkten Weg zum Kunden gefunden – ohne Zwischenstopp bei einem Händler und zumeist viel spannender inszeniert und präsentiert als bei den deutlich mehr auf Effizienz getrimmten Verkaufsstätten des traditionellen Sortimentsfacheinzelhandels. • Innovationsdruck durch permanente Entstehung und Test neuer Sortimentskonzepte: Nichts ist spannender für Konsumenten als neue, vom bisherigen Angebot abweichende und so noch nicht gesehene Konzepte – und genau diese entwickeln im Wettbewerb gleichzeitig ein beschleunigendes Momentum. • Einstieg von ‚Online only‘-Unternehmen in den stationären Wettbewerb: Ganz offensichtlich haben viele Unternehmen den besonderen Reiz eines direkten Dialoges mit den Kunden entdeckt und deshalb stationäre Präsenzen eröffnet – mit dem Ziel einer physischen Markenpräsenz als wichtiges Marketing-Instrument mit dreidimensionaler Prägung oder ganz einfach als weiterer Kanal zur Generierung von Umsätzen. Insbesondere in den Innenstädten ist eine sukzessive Verdrängung angestammter Händler zu beobachten; bei der Stärke und Finanzkraft großen und häufig international agierender Ketten und Filialunternehmen bei gleichzeitig stagnierenden Verkaufsflächen (HDE 2018, S. 30) und steigendem Mietpreisniveau gerade kleine, mittelständische Fachgeschäfte und häufig noch familiengeführte Einzelunternehmen bedrängen – mit der Konsequenz, dass vereinzelt ein zunehmendes Bild „austauschbarer, öder und langweiliger Innenstädte“ (Iken 10. November 2017) beklagt oder schlicht konstatiert wird, dass ehemalige Traditionsmeilen „inzwischen von Ketten geprägt“ (Gaßdorf 2019, S. 11) werden (vgl. Abb. 2.6). Wie sehen die Entwicklungen nun im Einzelnen aus? Und welche weiteren Entwicklungen lassen sich für die nähere Zukunft ausmachen? Weiterentwicklung Preis-orientierter Betriebsformen Eines der wichtigsten Merkmale des Einzelhandels ist natürlich die enorme Preisorientierung mit der Entstehung und beachtlichen Expansion von Discountern und preisorientierten Betriebsformen wie Fachmärkten, Factory Outlets und Lagerverkäufen in nahezu allen Branchen. Der Wettbewerb im stationären Einzelhandel wird in gesättigten Märkten schon länger über den Preis ausgefochten und hat sich in den letzten 20 Jahren noch deutlich weiter verschärft. Dabei ist beim Konsumenten das Preisbewusstsein geschärft worden, insbesondere durch die vom Handel selbst initiierte

2.2  Der Wettbewerb innerhalb des stationären Sektors … 0HUNPDOHGHUDNWXHOOHQ(QWZLFNOXQJ

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