Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Band 22 [Reprint 2022 ed.] 9783112689363

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Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Band 22 [Reprint 2022 ed.]
 9783112689363

Table of contents :
Inhalt
I. Reichsrecht
1. Ist Art. 215d H.G.B. nach der Fassung im Gesetze vom 18. Juli 1884 auch anwendbar, wenn vor der Geltung dieses Gesetzes die Aktiengesellschaft sich vertragsmäßig zur Einlösung ihrer Aktien verpflichtet hat'?
2. 1. Ist der Flußschiffer Gewerbetreibender und sein Bootsmann gewerblicher Arbeiter im Sinne des §. 120 a Gew.O.? Preuß. Kabinetsorder vom 23. September 1835. 2. Genügt zur Ausschließung der Anwendbarkeit des §. 120 a Gew.O. die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe keinen festen Wohnsitz und Kläger wisse nicht, bei welcher Gemeindebehörde er seinen Anspruch hätte geltend machen sollen? 3. Kann die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges auf Grund des §. 120 a Gew.O. auch noch in der Berufungsinstanz erhoben werden? C.P.O. §. 490. 4. Ist eine unzulässige reformatio in pejus und Überschreitung der Grenzen der richterlichen Thätigkeit darin zu finden, wenn das Berufungsgericht wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges den Kläger mit seinem ganzen Klaganspruche abweist, obwohl die erste Instanz in betreff eines Teiles des letzteren die Entscheidung von einem dem Kläger auferlegten Eide abhängig gemacht und der Beklagte sich der Berufung des Klägers nicht angeschlossen hatte?
3. Bildet bei Stoffen, welche auf chemischem Wege hergestellt werden, den Gegenstand der entsprechend dem §. 4 des Reichspatentgesetzes geschützten Erfindung lediglich das bestimmte Verfahren zur Herstellung des Stoffes oder zugleich der Stoff selbst, soweit er mittels dieses Verfahrens hergestellt wird?
4. Das Wesen einer sog. Konponsteuer. Kann der Emittent die von seinem Heimatstaate vermöge der Einführung der Konponsteuer auf die Einkünfte aus den emittierten Papieren gelegten Steuern dem ausländischen Gläubiger in Abzug bringen, wenn das Schuldverhältnis auf Zahlung im Auslande gestellt ist?
5. Muß sich im Falle der Beschränkung des Grundeigentumes auf Grund des Reichsrayongesetzes vom 21. Dezember 1871 der Eigentümer die Hinterlegung der Kapitalsentschädigung gefallen lassen, wenn auf dem betreffenden Grundstücke Reallasten, Hypotheken oder Grundschulden haften?
6. Schließt die Vorschrift des Art. 227 Abs. 3 H.G.B., daß die Bestellung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen zu jeder Zeit widerrnflich ist, Erfüllungsansprüche eines abberufenen Vorstandsmitgliedes aus einem bestehenden Dienstverträge aus?
7. Kann ein Reichsbeamter, welcher infolge rechtskräftiger strafgerichtlicher Verurteilung seines Amtes verlustig gegangen, demnächst aber auf Grund erwirkter Wiederaufnahme des Verfahrens freigesprochen ist, Nachzahlung des während der Zeit der Amtssuspension innebehaltenen Teiles des Diensteinkommens verlangen?
8. Voraussetzungen der Anfechtung nach den 2. 3 Ziff. 1 des Reichsgesetzes vom 21. Juli 1879, insbesondere: 1. Subsidiarität des Anfechtungsrechtes, Versuch der Zwangsvollstreckung in das Mobiliarvermögen des Schuldners; Möglichkeit einer teilweisen Befriedigung des Gläubigers aus letzterem-. 2. Veräußerung des zurückzugewährenden Vermögens gegen ein angemessenes Entgelt? 3. Besondere Gestaltung der Absicht des Schuldners, die Gläubiger durch die Veräußerung zu benachteiligen? Mitverhaftung der Ehefrau des Aufechtungsgeguers nach den Grundsätzen des nassanischen ehelichen Güterrechts für die fraudulose Absicht ihres Ehemannes, auch wenn sie den Veräußerungsvertrag nicht mitabgeschlossen hat??
9. Ist die Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungsprämie Bringoder Holschuld? Welche Bedeutung hat bei der policenmäßigen Festsetzung als Bringschuld die Praxis der Versicherungsgesellschaft, dieselbe zu holen, auf einen Verzug des Versicherten in der Prämienzahlung?
10. Ist die Anmeldung einer Firma zum Handelsregister als Gebrauch der Firma anzusehen? Unter welchen Voraussetzungen kann der Inhaber einer Firma demjenigen, der unbefugt eine nur in bezug auf den Familiennamen mit jener identische Firma gebraucht, den Gebrauch derselben untersagen?
11. Wird durch die einheitliche Ausgabe eines Anlehns mittels Teilschuldverschreibungen unter Rückzahlung durch Auslosung und Verweisung auf ein einheitliches Pfand ein Verband der Gläubiger begründet, welcher durch Mehrheitsbeschlüsse zur Veränderung der Rechte der Einzelgläubiger zuständig ist? Auslegung von Anleihebedingungen, welche Beschlüsse der Gläubigerversammlungen vorsehen?
12. Wird eine eingetragene Genossenschaft, ungeachtet der Bestimmung ihres Statuts, daß ihre Vertretung im Geschäftsbetriebe bei einer Zweigniederlassung nur durch zwei dieser vorgesetzte Beamte gemeinschaftlich erfolgen soll, durch das Handeln nur eines dieser Beamten gegen Dritte verpflichtet, wenn der Vorstand das alleinige Handeln desselben gestattet hat? Folgerung der Gestattung aus Kenntnis der langjährigen Außerachtsetzung der statutarischen Vorschrift ohne Rüge
13. Kann unter besonderen Umständen der Redhibitionsanspruch des Känfers trotz fortgesetzten Behaltens und Gebrauchens der als kontraktwidrig erkannten Sache bestehen bleiben?
14. Ist, wenn im Frühjahre 1887 Branntwein, lieferbar im Oktober 1887, verkauft ist, der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer Branntwein, welcher nach dem am 1. Oktober 1887 in Kraft getretenen Reichsgesetze vom 24. Juni 1887 versteuert ist, zu liefern, oder ist er berechtigt vom Vertrage abzugehen?
15. Ist die einem verunglückten Beamten auf Grund des Haftpflichtgesetzes vom 7. Juni 1871 zuerkannte Rente nach Maßgabe von 8. 7 Abs. 2 des angeführten Gesetzes wegen nachträglicher allgemeiner Verbesserung der Gehaltsverhältnisse der in Betracht kommenden Beamtenklasse zu erhöhen?
16. 1. Klagerecht des Gewerbetreibenden, welchem eine thatsächlich von ihm angewendete Bezeichnung seiner Waren von einem angeblich Markenschutzberechtigten untersagt wird. 2. Genießen deutsche Warenzeichen in der britischen Kolonie Trinidad eine» Schutz? 3. Bedeutung der Worte „Marke" und „Warenzeichen" nach dem deutschen Reichsgesetze über Markenschutz, insbesondere bei Anwendung des §. 20 letzteren Gesetzes?
17. Worin besteht die Zurückgewährung im Sinne des §. 30 K.O.? Kann der Ansechtungsbeklagte verlangen, daß der Zustand vor der anfechtbaren Rechtshandlung wiederhergestellt und danach sein Rechtsverhältnis zum Gemeinschuldner und zu den Gläubigern beurteilt werde?
18. Gehört derjenige, welcher für die Forderung eines Gläubigers an den Gemeinschuldner ein Pfandrecht bestellt hat, zu den nach §. 178 K.O. vom Zwangsvergleiche nicht berührten Mitschuldnern?
19. Kann die Umwandlung eines Anspruches auf Erfüllung in einen Entschädigungsanspruch wegen Nichterfüllung infolge Ausbruches des Konkurses über einen Kontrahenten für den anderen Teil auch ohne eine dem §. 21 K.O. entsprechende Aufforderung zur Erklärung an den Konkursverwalter durch ein Verhalten des letzteren im Sinne eines Abstehens von der Vertragserfüllung begründet werden? Ist dieser Entschädigungsanspruch bei Handelskäufen von der Beobachtung der Artt.343. 354. 356 H.G.B. abhängig? Voraussetzungen für die Zulässigkeit solcher Entschädigungsansprüche der sog. Rübenaktionäre wegen Nichterfüllung der Rübenlieferungsverträge seitens der in Konkurs verfallenen Aktiengesellschaft für Rübenzuckerfabrikation
20. Unter welchen Voraussetzungen kann die im Dividendenkoupon enthaltene Bestimmung über die Zahlungsstelle abgeändert werden?
21. Ist zur Stempelpflichtigkeit eines Interimsscheines nach dem Tarif I 1a des Reichsstempelgesetzes vom 29. Mai 1885 erforderlich, daß in dem Scheine die Zusicherung des Aktienbezuges oder das Anteilsrecht eines Aktionärs vor Ausgabe der Aktien zum Ausdrucke gelangt ist?
22. Entschädigungsanspruch des Viehbesitzers wegen der im Seucheverfahren getöteten Tiere. Polizeibehörde und Kommissar. Erfordernisse einer Anzeige bei der Polizeibehörde. Polizeilich angeordnete Schutzmaßregeln
23. Ist in dem Gründungsvertrage, durch welchen sämtliche Aktien der zu errichtenden Aktiengesellschaft von den Gründern übernommen werden, ein Anschaffungsgeschäft hinsichtlich der übernommenen Aktien enthalten?
24. Kann der Antrag ans Patentzurücknahme gemäß §. 11 Nr. 1 des Patentgesetzes daranf gegründet werden, daß der Gegenstand des Patentes überhaupt nicht ausführbar sei?
25. Begründet der Art. 225 b Ziff. 2 H.G.B. «Fassung der Novelle vom 11.Juni 1870) eine Verantwortlichkeit der Mitglieder des Aufsichtsrates für den Schaden, welchen infolge einer ans Grund unrichtiger Bilanz bewirkten Dividendenzahlung durch diesen Hergang über den Vermögensstand der Aktiengesellschaft getäuschte Personen ans Grund des hierdurch veranlaßten Erwerbes von Aktien erlitten haben?
26. 1. Anwendbarkeit des im §. 54 Nr. 3 K.O. bezeichneten Vorzugsrechtes auf Beitragsforderungen der Berufsgenossenschaften. 2. Sind a. a. O. unter Forderungen „aus dem letzten Jahre vor Eröffnung des Verfahrens" nur die in diesem Jahre entstandenen oder alle in demselben fällig gewordenen und nach §. 58 C.P.O. als fällig geltenden Forderungen zu verstehen?
27. Findet Art. 408 Abs. 1 H.G.B. bei Zurücknahme des Frachtgutes infolge Aufhebung des Frachtvertrages wegen eines Transporthindernisses Anwendung? Wirkung der Bestimmung in der Police für Binnenversicherung, daß mit Zahlung der Versicherungssumme die Schadensansprüche von selbst auf den Versicherer übergehen.
28. Kontokorrent und laufende Rechnung
29. Findet aus einem rechtskräftig bestätigten Zwangsvergleiche für einen Konkursgläubiger gegen den Gemeinschuldner die Zwangsvollstreckung schon dann statt, wenn die Voraussetzungen der Feststellung der Forderung vorliegen, die Feststellung aber mit Unrecht unterblieben ist?
30. Bedeutung der Erklärung des Verkäufers über die Beschaffenheit der Ware bei Abschluß des Kaufes
31. Kann bei getrennter Abstimmung über die Bilanzgenehmigung und die Dividendenfeststellung in der Generalversammlung, wenn es streitig ist, ob ein als vorgeschlagene Rücklage aus dem Gewinne bezeichneter Betrag nicht vielmehr als notwendige Abschreibung in die Bilanz gehört, ein Aktionär trotz Zustimmung zu dem ersteren Beschlusse gegen denselben noch mit Rücksicht auf das Ergebnis des zweiten Beschlusses zugleich mit dem Widerspruche gegen letzteren wirksam (Art. 222 [190 a] H.G.B. in der Fassung des Gesetzes vom 18. Juli 1884) Widerspruch erklären? Bedeutung eines Delkrederekontos
32. Unter welchen Voraussetzungen kann die Verletzung eines ans eine Kombination mehrerer Vorrichtungen erteilten Patentes durch Herstellung und Inverkehrbringen der einen der zu kombinierenden Vorrichtungen begangen werden?
33. Honoraranspruch des durch einstweilige Verfügung für eine offene Handelsgesellschaft bestellten Geschäftsführers als Gesellschaftsschuld. Verpflichtung zur Erstattung der behufs Ausführung einer demnächst als ungerechtfertigt wieder aufgehobenen einstweiligen Verfügung erforderlich gewordenen Kosten?
34. Berechnung der sechsmonatlichen Frist nach Art. 349 H.G.B. Anspruch auf Schadensersatz wegen vertragswidriger Beschaffenheit der gelieferten Ware. Nachweis des Verschuldens und des ursächlichen Zusammenhanges
35. Kann durch die Herstellung durchlochter Tafeln, welche dazu bestimmt sind, mittels Auflegens auf einen Toukörper ein Musikstück zum Gehör zu bringen, ein Nachdruck dieses Musikstückes begangen werden? Was ist unter „Instrumenten, welche zur mechanischen Wiedergabe von Musikstücken dienen", in Ziff. 3 des Schlußprotokolles der Berner Übereinkunft vom 9. September 1886 (R.G.Bl. 1887 S. 493 flg.) zu verstehen?
36. Erwirkt der gutgläubige Indossatar eines Reichsbankanteilscheines das Eigentum an dem Scheine auch dann, wenn der Indossant zur Veräußerung desselben nicht berechtigt ist?
II. Gemeines Recht
37. Hat auch der pflichtteilsberechtigte Erbe bei versäumter Errichtung eines Nachlaßinventares Vermächtnisse zum Vollbetrage zu zahlen?
38. 1. Wird die Immemorialverjährung durch Verbot unterbrochen? 2. Wird der Rechtsbesitz bei der Servitutenersitzung verloren, wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstückes
39. Form großer Schenkungen unter Lebenden. Ist eine in einen Kaufvertrag eingekleidete (verschleierte) Schenkung gültig, wenn der Vertrag gerichtlich verlautbart ist?
40. 1. Unterliegt das Superfiziarrecht der Privation wegen wiederholter Nichtzahlung des Grundzinses? 2. Geht das Superfiziarrecht durch Nichtgebrauch verloren? 3. Inwieweit, und unter welchen Voraussetzungen findet dem Superfiziarrechte gegenüber Ersitzung der Freiheit des Eigentumes statt?
41. Zur Auslegung und Anwendung von Verwirkungsklauseln in Feuerversicherungsverträgen. Insbesondere: 1. Nichteinhalten einer Klagepräkulsivfrist bei schwebenden Vergleichsverhandlungen; 2, Folgen der objektiv unrichtigen Beantwortung gestellter Fragen durch den Agenten der Versicherungsgesellschaft bei Aufnahme des Versicherungsvertrages
42. Steht dem Eigentümer oder sonstigen dinglich Berechtigten ein Anspruch auf Schadensersatz wegen bloß zeitweiliger Hinderung in der Ausübung oder Verwertung seines Rechtes gegen den fahrlässigen Verursacher zu?
43. Gemeinrechtliche Fischereigenossenschaft. Erwerb einer ausschließlichen Fischereigerechtsame in einem öffentlichen Flusse durch unvordenkliche Verjährung
44. Vindikation einer Lebensversicherungspolice. Retentionsrecht des beklagten Inhabers wegen Prämienvorlagen
45. 1. Wann entsteht der Eigentumsanspruch der Ehefrau an Dotalsachen bei Vermögensverfall des Ehemannes? 1. 30 Cod. de jur. dot. 5, 12. 2. Ist eine von der Klageschrift abweichende Angabe über die Zeit des Vermögensverfalles eine Klagänderung?
46. 1. Gehört zur Legitimation durch nachfolgende Ehe die Abstammung des vorehelich geborenen Kindes von den die nachfolgende Ehe schließenden Eheleuten? 2. Ist Gegenbeweis gegen das Anerkenntnis des Ehemannes zulässig, daß das vor der Ehe geborene Kind sein leibliches Kind sei? 3. Wie kann der vom Richter auferlegte Überzeugungseid formuliert werden?
47. Versagt die 1.14 §. 2 Cod. de comp. 4,31 die Kompensation nur gegen Forderungen aus widerrechtlicher Aneignung fremden Besitzes?
48. 1. Wann ist der Abzug der Falcidischen Quart in rechtsgültiger Weise von dem Erblasser untersagt? 2. Unter welchen Voraussetzungen kann die Vorlegung eines eidlich bekräftigten Inventares von dem zur Herausgabe eines Vermögens verpflichteten Besitzer verlangt werden? - 3. Besteht diese Manifestationspflicht auch im Verhältnisse des Legatars zu den die Falcidische Quart in Anspruch nehmenden Erben, und welchen Umfang hat dieselbe?
III. Preußisches Recht
49. Verantwortlichkeit eines Grundbuchrichters durch Unterlassung rechtzeitigen Bescheides auf einen Antrag auf Hypothekeintragung. Erfordernisse eines rechtswirksamen Antrages ans Eintragung einer Hypothek
50. Erlangt der Gläubiger die persönliche Klage gegen den Erwerber des mit feiner Hypothek belasteten Grundstückes durch die Übernahme der Hypothek in Anrechnung ans das Kaufgeld allein auch dann, 1. wenn der Veräußerer nicht persönlicher Schuldner der übernommenen Hypothekforderung war; 2. wenn die Hypothek nicht bei Abschluß eines Kaufgeschäftes in Anrechnung auf das Kaufgeld, sondern bei einer Erbteilung in Anrechnung ans den Übernahmepreis übernommen ist?
51. 1. Unter welchen Voraussetzungen erlangen die Mitglieder der vormals unmittelbaren reichsständischen Häuser auf Grund der Verordnung vom 12. November 1855 in Preußen die Wiederherstellung ihrer seit dem 1. Januar 1848 verletzten Rechte und Vorzüge, insbesondere der Befreiung von ordentlichen Personalsteuern jeder Art'? 2. Vertretung des Hauses bei Abschluß von Verträgen'?
52. Klage auf das Interesse, wenn der zur Vornahme einer Handlung Verurteilte das Judikat nicht erfüllt und die zu leistende Handlung durch Mittel der Zwangsvollstreckung nicht erzwingbar ist
53. Inwieweit sind juristische Personen für ein anßerkontraktliches Versehen ihrer Vertreter dem Beschädigten gegenüber verantwortlich?
54. 1. Vindikation von Inhaberpapieren gegen denjenigen, welcher sie unentgeltlich erworben hat. Ist die in den §§. 45. 46 A.L.R. 1. 15 erwähnte Art der Unterscheidbarkeit (Aufbewahrung in Beuteln) die allein maßgebende? 2. Erlangt der Gläubiger, für welchen eine dem Schuldner nicht gehörige Sache durch den Gerichtsvollzieher gepfändet ist, das im §. 80 A.L.R. I. 20 dem redlichen Besitzer einer ihm verpfändeten fremden Sache gegebene Einlösungsrecht?
55. 1. Gehört die von einer Gutsherde gewonnene Wolle zu den Früchten des Gutes? 2. Werden abgesonderte Früchte von der Pfandhaftung durch die räumliche Trennung von dem Grundstücke — auch ohne eine Verfügung des Eigentümers über sie — frei?
56. 1. Nachträgliche Enterbung des in einem korrespektiven Testamente Nacheingesetzten durch den die Erbschaft antretenden überlebenden Testator. 2. Ausschluß der Pfändung vermachter Nutzungen durch Bezeichnung des Pfändungsaktes als Resolutivbedingung des Vermächtnisses
57. 1. Veräußerung eines Grundstückes aus der ehelichen Gütergemeinschaft durch den Ehemann. Konvaleszenz durch nachfolgende Genehmigung der Ehefrau. Kann der Käufer während des Schwebezustandes zurücktreten?
58. Findet für vermögensrechtliche Ansprüche der Gemeinde gegen den Unternehmer einer Straße aus dem gemäß §. 15 des Straßengesetzes vom 2. Juli 1875 erlassenen Ortsstatute der ordentliche Rechtsweg statt? Ist ein vermögensrechtlicher Anspruch auf Fertigstellung der Straße in vorgeschriebener Art aus der Erteilung der Bauerlaubnis und dem Beginne der Ausführung zu begründen?
59. Erfordernisse eines dorfgerichtlichen Testamentes. Inwieweit ist die Rechtsgüiltigkeit des Testamentes von der Anwesenheit aller Dorfgerichtsmitglieder bei dem ganzen Hergänge der Testamentserrichtung abhängig?
60. 1. Eigentum an öffentlichen (Gemeinde-) Wegen. 2. Eigentumserwerb durch Auflassung, wenn der Auflassende die Besitztitelberichtigung nach der vor den Gesetzen vom 5. Mai 1872 bestehenden Gesetzgebung erlangt hatte. Ist für den Umfang des durch diese Auflassung erworbenen Grundstückes der Inhalt des Grundbuches (Hypothckenbuches) ausschließlich entscheidend ?
61. 1. Betrifft der §. 352 A.L.R. II. 1 nur solche Rechtsgeschäfte, welche innerhalb der Grenzen des an dem neuen Wohnorte der Eheleute gelteklden Provinzialrechtes geschlossen sind? 2. Setzt der §. 352 die Gutgläubigkeit des Dritten voraus?
1. Hindert die Verzögerung der Termiusbestimmung den Fortlauf der Verjährung der eingereichten Klage? 2. Können Futterkosten als Teil des Wandlungsanspruches in einer besonderen Klage nachgefordert werden, wenn sie tu der durchgeführten Wandlungsklage gar nicht erwähnt worden sind? 3. Ist von mehreren als Gesamtschuldnern haftenden Prozeß bevollmächtigten der eine für den Schadensersatz aus dem Versehen des anderen verantwortlich?
63. Gehören die Gebühren des Anwaltes für Erhebung von Geldern, welche einem Realgläubiger bei der Zwangsversteigerung im Kaufgelderbelegungstermine ausgezahlt werden, zu den notwendigen, aus den Kaufgeldern zu ersetzenden Kosten der Beitreibung?
64. 1. Gehört derjenige, welcher für die Forderung eines Gläubigers an den Gemeinschuldner ein Pfandrecht bestellt hat, zu den nach §. 178 K.O. von dem Zwangsvergleiche nicht berührten Mitschuldnern? 2. Kanu bei der Verpfändung verbriefter Forderungen die in §. 281 A.L.R. I 20 vorgeschriebene Aushändigung der Urkunde durch Anweisung an den Inhaber, die Gewahrsam für 'den Pfandgläubiger auszuüben, bewirkt werden? 3. und zwar auch in dem Falle, daß der Inhaber selbst Pfandbesitzer ist, aber angewiesen wird, die Urkunde nach der Befriedigung wegen seines Pfandrechtes einem anderen Pfandgläubiger auszuhändigen? 4. Genügt zur Besitzübertragung durch Anweisung die Erklärung des Anweisenden und die Annahme derselben seitens des neuen Besitzers, oder bedarf es auch einer Benachrichtigung des Angewiesenen?
65. 1. Stehen die Vorschriften, welche den Verjährungserwerb der der Aufhebung im Wege der Gemeinheitsteilung unterliegenden Rechte untersagen (Gemeinheitsteilungsordnung vom 7. Juni 1821 §. 164, Deklaration dazu vom 31. März 1841, Art. 12 des Gesetzes vom 2. März 1850), auch der sog. translativen Ersitzung bereits bestehender derartiger Rechte, wenn sonst deren Übergang auf einen anderen Berechtigten möglich ist, entgegen? 2. Leben dingliche Rechte, welche nach §. 73 der Grundbuchordnung vom 5. Mai 1872 wegen unterbliebener Eintragung gegen „Dritte" nicht geltend gemacht werden können, wieder auf, wenn das Grundstück von einem „Dritten", der es nach dem 1. Oktober 1873 erworben hatte, in das Eigentum einer vor diesem Tage dinglich verpflichtet gewesenen Person zurückkehrt?
66. Ist die Vorschrift des §. 163 A.L.R. I. 5 lediglich auf lästige Verträge zu beziehen?
67. Wird das nach lehnrechtlichen Grundsätzen (§§. 274 flg. preuß. A.L.R. I. 18) den persönlichen Gläubigern eines Lehnsbesitzers zustehende Recht, subsidiär die Befriedigung von der dem Schuldner in das Lehn folgenden Descendenz ans den Lehnseinkünften zu erhalten, dadurch beseitigt, daß vermöge der seitens des Schuldners entsprechend den preußischen Lehnsverbandsauflösungsgesetzen vorgenommenen Umwandlung des Lehns in ein Familienfideikommiß seine Descendenten in den Besitz des ehemaligen Lehngutes als Fideikommißfolger gelangt sind?
68. Ist der Rechtsweg zulässig, wenn ein von der Generalkommission bestätigter und zur Ausführung gebrachter Rezeß in Ablösungssachen wegen Irrtumes oder fehlender Legitimation einer Rezeßpartei angefochten wird?
IV. Rheinisches Recht
69. 1. Muß eine Teilungsklage nach rheinischem Rechte gegen alle Miteigentümer gerichtet werden? 2. Ist die Übertragung des Anteilsrechtes au einem Grundstücke ohne weiteres als hinfällig anzusehen, wenn es sich herausstellt, daß dem Verkäufer das Miteigentum an dem Grundstücke nicht, wie angenommen wurde, zur Hälfte, sondern nur zu einem Viertel zustand? 69. 1. Muß eine Teilungsklage nach rheinischem Rechte gegen alle Miteigentümer gerichtet werden? 2. Ist die Übertragung des Anteilsrechtes au einem Grundstücke ohne weiteres als hinfällig anzusehen, wenn es sich herausstellt, daß dem Verkäufer das Miteigentum an dem Grundstücke nicht, wie angenommen wurde, zur Hälfte, sondern nur zu einem Viertel zustand?
70. Über die sog. actio de in rem verso nach rheinischem Rechte. Bürger!. Gesetzbuch Art. 1375
71. Kann die Ehefrau in der Zeit zwischen dem Tode ihres Ehemannes und der Teilung der ehelichen Gütergemeinschaft wegen der zu dieser Gemeinschaft gehörigen Forderung gegen den Schuldner Klage erheben und verlangen, daß derselbe verurteilt werde, die Hälfte seiner Schuld an sie zu zahlen?
72. 1. Wird die sog. Teilhypothek auch dann hinfällig, wenn bei der Versteigerung die gemeinschaftliche Liegenschaft einem Dritten zugeschlagen worden ist? 2. Worin besteht die Zurückgewährung im Sinne des §. 30 K.O.? Kann der Anfechtungsbeklagte verlangen, daß der Zustand vor der anfechtbaren Rechtshandlung wiederhergestellt und danach sein Rechtsverhältnis zum Gemeinschuldner und zu den Gläubigern beurteilt werde?
73. Verpflichtet bei einem außerhalb des Gebietes der Artt. 66—84 H.G.B. liegenden Makelvertrage die Beifügung einer Frist zum Vollzüge des darin erteilten Auftrages den Auftraggeber, sofern er den von ihm erteilten Auftrag vor Ablauf der Frist widerruft, notwendig dazu, dem Beauftragten die ihm für den Fall des Zustandekommens des ihm aufgetragenen Geschäftes zugesagte Provision zu bezahlen?
74. Stellt L.R.S. 1384 Abs. 1 allgemein den Grundsatz auf, daß bei Beschädigung durch Sachen derjenige, welcher sie in Verwahr hat, für den Schaden hafte, sofern er nicht seine Schuldlosigkeit beweise?
75. 1. Ist die Vorschrift des Art. 107 Code civil über den gesetzlichen Wohnsitz der Beamten in Beziehung auf den Gerichtsstand noch in Geltung oder durch die §§. 12 flg. C.P.O. aufgehoben? 2. Voraussetzungen des gesetzlichen Wohnsitzes des Art. 107 Code civil
V. Prozeßrecht
76. Sind, wenn gemäß §. 6 C.P.O. der Wert des Pfandgegenstandes für Bestimmung des Wertes des Streitgegenstandes maßgebend sein soll, vorhergehende auf dem Pfandobjekte ruhende Pfandforderungen in Abzug zu bringen?
77. Liegt eine unstatthafte Klagänderung vor, wenn ein Anfechtungsanspruch, der in der Klageschrift aus §. 24 Ziff. 1 K.O. abgeleitet wurde, späterhin auf §. 23 Ziff. 2 K.O. gestützt wird
78. Kann das Revisionsgericht das Berufungsurteil wegen Verstoßes gegen §. 500 Ziff. 3 C.P.O. auch von Amts wegen, selbst gegen den Antrag des Revisionsklägers aufheben und die Rückverweisung der Sache an die zweite Instanz anordnen?
79. Benennung des rechten Besitzers. Ist die Prozeßübernahme durch den Benannten an die Voraussetzung der Streitverkündung und Ladung durch den Beklagten gebunden?
80. Zur Begriffsbestimmung des Prozeßbevollmächtigten der zunächst Nachgeordneten Instanz für die Zustellung nach §. 164 C.P.O
81. 1. Kann die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges aus Grund des §. 120 a Gew.O. auch noch in der Berufungsinstanz erhoben werden? C.P.O. §. 490. 2. Ist eine unzulässige reformatio in pejus und Überschreitung der Grenzen der richterlichen Thätigkeit darin zu finden, wenn das Berufungsgericht wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges den Kläger mit seinem ganzen Klaganspruche abweist, obwohl die erste Instanz in betreff eines Teiles des letzteren die Entscheidung von einem dem Kläger auferlegten Eide abhängig gemacht und der Beklagte sich der Berufung des Klägers nicht angeschlossen hatte?
82. Unter welchen Voraussetzungen kann ein Teilurteil erlassen werden?
83. Ist der §. 186 Abs. 2 C.P.O. — öffentliche Zustellung — für die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den ausländischen Trittschuldner bei der Forderungspfändung anwendbar?
84. Berechnung des Wertes des Streitgegenstandes, wenn der Rechtsstreit darüber geführt wird, welcher der Parteien eine bedingte und betagte Forderung zusteht
85. Unter welchen Voraussetzungen sind, wenn eine Beschwerde wegen mangelnder Zuständigkeit der Gerichte als unzulässig verworfen wird, von dem Beschwerdeführer nicht bloß die baren Auslagen, sondern auch die Gerichtsgebühren einzuziehen?
86. Können wesentliche Mängel des Schriftsatzes, der die Ladung zur Verhandlung über eine bis dahin noch nicht erhobene Klage enthält, im Verhandlungstermine gehoben werden?
87. Kann, wenn im Endurteile der Kostenpunkt übergangen ist, Abhilfe nur im Wege des §. 292 C.P.O., oder auch durch Klage besonders dann erreicht werden, wenn es sich um die Kosten der Nebenintervention handelt?
88. 1. Beschwerde wegen angeblich zu niedriger Werifestsetzung; ob als Beschwerde der Partei, oder als Beschwerde des Anwaltes aufzufassen? 2. Ist der Streitwert bei dem einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung betreffenden Verfahren notwendig identisch mit dem Streitwerte der Hauptsache?
89. Unter welchen Voraussetzungen kann nach §. 48 des Gerichtskostengesetzes vom 18. Juni 1878 wegen verschuldeter Vertagung die besondere Erhebung einer Gebühr für die verursachte weitere Verhandlung beschlossen werden? Bedarf es dazu einer mündlichen Sachverhandlung oder doch unter allen Umständen der mündlichen Verhandlung über einen Bertagungsantrag?
90. Muß die unterliegende Partei, wenn durch Verweisung des Prozesses vom Amtsgerichte an das Landgericht (§. 467 C.P.O.) ein Wechsel in der Person des Anwaltes geboten ist, die Gebühren der beiden Prozeßbevollmächtigten der obsiegenden Partei ersetzen?
91. Ist eine von der Klageschrift abweichende Angabe über die Zeit des Vermögensverfalles eine Klagänderung?
92. Formulierung des vom Richter auferlegten Uberzeugungseides
93. Gehören die Gebühren des Anwaltes für Erhebung von Geldern, welche bei einem Realgläubiger bei der Zwangsversteigerung im Kaufgelderbelegungstermine ausgezahlt werden, zu den notwendigen, aus den Kaufgeldern zu ersetzenden Kosten der Beitreibung?
94. 1. Ist die Vorschrift des Art. 107 Code civil über den gesetzlichen Wohnsitz der Beamten tu Beziehung auf den Gerichtsstand noch in Geltung oder durch die §§. 12 flg. C.P.O. aufgehoben? 2. Voraussetzungen des gesetzlichen Wohnsitzes des Art. 107 Code civil
Register
A. Sachregister
B. Gesetzesregister
C. Chronologische Zusammenstellung der Entscheidungen
Zusammenstellung der im zweiundzwanzigsten Band mitgeteilten Entscheidungen nach Oberlandesgerichtsbezirken

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Entscheidungen des

eichsgerich Herausgegeben

von

-en Mitgliedern des Gerichtshofes und der Neichsanwaltfchaft.

Entscheidungen in Civilsachen. Zweiundzwanzigster Band.

Leipzig, Verlag von Veit & Comp.

Entscheidungen des

Reichsgerichts in

Civilsachen.

Zweiundzwanzigster Band.

Leipzig, Verlag von Veit & Comp.

1889.

Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.

