Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus: Der Bergkarabach-Konflikt im Spannungsfeld von Interessen (1991 – 2015) [1. Aufl. 2019] 978-3-658-28515-9, 978-3-658-28516-6

Andranik Eduard Aslanyan analysiert mit Blick auf Geographie, Geschichte und Interessen die Macht- und Energiepolitiken

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Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus: Der Bergkarabach-Konflikt im Spannungsfeld von Interessen (1991 – 2015) [1. Aufl. 2019]
 978-3-658-28515-9, 978-3-658-28516-6

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XXII
Einleitung (Andranik Eduard Aslanyan)....Pages 1-21
Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte (Andranik Eduard Aslanyan)....Pages 23-84
Die postsowjetische Entwicklung in Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1991–2015 (Andranik Eduard Aslanyan)....Pages 85-142
Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region (Andranik Eduard Aslanyan)....Pages 143-278
Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt (Andranik Eduard Aslanyan)....Pages 279-316
Zusammenfassung und Ausblick (Andranik Eduard Aslanyan)....Pages 317-334
Back Matter ....Pages 335-408

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Energiepolitik und Klimaschutz Energy Policy and Climate Protection

Andranik Eduard Aslanyan

Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus Der Bergkarabach-Konflikt im Spannungsfeld von Interessen (1991 – 2015)

Energiepolitik und Klimaschutz Energy Policy and Climate Protection Reihe herausgegeben von Lutz Mez, Berlin, Deutschland Achim Brunnengräber, Berlin, Deutschland

Diese Buchreihe beschäftigt sich mit den globalen Verteilungskämpfen um knappe Energieressourcen, mit dem Klimawandel und seinen Auswirkungen sowie mit den globalen, nationalen, regionalen und lokalen Herausforderungen der umkämpften Energiewende. Die Beiträge der Reihe zielen auf eine nachhaltige Ener­gie- und Klimapo­ litik sowie die wirtschaftlichen Interessen, Machtverhältnisse und ­Pfadabhängigkeiten, die sich dabei als hohe Hindernisse erweisen. Weitere Themen sind die internationale und europäische Liberalisierung der Energiemärkte, die Klimapo­litik der Vereinten Nationen (UN), Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in den Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländern, Strategien zur Dekarbonisierung sowie der Ausstieg aus der Kernenergie und der Umgang mit den nuklearen Hinterlassenschaften. Die Reihe bietet ein Forum für empirisch angeleitete, quantitative und international vergleichende Arbeiten, für Untersuchungen von grenzüberschreitenden Transformations-, Mehrebenen- und Governance-Prozessen oder von nationalen „best practice“-Beispielen. Ebenso ist sie offen für theoriegeleitete, qualitative Untersuchungen, die sich mit den grundlegenden Fragen des gesellschaftlichen Wandels in der Energiepolitik, bei der Energiewende und beim Klimaschutz beschäftigen. This book series focuses on global distribution struggles over scarce energy resources, climate change and its impacts, and the global, national, regional and local challenges associated with contested energy transitions. The contributions to the series explore the opportunities to create sustainable energy and climate policies against the backdrop of the obstacles created by strong economic interests, power relations and path dependencies. The series addresses such matters as the international and European liberalization of energy sectors; sustainability and international climate change policy; climate change adaptation measures in the developing, emerging and industrialized countries; strategies toward decarbonization; the problems of nuclear energy and the nuclear legacy. The series includes theory-led, empirically guided, quantitative and qualitative international comparative work, investigations of cross-border transformations, governance and multi-level processes, and national "best practice"-examples. The goal of the series is to better understand societal-ecological transformations for low carbon energy systems, energy transitions and climate protection. Reihe herausgegeben von PD Dr. Lutz Mez Freie Universität Berlin

PD Dr. Achim Brunnengräber Freie Universität Berlin

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12516

Andranik Eduard Aslanyan

Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus Der Bergkarabach-Konflikt im Spannungsfeld von Interessen (1991 – 2015)

Andranik Eduard Aslanyan Berlin, Deutschland Dissertation Freie Universität Berlin 2018

ISSN 2626-2827 ISSN 2626-2835  (electronic) Energiepolitik und Klimaschutz. Energy Policy and Climate Protection ISBN 978-3-658-28516-6  (eBook) ISBN 978-3-658-28515-9 https://doi.org/10.1007/978-3-658-28516-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Im Gedenken an die Opfer des Bergkarabach-Konflikts

V

Danksagung

Es ist mir ein Bedürfnis, Herrn Prof. Dr. Wulf Lapins meinen herzlichen Dank auszusprechen. Ein erfolgreicher Abschluss meines Promotionsstudiums, wäre ohne seine umfassende fachliche Betreuung und umfangreiche Unterstützung nicht denkbar gewesen. Diese Dissertation profitierte ebenfalls erheblich von der Unterstützung von Prof. Dr. Hajo Funke, der mich bei der Erstellung dieser Arbeit inhaltlich begleitet und zielgerichtet betreut hat. Herzlich gedankt sei für ihre Unterstützung auch Dr. Behrooz Abdolvand, Prof. Dr. Miranda Schreurs sowie Prof. Dr. Eberhardt Sandschneider. Eine Vielzahl inhaltlicher und methodischer Anregungen zur Energie- und Umweltpolitik in der Kaspischen Region verdanke ich dem Doktorandencolloquium der Freien Universität Berlin. Dessen Leiter, Prof. Dr. Lutz Mez, und seinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern gilt ebenfalls mein Dank. Meinen Interviewpartnern, Dr. Uwe Halbach (Deutschland), Dr. Sergey Markedonov (Russland), Dr. Hamed Kazemzadeh (Iran), Dr. Aybars Görgülü (Türkei) und Dr. Laurence Broers (USA) habe ich eine Vielzahl von außergewöhnlichen Einblicken und aufschlussreichen Literaturempfehlungen zu verdanken. Möglich wurde meine Dissertation, ebenso wie zahlreiche Konferenz- und Studienreisen, durch die großzügige Unterstützung der Friedrich-Naumann-Stiftung. Neben Personen und Institutionen aus der Wissenschaft möchte ich nicht zuletzt auch Weggefährten und Beratern aus anderen Bereichen danken: S.E. dem Botschafter der Republik Armeniens Ashot Smbatyan, den Herren Arash Duero, Dr. David Jalilvand und Oliver Müser, die mir in zahllosen Gesprächen mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben. In besonderer Weise bin ich Manfred Grund MdB zu Dank verpflichtet. Dessen Unterstützung ging weit über die über das Verhältnis mit einem Vorgesetzten hinaus, wir teilen eine besondere Wertschätzung und Verbundenheit. Ich danke ihm für sein stets offenes Ohr und für seine wertvollen Ratschläge. VII

VIII

Danksagung

Ein besonderer Dank gilt natürlich meine Eltern Eduard und Larisa Aslanyan und meiner geliebten Großmutter Parantzem für all die Liebe, Kraft und Gelassenheit, die sie mir gegeben haben. Es bleibt zu hoffen, dass diese Arbeit zu einem besseren Verständnis sowohl dieses Konfliktes aber auch der Region insgesamt, beiträgt. Abschließend erübrigt es sich zu sagen, dass alle Fehler und Wertungen in der Verantwortung des Verfassers liegen. Berlin (DB: 5273), November 2017 Andranik Aslanyan

Inhalt

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Problemkontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Fragestellungen und Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3 Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.4 Theoretische Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.5 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.6 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Kleine Landeskunde von Südkaukasus und Bergkarabach . . . . . . . . . 2.2 Gebietszugehörigkeit Bergkarabachs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Bergkarabach im armenischen Geschichtsbild . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Bergkarabach im aserbaidschanischen Geschichtsbild . . . . . . . 2.3 Der Streit um Bergkarabach von Anfang des 20. Jahrhunderts bis 1921 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Die Bergkarabach-Autonomie von 1921–1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Die Herausbildung der Autonomie von Bergkarabach und die sowjetische Nationalitätenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Der Widerstand in Bergkarabach in den 1960er Jahren . . . . . . 2.4.3 Die „Aserbaidschanisierung“ von Bergkarabach und Nachitschewan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Vom friedlichen Widerstand zum bewaffneten Konflikt 1987–1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Die Perestrojka und die Bergkarabach-Bewegung . . . . . . . . . . . 2.5.2 Die ersten Pogrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.3 Das Erdbeben von 1988 und die Blockade Armeniens und Bergkarabachs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 23 27 27 33 40 44 44 49 53 56 56 60 65 IX

X

Inhalt

2.5.4 Die Operation „Ring“ und Ausrufung der Republik Bergkarabach/Arzach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Kriegerische Auseinandersetzungen und der Waffenstilstand 1992–1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Der Krieg von 1992–1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Die Ereignisse in Chodschali und Maragha . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.3 Die Folgen des Kriegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 70 70 75 81

3 Die postsowjetische Entwicklung in Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1991–2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3.1 Die Entwicklung in Armenien 1991–2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3.1.1 Politische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3.1.2 Wirtschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.1.3 Außen- und Sicherheitspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.1.4 Demographie und ethnische Minderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.2 Die Entwicklung in Aserbaidschan 1991–2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3.2.1 Politische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3.2.2 Wirtschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3.2.3 Außen- und Sicherheitspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3.2.4 Demographie und ethnische Minderheiten . . . . . . . . . . . . . . . 118 3.3 Die Entwicklung in Bergkarabach 1991–2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3.3.1 Politische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3.3.2 Wirtschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3.3.3 Außen- und Sicherheitspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3.3.4 Demographie und ethnische Minderheiten . . . . . . . . . . . . . . . 140 4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Das Engagement Russlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Die Politik Russlands im Südkaukasus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Beziehungen zwischen Russland und Armenien . . . . . . . . . . . 4.1.3 Beziehungen zwischen Russland und Aserbaidschan . . . . . . . 4.1.4 Russische Interessen und Aktivitäten im Bergkarabach-Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Bewertung der Rolle Russlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Das Engagement des Iran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Die Politik des Iran im Südkaukasus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Beziehungen zwischen Iran und Armenien . . . . . . . . . . . . . . .

143 143 143 151 159 166 172 176 176 180

Inhalt

4.2.3 Beziehungen zwischen Iran und Aserbaidschan . . . . . . . . . . . 4.2.4 Iranische Interessen und Aktivitäten im Bergkarabach-Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Bewertung der Rolle des Iran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Das Engagement der Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Die Politik der Türkei im Südkaukasus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Beziehungen zwischen Türkei und Armenien . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Beziehungen zwischen Türkei und Aserbaidschan . . . . . . . . . 4.3.4 Türkische Interessen und Aktivitäten im Bergkarabach-Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Bewertung der Rolle der Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Das Engagement der EU und einzelner EU-Staaten . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Die Östliche Partnerschaft und die Interessen der EU im Südkaukasus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Positionen von Frankreich, Deutschland und Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Die Anerkennung von Kosovo und die EU-Aktivitäten im Bergkarabach-Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4 Bewertung der Rolle der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Das Engagement der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Die Politik der USA im Südkaukasus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Die NATO im Südkaukasus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Akteure der US-Politik im Südkaukasus . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.4 US-amerikanische Interessen und Aktivitäten im Bergkarabach-Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.5 Bewertung der Rolle der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Der Bergkarabach-Konflikt aus juristischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Rechtsstatus Bergkarabachs nach sowjetischem Recht . . . . . . 5.1.2 Das armenische Selbstbestimmungsrecht der Völker und Aserbaidschans territoriale Integrität als widerstreitende Prinzipien des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Internationale Vermittlungsinitiativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Vermittlungsversuche vor und während des Kriegs (1991–1994) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Vermittlung durch die OSZE nach dem Waffenstillstand (1994–1997) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

189 194 199 201 201 208 216 222 227 230 230 239 243 245 250 250 258 265 271 275 279 279 279 283 289 289 295

XI

XII

Inhalt

5.2.3 Trilaterale Vermittlung im Rahmen der Minsker Gruppe (1997–2015) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 5.2.4 Bewertung der Rolle der OSZE Minsker Gruppe . . . . . . . . . . 307 5.3 Die Sichtweise der Konfliktparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 6.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 6.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Bergkarabach-Chronologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3

Karte: Strategische Ellipse und globale Gasvorkommen. . . . . . . . . . . 12 Karte: Politische Situation in der Kaukasus-Region . . . . . . . . . . . . . . 24 Basisdaten über anerkannte und nicht anerkannte Staaten im Südkaukasus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Abb. 4 Karte: Drei autonome Verwaltungsgebiete innerhalb der Aserbaidschanischen SSR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Abb. 5 Kapitalinvestitionen in Aserbaidschanischen SSR und NKAO, 1961–1984 (in 1000 Rbl.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Abb. 6 Bevölkerungszensus des Autonomen Gebiets von Bergkarabach (NKAO), 1921–1979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Abb. 7 Zahl der Paramilitärs und Armeen im Bergkarabach-Krieg, 1988–1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Abb. 8 Zahl der Opfer und Verwundeten im Bergkarabach-Krieg, 1988–1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Abb. 9 Bevölkerungszensus in Armenien 1926–1989, 2001–2011 . . . . . . . . 102 Abb. 10 Bevölkerungszensus in Aserbaidschan 1926–1989, 1999–2009, 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Abb. 11 Parlamentswahl 2015 in Bergkarabach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Abb. 12 Bevölkerungszensus im Autonomen Gebiet NKAO (1926–1989) und in der Republik Bergkarabach/Arzach (2005–2015) . . . . . . . . . 141

XIII

Abkürzungsverzeichnis

AAA Azerbaijan America Alliance AAB Armenische Allnationale Bewegung AAoA Armenian Assembly of America AKP Türkische Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (Entwicklung) AKW Atomkraftwerk ANCA Armenian National Committee of America ARF Armenische Revolutionäre Föderation (kurz: Daschnakzutjun genannt) arm. armenisch aserb. aserbaidschanisch BIOst Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien BIP Bruttoinlandsprodukt BP British Petroleum BTC Baku-Tbilisi-Ceyhan-Ölpipeline BTE Baku-Tbilisi-Erzurum-Gaspipeline CEPS Centre for European Policy Studies CIA Central Intelligence Agency (Auslandsgeheimdienst USA) DGAP Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik EAWG Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft EAWU Eurasische Wirtschaftsunion ENP European Neighbourhood Policy (Europäische Nachbarschaftspolitik) EPNK European Partnership for the Peaceful Settlement of the Conflict over Nagorno-Karabakh EU Europäische Union EUMM EU Monitoring Mission FSA Freedom Support Act (USA) Gazprom russisches Erdgasunternehmen, ArmGazprom in Armenien GUAM Organisation für Demokratie und Wirtschaftsentwicklung (Allianz von Georgien, Ukraine, Aserbaidschan und Moldau) XV

XVI

GUS IISS INOGATE IPAP IPG IRI ISAF IWF KFOR KGB

Abkürzungen

Gemeinschaft Unabhängiger Staaten International Institute for Strategic Studies Interstate Oil and Gas Transport to Europe Individual Partnership Action Plan (NATO) Internationale Politik und Gesellschaft Islamische Republik Iran International Security Assistance Force (Afghanistan: 2001–2014) Internationaler Währungsfonds Kosovo Force (NATO) Komitet Gasudarstvennoj Besopasnosti (Komitee für Staatssicherheit, sowjetischer In- und Auslandsgeheimdienst) KP Kommunistische Partei KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion KPR(b) Kommunistische Partei Russlands/Bolschewiki KSZE Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (1975 –  1995) MAP Membership Action Plan (NATO) NATO North Atlantic Treaty Organization NGO Non-Governmental Organization (Nichtregierungsorganisation) NKAO Nagorno-Karabachskaja Avtonomnaja Oblast (Autonomes Gebiet Bergkarabach) ÖP Östliche Partnerschaft OSZE Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OVKS Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit PfP Partnership for Peace (NATO) PKA Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (EU) qkm Quadratkilometer SIPRI Stockholm International Peace Research Institute SNGP Substantial NATO-Georgia Package SOCAR State Oil Company of Azerbaijan Republic SOFAZ State Oil Fund of the Republic of Azerbaijan SSR Sozialistische Sowjetrepublik  SWP Stiftung für Wissenschaft und Politik TACIS Technical Assistance to the Commonwealth of Independent States (EU) TANAP Trans-Anatolische Gaspipeline TAP Trans-Adria-Pipeline TRACECA Transport Corridor Europe-Caucasus Central Asia UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (die Sowjetunion)

Abkürzungen

XVII

UNPO Unrepresented Nations and Peoples Organization UNO United Nations Organization UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization UNHCR Office of the United Nations High Commissioner for Refugees USA United States of America USAID U.S. Agency for International Development USD US-Dollar VN Vereinte Nationen WTO World Trade Organization ZK Zentralkomitee (Komunistische Partei)

XVII

Zusammenfassung Zusammenfassung Zusammenfassung

Nach dem Ende des Kalten Krieges nahmen die ethnischen Konflikte und territorialen Auseinandersetzungen insbesondere in den ehemaligen Ostblockstaaten zu. Der Kaukasus, der bereits im Mittelalter von dem arabischen Geographen Al-Masudi wegen seiner bunten Vielfalt an Volks-, Religions- sowie Sprachgemeinschaften als „Berg der Sprachen“ bezeichnet wurde, gerät in diesem Zusammenhang mit mehreren Brennpunkten in den 1990er Jahren in die Weltpresse. Einer von ihnen ist der hauptsächlich um das von Armeniern bewohnte Gebiet Bergkarabach, das den Armeniern als Arzach gilt, das im Mittelpunkt dieser Dissertation steht. Bergkarabach wurde bereits im Jahr 1921 durch die willkürlichen stalinistischen Grenzziehungen seitens der Sowjetunion trotz seiner rund 95 Prozent armenischen Bevölkerung der Aserbaidschanischen SSR zugeordnet. Während des Auseinanderbrechens der UdSSR entwickelte sich dieser Widerstreit zu einem dreijährigen bewaffneten Konflikt zwischen Aserbaidschanern und Karabach-Armeniern, die ganz offenbar nicht zu Aserbaidschan gehören wollten. Im gesamten Zeitraum des Konfliktes kamen auf beiden Seiten rund 20.000 Menschen ums Leben und über eine Million wurden aus ihren Heimatgebieten vertrieben. Somit zählt der Konflikt zu einer der grausamsten Auseinandersetzungen nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa. Ungeachtet all dieser Verluste und des unerbittlich geführten Krieges könnten die Karabach-Armenier ihre in 1991 mit einem Referendum ausgerufene Unabhängigkeit von Aserbaidschan verteidigen und ihre Staatlichkeit in den folgenden Jahren festigen. Unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker beanspruchen die Karabach-Armenier eine Anerkennung ihre Souveränität (die bisher international von keinem Mitgliedstaat der VN anerkannt bleibt) und lehnen jede Rückkehr im aserbaidschanischen Staatsverband ab. Den gegenüber beharrt Baku auf die Unverletzlichkeit seiner Grenzen und damit dem Verbleib des Gebietes unter seiner Staatshoheit. Eine militärische Option wird von Baku nicht ausgeschlossen. XIX

XX

Zusammenfassung

Die OSZE Minsker Gruppe, deren Ko-Vorsitzenden seit 1997 Russland, Frankreich und die USA sind, bemühen sich seit 1992 erfolglos um eine friedliche Beilegung durch diplomatische und politische Vermittlungen des Langzeitkonflikts. Somit schwelt der Konflikt seit über 25 Jahren und bildet eine potenzielle Gefahr für die Destabilisierung der strategisch wichtigen Region in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU, wobei die letztlichen kriegerischen Auseinandersetzungen im April 2016 um das Gebiet als ein warnendes Signal dafürstehen. Inzwischen scheint eine friedliche Beilegung des Konflikts in weite Ferne gerückt zu sein. Dafür tragen auch die im Südkaukasus involvierten regionalen und externen Mächte eine Mitverantwortung. Seit Beginn des Konfliktes ist einerseits das Engagement der Akteure wie von Russland, der Türkei, dem Iran und andererseits der EU und den USA hinsichtlich des Konflikts in der Region bemerkenswert. Wegen seiner geopolitischen Lage und der Brückenfunktion im Eurasischen Kontinent sowie des erneuten „Great Game“ um die fossilen Rohstoffe des Kaspischen Beckens geriet der Südkaukasus wirtschaftlich und sicherheitspolitisch in einen Interessenkampf dieser Akteure. Aus deren Interessen und Aktivitäten ist in der Region eine geopolitische Situation entstanden, in der diese Mächte Bündnisse bilden, die daraus zwei geostrategische Achsen entstanden sind. Moskau, Jerewan und Teheran bilden die vertikale Achse, die gegenüber einer horizontalen Achse der aus den Türkstaaten in Zentralasien ausgehend durch Baku, Tbilisi und Ankara nach Westen hinausläuft. In diesem Kontext verwundert es nicht, dass diese Akteure rivalisieren und konspirieren miteinander, manchmal ohne einander oder sogar gegeneinander in der Region. Die erheblichen geopolitischen Auswirkungen des Bergkarabach-Konfliktes erlangen dabei eine grundlegende Bedeutung für diese weltpolitischen Akteure. In der vorliegenden Dissertation werden am Beispiel des Bergkarabach-Konfliktes die Ziele und Interessen dieser Akteure im Südkaukasus untersucht. Dabei wird einerseits den Fragen nachgegangen, ob die externen Akteure eine friedliche Beilegung des Konfliktes verfolgen oder ob sie den Konflikt für die Durchsetzung ihrer strategischen Interessen in der Region instrumentalisieren. Andererseits wird erforscht, inwieweit die Beibehaltung des Status quo in Bergkarabach ihren Interessen dient. Aus der vorliegenden Arbeit ergibt sich, dass Russland, die Türkei und der Iran ein Interesse am Status Quo haben, während die USA und die EU ein größeres Interesse an einer Konfliktlösung zeigen. Eine Strategie der Konflikt­ instrumentalisierung konnte nur in der türkischen und russischen Regionalpolitik festgestellt werden. Berlin, November 2017

Andranik Aslanyan

Summary Summary Summary

The end of the Cold War saw an increase in the number of ethnic conflicts and territorial disputes, particularly in the countries of the former Soviet Union and Southeast Europe. During this phase, the Caucasus - already referred to as the “mountain of tongues” back in the Middle Ages by the Arab geographer Al-Masudi because of its diversity of ethnic, religious and linguistic communities - appeared in the world press with several hotspots. One of these conflicts in the 1990s was over the area of Nagorno-Karabakh, or Mountainous Karabakh, which is populated mainly by Armenians and known to them as Artsakh. It is this region that forms the focus of this dissertation. Despite the majority of its population (95 per cent) being Armenian, Nagorno-Karabakh had already been allocated to the Azerbaijan SSR in 1921 as a result of the arbitrary Stalinist demarcation of borders by the Soviet Union. During the collapse of the USSR, this dispute developed into a three-year-long armed conflict between the Azerbaijanis and the Karabakh Armenians, who did not want to be integrated into the emerging Republic of Azerbaijan. Throughout the entire duration of the war, around 20,000 people lost their lives on both sides, and over one million were driven from their homeland. The conflict therefore counts among the most ferocious disputes in Europe since the Second World War. Notwithstanding all of these losses and the relentless war, the Karabakh Armenians have been able to defend their independence from Azerbaijan, which they declared in a referendum in 1991, and consolidate their statehood over the following years. Based on the right of the people to self-determination, the Karabakh Armenians call for recognition of their sovereignty (which has still not be recognised by a single member state of the UN) and reject any return to the Azerbaijani state. On the other hand, Baku insists on the inviolability of its borders and thus on the area of Nagorno-Karabakh remaining under its sovereignty. Baku does not rule out a military option with regard to taking back the region. XXI

XXII

Summary

The OSCE Minsk Group, which has been co-chaired since 1997 by Russia, France and the United States, has been striving unsuccessfully since 1992 for a peaceful settlement to the long-term conflict through diplomatic and political negotiations. The conflict has therefore smouldered on for more than 25 years and threatens to destabilise this strategically important region in the immediate proximity of the EU, with the latest hostilities over the region in April 2016 serving as a warning signal. Since then, a peaceful settlement to the conflict appears to have retreated into the far distance. The regional and external stakeholders involved in the South Caucasus also bear joint responsibility for this. Since the beginning of the conflict, the involvement of Russia, Turkey, Iran, the EU and the United States in both the conflict and the region is worth noting. Because of its geopolitical status as a much-quoted bridge between the two halves of the Eurasian continent, and because of the resumption of the “Great Game” played out for the fossil fuels of the Caspian Basin, the South Caucasus has turned into a conflict of economic and security policy interests among these stakeholders. This situation has created a set of geopolitical circumstances in the region that has two strategic axes. The vertical axis is formed of Moscow, Yerevan and Tehran, while the horizontal axis runs from the Turkic states of Central Asia via Baku, Tbilisi and Ankara towards the West. In this context, it comes as no surprise that these stakeholders compete or cooperate with one another in the South Caucasus and in the conflict over Nagorno-Karabakh. Using the Nagorno-Karabakh conflict as an example, this dissertation will investigate the objectives and interests of the external stakeholders in the South Caucasus. On the one hand, it will consider the question of whether the external actors have as their objective a peaceful settlement to the conflict, or whether they are using the conflict as an instrument to implement their own respective interests. On the other hand, it will investigate the extent to which preserving the status quo in Nagorno-Karabakh serves the interests of the respective external stakeholders. As a result of the study at hand, it is shown that Russia, Turkey and Iran have an interest in preserving the status quo, while the US and the EU have a greater interest in a resolution of the conflict. A strategy of instrumentalizing the conflict could only be proven in the case of Russia’s and Turkey’ regional policy. Berlin, November 2017

Andranik Aslanyan

Einleitung 1 Einleitung

1

1.1 Problemkontext 1.1 Problemkontext

Im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion und des Endes der bipolaren Ordnung haben weltweit die kriegerischen Auseinandersetzungen zugenommen. Viele dieser neuen Konflikte, die sich nach der Zeitwende in den internationalen Beziehungen Ende der 1980er Jahre entwickelten, sind ethno-nationaler und damit implizit auch territorialer Natur.1 Von besonderer Bedeutung war die Dynamik dieser Konflikte in der ehemaligen UdSSR als Folge der Dysfunktion und des anschließenden Zusammenbruchs des sowjetischen Systems, sodass ein machtpolitisches Vakuum entstand, von dem insbesondere die drei Republiken im Südkaukasus (Armenien, Aserbaidschan, Georgien) stark betroffen waren. Außerdem lebten bereits im ersten nachsowjetischen Jahrzehnt die alten Rivalitäten um das Gebiet zwischen Kaukasus und Pamir wieder auf. Wegen seiner geopolitischen Lage und der Brückenfunktion im eurasischen Kontinent sowie des erneuten „Great Game“2 um die kaspischen Energierohstoffe geriet der Südkaukasus wirtschaftlich und sicherheitspolitisch in einen Interessenkampf der externen 1

2

Der Zerfall der Sowjetunion wurde vom Aufflammen einer Reihe gewaltsamer Konflikte in den Nachfolgestaaten begleitet. Diese ethnisch-territorialen Auseinandersetzungen in der Republik Moldau (Transnistrien), Russland (Tschetschenien), Aserbaidschan (Bergkarabach, Talysch-Mugan) und Georgien (Abchasien, Südossetien) führten zu Krieg und Vertreibung in den 1990er Jahren. Dadurch wurde zwar die Region nicht insgesamt destabilisiert, aber auch keiner dieser Konflikte konnte befriedigend gelöst werden. Aus diesem Grund wird von ihnen als „eingefrorener Konflikte“ oder „frozen conflicts“ gesprochen. Vgl. Gebb, Michael: Review: Anglo-Russian Rivalry in Central Asia, 1810–1895, in: UCLA Historical Journal 4(0), 1983, S. 130–132; Becker, Seymour: The „Great Game“: The history of an evocative phrase, in: Asian Affairs 43.1, 2012, S. 61–80; Shiryayev, Boris: Großmächte auf dem Weg zur neuen Konfrontation? Das „Great Game“ am

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. E. Aslanyan, Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus, Energiepolitik und Klimaschutz. Energy Policy and Climate Protection, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28516-6_1

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2

1 Einleitung

Akteure in der Region. Die während des totalitären Sowjetregimes unterdrückten nationalen und ethnischen Konflikte der kaukasischen Völker erlebten in dieser Zeit eine beispiellose Wiedergeburt, die einen regionalen Dominoeffekt auslöste. In diesem Zusammenhang erweist sich als bedeutender kaukasischer Brennpunkt (neben Abchasien, Südossetien und Tschetschenien) der Konflikt um Arzach/Berg­ karabach3 zwischen Karabach-Armeniern und Aserbaidschan. Schon während der Sowjetunion trat diese Auseinandersetzung um das derzeit zu drei Vierteln von Armeniern (1923: 95 %)4 bewohnte Bergkarabach offen zutage. Im Jahre 1923 wurde Bergkarabach in der Folge der sowjetischen Nationalitätenpolitik als autonomes Gebiet NKAO in die Aserbaidschanische SSR eingegliedert.5 Obwohl die armenische Bevölkerungsmehrheit eine kulturelle, wirtschaftliche und soziale Diskriminierung und Vernachlässigung durch die aserbaidschanische Herrschaft beklagte, blieb deren politischer Status jahrzehntelang unverändert. Die Bergkarabach-Bewegung wurde bereits in den 1960er Jahren politisch aktiv, aber eskalierte erst im Jahr 1988, als es auf beiden Seiten zu friedlichen Demonstrationen und kleinen Aufständen und später zu geplanten Pogromen in Sumgait, Kirowabad (aserb. Gence oder Gandscha, arm. Gandzak) und Baku kam.6 Dieses Konfliktpotenzial entwickelte sich zu einem bewaffneten Kampf zwischen der Republik Aserbaidschan und Karabach-Armeniern, die eine direkte Unterstützung aus der Republik Armenien und der armenischen Diaspora bezogen. Im weiteren Verlauf dieses Waffenganges gelang es den Karabach-Armeniern, in Bergkarabach eine territoriale Verbindung zum Kernland Armenien im Westen sowie auch eine Verbindung mit dem Iran im Süden herzustellen. Dieser Geländegewinn machte insgesamt 13 % des damaligen Staatsgebietes der Aserbaidschanischen SSR aus. Im Zeitraum des Konflikts von 1988–1994 kamen auf beiden Seiten über 20.000 Menschen ums Leben, eine noch großere Anzahl wurde verletzt. Nach Angaben des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR)

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Kaspischen Meer. Eine Untersuchung der neuen Konfliktlage am Beispiel Kasachstan. Hamburg, Verlag Dr. Kovac 2008. Die arm. Bezeichnung dieses Gebietes lautet Arzach. Der Autor verwendet in der vorliegenden Arbeit die im deutschsprachigen Raum gängige Bezeichnung Bergkarabach oder Karabach. Vgl. Asenbauer, Haig E.: Zum Selbstbestimmungsrecht des armenischen Volkes von Berg-Karabach. Ethnos, Band 41. Wien 1993, S. 79. Vgl. Schneider-Deters, W./Schulze, W. P./Timmermann, H. (Hrsg.): Die Europäische Union, Russland und Euroasien, Rückkehr der Geopolitik. Berlin 2008, S. 545. Vgl. Hofmann, Tessa: Annäherung an Armenien, Geschichte und Gegenwart. München, Verlag C.H. Beck 2006, S. 139–142.

1.1 Problemkontext

3

wurden über eine Million Aserbaidschaner und Armenier vertrieben.7 Somit zählt der Bergkarabach-Konflikt zu einer der grausamsten Auseinandersetzungen nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa. Seit dem von der Russischen Föderation vermittelten Waffenstillstandsabkommen, das von Armenien, Bergkarabach und Aserbaidschan im Mai 1994 unterzeichnet wurde, gilt der Konflikt als eingefroren. Sowohl die Republik Armenien, als international anerkannter diplomatischer Sprecher der Karabach-Armenier, als auch die Republik Aserbaidschan beziehen sich bei der Konfliktlösung auf zwei völkerrechtliche Prinzipien. Jerewan verlangt mit dem Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker die Unabhängigkeit von Arzach/Bergkarabach, die bereits 1991 mit einem Referendum ausgerufen wurde. Baku beharrt demgegenüber auf dem Prinzip der territorialen Integrität und der Unverletzlichkeit seines Hoheitsgebietes und damit dem Verbleib von Bergkarabach im aserbaidschanischen Staatsverband. Der Hauptvermittler in diesem Konflikt ist seit 1992 die Minsker Gruppe der OSZE, seit 1997 mit den Ko-Vorsitzenden aus Russland, den USA und Frankreich. Auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat sich mit dem Konflikt beschäftigt. Die Europäische Union (EU) ist in der Konfliktmediation als Institution nicht vertreten.8 Seit Beginn des Kriegs sind die regionalen Akteure Russland, Türkei und Iran bedeutsam. Russland gelang es mit seiner sicherheitspolitischen Bindung an Armenien und mit Hilfe der südkaukasischen Konflikte um Abchasien und Südossetien sowie auch des Bergkarabach-Konflikts, sich als dominante Kontrollinstanz im Südkaukasus zu etablieren. Die südlichen Nachbarstaaten Türkei und Iran traten ebenfalls auf den Plan, um ihre jeweiligen konkurrierenden Interessen im Südkaukasus zu sichern. Die Türkei stellte sich voll und ganz hinter Aserbaidschan, lieferte Waffen und unterstützt Baku seitdem in internationalen Organisationen und Konferenzen. Der türkische Hauptbeitrag zugunsten Aserbaidschans bestand 1993 in der Grenzblockade gegen Armenien. Auch der Iran gilt als relevanter regionaler Akteur im Südkaukasus und ist mit Russland darum bemüht, der Türkei (und dem Westen) keinen direkten Zugang nach Aserbaidschan und Zentralasien zu ermöglichen. Nach der türkisch-aserbaid7

8

Vgl. Descamps, Philippe: Ruineux statu quo entre l’Arménie et l’Azerbaïdjan. Etat de guerre permanent dans le Haut-Karabakh (Nichts ist normal in Karabach, Armenier und Aserbaidschaner pflegen einen kämpferischen Waffenstillstand), in: LE ­MONDE Diplomatique 14.12.2012. Unter: https://www.monde-diplomatique.fr/2012/12/ DESCAMPS/48479, abgerufen:15.09.2017. Vgl. Halbach, Uwe: Ungelöste Regionalkonflikte im Südkaukasus. Berlin, SWP-Studie 2010, S. 20. Unter: http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/ 2010_S08_hlb_ks.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 3

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1 Einleitung

schanischen Wirtschaftsblockade Armeniens wurde „[…] der Iran zur einzigen Landverbindung Armeniens zur Außenwelt und zu einem Hauptlieferanten von Gütern nach Armenien und Berg-Karabach. 2002 erklärte der armenische Außenminister den Iran zu einem ‚Garanten für Stabilität in Karabach‘. Gleichwohl ist die iranische Position im Bergkarabach-Konflikt nicht einseitig proarmenisch.“9 Aus dem gemeinsamen Interesse im Kaukasus ist eine geopolitische Situation entstanden, die sich sehr gut mit einem Zitat des ehemaligen deutschen Verteidigungsministers Völker Rühe wiedergeben lässt: „Die Kollision unterschiedlicher politischer und wirtschaftlicher Interessen hat zur Bildung strategischer Achsen quer durch den Kaukasus geführt: Die vertikale Achse verläuft von Russland über Armenien [Bergkarabach] nach Iran, die horizontale Achse von Zentralasien über Aserbaidschan, die Türkei bzw. die Ukraine in den Westen. Der Verlauf der Achse ist teilweise historisch, teilweise pragmatisch, vor allem jedoch machtpolitisch bedingt.“10

Die USA und die EU sind weitere Akteure, die mit ihren energie- und verkehrs­ politischen Projekten und Interessen in der Region und im Bergkarabach-Konflikt auftreten. Obwohl die EU im Vergleich zu den ungelösten Regionalkonflikten im GUS-Raum, vor allem zu jenen in Transnistrien und Abchasien, im Bergkarabach-Konflikt am wenigsten engagiert und in der Konfliktmediation offiziell nicht vertreten ist, ist sie trotzdem in den letzten Jahren mit dem Östlichen Partnerschaftsprogramm (ÖP) in der Region aktiv. Abgesehen davon, dass sowohl die externen Akteure als auch die regionalen Mächte ausformulierte sicherheitspolitische und wirtschaftliche Interessen im Südkaukasus im Allgemeinen und an Bergkarabach im Besonderen haben, konnten ihre diplomatischen und politischen Aktivitäten bislang zu keiner einvernehmlichen Lösung des Konflikts führen. Inzwischen scheint eine friedliche Beilegung des Bergkarabach-Konflikts in weite Ferne gerückt zu sein. Dafür tragen auch die in der Region involvierten externen Akteure Mitverantwortung.

9 10

Halbach, Uwe: Der Konflikt um Bergkarabach – Besonderheiten und Akteure, in: Reiter, Erich (Hrsg.): Der Krieg um Bergkarabach, Krisen- und Konfliktmanagement in der Kaukasus-Region. Wien 2009, S. 34. Volker, Rühe: Drehtür zwischen Ost und West, Georgien, Armenien und Aserbaidschan gehören zur Staatenfamilie Europas, in: Frankfurter Rundschau 07.03.2001, S. 8.

1.2 Fragestellungen und Hypothesen

1.2

Fragestellungen und Hypothesen

1.2

Fragestellungen und Hypothesen

5

In der vorliegenden Arbeit werden sowohl die Politik externer Akteure im Bergkarabach-Konflikt und ihre Interessen im Südkaukasus als auch ihre Fehlleistungen bei der Konfliktlösung dargestellt. Der Untersuchungszeitraum, der von dieser Arbeit in den Fokus genommen wird, umfasst die Zeit zwischen 1991 und 2015. Im Dezember 1991 zerfiel die Sowjetuinon. Damit änderte sich nicht nur die weltpolitische Karte, es führte auch zu machtpolitischen Vakuen in vielen Regionen der Welt, darunter ebenso im Südkaukasus. Die armenisch-aserbaidschanische Auseinandersetzung um Bergkarabach erlebte einen Wandel in dieser Zeit: den Umschlag von einer innersowjetischen Angelegenheit zur Internationalisierung des Konflikts. Als Endpunkt der Arbeit wurde das Jahr 2015 gewählt, kurz vor dem Ausbruch des viertägigen Aprilkriegs 2016 in Bergkarabach zwischen aserbaidschanischen und karabach-armenischen Streitkräften. Diesmal war Armenien keine direkte Kriegspartei. Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit erklärt sich vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen. Im Fokus der Arbeit stehen die Interessen, Ziele und operativen Vorgehensweisen der oben aufgeführten Großmächte und regionalen Akteure. Vor diesem Hintergrund werden bei dieser Arbeit zwei zentrale Forschungsfragen gestellt: Erstens: Was sind die zentralen Interessen der externen Akteure USA, EU, Russland, Iran und Türkei im Südkaukasus und inwiefern beeinflussen diese ihre Sichtweise auf den Status quo im Bergkarabach-Konflikt? Folgende Unterfragen lassen sich hieraus ableiten: • Mit welchen politischen Mitteln und Instrumenten realisieren sie diese Interessen und mit welchen Widerständen werden sie dabei konfrontiert? • Welche geographischen, ethnisch-religiösen, wirtschaftspolitischen sowie ideologischen Faktoren nehmen Einfluss auf die Formulierung ihrer Interessen? • Welche energiepolitischen Projekte wurden bisher in der Region durchgeführt und welche Pläne sind für die Zukunft vorgesehen? • Ist eine Kooperation zwischen den Mächten in der Region vorstellbar? Bezüglich der Antwort auf die erste Fragestellung wird folgende Hypothese aufgestellt: Die externen Akteure haben ein existentielles Interesse an der Status-quo-­ Stabilität im Südkaukasus und im Bergkarabach-Konflikt. Die Eskalation 5

6

1 Einleitung

des Konfliktes würde die Energie- und Transportwege der westlichen Mächte (USA, EU) in der Region blockieren und damit ihre Investitionen gefährden. Die Aufrechterhaltung des Status quo liegt auch im Interesse Irans und Russlands, denn ein Kriegsausbruch in Bergkarabach würde die ethnisch instabilen Gebiete der zwei Länder anstecken (die zweitgrößte ethnische Gruppe im Iran bilden die Aserbaidschaner). Außerdem sind Moskau und Teheran bemüht, den westlichen sowie den türkischen Einfluss in der Region und deren weitere Beteiligung an der Förderung von Rohstoffen des Kaspischen Meeres einzudämmen. Zweitens: Sind die externen Akteure an einer Konfliktbeilegung in Bergkarabach interessiert oder wird der Konflikt für eigene Interessen instrumentalisiert? Folgende Unterfragen lassen sich hieraus ableiten: • Welche geostrategische Bedeutung weist der Bergkarabach-Konflikt für die Groß- und Regionalmächte im Blickfeld der Verwirklichung ihrer Interessen im Südkaukasus auf? • Welche Rolle spielen die OSZE und die drei Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe in der Suche nach einer friedlichen Konfliktlösung seit dem Ausbruch des Konflikts? • Inwieweit konvergieren bzw. divergieren die Interessen der Nord-Süd-Achse mit der Ost-West-Achse und welchen Nutzen können die Konfliktbeteiligten in Bergkarabach daraus ziehen bzw. welche Nachteile können für sie daraus erwachsen? • Inwieweit kann Bergkarabach als Sicherheitsrisiko für Südkaukasus bezeichnet werden? • Welche politischen und wirtschaftlichen Faktoren prägten den Konflikt in den letzten 25 Jahren? Zur Beantwortung der Frage wird folgende Hypothese aufgestellt: Die externen Akteure instrumentalisieren den Konflikt für ihre eigenen Inter­ essen. Ihre Rolle und Aktivitäten sind sogar mitursächlich für die bisherige Unlösbarkeit dieser Auseinandersetzung. Mit Druckmitteln und Anreizen wirken die externen Akteure auf Baku und Jerewan ein, um eine Berücksichtigung ihrer Interessen in der Region zu erreichen, wodurch die Beilegung des Konfliktes um Bergkarabach in weite Ferne gerückt zu sein scheint.

1.3 Methode

7

1.3 Methode 1.3 Methode

Diese Arbeit stützt sich vor allem auf die interdisziplinäre Analyse, in der historische, geopolitische, politikwissenschaftliche, wirtschaftspolitische und juristische Aspekte Berücksichtigung finden. Zur empirischen Überprüfung der oben aufgestellten Hypothesen und Beantwortung der Forschungsfragen wird die Methode der qualitativen Fallstudie angewandt. Am Beispiel des Bergkarabach-Konflikts und der Besonderheiten der dortigen geopolitischen Lage werden die Politiken der externen Akteure im Südkaukasus und in dem Konflikt untersucht, deren Rolle in der friedlichen Konfliktlösung beleuchtet und die dort enthaltenen Einzelaspekte erörtert. Bei den externen Akteuren beschränkt sich die Auswahl auf die drei regionalen Akteure (Russland, Iran, Türkei) sowie die „raumfremden“ Akteure, die USA und die EU, deren Wirken im Vergleich dargestellt wird. Darüber hinaus wird untersucht, welche Interessen die beteiligten Akteure verfolgen und was ihre Instrumente zur Durchsetzung ihrer Interessen sind. Bei den Instrumenten wird auf politische (Angebot, Anreiz, Verbot etc.), wirtschaftliche (Rohstoffe, Markt, Lobbys) und gesellschaftliche (Informationskampagnen etc.) Steuerungsmechanismen eingegangen. Die OSZE, die in den Konfliktverhandlungen seit 1992 als offizieller Vermittler aktiv ist, wird ebenfalls in der Arbeit berücksichtigt. Die für die Untersuchung notwendigen Daten wurden mittels der Methode der Inhaltsanalyse gewonnen. Als Primärquellen wurden Rechtsakte, Regierungs­ dokumente, Statistiken oder Strategiepapiere aus den im Konflikt und in der Region involvierten Staaten untersucht. Als Sekundärquellen dienten Berichte internationaler Organisationen oder von NGOs, Zeitungen sowie Fachpublikationen, Forschungsarbeiten und Meldungen von Nachrichtenagenturen aus dem deutschen, englischen, russischen, armenischen und aserbaidschanischen Sprachraum. Englische, russische, sowie armenische Textquellen wurden vom Verfasser übersetzt. Die Sicherheitspolitik von im Südkaukasus aktiven Akteuren erschließt sich nicht immer aus den hierzu öffentlich zugänglichen Sicherheitsdoktrinen. Deshalb wurde auf Sekundärliteratur zurückgegriffen, die auf „versteckte“ Agenden hinweist. Zusätzlich zu der analysierten Literatur führte der Verfasser qualitative Interviews mit Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.11 Diese dienen auch 11

Die Experten-Interviews siehe im Anhang dieser Arbeit: Dr. Uwe Halbach (EU): Wissenschaftler der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasiaen am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP); Dr. Sergey Markedonov (Russland): Leiter der Abteilung für Angelegenheiten Ethnischer Beziehungen des Instututs für Politische und Militärische Analysen in Moskau; Dr. Hamed Kazemzadeh (Iran): Senior Researcher am Zentrum für Osteuropa­ 7

8

1 Einleitung

dazu, die Validität von Aussagen in der verwendeten Sekundärliteratur auf den Prüfstand zu stellen und den Forschungsstand etwas zu berreichern.

1.4

Theoretische Grundlage

1.4

Theoretische Grundlage

Verschiedene politikwissenschaftliche Theorien befassen sich mit den Fragen der politischen Dynamik und Interessen von Staaten. Die vorliegende basiert auf erkenntnistheoretischen Ansätzen der Geopolitik, Geoökonomie und des Neorealismus eines bereits in der Sowjetzeit umstrittenen Gebiets im südlichen Kaukasus. Die Interessen und politischen Aktionen der externen Akteure in diesem Raum fokussieren nicht nur die fossilen Rohstoffe und Transportwege. Sie sind vielmehr multidimensional und müssen in einen internationalen Zusammenhang gestellt werden. Das außenpolitische Vorgehen Russlands in dieser Region beruht auf geopolitischen Leitvorstellungen (Konzeptionen). Zu nennen sind hier das von P. N. Savickij12, L. N. Gumiljev13 und von A. Dugin14 ausgearbeitete „Eurasiasmus“-Konzept, nach dem Russland mit seiner Brücken-Position eine besondere Stellung in der Welt einnimmt und „Eurasien […] eigentlich vorbestimmt zur Bildung eines einheitlichen Staates ist“15. Die Energieressourcen dienen als außenpolitisches Instrument, um die globale Stellung des Landes aufzuwerten. Hinzu kommt das Streben nach einem Gegengewicht zu den USA und einer multipolaren Weltordnung.16

studien der Universität Warschau; Dr. Aybars Görgülü (Türkei): Projektmanager am Center for Public Policy and Democracy Studies in Istanbul (PODEM); Dr. Laurence Broers (USA): Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der School of Oriental and African Studies (SOAS) der Universität London. 12 Vgl. Savickij, P. N.: Rossija – Osobyj geografičeskij mir (Russland – eine eigene geographische Welt). Paris/Berlin/Praga, Evraz, Knigoizd 1927. 13 Vgl. Gumilev, Lev: Etnogenez i biosfera Zemli (Ethnogenese und Biosphäre der Erde). C&T Moskau 1994. 14 Vgl. Dugin, Alexandr. G.: Osnovy geopolitiky. Geopolititsheskoje budusheje Rossii (Grundlagen der Geopolitik. Die geopolitische Zukunft Russlands). Moskau, Arktogeja 1997. 15 Savickij, P. N.: Šestina světa. Rusko jako zeměpisný a historický celek (Sechster der Welt. Russland als geographische und historische Einheit). Praha 1993, S. 147 f. 16 Vgl. Lawrow, S: The Energy Strategy of Russia for the Period of up to 2020, in: Russia in Global Affairs, The Moscow News, No. 8/2006.

1.4 Theoretische Grundlage

9

Zbigniew Brzezinski formulierte für die USA in der Region weitreichende strategische Ziele: „Folglich muss die amerikanische Außenpolitik den geopolitischen Aspekt der neu entstandenen Lage im Auge behalten und ihren Einfluss in Eurasien so einsetzen, dass ein stabiles kontinentales Gleichgewicht mit den Vereinigten Staaten als politischem Schiedsrichter entsteht.“17 Die USA möchten ihm zufolge der Rivalität zwischen See- und Landmacht, die in den Werken von A. T. Mahan18, H. J. Mackinder19 und N. J. Spykman20 theoretisch begründet wurde, entgegenwirken. Russlands Machtausbau soll eingedämmt bzw. ein Block geschaffen werden, um es aus dem kontinentalen Geschehen herauszudrängen, da die globale Stellung der USA herausfordern könnte. Prominente, aber ebenso umstrittene Vertreter einer Geopolitik der USA sind außer Brzezinski21 auch Samuel P. Huntington22 und Henry Kissinger23. Sicherheitspolitische Handlungsmuster sind gleichfalls für die Handlungsweise der EU relevant. Die EU konzentriert sich noch immer verstärkt auf „kooperative Sicherheitsstreuungen“, aber dies darf nach Wulf Lapins nicht mit Pazifismus gleichgesetzt werden, da die EU die militärische Komponente verstärkt berücksichtigt.24 Europäische Bemühungen um einen Demokratietransfer in den Südkaukasus beinhalten durchaus geostrategische Überlegungen. Diese stärken den Einfluss der EU auf das regionale Geschehen und sollen eine langfristige Friedensstabilisierung 17

Brzezinski, Zbigniew: Die einzige Weltmacht, Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, 4. Auflage, 10/2001, S. 16. 18 Vgl. Mahan, A. T.: The Influence of Sea Power Upon History, 1660–1783. Boston 1890; Mahan, A. T.: The Interest of America in Sea Power, Present and Future. London, Sampson, Marson & Co. Limited 1897. 19 Vgl. Mackinder, H. J.: Democratic Ideals and Reality. New York, W. W. North and Co. 1962 die Ausgabe enthält auch die Artikel: The Geographical Pivot of History; und The Round World and Winning of the Peace. 20 Vgl. Spykman, N. J.: America’s strategy in world politics, the United States and the balance of power. Hamden, Conn. Archon Books 1970. 21 Vgl. Brzezinski, Zbigniew: Frankfurt am Main, 4. Auflage, 10/2001; The Choice: Global Domination or Global Leadership. New York 2004. 22 Vgl. Huntington, S. P.: The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order. New York 1997. 23 Vgl. Kissinger, H.: Diplomacy. New York, Simon & Schuster 1994: Kissinger, H.: American Foreign Policy: Three Essays. New York 1969; Kissinger, H.: Does America Need a Foreign Policy? Toward a Diplomacy for 21st Century. New York 2001. 24 Vgl. Lapins, Wulf: Zivilmachtakteure in Zentralasien – deutsche und europäische Interessenspolitik im Wandel der Zeit, in: Friedrich-Ebert-Stiftung: Zentralasien: Der Blick nach außen. Internationale Politik aus zentralasiatischer Sicht. Astana, Almaty, Bischkek, Duschanbe, Taschkent 2008, S. 37–49. 9

10

1 Einleitung

begünstigen. Aus der EU entwickelt sich nach Gernot Erler eine „Verantwortungsgemeinschaft“, die ein verstärktes Engagement in den benachbarten Regionen zeigt und sich auch globalen Herausforderungen stellt.25 Nicht nur die Sicherheit der EU oder ein geregelter Zugang zu den Ressourcen im kaspischen Raum sollen gewährleistet werden, auch ein Mittspracherecht der EU an der regionalen Entwicklung wird angestrebt. Das Vorgehen der EU verläuft in der geopolitischen Ausrichtung zwar viel subtiler, dennoch möchte die EU in der Region klare sicherheits- und energiepolitische Interessen umsetzen. Auf wissenschaftlicher Ebene beschäftigen sich mit der europäischen Geopolitik u. a. Erich Reiter26, Murat Laumulin27 oder Yves Lacoste28. Das politikwissenschaftliche Konzept der Geoökonomie kommt in dieser Arbeit durch eine Verknüpfung zwischen internationaler Wirtschaft, Geopolitik und Sicherheitspolitik ebenfalls zum Tragen. Die Relevanz dieses Ansatzes ist dadurch gegeben, weil das geopolitische Denken mit dem Zerfall der Sowjetunion und den Unabhängigkeitserklärungen von Aserbaidschan, Armenien, Georgien und anderen Teilen des Ostblocks einen Niedergang erfuhr.29 Das Ende des Kalten Kriegs reduzierte die Bedeutung der militärischen Macht und erhöhte stattdessen die ökonomische. „Auf dem Hauptschauplatz des Weltgeschehens haben militärische Stärke und Diplomatie im klassischen Sinn ihre traditionelle Bedeutung verloren.“30 Deswegen traten zunächst verstärkt geoökonomische Denkkategorien an die Stelle vormalig geopolitischer Muster.31 25

Vgl. Erler, Gernot: Erfahrung und Interesse. Das EU-Engagement in Zentralasien, in: Machtmosaik Zentralasien. Traditionen, Restriktionen, Aspirationen. Osteuropa Heft 8–9/2007, S. 372. 26 Vgl. Reiter, Erich: Ein Essay zur neuen globalen Geopolitik. Einige geopolitische und geostrategische Betrachtungen über die Auswirkungen der Wiederkehr der Geopolitik nach Zentralasien auf die europäische Sicherheit. Unter: www.bmlv.gv.at/pdf_pool/ publikationen/14_sr4_16.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 27 Vgl. Laumulin, M. T.: The Geopolitics of XXI century in Central Asia. Almaty, KazISS 2007. 28 Vgl. Lacoste, Yves: Geographie und politisches Handeln, Perspektiven einer neuen Geopolitik. Berlin 1990. 29 Vgl. Meyer, Robert: Europa zwischen Land und Meer: Geopolitisches Denken und geopolitische Europa-modelle nach der „Raumrevolution“. Bonn University Press 2014, S. 71. 30 Luttwak, Edward N.: Weltwirtschaftskrieg. Export als Waffe – aus Partnern werden Gegner. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Verlag 1994, S. 37.
 31 Vgl. Luttwak, Edward N.: The Endangered American Dream. How To Stop the United States from Being a Third World Country and How To Win the Geo-Economic Struggle for Industrial Supremacy. New York 1993, S. 1.


1.4 Theoretische Grundlage

11

Während des Kalten Kriegs wäre es gefährlich gewesen, die geoökonomischen Auseinandersetzungen zwischen verbündeten Staaten zuspitzen zu lassen. „Angesichts der sowjetischen Bedrohung durfte nicht zugelassen werden, daß ein eskalierender Handelsstreit die politischen Beziehungen belastete, denn dies hätte der Solidarität im Bündnis geschadet.“32 Der Kalte Krieg verhinderte von daher über vierzig Jahre lang bestens die geoökonomische Konfrontation, bis die UdSSR in 1991 schließlich implodierte und die Bedrohung eines militärischen Konflikts ihr Ende fand. Dadurch wurde der Weg für die Geoökonomie freigemacht, weil sie „ein Wettstreit [ist], in den nur solche Länder treten können, die den Krieg untereinander ausgeschlossen haben“33. Die Erfahrungen des Kalten Kriegs bilden vielleicht die besten Beispiele, warum sich Baku Hoffnungen macht, Jerewan und Stepanakert nicht militärisch, sondern wirtschaftlich zu besiegen und kampflos Bergkarabach zu annektieren. Die USA „gewannen“ den Kalten Krieg nicht durch irgendeine Militäroperation, sondern durch die stärkere Wirtschaft, basierend auf Investitionen, Kreativität und Erfindungen. Die Sowjetunion war auf internationaler Ebene militärisch stark, wirtschaftlich ineffizient, und die sehr hohen Sicherheitsausgaben waren letztendlich für ihren Niedergang und die Selbstauflösung des „Ostblocks“ verantwortlich. Für die Arbeit ist der Begriff der „Geoökonomie“ nicht nur wegen seiner engen Beziehungen zur post-bipolaren Welt und erhöhten Bedeutung der wirtschaftlichen Konkurrenz wichtig, sondern auch aufgrund seiner Verbindung mit der Energiepolitik und Energiesicherheit in der Welt. Die Sicherheit der Energieversorgung bleibt nach wie vor ein zentrales Thema für viele Staaten. Im kaspischen Raum hat insbesondere Aserbaidschan als einer der fünf Anrainerstaaten mit seinen Gas- und Ölvorräten nach dem Untergang der Sowjetunion an geopolitischer und geoökonomischer Bedeutung zugenommen. Die kaspische Region gehört zusammen mit den Staaten am Persischen Golf zu der so genannten „Strategischen Ellipse“34, in der sich ca. 70 % der konventionellen Welterdölreserven und ca. 68 % der Welterdgasreserven – zwischen Europa und Asien gelegen – befinden und die somit die rohstoffreichste Region der Welt ausmachen.35

32 Luttwak, Edward N.: Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Verlag 1994, S. 44. 33 Ebd., S. 46. 34 Sapper, Manfred/Weichsel, Volker/Gebert, Agathe/Balmaceda, Margarita (Hrsg.): Europa unter Spannung Energiepolitik zwischen Ost und West. Osteuropa, Heft 9/10, 2004. 35 Vgl. ebd. 11

12

1 Einleitung

Abb. 1

Karte: Strategische Ellipse und globale Gasvorkommen.36

Der wachsende globale Bedarf an fossilen Vorräten und die Möglichkeit einer für die USA, EU-Staaten und Türkei bedeutenden Alternative zu den Golfstaaten und Russland kommen dieser Entwicklung in Aserbaidschan, als einzigem Förderland im Südkaukasus zusammen mit Kasachstan und Turkmenistan, entgegen und bilden eine Alternative zur Diversifizierung der Bezugsquellen. Die entstandene geopolitische und geoökonomische Konkurrenz der in dieser Arbeit untersuchten Mächte hat dabei die Begriffe „New Great Game“ und „neue Seidenstraße“ geprägt, die im globalen Zusammenhang, bezogen auf die Region in den letzten Dekaden, an Bedeutung gewonnen haben.37 Im Hinblick auf Erdöl und Erdgas sowie als Teil der kontinentalen Landbrücke – oder wie Frederik Star sagte, als der „Kontinentale Suez-Kanal“38 inmitten des eurasischen Kontinents – nimmt insbesondere Aserbaidschan eine Sonderstellung im Südkaukasus ein, dem Bzezinski eine besondere Rolle beimaß: „Aserbaidschan ist mit seinen riesigen Energiequellen unter geopolitischem Aspekt nicht 36 37 38

Ebd. Vgl. Halbach, Uwe: Öl und Great Game im Kaukasus, in: OSZE-Jahrbuch 2004: Jahrbuch zur Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2004, S. 291 f. Siehe Interview mit Dr. Uwe Halbach im Anhang dieser Arbeit.

1.4 Theoretische Grundlage

13

zu unterschätzen. Es ist gewissermaßen der Korken in der Flasche, die die Schätze des Kaspischen Beckens und Zentralasiens enthält.“39 Weiter führte er aus: „Ein unabhängiges Aserbaidschan kann dem Westen den Zugang zu dem an Ölquellen reichen Kaspischen Becken und Zentralasien eröffnen. Umgekehrt würde ein unterworfenes Aserbaidschan bedeuten, daß Zentralasien von der Außenwelt abgeriegelt wird und somit politisch dem russischen Druck nach einer Wiedereingliederung ausgesetzt sein könnte.“40 Die strategische Lage Aserbaidschans mit seinem Rohstoffreichtum lässt kaum Zweifel daran, dass der entstandene Wettlauf der Akteure um Dominanz und Einfluss in der Region auch den Bergkarabach-Konflikt zu einem Teil ihrer Strategie machte. „So besteht eine Verbindung zwischen prospektiven Erträgen aus dem Energieexport und dem Karabachkonflikt: Künftige Milliardeneinnahmen nach Inbetriebnahme der BTC-Pipeline könnten die Kräftebalance zwischen den Konfliktparteien Armenien und Aserbaidschan zugunsten des Ölförderlandes verändern und damit Perspektiven für eine Konfliktlösung durch die materielle Überlegenheit einer Konfliktpartei eröffnen.“41 Auch für Armenien ist die Gewährleistung der Energiesicherheit angesichts der türkisch-aserbaidschanischen Blockade und des Wirtschaftsembargos zu einem Grundpfeiler der Bewahrung der eigenen Souveränität geworden. Von dem freien Zugang zu Energiequellen hängen viele Wirtschaftszweige und auch die Armee direkt oder indirekt ab. Die Gaslieferungen durch Pipelines aus Russland und dem Iran einschließlich der eigenen Energiequellen wie Wasserkraft, Kohle und Atomenergie geben Armenien die Möglichkeit, seine Wirtschaft und sein Militär am Laufen zu halten, und dies trotz der Jahrzehnte währenden Blockade. Nach der Darlegung geopolitischer und geoökonomischer Grundprinzipien soll nun die Theorie des Realismus als einer der ältesten und wichtigsten Ansätze der politikwissenschaftlichen Disziplin der internationalen Beziehungen, der sich in den 1940er Jahren etablierte, kurz skizziert werden.42 Maßgeblich zu dieser Denkschule hat Hans Morgenthau mit seinem Buch „Politics among nations: the struggle for

39 40 41 42

Brzezinski, Zbigniew: Frankfurt am Main, 4. Auflage, 10/2001, S. 75. Ebd., S. 177. Halbach, Uwe: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2004, S. 297. Obwohl die realistische Denkschule in ihrem heutigen Verständnis erst Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden ist, steht dieser Ansatz in einer langen Tradition politischen Denkens, zu deren intellektuellen Vorläufern Max Weber (1864–1920), Thomas Hobbes (1588–1679), Nocolo Machiavelli (1469–1527) sowie der altgriechische Historiker Thukydides (460–406 v. Chr.) gezählt werden können. 13

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1 Einleitung

Power and peace“ (deutsch: Macht und Frieden)43 beigetragen, in dem er hierfür die theoretischen Grundlagen entwickelte. Der Realismus befasst sich mit der Verteilung der Macht im internationalen System, in dem die Staaten die relevanten Akteure sind. Sie handeln ganzheitlich und rational, wobei das Phänomen charakteristisch sei, dass die Interessen der Staaten auch für andere wünschenswert seien bzw. darüber hinaus als übergeordnetes Ziel des politischen Handelns gelten könnten.44 Das Streben nach Macht ist laut Morgenthau in der menschlichen Natur verankert, die nicht nur vom Selbsterhaltungsbetrieb bestimmt wird, sondern vor allem auch von einem Machttrieb und der Lust, andere zu beherrschen. „Der politische Realismus geht davon aus, daß die Politik, so wie die Gesellschaft allgemein, von objektiven Gesetzen beherrscht wird, deren Ursprung in der menschlichen Natur liegt. Um die Gesellschaft zu verbessern, muß man vor allem jene Gesetze verstehen, denen sie gehorcht […]. Für den Realismus besteht Theorie darin, Tatsachen festzustellen und ihnen durch Vernunft Sinn zu verleihen […].“45 Für ihn ist die Macht die entscheidende Kategorie der Politik, wobei Staatsmänner im Sinne eines als Macht verstandenen Interesses handeln. Wegen dieser Begründung, aber auch aufgrund der langen wissenschaftlichen Dominanz dieses Erklärungsansatzes der internationalen Beziehungen wurde der Realismus als klassischer Realismus bezeichnet, um ihn von einer neueren Variante, der Weiterentwicklung des (klassischen) Realismus, dem „Neorealismus“, abzugrenzen. Der Neorealismus, zu dessen Erfolg Kenneth Waltz maßgeblich mit seinem Buch „Theory of International Politics“46 beigetragen hat, interessiert sich weniger für die Natur des Menschen als für Ursachen und Bedingungen von Krieg und Unsicherheit in der internationalen Politik. Er bezeichnet es als ein soziales Problem, das sich aus der Struktur des internationalen Systems ergibt, weswegen er auch häufig als struktureller Realismus bezeichnet wird. „While human nature no doubt plays a role in bringing about war, it cannot by itself explain both war and peace, except by the simple statement that man’s nature is such that sometimes he fights and somethimes he does not.“47 Waltz definiert diese Struktur durch 43

Vgl. Morgenthau, Hans J.: Macht und Frieden – Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik. Übersetzung der 3. Auflage von Politics Among Nations aus dem Jahre 1960. Gütersloh, Bertelsmann 1963. 44 Vgl. Brecher, Michael/Steinberg, Blema/Stein, Janice: A Framework for Research on Foreign Policy Behavior, in: Journal of Conflict Resolution, No. 13–1, 1969, S. 75. 45 Morgenthau, Hans J.: Gütersloh, Bertelsmann 1963, S. 49 f. 46 Waltz, Kenneth: Theory of International Politics, Reading, Mass.-London 1979. 47 Ebd., S. 29.

1.4 Theoretische Grundlage

15

das „Ordnungsprinzip“ Anarchie (altgr.: anarchia = Herrschaftslosigkeit) und die Verteilung von Machtressourcen auf die Staaten, die in der internationalen Politik durch rationales, unabhängiges und gleichartiges Handeln stets um ihre Überlebenssicherung kämpfen und dabei zu relativen Gewinnen im Konkurrenzkampf gegenüber potenziellen Rivalen neigen. Während die Staaten von der Charakteristik her als identisch anzusehen sind, unterscheiden sie sich aufgrund ihre Größe und Ressourcen (des militärischen, wirtschaftlichen, technischen oder kulturellen Einflusses) deutlich voneinander und streben stets danach, ihre Fähigkeiten zu maximieren. Je nach Verteilung dieser Stärken differenziert Kenneth Waltz drei mögliche Machtverhältnisse im internationalen System48: (1) ein unipolares System mit einer starken Hegemonial­ macht und (2) das bipolare System mit zwei ähnlich starken Staaten. Als Beispiel für diese beiden kann die während des Kalten Kriegs entstandene bipolare Weltordnung angeführt werden, die nach dem Zerbrechen diese Machtkonstellation vorübergehend zu einem unipolaren System mit der einzigen Supermacht USA mit klarer Vormachtstellung an die Spitze geführt hat. Als Drittes bezeichnet er das multipolare System mit mehreren relativ ähnlich starken Akteuren. Dass in der Präferenzordnung der Staaten nicht die Macht an oberster Stelle steht, sondern der Erhalt nationaler und geographischer Sicherheit und Integrität, akzentuiert einen wichtigen Unterschied des Neorealismus zum klassischen Realismus. Wenn in einem System ohne Ordnung die Sicherheit hauptsächlich durch Machtzuwachs erworben würde und alle Staaten danach streben sollten, entstünde folglich ein Zustand größter Unsicherheit, wobei die Staaten versuchen würden, ihre Selbsterhaltung (Überleben: survival) und die Stabilisierung ihrer Beziehungen zu anderen Staaten durch Machtmittel, durch Bildungen von Allianzen und mit einem Machtgleichgewicht zu ermöglichen: „Balance-of-power politics prevail wherever two, only two, requirements are met: that the order be anarchic and that it be populated by units wishing to survive.“49 Die Staaten verfolgen die Umsetzung ihrer zentralen Präferenz rational, d. h., sie orientieren sich in ihren Entscheidungen an dem Kriterium der Zweck-Mittel-Rationalität.50 Wenn größere Staaten durch ihre Kapazitäten die Fähigkeit zur Selbsterhaltung besitzen, um auch den externen Bedrohungen entgegenzuwirken, sind kleinere Staaten herausgefordert, zwei verschiedene Formen der Kooperationen anzustreben: 48 Vgl. ebd. 49 Ebd., S. 121. 50 Vgl. Waltz, Kenneth: Reflections on Theory of International Politics. A Response to My Critics, in: Keohane, Robert O. (Hrsg.): Neorealism and Its Critics. New York, Columbia University Press 1986, S. 322–345. Hier: S. 330. 15

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1 Einleitung

„When confronted by a significant external threat, states may either balance or bandwagon. Balancing is defined as allying with others against the prevailing threat; bandwagoning refers to alignment with the source of danger.“51 Laut Walt kann eine Bündnisbildung aus zwei und mehr Staaten bestehen, die im Bedrohungsfall ein formelles oder informelles Arrangement zur Sicherheitskooperation treffen.52 Als Bedrohung (threat) bezeichnet er: „Threats, in turn, are a function of power, proximity, offensive capabilities, and aggresive intentions. Other things being equal, an increase in any of these factors make it more likely that other states (especially other major powers) will regard the possessor of these traits as threatening and begin to look for some form of protecting themselves.“53 Nach neorealistischen Annahmen haben die Bedrohungsgefühle der Staaten zu ähnlichen Bündnisbildungen im Südkaukasus geführt. Als Beispiel kann die strategische russisch-armenische Allianz benannt werden, die angesichts des türkisch-aserbaidschanischen Vorgehens und der Bedrohungen gegenüber der Existenz von Bergkarabach und Armenien in der Region ebenfalls einen kriegshemmenden Charakter besitzt. Auch die in dieser Arbeit detailliert betrachteten Achsenbildungen (vertikale vs. horizontale) zwischen externen und regionalen Akteuren im Südkaukasus können im Kontext von „balance-of-power“ und „balance-of-threat“ betrachtet werden. Diese Akteure schließen sich meist zu Bündnissen zusammen, um andere Akteure auszubalancieren, weil sie sich gegenseitig als Bedrohung für die eigenen grundlegenden Interessen in der Region sehen. In den meisten Fällen sind solche Allianzen aufgrund der wechselnden Interessen der Mächte und der eintretenden Veränderungen der Machtkonstellationen temporär und zerbrechlich. Mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen im internationalen System, die einerseits mit Beobachtungen eines Machtschwunds der USA einhergehen und andererseits von dem wirtschaftlichen und militärischen Wachstum neuer Mächte (China, Indien, Russland) geprägt sind, könnte von einer bereits begonnenen Phase der seit einigen Jahren zu beobachtenden Erodierung der USA-gestützten unipolaren Machtverteilung des internationalen Systems hin zu einer polyzentrischen Weltordnung ausgegangen werden. Bei dieser multipolaren Konstellation könnte sich auch die EU als ein wichtiger Akteur herausbilden. Mit seinen weltweit vernetzten diplomatischen Vertretungen, politischen und wirtschaftlichen Verträgen, die mit 51 52 53

Walt, Stephen M.: The Origins of Alliances. Cornell University Press, 1987, S. 17. Vgl. ebd., S. 12. Walt, Stephen M.: Keeping the World „Off-Balance“: Self-Restraint and U.S. Foreign Policy, in: Ikenberry, G. John: America Unrivaled. The Future of the Balance of Power. Cornell Studies in Security Affairs. Ithaca-London, Cornell University Press 2002, S. 133.

1.5 Aufbau der Arbeit

17

Drittstaaten abgeschlossen werden, sowie mit seinen Institutionen hat sie bereits relevante Marksteine dafür gesetzt. Die wichtigste Voraussetzung muss jedoch noch geleistet werden, eine handlungsfähige gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.

1.5

Aufbau der Arbeit

1.5

Aufbau der Arbeit

Die beschriebenen Zielsetzungen und Fragestellungen bestimmen die Vorgehensweise und Gliederung dieser Arbeit. Sie differenziert sich in fünf Kapitel. Kapitel 1: Einleitung. In diesem Teil werden die Problemstellung, das Erkenntnis­ interesse sowie die Aktualität der Untersuchung behandelt, die Fragestellungen herausgearbeitet und die Ausgangshypothesen vorgestellt. Zur Beantwortung der zwei zentralen Fragen wird zunächst der bereits kurz skizzierte theoretische Rahmen dargelegt. Dabei wird geklärt, was Geopolitik und Geoökonomie bedeuten, des Weiteren wird der Neorealismus beschrieben und die Zusammenhänge dieser Theorien mit der regionalen Politik der externen Akteure und der direkten Konfliktparteien werden dargestellt. Ferner werden die Methode, der Forschungsstand und der Aufbau der Arbeit erörtert. Kapitel 2: Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte. Im zweiten Abschnitt der Untersuchung werden zunächst die Ursachen des Konflikts aus historischer Perspektive analysiert. Anschließend wird der Konflikt in latenten Phasen den 1960er Jahre untersucht und die Problemlösungsansätze während der Sowjetzeit werden beschrieben. Der Dynamisierung zum bewaffneten Konflikt ab Ende der 1980er Jahre bis zum Waffenstillstand von 1994 wird darauf folgend erheblicher Raum in der Darstellung beigemessen. Kapitel 3: Die postsowjetische Entwicklung in Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1991–2015. Im Fokus dieses Abschnitts stehen sozioökonomische Entwicklungen, die Außen- und Sicherheitspolitiken, die innenpolitischen Kräfteverhältnisse sowie die ethnischen, religiösen und demographischen Zusammenhänge in Aserbaidschan, Armenien sowie in Bergkarabach im Untersuchungszeitraum (1991–2015). Kapitel 4: Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region. Hier wird ausführlich die Interessenlage der externen Akteure gegenüber dem behandelten Raum untersucht. Dabei werden die Rolle und Bedeutung der USA und der EU analysiert sowie die Positionen der regionalen gegenseitigen Altrivalen Türkei, 17

18

1 Einleitung

Iran und Russland im Bergkarabach-Konflikt herausgearbeitet. Die Relevanz des aserbaidschanischen Energiefaktors und der armenischen Diaspora wird in diesem Kontext als ebenfalls wirkender Faktor beleuchtet. #Kapitel 5: Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt. Zunächst wird der Konflikt aus rechtlicher Perspektive beurteilt. Wie schätzte das sowjetische Recht die Lage ein und was sagt das moderne Völkerrecht dazu? Der Hauptteil widmet sich der Rolle der OSZE, die seit 1992 als offizieller Vermittler in dieser Auseinandersetzung fungiert. Analysiert werden die Initiativen von Russland, den USA und Frankreich im Rahmen dieser Vermittlung. Kapitel 6: Zusammenfassung und Ausblick. Am Ende der Arbeit wird eine Zusammenfassung der Ergebnisse dahingehend verfasst, ob und in welchem Maße die Arbeitshypothesen verifiziert werden konnten. Damit werden auch die zentralen Fragestellungen der Arbeit beantwortet. Den Schluss bildet ein Ausblick auf die Entwicklungsperspektiven des Bergkarabach-Konflikts und auf die Rolle der externen Akteure in der Region.

1.6 Forschungsstand 1.6 Forschungsstand

Zum Thema Bergkarabach-Konflikt, Konfliktentstehung und Lösung des Konflikts sowie auch speziell zu der Rolle und den Interessen der externen Akteure in der Südkaukaukasus-Region und in dem Konflikt liegt eine recht ausführliche Literaturdichte vor, allerdings in nur gekürzter Form sowie in Hinblick auf andere Zeiträume. Exemplarisch sind hierfür die Publikationen von Johannes Rau54 und Rexane Dehdashti55 zu nennen. Dehdashti legt den Schwerpunkt auf die Bemühungen externer Akteure und vor allem die Vermittlungsbemühungen durch die OSZE Minsker Gruppe. Sie geht von durchaus gutgemeinten Vermittlungsversuchen aus, diese lassen sich jedoch bis zum Ende des Untersuchungszeitraums im Jahr 1998 weder als vollkommen fehlgeschlagen noch als erfolgreich bewerten. Ihr zufolge ergeben sich zahlreiche Probleme bei den Verhandlungen im Rahmen der OSZE Minsker Gruppe und der vorsitzenden Länder USA, Frankreich und Russland. 54 55

Vgl. Johannes, Rau: Der Nagorny-Karabach-Konflikt (1988–2002). Berlin 2003. Vgl. Dehdashti, Rexane: Internationale Organisationen als Vermittler in innerstaatlichen Konflikten. Die OSZE und der Berg-Karabach-Konflikt. Studien der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Band 34, Frankfurt/New York 1998.

1.6 Forschungsstand

19

Hierunter fallen in erster Linie das inkonsistente Handeln aufgrund des ständigen Vorsitzwechsels, die Nicht-Teilnahme an den Verhandlungen der direkt betroffenen Partei, nämlich der Karabach-Armenier, wie auch die Demokratiedefizite der postsowjetischen südkaukasischen Republiken. Rau gelangt zu der Erkenntnis, dass der Bergkarabach-Konflikt aufgrund der Interessen externer Akteure und der erfolglosen diplomatischen Vermittlung zu den kompliziert zu lösenden Konflikten des Südkaukasus gehört. Auch Henrik Bischof geht in seiner Studie auf das externe Engagement im Konflikt ein.56 Er stellt Russland als einen destabilisierenden Faktor in der Region dar, der sich stets durch Schürung von Konflikten eine ständige Präsenz im Südkaukasus sicherte. Der Westen dagegen ist bei der Lösung des Bergkarabach-Konflikts im Sinne des Rohstoffreichtums Aserbaidschans vom Prinzip der territorialen Inte­ grität der Staaten geprägt und das Selbstbestimmungsrecht der Karabach-Armenier findet keine Berücksichtigung. In der Monographie von Haig E. Asenbauer57 wird das Selbstbestimmungsrecht der Karabach-Armenier fokussiert. Außerdem stellt der Autor einen historischen Abriss der Region und speziell Bergkarabachs dar, die als Spielball zwischen den Großmächten betrachtet werden müssen, aber trotzdem immer ihr Gesicht bewahren konnten. Den Bergkarabach-Konflikt und das Konfliktmanagement beinhalten die Arbeiten von: Thomas de Waal „Black Garden: Armenia and Azerbaijan Through Peace and War“58, Thomas Engelke „Transkaukasisches Monopoly. Der Karabach-Konflikt im geopolitischen Kontext des Krisen- und Konfliktmanagement der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa)“59, Fariz Ismailzade & Glen Howard „The South Caucasus 2021: Oil, Democracy and Geopolitics“60, Otto Luchterhand „Das Recht Berg-Karabachs auf staatliche Unabhängigkeit aus völkerrechtlicher Sicht“61, „Der Status der Republik Berg Karabach aus der Sicht 56 Vgl. Bischof, Henrik: Der Karabach-Konflikt: Moskaus Hand in Transkaukasien. Abteilung Außenpolitikforschung der Friedrich-Ebert-Stiftung, No. 67, Bonn 1995. 57 Vgl. Asenbauer, Haig E.: Zum Selbstbestimmungsrecht des armenischen Volkes von Berg-Karabach. Ethnos; Band 41, Wien 1993. 58 Vgl. De Waal, Thomas: Black Garden: Armenia and Azerbaijan Through Peace and War. New York, New York University Press 2003. 59 Vgl. Engelke, Thomas: Transkaukasisches Monopoly. Der Karabach-Konflikt im geopolitischen Kontext des Krisen- und Konfliktmanagement der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa). Frankfurt am Main 1997. 60 Vgl. Ismailzade, Fariz/Howard, E. Glen (Hrsg.): The South Caucasus 2021: Oil, Democracy and Geopolitics. Washington DC, The Jamestown Foundation 2012. 61 Vgl. Luchterhandt, Otto: Das Recht Berg-Karabachs auf staatliche Unabhängigkeit aus völkerrechtlicher Sicht. Archiv des Völkerrechts 1993, (Bd. 31), S. 30–81. 19

20

1 Einleitung

des sowjetischen Staatsrechts“62, Tessa Hofmann „Annäherung an Armenien-­ Geschichte und Gegenwart“63, Martin Malek „Determinanten der Sicherheitspolitik Armeniens“64, Christoph Benedikter „Brennpunkt Berg-Karabach: Ein Konflikt gefriert. Hintergründe – Folgen – Auswege“65, Ashot Manutscharjan „Der Konflikt um Berg-Karabach: Grundproblematik und Lösungsperspektiven“66, Heiko Krüger „Der Berg-Karabach-Konflikt: Eine juristische Analyse“67, Manfred Richter, Hravard Hakobian „Armenisches Berg-Karabach/Arzach im Überlebenskampf – Christliche Kunst, Kultur, Geschichte“68, Aydan Bashlinskaya „Die völkerrechtliche Bewertung des militärischen Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach“69 sowie die Sammelbände von Gerhard Mangott70, Vahram Soghomonyan71 und von Erich Reiter72. Präferenzen der Groß- und Regionalmächte im Südkaukasus und deren Rolle und Interessen im Bergkarabach-Konflikt bilden hierbei meist nur einen Teilaspekt im Rahmen einer weiter gefassten regionalen Darstellung. 62 Vgl. Luchterhand, Otto: Der Status der Republik Berg Karabach aus der Sicht des sowjetischen Staatsrechts, in: Armenien – Geschichte und Gegenwart in schwierigem Umfeld. Frankfurt am Main, Deutsch-Armenische Gesellschaft 1998, S. 267–286. 63 Vgl. Hofmann, Tessa: Annäherung an Armenien, Geschichte und Gegenwart. München, Verlag H.C. Beck 2006. 64 Vgl. Malek, Martin: Determinanten der Sicherheitspolitik Armeniens. Berichte des Bundesinstitutes für ostwissenschaftliche und internationale Studien, No. 11, Köln 2000. 65 Vgl. Benedikter, Christoph: Brennpunkt Berg-Karabach: Ein Konflikt gefriert. Hintergründe – Folgen – Auswege. Innsbruck, Studien Verlag 2011. 66 Vgl. Manutscharjan, Aschot: Der Konflikt um Berg-Karabach: Grundproblematik und Lösungsperspektiven. Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität. Bonn 1998. 67 Vgl. Krüger, Heiko: Der Berg-Karabach-Konflikt: Eine juristische Analyse. Springer Verlag 2009. 68 Vgl. Richter, Manfred (Hrsg.): Armenisches Berg-Karabach/Arzach im Überlebenskampf. Christliche Kunst, Kultur, Geschichte. Berlin 1993. 69 Vgl. Bashlinskaya, Aydan: Die völkerrechtliche Bewertung des militärischen Konflikts zwischen Aserbaidschan und Armenien um Berg-Karabach und das Krisenmanagement durch die Vereinten Nationen und die Europäische Union im Rahmen der ESVP und der OSZE. Schriftreihe des Zentrums für europäische Rechtspolitik (ZERP) Band 60. Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010. 70 Vgl. Mangott, Gerhard (Hrsg.): Brennpunkt Südkaukasus: Aufbruch trotz Krieg, Vertreibung und Willkürherrschaft? Wien, Braumüller Verlag 1999. 71 Vgl. Soghomonyan, Vahram (Hrsg.): Lösungsansätze für Berg-Karabach/Arzach: Selbstbestimmung und der Weg zur Anerkennung. Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010. 72 Vgl. Reiter, Erich (Hrsg.): Der Krieg um Bergkarabach, Krisen- und Konfliktmanagement in der Kaukasus-Region. Wien 2009.

1.6 Forschungsstand

21

In der deutsch- und englischsprachigen politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Literatur gibt es jedoch kaum Studien, die sich kohärent und dezidiert mit den für das Dissertationsvorhaben aufgestellten Forschungsfragen auseinandersetzen. Viele Publikationen, wie die o. a. ermöglichen zwar den Einstieg in die vorhandenen Probleme, es mangelt ihnen jedoch an thematischer Tiefe und Detailliertheit. Der Kaukasus kommt auch bei den Geopolitikern immer wieder vor. Beispielhaft ist das Buch „Die einzige Weltmacht“ von Zbigniew Brzezinzki73 , der die Region „Eurasischen Balkan“ nannte. Auch einige Papiere der Stiftung Wissenschaft und Politik74, der Friedrich-Ebert-Stiftung75 und der Konrad-Adenauer-Stiftung76 gehen teilweise auf die Politik und Interessen der externen Akteure ein, fokussieren jedoch überwiegend auf den Bergkarabach-Konflikt. Die wissenschaftliche Literatur enthält somit noch einige Forschungslücken. Neben Publikationen in Deutsch und Englisch wurden solche in armenischer und in russischer Sprache verwendet.77

73 Vgl. Brzezinski, Zbigniew: Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, 4. Auflage, 10/2001. 74 Vgl. Halbach, Uwe: Ungelöste Regionalkonflikte im Südkaukasus. Berlin, SWP-Studie 2010. Unter: http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2010_ S08_hlb_ks.pdf, abgerufen: 15.09.2017; Halbach, Uwe: Irans nördliche Nachbarschaft. Berlin, SWP-Studie 2012. Unter: http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2012A22_hlb.pdf, abgerufen: 15.09.2017; Vgl. Halbach, Uwe/Smolnik, Franziska: Der Streit um Berg-Karabach. Spezifische Merkmale und die Konfliktparteien. Berlin, SWP-Studie 2013; vgl. Halbach, Uwe/Smolnik, Franziska: Russlands Stellung im Südkaukasus. SWP-Studie, 1/2014. Unter: https://www.swp-berlin.org/fileadmin/ contents/products/aktuell/2014A01_hlb_smk.pdf, abgerufen: 20.02.2016. 75 Zagorski, Andrei: Eastern Partnership from the Russian Perspective, in: Friedrich-Ebert-Stiftung, IPG Journal 3/2011. Unter: http://library.fes.de/pdf-files/ipg/20113/05_zagorski.pdf, abgerufen: 15.09.2017; Friedrich-Ebert-Stiftung 2012: South Caucasus 20 Years of Independence. Unter: http://library.fes.de/pdf-files/bueros/georgien/08706. pdf, abgerufen: 15.09.2017. 76 Vgl. Plate, Katja Christina: Konflikt um Bergkarabach spitzt sich zu, in: Konrad-Adenauer-Stiftung, Länderbericht 14.03.2011. Unter: http://www.kas.de/wf/doc/kas_223461522-1-30.pdf? 110325064457, abgerufen: 15.09.2017; Shiriyev, Zaur: Policy Paper, Institutionalizing a Trilateral Strategic Partnership: Azerbaijan, Georgia, Turkey. Konrad-Adenauer-Stiftung, 2016, S. 12–16. Unter: http://www.kas.de/wf/doc/kas_438841522-1-30.pdf?160111112351, abgerufen: 20.02.2016. 77 Vgl. Manasyan, Alexander: Lernayin Gharabagh, inchpes e da eghel (Bergkarabach, wie das Ganze geschah). Jerewan 2010; Krilov, Aleksandr: Nagornyy Karabakh v geopoliticheskoy kontekste XXI veka (Bergkarabach im geopolitischen Kontext des 21. Jahrhunderts). Moskau 2006. 21

2

Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

2.1

Kleine Landeskunde von Südkaukasus und Bergkarabach

2.1

Kleine Landeskunde von Südkaukasus und Bergkarabach

Der Kaukasus spielt in geographischer und kultureller Hinsicht eine Brückenrolle zwischen Osteuropa und Südwest-Asien. Ethnographisch und sprachwissenschaftlich zählt die Region zu den stark ausgeprägten Gebieten der Welt. Obwohl sie mit 440.000 Quadratkilometern nur 2 % des Territoriums der ehemaligen Sowjet­ union ausmacht, leben dort heute dennoch mehr als 30 Mio. Menschen in etwa 60 verschiedenen Völkergemeinschaften, die indogermanische, kaukasische sowie altaische Sprachen sprechen.78 Bereits die Autoren der Antike kannten die bunte Vielfalt der Volks-, Religions- sowie Sprachgemeinschaften in der Region, was sich auch in der Gegenwart ausprägt. „Berg der Sprachen“ nannte der arabische Geograph Al-Masudi den Kaukasus im 10. Jh. und Plinius beschrieb, dass die Römer in Dioskurias (heute Suchum(i), die Hauptstadt von Abchasien) 130 Dolmetscher benötigten.79 Aus religiöser Sicht ist die Region ebenfalls bunt, die Bewohner sind zum Teil Muslime, zum Teil Christen oder jüdischen Glaubens. Geographisch ist der Kaukasus in fünf naturräumliche Einheiten gegliedert – von Norden nach Süden: in das Kaukasusvorland, den Großen Kaukasus, die Transkaukasische Senke, den Kleinen Kaukasus und das Armenische Hochland. Als eine geteilte Region zwischen Europa und Asien besteht der Kaukasus aus zwei Hauptteilen, dem Nord- und Südkaukasus. Der Gebirgskamm des Großen Kaukasus ist 78

Vgl. Gazer, Hacik Rafi: Völker auf der Suche nach Frieden und Freiheit im Kaukasus, in: Ost-West Europäische Perspektiven, OWEP 4/2002. Unter: http://www.owep.de/ artikel/320/voelker-auf-suche-nach-frieden-und-freiheit-im-kaukasus, abgerufen: 15.09.2017. 79 Vgl. Quiring, Manfred: Pulverfass Kaukasus, Konflikte am Rande des russischen Imperiums. Berlin 2009, S. 10. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. E. Aslanyan, Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus, Energiepolitik und Klimaschutz. Energy Policy and Climate Protection, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28516-6_2

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

ein von Westen nach Osten verlaufendes Hochgebirge zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, das die heutige natürliche Grenze zwischen den beiden Teilen darstellt.80 Der Nordkaukasus bezeichnet den Teil Kaukasiens nördlich der Hauptkette des Großen Kaukasus. Politisch gehört der Nordkaukasus zu der Russischen Föderation und bildet die sieben autonomen Republiken Südrusslands (von links nach rechts: Adygeja, Karatschai-Tscherkessien, Kabardino-Balkarien, Nordossetien, Inguschetien, Tschetschenien, Dagestan: siehe die Abb. 2).81

Abb. 2

80 81 82

Karte: Politische Situation in der Kaukasus-Region82

Vgl. Gazer, Hacik Rafi: Ost-West Europäische Perspektiven, OWEP 4/2002. Vgl. Quiring, Manfred: Berlin 2009, S. 10. Die politische Karte des Kaukasus stammt von Wikipedia. Autor: Don-kun; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported/Kurz. Unter: https://

2.1 Kleine Landeskunde von Südkaukasus und Bergkarabach

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Als Südkaukasus oder Transkaukasien83 wird die Region am Südhang des Großen Kaukasus an der Südflanke Russlands, der Nordflanke Irans und der Türkei bezeichnet. Im Verlauf der Geschichte wurde der südliche Teil des Kaukasus in regionale Hegemoniekämpfe hineingezogen. Der von dem altpersischen Großreich und dem Imperium Romanum eingeleitete Antagonismus setzte sich im Mittelalter als arabische, mongolische (Dschingis Chan), später zentralasiatische (Timur/­ Tamerlan) und osmanische Vormachtskämpfe in der Region fort, im 19. Jh. zwischen den kolonialen Mächten (Russisches Kaiserreich, Großbritannien), im 20. Jh. der Sowjetunion sowie im 21. Jh. (EU, Russland, USA) hinein.84 Politisch umfasst der Südkaukasus die seit 1991 für unabhängig erklärten und international anerkannten ehemals sowjetischen Republiken Aserbaidschan, Armenien und Georgien sowie die drei international nicht anerkannten oder nur von ganz wenigen Staaten anerkannten Republiken Abchasien, Südossetien und Bergkarabach.85

Staat Armenien Aserbaidschan Georgien Abchasien Bergkarabach Südossetien

Fläche in qkm Einwohner (2015) Hauptstadt BIP Mrd. USD (2015) 29.743 3.010.6 Jerewan 10.529 86.600* 9.593.0 Baku 53.074 69.700** 3.713.7 Tbilisi 13.994 8.639 243.5 Suchum 28.569*** 11.500 145.0 Stepanakert 0.438 3.900 53.6 Zchinval 4.110***

* mit Bergkarabach ** mit Abchasien und Südossetien *** in Mrd. Russische Rubel: ca. 461 Mio. USD in Abchasien und ca. 66 Mio. USD in Südossetien Abb. 3 Basisdaten über anerkannte und nicht anerkannte Staaten im Südkaukasus86

upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e4/Caucasus-political_de.svg, abgerufen: 15.09.2017. 83 Der Begriff Transkaukasien (russ. Zakavkazʹe – „Transkaukasien.“) wurde aus russischer Sicht geprägt und bedeutet übersetzt jenseits des Kaukasus liegende Gebiete, im Gegensatz zu dem diesseits des Kaukasus gelegenen Nordkaukasien. 84 Vgl. von Gumppenberg, Marie-Carin/Steinbach, Udo (Hrsg.): Der Kaukasus, Geschichte – Kultur –  Politik. München, Verlag C. H. Beck 2008, S. 7. 85 Vgl. Halbach, Uwe: Erdöl und Identität im Kaukasus: Regionalkonflikte zwischen ethnischer Mobilität und ökonomischem Interesse. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2002, S. 1. Unter: http://library.fes.de/fulltext/id/01352.htm, abgerufen: 15.09.2017. 86 Die Tabelle ist eine Zusammenstellung des Autors, basierend auf Daten aus der World Bank, 2015; Nationale Statistikämter, The Europa World Year Book 2017, 58th Edition, 25

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Inmitten des Kontinents im Südosten des südlichen Kaukasus liegt die international nicht anerkannte, aber seit 1991 unabhängige Republik Bergkarabach/Arzach. In seinen heutigen Grenzen besteht das Gebiet im Wesentlichen erst seit dem Waffenstillstandabkommen von 1994. Im Westen grenzt es an die Republik Armenien, im Norden und Osten an die Republik Aserbaidschan und im Süden an die Islamische Republik Iran. Staatsflagge ist die armenische Trikolore (Rot, Blau und Orange), die die enge kulturelle Verbindung mit Armenien symbolisiert und wiederum mit einer weißen Linie auf die geographische Trennung der beiden Länder hinweist.87 Das landschaftlich imponierende Bergkarabach mit seinen Gipfeln, die bis zu 4.000 m erreichen, dehnt sich auf eine Fläche von 11.500 qkm aus,88 damit ist es rund 4,5-mal größer als das Saarland, viermal kleiner als die Schweiz und rund achtmal kleiner als Österreich. Nach dem letzten offiziellen Zensus von 2015 beträgt die Zahl der Bevölkerung 145.05389 Einwohner, was ein wenig unter dem Stand von 1939 liegt. Damals wurden 150.800 Menschen gezählt, davon waren 132.800 Armenier und 14.100 Aserbaidschaner.90 Die knappe Mehrheit der Bevölkerung lebt in den Städten. Die bedeutendsten sind die Hauptstadt Stepanakert und der Kurort Schuschi sowie die Bezirkszentren Martuni und Martakert. Bergkarabach gliedert sich in die sieben Bezirke Askeran, Hadrut, Kaschatach, Martakert, Martuni, Schahumjan und Schuschi. Der nord-westliche Bezirk Schahumjan steht größtenteils unter aserbaidschanischer Kontrolle.91 Das Land ist in der Regel gebirgig, umfasst den südöstlichen Teil des Kleineren Kaukasus, liegt von Westen nach Osten bergab im Anschluss an das Arzach-Tal und Vol. 1, für Armenien, Aserbaidschan und Georgien. Für Abchasien: The National Statistical Service of the Republic of Abkhazia. Unter: http://ugsra.org/abkhaziya-v-tsifrakh/2015-god.php, abgerufen:15.09.2017. Für Bergkarabach: Ministry of Finance of the Republic of Artsakh: Bericht über die Ausführung des Staatshaushaltes der Republik Bergkarabach 2015. Unter: http://minfin-nkr.am/uploadfiles/1473331 508. pdf, abgerufen: 15.09.2017; Artsakh Republic National Statistical Service: Population Census 2015. Unter: http://www.stat-nkr.am/hy/-2015/-2015, abgerufen: 15.09.2017. Für Südossetien: The Governement of the Republic of South Ossetia. Unter: http:// rso-government.org/2016/07/27/3116/, abgerufen: 15.09.2017. 87 Vgl. Ministry of Foreign Affairs of Nagorno-Karabakh Republic: Atributes of statehood. Unter: http://www.nkr.am/en/attributes-of-statehood/31/, abgerufen: 15.09.2017. 88 Vgl. Office of Nagorno-Karabakh Republic in the USA: Country Overview. Unter: http://nkrusa.org/country_profile/overview.shtml, abgerufen: 15.09.2017. 89 Vgl. Artsakh Republic National Statistical Service: Population Census 2015. 90 Vgl. Ethno-kavkaz.narod.ru: Naseleniye Nagorno-Karabakhskoy Respubliki (Bevölkerung der Republik Bergkarabach). Unter: http://www.ethno-kavkaz.narod.ru/karabax. html, abgerufen: 15.09.2017. 91 Vgl. Office of Nagorno-Karabakh Republic in the USA: Country Overview:

2.2 Gebietszugehörigkeit Bergkarabachs

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bildet den großen Teil des Kur-Araks-Tieflandes. Fast alle Flüsse von Bergkarabach fließen aus den westlichen und südwestlichen Bergen in den Osten und Südosten hinaus in das Arzach-Tal. Im Laufe der Jahrhunderte bildeten diese schnell fließenden Bergflüsse spektakuläre tiefe Schluchten und wunderschöne malerische Täler.92

2.2

Gebietszugehörigkeit Bergkarabachs

2.2

Gebietszugehörigkeit Bergkarabachs

2.2.1 Bergkarabach im armenischen Geschichtsbild Die Armenier gehören zu den ältesten Völkern des Armenischen Hochlandes, das sich zwischen den benachbarten Hochplateaus Irans und Kleinasiens und der Mesopotamischen Tiefebene befindet.93 An der Ethnogenese der Armenier waren hauptsächlich drei wichtige Volksstämme des Armenischen Hochlandes, die Urartu, Nairi und Hajas, beteiligt, die sich allmählich in der späten Bronzezeit zu einem Volk zusammenschlossen und an der Volkswerdung der Armenier teilnahmen.94 Die Eigenbezeichnung der Armenier, „Haj“, und der Landesname, „Hajastan“, sind auf den Stammesverband Hajas zurückzuführen.95 Die Fremdbezeichnung Armenier, mit der das im Armenischen Hochland lebende Volk von den antiken Griechen und Perser bezeichnet wurde, taucht erstmals bei dem griechischen Historiker Hekataios von Milet (ca. 560–480 v. Chr.) sowie in einer dreisprachigen Behistun-Felsinschrift aus dem Jahr 518 v. Chr. des Achämenidenkönigs Darios I. (549–486 v. Chr.) auf.96 Obwohl es wesentlich ältere Hinweise über den Ursprung und die Geschichte des armenischen Volkes im Armenischen Hochland gibt, wie zum Beispiel die Erwähnung der „Armani“ bei den Akkadern (2340 – 2198 v. Chr.) oder „Hajasa“ von den Hethitern (2000–1200 v. Chr)97, bleiben doch die meisten Historiker grundsätzlich bei der traditionellen Theorie. Gesichert ist jedenfalls, dass die Armenier zu den indoeuropäischen Völkern gehören und das Armenische Hochland die Wiege der 92 93 94 95 96 97

Vgl. Office of Nagorno-Karabakh Republic in the USA: Geographic Location, Climate, Natural Resources and Wildlife of the Nagorno Karabakh Republic. Unter: http:// nkrusa.org/country_profile/geography.shtml, abgerufen: 15.09.2017. Vgl. Hofmann, Tessa: München, Verlag H.C. Beck 2006, S. 7 f. Vgl. ebd., S. 15 f. Vgl. Redgate, Anna Elizabeth. The Armenians. Oxford, Wiley-Blackwell 2000, S. 24. Vgl. Brentjes, Burchard: Drei Jahrtausende Armenien. Leipzig 1984, S. 47. Vgl. Asenbauer, Haig E.: Wien 1993, S. 17. 27

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Armenier darstellt. Diese Tatsache, d. h. die geopolitische Lage des armenischen Volkes als eine Durchgangsstation für neue Eroberer aus Ost und West, Nord und Süd, hat seine Geschichte geprägt. Stärker als sein unmittelbares Nachbarland Georgien wurde Armenien öfter in regionale Hegemonialkämpfe hineingezogen. Die armenische Geschichtsbetrachtung führt die Ursprünge des armenischen Staates auf den Sklavenhalterstaat Urartu (9. – 6. Jh. V. Chr.), Assyriens Zeitgenossen und Rivalen, zurück. Der sich selbst Biainili nennende Staat mit der Hauptstadt Tuschpa (heute Van im Osten der Türkei) erreichte den Höhepunkt seiner Ausdehnung unter dem Herscher Sarduris II. (ca. 760–730 v. Chr.). In zwei Inschriften, gefunden am Sewan-See, beschrieb König Sarduris der II., dass er 23 Königreiche eroberte, unter anderen nannte er Ardachuni und in einer weiteren Schrift Urdechini im Südossten des Sewan-Sees.98 Durch diesen Umstand leitet sich die traditionelle armenische Bezeichnung Arzach für Bergkarabach von der urartäischen Provinz Urdeche/Ardache her. Im 8. Jh. v. Chr. gehörte auch Arzach zum Königreich Urartu.99 Der griechische Historiker Strabon bezieht sich in einem Gespräch über Armenien in seinem Geographiewerk auf eine armenische Region im Nord-Osten, die er als „Orchistene“ benennt, wiederum wird angenommen, dass eine griechische Version der alte Name von Arzach ist.100 Nach dem Untergang Urartus etablierten sich die Könige des Hauses Erwanduni (570–201 v. Chr.) auf den Trümmern von Urartu. Bald geriet das junge armenische Königreich der Erwandiden in Abhängigkeit von dem persischen Reich der Achämeniden, die ihr Reich zur ersten Weltmacht ausbauten, die von Thrakien bis nach Nordwestindien und Ägypten reichte. Die Erwandiden überlebten den Zerfall des persischen Großreichs, das Ende des 4. Jh. der Schlagkraft des vom Westen heranziehenden Heers Alexander des Großen unterlag. Der westliche Teil Armeniens wurde somit dem Reich Alexanders einverleibt.101 Trotz der geographischen Lage Armeniens, die die Bildung eines dauerhaften Zentralstaates erschwerte, gelang es nach den Erwandiden, den zwei nacheinander herrschenden Königsdynastien der Artaschiden (189–1 v. Chr.) und Arschakiden 98 Vgl. Redgate, Anna Elizabeth: Oxford 2000, S. 29–33; Balayan, Vahram: Arzachi ­Patmutyune (Geschichte Arzachs). Jerewan 2002, S. 33–35. 99 Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Panzer gegen Perestrojka. Dokumentation zum Konflikt in und um „Arzach“ („Karabach“). Bremen 1989, S. 9. 100 Vgl. Strabo: Geography. Vol. XI, chap.14.4, Loeb edition, Vol. 5, S. 320–323. Unter: http://www. archive.org/stream/geographyofstrab05strauoft#page/320/mode/2up, abgerufen: 15.09.2017. 101 Vgl. Alpago Novello, Adriano: Die Armenier: Brücke zwischen Abendland und Orient. Stuttgart, Zürich 1996, S. 48 f.

2.2 Gebietszugehörigkeit Bergkarabachs

29

(54–428), vorübergehend eine selbstständige Rolle zu spielen. Als am erfolgreichsten bei der Vereinigung eines einheitlichen armenischen Reiches erwies sich Tigran II. der Große von den Artaschiden (95–55 v. Chr.), unter dessen Herrschaft sich Armenien weit über die Grenzen des Armenischen Hochlands ausdehnte.102 Laut griechischen und römischen Textzeugnissen soll der armenische König Tigran II. der Große vier Städte gegründet haben, die seinen Namen trugen. Dabei richtete er eine besondere Aufmerksamkeit auf Arzach und ließ eine von ihnen dort bauen. Heutzutage sind die Ruinen der Stadt in dem Bezirk Martakert von Bergkarabach nach der ersten Etappe der Ausgrabungen zu sehen. Bisher wurden die Mauern einer Zitadelle freigelegt, eine armenische Basilika aus dem 5. – 7. Jh. sowie Keramiken aus der Zeit des Gründers.103 Unter der Herrschaft des Königshauses der Arschakiden erhob König Trdat III. (287–330) das Christentum zur Staatsreligion in Armenien in 301 und markierte damit den bedeutendsten Wendepunkt der Geschichte des armenischen Volkes.104 Die Geschichte der Christianisierung von Arzach ist mit dem Christentum des übrigen Siedlungsgebietes der Armenier stark verbunden. „Der Erleuchter“ Armeniens und der erste Katholikos der Armenischen Apostolischen Kirche, Grigor Lusaworitsch, setzte sein Enkelkind Grigoris im Jahre 306 als geistliches Oberhaupt von Arzach im Kloster Amaras (heutiger Bezirk Martuni von Bergkarabach) ein. Neben den armenischen Provinzen Arzach und Utik gehörten auch das angrenzende Iberien (heutige Ostgeorgien) und Albanien105 zu seiner Jurisdiktion. Das Katholikat wurde ebenso als „albanische Katholikat“ bezeichnet und seit dem Mittelalter von der indigenen armenischen Erbadelsfamilie der Dschalaljan geleitet. Nach dem Anschluss Arzachs an das Russische Reich wurde das Katholikat im Jahre 1815 vom russischen Zaren zum Metropolitensitz heruntergestuft.106 Kurz vor dem Untergang der Arschakiden wurde im Jahr 405 die armenische Schriftsprache vom christlichen Mönch Mesrop Maschtotz geschaffen. Er gründete die erste armenische Schule im Kloster von Amaras in Arzach und übersetzte dort

102 Vgl. Renz, Alfred: Land um den Ararat, Osttürkei-Armenien. München 1983, S. 77–79. 103 Vgl. Asbarez: Museum at Ancient Ruins of Tigranakert Opens in Nagorno-Karabakh, in: Asbarez.com 08.06.2010. Unter: http://asbarez.com/81783/museum-to-ancient-ruins-of-tigranakert-opens-in-nagorno-karabakh/, abgerufen: 15.09.2017. 104 Vgl. Alpago Novello, Adriano: Stuttgart, Zürich 1996, S. 51. 105 Nicht zu verwechseln mit der heutigen Republik Albanien. 106 Vgl. Hofmann, Tessa: München, Verlag H.C. Beck 2006, S. 213 f.; Koutcharian, Gerayer: Das Katholikat von Albanien bzw. Gandsassar (4. bis 19. Jahrhundert), in: Richter, Manfred (Hrsg.): Armenisches Berg-Karabach/Arzach im Überlebenskampf. Christliche Kunst, Kultur, Geschichte. Berlin 1993, S. 90 f. 29

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

die Bibel ins Armenische.107 Die Nationalkirche und das Nationalalphabet der Armenier führten zu einer noch nie da gewesenen Entwicklung der armenischen Kultur in Arzach. Zu dieser Zeit wurden die Klöster von Amaras, Orek, Katarovank, Djvichrik (Jeghisches Arakyal-Kloster) gebaut und neue Schulen gegründet. Später, im 12. – 13. Jh., folgten die Kathedrale von Dadivank (1213), das Kloster des Johannes der Täufer in Gandzasar (1216–1238), die Kathedrale von Gtschavank (1241–1248) sowie andere Kirchen und Klöster, die heutzutage als Meisterwerke der armenischen Baukunst in Arzach bewundert werden.108 Als im Jahre 428 das Königreich von Arschakiden von Persern erobert wurde, vereinten sich sowohl Arzach als auch Utik und Aghwank (Albanien-Aran) für ein Jahrhundert in einer Verwaltungseinheit. Obwohl dieser Zustand etwa ein Jahrhundert (bis Mitte des 5. Jh.) andauerte, führte es zu einer gezielten Gleichsetzung und Verwechslung von Arzach und Utik mit Albanien.109 Dazu schreibt die Historikerin Tessa Hofmann: „Diese politisch einst harmlose Begriffsverwirrung haben sich die Wortführer des aserbaidschanischen Nationalismus zu eigen gemacht. Indem sie zunächst ein direktes Gleichheitszeichen zwischen den turkstämmigen Aserbaidschanern und den untergegangenen Albanern setzten, behaupten sie im nächsten Schritt eine territoriale Deckungsgleichheit zwischen Albanien und den armenischen Grenzprovinzen Arzach und Utik.“110 Armenien verweist auf ein altarmenisches Geographiewerk (Aschcharatsuyts) des Gelehrten Anania Schirakatsi des 7. Jahrhunderts, in dem sich Arzach und Utik im Nord-Osten Armeniens am rechten Ufer des Flusses Kura erstreckten. Der Fluss Kura diente als Grenze zwischen Armenien und dem am linken Ufer liegenden Aran. Die Armenier nannten dieses Gebiet Aghwank und die Römer Albanien, das von kaukasischen Völkern bewohnt war.111 Arzach und Utik als Teil Armeniens und der Fluss Kura als Grenze Armeniens zu Albanien sind auch in den Werken vieler griechischer und römischer Autoren

107 Vgl. Bournoutian, George: A Concise History of the Armenian People. California 2006, S. 54 f.; Viviano, Frank: The Rebirth of Armenia. National Geographic Magazine, 3/2004. 108 Vgl. Hakobian, Hravard: Zur Geschichte Arzachs im Mittelalter in kulturgeschichtlicher Hinsicht, in: Richter, Manfred (Hrsg.): Armenisches Berg-Karabach/Arzach im Überlebenskampf. Christliche Kunst, Kultur, Geschichte. Berlin 1993, S. 22 f. 109 Vgl. Hofmann, Tessa: Die Armenier. Schicksal, Kultur, Geschichte. Nürnberg 1993, S. 51. 110 Ebd. 111 Vgl. Donabedian, Patrick: Anicent and medival Karabagh, in: Walker, Christopher (Hrsg.): Armenia and Karabagh: The Struggle for Unity. London 1991, S. 73 f.

