Erfahrung und Gegenstand: Das Verhältnis von Sinnlichkeit und Verstand 9783465035251

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Erfahrung und Gegenstand: Das Verhältnis von Sinnlichkeit und Verstand
 9783465035251

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PHILOSOPHISCHE ABHANDLUNGEN HERAUSGEGEBEN VON ROLF-PETER HORSTMANN UND ANDREAS KEMMERLING

BAND 95

)1611

VITTORIO KLOSTERMANN · FRANKFURT AM MAIN

JOHANNES HAAG

Erfahrung und G~genstand Das Verhältnis von Sinnlichkeit und Verstand

!!oll VITTORIO KLOSTERMANN · FRANKFURT AM MAIN

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Fakultät für Philosophie, \Vissenschaftstheorie und Religionswissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Vittorio Klostermann GmbH Frankfurt am Main 2007 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des Nachdrucks und der Übersetzung. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Werk oder Teile in einem photomechanischen oder sonstigen Reproduktionsverfahren oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten, zu vervielfältigen und zu verbreiten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier §lS09706 Satz: Fotosatz L. Huhn, Linsengericht Druck: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Printed in Germany ISSN 0175-6508 ISBN 978-3-465-03525-1

VORWORTf

Die nachstehende:: Überlegungen si::d das E1·gebncs einer mehrjährigen Beschäftig1.:-::tg mit dem neuzeitlichen Repräsentationallsmus einerseits und der Frage nach einer geeigneten Rolle der Sinnlichkeit in unserem Bezug auf die \\Telt andererseits. Die ;,eicien Autoren, die mich im Rahmen dieser Auseinar.dersetzung am meisten geprägt haben~ sind Kant und Sella.rs. Sie stehen deshalb im Mittelpu::k~ C'er vorliegenden Untersuchung. Eine frühere Version dieser Überlegungen ist im Juli 20~4 von der p;,_;_ losophischen Fakultät der Ludwig~Max:rr._ilians-Univcrsität München als schriftliche Hab~li::atio:1sleistung angenommen worden. Die vorliegende Untersuchung ist eine überarbeitete !.!nd erweiterte Fassung dieser Habilitationsschrift. Wiihrend der Abfassung der ursprünglichen Version und in der Zeit der "Cberarbeitung habe ich von vielen Seiten f-Iilfe und Ermutigung erfahre~ für die ich mich an. Cieser Ste]e bedanken möchte. Ohn-e d~e Unterstützung von Ec~arr Förs:er wäre ich sicherlich nicht in der Lage gewesen~ dieses Buch zu verfassen. In zahlreichen Ges?rächen ha-: er mit seinen umfasse::den Kenntnissen u~d seinem respektvollen U::ngang mit klassischen Texten nicht nur mein Kautverständnis en::scheidend geprägt. Seine Kommentare zu fdlheren Versionen der Kapitel übe: Kant waren fßr die endgültige Fassung von größter Bedeutung- auch v..-enn ich mir bewusst bin, :auf längst: nicht alle .:ngemessen reagierr zu haben. Ein::1al mehr bin ich Holge: Sturm für seinen unermüdlichen Einsatz und .seine Bernühunge~ um ein Ve;s:ändnis a:;ch noch der kryptischsten Passagen dieser L'ntersuchung zu Dank verpflichtet. \Venn das Ergebnis wenigstens in Teilen klarer und deutlicher gewo.::den ist, so ist das zu eine:n guten Teil auch se~n Verdienst. Unsere Seminare und die gemeinsa:ne Arbeit zu Sellars und Brandom haben zu. meiner:: Verständnis der Thematik viel beigetragen. Stefanie Grüne hat mit sachkundigen und engagierten Nachfragen und immer neuen f::ndierten Einwände:: insbesondere die Überarbeitung der Kapitel über die Transzendental(! Deduktion und zur.1 Schematismus begleitet. Die dortigen Über:egungen ·ve::-danken dieser anregenCen Auseinandersetzung sehr viel. Tom Fehse hat es dankenswerterweise auf sich genommen) nahezu die ganze Abhandlung im Emwurf zu lesen und mit seinen hilfreichen Kommentaren zu versehen. Godehard Link hat: mir als einer der Gutac~ter der Habilitatioc.sschrift wertvolle Hinweise für die Überarbeituag gegeben.

~~~~~-~~~~--

VI

Vorwort

\'7ährend dieser Revision haben Diskussionen mit Christian Barthund Bill deVries mein Verständnis für Seilars vertieft. In diesem Zusammenhang verdient auch ein Austausch mit Dominik Perler über die Frage nicht-rela-

tionaler Intentionalität Erwähnung. Markus Wild danke ich für zahlreiche erhellende Gespräche nicht nur zur Frage des methodologischen Verhältnisses von naturalistischen und transzendentalphilosophischen Ansätzen in der philosophischen Auseinandersetzung mit dem Problem der Intentionalität. Für Anregungen und kritische Diskussionen zu Kant, Seilars und McDo-

well bin ich Marcus Willaschek zu Dank verpflichtet. Kritische Nachfragen von Reinhard Brandt, Rolf-Peter Horstmann und Bernhard Thöle zu einem Vortrag über den Schematismus haben mi,ch dazu veranlasst, meine Konzeption dieses Kapitels nochmals grundlegend zu überdenken.

Mein Dank gilt außerdem Erich Ammereller, J ohannes Brand!, Georg Brun, Daniel Dohrn, Volker Halbach, Johannes Hübner, Ursula Martin, Martine Nida-Rümelin, Olaf Preuß, Maria Seid! und Johanna Wolff. Sabine und B eate Roth waren so freundlich, fast das ganze Buch Korrektur zu lesen.

lvieiner Frau, Elisabeth Roth, und unseren Kindern, Katharina und Justus,

danke ich für die liebevolle Zuwendung, mit der sie mich in den letzten Jahren begleitet haben. Ihnen möchte ich dieses Buch widmen. Garching, Januar 2006

INHALT

1. EINLEITUNG 1.1 Intentionalität und philosophische Abstraktionsebenen . 1.2 Konkurrierende Ansätze . . . . . . . . . . .

1.3 Sinnliche und begriffliche Repräsentationen . . . . . . . 1.3.1 Ideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 8

17 18

1.3.2 Die Unterscheidung von sinnlicheri und nicht-sinnlichen

Ideen vor Karrt . . . . . . . . . . . l . . . . . . . . . . . .

23

1.3.3 Die historische Motivation der zwei Stämme . . . . . . . 1.4 Die systematische Bedeutung der Trennung von Sinnlichkeit

28

und Verstand . 1.5 Leitfaden . . . . . . . . . . . . . . . . . ; . . . . . . . . . . . .

32 34

2. DER GRUND DER BEZIEHUNG DER VORSTELLUNG AUF IHREN GEGENSTAND 2.1 Der Grund der Beziehung der Vorstellung auf den Gegenstand 2.2 Gegenstände überhaupt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Transzendentale Psychologie und transzendentale Sprachwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3. GEGENSTÄNDE DER ERFAHRUNG UND DINGE AN SICH

43 43 48 52

61

3.1 Spielarten des Idealismus . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Problematischer Idealismus . . . : . . . .

