Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Band 48 [Reprint 2022 ed.]
 9783112669808, 9783112669792

Table of contents :
Inhalt
I. Reichsrecht
II. Gemeines Recht
III. Preußisches Recht
IV. Rheinisches Recht
V. Prozeßrecht
Register
Zusammenstellung nach Oberlandesgerichtsbezirken
Berichtigungen

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Entscheidungen des

eichsgerich Herausgegeben von

den Mitgliedern -es Gerichtshofes und -er Neichsanrvaltfchaft.

Entscheidungen in Civilsachen. Achtundvierzigster Baud.

Leipzig, Verlag von Veit & Comp. 1901.

Entscheidungen des

Reichsgerichts in

Civilsachen.

Achtundvierzigster Band.

Leipzig, Verlag von Veit & Comp. 1901.

Druck von Metzger L Wittig in Leipzig.

Inhalt. I.

Reichsrecht.

Nr.

Seite

1. Anspruch eines mit Vorbehalt der Kündigung diätarisch angestellten stän­ digen Posthilfsbolen auf Diäten im Falle längerer Krankheit .... 1 2. Ist § 1581 B.G.B. anwendbar, wenn die unschuldig geschiedene Ehefrau noch auf Grund des preußischen Allgemeinen Landrechtes standesmäßige Verpflegung gefordert hatte? (s. auch Nr. 58 S. 268)........................................ 4 3. Recht des Kommittenten nach § 4 Abs. 1 des sog. Depotgesetzes vom 5. Juli 1896; nachträgliche Zustellung des Nummernverzeichnisses an

4.

denselben...................................... Annahme von Geschenken in der Kenntnis, daß die Mittel zur Schen­ kung durch Verbrechen erlangt sind; Verstoß gegen die guten Sitten

7

(Nr. 64 S. 293)....................................................................... 10 5. Veränderung der Reise und Abweichung von der Reise im Sinne der Artt. 817. 818 H.G.B...................................................................................................10 6. Zulässigkeit einer Beschwerde an das Reichsgericht in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit........................... 15 7. Übergabe eines Grundstückes zur gerichtlichen Verwahrung nach dem

1. Januar 1900 als Erfüllung eines vor diesem Zeitpunkte entstandenen Schuldverhältnisses? ................................................................................................... 18 8. Anwendung von Art. 210 Abs. 2 Einf.-Ges. zum B.G.B. auf einen Vor­ mund, der nach früherem Rechte gesetzlicher Vormund war? (Nr. 79 S. 355) 20 9. Begründung des Gebrauchsmusterschutzes.............................................................21 10. Kann die weitere Beschwerde in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit darauf begründet werden, daß statt der Kammer für Handelssachen eine Civilkammer entschieden hat?.................................................................. 27

11. Sind Unfallverhütungsvorschristen der Berufsgenossenschaften Polizei­ gesetze im Sinne des § 26 preuß. A.L.R. I. 6, bezw. ist § 120a Gew.O.

ein solches? (Nr. 71 S. 327)..............................................................................

32

12. Begriff der Deckung im § 88 des Genoffenschaftsgesetzes von 1889; An­ spruch eines Genossenschafters auf Auszahlung seines Guthabens aus der Liquidationsmasse...........................

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Rr.

Sette

13. Bezieht sich der Art. 172 Einf.-Ges. zum B.G.B. auch auf Fälle der Zwangsversteigerung? 14. Müssen seit dem Inkrafttreten des Handelsgesetzbuches von 1897 auch die vor Geltung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches errich­ teten Aktiengesellschaften einen Aufsichtsrat bestellen? Ist § 6 Abs. 1 des Reichsgcsetzes vom 18. Juli 1884 durch § 248 H.G.B. von 1897 aufgehoben? ........................................................................ 15. Schicksal einer unter der Herrschaft des früheren Rechtes eingetragenen nicht valuüerten Hypothek nach dem Inkrafttreten des neuen Liegenschaftsrechtes ............................................ 16. Stillschweigende Erteilung einer Handlungsvollmacht an ein Mitglied des Vorstandes einer Aktiengesellschaft von feiten des Vorstandes .... 17. Haftung des Rechtsanwaltes für Handlungen seines Bureauvorstehers . 18. Darf ein schon vorgemerktes Nutzungspfandrecht nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches noch ins Grundbuch eingetragen werden? 19. Begriff des Schiffers im Binnenschiffahrtsgesetze; Pflichten des Schiffs­ eigners bei Ausführung von Frachtverträgen 20. Zulässigkeit eines landesgesetzlichen Verbotes gewerblicher Anlagen für einzelne Ortsteile .................................. 21. Ist der Inhalt eines Gebrauchsmusterschutzes nach der Eintragung in die Rolle des Patentamtes zu bestimmen? Gebrauchsmusterschutz für Flächenmuster, bei denen die neue Gestaltung durch Schriftzeichen zum Ausdrucke kommt? 22. Haftung des nicht erhobenen Gewinnanteiles eines stillen Gesellschafters für spätere Verluste der Gesellschaft? Anfechtung der Gewinnberechnung durch den Komplementär wegen Irrtums 23. Bedeutung der vom Bundesrate beschlossenen, im Centralblatte für das Deutsche Reich von 1882 verkündeten „Grundsätze für die Besetzung der Subaltern- und Unterbeamtenstellen bei den Reichs- und Staatsbehörden mit Militäranwärtern" 24. Rechtliche Natur des Zeitfrachtvertrages. Ist der Mieter eines zum Er­ werbe durch die Seefahrt verwendeten Schiffes im Verhältnisse zu Dritten als Rheder anzusehen? Einfluß einer Arrestpfändung des Schiffes durch den Mieter selbst auf seine Mietschuld?

25. Pflicht zur Ablieferung eines vor 1900 errichteten offenen Erbvertrages, der sich in der gewöhnlichen amtlichen Verwahrung eines Notars befindet, an das Nachlaßgericht, wenn der Erblasser nach dem 1. Januar 1900 verstorben ist?

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Abänderung der statutarischen Bestimmungen über die Rübenlieferungspflicht der Aktionäre einer vor dem Jahre 1900 errichteten Aktiengesell­ schaft durch Mehrheitsbeschluß der Aktionäre 102

27. Endpunkt der Haftung des Spediteurs; örtliches Recht für die Verpflich­ tung des ausländischen Unterfrachtführers .108

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Inhalt.

Seite

Nr.

28. Beschränkung der dem allein für schuldig erklärten Ehemann obliegenden Unterhaltspflicht gegen seine geschiedene Ehefrau im Falle seiner Wieder­ verheiratung .............................................................................................................. 112 29. Anwendung des § 826 oder des § 823 B.G.B. auf illoyale Handlungen in einem Konkurrenzkämpfe; Klage auf Unterlassung in solchen Fällen 114 30. Konkurrenzklausel; rückwirkende Kraft neuer Gesetze auf befristete Rechts­ geschäfte? (s. auch Nr. 55 S. 262)................................................................... 129 31. Dinglicher Vorvertrag zu einer Einigung im Sinne des § 873 B.G.B. ? Form des obligatorischen Vertrages, welcher die Verpflichtung zu einer dinglichen Rechtsänderung enthält ............................................133 32. Verbindung von Selbsthilfeverkauf einer dem Verderben ausgesetzten Ware und Erfüllungsverlangen................................. 136 33. Ist der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nur subsidiär? Lwgt in der Beifügung der Benennung eines Gasthofes und seiner Straßennummer zu einem Wechseldomizilvermerk die Bezeichnung eines Domizlliaten?.............................................................................................................. 139 34. Kann in Ehestreiligkeiten von Ausländern, deren Heimatsrecht nur eine Trennung von Tisch und Bett zuläßt, auf Scheidung der Ehe dem Bande nach oder auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft im Sinne der §§ 1575. 1576 B.G.B. erkannt werden?..................................................144 35. Anfechtung von Zahlungen, die der Gläubiger unmittelbar von einem Dritten im Auftrage des Gemeinschuldners erhalten hat, im Konkurse 148 36. Einrede gegen die Wechselregreßklage eines Indossanten, daß beide Unterschriften zum Zwecke gemeinsamer Verbürgung für den Acceptanten gegeben seien............................................................. 152 37. Verjährung und Ausschlußfrist; Anwendung der Bestimmung in Satz 1 Abs. 1 Art. 169 Einf.-Ges. zum B.G.B. auf Ausschlußfristen? Gel­ tung der sechsmonatigen Frist des § 1339 B.G.B. in Fällen der Über­ gangszeit? . .... 157 38. Fortdauer eines aus dem älteren Rechte stammenden Verbotes der Er­ forschung der Vaterschaft auch als zwingenden Rechtes des Prozeß­ gerichtes? ....................................................................................................................168 39. Fortdauer der privatrechtlichen Wirkung eines landesgesetzlichen Ver­ botes des Spielens in auswärtigen Lotterien? Vertragsabschluß über ein zugesandtes Lotterielos.................................................................................. 175

40. Krankenversicherungspflicht von Handlungsgehilfen infolge vertrags­ mäßiger Abkürzung der gesetzlichen Kündigungsfrist...................................... 180 41. Ist ein gerichtlicher Vergleich nichtig wegen Mangels der gesetzlichen Form eines Geschäftes, das einen integrierenden Bestandteil desselben

bildet? (s. auch Nr. 94 S. 409)...................................................... •

.



183

42. Ist in einem vor dem 1. Januar eröffneten Konkurse der dem Gemein­ schuldner nach früherem Rechte zustehende väterliche Nießbrauch auch weiterhin noch Bestandteil der Konkursmasse?................................................. 191

VIII

Inhalt.

Nr.

Seite

43. Positiver Kompetenzkonflikt,- ist die Erhebung eines solchen nach Maß­ gabe der preuß. Verordnung vom 1. August 1879 noch zulässig, wenn der Rechtsstreit schon beim Reichsgerichte anhängig geworden ist? (s. auch

Nr. 77 S. 350).................................................................................................... 195 44. Zubehör des Grundstückes bei einem zu einem Teile für einen gewerb­ lichen Betrieb dauernd eingerichteten Gebäude................................................. 207 45. Bedeutung der einem eingetragenen Warenzeichen beigegebenen Be­ schreibung; Berufung auf mangelnde Urtterscheidungskraft des einge­ tragenen Warenzeichens, ob beachtlich?.............................................................209 46. Klagerecht des durch einen Zwischenindossanten für die Wechselsumme gedeckten Indossatars gegen den Acceptanten und den Aussteller des Wechsels. Sind die beiden letzeren, wenn sie, zusammen verklagt, sich derselben Einrede bedienen, notwendige Streilgenossen? (s. auch Nr. 96 S. 416)......................................................................................................................... 214

47. Anfechtung wegen Irrtums; ermächtigt die Prozeßvollmacht zur Ab­ gabe und zur Entgegennahme einer Anfechtungserklärung im Prozesse? (s. auch Nr. 97 S. 416)........................................................................................218

48. Art der notwendigen Bezeichnung eines Wechsels als „Wechsel"; Vor­ aussetzungen der Aufrechthaltung eines formungültigen Wechsels als kaufmännischen Verpflichtungsscheines; Legitimation des Inhabers einer solchen Urkunde durch Blankoindossament....................................................... 223 49. Verurteilung zur Löschung eines eingetragenen Warenzeichens aus anderen Gründen als denen des Warenbezeichnungsgesetzes von 1894; Voraussetzungen der Klage aus § 8 des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896 ............................................................. 50. Begriff des Überbaues (Nr. 56 S. 262) . ..................................................

233 242

51. Beschwerde gegen die Versagung der Eintragung einer Zwangshypothek von feiten des Grundbuchamtes. Sicherungshypothek auf Grund mehrerer Schuldtitel desselben Gläubigers gegen denselben Schuldner, von denen keiner den Betrag von 300 jK> übersteigt, ob zulässig?.................................242

II. Gemeine- Recht. 52. Unsittlichkeil von Verträgen, in denen sich jemand von einem Kauf­ manne Vorteile dafür zusichern läßt, daß er dessen Geschäftsverbindung

mit einem Dritten nicht störe, oder dgl.................................................................251 53. Haftung der Zollverwaltung für einen eingeschriebenen Brief, der ihr von der Post zur zollamtlichen Behandlung übergeben und bei ihr ver­ loren gegangen ist....................................................... 54. Voraussetzungen der actio de pauperie auf seilen des schädigenden Tieres

255 259

Inhalt.

ix Seite

Nr.

55. Rückwirkende Kraft neuer Gesetze auf befristete Rechtsgeschäfte? (Nr. 30 S. 129)....................................................................... 56. Verzicht auf eine Grunddienstbarkeit durch stillschweigendes Gewähren­ lassen? Begriff des Überbaues (s. auch Nr. 50 S. 242)......................

262 262

KL Preußisches Recht. 57. Leitungsnetz eines Elektrizitätswerkes als Substanzteil des Grundstückes, auf dem sich die elektrische Beleuchtungsanlage befindet.................................267 58. Ist § 1581 B.G.B. anwendbar, wenn die unschuldig geschiedene Ehe­ frau noch auf Grund des preußischen Allgemeinen Landrechtes standes-

mäßige Verpflegung gefordert hatte? (Nr. 2 S. 4) ....... 59. Rechtliche Stellung der gütergemeinschaftlichen Ehefrau nach Scheidung der Ehe; Unterlassung eines an sich zur Wahrung eines zum ehelichen Gesamtgute gehörenden Rechtes nötigen Widerspruches von feiten des Ehemannes im Komplott mit demjenigen, dem gegenüber der Wider­

268

spruch zu erheben war.................................................................................. . 269 60. Verbindung von Rücktritt von einem zweiseitigen Vertrage und Er­ füllungsverlangen ...................................................................................................273 61. Vereinigung einer Landgemeinde mit einer Stadtgemeinde, die den Schlachtzwang eingeführt hat.................................................................................. 275 62. Anfechtung eines Vertrages wegen Betruges, weil der Bertragsgegner seine Absicht, nicht zu erfüllen, verheimlicht habe................................. . 282 63. Ältere Staatsministerialbeschlüsse als Ausführungsvorschriften im Sinne

64.

65.

66.

67.

68.

69.

des Art. IV des Gesetzes vom 21. Juni 1897, betr. die Tagegelder und Reisekosten der Staatsbeamten........................... 285 Annahme von Geschenken in der Kenntnis, daß die Mittel zur Schen­ kung durch Verbrechen erlangt sind; Verstoß gegen die guten Sitten (s. auch Nr. 4 S. 10)..............................................................................................293 Haftung für den mangelhaften Zustand eines Weges; wodurch wird der Weg ein öffentlicher?........................................................................................ 297 Berechnung der Erbschaftssteuer im Falle einer Vereinbarung der Be­ teiligten über die Teilung des Nachlasses oder über die Höhe einer Nachlaßschuld; Verjährung der Rückforderung überhobener Erbschaftssteuerbeträge ........................................................................ 301 Rechtsverhältnisse bei einem Kohlcnsyndikate, insbesondere im Falle der Auflösung einer dabei beteiligten Gewerkschaft ................................................. 305 Constitutum possessorium zwischen Eheleuten, wenn die vom Manne an die Frau veräußerten Mobilien in der ehemännlichen Verwaltung verbleiben? ..............................................................................................................318 Steht den nicht richterlichen Staatsbeamten in Preußen ein von der Verleihung unabhängiger Rechtsanspruch auf etatsmäßige Gehaltszulagen, bezw. auf gerichtliche Feststellung ihres Besoldungsdienstalters zu? . . 321

Inhalt.

Sette

Nr. 70. Festsetzung einer Holzungsgerechtsame auf ein bestimmtes Holzdeputat nach § 235 A.L.R. I. 22; wird sie dadurch zu einer Reallast? . . . 71. Sind Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften Polizei­ gesetze im Sinne des § 26 A.L.R. I. 6, bezw. ist § 120a Gew.O. ein solches? (f. auch Nr. 11 S. 32) 72. Zulässigkeit des Rechtsweges, wenn nur ein dem Rechtswege entzogenes Präjudizialverhältnis streitig ist (s. auch Nr. 87 S. 383); Zulässigkeit

des Rechtsweges für Versicherungsstreiligkeiten

.

323

327

332

73. Bemessung der Enteignungsentschädigung für Grundstücksteile, welche nach § 11 des Fluchtliniengesetzes von 1875 seit der Fluchtlinienfest­

setzung nicht mehr bebaut werden durften 74. Unzulässigkeit des Rechtsweges für Heranziehung zu Jnteressentenlasten, die in einem Auseinandersetzungsverfahren begründet sind 75. Pflichten und Haftung eines Radfahrers 76. Zur Anwendung der Tarifstellen 32 Abs. 11 Ziff. 2 und 36 des Stem­

336

pelsteuergesetzes von 1895 77. Positiver Kompetenzkonflikt; ist die Erhebung eines solchen nach Maß­ gabe der preuß. Verordnung vom 1. August 1879 noch zulässig, wenn der Rechtsstreit schon beim Reichsgerichte anhängig geworden ist?

347

(Nr. 43 S. 195) 78. Sind schriftliche Erklärungen über die Verpflichtung zur Entrichtung wiederkehrender Geldleistungen von unbestimmter Dauer als stempel­ pflichtige Schuldverschreibungen zu behandeln?

350

341 343

350

IV. Rheinisches Recht. 79. Anwendung von Art. 210 Abs. 2 Einf.-Ges. zum B.G.B. auf einen Vormund, der nach früherem Rechte gesetzlicher Vormund war? (s. auch Nr. 8 S. 20). Haftung eines badischen Notars aus Versehen Dritten gegenüber 80. Haftung des rheinischen Vormundschaftsrichters aus seiner Amtsführung

355 361

V. Prozeßrecht. 81. Rechtsmittel gegen ein Berufungsurteil, das nur in Ansehung der Kostenentscheidung eines Anerkenntnisurteiles erster Instanz ergangen ist; ob Revision, oder sofortige Beschwerde? 82. Zur Auslegung des § 957 Abs. 2 Ziff. 1 C.P.O.; negative Feststellungs­ klage auf Unwirksamkeit eines auf Grund des preuß. Gesetzes vom 7. März 1845 erwirkten Ausschlußurteiles dem Kläger gegenüber . .

364

Seite

Nr.

83. Vorbringen neuer, während des Prozesses begangener Vertragsver­ letzungen als Klagänderung bei Einklagung einer Konventionalstrafe . 372 84. Kann die Restitutionsklage auf eine nachträglich aufgefundene Patent­ schrift gestützt werden?..............................................................................................375 85. Beschränkung der Verbürgung der Gegenseitigkeit im Sinne des § 328 Ziff. 5 C.P.O. durch § 80 Ziff. 2 der österreichischen Exekutionsordnung von 1896 ............................................................................................................... 377 86. Wert des Streitgegenstandes bei Anfechtung eines Gewerkschaftsbeschlusses durch einen Gewerken....................................................... 381 87. Zulässigkeit des Rechtsweges, wenn nur ein dem Rechtswege entzogenes Präjudizialverhältnis streitig ist (Nr. 72 S. 332)....................................... 383 88. Kann die Restitutionsklage gegen eine wegen Patentverletzung ergangene Verurteilung auf eine spätere Vernichtung desselben Patentes gestützt

werden? . ................................................................................................................384 89. Unter welchen Voraussetzungen wird der Zeugeneid durch Versicherung der Richtigkeit der Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid ersetzt?......................................................................................................... . 386 90. Inwieweit besteht eine Pflicht des Zeugen, vor seiner Vernehmung Er­ mittelungen über den Gegenstand derselben anzustellen?........................... 392

91. Zwangsvollstreckung aus einem Urteile, durch welches der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt ist? Bedarf der Gläubiger zu dem Antrag auf Erteilung der in § 792 C.P.O. bezeichneten Urkunden der Ermächtigung des Vollstreckungsgerichtes? Ersetzung der Vorlegung der zu einer Grundbucheintragung ersorderlichen Urkunden durch Bezug­ nahme auf Gerichtsakten........................................................................................ 398

92. Sind die nach § 3 Ziff. 2 des Anfechtungsgesetzes von 1879, bezw. von 1898 anfechtbaren Verträge als unerlaubte Handlungen im Sinne des § 32 C.P.O. anzusehen?........................................................................................401 93. Ernennung eines Schiedsrichters durch gerichtliche Entscheidung im Be­ schlußverfahren nach dem 1. Januar 1900 auf Grund einer vor diesem Zeitpunkte erhobenen Klage.................................................................................. 404

94.

Ist ein gerichtlicher Vergleich nichtig wegen Mangels der gesetzlichen Form eines Geschäftes, das einen integrierenden Bestandteil desselben bildet? (Nr. 41 S. 183)...................................................................................