2.2 Gebietszugehörigkeit Bergkarabachs

31

(Plinius der Ältere112, Claudius Ptolemäus113, Plutarch114, Cassius Dio115) sowie anderer antiker Autoren erwähnt. In seinem Geographiewerk weist Strabon darauf hin, dass im 2. Jh. v. Chr. die Bevölkerung von Groß-Armenien (darunter die Provinzen Arzach und Utik) die gleiche Sprache sprach (d. h. Armenisch).116 Ein bemerkenswertes Zeugnis davon bildet auch das gebliebene reiche armenische kulturhistorische Erbe in Arzach. Im 7. bis 9. Jh. wurde der heutige Südkaukasus durch das Arabische Kalifat beherrscht. Nach dem Untergang des letzten armenischen Königreichs der Bagraditen (885–1045) im Armenischen Hochland fiel Arzach unter die Herrschaft der Perser, dann der Seldschuk-Mongol-Türken, anschließend wieder der Perser.117 Im frühen 9. Jh. erhoben sich zwei armenische Prinzen, Sahl Smbatjan Eranschahik und Esayi Abu-Muse Eranschahik, gegen die arabische Herrschaft und gründeten zwei unabhängige Fürstentümer in Arzach: Chatschen und Disak. Zu diesem Zeitpunkt adressierte der byzantinische Kaiser Konstantin der VII. Briefe „an Prinz von Chatschen – nach Armenien“, als die Residenz des armenischen Prinzen Sahl Smbatjan.118 In 1261 verschmolzen die beiden Gebiete, das weiterhin als faktisch unabhängiges Fürstentum Chatschen existierte.119 Schon ab dieser Zeit drängten sich nomadische türkischstämmige Muslime und Kurden in das heutige Gebiet des Südkaukasus, darunter auch Arzach und Utik, und ab dem 14. Jh. wurde parallel zu „Arzach“ damit begonnen, die türkischsprachige Benennung des Gebietes als Karabach120 (türk. „kara“ – „schwarz“; „bacht112 Vgl. Plinius der Ältere: Naturgeschichte. S. 355–357. Unter: http://www.archive.org/ stream/naturalhistory02plinuoft#page/354/mode/2up, abgerufen: 15.09.2017. 113 Vgl. Claudius Ptolemäus: Die Geographia (geographische Anleitung). S. 122 f. Unter: http://rbedrosian.com/Classic/Ptol/ptol122.htm, abgerufen: 15.09.2017. 114 Vgl. Plutarch: Biographien des Plutarchs, Pompeius. S. 204–207. Unter: http://www. archive.org/stream/plutarchslives05plutuoft#page/206/mode/2up, abgerufen: 15.09.2017. 115 Vgl. Cassius Dio: Römische Geschichte. S. 92–97. Unter: http://www.archive.org/stream/ diosromanhistory03cassuoft#page/92/mode/2up, abgerufen: 15.09.2016. 116 Vgl. Strabo: Geography. Vol. XI, chap.14.4, Loeb edition, Vol. 5, S. 324. Unter: http:// www.archive. org/stream/geographyofstrab05strauoft#page/324/mode/2up, abgerufen: 15.09.2017. 117 Vgl. Donabedian, Patrick: London 1991, S. 73 f. 118 Vgl. Constantine VII Porphyrogenitus: De ceremoniis aubae byzantinae. Ed. J. P. Migne. Patrologiae cursiis completus, Series Graeco-Latina, 112, S. 248. 119 Vgl. Hewsen, Robert H.: Armenia: A Historical Atlas. Chicago, The University of Chicago Press London 2001, S. 163. 120 Der Name „Karabach“ taucht zum ersten Mal im 14. Jh. in der Georgischen Chronologie, bekannt unter dem Namen „Zhamthaagmerzereli“, auf: Georgian Chronicle 1207–1318, 31

32

2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

sche“ – „Garten“) einzuführen, die sich von einer Lehnübersetzung der persischen Bezeichnung „Bach-i siah“ „Schwarzer Garten“ ableitet.121 Im Zuge der türkischstämmigen Einwanderungen in der Region war die armenische Bevölkerung von Arzach und Utik gezwungen, sich aus dem Talgebiet am rechten Ufer des Kures in die Berge zurückzuziehen oder ihre Heimat zu verlassen. Die massenhafte Umsiedlung der Einwohner der armenischen Regionen im Südkaukasus erfolgte jedoch unter dem persischen Schah Abbas I., nachdem er im Jahre 1603 die Gebiete eroberte und daraufhin nach unterschiedlichen Quellen ca. 300.000122 Armenier in die inneren Provinzen Persiens umsiedelte. Die Verfügbarkeit des Landes diente später als Anreiz für die Ansiedlung der nicht sesshaften Einwanderer in der Region. Als Konsequenz bildeten die Armenier nun eine Minderheit gegenüber den Muslimen in einigen Gebieten in ihrem Ursprungsland. Zurückgezogen in die Berge, spielte das Arzacher Fürstentum für die Armenier als eigene politische Einheit eine besondere Rolle im Freiheitskampf gegen fremde Herrschaften. Dieses wurde ein Zentrum des Widerstandes gegen die Perser und Osmanen. Ab dem 16. Jh. wurden die Arzacher Adeligen mit dem Titel Melik (arabisch: Fürst, König) bezeichnet. Die fünf Fürstentümer von Arzach stammten aus der Adelsfamilie Arzach-Chatschen und waren in einem Bund namens Machale Chamsse (arabisch: das vereinte Land der Fünf [Meliken]) zusammengeschlossen, dessen Selbstständigkeit von dem iranischen Schah Nadir (1736–1747) anerkannt wurde.123 Ihre Erbmacht und gewisse Eigenständigkeit konnten die fünf Chamssa-Meliken der Dschraschen, Chatschen, Warand, Disak und Gulistan bis 1750 wahren, bis Teile des Gebiets von Arzacher-Meliken von dem ersten Nicht-Armenier, dem aus dem Dschewanschir-Stamm abstammenden Panah-Ali, erobert wurden. Er erklärte sich zum „Chan von Karabach“ und machte die Festung Schuschi der Waranda-Meliken zu seiner Residenzburg. Chan Panah-Ali und sein Sohn Ibrahim-Khalil gelang es schließlich, die Meliken von Warand und Chatschen zu unterwerfen. Die restlichen drei Meliktümer konnten ihre Halbautonomie bewahren, bis das Gebiet von Arzach/Karabach 1805 durch den Vertrag von Kuraktschai dem Russischen Reich auf Armenisch übersetzt von Mouradian, P.: Jerewan 1971, S. 112. Siehe auch unter: Kartlis Tskhovreba, auf Georgisch, Vol. II, Tbilisi 1959, S. 240; „Karabach“ wird von einem persischen Historiker aus dem 14. Jh. auch erwähnt: Mustawi, Hamd-Allah: The Geographical Part of the Nuzhat-al-Qulub. Übersetzt von G. Le Strange. Leyden 1919, S. 173 f. 121 Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S. 9. 122 Vgl. Dum-Tragut, Jasmine: Armenien, 3000 Jahre Kultur zwischen Ost und West. Berlin 2011, S. 52. 123 Vgl. Hofmann, Tessa: München 2006, S. 65 f.

2.2 Gebietszugehörigkeit Bergkarabachs

33

angeschlossen wurde.124 „Das Chamssa-Land in Karabach hatte somit bis Anfang des 19. Jahrhunderts Bestand, doch war es nach zahlreichen muslimischen Einfällen verwüstet und weitgehend entvölkert. Der Geschlechteradel der armenischen Meliken, der am 06. Dezember 1846 auch von der russischen Regierung offiziell anerkannt wurde, trat weitgehend in den russischen Staatsdienst.“125 Mit den Friedensverträgen von Gulistan 1813 und Turkmentschai 1828 endeten die langwierigen Vormachtkämpfe zwischen Persern und Osmanen in Ost-­ Armenien und Südkaukasus, als der russische Zar Nikolai I. die eher theoretische Kontrolle der muslimischen Herrscher beendete und die Rückwanderung der zwangsumgesiedelten Armenier aus Persien und dem Osmanischen Reich nach Südkaukasus ermöglichte (dazu ausführlich im Kapitel 2.2.2).126 Das Gebiet von Arzacher-Meliken wurde später unter die Verwaltung des russischen Gouvernements Jelisawetpol (arm. Gandzak) gestellt.127

2.2.2 Bergkarabach im aserbaidschanischen Geschichtsbild Unter dem Einfluss des wachsenden Nationalismus und dem Aufkommen des Bergkarabachs-Konflikts Ende der 1980er Jahre sind aserbaidschanische Historiker bemüht, Aserbaidschan als eines der ältesten Länder der Welt darzustellen, und weisen auf die lange Staatstradition auf dem Gebiet des heutigen Aserbaidschans hin.128 Die aserbaidschanische Ethnographie wird immer wieder dazu genutzt, die Autochtonie der Aserbaidschaner in der Region zu belegen. Mit dieser Zielsetzung vertreten aserbaidschanische Historiker die These, dass das armenische Volk dagegen als Einwanderer im südkaukasischen Raum zu betrachten sei, indem sie seine Ankunft mit der russischen Eroberung des Südkaukasus im 19. Jh. verbinden.129 124 Vgl. Donabedian, Patrick: The History of Karabagh from Antiquity to the Twentieth Century, in: Chorbajian, Levon/Donabedian, Patrick/Mutafian, Claude: The Caucasian Knot. The History and Geopolitics of Nagorno-Karabagh. London, New Jersey 1994, S. 72–77; Rau, Johannes: The Nagorno-Karabakh conflict between Armenia and Azerbaijan. A brief historical outline. Berlin 2008, S. 16. 125 Honorarkonsulat der Republik Armenien: Arzach – Berg-Karabach. Unter: http:// honorarkonsulat-armenien.de/arzach.htm, abgerufen: 15.09.2017. 126 Vgl. Bournoutian, George: California 2006, S. 240–243. 127 Vgl. Hofmann, Tessa: Nürnberg 1993, S. 54. 128 Dazu ausführlich: Mehdiyev, Ramiz: Berg-Karabach. Aus den Quellen erforschte Geschichte. Publishing Partners, Biel-Bienne 2017. 129 Vgl. Marjanli, Musa: Karabakhskaya problema s pozitsiy geopolitiki: analitichetskiy rakurs (Das Karabach-Problem vom Standpunkt der Geopolitik: analytische Perspek33

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Russland habe damals christliche Armenier aus dem Iran und Osmanischen Reich in Bergkarabach angesiedelt, um die Moslems oder turkstämmige Bevölkerung aus der Region zurückzudrängen, so aserbaidschanische Geschichtsschreiber.130 Als Einwanderer oder Neuankömmlinge hätten die Armenier keinen legitimen Anspruch auf das heutige umstrittene Territorium Bergkarabach. Zum zentralen Moment der aserbaidschanischen Geschichtsforschung hat sich die Idee entwickelt, dass das aserbaidschanische Volk die direkten Nachfahren des antiken Volkes der Albaner und des Königreiche Albaniens im Kaukasus ausmache.131 Es wird behauptet, dass Bergkarabach sowohl historisch als auch ethnographisch und enthnolinguistisch zum antiken aserbaidschanischen Staat des kaukasischen Albaniens gehörte. Damit werden in der aserbaidschanischen Geschichtsschreibung Albanien und Bergkarabach als die Uhrheimat der Aserbaidschaner hervorgehoben.132 Die Existenz vieler christlich-armenischer Bauten sowohl in Armenien als auch in Bergkarabach wird von aserbaidschanischen Wissenschaftlern mit einem albanisch-christlichen Ursprung dargestellt. Die Spuren der armenischen Kultur in Bergkarabach, die unzähligen armenischen Inschriften in den Kirchen und Klöstern aus dem Mittelalter werden damit begründet, dass die Bevölkerung des Gebietes auch albanisch-aserbaidschanischen Ursprungs sei, die aber später von armenischen Eroberern armenisiert wurde.133 So behauptet der aserbaidschanische Historiker Ahmed Omid Yazdani: „Die Armenier Karabachs und teilweise auch anderer Provinzen Aserbaidschans, abgesehen von der Autonomen Republik Nachitischwan, sind Nachfahren der Albaner. Das heißt, die Albaner sind die gemeinsamen Vorfahren der heutigen Aserbaidschaner und eines Teiles der Armenier.“134 Die aserbaidschanische Darstellung der Geschichte ist mittlerweile so weit gegangen, dass nicht nur Bergkarabach als historischer Teil von Aserbaidschan betrachtet, sondern auch das Territorium der derzeitigen Republik Armenien als West-Aserbaidschan bezeichnet wird und die christlich religiösen Sakralbauten, wie die Tatew-Klöster, Haghartsin oder Kecharis in der Republik Armenien, werden tive). Sankt Petersburg 2009, S. 19 f. Vgl. Bashlinskaya, Aydan: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 12–20. Vgl. Mehdiyev, Ramiz: Publishing Partners, Biel-Bienne 2017. S. 33–43. Vgl. Winter, Sara: Ein alter Feind wird nicht zum Freund. Berlin 2011, S. 51 f. Vgl. Botschaft der Republik Aserbaidschan in Berlin. (Stand 2015). Unter: http://www. azembassy.de/index.php/geschichte, abgerufen: 01.02.2015. 134 Yazdani, Ahmed Omid: Geteiltes Aserbaidschan, Blick auf ein bedrohtes Volk. Berlin 1993, S. 83. 130 131 132 133

2.2 Gebietszugehörigkeit Bergkarabachs

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gleichfalls als albanisches Erbe und somit auch als aserbaidschanisch gesehen.135 Diese These wird auf höchster politischer Ebene in Aserbaidschan vom Staatspräsidenten Ilham Alijew gefördert, indem er bei einem öffentlichen Auftritt in 2008 erklärte: “We have not occupied anyone’s territory. Nevertheless the present day state of Armenia was formed on historical lands of Azerbaijan. The city of Erevan was granted to Armenia by the government of the Democratic Republic of Azerbaijan in 1918. To say the least, that was a big mistake. […] The Khanate of Erevan is a historical land of Azerbaijan. Again I want to say that Armenians came to this region as guests.”136

Bei einer quellenbezogenen Betrachtung der Geschichte des Gebietes des heutigen Aserbaidschans stellt sich heraus, dass die aserbaidschanischen Argumente einer realistischen Grundlage entbehren und mit historischen Quellen schwer zu belegen sind. Zuallererst ist ein historischer Überblick über die geographische und ethnische Zugehörigkeit des Gebietes des heutigen Aserbaidschans notwendig. Ab 500 v. Chr. gehörte der östliche Teil des Südkaukasus zu dem Achäme­ nidenreich und vom 4. Jh. v. Chr. bis zum 9 Jh. existierte das antike kaukasische Königreich Albanien, das mehrere kaukasische Stämme vereinigte, in dem nordkaukasische Sprachen gesprochen wurden. Die Armenier nannten dieses Gebiet Aghwank und die Römer Albanien.137 Diese albanischen Stämme besiedelten den östlichen Teil des heutigen Aserbaidschans. In seiner Geographie weist Strabon darauf hin, dass die Albaner „zwischen Iberien und dem Kaspischen Meer“138 lebten, wobei der Fluss Kura als Grenze zwischen Armenien und dem am linken Ufer liegenden Albanien diente. Dies ist auch in den Werken vieler griechischer und römischer antiker Autoren erwähnt (dazu ausführlich im Kapitel 2.2.1). In den meisten Geschichtsbüchern des heutigen Aserbaidschans wird dagegen, ohne historische Quellen zu nennen, behauptet, dass sich Albanien bis Bergkarabach und den südlichen Teil des heutigen Armenien erstreckte.

135 Vgl. 1905.az: Baustil von vielen Kirchen in Karabach und auf dem Territorium des heutigen Armenien findet sich eine Art albanischer Tempel. Unter: http://1905.az/ de/baustil-von-vielen-kirchen-in-karabach-und-auf-dem-territorium-des-heutigenarmenien-ist-eine-art-von-albanischen-tempeln/#more-15700, abgerufen: 01.02.2015. 136 State Committee for Affairs of Refugess and internaly displaced Persons of the Republic of Azerbaijan: The speech delivered by the President of the Republic of Azerbaijan Mr. Ilham Aliyev at the opening ceremony for the newly-built Olympic Sports Complex in the town of Quzanli, Agdam Region. 17.01.2008. Unter: http://www.refugeesidps-committee.gov.az/en/pages/39.html, abgerufen: 01.02.2015. 137 Vgl. Donabedian, Patrick: London 1991, S. 73 f. 138 Strabo: Geography. S. 324. 35

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Die Geschichte der Christianisierung von Albanien ist mit dem armenischen Christentum verbunden. Von Armenien aus verbreitete sich das Christentum im 4. Jh. in Albanien, dessen König Urnayr von dem armenischen Bischof Gregor dem Erleuchter zum Christentum getauft wurde. Das Christentum in Albanien entwickelte sich zu einer autokephalen Kirche, die später im 19. Jh. in die armenische-apostolische Kirche eingegliedert wurde. Im 5. Jh. gründete der armenische Mönch Mesrop Maschtoz die albanische Schrift, die bis zum 11. Jh. verwendet wurde. Das Reich des Kaukasus-Albaniens verschwand als christliches Staatswesen im Laufe des 9. und 10. Jhs. und während der arabischen Herrschaft wurden die albanischen Stämme größtenteils islamisiert.139 Als direkte Nachfahren der christlichen Albaner gilt die kleine Minderheit der Udinen, die neben der anderen islamisierten Kaukasisch sprechenden Urbevölkerung (Lesginen, Tsachuren, Awaren) im Norden des heutigen Aserbaidschans leben.140 Diese Theorie, dass die Aserbaidschaner die direkten Nachfahren des Volkes der Albanier im Kaukasus sind, wurde von den sowjetischen Politikern auch als Mittel zur Relativierung der türkischen Herkunft und Trennung der Aserbaidschaner von den westlichen Türkei-Türken vertreten.141 Als erster greifbarer Anhaltspunkt für die Herkunft der frühsten Vorfahren eines Volkes könnte die Sprache gelten. Die aserbaidschanische Sprache bildet eine Ausnahme in ihrem Umfeld. Sie wird zu den altaischen Sprachen gezählt und unterscheidet sich von den anderen eingeborenen Sprachen der Region, die meist zur südkaukasischen Sprachgruppe gehören, was auch z. B. das Georgische, Lesgische, Awarische einschließt. Keinerlei Verwandtschaft besteht außerdem zu anderen regionalen Sprachen, wie dem Armenischen, Persischen, Ossetischen oder Talischischen, die zu den indoeuropäischen Sprachen gezählt werden.142 Eine große Verwandtschaft besteht zwischen dem Aserbaidschanischen und Türkischen, die zu der oghusischen Gruppe der altaischen Sprachen gerechnet werden und erst im 11. Jh durch die Großseldschuken nach Vorderasien kamen. Im Verlaufe mehrerer Jahrhunderte drangen nomadische Turkstämme und Mon-

139 Vgl. Preiser-Kapeller, J.: Im Schatten des Kaukasus. Die Geschichte von Armenien, Georgien und Albanien im Mittelalter. ORT 2008, S. 2–5. 140 Vgl. Kuznetsov, Igor. Udiny (Udinen). Unter: http://www.vehi.net/istoriya/armenia/ kagantv/udiny.html, abgerufen: 15.09.2017. 141 Vgl. Avshar, Ferhat: Schwarzer Garten – im Land des ewigen Feuers, Entstehungs­ geschichte und Genese des Karabach-Konfliktes. Darmstadt 2006, S. 28 f. 142 Vgl. Pietzonka, Barbara: Ethnisch-territoriale Konflikte in Kaukasien. Schriftenreihe des Bundesinstitutes für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln. Baden-Baden 1995, S. 54–58.

2.2 Gebietszugehörigkeit Bergkarabachs

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golen in das kaukasische Albanien vor, die die dort ansässigen Urvölker auf der Grundlage des Islam allmählich turkisierten oder aus ihrer Heimat verdrängten.143 Armenische Wissenschaftler sind bemüht, das Eintreffen der türksprachigen Nomadenstämme aus Zentralasien auf einen späten Zeitpunkt zu setzen, die aserischen hingegen wie A. Mamedov und I. Yusifov behaupten sogar, dass proto-türkische Völker schon im 3. Jahrtausend v. Chr. in der Kaukasus-Region beheimatet waren und eigentlich zu den Ureinwohnern der Region gehören.144 Laut den aserbaidschanischen Historikern war das Gebiet von Bergkarabach sowie Sangesur (die heutige Region Syunik in Armenien) und Nachitschewan im Laufe des Mittelalters Bestandteil unterschiedlicher aserbaidschanischer Staaten, die sowohl geographisch als auch politisch Aserbaidschan darstellten.145 Im 15. Jh. übernahmen die persischen Safewiden die Staatsgewalt in dem heutigen Aserbaidschan und bekehrten große Bevölkerungsteile zum schiitischen Islam. Im 17. und 18. Jh. war das Gebiet ein Schlachtfeld zwischen dem Osmanischen und Persischen Reich. Nach dem Untergang des Safawidenreiches entstanden 15 Chanate auf dem Territorium.146 In Bergkarabach existierte von 1747 bis 1822 das Chanat Karabach, das später aufgrund des Vertrages von Kuraktschai vom Mai 1805 an das Russische Reich angegliedert wurde. Die zwei Persisch-Russischen Kriege (1804–1813 und 1826–1828) endeten mit den Verträgen von Gulistan (1813) und Turkmentschai (1828), die die persische Herrschaft im Südkaukasus abschlossen und praktisch alle Gebiete des heutigen Aserbaidschans an das Russische Reich zurücktraten.147 Diese Verträge ermöglichten eine Umsiedlung von zehntausenden Armeniern in das Gebiet (Nachitschewan, Jerewan und Bergkarabach), was das moderne Aserbaidschan als seinen historischen Teil bezeichnet und es damit begründet, dass Russland damit eine Christianisierung der Region verfolgte. Die Aserbaidschaner sehen die Ursprünge der heutigen Konflikte um Bergkarabach im 19. Jh., als ca. 130.000 Armenier bereits in den Jahren 1828 bis 1830 aus dem Iran und dem Osmanischen Reich die Möglichkeit bekamen, wieder nach Südkaukasus umzusiedeln.148 Aufgrund dieser Tatsache begründet die aserbaidschanische Seite 143 Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S. 10 f. 144 Vgl. Smith, Graham/Law, Vivien/Wilson, Andrew/Bohr, Annette/Allworth, Edward (Hrsg.): Nation-building in the Post-Soviet Borderlands. The Politics of national Identities. Cambridge 1998, S. 52. 145 Vgl. Bashlinskaya, Aydan: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 22. 146 Vgl. Winter, Sara: Berlin 2011, S. 28. 147 Vgl. Donabedian, Patrick: London, New Jersey 1994, S. 72–77; Rau, Johannes: Berlin 2008, S. 16. 148 Vgl. Babajew, Aser: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2014, S. 23–27. 37

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

heute, dass die Armenier erst nach diesen Verträgen in Bergkarabach auftauchten, davor dort nie gelebt hätten und somit Neuankömmlinge im historischen Aserbaidschan und in der Region seien.149 Dabei wird die Umsiedlung der ca. 300.000 Armenier aus Bergarabach und anderen Teilen des Südkaukasus Anfang des 17. Jh. nach Persien vom persischen Schah Abbas I. außer Acht gelassen und das christliche Erbe der Armenier, wie schon oben erwähnt, dagegen als albanisch-aserbaidschanisch präsentiert.150 Trotz der oben beschriebenen Entwicklungen blieb die Zahl der Muslime in Bergkarabach allgemein sehr niedrig. Ein persischer Geograph aus dem 13. Jh. wies darauf hin, dass „die Bevölkerung in Karabach armenisch ist“151, und der deutsche Zeitzeuge Johann Schiltberger bestätigte eindeutig, dass sich Karabach „in Armenien befindet“, und fügte hinzu, dass „die armenischen Dörfer verpflichtet sind, Steuern an Ungläubige zu bezahlen“.152 Die demographisch-religiöse Lage blieb die gleiche bis zum Ende des Mittelalters. In einem Bericht von 1793 schrieb General Potemkin über die künftige Unterwerfung von Ibrahim Chan an Katharina die Große. „Sobald sich die Möglichkeit bietet, müssen wir uns überlegen, die Verwaltung dieser Region, die aus Armeniern besteht, einem ihrer Landsleute anzuvertrauen und, in dieser Weise, einen christlichen Staat in Asien wiederzuerschaffen, was im Einklang mit den Zusagen seiner kaiserlichen Hoheit stehen würde, die durch mich selbst den armenischen Meliken gemacht wurden.“153 Nach der Gründung des Karabach Chanates und der Unterwerfung armenischer Meliken von Panah Chan Ende des 18. Jh. wanderten viele Armenier aus Bergkarabach aus. Dieser Rückgang ist in einem Dekret von Zar Paul I. dargestellt, der die armenische Bevölkerung der Region im Jahre 1797 mit 11.000 Familien angab und während 1823 in einem Dokument nur 5.107 armenische Familien erwähnte.154 Im 19. Jh., insbesondere nach der Einverleibung der Region seitens Russlands, stieg die Zahl der Armenier ununterbrochen in Bergkarabach und stellte eine 149 Vgl. Mehdiyev, Ramiz: Berg-Karabach. Publishing Partners, Biel-Bienne 2017. S. 101–111. 150 Vgl. Dum-Tragut, Jasmine: Berlin 2011, S. 52. 151 Schiltberger, Johann: The Bondage and Travels of Johann Schiltberger, a Native of Bavaria, in: Europe, Asia, and Africa, 1396–1427; Übersetzt von J. Buchan Telfer. London: Hakluyt Society, 1879; repr., New York: Burt Franklin, 1970, S. 86. 152 Ebd. 153 Zitiiert in: Mikaelian, V./Khurshudian, L.: Historical Questions Relative to Mountainous Karabagh. Jerewan, Lraber, No. 4, 1988. Institute of Marxism-Leninism, Central Party Archives, fonds 2, d. 14/516, 2 f. 154 Vgl. Khurshudian, Levon.: The Only Criterion in the Science of History Is Truth. Jerewan, Erekoyan Jerewan, 23.08.1989.

2.2 Gebietszugehörigkeit Bergkarabachs

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überwältigende Mehrheit dar. Dies steht im Gegensatz zu aserbaidschanischen Historikern, die behaupten, dass die Armenier erst nach dem Turkmentschai-Vertrag in das Gebiet von Bergkarabach eingewandert sind, was ein sehr schwaches Argument darstellt. Es stimmt, dass in Übereinstimmung mit Artikel 15 dieses Vertrags ca. 45.000 Armenier aus Nord-Persien den Fluss Araks überquerten und in Ost-Armenien 1828–1829 ansiedelten.155 Von diesen Einwanderern siedelten hingegen nur 400 Familien in Bergkarabach an. Diese Rückwanderung von Armeniern stärkte die armenische Bevölkerungsmehrheit, die bereits sehr groß war.156 Die russische Volkszählung von 1823, sechs Jahre vor dem Turkmentschai-Vertrag, stellte fest, dass die fünf Bezirke von Bergkarabach, die etwa den traditionellen Meliken entsprechen, überwiegend armenisch gewesen sind. Jraberd (Dschraschen) hatte acht armenische und kein tatarisches (aserbaidschanisches) Dorf, Waranda 23 armenische und ein tatarisches Dorf, Disak 14 armenische und ein tatarisches Dorf, Chatschen zwölf armenische und kein tatarisches und Talisch (Gulistan) sieben armenische Dörfer und drei tatarische Dörfer.157 Genaue Daten von 1823, 1832, 1850, 1873, 1886 und 1897 ergeben, dass die Zahl der Armenier von 30.850 in 1823 auf 106.363 in 1897 gestiegen ist, während sich die Zahl der Muslime oder „Tataren“ von 5.370 auf 20.409 erhöhte. Letztere lebten mehrheitlich im regionalen Zentrum Schuschi. Somit stellten die Armenier ca. 84 % der gesamten Region dar, einschließlich Schuschi, auf dem Lande hingegen 94 % der Bevölkerung.158 Diese Argumentationsreihe kann mit der Bemerkung abgeschlossen werden, dass die Armenier im heutigen Gebiet von Bergkarabach mehr als 1600 armenische Sakralbauten (Kirchen und Klöster) zählen, von denen ca. 200 ihre Anfänge im 4. – 6. Jh. nahmen und deren Mauern zahlreiche armenische Inschriften vorzuweisen haben. Dagegen hat das älteste muslimische Baudenkmal in Bergkarabach seinen Beginn in der 2. Hälfte des 18. Jh.159

155 Vgl. Central Historical Archives of the Republic of Armenia: Fondes 64, inv. 1, d. 21, S. 62. 156 Vgl. Khurshudian, Levon: Jerewan, Erekoyan Jerewan 23.08.1989. 157 Vgl. Bournoutian, George: Russia and the Armenians of Transcaucasia 1797–1889: A Documentary Record. California, Mazda Publishers 1988, S. 278. 158 Vgl. Mikaelian, V./Khurshudian, L.: Jerewan, Lraber, No. 4, 1988. 159 Vgl. Rau, Johannes: Berlin 2003, S. 13. 39

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

2.3

Der Streit um Bergkarabach von Anfang des 20. Jahrhunderts bis 1921

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Streit um Bergkarabach – Anfang des 20. Jahrhunderts bis 1921

Nach den Russisch-Persischen Kriegen 1804–1813 und 1826–1828 und nach den Friedensverträgen von Gulistan 1813 und Turkmentschai 1828 geriet das Gebiet des heutigen Südkaukasus, darunter auch Bergkarabach, unter russische Kontrolle. Es wurden Verwaltungsreformen durchgesetzt und die Region neu gegliedert. Das zaristische Russland vereinte wie erwartet seine südkaukasischen Neuerwerbungen nicht zu einer eindeutigen ethnischen Verwaltungseinheit. Aufgrund dieser Politik wurde Bergkarabach nicht dem armenischen Gebiet oder dem späteren Gouvernement Jerewan, sondern 1868 dem Gouvernement Jelisawetpol, das die ethnisch und geographisch bunteste Verwaltungseinheit im gesamten Südkaukasus bildete, zugeschlagen.160 Laut der ersten Bevölkerungszählung des Russischen Kaiserreiches von 1897 betrug die Zahl der Armenier in diesem multiethnischen Gouvernement ca. 33 % der Bevölkerung.161 Die zaristischen Kolonialstrategen teilten somit Völker und vereinten andere gegen ihren Willen. Sie verstanden es, die religiöse und ethnische Vielfalt des Südkaukasus als Blitzableiter für soziale Unruhen zu bedienen. Die Ursprung der heutigen armenisch-aserbaidschanischen Auseinandersetzung leitet sich aus dieser willkürlichen Einteilung von Verwaltungseinheiten her, die in den Jahren der russischen Sozialrevolution zu den ersten größeren interethnischen Gewaltakten im Südkaukasus im Februar 1905 führte und als „Erster armenisch-tatarischer Krieg“162 in die Geschichte einging. Ausgelöst von kulturellen, historischen, religiösen und sozialen Gegensätzen kamen am 4. März 1905 in Baku163, den Ausgangspunkt und das Zentrum der Pogrome, insgesamt 1.500 Menschen ums Leben, von denen zwei Drittel der Opfer Armenier und ein Drittel Tataren/Aserbaidschaner164 waren. Dieser Funke sprang schnell auf andere 160 Vgl. Donabedian, Patrick: London 1991, S. 83. 161 Vgl. Demoscop Weekly: The First General Census of the Russian Empire of 1897. Unter: http://demoscope.ru/weekly/ssp/rus_lan_97_uezd_eng.php, abgerufen: 15.09.2017. 162 Hofmann, Tessa: München 2006, S. 79. 163 Baku als wirtschaftliches Zentrum von Südkaukasus und der Erdölindustrie war eine multiethnische Stadt. Laut dem russischen Zensus von 1913 waren von den 214.672 Einwohnern der Stadt 76.288 Russen, 45.962 Aserbaidschaner/Tataren, 41.680 Armenier, 25.096 iranische Bürger, 9.690 Juden und 3.274 Deutsche. Mehr dazu unter: Altstadt, Audrey L.: The Azerbaijani Turks. Hoover Institution Press, Stanford University 1992, S. 32. 164 Bis 1936/37 hießen die heutige Aserbaidschaner im Südkaukasus Tataren oder kaukasische Türken.

2.3 Streit um Bergkarabach – Anfang des 20. Jahrhunderts bis 1921

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Gebiete im Südkaukasus über, darunter auch bis nach Schuschi,165 dem damaligen Zentrum von Bergkarabach, wo die armenische Bevölkerung sich verteidigte und die Angreifer eine Gegenwehr organisierten. Bis September 1905 starben etwa 300 Menschen, davon waren ein Drittel Tataren/Aserbaidschaner.166 Diese ersten ethnischen Spannungen zwischen Armeniern und Tataren/Aserbaidschanern dauer­ten bis Juli 1906, wobei auf beiden Seiten bis zu 10.000 Menschen umkamen.167 Nach dem Zerfall des Russischen Kaiserreiches 1917 und der Unabhängigkeitserklärung der drei Südkaukasus-Staaten (Armenien, Aserbaidschan, Georgien) im Mai 1918 kam es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Armeniern und Tataren/Aserbaidschanern in der Region. Nach dem Zusammenbruch der kolonialen Verwaltungseinheiten wurden einige Regionen mit gemischter Bevölkerung, darunter auch Bergkarabach, Nachitschewan und Sangesur, zum Streitpunkt zwischen den neuen Republiken Armenien und Aserbaidschan. In erneut aufflammenden armenisch-tatarischen/aserbaidschanischen Auseinandersetzungen kamen in vielen Pogromen Tausende ums Leben.168 Das folgenschwerste Ereignis geschah in Baku vom 14. bis 16. September 1918, als in einem ausgedehnten Pogrom unter der Beobachtung der osmanisch-­ türkischen Armee über 25.000 Armenier von Tataren/Aserbaidschanern getötet wurden.169 Auf der anderen Seite beklagen die Aserbaidschaner, zwischen dem 31. März bis 3. April 1918 in Baku, dass etwa 8.000 ihrer Landsleute von armenischen Daschnaken170 getötet worden seien.171 Auch Bergkarabach blieb von dieser zweiten Welle der Zusammenstöße nicht verschont. Vor allem war die Hauptstadt, somit die drittgrößte Stadt im Südkaukasus, Schuschi, davon stark betroffen. Die beinahe

165 Nach Baku und Tbilisi war Schuschi im 19. Jh. die kulturell wichtigste Stadt im Südkaukasus und bildete das historische Zentrum von Bergkarabach, in der mehr als ein Dutzend Zeitungen und Zeitschriften erschienen. Mehr dazu unter: Hofmann, Tessa: München 2006, S. 67. 166 Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S. 12. 167 Vgl. Swietochowski, Tadeusz: Russia and Azerbaijan: A Borderland in Transition. New York, Columbia University Press 1992, S. 37–40. 168 Vgl. Babajew, Aser: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2014, S. 30–32. 169 Vgl. Luchterhandt, Otto: Berg-Karabach Selbstbestimmungsrecht: Begründung und praktische Folgerungen, in: Soghomonyan, Vahram (Hrsg.): Lösungsansätze für Berg-Karabach/Arzach. Selbstbestimmung und der Weg zur Anerkennung. Baden-­ Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 15. 170 Mitglieder der in 1890 in Tbilisi gegründeten politische Partei Armenische Revolu­ tionäre Föderation, kurz: Daschnakzutjun. 171 Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S. 13. 41

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

hälftig von Armeniern (56,5 %) und Muslimen (43,2 %)172 bewohnte Stadt wurde von dem tatarisch-aserbaidschanischen Nationalistenführer Chosrow Bek Sultanov mit Hilfe türkischer Soldaten am 23. März 1920 erobert, das armenische Viertel zerstört und geplündert und die über 22.000 Menschen umfassende armenisch-christliche Bevölkerung getötet. Somit hörte das armenische Schuschi auf zu existieren und wurde von den in der Stadt lebenden Tataren eingeebnet.173 Nach dem türkischen Völkermord in Westarmenien 1915–1923174 war die Republik Armenien im Südkaukasus von Tausenden hoffnungslosen Flüchtlingen überströmt, ausgeblutet und zu schwach, um im Südkaukasus die eigene Bevölkerung und Interessen zu schützen. Im Vergleich mit Georgien, das Deutschland als Schutzmacht hatte und wo die Briten hinter Aserbaidschan standen, war Armenien ohne bedeutsame Unterstützung.175 Nach den Februar- und Oktoberrevolutionen kehrte der Kaukasus wieder in die außenpolitische Agenda Russlands zurück. Für die neue russische Expansionspolitik im Kaukasus wurde das „Kaukasische Büro“ der Bolschewiken gegründet, um die Invasion zu koordinieren. Die kurzlebige Unabhängigkeit der drei Südkaukasus-Staaten konnte nur etwas mehr als zwei Jahre aufrechterhalten werden. Zuerst wurde Aserbaidschan im April 1920 sowjetisiert, wenige Monate später im Dezember marschierte die Rote Armee auch in Armenien und im Februar 1921 in Georgien ein.176 Das Problem der umstrittenen Gebiete mit der gemischten Bevölkerung im Südkaukasus wurde somit eine Frage der Sowjets. Nach der Sowjetisierung erklärte zuerst der Vorsitzende des Volkskommissariats der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik Nariman N. Narimanow am 30. November 1920 den Verzicht auf die umstrittenen Gebiete zugunsten der Armenischen Sozialistischen Sowjetrepublik (SSR), indem er postulierte: „Bergkarabach, Sangesur und Nachitschewan werden als untrennbare Teile der Armenischen Sozialistischen Republik akzeptiert.“177 Am 4. Dezember kommen172 Vgl. Ethno-kavkaz.narod.ru: Naseleniye Nagorno-Karabakhskoy Respubliki (Bevölkerung der Republik Bergkarabach). 173 Vgl. Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 16 f.; Hofmann, Tessa: Nürnberg 1993, S. 56 f. 174 Vgl. Hessemann, Michael: Völkermord an den Armeniern: Erstmals mit Dokumenten aus dem päpstlichen Geheimarchiv über das größte Verbrechen des Ersten Weltkriegs. Herbig, 2. Auflage, 2015. 175 Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S. 15. 176 Vgl. Chiari, Bernhardt: Kommunismus kaukasischer Prägung: Unabhängigkeit und sowjetische Herrschaft 1917 bis 1991, in: Chiari, Bernhardt/Pahl, Magnus (Hrsg.): Wegweiser zur Geschichte Kaukasus. Paderborn 2008, S. 73–79. 177 Zitiert in: Asenbauer, Haig E.: Wien 1993, S. 67.

2.3 Streit um Bergkarabach – Anfang des 20. Jahrhunderts bis 1921

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tierte sogar der damalige Nationalitäten-Kommissar Josef Stalin in einem Artikel unter dem Titel „Es lebe Sowjetarmenien“ im Parteiorgan „Prawda“ Folgendes: „Am 1. Dezember verzichtete Sowjetaserbaidschan freiwillig auf die umstrittenen Provinzen und erklärte die Übergabe von Sangesur, Nachitschewan und Bergkarabach an Sowjetarmenien!“178 Etwas später stellte sich heraus, dass diese Entscheidungen und Stellungnahmen wenig Wert hatten. Kurz danach zog Aserbaidschan seine Zustimmungen über die umstrittenen Gebiete zurück und übte mit Unterstützung der kemalistischen Türkei Druck auf Moskau aus, um die Provinzen unter seine Kontrolle zu stellen. In diesem Streit um Territorien im Südkaukasus konnte Armenien nur Sangesur behalten, Nachitschewan und Bergkarabach wurden von den Sowjets Aserbaidschan zugestellt. Nachitschewan, deren armenische Bevölkerung infolge von Krieg und wechselseitigen Vertreibungen im Jahre 1918 immerhin mit 40 % die relative ethnische Mehrheit darstellte,179 wurde auf Druck der Türkei im Zusammenspiel mit der KP-Führung Aserbaidschans durch den Moskauer Freundschaftsvertrag180 („Lenin-Kemal-Pakt“) zwischen Sowjetrussland und der Türkei am 16. März 1921 Aserbaidschan zugesprochen. Die Türkei setzte im Artikel 3 des Vertrages von Moskau mit Sowjetrussland durch (entscheidend war dabei auch, dass Russland sich vom Regime Mustafa Kemal (Atatürk) eine sozialistische Entwicklung im post-osmanischen Türkei versprach), dass das „Territorium von Nachitschewan […] unter der Protektion von Aserbaidschan ein autonomes Gebiet bildet, mit der Bedingung, dass Aserbaidschan sein Protektorat keinem Drittstaat überlassen darf“181. Mit dem Drittstaat war wohl Armenien gemeint, denn das Gebiet von Nachitschewan bildete somit eine Exklave zwischen Armenien und dem Iran, getrennt durch die Armenien zugesprochene Region Sangesur vom Kernland Aserbaidschan.

178 Prawda 04.12.1920: Stalin, Josef, W. 1976, Werke, Band 4 (Nov. 1917–1920), Band 5 (1921–1923), Roter Morgen. Dortmund, S. 364. 179 Vgl. Lang, David Marshall: Soviet Armenia – a national home: 1805–1918, in: Walker, Christopher (Hrsg.): Armenia and Karabagh: The Struggle for Unity. London 1991, S. 64–65. 180 Vgl. Vertrag von Moskau 16. März 1921. Unter: http://www.amsi.ge/istoria/sab/moskovi. html, abgerufen: 15.09.2017. 181 Ebd. 43

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Mit dem Moskauer Vertrag wurde nicht nur Nachitschewan von Armenien abgetrennt, sondern auch die drei westarmenischen Provinzen Kars, Ardahan und Artvin wurden endgültig von der sowjetischen Seite an die Türkei abgetreten. Kurz danach bestätigten die drei sudkaukasischen Sowjetrepubliken unter dem Druck Sowjetrusslands die Vereinbarungen des Moskauer Vertrages und unterzeichneten am 23. Oktober 1921 den Vertrag von Kars.182 Im Hinblick auf Bergkarabach sprach das politisch zuständige kaukasische Büro des Zentralkomitees der RKP (b) am 4. Juli 1921 das Gebiet zunächst Armenien zu, dann aber, am nächsten Tag, erzwangen die aserbaidschanischen Parteiführer das Plenum, umzuentscheiden und Bergkarabach nun Aserbaidschan zuzuschlagen.183 Somit hatte die Beschlussfassung vom 5. Juli 1921 folgenden Wortlaut: „Ausgehend von der Unumgänglichkeit nationalen Friedens zwischen Muslimen und Armeniern und den wirtschaftlichen Bindungen zwischen Ober- und Unter-Karabach verbleibt Berg-Karabach innerhalb der Grenzen der Aserbaidschanischen SSR, wobei ihm eine großzügige Gebietsautonomie mit dem Verwaltungszentrum in der Stadt Schuschi eingeräumt wird, die zum Bestand des Autonomen Gebiets gehören wird.“184 Die wirtschaftlichen Interessen Aserbaidschans hatten Vorrang vor den demographischen und historischen Faktoren und dem Selbstbestimmungsrecht der Armenier in Bergkarabach, die die absolute Mehrheit der Bevölkerung bildeten.

2.4

Die Bergkarabach-Autonomie von 1921–1987

2.4

Die Bergkarabach-Autonomie von 1921–1987

2.4.1 Die Herausbildung der Autonomie von Bergkarabach und die sowjetische Nationalitätenpolitik Im Zuge der Sowjetisierung des gesamten Südkaukasus wurde die endgültige Statusregelung der umkämpften Streitgebiete zwischen Armeniern und Aserbaidschanern von Moskau geregelt. Sangesur (Syunik) wurde der Sowjetrepublik Armenien zugeschlagen und Nachitschewan und Bergkarabach wurden Teile der Sowjetrepublik Aserbaidschan. Der politische Status von Bergkarabach wurde mit 182 Vgl. Vertrag von Kars 23. Oktober 1921. Unter: http://groong.usc.edu/treaties/kars. html, abgerufen: 15.09.2017. 183 Vgl. Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 19 f. 184 Claude, Mutafian: Karabagh in the Twentieth Century, in: Chorbajian, Levon/Donabedian, Patrick/Mutafian, Claude: The Caucasian Knot: The History and Geopolitics of Nagorno-Karabagh. London, New Jersey 1994, S. 136.

2.4 Die Bergkarabach-Autonomie von 1921–1987

45

einem Beschluss des unter Josef Stalin tagenden Kaukasischen Büros des Zentralkomitees der Russischen Kommunistischen Partei (Bolschewiki) KPR (b) gegen den Willen der zu 95 % armenischen Bevölkerung am 5. Juli 1921 beschlossen. Die Region sollte mit weitreichenden Autonomierechten innerhalb Aserbaidschans ausgestattet werden.185 Das Versprechen wurde von der Sowjetrepublik Aserbaidschan nie vollständig erfüllt. Damit entschied sich die Moskauer Führung der RKP (b) gegen ethnisch homogene Staaten im Südkaukasus und teilte die dicht lebenden Armenier neben der Armenischen SSR in zwei weitere Verwaltungseinheiten mit einem geringeren Status innerhalb der Aserbaidschan SSR auf, nämlich die Autonome Republik Nachitschewan und das Autonome Gebiet Bergkarabach, sowie in einen kurdischen autonomen Kreis, das sogenannte „Rote Kurdistan“ zwischen Armenien und Bergkarabach.186 Die von Moskau getroffene Entscheidung, das im Südkaukasus dicht siedelnde Volk der Armenier in verschiedene Verwaltungsgebiete aufzugliedern, kommentiert Otto Luchterhand wie folgt: „Stalin vertrat in der Nationalitäten-Politik entschieden die Konzeption, die nationalen Republiken miteinander zu verzahnen und zur solidarischen Kooperation, über die trennenden ethnischen Grenzen hinweg, zu zwingen und die ethnischen Gegensätze zu überwinden. Seine Karabach-Entscheidung entsprach diesem Ansatz. Dass die sowjetische Partei- und Staatsführung unter dem Deckmantel dieser ‚internationalistischen‘ Ideologie faktisch nach dem klassischen Herrschaftsprinzip ‚divide et impera!‘ agieren konnte und sich damit in der Kontinuität der Kaukasuspolitik des Zarenreiches befand, störte gewiss nicht.“187 Neben den drei ethnisch autonomen Gebieten vereinigte die neu gegründete Aserbaidschanische SSR zwei weitere dicht beieinanderliegende ethnische Siedlungsgebiete, nämlich die Lesginen im Norden und die iranisch-stämmigen Talyschen im Süden, denen wiederum jegliche Autonomierechte verweigert wurden.188 Als am 7. Juli 1923 das Autonome Gebiet Bergkarabach (russisch: Nagorno-Karabachskaja Avtonomnaja Oblast, kurz: NKAO) per Dekret des Aserbaidschanischen Exekutivkomitees der Sowjets gegründet wurde, wurden die Grenzziehungen künstlich festgelegt, die nur ein Drittel Bergkarabachs umfassten. Es besaß lediglich noch den zentralen Teil der historischen Provinz und war mit 4.400 qkm knapp doppelt so groß wie das heutige Saarland.189 Auf diese Weise entstand eine künstliche armeni185 Ebd. 186 Vgl. ebd., S. 140 f. 187 Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 20. 188 Vgl. Hofmann, Tessa: Nürnberg 1993, S. 58 189 Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S. 16 f. 45

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

sche Insel, von der vor allem im Norden armenische Siedlungsgebiete (Schahumjan, Daschkessan, Chanlar, Schamchor und Teile weiterer nordwestlich liegender Bezirks) ausgenommen wurden, in denen bis zu 90 % der Bevölkerung Armenier waren.190 Der staatsrechtliche Status und die Grenzen des Autonomen Gebietes von NKAO blieben innerhalb der Sowjetherrschaft unverändert und unterteilten sich bis zur Unabhängigkeitserklärung der Republik Bergkarabach von 1991 in die fünf Bezirke Martakert, Askeran, Schuschi, Martuni und Hadrut.191 Die Sowjetrepublik Aserbaidschan sorgte dafür, dass die westlich gelegenen Gebiete durch einen künstlichen sieben Kilometer schmalen Latschin-Korridor das Autonome Gebiet von der Sowjetrepublik Armenien trennten. Somit wurde das zusammenhängende Siedlungsgebiet der Armenier zerschnitten und bis in den 1950er Jahren wurden aus dieser Pufferzone die letzten Armenier ausgesiedelt. Die Pufferzone ist seit dem 18. Jh. ein mehrheitlich kurdisch besiedelter Landstrich zwischen der Armenischen SSR und dem Autonomen Gebiet NKAO.192 Gleichzeitig entstand auf diesem Gebiet an der Grenze zu Armenien der „Landkreis Kurdistan“ (russisch: Kurdistanskij ujesd) mit dem Hauptort Latschin und unterteilt in die sechs Bezirke Kölbadschar, Kubatlu, Koturli, Kurd-Hadschi, Muradchali und Karakischlak. Dieser insgesamt sehr dünn bevölkerte Landkreis führte den Namen das „Rote Kurdistan“ und hatte (1926) circa 51.200 Einwohner, von denen die Kurden mit 37.400 Menschen die Mehrheit (73 %) bildeten.193 Dieses kurzlebige Gebilde wurde in 1929 durch Beschluss des 6. Aserbaidschanischen Sowjetkongresses aufgelöst. Ein Jahr später fand auf Beschlussfassung des Zentralkomitees von Aserbaidschan die Gründung von „Kurdistanski Okrug“ mit zwei erweiterten Territorien (Zangilan und Cebrail) statt, die wiederum zwei Monate später für immer aufgelöst wurde. Die Mehrheit seiner kurdischen Bevölkerung wurde nach Zentralasien deportiert oder zwangsweise zugunsten einer ethnischen

190 Vgl. Lang, David Marshall: London 1991, S. 109. 191 Vgl. Hofmann, Tessa: Armenien zwischen Erster und Zweiter Republik, in: Hofmann, Tessa (Hrsg.): Armenier und Armenien-Heimat und Exil. Reinbek bei Hamburg 1994, S. 149. 192 Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S. 17. 193 Vgl. Babayan, David: Krasnyy Kurdistan: geopoliticheskiye aspekty sozdaniya i uprazdneniya (Rotes Kurdistan, geopolitische Aspekte von Gründung und Abschaffung), in: Stiftung Noravank 08.12.2005. Unter: http://www.noravank.am/rus/articles/detail. php?ELEMENT_ID=2920, abgerufen: 15.09.2017; Hakobyan, Tatul: Krasnyy Kurdistan mezhdu Armeniyey i Artsakhom (Rotes Kurdistan zwischen Armenien und Arzach), in: ANI Armenian research center. 11.05.2015. Unter: http://www.aniarc.am/2015/05/11/ red-kurdistan-1923-1929/, abgerufen: 15.09.2017.

2.4 Die Bergkarabach-Autonomie von 1921–1987

47

Homogenisierungspolitik Aserbaidschans assimiliert.194 Otto Luchterhand stellt hierzu fest: „Das ‚Rote Kurdistan‘ war zwar auch Ausdruck des damals die sowjetische Nationalitäten-Politik beherrschenden Prinzips der korenizacija, erfüllte aber primär die Funktion, einen territorialen Sperrriegel zwischen Armenien und Berg-Karabach zu rechtfertigen.“195 Das Wort „korenizacija“ leitet sich von „koren“ dem russischen Wort für „Wurzel“ (wörtlich etwa: Einwurzelung, Verwurzelung), ab.196 Mit der Einwurzelung war die gesamte Nationalitätenpolitik der 1920er Jahre zu beschreiben, bei der grundsätzlich die nichtrussischen Völker an der Peripherie des Vielvölkerstaates kulturell und wirtschaftlich gefördert wurden, um damit alle Völker langfristig auf eine Stufe stellen zu können. Auf der ersten Ebene sollten sich die Volksgruppen autonom entfalten und voneinander differenzieren, um später in einem sozialistischen Gesamtstaat verschmelzen zu können. Es wurde alles getan, um die nationalen Unterschiede auf das Minimum zu bringen, was für die Verschmelzung der Völker notwendig war. Diese Politik sollte dazu führen, die nichtrussische Bevölkerung stärker mit der Sowjetunion zu verbinden und somit auch die Macht der Kommunistischen Partei in allen Gebieten des roten Riesenmachtes zu vertiefen und zu konsolidieren. Um eine Einheit trotz Vielfalt zu prägen, sollten die Völker in der Tat auf der Autonomie- oder Republikebene Angehörige ihrer Nationen sein, aber auf der höchsten Ebene Mitglieder des sozialistischen Staates darstellen.197

194 Vgl. Ruciyar, Baran: Kurdica-Die kurdische Enzyklöpedie, Kurdistana Sor-Rotes Kurdis­ tan. Unter: http://www.kurdica.com/News-sid-Kurdistana-Sor-Rotes-Kurdistan-504. html, abgerufen: 15.09.2017. 195 Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 21. 196 Vgl. Simon, Gerhard: Nationalismus und Nationalitätenpolitik in der Sowjetunion. Von der totalitären Diktatur zur nachstalinischen Gesellschaft. Baden-Baden 1986, S. 18. 197 Vgl. Beyru, Dietrich: Petrograd, 25. Oktober 1917. Die russische Revolution und der Aufstieg des Kommunismus. München 2001, S. 200 f. 47

48

Abb. 4

2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Karte: Drei autonome Verwaltungsgebiete innerhalb der Aserbaidschanischen SSR198

Ethnisch definierte Regionen erhielten einen Status im hierarchischen System des sowjetischen Staatsaufbaus. Als niedrigste Stufe der administrativen Gliederung der UdSSR galten die autonomen (nationalen) Kreise (z. B. das Rote Kurdistan), dann die autonomen Gebiete (z. B. Bergkarabach, Südossetien) und Autonomen Sozialistischen Sowjetrepubliken (z. B. Abchasien, Adscharien, Nachitschewan) bis hin zu den 15 nationalen sozialistischen Sowjetrepubliken (auch Unionsrepubliken genannt, Aserbaidschanische SSR, Armenische SSR, Georgische SSR). Diese vier administrativen Einheiten trugen auf dem Papier Staatscharakter und konnten in einigen Fragen, wie z. B. in Kulturfragen, ihre Politik „selbstständig“ gestalten. Die Autonomie dieser Gebiete war eher theoretischer Natur, insbesondere bei den

198 Die Karte mit drei autonomen Verwaltungsgebieten innerhalb der Aserbaidschanischen SSR. Unter: http://gulf2000.columbia.edu/images/maps/Caucasus_and_the_Soviet_ Red_Kurdistan_lg.jpg, abgerufen: 15.09.2017.

2.4 Die Bergkarabach-Autonomie von 1921–1987

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niedrigsten Einheiten (autonomen Kreisen oder autonomen Gebieten), bei den Republiken fiel sie vergleichsweise größer aus.199 Anfang der 1930er Jahre begriff die oberste Führung der Sowjetunion, dass die Politik der Einwurzelung eine Illusion war und nicht zur späteren Verschmelzung der Völker beitrug, sondern – eher umgekehrt – das nationale Bewusstsein der einzelnen Nationen verstärkte. Stalin griff das auf, machte die Fortschritte der Einwurzelungspolitik entschlossen rückgängig und schaffte die nationale Privilegien und nationalen Institutionen ab 1934 konsequent ab.200

2.4.2 Der Widerstand in Bergkarabach in den 1960er Jahren Der Status des im Juli 1923 gegründeten Autonomen Gebiets NKAO innerhalb der Aserbaidschanischen SSR blieb während der gesamten Sowjetzeit unverändert. Dennoch schwelte der Konflikt unter der sowjetisch-aserbaidschanischen Herrschaft weiter. Vier Jahre nach der Initiierung der Autonomie gründete sich eine überparteiliche Gruppe der armenischen Kommunisten in Bergkarabach, unter ihnen Dasch­naken, Hntschakians, Bolschewiken, Sozialrevolutionäre und Menschewiken unter der Bezeichnung „Karabach an Armenien“ mit der Forderung nach dem Anschluss Bergkarabachs und aller angrenzenden armenisch bewohnten Regionen an die Armenische SSR.201 In den folgenden Jahren konstutierte sich eine große pantürkische Bewegung in Aserbaidschan, wodurch sich die Spannung zwischen den beiden Völkern immer mehr zuspitzte. Der Sekretär der armenischen Kommunistischen Partei Aghassi Khandjian versuchte die Klage der Armenier dem zentralen sowjetischen Machthaber vorzubringen. Er wurde jedoch im Juli 1935 auf einer Sitzung in Tbilisi erschossen.202 Nach den ersten stalinistischen Repressionen 1937/38 und dem Zweiten Weltkrieg (in der Sowjetunion hieß er: Der Große Vaterländische Krieg) richtete der 199 Vgl. Dudarev, W. A/Eliseeva, N.A: Administrativno-territorial'noye deleniye soyuznykh respublik na 1 yanvarya 1980 goda: [spravochnik]/Prezidium Verkhovnogo Soveta SSSR (Administrative Gebietsaufteilung der Unionsrepubliken am 1. Januar 1980: [Verzeichnis]/Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR). Izvestia 1980. 200 Vgl. Kellmann, Klaus: Stalin. Eine Biographie. Darmstadt 2005, S. 90–95. 201 Vgl. From Stalinism to the Brezhnev Era. Eyewitness account of 1920`s in Karabagh. February 15, 1928, in: Libaridian, J. Gerard (Hrsg.): The Karabagh File. Documents and Facts on the Region of Mountainous Karabagh 1918–1988. Cambridge, Toronto March 1988, S. 40. 202 Vgl. ebd., S. 41. 49

50

2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Erste Sekretär der armenischen Kommunistischen Partei Grigor Arutjunov im November 1945 in einer Bittschrift die Frage nach Anschluss des Autonomen Gebiets von Bergkarabach an die Armenische SSR. Dieser Wunsch, der von der Moskauer Führung nicht erfüllt wurde, stellte die konfliktreichen innersowjetischen Grenzen und die Territorialordnung im Südkaukasus in Frage und machte somit die sowjetarmenische Regierung zum Sprachrohr der Karabach-Armenier.203 Die Wiedervereinigung Bergkarabachs mit Armenien blieb auch nach Stalins Tod bis Anfang der 1960er Jahre hinein ein Tabu, gleichwohl kam es periodisch immer wieder zu Initiativen des Widerstandes. Die Lage der Armenier in Bergkarabach spitzte sich in den folgenden Jahren abermals zu. Die armenische Seite erhob den Vorwurf einer systematischen sozioökonomischen und ethnisch-kulturellen Benachteiligung der Enklave in der Aserbaidschanischen SSR. Schon am Anfang der Sowjetunion, von 1929–1932, waren ausnahmslos alle 100 armenischen Dorfkirchen und die 18 Einsiedeleien in Bergkarabach geschlossen (in 1914 gab es 222 Kirchen) worden. Die Forderungen der Gläubigen und des armenischen Kirchenoberhauptes, einige der Kirchen wieder zur Verfügung zu stellen, lehnte die sowjetaserbaidschanische Regierung jedoch ab. Ebenso wurden von den 1.600 amtlich registrierten Bau- und Kulturdenkmälern Bergkarabachs nur 64 unter staatlichen Schutz gestellt, die meisten davon muslimischen Baudenkmäler des 18. Jahrhunderts. Der Rest wurde dem Verfall und der Zerstörung preisgegeben oder zu fremden Zwecken, z. B. unter dem Vorwand „geologischer Feldarbeiten“, gesprengt.204 Des Weiteren standen die armenischen Schulen unter der Obhut des aserbaidschanischen Unterrichtsministeriums, in dem Russisch unterrichtet wurde, die armenische Geschichte durfte nicht gelehrt werden. Es fehlte an armenischsprachigen Lehrbüchern und Literatur. Eine muttersprachige Fernsehsendung oder jegliche Kulturbeziehungen mit Armenien waren auch untersagt.205

203 Vgl. Lehmann, Maike: Eine sowjetische Nation. Nationale Sozialismusinterpretationen in Armenien seit 1945. Frankfurt am Main 2012, S. 64–75. 204 Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S. 19. 205 Vgl. Asenbauer, Haig E.: Wien 1993, S. 78.

2.4 Die Bergkarabach-Autonomie von 1921–1987

Zeitraum 1961–1965 1966–1970 1971–1975 1976–1980 1981–1984

Aserbaidschan 1000 Rbl. 4.142.000 5.729.000 7.382.000 10.099.000 10.823.000

NKAO 1000 Rbl. 40.000 112.000 139.000 153.000 149.000

51

Aserbaidschan Rbl. je Ew. 0,196 0,234 0,272 0,341 0,429

NKAO Rbl. je Ew. (0,058) (0,153) 0,182 0,192 0,225

Abb. 5 Kapitalinvestitionen in Aserbaidschanischen SSR und NKAO, 1961–1984 (in 1000 Rbl.)206

Aserbaidschan sorgte dafür, dass das Autonome Gebiet NKAO von der Industrialisierung, die andere Sowjetrepubliken in den 1950–1960er Jahren erfasste, kaum profitieren konnte. Die Industrieproduktion in NKAO stieg von 1913 bis 1973 nur um das 14,8-Fache, dagegen verzeichnete Aserbaidschan ein 40-faches Wachstum.207 Zudem lagen die Kapitalinvestitionen pro Kopf in NKAO viel niedriger als in der Aserbaidschanischen SSR. Hinzu kommt eine denkbar schlechte Verkehrsanbindung NKAOs. Die Straßen der Bezirkszentren Richtung Hauptstadt Stepanakert waren so geplant, dass man nur durch benachbarte aserbaidschanische Gebiete gelangen konnte, auch eine direkte asphaltierte Straße Richtung Armenien gab es nicht, lediglich mit einem Umweg durch die benachbarten aserbaidschanischen Regionalzentren Agdam und Kirowabad.208 Diese zielgerichtete Politik der Aserbaidschanischen SSR führte zu scharfen demographischen Verschiebungen zugunsten der Aserbaidschaner in der NKAO. Zwischen 1926–1979 wanderten jährlich etwa 2000 Armenier aus der NKAO aus, dagegen stieg die Zahl der Aserbaidschaner seit den 1950er Jahren jährlich um 1.000 Menschen.209 Der Großteil der Investitionen, die für die NKAO vorgesehen waren, floss in die aserbaidschanisch bewohnten Gebiete. Es wurde auch eine Ansiedlungspolitik der Aserbaidschaner in der NKAO durchgeführt. Infolge dieser

206 Pietzonka, Barbara: Baden-Baden 1995, S. 125. 207 Vgl. Hofmann, Tessa: Reinbek bei Hamburg 1994, S. 149 f. 208 Vgl. Soljan, Suren: Entstehungsgeschichte und aktuelle Probleme des Karabach-Konflikts, in: Halbach, Uwe/Kappeler, Andreas (Hrsg.): Krisenherd Kaukasus. Baden-Baden 1995, S. 142. 209 Vgl. ebd., S. 141. 51

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Politik sank der Anteil der Armenier in der NKAO zwischen 1921 und 1979 von 94,4 auf 75,9 %.210 Die von armenischer Seite vorgeworfene Benachteiligung der Region wird von Johannes Rau in seinem Buch über Bergkarabach aber bestritten. Rau behauptet hingegen: „In vielen Sozialbereichen wies die Entwicklung in Berg-Karabach im Vergleich mit Armenien, Aserbaidschan und der UdSSR sogar bessere Werte aus.“211 In dieser Pauschalität ist seine Darlegung nicht aussagekräftig. Anfang der 1960er Jahre führte die Trostlosigkeit ihrer Lage viele Armenier in Bergkarabach, die Hoffnungen auf ein liberales Klima nach Stalins Tod und in Nikita Chruschtschows „Tauwetterpolitik“ gesetzt hatten, zu neuen Formen des Protestes für ihre Sache. Sie sammelten Unterschriften und Petitionen für die Wiedervereinigung mit Armenien.212 1963 erhielt Chruschtschow einen von 2.500 Armeniern aus Bergkarabach und den umliegenden armenisch bewohnten Gebieten unterzeichneten Brief, in dem ausführlich die sozioökonomische Benachteiligung geschildert wurde.213 Trotz einer Reihe von Strafmaßnahmen gegen die Organisatoren des Briefes wurde ein zweiter Versuch in Form einer Petition gestartet. Diese wurde 1965 von 45.000 Karabach-Armeniern unterschrieben und an das Zentralkomitee der KPdSU, den Obersten Sowjet und den Ministerrat der UdSSR geleitet, in der sie ihre Benachteiligung und Unterdrückung beklagten und einen Anschluss an Armenien forderten – wieder erfolglos.214 Otto Luchterhandt schreibt hierzu: „Die ungewöhnlich hohe Unterstützung war kein Zufall, denn 1965 war das Jahr, in welchem der Völkermord an den Armeniern just 50 Jahre zurücklag und die Moskauer Führung die Erlaubnis zum Bau des Genozid-Denkmals in Erewan gab, die Sowjetunion den Völkermord anerkannte und mit Anastas Mikojan erstmals ein Armenier die Funktionen des Staatsoberhaupts der UdSSR ausübte.“215 Die Unzufriedenheit der Menschen in NKAO nahm mit der Zeit nicht ab, sondern erstarkte und die Bewegung verbreitete sich in den folgenden Jahren. Dazu kamen 210 Vgl. Mutafian, Claude: London 1991, S. 116. 211 Rau, Johannes: Der Berg-Karabach-Konflikt, zwischen Armenien und Aserbaidschan. Ein kurzer Blick in die Geschichte. Berlin 2008, S. 36. 212 Vgl. Manutscharjan, Ashot: Der Bergkarabach-Konflikt aus armenischer Sicht, in: Reiter, Erich (Hrsg.): Der Krieg um Bergkarabach, Krisen- und Konfliktmanagement in der Kaukasus-Region. Wien, Böhlau Verlag 2009, S. 36. 213 Vgl. Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 16; Hofmann, Tessa: Nürnberg 1993, S. 25. 214 Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 77. 215 Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 16; Hofmann, Tessa: Nürnberg 1993, S. 25.

2.4 Die Bergkarabach-Autonomie von 1921–1987

53

noch die unangemeldeten Proteste von Zehntausenden Armenier in Jerewan, in denen eine Eingliederung nicht nur Bergkarabachs, sondern auch Nachitschewan an Armenien verlangt wurde.216 Die Diskussionen über eine neue Unionsverfassung im Jahr 1977 gab den Armeniern sowohl in der Armenischen SSR als auch in NKAO wieder Anlass, ihr Anliegen der Moskauer Führung zur Kenntniss zu bringen. Die neue sowjetische Bürgerrechtsbewegung mit Andrej Sacharow befasste sich auch mit ethnisch-­ nationalen Fragen sowie mit der Krimtataren- und Karabach-Problematik und hob „die Forderung nach Selbstbestimmung in den politischen Gesamtzusammenhang einer demokratischen, rechtsstaatlichen Reform der Sowjetunion“217 hervor. Eine neue Entwicklungsphase der umstrittenen Nationalitäten-Frage in der UdSSR konnte erneut durch die Reformabsichten des Parteichefs Michail Gorbatschow in den 1980er Jahren mit der Deklaration des „Glasnost“- und „Perestrojka“-Kurses wieder vorstellig gemacht werden.218

2.4.3 Die „Aserbaidschanisierung“ von Bergkarabach und Nachitschewan Neben der schlechten wirtschaftlichen und sozialen Situation in NKAO, die in den 1960er Jahren zum Widerstand führte, beunruhigten die Karabach-Armenier zusätzlich die demographischen Verhältnisse im Autonomen Gebiet. Als im Jahre 1921 Bergkarabach an Aserbaidschan angeschlossen wurde, hatte die armenische Bevölkerung die absolute Mehrheit mit rund 95 % an der Gesamtbevölkerung, absolute Minderheiten bildeten die Aserbaidschaner, (die bis 1936/37 im offiziellen Zensus Türken hießen),219 Kurden und Russen. Nach etwa 60 Jahren sowjetaserbaidschanischer Herrschaft 1979 sank der armenische Anteil auf 75,9 % bei einer Gesamtbevölkerung von 162.000, gleichzeitig vergrößerte sich der Anteil der Aserbaidschaner auf 23 % (1926: 12.600; 1979: 37.200), und die anderen Minderheiten machten nur etwas mehr als 1 % aus. Zwischen 1926–1979 wanderten jährlich etwa 2.000 Armenier aus der NKAO aus, dagegen stieg die Zahl der Aserbaidschaner seit den 1950er Jahren jährlich um 1.000 Menschen.220 216 217 218 219

Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 77 f. Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 25 Vgl. ebd.; Hofmann, Tessa: Nürnberg1993, S. 25–30. Vgl Müller, Daniel: Sowjetische Nationalitätenpolitik in Transkaukasien 1920–1953. Berlin 2008, S. 110. 220 Vgl. Soljan, Suren: Baden-Baden 1995, S. 141. 53

54

Ethnische Gruppe Armenier Aserbaidschaner Russen Ukrainer Andere Insgesamt

2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

1921 Zensus 1926 Zensus 1939 Zensus 1959 Zensus 1970 Zensus 1979 Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % 94,4 111.694 89,1 132.800 88,0 110.053 84,4 121.068 80,5 123.076 75,9 12.592 10,0 14.053 9,3 17.995 13,8 27.179 18,1 37.264 23,0 596

0,5

416 125.300

3.174 2,1 436 0,3 374 0,2 150.837

1.790

1,4

568 0,4 130.406

1.310 0,9 193 0,1 563 0,4 150.313

1.265 0,8 140 0,1 436 0,3 162.181

Abb. 6 Bevölkerungszensus des Autonomen Gebiets von Bergkarabach (NKAO), 1921–1979221

Diese Zahlen mögen für sich genommen nicht sehr beunruhigend wirken. Immerhin verfügten die Armenier mit knapp 76 % immer noch über eine große Mehrheit unter den Bewohnern von NKAO. Doch die Armenier sahen dies anders. Die armenische Seite betrachtet die Verringerung des armenischen Bevölkerungsanteils in Bergkarabach im Zusammenhang mit dem erschreckenden Beispiel von Nachitschewan, das unter dem Namen „Nachitschewanisierung“ bekannt ist. Unter der Nachitschewanisierung werden die Marginalisierung der dortigen Armenier und die komplette ethnische Homogenisierung dieser Autonomen Republik in Sowjetaserbaidschan verstanden. In 1917 lebten dort 50.000 Armenier, die etwa 40 % der Bevölkerung ausmachten. Im Jahre 1979 sank deren Zahl auf 3.400 oder 1,4 % der Gesamtbevölkerung. Von den ehemaligen 44 armenischen Siedlungen in 1917 waren nur zwei übriggeblieben. Seit 1988 existiert kein armenisches Dorf mehr in Nachitschewan. Ähnliches geschah mit armenischen Kirchen und Kulturdenkmälern, die systematisch eliminiert wurden.222 Für diese demografische Entwicklung in NKAO sind im Wesentlichen zwei Faktoren verantwortlich:223 • Aufgrund eingeschränkter beruflicher und sozialer Entwicklungsperspektiven wanderten besonders die jungen Armenier aus Bergkarabach nach Jerewan, Baku

221 Mutafian, Claude: London 1991, S. 116; Ethno-kavkaz.narod.ru: Naseleniye NagornoKarabakhskoy Respubliki (Bevölkerung der Republik Bergkarabach). 222 Vgl. Claude, Mutafian: London, New Jersey 1994, S. 140. 223 Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 74 f.

2.4 Die Bergkarabach-Autonomie von 1921–1987

55

oder Moskau aus. Inzwischen liegt die Zahl der aus Bergkarabach stammenden Armenier in der Hauptstadt höher als in Bergkarabach selbst.224 • Es erfolgte eine bewusste Ansiedlung und gab höhere Geburtenraten bei muslimischen Aserbaidschanern. Neben diesen zwei Faktoren haben auch andere Gründe zur Verringerung der Armenier in NKAO beigetragen. Zum Vergleich mit anderen Völkern in der Sowjetunion war die Zahl der Karabach-Armenier im Zweiten Weltkrieg überproportional groß. Doppelt so hoch lag die Zahl der Gefallenen. Von etwa 150.000 (1939) Einwohnern von NKAO mussten insgesamt 45.000 als Frontsoldaten dienen, von denen nur 1.400 Aserbaidschaner waren, weitaus geringer als deren Anteil in der Gesamtbevölkerung (9,3 %). Von den 45.000 Soldaten kam im Krieg etwa die Hälfte ums Leben. Zudem führten die Deportationen von 1949 zu einer weiteren Reduzierung der Zahl der Armenier in der Aserbaidschanischen SSR.225 Während im Jahre 1926 der Anteil der Aserbaidschaner an der Gesamtbevölkerung der Aserbaidschanischen SSR bei 1.437.977 (62,1 %) lag, stieg sie bis 1989 auf 5.804.980 (82,7 %), wobei der Anteil der Armenier, der größten Minderheit des Landes, von 12,2 auf 5,6 % zurückging. Laut Zensus von 2009 hinsichtlich der Gesamtbevölkerung von 8.922.400 Menschen in Aserbaidschan waren sogar 91,6 % (8.172.800) Aserbaidschaner. Im Hinblick darauf, dass es auch innerhalb der einzelnen Unionsrepubliken immer wieder Bestrebungen gab, die ethnischen Minderheiten an die Mehrheit zu assimilieren, bildete die Aserbaidschanische SSR in dieser Hinsicht keine Ausnahme.226 Die schleichende Aserbaidschanisierungspolitik war nicht nur in armenisch geprägten Gebieten zu beobachten, sondern auch in anderen Teilen der multiethnischen Unionsrepublik. Einem starken Assimilationsdruck (Aserbaidschanisierung) sind zurzeit insbesondere die ethnische Minderheit der Lesginen im Norden und der Talyschen im Süden Aserbaidschans ausgesetzt.227

224 Vgl. Hofmann, Tessa: Reinbek bei Hamburg 1994, S. 150 f. 225 Vgl. ebd., S. 151. 226 Vgl. Ethno-kavkaz.narod.ru: Naseleniye Azerbaydzhanskoy Respubliki (Bevölkerung der Republik Aserbaidschan). Unter: http://www.ethno-kavkaz.narod.ru/azerbayjan. html, abgerufen: 15.09.2017. 227 Vgl. Kotecha, Hema: Islamic and Ethnic Identities in Azerbaijan: Emerging Trends and Tensions. OSCE Office in Baku, 7/2006, S. 33–50. Unter: http://www.osce.org/ baku/23809?download=true, abgerufen:15.09.2017. 55

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

2.5

Vom friedlichen Widerstand zum bewaffneten Konflikt 1987–1992

2.5

Vom friedlichen Widerstand zum bewaffneten Konflikt 1987–1992

2.5.1 Die Perestrojka und die Bergkarabach-Bewegung Der Beginn der gegenwärtigen Etappe der karabachisch-aserbaidschanischen Auseinandersetzung, auch als Karabach-Bewegung bezeichnet, wird mit dem Jahr 1988 markiert. Am 20. Februar verabschiedete das oberste Verwaltungsgremium (der Gebietsowjet) des Autonomen Gebietes Bergkarabach den Beschluss auf Übergabe des Gebietes aus dem Territorialbestand der Aserbaidschanischen SSR in der Armenischen SSR und reichte einen Antrag in Baku, Jerewan und Moskau ein. Von den 140 Volksrepräsentanten des Verwaltungsgremiums von NKAO hatten 110 dafür gestimmt, 17 waren dagegen und 13 hatten sich enthalten.228 Der Beschluss vom 20. Februar 1988 markierte somit einen Wendepunkt in der Karabach-Bewegung und eröffnete eine neue Entwicklungsetappe dieser Auseinandersetzung. Noch im Frühjahr 1987, im Zuge der eingeleiteten Glasnost- und Perestrojka­ politik (Reformpolitik Gorbatschows), sahen die Karabach-Armenier günstige Voraussetzungen, sich nach ca. 70 Jahren sowjet-aserbaidschanischer Herrschaft mit dem Mutterland Armenien wiederzuvereinigen. Deshalb reichten die Karabacher eine Bittschrift in Form einer Petition zur Abhaltung eines Referendums über den Status des Autonomen Gebietes an die Moskauer Zentrale der KP ein, der sich bis Anfang 1988 über 100.000 Karabacher bzw. 56 % der Gesamtbevölkerung (ca. 180.000) mit ihrer Unterschrift anschlossen.229 Aus diesem Anlass kam es ab dem 12. Februar 1988 in NKAO (Stepanakert) zu mehreren Demonstrationen und Streiks mit bis zu 50.000 Teilnehmern.230 Am 19. Februar setzten Gegenproteste in Baku ein, in Reaktion darauf erwiderten die Armenier in Jerewan mit Massenkundgebungen zur Unterstützung und Solidarität der Karabach-Armenier.231 In den Folgetagen gingen sogar bis zu 1 Mio. Menschen mit dem Verlangen „Miazum!“ (armenisch: Vereinigung!) auf die Straßen Jerewans und bildeten die größten Proteste der sowjetischen Geschichte. Sogar die Balten bekundeten ihre Solidarität mit den armenischen Forderungen in Bergkarabach.232

228 229 230 231 232

Vgl. Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 27. Vgl. Rau, Johannes: Berlin 2003, S. 99. Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S. 23. Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 79. Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S. 22 f.

2.5 Vom friedlichen Widerstand zum bewaffneten Konflikt 1987–1992

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Das Wiedervereinigungsstreben der Karabach-Armenier mit Armenien, gemäß Artikel 70 der UdSSR-Verfassung, in dem „das Recht der freien Selbstbestimmung der Nationen“ verankert ist, führte zu einem politischen und nationalistischen Erwachen der Aserbaidschaner, die in dieser Entwicklung einen „Eröffnungszug im Streben nach einem Groß-Armenien“233 sahen. Um „den Armeniern eine Lehre zu erteilen“234, marschierten einige tausend aufgebrachte Aserbaidschaner aus Agdam in Richtung der 10 km entfernten bergkarabachischen Kreisstadt Askeran. Zwei Dutzend Milizverbände des aserbaidschanischen Innenministeriums aus Agdam und Stepanakert hinderten die Masse vor dem Ortseingang daran, zu ihrem Ziel zu gelangen. Zwei Aserbaidschanischer kamen bei dem Zusammenstoß ums Leben, ca. 50 wurden dabei verletzt.235 Angeheizt durch die einseitige Darstellung der zwei aserbaidschanischen Opfer in den Medien und weitere Hetzmeldungen gegen Armenier, wurden nationalistische Kreise in Aserbaidschan dazu ermutigt, ihre armenischen Mitbürger in Sumgait (27. – 29. Februar 1988) brutal zu verfolgen und zu vertreiben. Mit dem Pogrom in Sumgait (dazu ausfürlich im Kapitel 2.5.2) sprang die Gewaltanwendung mit erschreckender Geschwindigkeit auf andere aserbaidschanische Städte (Kirowabad, Mingetschewir, Baku) und einige Dörfer Bergkarabachs über.236 Am 21. März 1988 erschien in der Parteizeitung Prawda ein Bericht über Bergkarabach, in dem die historische Entscheidung des Gebietssowjets von 20. Februar als eigennützig und die Karabach-Bewegung als antisozialistisch und vom Westen gelenkt abgewertet wurden. Das Präsidium des Obersten Sowjets erklärte in seiner Sitzung vom 24. März 1988 die administrativen Grenzen für unveränderlich.237 Die generelle Haltung der Sowjetführung gegenüber der Grenzverschiebung zwischen der Armenischen SSR und Aserbaidschanischen SSR bestand darin, die geltenden administrativen Grenzen beizubehalten, um auch weitere Kettenreaktionen in anderen Teilen der UdSSR zu verhindern.238 Im Gegensatz dazu wurde der Autonomen Region Bergkarabach ein umfangreiches soziales und wirtschaftliches Entwicklungsprogramm in der Höhe von 400 Mio. Rubel von Moskau zugesagt.239

233 234 235 236

Swietochowski, Tadeusz: Baden-Baden 1995, S. 171. Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 32. Vgl. ebd. Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S 25; Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 31. 237 Vgl. Hofmann, Tessa: Reinbek bei Hamburg 1994, S. 157. 238 Vgl. Babajew, Aser: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2014, S. 34. 239 Vgl. Soljan, Suren: Baden-Baden 1995, S. 154. 57

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Unzufrieden mit der Entscheidung des Obersten Sowjets der Sowjetunion, beschloss der Oberste Sowjet Armeniens am 15. Juni 1988 einstimmig, unter Berufung auf Art. 70 der UdSSR-Verfassung, den Vereinigungsantrag Bergkarabachs mit Armenien zu akzeptieren, während das Präsidium des Obersten Sowjets von Aserbaidschan zwei Tage später erwartungsgemäß gegen die Entlassung Bergkarabachs stimmte.240 Der Gebietssowjet von NKAO wiederholte am 21. Juni 1988 seine historische Entscheidung vom 20. Februar.241 Johannes Rau kommentierte diese Vorgänge: „Mit der Resolution des Obersten Sowjets Armeniens von 15.6.1988 stellte das armenische Parlament klar, dass nicht die Republik Armenien Nagorny-Karabach forderte, sondern die Bevölkerung Nagorny-Karabachs gemäß dem Selbstbestimmungsrecht der Nationen ihre Eingliederung in Armenien beschlossen habe und Armenien bereit sei, Nagorny-Karabach in seine Republik aufzunehmen.“242 Die ethnischen Spannungen nahmen unaufhörlich zu. Tagelange Demonstra­ tionen und Streiks in Baku, Stepanakert und Jerewan drängten die Sowjetführung dazu, sich mit der Karabach-Frage ernsthaft auseinanderzusetzen. Um die Spannung zu reduzieren, wurden die KP-Chefs in Aserbaidschan, Kamran Bagirow, und in Armenien, Karen Demirtschijan, entlassen,243 sowjetische Truppen wurden in die Bergkarabach-Region verlegt und ein Ausnahmezustand über NKAO verhängt (21. September 1988). Kurz davor, auf der Suche nach einem Ausweg, beschloss das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR am 20. Juli 1988, ein Sonderverwaltungskomitee für die NKAO zu gründen.244 Das Sonderverwaltungskomitee beschäftigte sich mit der verfassungsmäßigen Zukunft in Bergkarabach, entweder das Autonome Gebiet provisorisch unter die Moskauer Zentralregierung zu stellen oder zu einer „Autonomen Republik“, wie die Abchasische AR, mit eigener Verfassung und eigenem Parlament aufzuwerten. Nach langen ununterbrochenen Verhandlungen zwischen Armeniern und Aserbaidschanern in Moskau gelangten die Seiten am 12. Januar 1989 zu dem Beschluss, das NKAO erst einmal unter die Moskauer Direktverwaltung zu stellen. Am 20. Januar 1989 wurde Arkadi Volsky als Leiter der Kommission zur Verwaltung von Bergkarabach ernannt.245 In Aserbaidschan gab es wenig Vertrauen sowohl gegenüber der Sonderverwaltung in NKAO als auch 240 241 242 243 244 245

Vgl. Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 27 f. Vgl. ebd., S. 28. Rau, Johannes: Berlin 2003, S.16. Vgl. Swietochowski, Tadeusz.: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 1995, S. 170. Vgl. Babajew, Aser: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2014, S. 36. Vgl. Asenbauer, Haig E.: Wien 1993, S. 92.

2.5 Vom friedlichen Widerstand zum bewaffneten Konflikt 1987–1992

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gegenüber Volsky selbst. Er wurde in Baku als proarmenisch bezeichnet und der Kommission wurde vorgeworfen, eine Abtrennung NKAOs von Aserbaidschan zu betreiben.246 Dieses Misstrauen scheiterte und führte dazu, dass Aserbaidschan am 15. September die Kommission einseitig auflöste. Seinerseits bestätige Moskau am 28. November 1989 Aserbaidschans Entscheidung, löste die Sonderverwaltung von NKAOs auf und stellte das Gebiet wieder unter die Regierung in Baku.247 Bis Ende 1989 schien sich eine Lösung für die Konfliktparteien nicht abzuzeichnen. Die Moskauer Führung versuchte den Nationalitätenkonflikt an seiner Südflanke einzudämmen und war nicht in der Lage, diesen friedlich beizulegen. Selbst Gorbatschow betrachtete den Konflikt in einem historischen Kontext und stellte fest, dass die Autonomie-Regelung für Bergkarabach von 1921 ungerecht gewesen war. Er schrieb, sie: „war indessen bei weitem nicht ideal. So wuchsen die Schwierigkeiten im Lauf der Jahrzehnte nur noch: Benachteiligung, Mißhelligkeiten, zahllose kleinere und größere Ungerechtigkeiten und unbestreitbar auch Fälle von Brutalität, und es war kein Gedanke daran, daß die Armenier dies vergessen würden. Die Führung Aserbaidschans handelte gegenüber Karabach keineswegs im Geiste leninistischer Traditionen, sondern allzu oft überaus hart, manchmal sogar unmenschlich, bis all dies im Zeichen von Glasnost zum Vorschein kam.“248 Der Sondergesandte in Bergkarabach, Arkadi Volsky, äußerte sich Ende Januar 1989 zur Lage in NKAO und gab dabei zu, dass er eine so vernachlässigte Region nirgends in der Sowjetunion angetroffen habe.249 Die Jahrzehnte währende Ungerechtigkeit gegenüber Bergkarabach und die Entscheidung des Obersten Sowjets der UdSSR, die Sonderverwaltung des Gebietes aufzulösen und wieder unter die Direktverwaltung Aserbaidschans zu stellen, enttäuschten die Armenier. Es „setzte sich in Armenien die Überzeugung durch, daß die Rettung des Landes im Austritt aus der UdSSR bestünde. Damit wandelte sich die Solidaritätsbewegung für Arzach seit 1989 zur Unabhängigkeitsbewegung.“250 Am 1. Dezember 1989, als Reaktion auf die sowjetische und aserbaidschanische Aufhebung der Sonderverwaltung für Bergkarabach, riefen der Oberste Sowjet Armeniens und Bergkarabachs, basierend auf dem Selbstbestimmungsrecht der

246 Vgl. Garabagh.net: Special Executive Committee in Garabagh. Unter: http://garabagh. net/content_170_en.html, abgerufen: 15.09.2017. 247 Vgl. Asenbauer, Haig E.: Wien 1993, S. 94. 248 Zitiert in: Babajew, Aser: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2014, S. 38. 249 Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S. 30. 250 Hofmann, Tessa: Reinbek bei Hamburg 1994, S. 159. 59

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Völker, die offizielle Wiedervereinigung NKAOs mit Sowjetarmenien aus,251 wobei der Autonomiestatus des Gebietes belassen wurde. Ein gemeinsamer Haushaltsplan wurde geplant, die Bevölkerung von Bergkarabachs erhielt das Wahlrecht für die Wahlen in Armenien zugeteilt.252 Als die Wahlen zum Obersten Sowjet Armeniens im Mai 1990 eine Niederlage für die KP ergaben, begann das Land, die Unabhängigkeit von der UdSSR anzustreben, was zur militärischen Unterdrückung Bergkarabachs durch Aserbaidschan mit Hilfe sowjetischer Streitkräfte führte, bis hin zu Massendeportationen von Armeniern aus Bergkarabach und den umliegenden Gebieten (dazu ausführlich im Kapiotel 2.5.4).

2.5.2 Die ersten Pogrome Als Antwort auf die friedlichen Demonstrationen und Wiedervereinigungsforderungen in Armenien und Bergkarabach organisierte die aserbaidschanische Führung mit Hilfe der Nationalisten Pogrome gegen ihre armenischen Mitbürger in aserbaidschanischen Städten. Zum ersten Mal fanden die Gräueltaten in der Industriestadt Sumgait statt, nördlich von Baku gelegen, damals mit einer Bevölkerungszahl von ca. 223.000 Einwohnern, darunter rund 18.000 Armenier. Es handelte sich um die schlimmste ethnische Auseinandersetzung in der Sowjetunion.253 Das dreitägige Pogrom in Sumgait (27. – 29. Februar 1988) stellte keine spontane Auseinandersetzung vermutlich angetrunkener junger Aserbaidschaner dar, wie im Nachhinein behauptet wurde, sondern es handelte sich um eine von den sowjetaserbaidschanischen Behörden geplante und gedeckte Ausschreitung gegen die armenische Minderheit. „Die Kampagne war bereits während der armenischen Petitions- bzw. Unterschriftenaktion von 1987 eingeleitet und vielerorts waren Adressenlisten armenischer Familien zusammengestellt worden. Verschiedentlich hatte man einschlägige Informationen der kommunalen Wohnungsverwaltungen an kriminelle Provokateure weitergegeben.“254 Das Hassklima gegen Armenier in Sumgait war durch die aserbaidschanischen Medien aufgehetzt, die von angeblichen Übergriffen an Aserbaidschanern 251 Vgl. Soljan, Suren: Baden-Baden 1995, S. 155. 252 Vgl. Rau, Johannes: Berlin 2008, S. 38. 253 Vgl. Goldstein, Steve: Dissident Tells Of Azerbaijan Atrocities, in: The Inquirer, Daily News 02.03.1988. Unter: http://articles.philly.com/1988-03-12/news/26277621_1_ armenian-protests-christian-armenians-armenian-women, abgerufen: 15.09.2017. 254 Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 31.

2.5 Vom friedlichen Widerstand zum bewaffneten Konflikt 1987–1992

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in Armenien und deren Vertreibung aus der südöstlichen armenischen Stadt Kapan und Ermordung zweier jugendlicher Aserbaidschaner in Bergkarabach (Agdam-Askeran-Zwischenfall) berichteten. Auch verschiedene Gerüchte, dass Armenier ein aserbaidschanisches Mädchen vergewaltigt hätten, sorgten für die Pogromstimmung in Sumgait.255 Am ersten Tag des Pogroms, am 27. Februar, hatten sich mehrere Tausend Menschen auf dem Lenin-Platz in Sumgait versammelt, wo der Stadtparteichef D. M. Muslimzade seine berühmte Hassrede gegen die Armenier hielt. Danach forderte die Masse Angriffe auf alle, die der armenischen Minderheit angehörten.256 Auf den Flugblättern stand „Tod den Armeniern! Wir werden euch ausrotten“, „Armenier, wenn ihr nicht binnen drei Tagen die Stadt verlaßt, werden wir euch wie Hunde abschlachten“257. Drei Tage lang plünderten und mordeten Banden mit Einwohnerlisten die Wohnungen ihrer armenischen Mitbürger. Die Gewalt machte auch vor Frauen nicht halt, viele wurden vergewaltigt oder verstümmelt, auf einer Entbindungsstation kam es sogar zu einem Massaker an armenischen Neugeborenen.258 Die Zufahrtsstraßen der Stadt blieben dabei gesperrt, die Erste-Hilfe-Rufe versagten. Die lokalen Behörden sahen den Verbrechen untätig zu, anstatt der ethnischen Säuberung ein Ende zu setzen. Erst nach drei Tagen, am 1. März 1988, griff das Militär aus dem benachbarten Baku ein und beendete das Massaker.259 Der russische Berichterstatter Andrej Pralnokow schrieb. „Die Miliz und die Stadtbehörden sind den Schlägern und Mördern nicht in die Arme gefallen. Das Gefühl der Straflosigkeit peitschte die Menge noch mehr auf.“ Weiter berichtete er: „Vieles läßt darauf schließen, daß die Pogrome organisiert waren. Eine Sekretärin sagte aus, sie sei vor Ausbruch der Gewalttätigkeiten beauftragt worden, Listen von Armeniern zusammenzustellen.“260

255 Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S. 25; Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 31. 256 Vgl. Krivopuskov, Viktor: Myatejnii Karabakh (Das rebellische Karabach). Moskau 2001, S. 185 –  190. Unter: http://armenianhouse.org/krivopuskov/karabakh/166-212. html#5, abgerufen: 15.09.2017. 257 Der Spiegel: „Wir werden euch ausrotten“, Kampf um Berg-Karabach und der Völkermord an den Armeniern (I), in: Der Spiegel 13/1992, S. 138–148. Unter: http://www. spiegel.de/spiegel/print/d-13687666.html, abgerufen: 15.09.2017. 258 Vgl. ebd. 259 De Waal, Thomas: Black Garden: Armenia and Azerbaijan Through Peace and War. New York, New York University Press 2003, S. 32–44. 260 Der Spiegel: 13/1992, S. 139. 61

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Die sowjetische Öffentlichkeit hatte zwei Monate lang keinen Zugang zu verlässlichen Mitteilungen über die Geschehnisse in Sumgait, daher gehen die Angaben der Opferzahlen stark auseinander. Laut offiziellen Quellen kamen während des dreitägigen Pogroms nur 32 Menschen ums Leben, darunter 26 Armenier.261 Andere Augenzeugenberichte schätzten die Opferzahl der Armenier viel höher. Der russische Schriftsteller und Diplomat Viktor Krivopuskov berichtet. „In the space of three days, several hundred Armenians were killed. It hasn’t been possible to ascertain the exact death toll.“262 In den Tagen des Sumgait-Pogroms wurde die gesamte armenische Bevölkerung aus der Stadt vertrieben. Es veranlasste die Armenier dazu, hinsichtlich der traumatischen Erfahrungen in Sumgait Parallelen mit dem Völkermord im Osmanischen Reich (1915), den türkisch-aserbaidschanischen Pogromen in Baku (1905, 1918), zu ziehen.263 Der russische Nobelpreisträger Andrej Sacharow schrieb in einem Brief an Gorbatschow im August 1988: „Wenn jemand an der Notwendigkeit der Abtrennung Berg-Karabachs von Aserbaidschan vor Sumgait zweifeln konnte, so müßte nach dieser Tragödie jedem die moralische Unvermeidlichkeit dieser Entscheidung klar sein. Nach dieser Tragödie ist es moralisch unmöglich, weiter auf der Bewahrung der territorialen Zugehörigkeit der NKAO zu Aserbaidschan zu bestehen.“264 Der aserbaidschanische Historiker und Leiter der Akademie der Wissenschaften, Ziya Bunyadov, behauptet, dass die Massaker von den Armeniern angezettelt wurden, um ein negatives Licht auf Aserbaidschan zu werfen. Der aserbaidschanische Filmemacher Davud Imanov berief sich auf Bunyatovs Behauptungen und drehte den Film „Echo von Sumgait“, in dem er Armenier, Russen und Amerikaner einer Verschwörung gegen Aserbaidschaner bezichtigte und behauptete, dass die Karabach-Bewegung ein organisierter Plan der CIA sei.265 Die Verantwortlichen in Sumgait wurden nicht gerecht bestraft. Es wurden lediglich 84 Täter festgenommen, von denen nur einige Angeklagte zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurden.266 Jene, die vor Gericht gestellt wurden, kamen nach einiger Zeit wieder frei, weil sie wegen bloßer Krawalle verurteilt waren 261 262 263 264

Vgl. Asenbauer, Haig E.: Wien 1993, S. 84. Krivopuskov, Viktor. Moskau 2001, S. 189. Vgl. Manutscharjan, Ashot: Wien, Böhlau Verlag 2009, S. 38. Nezavisimaya Gazeta: Pis'mo Sakharova Gorbachevu o Nagornom Karabakhe (Sacharows Brief an Gorbatschow über Nagorno-Karabach), in: Nezavisemaya Gazeta 27.10.1992. Unter: http://lj.rossia.org/users/tirg_archive/464.html, abgerufen: 15.09.2017. 265 Vgl. De Waal, Thomas: New York, New York University Press 2003, S. 42. 266 Vgl. ebd., S. 39–43.

2.5 Vom friedlichen Widerstand zum bewaffneten Konflikt 1987–1992

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und nicht wegen Mordes und Gewalt in Sumgait.267 Es gab viele, die ihre Unzufriedenheit mit der Art und Weise bekundeten, wie die Prozesse organisiert und durchgeführt wurden. Der sowjetische Historiker und Dissident Roy Medvedev stellte die Gerichtsverhandlungen unter Frage: „Who knows why, but the court examined the Sumgait events by subdividing them into single episodes and not as a programmatic act of genocide.“268 Einige Aserbaidschaner haben sich sogar für die „Freiheit für die Helden von Sumgait“269 eingesetzt. Vielen Täter des Pogroms wurde der Titel des Nationalheldens verliehen, andere erhielten höhe Positionen in der Regierung, wo sie bis heute dienen.270 Somit blieb Sumgait kein Einzelfall. Die Vertreibung und Vernichtung der Armenier noch vor dem Krieg in Bergkarabach wiederholten sich in anderen aserbaidschanischen Großstädten, darunter in der Hauptstadt Baku, in Kirowabad, Schemacha, Schamchor, und Mingetschewir.271 Im November 1988 kam es zu weiteren verschärften Unruhen in der zweitgrößten Stadt Aserbaidschans, Kirowabad, dem heutigen Gence (Gandscha). Viele der 45.000 armenischen Mitbürger wurden misshandelt, getötet und aufgerufen, das Land zu verlassen.272 Trotz der eingesetzten sowjetischen Truppen für die Sicherheit der Armenier in der Stadt kam es auch hier zu menschlichen Verlusten.273 267 Vgl. Krivopuskov, Viktor: Prestupniki v Azerbaydzhane voznosyatsya v rang natsional'nykh geroyev (Verbrecher in Aserbaidschan erheben sich zum Nationalhelden), in: IA Regnum 28.02.2009. Unter: https://regnum.ru/news/1131088.html, abgerufen: 15.09.2017. 268 Medvedev, Roy: Time of Change. Pantheon, 1st American ed edition, June 2, 1990, S. 209. 269 Kaufman, Stuart J.: Modern Hatreds: The Symbolic Politics of Ethnic War. Ithaca, Cornell University Press 2001, S. 67. 270 Vgl. Krivopuskov, Viktor: IA Regnum 28.02.2009. 271 Vgl. Hofmann, Tessa: Von Sumgait bis Baku: Versuch einer menschenrechtlichen Beurteilung. Vortrag auf der Gedenkveranstaltung „Das hätte nie geschehen dürfen!“ im Rathaus Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf, 27.02.2010. Unter: http://www.agaonline. org/news/attachments/Tessa_Hofmann_Vortrag_Gedenkfeier_Sumgait_270202010. pdf, abgerufen: 15.09.2017. 272 Vgl. Panorama.am: Participant of self-defense operations in Kirovabad: In critical situations, we always win if we are united, in: Panorama.am 28.11.2011. Unter: http:// www.panorama.am/en/comments/2011/11/28/gandzak-kirovabad-self-defence/, abgerufen: 15.09.2017. 273 Vgl. Parks, Michael: Soviet Tells of Blocking Slaughter of Armenians: General Reports His Soldiers Have Suppressed Dozens of Massacre Attempts by Azerbaijanis, in: Los Angeles Times 27.11.1988. Unter: http://articles.latimes.com/1988-11-27/news/mn1060_1_soviet-soldiers, abgerufen:15.09.2017. 63

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Die im Februar 1988 einsetzende Pogromwelle in Aserbaidschan endete im Januar 1990 in der Hauptstadt Baku. Am 12. Januar 1990 brach ein einwöchiges Pogrom gegen Nichtmuslime (Russen, Juden, Georgier), aber hauptsächlich gegen Armenier aus. Etwa 90 Armenier fielen diesem zum Opfer und etliche waren gezwungen, die Stadt für immer zu verlassen.274 Damit hörte die Jahrhunderte alte und wohlhabende armenische Gemeinde in Baku auf zu existieren. Der Bevölkerungsanteil der Armenier in Baku war auf einmal von vormals 16,5 % im Jahre 1979 auf 0 %275 gesunken und ihre Wohnungen wurden aserbaidschanischen Flüchtlingen aus Armenien übereignet. Nur einige Hunderte Armenier, mehrheitlich Frauen, entkamen den Vertreibungen, die meisten leben bis heute in Baku in gemischten Ehen.276 Wie in Sumgait verlief das Pogrom in Baku nach dem bekannten Plan. Laut Robert Kushen, einem Reporter der Human Rights Watch, erfolgten die Angriffe keineswegs spontan, da die aserbaidschanischen Angreifer Listen von Armeniern und ihren Wohnanschriften besaßen.277 George Soros behauptet: „The speculations that the first pogroms against Armenians in Azerbaijan were instigated by the local mafia, which was controlled by former KGB chief G.A. Aliyev, are not far from reality.“278 Diese Verbrechen an armenischen Einwohnern im Februar 1988 in Sumgait, im November 1988 in Kirowabad und im Januar 1990 in Baku blieben ungeklärt und die wahren Täter unbestraft. Doch die Folgen waren eindeutig und gravierend für beide Seiten. Während des Zeitraums von 1988–1990 wurden von 475.000 in der Aserbaidschanischen SSR im Jahre 1979 registrierten Armenier rund 350.000 vertrieben und hunderte getötet. Nur in Bergkarabach, wo die Armenier dicht und in kompakten Siedlungen lebten, konnten sie Widerstand leisten.279 Im Zusammenhang mit den antiarmenischen Pogromen in Aserbaidschan wurde die fast 160.000 Men-

274 Vgl. De Waal, Thomas: New York, New York University Press 2003, S. 90. 275 Vgl. Ethno-kavkaz.narod.ru: Naseleniye Azerbaydzhanskoy Respubliki (Bevölkerung der Republik Aserbaidschan). 276 Vgl. Krebs, Melanie: Fragile Normality: Armenians Living in Baku, in: Centrar Eurasian Scholars and Media Initiative 03.01.2013. Unter: http://cesmi.info/wp/?p=574, abgerufen: 15.09.2017. 277 Vgl. Human Rights Watch: Conflict in the Soviet Union. Black January for Azerbaijan. May 1991. Unter: http://www.hrw.org/reports/pdfs/u/ussr/ussr915.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 278 Znamya Magazine: The Gorbachev Conception. Moscow, Issue 6, 1989. 279 Vgl. Hofmann, Tessa: Reinbek bei Hamburg 1994, S. 155.

2.5 Vom friedlichen Widerstand zum bewaffneten Konflikt 1987–1992

65

schen umfassende, in der Armenischen SSR lebende aserbaidschanische Minderheit Richtung Baku deportiert, ohne nennenswerte Gewalttätigkeiten und Hetzjagd.280 Einst Brudervölker in der Sowjetunion, standen sich die Armenier und Aserbaidschaner verfeindet gegenüber, die interethnischen Spannungen steigerten sich und führten zu einer Eskalation der armenischen-aserbaidschanischen Auseinandersetzung um Bergkarabach und wuchsen in den folgenden Jahren zu einem blutigen Krieg heran.

2.5.3 Das Erdbeben von 1988 und die Blockade Armeniens und Bergkarabachs Eine menschliche Tragödie für das armenische Volk stellte das Erdbeben von Spitak am 7. Dezember 1988 dar. Nach offiziellen Angaben kamen dabei etwa 23.000 Menschen ums Leben. Die Zahlen dürften viel höher liegen. Nach verschiedenen Schätzungen starben bis zu 80.000 Menschen. Über eine halbe Million Menschen waren dadurch obdachlos geworden und hatten mit einem harten Winter zu kämpfen.281 Neben der hohen Zahl menschlicher Verluste zerstörte das Erdbeben fast den ganzen Industriesektor von Nord- und Westarmenien. Die zweit- und drittgrößten Städte des Landes – Leninakan (heute Gjumri) mit 290.000 und Kirowakan (heute Wanadzor) mit 180.000 Einwohnern – wurden bis zu 85 % bzw. 50 % zerstört. Das Zentrum des Erdbebens lag in der kleinen Stadt Spitak mit ca. 20.000 Einwohnern, die vollständig unbewohnbar wurde.282 Etwa 100 km südlich des Epizentrums befindet sich das einzige Atomkraftwerk (AKW) des Kaukasus, der Metsamor, das in einem durch Erdbeben gefährdeten Gebiet liegt. Die Sowjetrepublik konnte dabei nur knapp eine nukleare Katastrophe vermeiden, die nicht nur Armenien betroffen hätte.283 Die Umweltproteste führten dazu, dass die armenische Sowjetregierung zwei umweltzerstörende Chemiefabriken in der Hauptstadt Jerewan und das AKW Metsamor stilllegte (nur 24 km von der Hauptstadt Jerewan entfernt). Zwei Gründe sorgten dafür, das Kraftwerk zu schließen. Erstens lag es in einem besonders erdbebengefährdeten Gebiet, zweitens 280 Vgl. Geukjian, Ohannes: Ethnicity, Nationalism and Conflict in South Caucasus. Rout ledge 2012, S. 163. 281 Vgl. Hofmann, Tessa: Annäherung an Armenien. Geschichte und Gegenwart. München 1997, S. 142. 282 Vgl. Armenische Kolonie zu Berlin (Hrsg.): Bremen 1989, S. 36. 283 Vgl. Der Spiegel: Risse im Gemäuer, in: No. 49 von 04.12.1995, S. 192. Unter: http:// www.spiegel.de/spiegel/print/d-9246876.html, abgerufen: 15.09.2017. 65

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

mangelte es an Sicherheitsstandards. Rund ein Drittel des landesweiten Bedarfs an Elektrizität wurde noch während der Sowjetzeiten von dem AKW Metsamor gedeckt.284 All diese Faktoren bedingten, dass die Sowjetrepublik Armenien in einem sozia­ len Chaos sowie einer Energie- und Wirtschaftskrise versank, dazu kamen noch hunderttausende Menschen auf der Straße, die sich mit der Karabach-Bewegung solidarisierten. Als Folge der antiarmenischen Pogrome in den aserbaidschanischen Städten flohen hunderttausende Armenier, die ihrerseits die Lage in der Armenischen SSR neben den hunderttausenden Obdachlosen durch das Erdbeben belasteten. Noch problematischer wurde es für die armenische Wirtschaft, als Ende August 1989 Aserbaidschan die Transportverbindungen nach Armenien und Bergkarabach blockierte. Dieses Druckmittel seitens Sowjetaserbaidschans legte die Energie- und Nahrungsmittelversorgung der stark importabhängigen armenischen Wirtschaft praktisch lahm, denn etwa 87 % seines Warenverkehrs bezog Armenien über aserbaidschanisches Territorium.285 Die Wirtschaft der Republik Armenien begann sehr stark unter der Energiekrise zu leiden, nachdem Aserbaidschan am 5. November 1991 die Erdöl- und Erdgasleitungen Richtung Armenien schloss und somit ein Totalembargo vollzog. Während des Bestands der Sowjetunion hatte Armenien 82 % der Brennstoffimporte für die Energiewirtschaft aus Aserbaidschan und 16 % aus Russland importiert.286 Mit dieser Handlung sollte „Armenien dermaßen unter Druck gesetzt werden, daß dieses endgültig und für alle Zeiten auf Berg-Karabach verzichtet. Es folgten Monate des Notstandes in Armenien und eine regelrechte Hungersnot in Berg-Karabach, aber auch die Bauvorhaben im Erdbebengebiet kamen praktisch zum Stillstand.“287 Die Knappheit der fossilen Brennstoffe und Warenlieferungen forcierte die Wirtschaftskrise in Armenien und führte zu einem starken Rückgang des Nationaleinkommens. Im Vergleich mit 1990 ging das Nationaleinkommen in Armenien um 57 % zurück.288 Die Forderungen der armenischen Sowjetregierung an die Moskauer Sowjetführung vom 22. September 1989, Maßnahmen ergreifen zu können, die Blockade seitens Aserbaidschans zu beenden, blieben erfolglos. Um ihre Position zu stärken, bedrohte Aserbaidschan die Sowjetführung mit landesweiten

284 285 286 287 288

Vgl. ebd. Vgl. Asenbauer, Haig E.: Wien 1993, S. 93 f. Vgl. Bischof, Henrik: Bonn 1995, S. 9. Asenbauer, Haig E.: Wien 1993, S. 94. Vgl. Bischof, Henrik: Bonn 1995, S. 9.