61 62

3.1.2 Dogmatischer vs. transzendentaler Idealismus 3.2 Primäre und sekundäre Qualitäten . . . . . . . . .

64 67

3.3 Gegenstände der Einbildung vs. Gegenstände der Erfahrung . 3.4 Erscheinung und Dinge an sich 3.4.1 Erscheinung 3.4.2 Ding an sich . . . . 3.5 Unerkennbarkeit . . . . . 3.6 Affektion und Passivität

72 78 79 82 85 91

VIII

Inhalt

4. REZEPTIVITÄT 4.1 Grundbegriffe der Sinnlichkeit. 4.2 Materie und Form . . . .

4.3 Formen der Anschauung 4.3.1 Raum . . . . . . . . 4.3.2 Zeit . . . . . . . . . 4.3.3 Empirische Anschauung und reine Naturwissenschaft 4.4 Rezeptivität und Formen der Anschauung . . . . . 4.5 Empfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Empfindungen als Materie der Anschauungen 4.5.2 Grad und intensive Größe . . . . . . . . . . . 4.6 Empfindungen, Sinneseindrücke und die Argumentation für den Idealismus . . . . . . . . . . . 4.7 Anschauungen und Sinneseindrücke . . . . . . . . . . . .

5. SPONTANEITÄT UND VERSTAND 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

Urteile und Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Funktion der Einheit des Urteils . . . . . . . . . Urteilsformen und Begriffe in funktionaler Analyse . Synthesis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einbildungskraft und Apperzeption als Verstandesvermögen

103 103 108 110 111 117 120 123 131 132 138 142 150

159 159 167 171 178 181

6. DIE TRANSZENDENTALE DEDUKTION DER KATEGORIEN

187

6.1 Die objektive Deduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Selbstbewusstsein und bewusster Bezug auf Gegenstände 6.3 Die ,dreifache Synthesis' und die ,Deduktion von unten'

188 195 209

6.3.1 Empirisches Bewusstsein . . . . . . .

210

6.3.1.1 Synthesis der Apprehension . . . . . . . . 6.3.1.2 Synthesis der Reproduktion . . . . . . . . 6.3.1.3 Assoziation als Bedingung der Synthesis der Rekognition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Der objektive Grund der Erscheinungen . . . . . . . . . . 6.3.2.1 Selbstbewusstsein und notwendige Verknüpfung . 6.3.2.2 Affinität und Apperzeption . . . . . . . . . . . . . 6.3.3 Produktive Einbildungskraft und reine Verstandesbegriffe .

213 217 220 229 229 233 235

IX

Inhalt

241

6.4 Verstand und Natur . . . . .

7. DIE SYNTHESIS DER EINBILDUNGSKRAFT 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6

Die apriorische Synthesis der Einbildungskraft. . . . . Der ,transzendentale Gebrauch' der Einbildungskraft. Bilder und Bild-Modelle (I) . Subsumtion und Restriktion Schemata . . . . . . . . . . . Bilder und Bild-Modelle (II)

8. DIE EINHEIT DER ANSCHAUUNG UND DER GEGENSTAND DER ERFAHRUNG

245 245 256

264 268 279 292

297

8.1 Die kategoriale Struktur der Anschauungen: Anschauungen

und Bild-Modelle . . . . . . . . . . . . . Anschauungen und Objektivität . . . . . . . . Die funktionale Rolle der Anschauungen . . . Sellars' Kritik an Kants Anschauungsbegriff . Gegenstände der Vorstellung . Gehalt vs. Gesamtgehalt . . . . . . . . . . . . Gegenstände der Erfahrung . . . . . . . . . . 8.7.1 Was liegt in der sukzessiven Apprehension? 8.7.2 Regeln und Gegenstände . . . . . . . . . . . 8.7.3 Wahrheit und Gegenstand . . . . . . . . . . 8.8 Das Subjekt der Erfahrung und das transzendentale Subjekt

8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7

9. SINNESEINDRÜCKE UND DIE WIDERLEGUNG DES TRANSZENDENTALEN REALISMUS 9.1

Sellars' synoptischer Blick auf die Welt . . . . . . . . . . . 9.1.1 Transzendentalphilosophie und \j'issenschaftlicher Realismus . . . . . . . . . . ' 9.1.2 Weltbilder . . . . . . . . . . . . . ;_ ..

i· . . .

9.2

298 302 309 318 323 332 336 336 342 345 350

359 359 359 363

Idealismus und Sinneseindrücke . . . . . . :. . . .

367

9.2.1 Farbigkeit und wissenschaftlicher Realismus 9.2.2 Die Herleitung der Sinneseindrücke . . . . .

368 371

X

Inhalt

9.2.3 Zustände des Bewusstseins und der Mythos des Gegebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.4 Das Faktum des Geführtwerdens und die Herleitung der Sinneseindrücke . . . . . . . . . 9.3 Grenzen der Erfahrung . . . . . . . . . . 9.4 McDowells Kritik am Phänomenalismus 9.5 Neue Schematisierung von Kategorien . . 9.6 Anschauungen und die Abbildung der Welt 9.7 Nicht-relationale Intentionalität und die Ordnung der Begriffe 9.8 Wahrheit und Adäquatheit. 9.9 Intersubjektivität 9.10 Nachfolger . . . . . . . . .

10. SCHLUSS

377 383 388 393 397 400 405 408 415 418

423

Literatur . . . . .

441

Personenregister Sachregister . . .

455 457

1. EINLEITUNG

Das Problem, mit dem sich die folgenden Ausführungen beschäftigen, ist die Intentionalität unserer geistigen Zustände. 11ir geht es dabei um die geistigen Zustände, die sich auf die empirisch erfahrbare Wirklichkeit beziehen, im kantischen Sprachgebrauch also um Erfahrungen. Erfahrungen sind - in dem repräsentationalistischen Rahmen, in dem sich unsere Diskussion bewegen wird - empirische Vorstellungen von Gegenständen als Gegenständen. 1 Damit liegen klassische Empfindungen wie Lust oder Schmerz außerhalb ihres Interesses. Aber auch eine Einschränkung hinsichtlich der intentionalen Zustände ist gleich zu Beginn notwendig: Denn mit im kantischen Sinne ,reinen' geistigen Zuständen, d.h. solchen Zuständen, die keinerlei sinnliches Element enthalten, will ich mich gleichfalls nicht beschäftigen. Erfahrungen sind dadurch charakterisiert, dass sie begriffliche und sinnliche Aspekte in sich vereinen. Eine Analyse der Intentionalität empirischer Vorstellungen muss deshalb sowohl die Rolle ihrer begrifflich-abstrakten als auch ihrer qualitativ-sinnlichen Aspekte gerrau bestimmen. Dies soll die vorliegende Untersuchung leisten.