409

95. Versehen des gemäß § 166 Abs. 2 Satzes 2 C.P.O. mit der Zustellung beauftragten Gerichtsvollziehers; unabwendbarer Zufall im Sinne des § 233 C.P.O................................................................................................................ 409 96. Sind der Acceptant und der Aussteller des Wechsels, wenn sie, zu­ sammen verklagt, sich derselben Einrede bedienen, notwendige Streit­ genossen? (Nr. 46 S. 214).................................................................................. 416 97. Ermächtigt die Prozeßvollmacht zur Abgabe und zur Entgegennahme einer Anfechtungserklärung im Prozesse? (Nr. 47 S. 218) ....

416

XIT Nr.

Inhalt. Seite

98. Wird bei notwendiger Streitgenossenschaft durch die Urteilszustellung des einen Streitgenossen der Lauf der Rechtsmittelfrist auch in Ansehung der anderen Streitgenossen eröffnet? ..................................................................417 99. Ist im Ehescheidungsprozesse ein bedingtes Urteil von Amts wegen zuzu­ stellen, nach welchem sowohl bei Leistung als auch bei Verweigerung des Eides die Ehe geschieden werden soll, und von dem Eide nur die Schuld- und die Kostenfrage abhängig gemacht ist?...................................... 423

Sachregister................................................................................................................... 428 Gesetzesregister.................................................................................................................... 450 Chronologische Zusammenstellung.................................................................................. 462 Zusammenstellung nachOberlandesgerichtsbezirken..................................................467 Berichtigungen................................................................................................................... 468

I. Reichsrecht. 1.

Hat ein im Reichsdienste mit dem Vorbehalte der Kündigung

zur Beschäftigung gegen Diäten angenommener ständiger Posthilfsbote Anspruch auf Fortzahlung der Diäten, wenn er an der Verrichtung seiner dienstlichen Obliegenheiten durch Krankheit längere Zeit ver­ hindert wird?

IV. Civilsenat.

Urt. v. 19. Oktober 1900 i. S. M. (Kl.) w. Reichs­

postfiskus (Bekl.). I. II.

Rep. IV. 183/00.

Landgericht Danzig. Oberlandesgericht Marienwerder.

Gründe:

„Der Kläger war durch Verfügung des Kaiserlichen Oberpost­ direktors zu Danzig vom 6. Juli 1893 als ständiger Posthilfsbote „unter der Bedingung einer vierwöchigen Kündigung" mit dem Hin­

zufügen angenommen, daß er die ihm für seine Dienstleistungen zu­

stehenden Tagegelder aus der Postkasse erhalten werde. Im Herbst 1896 erkrankte der Kläger, und nachdem er infolgedessen seit dem 19. Ok­ tober 1896 dienstunfähig geworden war, erhielt er noch bis zum

18. April 1897 seine Tagegelder mit l,eo c/K für jeden Tag, obwohl er in die dienstliche Beschäftigung nicht wieder eintrat.

Erst am

28. Mai 1898 ist er auf Grund einer Kündigung vom 30. April

1898 aus dem Dienste endgültig ausgeschieden. In dem vorliegenden Rechtsstreite werden vom Kläger weitere

Tagegelder für die Zeit vom 18. April 1897 bis zum 28. Mai 1898

mit zusammen 643,20 --F nebst Zinsen gefordert.

Der erste Richter

verurteilte den Beklagten diesem Verlangen gemäß; in der Berufungs­ ist dagegen der Kläger mit seiner Klage abgewiesen worden. E. d. R.G. Entsch. in Civils. XLVIII.

1

Der nunmehr gegen diese Entscheidung vom Kläger eingelegten Revision war der Erfolg zu versagen.

Allerdings hat das Reichsgericht wiederholt ausgesprochen, daß das Gehalt eines Beamten nicht als Entgelt für die einzelnen that­

sächlich geleisteten Dienste, sondern als eine ihm für die Dauer seines Amtes zur

standesgemäßen Bestreitung

des Lebensunterhaltes zu­

stehende Rente anzusehen sei. Vgl. Gruchot's Beiträge Bd. 34 S. 926; Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 38 S. 320, Bd. 45 S. 242; Juristische Wochenschrift

von 1899 S. 760 Nr. 49.

Die dabei in Frage kommenden Urteile betrafen aber immer nur Beamte,

welche im

preußischen Staats- oder Gemeindedienst auf

Lebenszeit angestellt waren, und welche für das ihnen übertragene

Amt ihre volle Kraft einzusetzen hatten.

Unter gleichen Voraus­ setzungen wird auch das Gehalt eines Reichsbeamten als eine ihm

für die Dauer seiner Anstellung zu gewährende Unterhaltsrente auf-

zusassen sein, zumal da das Reichsbeamtengesetz folgende ausdrücklichen Bestimmungen enthält: § 4 Abs. 2: „Der Anspruch des Beamten auf Gewährung des mit dem Amte verbundenen Diensteinkommens

beginnt in

Ermangelung besonderer Festsetzungen mit dem Tage des Amts­

antritts." . . . § 5 Abs. 1:

im voraus.

„Die Zahlung des Gehalts erfolgt monatlich

Dem Bundesrat bleibt vorbehalten, diejenigen Be­

amten zu bestimmen, an welche die Gehaltszahlung vierteljährlich stattfinden soll."

§ 14 Abs. 2: „In Krankheitsfällen, sowie in solchen Ab­ wesenheitsfällen, zu denen die Beamten eines Urlaubs nicht be­ dürfen (Reichsverfassung Art. 21), findet ein Abzug vom Gehalte

nicht statt.

Die Stellverttetungskosten fallen der Reichskasse zur

Last." Diese Vorschrifen finden auf diejenigen Reichsbeamten, denen eine

etatsmäßige, ihre Arbeitskraft fortdauernd und ausschließlich in An­ spruch nehmende amtliche Stellung auf Lebenszeit übertragen worden ist, unzweifelhaft in vollem Umfange Anwendung.

Das Reichs­

beamtengesetz kennt aber — wie aus den §§ 2 und 37 desselben

hervorgeht — auch Beamte, welche „unter dem Vorbehalt des Wider-

russ oder der Kündigung" angestellt sind, und im § 38 ebenda werden überdies „Reichsbeamte" erwähnt,

„deren Zeit und Kräfte

durch die ihnen übertragenen Geschäfte nur nebenbei in Anspruch

genommen werden", und solche, welche „ausdrücklich nur auf eine bestimmte Zeit oder für ein seiner Natur nach vorübergehendes

Geschäft angenommen werden".

Daß die Rechtsverhältnisse dieser

Beamtenkategorien andere sein müssen, als die der aus Lebenszeit

angestellten und durch ihr Amt voll in Anspruch genommenen Be­

amten, ergiebt sich naturgemäß aus der Verschiedenartigkeit ihrer An­

stellung.

Was aber insbesondere die Beamten betrifft, welche unter

dem Vorbehalte der Kündigung angestellt sind, und denen dabei für

ihre Hilfeleistung — wie dies bei dem Kläger der Fall war — eine nicht nach dem Quantum der geleisteten Arbeit, sondern nach Zeit­ abschnitten (also nach Tagen, Wochen, Monaten) bemessene Remune­ ration zugesichert worden ist, so sind die oben erwähnten Vorschriften des § 5 Abs. 1 und des § 14 Abs. 2 a. a. O. auf diese Beamten­ kategorie aus dem Grunde nicht anwendbar, weil den nur diätarisch

beschäftigten Hilfsarbeitern ein „Gehalt" im Sinne jener Gesetzes­

bestimmungen — wie vom Berufungsrichter zutreffend ausgeführt wird — überhaupt nicht zusteht. Es erscheint deshalb nicht un­ zulässig,

daß

die Fragen,

ob

einem solchen Beamten die Re­

muneration im voraus, oder erst nachträglich (nach Ablauf ge­ wisser Zeitabschnitte) zu zahlen sei, und ob, bezw. auf wie lange Zeit

eine Fortzahlung der Diäten in Fällen einer zeitweiligen Behinde­ rung des Beamten stattzufinden habe, in einer von den Vorschriftm

der §§ 5 und 14 a. a. O. abweichenden Weise besonders geregelt

werden.

Fehlt es an einer derartigen Festsetzung, so mag freilich

auf Grund allgemeiner Erwägungen anzunehmen sein, daß auch ein

nur diätarisch beschäftigter Beamter, wenn er seinerseits zur Ver­

richtung der ihm obliegenden Funktionen bereit und imstande war,

den Anspruch auf die ihm zugesicherten Diäten nicht schon dadurch verlieren kann, daß seine Leistungen nicht angenommen oder nicht gebraucht wurden.

Dagegen läßt sich in Ermangelung einer ent­

sprechenden Festsetzung nicht ohne weiteres annehmen, daß einem solchen

Beamten auch dann, wenn er zeitweilig, z. B. durch Krankheit, an der Verrichtung seiner dienstlichen Obliegenheiten verhindert ist, die Diäten bis zu der durch Kündigung herbeizuführenden Lösung seines

Dienstverhältnisses unter allen Umständen fortzuzahlen seien.

Noch

weniger aber würde sich ein derartiger Anspruch einer abweichenden dienstpragmatischen, bezw. kontraktlichen Bestimmung gegenüber recht­

fertigen lassen. Im vorliegenden Falle kommen in dieser Beziehung die Be­ stimmungen des § 147 der Allgemeinen Dienstanweisung für Post

und Telegraphie als maßgebend in Betracht, durch welche für gewisse nicht etatsmäßig angestellte Beamte und Unterbeamte, zu denen auch

die ständigen Posthilfsboten gehören, die Fortgewährung des Dienst­

einkommens in Krankheitsfällen dahin geregelt ist, daß die betreffenden Beamten für die Dauer ihrer Krankheit, jedoch nicht über dreizehn

Wochen vom Tage des Beginnes der Dienstunfähigkeit ab, im un­ verkürzten Genusse des Diensteinkommens verbleiben sollen.

Dem Kläger sind seit dem Eintritte seiner durch Krankheit her­

vorgerufenen Dienstunfähigkeit die Tagegelder nicht bloß 13 Wochen lang, sondern noch über diesen Zeitraum hinaus gewährt worden.

Weitere Ansprüche können von ihm daher nicht erhoben werden."...

2.

Ist die Vorschrift des § 1581 B.G.B. anwendbar, wenn die

unter der Herrschaft des preußischen Allgemeinen Landrechtes rechts­ kräftig geschiedene unschuldige Ehefrau in Gemäßheit des § 798 A.L.R. II. 1 statt der Abfindung standesmäßige Verpflegung gefor­ dert hatte?

IV. Civilsenat.

Urt. v. 26. November 1900 i. S. W. (Bekl.) w.

Sch. (Kl.). I. II.

Rep. IV. 238/00.

Landgericht Liegnitz. Oberlandesgericht Breslau.

Aus den Gründen:

„Die Entscheidung des Berufungsrichters beruht im wesentlichen auf folgenden Erwägungen:

Die Bestimmung des § 1581 B.G.B., wonach die Unterhaltspflicht des für schuldig erklärten geschiedenen Ehegatten mit der Wieder­

verheiratung des Berechtigten erlischt, könne nicht auf Fälle zurück-

wirken, in denen — wie hier — die Scheidung der Ehe bereits

vor dem 1. Januar 1800 erfolgt sei.

Die entgegengesetzte Auf­

fassung finde im Gesetze keine Stütze; namentlich sei dafür aus den Artt. 199, 201 und 206 Einf.-Ges. zum B.G.B. nichts zu ent­ Ebensowenig lasse sich eine solche Rückwirkung aus all­

nehmen.

gemeinen Gesichtspunkten herleiten. Der Klägerin sei nach § 783 A.L.R. II. 1 ein Anspruch auf Abfindung wegen der künftigen Erbfolge aus dem Vermögen des durch Urteil vom 5. April 1898

von ihr geschiedenen und dabei für schuldig erklärten Beklagten erwachsen gewesen.

Dadurch, daß die Klägerin dann in Aus­

übung des ihr durch § 798 a. a. O. gewährten Wahlrechtes statt der Abfindung standesgemäße Verpflegung bis an ihren Tod ge­ fordert habe,

werde an der rechtlichen Natur ihres Anspruches

Derselbe stelle sich nicht als ein reiner Unter» haltsanspruch, sondern als ein Entschädigungsanspruch dar.

nichts geändert.

Dieser Auffassung entspreche auch die in den §§ 803. 806 a. a. O.

enthaltene Bestimmung, daß bei Lebzeiten des Mannes eine Ver­ änderung bezüglich der Höhe der Verpflegungsgelder durch später eintretende Verbesserungen oder Verschlechterungen der Vermögens­

verhältnisse des geschiedenen Mannes nicht herbeigeführt werden solle, sowie die ausdrückliche Vorschrift des § 805 a. a. O., daß die Frau

die Verpflegungsgelder

anderen Ehe schreite.

behalte,

wenn sie zu einer

Es handele sich somit im vorliegenden

Falle um ein vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches entstandenes

Schuldverhältnis,

für

welches

die erwähnten Be­

stimmungen des Allgemeinen Landrechts nach Art. 170 Einf.-Ges.

zum B.G.B. maßgebend geblieben seien, und es könne daher nicht angenommen werden, daß die Klägerin seit dem 1. Januar 1900

ihre Ansprüche auf Zahlung der Unterhaltsgelder infolge ihrer Wiederverheiratung verloren habe.

Diese Ausführungen sind zu billigen, während andererseits die von der Revision vertretene Ansicht, daß die im Beschlusse des Reichs­

gerichts vom 24. April 1900, Beschw.-Rep. VII. 31/00,

Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 46 Nr. 18 S. 65, bezüglich

der

schwister zur

Nichtfortdauer

Anwendung

einer

Alimentationspflicht

gebrachten Gesichtspunkte

auch

der für

Ge­ die

Entscheidung der hier streitigen Frage maßgebend sein müßten, nicht

für zutreffend zu kraft des Gesetzes

erachten ist. Die infolge der Verwandtschaft eintretende Verpflichtung, einem unterstützungs­

bedürftigen Familicngliede Unterhalt zu gewähren, beruht auf einem

so

lange nicht nur die be­

verwandtschaftliche Verbindung,

sondern auch die Hilfs­

welches

Zustandsverhältnifse,

treffende



bedürftigkeit des Einen und das Unterstützungsvermögen des Anderen

besteht — fortdauernd immer neue obligatorische Ansprüche er­ zeugt. Hieraus ergiebt sich zugleich, daß diese Alimentationsver­

bindlichkeit in Wegfall kommen muß, sobald die Voraussetzungen, an welche die Entstehung der Unterstützungspflicht geknüpft ist, nicht

mehr bestehen oder als Entstehungsgründe eines solchen Anspruches vom Gesetze nicht mehr anerkannt werden.

Ob und inwieweit ähnliche

Gesichtspunkte für den Gesetzgeber bei der Regelung der dem schuldigen

Ehegatten in den §§ 1578 flg. B.G.B. auferlegten Unterhaltspflicht maßgebend gewesen sind, kann hier dahingestellt bleiben; denn das

preußische Allgemeine Landrecht, dessen Bestimmungen für die Be­

urteilung der rechtlichen Natur des der Klägerin vor dem 1. Januar 1900 erwachsenen Anspruches maßgebend, sind, hatte einen anderen Standpunkt gegeben,

ob

eingenommen.

sie

Danach

als Abfindung

der Klägerin die Wahl nach den Vorschriften der

war

eine

§§ 785—797 A.L.R. II. 1 zu bemessende einmalige Zahlung, oder auf Grund der §§ 798 flg. a. a. O. eine standesgemäße Verpflegung bis

an ihren Tod aus den Mitteln des schuldigen Mannes fordern wollte. Immer aber handelte es sich dabei — wie vom Berufüngsrichter mit

Recht hervorgehoben wird — um einen durch das Scheidungsurteil dem Grunde nach bereits zugesprochenen Entschädigungsanspruch, dessen Höhe lediglich nach den zur Zeit der Scheidung obwalten­

den Verhältnissen endgültig zu bemessen war. Vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 19 S. 312 und Bd. 29

S. 169. 170. Die Klägerin

hat

sich,

nachdem

das Scheidungsurteil vom

5. April 1898 rechtskräftig geworden war, alsbald für die Wahl von Unterhaltsgeldern entschieden; auch ist damals eine Einigung der ge­

schiedenen Eheleute über die Höhe der zu zahlenden Beträge zustande

gekommen, und der Beklagte hat sich dementsprechend der Klägerin gegenüber im Reverse vom 12. Januar 1899 zur Zahlung eines Unterhaltsgeldes von monatlich 22,so c4t verpflichtet. Damit hatte

die Klägerin

ein

wohlerworbenes Recht auf

eine fest

bestimmte

lebenslängliche Rente erlangt, und an diesem Rechtsverhältnisse ist infolge des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches nichts

verändert worden." . . .

3.

Verliert der Kommittent das ihm nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes,

betr. die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Wert­ papiere, vom 5. Juli 1896 zustehende Recht dadurch, daß ihm nach

Ablauf

der

dreitägigen

Frist

das

Nummernverzeichnis

von

dem

Kommissionär zugeht, bevor er erklärt hat, von seinem Rechte Ge­

brauch machen zu wollen? I. Civilsenat.

I. n.

Urt. v. 28. November 1900 i. S. F. (Bekl.) w. W. (Kl.). Rep. I. 269/00. Landgericht Halberstadt, Kammer für Handelssachen, Oberlandesgericht Naumburg a. S.

Der Kläger hatte im August 1896 der Beklagten drei Stücke

der griechischen Piräeus-Larissa-Goldanleihe zur Aufbewahrung über­ geben. Diese Wertpapiere sollten der Beklagten zugleich als Sicherheit

dienen für den Kaufpreis anderer Wertpapiere, welche die Beklagte als Kommissionärin des Klägers für diesen einkaufen sollte.

Die

Beklagte behauptete in Ausführung dieses Auftrages durch das Bank­

haus S. & Z. in Berlin 3000 dft Bonifatius-Aktien und 2000 Fl. Raab-Ödenburger Eisenbahnaktien gekauft und hiervon dem Kläger Mitteilung gemacht zu haben.

Als im Herbst 1898 der Kurs aller

dieser Papiere so weit gesunken war, daß er die Forderung der Be­

klagten nicht mehr deckte, forderte die Beklagte am 1. November 1898

vom Kläger weitere Deckung in Höhe von 1200 ©#, widrigenfalls sie zum Verkaufe der Effekten schreiten müsse.

Der Kläger gab diese

weitere Deckung nicht; vielmehr begab sich in seinem Auftrage der Rechtsanwalt Dr. P. am 3. November zu der Beklagten und forderte

dieselbe auf, ihm die angeblich im September 1896 für den Kläger

gekauften Papiere vorzulegen oder ihm ein Nummernverzeichnis der-

selben zu geben.

Hierzu erklärte sich die Beklagte außer stände, ver­

sprach jedoch alsbald nach Berlin zu schreiben, wo sich die Papiere befänden, und ihm dann deren Nummern mitzuteilen.

Nachdem bis

zum Ablauf des 7. November das Nummernverzeichnis nicht ein­

gegangen war, erklärte Rechtsanwalt Dr. P. am 8. November brieflich auf Grund der §§ 3 und 4 des Depotgesetzes vom 5. Juli 1896 namens des Klägers der Beklagten den Rücktritt von dem Kommissions­ geschäft.

An demselben Tage ging das von der Beklagten abgesandte

Nummernverzeichnis bei dem Rechtsanwälte Dr. P. ein. Der Kläger gründete auf diesen Sachverhalt den Klagantrag, die Beklagte zur Herausgabe der ihr in Verwahrung gegebenen Stücke

der griechischen Goldanleihe nebst den Zinsscheinen seit dem 1. Juli

1898 und seines Barguthabens zu verurteilen. Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. anderen Einwendungen geltend,

daß

Sie machte neben

das Nummernverzeichnis am

8. November 1898 in die Hände des Rechtsanwalts Dr. P. gekommen sei, bevor dieser namens des Klägers dessen Rücktritt erklärt habe,

und hielt den Rücktritt aus diesem Grunde für unzulässig. Die Beklagte wurde in erster Instanz klagegemäß verurteilt.

Die

Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen, ebenso auch die Revision.

Aus den Gründen: „Das Berufungsgericht läßt dahingestellt, ob die Beklagte die

Einkaufskommission in einer für den Kläger verbindlichen Weise aus­ geführt habe, da, auch wenn dies der Fall sei, der Kläger berechtigter­ weise das Geschäft auf Grund der Bestimmungen des Gesetzes vom 5. Juli 1896, betreffend die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung

fremder Wertpapiere, (des sogenannten Depotgesetzes) als nicht für

seine Rechnung geschlossen zurückgewiesen habe. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Kläger, der nicht gewerbsmäßig Bankier- oder Geldwechslergeschäfte betreibe, un­

streitig niemals einen ausdrücklichen und schriftlichen Verzicht auf

Zusendung des Nummernverzeichnisses erklärt habe (§ 3 Abs. 2 des Depotgesetzes), und daß jedenfalls die der Beklagten für die Über­ sendung dieses Verzeichnisses nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes zustehende

dreitägige Frist Anfang November 1898 längst abgelaufen gewesen sei.