2.5 Vom friedlichen Widerstand zum bewaffneten Konflikt 1987–1992

67

Streiks dahingehend, im Falle einer gewaltsamen Aufhebung ein Totalembargo zu vollziehen.289 Die in den Jahren 1989 und 1991 verhängte Totalblockade dauert bis heute an, nur die Bahnstrecke zwischen Tbilisi und Jerewan ist regelmäßig in Betrieb. Die Transkaukasische Eisenbahn, welche Armenien über georgisches Territorium mit Russland verbindet, aber wegen des Abchasien-Konflikts an der georgisch-abchasischen Grenze gesperrt bleibt, besitzt nur eine Kapazität für den Transport von etwa einem Viertel des armenischen Warenverkehrs.290 Es sollte einige Jahre dauern, bis die notwendigen verkehrstechnischen und organisatorischen Maßnahmen umgesetzt werden konnten, um eine Anbindung Armeniens an den russischen Markt über Georgien zu gewährleisten. Auf dem Höhepunkt der Blockade, als die Menschen in Armenien die Winter ohne Strom und Wärme durchlebten, beschloss die Türkei im Frühjahr 1993 als Solidaritätserklärung mit Aserbaidschan, sich an der aserbaidschanischen Verkehrsund Wirtschaftsblockade gegen Armenien zu beteiligen. Die einzige Bahnlinie von der Türkei nach Armenien, die über die türkische Stadt Kars führte, blieb sogar für die Versorgung der Erdbebenflüchtlinge hauptsächlich gesperrt. Als sicherer und stabiler Weg für Armenien zu der Außenwelt konnte meistens nur die schmale armenisch-iranische Grenze genutzt werden.291

2.5.4 Die Operation „Ring“ und Ausrufung der Republik Bergkarabach/Arzach Aus mehreren Oppositionsgruppen ging im Sommer 1989 in Armenien die Partei der Armenischen Allnationalen Bewegung (AAB) hervor, die mit den ersten freien Wahlen zum Obersten Sowjet Armeniens (Mai 1990) die KP ablöste.292 Bei der ersten Sitzungsperiode am 4. August wählten die Abgeordneten Levon Ter-Petrosjan, eine der Führungspersönlichkeiten der neu gegründeten Partei zum ersten nicht kommunistischen Präsidenten des Obersten Sowjets der Republik.293 Nach der Wahl Ter-Petrosjans trieb der Oberste Sowjet Armeniens die Wiedererlangung 289 Vgl. Asenbauer, Haig E.: Wien 1993, S. 94. 290 Vgl. Vertlib, Vladimir: Die wirtschaftliche Dimension des Kaukasus, in: Brennpunkt Südkaukasus, Aufbruch trotz Krieg, Vertreibung und Willkürherrschaft? Gerhradt Mangott (Hrsg.). Wien 1999, S. 162. 291 Vgl. ebd. 292 Vgl. Asenbauer, Haig E.: Wien 1993, S. 96 f. 293 Vgl. Hofmann, Tessa: München 1997, S. 143. 67

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

der Unabhängigkeit des Landes und die Etablierung eines marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems voran. Die erste vom Obersten Sowjet Armeniens verabschiedete Deklaration (23. August 1990) definierte den einzuleitenden Unabhängigkeitsprozess Armeniens aus der UdSSR als Ziel.294 Das selbstständige Agieren der armenischen Politiker provozierte die Sowjetregierung, die eine harte Einstellung gegenüber Bergkarabach einnahm. Die Konfrontation zwischen Moskau und Jerewan verschärfte sich, als sich Armenien und Bergkarabach an dem von Gorbatschow initiierten Referendum über das Fortbestehen der Sowjetunion am 17. März 1991 nicht beteiligten.295 Demzufolge unterstützte Moskau die Interessen Aserbaidschans in der Bergkarabach-Frage, das unter kommunistischer Führung für das Bestehen der ­Union war. Mit sowjetischer Militärunterstützung führten die aserbaidschanische OMON-Einheiten296 von April bis August 1991 in der Operation „Ring“ gegen Bergkarabach und nördlich gelegene armenische Dörfer eine Offensive, mit dem Ziel, die Armenier von dort zu deportieren.297 Im Rahmen der Operation „Ring“ wurden 24 armenische Dörfer besetzt und ca. 32 000 Menschen aus ihren Siedlungen Richtung Armenien vertrieben. Bei der Aggression kamen mehr als 170 Menschen ums Leben und mehrere Hundert wurden als Geiseln genommen.298 Moskaus Interessen in der Region änderten sich mit der Zeit. Nach dem Putsch in Moskau vom August 1991 gegen Michail Gorbatschow ging die Operation „Ring“ in Bergkarabach auch zu Ende. Der Moskauer Putsch leitete ebenso das formale Ende der Sowjetunion ein.299 Das brutale Vorgehen der Sowjetunion und der Aserbaidschanischen SSR hielt Armenien von seiner Unterstützung der Karabach-Armenier nicht ab. Stattdessen führte Armenien am 21. September 1991 ein Referendum durch, in dem die Wähler bei einer Wahlbeteiligung von 95 % zu 94,39 % für eine von der Sowjetunion unabhängige Republik Armenien stimmten.300

294 Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 86. 295 Vgl. Manutscharjan, Ashot: Wien, Böhlau Verlag 2009, S. 41 f. 296 Dem aserbaidschanichen Innenministerium untergestellte paramilitärische Gruppierung. 297 Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 86. 298 Vgl. Hofmann, Tessa: München 1997, S. 170 f. 299 Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 86. 300 Vgl. Engelke, Thomas: Transkaukasisches Monopoly. Der Karabach-Konflikt im geopolitischen Kontext des Krisen- und Konfliktmanagement der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa). Frankfurt am Main 1997, S. 39.

2.5 Vom friedlichen Widerstand zum bewaffneten Konflikt 1987–1992

69

In der Folge des Putsches in Moskau erklärte der Oberste Sowjet Aserbaidschans unter KP-Chef Ajas Mutalibow am 30. August die staatliche Unabhängigkeit Aserbaidschans.301 Daraufhin rief das oberste Verwaltungsgremium in Bergkarabach am 2. September 1991 die Republik Bergkarabach/Arzach im Rahmen der Autonomiegebiete und der armenisch bewohnten Region Schahumjan im Norden aus.302 Um die Unabhängigkeitserklärung demokratisch zu legimitieren, setzten die Bergkarabacher am 10. Dezember darüber eine Volksabstimmung an. Trotz der Tatsache, dass die Aserbaidschaner die Abstimmung boykottierten, stimmten 82 % der Wahlberechtigten bei der Volksbefragung ab, in der 108.500 Stimmen für und 26 gegen die Unabhängigkeit votierten.303 Fünf Tage danach waren die Bürger von Aserbaidschan zu einem ähnlichen Referendum aufgerufen. Dem Parlament in Aserbaidschan blieb nichts übrig, als am 26. November den autonomen Status von Bergkarabach abzuschaffen304 und mit allen Mitteln das Gebiet wieder unter Kontrolle zu bringen. Die 75 Abgeordneten der neugewählten Legislative (28. Dezember) von Berg­ karabach riefen am 6. Januar 1992 die Unabhängigkeit der Republik aus.305 Der armenische Parlamentspräsident Levon Ter-Petrosjan und die Armenische All­ nationale Partei weigerten sich, diese Unabhängigkeit offiziell anzuerkennen.306 Diese Unabhängigkeitserklärung wurde bis jetzt von keinem Staat der VN anerkannt. Um die schwere wirtschaftliche Lage wegen der andauernden Blockade seitens Aserbaidschans zu mildern und eine weitere Eskalation des Konflikts abzuwenden, titulierte das armenische Parlament sogar die Erklärungen über die Wiedervereinigung NKAO mit Armenien als ungültig307 und erkannte mit den Beitritten zur GUS308 und OSZE die völkerrechtlichen Grenzen der Mitglieder, darunter auch Aserbaidschans, an und beharrte nur auf dem Selbstbestimmungsrecht des Volkes von Bergkarabach. Somit betrachtete sich Armenien als keine direkte Kon-

301 302 303 304 305 306 307 308

Vgl. Johannes, Rau: Berlin 2003, S. 62. Vgl. Hofmann, Tessa: München 1997, S. 169. Vgl. Manutscharjan, Ashot: Wien, Böhlau Verlag 2009, S. 42. Vgl. Babajew, Aser: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2014, S. 37. Vgl. Rau, Johannes: Berlin 2008, S. 40. Vgl. Manutscharjan, Ashot: Wien, Böhlau Verlag 2009, , S. 42. Vgl. ebd. GUS: Nach dem formellen Ende der Sowjetunion im Dezember 1991 wurde, um die wirtschaftlich miteinander eng verflochten Republiken zusammenzuhalten, die GUS gegründet. Außer Georgien und den drei baltischen Staaten sind alle Nachfolgestaaten der Sowjetunion Mitglieder der Organisation, die ihren Sitz in der weißrussischen Minsk hat. 69

70

2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

fliktpartei und sah seine Rolle nur darin, die Sicherheit der Karabach-Armenier zu gewährleisten.309 Die Initiativen des russischen, kasachischen und iranischen Präsidenten Boris Jelzin, Nursultan Nasarbajew und Ali-Akbar Haschemi Rafsandjani, den entstandenen Konflikt durch friedliche Vermittlungsmaßnamen beizulegen, blieben bis Winter 1991/1992 erfolglos.310 Die Konfliktparteien, die zwei völkerrechtlich anerkannten Staaten Armenien und Aserbaidschan und ein nicht anerkannter Staat Bergkarabach, waren Anfang 1992 weitgehend einem zerstörerischem Krieg überlassen, der bis Mai 1994 andauerte und Tausenden Menschen das Leben kostete.311

2.6

Kriegerische Auseinandersetzungen und der Waffenstilstand 1992–1994

2.6

Kriegerische Auseinandersetzungen, Waffenstilstand 1992–1994

2.6.1 Der Krieg von 1992–1994

Wegen der unnachgiebigen Haltung der Konfliktparteien war es unmöglich, eine friedliche Lösung für Bergkarabach in dem sowjetischen Zerfallsprozess zu finden. Von einer internen Angelegenheit der UdSSR eskalierte der Konflikt zu einer internationalen Problematik, in die die Interessen externer Groß- und Regionalmächte hineingetragen wurden. Die Internationalisierung des Konflikts in Bergkarabach hat nicht zu der Lösung der Ursachen beigetragen, sondern er gewann eine neue Dimension. Nach der Unabhängigkeitserklärung von Bergkarabach am 2. September 1991 blieb Aserbaidschan nichts Anderes übrig, als die Autonomie von NKAO aufzulösen (23. November 1992), die Grenzen ihrer Bezirke neu zu gestalten und erneut zu versuchen, das Gebiet nun mit militärischer Gewalt unter Kontrolle zu bringen. Somit entwickelte sich dieses Konfliktpotenzial ab 1992 zu einem blutigen Krieg zwischen Aserbaidschan und dem von Armenien unterstützten Bergkarabach, der bis Mai 1994 andauerte.312 Von Beginn des Konflikts an betrachtete Aserbaidschan Bergkarabach nicht als Konfliktpartei, sondern sah sich mit Armenien konfrontiert. Daher eskalierte der

309 310 311 312

Vgl. Hofmann, Tessa: Reinbek bei Hamburg 1994, S. 161. Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 87. Vgl. Babajew, Aser: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2014, S. 39. Vgl. Hofmann, Tessa: München 1997, S. 171.

2.6 Kriegerische Auseinandersetzungen, Waffenstilstand 1992–1994

71

Krieg nicht nur im ehemaligen Autonomen Gebiet Bergkarabach, sondern auch an den langen armenisch-aserbaidschanischen Grenzen.313 Nach dem Zerfall der Sowjetunion besaßen die drei Konfliktparteien keine regulären Streitkräfte. Ihre Waffen übernahmen die drei Staaten aus den Beständen der Sowjetarmee, wobei Aserbaidschan deutlich überlegener war als Armenien und Bergkarabach. Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI besaß Aserbaidschan in 1993 285 Kampfpanzer, 835 Schützenpanzer, 343 Artillerie und 53 Kampfflugzeuge, die hauptsächlich in der 23. Division der Sowjetarmee in der Stadt Gence stationiert waren und mit dem Zerfall der Sowjetunion in aserbaidschanische Hand gerieten. Armenien dagegen war eindeutig schwächer, mit 129 Kampfpanzern, 346 Schützenpanzern, 225 Artillerie und nur 20 Kampfflugzeugen.314 Am bescheidensten fiel die Lage in Bergkarabach aus, in der noch das sowjetische Motorschützenregiment 366 mit 1200–1500 Mann und etwa 100 Schützenpanzern und gepanzerten Fahrzeugen stationiert war.315 Anfang 1992 war die humanitäre Lage in Bergkarabach katastrophal. Das Gebiet befand sich in allen vier Himmelsrichtungen seit 1989 in einer Totalblockade seitens Aserbaidschans und die Hauptstadt Stepanakert wurde von dem etwas höher gelegenen Schuschi kontrolliert, das seit 1920 von Aserbaidschanern bewohnte Chodschali und später auch Agdam wurden monatelang mit Raketenwerfern beschossen. Laut armenischen Angaben trafen pro Tag 160 Granaten die Stadt, wobei 111 Zivilisten ums Leben kamen.316 Um die Blockade von Bergkarabach und deren Hauptstadt zu unterbrechen, gelang es den Karabach-Armeniern bereits im Februar 1992, den einzigen Flughafen in Chodschali unter eigene Kontrolle zu bringen und mit einer weitere Offensive am 8. Mai 1992 die historische Hauptstadt Schuschi zu befreien. Eine Woche nach der Einnahme Schuschis konnten die karabachischen Einheiten den zwischen Bergkarabach und Armenien gelegenen Latschin-Berdzor-Korridor unter eigene Kontrolle bringen.317 Es ermöglichte einen direkten Landweg nach Armenien, stellte die Versorgung von Bergkarabach sicher und rettete ihre Einwohner, die bislang mit einer Luftbrücke versorgt wurden.318 Der fast 7 km lange Landweg, der Bergkarabach mit der armenischen Grenze verbindet, wurde inoffiziell unter den Karabach-Armeniern als „der Weg des Lebens“ bezeichnet.

313 314 315 316 317 318

Vgl. Hofmann, Tessa: Reinbek bei Hamburg 1994, S. 160. Vgl. Johannes, Rau: Berlin 2003, S. 88. Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 90. Vgl. ebd. Vgl. Johannes, Rau: Berlin 2003, S. 81. Vgl. Engelke, Thomas: Frankfurt am Main 1997, S. 46. 71

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Diese blitzartige Entwicklung in Bergkarabach destabilisierte die innenpolitische Lage in Baku, führten zum Sturz von Präsident Ajas Mutalibow und brachte den Chef der Volksfront Abulfas Eltschibei als ersten demokratisch gewählten Präsidenten Aserbaidschans an die Macht. Neben einer Eroberung von Bergkarabach versprach das neue Staatsoberhaupt von Aserbaidschan eine Vereinigung der aserisch bewohnten Gebiete im Norden von Iran mit der Republik Aserbaidschan.319 Die neue Regierung in Baku unter Eltschibei startete im Juni 1992 mit Hilfe russischer Panzerfahrer und Militärexperten die bislang größte Offensive zur militärischen Eroberung von Bergkarabach, die die Karabach-Armenier erst im Herbst stoppen konnten. Dabei besetzten die Aserbaidschaner ca. 50 % des ehemaligen Autonomiegebietes von NKAO und über 60.000 armenische Bewohner verließen die eroberten Gebiete flüchtartig.320 Alle Vermittlungsbemühungen der KSZE (OSZE), die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu bringen und einen diplomatischen Weg für die Konfliktlösung zu finden, scheiterten.321 In der Zwischenzeit wurde in Bergkarabach ein staatliches Verteidigungskomitee unter der Leitung des ersten Präsidenten von Bergkarabach (1994–1997) und später des zweiten Präsidenten der Republik Armenien (1998–2008) Robert Kotscharjan gegründet. In kürzester Zeit gelang es dem Komitee, durch eine Generalmobilmachung ca. 15.000 Mann umfassende Streitkräfte aufzubauen, um der aserbaidschanischen Offensive entgegenzuwirken.322 Ab Herbst 1992 startete die Bergkarabach-Armee eine Gegenoffensive und weitete diese ab Frühjahr 1993 auch über die Grenzen von Bergkarabach hinaus aus. Die Karabach-Armenier konnten nicht nur den schmalen Landstrich in Latschin verteidigen, sondern auch die gemeinsame Grenze zwischen Armenien und Berg­ karabach mit der Einnahme der Kelbadschar Region im April 1993, erweitern.323 Die negative Entwicklung an der Kriegsfront frustrierte den aserbaidschanischen Präsidenten, der im Fernsehen seine eigenen Truppen als „Deserteure“ bezeichnete. „Er vermutete, dass die Armenier den aserbaidschanischen Soldaten absichtlich einen Fluchtkorridor geöffnet hätten, um das ‚Desertieren‘ vom Schlachtfeld zu fördern.“324 Im weiteren Verlauf des Kriegs brachten die karabach-armenischen Streitkräfte den ganzen Norden von NKAO unter ihre Kontrolle und rückten mit ihren Truppen 319 320 321 322 323 324

Vgl. ebd., S. 34 f. und S. 50. Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 91. Vgl. Johannes, Rau: Berlin 2003, S. 83. Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 91 f. Vgl. De Waal, Thomas: New York, New York University Press 2003, S. 211–213. Johannes, Rau: Berlin 2003, S. 85 f.

2.6 Kriegerische Auseinandersetzungen, Waffenstilstand 1992–1994

73

auf die aserbaidschanischen Bezirke im Osten und Süden des einstigen autonomen Gebiets vor. In weniger als vier Monaten nahmen die Streitkräfte von Bergkarabach fünf aserbaidschanische Bezirke, Cabrail, Kubatly, Agdam, Fizuli und Sangilan, ein, aus denen Hunderttausende Menschen flohen. Von April bis Juli 1993 verlor die aserbaidschanische Armee ihre Kontrolle über mehr als 5.000 qkm Territo­ rium, angrenzend zu Bergkarabach.325 Von strategischer Bedeutung waren die drei Bezirke im Süden von Bergkarabach, die nicht nur den Rücken von Armenien in der Region Syunik stärkten, sondern auch eine ca. 130 km lange direkte Grenze mit Iran und Bergkarabach ermöglichten. Für die Einwohner in Bergkarabach war vor allem die Unterwerfung der zentral gelegenen Stadt Agdam im Osten von NKAO wichtig, aus deren Anhöhen sich die Siedlungen von Bergkarabach und die Hauptstadt Stepanakert unter ständiger Bombardierung befanden.326 Die militärischen Misserfolge Aserbaidschans führten Baku zum ersten Mal in Direktverhandlungen mit Stepanakert, was wiederum keinen Waffenstillstand nach sich zog.327 Aufgrund der Niederlagen im Karabach-Krieg wurde der zweite aserbaidschanische Präsident Eltschibei durch eine Militärrebellion im Juni 1993 gestürzt, die zu einer Machtübernahme von Heidar Alijew, dem ehemaligen Vorsitzenden der Aserbaidschanischen KP, führte. Er wurde am 3. Oktober 1993 mit 98,8 % der Stimmen zum Präsidenten von Aserbaidschan gewählt.328 Die neue aserbaidschanische Führung unter Heidar Alijew versuchte im Winter 1993/1994 mit einer weiteren Offensive an der Frontlinie die verlorenen Territorien zurückzugewinnen, was ihm mit schweren Verlusten misslang.329 Johannes Rau schreibt: „Viele Beobachter behaupteten damals, die Aserbaidschaner seien bei ihrer Flucht nur durch das Eingreifen von 2.000 Mudjahedin (‚Afghanen‘) zum Stehen gebracht worden. Auch Tschetschenen und Lesgier, Söldner (Piloten u. a.) aus der Ukraine und Russland haben in den aserbaidschanischen Reihen gekämpft. Der Monatssold der hochqualifizierten Söldner soll 5.000 US-Dollar erreicht haben. Auch Hunderte türkische Berater sollen den Aserbaidschanern im Nagorny-­KarabachKonflikt beigestanden haben.“330 Die Armenier hatten im Krieg den Vorteil, dass sie einen hochqualifizierten und vergleichsweise hohen Anteil des Offizierskorps in der Sowjetarmee stellten, 325 Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 97. 326 Vgl. Rau, Johannes: Berlin 2003, S. 86; De Waal, Thomas: New York, New York University Press 2003, S. 213–216. 327 Vgl. Hofmann, Tessa: München 1997, S. 173. 328 Vgl. Engelke, Thomas: Frankfurt am Main 1997, S. 51. 329 Vgl. Hofmann, Tessa: München 1997, S. 173. 330 Johannes, Rau: Berlin 2003, S. 89. 73

74

2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

die ihre Erfahrungen und ihr Wissen in Bergkarabach einsetzen konnten. Die Aserbaidschaner dagegen bekleideten meistens untere Dienstgrade, die für aserbaidschanische Fehlschläge im Bergkarabach-Krieg bestimmend waren. Die gespannte innenpolitische Lage in Baku sowie die Konfrontation zwischen politischen und militärischen Führern Aserbaidschans haben auch wesentlich zu den Niederlagen an der Karabachfront beigetragen.331 Auf Seiten der Karabach-Armenier kämpften nicht nur etwa 5.000 Freiwillige aus Armenien, sondern auch Kosakenverbände aus Russland und mehrere Freiwillige aus Frankreich332 und der armenischen Diaspora.333 Sie alle brachten große Militärerfahrung ins Land mit, die aber ohne hochmotivierte Kämpfer in Bergkarabach nicht zu einem Sieg hätte führen können. Die Karabach-Armenier verfügten über eine besonders lange kriegerische Tradition in der Region, die sie sogar in der Roten Armee vertiefen konnten. Peter Scholl-Latour beschrieb die Karabach-Armenier in folgender Weise: „Armenische Nagorny-Karabacher genießen einen ganz besonderen Ruf. Obwohl sie sich in Aussehen und Auftreten nicht mit der stolzen Unabhängigkeit der muslimischen Gebirgsvölker des Nord-Kaukasus messen können, werden sie oft als ‚christliche Tschetschenen‘ bezeichnet. Aus diesem Territorium sind fünf Marschälle der Sowjetunion und zahlreiche hohe Offiziere der Roten Armee hervorgegangen.“334

Im Frühjahr 1994 war die Lage Aserbaidschans auf dem Schlachtfeld sehr geschwächt, sodass es bald die zweitgrößte Stadt Gence hätte verlieren können. Die Einwohner von Bergkarabach und die Streitkräfte waren auch vom jahrelangen Krieg erschöpft.335 Aufgrund der militärischen Erfolge der Selbstverteidigungsarmee von Bergkarabach und der russischen Vermittlung konnte ein Ende der verlustreichen Kämpfe erreicht werden. Die Verteidigungsminister der drei direkten Konfliktparteien Armenien, Bergkarabach und Aserbaidschan unterzeichneten am 9. Mai 1994 den Waffenstillstand auf Grundlage des Bischkeker-Protokolls, der vom russischen Verteidigungsministerium vermittelt wurde. Seitdem galt der

331 Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 95 f. 332 Vgl. Johannes, Rau: Berlin 2003, S. 89. 333 Monte Melkonian war US-amerikanischer Aktivist armenischer Abstammung, militärischer Führer des Bergkarabach-Kriegs. Dazu ausführlich: Melkonian, Markar: My Brother’s Road. An American’s Fateful Journey to Armenia. New York, I. B. Tauris 2005. 334 Johannes, Rau: Berlin 2003, S. 87. 335 Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 97.

2.6 Kriegerische Auseinandersetzungen, Waffenstilstand 1992–1994

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Krieg mit einem fristlosen Waffenstillstandsabkommen als beendet, das am 12. Mai 1994 in Kraft trat.336 The Economist berichtet, dass seit dem Waffenstillstand von Mai 1994 bis 2011 insgesamt 3.000 Menschen in Gefechten entlang der Grenzlinie von beiden Seiten getötet worden seien.337 Internationale Vermittler haben mehrmals ihre Bedenken über den Gewaltausbruch in der Region geäußert. Bis jetzt konnten keine Mechanismen geschaffen werden, um die Feindseligkeiten an der Grenze zu unterbinden. Vielmehr sind die Zwischenfälle zwischen 2011 und 2015 noch deutlicher gestiegen. Abgesehen von diesen Entwicklungen hat das Waffenstillstandsabkommen dennoch bis April 2016 gehalten.338

2.6.2 Die Ereignisse in Chodschali und Maragha Im Zuge des Bergkarabach-Konflikts haben sich nicht nur die Pogrome in Sumgait (1988), Kirowabad (1988) und Baku (1990) ereignet, sondern es ist auch zu zwei weiteren Verbrechen im Jahre 1992 in Chodschali und Maragha gekommen. Im Unterschied zu den Pogromen, die vor der Kriegseskalation geschahen, fanden diese beiden Ereignisse während der heißesten Phase des Kriegs statt. Um den einzigen Flughafen der Republik Bergkarabach zu befreien und die andauernden Feuer der Artillerie und Raketen der 14 km entfernten Hauptstadt Stepanakert zu beenden, griffen in der Nacht zum 26. Februar 1992 bewaffnete

336 Vgl. ebd., S. 97 f. 337 Vgl. The Economist: The Nagorno-Karabakh Conflict, still just about frozen, in: The Economist 07.03.2011. Unter: http://www.economist.com/blogs/easternapproaches/ 2011/03/nagorno-karabakh_conflict, abgerufen: 20.02.2016. 338 Vgl. Sanamyan, Emil: Loose Restraints: A Look at the Increasingly Shaky Karabagh Ceasefire, in: The Armenien Weekly 04.02.2015. Unter: https://armenianweekly. com/2015/02/04/karabagh/, abgerufen: 15.09.2017; BBC News: Fatal Armenian-Azeri border clash. 05.03.2008. Unter: http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/7278483.stm, abgerufen: 15.09.2017; The Guardian: Bloody clashes between Azerbaijan and Armenia over disputed territory. 04.08.2014. Unter: https://www.theguardian.com/world/2014/ aug/04/nagorno-karabakh-clashes-azerbaijan-armenia, abgerufen: 15.09.2017; Gazeta. ru: Za nedelyu v zone Karabakhskogo konflikta pogibli 24 cheloveka (24 Menschen starben innerhalb einer Woche in der Zone des Karabach-Konflikts). 02.08.2014. Unter: https://www.gazeta.ru/politics/news/2014/08/02/n_6362813.shtml, abgerufen: 15.09.2017; April Krieg 2016: Luchterhandt, Otto: Der Krieg Aserbaidschans gegen Berg-Karabach im April 2016 aus völkerrechtlicher Sicht, in: Archiv des Völkerrechts, Vol. 55, No. 2, Juni 2017, S. 185–233. 75

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

bergkarabachische Einheiten die strategisch gelegene Siedlung Chodschali an.339 An diesem Abend kamen mehrere Zivilpersonen aus Chodschali in der Nähe der 12 km entfernten Stadt Agdam ums Leben.340 Die Ereignisse in Chodschali sind teilweise unklar und umstritten und die Konfliktparteien machten sich bis dato einander wechselseitig verantwortlich. Die aserbaidschanische Version der Geschehnisse besagt, dass die armenischen Streitkräfte mit direkter Unterstützung des damals noch in Bergkarabach stationierten 366. Motorschützenregiments der sowjetischen/russischen Armee einen Genozid an der zivilen Bevölkerung von Chodschali verübten. Über die Opferzahl gehen die Angaben auseinander. Laut amtlichen aserbaidschanischen Verlautbarungen wurden 613 Zivilisten getötet, davon 83 Kinder und 106 Frauen sowie 70 Ältere.341 Ein Bericht 1993 von Human Rights Watch legte die Zahl der Todesfälle auf mindestens 161 Personen fest,342 andere aserbaidschanische Quellen berichten von 485 Todesopfern.343 Die staatliche Politik der Republik Aserbaidschan versucht Analogien zwischen dem Holocaust, Srebrenica und den Ereignissen in Chodschali zu ziehen und letztere auch als Völkermord, verübt von Armeniern, weltweit anerkennen zu lassen.344 In Armenien und Bergkarabach wird die Darstellung der Ereignisse von Chodschali dagegen angezweifelt und als Propagandawerkzeug für das Regime von 339 „Chodzaly war Jahrzehnte hindurch ein ganz überwiegend von Armeniern bewohntes Dorf bei Berg-Karabachs Hauptstadt. Das änderte sich, als dort in den 70er Jahren der ‚Flughafen Stepanakert‘ gebaut und der Ort sich nun unter dem aserischen Namen ‚Chodzaly‘ zu einer Siedlung mit 2.150 Einwohnern entwickelte. Seine Bedeutung ergab sich außerdem aus seiner Lage an der Hauptstraße und der Eisenbahnlinie vom aserischen Agdam nach Stepanakert und Schuscha (Schuschi): Chodzaly war ein strategisch neuralgischer Punkt. 1989, also schon während des Karabach-Konfliktes, wurden in dem Ort aserbaidschanische Flüchtlinge aus Armenien und Turk-Mes’cheten aus Usbekistan angesiedelt. Die Einwohnerzahl stieg auf fast 5.000 (1991: 6.300), und so wurde Chodzaly 1990 zur Stadt erhoben. Ende des Jahres legte das Innenministerium eine OMON-Einheit in den Ort und baute ihn zu einer festen Stellung aus.“ Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 63 f. 340 Vgl. Khojalu: Propaganda Mittels der Tragödie. Gegen die Xenophobie und Gewalt, NRO. Jerewan 2001. 341 Vgl. Botschaft der Republik Aserbaidschan in Berlin (Stand 09.2015): Unter: http:// www.azembassy.de/index.php/chodschali?lang=, abgerufen: 15.09.2015. 342 Vgl. Human Rights Watch World Report 1993. The Former Soviet Union. Unter: http:// www.hrw.org/reports/1993/WR93/Hsw-07.htm, abgerufen: 15.09.2017. 343 Vgl. De Waal, Thomas: New York, New York University Press 2003, S. 184. 344 Vgl. Botschaft der Republik Aserbaidschan in Berlin (Stand 09.2015): Unter: http:// www.azembassy.de/index.php/chodschali?lang=, abgerufen: 15.09.2015.

2.6 Kriegerische Auseinandersetzungen, Waffenstilstand 1992–1994

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Ilham Alijew bezeichnet, um Armenien anzuklagen und international Sympathie zu gewinnen sowie die eigene Verantwortung für die Gewalttätigkeiten in Sumgait, Kirowabad, Baku und später in Maragha abzuwenden.345 Die armenische Seite weist eine eigene Schuld für das Verbrechen ab und deutet auf die inneren politischen Folgen von Chodschali hin, die zum Sturz des damaligen aserbaidschanischen Präsidenten Ajas Mutalibow führten. Zu der Zeit forderte die Volksfront den Rücktritt von Mutalibow. Das Massaker in Chodschali, das in der Nähe der Stadt Agdam geschah – in der Zeit noch unter der Kontrolle der oppositionellen Partei Volksfront Aserbaidschans –, diente als Vorlage für den Sturz Mutalibows.346 Tadeusz Swietochowski stellt die Folgen von Chodschali für die aserbaidschanische Führung folgendermaßen dar: „Die gräßlichen Bilder von Hunderten massakrierten Aserbaidschaner (in jedem Fall das Mehrfache der Opfer von Sumgait), der Frauen und Kinder, die die Armee den Angriffen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert hatte, versetzten der Öffentlichkeit eine solchen Schock, daß das Mutalibow-Regime nicht länger überleben konnte.“347 Als Nachfolger von Mutalibow kam der Chef der Volksfront, Abulfas Eltschibei, im Juni 1992 an die Macht.348 Die oppositionelle Seite und andere Stimmen aus Aserbaidschan zweifeln auch an der offiziellen aserbaidschanischen Auslegung des Massakers, die der Weltöffentlichkeit dargestellt wird. Der aserbaidschanische Bürgerrechtler Arif Junusow gab in der Zeitung Zerkalo im Juli 1992 zu: „Die Stadt und ihre Bewohner wurden bewusst für politische Interessen geopfert. Es war ein Mittel, den Machtantritt der Volksfront Aserbaidschans nicht zuzulassen.“349 In einem Videointerview kommentierte der damalige Bürgermeister von Chodschali, Elman Mamedow: „Wir wissen nicht, auf wessen Konto dieses Unglück geht und wen die Geschichte dafür beschuldigen wird …“350 In einem Interview mit dem Korrespondenten des aserbaidschanischen Fernsehens erklärte der Vorsitzende des Obersten Sowjets 1992 und Übergangspräsi-

345 Vgl. McGuinness, Damien: Nagorno-Karabakh: Remembering the victims of Khojaly. BBC News 27.02.2012. Unter: http://www.bbc.com/news/world-europe-17179904, abgerufen: 15.09.2017. 346 Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 90 f. 347 Swietochowski, Tadeusz.: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 1995, S. 176. 348 Vgl. ebd. 349 Zerkalo: Aserbaidschanische Zeitung Zerkalo (Spiegel). 7/1992. Unter: https://xocali1992.wordpress.com/beweise/, abgerufen: 15.09.2017. 350 Mustafaew, Tschingiz: Videointerview 1992. 77

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

dent von Aserbaidschan, dass er sehr gut diejenigen kennt, die die Tragödie von Chodschali auf dem Gewissen haben. Und er spreche hier nicht von Armeniern.351 Die armenische Seite behauptet weiter, dass ein humanitärer Korridor für die Zivilbevölkerung errichtet wurde, was wiederum von offiziellen Stellen in Baku verleugnet wird.352 Sogar der damalige Präsident von Aserbaidschan bestätigte, dass der Korridor vorhanden war: „[…] der Korridor, durch den die Menschen in Sicherheit gebracht werden könnten, wurde auf jeden Fall von Armeniern verlassen. Warum sollten sie überhaupt das Feuer eröffnen, insbesondere auf dem in der Nähe von Agdam gelegenen Gebiet, wo genug Kräfte zur Verfügung standen, die den Menschen zur Hilfe kommen konnten.“353 Es ist eine Tatsache, dass die karabachisch-armenische Seite einen humanitären Korridor bereitgestellt hatte, durch den die Einwohner der Siedlung fliehen konnten. Der damalige Bürgermeister von Chodschali, Elmar Mamedow, behauptete, dass die aserbaidschanische Seite nicht bereit sei, die Evakuierung der Zivilbevölkerung zu organisieren: „Am 25. Februar 1992 um 20:30 Uhr wurde uns mitgeteilt, dass die Feindespanzer rund um die Stadt in Kampfstellung gebracht worden sind. Darüber haben wir alle über das Radio informiert. Zudem habe ich am 24. Februar auch in Aghdam angerufen und mitgeteilt, dass ein gefangengenommener armenischer Kämpfer uns über den bevorstehenden Angriff informiert hat … Es kam keine Reaktion. Für den Transport von Alten, Frauen und Kindern habe ich gebeten, einen Hubschrauber zu schicken. Doch die Hilfe kam nicht.“354 Laut dem aserbaidschanischen Journalisten Ejnulla Fatullaew konnten die Zivilisten nur mit Hilfe des vorhandenen Korridors fliehen: „Nachdem ich mich mit der Gegend vertraut gemacht habe, kann ich mit voller Überzeugung sagen, dass die Unterstellungen über das Fehlen eines armenischen humanitären Korridors völlig unbegründet sind. Der Korridor war in der Tat vorhanden, dennoch waren die Bewohner vollständig daran gehindert, aus dem Kessel auszubrechen. Ich habe 351 Vgl. Ogonjok: Die Zeitschrift Ogonjok (Feuer). No. 14–15, 1992. Unter: https://xocali1992.wordpress.com/beweise/, abgerufen: 15.09.2017. 352 Vgl. Ministry of Foreign Affairs of Nagorno-Karabakh Republic: Azerbaijan keeps on gambling the “khodjalu” topic, 15.07.2009; “Khojalu” is a speculative political capital for official Baku, 15.02.2012. Unter: http://www.nkr.am/en/statements/116/, abgerufen: 15.09.2017. 353 Nezawisemaja Gazeta: Die russische Zeitung Nezawisemaja Gazeta (Unabhängige Zeitung), 02.04.1992; Zvyagin, Sergej: Khodzhalu: pravda i vymysly (Chodschali: Wahrheit und Erfindungen), in: Nezavisimaya Gazeta 05.03.2010. Unter: http://www. ng.ru/cis/2010-03-05/6_hojalu.html, abgerufen: 15.09.2017. 354 Khojalu, Völkermordchronik. Baku, Verlag Azerneschr 1993, S. 16. Dazu ausfürlich unter: https://xocali1992.wordpress.com/beweise/, abgerufen: 15.09.2017.

2.6 Kriegerische Auseinandersetzungen, Waffenstilstand 1992–1994

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mich mit hunderten Flüchtlingen unterhalten, die das Vorhandensein eines humanitären Korridors bestätigt haben und mir versicherten, dank dieses Korridors dem Tod entkommen und am Leben geblieben zu sein.“355 Abgesehen von diesen erheblichen Fakten, zeugen andere Beweise, darunter die Äußerung des damaligen aserbaidschanischen Präsidenten Ajas Mutalibow, davon, dass die Opfer der Tragödie von Chodschali von seiner aserbaidschanischen politischen Opposition „organisiert“ wurden, um seinen Rücktritt zu erzwingen.356 Die Erklärung der tschechoslowakischen Journalistin Dana Mazalova weist darauf hin, mit welchen manipulativen Mitteln die Tragödie von Chodschali der Öffentlichkeit präsentiert wurde: „Ich möchte besonders betonen, dass Çingiz Mustafayev der einzige Kameramann war, der die dort umgekommenen Menschen aufgenommen hatte. Mitte März 1992 zeigte er mir in seinem Haus in Baku unbearbeitetes Videomaterial, welches er selbst im Februar 1992 im Vorgelände der Stadt Aghdam aufgenommen hatte. Aber die Bilder, die Mustafayev mir gezeigt hatte, haben nichts gemeinsam mit den Videos und Fotos, die die aserbaidschanische Seite der ganzen Welt als seine präsentiert.“357 Die armenische Seite wirft vor, dass die aserbaidschanischen Behörden regelmäßig Bilder und Videomaterial von Opfern anderer Kriege, wie dem Kosovo-Krieg von 1998/1999, dem Afghanistan-Krieg, oder von Erdbebenopfern, Flüchtlingen aus anderen Regionen als Opfer des Massakers von Chodschali präsentiert.358 Aserbaidschan seinerseits behauptet, es seien die Armenier, die regelmäßig Bilder der Opfer des Massakers von Chodschali als armenische Opfer der Pogrome in Baku und Sumgait, sogar für den armenischen Völkermord im Osmanischen Reich, darstellen.359 355 Realnij Aserbaidschan: Karabachskij Dnewnik (Karabachtagesbuch). In der Zeitung Realnij Aserbaidschan (Reales Aserbaidschan). 04/2005. 356 Vgl. Cox, Caroline/Eibner, John: Ethnic Cleansing in Progress: War in Nagorno Karabakh. Unter: http://sumgait.info/caroline-cox/ethnic-cleansing-in-progress/ post-soviet-conflict.htm, abgerufen: 15.09.2017. 357 Mazalova, Dana: Justice for Khojaly, in: Novosti-Armenia, Pressekonferenz (russisch). Unter: https://www.youtube.com/watch?v=jzFRC2sB1R8, abgerufen: 15.09.2017. 358 Die Falsifikationen sind auf der Webseite www.xocali.net dargestellt. 359 Darüber berichten mehrere aserbaidschanische Zeitungen, z. B. Huseynov, Rizvan: Armyanskiye SMI naglo vydayut fotosnimki zhertv Khodzhalinskogo genotsida za «postradavshikh ot yanvarskikh pogromov v Baku 1990 goda» – FOTO (Armenische Medien geben unverschämt Fotos von Khojaly-Genozid-Opfern für „Opfer von Januar-Pogromen in Baku 1990“ – FOTOS), in: 1news.az 20.01.2010. Unter: http:// www.1news.az/politics/20100120023031996.html, abgerufen: 15.09.2017; Huseynov, Rizvan: Naiglupeyshiy prokol armenpropa – izvestnyye miru fotosnimki predstavleny kak «genotsid armyan v Baku» – FOTO (Die am meisten verbreitete Punktion von Ar79

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Wenn Chodschali für Aserbaidschaner zum Inbegriff für Kriegsgräuel wurde, bildet das Dorf Maragha in der Region Martakert im Nord-Osten von Bergkarabach den tragischen Höhepunkt für die Karabach-Armenier während des Kriegs. Am 10. April 1992, während des Bergkarabach-Kriegs, war Maragha der Schauplatz eines Massakers an Armeniern durch aserbaidschanische Streitkräfte.360 Über die Opferzahlen gehen die Angaben auseinander. Im Verbrechen gegen die zivilen Dorfbewohner wurden nach verschiedenen Angaben 50 bis 100 Menschen beim aserbaidschanischen Angriff ermordet. Ein Bericht von Amnesty International von 1993 meldete 45 Tote.361 Laut Angaben des damaligen Parlamentspräsidenten von Bergkarabach, Gevorg Petrosjan, fielen dem Massaker 53 Menschen zum Opfer.362 Die Vize-Sprecherin des House of Lords des britischen Parlaments, Baroness Caroline Cox, als Mitglied einer Delegation, die damals die Folgen des Verbrechens untersuchte und die Augenzeugen befragte, berichtete von 45 umgebrachten Dorfbewohnern und meldete von weiteren 100 entführten Frauen und Kindern.363 Baroness Caroline Cox bezeichnete das Massaker in Maragha folgenderweise: „I, along with my team from Christian Solidarity Worldwide, arrived within hours to find homes still smoldering, decapitated corpses, charred human remains, and survivors in shock. This was truly like a contemporary Golgotha many times over […] “364 Als die aserbaidschanischen Kämpfer in das Dorf einrückten, befanden sich die armenisch-karabachischen Einheiten nur zwei Kilometer vom Maragha entfernt, konnten aber den Angriff nicht abwenden.365 Das Massaker wiederholte sich am 22. und 23. April, als wenige der Überlebenden ins Dorf zurückkehrten, um ihre Toten zu begraben. Das Dorf wurde größtenteils zerstört und die Einwohner wurden

menoprop – die Fotos, die der Welt bekannt sind, werden als „der armenische Genozid in Baku“ dargestellt – FOTOS), in: 1news.az 19.01.2011. Unter: http://www.1news.az/ analytics/20110119122554597.html, abgerufen: 15.09.2017. 360 Vgl. Denber, Rachel/Goldman, Robert Kogod: Bloodshed in the Caucasus: escalation of the armed conflict in Nagorno Karabakh. Human Rights Watch/Helsinki 1992, S. 29. 361 Vgl. Amnesty International: Country Dossier List 1993 Europe. Unter: https://www. amnesty.org/en/documents/doc32/004/1994/en/, abgerufen: 15.09.2017. 362 Vgl. Denber, Rachel/Goldman, Robert Kogod: Human Rights Watch/Helsinki 1992, S. 29. 363 Vgl. Cox, Baroness: Survivors of the Maraghar Massacre, in: Christianity Today 27.04.1998. 364 Ebd. 365 Vgl. Denber, Rachel/Goldman, Robert Kogod: Human Rights Watch/Helsinki 1992, S. 29.

2.6 Kriegerische Auseinandersetzungen, Waffenstilstand 1992–1994

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komplett vertrieben, was mehr als 4.000 Menschen umfasste.366 Ein Großteil der Einwohner ist nach Russland und Armenien geflohen, sehr wenige haben ihren Zufluchtsort in Bergkarabach gefunden.367 Nach dem Ende des Bergkarabach-Kriegs 1994, als Maragha unter aserbaidschanischer Kontrolle blieb, gründeten eine Handvoll ehemalige Bewohner der großen Siedlung Maragha ein kleines Dorf im Territorium der heutigen Republik Bergkarabachs. Das Dorf, das jetzt Nor Maragha (Neue Maragha) genannt wird, befindet sich nicht weit vom alten Maragha entfernt und zählt zurzeit mehr als 500 Einwohner.368

2.6.3 Die Folgen des Kriegs Der etwa drei Jahre andauernde Krieg zwischen Aserbaidschan einerseits und Bergkarabach mit der Unterstützung Armeniens auf der anderen Seite endete mit dem Waffenstillstandabkommen vom 12. Mai 1994. Der Hauptwaffenlieferant an allen Konfliktparteien während des Kriegs war Russland.369 Die armenische Seite wurde auch von Griechenland370 unterstützt. Aserbaidschan bekam Waffen aus der Türkei371, Israel372 und der Ukraine.373 Von 1991–1994 standen sich bei den drei Konfliktparteien offiziell bis zu 76.000 Kämpfer gegenüber (siehe die Abb. 7). Neben den direkt beteiligten Parteien waren auch externe militärische Gruppierungen am Krieg beteiligt. Mit den Armeniern

366 Vgl. Office of Nagorno-Karabakh Republic in the USA: Maragha. Unter: http://www. nkrusa.org/nk_conflict/maragha.shtml, abgerufen: 01.10.2015. 367 Vgl. Amnesty International. Azerbaijan; Hostages of the Karabakh conflict: Civilians still have to suffer. 04/1993. 368 Vgl. Tadevosyan, Hunan: Old and New Margha, in: Artsakh Today 11.04.2012. Unter: http://www.artsakhtoday.com/?p=14648&lang=en, abgerufen: 15.09.2017. 369 Vgl. De Waal, Thomas: New York, New York University Press 2003, S. 200. 370 Vgl. Strategic Impact, No. 4 (37): Bucharest: Romanian National Defence University “Carol I” Centre for Defence and Security Strategic Studies 2010, S. 35. 371 Vgl. Balayev, Bahruz: The Right to Self-Determination in the South Caucasus: Nagorno Karabakh in Context. Lexington Books 2013, S. 70. 372 Vgl. Murinson, Alexander: The Ties Between Israel and Azerbaijan. Mideast Security and Policy Studies No. 110. Begin-Sadat Center for Strategic Studies, 10/2014, S. 11. 373 Vgl. Azadian, Edmond Y.: History on the Move: Views, Interviews and Essays on Armenian Issues. Wayne State University Press 1999, S. 173. 81

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

waren ebenso jesidische Gruppen aus Armenien,374 eine ossetische Batallion375 sowie Kosaken376 in den Krieg involviert. Zu den Unterstützern der Aserbaidschaner gehörten etwa 2.000 afghanische Mudschaheden,377 eine tschetschenische Einheit unter Schamil Bassajew,378 türkische Offiziere379 und Verbände der Grauen Wölfe.380 Aus humanitärer Sicht zählt der bewaffnete Konflikt zu den verlustreichsten im postsowjetischen Gebiet und rangiert nach Opfern gerechnet nach den beiden Tschetschenienkriegen und dem Bürgerkrieg in Tadschikistan auf dem dritten Platz. Im Verlaufe der militärischen Auseinandersetzung, die von Pogromen und ethnischen Massakern begleitet wurde, kamen nach verschiedenen Angaben bis zu 36.000 Menschen auf beiden Seiten ums Leben und zahllose wurden verletzt.381 Laut Angaben der zwei renommierten armenischen und aserbaidschanischen Wissenschaftler Gayane Novikova und Arif Yunusov starben etwa 6.000 armenische Kämpfer und 2.500 Zivilisten im Laufe des Konflikts und 20.000 Menschen wurden verwundet. Yunusov zählt die Zahl der aserbaidschanischen Opfer des Konflikts (Kämpfer und Zivilisten) insgesamt auf 10.000 Menschen und ca. 30.000 Verwundete.382

374 Vgl. Asatryan, Garnik/Arakelova, Victoria: The Ethnic Minorities of Armenia. Organization for Security and Co-operation in Europe, Yerevan 2002: Unter: http:// www.minorities-network.org/wp-content/uploads/2014/09/The-ethnic-minoritiesof-­Armenia.pdf, abgerufen: 10.01.2016. 375 Vgl. Time to analyze: Politics, society, and ideas. Osetinskiy batal’on v Artsakhskoy osvoboditel’noy voyne (Ossetisches Bataillon im Arzach-Befreiungskrieg). 13.03.2013. Unter: http://archive.is/hBwDo, abgerufen: 15.09.2017. 376 Vgl. Johannes, Rau: Berlin 2003, S. 89. 377 Vgl. ebd.; Taarnby, Michael: The Mujahedin in Nagorno-Karabakh: A Case Study in the Evolution of Global Jihad. Real Instituto Elcano, Working Paper 20/2008, S. 6. 378 Vgl. Aleeksev, Alexander: Izuvechennyy izuver/Spetsnaz Rossii (Zerschmetterte Fanatiker/Spezialkräfte Russlands), N. 7 (118), 7/2006. Charalampidis, Ioannis: Sponsored To Kill: Mercenaries and Terrorist Networks in Azerbaijan. Moskau, “MIA” Publishers 2013, S. 2. 379 Vgl. Demoyan, Hayk: Turkey and the Karabakh Conflict in 1990s: A Comparative Historical Analysis. Jerewan, Prospectus 2006, S. 226. 380 Vgl. Brzezinski, Zbigniew/Sullivan, Paige (Hrsg.): Russia and the Commonwealth of Independent States: Documents, Data, and Analysis. Washington, D.C., M. E. Sharp1997, S. 616. 381 Vgl. Halbach, Uwe/Smolnik, Franziska: Der Streit um Berg-Karabach. Spezifische Merkmale und die Konfliktparteien. Berlin, SWP-Studie 2013, S. 9. 382 Vgl. ebd.

2.6 Kriegerische Auseinandersetzungen, Waffenstilstand 1992–1994

Jahr 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994

Aserbaidschanische Armee und Sicherheitskräfte

3.000 3.000 23.000 40.000 45.000

Aserbaidschanische Milizen

300 2.000 4.900

83

SowjeArmenische und karatische bachische Streitkräfte, Paramilitärs und Armee Einheiten 1.000 15.000 7.275 15.000 10.000 15.000 12.000 21.000 20.930 2.000 30.930 30.930

Abb. 7 Zahl der Paramilitärs und Armeen im Bergkarabach-Krieg, 1988–1994383

Da keine offiziellen Zahlen von beiden Seiten für die Todesopfer des Konflikts vorliegen, bleiben die oben genannten Zahlen umstritten. Anderen Angaben zufolge kamen während des Kriegs 1.264 armenische Zivilisten um.384 Die meisten armenischen Opfer waren Karabach-Armenier. Etwa 6.000 (Kämpfer und Zivilisten) sind aus Bergkarabach umgekommen, was 4 % der lokalen Bevölkerungszahl entspricht.385 Die Zahl der aserbaidschanischen Opfer und Verwundeten wird höher geschätzt als die Angaben von Yunusov, und zwar zwischen 20.000–30.000 Todesopfer386 und 50.000 Verwundete.387 Der Konflikt forderte nicht nur eine hohe Zahl an Toten, sondern führte auch zu 724.000 aserbaidschanischen und bis zu 300.000 bis 500.000 armenischen

383 Zürcher, Christoph: The Post-Soviet Wars. Rebellion: Ethnic Conflict, and Nationhood in the Caucasus. New York University Press 2009, S. 179. 384 Vgl. Melik-Shahnazarov, Arsen. Nagornyy Karabakh: fakty protiv lzhi (Bergkarabach: Tatsachen gegen Lügen). Unter: http://www.sumgait.info/caucasus-conflicts/nagornokarabakh-facts/nagorno-karabakh-facts-14.htm, abgerufen: 15.09.2017. 385 Vgl. International Crisis Group: Nagorno-Karabakh: Risking War. ICG Europe Report No. 187, 14.11.2007, Tbilisi/Brüssel 2007. Unter: https://www.crisisgroup.org/europe-centralasia/caucasus/nagorno-karabakh-azerbaijan/nagorno-karabakh-risking-war, abgerufen: 15.09.2017. S. 18. 386 Vgl. Grigoryan, Grigor: Azerbaydzhan skryvayet real’noye chislo poter' svoikh voysk v boyevykh deystviyakh v Karabakhe (Aserbaidschan verbirgt die reale Zahl der Verluste seiner Truppen in den Kämpfen in Karabach), in: Noev-kovcheg.ru No. 2 (232) Februar (1–15) 2014. Unter: http://noev-kovcheg.ru/mag/2014-02/4309.html, abgerufen: 15.09.2017. 387 Vgl. De Waal, Thomas: New York, New York University Press 2003, S. 285. 83

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2 Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte

Flüchtlingen.388 In Armenien und Bergkarabach leben heutzutage praktisch keine Aserbaidschaner mehr und in Aserbaidschan keine Armenier.

Jahr 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 insgesamt

Tote 32 20 169 270 2.500 1.000 2.000 5.991

Armenier Verwundete 400 151 400 400 10.000 3.000 6.000 20.351

Aserbaidschaner Tote Verwundete 196 600 51 180 187 991 378 496 3,300 11.000 2,200 6.000 4,000 10.000 10.312 29.267

Abb. 8 Zahl der Opfer und Verwundeten im Bergkarabach-Krieg, 1988–1994389

Als Resultat des Kriegs konnte seit September 1991 die de facto existierende Republik Bergkarabach ihre Unabhängigkeit verteidigen. Die international nicht anerkannte Republik umfasst 11.500 qkm,390 Das macht insgesamt 13,2 % des damaligen Staatsgebietes der Aserbaidschanischen SSR (86.600 qkm) aus. Somit kontrolliert Republik Bergkarabach nur 92,5 % (4.061 qkm) des ehemaligen Autonomiegebietes NKAO391 und sieben umliegende damals hauptsächlich von Aserbaidschanern und Kurden bewohnte Bezirke, zwei davon nur teilweise (Fizuli und Agdam).392 Der Bezirk Schahumjan mit der Subregion Getaschen und die östlichen Teile der Bezirke Martuni und Martakert des ehemaligen Autonomiegebietes NKAO mit etwa 1.041 qkm Territorium bleiben bis heute unter aserbaidschanischer Kontrolle.393

388 389 390 391 392 393

Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 98–103. Zürcher, Christoph: New York University Press 2009, S. 179. Vgl. Office of Nagorno-Karabakh Republic in the USA: Country Overview. Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 101. Vgl. De Waal, Thomas: New York, New York University Press 2003, S. 286. Vgl. President of the Artsakh Republic: General Information. Unter: http://www. president.nkr.am/en/nkr/generalInformation/, abgerufen: 15.09.2017.

Die postsowjetische Entwicklung in Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1991–2015

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3 Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1991–2015

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Die Entwicklung in Armenien 1991–2015 Die Entwicklung in Armenien 1991–2015

Politische Entwicklung

Der mit der „Perestrojka“ und „Glasnost“ einsetzende öffentliche Diskurs in der Armenischen SSR unter der Führung des Karabach-Komitees394 für die Wiedervereinigung Bergkarabachs mit Armenien führte zu einer politischen Öffnung des Landes. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre entstanden mehrere Parteien und Bewegungen in Armenien, darunter die größte oppositionelle Partei, die Armenische Allnationale Bewegung (AAB), unter Vorsitz von Levon Ter-Petrosjan (ehemaliges Mitglied des Karabach-Komitees), gegründet im November 1989 sowie die aus der Dissidenten-Bewegung der 1960er Jahre entstandene „Republikanische Partei“. Bei den Parlamentswahlen im Mai 1990 konnte die Opposition mit überwältigender Mehrheit der Stimmen die Wahlen gewinnen. Der Parteivorsitzende Levon Ter-Petrosjan wurde zum ersten nicht kommunistischen Parlamentspräsidenten Armeniens seit 1920. Nachdem sich Armenien am 21. September mit 94,39 % für den Austritt aus der UdSSR entschied, wurde Ter-Petrosjan am 16. Oktober 1991 mit rund 83 % der Stimmen zum Präsidenten (1991–1998) gewählt.395

394 Das Karabach-Komitee wurde im Mai 1988 von mehreren armenischen Intellektuellen gegründet, um Aufmerksamkeit für die Wiedervereinigung von NKAO (Bergkarabach/ Arzach) mit Armenien zu gewinnen und die Aktivitäten zu koordinieren. In 1990 bezeichnete die New York Times das Komitee als „die einflussreichste nationalistische Gruppe in Armenien“. Vgl. Fein, Esther B.: Evolution in Europe; Armenia Fighting Levels Off; Toll Is 23, in: New York Times 29.05.1990. Unter: http://www.nytimes. com/1990/05/29/world/evolution-in-europe-armenia-fighting-levels-off-toll-is-23. html, abgerufen: 20.04.2016. 395 Vgl. Bischof, Henrik: Bonn 1995, S. 4–7. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. E. Aslanyan, Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus, Energiepolitik und Klimaschutz. Energy Policy and Climate Protection, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28516-6_3

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Zu seiner Wahl zum ersten Präsidenten Armeniens kommentiert Tessa Hofmann: „Nach 1991 brachte Armenien als einziges südkaukasisches Land eine neue Elite von deutlich antikommunistischen National-Demokraten hervor, die sich im Unterschied zum ersten Präsidenten Georgiens, Swiad Gamsachurdia, und zum Führer der Volksfront Aserbaidschans, Abulfas Eltschibei, an der Macht halten konnte. Eine Rückkehr zu Leitfiguren, deren politische Laufbahn in die ‚Stagnations­ära‘ unter Breschnjew zurückreichte wie bei Eduard Schewardnadse oder Heidar Alijew, fand in Armenien nicht statt.“396 Die politische Stabilität am Anfang der 1990er Jahre in Armenien ist unter anderem dem Erfolg im Bergkarabach-Krieg zu verdanken. Nach dem Krieg in 1994 begann jedoch die nationale Einheit zu zerbröckeln. Gewaltige Repressionen gegen unabhängige Medien und Regierungskritiker gehörten zum Alltag. Die Armenische Revolutionäre Föderation (ARF, kurz Daschnakzutjun genannt) als einflussreichste Partei der Diasporaarmenier und die wichtigste Opponentin der regierenden Partei wurde mit elf nahestehenden Medien vom Präsidenten Levon Ter-Petrosjan verboten.397 Daraufhin bezeichneten die OSZE-Wahlbeobachter die am 5. Juli 1995 abgehaltenen ersten parlamentarischen Wahlen in Armenien als „frei, aber nicht fair“398, weil die Daschnakzutjun verhindert war, daran teilzunehmen. Ein Erfolg für das unabhängige Land zeigte sich dahingehend, dass die Wähler trotz der niedrigen Wahlbeteiligung (54 %) der Kommunistischen Partei Arme­­ niens keine Chance einräumten, stark im Parlament vertreten zu sein. Sie bekamen nur sieben von 190 Sitzen. Wegen der Einschüchterungen hatten allgemein große Teile der Opposition wenige Möglichkeiten, ins Parlament zu kommen. Die Unzufriedenheit bei der Bevölkerung, Kundgebungen und Demonstrationen sowie die neuen politischen Repressionen führten das Land in eine politische Krise, die ihren Höhepunkt am 22. September 1996 bei den Präsidentschaftswahlen erreichte. Bei einer Wahlbeteiligung von nur 58,41 % konnte der amtierende Präsident nur noch mit einer knappen Mehrheit von 51,75 % die Wahlen für sich entscheiden. Der Gegenkandidat Wasgen Manukjan von der National-Demokratischen Union erhielt 41,29 % der Stimmen und weigerte sich, die Wahlniederlage anzuerkennen. Er und seine Anhänger besetzten das Parlament und die zentrale Wahlkommission. Die Streitsache endete schließlich vor dem Verfassungsgericht mit einer Niederlage 396 Hofmann, Tessa: Armenien – Überleben am Fuße erloschener Vulkane, in: von Gumppenburg, Marie-Carin/Steinbach, Udo (Hrsg.): Der Kaukasus. Geschichte –Kultur – Politik. München, Verlag C. H. Beck 2008, S. 22. 397 Vgl. Hofmann, Tessa: München 2006, S. 161–163. 398 OSCE/UNO: Joint Operation on Election Monitoring in Armenia. Press release. Jerewan 07.07.1995, S. 1.

3.1 Die Entwicklung in Armenien 1991–2015

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für Wasgen Manukjan. Nach weniger als zwei Jahren führten die ernsthaften Konflikte in der Innenpolitik und die kompromissorientierte Haltung des Präsidenten bezüglich der Annäherung mit der Türkei und des Bergkarabach-Konflikts zu Ter-Petrosjans Rücktritt am 3. Februar 1998.399 Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen gewann der Ex-Präsident von Bergkarabach (1994–1997) und der amtierende Premierminister Armeniens Robert Kotscharjan mit 59,49 % der Stimmen die Stichwahl um das höchste Amt im Staat am 30. März 1998 gegen den Vertreter des alten Systems Karen Demirtschjan. Somit konnten die Armenier als einzige Nation im Südkaukasus verhindern, dass die kommunistische Nomenklatura die Macht zurückeroberte.400 Robert Kotscharjan, als Vertreter für eine weitere marktwirtschaftliche Orientierung des Landes, hob das Verbot der Daschnaktzutyun-Partei auf. Die Partei nahm an den Parlamentswahlen im Mai 1999 teil und gewann acht von 131 Sitzen. Die Mehrheit der Sitze (62) bekam die „Einheit Blok“ im Parlament, bestehend aus der Volkspartei und Republikanischen Partei Armeniens. Seit den dritten Parlamentswahlen im Mai 2003 stellte die Republikanische Partei mit 33 Sitzen die stärkste Partei in der armenischen Nationalversammlung dar, gefolgt von der Partei Land des Rechtes mit 19, der ARF mit elf und vier weiteren Parteien und 37 unabhängigen Abgeordneten.401 Wahljahre und Wahlzeiten sind in Armenien traditionell durch politische Krisenzeiten bestimmt. Es spiegelte sich auch nach der zweiten Amtszeit (2003–2008) von Robert Kotscharjan wider, als der erste Präsident Armeniens, Levon Ter-Petrosjan, seine Rückkehr in die Politik ankündigte und als Gegenkandidat zu Sersch Sargsjan bei den Präsidentschaftswahlen 2008 teilnahm. Die Kandidatur von Sersch Sargsjan wurde von Robert Kotscharjan unterstützt, der die Wahlen trotz Armut und wirtschaftlicher Stagnation mit 52,82 % gewann.402 Obwohl die OSZE-Wahlbeobachter den Wahlgang als „fair“ und „weitgehend demokratisch“403 eingestuft 399 Vgl. Manutscharjan, Aschot: Das Regierungs- und Parteiensystem Armeniens, in: Mangott, Gerhradt (Hrsg.): Brennpunkt Südkaukasus, Aufbruch trotz Krieg, Vertreibung und Willkürherrschaft? Wien 1999, S. 43–54. 400 Vgl. ebd. S. 55 f. 401 Vgl. National Assembly of the Republik of Armenia: The History of Armenien Parliament. Unter: http://www.parliament.am/parliament.php?id= parliament&lang=eng, abgerufen: 20.04.2016. 402 Vgl. Republic of Armenia. Central Electoral Commission: February 19, 2008, Presidental Elections. Unter: http://www.elections.am/presidential/election-22052/, abgerufen: 20.04.2016. 403 OSCE/ODIHR: Election Observation Mission Report. Republic of Armenia, Presidential Election, 19.02.2008. Unter: http://www.osce.org/odihr/elections/armenia/32115?down87

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haben, rief Levon Ter-Petrosjan zur Annullierung der Wahlen auf und erklärte sie für gefälscht. Er bezeichnete die fehlende Kritik der Wahlbeobachter als „Kniefall des Westens“ vor einem autoritären und räuberischen Regime. Es kam zu einer Dauerdemonstration, die am 1. März 2008 gewaltsam aufgelöst und in deren Folge ein Ausnahmezustand verhängt wurde. Dabei kamen acht Menschen ums Leben.404 Der dritte Präsident Armeniens, Sersch Sargsjan, baute seine Macht, basierend auf der Republikanischen Partei, aus, die aus den Parlamentswahlen vom Mai 2007 als Siegerin hervorging (64 Sitze).405 Ein großer Teil der armenischen Bevölkerung sah ihn nicht als ihren gewählten Präsidenten und bezeichnete ihn als illegitim. Als er am 10. Oktober 2009 das Züricher Protokoll mit der Türkei für die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen und Öffnung der Grenze unterschrieben hatte, machte er sich die nationalistische Partei der Diasporaarmenier Daschnakzutyun zu seinem politischen Gegner, die konsequent aus der Regierungskoalition austraten.406 Die Daschnakzutyun verlor ihre Anhänger bei den Parlamentswahlen vom 6. Mai 2012 und bekam nur noch fünf Sitze im Parlament. Obwohl Präsident Sersch Sargsjans regierende Republikanische Partei die absolute Mehrheit der Sitze (70 Sitze) erhielt, bildete sich aber gleichwohl eine Regierungskoalition mit der Partei Land des Rechts (6 Sitze), die bis April 2014 dauerte. Die zweitstärkste Partei, Blühendes Armenien (36 Sitze), Armenischer Nationalkongress (7 Sitze), geführt von Levon Ter-Petrosjan, die ARF (6 Sitze) und die Erbe (5 Sitze) sowie ein parteiloser Abgeordneter gingen in die Opposition.407 Nachdem der Präsident am 18. Februar 2013 in seinem Amt mit 58,64 % der Stimmen gegen 36,75 % des früheren Außenministers Raffi Hovhannisjan wiederge-

load=true, abgerufen: 20.04.2016. 404 Vgl. Kaufmann, Walter: Armenien nach der Präsidentschaftswahl. Heinrich-Böll-Stiftung 04.03.2008. Unter: https://www.boell.de/de/demokratie/parteiendemokratie-2113. html, abgerufen: 20.04.2016. 405 Gefolgt von der neu gegründeten Partei Blühendes Armenien (24 Sitze) vom Oligarchen Gagik Tsarukjan, von Daschnakzutjun (16 Sitze), dem Land des Rechts (9 Sitze) und der Partei Erbe (7 Sitze) des ersten Außenminister Armeniens Raffi Hovhannisjan. Vgl. National Assembly of the Republik of Armenia: The History of Armenien Parliaments. 406 Vgl. Phillips, David L.: Diplomatic History: the Turkey-Armenia Protocols. Institute for the Study of Human Rights. New York, Columbia University, 03/2012, S. 60. Unter: http://hrcolumbia.org/peacebuilding/diplomatic_history.pdf, abgerufen: 20.04.2016. 407 Vgl. European Friends of Armenia (EuFoA): Armenia 2012: An Introduction to the Political Party Landscape Revised. 06/2012. Unter: http://www.eufoa.org/uploads/ ArmeniaPoliticalPartyGuide.pdf, abgerufen: 20.04.2016.

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wählt wurde,408 initiierten er und seine Partei eine Verfassungsänderung. Dadurch sollte das semi-präsidiale Regierungssystem Armeniens in ein parlamentarisches Regierungssystem transformiert und dadurch die Macht vom Staatspräsidenten auf den Premierminister verschoben werden. Offiziellen Angaben zufolge stimmte das armenische Volk in dem Referendum am 6. Dezember 2015 mit rund 63 % für die neue Verfassung des Landes.409 Die Opposition wirft dem Präsidenten vor, nach Ablauf seiner zweiten und somit letzten Amtszeit im April 2018, mit der Verfassungsänderung das Amt des Regierungschefs anzustreben. Präsident Sargsjan begründete die Verfassungsänderung unter anderem als Chance für mehr Sicherheit und Stabilität für Armenien.410 Der postsowjetische Transformationsprozess in Armenien hin zu einer Demokratie läuft zäh und langsam, mit tiefen politischen Krisen und öffentlicher Apathie und Misstrauen bei der Bevölkerung. Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen landet Armenien auf Platz 78 von 180 Staaten.411 In dem von der amerikanischen Watchdog-Organisation Freedom House jährlich erstellten Bericht über politische und bürgerliche Freiheiten wird Armenien seit Jahren als „teilweise frei“ eingestuft, mit leichter Verbesserungstendenz seit 2012.412

3.1.2 Wirtschaftliche Entwicklung Seit dem 2. Januar 2015 ist Armenien als einziger Südkaukasusstaat Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), die ab Januar 2015 aus der bisherigen Zollunion zwischen Russland, Kasachstan und Belarus hervorgegangen ist. Die

408 Vgl. Republic of Armenia. Central Electoral Commission: February 18, 2013, Presidential Elections. Unter: http://www.elections.am/presidential/election-25547/, abgerufen: 20.04.2016. 409 Vgl. Republic of Armenia. Central Electoral Commission: December 6, 2015 Referendum on Amendements to the Constitution of the Republic of Armenia. Unter: http://www. elections.am/referendum/election-26015/, abgerufen: 20.04.2016. 410 Vgl. Süddeutsche Zeitung: Armeniens Präsident lässt sich vom Volk entmachten. 07.12.2015. Unter: http://www.sueddeutsche.de/politik/referendum-in-armenien-­ armenien-beschliesst-machtverschiebung-von-praesident-auf-regierungschef-1.2771090, abgerufen: 20.04.2016. 411 Vgl. Reporter ohne Grenzen: Rangliste der Pressefreiheit 2015. Unter: https://www. reporter-ohnegrenzen.de/uploads/tx_lfnews/media/Rangliste_der_Pressefreiheit_2015. pdf, abgerufen: 20.04.2016. 412 Vgl. Freedom House: Freedom in the World 2015: Unter: https://freedomhouse.org/ sites/default/files/01152015_FIW_2015_final.pdf, abgerufen: 20.04.2016. 89

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neue Wirtschaftsunion im postsowjetischen Raum zählte Ende 2015 fünf Mitgliedsstaaten, Russland, Kasachstan, Belarus, Armenien und Kirgisien. Bis 2022 hat Armenien Zeit, als Vollmitglied der EAWU seine Zolltarife anzupassen. Neben der EAWU ist Armenien Mitglied in den folgenden internationalen Organisationen: GUS, Weltbank, Welthandelsorganisation, Europarat, OSZE, VN, UNESCO, OVKS, Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, Internationaler Währungsfonds, Asiatische Entwicklungsbank und Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Schwarzmeer-Region.413 Armenien, die kleinste Unionsrepublik der ehemaligen Sowjetunion, mit kaum nennenswerten Rohstoffen, ist gleichzeitig eines der ärmsten Länder in Osteuropa und im postsowjetischen Raum. Unter dem Zusammenbruch der Sowjetunion, durch den der gesamte armenische Industriesektor auseinanderbrach, leidet das Land nach ca. 25 Jahren immer noch. Hinzu kamen eine sehr ungünstige geographische Lage, ein verheerendes Erdbeben (1988), der Streit um Bergkarabach mit Aserbaidschan (1988–1994) und die Aufnahme der armenischen Flüchtlinge aus Aserbaidschan und Bergkarabach sowie die Probleme, die sich bei einer Umstellung von einer Zentralverwaltungswirtschaft auf eine liberale Marktwirtschaft ergeben, und zusätzlich der Bürgerkrieg in Georgien, das wichtigste Transitland für armenische Warenhandel. Anfang der 1990er Jahre kam es zu einem tiefen wirtschaftlichen Niedergang und einer Energiekrise, mit schweren sozialen, demographischen, ökologischen Störungen. Im Vergleich mit 1990 gingen das Nationaleinkommen in 1993 um 57 % und die Industrieproduktion um 63,3 % zurück.414 Die weiterhin geschlossenen Grenzen und die andauernde Handels- und Wirtschaftsblockade seitens der Türkei und Aserbaidschans belasten die wirtschaftliche Entwicklung des Landes bis heute. Unter diesen Umständen versuchte die armenische Regierung die Wirtschaft mit einer schnellen Privatisierung der Landwirtschaft (1991) und der Industrie (1995) zu retten. Diese ersten Schritte führten dazu, dass das BIP erstmals in 1994 um 5,4 % wuchs. Schon in 1997 betrug das armenische BIP 54 % des Wertes von 1989 und erst in 2005 wurde der entsprechende Wert leicht überschritten.415 Von 2000 bis 2008 konnte Armenien ein starkes Wachstum des BIP von 1.912 Mrd. USD auf 11.662 Mrd. USD erreichen, das allerdings aufgrund der globalen Wirt413 Vgl. Ministry of Foreign Affairs of the Republic of Armenia. International Organisations. Unter: http://mfa.am/en/international-organisations/, abgerufen: 20.04.2016. 414 Vgl. Bischof, Henrik: Bonn 1995, S. 10. 415 Vgl. National Statistical Service of the Republic of Armenia: National Accounts, Gross Dometic Product. Unter: http://armstatbank.am/pxweb/en/ArmStatBank/?rxid=002cc9e9-1bc8-4ae6-aaa3-40c0e377450a, abgerufen: 20.04.2016.

3.1 Die Entwicklung in Armenien 1991–2015

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schafts- und Finanzkrise in 2009 bis zu 14,1 % zurückging und bis 2015 nicht den Stand des Jahres 2007 erreichen konnte.416 Zum Bruttoinlandsprodukt, das in 2015 bei 10.560 Mrd. USD lag, trugen die Industrie 30,1 %, die Landwirtschaft 23,3 % und der Dienstleistungssektor 46,7 % bei. Die wichtigsten Industrieprodukte Armeniens kommen aus dem Bergbau (Kupfer, Gold, Molybdän), der Chemischen Industrie, dem Maschinenbau, der Stromerzeugung sowie Textil-, Metall-, Nahrungsmittel- und Aluminiumindus­ trie. Erzeugnisse der Informations- und Kommunikationsbranche gehören zu den sich am schnellsten entwickelnden Industriezweigen Armeniens. Ihr Beitrag zur Industrieproduktion stieg von 148.8 Mio. USD (1,7 % des BIP) in 2010 auf 559.1 Mio. USD (5,6 % des BIP) in 2015. In 2015 konnte zum Vergleich mit 2014 ein Wachstum von 21 % verzeichnet werden, somit gehört der IT-Bereich zu den am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweigen in Armenien.417 Die Landwirtschaft in Armenien basiert vor allem auf Viehzucht und dem Anbau von Obst und Gemüse sowie Tabak. In letzter Zeit wird besonders stark in den Tourismussektor investiert. Die Zahl der ausländischen Touristen verdoppelte sich von 2009 bis 2015 von 575.000 auf 1.192 Mio. Menschen.418 Das Gesamthandelsvolumen Armeniens erreichte in 2015 ca. 4.740 Mrd. USD oder 20,6 % weniger als im vorherigen Jahr mit ca. 5.971 Mrd. USD. In 2015 wurden von Armenien Waren im Wert von 1.486 Mrd. USD exportiert und Waren im Wert von 3.254 Mrd. USD importiert. Damit lagen die armenischen Exporte in 2015 um 3.9 % und die Importe um 26.5 % niedriger als im Vorjahr. In 2014 wurden Waren im Wert von 1.547 Mrd. USD exportiert und Waren im Wert von 4.424 Mrd. USD importiert. Armenien zeigt seit vielen Jahren ein großes Außenhandelsdefizit. In 2015 hat der Saldo in der Außenhandelsbilanz 1.767 Mrd. USD betragen und damit deutlich weniger als im Jahr 2014 mit ca. 2.877 Mrd. USD. Armeniens größter Außenhandelspartner ist Russland (24,8 %), gefolgt von China (9,8 %), Deutschland (7,4 %), Iran (4,9 %) und der Türkei (3,9 %).419 Der armenische Staatshaushalt umfasste 2015 Ausgaben von umgerechnet 2.9 Mrd. USD, dem standen Einnahmen von umgerechnet 2.5 Mrd. USD gegenüber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 4,8 % des BIP (2014: 1,9 %). Die Staatsverschuldung Armeniens ist seit 2008 dadurch rasant gewachsen. Während 416 Vgl. ebd. 417 Vgl. Ministry of Economic Development and Investement of the Republic of Armenia: Unter: http://www.mineconomy.am/arm/573/gortsaruyt.html, abgerufen: 20.04.2016. 418 Vgl. National Statistical Service of the Republic of Armenia: National Accounts, Gross Dometic Product. 419 Vgl. ebd. 91

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noch im Jahr 2008 die Staatsverschuldung nur 13,5 % des BIP ausmachte, betrug sie 2015 41,4 % des BIP oder 4.317 Mrd. USD (2014: 3.785 Mrd. USD oder 37.1 % des BIP). Das langsame Wirtschaftswachstum sowie geringe Direktinvestitionen können das Land in den kommenden Jahren in die Insolvenz führen.420 Obwohl Armenien keine gemeinsame Grenze mit Russland teilt, bleibt das Land wirtschaftlich stark von Russland so wie von keinem anderen Land – schon aus den Zeiten der Sowjetunion – abhängig. Russland ist der größte Direktinvestor in Armenien und die Schlüsselbereiche der armenischen Wirtschaft (Energie, Telekommunikation, Eisenbahn etc.) werden insbesondere von russischen Firmen kontrolliert. Die Rücküberweisungen der zahlreichen im Ausland lebenden Armenier stützen die Wirtschaft und die Mehrheit davon wird durch die armenischen Arbeitsmigranten in Russland erwirtschaftet. Laut Angaben der armenischen Zentralbank gingen die Geldüberweisungen der Auslandsarmenier in 2015 auf 1.430 Mrd. USD zurück (2014: ca. 2 Mrd. USD). Die Überweisungen machen etwa 17–18 % des armenischen Bruttoinlandsprodukts aus und stellen damit einen bedeutenden Faktor für das Wirtschaftswachstum dar.421 Während die Armutsrate noch in 2008 bei 27,6 % lag, stieg diese in Folge der globalen Wirtschaftskrise und der schwachen armenischen Wirtschaft in 2009 auf 35,9 % an. In 2013 ist die Armutsrate wieder auf 32 % und in 2015 auf 30 % gesunken. Nach amtlichen Angaben lag die Zahl der sehr armen Bevölkerung landesweit bei 70.000 Menschen. Die Armut wäre noch erheblicher, wenn nicht der Großteil der Familien durch Auslandsüberweisungen unterstützt würde.422 Auch wenn der Armutsanteil an der Bevölkerung langsam sinkt und sich die Wirtschaft mühsam fortbewegt, sieht sich die Mehrheit der Bevölkerung von diesen bescheidenen Erfolgen ausgeschlossen. Die Hauptgründe dafür sind die hohen Zahlen der Arbeitslosen (2015: 18,5 %), die Korruption sowie die Monopolbildung, oligarchische Strukturen, die die Modernisierung der armenischen Wirtschaft behindern und die Auslandsinvestitionen hemmen. Obwohl sich Armenien auf dem weltweiten Korruptionswahrnehmungsindex 2015 von Transparency International 420 Vgl. National Assembly of the Republik of Armenia: Bericht über den Haushalt der Republik Armenien in 2015. Unter: http://www.parliament.am/committee_docs_5/ FV/BKH_2015text.pdf, abgerufen: 20.04.2016. 421 Vgl. Central Bank of Armenia: Unter: https://www.cba.am/Storage/AM/downloads/ stat_data_arm/PRESS%20RELEASE-2015QR4.pdf, abgerufen: 20.04.2016; Vgl. Trading Economics: Armenia Remittances: 2004–2016. Unter: http://www.tradingeconomics. com/armenia/remittances, abgerufen: 20.04.2016. 422 Vgl. National Statistical Service of the Republic of Armenia: Unter: http://armstatbank. am/pxweb/en/ArmStatBank/?rxid=002cc9e9-1bc8-4ae6-aaa3-40c0e377450a, abgerufen: 20.04.2016.

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von Platz 123 von 178 Staaten in 2010 auf 95 von 168 Staaten in 2015 verbessern konnte, stellt die Korruption weiterhin ein gravierendes Problem dar.423 Das Land hat sich 2015 im „Doing Business Report“ der Weltbank von Platz 43 in 2010 auf 38 verbessert, was für das isolierte und wirtschaftlich schwache Land ein gutes Ergebnis ergibt.424 Trotz vieler Probleme und Grenzblockaden versucht die armenische Regierung die Wirtschaft aufzubauen und bedeutende Infrastrukturprojekte zu realisieren. Dazu zählen der Aufbau des neuen Atomkraftwerkes im Metsamor sowie die Nord-Süd-Autobahn und die iranische Eisenbahnstrecke, die die Kommunikation innerhalb Armeniens sicherstellen werden und die Verbindung an die Nachbarländer Iran und Georgien verbessern sollen. Die Aufhebung der Sanktionen seit Anfang 2014 gegenüber Iran haben neues Potenzial und Chancen für Armenien eröffnet, sowohl für die Realisierung der oben genannten Projekte als auch für die Belebung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran. Auf der anderen Seite haben die Sanktionen des Westens wegen der russischen Annexion der Krim und der Einbruch des Erdölpreises eine negative wirtschaftliche Entwicklung in Russland und damit auf die Nachbarländer hervorgerufen, darunter auch Armenien. Dadurch akzentuierten sich die strukturellen Probleme der armenischen Wirtschaft, die über Jahre stark von Russland abhängig war.

3.1.3 Außen- und Sicherheitspolitik Die Außenpolitik Armeniens ist darauf gerichtet, die Unabhängigkeit des Staates zu erhalten. Armenien war über Jahrhunderte ein Spielball ausländischer Inter­ essen und Bestrebungen. Die heutige Republik Armenien, die 1991 durch den Zerfall der Sowjetunion ihre Souveränität erlangte, wird in ihrer Außenpolitik von zwei Faktoren beeinflusst. Dazu gehören der seit 1988 schwelende Konflikt in Bergkarabach mit dem benachbarten Aserbaidschan im Osten und die historisch belasteten Beziehungen mit dem westlichen Nachbarn Türkei sowie die Anerkennung der Frage des Völkermordes. Diese beiden Fragen bestimmen nicht nur die Außenpolitik und die geopolitische Situation des Landes in der Region, sondern haben auch einen erheblichen Einfluss auf den Verlauf der innenpolitischen Lage und Politik des Südkaukasusstaates. Mit dem Zitat, „Zeige mir die Lage eines Landes 423 Vgl. Transparency International: Corruption by country, Armenia. Unter: https://www. transparency.org/country/#ARM, abgerufen: 20.04.2016. 424 Vgl. World Bank Group: Doing Business, Armenia. Unter: http://www.doingbusiness. org/data/exploreeconomies/armenia/, abgerufen: 20.04.2016. 93

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auf der Karte und ich erkläre Dir dessen Außenpolitik“425, versuchte der armenische Außenminister Wartan Oskanjan 2004 in Chatham House die geographische Lage Armeniens mit der Außenpolitik in Verbindung zu bringen. Laut dem Außenminister erfordere die geographische Lage Armeniens eine Außen- und Sicherheitspolitik der so genannten „Politik der Komplementarität“. Dazu erläuterte Außenminister Oskanjan in der FAZ vom 23. April 2004 Folgendes: „Das bedeutet, mit Ländern gute Beziehungen zu unterhalten, die – wie die Vereinigten Staaten und Russland – bei einigen Themen im Widerspruch zu stehen scheinen. In einem Teil mögen wir zu 80 % intensive Beziehungen mit Russland unterhalten, die anderen 20 % mit den Vereinigten Staaten oder der EU. Auf einem anderen Gebiet mag die Gewichtung anders sein. Das soll zu einer intensiveren wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Sicherheit beitragen, an der sich jeder beteiligen kann, der Interesse an der Region hat. […] Die Beziehungen zur Nato sind ein gutes Beispiel für unsere Politik der Komplementarität. Unsere Sicherheitsgarantien haben fünf Schichten: die Beziehungen zu Russland und dessen militärische Präsenz in Armenien, die kollektive Sicherheitsvereinbarung mit Russland und vier früheren Sowjetrepubliken, die CFE-Vereinbarung, die Transparenz bei den Waffen schafft, unsere Kooperation mit der Nato sowie die bilateralen Sicherheitskooperationen mit Ländern wie Griechenland und den Vereinigten Staaten, mit denen wir gerade eine Sicherheitszusammenarbeit begonnen haben. Diese Schichten bilden unsere Sicherheitspolitik.“426 Trotz der drei Änderungen in der Führung des Landes (Präsident Levon Ter-­ Petrosjan 1991–1998, Präsident Robert Kotscharjan 1998–2008 und Präsident Sersch Sargsjan seit 2008) ist Armeniens Außenpolitikstrategie der multidirektionalen Komplementarität zwei Jahrzehnte konstant und ausgeglichen geblieben. Ungeachtet der ausgerufenen und angestrebten komplementären Außenpolitik spielt Russland eine Schlüsselrolle in Armeniens Außen- und Sicherheitspolitik. Sowohl wirtschaftlich als auch militärpolitisch ist Armenien stark mit Russland verbunden und als einziger Staat im Südkaukasus sind russische Militärbasen in Armenien vertraglich bis 2044 stationiert, die laut armenischer Darstellung zu dem regionalen Gleichgewicht und der Stabilität beitragen. Es existieren auch militärpolitische Bündnisbeziehungen zwischen beiden Ländern, außerdem ist die Republik Armenien eines der sechs Mitglieder (Armenien, Kasachstan, Kirgisistan, 425 Ministry of Foreign Affairs of the Republic of Armenia: Statement by Vartan Oskanian Minister of Foreign Affairs of the Republic of Armenia at Chatham House. 16.04.2004. Unter: http://www.mfa.am/en/speeches/item/2004/04/16/vo/, abgerufen: 20.02.2016. 426 Frankfurter Allgemeine Zeitung: Ein Gespräch mit Armeniens Außenminister Vartan Oskanian. Die Ungewißheit wird andauern (Druckausgabe). 23.04.2004, S. 8.

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Russland, Tadschikistan, Belarus) und einziger Vertreter aus dem Südkaukasus in der von Russland dominierten OVKS.427 Die mehrgleisige Strategie Armeniens hat sich seit 2013 stärker an Russland ausgerichtet. Dies zeigt sich insbesondere nach den jahrelangen Verhandlungen mit Brüssel über ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen, das während des Gipfels der Östlichen Partnerschaft im November 2013 in Vilnius unterzeichnet werden sollte; es wurde überraschend vom armenischen Präsidenten Sersch Sargsjan zugunsten der von Russland präsidierten Zollunion am 3. September 2013 nach einem Treffen mit Putin entschieden. Seine Entscheidung begründete der armenische Präsident damit: „Wenn ein Land Teil eines militärischen Sicherheitssystems ist, ist es unmöglich, sich von einem Wirtschaftraum, der die gleichen Staaten umfasse, zu isolieren.“428 Somit bindet sich das Land sowohl militärisch als auch wirtschaftspolitisch stärker an Russland. Gleichzeitig bestand Sargsjan darauf, dass der Dialog mit „europäischen Strukturen“ fortgesetzt werde, und fügte hinzu, dass seine Regierung sich weiterhin um die von der EU geforderten institutionellen Reformen bemühen werde.429 Trotz der starken Abhängigkeit von Russland versucht die armenische Führung die Beziehungen mit dem Westen sowie mit den beiden Nachbarländern Georgien und Iran zu verbessern und zu vertiefen, um auch das Gleichgewicht der Außenbeziehungen wiederherzustellen. Mit verstärkten bilateralen Verhandlungen und einem politischen Austausch möchte die armenische Regierung verhindern, dass der Beitritt zu der Russischen Zollunion und seit Anfang 2015 zur EAWU wie eine endgültige Abwendung von der EU wirken könnte. Die armenische Diaspora in westlichen Ländern bemüht sich auch, das Heimatland mit den jeweiligen Diasporaländern stärker zu binden. Die armenischen Diasporaorganisationen ergeben eine Stärkung der armenischen Außenpolitik, vor allem in Frankreich und den USA, die an der Förderung der armenischen Interessen bei den westlichen Regierungen arbeitet. Die armenische Lobby zählt zu den drei größten ausländischen Lobbygruppen in den USA (dazu ausführlich im Kapitel 4.5.3).430 427 Vgl. Halbach, Uwe/Smolnik, Franziska: Russlands Stellung im Südkaukasus. Berlin, SWP-Studie 01/2014. Unter: https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/ aktuell/2014A01_hlb_smk.pdf, abgerufen: 20.02.2016. 428 Radio Free Europe/Radio Liberty: Armenia to Join Russian-Led Customs Union, in: RFE/ RL 03.09.2013. Unter: http://www.rferl.org/content/armenia-customs-union/25094560. html, abgerufen: 20.02.2016. 429 Vgl. ebd. 430 Vgl. Staudt, Kirsten: Strategien des Gehörtwerdens. Der Völkermord an den Armeniern als Politikum: ein deutsch-französischer Vergleich. Bielefeld 2015; Jaffe, Mayan: The Times of Israel. Armenian-American lobby is powerful, despite overt support of Iran, 95

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Als ein Mittel, die Beziehungen zu der EU zu stabilisieren sowie die Zusammenarbeit wiederzubeleben, beschlossen die EU und Armenien, einen neuen Grundlagenvertrag auszuhandeln, für den die Verhandlungen am 7. Dezember 2015 von beiden Seiten aufgenommen wurden.431 Die Beziehungen zu dem benachbarten Georgien und der Islamischen Republik Iran sind traditionell gut und in der außenpolitischen Strategie des Landes spielen sie eine essenzielle Rolle wegen der Transit- und Transportmöglichkeiten durch ihre Gebiete. In den letzten Jahren baut Armenien seine Verbindungen zu den Ländern im Nahen Osten aus. Es knüpft dabei an seine traditionelle Rolle als Mittler zwischen Orient und Okzident an und wird auch dort von seinen Diasporagemeinden stark unterstützt.432 Ein besonderes Mittel der armenischen Außen- und Sicherheitspolitik ist die Beteiligung des Landes an den internationalen Friedensmissionen unter griechischem, polnischem, deutschem, italienischem Kommando mit mehr als zweihundert Soldaten, vor allem Ärzten und Aufbauhelfern im Kosovo, Irak, Afghanistan und Libanon.433 Außerdem beteiligt sich Armenien an der NATO-Partnerschaft für den Frieden, (PiP-Programm), und ist Mitglied im Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat, einer NATO-Organisation, die auf Initiative der Vereinigten Staaten in 1997 gegründet wurde, um die politische und militärische Zusammenarbeit der Staaten des Ost- und Westblocks zu intensivieren.434 Von den NATO-Mitglied-Staaten unterhält Armenien engere Kontakte mit Griechenland, das nach Russland einer der wichtigsten militärischen Partner Armeniens ist. Seit 1996 besteht ein Abkommen für militärische Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten, infolgedessen armenische Offiziere in den griechischen

431 432 433

434

Russia and opposition to Israel, Azerbaijan, in: Times of Israel 24.10.2014. Unter: http:// blogs.timesofisrael.com/armenian-american-lobby-is-powerful-despite-overt-support-of-iran-russia-and-opposition-to-israel-azerbaijan/, abgerufen: 20.02.2016; Brzezinski, Zbigniew: A Dangerous Exemption. Foreign Policy 01.07.2006, S. 63. Vgl. European External Action Service: EU and Armenia to start negotiations for a new agreement. 07.12.2015. Unter: http://eeas.europa.eu/top_stories/2015/071215_euarmenia_agreement_negotiations_en.htm, abgerufen: 20.02.2016. Vgl. Ministry of Forreign Affairs of the Republic of Armenia: Bilateral Relations. Unter: http://www.mfa.am/en/country-by-country/, abgerufen: 20.02.2016. Vgl. Armenpress: 2 thousand Armenian servicemen conducted peacekeeping missions in hot spots, in: Armenpress.com 29.05.2015. Unter: http://armenpress.am/eng/ news/807204/2-thousand-armenian-servicemen-conducted-peacekeeping-missionsin-hot-spots.html, abgerufen: 15.09.2017. Vgl. NATO: Relations with Armenia. Unter: http://www.nato.int/cps/da/natohq/ topics_48893.htm, abgerufen: 20.02.2016.

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Militärakademien ausgebildet werden und Griechenland verschiedene technische und militärische Hilfen an Armenien liefert. Die seit 2004 im Kosovo stationierten armenischen Soldaten sind Teil des griechischen Kontingents.435 Die Streitkräfte des unabhängigen Armeniens wurden am 28. Januar 1992 im Zuge des Bergkarabach-Kriegs gegründet, deren Oberbefehlshaber laut der armenischen Verfassung der armenische Präsident ist.436 Armenien unterhält Streitkräfte mit 51.580 Soldaten. Es besteht eine allgemeine Wehrpflicht. Der Wehrdienst dauert 24 Monate. Zusätzlich zu den aktiven Soldaten stehen ca. 200.000 Reservisten und 4.700 Paramilitärs zur Verfügung.437 Es liegt eine enge militärische Kooperation mit russischen Streitkräften sowie der in Armenien stationierten russischen Militärbasis 102 in Gjumri mit ca. 5.000 Soldaten vor. Die Grenzwächter der russischen Militärbasis stehen an der Grenze zur Türkei und Iran, die armenischen dagegen überwachen die Grenze zu Georgien und Aserbaidschan.438 Das Land wandte 2013 umgerechnet 447 Mio. USD für seine Verteidigung auf. In 2001 waren es lediglich 159 Mio. USD. Der dreifache Anstieg der Militärausgaben Armeniens ist mit den stark steigenden Ausgaben Aserbaidschans zu begründen, um die Militärbalance in der Region zu bewahren. Im gleichen Zeitraum hat Aserbaidschan seine Militärausgaben von 338 Mio. USD auf 3.7 Mrd. USD erhöht. Finanzieren kann das Land diese gigantischen Militärausgaben dank des Öl-Booms nach der Fertigstellung des BTC-Erdölpipeline.439 Nach dem Globalen Militarisierungsindex (GMI) 2014 des Bonner Internationalen Konversionszentrums (BICC) ist Armenien die Nummer Eins auf der Rangliste der hochgerüsteten Länder in Europa. Demgegenüber liegt sein Gegner Aserbaidschan auf dem 5. Platz. Tatsächlich ist Armenien nach diesem Ranking hinter Israel (1) und Singapur (2) der drittstärkste militarisierte Staat der Welt.440

435 Vgl. Ministry of Forreign Affairs of the Republic of Armenia: Bilateral Relations, Greece. Unter: http://www.mfa.am/en/country-by-country/gr/, abgerufen: 20.02.2016. 436 Vgl. Ministry of Defence of the Republic of Armenia: Historical Overview. Unter: http://www.mil.am/en/68/71/288, abgerufen: 20.02.2016. 437 Vgl. Internationale Institute for Strategic Studies (IISS): The Military Balance 2010, Routledge for the IISS. London 2010, S. 174. 438 Vgl. Halbach, Uwe/Smolnik, Franziska: Berlin, SWP-Studie 1/2014. 439 Vgl. Azadliq Radiosu: Report, Azerbaijan dominates defense spending in South Caucasus, in: Azadliq.org 05.02.2014. Unter: http://www.azadliq.org/content/article/25254316. html, abgerufen: 20.02.2016; MilitaryBudget.org: Armenien und Aserbaidschan (2001). Unter: http://militarybudget.org, abgerufen: 20.02.2016. 440 Vgl. Jan Grebe/BICC: BICC Globaler Militarisierungsindex 2014. Unter: https://www. bicc.de/uploads/tx_bicctools/141209_GMI_DEU.pdf, abgerufen: 20.02.2016. 97

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Der treibende Faktor für die hohe Militarisierung im Südkaukasus bleibt der ungelöste Bergkarabach-Konflikt. Armenien versucht seine Streitkräfte zu modernisieren und mit modernen Waffen auszurüsten. Dabei ist das Land wiederum stark auf die Zusammenarbeit mit Russland angewiesen, vor allem müssen auch die steigenden Militärausgaben Aserbaidschans dadurch in ein Gleichgewicht gebracht werden. Aufgrund der strategischen Partnerschaft mit Russland und der Mitgliedschaft in der OVKS wird Armenien der Erwerb von Waffen zu innerrussischen Preisen ermöglicht. Russland seinerseits liefert seit 2011 bedeutend mehr Waffen an Aserbaidschan, was in Armenien misstrauisch beobachtet wird. Aus Sicht des Kremls es ist kein „Verrat“ seiner Partner im Südkaukasus, sondern ein einfaches „Geschäftsinteresse“ Russlands. Außerdem wird in Moskau die günstige Waffenlieferung an Armenien als Kompensation für die massive Lieferung moderner Waffen an Aserbaidschan argumentiert.441

3.1.4 Demographie und ethnische Minderheiten Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schrumpfte die armenische Bevölkerung deutlich. Seit der Unabhängigkeitserklärung Armeniens 1991 und dem Krieg in Bergkarabach, dem Erdbeben von 1988 und anhaltender Embargo- und Blockademaßnahmen seitens der Türkei und Aserbaidschans gingen viele Armenier wegen der zu schwierigen finanziellen und sozialen Lage ins Ausland. Trotz des erheblichen Zuwachses der armenischen Flüchtlinge aus Aserbaidschan, 350.000, aus Tadschikistan, 25.000, aus Abchasien, 3.000, sowie weiterer 50.000 aus dem Norden von Bergkarabach in den ersten Jahren der 1990er Jahre war die wirtschaftliche Situation in Armenien nicht befriedigend, um einen langfristigen Schutz zu ergeben.442 Seit der Unabhängigkeit verlor das Land nach amtlichen Angaben mehr als eine Million Menschen, vor allem Einwohner mit hohem Bildungsgrad. Allein zwischen 1992 und 1995 sind etwa 450.000 Armenier vor allem nach Russland, in andere Staaten der GUS und später auch nach Westeuropa und in die USA emigriert.443

441 Vgl. Gevorgyan, Tigran: Yerevan Angry at Russian Arms Sales to Baku, in: IWPR 22.7.2014. Unter: https://iwpr.net/global-voices/yerevan-angry-russian-arms-sales-baku, abgerufen: 20.02.2016. 442 Vgl. Hofmann, Tessa: München 2006, S. 183. 443 Vgl. ebd., S. 183.

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Im ersten Jahr seiner Unabhängigkeit 1991 lebten 3.604 Mio. Menschen in Armenien. Der erste postsowjetische Zensus erbrachte 2001 eine nominelle Bevölkerung von 3.213 Mio., von denen nur 3.002 Mio. Menschen dauerhaft in Armenien lebten. Laut Angaben des zweiten Zensus von 2011 waren 3.018 Mio. Menschen im Land angemeldet und lebten de facto 2.871 Mio. in Armenien. Die letzten amtlichen Angaben erbrachten im Januar 2015 eine Gesamtbevölkerung von 3.010 Mio.444 Das entspricht auf der Grundlage der Bevölkerungszahl des Jahres 1991 ca. 16,5 % Rückgang der Bevölkerung. Trotz des Massenexodus der Armenier ist der „leichte“ Rückgang der Bevölkerung mit dem noch gegebenen Überschuss der Neugeborenen zu begründen. In 2015 wurden 41.763 Kinder lebend geboren. Die Zahl der Sterbefälle lag bei 27.878. Daraus ergibt sich ein Geburtenüberschuss von 13.885. Im Jahr 1991 lag der Geburtenüberschuss weitaus höher bei rund 54.400 (77.825 Neugeborene und 23.425 Sterbefälle).445 Damit hat sich in den letzten 23 Jahren der Geburtenüberschuss fast um 70 % verringert. Der Geburtenüberschuss mit nur 6.675 Menschen war im Jahr 2002 am geringsten, seitdem werden in Armenien kontinuierlich mehr Kinder geboren, als es Sterbefälle gibt, trotz der Halbierung der Zahl der Neugeborenen (1991: 77.825 und 2015: 41.763) und der leichten Zunahme der Sterbefälle (1991: 23.425 und 2015: 27.878).446 Die größte Auswanderung aus Armenien hat während der Amtszeit des ersten Präsidenten Levon Ter-Petrosjan stattgefunden. 1992–1988 sind ca. 585.000 Menschen ausgewandert, das waren auch die Jahre des Kriegs in Bergkarabach. Während der Amtszeit des zweiten Präsidenten Robert Kotscharjan (1998–2008) erlebte Armenien ein zweistelliges wirtschaftliches Wachstum, das positiv auf die Demographie und Emigration wirkte. Die Einwanderung überwog sogar die Auswanderung in 2004–2006 (+ 37.000). Insgesamt verließen aber 127.000 Menschen das Land zwischen 1998–2008 für immer. In den acht Jahren Amtszeit des dritten Präsidenten Sersch Sargsjan (seit 2008 im Amt) hatte Armenien wieder mit starken Auswanderungswellen zu kämpfen. Von 2008–2015 haben rund 303.000 Menschen das Land verlassen, was durchschnittlich ca. 37.900 Menschen pro Jahr entspricht.447 444 Vgl. National Statistical Service of the Republic of Armenia: Statistical Indicators, Demography. Unter: http://armstat.am/en/?nid=12&thid=demo&type=0&submit=Փնտրել, abgerufen: 20.04.2016. 445 Vgl. ebd. 446 Vgl. ebd. 447 Vgl. Hakobyan, Tatul: Artagaght’. Hayastani bnakch’ut’yan tramadrut’yunneri ts’uts’ich’y (Auswanderungszahlen der Bevölkerung Armeniens), in: Ani Armenian Research Center 01.03.2015. Unter: http://www.aniarc.am/2015/03/01/migration-ltp-rq-ss-1191-2016/, abgerufen: 10.01.2016. 99

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Von etwa 3.010.6 Mio. Menschen in Armenien in 2015 waren 1.439.1 männlich (47,8 %) und 1.571.5 weiblich (52,2 %). Armenien ist im Vergleich zu den Nachbarländern ein stark urbanisiertes Land, von der Gesamtbevölkerung lebten 2015 1.912.9 (63,6 %) Mio. Menschen in den Städten und 1.097.7 (36,4 %) auf dem Lande. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung (ca. 35,6 %) wohnte in der Hauptstadt Jerewan (1.071.5 Mio.). Armenier haben auch eine der höchsten Lebenserwartungen in der Region. 2015 lag diese durchschnittlich bei 75 Jahren, bei den Männern bei 71,7 Jahren und bei den Frauen bei 78,2 Jahren, und sie steigt fortlaufend an.448 Die Emigrationswelle hat beinahe eine demographische Katastrophe ausgelöst, die zu einer starken Schrumpfung der Bevölkerung in Armenien führte und sich laut Angaben der Vereinten Nationen im 21. Jahrhundert fortsetzen wird. Als ein klassisches Auswanderungsland lebt von den mehr als zehn Mio. Armeniern weltweit nur ein Viertel in ihrem Heimatland. Nach Angaben der Vereinten Nationen wird in 2050 die Bevölkerung in Armenien 2.729 Mio. Menschen umfassen.449 Die Gründe des Rückgangs der Zahl der Gesamtbevölkerung liegen einerseits in der andauenden Auswanderung wegen der schlechten Wirtschaftslage, der Kriegsbedohung in Bergkarabach und auf der anderen Seite in der niedrigen Geburtenrate in Armenien. Auch erlebt Armenien seit der Unabhängigkeit nicht nur eine erhöhte Auswanderung der Bevölkerung, sondern ebenso eine leichte Einwanderung aus den klassischen Diasporaländern. Die instabile Lage in einigen Ländern der Welt mit großen armenischen Gemeinden hat in letzter Zeit zur Rückkehr der Armenier aus Irak, Iran, Libanon, der Ukraine und von anderen Auslandsarmeniern zurück in das Land ihrer Väter geführt. Diese Entwicklung und die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in Armenien können langfristig die demographische Situation im Land verbessern. Laut Angaben des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) haben 17.000 Armenier seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien Schutz in Armenien gefunden.450 Je länger sich der Konflikt in Syrien hinzieht, desto mehr nimmt die Zuwanderung der einst mehr als 100.000 Menschen umfassenden armenischen Diasporagemeinde aus Syrien in Richtung der ehemaligen Sowjetrepublik Armenien zu. 448 Vgl. National Statistical Service of the Republic of Armenia: Statistical Indicators, Demography. 449 Vgl. United Nations: World population prospects, revision 2015. Unter: http://esa.un.org/ unpd/wpp/publications/files/key_findings_wpp_2015.pdf, abgerufen: 10.01.2016. 450 Vgl. United Nations Armenia: High Commissioner for Refugees, UNHCR/Armenia. Unter: http://www.un.am/en/agency/UNHCR, abgerufen: 10.01.2016.

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Bereits zur Sowjetzeit war Armenien das ethnisch homogenste Land des Roten Reiches. Diese Tendenz haben die wechselseitige Vertreibung der ethnischen Aserbaidschaner aus Armenien und der Zuzug der Armenier aus Aserbaidschan und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken noch verstärkt. Auch viele Angehörige anderer ethnischer Minderheiten haben das Land seit der Unabhängigkeit verlassen, heute bilden die Dagebliebenen nicht einmal 2 % der Gesamtbevölkerung. Somit ist der Anteil der Titularnation, die Prozentzahl der Armenier an der Gesamtbevölkerung, von 93,3 % im Jahr 1989 auf 98,2 % im Jahr 2011 gestiegen. Vor dem Bergkarabach-Krieg bildeten Aserbaidschaner die größte ethnische Minderheit in Sowjetarmenien. Mit ca. 161.000 Angehörigen bzw. 5,3 % hatte die Gemeinde ihre Höchstzahl in Armenien in 1979 erreicht, da mit der Bergkarabach-Bewegung zahlreiche Menschen fluchtartig das Land verlassen haben. Mit ihnen sind auch ca. 4.500 muslimische Kurden geflohen, die sowohl sprachlich als auch kulturell stark mit den Aserbaidschanern assimiliert waren.451 Nach Angaben der UNHCR lebt heute noch eine kleine Zahl von Aserbaidschanern in Arme­ nien, die nicht genau zu beziffernd ist. Die meisten von ihnen sind Abkömmlinge gemischter Ehen. Laut Schätzungen von 2001 des armenischen Historikers Suren Hobosjan des Instituts für Archäologie und Ethnographie leben in Armenien noch etwa 300–500 Aserbaidschaner, von denen nur 20 % reine Aserbaidschaner sind, den Rest bilden Nachkommen von Mischehen. Andere Nichtregierungsorganisationen beziffern die Zahl der Aserbaidschaner in Armenien auf bis zu 8.000, mitgezählt die Aserbaidschaner mit veränderten Namen.452 Im Februar 2007 erklärte die Leiterin der Abteilung für nationale Minderheiten und Religionsangelegenheiten der Republik Armenien Hranoush Kharatjan: „Yes, ethnic Azerbaijanis are living live in Armenia. I know many of them but I can’t give numbers. Armenia has signed a UN convention according to which the states take an obligation not to publish statistical data related to groups under threat or who consider themselves to be under threat if these groups are not numerous and might face problems. During the census, a number of people described their ethnicity as Azerbaijani. I know some Azerbaijanis who came here with their wives or husbands. Some prefer not to speak out about their ethnic affiliation; others take

451 Vgl. Hofmann, Tessa: München 2006, S. 186. 452 Vgl. Hakobyan, Tatul: The Azerbaijanis Residing in Armenia don’t want to form an ethnic community, in: Hetq.am 19.02.2007. Unter: http://hetq.am/eng/news/5904/ the-azerbaijanis-residing-in-armenia-dont-want-to-form-an-ethnic-community.html, abgerufen: 10.01.2016. 101

102

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it more easily. We spoke with some known Azerbaijanis residing in Armenia but they haven’t manifested a will to form an ethnic community yet“453. Jahr Armenier Jesiden Russen Assyrer Kurden454 Ukrainer Griechen Georgier Iraner Weiss­russen Aserbaidschaner Andere Insgesamt

1926 1939 1959 1970 1979 1989 2001 2011 743.571 1.061.997 1.551.610 2.208.327 2.724.975 3.083.616 3.145.354 2.961.801 (84,5 %) (82,8 %) (88 %) (88,6 %) (89,7 %) (93,3 %) (97,9 %) (98,1 %) 15.262 20.481 25.627 37.486 50.822 56.127 40.620 35.308 (1,7 %) (1,5 %) (1,4 %) (1,5 %) (1,6 %) (1,6 %) (1,2 %) (1,17) 19.548 51.464 56.477 66.108 70.336 51.555 14.660 11.911 (2,2 %) (4 %) (3,2 %) (2,6 %) (2,3 %) (1,5 %) (0,4 %) (0,4) 2.215 3.280 4.326 5.544 6.183 5.963 3.409 2.769 (0,3 %) (0,2 %) (0,2 %) (0,2 %) (0,2 %) (0,1 %) (0,1 %) 0,09 % 1.519 2.162 (0,04 %) (0,07 %) 2.826 5.496 5.593 8.390 8.900 8.341 1.633 1.176 (0,3 %) (0,4 %) (0,3 %) (0,3 %) (0,2 %) (0,2 %) (0,05 %) (0,03 %) 2.980 4.181 4.976 5.690 5.653 4.650 1.176 900 (0,3 %) (0,3 %) (0,2 %) (0,2 %) (0,1) (0,1 %) (0,03 %) (0,03) 274 652 816 1.439 1.314 1.364 617 (0,03 %) (0,05 %) (0,04 %) (0,05 %) (0,04 %) (0,04 %) (0,02 %) 476 (0,01) 360 458 805 1.179 1.183 1.061 160 (0,04 %) (0,03 %) (0,04 %) (0,04 %) (0,03 %) (0,03 %) (0,004 %) 83.181 130.896 107.748 148.189 160.841 84.860 (9,4 %) (10,2 %) (6,1 %) (5,9 %) (5,2 %) (2,5 %) 10.927 3.433 9.396 9.521 7.052 7.239 4.480 1.734 (1,2 %) (0,2 %) (0,5 %) (0,3 %) (0,2 %) (0,2 %) (0,1 %) (0,05 %) 878.929 1.282.338 1.763.048 2.491.873 3.037.259 3.304.776 3.213.011 3.018.854

Abb. 9 Bevölkerungszensus in Armenien 1926–1989, 2001–2011455

453 Ebd. 454 Bis zum Ende der Sowjetunion wurden die Kurden und Jesiden zusammengezählt, nach der Unabhängigkeit Armeniens fanden sie sich separat in der offiziellen Volkszählung 2001/2011. 455 Vgl. Ethno-kavkaz.narod.ru: Naseleniye Respubliki Armeniya (Bevölkerung der Republik Armenien). Unter: http://www.ethno-kavkaz.narod.ru/rnarmenia.html, abgerufen: 10.01.2016; Demoscop Weekly: All-Union Census of the Soviet Population. Die nationale Zusammensetzung der Bevölkerung durch Regionen der Republiken der UdSSR. Unter: http://demoscope.ru/weekly/ssp/sng_nac_26.php? reg=2314, abgerufen: 10.01.2016; National Statistical Service of the Republic of Armenia: Population Census 2001 and 2011.