1.1 Intentionalität und philosophische Abstraktionsebenen Wenn Philosophen heute über das Problem der Intentionalität sprechen, dann fragen sie meist danach, wie sich geistige Zustände naturalistisch konzipierter Subjekte auf die Gegenstände in einer gleichfalls naturalistisch konzipierten Realität beziehen können. In diesem Bild wird Intentionalität häufig als eine Relation zwischen Entitäten behandelt, die im Idealfall selbst Gegenstand einer systematischen philosophischen Analyse sind: das epistemische Subjekt auf der einen Seite und die \XTelt auf der anderen. Beide Relata gehören damit, metaphorisch gesprochen, dem Bereich des Nicht-Intentionalen an. Vorausgesetzt wird dabei, dass dieser Bereich des Nicht-Intentionalen sich in einer Weise erfassen lässt, die ~on der Art und \Veise unabhängig ist, wie wir uns auf diesen Bereich- al~o die unabhängig von uns 1 Der Gegenstands begriff, der hier zu Grunde gelegt wird~ ist ein sehr allgemeiner Begriff von ,etwas von uns Unterschiedenem'. Ontologische Festlegungen sollen dadurch nicht getroffen werden, ·

2

Erfahrung und Gegenstand

existierende \\!elt und uns selbst als Teil dieser Welt- intentional beziehen. 2

Die faktischen intentionalen Beziehungen zwischen diesen beiden Relata gilt es, gemäß dieser Auffassung, genau wie die Relata selbst, möglichst adäquat zu beschreiben - meist unter Einbeziehung sprachlicher Äußerungen als irgendwie Drittes, das wahlweise eher dem einen oder dem anderen Bereich zugeordnet wird. Angestrebt wird dabei in der Regel eine naturalistische Beschreibung der intentionalen Beziehung selbst, also eine Naturalisierung des Geistes. \\Tird diese Naturalisierung im Prinzip als erfolgreich betrachtet, so er-

zwingt sie einen fortdauernden Abgleich der weitergehenden philosophischen Beschreibung mit Ergebnissen naturwissenschaftlicher Forschung. \\las die Deutungshoheit angeht, so wird die Naturwissenschaft in der

Regel die Beschreibung inhaltlich vorantreiben, während es Aufgabe der Philosophie ist, in diesem Prozess begriffliche Zusammenhänge zu klären und den naturwissenschaftlichen Fortschritt sozusagen mit kritischer Distanz zu begleiten. Die meisten systematischen Diskussionen des Problems der Intentionalität beschränken sich jedoch nicht auf diese dienende Rolle. Sie sehen die eigentliche Aufgabe der Philosophie in diesem Zusammenhang in einer

Beschreibung der faktischen begrifflichen Rahmenbedingungen, die einer naturalistischen Beschreibung zugrunde liegen, wie sie von den Naturwissenschaften (im seltenen Glücksfall in einer Zusammenarbeit mit Phi-

losophen) verfolgt wird. Diese Bedingungen charakterisieren demnach das begriffliche Koordinatensystem innerhalb dessen die naturwissenschaftliche Beschreibung sich dann mit ihren Untersuchungen zu bewegen hat. Die

begrifflich-formale Deutungshoheit bleibt auf diese Weise in der Hand der Philosophie- und das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die inhaltlichen Aspekte, sofern sich bei der Beschreibung dieser Rahmenbedingungen zeigt, dass bestimmte Phänomenbereiche sich einer naturalistischen Beschreibung grundsätzlich verschließen. Dieses Vorgehen halte ich in gewissen Grenzen für völlig unproblema-

tisch und zugleich für philosophisch verdienstvoll: Hier wird der Versuch unternommen, die faktische Fähigkeit zu intentionaler Bezugnahme, mit der wir uns als denkende Wesen ausgestattet erleben, in philosoppisch differenzierter \"X'eise zu beschreiben; das Phänomen soll hier verstanden und nicht einfach als unanalysierbares Faktum hingenommen werden. Doch dies ist nicht die Herangehensweise, die ich in der folgenden Untersuchung wählen werde. Mich interessieren nicht vorrangig die faktischen 2 Im Weiteren werde ich das Prädikat .,naturalistisch" in dieser eingeschränkten Weise verwenden, die Ansätze explizit ausschließt, in denen dieser Bezug nicht als unabhängig von unseren begrifflichen Ressourcen gedacht wird.

Einleitung

3

begrifflichen Rahmenbedingungen unseres als erfolgreich vorausgesetzten Weltbezugs oder die Eigenschaften und spezifiJchen Voraussetzungen dieses oder jenes intentionalen Systems. Ich will hüch vielmehr mit den 1 Eigenschaften beschäftigen, die jedes beliebige SysteT haben muss, das überhaupt zu intentionalem Bezug in der Lage sein soll. Solche Eigenschafren sind in einem näher zu bestimmenden Sinne gleichfalls notwendige Bedingungen der Intentionalität Jnd insofern scheint die Differenz zu den begrifflichen Rahmenbedingungeh, die die vorgenannten I .. Ansätze diskutieren, nicht wirklich zu bestehen. lDoch diese Uberlegung 1 übersieht eine wesentliche methodologische Differen z: In diesen Konzeptionen wird das Problem unter impliziter Voraussetzun~ des theoretischen Rahmens behandelt, der Gegenstand unserer Untersuchuhg ist. Sie setzen voraus, dass intentionale Bezugnahme erfolgreich ist; dass sish, mit Kant gesprochen, Vorstellungen tatsächlich auf ihren Gegenstand beziehen. Damit verzichten sie aber auf den Anspruch, den Grund dieser BeziehJng zu klären. Sofern es hingegen um Eigenschaften geht, di~ jedes beliebige intentionale System notwendig haben muss, um sich in~entional auf eine \\felt zu beziehen, deren Teil es ist, wird dieser Bezugsrahmen nicht als gegeben vorausgesetzt, sondern muss selbst als Teil der Frag~ nach den Bedingungen der Möglichkeit intentionaler Bezugnahme erst etabliert werden. Der Erfolg einer solchen Untersuchung bemisst sich dann darJn, in welchem Umfang es ihr gelingt, eine Theorie zu entwickeln, die hi~sichtlich ihres Unter' suchungsgegenstandes tatsächlich ohne Alternative ~st. \X'as es heißt, dass eine Theorie ohne Alternative ist, muss allerdings spezifiziert werden: Es kann nicht heißen, dass si~ logisch notwendig ist. \Vir können Alternativen in der Regel widerspruchsfrei denken. Doch diese logisch möglichen Alternativen sind keine Alternaiiven für uns, das heißt, sie sind keine Alternativen, die wir inhaltlich bestimmen können. Inhaltliche Bestimmung ist immer die Bestimmung des Dfnkens hinsichtlich seines Gegenstands; sofern diese Bestimmbarkelt wegfällt, liefert die Theorie eine bloß formale Analyse des Denkens, in der genaJ der intentionale Bezug vernachlässigt werden muss, um den es in einer Uhtersuchung der Intentionalität geht. I Wir können die bloß formal möglichen Alternativen nicht inhaltlich bestimmt denken, sofern die Grenzen und M iJglichk~itkn unseres intentionalen Bezugs auf die Welt von einer bestimmten Art si~dJ Wenn es deshalb auch nicht Ziel und Zweck einer derartigen Theoriebild~ng ist zu beschreiben, was diese Grenzen und Möglichkeiten faktiscH sind, so kann sie nicht umhin zu klären, was wir faktisch für die Grenzen bnd Möglichkeiten die' ses Bezugs halten. Denn diese Beschreibung, die deskriptiv-metaphysisch in Peter Strawsons Sinne ist, ist die Voraussetzung fü~ die Entwicklung einer