Daraus

leitet das Berufungsgericht her, daß, wenn rechts­

wirksam am 3. November 1898 an die Beklagte die Aufforderung

gerichtet worden fei, die versäumte Absendung des Nummernverzeich­

nisses nachzuholen, damit die im § 4 Abs. 1

des Gesetzes gesetzte

dreitägige Frist in Lauf gesetzt worden sei, und der Kläger mit dem

Ablauf des 6. November das Recht erlangt habe, innerhalb der nächsten drei Tage seinen Rücktritt zu erklären. Hierin ist ein Rechtsirrtum nirgends zu erblicken.

Das Gesetz schreibt vor, daß der Kommissionär

dem Kommittenten binnen drei Tagen nach dem thatsächlichen oder möglichen Erwerb der Stücke ein Verzeichnis derselben zu übersenden habe.

Nach Ablauf

dieser Frist ist

also

der Kommissionär mit

der Erfüllung dieser Pflicht im Verzüge, wenn nicht der Kommittent

ausdrücklich und schriftlich aus die Zusendung des Verzeichnisses' ver­ zichtet hat, oder einer der — hier nicht vorliegenden — Fälle des § 3

Abs. 3 des Gesetzes eingetreten ist.

Zur'Beseitigung seines Verzuges

erhält der Kommissionär eine Nachfrist, welche drei Tage nach der von dem Kommittenten an ihn gerichteten Aufforderung zur Nach­

lieferung des Verzeichnisses abläuft.

Läßt der Kommissionär auch

diese Frist verstreichen, so hat der Kommittent das Recht, sich von

dem Geschäft loszusagen.

Mit Recht nimmt das Berufungsgericht

an, daß dieses Recht des Kommittenten nicht verloren geht, wenn ihm nach Ablauf der Frist das Verzeichnis zugeht, bevor er seinen Rück­ tritt erklärt hat.

Das Depotgesetz hat die Rechtsstellung der Parteien

anders geordnet, als es in den Artt. 355. 356 des (alten) Handels­

gesetzbuches geschehen ist.

Nach den letzteren Vorschriften muß der

Kontrahent, der nach eingetretenem Verzüge des Gegenkontrahenten

seinen Rücktritt erklären will, dies anzeigen und sich dann noch inner­ halb angemessener Nachfrist die nachträgliche Erfüllung gefallen lassen. Nach den Vorschriften des Depotgesetzes berechtigt die Säumigkeit des

Kommissionärs den Kommittenten noch nicht zur Rücktrittsanzeige; aber es wird dem säumigen Kommissionär durch die Aufforderung

zur Nachlieferung des Stückeverzeichnisses eine Nachfrist mit festem Endtermin gesetzt.

Ist auch dieser verstrichen, so ist dem Kommissionär

eine weitere Möglichkeit, bis zur Rücktrittserklärung des Kommittenten seinen Verzug noch durch nachträgliche Erfüllung beseitigen zu können,

nicht mehr gegeben.

Vielmehr ist mit dem Ablauf der Frist das

Rückttittsrecht des Kommittenten endgültig erworben, und nur insofern zeitlich beschränkt, als es wieder erlischt, wenn es nicht binnen drei Tagen ausgeübt wird." ...

4.

10

Unsittlicher Erwerb.

5.

Seeversicherung.

4. L Verstößt die Annahme von Geschenken in der Kenntnis davon, daß die Mittel zu der Schenkung durch Verbrechen erlangt sind, gegen die guten Sitten? 2. Kann der unter solchen Umständen Beschenkte dem durch die Verbrechen des Schenkers Beschädigten, welcher zur Sicherung der Deckung seines Entschädigungsanspruches gegen den Verbrecher Pfän­ dung hat bewirken lassen, entgegenhalten, daß er durch Handgeschenk Eigentümer der gepfändeten Sachen geworden sei? V. Civilsenat.

I. II.

Urt. v. 2. Februar 1901 i. S. Reichsbank (Bekl.) w. G. (Kl.). Rep. V. 331/00. Landgericht I Berlin.

Kammergericht daselbst.

Die Entscheidung ist unten unter „Preußisches Recht" Nr. 64 S. 293 abgedruckt.

5. Begriff einer „Veränderung der Reise" im Sinne des Art. 817 Abs. 2 H.G.B. Begriff einer „Abweichung von der Reise" im Sinne des Art. 818 H.G.B. I. Civilsenat. Urt. v. 6. Februar 1901 in S. St. (Kl.) u. Mainzer Schleppdampfschiffahrtsvereins Konkursm. (Nebeninterv.) w. Trans­ atlant. Güterversicherungsgesellschaft (Bekl.). Rep. I. 364/00. I.

II.

Landgericht Frankfurt a. M.

Oberlandesgericht daselbst.

Die Klägerin hatte im September 1897 in Chicago 670 Sack Kleesaat gekauft und von dort über Antwerpen nach Bingen a. Rh. an den Spediteur I. P. in Bingen als Empfänger abgehen lassen. Die Waare wurde von dem Inhaber der klagenden Firma „für Rechnung wen es angeht" im Oktober 1897 bei der Beklagten ver­ sichert, und zwar „im durchgehenden Risiko von Chicago bis Bingen incl. Eisenbahnrisiko von Chicago bis zum Dampfer incl. Leichter-

risiko zum und vom Dampfer und incl. aller vorkommenden Um­ ladungen ... für die Reise von Chicago via Antwerpen bis Bingen incl. Flußrisiko" ohne Benennung eines bestimmten Fahrzeuges.

Die

allgemeinen Bedingungen der vier über die Versicherung ausgestellten

Policen,

von denen

drei je 170 Sack

Kleesaat zum Gegenstand

hatten, und die vierte sich auf die restlichen 160 Sack bezog, ent­ hielten u. a. (im Art. 25) die Bestimmung, daß, soweit durch die

Bedingungen und Klauseln des Versicherungsvertrages von den Vor­ schriften

des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches nicht aus­

drücklich abgewichen sei, die Bestimmungen dieses Gesetzbuches maß­ gebend sein sollten. In Antwerpen wohlbehalten angekommen, wurde die Ware dort

dem Mainzer

Schleppdampfschiffahrtsverein,

Aktiengesellschaft,

zur

Beförderung mittels Rheinkahns nach Bingen übergeben und zu dem Zweck auf den Kahn „Mainz Nr. 17" verladen.

Nach dem aus­

gestellten Ladeschein war die Ware „zur Verfügung zu stellen an die Adresse de Herrn I. P." Da der bezeichnete Kahn unterwegs leichtern mußte, kam die ganze Ladung in den dem Mainzer Schleppdampf­ schiffahrtsverein ebenfalls gehörenden Kahn „Mainz Nr. 2."

Dieser

letztere Kahn kam am Sonnabend, den 27. November 1897, in Bingen

an und ging etwas vom Ufer entfernt neben der neuen Quaimauer vor Anker.

Der Vertreter des

Mainzer

Schleppdampfschiffahrts­

vereins, Agent E. in Bingen, teilte dem Spediteur P. die Ankunft des Schiffes mit und gab den Begleitschein für die Ware auf dem Zollamt in Bingen ab.

P. bestellte sofort für Montag, den 29. No­

vember, bei der Güterexpedition Eisenbahnwagen zur Entladung und setzte die Zollbehörde in Kenntnis. Am 28. November kam der gleichfalls dem mehrgenannten Vereine gehörende Schleppdampfer „Rhenus IV", mit 3 Schleppkähnen auf

der Fahrt nach Mainz begriffen, in Bingen an, um den hier in der Nähe des „Alten Krahns"

liegenden Kahn „Mainz Nr. 17" mit­

zunehmen.

Der Kahn „Mainz Nr. 2" fuhr nun von seinem Liegeplatz zu

dem Kahn „Mainz Nr. 17" hin, wurde mit diesem verbunden und

noch am 28. November von „Rhenus IV" mit den übrigen Schlepp­ kähnen nach dem Rüdesheimer Fahrwasser hingeschleppt.

Entfernung von

seinem

ersten Liegeplatz

In kurzer

bekam jedoch der Kahn

„Mainz Nr. 2" durch Auflaufen ein Leck; die Verbindung mit „Mainz

Nr.,17" riß, und „Mainz Nr. 2" ging mit der Ladung am folgenden

Tage unter, nachdem er noch eine Strecke weit nach dem Bingener Ufer getrieben war. Die auf Ersatz des durch den Untergang der Kleesaatladung ent­ standenen Schadens gerichtete Klage, welcher die Beklagte widersprochen

hatte, wurde vom Landgericht abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin

hatte keinen Erfolg, und auch ihre Revision wurde zurückgewiesen. Aus den Gründen: „In den vier Versicherungspolicen heißt es im Anschluß an die

Bestimmung, daß die Versicherung übernommen sei „für die Reise

von Chicago via Antwerpen bis Bingen incl. Flußrisiko", die Ver­ sicherung geschehe unter den umstehenden, für die Parteien verbind­ lichen Bedingungen. Unbedenklich ist daraus zu folgern, daß diese Bedingungen, obwohl sie die Überschrift „Allgemeine Bedingungen für Seeversicherungen" haben,

doch nach

der Vertragsabsicht auch

für das Flußrisiko maßgebend sein sollten, insbesondere also auch

die Bestimmung im Art. 25 der Bedingungen über die Anwendung der Vorschriften des Handelsgesetzbuches.

Die Klägerin hat sich berufen auf den Art. 817 Abss. 2 und 3

und

auf die Artt. 820 und 832 H.G.B.

Ganz außer Betracht

zu lassen sind indes die Artt. 820 und 832, der Art. 820, weil

er zur Voraussetzung hat, daß nach dem Versicherungsverträge die

versicherten Güter mit einem bestimmt bezeichneten Schiffe (oder mit mehreren bestimmten Schiffen) zu befördern sind, und es an dieser

Voraussetzung hier fehlt, der Art. 832, weil von einem Aufgeben der

versicherten Reise, d. h. dem Ausgeben des Transportes zu Schiff vor Erreichung des Bestimmungshafens, hier keine Rede sein kann.

Aber

auch von dem Art. 817 (Abss. 2 und 3), auf den die Revision zurück­ gekommen ist, muß hier abgesehen werden.

„Verändert" im Sinne

des Art. 817 wird eine Reise nur dann, wenn sie nach einem anderen Bestimmungshafen gerichtet wird, und im vorliegenden Falle sollte nicht

bezüglich der versicherten Kleesaatladung Mainz an die Stelle

von Bingen als Bestimmungshafen gesetzt werden, sondern der Kahn

„Mainz Nr. 2"

von Mainz

nach Bingen

behufs Löschung jener

Ladung zurückkehren. Die Unanwendbarkeit der vorerwähnten Vorschriften des Handels-

gesetzbuches rechtfertigt jedoch noch nicht die Annahme des Berufungs­ gerichtes, daß mit dem Beginn der Weiterfahrt des Kahnes in der

Richtung nach Mainz eine neue, nicht mitversicherte Reise angetreten worden sei.

Irrigerweise glaubt das Berufungsgericht sich hierfür

auf das in den Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 13 Nr. 24 ver­ öffentlichte Urteil berufen zu können.

In dem durch dieses Urteil

entschiedenen Fall hatte das versicherte Schiff nicht nur seinen Be­

stimmungshafen erreicht, sondern hier auch seinen Ballast gelöscht

und eine für einen anderen Hafen bestimmte Ladung eingenommen,

und mit Rücksicht darauf wurde unter Hinweis auf Art. 827 H.G.B. ausgesprochen, daß die versicherte Reise beendigt, und die Weiterreise

nach jenem anderen Hafen nicht eine „Abweichung von der Reise" Bon dem

(Art. 818 H.G.B.), sondern eine neue Reise gewesen sei.

Thatbestände, der dieser Entscheidung zu Grunde lag, weicht der gegen­

wärtig zu beurteilende in einer wesentlichen Beziehung ab.

Nach dem

Art. 5 der Versicherungsbedingungen (vgl. Art. 828 Abs. 1 H.G.B.) endete die Reise mit dem Zeitpunkte, in welchem die Güter im Be­

stimmungshafen an das Land gelangten.

Nun war zwar der Kahn

„Mainz Nr. 2" in seinem Bestimmungshafen Bingen vor Anker ge­ gangen, und es hatten auch, wie das Berufungsgericht feststellt, der Vertreter des Mainzer Schleppschiffahrtsvereins sowie der Spediteur

P. die Absicht, alsbald die versicherte Ladung löschen zu lassen.

Diese

Absicht ist aber nicht zur Ausführung gelangt; es ist vielmehr der Kahn mit der versicherten Ladung in der Richtung nach Mainz weiter

gefahren, um zunächst den dortigen Hafen anzulaufen und sodann behufs Löschung jener Ladung nach Bingen zurückzukehren.

Die

Weiterfahrt war daher ebenso, wie sie es in dem Fall gewesen wäre, wenn sie ohne vorheriges Vorankergehen des Kahnes in Bingen statt­

gefunden hätte, eine „Abweichung von der Reise" im Sinne des Art. 818 H.G.B., deren Gefahr nach der Bestimmmung dieses

Artikels der Versicherer getragen haben würde, vorausgesetzt daß die Abweichung von dem Versicherten (oder von einem Vertreter des

Versicherten) weder veranlaßt, noch genehmigt worden ist.

Dieser

Anwendung des Art. 818 H.G.B. zu Gunsten der Klägerin steht

indes der Art. 1 der Versicherungsbedingungen im Wege.

Letzterer

enthält ausdrückliche und daher nach Art. 25 der Bedingungen den

Sätzen des Handelsgesetzbuches vorgehende Bestimmungen über den Um-

fang der Haftung des Versicherers, und wenn in ihnen neben anderem, was hier nicht in Betracht kommt, hervorgehoben ist, daß der Ver­ sicherer den durch eine „notgedrungene Änderung der Reise" ver­

anlaßten Schaden zu tragen habe, so ergiebt sich daraus, daß er für den infolge einer nicht notgedrungenen Änderung der Reise ent­

stehenden Schaden nicht haften sollte. Es kann auch ferner nicht wohl bezweifelt werden, daß unter den Begriff einer Änderung der Reise nicht nur eine Veränderung im Sinne des Art. 817 H.G.B. fiel, sondern jedenfalls auch eine solche Abweichung von der Reise, wie sie hier erfolgt ist. Hätte eine Änderung der Reise vorgelegen, wenn die Weiterfahrt in der Richtung nach Mainz unternommen worden wäre in der Absicht, die versicherte Ladung in Mainz, anstatt

in Bingen, zu löschen, also in der Absicht, die Reise nach einem

anderen Bestimmungshafen zu richten, so lag sie gewiß auch dann vor, wenn, wie feststeht, die Absicht die war, zunächst nach Mainz und von da wieder zurück nach Bingen zu fahren.

Das Berufungsgericht hat nun aber die prozessualisch und sachlich nicht zu beanstandende Feststellung getroffen, daß die beabsichtigte

und begonnene Weiterfahrt nach Mainz keine notgedrungene war."... (Wird näher ausgeführt.)

„Danach kann die Beklagte nicht für verpflichtet erachtet werden, den infolge der Weiterfahrt in der Richtung'nach Mainz entstandenen

Schaden zu vergüten. Zu demselben Ergebnis führt die sinngemäße Berücksichtigung der Bestimmung im Art. 5 der Versicherungsbedingungen, die darin

von der Vorschrift des Art. 828 Abs. 2 H.G.B. abweicht, daß über­

haupt, wenn von irgend jemandem die Löschung der versicherten

Güter ungebührlich verzögert wird, die Gefahr in dem Augenblicke enden soll, in welchem die Löschung beendet gewesen sein würde, wenn

der Verzug nicht stattgefunden hätte.

Der eingetretene Schade war

hier die Folge einer Maßregel, durch welche nach dem festgestellten Sachverhalte

die Löschung dem Versicherer gegenüber ungebührlich

hinausgeschoben wurde."...

6.

Ist in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Be­

schwerde an das Reichsgericht zulässig?

Ist insbesondere eine solche

Beschwerde dann znlässig, wenn sie darauf gestützt wird, daß das Ober­ landesgericht, statt nach § 28 Abs. 2 des Gesetzes vom 20. Mai 1898

die weitere Beschwerde dem Reichsgerichte vorzulegen, selbst darüber entschieden hat?

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 20. Mai 1898 §§ 27. 28. 143. I. Civilsenat.

Beschl. v. 6. Februar 1901 i. S. v. Sp.

Beschw.-

Rep. I. 9/01. I. II.

Amtsgericht Hamburg. Landgericht daselbst.

III. Oberlandesgericht daselbst.

Das Oberlandesgericht hatte durch den auf weitere Beschwerde

ergangenen Beschluß vom 3. Dezember 1900 die Löschung der im

Handelsregister eingetragenen Firma des Beschwerdesühres angeordnet. Gegen diese Entscheidung hatte der Beschwerdeführer bei dem Ober-

landeSgerichte Remonstration erhoben und eventuell gebeten, seine Ein­

gabe dem Reichsgericht als Beschwerde vorzulegen.

Durch Beschluß

vom 29. Dezember 1900 war vom Oberlandesgerichte sowohl die

Abänderung seines eigenen früheren Beschlusses, wie die Vorlegung an das Reichsgericht abgelehnt worden.

Nunmehr legte der Be­

schwerdeführer in einem unmittelbar bei dem Reichsgericht eingereichten,

von einem Rechtsanwälte unterzeichneten Schriftsätze „Beschwerde, bezw. weitere Beschwerde" ein. Die Beschwerde ist als unzulässig

verworfen worden aus folgenden Gründen:

... „Die Beschwerde an das Reichsgericht ist unstatthaft, mag man als deren Gegenstand den Beschluß des Oberlandesgerichtes vom 29. Dezember, oder den Beschluß vom 3. Dezember 1900, oder, wie

es der Sachlage am besten entspricht, beide Beschlüsse zusammen an­ sehen.

In allen Fällen richtet 'sich die Anfechtung gegen die Ent­

scheidung eines Oberlandesgerichtes als Beschwerdeinstanz in einer Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit, welche dem Reichsgesetze

vom 20. Mai 1898 unterliegt.

Dieses Gesetzes kennt in Angelegen­

heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur das Rechtsmittel der Be-

schwerde an das Landgericht gegen die Verfügungen des Gerichtes

erster Instanz (§§ 19 flg.) und der weiteren Beschwerde an das Ober­ landesgericht gegen die Verfügungen der Beschwerdeinstanz (§§ 27 flg.). Gegen die Entscheidungen des Oberlandesgerichtes giebt es ... ein weiteres Rechtsmittel nicht.

Der Beschwerdeführer versucht zwar, die

Zuständigkeit des Reichsgerichtes aus verschiedenen Gründen abzuleiten;

allein seine Versuche können nicht als gelungen betrachtet werden. Wenn er zunächst dem Beschlusse vom 29. Dezember gegenüber hervor­ hebt, daß das Verfahren des Oberlandesgerichtes ungesetzlich sei und

hart an Justizverweigerung grenze, so liegt auf der Hand, daß damit

die Kompetenz des Reichsgerichtes nicht begründet werden kann.

Es

besteht keine gesetzliche Vorschrift, wonach dem Reichsgericht allgemein und außerhalb der Regelung der Rechtsmittelinstanzen die Befugnis zum Einschreiten wegen ungesetzlichen Verfahrens zustände, und eben­

sowenig ist das Reichsgericht als Aufsichtsbehörde bestellt, um Ab­ hilfe gegen Justizverweigerungen zu schaffen.... In Bezug auf den

Beschluß vom 3. Dezember 1900 macht der Beschwerdeführer geltend, daß sich das Oberlandesgericht bei Anwendung des § 18 H.G.B. in Widerspruch zu den in Bd. 7 S. 280 flg. der Entsch. des R.G. in Civils.

veröffentlichten

Ausführungen

des

Reichsgerichtes

befinde,

wonach der Einzelkaufmann als Träger des Namens zur ausschließ­ lichen Führung der Namensfirma berechtigt sei, und daß es deshalb

nach

§ 28 Abs. 2 Fr.G.G. gar nicht selbst über die weitere Be­

schwerde hätte entscheiden dürfen, sondern sie zur Entscheidung dem

Reichsgerichte hätte vorlegen müssen.

Allein zur Begründung der

Zuständigkeit des Reichsgerichtes läßt sich auch auf diesem Wege

nicht gelangen.

Der angeführte § 28 bestimmt in Abs. 1, daß über

die weitere Beschwerde das Oberlandesgericht entscheiden soll. wird in Abs. 2 eine Ausnahme gemacht.

Davon

Wenn es sich um die Aus­

legung einer reichsgesetzlichen Vorschrift handelt,

welche eine An­

gelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinne des Gesetzes be­

trifft, so hat in den beiden Fällen, daß das Oberlandesgericht von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen

Oberlandesgerichtes abweichen will, oder daß es von einer Entscheidung

des Reichsgerichtes abweichen will, das an sich zuständige Ober­ landesgericht nicht selbst zu entscheiden, sondern die weitere Beschwerde dem Reichsgericht vorzulegen.