3.1 Die Entwicklung in Armenien 1991–2015

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Nach dem Verlust der aserbaidschanischen Minderheit gelten die Jesiden gegenwärtig als die zweitgrößte Minderheit der Republik Armenien. Die Zahl der Jesiden zusammen mit muslimischen Kurden betrug in 1989 rund 56.000. Laut Angaben des letzten Zensus 2011 lebten in Armenien 35.308 Jesiden bzw. 1,17 % der Gesamtbevölkerung. Die Jesiden sind eine Nordkurdisch (Kurmandschi) sprechende religiöse Minderheit, weltweit mit mehreren hunderttausend Angehörigen. Wie in der ganzen Welt, sind auch die in Armenien lebenden Jesiden über die Frage uneinig, ob sie sich als ethnische Kurden definieren sollen oder als eigenständige ethno-religiöse Gruppe.456 Neben den Jesiden leben in Armenien 2.162 Nordkurdisch sprechende Kurden. Für die beiden Minderheiten strahlt der öffentliche Rundfunk Armeniens „Radio Jerewan“ seit 1990 täglich Programme in nordkurdischer Sprache aus. Die Jesiden in Armenien sind gut in die Gesellschaft integriert, pflegen aber ihre kulturellen Traditionen, haben ihre Religionsfreiheit und jesidsche Schulen und Zeitungen. Die erste Jesiden-Schule weltweit wurde im Jahr 1920 in Armenien eröffnet und im Jahr 1990 wurde in Armenien ein jesidisches Alphabet auf Grundlage russischer Buchstaben geschaffen.457 Trotz der toleranten Atmosphäre in Armenien stehen die Jesiden auch vor denselben sozial-ökonomischen Problemen wie jeder Bürger Armeniens und weisen eine hohe Auswanderungstendenz seit 1991 auf. Allein in der Bundesrepublik Deutschland leben rund 10.000 aus Armenien stammende Jesiden.458 Besonders stark ist die Zahl der Russen in Armenien seit 1991 gesunken – von 51.555 in 1989 auf 11.911 in 2011. Seit der Unabhängigkeit Armeniens verzeichneten die anderen Minderheiten (Assyrer, Ukrainer, Griechen) auch einen dramatischen Rückgang angesichts der sozioökonomischen Krise. Fast alle großen Minderheiten Armeniens sind in Vereinen und Gemeinden organisiert, können ihre nationalen Besonderheiten, ihre Kultur und Traditionen pflegen; ihre Muttersprachen bilden auch in einigen Schulen die Unterrichtsprache.459 456 Vgl. Serinci, Deniz: The Yezidis of Armenia face identity crisis over kurdish ethnicity, in: Rudaw.net 28.05.2014. Unter: http://rudaw.net/english/people-places/28052014, abgerufen: 10.01.2016. National Statistical Service of the Republic of Armenia: Population Census 2001 and 2011. Unter: http://armstat.am/en/?nid=21, abgerufen: 20.04.2016. Religion in Armenien, laut der Volkszählung von 2011. Unter: http://armstat.am/ en/?nid=21, abgerufen: 10.01.2016. 457 Vgl. Asatryan, Garnik/Arakelova, Victoria: The Ethnic Minorities of Armenia, Yerevan 2002. 458 Vgl. Hofmann, Tessa: München 2006, S. 187. 459 Vgl. Asatryan, Garnik/Arakelova, Victoria: The Ethnic Minorities of Armenia, Yerevan 2002. 103

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Aus religiöser Sicht bleibt Armenien ein einheitliches, mit über 95 % vom Christentum geprägtes Land. Die Religionsfreiheit und das Recht auf ungestörte Religionsausübung werden in der armenischen Verfassung gewährleistet und mit dem Religionsgesetz geregelt. Laut Angaben des Zensus von 2011 gehört die überwältigende Mehrheit, 92,5 %, der Einwohner Armeniens der Armenischen Apostolischen Kirche an. Obwohl die Trennung von Staat und Religion in der Gesetzgebung festgelegt wurde, besitzt die armenische-apostolische Kirche in Armenien einen Sonderstatus als Nationalkirche. Deren religiöses Zentrum liegt in der Nähe von Jerewan in Etschmiadsin, wo auch ihr Patriarch und Katholikos residiert.460 Daneben gehören ca. 2,3 % der Bevölkerung zu anderen christlichen Kirchen, 0,8 % zum Jesidentum, 4 % haben sich als unreligiös bezeichnet und weitere 0,4 % rechnen zu kleineren, zahlenmäßig unbedeutenden Religionsgemeinschaften. Zahlenstark sind die evangelischen (29.880), armenisch-katholischen (13.996) und orthodoxen (7.587) Gruppen sowie die Zeugen Jehovas (8.695)461 vertreten.462 Andere Gruppen mit christlichem und nicht christlichem Hintergrund, Muslime, Juden und paganistische Gruppen sind zahlenmäßig unbedeutend, aber ein Ausdruck der religiösen Pluralisierung in Armenien. Fast alle Religionsgruppen haben ihre Gotteshäuser im Land, darunter auch die jüdische Mordechai Navi Synagoge und die persische Blaue Moschee im Stadtzentrum von Jerewan. Der erste jesidische Tempel (Ziarat Tempel, 2012) außerhalb ihrer historischen Heimat (Lalisch, in Nordirak) wurde in Armenien gebaut.463

460 Vgl. Hofmann, Tessa: München 2006, S. 209–216. 461 Nach nicht offiziellen Angaben liegt die Zahl der Zeugen Jehovas in Armenien wesentlich höher, als die Ergebnisse der Volkszählung 2011veranschaulichen. 462 National Statistical Service of the Republic of Armenia: Population Census 2001 and 2011. 463 Vgl. Today’s Zaman: Armenia applies to place Blue Mosque on UNESCO’s World Heritage, in: Todayszaman.com 22.01.2013. Unter: http://www.todayszaman.com/ world_armenia-applies-to-place-blue-mosque-on-unescos-world-heritage-list_304799. html, abgerufen: 10.01.2016; Euro-Asian Jewish Congress: Face-lift for Jewish center in Armenia. 11.06.2011. Unter: http://www.lemberik.org/home/?p =820, abgerufen: 10.01.2016; Armenakyan, Nazik: Ziarat Day, in: ArmeniaNow.com 29.09.2012. Unter: http://www.armenianow.com/multimedia/feature_photo/57233/ziarat_day, abgerufen: 10.01.2016; National Statistical Service of the Republic of Armenia: Population Census 2001 and 2011. Religionen in Armenien, laut der Volkszählung von 2011. Unter: http:// armstat.am/en/?nid=21, abgerufen: 10.01.2016.

3.2 Die Entwicklung in Aserbaidschan 1991–2015

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Die Entwicklung in Aserbaidschan 1991–2015

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3.2.1 Politische Entwicklung

Die Republik Aserbaidschan löste sich am 29. Dezember 1991 von der Sowjetunion als Resultat einer Volksabstimmung mit 99,58 % der Zustimmung.464 Das Land etablierte sich als demokratischer und säkularer Staat, mit einer starken Position des Staatspräsidenten. Der erste Präsident Abulfas Eltschibei kam durch die erste und einzige demokratische Wahl in der aserbaidschanischen Geschichte im Jahr 1992 an die Macht. Sein Vorgänger Ajas Mutalibow war gezwungen, nach den Ereignissen in Chodschali durch den Druck der Volksfront-Partei zurückzutreten. Die Präsidentschaft von Abulfas Eltschibei (Juni 1992 – Juni 1993), die rund ein Jahr dauerte, blieb als „Experiment der Opposition“465 in Aserbaidschan in der Erinnerung der Bevölkerung. Engpässe in der Versorgung mit Konsumgütern, Niederlagen an der Bergkarabach-Front sowie seine betonte pro-türkische und anti-russische sowie anti-iranische Politik stellten Eltschibei vor große Herausforderungen. Diese innenpolitischen Auseinandersetzungen führten zum Machtwechsel. Heidar Alijew und seine Partei Neues Aserbaidschan,466 gegründet auf den Strukturen der ehemaligen KP Aserbaidschans in 1992, nutzten die Gunst der Stunde und kamen am 3. Oktober 1993 mit 98,8 % der Wählerstimmen an die Macht.467 Da es nicht allen Parteien erlaubt war, an den Wahlen teilzunehmen, wurden die Wahlen von den KSZE-/ OSZE-Beobachtern kritisiert und als undemokratisch bezeichnet.468 Das Jahr 1994 war von einem politischen Machtkampf zwischen den Anhängern von Alijews, Eltschibeis und Mutalibows gekennzeichnet. Um seine Macht zu legalisieren und die Opposition auszuschalten, verhaftete der neue Staatschef seine politischen Gegner, verfolgte Parteimitglieder und unterdrückte alle Gegenstimmen im Land. Die autoritäre Herrschaft der Heidar Alijew spiegelte sich bei den Parlamentswahlen im November 1995 wider, bei denen seine Partei Neues Aserbaidschan 59 Sitze des 125-köpfigen Parlaments besetzte.469 464 Vgl. Sidikov, Bahodir: Aserbaidschan – Machtpoker um die Petrodollars, in: von Gumppenburg, Marie-Carin/Steinbach, Udo: Der Kaukasus, Geschichte – Kultur – Politik. München, Verlag C. H. Beck 2008, S. 54. 465 Vgl. ebd., S. 56. 466 Aserbaidschanisch: Yeni Azərbaycan Partiyası, kurz YAP. 467 Vgl. Sidikov, Bahodir: München 2008, S. 54–59. 468 Vgl. Bischof, Henrik: Bonn 1995, S. 18. 469 Vgl. Partei Neues Aserbaidschan: Parlamentswahlen 1995. Unter: http://www.yap.org. az/az/view/pages/59, abgerufen: 20.04.2016. 105

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In der Folgezeit bauten der Präsident und seine Regierungspartei ihre Macht aus, jede kritische Regung, zahlreiche Journalisten und Medien wurden unterdrückt und Oppositionsparteien, wie die Volksfront Aserbaidschan, Gleichheitspartei (aserb. Müsavat), Demokratischer Kongress und die Nationale Unabhängigkeit, wurden in ihrem Handlungsspielraum beeinträchtigt. Somit konnte der autoritär regierende Präsident bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 1998 mit 76,11 % der Stimmen im Amt bestätigt werden.470 Er erweiterte die Sitze der eigenen Partei bei den Parlamentswahlen in 2000 auf 79471 und ließ seinen Sohn Ilham, zu dem Zeitpunkt Vizepräsident der staatlichen Erdölgesellschaft SOCAR, im August 2003 vom Parlament zum Ministerpräsidenten wählen. Zu diesem Zeitpunkt war der Vater Alijew altersbedingt gesundheitlich schwer angeschlagen, deshalb übergab er systematisch die Macht an seinen Sohn Ilham, der am 15. Oktober 2003 mit rund 76 % zum Präsidenten gewählt wurde.472 Auch wenn die Wahlen von der OSZE und anderen internationalen Organisationen stark kritisiert wurden, erkannten die EU und die USA die Wahlen sofort an und legalisierten dadurch Ilham Alijew als Nachfolger seines Vaters, der das Land zuvor zehn Jahre regiert hatte. Die Westausrichtung der Rohstoffpolitik Aserbaidschans soll dabei eine starke Rolle gespielt haben. Diese Art des Machterhalts in Aserbaidschan wurde in der sozialwissenschaftlichen Literatur als „dynastischer Herrschaftswechsel“473 und „präsidentielle Monarchie“474 beschrieben. Mit eiserner Hand baute Alijew Junior seinen Machtapparat aus und setzte die Repressionen gegen die politischen Gegner und Medien fort. Um das Volk nach innen zu mobilisieren, verschärfte er seine Kriegs- und Hassrhetorik gegen Armenien und die armenische Diaspora und machte aus der Bergkarabach-Frage eine starke politische Argumentation gegen seine Oppositionellen.475 470 Vgl. Sidikov, Bahodir: München 2008, S. 59 f. 471 Vgl. Partei Neues Aserbaidschan: Parlamentswahlen 2000. Unter: http://www.yap.org. az/az/view/pages/60, abgerufen: 20.04.2016. 472 Vgl. President of Azerbaijan: Biography, Ilham Heydar oglu Aliyev. Unter: http:// en.president.az/president/biography, abgerufen: 20.04.2016. 473 Helmerich, Martina: Vom Familienclan zur Erbdynastie – Der Sonderweg Aserbaidschans, in: Bos, Ellen/Helmerich, Antje (Hrsg.): Zwischen Diktatur und Demokratie, Staatspräsidenten als Kapitäne des Systemwechsels in Osteuropa. Osteuropa-Studien 5, Berlin 2006, S. 135; Halbach, Uwe: Herbst der Patriarchen. Wahlen, dynastischer Herrschaftswechsel und „Rosenrevolution“ im Südkaukasus. Berlin, SWP-Aktuell No. 49, 11/2003, S. 1. 474 Kamrava, Mehran: State Building in Azerbaijan: The Search for Consolidation, in: Middle East Journal, Vol. 55, No. 2 (Spring, 2001), S. 216–236. 475 Vgl. Elibegova, Anzhela/Adibekyan, Armine: Armenophobia in Azerbaijan. Jerewan 2015. Unter: http://www.stophatespeech.net/en/content.html, abgerufen: 20.04.2016.

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Wie erwartet, gewann seine Partei Neues Aserbaidschan sowohl die Parlamentswahlen von 2005 (64 Sitze) als auch in 2010 (72 Sitze) und 2015 (69 Sitze). Mit einer relativen Mehrheit im Parlament und praktisch ohne Gegenstimmen konnte Ilham Alijew seine Macht zementieren. Der Rest der Sitze im Parlament 2015 ist mehrheitlich von Regierungstreuen, aber als „unabhängig und parteilos“ bezeichneten Abgeordneten (53 Sitze) und Vertretern von Kleinstparteien (Bürgerliche Solidaritätspartei 2 Sitze, Mutterlandpartei 1 Sitz) besetzt.476 In einem Kräfteverhältnis, wo die Opposition stark zersplittert ist und kontinuierlich in die Bedeutungslosigkeit geführt wurde, konnte Ilham Alijew bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2008 mit 88,73 % der Stimmen im Amt bestätigt werden. Die Oppositionskandidaten boykottierten die Wahlen und die OSZE-Wahlbeobachter kritisierten sie als nicht den internationalen Standards entsprechend.477 Als Alleinherrscher ließ Präsident Alijew im Jahr 2009 eine Verfassungsänderung durchführen, deren Hauptzweck darin bestand, das bisher bestehende verfassungsrechtliche Verbot der mehrmaligen Wiederwahl des Staatspräsidenten durch Artikel 101, Absatz IV der Verfassung aufzuheben und in Zeiten militärischer Operation bis zu deren Ende verlängern zu können.478 Aus regierungsnahen Kreisen wurde die Begrenzung der Amtszeit als eine Einschränkung der Demokratie bezeichnet479 sowie als „Menschenrechtsverletzung des Präsidenten“480, der nicht mehr als zweimal gewählt werden dürfte. Sowohl die Opposition und unabhängige Experten aus Aserbaidschan als auch die Venedig-Kommission des Europarats kritisierten die neuen Verfassungsänderungen: „As a rule, it can be said that the abolition of existing limits preventing the unlimited re-election of a President is a step back, in

476 Vgl. Partei Neues Aserbaidschan: Parlamentswahlen 2005, 2010, 2015. Unter: http:// www.yap.org.az/az/view/pages/62, abgerufen: 20.04.2016. 477 Vgl. OSCE: Election Observation Mission Final Report, Republic of Azerbaijan Presidential Election 15 October 2008. Warschau, 15.12.2008. Unter: http://www.osce.org/ odihr/elections/azerbaijan/35625 ?download=true, abgerufen: 20.04.2016. 478 Vgl. Morgenthaler, Gerd/Heuser, Christian: Die Verfassung der Republik Aserbaidschan –  Entwicklungslinien und Perspektiven, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV), 69 (2009), S. 365–396. 479 So der stellvertretende Vorsitzende und Geschäftsführer der Partei Neues Aserbaidschan, Ali Ahmedov, am 18.07.2008, vgl. Walker, Christopher: Azerbaijan’s Growing Contradictions between Economic and Democratic Development. Washington D.C. 29.07.2008. Unter: https://freedomhouse. org/sites/default/files/inline_images/CSCETestimony072908.pdf, abgerufen: 20.04.2016. 480 Avciya.az: Azerbaijani Ruling Party Offers to Hold Referendum to Inject Changes into Constitution. 07.11.2008. Unter: http://avciya.az/en/news/inthecountry/2149-azerbaijani-ruling-party-offers-to-hold.html, abgerufen: 20.04.2016. 107

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terms of democratic achievements.“481 Aufgrund der neuen Verfassungsänderung konnte Alijew nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit im Jahr 2013 zum dritten Mal mit rund 85 % der Stimmen im Amt bestätigt werden. Der Oppositionskandidat Dschamil Gassanli (5,4 % der Stimmen) sprach von einem gewaltigen Wahlbetrug und kündigte Proteste gegen den Präsidenten Ilham Alijew an. Auch die OSZE bewertete die Wahlen als Verletzung grundlegender Freiheiten.482 Die Familie Alijews, die seit der Sowjetunion 1969 mit kleiner Unterbrechung an der Spitze der Macht in Aserbaidschan bleiben konnte, unterdrückt jede Regime­ kritik mit harter Hand. Internationale Menschrechtsberichte zu Aserbaidschan verweisen auf Dutzende Journalisten, Blogger und politische Gefangene, die für Jahre verhaftet werden, meistens wegen „Drogenbesitz“, „Steuerhinterziehungen“ oder „Landesverrat“483. Das Regime duldet keine Pressefreiheit, und Menschrechte werden mit Fußen getreten. Laut Angaben der European Stability Initiative wurden im August 2014 98 politische Gefangene und Menschenrechtsaktivisten in den Gefängnissen Aserbaidschans gezählt, deutlich mehr als die Gefangenen in Russland und Belarus zusammen.484 Dafür ist die Regierungsclique sehr korrupt und die Vetternwirtschaft floriert. Im Jahre 2012 wurde Alijew zum „korruptesten Mann des Jahres“ vom Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) erklärt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit seitens der Organisation Reporter ohne Grenzen landet Aserbaidschan auf Platz 162 (2014: 160) von 180 Staaten in 2015.485 In dem von der amerikanischen Watchdog-Organisation Freedom House jährlich erstellten Bericht über politische

481 Venedig-Kommission der Europarat: CDL-AD (2009) 010-e
Opinion on the Draft Amendments to the Constitution of the Republic of Azerbaijan adopted by the Venice Commission at its 78th Plenary Session. Venice, 13–14. März 2009. Unter: http://www. venice.coe.int/webforms/documents/?pdf =CDL-AD(2009)010-e, abgerufen: 20.04.2016. 482 Vgl. Die Zeit: Opposition protestiert gegen Wiederwahl von Präsident Alijew, in: Zeit Online 10.10.2013. Unter: http://www.zeit.de/aktuelles/2013-10/aserbaidschan_ alijew_opposition_protest, abgerufen: 20.04.2016. 483 Vgl. Williamson, Hugh: Kritik hat keine Stimme in Aserbaidschan, in: Zeit Online 30.08.2014. Unter: http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-08/aserbaidschanmenschenrechtsverletzungen-erdoel, abgerufen: 20.04.2016. 484 Vgl. European Stability Initiative: The List, Political Prisoners in Azerbaijan. 8/2014. Unter: http://www.esiweb.org/pdf/THE%20LIST%20-%2098%20political%20prisoners%20in%20 Azerbaijan%20-%20August%202014.pdf, abgerufen: 20.04.2016. 485 Vgl. Reporter ohne Grenzen: Rangliste der Pressefreiheit 2015. Unter: https://www. reporter-ohnegrenzen.de/uploads/tx_lfnews/media/Rangliste_der_Pressefreiheit_2015. pdf, abgerufen: 20.04.2016.

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und bürgerliche Freiheiten wird Aserbaidschan seit Jahren als einziger der anerkannten Staaten im Südkaukasus als „unfrei“ bezeichnet.486

3.2.2 Wirtschaftliche Entwicklung Die Republik Aserbaidschan ist sowohl flächenmäßig als auch von der Bevölkerungszahl und der Wirtschaft her das größte Staatsgebilde im Südkaukasus. Seit der Unabhängigkeit ist Aserbaidschan Mitglied der GUS, der GUAM, der Weltbank, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Schwarzmeer-Region, in dem Europarat, der OSZE, den VN, der UNESCO, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, dem Internationalen Währungsfonds, der Turkstaat Kooperation (OATCT), der Organisation für Islamische Zusammenarbeit und hat einen Beobachterstatus in der Welthandelsorganisation.487 Neben Russland und Kasachstan gehört Aserbaidschan zu den drei großen Erdölexporteuren im postsowjetischen Raum. Nach dem Waffenstillstandsabkommen mit Bergkarabach 1994 erfolgte eine komplette Öffnung der Republik Aserbaidschan gegenüber ausländischen Investoren, um die reichlich vorhandenen fossilen Energieträger Erdöl und Erdgas des kaspischen Landes auf den Weltmarkt zu bringen. Durch den „Jahrhundertvertrag“ von 1994 lud der damalige Präsident Heidar Alijew Energieunternehmen aus aller Welt (BP, SOCAR, Chevron Texaco, Statoil, TPAO etc.) ein, an dem Ausbau der fossilen Rohstoffe des Landes teilzunehmen.488 Seit Juni 2006 transportiert die 1.769 km lange BTC-Ölpipeline aserbaidschanisches und kasachisches Erdöl zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Es bestehen zwei weitere Ölpipelines, die mit weniger Kapazität zum Schwarzmeerhafen Supsa (Georgien) und Noworossijsk (Russland) führen. Eine in 2006 in Betrieb genommene Pipeline transportiert Gas aus Baku zum türkischen Erzurum (BTE-Gaspipeline).489 Die Erdöl- und Erdgasförderung ermöglichten Aserbaidschan ein starkes Wirtschaftswachstum, das eine in 2006 (34,5 %) und 2007 (25 %) weltweit am schnellsten wachsende Volkswirtschaft präsentierte. Von 2000 bis 2010 vervierfachte sich die Realwirtschaft um das 15-Fache, das Exportvolumen und das BIP pro Kopf wuch486 Vgl. Freedom House: Freedom in the World 2015. 487 Vgl. Republic of Azerbaijan, Ministry of Foreign Affairs: Co-operation with international organizations. Unter: http://www.mfa.gov.az/en/content/737, abgerufen: 20.04.2016. 488 Vgl. SOCAR: Der staatliche Energiekonzern Aserbaidschans. Der Jahrhundertvertrag. Unter: http://socar.de/socar/der-jahrhundertvertrag/, abgerufen: 20.04.2016. 489 Vgl. SOCAR: Der staatliche Energiekonzern Aserbaidschans. BTC ÖL Pipeline. Unter: http://socar.de/socar/projekte-in-aserbaidschan/btc-ol-pipeline/, abgerufen: 20.04.2016. 109

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sen um das Fünffache von 1995 bis 2010. Mit über 50 Mio. t in 2010 erreichte die Erdölförderung ihren Höhepunkt in Aserbaidschan. In 2015 ist es auf 41.6 Mio. t. gesunken. Mit dem Rückgang der Erdölförderung hat sich das BIP-Wachstum verlangsamt und wuchs in 2011 lediglich um 0,1 %, in 2012 um 2,16 % in 2013 um 5,8 %, in 2014 um 2,8 % und in 2015 betrug es nur noch 1,1 %. Aufgrund des Öl-Booms konnte die Regierung mit großem Erfolg die Armut und Arbeitslosigkeit bekämpfen. Laut staatlichen Stellen lebten in 2015 nur 5 % der Menschen unter der Armutsschwelle (2004: 40,2 %) und 5,3 % waren arbeitslos.490 Nach Angaben unabhängiger Experten und NGOs liegt die tatsächliche Arbeitslosigkeit bei etwa 12 %.491 Während Aserbaidschan noch im Jahr 2014 ein BIP von 59.4 Mrd. aserbaidschanischen Manat, das entspricht etwa 75.2 Mrd. USD, erwirtschaftete, ist es in 2015 auf 54.3 aserbaidschanische Manat oder auf 52.9 Mrd. USD gesunken.492 Nach Prognosen wird das BIP in 2016 mit ca. 34.47 Mrd. USD deutlich geringer ausfallen als in den letzten beiden Jahren.493 Zum Bruttoinlandsprodukt, das noch vor der Krise in 2014 75.2 Mrd. USD umfasste, trugen die Industrie 58,0 %, der Dienstleistungssektor 31,7 % und die Landwirtschaft mit der Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei lediglich 5,3 % bei. Die Landwirtschaft bleibt weit unter ihrem Potenzial, aber auf der anderen Seite beschäftigt sie 35 % der Erwerbstätigen in Aserbaidschan.494 Die empfindliche Abhängigkeit der aserbaidschanischen Wirtschaft von der Rohstoffförderung spiegelt sich besonders im Warenexport des Landes wider. Über 86 % der aserbaidschanischen Exporterlöse 2015 stammten von der Ausfuhr von Öl und Gas, 28,2 % der gesamten Wirtschaftsleistung und fast 65 % der Einnahmen des Staates kommen aus diesem Wirtschaftssektor.495 490 Vgl. The State Statistical Committee of the Republic of Azerbaijan: Unter: http://www. stat.gov.az/menu/13/indexen.php, abgerufen: 20.04.2016. (Derzeit nicht mehr abrufbar). 491 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich: Aussenwirtschaft Austria, Update Aserbaidschan, April 2016. Unter: https://www.wko.at/Content.Node/service/aussenwirtschaft/az/AUSSENWIRTSCHAFT-UPDATE-Wirtschaftsbericht-aus-Aserbaidschan.pdf, abgerufen: 20.04.2016. 492 Vgl. The State Statistical Committee of the Republic of Azerbaijan: National accounts Use of GDP. Unter: https://www.azstat.org/MESearch/details?lang=en&type=2&id=207&departament=14, abgerufen: 20.04.2016. 493 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich: Aussenwirtschaft Austria, Update Aserbaidschan, April 2016. 494 Vgl. The State Statistical Committee of the Republic of Azerbaijan: National Accounts. Unter: https://www.azstat.org/MESearch/search?departament=1&lang=en, abgerufen am 20.04.2016. 495 Vgl. ebd.

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Der Rückgang der Erdölforderung und die anhaltend niedrigen Ölpreise auf dem weltweiten Rohstoffmarkt wirken sich erheblich auf den Außenhandel der Republik Aserbaidschan aus. Während noch im Jahre 2010 der Gesamtaußenhandel 27.960 Mrd. USD betrug und seinen Höhepunkt in 2011 mit 36.326 Mrd. USD erreichte, schrumpfte er seitdem bis auf 20.645 Mrd. USD in 2015. Besonders stark ist der Warenexport davon betroffen und sank von 21.828 Mrd. USD in 2014 (Importe: 9.187 Mrd. USD) auf fast die Hälfte in 2015 mit 11.424 Mrd. USD (Importe: 9.221 Mrd. USD). Der hohe Handelsbilanzüberschuss, den Aserbaidschan seit Jahren verzeichnete, ist dadurch auch stark von 12.641 Mrd. USD in 2014 auf nur 2.203 Mrd. USD in 2015 gesunken.496 Den größten Anteil hierbei hatten 2015 exportseitig Italien (19,73 %), Deutschland (10,71 %), Frankreich (7,56 %), Israel (7,00 %), Tschechien (4,81 %) und importseitig Russland (15,60 %), Türkei (12,70 %), USA (9,20 %), Deutschland (7,48 %) und Japan (6,00 %).497 Der aserbaidschanische Staatshaushalt umfasste 2015 Ausgaben von umgerechnet 17.080 Mrd. aserbaidschanischer Manat, dem standen Einnahmen von umgerechnet 17.730 Mrd. aserbaidschanischer Manat gegenüber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 650 Mio. aserbaidschanischer Manat.498 Die Hälfte des Staatshaushaltes wird über den Öl-Fonds SOFAZ finanziert, der in 1999 gegründet wurde, um die Gewinne aus der Rohstoffförderung für die wirtschaftliche Stabilität Aserbaidschans nach dem Ölzeitalter zu garantieren. Wegen des Ölpreisverfalls sanken auch die Einzahlungen in den Fonds zum ersten Mal in 2015 um 34,5 %. Im November 2015 betrugen die Währungsreserven der SOFAZ 34.7 Mrd. USD.499 Trotz der mit dem niedrigen Ölpreis einsetzenden Wirtschaftskrise bleibt die Auslandsverschuldung Aserbaidschans relativ niedrig, sie betrug im Dezember 2015 6.894 Mrd. USD, entsprechend 19,8 % des BIP.500 Sie stieg als Folge der Abwertung der Landeswährung Manat in 2015, die wegen der starken Rohstoffabhängigkeit und des weltweiten Verfalls des Ölpreises massiv unter Druck geriet und innerhalb eines 496 Vgl. ebd. 497 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich: Aussenwirtschaft Austria, Update Aserbaidschan, April 2016. 498 Vgl. The Ministry of Finance of the Republic of Azerbaijan: Presentation on the draft state and consolidated budgets for 2016 for the Republic of Azerbaijan. Baku 2015. Unter: http://www.maliyye.gov.az/sites/default/files/presentation-2016.pdf, abgerufen am 15.09.2017. 499 Vgl. SOFAZ: State Oil Fund of the Republic of Azerbaijan. General Information. Unter: http://www.oilfund.az/en_US/about_found/history/uemumi-melumat.asp, abgerufen: 20.04.2016. 500 Vgl. The Ministry of Finance of the Republic of Azerbaijan: Press – Reliz 16.08.2007. Unter: http://www.maliyye.gov.az/en/node/189, abgerufen: 20.04.2016. 111

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Jahres insgesamt um 97 % gegenüber dem USD abgewertet wurde. Infolgedessen fielen die staatlichen Devisenreserven der Zentralbank innerhalb eines Jahres von 13 Mrd. USD bis auf ca. fünf Mrd. USD zum Ende Dezember 2015.501 Auch wenn sich Aserbaidschan auf dem weltweiten Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International von Platz 134 von 178 Staaten in 2010 auf 119 von 168 Staaten in 2015 verbessern konnte, bleibt das Land eines der korruptesten im postsowjetischen Raum.502 Das Land hat sich 2015 im „Doing Business Report“ der Weltbank von Platz 38 in 2010 auf 63 verschlechtert.503 Heute befindet sich Aserbaidschan an einem Scheideweg. Nach Jahren starken Wachstums aufgrund der hohen Ölpreise im Weltmarkt nimmt die Ölproduktion seit 2011 stetig ab, die Ölpreise bleiben niedrig und die Auslandsinvestitionen schrumpfen, was zu einer merklichen Wachstumseinbuße in 2015 führte und sich in den kommenden Jahren verschärfen wird, wenn die Regierung keine Maßnahmen trifft, um die Wirtschaft zu diversifizieren, und ihren Entwicklungsschwerpunkt auf den Nicht-Energiesektor setzt. Potenzial bieten vor allem der Agrar- und Transportsektor sowie der Fremdenverkehr. Die Zahl der ausländischen Touristen hat sich von 2009 bis 2015 fast verdoppelt, von 1.005 Mio. auf 1.922 Mio. Menschen in 2015.504

3.2.3 Außen- und Sicherheitspolitik Aufgrund der geopolitischen Lage Aserbaidschans im Südkaukasus zwischen Russland und dem Iran und als einer der fünf Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres sowie wegen der reichlichen Vorkommen an Erdöl- und Erdgasressourcen wird dem Land geopolitisch eine große strategische Bedeutung beigemessen. Seit der Unabhängigkeit der Republik Aserbaidschan 1991 und der Aufnahme wirtschaftlicher und politischer Beziehungen mit den Ländern in direkter Nachbarschaft gewinnt Aserbaidschan eine „Flaschenhalsfunktion“ in der Region und 501 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich: Aussenwirtschaft Austria, Update Aserbaidschan, April 2016. 502 Vgl. Transparency International: Corruption Perception Index 2015. Unter: https:// www.iaca.int/images/news/2016/Corruption_Perceptions_Index_2015_report.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 503 Vgl. The World Bank: Doing Business Report of the World Bank. Ease of Doing Business in Azerbaijan. Unter: http://www.doingbusiness.org/data/exploreeconomies/ azerbaijan, abgerufen: 20.04.2016. 504 Vgl. The World Bank: International tourism, number of arrivals, Azerbaijan. Unter: https://data.worldbank.org/indicator/ST.INT.ARVL?locations=AZ&page=1, abgerufen: 20.04.2016.

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dient in der Umgehung von Russland und Iran als alternativer Transitweg vom Westen nach Zentralasien.505 Das Land versteht sich selbst als Brücke zwischen Osteuropa und Zentralasien und bemüht sich in seiner außenpolitischen Strategie um eine Wechselbeziehung mit allen Ländern der Region und den außerregionalen Akteuren und internationalen Organisationen. Dieses Bestreben prägte die Außenpolitik sowohl seit 2003 unter dem Präsidenten Ilham Alijew als auch die Politik seines Vorgängers und Vaters Heidar Alijew (1993–2003). Die Außenpolitik der Republik Aserbaidschan verfolgt unter anderem zwei grundlegende Ziele506 – auf der einen Seite die Wiederherstellung der territorialen Integrität des Landes im Rahmen der zu Zeiten der Sowjetunion von Moskau festgelegten Grenzen, das heißt die Rückeroberung von Bergkarabach (eine militärische Lösung ist dabei nicht ausgeschlossen), auf der anderen Seite die wirtschaftliche Stärkung und neue Wege für seine Energieressourcen auf dem internationalen Markt zu entwickeln. Die Wiederherstellung Aserbaidschans „territorialer Integrität“ ist ein mehrfach erwähntes Ziel der nationalen Sicherheit Aserbaidschans und in seinem Nationalen Sicherheitskonzept aufgeführt.507 Aserbaidschans Erdöl- und Erdgaspotenzial bildet den Grund für die Unterstützung seitens der USA und für Aserbaidschans prowestliche Orientierung.508 Der Reichtum an Energieressourcen lockt ausländische Investoren, die einerseits zum Wohlstand der Bevölkerung beitragen und andererseits eine entscheidende Bedeutung für das militärisches Potenzial und die Aufrüstung des Landes mit modernen Waffen darstellen. Es ist daher schwierig, eine klare Trennlinie zwischen der Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik Aserbaidschans zu ziehen. In Bezug auf seine direkten Nachbarn versucht Aserbaidschan einen Weg der Multipolarität und des Ausgleichs aller Kräfte und Akteure zu schaffen. Schlüsselspieler bleiben dabei die direkten Nachbarn in der Region, Russland, Iran, die Türkei, Georgien sowie auch das entferntere Israel. Alle Richtlinien befassen sich direkt oder indirekt mit dem Bergkarabach-Konflikt, den Energiefragen und der 505 Vgl. Brzezinski, Zbigniew: Frankfurt am Main, 4. Auflage, 10/2001, S. 188. 506 Vgl. Republic of Azerbaijan, Ministry of Foreign Affairs: Speeches, Articles and Interviews. Unter: http://www.mfa.gov.az/content/33, abgerufen: 20.02.2016. 507 Vgl. Embassy of the Republic of Azerbaijan to the United states of America: National Security Concept of the Republic of Azerbaijan. Approved by Instruction No. 2198 of the President of the Republic of Azerbaijan on 23 May 2007. Unter: http://www.azembassy.us/images/for_articles/Foreign_policy/Azerbaijan.pdf, abgerufen: 20.04.2016. 508 Vgl. Mamadov, Galib: Future of U.S.-Azerbaijani Relations, in: Foreign Policy Journal 02.03.2012. Unter: http://www.foreignpolicyjournal.com/2012/03/02/future-of-u-s-azerbaijani-relations/, abgerufen: 20.02.2016. 113

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nationalen Souveränität des Landes. Aserbaidschan hat traditionell gute Beziehungen zu Georgien und der kulturell, sprachlich und ethnisch verwandten Türkei. Die BTC-Ölpipeline, die BTE-Gaspipeline sowie das Bahnprojekt Baku-Tbilisi-Kars bilden die Basis der engen Zusammenarbeit.509 Die Energie spielt auch eine wichtige Rolle in der Beziehung mit Israel. Aserbaidschan liefert 40 % des israelischen Öls und bekommt im Gegenzug Hitechprodukte und Waffen. In 2012 wurde bekannt, dass Israel für 1.6 Mrd. USD Waffen an Aserbaidschan verkaufte.510 In Bezug auf die russische Föderation versucht Aserbaidschan gute Beziehungen mit Moskau zu unterhalten. Allerdings will Baku nicht von Moskau abhängig sein, weil Aserbaidschan noch koloniale Ressentiments gegenüber Russland fühlt. Es führte dazu, dass Baku im Jahr 1999 aus der OVKS zurücktrat und Mitglied der Sicherheitsallianz GUAM511 wurde, die mit der Unterstützung der USA ins Leben gerufen wurde, um den russischen Einfluss in der Region einzudämmen. Eine Mitgliedschaft in der von Russland dominierten EAWU, der Armenien 2015 beigetreten ist, hat für Baku keine Priorität.512 Aserbaidschan ist eine der sechs ehemaligen Sowjetrepubliken, die in das ÖP-Programm der EU im Jahr 2009 aufgenommen wurden, mit dem Ziel, die politischen und wirtschaftlichen Reformen zu fördern und die beteiligten Länder näher an die EU zu bringen. Baku strebt nach einer engen Beziehung mit der EU, jedoch ohne ein Beitrittsgesuch. Aserbaidschans primäre Bedeutung für die EU besteht darin, eine möglichst langfristige Alternative als Lieferant von Erdgas zu werden, unter Umgehung von Russland.513 509 Vgl. Shiriyev, Zaur: Policy Paper, Institutionalizing a Trilateral Strategic Partnership: Azerbaijan, Georgia, Turkey. Konrad-Adenauer-Stiftung 2016. Unter: http://www.kas. de/wf/doc/kas_43884-1522-1–30.pdf?160111112351, abgerufen: 20.02.2016. 510 Vgl. Shaffer, Brenda: Azerbaijan’s Cooperation with Israel Goes Beyond Iran Tensions, in: The Washington Institute for Near East Policy 16.04.2013. Unter: http://www. washingtoninstitute.org/policy-analysis/view/azerbaijans-cooperation-with-israelgoes-beyond-iran-tensions, abgerufen: 20.02.2016. 511 GUAM ist eine Organisation für Demokratie und Wirtschaftsentwicklung und besteht aus vier Ländern: Georgien, Ukraine, Aserbeidschan und Moldawien, deren Anfangsbuchstaben als Abkürzung des Namens dienen. Dazu ausführlich auf der offiziellen Webseite der GUAM. Unter: www.guam-organization.org, abgerufen: 20.02.2016. 512 Vgl. Trend (Nachrichtenagentur): Azerbaijan’s EEU membership not on agenda. 25.12.2015. Unter: http://en.trend.az/business/economy/2474086.html, abgerufen: 20.02.2016. 513 Vgl. Pashayeva, Gulshan: The EU-Azerbaijan Relationship: Current Status and Future Outlook. The Jamestown Foundation 13.11.2015. Unter: http://www.jamestown.org/ single/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=44598&tx_ttnews%5BbackPid%5D=7#.VvsfMIS5mCQ, abgerufen: 20.02.2016.

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Aserbaidschan intensivierte bereits seine Beziehungen zu Europa mit seinem Beitritt zum Europarat im Jahr 2001, es ermöglicht Aserbaidschan, sich noch mehr dem Westen zu öffnen und auf diese Weise in die europäischen Strukturen zu integrieren.514 Auf der anderen Seite berichten die europäischen Medien in letzter Zeit öfter darüber, dass Aserbaidschan eine „Kaviar-Diplomatie“ im Europarat und insbesondere in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates betreibe. Die Europäische Stabilitätsinitiative, ein Thinktank mit Sitz in Berlin, enthüllte in einem Bericht, „Wie Aserbaidschan den Europarat zum Schweigen brachte“515, dass Aserbaidschan jährlich 30 bis 40 EU-Abgeordnete mit teurem Kaviar, Seidenteppichen, Gold und Silber beschenkt und sie zu Reisen nach Aserbaidschan einlädt. Diese Aktionen ermöglichten es der Regierung von Ilham Alijew, regimekritische Berichte im Europarat zum Scheitern zu bringen. Aus sicherheitspolitischer Sicht, wie die beiden Nachbarstaaten Armenien und Georgien, ist Aserbaidschan auch an einer engen Kooperation mit der NATO interessiert. Aserbaidschan beteiligt sich an dem PfP-Programm und ist Mitglied im Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat seit seiner Gründung. Im Rahmen dieser Kooperation beteiligt sich das Land am ISAF-Einsatz in Afghanistan sowie in der Vergangenheit an Einsätzen im Irak und im Kosovo.516 Von den NATO-Mitglied-Staaten unterhält Aserbaidschan sehr enge Kontakte mit der benachbarten Türkei. In 2010 unterzeichneten die beiden Seiten eine Vereinbarung über militärische Hilfe.517 Die Vereinbarung sieht vor, das Ankara Baku im Falle eines Kriegs mit Armenien um Bergkarabach mit Waffen, militärischer Ausrüstung und, falls erforderlich, Soldaten versorgt. Schon seit 1992 besteht eine aktive Unterstützung mit Waffen und Militärberatern für Aserbaidschan durch die Türkei. Seit 2012 liegt eine trilaterale militärische Kooperation zwischen Aserbaidschan, Georgien und der Türkei vor. Im Rahmen der Zusammenarbeit finden jährlich militärische Übungen unter dem Namen „Kaukasischer Adler“ statt. Diese dreiseitige militärische Kooperation wird in Armenien als Bedrohung empfunden.518 514 Vgl. Republic of Azerbaijan, Ministry of Foreign Affairs: Azerbaijan and Council of Europe. Unter: http://www.mfa.gov.az/en/content/857, abgerufen: 20.02.2016. 515 Vgl. European Stability Initiative: Caviar Diplomacy. How Azerbaijan silenced the Council of Europe. Part 1. Berlin 24.05.2012. Unter: http://www.esiweb.org/pdf/ esi_document_id_131.pdf, abgerufen: 20.02.2016. 516 Vgl. NATO: Relations with Azerbaijan. Unter: http://www.nato.int/cps/en/natohq/ topics_49111.htm, abgerufen: 20.02.2016. 517 Vgl. Abassov, Shahin: Azerbaijan-Turkey Military Pact Signals Impatience with Minsk Talks – Analysts, in: Eurasianet.org 18.01.2011. Unter: http://www.eurasianet.org/ node/62732, abgerufen: 20.02.2016. 518 Vgl. Shiriyev, Zaur: Konrad-Adenauer-Stiftung, 2016, S. 12–16. 115

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Neben der Türkei ist die militärische Kooperation Aserbaidschans mit Russland, Israel und der Ukraine sehr eng, besonders in Fragen von Waffenlieferungen. Russland, als strategischer Partner Armeniens, als sein einziger Verbündeter im Südkaukasus, hält es nicht davon ab, Hauptwaffenlieferant für Aserbaidschan zu sein. Nach verschiedenen Einschätzungen, liefert Moskau 85 % der aserbaidschanischen Waffen.519 Nach dem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin 2013 in Baku sagte der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew: „Heute beträgt, die militärische und technische Zusammenarbeit mit Russland rund 4 Mrd. USD und sie neigt dazu, weiter zu wachsen.“520 Auch Israel und die Ukraine sind sehr daran interessiert, ihre militärische Zusammenarbeit mit Aserbaidschan zu vertiefen. Diese Kooperation ermöglichte Baku, Waffen in Milliardenhöhe zu erwerben. Wie schon oben genannt, lieferte Israel im Jahr 2012 Waffen in Höhe von 1.6 Mrd. USD an Aserbaidschan. Die Lieferung bestand aus Drohnen sowie Luft- und Raketenabwehrtechnik.521 Die Streitkräfte der Republik Aserbaidschan wurden in ihrer heutigen Form am 26. Juni 1991 gegründet. Das Internationale Institut für strategische Studien (IISS) beziffert die aserbaidschanische Armee auf 66.940 Soldaten. Davon sind rund 5.000 Soldaten am Kaspischen Meer in der Marine tätig. Es besteht eine allgemeine Wehrpflicht. Der Wehrdienst dauert 18 Monate. Zusätzlich zu den aktiven Soldaten stehen ca. 575.000 Reservisten, davon 150.940 aktive Soldaten, zur Verfügung.522 Nach Angaben von aserbaidschanischen Medien sind die Militärausgaben Bakus im letzten Jahrzehnt rasant gestiegen. Wurden noch im Jahr 2001 nur 338 Mio. USD für militärische Zwecke aus dem Haushalt ausgegeben, ist diese Zahl in 2009 auf 2.46 Mrd. USD und im Jahr 2013 auf 3.7 Mrd. USD gestiegen.523 Nach Angaben vom SIPRI und IISS gibt Aserbaidschan deutlich weniger für seinen 519 Vgl. Halbach, Uwe: Armeniens Beitritt zur Eurasischen Wirtschaftsunion. Berlin, SWP-Aktuell 51 5/2015. Unter: https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A51_hlb.pdf, abgerufen: 20.02.2016. 520 Agayev, Zulfugar: Azeri-Russian Arms Trade $4 Billion Amid Tension with Armenia, in: Bloomberg 13.08.2013. Unter: http://www.bloomberg.com/news/articles/2013-08-13/ azeri-russian-arms-trade-4-billion-amid-tension-with-armenia, abgerufen: 20.02.2016. 521 Vgl. Shaffer, Brenda: Azerbaijan’s Cooperation with Israel Goes Beyond Iran Tensions. 522 Vgl. International Institute for Strategic Studies (IISS): The Military Balance 2010. London, Routledge for the IISS 2010, S. 176; Verteidigungsministerium der Republik Aserbaidschan. Unter: http://www.mod.gov.az, abgerufen: 20.02.2016. 523 Vgl. Azadliq Radiosu: Report, Azerbaijan dominates defense spending in South Caucasus, in: Azadlig.org 05.02.2014. Unter: http://www.azadliq.org/content/article/25254316. html, abgerufen: 20.02.2016; MilitaryBudget.org: Armenien und Aserbaidschan (2001). Unter: http://militarybudget.org, abgerufen: 20.02.2016.

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Verteidigungshaushalt aus, als offiziell berichtet wird. Beide Institute beziefern für 2009 die Militärausgaben auf 1.472 Mrd. bzw. 1.5 Mrd. USD.524 Ermöglicht werden diese gigantischen Summen dank des Erdölexportes, die Baku nach dem Bau der BTC-Ölpipelines und dem hohen Barrel-Preis aufbringen kann. Die Dynamik und massive Aufstockung der Militärausgaben führten dazu, dass sie in 2011, als die Ausgaben für militärische Zwecke 3.3 Mrd. USD erreichten, zum ersten Mal das gesamte Staatsbudget Armeniens, das etwas mehr als drei Mrd. USD ausmacht, übertrafen. Die größte Steigerung der Militärausgaben Aserbaidschans erfolgte im Jahr 2015, als bekannt wurde, dass die Ausgaben auf 4.8 Mrd. USD erhöht wurden – ein Zuwachs zum Vorjahr von 27 %. Zum Vergleich muss bemerkt werden, dass die Militärausgaben von Armenien im Jahr 2015 insgesamt 500 Mio. USD ausmachten, das heißt ungefähr 10-mal weniger als der Verteidigungshaushalt von Aserbaidschan. Die Haupteinnahmen Aserbaidschans als erdölexportierender Staat sind seit Juni 2014, seitdem der Höchststand des Ölpreises allerdings knapp zwei Drittel eingebüßt hat, deutlich geschrumpft. Es führte dazu, dass im Haushalt von Aserbaidschan für das Jahr 2016 nur 1.2 Mrd. USD für Militärausgeben vorgesehen waren.525 Parallel zum Anwachsen der Militärausgaben, verstärkte sich die Militärrhetorik aus Baku. Am 7. August 2014 bekundete der Staatspräsident Alijew auf Twitter, dass „der Krieg nicht beendet sei. Nur die Erste Phase ist vorbei. Die zweite kann beginnen.“526 Zwei Jahre davor, am 9. Oktober 2012, hatte der aserbaidschanische Präsident versprochen, dass die Nationalfahne von Aserbaidschan bald in Bergkarabach wehen werde. „I have no doubt that we will attain the solution of this issue and Azerbaijan will restore its territorial integrity. The reasons of my optimism is well known-the successful development of Azerbaijan. In every sphere including economy, resolution of social problems, military construction, strengthening of international positions of our country, that is today Azerbaijan and Armenia are incomparable“527, sagte der aserbaidschanische Präsident. 524 Vgl. Stockholmer internationales Friedensforschungsinstitut (SIPRI): Unter: http:// www.sipri.org, abgerufen: 20.02.2016; International Institute for Strategic Studies (IISS): The Military Balance 2010. London, Routledge for the IISS 2010, S. 176. 525 Vgl. Danielyan, Emil: Azerbaijan Plans More Modest Defense Budget in 2016, in: Azatutyun.am 28.12.2015. Unter: http://www.azatutyun.am/content/article/27453992. html, abgerufen: 20.02.2016. 526 Twitter: Twitter des Präsidenten von Aserbaidschan. Unter: https://twitter.com/presidentaz, abgerufen: 20.02.2016. 527 News.az: Azerbaijani flag will be raised in Shusha and Khankandi – Ilham Aliyev, in: News.az 09.10.2012. Unter: http://news.az/articles/karabakh/69794, abgerufen: 20.02.2016. 117

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Am 23. März 2015 drohte der Verteidigungsminister Aserbaidschans, Zakir Hasanov, seinerseits: „I’m clearly saying that we’ll destroy 70% of enemy in the first attack. We have many weapons and equipments that if we strike blow to Armenia they will not be able to revive for hundreds of years. Every serviceman of Armed Forces must destroy enemy by seizing any occasion day and night. The enemy must not be convenient, live under fear in our occupied territories. Our lands must be liberated, revenge of our martyrs must be taken. Now the time has come. We’ll liberate our lands in a short run. You watched the speech made Supreme Commander-in-Chief on the occasion of Novruz Holiday. The President said that we’ll return our historicl lands. We’ll return to Irevan, Zangazur, Shusha, Khankendi. This will absolutely happen and there can be no doubt.“528 Mit der verstärkten Militärrhetorik sind die Zwischenfälle sowohl an der armenisch-aserbaidschanischen als auch an der Grenze zwischen Bergkarabach und Aserbaidschan in den letzten Jahren stark gestiegen. Insbesondere Scharfschützen auf beiden Seiten sind deutlich aktiver und aggressiver geworden.

3.2.4 Demographie und ethnische Minderheiten Die Republik Aserbaidschan gehört zu den wenigen postsowjetischen Staaten, die seit der Unabhängigkeit ein konstantes Bevölkerungswachstum verzeichnen können. Laut offiziellen Angaben von 2015 ist im Vergleich zur letzten offiziellen Volkszählung der UdSSR von 1989 die Bevölkerung in Aserbaidschan529 von 7.021.1 Mio. auf 9.593.0 Mio. gestiegen, ein Zuwachs von 26,8 %. Zum Vergleich mit Aserbaidschan haben die beiden südkaukasischen Nachbarländer dagegen im gleichen Zeitraum einen starken Bevölkerungsrückgang erlebt. Die Gesamtbevölkerung von

528 Apa.az: Azerbaijani Defense Minister: „We’ll destroy 70% of enemy in the first attack“, in: Apa.az 23.03.2015. Unter: http://en.apa.az/azerbaijan-military/azerbaijan-army-azerbaijani-armed-forces/azerbaijani-defense-minister-we-ll-­destroy-70-of-enemy-in-thefirst-attack-photosession.html, abgerufen: 20.02.2016. 529 Vgl. Demoscop Weekly: All-Union Census of the Soviet Population-1989. Aserbaidschanische SSR. Unter: http://demoscope.ru/weekly/ssp/sng_nac_89.php?reg=7, abgerufen: 10.01.2016; The State Statistical Committee of the Republic of Azerbaijan. Demographic Indicators, 2015. Unter: https://www.azstat.org/MESearch/details, abgerufen: 10.01.2016.

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Armenien530 ist von 3.304.7 auf 3.010.6 Mio. oder -8,9 % gesunken und in Geor­ gien531 von 5.400.8 auf 3.713.7 Mio. (ohne Abchasien und Südossetien), d. h. -31,2 %. Mit der wegen des Bergkarabach-Konflikts entstandenen umfassenden Flüchtlingswelle aus Aserbaidschan, die quantitativ in die Hunderttausende geht und neben ethnischen Armeniern auch Russen, Juden und andere Nationalitäten umfasste, erlebte Aserbaidschan eine Gegenwelle von rund 160.000 vertriebenen Aserbaidschanern aus Armenien. Trotz der großen Kluft von Flüchtlingen aus und nach Aserbaidschan konnte das Land in den nächsten Jahren deutlich mehr Bevölkerungszuwachs verzeichnen, was hauptsächlich auf die hohe Geburtenrate zurückzuführen ist. Im Jahr 2015 wurden 166.210 Kinder lebend geboren. Die Zahl der Sterbefälle lag bei 54.697. Daraus ergibt sich ein Geburtenüberschuss von 111.513. Im Jahr 1991 lag der Geburtenüberschuss etwas höher bei rund 145.694 (190.353 Neugeborene und 44.659 Sterbefälle). Neben der hohen Geburtenrate hat das Land im Vergleich mit Armenien und Georgien offiziell wesentlich weniger Auswanderungswellen seit der Unabhängigkeit erlebt, was auch positiv auf das Bevölkerungswachstum wirkte. Laut staatlichen Angaben sind im Zeitraum von 1995 bis 2015 aus dem Land weniger als 120.000 Menschen ausgewandert, was in Hinsicht der höhen Geburtenrate kein demographisches Problem darstellt.532 Von den etwa 9.593 Mio. Menschen in Aserbaidschan im Jahr 2015 waren 4.776 männlich (49,8 %) und 4.817 weiblich (50,2 %). Der Urbanisierungsgrad liegt in Aserbaidschan traditionell niedrig, in 2015 lebten 5.098 (53,1 %) Mio. Menschen der Gesamtbevölkerung in den Städten und 4.495 Mio. (46,9 %) auf dem Lande. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag in 2015 bei 70,8.533 Nach Prognosen

530 Vgl. Demoscop Weekly: All-Union Census of the Soviet Population-1989. Unter: Armenische SSR. http://demoscope.ru/weekly/ssp/sng_nac_89.php?reg=13, abgerufen: 10.01.2016; National Statistical Service of the Republic of Armenia. Unter: Population (De Jure) by years and indicators. Unter: http://armstatbank.am/pxweb/en/ArmStatBank/ ArmStatBank__2%20Population%20and%20social% 20processes__28%20Population/ PS-pp-7-2016.px/?rxid=002cc9e9-1bc8-4ae6-aaa3-40c0e377450a, abgerufen: 10.01.2016. 531 Vgl. Demoscop Weekly: All-Union Census of the Soviet Population-1989. Georgische SSR Unter: http://demoscope.ru/weekly/ssp/sng_nac_89.php?reg=6, abgerufen: 10.01.2016; National Statistics Office of Georgia. Population. Unter: http://www.geostat.ge/index. php?action=page&p_id=152 &lang=eng, abgerufen: 15.09.2017. 532 Vgl. The State Statistical Committee of the Republic of Azerbaijan. Demographic Indicators, Migration 1995–2015. Unter: https://www.azstat.org/MESearch/details, abgerufen: 15.09.2017. 533 Vgl. The State Statistical Committee of the Republic of Azerbaijan. Demographic Indicators. Unter: https://www.azstat.org/MESearch/search?departament=21&lang=en, abgerufen: 15.09.2017. 119

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der Vereinten Nationen wird die Bevölkerung in Aserbaidschan in den nächsten Jahrzehnten auf 10.963 Mio. Menschen bis 2050 steigern.534 Bei genauer Betrachtung der offiziellen Angaben der Bevölkerungszahl in Aserbaidschan lässt sich feststellen, dass die Gesamtbevölkerung von 9.593 Mio. Menschen in 2015 übertrieben scheint. Zum Ersten sind in der Gesamtbevölkerung ca. 120.000 Armenier inbegriffen, die laut offiziellen Angaben von Baku in Bergkarabach leben. Es werden auch weitere einige hunderttausend Aserbaidschaner in den umliegenden Gebieten von Bergkarabach mitgezählt, die spätestens seit 1994 nicht mehr von Aserbaidschan kontrolliert werden, und die ethnischen Aserbaidschaner, die im Zuge des Kriegs (1992–1994) die Gebiete fast vollständig verlassen haben.535 Zum Zweiten ist die Zahl der Aserbaidschaner in Russland, in der Türkei und in anderen westlichen Ländern nach der Unabhängigkeit Aserbaidschans seit 1991 stark gestiegen. Während 1989536 nach der letzten sowjetischen Volkszählung ca. 336.000 Aserbaidschaner in Russland lebten, waren es 603.000 laut russischem Zensus von 2010.537 Nach nicht offiziellen Angaben liegt die Zahl der Aserbaidschaner in Russland wesentlich höher, zwischen zwei538 bis drei539 Mio. Menschen. Auch in der Türkei ist die Zahl der ethnischen Aserbaidschaner in den letzten Jahren stark gestiegen. Bis zu 300.000 Aserbaidschaner, die in der Türkei wohnen, sind Bürger Aserbaidschans.540 Die Überschätzung der eigenen Bevölkerungszahl seitens der aserbaidschanischen Behörden verstärkt die Position Aserbaidschans im Informationskrieg gegen Armenien.

534 Vgl. United Nations: World population prospects, revision 2015. 535 Vgl. The State Statistical Committee of the Republic of Azerbaijan. Demographic Indicators. 536 Vgl. Demoscop Weekly: All-Union Census of the Soviet Population-1989. RSFSR. Unter: http://demoscope.ru/weekly/ssp/rus_nac_89.php, abgerufen: 10.01.2016. 537 Vgl. Russian Federation. Federal State Statistics Service: All-Russia Population Census (2010). Unter: http://www.gks.ru/free_doc/new_site/m-sotrudn/eng_site/sensus.html, abgerufen: 10.01.2017. 538 Vgl. Azerbaijan.az: Number of Azerbaijanis living outside Azerbaijan. Unter: http:// www.azerbaijan.az/_Sosiety/_Diaspora/_diaspora_e.html, abgerufen: 10.01.2016. 539 Vgl. Sohbetqizi, Naila: Azerbaijan Acts to Limit Discrimination Against Azeris in Russia, in: Euroasianet.org 10.11.2002: Unter: http://www.eurasianet.org/departments/ rights/articles/eav11 1102.shtml, abgerufen: 10.01.2016. 540 Vgl. Azerbaijan Today: An interview with Sayyad Aran, Consule General of the Azerbaijan Republic to Istanbul. Unter: http://www.azerbaijantoday.az:8101/life.html, abgerufen: 10.01.2016. (Derzeit nicht mehr abrufbar).

3.2 Die Entwicklung in Aserbaidschan 1991–2015

121

Aserbaidschan ist traditionell ein multiethnisches Land. Es beherbergt über 15 Volksgruppen. Der Anteil der türkischsprachigen kaukasischen Tataren, die seit 1936 offiziell Aserbaidschaner heißen, ist von 62,1 % im Jahr 1926 durch Assimilation anderer ethnischer Minderheiten bis auf 82,7 % im Jahr 1989 gestiegen. Nach der Vertreibung der Armenier und dem Zerfall der Sowjetunion und mit der Öffnung der Grenzen ist ein Großteil der Russen und Juden aus dem Land ausgewandert. Dadurch ist die Prozentzahl der Aserbaidschaner bis auf 91,6 % in der offiziellen Volkszählung von 2009 gestiegen. So sank der Anteil der russischstämmigen Bevölkerungsgruppe an der aserbaidschanischen Bevölkerung innerhalb von 20 Jahren von 5,6 % (392.304) in 1989 auf nur noch 1,35 % (119.300) in 2009 (siehe Abb. 10). Nach Angaben der Volkszählung von 2009 leben 120.300 (1,35 % der Gesamtbevölkerung in Aserbaidschan) Armenier in Aserbaidschan, die mehrheitlich in Bergkarabach leben und nur 163 Personen in dem von Aserbaidschan kontrolliertem De-facto-Gebiet.541 Häufiger wird für propagandistische Zwecke die Zahl der Armenier in Aserbaidschan in den politischen Debatten mit 20.000 bis 50.000 angegeben542, die jedoch mit Fakten nicht belegbar ist. Nicht offizielle Quellen schätzen, dass die Zahl der Armenier in Aserbaidschan rund 2.000 bis 3.000543 umfasst, es sind fast ausschließlich mit Aserbaidschanern verheiratete Personen oder Abkömmlinge gemischter Ehen.

541 Vgl. The State Statistical Committee of the Republic of Azerbaijan. Population Census 2009. Unter: http://www.stat.gov.az/menu/13/?lang=en, abgerufen: 15.09.2017. 542 Vgl. Aslanov, Elnur: Dlya nas informatsionnaya voyna – eto natsional'naya ideya, dlya armyan zhe geneticheskaya nepriyazn' (Für uns ist der Informationskampf eine nationale Idee, für die Armenier eine genetische Abneigung), in: 1news.az 24.01.2011. Unter: http:// 1news.az/interview/20110124110 955665.html, abgerufen: 10.01.2016; Askerov, Zijafet: Erster Vizepräsident des Paralaments. Armyane v Azerbaydzhane ne stalkivayutsya s problemami religioznoy i etnicheskoy neterpimosti (Armenier in Aserbaidschan stehen nicht vor den Problemen religiöser und ethnischer Intoleranz), in: Trend.az 02.05.2008. Unter: http://trend.az/news/politics/1190225.html, abgerufen: 10.01.2016. 543 Vgl. Yunusov, Arif: Etnicheskiy sostav Azerbaydzhana (po perepisi 1999 goda) (Ethnische Zusammensetzung Aserbaidschans (gemäß der Volkszählung von 1999), in: Demoscope Weekly: Unter: http://www.demoscope.ru/weekly/2004/0183/analit05. php, abgerufen: 15.09.2017. 121

122

Jahr Aserbaidschaner

3 Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1991–2015

1926 1959 1970 1979 1989 1999 2009 1.437.977 2.494.381 3.776.778 4.708.832 5.804.980 7.205.464 8.171.800 (62,1 %) (67,5 %) (73,8 %) (78,1 %) (82,7 %) (90,6 %) (91,6 %)

Lesgier

37.263 (1,6 %)

98.211 (2,7 %)

137.250 (2,7 %)

158.057 (2,6 %)

171.395 (2,4 %)

178.021 (2,2 %)

180.300 (2,02%)

Armenier

282.004 (12,2 %) 220.545 (9,5 %) 77.323 (3,3 %) 19.104 (0,8 %) 95 (0,0 %) 9.948 (0,4 %) 28.443 (1,2 %) 18.241 (0,8 %) 15.552 (0,7 %)

442.089 (12,0 %) 501.282 (13,6 %) 85 (0,0 %) 17.254 (0,5 %) 202 (0,0 %) 29.370 (0,8 %) 5.887 (0,2 %) 25.778 (0,7 %) 2.876 (0,1 %)

483.520 (9,4 %) 510.059 (10,0 %)

475.486 (7,9 %) 475.255 (7,9 %)

30.735 (0,6 %) 8.491 (0,2 %) 31.353 (0,6 %) 7.769 (0,2 %) 29.160 (0,6 %) 6.208 (0,1 %)

35.991 (0,6 %) 7.926 (0,1 %) 31.204 (0,5 %) 8.848 (0,1 %) 26.401 (0,4 %) 8.546 (0,1 %)

390.505 (5,6 %) 392.304 (5,6 %) 21.169 (0,3 %) 44.072 (0,6 %) 17.705 (0,3 %) 28.019 (0,4 %) 10.239 (0,1 %) 32.345 (0,5 %) 13.318 (0,2 %)

120.745 (1,5 %) 141.687 (1,8 %) 76.841 (1,0 %) 50.871 (0,6 %) 43.454 (0,5 %) 30.011 (0,4 %) 10.922 (0,1 %) 28.984 (0,4 %) 15.877 (0,2 %)

120.300 (1,35 %) 119.300 (1,35 %) 112.000 (1,26 %) 49.800 (0,56 %) 38.000 (0,43 %) 25.900 (0,29 %) 25.200 (0,28 %) 21.500 (0,24 %) 12.300 (0,14 %)

Russen Talyschen Awaren Türken Tataren Taten Ukrainer Zachuren Udinen

2.445 3.202 (0,1 %) (0,1 %) Georgier 9.500 9.526 (0,4 %) (0,3 %) Juden 20.578 40.198 (0,9 %) (1,1 %) Kurden 41.193 1.487 (1,8 %) (0,0 %) Andere 94.360 25.889 (4,1 %) (0,7 %) Insgesamt 2.314.571 3.697.717

2015

5.492 5.841 6.125 4.152 3.800 (0,1 %) (0,1 %) (0,1 %) (0,1 %) (0,04 %) 13.595 11.412 14.197 14.877 9.900 (0,3 %) (0,2 %) (0,2 %) (0,2 %) (0,11 %) 48.652 35.487 30.792 8.916 9.100 (1,0 %) (0,6 %) (0,4 %) (0,1 %) (0,1 %) 5.488 5.676 12.226 13.075 6.100 (0,1 %) (0,1 %) (0,2 %) (0,2 %) (0,07 %) 22.531 31.552 31.787 9.541 9.500 (0,4 %) (0,5 %) (0,5 %) (0,1 %) (0,11 %) 5.117.081 6.026.515 7.021.178 7.953.438 8.922.400 9.593.0

Abb. 10 Bevölkerungszensus in Aserbaidschan 1926–1989, 1999–2009, 2015544

544 Vgl. Demoscop Weekly: All-Union Census of the Soviet Population 1926–1989. Unter: http://demoscope.ru/weekly/ssp/sng_nac_89.php?reg=7, abgerufen: 10.01.2016; The State Statistical Committee of the Republic of Azerbaijan: Population Census in Azerbaijan 1999, 2009 and the Number of the Population in 2015. Unter: www.stat. gov.az, abgerufen: 10.01.2016.

3.2 Die Entwicklung in Aserbaidschan 1991–2015

123

Die Situation bleibt für die Armenier in Aserbaidschan prekär, die armenischen Kirchen sind geschlossen, es wird eine armenierfeindliche Politik durch die Regierung geführt, die von der Zerstörung des kulturell armenischen Erbes begleitet wird: Stichwort Julfa.545 Die antiarmenische Propaganda wird in Aserbaidschan direkt durch den Präsidenten Ilham Alijew umgesetzt, der in 2012 alle Armenier in der Welt zu Staatsfeinden Nummer Eins erklärte.546 Im Aserbaidschan-Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz wird festgestellt, dass der „konstant negative offizielle und mediale Diskurs bezüglich der Republik Armenien dabei hilft, ein negatives Meinungsklima gegen Personen armenischer Herkunft aufrechtzuerhalten, welche für Diskriminierung anfällig werden“547. Nach der Auswanderung von Russen und Armeniern aus Aserbaidschan stellten nun die Lesgier mit einem Anteil von 180.300 oder 2,02 % der Gesamtbevölkerung die zweitgrößte ethnische Gruppe in Aserbaidschan laut der Volkszählung 2009 dar, gefolgt von Armeniern mit 120.300 (1,35 %), Russen mit 119.300 (1,35 %), Talyschen mit 112.000 (1,26 %), Awaren mit 49.800 (0,56 %), Türken mit 38.000 (0,43 %), Tataren mit 25.900 (0,29 %), Taten mit 25.200 (0,28 %) und weiteren Volksgruppen (siehe Abb. 10). In einzelnen Regionen Aserbaidschans bilden nicht die türkischstämmigen Volksgruppen die Mehrheit, darunter sind insbesondere der Norden und Süden des Landes zu erwähnen, in denen kompakt die „geteilten Völker“ Lesgier und Talyschen leben. Die zu der dagestanischen Sprachgruppe gehörenden sunnitischen Lesgier beanspruchen, die autochtone Bevölkerung des Gebietes zu beiden Ufern des Samur zu sein, der seit 1922 als Grenze zwischen Russland und Aserbaidschan festgestellt wurde.548 Den iranischsprachigen und hauptsächlich schiitischen Talyschen, die im äußersten Südosten der Republik Aserbaidschans und im Nordosten Irans beheimatet sind, wurde ihr halbautonomes Chanat in 1813 zwischen Iran und Russland geteilt.549 545 Vgl. Castle, Stephen: High-Resolution Satellite Imagery and the Destruction of Cultural Artifacts in Nakhchivan, Azerbaijan. American Association for the Advancement of Science; Azerbaijan „flattened“ sacred Armenian site, in: The Independent 16.04.2006. 546 Vgl. BBC News: Armenia pills out of Azerbaijan-hosted Eurovision show. 07.03.2012. : 2010: r m s/eav012802.shtml, 16.0. 547 Council of Europe: European Commission against Racism and Intolerance: ECRI Report on Azerbaijan (fourth monitoring cycle). 31.05.2011, S. 30. Unter: https://www. coe.int/t/dghl/monitoring/ecri/country-by-country/azerbaijan/AZE-CbC-IV-2011019-ENG.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 548 Vgl. Fuller, Elizabeth: Ethnische Minderheiten in den transkaukasischen Staaten, in: Halbach, Uwe/Kappeler, Andreas: Krisenherd Kaukasus. Baden-Baden 1995, S. 181. 549 Vgl. ebd. 123

124

3 Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1991–2015

Die tatsächliche Zahl der beiden Minderheiten dürfte in der Volkszählung von Aserbaidschan 1999 und 2009 aus Angst vor separatistischen Tendenzen nach unten korrigiert worden sein. Laut Schätzungen der lesgischen Nationalbewegung „übersteigt die tatsächliche quantitative Stärke des lezgischen Bevölkerungsanteils in Aserbajdzan die offiziellen Angaben bei weitem, da die ‚azerbajdzanischen‘ Lezgen – ähnlich wie den Talysen – jahrzehntelang als ‚Azerbajdzaner‘ registriert wurden“550. Laut lesgischen Angaben wird ihre Zahl in Aserbaidschan auf 600.000 bis 900.000551 Personen geschätzt. Die „Bewegung der Talyschen für nationale Wiedergeburt“ behauptet, dass die talysche Bevölkerung in Aserbaidschan eine Million zähle.552 Die Organisation der nichtrepräsentierten Nationen und Völker (UNPO) berichtet von etwa 650.000–800.000553 Lesgiern in Aserbaidschan. Talysche Nationalisten behaupten, dass die Zahl ihres Volkes in Aserbaidschan 11 %554 der Gesamtbevölkerung ausmache, was ca. 900.000 bis 1 Mio. Menschen entspricht. Wie die Bergkarabach-Armenier, so klagten die Lesgier und Talyschen in Aserbaidschan in den 1960er Jahren über die Diskriminierung der jeweiligen Ethnie, über die fehlenden Kultur- und Bildungseinrichtungen und verlangten eigene Autonomierechte in Aserbaidschan. Die lesgische und talyschische „Frage“ tauchte in Aserbaidschan in den 1990er Jahren wieder auf. Die Lesgier forderten eine Wiedervereinigung der beiden lesgischen Siedlungsgebiete in Aserbaidschan und Dagestan. Außerdem führten sie die Beschwerde an, dass die jüngeren Lesgier in der aserbaidschanischen Armee gegen Bergkarabach kämpfen sollten.555 Ein ähnliches Bild hat sich mit den Talyschen, die ihren Höhepunkt im Sommer 1993 erreichten, gezeigt, als die Autonome Talysch-Mugan-Republik in der Tradition des Talysch Chanat (1747–1826)556 ausgerufen wurde. Es bestand aus sieben Regionen im Süden Aserbaidschans mit dem Zentrum Lenkoran. Die kurzlebige, 550 Zitiert in: Pietzonka, Barbara: Ethnisch-territoriale Konflikte in Kaukasien. Wien 1995, S. 113. 551 Vgl. Minahan, James: Encyclopedia of the Stateless Nations: L-R, 2002, S.1084. 552 Vgl. Pietzonka, Barbara: Wien 1995, S. 113. 553 Vgl. Unrepresented Nations & Peoples Organization: Member Profile Lezghins. Unter: http://unpo.org/downloads/2271.pdf, abgerufen: 10.01.2016. 554 Vgl. Minahan, James: Religion of majority of Talysh: One Europe, Many Nations: A Historical Dictionary of European National Groups. Greenwood 2000, S. 676. 555 Vgl. Fuller, Elizabeth: Baden-Baden 1995, S. 182 f. 556 Wegen einer erstarkenden Autonomiebewegung zum Beispiel der Autonomen Talysch-Mugan-Republik in Aserbaidschan versuchen die regimetreuen Historiker die Existenz des Chanats Talysch infrage zu stellen. Vgl. Goble, Paul: Is Moscow Putting the Talysh in Play Against Azerbaijan? in: The Jamestown Foundation 03.02.2015. Unter:http://www.jamestown.org/programs/edm/single/?tx_ttnews %5Btt_news-

3.2 Die Entwicklung in Aserbaidschan 1991–2015

125

international nicht anerkannte autonome Republik wurde von der Bakuer Zen­ tralmacht zerschlagen, die Führung verhaftet und anfänglich zum Tode verurteilt, doch später durch Druck des Europarates begnadigt.557 Sowohl die dicht lebenden Talyschen und Lesgier als auch andere Minderheiten (Tataren, Taten, Kurden, Udinen) sind sprachlich und kulturell einem starken Assimilationsdruck (Aserbaidschanisierung – die in Wirklichkeit eine Türkisierung ist) durch die Regierung ausgesetzt, weil muttersprachliche Schulen, Zeitungen oder TV- und Radiosendungen begrenzt bleiben oder überhaupt fehlen.558 Aserbaidschan ist ein multikonfessionelles Land, in dem die vorherrschende Religion seit dem 8. Jahrhundert durch die arabische Eroberung der Islam ist. Rund 95 % der Bevölkerung in Aserbaidschan sind Muslime, davon bekennen sich 85 % zur schiitischen und 15 % zur sunnitischen Glaubensrichtung.559 Somit hat Aserbaidschan, nach der Islamischen Republik Iran, prozentual betrachtet die zweithöchste schiitische Bevölkerungsmehrheit weltweit, gefolgt von Irak und Bahrain.560 Trotz der muslimischen Bevölkerungsmehrheit in Aserbaidschan kennen jedoch nicht alle den Islam in seiner jeweiligen Ausprägung und nur 30,2 % bezeichneten sich in 2013 als tiefgläubig.561 Die durch die Sowjetherrschaft stark säkularisierte Gesellschaft in Aserbaidschan erlebt seit der Unabhängigkeit eine verstärkte Wiedergeburt des Islams, die durch externe Einflüsse (Iran, Saudi-Arabien, Türkei) gefördert wird. Zu den

557

558

559 560 561

%5D=43490&tx_ttnews%5BbackPid%5D=27&cHash=b4a48e236af0422f32571517e653 478a#.VrfxI4S-Ot-, abgerufen:10.01.2016. Vgl. Kotecha, Hema: Islamic and Ethnic Identities in Azerbaijan: Emerging Trends and Tensions. OSCE Office in Baku, 7/2006, S. 33. Unter: http://www.osce.org/­ baku/23809?download=true, abgerufen:15.09.2017.; Aliev, Kenan: Azerbaijan Defiant After European Council Warning on Prisoners, in: Euroasinet.org 27.01.2002. Unter: http://www.eurasianet.org/departments/rights/articles/eav012802.shtml, abgerufen: 10.01.2016. Vgl. Manasyan, Alexander: Der Konflikt im Spannungsfeld zwischen verzerrten Prinzipien der Selbstbestimmung und der territorialen Integrität. In: Soghomonyan, Vaharm (Hrsg.): Lösungsansätze für Berg-Karabach/Arzach. Selbstbestimmung und der Weg zur Anerkennung. Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 128–130. Vgl. Presidential Library Azerbaijan: Administrative Department of the President of the Republic of Azerbaijan. S. 2. Unter: http://files.preslib.az/projects/remz/pdf_en/ atr_din.pdf, abgerufen: 15.09.2017. Vgl. Pew Research Center: Mapping the Global Muslim Population. 07.10.2009. Unter: http://www.pewforum.org/2009/10/07/mapping-the-global-muslim-population/, abgerufen: 10.01.2016. Vgl. International Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence (ICSR): ICSR Report on Islam, 2013. 125

126

3 Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1991–2015

Hochburgen der schiitisch-iranisch unterstützen Gebiete des Islams gehören der Süden des Landes, in dem das iranischsprachige Volk der Talyschen lebt, sowie einige Städte der iranischsprachigen Taten (Nardaran) und andere Siedlungen landesweit. Mit türkischer Unterstützung findet eine schleichende Sunnitisierung der schiitischen Bevölkerungsmehrheit in Aserbaidschan statt und verbreitet sich der Salafismus unter der Bevölkerung, besonders im Norden Aserbidschans und in der Hauptstadt Baku.562 Darüber hinaus leben in Aserbaidschan einige Tausend Christen verschiedener Konfessionen. Die größten christlichen Gemeinden in Aserbaidschan sind die russisch-orthodoxe und georgische Kirche. Die weniger als 10.000 Menschen umfassenden Gemeinden bilden die Molokanen, Protestanten, Jehovas Zeugen sowie die Udinen in Aserbaidschan. Weniger als 600 Mitglieder zählt die römisch-­ katholische Gemeinde in Baku.563 Eine besondere Rolle spielt die jüdische Gemeinde, die in ihrer Form einzigartig in der muslimischen Welt ist. Nach letzten Schätzungen von 2010 leben in Aserbaidschan ca. 6.400 Juden, verteilt in Baku, Sumgait, Quba sowie in Krasnaja Sloboda (Qırmızı Qəsəbə). Trotz der toleranten Haltung Aserbaidschans und der Existenz von Synagogen nimmt die Zahl der Juden stetig ab. Nach der Wende in der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre wanderte die Mehrheit der einst 48.000 umfassenden (1970) jüdischen Gemeinde nach Israel und in die USA, teilweise nach Europa, aus.564

562 Vgl. Kemper, Michael: Ausprägungen des Islam, in: Kaukasus-Wegweiser zur Geschichte, 2008, S. 217 f.; Kotecha, Hema: OSCE Office in Baku, 7/2006, S. 33; Xenakis, John: World View: Azerbaijan Faces Rising Radical Shia Islamist Insurgency, in: Breitbart. com 07.12.2015. Unter: http://www.breitbart.com/national-security/2015/12/07/worldview-azerbaijan-faces-rising-radical-shia-islamist-insurgency/, abgerufen: 10.01.2016. 563 Vgl. Catholic World News: Profiling Catholic presence in Georgia, Azerbaijan before papal visit, in: Catholicculture.org 26.09.2016. Unter: https://www.catholicculture.org/ news/headlines/index.cfm? storyid=29456, abgerufen: 15.09.2016. 564 Vgl. Sloame, Joanna: Azerbaijan Virtual Jewish History Tour, in: Jewish Virtual Library. Unter: http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/vjw/Azerbaijan.html, abgerufen: 10.01.2016.

3.3 Die Entwicklung in Bergkarabach 1991–2015

3.3

Die Entwicklung in Bergkarabach 1991–2015

3.3

Die Entwicklung in Bergkarabach 1991–2015

127

3.3.1 Politische Entwicklung

Die Republik Bergkarabach ist einer der De-facto-Staaten im Südkaukasus mit einer Fläche von 11.500 qkm, deren Unabhängigkeitserklärung seit der Ausrufung der Republik am 2. September 1991 international nicht anerkannt bleibt.565 Mit Rücksicht auf die laufenden Friedensverhandlungen im Rahmen der OSZE Minsker Gruppe hat es nicht einmal der Freund und das westliche Nachbarland Armenien gewagt, die Selbstständigkeit Bergkarabachs als unabhängige Republik völkerrechtlich anzuerkennen, geschweige denn, das Gebiet sich anzugliedern, trotz der engen politischen, wirtschaftlichen Verflechtungen beider Staaten.566 Auch ohne internationale Anerkennung und ohne direkte Beteiligung an Friedensverhandlungen für die Beilegung des eigenen Konflikts mit dem östlichen Nachbarn Aserbaidschan existiert der von ca. 150.000 Menschen bevölkerte Kleinstaat im Südkaukasus seit 1991 selbstständig. Trotz der außenpolitischen Isolation wird in Bergkarabach sehr viel Wert auf Eigenständigkeit gelegt. Es verfügt über eine eigene Flagge, Nationalhymne, Regierung, Post, einen auf fünf Jahren gewählten Präsidenten, die Bewohner besitzen eigene Ausweise, ihre Politiker sitzen im eigenen Parlament567 mit 33 Repräsentanten.568 Nach dem Waffenstillstandsabkommen von 1994 bemühten sich das kleine Volk und ihre gewählten Vertreter um eine Herausbildung demokratischer Staatlichkeit mit funktionierender Gewaltenteilung und politischem Pluralismus, um der Welt ein positives Image des Staates zu präsentieren und dadurch auch die diplomatische Anerkennung des Landes zu erlangen. Damit wird der Ansatz verfolgt: Standards vor Status. Seit dem Waffenstillstandsabkommen wurden bis jetzt (sechs) regelmäßig stattfindende Parlaments- (1991, 1995, 2000, 2005, 2010, 2015) und (fünf) Präsi-

565 Vgl. Office of Nagorno-Karabakh Republic in the USA: Country Overview. 566 Vgl. Ter-Saakyan, Karine: Nuzhen li zakonoproyekt o priznanii NKR Armenii i Artsakhu? (Gibt es eine Gesetzesvorlage zur Anerkennung von NKR Armenien und Arzach?), in: PanAarmenian.net 12.11.2013: Unter: http://www.panarmenian.net/rus/ details/172558/, abgerufen: 15.02.2016. 567 Die Nationalversammlung der Republik Bergkarabach/Arzach. (Arm. Ազգային Ժողով/ Asgajin schoghow, in wissenschaftlicher Transliteration Azgayin žołov). 568 Vgl. National Assembly of the Republic of Artsakh (Nagorno-Karabakh): About Artsakh. Unter: http://www.nankr.am/en/31, abgerufen: 15.09.2017; About Parliament. Unter: http://www.nankr. am/en/32, abgerufen: 15.09.2017. 127

128

3 Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1991–2015

dentschaftswahlen (1996, 1997, 2002, 2007, 2012)569, mehrere Kommunalwahlen sowie 2006 ein Verfassungsreferendum abgehalten, um einen Verfassungsentwurf für das Land anzunehmen, der die Republik Bergkarabach/Arzach, einen souveränen, demokratischen Staat, basierend auf der Grundlage sozialer Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit, und einschließlich die sieben umliegenden Gebiete als Staatsterritorium des unabhängigen Staates definieren sollte.570 Um die funktionierenden Staatsstrukturen sowie die Rolle der Opposition und der Zivilgesellschaft hervorzuheben, verweisen die Vertreter der Republik Bergkarabach besonders auf die letzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen von 2012 und 2015. Zum Ersten ging es darum, dass der Oppositionskandidat Vitaly Balasanjan beachtliche 32 % der Stimmen gegenüber dem Amtierenden Präsidenten Bako Sahakjan erreichte, der mit rund 65 % der Stimmen zum zweiten Mal in seinem Amt bestätigt wurde.571 Dabei wird besonders gern ein Vergleich mit dem Nachbarland Aserbaidschan gezogen, in dem der Präsident Ilham Alijew sein Amt von seinem Vater in 2003 bekam und sich seitdem mehrmals durch Wahlen als Präsident bestätigen ließ.572 Bei den Wahlen zur sechsten Nationalversammlung seit 1991 haben sich sieben Parteien mit 164 Kandidaten am 3. Mai 2015 beworben. Drei der angetretenen Parteien waren bereits Teil einer aus drei Parteien bestehenden Regierungskoalition seit 2010 und stellten die Mehrheit der 33 Sitze im Abgeordnetenhaus. Weitere vier Parteien traten als Oppositionsparteien an, nur die Partei der Bewegung-88 war in der Legislaturperiode 2005–2010 mit drei Abgeordneten vertreten, zwei weitere Parteien sind neu gegründet worden und beteiligten sich somit zum ersten Mal an den Wahlen.573 Von insgesamt 33 Sitzen in der bergkarabachischen Nationalversammlung werden 22 Mandate an Parteien im Verhältniswahlsystem vergeben, während die anderen elf von Wahlkreisen durch ein Mehrheitswahlsystem gewählt werden.

569 Vgl. Nagorno-Karabakh (Artsakh) Republic Central Electoral Commission: Held, presidential and parliamentary. Unter: http://cecnkr.am/%D5%AF%D5%A1%D5%B 5%D5%A1%D6%81%D5%A1% D5%AE/?lang=en, abgerufen: 15.09.2017. 570 Vgl. President of the Artsakh Republic: Constitution. Unter: http://www.president. nkr.am/en/constitution/, abgerufen: 15.09.2017. 571 Vgl. Nagorno-Karabakh (Artsakh) Republic Central Electoral Commission: Held, presidential and parliamentary. 572 Vgl. Atilgan, Canan/Esken, Moritz: Eine Wahl ohne Überraschung. Konrad-AdenauerStiftung, 2013. Unter: http://www.kas.de/suedkaukasus/de/publications/35668/, abgerufen: 15.02.2016. 573 Vgl. Nagorno-Karabakh (Artsakh) Republic Central Electoral Commission: Held, presidential and parliamentary.

3.3 Die Entwicklung in Bergkarabach 1991–2015

Partei

Freie Heimat Demokratische Partei Arzachs Armenische Revolutionäre Föderation Bewegung-88 Nationle Renaissance Kommunistische Partei Arzachs Frieden und Entwicklung Unabhängige Ungültige Stimmen Gesamt Wähler und Wahlbeteiligung:

129

ParteiWahlGeliste kreis samt Stimmen Anteil Sitze Stimmen Anteil Sitze Sitze 32.632 47,35 11 4 15

+/-

+1

13,105

19,10

4

2

6

-1

12.965

18,81

4

3

7

+1

4.778

6,93

2

0

2

Neu

3.709

5,38

1

0

1

Neu

1.136

1,65

0

0

0

0

591

0,86

0

0

0

0

3.380

-

-

4.232

-

2 -

2 -

-4 -

72.296

100

22

69.831

100

11

33

102.042

70,88

-

98.920

70,59

-

-

-

Abb. 11 Parlamentswahl 2015 in Bergkarabach574

Die Freie Heimat Partei konnte unter der Führung des Ministerpräsidenten Arajik Harutunjan ihre starke Position weiter ausbauen und erhielt 15 Sitze von 33 (47,35 % der Stimmen auf der Parteiliste, das ergibt elf Listenplätze, überdies vier Direktmandate, einen mehr als in 2010). Die ARF/Daschnakzutjun575 Partei des Vize-Premiers Arthur Aghabekjan konnte sich auf sieben Sitze verbessern (18,81 %, 4, 3, +1), während die Demokratische Partei des Parlamentspräsidenten Aschot Ghuljan weniger Sitze als bei der letzten Wahl erreichte und mit sechs Sitzen auf den dritten Platz kam (19,10 %, 4, 2, -1), mit kaum einem Fünftel der Sitze in der Nationalversammlung, nachdem die Partei zuvor mit sieben von 33 Sitzen in 2010 574 Nagorno-Karabakh (Artsakh) Republic Central Electoral Commission: Held, presidential and parliamentary. 575 Daschnakzutjun ist als einzige Partei als „Mutterpartei“ in Armenien und der Diaspora aktiv. Die Partei ist in der armenischen Diaspora, besonders in Libanon, Syrien, Iran, Frankreich, USA, Kanada, stark vertreten. Dazu ausführlich auf der offiziellen Webseite der ARF-Partei. Unter: www.arfd.info, abgerufen: 15.02.2015. 129

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zweitstärkste Kraft war, davor in 2005 mit zehn Sitzen und in 2000 mit 20 Sitzen die Mehrheit des Parlamentes stellte. Weitere zwei Sitze von 33 konnten parteilose/ unabhängige Abgeordnete durch Direktmandate gewinnen. Die Kommunistische Partei Arzachs (1,65 %) und die neugegründete Partei Frieden und Entwicklung (0,86 %) vermochten nicht die 5-%-Sperrklausel für die Parteien zu erreichen und errangen somit keine Sitze in der sechsten Legislaturperiode. Die Wahl der 33 Parlamentsabgeordneten galt als Test für die Glaubwürdigkeit der Demokratiebestrebungen in Bergkarabach. Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission von Bergkarabach nahmen von den 102.042 wahlberechtigten Bürgern fast 71 % an den Wahlen teil.576 Prinzipiell werden die Wahlen in Bergkarabach jedoch sowohl von Aserbaidschan als auch von der Türkei kritisiert. Konsequent erklärte die Regierung in Baku die Wahlen für illegal. Aserbaidschan forderte die internationale Gemeinschaft auf, ihre Haltung zu unterstützen. Brüssel und Washington akzeptieren die Wahlen auch nicht und in den entsprechenden Erklärungen heißt es, diese seien einseitige Handlungen, die nicht anerkannt werden und den Friedensprozess gefährden würden.577 Trotz der internationalen Kritik an den Wahlen von 2012 und 2015 wurden diese von mehr als 100 Wahlbeobachterdelegationen aus 30 Ländern kontrolliert und bestätigt, dass die Abstimmungen frei und demokratisch verliefen, ohne ernsthafte Verstöße, die das Wahlergebnis beeinflusst hätten.578 Dies stellte die amerikani576 Vgl. ebd. 577 Vgl. AzerTag: Azerbaijan’s Foreign Ministry: so-called elections in Nagorno-Karabakh can’t have any legal status, in: Azertag.az 05.05.2015. Unter: http://azertag.az/en/ xeber/Azerbaijans_Foreign_Ministry_so_called_elections_in_Nagorno_Karabakh_ cant_have_any_legal_status-852403, abgerufen: 15.02.2016; Todays Zaman: Turkey says May 3 elections in Nagorno-Karabakh violate int’l law, in: Todayszaman.com 01.05.2015. Unter: http://www.todayszaman.com/diplomacy_turkey-says-may-3-elections-in-nagorno-karabakh-violate-intl-law_379555.html, abgerufen: 15.02.2016; European Union: Statement by High Representative Catherine Ashton on Nagorno Karabakh. 18.07.2012. Unter: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/ pressdata/EN/foraff/131842.pdf, abgerufen: 15.02.2016; EurActive: West and Azerbaijan denounce Nagorno-Karabakh ‘elections’, in: Euractiv.com 04.05.2015. Unter: https:// www.euractiv.com/section/europe-s-east/news/west-and-azerbaijan-denounce-nagorno-karabakh-elections/, abgerufen: 15.02.2016. 578 Vgl. European Federation for Justice and Democracy (EAFJD): Statement of the International Independent Observation Mission on Nagorno Karabakh Parliamentary Elections 2015. Unter: http://www.eafjd.eu/statement-of-the-international-independentobservation-mission-on-nagorno-karabakh-parliamentary-elections-2015.html, abgerufen: 15.02.2016; ArmeniaOnline: Observers call Artsakh elections democratic, in: Armenia.com.au 05.05.2016. Unter: http://www.armenia.com.au/news/Internatio-

3.3 Die Entwicklung in Bergkarabach 1991–2015

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sche Watchdog-Organisation Freedom House durch ihre jährlich veröffentlichten Berichte „Freedom in the World“ auch fest, in denen sie den Grad an Demokratie und Freiheit auf der ganzen Welt, darunter auch in den umstrittenen Territorien, bewertete. 2015 wurden in der Region Südkaukasus die Türkei, Georgien, Armenien sowie Abchasien und Bergkarabach als teilweise freie Staaten kategorisiert. Russland, Iran, Aserbaidschan sowie Südossetien gelten dagegen als unfrei.579

3.3.2 Wirtschaftliche Entwicklung Mit funktionierenden Staatsinstitutionen und demokratischer Staatlichkeit scheint sich die politische Lage in Bergkarabach seit 1994 stabilisiert zu haben, dennoch bleibt das Land wirtschaftlich äußerst schwach und finanziell stark von Armenien und der armenischen Diaspora abhängig. Die industrielle Produktion ist nur sehr gering ausgeprägt. Die kleinteilige Landwirtschaft ist trotz zunehmender staatlicher Unterstützungsmaßnahmen und auch der Hilfe seitens der armenischen Diaspora mangels moderner Ausstattung und Investitionen weiterhin entwicklungsbedürftig. Große Teile der Bevölkerung in Bergkarabach, insbesondere in den ländlichen Gebieten, leiden unter Armut, Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei 11,5 % (2015), die inoffiziellen Schätzungen dürften höher ausfallen. Offiziell leben 26,2 % (2014) der Bevölkerung in Armut, davon befinden sich 6 % in extremer Armut.580 Seit der Unabhängigkeit sind hauptsächlich fünf Faktoren zu nennen, die für die wirtschaftliche Unterentwicklung von Bergkarabach relevant sind: • Die Umstellung des Wirtschaftssystems der UdSSR von einer Zentralverwaltungswirtschaft auf eine liberale Marktwirtschaft. • Der zerstörerische Krieg mit Aserbaidschan, der mehrheitlich auf dem heutigen Staatsterritorium von Bergkarabach stattfand und in dessen Verlauf weite

nal-News/English/47134/Observers-call-Artsakh-elections-democratic, abgerufen: 15.02.2016. 579 Vgl. Freedom House: Freedom in the World 2015. 580 Vgl. Artsakh Republic National Statistical Service: Statistical Yearbook of NagornoKarabakh Republic, 2009–2015: Unter: http://stat-nkr.am/en/2010-11-24-11-18-12/671-2009-2015, abgerufen: 15.02.2017. 131

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Teile des Landes (Städte und Dörfer sowie auch Industrie und Landwirtschaft) zerstört wurden.581 • Weite Landstriche sind von etwa 500.000 Personenminen582 unpassierbar, dieses kriegsbedingte Wirtschaftsproblem bereitet Schwierigkeiten für Landwirtschaft und Tourismus. • Die geschlossenen Grenzen zu zwei der drei direkten Nachbarn (Aserbaidschan und Iran) und die Behinderung des direkten Außenhandels. • Kein Zugang zu internationalen Krediten, kaum Entwicklungshilfe sowie beschränkte Investitionen von ausländischen Investoren. Seit der Unabhängigkeit befindet sich Bergkarabach in einer Wirtschafts- und Währungsunion mit Armenien. Die offizielle und allgemein übliche Währung des Landes ist der armenische Dram. Daneben existiert seit 2005 noch die eigens ausgegebene Währung Karabach-Dram, die sich jedoch im Alltag kaum im Umlauf befindet.583 Trotz der Schwierigkeiten setzt Bergkarabach seine Hoffnungen für eine wirtschaftliche Erholung auf die Entwicklung der Landwirtschaft, des Bergbaus, des Energiesektors sowie des Tourismus. Das Land lebt nach wie von der Landwirtschaft, die vor allem auf dem Anbau von Obst und Gemüse sowie Tabak basiert. Die in den letzten Jahren durchgeführten Reformen und Diaspora-Finanzhilfen haben dazu beigetragen, dass die Selbstversorgung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Weizen, Kartoffeln oder Tomaten teilweise ausreicht. Auch der Weinbau spielt traditionell eine große Rolle. Wein und andere alkoholische Getränke entwickeln sich zunehmend zu einem bedeutenden Ausfuhrgut.584 Zu den wichtigsten Exportgütern gehören ebenso die Erzeugnisse aus dem Bergbausektor. Bergkarabach ist reich an natürlichen Ressourcen von Edel- und Halbedelmetallen, wie Gold und Kupfer, und anderen natürlichen Ressourcen. 581 Vgl. Hofmann, Tessa: München 2006, S. 176 f.: „Die materiellen Kriegsschäden in Arzach werden auf über 2,5 Milliarden EUR geschätzt. 85 % aller Betriebe und die Hälfte der öffentlichen Gebäude wurden damals zerstört.“. 582 Vgl. ebd., S. 177. 583 Vgl. Gafarli, Mekhman: Dramaticheskiye den'gi. Nepriznannaya respublika Nagornyy Karabakh vvodit sobstvennuyu valyutu (Dramatisches Geld. Nicht anerkannte Republik Nagorno-Karabach führt seine eigene Währung ein), in: Newizv.ru 05.09.2005. Unter: http://www.newizv.ru/world/2005-09-07/31055-dramaticheskie-dengi.html, abgerufen: 15.02.2016. 584 Vgl. Babayan, Knar: Made in Artsakh: Kataro Wine Breaks Into Armenian and Russian Markets, in: Hetq.am 21.05.2014. Unter: http://hetq.am/eng/news/54717/ made-in-artsakh-kataro-wine-breaks-into-armenian-and-russian-markets.html/, abgerufen: 15.02.2016.

3.3 Die Entwicklung in Bergkarabach 1991–2015

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Die 2002 in Drmbon errichtete Bergbau-Verarbeitungsanlage, deren Produktion zu 100 % exportiert wird, ist der höchste Steuerzahler und größte private Arbeitgeber (ca. 1.100 Menschen) des Landes.585 Seit 2012 wurden etwa 130 Mio. USD in die Erschließung einer zweiten Bergbauanlage investiert, die ab 2016 mit ca. 1.400 Mitarbeitern arbeiten wird.586 Seit 2010 wird verstärkt in den Energiesektor investiert, der dank der wasserreichen Flüsse ausschließlich vom Bau kleiner Wasserkraftwerke profitiert. Im Jahr 2015 betrug der jährliche Bruttostromverbrauch in Bergkarabach 292.8 Mio. kWh (1,6 % Zuwachs zum Vorjahr) bei einer Bruttostromerzeugung von 222.3 Mio. kWh oder 75 % aus eigener Produktion.587 Ende des Jahres 2015 existierten sechs installierte kleine Wasserkraftwerke mit einer Leistung von 71.7 MW aktiv, davon wurden fünf nur zwischen 2010 und 2015 in Betrieb genommen. Nach Ansicht der Regierung sind weitere neun Anlagen bis 2018 notwendig. Mit diesen neuen Kraftwerken hofft die Regierung, das Land nicht nur autark in Bezug auf seine Stromproduktion zu machen, sondern auch ein Netto-Exporteur von Strom über das gemeinsame Stromnetz nach Armenien zu werden.588 Mit mehr Investitionen in Hotels und den Ausbau von Straßen sowie die Sanierung historischer Sehenswürdigkeiten wird versucht, auch den Tourismus zu beleben, der durch den Krieg stark beeinträchtigt wurde und lange Zeit am Boden lag. Durch den nicht geklärten politischen Status des Landes raten ausländische Regierungen ihren Bürgern jedoch ab, Bergkarabach zu besuchen. Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland weist darauf hin, dass eine konsularische Betreuung in Bergkarabach nicht möglich ist.589 Trotz der Schwierigkeiten verzeichnete das Land nach Angaben der bergkarabachischen Regierung im Jahr 2015 etwa 16.366 Besucher (ohne Besucher aus der Republik Armenien), was einen Anstieg 585 Vgl. Musaelyan, Lusine: Mining Company to Expand Karabakh Operations, in: Asbarez. com 22.03.2012. Unter: http://asbarez.com/101874/mining-company-to-expand-karabakh-operations/, abgerufen: 15.02.2016. 586 Vgl. Asbarez: New Mining Complex Inaugurated In Karabakh, in: Asbarez.com 05.01.2016: Unter: http://asbarez.com/143995/new-mining-complex-inaugurated-inkarabakh/, abgerufen: 15.02.2016. 587 Vgl. Henaran: Arts’akhum elektraenergiayi 75 tokosy kazmel e sep’akan artadrut’yuny. (75 % der Elektrizität in Arzach machen seine eigene Produktion aus), in: Henaran.am 09.01.2016. Unter: http://henaran.am/175054.html, abgerufen: 15.02.2016. 588 Vgl. Artsakh HEK: Unter: http://www.artsakhhpp.com, abgerufen: 15.02.2016. (Derzeit nicht mehr abrufbar). 589 Vgl. Das Auswärtige Amt: Armenien: Reise- und Sicherheitshinweise. (Stand: 02.2016). Unter: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/ ArmenienSicherheit_node.html, abgerufen:15.02.2016. 133

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von fast 12 % gegenüber dem Vorjahr darstellt. Zum Vergleich mit 2007 sind es ca. 11.000 Touristen mehr.590 Eine Einreise nach Bergkarabach ist nur aus Armenien möglich, und zwar auf der mit Diasporageldern gebauten 330 km langen Fernstraße (Jerewan-GorisStepanakert). Eine zweite Fernstraße wird seit 2013 gebaut, die Vardenis (Stadt in Armenien) mit Martakert (Stadt in Bergkarabach) verbinden und es ermöglichen wird, in nur drei Stunden von Jerewan bis Stepanakert zu kommen.591 Der Flughafen in der Hauptstadt Stepanakert sowie die Bahnstationen sind seit dem Krieg nicht mehr in Betrieb. Um Touristen den Weg nach Bergkarabach zu erleichtern und den eigenen Bürgern Reisefreiheit und Freizügigkeit zu gewährleisten, wurde 2011 der Flughafen in Stepanakert mit Hilfe der Regierung und der Diaspora erneuert sowie ein neuer Flughafenterminal erbaut und in 2012 offiziell zertifiziert. Die Wiedereröffnung und der erste Flug mit der staatlichen Fluggesellschaft „Artsakh Air“ wurden offiziell aus technischen Gründen mehrmals verschoben, dies erklärt sich vor allem dadurch, dass die aserbaidschanischen Behörden die Einrichtung des zivilen Flugverkehrs zwischen Bergkarabach und der Außenwelt mit einem Abschuss der Passagierflugzeuge bedrohten.592 Der Vorsitzende des Parlaments von Bergkarabach, Aschot Ghuljan, erklärte im Oktober 2014 gegenüber der belgischen Zeitung Le Vif L’Express. „Der Flughafen war für unsere Bürger gedacht, damit sie sich frei bewegen können“, und er führte weiter aus: „Wir können nicht ewig auf den guten Willen der Aserbaidschaner warten. Wir könnten ja auch unseren Luftraum für sie sperren, aber wir wollen keine Spielchen treiben.“593 Im Jahr 2015 wurde das BIP von Bergkarabach auf rund 209.3 Mrd. (81.7 Mrd. in 2008) armenische Dram geschätzt, umgerechnet etwa 438 Mio. USD. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen lag im Jahre 2015 durchschnittlich bei 2.959 USD (2.777 in 2013). Zum Vergleich mit 1999 betrug das BIP des Landes nur 59 Mio. USD oder 590 Vgl. Azatutyun: Karabakh Reports Renewed Growth In Tourism, in: Azatutyun.am 24.12.2015: Unter: http://www.azatutyun.am/content/article/27447669.html, abgerufen: 15.02.2016. 591 Vgl. Arka: It`ll take 3 hours to drive from Yerevan to Stepanakert through new highway being constructed by Hayastan fund, in: Arka.am 13.05.2013. Unter: http://arka.am/ en/news/economy/it_ll_take_3_hours_to_drive_from_yerevan_to_stepanakert_ through_new_highway_being_constructed_by_hay/, abgerufen: 15.02.2016. 592 Vgl. HurriyetDailyNews: Nagorno-Karabakh airport to begin civilian flights, in: Hurriyet Daily News 27.01.2012; News.am. Stepanakert Airport is launched, in: News.am 01.10.2012. Unter: http://news.am/eng/news/123111.html, abgerufen: 15.02.2016. 593 François, Janne d’Othée: L’aéroport qui n’a jamais vu d’avion, in: Le Vif L’Express 29.10.2014: Unter: http://m.levif.be/actualite/international/l-aeroport-qui-n-ajamais-vu-d-avion/article-normal-322849.html, abgerufen: 15.02.2016.