4

Erfahrung und Gegenstand

Theorie der Bedingungen der Möglichkeit dieser faktischen Grenzen und Möglichkeiten. Diese Theorie darf sich allerdings in einer solchen Beschreibung keineswegs erschöpfen; ihr Vorgehen darf sich deshalb auch nicht auf die deskriptiv-metaphysische Begriffsanalyse beschränken. Strawson schreibt in der Einleitung zu seinen Individuals, dass sich die deskriptive Metaphysik nur hinsichtlich ihres Umfangs und der Allgemeinheit der Fragestellung von

der begrifflichen Analyse unterscheide, nicht aber hinsichtlich der Art und Weise des Vorgehens. In der Analyse der Bedingungen der Möglichkeit ist aber, anders als in der Analyse faktischer Begriffsverwendung- und sei sie noch so allgemein oder abstrakt-, die Unmöglichkeit von Alternativen zu diesen Bedingungen unter den so spezifizierten Voraussetzungen mit angesprochen. Für das inhaltlich bestimmte Denken von intentionalem Bezug müssen wir als Ausgangspunkt den reflexiven Bezug auf unsere eigene I ntentionalität wählen, weil uns ein anderer Ausgangspunkt für eine Untersuchung

der Bedingungen der Möglichkeit der intentionalen Bezugnahme nicht zur Verfügung steht. In diesem Sinne sind unsere faktischen Annahmen hin-

sichtlich der Grenzen und Möglichkeiten dieses Bezugs unerlässlich für die Klärung der Bedingungen seiner Möglichkeit. Diese Perspektive lässt sich erst dadurch systematisch zu einer allgemeingültigen Analyse der Intentionalität erweitern, dass wir von den Aspekten der Ergebnisse der reflexiven Auseinandersetzung mit unserer Intentionalität schrittweise abstrahieren, die für unseren eigenen intentionalen Zugang zur

\Velt spezifisch sind, und auf diese Weise den Skopus der Beschreibung zum immer Allgemeineren hin systematisch vergrößern. Mit dieser Erweiterung ist immer ein Verlust von inhaltlicher Bestimmbarkeit verbunden- ein Verlust, der im Grenzfall die Ergebnisse so allgemein machen würde, dass das

so Abstrahierte mit dem logisch Möglichen zusammenfällt. Damit hätten wir aber die Grenze der möglichen Abstraktion in einer Analyse der In-

tentionalität überschritten: Denn das Denken des bloß logisch Möglichen bestimmt nur noch die Form des Denkens und abstrahiert ganz von der inhaltlichen Bestimmung, d.h. der Beziehung unseres Denkens auf seinen

Gegenstand. Deshalb markieren die Grenzen inhaltlicher Bestimmbarkeie die Abgrenzung einer Analyse der Bedingungen der Möglichkeit des intentionalen Bezugs unseres Denkens auf seine Gegenstände von einer Analyse der rein formalen Bedingungen des Denkens. Es geht in der folgenden Untersuchung also nicht um die Beschreibung der faktischen, naturalistisch aufgefassten Bedingungen, denen unser intentionaler Bezug auf die \Xfelt unterworfen ist. Ebenso wenig kann sie sich aber auf die Begriffsanalyse im klassischen oder auch im erweiterten deskriptiv-

Einlcittmg

5

metaphysischen Sinne beschränken obwohl vor allem die letztere Art der Begriffsanalyse einen nicD.t unwesentlichen Bestandteil der folgenden Überlegungen bilcler. wird. Diese begr.lffsanalyrischen Bedinguagen sind ein l\richtiger Bestandteil, aber nicht der Zweck dieser Überlegungen: Es geht letzr:ich nichr ur:: NotwendigkeiteL, die sich aus der A:oalyse der faktischen Verwendung bestimmter Begriffe ergeben. Auch die logischen Notwendigkeiten, die ei':'.::fstenz.) Vgl. [Perlcr 1996 §7].lch halte die Iruerprerariml Wr eine überzeugende Lösung für das ontologische ProblemJ von dem Perler ausgeht: Wie kann Descartes es vermeiden, im Zusammenbug der objektiver:. Realität von Ideen von geistigen Gegenständen als 3ezugsobje1uen zu sprechen, die von außergeistigen Gegenständen unter~ schieden sind? Gemäß dieser Interptetation beziehen wir uns nicht :au! ein geistiges Objekt, sondern unmittdbar au! den Gegenstand selbst, da das Wesen ''On Cessen Existenz begri!Jlich, nicht nber renl getrennt werden kann. ('lgl. [ebd. 88f.]). Dafür stellt sich n1111 aber die H

45

Einleitung

21

genstandes, der von einer Idee repräsentiert wirU, insofern es in der Idee existiert ... [Descartes Meditationes ATtii 161]

Was Gegenstand unserer I1een ist50 , kann- ~n Descartes' Terminologie- seinerseits auf zweierlei Art existieren: nicht hur an sich oder simpliciter, eine Seinsweise, die Descartes I als formale Exi~tenz bezeichnet, sondern auch objektiv ,in• unseren Vorstellungen.

de~

Id(~en

Denn alles, was wir als in Objekten der seiend perzipieren 51, existiert in den Ideen selbst objektiv ... Atl das, was in den Objekten unserer Ideen so existiert, dass es gerrau mit unserer Perf.eption davon üb~reinstimmt, wird als in diesen Objekten formal existierend bezeichnet. [DescarteS lvfeditationes AT VII 161]52