Inhalt. I. Reichsrecht. Seite

Ist Art. 215ä H.G.B. anwendbar, wenn vor Geltung dieser Bestimmung die Aktiengesellschaft sich zur Einlösung ihrer Aktien verpflichtet hatte? . 1 Ist Z. 120a Gew.O. auf Flußschiffer anwendbar? Welche Gemeindebehörde ist zuständig? Kann die Einrede aus dieser Bestimmung noch in der Be­ rufungsinstanz geltend gemacht werden? (S. a. Nr. 81 S. 399) ... 3 Patentschutz bei chemischen Stoffen........................................................................ 8 Wesen der sog. Kouponsteuer. Kann der Emittent dieselbe dem aus­ ländischen Gläubiger in Abzug bringen?...................................................... .19 Entschädigung für Rayonbeschränkungen........................................................... 31 Art. 227 Abs. 3 H.G.B. Erfüllungsanspruch eines abberufenen Vorstands­ mitgliedes aus einem bestehenden Dienstverträge........................................... 35 Kann ein rechtskräftig verurteilter, aber nach Wiederaufnahme des Ver­ fahrens freigesprochener Reichsbeamter den innebehaltenen Teil des Dienst­ einkommens fordern?..................................................................................................40 Voraussetzungen der Anfechtung nach §§. 2. 3 Ziff. 1 des Reichsgesetzes vom 21. Juli 1879 . ....................................................................................... Ist die Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungsprämie Bring- oder

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Holschuld?................................................ Ist die Anmeldung der Firma zum Handelsregister Gebrauch der Firma? Einheitliche Ausgabe eines Anlehns mittels Teilschuldverschreibungen und Verweisung auf ein einheitliches Pfand. Rechtsverhältnis unter den Einzel­

51. 58

gläubigern ..................................................................................................................61 Statutarische Bestimmung über die Vertretung der Filiale einer Genossen­ schaft durch zwei Beamte. Wirkung der Abänderung dieser Bestimmung

durch den Vorstand der Genossenschaft.............................................................*70 Schließt das Behalten und Gebrauchen der als vertragswidrig erkannteil Sache den Redhibitionsanspruch unbedingt aus?........................................... 78 Einwirkung der Bestimmungen des Branntweinsteuergesetzes auf die im Frühjahre 1887 abgeschlossenen, nach dem 1. Oktober 1887 zu erfüllenden Branntweinlieferungsgeschäfte. Rechtliche Bedeutung der Veränderung der Umstände............................................................................................................ 81

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Inhalt.

Nr.

Seite

15. Ist infolge der allgemeinen Verbesserung der Gehaltsverhällnisse einer Beamtenklasse die einem Angehörigen derselben auf Grund des Hast­ pflichtgesetzes zuerkannte Rente zu erhöhen?........................................................ 90

16. Klage gegen Untersagung einer Warenbezeichnung.

Schutz deutscher

Warenzeichen in britischen Kolonieen. Bedeutung der deutschen Worte „Marke" und „Warenzeichen" im Markenschutzgesetze bei Anwendung des §. 20............................................................................................................ . . . 17. Worin besteht die „Zurückgewährung" im Sinne des §. 30 K.O.? Kann der Anfechtungsbeklagte Herstellung des früheren Zustandes verlangen? (Nr. 72 S. 374)................................................................................................... 18. Gehört derjenige, welcher für die Forderung eines Gläubigers an den Gemeinschuldner ein Pfand bestellt hat, zu den nach §. 178 K.O. vom Zwangsvergleiche nicht berührten Mitschuldnern? (Nr. 64 S. 325) . .

19.

Umwandlung eines Anspruches auf Erfüllung in einen Entschädigungs­ anspruch infolge Ausbruches des Konkurses? Rübenaktionär ....

93

106

107

107

20. Unter welchen Voraussetzungen kann die im Dividendenkoupon enthaltene Bestimmung über die Zahlungsstelle abgeändert werden?........................... 113

21. Voraussetzung der Stempelpflichtigkeit eines Jnterimsscheines nach dem Tarif I la des Reichsstempclgesetzes................................................................. 116 22. Entschädigungsanspruch des Vichbesitzers wegen der im Seucheverfahrcn getöteten Tiere. ....................................................................................................... 120 23. Ist in einem Simultangründungsvertrage ein Anschaffungsgeschäft hin­ sichtlich der von den Gründern übernommenen Aktien enthalten? . . 127 24. Kann der Antrag auf Patentzurücknahme gemäß §. 11 Nr. 1 des Patent­ gesetzes auf die Unmöglichkeit der Ausführung des Gegenstandes des Patentes gegründet werden?................................................................................. 180 25. Begründet Art. 225 b H.G.B. (Fassung der Novelle von 1870) eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder auch gegenüber dritten Personen, welche infolge Täuschung über den Stand des Aktiengesellschaftsvermögens einen Schaden erlitten haben?............................................................................133 26. Berufsgenossenschaften. Vorzugsrecht im Konkurse. §. 54 Nr. 3 K.O. 139

27. Ist Art. 408 Abs. 1 H.G.B. anwendbar bei Zurücknahme des Fracht­ gutes infolge Aufhebung des Frachtvertrages wegen Transporthinder­ nisses? Übergang der Forderung auf den Versicherer................................ 145 28. Kontokorrent und laufende Rechnung................................................................. 148 29. Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftig be. stäügten Zwangsvergleiche gegen den Gemeinschuldner................................153

30. Bedeutung der Erklärung des Verkäufers über die Beschaffenheit der Ware bei Abschluß des Kaufes............................................................................ 156 31. Widerspruch eines Aktionärs gegen Generalversammlungsbeschlüsse. Be­ deutung eines Delkrederekonlos............................................................................ 158 32. Verletzung eines Kombinationspatentes........................................................... 165

Nr.

Sette

33. Honoraransprüche eines durch einstweilige Verfügung bestellten Geschäfts­ führers. Kosten einer solchen Verfügung...................................................... 169 34. Berechnung der sechsmonatlichen Frist des Art. 349 H.G.B. Anspruch auf Schadensersatz wegen Vertragswidrigkeit der Ware.................................. 171 35. Kann Herstellung durchlochter Tafeln für mechanische Musikwerke Nach­ druck sein? Begriff des Instrumentes, welches zur mechanischen Wieder­ gabe von Musikstücken dient........................... 174 36. Erwirbt der gutgläubige Indossatar eines Reichsbankanteiles Eigentum auch dann, wenn der Indossant zur Veräußerung nicht befugt war? . 183

II. Gemeines Recht. 37. Hat auch der pflichtteilsberechtigte Erbe bei versäumter Errichtung eines Nachlaßinventares Vermächtnisse zum Bollbetrage zu zahlen? ... 186 38. Wird Jmmemorialverjährung durch Verbot unterbrochen? Wird der Rechtsbesitz bei der Servitutenersitzung verloren, wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstückes das dienende pachtet?......................................188 39. Ist eine in einen Kaufvertrag eingekleidete große Schenkung gültig, wenn der Vertrag gerichtlich verlautbart ist?.................................................191 40. Untergang des Superfiziarrechtes? Ersitzung der Freiheit des Eigen­ tumes? ...................................... 195 41. Zur Auslegung der Verwirkungsklauseln in Feuerversicherungsverträgen 201 42. Steht dem Eigentümer oder dem sonstigen dinglich Berechtigten ein Anspruch auf Schadensersatz wegen bloß zeitweiliger Hinderung in der Ausübung oder Verwertung seines Rechtes gegen den fahrlässigen Verursacher zu? 208 43. Gemeinrechtliche Fischereigenossenschaft. Erwerb durch unvordenkliche Verjährung..................................................................................................................211 44. Vindikation einer Lebensversicherungspolice. Retentionsrecht wegen Prä­ mienvorlagen ...................................................... 215 45. Wann entsteht der Eigeniumsanspruch der Ehefrau an Dotalsachen bei Vermögensverfall des Ehemannes? Klagänderung? (S. a. Nr. 91 S. 433) 219 46. Gehört zur Legitimation durch nachfolgende Ehe die Abstammung von den betreffenden Eheleuten? Beweisverhältnisse. (S. a. Nr. 92 S. 434) 223 47. Versagt die 1. 14 §. 2 Cod. de compens. 4, 31 die Kompensation nur gegen Forderungen aus widerrechtlicher Aneignung fremden Besitzes? . 227 48. Untersagung des Abzuges der Falcidischen Quart. Manifestationspflicht 229

III. Preußisches Recht. 49. Verantwortlichkeit des Grundbuchrichters wegen Unterlassung rechtzeitigen Bescheides auf einen Antrag. Erfordernisse eines Antrages auf Ein­ tragung einer Hypothek............................................................................................235 50. Voraussetzungen des Erwerbes der persönlichen Klage gegen den Er­ werber des hypothezierten Grundstückes...................................................... 237

Inhalt. Seite

Nr.

51. Voraussetzungen der Wiederherstellung der Rechte der vormals reichs­ ständigen Häuser in Preußen. Vertretung des Hauses................................ 246 52. Klage auf das Interesse bei Nichterfüllung des Judikates und Unerzwing-

barkeit der Leistung durch Zwangsvollstreckung................................................ 255 53. Inwieweit sind juristische Personen für außerkontraktliches Versehen ihrer Vertreter verantwortlich?............................................................................259 54. Vindikation von Jnhaberpapieren gegen den, der sie unentgeltlich er­ worben hat. Erlangt der Gläubiger an einer für iht^ gepfändeten, dem

55.

Schuldner nicht gehörigen Sache Einlösungsrecht?........................................... 265 Gehört die von einer Gutsherde gewonnene Wolle zu den Früchten des Gutes? Werden abgesonderte Früchte durch räumliche Trennung von

der Pfandhaftung frei?............................................................................................ 272 56. Nachträgliche Enterbung des in einem korrespektiven Testamente Nach­ eingesetzten durch den Überlebenden. Testamentarisches Pfändungsverbot 276 57. Veräußerung eines Grundstückes aus der ehelichen Gütergemeinschaft durch den Ehemann; nachfolgende Genehmigung der Ehefrau. Kann der< Käufer während des Schwebezustandes zurücktreten?......................................281 58. Straßengesetz §. 15. Findet gegen den Unternehmer einer Straße der ordentliche Rechtsweg statt? Ist ein Anspruch auf Fertigstellung aus der

Erteilung der Bauerlaubnis zu begründen?......................................

285

59. Erfordernisse des dorfgerichtlichen Testamentes................................................ 295 60. Eigentum an öffentlichen Wegen. Eigentumserwerb durch Auflassung, wenn der Auflassende Besitztitelberichtigung nach dem früheren Rechte erlangt hatte ........................................................................... 304 61. Umfang des §. 352 A.L.R. II. 1. Setzt derselbe Gutgläubigkeit des Dritten voraus?........................... 310 62. Hindert die Verzögerung der Terminsbestimmung den Fortlauf der Ver­ jährung? Können Futterkosten in besonderer Klage nachgcfordert werden? Haften Gesamtbevollmächtigte für Versehen?......................................................314 63. Gehören Gebühren für Erhebung von Geldern im Kaufgelderbelegungstcrmine zu den notwendigen Kosten der Beitreibung? (S. a. Nr. 93 S. 434) 322

64. Gehört derjenige, welcher für die Forderung eines Gläubigers an den Gemeinschuldner ein Pfand bestellt hat, zu den nach §. 178 K.O. vom Zwangsvergleiche nicht berührten Mitschuldnern? Kann bei Verpfändung verbriefter Forderungen die Aushändigung der Urkunde durch An­ weisung an den Inhaber, die Gewahrsam für den Pfandgläubiger aus­ zuüben, ersetzt werden? (S. a. Nr. 18 S. 107)............................................ 65. Steht das Verbot des Verjährungserwerbes der der Aufhebung im

325

Wege der Gemeinheitsteilung unterliegenden Rechte der translativem Ersitzung bereits bestehender Rechte entgegen? Grundbuchordnung §. 78. Wiederaufleben von Rechten...........................................................................335 66. Ist die Vorschrift des §. 163 A.L.R. I. 5 lediglich auf lästige Verträge zu beziehen? . .............................................................................................342

Seite

Nr

67. Welchen Einfluß hat die Umwandlung eines Lehns in Fideikommiß auf das den Gläubigern zustehende Recht auf subsidiäre Befriedigung durch die in das Lehn folgenden Descendenten des Schuldners?...........................347 68. Rechtsweg in Auseinandersetzungssachen........................................................... 361

IV. Rheinisches Recht. 69. Muß die Tcilungsklage gegen alle Miteigentümer gerichtet werden? . 365 70. Uber die sog. actio de in rem verso nach rheinischem Rechte . . . 368 71. Kann die Ehefrau in der Zeit zwischen dem Tode des Ehemannes und der Teilung der ehelichen Gütergemeinschaft ihre Hälfte einer zur Gemein­ schaft gehörigen Forderung einklagen?...........................................................371 72. Teilhypothek. Anfechtung im Konkurse. Worin besteht die „Zurückgetpährung" im Sinne des §. 30 K.O.? Kann der Anfechtungsbeklagte Herstellung des früheren Zustandes verlangen? (S. a. Nr. 17 S. 106) 374 73. Bedeutung des vorzeitigen Widerrufes des zur Bermittelung eines Ver­ trages gegebenen Auftrages für die Provisionszusage................................ 378 74. Stellt L.R.S. 1384 Abs. I allgemein den Grundsatz auf, daß bei Be­ schädigung durch Sachen derjenige, welcher sie in Verwahrung hat, für den Schaden haftet, sofern er nicht seine Schuldlosigkeit beweist? . . . 382 75. Ist die Vorschrift des Art. 107 Code civil über den gesetzlichen Wohnort der Beamten in bezug auf den Gerichtsstand durch §§. 13 flg. C.P.O.

aufgehoben? (S. a. Nr. 94 S. 434)............................................................

385

V. Prozeßrecht. 76. Sind bei Berechnung des Wertes des Pfandgegenstandes nach §. 6 C.P.O. vorhergehende Pfandforderungen abzuziehen?................................ 388 77. Liegt eine unstatthafte Klagänderung vor, wenn ein ursprünglich aus §. 24 Ziff. 1 K.O. abgeleiteter Anfechtungsanspruch später auf §. 23 Ziff. 2 K.O. gestützt wird?................................................................................................. 389 78. Kann das Revisionsgericht das Berufungsurteil wegen Verstoßes gegen §. 500 Ziff. 3 C.P O. von Amts wegen aufheben?................................ 391 79. Benennung des rechten Besitzers. Ist die Prozeßübernahme durch den Benannten an die Voraussetzung der Streitverkündung und Ladung

durch den Beklagten gebunden?........................................................................... 393 80. Zur Begriffsbestimmung des „Prozeßbevollmächtigten der zunächst Nach­ geordneten Instanz" für die Zustellung nach §. 164 C.P.O.......................... 397 81. Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Reformatio in pejus. '(Nr. 2 S. 3)............................................................................................................ 399 82. Unter welchen. Voraussetzungen kann ein Teilurteil erlassen werden? . 83. Ist §. 186 Abs. 2 C.P.O. für die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den ausländischen Drittschuldner bei der Forderungspfändung an­

wendbar?

.......................................................................

400

404

Seite

Nr.

84. Berechnung des Wertes des Streitgegenstandes, wenn der Rechtsstreit darüber geführt wird, welcher der Parteien eine bedingte oder betagte Forderung zusteht..................................................................................................411 85. Sind Gerichtsgebühren einzuziehen, wenn eine Beschwerde wegen mangeln­ der Zuständigkeit der Gerichte als unzulässig verworfen wird? ... 415 86. Können wesentliche Mängel, welche die Ladung zur Verhandlung über eine neue Klage enthält, im Verhandlungstermine gehoben werden? . . . 87. Kann, wenn im Endurielle der Kostenpunkt übergangen ist, Abhilfe durch

419

Klage erreicht werden?............................................................................................ 421 88. Kann die Beschwerde wegen zu niedriger Wertfestsetzung als Beschwerde der Partei aufgefaßt werden? Ist der Streitwert beim Arrestverfahren notwendig identisch mit dem Streitwerte der Hauptsache?...........................425 89. Voraussetzungen der wegen verschuldeter Vertagung beschlossenen Er­ hebung einer besonderen Gebühr?........................................................................ 429 90. Müssen, wenn durch Verweisung des Prozesses vom Amtsgerichte an das Landgericht ein Wechsel in der Person des Anwaltes geboten ist, die Gebühren der beiden Bevollmächtigten ersetzt werden?.......................... 432 91. Ist eine von der Klageschrift abweichende Angabe über die Zeit des Vermögensverfalles eine Klagänderung? (Nr. 45 S. 219)...........................433 92. Formulierung des vom Richter auferlegten Überzeugungseides (Nr. 46

S. 223)................................................................. 93. Gehören Gebühren für Erhebung von Geldern im Kaufgelderbelegungs­ termine zu den notwendigen Kosten der Beitreibung? (Nr. 63 S. 322) 94. Gerichtsstand des gesetzlichen Wohnsitzes der Beamten? (Nr. 75 S. 385)

434 434 434

Sachregister....................................................................................................................... 436

Gesetzesregister.................................................

454

Chronologische Zusammenstellung................................................................................. 464 Zusammenstellung

nachOberlandesgerichtsbezirken ................................................. 470

I. Reichsrecht. I. Ist Art. 215d H.G.B. nach der Fassung im Gesetze vom 18. Juli 1884 auch anwendbar, wenn vor der Geltung dieses Gesetzes die Akticngesellschast sich vertragsmäßig zur Einlösung ihrer Aktien verpflichtet hat'?

II. Civilsenat. Urt. v. 17. Februar 1888 i. S. K. (Kl.) w. Chemische Fabrik Rh. in Liq. (Bekl.) Rep. II. 304/87. I. II.

Landgericht Mannheim, Kammer für Handelssachen. Oberlandesgericht Karlsruhe.

In Überstimmung mit den vorderen Instanzen wurde die Frage

bejaht aus folgenden

Gründen: „Die Revision konnte für begründet nicht erachtet werden. Für die Auslegung, daß der zweite Absatz des Art. 215d H.G.B. nach der Fassung im Gesetze vom 18. Juli 1884 auch an­ wendbar sei, wenn vor der Geltung dieses Gesetzes von der Gesell­ schaft die vertragsmäßige Verpflichtung zur Einlösung ihrer Aktien übernommen worden ist, spricht der durch die Motive unterstützte Wortlaut des Gesetzes. Dessen ganz allgemein lautender Ausspruch: „Die Gesellschaft darf ihre Aktien nur aus dem nach der jährlichen Bilanz sich ergebenden Gewinne amortisieren," stellt sich als ein Ver­ bot nicht bloß einer neuen Vereinbarung einer Amortisation dar, zu welcher die Mittel dem Kapitale entnommen werden müßten, son­ dern jeder künftigen Verwendung des Kapitales oder früherer E. d. 9t®. Entsch. in Civils. XXII. 1

2

1.

Aktiengesellschaft. Art. 215 ä H.G.B.

Reingewinne zur Einziehung eigener Aktien.

wie sich aus den Motiven ergießt,

Der Gesetzgeber

hat,

diese Verschärfung deshalb für

geboten erachtet, weil sonst der Gesellschaft die Möglichkeit verliehen

wäre, sich von ihren Schulden zu befreien.

Es handelt sich dabei

nicht bloß um ein Interesse der Gläubiger, dessen Wahrnehmung diesen überlassen bleiben soll, sondern um das öffentliche Inter­ esse des Staates daran, daß das Vermögen einer Aktiengesellschaft

den Gläubigern nicht durch leichtfertige oder gar betrügerische Amor­

tisation entzogen, auf diese Weise der finanzielle Ruin vieler herbei­

geführt und der öffentliche Kredit zum Schaden der Gesamtheit er­

schüttert werde. Diese Rücksicht auf das öffentliche Wohl ergießt sich auch aus der Erwägung in den Motiven, daß, wenn auch von der Gesellschaft vorher auf den Eintritt dieser Benachteiligung hingewiesen

wäre, doch kaum anzunehmen sein werde, thatsächlich erfahren haben. auch

hinsichtlich

daß dies die Gläubiger

Die Fürsorge des Gesetzes wird demnach

derjenigen für geboten erachtet,

welche nicht die

nötige Sorgfalt aufgewendet haben, um vor der Kreditgewährung an

eine Aktiengesellschaft

deren

statutarische

oder vertragsmäßige Be­

stimmungen über Amortisation kennen zu lernen; weil das Wohl der

Gesamtheit in Betracht kommt, wird die Anwendung des Grundsatzes der 1. 24 i. f. Dig. 42, 8 ,,jus civile vigilantibus scriptum est“ (auf

welchen Ring, Kommentar S. 600 sich beruft) abgelehnt. Mit dieser

Auslegung stimmt auch die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsge­ richtes betreffs der Rückwirkung des Art. 215 Abs. 3 H.G.B. in seiner

früheren

Fassung

überein.

Dasselbe

hat

zwar

in

einem

(von

Renaud, Aktiengesellsch. S. 901 gebilligten, von Thöl, Praxis des Handels- und Wechselrechts S. 39 getadelten) Urteile vom 13. Okto­ ber 1871,

vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 3 S. 331 flg., die Rückwirkung verneint, ist aber in einem Urteile vom 7. Mai 1875, vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 17 Nr. 87 S. 386,

von dieser Ansicht wieder abgegangen."

2.

2.

1.

Gewerbeordnung.

Flußschiffer.

Rechtsweg.

3

Ist der Flußschiffer Gewerbetreibender und sein Bootsmann

gewerblicher Arbeiter im Sinne des §. 120 a Gew.O.? Preuß. Kabinetsorder vom 23. September 1835.

2.

Genügt zur Ausschließung der Anwendbarkeit des §. 120 a

Gew.O. die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe keinen festen

Wohnsitz und Kläger wisse nicht, bei welcher Gemeindebehörde er seinen Anspruch hätte geltend machen sollen?

3.

Kann die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges auf

Grund des §. 120 a Gew.O. auch noch in der Bcrufnngsinstanz er­ hoben werden? C.P.O. §. 490.

4.

Ist eine unzulässige reformatio in pejus und Überschreitung

der Grenzen der richterlichen Thätigkeit darin zu finden, wenn das

Berufungsgericht wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges den Kläger mit seinem ganzen Klaganspruche abweist, obwohl die erste Instanz

in betreff eines Teiles des letzteren die Entscheidung von einem dem

Kläger auferlegten Eide abhängig gemacht und der Beklagte sich der Berufung des Klägers nicht angeschlossen hatte? I. Civilsenat.

Urt. v. 28. April 1888 i. S. E. (Kl.) w. E. (Bell.) Rep. I. 108/88.

I. II.

Landgericht Danzig. Oberlandesgericht Marienwerder.

Der Kläger, ein 1860 geborener Sohn des Beklagten, fordert in diesem Rechtsstreite den seiner Behauptung nach angemessenen Lohn

für die Zeit vom 1. Januar 1882 bis 7. Juli 1886 in Höhe von

1215 ©#, indem er unter Widerspruch des Beklagten behauptet, daß er vom Jahre 1878 bis 7. Juli 1886 bei dem Beklagten als Boots­

mann im Dienste gestanden habe.

Die Parteien sind einverstanden

darüber, daß der Beklagte Eigentümer eines Oderkahnes ist und seit

mehreren Jahren, insbesondere auch während der angeblichen Dienst­

zeit des Klägers, mittels des Kahnes gewerbsmäßig in eigenem Namen

und für

eigene Rechnung Transport

wässern,

insbesondere

führt hat.

auf

der

von Gütern auf Binnenge­

Weichsel,

ansführt

bezw. ausge^

Die erste In­

Der Beklagte hat den Klaganspruch bestritten.

stanz hat nach erfolgter Beweisaufnahme den Kläger mit dem er­ hobenen Ansprüche in Höhe von 976,50 c4t abgewiesen und wegen

der übrigen 238,50 dft die Entscheidung von der Leistung oder Nicht­

leistung eines dem Kläger auferlegten Eides abhängig gemacht. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein mit dem An­

träge, nach dem Klagantrage zu erkennen, wogegen der Beklagte nun­

mehr den Einwand der Unzulässigkeit des Rechtsweges

erhob

und

beantragte, die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Das Berufungsgericht beschloß zunächst, die Verhandlung auf diesen Einwand zu beschränken, welchen der Beklagte auf §. 120 a

Gew.O. stützte, während der Kläger zwar einräumte, die hier be­ zeichneten Behörden bisher nicht angerufen zu haben, jedoch bestritt, daß dies erforderlich gewesen sei.

Das Urteil erster Instanz ist so­

dann aufgehoben und Kläger mit seinem Klaganspruche wegen Un­ zulässigkeit des Rechtsweges, unter Auferlegung der Kosten des Rechts­

streits, abgewiesen.

Kläger hat gegen dieses Urteil die Revision eingelegt und bean­ tragt:

das

gedachte Urteil aufzuheben und unter Verwerfung der

Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges die Sache zur ander­

weiten

Verhandlung

und Entscheidung

an

das

Oberlandesgericht

zurückzuverweisen. Beklagter hat Zurückweisung der Revision beantragt.

Aus den Gründen: „Diesem letzteren Anträge war stattzugeben.

Mit Recht hat das Berufungsgericht nach §. 490 Abs. 2 C.P.O. sich zur Anordnung der abgesonderten Verhandlung über die Einrede

der Unzulässigkeit des Rechtsweges für befugt erachtet, und mit Recht nimmt es an, daß dieselbe auch noch in zweiter Instanz unbeschränkt

zulässig war,

da sie auf §. 120 a Gew.O. gegründet ist und diese

Bestimmung dem öffentlichen Rechte angehört, daher durch Par­ teiverzicht nicht beseitigt werden kann, die Zulässigkeit des Rechtsweges vielmehr jederzeit auch

von Amts wegen zu prüfen gewesen sein

würde. Vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 2 S. 64, Bd. 7 S. 65flg., Bd. 8 S. 398 slg. und Bd. 17 S. 176flg.

Die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges ist aber auch mit Recht für begründet erachtet.

Nach dem gedachten §. 120a

Gew.O. (in der Fassung von 1883) sind Streitigkeiten der selbstän­ digen Gewerbetreibenden mit ihren Arbeitern,

die auf den Antritt,

die Fortsetzung oder Aufhebung des Arbeitsverhältnisses,

gegenseitigen Leistungen aus demselben,

auf

die

auf die Erteilung

oder den Inhalt der Arbeitsbücher oder Zeugnisse sich beziehen,

so­

weit für diese Angelegenheiten besondere Behörden bestehen, bei diesen zur Entscheidung zu bringen, während in Ermangelung solcher

Behörden die Entscheidung- durch die Gemeindebehörde erfolgt und

(durch Ortsstatut) auch Schiedsgerichte mit der Entscheidung be­ traut werden können.

Diese Bestimmung erscheint im vorliegenden

Falle als anwendbar, wenn — wie das Berufungsgericht zutreffend bemerkt — der Beklagte ein selbständiger Gewerbetreibender, auf

welchen die Gewerbeordnung Anwendung findet, und der Kläger ein gewerblicher Arbeiter im Sinne des Tit. VII dieses Gesetzes ist.

Das letztere kann aber zunächst keinem Zweifel unterliegen, da der

Kläger nach seiner, für diese Frage maßgebenden Behauptung als Bootsmann auf dem dem Beklagten gehörigen und von diesem per­ sönlich

zur Frachtschiffahrt

auf Flüssen und Binnengewässern ge­

führten und benutzten Oderkahne gefahren ist.

Aber auch die Frage,

ob der Beklagte als Flußschiffer ein selbständiger Gewerbetreibender im Sinne des Gesetzes ist, hat das Berufung mit Recht bejaht.

Die Ge-

werbeordnung selbst enthält zwar keine Begriffsbestimmung des Gewerbes und zählt auch nicht die einzelnen Gattungen erwerblicher Thätigkeit auf, welche als Gewerbe ihren Vorschriften unterliegen sollen.

beschränkt sich vielmehr darauf,

Sie

in §. 6 gewisse Erwerbsarten (zu

denen die Flußschiffahrt nicht gehört), als nicht unter ihre Vor­

schriften fallend,

auszuschließen, wobei sich übrigens aus den Mo­

tiven ergiebt, daß diese Aufzählung nicht als eine vollständige ange­

sehen werden darf. Vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 1 S. 265 flg. und Bd. 8

S. 53 flg. Mit Recht haben aber die vorigen Richter angenommen, daß der

Beruf eines Flußschiffers an sich unter den allgemeinen Begriff des Ge­ werbes fällt, und daß es auch an sonstigen Gründen fehlt, aus welchen

die Unanwendbarkeit der Gewerbeordnung auf denselben zu entnehmen

wäre. Für das Gegenteil spricht vielmehr, daß das Gesetz in §. 6 ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt wird, unter anderem auf den Gewerbebetrieb der Eisenbahnunternehmungen, auf die Befugnis zum Halten öffentlicher Fähren und auf die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaften auf Seeschiffen. Denn daraus läßt sich erkennen, daß der Gesetzgeber das Frachtgeschäft im allgemeinen als unter den Begriff des „Gewerbes" fallend angesehen und es nur in besonderen Beziehungen für zweckmäßig erachtet hat, die An­ wendung der Bestimmungen der Gewerbeordnung auf dasselbe auszu­ schließen, was überdies noch bestätigt wird durch die in dem von dem „stehenden Gewerbebetriebe" handelnden zweiten Titel der Gewerbe­ ordnung enthaltenen Bestimmungen des §. 31: „Seeschiffer, Seesteuerleute, Maschinisten der Seedampfschiffe und Lotsen müssen sich über den Besitz der erforderlichen Kennt­ nisse durch ein Befähigungszeugnis der zuständigen Verwaltungs­ behörde ausweisen.--------Soweit in betreff der Schiffer und Lotsen auf Strömen in­ folge von Staatsverträgen besondere Anordnungen getroffen sind, behält es dabei sein Bewenden." Der Umstand, daß Kläger ein Arbeitsbuch (welches übrigens nach §. 107 Gew.O. nur für Personen unter 21 Jahren vorge­ schrieben ist) nicht gehabt haben will, ist vom Berufungsgerichte mit Recht für die vorliegende Frage als unerheblich angesehen, und dasselbe gilt von der preußischen Kabinetsorder vom 23. September 1835, nach welcher auf das Rechtsverhältnis zwischen Stromschiffern und Schiffs­ knechten die Gesindevrdnung angewendet werden soll. Denn diese Bestimmung ist zwar im §.61 des preußischen Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuche aufrechterhalten, die Reichsgewerbe­ ordnung aber enthält keinerlei Vorbehalte zu Gunsten solcher lan­ desherrlicher Vorschriften. Endlich hat das Berufungsgericht mit Recht auch die Behauptung des Klägers, die Parteien hätten keinen festen Wohnsitz und er — Kläger — wisse nicht, bei welcher Gemeindebehörde er seinen Anspruch habe geltend machen sollen, für nicht beachtlich erklärt, weil ein solcher Einwand nur dann von Erheblichkeit sein würde, wenn Kläger dargethan hätte, daß er eine zuständige Gemeindebehörde

nicht habe ermitteln können.

In Ermangelung eines festen Wohn-

2.

Gewerbeordnung.

Flußschiffe»'.

Rcchlsweg.

7

sitzes des Beklagten hätte Kläger nach Analogie des §. 18 C.P.O. die Gemeindebehörde des Aufenthaltsortes des Beklagten anzugehen gehabt.

Der dem Berufungsgerichte gemachte Vorwurf, in dieser Be­

ziehung durch Nichtausübung des Fragerechtcs den §. 130 C.P.O.

verletzt zu haben, kann deshalb für begründet nicht erachtet werden... . Auch wirft die Revision dem Berufungsgerichte mit Unrecht vor,

übersehen zu haben,

daß die Parteien zu einander im Verhält­

nisse von Vater und Sohn stehen.

Denn der Kläger stützt den von ihm erhobenen Anspruch nicht etwa auf dieses Verhältnis, son­ dern

lediglich

auf

seine,

hiervon

an

sich

ganz unabhängige

Stellung als Bootsmann (mithin als gewerblicher Arbeiter) auf

dem Kahne des Beklagten, und die Bemerkung der Revision, daß die Gewerbeordnung über das Verhältnis zwischen dem Gewerbetreibenden und seinen Kindern nichts

bestimmen wolle, erscheint daher als

abwegig.

Endlich ist auch die Anheimgabe der Revision unbegründet, ob das Berufungsgericht nicht unzulässigerweise in pejus reformiert und die Grenzen der ihm zustehenden richterlichen Thätigkeit über­

schritten habe.

Denn durch den klägerischen Berufungsantrag, welcher

dahin ging, nach dem Klagantrage zu erkennen, war klägerischer­ seits das Urteil erster Instanz seinem ganzen Inhalte nach und mit­

hin nicht nur insoweit angefochten, als der Kläger mit seinem An­

sprüche abgewiesen war, sondern auch insoweit, als die Entscheidung

von der Leistung oder Nichtleistung eines Eides des Klägers abhängig gemacht war.

Das Berufungsgericht war daher mit der Entscheidung

in betreff der ganzen Sache befaßt.

Aber auch darin, daß, während

der Beklagte — ohne sich der Berufung anzuschließen — nur die einfache Zurückweisung der Berufung beantragt hatte, das Be­

rufungsgericht den Kläger mit seinem Klaganspruche wegen Unzu­ lässigkeit des Rechtsweges abgewiesen hat, ist weder eine unzulässige Abänderung des ersten Urteiles zum Nachteile des Berufungsklägers, noch ein Verstoß gegen anderweite Prozeßnormen zu erblicken.

Denn

einesteils läßt der Berufungsantrag des Beklagten im Beihalte der

von ihm vorgeschützten Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges sich nur dahin auslegen, daß in erster Linie so erkannt werden möge, wie es auf Grund dieser Einrede zu geschehen habe, und anderen­ teils konnte auch das Berufungsgericht, wenn diese Einrede be-

3.