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80 % weniger als die letzten Jahre in der Sowjetunion. Das das Bruttoinlandsprodukt umfasste in 2009 nur 102.3 Mrd. armenische Dram oder 281.7 Mio. USD.594 Mit 9,1 % in 2015 wurde ein starkes Wirtschaftswachstum erzielt, das von 2009–2014 im Durchschnitt um mehr als 9 % gestiegen ist.595 Marktwirtschaft und freier Außenhandel sind erklärte wirtschaftspolitische Ziele der Regierung in Bergkarabach. Die Exporte aus Bergkarabach lagen im Jahr 2015 bei 62.0 Mio. USD, die Importe bei 252 Mio. USD. Den größten Anteil hat hierbei die Republik Armenien.596 Der Staatshaushalt der Minirepublik umfasste 2015 Ausgaben von umgerechnet 88.127 Mrd. armenischen Dram (2009: 58.547), dem standen Einnahmen von umgerechnet 83.246 Mrd. armenischen Dram (2009: 57.160) gegenüber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 4.881 Mrd. Dram (2009: 1.386).597 Der Haushalt des Gebiets wird zu einem Drittel von Armenien alimentiert. Neben Armenien gewähren die USA seit 1998 als einziger Staat der Welt eine jährliche Entwicklungshilfe für soziale Projekte in Bergkarabach.598 Trotz der finanziellen Unterstützung der Republik durch Armenien und die USA wäre der kriegsbedingt zerstörte wirtschaftliche und soziale Wiederaufbau des Landes ohne die zentrale Rolle der armenischen Diaspora nicht möglich. Mit weltweiten Spenden der armenischen Diaspora-Geldgeber konnten mehrere Hundert Kilometer Straßen, dutzende Schulen und Krankenhäuser und andere soziale Projekte in Bergkarabach durch die Allarmenische Stiftung Hajastan, Monte-Melkonjan Stiftung, Artsakh Investment sowie durch weitere private Initiativen verwirklicht

594 Vgl. Ministry of Finance of Nagorno-Karabakh Republic: Hashvetvut’yun Lernayin Gharabaghi Hanrapetut’yan 2015 T’vakani Petakan Byujei Katarman Masin (Bericht über die Ausführung des Staatshaushaltes der Republik Bergkarabach in 2015). Unter: http://minfin nkr.am/uploadfiles/1473331508.pdf, abgerufen: 15.02.2017. 595 Vgl. Artsakh Republic National Statistical Service: Statistical Yearbook of NagornoKarabakh Republic, 2009–2015. 596 Vgl. Ministry of Finance of Nagorno-Karabakh Republic: Hashvetvut’yun Lernayin Gharabaghi Hanrapetut’yan 2015 T’vakani Petakan Byujei Katarman Masin (Bericht über die Ausführung des Staatshaushaltes der Republik Bergkarabach in 2015). 597 Vgl. Ministry of Finance of Nagorno-Karabakh Republic: LGHH Petakan byujei katarman hashvetvut’yunner (Bericht über die Ausführung des Staatshaushaltes der Republik Bergkarabach). Unter: http://www.minfin-nkr.am/?section=resources/ index&type=6&subtype=85, abgerufen: 15.02.2017. 598 Vgl. Harutyunyan, Sargis: U.S. Vows Continued Aid To Karabakh, in: Azatutyun.am 18.11.2015. Unter: http://www.azatutyun.am/content/article/27373658.html, abgerufen: 15.02.2016. 135

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werden.599 Außerdem machen die Diaspora-Armenier die meisten Investoren in der Wirtschaft der Republik aus. Trotz des abschreckenden Rufes als Kriegsgebiet konnte die Regierung von Bergkarabach mit einer gezielten Steuerpolitik und günstigen Investitionsbedingungen seit 2000 auch für ausländische Investoren an Attraktivität gewinnen. Aus mehr als zehn Staaten wurden in den Bereichen Telekomunikation, Bergbau, Tourismus von nicht armenischstämmigen Investoren mehrere Dutzend Millionen USD bereits investiert.600

3.3.3 Außen- und Sicherheitspolitik Das Außenministerium der Republik Bergkarabach wurde im Juli 1993 gegründet, um die Interessen des jungen Staates im Ausland zu vertreten sowie an den Friedensverhandlungen mit Aserbaidschan teilzunehmen.601 Die Außenpolitik der nicht anerkannten Republik basiert hauptsächlich auf Grundsätzen, die zu einer dauerhaften Lösung des Konflikts mit Aserbaidschan führen sollen. Es ist vor allem der Status von Bergkarabach, dessen Bestimmung ausschließlich als das Recht seiner Bevölkerung gesehen wird. Die gegenseitige Anerkennung soll zu einem friedlichen Zusammenleben der beiden souveränen Staaten im Gebiet der ehemaligen Aserbaidschanischen SSR führen. Die Republik Bergkarabach und die Republik Aserbaidschan sollen als gleichberechtigte Subjekte des Völkerrechts gelten. Internationale Garantien müssen die Sicherheit der Menschen in Bergkarabach gewährleisten, die Träger der Souveränität und der legitimen Machtquelle der Republik sind. Schließlich wird angestrebt, für beide Seiten eine annehmbare Lösung der territorialen Streitigkeiten und Probleme in Bezug auf Flüchtlinge und Binnenvertriebene im Rahmen eines Friedensabkommens zwischen Bergkarabach und Aserbaidschan zu erlangen.602

599 Vgl. Allarmenische Stiftung Hajastan: Unter: http://www.himnadram.org, abgerufen: 15.02.2016; Monte-Melkonjan Stiftung: Unter: http://www.melkonian.org, abgerufen: 15.02.2016; Artsakh Investment: Unter: www.aif.am, abgerufen: 15.02.2016. 600 Vgl. Hofmann, Tessa: München 2006, S. 178. 601 Vgl. Office of Nagorno-Karabakh Republic in the USA: NKR Ministry of Foreign Affairs. Unter: http://www.nkrusa.org/foreign_policy/ministry.shtml, abgerufen: 20.02.2016. 602 Vgl. Avetisyan, H./M. Aghajanyan/L. Andriasyan/A. Arshakyan/H. Asryan/G. Boyakhchyan/A. Eghiazaryan/G. Isagulyan/A. Melkonyan/S. Minasyan/N. Panosyan/V. Sargsyan/R. Safrastyan: Republic of Nagorno-Karabakh: Process of State Building at the Crossroad of Centuries. Yerevan, Institute of Political Research SNCO 2009, S. 28 f. Unter: http://www.europeanintegration.am/wp-content/uploads/en-Republic

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Seit 1997 öffnet das Außenministerium Schritt für Schritt weltweit Auslandsvertretungen, um die Interessen Bergkarabachs besser zu koordinieren sowie eine effektive Arbeit umzusetzen. Die Auslandsbüros vertreten die Interessen Bergkarabachs in der Welt, fördern den internationalen Austausch und bieten Bürgern von Bergkarabach im Ausland Schutz und Hilfe. Dabei werden nicht nur politische Kontakte gepflegt, sondern auch die Gesellschaft von Bergkarabach wird international immer stärker vernetzt. Die Vertretungen fördern daher einen intensiven Austausch mit der Welt in Wirtschaft, Kultur, Bildung, Umweltfragen und in vielen weiteren Themen. Mit seinem Netz von rund zehn Auslandsvertretungen pflegt das Außen­ ministerium somit die Beziehungen zu anderen Staaten sowie zu den internationalen Organisationen: Ständige Vertretungen finden sich in der Republik Armenien (Sitz in Jerewan), der Russischen Föderation (Sitz in Moskau), den USA und Kanada (Sitz in Washington DC.), Frankreich (Sitz in Paris), der Bundesrepublik Deutschland (Sitz in Berlin), im Libanon (Sitz in Beirut), zuständig für den gesamten Nahen Osten, in Australien (Sitz in Sidney) sowie in Wien und Brüssel, zuständig für internationale Organisationen.603 Neben ihren Kernaufgaben sind die Vertretungen beauftragt, ausländische Investitionen für die Wirtschaft der jungen Republik einzuwerben sowie die Beziehungen mit der armenischen Diaspora in der ganzen Welt zu festigen und mit deren Unterstützung die internationale Anerkennung des Landes voranzutreiben. Die seit 1991 bestehende Unabhängigkeit wurde nur teilweise – von den ebenfalls hinsichtlich ihres Status umstrittenen Konfliktgebieten Abchasien, Südossetien sowie Transnistrien – anerkannt. Im November 2012 erklärte der Außenminister Uruguays, dass sein Land die Unabhängigkeit Bergkarabachs anerkennen könnte, es folgten hochrangige Besuche nach Bergkarabach (Parlamentspräsident von Uruguay), aber eine offizielle Anerkennung blieb bis jetzt aus.604 Nach ca. 25 Jahren der Unabhängigkeit verabschiedete das Repräsentantenhaus von Rhode Island, die Legislative des US-Bundesstaates Rhode Island, am 17. Mai 2012 eine Resolution über die Anerkennung von Bergkarabach und bezeichnete es als historisches armenisches Gebiet. Des Weiteren wurden US-Präsident Ba-of-Nagorno-Karabakh.Process-of-State-Building-on-the-crossroads-of-Centuries. Institute-of-Political-Research.pdf, abgerufen: 20.02.2016. 603 Vgl. Ministry of Foreign Affairs of Nagorno-Karabakh Republic: Permanent Representations. Unter: http://nkr.am/en/permanent-representations/104/, abgerufen: 20.02.2016. 604 Vgl. Asbarez: Uruguay’s Foreign Ministry Calls for Recognition of Nagorno-Karabakh Republic, in: Asbarez.com 05.01.2015: Unter: http://asbarez.com/130417/uruguaysforeign-ministry-calls-for-recognition-of-nagorno-karabakh-republic/, abgerufen: 20.02.2016. 137

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rack Obama und der US-Kongress aufgefordert, die Republik Bergkarabach als souveränen Staat anzuerkennen. Es folgten weitere Anerkennungen durch das Parlament von Massachusetts am 6. August. Am 10. April 2013 verabschiedete der US-Bundesstaat Maine eine ähnliche Resolution, am 30. Mai folgte der Senat Louisianas und schließlich der US-Bundesstaat Kalifornien, in dem ca. eine Million Armenier leben.605 Neben fünf US-Staaten (Stand 2015) hat auch der australische Bundesstaat New South Wales am 25. Oktober 2012 einstimmig die Unabhängigkeit der Republik Bergkarabach anerkannt sowie das Recht auf Selbstbestimmung des Volkes von Bergkarabach.606 Neben diesen Bundesstaaten haben mehr als ein Dutzend europäische und amerikanische Städte partnerschaftliche Beziehungen mit bergkarabachischen Städten aufgenommen.607 Das Außenministerium in Stepanakert ist bemüht, die Arbeit der mehr als Duzend internationalen Organisationen in Bergkarabach zu unterstützen. Besonders aktiv sind die Kontakte mit den Vertretern der OSZE, dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (ICRC), HALO Trust sowie mit anderen internationalen und regionalen Organisationen.608 Die Streitkräfte des de facto unabhängigen Bergkarabachs wurden am 9. Mai 1992 aus verschiedenen Verbänden und Heimkehrern aus Armeeverbänden in den übrigen Sowjetrepubliken im Zuge des Bergkarabach-Konflikts gebildet. Ihre Hauptaufgabe bestand Anfang der 1990er Jahre darin, die armenischen Zivilisten in Bergkarabach zu schützen.609 Im Laufe des Kriegs könnten die Streitkräfte nicht nur das ehemalige Autonome Gebiet von Bergkarabach teilweise unter ihre Kon-

605 Vgl. Asbarez: California State Assembly Recognizes Artsakh’s Independence, in: Asbarez.com 08.05.2014: Unter: http://asbarez.com/122870/california-state-assemblyrecognizes-artsakhs-independence/, abgerufen: 20.02.2016. 606 Vgl. Parliament of New South Wales: Unter: http://parliament.nsw.gov.au/Prod/ Parlment/HansTrans. nsf/V3ByKey/LC20121025?open&refNavID=LC6_5, abgerufen: 20.02.2016. 607 Vgl. Hovhannisyan, Liana: The Foreign Policy of the Republic of Nagorno-Karabakh, in: Armedia.am 02.06.2015. Unter: http://armedia.am/eng/news/13476/the-foreign-policy-of-the-republic-of-nagorno-karabakh.html, abgerufen: 20.02.2016. 608 Vgl. Avetisyan, H./M. Aghajanyan/L. Andriasyan/A. Arshakyan/H. Asryan/G. Boyakhchyan/A. Eghiazaryan/G. Isagulyan/A. Melkonyan/S. Minasyan/N. Panosyan/V. Sargsyan/R. Safrastyan: Republic of Nagorno-Karabakh: Process of State Building at the Crossroad of Centuries. Yerevan, Institute of Political Research SNCO 2009, S. 28 f. 609 Vgl. Office of Nagorno-Karabakh Republic in the USA: Important Facts about NKR Defense Army (Nagorno Karabakh Army). Unter: http://www.nkrusa.org/country_profile/nkr_army.shtml, abgerufen: 20.02.2016.

3.3 Die Entwicklung in Bergkarabach 1991–2015

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trolle bringen, sondern auch weitere sieben umliegende Bezirke der ehemaligen Aserbaidschanischen SSR. Zum Vergleich mit anderen postsowjetischen Konfliktgebieten (Abchasien, Transnistrien und Südossetien) sind die Streitkräfte der Republik Bergkarabach die alleinigen Verteidiger der Grenze ihrer nicht anerkannten Republik. Trotz des vereinbarten Waffenstillstands vom Mai 1994, seitdem die Frontlinie mit Schützengräben ausgehoben ist, kommt es immer noch fast täglich zu Zusammenstößen zwischen karabachischen und aserbaidschanischen Streitkräften und damit zu etlichen Todesopfern und Verletzten auf beiden Seiten. Einer der größten Verstöße gegen den Waffenstillstand erfolgte im Nord-Osten von Bergkarabach, in Martakert, im März 2008, bei dem bis zu 16 Soldaten von beiden Seiten getötet wurden. Wechselseitig beschuldigte man sich, als Erster geschossen zu haben. Im Juni 2010 brachen neue Gefechte zwischen armenischen und aserbaidschanischen Truppen entlang der Kontaktlinie aus – mit mehreren toten Soldaten. Bei den Zusammenstößen im Sommer 2014 kamen drei Armenier und zwölf Aserbaidschaner um. Am 12. November 2014 wurde ein Kampfhelikopter vom Typ MI-24 der Streitkräfte von Bergkarabach durch aserbaidschanisches Militär abgeschossen. Die drei Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben.610 Offizielle Angaben zum Militärhaushalt, zur Ausrüstung der Streitkräfte sowie über die Zahl der aktiven Soldaten sind kaum zu erhalten. Nach verfügbaren Daten dienen in den Streitkräften von Bergkarabach 18.000–20.000 Mann. Die aktive Reserve umfasst rund 20.000 Mann und kann im Ernstfall auf 30.000 Mann aufgestockt werden.611 Trotz der fehlenden völkerrechtlichen Anerkennung besteht heute eine enge Kooperation mit den armenischen Streitkräften. Das hohe Maß an Integrität zwischen den Streitkräften der Republik Armenien und Bergkarabach ist

610 Vgl. BBC News: Karabakh casualty toll disputed, in: News.bbc.co.uk 05.03.2008. Unter: http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/7278871.stm, abgerufen: 20.02.2016; BBC: Several killed in Nagorno-Karabakh clash, in: Bbc.com 01.09.2010: Unter: http://www.bbc. com/news/world-europe-11150688, abgerufen: 20.02.2016; BBC: Fifteen die in clashes over disputed Nagorno-Karabakh, in: Bbc.com 02.08.2014: Unter: http://www.bbc. com/news/world-europe-28626986, abgerufen: 20.02.2016; BBC: Armenian helicopter downing: ‘Grave consequences’ warning, in: Bbc.com 13.11.2014. Unter: http://www. bbc.com/news/world-europe-30038448, abgerufen: 20.02.2016. 611 Vgl. Blandy, C. W: Azerbaijan: Is War Over Nagorny Karabakh a Realistic Option? In: Defence Academy of the United Kingdom, Caucasus Series 08/17, 5/2008. Unter: http:// www.isn.ethz.ch/Digital-Library/Publications/Detail/?id=87342&lng=en, abgerufen: 20.02.2016. 139

140

3 Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1991–2015

in so wichtigen politischen Dokumenten wie der Nationalen Sicherheitsstrategie und Militärdoktrin der Republik Armenien bestätigt worden.612

3.3.4 Demographie und ethnische Minderheiten Zum Zeitpunkt der letzten sowjetischen Volkszählung im Januar 1989 wurden für Bergkarabach noch etwa 189.000 Einwohner ermittelt, 145.450 waren Armenier, 40.688 Aserbaidschaner, 1.922 Russen, 416 Ukrainer und 609 andere Minderheiten. Nach der Auflösung der Sowjetunion kam es im Verlauf des Bergkarabach-Kriegs zu ethnischen Vertreibungen nicht nur in Aserbaidschan und Armenien, sondern auch in Bergkarabach, wobei, besonders bedingt durch den Krieg und die Zerstörung, die Menschen ihre Siedlungen und die Region verlassen sollten. Somit schrumpfte die Zahl der Bevölkerung in Bergkarabach deutlich. Inzwischen hat die Flucht der Bevölkerung zu einem starken Rückgang der Einwohnerzahl insgesamt geführt, sodass diese im Jahr 1995 nach offizieller Schätzung etwa 122.600 Menschen, mehrheitlich Armenier, betrug.613 Der Großteil der armenischen Bevölkerung in Bergkarabach ist christlich und gehört zur Armenischen Apostolischen Kirche. Weiter existieren christlich-orthodoxe und evangelisch-christliche Konfessionen sowie auch Juden.614 Die meisten muslimischen Aserbaidschaner und Kurden verließen die Region während des Kriegs 1991–1994. Nur ein relativ kleiner Teil der aserbaidschanischen Bevölkerungsgruppe blieb nach dem Ende des Kriegs in Bergkarabach. Nach dem Krieg kehrten auch vermehrt vertriebene Karabach-Armenier aus Armenien und Russland zurück. Seit 1997 nimmt die Bevölkerung im Lande kontinuierlich leicht zu. Die erste offizielle Volkszählung in der Republik Bergkarabach fand 2005 statt.615 Laut der Volkszählung betrug die Einwohnerzahl 2005 de jure 137.737 Menschen, de facto waren es 134.862. Von der offiziellen Zahl der Einwohner sind 137.380 Armenier (99,74 %), oder die absolute Mehrheit, sowie 171 Russen (0,1 %), 22 Griechen 612 Vgl. Avetisyan, H./M. Aghajanyan/L. Andriasyan/A. Arshakyan/H. Asryan/G. Boyakhchyan/A. Eghiazaryan/G. Isagulyan/A. Melkonyan/S. Minasyan/N. Panosyan/V. Sargsyan/R. Safrastyan: Republic of Nagorno-Karabakh: Process of State Building at the Crossroad of Centuries. Yerevan, Institute of Political Research SNCO 2009, S. 29 f. 613 Vgl. Artsakh Republic National Statistical Service: Population. Unter: http://web. archive.org/web/20090327083447/http://www.stat-nkr.am/2000_2006/05.pdf, abgerufen: 01.12.2015. 614 Vgl. Office of Nagorno-Karabakh Republic in the USA: Country Overview. 615 Vgl. Artsakh Republic National Statistical Service: The Results of 2015 Population Census of the Republic of NKR. Unter: http://census.stat-nkr.am/, abgerufen: 01.09.2017.

3.3 Die Entwicklung in Bergkarabach 1991–2015

141

(0,02 %), 21 Ukrainer (0,02 %), 12 Georgier (0,01 %), 6 Aserbaidschaner 0,005 %) und Vertreter anderer Nationen 125 (0,1 %). Laut der letzten offiziellen Volkszählung von 2015 betrug die Einwohnerzahl von Bergkarabach 148.100 Menschen. Im Vergleich zur offiziellen Schätzung von 1995 wuchs die Bevölkerungszahl bis 2015 um fast 17,5 %, sie liegt aber immer noch weit unter dem Wert von 1989. Von 148.100 Menschen waren 48,4 % männlich und 51,6 % weiblich, davon 84.100 in den Städten (mehrheitlich in der Hauptstadt Stepanakert 55.800) und 64.000 in ländlichen Gebieten.616 Für das andauernde Anwachsen der Bevölkerung sind im Wesentlichen drei Ursachen zu nennen: Zum einen ist die Lebenserwartung der Menschen in der Region deutlich gestiegen. Zum anderen sind die Höhe der Geburtenrate und die niedrige Auswanderung (sogar Zuwanderung) der Karabach-Armenier dafür verantwortlich. Jahr 1926 Zensus 1939 Zensus 1959 Zensus 1970 Zensus 1979 Zensus 1989 Zensus 2005 Zensus 2015 Zensus

Armenier 111.694 (89,1 %) 132.800 (88,0 %) 110.053 (84,4 %) 121.086 (80,5 %) 123.076 (75,9 %) 145.450 (76,9 %) 137.380 (99,7 %) 144.683 (99,7 %)

Aserbaidschaner Russen 12.592 596 (10,0 %) (0,5 %) 14.053 3.174 (9,3 %) (2,1 %) 17.995 1.790 (13,8 %) (1,4 %) 27.179 1.310 (18,1 %) (0,9 %) 37.264 1.265 (23,0 %) (0,8 %) 40.688 1.922 (21,5 %) (1,0 %) 6 171 (0,005 %) (0,1 %) 238 (0,1 %)

Ukrainer Andere insgesamt 416 125.300 (0,3 %) 436 374 150.837 (0,3 %) (0,2 %) 568 130.406 (0,4 %) 193 563 150.313 (0,1 %) (0,4 %) 140 436 162.181 (0,1 %) (0,3 %) 416 609 189.085 (0,2 %) (0,3 %) 21 159 137.737 (0,02 %) (0,1 %) 26 90 145.053 (0,01 %) (0,06 %)

Abb. 12 Bevölkerungszensus im Autonomen Gebiet NKAO (1926–1989) und in der Republik Bergkarabach/Arzach (2005–2015)617

616 Vgl. ebd. 617 Vgl. Ethno-kavkaz.narod.ru: Naselenije Nagorno-Karabaxskoi Respubliki (Bevölkerung der Republik Bergkarabach) für 1926–1989; Artsakh Republic National Statistical Service: The Results of 2005 Census of the Nagorno-Karabakh Republic. Für 2005–2015. 141

142

3 Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1991–2015

Die Lebenserwartung betrug in Bergkarabach in 2015 74.1 Jahre, bei den Männern 71.5 Jahre und bei den Frauen 76.6 Jahre, und steigt kontinuierlich seit 1995. Auch die Bruttogeburtenziffer pro 1000 Einwohner hat sich zwischen 1995 und 2015 stetig von 14,4 auf 17,4 erhöht und die Bruttosterbeziffer pro 1000 Einwohner ist dagegen von 9,6 auf 8,7 gesunken. Während in 1995 1.799 Kinder in Bergkarabach geboren wurden und 1.197 Menschen starben, waren im Jahre 2015 2.582 Neugeborene und 1.290 Sterbefälle zu verzeichnen. Aufgrund dessen hat sich das natürliche Bevölkerungswachstum verstärkt, im Zeitraum von 1995 bis 2015 ist es von 602 Menschen (4.8 pro 1000 Einwohner) auf 1.292 Menschen gestiegen (8.7 pro 1000 Einwohner).618 Abgesehen von der natürlichen Bevölkerungsentwicklung ist in letzter Zeit auch eine kleine Welle von Zuwanderern in Bergkarabach zu beobachten. Angesichts des andauernden Bürgerkriegs in Syrien kehren vermehrt Angehörige der armenischen Diaspora aus Syrien nicht nur nach Armenien, sondern auch nach Bergkarabach zurück. Laut offiziellen Daten hat die Regierung von Bergkarabach rund 200 syrisch-armenischen Bürgern aus Syrien seit dem Krieg Hilfe in Form von Grundstücken und Unterkünften sowie auch andere Hilfsmittel in Bergkarabach bereitgestellt. Mit dem Fortschreiten des Kriegs in Syrien werden weitere Flüchtlinge in Bergkarabach erwartet.619

618 Vgl. Artsakh Republic National Statistical Service: Statistical Yearbooks of Nagorno-Karabakh Republic, 1995–2015. 619 Vgl. Armenian Society of New York: New flates are built for Syrian Armenians in Nagorno-Karabakh. Unter: http://www.armeniansocietynewyork.com/syrian-armenians/ new-flats-are-built-for-syrian-armenians-in-nagorno-karabakh, abgerufen: 01.12.2015; News.am: Around 200 Syrian Armenians live in Karabakh, in: News.am 03.10.2014: Unter: http://news.am/eng/news/232270.html, abgerufen: 01.12.2015.

Die externen Akteure im BergkarabachKonflikt und in der Region 4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

4.1 4.1

4.1.1

4

Das Engagement Russlands Das Engagement Russlands

Die Politik Russlands im Südkaukasus

Der Kaukasus spielt seit langem eine wichtige Rolle in der russischen Außen- und Sicherheitspolitik. In Kriegen mit dem Osmanischen Reich und Persien sowie mit den Bewohnern des bergigen Nordkaukasus im 19. Jh. unterwarf das Zarenreich Territorien seiner Herrschaft, die heute zu Armenien, Aserbaidschan und Georgien gehören. Nach dem russischen Bürgerkrieg wurden die drei neu gegründeten Republiken im Südkaukasus in das neue russische Konstrukt Sowjetunion eingegliedert, das fast 70 Jahre andauerte. Diese Situation änderte sich schlagartig Ende der 1980er Jahre während des Zusammenbruchs der Sowjetunion, als die Bestrebungen der Völker nach Freiheit und Nationalstaaten zusammen mit konservierten Konflikten und Spannungen die geopolitische und geographische Lage der Region prägten. Dadurch erlangten die drei Staaten im Südkaukasus nicht nur ihre Unabhängigkeit zurück, sie wurden mit Konflikten konfrontiert, die bis jetzt ihre Außen- und Sicherheitspolitik beeinflussen. Das nachsowjetische Russland ist im Südaukasus nicht nur als Großmacht mit eigenen Interessen stark vertreten geblieben, es ragt sogar mit sieben Teilrepubliken im Nordkaukasus in die Großregion Kaukasus hinein. In dieser Hinsicht hat die Region eine zentrale Bedeutung für Russland, insbesondere in Fragen der nationalen Sicherheit, territorialen Integrität und Stabilität,620 und zwar, wie später der russische Außenminister Igor Iwanow in 1999 äußerte: „We need 620 Vgl. The Ministry of Foreign Affairs of the Russian Federation: Obzor vneshney politiki Rossiyskoy Federatsii (Überblick über die Außenpolitik der Russischen Föderation), 27.03.2007. Unter: http://www.mid.ru/foreign_policy/news/-/asset_publisher/cKNonkJE02Bw/content/id/378188/, abgerufen: 25.05.2016. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. E. Aslanyan, Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus, Energiepolitik und Klimaschutz. Energy Policy and Climate Protection, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28516-6_4

143

144

4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

a stable Caucasus. Without it we will be unable to ensure security of the southern borders of Russia and halt the incursions of terrorists and religious extremists throughout the territory.“621 Nach der Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit sind die Südkaukasus-Staaten Teil der GUS622 geworden, die aufgrund der Initiative der russischen Regierung realisiert wurde, um mit ihr und mit Hilfe der jahrzehntelangen gemeinsamen Vergangenheit und Verflechtungsstruktur zwischen diesen Ländern den Einfluss des Kremls auf die ehemaligen Sowjetrepubliken beizubehalten. Armenien integrierte sich aufgrund seiner geopolitischen Zwangslage mit wenigen Abstrichen in die GUS und andere aus dem Kreml hervorgegangene Organisationen. Am Anfang verweigerten sowohl Georgien als auch Aserbaidschan den Beitritt in die GUS und versuchten der russischen Einflussnahme zu entgehen, aber ohne Erfolg. Dennoch gründeten 1997 Georgien, Aserbaidschan mit der Ukraine und Moldau die überregionale pro-westliche Staatenplattform GUAM mit Unterstützung der USA und versuchen somit ein Gegengewicht zum Einfluss Russlands im post­ sowjetischen Raum zu bilden.623 Die russische Politik gegenüber den GUS-Staaten, darunter den drei Südkaukasus-Staaten, besteht hauptsächlich aus drei Dimensionen: einer politischen, wirtschaftlichen/energiepolitischen und militärischen. 1. Auf der politischen Seite versucht Russland Regierungen zu stärken, die ähnliche Regime wie in Moskau installieren. Demokratische Entwicklungen oder pro-westliche Regierungen könnten dazu führen, dass die Rolle Russlands in der Region in Frage gestellt wird. 2. In den Wirtschafts- und Energiebeziehungen versucht Russland, im Rahmen seiner Kontrolle über Natur- und Energieressourcen im postsowjetischen Raum, seine beherrschende Stellung in der GUS-Region beizubehalten. Insbesondere die kaspischen Öl- und Gasressourcen sind relevant für die russischen Interessen. Seit 2015 wird mit Hilfe der EAWU eine wirtschaftliche Kooperation angestrebt.

621 Tishkov, Valery/Ivanov, Anton (Hrsg.): The Russian Government Conflict Prevention Capacities in the Caucasus. Moskau Dezember 1999. Unter: https://reliefweb.int/report/ armenia/conflict-prevention-capacities-russian-government-caucasus, abgerufen: 25.05.2016. 622 Die GUS hat sich als recht unwirksam erwiesen. Nur ein kleiner Prozentsatz der Vereinbarungen, die seine Mitglieder seit ihrer Gründung Ende 1991 unterzeichnet haben, wurde umgesetzt. 623 Vgl. Voswinkel, Johannes: Schutz gegen Moskau, in: Die Zeit 26.05.2006. Unter: http:// www.zeit.de/online/2006/22/Kiew-Weinkrieg-GUAM, abgerufen: 25.05.2016.

4.1 Das Engagement Russlands

145

3. Im Militär- und sicherheitspolitischen Bereich besteht Russlands Ziel darin, seine Rolle als Organisator der OVKS zu fördern, die sich mit Terrorismusbekämpfung, Geheimdienst- und Grenzschutzfragen beschäftigt.624 Russland nutzt diese Organisation, um zu verhindern, dass seine ehemaligen Republiken unabhängige Militär- und Sicherheitsorgane zu Lasten einer militärischen Al­ lianz unter seiner Dominanz aufbauen. Außerdem sollen durch die Stationierung russischer Militärbasen in den GUS-Staaten die Außengrenzen dieser Republiken mit Beteiligung russischer Truppen gesichert werden. Obwohl Russland in die südkaukasischen Angelegenheiten intensiv involviert war, fehlte seiner Regionalpolitik Anfang der 1990er Jahre eine konstante Charakteristik. Sie war vielmehr vom wechselhaften Verlauf der eigenen innenpolitischen Entwicklung geprägt. Die geopolitischen Ansätze, die in den 1990er Jahren in der russischen Politik und Wissenschaft diskutiert wurden, zeichneten für diese Widersprüchlichkeit Verantwortung. Anfang der 1990er Jahre, während der Präsidentschaft von Jelzin, besaß Russlands Außenpolitik hauptsächlich zwei prägende Dimensionen: Euro-Atlantismus und Eurasismus. Die euro-atlantische Richtung sah die Zukunft Russlands in Europa als gleichberechtigtes Mitglied der euro-atlantischen Nationen und eine enge Zusammenarbeit mit westlichen Industriestaaten. Die Vertreter der eurasischen Dimension strebten eine imperiale Reintegration des postsowjetischen Raums an und waren nicht bereit, die Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepubliken als solches anzuerkennen. Sie zielten auf eine russische Kontrolle dieser Länder ab.625 Das geopolitische Konzept des Eurasismus betrachtete Russland als eine „eurasi­ sche“ Großmacht in der Weltpolitik, die hauptsächlich auf seiner geographischen Ausdehnung zwischen Ost und West basierte. Olga Alexandrova beschreibt, dass die Vertreter dieser Schule die Welt als eine Kampfarena sehen, in der sich zwei globale Mächte gegenüberstehen, die atlantisch-angelsächsischen und die russisch-eurasischen Akteure.626 Diese spezifische Rolle Russlands zwischen Ost und West erklärt das russische politische Bemühen, seine abhängigen Einflussgebiete in der postbipolaren Welt absichern zu wollen.

624 Kramer, Mark: Russian Policy Toward the Commonwealth of Independent States Recent Trends and Future Prospects, in: Problems of Post-Communism 55, No. 6, 2008, S. 3–19. 625 Vgl. Kavus, Abushov: Policing the near abroad: Russia’s policy in the South Caucasus, in: Australian Journal of International Affairs, 63(2) 2009, S. 187–212. 626 Vgl. Alexandrova, Olga: Entwicklung der außenpolitischen Konzeption Russlands. Köln 1993, S. 2. 145

146

4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Dieser doppelte Charakter der Außenpolitik spiegelte auch die Politik Russlands gegenüber dem Südkaukasus. Während die Konzentration der russischen Truppen in Südkaukasus aufgelöst wurde, versuchte Moskau, sich in den aufkommenden regionalen Konfliktprozessen einzubringen.627 Im Fokus standen die Bemühungen, die privilegierte Position der Russischen Föderation in Anliegen und Vorgängen in den GUS-Ländern, die Moskau fortan als ihr „Nahes Ausland“ (ближнее зарубежье, blizhneye zarubezhye) betrachtete, in den außenpolitischen Leitlinien und Sicherheitskonzepten während der Präsidentschaft von Jelzin festzuschreiben. Diese 1992 entworfene Denkfigur beinhaltete Moskaus Anspruch auf prärogative Interessen der russischen Außenpolitik gegenüber ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken. Der damalige russische Außenminister Andrei Wladimirowitsch Kosyrew erklärte hierzu: „Die Länder der GUS und des Baltikums sind die Region, wo die erstrangigen vitalen Interessen Russlands konzentriert sind. Von daher kommen auch die Hauptbedrohungen dieser Interessen.“628 Der Südkaukasus stellte für die Russische Föderation insofern geographisch und geopolitisch einen lebenswichtigen Raum dar. „Geopolitisch betrachtet wurde der Nordkaukasus nach dem Ende der Sowjetunion zur exponiertesten Grenzregion Russlands: Hier ragt Russland in die kaukasische Grenzregion hinein, die einerseits von großer Konfliktdichte und anderseits von der Konkurrenz externer Akteure (Russland, USA, Türkei, Iran) um Einfluss charakterisiert ist. Die Staatsgrenze zwischen Russland und seinem ‚nahen Ausland‘ verläuft hier in einer Region, in der sich Moskau in besonderem Maße strategischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen ausgesetzt fühlt. Die angespannten russisch-georgischen Beziehungen stehen in diesem Kontext.“629 Seit der Jahrtausendwende rückte mit Wladimir Putins Amtsantritt im Jahr 2000 der Südkaukasus noch stärker in das prioritäre Bezugsfeld des russischen wirtschaftlichen, geopolitischen und sicherheitspolitischen Interesses und wird seitdem als ein „unabdingbares Attribut des Großmachtstatus Russland betrachtet“630. 627 Naumkin, Vitaly N.: Russian Policy in the South Caucasus, in: Partnership for Peace Consortium of Defense Academies and Security Studies Institutes, The Quaterly Journal, No. 3, 02.09.2002, S. 31–37. Unter: https://globalnetplatform.org/ru/system/files/1/ Russian%20Policy%20in%20the%20South%20 Caucasus.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 628 Wilhelmi, W.: Die Politik der Rußländischen Föderation gegenüber dem „Nahen Ausland“ unter besonderer Berücksichtigung von Rolle und Einfluss des Militärs. Baden-Baden 2002, S. 61. 629 Halbach, Uwe: Nordkaukasus – Porträt einer spannungsreichen Region, in: Guppenberg, Marie-Carin von/Steinbach, Udo (Hrsg.): Der Kaukasus Geschichte – Kultur – Politik. München 2008, S. 71. 630 Alexandrova, Olga: Russlands Außenpolitik gegenüber dem postsowjetischen Raum; in: Alexandrova, Olga/Götz, Roland/Halbach, Uwe (Hrsg.): Rußland und der post­

4.1 Das Engagement Russlands

147

Es konnte nicht überraschen, dass die Bedeutsamkeit an der Region auch in offiziellen Dokumenten, wie in der „Doktrin der Russischen Föderation zur nationalen Sicherheit“ vom 10. Januar 2000, in der „neuen militärischen Doktrin der Russischen Föderation“ vom 21. April 2000 und der „Doktrin der neuen Außenpolitik der Russischen Föderation“ vom 30. Juni 2000 festgehalten wurde. Ein vorrangiges angestrebtes Ziel richte sich darauf, Russland wieder zu alter Größe zu führen und die verlorene Vormachtstellung in traditionellen Einflussregionen, insbesondere in den postsowjetischen Ländern, zurückzugewinnen.631 Die russische Außenpolitik seit der Präsidentschaft von Wladimir Putin ist schlüssiger und im Zuge des wachsenden wirtschaftlichen und militärischen Gewichtes Russland wird sie auch offensiver gestaltet als bei seinen Vorgängern. Seitdem offenbart Russland vermehrt Interesse an Erdöl- und Erdgasprojekten und der Frage von Exportwegen im Kaspischen Becken und Südkaukasus. Russische Energieunternehmen wurden aufgefordert, stärker in der Region zu investieren. Die Regeneration der russischen internationalen Position ermöglichte es Russland, durch große Investitionsvorhaben im GUS-Raum seinen wirtschaftlichen Einfluss zu erhöhen. Mit dieser Wirtschaftspolitik beabsichtigt Moskau, den russischen Einfluss in den Südkaukasus-Staaten auszubauen.632 Russlands Hauptinteresse besteht darin, in den GUS-Staaten generell, insbesondere jedoch im Südkaukasus, den Einfluss der USA und der Türkei als Konkurrenten zu minimieren. Aber nicht nur staatliche Akteure, auch internationale Organisationen wie die NATO, die EU und die OSZE müssen aus russischer Sicht aus der Region ferngehalten werden. Dass die geopolitischen Interessen von Teheran und Moskau in vieler Hinsicht bezogen auf den Südkaukasus übereinstimmen und Iran nur teilweise als Bedrohung für die vitalen russischen Interessen gesehen wird, hängt davon ab, dass Iran ebenfalls unter internationalen Sanktionen leidet. Bereits seit dem „Jahrhundertvertrag“ von 1994 zwischen westlichen Firmen und der aserbaidschanischen Regierung über die Ausbeutung des Rohstoffpotenzials des Kaspischen Meeres wurden in der russischen und westlichen Öffentlichkeit die geopolitischen Interessen der externen Akteure im Südkaukasus mit dem Begriff „Great Game“ bezeichnet.633 Die Machtausweitung seiner westlichen Konkurrensowjetische Raum. Baden-Baden 2003, S. 18. 631 Vgl. Adomeit, Hannes: Rückkehr auf die Weltbühne. Moskaus Ambitionen sind größer als sein politisches Gewicht, in: Internationale Politik 61, 2006, S. 6. 632 Vgl. Kavus, Abushov: Australian Journal of International Affairs, 63(2) 2009, S. 187–212. 633 Vgl. Halbach, Uwe: Russland im Süd- und Nordkaukasus, zwischen „Nahem Ausland“ und „Innerem Ausland“, in: Grenzland, Konflikte und Kooperation im Südkaukasus. Osteuropa, 65. Jahrgang/Heft 7–10, 2015, S. 393; Karaganow, Sergei: Russia and the 147

148

4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

ten und die Gefahr, dass die aserbaidschanischen und zentralasiatischen Öl- und Gasflüsse auf ihrem Weg nach Westen das russische Territorium umgehen können, kommentierte der russische Minister für GUS-Angelegenheiten, Aman Tulejew, 1996 mit den Worten: „Wenn das kaspische Öl über Georgien und die Türkei geht, wird es im Südkaukasus eine neue geopolitische Situation geben und ein Schwinden des Einflusses Russlands. Der finanzielle Verlust wird größer sein als der durch den Tschetschenienkrieg.“634 Des Weiteren trafen die NATO und EU-Osterweiterung (1999/2004 und 2004 und 2007) stark die russischen Interessen im postsowjetischen Raum. Das Konzept „Nahes Ausland“ wurde zum ersten Mal eine Herausforderung für die russische regionale Außenpolitik im Südkaukasus, als Georgien unter Michael Sahakashvili nach der „Rosenrevolution“ in 2003 eine tiefe Zusammenarbeit und Integration in den euro-atlantischen Institutionen anstrebte. Es führte zur „Geopolitisierung“ der internationalen Beziehungen im Südkaukasus.635 Der am 8. August 2008 ausgebrochene kurze Krieg zwischen Russland und Georgien markiert einen deutlichen Einschnitt im regionalen sicherheitspolitischen Verhalten des Kremls und war zugleich ein Warnsignal für alle postsowjetischen Staaten, die eine Annäherung an den Westen anstrebten. Durch seinen massiven Gegenangriff auf Georgien signalisierte Moskau auch eine Botschaft an Washington, dass die Überschreitung roter Linien wie die Erweiterung der NATO und die Stationierung der US-Militärstützpunkte und Aufklärungseinrichtungen in den ehemaligen postsowjetischen Ländern und die Versuche, die eingefrorenen Konflikte nicht im Sinne russischer Interessen zu lösen, Moskau nicht unbeantwortet lasse. Dabei zeigte Russland seinen Machtanspruch im Südkaukasus, als wäre es seine „Zone privilegierter Interessen“636. Russland hat Georgien im „Fünftagekrieg“ besiegt, erkannte Abchasien und Südossetien als unabhängige Republiken an und gewährleistet ihnen seitdem Sicherheit und beschränkte Eigenstaatlichkeit. Ethnische und territoriale Auseinandersetzungen fungierten somit als russisches Tor in der Region. Sie boten Russland den wirksamsten Hebel für eine Einmischung in das sogenannte „Nahe Ausland“. Mit

international order, in: Lynch, Dov (Hrsg.): What Russia sees. (Chaillot Paper, 74/2005), Institute for Security Studies, Paris 2005, S. 29–42. 634 BBC: Inside Central Asia, 29.12.1996, zit. Nach: Freitag-Wirminghaus, Rainer: Südkaukasien und die Erdölproblematik am Kaspischen Meer, in: Mangott, Gerhard (Hrsg.): Brennpunkt Südkaukasus. Aufbruch trotz Krieg, Vertreibung und Willkürherrschaft. Wien 1999, S. 247–281, hier: S. 263. 635 Vgl. Halbach, Uwe: Osteuropa, 65. Jahrgang/Heft 7–10, 2015, S. 394. 636 Ebd., S. 383.

4.1 Das Engagement Russlands

149

Ausnahme des Konflikts in Bergkarabach griff Russland direkt in alle territorialen Konflikte der ehemaligen Sowjetunion (Abchasien, Südossetien und Transnistrien) ein und stationierte seine sogenannten Friedenstruppen in diesen Regionen. So gewann es militärische Präsenz mit der Maßgabe, Einfluss auf Ereignisse in diesen Regionen zu behalten und diesen möglichst auszudehnen. Durch die Ausstellung russischer Pässe an 60 bis 90 % der Bevölkerung in Abchasien, Südossetien und Trnasnistrien sieht sich Russland nun auch in der Verantwortung für diese neuen Staatsbürger und ihre Sicherheit und den Schutz in den De-facto-Republiken.637 Eine weitere Besorgnis für Russland in der Region stellte die seit 2009 gestartete ÖP der EU im postsowjetischen Raum dar. Obwohl der damalige Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Javier Solana, den Russen versicherte, dass die neue Initiative nicht gegen Russland gerichtet sei, äußerte sich der russische Außenminister Sergej Lavrov gegenüber den Mitgliedern der ÖP-Länder: „We shared our concerns that there are those who may wish to present the invited participants with the choice: either you are with Russia, or with the European Union.“638 Als Gegengewicht der Assoziierung- und Freihandelsabkommen mit der EU initiierte Moskau ein neues eurasisches Integrationsprojekt. Auf Basis der Zollunion zwischen Russland, Kasachstan und Belarus entstand in 2015 die EAWU. Nach dreijährigen erfolgreichen Verhandlungen mit der EU erklärte der armenische Präsident Sersch Sargsjan seinem russischen Amtskollegen bei einem Treffen am 3. September 2013 den Beitritt Armeniens zu der Zollunion und der aus ihr 2015 hervorgegangenen EAWU. Die rasche Entscheidung des armenischen Präsidenten überraschte die EU und verwunderte sogar seine eigene Regierung und Bevölkerung. Aserbaidschan distanzierte sich von Anfang an sowohl von den Abkommen mit der EU im Rahmen der ÖP als auch von russischen Integrationsprojekten. Georgien hingegen setzte seine verkündete Integration in der euro-atlantischen Welt fort und unterzeichnete als einziger Staat im Südkaukasus erfolgreich das Assoziierungsabkommen mit der EU im Juni 2014. Auf dem NATO-Gipfel in Wales Anfang September 2014 erlangte Georgien ein „substanzielles Paket für Kooperation“ mit

637 Vgl. König, Marietta S.: Auswirkungen der Kosovo-Statusverhandlungen auf das Verhältnis zwischen Russland und der EU sowie auf die De-facto-Staaten im post-­ sowjetischen Raum, in: OSZE-Jahrbuch Band 13–2007. Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg/IFSH (Hrsg.). Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2008, S. 48. 638 Bilefsky, Dan: E.U. Pledges Aid to Former Soviet States, in: The New York Times 08.05.2009. Unter: http://www.nytimes.com/2009/05/08/world/europe/08iht-union. html, abgerufen: 25.05.2016. 149

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

der NATO. Im Rahmen dessen wurde sogar Ende August 2015 ein gemeinsames Trainingszentrum der NATO in Georgien eingerichtet.639 Zu den grundlegenden geopolitischen und geoökonomischen Interessen Russlands im Südkaukasus unterscheidet der russische Kaukasusexperte Sergey Markedonov im Interview des Verfassers mit ihm drei Aspekte, die Kremls Regionalpolitik bestimmen: „zum einen die Unterstützung von Abchasien und Südossetien als Gegengewicht zur NATO in Georgien und den Bestrebungen der USA, dann den Ausgleich zwischen Armenien und Aserbaidschan und die Beteiligung an der Konfliktlösung in Bergkarabach. Durch die Wahrung seiner Interessen in den ehemaligen Sowjetrepubliken Transkaukasiens als Voraussetzung für eine friedliche Binnenentwicklung im russischen Nordkaukasus verfolgt Moskau eine Politik des selektiven Revisionismus. Während der Kreml die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien anerkannt hat, beschloss er gleichzeitig, die Bestrebungen der nicht anerkannten Republik Bergkarabach nicht zu unterstützen.“640 Dadurch strebt Moskau an, seine Position als regionaler Führungsmacht zu stärken sowie im Rahmen der OSZE Minsker Gruppe mit dem Westen zusammenzuarbeiten, so Markedonov. Weiter fügt er hinzu: „Im Gegensatz zu Georgien haben die Positionen Moskaus und Washingtons in dieser Frage einen gemeinsamen Nenner gefunden. Moskau hat es geschafft, die Herausforderungen für seine regionale Dominanz zu minimieren. Die Pläne für eine weitere NATO-Expansion in der Region bleiben auf Eis gelegt, und Russland hat seine Rolle als Machthaber im Bergkarabach-Prozess gestärkt. Moskau hat es auch geschafft, die grenzüberschreitende und antiterroristische Zusammenarbeit zur Abwendung der dschihadistischen Kräfte mit Aserbaidschan und sogar Georgien zu ermöglichen, obwohl es im letzteren Fall mehr Probleme in der Beziehung zwischen Tbilisi und Moskau gibt.“641 Als Reaktion auf Georgiens Annäherung an den Westen durch den ÖP unterzeichnete Russland im November 2014 ein Abkommen mit Abchasien, den „Vertrag über Allianz und strategische Partnerschaft“, und im Februar 2015 ein analoges Abkommen mit Südossetien, die eine umfassende Integration der staatlichen Institutionen der beiden De-facto-Staaten in die entsprechenden Strukturen der Russischen Föderation vorsahen.642

639 640 641 642

Vgl. Halbach, Uwe: Osteuropa, 65. Jahrgang/Heft 7–10, 2015, S. 400. Siehe Interview mit Sergey Markedonov im Anhang dieser Arbeit. Siehe Interview mit Sergey Markedonov im Anhang dieser Arbeit. Vgl. Halbach, Uwe: Osteuropa, 65. Jahrgang/Heft 7–10, 2015, S. 399 f.

4.1 Das Engagement Russlands

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4.1.2 Beziehungen zwischen Russland und Armenien Traditionell gilt Armenien als der engste politische und militärische Koopera­ tionspartner Russlands unter den drei südkaukasischen Republiken. Infolge der türkisch-aserbaidschanischen Isolation in der Region und seiner geopolitischen Lage hängt Armenien wirtschaftlich und sicherheitspolitisch stark von Russland ab.643 Im Hinblick auf die potenzielle Westintegration Georgiens und mit Vorbehalt auch Aserbaidschans (insbesondere der Faktor Türkei) bildet Armenien aus russischer Perspektive den einzigen verlässlichen Verbündeten Moskaus im Südkaukasus und wurde seit Anfang der 1990er Jahre als Gegengewicht zu den US-amerikanischen und türkischen Aktivitäten in der Region wahrgenommen. Es ist ein Anker für die Durchsetzung der russischen großmachtpolitischen Ambitionen im Südkaukasus und stellt ein „Objekt geopolitischer und militärstrategischer Interessen“644 dar. Bereits in 2004 erklärte der russische Botschafter in Armenien, dass die bilateralen Beziehungen auf dem Niveau „einer tatsächlichen strategischen Partnerschaft und Verbundenheit“645 angekommen seien. Grundsätzlich gilt Armenien als einer der loyalsten Partner Russlands im GUS-Raum und als Hauptstützpunkt im Südkaukasus. Außerdem beteiligt sich Armenien an allen von Russland geführten Integrationsprojekten im GUS-Raum (GUS, OVKS, EAWG, EAWU). Angesichts der gegenseitigen wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen sind die russisch-armenischen bilateralen Beziehungen bereits durch einen strategischen „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe“ vom 29. August 1997 abgesichert.646 Dieses Vertragswerk beinhaltet die militärische Kooperation im Rahmen einer gegenseitigen Beistandspflicht, darunter auch den Beistand im Kriegsfall, die aber zu keinem Automatismus verpflichtet, sondern zuerst in einer Beratung besprochen werden kann. Der Freundschaftsvertrag bildet die Grundlage der intensiven armenisch-russischen Militärkooperation in der Region und der russischen Truppenstationierung in Armenien. Bis auf wenige russische militärische 643 Vgl. Krilov, Aleksandr: Nagornyy Karabakh v geopoliticheskoy kontekste XXI veka (Bergkarabach im geopolitischen Kontext des 21. Jahrhunderts). Moskau 2006, S. 47–49. 644 Malek, Martin: Determination der Sicherheitspolitik Armeniens, in: BIOst-Bericht, No. 11/2000. Köln 2000, S. 14. 645 Panorama Sodružestva: Interv’ju Posla Rossii v Armenii A. M. Drjukova (Interview mit dem russischen Botschafter in Armenien A. M. Drjukow), in: Panorama Sodružestva Juli 2004. Unter: www.mid.ru/ns-rsng.nsf/6bc38aceada6e44b432569e700419ef5/432569d800221466c3256eba002d2 ed2?OpenDocument, abgerufen: 25.05.2016. 646 Vgl. Ministry of Foreign Affairs of the Republic of Armenia: Bilateral Relations, Russia. Unter: http://www.mfa.am/en/country-by-country/ru/, abgerufen: 25.05.2017. 151

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Objekte im Südkaukasus (Friedenstruppen in Süd-Ossetien und Abchasien sowie der Stützpunkt in Gudauta/Abchasien) bleibt Armenien der einzige Militärstützpunkt Moskaus im südlichen Kaukasus. Dem russisch-armenischen militärischen Abkommen vom März 1995 zufolge, unterhält Russland die 102. Militärbasis in der west-armenischen Stadt Gjumri, an der Grenze zur Türkei, und in Jerewan die 127. Motorisierte Schützendivision.647 Die russischen Einheiten in der Republik Armenien sind die Nachfolger der Roten/Sowjetischen Armee, die dazu dienten, Sowjetarmenien vor einem möglichen türkischen Angriff abzusichern. Die damalige sowjetische Armee in der armenischen SSR wurde nach Armeniens Unabhängigkeit durch die russischen Streitkräfte umgesetzt. Die russischen Grenztruppen helfen maßgeblich bei der Bewachung der 268 km langen türkischen und 42 km umfassenden iranischen Grenze (die ehemaligen Außengrenzen der Sowjetunion in Armenien) und sollen „Armenien gegen die Türkei verteidigen“ und den armenischen Luftraum gegen mögliche Luftangriffe schützen.648 Der zweite Präsident von Armenien, Robert Kotscharjan, argumentiert, dass aufgrund der andauernden Auseinandersetzungen um Bergkarabach und „sehr unfreundlicher Aktivitäten“ der Türkei die russische Militärbasis ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Stabilität in der Region sei.649 Dem Vertrag zufolge gilt die russische Beistandspflicht im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung nur für das armenische Staatsterritorium exklusive Bergkarabach. Die erneute Eskalation eines Kriegs zwischen Aserbaidschan und Armenien könnte Moskau daher in eine schwierige Situation bringen, denn bei einem nicht ausreichenden Beistand zu Gunsten Armeniens würde für den Kreml die Gefahr entstehen, seinen letzten strategischen Verbündeten in der Region zu verlieren. Der Pachtvertrag 647 Vgl. ITAR-TASS: (Russian News Agency). 'Voyenno-tekhnicheskoye sotrudnichestvo mezhdu Rossiyey i Armeniyey (Dos’ye. Militärtechnische Zusammenarbeit zwischen Russland und Armenien. Dossier), in: ITAR-TASS 02.12.2013. Unter: http://tass.ru/ info/803760, abgerufen: 25.05.2016; Caucasian Knot: 102-ya voyennaya baza Gruppy rossiyskikh voysk v Zakavkaz'ye (Die 102. Militärbasis der russischen Streitkräfte in Südkaukasus), in: Caucasian Knot 03.04.2015. Unter: http://www.kavkaz-uzel.eu/ articles/152315/, abgerufen: 25.05.2016. 648 Vgl. Caucasian Knot: 102-ya voyennaya baza Gruppy rossiyskikh voysk v Zakavkaz'ye (Die 102. Militärbasis der russischen Streitkräfte in Südkaukasus), in: Caucasian knot 03.04.2015. 649 Vgl. Russia-Armenia.info: Prisutstviye rossiyskoy voyennoy bazy v Armenii stabiliziruyet situatsiyu v regione – eks-prezident Kocharyan (Die Präsenz der russischen Militärbasis in Armenien stabilisiert die Situation in der Region: Ex-Präsident Kotscharjan), in: Russia-Armenia.info 23.09.2015: Unter: http://russia-armenia.info/node/20870, abgerufen: 25.05.2016.

4.1 Das Engagement Russlands

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für die russische Militärbasis in Armenien wurde zuletzt 2010 für den Zeitraum bis 2044 verlängert, an der nach verschiedenen Angaben 5.000 russische Soldaten stationiert sind, wobei der größte Teil auf Grenztruppen entfällt.650 Einen wichtigen Bestandteil der russisch-armenischen Militärkooperation bildet die Zusammenarbeit im Rahmen der OVKS. Als Vollmitglied der OVKS und strategischer Partner liefert Russland an armenische Streitkräfte Militärgüter zu Vorzugspreisen. Zuletzt hat Russland in 2015 Armenien einen Kredit über 200 Mio. USD eigens für den Erwerb von Rüstungen, unter anderem ballistischen Boden-Boden-Raketen vom Typ „Iskander-M“, gewährt, die in der Lage sind, die aserbaidschanische Hauptstadt zu treffen. Dies umfasst Mehrfachraketenwerfer Smertsch sowie Flugabwehrkomplexe S-300.651 Aber auch mit Aserbaidschan entwickelt Russland eine Kooperation auf diesem Gebiet – und dieses sogar dermaßen, dass Russland den Gegner Armeniens, das weitaus reichere Aserbaidschan, intensiv zu Weltmarktpreisen aufrüstet. Einige Beobachter zweifeln daran, dass Moskau ein echtes Interesse an der Beilegung des Bergkarabach-Konflikts habe. Medien zufolge verkaufte Russland von 2010–2014 für vier Mrd. USD Waffen an Aserbaidschan.652 Die Rüstungslieferungen an Baku irritieren den strategischen Partner Armenien. Es führt zu Misstrauen in der armenischen Gesellschaft gegenüber Russland, denn in den letzten Jahren intensivierte sich die Häufigkeit der Zwischenfälle an den armenisch-aserbaidschanischen Grenzgebieten durch Aserbaidschan, und Moskau unternahm außer mündlichen Verurteilungen dieser Fälle nichts Spürbares dagegen. Im Gegenteil, der russische Rüstungsverkauf beträgt bereits 85 % des aserbaidschanischen Waffenkaufes.653

650 Vgl. Gorst, Isabel: Armenia extends Russia’s military lease, in: The Financial Times 19.08.2010. Unter: https://www.ft.com/content/fe01cbf2-aae7-11df-9e6b-00144feabdc0, abgerufen: 25.05.2016; Malek, Martin: Armenia, in: Giessmann, H. J./Gustenau, G. E. (Hrsg.): Security Handbook 2001: Security and Military Affairs in Central and Eastern Europe. Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2001, Band 136, S. 49. 651 Vgl. Abrahamyan, Eduard: Armenia’s New Ballistic Missiles Will Shake Up the Neighborhood, in: The National Interest 12.10.2016. Unter: http://nationalinterest. org/feature/armenias-new-ballistic-missiles-will-shake-the-neighborhood-18026, abgerufen: 25.05.2017. 652 Vgl. Agayev, Zulfugar: Azeri-Russian Arms Trade $4 Billion Amid Tension With Armenia in: Bloomberg.com 13.08.2013. Unter: https://www.bloomberg.com/news/ articles/2013-08-13/azeri-russian-arms-trade-4-billion-amid-tension-with-armenia, abgerufen: 25.05.2016. 653 Vgl. Kucera, Joshua: Report: Azerbaijan Gets 85 Percent Of Its Weapons From Russia, in: Eurasianet.org 17.03.2015. Unter: http://www.eurasianet.org/node/72581, abgerufen: 25.05.2016. 153

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Neben der engen sicherheitspolitischen Zusammenarbeit ist Armeniens zunehmende Abhängigkeit von Moskau in fast allen wirtschaftlichen Bereichen offensichtlich. Zudem ist Russland der Haupthandelspartner und Hauptinvestor in Armenien. Russische Unternehmen konnten mehrere Schlüsselpositionen der armenischen Wirtschaft erfolgreich unter ihre Kontrolle bringen. Etwa 1.300 russische Firmen sind in Armenien in den Bereichen Bankwesen, Verkehr, Energie, Metallindustrie, Diamantenverarbeitung und Telekommunikation tätig.654 Zum Beispiel erwarb Russland als Gegenleistung für die Annullierung der ca. 100 Mio. USD armenischen Schulden, die sich infolge der wirtschaftlichen Krise und des Konjunktureinbruchs in den 1990er Jahren angehäuft hatten (hauptsächlich durch Waffen- und Energielieferungen), Armeniens größtes Wärmekraftwerk Hrazdan, die Wasserkraftwerke der Sewan-Hrazdan-Kaskad sowie 100 % der Aktien der Finanzverwaltung des einzigen armenischen AKWs Metsamor.655 Dadurch besitzt Russland ca. 80 % der armenischen Energieinfrastruktur. So konnte auch die Tochterfirma des russischen Konzerns Gazprom, das ArmGazprom, im Dezember 2013 als Monopolist in die armenische Erdgasversorgung einsteigen und die Kon­ trolle der Erdgaspipeline nach Iran übernehmen.656 Russlands Monopolstellung im Gassektor schließt Armenien davon aus, dass iranisches Gas über sein Territorium nach Georgien und in den europäischen Markt geleitet werden kann. Russlands Energiepolitik in Armenien, insbesondere die Eindämmung der iranischen Ambitionen, bewertet Shushanik Minasjan: „Trotz der Vielzahl gemeinsamer Interessen zwischen Moskau und Teheran ist Iran aus russischer Sicht für die Aufrechterhaltung des eigenen Einflusses im Südkaukasus und im kaspischen Energiespiel ein unerwünschter energiepolitischer Konkurrent in Armenien. Im Hinblick auf die eventuelle positive Entfaltung der energiewirtschaftlichen Dynamik wird diese Kooperation einerseits in langfristiger Perspektive für Armenien mehr energie- und sicherheitspolitische Souveränität bedeuten. Anderseits kann Iran durch das armenische Territorium einen Zugang nicht nur zum südkaukasischen, sondern später auch zum osteuropäischen Energieabsatzmarkt erlangen.

654 Vgl. Ria Novosti: Ekonomicheskiye otnosheniya Rossii i Armenii (Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Armenien), in: Ria.ru 10.03.2016. Unter: https://ria. ru/spravka/20160310/1387363184.html, abgerufen: 20.05.2016. 655 Vgl. Sargsyan, Gevorg: From crisis to instability in the Armenian power sector. World Bank Working Paper, No. 74. Washington, D.C. 2006, S. 6–8. 656 Vgl. Abrahamyan, Gayane: Armenia: Looking to Receive an Economic Boost from Iran, in: Eurasianet.org 10.02.2016. Unter: http://www.eurasianet.org/node/77266, abgerufen: 25.05.2016.

4.1 Das Engagement Russlands

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Die Kontrollsicherung über das gesamte armenische Energietransportsystem durch Gazprom zielte auf die Unterminierung dieser Pläne ab.“657 Darüber hinaus unterliegt seit 2008 die Verwaltung der wichtigsten Eisenbahngesellschaft in Armenien (Südkaukasische Eisenbahn) der russischen Eisenbahngesellschaft, zunächst für 30 Jahre. Des Weiteren befinden sich 70 % der armenischen Sparkasse sowie die Mehrheit der armenischen Bergbauindustrie in russischer Hand.658 Der französisch-armenische Politikwissenschaftler Gaidz Minasjan schätzt Russlands wirtschaftliche Expansion in Armenien dahingehend ein, dass Russland „Armenien fast verschluckt hat und weiterhin in seine Wirtschaft investieren wird, um seine [die russische] Kontrolle zu festigen“659. Bevor Armenien 2015 Teil der Zollunion wurde, war Russland immer noch Armeniens größter Handelspartner mit einem Umsatz von 1.4 Mrd. USD in 2013. Die akkumulierten russischen Investitionen in Armenien werden seit der Unabhängigkeit bis 2013 auf insgesamt etwa 3 Mrd. USD geschätzt.660 Die federführende Rolle Moskaus als größter externer Investor in Armenien ist kaum bestreitbar. Auch in Fragen der Arbeitsmigranten bildet Russland das vorrangige Zielland für Armenier. Laut offiziellen russischen Angaben leben dort rund 1.2 Mio. Armenier, inoffizielle Schätzungen gehen von bis zu drei Mio. Armeniern in Russland aus, von denen insgesamt 500.000 armenische Staatsangehörige sind, die dort ihr Auskommen finden. 2014 betrugen die Rücküberweisungen armenischer Arbeitsmigranten aus Russland in ihr Heimatland 2.03 Mrd. USD oder etwa 17–18 % des armenischen Bruttoinlandsproduktes.661 Die russische Wirtschaftskrise warf zusammen mit den Migrationsvorschriften ihren Schatten auf Armenien. Der Handelsumsatz in

657 Minasyan, Shushanik: Die energiepolitischen Interessen der EU im Südkaukasus. Marburg, Tectum Verlag 2016, S. 229 f. 658 Vgl. Nixey, James: The Long Goodbye: Warning Russian Influence in the South Caucasus and Central Asia, in: Chatham House, Briefing paper 1–16, 6/2012, S. 5. Unter: http:// www.chathamhouse.org/sites/files/chathamhouse/public/Research/Russia%20and%20 Eurasia/0612bp_nixey.pdf, abgerufen: 25.05.2016. 659 Minasjan, Gaidz: Armenija, rossijskij forpost na Kavkaze? (Armenien: Russischer Vorposten im Kaukasus?). Paris: Institut francais des relations internationale (IFRI), 2/2008 (Russie. Nei. Vision No. 27) S. 10. 660 Vgl. National Statistical Service of the Republic of Armenia: Statistical yearbook of Armenia 2013, External Economic Activity. Unter: http://www.armstat.am/file/ doc/99477378.pdf, abgerufen: 25.05.2016. 661 Vgl. Central Bank of Armenia: Unter: https://www.cba.am/Storage/AM/downloads/ stat_data_arm/PRESS%20RELEASE-2015QR4.pdf, abgerufen: 20.04.2016; Vgl. Trading Economics: Armenia Remittances: 2004–2016. Unter: http://www.tradingeconomics. com/armenia/remittances, abgerufen: 20.04.2016. 155

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

2015 ist um ca. 20 % zurückgegangen, während die Rücküberweisungen um 25 % gesunken sind.662 Armeniens starke wirtschaftliche und sicherheitspolitische Abhängigkeit von Russland veranschaulichte sich 2013, als Armenien anstrebte, mit der EU Assoziierungs- und Freihandelsabkommen zu unterzeichnen. Moskau setzte Jerewan mit milliardenschweren Waffenlieferungen an Aserbaidschan unter Druck und die russische Gazprom kündigte an, dass sie den Preis für Erdgas nach Armenien um 50 % erhöhen werde. Es zielte darauf ab, Armeniens Entscheidung hinsichtlich der EU-Abkommen zu beeinflussen.663 Bereits am 5. März 2014 erklärte Russlands Präsident, Armenien sei bereit, Teil der EAWU zu werden.664 Aufgrund des starken Drucks seitens Russlands war Armenien gezwungen, als erstes Südkaukasusland am 1. Januar 2015 der EAWU beizutreten. Dieser erste wichtige Schritt kann starke Auswirkungen auf alle Südkaukasus-Republiken nach sich ziehen, denn der Druck auf Georgien und Aserbaidschan wird nun wachsen, um ebenfalls in die EAWU einzutreten. Im Gegensatz zu Aserbaidschan und Georgien besitzt Armenien keine gemeinsame Grenze zu Russland. Weil es politisch und wirtschaftlich jedoch von Russland abhängig ist, konnte Moskau Armenien hierzu zwingen. Der Direktor des armenischen Regional Studies Center, Richard Giragosian, äußerte, Armenien ist „in grave danger of becoming little more than a Russian garrison state, marked by significant dependence on Russia and, at times, political submission to Russia’s interests“665. Armeniens Beistand und das Opfern seiner eigenen Interessen zu Gunsten Russlands spiegelte sich zuletzt auch beim Votum der Generalversammlung der 662 Vgl. Danielyan, Emil: Putin Concerned about Russia’s Falling Trade with Armenia, in: Azatutyun.am 08.09.2015. Unter: http://www.azatutyun.am/content/article/27232340. html, abgerufen: 25.05.2016; National Statistical Service of the Republic of Armenia: External Trade Database: Russian Federation. Unter: http://www.armstat.am/en(?nid=380, abgerufen: 25.05.2016; Grigoryan, Marianna: Armenia Faces Cash-Crunch as Russian Remittances Slump, in: Eurasianet.org 09.05.2015. Unter: http://www. eurasianet.org/node/72931, abgerufen: 25.05.2016. 663 Vgl. Tamrazian, Harry: Yerevan Vague on Armenian Entry into Russian-Led Union, in:Azatutyun.am, 17.06. 2013. Unter: http://www.azatutyun.am/content/article/25019843. html, abgerufen: 25.05.2016. 664 Vgl. Radio the Voice of Russia: Armenia fit to join Eurasian Economic Union – Putin, in: Voiceofrussia.com 05.03.2014. Unter: http://voiceofrussia.com/news/2014_03_05/ Armenia-fit-to-join-Eurasian-Economic-Union-Putin-1944/, abgerufen: 25.05.2016. 665 Coalson, Robert: Armenia Looks West, Tries to Loosen Moscow’s Grip, in: RFE/RL 03.05.2013. Unter: http://www.rferl.org/content/armenia-russia-relations-eu/25005446 .html, abgerufen: 25.05.2016.

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Vereinten Nationen am 27. März 2014 wider. Dabei unterstützte Armenien mit weiteren elf Staaten Russlands Position bei der völkerrechtswidrigen Krim-Annexion.666 Das führte zu negativen Wirkungen auf die armenisch-ukrainischen Beziehungen und gab Kiew Anlass, stärker Partei für Aserbaidschan in der Bergarabach-Frage zu ergreifen. Umgekehrt hat Russland seit dem Bestehen des Konflikts nie klare Postion für Armenien bezogen und das Selbstbestimmungsrecht der Armenier in Bergkarabach unterstützt. Moskau tritt hier in einer eher fragwürdigen Rolle auf: Wie oben bereits erwähnt, ist Russland zum größten Waffenlieferanten für Aserbaidschan aufgestiegen, obwohl Armenien als einziges Land im Südkaukasus Teil des russischen OVKS und EAWU ist. Armeniens Entscheidung für den Beitritt zur EAWU wurde mit Blick auf Bergkarabach vor allem mit sicherheitspolitischen Argumenten untermauert. Ironischerweise kam es 2014, nach der Ankündigung von Armeniens Integra­ tionsbereitschaft in Putins eurasisches Projekt, zu den schwersten Zwischenfällen an der Kontaktlinie zwischen Bergkarabach und Aserbaidschan sowie an den nordöstlichen Grenzgebieten Armeniens seit Jahren. Im November 2014 wurde sogar ein armenischer Hubschrauber von aserbaidschanischen Streitkräften abgeschossen. Außer leeren Versprechen seitens Russlands traten keine Wirkung der armenisch-russischen Sicherheitsverträge und keine Beistandshilfe laut Artikel 4 der OVKS ein.667 Die sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Erwartungen, die in Armenien mit enger Anlehnung an Russland gleichgestellt waren, erwiesen sich somit als übersteigert. Der Rückgang der russischen Investitionen und der geringe Einsatz, bezogen auf die Instandhaltung russischer Betriebe in Armenien, verstärkten die Klage bei den Armeniern über die Ineffektivität der russischen Investitionsprojekte. Die angespannte Situation an der Grenze zu Aserbaidschan sowie die sich verschlechternde Wirtschaftslage in Armenien verstärkten in weiten Teilen der Bevölkerung die Frustration über die armenische Regierung und Russlands Expansion in Armenien.

666 Vgl. United Nations: Resolution 68/262 „Territorial Integrity of Ukraine“. Unter: www. un.org/press/en/2014/ga11493, abgerufen: 25.05.2016. Das Abstimmungsergebnis nach Ländern, unter: https://papersmart.unmeetings.org/media2/2498292/voting-record. pdf, abgerufen: 25.06.2016. 667 Vgl. BBC: Fifteen die in clashes over disputed Nagorno-Karabakh, in: Bbc.com 02.08.2014: Unter: http://www.bbc.com/news/world-europe-28626986, abgerufen: 20.02.2016; BBC: Armenian helicopter downing: ‘Grave consequences’ warning, in: Bbc.com 13.11.2014. Unter: http://www.bbc.com/news/world-europe-30038448, abgerufen: 20.02.2016; April Krieg 2016: Luchterhandt, Otto: Archiv des Völkerrechts, Vol. 55, Number 2, 6/2017, S. 185–233. 157

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Nachdem ein russischer Militärangehöriger der 102. Militärbasis im Januar 2015 in Gjumri in der zweitgrößten Stadt Armeniens eine sechsköpfige Familie tötete, wird immer wieder auch Kritik an der Präsenz der Russen in Armenien laut. Es kam zu massenhaften Protesten in Gjumri.668 Diese Entwicklung erreichte ihren Gipfel im gleichen Jahr im Juni, als das vollständig dem russischen Staatskonzern „Inter RAO UES“ gehörende Unternehmen „Armenische Stromnetze“ eine deutliche Anhebung der Strompreise ankündigte. Es kam zu mehrtägigen Protesten landesweit, die in Jerewan zeitweise 10.000 Menschen auf die Straße brachten. Die „Electric-Yerevan“-Demonstrationen hatten sozialökonomische Ursachen, trotzdem erregten sie in Moskau Besorgnis und die russischen Medien präsentierten die Unruhen als zweiten „Maidan“.669 Die oben genannten Entwicklungen in und um Armenien und Bergkarabach, die seit 2013 zu beobachten sind, und die direkte und indirekte Mitwirkung Moskaus, das sehr oft als „traditionelle Schutzmacht“670 Armeniens oder Armenien als „Russlands Israel im Kaukasus“671 in den westlichen akademischen und politischen Kreisen bezeichnet wird, haben die Einstellung der öffentlichen Meinung gegenüber Russland in Armenien beeinflusst und zu einem Glaubwürdigkeitsverlust geführt. Die hochgradigen energiewirtschaftlichen und militärischen Verflechtungen zwischen Armenien und Russland erklärt Aschot Manutscharjan als Resultat der Armenien-Politik der westlichen Staaten, denn „keine westliche Regierung, insbesondere nicht diejenige der USA, war bereit, die Blockade Armeniens zu unterbinden, Druck auf die Türkei oder Georgien auszuüben oder als Garantiemacht für die armenische Sicherheit aufzutreten“672. In der Tat haben die türkisch-aserbaidschanische Allianz und militärische Drohungen gegenüber Armenien erzwungenermaßen dazu geführt, dass sich Armenien militärisch und wirtschaftlich an Russland gebunden

668 Vgl. Quiring, Manfred: Pulverfass Kaukasus, Nationale Konflikte und islamistische Gefahren am Rande Europas. Berlin, Ch. Links Verlag 2016, S. 103 f. 669 Vgl. Falkowski, Maciej: Protests in Armenia as a manifestation of the state’s systemic crisis, in: The Centre for Eastern Studies (OSW) 01.07.2015. Unter: https://www.osw. waw.pl/en/publikacje/analyses/2015-07-01/protests-armenia-a-manifestation-statessystemic-crisis, abgerufen: 25.05.2016. 670 Kreikemeyer, Anna: Konflikt und Kooperation in der Kaspischen Region. Russische Interessenlagen, in: APuZ, No. 43–44/1988, S. 13–25, hier: S. 19. 671 Halbach, Uwe: Partner und Widerpart. Russland in der Außen- und Sicherheitspolitik kaukasischer und zentralasiatischer Staaten, in: Alexandrova, Olga u. a. (Hrsg.): Russland und der postsowjetische Raum. Baden-Baden 2003, S. 276–300, hier: S. 280. 672 Engelke, Thomas: Frankfurt am Main 1997, S. 87.

4.1 Das Engagement Russlands

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hat. Diese Abhängigkeit wurde sogar als „Kalinigradisierung Armeniens“673 bezeichnet und der staatlichen Souveränität Armeniens zum Verhängnis.

4.1.3 Beziehungen zwischen Russland und Aserbaidschan Sowohl die Sowjetregierung als auch die Russische Föderation unter Boris Jelzin unterstützten die Position Aserbaidschans in der Anfangsphase der Bergkarabach-Frage militärisch und politisch. Auf Grund des Zerfalls der Sowjetunion überließ Russland umfangreiche Waffen und Ausrüstungen des südkaukasischen Militärbezirks (Waffenlager Gence) den sowjetischen Militäreinheiten in Baku674, mit deren Hilfe Aserbaidschan am Anfang des Kriegs große Vorteile an der Front verzeichnete (dazu ausführlich im Kapitel 2.5.4). Die plötzliche Wende in den aserbaidschanisch-russischen Beziehungen kam 1992, als in Aserbaidschan durch einen Regimewechsel die pro-türkische und stramm anti-russische und anti-iranische Volksfront-Regierung von Abulfas Eltschibei an die Macht gelangte.675 Er verzichtete auf die Mitgliedschaft Aserbaidschans in der GUS und bestand darauf, dass die russischen Grenztruppen von den aserbaidschanisch-iranischen und aserbaidschanisch-türkischen Grenzen und Restteile der sowjetischen Armee aus dem Land abziehen. Dies führte zu einer Verschlechterung der bilateralen Beziehungen, was den Kreml dazu bewegte, seine Unterstützung für Bakus Militäraktionen in Bergkarabach zurückzuziehen. Im Herbst 1993 kam es wiederholt zu einem militärischen Machtwechsel in Baku, in dessen Folge der neue pragmatische Präsident Heidar Alijew (1993–2003) eine Entspannungspolitik in den aserbaidschanisch-russischen Beziehungen einleitete. Er stimmte nicht nur dem Beitritt Aserbaidschans zur GUS (September 1993) und dem 1992 in Taschkent abgeschlossenen kollektiven Sicherheitsvertrag (OVKS ) der GUS zu, sondern akzeptierte auch die Grenzsicherung Aserbaidschans durch russische Truppen und sorgte dafür, dass Russland durch den Ölkonzern Lukoil mit 10 % an der Ausbeutung der aserbaidschanischen Ölfelder im Rahmen des „Jahrhundertvertrags“ beteiligt war, allerdings nur in zweitrangiger Position.676 Die kaspische Ölfrage spielte eine wichtige Rolle für Moskaus Einfluss in der Region, 673 674 675 676

Minasjan, Gaidz: Februar 2008 (Russie. Nei.Vision No. 27) S. 15. Vgl. Rau, Johannes: Berlin 2003, S. 30. Vgl. Krilov, Aleksandr: Moskau 2006, S. 37. Vgl. Dschafarow, Rauf: Kontinuität und Wandel in der russischen Politik gegenüber Aserbaidschan. Von Zar Peter I. bis Putin. Siegen, V & R unipress 2012, S. 19 f. und S. 213–222. 159

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

die durch das zunehmende Interesse des Westens, an der Ausbeutung beteiligt zu werden, gefährdet war. Durch den „Jahrhundertvertrag“ „[…] würden die Kontrollmöglichkeiten über den regionalen Energieexporte vermindert, dem Westen Tür und Tor zu der Region geöffnet und Aserbaidschan befähigt, sich dem russischen Einfluss zu entziehen.“677 Gerüchte, Moskau und Teheran seien am Sturz Eltschibeis beteiligt gewesen, klingen nicht ganz unglaubwürdig.678 Während der Amtszeit Heidar Alijew konnte der Kreml seinen Einfluss auf Baku erheblich stärken und sich eine moskau­ freundliche Politik durch Baku sichern. Trotzdem gestalteten sich die bilateralen Beziehungen bis zur Jahrtausendwende weitaus komplizierter, obwohl Alijew zu der allgemeinen Entspannung in den russisch-aserbaidschanischen Beziehungen wesentlich beitrug. Bedeutende Wegmarken für die sich verschlechternden russisch-aserbaidschanischen Beziehungen stellten die russischen Anschuldigungen an Baku bezüglich Waffenlieferungen an Tschetschenien dar, die jedoch von aserbaidschanischer Seite entschieden zurückgewiesen wurden. Aufgrund dessen schloss Russland seine Grenzen zu Aserbaidschan im Dezember 1994.679 Das Vertrauen zwischen beiden Parteien fehlte auch wegen der bekanntgewordenen Fakten, dass Russland zwischen 1994–1996 Waffen an Armenien in Höhe von rund einer Mrd. USD geliefert hatte.680 Baku beobachtete die russisch-armenische Annäherung mit Misstrauen und stellte wiederholt die Glaubwürdigkeit Russlands als unparteiischen Vermittler im Bergkarabach-Problem im Rahmen der Minsker Gruppe der OSZE öffentlich in Frage.681 Die Spannungen in der bilateralen Beziehung erreichten ihren Höhepunkt 1997, als Aserbaidschan Mitgründer der GUAM wurde und sich von der Integration im GUS-Raum distanzierte. Es kam so weit, dass Baku aus dem in Taschkent geschlossenen Vertrag für die kollektive Sicherheit der GUS 1999 austrat. Ein weiterer gewichtiger Faktor in den sich verschlechternden aserbaidschanisch-russischen Beziehungen in den 1990er Jahren bestand im Streit über den rechtlichen Status des Kaspischen Meeres, der nach Jahrzehnten nach dem Zerfall der Sowjetunion immer noch als ein ungelöstes Problem zwischen den Anrainerstaaten schwelt.682 677 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 297. 678 Vgl. ebd. S. 292–294. 679 Vgl. Malysheva, Dina: Problems of Security in the Caucasus, in: Central Asia and the Caucasus, No. 1/2001, S. 41–56. 680 Vgl. Rau, Johannes: Berlin 2003, S. 32. 681 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 303. 682 Vgl. Westphal, Kirsten: Great Game oder Fair Play? Ölförderung im Kaspischen Raum, in: Friedhelm, Solms/Reinhard, Mutz/Bruno, Schoch (Hrsg.): Friedensgutachten 1997.

4.1 Das Engagement Russlands

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Bis Ende der 1990er Jahre schwankten die bilateralen Beziehungen zwischen Spannung und Annäherung. Aufgrund der westlichen Interessen am Öl aus dem Kaspischen Meer bekam Aserbaidschan Rückhalt, eine ausgewogene Politik zu führen und sogar russischem Druck zu widerstehen. Baku nutzte die Ölfrage geschickt, um Moskaus Unterstützung für den Bergkarabach-Konflikt zu gewinnen. Aserbaidschans Präsident Alijew vereinbarte sogar mit Russland ab 1997, den aserbaidschanischen Öltransport über die Baku-Novorossijsk-Pipeline zum russischen Schwarzmeerhafen Novorossijsk abzuwickeln.683 Diese Vereinbarung ermöglichte Moskau zumindest bis zur Fertigstellung der BTC-Erdölpipeline, die aserbaidschanisches Öl unter Umgehung von russischem und iranischem Territorium über Georgien zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan führt, den gewünschten Einfluss auf den Südkaukasus und das Kaspische Becken zu behalten. Die Bedeutung der fossilen Brennstoffe verdeutlichte sich in dem Bekenntnis von Boris Jelzin zur territorialen Integrität Aserbaidschans 1996, als er auf dem GUS-Gipfeltreffen äußerte, die Lösung der Bergkarabach-Frage sei aus russischer Sicht nur unter Beachtung aserbaidschanischer Staatlichkeit möglich.684 Es störte Russland trotzdem nicht, zur gleichen Zeit die Beziehungen mit Armenien im militärischen und strategischen Bereich weiter zu vertiefen. Die Interessenlage änderte sich jedoch nach dem Amtsantritt des Präsidenten Wladimir Putins, und die bilateralen Beziehungen erfuhren eine stabile Entwicklung. Der ehemalige KGB-Offizier Wladimir Putin und der vormalige KGB-Chef in Sowjetaserbaidschan, Heidar Alijew, hatten ein besseres Verständnis füreinander, als Alijew und Putins Vorgänger Jelzin.685 Aserbaidschan und Russland zeigten Gemeinsamkeiten auch in der Hinsicht, dass in ihren Regierungen viele ehemalige sowjetische Beamte saßen. Dies schuf eine Gemeinsamkeit, die Aserbaidschan dazu führte, einen politischen Weg ähnlich Russland in der Innenpolitik zu verfolgen. In beiden Ländern unterdrückt die Regierungspartei die Opposition und begrenzt die Aktivitäten der Zivilgesellschaft. Mit der Annäherung der politischen Modelle in beiden Ländern könnten sich die Beziehungen zwischen Moskau und Baku verbessern.686 Münster 1997, S. 244–259, hier: S. 254. 683 Vgl. Dschafarow, Rauf: Siegen, V & R unipress 2012 S. 191 f. und S. 213–222. 684 Vgl. Interfax: FBIS-SOV-96-020. 20.01.1996. 685 Vgl. Yunisov, Arif: Azerbaijan in the early of XXI Century: Conflicts and Potential Threats. Baku 2007, S. 45. 686 Vgl. Global security: Azerbaijan-Russia Relations, in: globalsecurity.org 14.11.2013. Unter: http://www.globalsecurity.org/military/world/azerbaijan/foreign-relations-russia. htm, abgerufen: 25.05.2016. 161

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Diese scheinbar pragmatische aserbaidschanisch-russische Annäherung setzte sich insbesondere nach dem Staatsbesuch Wladimir Putins als erstem Kremlchef seit der Unabhängigkeit Aserbaidschans nach Baku im Januar 2001 fort. „[…] erst im Januar 2002 wurde das Abkommen über die russischen Nutzungsrechte in Bezug auf die Radarstation in Gabala unterzeichnet. Doch Moskau lernte es zu schätzen, dass Baku keine offiziellen Aspirationen in Richtung NATO-Mitgliedschaft entwickelt und auf jegliche Stationierung westlicher Truppen verzichtet hatte. Mittlerweile entwickelte sich Aserbaidschan zu einem Kooperationspartner Russlands, der jede feindliche Geste gegenüber Russland nach Möglichkeit vermeidet, gleichzeitig aber eine deutliche Distanz zu Moskau wahrt.“687 Sowohl Putin als auch Heidar Alijew und später sein Sohn, Ilham Alijew, waren darum bemüht, die russisch-aserbaidschanischen Beziehungen freundlich zu gestalten. Die sogenannten „bunten Revolutionen“ im postsowjetischen Raum, wie die „Rosenrevolution“ 2003 in Georgien und die „Orange Revolution“ 2004 in der Ukraine, stellten gleichermaßen Bedrohungen für die Regierungen in Baku und Moskau dar, die nun auf dieser Ebene gemeinsame Interessen fanden, die Welle der „westlichen“ Revolutionen einzudämmen. Dennoch behandelt Aserbaidschan den Kreml mit einem gewissen Maß an Mistrauen und kooperiert mit Russland nur dann, wenn es im eigenen Interesse liegt.688 Insgesamt hat Russland nur eine sehr begrenzte politische Macht über Aserbaidschan und die russische Einflussnahme auf die Wirtschaft Aserbaidschans gestaltet sich wesentlich schwieriger als im Fall Armeniens. Die Lösung der Bergkarabach-Frage, die Teilung des Kaspischen Meeres zugunsten Aserbaidschans und die russischen Waffenlieferungen an die beiden Konfliktparteien sind praktisch feste Klammern, die Baku an Moskau binden. Vor allem die Beilegung des Bergkarabach-Konflikts würde eine erhebliche Hebelwirkung bieten, aber dann den aktuellen Balanceakt in der Region stürzen und Russlands Einfluss in der Region schwächen.689 Zudem verfügt Russland über einen migrationspolitischen Hebel gegenüber Aserbaidschan. Nach verschiedenen Angaben befinden sich ca. zwei

687 Zagorski, Andrei: Der Bergkarabach-Konflikt aus russischer Sicht, in: Erich Reiter (Hrsg.): Der Krieg um Bergkarabach. Wien, Böhlau Verlag 2009, S. 116. 688 Vgl. Croissant, Michael P.: The Armenia-Azerbaijan Conflict. Causes and Implications. Praeger, 7/1998, S. 69. 689 Vgl. Yepifantsev, Andrey: Russia in Transcaucasia. What’s Gone Wrong? Why Moscow’s Efforts to Shape an Effective Policy Are Ineffective, in: Russia in Global Affairs 24.09.2011. Unter: http://eng. globalaffairs.ru/number/Russia-in-Transcaucasia-WhatsGone-Wrong-15334, abgerufen: 25.05.2016.

4.1 Das Engagement Russlands

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Mio. Arbeitsmigranten690 aus Aserbaidschan in Russland, die dort ihr Auskommen haben und mit Geldüberweisungen in das Heimatland die zurückgelassenen Familien ernähren. Der „Fünftagekrieg“ im August 2008 um Südossetien und Russlands diplomatische Anerkennung der zwei von drei südkaukasischen Konfliktgebieten hat das Misstrauen auf beiden Seiten erhöht. Aserbaidschan befürchtete eine ähnliche Entwicklung im Falle von Bergkarabach, das gleichzeitig von Armenien und Russland als selbstständiger Staat anerkannt werden könnte. Außerdem hat sich Aserbaidschan als alternativer Gaslieferant für Georgien etabliert, was insbesondere den regionalen Energieinteressen Moskaus widerspricht. Im Vergleich mit Armenien hat Aserbaidschan insgesamt die Beziehungen mit Russland souveräner gestaltet, reduzierte nach der Inbetriebnahme der BTC-­ Ölpipeline die Öllieferung über den russischen Hafen von Novorossijsk von 4,5 auf 2,2 Mio. Tonnen jährlich und vermied sogar die Anhebung des Erdgaspreises von 110 USD auf 235 USD für 1.000 m3, indem es 2007 auf die Lieferung zu Gunsten der einheimischen Erdgasproduktion verzichtete.691 Staatspräsident Ilham Alijew legte in einem Interview mit dem Moskauer Radiosender Echo Moskwy klar: „Ich kann nicht erlauben, dass Aserbaidschan zu einem Land wird, das wirtschaftlicher Erpressung ausgesetzt ist. Aserbaidschan ist nicht länger ein Staat, den man zu bestimmten Handlungen zwingen kann. Gazprom kann 500 Dollar oder Tausend für sein Gas beanspruchen, das ist sein Recht. Und es ist unser Recht, es abzulehnen.“692 Dies hinderte jedoch nicht, die engen Handelsbeziehungen mit Russland weiterzuführen und in wirtschaftlicher Hinsicht Russlands größter Handelspartner im Südkaukasus zu bleiben. 2015 ist das aserbaidschanisch-russische Handelsvolumen um 6 % gestiegen und erreichte ca. 2.75 Mrd. USD, fast doppelt so viel wie das armenisch-russische Handelsvolumen. Davon waren 0.5 Mrd. USD aserbaidschanische Exporte nach Russland, umgekehrt importierte Aserbaidschan Waren im Wert von 2.24 Mrd. USD.693 Außerdem gelang es Aserbaidschan, die letzte russische militärische Präsenz auf aserbaidschanischem Staatsterritorium in der Radarstation-Gabala nach dem

690 Vgl. Geybullayeva, Arzu: Azerbaijan: Striking a Balance between Russia and the West, in: Shirinyan, Anahit/Slavkova, Louisa (Hrsg.): Unrewarding Crossroads? The Black Sea Region amidst the European Union and Russia. Sofia Platform 6/2015, S. 29–41. 691 Vgl. Guluzade, Kenan: Azerbaijan and Russia at loggerheads, in: Today Azerbaijan, in: Institute for War and Peace 19.01.2007. Unter: https://iwpr.net/global-voices/azerbaijan-and-russia-loggerheads, abgerufen: 25.05.2016. 692 Ebd. 693 Vgl. The State Statistical Committee of the Republic of Azerbaijan: National Accounts. 163

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Vertragsablauf (2002–2012) zu beenden. Die Radarstation wurde bereits zu Sowjetzeiten gebaut und hatte immer noch eine große Bedeutung. Sie umfasste eine Reichweite von 6.000 km und konnte den Luftraum des Mittleren und Nahen Osten kontrollieren.694 Die Schließung der Station brachte für Russland keine großen Nachteile, denn Moskau besitzt weitaus fortgeschrittene Radarsysteme in seinem Süden (Armawir Radarstation). Dennoch, die Verpachtung der Gabala-Station diente hauptsächlich dem Zweck, die russische Militär-Präsenz in Aserbaidschan aufrechtzuhalten, obwohl sie nach der Auflösung der Sowjetunion zum Eigentum Aserbaidschans erklärt und erst während Putins Amtszeit für zehn Jahre an Russland verpachtet wurde.695 Im Jahr 2012 forderte Aserbaidschan 300 Mio. USD für ein Jahr anstelle statt der bisherigen sieben Mio. USD für die Verlängerung des Vertrages für die einzige ausländische Militär-Anlage auf seinem Staatsterritorium. Für diesen hohen Preis entschied sich Russland, seine Operationen abzubrechen und die Radarbasis zu schließen.696 Diese Beendigung zeigt auch, dass Aserbaidschan nicht immer der russischen Linie folgt. Andererseits hat Aserbaidschan dadurch ein Druckmittel auf den Kreml verloren, die russische Präsenz in der Radarsta­ tion Gabala als Instrument für die Lösung des Bergkarabach-Konflikts zu seinen Gunsten zu nutzen. Um Aserbaidschan in den Griff zu bekommen, versucht Russland Aserbaidschan in den Integrationsprozess der EAWU einbeziehen. Aserbaidschans Beitritt zu der EAWU würde einen Verlust für die unabhängige Energiepolitik Bakus bedeuten, da gemeinsame Zollregelungen und eine einheitliche Energiepolitik im Rahmen der Union existieren.697 Deshalb verzichtet Aserbaidschan darauf, in die von Russland geführte Wirtschaftsunion beizutreten. „In terms of the Customs Union, Azerbaijan has recently announced that it would not join the union but instead implement its own customs code and seek to integrate customs with Turkic countries such

694 Vgl. Evoyan, Lia: Turkey-Azerbaijan Relations: The Dynamics of the Development, in: The 21st Century 13, No. 1, 2013, S. 40. 695 Vgl. Kelkitli, Fatma Aslı: Russian foreign policy in South Caucasus under Putin, in: Perceptions: A Journal of International Affairs 13, 2008, S. 73–91. 696 Vgl. Herszenhorn, David: Russia to Close Radar Station in Azerbaijan, in: The New York Times 11.12.2012. Unter: http://www.nytimes.com/2012/12/12/world/europe/ russia-to-shut-down-radar-station-in-azerbaijan.html, abgerufen: 25.05.2016. 697 Vgl. Bayramov, Vugar: Considering Accession to the Eurasian Economic Union: For Azerbaijan, Disadvantages Outweigh Advantages, in: Kempe, Iris (Hrsg.): The South Caucasus between the EU and the Eurasian Union. Centre for Security Studies. Zürich 2013, S. 15.

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as Turkey and Kazakhstan.“698 Der Beitritt zur EAWU würde die Unabhängigkeit Aserbaidschans bei der Festlegung seiner eigenen Wirtschaftspolitik nicht nur verringern, sondern auch die Kontrolle über die Öl- und Gasreserven. Das könnte sein Ansehen bei der EU und den USA beeinträchtigen, weil die gemeinsame Energiepolitik der EAWU auf die Mitglieder Druck ausüben würde, die Einkommen aus ihren Energieressourcen mit den anderen Mitgliedsstaaten zu teilen.699 Für Moskau sind die Interessen Aserbaidschans nicht relevant, es besitzt immer noch eine Reihe von Instrumenten, um Aserbaidschan in die EAWU zu zwingen. Dazu zählen unter anderem „deportation of labour migrants, a border blockade based on accusations that Azerbaijan is aiding Islamist radicals in the North Caucasus, an escalation of tensions around Nagorno-Karabakh as well as military threats to Azerbaijan either on the Caspian Sea or along the land border“700. Bereits seit den 1990er Jahren betrachtet Russland Aserbaidschans Energie­ kooperation mit dem Westen mit Argwohn und Aserbaidschans Beitritt in die EAWU könnte Russland mehr Kontroll- und Einflussmechanismen auf Baku ermöglichen. Wegen Aserbaidschans Erdgasreserven und des geplanten „Südlichen Gaskorridors“ der EU besteht eine gewisse energiepolitische Konkurrenz zwischen Moskau und Baku. Moskaus Interesse liegt darin, seine dominante Stellung im europäischen Gasmarkt zu behalten und die Quellendiversifizierung der europäischen Gas­importe zu kontrollieren Während Aserbaidschan mit der Türkei die TANAP- und TAP-Gaspipeline als Bestandteil des „Südlichen Gaskorridors“ bauen möchte, versucht Moskau die Realisierung der „Nord-Stream-2“ und „Turkish Stream“ durchzusetzen, um die südkaukasische Route zu verhindern. Jedoch kann Baku ohne das turkmenische Gas mit ca. 10 Mrd. m3 aus dem Gasfeld Shah-Deniz 2 zu keinem realen Konkurrenten für Moskau werden und damit auch nicht wesentlich zur Diversifizierung der Bezugsquellen des EU-Gasmarktes beitragen.701 698 Stratfor Worldview: Russia’s Customs Union to Eurasian Union: An Evolution (Part 2), in: Stratfor.com 25.07.2012. Unter: http://www.stratfor.com/analysis/russias-customsunion-eurasian-union-evolution-part-2, abgerufen: 25.05.2016. 699 Vgl. Bayramov, Vugar: Zürich 2013, S. 15 f. 700 Valiyev, Anar: Azerbaijan and the Eurasian Union: Costs and Benefits, in: Kempe, Iris (Hrsg.): The South Caucasus between the EU and the Eurasian Union. Centre for Security Studies. Zürich 2013, S. 19. 701 Vgl. Kanter, James: U.S. Urges Greece to Reject Russian Energy Project, in: The New York Times 08.05.2015. Unter: https://www.nytimes.com/2015/05/09/business/international/greece-us-russia-energy-pipeline.html, abgerufen: 25.05.2016; SOCAR: Erdgas aus Aserbaidschan für Europa: Südlicher Gaskorridor im Plan, in: Socar.de 03.03.2016. Unter: http://socar.de/2016/03/erdgas-aus-aserbaidschan-fuer-europa-suedlicher-gaskorridor-im-plan/, abgerufen: 25.05.2016. 165

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Aserbaidschans versucht sich als verlässlicher Energielieferant gegenüber dem Westen zu profilieren, was Russland wiederum ärgert. Allerdings bleiben die aserbaidschanisch-russischen Beziehungen „ambivalent und mehr von Konkurrenz als von Kooperation geprägt“702. Dennoch bestehen mehrere Gründe, eine Verschlechterung der bilateralen Beziehungen auf beiden Seiten nicht zuzulassen. Seit einiger Zeit versuchen Iran und Russland den Nord-Süd-Transportkorridor wiederzubeleben, zu dem Aserbaidschan das Schlüsselelement bildet, und dies erhöht die geopolitische und geoökonomische Rolle des Landes für die beiden großen Nachbarstaaten.703 Des Weiteren wäre es nicht im Interesse Moskaus, zwei verfeindete Staaten im Südkaukasus zu haben, die sicherlich zur Verstärkung der Achse Ankara – Tbilisi – Baku und des Westens im Südgürtel Russlands beitragen würden.704

4.1.4 Russische Interessen und Aktivitäten im BergkarabachKonflikt Während der Sowjetzeit wurde die Forderung der Karabach-Armenier, sich mit der Armenischen SSR zu vereinigen, von Moskau mehrmals abgelehnt. Als eine unbestrittene Hegemonialmacht im Südkaukasus, die fast 200 Jahre alleine die Region beherrschte, blieb ihr Handeln jedoch widersprüchlich. Sowohl die politische als auch die militärische Führung der UdSSR haben einseitig die Position Aserbaidschans unterstützt. Damals bestand Moskaus Hauptansicht darin, dass eine Grenzverschiebung zur Präzendenz und Eskalation ähnlicher Fälle in anderen Teilen der Unionsrepubliken und in anderen Regionen des Landes (insbesondere Nordkaukasus) und somit zur Desintegration der Sowjetunion beitragen würde. Bis zum Zerfall der Sowjetunion versuchte die Moskauer Regierung, die drohende Eskalation des Bergkarabach-Konflikts zu stoppen, was jedoch scheiterte. Nachdem es letztendlich zum Ausbruch des Kriegs in Bergkarabach kam, versuchte Moskau zwischen den kämpfenden Seiten eine besondere Vermittlerrolle zu übernehmen, um eine breite Destabilisierung der Region zu verhindern. Der 702 Stewart, Susan: Russische Außenpolitik im postsowjetischen Rau. Das Baltikum, die westliche GUS und der Südkaukasus im Vergleich. Berlin, SWP-Studie 3/2010, S. 30. 703 Vgl. Samofalova, Olga: Koridor „Sever – Yug“ sostavit konkurentsiyu marshrutu cherez Suetskiy kanal (Korridor „Nord-Süd“ wird mit der Route durch den Suezkanal konkurrieren), in: VZGLYAD delovaya gazeta 07.04.2016. Unter: http://www.vz.ru/ economy/2016/4/7/804116.html, abgerufen: 25.05.2016. 704 Vgl. Mirsayan, Gevorg: Strelyayut lyudi (Leute werden geschossen), in: Expert Online 2016. Unter: http://expert.ru/2016/04/5/strelyayut-lyudi/, abgerufen: 25.05.2017.

4.1 Das Engagement Russlands

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Kreml hatte keine definierten eigenen Ziele und kein außenpolitisches Konzept in der Region, sondern handelte vor allem im Hinblick auf den eigenen Konflikt in Tschetschenien, der damals eine große Herausforderung für die Sicherheitspolitik und politische Einheit Russlands darstellte. Obwohl Moskau im Mai 1992 eine Arbeitsgruppe im Außenministerium für die Bergkarabach-Frage mit dem Beauftragten W. Kasimirow errichtete, fiel Russland in dieser Anfangs- und Orientierungsperiode durch ein schwaches Profil bei der Vermittlung auf.705 Neben der Ablenkung durch eigene innere Krisen fehlte Russland damals eine klar formulierte Militärdoktrin für die Region. Trotzdem kann Moskau als die Partei mit dem größten Einfluss auf den Kriegsverlauf bezeichnet werden, die vor allem durch ihre Belieferung beider Kriegsgegner mit Waffen auffiel. So gelang es Moskau immerhin, nach einigen gescheiterten Versuchen eine Feuereinstellung und ein Waffenstillstandsabkommen unter vorläufiger Beibehaltung der letzten Kampflinien im Mai 1994 zwischen der armenischen, aserbaidschanischen und karabachischen Führung zu erreichen. Das Abkommen von 1994 kann zu den größten Erfolgen aller Konfliktparteien und externen Akteure gezählt werden, die in der Bergkarabach-Frage seit Anfang der 1990er Jahre engagiert waren. Dadurch gewann Moskau erstmals entsprechenden Einfluss auf alle Konfliktparteien, da sowohl die armenische als auch die aserbaidschanische Seite in gewissem Maße von Russland abhängig waren. Russland ist auch der einzige Ko-Vorsitzende der Minsker Gruppe der OSZE, der direkt an die Region angrenzt und mehrere Militärbasen im Südkaukasus unterhält. Diese Faktoren stärken Russlands Position und heben es von den anderen Akteuren deutlich ab. Zum Vergleich mit anderen De-facto-Republiken im postsowjetischen Raum (Abchasien, Südossetien, Transnistrien), die sich Anfang der 1990er Jahre für unabhängig erklärt haben, stellt Bergkarabach jedoch eine Ausnahme im Rahmen der russischen Außenpolitik im „Nahen Ausland“ dar. Die Ausnahme besteht darin, dass Russland während des Kriegs für die Karabach-Armenier keine direkte Partei genommen hat, sondern vielmehr, wie oben erwähnt, die Position Aserbaidschans am Anfang des Konflikts unterstützte. In der Nachkriegszeit bleibt Bergkarabach das einzige umstrittene Gebiet, in dem Moskau keine militärische Präsenz entlang der Waffenstillstandslinie unterhält, sondern die vielmehr von Karabach-Armeniern beschützt ist. Russland verfügt über eine jeweils 3.500 Soldaten umfassende Truppenstärke in Abchasien und Südossetien und rund 1.500 in Transnistrien.706 705 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 289. 706 Vgl. Jackson, Eric: Russian Soft and Hard Power Revisited: Georgia’s Frozen Conflicts, in: ERA-Institute 23.03.2017. Unter: https://www.erainstitute.org/russian-soft-and-hardpower-revisited-georgias-frozen-conflicts/, abgerufen: 15.09.2017; Kucera, Joshua: 167

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Anders als in Tiraspol, Suchum oder Zchinval wird der Haushalt in Stepanakert nicht von Russland finanziert, die Währung ist auch nicht der russische Rubel und die Einwohner Bergkarabachs befinden sich nicht im Besitz der russischen Staatsbürgerschaft. Trotz der gründlichen Unterschiede des russischen Engagements in De-­factoStaaten im postsowjetischen Raum hat die Republik Bergkarabach keine geringere Bedeutung für die Beibehaltung Russlands geopolitischer Interessen im Südkaukasus. „Obwohl Russland trotz seiner Eigenschaft als Ko-Vorsitzender der Minsker Gruppe in den Streit um Berg-Karabach weniger involviert ist als in die drei übrigen ungelösten Sezessionskonflikte des post-sowjetischen Raums, wird ihm oft eine entscheidende Stellung in der Konfliktregulierung zugeschrieben.“707 Am Ende des Bergkarabach-Kriegs versuchte Russland seine Truppen auch in Bergkarabach, zwischen Armenien und Aserbaidschan, zu stationieren, um die Länder unmittelbar unter Kontrolle zu haben sowie als regionale Ordnungsmacht vom Westen wahrgenommen zu werden. Russlands Ziel, eine eigene Friedenstruppe in Bergkarabach zu stationieren, wurde bereits von Armenien angenommen, Aserbaidschan lehnte es aber ab. Noch während der russischen Vermittlungsversuche, um eine Feuereinstellung Anfang 1994 zu erreichen, warnte W. Kazimirov den aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew, „[…] if you don’t allow Russian peace-keeping battalions between the Armenian and Azerbaijani forces, in a month’s time the Armenians will take Ganja, Terter, Barda, and the railway leading to Georgia“708. Einige Monate später, im September 1994, unterschrieb das staatliche Öl-Unternehmen Aserbaidschans den „Jahrhundertvertrag“ mit mehrheitlich westlichen Staaten und Konzernen. Es ermöglichte Baku, Russlands Druck zu entgehen und die eigene Außen- und Sicherheitspolitik souveräner zu gestalten. Nachdem Russland die eigenen Interessen bezüglich der Region ausführlicher in seiner Militärdoktrin und seinem außenpolitischen Konzept definierte, betrachtete Moskau die Minsker Gruppe der OSZE als Mittel zur Einflussnahme des Westens auf die Konfliktparteien und den Prozess der friedlichen Konfliktlösung. Rexane Dehdashti stellt in ihrem Buch einige Motive der russischen Aktivitäten im Rahmen der Minsker Gruppe dar. Die Energierohstoffe im Kaspischen Becken verstärkten

Russian Troops In Transnistria Squeezed By Ukraine And Moldova, in: Eurasianet. org 25.05.2015. Unter: http://www.eurasianet.org/node/73586, abgerufen: 15.09.2017. 707 Halbach, Uwe/Smolnik, Franziska: Der Streit um Berg-Karabach. Spezifische Merkmale und die Konfliktparteien, in: Berlin, SWP-Studie 2/2013, S. 30. Unter: https:// www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2013_S02_hlb_smk.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 708 De Waal, Thomas: New York, New York University Press 2003, S. 238.

4.1 Das Engagement Russlands

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Russlands Interesse, seine Vormachtstellung im Südkaukasus aufrechtzuerhalten und den wachsenden Zugriff des Westens auf die Ressourcen zu unterbinden. Die Rolle als Hauptvermittler im Karabach-Konflikt sollte als Vehikel für diese Stellung Russlands fungieren. Mit der Einrichtung der Minsker Gruppe musste Russland diese Rolle mit westlichen Mächten teilen, was Moskaus Sorge bestätigte, der Westen untergrabe seinen Sonderstatus im „Nahen Ausland“. Vor allem der dominante Stil des US-Vertreters in der Minsker Gruppe zwischen 1992 und 1993, J. Maresca, sorgte in Moskau für Misstrauen ob der amerikanischen Absichten. “Die russischen Vermittler konstatierten in dieser Phase wiederholt eine mangelnde Anerkennung ihrer Erfolge durch die westlichen Mitglieder der Minsker Gruppe. Zudem beschuldigten sie den Vermittlerzirkel, sich russische Erfolge auf die eigene Fahne zu schreiben.“709 Aufgrund dessen verstärkte Russland einerseits sein Engagement im Rahmen der Minsker Gruppe, andererseits aktivierte es seine bilateralen Vermittlungsversuche, um dadurch mehr Kontrolle auf den Ausgang des Friedensprozesses zu nehmen und wenn möglich ihn im Sinne seiner Interessen in der Region zu gestalten. Susan Stewart argumentiert, dass das Bergkarabach-Problem insbesondere mit der russischen energiepolitischen Situation in der Region verknüpft ist. „Falls Russland Armenien zu einer Lösung des Karabach-Konflikts im Sinne Aserbaidschans zwingen kann, hätte Russland einen besseren Stand in den Gasverhandlungen mit Aserbaidschan. Dies würde die Russen gegenüber den westlichen Akteuren im Südkaukasus stärken und ihre Kontrolle über die Haupttransportwege in den nächsten Jahren erhöhen. Nach dieser Logik ist die Karabach-Frage für Russland eher ein Druckmittel in einem energiepolitischen Spiel als ein Problem, das nach einer Lösung verlangt.“710 Somit versuchte Moskau nach dem Waffenstillstandsabkommen von 1994 als alleiniger Vermittler in der Konfliktlösung zu agieren, die nicht besonders produktiv war. Nach dem Georgienkrieg von August 2008 organisierte Moskau am 2. November ein weiteres Treffen mit dem armenischen und aserbaidschanischen Präsidenten im Schloss Meiendorf in Barvikha bei Moskau mit dem Bestreben, den Kreml als Friedensstifter und besorgten Makler für die anderen eingefrorenen Konflikte der ehemaligen Sowjetunion einzurichten. Immerhin unterschrieben die Parteien die aus fünf Punkten bestehende „Moskauer Erklärung“711, die als erstes Dokument seit dem Waffenstillstand gilt, das zwischen den Konfliktparteien abgeschlossen 709 Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 299 f. 710 Stewart, Susan: Berlin, SWP-Studie 3/2010, S. 30. 711 President of Russia: Deklaratsiya Azerbaydzhanskoy Respubliki, Respubliki Armeniya i Rossiyskoy Federatsii (Erklärung der Republik Aserbaidschan, der Republik Armenien 169

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

wurde. Darin erklärten die armenischen und aserbaidschanischen Präsidenten ihre Bereitschaft, den Konflikt mit politischen Mitteln zu lösen, und zwar durch die Fortsetzung des direkten Dialogs zwischen Aserbaidschan und Armenien mit der Vermittlung von Russland, Frankreich und den USA als Ko-Vorsitzende der Minsker Gruppe der OSZE. Die Staatschefs verpflichteten sich, zu einer Gesundung der Situation im Südkaukasus und der Herstellung von Stabilität und Sicherheit durch eine politische Beilegung des Konflikts auf der Grundlage der Prinzipien und Normen des Völkerrechts beizutragen, was günstige Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung und die allseitige Zusammenarbeit in der Region schaffen sollte. Die Parteien bekräftigten, dass die Verhandlungen in der Minsker Gruppe fortgesetzt werden sollen und die am 29. November 2007 in Madrid aufgenommenen Vermittlungsbemühungen fortzusetzen sind. Dabei müsse eine friedliche Beilegung in allen Aspekten und Etappen von rechtlich bindenden internationalen Garantien gedeckt werden. Die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans einigten sich darauf, über ihre Außenminister gemeinsam mit den Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe weitere Schritte in dem direkten politischen Dialog zur Lösung ihres Territorialstreits zu gehen. In der Erklärung wird ebenso die Relevanz der Durchführung vertrauensbildender Maßnahmen für die Konfliktlösung betont. Bei einem weiteren Gipfeltreffen in St. Petersburg am 17. Juni 2010 unterbreitete der russische Präsident Medwedew einen Entwurf für die friedliche Beilegung des Konflikts, der von Moskau ohne Rücksprache mit den anderen Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe erstellt worden war. Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew hatte diese geänderte Version der Madrider Prinzipien gleich zurückgewiesen, empfand es als Beihilfe zu den armenischen Interessen und Position und unterbrach danach das Treffen.712 Insgesamt hat Russland ein Dutzend von Treffen zwischen den Präsidenten von Armenien und Aserbaidschan von Ende 2008 bis Anfang 2012 organisiert,713 um einen Durchbruch zu finden und den Konflikt im Alleingang zu lösen. Russische Aktivitäten in der Bergkarabach-Frage nach dem Georgienkrieg 2008 können damit erklärt werden, dass ein potenzieller neuer gewaltsamer Krieg zwischen und der Russischen Föderation), in: Kremlin.ru 02.11.2008. Unter: http://kremlin.ru/ supplement/232, abgerufen: 25.05.2016. 712 Vgl. Radio Free Europe/Radio Liberty: Azerbaijan Confirms New Karabakh Peace Plan Presented, in: RFE/RL 23.07.2010. Unter: http://www.rferl.org/content/Azerbaijan_ Confirms_New_Karabakh_Peace_Plan_Presented/2108232.html, abgerufen: 25.05.2016. 713 2. November 2008 Meiendorf, 4. Juli 2009, Sankt-Petersburg, 18. Juli 2009 Moskau, 9. Oktober 2009 Chishinew (Moldau), 25. Januar 2010 Sotschi, 17. Juni 2010 Sankt-­ Petersburg, 27. Oktober 2010 Astrachan, 5. März 2011 Sotschi, 24. – 25. Juni 2011 in Kazan, und 23. Januar 2012 Sotschi.