Stimmen die beiden Arten lund Weisen des IExistierens überein, ist die Vorstellung eine adäquate Re~räsentation ihre,'s Gegenstandes _53 Sofern es uns hinsichtlich der Frage nac~ der Wahrheit vön Ideen darum geht, was wirklich der Fall ist, ist dies de1alb für Descart~. s die Frage nach ihrer formalen Wahrheit. Allerdings sind inadäq ate Vorstellungen nicht sc~on falsche Ideen, und 1 adäquate Ideen mcht selbs) sch?n wahre Id~en- wemgstens mcht tm Smne von "formaler" Wahrheit, f.e. Ubereinstimlnung einer Idee mit ihrem Bezugsobjekt, der uns hier vbr allem beschä{tigen muss. 54 Ideen mögen mit ihren Gegenständen über~instimrnen oderf nicht - die Frage nach ihrer Fcage, wie wie zu dem Wesen eint Gegemtandes in B'eziehung mhen können. Bei Descanes ist dafür letztlich Gott verantwo rtlich, der uns diesd Fähigkeit verliehen hat- und ob eine solche Position systematisch noc~ überzeugen kann, i~t zumindest fraglich. 50 Descartes ist, was die Ontologie der möglichen f:>bjekte der Ideen angeht- stellen wir uns Gegenstände, Sachverhalte dder Ereignisse vor?;-, häufig indifferent.- Allerdings legen seine Beispiele etwa in der Dritien Meditation nahe~ dass Ideen für ihn primär Ideen von Gegenständen sind, Vgl dazu [Pe~ler 1996:48 ff.]. , 51 Dass Descartes in diesem Zusammenhang davo:n spricht, dass wir Ideen perzipieren, scheint ihn wieder einer Handlunb-Gegenstands-Les~rt näher'zu bringen. Doch ,Perzeption' ist bei Descartes nicht einfach ein1e Wahrnehmung VOI~ etwas. Er verwendet diesen Ausdruck vielmehr als terminus technicus fJr das Haben einer \torstellung. Descartes kann deshalb die Formulierungen "eine Idee in bes~immter Art und Wqise perzipieren" und "eine Idee mit bestimmten Eigenschaften haben" dts Synonyma verwe,nden. Bei Kant sind Perzeptionen nur die bewussten Vorstellungen. Dal für Descartes alle Vorstellungen wesentlich bewusst sind, könnte er Kants Klassifizierung z6stimmen- würde sJe aber für redundant halten. 52 Perlerweist zurecht daraufhih, dass Descartes sot gfältig zwischen objektiver und formaler Existenz und objektiver und f6rmaler Realität unt~·rscheidet: Ersteres ist eine Eigenschaft von Gegenständen von Ideen (alJo u. U. auch Ideen leibst, vgl. oben Fn, 41), letzteres eine Eigenschaft von Ideen, sofern sie J:inen Gegenstand haben. Vgl. [Perl er 1996:87 Fn. 24]. Ähnlich [Sdlacs 1967o:32/3). 51 Vgl. [Sellars 1967a:33]. 54 Neben dem Begriff der form len Wahrheit gibt s bei Descartes auch noch den Begriff der materialen Falschheit. Materikl falsche Ideen sin4 solche, die so dunkel und verworren sind - dazu gleich mehr -, dass hicht einmal entsch~eden werden kann, ob sie etwas oder nichts vorstellen. Vgl. [ebd. AT V 1 43/4]. 1

l 1

J

22

Erfahrung und Gegenstand

Wahrheit oder Falschheit ist erst berührt, sofern diese Ideen durch die denkende Substanz, deren Modifikationen sie sind, auf ihre Gegenstände bezogen werden. Was nun die Ideen anbetrifft, so können.sie, wenn man sie nur an sich betrachtet und sie nicht auf irgend etwas anderes bezieht, nicht eigentlich falsch sein; denn ob mir meine Einbildung nun eine Ziege oder ein Chimäre vorstellt- so ist es doch ebenso wahr, dass ich die eine, wie dass ich die andere in der Einbildung habe. [AT VII 37]

Ideen sind also schlicht keine Entitäten, denen die Eigenschaft der Wahrheit oder Falschheit als intrinsische Eigenschaft zukäme. \\Tahrheit oder Falschheit wird erst im Urteil von Ideen prädiziert, da erst das Urteil sie auf die von ihnen unabhängig oder an sich existierende Realität bezieht. Wahrheit und Falschheit sind also, sofern wir sie Ideen zuschreiben, nur relationale Eigenschaften von Ideen. Der Grund dafür ist, dass Ideen die Produkte des wesentlich passiv" gedachten Verstandes [facultas intelligendi] sind, des Vermögens, Ideen zu perzipieren. Als passives Vermögen hat nun der Verstand Descartes' Ansicht nach nur die Möglichkeit, mit der Ausübung eines rein dispositonal gefassten56 Herverbringens von Ideen zu reagieren. Für den Bezug dieser Ideen auf etwas außer uns brauchen wir ein aktives Vermögen. Der Verstand ist zwar auf seine \\'eise vollkommen- und muss dies sein, da wir ja von Gott geschaffen sind, und Gott nichts Unvollkommenes hervorbringen kann57- , weil er prinzipiell dazu in der Lage ist, adäquate Ideen zu perzipieren. Dennoch sind die meisten unserer Ideen de facto nicht adäquat- was mit der Endlichkeit und relativen Schwäche unseres Verstandes zusammenhängt, die Descartes immer wieder hervorhebt. 58 \XTas wir also suchen, ist ein weiteres Vermögen geistiger Substanzen, das die Ideen des passiven Verstandes aktiv auf etwas anderes bezieht. Prima facie kommt dafür natürlich der Wille [voluntas oder facultas eligendi] als wesentlich aktives Vermögen der res cogitans in Frage. Doch auch der Wille ist, für sich genommen, für diese Aufgabe nicht geeignet: Auch in dem \X'illen selbst oder in den Gemütsbewegungen hat man keine Falschheit zu fürchten; denn möchte ich etwas noch so Schlechtes, ja etwas, was es in aller \\'elt ss Vgl. den Brief an Regius im Mai 1641: "Sie [i.e. Wollen und Verstehen] unterscheiden sich nur als Aktivität und Passivität ein und derselben Substanz." [AT III 372] 5 6 Vgl. [Perler 1998:151 f.]. ~ 1 Diese Überzeugung veranlasst Descartes zu seiner Diskussion der spezifisch epistemischen Variante der Theodizeeproblematik in der Vierten Meditation. 58 In der Dritten Meditation dient diese Endlichkeit des Verstandes als einer der Kontrastbegriffe, die Gottes Vollkommcnhcitcn gegenüberstehen [AT VII 45]- nicht verstanden als eine Privation, i.e. ein Fehlen von etwas, sondern als Negation, wie Descartes in der Vierten Meditation hervorhebt [AT VII 55] Vgl. auch das Gespräch mit Burman [ATV 148/9] und die Fünften Erwiderungen auf Gassendi [AT VII 365).

Einleitung

23

rn

' nicht gibt, wünschen, so ble~bt es nichtsdesto~veniger wahr, dass ich es wünsche. [Descartes lvfeditationes AT 37)5''

Aus diesen Gründen sieht Descartes sich ge~wungen, ein weiteres Vermögen einzuführen: das UrteilsJiermögen [facult~s judicandi]. Dieses Vermögen ist strenggenommen kein selbständiges v:ermögen, sondern ein hybrides Vermögen, das eine spezi4sche Art und \\(eise des Zusammenwirkens von facultas inelligendi und 'facultas eligend( bezeichnet. Die epistemische Funktion des Willens ist 1~ämlich das urteilende Zustimmen und Ablehnen von Ideen bzw. die Enthal1ung des Urteils. rie Objekte dieser Zustimmung oder Ablehnung sind die Il!een des Verstan~es. In der Aktivität des Urteilsvermögens bewirkt das dJnkende Subjekt! also willentlich eine bestimmte propositionale Einstellund gegenüber eine~ idea objective, die der Verstand perzipiert, d.h. gegenüber I dem propositioi:lalen Gehalt dieser Vorstellung. Auf diese \Veise bezieht diy denkende Subst~anz eine Idee auf ihre ,formalen' Gegenstücke, d.h. auf die ihr korrespondie1;enden Entitäten.