Es entscheidet dann nach Abs. 3 das

Reichsgericht über die weitere Beschwerde.

Auch in diesen Fällen

ist nicht eine den Oberlandesgerichten übergeordnete Beschwerdeinstanz bei dem Reichsgerichte vorgesehen, sondern dieses tritt für die Ent­ scheidung über die weitere Beschwerde an die Stelle des Oberlandes­

gerichtes, welches an sich zu dieser Entscheidung berufen wäre. DieSonder-

bestimmung hat, wie die entsprechende Bestimmung in § 79 Abss. 2, 3 der Grundbuchordnung, den Zweck, die Einheitlichkeit der Recht­

sprechung zu gewährleisten und zu verhindern, daß sich bei den in letzter Instanz zuständigen Oberlandesgerichten eine partikuläre Praxis in Fragen des Reichsrechtes ausbilde.

Zu diesem Zwecke schien es

genügend, die Oberlandesgerichte zur Abgabe der Sachen an das

Reichsgericht zu verpflichten und im Falle der Abgabe die Ent­ scheidung des Reichsgerichtes eintreten zu lassen. Daß auch dann, wenn das Oberlandesgericht die weitere Beschwerde dem Reichsgerichte

nicht vorgelegt, sondern selbst darüber befunden hat, sei es daß es die abweichenden Entscheidungen nicht kannte, oder sich über deren

Tragweite im Irrtum befand, das Reichsgericht zur Entscheidung be­ rufen sei, sagt das Gesetz nicht. Diese Entscheidung würde gar nicht mehr eine Entscheidung auf die weitere Beschwerde des § 27 des

Gesetzes sein, welche allein dem Reichsgericht in Abs. 3 des § 28

zugewiesen wird, sondern wäre eine Entscheidung über eine dem Gesetz unbekannte noch weitere Beschwerde gegen den oberlandesgerichtlichen

Beschluß, der, wenn er auch zu Unrecht ergangen wäre, doch nicht ohne weiteres könnte beiseite geschobm werden. Es beruht auch nicht auf einem Übersehen, wenn in dem vorausgesetzten Falle kein weiteres Rechtsmittel gegeben' ist.

Bei dm Beratungen über die ent­

im Entwürfe zur Grundbuchordnung (§ 77) ist von verschiedenen Seiten hervorgehoben worden, daß die vor­ sprechende Vorschrift

geschlagene Regelung keinen vollen Erfolg haben werde, weil die

Oberlandesgerichte nicht alle abweichenden Entscheidungen kennten und

kennen könnten, vgl. Erste Beratung im Plenum des Reichstages bei Mugdan, Die gesamten Materialien Sb. 5 S. 189. 193. 20.1; Kommissions­

bericht das. S. 228. 230 unten,

und die Denkschrift zur Grundbuchordnung (bei Mugdan, a. a. O. S. 177) giebt nicht nur der einschlagenden Vorschrift die Auslegung,

daß das Reichsgericht nur im Falle der Vorlegung zu entscheiden L. d. R.G. Lutsch. in Eivils. XLVIII.

2

habe („vorzulegen, und alsdann" rc), sondern weist auch darauf hin,

daß sie nach dem Vorbilde des § 137 G.V.G. ausgenommen worden sei, wonach bei unterlassener Anrufung der vereinigten Senate oder des Plenums des Reichsgerichtes auch nicht die Rede von einer An­ fechtung der fehlerhaft ergangenen Entscheidung ist.

Demgegenüber

darf kein Gewicht darauf gelegt werden, daß in Abs. 3 des § 28

Fr.G.G. ebenso wie in Abs. 3 des § 79 Gr.B.O. — und beidemal schon in den Entwürfen — nicht ganz korrekt auf die beiden Fälle der beabsichtigten Abweichung, statt auf den einen Fall der Vor­ legung, Bezug genommen wird.... Einen weiteren Versuch, die Zu­ ständigkeit des Reichsgerichtes zu begründen, stützt der Beschwerde­

führer auf die Behauptung, daß das Landgericht, welches nach der Ablehnung des Amtsgerichtes von den Antragstellern angerufen worden sei,

im

Sinne der § 143 Fr.G.G. als

werden müsse.

erste Instanz

angesehen

Dabei will er aus Abs. 2 dieses Paragraphen ab­

leiten, daß dann, wenn das Landgericht, wie im vorliegenden Falle,

den Widerspruch nicht zurückweise, sondern billige, die weitere Be­ schwerde gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes nicht aus­ geschlossen sei.

§ 143.

Gründe

Diese Ausführung beruht auf Mißverständnis des der Zweckmäßigkeit

haben

zu dieser Ausnahme­

bestimmung geführt, wonach das Landgericht, auch wenn es nicht im Rechtsmittellauf angerufen wird, von Amts wegen, wie das Register­

gericht selbst, die Löschung einer Eintragung im Handelsregister ver­ fügen kann.

Von einem Ausspruche darüber, daß die Löschung nicht

stattfinden solle, ist nicht die Rede.

Zu einer solchen Entscheidung

kann das Landgericht immer nur, wie dies auch vorliegend der Fall

ist, im Beschwerdewege veranlaßt sein." ...

7.

Kann die Übergabe eines

Grundstückes znr gerichtlichen Auf­

sicht und Verwahrung gemiiß § 234 preuß. A.L.R. 1.16 als Erfüllung

eines vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches entstandenen Schuldverhältnisses nach diesem Zeitpunkte dienen?

Einf.-Ges. zum B.G.B. Art. 170. V. Civilsenat. UrL v. 9. Februar 1901 i. S. I. (Kl.) w. W. (Bell.).

Rep. V. 310/00.

I. Landgericht Oppeln. II. Oberlandesgericht BreSlau.

Die in

der

Überschrift

gestellte Frage ist vom Reichsgericht

verneint worden aus folgenden Gründen:

„Die Bestimmung des § 234 A.L.R. 1.16 steht dem Kläger nicht

zur Seite. Darin ist allerdings auch bei unbeweglichen Sachen die Übergabe zur gerichtlichen Aufsicht und Verwaltung mit der Wirkung zugelassen, daß der Verpflichtete dadurch seiner Verbindlichkeit ent­

ledigt werde.

Da der Kläger aber den Antrag auf Sequestration im

September 1900, also nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetz­

buches, gestellt hat, so fragt sich, ob die Hinterlegung als Erfüllungs­ modus noch anzuerkennen ist.

Dies ist zu verneinen. Das Bürger­ liche Gesetzbuch gestattet die Hinterlegung nur bei beweglichen Sachen

(§§ 372 flg.). „Für den Fall,"— heißt es in den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuche Bd. 2 S. 94 flg. — „ daß der Leistungsgegenstand eine unbewegliche Sache ist, trifft der Entwurf keine Bestimmung; d. h. er

gewährt dem Schuldner an Stelle der nicht möglichen Hinterlegung kein Mittel,um sich durch dasselbe anstatt der unausführbaren Erfüllung zu

liberieren." Wenn nun auch nach dem Wortlaute des Art. 170 Einf.-Ges. zum B.G.B.: „Für ein Schuldverhältnis, das vor dem

Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches entstanden ist, bleiben die bisherigen Gesetze maßgebend", Zweifel über die Tragweite dieser Vor­ schrift entstehen können, namentlich in der Richtung, ob die zur Er­

füllung eines dem früheren Rechte unterstehenden Schuldverhältnisses

dienenden

Erfüllungsgeschäfte,

wenn sie unter der Herrschaft des

neuen Gesetzes erfolgen, nach dem früheren Rechte zu beurteilen sind: so ergiebt sich doch aus den Beratungen der beiden Kommissionm

klar und deutlich die Absicht, die Erfüllungsgeschäfte unter die neueren

Bestimmungen zu stellen, wenn sie unter deren Geltung vorgenommen sind.

Die Motive zu Art. 103 des Entwurfes eines Einf.-Ges. zum

B.G.B. (jetzt Art. 170) bemerken auf S. 256: „Zu dem Umfange eines Schuldverhältnisses gehört auch der Gegenstand, die Zeit und der Ort der Erfüllung.

Die Erfüllung eines dem früheren Rechte unter­

stehenden Schuldverhältnisses wird in den bezeichneten Richtungen auch dann, wenn sie unter der Herrschaft des neuen Gesetzes erfolgt, nach

dem früheren Rechte beurteilt. Dagegen bestimmt sich das, was solchen2*

falls zur Herbeiführung der Bewirkung der Leistung erforderlich ist,

das Erfüllungsgeschäft, nach dem neuen Gesetze. ... Gleich dem Er­ füllungsgeschäfte find die das Erlöschen einer Forderung herbeiführen­ den selbständigen Rechtsgeschäfte — Hingabe an Zahlungsstatt, öffent­

liche Hinterlegung, Aufrechnung, Erlaß u. s. w. — nach dem zur Dieser Auf-

Zeit ihrer Vornahme geltenden Rechte zu beurteilen".

faffung ist die zweite Kommission beigetreten (Prot. Bd. 6 S. 493 flg.). Ist auch den gesetzgeberischen Vorarbeiten kein entscheidender Einfluß bei Auslegung des Gesetzes einzuräumen, so sind sie doch immerhin

das geeignetste Hilfsmittel in den Fällen, wo eine Bestimmung durch ihre Fassung zu Zweifeln Veranlassung giebt, um deren Sinn zu ermitteln. Das Reichsgericht trägt daher kein Bedenken, in Über­ einstimmung mit der Litteratur,

vgl. Leske, S. 158; Habicht, 2. Ausl. S. 184 flg., die Anwendung des Art. 170 auf Erfüllungsgeschäfte, die unter der

Herrschaft des Bürgerlichen Gesetzbuches zu Schuldverhältnissen, die früher

entstanden sind, vorgenommen werden,

nicht zu erstrecken.

Daraus folgt, daß seit dem 1. Januar 1900 die Hinterlegung, die Übergabe zur gerichtlichen Aufsicht und Verwaltung (§ 234 A.L.R. I. 16), von Grundstücken nicht mehr stattfindet, mag auch der Verzug

des Schuldners vorher eingetreten sein." ...

8.

Findet Art. 210 Abs. 2 Einf.-Ges. zum B.G.B. auch auf einen

Vormund Anwendung, der nach bisherigem Rechte gesetzlicher Vor­ mund war?

II. Civilsenat. Urt. v. 12. Februar 1901 i. S. B. (Bell.) w. W. (Kl.) Rep. II. 310/00. I. EL

Landgericht Konstanz. Oberlandesgericht Karlsruhe.

Die Entscheidung ist unten unter „Rheinisches Recht" S. 355 abgedruckt.

Nr. 79.

9.

Kommt es für die Frage, inwieweit Modelle von Arbeits­

1.

gerätschaften oder GebravchSgegenstände dem Arbeits- oder Gebrauchs-

zwecke durch eine uene Gestaltung re „dienen sollen",

nur auf

die Absicht des Anmelders an?

2.

Kann die Verwendung eines bestimmten Stoffes den Ge-

branchsmusterschntz begründen? Gesetz vom 1. Juni 1891 § 1.

I. Civilsenat.

Urt. v. 16.Februar 1901 i.S. R. (Bekl.) w. B. (Kl.).

Rep. I. 378/00. I.

n.

Landgericht Erfurt. Oberlandesgericht Naumburg a. S.

Für die Beklagte war seit dem 18. Mai 1899 unter Nr. 117596

der Rolle ein Gebrauchsmuster mit der Bezeichnung „Schuhleisten aus Aluminium" eingetragen.

In der Anmeldung war als Schutz­

anspruch angegeben: „Schuhleisten, welcher, um die Vorteile der Leichtigkeit der Holzleisten zu wahren, deren Nachteile, als Form­ veränderungen und dgl., aber zu beseitigen und die unhandlichen, teureren und schwereren, rostenden Eisenleisten zu verdrängen, aus Alu­

Die Herstellung sollte durch Guß geschehen. Die Klägerin verlangte die Löschung des Gebrauchsmusters, weil

minium hergestellt ist."

in der Verwendung des bekannten Metalles Aluminium zur Her­

stellung der bekannten Schuhleisten auf dem bekannten Wege des

Gusses keine schutzfähige Neuerung zu finden sei. teidigte

die

Schutzfähigkeit

ihres

Die Beklagte ver­

Gebrauchsmusters.

Sie

machte

geltend, daß ihre Aluminium-Schuhleisten zwar in der äußeren Form­ gestaltung sich von den gebräuchlichen Schuhleisten aus Holz oder Eisen nicht unterschieden, vor diesen aber, und zwar gerade infolge

der Herstellung- aus Aluminium, die in der Anmeldung angedeuteten, für den Gebrauchszweck wichtigen Vorzüge besäßen. Über diese Vor­ züge und deren Bedeutung für die Schuhfabrikation wurden ein­ gehende Angaben gemacht.

Der darüber vernommene Sachverständige

erkannte in einem beschränkten Umfange gewisse Vorzüge der Aluminium-Schuhleisten an.

Die erste Instanz nahm die Schutzfähigkeit an und wies die Klage zurück; das Berufungsgericht verneinte sie und gab der Klage statt.

Die Revision ist zurückgewiesen worden aus folgenden

Gründen: „Das OberlandeSgericht geht davon aus, daß Gegenstand des

Gebrauchsmusterschutzes die sogenannten kleinen Erfindungen seien, welche einen, wenn auch nicht erheblichen, gewerblichen Fortschritt

enthielten.

Es ist aber der Ansicht, daß die auf § 6 des Gesetzes

vom 1. Juni 1891

gestützte Löschungsklage nicht zu der Prüfung

führe, ob das angefochtene Muster in Wirklichkeit einen, solchen Fort­ schritt aufweise, sondem daß es dabei nur auf die Absicht. des An­

meldenden ankomme, sein Gebrauchsmuster in vorteilhafter Weise dem

Arbeits- oder Gebrauchswerte dienstbar zu machen.

Darauf, ob daS

eingetragene Modell in der That diesem Zwecke dienlich sei, ob es

für die gewerbliche oder andere Bestimmung einen Fortschritt enthalte oder Beachtung verdiene, komme es nur insofern an, als möglicher­

weise

aus dem Mangel dieser Voraussetzungen darauf geschlossen

werden könne, daß das Modell auch nach dem Willen des Anmelders nicht einem Arbeits- oder Gebrauchszwecke dienen solle, vielmehr die

Eintragung nur unter diesem Vorgeben zu einem anderen Zwecke, insbe­ sondere dem der Täuschung des Publikums, erschlichen sei. Dies wird ab­ geleitet aus der Fassung deS § 1 des Gesetzes, wonach die Modelle unter Schutz gestellt sind, „insoweit sie dem Arbeits- oder Gebrauchszweck durch

eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen sollen". Die Ansicht des Oberlandesgerichtes geht demnach nicht bloß dahin,

daß es für die Frage der Schutzsähigkeit nicht auf den ökonomischen Erfolg ankomme, welchen die gewerbliche Ausnutzung eines Gebrauchs­

musters im Endergebnisse gewähre — wogegen, als eine die kauf­ männische Kalkulation betreffende Frage, nichts zu erinnern sein würde —; vielmehr wird grundsätzlich verneint, daß der technische Fortschritt,

die bessere Erreichung des Gebrauchs- oder Arbeitszweckes Voraus­ setzung eines schutzfähigen Gebrauchsmusters sei.

Da es ttotz dem

Mangel dieses Fortschrittes im einzelnen Falle wohl möglich wäre, daß an dem guten Glauben, der Überzeugung des Anmelders kein Zweifel bestände, so müßte es das Oberlandesgericht als schluß­

gerechte Folgemng aus seiner Auffassung gelten kaffen, daß in solchem Falle ein Modell geschützt würde, obgleich es weder überhaupt einem Arbeits- oder Gebrauchszwecke,, noch diesem auf eine bessere Weise dient. Schon daraus ergiebt sich, daß es nicht richtig sein kann, den in § 1 des Gesetzes bestimmten Voraussetzungen des schutzfähigen

Gebrauchsmusters wegen des Wortes „sollen" eine bloß subjektive

Bedeutung beizulegen.

Wenn hier in der Begriffsumschreibung die

Bestimmung des Modelles hervorgehoben wird, so ist damit doch

nicht gesagt, daß das Gesetz die willkürliche Zwecksetzung des An­ meldenden wolle entscheiden lassen und nicht bloß diejenige Bestimmung meine, welche,

und soweit sie in dem Modelle ihren entsprechenden

In diesem Sinne hat das Reichsgericht den § 1 des Gesetzes vom 1. Juni 1891 stets ausgelegt; vgl. z. B.

thatsächlichen Ausdruck findet.

Urteil des IV. Civilsenates vom 20. Mai 1898 (Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen 4. Jahrg. S. 125), worin das gesetzliche

Erfordernis, daß das Gebrauchsmuster dem Gebrauchszwecke dienen

soll, dahin verstanden wird, daß es „seiner äußeren Beschaffenheit nach dem bestimmten Gebrauchszweck objektiv dienen könne und sub­

jektiv bestimmt sei, ihm zu dienen".

Von dieser Auslegung ab­

zuweichen liegt.kein Grund vor. Es bedarf aber des weiteren Ein­ gehens auf diesen Teil der Entscheidung nicht. Die mit der Revision angegriffene Verurteilung der Beklagten hängt nicht mit der Be­ urteilung dieses Punktes zusammen, welcher vielmehr zu Gunsten der Beklagten erledigt ist, sondern das Oberlandesgericht gelangt zur Ver­

neinung der Schutzfähigkeit des streitigen Gebrauchsmusters auS dem

anderen Grunde, weil es in der Verwendung von Aluminium zur Herstellung der Schuhleisten, trotz der damit verbundenen Vorteile, eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung, wodurch der

gesetzliche Schutz des Modelles bedingt ist, nicht gegeben findet.

Un­

bedenklich und auch nicht angefochten ist der Ausgangspunkt, daß es

sich nur eben

um die Verwendung des

Aluminiums

anstatt

der

sonst zur Anfertigung der Schuhleisten benutzten Stoffe — Holz,

Eisen — handele, und nicht um besondere Ausgestaltungen der Alu­ miniumleisten, wovon in den Verhandlungen auch die Rede gewesen

ist, welche aber weder in dem Schutzanspruche der Anmeldung berührt, noch von der Beklagten als Inhalt des angegriffenen Gebrauchs­

musters behauptet worden sind.

Die Borinstanz verkennt nicht, daß

auch die Herstellung aus einem anderen Stoffe eine neue Gestaltung

einer an sich längst bekannten Arbeitsgerätschaft, wie hier der Schuh­ leisten, bedeuten kann.

Sie hält aber diesen Fall nur dann für ge­

geben, wenn der gewerbliche Vorteil eine von dem Anmelder beab­ sichtigte

Folge

der Verwendung

gerade

des

anderen Stoffes sei

— welche Voraussetzung zu Gunsten der Beklagten bejaht wird —,

und wenn weiter ein neuer Stoff, oder zwar ein schon bekannter Stoff, aber unter Benutzung nicht bekannter physikalischer Eigenschaften, zur Verwendung komme oder wenigstens in der Art der Stoffverwendung

etwas Neues zu erblicken sei.

Dieser weiteren Voraussetzung thut nach

Ansicht des Berufungsrichters das Gebrauchsmuster der Beklagten nicht Genüge.

Das Metall Aluminium — so führt er aus — sei

ein seit langen Jahren bekannter Stoff, der zudem auch nach Er­ möglichung seiner billigeren Gewinnung bereits seit vielen Jahren

zur Herstellung von Gerätschaften verschiedenster Art gewerblich be­ nutzt werde, und dessen physikalische Eigenschaften ebenfalls seit langer Zeit genau durchforscht und namentlich, soweit sie für die Verwendung des Metalles zu Schuhleisten in Frage kämen, längst bekannt gewesen seien. Ebensowenig sei in' der Herstellung der Aluminiumleisten durch

Guß eine Neuerung in der Berwendungsart des Stoffes zu finden, da auch bisher schon die aus Eisen hergestellten Leisten gegossen

worden seien. Die Revision rügt, daß diese Ausführungen auf einer Verletzung der in dem Urteile des Reichsgerichtes Bd. 41 S. 37 flg. der Entsch. in Civils. ausgesprochenen Grundsätze beruhten.

Diese

Rüge entbehrt der Begründung.

Es ist, wie auch das angefochtene Urteil thut, von der in der Rechtsprechung des Reichsgerichtes anerkannten, insbesondere in der

eben erwähnten Entscheidung Bd. 41 S. 46 zum Ausdrucke gelangten

Auffassung auszugehen, daß in der Anwendung des Stoffes als der im Raume verkörperten Darstellung des Gebrauchsmusters eine „An­

ordnung" im Sinne des § 1 des Gesetzes zu finden ist, daß also

schon das Material, aus welchem das Arbeitsgerät oder der Gebrauchs­ gegenstand hergestellt werden soll, unabhängig von der äußeren Ge­ staltung des Modelles, dem Erfordernis der Formgebung, ohne welche

ein Gebrauchsmuster gar nicht vorliegen kann, Genüge thut.