4.1 Das Engagement Russlands

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Armenien und Aserbaidschan im Vergleich zu dem Augustkrieg 2008 gewalttätiger und destruktiver sein und den gesamten Kaukasus destabilisieren könnte. An den Abchasien- und Südossetien-Konflikten waren nur Russland und Georgien direkt beteiligt. Ein potenzieller neuer Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan dürfte zumindest die Türkei und den Iran als wichtige externe Parteien einschließen, was somit zu einer Zunahme der separatistischen Tendenzen im Nordkaukasus führen könnte. Deshalb muss Russland, um seine Interessen in der Region und in der Welt im Allgemeinen zu wahren, den Konflikt ungelöst halten, aber jegliche Trennung von groß angelegten gewalttätigen Handlungen verhindern, die die Situation in der Region destabilisieren und den russischen Nordkaukasus erschüttern könnten, wie es in den 1990er und frühen 2000er Jahren der Fall war. Eine andere Erklärung für die vermehrten russischen Aktivitäten nach dem August 2008 besagt, dass Russland dadurch sein internationales Image als Friedens­ initiator und besorgter Vermittler profilieren wollte, das durch den Georgienkrieg stark beschädigt worden war, da es bei vielen westlichen Staaten als Aggressor gesehen wird. Insbesondere die Unterzeichnung der Moskauer Erklärung 2008 hat mehrere symbolische Bedeutungen. Gleichzeitig verbessert es das Bild der Russischen Föderation deutlich von dem eines Angreifers in den Augen eines westlichen Publikums zu dem eines regionalen Friedensstifters. Außerdem ist es für Russland eine gute PR, um dem Rest der Welt zu zeigen, dass Moskau in der Tat die Hauptrolle bei der Lösung der Südkaukasus-Konflikte spielt. Mit der Moskauer Erklärung signalisierte Russland bereits seinen Sonderstatus als Primus inter Pares in der Bergkarabach-Frage. Moskau zeigte, dass es den Willen habe, den Konflikt allein zu seinen eigenen Bedingungen zu lösen, und konnte dabei die anderen Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe umgehen. Die bis Anfang 2012 durchgeführten intensiven Verhandlungen unter russischem Alleingang brachten jedoch keinen Erfolg. Beim letzten wichtigen trilateralen Treffen des russischen, aserbaidschanischen und armenischen Präsidenten im Juli 2011 in Kasan wurde die aktive Vermittlung aufgegeben.714 Das letzte formale Treffen, organisiert von dem russischen Präsidenten Medwedew, fand im Januar 2012 in Sotchi statt. Die drei Präsidenten gaben eine gemeinsame Erklärung zum Abschluss des Treffens ab, die einen abschließenden Charakter aufwies: „The three heads of state noted the great amount of work that had been carried out on the settlement

714 Sputniknews: Karabach-Gipfel in Kasan brachte keinen Durchbruch – Armeniens Außenminister, in: Sputniknews.com 25.06.2011. Unter: https://de.sputniknews.com/ politik/20110625259569780/, abgerufen: 25.05.2016. 171

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

of the Nagornyy Karabakh conflict since the time of their meeting on 2 November 2008, when the Moscow Declaration was adopted.“715 Diese Erklärung markierte das Ende des aktiven Engagements von Dmitri Medwedew. Sein Nachfolger Wladimir Putin sah keine Notwendigkeit, sich als internationale Figur eines Friedensvermittlers zu etablieren, und keinen Bedarf, Medwedews Arbeit intensiv fortzusetzen. Als er sich endlich mit Aserbaidschans Präsidenten Ilham Aliyev und Armeniens Präsidenten Sersch Sargsjan am 10. August 2014 traf, hatte sich die geopolitische Situation in Eurasien stark verändert. Der Krieg im Osten der Ukraine, Moskaus Einmischung in den Syrien-Konflikt sowie der Druck auf die östlichen Partnerländer kurz vor dem Assoziierungsabkommen mit der EU waren entscheidend für die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Moskau und dem Westen, zwischen Russland und den Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe. Seitdem hat auch die militärische Rhetorik der Konfliktparteien zugenommen und die bewaffneten Auseinandersetzungen an der Grenzlinie intensiviert. Wie bereits mehrmals in der Arbeit erwähnt, hat sich Moskau nach einer Phase der intensiven Vermittlung zwischen Armenien und Aserbaidschan seit 2011–2012 zum Hauptlieferanten der Waffen für die Konfliktparteien etabliert. Der fortwährende Bergkarabach-Konflikt sowie die enorme Waffenlieferung an Konfliktparteien bilden die feste Klammer, in Jerewan und Baku zu Moskau in Abhängigkeit zu stehen.

4.1.5 Bewertung der Rolle Russlands Russland bleibt der Hauptakteuer im Südkaukasus, insbesondere aus militärisch-strategischer Sicht. In allen ungelösten Konflikten des postsowjetischen Raums spielt Russland eine zentrale und direkte Rolle. Mit Ausnahme von Bergkarabach hat Moskau alle anderen De-facto-Republiken sowohl militärisch als auch wirtschaftlich und politisch an sich gebunden. Nach dem Georgien-Krieg von 2008 versucht Russland seine Stellung als Ordnungs- und Einflussmacht in der Region durch mehr Engagement im Bergkarabach-Konflikt zu gewinnen. Viele Experten sind der

715 President of Russia: Sovmestnoye zayavleniye Prezidentov Azerbaydzhanskoy Respubliki, Respubliki Armeniya i Rossiyskoy Federatsii po nagorno-karabakhskomu uregulirovaniyu ot 23 yanvarya 2012 goda (Gemeinsame Erklärung der Präsidenten der Republik Aserbaidschan, der Republik Armenien und der Russischen Föderation zum Berg-Karabach-Konflikt vom 23. Januar 2012), in: Kremlin.ru 23.01.2012. Unter: http://kremlin.ru/supplement/1135, abgerufen: 25.05.2016.

4.1 Das Engagement Russlands

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Meinung716, dass der Schlüssel zur Lösung des Bergkarabach-Konflikts im Kreml liege, aber es sei nicht im russischen geopolitischen Interesse, im Südkaukasus den Status quo durch die Lösung eines bestehenden Konflikts zu ändern, der als Möglichkeit für russische Einflussinteressen fungiert. Er dient als Mittel, die russischen Interessen gemäß der Doktrin des „Nahen Auslands“ aufrechtzuerhalten und die Rolle und Aktivitäten anderer Akteure, insbesondere der westlichen Staaten, im Südkaukasus und Kaspischen Becken einzuschränken. Russland ist zweifellos ein sehr wichtiger Spieler im Südkaukasus. Auf der einen Seite verfügt Moskau über formelle und nicht formelle Kapazitäten hinsichtlich der Dynamik der Entwicklung der Region. Es hat starke wirtschaftliche Bindungen mit Armenien, wie bereits oben dargestellt. Russland konnte in den letzten Jahrzehnten Schlüsselpositionen in strategischen Wirtschaftssektoren Armeniens erwerben sowie die Nutzungsrechte zur Stationierung zweier russischer Militärbasen in Armenien bis 2044 verlängern. Aber auch mit Aserbaidschan haben sich nach dem Amtsantritt des Präsidenten Putin die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen vertieft, obwohl sich die russische Einflussnahme auf die aserbaidschanische Wirtschaft wesentlich schwieriger gestaltet als im Fall Armeniens. Aserbaidschans Reichtum an fossilen Brennstoffen sichert Baku mehr Spielraum, mit dem russischen Druck umzugehen. Des Weiteren gelang es Moskau, seine Position in der georgischen Wirtschaft bedeutend auszubauen, trotz der Tatsache, dass ihre politischen Beziehungen eingefroren sind. Russland ist ein riesiger Markt für hunderttausende Arbeitsmigranten aus Armenien und Aserbaidschan, die in den westlichen Staaten allein durch die Sprachbariere keinen Job finden können. Die russische Sprache wird immer noch als lingua franca in der ganzen Region verwendet. Im Bergkarabach-Kontext wird Russland öfter als Sicherheitsgarant für Armenien gegen Aserbaidschan und die Türkei dargestellt. Es profitiert auf der anderen Seite von der hohen Kaufkraft Aserbaidschans und seit 2010 ist es zum größten Waffenlieferanten für Baku aufgestiegen. Russland ist wahrscheinlich das Land, das am meisten von der Spannung in Bergkarabach unter den hier untersuchten Akteuren profitiert. Russlands Interesse besteht darin, seinen Einfluss nicht nur auf die Konfliktparteien, sondern in der gesamten Region zu erweitern. Damit würde Moskau seinen Einflussbereich im Südkaukasus, Kaspischen Becken und 716 Vgl. Interview mit Dr. Gayane Novikova: It Is Obvious that Russia Is Not Interested in a Clear Definition of Its Position on the Nagorno Karabakh Conflict, in: ArmInfo Independent News Agency 25.7.2012. Eine Umfrage vom November 2012 stellte fest, dass 83 % der Aserbaidschaner der Meinung sind, dass eine faire Konfliktlösung in Bergkarabach nicht im Interesse des russischen Präsidenten Putin läge. Vgl. Opinion Poll Suggests Cooling in Azeri-Russian Ties, BBC Monitoring Global Newsline – Former Soviet Union Political File, 20.11.2012. 173

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Schwarzmeer-Raum ausdehnen, wo die Kontrolle der aktuellen und geplanten Pipelines nach Westen von größerer Bedeutung ist. Während seiner aktiven Vermittlungsphase in dem Bergkarabach-Prozess, direkt nach dem Georgienkrieg 2008, demonstrierte Moskau, dass es den Willen habe, den Konflikt im Alleingang beizulegen, ohne die Rolle der anderen Mitglieder der Minsker Gruppe zu berücksichtigen. Damit signalisierte Russland Aserbaidschan, sich stärker an russisch geführte Organisationen wie die OVKS und später EAWU anzunähern, womit Bakus Spielraum mit dem Westen verringert wurde. Der Kreml ist bis jetzt erfolgreich dahingehend, durch eine Instrumentalisierung des Konflikts zu verhindern, dass sich Armenien und Aserbaidschan der NATO oder EU annähern. Armeniens Handlungsspielraum ist wesentlich kleiner, um in seiner Außenpolitik mit Russland zu manövrieren. Im September 2013 war sichtbar, wie Moskau Armeniens sicherheitspolitische Lage im Sinne seiner geopolitischen Interessen instrumentalisierte und Jerewan unter Druck setzte, anstatt dem Assoziierungsabkommen mit der EU der EAWU beizutreten. Obwohl Moskau die bewaffneten Auseinandersetzungen im Südkaukasus, darunter den Bergkarabach-Konflikt, nutzt, um punktuell Druck auf die betroffenen Staaten auszuüben, zielte seine Politik dennoch auch darauf ab, einen erneuten Krieg zu vermeiden und den Status quo beizubehalten, damit vor allem die Situation an seinen Grenzen stabil bleibt. Außerdem besteht für Russland die Gefahr, über seine Bündnisverpflichtungen gegenüber Armenien im Rahmen der OVKS in eine Eskalation hineingezogen zu werden. Viele Experten halten es für unstrittig, dass Moskau seinem strategischen Partner beistehen wird.717 Hinsichtlich dieser Aspekte betonte der russische Experte Markedonov im Interview mit dem Verfasser die Bedeutung des Status quo in Bergkarabach für Russland, indem er begründete: „Zunächst ist es notwendig zu verstehen, dass für Russland eine Eskalation so gefährlich ist, weil diese einige Probleme, wie eine Krise innerhalb der eurasischen Integrationsprojekte, in der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit sowie in der Eurasischen Wirtschaftsunion auslösen kann. Denn nicht alle Verbündeten Armeniens, insbesondere Kasachstans oder Tadschikistans, können eine gemeinsame Idee bezüglich der Perspektiven auf die Zusammenarbeit mit Armenien und der Konfliktlösung in Bergkarabach teilen. Natürlich bedeutet eine Eskalation auch das Engagement regionaler Akteure wie der Türkei und des Iran, das Verhalten dieser Akteure ist allerdings sehr schwer vorherzusagen. Es ist auch gefährlich, und ich kann nur noch einmal wiederholen, 717 Vgl. BBC International Reports: Armenian Experts on Regional Military Alliance’s Role in Possible Karabakh War. BBC 05.12.2010.

4.1 Das Engagement Russlands

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dass die Bergkarabach-Frage den einzigen Raum im postsowjetischen Bereich darstellt, in dem Russland und der Westen kooperieren können. Im Falle einer Eskalation bin ich mir nicht sicher, ob Russland und der Westen die Zusammenarbeit fortsetzen werden. Darum bedeutet die Eskalation ein hohes Risiko. Deshalb ist Russland nicht an einer Eskalation interessiert, sondern der Status quo und das Gleichgewicht zwischen Armenien und Aserbaidschan sind für es sehr wichtig.“718 Darüber hinaus führen Russlands Einmischung in den Syrien, der Ukraine-Krieg sowie die Verschlechterung der Beziehungen mit der Türkei Moskau dazu, eine heiße Krisenzone in seiner kriegserschütterten Südregion möglichst zu vermeiden. Mit dem Gegeneinander-Spielen der Interessen und Ängste Armeniens und Aserbaidschans hat Russland den Konflikt zu seinem eigenen Vorteil gewandelt, in dem die Lage an ein „kontrolliertes Chaos“719 erinnert, wie es Anar Valiyev bezeichnete. Die Konfliktlösung in Bergkarabach betrachtet Sergey Markedonov aus russischer Sicht basierend auf Kompromissen der direkt beteiligten Parteien, die für beide Gesellschaften annehmbar sein sollen, auf der anderen Seite sieht er eine Gefahr darin, den Einfluss Moskaus insbesondere auf Aserbaidschan zu verlieren: „Ich weiß, dass jetzt zwei Fragen auf dem Verhandlungstisch liegen: der zukünftige Status des ehemaligen autonomen Gebiets Bergkarabach und die Situation um die sieben Distrikte, die jetzt von armenischen Truppen besetzt sind. Und natürlich sollte die armenische Seite einige Kompromisse in Richtung der sieben Distrikte eingehen, und Aserbaidschan wird, vielleicht nicht sofort, manche Schritte in Richtung Anerkennung des autonomen Status der ehemaligen autonomen Region Bergkarabach vollziehen. Es ist sehr schwierig und die Lösung der beiden oben genannten Fragen stellt sich als äußerst problematisch dar. Es herrscht ein Vertrauensmangel. Aber die oberste Priorität für Russland liegt darin, Kompromisse einzugehen. Russland versucht jetzt, ein Gleichgewicht zwischen Armenien und Aserbaidschan herzustellen. Warum? Weil Russland in 2008 seinen Einfluss und die Druckmechanismen auf Georgien verloren hat. Insbesondere nach der Anerkennung der Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien ist Russland natürlich nicht daran interessiert, irgendwelche Instrumente in Bezug auf den Einfluss auf Aserbaidschan zu verlieren. Aus diesem Grund setzt Russland seine Zusammenarbeit mit Aserbaidschan fort und betrachtet oder behandelt Armenien als strategischen Verbündeten, weil der Verlust seines Ein-

718 Siehe Interview mit Dr. Sergey Markedonov im Anhang dieser Arbeit. 719 Valiyev, Anar: Nagorno-Karabakh: Twenty Years Under Damocles’ Sword. Demokratizatsiya. Spring 2012, Vol. 20, Issue 2, S. 199. 175

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

flusses auf Aserbaidschan bedeutet, dass alle Bindungen zwischen Baku und den westlichen Ländern, insbesondere der Türkei, gestärkt werden können.“720 Zusammenfassend können wir feststellen, dass Russland sich nur unter bestimmten Bedingungen auf eine Beilegung des Bergkarabach-Konflikts einlassen würde, wenn es selbst als der ausschlaggebende Vermittler auftreten könnte, damit die Lösung der Erhaltung des russischen Einflusses und der russischen geopolitischen Interessen im Südkaukasus dient, womit die Stationierung russischer Friedens­ truppen in Bergkarabach garantiert wird und Russlands Rolle, als Ordnungsmacht im Südkaukasus zu agieren, gewährleistet bleibt.

4.2

Das Engagement des Iran

4.2

Das Engagement des Iran

4.2.1 Die Politik des Iran im Südkaukasus Trotz der politischen Isolation, in die sie seit der Islamischen Revolution geraten war, konnte die Islamische Republik Iran (IRI) in den letzten Jahrzehnten ihre Position als Regionalmacht im Nahen und Mittleren Osten und im kaspischen Raum ausbauen. Irans natürliches Anrecht auf eine regionale Führungsrolle ist mit seiner Flächengröße von etwas über 1.648 Mio. qkm, seiner wachsenden Bevölkerungszahl (ca. 81.8 Mio. Stand: Juli 2015), seiner geopolitischen Zentralität und vor allem mit enormen Reserven an fossilen Energieträgern zu begründen.721 Nach Angaben von BP besaß Iran in 2015 mit 18,2 % die weltweit größten nachgewiesenen Erdgasreserven und mit 9,3 % der Erdölreserven gilt das Land diesbezüglich als das viertgrößte der Welt.722 Aufgrund der umfangreichen Rohstoffe gehört das Land zu den Ländern, die sich in der strategischen Ellipse befinden. Iran hat die längste Küste mit dem Persischen Golf, wo 70 % der weltweiten Energiereserven liegen. Es überbrückt die beiden Energie-Regionen des Persischen Golfs und des Kaspischen Meeres und bildet die kürzeste Strecke für die Verbindung der zentralasiatischen Binnenstaaten zu der Außenwelt und dem offenen Meer.

720 Siehe Interview mit Dr. Sergey Markedonov im Anhang dieser Arbeit. 721 Vgl. CIA, The World Factbook: Iran. Unter: https://www.cia.gov/library/publications/ the-worldfactbook/geos/ir.html, abgerufen: 01.03.2017. 722 Vgl. British Petrolium: Statistical Review of World Energy June 2016. Unter: http:// www.bp.com/content/dam/bp/pdf/energy-economics/statistical-review-2016/bpstatistical-review-of-world-energy-2016-full-report.pdf, abgerufen: 01.03.2017.

4.2 Das Engagement des Iran

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Neben dem Rohstoffreichtum haben auch Irans religiöse (Schiismus), historische und kulturelle Entwicklung sowie die regionalen, internationalen und geopolitischen Veränderungen in der Region Irans Möglichkeiten, Einfluss in der Region zu gewinnen, wesentlich verbessert. Während der Iran nach dem Tod von Ayatollah Khomeini 1989 und nach dem Waffenstillstand 1988 mit dem Irak seine Politik gegenüber den arabischen Staaten umstellte, kam es zu einer dramatischen Veränderung entlang seiner nördlichen Grenze. Mit der Auflösung der Sowjetunion in 1991 und der Entstehung der neuen unabhängigen Staaten in direkter Nachbarschaft erhoffte sich der Iran nicht nur neue Chancen, die Blockade zu durchbrechen, sondern auch die neuen Staaten in den eigenen Einflussbereich zu bringen. Diese Entwicklung umfasste ebenfalls Bedrohungen für Iran bezüglich der Konflikte im Südkaukasus, die Bürgerkriege in Tadschikistan und Afghanistan, die die Region destabilisierten. In dieser neuen regionalpolitischen Situation richtete der Iran seine Aufmerksamkeit vorsichtig auf seine nördlichen Nachbarn.723 Über die geoökonomischen Interessen des Iran in Bezug auf die drei Südkaukasus-Staaten und deren Bedeutung für Iran kommentierte der iranische Kaukasusexperte Hamed Kazemzadeh in seinem Interview mit dem Verfasser dieser Arbeit wie folgt: „Seit ihrer Unabhängigkeit sind Stabilität und Sicherheit dieser Republiken von großer Bedeutung für die Region. Der Iran ist davon überzeugt, dass seine regionalen Interessen in direkter Verbindung mit der Stabilität der Kaukasusstaaten stehen. Die iranische Wirtschaft spielt eine komplementäre Rolle für die Ökonomien der Kaukasusrepubliken, zudem sind Kooperationen in den Bereichen Erdöl und Erdgas denkbar. Der Kaukasus gilt als eine der Nord-Süd-Transitrouten und als Kreuzung der Energie- und Verkehrsadern nach Europa. Im Vergleich mit dem traditionellen Weg über die Türkei bietet die Kaukasus-Transitroute nach Europa diverse Vorteile für den Iran. Vom Kaukasus aus spart der Iran circa eintausend Kilometer zu bestimmten Märkten in Nord- und Osteuropa. Der wirtschaftliche Wohlstand der Kaukasusstaaten stimmt mit den regional- und wirtschaftspolitischen Ansätzen des Irans überein. Folglich heißt die iranische Seite diese Entwicklung willkommen, denn dieser wirtschaftliche Aufschwung, so das Kalkül, eröffnet einen neuen Markt für die Waren und Dienstleistungen iranischer Unternehmen und schafft zudem neue Arbeitsplätze in den iranischen Grenzprovinzen am Kaukasus.“724

723 Vgl. Kazemzadeh, Hamed: Iran and the South Caucasus Political & economic relation, in: Caucasus Journal Analyzes S. 172–179. Kazemzadeh, Hamed (2010), Iran and the South Caucasus Political & economic relation. Caucasus Journal Analyzes, University of Tehran. (in Persian: Iran va qafqaze jonoubi ravabete siyasi va eqtesadi. majale tahlili qafqaz, daneshgah tehran) S. 172–179. 724 Siehe Interview mit Dr. Hamed Kazemzadeh im Anhang dieser Arbeit. 177

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Die Konflikte und Unruhen in seiner Nachbarschaft vermehrten Anfang der 2000er Jahre das Sicherheitsbedürfnis Irans. Insbesondere seit dem Afghanistankrieg im Jahre 2001 und der amerikanischen Irak-Krieg 2003 sieht sich Iran von amerikanischen Militärbasen in der Region eingekreist. Trotzdem verfolgt Iran seine machtpolitischen Interessen wie andere Staaten in der Region. Auch wenn sich Teherans Politik in seiner Nachbarschaft als wirtschaftlich und diplomatisch teuer erweist, ist das iranische Regime bereit, diese Kosten zu tragen. Über die Interessen und Rolle Irans im Südkaukasus und in der angrenzenden Region, schreibt der Regionalexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Uwe Halbach: „Vielmehr praktizierte Teheran nach einer Anfangsphase religiöser Missionsversuche eine pragmatische Politik gegenüber den neuen Staaten in seiner nördlichen Nachbarschaft und trat zum Beispiel im Südkaukasus als ein Vermittler im Karabach-Konflikt auf. Die Prioritäten Irans gegenüber dem neuen Staatensystem im Kaspischen Raum lagen in der Überwindung der eigenen internationalen Isolation, der Sicherheit an seinen Grenzen, der Ausweitung von Handels- und Verkehrsbeziehungen in Regionen, in denen iranischer Einfluss in der Vergangenheit eine bedeutende kulturelle Rolle gespielt hatte, in engen Beziehungen mit Russland in der internationalen Politik und der Begrenzung des Einflusses von Konkurrenten wie der Türkei, Saudi-Arabien, Pakistan und natürlich USA, die ihrerseits den Iran aus der Entwicklung des Kaspischen Raums heraushalten wollten. Iran mit seiner langen Grenze mit Turkmenistan und seiner Kaspischen Küste ist jedoch ein Faktor, der sich aus diesem Raum schwerlich ausschließen lässt. Er hat ein gewichtiges Wort mitzureden bei dem bislang noch ungeklärten neuen Rechtsstatus des Kaspischen Meeres, und ist ein Hauptspieler im Wettbe-werb um die Transportnetze für kaspische Rohstoffe, denn er bietet mit seinen Leitungssystemen und seinen Häfen im Süden eine Alternative für aufwendige neue Transportrouten.“725 Iran betrachtet die Länder im Südkaukasus als historischen Einflussbereich, die infolge der russisch-persischen Kriege und darauffolgenden Verträge von Gulistan 1813 und Turkmentschai 1828 an das Zarenreich abgetreten wurden.726 Iran wetteifert zudem seit Jahrhunderten mit der Türkei (dem Osmanischen Reich) im Südkaukasus und Zentralasien um die Rolle der Hegemonialmacht. Nach dem

725 Halbach, Uwe: Der Kaspische Raum – Zwischen „Great Game“ und „Seidenstraße“. S. 3. Unter: http://www.blz.bayern.de/blz/web/old_100111/halbach.pdf, abgerufen: 01.03.2017. 726 Vgl. Fürtig, Henner: Iran-Großmacht mit Ambitionen? in: Von Gumppenburg, ­Marie-Carin/Steinbach, Udo (Hrsg.): Der Kaukasus. Geschichte-Kultur-Politik. München, Verlag C. H. Beck 2008, S. 80 f.

4.2 Das Engagement des Iran

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Zerfall der Sowjetunion besteht Irans strategisches Hauptinteresse im Südkaukasus darin, neben dem türkischen auch den US-israelischen Einfluss in der Region zu begrenzen, die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit den jeweiligen Ländern zu vertiefen und dauerhafte Stabilität und Sicherheit in der Region zu sichern. Gleichzeitig bleibt der Iran vorsichtig, um mit seinem wichtigsten strategischen Partner in der Region – d. h. mit Russland – nicht in Konkurrenz zu geraten. Die IRI versuchte zunächst, mit einem religiös-kulturellen Instrumentarium Vorteile gegenüber den anderen Akteuren in der Region zu gewinnen. Die Jahrhunderte dauernde persische Herrschaft im Südkaukasus übt einen starken kulturellen Einfluss auf die Völker der Region aus – auf Georgien zum Vergleich mit Armenien und Aserbaidschan etwas geringer. Aserbaidschan spielte als schiitisches Land im Südkaukasus sowie aus wirtschaftlichen und strategischen Gründen eine bedeutende Rolle für Irans Politik seit 1991 in der Region. In der Tatsache, dass Aserbaidschan prozentual nach dem Iran die zweithöchste schiitische Bevölkerungsmehrheit besaß, sah Iran ein Potenzial, sein theokratisches Staatsmodell in das Land übertragen zu können.727 Auf der anderen Seite stellten die neue unabhängige Republik Aserbaidschan und der Separatismus und Irredentismus der aserbaidschanischen Minderheit im Norden Irans eine Bedrohung für die territoriale Integrität des Landes dar. Es wird in Teheran befürchtet, dass im Zuge des Kriegs in Bergkarabach der aserbaidschanische Nationalismus mit starken pantürkischen Konnotationen nördlich seiner Grenzen im Iran wieder aufflammen und sich das Beispiel der Demokratischen Autonomen Republik Aserbaidschan durch die sowjetische Besatzung der iranischen Provinz Aserbaidschan während des Zweiten Weltkriegs 1941 mit der Aussicht auf einen Anschluss an die Sowjetunion wiederholen könnte. Diese Republik hatte ein kurzes Leben und zerbrach 1946 nach dem Rückzug der sowjetischen Truppen.728 Mit dem Zerfall der Sowjetunion gewann das Thema des iranischen Aserbaidschans an Aktualität und Aufrufe zur Wiedervereinigung wurden populärer und intensiver. 1990 rissen die Aserbaidschaner die Grenzanlagen zum Iran nieder, um einen direkten Zugang zu den türkischsprachigen Iranern einzurichten.729

727 Vgl. Kazemzadeh, Hamed: Iranian Influence in the South Caucasus, in: Caucasus Journal Analyzes, S. 56–59. Kazemzadeh, Hamed (2011), Iranian Influence in the South Caucasus. Caucasus Journal Analyzes, University of Tehran. (in Persian: tasirat iran dar qafqaze jonubi. majale tahlili qafqaz, daneshgah tehran) S. 56–59. 728 Vgl. Souleimanov, Emil/Kraus, Josef: Alte und neue Ansprüche. Die Politik des Iran im Südkaukasus, in: Grenzland, Konflikte und Kooperation im Südkaukasus. Osteuropa, 65. Jahrgang/Heft 7–10, 2015, S. 446. 729 Vgl. Engelke, Thomas: Frankfurt am Main 1997, S. 75. 179

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Das Verhältnis zwischen Armenien und Iran ist dagegen durch die Beziehungen beider Staaten zu Aserbaidschan und die historischen armenisch-persischen Beziehungen sowie die Verwandtschaft beider Völker geprägt. Mehrere armenische Königsdynastien, darunter die Dynastien der Erwanditen, der Arschakiden und der Bagraditen, hatten ihren Wurzeln in Persien.730 Die heutige Republik Armenien macht sich mit ihren belasteten Beziehungen zu den zwei benachbarten Türkstaaten Aserbaidschan und der Türkei zu einem natürlichen und strategischen Partner für Iran in der Region. Aufgrund der engen Kooperation zwischen Armenien und Russland einerseits und Russland und Iran andererseits lässt sich von einer geopolitischen Achse Moskau – Jerewan – Teheran im Kaukasus sprechen. Im Vergleich mit Aserbaidschan und Armenien spielt Georgien in der regionalen Außenpolitik Teherans eine weniger wichtige Rolle, trotz der weit in die Geschichte zurückreichenden Beziehungen beider Völker. Obwohl seit 1828 beide Völker keine gemeinsame Grenze mehr verbindet, besteht Irans Hauptinteresse in Georgien darin, die Schwarzmeerhäfen als alternative Transitroute des gängigen türkischen Wegs für iranische Produkte in die westlichen Märkte zu wählen. Seit langem wird über den Bau einer Eisenbahnlinie von Iran über Armenien nach Georgien diskutiert, die aber immer an der Finanzierung scheiterte. Mit der gegenseitigen Visa-Aufhebung seit 2010 könnten beide Länder ihre wirtschaftlichen Beziehungen, insbesondere das Niveau der Zusammenarbeit im Bereich des Tourismus, wesentlich erhöhen.731 Georgien sieht jedenfalls kaum einen Anreiz, die strategische Zusammenarbeit mit der EU und den USA zugunsten besserer Beziehungen mit dem Iran zu gefährden.

4.2.2 Beziehungen zwischen Iran und Armenien Die Beziehungen zwischen Armenien und dem Iran basieren auf einer gemeinsamen Geschichte und gemeinsamen geopolitischen Interessen in der Region. Seit Jahrtausenden leben Armenier in dem heutigen Iran und bilden eine bedeutende und blühende Gemeinde und eine der ältesten armenischen Gemeinden weltweit, somit auch eine der ältesten christlichen Gemeinden im Iran. Eine der ältesten Kirchen der Welt, das armenische Kloster Sankt Thaddäus im Norden Irans, wurde zusammen mit anderen armenischen Klöstern (dem Kloster Sankt Stephanos, 9.

730 Vgl. Souleimanov, Emil/Kraus, Josef: Osteuropa, 65. Jahrgang/Heft 7–10, 2015, S. 444–447. 731 Vgl. Civil Georgia: Iranian FM on ‘Historic’ Visit to Georgia, in: Civil Georgia 03.11.2010. Unter: http://www.civil.ge/eng/article.php?id=22812, abgerufen: 01.03.2017.

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Jh.) von der iranischen Regierung als Weltkulturerbe der UNESCO vorgeschlagen und in 2008 als solches ernannt.732 Im Zuge des Osmanisch-Safawidischen Kriegs (1603–1618) deportierte der persische Schah Abbas der Große bis zu 300.000 Armenier in das Landesinnere seiner Macht.733 Tausende ertranken beim Überqueren des Flusses Araks oder überlebten den Winter nicht. Die Überlebenden 200.000 Armenier siedelte der Schah in seiner neuen Hauptstadt Isfahan und ihrer Umgebung an. Die Gemeinde wurde bedeutend für die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung des Irans. Armenische Kirchen, Schulen, Kulturzentren und Verbände blühten auf. Die Armenier haben ihre eigenen Senatoren und Mitglieder im Parlament, 300 Kirchen und 500 Schulen sowie Bibliotheken dienen den Bedürfnissen der Gemeinde. Obwohl nach der Islamischen Revolution in 1979 und später aus wirtschaftlichen Gründen die Zahl der Armenier in Iran stark sank, bilden sie bis heute die größte christliche Gemeinde in der Islamischen Republik und gelten als eine nicht schwierige Minderheit für die Regierung. Während noch ca. 200.000734 Armenier in den 1980er Jahren in Iran lebten, ist die Zahl heute auf rund 100.000 gesunken, konzentriert vor allem in den Größstädten Teheran (80.000), Isfahan und Täbris.735 Für Irans gute nachbarschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen mit Armenien, die eine 42 km lange Grenze teilen, spielt zum einen auch diese Gemeinde eine große Rolle, die zahlreich in der Politik und Wirtschaft vertreten ist, zum anderen bestimmen weitere Faktoren diese Allianz in der Region.736 Nach dem Erringen seiner Unabhängigkeit wurden das christliche Armenien und der islamische Iran nicht wegen der Religion getrennt, sondern durch gemeinsame Interessen in der Region geeint. Auf den ersten Blick lässt sich vermuten, dass der Iran aufgrund des Bergkarabach-Kriegs zwischen Armeniern und Aserbaidschanern auf der Seite seiner schiitischen Glaubensgenossen stehen würde, aber Irans Probleme mit Aserbaidschans nationalistischer Regierung unter Präsident Abulfas Eltschibei (1992–93) und die Bedrohung durch den erhöhten US-israelisch-türki732 Vgl. Kerber, Peter: Iran: islamischer Staat mit jahrtausendealter Kultur. Berlin 2010, S. 248. 733 Vgl. Dum-Tragut, Jasmine: Berlin 2011, S. 52. 734 Vgl. Stepanyan, Karen: Armenians Torn Over Emigration from Iran, in: Payvand Iran News 30.08.2010. Unter: http://www.payvand.com/news/10/aug/1300.html, abgerufen: 01.03.2017. 735 Vgl. Armenia Diaspora: Unter: http://www.armeniadiaspora.com/population.html, abgerufen: 01.03.2017. (Derzeit nicht mehr abrufbar). 736 Vgl. Ghazinyan, A.: Armenia and Iran: Ancient Relations and Changing World Necessities, in: Armenian General Benevolent Union (AGBU) 2009. Unter: http://www. agbu.org/publications/article.asp? A_ID=624, abgerufen: 01.03.2017. 181

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schen Einfluss im Südkaukasus führten Teheran dazu, noch am Anfang des Konflikts nicht Partei für Aserbaidschan im Sinne islamischer Solidarität zu ergreifen, sondern die guten Beziehungen mit Armenien weiterhin zu unterstützen.737 Ein realpolitischer Pragmatismus setzte sich gegen ideologische und religiöse Gefühle durch, trotz Irans stark manifestierten Engagements hinsichtlich der islamischen Prinzipien.738 Uwe Halbach schrieb in diesem Kontext: „Er ist in diesem Fall indes weniger parteiisch als die Türkei, die hier an der Seite ihres ethnischen ‚Brudervolks‘ in Aserbaidschan steht.“739 Aus armenischer Sicht ist der Iran eine Regionalmacht, die ein Gegengewicht zu dem türkischen Einfluss im Südkaukasus und dessen einseitiger pro-aserbaidschanischer Haltung darstellen kann. Die Iraner ihrerseits betrachten das einzige christliche Nachbarland Armenien als einen Puffer gegen seinen historischen Rivalen, die Türkei im Südkaukasus, und die gemeinsame Grenze als eine Keilfunktion gegen die pantürkischen Ambitionen im Kaukasus und Zentralasien. Zudem stellt der Landweg über Armenien und Georgien die kürzeste sowie eine alternative Strecke für Iran Richtung Osteuropa dar und iranische Häfen am Kaspischen Meer und Persischen Golf dienen Armenien als Tor zur Außenwelt. In diesem Zusammenhang schreibt der russische Regionalexperte W. Mesamed: „Angesichts der besonderen geographischen Lage Armeniens und der seiner geschlossenen Grenzen seitens der Türkei und Aserbaidschan hängt sein Zugang zur Außenwelt vollständig von iranischen und georgischen Transitrouten ab. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, die Rolle des Iran als eine Art Ventil zu bewerten.“740 Für das zwischen der Türkei und Aserbaidschan eingezwängte Armenien sind gute Beziehungen zum Iran lebenswichtig und sie gewinnen mit der andauernden Isolation des Landes an Bedeutung. Für den mit Sanktionen belegten Iran ist diese Freundschaft für Teheran auch relevant. Noch Anfang der 1990er Jahre, als Arme737 Vgl. Mohammad-Reza, Djalili: Iran and the Caucasus: Maintaining some Pragmatism, in: Partnership for Peace Consortium of Defense Academies and Security Studies Institutes, Connections: The Quaterly Journal No. 3, 02.09.2002, S. 54. Unter: https:// globalnetplatform.org/system/files/1/Iran%20and%20the%20Caucasus.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 738 Sharashenidze, Tornike: Emerging regional powers: Turkey and Iran in the South Caucasus; The Role of Iran in the South Caucasus, in: Caucasus Analytical Digest No. 30, Bremen 28.10.2011, S. 4. Unter: http://www.laender-analysen.de/cad/pdf/CaucasusAnalyticalDigest30.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 739 Halbach, Uwe: Irans nördliche Nachbarschaft. Berlin, SWP-Studie 4/2012, S. 4. 740 Mesamed, W. I.: Spetsifika armyano-iranskikh otnosheniy (Spezifität der armenischen-iranischen Beziehungen), in: Institut des Nahen Osten 03.09.2013. Unter: http:// www.iimes.ru/?p=18131, abgerufen: 01.03.2017.

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nien wegen des Erdbebens, der Blockade, Energiekrise und des Kriegs schwer litt, bildete die schmale Grenze zu Iran den stabilsten Weg zur Außenwelt. Die fast 400 km lange Strecke, die Jerewan mit der iranischen Grenze verbindet, wurde inoffiziell unter den Armeniern als „der Weg des Lebens“ bezeichnet.741 Die armenische Wirtschaft war Anfang der 1990er Jahre fast vollständig von dem iranischen Import abhängig, und nach einigen Quellen diente auch der Iran während des Kriegs als Transitland für die Lieferung von Waffen und Munition von Russland nach Armenien.742 Die Transportwege über das Gebiet des kriegszerrissenen Georgiens waren nicht immer zuverlässig. In einem Interview im Dezember 2015 ermutigte sogar der ehemalige iranische Botschafter in Armenien Mohammad Farhad Koleyni dazu, die Beziehungen der beiden Länder auf der Grundlage „Eine Nation zwei Staaten“ aufzubauen. Diese Idee wird von mehreren iranischen Politikern, Geistlichen und Wissenschaftlern akzentuiert, die daran glauben, dass die Armenier und Perser die gleiche ethnische Herkunft aufweisen und Armenien somit in die pan-iranische Welt gehöre.743 Wegen der guten nachbarschaftlichen Beziehungen und auch der geographischen Isolation des Landes hat sich Armenien immer gegen jeglichen Krieg und Streit um das iranische Atomprogramm geäußert und unterstützt Irans Anspruch auf die friedliche Nutzung von Atomkraft. Dazu schreibt Uwe Halbach: „Die verschärften internationalen Sanktionen und die Aussicht auf militärische Aktionen gegen Iran riefen in Eriwan Befürchtungen hervor, die über Iran laufende Verbindung zur Außenwelt könnte unterbrochen werden – so wie der russisch-georgische Augustkrieg 2008 die Verbindung über Georgien gekappt und Armenien Schaden zugefügt hatte.“744 Durch das Territorium des südlichen Nachbarn erfolgen heutzutage viele Exporte und Importe Armeniens. Da Georgien wegen des Konflikts mit Abchasien und Südossetien für einen geregelten Warenverkehr oft zu instabil ist, bietet nur Iran seinen Nachbarn einen Zugang zur Außenwelt über den Landweg. Der Bau einer Brücke (1996) über den Grenzfluss Araks spielte eine wichtige Rolle für die

741 Vgl. Ghazinyan, A.: Armenian General Benevolent Union (AGBU) 2009. 742 Vgl. Cornell, Svante: Iran and the Caucasus, in: Middle East Policy, Vol. 5, No. 4, 1/1998, S. 60–63. 743 Vgl. Abrahamyan, Eduard: The potential and obstacles to Armenia-Iran strategic relations. The CACI Analyst 16.03.2016. Unter: http://cacianalyst.org/publications/ analytical-articles/item/13343-the-potential-and-obstacles-to-armenia-iran-­strategicrelations.html, abgerufen: 01.03.2017. 744 Halbach, Uwe 2012: Berlin, SWP-Studie 4/2012, S. 4. 183

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Entwicklung der bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen.745 Im Laufe der Jahre sind diese Wirtschaftsbeziehungen ein Kernstück der iranisch-armenischen Beziehungen geworden. Die Zusammenarbeit im Energiebereich spielt die größte Rolle in dieser Beziehung. Transport- und Infrastrukturprojekte wurden ebenso ausgebaut wie der Tourismus und Handel zwischen beiden Ländern. Seit der Unabhängigkeit ist Armeniens Energiesektor und vor allem die Gasversorgung stark von Russland abhängig, da das russische Gazprom ein Monopol besitzt.746Als größtes Projekt zur Sicherung der Erdgasversorgung Armeniens mit alternativen Quellen war seit längerem der Bau einer neuen Erdgaspipeline geplant, die Erdgas von Iran nach Armenien liefern sollte. Eine Absichtserklärung über den Bau der Iran-Armenien-Gaspipeline wurde noch im Jahr 1995 zwischen der armenischen und iranischen Regierung unterzeichnet.747 Am 13. Mai 2004 wurde ein Abkommen geschlossen, das den Bau der geplanten Gaspipeline zwischen Armenien und Iran fixierte, mit einer Gesamtlänge von 140 km, davon entfallen 100 km auf Iran und der Rest auf Armenien.748 Über eine mögliche Verlängerung dieser Pipeline bis nach Europa (Georgien, Schwarzes Meer, die Ukraine) wurde damals spekuliert. Dies würde gegen das Interesse sowohl der USA als auch Russland in der Region stehen.749 Für Arme­ nien wäre das eine Chance, nicht nur eine alternative Erdgaslieferung zu erhalten, sondern auch mit Transitgebühren seinen Haushalt aufbessern zu können. Jedoch hat Russland darauf bestanden, dass die Pipeline einen Durchmesser von 70 cm statt 1.5 m und eine jährliche Kapazität von 2.7–3 Mrd. m3 aufweist. Mit diesem Durchmesser bleibt die Pipeline für den Transit weiter nach Georgien wenig geeignet. Es ermöglichte Moskau vor allem durch diesen Druck auf Armenien, seine eigenen

745 Vgl. Ministry of Foreign Affairs of the Republic of Armenia. Bilateral Relations, Islamic Republic of Iran. General Information. Unter: http://www.mfa.am/en/country-by-country/ ir/, abgerufen: 01.03.2017. 746 Vgl. Stewart, Susanne: Berlin, SWP-Studie 2010, S. 27.
 747 Vgl. Ministry of Foreign Affairs of the Republic of Armenia. Bilateral Relations, Islamic Republic of Iran. General Information. 748 Vgl. Russland.ru: Iran begann mit Bau einer Gaspipeline nach Armenien. 22.07.2004. Unter: http://www.russland.ru/ruwir0010/morenews.php?iditem=1121, abgerufen: 01.03.2017. 749 Vgl. De Haas, Marcel/Tibold, Andrej/Cillessen, Vincent (Hrsg.): Geo-strategy in the South Caucasus, Power Play and Energy Security of States and Organisations. Den Haag, Netherlands Institut of International Relations, Clingeldael November 2006, S. 28.


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Pipelineprojekte mit Europa und der Türkei außer Gefahr zu bringen, falls sich die Beziehungen zwischen Iran und dem Westen normalisieren sollten.750 Die vergeblichen Versuche seitens Georgien und der Ukraine, die iranisch-armenische Gaspipeline zu verlängern, zeigten jedoch, dass der Iran keine handfesten energiepolitischen Interessen im russischen Einflussbereich, vor allem im Südaukasus, verfolgt, die im Gegensatz zu Russlands Interessen stehen könnten.751 Somit festigte Russland seine Monopolstellung in der armenischen Energiemarkt und zwang Jerewan zudem, seinen Anteil an der Iran-Armenien-Gaspipeline an Gazprom zu verkaufen.752 Diesbezüglich erklärte der Stellvertretende Vorsitzende der Gazprom, Aleksandr Rzyanov, im Februar 2005: „Wenn wir an der iranisch-­ armenischen Gaspipeline nicht teilnehmen, weiß keiner, bis wohin diese Pipeline laufen kann.‘‘753 Er äußerte damit auch die Interessen Russlands in der Region und zeigte, dass der Iran für Russland zu dem wichtigsten Konkurrenten im armenischen Energiesektor geworden war. Später gab es Gerüchte, dass der Iran und Armenien den Bau einer zweiten Pipeline mit einer großen Kapazität planten, um iranisches Gas an Drittstaaten zu liefern.754 Unter diesen Umständen wurde die Pipeline mit einem Durchmesser von 700 mm am 19. März 2007 von den Präsidenten beider Staaten, Mahmud Ahmadinedschad und Robert Kotscharjan, feierlich eröffnet. Damit steht dem Land neben der einzigen nördlichen russischen Gaspipeline auch eine alternative südliche Pipeline zur Verfügung.755 Die Pipeline kostete rund 220 Mio. USD und die Transportkapazität beträgt zurzeit 1.1 Mrd. m3 pro Jahr, soll aber bis 2019 auf 2.3 Mrd. m3 erhöht und um 197 km innerhalb Armenien verlängert werden. Laut dem Vertrag zwischen

750 Vgl. Minasjan, Gaidz: Paris 2008, (Russie. Nei. Visions No. 27), S. 8. 751 Vgl. Chatlamadjyan, Shushan: Rossiya i Armenia (Russland und Armenien), in: Zeitschrift Novaya Politika 28.12.2005. Unter: http://www.novopol.ru/material5324.html, abgerufen: 01.03.2017. (Derzeit nicht mehr abrufbar). 752 Vgl. Manutscharjan, Aschot: Russlands Politik im Süd-Kaukasus. In: KAS-AI 5/2007, S. 62.
 753 Aklian, V.: Russiai kakaganutioune haravain Kovkasum (Russlands Politik im Südkaukasus), in: Kessanmegerorth Hantes (21. Jahrhundert) N. 4 (10) 11/2005. 754 Vgl. Danielyan, Emil: Russia tightens control over the Armenian Energy Sector, in: Euroasia.org 16.10.2006. Unter: http://www.eurasianet.org/departments/business/ articles/eav101706.shtml, abgerufen: 01.03.2017. 755 Vgl. Gasasjan, Aschot: Armenien sichert sich Erdgas aus dem Iran, in: Deutsche Welle 22.03.2007. Unter: http://www.dw-world.de/dw/article/02414594,00.html, abgerufen: 01.03.2017. 185

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Armenien und Iran wird jeder Kubikmeter Erdgas mit 3 kWh elektrischem Strom (aus den Wärmekraftwerken Hrazdan und Jerewan) ausgetauscht.756 Es ist offensichtlich, dass die Iran-Armenien-Pipeline eines der wichtigsten Projekte der armenisch-iranischen Energie-Partnerschaft darstellt, und es weist eine wichtige geopolitische Bedeutung sowohl auf lokaler als auch auf regionaler Ebene auf. Das Projekt wurde erfolgreich gestartet, und zwar trotz verschiedener Ansichten über die Funktion der Gaspipeline für die Drittländer. Eines ist klar: Das Projekt stellt einen alternativen Weg für die Energie-Sicherheit der Republik Armenien zur Verfügung und hat die Energiequellen diversifiziert. Der aserbaidschanische Wissenschaftler Rauf Dschafarow schreibt dazu: „Dieser Schritt der iranischen Seite trug nochmals zur Verstärkung des Ressentiments im muslimischen Aserbaidschan bei, wonach Irans Aufrufe zur Vereinigung der islamischen Welt nur Propaganda seien und der Verwirklichung von persisch-iranischen National­ interessen dienten.“757 Darüber hinaus ist geplant, in den kommenden Jahren zwei Wasserkraftwerke an dem Grenzfluss Araks zu bauen. Derzeit wird mit iranischen Firmen über die Finanzierung und den Bau der zwei Wasserkraftwerke mit einer Kapazität von 130 MW verhandelt und nach dem Bau soll der produzierte Strom als Teil des Tauschgeschäftes gegen Gas nach Iran exportiert werden.758 Um den zunehmenden Stromexport nach Iran ermöglichen zu können, wird zurzeit eine neue 400-kV-Stromleitung aus Georgien über Armenien nach Iran gebaut. Die Gesamtkosten für den Bau werden von iranischer Seite mit ca. 110 Mio. USD finanziert.759 Ein weiteres für die Energiesicherheit Armeniens wichtiges Projekt stellt die Idee des Baus einer Erdöl-Pipeline vom iranischen Täbris bis zur armenischen Jeraskh dar, mit geschätzten Kosten von 160–180 Mio. USD.760 Die Realisierung der oben genannten Projekte wird nicht nur Armenien energiepolitisch auf ein wesentlich sicheres Niveau bringen und die Lieferquellen diversifizieren, sondern auch die Beziehungen beider Nachbarstaaten weiter ver756 Vgl. Oilgas.ir: Iran-Armenia Pipeline. Unter: http://www.oilgas.ir/, abgerufen: 01.03.2017. 757 Dschafarow, Rauf: Außenpolitik Aserbaidschans. Die Außenpolitische Orientierung Aserbaidschans im Jahr 2006. Ein Jahr der vorsichtigen Partnerschaft und Distanz, in: Österreichische Militärische Zeitschrift, No. 01/2008, S. 55. 758 Vgl. Asbarez: Iran Reconfirms Joint Projects with Armenia, in: Asbarez.com 27.01.2015. Unter: http://asbarez.com/131195/iran-reconfirms-joint-projects-with-armenia/, abgerufen: 01.03.2017. 759 Vgl. Slaq.am: Bau der dritten armenisch-iranischen Hochspannungsleitung. 18.10.2010. Unter: http://p.slaq.am/arm/news/21814/, abgerufen: 01.03.2017. 760 Vgl. Abrahamyan, Gayane: Armenia: Yerevan Wants to Open Up to Iran, in: Eurasianet. org 26.01.2012. Unter: http://www.eurasianet.org/node/64910, abgerufen: 01.03.2017.

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tiefen und die Handelsbeziehungen stärken. Wegen des Bergkarabach-Konflikts ist Armenien seit der Unabhängigkeit von den aserbaidschanischen Erdöl- und Erdgaslieferungen ausgeschlossen, daher ist der Bau dieser Pipeline bedeutend für Armenien und wird ein Stück mehr die Erdölversorgung diversifizieren, die fast zu 100 % von den Lieferungen aus Russland abhängig ist, die jedoch erst Georgien als Transitland passieren müssen. Ein weiterer wichtiger Punkt der Beziehungen zwischen Armenien und Iran betrifft die Infrastrukturprojekte. Es geht vor allem um die Fertigstellung der seit 2012 begonnenen und mit Krediten der Asiatischen Entwicklungsbank und der Weltbank ca. 1.5 Mrd. USD kostenden Nord-Süd-Verkehrsachse.761 Das laufende Projekt wird die südarmenische Stadt Meghri an der Grenze zu Iran mit dem georgischen Schwarzmeerhafen im Batumi verbinden. Die strategische Strecke innerhalb Armeniens von der iranischen bis zur georgischen Grenze umfasst 556 km Länge.762 Seit einigen Jahren ist Iran aufgrund der großen Bauprojekte zu einem Eisenbahnverbindungspunkt von Turkmenistan bis zur Türkei geworden. Auch Armenien bemüht sich um die Anbindung an das iranische Schienennetz. Dies würde dem Land aufgrund der von Aserbaidschan und der Türkei durchgeführten Blockade eine Möglichkeit verschaffen, Handel mit der Außenwelt nicht nur über das georgische Territorium und den Hafen am Schwarzen Meer abzuwickeln, sondern auch über Iran und seinen Hafen am Persischen Golf. Durch die neue Eisenbahnlinie können ebenfalls Erdölprodukte transportiert werden, weil die bergische Landschaft von Südarmenien in den Wintermonaten für die iranischen LKWs nicht problemlos befahrbar ist. Die Armenisch-Südkaukasische Eisenbahngesellschaft, die eine 100-prozentige Tochter der russischen Eisenbahngesellschaft RZhD darstellt, verfügt nur über einen einzigen Zugang zum Schwarzen Meer, und das über georgisches Territorium. Daher könnte eine Bahnstrecke mit dem Iran die Verkehrsisolation Armeniens aufbrechen und die Verbindung zum Ausland deutlich erleichtern. Obwohl eine Bahnstrecke zwischen der armenischen Hauptstadt Jerewan und dem iranischen Täbriz durch die aserbaischanische Exklave Nachitschewan besteht, ist diese ebenfalls aufgrund des Bergkarabach-Konflikts gesperrt. Die neue Nord-Süd-Bahnstrecke ist seit 2009 zwischen Armenien und dem Iran unter Umgehung der aserbaidschanischen Ex-

761 Vgl. Märkte Weltweit: Sechs Interessenten für armenische Nord-Süd-Autobahn, in: Märkte Weltweit 11.11.2011. Unter: http://www.maerkte-weltweit.de/app.php/news/ article?id=834334&productId=7, abgerufen: 01.03.2017. 762 Vgl. The Ministry of Transport and Communication of the Republic of Armenia. Nord-Süd-Verkehrskorridor. Unter: http://www.mtc.am/index.php?menu1=84, abgerufen: 01.03.2017. 187

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klave Nachitschewan geplant.763 Von der insgesamt 380 km langen Strecke müssen allein 320 km auf armenischem Territorium durch gebirgiges Gelände im Süden des Landes gebaut werden. Nach vorläufigen Berechnungen wird der Bau der Eisenbahnstrecke zwischen dem Iran und Armenien bis zu vier Mrd. USD kosten. Eine Reihe von Berechnungen gehen davon aus, dass der Bau der Eisenbahn vier bis fünf Jahre andauern kann.764 Die Verwirklichung dieser anspruchsvollen Eisenbahn liegt nicht nur im armenischen Interesse. Aufgrund der verschlechterten Beziehungen zwischen Moskau und Tbilisi ist Georgien daran interessiert, den Außenhandel mit Armenien und dem Iran auszuweiten. Das neue Bahnprojekt ist daher auch für Georgien wichtig, um durch Iran Zugang zum Persischen Golf und zu Zentralasien zu gewinnen. Auf der anderen Seite bekommt Iran direkten Zugang zum Schwarzen Meer und zu den Osteuropaländern. Zum einen ist das Projekt aus politischer und geostrategischer Perspektive relevant, zum anderen aber weist es eine niedrige Wirtschaftlichkeit und hohe Baukosten auf. Daher bleiben die Chancen für die Realisierung dieses milliardengroßen armenisch-iranischen Projekts sehr klein. Zu den geplanten armenisch-iranischen Infrastrukturprojekten kommentiert der Direktor des armenischen Forschungszentrums für Globalisierung und regio­ nale Zusammenarbeit, Stepan Grigorjan, im Gespräch mit der Deutschen Welle in 2009 folgendermaßen: „Solch umfassende Verkehrsprojekte in der Region wie die Nord-Süd-Autobahn und die Eisenbahn stellen einen echten Durchbruch dar. Mit der fast 20-jährigen Blockade von Straßen- und Bahnverbindungen nach Armenien haben Aserbaidschan und die Türkei keine Lösung des Karabach-Konflikts zu Gunsten Aserbaidschans erreicht“765, und fügte hinzu, dass in Armenien keiner mehr eine baldige Öffnung der armenisch-türkischen Grenze erwartet. „Aber wenn die neuen Verkehrsverbindungen in Betrieb genommen werden, dann wird man, so denke ich, in Ankara begreifen, dass die Blockade des Nachbarlandes sinnlos ist“766, so Grogorjan. Nach der Realisierung der oben genannten Projekte 763 Vgl. Hakobyan, Tatul: In five years, Armenia, Iran to be connected by rail, in: Reporter. am 10.04.2009. Unter: http://www.reporter.am/go/article/2009-04-10-in-five-yearsarmenia-iran-to-be-connected-by-rail, abgerufen: 01.03.2017. 764 Vgl. Simonyan, Ruben: Iran-Armenien wie Iran-Aserbaidschan, in: Civilitas Foundation 29.11.2011. Unter: http://www.civilitasfoundation.org/orakargbk/index.php/ money/62-economic-policy-regulation/1690-iran-armenia-railroad.html, abgerufen: 01.03.2017. 765 Gasasjan, Aschot/Ostaptschuk, Markian: Armenien will Transitland werden, in: Deutsche Welle 27.08.2009. Unter: http://www.dw.de/dw/article/0,,4603554,00.html, abgerufen: 01.03.2017. 766 Ebd.

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wird insbesondere die Wirkung der türkisch-aserbaidschanischen Blockade auf Armenien nachlassen. Neben diesen strategischen Wirtschaftsprojekten sind der Handel und Tourismus zwischen Armenien und Iran wichtige Bereiche der bilateralen Beziehungen. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern betrug in 2015 276 Mil. USD, davon 78 Mil. armenische Exporte.767 Im Bereich des Tourismus fällt das Verhältnis allerdings zu Gunsten Armeniens aus. Jerewan ist ein beliebtes Ziel für junge Iraner, die die Freiheit (vor allem wegen einfach verfügbaren Alkohols) und das Nachtleben im Nachbarland schätzen. Unter den Tausenden Touristen aus dem Iran befinden sich auch viele ethnische Aserbaidschaner, die ebenfalls ihren Urlaub in Armenien verbringen.768 Nach der Aufhebung der Sanktionen gegen Iran erhoffen sich beide Länder, ihre Wirtschaftsbeziehungen tiefer gestalten zu können. Der Beitritt Armeniens in die EAWU ermöglicht Iran, Armenien als Tor zu betrachten, und dies wurde auch von dem iranischen Außenminister Dschawad Sarif bei seinem Besuch in Jerewan im Januar 2015 als ein wichtiger Entwicklungsschritt für den Iran bewertet.769

4.2.3 Beziehungen zwischen Iran und Aserbaidschan Iran war eines der ersten Länder, die Aserbaidschans Unabhängigkeit in 1991 anerkannten und diplomatische Beziehungen aufnahmen. Er eröffnete seine Botschaft in Baku. Mehrere Abkommen über wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenarbeit wurden unterzeichnet, außerdem erklärte sich Iran bereit, die Mitgliedschaft Aserbaidschans in der Organisation der Islamischen Konferenz zu unterstützen.770 Doch das war nur der Anfang. Die Beziehungen zwischen Iran und Aserbaidschan erlebten große Schwankungen während der letzten 25 Jahre. Drei Hauptgründe sorgten dafür, dass dieses bilaterale Verhältnis schwieriger wurde: 767 Vgl. National Statistical Service of the Republic of Armenia: Artak’in hatvats. 4.1. Aprank’neri artahanum yev nermutsum 4.1.1 Artak’in arrevtur (4. Außen Abschnitt. 4.1. Export und Import von Waren 4.1.1 Außenhandel). Unter: http://www.armstat. am/file/article/sv_12_15a_411.pdf, abgerufen: 01.03.2017. 768 Vgl. Souleimanov, Emil/Kraus, Josef: Osteuropa, 65. Jahrgang/Heft 7–10, 2015. S. 453 f. 769 Vgl. Vatanka, Alex: Looking at Armenian-Iranian Relations Through a Russian Lens, in: Eurasianet.org 04.02.2015. Unter: http://www.eurasianet.org/node/71921, abgerufen: 01.03.2017. 770 Vgl. Vira, Varun/Fitzgerald, Erin/Fite, Brandon: The United States and Iran: Competition involving Turkey and the South Caucasus, in: Center for Strategic & International Studies, 3/2012, S. 22. 189

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• die große ethnisch-aserbaidschanische Minderheit im Norden Iran, • Aserbaidschans Beziehungen mit dem Westen in Bezug auf Energie und Sicherheit und • der Säkularismus in Aserbaidschan. Während sich die Gesamtbevölkerung Aserbaidschans auf rund 9.5 Mio. Menschen beziffert, leben im Iran ca. 15–20 Mio. ethnische Aserbaidschaner. Als der säkular orientierte Abulfas Eltschibei, der Führer der nationalistischen Volksfront von Aserbaidschan, im Juni 1992 zum Präsidenten gewählt wurde, übernahm er eine dezidiert pro-amerikanische, pro-westliche Haltung mit einem Schwerpunkt auf dem türkischen, kemalistischen und säkularen Charakter und verachtete die iranische Theokratie. Eltschibeis Orientierung in Richtung Westen schien den russischen und iranischen Interessen im Südkaukasus entgegenzustehen, ein Schritt, der sowohl Moskau als auch Teheran alarmierte. Er betrachtete Iran als einen Staat, dessen „Tage gezählt sind“771. Eltschibei, mit seiner extrem pro-türkischen Haltung, ging so weit, dass er sich für die „Wiedervereinigung“ „Nord-“ und „Süd-“772Aserbaidschans einsetzte, die seiner Meinung nach eine Frage von höchstens fünf Jahren sei.773 Schon diese Verhältnisse Anfang der 1990er Jahre seitens Aserbaidschans sorgten für die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten. Als später Eltschibei in 1993 durch einen Putsch gestürzt wurde, gab es in Baku sogar Vorwürfe der Einmischung seitens der IRI. Manche Aserbaidschaner vermuten auch, dass Iran hinter den ethnischen Unruhen unter der ethnischen Minderheit Talyschen in Aserbaidschan steckt, die nahe der iranischen Grenze leben.774 Irans Schwierigkeiten mit der nationalistischen Regierung in Aserbaidschan unter Präsident Eltschibei und die Bedrohung durch den erhöhten amerikanisch-türkischen Einfluss im Südkaukasus führten Teheran dazu, zu Beginn des Bergkarabach-Konflikts Armenien gegen Aserbaidschan zu unterstützen.775 771 Azadliq qazeti: (Druckausgabe), Aserbaidschan, Baku 15.10.1992. 772 Mit der „Süd-Aserbaidschan“ werden die nordwestlichen Regionen des Irans gemeint, die eine türkischsprachige Aseri-Mehrheit besitzen. 773 Vgl. Curtis, Glenn E.: Azerbaijan: A Country Study. Washington, in: GPO for the Library of Congress 1995. Unter: http://countrystudies.us/azerbaijan/36.htm, abgerufen: 01.03.2017. Für mehr Informationen zu diesem Thema siehe Emil Souleimanov, „Íránská Politika na Jižním Kavkaze,“ Mezinárodní Vztahy, Vol. 36, No. 3 (2001). 774 Vgl. Vira, Varun/Fitzgerald, Erin/Fite, Brandon: Center for Strategic & International Studies, 3/2012, S. 22. 775 Vgl. Mohammad-Reza, Djalili: Iran and the Caucasus: Maintaining some Pragmatism, in: The Quarterly Journal No. 3, 9/2002, S. 54.

4.2 Das Engagement des Iran

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Ein anderes strittiges Thema betrifft die Beziehungen Aserbaidschans mit dem Westen, insbesondere in Fragen zu Energie und Sicherheit. Nach dem Putsch in Baku kam der Ex-Kommunist Heidar Alijew an die Macht, der die extrem natio­ nalistische Position seines Vorgängers vermied und eine ausgewogenere Politik gegenüber seinen Nachbarn verfolgte, aber dennoch blieben die Beziehungen mit dem Iran weiterhin angespannt.776 Unterschiedliche Positionen in der Frage der Aufteilung der Kaspischen See, des Baus der BTC-Pipeline sowie des Ausschlusses Irans aus dem „Jahrhundertvertrag“ verärgerten Teheran. Die bilateralen Beziehungen verschlechterten sich in dieser Hinsicht im Juli 2001 weiter, als ein BP-Boot eine Untersuchung in den umstrittenen Offshore-Ölfeldern im Kaspischen Meer durchführte. Ein iranisches Kriegsschiff verhinderte die Forschung und zwang dazu, in den Hafen zurückzukehren.777 Ein weiterer wichtiger Faktor der aserbaidschanisch-iranischen Spannungen beinhaltet die Beziehungen Aserbaidschans zu Israel und den USA, mit denen Baku gute Beziehungen pflegt. In 2003 wurde sogar über eine vorgesehene militärische Präsenz der USA in Aserbaidschan spekuliert, die aber niemals verwirklicht wurde.778 Teheran antwortete auf diese Spekulationen mit einer Vielzahl von Mitteln, einschließlich demonstrativer Flüge innerhalb des aserbaidschanischen Luftraums.779 Aserbaidschan ist sich bewusst, dass seine Annäherungsversuche und strategischen Vereinbarungen mit Israel Wut in Iran auslösen, aber seine Antwort lautet, dass Irans starke Bindungen mit Armenien ärgerlich für Aserbaidschan seien.780 Als im Jahre 2003 Präsident Heidar Alijew starb, kam sein Sohn Ilham Aliev an die Macht.781 Der neue Präsident versuchte eine ausgewogenere Außenpolitik mit allen Groß- und Regionalmächten zu führen. Trotzdem blieben die Beziehungen 776 Vgl. Atai, Farhad: The Dynamics of Bilateral Relations in the South Caucasus: Iran and its North Neighbors, in: China and Eurasia Forum Quarterly, Vol. 7, No. 3, 2009, S. 121. 777 Vgl. Lelyveld, Michael: Caspian: Tempers Flare In Iran-Azerbaijan Border Incident, in: RFE/RL 25.07.2001. Unter: http://www.rferl.org/content/article/1097012.html, abgerufen: 01.03.2017. 778 Vgl. Rense.com: US prepares to move troops to Azerbaijan, in: Rense.com 2003. Unter: http://www.rense.com/general38/prepap.htm, abgerufen: 01.03.2017. 779 Vgl. Orujew, R./Mamedov, T.: Kaspii v oblet. Samalety iranskikh WWC vtorglis v nebo Azerbaijana (Das Kaspische Meer ist eingekreist. Luftwaffenflugzeuge der iranischen Luftwaffe drangen in den Luftraum von Aserbaidschan ein), in: Centrasia.ru 22.09.2004. Unter: http://www.centrasia.ru/newsA.php?st=1095830940, abgerufen: 01.03.2017. 780 Vgl. Kazemzadeh, Hamed: Iranian Influence in the South Caucasus, in: Caucasus Journal Analyzes, S. 56–59. 781 Vgl. Sharashenidze, Tornike: Caucasus Analytical Digest No. 30, 28.10.2011, S. 4. 191

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zum Iran weiterhin angespannt. Dabei spielte auch der dritte Faktor eine große Rolle, Aserbaidschans Säkularismus. Aserbaidschan ist eines der wenigen Länder in der Welt mit einer schiitischen Bevölkerungsmehrheit und steht dem schiitisch dominierten Iran damit konfessionell näher als jedem anderen Staat in diesem Raum. Etwa 85 % der Gesamtbevölkerung sind Schia, 15 % Sunni und den Rest bilden die Christen und Juden.782 Im Gegensatz zu Iran, der ihr Staatsystem auf islamischer Theokratie baut, strebte die neue politische Führung in Baku einen Staat mit säkularer Staatstradition an.783 Teheran fürchtet, dass das weltlich-säkulare Staatsmodell Aserbaidschans als gefährliches Vorbild auf die iranischen Aseris ausstrahlt und den Separatismus fördert. Von Zeit zu Zeit beschwerte sich Aserbaidschan über die iranische Einmischung in seine inneren Angelegenheiten und hat oft gegen die Islamisierung der politischen, religiösen und sozialen Bereiche gehandelt. Als in Baku die Menschen wegen des Hijab-Verbots unter Schülerinnen in 2011 protestierten, sah die aserbaidschanische Regierung hinter den Demonstranten als Unterstützer den Iran.784 Aserbaidschanische Beamte vermuten auch, dass der Iran extremistische islamistische Gruppen in Aserbaidschan unterstützt, einschließlich der „radikal-islamischen Gruppen und Terroristen der Hisbollah“785. Auf der anderen Seite befürchtet Iran seinerseits, dass Aserbaidschan als unabhängiges säkulares Land die aserische Minderheit in Iran in separatistischen Bewegungen mitziehen könnte.786 Gleichfalls bemühte sich Teheran, den radikalen schiitischen Glauben in Aserbaidschan zu fördern. Iran und seine Geistlichen versuchten Einfluss in aserbaidschanischen Moscheen zu gewinnen sowie die islamorientierte, antiwestliche politische Partei, die Islamische Partei Aserbaidschans, zu finanzieren.787 Die Islamische Partei war ein Gegner des

782 Vgl. Presidential Library Azerbaijan: Administrative Department of the President of the Republic of Azerbaijan. S. 2. 783 Vgl. Halbach: Berlin, SWP-Studie 4/2012, S. 2 f. 784 Ebd., S. 2 f. 785 Vgl. Los Angeles Times: IRAN: Armenia, Azerbaijan, Georgia squeezed between Tehran and Washington. Los Angeles Times 11.12.2010. Unter: http://latimesblogs. latimes.com/babylonbeyond/2010/12/iran-azerbaijan-armenia-georgia-russia-intelligence-weapons-wikileaks.html, abgerufen: 01.03.2017. 786 Vgl. De Haas, Marcel/Tibold, Andrej/Cillessen, Vincent (Hrsg.): Den Haag November 2006, S. 30. 787 Vgl. Souleimanov, Emil/Ditrych, Ondrej: Iran and Azerbaijan. A contested neighborhood, in: Middle East Policy Vol. 4, Nr. 2, Washington, DC 2007, S. 101–116. Unter: http://www.mepc.org/journal/iran-and-azerbaijan-contested-neighborhood, abgerufen: 15.09.2017.

4.2 Das Engagement des Iran

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säkularen Regimes der Alijew-Dynastie, die dann allmählich solche Gruppierungen und ihre Mitglieder verfolgte und verhaftete. Trotz der jahrelang andauernden angespannten Beziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten, die durch verschiedene Faktoren bestimmt waren, gab es auch einige Verbesserungen in den Beziehungen und der Zusammenarbeit in diversen Bereichen, darunter vor allem im Handel, aber auch bei den Sicherheitsfragen und im Energiesektor. 2005 eröffneten die Präsidenten der beiden Länder die Iran-Nachitschewan-Gaspipeline. Die neue Pipeline versorgt die von dem Festland Aserbaidschans durch das armenische und bergkarabachische Territorium getrennte Region mit iranischem Erdgas.788 Auch in Bezug auf das iranische Atomprogramm erkennt Aserbaidschan das Recht Irans auf ein eigenes Atomprogramm für friedliche Zwecke an und spricht sich für eine friedliche Lösung des Konflikts aus.789 Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern betrug in 2015 124.7 Mio. USD, davon 34.3 Mio. aserbaidschanische Exporten.790 Auch die Zahl der aserbaidschanischen Besucher nach Iran wächst sehr stark. In 2013 besuchten rund 1.1 Mio. Aserbaidschaner ihr südliches Nachbarland, was zum Vergleich mit dem Vorjahr eine 59%ige Steigerung ausmacht.791 Nach der Rücknahme der Sanktionen unter dem neuen iranischen Präsidenten Hassan Rohani verbessern sich die bilateralen Beziehungen zwischen beiden Ländern kontinuierlich. Im April 2015 entschieden die zwei Seiten, einen gemeinsamen Verteidigungsrat zu gründen. Iran erklärte sich sogar bereit, Waffen an Aserbaidschan zu verkaufen.792 Diese auffällige Annäherung kann in der Zukunft zu einer geopolitischen Verschiebung der Interessenlage im Südkaukasus führen. Dieses neue Kapitel in den bilateralen Beziehungen könnte für beide Länder, die seit 788 Vgl. Payvand Iran news: Iranian President arrives in Nakhichevan, in Payvand.com 20.12.2005. Unter: http://www.payvand.com/news/05/dec/1158.html, abgerufen: 01.03.2017. 789 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Fragen an den aserbeidschanischen Außenminister Mammadjarow: „Demokratie ist kein Apfel“, in: F.A.Z. Frankfurter Allgemeine Zeitung 07.07.2006. Unter: http://www.seiten.faz-archiv.de/faz/20060707/fd220060707732485. html, abgerufen: 01.03.2017. 790 The State Statistical Committee of the Republic of Azerbaijan: External economic activities. Unter: http://www.azstat.org/MESearch/details, abgerufen: 16.03.2017. 791 Vgl. Rajabova, Sara: Nearly one million Azerbaijani tourists visit Iran annually, in: Azernews 13.11.2015. Unter: http://www.azernews.az/region/89754.html, abgerufen: 16.03.2017. 792 Vgl. Lomsadze, Giorgi: Iran Offers Guns and Friendship to Azerbaijan, in: Eurasisnet. org 21.04.2015. Unter: http://www.eurasianet.org/node/73071, abgerufen: 16.03.2017. 193

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Mitte 2014 unter niedrigen Ölpreisen leiden, neue Geschäftsmöglichkeiten mit sich bringen. Iran hat auch mehrfach angekündigt, dass es sich dem TANAP-Gasprojekt anschließen könnte, das aserbaidschanisches Gas in die Türkei liefern wird. Dieses iranische Interesse wurde von Aserbaidschan begrüßt.793 Obwohl die beiden Länder in den letzten Jahren versuchen, eine vorsichtige Annäherungspolitik miteinander zu praktizieren, bleiben die Beziehungen trotzdem angespannt. Hauptgründe sind Aserbaidschans enge Kooperation mit den beiden großen Feinden der Islamischen Republik, Israel und USA. Mangelndes Vertrauen und Missverständnisse sind auch als Ursachen für die schlechten Beziehungen zwischen Teheran und Baku zu betrachten. Außerdem bleibt die Frage der Aufteilung des Kaspischen Meeres794 ungelöst, die erhebliches Spannungspotenzial birgt.

4.2.4 Iranische Interessen und Aktivitäten im BergkarabachKonflikt Zu Beginn des Konflikts in Bergkarabach spielte die Islamische Republik Iran im Vergleich zu den anderen regionalen Akteuren am wenigsten eine parteiische und manipulierende Rolle gegenüber seinen nördlichen Nachbarn. Im Gegensatz zur Türkei, die seit dem Kriegsausbruch eine einseitige proaserbaidschanische Position einnahm, könnte der schiitische Iran durch die Balancierung der Beziehungen das Vertrauen sowohl der christlichen Armenier als auch der schiitischen Aserbaidschaner gewinnen. Obwohl mehrere aseristämmige Abgeordnete des iranischen Parlamentes und iranische Nationalisten 1992/1993 von der iranischen Regierung Unterstützung für Aserbaidschan im Krieg gegen Armenien forderten, verfolgte Iran seine neutrale Politik weiterhin.795 Die iranischen Nationalisten behaupteten, dass der Südkaukasus mehrheitlich zum Iran gehörte und er während der russischen Expansion in der Region im 19. Jh. besetzt wurde. Deswegen sollte die iranische Regierung die schiitischen Aserbaidschaner unterstützen, als seien sie ihre eigenen Bürger. Das folgende Zitat stellt die Ideen der Nationalisten in dieser Hinsicht dar: „When the Armenians of the Caucasus, Georgians, and also Arranis and Azeris and other Muslims of that 793 Vgl. Rajabova, Sara: Iran eying participation in Azerbaijan`s energy projects, in: Azernews 07.05.2015. Unter: http://www.azernews.az/oil_and_gas/81709.html, abgerufen:15.03.2017 794 Vgl. Papuashvili, Tamaz: The Caspian: A Sea of Discord, in: Meydantv 22.11.2016. Unter: https://www.meydan.tv/en/site/politics/19152/, abgerufen: 15.09.2017. 795 Vgl. Rau, Johannes: Berlin 2003, S. 24.

4.2 Das Engagement des Iran

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region understand correctly that their separation [from Iran] is the result of enemy deeds, they will undoubtedly find out (as many of their scholars have already found out) that no cultural or (internal) political, economic or religious factor or feature has led to their separation from Iran. This separation can only be explained by the imperialist nature of Czarist Russia, which has occupied the northern parts of Iran after constant wars. Russia managed to maintain her power by the imposition of a series of treaties.“796 Weil Iran kein Mitglied der OSZE ist, im Gegensatz zu den anderen hier untersuchten externen Akteuren, wurde das Land aus der Minsker Vermittlergruppe für die Konfliktlösung in Bergkarabach ausgeschlossen. Trotz des geringeren Einflusses auf den Konflikt konnte Teheran seine erste Vermittlungsinitiative im Februar 1992 beginnen, somit früher als die Gründung der Minsker Vermittlergruppe der OSZE.797 Die Hauptinteressen der iranischen Vermittlung wurden durch die nationale Sicherheit des Landes beeinflusst, das den Konflikt nicht mehr als innersowjetische Angelegenheit definierte. Der damalige iranische Karabach-Beauftragte Mahmoud Vaezi, der gleichzeitig das Amt des stellvertretenden Außenministers bekleidete, startete eine Vermittlungsrunde für einen Waffenstillstand zwischen Baku, Jerewan und Moskau, in die aber Bergkarabach nicht einbezogen wurde. Baku weigerte sich schon seit Beginn des Konflikts, mit Stepanakert direkt an einem Tisch zu verhandeln. Aus Sicht von Baku würde eine direkte Verhandlung mit den Vertretern von Bergkarabach eine Anerkennung der Abtrennung der Region von Aserbaidschan bedeuten. Im Ergebnis der iranischen Diplomatie wurden zwei Waffenstillstände auf der zwischenstaatlichen Ebene zwischen Armenien und Aserbaidschan für den 27. Februar 1992 vereinbart, die jedoch am nächsten Tag gebrochen wurden.798 Höhepunkt der iranischen Bergkarabach-Diplomatie war der 10. Mai, als der iranische Präsident Ali Akbar Rafsandschani mit dem armenischen und aserbaidschanischen Präsidenten und dem russischen Botschafter im Iran die „Erklärung von Teheran“ abgab.799 Diese sah vor, dass die Wiederherstellung der Stabilität in der Region auf dem Völkerrecht und den Grundsätzen der Charta der VN basiert. Damit sollten eine Waffenruhe sowie die Aufhebung der Blockade Armeniens und Bergkarabachs erreicht werden, um eine sichere Grundlage für weitere Verhand796 Zitiert in: Enayatullah Reza, Azerbaijan wa Aran, Ettelaat Siasi, Eghtesadi, Vol. 6, No. 55–56, 1982, S. 6–13. Takmil Homayun, “Aran” or “Albania” was the old name of the present-day Republic of Azerbaijan. S. 94. 797 Vgl. Rau, Johannes: Berlin 2003, S. 24. 798 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 339. 799 Vgl. Arfa’ei, Aliye: Issues of Nagorno – Karabakh, in: Journal of Central Asia and Caucasus 2/1992, S. 153–206. 195

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

lungen hinsichtlich einer friedlichen Konfliktlösung zu gewinnen. Die Initiative Irans scheiterte auch diesmal aufgrund der Offensive der Karabach-Armenier Richtung Schuschi und Latschin. Mit der Eroberung dieser beiden Städte konnten die Karabach-Armenier die andauernde Blockade Aserbaidschans durchbrechen und einen direkten Landweg über den Latschin-Korridor mit Armenien errichten (dazu ausführlich im Kapitel 2.6.1). Das Verhalten der armenischen Seite wurde sowohl von der offiziellen IRI als auch der iranischen Gesellschaft scharf kritisiert. Die iranische Tageszeitung Salam beschrieb die Situation wie folgt: „Die Armenier haben bewiesen, dass sie keine Versprechen halten und dass sie die Chancen (für sie von unserer Diplomatie bereitet) für die Wiederbewaffnung nutzen.“800 Das Gipfeltreffen in Teheran stellte die erste hochrangige Verhandlung in dem Bergkarabach-Konflikt dar und zeigte Irans Bemühungen und Interessen, Stabilität und Frieden in der Region zu etablieren. Mit dem Machtantritt Abulfas Eltschibeis im Juni 1992 in Aserbaidschan lehnte Baku jede iranische Vermittlung und Aktivitäten ab. Die neue Regierung begann sogar eine Konfrontation mit dem Iran und eine starke Annäherung an die Türkei. In dieser neuen Realität intensivierte Iran seine Beziehungen mit der aserbaidschanischen Autonomen Republik Nachitschewan und deren Führer Heidar Alijew. Iran warnte Armenien vor einer Ausweitung des Kriegs auf diese Exklave und leistete sogar finanzielle Hilfsleistungen für das isolierte Gebiet. Bei seinem Besuch in Teheran erklärte Alijew, dass „no Satan can damage our relations with Iran“801. In 1993 kam Heidar Alijew nach einem Putsch in Baku an die Macht. Bei seinem Besuch in Täbris, der Hauptstadt des iranischen Aserbaidschans, erklärte der oberste Religionsführer Irans Ajatollah Ali Chamenei seine offene Unterstützung für die neue aserbaidschanische Regierung und verurteilte die armenische Offensive: „The government of Armenia and the Armenians of Karabakh are oppressing the Muslims of the region, and we denounce the recent actions by the Armenians of Karabakh who acted with the support of the government of Armenia. We also expect the Armenians in our country to denounce these actions.“802 Nachdem die armenischen Truppen die aserbaidschanischen Gebiete im Süden von Bergkarabach bis zur Nord-Grenze Irans erobert hatten, bot Iran Unterkunft für zehntausende aserbaidschanische Flüchtlinge und sandte sogar im September 800 Ramezanzadeh, Abdollah: Iran’s Role as Mediator in the Nagorno-Karabakh Crisis, in: Bruno Coppieters (Hrsg.): Contested Borders in the Caucasus. Brussels, Vrije Universiteit Brussels 1996, S. 163–177, hier: S. 171. 801 Ebd. 802 Resalat: Iranische Tageszeitung, 17.03.1992.

4.2 Das Engagement des Iran

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1993 eigene Truppen nach Nachitschewan, um die Sicherheit des gemeinsam verwalteten Staudamms auf Araks zu gewährleisten.803 Russland reagierte sofort auf diese militärische Aktion und warnte den Iran davor, sich in den Konflikt einzumischen. Grigori Karasin, der Sprecher des russischen Außenministeriums, erklärte in einem Interview: „special actions by Iran, no matter what the grounds given for them, would not be tolerated by Russia.“804 Armeniens Außenminister Vahan Papazjan versicherte Iran seinerseits, dass Armenien keine militärische Offensive in dem Gebiet unternehmen werde.805 Am 31. Oktober 1993 verhandelte Iran eine letzte Waffenruhe während der Kriegshandlungen von 1992 bis 1994, die ebenfalls scheiterte.806 Seitdem spielt Iran keine aktive Vermittlerrolle mehr in dem Konflikt, bietet aber von Zeit zu Zeit den Konfliktparteien seine Vermittlungsdienste an. Dies hängt zum einen mit der Etablierung der OSZE Minsker Gruppe als offizielles Format für die Konfliktlösung zusammen, zum anderen damit, dass andere regionale Akteure gegen das aktive iranische Engagement im Bergkarabach-Konflikt standen. Die Verweigerung Aserbaidschans, Karabach-Armenier als Konfliktpartei in die Verhandlungen miteinzubeziehen, wirkte auch negativ auf den Friedensprozess. Die Karabach-Armenier ihrerseits zeigten keine Flexibilität für eine politische Lösung des Konflikts, dies hängt vor allem mit dem erfolgreichen Agieren an der Kriegsfront zusammen. Der iranische Wissenschaftler und ehemalige Sprecher und Sekretär (2000–2005) der Regierung der Islamischen Republik Iran während der Präsidentschaft von Mohamad Chatami, Abdollah Ramezanzadeh, erwähnt fünf Hauptmotive für die Vermittlung des Irans im Bergkarabach-Konflikt.807 • Der Iran strebt eine schnelle Lösung des Konflikts aus offensichtlichen Sicherheitsgründen an. • Eine Verlängerung des Konflikts würde zu einer noch größeren Anzahl von Flüchtlingen aus den vom Krieg zerrissenen Nachbargebieten führen. • Ein Gleichgewicht der Macht zwischen Armenien und Aserbaidschan ist ein weiteres Ziel der iranischen Vermittlungspolitik. • Der aserbaidschanische Konflikt hindert den Iran daran, seinen neu erworbenen Zugang zu Europa voll auszuschöpfen. • Iran muss den türkischen Einfluss in der Region eindämmen. 803 Vgl. Keyhan Havaii: Iranische Tageszeitung, 15.09.1993. 804 Ebd. 805 Vgl. Keyhan: Iranische Tageszeitung, 16.09.1993. 806 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 341. 807 Vgl. Ramezanzadeh, Abdollah: Brussels 1996, S. 171. 197

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Nach der Etablierung der OSZE Minsker Gruppe wurde Iran in den darauffolgenden Jahren komplett aus dem Friedensprozess ausgeschlossen. Zum einen war Iran kein Mitglied der OSZE und der Minsker Gruppe, zum anderen waren die Vermittler der Minsker Gruppe, insbesondere Russland und die USA, gegen Irans aktives Engagement in dem Konflikt. Die Einstellung der USA gegenüber iranischen politischen Aktivitäten in der Region fiel kritisch aus. Es war und bleibt für Armenien sehr ärgerlich, dass der Iran als Ausgleich zu der Türkei an der Minsker Gruppe der OSZE nicht teilnehmen kann und ausgeschlossen bleibt. Der iranische Politikwissenschaftler Hamed Kazemzadeh sagte dazu in seinem Interview mit dem Verfasser dieser Arbeit: „Der Iran ist der Ansicht, dass Akteure wie Russland, Europa und die USA die Macht und den Einfluss der Islamischen Republik Iran bei der Lösung regionaler Konflikte ignoriert haben. Aus diesem Grund hat der Iran die Initiative ergriffen, um selbst etwas zu bewirken.“808 Teheran meldete sich erst wieder in den 2000er Jahren mit friedlichen Absichten und für politische Stabilität in der Region zu Wort, nahm aber keine aktive Vermittlerrolle mehr ein. Kazemzadeh versprach in seinem Interview über das mögliche Interesse Irans, sich mit mehr Engagement an der Konfliktlösung in Bergkarabach zu beteiligen: „Nach Ahmadinedschads Präsidentschaft setzt die neue, pragmatische Führung des Irans sich für mehr Stabilität und Sicherheit an den Landesgrenzen ein. Eine Destabilisierung des Südkaukasus und Zentralasiens würde große Flüchtlingsströme in den Iran führen und Russland einen Vorwand zur Einmischung und zu Aktivitäten nahe der iranischen Grenze bieten – eine Aussicht, die dem Iran nicht gefallen dürfte, wenn man die Geschichte russischer Einmischungen in iranische Angelegenheiten bedenkt. Ein neues Auflodern der Feindseligkeiten im Streit um Bergkarabach könnte auch zu Auseinandersetzungen zwischen den Aseris und Armeniern im Iran führen, die dort momentan in relativer Harmonie koexistieren. Ein Ansteigen des ethnischen Nationalismus und Separatismus ist der schlimmste Albtraum Irans. Wie schwer die iranischen Bedenken wiegen, wird nicht zuletzt durch die Bemühungen von Rohani und Außenminister Javad Zarif unterstrichen, die versucht haben, Unstimmigkeiten mit den Nachbarn in Zentralasien und im Kaukasus auszuräumen.“809

808 Siehe Interview mit Dr. Hamed Kazemzadeh im Anhang dieser Arbeit. 809 Siehe Interview mit Dr. Hamed Kazemzadeh im Anhang dieser Arbeit.

4.2 Das Engagement des Iran

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4.2.5 Bewertung der Rolle des Iran Insgesamt lässt sich zur Rolle des Iran in der Bergkarabach-Problematik feststellen, dass Teheran einen geringeren Einfluss auf den Konflikt ausübte als die anderen hier untersuchten Staaten. Die Islamische Republik betrachtete die Länder in Südkaukasus (wie die Türkei und Russland) als historischen Einflussbereich und spielte wegen seiner Geographie als direkter Nachbar mit allen widersprüchlichen Seiten sowie wegen der regionalen Interessenkonstellation mit Russland und den Beziehungen mit Armenien und Aserbaidschan eine durchaus positive Rolle. Trotz seines Interesses an einer diplomatischen Lösung des Konflikts befand sich das Land Anfang der 1990er Jahre nicht in der Position, diese herbeizuführen. Dennoch heizte es den Konflikt nicht weiter durch eine einseitige Parteinahme oder Waffenlieferungen an eine der beteiligten Konfliktparteien auf. Im Gegensatz dazu war Iran stets daran interessiert, seinen Einfluss durch Wirtschaftsbeziehungen in der Region auszubauen, dennoch besitzt das Land kein großes wirtschaftliches Gewicht, um vor allem das energiereiche Aserbaidschan anlocken zu können. Armenien versucht wegen seiner Isolation und Energieabhängigkeit von außen das Potenzial Irans als Balance für das russische Monopol im eigenen Energiemarkt zu verstärken. In Bezug auf Aserbaidschan verhielt sich Iran bei der Verteidigung seiner Interessen im Kaspischen Meer unnachgiebig, zeigte seine militärische Stärke durch Muskelspielen und unterstützte die schiitische Geistlichkeit in Aserbaidschan.810 Dennoch ist Irans Eingreifen im Falle einer militärischen Eskalation im Bergkarabach-Konflikt für Armenien ausgeschlossen. Aus iranischer Sicht könnte das Fortbestehen der Karabach-Frage das Interesse der aserbaidschanischen Gesellschaft am türkischsprachigen Nord-Iran ablenken. Der Iran will weder in einen Krieg einbezogen werden noch seine große aserbaidschanische Minderheit mit einer pan-aserbaidschanischen politischen Philosophie identifiziert sehen. Johannes Rau stellt in seinem Buch „Der Nagorny-Karabach-Konflikt (1988–2002)“ zusammengefasst die Position Irans im Bergkarabach-Konflikt folgendermaßen dar:811 „1. Iran lavierte sich während des Nagorny-Karabach-Konflikts allmählich in eine pro-russische Position hinein. Ausschlaggebend waren aber die für Iran überlebensnotwendigen Rüstungslieferungen für die iranischen Streitkräfte. Iran durfte aus diesen Gründen Russland nicht in einem Regionalkonflikt als Kritiker oder gar Gegner 810 Vgl. Baeilashaki, Abdollah/Rad Goudarzi, Masoumeh/Amraei, Davood: The Roots of Tension in South Caucasus: The Case of Iran-Azerbaijan Relationship, in: Journal of Politics and Law Vol. 6, No. 4, 2013, S. 141–149. 811 Vgl. Rau, Johannes: Berlin 2003, S. 25. 199

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

gegenüberstehen. 2. Außerdem spielten iranische Befürchtungen über einen Abfall der iranischen Provinz Aserbaidschan und deren Zusammenschluss mit Aserbaidschan eine wichtige Rolle. Zeitweise hatte sogar die Regierung Aserbaidschans derartige Positionen vertreten und Iran damit eindeutig provoziert. 3. Dennoch unterstützte Teheran großzügig aserbaidschanische Flüchtlinge in Iran und in Aserbaidschan.“

In diesem Zusammenhang betrachtet Kazemzadeh in seinem Interview die geostrategische Bedeutung des Bergkarabach-Konflikts für den Iran im Blickfeld der Verwirklichung seiner Interessen im Südkaukasus folgendermaßen: „Die Fortsetzung des Bergkarabach-Konflikts, die strategische und militärische Präsenz Russlands in Armenien und die verschiedenen Interessen der regionalen und transregionalen Akteure machen diese Auseinandersetzung zu einem sehr sensiblen Thema. Nach der Unabhängigkeit von Armenien und Aserbaidschan übernahmen die Armenier, zusätzlich zu den vierzig Kilometern der bereits bestehenden Grenze mit dem Iran, auch die Kontrolle über mehr als einhundert Kilometer der aserbaidschanisch-­ iranischen Grenze. Während der aktiven Gefechte der Konfliktparteien breitete sich der Luft- und Artilleriebeschuss auf die iranische Grenze aus, zudem kam es zu Flüchtlingsströmen und anderen Kriegsfolgen in den iranischen Grenzregionen – und diese Ereignisse können sich wiederholen. Zudem können Änderungen der Politikansätze Armeniens, sowohl in Bezug auf den Bergkarabach-Konflikt als auch im Hinblick auf andere strategische Entwicklungen, schwerwiegende Auswirkungen auf die nationalen Interessen des Irans haben.“812 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Erhalten des Status quo in Bergkarabach im iranischen Interesse liegt. Die Islamische Republik versucht den westlichen Einfluss im Südkaukasus durch Etablierung enger politischer und wirtschaftlicher Beziehungen mit den drei südkaukasischen Staaten zu balancieren sowie die Intensivierung des israelischen Einflusses in Aserbaidschan einzudämmen. Da sie unter den interessierten Mächten die wenigsten Druckmittel zur Verfügung hat, wird dies am ehesten durch Unterstützung der schiitischen Geistlichen in Aserbaidschan durchgesetzt. Der Konflikt spielt dabei als Druckmittel eine geringere Rolle. Weit mehr könnten der ungelöste Status des Kaspischen Meeres sowie die wirtschaftlichen Beziehungen des isolierten Gebietes Nachitschewan als Druckmittel dienen. Im umstrittenen Kaspischen Meer haben sowohl Iran als auch Aserbaidschan Ansprüche auf Öl- und Gasfelder in der südwestlichen Sektion des Meeres, die bis jetzt ungelöst bleiben. Als Druckmittel gegen Jerewan könnten Teheran Armeniens Abhängigkeit von dem iranischen Transit (Landweg und Zugang zum Persischen Golf) und der Gaslieferung nach Armenien sowie die wachsenden Handelsbeziehungen dienen. 812 Siehe Interview mit Dr. Hamed Kazemzadeh im Anhang dieser Arbeit.

4.3 Das Engagement der Türkei

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Um den Spielraum des Westens und die pantürkischen Expansionsbestrebungen seiner historischen Rivalen Türkei in der Region möglichst zu beschränken, teilt der Iran diese Herausforderung mit Russland. Teheran ist daran interessiert, ein durchaus positives außenpolitisches Image aufzubauen sowie der internationalen Isolation durch Wirtschaftskooperationen entgegenwirken, die zu einer Stärkung des eigenen Status als Regionalmacht beitragen sollen. Deshalb ist die IRI ein starker Befürworter des Friedens und ein neuer Krieg in der Region liegt nicht im Interesse von Teheran. Die friedlichen Absichten sowie die gewaltfreie Beilegung des Konflikts wurden zuletzt auch von der neuen iranischen Regierung betont.

4.3

Das Engagement der Türkei

4.3

Das Engagement der Türkei

4.3.1 Die Politik der Türkei im Südkaukasus Das Ende der Sowjetunion und die Entstehung der neuen Staaten im Südkaukasus und Zentralasien führten zu einer euphorischen Hoffnung in der Türkei, nicht nur in Bezug darauf, eine regional wirtschaftspolitische Führungsrolle einnehmen zu können, sondern vielmehr die pantürkische Ideologie – sprich den Panturanismus oder Panturkismus813 – in Form einer pantürkischen Blockbildung Fuß fassen zu lassen. Fünf der acht neuen Staaten im Südkaukasus und in Zentralasien sind hauptsächlich von den Turkvölkern bewohnt, mit denen die Türkei eine gemeinsame Geschichte, Religion und Sprache teilt. Die Vorfahren der anatolischen Türken sind ab dem 10. Jh. aus Mittelasien abgewandert und fühlen sich auch dadurch ethno-kulturell mit den Turkvölkern Zentralasiens und dem türkischsprachigen Großraum Mittelasien eng verbunden.814 Demzufolge nimmt die Region einen konstanten Stellenwert innerhalb einer pantürkischen Blockbildung ein, wobei Aserbaidschan zum Schwerpunkt dieser Politik wurde. Aufgrund seiner geographischen Nähe zur Türkei und der Funktion als Brücke zwischen der Türkei und Zentralasien ist die emotionale Bindung der beiden Völker stärker ausgeprägt als mit den anderen 813 Panturanismus oder Panturkismus: Chauvinistisch-rassistische Ideologie aus der spätosmanischen Periode, die die Vereinigung aller Turkvölker in einem Großreich vom Balkan bis China zum Ziel hat. Weiterführende Literatur: Landau, Jacob M.: Pan-Turkism: From Irredentism to Cooperation. London, Hurst 1995. 814 Vgl. Doerfer, Gerhard: Die Türken. Mittler kultureller und sprachlicher Strömungen in Eurasien, in: Österreichische Zeitschrift für Kultur,
Politik und Wirtschaft (Wien), 7. Jahrgang, Heft 2–3, 1966, S. 24a–32b. 201

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Turkvölkern. Wegen der engen Verwandtschaft wird Aserbaidschanisch sehr oft als Aserbaidschanisch-Türkisch und die Aserbaidschaner bis Anfang des 20. Jh. als kaukasische Türken oder Tataren bezeichnet.815 Ein Blick in die Geschichte macht die gegenwärtigen türkischen Interessen im Kaukasus deutlicher. Bis zum 18. Jh. blieb der Kaukasus eine Region rivalisierender Einflussnahme seitens des sunnitischen Osmanischen Reichs und des schiitisch-safawidischen Staats Iran. Durch den Friedensvertrag von Kütschük Kainardschi von 1774 teilten sich die Russen und Osmanen die persischen Gebiete im Kaukasus, womit sich der Weg der Expansion des russischen Kaiserreiches im Südkaukasus öffnete.816 Im Gefolge der russisch-türkischen und russisch-persischen Kriege im 19. Jh. eroberten die Russen den gesamten Südkaukasus. Nach dem letzten Russisch-Türkischen Krieg von 1877–1878 wurden außerdem die mehrheitlich armenisch-georgisch besiedelten Provinzen Kars, Ardahan und Batumi auf der Konferenz von San Stefano Russland zugesprochen.817 Diese Provinzen waren auch Teil der kurzlebigen südkaukasischen Staaten Armenien und Georgien 1918–1920/1921. Nachdem die Türkei und Sowjetrussland durch das Friedens- und Freundschaftsabkommen von Moskau am 16. März 1921 den heutigen Grenzverlauf zwischen Georgien, Armenien und der Türkei festgelegt hatten, überließen die Russen Kars, Ardahan und Artvin der Türkei.818 Nach dem Zweiten Weltkrieg schien diese Frage erneut auf die Tagesordnung zu kommen, als Stalin 1945 wieder die umstrittenen armenischen Provinzen von der Türkei zurückverlangte. Wegen sowjetischer Bedrohungen suchte die Türkei die Annäherung an den Westen und trat somit 1952 der NATO bei.819 Während des Kalten Kriegs spielte die Türkei eine geostrategische Sonderrolle als zuverlässiger und unabdingbarer Bündnispartner der NATO-Südflanke. Nach 815 Vgl. Nahapetyan, Haykaram: How old is the Azerbaijani Nation: Once again about the Identity of Absheron Muslims, in: Noravank Foundation 19.01.2015. Unter: http://www. noravank.am/eng/issues/detail.php?ELEMENT_ID=13113, abgerufen: 25.05.2017; Aserbaidschanische Schrift war bis 1929 Arabisch, 1929–1939 Latein (Yeni Yol), 1949–1991 Kyrillisch und ab 01.08.1991 Latein, basierend auf dem neuen türkischen Alphabet. 816 Vgl. Friedensvertrag von Kütschük Kainardschi: Kyuchuk-Kaynardzhiyskiy mirnyy dogovor (Friedensvertrag Kütschük Kainardschi). Unter: http://hrono.info/dokum/ 1700dok/1774ru_tur.php, abgerufen: 25.05.2017. 817 Vgl. Steinbach, Udo: Turkey’s policies in its historical hinterland, in: Ismailzade, Fariz/ Howard, Glen E. (Hrsg.): The South Caucasus 2021: oil, democracy and geopolitics, in: Center for Strategic Studies Baku, Azerbaijan, The Jamestown Foundation. Washington, D.C. 2012, S. 153–170. 818 Vgl. Vertrag von Moskau 16. März 1921. 819 Vgl. Steinbach, Udo: Washington, D.C. 2012, S. 154.

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dem Zerfall der Sowjetunion verlor die Türkei die besondere Bedeutung für den Westen und rückte mehr in das Zentrum der Energieinteressen seitens der USA und EU als Tor und Transitland zum Kaspischen Becken. Um die Sonderrolle in der Region zu bewahren und als Regionalmacht wahrgenommen zu werden, begann die Türkei ihr Interesse am Kaukasus und Zentralasien offen zu bekunden. Kurz nach der Auflösung der Sowjetunion brachte der damalige türkische Premierminister, Süleyman Demirel, diese Interessen zur Sprache: „Was auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion noch passieren wird, können wir nicht vorhersagen. Die Türkei wird aber nicht tatenlos bleiben, denn dieses Territorium interessiert uns heute mehr als früher. In den neuen Turkrepubliken bestehen für uns große Chancen. Sie sprechen mit uns die gleiche Sprache. Wir rufen sie auf, weiterhin laizistisch zu bleiben und das lateinische Alphabet zu übernehmen. Sie haben großen Bedarf an neuen Technologien und Kapital, um ihre Volkswirtschaften zu beleben. Ich rufe die zivilisierte Welt zur Gründung eines großen Hilfsprogramms am Beispiel des Marshall-Plans auf, um die Stabilität und den Wohlstand in diesen Ländern zu gewährleisten.“820

Vom 27. April bis 5. Mai 1992 bereisten offiziell der türkische Premierminister Süleyman Demirel und sein Außenminister Hikmet Cetin Aserbaidschan und die zentralasiatischen Turkstaaten mit einer 144-köpfigen Delegation. Neben der Eröffnung der türkischen Botschaften in diesen Staaten wurden auch Kredite in Höhe von 1.5 Mrd. USD angeboten und die Möglichkeiten wirtschaftlicher Zusammenarbeit vor Ort erörtert.821 Um die politischen Beziehungen und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Turkrepubliken zu institutionalisieren, initiierte die Türkei ein Gipfeltreffen der Turkstaaten in Ankara am 30. Oktober 1992 und strebte die Gründung eines Inter­ essenverbandes dieser Staaten unter der Schirmherrschaft der Türkei an. Mit dem Türkischen Konzil verfolgt Ankara das Ziel, „die wirtschaftliche und humanitäre Zusammenarbeit unter den Turkstaaten zu fördern“ und „international mit einer Stimme zu sprechen und zu diesem Zweck in ferner Zukunft die Allianz der Turkstaaten nach dem Vorbild der Europäischen Union“822 zu gestalten. Der damalige 820 Wilde, J.: The Phoenix of Turkish Politics, in: Time, Vol. 139, Issue 6, 10/1992. 821 Vgl. Erhard, Franz: Türkei 1992, in: Koszinowski, Thomas/Mattes, Hanspeter (Hrsg.): Nahost Jahrbuch 1992: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten. Oplden, Deutschen Orient-Institut 1992, S. 161. 822 Dschafarov, Rauf: Turkstaaten. Von der gemeinsamen Vergangenheit zur gemeinsamen Zukunft, in: Elektronische Zeitschrift „Eurasische Magazin“, 1/2007. Unter: http:// www.eurasischesmagazin.de/artikel/Von-der-gemeinsamen-Geschichte-zur-gemeinsamen-Zukunft/20070111, abgerufen: 27.04.2017. 203

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türkische Staatspräsident Turgut Özal (1989–1993) verkündete auf dem Gipfeltreffen die Gründung einer türkischen Welt „von der Adria bis zur chinesischen Mauer“823. Die intensivierte Zusammenarbeit der Türkei mit den kaukasischen und zentralasiatischen Staaten betrachtet Tomas Engelke in seinem Buch als türkische Ambitionen, sich in der Region als Machtfaktor zu etablieren. „Die Türkei bot sich daher in Mittelasien und im Kaukasus als politisches Gegengewicht zu den islamistischen Bestrebungen des Iran, als politischer Gegenpol zur Vereinnahmung durch die GUS sowie als ökonomischer Brückenkopf für die EU zur Erschließung dieser Märkte im Kaukasus und in Zentralasien an.“824 Hinsichtlich der iranisch-türkischen Rivalität ist vor allem zu erwähnen, dass es auch eine Rivalität der politischen Systeme der beiden Länder ist: laizistische Demokratie gegenüber theokratisch-islamischer Republik. Es war von Anfang an ersichtlich, dass sich die türkischsprachigen Ex-Sowjetrepubliken an dem pro-westlichen türkischen Modell orientieren würden, außerdem bot die Türkei wirtschaftliche Vorteile und diente als Brücke zum Westen. Ein bedeutender Nachteil ist dabei, dass die Türkei und die Turkstaaten durch Iran, Armenien und Georgien geographisch voneinander getrennt sind. Der gemeinsamen armenisch-iranischen Grenze kam als Keilfunktion gegen die pantürkischen Ambitionen eine Schlüsselposition in der Region zu. Auch Russland befürchtete zunächst den Verlust des Einflusses auf die ehemaligen Sowjetrepubliken, da Ankara versuchen könnte, unter Koordinierung der amerikanischen Interessen einen politischen Einfluss auf Kosten russischer Interessen im eigenen Wirkungsbereich zu gewinnen. Teheran und Moskau drückten die Sorge hinsichtlich der Achsenbildung zwischen den USA, der Türkei, Georgien und Aserbaidschan und ferner der mittelasiatischen Staaten und dadurch der Stärkung des Einflusses dieser Großakteure in der Region aus. Historisch wie auch langfristig sehen sich Russland und die Türkei in gegenseitiger geopolitischer Konkurrenz im russischen „Nahen Ausland“. Dazu schreiben Victor Panin und Henry Paniev in ihrem Aufsatz: „Turkey is one of the major Russian geopolitical rivalries and opponents in some regions of Eurasia, even including some territories of Russia, primarily in is southern parts, mainly in the North Caucasus and in the Volga region. […] Turkish economy despite all the difficulties is rather dynamic. Along with the Turkish ambitions to be the „Big Boss“ of the

823 Laciner, Sedat: Turgut Özal period in Turkish foreign policy. Özalism, in: USAK Yearbook, Jahrgang 2/2009, S. 193. 824 Engelke, Thomas: Frankfurt am Main 1997, S. 62.