1.3.2 Die Unterscheidung von sinnlichen ur)d nicht-sinnlichen Ideen vor Kant I \\las macht Ideen zu Kan~idaten für ein b:egründet zustimmendes Urteil? Dafür ist eine komplexe nicht-relationale Ei genschaft von Ideen verantwortlich, die in der cartesische1 Theorie als Krit erium der \\Tahrheit fungiert: die Eigenschaft der Klarheit und Distinktheit.IIdeen sind wahr, sofern sie klar und distinkt sind. Descarte s führt diese Eig< :nschaften am Beginn der dritten 11editation im ZusammenHang ihrer Funkti:on als ~?ahrheitskriterium ein:&o 1

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Und somit meine ich bereits als allgemeine aufstellen zu können, dass alles das wahr ist, was ich ... klar uhd [distinkt] GI erfa~se. [Descartes lvfeditationes AT VII 35]

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von zwei. A rgumenten ·~··ur d"teses B ewetszte " D"1eses A rgument 1st . emes . . . I . Es Ist . una bh""angtg . vom Beweis der Existenz Gottesj Das andere Argum nt gibt Descartes in der Vierten Jlfeditation, d.h. nachdem er den ersten Gottesbeweis gefi,ihrt hat, und gilt für den Verstand und den Willen: Da beide Vermögen ~ottgegeben sind, können sie nicht in sich selbst Quellen des Irrtums sein. [Descartes Afeditat{ones AT VII 56 ff.] 60 Descartes bereitet die Einführung dieses Kriteriums in der Diskussion des Wachsbeispiels der Zweiten kfcditatiorrvor. Die Eigenschaft der Klarheit und Distinktheit spielt schon in den früheren Schriften escartes' eine Rolle, die sich von der in den }1!editationes allerdings unterscheidet. Vgl. z.B [Descartes Regulae AT X 366ff.]. Für die Entwicklung, die dieses Kriterium in Descartes' Pfilosophie erfahren.hat, vgl. die Diskussion in [Gaukroger 1995:115-124]. 61 Buchenau hat hier für "distipcte"' "deutlich". Ich schließe mich Perler an, der in [Perler 1996] grundsätzlich von Distinkt eit spricht. Dadurch wird- ähnlich wie bei dem Begriff der Perzeption- der Charakter eines terminus technicus ~ervorgehoben. 1

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Erfahrung und Gegenstand

Was hier noch mit einiger Vorsicht formuliert ist, wird- spätestens nach dem Beweis der Existenz eines gütigen Gottes im weiteren Verlauf der dritten

Meditation und der Anwendung der Ergebnisse dieses Beweises auf das Irrtumsproblern in der vierten 1\1editation- für Descartes zum entscheidenden \Verkzeug für sein Projekt eines Fundamentes der Wissenschaften. Die adäquaten Ideen sind gerrau die klaren und distinkten. Der Zusammenhang mit der Urteilstheorie ist also folgender: Klare und distinkte Ideen sind adäquat, und berechtigen den Willen deshalb ohne weiteres dazu, sie als wahr zu beurteilen. 62 Dem Ideal der Klarheit und Distinktheit steht die Dunkelheit und Verworrenheit vieler, ja der meisten unserer Ideen gegenüber. 63 Unsere Vorstellungen sind nach Descartes graduell geordnet auf einer Skala, die vom höchsten Maße der Klarheit und Distinktheit bis hin zum größten Grad an Dunkelheit und Verworrenheit reicht. Dunkelheit und Verworrenheit werden dabei einfach als Gegenstücke von Klarheit und Distinktheit eingeführt. Beide Eigenschaftspaare charakterisieren die bloß formalen oder logischbegrifflichen Eigenschaften einer Idee, unabhängig von ihrem spezifischen Inhalt: Sie charakterisieren die Art und \Veise, in der ein spezifischer Inhalt uns in einer Idee gegeben ist. Was für Eigenschaften sind nun Klarheit und Distinktheit? Für unsere Zwecke ist eine oberflächliche Beschreibung ausreichend. 64 Eine Definition findet sich in den Principia Philosophiae von 1644: Klar nenne ich die [Perzeption] 6 S, welche dem aufmerkenden Geiste gegenwärtig und offenkundig ist, wie man das klar gesehen nennt, was dem schauenden Auge gegenwärtig ist und dasselbe kräftig und offenkundig erregt. [Distinkt] nenne ich aber die [Perzeption], welche bei Voraussetzung der Stufe der Klarheit, von allen übrigen so getrennt und unterschieden ist, daß sie gar keine anderen als klare Merkmale in sich enthält. [Descartes Principia AT VIII A 22]

Eine Idee kann demnach nicht distinkt sein, ohne zugleich klar zu sein, wohl aber umgekehrt; Als Beispiel einer klaren, aber nicht distinkten Idee nennt Descartes Ideen von Schmerzen. Solche Ideen werden sehr klar perzipiert, 62 Und wir werden sie im Normalfall auch so beurteilen, da wir im Falle klarer und distinkter Ideen eine große Neigung des Willens [AT VII 58/9] zur Zustimmung haben. Dass wir dennoch prinzipiell die Freiheit haben, auch dem Klaren und Distinkten unsere Zustimmung zu verweigern, ist eine Besonderheit der cartesischen Urteilstheorie. Vgl. [Schouls 1989 Kap. 2], [Schouls 1994], [Chappell 1994], [Haag im Erscheinen]. Anders [Halbach 2002], [Beyssade 1994]. 61 Vgl. z.B. [Descartes Principia AT VIII A 21]. M Vgl. dazu die Ausführungen in [Perl er 1996 §18). 65 Buchenau übersetzt das lateinische "perceptio" als "Erkenntnis". Das ist m.E. irreführend, da Perzeption, wie ich bereits erwähnt habe, einfach ein cartesischer terminus technicus für das Haben einer (bewussten) Idee ist und keinerleiepistemische Konnotation hat.

Einleitung

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sind aber keineswegs distilfkt: Denn normalerw ise, d.h. im naiven Zustand, 1 missdeuten wir in diesen Fällen einen bloßen Zustand unseres Geistes als etwas, was irgendwie im ferletzten Teil des K~rpers ist. 66 Sinnliche Ideen sind also, wie das Beispielides Schmerzes 2teigt,Jzwar in hohem Maße klar, aber dennoch alles anderefls distinkt. Nur die klaren und distinkten Ideen sind aber adäquat und de halb auch wahrheitsfähig. Die Distinktheit entscheidet also über den epis emischen \Vert der e+zelnen Ideen. Schon die Analogie des Sehens, die Descartes zur Illustration seines Begriffs der Klarheit verwkndet, deutet auf ein~ weitere Klasse klarer, aber verworrener Ideen hin, mif denen wir uns hier allem beschäftigen müssen: die Ideen der sinnlich~n Wahrnehmung. Dunkle Ideen können niemals distinkt sein, aber klare Ideen sind häufig verwdrren. Dies gilt auch für die Ideen der sinnlichen Wahrhehmung. Obwohl siJ sehr klar sind, sind sie auf 1 der cartesischen Skala der pistinktheit auf eine~ sehr niedrigen Stufe angesiedelt: Sie sind ve:worren fnd bleiben dies auc selbst für ~en_aufgeklärten Ge1st, der den ep1stem1sc1en Lauterungsptoze s der Meditationen durchlaufen hat. · Grund dafür ist, dass deen der sinnli'chen \V'ahrnehmung Ideen von Modifikationen der ausgedehnten Substanz-. der res extensa, 67 sind, in denen quantitative und qualitati~e Bestandteile aufs ergste ineinander verwoben sind. Nur den quantitativen Bestandteilen dieser Ideen entspricht aber etwas in der res extensa ist etwas in der res fxtensa ähnlich -, die ausschließlich durch Ausdehnungseigenschaften c~arakterisiert ist. Auch die AusdehnungseigenschafteJ aber, die wir als Eigerschaften der Gegenstände wahrnehmen, sind häufig ~icht die Eigenschafter, die die ausgedehnte Substanz tatsächlich hätte. 68 tls Repräsentationen! dieser Eigenschaften sind unsere sinnlichen Ideen deshalb zunächst gleichfalls verworren. Allerdings repräsentieren sie diese Ei~enschaften so, dass .Jrir sie mit Hilfe einer Partikelmechanik als Ausdeh1ungseigenschafeh. de~ res extensa rekonstruieren können. Hinsichtlich ihr9r quantitativen Bestfndteile können sinnliche Ideen also wenigstens als Grundlage für adiiquane (wissenschaftliche) Ideen von der res extensa dienen. -Qualitative Bestandteile der Ideen der sinnlichen Wahrnehmung hingegen sind gleichsam unheilbar dunkel und verworren!. Während ihre quantitativen Bestandteile eine mathdmatisch-naturwissen1chaftliche Rekonstruktion zulassen, ist eine vergleichb~re Rekonstruktion fAr die qualitativen Bestand-

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" Vgl. [ebd.]. I 67 Descartes war der Ansicht, dass die verschiedenen Körper, die wir wahrnehmen, letztlich nur Modifikationen der einej ausgedehnten Substanz, d.i. der res extensa, sind. Vgl. z.B. [Descartes Meditation es AT VII 93]. 68 Vgl. die Beispiele zur Sinnest ·uschung in der Ersten Me'ditation.