Wie

aber die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters erst dadurch begründet

wird, daß eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung bei der Arbeitsgerätschaft oder dem Gebrauchsgegenstand, im Ganzen oder an einem Teile, vorliegt, und durch diese neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dem Arbeits- oder Gebrauchszwecke gedient werden

soll, so muß selbstverständlich auch dann, wenn als „Anordnung"

nur die Wahl deS Stoffes geltend gemacht wird, in der Stoffwahl

etwas enthalten sein, was sie als neu und durch diese Neuheit dem

Arbeits- oder Gebrauchszwecke dienend erscheinen läßt.

Die Frage,

ob das Gebrauchsmuster diesem Erfordernisse der Neuheit entspreche,

ist grundsätzlich keine andere, mag es sich um die äußere Form­ gestaltung, oder um die durch den Stoff begründete Anordnung handeln; wohl aber bleiben es immer verschiedenartige Mittel, wodurch in beiden

Fällen die charakteristische Darstellung erzielt wird, und diese Ver­

schiedenartigkeit darf bei der Beantwortung jener Frage nicht über­ Die Voraussetzungen, unter welchen das angefochtene

setzen werden.

Urteil die Verwendung eines anderen Stoffes als neue Anordnung

oder Gestaltung gelten lassen will, sind den Entscheidungen des Reichs­ gerichtes entnommen, die es selber dafür angeführt hat.

Sie-haben

aber nicht die Bedeutung, abschließend diejenigen Fälle zu bezeichnen,

außerhalb welcher in dem Ersätze des bisher gebrauchten Stoffes durch einen anderen niemals mehr eine die Schutzfähigkeit des Ge­ brauchsmusters begründende erfinderische, d. h. etwas neues schaffende,

Thätigkeit anerkannt werden darf. Unter Umständen werden auch noch andere Gesichtspunkte Beachtung verlangen. Es kann z. B. bei

einem Stoffe, dessen physikalische Eigenschaften theoretisch bekannt sind, doch für die Verwendung zu dem neuen Zwecke vorerst eine vielleicht ausgedehnte Durchprobung seiner praktischen Tauglichkeit notwendig sein; es können auch andere Schwierigkeiten entgegenstehen, deren Überwindung nicht einfach auf der Hand liegt. Diese besonderen Verhältnisse bedürfen aber der Darlegung.

Wenn weiter nichts ge­

geben ist, als daß ein wohlbekannter Stoff zur Herstellung einer bisher aus anderem Stoffe gearbeiteten Gerätschaft verwendet wird, wofür er nach seinen gleichfalls bekannten Eigenschaften sich eignet; und auch in der Art der Herstellung von dem bisherigen Verfahren

nicht abgewichen wird, so ist dann allerdings nicht abzusehen, inwie­

fern in der Ersetzung des einen durch den anderen Stoff noch irgend eine, wenn auch geringe, Erfindungsthätigkeit enthalten sein soll, und

nicht bloß die jedem Sachverständigen ohne weiteres zur Hand liegende Vertauschung eines bekannten Mittels gegen ein anderes gleichfalls bekanntes.

Daß aber in Bezug auf die Verwendung des Aluminiums

zur Herstellung von Schuhleisten gerade dieses Verhältnis vorlag,

hat das Berufungsgericht angenommen, und seine Annahme ist nach

dem Inhalte der Verhandlungen nicht zu beanstanden.

Allerdings

ist die erste Instanz zu einem abweichenden Ergebnisse gelangt.

Auf

Grund der Angaben des Sachverständigen hat sie für festgestellt er­ achtet, daß die Beklagte, um ihre Aluminiumleisten herzustellm, erst

Schwierigkeiten zu überwinden gehabt habe,

an denen die gleich­

gerichteten Versuche anderer Schuhleistenfabrikanten gescheitert seien, und hat deshalb in dem Unternehmen der Beklagten eine selbständige Erfindungsthätigkeit erblickt.

Es ist bereits bemerkt worden, daß ein

solcher Thatbestand die Annahme einer erfinderischen Thätigkeit und

damit die Schutzfähigkeit des Ergebnisses dieser Thätigkeit würde be­ gründen können.

Gerade die mehrerwähnte Entscheidung Bd. 41

S. 37 flg., auf welche die Revision ausdrücklich Bezug nimmt, stützt

den Schutz des dort beurteilten Gebrauchsmusters, bei welchem nament­ lich eitf Celluloidmantel anstatt eines Schutzmantels aus anderen Substanzen von Bedeutung war, wesentlich darauf, daß es erst langer Versuche bedurft hatte, um die Möglichkeit der Verwendung von

Celluloid zu diesem Zwecke zu erkennen, während in dem anderen Falle, wo es sich einfach um Ersetzung von Fischbein durch Celluloid­ stäbe handelte, das Vorhandensein einer Erfindungsthätigkeit verneint worden ist (Entsch. des R.G.'s in Civilst Bd. 33 S. 90).

Allein

die thatsächliche Annahme des Landgerichtes wird durch den Inhalt der Verhandlungen nicht gerechtfertigt und ist deshalb mit Recht von

dem Berufungsgerichte nicht wiederholt worden.

Der-Sachverständige

... giebt nur an, daß ihm der Gedanke an die Verwendung von Alu­ minium zur Herstellung von Schuhleisten nicht neu sei, da er sich selbst früher damit beschäftigt habe; er habe dann aber den Ge­

danken fallen lassen, weil die Nachteile den Vorteil überwogen hätten. Aus diesen Angaben des Sachverständigen, von denen nicht einmal

klar wird, ob sie die Beklagte sich hat aneignen wollen, erhellt gar nichts über Inhalt und Umfang der Nachteile, die der Sachverständige nicht zu beseitigen wußte, und auch nichts über den Zeitpunkt,, in

welchen seine Beschäftigung mit dem Gedanken an Aluminiumleisten fällt.

Die Annahme ist möglich und liegt besonders-nahe, daß im

wesentlichen nur der frühere hohe Preis des Aluminiums entgegen­

stand, während bei dessen fortgesetztem Sinken der Augenblick ent­ weder in der Vergangenheit bereits gekommen sein, oder in Zukunft noch erst kommen muß, wo nach Beseittgung dieses Hindernisses die

Verwendung des Aluminiums zur Herstellung von Schuhleisten kraft

seiner sich

für diesen Zweck empfehlenden Eigenschaften mehr oder

minder selbstverständlich war oder werden wird.

Bei dieser Annahme

würde das Verdienst der Beklagten nur darin bestanden haben, daß sie zu Recht oder Unrecht diesen'ökonomisch bestimmten Zeitpunkt für

bereits gekommen ansah, und darin allein könnte eine erfinderische

Thätigkeit mit dem Ergebnis einer neuen Anordnung im Sinne des § 1 des Gesetzes vom 1. Juni 1891 jedenfalls nicht gefunden werden.

Unter diesen Umständen aber hätte es der Beklagten obgelegen, das­

jenige Material beizubringen, woraus sich ergeben würde, daß bei ihrem Aluminiumleisten mehr als die bloße Substitution eines Stoffes

an die Stelle eines anderen in Frage steht.

Dies ist nicht geschehen.

Die Thatsache, daß die Beklagte anscheinend die Erste war, welche Aluminiumleisten gewerbsmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht

hat, genügt hierzu nicht.

Auch aus den Vorzügen, welche die Be­

klagte ihren neuen Leisten beilegt, und welche in einem gewissen, wenn

auch geringeren, Umfange von dem Sachverständigen bestätigt worden sind, ist für diese Frage nichts herzuleiten; denn diese Vorzüge stellen sich zunächst nur als die Folgen der an sich bekannten Eigenschaften

des Metalles Aluminium dar." ...

10.

Liegt darin, daß die mit weiterer Beschwerde angefochtene Ent­

scheidung, statt von der Kammer für Handelssachen, von der Civil-

kammer des Landgerichtes erlaffen worden ist, eine unter § 551 C.P.O. fallende Gesetzesverletzung?

-Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom

20. Mai 1898 §§ 27. 30.

I. Civilsenat.

Beschl. v. 16. Februar 1901 i. S. Tr.

Beschw.-

Rep. I. 13/01. I. II.

Amtsgericht Groß-Gerau. Landgericht Darmstadt.

In einer Beschwerdesache, zu deren Entscheidung das Reichs­

gericht auf Grund des § 28 Abs. 3 des Gesetzes über die Angelegen­ heiten der freiwilligen «Gerichtsbarkeit vom 20. Mai 1898 berufen mar, wurde die aufgeworfene Frage bejaht aus folgenden

Gründen: ... „Die Beschwerde muß ... für begründet angesehen werden.

Darin, daß über die erste sofortige Beschwerde in

dem jetzt an­

gefochtenen Beschlusse vom 3. Dezember 1900, entgegen der in § 30 Abs. 1 Satz 2 Fr.G.G. gegebenen Vorschrift, die II. Civilkammer

des

Beschwerdegerichtes

statt

der

bei

diesem

Gerichte

gebildeten

Kammer für Handelssachen entschieden hat, ist ein Rechtsverstoß zu

erblicken, der unter den in § 27 Satz 2 daselbst zur entsprechen­ den Anwendung angezogenen § 551 C.P.O. besonderen

Nachweis

des

ursächlichen

fällt und daher ohne

Zusammenhanges

zur Auf­

hebung des das Gesetz verletzenden Beschlusses führm muß.

Zwar

gegen die Ziff. 1 des angeführten § 551, welche das Oberlandes­ gericht in Übereinstimmung mit einer ... Entscheidung des preußischen Kammergerichtes vom 18./25. Juni 1900 zur Anwendung bringen

will, verstößt das Verfahren des Beschwerdegerichtes nicht. Nach dieser Ziffer ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Gesetzes anzusehen, „wenn das erkennende Gericht nicht vorschrifts­ mäßig besetzt war". Aber eine richtig besetzte Civilkammer des Land­ gerichtes wird dadurch, daß sie über eine Angelegenheit entscheidet, welche vor die Kammer für Handelssachen gehört,

auch wenn diese

Zuteilung auf zwingender Vorschrift beruht, nicht zu einer vorschrifts­

widrig besetzten Kammer für Handelssachen, sondern bleibt, was sie war, eine vorschriftsmäßig besetzte Civilkammer.

Wohl aber muß

die Ziff. 4 des § 551 für anwendbar gehalten werden, welche den

Fall hervorhebt, daß das Gericht seine Zuständigkeit oder Unzuständig­ keit mit Unrecht angenommen hat.

In Angelegenheiten der freiwilligen

Gerichtsbarkeit, welche zu den in Abschn. 7 des Gesetzes aufgeführten

Handelssachen gehören,

erscheint die Berufung der Kammern für

Handelssachen zur Entscheidung über die Beschwerden nach § 30 Abs. 1 Fr.G.G. im zweiten Satze so wesentlich, daß die trotzdem entscheidende

Civilkammer die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschreitet.

Für den

Umfang des Civilprozesses, das unmittelbare Anwendungsgebiet des

§ 551, hat die Ziff. 4 die Auslegung gefunden, daß die darin er­ wähnte Zuständigkeit und Unzuständigkeit sich nicht auf das Ver­

hältnis zwischen Civilkammer und Kammer für Handelssachen beziehe, da beide Kammern sich nicht als mehrere Gerichte gegenüberständen,

sondern nur koordinierte, wenn auch verschiedenartige, Organe des gleichen, zuständigen Landgerichtes seien.

Vgl. Urteil des Reichsgerichtes, I. Civilsenates, vom 16. September

10. Freiwillige Gerichtsbarkeit.

Weitere Beschwerde.

29

1891 bei Gruchot, Bd. 37 S. 765; Urteil des Obersten Landes­

gerichtes zu München vom 14. Juli 1883 in dessen Entscheidungen

Bd. 14 S. 401; Gaupp, Civilprozeßordnung 3. Aust, zu § 1 unter I, 3, zu § 513 unter II, 4; Petersen u. Anger, Civilprozeß­

ordnung 4. Aust, zu § 1 Note 2, zu § 551 unter 4 (Bd. 2 S. 76).

Eine Ausnahme wird nur für den Fall gemacht, daß die Kammer für Handelssachen auswärts oder doch für einen besonderen, örtlich abgegrenzten Teil des Landgerichtsbezirkes gebildet ist.

Vgl. Urteil des Reichsgerichtes, I. Civilsenates, vom 9. März 1889,

Entsch. desselben in Civils. Bd. 23 S. 371. Für diese Auffassung ist nicht ausschließlich das bloß formale Ver­

hältnis zwischen Civilkammer und Kammer für Handelssachen maß­

gebend gewesen, sondern dabei auch wesentlich die Art und Weise berück­ sichtigt worden, wie im siebenten, den „Kammern für Handelssachen" gewidmeten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes in §§ 101 flg. die sachliche

Zuständigkeit für beide Arten von Kammern bestimmt ist. Die Zuweisung ist in der Hauptsache fakultativ, dergestalt daß die Verhandlung vor der Kammer für Handelssachen stets einen Parteiantrag voraussetzt

(§§ 102. 104 Abs. 1), daß aber auch bei Rechtsstreitigkeiten, die an sich oder nach der Entwickelung im Laufe des Verfahrens vor die

andere Kammer gehören würden, die Verweisung an diese regelmäßig

gleichfalls an einen solchen Antrag gebunden ist, und daß nur die Kammer für Handelssachen unter gewissen Voraussetzungen (§ 103

Abs. 2. § 105), die Civilkammer aber gar nicht (§ 104 Abs. 2) die Verweisung von Amts wegen aussprechen darf.

Es ist also die vom

Gesetze vorgesehene Zuteilung keineswegs ausschließlich, und weder der

Civilkammer noch der Kammer für Handelssachen gebricht es an der Zuständigkeit zur Entscheidung der an sich vor die andere Kammer

gewiesenen Sachen.

Danach hat der Gesetzgeber selbst kein entscheiden­

des Gewicht darauf legen wollen, ob die Verhandlung vor der Civil­ kammer, oder vor der Kammer für Handelssachen erfolge, und diesem

Standpunkte hat er auch durch die Vorschrift in § 106 Ausdruck

gegeben, wonach gegen eine Entscheidung über die Verweisung eines Rechtsstreites an die Civilkammer oder die Kammer für Handelssachen kein Rechtsmittel stattfindet.

Eine Regelung der Zuständigkeit in

dieser Art ist, wenn sie auch im Gesetze selbst vorgesehen ist, nicht mehr wesentlich verschieden von der Verteilung der Geschäfte, welche

auf Grund des § 62 G.V.G. unter mehreren Kammern vorgenommen wird, und kann in der Hauptsache, ebenso wie diese, als eine innere

Angelegenheit des Gerichtes, im Gegensatze zu der nach außen wirken­ Anders ist es auf

den Znständigkeitsabgrenzung, angesehen werden. dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Die Vorschrift in § 30

Abs. 1 Satz 2 Fr.G.G. ist zwingend: wenn bei einem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet ist, so tritt für Handels­ sachen diese Kammer an die Stelle der Civilkammer. Damit ist — unter dieser Voraussetzung — die Zuständigkeit der Civilkammer ausgeschlossen; es hängt nicht von dem Willen der Beteiligten ab,

sondern ist gesetzliches Gebot, daß dann die Entscheidung über die Beschwerde durch die Kammer für Handelssachen, und allein durch

diese, erfolge.

Die Civilkammer darf hier nicht nur, im Gegensatze zu § 104 G.V.G., sondern sie muß die Beschwerde, für deren Erledigung

sie nicht zuständig ist, an die Kammer für Handelssachen abgeben. Damit erlangt im Umfange dieser Angelegenheiten die Stellung der Kammern für

Handelssachen gegenüber den Civilkammern eine ganz andere, selb­ ständigere Bedeutung als auf dem Gebiete des Civilprozesses. Die zwingende Kompetenzbestimmung durch das Gesetz kann nicht mehr als bloßes Internum der Gerichte aufgefaßt werden.

Andererseits weist

eben diese Zwangsvorschrift wieder daraufhin, daß der Gesetzgeber der Mitwirkung fachmännisch gebildeter Laienrichter größeren und ent­

scheidenderen Wert beigelegt hat, indem er sie hier, im Gegensatze zu dem Prozeßverfahren, obligatorisch machte.

Daß diese Mitwirkung

nur in der Beschwerdeinstanz stattfinden soll, und auch da nur, wenn

eine Kammer für Handelssachen bereits vorhanden ist, kann nicht dagegen angeführt werden. Wenn der Gesetzgeber nicht soweit gehen

wollte, daß er im Interesse der umfassenden Mitbeteiligung von Handels­ richtern neue Gerichtsorgane schuf, so folgt daraus doch nicht, daß

er die Thätigkeit der Kammern für Handelssachen nicht an sich zur sachgemäßen Prüfung und Entscheidung dieser Sachen für besonders geeignet hielt und aus diesem Grunde da, wo die bestehende Gerichts­

verfassung ihm dies gestattete, nicht die Heranziehung der Kammern für Handelssachen anstatt der

Civilkammern als

die Rechtspflege fördernde Einrichtung ansah.

eine wesentliche,

Im Verfolge dieses

Gedankens liegt auch die Annahme nahe, daß er nach Möglichkeit die

Beachtung seiner Kompetenzvorschrift habe sichern wollen.

Eine ge-

nügende Sicherung aber liegt, wie der gegenwärtige Fall zeigt, in der Vorschrift selbst noch nicht, und sie würde auch nicht gegeben sein, wenn die Verletzung der Vorschrift nur unter dem Gesichtspunkte des

§ 550 C.P.O. in Betracht fiele, da es in den meisten Fällen schwer, wo nicht unmöglich, wäre, den ursächlichen Zusammenhang zwischen dieser Rechtsnormverletzung und dem

scheidung festzustellen.

sachlichen Inhalte der Ent­

Diese Erwägungen begründen die Auslegung,

daß im Sinne des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

die

Entscheidung

einer

Civilkammmer anstatt der

nach § 30 Abs. 1 dazu berufenen Kammer für Handelssachen einen Verstoß gegen Zuständigkeitsnormen enthält, welcher unter die Ziff. 4 des § 551 C.P.O. fällt, und diese Auslegung findet ihre formelle

Rechtfertigung darin, daß nach § 27 Fr.G.G. die darin angezogenen

Paragraphen der Civilprozeßordnung, darunter auch der § 551, nur zur „entsprechenden" Anwendung kommen sollen.

Im gleichen Sinne hat sich eine Mehrzahl von Kommentatoren des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgesprochen, z. B. Birkenbihl zu § 30 Bem. 2 (S. 113), Dronke zu § 30 Bem. 1 (S. 27).

Die abweichende Ansicht bei Domer zu § 27 Bem. 5 flg.

(S. 160/161) und in dem Beschlusse des Oberlandesgerichtes Stuttgart bei Mugdan u. Falkmann, Rechtsprechung der Oberlandesgerichte

Bd. 1 Nr. 29, berücksichtigt nicht, daß für das Verfahren in Ange­ legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Frage anders liegt, als

für den Civilprozeß.

Die Anwendung des § 551 Ziff. 4 C.P.O. führt.... zur Auf­ hebung des angefochtenen Beschlusses.

In der Sache selbst aber kann

das Reichsgericht nicht entscheiden; vielmehr muß die Zurückverweisung

an das Beschwerdegericht erfolgen,

damit nunmehr die zuständige

Kammer für Handelssachen die Entscheidung

treffe.

über die Beschwerde

Der in § 27 Fr.G.G. gleichfalls angezogene § 563 C.P.O.

ist nicht anwendbar, da es sich nicht um eine Gesetzesverletzung in der Begründung der Entscheidung, sondern um eine die Gültigkeit

der Entscheidung selbst betreffende Verletzung von Verfahrensnormen handelt.

Auch aus einew anderen Grunde ergiebt sich die Notwendig­

keit der Zurückverweisung.

Zwar erwähnt das Gesetz in den das

Beschwerdeverfahren regelnden Bestimmungen (§§ 19 flg.) diese Maß­ regel nicht und enthält auch nicht einmal eine dem §■ 575 C.P.O.

entsprechende Vorschrift.

Dennoch kann es nicht zweifelhaft sein, daß

es seiner Meinung widerstreben würde, wenn der zur Entscheidung

über die weitere Beschwerde bemfene Richter in allen Fällen in der

Sache selbst entscheiden wollte.