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region the country tries to get the position of the political leader of the big number of the Turkic countries spread from Balkans to Yakutiya.“825 Der Wunsch, in Südkaukasus und Zentralasien zu dominieren, entspricht nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch macht- und sicherheitspolitischen Interessen der beiden Akteure. Die machtpolitischen Spannungen zwischen der Türkei und Russland werden jedoch durch den Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen überdeckt. Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern hat sich in den letzten Jahren massiv ausgeweitet und in Bezug auf Energiefragen eine strategische Bedeutung gewonnen.826 Aufgrund ihrer wachsenden Wirtschaft hat die Türkei einen hohen Bedarf hinsichtlich der Diversifizierung der Energiepolitik und möchte sich als Energiedrehscheibe in den angrenzenden Regionen etablieren. Diese Strategie ist ein Teil der von dem damaligen türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu angekündigten „Null-Problem-Politik“827, die auf der einen Seite den Aufbau und die Sicherung der Bezugsquellen im kaspischen Raum und eine Ausweitung neuer Bezugsquellen aus dem Nahen und Mittleren Osten verfolgt und auf der anderen Seite die guten energiepolitischen Beziehungen zu ihrem Hauptlieferanten Russland zu pflegen versucht. Bei seinem Besuch in der Türkei im Jahr 2009 unterzeichnete der damalige russische Ministerpräsident Wladimir Putin zahlreiche Energieabkommen mit Ankara, wobei die türkische Seite dem russischen Konzern Gazprom die Nutzung der exklusiven Wirtschaftszone des Schwarzen Meeres für den Bau der „South-Stream“-Gaspipeline zusicherte.828 In seiner Südkaukasus-Politik mit Ausnahme zu Armenien unterhält die Türkei gute nachbarschaftliche Beziehungen mit Georgien und Aserbaidschan. Aufgrund der Handelsblockade gegen Armenien spielt Georgien als Transitland eine gewichtige Rolle für die Türkei und Aserbaidschan und ist zu einer trilateralen Kooperationsachse, Baku – Tbilisi – Ankara, in der Region geworden.829 Die BTC-Ölpipeline, die 825 Panin, Victor/Paniev, Henry: Turkey and Russia, in: Idris Bal (Hrsg.): Turkish Foreign Policy in Post Cold War Era. Florida, Brown Walker Press, Boca Raton 2004, S. 255. 826 Vgl. Simsek, Ayhan: Die neuen Partner Türkei und Russland, in: Deutsche Welle 04.12.2012. Unter: http://www.dw.com/de/die-neuen-partner-türkei-und-russland/a-16427831, abgerufen: 27.04.2017. 827 Vgl. Davutoglu, Ahmet: Turkey’s Foreign Policy Vision: An Assessment of 2007, in: Insight Turkey Vol. 10, No. 1, 2008, S. 77–96. 828 Vgl. Focus: Konkurrenz für „Nabucco“. Russland und Türkei besiegeln Gastransit, in: Focus.de 06.08.2009. Unter: http://www.focus.de/finanzen/news/konkurrenzfuer-nabucco-russland-und-tuerkei-besiegeln-gastransit_aid_424039.html, abgerufen: 25.05.2017. 829 Vgl. Novikova, Gayane: Blockade a trois: Das Dreieck Armenien-Aserbaidschan-Türkei, in: Grenzland, Konflikte und Kooperation im Südkaukasus. Osteuropa, 65. Jahrgang/ 205

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BTE-Gaspipeline sowie die sich im Bau befindende Kars-Tbilisi-Baku-Bahnlinie laufen durch das georgische Staatsterritorium und sind wichtige verbindende Elemente der Beziehungen, die eine große strategische und wirtschaftliche Bedeutung haben. Durch die Realisierung dieser Projekte stieg die Bedeutung der Türkei als Transitregion hinsichtlich einer Brückenfunktion zwischen dem Südkaukasus, Zentralasien und Europa. Eine ähnliche Funktion würde die in Planung stehende TANAP-Gaspipeline einnehmen, mit einer Abzweigung nach Süditalien (TAP).830 Aufgrund der Tatsache, dass die anfänglichen türkischen Ambitionen, eine pantürkische Union in Euroasien unter Führung Ankaras zu gründen, scheiterten, bilden diese Pipelineprojekte, die Russland umgehen, einen bedeutenden Gewinn für die Türkei. Aber die anfängliche Idee aus der Regierungszeit Turgut Özals, auf Basis der Sprache und Kultur die Türkvölker zu vereinen, bleibt unrealistisch, wie ein Zeitungsartikel in der FAZ nahelegt. „Die Türkei hat nicht das ökonomische Potential, um dort [im Kaukasus] als Motor der Entwicklung aufzutreten, und sie hat nicht genug politische Stärke, um die in dieser Region teilweise über Jahrhunderte ‚eingefrorenen‘ Konflikte zu entschärfen – teilweise verbaut sie sich ihre Möglichkeiten auch selbst durch ein übertrieben nationalistisches Auftreten. Außerdem riskiert die türkische Politik im Kaukasus auch immer wieder den Konflikt mit russischen Interessen.“831 Die Versuche der Türkei, politischen und wirtschaftlichen Einfluss auf die Turkstaaten dieser Region zu nehmen, führten nur zu einem begrenzten Erfolg. Das Scheitern der türkischen Ideologie des Panturanismus zeigte sich in der maßgeblichen Reorientierung der Turkstaaten an Moskau, mit der sie ihre wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verflechtungen im 20. Jh. aufgebaut haben.832 Der türkische Einfluss dehnte sich weit in den Südkaukasus erst nach dem Südossetienkrieg vom August 2008 aus. Während Russland in Georgien das Selbstbestimmungsrecht der Abchasen und Südosseten militärisch sicherte, näherten sich

Heft 7–10, 2015, S. 427–443; Punsmann, Burcu Gültekin: Turkey’s Interest and Strategies in the South Caucasus, in: Friedrich-Ebert-Stiftung 2012: South Caucasus 20 Years of Independence. S. 287–288. 830 Vgl. Dazu ausführlich auf der offiziellen Webseite des TANAP-Projekts. Unter: http:// www.tanap.com, abgerufen: 27.04.2017. 831 Nonnenmacher, Günther: Gelockerte Anker. Politische Aufruhr in der islamischen Welt, in: Frakfurter Allgemeine Zeitung 29.06.2008. Unter: http://www.faz.net/aktuell/ politik/ausland/tuerkei-gelockerte-anker-1544290-p2.html, abgerufen: 27.04.2017. 832 Vgl. Freitag-Wirminghaus, Rainer: Rußland und der Nahe Osten: Rückkehr einer Großmacht, in: Aktuelle Analysen/BIOst, 6/1995, S. 277 f.

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Ankara und Tbilisi rasch aneinander an.833 Die Krise bot der Türkei eine einmalige Chance, ihren Einfluss im Südkaukasus geltend zu machen sowie die russischen und iranischen Einflussbereiche einzuschränken. Mit den Jahren wurde die Türkei der wichtigste Wirtschaftspartner Georgiens. Türkische Investoren sind im gesamten Georgien, aber insbesondere in der muslimisch geprägten Region Adscharien, aktiv involviert. Auch im militärischen Bereich, im Rahmen des NATO-Programmes Partnership for Peace (PfF), werden die georgischen Streitkräfte von der Türkei mit Beratung und Hilfe unterstützt. Darüber hinaus haben sich die Türkei und Aserbaidschan nach dem russischen Gasembargo Georgiens Gaslieferung gesichert.834 Die anhaltende Rivalität angesichts divergierender politischer Interessen bei dem gleichzeitigen Ausbau der wirtschaftlichen (insbesondere im Energiebereich) Beziehungen bildet den Rahmen der gegenwärtigen russisch-türkischen Beziehungen, die durch die Gestaltung der Kaukasuspolitik der beiden Akteure sichtbar werden. Als im November 2015 ein russischer Kampfjet Suchoi Su-24 im türkisch-syrischen Grenzgebiet von den türkischen Luftstreitkräften abgeschossen wurde, verschlechterten sich nicht nur die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen der beiden Staaten, sondern Russland verstärkte seine Militärbasen an der türkisch-armenischen Grenze in der Stadt Gjumri mit modernen militärischen Ausrüstungen. Auch auf der Krim und in Abchasien wurden die russischen Militärbasen aufgestockt, dadurch wurde Russlands empfindliche Südflanke stabilisiert, die gleichzeitig an die Türkei angrenzt.835 Ankaras Südkaukasuspolitik erfolgte im engen Kontext mit den Entwicklungen regionaler Politik. Seine geostrategische Rolle basiert letztendlich auf der Transport- und Energieversorgungsbrücke zwischen dem Nahen Osten, den Ländern am das Kaspische Becken und Südost-Europa. Die Interessenkonstellation der Regionalmächte hat gezeigt, dass Ankara Schwierigkeiten hat, seine Kaukasuspolitik 833 Vgl. Göksel, Diba Nigar: Turkey and Georgia: Zero-Problems? in: The German Marshall Fund of the United State, Strengthening Transantlantic Cooperation. Black Sea Trust for Regional Cooperation 2013. 834 Vgl. ebd.; Ajeganow, Boris: Real friends? Georgia-Turkey relations in the wake of the July 15 coup attempt, in: The Central Asia-Caucasus Analyst 10.08.2016. Unter: https:// www.cacianalyst.org/publications/analytical-articles/item/13388-real-friends?-georgiaturkey-relations-in-the-wake-of-the-july-15-coup-attempt.html, abgerufen: 25.05.2017; Szalanska, Justyna: Turkey and Georgia: Strategic Connections, in: BiLGESAM – Wise Man Center for Strategic Studies 23.03.2012. Unter: http://www.bilgesam.org/en/ incele/452/-turkey-and-georgia--strategic-connections/#.Wf9HvWVjr-Y, abgerufen: 25.05.2017. 835 Vgl. Özel, Soli: The Crisis in Turkish-Russian Relations, in: Center for American Progress, Turkey 2023, 10.05.2016. Unter: https://cdn.americanprogress.org/wp-content/ uploads/2016/05/06105046/TurkishEssay-Ozel.pdf, abgerufen: 25.05.2017. 207

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ungehindert zu verfolgen. Ein großes Hindernis bilden die Konfrontationen mit russischen und iranischen Interessen sowie die gestörten und formal inexistenten Beziehungen zu Armenien.

4.3.2 Beziehungen zwischen Türkei und Armenien Bis in die späten 1980er Jahre waren die türkisch-armenischen Beziehungen von den Anstrengungen der weltweiten armenischen Diasporagemeinden um Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern 1915 im Osmanischen Reich belastet. Direkte Kontakte zwischen der Armenischen SSR und dem NATO-Mitglied Türkei gab es während des Kalten Kriegs kaum. Seit der Unabhängigkeit der Republik Armenien 1991 bleibt das Verhältnis mit der Türkei von gegenseitigem Misstrauen und Feindbildern geprägt. Diese komplexen Beziehungen zwischen zwei Nachbarstaaten sind ein zentraler Bestandteil der regionalen sicherheitspolitischen Konfiguration im Südkaukasus. Bereits Anfang der 1990er Jahre hat Armenien unter dem ersten Präsidenten Levon Ter-Petrosjan versucht, ein freundschaftliches Verhältnis mit dem westlichen Nachbarn einzuleiten – obwohl dieser politische Schritt keine größere Unterstützung der Armenier in Armenien und in der Diaspora finden konnte. Am Anfang hatte es den Anschein erweckt, als ob Ankara das Angebot Jerewans zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen ernsthaft prüfen würde.836 Der gute Start der türkisch-armenischen Beziehungen führte dazu, dass die Türkei beispielweise die Grenze zu Armenien einige Male für Weizen- und Stromlieferungen noch im Laufe des Bergkarabach-Kriegs öffnete.837 Die Türkei befand sich in dieser Zeit in einem Dilemma: Zwar erkannte die Türkei die Unabhängigkeit Armeniens im Dezember 1991 an, verweigerte aber die Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen mit seinem nord-östlichen Nachbarn. Verbunden wurde diese Option mit zwei Forderungen Ankaras: • Den Völkermord Thema aus der politischen Debatte auszuklammern und eine weltweite Anerkennung und Verurteilung nicht mehr zu thematisieren. • Die Republik Armenien sollte offiziell den Grenzverlauf zwischen beiden Ländern, wie er im Vertrag von Kars vom Oktober 1921 festgeschrieben wurde, anerkennen. 836 Vgl. Manutscharjan, Aschot: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität. Bonn 1998, S. 12 f. 837 Vgl. Cornell, Svante: Turkey and the Conflict in Nagorno-Karabakh: A Delicate Balance, in: Middle Eastern Studies, 1/1998, S. 62.

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Die beiden Punkte sind historisch miteinander verknüpft und bereiten Ankara naturgemäß Sorgen dahingehend, nicht nur eine materielle Entschädigung aufgrund des Völkermordes leisten zu müssen, sondern auch, dass die Armenier gegen sie territoriale Ansprüche erheben könnten. Entscheidend verschlechterte sich die Stimmung weiter, als die Karabach-Armenier mit armenischer Unterstützung Militärerfolge im Krieg gegen Aserbaidschan verzeichneten. In der Folge schloss die Türkei ihre 268 km lange Grenze mit Armenien aus Solidarität zu dem „Brudervolk“ Aserbaidschan, verbot Flüge durch den türkischen Luftraum nach Armenien und verhängte eine wirtschaftliche Blockade gegen Jerewan.838 Außerdem unterstützte die Türkei Aserbaidschan mit umfangreichen Waffenlieferungen und Militärberatern839 und drohte mit einer militärischen Intervention840 im Falle weiterer armenischer Offensiven im Krieg gegen Aserbaidschan. Ankaras harter Kurs gegenüber Jerewan und seine einseitige pro-aserbaidschanische Position beförderten Armeniens verstärkte Anbindung an Russland und den Iran. Auf der anderen Seite befürchtete Jerewan eine Achsenbildung zwischen Aserbaidschan – Türkei und den USA in der Region. Nach dem Waffenstillstand 1994 im Bergkarabach-Krieg begann ein Annäherungsdialog zwischen beiden Nachbarstaaten, der dazu führte, dass die Türkei als Geste des guten Willens im April 1995 den türkischen Luftkorridor H-50 für zivile Flugzeuge Richtung Armenien öffnete, in der Erwartung, Kompromisse in der Bergkarabach-Frage zu erzielen.841 Außerdem wurde die Einreise armenischer Bürger in die Türkei zugelassen.842 Mit der Zeit entstand neben den traditionellen armenischen Gemeinden in der Türkei (Istanbul 50.000) eine neue Gruppe von Händlern und Gastarbeitern durch die in der Türkei lebenden Armenier mit armenischer Staatsangehörigkeit. Laut türkischen Quellen leben und arbeiten 838 Vgl. Malek, Martin: BIOst-Bericht No. 11/2000, Köln 2000, S. 33. 839 Vgl. Neue Züricher Zeitung, 16. April 1993; MacFarlane, S. Neil/Minaer, Larry: Humanitarian Action and Politics. The Case of Nagorno-Karabakh, in: The Thomas J. Watson Jr. Institute for International Studies, Brown University, Occassional Paper No. 25, 1997, S. 30. Unter: http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.163.8121&rep=rep1&type=pdf, abgerufen: 15.09.2017; Freitag-Wirminghaus, Rainer: Aserbaidschan und die Türkei – Eine „Bruderbeziehung“ im Wandel, in: Armenien. Geschichte und Gegenwart in schwierigem Umfeld. Deutsch-Armenischen Gesellschaft (Hrsg.), S. 148. 840 Vgl. Fuller, Elizabeth: The Tussle for Influence in Central Asia and the Transcaucasus, in: Transition, Jg. 2, No. 12, 1996, 14.06.1996, S. 13. 841 Vgl. Engelke, Thomas: Frankfurt am Main 1997, S. 70 f. 842 Vgl. Dschafarow, Rauf: Die Politik der Groß- und Regionalmächte im Südkaukasus und in Zentralasien, in: Europäische Hochschulschriften, Reihe III Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd./Vol. 1073. Frankfurt am Main, Peter Verlag 2009, S. 78. 209

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zurzeit rund 22.000 armenische Staatsangehörige in der Türkei.843 Nach den Anstrengungen der Armenier, den Völkermord international anerkennen zu lassen, drohte der damalige türkische Premierminister Recep Erdogan 2010 damit, die illegalen armenischen Migranten aus dem Land zu vertreiben, deren Zahl er auf 100.000 bezifferte.844 Die erste Hälfte der 1990er Jahre veranschaulicht die tiefe und unüberwindbare Problematik zwischen beiden Nachbarstaaten, die in den darauffolgenden Jahren einen großen Hemmschuh für die Normalisierung der türkisch-armenischen Beziehungen bildete. Die armenische Wissenschaftlerin Shushanik Minasyan stellt die Problematik des armenisch-türkischen Beziehungsgeflechts folgendermaßen dar: „Während Armenien die Karabach-Frage angesichts der ethnischen und religiösen Gemeinsamkeiten der Türken und Aseris als eine narrative Rekonstruktion der dramatischen historischen Ereignisse von 1915 wahrnimmt, definiert Ankara seine Außenpolitik gegenüber Armenien, die grundsätzlich vom Disput der Anerkennung des Völkermordes dominiert wird, über den Berg-Karabach-Konflikt, und macht die Aufnahme der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen von dessen Zugeständnissen zugunsten Aserbaidschans abhängig.“845 Trotz des Konfrontationskurses in der Armenienpolitik der Türkei, einer Dynamik zwischen Ankara und Jerewan, zeichnete sich eine Verständigung auf nicht staatlicher Ebene der Wirtschaftsleute (Handel und Tourismus) in beiden Gesellschaften ab. Das „Turkish-Armenian Business Development Council“ (TABDC)846 hat seit langem eine der ersten Initiativen ergriffen, nach dem Motto „Annäherung durch Handel“, um kleine Schritte zur Intensivierung der Wirtschaftskontakte zum Nutzen beider Völker zu bringen. Es plädiert seit geraumer Zeit für die Wiederöffnung der geschlossenen Grenze, die nicht nur der armenischen Wirtschaft guttun würde, sondern auch den angrenzenden türkischen Nordosten wirtschaftlich beleben könnte. Durch das Staatsterritorium Armeniens führt die kürzeste Verbindung für die Türkei nach Aserbaidschan und Zentralasien, was auch im Interesse der türkischen Exportindustrie liegt.

843 Vgl. Grigoryan, Marianna/Hayrapetyan, Anahit: Turkey: Armenian Illegal Migrants Put National Grievances Aside for Work, in: Euroasianet.org 02.09.2011. Unter: http:// www.eurasianet.org/node/64116, abgerufen: 25.05.2017. 844 Vgl. BBC: Turkey threatens to expel 100,000 Armenians, in: Bbc.co.uk 17.03.2010. Unter: http://news.bbc.co.uk/2/hi/8572934.stm, abgerufen: 25.05.2017. 845 Minasyan, Shushanik: Marburg, Tectum Verlag 2016, S. 288. 846 Vgl. dazu ausführlich auf der offiziellen Webseite der TABDC. Unter: www.tabdc.org, abgerufen: 25.05.2017.

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Trotz der fehlenden Landverbindung zwischen Armenien und der Türkei gibt es dank der direkten Luftverbindungen und des Landweges durch das Staatsterritorium Georgien und Iran einen großen Handelsumsatz (dominiert von türkischen Exporten). Nach nichtoffiziellen Angaben betrug das Volumen des inoffiziellen Handels von 1991–1998 rund 62 Mio. USD, davon bestanden 46 Mio. USD aus türkischen Exporten nach Armenien. Von 1998–2008 gab es einen Aufwuchs auf 618 Mio. USD, mit ca 600 Mio. USD türkischen Exporten. In den Jahren 2008 bis 2014 exportierte die Türkei Waren im Wert von 1.5 Mrd. USD nach Armenien, dagegen importierte es nur neun Mio. USD.847 Der Handelsumsatz zwischen Armenien und der Türkei umfasste im Jahr 2015 138.5 Mio. USD, hauptsächlich türkische Exporte. Sie machen 2,9 % des gesamten Außenhandels von Armenien aus.848 Nach Meinung des armenischen Wirtschaftsexperten Vahagn Khachatryan gilt: „The Armenian traders and businessmen found the Turkish market. The state had no participation. If there were alternatives to many goods, they would be imported from Russia, other states of EUEA or China. If it is not organized, it means the Turkish goods are more competitive.“849 Abgesehen von dem inoffiziellen Handel blieben die Beziehungen auf politischer Ebene nach wie vor tabu. Die armenische Seite bot Ankara mehrmals eine Aufnahme der diplomatischen Beziehungen an, ohne Voraussetzungen in der Karabach-Frage und der Völkermord-Anerkennung. Seit der Regierungsübernahme durch die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) in 2002 begann in der Türkei eine vorsichtige Versachlichung der türkisch-armenischen Beziehungen und es erfolgten kleine Schritte in Richtung der Aufarbeitung der Vergangenheit, insbesondere auf gesellschaftlicher Ebene. Auf Druck seitens der Öffentlichkeit und Presse beschloss die türkische Regierung, den stark beschädigten armenischen Kirchenkomplex Heiliges Kreuz aus dem 9. Jh. auf der Vansee-Insel Akhtamar im Osten der Türkei zu restaurieren. In 2007 wurde die im staatlichen Besitz befindliche Kirche ohne christliches Kreuz als Museum eröffnet. Bei der Eröffnungsfeier waren der türkische Kulturminister sowie andere hochrangige Vertreter des Staats und der armenische Patriarch von

847 Vgl. Rusarminfo: Figures avoided for publication: Turkey has become one of the largest trade partners of Armenia, in: Rusarminfo.ru 01.12.2015. Unter: https://rusarminfo. ru/2015/12/01/figures-avoided-for-publication-turkey-has-become-one-of-thelargest-trade-partners-of-armenia/, abgerufen: 25.05.2017. 848 Vgl. Mghdesyan, Arshaluys: Armenia-Turkey trade: ban, no to import, in: Media Center 03.05.2016. Unter: http://www.media-center.am/en/1462345828, abgerufen: 25.05.2017. 849 Ebd. 211

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Konstantinopel anwesend.850 Das Ereignis wurde von der Presse als Signal zur Belebung der Beziehungen zu Armenien dargestellt. Die Erschießung des armenisch-stämmigen Herausgebers der in Istanbul erscheinenden zweisprachigen Wochenzeitung Agos, Hrant Dink, am 19. Januar 2007 von türkisch-nationalistischen Kräften führte zu einer bis dahin nicht gekannten Solidarisierung der türkischen Gesellschaft mit den Armeniern. Bei der spontanen Kundgebung am Mordtag mit mehreren Tausend Teilnehmern aus der türkischen Öffentlichkeit in Istanbul und Ankara skandierten die Sprechchöre: „Wir sind alle Hrant Dink, wir sind alle Armenier.“851 Ein Jahr nach der Ermordung von Hrant Dink schlossen sich rund 30.000 türkische Intellektuelle und Personen der Öffentlichkeit der Kampagne „Ich entschuldige mich“ an, um ihre Distanz zu der staatlich geführten Leugnung des Völkermordes zu signalisieren.852 Am offiziellen Tag des Völkermordes, am 24. April 2010, fand eine erste öffentliche Gedenkveranstaltung auf dem Taksim-Platz inmitten von Istanbul statt.853 Zum ersten Mal befasste sich Erdogan, als Ministerpräsident der Türkei, 2014 mit dem Völkermord-Thema und bekundete sein Beileid mit einer Erklärung, in der er die Opfer als „gemeinsames Leid“ bezeichnete. Weiter sagte er: „Es lässt sich nicht abstreiten, dass die letzten Jahre des Osmanischen Reiches, gleich welcher Religion oder ethnischer Herkunft sie angehörten, für Türken, Kurden, Araber, Armenier und Millionen weiterer osmanischer Bürger eine schwierige Zeit voller Schmerz waren.“854 Kurz vor dem 100. Jahrestag des Völkermordes ging der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu mit einem ähnlichen Schritt auf die Armenier in 2015 zu und äußerte Mitgefühl mit den Nachfahren der Opfer. „Mit Respekt gedenken wir ein weiteres Mal der osmanischen Armenier, die bei den Deportationen 1915 ihr Leben verloren, wir teilen den Schmerz ihrer Kinder und

850 Vgl. Seibert, Thomas: Kein Kreuz auf der Kirche, in: Der Tagesspiegel 30.03.2007. Unter: http://www.tagesspiegel.de/politik/kein-kreuz-auf-der-kirche/829100.html, abgerufen: 25.05.2017. 851 Die Welt: Dink war die Stimme der Armenier in der Türkei, in: Die Welt 19.01.2007. Unter: https://www.welt.de/politik/article710258/Dink-war-die-Stimme-der-Armenierin-der-Tuerkei.html, abgerufen: 25.05.2017. 852 Vgl. Arend, Ingo: Der innere Feind des Osmanen-Reichs, in: Die Tageszeitung 24.04.2015. Unter: http://www.taz.de/!867296/, abgerufen: 25.05.2017. 853 Vgl. Gottschlich, Jürgen: Türken bekunden Anteilnahme, in: Die Tageszeitung 23.04.2010. Unter: http://www.taz.de/!5143873/, abgerufen: 25.05.2017. 854 Die Welt: Erdogan bekundet Bedauern für Armenier-Tötung, in: Die Welt 23.04.2014. Unter: https://www.welt.de/politik/ausland/article127239224/Erdogan-bekundetBedauern-fuer-Armenier-Toetung.html, abgerufen: 25.05.2017.

4.3 Das Engagement der Türkei

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Enkel.“855 Abgesehen von diesen Entwicklungen, die insbesondere seit dem Tod von Hrant Dink in dem türkisch-armenischen Verhältnis zu beobachten sind, hat bis heute kein türkisches Regierungsmitglied die Taten von 1915 als Völkermord anerkannt und einen Versöhnungsdialog mit den beiden Nachbarvölkern angefangen. Immerhin sind dies wichtige Bemühungen, die Versöhnung zwischen der Türkei und Armenien voranzutreiben, wenngleich der Schritt eher symbolisch ausfällt. Trotz dieser großen Annäherungsgeste seitens der türkischen Führung entschied die türkische Regierung gleichzeitig, die jährliche Gedenkfeier des hundertsten Jahrestages der Schlacht von Gallipoli, 1915, nicht wie in den vergangenen Jahren am 18. März zu feiern, sondern diese auf den 24. April zu verschieben, auf denselben Tag wie die Gedenkfeier des 100. Jahrestages des armenischen Völkermordes856 – wahrscheinlich aufgrund der Überlegung, die internationale Aufmerksamkeit vom 100. Gedenkjahr des Völkermordes abzulenken. Im politischen Bereich zeichnete sich eine positive Dynamik zwischen der Türkei und Armenien nach den Präsidentschaftswahlen in Armenien im Februar 2008 ab. Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül gratulierte seinem neu gewählten armenischen Amtskollegen und äußerte seine Hoffnung auf die „Schaffung eines Umfelds für die Normalisierung der Beziehungen zwischen den türkischen und armenischen Gesellschaften“857. Dies und die positiven Signale der türkischen Gesellschaft 2007 und 2008 nährten die Hoffnung, dass ein rascher Fortschritt möglich sein könnte. Monatelang führten die Parteien vertrauliche diplomatische Gespräche, die Washington, Brüssel und Moskau als Schlüssel für Stabilität im Südkaukasus bezeichneten. Armenien hoffte besonders auf eine baldige Grenzöffnung, um die enormen wirtschaftlichen Konsequenzen zu reduzieren. Der Georgienkrieg 2008 hat Armeniens Abhängigkeit vom georgischen Staatsterritorium bloßgestellt und die Warenversorgung nach Armenien erschwert. Auch die Türkei ist hinsichtlich der Rohstoffversorgung aus Aserbaidschan auf die Landbrücke Georgien angewiesen. Vor dem Hintergrund der Eskalation äußerte der damalige türkische Außenmi855 Deutsche Welle: Türkei spricht Armeniern in Genozid-Debatte Beileid aus, in: Deutsche Welle 20.04.2015. Unter: http://www.dw.com/de/t%C3%BCrkei-spricht-­armeniern-ingenozid-debatte-beileid-aus/a-18395181, abgerufen: 25.05.2017. 856 Vgl. Euronews: Gedenken an Schlacht um Gallipoli vor 100 Jahren, in: Euronews.com 24.04.2015. Unter: http://de.euronews.com/2015/04/24/gedenken-an-schlacht-umgallipoli-vor-100-jahren, abgerufen: 25.05.2017. 857 Celikpala, Mitat: Türkish foreign policy and cross-border cooperation in the South Caucasus, in: Ergun, Ayca/Isaxanli, Hamlet (Hrsg.): Security and cross-border cooperation in the EU, the Black Sea region and Southern Caucasus. Amsterdam 2013, S. 119–136, hier: S. 127. 213

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nister Ali Babacan seine Bedenken: „This conflict has affected all the countries of the region. […] It raised concerns about prominent infrastructure projects such as the railroad connection between Baku, Tbilisi and Kars, the Baku-Tbilisi-Ceyhan oil pipeline, and the Baku-Tbilisi-Erzurum gas pipeline, which promise to ensure the long-term energy and transport security of the region and Europe.“858 Verbunden mit diesen Sicherheitsbedenken präsentierte der türkische Ministerpräsident Erdogan in seinem Besuch in Moskau die Idee einer „Plattform für Sicherheit und Stabilität und Zusammenarbeit im Kaukasus“859, welche die drei Südkaukasus-Staaten und Russland anbetrifft, und forderte zu einem regionalen Dialog des gegenseitigen Vertrauens auf. Der türkische Präsident Abdullah Gül folgte der Einladung des armenischen Präsidenten Sersch Sargsjan, und als erster türkischer Staatspräsident besuchte er am 6. September 2008 die Hauptstadt Armeniens, Jerewan, zum WM-Qualifikationsspiel der Mannschaften beider Länder. Die Fußballdiplomatie setzte sich mit einem Gegenbesuch des armenischen Präsidenten in der Türkei fort.860 Dieser historische Annäherungsprozess führte zur Unterzeichnung zweier Protokolle861 unter Vermittlung der Schweiz am 10. Oktober 2009 in der Aula der Universität Zürich zwischen der Türkei und Armenien. Darin wurden innerhalb von zwei Monaten nach der Ratifizierung die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Entwicklung einer Kooperation in politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Bereichen sowie die Öffnung der gemeinsamen Grenze vereinbart. Die EU-Kommissare Benita Ferrero-Waldner und Olli Rehn begrüßten die Unterzeichnung der Protokolle und bezeichneten dies als „mutige[n] und weitsichtige[n] Schritt hin zu Stabilität und Frieden in der Region des Südkaukasus und eine wahrhaftig historische Entscheidung“862.

858 Babacan, Ali: Calming the Caucasus, in: The New York Times 23.09.2008. Unter: http:// www.nytimes.com/2008/09/23/opinion/23iht-edbabacan.1.16407371.html, abgerufen: 25.05.2017. 859 Hohberg, Tarek: Eine Plattform für Stabilität und Kooperation auf dem Kaukasus? Chancen und Grenzen einer Initiative türkischer Regionalpolitik. Berlin, SWP-Diskussionspapier No. 01, 2009, S. 3. 860 Vgl. Senkyr, Jan: Türkei und Armenien streben Normalisierung der Beziehungen an, in: Konrad-Adenauer-Stiftung 14.10.2009. Unter: http://www.kas.de/tuerkei/de/ publications/17836/, abgerufen: 25.05.2017. 861 Vgl. Senkyr, Jan: Konrad-Adenauer-Stiftung, 14.10.2009. 862 Zeit Online: Türkei und Armenien schließen Friedensabkommen, in: Zeit Online 11.10.2009. Unter: http://www.zeit.de/politik/ausland/2009-10/tuerkei-armenien-friedensabkommen, abgerufen: 25.05.2017.

4.3 Das Engagement der Türkei

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Obwohl die türkisch-armenische Annäherung das Potenzial in sich trug, neue Einflussbereiche für die Türkei im Südkaukasus zu eröffnen und Armeniens Abhängigkeit von Russland zu reduzieren, stellte sich Russland nicht dagegen. Christoph Benedikter beschreibt in seinem Buch „Brennpunkt Berg-Karabach“ als Grund dafür, „dass Russland, da sehr stark in Armenien verankert, keine Gefahr für seine Dominanz im Land sah und die Grenzöffnung zur Türkei durchaus im Interesse des in Armenien investierten russischen Kapitals gewesen wäre“863. Auch wenn der Türkei bewusst war, dass sie ihre geplante Politik „Null Probleme mit Nachbarn“ und ihren Aufstieg als Regionalmacht ohne Annäherung an Armenien im Südkaukasus nicht problemlos verwirklichen konnte, scheiterte die Ratifizierung der Züricher Protokolle trotzdem. Die Ursache für das derart zwiespältige Handeln ist vor allem in Baku zu suchen. Aserbaidschan sah durch die armenisch-türkische Grenzöffnung seine Interessen in der Bergkarabach-Frage bedroht. Baku drohte Ankara, den Gaspreis zu erhöhen und sich außenpolitisch Russland zuzuwenden. Die aserbaidschanische Regierung ließ sogar die türkischen Flaggen an der Gedenkstäte der im Kampf um Baku gefallenen osmanischen Soldaten von 1918 abnehmen.864 Aufgrund der angedrohten Konsequenzen nannte Ministerpräsident Erdogan wenige Tage nach der Unterzeichnung der Protokolle den Rückzug der armenischen Truppen aus Bergkarabach als Voraussetzung für die Ratifizierung der Protokolle im türkischen Parlament.865 Die Verbindung der Protokolle mit einer Lösung des Bergkarabach-Konflikts seitens der Türkei ließ den armenischen Präsidenten Sargsjan wenige Monate später die Ratifizierung der Protokolle in der armenischen Nationalversammlung per Dekret stoppen, aber er zog sie erst im Februar 2015 endgültig zurück.866

863 Benedikter, Christoph: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 177. 864 Vgl. Novikova, Gayane: Osteuropa, 65. Jahrgang/Heft 7–10, 2015, S. 437. Mehr zum Thema: Minasyan, Shushanik: Marburg, Tectum Verlag 2016, S. 294–296. 865 Vgl. Schneider, Marc. Türkisch-armenische Annäherung? Eine Außenpolitikanalyse, in: Chemnitzer Schriften zur europäischen und internationalen Politik, Herausgegeben von Prof. Dr. Beate Neuss, Technische Universität Chemnitz, Band 5. Hamburg, Verlag Dr. Kovac 2013, S. 105. 866 Vgl. Shiriyev, Zaur/Davies, Celia: The Turkey-Armenia-Azerbaijan Triangle: The Unexpected Outcomes of the Zurich Protocols, in: Perceptions 1/2013, S. 185–206; President of the Republic of Armenia: Armenian President recalls Armenian-Turkish Protocols from the National Assembly. 16.02.2015. Unter: http://www.president.am/ en/press-release/item/2015/02/16/President-Serzh-Sargsyan-National-Assembly/, abgerufen: 25.05.2017. 215

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Marc Schneider stellt zwei Szenarien der Regierung Erdogan hinsichtlich der Protokolle in seinem Buch „Türkisch-armenische Annäherung?“ dar: „Entweder wusste die türkische Regierung schon zu Beginn der Verhandlungen über eine türkisch-armenische Normalisierung, dass die Protokolle nicht umsetzbar sind und verfolgte somit eine Strategie der Vortäuschung falscher Tatsachen. Oder die Regierung in Ankara spekulierte auf eine Lösung des Berg-Karabach Konflikts im Rahmen der türkisch-armenischen Annäherung durch den Druck internationaler Akteure wie der EU, USA und Russland auf Armenien.“867 Weiterhin stellt der Autor fest: „Die Regierung Erdogan verfolgte mit der türkisch-armenischen Annäherung somit nicht das Ziel einer umfassenden Versöhnung mit Armenien. Stattdessen waren der Annäherungsprozess und v. a. die Züricher Protokolle ein geschickt geplantes Manöver, um das internationale Ansehen der Türkei zu erhöhen und die Glaubwürdigkeit der ‚Zero-Problem‘-Politik zu demonstrieren.“868 Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass sich die türkisch-armenischen Beziehungen in den vergangenen zehn Jahren durch viele symbolische Gesten (Öffnung der türkischen Gesellschaft, Renovierung der armenischen Kulturgüter in der Türkei sowie der Fußballdiplomatie) entspannt haben, dennoch ist das Verhältnis weiterhin belastet, geprägt von gegenseitigem Misstrauen und Feindbildern. Die entscheidende regionale Frage – der Bergkarabach-Konflikt – bleibt aus türkischer Sicht gegenwärtig der größte Faktor für die Annäherung und Versöhnung der Armenier und Türken in der Region. Durch die Verknüpfung der türkisch-armenischen Beziehungen mit einer Lösung des Konflikts zu Gunsten Aserbaidschans läuft Ankara dennoch Gefahr, sein regionales Profil, das türkische Handlungspotenzial im Südkaukasus, langfristig zu verfehlen und die Versöhnung zwischen Armeniern und Türken dürfte daher eine Angelegenheit der fernen Zukunft sein.

4.3.3 Beziehungen zwischen Türkei und Aserbaidschan Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde die Republik Aserbaidschan zunächst zum Schwerpunkt türkischer Außen- und Sicherheitspolitik im Kaukasus und in Zentralasien. Wie bereits oben erwähnt, hat das Land nicht nur eine Brückenfunktion nach Zentralasien, die beiden Völker verbinden auch die geographische Nähe sowie die sprachliche, kulturelle und ethnische Verwandtschaft miteinander. „Azerbaijan is the only 100 percent pro-Turkish country in the region. […] The majority of the

867 Schneider, Marc. Hamburg, Verlag Dr. Kovac 2013, S. 106 f. 868 Ebd., S. 109.

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population sees the Turks as their brothers.“869 Die gemeinsamen politischen, wirtschaftlichen und strategischen Interessen in der Region spielten eine Schlüsselrolle für die türkisch-aserbaidschanischen Beziehungen in den vergangenen 25 Jahren. Bereits im Januar 1990 besuchte der damalige Vorsitzende des Ministerrats der Aserbaidschanischen SSR, Ajas Mutalibow, Ankara und der türkische Präsident, Turgut Özal, stattete seinerseits einen Gegenbesuch im März 1991 in Baku ab. Die gegenseitigen Besuche dienten dazu, die bilateralen Kontakte und Handelsbeziehungen bereits im Zerfallprozess der UdSSR aufzunehmen.870 Die Türkei war der erste Staat, der Aserbaidschans Unabhängigkeit am 9. November 1991 anerkannte und in der Folgezeit das Land politisch, wirtschaftlich, kulturell und militärisch unterstützte.871 Während der Präsidentschaftsära von Abulfas Eltschibei (1992–1993) kam dieser Austausch zu seinem Höhepunkt. Als großer Panturkist erhielt er starke Unterstützung und große Sympathie in der Türkei und erklärte sein politisches Ziel, Bergkarabach und Nord-Iran (sprich Südaserbaischan) zu erobern. In seiner Amtszeit leistete Ankara umfangreiche Waffenlieferungen an Baku und eine Beratungstätigkeit türkischer Militärs in Aserbaidschan im Krieg gegen Bergkarabach.872 Nach dem Sturz Eltschibeis durch einen Putsch führte sein Nachfolger Heidar Alijew eine pragmatisch gestaltete Türkeipolitik mit wenigen Emotionen. Parallel zu seiner Türkeipolitik, bemühte er sich um die Verbesserung der bilateralen Beziehungen mit Russland, die sich während Eltschibeis Amtszeit negativ zugespitzt hatten. In der Zwischenzeit versicherte Alijew in einem Telefonat im Juli 1993 dem türkischen Außenminister Hikmet Cetin, dass die türkischen Interessen in Aserbaidschan keinen Schaden nehmen würden.873 Bereits im Februar 1994 stattete Heidar Alijew der Türkei einen Staatsbesuch ab. Der türkische Premierminister Demirel und Alijew unterzeichneten den zehn 869 Ebd., S. 71. 870 Vgl. Dschafarow, Rauf: Frankfurt am Main, Peter Verlag 2009, S. 73 f. 871 Vgl. Republic of Azerbaijan Ministry of Foreign Affairs: Brief historical Information on diplomatic relations, Baku 2014. Unter: http://www.mfa.gov.az/files/file/Azerbaijan_-_Turkey_relations_17.09.2014.pdf, abgerufen: 25.05.2017. 872 Vgl. Engelke, Thomas: Frankfurt am Main 1997, S. 65; MacFarlane, S. Neil/Minaer, Larry: Humanitarian Action and Politics. The Case of Nagorno-Karabakh, in: The Thomas J. Watson Jr. Institute for International Studies, Brown University, Occassional Paper No. 25, 1997, S. 30; Freitag-Wirminghaus, Rainer: Deutsch-Armenischen Gesellschaft (Hrsg.), S. 148. 873 Vgl. Neue Züricher Zeitung, 4./5. Juli 1993, zitiert in Brown, Bess/Fuller Elizabeth: Die Türkei und die muslimischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion. St. Augustin: Konrad-Adenauer-Stiftung 1994, S. 38. 217

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Jahre lang geltenden „Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit“, der unter anderem einen gegenseitigen Beistand im Falle einer Aggression gegen eine der Parteien durch einen Drittstaat vorsah.874 Als dieser Vertrag unterzeichnet wurde, lief der Krieg in Bergkarabach immer noch. Trotz des nachdrücklichen Drängens Bakus unterließ Ankara jedoch ein weitergehendes militärisches Engagement zu Gunsten Aserbaidschans. Von diesem Besuch Alijews stammt auch die bekannte Bezeichnung „bir millet, iki devlet“ (eine Nation, zwei Staaten), die die engen bilateralen Beziehungen zwischen Aserbaidschan und der Türkei seit Jahrzehnten symbolisiert. Heiko Langner schreibt in seinem Buch „Krisenzone Südkaukasus“, „dass die These ‚Zwei Staaten – eine Nation‘ in breiten Teilen der türkischen und aserbaidschanischen Gesellschaft immer noch recht populär ist, wenngleich ihre reale Bedeutung häufig zu propagandistischen Mobilisierungszwecken übertrieben wird“875. In den folgenden Jahren begannen die beiden Parteien, sich auf die wirtschaftliche und energiepolitische Zusammenarbeit zu konzentrieren. Die bilateralen Beziehungen gewannen dadurch eine solide Basis für eine strategische Partnerschaft. Die 1.776 km lange BTC-Ölpipeline, die 2005 fertiggestellt wurde, pumpt das aserbaidschanische Rohöl über das georgische Staatsterritorium zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Neben der BTC-Pipeline besteht die seit 2006 in Betrieb genommene BTE-Gaspipeline, die das aserbaidschanische Gas in das türkische Erzurum liefert. Durch die im Bau befindliche Eisenbahnstrecke von Baku über Tbilisi zu dem türkischen Kars und die geplante TANAP-Gaspipeline wird sich die Bindung der beiden Staaten langfristig weiter stärken und der wirtschaftliche Austausch beschleunigen.876 Bei all diesen Infrastrukturprojekten diente das türkische Staatsterritorium als eine Brücke, Russland umgehend Aserbaidschan mit den westlichen Märkten zu verbinden. Die Türkei profitierte von ihrer Brückenfunktion als potenzielle Drehscheibe für Öl- und Gaslieferungen aus dem Kaspischen Becken. Wie der BBC-Korrespondent Chris Morris in seinem Buch The New Turkey (London, Granta Books 2006) äußert: „Turkey lacks the great natural resources of the industrial age – oil and gas – and it has to import nearly all its energy supplies. But its proximity to Azerbaijan, the Caspian and Central Asia, as well as to the Middle East, has allowed 874 Vgl. Brown, Bess/Fuller Elizabeth: Die Türkei und die muslimischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion. St. Augustin: Konrad-Adenauer-Stiftung 1994, S. 39. 875 Langner, Heiko: Krisenzone Südkaukasus, Berg-Karabach, Abchasien und Südossetien im Spannungsfeld von Identität, Völkerrecht und geostrategischen Interessen. Schriftenreihe Sicherheitspolitik Bd. 1, Berlin 6/2009, S. 73. 876 Vgl. Göksel, Diba Nigar: Black Sea Trust for Regional Cooperation 2013.

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it to cultivate a new strategic role: the ‘missing link’ in a chain connecting these new producers of vast mineral resources with the consumer societies in Europe, America and beyond.“877 Längst befinden sich die türkisch-aserbaidschanischen wirtschaftlichen Beziehungen auf ihrem Höhepunkt. Das bilaterale Handelsvolumen lag über 3.5 Mrd. USD in 2015, davon waren 1.626 Mrd. USD aserbaidschanische Exporte. Zum Vergleich betrug der Handelsumsatz im Jahre 1998 nur noch 377 Mio. USD. Für Aserbaidschan hat sich die Türkei zu einem strategisch wichtigen Handelspartner und Transitland etabliert. Außerdem besuchten mehr als 600.000 Touristen aus Aserbaidschan die Türkei im Jahr 2015. Die türkischen Auftraggeber haben in Aserbaidschan bisher 347 Projekte (Gesamtwert 11 Mrd. USD) erfolgreich abgeschlossen.878 Aserbaidschans Einfluss auf die Türkei nimmt auch zu. SOCAR, das aserbaidschanische staatliche Gasunternehmen, wird zu einem bedeutenden Spieler in der türkischen Wirtschaft. Bis Ende 2017 wird das Investitionsvolumen des Unternehmens in der türkischen Wirtschaft bis zu 17 Mrd. USD erreichen, einschließlich der PETKİM-Akquisition und TANAP, dem aserbaidschanisch-türkischen Pipeline-Projekt.879 Das aserbaidschanisch-türkische zwischenstaatliche Abkommen über die Umsetzung der TANAP-Gaspipeline wurde am 26. Juni 2012 unterzeichnet. Beide Länder begrüßten das Projekt als Schritt in die richtige Richtung und bezeichneten es als Beginn eines neuen „Zeitalter[s] der Partnerschaft“880. Seit Anfang der 90er Jahre sind auch Zehntausende Einwanderer aus dem neuen unabhängigen Aserbaidschan aus wirtschaftlichen Gründen in die Türkei gekommen, die sich vor allem in Großstädten niederließen. Nach Angaben des türkischen Innenministeriums bekamen zwischen 2003 und 2013 allein über 15.000

877 Morris, Chris: The New Turkey: The Quiet Revolution on the Edge of Europe. London, Granta Books 2006, S. 218. 878 Vgl. Republic of Turkey Ministry of Foreign Affairs: Economic relations between Turkey and Azerbaijan. Unter: http://www.mfa.gov.tr/economic-relations-betweenturkey-and-azerbaijan.en.mfa, abgerufen: 25.05.2017. 879 Vgl. Gasimli, Vusal: Azerbaijan Eyes to Become Top Investor in Turkey, in: The Journal of Turkish Weekly 14.11.2002. Unter: http://www.turkishweekly.net/op-ed/3044, abgerufen: 25.05.2017. 880 News.az: Agreement signed between Azerbaijan and Turkey on TANAP pipeline, in: News.az 27.06.2013. Unter: http://www.news.az/articles/economy/63113, abgerufen: 25.05.2017; Punsmann, Burcu Gültekin: A Step Ahead Towards the Stage of Maturation in Azerbaijani-Turkish Relations: The Trans Anatolian Pipeline, in: Bagirov, Sabit (Hrsg.): Trans-Anatolian Gas Pipeline: Challenges and prospects for the Black Sea Countries and the Balkans. Baku, Qanun 2012, S. 85–91. Unter: http://www.csd. bg/artShow.php?id=16334, abgerufen: 25.05.2017. 219

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Aserbaidschaner die türkische Staatsbürgerschaft.881 Genaue Statistiken über die Zahl der Aserbaidschaner in der Türkei gibt es jedoch nicht. Laut Angaben des Generalkonsuls der Republik Aserbaidschan in Istanbul leben ca. 250.000–300.000 Bürger Aserbaidschans in Istanbul.882 Die Zahl der ethnischen Aserbaidschaner soll deutlich höher liegen. Im Allgemeinen gilt die aserbaidschanische Bevölkerung in der Türkei als gut in die türkische Gesellschaft integriert, vor allem wegen der kulturellen und sprachlichen Affinitäten zwischen beiden Völkern. Ein wichtiger Baustein der türkisch-aserbaidschanischen Beziehungen der letzten Jahre bildet das „Abkommen über strategische Partnerschaft und gegenseitige Unterstützung“. Durch die Unterzeichnung des Abkommens 2010 in Baku durch die beiden Präsidenten Ilham Alijew und Abdullah Gül wurde die strategische Bedeutung der bilateralen Beziehungen bekräftigt. Unter den Bedingungen des Vertrages werden sich sowohl die Türkei als auch Aserbaidschan gegenseitig „mit allen Möglichkeiten“ im Falle eines militärischen Angriffs oder einer Aggression gegen eines der Länder seitens eines Drittstaates unterstützen.883 Nach der Unterzeichnung dieses Abkommens bezeichnete das Friedensinstitut SIPRI einen enormen Zuwachs an türkischen Waffenlieferungen nach Aserbaidschan, die im Zeitraum 2010–2013 von 7 Mio. USD auf 36 Mio. USD gestiegen sind.884 Trotz des Slogans „eine Nation, zwei Staaten“ und der strategischen Partnerschaft sind heute einige Probleme in den türkisch-aserbaidschanischen Beziehungen zu beobachten. Ungelöst bleibt die Abschaffung der Visapflicht für türkische Bürger. Aserbaidschan stimmte einem visafreien Regime mit der Türkei zu, während Iran das gleiche visumfreie Regime mit Aserbaidschan forderte. Iran hatte gedroht, die kritische Versorgungslinie zwischen Aserbaidschan und der Autonomen Republik Nachitschewan abzuschneiden, wenn Aserbaidschan die Visumpflicht für türkische

881 Vgl. Zerkalo.az: Boleye 15 tysyach azerbaydzhantsev prinyali grazhdanstvo Turtsii (Mehr als 15 Tausend Aserbaidschaner nahmen türkische Staatsbürgerschaft an), in: Zerkalo.az 11.03.2013. Unter: http://www.zerkalo.az/2013/bolee-15-tyisyach-azerbaydzhantsev-prinyali-grazhdanstvo-turtsii/, abgerufen: 25.05.2017. 882 Vgl. Azerbaijan Today: Interview mit dem Generalkonsul der Republik Aserbaidschan Sayyad Aran in Istanbul. Unter: http://www.azerbaijantoday.az/ARCHIVE/20/life. html, abgerufen: 25.05.2017. (Derzeit nicht mehr abrufbar). 883 Vgl. Stratfor: Turkey and Azerbaijan Achieve a Strategic Partnership, in: Stratfor Global Intelligence, Geopolitical Diary 22.12.2010. Unter: https://www.stratfor.com/ geopolitical-diary/turkey-and-azerbaijan-achieve-strategic-partnership, abgerufen: 25.05.2017. 884 Vgl. Stockholm International Peace Research Institute. SIPRI Arms Transfers Database.

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Staatsbürger aufheben, aber nicht das gleiche Privileg für iranische Staatsbürger bieten sollte.885 Laut einem aserbaidschanischen Diplomaten war ein von der Türkei im Jahre 2009 vorgeschlagenes visafreies Reiseregime dem iranischen Druck auf Aserbaidschan zum Opfer gefallen und veranlasste die endgültige Streichung des Abkommens zwischen Baku und Ankara.886 Türkische Staatsbürger müssen weiterhin mit einem gültigen Visum nach Aserbaidschan einreisen, wobei die Letzteren für die Reise in die Türkei kein Visum benötigen. Eine Abkühlung der Beziehungen im politischen Bereich zwischen Baku und Ankara ist in letzter Zeit zu beobachten. Es hängt einerseits mit der Radikalisierung und Islamisierung der konservativen AKP in der Türkei zusammen, die den laizistisch-kemalistischen Weg Richtung islamistischer Tendenzen geht. Das autoritäre Regime von Alijew in Aserbaidschan führt das Land im Gegensatz dazu in Richtung einer säkularen Staatsform und steht damit im Widerspruch zu Erdogan.887 Einen weiteren Störfaktor bildeten die türkisch-armenischen Protokolle. Noch während der armenisch-türkischen Annäherungsphase 2008–2010 kam es zu erheblichen Interessenskonflikten und einer diplomatischen Krise zwischen Baku und Ankara. Es ging so weit, dass Baku mit der Erhöhung der Gaspreise für Ankara drohte. Die aserbaidschanische Regierung ließ sogar die türkischen Flaggen an der Gedenkstätte der beim Kampf um Baku gefallenen osmanischen Soldaten von 1918 abnehmen.888 Die türkisch-armenische Grenzöffnung, die im Rahmen der Züricher Protokolle vorgesehen war, könnte dazu beitragen, die Blockade der aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan aufzuheben, was das Leben der Menschen in greifbarer Weise ändern könnte. Die Autonome Republik ist durch das Armenische Staatsterritorium vom Kernland Aserbaidschan getrennt und von Baku aus kann die Region nur durch Iran erreicht werden. Sie besitzt eine 11 km lange Grenze mit der Türkei, die von dem Gründer der modernen türkischen Republik, Atatürk, als „türkisches Tor“889 bezeichnet wurde. Während der Sowjetunion bildete die Region einen Knotenpunkt der Bahnlinie Jerewan – Baku und Teheran – Moskau.

885 Vgl. Azernews: Azerbaijan says visa free regime with Turkey fell victim to Iranian pressure-paper, in: Azernews.az 21.07.2011. Unter: https://www.azernews.az/nation/34905. html, abgerufen: 25.05.2017. 886 Vgl. ebd. 887 Vgl. Schneider, Marc. Hamburg, Verlag Dr. Kovac 2013, S. 73 888 Vgl. Novikova, Gayane: Osteuropa, 65. Jahrgang/Heft 7–10, 2015, S. 437. Mehr zum Thema: Minasyan, Shushanik: Die energiepolitischen Interessen der EU im Südkaukasus. Marburg, Tectum Verlag 2016, S. 294–296. 889 Genc, Resat: Nahcivan Özerk Cumhuriyeti, in: Yeni Türkiye. Ankara 1997/16, S. 1213. 221

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass seit der Unabhängigkeit Aserbaidschans die Beziehungen mit der Türkei drei große Phasen erlebt haben. In der ersten Hälfte der 90er Jahre waren die Beziehungen durch eine „Honeymoon“-Stimmung geprägt. Doch seit dem zweiten Jahrzehnt der Unabhängigkeit Aserbaidschans haben sich sowohl die Türkei als auch Aserbaidschan verändert. Die Türkei kam unter die Herrschaft einer islamischen konservativen Partei, die den gemäßigten Islam bevorzugt und wenig Begeisterung für die türkische Bruderschaft zeigt, während Aserbaidschan zunehmendes Selbstvertrauen gewann, als es seine Unabhängigkeit konsolidierte, die Macht der Alijew-Familie befestigte und die Wirtschaft durch den Ölboom prosperierte. Dies betraf natürlich die Beziehung zwischen den beiden Ländern, die einst romantisch als „eine Nation zwei Staaten“ betrachtet wurden. Die dritte Phase kann als die intensivierte Energiepartnerschaft zwischen den beiden Ländern bezeichnet werden, die mit der Realisierung der BTC-Ölpipeline in 2005 ihren Anfang nahm. Inzwischen scheint, dass Baku und Ankara festgestellt haben, dass pragmatische und realistische Interessen nicht immer mit der Solidarität, insbesondere im Bereich der gemeinsamen ethnischen, sprachlichen Wurzeln, zusammenhängen.

4.3.4 Türkische Interessen und Aktivitäten im BergkarabachKonflikt Unter den ethno-territorialen Konflikten im Südaukasus gilt der Bergkarabach-Konflikt als der wichtigste für die türkische Außenpolitik, da er die Beziehungen der Türkei zu zwei ihrer direkten Nachbarstaaten betrifft. Während des Kriegs und im Verhandlungsprozess hat sich die Türkei von Anfang an als engster Partner Aserbaidschans positioniert. Ankaras pro-aserbaidschanische Politik basiert auf den Sympathien der türkischen Bevölkerung für ihre muslimischen Brüder und Schwestern.890 Der Krieg in Bergkarabach diente somit auch als ein Instrument, nach 70-jähriger Sowjetherschafft die Idee des Türkentums wiederzubeleben. Der deutsche Politikwissenschaftler Heiko Langner schreibt: „Im Zuge der kriegerischen Konfliktaustragung in und um Berg-Karabach reaktivierte sich allerdings auch vorübergehend die aus der spätosmanischen Periode stammende, chauvinistisch-rassistische Ideologie des Turanismus, die von einer Vereinigung aller

890 Punsmann, Burcu Gültekin: Turkey’s Interest and Strategies in the South Caucasus, in: Friedrich-Ebert-Stiftung 2012: South Caucasus 20 Years of Independence. S. 293–294.

4.3 Das Engagement der Türkei

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Turkvölker in einem ethnisch homogenen Großreich vom Bosporus bis nach Nordwestchina träumte.“891 Verbunden bereits seit den 1990er Jahren durch die Ideologie des Turansimus und Panturkismus lieferte die Türkei umfangreiches Kriegsmaterial, u. a. auch Boden-Boden- und Boden-Luft-Raketen aus Beständen der NVA, die Deutschland ab Juni 1991 der Türkei überlassen hatte, sowie 200.000 israelische UZI- und sowjetische Kalaschnikow-Maschinenpistolen an Aserbaidschan.892 Über die Beteiligung der türkischen rechtsextremen Grauen Wölfe im Bergkarabach-Krieg schrieb Johannes Rau: „Die türkische Regierung duldete auch die Rekrutierung von Freiwilligen aus der Türkei für den Kampf in Nagorny-Karabach. Dabei spielte die paramilitärische Gruppierung Graue Wölfe, die Speerspitze der pantürkischen Bewegung in der Türkei, eine wichtige Rolle. Im Bezirk Martuni zeigten die armenischen Selbstverteidigungseinheiten von Aserbaidschanern erbeutete Schützenpanzer und Panzer, die das Emblem der Grauen Wölfe trugen. Die Bewegung Graue Wölfe hatte sich bis Anfang der 90er Jahren auch nach Aserbaidschan ausgedehnt und wurde auch von einigen aserbaidschanischen Politikern unterstützt. Ihr stärkster Fürsprecher war Anfang 1993 der damalige aserbaidschanische Innenminister Hamidow.“893 Trotz großer türkischer Unterstützung zu Gunsten Aserbaidschans, im Hinblick auf seine schweren militärischen Niederlagen in Bergkarabach, übte Baku auf Ankara zunehmend Druck aus, um tatsächliche Unterstützung zu bekommen, vor allem eine direkte militärische Beteiligung. Zu den größten türkischen Beiträgen zu Gunsten Aserbaidschans zählt die einseitige türkisch-armenische Grenzschließung im Jahr 1993, die hauptsächlich auf Drängen von Aserbaidschan zustande kam und bis heute anhält.894 Damit sollte Armenien geschwächt und kompromissbereiter gemacht werden.

891 Langner, Heiko: 1. Auflage, Berlin, 6/2009, S. 72. 892 Vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker: Waffen aus Deutschland im Einsatz in Berg-Karabach. Presseerklärung, Göttingen 02.02.1992, in: Richter, Manfred (Hrsg.): Armenisches Berg-Karabach/Arzach im Überlebenskampf. Christliche Kunst, Kultur, Geschichte. Berlin 1993. S. 160; Libaridian, Gerard J.: The Challenge of Statehood. Armenian Political Thinking since Independence. Cambridge 1999, S. 88 f.; Bakinskij Rabotschij: Tageszeitung, Baku 14.06.1988. 893 Rau, Johannes: Berlin 2003, S. 21. 894 Vgl. Görgülü, Aybars: Turkey-Armenia Relations: A Vicious Circle. Foreign Policy Analysis Series-8, Istanbul 2008. Unter: http://tesev.org.tr/wpcontent/uploads/2015/11/ Turkey_Armenia_Relations_A_Vicious_Circle.pdf am 24.7.2017, S. 11; Punsmann, Burcu Gültekin: Turkey’s Interest and Strategies in the South Caucasus, in: Friedrich-Ebert-Stiftung 2012: South Caucasus 20 Years of Independence. S. 285 f. 223

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Nach der erfolgreichen Offensive der Karabach-Armenier in der Region Kelbadschar kündigte der türkische Präsident Turgut Ozal an: „A corridor was opened from above and below and, in fact, bound this region to Armenia. There is no more a Karabakh issue; there are the Armenian wishes about the Great Armenia. […] Do not ask me whether we would invade Armenia or not. But Turkey should calculate its steps well.“895 Drei Armeebrigaden der türkischen Armee wurden in der Nähe der armenisch-türkischen Grenze unter dem Deckmantel der militärischen Übungen mobilisiert: „What would happen if during military exercises three of our bombs fall in the Armenian territory? What would happen if we sent 1–2 military brigades to Nakhichevan? We are bound to Nakhichevan with an agreement. What would happen, who would do us anything, who would come to intervene? Who could intervene in Bosnia? In world politics we can reach nothing without resorting to risk“896, betonte der türkische Präsident durch eine Reihe rhetorischer Fragen. Weiter führte er aus: „The Armenians learn nothing from history. In Anatolia, they also tried it. But they got an incredible slap in the face. And they have not forgotten the pain to this day. If they try it again here [in Azerbaijan], relying on this or that foreign country for help, they have something coming.“897 Mit dem türkischen Parlament am Rande des Abschlusses eines militärischen Vertrages mit Aserbaidschan warnte das Weiße Haus, „that it will not tolerate a third country’s interference in the Armenian-Azerbaijani conflict“898. Am 17. April schloss daraufhin der türkische Präsident die Möglichkeit eines Kriegs gegen Armenien aus. Nach Aussage des türkischen Regionalexperten Aybars Görgülü aus dem Zentrum für Politik und Demokratie in Istanbul warnte Russland die Türkei auch vor einer direkten Beteiligung im Bergkarabach-Krieg. Im Interview mit dem Verfasser dieser Arbei erklärte er hierzu: „Die Bedeutung des Bergkarabach-Konflikts für die Türkei hat sich im Laufe der Zeit verändert. Anfang der 1990er Jahre war der Konflikt für die Türkei eine absolute Sicherheitsfrage. Wie bei der Zypern-Intervention von 1974 war die Türkei nach einer militärischen Konfrontation wieder bereit, ihre Garant-Rechte zu nutzen. Russland verärgerte die Beteiligung der Türkei an dem Konflikt und es drohte mit „einem Dritten Weltkrieg“ für den Fall, dass Ankara militärisch in den Streit zwischen Armenien und Aserbaidschan über Bergkarabach eingreifen würde.“899

895 Milliyet: Türkische Tageszeitung 08.04.1993. 896 Ebd. 897 Türkiye: Türkische Tageszeitung 16.04.1993. 898 Azg Daily: (Druckausgabe) Armenische Tageszeitung. Armenien, Jerewan 17.04.1993. 899 Siehe Interview mit Dr. Aybars Görgülü im Anhang dieser Arbeit.

4.3 Das Engagement der Türkei

225

Im Rahmen seiner Politik zur Unterdrückung von Armenien blieb Ankara nichts Anderes übrig, als sich regelmäßig an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu wenden, um Aserbaidschan diplomatische Unterstützung zu leisten. Mit einer Reihe diplomatischer Initiativen in der OSZE trug die Türkei dazu bei, dass die VN vier Resolutionen bezüglich des Bergkarabach-Konflikts verabschiedete. Obgleich ein säkularer Staat, war die Türkei stark an den diplomatischen Aktivitäten der islamischen Staaten und vor allem an Sitzungen der Organisation der Islamischen Konferenz beteiligt. Bei dem Versuch, mehr muslimische Länder in die Reihen der anti-armenischen Koalition zu bringen, war die Türkei aktiv bei der Ausarbeitung von Resolutionen und Erklärungen engagiert, die Armeniens Politik verurteilten. Ein weiteres Setup für die Lobbyarbeit zugunsten Aserbaidschans in einem islamischen Kontext bildete die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, in der Iran, Türkei, Pakistan und die Zentralasiatischen Republiken Mitglied sind.900 Im Vergleich mit der Islamischen Republik Iran nahm die Türkei von Anfang an an den Sitzungen der Minsker Gruppe der OSZE teil und unterstützte dabei auch die Position von Aserbaidschan ohne Abstriche. Laut Rexane Dehdaschti: „Ankara entwickelte sich in der Karabach-Frage insgesamt zur ‚Schutzmacht‘ und zu einem Fürsprecher Aserbaidschans.“901 Trotz der Bemühungen Ankaras, in fast allen Fragen Baku zu unterstützen, blieb Aserbaidschan enttäuscht und drückte mehrmals seine Unzufriedenheit mit Ankara aus, weil es sich mehr militärische und politische Hilfe aus der Türkei erhoffte.902 Am 10. Juni 1996 unterzeichneten Aserbaidschan und die Türkei ein Abkommen über die militärische Kooperation. In der Folge wurde die Zusammenarbeit in Angelegenheiten militärischer Sicherheit, der Ausbildung aserbaidschanischer Offiziere und Waffenlieferungen an Aserbaidschan vertieft.903 Nach dem Amtsantritt des Präsidenten Ilham Alijew in Aserbaidschan begannen Baku und Ankara ihre Position hinsichtlich der Beilegung des Konflikts zu koordinieren. Am 14. April 2004 betonten die Präsidenten Ilham Alijew und Ahmet Sezer ihre beidseitige Übereinstimmung bezüglich des Bergkarabach-Konflikts. Der gemeinsame türkisch-aserbaidschanische Standpunkt verlangte, dass Armenien seine Truppen aus den besetzten aserbaidschanischen Territorien abzog. Er un-

900 Vgl. Demoyan, Hayk: Turkey and the Karabakh Conflict in 1990s: A Comparative Historical Analysis. Jerewan, Prospectus 2006, S. 225. 901 Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 327. 902 Vgl. Freitag-Wirminghaus, Rainer: Deutsch-Armenischen Gesellschaft (Hrsg.), S. 147. 903 Vgl. Rau, Johannes: Berlin 2003, S. 22. 225

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

terstrich auch, dass jede Bergkarabach-Lösung auf dem Grundsatz der Einhaltung der territorialen Integrität und der Grenzen der Nachbarstaaten beruhen musste.904 Trotz der Anstrengungen in den Jahren 2008–2010, um ihre Rolle im Südkaukasus und in den Konfliktlösungsprozessen zu verstärken, war Ankaras Engagement in der Bergkarabach-Frage minimal und weitgehend indirekt. Die türkische Seite war frustriert, dass die Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe bei der Ausarbeitung der Initiativen nicht ausreichend mit ihnen zusammenarbeiteten. Sie teilten auch Bakus Verdacht, dass die Ko-Vorsitzenden Partei für Armenien nahmen. Des Weiteren beharrt Ankara darauf, seine Grenze mit Armenien geschlossen zu halten, bis der Fortschritt in Richtung der Auflösung des Bergkarabach-Konflikts erfolgt. Insbesondere setzt Ankara als Voraussetzung für die Normalisierung der Beziehungen mit Armenien den Abzug armenischer Truppen aus den umliegenden Gebieten von Bergkarabach voraus.905 Die derzeitige Beteiligung der Türkei am Bergkarabach-Konflikt geht nicht über die Mitgliedschaft der Minsker Gruppe der OSZE hinaus, die sich bislang nicht als produktiv erwiesen hat, und beinhaltet den gelegentlichen Ausdruck der Bereitschaft, als Vermittler für die diplomatische Beilegung des Konflikts zu handeln. Das sollte aber nicht als Ankaras Gleichgültigkeit gegenüber der Bergkarabach-Frage interpretiert werden. Im Gegenteil, in den letzten Jahren hat die AKP die Mission angenommen, ein Lösungspartner für regionale Konflikte zu werden, was mit der Beteiligung an Konflikten in Georgien und Syrien veranschaulicht wurde. Außenminister Ahmet Davutoglus Vision hinsichtlich der Türkei ist, dass sie eine Führungsrolle im Nahen Osten und im Südkaukasus einnimmt, was bedeutet, dass die Türkei nicht gleichgültig gegenüber einem Konflikt zwischen ihren strategischen Verbündeten und dem Nachbarn mit einer gemeinsamen, aber belasteten Vergangenheit sein kann. Das Problem liegt in der Unfähigkeit der Türkei, andere von ihrer Übernahme dieser Rolle zu überzeugen. Im Sommer 2012 machte die Türkei einen weiteren Vorschlag für die Zusammenarbeit der Vertreter von Armenien und Aserbaidschan, in der Hoffnung, eine gemeinsame Sprache zu finden. Dieses Hilfsangebot scheint jedoch im Augenblick vergeblich zu sein. In Abwesenheit diplomatischer Beziehungen mit Armenien und seinen engen Beziehungen zu Aserbaidschan wäre es schwer, wenn nicht gar unmöglich, dass die Türkei ihre Entschlossenheit rechtfertigt, eine aktive Ver904 Vgl. Katik, Mevlut: Azerbaijan and Turkey Coordinate Nagorno-Karabakh Negotiating Position, in: Eurasia Insight 23.04.2004. 905 Vgl. Welt, Cory: To link or not to link? Turkey-Armenia normalization and the Karabakh Conflict, in: The Caucasus and its Neighbors: Moving to the Next Decade. Caucasus International 2, No. 1, 2012, S. 54 f.

4.3 Das Engagement der Türkei

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mittlerrolle im Bergkarabach-Konflikt zu übernehmen.906 Für die Bestimmung des Handlungsspielraums für die Türkei ist es sinnvoll, die Wahrnehmung der Konfliktparteien hinsichtlich der derzeitigen und potenziellen Rolle der Türkei für die Beschlussfassung der Bergkarabach zu analysieren.

4.3.5 Bewertung der Rolle der Türkei Unter Berücksichtigung der vielen Geschehnisse und Faktoren der türkischen Interessen und ihrer Rolle im Bergkarabach-Konflikt lässt sich sagen, dass die Türkei, die Aserbaidschan in seinem Krieg gegen Bergkarabach offen unterstützte, eher Partei des Konflikts als der Lösung war. Durch die Positionierung und Solidarisierung zu Gunsten Aserbaidschans hat die Türkei von Anfang hinsichtlich des Konflikts und der Beziehungen mit der Republik Armenien einen negativen Start gegeben, was sicherlich den türkischen Interessen im Südkaukasus widerspricht. Der Bergkarabach-Konflikt spielt eine zentrale Rolle für das politische Gleichgewicht in der Kaukasusregion, was die Republik Türkei nicht beachtete oder, bedingt durch andere Faktoren (Panturanismus, Energieinteressen), nicht einsehen wollte. Natia Khorguashvili äußert: „Die AKP-Regierung versucht zwar bezüglich des Karabach-Konflikts pragmatisch zu handeln, ist aber immer noch in nationaler Rhetorik gefangen. Die Normalisierung der Beziehungen mit Armenien könnte aber zu negativen Veränderungen in der aserbaidschanisch-türkischen Kooperation führen. Aus diesem Grund muss Ankara eine wichtige Entscheidung bezüglich der ‚Null-Problem-Politik‘ treffen. Es sollte die strategische Relevanz der Partnerstaaten bestimmen und sich mehr für den Prozess der Beilegung der Kaukasus-Konflikt einsetzen.“907 Zusammengefasst können wir feststellen, dass die türkische Beteiligung am Bergkarabach-Konflikt folgende Komponenten umfasste: • militärische Bedrohungen gegen Armenien, Druck durch Verdeutlichen von Kraft;

906 Vgl. Paul, Amanda: Turkey, Nagorno Karabakh and the South Caucasus, in: Today’s Zaman 28.08.2012. Unter: http://www.todayszaman.com/columnist-290680-turkeynagorno-karabakh-and-the-south-caucasus.html, abgerufen: 25.05.2017. 907 Natia Khorguashvili: Die neue Außen- und Sicherheitspolitik der Türkei im Spiegel der südkaukasischen Ländertriade, in: Olaf Leiße (Hrsg.): Die Türkei im Wandel. Innen- und außenpolitische Dynamiken. Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2013, S. 194 f. 227

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

• die Türkei versuchte Armenien auf einem möglichst niedrigeren Entwicklungsniveau zu halten und beteiligt sich seit 1993 an der Embargo- und Blockadepolitik Aserbaidschans gegen Armenien; • militärische und logistische Unterstützung für Aserbaidschan; • die Entwicklung von Initiativen zur Bildung einer anti-armenischen Koalition und Informationsisolation von Armenien; • Lobbyarbeit hinsichtlich aserbaidschanischer Interessen in internationalen Organisationen. Sowohl Aserbaidschan als auch bestimmte Kreise in der Türkei versuchten in den 1990er Jahren, den Konflikt als Konfrontation der „türkischen Brüder“ mit den Armeniern zu präsentieren, um die Unterstützung der anderen türkischen Republiken Zentralasiens zu Gunsten Bakus zu gewinnen. Die Türkei trat der von Aserbaidschan initiierten Wirtschaftsblockade von Armenien bei und lehnte Armeniens Vorschlag ab, diplomatische und Handelsbeziehungen ohne Vorbehalt aufzubauen. Stattdessen setzte Ankara Voraussetzungen für die Aufnahme der Beziehungen mit Armenien und nutzte die Bergkarabach-Frage als Instrument, um Armenien in der Völkermord-Thematik in Schach zu halten. Laut türkischen Forderungen sollte Armenien: • seine Unterstützung der Bemühungen zur internationalen Anerkennung des armenischen Völkermordes einstellen, • auf territoriale Ansprüche an die Türkei verzichten und • seine Truppen aus Bergkarabach zurückziehen und das Gebiet als Bestandteil von Aserbaidschan anerkennen. Somit können wir feststellen, dass die Rolle der Türkei und die Interessen bezüglich des Bergkarabach-Konflikts durch mehrere Faktoren beeinflusst sind. Zuerst sind die engen ethnischen, historischen und kulturellen Beziehungen zwischen der Türkei und Aserbaidschan zu nennen. Zweitens befinden sich verschiedene Lobby-Gruppen (Panturkisten, Panturanisten) in der Türkei, drittens besteht der Ehrgeiz der Türkei, ein wichtiger regionaler Knotenpunkt bei der Beförderung von Energieressourcen nach West-, Mittel-, Südeuropa zu werden, und aus diesem Grund hängt es von Aserbaidschan ab und es kann nichts unternommen werden, was das Interesse des Letzteren verletzt. Die enge Verbindung und die Zusammenarbeit zwischen Aserbaidschan und der Türkei auf dem Gebiet der Energie haben Aserbaidschan zu dem wichtigsten Land und strategischen Partner in der Region für die Türkei gemacht, da aserbaidschanische Pipeline-Projekte der Türkei geholfen haben, die Projektion von sich

4.3 Das Engagement der Türkei

229

selbst als regionales Energiezentrum zu stärken.908 Auf der anderen Seite hängt Aserbaidschan von der Türkei genauso ab wie die Türkei von Aserbaidschan: sowohl im politischen Bereich als auch in regionalen Energieversorgungsprojekten.909 Der türkische Regionalexperte Aybars Görgülü sagt diesbezüglich: „Die Beziehungen zu Aserbaidschan waren das Rückgrat der Außenpolitik der Türkei gegenüber dem Südkaukasus in der Zeit nach dem Kalten Krieg. Die Aserbaidschan-zentrierte Süd-Kaukasus-Außenpolitik der Türkei ist heute aufgrund der zunehmenden Wechselbeziehung und Kooperation in den Bereichen Energie/Transport konsolidiert. Als Ergebnis der zunehmenden Wechselbeziehung zwischen den beiden Ländern wurde Armenien von der Südkaukasus-Agenda der Türkei ausgeschlossen.“910 Dieses türkische Interesse, nämlich das aserbaidschanische Erdöl und Erdgas durch Pipelines über Georgien zur türkischen Mittelmeerküste und nach Europa zu bringen, stimmt mit den US-amerikanischen und europäischen Interessen überein. Hinsichtlich dieser Interessenzusammensetzung sind sowohl die USA und die EU als auch die Türkei an einer stabilen und berechenbaren Lage in Südkaukasus interessiert – obwohl eine zügige und nachhaltige Lösung der Bergkarabach-Frage zu Gunsten Aserbaidschans ein wünschenswertes Szenarium für die Türkei wäre, die sie seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht in der Lage war, diese herbeizuführen. Zurzeit ist die Türkei ein einflussreiches Land in der Region und dank ihrer geogeraphischen Lage rechnet sie mit einem hohen Nutzen. Sie verfügt über ein ausreichendes diplomatisches und wirtschaftliches Gewicht, durch die Einflussnahme auf Aserbaidschan eine friedliche Beilegung des Konflikts herbeizuführen. Durch den grenzüberschreitenden Handel mit Armenien und der armenischen Arbeits­ emigranten in der Türkei kann Ankara seinen Einfluss auch im Falle Armeniens nutzen, damit Letzteres an einer diplomatischen Lösung des Konflikts festhalten wird. Dadurch könnte Ankara mehr Vertrauen in der Region wecken und sich als konfliktregulierender Akteur in der Region etablieren. Aktuell, während der AKP-Regierung, bleibt Ankaras Außenpolitik gegenüber Armenien und Bergkarabach direkt mit Aserbaidschan verbunden und hängt von den bilateralen Beziehungen ab. Diese Meinung wird auch von dem türkischen Experten Aybars Görgülü im Interview mit dem Verfasser dieser Arbeit geteilt:

908 Vgl. Pashaeva, Gulshan: The Nagorno-Karabakh Conflict in the Aftermath of the Russia-Georgia War, in: Turkish Policy Quarterly, Vol 8, Nr. 4, 2009, S. 59. Unter: http://turkishpolicy.com/Files/Article PDF/the-nagorno-karabakh-conflict-in-theaftermath-of-the-russia-georgia-war-winter-2009-en.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 909 Vgl. Minasyan, Sergey: Nagorno-Karabakh After Two Decades of Conflict: Is Prolongation of the Status Quo Inevitable? Jerewan, Caucasus Institute 8/2010, S. 36. 910 Siehe Interview mit Dr. Aybars Görgülü im Anhang dieser Arbeit. 229

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

„Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass jede Lösung, die Aserbaidschan gefällt, für die Türkei vorzuziehen ist. Abgesehen davon glaube ich, dass die Türkei keine eigene Lösungsformel für diesen Konflikt hat. Der Bergkarabach-Konflikt ist somit auch das einzige Hindernis in den armenisch-türkischen Beziehungen. Die Türkei hat eindeutig gezeigt, dass keine Normalisierung zwischen den Ländern stattfinden wird, sofern es keine Fortschritte beim Bergkarabach-Konflikt gibt.“911 Somit bleibt unklar, was passieren kann, wenn eine neue Regierung in der Türkei an die Macht kommt. Bei großem Interesse kann sie sicherlich die Formulierung der türkischen Außenpolitik in Richtung Bergkarabach und Südkaukasus ändern und damit die Beziehungen zu Armenien aufgrund ihres langen strategischen Interesses in der Region verbessern, dadurch auch zu mehr Stabilität und Sicherheit in der Region beitragen.

4.4

Das Engagement der EU und einzelner EU-Staaten

4.4

Das Engagement der EU und einzelner EU-Staaten

4.4.1 Die Östliche Partnerschaft und die Interessen der EU im Südkaukasus In den 1990er Jahren bestand in Europa generell kaum Interesse an den Staaten des Südkaukasus. Ganz davon abgesehen, dass Europa als politische und wirtschaftliche Union noch im Entstehen war, hielten es die europäischen Staaten zu dieser Zeit ähnlich wie die USA und folgten im postsowjetischen Raum der erstmals 1994 vom US-Diplomaten Strobe Talbott benannten Politik „Russia First“ (Vorrecht für Russland).912 Im Gegensatz zu den USA sah man den Südkaukasus aber auch in den Folgejahren als „Hinterhof“ Russlands und fügte sich Moskaus Interesse in der Region. Zum Vergleich mit den USA und Russland sowie mit der Türkei und Iran war die EU von Anfang an ein externer Akteur, der ausdrücklich keine geopolitischen Interessen im Südkaukasus verfolgte und somit nicht als ein direkter

911 Siehe Interview mit Dr. Aybars Görgülü im Anhang dieser Arbeit. 912 Vgl. Evans, Rowl/Novak, Robert: A cold eye on Russia, in: The Washington Post 28.03.1994. Unter: https://www.washingtonpost.com/archive/opinions/1994/03/28/acold-eye-on-russia/adbae65b-1a77-497b-bd94-a8233d326bf0/?utm_term=.b9b8a49ea31c, abgerufen: 15.09.2017.

4.4 Das Engagement der EU und einzelner EU-Staaten

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Player im „Great Game“ betrachtet werden kann.913 Sie leistete humanitäre Hilfe und engagierte sich in der Entwicklungszusammenarbeit. Obwohl die Interessen der EU in den 1990er Jahren als relativ deckungsgleich mit jenen der USA im Südkaukasus bewertet werden, differierten die Positionen und Ziele insbesondere in Fragen der Energie- und verkehrspolitischen Projekte im kaspischen Raum: „Wenngleich die Europäer grundsätzlich die amerikanische Politik teilen, die Unabhängigkeit der neuen Staaten im Süden der ehemaligen Sowjetunion durch die Diversifizierung ihrer Verbindungen zur Außenwelt zu stärken, legen die Europäer mehr Wert als die Amerikaner darauf, Rußland eine wichtige Rolle in dem Rohrleitungsnetz um das Kaspische Becken zuzugestehen sowie russischen Erdöl-Unternehmen eine große Präsenz in den Konsortien, die in der Region tätig sind, zu verschaffen.“914 Der Bedarf hinsichtlich des Ausbaus der Beziehungen mit der EU und einzelnen EU-Staaten war groß unter den Südkaukasus-Staaten. Diese könnten nicht nur die Abhängigkeit von Russland verringern, sondern auch westliche Kapitalinvestitionen sowie Technologien für die sich in der marktwirtschaftlichen Transformation befindenden Wirtschaften anlocken. Dementsprechend unterzeichneten Aserbaidschan, Armenien und Georgien bereits im Jahr 1996 „Die Partnerschafts- und Kooperationsabkommen“ (PKA) mit Brüssel, die aber erst im Juli 1999 in Kraft traten, konzipiert für einen Zeitraum von zehn Jahren. Die Abkommen werden von Seiten der EU als wichtige Elemente im demokratischen Aufbauprozess der Partnerstaaten betrachtet, womit die Beziehungen in den Bereichen Handel, wirtschaftspolitische Zusammenarbeit, Bildung, Bekämpfung der organisierten Kriminalität, illegale Migration sowie im Justizbereich geregelt werden: „The main objective of the PCA is to reaffirm the common values shared by the parties, notably the principle of parliamentary democracy, pluralism and the rule of law.“915

913 Vgl. Halbach, Uwe: Moskaus Südpolitik. Russland und der Westen im Kaspischen Raum. Berichte des BIOst No. 30, 1999, S. 33; MacFarlane, S. Neil: A Role fort he EU in Preventing Ethnic Conflict, in: Reinhardt Rummerl, Claude Zullo (Hrsg.): Rethinking European Union Relations with the Caucasus, Baden Baden 1999, S. 68. 914 Maaß, Citha D./Reissner, Johannes: Afghanistan und Zentralasien: Entwicklungs­ dynamik, Konflikte, Konfliktpotential. Berlin, Teil A: Dachstudie der SWP-Studie 422/A 3/1998, S. 92. 915 Tiberghien-Declerck, Christine: The Conflict Prevention Capacities of the Russian Government in the Caucasus, in: FEWER/EastWest Institute (Hrsg.): Conflict Prevention in the Caucasus: Actors, Response Capacities and Planning Processes. London 2001, S. 69. 231

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Bereits 2003 unternahm die EU erste Schritte für eine strukturierte Südkaukasus-Politik und gründete einen speziellen Repräsentanten der EU für die Region.916 In der neuen europäischen Sicherheitsstrategie der Europäischen Kommission, die im Dezember 2003 veröffentlicht wurde, stand es zum ersten Mal: „Wir müssen nun ein stärkeres und aktiveres Interesse für die Probleme im Südkaukasus aufbringen, der einmal ebenfalls eine Nachbarregion sein wird.“917 Seit dieser Zeit schenkt die EU den drei Südkaukasus-Staaten in wachsendem Maße Aufmerksamkeit und bezog die Länder in 2004 auf der Gipfelkonferenz des Europäischen Rats in Dublin in die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) ein.918 Mit dem Beitritt von zehn neuen Mitgliedsstaaten (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern) erlebte die EU im gleichen Jahr, in 2004, ihre bisher größte Erweiterung, fortgesetzt 2007 mit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens. Mit Ausnahme Zyperns sind alle neuen Mitglieder im weitesten Sinne osteuropäische Staaten, weswegen auch von der EU-Osterweiterung gesprochen wird. Durch diese Ausdehnung der EU nach Osten wurde eine Reihe postsowjetischer Staaten zu direkten Nachbarn der EU, wie Russland, Belarus, Moldau und die Ukraine, oder sind geographisch zumindest stark in die Nähe der EU gerückt, wie die südkaukasischen Ex-Sowjetrepubliken Armenien, Aserbaidschan und Georgien, die nun nur durch das Schwarze Meer getrennt sind. Die Osterweiterung der EU führte zu einem Anstieg des EU-­ Engagements im Südkaukasus. Für diese neuen Nachbarn wurde im Rahmen der ENP im Jahr 2009 die so genannte Östliche Partnerschaft ins Leben gerufen (Russland hat eine Sonderstellung und ist nicht Teil der ÖP). Ziel dieser Initiative ist es, eine enge wirtschaftliche Integration, eine tiefgreifende politische Assoziierung und weitreichende kulturelle Beziehungen dieser Staaten mit der EU zu fördern und zu erreichen. Bereits seit 1991 förderte die EU durch das TACIS-Programm (Technical Assistance to the Commonwealth of Independent States) den Übergang der postsowjetischen Staaten zu demokratischen Marktwirtschaften.919 Das Hauptziel des Programms besteht in Folgendem: „(1) to support economic development, the establishment of market economy and private investment; and (2) to strengthen the public administration

916 Vgl. Popescu, Nicu: ENP and EaP: relevant fort he South Caucasus? in: Friedrich-Ebert-Stiftung 2012: South Caucasus 20 Years of Independence. S. 319–320. 917 Rat der Europäischen Union: Europäische Sicherheitsstrategie. Ein sicheres Europa in einer besseren Welt. Brüssel 12/2003. 918 Vgl. Benedikter, Christoph: Insbruck, Studien Verlag 2011, S. 171 f. 919 Mehr zu TACIS unter: www.tacis.org (derzeit nicht mehr abrufbar).

4.4 Das Engagement der EU und einzelner EU-Staaten

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in ist efforts to establish the rule of law and democracy.“920 Diese Schwerpunkte wurden nun mit dem 2009 gestarteten ÖP-Programm fortgeführt, wobei dieses allumfassender ist und einen stärkeren politischen, aber auch geostrategischen Aspekt aufweist. Im Rahmen ihres TACIS-Programms initiierte die EU zwei Jahre später, 1993, das TRACECA-Programm (Transport Corridor Europe Caucasus Asia), das als ein Verkehrs- und Kommunikationsprojekt Europa durch den Kaukasus mit Zentralasien verbinden soll. Der Schwerpunkt lag insbesondere darin, als „Neue Seidenstraße“ die Transportwege der historischen Großen Seidenstraße im 21. Jh. wiederzubeleben.921 Ein weiteres Programm (Interstate Oil and Gas Transport to Europe, kurz INOGATE) wurde im Jahr 1995 unter dem Dach der TACIS gegründet. INOGATE war eines der am längsten laufenden Programme zur technischen Unterstützung der Energieversorgung durch die EU, das bis 2016 andauerte. Im Rahmen dieses Programmes ging es vor allem um Öl- und Gaspipelines von und durch Osteuropa und den Kaukasus Richtung EU unter Umgehung Russlands.922 Im Interview mit dem Verfasser dieser Arbeit, hebt Uwe Halbach vor, dass die EU in seinem Nachbarschaftsraum an Stabilität und Konfliktregulierung interessiert ist.923 Außerdem „[…] gibt es ein gewisses geoökonomisches Interesse natürlich an den Energiequellen des kaspischen Raums, da kommt Aserbaidschan ins Spiel, aber eben auch Georgien als Transitland, insofern ist die EU dann interessiert, dass in dieser Region nicht wieder neue Kriege um ungelöste Territorialkonflikte ausbrechen.“924 Weiter führt er aus, dass die EU zweierlei Interessen im ÖP-Region, darunter auch im Südkaukasus, verfolgt: „Einmal Interesse an friedlicher Entwicklung an diesen Regionen, zum anderen auch Interesse daran, dass in den Regionen selber Zusammenarbeit zwischen den Staaten stattfindet. In beiderlei Hinsicht ist der Bergkarabach-Konflikt ein erheblicherer Störfaktor. Er bedroht den Frieden in der Gesamtregion Südkaukasus und er ist auch der Hauptfaktor dafür, dass der Südkaukasus nicht wirklich die Landbrücke ist, als die sie immer wieder dargestellt wird, oder wie der Frederik Star sagte, der ‚Kontinentale Suez-Kanal‘ zwischen Europa und Eurasien. Zu diesem Bild passt eben nicht, dass zum Beispiel die beiden längsten Landgrenzen geschlossen sind, nämlich die zwischen Armenien und Aserbaidschan und die zwischen der Türkei und Armenien. Dazu passt es nicht, dass da eine Waffenstillstandslinie ist, die ‚line of contact‘, die fast 920 921 922 923 924

Tiberghien-Declerck, Christine: London 2001, S. 71. Mehr zu TRACECA unter: www.traceca-org.org Mehr zu INOGATE unter: www.inogate.org Siehe Interview mit Dr. Uwe Halbach im Anhang dieser Arbeit. Siehe Interview mit Dr. Uwe Halbach im Anhang dieser Arbeit. 233

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wie ein Schützengraben im Ersten Weltkrieg aussieht, dass passt nicht zu diesem Bild der Landbrücke, an dem die EU eigentlich interessiert ist. Insofern ist der Bergkarabach-Konflikt eines der wichtigsten Themen für den Blick Europas auf den Südkaukasus.“925 Mit dem 2009 begonnenen ÖP-Programm zielt die EU darauf ab, diese Staaten in ihrem postsowjetischen Transformationsprozess weiter zu unterstützen sowie ihnen zu zeigen, dass sie auch ohne eigentliche EU-Mitgliedschaft ähnliche Wohlstands- und Demokratieniveaus wie innerhalb der Union erreichen können, um so den Erweiterungsdruck für die EU zu mindern926 und eine „Expansion ohne Erweiterung“ der EU zu erreichen.927 Das strategische Interesse der EU hinsichtlich der ÖP liegt darin, stabile, demokratische, wirtschaftlich erfolgreiche Staaten in der Nachbarschaft zu fördern, um einen „circle of friends“ um die Außengrenzen herum zu schaffen. Das betont auch der Bericht der deutschen Ratspräsidentschaft von 2007 zu den Fortschritten der ENP: „Politische Instabilität und schlechte Staatsführung in unseren Nachbarländern können auch negative Auswirkungen auf die EU haben.“928 Der Bericht erwähnt aber ebenfalls die weiteren konkreten Ziele der EU in ihrer Nachbarschaft, denn „unsere Sicherheit und unser Wohlstand [stehen] zunehmend unter dem Einfluss von Faktoren wie beispielsweise den Gefahren für Europas Energiesicherheit, Umweltrisiken und der wachsenden illegalen Zuwanderung“929. Ersteres muss als primäres Ziel Europas speziell im Südkaukasus verstanden werden. Angesichts der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen und des immer wieder angespannten Verhältnisses mit Moskau hat die EU ein zentrales Anliegen bezogen auf die Energiesicherheitsstrategie und Diversifizierung ihrer Gasimporte.930 Eine ganz wichtige Rolle hierfür spielen Aserbaidschan und Georgien, denn der europäische Plan besagt, dass der so genannte Südliche (Pipeline) Korridor geschaffen werden muss, durch den Gas aus dem Kaspischen Becken, also

925 Siehe Interview mit Dr. Uwe Halbach im Anhang dieser Arbeit. 926 Vgl. Böttger, Karin: Die Entstehung der Europäischen Nachbarschaftspolitik. Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010. 927 Vgl. Vobrua, Georg: Expansion ohne Erweiterung. Die EU-Nachbarschaftspolitik in der Dynamik Europas, in: Osteuropa No. 2/3, 2007, S. 7–20. 928 Rat der Europäischen Union: Stärkung der Europäischen Nachbarschaftspolitik – Fortschrittsbericht des Vorsitzes. No.10874, 15.06.2007, S. 2. 929 Ebd. 930 Vgl. Europäische Kommission: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung, COM/2014/0330.

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aus Kasachstan, Turkmenistan und Aserbaidschan, durch Georgien und dann das Schwarze Meer beziehungsweise die Türkei nach Europa gelangt. Konkret haben mehrere europäische Staaten mit der aserbaidschanischen Regierung einen 25-Jahres-Vertrag geschlossen, demgemäß ab 2020 Gas aus dem Entwicklungsfeld Shah-Deniz 2 vor der aserbaidschanischen Küste nach Europa kommen soll. Im Sommer 2016 unterzeichneten Italien, Griechenland und Albanien mit den Transitländern Georgien und Türkei eine Einigung über den Baubeginn der TAP-Gaspipeline, die die Verbindung zur türkischen TANAP und Südkaukasus­ pipeline (BTE-Gaspipeline) schaffen soll, um Gas aus Shah-Deniz 2 nach Südeuropa zu bringen.931 Das Gesamtvolumen der Lieferungen aus Aserbaidschan ab 2020 wird zunächst 10 Mrd. m3 pro Jahr betragen, bei europäischen Gesamtimporten in Höhe von 345 Mrd. m3 im Jahr (2015).932 Das ist zunächst natürlich nur ein sehr kleiner Anteil, kann aber möglicherweise mit der Entwicklung der dritten Phase des Shah-Deniz-Gasfelds etwas gesteigert werden. Außerdem besteht die Überlegung, mittelfristig über Aserbaidschan und den Südlichen Korridor Energie aus Zentralasien zu beziehen, wo die EU bereits Absichtserklärungen (Memoranda of Understanding) mit Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan unterzeichnet hat.933 Zumindest zu Turkmenistan muss allerdings gesagt werden, dass sich das Land zuletzt ziemlich klar Richtung Osten, also zu Energieabnehmern wie China, aber auch zu Indien orientiert hat. Langfristig, das heißt, wenn die politischen Konflikte in und mit dem Iran und dem Irak gelöst worden sind, könnte die Infrastruktur des Südlichen Korridors auch für Energielieferungen aus den großen Ressourcen dieser beiden Staaten nach Europa genutzt werden.934 Die europäischen Versuche, mit der ÖP politischen und wirtschaftlichen Einfluss im postsowjetischen Raum auszuüben, und der Versuch,

931 Vgl. Euronews: Leaders sign off on pipeline to bring gas from Azerbaijan to Europe, in: Euronews.com 17.05.2016. Unter: http://www.euronews.com/2016/05/17/leaderssign-off-on-pipeline-to-bring-gas-from-azerbaijan-to-europe, abgerufen: 15.09.2017. 932 Rzayeva, Gulmira: The Outlook for Azerbaijani Gas Supplies to Europe: Challenges and Perspectives, in: The Oxford Institute for Energy Studies, 6/2015, Paper NG 97, S. 30 f. und S. 70. Unter: https://www.oxfordenergy.org/wpcms/wp-content/uploads/2015/06/ NG-97.pdf, abgerufen:15.09.2017. 933 Vgl. Europäische Kommission: Information on Supplier countries. Unter: https://ec. europa.eu/energy/en/topics/imports-and-secure-supplies/supplier-countries, abgerufen: 15.09.2017. 934 Vgl. Chyong, Chi-Kong/Slavkova, Louisa/Tcherneva, Vessela: Europe’s alternatives to Russian gas. Commentary, European Council on Foreign Affairs 09.04.2015. Unter: http://www.ecfr.eu/article/commentary_europes_alternatives_to_russian_gas311666, abgerufen: 15.09.2017. 235

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sich von der Abhängigkeit russischer Energielieferungen zu befreien, werden in Moskau naturgemäß kritisch gesehen. Während nämlich frühere EU-Initiativen und ENP-Aktionspläne einen sanften, beratenden Charakter hatten und nicht im Widerspruch zu Verträgen und Abmachungen innerhalb der GUS standen, streben die umfassenden, auch rechtlichen Rahmenwerke der ÖP eine Angleichung der Gesetze in den ÖP-Staaten an europäische Standards an.935 Dieser Schritt von weichen Abmachungen zu harten Gesetzesänderungen signalisierte Moskau eine Einbindung dieser Länder in die EU-Einflusssphäre. Das wiederum bedeutet für Russland einen Verstoß gegen die implizite Abmachung mit der EU, dass diese keine dominante Rolle im postsowjetischen Raum suchen würde.936 Mit dem Konflikt zwischen Georgien und Russland, der seinen Höhepunkt im Augustkrieg 2008 fand, und spätestens mit dem Ausbruch des Konflikts in der Ost­ ukraine wurde aber offensichtlich, dass Russland seine Einflusssphäre nicht tatenlos dem Westen überlassen würde. Nachdem sicherheitspolitischen Erwägungen der EU im Südkaukasus lange Zeit kaum Priorität eingeräumt wurde und der Fokus klar auf Energieressourcen lag,937 haben diese Konflikte gezeigt, welche entscheidende Rolle die schwelenden – „eingefrorenen“ – Konflikte der Region spielen. Auch im Konflikt um Bergkarabach treffen russische und europäische Interessen aufeinander. Bis zur Formulierung ihrer Nachbarschaftspolitik hielt sich die EU ganz aus dem Bergkarabach-Konflikt heraus und überließ die Bearbeitung anderen Akteuren und internationalen Organisationen, wie der UN, dem Europarat und vor allem der OSZE.938 Die EU setzte ihren Schwerpunkt verständlicherweise auf die Sezessionskonflikte in ihrer direkten Nachbarschaft, in Transnistrien und vor allem auf dem Balkan, insbesondere im Kosovo, die eine Quelle von illegaler Migration und organisierter Kriminalität für EU-Staaten bildeten. Im Rahmen der ENP-­ Aktionspläne Armeniens und Aserbaidschans 2007/2008 bestand dann erstmals

935 Vgl. Dragneva, Rilka Wolczuk, Kataryna (Hrsg.): Eurasian Economic Integration: Law, Policy and Politics. Edward Elgar Publishing 2013, S. 190. 936 Vgl. Zagorski, Andrei: Eastern Partnership from the Russian Perspective, in: Friedrich-Ebert-Stiftung, IPG Journal 3/2011. 937 Vgl. Meister, Stefan: Die EU-Politik im Kaukasus muss auf den Prüfstand, in: DGAP 24.10.2012. Unter: https://dgap.org/de/think-tank/publikationen/fuenf-fragen/die-eupolitik-im-kaukasus-muss-auf-den-pr%C3%BCfstand, abgerufen: 15.09.2017. 938 Vgl. Jahn, Egbert: Optionen für die Politik der EU gegenüber Aserbaidschan, Armenien und dem De-facto-Staat Bergkarabach, in: Erich Reiter (Hrsg.): Der Krieg um Bergkarabach. Wien, Böhlau Verlag 2009, S. 257.

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die klare europäische Aufforderung zu einer friedlichen Konfliktlösung.939 Die EU sieht den Bergkarabach-Konflikt als ernsthaftes „Hindernis für die Entwicklung […] der Region“940. Der Konflikt bildet das Haupthindernis für eine regionale Kooperation, denn nichts lässt sich regional gemeinsam umsetzen, wenn zwei von drei Staaten der Region Krieg miteinander führen. Abgesehen von einer Konfliktlösung als Hilfestellung für die Staaten vor Ort, was schon im Vertrag von Maastricht als eines der außenpolitischen Ziele der EU definiert wurde, würde gerade ein erneuter Ausbruch eines „heißen“ Kriegs um Bergkarabach konkrete Interessen Europas bedrohen. Zum einen würde er den Südlichen Gaskorridor und die Bemühungen um eine Diversifizierung der Gaslieferungen nach Europa ernsthaft gefährden und zum anderen die damit einhergehende humanitäre Krise einen weiteren Flüchtlingsstrom Richtung Europa auslösen, was für die EU unter dem Druck der aktuellen Flüchtlingssituation unbedingt zu verhindern ist.941 Grundsätzlich fußt die EU-Linie in den Sezessionskonflikten im post-sowjetischen Raum auf der völkerrechtlich anerkannten territorialen Integrität der Ukraine (im Lugansk-Donezk-Konflikt), Georgiens (im Konflikt um Abchasien und Südossetien) und Aserbaidschans (im Konflikt um Bergkarabach). Ebenso führt für die EU jedoch kein Weg an einer friedlichen Konfliktlösung vorbei und sie betont das Selbstbestimmungsrecht der Völker und somit wird die De-facto-Staatlichkeit Bergkarabachs zumindest geduldet und in Lösungsüberlegungen einbezogen.942 Im Fall der Ukraine und Georgiens fällt der EU die Positionierung für deren territoriale Integrität leicht, weil der Konflikt zwischen einem anerkannten Partnerstaat und einer nichtstaatlichen Unabhängigkeitsbewegung besteht. Im Fall Bergkarabachs allerdings liegt der Konflikt zwischen zwei anerkannten Partnerstaaten der EU, Armenien und Aserbaidschan, sowie einem nichtanerkannten Staatsgebilde vor.943 Das macht das Einnehmen einer klaren Position sehr schwierig, da die EU zu beiden Staaten gute Beziehungen pflegen möchte. Dieses Dilemma wurde auch 939 Vgl. Halbach, Uwe: Der Konflikt um Bergkarabach – Besonderheiten und Akteure, in: Erich Reiter (Hrsg.): Der Krieg um Bergkarabach. Wien, Böhlau Verlag 2009, S. 257. 940 Europäische Kommission: Mitteilung an den Rat: ENP: Empfehlungen für Armenien, Aserbaidschan und Georgien sowie für Ägypten und Libanon. Brüssel 2005, S. 4. 941 Vgl. Paul, Amanda/Sammut, Dennis: Nagorno-Karabakh and the arc of crises on Europe’s borders, in: Policy Brief, European Policy Centre 03.02.2016. Unter: http://aei. pitt.edu/71652/1/pub_6287_nagornokarabakh_and_the_arc_of_crises_on_europe_s _borders.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 942 Vgl. Jahn, Egbert: Wien, Böhlau Verlag 2009, S. 279. 943 Vgl. Popescu, Nicu: EU Foreign Policy and Post-Soviet Conflicts. Stealth Intervention, London and New York, Routledge 2011, S. 104. 237

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in den Aktionsplänen der Nachbarschaftspolitik deutlich. Während der Fokus des armenischen Aktionsplans auf dem Selbstbestimmungsrecht der Völker lag, fokussierte der aserbaidschanische Aktionsplan auf die Sicherstellung territorialer Integrität. Das Problem, das hier deutlich wird, besteht darin, dass die EU kein klares Konzept zum Umgang mit Sezessionskonflikten hat. Das ÖP-Programm war nie als Beitrag zur Lösung dieser angedacht.944 Nicht nur deshalb überlässt die EU die Verhandlungen auf politischer Ebene der OSZE und konzentriert sich verstärkt auf die Förderung der Annäherung der Zivilgesellschaften der Konfliktparteien, unter anderem durch den „European Partnership for the Peaceful Settlement of the Conflict over Nagorno-Karabakh“ (EPNK). Schwerpunkt dieser Initiative sind vertrauensbildende Maßnahmen kultur- und bildungspolitischer Natur. Der EPNK soll außerdem eine wichtige Rolle in einem Post-Konflikt-Szenario spielen, um die armenischen und aserbaidschanischen Gesellschaften auf ein friedliches Zusammenleben vorzubereiten.945 Ein weiterer Grund, warum die EU keine klare Stellung im Konflikt um Bergkarabach bezieht, liegt darin, dass deutliche Aussagen Brüssel in die Lage bringen könnten, diese Prinzipien an irgendeinem Punkt mit Waffengewalt durchsetzen zu müssen, um ernst genommen zu werden. Die EU ist allerdings gar nicht bemüht, militärisch in irgendwelche Konflikte in der Region einzugreifen, unter anderem, weil man so militärische Auseinandersetzungen mit den anderen Interessierten, externen Mächten der Region, namentlich Russland, Iran und der Türkei, riskieren würde. „And Brussels certainly does not want to do that over an issue that it deems to be of secondary importance to EU interests.“946

944 Vgl. Stratenschulte, Eckart: Lösungsansätze für Berg-Karabach im Rahmen der Östlichen Partnerschaft der EU, in: Soghomonyan, Vahram (Hrsg.): Lösungsansätze für Bergkarabach/Arzach. Selbstbestimmung und der Weg zur Anerkennung. Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 113. 945 Vgl. Conciliation Resources: EU partnership launches new website on Nagorno-Karabakh peacebuilding. November 2013. Unter: http://www.c-r.org/news-and-views/news/ eu-partnership-launches-new-website-nagorno-karabakh-peacebuilding, abgerufen: 15.09.2017. Dazu ausführlich auf der offiziellen Webseite der EPNK: www.epnk.org, abgerufen: 15.09.2017. 946 Panorama.am: Interview mit Philip Siegert, Wissenschaftler am Hungarian Institute of International Affairs. Philip Siegert on interest which Nagorno-Karabakh conflict presents for Europe. 16.09.2013. Unter: http://www.panorama.am/en/news/2013/09/16/ siegert/443355, abgerufen: 15.09.2017.

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4.4.2 Positionen von Frankreich, Deutschland und Großbritannien Ein Großteil der Interessen und Werkzeuge Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands im Südkaukasus überschneiden sich natürlich mit denen der Union, die sie dominieren. Trotzdem gibt es Besonderheiten im Verhältnis mit den südkaukasischen Staaten, die leichte Unterschiede im Umgang mit der Region begründen. Frankreich: Die französischen Interessen im Südkaukasus ähneln denen der EU, wenn es um generelle Stabilität und Energiesicherheit geht. Französische Energiefirmen wie TOTAL sind insbesondere in Aserbaidschan aktiv und das französisch-aserbaidschanische Handelsvolumen ist mit 887 Mio. Euro (2015) beachtenswert im Vergleich mit dem französisch-armenischen Handelsvolumen von nur 42,5 Mio. Euro (2015)947. Trotzdem unterscheidet sich Frankreichs Rolle von der anderer EU-Staaten darin, dass sehr enge Beziehungen zu Armenien oder vielmehr den Armeniern an sich gepflegt werden. Spätestens seit dem osmanischen Völkermord an den Armeniern, als vielen von ihnen in Frankreich ein sicherer Zufluchtsort gegeben wurde und Frankreich sogar aktiv an Befreiungsaktionen beteiligt war, ist das französisch-armenische Verhältnis sehr eng. Bis heute leben fast eine halbe Million Armenier in Frankreich, manche beziffern die Zahl sogar bis auf 750.000948, die vor allem in den Großstädten Paris, Lyon, Marseille konzentriert sind. Die meisten sind Nachfahren der ca. 58.000 Armenier, die Frankreich nach dem Völkermord in den 1920er Jahren als Flüchtlinge aufgenommen hat, die heute einen gut integrierten Bestandteil des französischen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Lebens bilden.949 Bereits im Jahr 2001 wurden die Verbrechen an den Armeniern im Osmanischen Reich in Frankreich per Gesetz als Völkermord eingestuft und das Jahr 2006 wurde in Frankreich zum Jahr der Armenier ausgerufen. Das beeinflusst natürlich auch die Politik. Im Vorlauf der französischen Präsidentschaftswahlen 2012 war 947 Vgl. France Diplomatie: France and Azerbaijan, economic relations. Unter: https:// www.diplomatie. gouv.fr/en/country-files/azerbaijan/france-and-azerbaijan/, abgerufen: 15.09.2017; France and Armenia, economic relations. Unter: https://www.diplomatie. gouv.fr/en/country-files/armenia/france-and-armenia/, abgerufen: 15.09.2017. 948 Vgl. Taylor, Tony: Denial: history betrayed. Carlton, Victoria, Melbourne University Publishing 2008, S. 4. 949 Vgl. Krause, Suzanne: Armenier in Frankreich. Die Kindeskinder der Überlebenden, in: Deutschlandfunk Kultur 23.04.2015. Unter: http://www.deutschlandfunkkultur.de/ armenier-in-frankreich-die-kindeskinder-der-ueberlebenden.2165.de.html?dram:article_id=317894, abgerufen: 15.09.2015. 239

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der damalige Präsident Nicolas Sarkozy unter anderem in Armenien, um in der in Frankreich lebenden armenischen Diaspora Sympathien zu gewinnen.950 Ein weiterer Grund für den damaligen Besuch lag in einer Erinnerung daran, dass Frankreich der wichtigste Vermittler im Russisch-Georgischen Krieg um Südossetien 2008 war.951 Der Südkaukasus ist eine Region, in der Frankreich seine geopolitische Macht zeigen kann, weil sich die anderen westlichen Mächte nur bedingt dafür interessieren. Im Konflikt um Bergkarabach ist Frankreich außerdem als einziger europäischer Staat in einer formidablen institutionellen Rolle tatsächlicher Vermittlungsmacht: Als einer von drei Ko-Vorsitzenden der OSZE Minsker Gruppe hat Frankreich im Konflikt die einflussreichste Position aller EU-Staaten. Allerdings wird ihm hier auch seine enge Beziehung mit Armenien zum Verhängnis. Paris stand im Krieg der 1990er Jahre explizit auf armenischer Seite und Aserbaidschan erkannte nachvollziehbarerweise Frankreichs Neutralität in der Konfliktvermittlung nicht an.952 Bestätigt fühlte sich Baku in den letzten Jahren zum Beispiel durch eine Telefon-Hilfsaktion der französischen Filiale der Allarmenischen Stiftung Hajastan 2015, bei der Gelder für den Aufbau von Gemeindezentren in Bergkarabach gesammelt wurden und die unter der Schirmherrschaft der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo stand.953 In 2013 gründeten französische Abgeordnete und Prominente aus der Politik und Wirtschaft die „Freundschaftsgruppe Frankreich-Arzach“954, um wirtschaftspolitische Beziehungen zu intensivieren, sowie einige französische Städte haben Partnerschaftsabkommen mit Städten und Gemeinden in Bergkarabach geschlossen.955 Auch deshalb gibt es Stimmen, nicht nur aus Aserbaidschan, die einen gemeinsamen EU-Ko-Vorsitz in der Minsker Gruppe für sinnvoller halten als einen einzelnen französischen Ko-Vorsitz. Der Vorschlag, der immer wieder einmal im 950 Vgl. Stratfor Analysis: France’s Sarkozy Visits the Caucasus, 07.10.2011. Unter: https:// www.stratfor. com/analysis/frances-sarkozy-visits-caucasus?utm_medium=affiliate&utm_source=pepperjam&utm_campaign=47736, abgerufen: 15.09.2017. 951 Vgl. ebd. 952 Vgl. Bischof, Henrik: Friedrich-Ebert-Stiftung, Politikinformation Osteuropa, 8/1997. 953 Vgl. Khidayatova, Anakhanum: France supports Azerbaijan on Nagorno-Karabakh issue, in: Trend News Agency 19.11.2015. Unter: http://en.trend.az/azerbaijan/karabakh/2458688.html, abgerufen: 15.09.2017. 954 Asbarez: France-Artsakh Friendship Group Established, in: Asbarez.com 20.03.2013. Unter: http://asbarez.com/108868/france-artsakh-friendship-group-established/, abgerufen: 15.09.2015. 955 Vgl. Shirinov, Rashid: French MP urges to condemn local authorities’ relations with occupied city of Azerbaijan, in: Azernews.az 13.05.2016. Unter: https://www.azernews. az/aggression/96519.html, abgerufen: 15.09.2017.