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E1jahrung und Gegenstand

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teile der sinnlichen Wahrnehmung nicht möglich. Die qualitativen Bestandteile sind Eigenschaften, die wir den Gegenständen unserer Ideen allein

auf Grund der zufälligen Beschaffenheit unserer geistigen Disposition zuschreiben. Sie sind notwendig verworren, da sie etwas als Eigenschaften von Gegenständen repräsentieren, was nicht Eigenschaft der Gegenstände qua 11odifikationen der res extensa, d.i. wesentlich bloß ausgedehnter Substanz, sein kann. Solche Ideen bezeichnet Descartes als material falsche Ideen. 69 Das bedeutet allerdings nicht, dass sie nicht einen bestimmten Zweck erfüllen können, ja mehr noch, dass wir ohne sie überhaupt lviodifikationen der res extensa sinnlich wahrnehmen könnten. Dazu zählen insbesondere die Farben, die im Weiteren noch eine große Rolle spielen werden. 70 \\Tas

Descartes, der Philosoph des mechanistischen Weltbildes, in diesem Zusammenhang also vorweg nimmt, ist die Unterscheidung, die John Locke als Unterscheidung primärer und sekundärer Qualitäten bezeichnet hat. 71 Ganz auf der Seite der Distinktheit finden wir auf der angesprochenen

Skala hingegen, zumindest potentiell, die rein begrifflichen Ideen. Natürlich können wir auch begriffliche Ideen produzieren, die weder klar noch

deutlich sind. Doch begriffliche Ideen enthalten, anders als die Ideen der sinnlichen Wahrnehmung mit ihren qualitativen Bestandteilen, nichts, was

ihrer klaren und deutlichen Perzeption grundsätzlich entgegenstünde. Der Unterschied zwischen sinnlichen Ideen und begrifflichen Ideen be-

steht also für Descartes letztlich in der Differenz hinsichtlich des Grades ihrer Distinktheit. Diese bloß graduelle Abgrenzung von sinnlichen und begrifflichen Ideen ist aber der Kritik ausgesetzt, die Kant gegen Leibniz richtet: Er verglich alle Dinge blas durch Begriffe mit einander und fand, wie natürlich, keine andere Verschiedenheiten als die, durch welche der Verstand seine reine Begriffe von einander unterscheidet. Die Bedingungen der sinnlichen Anschauung, die ihre eigene Unterschiede bei sich führen, sah er nicht für ursprünglich an; denn die Sinnlichkeit war ihm nur eine verworrene Vorstellungsart und kein besonderer Quell der Vorstellungen; Erscheinung war ihm die Vorstellung des Dinges an sich selbst, obgleich von der Erkenntnis durch den Verstand der logischen Form nach unterschieden, da nämlich jene bei ihrem gewöhnlichen Mangel der Zergliederung eine gewisse Vermischung von Nebenvorstellungen in den Begriff des Dinges zieht, die der Verstand davon abzusondern weiß. [A 270/1 I B 326/7]

Diesen Vorwurf gegen "die Leibniz-Wolffische Philosophie" [B 61] erhebt Karrt an verschiedenen Stellen der Kritik der reinen Vernunft und auch in

69 70

71

Vgl. [Dcscartcs Meditation es AT VII 43/4]. Vgl. auch [Perler 1996:216-219]. Vgl. [Descartes ebd.]. Vgl. [Locke Essay II, viii]. Dazu auch unten Kap. 3.2.

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anderen Schrifren. 72 Uns muss hier nicht int 1ressieren, ob Leibniz oder Wolff tatsächlich diese A~ffassung vertreten haF,en. 73 Es ist klar, dass in rationalistischen Systemen das Abgrenzungsproi:J~lem sinnlicher und begrifflicher Vorstellungen in ä1nlicher Weise wie be1 Descartes auftreten muss; und da ein Unterschied der Vorstellungen al~ immer auch begrifflicher Entitäten nur hinsichtlich! des Ordnungsgrades denkbar ist, war die Lehre von der Verworrenheit sinflicher Vorstellungen] wie das Beispiel Descartes' zeigt, eine naheliegende attraktive Lösung. Empiristische Ansätze!. andererseits verfall n in das entgegengesetzte Extrem. Die von Kant kr irisierte InrellektualiJierung der sinnlichen Vor1 stellungen hat in den em~iristischen Ansätzen der Zeit deshalb eine Entsprechung:

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Leibniz intellectuirte die Erfcheinungen, so wie Locke die Verstandesbegriffe ... insgesammt sensificirt, d.i. fUr nichts als empirische aber abgesonderte Reflexionsbegriffe ausgegeben hatte. [AI271 I B 327] 1

Empiristen wie John Loc~e nehmen nur eine Quelle der Vorstellungen an, nämlich allein die Sinnlic~keit, aus der dann dJrch Abstraktion allgemeine Begriffe abgeleitet werden müssen_?+ I Dass der Versuch Loc es als gescheitert geltrn muss, hat Kants Ansicht nach David Hume gezeigt, der die Unmöglic11keit einer abstrahierenden Ableitung notwendiger Pfinzipien aus den Valstellungen der Sinnlichkeit klar aufzeigte - um danl allerdings nicht di9 Konzeption der Sinnlichkeit als einzige Quelle d'f Vorstellungen, sonaern die Notwendigkeit als Eigenschaft empirischer 1esetzmäßigkeiten autzugeben.75 Die Hume'sche Konzeption verträgt sich, so Kant, aber nicht d~mit, dass wir in der reinen Mathematik (und der rein n Naturwissenschaftf6 ) offensichtlich apriorische und mithin notwendige 77 Prinzipien erkennen können- die also ihren Ur-

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" Vgl. z.B. [KantAnthropolal7:140f, Anm.]. 73 Vgl. zu dieser Frage hinsichtlich der Leibniz'schen Philosophie [\'(filson 1990]. Verschiedene Stellen aus Leibniz' ivfetapbysischer Abhandlung (ca.l1668), der Schrift Principes de la nature et de Ia grace, fondris en faison (1714) und nicht zuletzt auch der Monadologie (1714), d.ie prima facie Kants Lesart zu bbstätigen scheinen (so ctwal [Hcidemann 2002:73 Fn.]), lassen bei genauerer Analyse auch 3.nd~re Lesarten zu. Vgl. [Wils n ebd. 82ff.] Bei \l?olff liegen die Dinge eindeutiger. Vgl. z.B. [\'(fo~ff Deutsche Logik 123 ff]. Dazu auch [Gloy 1990]. 14 Vgl. z.B. [Locke Essay II, xi .ff.]. " Vgl. [B 127/8]. 76 Vgl. dazu unten Kap. 4.3.2. 1 77 Diese Verbindung von Apnorität und Notwendigkei war für Kam noch unproblematisch- und ist es auch heute, pa~e Kripke, noch für viele P ilosophen, Ich werde dieses Problem im Folgenden nicht thema;sieren. Nur soviel: Ich hahe den Schluss Yon Apriorirät auf Notwendigkeit für unproblemat sch. Die Beispiele für einlkontingentes APriori haben sich schnell als äußerst problematisch erwiesen. (Vgl. z.B. [Dum ett 1973] und [Donnellan 1979].) Was die entgegengesetzte Richtu g angeht, den Schluss vo Notwendigkeit auf Apriorität, so

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Erfahrung und Gegenstand

sprungnicht allein in der Sinnlichkeit haben können. Sie wird so "durch das Faktum widerlegt" [B 127]. 78 Doch diese Diskussion berührt bereits Fragen, mit denen wir uns erst im Verlauf der Beschäftigung mit Kants Theorie der Erfahrung auseinandersetzen können. Einstweilen können wir es bei dem Fazit belassen, das Kant an seine Vorwürfe anschließt: Anstatt im Verstande und der Sinnlichkeit zwei ganz verschiedenen Quellen von Vorstellungen zu suchen, die aber nur in Verknüpfung objectiv gültig von Dingen urtheilen könnten, hielt sich ein jeder dieser großen Männer nur an eine von beiden, die sich ihrer Meinung nach unmittelbar auf Dinge an sich selbst bezöge, indessen

daß die andere nichts that, als die Vorstellungen der ersteren zu yerwirren oder zu ordnen. [A 271 I B 327]

Wir werden im Weiteren zu prüfen haben, ob die Aufspaltung der Quellen der Vorstellung in Kants Sinne demgegenüber einen philosophischen Fortschritt darstellt.