Patentschutz.

Chemische Stoffe.

gründet war, wegen Unstatthaftigkeit eines gerichtlichen Ver­ fahrens überhaupt gar nicht anders, als geschehen, erkennen. Ob die Abweisung der Klage wegen (übrigens nur einstweiliger) Unzu­ lässigkeit des Rechtsweges dem Berufungskläger nachteiliger sei, als wenn es bei dem Urteile erster Instanz geblieben wäre, kam mithin für das Berufungsgericht nach Lage der Sache gar nicht in Betracht. Daß so, wie geschehen, erkannt werden konnte und mußte, ist lediglich eine rechtliche Folge der von dem Kläger selbst eingelegten Berufung, durch welche dem Beklagten Gelegenheit gegeben wurde, die Unzu­ lässigkeit des Rechtsweges noch jetzt geltend zu machen."

3. Bildet bei Stoffen, welche auf chemischem Wege hergestellt werden, den Gegenstand der entsprechend dem §. 4 des Reichspatentgesetzes geschützten Erfindung lediglich das bestimmte Verfahren zur Herstellung des Stoffes oder zugleich der Stoff selbst, soweit er mittels dieses Verfahrens hergestellt totrb?1 Patentgesetz vom 5. Mai 1877 §. 1 Abs. 2 Ziff. 2. §. 4.

1. Civilsenat. Urt. v. 14.März 1888 i. S. Badische Anilin- u. Soda­ fabrik zu Mannheim n. Ludwigshafen (Kl.) w. R. G. (Bekl.) Rep. I. 389/87. I. II.

Landgericht Leipzig. Oberlandesgericht Dresden.

Klägerin ist Inhaberin eines deutschen Reichspatentes betreffend ein Verfahren zur Darstellung blauer Farbstoffe aus Dimethylanilin und anderen tertiären aromatischen Monaminen und bringt die mittels dieses Verfahrens erzielten Farbstoffe unter dem Namen Methylen1 Vgl. das Rundschreiben des deutschen Reichskanzlers über §. 4 des Patent­ gesetzes vom 16. August 1886, abgedruckt in Busch, Archiv des Handels- und Wechselrechtes Bd. 47 S. 346 flg.; ferner Stenogr. Berichte über die Verhandlungen der Enquete in betreff der Revision des Patentgesetzes S. 89—111 und Bericht der Enquetekommission S. 16—25, Berlin 1887, R. v. Deckens Verlag; Verhand­ lungen des chemischen Patentkongresses zu Baden-Baden (Separatabdruck aus „Die chemische Industrie", November 1879), Berlin 1880 bei Springer, S. 31—37. D. E.

blau in den Handel.

Die Beklagte, eine Handelsgesellschaft in Basel,

wendet daselbst, wo es zur Zeit noch keinen gesetzlichen Erfindungs­ schutz giebt, das der Klägerin patentierte Verfahren ohne deren Ge­ nehmigung an und bringt die hergestellten Stoffe ebenfalls in den

Verkehr.

Unter der Behauptung, daß dieses Inverkehrbringen auch

nach Deutschland erfolge, und daß hierin eine Verletzung ihres Pa­ tentes liege,

hat Klägerin bei dem Landgerichte zu Leipzig, unter

welchem Vermögen der Beklagten belegen, Klage auf Anerkennung der Unzulässigkeit des Feilhaltens und Inverkehrbringens der mittels Anwendung des ihr patentierten Verfahrens hergestellten Stoffe im

Gebiete des Deutschen Reiches, auf Unterlassung solchen Feilhaltens und Inverkehrbringens und auf Schadenersatz gegen die Beklagten

erhoben. Letztere bestritt, daß die von ihr nach Deutschland gebrachten

Stoffe mittels des der Klägerin patentierten Verfahrens hergestellt seien, behauptet aber, daß ihr das Inverkehrbringen auch mittels dieses

Verfahrens hergestellter Stoffe in Deutschland nicht verwehrt werden könne, weil das deutsche Patentgesetz nach §. 1 Abs. 2 Ziff. 2 bei

gewissen Stoffen nur das bestimmte Verfahren zur Herstellung des

Stoffes, nicht aber den mittels derselben hergestellten Stoff als Gegen­ stand einer patentfähigen Erfindung ansehe und in dem im §. 4 fest­

gesetzten Umfange schütze, die Anwendung des Verfahrens in Basel aber nicht unter das deutsche Patentgesetz falle.

Widerklage auf Feststellung ihrer Befugnis

Sie erhob deshalb

zum Inverkehrbringen

und Feilhalten in Deutschland von Stoffen, die mittels Anwendung

des

der Klägerin patentierten Verfahrens im Auslande hergestellt

seien. Das Gericht erster Instanz erkannte nach den Klaganträgen und wies die Widerklage ab. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil ab, indem es auf Abweisung der Klage und entsprechend dem Anträge der Widerklage erkaünte. Dasselbe führte aus, der Wortlaut des §. 4 des Patentgesetzes lege

die Annahme nahe, die in Abs. 1 erwähnte allgemeine Wirkung müsse sich bei allen Arten von Patenten denken lassen.

das Verbindungswort:

„außerdem".

Sei

Darauf verweise

demnach ein Verfahren

Gegenstand der Erfindung, so scheine, da das Verfahren selbst nicht

hergestellt werden, allem Anscheine nach auch nicht von einem Inver­ kehrbringen oder Feilhalten desselben die Rede sein könne, angenommen

werden zu müssen, daß in solchem Falle der durch das Verfahren

hergestellte Stoff gemeint sein könne.

Dieser Auslegung stehe aber

das Bedenken entgegen, daß die Worte: „Gegenstand der Erfindung" in dem nämlichen Paragraphen nicht in einem so wesentlich verschie­

denen Sinne gebraucht sein könnten, im Absätze 2 von dem Gegenstände des Patentes selbst, im Absätze 1 von diesem, wenn es ein Produkt (Ware) ist, wenn dagegen das Patent ein Verfahren zur Herstellung von Produkten zum Gegenstände habe, nicht von dem Gegenstände des Patentes selbst, sondern von den Erzeugnissen des den Gegenstand des Patentes bildenden Verfahrens.

Auch könnte man das durch Anwen­

dung des Verfahrens hergestellte Erzeugnis als Gegenstand der Er­

findung doch nur dann mit einigem Rechte bezeichnen, wenn es sich um neue Stoffe handelte, nicht aber, wenn bloß eine neue Verfahrens­

art zur Herstellung bereits auf anderem Wege hergestellter Erzeugnisse

in Frage stehe.

Die Auslegung trage daher eine Menge von Unter­

scheidungen in das Gesetz hinein, für welche dieses keinen Anhalt biete. Übrigens würden auch dann Fälle denkbar sein, in denen bei dem für ein Verfahren erteilten Patente die im Absatz

1

angegebenen

Wirkungen nicht eintreten, sodaß der Gebrauch des „außerdem" auch dann nicht immer zutreffend sein würde, denn es gäbe patentfähige

Erfindungen auch

für Veränderung

und Verbesserung bereits ge­

schaffener Produkte, überhaupt ohne ein unmittelbares körperliches Substrat.

Die vorige Instanz suche für ihre entgegengesetzte Auf­

fassung den §. 1 Abs. 2 Ziff. 2 heranzuziehen, indem sie aus dem­ selben folgere, ein Patent zur Herstellung chemischer Produkte umfasse ohne weiteres die auf diesem Wege erzeugten Produkte.

§. 1,

sondern §. 4

Allein nicht

behandle die Wirkungen der Patente, der §. 1

Abs. 2 Ziff. 2 besage aber, wenn man die beiden Negativen in den entsprechenden positiven Satz auflöse, nichts weiter, als daß nur be­ stimmte Verfahren zur Herstellung chemischer Stoffe, nicht aber die

Stoffe selbst patentfähig seien.

Bei Erfindungen auf dem Gebiete

der Chemie sollten also Objekt des Patentes bloß das Verfahren, nicht aber gleichzeitig dieses und die durch Anwendung desselben herge­

stellten Stoffe sein. bezüglich

So sei hinsichtlich der Genuß- und Arzneimittel,

deren sich die fragliche Ausnahmebestimmung bereits im

Entwürfe befand, die Bedeutung derselben in den Motiven dargelegt. Bei Erstreckung der Bestimmung auf chemische Stoffe

sei in der

Reichstagskommission von keiner Seite ausgesprochen worden, daß man

3.

Patentschutz.

Chemische Stoffe.

den durch ein patentiertes Verfahren hergestellten chemischen Produkten zugleich mit dem Verfahren habe Patentschutz gewähren wollen. Viel­ mehr hätten im Gegensatze zum Entwürfe die hergestellten Stoffe selbst

schlechthin von der Patentierung ausgeschlossen werden sollen.

Dies

ergebe sich bei Gegenüberstellung der beiden auf die chemische Industrie

bezüglichen Anträge zu §. 1 des Entwurfes, des bei der ersten Lesung gestellten und abgelehnten mit dem bei der zweiten Lesung angenom­

menen.

Die

Ausbeutung

einer

Erfindung

durch

Produktion

der

patentierten Gegenstände im Auslande sei in den Motiven nicht un­

erwähnt geblieben.

Wie aber einerseits dort das Publikum nicht für

behindert erachtet werde, im Wege der eigenen Bestellung die paten­ tierten Waren vom Auslande her zu beziehen, so finde sich anderer­ seits nicht ausgesprochen, daß, wenn eine Arbeitsmethode Gegenstand eines Patentes sei, der Patentinhaber auch gegen das Feilhalten der

unter Anwendung derselben im Auslande angefertigten Erzeugnisse

geschützt sei. Das Reichsgericht hob auf die Revision der Klägerin das Be­ rufungsurteil auf und verwies die Sache wegen bestrittener thatsäch­

licher Voraussetzungen

des Klaganspruchs

in die Berufungsinstanz

zurück. Gründe:

„Bei der Entscheidung der vorliegenden Streitfrage bedarf es zunächst der Richtigstellung gewisser Gesichtspunkte, die leicht in einer

nicht zutreffenden Weise bei der Beurteilung in Betracht kommen und dieselbe zu beeinflussen geeignet sind.

Dies gilt von Erwägungen,

wonach die Auslegung des Gesetzes entsprechend der klägerischen, vom

Gerichte erster Instanz gebilligten Auffassung bei rationeller Anwen­

dung des auf wirksamen Patentschutz für die heimische Industrie aus­

gehenden Gesetzes deshalb geboten sein soll, weil es widersinnig wäre, den Patentinhaber zwar gegen die Entstehung des Produktes mittels

des unter Patentverletzung bethätigten Verfahrens, aber nicht gegen die gewerbsmäßige Ausbeutung dieser Patentverletzung zu schützen und weil anderenfalls das Gesetz die heimische Industrie gegen die von

Nachbarländern aus, die keinen Patentschutz kennen, auf Grund der Aneignung in Deutschland erfundener Verfahren nach Deutschland bettiebener Konkurrenz schutzlos lassen würde.

Zunächst erschiene es unzutreffend, wenn man einer Auslegung

des Gesetzes dahin, daß, wo nur ein Verfahren den Gegenstand der patentierten Erfindung bildet, der Patentschutz auch nur gegen An­

wendung dieses Verfahrens,

nicht aber gegen ein Inverkehrbringen

oder Feilhalten von mittels solcher Anwendung des Verfahrens her­ gestellten Erzeugnissen gewährt werde, den Sinn beimessen wollte, daß

demnach der Patentinhaber auch gegen diejenigen Verbreitungen und Feilhaltungen von mittels ungenehmigter Anwendung seines Verfahrens

hergestellten Erzeugnissen ungeschützt bliebe, welche der wegen wissent­

licher Anwendung des Verfahrens gemäß §. 34 des Patentgesetzes

verantwortliche Hersteller selbst oder die mit ihm in Kenntnis solcher Patentverletzung zum Zwecke ihrer gewerblichen Ausnutzung Verbun­ denen vornehmen.

felhaften,

Hier wird der Schutz bereits durch den unzwei­

über den Bereich

des Strafrechts hinaus

St.G.B.) geltenden Satz begründet,

(vgl.

daß der unerlaubt

§.

40

Handelnde

kein Recht auf den Genuß der Vorteile, die er sich durch seine uner­ laubte Handlung

verschafft hat oder verschaffen will,

haben kann.

Soweit es sich um den Vertrieb der Erzeugnisse seitens desjenigen,

der selbst das Verfahren ohne Genehmigung angewendet hat, handelt, wird dieser, auch ohne daß seinerseits die Patentverletzung als wissent­

liche zu qualifizieren ist, hieran gehindert werden können, weil dieser Vertrieb für ihn sich als Fortbethätigung der Verletzung darstellen

würde.

Die wirklich hier streitige Frage, deren Lösung im Patent­

gesetze gesucht werden muß, betrifft aber die Wirkung, welche das

Patent auf ein Verfahren,

sei es überhaupt oder speziell bei auf

chemischem Wege hergestellten Stoffen, gegen gewerbsmäßige Verbrei­ tung von mittels Anwendung jenes Verfahrens hergestellten Erzeug­

nissen in der dritten Hand, also seitens eines Gewerbetreibenden, der an der Entstehung jener Erzeugnisse durch unbefugte Anwendung des

Verfahrens nicht beteiligt ist, auch von einer solchen gar nichts weiß, auszuüben vermag, also den Umfang des Schutzes,

welchen das

Patent auf das Verfahren gewährt, gegenüber dem gutgläubigen Ver­

kehre mit den Erzeugnissen des ohne Genehmigung angewandten Ver­ fahrens. Als Fall,. von welchem auszugehen ist, ergiebt sich der, daß das Verfahren im Jnlande ohne Genehmigung des Patentinhabers an­ gewendet ist, ein mit solcher Patentverletzung aber durchaus unbekannter gutgläubiger Erwerber von Erzeugnissen dieser Verfahrensanwendung

3. Patentschutz. Chemische Stoffe. dieselben gewerbsmäßig verbreitet.

13

Diesem Falle steht der Fall, daß

die ungenehmigte Anwendung des Verfahrens, mittels welcher die Erzeugnisse hergestellt sind, im Auslande stattgefunden hat, mag auch

der im Zulande die Erzeugnisse Vertreibende Kenntnis von dem in­

ländischen Patente und der ungenehmigten Anwendung des Verfahrens im Auslande haben, oder mag es derjenige, der im Auslande unge­ nehmigt das Verfahren angewendet hat, selbst sein, >veil wegen der territorialen Beschränktheit schutzes

die Anwendung

des Verfahrens

des

deshalb gleich,

deutschen

im Auslande

Patent­

nicht

als

Patentverletzung zu erachten ist und dieselbe daher auch den Vertrieb

der so geschaffenen Erzeugnisse im Zulande nicht als eine Fortsetzung eines Deliktes oder einer Patentverletzung oder als unmittelbare Folge

davon zu qualifizieren vermag.

Geht aber der durch das Patentgesetz

gewährte Schutz des Verfahrens soweit, daß auch der Vertrieb der

mittels des ohne Genehmigung angewandten Verfahrens hergestellten

Erzeugnisse seitens des gutgläubigen dritten Besitzers eine selbständige, wenn auch nicht wissentliche,

Patentverletzung

enthält,

sodaß

der

Patentinhaber dem Besitzer den Vertrieb untersagen und die Unter­

lassung desselben durch Klage und Beantragung einstweiliger Ver­

fügungen erzwingen kann, so ist mittels eines solchen Patentschutzes auch der Fall eines Vertriebes der im Auslande durch ungenehmigte Anwendung des im Jnlande patentierten Verfahrens hergestellten Er­ zeugnisse im Jnlande gedeckt, und zwar hier mit der Wirkung, daß

das Vertreiben bei Kenntnis von der Existenz des Patentes und der ungenehmigten Herstellung im Auslande auch eine wissentliche Patent­ verletzung im Sinne des §. 34 des Patentgesetzes ist, vorbehaltlich allerdings der Erörterung der Frage, inwieweit etwa ein guter Glaube über die Befugnis zu solchem Handeln, weil er auf entschuldbarem Irrtume über die Bedeutung der in den §§. 1 und 4 des Patentge­

setzes enthaltenen Rechtsnormen beruhte, diese Wissentlichkeit auch für

den Entschädigungsanspruch auszuschließen vermöchte.

Aus diesen Erwägungen ergiebt sich zugleich,

daß es einseitig

sein würde, für die Entscheidung der vorliegenden Streitfrage auch vom Standpunkte der Gesetzestendenz aus ein zu großes Gewicht auf

das Schutzbedürfnis der inländischen Erfindungen gegenüber der vom Auslande aus bezweckten Vereitelung des Schutzes zu legen.

Um

eine solche zu verhindern, wäre das natürliche und adäquate Mittel

gewesen, daß das Gesetz von dem Prinzipe der territorialen Beschränkt­

heit des eingeführten Patentschutzes für den Fall des Hereinbringens im Auslande in Entlehnung eines im Jnlande geschützten Verfahrens hergestellter Erzeugnisse in das Inland, sei es überhaupt, sei es aus

Ländern, die keinen Patentschutz gewähren, eine Ausnahme gemacht

Dies ist nicht geschehen, und es handelt sich auf der Grund­ lage des bestehenden Gesetzes nur darum, ob der gewährte Patentschutz hätte.

der inländischen Verkehrsfreiheit gegenüber den Umfang hat, sei es

überhaupt oder doch in bezug auf Stoffe, die auf chemischem Wege hergestellt werden, den Vertrieb von Gegenständen, die nicht selbst oder doch nicht losgelöst von einem bestimmten Verfahren patentiert sind, sondern mittels Anwendung eines Verfahrens, auf welches das

Patent sich bezieht, hergestellt sind, in dritter Hand zu untersagen, in welchem Falle dann allerdings der Patentschutz auch für den Fall des

Hereinbringens solcher Erzeugnisse aus dem Auslande zum Zwecke des Vertriebes Hierselbst zutreffen würde. Natürlich sind aber bei der so

gestellten Entscheidung auch vom Standpunkte der Gesetzestendenz aus noch andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, als sich bei bloßer Jn-

betrachtnahme des letztgedachten Falles ergeben. Aber auch bei der hiernach erforderlichen Abweisung gewisser Gesichtspunkte, die eine Entscheidung zu Gunsten der klägerischen Auf­

fassung besonders nahelegen könnten,

erweist sich doch nach dem be­

stehenden Gesetze diese Auffassung bei Patenten in bezug auf Stoffe, die auf chemischem Wege hergestellt werden, als die zutreffende. Das Berufungsgericht irrt zunächst und hauptsächlich darin, daß

es die Entscheidung der Frage für die im vorliegenden Falle allein in Betracht kommenden Stoffe, die auf chemischem Wege hergestellt

werden, in §. 4 des Patentgesetzes sucht. §. 4 die Wirkungen des Patentes.

Allerdings bestimmt der

Das Berufungsgericht faßt nun

den §. 4 dahin auf, daß, wenn der patentierte Gegenstand der Er­

findung eine körperliche Sache ist, die Wirkungen des Patentes aller­ dings dahin gehen, daß diese Sache ohne Genehmigung des Patent­ inhabers nicht gewerbsmäßig hergestellt oder in Verkehr gebracht oder

feilgehalten, wenn der Gegenstand ein Verfahren ist, dieses nicht an­ gewendet werden darf, daß aber die Wirkungen des Patentschutzes nicht so weit gehen, daß auch diejenigen Gegenstände, die erst durch

den patentierten Gegenstand der Erfindung zur Existenz gelangen,

3. Patentschutz.

Chemische Stoffe.

nicht in Verkehr gebracht oder feilgehalten

werden

dürfen,

sodaß,

wenn eben nur ein Verfahren Gegenstand der Erfindung ist, die

mittels patentwidriger Anwendung des Verfahrens hergestellten Gegen­

stände nicht zu denjenigen gehören, gegen deren Inverkehrbringen oder Feilhalten der Patentschutz wirksam ist.

Auch wenn man diese Aus­

legung des §. 4 für richtig erachtet, so entscheidet sie den vorliegenden

Fall nicht. Um bei Patenten, welche Stoffe betreffen, die auf chemischem Wege hergestellt werden, den Umfang des Patentschutzes zu ermitteln,

bedarf es zunächst der Feststellung, was der patentierte Gegenstand

der Erfindung ist.

Der §. 4 sagt weder, daß in solchem Falle nur

das Verfahren der Gegenstand der Erfindung sei, noch, daß der

patentierte Gegenstand der Erfindung immer nur entweder eine körper­

liche Sache oder ein Verfahren — bei dem die Sache oder Stoff­

bildung patentrechtlich indifferent wäre — sein dürfe. Ist bei Patenten, die auf chemischem Wege hergestellte Stoffe betteffen, Gegenstand der

Erfindung

das

bestimmte

Herstellungsverfahren,

einschließlich

des

mittels desselben hergestellten Stoffes — dieser letztere als die Eigen­ schaft eines Sach- und Verkehrsgutes habender Abschluß des Verfahrens

angesehen — so treffen alle Wirkungen zu, welche §. 4 sowohl in bezug auf Sachen wie auf Verfahren als Gegenstände der Erfindung enthält, selbstverständlich mit der Einschränkung, daß die für die Sache

gewährte Schutzwirkung sich nur auf die durch das bestimmte Her­ stellungsverfahren

erzeugten Stoffe bezieht.

Die Entscheidung der

vorliegenden Frage ist daher nicht im §. 4, sondern im §. 1 des Ge­ setzes zu suchen. Die Fassung dieses Paragraphen unterstützt nun aber keineswegs

die Annahme, daß als Gegenstand der patentierten Erfindung bei auf chemischem Wege hergestellten Stoffen nur das Verfahren — dasselbe analog einer Arbeitsmethode in der technischen Industrie aufgefaßt —

erachtet werde.

Es wird bedenklich sein, mittels der bloßen Wort­

interpretation, wie es der Vertreter der Klägerin in der Revisions­ instanz gethan hat, durch Umwandlung der beiden Negativen „aus­ genommen sind" xmtb „soweit die Erfindungen nicht ein bestimmtes

Verfahren" in die Affirmativen:

„Patente werden erteilt für Erfin­

dungen von Stoffen, soweit die Erfindungen ein bestimmtes Ver­ fahren rc." das Ergebnis zu rechtfertigen, daß in Wahrheit doch die

Stoffe als Gegenstand der zu patentierenden Erfindung gedacht sind.

Solcher Begründung wird man entgegenhalten können, daß man, da

nach dem Absätze 1 des §. 1 Patente nur für neue Erfindungen er­ teilt werden, alsdann auch nur den neuen Stoff als Erfindungsgegen­

stand zu erachten hätte, während es doch für die Patentierung nicht

auf die Neuheit des Stoffes noch neben der Neuheit des Herstellungs­ verfahrens, sondern nur auf die Neuheit des letzteren ankommen soll. Gleichwohl läßt sich nicht leugnen, daß nach der Fassung des Ab­ satzes 2 Nr. 2 des §. 1 für die Kennzeichnung des Gegenstandes der patentfähigen Erfindung dem bestimmten Verfahren zur Herstellung

des Stoffes gegenüber der mittels dieses Verfahrens hergestellte Stoff selbst durchaus nicht als indifferent zurücktritt.

Daß dies nicht der

Fall ist, liegt aber in der Besonderheit des Herstellungsverfahrens

von Stoffen auf chemischem Wege. Die Analogie, welche man zwischen diesem Herstellungsprozesse und einer an irgend einem Material oder

einer sonstigen Sache zu bethätigenden Arbeitsmethode auf dem Ge­

biete der technischen Industrie ziehen möchte, erscheint nämlich nicht

zutreffend. Eine Herstellung von Stoffen auf chemischem Wege im Sinne

des Patentgesetzes erfolgt in der Weise, daß man mehrere vorhandene Stoffe eine Verbindung eingehen läßt, vermöge deren ein anderer

Stoff entsteht.

Hierbei giebt jeder der Komponenten Bestandteile von

sich für die Bildung des entstehenden Stoffes zu dauernder Gebun­

denheit in dem letzteren ab.

Es wäre durchaus unzutreffend, von den

die Verbindung eingehenden Stoffen dem einen die Bedeutung des behandelten Materials, dem anderen die des Arbeitsmittels zuweisen

oder auch nur von dem auf die Entstehung des neuen Stoffes ab­

zielenden und mit dessen Entstehung abschließenden Prozesse ein be­ sonderes Verfahren als solches ablösen zu wollen.

Wenn in der

technischen Industrie ein Verfahren, welches einem zu behandelnden Material eine besondere Form oder besondere Eigenschaften zu verleihen geeignet ist, deswegen patentiert wird, so wird dieses Patent auf ein

Verfahren seine Wirkung auch über die Behandlung gerade desjenigen

Materiales, au dem es die Patentschrift demonstriert hat, hinaus er­ strecken können,

wenn, ohne daß Veränderungen, die auf einem be­

sonderen Erfindungsgedanken beruhen, erforderlich werden, das Ver­

fahren auch bei anderem Material die gleiche Besonderheit der Form oder der Eigenschaften hervorzurufen vermag.

Ferner ist eine teil-

3.

Patentschutz.

Chemische Stoffe.

weise Verletzung eines solchen Patentes sehr wohl denkbar, indem man das patentierte Verfahren nur bis zu einem gewissen Stadium anwendet, sei es, daß die bis dahin erzielte Gestaltung des bearbeiteten

Materiales für dessen nunmehrige gewerbliche Verwertung für aus­

reichend erachtet wird, oder daß man nunmehr zu anderen Bearbeitungs­ akten, die nicht innerhalb des patentierten Verfahrens liegen, übergehen

will.

Alles dies liegt bei einem Verfahren zur Herstellung eines

Stoffes auf chemischem Wege durchaus anders.

Hier kommt das

Verfahren nur in Betracht, soweit es auf das Ziel der Erzeugung

des betreffenden Stoffes gerichtet ist und zu demselben gelangt.

Wer

einzelne Abschnitte eines solchen Verfahrens benutzt, um nach ihrer

Absolvierung einen ganz anderen Weg einzuschlagen, wird, wenn dies

zum Zwecke der Herstellung eines ganz anderen Stoffes geschieht, auch eine nur teilweise Verletzung jenes Patentes in der Regel nicht begehen.

Es erscheint sogar sehr wohl denkbar, daß dasselbe Ver­

fahren in seiner Wesenheit zur Herstellung eines anderen Stoffes ver­ wendet werden kann

und

deshalb trotz

seiner vollen Anwendung

wegen dieses Zweckes uud Erfolges keine Patentverletzung enthält. Es ist deshalb die Fassung des §. 1 Abs. 2 Nr. 2 nur der Aus­

druck für die den Stoffen, die auf chemischem Wege hergestellt wer­

den, wie ebenso den Nahrungs-, Genuß- und Arzneimitteln eigen­ tümliche Zusammengehörigkeit

des Herstellungsverfahrens

und

des

Herstellungsergebnisses. Es liegt keine Identität des Verfahrens vor, wenn das gleiche Verfahren nicht auf dasselbe Endziel gerichtet ist, und der mittels dieses Verfahrens erzeugte Stoff liegt nicht außerhalb

des Gegenstandes der Erfindung, bildet vielmehr den das Verfahren patentrechtlich charakterisierenden Abschluß.

Das Verfahren begreift

daher den mittels desselben hergestellten Stoff als zum Gegenstände

der Erfindung gehörig in sich.

Dieser Auffassung entspricht es auch,

daß in der Regel die Patente auf Stoffe, die auf chemischem Wege

hergestellt werden,

als Patente

auf Darstellung

der fraglichen

Stoffe, wie es auch im vorliegenden Falle geschehen ist, bezeichnet werden. Einem solchen Ergebnisse steht auch die Entstehungsgeschichte des

§. 1 des Gesetzes nicht entgegen. Aus dem Satze der Motive zum Entwürfe Seite 17 in betreff der Genuß- oder Arzeimittel: „Beide Bedenken schwinden, wenn nicht E. d. R.G. Entiq. in Civill. XXII.

2

der Gebrauch eines Genuß- oder Arzneimittels, sondern nur ein be­ stimmtes Verfahren für dessen Herstellung patentiert wird", folgt nicht,

daß das mittels dieses bestimmten Verfahrens hergestellte Genuß- oder Arzneimittel nicht im Patentschutze inbegriffen sein sollte.

Die Ten­

denz des Entwurfes wie der in der Reichstagskoinmission in betreff

der auf chemischem Wege herzustellenden Stoffe gestellten Anträge ging immer nur dahin, die Patentierung dieser Objekte, losgelöst von dem

bestimmten Herstellungsverfahren, auszuschließen, damit nicht für eine Erfindung anderer Verfahren der Antrieb verkümmert werde. Bei der

Verschiedenheit des Begriffes des Verfahrens, Gegenstand

der Erfindung

für

je

die Herstellung

nachdem es als

von

Stoffen

auf

chemischem Wege oder insbesondere in der technischen Industrie in

Betracht kommt, erscheint auch das Argument hinfällig, das man dahin aufstellen möchte, es erlange bei der hier vertretenden Auslegung die chemische Industrie in Wirklichkeit einen ausgedehnteren Patentschutz als die technische, während es gerade auf eine Einschränkung des

Patentschutzes für die erstere abgesehen worden sei.

In der That ist

aber auch dieser Patentschutz ein wesentlich eingeschränkterer,

da es

keinen für das Erzeugnis als solches, sondern nur für das mittels

des bestimmten Verfahrens hergestellte giebt.

Was aber endlich die­

jenigen Bedenken anlangt, welche aus einer Belästigung des Verkehres,

insofern der Patentschutz sich auch gegen den Vertrieb der mittels unbefugter Anwendung des Verfahrens hergestellten Stoffe in der

Hand des dritten Besitzers richtet, hergeleitet werden könnten, so wird,

sofern das

eine Verfahren, welches bisher bekannt

ist,

oder

die

mehreren bekannten Verfahren zur Herstellung des Stoffes sämtlich patentiert sind, dem Gewerbetreibenden in bezug auf seine Pflicht zur

Erkundigung und zur Vorsicht, um eventuell gegen seinen Verkäufer Regreß nehmen zu können, nicht mehr zugemutet, als durch den Pa­ tentschutz für neue Fabrikate Mzweifelhaft bereits der Fall ist.

Ge­

wisse Unzuträglichkeiten lassen sich allerdings denken, wenn für einen Stoff, der auf Grund eines nicht patentierten Verfahrens bereits lange im Verkehre ist, ein neues Herstellungsverfahren erfunden und

patentiert ist, und nunmehr der Inhaber des Patentes Stoffe, die sich

im Verkehre finden, als Erzeugnisse der unbefugten Anwendung ge­ rade seines Verfahrens bezeichnet und deren Vertrieb untersagen will. Allein gegen ein häufiges Eintreten solcher Fälle und insbesondere

4.

Ausländische Koupvnsteuer.

19

gegen Mißbrauch eines solchen Patentes zur mutwilligen Störung des Verkehres dürfte der Umstand hier schützen,

daß dem Patentinhaber

der Beweis, es seien jene Erzeugnisse gerade mittels seines Verfahrens

hergestellt, obliegt, und daß dieser Beweis, während er, wenn über­ haupt außer dem patentierten Verfahren kein anderes im Verkehre bekannt ist, auf diesen Umstand als auf eine faktische Anzeige gestützt

werden möchte, gerade in dem gesetzten Falle ein schwieriger sein wird,

wie denn auch bei den Verhandlungen der Enquetekommission in be­ treff der Revision des Patentgesetzes die Vertreter der chemischen In­ dustrie die Beweispflicht als das Haupthindernis der praktisch wirk­ samen Schutzbethätigung angesehen und gerade im Hinblicke hierauf

ihre Reformvorschläge aufgestellt haben.

Jedenfalls

konnten

vom

Standpunkte des bestehenden Gesetzes aus solche Jnkonvenienzen keine

entscheidenden Bedenken erregen, wenn man andererseits erwägt, daß, falls man den Patentschutz nur auf die Anwendung des Verfahrens

selbst und auf diejenigen gewerblichen Veräußerungen der Erzeugnisse

des Verfahrens, die der das Verfahren unbefugt Anwendeilde selbst und die mit ihm unter Kenntnis der Patentverletzung behufs der Ver­ äußerung Verbundenen vornehmen, amvenden will, derselbe allerdings

leicht illusorisch werden könnte.

Wenn, wie der Bericht der Enquete­

kommission ergiebt, das Gesetz bei Auslegung in diesem Sinne von den Vertretern der chemischen Industrie als auf der einen Seite einen zu weit gehenden Schutz gewährend bezeichnet worden ist,

so kann

diese Beurteilung nur für die zukünftige Gesetzgebung von Belang sein, vermag aber die Auslegung des bestehenden Gesetzes nicht ent­

scheidend zu beeinflussen." ...

4.

Tas Wesen einer sog. Konponsteucr. Kann der Emittent die von

seinem Hcimatstaate vermöge der Einführnng der Kouponsteuer auf die Einkünfte aus den emittierten Papieren gelegten Steuern dem aus­

ländischen Gläubiger in Abzug bringen, wenn das Schuldvcrhältnis auf Zahlung im Auslande gestellt ist?

I. Civilsenat.

Urt. v. 21. Juni 1888 i. S. Russische Naphtha-Pro­

duktionsgesellschaft Gebr. S. (Bekl.) w.O. (Kl.) I. II.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Rep. I. 150/88.

Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, die in Rußland ihren Sitz hat. Sie hat im Jahre 1883/84 mit Genehmigung der russi­ schen Regierung Schuldverschreibungen auf den Inhaber ausgegeben. Dieselben lauteten auf feste Beträge sowohl in Rubel wie in Pfund Sterling, in Reichsmark und in Francs. Nach den auf denselben ab­ gedruckten Anleihebedingungen sollten die Zinsen in St. Petersburg, am Sitze der Verwaltung und im Auslande bei den von der Gesell­ schaft namhaft zu machenden Bankiers der Gesellschaft gezahlt wer­ den. Mit den Schuldverschreibungen waren auf den Inhaber lau­ tende Zinskoupons ausgegeben, in welchen es hieß: il sera paye au porteur 7 Bub. 50 Kop. met. ä St. Petersbourg au siege de 1’Admini­ stration ou 30 frcs. = £ 1 4 sh. = 24 Mk. 60 Pf. ä l’etranger chez les banquiers de la Societe. Le Directeur pp. 7 Bub. 50 Kop. met. — 30 frcs. = 1 £ 4 sh. = 24 Mk. 60 Pf. Die Emission war in der Weise erfolgt, daß die Beklagte 5500 Stück dieser Schuldverschreibungen unter Einräumung des Optionsrechtes noch für einen weiteren Betrag, sodaß damit die ganze Anleihe bei­ nahe erschöpft wurde, der Direktion der Diskontogesellschaft und der Berliner Handelsgesellschaft,,beide Institute zu Berlin domiziliert, fest verkauft und sich gegen dieselben verpflichtet hatte, die Zinskoupons und die zur Auslosung gelangenden Schuldverschreibungen ausschließ­ lich bei diesen beiden Instituten zahlbar zu machen und ihnen die zur Einlösung erforderlichen Mittel 14 Tage vor Verfall zu über­ weisen. Diese beiden Institute hatten aber im Juni 1884 die Schuld­ verschreibungen in Berlin mittels öffentlicher Stellung zur Sub­ skription auf Grund eines Prospektes verkauft, in welchem sie diese von der Beklagten übernommene Verpflichtung zur Kenntnis brachten. Am 20. Mai 1885 erging in Rußland eine Kaiserliche Verord­ nung, „betreffend die Besteuerung der Einkünfte aus Geldkapitalien". Danach wird die Steuer insbesondere „von den Einkünften aus ver­ zinslichen Papieren, und zwar aus Staats-, Kommunal- und Privat­ papieren aller Bezeichnungen" erhoben. In betreff der Erhebungs­ art ist für die Steuer von aus zinstragenden Papieren, die von öffentlichen oder privaten Instituten emittiert sind, resultierenden Ein­ nahmen bestimmt, daß sie von der vollen Summe des periodischen Zinsenertrages erhoben werde, der auf die in Umlauf befindlichen

4.

Ausländische Kouponsteuer.

21

Papiere entfalle, und daß sie durch die erwähnten Institute im Ver­ laufe eines Monates, von dem für die Auszahlung der festgesetzten

Zinsen ab gerechnet, an die Rentei zu entrichten sei.

„Hiernach —

heißt es — behalten die genannten Institute die von ihnen an den

Fiskus eingezahlte Steuer den Empfängern der Zinsen ein".

Von

der Veranlagung waren bestimmt bezeichnete Papiere wegen der auf Grund ihrer Emissionsbedingungen zugesicherten Steuerfreiheit aus­ geschlossen.

Zu denselben gehörten aber die Schuldverschreibungen der

Beklagten nicht. Seit Erlaß dieser Verordnung Zinsen

der

fraglichen

hat die Beklagte die auf die

Schuldverschreibungen

entfallenden

Steuer­

beträge den Zinskouponsiuhabern von den auszuzahlenden Beträgen gekürzt und nur den entsprechend geringeren Betrag den beiden Ber­

liner Bankinstituten zur Verfügung gestellt.

Kläger, als Inhabereiner größeren Anzahl solcher im April 1887 fällig gewordenen Zins­ koupons, erachtet diesen Abzug nicht für berechtigt und hat auf Aus-

zahlung der auf die Steuer einbehaltenen Beträge entsprechend einem bei der Präsentation in Berlin gemachten Vorbehalte gegen die Be­ klagte in Berlin, wo die Beklagte auch Vermögen hat, Klage erhoben.

Die Beklagte wurde nach dem Klagantrage verurteilt, und das Reichs­ gericht hat ihre Revision gegen das ihre Berufung zurückweisende Ur­ teil zweiter Instanz zurückgewiesen.

Gründe: „Die Begründung des in Entscheidungen des Reichsgerichtes in Civilsachen Bd. 9 S. 3 flg. abgedruckten Urteiles

Eigentümlichkeiten des

beruhte auf beit

österreichischen Steuergesetzes.

Dort ist die

sogenannte Kouponsteuer in ein Steuergesetz einbezogen, dessen Prinzip die Besteuerung des Einkommens, nicht des Ertrages, unter ausschließ­ licher Steuerpflicht der Inländer ist.

Deshalb wurde angenommen,

daß die nach jenem Gesetze den österreichischen Einkommensteuer­ pflichtigen als Äquivalent für ihre Pflicht der Besteuerung der Ein­ nahmen ohne Abzug der darauf ruhenden Schuldzinsen gewährte Be­

rechtigung, um diesen Betrag die Gläubigerforderungen zu kürzen,

soweit diese auf ausländische Gläubiger zu wirken bestimmt ist, eine unter Eingreifen in das privatrechtliche Verhältnis zwischen Schuld­

ner und Gläubiger dem ersteren gewährte Schuldverminderung sei,

da jene Steuerzahlung nicht als Zahlung einer Steuerschuld des Gläu-

22

4.

Ausländische Kouponsteuer.

bigers, der nach dem Gesetze als Ausländer nicht steuerpflichtig fei,

angesehen werden könnte.

Der Revisionsbegründung muß nun zu­

gegeben werden, daß diese Auffassung auf die hier zu beurteilende russische Verordnung keine Anwendung erleidet, und daß die entgegen­ stehende Annahme des Berufungsgerichtes ungeachtet der Bestimmungen

der §§. 525. 511 C.P.O. nach der Art ihrer Begründung der Prü­ fung und Beseitigung seitens des Revisionsgerichtes zugänglich ist.

In der That beruht die Annahme des Berufungsgerichtes nicht auf dem Inhalte des russischen Gesetzes, das ganz unzweifelhaft, wie auch

das Berufungsgericht gar nicht leugnen will, die Einkünfte aus Geld­ kapitalien, die Einnahmen aus zinstragenden Papieren, die vom Staate oder von öffentlichen oder privaten Instituten emittiert sind, zum Gegenstände hat, sondern auf ganz allgemeinen, aus Grundsätzen des

Privatrechtes hergenommenen Erwägungen, daß nämlich das vom Schuldner zur Zahlung der Zinsen des ihm geliehenen Kapitales be­ stimmte Geld, solange es an den Gläubiger noch nicht ausgezahlt

sei, noch im Eigentume des Schuldners bleibe, und daß der Gläu­ biger sich, solange er noch nicht bezahlt sei, für seine Befriedigung

an jedes Objekt des Schuldners, nicht bloß an vom Schuldner etwa bereits für die Zahlung bestimmte Geldstücke, halten könne. Deshalb soll der russische Staat, wenn auch das Gesetz die Einkünfte aus den Geldkapitalien als das Stenerobjekt bezeichnet habe,

Schuldner dieser Beträge haben besteuern wollen. ist prinzipiell unrichtig,

doch nur den Diese Auffassung

indem sie mit civilrechtlichen Begriffen ope­

riert, wo allein öffentlichrechtliche, speziell finanzrechtliche, in Betracht

kommen, und verkennt durchaus den Begriff einer Kouponsteuer. Für den steuerrechtlichen Gesichtspunkt kommen Kapital und Einkünfte nur als wirtschaftliche Größen, nicht als Sachgüter im privatrechtlichen

Sinne in Betracht.

Gewiß ist es vom Standpunkte des privatrecht­

lichen Begriffes eines Sachgutes aus der Schuldner, welcher das

Kapital hat, es benutzt und seinen Ertrag zieht, und der Gläubiger,

welcher nur das persönliche Forderungsrecht hat, tritt dadurch in keine Beziehung zu den Sachgütern, welche zum Vermögen des Schuldners

gehören oder um welche dieses durch das vom Gläubiger gegebene

Darlehn vermehrt worden ist. Aber die Kapitalrentensteuer hat gerade die Kapitalsforderungcn zum Steuerobjekte, und sie wird in Doktrin und Praxis damit gerechtfertigt, daß die Forderungsrechte

einen ganz wesentlichen Faktor in der Verteilung des nationalen Ver­

mögens ausmachen, daß der Gläubiger an dem Ertrage, welchen der

Schuldner bezieht,

nach Verhältnis seiner verzinslichen Forderung

teilnimmt, folglich auch entsprechend dieser Teilnahme an der Steuer­

last teilnehmen müsse.

Insbesondere aber ruht nach der Tendenz der

Kouponsteuer, mittels welcher die vom Staate oder von in demselben

wohnhaften anderen Emittenten ausgegebenen, zur Cirkulation be­

stimmten zinstragenden Papiere der Ertragssteuer unterworfen sind, dieselbe gerade auf diesen Papieren,

sodaß mittels derselben auch

ausländische Besitzer solcher Effekten erfaßt werden sollen, und als die Steuerpflichtigen gelten die Inhaber solcher Effekten, während die Einziehung dieser Steuer nur ohne weiteres an der Steuerquelle, nämlich bei dem Schuldner, erfolgt.

Vgl. Vocke, Über Kapitalrentenbesteuerung rc in Zeitschrift für

der Tübinger

Staatswissenschaft Jahrg. 1868 S. 59—61. 73;

Adolph Wagner (7. Ausgabe des Rau'schen Lehrbuches), Finanz­

wissenschaft Tl. 2. S. 316 flg.; Derselbe in Schönberg, Hand­ buch der politischen Ökonomie Bd. 3: Finanzwissenschaft und Ver­ waltungslehre S. 267 flg.; Roscher, Finanzwiffenschaft S. 352. 353; Saling, Börsenpapiere 4. Aufl., bearbeitet von Siegfried

Bd. 1 S. 72 flg. Daß aber die durch die hier in Rede stehende russische Verord­

nung eingeführte Steuer eine wahre Kouponsteuer ist,

kann nach

ihrem Inhalte keinem Bedenken unterliegen, wie es denn auch in den

Kreisen der Interessenten ganz unzweifelhaft ist. Vgl. Saling, Börsenjahrbuch 1886/87 Bd. 2 S. 140.

Es handelt sich demnach für die Entscheidung des vorliegenden Streites um die Beantwortung der beiden Fragen, hiesigen Richters

ob seitens des

die vom russischen Staate nach Emission der hier

in Betracht kommenden Papiere auf dieselben gelegte Steuerschuld als den Kläger, der die klagend geltend gemachten Papiere zur Einlösung präsentiert hat und hier ihre Bezahlung verlangt, verbindend anzu­ erkennen ist, in welchem Falle dann die Beklagte seine Schuld be­

zahlt hätte, oder ob, wenn dies zu verneinen ist, doch nach dem rechts­

geschäftlichen Verhältnisse des Emittenten zum Gläubiger unter dem Gesichtspunkte von Treu und Glauben etwa der letztere gebunden

schiene, jene Zahlung, die für den Schuldner unentrinnbarer Zwang

ist, als ihn berührend gelten zu lassen. auch

Was die erste Frage anlangt, so ist freilich die Kouponsteuer, wenn man von Österreich absieht, noch in anderen Ländern,

insbesondere in Italien und England,

und zwar für einheimische

Papiere ohne eine Ausnahme zu Gunsten ausländischer Besitzer, in Geltung,

und ihre Berechtigung gerade in betreff ihrer Erstreckung

wird in Deutschland von hervorragenden

auf ausländische Besitzer

Schriftstellern vertreten und damit begründet, daß, wenn der Aus­ länder sein Kapital im Jnlande fruchtbringend anlege,

er alsdann

auch zur Befriedigung der Bedürfnisse des Staates, dessen Existenz

und Einrichtungen er den Ertrag verdanke, beitragen müsse. Vgl. Bocke, a. a. O. S. 73; Adolph Wagner, Finanzwissen­

schaft a. a. O. S. 316; Roscher, a. a. O. S. 552.

Diese Umstände genügen indessen nicht zur Annahme einer allgemei­ nen Überzeugung von der Gerechtigkeit dieses Besteuerungsprinzips, auf Grund deren sich solche Besteuerung seitens des Staates, der selbst emittiert hat oder dem der Emittent angehört, mittels des inter­ nationalen Rechtsprinzipes des gegenseitigen Entgegenkommens civil!-

sierter und in Frieden lebender Staaten — der sogenannten comitas — schlechthin Anerkennung auch seitens jedes anderen Staates, wenn dieser in die Lage kommt, in Bethätigung seiner Rechtsordnung über

die Verbindungskraft jener Steuerauflage zu entscheiden,

erzwingen

könnte. Die Verteilung einer Ertragssteuer auf denjenigen, der mit gegen

Verzinsung geliehenem Kapitale produziert, und den Darleiher des Kapitales erscheint wie ein einfaches und rationelles Prinzip, wenn

beide

dem Lande angehören,

in welchem der Ertrag gemacht wird,

da sie eben dann beide als Angehörige dieses Staates verpflichtet sind, zu seiner Erhaltung verhältnismäßig beizutragen, und die ein­

zelne Steuer nur ein Glied des ganzen im Lande herrschenden Steuer­ systemes ist, durch welches der einzelnen Steuer erst ihre richtige Be­

deutung zugewiesen wird.

ausländischer Darleiher

zu

Der Begründung der Heranziehung auch dieser Steuer

vom

Standpunkte einer

steuerlichen Gerechtigkeit, vgl. übrigens Roscher, a. a. O. S. 556 Note 12,

4.

25

Ausländische Kouponsteucr.

steht aber ganz erheblich die unleugbare wirtschaftliche Erscheinung entgegen, daß, wenn bei bereits im Staate in Geltung befindlicher

Kouponsteuer der Staat selbst oder ein anderer verzinsliche Papiere

ausgiebt,

es, sofern das Vorhandensein der Steuer nicht geradezu

verschwiegen bleibt, dem Emittenten, der sich mit seiner Emission an

das Ausland wendet, gar nicht gelingt, die Steuer auf den Gläu­ biger abzuwälzen, weil ihm der Übernahmepreis bereits entsprechend

vermindert wird, und ebenso bei Einführung oder Erhöhung einer Kouponsteuer nach erfolgter Emission für die dem derzeitigen In­

haber folgenden Erwerber der bestimmten Effekten die Steuer gar nicht mehr als eine Besteuerung ihrer Kapitalrente wirkt, weil bereits

in dem Erwerbspreise,

den sie zahlten, die Minderung des Zinsen­

ertrages durch die Steuer zur Geltung kam.

Was in betreff der Steuerpflicht der für eine allgemeinere Cir­ kulation bestimmten Verkehrspapiere, sofern sie im Auslande cirku-

für allgemein als gerecht anerkannt gelten soll, das müßte,

lieren,

auch wenn aus Zweckmäßigkeitsgründen die Steuer auf solche Papiere

beschränkt wird, prinzipiell seine Rechtfertigung auch für jede Forde­

rung eines ausländischen Gläubigers, die gestundet uild verzinslich

ist, sofern der Schuldner nur thatsächlich den Zinsenbetrag aus einen: Gewerbe oder der Bewirtschaftung eines Grundstückes erringen will,

finden.

Der Begriff eines „Angelegtseins des Kapitales des Gläu­

bigers im Unternehmen des Schuldners", wenn man ihn überhaupt für ein wahres Schuldverhältnis, bei dem das Zinsrecht des Gläu­ bigers vom Ertrage des Schuldners unabhängig ist, anwenden will,

paßt ebensogut auf jedes solches Forderungsrecht.

Es möchte doch

aber wohl sehr großes Bedenken erregen, es für natürlich zu halteu,

daß der auswärtige Kaufmann, der dem inländischen den Kaufpreis für gelieferte Waren gegen Verzinsung, vielleicht regelmäßig bis zu bestimmten Abrechnungsterminen, kreditiert, deshalb vom inländischen

Staate nach Verhältnis seiner Forderung zu der Steuer herangezogen würde, welche der Staat im Interesse seiner Erhaltung auf die in seinem Bereiche gezogenen Erträge legt. Gegen die Auffassung der Kouponsteuer als einer vom inter­

nationalen Rechtsverkehre als recipiert zu behandelnden Steuer spricht ferner insbesondere der Umstand, daß es an einem Zügel für das vom

fremden Staate

anzuwendende Steuermaß fehlt,

indem

das

Steuerrecht schließlich auf eine wirkliche Einziehung des Privateigen­ tums zu Staatsbedürfnissen hinauskommen kann.

In dem Umstande,

daß die Steuer in gleichem Maße auch den Angehörigen des be­

steuernden fremden Staates auferlegt sein müßte, kann kein zuver­

lässiges Zügelungsmittel gefunden werden, da in geldarmen Ländern

die Anleihen gerade auf das Kapital des Auslandes gerichtet sind, die sogenannte Gleichheit der In- und Ausländer vor dem Steuerge­

setze daher eine bloß theoretische zu sein braucht, wie denn im vor­

liegenden Falle die Anleihe sicher ganz vorwiegend in Deutschland

untergebracht ist, sodaß die Wertsminderung infolge der Steuerein­ führung hauptsächlich Deutsche getroffen hat.

Erheblich kommt aber noch in Betracht, daß es in Deutschland

keine Steuer, welche den Ausländer für seine mittels Begründung

von Gläubigerrechten bewirkte Kapitalanlage im Jnlande träfe, ins­

besondere auch keine Kouponsteuer, giebt. Vgl. die Motive zum Entwürfe des Gesetzes betr. die Beseitigung

der Doppelbesteuerung, Drucks, des Norddeutschen Reichstages von

1870 Bd. 4 S. 103. Die beiden preußischen Gesetzentwürfe, betreffend die Einkommensteuer und die Einführung einer Kapitalsteuer, welche am 17. Dezember 1883

dem preußischen Landtage vorgelegt wurden, vgl.

Drucks,

des

preuß. Abgeordnetenhauses

XV. Legisl. - Per.

83/84 2. Session Bd. 2 Nr. 42, haben nach den §§. 1. 9 des erstgedachten Entwurfes zur Voraus­ setzung, daß der Berechigte in betreff der als Einkommen aus Kapi­

talvermögen geltenden, der Kapitalrentensteuer unterliegenden Zinsenund Rentenbezüge preußischer Staatsangehöriger ist oder in Preußen wohnt bezw. sich aufhält.

Ohne Rücksicht auf solche volle oder zeit­

weise Staatsangehörigkeit sind Personen nur mit Einkommen aus in

Preußen belegenem Grundbesitze oder daselbst betriebenem Gewerbe, worunter aber nur die Einkünfte des Gewerbetreibenden selbst unter

Abzug der von demselben zu zahlenden Schuldzinsen verstanden wer­

den, steuerpflichtig (§§. 3. 5. 11).

In den Motiven zum zweitgedachten

Entwürfe (S. 27. 28 a. a. O.) werden

die Gründe besonders ent­

wickelt, weshalb von der Einführung einer Kouponsteuer trotz der Einfachheit des Steuerverfahrens und der Erfassung ausländischer

4.

27

Ausländische Kouponsteuer.

Besitzer inländischer Effekten durch dieselbe abgesehen werde, und es wird hierfür besonders hervorgehoben, daß bei schon ausgegebenen

Papieren die sogenannte Steuerlast als Wertsminderung der Papiere für den Weiterverkauf allein den derzeitigen Besitzer treffe, für die Ausgabe von nicht durchaus marktgängigen Papieren die der Koupon­

steuer eigentümliche Erhebung der Steuer beim Schuldner aber gerade­ zu die Überwälzung der Steuer auf den Schuldner provoziere. Bei dieser Lage der deutschen Gesetzgebung enthielte das an den deutschen

Richter gestellte Verlangen der Anerkennung der fremden Steuer, so­

weit es zu Lasten von Deutschen gestellt wird, die Zumutung, unsere

Staatsangehörigen zu Gunsten einer Auslandssteuer, von der Aus­ länder bei uns frei sind, für unseren Staat minder steuerkräftig zu

machen. Als der richtige rechtliche Gesichtspunkt für den Umfang, in welchem

wir eine Steuerhoheit des fremden Staates in zur hiesigen Entscheidung stehenden Privatrechtsstreitigkeiten anzuerkennen haben, kann nur er­

achtet werden, daß nur insoweit der Staat jemandem wirksam eine

Steuer auferlegen kann, als er auch die Machtmittel besitzt, sie von ihm einzuziehen.

Demnach wird die Begründung der Steuerpflicht

gegen einen Staat sowohl für demselben Angehörige in engerem wie

in weiterem Sinne wie in bezug auf die Einkünfte aus dem Besitze

eines Grundstückes oder dem Betriebe eines Gewerbes auch für Fremde,

lvenn das Grundstück in dem Staate liegt oder für ihre Rechnung daselbst das Gewerbe betrieben wird, anzuerkennen sein, und unter den

Gewerbebetrieb für Rechnung des Fremden wird jede gesellschaftliche Beteiligung desselben daran,

diesen Begriff im weitesten Sinne ge­

nommen, sodaß auch der Aktionär darunter fällt, zu begreifen sein.

Von einer Steuerpflicht, die lediglich auf ein Forderungsrecht, das jemand als Gläubiger gegen den Staat oder einen in demselben eine

Wirtschaft oder ein Gewerbe betreibenden Schuldner hat, gegen diesen Staat begründet würde, nach

kann aber nur dann die Rede sein,

wenn

der Natur des Schuldverhältnisses der Gläubiger die Zinsen

innerhalb des

besteuernden Staates einziehen muß.

man davon ausgehen,

Alsdann kann

daß der betreffende Staat auch die Macht­

mittel haben werde, dem Gläubiger bei dem Einziehungsgeschäfte den Steuerbetrag abzunehmen, auch wenn dies nur in der Weise geschieht,

daß der Betrag dem im Machtbereiche des Staates befindlichen Schuld-

28

4.

Ausländische Kouponsteuer.

ner abgenommen wird, die Gerichte des Staates aber, vor welche der

Gläubigeranspruch eben, weil der Betrag in jenem Staate selbst ein­

zuziehen, naturgemäß gehört,

entsprechend dem für sie maßgebenden

Steuergesetze die Zahlung als eine für Rechnung des Gläubigers als

des Steuerpflichtigen erfolgte anerkennen. Dagegen trifft dies nicht zu, wenn nach dem Inhalte des Rechts­ verhältnisses die Zinszahlungspflicht beim Gläubiger in dessen Lande

zu erfüllen ist.

Alsdann vermag der fremde Staat dem Gläubiger

den Steuerbetrag nicht abzunehmen, und er vermag die Entnahme des Steuerbetrages beim Schuldner als eine vom Schuldner für Rech­

nung des Gläubigers erfolgende Zahlung mit Wirkung nur insoweit zn qualifizieren, als der Zinsanspruch bei seinen Gerichten verfolgt

wird, während er bei einer der Erfüllungspflicht beim Gläubiger ent­

sprechenden Verfolgung des Anspruches vor den Gerichten des Landes

des Gläubigers auf die Anerkennung

jener Qualifizierung seitens

dieses Landes angewiesen ist. Run handelt es sich allerdings bei der Kouponsteuer nicht uni individuell bestimmte Gläubiger.

nämliche.

Denn die

ziehende Folgerung,

hieraus

Gleichwohl ist das Ergebnis das

insbesondere für Jnhaberpapiere zu

daß die Gläubigerschaft, welche im Papiere be­

ruhe, einheitlich bestimmt werden müsse und in betreff ihrer territoria­

len Angehörigkeit nur nach dem Lande, in dem der Emittent sein Unternehmen betreibt, bestimmt werden könne, sodaß die vorliegen­ den Papiere russische wären, trifft nicht zu, wenn die Papiere nach Wahl der Inhaber auf eine Präsentation und Zahlung außerhalb dieses Landes gestellt sind.

Alsdann sind diese Papiere internatio­

nale und entsprechend der Thatsache,

daß bei Ausübung der Wahl

durch Präsentation außerhalb des Staates, dem der Emittent ange­

hört, diesem Staate die Einwirkung auf das Einlösungsgeschäft ent­ zogen ist, empfangen die Papiere gemäß dem Orte ihrer Präsentation

die für die Feststellung des Machtbereiches der Steuergewalt maß­

gebende territoriale Bestimmtheit.

Ob alsdann zur Begründung der

den Präsentanten treffenden Steuerpflicht doch noch die Behauptung

rechtserheblich wäre, daß der Präsentant selbst oder derjenige, für dessen Rechnung er handle, dem Staate angehöre,

der die Steuer

aufgelegt hat, kann hier unerörtert bleiben, weil im vorliegenden Falle

eine solche Behauptung nicht aufgestellt ist.

Darüber aber, daß die vorliegenden Papiere diesen internatio­ nalen Charakter haben, kann ein Zweifel nicht obwalten.

ans

festbestimmte Beträge

Sie sind

sowohl in Rubeln wie in Reichsmark,

in Francs und in Pfund Sterling ausgestellt und sowohl am Sitze der Verwaltung der Emittentin in Petersburg wie bei Bankiers des Aus­

landes, welche die Emittentin zu bestimmten Zeiten namhaft zu machen sich verpflichtete, zahlbar gestellt. Der bei weitem größte Teil der

ganzen Anleihe wurde durch zwei Berliner Bankinstitute von Berlin aus unter ausdrücklicher Hervorhebung, daß sich die Emittentin ihnen gegenüber verpflichtet hatte, die Zinskoupons wie die zur Rückzahlung

gelangenden Obligationen ausschließlich bei diesen beiden Bankinsti-

titten zahlbar zu machen, zur Subskription gestellt.

Daß die hier geltend gemachten Gesichtspunkte den Gläubiger der Steuerauflage des fremden Staates nicht zu entziehen vermögen, wenn

der fremde Staat selbst der Schuldner aus von ihm emittierten Papieren ist, weil der fremde Staat der hiesigen Gerichtsgewalt überhaupt nicht unterworfen werden kann,

vgl. Rassow und Küntzel (Gruchot), Beitr. Bd. 26 S. 289 flg., kann ihre Ainveudung auf andere Schuldner nicht hindern.

Über­

haupt ist es sehr wohl denkbar, daß auch, abgesehen von dieser Ex-

emtion des fremden Staates von der diesseitigen Gerichtsgewalt, für

den fremden Staat als Schuldner andere Gesichtspunkte Platz zu greifen hätten, weil auch diesseits anzuerkennen wäre, daß ein Staat in für seine Gläubiger rechtswirksamer Weise seine Verbindlichkeiten

unter anderen Voraussetzungen mindern kann, als dies einem ande­

ren Schuldner zustände. War hiernach die erste aufgestellte Frage zu verneine», so mußte

dies auch in betreff der zweiten geschehen.

Aus dem rechtsgeschäft­

lichen Verhältnisse der Emittentin zum Gläubiger läßt sich kein den letzteren zur Anerkennung des Abzuges verbindender Grund herleiten.

Daß die Emittentin dem russischen Gesetze unterliegt, ist ein Geschick, das ihr zu irgend einem vermögensrechtlichen Anteile abzunehmen der Gläubiger keine Verpflichtung hat.

Die Emittentin hat dem Gläu­

biger an Kapital und Zinsen feste Summen versprochen.

Daß sie

die Zinsen aus einem Geschäftsbetriebe in Rußland herauszuwirt­ schaften vermag, ist kein das Schuldverhältnis rechtlich affizierendes

30

4.

Moment.

Ausländische Kouponsteuer.

Treffen sie hierbei

unvorhergesehene Aufwendungen,

so

fallen diese ihr selbst bezw. ihren Aktionären, nicht den Obligations­ inhabern zur Last.

Insbesondere läßt sich die Erwägung, daß bei

der Bildung des Emissionspreises für Papiere, deren Emittent ein Ausländer ist oder im Auslande das zur Erzielung der erforderlichen

Zahlungen bestimmte Unternehmen betreibt, die größere Unsicherheit der Realisierung, welche eine Rechtsverfolgung im Auslande in sich

schließe,

bereits in Anschlag kamen,

nicht zu der Folgerung ver­

werten, daß unvorhergesehene Auflagen seitens des Auslandsstaates,

denen sich der Schuldner, weil er der Gewalt jenes Staates unter­ liegt, nicht entziehen kann, vom Gläubiger zu übernehmen sind.

An

der rechtlichen Verpflichtung des Schuldners, der nicht freiwillig zahlt, dem Gläubiger alle Aufwendungen zu ersetzen,

die er zweck­

mäßigerweise für die erfolgreiche Geltendmachung seines Anspruches iin Auslande zur Überwindung der sich ihm dort entgegenstellenden

Schwierigkeiten macht, kann nicht gezweifelt werden.

Nur die that­

sächliche Erschwerung einer Realisierung ist es, die bei der Preisbil­ dung in Anschlag kommt.

Einen Einfluß auf den rechtlichen Inhalt

der Verpflichtung vermag solche im Preise zum Ausdrucke kommende Wertschätzung nicht zu üben.

Wenn schließlich die Beklagte einwendet, Kläger erfahre durch ein Zusprechen der unverkürzten Zinsbeträge eine grundlose Bereiche­

rung und sein Anspruch sei ein doloser, da er die Zinskoupons erst

nach Auferlegung der Steuer, und zwar zu einem Preise, bei welchem

die auf ihnen ruhende Steuerlast bereits in Anrechnung gebracht sei, gekauft habe, so ist nach dem Wesen des Jnhaberpapieres für einen

solchen Einwand kein Raum. papieres

Mittels des Erwerbes des Jnhaber­

erwirbt der neue Inhaber das volle, durch dasselbe ver­

briefte Recht.

Ob bei dem Erwerbe vom Vorbesitzer der Umfang

dieses Rechtes geringer, als er in Wirklichkeit ist, angenommen wor­

den und dies bei der Festsetzung des Preises von Einfluß gewesen, ist für den Schuldner des Jnhaberpapieres eine gänzlich unerhebliche

Thatsache.

Daß mittels solchen Erwerbsaktes der Veräußerer sich

eine Einschränkung des Inhaltes der Verpflichtung zu Gunsten des

Schuldners vom Erwerber hätte versprechen lassen, davon kann nicht

die Rede sein.

Ebensowenig hat der Veräußerer von den verbrieften

Rechten etwas zurückbehalten.

Die Sachlage ist also rechtlich ganz

5.

Entschädigung für Rayonbcschränkungen.

Hinterlegung.

31

dieselbe, wie wenn der jetzige Anspruch von demjenigen erhoben würde,

der die Zinskoupons

zur Zeit des Erlasses des russischen Steuer­

gesetzes besaß."

5.

Muß sich im Falle der Beschränkung des Grundeigentumes auf

Grund des Reichsrayongesetzes vom 21. Dezember 1871 der Eigen­ tümer

die Hinterlegung der Kapitalsentschädigung gefallen

lassen,

wenn auf dem betreffenden Grundstücke Reallasten, Hypotheken oder Grnndschulden haften? V. Civilsenat.

Urt. v. 26. September 1888 i. S. M. (Kl.) w. Reichs­

fiskus (Bekl.). I. II.

Rep. V. 140/88.

Landgericht Thorn. Oberlandesgericht Marienwerder.

Die vorstehende Frage ist verneint worden aus fvlgendeit Gründen: „Für die Revisionsinstanz handelt es sich in dieser Sache nur

um die Entscheidung der Rechtsfrage, ob die Kapitalsentschädigung, welche der Klägerin auf Grund des Reichsgesetzes vom 21. Dezember

1871, betreffend die Beschränkungen des Grundeigentumes in der Um­

gebung von Festungen, zugesprochen ist für die Einbeziehung von ihr gehörigen Grundstücken in den ersten Rayon eines neu erbauten Forts

der Festung Thorn, wegen der auf diesen Grundstücken eingetragenen Hypotheken gegen den Widerspruch der Klägerin und lediglich auf

den Antrag des Beklagten mit befreiender Wirkung für diesen zu

hinterlegen ist.

Der Berufungsrichter hat diese Frage int Gegensatze

zum ersten Richter bejaht und die Klägerin verurteilt, anzuerkennen, daß sie durch die Hinterlegung bezüglich ihres Anspruches abgefun-

den sei. Es mußte auf die eingelegte Revision der Ansicht des ersten Richters beigetreten werden.

Das

angezogene Gesetz vom 21. Dezember 1871

gedenkt der

Rechte Dritter nur in schient §. 37:

„Welche Rechte anderen Realberechtigten an der Entschädigung zu­ stehen, bestimmt sich nach den Landesgesetzen."

32

5.

Entschädigung für Rayonbeschränkungen.

Hinterlegung.

Diese Vorschrift schließt sich an die Weisung des vorhergehen­ den Paragraphen, es werde die in Rente zn zahlende Entschädigung abgefiihrt an den jeweiligen im Rayonkataster bezeichneten Besitzer

des Grundstückes, welchem die Beschränkung auferlegt ist. Das Rayonkataster wird nach

§. 9 a. a. O. sofort nach Ab­

steckung der Rayonlinie von der Festungskommandantur aufgestellt und enthält unter Bezugnahme auf den Rayonplan, welcher die Rayon­

linien, Lage und Nummer der Grenzmarke und die Lage, Benutzungs­ weise und Beschaffenheit der einzelnen, in den Rayons belegenen Grund­

stücke erkennbar zu machen zur Aufgabe hat, 1. die Namen der Besitzer der einzelnen Grundstücke,

2. die Beschreibung der betreffenden Baulichkeiten,

3. Vermerke über Entschädigungsberechtigung bei etwa stattfinden­ der Demolierung.

Rayonplan und Kataster werden sodann öffentlich ausgelegt und nach Prüfung der eingegangenen Einwendungen definitiv festgestellt und zur öffentlichen Kenntnis gebracht (§. 11 a. a. O.).