Indem das Gesetz gegen die Ver­

fügungen des Gerichtes erster Instanz das Rechtsmittel der Beschwerde (§ 19) und gegen die Entscheidungen des Beschwerdegerichtes das

Rechtsmittel der weiteren Beschwerde (§ 27) gewährt, geht es grund­ sätzlich davon aus, daß den Beteiligten die Möglichkeit zu geben sei, eine zweifache Nachprüfung in den höheren Instanzen zu verlangen.

Wenn aber, wie vorliegend, die Entscheidung des Beschwerdegerichtes wegen Unzuständigkeit aufgehoben werden muß, und die Entscheidung

eines zuständigen Beschwerdegerichtes überhaupt ermangelt, so würde für den Fall, daß der dritte Richter selbst die sachliche Entscheidung

träfe, die Prüfung in der Beschwerdeinstanz ganz wegfallen, und nur

eine einmalige Nachprüfung, und noch dazu bloß unter den beengenden Voraussetzungen der weiteren Beschwerde, übrig bleiben (vgl. die ver­ wandte Entscheidung in Bd. 14 S. 387 der Entsch. des R.G.'s in

Civils?). Umsoweniger kann ein solches Ergebnis von dem Gesetze gewollt sein, als es sonst, entgegen seiner Absicht, daß wenigstens.in der

Beschwerdeinstanz die Entscheidung durch eine Kammer für Handels­

sachen eintrete, gänzlich ausgeschlossen wäre, einem in dieser Richtung

vorgekommenen Vorstoße nachträglich abzuhelfen." ...

11.

Sind Unfallverhütungsvorschriften, die von einer Berufsgenossen-

schaft auf Grund des § 78 des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 erlassen find, Polizeigesetze im Sinne des § 26 preuß. A.L.R. I. 6, bezw. ist § 120 a Gew.O. ein solches? VI.Civilsenat. Urt.v. 25. Februar 1901 i. S. B. (Kl.) w. Sch. (Bell.). Rep. VI. 432/00. I. II.

Landgericht Görlitz. Oberlandesgericht Breslau.

Die Entscheidung ist unten unter „Preußisches Recht" Nr. 71 S. 327 abgedruckt. 1 Bgl. aber Bd. 16 dieser Sammlung S. 323, insbes. Anm. 1.

. D. R.

12.

1.

Begriff der „Deckung" im § 88 a. F. (90 n. F.) des Genosseuschaftsgesetzes.

2.

Kaun der Genossenschafter, der die Auszahlung seines Gut­

habens ans der LiqnidationSmaffe fordert, seinen Anspruch darauf

gründen, daß nach der von den Liquidatoren ausgestellten Bilanz

Deckung für die noch ungetilgten Schulden der Genossenschaft und

genügende Barmittel zur

Befriedigung der Genossenschafter wegen

ihrer Guthaben vorhanden sind?

Urt. v. 28. Februar 1900 i. S. F. (Kl.) w. Deutsche

I. Civilsenat.

Volksbaugesellschaft, e. G. m. b. H., in Liq. (Bekl.). I. II.

Rep. 1 460/99.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Der Kläger, der als Mitglied der unter dem Namen „Deutsche Volksbaugesellschaft" in Berlin bestehenden Genossenschaft mit be­ schränkter Haftpflicht fünf voll eingezahlte Geschäftsanteile

von je

1000 c4t besaß, kündigte am 6. März 1895 seine Mitgliedschaft. Der Vorstand der Genossenschaft bestätigte ihm den Empfang der Kündigung und eröffnete ihm dabei, daß statutenmäßig die Rück­

zahlung seines Guthabens nach Genehmigung des Geschäftsberichtes

für das Jahr 1897 durch die Generalversammlung erfolgen werde. Vor Eintritt dieses Zeitpunktes wurde jedoch die Genossenschaft auf­

gelöst und trat in Liquidation.

Im Juni 1896 wurde nämlich die

Deutsche Volksbau-Aktiengesellschaft in Berlin gegründet, bei deren

Gründung die Genossenschaft in der Weise beteiligt war, daß sie ihr

gesamtes Aktivvermögen

in

die Aktiengesellschaft einbrachte, welche

alle Passiva der Genossenschaft übernahm.

Die Genossenschaft erhielt

als Gegenwert dafür teils Aktien der neuen Aktiengesellschaft, teils

bares Geld.

Die Aktien sollten denjenigen Genossenschaftern auS-

gehändigt werden,

welche sie anstatt

ihrer

Geschäftsanteile

über­

nehmen wollten; das bare Geld sollte zur Befriedigung derjenigen Genossenschafter dienen, welche die Rückzahlung ihres Guthabens ver­

langen würden.

Der Kläger, der zu den letzterwähnten Genossen-

schaftern gehörte, erhob, als ihm nach Ablauf des Sperrjahres von

dm Liquidatoren sein Guthaben nicht ausgezahlt wurde, Klage mit e. d. SR.®, «kutsch. In Civil«. XLVJII.

3

dem Anträge, die Beklagte zur Zahlung von 5000 c/tt nebst Zinsen zu verurteilen.

Er berief sich auf ein ihm zugegangenes Cirkular der

Beklagten vom 28. Februar 1898, inhalts dessen das Guthaben der

Genossenschafter 100 Prozent ihrer Einlagen betrage, die Geschäfts­

anteile also voll vorhanden seien.

Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage.

Sie führte aus,

daß die Rückzahlung der Einlagen an die Genossenschafter gemäß

§ 88 des Gesetzes vom 1. Mai 1889 erst nach Tilgung oder Deckung aller Schulden der Genossenschaft erfolgen dürfe; es seien aber zur

Zeit erhebliche Schulden der Genossenschaft noch ungetilgt und auch im Sinne des Gesetze- nicht gedeckt; denn wenn auch die nach der

Bilanz vom 31. Dezember 1897 noch bestehenden Verbindlichkeiten

durch die den Gläubigern gewährten Sicherheiten (Wertpapiere, Grund­ schulden und Hypotheken) nach dem sachverständigen Ermessen der

Liquidatoren als gedeckt erschienen, so sei doch eine schlechthin zweifels­ freie, absolut sichere Deckung derselben nicht vorhanden;

ohne eine

solche seien aber die Liquidatoren nicht berechtigt, und noch weniger ver­ pflichtet, zur Verteilung der Masse zu schreiten. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen, in der Berufungs­

instanz aber nach dem Klagantrage erkannt.

Die Revision ist zurück­

gewiesen worden aus folgenden Gründen: „Der Anspruch des Klägers ist begründet, wenn nicht nur das

Sperrjahr abgelaufen ist, sondern ferner a. die Schulden der auf­ gelösten Genossenschaft getilgt oder gedeckt sind (§ 88 des Genossen-

schastsgesetzes vom 1. Mai 1889), und b. das nach Tilgung oder Deckung der Schulden vorhandene Vermögen der Genossenschaft zur Befriedigung aller Genossenschafter wegen ihrer vollen Geschäfts­ einlagen hinreicht und insbesondere die Befriedigung des Klägers in

barem Gelde gestattet. Für das Vorhandensein dieser Voraussetzungen hat der Kläger die Beweislast, jedoch nur insoweit, als er derselben

nicht durch die von den Liquidatoren, als dem zuständigen Organ der liquidierenden Genossenschaft, gegebene Auskunft über die Vermögens­ lage der Genossenschaft enthoben ist.

Der Kläger steht aus dem Stand­

punkte, daß der letztgedachte Fall vorliege, sein Anspruch also liquid

sei, und das Berufungsgericht hält diesen Standpunkt für begründet.

Das Berufungsgericht geht von der auch im Prozesse sestgehaltenm

Erklärung der Beklagten aus, es seien für die noch ungetilgten Schul­

den der Genossenschaft genügende Sicherheiten (Hypotheken) bestellt. Es nimmt an, das Wort „Deckung" im § 88 des Genossenschafts­ gesetzes bedeute nichts anderes als eine „angemessene Sicherheit" im

Sinne der Artt. 245. 202 des alten Handelsgesetzbuches, und eine angemessene Sicherheit sei eine solche, welche nach den bestehenden

Verhältnissen die Befriedigung des Gläubigers aus derselben als ge­ wiß erscheinen lasse.

Deshalb verwirft es die Meinung der Beklagten,

daß Deckung im Sinne des § 88 a. a. O. nur vorhanden sei, wenn jede Möglichkeit eines Verlustes überhaupt ausgeschlossen sei.

Bei

diesen Ausführungen wird ein Rechtsirrtum nicht ersichtlich. Zutreffend hat das Berufungsgericht aus den Materialien des Genossenschaftsgesetzes dargelegt, daß die Vorschrift des § 88 dieses

Gesetzes sich an die entsprechenden, die Verteilung des Vermögens einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft aus Aktien

betreffenden Artt. 245. 202 des alten Handelsgesetzbuches anlehnen soll.

Wenn dort vorgeschrieben ist, daß die Verteilung des Vermögens

nur erfolgen dürfe, wenn in Ansehung noch schwebender Verbindlich­

keiten und streitiger Forderungen den Gläubigern eine angemessene Sicherheit bestellt sei, so erscheint es gerechtfertigt, mit der nach

§ 88 des Genossenschaftsgesetzes erforderlichen „Deckung" solcher Schul­ den, deren Tilgung aus irgend einem Grunde noch nicht angängig ist, denselben Begriff zu verbinden. Was unter einer angemessenen Sicher­ heit zu verstehen sei, ist im Gesetze nicht näher bestimmt. Die Mei­

nung der Beklagten, die Sicherheit müsse so beschaffen sein, daß bei ihrer Realisierung ein Ausfall für den Gläubiger niemals und unter

keinen Umständen eintreten könne, ist nicht zu billigen und kann auch durch den Hinweis auf die im § 88 des Genossenschaftsgesetzes be­

stimmte persönliche Verantwortlichkeit der Liquidatoren nicht gerecht­ fertigt werden. Die Liquidatoren einer aufgelösten Genossenschaft

treten an die Stelle des Vorstandes (§ 87 a. a. O.), haben also, wie

der Vorstand, die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu be­ thätigen (§ 32 a. a. O.).

Sie sind also nur gehalten, für die noch

ungetilgten Schulden der Genossenschaft eine solche Deckung zurück­

zubehalten, welche nach dem sorgfältigen Ermessen eines ordentlichen Geschäftsmannes die Befriedigung der Gläubiger sicherstellt. 3*

Wenn

nun nach der eigenen Erklärung der Liquidatoren in dem an die Ge­

nossenschafter versandten Cirkular vom 28. Februar 1898 die noch ungetilgten Schulden (abgesehen von kleinen, im Streit befangenen

Beträgen, auf welche von der Beklagten kein Gewicht gelegt wird) durch vollwertige Hypotheken gesichert sind, so ist der Kläger berechtigt,

davon auszugehen, daß diese Erklärung auf einer pflichtmäßigen Prü­ fung der Liquidatoren beruhe, und es wäre Sache der Beklagten ge­ wesen, darzuthun, daß dieser Erklärung entgegen, durch die fraglichen

Hypotheken eine nach sorgfältigem Ermessen völlig ausreichende Sicher­

heit der dadurch gedeckten Schulden nicht gewährleistet werde. Eine solche Behauptung ist aber von der Beklagten nicht aufgestellt worden. Sie kaun in der Ausführung, daß infolge irgend welcher Zufällig­

keiten ein volle Sicherheit gewährendes Grundstück weit unter seinem wahren Werte versteigert, und so ein Ausfall einer an sich sicheren

Hypothek herbeigeführt werden könne, nicht gefunden werden; denn eine solche, trotz aller zu ihrer Verhütung anzuwendenden Sorgfalt etwa noch bestehende Möglichkeit, schließt das Vorhandensein der vom Gesetz erforderten Deckung nicht aus.

Die Revision hat nun zwar noch das Bedenken angeregt, daß die den Gläubigem bestellte hypothekarische Sicherheit deshalb un­

genügend sein möchte, weil vor der Auflösung der Genossenschaft die Gläubiger neben der hypothekarischen Sicherheit noch das persönliche

Forderungsrecht gegen die Genossenschaft gehabt haben, welches ihnen nach erfolgter Verteilung des Vermögens der aufgelösten Genossen­

schaft verloren gehe.

Dieses Bedenken

ist jedoch nicht begründet.

Allerdings besteht die Möglichkeit, daß ein Gläubiger der Genossen­ schaft während ihres Bestehens mit Rücksicht auf sein persönliches

Forderungsrecht sich mit einer seine Forderung nicht voll deckenden Sicherheit begnügt, und daß deshalb einem solchen Gläubiger bei Auf­

lösung der Genossenschaft eine verstärkte Deckung zu gewähren ist. Es ist jedoch kein Anhalt dafür geboten» daß ein solcher Fall hier

vorliege.

Nach der Erklärung der Liquidatoren sind die Gläubiger

der Genossenschaft durch die bestellten Hypotheken voll gesichert, und

im Prozesse ist niemals die Behauptung aufgestellt worden, daß die

Gläubiger oder einer derselben nach erfolgter Auflösung der Genossen­ schaft im Hinblick auf die zu erwartende Verteilung des Vermögens

derselben eine Verstärkung ihrer Sicherheit begehrt haben. Zutreffend

hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, daß die Gläubiger in der Volksbau-Aktiengesellschaft einen neuen persönlichen Schuldner

erhalten haben, hierdurch aber den Gläubigern ein Ersatz für diejenige Sicherheit gewährt wird, welche in der Möglichkeit des Zugriffs aus das Vermögen der Genossenschaft lag.

Die in der Deckung der Schulden der Genossenschaft liegende

Voraussetzung des Klaganspruches muß also als gegeben angesehen werden. Bezüglich der zweiten Voraussetzung des Klaganspruches hat sich

das Berufungsgericht damit begnügt, daß nach dieser Richtung Zweifel

von der Beklagten nicht angeregt seien.

Das Berufungsgericht steht

also auch hier aus dem Standpunkte, daß es Sache der Beklagten sei, darzuthun, daß das Vermögen der Genossenschaft eine gleich­ mäßige volle Befriedigung aller Genossenschafter wegen ihrer Geschäfts­

einlagen und insbesondere eine Befriedigung des Klägers in barem

Gelde nicht zulasie. Dieser Standpunkt ist wohl berechtigt. Aus­ weislich der im Laufe der Liquidation aufgestellten Bilanzen besteht Aktivvermögen der Genossenschaft größtenteils in Aktien der Volksbau-Aktiengesellschaft, zum kleineren Teile in einer Barforderung das

an diese Aktiengesellschaft.

Die Beklagte hat jedoch stets daran fest­

gehalten, daß sie nur soviel Aktien der Aktiengesellschaft erworben habe, als die Genossenschafter sich in Anrechnung auf ihr Guthaben zu

übernehmen verpflichtet hätten, wogegen der zur Befriedigung der

übrigen Guthaben erforderliche Betrag von der Aktiengesellschaft bar gezahlt werde.

Aus der Grundlage dieser Erklärung ist die Weigerung

der Beklagten, den Kläger in bar wegen seiner Geschäftseinlage zu

befriedigen, unberechtigt, da durch diese Befriedigung eine Benach­ teiligung anderer Genossenschafter nicht eintritt.

Daß der Kläger,

wie die Revision auszuführen sucht, wider Treue und Glauben handle, wenn er beim derzeitigen Stande der Liquidation Auszahlung seines Guthabens

fordere, ist nicht anzuerkennen.

Die thatsächlichen An­

führungen, welche zur Begründung dieser Meinung gemacht worden sind, können in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden,

da sie in den Vorinstanzen nicht vorgebracht waren.

Im übrigen ist

nicht ersichtlich, wodurch der Kläger gegen Treue und Glauben ver­ stoßen soll, wenn er, auf den eigenen Erklärungen der Liquidatoren

der Genossenschaft fußend, welche die Auszahlung seiner Geschäfts-

einlagen gestatten, diese Auszahlung fordert und sich nicht darauf einlassen will, auf dieselbe noch unbestimmte Zeit hindurch zu warten."...

13. Bezieht sich der Art. 172 Einf.-Ges. zum B.G.B. auch auf Fälle der Zwangsversteigerung? III. Civilsenat. I.

II.

Urt. v. 26. Februar 1901 i. S. K. (Kl.) w. B. (Bell.). Rep. III. 25/01.

Landgericht Leipzig.

Oberlandesgericht Dresden.

Aus den Gründen: „Im Oktober 1899 ist das Hausgrundstück Bl. 280 des Grund­ buches für M., in welchem der Kläger eine bis zum 30. April 1905 gemietete Wohnung innehatte, in notwendiger Subhastation der Be­ klagten zugeschlagen, ihre Eintragung als Eigentümerin im Grund­ buche aber erst am 14. Mai 1900 erfolgt. Ende März 1900 kündigte im Auftrage der Beklagten der ihr als Ersteherin bis zur Eintragung ihres Eigentums im Grundbuche in Gemäßheit des § 176 Abs. 2 der sächsischen Subhastationsordnung bestellte Vertreter, Ortsrichter F., dem Kläger den Mietvertrag zum 1. Juli 1900. Zugleich kündigte die Beklagte dem Kläger mittels Briefes vom 30. März 1900 auch selbst zu demselben Zeitpunkte. Diese eigene Kündigung zog sie dann durch Brief vom 14. Mai 1900, nachdem sie an diesem Tage im Grundbuch eingetragen war, zurück und kündigte anderweit zum 31. März 1901. Der Kläger hält, indem er davon ausgeht, daß das neue bürgerliche Recht, § 571 B.G.B., entscheidend sei, wonach der neue Erwerber eines Grundstückes in die bestehenden Mietverträge einzutreten hat, und daß eventuell auch nach sächsischem Recht eine gültige Kündigung nicht vorliege, die erfolgten Kündigungen für un­ beachtlich und hat daher Klage erhoben, festzustellen, daß der Miet­ vertrag noch bis zum 30. April 1905 fortdauere. Während das Gericht erster Instanz unter Billigung beider Gründe des Klägers nach dem Klagantrage erkannt hat, hat das Be­ rufungsgericht die Klage, soweit sie eine Fortdauer des Mietvertrages über den 31. März 1901 beansprucht, abgewiesen, indem es ausführt,

daß trotz Art. 172 Einf.-Ges. zum B.G.B. daS neue Recht auf den

vorliegenden Rechtsfall keine Anwendung finden könne, und daß nach

sächsischem Recht in der Kündigung des OrtsrichterS F. eine gültige Kündigung zu finden sei, die durch die spätere Kündigung vom 14. Mai 1900 nur hinsichtlich des RäumungStermineS modifiziert sei. Der gegen beide Ausführungen nunmehr seitens des Klägers erhobenen Revision muß der Erfolg versagt bleiben.

Denn was zunächst die Frage der Anwendbarkeit des neuen

Rechtes anlangt, so kann der Art. 172 Einf.-Ges. zum B.G.B. auf die Fälle der Zwangsversteigerung überhaupt nicht bezogen werden. Da nämlich nach § 57 des Reichszwangsversteigerungsgesetzes vom 20. Mai 1898 die Vorschriften der §§ 571 flg. B.G.B. für den Fall der Zwangsversteigerung nur eingeschränkt gelten, hier insbesondere dem Ersteher ein Kündigungsrecht gegeben ist, somit die Rechte zwischen Erfteher und Mieter im Falle der Zwangsveräußerung anders ge­

ordnet sind, als bei anderen Veräußerungen, so kann auch der Art. 172 Einf.-Ges., wenn er die Vorschrift des § 571 B.G.B. auf ältere

Mietsrechte ausdehnt, dies doch nur "für die Fälle aussprechen wollen, die der § 571

selbst im Auge hat, nicht aber für den Fall der

Zwangsversteigerung,

für den der § 57 deS Zwangsversteigerungs­

gesetzes eine andere Regelung vorschreibt.

Dies ergiebt auch der eigene

Wortlaut des Art. 172 a. a. O., indem er dem Mieter nur die „im

Bürgerlichen Gesetzbuche bestimmten" Rechte giebt, da die dem Mieter im Zwangsvollstreckungsverfahren zustehenden Rechte nicht im Bürger­ lichen Gesetzbuche, sondern im Zwangsversteigerungsgesetze bestimmt sind. Mit Recht weist auch das Berufungsgericht darauf hin, daß, wenn

der Art. 172 auch auf dm Fall der Zwangsversteigerung anwendbar

wäre, also in dieser alle älteren Mieter und Pächter unbedingt die Rechte des § 571 B.G.B. hätten,

wonach jede Kündigung ihnen

gegenüber ausgeschlossen wäre, alsdann die landesgesetzlichen Aus­

führungsbestimmungen zum Zwangsversteigerungsgesetze

(preußisches

Ausführungsgesetz vom 23. September 1899 Art. 7, bayerisches Aus­

führungsgesetz vom 9. Juni 1899 Art. 28, sächsisches Ausführungs­

gesetz vom 18. Juni 1900 § 8), welche die Vorschrift des § 57 des

Zwangsversteigerungsgesetzes auch auf ältere, vor dem 1. Januar 1900 entstandene Miet- und Pachtrechte ausdehnen, sich mit jener reichs­

gesetzlichen Vorschrift in Widerspruch setzen würden.