1.3.3 Die historische ivfotivation der zwei Stämme \X'ährend wir mit der Skizze von Humes Kritik an Locke bereits die antiabstraktionistische Motivation von Kants Kritik des Empirismus kurz berührt haben, fehlt uns noch eine Begründung seiner Zurückweisung der bloß

logischen Auffassung des Unterschiedes der Vorstellungen von Sinnlichkeit und Verstand. In diesem Fall stammt die 1Yiotivation nun tatsächlich aus einer kritischen Auseinandersetzung mit bestimmten Leibniz'schen Ideen. Leibniz' intellektualistische Grundeinstellung hatte nämlich eine Konsequenz hinsichtlich der durch Newton geprägten Naturwissenschaft, die für Karrt nicht akzeptabel war. Konkret ging es um Newtons Konzeption des Raumes, mit der sich Leibniz in seinem Briefwechsel mit dem Newtonianer

Samuel Clarke kritisch auseinandersetzt." Leibniz ist bestrebt, den Begriff des absoluten Raumes, der diesem quasi-göttliche Attribute wie Unendlichkeit und notwendige Existenz verleiht, durch einen relationalen Raumbegriff zu ersetzen, d.h. eine Raumkonzeption, in der räumliche Verhältnisse sich ausschließlich aus Beziehungen zwischen Gegenständen ergeben, die wir kraftdieser Beziehungen als im Raum befindlich repräscntieren. 80 sehe ich nicht, dass die Art und Weise, in der Kant mit diesem Schluss de facto operiert, an irgend einer Stelle von Kripkes essentialistischen Vorstellungen gefährdet wird. 78 Vgl. dazu die Diskussion von reiner Anschauung und Mathematik (Kap. 4.3.1). 79 Vgl. insbesondere Leibniz' drittes Schreiben an Clarke vom 25.2.1716 [Leibniz/Clarkc Correspondence]. so Vgl. [ebd.]. Dazu und zum Folgenden [Förster im Erscheinen Kap. 1].

Einleitung

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Scr'hrift

Ka::tt greift in seiner ,;Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raume" 1763) Leibniz' Konz}ption an und gestaltet seine Argumentation - in Erma 1gebllg einer attrakt~ven Alternative - als Argumentation für den Newto 'sehen absoluten Ra~m. Ers-::: kurz darauf wurde ihm k:ar, dass es eine phil6sophische" Al:ernat+e gibt, die es erlaubt, Leibniz' relationa:e Raumdeut-qng zurückzuweisen) qhne eine Entität mit so probiematischen Eigenschaftef wie Ge::: absoluten R~um postulieren zu müssen: inG.e::;1 man nämlich zwischen anschaulichen und begrJflichen Aspekten des 1· . ' Ra""J.:nI . z...uruc ., kwe1sung unterschet'd et. :, :h":..':S semer von L e1'b mz E... rn.:ennens begriff erwuchs so seine Lehre von den zwei Qu~llen des Erke:lnens. . : d'1ese L eh re eme . n.ntwo.rt A I . 1mp . 1'121ert) . au.tL e1'b mz U m zu verste hen, w1esd muss man sich daran eri~nern, dass eine rein lrelationale Auffassung vo~ allem dadurch besticht, dals sie sich ganz und gar begrifflich ~ekonstruieren lässt: Relationen zwischef Dingen können wlr begrifflich-mathematisch beschreiben. Und genau ldagegen richtet sich! nun Kants Kritik: Ohne Bezug auf einen unabhängfg von diesen Relationen zwischen Gegenständen gedachten Raum könnten ["ir bestimmte faktisqh entscheidbace Fragen bezüglich der räumlichen Eiq;enschaften von Gegepständen nicht entscheiden. Seia Beweisziel formuliert!Kant deshalb wie fol4t: \Vir wollen also darthun: d~ß de:r vollständige Bes~immungsgrund einer körper-

lichen Gesta.:t nicht lediglich auf de:n Verhältniß ~nd Lage seiner Theile gegen

einander beruhe, sondern noqh überdem auf einer Be~.i.eku:g gegen den allge;neinen a?.sol~~er: Raunt, s_o w}e i~.n ~ich die 1v1eß~ünsder derken, doch so~ .~a.ß ~ieses Ver-

haltmß racht 1.h'1mttteloar Kar~n wahrgenommen wer~en, aberwohl c.~e;emge Unterschiede der Kö:per, die einziß-e:td allein auf diesem r::unde beruhen. [Ka:1t Grund des Unterschiedes 2:381]

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In diesem Zusammenhan9 ist die Dreid:mensijnalität entscheidend. Denn in der Ebene, so merkt Kanr: gleich im Anschh ss an, "decken« [ebd.] sich zwei Figuren, deren Teile die genau gleichen Rel tio11en kennzeich:ten. Über die blofSe RelationaEtät hi9aus kommt ::ier also bichts hinzu, was nur durch die Beziehung auf ein Dr~;~es, eben den absolJ,ten Raum, gedacht werden könnte. Welche unterschelfenden Eigenschaften;d1·eidimensionale:r Objekte beruhen also ,einzig und fllein auf dem Grunde einer Beziehung auf den absoluten Raum'? Kant er~Iärt es am Beispiel dclr Lage der Gliedmaßen Ces menschlichen Körpers. : ! i

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Man mag sich da:rl:.Ser wunUern, dass die beteiligten frougonisten offen~.ar se:bst\•erst.änd:ich davon ausgingen, das~ die philo:>opb.ische D.isk,Uss:on eines Grundbegdffcs der Naturwissenschaften fruchtbar sein und dieser. Begriff shgar in entscheidender Hinsich:: verändern könnte. Doch Newtqns Raumbegriff ist ein ~urch 11nd durc.) philosophischer Begriff. Das wird schon daraus :ersic:dic:., dass sich zwal nicht vor dem Hinre:::grund der Lcibniz'scl:.:,cn ,CVg.i. [M~i~!.h