Die Komman­

dantur hat dafür Sorge zu tragen, daß spätere Veränderungen, auch

im Besitze, nachgetragen werden (§. 12 a. a. O.). Daß diese im Rayonkataster gegebene Bezeichnung des Besitzers

trotz aller Sorfalt die Möglichkeit offen läßt, daß der bezeichnete Be­ sitzer nicht der wirkliche Eigentümer ist, läßt sich nicht verkennen.

Der §. 36 a. a. O. an sich und in seiner Verbindung mit dem folgen­ den §. 37 hat also jedenfalls den Zweck, dem Reichsfiskus die Be­

freiung von seiner Entschädigungsverpflichtung zu sichern, wenn er die Entschädigung zahlt an den nach der Bezeichnung des Rayon­ katasters sich ergebenden Grundstücksbesitzer.

Es ist zwar im §. 36

ausdrücklich nur von Zahlung einer Rente die Rede.

Gemeint ist

aber auch der Fall, wenn es sich um die Gewährung der Entschä­

digung in Kapital handelt.

Diese Art der Entschädigung soll nach

§. 36 Abs. 1 (vgl. auch §. 40 letzter Absatz) geleistet werden, wenn

die durch die auferlegte Beschränkung bewirkte Wertsverminderung des Grundstückes mindestens ein Drittel des bisherigen Wertes beträgt und der Besitzer die Kapitalsentschädigung verlangt.

Ohne dieses

Verlangen bleibt es bei der Rente, also auch in dem Falle, in wel­ chem wegen der Wertsverminderung um mehr als ein Drittel die Sicherheit der auf dem Grundstücke eingetragenen Hypotheken, die

nach dem preußischen Rechte (§. 188 A.L.R. I. 14) bei Landgütern

nur innerhalb der beiden ersten Drittel des Wertes gegeben ist, ge­

fährdet sein kann.

Weil nun auch unter dem „Besitzer", welchem in

deni gesetzten Falle die Wahl überlassen ist zwischen Rente und Kapital, nur der Besitzer nach Ausweis des Rayonkatasters verstanden werden kann, so darf man davon ausgehen, es habe das Gesetz mit der Vor­

schrift, es sei die Rente an jenen Besitzer zu zahlen, jede Art der

Entschädigung gemeint, unter der Regel auch den nur durch den Willeit des Besitzers enstehenden Ausnahmefall einbegreifend. Der Zweck der beiden §§. 36. 37 ist aber nicht erschöpft dadurch,

daß der Reichsfiskus durch die Bezeichnung der Person, an welche die Entschädigung gezahlt werden soll, gesichert wird gegen Ansprüche

anderer Eigentumsprätendenten, wie solches schon vom Reichsgerichte, vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 17 S. 35,

angenommen worden ist, sondern auch in dem Falle, in welchem ding­ lich Berechtigte im engeren Sinne, wie hier Hypothekengläubiger, bei

der Wertsverminderung des Grundstückes und der dafür zu zahlen­

den Entschädigung interessiert sind, soll die Verpflichtung des Reichs­ fiskus, wenigstens für das preußische Recht, erfüllt sein durch die Zahlung der Entschädigung an den im Rayonkataster bezeichneten

Besitzer.

Das preußische Enteignungsgesetz vom 11. Juni 1874 bestimmt zwar in §. 37, daß der Unternehmer verpflichtet sei, die Entschädigungssuinme zu hinterlegen, wenn Reallasten, Hypotheken oder Grundschul-

den auf dem zur Enteignung bestimmten Grundstücken haften, und es versteht nach §§. 1. 2 a. a. O. unter dem Oberbegriffe Enteignung sowohl

den Fall der Eigentumsentziehung wie auch den der dauernden Be­

schränkung des Eigentumes, obwohl diese Unterscheidung nicht immer festgehalten, sondern auch der Ausdruck der Enteignung namentlich da gebraucht wird, wo es sich nur um eine Entziehung handelt (vgl.

z. B. §. 44). Geht man aber auch davon aus, daß unter der vorgesehenen Voraussetzung die Verpflichtung zur Hinterlegung der Entschädigung auch iin Falle der bloßen Beschränkung besteht, so folgt daraus doch nicht dieselbe Verpflichtung für den Reichsfiskus im Falle der Auf­

erlegung einer Rayonbeschränkung, und zwar selbst dann nicht, wenn man in der letzteren da, wo dafür eine Entschädigung im Gesetze E. d. R.G. Entsch. in Civil!. XXII.

3

34

5.

Entschädigung für Rayonbeslbränkungm.

gewährt wird,

Hinterlegung.

den rechtlichen Charakter einer Enteignung erblickt.

Denn es fehlt an einem gesetzlich bestimmten Verfahren,

wie es im

Enteignungsgesetze vorgeschrieben ist und dem Unternehmer die Mög­ lichkeit bietet, sich sichere Kenntnis zu verschaffen, und zwar mit Hilfe

der ihm dieserhalb vom Gesetze erteilten Berechtigung und der behörd­

lichen Ermittelungen und Feststellungen (vgl. §§. 24 Abs. 3. 25 a. a. O.),

ob der Fall vorliegt, in welchem ihn das Gesetz zur Hinterlegung verpflichtet. Das Rayongesetz läßt in seinem §. 41 letzter Absatz nur im Falle der „Enteignung", worunter nur der der Eigentums entziehung verstanden werden kann, das in den Landesgesetzen geordnete

Verfahren eintreten.

Bezüglich der bloßen Rayonbeschränkung be­

wendet es bei dem Verfahren,

wie es im Rayongesetze geregelt ist,

da dem Reichsgesetze gegenüber nur in den von demselben besonders vorgesehenen Fällen das Landesgesetz Anwendung findet.

Dieses Ver­

fahren erfaßt aber in keiner Weise die Rechte der Realberechtigten,

soweit es sich nicht nm die Feststellung des Besitzers handelt.

Von

dein Zwecke und Inhalte des Rayonkatasters ist vorhin schon die Rede gewesen; dasselbe bietet keinen Platz für die Aufnahme der auf

dem betreffenden Grundstücke haftenden Lasten.

Das im Falle des

Streites über die Verpflichtung des Reichsfiskus zur Entschädigung

überhaupt oder über die Höhe des letzteren in §§. 39 flg. vorgeschriebene Verfahren hat, solange der Fiskus nicht zur Entziehung des be­ treffenden Grundstückes übergeht, gleichfalls nichts zu schaffen mit der Ermittelung der das Eigentum beschränkenden Rechte Dritter.

Für

diese Ermittelung gebricht es, solange nur eine Rayonbeschränkung

in Frage steht, an einer dem Fiskus im Gesetze gegebenen Berechtigung, sich der dafür nötigen Beihilfe anderer Behörden zu bedienen, die nur (in §§. 10. 11) vorgesehen ist, soweit die Aufstellung des Rayonplanes

und Rayonkatasters es erfordert.

Aus diesen Gründen und weil es auch an einem anderen preu­ ßischen Gesetze mangelt, welches die streitige Verpflichtung zur Hinter­

legung im vorliegenden Falle auferlegt, kann dem §. 37 a. a. O. neben

der bereits erwähnten nur noch die Bedeutung beigelegt werden, daß es der Initiative der anderen Realberechtigten überlassen bleiben müsse, ihre etwaigen nach Landesrecht zustehenden Rechte zur Geltung zu

bringen; solange

dies nicht

geschehen

und nicht in

entsprechender

Weise geschehen ist, muß der Reichsfiskus der Zahlungsvorschrift des

§. 36 nachkommen.

Es liegt hier, wie schon der erste Richter zu­

treffend hervorgehoben hat, die Sache ähnlich wie bei den im letzten

Absätze des §. 30 des Grunderwerbsgesetzes vom 5. Mai 1872 ge­ dachten Versicherungsgeldern, welche nach herrschender Ansicht, so­

lange nicht deren Beschlagnahme durch die Realgläubiger ausgebracht

ist, an den versicherten Grundbesitzer gezahlt werden können, ohne den

Zahler regreßpflichtig zu machen."

6.

Schließt die Vorschrift des Art. 227 Abs. 3 H.G.B., daß die Be­

stellung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen zn jeder

Zeit widerrnflich ist, Erfüllnngsanspruche eines abberufenen Vor­

standsmitgliedes aus einem bestehenden Dienstverträge aus? II. Civilsenat.

Urt. v. 12. Oktober 1888 i. S. A. (Bekl.) w. Aktien­ gesellschaft S. (Kl.)

I. II.

Rep. II. 223/88.

Landgericht Mannheim. Oberlandesgericht Karlsruhe.

Die Aktiengesellschaft „Professor Dr. Schweninger's Sanatorium

Schloß Heidelberg" wird nach ihrem Statute durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten, und dieser besteht alls minde­

stens zwei Personen, welche von dem Aufsichtsrate ernannt worden. Zum Mitgliede dieses Vorstandes wurde der Begründer des Schloß­

hotels

in Heidelberg, von welchem die genannte Gesellschaft diesen

Gasthof gekauft hatte, A. ernannt. Durch Vertrag zwischen dem Aufsichtsrate und A. von, 16. Mai 1886 wurde letzterer als Direktor der genannten Gesellschaft engagiert

und ihm damit der wirtschaftliche Betrieb des Hotels und der Schloß­

restauration, sowie des zu errichtenden Sanatoriums übertragen.

Als

Gegenleistung für seine Dienste als Direktor wurden ihm gewisse

Tantiemen vom Reingewinne zugesagt und ferner besagt §.14:

„Er erhält außerdem freie Wohnung für sich und seine Familie und seine Schwiegermutter im Schloßhotel, ferner bürgerliche Ver3*

köstigung und 1000 c# per Jahr als Repräsentationsgelder.

Die

Auswahl der Wohnung erfolgt durch den Aufsichtsrat der Gesell­

schaft." Der Vertrag war auf die Dauer von 5 Jahren abgeschlossen.

Am 13. August 1887 wurde A. seiner Funktionen als Mitglied des Vorstandes enthoben und bald darauf ihm auch die wirtschaft­

liche Leitung entzogen.

Da er sich weigerte, seine Wohnung zu ver­

lassen, erhob die Gesellschaft Klage gegen ihn mit dem Begehren ans sofortige Räumung der Wohnung, welche der Beklagte in dem Schloß­

hotel innehatte. Diese Klage wurde vom Gerichte erster Instanz abgewiesen, vom Berufungsgerichte jedoch zugesprochen. Aus den Gründen:

. . . „Die Klage begründet den Anspruch

auf Räumung der

Wohnung des Beklagten damit, daß die Gesellschaft in Anwendung

des Art. 227 H.G.B. die Bestellung des Beklagten als Vorstand widerrufen und ihm

bald darauf auch die Leitung der Bewirt­

schaftung entzogen habe, daß aber der Beklagte die Wohnung im Schloßhotel in seiner Eigenschaft als Direktor und nur als solcher

innehabe,

folglich das Recht auf diese Wohnung verliere, sobald er

aufhöre, Vorstand zu sein. Der Vertreter der Revisionsbeklagten hat indessen noch

einen

weiteren rechtlichen Gesichtspunkt zu Gunsten der Klage geltend ge­ macht.

Er hat ausgeführt, daß sich der Wegfall jedes Erfüllungs-

anspruches des A. aus seinem Anstellungsvertrage, nachdem die

Gesellschaft ihren Rücktritt erklärt, schon aus der gesetzlichen Vor­ schrift

des Art. 227 H.G.B.

ergebe,

welcher

die

dem

Vorsteher

nach seiner Abberufung verbleibenden Rechte aus bestehenden Ver­

trägen auf Entschädigungsansprüche (wegen Nichterfüllung)

beschränke. Der Rücktritt von Verträgen, deren Hauptgegenstand Handlungen sind, ist auf Gefahr des Zurücktretenden, vorbehaltlich der Pflicht zur

Entschädigung, nach preußischem Landrechte zulässig (Allgemeines Land­

recht für die preußischen Staaten Tl. I Tit. 5 §§. 408 flg.), und der

Wortlaut des Art. 227 H.G.B. läßt es gerechtfertigt erscheinen, die

Frage aufzuwerfen,

ob nicht das Handelsgesetz mit der Bestimmung

6. Aktiengesellschaft.

37

in Art. 227 Abs. 3 den angeführten Grundsatz des preußischen Land­ rechtes sich aneignen wollte.

Im

Entwürfe

Diese Frage ist jedoch zu verneinen.

eines Handelsgesetzbuches

Staaten (1857) lautete der

für

die

preußischen

entsprechende Artikel des Aktienrechtes,

nämlich Art. 193 Abs. 2 des Entwurfes einfach dahin:

„Die Vorsteher können nur auf Widerruf bestellt werden.

Sie

können besoldet oder unbesoldet, Aktionäre oder andere sein."

Die Vorschrift ist dem Art. 31 Code de commerce entnommen, und die Motive zum preußischen Entwürfe bezeichnen die freie und un­ bedingte Widerruflichkeit der Vorsteher von Aktiengesellschaften als

eine notwendige Folge ihrer rechtlichen Stellung als der Beauftragten

der Gesellschaft und als zur Sicherung der letzteren unentbehrlich. Bei der Beratung der für ein allgemeines deutsches Handels­

gesetzbuch in Nürnberg bestellten Kommission wurde in der Sitzung vom 19. März 1857 (Tl. 1 der Protokolle S. 347) von einem Ab­

geordneten

eine

neue Fassung des Art. 193

des Entwurfes vor­

geschlagen, von welcher hier nur Abs. 3 zu erwähnen ist, lautend:

„Die Vollmacht ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der aus den zwischen dem Vorsteher und der Gesellschaft bestehenden Ver­

trägen entspringenden Rechte." Mit Rücksicht auf die große Anzahl der zu dem Artikel gemachten Änderungsvorschläge wurde zunächst beschlossen, die Redaktionskom­ mission um eine neue Vorlage bezüglich des Art. 193 zu ersuchen, und

in der Sitzung vom 9. November 1857 (Tl. 2 der Protokolle S. 1056) wurde vom Referenten eine neue Fassung vorgelegt,

Satze:

welche in dem

„Ihre Bestellung ist zu jeder Zeit widerruflich,

der Entschädigungsansprüche aus

unbeschadet

bestehenden Verträgen" ohne

Diskussion angenommen wurde. Aus diesem Inhalte der Vorberatungen folgt nichts dafür, daß für den Rücktritt von Anstellungs- oder Dienstverträgen der Vor­ stände ein bestimmter einheitlicher Rechtssatz aufgestellt oder bei dem

für Entschädigungsansprüche

Vorbehalt von einer

aus

bestehenden Verträgen gemachten

bestimmten Theorie in betreff des Rücktrittes

von Dienstverträgen ausgegangen wurde.

Auch hier sind vielmehr

wie bei den Handlungsgehilfen die kontraktlichen Rechte dem Landes­

rechte unterstellt worden, wenn eine vorzeitige Entlassung stattgefun-

6.

38

Aktiengesellschaft.

den hat, welche nicht durch wichtige Gründe gerechtfertigt werden

Daß in Art. 54 H.G.B., welcher in ähnlicher Weise und aus

kann.

ähnlichen Gründen die Prokura

oder Handlungsvollmacht

für zu

jeder Zeit widerruflich erklärt, dem Prokuristen die Rechte aus dem bestehenden Dienstverhältnisse

H.G.B.

nur

gewahrt

werden, während Art. 227 aus bestehenden Ver­

Entschädigungsansprüche

trägen vorbehält, begründet gleichfalls nicht den Schluß, daß der

Vorsteher einer Aktiengesellschaft bei dem Widerrufe seiner Bestellung in allen Fällen auf Entschädigungsansprüche beschränkt sein soll. Das

häufige Vorkommen von Dienstverträgen bei dem Prokuristen mochte

es zweckmäßig erscheinen lassen, auszusprechen, daß der Widerruf der Prokura nur das Recht der Vertretung nach außen aufhebe, das Dienstverhältnis aber im übrigen mit allen seinen Rechten unberührt

lasse.

Bei der Erklärung der Widerruflichkeit der Vorsteher (Art. 227

H.G.B.)

trat die Frage in den Vordergrund, welche Wirkung der

Zusage, einen Vorsteher längere Zeit in seiner Stellung zu belassen und ihn zu honorieren, beizulegen wäre, und hierauf geht die Ent­

scheidung dahin, daß die Widerruflichkeit seines Auftrages zur Ver­ tretung Entschädigungsansprüche wegen vorzeitiger Entlassung nicht ausschließe.

In beiden Fällen ist daher die Wirkung des Widerrufes

auf die Vertretereigenschaft beschränkt, die Frage der Wirkung des

Rücktrittes von bestehenden Anstellungs- oder Dienstverträgen aber dem

diese beherrschenden Landesrechte überlassen. Der Beklagte war nun durch Vertrag vom 16. Mai 1886 auf

5 Jahre als Direktor vvu der Klägerin engagiert und ihm der ganze wirtschaftliche Betrieb überlassen, auch die Garantie für einen jähr­ lichen Reingewinn von 120000 c# auferlegt worden, wogegen ihm

die Gesellschaft gewisse Tantiemen sowie freie Wohnung für sich und

seine Familie im Schloßhotel nach Auswahl des Aufsichtsrates, Ver­ köstigung und 1000 c# jährlich für Repräsentationskosten zusagte. Daß derartige doppelseitige Verträge nach badisch-französischenl Rechte nicht durch einseitigen Rücktritt aufgehoben werden können,

sofern auf Vertrag beruhende Entlassungsgründe nicht vorliegen, steht

außer Zweifel.

Der Widerruf beseitigte nur das Recht des Beklagten,

die Vorstands stelle länger zu bekleiden, und die Enthebung des

Beklagten

von

der Leitung

der Bewirtschaftung machte ihm

gleichfalls die Fortführung dieses Dienstes unmöglich, allein die Rechte

6. Aktiengesellschaft.

39

des Beklagten auf die vermögensrechtlichen Gegenleistungen der Ge­

sellschaft wurden kraft Gesetzes dadurch weder aufgehoben, noch auf Entschädigungsansprüche beschränkt. Letzteres wäre nur rücksichtlich einer solchen Gegenleistung anzu­

erkennen, welche oder insoweit diese mit der Ausübung der dem Wider­ rufe unterliegenden Vorstandschaft nach dem Sinne des Vertrages in unmittelbarem Zusammenhänge stände, wie dies die Klage von der

dem Beklagten eingeräumten Wohnung im Parterre des Schloßhotels

behauptet.

Wurde diese Wohnung, wenn sie auch einen Teil des Ge­

haltes bildet, als ein jeweils dem mit der Leitung der Wirtschaft

betrauten Vorstandsmitgliede räumt,

zustehende

Dienstwohnung einge­

so würde nach den Grundsätzen des Auftragsvertrages mit

der Aufhebung der Vorstandsstellung durch den erklärten Widerruf auch das Recht auf fernere Überlassung dieser Wohnung hinweg­ gefallen sein, und es könnte nur noch auf die in der anderen Streit­

sache zu entscheidende Entschädigungsfrage ankommen. Aus der Begründung des angefochtenen Urteiles ergiebt sich,

daß das Oberlandesgericht diese Frage nicht geprüft und entschieden, sondern nur den Einfluß der fortdauernden Überlassung der Wohnung an den Beklagten auf den Wirtschaftsbetrieb festgestellt und den Klag­

anspruch nach den Grundsätzen über nachgefolgte Unmöglichkeit einer Vertragsleistung beurteilt hat.

Die auf thatsächlicher Würdigung und

Vertragsauslegung beruhende Entscheidung, ob die dem Beklagten im Schloßhotel eingeräumte Wohnung ihm nur als aktivem Vorstands-

mitgliede oder mit der Vorstandschaft betrautem Leiter des Wirtschafts­ betriebes zugeteilt war, .in welchem Falle sein Recht auf deren fernere

Benutzung

mit der Aufhebung dieses Verhältnisses durch die nach

Art. 227 H.G.B. erfolgte Abberufung des Beklagten als Vorstand

aufgehört hätte, muß dem Berufungsgerichte vorbehalten bleiben, und war daher das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache gemäß

§. 528 C.P.O. zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen."

7. Kann ein Rcichsbeamter, welcher infolge rechtskräftiger straf­ gerichtlicher Verurteilung seines Amtes verlustig gegangen, demnächst aber auf Grund erwirkter Wiederaufnahme des Verfahrens frei­ gesprochen ist, Nachzahlung des während der Zeit der Amtssuspension innebehaltenen Teiles des Diensteinkommens verlangen? Gesetz, betr. die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März 1873 §§. 128 fa.

St.P.O. §§. 399 flg.

IV. Civilsenat.

Urt. v. 22. Oktober 1888 i, S. Reichsfiskus (Bekl.)

w. V. (Kl.) I. II.

Rep. IV. 115/88.

Landgericht Münster. Oberlandesgcricht Hamm.

Der als Postsekretär angestellte Kläger wurde infolge eines gegen ihn eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahrens durch Verfügung des Reichspostamtes vom Amte suspendiert und darauf die Hälfte seines

Diensteinkommens innebehalten. Nachdem Kläger durch landgerichtliches

Urteil zu Freiheitsstrafe und Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter auf die Dauer eines Jahres verurteilt und die von

ihm eingelegte Revision verworfen war, toitrbe er gemäß §. 35 Abs. 2

St.G.B. seines Amtes für verlustig erklärt.

Auf geschehene Wieder-

anfnahmc des Verfahreils erfolgte jedoch die Aufhebung des früheren Urteiles und die Freisprechung des Klägers.

Letzterer verlangt von

dem Reichsfiskus Nachzahlung des während der Zeit der Amtssus­

pension innebehaltenen Teiles seines Diensteinkommens.

Beide Jn-

stanzrichter haben verurteilend erkannt. Die von dem Fiskus ein­ gelegte Revision ist zurückgewiesen aus folgenden Gründen: „Der Beklagte bestreitet den Ansprnch des Klägers auf Nach­

zahlung des diesem während der Amtssuspension innebehaltenen Dienst­ einkommens, weil derselbe, wie er annimmt, mit der int gerichtlichen

Verfahren rechtskräftig geschehenen Bestrafung des Klägers und der infolge dessen eingetretenen Entfernung desselben aus dem Amte er­ loschen und durch

das demnächst im Wiederaufnahmeverfahren er­

gangene freisprechende Urteil nicht wiederhergestellt ist, indem letzteres

Urteil nur die strafrechtlichen, nicht aber auch die civilrechtlichcn Fol-

gen jener rechtskräftigen Verurteilung beseitigt habe.

7.

Reichsbeamter.

Dieser Annahme,

Amtssuspension.

Diensteinkommen.

41

auf welche sich auch die Revisionsbeschwerde

gründet, ist der Berufungsrichter nach Lage der Sache mit Recht

entgegengetreten. Nach dem Gesetze, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichs­ beamten, vom 31. März 1873 tR.G.Bl. S. 61) §. 128 ist während

der Suspension des Beamten die Hälfte — oder unter Umständen

der vierte Teil — seines Diensteinkommens zum Zwecke der Deckung der Kosten der Stellvertretung und der Untersuchungskosten inne zu behalten.

Wie jedoch die §§. 129. 130 weiter verordnen, ist der zu

diesen Kosten nicht verwendete Teil des Einkommens dem Beamten

unbedingt,

auch in dem Falle, wo das Verfahren die Entfernung

aus dem Amte zur Folge gehabt hat, nachzuzahlen, und wenn der muß ihm der innebehaltene Teil voll­

Beamte freigesprochen wird, ständig nachgezahlt werden.

Schon der Wortlaut des Gesetzes schließt

die Auffassung des Beklagten aus.

Denn danach ist der Anspruch

auf Nachzahlung des innebehaltenen Diensteinkommens lediglich durch

die Thatsache der Freisprechung des Angeschuldigten bedingt, und solche liegt im gegenwärtigen Falle vor.

Der Anschauung des Be­

klagten steht aber auch die rechtliche Natur der Amtssuspension int Sinne des Gesetzes entgegen.

Die Amtssuspension — vorläufige

Dienstenthebung — hat nicht den Charakter der Dienstentlassung. Sie

bezweckt nur, beit Beamten, der einer strafbaren Handlung oder eines Dienstvergehens beschuldigt ist, während des schwebenden Verfahrens

von der Ausübung der Amtsfunktionen zu entbinden.

Der Beamte

verbleibt also trotz der Suspension in seinem Amte und behält den

rechtlichen Anspruch auf sein volles Diensteinkommen.

Die Anord­

nung wegen der teilweisen Jnnebehaltung des letzteren ist nur eine Arrestmaßregel, die dazu dient, den Fiskus sicherzustellen wegen

der Untersuchungskosten und der Kosten der Stellvertretung, welche letztere der Beamte, wenn es zu seiner Bestrafung kommt, als durch seine Schuld verursacht (abgesehen von dem Falle des §. 130 Abs. 2 a. a. O.) zu tragen hat.

Aus solcher Rechtslage folgt aber mit Not­

wendigkeit, daß, wenn der Beamte freigesprochen und damit festgestellt

wird, daß seine Suspension materiell nicht gerechtfertigt gewesen, ihm

das innebehaltene Diensteinkommen ungekürzt nachgezahlt werden muß. In dieser Beurteilung tritt mit Rücksicht auf den Gang, welchen das Strafverfahren im gegenwärtigen Falle genommen hat, eine Ände-

rung nicht ein. Zwar hat das die Bestrafung des Klägers aus­ sprechende Urteil der Strafkammer, nachdem gegen dasselbe die Re­ vision ohne Erfolg eingelegt war, die Rechtskraft erlangt.

Trotz der

Rechtskraft unterlag dasselbe aber im Wege des Wiederaufnahme­

verfahrens der Anfechtung (§§. 399 flg. St.P.O.).

Die Anfechtung ist

erfolgt und hat zur Aufhebung jenes Urteiles und zur Freisprechuug

des Klägers geführt.

Damit ist aber die Voraussetzung für den An­

spruch des Klägers auf Nachzahlung des innebehaltenen Teiles des Diensteinkommens gemäß §. 130 a. a. O. gegeben, und es entbehrt die Aufstellung, daß dieser Anspruch durch die vorangegangene verur­ teilende Entscheidung, weil dieselbe formelle Rechtskraft erlangt hat,

erloschen sei, jeder rechtlichen Grundlage. bei,

Ohne Belang ist es hier­

ob die Wiederaufnahme des Verfahrens ein Rechtsmittel im

Sinne der Strafprozeßordnung ist. der Berufungsrichter zutreffend

Jedenfalls stellt sich dieselbe, wie

ausführt,

als eine Fortsetzung des

früheren Verfahrens dar, was sich aus der Sachlage von selbst ergiebt und speziell auch daraus hervorgeht,

daß die Strafprozeßordnung

(§§. 410. 413) die infolge der Wiederaufnahme des Verfahrens ein­

tretende Hauptverhandlung als erneute Hauptverhandlung bezeichnet

und diese Hanptverhandlung auf Grund des früheren Eröffnungs­

beschlusses stattfindet, der zu diesem Zwecke in derselben wiederum zu verlesen ist. Vgl. Entsch. des R.G.'s in Strass. Bd. 4 S. 426.

Wenn die Revision zu ihrer Unterstützung geltend macht, daß aus den Vorschriften der §§. 399—413 St.P.O. nicht zu entnehmen sei, daß das im Wiederaufnahmeverfahren ergehende abweichende Ur­

teil die Aufhebung der durch die frühere rechtskräftige Entscheidung begründeten civilrechtlichen Folgen nach sich ziehe, so wird übersehen, daß

für eine dahingehende Bestimmung in der Strafprozeßordnung

kein Raum war.

Die streitige Frage ist allein auf Grund des mate­

riellen Rechtes, hier also des Reichsbeamtengesetzes, zu entscheiden, und nach diesem stellt sich der Anspruch als begründet heraus.

Denn der

§. 130 Abs. 1 daselbst spricht die Verpflichtung des Fiskus zur Nach­

zahlung des innebehaltenen Teiles des Diensteinkommens bei der Frei­ sprechung des Beamten unbedingt aus, ohne den Fall auszunehmen, wenn nach vorangegangener rechtskräftiger Verurteilung des Beamten

die Freisprechung auf Grund erwirkter Wiederaufnahme des Ver-

fahrens erfolgt, obgleich Anlaß gegeben war, dieser Ausnahme, wenn sie beabsichtigt wurde, besonderen Ausdruck zu leihen, da in den meisten der zur Zeit des Erlasses des Gesetzes in den Bundesstaaten gelten­ den

Strafprozeßordnungen

ein

dem

Wiederaufnahmeverfahren der

Reichsstrafprozeßordnung entsprechendes Verfahren vorgesehen war.

Vgl. Hahn, Materialien >zur Reichsstrafprozeßordnung S. 261. 382 flg. Ebenso ist die fernere Argumentation des Beklagten hinfällig,

daß, weil die Freisprechung im Wiederaufnahmeverfahren nicht die

Beseitigung des mit der Rechtskraft des aufgehobenen Urteiles ein­ getretenen Verlustes des vom Kläger bekleideten Amtes bewirkt habe,

durch dieselbe auch nicht der infolge der Verurteilung ausgeschlossene Anspruch

auf

Nachzahlung

wiederum hergestellt sei.

des

innebehaltenen

Diensteinkommens

Es kann unerörtert bleiben, ob die frühere

Verurteilung den Verlust des Amtes endgültig zur Folge gehabt hat.

Denn wenn solches auch als zutreffend unterstellt wird, so ist daraus

nichts für die gegenwärtige Entscheidung zu entnehmen,

da es sich

hier um einen Anspruch handelt, der in einer Zeit entstanden ist, als der Verlust des Amtes noch nicht eingetreten war, der Kläger also noch im Dienstverhältnisse stand.

Wenn sodann die Revision der Ausführung des Berufungsrichters gegenüber, daß Fiskus nach der im Wiederaufnahmeverfahren erfolgten

Freisprechung des Klägers keinerlei Vorteile haben und behalten dürfe,

die er nur insoweit zu Recht hatte,

als eine rechtskräftige Verurtei­

lung ihm solche zusprach, hervorhebt, daß der Betrag, welchen die

Verwaltung zur Deckung der durch das Strafverfahren und die da­ durch bedingte Suspension notwendig gewordenen Kosten der Stell­

vertretung verwendet hat, keinen durch die Verurteilung des Klägers erlangten Vorteil des Fiskus darstelle, so kann auch diese Bemänge­ lung keinen Erfolg haben. teilen" spricht,

Der Richter hat, wenn er von „Vor­

den Anspruch des Fiskus auf Erstattung der Stell­

vertretungskosten im Auge, und ein solcher Anspruch steht dem Fiskus int Falle der Freisprechung des suspendierten Beamten nicht zu.

Endlich wendet sich die Revision audj ohne Grund gegen die Verwerfung des Einwandes der mangelnden Passivlegitimation, der

darauf gestützt ist, daß zur Entschädigung des Klägers nicht der

Reichsfiskus, sondern der preußische Justizfiskus verpflichtet sei.

Wie

miS den obigen Darlegungen sich ergiebt, handelt es sich hier nicht um einen Schadensersatzanspruch der Klägers, sondern um Aner­ kennung eines demselben schon vor der Verurteilung und vor Verlust seines Amtes rechtlich entstandenen Gehaltsanspruches, und diesen An­ spruch kann Kläger nur gegen den Reichsfiskus erheben, der den inne­ behaltenen Teil des Diensteinkommens hinter sich hat und dessen Aus­ zahlung verweigert."

8. Voraussetzungen der Anfechtung nach den 2. 3 Ziff. 1 des Reichsgesetzes vom 21. Juli 1879, insbesondere: 1. Subsidiarität des Anfechtungsrechtes, Versuch der Zwangsvoll­ streckung in das Mobiliarvermögen des Schuldners; Möglichkeit einer teilweisen Befriedigung des Gläubigers aus letzterem-.' 2. Veräußerung des zurückzugewährenden Vermögens gegen ein angemessenes Entgelt? 3. Besondere Gestaltung der Absicht des Schuldners, die Gläubiger durch die Veräußerung zu benachteiligen? Mitverhaftung der Ehefrau des Anfcchtungsgegners nach den Grundsätzen des nassanischtn ehelichen Giiterrcchtcs für die fraudulöse Absicht ihres Ehemannes, auch wenn sie den Beräußerungsvertrag nicht mitabgeschlosscu hat??

111. Civilsenat. Urt. v. 30.Oktober.1888 i. S.Fr. L.Eheleute (Bell.) w. I. A. (Kl.) Rep. III. 167/88. I. II.

Landgericht Wiesbaden. Oberlandesgericht Frankfurt a./M.

1 Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 12 Nr. 119 S. 400; Gruchot (Ras sow Künzel), Beiträge re Bd. 29 S. 122, Bd. 30 S. 1087; Wilmowski, Konkurs­ ordnung 3. Aufl. Anhang §. 2 S. 516; Cosack, Anfechtungsrecht ?c S. 44 und ju §. 32 des österr. Anfcchtungsgesctzes vom 16. März 1882; Steinbach, An­ fechtungsgesetz S. 128; Menzel, Das Anfechtungsrecht der Gläubiger nach öster­ reichischem Rechte S. 55. — Dagegen: Hartmann, Anfechtungsrecht 3. Aufl. S. 73, der den Gläubiger für verpflichtet hält, auch teilweise Deckung durch Exe­ kution zu suchen. 2 Entsch. des R.G/s in Civils. Bd. 10 Nr. 2 S. 8, Bd. 18 Nr. 22 S. 122. 3 Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 9 Nr. 13 S. 73, Bd. 12 Nr. 15 S. 66. D. E.