Dies beweist,

daß auch die Landesgesetzgebungen davon ausgehen, daß der Art. 172

den Fall der Zwangsversteigerung nicht umfaßt, wie dies denn auch in den Motiven zu Art. 7 des preußischen Ausführungsgesetzes (S. 19) ausdrücklich gesagt ist.

Die bezüglichen Bestimmungen der Ausfüh­

rungsgesetze, hier also der § 8 des sächsischen Ausführungsgesetzes, können aber für den vorliegenden Fall überhaupt nicht in Frage

kommen, da sie sich ittir auf das neu geregelte Zwangsversteigerungs­

verfahren beziehen, ein, wie hier, vor dem Inkrafttreten des neuen Zwangsversteigerungsgesetzes beantragtes Verfahren aber nach § 15

des

Einführungsgesetzes zum Zwangsversteigerungsgesetze nach den

bisherigen Landesgesetzen zu erledigen ist.

Ist aber das Verfahren

nach den bisherigen Gesetzen zu erledigen, so muß dies auch von dm Wirkungen desselben gelten, und ist der dies ausdrücklich aussprechende Satz des ersten Entwurfes, vgl. Jaeckel, Zwangsversteigerungsgesetz S. 604, in den späteren Entwürfen auch nur als selbstverständlich weggelassen. Ist hiernach mit Recht das frühere sächsische Landesrecht zur Anwendung gebracht, so scheitern alle weiteren Angriffe der Revision

an der Jrrevisibilität des Rechtes." ...

14.

1.

Sind seit dem Inkrafttreten des Handelsgesetzbuches vom

10. Mai 1897 auch die vor Geltung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches errichteteu Aktiengesellschaften verpflichtet, einen Aufsichtsrat zn bestellen?

2.

Ist die Bestimmung in § 6 Abs. 1 des Reichsgesetzes, betr.

die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, vom 18. Juli 1884 noch gegenwärtig in Geltung, oder ist sie durch § 248 H.G.B. vom 10. Mai 1897 aufgehoben? I. Civilsenat.

Urt. v. 27. Februar 1901 i. S. Bochumer Verein f.

Bergbau und Gußstahlfabrikation (Bell.) w. den Verwaltungsrat deSs.

(Kl.). I.

II.

Rev. I. 359/00.

Landgericht Bochum.

Oberlandesgericht Hamm.

14. Aktiengesellschaft. Erfordernis eines AufstchtSrateS.

41

Unter der Herrschaft des preußischen Gesetzes über die Aktien­ gesellschaften vom 9. November 1843 trat zufolge Allerhöchster Be­

stätigungsurkunde vom 23. Juni 1854 unter der Firma „Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation" eine Aktiengesellschaft

ins Leben, die noch jetzt besteht.

„Zur oberen Leitung der Gesell­ schaft sowie zur Vertretung derselben" war in § 21 des ursprüng­

lichen wie des später geltenden Statutes ein „Verwaltungsrat" vor­ gesehen, der nach dem letzteren aus 9 Mitgliedern bestehen und von

der Generalversammlung der Aktionäre gewählt werden sollte. Pflichten und Rechte dieses Verwaltungsrates, dessen Mitglieder Aktien im Nennwerte von mindestens 6000 dft besitzen oder erwerben mußten, waren in den §§ 21—30 des Statutes bestimmt.

Neben ihm war

ein AufsichtSrat nicht vorgesehen, ein solcher auch bis zum Jahre 1900 nicht bestellt worden.

Nachdem jedoch mit dem 1. Januar 1900 das

neue Handelsgesetzbuch in Kraft getreten war,

verlangte das zur Registerführung zuständige Amtsgericht die Bestellung, oder Schaffung eines Aufsichtsrates, ließ dem Verwaltungsrate eine entsprechende Ver­

fügung zugehen und stellte für den Fall, daß diesem Verlangen nicht bis zum 1. April 1900 stattgegeben sei, in Aussicht, daß es die Sache

der Staatsanwaltschaft zur weiteren Veranlassung nach § 315 Ziff. 1 H.G.B. mitteilen werde.

Der Verwaltungsrat legte hiergegen ver­

geblich Beschwerde ein und wurde auch mit seiner ferner eingelegten

Beschwerde abgewiesen, weil die Androhung des Amtsgerichtes keine Entscheidung enthalte, gegen die die Beschwerde im Rechtswege ge­ geben sei.

Nunmehr berief der Verwaltungsrat eine außerordentliche

Generalversammlung der Aktionäre auf den 30. März 1900 und stellte in dieser Versammlung den Antrag, „die Wahl von 3 Auf­ sichtsratsmitgliedern vorzunehmen".

und beantragte, zu beschließen, werden soll".

Einer der Attionäre widersprach

„daß ein Aufsichtsrat nicht gewählt

Dieser Antrag gelangte zur Abstimmung und wurde

mit allen Stimmen gegen die des Verwaltungsrates angenommen.

Die anwesenden Mitglieder des Verwaltungsrates widersprachen und

erklärten diesen Widerspruch zu Protokoll.

Darauf wurde von dem Verwaltungsrate Klage erhoben mit dem Anträge, den Beschluß der Generalversammlung für ungültig zu erklären. In erster Instanz wurde der Klage stattgegeben; die Berufung der

Gesellschaft blieb ohne Erfolg. Auch ihre Revision wurde zurückgewiesen.

Aus den Gründen: „Für die Entscheidung ... sind ebenso, wie eS in den Vor­

instanzen geschehen ist, die beiden Fragen zu erörtern, ob auch die vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 11. Juni 1870 errich­

teten Aktiengesellschaften verpflichtet sind, einen Aufsichtsrat zu be­ stellen, und ob der Bochumer Verein einen besonderen Aufsichtsrat zu wählen hat, oder ob diese Aktiengesellschaft in ihrem Verwaltungs­

rate bereits ein Organ besitzt, daS berufen und berechtigt ist, die Obliegenheiten des Aufstchtsrates neben den Geschäften des Vorstandes wahrzunehmen.... ‘

1.

In

Ansehung

der ersten Frage beruft

die Revision sich

darauf, daß die Bestellung eines Aufsichtsrates, die das preußische

Gesetz vom 9. November 1843 nicht gekannt, und das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch, als eS in Preußen eingeführt wurde, für Aktiengesellschaften zwar erlaubt (Art. 225), aber nicht verlangt habe,

zum ersten Mal durch das Bundesgesetz vom 11. Juni 1870, in Art. 209 Ziff. 6, unbedingt vorgeschrieben worden sei, daß jedoch diese

Bestimmung ebensowenig, wie die entsprechende des dann folgenden Reichsgesetzes vom 18. Juli 1884, in Art. 209 f, für bereits be­

stehende Aktiengesellschaften Geltung gehabt habe. Ob diese Ansicht zutreffend sei, kann in Zweifel gezogen werden.

Die Fassung des Art. 209 f spricht dagegen; denn er lautet: „Jede Aktiengesellschaft muß außer dem Vorstande einen Aufsichtsrat haben." Ebenso sprechen die §§ 2 und 6 des Gesetzes vom 18. Juli 1884 dagegen; denn in § 2 Abs. 2 findet sich unter den Artikeln, die auf

schon bestehende Aktiengesellschaften keine Anwendung leiden sollen, der Art. 209 f nicht, und aus § 6 Abs. 1 wäre zu folgern, daß auf die noch vor Geltung des Handelsgesetzbuches errichteten Aktiengesell­

schaften der Art. 225 a grundsätzlich Anwendung finden und nur im Falle der in § 6 vorgesehenen Ausnahme nicht gelten solle.

Es können jedoch alle diese Fragen unentschieden bleiben; denn

es handelt sich darum, ob der Bochumer Verein gegenwärtig ver­ pflichtet ist, einen Aufsichtsrat zu bestellen, und dies ist lediglich nach dem jetzt geltenden Handelsgesetzbuche zu entscheiden.

Mit dem In­

krafttreten desselben hat das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch seine Gültigkeit verloren.

Letzteres ist zwar nicht mit ausdrücklichen

Worten ausgesprochen worden, versteht sich jedoch von selbst und

14. Aktiengesellschaft. Erfordernis eines Aufsichtsrates.

43

hat in Art. 3 Einf.-Ges. zum H.G.B. überdies einen genügenden Ausdruck gefunden.

Vgl. auch die Denkschrift zum Entwürfe, Gutteytag'sche Ausgabe S. 310. In dem jetzt geltenden Handelsgesetzbuche findet sich eine Bestimmung

daß auch die vor dem Gesetze vom 11. Juni 1870 errichteten Aktien­ gesellschaften einen Aufsichtsrat haben müßten, nicht; es ist sogar die Vorschrift des oben erwähnten Art. 209 f (mit Vorbedacht; vgl. Denk­

schrift S. 132) nicht wiederholt worden. scheidend.

Dies ist jedoch nicht ent­

Ein Gesetz, das die Rechtsverhältnisse der Aktiengesell­

schaften erschöpfend zu regeln bestimmt ist, muß im allgemeinen auch

für die schon bestehenden Aktiengesellschaften Geltung haben und in Zukunft nicht nur für ihr Handeln im Rechtsverkehre maßgebend sein,

vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 22 S. 1, Bd. 36 S. 37, sondern auch für ihre Verfassung, wenn und soweit es Bestimmungen

enthält, deren Inhalt ergiebt, daß sie auf alle Gesellschaften Anwen­ dung finden sollen. Nach dem jetzigen Handelsgesetzbuche aber ist das Vorhandensein und die Thätigkeit eines Aufsichtsrates für jede Aktiengesellschaft schon vom Beginn ihres Daseins an vorgesehen.

Bereits mit Errichtung der Gesellschaft im Falle der Simultangrün­ dung, anderenfalls nach der Zeichnung des Grundkapitales soll der

erste Aufsichtsrat bestellt werden (§ 190).

Derselbe hat den Hergang

der Gründung (neben dem Vorstande) zu prüfen, hierüber Bericht zu

erstatten und bei der Anmeldung, die unter Beifügung des Berichtes

zu erfolgen hat, mitzuwirken (§§ 192.193.195); ebenso hat er bei Nachgründungen und bei Erhöhungen des Grundkapitales sich zu betei­ ligen (§§ 207. 279. 280. 284).

Vor allem hat er die Geschäftsführung

der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen und

hat zu diesem Behufe das Recht, Bericht zu erfordern und die Bücher einzusehen; er hat die Jahrcsrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge

zur Gewinnverteilung zu prüfen und darüber der Generalversammlung Bericht zu erstatten; er hat eine Generalversammlung zu berufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist; er hat auf

Anträge von Aktionären, betreffend die Berufung einer Generalver­ sammlung oder die Tagesordnung, einzugehen; er ist zu hören, wenn

eine Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäfts­

führung in Frage kommt (§§ 246. 254. 266).

Sofern nicht durch

bett Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluß der Generalversammlung

ein anderes bestimmt ist, darf der Vorstand einen Prokuristen nur mit seiner Zustimmung bestellen (§ 238).

Er vertritt die Gesellschaft

gegenüber dem Borstande (§ 247) und ist zur Vertretung der Gesell­

schaft bei Anfechtung von Beschlüssen der Generalversammlung neben dem Vorstande oder gegen diesen berufen (§ 272).

Endlich dauert

sein Amt während der Liquidation fort, in deren Verlauf ihm be­

sondere Obliegenheiten zugewiesen sind (§§ 295. 305. 306).

Für die

Erfüllung aller ihrer Obliegenheiten ist den Mitgliedern des Aufsichts­

rates die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zur Pflicht ge­

macht, und sie sind im Falle einer Vernachlässigung dieser Pflicht wegen des daraus entstehenden Schadens nicht nur der Gesellschaft, sondern unter gewissen Voraussetzungen auch den Gläubigern der Ge­

sellschaft für verantwortlich erklärt (§ 249; vgl. auch § 306 Abs. 6), überdies aber wegen vorsätzlicher Pflichtwidrigkeiten in den Fällen der §§ 312—314 mit öffentlicher Strafe bedroht. Endlich ist bestimmt, daß der erste Aufsichtsrat nicht länger als bis zur Beendigung der ersten Generalversammlung, die nach Ablauf eines Jahres seit der

Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister zur Beschlußfassung über die Jahresbilanz abgehalten wird, im Amte zu bleiben hat, und

daß ihm eine Vergütung für seine Thätigkeit nur durch einen Be­ schluß der Generalversammlung, der frühestens am Schluffe seiner Amtsdauer zu fassen ist, bewilligt werden darf, daß für die folgende

Zeit der Aufsichtsrat nur von der Generalversammlung und nur für einen beschränkten Zeitraum gewählt werden kann, daß die Abberufung

eines Mitgliedes durch die Generalversammlung möglich ist, und daß die Mitglieder des Aufsichtsrates — abgesehen von einer vorüber­

gehenden Stellvertretung, während der jedoch ihre

Amtsbefugnisse

nicht ausgeübt werden dürfen — nicht zugleich Mitglieder des Vor­

standes oder dauernd Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern sein,

sowie auch nicht als Beamte die Geschäfte der Gesellschaft führen können (§§ 190. 243. 245. 248).

Alle diese Bestimmungen ergeben in ihrem Zusammenhänge, daß

es beabsichtigt gewesen ist, in dem'Aufsichtsrate ein Organ zu schaffen, das möglichst unabhängig von den Gründern, sowie demnächst von

dem Vorstande gestellt werden und dazu berufen sein sollte, die Ge­ rechtsame nicht nur der Aktionäre, sondern auch der Gläubiger wahr-

14. Aktiengesellschaft. Erfordernis eines Aufstchtsrates. zunehmen.

45

Die Einrichtung aber ist nicht etwa den Aktiengesellschaften

nur freigestellt, sondern bereits im Gesetze selbst angeordnet.

Schon

das Gesetz bestimmt die für den Zweck des Aufsichtsrates wichtigen Obliegenheiten und Befugnisse seiner Mitglieder, die mindeste Zahl und die Art der Berufung; eine Bestellung durch den Gesellschafts­

vertrag — wie noch nach dem Gesetze vom 11. Juni 1870 Art. 209 Ziff. 0 — ist nicht erforderlich; vielmehr braucht der Gesellschafts­

vertrag über den Aufsichtsrat nur Bestimmungen zu enthalten, wenn über die gesetzlichen Vorschriften, soweit von diesen Abweichungen zu­

lässig sind, hinausgegangen werden soll (vgl. § 243 Abs, 1, § 245 Abss. 1. 2, § 246 Abs. 3). Es wird ferner die Thätigkeit des Auf­ sichtsrates überall vom Gesetze erfordert, und zwar so, daß wichtige Geschäfte (z. B. Anmeldung, Errichtung, Nachgründung» Erhöhung

des Grundkapitales;

§§ 195. 196. 207. 279. 280. 284) ohne seine

Mitwirkung überhaupt nicht vorgenommen werden können. Endlich müssen die Mitglieder des Aufsichtsrates ihr Amt persönlich verwalten, können die Ausübung ihrer Obliegenheiten nicht Anderen übertragen (§ 246 Abs. 4) und werden zur Erfüllung ihrer Pflicht durch An­ drohung der Haftung mit ihrem Vermögen, sowie erheblicher Strafe angehalten, während andererseits den Mitgliedern des Vorstandes,

dm Liquidatoren und den Mitgliedern des Aufsichtsrates zur Pflicht gemacht ist, dafür Sorge zu tragen, daß der Aufsichtsrat bestellt und ergänzt werde, und zwar unter Androhung von Strafe für den Fall,

daß dies durch ihre Schuld unterblieben ist (§ 315 Ziff. 1). Hieraus ergiebt sich, daß die Einrichtung eines Aufsichtsrates

im öffentlichen Interesse erfolgt ist, und deshalb ist der Schluß ge­ boten, daß dies, sofern nicht aus dem Gesetze selbst das Gegenteil zu

entnehmen wäre, auch für ältere Aktiengesellschaften Geltung haben

muß.

Nicht entgegengehalten werden kann,

daß eine ausdrückliche

Bestimmung fehlt, und sogar der Art. 209 f des Reichsgesetzes vom

18. Juli 1884 nicht wiederholt worden ist.

Der letztere Artikel stand

unter den Gründungsvorschriften, und hieraus konnte man ableiten

wollen, daß er nur für neu zu gründende Gesellschaften Geltung haben solle.

Aus dem jetzigen § 190 läßt sich dagegen eine gleiche Folge-

tuttg nicht ziehen; denn dieser kann nicht als Gründungsvorschrift in dem Sinne aufgefaßt werden, daß nur er die Bildung eines Aufsichts­ rates vorschreibe.

Der § 190 ist vielmehr nur gegeben, um die Mit-

Wirkung eines AufsichtSrates schon während der Gründung zu sichern, und mußte deshalb an der Stelle, wo er steht, seinen Platz finden; die Notwendigkeit eines Aufsichtsrates für die folgende Zeit geht da­

gegen aus den oben wiedergegebenen Bestimmungen hervor.

Ebenso­

wenig kann entgegengehalten werden, daß das Gesetz nicht die Mög­

lichkeit gewähre, die Bestellung eines AufsichtSrates bei älteren Gesell­ schaften zu erzwingen.

Ganz fehlen

Zwangsmittel

nicht;

denn

Aktiengesellschaften, die keinen Aufsichtsrat bestellen, können Geschäfte,

die eine'Eintragung in das Handelsregister erfordern und hierbei eine Mitwirkung des Aufsichtsrates verlangen, nicht durchführen. Über­

dies enthält § 315 Ziff. 1 H.G.B. eine Maßregel für mittelbaren Zwang.

Allerdings ist es richtig, daß hierdurch die Bestellung eines

Aufsichtsrates nicht erzwungen werden kann, da hierzu eine Wahl der Generalversammlung erforderlich ist, und gegen diese keine Zwangs­ mittel gegeben sind, insbesondere die Anwendung der dem § 43 B.G.B. entsprechenden, landesgesetzlich, auch von Preußen in dessen Ausf.-

Ges. zum H.G.B. Art. 4 Abs. 1, gegen Aktiengesellschaften ebenfalls zugelassenen Bestimmung wohl versagen würde. Allein in Ansehung sämtlicher anderen, sowohl der nach 1870 bis zum 1. Januar 1900, als der nach diesem Tage gegründeten, Aktiengesellschaften verhält es sich nicht anders: auch die Generalversammlungen dieser Gesellschaften

könnten,

falls

sie eine Erneuerung

ihres Aufsichtsrates

ablehnen

sollten, nicht gezwungen werden, und man wird hieraus nicht — was jetzt allein in Frage steht — folgern wollen, daß für diese Gesell­ schaften die Notwendigkeit eines Aufsichtsrates nicht bestehe.

Ferner

darf nicht darauf Gewicht gelegt werden, daß der Mangel eines Auf­

sichtsrates nicht zur Klage auf Auflösung der Gesellschaft berechtigt, während solche nach § 309 H.G.B. zulässig ist, wenn der Gesellschafts­

vertrag nicht die nach § 182 Abs. 2 wesentlichen Bestimmungen ent­ hält, oder eine dieser Bestimmungen nichtig ist.

Die Bestellung eines

Aufsichtsrates wird in § 182 Abs. 2 nicht aufgeführt; allein hieraus

darf nicht gefolgert werden, daß nur Vorstand und Generalversamm­ lung, nicht aber Aufsichtsrat notwendige Organe einer Aktiengesell­

schaft seien;

denn die Bestellung eines Aufsichtsrates braucht über­

haupt nicht im Gesellschaftsvertrage zu stehen, und sein Mangel kann

nach dem Gesetze nicht vorkommen. Schon nach

alledem muß der Denkschrift (S. 132) darin bei-

14. Aktiengesellschaft. Erfordernis eines AufsichtsrateS. gestimmt werden,

daß

eine besondere Bestimmung,

47

es müsse jede

Aktiengesellschaft einen AufsichtSrat haben, entbehrlich, und die Be­ stellung eines solchen jetzt für jede Aktiengesellschaft erforderlich sei. Dazu kommen aber noch die Bestimmungen des Einf.-Ges. zum H.G.B. von 1897 in Artt. 23—28, da diese in Artt. 24. 27. 28 angeben, welche der jetzigen Bestimmungen für ältere Aktiengesellschaften nicht

gelten sollen, und dies zu dem Schluffe nötigt, daß die nicht aus­

genommenen Bestimmungen für sie Geltung haben sollen.

darf endlich nicht geltend gemacht werden,

Dagegen

daß die hier in Rede

stehenden Bestimmungen für ältere Aktiengesellschaften nicht passen,

und bewährte Verfassungen zu schonen seien.

Hieraus kann der Ge­

setzgeber eine Erwägung entnehmen; die Gerichte sind jedoch, wenn

das Gesetz klar ist, nur zur Anwendung desselben berufen. Hiernach ist der Beschluß der Generalversammlung, insofern er

davon ausgeht, daß der Bochumer Verein überhaupt keinen Aufsichts­ rat zu haben brauche, mit dem Gesetze nicht im Einklang. 2.