8.

Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners.

45

Der Vater des mitbeklagten Ehemannes, M. L. zu Hof Sch.,

schuldete laut Abrechnung vom 24. Juni 1884 dem Kläger aus Vieh­

händeln die Summe von 3050 c/ft und verpflichtete sich, diesen Be­ trag nebst Zinsen zur einen Hälfte in einem Jahre und zur anderen

Er wurde im Januar 1887

Hälfte in zwei Jahren zu bezahlen.

mittels Zustellung eines Zahlungsbefehles auf Zahlung belangt.

Die

Mobiliarexekution in das Vermögen des M. L. blieb erfolglos, wes­

halb der Gläubiger um Anberaumung eines Termines zur Ableistung des Offenbarungseides bei dem Vollstreckungsgerichte nachsuchte. Das Amtsgericht gab diesem Anträge statt; zur Leistung des Offenbarungs­

eides kam es jedoch nicht, da der Bruder des Schuldners eine gerichts­ ärztliche Bescheinigung des Inhaltes überreichte, daß M. L. seit Sommer 1886 geistig gestört sei. Inzwischen, und zwar schon am 21. Februar 1885, hatte der

Schuldner die Pacht des Hofes Sch. an seinen Sohn Fr. L., den jetzigen Mitbeklagten, übertragen und demselben zugleich sein gesamtes beweg­

liches Vermögen,

lebendes und totes, darunter die zum Leben not­

wendigsten Gegenstände, für 22000 c# verkauft, auch den Empfang des Kaufpreises quittiert.

Diesen Vertrag hat nun der Kläger so­

wohl dem Fr. L., als auch dessen Ehefrau gegenüber mittels Klage aus den §§. 2. 3 Ziff. 1 des Reichsgesetzes vom 21. Juli 1879 mit der Behauptung angefochten, daß der Schuldner solchen in der dem

Fr. L. bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen,

abge­

schlossen habe. In erster Instanz sind die Beklagten, ihrer Einwendungen un­

geachtet, verurteilt worden, zur Befriedigung des Klägers wegen dessen

Forderung von Hauptgeld, Zinsen und Kosten die Zwangsvollstreckung

in die laut Vertrages vom 21. Februar 1885 von M. L. gekauften Gegenstände geschehen zu lassen. rufung blieb ohne Erfolg.

Die hiergegen eingewendete Be­

Auch die Revision wurde zurückgewiesen

aus folgenden

Gründen: „Die Parteien streiten

darüber,

ob vorliegend die gesetzlichen

Voraussetzungen zur Anfechtung des von dem Beklagten mit seinem

Vater abgeschlossenen Kaufvertrages gegeben seien,

ob insbesondere

die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, dessen Absicht, durch die käufliche Überlassung seines gesamten Mobiliarvermögens au den Be-

46

8.

Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners.

klagten seine Gläubiger zu benachteiligen, und die Kenntnis des letzte­

ren von dieser Absicht dargethan sei. Der Berufungsrichter hat diese Frage in Übereinstimmung mit dem Landgerichte bejaht. Es stellt fest:

„daß die von dem Kläger vor Erhebung der Anfechtungsklage

versuchte Zwangsvollstreckung in das Mobiliarvermögen seines Schuld­

ners wegen Mangels pfandbarer Mobilien erfolglos geblieben sei, und die von dem Beklagten im gegenwärtigen Prozesse bezeichneten, dem Schuldner verbliebenen Vermögensobjekte teils überhaupt nicht,

teils nicht zur vollständigen Befriedigung des Klägers herangezogen werden könnten.

Jenes gelte namentlich von den noch im Besitze des

Schuldners befindlichen Liegenschaften, da dieselben weit über ihren Wert hinaus mit vorgehenden Hypothekschulden belastet seien,

dieses

von den Ausständen des Schuldners im Gesamtbeträge von 2440 c/ft,

insofern hiervon kaum die Hälfte mit 1200 oft als bereites exeku­ tionsfähiges Vermögen zu erachten sei, wodurch von der Forderung

des Klägers zur Zeit der angefochtenen Veräußerung mehr nicht als etwa zwei Fünftel und zur Zeit der Klagerhebung nicht einmal ein Drittel habe gedeckt werden können.

Nach

freiem richterlichen Er-

messen sei unter solchen Umständen dem Kläger nicht zuzumuten ge­

wesen, die Zwangsvollstreckung in die vom Beklagten namhaft gemachten

Ausstände vor Erhebung der Anfechtungsklage durchzuführen.

Die

letztere entspreche aber auch, so führt der Berufungsrichter weiter aus, den Erfordernissen des §. 3 Ziff. 1 des Reichsgesetzes vom 21. Juli 1879.

Hierbei erscheine die von dem Beklagten in dieser Beziehung

nicht ausdrücklich angefochtene Entscheidung des ersten Richters auch nach jetziger Sachlage zutreffend. Es habe den Kontrahenten des Verüußerungsgeschäftes vom 21. Februar 1885 nicht unbekannt blei­ ben können und sei ihnen auch wohl bekannt gewesen, daß nach Be­

seitigung der verkauften Mobilien keine zur Befriedigung der unbe­

vorzugten Gläubiger des M. L., zu denen außer dem Kläger noch ein gewisser A. O. wegen einer Forderung von 903 c/ft nebst 6°/0 Zinsen

vom 20. März 1882 an gehört habe, irgendwie zureichende Objekte übriggeblieben seien.

Daß der in jenem Vertrage stimulierte Kauf­

preis von 22 000 oft oder auch nur die Teilsumme von 15 000 oft

bar an den Verkäufer bezahlt worden sei, wie Beklagter behaupte, sei nicht erwiesen.

Es sei dies aber auch unerheblich;

denn habe der

Schuldner wirklich mindestens 15 000 oft erhalten, so folge aus der

Thatsache, daß derselbe diesen Betrag demnächst ganz verausgabt habe, ohne die Forderungen des Klägers und des A. O. zu berich­ tigen, die Benachteiligungsabsicht des Veräußerers, die dem Erwerber

der Mobilien nicht unbekannt habe sein können; sei aber, ohne daß Barzahlung erfolgte, der Kaufpreis seitens des Veräußerers quittiert

worden,

so sei hieraus die fraudulöse Absicht der Kontrahenten un­

mittelbar zu entnehmen."

Mit Unrecht greift der Revisionskläger diese Entscheidung als

rechtsirrtümlich an. Was den ersten Streitpunkt angeht, so gewährt der §. 2 des

Reichsgesetzes vom 21. Juli 1879 jedem Gläubiger, welcher einen voll­

streckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, die Befugnis, Rechtshandlungen seines Schuldners außerhalb des Kon­ kursverfahrens als unwirksam anzufechten, sofern die Zwangsvoll­

streckung in das Vermögen

des Schuldners zu einer vollständigen

Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder anzunehmeu ist, daß sie zu einer solchen nicht führen würde.

Das entscheidende Mo­

ment ist danach die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, d. h. dessen Unfähigkeit, den andringenden Gläubiger aus bereiten Mitteln zu be­

friedigen (vgl. §. 4 des Anfechtungsgesetzes, §. 94 K.O.).

Wie das

Reichsgericht bereits mehrfach entschieden hat, genügt nun zur Be­ gründung der Anfechtungsklage im Sinne des Gesetzes nicht jeder

ernstliche Versuch der Zwangsvollstreckung, namentlich nicht unter

allen Umständen eine bloße, erfolglos gebliebene Mobiliarpfän­ dung,

vielmehr muß die Exekution in das Vermögen des Schuld­

ners eine erschöpfende gewesen sein, die zugänglichen und pfänd­ baren Mittel desselben ergriffen haben.

Ob und inwieweit dies im

einzelnen Falle zutrifft, hat der Richter nach freiem Ermessen zu beur­ teilen.

Der anfechtende Gläubiger hat im allgemeinen den Beweis,

daß die Exekution in das Vermögen des Schuldners stattgefunden und zu seiner Befriedigung nicht geführt habe,

oder voraussichtlich

nicht führen werde, zu übernehmen, während dem Anfechtungsbeklagten

der Gegenbeweis, daß noch bereite und realisierbare Exekutionsobjekte bei dem Schuldner vorhanden seien, nachzulassen ist. Von denselben Grundsätzen sind die vorderen Instanzen bei der Prüfung des beiderseitigen Vorbringens ausgegangen, und es kann

48

8.

Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners.

daher unter diesen Gesichtspunkten in der angefochtenen Entscheidung

kein Rechtsverstoß gefunden werden. Der Revisionskläger rügt denn auch nur, daß der Berufungs­

richter zwar die Möglichkeit einer teilweisen Befriedigung des Klägers aus den Ausständen des M. L. annehme, gleichwohl aber daraus

die notwendige Folgerung der teilweisen Abweisung der erhobenen Klage nicht ziehe, sowie, daß derselbe zu Unrecht die Feststellung unter­ lassen habe, welche andere Schulden als bei A. O. und dem jetzigen

Kläger der genannte Schuldner noch habe, und umgekehrt, ob die Kaufschillingsforderung des letzteren aus dem Vertrage vom 21. Februar 1885 noch bestehe. Nach dem Wortlaute des Gesetzes ist jedoch der Gläubiger nicht

verpflichtet, vor Erhebung der Anfechtungsklage einen Teil seiner

Forderung von dem Schuldner beizutreiben, wenn von vornherein feststeht oder im Laufe des Prozesses festgestellt wird, daß die para­ ten Mittel des Schuldners zur Befriedigung des Gläubigers nicht ausreichen.

Die Subsidiarität des Anfechtungsanspruches läßt sich

nicht dahin auffassen, daß der Gläubiger unter allen Umständen zu­ nächst seine Deckung bei dem Schuldner suchen müsse, und nur wegeu

des etwaigen Restes seiner Forderung sich an den Anfechtungsbeklagten halten dürfe; das Gesetz erfordert vielmehr nur den Nachweis der

wirklichen oder voraussichtlichen Unfähigkeit des Schuldners zur voll­ ständigen Befriedigung des Gläubigers.

Demgemäß kann dem Anträge des Revisionsklägers, den Klag­

anspruch in Höhe von 1200 c# — nämlich des Betrages der vom Berufungsrichter als exigibel angenommenen Ausstände des Schuld­ ners — abzuweisen, nicht stattgegeben werden.

Dieser Antrag würde

aber selbst dann zurückzuweisen sein, wenn mit der vorigen Instanz

davon auszugehen wäre, daß das richterliche Ermessen sowohl darüber zu befinden habe, ob bereite exekutionsfähige Mittel des Schuldners außer Zugriff geblieben seien, als darüber, ob, falls diese Mittel zur

vollen Befriedigung des Gläubigers nicht hinreichen, der letztere zu­ vörderst den Schuldner auszuklagen gehalten oder ihm die sofortige

Geltendmachung des Anfechtungsanspruches zu gestatten sei.

Denn

alsdann würde der Berufungsrichter bei der Entscheidung seiner, der Nachprüfung in der Revisionsinstanz nicht unterliegenden freien Über­ zeugung Ausdruck verliehen haben.

Es ist sodann unerfindlich, welchen Einfluß es auf die Entscheid billig der Sache haben könnte, wenn die Schulden des M. L. ziffer­ mäßig festgestellt würden. Nicht die etwaige Überschuldung des M. L. steht in Frage, sondern ausschließlich dessen von dem Berufungsrichter festgestellte Unfähigkeit, den hier anfgetretenen Gläubiger voll zu be­

friedigen. Einer ausdrücklichen Feststellung darüber, ob der Kaufschilliug

für das Gutsinventar ganz oder teilweise an den Verkäufer bezahlt

sei oder noch ausstehe, bedurfte es endlich nach Lage der Sache nicht. Abweichend von feinem Vorbringen in erster Instanz, wonach der ver­ abredete Kaufpreis mit 22 000 dH ganz an den Vater ausbezahlt

worden sein sollte, hat sich der Beklagte in der mündlichen Verhand­ lung zweiter Instanz darauf berufen, daß jener Kaufpreis in der Art berichtigt worden sei, daß er selber 1732 dH an vorhandenen Schul­

den des Veräußeres übernommen und 15000 dH bar bezahlt habe, während der Rest mit 5268 dH laut Übereinkunft als Gegenleistung für den lebenslänglichen Unterhalt der Eltern zu dienen bestimmt gewesen sei.

Dieser seiner eigenen Behauptung zuwider kann Revi­

sionskläger jetzt nicht mehr einwenden, daß er den ganzen Kaufpreis an seinen Vater bezahlt habe, und noch weniger, daß er den Teil­

betrag von 15 000 dH nicht bezahlt habe; er muß vielmehr die be­ hauptete Thatsache der teilweisen Zahlung gegen sich gelten lassen.

Hieraus in Verbindung mit dem Umstande, daß der Schuldner nach

der thatsächlichen Feststellung des Berufungsrichters die empfangene Geldsumme ohne Befriedigung des Klägers alsbald wieder veraus­ gabt, ergießt sich die Statthaftigkeit der erhobenen Anfechtungsklage. Denn eine Benachteiligung des andringenden Gläubigers wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß, wie dies vorliegend unbestritten der Fall

ist, das im Veräußerungsvertrage vereinbarte Entgelt dem Werte der

veräußerten Sache des Schuldners entspricht, wenn nur durch den Umsatz derselben in bares Geld einerseits dem Gläubiger ein pfänd­ bares Vermögensobjekt entzogen und andererseits dem verkaufenden Schuldner eine von demselben benutzte Gelegenheit zur anderweiten Verwendung des Geldes geboten wurde.

Angenommen jedoch, es

stehe das Kaufgeld in Höhe von 15 000 dH wirklich noch aus, so ist

dasselbe doch offensichtlich kein bereites Exekutionsobjekt, an welches der Kläger zu seiner Befriedigung verwiesen werden könnte. d. R.G.

Engch. in Sieilf. XXI1.

4

Letzterer

50

8.

Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners.

müßte den Beklagten, der unter Berufung auf die ihm in der Vertragsnrkunde erteilte Quittung Zahlung dieser Kaufgeldforderung be­

hauptet, nach erfolgter Pfändung des Anspruches klagend belangen und einen voraussichtlich langwierigen Prozeß darüber führen.

Anlangend sodann den zweiten Streitpunkt, so hat der Vorder­ richter sowohl die Absicht der Benachteiligung der Gläubiger und ins­

besondere des Klägers auf feiten des Schuldners M. L., als auch die Kenntnis des Anfechtungsbeklagten von dieser Absicht angenommen....

Nicht erforderlich zur Annahme einer fraudulösen Absicht des ersteren war es, daß dieser schon bei Abschluß jenes Kaufvertrages die Ab­

sicht hatte, den für die veräußerten Mobilien versprochenen Kaufpreis

nach dessen Vereinnahmung verschwinden zu lassen, wie der Revisions­

kläger auszuführen versucht hat; es genügte eine durch die angefoch­ tene Rechtshandlung absichtlich herbeigeführte, die Exekutionsbefugnis

des Gläubigers beeinträchtigende Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners ohne Rücksicht auf eine besondere Gestaltung dieser Absicht.

Ob aber aus dem Umstande, daß bei Einleitung der Zwangs­

vollstreckung oder bei der Klaganstellung der empfangene Kaufpreis

nicht mehr int Besitze des M. L. war, auf eine Benachteiligungsabsicht desselben geschlossen werden konnte, ist eine Thatfrage und entzieht

sich als solche der Nachprüfung in der Revisionsinstanz. . . . Eventuell wird Beschwerde darüber erhoben,

daß die mitbe­

klagte Ehefrau des Fr. L., obwohl sie den Veräußerungsvertrag

selber nicht mit abgeschlossen habe, auch ihr gegenüber die Kenntnis von der fraudulösen Absicht des Verkäufers nicht festgestellt worden

sei, ebenfalls der Klagebitte gemäß verurteilt worden sei....

Diese

Entscheidung beruht auf den Bestimmungen des nassauischen ehelichen

Güterrechtes, aus dessen etwaige Verletzung nach §. 511 C.P.O. die Revision nicht gestützt werden kann.

Haftet aber die Ehefrau aus

Verpflichtungen, welche der Ehemann bei errungenschaftlichem Erwerbe

übernommen hat, aus dessen Person und Rechtshandlung, so kommt es auf ihre eigene Kenntnis von der fraudulösen Absicht des nur ihrem Ehemanne gegenüber getretenen Veräußerers nicht an."

9.

Ist die Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungsprämie Bring­

oder Holschuld? Welche Bedeutung hat bei der policenmäßigen Fest­ setzung als Briugschuld die Praxis der Versicherungsgesellschaft, dieselbe zu holen, auf einen Verzug des Versicherten in der Prämienzahlung?

I. Civilsenat.

Urt. v. 26. November 1887 i. S. M. (Kl.) w. Lebens­

versicherungs-Aktiengesellschaft „Germania" (Bekl.). I. II.

Rep.I. 276/87.

Landgericht Stettin. Oberlandesgericht daselbst.

Im Dezember 1872 hatte der in Berlin wohnhafte Kläger bei

der ihren Sitz in Stettin habenden Beklagten sein Leben mit 6000 =4( versichert.

Die maßgebenden Policebedingungen bestimmten in §. 4:

„Die Zahlung (der Prämie) erfolgt an den Agenten, der das Ge­ schäft vermittelte, muß aber, wenn dies Anstand findet oder der Agent nicht im Besitze der von der Direktion vollzogenen Prämien­

quittung ist, unmittelbar an die Direktion der Gesellschaft innerhalb

der im §. 6 festgesetzten Fristen geleistet werden," in §. 6: „Für die Zahlung der ferneren Prämien ist, wenn die Präniien

jährlich oder halbjährlich gezahlt werden, eine Frist von 30 Tagen, wenn sie vierteljährlich gezahlt werden, eine Frist von 14 Tagen, und, wenn sie monatlich gezahlt werden, eine Frist von 7 Tagen

gestattet, innerhalb deren die am Verfalltage versäumten Zahlungen nachgeholt werden können. Werden die Prämien innerhalb dieser Frist nicht vollständig berichtigt, so ist die Gesellschaft aller durch den Versicherungsvertrag übernommener Verbindlichkeiten entledigt,

und die gezahlten Beiträge sind ihr verfallen, ohne daß es von

ihrer Seite irgend einer Benachrichtigung an den Versicherten oder den Inhaber der Police oder sonst jemand bedarf." Nachdem die Prämien, die halbjährlich, am 27. Juni und 27. Dezem­

ber, fällig wurden, vom Kläger bis 27. Dezember 1883 einschließlich bezahlt worden, sind die am 27. Juni und 27. Dezember 1884 fällig gewordenen auch innerhalb der Respektfristen des §. 6 unbezahlt ge­

blieben. Die Beklagte hat die Versicherung für erloschen erachtet und

den Antrag des Klägers, sie entsprechend einer weiteren Bestimmung in §. 6 wieder in Kraft zu setzen, wegen Nichteinhaltung der dafür 4*

52

9.

Lebensversicherung.

Prämienzahlung.

Verzug.

gesetzten Frist abgelehnt. Kläger hat hierauf Klage auf Anerkennung der Fortdauer der Versicherung erhoben, weil Beklagte nicht befugt sei, dieselbe für erloschen zu erachten, da es seinerseits in betreff der

1884 fällig gewordenen Prämie an einem Verzüge fehle.

Unstreitig hatte bis Ende 1881 ein in Berlin errichtetes Bureau

der Beklagten der Regel nach — wie Kläger behauptet, stets — die Prämie aus dem Geschäftslokale des Klägers durch einen Boten holen lassen, dagegen hat seit jener Zeit solche Abholung nicht mehr statt­

gefunden.

Vielmehr hat sowohl im Juni und Dezember 1882, wie

im Juni und Dezember 1883, bezw. innerhalb der für diese Termine

Kläger die Prämienbeträge dem Berliner Bureau geschickt, nachdem er jedesmal innerhalb der Respektfrist von laufenden Respektfristen,

diesem Bureau ein Erinnerungsschreiben erhalten hatte. Diese Schreiben lauteten dahin:

„Hierdurch erlauben wir uns, Sie ergebenst zu benachrichtigen, daß die Quittung über die am rc fällige Prämie für Ihre (Police Nr. rc)

geschlossene Versicherung in unserem Bureau Französische Straße 21

zu Ihrer gefälligen Empfangnahme bereit liegt.

Wir bemerken

gleichzeitig ergebenst, daß der letzte Termin für die Einlösung der Prämienquittung der rc ist," unter den Erinnerungsschreiben stand der Vermerk: „Die Gesellschaft hat weder eine Verpflichtung, die fällige Quittung in der Wohnung des Versicherten präsentieren zu lassen, noch diesen Brief an ihn abzusenden, die Versicherung ist erloschen, wenn die

Prämie am (folgt der Tag des Ablaufes der Respektfrist) nicht be­ zahlt ist.

Nach diesem Tage kann die bereits verfallene Quittung

nur ausgefolgt werden (folgen die Bedingungen für die Restitution). Wohnungsveränderungen bitten wir

uns

sofort

anzuzeigen,

die

Kasse ist vormittags rc und nachmittags rc geöffnet." Ein gleicher Vermerk hat sich auf den dem Kläger ausgefolgten Prämienquittungen von 1882 und 1883 befunden.

der Beklagten,

Die Behauptung

daß er sich schon jahrelang auf den Prämienquit-

kungen befunden habe, ist vom Kläger bestritten.

In bezug auf die Prämienzahlungen für Juni und Dezember 1884 hat Kläger selbst Erinnerungsschreiben nicht mehr erhalten.

Das Berufungsgericht hat in Abänderung des die Beklagte nach dem Klagantrage verurteilenden Erkenntnisses die Klage abgewiesen

und das Reichsgericht die hiergegen gerichtete Revision des Klägers zurückgewiesen aus folgenden Gründen: „Die angegriffene Entscheidung würde bedenklich sein, wenn es

richtig wäre, daß die Policebedingungen keine Bestimmung, daß die

Prämie vom Versicherten gebracht werden müsse, enthielten, und des­

halb der Inhalt des Vertrages in bezug hierauf entsprechend dem von der Berliner Agentur bis Ende 1881 geübten Gebrauche, die

Prämien beim Kläger holen zu lassen, als zu einem Rückschlüsse ans die Absicht der Kontrahenten beim Vertragsschlusse geeignet ansznlegen

wäre.

Denn, war es das vertragsmäßige Recht des Klägers, daß

die Prämien bei ihm geholt wurden, so würde es bedenklich erscheinen,

darin allein, daß Kläger in den Jahren 1882 und 1883 je zweimal,

und zwar auf Aufforderungen der Agentur innerhalb der Respekt­ fristen, die Prämie gebracht hat, wenn auch diese Aufforderungen den — in diesem Falle dem Vertrage zuwiderlaufenden — Standpunkt

der Beklagten, daß sie sich nicht zur Abholung verpflichtet erachte, er­

kennen ließen, eine Aufhebung des vertragsgemäßen Rechts des Klägers zu finden. Allein die Voraussetzung ist nicht zutreffend, weil die Police­

bedingungen, wie (freilich abweichend von dem Reichsoberhandels­ gerichte in dem in den Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 9 S. 370 flg.

abgedrnckten Urteile, sofern demselben, wie es den Anschein hat, die gleichen Policebedingungen zu Grunde gelegen haben)

diesseits hat

angenommen werden müssen, die Pflicht des Versicherten, die Prämien

zu bringen,

mit hinreichender Deutlichkeit ausdrücken.

Die Fest­

stellung: „Die Zahlung erfolgt an den Agenten, der das Geschäft

vermittelte, muß aber, wenn dieses Anstand findet, oder der Agent

nicht im Besitze der von der Direktion vollzogenen Prämienquittung ist, unmittelbar an die Direktion der Gesellschaft innerhalb der im

§. 6 festgesetzten Fristen geleistet werden", konnte nicht anders ver­

standen werden,

als daß der Versicherte sich mit dem Zahlungs­

anerbieten zunächst an den Agenten zu wenden, falls dieser aber nicht mehr vorhanden oder vorzufinden sein oder die Annahme weigern oder

nicht durch den Besitz der Prämienquittung zur Annahme legitimiert sein sollte, den Betrag an die Direktion der Beklagten einznsenden

hatte.

Darüber kann kein Zweifel obwalten, daß die für den Fall

des Scheiterns der Zahlung an den Agenten, an welchen der Ver­ sicherte zunächst verwiesen wird, dem letzteren auferlegte Leistung der

Zahlung an die Direktion, welche ihren Sitz in Stettin hat, inner­

halb dreißig Tagen vom Fälligkeitstage ab als eine Sendung des Geldes an den Sitz dieser Direktion gemeint ist.

Es liegt nun an

sich schon fern, daß, während die Policebediugungen dies zum Aus­

drucke bringen und sich mit der Voraussetzung dieser eventuellen Ver­ pflichtung, auf deren Nichterfüllung ein ganz erhebliches Präjudiz gesetzt ist, beschäftigen, hier der wesentlichste Punkt, ob der Ver­ sicherte Zahlungsannahme bei dem Agenten zu suchen oder dessen

Zahlungsbegehren zu erwarten habe,

offen geblieben wäre.

Sollte

aber der Vertrag den Inhalt haben, daß der Versicherte abzuwarten habe, ob sich der Agent mit Prämienquittung zum Zahlungsempfange

bei ihm einfinden, oder ob derselbe oder ein sonstiger legitimierter Ver­ treter der Versicherungsgesellschaft ihn anweisen werde, das Geld an

die Direktion zu senden, so wäre die Fassung der Bedingungen, auch als nicht erschöpfender Ausdruck dessen, was eigentlich als vereinbart

zu gelten hätte, betrachtet, als eine gänzlich verfehlte zu erachten. Ihr von dem Gesichtspunkte eines Geschäftsgebrauches aus, von dem

in dem angeführten Urteile des Reichsoberhandelsgerichtes selbst nicht be­ hauptet wird, daß er ein bei allen Versicherungsgesellschaften herrschender

sei, einen Zwang anzuthun, während sich eine natürliche Erklärung, die zugleich der Bestimmung die Bedeutung einer erschöpfenden giebt, aufdrängt, dazu liegt kein Anlaß vor.

Es ist nicht ersichtlich, wie

man sich ein Zusammentreffen des Versicherten mit dem Agenten,

während der letztere einen Auftrag zur Empfangnahme der Prämien gar nicht hat oder denselben nicht ausführen will, anders denken soll, als indem der Versicherte mit dem Gelde selbst zu dem Agenten geht.

Selbst wenn man den derzeitigen wirklichen Agenten der Versicherungs­

gesellschaft unterstellt, so wird es nicht als geschäftsüblich

erachtet

werden können, daß derselbe, wenn er die Prämienquittung nicht er­

halten hat und deshalb die Prämie nicht einkassieren kann, vielleicht gerade nicht einkassieren soll, sich zum Zwecke der Mitteilung hier­

von zur Verfallzeit bei den Versicherten einfände oder ihnen auch

nur hiervon durch Brief oder Boten Kenntnis gäbe. hiervon

Vollends kann

bei dem Agenten, der nach den Policebedingungen allein in

Frage ist, nämlich bei demjenigen, der das Versichernngsgeschäft vermittelt

9.

Lebensversicherung.

Prämienzahlung.

Verzug.

55

hat und der möglicherweise zur Zeit der Fälligkeit der Prämie gar nicht mehr in Funktion ist, nicht die Rede sein.

Was übrigens den

Geschäftsgebrauch, die Prämie abholen zu lassen, anlangt, den der

Kläger als einen allgemein geübten, übrigens aber doch zugleich unter

Verknüpfung mit der Alternative, wenigstens vor der Verfallserklärung

zu erinnern, behauptet, so würde auch der Nachweis einer wirklich weit verbreiteten Übung in diesem Sinne das Ergebnis der Auslegung

der vorliegenden Policebedingungen schon um deshalb nicht beein­

trächtigen können, weil damit doch noch nicht bewiesen würde, daß dieses Holen der Prämien im Sinne der Bethätigung einer dahin als

geltend erachteten Vertragsbestimmung erfolgt, während es, wenn es bloß thatsächlich in Nichtausübung eines ganz anders gearteten Ver­

tragsrechtes, auf das der Versicherer, wenn es seinem Interesse ent­

spricht, zurückgreifen will und kann,

geschieht, für eine Vertrags­

auslegung überhaupt nicht heranzuziehen ist. Dies führt auf die Frage, welche Bedeutung es für den Fort­ bestand des entstandenen vertragsmäßigen Rechtes der Beklagten auf

Bringen der Prämie seitens des Klägers gehabt hat, daß Beklagte bis Ende des Jahres 1881 von diesem Rechte keinen Gebrauch ge­ macht hat, vielmehr ihre Agentur bis dahin die Prämien beim Kläger

hat einkqssieren lassen.

Der Auffassung, welche die französische Recht­

sprechung solchem Gebrauche dahin zu teil werden läßt, daß dadurch der Vertrag geändert, das Recht der Gesellschaft auf Bringen der Prämien beseitigt und die Bringschuld in eine Holschuld verwandelt

worden sei, vgl.

die Zusammenstellung der

Rechtsprechung

im Journal des

assurances Jahrg. 1886 S. 160 flg., beistimmend König in Ende­

mann, Handbuch Bd. 3 S. 769, Diese Auffassung wird dort dazu

konnte nicht beigetreten werden.

verwertet, in allen diesen Fällen die Policenklausel, daß unter Aus­ schluß des formalen Aktes einer Jnverzugsetzung, wie ihn Art. 1139 Code civil fordert, schon infolge Ablaufes der Respektfrist ohne Zahlung

von selbst der Vertrag hinfällig werde,

formalen Akt für

erforderlich zu erklären,

zu

beseitigen

und jenen

indem teils ausgeführt

wird,

der Ausschluß jenes Aktes sei bei der Holschuld unzulässig,

teils,

er sei in

der Policenbestimmung

mit der Feststellung der

Prämienschuld als Bringschuld derartig verknüpft,

daß er mit der

Veränderung

Vertrages

des

in

diesem

Punkte

zugleich

wegfalle.

Indessen sind sowohl diese Konsequenzen der gedachten Auffassung,

wie insbesondere auch sie selbst in der französischen Doktrin durchaus

nicht unangefochten/ und diese ganze Richtung der Rechtsprechung entbehrt einer eingreifenden Bedeutung für das Versicherungswesen,

wenn, wie dies neuerdings wiederholt geschehen ist,

vgl. Sirey, 1884 2. 10 und Journal des assurances 1886 S. 120, die Aufnahme des Vermerkes in die Police, daß der Gebrauch, die Prämien bei Versicherten einzukassieren, nicht als Beseitigung der Be­

stimmung, daß die Prämie zu bringen ist, gelten solle, für genügend

befunden wird, mn jener Richtung der Rechtsprechung den Boden zu entziehen.

Vgl. auch Ferot, Etudes sur les assurances ä prime contre l’incendie 1881 Nr. 234. Ju der That kann,

gleichviel ob die thatsächliche Einkassierung der

Prämien bei den Versicherten auf einem Entgegenkommen der Ge­

sellschaften im Interesse der Versicherten beruht oder ob sie,

was

übrigens viel näher liegt, im Interesse der Gesellschaften selbst bezw. ihrer Agenten, um die gewonnenen Versicherungen sich zu erhalten und die Prämiensummen zu erlangen, geschieht, in solchem thatsäch­

lichen Verhalten,

auch wenn es längere Zeit geübt wird, noch kein

Aufgeben des im Sinne erforderlichen Bringens der Prämien ver­

brieften Rechtes gefunden werden. Vgl. Malsz in Zeitschr. f. Handelsrecht Bd. 6 S. 378. Dazu würde erforderlich fein, daß bei dem Verhalten irgendwie hervor­

getreten wäre, daß es als eine Pflicht geübt oder dem Versicherten das Recht, statt die Mittel jur Zahlung in seiner Wohnung bereit zu halten, den Geldbetrag dem Agenten zu bringen, versagt sein sollte.

Es liegt nahe,

daß

die Versicherungsgesellschaft sich nur so lange

wegen eines bestimmten Interesses in bezug auf die Ausübung ihres

Rechtes nachgiebig zeigt, bis ein stärkeres Interesse sie zum Bestehen

1 Vgl. Alauzet, Traite des assurances Bd. 2 Nr. 426; Herbault, Traite des assurances sur la vie 1877 S. 174; Couteau, Traite des assurances sur la vie Bd. 2 S. 192; Begerem und de Baets, Traite des assurances terrestres (Gent 1880) S. 249. 250. D. E.

auf ihrem Rechte veranlaßt. Das Emporwachsen von bisher nur mäßig ausgedehnten Städten zu großem Umfange, welches die bisher einfache Einkassierung der Prämien zu einem umständlichen und kost­ spieligen Geschäfte macht, giebt einen Beleg hierfür. Nur wird, weil der Versicherungsverkehr besonders von Treue und Glauben beherrscht sein soll und als Versäumung der Zahlung nur ein schuldbarer Ver­ zug zu erachten ist, eine fortgesetzte Übung, die Prämien abzuholen, da sie den Glauben hervorzubringen geeignet ist, daß in dieser Übung werde fortgefahren werden, allerdings die Wirkung haben, daß, wenn einer ferneren Nichtzahlung, die ihren Grund darin haben soll, daß der Versicherte die Prämie, die nicht bei ihm einkassiert ist, nicht ge­ bracht hat, der Charakter der Säumnis beigemessen werden soll, die Versicherungsgesellschaft deni Versicherten angekündigt haben muß, daß sie von ihrer bisherigen Übung abgehe. Dies ist aber im vorliegenden

Falle bereits im Jahre 1882 geschehen, und Kläger hat in diesem Jahre wie im Jahre 1883 infolge dieser Ankündigung die Prämie gebracht, sodaß auch daran nicht zu zweifeln ist, daß er die betreffende in den Prämienquittungen und den Erinnerungsschreiben enthaltene Erklärung richtig verstanden hat. Das neue, in den Erinnerungen an die Zahlung bethätigte Entgegenkommen brauchte aber nicht wiederum, bevor eine Säumnis eintreten konnte, abgekündigt zu werden, da sowohl in den Erinnerungsschreiben selbst, wie namentlich auch in Prämienquittungen deutlich zum Ausdrucke gebracht war, daß solche Erinnerung bloß auf dem guten Willen der Beklagten beruhe und die Verwirkung auch bei einer Nichtzahlung trotz Ausbleibens eines solchen Erinnerungsschreibens in Kraft treten werde, sodaß Kläger sich daher auf den Eingang eines solchen Schreibens nicht zu verlassen hatte und namentlich in Rücksicht auf die zuletzt erwähnte Androhung nicht im Zweifel darüber fein konnte, daß die Gesellschaft, wenn sie von der Mahnung absehcn wollte, dies ihm nicht erst noch vorher ankündigen wollte. Ob nicht eine dauernde Übung, an die Zahlung zu erinnern, trotz fortgesetzter Druckvermerke, wie die vorstehend erwähnten, in den Erinnerungsschreiben und Prämienquittlmgen einen Versicherten ent­ schuldbar erscheinen läßt, wenn er, die Druckvermerke als bloßes Formular erachtend, sich auf ein Gefchäftsfystem der Erinnerungen verläßt, braucht hier nicht erörtert zu werden. Das bloße Bethätigen der Erinnerungen während zweier Jahre unter Sendung von Urkunden,

58

10.

Firma.

Unbefugter Gebrauch.

deren voller Inhalt dazu bestimmt und geeignet gewesen war,

das

neue thatsächliche Verhalten einzuleiten, kann in solchem Sinne nicht

aufgefaßt werden."

10. Ist die Anmeldung einer Firma znm Handelsregister als Gebrauch der Firma anzusehen? Unter welchen Voraussetzungen kann der Inhaber einer Firma demjenigen, der unbefugt eine nur in bezug auf den Familiennamen mit jener identische Firma gebraucht, den Gebrauch derselben untersagen? I. Civilsenat.

Urt. v. 11. Januar 1888 i. S. v. F. (Kl.) w. W. & H. (Bekl.)

I. TT.

Rep. I. 329/87.

Landgericht Fürth. Oberlandesgerichr Nürnberg.

Die Beklagten hatten sich im Handelsregister zu Fürth als Ge­

sellschaftsfirma der Firma A. B. Faber eintragen lassen und bedienten sich dieses Namens, sowie eines infolge ihrer Firmenanmeldung zum

Einträge gebrachten Warenzeichens zur Bezeichnung der von ihnen vertriebenen Bleistifte.

Kläger, für den seit langer Zeit im Handels­

register zu Nürnberg die Firma A. W. Faber eingetragen steht und

der mit diesem Namen die meisten vertriebenen Beistifte versieht, ver­

langte Verurteilung der Beklagten, die Firma A. B. Faber im Han­

delsregister zu Fürth löschen zu lassen.

Seine Behauptung, daß

die Beklagten kein Recht zur Führung dieser Firma hätten, weil die Malersfrau Adolphine Bertha Faber, von welcher die Beklagten das

von ihr unter dieser Firma in Magdeburg geführte und angeblich von ihnen nach Fürth verlegte Geschäft mit der Firma erworben haben

wollten, zur Zeit der angeblichen Veräußerung kein Geschäft mehr

gehabt habe, wurde in den Instanzen für dargethan erachtet. Es konnte

nicht festgestellt werden, daß die Beklagten in ihrem Geschäftsbetriebe sich der Firma noch in anderer Weise als zur Bezeichnung ihrer

Waren bedient hatten. Das Berufungsgericht nahm deshalb an, daß

ein Gebrauch der Firma im Sinne des Art. 27 H.G.B. seitens der Beklagten nicht stattgefunden habe, begründete aber die Verurteilung

derselben zur Bewirkung der Löschung damit, daß in der Bewirkung

10.

Unbefugter Gebrauch.

Firma.

59

des Eintrages ein nach §§ 88. 92. 93 der Einleitung zum preuß. A.L.R.

unbefugter

Eingriff

Namen „Faber" liege.

in

das Recht

des Klägers

auf

den

Das Reichsgericht wies die Revision der Be­

klagten zurück. Aus den Gründen:

... „Daß vom Standpunkte der öffentlichen Ordnung aus die Beklagten verbunden sind, eine ihnen nach den Vorschriften des Han­ delsgesetzbuches nicht zustehende Firma — und um eine solche handelt

es sich gemäß Art. 23 H.G.B. — wieder zur Löschung zu bringen, ergiebt sich aus Art. 26 H.G.B.

Aber hieraus folgt noch kein Privat­

recht des Einzelnen auf solche Löschung. Da der Art. 27 H.G.B. behufs Begründung eines Anspruches des in seinen Rechten Verletzten den unbefugten Gebrauch der Firma

voraussetzt, so sieht sich das Berufungsgericht, welches einen solchen Gebrauch seitens der Beklagten nicht für dargethan erachtet, genötigt,

das Ergebnis des Rechtes des Klägers auf Bewirkung der Löschung auf Umwegen zu rechtfertigen.

Es bedarf indessen derselben nicht,

weil das Berufungsgericht zu Unrecht leugnet, daß Beklagte die Firma

gebraucht haben.

Dieser Gebrauch liegt darin, daß die Beklagten

diese Firma als.die ihrige unter der nach Art. 19 H.G.B. erforder­ lichen Zeichnung derselben zum Handelsregister mit dem Erfolge der

Eintragung derselben

angemeldet

haben.

Das Handelsregister ist

nicht dazu bestimmt, die bloße Möglichkeit dereinst entstehender Ver­

hältnisse anzukündigen oder gar, was eine Firma betrifft, jemandem für solche das Recht der Ausschließung anderer, wie es Art. 20 ge­

währt, bloß auf den Fall künftiger Entschließung zu ihrem Gebrauche

zu sichern. Verhältnisse, welche bereits begründet sind oder mindestens mit der Anmeldung begründet werden, sollen als solche durch die Eintragung und deren Bekanntmachung kundgegeben werden.

Wenn

es im Art. 19 H.G.B. heißt, daß jeder Kaufmann verpflichtet ist, seine Firma anzumelden, so ist damit ausgedrückt, daß der Be­

treffende anmelde und für das Publikum kundgeben wolle, daß er Kaufmann sei und unter dieser Firma seine Geschäfte betreibe.

Daß

nach der Ansicht des Gesetzes der durch das.Handelsregister kund­

gegebene Zustand für das Publikum als ein gegenwärtiger zu er­ scheinen hat, ergiebt sich insbesondere auch daraus, daß, sofern die Errichtung einer Handelsgesellschaft einmal zur Eintragung gelangt

10.

60

Firma.

Unbefugter Gebrauch.

ist, die Vereinbarung, wonach die Gesellschaft mit einem späteren

Zeitpunkte als dem der Eintragung ihren Anfang nehmen soll, gegen Dritte keine Wirkung hat (vgl. Artt. 110 Abs. 2. 163 Abs. 2 H.G.B.).

Hat aber die Anmeldung der Firma die Bedeutung, daß, wenn der­ selben Folge gegeben wird, dadurch die Kundgebung erfolgt, daß der

Anmeldende seine Geschäfte im Handel unter diesem Namen betreibe, so ist diese Anmeldung mit dem gedachten Erfolge eben bereits ein

Gebrauch dieser Firma, und es kann darauf, ob der Betreffende auch wirklich nachher ein Geschäft unter dieser Firma abgeschlossen oder

die Firma als seine Unterschrift gegeben hat, nicht ankommen.

Frei­

lich ist die Aufgebung einer Firma, während dieselbe noch im Handels­

register ungelöscht ist, möglich.

Allein, daß eine solche nicht statt­

gefunden hat, ergiebt sich gerade aus der Benutzung der Firma bezw. des Warenzeichens zur Warenbezeichnung seitens der Beklagten, die lediglich in dem Firmeneintrage ihre Stütze hat (vgl. §. 1 des Reichs­

gesetzes über Markenschutz vom 30. November 1874), und die, wenn sie auch selbst einen Firmengebrauch im Sinne des Art. 27 H.G.B.

nicht zu begründen vermag, doch sehr wohl geeignet ist, die Auf­ hebung der einmal in Gebrauch genommenen Firma zu widerlegen.

Stellt aber die Anmeldung zur Eintragung mit dem Erfolge der Eintragung den Gebrauch der Firma dar, so ergiebt sich der Anspruch auf Löschung ohne weiteres aus dem Ansprüche auf Untersagung des

Was aber die Frage anlangt, ob Kläger durch diesen

Gebrauches.

unbefugten Gebrauch der Firma in seinen Rechten verletzt ist, so be­ darf es auch hier einer Prüfung nicht,

Ausführungen

in

dem

in Entsch.

ob int Einklänge mit den

des R.G.'s

in Civils. Bd.

7

S. 279 flg. abgedrnckten Urteile des zweiten Civilsenates auch für den vorliegenden Fall schon aus der befugten Führung des betreffenden

Familiennamens seitens des Klägers ein Berbietungsrecht gegen die Beklagten,

welche unbefugt denselben Familiennamen mit anderen

Vornamens-Buchstaben als Firma gebrauchen, herzuleiten ist.

Zur

Annahme, daß Kläger in seinen Rechten verletzt ist, genügt es, daß das ganze Verhalten der Beklagten, dessen objektive Unbefugtheit un­ zweifelhaft ist, weil der betreffende Name nicht der ihrige ist und sie

von demjenigen, von welchem sie ihn ableiten, kein Geschäft erworben

haben, darauf abzielt, mittels dieses unbefugten Gebrauches der ähn­ lichen Firma in

das Absatzgebiet

des Klägers, das sich dieser in

Bethätigung

des Handelsbetriebes

unter seiner Firma seit langen

Jahren errungen hat, auf deni Wege von Irreleitungen des Publikums einzugreifen und daher denselben im berechtigten Genusse wirtschaft­

licher Güter zu stören.

Solche arglistige Antastung eines Rechtsgutes

des Klägers enthält eine Verletzung seiner Rechte."

11. Wird durch die einheitliche Ausgabe eines Anlehns mittels Teilschuldverschreibungen unter Rückzahlung durch Auslosung und Verweisnng auf ein einheitliches Pfand ein Verband der Gläubiger be­ gründet, welcher durch Mehrheitsbeschlüsse zur Veränderung der Rechte der Einzelgläubiger zuständig ist? Auslegung von Anleihebedingungen, welche Beschlüsse der Gläubigerversammlungen vorsehen? I. Civilsenat.

Urt. v. 14. Januar 1888 i. S. Aktiengesellschaft für

Ofenfabrikation, Dorrn. G. D., (Bekl.) w. I. S. Söhne (Kl.)

Rcp. 1.

320/87. I. II.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Die beklagte Aktiengesellschaft gab im Jahre 1881 als Partialobligationen einer Anleihe von 250 000 c/M

500 Stück bezeichnete

Schuldpapiere zu je 500 c/ft, lautend auf die Order einer und der­ selben bestimmt bezeichneten Person, aus. Zur Sicherheit für diese

Schuldpapiere war von ihr eine einheitliche Grundschuld von 250000 c< mit ihren Grundstücken bestellt und auf den Namen jener bestimmt

bezeichneten Person, des damaligen Vorsitzenden ihres Aufsichtsrates, eingetragen worden.

Nach den auf den einzelnen Schuldpapieren ge­

druckten Anleihebedingungen war die Anleihe mit 6 Prozent zu ver­

zinsen und vorbehaltlich jederzeitiger Kündigung seitens der Schuld­

nerin durch alljährliche Auslosung von Obligationen in Höhe von

1 Prozent des Anleihebetrages zu amortisieren, auch jeder der Obli­ gationsbesitzer zu gleichen Rechten mit den übrigen an dem Grund­

schuldbriefe, der bei der Reichsbank hinterlegt war, beteiligt, aber zu­ gleich bestimmt, daß die einzelnen Obligationsbesitzer die Bildung von Zweiginstrumenten oder die Vermerkung ihres Rechtes in den Grund-

62

11.

Teilschuldverschreibung.

Gläubigerverband.

bücheru oder auf dem Grundschuldbriefe nicht fordern könnten. In den Anleihebedingungen hieß es sodann: „Die Inhaber der Partialobligationen sind auf Höhe des darin verschriebenen Kapitales und der darin zu zahlenden Zinsen Gläubiger der Gesellschaft rc. Zur Wahrnehmung der Rechte der Obligationäre wird aus der Zahl der Inhaber von Partialobligationen eine Kommission von drei Mitgliedern gebildet, welche darüber zu wachen hat, daß die Anleihebedingungen pünktlich innegehalten und die hypothekarische Sicherheit nicht verkürzt werde. Die Wahl dieser Kommission erfolgt zu notariellem Protokolle in der ersten Versammlung, welche durch den Vorstand der Gesellschaft berufen wird. In den Ver­ sammlungen der Obligationäre verleiht der Besitz je einer Obli­ gation eine Stimme. Alle Beschlüsse werden mit absoluter Stimmen­ mehrheit gefaßt. Die in der Versammlung der Obligationäre gefaßten Beschlüsse sind für alle Interessenten verbindlich, dieselben mögen in der Ver­ sammlung vertreten gewesen sein oder nicht." Er waren sodann besondere Erfordernisse für die rechtswirksame Berufung der Versammlungen durch die genannte Kommission oder den Gesellschaftsvorstand aufgestellt. Beim Ausscheiden eines der Kommissionsmitglieder sollten die beiden verbleibenden zur Kooptation des Dritten berufen sein, beim Verbleiben nur noch eines Mitgliedes aber die Berufung der Versammlung der Obligationäre erfolgen. In betreff der Mitglieder der Kommission hieß es: „Dieselben gelten als unwiderruflich von allen Obligationären zur Wahrung der Rechte derselben in Ansehung der Grundschuld ermächtigt und bedürfen zu deren Vertretung keiner besonderen Vollmacht. Sie sind berechtigt und verpflichtet, in eigenem Namen die Rechte der Obligationäre aus der Grundschuld wahrzunehmen. Nur mit Genehmung der Kommission der Obligationäre kann Herr rc (auf dessen Namen die Grundschuld eingetragen) Löschungen und Entpfändungen, und nur in dem Umfange bewilligen, als ihm die Herabminderung der Anleihe durch Vernichtung amortisierter oder sonst eingelöster Partialobligationen nachgewiesen sein wird." Die Aktiengesellschaft geriet im Jahre 1886 in Schwierigkeiten ünd in einer von ihrem Vorstande berufenen Versammlung der Obli-

gationäre

beschlossen

die Erschienenen

mit Stimmenmehrheit,

ent­

sprechend den von der Gesellschaft gestellten Anträgen den Zinsfuß

der Obligationen vom 1. April 1886 ab auf 4 Prozent herabzusetzen und für den Fall des freihändigen Verkaufes eines bestimmten Ge­ sellschaftsgrundstückes zu einem bestimmten Preise gegen Verwendung

eines bestimmten Teiles des Kaufpreises zur Abzahlung auf die Obligationen in die Löschung der 250000 o< bei diesem Grundstücke zu willigen. Klägerin,

die als Eigentümerin mehrerer Obligationen bereits

in jener Versammlung gegen diese Beschlüsse Widerspruch erhoben

hatte, stellte hierauf gegen die Aktiengesellschaft Klage auf Feststellung,

daß die gefaßten Beschlüsse für sie unverbindlich — dies war unge­ achtet der Wortfassung des Klagantrages: „ihr gegenüber ungültig"

gemeint — seien, sowie auf Verurteilung der Beklagten zur Aus­ händigung sechsprozentiger Zinskoupons an.

Der Beklagte erachtete

die Klägerin an jene Beschlüsse in Rücksicht auf die Einheitlichkeit

der ganzen Anleihe und den Inhalt der Anleihebedingungen gebunden. Das Berufungsgericht erkannte nach den Klaganträgen, das Reichs­

gericht verwarf die Revision der Beklagten aus folgenden Gründen: „Es ist durchaus zuzugeben, daß bei der Ausgabe eines Anlehns, welche

an

eine Vielheit

von Nehmern

mittels

eines einheitlichen

Emissionsaktes erfolgt, und bei welcher die vom Bedürfnisse des Emit­ tenten erforderte Anleihesumme in eine Anzahl von Teilen unter Aus­ stellung von Schuldpapieren über diese einzelnen Teile zum Zwecke ihrer Überlassung an Nehmer zerlegt wird, mittels besonderer Fest­ setzungen in den Emissionsbedingungen den Nehmern dieser Papiere

die Beschränkung auferlegt werden kann, daß der einzelne bei Aus­

übung seiner Rechte oder doch gewisser Rechte nur in Gemeinschaft mit den übrigen vorgehen darf und überhaupt oder für gewisse Fälle Abänderungen seiner Rechte durch Beschlüsse der zu einem Gesämt-

heitsverbande organisierten sämtlichen an derselben Emission beteiligten Gläubiger unterworfen sein soll. Aber der Revisionsbegründung kann nicht zugegeben werden, daß eine solche Beschränkung schon ohne

weiteres infolge solcher Art der Ausgabe, also insbesondere deshalb

anzunehmen oder als gewollt angezeigt sei,

weil das Anlehn sich

11.

64

Teilschuldverschreibung.

Gläubigerverband.

mittels eines einheitlichen Emissionsaktes ausgegeben angekündigt, die

einzelnen Schuldverschreibungen als Teilschuldverschreibungen bezeichnet

sind, fortlaufende Nummern tragen, in betreff ihrer Rückzahlbarkeit von einem, die sämtlichen Papiere umfassenden Amortisationsgeschäfte

abhängig nnd in betreff ihrer Sicherheit sämtliche

Verpfändungsurkunde

angewiesen

auf

eine einheitlich für

aufgenommene

Teilschuldverschreibungen

sind.

Die

und eingetragene

Revisionsbegründung

geht hierbei von einem spezifischen Begriffe eines Gesamtanlehens aus, der sich im modernen Verkehrsleben entwickelt habe und, an diesen

Merkmalen erkennbar, die Eigentümlichkeit eines sozietätsmäßigen oder

sozietätsähnlichen Verhältnisses unter den einzelnen Gläubigern mit

Unterordnung

des

einzelnen

unter

ein gemeinschaftliches Interesse

oder gar eines körperschaftlichen Verbandes der Gläubigergesamtheit

mit einer zur Veränderung der Rechte der einzelnen befugten Auto­ nomie an sich trage.

Indessen kann weder anerkannt werden, daß

durch solche Art der Schuldenbegründung mit rechtlicher Notwendig­

keit eine die freie Ausübung des Einzelrechtes einem Gesamtinteresse unterordnende Gemeinsamkeit entsteht, noch daß sich eine Verkehrs­ tendenz, eine Schuldenbegründung dieser Art im Sinne eines solchen

Gemeinsamkeitsverhältnisses aufzufassen, mit irgend welcher Sicherheit

herausgebildet hätte, welche es gestattete, dieses Moment bei jeder Begründung von Schulden dieser Art anzunehmen und deshalb Fest­ setzungen in betreff der Wahl von Vertretern, denen volle Beachtung

wird, tvenn man sie im Sinne der Ermöglichung gleichzeitiger und

gleichartiger Geltendmachung der Rechte aller Gläubiger bei verblei­ bender Selbständigkeit jedes einzelnen Gläubigerrechtes versteht, aus­

dehnend im Sinne der Einschränkung des letzteren auszulegen.

Mit

Ausnahme der österreichischen Gesetze vom 24. April 1874, betreffend die Wahrung der Rechte der Besitzer von Pfandbriefen, sowie be­ treffend die gemeinsame Vertretung der Rechte der Besitzer von Teil­

schuldverschreibungen, vgl. Zeitschr. für Handelsrecht Bd. 20 S. 507. 509,

bezw. des Ergänzungsgesetzes vom 5. Dezember 1877 (Beilageheft zu Bd.28

ebendas. S. 85), welche Gesetze in Doktrin und Praxis den lebhaftesten Widerspruch hervorgerufen haben, uitb etwa des Gesetzes für die Herzog­ tümer Koburg und Gotha vom 4. April 1885, betreffend das Faustpfand­

recht für Pfandbriefe (gemeinschaftliche koburg-gothaische Gesetzsamml.

11.

Teilschuldverschreibung.

Gläubigerverband.

65

S. 476) weisen, soweit es sich übersehen läßt, die modernen Gesetze

oder Gesetzentwürfe in betreff von Teilschulden oder von auf eine

einheitliche Sicherheit angewiesenen Schulden entweder den Gedanken einer zur Beschränkung des Rechtes des Einzelgläubigers geeigneten Gemeinsamkeit von sich, oder sie gewähren ihm nur eine höchst ein­ geschränkte, sich auf Fälle, in denen, wie beim Konkurse, auch eine

Gemeinschaft der Gläubiger überhaupt begründet wird, beziehende und noch von besonderen Kautelen abhängige Geltung.

Die Berechtigung

der Annahme einer die Rechte des Einzelgläubigers einschränkenden

Gemeinsamkeit wird sowohl in dem Entwürfe eines deutschen Reichs­ gesetzes, betreffend das Faustpfandrecht für Pfandbriefe und ähnliche

Schuldverschreibungen,

vgl. Drucks, des Reichstages 4. Legislaturperiode II. Session 1879 Bd. 2 Nr. 50, vgl. Motive S. 28. 29. 51—54. 74, wie in dem Entwürfe eines deutschen Reichsgesetzes, betreffend das

Pfandrecht an Eisenbahnen und die Zwangsvollstreckung in dieselben (a. a. O. Nr. 130, vgl. Motive S. 29. 61) zurückgewiesen.

Der

Vertreter der Pfandbriefgläubiger, welchen der erstere Entwurf ein­

gesetzt wissen will, ist lediglich Pfandhalter und soll nur namens aller Interessenten, deren Rechte auf Erhaltung der Pfandsicherheit

geltend machen, sowie die den emissionsgemäßen Bedingungen in betreff

der Entpfändung und Annahme von Ersatzpfändern entsprechenden Erklärungen abgeben.

Nur für den Fall, daß bei einem Konkurse

der Psandbriefsanstalt eine Zwangsliquidation in betreff der Pfand­

briefsforderungen beschlossen wird,

erfolgt

eine

Beschränkung

der

freien Geltendmachung des Einzelgläubigerrechtes, indem alsdann und

im Hinblicke auf die Möglichkeit eines solchen Beschlusses schon für eine bestimmte kurze

Frist vorher die

auf Betrieb

des Einzelnen

erfolgende Zwangsvollstreckung eingestellt wird und in der Zwangs­

liquidation ein Zwangsvergleich zulässig ist, der aber wie der Zwangs­

vergleich im Konkurse, dem er auch in betreff des Erfordernisses der zustimmenden Gesammtsumme von Forderungen ähnlich ist, der gericht­

lichen Bestätigung bedarf (vgl. §§. 9. 20. 21. 22. 24—40). In ähnlicher Weise ist in dem zweiterwähnten Entwürfe bei einer in Theilschulden zerlegten Eisenbahnschuld erst nach Einleitung der Zwangs­

verwaltung oder Zwangsversteigerung der Eisenbahn eine Beschränkung des Rechts des Einzelgläubigers in der Verfolgung, insbesondere auch E. d. R.G. EnUch. in Civils. XXII.

5

11.

GO

Teilschuldverschrcibung.

ein Zwangsvergleich,

Gläubiqerverband

der der gerichtlichen Bestätignng bedarf, vor­

gesehen (§§. 32 — 36 des zweiterwähnten Entwurfes).

Gerade für die

Benrteilnng des vorliegenden Streitfalles ist es nicht ohne Interesse,

daß der znerst erwähnte Entwurf Versammlungen der Pfandbriefs­ gläubiger allgemein und mit wirksamen Mehrheitsbeschlüssen vorsieht (§. 21), während sich diese Beschlüsse, soweit nicht eben Konkurs der

Pfandbriefsanstalt vorliegt, nur auf Bestellung oder Abberufung des

sowie

Pfandhalters,

trächtigung

auf

konservatorische Maßregeln

der Rechtsverfolgung

seitens

ohne Beein­

des Einzelnen

weniger seines Rechtes der Substanz nach beziehen.

und

noch

Nach den eng­

lischen Gesetzen vom 29. Juni 1865 und 4. Juli 1870, welche als

Beilagen

dem

ersterwähnten Entwürfe hinzugefügt sind (a. a. O.

S. 152. 154), ist dem Einzelpfandbriefgläubiger die freie Ausübung

seines Rechtes trotz der erfolgten Ernennung eines Receivers aus­

drücklich zuerkannt.

Das Schweizer Bundesgesetz über die Verpfändung

und Zwangsliquidation der Eisenbahnen vom 24. Juni 1874, vgl. Zeitschr. für Handelsrecht Bd. 21 S. 426 flg., wahrt gegenüber Mehrheitsbeschlüssen der Titelinhaber einer und der­ selben Anleihe auf Verzicht auf das Pfandrecht oder den Rang zu

Gunsten einer neuen Anleihe jedem innerhalb einer Einspruchsfrist nach

öffentlicher Bekanntmachung des Beschlusses Widersprechenden

für seine Teilforderung die bisherigen Titelrechte (Art. 8) - und be­

schränkt die freie Ausübung des Teilforderungsrechtes nur in betreff

der Befugnis auf Einleitung der Zwangsliquidation über die Eisenbahn, indem hier dem einzelnen Titelinhaber ein solches Begehren nur für

den Fall, daß die Gesellschaft mit der Zahlung von Kapital oder Zins seit einem Jahre im Verzüge, zusteht, im übrigen aber der

Mehrheitsbeschluß

der

zusammenberufenen

Titelinhaber

entscheidet

(Art. 15), während nach eingeleiteter Zwangsliquidation die Titel­ inhaber

die

rechtliche Stellung wie Konkursgläubiger haben.

In

Frankreich, wo der neue Aktiengesetzentwurf bei Ausgabe von Ob­ ligationen durch Aktiengesellschaften die Berufung von Generalver­

sammlungen der Obligationäre und die Wahl von commissaires, die

von neuem Versammlungen der Obligationäre berufen können, durch diese Versammlungen zur Überwachung der emissionsgemäßen Ver­ wendung der Fonds und der Erhaltung der Sicherheiten überall dann

vorsieht, wenn dies entweder in den Emissionsbedingungen ansge-

1L

Teilschuldverschreibung.

67

Gläubigerverband.

sprachen ist, oder besondere Sicherheiten zugesagt sind, bestimmt ein

besonderer Artikel, daß mit diesen Anordnungen durchaus kein Eingriff in die jedem Obligationär für sich zustehenden droits individuels be­

absichtigt sei, und es wird in den Motiven ausdrücklich hervorge­

hoben, les dispositions de cet article ne fönt pas obstacle ä l’exercice

des actions individuelles appartenant ä chaque porteur.

Ce sont des

droits nouveaux, qui viennent s’ajouter aux droits ordinaires, sans s’y substituer, sowie, daß diese commissaires, die in bezug auf die Urkundsakte bei Bestellung und Aufgabe der Pfand- und Hypotheken­

rechte die Obligationäre vertreten, von diesen Sicherheiten nicht nach ihrem Ermessen, sondern nur, soweit zurückgezahlt ist, entsprechende

Bestandteile aufgeben dürfen (Artt. 75—86 des Entwurfes, vgl. Text

und Motive in Revue des Societes 1883 S. 201. 1884 S. 328. 330. 813). Dieser Überblick genügt, um darzuthun, wie gerecht die Bedenken dagegen sind, aus der urkundlichen Bezeichnung der einzelnen Schuldpapiere als Einheit oder Gesamtheit und Anweisung auf ein ungeteiltes Pfand, während doch zum Zwecke selbstständiger Cirkulation eben Einzelpapiere geschaffen und an die einzelnen Nehmer gegeben werden, auch in denselben die Rechte als auf dem Einzelpapier be-

ruhend verbrieft werden, auf einen Willen der Nehmer, wonach diese in bezug auf den Inhalt und Umfang dieser Rechte, sowie ihre Geltend­

machung sich abändernden oder einschränkenden Beschlüssen der Ge­

samtheit der in gleicher Weise als Gläubiger Beteiligten — ohne jede behördliche Prüfung, ob diese Beschlüsse wirklich zum Besten der

sog. Gesamtheit gereichen — unterwerfen, zu schließen und aus der in den Emissionsbedingungen geschehenen Anordnung von Gläubiger­

versammlungen über die bloße Möglichkeit einer Vertretung zur Wahr­

nehmung der Rechte durch Bevollmächtigte, die sonst jeder einzelne für sich wahrnehmen müßte, hinaus eine Unterordnung des Rechtes des Einzelgläubigers unter einen Gesamtheitswillen zu folgern.

Das Berufungsgericht hat sich daher auf den zutreffenden Stand­ punkt gestellt, indem es prüft, ob in den Anleihebedingungen eine solche Beschränkung des Rechtes des Einzelgläubigers zum klaren Aus­ drucke gebracht sei, und es mußte auch das negative Ergebnis,

zu

welchem das Berufungsgericht bei dieser Prüfung gelangt ist, für zu­ treffend erachtet werden, ohne daß es darauf ankommt, ob hier jeder einzelnen

Auslegung

entsprechender

einzelner

Sätze

der se

Anleihe­

bedingungen beizutreten war.

Wenn es von den Beschlüssen der Ver­

sammlungen der Obligationäre heißt, daß dieselben für alle Interessenten

verbindlich sind, so erscheint es vollkommen zutreffend, statt hierin eine

unbegrenzte Znständigkeitsbegründung für alles Mögliche in betreff der Rechte aus den Obligationen und ihrer Geltendmachung zu finden,

die Zuständigkeitsgrenze aus dem Zwecke zu entnehmen, bei welchem die Emissionsbedingungen die Gläubigerversammlungen überhaupt ein­

führen.

Dies geschieht bei der Anordnung der Bildung einer Kom­

mission von drei Mitgliedern aus der Zahl der Inhaber von Partial­

obligationen zur Wahrnehmung der Rechte der Obligationäre.

Die

Aufgabe dieser Kommission ist im allgemeinen dahin bezeichnet, da-

riiber zu wachen, daß die Anleihebedingungen pünktlich innegehalten

und die hypothekarische Sicherheit nicht verkürzt werde, und im be­

sonderen,

die Rechte

der Obligationäre

aus der Grundschuld im

eigenen Namen wahrzunehmen und zu Löschungs- und Entpfändungserklärungen seitens des nominellen Inhabers des Grundschuldbriefes, die aber mir in dem Umfange zulässig sein sollen, als die Herab­ minderung der Anleihe durch Vernichtung amortisierter oder sonst

eingelöster

Partialobligationen

nachgewiesen

sein

wird,

ihre

Ge­

nehmigung zu geben,

auch beini Ausscheiden Lines Mitgliedes ein

anderes zu kooptieren.

Behufs der Wahl dieser Kommission ist in

den Anleihebedingungen zuerst von der Berufung der Versammlung

der Obligationäre, welche hierbei als die erste Versammlung der Ob­ ligationäre bezeichnet wird,

Feststellung

berechtigung,

der

an

Form welche

der sich

die Rede.

Wenn nun weiter bei der

Zusammenberufung

wie

der

Stimm­

die bereits erwähnte Festsetzung der

Wirkung der Mehrheitsbeschlüsse knüpft,

von den Versammlungen

der Obligationäre die Rede ist, so erklärt sich dies einfach aus der eventuellen Erforderlichkeit von Neuwahlen, sobald nur noch ein Mit­ glied der Kommission in Funktion, welche einige Absätze später aus­

drücklich als zu einer neuen Berufung Anlaß gebend hervorgehoben ist, sowie aus der offenbar anzunehmenden Zuständigkeit gleicher Ver­ sammlungen zur Abberufung bestellter Kommissionsmitglieder.

Wenn

man aber die Zuständigkeit der Obligationärversammlungen auch nicht

auf diese Wahlen und Abberufungen beschränken, sondern auf Auf­ tragserteilungen an die Kommission erstrecken will, so bildet die Grenze für eine hiernach anzunehmende Gemeinsamkeit immer doch die lediglich

in der Richtung der Erhaltung der gewährten Rechte der Kommission

gestellte Aufgabe. Insofern für solche Erhaltung der Rechte Maßregeln

verschiedener Art möglich sind, kann freilich die Annahme der Zuständig­ keit eines Mehrheitsbeschlusses für eine bestimmte Maßregel, indem dieselbe eben eine andere ausschließt, eine Beschränkung des Einzel­ obligationärs enthalten.

Allein im vorliegenden Falle handelt es sich

nicht um Wahrung der zugesicherten Rechte oder nm Maßregeln zur Durchführung derselben, sondern um Aufgebung von Rechten, um Ver­

änderung der Grundlagen der Anleihebedingungen. Aus den letzteren ist aber eine Gemeinsamkeit der Obligationäre, welche weiter ginge, als die der Kommission allgemein gestellte Aufgabe — darüber zu

wachen, daß die Anleihebedingungen pünktlich innegehalten und die hypothekarische Sicherheit nicht verkürzt werde — nicht erkennbar.