Es

kann sich deshalb nur noch darum handeln, ob der

Bochumer Verein in seinem Verwaltungsrate einen Aufsichtsrat besitzt, dessen Fortbestehen in dieser Form statthaft ist.

Bereits durch das Reichsgesetz vom 18. Juli 1884 wurde in Art. 225 a bestimmt, daß

Mitglieder des Aufsichtsrates nicht zugleich Mitglieder des Vorstandes oder dauernd Stellvertreter desselben sein dürften; aber in § 6 wurden

die vor Geltung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches errich­ teten Gesellschaften ausgenommen, soweit der Gesellschaftsvertrag nach Maßgabe der früheren Vorschriften abweichende Bestimmungen ent­ halte.

Beide Vorinstanzen gehen davon aus, daß diese Bestimmung

zu Gunsten der älteren Gesellschaften auch jetzt noch Geltung habe, und stehen hierin mit der Denkschrift (S. 329) im Einklang. Eine derartige Ausnahme ließe sich jedoch nicht rechtfertigen, insbesondere

nicht aus Art. 2 Abs. 2 Einf.-Ges. zum H.G.B. ableiten.

Denn

die Vorschriften des Handelsgesetzbuches über den Aufsichtsrat sind

für sämtliche Aktiengesellschaften bestimmt und» soweit sie den Schutz

der AKionäre und der Gläubiger bezwecken, im öffentlichen Interesse erlassen.

Hierzu gehört auch die Bestimmung, daß Mitglieder des

Aufsichtsrates nicht zugleich Mitglieder des Vorstandes sein können (§ 248]. Hätte der Gesetzgeber hiervon bei älteren Gesellschaften ab­ sehen wollen, so hätte dies durch eine Ausnahme im Einführungs-

gesetze geschehen müssen, und eine solche ist nicht getroffen worden. Infolgedessen ist der § 248 auch für den Bochumer Verein maß­ gebend, und deshalb neben dem Verwaltungsrate, der zweifellos auch

den Vorstand bildet, noch ein besonderer Aufsichtsrat zu wählen." ...

15.

1. Ist die unter der Herrschaft des früheren Rechtes eingetragene

nicht valntierte Hypothek mit dem Inkrafttreten des neuen Siegelt«

schaftSrechtes zn einer Eigentümerhypothek geworden? Einf.-Ges. zum B.G.B. Art. 192. B.G.B. §§ 1163. 1177.

Preuß. Ausf.-Ges. zum B.G.B. Art. 33 § 1.

2.

In welcher Weise hat der als Gläubiger einer solchen Hy­

pothek Eingetragene zur Berichtigung des Grundbuches mitzuwirken?

B.G.B. § 894. 3.

G.B.O. § 22. Hat der als Gläubiger Eingetragene auch bei der Umwand­

lung der dem Eigentümer als Gruudschuld zugefalleneu Hypothek in eine Hypothek mitzuwirken?

B.G.B. §§ 1177 Abs. 1. 1180. 1198. V. Civilsenat.

Urt. v. 2. März 1901 i. S. R. (Kl.) w. die Land­

schaft der Prov. Sachsen (Bett.). I. II.

Rep. V. 352/00.

Landgericht Torgau. Oberlandesgericht Naumburg a. S.

Auf Grund der Bewilligung des Klägers war auf dessen Grund­

stück im Jahre 1889 eine Darlehnshypothek von 9000 c4t unter Bildung eines im Besitze des Klägers befindlichen Hypothekenbriefes für die Beklagte eingetragen worden.

Diese Hypothek entbehrte der

materiellen Unterlage, da das Darlehn nicht gegeben worden war.

Im Jahre 1898 stellte die Beklagte dem Kläger eine schriftliche Er­

klärung dahin aus, daß die Pfandbriefe nicht zur Ausfertigung ge­ kommen seien, und daß sie in die Löschung der Hypothek willige.

Das Grundbuchamt lehnte es ab, aus Grund dieser Erklärung die

Hypothek auf den Namen des Klägers oder anderer von diesem be­

zeichneten Personen umzuschreiben.. In der im Dezember 1899 an­

gestellten Klage behauptete der Kläger, daß die Hypothek eine materielle Unterlage dadurch erhalten habe, daß er seiner Frau und dem Land­

wirte M. je 4500 e/K verschulde und ihnen versprochen habe, jene

Hypothek auf ihre Namen umschreiben zu lassen. Der Klagantrag ging auf Verurteilung der Beklagten, die Hypothek mit je 4500 cM und Zinsen an jene beiden Gläubiger abzutreten und in die Um­ schreibung der Hypothek auf deren Namen zu willigen.

Demnächst

stellte der Kläger mit Rücksicht auf den am 1. Januar 1900 einge­

tretenen Wechsel der Gesetzgebung den Eventualantrag,

die Beklagte

zu verurteilen, in eine Berichtigung des Grundbuches dahin zu willigen,

1. daß ihr an der Hypothek keine Rechte zustehen, 2. daß diese viel­

mehr Eigentümerhypothek des Klägers sei. Die Beklagte erkannte den eventuellen Anspruch zu 1 an, trug aber im übrigen auf Abweisung der Klage an.

Der erste Richter verurteilte die Beklagte, anzuerkennen, daß ihr Rechte an der Hypothek nicht zustehen, wies aber im übrigeü die Klage ab.

In der Berufungsinstanz wiederholte der Kläger seine ab­

gewiesenen Anträge und bat, die Beklagte wenigstens noch zu ver­ urteilen, anzuerkennen, daß die Forderung, für welche die Hypothek

bestellt sei, niemals zur Entstehung gelangt sei.

Letzterer Bitte wurde

stattgegeben, im übrigen aber die Berufung zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers ist zurückgewiesen worden aus folgenden Gründen: „Die Revision ist, soweit sie die Begründung des Berufungs-

urteileS anficht, zum Teil begründet; im Endergebnisse aber stellt sich

das Berufungsurteil als richtig dar. Der Berufungsrichter begründet seine Entscheidung dahin: das Verlangen auf Abtretung der Hypothek, welches schon in der vor dem

Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches erhobenen Klage gestellt sei, gründe sich aus eine bereits damals bestehende Verpflichtung der

Beklagten, sei also nach altem Rechte zu beurteilen.

Nach diesem

habe aber der als Gläubiger einer nicht valutierten Hypothek Ein­ getragene nicht die Pflicht gehabt, dem Eigentümer des Pfandgrund­ stückes zur Rechtsbeständigkeit der Hypothek dadurch zu verhelfen, daß

er die Hypothek an einen anderen Valutengeber abzutreten hatte; «. d. R.G. Entsch. in Ctvtls. XLVIII.

4

vielmehr habe er nur die Verpflichtung gehabt, die Löschung der nur formal

bestehenden Hypothek zu bewilligen.

Der abgesehen hiervon allein noch

streitige Anspmch auf Anerkennung, daß die Hypothek Eigentümerhypo­ thek des Klägers sei, sei erst nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches erhoben.

Der Anspruch sei auf §1163 B.G.B. gestützt,

welcher jedoch auf die vor dem Inkrafttreten des Liegenschaftsrechtes ein­ getragenen Hypotheken keine Anwendung finden dürfe, einmal weil die

nacheingetragenen Gläubiger, welche ihre Hypotheken in der Kenntnis von dem Nichtbestehen der voreingetragenen Hypothek erworben haben, dadurch beeinträchtigt

werden könnten, und sodann weil Art. 192

Einf.-Ges. zum B.G.B. rechtswirksam bestehende Hypotheken voraus­

setze und nicht die Möglichkeit eröffne, die alten nur formal bestehenden Hypotheken zu wirksamen Eigentümerhypotheken zu erheben.

Daher

könne Kläger nicht Anerkennung der Hypothek als Eigentümerhypothek verlangen. Der Annahme des Berufungsrichters, daß der vom Kläger vor

dem 1. Januar 1900 erhobene Anspruch auf Abtretung der Hypothek

an die im Klagantrage bezeichneten Personen lediglich nach altem Wäre die

Rechte zu beurteilen sei, kann nicht beigetreten werden.

Hypothek, wie der Berufungsrichter annimmt, mit dem Inkrafttreten

des LiegenschastSrechtes ganz bedeutungslos geworden, sodaß über sie

nur durch Löschung verfügt werden könnte, so würde die Untersuchung des Berufungsrichters, ob die Beklagte nach altem Rechte zur Ab­ tretung verpflichtet gewesen wäre, als überflüssig bezeichnet werden müssen, da diese Frage im vorliegenden Rechtsstreite nur für den

Kostenpunkt in Betracht kommen könnte, der Kläger aber auch dann die Kosten des Rechtsstreites zu tragen haben würde, wenn sein An­

trag nur infolge des im Laufe des Prozesses eingetretenen Wechsels

der Gesetzgebung abgewiesen werden müßte. Vgl. Uit des Reichsgerichtes in der Jurist. Wochenschr. 1900 S. 726 flg. Der Kläger hat diesen Antrag aber auch unter der Herrschaft des

neuen Rechtes aufrecht erhalten, und daher muß untersucht werden, ob er sich aus diesem herleiten läßt.

Selbstverständlich entfällt die

Veranlassung zu dieser Prüfung, wenn von der Unanwendbarkeit des

neuen Rechtes ausgegangen werden müßte.

Daher ist zunächst in die

Frage der Anwendbarkeit des letzteren einzutreten.

Diese Frage läßt

sich nicht, wie die Beklagte meint, mit der Erwägung beiseite schieben,

daß sie, weil sie unter der Herrschaft des alten Rechtes die Erklärungen abgegeben habe, zu denen sie nach diesem verpflichtet gewesen sei, nicht

gezwungen werden könne, Erklärungen abzugeben, deren der Kläger

etwa nach dem neuen Rechte benötige.

Wäre die Hypothek, welche

buchmäßig noch besteht, in eine Eigentümergrundschuld des neuen

Rechtes übergegangen, so würde das Grundbuch, welches die Beklagte als die Gläubigerin der Hypothek aufweist, unrichtig sein.

dem unrichtigen Buchzustande sich

Die aus

ergebenden Verpflichtungen

der

Beklagten würden aber zweifellos nicht nach dem früheren Rechte,

sondern nach den §§ 894 flg. B.G.B. zu beurteilen sein. In erster Reihe steht die Anwendbarkeit des § 1163 Abs. 1

Satzes 1 B.G.B. in Frage.

Während nach früherem Rechte eine

nicht salutierte Hypothek nicht zu einer Eigentümerhypothek werden konnte, steht sie nach § 1163 dem Eigentümer zu.

In Lehre und

Rechtsprechung herrscht Streit darüber, ob letztere Bestimmung sich

auch auf Hypotheken bezieht, die vor dem Inkrafttreten des Liegenschafts­

rechtes eingetragen worden sind. Das Kammergericht (Johow-Ring, Entsch. Bd. 1A zu Anlage A der „Grundsätze") angeordnet ist, daß den Civilversorgungsscheinen

die Bestimmungen über die Versorgung der Militäranwärter vor­ gedruckt werden sollen. Eine ganz andere Frage ist aber die, ob

diese im Gesetz und in den „Grundsätzen" den Militärpersonen, bezw. Militäranwärtern gewährten subjektiven Rechte auch durch Klage im

ordentlichen Rechtswege verfolgt werden können.

Da es sich hier,

bei diesen Beziehungen zwischen dem Staate und seinen Beamten,

bezw. Militärpersonen,

überhaupt nicht um Privat-,

sondern um

publizistische Rechte handelt, so ist im allgemeinen diese Frage un­

bedenklich zu verneinen.

Aber für den gegenwärtig vorliegenden Fall,

in dem es sich um die aus dem Dienstverhältnis entspringenden ver­

mögensrechtlichen Ansprüche der klagenden Beamten handelt, ist diese Frage durch die bezügliche ausdrückliche Bestimmung in § 149 des Reichs­ beamtengesetzes vom 31. März 1873 in bejahendem Sinne entschieden.

Sind hiernach die „Grundsätze" ihrem Inhalte nach objekives Recht, und ist speciell nach dem § 21 derselben den Militäranwärtern

ein im Rechtswege verfolgbarer Anspruch gewährt, so erhebt sich die von der Revision ferner in Zweifel gezogene weitere Frage, ob denn der Bundesrat zum Erlaß einer derartigen Rechtsvorschrift auch befugt gewesen sei.

Die Revision bestreitet zwar nicht, daß eine Delegation

der gesetzgebenden Gewalt möglich ist, wie dies auch von den Rechts­ lehrern ziemlich allgemein als zweifellos hingestellt wird, vgl. Arndt, Verordnungsrecht S. 16 flg., Laband, Staatsrecht Bd. 1 S. 572, Zorn, Staatsrecht Bd. 1 S. 489, Arndt, Staats­ recht S. 200,

ebenso nicht, daß in dem § 77 des Reichsgesetzes vom 27. Juni 1871

im allgemeinen eine solche Delegation gefunden werden könne; sie meint aber, daß diese nach dem Wortlaute des § 77 doch beschränkt

sei auf die nähere Bestimmung, wie die fraglichen Beamtenstellen vorzugsweise mit Militäranwärtern zu besetzen seien, nicht aber sich

auch auf Bestimmungen erstrecke in Ansehung der relativen Höhe der Bezüge, zu denen die zum Probedienste eingezogenen Militäranwärter

Der IV. Civilsenat hat jedoch bereits ausgeführt, daß der Wortlaut des § 77 a. a. O. zu einer solchen einschränkenden

berechtigt seien.

Auslegung keineswegs zwingt, daß vielmehr, wenn man das Wort

„besetzt" nicht geradezu pressen will, die Annahme näher liegt, daß, wenn dem Bundesrate die Feststellung allgemeiner Grundsätze über

die vorzugsweise Besetzung der Subaltern- und Unterbeamtenstellen mit Militäranwärtern übertragen ist, er auch zur Feststellung jener Besoldungsgrundsätze, als des zu der Versorgung, um die es sich im

Gesetze vom 27. Juni 1871 überhaupt handelte, gerade wesentlichsten Momentes, ermächtigt sein sollte.

Ausweislich der Eingangsworte

der Verkündung der „Grundsätze" haben auch sämtliche Regierungen

denselben ihre Zustimmung erteilt, was beweist, daß auch nach ihrer Ansicht der Bundesrat sich innerhalb der Grenzen der ihm delegierten gesetzgeberischen Thätigkeit gehalten hat. An diese Eingangsworte knüpft sich dann aber noch das von dem Beklagten in der Berufungs- und jetzt in der Revisionsinstanz in den Vordergrund geschobene fernere Bedenken, daß es sich nur um

Vereinbarungen der verbündeten Regierungen, nicht aber um eine gültige Rechtsverordnung des Bundesrates aus dem Grunde handeln

könne, weil der Bundesrat,

wie auch das Reich überhaupt, zur

Erlassung von Anstellungsvorschriften, soweit es sich um Anstellung im

Dienste der Einzelstaaten handle, verfassungsmäßig nicht befugt gewesen

sein würde,

weshalb auch, da dieser Grund für die Anstellung im

Reichsdienste nicht zutrifft, das Berufungsgericht eine Doppelnatur der „Grundsätze" annehmen zu müssen geglaubt hat. Bedenken kann nicht durchschlagen.

Aber auch dieses

Denn nach dem klaren und be­

stimmten Wortlaute des § 77 des Reichsgesetzes vom 27. Juni 1871 ist dem Bundesrate die Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die Anstellung der Militäranwärter nicht bloß im Reichsdienste, sondern

auch im Dienste der Einzelstaaten übertragen, und wenn hierin auch eine Kompetenzerweiterung des Reiches zu finden sein sollte, so fehlt cs doch, da das Gesetz vom Bundesrate und dem Reichstage

beschlossen und ordnungsmäßig publiziert ist, an jedem Anlaß, an

dem verfassungsmäßigen Zustandekommen auch gemäß Art. 78 der Reichsverfassung zu zweifeln, und ist auch von dem Beklagten die Rechtsgültigkeit dieses Gesetzes gar nicht in Frage gestellt.

Daraus aber, daß zur Beseitigung der bei Beratung des § 77 des angeführten

Reichsgesetzes erhobenen Kompetenzbedenken den Einzelstaaten, bezw.

deren Regierungen, wie die Protokolle des Bundesrates ergeben, zu­ gesichert ist, daß die gemäß § 77 vom Bundesrate aufzustellenden

Grundsätze

nicht

durch

Majoritätsbeschlüsse,

sondern

durch

Ver­

einbarung geschaffen werden sollten, und daß demgemäß bei der Ver­ kündung dieser Grundsätze im Eingänge, wie erwähnt, bemerkt ist, daß

die

hätten,

verbündeten Regierungen ihnen

ihre Zustimmung

erteilt

kann weder die Rechtsgültigkeit der „Grundsätze", noch ihr

Charakter als Rechtsnorm, der sich mit Notwendigkeit, wie oben dar­

gelegt ist, aus ihrem Inhalte ergiebt, in Frage gestellt werden. Wenn endlich die Rechtsgültigkeit der „Grundsätze" als einer Rechtsnorm wiederholt auch aus dem Grunde angezweifelt wird, weil sie

nicht im Reichsgesetzblatte, sondern im Centralblatte für das Deutsche Reich verkündet sind, so kann in dieser Beziehung auf die nicht wider­

legten Ausführungen

des IV. Civilsenates in dem mehrerwähnten

Urteile verwiesen werden, wo bereits dargelegt ist, daß die Verkündung

im Reichsgesetzblatte nur für die Reichsgesetze, d. h. nach Art. 5 der Reichsverfassung die mit Zustimmung des Reichstages und des Bundes­

rates zustande gekommenen legislatorischen Akte,

vorgeschrieben ist,

und daß daraus, daß die Wirkung der Reichsgesetze, landesgesetzlichen

Bestimmungen vorzugehen, aus inneren Gründen auch den Reichs­ verordnungen beizulegen ist, nicht gefolgert werden kann, daß letztere, die formell anders zustande kommen, auch in derselben Form wie jene

publiziert werden müßten.

Hinzugefügt mag nur noch werden, daß

in einer Reihe von Reichsgesetzen, vgl. z. B. das Postgesetz vom 28. Oktober 1871 § 50 Abs. 1, auch

Vereinszollgesetz vom 1. Juli 1869 § 152, Salzgesetz vom 12. Ok­ tober 1867 § 15, die Publikation der in ihnen vorgesehenen Ausführungsvorschristen

ausdrücklich auch in anderer Weise als im Reichsgesetzblatte zugelassen ist, und daß eine Reihe anderer Reichsgesetze,

vgl. z. B.

Gesetz,

betr. die

Gründung

und

Verwaltung

des

Reichs-Jnvalidenfonds, vom 23. Mai 1873 § 11, Bankgesetz vom 14. März 1875 § 6, Gesetz,

betr. die Abänderung

des Art. 15

des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873, vom 6. Januar 1876, die Publikation der in ihnen vorgesehenen Verordnungen im Reichs­

gesetzblatte ausdrücklich vorschreibt, was überflüssig wäre, wenn sich dies nach der Reichsverfassung von selbst verstände.

In der neueren

Theorie ist denn auch diese vom IV. Civilsenate vertretene Ansicht mehr und mehr zur Geltung gelangt. Vgl. außer den vom IV. Civilsenate Angeführten noch besonders

Arndt, Verordnungsrecht S. 182 flg., Verfassung des Deutschm Reichs S. 83, Staatsrecht S. 205 flg., im „Recht" 1901 S. 58 flg.;

ferner Löning, Verwaltungsrecht S. 239." ...

24. 1. Ist die Zeitfracht stets eine Werkverdingnng? 2. Ist derjenige, welcher ein Schiff ans Grund eines Miet­ vertrages zum Erwerbe durch die Seefahrt für seine Rechnung ver­ wendet, im Verhältniffe zu Dritten als der Rheder anznsehen? 3. Hat der Vermieter eines Schiffes keinen Anspruch auf Miete für die Zeit, wo das Schiff infolge eines Arrestes gepfändet ist,

und zwar auch dann nicht, wenn der Mieter selbst den Arrest er­ wirkt hat? H.G.B. Artt. 477. 623. 639. 640.

L. 27 pr. 1. 30 Dig. loc. 19, 2. L. 9 pr. 1. 33 in f. eod.

B.G.B. §§ 537. 541.

I. Civilsenat. Urt. v. 27. März 1901 i. S. Dampfschiffahrtsgesell­ schaft A. A. T. (Bekl.) w. de I. (Kl.). I. II.

Rep. I. 479/00.

Landgericht Bremen. Oberlandesgericht Hamburg.

Laut Chartepartie d. d. Bremen,

12. Oktober 1897 hatte die

Beklagte dem Kläger ihren Dampfer „Trio" mit voller Besatzung

gegen eine Monatsmiete von 4500