Dies

gilt nicht bloß in betreff des in den Anleihebedingungen den Obligationen zugesicherten Zinsbetrages, sondern auch in betreff der Gewährung der

Sicherheit in der Weise, daß der ungetilgte Rest der Obligationen stets

zum vollen Betrage auf jedem der conjunctim verpfändeten Grundstücke stehen zu bleiben habe.

Die Ausstellung einer einheitlichen Grund­

schuld erklärt sich durchaus durch Nützlichkeitsrücksichten behufs Verein­

fachung der Rechtsakte, die für das Grundbuch erforderlich sind.

Eine

Gemeinsamkeit im Sinne der §§. 10 flg. I. 17 preuß. A.L.R. ist damit nicht begründet, sodaß es dahingestellt bleiben kann, ob bei prinzipieller Geltung

dieser Bestimmungen

für das vorliegende Verhältnis die

Folgerung, daß der Mehrheitsbeschluß der Gläubigerversammlungen —

der an sich etwas Anderes ist, als die Mehrheit der Stimmen des §. 12 a. a. O., welche ja übrigens auch nicht unbedingt entscheidet, §§. 13—18 a. a. O. — habe an die Stelle dieser Ausgleichungs­ bestimmungen treten sollen, begründet wäre.

Wenn gegen die hier ver­

tretene Auffassung geltend gemacht wird, daß bei der Einheitlichkeit

der bestellten Grundschuld die angenommene Unabänderlichkeit des Rechtes

des einen Anleihegläubigers, der nichts anfgeben wolle, zu einer Ein­

schränkung der Rechte anderer Anleihegläubiger führe, indem nun auch

diese in bezug auf ihre Rechte keine Veränderung bewilligen könnten, wenn sie auch gerade in solcher Veränderung, insbesondere einer Er­

leichterung der Lage des Emittenten, das allein geeignete Mittel zu

wirklicher Sicherung ihrer Forderungen der Hauptsache nach erblickten, so wird, wenn diese Folgerung richtig wäre, sie freilich ein schlagendes

Argument gegen die diesseitige Auffassung.

Aber sie beruht gerade

auf einem Mißverständnisse der diesseitigen Auffassung, welche ja nicht dahin geht, daß in der gemeinsamen Angelegenheit die Meinung des­

jenigen, welcher die Veränderung der begründeten Rechte nicht wolle,

den Ausschlag gebe, vielmehr die Gemeinsamkeit über die bloße Wahrung der bestehenden Rechte hinaus leugnet. Sind Anleihegläubiger mit der Beklagten darüber einverstanden, für ihre Obligationen auf einen be­ stimmten Zinsenbetrag zu verzichten, ober eine erleichternde Verteilung der Einträge auf den einzelnen Grundstücken zu gestatten, so steht nichts

im Wege, daß sie dies thun, und daß in Höhe der betreffenden Ob­ ligationen eine Abzweigung von der Grundschuld stattfindet.

Die Be-

stinimung in den Anleihebedingungen, daß seitens der Obligations­

besitzer die Bildung von Zweiginstrumenten oder die Vermerkung ihres

Rechtes in den Grundbüchern oder auf dem Grundschuldbriefe nicht gefordert werden kann, soll nur den Emittenten gegen die Anforderung

einer die Rechtsakte in betreff der Grundschuld erschwerenden Zerlegung

der Grundschuld in einzelne Teile schützen.

Dagegen kann, wenn der

Emittent und einzelne Anleihegläubiger über die Veränderung der An-

leihe bezw. Grundschuldbedingungen einig sind, einer Abzweigung des­ jenigen Grundschuldbetrages, welcher den Anleihebeträgen der einver­ standenen Gläubiger entspricht, an dem Grundschuldbriefe seitens der

anderen Anleihegläubiger nicht widersprochen werden."...

12. Wird eine eingetragene Genossenschaft, ungeachtet der Bestimmung

ihres Statuts, daß ihre Vertretung im Geschäftsbetriebe bei einer Zweigniederlassung nur durch zwei dieser vorgesetzte Beamte gemein­

schaftlich erfolgen soll, durch das Handeln nur eines dieser Beamten gegen Dritte verpflichtet, wenn der Vorstand das alleinige Handeln desselben gestattet hat? Folgerung der Gestattung aus Kenntnis der langjährigen Außerachtsetzuug der statutarischen Vorschrift ohne Rüge.

I. Civilsenat.

Urt. v. 25. Februar 1888 i. S. Vorschußvereiu zu

Osterfeld, eingetr. Genossenschaft (Bekl.) w. M. (Kl.) I.

II.

Landgericht Naumburg a./S.

Oberlandesgericht daselbst.

Rep. I. 402/87.

12.

®ciiufjen[d)aft. Zweigniederlassung. Berlrelnng.

71

Der beklagte Verein, eine eingetragene Genossenschaft, hatte nach seinem Statute seinen Sitz in Osterfeld, aber sog. Filialen in Stößen

und Teuchern.

Er nahm Spareinlagen gegen Verzinsung an allen

drei Orten an und stellte darüber Sparbücher aus.

Die für An­

nahme von Spareinlagen bei den Filialen ausgegebenen Sparbücher enthielten auf der ersten Seite gedruckt und zur Unterschrift seitens

zweier Mitglieder des zur Zeit der ersten Einzahlung fungierenden Genossenschaftsvorstandes bestimmt das Bekenntnis, daß der Vor­ schußverein die umstehend verzeichneten Einlagen erhalten habe, und auf den anderen Seiten unter der Überschrift „Einzahlungen" Rubriken

für die einzelnen Einzahlungsbeträge sowie für die Tage der Ein­

zahlung und eine Rubrik: „Quittung des Vorstehers und des Filiale­ kassierers". Ebenso waren unter der Überschrift: „Rückzahlungen" Rubriken für Betrag und Tage

der Rückzahlung

sowie

Quittung des Einlegers als Empfängers vorhanden.

für

die

Ausweislich

eines solchen, im Besitze des Klägers befindlichen Sparbuches hätte

dieser in Teuchern in der Zeit von 1879 bis Ende 1885 zu 27 ver­ schiedenen Malen tut ganzen 10 800 c4t eingelegt und darauf an

Zinsen und Kapital

zusammen

9109,70 c/M

zurückerhalten.

Das

auf der ersten Seite enthaltene Empfangsbekenntnis des Vereines war

von zwei Mitgliedern des Genossenschaftsvorstandes, welcher zur Zeit

der ersten Einlage fungierte, unterzeichnet.

Die einzelnen Quittungs­

vermerke bei den Einzahlungen waren aber nur von einer Person,

dem während der ganzen Zeit in Teuchern bei der Filiale fungierenden

Kassierer G., dagegen nicht von einem Filialenvvrsteher unterzeichnet. Der Klage auf Rückzahlung des Restbetrages setzte der Verein ent­

gegen, daß der Kassierer G., der schließlich wegen Unterschlagung von Vereinsgeldern und Urkundenfälschungen zur Untersuchung ge­ zogen und bestraft wurde, nicht mehr als die an Kläger zurück­

bezahlten Kapitalbeträge in den von ihm geführten Vereinsbüchern eingetragen, dem Vereine aufgegeben und an denselben abgeführt habe,

nnd daß die Mehrzahlungen den Verein nicht verpflichteten, weil Kläger seine Gelder an G. nur gegen dessen alleinige Quittung, statt

gegen die Quittung der in der betreffenden Rubrik bezeichneten zwei Personen, gegeben habe.

Kläger entgegnete,

daß der Vorstand des

Vereins lange Jahre hindurch die alleinige Annahme und Quittungs­

leistung seitens

des G. bei Spareinlagen in Teuchern gewußt und

geduldet, auch für die stete Besetzung des Postens des Filialenvorstehers dem Kassierer G. in Teuchern

neben

keine genügende Sorge

ge­

tragen habe.

Nach dem Statute des Vereines bildete den Vorstand der Ge­ nossenschaft der „Vorstand an der

Hauptkasse in

Osterfeld".

Er

bestand aus drei Mitgliedern, von denen zwei zur Vertretung aus­

Dieser Vorstand allein war als Vorstand der Genossenschaft

reichten.

zmn Genossenschaftsregister angemeldet worden.

Er sollte die Vereins­

geschäfte selbständig, soweit er nicht durch das Statut und spätere Gesellschaftsbeschlüsse darin beschränkt wurde, führen.

„Doch — so

hieß es weiter in §. 5 Abss. 2 und 3 des Statuts — binden solche Beschränkungen den Vorstand nur dem Vereine gegenüber und haben nach außen keine rechtliche Wirkung.

Vorstande

in

dieser

seiner

Vielmehr verpflichten alle vom

Eigenschaft vorgenommenen Akte

Verein unbedingt dritten Personen

gegenüber."

Das Statut

den sah

außerdem Vorsteher an den Filialkassen in Stößen und Teuchern vor, bestehend je aus einem Vorsteher, einem Kassierer und drei Beiräten.

Die Wahl dieser Vorsteher und Kassierer sollte durch den Aufsichts­ rat unter Bestätigung der Generalversammlung immer auf drei Jahre

erfolgen.

In betreff der Zuständigkeiten

der Filialkassenvorstände

hieß es zunächst im allgemeinen: „Die Vorstände an den Filialkasseu haben unter Aufsicht der ihnen zugeordneten Beiräte den Verkehr in den Filialbezirken mit den Mitgliedern und den Darlehnsgebern zu vermitteln, zu diesen: Behufe sind dieselben befugt, Darlehen für den

Verein anznnehmen und darüber Jnterimsquittuugen, vom Vorsteher und Kassierer vollzogen, zu erteilen."

bezeichnet für die Vorsteher:

Als spezielle Funktionen waren

„die Anträge der Darlehnsgeber ent­

gegenzunehmen und dem Beirate zur weiteren Beschlußfassung vor­ zulegen

und

danach

die

gefaßten Beschlüsse

zur Ausführung

zu

bringen, den Kassierer zu kontrollieren" rc, für die Kassierer: „alle ein-

konlmenden Gelder zur Aufbewahrung zu übernehmen, alle Einnahmen und Ausgaben sofort in die ihnen übergebenen Bücher einzutragen."

Der Aufsichtsrat sollte gemeinschaftlich mit dem Vorstande des Vereines

die nötigen Instruktionen für die Filialkassen erlassen. G. hat die Stellung als Kassierer in Teuchern etwa 21 Jahre

lang bekleidet. daselbst.

Neben ihm existierten auch Vorsteher der Filialkasse

Indessen erfolgten die Wahlen solcher Vorsteher unregel-

12. Gciiosscnschast. Zwcignicdcilnssuiig. Vertretung. mäßig.

73

Obwohl die Amtsdauer eines solchen mit dem 1. April 1878

abgelaufen war, erfolgte erst im November 1879 für die Zeit voni 1. April 1880 ab die Wahl

versammlung. drei

Jahren

eines

anderen

durch

die General­

Eine Neuwahl oder Wiederwahl nach Ablauf von

erfolgte

nicht.

In

einer

Generalversammlung

vom

12. Dezember 1886 wurde der int November 1879 Gewählte seiner

Funktion enthoben.

Eine Einsendung der Sparbücher an den Vorstand

in Osterfeld, um die Jnterimsquittungen durch definitive Quittungen dieses Vorstandes zu ersetzen,

fand nicht statt.

Wohl aber wurden

allmonatlich diejenigen bei den Filialen ausgegebenen Sparbücher, die durch völlige Rückzahlung wieder in den Besitz der Filialen gekommen waren, dem Vorstande in Osterfeld zugesandt.

Die Revision gegen das den beklagten Verein nach deni Klag­ antrage verurteilende Erkenntnis des Berufungsgerichtes wurde zurück­ gewiesen.

Aus den Gründen:

„Die getroffene Entscheidung beruht auf dem Grunde, daß der Vorstand — Hauptvorstand — des Vereines durch sein Verhalten während geraumer Zeit das Alleinauftreten des Kassierers G. bei Ab­ schluß der Darlehnsverträge an der Geschäftsführungsstelle in Teuchern

und daher bei der Annahme der als Darlehen oder sogenannte Spar­

einlagen daselbst angebotenen Beträge für den Verein genehmigt habe,

und dieser Entscheidungsgrund enthält keine Gesetzesverletzung. Den den beklagten Verein vertretenden Vorstand im Sinne der

§§. 17—27 des Gesetzes, betreffend die privatrechtliche Stellung der

Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, vom 4. Juli 1868 bildete

nach dem Statute und den auf Grund desselben bewirkten Eintragungen int Genossenschaftsregister lediglich der sog. Vorstand der Hauptkasse

zu Osterfeld.

In betreff der Erfordernisse der Gültigkeit einer Willens­

erklärung als der Erklärung dieses Vorstandes hatte jeder Dritte, der mit dem Vereine kontrahieren wollte, die Vorschriften des Gesetzes und

die Bestimmungen des Statuts (§§. 19. 4 Abs. 4 des Gesetzes) zu berücksichtigen, und Änderungen dieser Erfordernisse konnten nur durch eine wirksame Statutenänderung zur Wirksamkeit gelangen.

Durchaus anders verhält es sich aber mit den sogenannten Filial­ kassenvorständen.

Diese waren schon nach der Intention des Statuts,

wenn man sie mit den gesetzlichen Bestimmungen verknüpft, bloße Be-

12. Geiwssenschnft. Zweigniederlassung. Bertrclnng.

74

vollmächtigte zum Betriebe von Geschäften des Vereines sowie zur Ver­

tretung des Vereines in Beziehung auf diese Geschäftsführung im Sinne

des §. 30 des Gesetzes.

Selbst wenn die Filialen als Zweignieder­

lassungen int Sinne des §. 7 des Gesetzes zur Eintragung gelangt wären, hätten als Vorstandsmitglieder hier immer nur die Mitglieder

des Vorstandes der Hauptkasse in Osterfeld und nicht die sog. Filial­ kassenvorstände angemeldet werden können, da es bei derselben Ge­

nossenschaft verschiedene Vorstände, von denen gewisse auf die Ver­

tretung für bestimmte Orte beschränkt sein könnten, nicht giebt, das Wesen des Vorstandes in der Dritten gegenüber unbeschränkten Ver­

tretungsfunktion beruht (§. 21 des Gesetzes), die sog. Filialkassen­ vorstände aber offenbar nicht ein dem Hauptkassenvorstande zu Oster­ feld ebenbürtiges, in der Vertretung des Vereines gegen Dritte unbe­

schränktes Vertretungsorgan sein sollten. Nmt war allerdings im Statut in betreff der Bestellung dieser

Bevollntächtigten bestimmt, daß sie vom Aufsichtsrate gewählt und von der Generalversammlung bestätigt werden sollten, und in betreff des

Vvllmachtsumfanges, daß nur immer Vorsteher und Kassierer gemein­ schaftlich die Darlehnsverträge schließen, können sollten.

bezw. die Gelder annehmen

Diese Bestimmungen dürfen aber mit Rücksicht auf

das Gesetz keine andere Bedeutung als die innerer organisatorischer be­ anspruchen',

vermöge deren die Genossenschaftsorgane dafür sorgen

sollten, daß die Bevollmächtigten für die Filialen immer nur

vom

Aufsichtsrate gewählt, von der Generalversammlung bestätigt würden

und immer nur ztt einem in bezug auf die Annahme der Darlehen­ beträge gemeinschaftlichen Hattdeln die Befugnis und Legitimation er­ hielten.

Diese Bestimmungen berührten den Dritten nicht.

Freilich

ntuß der Dritte, wenn er die Verbindlichkeit des Vereines aus einem Rechtsgeschäfte,

das

er mit jemandem

als

Bevollmächtigtem

des

Vereines geschlossen darthun will, das Vorhandensein einer Vollmacht

und eines Umfanges derselben, nach welchem jener zum Abschlüsse des Geschäftes legitimiert war, beweisen, und er kann, sofern das Statut für in demselben vorgesehene Bevollmächtigte oder Beamte, in deren

Geschäftskreise das fragliche Geschäft fallen würde, einen beschränkteren Vollmachtsumfang aufstellt, sich natürlich nicht auf das Statut zum

Nachweise der Vollmacht berufen. thatsächlich

Aber er ist nicht gehindert, die

erfolgte unbeschränktere Vollmachtserteilung seitens

des

12.

Genossenschaft.

Hweigniederlossung.

Bertretull^.

75

Vorstandes nachzuweisen, auch wenn er selbst weiß, daß dieselbe in

Nichtachtung der Bestimmungen des Statuts erfolgt ist.

Der §. 30

des Gesetzes hat durchaus nicht etwa die Bedeutung, daß die nach außen verbindliche Bestellung der in diesem Paragraphen bezeichneten Bevollmächtigten nur im Falle einer Anerkennung derselben durch den Gesellschaftsvertrag oder nur in dem Umfange, in welchem der Gesell­ schaftsvertrag eine solche vorsieht, erfolgen könne. Vgl. Art. 234 H.G.B. früherer Fassung, jetzt — in der Fassung

des Gesetzes vom 18. Juli 1884 — Art. 235, Kommentar Bd. 1

S. 730; Ring,

dazu v. Hahn,

Das Reichsgesetz

betr. die

Aktienkommanditgesellschaften und Aktiengesellschaften vom 18. Juli

1884 S. 528. Der §. 30 will im Hinblicke auf §. 21 nur zum Ausdrucke bringen, daß

— sei es durch statutarische Bestimmung, sei es durch ein zuständiges

Organ der Genossenschaft — auch Vertreter mit beschränkter Voll­ macht, die eben keine Vorstandsmitglieder sind, bestellt werden können. In der nach außen unbeschränkbaren Vertretungsbefugnis des Vor­

standes liegt aber die Befugnis, mit verbindlicher Wirkung nach außeir solche Bestellung vorzunehmen sowie den Umfang einer einmal er­

teilten Vollmacht zu erweitern. Wollte man die vorliegenden statutarischen

Bestimmungen im Sinne einer Beschränkung des Vorstandes nach

außen dahin, daß er überhaupt nicht mittels einer von ihm ansgehenden Vollmachtserteilung für die von den Filialen aus zu be­

treibenden Geschäfte oder nur mittels Erteilung einer für mehrere gleichzeitig Handelnde bestimmten Kollektivvollmacht die Genossenschaft

solle verbindlich machen dürfen,

verstehen, so wäre dies eine nach

§. 21 des Gesetzes (vgl. übrigens auch §. 5 Abss. 2. 3 des Statutes), für Dritte wirkungslose Beschränkung. Der Vorstand mochte durch

solches Verhalten das Statut verletzen, aber bei der Wirkungslosig­ keit der Beschränkung gegen Dritte konnte Dritten auch nicht einmal

ihre Kenntnis davon, daß durch diese Art der Bevollmächtigung das Statut verletzt wurde, schaden, sofern nicht zwischen ihnen und deni

Vorstande eine Kollusion zum Nachteile der Genossenschaft stattfand?

Konnte der Vorstand einen Einzelnen zum Abschlüsse der an der Ge-

1 Vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 5 S. 294, Bd. 6 S. 133, Bd. 7 S. 404, Bd. 14 S. 99, Bd. 15 S. 22, Bd. 19 S. 336; Entsch. des R G.'s in Civils. Bd. 9 S. 148. D. E.

schäftsführungsstelle angebotenen Darlehnsgeschäfte und Annahme der Gelder mit Wirkung nach außen bevollmächtigen, so konnte er solche Vollmacht auch demjenigen erteilen, der bisher eine ihn zu solchen

Handlungen nur im Vereine mit einem Zweiten berechtigende Voll­

macht gehabt hatte, also die bisherige beschränkte Vollmacht erweitern. An dieser Befugnis des Vorstandes hätte es auch nichts ändern

können, wenn bei einer Anmeldung der Filiale als Zweigniederlassung zuin Register zugleich die nach dem Statute vorgesehenen Bevoll­ mächtigten für dieselbe unter Angabe der statutarischen Vollmachts­

beschränkung angemeldet gewesen wären, zumal weder das Genossen­ schaftsgesetz noch die preußische allgemeine Verfügung und Instruktion zur Ausführung dieses Gesetzes vom 17. Dezember 1868 (J.M.Bl. 1868 S. 392)

eine Anmeldung

solcher Bevollmächtigten

vorsehen,

ins­

besondere auch das Gesetz bei der Zweigniederlassung eine Veröffentlichung besonderer Bestimmungen über die Erfordernisse einer gültigen

Willenserklärung auch nur in bezug auf den eigentlichen Vorstand Vorsicht (§§. 7. 4 Abs. 4), sodaß auch hierdurch an den Tag tritt, daß die statutarische Bestimmung über den Umfang der zu erteilenden Vollmachten den Vorstand nicht hindern kann, in Ausübung seiner

Vertretungsmacht Vollmachten in anderem Umfange zu erteilen. Eine solche Bevollmächtigung des Kassierers G. allein, die Ver­

träge mit denjenigen, welche an der Geschäftsführungsstelle in Teuchern Darlehne bezw. Spareinlagen anboten, abzuschließen und die Gelder in Empfang zu nehmen, seitens des Vorstandes des beklagten Vereines

hat das Berufungsgericht darin gefunden, daß der Vorstand dieser seit fast 20 Jahren von G. geübten Praxis, obwohl er sie, ins­

besondere vermöge der Einsichtnahme der fast allmonatlich von G. eingesandten, durch Rückzahlung der Einlagen erledigten Sparbücher,

die sämtlich nur Quittungsvermerke des G. enthielten, kannte, niemals

widersprochen, dieselbe vielmehr durch Unregelmäßigkeiten bei Betreibung der erforderlichen Neuwahlen des sog. Filialenvorstehers,

infolge-

deren diese Stellung zeitweise unbesetzt blieb, unterstützt, den G. aber fortdauernd auf Grund fortgesetzter Wiederwahlen in seiner Stellung

belassen hat. Hierin liegt keine Verkennung des Begriffes einer Bestellung zum Handlungsbevollmächtigten (vgl. §. 11 Abs. 3 des Genossenschafts­

gesetzes).

Darin, daß der Vorstand, wissend, in welcher Weise G.

12. Genossenschaft. Zweigniederlassung. Vertretung.

77

die Funktionen ausübte, ihn ohne Widerspruch gegen diese Art der

Bethätigung in den Funktionen beließ, liegt das Moment, welches über die bloße Genehmigung des bisher Geschehenen hinaus die Er­

mächtigung zu gleichem Verhalten auch für

die Zukunft

enthielt.

G. wurd.e damit, zumal sein Verbleib in der Stellung von regel­

mäßigen Erneuerungswahlen abhing, der Filiale mit der umfassenderen Ermächtigung, mochte er dieselbe auch vielleicht anfänglich zu Unrecht

usurpiert haben,

vorgesetzt.

Bei dieser Sachlage

kann auch dem

Kläger nicht entgegengehalten werden, daß in dem ihm erteilten Spar­ buche in der Kolonne 8 die Rubrik als „Quittung durch Unterschrift

des Vorstehers und Kassierers" bezeichnet ist.

Denn dieser Vermerk

konnte keine den Verein vor einer Verpflichtung schützende Bedeutung

haben,

wenn die wirklich erteilte Ermächtigung den G. von einem

Mitauftreten des Vorstehers

entband.

In

der Beibehaltung

des

Formulares war ein Widerruf oder eine Einschränkung für den ein­

Es lag in der Natur der Verhältnisse, daß bei einem jahrelangen Alleinhandeln des G. derselbe, zumal bei

zelnen Fall nicht zu finden.

der ununterbrochenen zwanzigjährigen Kontinuität seiner Amtsstellung, dem Publikum, das an der Geschäftsführungsstelle in Teuchern ver­ kehrte, auch zum Alleinhandeln befugt erschien.

Der beklagte Verein,

der die von seinem Vorstande in Ausübung der Vertretungsmacht

vorgenommenen Handlungen als die seinigen gelten lassen muß, würde arglistig handeln, wenn er, während er zugelassen hatte, daß G.

die Geschäfte

unter

Nichtbeachtung

der

Einschränkung,

dem Formularvermerke ihren Ausdruck finden soll,

welche

in

dem Publikum

gegenüber führte, doch jenen Vermerk dem Publikum entgegensetzen wollte.

Wäre nach einer deni Statute in der Anwendung gewordenen Auslegung oder nach einem eingehaltenen Geschäftsprinzipe die Mit­

gliedschaft Voraussetzung der Annahme der Spareinlage gewesen, so

vermöchte dies an der Annahme der Verbindlichkeit des Vereines für Empfangnahmen der Geldbeträge seitens des G. allein trotz der ent­ gegenstehenden Statutenbestimmung, sofern nur der Vorstand dem G.

zu solchem Verhalten seine Zustimmung gegeben, nichts zu ändern,

da das Mitglied, sobald es als Spareinleger in Betracht kommt, immer als ein Dritter anzusehen wäre, welcher ein Rechtsgeschäft mit deni Vereine

eingehen

wollte

und

für

dessen Annahme

als

13.

78

Redhibill'oii.

Gebrauch der Kaufsache.

Kontrahent, vielleicht auch für ein Recht darauf, daß mit ihm kontrahiert würde, nur die Thatsache der Mitgliedschaft eine Voranssetznng bildete."

13. Kann unter besonderen Umständen der Redhibitionsanspruch des Känfers trotz fortgesetzten Behaltens und Gebrauchens der als kontrakt­ widrig erkannten Sache bestehen bleiben? T. Civilsenat. Urt. v. 18. April 1888 i. S. Elektrotechn. Fabrik Cann­ statt (Kl.) w. H. (Bekl.) Rep. I. 62/88. I.

II.

Landgericht Hamburg.

Oberlandesgericht daselbst.

Der Beklagte hatte es übernommen, für eine Spinnerei in Harburg zwei Dynamomaschinen zu liefern, über deren kontraktliche Leistungsfähigkeit die Spinnerei sich ungeachtet der Jngebranchnahme die endgültige Äußerung bis zum Zeitpunkte des erst allmählich ein­ tretenden Vollbetriebes ihrer neuen Anlage mit 720 Lampen, für welche die Maschinen mit zwei bereits vorhandenen dienen sollten, Vorbehalten durfte. Beklagter bestellte die Maschinen auf eigenen Namen bei der Klägerin, indem er dieser mitteilte, daß dieselben zur Aufstellung in der Neuanlage jener Spinnerei behufs Speisung von 720 Lampen zusammen mit zwei bereits vorhandenen bestimmt seien, ohne indessen jene besondere Abmachung zu erwähnen oder darauf hinzuweisen, daß die Erweiterung bis zu einem Betriebe von 720 Lampen erst allmählich erfolgen solle. Die Maschinen wurden im August 1885 in der Spinnerei aufgestellt. Ende Dezember 1885 teilte Beklagter der Klägerin unter Übersendung des Gutachtens eines In­

genieurs mit, daß den Maschinen die kontraktliche Leistungsfähigkeit fehle. Klägerin erwiderte, der Mißerfolg könne nur auf einer Un­ fähigkeit der die Maschinen Handhabenden, dieselben den beiden älteren Maschinen anzupassen, beruhen. Klägerin erhob im März 1886 Klage auf Zahlung des Preises, welcher Beklagter mit dem Verlangen der Redhibition begegnete. Von beiden Seiten wurde die Vernehmung von Sachverständigen über die Leistungsfähigkeit der Maschinen be­ antragt und solche auch gerichtsseitig beschlossen. Als sich aus dem

ohne Besichtigung der Maschinen abgegebenen Gntachten des einen Sachverständigen ergab, daß die Entscheidung eine durchaus schwierige

sei und die für die Behandlung solcher Maschinen behufs Erzielung

ihrer Leistungsfähigkeit erforderlichen Maßnahmen noch keineswegs

allen Technikern hinlänglich bekannt wären, drang Beklagter auf Be­ sichtigung der ganzen Anlage an Ort und Stelle.

Infolge Verzöge­

rungen, die durch Ablehnung der Beteiligung an solcher Besichtigung seitens jenes Sachverständigen aus persönlichen Gründen eintrat, er­

folgte diese Besichtigung durch den anderen Sachverständigen erst ini Januar 1887.

Da sich hierbei herausstellte, daß die Maschinen bis

dahin im Gebrauche der Spinnerei, die ihren Betrieb noch nicht auf

720 Lampen gebracht hatte, gewesen waren, hat das Berufungsgericht den Redhibitionsanspruch des Beklagten für verwirkt angesehen und denselben zur Zahlung des Preises

verurteilt, das Urteil ist vom

Reichsgerichte aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden. Aus den Gründen:

.. . „Allerdings läßt sich der der Entscheidung zu Grnude lie­ gende prinzipielle Satz, daß, wer über die gekaufte Sache in einer

Weise verfügt, wie sie nur bei unterstellter Redlichkeit einem Willen, sich den Kaufgegenstand ohne Rücksicht auf etwaige Fehlerhaftigkeit

anzueignen, entspricht, auf das Redhibitionsrecht verzichtet, auch in seiner Anwendung auf ein Jngebrauchnehmen des Kaufgegenstandes

nicht bestreiten.

Die Bedenken, welche hiergegen, insbesondere auch

in betreff der Anwendbarkeit auf das Jngebrauchnehmen der Sache,

daraus hergeleitet worden sind, daß nach den betreffenden Stellen des röniischen Rechtes auch beim Abhandenkommen der Kaufsache oder

der Verschlechterung derselben mit Verschulden des Käufers die Redhibitionsklage nicht verloren geht, vielmehr der Käufer nur schadens­

ersatzpflichtig wird und selbst die Weiterveräußerung der Kaufsache

für den Fall des Wiedererwerbes die Klage nicht ausschließen soll, vgl. Eck, Beiträge zur Lehre von den ädilitischen Klagen S. 1 flg.;

Hanausek, Die Haftung des Verkäufers Bd. 1 S. 146flg., erscheinen nicht entscheidend, weil zwischen der fahrlässigen oder selbst

vorsätzlichen Herbeiführung des Unterganges oder der Verschlechterung der Sache und der Nutzung des Gebrauchswertes der Sache zu eige­

nem Vorteile in bezug auf den daraus für beit Willen der Aufrecht-

erhaltung des Kaufgeschäftes zu

ziehenden Schluß

ein

erheblicher

Unterschied besteht, die Stellen aber, welche die Redhibition bei Wie­ dererwerb der weiterveräußerten Sache zulassen, die Unterstellung, daß

die Sache in Voraussetzung ihrer Kontraktgemäßheit veräußert worden,

zulassen. Vgl. Windscheid, Pandekten Bd. 2 §.394 Note 12a; auch die Citate in den Motiven zu dem Entwürfe eines bürgerlichen Gesetz­ buches für das Deutsche Reich Bd. 2 S. 263 zu §. 430 des Ent­

wurfes; Seuffert, Archiv Bd. 42 S. 132. Gleichwohl dürfen gerade bei dem Redhibitionsverluste, der durch

die Benutzung der Kaufsache bewirkt sein soll, wegen der Bedeutung, welche das Verbleiben der Sache in Benutzung sowohl für die Er­ mittelung der Beschaffenheit der Sache wie für eine erfolgreiche Be­

weisführung im Falle des Streites haben kann, die besonderen that­ sächlichen Umstände nicht außer Betracht bleiben, da ein Behalten in Benutzung seitens des Käufers gerade im Hinblicke auf die

eben

erwähnten Zwecke durchaus angezeigt und insbesondere auch in dem

berechtigten Glauben, daß in Hinblick hierauf der Verkäufer damit einverstanden sei, erfolgt sein kann. Die in dieser Richtung in Betracht kommenden Umstände hat sich

das Berufungsgericht nicht vergegenwärtigt.

Es hat sich

vielmehr

daran genügen lassen, daß jene Benutzung im Betriebe dem Ab­ kommen des Beklagten mit seiner Abnehmerin entsprach, dieses Ab­

kommen aber die Klägerin nichts anging, während doch, soweit Be­ klagter bei der Belassung der Maschinen im Betriebe auch in wohl­

verstandenem Interesse der eventuell redhibitionspflichtigen Klägerin handelte, es ihm nicht zum Nachteile gereichen kann, wenn sein Ver­

halten sich zugleich mit seiner kontraktlichen Verpflichtung gegen seine Abnehmerin deckte."

(Es wird sodann ausgeführt, daß es nach Lage der Sache Be­

klagter im Interesse der Klägerin liegend erachten mußte,

daß bei

der Besichtigung durch Sachverständige diese die Maschinen in der

Anlage selbst für dieselbe betriebsfähig vorfanden und ihr Zusammen­ wirken mit den beiden älteren Maschinen beobachten konnten, während

der Spinnerei nicht zuzumuten war, lediglich wegen dieses Zweckes sich des Betriebes ihrer Anlage während des bis zur Besichtigung ohne eine Schuld des Beklagten verlaufenen längeren Zeitraumes zu

14.

81

Branntweinsteuer.

enthalten, daß aber die Abnutzung der Maschinen durch jenen Ge­ brauch nach dem Gutachten des Sachverständigen nur eine gering­ fügige sei.

Es sollte deshalb bei der weiteren Verhandlung noch

festgestellt werden, ob Beklagter noch nach jener Besichtigung die Maschinen im Gebrauche der Spinnerei belassen habe.)

14.

Ist, weiln im Frühjahre 1887 Branntwein, lieferbar im Oktober

1887, verkauft ist, der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer Branntwein,

welcher »ach dem am 1. Oktober 1887 in Kraft getretenen Reichsgesetzt vom 24. Juni 1887 versteuert ist, zu liefern, oder ist er berechtigt vom Vertrage abzugehen?

I. Civilsenat.

Urt. v. 26. September 1888 i. S. W. (Bekl.) w. B. (Kl.) Rep. I. 191. 196/88.

I.

II.

Landgericht Magdeburg. Oberlandesgericht Naumburg.

Die Beklagte verkaufte am 14. April, 3. und 5. Mai 1887 an die Klägerin zusammen 120 000 Liter Rübenspiritus zu 43