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Raum steht, diesen Ko-Vorsitz umzuwidmen, scheitert aber erwartungsgemäß am französischen Widerspruch.956 Eines steht für Frankreich fest, wie es auch Präsident Francois Hollande immer wieder bekräftigt: „Der Status quo ist nicht nachhaltig.“957 Großbritannien: Während Frankreich historisch gute, enge Beziehungen zu Armenien attestiert werden, gehört Großbritannien zu den wichtigsten europäischen Partnern Aserbaidschans. Traditionell aktiv auf dem Gebiet der Ölförderung, zählten britische Energieunternehmen zu den ersten Investoren im Land nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Der so genannte „Jahrhundertvertrag“ zwischen der aserbaidschanischen Regierung und BP im Jahr 1994 katapultierte Aserbaidschan in einen mehrjährigen Ölboom, der einen gewissen Wohlstand ins Land gebracht hat. Großbritannien beschränkt sich aber nicht nur auf die natürlichen Ressourcen Aserbaidschans, sondern investiert auch kräftig in Handel und Dienstleistungen. Etwa die Hälfte aller ausländischen Direktinvestitionen in Aserbaidschan stammen aus dem Vereinigten Königreich.958 Zur großen Enttäuschung Bakus übersetzt sich dieses wirtschaftliche Interesse Großbritanniens allerdings kaum in (geo)politisches Interesse. Londons Ziele in der Region sind die alleuropäischen von einer Eingliederung in Euro-Atlantische Bündnisse, der Förderung der Akzeptanz des Wertesystems Europas und die Lösung der territorialen Konflikte, einschließlich desjenigen um Bergkarabach. Hier allerdings weigert sich Großbritannien, eine Rolle jenseits der Unterstützung für die Minsker Gruppe einzunehmen. London hat ähnlich wie die EU im Allgemeinen kein Interesse daran, sich stärker in der Region zu engagieren oder gar für eine Seite in dem Konflikt Partei zu ergreifen.959 Deutschland: Wenn Frankreich Armenien und Großbritannien zumindest wirtschaftlich Aserbaidschan nahesteht, dann ist Deutschlands engster Verbündeter im 956 Vgl. Panorama.am: Interview mit Philip Siegert. 957 Euractiv: France hosts Armenia-Azerbaijan summit over Nagorno-Karabakh, in: Euractiv.com 28.10.2014. Unter: http://www.euractiv.com/section/global-europe/ news/france-hosts-armenia-azerbaijan-summit-over-nagorno-karabakh/, abgerufen: 15.09.2017. 958 Vgl. Mehdijev, E.: British ambassador believes trade and investment as best ways of bringing UK and Azerbaijan together, in: Trend News Agency 25.11.2011. Unter: https:// en.trend.az/azerbaijan/1961882.html, abgerufen: 15.09.2017. 959 Lidington, David Minister für Europaangelegenheiten, in: Matthew Willis, Shaping the Policy Agenda. British-Azerbaijani Relations in the Context of Europe, in: RUSI Conference Report, Royal United Services Institute, 3/2014. 241

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Südkaukasus Georgien. Die Bundesrepublik war das erste Land, das die georgische Unabhängigkeit von der Sowjetunion anerkannte, und der ehemalige georgische Präsident Eduard Schewardnadse spielte als sowjetischer Außenminister eine wichtige, positive Rolle bei der deutschen Wiedervereinigung. Jenseits der guten Beziehungen mit Georgien sieht Deutschland als eine der weltweit führenden Wirtschaftsmächte auch die hohe ökonomische Bedeutung des schmalen Landkorridors, den die südkaukasischen Staaten zwischen Russland und dem Iran bilden; über ihn können die schon mehrfach erwähnten umfangreichen Energieressourcen des Kaspischen Beckens nach Westen abgeführt werden, ohne dass Moskau oder Teheran die Kontrolle darüber bekäme. Außerdem soll über den Eisenbahnkorridor Südkaukasus (Baku – Tbilisi – Akhalkalaki – Kars) der Handel zwischen Europa und China weiter gesteigert werden. Im Konflikt um Bergkarabach hat sich Deutschland lange zurückgehalten, aber mit der wachsenden internen und externen Akzeptanz seiner Rolle als Führungsmacht Europas will Berlin auch in diesem Konflikt in der europäischen Nachbarschaft sein Profil schärfen. Die Lösung der territorialen Konflikte in den ÖP-Staaten wurde ebenso zum zentralen Thema des deutschen OSZE-Vorsitzes 2016 erhoben. Bereits 2015 scheint Deutschland eine Initiative für einen Friedensplan für Bergkarabach gestartet zu haben, die dann aber nicht weiter verfolgt wurde.960 Die Lösung des Konflikts um Bergkarabach wäre ein wichtiger diplomatischer Erfolg für ein krisengeschütteltes Europa und seine Führungsmacht Deutschland.961 Die Armenien-Resolution des deutschen Bundestags von 2015, die später im Sommer 2016 erstmals auf so hoher Ebene in Deutschland die Massaker an Armeniern im Osmanischen Reich zum Ende des Ersten Weltkriegs als Völkermord benennt, zeigt, dass sich Deutschland zwar scheut, aber nicht weigert, klare Aussagen zu machen, auch wenn es die auswärtigen Beziehungen, in diesem Fall mit der Türkei und Aserbaidschan, belastet.

960 Vgl. Gotev, Georgi: Interview with expert Amanda Paul, in: Euractiv 04.05.2016. Unter: https://www.euractiv.com/section/europe-s-east/interview/analyst-germany-has-ideas-for-solving-the-nagorno-karabakh-conflict/, abgerufen: 15.09.2017. 961 Vgl. Troianovski, Anton: Germany Steps Up Effort to Resolve Conflict in Nagorno-­ Karabakh, in: Wall Street Journal 07.04.2016. Unter: http://www.wsj.com/articles/ germany-steps-up-effort-to-resolve-conflict-in-nagorno-karabakh-1460046892, abgerufen: 15.09.2017.

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4.4.3 Die Anerkennung von Kosovo und die EU-Aktivitäten im Bergkarabach-Konflikt Mit der quantitativ hohen Zahl der anerkennenden Staaten des Kosovo seit 2008 (mittlerweile etwa 110 von insgesamt 193 Staaten der VN) kam ein neuer Impuls in die Debatte um die Zukunft von Bergkarabach – zumindest aus armenischer Sicht. Diese betont die Gemeinsamkeiten zwischen Kosovo und Bergkarabach. Beide waren autonome Gebiete innerhalb föderaler Subjekte eines kommunistischen Staatenzusammenschlusses, Bergkarabach in der Aserbaidschanischen Sowjet­ republik und Kosovo innerhalb Serbiens als Teil der Jugoslawischen Föderation. In beiden Fällen kam es nach dem Zusammenbruch der Union zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, in denen die Karabacher beziehungsweise Kosovaren um ihre Selbstbestimmung kämpften. Für die Armenier ist der Kosovo auch ein Paradebeispiel dafür, dass die Lösung eines solchen Konflikts vor allem durch die Unabhängigkeit des umstrittenen Gebiets zu erreichen ist.962 Die aserbaidschanische Seite betont die Unterschiede zwischen dem Kosovo und Bergkarabach. So war der Konflikt zwischen Kosovaren und Serben immer ein innerstaatlicher, Albanien griff nur sehr bedingt (logistisch) ein. Im Bergkarabach-Krieg stand Armenien hingegen vollständig hinter Bergkarabach. Unter anderem durch die fehlende albanische Unterstützung war der Kosovo Serbien auch viel klarer unterlegen als die Karabach-Armenier Aserbaidschan, was letztlich ein wichtiger Faktor für den Einsatz der NATO wurde. Dieser Eingriff der internatio­ nalen Gemeinschaft wird wiederum von ihr als tautologische Rechtfertigung für den Doppelstandard ihrer Anerkennungspraxis vorgebracht: Bei einem Besuch in Armenien darauf angesprochen, äußerte der damalige EU-Sondergesandte für den Südkaukasus, Peter Semneby, dass der Unabhängigkeitsprozess im Kosovo von der VN angestoßen wurde, was in Bergkarabach (bisher) nicht der Fall ist. Aserbaidschan wird so natürlich alles andere als ermutigt, einer internationalen Friedensmission in Bergkarabach zuzustimmen, weil das im Fall des Kosovo den direkten Weg in die Unabhängigkeit des umstrittenen Gebiets darstellte.963 Aber auch hier will sich die EU nicht festlegen. Aus Sicht Brüssels sollte die Unabhängigkeit des Kosovo auf keinen Fall ein Präzedenzfall für irgendetwas sein, weder in die eine noch in die andere Richtung, wie Semneby sagt: „Alle Lösungen zu jedem Konflikt müssen zwar im Bereich des

962 Vgl. Jahn, Egbert: Wien, Böhlau Verlag 2009, S. 113. 963 Vgl. Popescu, Nico: European Foreign Affairs Review No. 14, 2009, S. 457–477. 243

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Völkerrechts gefunden werden, neben der gemeinsamen Völkerrechtsbasis weist aber jede einzelne Konfliktsituation ihre Einmaligkeit auf.“964 Ein solcher Umgang mit der Anerkennung von Staaten bestätigt die wahrgenommene Willkür der westlichen Führungsmächte im Umgang mit dem Völkerrecht, getreu dem Motto: legal, wenn es uns passt, illegal, wenn es uns nicht passt, und macht die internationale Gemeinschaft unglaubwürdig. So hat sich Russland als Reaktion auf den Umgang mit dem Kosovo dann auch nicht nur ermächtigt gefühlt, in der Abchasien- und Südossetien-Frage ebenfalls eigenmächtig zu handeln, sondern – noch entscheidender – sich erneut bestätigt gesehen, dass dem Westen nicht zu trauen sei und dass man in Zukunft keine eigenen Verbündeten (im Kosovo-Fall Serbien) vom „Westen“ erniedrigen lassen wird.965 Die Konfliktlösungsstrategie der EU in Bergkarabach deckt sich weitestgehend mit den Basisprinzipien, die die internationale Gemeinschaft, repräsentiert durch die Minsker Gruppe der OSZE, verfolgt. Die Elemente dieser Lösungsstrategie, auf die sich die armenische und aserbaidschanische Seite zumindest theoretisch schon größtenteils geeinigt haben, umfassen die Rückgabe der Gebiete, die Bergkarabach umgeben, an Aserbaidschan, einen Landkorridor, der Bergkarabach mit Armenien verbindet, einen Übergangsstatus für Bergkarabach einschließlich Sicherheits- und Selbstverwaltungsgarantien, eine dann folgende Bestimmung des finalen rechtlichen Status Bergkarabachs, die Rückkehr aller Flüchtlinge an ihre ursprünglichen Wohnorte sowie internationale Sicherheitsgarantien und eine Friedensmission zur Stabilisierung und Überwachung der Lage. Eigene Initiativen der EU, die von diesem Plan abweichen oder einzelne Schritte umzusetzen versuchen, sind sehr verhalten, da die EU der Minsker Gruppe ihre Rolle nicht streitig machen will. Vorschläge für eine Schutztruppe, ähnlich der KFOR im Kosovo, hat die EU zurückgewiesen – wohl auch wieder, um nicht in militärische Konflikte, vor allem mit Russland, verwickelt zu werden.966 Egbert Jahn sieht eine Kompromisslösung in Bergkarabach so weit entfernt, dass sich die EU nur darauf beschränken kann, mittelfristig ein kompromissbereites Umfeld zu schaffen. Dazu gehören die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung, die Integration der Flüchtlinge beider Seiten, die Stärkung von Demokratie 964 Sputniknews: EU-Sondergesandter für Südkaukasus: Kosovo-Problem bleibt einzigartig, in: RIA Novosti Nachrichtenagentur über Sputnik-News 18.12.2006. Unter: https:// de.sputniknews.com/politik/2006121857078409/, abgerufen: 15.09.2017. 965 Vgl. Schorkowitz, Dittmar: Der „Gordische Knoten“ Kaukasiens – Acht Monate für die OSZE in Berg-Karabach, in: Deutsch-Armenische Gesellschaft (DAG) 1999. Unter: http://www.deutscharmenischegesellschaft.de/materialien/berg-karabach-kaukasus/ der-gordische-knoten-kaukasiens/, abgerufen: 15.09.2017. 966 Vgl. Popescu, Nico: European Foreign Affairs Review, No. 14, 2009, S. 457–477.

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und Rechtsstaatlichkeit, der Aufbau der Zivilgesellschaft, aber vor allem auch die Ermutigung zu Treffen auf allen Ebenen zwischen den Konfliktparteien, auch unter Einbeziehung der Bevölkerung.967 In dieser Richtung ist die EU stark engagiert und versucht Einfluss zu nehmen mit der „Durchdringung der Forschungs- und Medienlandschaft durch Seminare, Konferenzen, Austausch, Förderung der Universitäten etc.“968. Eine der vielversprechendsten Initiativen der EU in diesem Bereich sind vertrauensbildende Maßnahmen im Rahmen der oben bereits erwähnten EPNK. Hier ist die EU im zivilgesellschaftlichen Bereich sehr aktiv, um Kommunikation und Verständnis füreinander zu fördern. „There is a clear need to support efforts to prepare the societies for a peaceful settlement; in this regard, the EU has committed funding to civil society projects supporting people-to-people contacts, media development, and public awareness in Armenia and Azerbaijan, including Nagorno-Karabakh.“969

4.4.4 Bewertung der Rolle der EU Insgesamt lässt sich sagen, dass die EU mit ihren Bemühungen um Demokratie und die Förderung der Zivilgesellschaft durchaus eine positive Rolle im Südkaukasus spielt. Auch die Menschen in der Region haben insgesamt eine positive Einstellung zur EU, 52 % der Georgier sehen sie positiv, nur 8 % negativ. In Armenien sind es immerhin 44 % der Bevölkerung, die die EU positiv wahrnehmen, nur 13 % negativ. In Aserbaidschan kennen vor allem in den ländlichen Gebieten viele die EU nicht, so sehen zwar nur 27 % die EU positiv, aber auch nur 11 % negativ.970 Was allerdings den Bergkarabach-Konflikt betrifft, fallen die Einschätzungen verheerend aus. Kritisiert werden zunächst die ständigen Bekundungen der EU und ihrer Mitgliedsregierungen für den Minsker Prozess. Angesichts der offensichtlichen Stagnation dieses Prozesses können folgenlose Unterstützungserklä967 Vgl. Jahn, Egbert: Wien, Böhlau Verlag 2009, S. 269. 968 Stratenschulte, Eckart: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 115. 969 Semneby, Peter: Conflict and Security in Nagorno-Karabakh: What Contribution from the EU? in: Kambeck, Michael/Ghazaryan, Sargis: Europe’s Next Avoidable War. London, Palgrace Macmillan 2013, S. 178. 970 Vgl. EU Neighbours East: Annual Survey report, OPEN Neighbourhood Programme, Communicating for a stronger partnership: connecting with citizens across the Eastern Neigbourhood, 2016. Unter: http://www.euneighbours.eu/en/east/stay-informed/publications/eu-neighbours-east-annual-survey-report-eap-regional-overview, abgerufen: 15.09.2017. 245

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rungen als mutlose Politik auf diesem Gebiet eingeordnet werden971 – auch weil dahinter die Angst steht, durch klare Bekenntnisse im Konflikt die Beziehungen zu mindestens einem der beiden Partner, Armenien oder Aserbaidschan, zu beschädigen.972 Andererseits gibt es gute Gründe dafür, dass die EU so zurückhaltend in den Verhandlungen ist. Die Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe wollen ihr gar keine größere Rolle in den Verhandlungen einräumen973 und dass Alleingänge verschiedener internationaler Akteure den Frieden auch nicht voranbringen, sondern geschlossen operierende internationale Gemeinschaften wünschenswert sind, haben die ersten Jahre der versuchten Konfliktlösung nach dem Waffenstillstand bewiesen, als verschiedene Staaten (u. a. auch der Iran und Kasachstan) versuchten und daran scheiterten, sich als erfolgreiche Vermittler zu profilieren. Von daher gibt es auch kaum eine Möglichkeit, stärker in die Verhandlungen einzugreifen, ohne offen die Relevanz der Minsker Gruppe anzuzweifeln. Das wiederum wäre ein sehr mutiger Schritt, der aber wohlmöglich mehr schaden als nützen würde, weil er die Ko-Vorsitzenden verärgern und den Konfliktparteien Räume zum Lavieren geben würde. Viele Experten schätzen den Einfluss der EU im Konflikt ohnehin als zu gering ein, um entscheidende Durchbrüche zu erzielen, beziehungsweise halten sie den russischen Einfluss in der Region für so stark, dass ohne Moskau eine Konfliktlösung nicht herbeizuführen ist.974 Andererseits hat die EU aber auch immer wieder davor zurückgeschreckt, ein echtes, vor allem verlässliches Gegengewicht zu Russland in der Region zu bilden. „[…] the EU’s feeble security clout in the region makes Brussels a secondary actor at best.“975 So ist auch zu erklären, dass sich Baku und vor allem Jerewan dem russischen Hard-power-Druck größtenteils unterworfen haben.976 Neben Russland hängt der Einfluss der EU auf die Konflikttransformation aber in erster Linie von den Konfliktparteien ab. Ohne deren echten Willen, etwas zu ändern, können von außen nur Anregungen gegeben und Unterstützungsmaßnahmen geleistet werden.977

971 Vgl. Paul, Amanda/Sammut, Dennis: Nagorno-Karabakh and the arc of crises on Europe’s borders, in: Policy Brief, European Policy Centre 03.02.2016. 972 Vgl. Babajew, Aser: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2014, S. 114. 973 Vgl. Jahn, Egbert: Wien, Böhlau Verlag 2009, S. 269. 974 Vgl. ebd. 975 Boonstra, Jos/Delcour, Laure: A broken region: evaluating EU policies in the South Caucasus, in: Cascade Policy Brief, No.193, FRIDE Institute 1/2015, S. 3. 976 Vgl. ebd. 977 Vgl. Jahn, Egbert: Wien, Böhlau Verlag 2009, S. 279.

4.4 Das Engagement der EU und einzelner EU-Staaten

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Die Macht eines externen Akteurs im Konflikt misst sich daran, wie gut er die Akteure in der Region zum Handeln in seinem Interesse bewegen kann. Hier liegt allerdings ein großes Problem der Östlichen Partnerschaftsinitiative der EU. Das größte Zuckerbrot, das die EU in der Hand hält, ist eine EU-Beitrittsperspektive. Die Aussicht auf einen EU-Beitritt könnte die Konfliktparteien einschließlich der Bevölkerungen in Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach dazu bewegen, schwere Kompromisse einzugehen.978 Diese allerdings gibt es in der ÖP explizit nicht. Die Anreize, die für die Partnerstaaten in der Region über die ÖP bestehen, wie ein verbesserter EU-Marktzugang, Visaerleichterungen und politische Annäherung, sind eher vage und mittel- oder langfristig. Es ist fraglich, wie attraktiv diese ausfallen, um die Staaten zu schweren Schritten zu bewegen, wie es etwa Kompromisse in einem nationalistisch geführten Konflikt sind.979 Handel- und Visaerleichterungen haben sich im Fall Georgiens als großer Anreiz zur Reform herausgestellt, allerdings hat Tbilisi durch den Bruch mit Moskau eine als praktisch unumkehrbar geltende Westorientierung vorgenommen und sich ganz der Annäherung an den Westen verschrieben. Diese Situation unterscheidet Georgien stark von Armenien und Aserbaidschan und folgerichtig entschieden sich beide gegen die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU, obwohl sie für beide Staaten mit der wichtigste Handelspartner ist. Seitdem ist die EU auch in ihrer Selbstwahrnehmung ein wenig einflussreicher Akteur in den beiden Staaten und hat ihre Ambitionen, zur Konfliktlösung und Demokratisierung beizutragen, stark zurückgefahren. Auch weitere Anreize, die der EU im Rahmen der ÖP zur Verfügung stehen, wie die finanzielle und inhaltliche Unterstützung bei Reformvorhaben und zur Modernisierung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, sind in einigen Fällen gar nicht gewollt, da Machthaber von alten Strukturen profitieren.980 Und der ÖPPlan, eine regionale, südkaukaukasische Freihandelszone einzurichten, erweist sich ebenfalls als nur bedingt attraktiv, da das Handelsvolumen der ÖP-Partnerländer untereinander relativ gering ist.981

978 Vgl. Stratenschulte, Eckart: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 94 f.; Jahn, Egbert: Wien, Böhlau Verlag 2009, S. 280. 979 Vgl. Peters, Ketie/Rood, Jan/Gromadzki, Grzegorz: The Eatern Partnership: Towards a New Era of Cooperation between the EU and its Eastern Neighbours? Revised Overview Paper, in: Clingendael European Studies Programme. Den Haag, Clingendael Institute 2009, S. 15. 980 Vgl. Paul, Amanda/Sammut, Dennis: Policy Brief, European Policy Centre 03.02.2016. 981 Vgl. Longhurst, Kerry/Nies, Susanne: Recasting Relations with the Neighbours – Prospects for the Eastern Partnership. Brüssel, IFRI Europe Visions No. 4, 2009. 247

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

Da positive Anreize also schwierig zu vermitteln sind, sieht Ulvi Pepinova eine größere Chance der EU, Einfluss zu nehmen, darin, die negative Konditionalität, also wirtschaftliche oder politische Sanktionen, zu nutzen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat die EU noch keine Einigung mit Drittstaaten als Reaktion auf Verstöße gegen grundsätzliche Normen der Union aufgehoben. Wenn sie Macht ausüben will, ohne auf Waffengewalt zurückzugreifen, scheinen Wirtschaftsreaktionen, die über mündliche Verurteilungen und verschobene Treffen hinausgehen, aber ein probates Mittel.982 Als wichtigster Wirtschaftspartner der Region hat die EU vielfältige Möglichkeiten, per Wirtschaftssanktionen Druck auf die Regierungen in Baku und Jerewan auszuüben. Ein Grund, warum die EU sich selbst nicht in der besten Position sieht, in den Konflikt um Bergkarabach einzugreifen, sind ihre aktuell als belastet empfundenen Beziehungen zu den beiden in den Konflikt involvierten Staaten. Baku fühlt sich ungerecht behandelt, seit die EU 2014 das Vorgehen Russlands auf der Krim als Besetzung verurteilt hat, während sie die Lage in Bergkarabach anders bewertet. Wie schon im Fall des Kosovo macht sie sich mit solchen als Doppelstandards wahrgenommenen Ansichten unglaubwürdig. Außerdem übten viele europäische Politiker seitdem lauthals Kritik an den aserbaidschanischen Präsidentschaftswahlen 2013 und der Verfolgung von Oppositionellen und Journalisten. Baku will sich darüber hinaus nicht mit einem „normalen“ Assoziierungsabkommen zufriedengeben, sondern fordert für das Abkommen den Status einer strategischen Partnerschaft aufgrund der zentralen Rolle, die das Land für die Energiesicherheit Europas spielen soll.983 Für die EU führt allerdings kein Weg dahin, einem der Länder einen wichtigeren offiziellen Status einzuräumen als den anderen. Man kann der EU also durchaus zugutehalten, dass sie trotz ihrer Energieinteressen in Aserbaidschan nicht auf diese Forderungen eingegangen und im Konflikt immer neutral geblieben ist. Zusammengefasst können wir sagen, dass der Status quo aus Sicht der EU einem Kriegsausbruch vor seinen Toren mit tausenden Toten und Verletzen, möglicherweise auch weiteren Flüchtlingen, vorzuziehen ist. Ein wirkliches Interesse am Status quo hat die EU beziehungsweise ihre Mitgliedsstaaten jedoch nicht. Uwe Halbach teilt auch die Meinung, dass der Status quo im Bergkarabach-Konflikt

982 Vgl. Pepinova, Ulvi: The Shortcomings of the EU’s Involvement in the Nagorno-Karabakh Conflict Resolution. Research Paper, The Foreign Policy Center, London 9/2012. 983 Vgl. Tiroler Tageszeitung: Aserbaidschan will Abkommen mit der EU nach eigenem Entwurf, in: Tiroler Tageszeitung 13.02.2016. Unter: http://www.tt.com/home/1112071791/aserbaidschan-will-abkommen-mit-eu-nach-eigenem-entwurf.csp, abgerufen: 15.09.2017.

4.4 Das Engagement der EU und einzelner EU-Staaten

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für die EU unbefriedigend ist „[…],weil dieser Status quo unbefriedigend ist, weil dieser Status quo nicht dagegen schützt, dass es dann doch wieder zu Eskalationen und zu erneuten kriegsähnlichen Auseinandersetzungen führt.“984 Weiter erläutert er: „Generell wird eine friedliche Lösung dieses Konflikts den europäischen Interessen entsprechen, nicht widersprechen, denn die betonen die Stabilität, die Gewaltfreiheit von Nachbarschaftsregionen, insofern ist die EU natürlich an einer Konfliktregelung interessiert. Sie spielt allerdings in diesem Mediationsprozess keine besonders sichtbare, besonders herausragende Rolle. Sie überlässt es der OSZE, sie überlässt es der Minsker Gruppe, in der zwar Frankreich europäischerseits vertreten ist, aber nicht als offizieller Repräsentant der EU, und sie spielt in diesem Konflikt keine so sichtbare Rolle.“985 Die aktuelle Konfliktsituation stärkt Russlands Rolle in der Region, und auch, wenn die EU anders als die USA weniger lauthals die Konkurrenz um Einflusssphären ausspricht, so besteht sie doch. Auch Deutschland hat mit der Aufsetzung des „Ausbau[s] der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland“986 ein finanzielles Ausrufezeichen gesetzt, dass man im Kampf um die Köpfe und Herzen in diesen sechs Staaten, einschließlich der drei Südkaukasus-Staaten, mitmischt. Ein wirkliches Interesse hat die EU an einer Friedenslösung, am besten durch eigene Vermittlung. Ein solches Erfolgserlebnis könnte die EU in einer schwierigen Phase stärken. Die EU ist wohl von den fünf untersuchten Akteuren derjenige mit dem größten Interesse an einer solchen Lösung. Langfristig muss sie dafür allerdings mutiger auftreten, denn sie ist auch der einzige externe Akteur, der in der Region überwiegend positiv gesehen und von Politikexperten für die einzige Hoffnung hinsichtlich einer Lösung des Konflikts um Bergkarabach gehalten wird.

984 Siehe Interview mit Dr. Uwe Halbach im Anhang dieser Arbeit. 985 Siehe Interview mit Dr. Uwe Halbach im Anhang dieser Arbeit. 986 Vgl. Auswärtiges Amt: Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft 2018. Unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/europa/erweiterung-nachbarschaft/nachbarschaftspolitik/zivilgesellschaft-projekte-oestliche-partnerschaft/301008, abgerufen:19.12.2017. 249

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

4.5

Das Engagement der USA

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Das Engagement der USA

4.5.1 Die Politik der USA im Südkaukasus Wie alle hier untersuchten Akteure besitzen auch die USA vor allem strategische und sicherheitspolitische Interessen im Hinblick auf Südkaukasus und gegenüber dem Bergkarabach-Konflikt. Das grundsätzliche Interesse der USA im Südkaukasus basiert auf geopolitischen Überlegungen, die nicht konkret mit dem einen oder anderen Akteur zusammenhängen. Diese Überlegungen gehen auf den britischen Geographen John Mackinder zurück, der 1904 seine „Heartland“-Theorie aufstellte. Demnach erlangt ein Staat globale Macht, wenn er das Zentrum Eurasiens und damit die tri-kontinentale Landmasse Europas, Asiens und Afrikas kontrolliert. Dieser Überzeugung folgte auch einer der einflussreichsten US-Präsidentenberater der letzten Jahrzehnte, Zbigniew Brzezinski, da „[…] eine Dominanz auf dem gesamten eurasischen Kontinent noch heute die Voraussetzung für globale Vormachtstellung ist“987. Die aus (bezogen auf die internationale Beziehung) theoretischer Sicht realistische Perspektive, die in der amerikanischen Debatte dominiert, sieht diese globale Machtstellung weiterhin als zentralen Pfeiler der US-Außen- und Sicherheitspolitik.988 Mitten im Zentrum Eurasiens liegt der Südkaukasus. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die USA das Zentrum Eurasiens nicht dominieren, da es von einem einzigen Land, der Sowjetunion, besetzt war. In den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den 1990er Jahren war es das amerikanische Interesse in der Region, das Wiedererstarkten eines Konkurrenten in der Region, nunmehr also Russlands, zu einem russischen Imperium zu verhindern. Teil davon war die schrittweise Aufnahme von Staaten, die ehemals Mitglieder des ­Warschauer Pakts waren, in die NATO. Während der Westen, auch die USA, in Osteuropa eine wichtige Rolle einnahm, fiel das Interesse der USA am Südkaukasus in dieser Phase äußerst gering aus. Eine Schlüsselrolle wird dabei der Ukraine eingeräumt, zu der Zbigniew Brzezinski bereits im Jahr 1997 konstatierte: „Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr. Es kann trotzdem nach einem imperia­ len Status streben, würde aber dann ein vorwiegend asiatisches Reich werden, das aller Wahrscheinlichkeit nach in lähmende Konflikte mit aufbegehrenden Zentralasiaten hineingezogen würde, die den Verlust ihrer erst kürzlich erlangten 987 Brzezinski, Zbigniew: Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, 4. Auflage, 10/2001, S. 64. 988 Vgl. Schwarz, Klaus-Dieter: Weltmacht USA: Zum Verhältnis von Macht und Strategie nach dem Kalten Krieg. Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 1999, S. 21.

4.5 Das Engagement der USA

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Eigenstaatlichkeit nicht hinnehmen und von den anderen islamischen Staaten im Süden Unterstützung erhalten würden.“989 Die Bill-Clinton-Regierung (1993–2001) räumte Russlands Interessen in der Region Vorrang ein, was auch als „Russia-first“-Politik bezeichnet wird.990 Aus heutiger Sicht besonders interessant ist, dass Präsident Bill Clinton bei einer Moskaureise 1994 sogar einen Vergleich zwischen Russlands Bemühungen um Einfluss in seinen Nachbarländern und der US-Politik in Zentralamerika zog.991Außerdem lag der Fokus der US-Außenpolitik in den 1990er Jahren auf geopolitisch bedeutsameren Ereignissen, wie dem Aufstieg Chinas, dem Umgang mit den sowjetischen Nuklearwaffen, dem Persischen Golf und der Balkanregion.992 Mit den Balkankriegen und dem Verhalten Russlands in diesen veränderte sich die Sicht aber hinsichtlich der Rücksichtnahme auf Russlands Interessen zunehmend, auch im Südkaukasus. Dazu trugen ebenfalls die Energiefunde im kaspischen Raum bei. Das westliche Interesse in diesem Bereich wurde mit dem 1994 zwischen Aserbaidschan und einem Konsortium von 13 internationalen Ölfirmen unterzeichneten „Jahrhundertvertrag“ über die Erschließung der Ölfelder im Kaspischen Meer vor der aserbaidschanischen Küste fixiert.993 Auch auf den geopolitischen Überlegungen der eurasischen Dominanz basierend, formulierten die USA ab dem Ende der 1990er Jahre klare strategische Interessen im Südkaukasus. Dazu gehörte in erster Linie die Einhegung der russischen Dominanz in der Region. Das sollte vor allem durch das Bemühen um eine Westbindung der drei südkaukasischen Republiken erreicht werden, also durch deren Einbindung in wirtschafts- und sicherheitspolitische Allianzen, aber auch durch Ausübung von soft power, wie durch einen Studentenaustausch und die (finanzielle) Förderung der Zivilgesellschaft sowie durch die Demokratieförderung.994 Ein demokratisch und souverän handelnder Staat lag im US-Interesse, um dadurch auch die Abhängigkeit dieser Länder von Russland zu reduzieren. Die US-Botschafterin in Aserbaidschan, Anne Derse (2006–2009), sagte diesbezüglich 989 Brzezinski, Zbigniew: Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, 4. Auflage, 10/2001, S. 74. 990 Vgl. Uwe, Halbach: Die „Kaspische Region“ in der internationalen Wahrnehmung, in: BIOSt-Aktuelle Analysen, No. 54, Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche Studien. Köln 1997, S. 1. 991 Vgl. Ekedahl, Carolyn/Goodman, Melvin A.: The Wars of Eduard Shevardnadze. London, Penn State University Press 1997, S. 277. 992 Vgl. Krilov, Aleksandr: Moskau 2006, S. 28–31. 993 Vgl. Brzezinski, Zbigniew: Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, 4. Auflage, 10/2001, S. 177 und S. 203 f. 994 Vgl. Krilov, Aleksandr: Moskau 2006, S. 28–30. 251

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

in Bezug zu Aserbaidschan: „One is a matter of principle because we belive, and our national experience has shown us, that democracy is the best guarantor of the fundamental human freedoms that we belive all human beings should enjoy. But we also promote democracy as a matter of interest. Our national experience has shown us that the best partners over the long-run in the world are stable, representative democracies that respect human rights.“995 Auf regionaler Ebene verfolgten die US-Amerikaner das Ziel, zu verhindern, dass islamische Kräfte in der Region, hauptsächlich im muslimischen Aserbaidschan, stärker würden beziehungsweise, dass der Einfluss der islamischen Republik Iran auf die Region wachsen würde, so wie er es bereits bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts getan hatte.996 Ein weiteres Ziel in der Region zu der Jahrtausendwende und den Folgejahren lag in einer Stärkung des wichtigsten amerikanischen Partners im Mittleren Osten, der Türkei. Dementsprechend wurde der Bau von Pipelines von Aserbaidschan über die Türkei gefördert, durch die Öl und Gas nach Europa kommen, wobei der Türkei eine Schlüsselrolle eingeräumt wurde. In diesem Sinne vereinbarten die beiden NATO-Partner im Jahre 1997 eine „Strategc energy alliance“, mit der sie unter anderem die Diversifizierung der Bezugsquellen und die Ausbeutung der fossilen Rohstoffe im Kaspischen Becken beabsichtigten.997 Insgesamt sollte die US-türkische Allianz ein Gegengewicht zum Iran und Russland schaffen und die Türkei zur Etablierung eines westlichen Brückenkopfs in der Region verhelfen, obwohl die türkische Außenpolitik bereits seit dem Amtsbeginn des Premierministers Necmettin Erbakan ihre Selbstständigkeit betonte und ihre nationalen Interessen über die des Westens priorisierte. Damit wurde Ankaras Regionalpolitik weniger berechenbar für Washington.998 Zentral war zu dieser Zeit auch die Rolle Aserbaidschans und Georgiens als eine wichtige Etappenposition in der Transitroute für Logistik nach Afghanistan. Es lag im Interesse der USA, dass sich Aserbaidschan aufgrund seiner günstigen Lage als Nachschub- und Transitland für NATO-Operationen mit schnellem Zugang zu Afghanistan zur Verfügung stellte. Georgien sendete außerdem Truppen als Teil 995 The Politic: Azerbaijan’s Path to Democracy. An Interview with Ambassador Anne Derse 10.11.2007. Unter: http://thepolitic.org/content/view/82/39/, abgerufen: 15.09.2015. (Derzeit nicht mehr abrufbar). 996 Vgl. Freitag-Wirminghaus, Rainer: „Great Game“ am Kaspischen Meer, in: Friedrich-Ebert-Stiftung, IPG, No. 4, 1998, S. 399. 997 Vgl. Hill, Fiona: Caspian Conundrum, Pipelines and Energy Networks, in: Martin, Lenore G./Keridis, Dimitris (Hrsg.): The Future of Turkish Foreign Policy. Belfer Center Studies in International Security, 1/2014, S. 218. 998 Vgl. Engelke, Thomas: Frankfurt am Main 1997, S. 101.

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des NATO-Kontingents. Mit dem Iran auf der „Achse des Bösen“ und dem Afgha­ nistan-Krieg erhielt der Südkaukasus eine noch wichtigere sicherheitspolitische Rolle. Mit dem Ende des Afghanistan-Kriegs wurde diese wieder weniger wichtig, aber mit der Ukraine-Krise rückte sie erneut in den Fokus. In der offiziellen Version klingen die Ziele der USA in der Region wie folgt: “(1) to promote the sovereignty, independence, and territorial integrity of each state in the region, (2) to maximize the South Caucasus states’ ability to leverage their transit potential, including as an additional route to world markets for the export of Caspian energy, (3) to foster economic growth in the region and reinforce peaceful and productive ties between the three South Caucasus states and the transatlantic community, (4) to avert regional conflict or (5) to avoid the region’s domination by a regional hegemon, likely Russia.”999

Während die ersten Jahre der Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepubliken von der demokratischen Clinton-Regierung bestimmt wurden, stand das zweite Jahrzehnt der US-südkaukasischen Beziehungen im Zeichen der republikanischen George-W.-Bush-Regierung (2001–2009). Unter George W. Bush änderten sich zwar nicht die Ziele und Prioritäten der US-Politik in der Region, wohl aber der Stil und die Methoden. „Im Kern geht es dabei um die rücksichtslose Durchsetzung ökonomischer und geostrategischer Interessen im Ausland wahlweise in Form einer Kooperation mit ‚befreundeten‘ nationalen Eliten oder über den Umweg der aktiven Ablösung missliebiger Regime (‚Regimechange‘).“1000 Für diese Politik spielten Aserbaidschan mit seinen Energievorkommen und Georgien als Transitstaat eine zentrale Rolle. Die Ambitionen der US-Regierung in Armenien waren demgegenüber moderater. Ziel hier war und ist es, die armenische Anbindung an Russland abzuschwächen. Während die US-Botschafterin in Baku die Demokratisierung Aserbaidschans hervorhob, stellte ihr Amtskollege in Jerewan, John Hefferen (2011–2014), die Kooperation mit einem rechtstaatlichen und werteorientierten Armenien in den Fokus: „The United States wants to help Armenia in its quest to become a prosperous, democratic, Western nation; —We do this by building partnerships with Armenians who share our values—universal values of separation of powers, freedom of speech, rule of law; and, —We believe

999 Kuchins, Andrew C./Mankoff, Jeffrey: The South Caucasus in a Reconnecting Eurasia: U.S. Policy Interests and Recommendations. A report of the CSIS Russia and Eurasia Program, Center for Strategic and International Studies, 10/2016, S. 1. 1000 Vgl. Langner, Heiko: 1. Auflage, Berlin, 6/2009, S. 59. 253

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in the power to bring change—with optimism and a bit of impatience—and we hope Armenians do too.“1001 Die Bush-Regierung fokussierte zunächst auf Aserbaidschan, um Rohstoffe durch Pipelineprojekte nach Europa zu bringen, die Russland umgehen. Mit den islamistischen Anschlägen auf die USA am 11. September 2001 bekam Aserbaidschan weitere Aufmerksamkeit als säkularer islamischer Staat zugewiesen, als treuer Unterstützer des „Globalen Kriegs gegen den Terror“ (englisch: War on Terrorism bzw. Global War On Terrorism, kurz GWOT) und als wichtiges Teilstück auf der Logistikroute für den Krieg in Afghanistan.1002 Im Zuge dessen wurde nach zehn Jahren der aserbaidschanische Ausschluss aus dem Freedom Support Act im Januar 2002 aufgehoben. Die US-iranischen Beziehungen erreichten unter Bush in der Folge einen Tiefpunkt, als dieser Teheran auf die so genannte Achse des Bösen setzte. Auch hier spielte Aserbaidschan eine wichtige Rolle als schiitischer Verbündeter und Nachbar gegen den Iran.1003 Es gab auch zu dieser Zeit schon schwierige Momente in den Beziehungen zwischen Washington und Baku. So kritisierte die US-Seite 2003 den dynastischen Führungswechsel im Präsidentenamt von Heidar Alijew zu seinem Sohn Ilham. Ein weiterer Tiefpunkt wurde 2006 erreicht, als die USA als erster souveräner Staat direkte Hilfsgelder von etwa drei Mio. USD für Bergkarabach bereitstellten.1004 Diese Aktivitäten waren ein rotes Tuch für Baku, weil sie eine De-facto-Anerkennung bedeuten und in Richtung einer De-jure-Anerkennung wirken könnten.1005 Und während der „Globale Krieg gegen den Terror“ auf einigen Ebenen engere Kooperationen zwischen den USA und den Regierungen der Südkaukasus-Staaten mit sich brachte, so bedeutete er auf geopolitischer Ebene eine Abstufung der Priorität der Region in der US-Außenpolitik. „Washington’s focus shifted away

1001 U.S. Embassy Yerevan: Ambassador’s Remarks on the U.S.-Armenienan Relationship: The Next Twenty Years (as prepared). 02.04.2012. Unter: https://am.usembassy.gov/ ambassadors-remarks/, abgerufen: 15.09.2017. 1002 Vgl. Giragosian, Richard: US National Interests and Engagement Strategies in the South Caucasus, in: Friedrich-Ebert-Stiftung 2012: South Caucasus 20 Years of Independence. S. 245–247. 1003 Vgl. Eder, Franz: Der Konflikt um Ber-Karabach – Lösung, status quo oder Eskalation? in: Soghomonyan, Vahram (Hrsg.): Lösungsansätze für Bergkarabach/Arzach. Selbstbestimmung und der Weg zur Anerkennung. Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 175. 1004 Vgl. Krilov, Aleksandr: Moskau 2006, S. 58 f. 1005 Vgl. Freitag-Wirminghaus, Rainer: Die Politik der USA im Südkaukasus. Deutsches Übersee Institut, Focus, No. 21. Hamburg 2005.

4.5 Das Engagement der USA

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from the unfinished business of the post-Soviet transitions and instead toward the needs of the new era.“1006 Die Demokratiedefizite und die während der Obama-Regierungsjahre drastischer werdende Lage der Menschen- und Bürgerrechte stellten und stellen die US-Beziehungen zu Aserbaidschan auf eine harte Probe. Sie verhindern eine wirklich enge, freundschaftliche Beziehung, einige Stimmen haben in den letzten Jahren auf eine strengere Verurteilung der Lage in Aserbaidschan gedrängt. Immer wieder forderten einzelne Senatoren Sanktionen gegen die aserbaidschanische Regierung, diese Forderung kam nach der Verhaftungswelle gegen regimekritische Journalisten und Aktivisten seit 2015 wieder vermehrt auf. Die aserbaidschanische Seite reagiert auf solche Vorstöße oft eher aggressiv als diplomatisch. Trotzdem scheint ein Bruch der Beziehungen zu den USA nicht gewollt. Neben den aserbaidschanischen Rohstoffvorkommen ist Baku einfach zu wichtig als starker, eigenständiger Staat im kaspischen Raum, der Russland etwas entgegenzusetzen hat. Hierfür nimmt Georgien ebenfalls eine wichtige Stellung ein. Denn während Armenien sicherheitspolitisch (Bergkarabach-Konflikt) und ökonomisch von Russland abhängig ist und sich auch Aserbaidschan die Tür zu Moskau offenhält, um das Kräfteverhältnis im Konflikt um Bergkarabach nicht zu sehr zu seinen Ungunsten kippen zu lassen, hat Georgien seit der „Rosenrevolution“ unter Michail Saakaschwilli 2003 einen klar anti-russischen Kurs gefahren. Die USA unterstützten die Regierung in diesem Kurs. Die aserbaidschanische Regierung fühlte sich durch die so genannten farbigen Revolutionen (neben der Rosenrevolution auch die Orange Revolution in der Ukraine 2004, die Tulpenrevolution in Kirgistan 2005) von einer vermeintlichen Regime-change-Agenda der US-Regierung bedroht und wandte sich wieder vermehrt Russland zu. Georgien hingegen wurde in der zweiten Hälfte der 2000er Jahre endgültig zum engsten Verbündeten Washingtons im Südkaukasus. Die Hauptstraße, die die georgische Hauptstadt Tbilisi mit ihrem Flughafen verbindet, heißt dementsprechend George W. Bush Highway.1007 Bereits vor der Revolution hatte der Westen Waffen nach Georgien geliefert. Im Zuge des „Globalen Kriegs gegen den Terror“ vom 11. September 2001 fand eine massive Aufrüstung Georgiens statt. Georgien erhöhte

1006 Rumer, Eugene/Sokolsky, Richard/Stronski, Paul: U.S. Policy Toward the South Caucasus: Take Three, in: Carnegie Endowment for International Peace 31.05.2017. Unter: http://carnegieendowment. org/2017/05/31/u.s.-policy-toward-south-caucasus-takethree-pub-70122, abgerufen: 15.09.2017. 1007 Vgl. Thomas, Bill: The Toast of Georgia, in: Washington Post 25.03.2007. Unter: http:// www. washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2007/03/21/AR2007032101506. html, abgerufen: 15.09.2017. 255

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unter Saakaschwili seine Militärausgaben von unter 1 % des BIP auf etwa 7 %.1008 Angestachelt von dieser militärischen Macht und den USA als Partner im Rücken, fühlte sich Präsident Saakaschwilli 2008 in der Position, Russland im Konflikt um die sezessionsbestrebte, von Moskau unterstützte Region Südossetion mit militärischer Macht in georgisches Kernterritorium einzugliedern. Russland machte in der Folge ernst und drängte georgische Truppen bis in georgisches Kernterritorium zurück. Die US-Unterstützung beschränkte sich auf einige Militärberater, was durchaus zu einer Enttäuschung auf georgischer Seite führte. Aber auch auf amerikanischer Seite war die Enttäuschung über Saakaschwilli, der mit zunehmender Autorität herrschte, spürbar. Hinsichtlich US-Interessen im Südkaukasus nach der Georgienkrise 2008 konstatierte Laurence Broers: „Der Georgisch-Russische Krieg im Jahr 2008 zeigte die Grenzen des geopolitischen Einflusses der USA im Südkaukasus und die Gefahren der ‚besonderen Beziehungen‘ zu regionalen Staaten auf. Dieser Krieg machte klar, dass der Südkaukasus eine Region war, in der die USA, zumindest rhetorisch, sehr viel tiefer verwurzelt war, als es ihre grundlegenden Interessen eigentlich erlaubten.“1009 Gleichzeitig machte Moskau mit seinem kompromisslosen Vorgehen deutlich, dass seine regionale Vormachtstellung nicht zu bekämpfen sei. „[…] Georgia’s own accomplishments fell short of its own and U.S policymakers’ ambitions and expectations. The 2008 war between Georgia and Russia effectively halted the expansion of Western institutions into the South Caucasus and also sent sharp warnings to Georgia’s neighbors of the lengths Russia would go to in order to preserve its perceived interests.“1010 Obwohl Russland mit dem Georgienkrieg den europäischen Widerstand gegenüber den von der Bush-Administration verfolgten Pläne für eine Aufnahme Georgiens in die NATO noch „förderte“, löste sich Tbilisi gleichwohl aus der russischen Einflusssphäre beschleunigt heraus. Seit der Amtseinführung Barack Obamas (2009–2017) waren die US-Interessen im Südkaukasus bereits gefestigt. Die Vormachtstellung des Kremls in Georgien war dagegen stark reduziert und öffnete den Weg für Tbilisi, zu einem unerschütterlichen Verbündeten Washingtons im Südkaukasus zu werden.

1008 Vgl. Uwe, Halbach: „Georgienkrise“ und „Kaukasuskonflikt“: Die regionale Dimension des neuerlichen Kriegs im Südkaukasus, in: Europäisches Journal für Minderheitenfragen Vol. 2, Issue 1, 4/2009, S. 4–19. 1009 Siehe Interview mit Dr. Laurence Broers im Anhang dieser Arbeit. 1010 Rumer, Eugene/Sokolsky, Richard/Stronski, Paul: Carnegie Endowment for International Peace, 15.09.2017.

4.5 Das Engagement der USA

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Mit dem Regierungswechsel im Weißen Haus im Januar 2009 distanzierten sich jedoch der neue Präsident und seine Administration von einem allzu starken US-Engagement im Südkaukasus und waren im Vergleich zu dem Vorgänger deutlich schwächer in der Region involviert. Dies spiegelte sich vor allem im Rahmen der US-Finanzhilfe des Foreign Assitance Act für die drei Südkaukasusländer wider, wobei Georgien eine Ausnahme bildete. Gleich nach dem Georgienkrieg 2008 wurden innerhalb von zwei Jahren rund 700 Mio. USD Hilfe aus Washington für Georgien bereitgestellt, 2015 beschränkte sie sich auf 75 Mio. USD, was im Vergleich mit den beiden Nachbarstaaten immer noch ein gutes Resultat bildet.1011 Im Falle von Armenien, das in den 1990er Jahren die höchste Unterstützung seitens der USA bekam, die jährlich im Durchschnitt 100 Mio. USD umfasste, sank diese bis 2015 auf nur 16,5 Mio. USD.1012 Dieses finanzielle Hilfspaket für Aserbaidschan betrug in 2015 lediglich zehn Mio. USD.1013 Die Unterstützung seitens der USA für die Südkaukasus-Staaten reduzierte sich auch im militärischen und sicherheitspolitischen Bereich. Obwohl die USA weiterhin die Ausbildung und das Training, insbesondere mit der georgischen Armee, durchführten, verweigerten sie Waffenlieferungen. Einige im Kongress, darunter auch der US-Senator John McCain, forderten im Dezember 2010 die Obama-Administration auf, defensive Waffenlieferungen an Georgien wiederaufzunehmen, darunter auch Frühwarnradarsysteme. Während einer Anhörung im Verteidigungsausschuss des Senates im März 2011 erklärte McCain: „It is hard for me to understand, since the Russians still occupy territory that is clearly Georgian territory and continue to threaten Georgia, and yet we’re not even giving them weapons with which to defend themselves. It is not comprehensible.“1014 Manche Beobachter stellen fest, dass in den ersten Jahren der Obama-Regierung die aserbaidschanisch-amerikanischen Beziehungen auch abgekühlt waren, vor allem, dass Baku die armenisch-türkische Annäherung und die Umsetzung der Züricher Abkommen „blockierte“ und Druck auf Ankara ausübte, was letztendlich zum Scheitern führte. Die Normalisierung der türkisch-armenischen Beziehungen liegt sicherlich im US-Interesse, denn Armeniens russisch-iranische Abhängigkeit

1011 Vgl. ForeignAssistance.gov: Foreign Assistance in Georgia. Unter: https://www.foreign­ assistance.gov/explore/country/Georgia, abgerufen: 15.09.2017. 1012 Vgl. ForeignAssistance.gov: Foreign Assistance in Armenia. Unter: https://www. foreignassistance.gov/explore/country/Armenia, abgerufen: 15.09.2017. 1013 Vgl. ForeignAssistance.gov: Foreign Assistance in Azerbaijan. Unter: https://www. foreignassistance.gov/explore/country/Azerbaijan, abgerufen: 15.09.2017. 1014 U.S. Congress: Senate, Committee on Armed Services, Hearing on the U.S. European Command and U.S. Strategic Command Budget for Fiscal Year 2012. 29.03.2011. 257

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wird dadurch reduziert und dies könnte zu einem positiven Einfluss auf die Konfliktlösung in Bergkarabach beitragen.1015 Obwohl unter Obama die Politik der USA im Südkaukasus allgemein als geschwächt bezeichnet wird und die Rolle Washingtons in der Region dadurch zurückging, hat der eingeleitete „Reset“, der „Neustart“, mit Russland zu einer allgemeinen Klimaverbesserung zwischen beiden Mächten geführt, die sich auch positiv auf den geopolitischen Pluralismus in Eurasien, den Südkaukasus mit eingeschlossen, auswirkte.1016 Das Interesse der USA an der Region flaute in der Folge ab und erreichte erst wieder einen Höhepunkt, als in 2014 der latente Konflikt im Osten der Ukraine zu einem heißen Krieg zu werden drohte.

4.5.2 Die NATO im Südkaukasus Seit dem Ende der UdSSR versuchen die drei südkaukasischen Staaten ihre neugewonnene Staatlichkeit nicht nur durch die politisch-wirtschaftliche Zusammenarbeit mit insbesondere staatlichen Akteuren im Westen zu festigen, sondern es wurde vor allem auch eine militärisch-strategische Kooperation mit dem Verteidigungsbündnis NATO angestrebt, mit dem Ziel, die eigene Sicherheit und regionale Stabilität zu bewahren. Die südkaukasischen Staaten nahmen ihre ersten Kontakte im Jahr 1992 mit dem von der NATO gegründeten Kooperationsrat (North Atlantic Cooperation Council, seit 1997 in Euro-Atlantic Partnership Council umbenannt) auf, der seit Dezember 1991 für eine Zusammenarbeit mit den noch nicht in die NATO aufgenommenen Staaten der ehemaligen Ostblock-Länder entstand und zur allgemeinen Vertrauensbildung bei der Rüstungskontrolle und den Friedensmissionen beitragen sollte.1017 Die Beziehungen zwischen NATO und Georgien, Aserbaidschan und Armenien erhielten wichtige Impulse, als diese Länder im Jahr 1994 in die NATO-Partnerschaft für den Frieden (Partnership for Peace – PfP) aufgenommen wurden. Im Rahmen des PfP-Programmes erklärten die NATO-Mitglieder und die Partnerstaaten ihre Bereitschaft: „[…] to deepen their political and military ties and to contribute further

1015 Vgl. Schneider, Marc. Hamburg, Verlag Dr. Kovac 2013, S. 58 f. 1016 Vgl. The White House: U.S.-Russia Relations: „Reset“ Fact Sheet. 24.06.2010. Unter: https://obamawhitehouse.archives.gov/the-press-office/us-russia-relations-reset-factsheet, abgerufen: 15.09.2017. 1017 Vgl. NATO: Euro-Atlantic Partnership Council. Unter: https://www.nato.int/cps/en/ natohq/topics_49276.htm, abgerufen: 15.09.2017.

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to the strengthening of security within the Euro-Atlantic area“1018, als gemeinsame Werte für die Zusammenarbeit definierten die Teilnehmerstaaten: „Protection and promotion of fundamental freedoms and human rights, and safeguarding of freedom, justice, and peace through democracy are shared values fundamental to the Partnership.“1019 Die Zusammenarbeit mit den PfP-Staaten soll dazu beitragen, gemeinsame Ziele zu verfolgen, wie: „the development of cooperative military relations with NATO, for the purpose of joint planning, training, and exercises in order to strengthen their ability to undertake missions in the fields of peacekeeping, search and rescue, humanitarian operations, and others as may subsequently be agreed.“1020 Das PfP-Programm hat sich als sehr erfolgreicher Mechanismus bei der Förderung und Entwicklung der militärischen Zusammenarbeit zwischen den NATO- und ihren Partnerstaaten erwiesen, weil es ermöglichte, gemeinsame Krisenbewältigungsoperationen und friedensfördernde Maßnahmen durchzuführen. Der NATO-Generalsekretär (1995–1999) Javier Solana äußerte sich am 21. Oktober 1997 in Brüssel mit der Beurteilung: „The potential of the vast area that stretches from Central and Eastern Europe to the Caucasus and to Central Asia is enormous – offering new markets and investments, as well as considerable human and natural resources. Clearly, preserving security and stability throughout the Euro-Atlantic area is as much in our mutual interest now and in the future as it was in the past.“1021 Die geostrategische Lage und der zukünftige Export von Öl und Gas aus dem kaspischen Raum machten den Südkaukasus zu einer Priorität für die NATO, dennoch mit begrenztem Spielraum bezogen auf Russlands Engagement und Rolle in der Region. Seit Ende der 1990er Jahre zeigten Georgien und Aserbaidschan in wachsendem Maße verstärktes Interesse an NATO-Übungen, die vor allem zur Sicherheit der Pipeline-Netze in deren Hoheitsgebiet beitragen sollten. George Robertson, der NATO-Generalsekretär (1999–2003), machte während seines Besuches in Armenien und Aserbaidschan im Januar 2001 deutlich, dass die NATO nicht die Absicht verfolge, im Südkaukasus mit Russland in Konfrontation zu gehen. Er stellte die Position der NATO bezüglich des Bergkarabach-Konflikts dar, indem er eine aktive Rolle des Bündnisses, wie im Falle des Kosovo-Konflikts,

1018 NATO: Partnership for Peace: Framework Document. Issued by the Heads of State and Government participating in the Meeting of the North Atlantic Council. Press Release Annex to M-1(1994) 002, 11.01.1994. Unter: https://www.nato.int/cps/ic/natohq/ official_texts_24469.htm, abgerufen: 15.09.2017. 1019 Ebd. 1020 Ebd. 1021 NATO: Remarks by the Secretary General of NATO Dr. Javier Solana. Brussels 21.10.1997. Unter: https://www.nato.int/docu/speech/1997/s971021a.htm, abgerufen: 15.09.2017. 259

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ausschloss und erklärte, dass die NATO nicht die Absicht habe, sich in die Arbeit der Minsker Gruppe der OSZE einzumischen oder sie zu übernehmen.1022 Durch die Attentate der Terroristen am 11. September 2001 in den USA änderten sich die NATO-Prioritäten weltweit, einschließlich bezogen auf den Südkaukasus, schlagartig. Georgien und Aserbaidschan, die bereits seit 1999 im Rahmen der NATO-Truppen in Kosovo KFOR-Schutztruppen bereitstellten, waren zu dieser Zeit auch durch ihre Geographie der im „Globalen Krieg gegen den Terror“ geführten militärischen Aktionen der NATO an einer wichtigen Etappenposition als Transitroute für Logistik nach Afghanistan im Interessengebiet der NATO nachgerückt. Es lag im Interesse der USA, dass sich Aserbaidschan aufgrund seiner günstigen Lage als Nachschub- und Transitland für NATO-Operationen mit schnellem Zugang zu Afghanistan zur Verfügung stellte. Georgien sendete außerdem Truppen als Teil des NATO-Kontingents nach Afghanistan, die im Oktober 2012 deutlich aufgestockt wurden, und nach Angaben der Allianz stieg Georgien mit 870 Soldaten in 2015 zum zweitgrößten Truppensteller der Mission in Afghanistan auf (Deutschland 850 Soldaten).1023 Im Gegenzug erwarteten die Georgier einen beschleunigten NATO-Beitritt. Auch Armenien mit 121 Soldaten und Aserbaidschan mit 94 Soldaten nehmen an dem NATO-ISAF-Einsatz (seit 2015 „Resolute Support“) in Afghanistan teil.1024 Der NATO-Gipfel in Istanbul im Juni 2004 führte den Südkaukasus zu einem engeren Fokus hinsichtlich des Bündnisses, was insbesondere im Rahmen der Operation „Globaler Krieg gegen den Terror“ in Afghanistan Verteidigungsreformen des Bündnisses nach sich zog und eine Neuausrichtung des PfP-Programms fortsetzte. In diesem Kontext wurde ein Sonderbeauftragter des NATO-Generalsekretärs für Südkaukasus und Zentralasien ernannt.1025 Nach der „Rosenrevolution“ in Georgien 2003 war die neue georgische Führung an einer starken NATO-Bindung interessiert und unterschrieb als erster Südkaukasus-Staat den Individuellen Partnerschaftsaktionsplan (Individual Partnership Action Plan – IPAP) mit der Allianz in 2004. Georgiens steigendes Interesse an der NATO führte dazu, dass die NATO Georgien bereits in 2006 einen intensiveren Dialog über ihre

1022 Vgl. Reliefweb: NATO refuses to take sides, in: Reliefweb.int 29.01.2001. Unter: https:// reliefweb.int/report/armenia/nato-refuses-take-sides, abgerufen: 15.09.2017. 1023 Vgl. NATO: Resolute Support Mission (RSM): Key Facts and Figures. 12/2015. Unter: https://www.nato.int/nato_static_fl2014/assets/pdf/pdf_2015_12/20151210_2015-12rsm-placemat.pdf, abgerufen: 15.07.2017. 1024 Vgl. ebd. 1025 Vgl. NATO: Istanbul Summit June 2004. Unter: https://www.nato.int/docu/ comm/2004/06-istanbul/home.htm, abgerufen: 15.09.2017.

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Bestrebungen, dem Bündnis beizutreten, anbot.1026 Im NATO-Gipfel in Bukarest im April 2008 plädierten Polen und die USA (unter der Bush-Administration) für eine NATO-Mitgliedschaftsperspektive (Membership Action Plan – MAP) für Georgien. Wegen des Widerstandes mehrerer Länder, insbesondere auf Betreiben von Deutschland und Frankreich, dahingehend, dass diese Entscheidung Russland verärgern würde, entschied das Bündnis, Georgien keinen MAP anzubieten.1027 Somit stimmten die NATO-Staats- und Regierungschefs zu, dass Georgien Mitglied der NATO werden könne, sofern es alle notwendigen Bedingungen erfülle. Auf Georgiens Aussicht auf eine NATO-Mitgliedschaft reagierte der Generalstabschef der russischen Streitkräfte Yuri Baluyevsky, wie folgt: „Russia will take steps aimed at ensuring its interests along its borders and these will not only be military steps, but also steps of a different nature.“1028 Der „Fünftagekrieg“ in 2008 in Südossetien hat die Wahrscheinlichkeit eines georgischen Beitritts zur NATO in der nahen Zukunft nach Ansicht einiger Analytiker weiter verringert, und das vor allem wegen des starken russischen Widerstandes.1029 Somit konnte Moskau ein wichtiges Ziel erreichen. Andere hingegen sehen im Südossetien-Krieg eine Rechtfertigung für die notwendige Mitgliedschaft Georgiens in der NATO.1030 Die NATO-Staats- und Regierungschefs veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung1031 nach dem Gipfeltreffen in Straßburg-Kehl im April 2009, mit der sie sich dazu verpflichteten, ihre Beratung und Unterstützung für die Reformbemühungen Georgiens intensiviert fortzusetzen. In der Erklärung wurde wiederholt, dass Georgien NATO-Mitglied werde, aber ein genauer Zeitraum wurde nicht festgesetzt. Weiterhin wird im 31. Punkt der Erklärung die Unterstützung für 1026 Vgl. NATO: Relations with Georgia. Unter: https://www.nato.int/cps/en/natohq/ topics_38988.htm, abgerufen: 15.09.2017. 1027 Vgl. Traynor, Ian: Nato allies divided over Ukraine and Georgia, in: The Guardian 02.12.2008. Unter: https://www.theguardian.com/world/2008/dec/02/ukraine-georgia, abgerufen: 15.09.2017. 1028 Reuters: Russia army vows steps if Georgia and Ukraine join NATO, in: Reuters.com 11.04.2008. Unter: https://www.reuters.com/article/us-russia-nato-steps/russia-armyvows-steps-if-georgia-and-ukraine-join-nato-idUSL1143027920080411, abgerufen: 15.09.2017. 1029 Vgl. Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 165. 1030 Vgl. Erlanger, Steven: Georgia and Ukraine split NATO members, in: The New York Times 30.08.2008. Unter: http://www.nytimes.com/2008/11/30/world/europe/30ihtnato.4.18268641.html? pagewanted=all, abgerufen: 15.09.2017. 1031 Vgl. NATO: Strasbourg/Kehl Summit Declaration. Issued by the Heads of State and Government participating in the meeting of the North Atlantic Council in Strasbourg/ Kehl. Press Release (2009) 044. 04.04.2009. Unter: https://www.nato.int/cps/en/natolive/ news_52837.htm?mode=pressrelease, abgerufen: 15.09.2017. 261

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Georgiens territoriale Integrität bekräftigt: „We reiterate our continued support for the territorial integrity and sovereignty of Georgia within its internationally recognised borders.“1032 Nach dem Regierungswechsel in Georgien betonte die neue georgische Führung unter Premierminister Bidsina Iwanischwili, dass sein Land weiterhin eine Integra­ tion in die NATO und EU anstrebe, und hoffte, dass Georgien im NATO-Gipfeltreffen in Wales im September 2014 der Aktionsplan zur Mitgliedschaft (MAP) angeboten würde. Iwanischwili erklärte: „We probably won’t be able to get more than that, but we have strictly set MAP as a target and next year when there is a gathering of NATO [leaders] we should undertake a powerful step in this direction,“1033 Trotz Georgiens Wunsch nach einer NATO-Erweiterung in Südkaukasus kündigte der NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen im Juni 2014 an, dass Georgien noch nicht zur Teilnahme am MAP-Programm eingeladen werde, jedoch werde die NATO ein „substanzielles Paket“ für die engere Kooperation mit Georgien umsetzen, das für das Land verstärkte Unterstützung und eine enge Anbindung an die Nato vorsehe. Außerdem würde Georgiens Verteidigungsfähigkeit dadurch gestärkt werden.1034 Bei dem NATO-Gipfeltreffen in Wales im September 2014 bekam Georgien „The Substantial NATO-Georgia Package“ (SNGP) angeboten. Hiermit wurde das Land bei seinem Streben nach einer NATO-Bereitschaft intensiv unterstützt, die georgische Verteidigungsfähigkeit gestärkt sowie die Interoperabilität seiner Truppen mit Nato-Streitkräften gefördert.1035 Als spürbarer Folge dessen eröffnete NATO-Generalsekretär Stoltenberg bereits im August 2015 ein NATO-Übungszentrum in Georgien (Nato-Georgian Joint Training and Evaluation Centre (JTEC)).1036 Die NATO-Georgien-Beziehungen können wie folgt charakterisiert werden: Georgien erhält alles außer die Mitgliedschaft. Für die Nato ist Georgien wegen seiner direkten Nachbarschaft zu Russland ein durchaus gefährdeter Partner. Denn träte Georgien dem Bündnis bei und würde von Russland besetzt oder gar 1032 Ebd. 1033 Kucera, Joshua: Ivanishvili: We Will Get NATO MAP in 2014, in: Eurasianet.org 02.05.2013. Unter: http://www.eurasianet.org/node/66914, abgerufen: 15.09.2017. 1034 Vgl. Croft, Adrian: NATO will not offer Georgia membership step, avoiding Russia clash, in: Reuters.com 25.06.2014. Unter: https://www.reuters.com/article/us-natoenlargement/nato-will-not-offer-georgia-membership-step-avoiding-russia-clash-idUSKBN0F00IJ20140625, abgerufen: 15.09.2017. 1035 Vgl. NATO: Substantial NATO-Georgia Package (SNGP). Unter: https://www.nato. int/nato_static_fl2014/assets/pdf/pdf_2015_12/20151209_151209-factsheet-natogeorgia-package.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 1036 Vgl. NATO: Relations with Georgia.

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angegriffen, müssten die Mitgliedsstaaten helfen. Und das schreckte einige von ihnen anscheinend gehörig ab. Armenien und Aserbaidschan, die eine NATO-Annäherung verfolgen, aber keinen manifestierten Beitritt als Ziel haben, könnten ihre Beziehungen mit der Nordatlantischen Allianz auch vertiefen, die jedoch im Vergleich mit Georgien wenig ausgeprägter wären. Aserbaidschan hat sich in der Folge des russisch-­armenischen Militärbündnisses verstärkt dem Westen, vor allem den USA und dem NATO-Mitglied Türkei, zugewandt. Der außenpolitische Berater des Präsidenten H. Alijew, Wafa Guluzade, schlug 1999 sogar eine Verlegung des US-Militärstützpunktes bei Incirlik im Süden der Türkei auf die Halbinsel Apscheron im Westen Aserbaidschans vor.1037 Aserbaidschan gehörte zu den ersten Ländern, die ihre Absicht hinsichtlich des Beitritts zum IPAP zum Ausdruck brachten. Das aserbaidschanische IPAP-­ Dokument mit konkreten Zielen und Maßnahmen zu bedeutenden innenpolitischen Reformen wurde vom Nordatlantikrat verabschiedet und anschließend von Präsident Ilham Alijew im Mai 2005 bewilligt.1038 Es ermöglichte Baku, einen regelmäßigen politischen Dialog mit der NATO zu führen sowie die bilaterale Zusammenarbeit zu systematisieren und neue Kooperationsmaßnahmen im beiderseitigen Interesse flexibler zu gestalten. Es bedeutete vor allem einen Übergang der NATO-Aserbaidschan-Beziehungen auf eine neue Stufe; für Baku ist es sehr wichtig, enger in die Allianz einbezogen zu sein sowie alternative Wege für seine militär-politische Kooperation – unter Umgehung von Russland – zu entwickeln. Aserbaidschans Hoffnung, durch eine enge Bindung zu den NATO-Strukturen Unterstützung in der Bergkarabach-Frage zu bekommen, hat sich dennoch nicht erfüllt. Der im Jahr 2012 von Budapest nach Baku überführte aserbaidschanische Militärangehörige Ramil Safarov, der im Rahmen des NATO-Programms PfP in Ungarn 2004 einen armenischen Offizier mit einer Axt im Schlaf ermordet hatte, wurde direkt nach seiner Ankunft in Aserbaidschan vom Präsidenten freigesprochen.1039 Das führte nicht nur zu einem Aufruhr in Armenien, sondern auch zu starker Kritik seitens der NATO. Generalsekretär Stoltenberg erklärte während seiner Rede an der Staatlichen Universität Jerewan am 6. September 2012: „I am deeply concerned by the Azerbaijani decision to pardon the Azerbaijani army of1037 Vgl. Malek, Martin: Aktuelle Rahmenbedingungen der Sicherheitspolitik Armeniens. Unter: http://www.bundesheer.at/pdf_pool/publikationen/09_stb1_00_malek.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 1038 Vgl. NATO: Relations with Azerbaijan. Unter: https://www.nato.int/cps/en/natohq/ topics_49111.htm, abgerufen: 15.09.2017. 1039 Vgl. Heinrich-Böll-Stiftung: Wenn Mörder zu Volkshelden werden. 18.09.2012. Unter: https://www.boell.de/de/navigation/europa-nordamerika-armenien-aserbaidschansafarov-15463.html, abgerufen: 15.09.2017. 263

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ficer Safarov. The act he committed in 2004 was a terrible crime that should not be glorified. The pardon damages trust and does not contribute to the peace process. There must be no return to conflict between Armenia and Azerbaijan. Tensions in this region must be reduced, and concrete steps must be taken to promote regional cooperation and reconciliation.“1040 Hinsichtlich des Bergkarabach-Konflikts sagte er, dass zwei Sachen klar seien: „First, there is no military solution. And second, the only way forward is through dialogue, compromise, and cooperation.“1041 Über die Rolle der NATO im Konflikt konstatierte er Folgendes: „NATO as an organisation is not involved directly in finding a solution to this conflict. Nor do we take sides. But we will continue to support the Minsk process and efforts towards a peaceful settlement.“1042 Stoltenberg wiederholte die NATO-Position zum Bergkarabach-Konflikt mehrmals, auch im November 2014 während der 60. Plenarsitzung der Parlamentarischen Versammlung der NATO in Den Haag: „I’m also very concerned with the recent incidents of violence in Nagorno-Karabakh. And I think this just underlines that there is no military solution through the Nagorno-Karabakh conflict. And there is actually no alternative to a political solution. I don’t see any direct NATO role. But instead NATO supports the Minsk process and the efforts of the three Minsk group chairs to try to push forward and to develop the conditions for a lasting peaceful and negotiated solution to the violence and to the challenges we see in Nagorno-Karabakh.“1043 Die Republik Armenien, die im Vergleich mit ihren beiden Nachbarn bereits Mitglied der im Jahre 2002 gegründeten und von Moskau dominierten Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) war, zeigte ebenfalls Interesse an einer engen Partnerschaft mit der NATO und seinen Mitgliedsstaaten (vor allem mit Griechenland).1044 Wie Georgien und Aserbaidschan trat auch Armenien im Jahr 2005 dem IPAP der NATO bei. Das IPAP-Programm ermöglicht es Armenien, von verschiedenen Aktivitäten wie Kursen, Übungen, Konferenzen, die von ­NATO-Bündnispartnern und einzelnen Partnern organisiert werden, zu 1040 NATO: Speech by NATO Secretary General Anders Fogh Rasmussen at the Yerevan State University in Yerevan, Armenia. 06.09.2012. Unter: https://www.nato.int/cps/en/ natolive/opinions_89730.htm, abgerufen: 15.09.2017. 1041 Ebd. 1042 Ebd. 1043 NATO: Keynote address by NATO Secretary General Jens Stoltenberg at the 60th Plenary Session of the NATO Parliamentary Assembly in The Hague (including Q&A session). 24.11.2014. Unter: https://www.nato.int/cps/en/natohq/opinions_115098.htm, abgerufen: 15.09.2017. 1044 Vgl. Krilov, Aleksandr: Moskau 2006, S. 54 f.

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profitieren. Zudem haben die NATO und ihre einzelnen Mitglieder Armeniens Bemühungen unterstützt, die Interoperabilität mit den NATO-Streitkräften der armenischen Friedenstruppen zu fördern, und ihm ermöglicht, eine Brigade mit zugehörigen Kampfunterstützungs- und Kampfdienstunterstützungseinheiten aufzustellen.1045 Als ein Mittel, die Zusammenarbeit mit den NATO-Staaten, vor allem mit den USA, auszubalansieren, hat sich Armenien als einziges OVKS-Mitglied1046 seit 2004 an internationalen Friedensmissionen unter Führung der NATO-Mitglieder – unter griechischem, polnischem, deutschem, italienischem Kommando – mit mehr als zweihundert Soldaten – vor allem Ärzten und Aufbauhelfern im Kosovo, Irak, Afghanistan und seit kurzem auch in Libanon – beteiligt, bzw. nimmt immer noch teil.1047 Es zeigt, dass die NATO die souveränen Entscheidungen ihrer Partner respektiert, die auch von russischer Seite bis jetzt zu keinem Widerstreit geführt haben.

4.5.3 Akteure der US-Politik im Südkaukasus Die zentralen staatlichen Akteure der amerikanischen Südkaukasus-Politik sind das Außenministerium (State Department), das sich vor allem um politische Reformen und Wirtschaftsbeziehungen bemüht, das Verteidigungsministerium (Pentagon), insbesondere zuständig für zivil-militärische Beziehungen und Kooperationen im Rahmen von NATO-Programmen. Wichtige Mittel sind hier das PfP-Programm und der IPAP der NATO, an dem alle drei südkaukasischen Staaten teilnehmen. Dazu gehören Trainings für Offiziere und vor allem gemeinsame Militärmanöver. Mit Georgien kommt außerdem das spezielle Programm SNGP hinzu, das seit 2014 die Ausbildung und Aufrüstung der georgischen Armee unterstützt. Das US Agency for International Development (USAID) ist vor allem für Entwicklungs-

1045 Vgl. NATO: Relations with Armenia. Unter: https://www.nato.int/cps/ic/natohq/ topics_48893.htm, abgerufen: 15.09.2017. 1046 Vgl. Asbarez: Deployment of Peacekeepers in Karabakh Not a NATO Goal, Says Representative, in: Asbarez.com 03.11.2015. Unter: http://asbarez.com/141376/deploy­ ment-of-peacekeepers-in-karabakh-not-a-nato-goal-says-representative/?utm_source =feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign= Feed%3A+Asbarez+%28Asbarez+News%29, abgerufen: 15.09.2017. 1047 Vgl. Armenpress: 2 thousand Armenian servicemen conducted peacekeeping missions in hot spots, in: Armenpress.am 29.05.2015. Unter: http://armenpress.am/eng/ news/807204/2-thousand-armenian-servicemen-conducted-peacekeeping-missionsin-hot-spots.html, abgerufen: 15.09.2017. 265

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projekte zuständig, womit es aber auch erheblich Einfluss auf die Gesellschaften in der Region nehmen kann. Der US-Kongress schließlich ist kein außenpolitischer Akteur im engeren Sinn, vertritt aber über Abgeordnete die Interessen der US-Bürger in Bezug auf die Südkaukasus-Staaten. Die meisten US-Bürger dürften keine dezidierte Meinung zum Südkaukasus haben, es gibt jedoch eine nennenswerte Zahl von Amerikanern, die aus der Region eingewandert sind und die Interessen der alten Heimat verteidigen. Das führt uns zu einer der wichtigsten und einflussreichsten nichtstaatlichen Gruppen in der amerikanischen Südkaukasuspolitik, der armenischen Diaspora. In den USA leben ca. 1.5 bis zwei Millionen Menschen mit armenischen Wurzeln, von denen viele eine gut organisierte Gemeinschaft bilden, die sich stark für die Belange der Armenier in der Welt engagieren.1048 Da der Großteil dieser armenischstämmigen Amerikaner Nachfahren von Armeniern sind, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts vor dem osmanischen Völkermord auf der Flucht befanden, gilt die Priorität dem Engagement der Anerkennung dieses Völkermords. Aber auch die Existenz und der Erfolg der Republik Armenien sowie die völkerrechtliche Anerkennung Bergkarabachs als Kernland der armenischen Nation sind wichtige Ziele der armenischen Lobby. Großzügige Spenden wohlhabender Armenier aus den USA leisteten einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der armenischen Bevölkerung nach einem verheerenden Erdbeben in Nordarmenien in den Wendejahren, aber auch bezogen auf den Krieg um Bergkarabach. Da die US-Armenier vor allem in Kalifornien leben, haben sie bedeutenden Einfluss auf die Politik in Washington. Kalifornien entsendet als bevölkerungsreichster Staat der USA die mit Abstand größte Zahl von Wahlmännern bei Präsidentschaftswahlen. Zusammen mit den großen armenischen Communities in Maryland, New York, New Jersey und Massachusetts bilden sie einen starken, gut organisierten Interessen-Block.1049 Die beiden wichtigsten Organisationen der armenischen Sache in den USA sind das „Armenian National Committee of America“1050 (ANCA) und das „Armenian Assembly of America“1051 (AAoA). Letzteres 1048 Vgl. Milliken, Mary: Armenian-American clout buys genocide breakthrough, in: Reuters.com 12.10.2007. Unter: https://www.reuters.com/article/us-usa-armenians/ armenian-american-clout-buys-genocide-breakthrough-idUSN1144509820071012, abgerufen: 15.09.2017. 1049 Vgl. Newhouse, John: Diplomacy Inc., The Influence of Lobbies on U.S. Foreign Policy, in: Foreign Affairs Vol. 88, Issue 3, Mai-Juni/2009), S. 10. 1050 Dazu ausführlich auf der offiziellen Webseite der ANCA. Unter: www.anca.org, abgerufen: 15.09.2017. 1051 Dazu ausführlich auf der offiziellen Webseite der AAoA. Unter: www.armenianassembly.org, abgerufen: 15.09.2017.

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fördert das öffentliche Verständnis und das Bewusstsein für armenische Fragen in den USA. Die Organisation zielt darauf ab, die „amerikanisch-armenischen Beziehungen zu stärken, fördert die demokratische Entwicklung und den wirtschaftlichen Wohlstand in Armenien“ und sucht eine universelle Bejahung des armenischen Völkermordes über „Forschung, Bildung und Fürsprache“.1052 Das AAoA gibt laut dem NGO Center for Responsive Politics im Jahr zwischen 200.000 und 300.000 Euro für Lobby-Aktivitäten aus. Diese Zahl erscheint niedrig, lässt aber individuelle Großspenden für spezifische Aktivitäten von wohlhabenden Armeniern außen vor. Einige der superreichen Armenier in den USA verfolgen ihre eigenen Projekte bezüglich Armenien und Bergkarabach. So hat beispielsweise der US-armenische Milliardär Kirk Kerkorian, dem zahlreiche Hotels und Casinos in Las Vegas gehören, über seine Lincy-Stiftung von 1989 bis 2011 etwa eine Milliarde USD nach Armenien gespendet. Er hat unter anderem auch die Hauptstraße, die die Republik Armenien mit Bergkarabach verbindet, in großen Teilen finanziert. Im Mai 2004 wurde ihm vom armenischen Präsidenten Robert Kotscharjan der Titel Nationaler Held von Armenien, der höchste Staatspreis, verliehen.1053 Zu den frühen Erfolgen der armenischen Lobby gehört der Ausschluss Aserbaidschans aus den Programmen unter dem Freedom Support Act von 1992.1054 Der FSA unterstützte die neuen sowie ehemaligen Sowjetrepubliken bei dem Staatsaufbau und Bemühen um wirtschaftliches Wachstum. Aserbaidschan darf aufgrund des Konflikts mit Armenien und Bergkarabach nicht an Programmen, die im Rahmen des FSA gefördert werden, teilnehmen. Der von US-Armeniern forcierte Zusatzartikel verbietet die humanitäre Hilfe an Aserbaidschan, solange es die Blockade Armeniens und Bergkarabachs nicht aufhebt. Der Einfluss der armenischen Lobby spiegelt sich auch in den großen Hilfsgeldzahlungen der US-­ Regierung nach Armenien wider. In den 1990er Jahren erhielt Armenien jährlich fast 150 Mio. USD, was nach Israel der zweitgrößten Pro-Kopf-Unterstützung der USA entspricht – und das, obwohl Armenien gute Beziehungen zu den beiden größten regionalen Rivalen der USA, Iran und Russland, pflegt.1055

1052 AAoA: About Armenian Assembly of America. Unter: https://armenian-assembly.org/ about/, abgerufen: 15.09.2017. 1053 Vgl. Zakarian, Armen: Kerkorian Handed Armenia’s Top State Honor, in: Azatutyun.am 20.05.2005. Unter: https://www.azatutyun.am/a/1577003.html, abgerufen: 15.09.2017. 1054 Vgl. Shain, Yossi: Ethnic Diasporas and U.S. Foreign Policy, in: Political Science Quarterly Vol. 109, No. 5 (Winter issue 1994–1995), S. 811–841, hier: S. 821. 1055 Vgl. Smith, Tony: Foreign Attachments: The Power of Ethnic Groups in the Making of American Foreign Policy. Harvard University Press 2000, S. 69 f. 267

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Ein weiterer großer Erfolg besteht darin, dass mittlerweile nahezu alle US-Bundesstaaten – insgesamt 46 von 50 – den armenischen Völkermord anerkannt haben.1056 Allerdings fehlt der entscheidende Erfolg, denn die nationale Politik vermeidet die Anerkennung bisher aus Vorsicht gegenüber dem NATO-Partner Türkei. Auch in der Frage der Anerkennung der Unabhängigkeit Bergkarabachs von Aserbaidschan sind die Erfolge noch begrenzt. Bisher haben die Legislativen von acht US-Bundesstaaten ein Gesetz über die Anerkennung verabschiedet: Kalifornien, Georgia, Rhode Island, Maine, Massachusetts, Louisiana, Hawaii und Michigan.1057 Mit ihrer Haltung zu Bergkarabach und Armenien kollidiert die armenische Lobby direkt mit einer anderen wichtigen Lobby-Gruppe in den USA, der der Energieunternehmen. Diese haben natürlich ein großes Interesse an engen, guten Beziehungen zu dem energierohstoffreichen Aserbaidschan und der mittlerweile ebenfalls finanzstarken aserbaidschanischen Lobby. Die armenische Lobby sah sich ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre einem mächtigen Gegner gegenüber, der Energielobby, die wiederum großen Einfluss auf die Clinton-Regierung ausübte. Mit der Entdeckung großer Öl- und Gasvorkommen im Kaspischen Meer vor der aserbaidschanischen Küste wurde Baku plötzlich zu einem gefragten Wirtschaftspartner des Westens. 1994 unterzeichneten 13 internationale Unternehmen den so genannten „Jahrhundertvertrag“ über die Entwicklung der Tiefsee-Ölfelder „Azeri – Chirag – Gunashli“, darunter auch die American Oil Company (AMOCO) und Exxon. Von nun an waren mächtige Akteure daran interessiert, den FSA-ban für Aserbaidschan aufzuheben und bestmögliche Bedingungen für US-Unternehmen in Aserbaidschan zu schaffen.1058 In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre entwickelte sich ein Konflikt zwischen dem pro-armenisch orientierten US-Kongress und dem pro-aserbaidschanisch ausgerichteten Außenministerium und der US-Regierung. Der Vorteil der armenischen Lobby in diesem Konflikt bestand darin, dass sie sich schon lange organisiert hatte und sehr eng definierte Interessen geschlossen verfolgte. Die aserbaidschanische Rohstofflobby war heterogener und musste sich noch formieren. So schaffte es die armenische Lobby in den Clinton-Jahren trotz großer wirtschaftlicher Interessen

1056 ANCA: Armenian Genocide Recognition in the United States. Unter: https://anca.org/ armenian-genocide/recognition/united-states/, abgerufen: 15.09.2017. 1057 Vgl. Lansing, Mich: Michigan Recognizes Artsakh Independence, in: The Armenien Weekly 28.09.2017. Unter: https://armenianweekly.com/2017/09/28/michigan-recognizes-artsakh-independence/, abgerufen: 30.09.2017. 1058 Vgl. Bagirov, Sabit: Azerbaijan’s Strategic Choice in the Caspian region, in: Chufrin, Gennady (Hrsg.): The security of the Caspian Sea region. New York, Oxford 2001, S. 181.

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amerikanischer Unternehmen, Aserbaidschan aus der FSA-Förderung herauszuhalten – und das gegen den Willen der US-Regierung. Die US-Strategen, vor allem im State Department, sahen in den Ölfunden vor der aserbaidschanischen Küste großes Potenzial, nicht nur Aserbaidschan in die Weltwirtschaft zu integrieren und so zu wirtschaftlicher Öffnung zu bringen. Die Ressourcen wurden als Lösung für alle Probleme der Region betrachtet. Gemeinsam mit den europäischen Partnern sollte ein Infrastruktur-Korridor durch die Region entstehen, bezahlt von Aserbaidschans Öleinnahmen und den Investitionen westlicher Energiekonzerne, die die Region modernisierten. Wirtschaftsreformen in den drei Staaten sollten vorangetrieben sowie die Region unabhängiger von Moskau gemacht werden, was einen Anreiz für eine Annäherung von Armenien und Aserbaidschan schaffen würde.1059 Im State Department wurde sogar eine neue Rolle auf Botschafterebene geschaffen, die für die Energiediplomatie im Kaspischen Becken zuständig war und direkt den Präsidenten beriet.1060 Die Pläne gingen allerdings kaum auf. Der Ölreichtum Aserbaidschans führte zum Gegenteil, marktwirtschaftliche Reformen schienen nicht mehr nötig, das Geld floss auch so und die Haltung gegenüber Armenien wurde – angestachelt durch den neuen Reichtum und die Möglichkeiten, sich damit aufzurüsten – unversöhnlicher und aggressiver. In den über 20 Jahren seit der Unterzeichnung des „Jahrhundertvertrags“ hat sich Aserbaidschan, auch dank des hohen Ölpreises in den frühen 2000er Jahren, zu einem zumindest an einigen Stellen wohlhabenden Staat entwickelt. Große Teile des neuen Reichtums sind neben Prestigeprojekten in Lobbying-Aktivitäten geflossen, die Aserbaidschan bekannter machen sollen, aber vor allem, um die internationale Gemeinschaft dazu zu bewegen, mehr Druck auf Armenien auszuüben, Bergkarabach wieder in aserbaidschanisches Territorium einzugliedern. Diese Entwicklungen

1059 Vgl. Morningstar, Richard: Address to CERA Conference, Mount Holyoke College, Press Briefing by Energy Secretary Bill Richardson and Special Advisor to the President and to the Secretary of State for Caspian Basin Energy Diplomacy John Wolf. American Presidency Project, 18.11.1999. Unter: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=47642, abgerufen: 15.09.2017; U.S. Senate: Committee on Foreign Relations, Energy and Security From the Caspian to Europe, 112th Congress, 2nd Session, 2012. Unter: https://www. gpo.gov/fdsys/pkg/CPRT-112SPRT77221/html/CPRT-112SPRT77221.htm, abgerufen: 15.09.2017; Rumer, Eugene/Sokolsky, Richard/Stronski, Paul: Carnegie Endowment for International Peace, 15.09.2017. 1060 Vgl. Larson, P. Alan: International Aspects of U.S. Energy Security, in: U.S. Departement of State, 08.04.2003. Unter: https://2001-2009.state.gov/e/rm/2003/19447.htm, abgerufen: 15.09.2017. 269

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trugen sich aber erst nach dem Ende der Clinton-Jahre zu, und zwar unter seinen Nachfolgern, den US-Präsidenten George W. Bush und Barack Obama. 2003 übernahm Ilham Alijew in Aserbaidschan die Präsidentschaft von seinem verstorbenen Vater Heidar. Nachdem er seine Position konsolidiert hatte, fiel in diese Phase Mitte der 2000er Jahre auch der hohe Ölpreis. Die Alijew-Regierung nutzte den Rohstoffreichtum, um Prestigeobjekte zu bauen, sich selbst zu bereichern und seinen Ruf in der Welt zu verbessern. Hauptträger der aserbaidschanischen Lobbyaktivitäten in den USA wurde die Podeste Group1061, eine der einflussreichsten Public-Relations-Firmen im Land, gegründet u. a. von einem ehemaligen Stabschef Bill Clintons und Berater Barack Obamas. In weiteren PR-Firmen oder Organisationen, wie z. B. der „United States and Azerbaijan chamber of commerce“ (Amerikanisch-Aserbaidschanischen Handelskammer), sitzen die einflussreichsten amerikanischen Außenpolitikdenker der letzten Jahrzehnte in deren Beratergremien, u. a. Henry Kissinger und Zbigniew Brzezinski.1062 In 2011 gründete Anar Mammadov, Sohn des damaligen aserbaidschanischen Verkehrsminister Ziya Mammadov, in Washington die „Azerbaijan America Alliance“ (AAA), die bis 2015 aktiv in Bereichen der Aufhebung der Section 907 arbeitete sowie Kampagnen für die Chodschali-Ereignisse und generell bezogen auf den Bergkarabach-Konflikt organisierte.1063 Allein 2014 gab Aserbaidschan etwa vier Mio. USD für Lobbyaktivitäten aus.1064 Damit liegt Baku unter den Top 10 der Staaten, die am meisten Geld für diese Zwecke in den USA aufbringen.1065 Aber damit sind auch durchaus Erfolge vorzuweisen. Seit der Intensivierung seiner Lobbying-Bemühungen Mitte der 2000er Jahre hat Aserbaidschan von den USA Militärhilfen im Wert von etwa 20 Mio. USD erhalten, während Armenien in diesem Zeitraum fast gar keine bekommen

1061 Vgl. Podesta Group: Amendment to Registration Statement Pursuant to the Foreign Agents Registration Act of 1938, as Amended. Washington 2014: United States ­Department of Justice. Unter: https://www.fara.gov/docs/5926-Exhibit-AB-20140430-41. pdf, abgerufen: 15.09.2017. 1062 Dazu ausführlich auf der offiziellen Webseite der United States and Azerbaijan chamber of commerce. Unter: www.usacc.org, abgerufen: 15.09.2017. 1063 Dazu ausführlich auf der offiziellen Webseite der AAA. Unter: www.azerbaijanamericaalliance.org, abgerufen: 15.09.2017. 1064 Vgl. Lozovsky, Ilya: How Azerbaijan and Its Lobbyists Spin Congress, in: Foreign Policy Magazine 11.06.2015. Unter: http://foreignpolicy.com/2015/06/11/how-azerbaijan-andits-lobbyists-spin-congress/, aufgerufen: 15.09.2017. 1065 Vgl. Sunlight Foundation: Foreign Influence Explorer, 2013. Unter: http://foreign. influenceexplorer.com/lobby-location2013, abgerufen: 15.09.2017.

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hat.1066 Außerdem haben bis jetzt die Legislativen von zwei US-Staaten ein Gesetz über die Anerkennung der territorialen Integrität Aserbaidschans verabschiedet: Arizona1067 und New Mexico1068.

4.5.4 US-amerikanische Interessen und Aktivitäten im Bergkarabach-Konflikt Anfang der 1990er Jahre hatten sich die Interessen der USA im Südkaukasus und bezüglich des Bergkarabach-Konflikts noch nicht ganz herausgebildet. Das führte dazu, dass die Politik der einzigen Weltmacht von seinen armenischen US-Bürgern hinsichtlich der Region stark mitbestimmt wurde. Noch während der Existenz der Sowjetunion hat die US-Regierung gezielt Schritte zur Unterstützung des Unabhängigkeitsstrebens der Karabach-Armenier bzw. für die Wiedervereinigung mit Armenien unternommen. Bereits im Juli 1988 verabschiedete der US-Senat einstimmig den Änderungsantrag 2690 zum Gesetz über Auslandseinsätze, in dem die sowjetische Regierung aufgefordert wurde, „respect the legitimate aspirations of the Armenian people“1069. Im November des darauffolgenden Jahres verabschiedete der Senat die Resolution Nr. 178, womit sie die US-Unterstützung für „the fundamental rights and the aspirations of the people of Nagorno-Karabakh for a peaceful and fair settlement“1070 bekräftigte. Als Folge der Unterdrückung und Verfolgung der Armenier in Aserbaidschan (1988, 1989, 1991) verabschiedete der US-Senat im Mai 1991 eine weitere Resolution, wodurch er unterstrich: „Soviet and Azerbaijani forces have destroyed Armenian villages and depopulated Armenian areas in and around Nagorno-Karabakh in violation of internationally recognized human rights“1071.

1066 Vgl. Kucera, Joshua: Azerbaijan Has Advantage over Armenia in U.S. Military Aid, in: Eurasianet.org 17.05.2016. Unter: http://www.eurasianet.org/node/78831, abgerufen: 15.09.2017. 1067 Vgl. Rajabova, Sara: Arizona sopports Azerbaijan`s territorial integrity, in: Azernews.az 31.01.2014. Unter: https://www.azernews.az/nation/63956.html, abgerufen: 15.09.2017. 1068 Vgl. Ahmadova, Sabina: Senate of U.S State of New Mexico adopts resolution on Azerbaijan, in: Trend News Agency 14.02.2014. Unter: https://en.trend.az/azerbaijan/ karabakh/2241970.html, abgerufen: 15.09.2017. 1069 ANCA: The Republic of Nagorno Karabakh (Artsakh) is an integral part of Armenia. Unter: https://anca.org/nagorno-karabakh-overview-2/, abgerufen: 15.09.2017. 1070 Ebd. 1071 Ebd. 271

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Er verlangte „for the end to the blockades and other uses of force and intimidation directed against Armenia and Nagorno-Karabakh“1072. Der Ausschluss Aserbaidschans aus dem Programm Sektion 907a des Freedom Support Acts in 1992, wodurch es als einziges Land unter den ehemaligen Sowjetstaaten von der humanitären US-Unterstützung ausgeschlossen wurde, solange die aserbaidschanische Regierung ihre Blockade und „other offensive uses of force against Armenia and Nagorno Karabakh“1073 nicht beendete, bildete den Höhepunkt des US-Einsatzes für Bergkarabachs Unabhängigkeitskampf. Die einseitige Hilfe der USA für armenische Interessen stellte die Glaubwürdigkeit Washingtons als unparteilicher Vermittler und als geopolitischer Spieler im Südkaukasus für Baku in Frage. Ein US-Diplomat gab die Probleme der Sektion 902 wieder: „We try to preach human rights and discourage governments from following ethnic politics. Then an ethnic lobby imposes something like this that isn’t US national interest. The Ministry of Foreign Affairs (Azerbaijan) beats us over the head with this every time we see them.“1074 Diese Tatsache veranschaulicht die anfängliche Wahrnehmung der Region in der US-Außenpolitik, die durch die wachsenden strategischen und wirtschaftlichen Interessen Washingtons in der Region, durch die Öl- und Gasquellen in Aserbaidschan sowie seine regionale Zusammenarbeit des NATO-Partners Türkei schrittweise ausbalanciert wurde. Die USA beteiligten sich an der Arbeit der Minsker Gruppe der OSZE bereits seit ihrer Gründung in 1992, und als Hauptakteur im Vermittlungsprozess gelten sie zusammen mit Russland und Frankreich seit 1997 als Ko-Vorsitzende in dieser Gruppe. Als Ko-Vorsitzende bestimmen die USA die Rahmenbedingungen für eine friedliche Konfliktbeilegung wesentlich mit. Durch die Bestimmung der US-geopolitischen und geoökonomischen Interessenlage im Südkaukasus und den Ausgleich der US-Position im Bergkarabach-Konflikt kam es zu einem verstärkten Engagement Washingtons hinsichtlich der politischen Beilegung des heikelsten Regionalkonflikts. Die USA versuchten zuerst eine armenisch-türkische Annäherung und die türkischen Grenzblockaden gegen Armenien zu beseitigen, konnten aber nur bedingt Erfolge verzeichnen.1075 1072 Ebd. 1073 U.S. Congress: Text: S. 2532 — 102nd Congress (1991–1992). Unter: https://www. congress.gov/bill/102nd-congress/senate-bill/2532/text, abgerufen: 15.09.2017. 1074 MacFarlane, S. Neil/Minaer, Larry: Humanitarian Action and Politics. The Case of Nagorno-Karabakh, in: The Thomas J. Watson Jr. Institute for International Studies, Brown University, Occassional Paper No. 25, 1997, S. 99. 1075 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 321.

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Nach dem Zustandekommen des „Jahrhundertvertrags“ 1994 und der mächtigeren Öl-Lobby in den USA kam es sogar zu einer politischen Wende der Washington-Politik hinsichtlich des Konflikts, die ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre Aserbaidschans Interessen und Positionen stärker berücksichtigte.1076 Es führte im Jahr 2002 zur Aussetzung der Sektion 907 seitens des US-Kongresses, und das Außenministerium der Vereinigten Staaten (U.S. Departement of State) betonte die Unterstützung der territorialen Integrität Aserbaidschans, wobei das Selbstbestimmungsrecht der Karabach-Armenier nicht erwähnt wurde: „The U.S. remains actively engaged in advancing a peaceful settlement of the conflict. Cooperation among the U.S., Russian, and French mediators is excellent. The United States does not recognize Nagorno-Karabakh as an independent country, and its leadership is not recognized internationally or by the United States. The United States supports the territorial integrity of Azerbaijan and holds that the future status of Nagorno-Karabakh is a matter of negotiation between the parties with the aim of achieving a lasting and comprehensive political resolution of the conflict. The United States remains committed to finding a peaceful settlement of the Nagorno-Karabakh conflict through the Minsk Group process.“1077 Obwohl das US-Außenministerium die territoriale Integrität Aserbaidschans in dieser und in seinen weiteren Erklärungen in den Vordergrund stellte, setzte der US-Kongress die 1998 begonnene direkte US-Hilfe für Bergkarabach1078 fort, die im Falle von Abchasien und Südossetien nicht angewendet wurde.1079 Im Vergleich zu Bergkarabach unterscheidet sich die Erklärung des US-Außenministeriums zu den Konflikten Georgiens auch hinsichtlich klarer Vorteile für Georgiens territoriale Integrität, die zum Ausgangspunkt für eine Konfliktregelung aus US-Perspektive wird: „The United States supports the strengthening of Georgia’s territorial integrity through peaceful means. Unilaterally and as a member of the Group of Friends, the U.S. seeks to advance negotiations toward a comprehensive settlement of the

1076 Vgl. Rau, Johannes: Berlin 2003, S. 37. 1077 U.S. Departement of State: The United State and Nagorno-Karabakh. 11.9.2002. Unter: https://2001-2009.state.gov/p/eur/rls/fs/13502.htm, abgerufen: 15.09.2017. 1078 Diese direkte Unterstützung wurde vor allem für drängende humanitäre Bedürfnisse zur Verfügung gestellt, darunter für die Versorgung der Menschen mit Trinkwasser und die Räumung von Dörfern und Ackerland von Minen und nicht explodierten Kampfmitteln. Vgl. ANCA: Armenian Americans & US Foreign Aid PolicyUnter: https://anca.org/us-aid/, abgerufen: 15.09.2017. 1079 Vgl. Jimenez, Erendira: US Continues to Support Nagorno-Karabakh, in: Borgen Magazine 09.09.2015. Unter: http://www.borgenmagazine.com/us-supports-nagornokarabakh/, abgerufen: 15.09.2017. 273

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conflict, including on Abkhazia’s future status within Georgia and the safe and dignified return of refugees and internally-displaced persons.“1080 Mit der wachsenden Bedeutung von Aserbaidschans Erdgas-Rohstoffen für die Diversifizierung von Europas Bezugsquellen durch die geplante Nabucco-­ Gaspipeline, bedingt durch seine geographische Lage für NATO-Operationen mit schnellem Zugang zu Afghanistan sowie durch den schwelenden Konflikt um Irans Atomprogramm, fand eine Kursänderung der US-Außenpolitik im Bergkarabach-Konflikt zu Gunsten Aserbaidschans statt. Nach dem Georgienkrieg 2008 besuchte der stellvertretende Vorsitzende des Senatsausschusses für Außenpolitik, Richard Lugar, Aserbaidschan und bezeichnete das Land als den Schlüssel zu Europas Energiesicherheit.1081 Im September desselben Jahres besuchte Vizepräsident Dick Cheney Aserbaidschan, wobei er neben den Energie- und Transitfragen einen starken Akzent auf die Unterstützung Aserbaidschans Souveränität und Unversehrtheit seiner Grenzen setzte. „America strongly supports the sovereignty and territorial integrity of Azerbaijan. We are committed to achieving a negotiated solution to the Nagorno-Karabakh conflict -- a solution that starts with the principle of territorial integrity, and takes into account other international principles. Achieving a solution is more important now than ever before; that outcome will enhance peace and stability in the region, and Azerbaijan’s security, as well.“1082 Für einen amerikanischen Spitzenpolitiker bleibt Cheneys Aussage mit einer bemerkbaren Präferenz für Bakus Interessen im Bergkarabach-Konflikt beispiellos. Jedoch äußerten sich einige weitere hochrangige US-amerikanische Diplomaten für Aserbaidschans territoriale Integrität, ohne das andere Prinzip des Völkerrechtes, das Selbstbestimmungsrecht, gleich als Ausgangspunkt für die Beilegung des Bergkarabach-Konflikts zu nennen.1083 Dieses Vorgehen der US-Politik wurde von armenischer Seite offiziell mehrmals kritisiert. Die Obama-Administration änderte die offizielle Regierungslinie des Vorgängers und nahm wieder eine neu1080 U.S. Departement of State: The Abkhazia Conflict. Unter: https://2001-2009.state.gov/p/ eur/rls/fs/53745.htm, abgerufen: 15.09.2017. 1081 Vgl. United Press International (UPI): U.S. sees Azerbaijan as key energy player. 29.08.2008. Unter: https://www.upi.com/US-sees-Azerbaijan-as-key-energy-player/ 28261219705208/, abgerufen: 15.09.2017; UPI: Sen. Lugar slams Russian energy policy. 29.08.2008. Unter: https://www.upi.com/Energy-News/2008/08/29/SenLugar-slams-Russian-energy-policy/62511220035361/, abgerufen: 15.09.2017. 1082 The White House: Remarks by Vice President Cheney and President Aliyev of the Republic of Azerbaijan After Meeting. 03.09.2008. Unter: https://georgewbush-whitehouse. archives.gov/news/releases/2008/09/20080903-2.html, abgerufen: 15.09.2017. 1083 Unter anderem auch Matthew Bryza, US-Kovorsitzender der OSZE Minsker Gruppe. Zittiert in: Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 167.

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trale Haltung gegenüber dem Konflikt ein, ohne jegliche Priorisierung einer der beiden Völkerrechtsprinzipien. Jedoch sollten Armenien und Aserbaidschan auf Gewalt verzichten und eine friedliche Konfliktlösung würde eine der obersten außenpolitischen Prioritäten der USA bleiben.1084 Beim Treffen mit seinem aserbaidschanischen Amtskollegen Elmar Mammadjarow im Juni 2013 in Washington betonte der US-Außenminister John Kerry die jüngste Position der USA, indem er sagte: „And this is a frozen conflict, as we call it, one that threatens the stability of the region and one that we need to deal with. As co-chair of the Minsk Group, we have a serious interest – the United States – in helping Azerbaijan and Armenia to be able to find a path forward. The last thing we want is a return to war and to conflict. I believe there is a path forward, and we will continue to work quietly and patiently in an effort to try to encourage the parties to be able to take either confidence-building measures that may get to further down the road or to find a way towards a settlement with respect to this issue.“1085

4.5.5 Bewertung der Rolle der USA Grundsätzlich haben die USA natürlich ein Interesse an der Lösung des Konflikts und im Vergleich zumindest zu anderen Akteuren in der Region wie Russland und die Türkei werden sie als unparteiischer Vermittler akzeptiert. Neben dem generellen Ziel, Frieden in der Welt zu schaffen, liegt das strategische Hauptinteresse der USA darin, die Abhängigkeit Armeniens und Aserbaidschans von Russland zu lösen. Beide können sich nicht von Moskau lossagen und vor allem Armenien kann kaum seine Souveränität bewahren, aus Sorge davor, Russland als Sicherheits­garanten zu verlieren. Eine Lösung des Konflikts würde nach sich ziehen, dass Russland an Einfluss einbüßen würde; Moskau könnte die beiden Parteien nicht mehr gegeneinander ausspielen, nicht weiterhin mit einer Stärkung der jeweils anderen Seite drohen und beide Seiten mit Waffen beliefern.1086 Neben dem Status quo, der Russland entgegenkommt, wäre auch ein erneuter Ausbruch echter Kampfhandlun1084 Vgl. Maher, Heather: Obama, Aliyev Meet In New York As Washington Seeks To Improve Ties, in: RFE/RL 24.09.2010. Unter: https://www.rferl.org/a/Obama_Aliyev_ To_Meet_In_New_York_As_Washington_Seeks_To_Improve_Ties/2167235.html, abgerufen: 15.09.2017. 1085 U.S. Departement of State: Remarks With Azerbaijani Foreign Minister Elmar Mammadyarov Before Their Meeting. 03.06.2013.Unter: https://2009-2017.state.gov/secretary/ remarks/2013/06/210214.htm abgerufen: 15.09.2017. 1086 Vgl. Rahimov, Rahim: Israel, Iran and U.S. interest in South Caucasus, in: New Eastern Europe 06.02.2017. Unter: http://www.neweasterneurope.eu/articles-and275

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

gen – wie zuletzt im April 2016 – verheerend für die US-Interessen in der Region. Die Pipelineinfrastruktur, in die US-Unternehmen viel Geld investiert haben, wäre wohl ein wichtiges Angriffsziel Armeniens, um Aserbaidschan seiner wichtigsten Ressourcen zu berauben. Zweifel würden erneut an den Kapazitäten der USA als globale Führungs- und Schutzmacht des globalen Wirtschaftssystems laut werden. Mit Hinblick auf US-Interessen in der Region, die brüchige Stabilität und den Status quo im Bergkarabach-Konflikt stellt Laurence Broers im Interview mit dem Verfasser dieser Arbeit fest: „Die Stabilität im Status quo ist im Allgemeinen eine Arbeitshypothese: Während ansonsten Konfrontation die Norm in Eurasien ist, ermöglicht sie die Förderung von Öl und Gas im Kaspischen Meer, zügelt potenzielle russische Einsatz- und Stationierungspläne im Südkaukasus und regelt die symbolische Aufrechterhaltung eines partnerschaftlichen Verhältnisses mit Russland. Darüber hinaus hätte ein verlängerter oder größerer neuer Krieg nur schwer vorherseh- und kalkulierbare Folgen – sowohl für den US-Verbündeten und das NATO-Mitglied Türkei als auch für die schwierigen und strategisch wichtigen Beziehungen zwischen den USA und dem Iran.“1087 Broers hebt die kurzfristigen Interessen hinsichtlich des Status quo hervor, die er langfristig nicht als vorteilhaft einschätzt. „Die armenisch-aserbaidschanische Rivalität bildet die Ursache eines fortwährenden Bruchs im Südkaukasus und den Hauptgrund dafür, dass diese Region nicht wirklich als solche existiert.“1088 Neben Russland könnte eine Lösung des Konflikts um Bergkarabach auch die Rolle des Iran in der Region schwächen. Armenien und vor allem Aserbaidschan, das nicht die besten Beziehungen mit dem Iran hat, könnten Teheran sehr viel stärker entgegentreten, wenn der Konflikt nicht mehr bestünde.1089 Wie bereits oben dargestellt, ist die Interessenlage angesichts der verschiedenen Lobbygruppen in Washington schwierig. Die USA sprechen im Konflikt nicht mit einer Stimme.1090 Hinzu kommt, dass nicht wenige in den USA die Entwicklungen im Südkaukasus für weitgehend marginal bezogen auf die strategischen Interessen der USA halten. Sie fordern große Vorsicht bei der Verabschiedung von Maßnah-

commentary/2253-the-israeli-and-iranian-presence-in-south-caucasus-and-us-interest, abgerufen: 15.09.2017. 1087 Siehe Interview mit Dr. Laurence Broers im Anhang dieser Arbeit. 1088 Siehe Interview mit Dr. Laurence Broers im Anhang dieser Arbeit. 1089 Vgl. Cohen, Ariel/DeCorla-Souza, Kevin: Security Issues and US interest in the South Caucasus, in: Ismailidze, Fariz/Howard, Glen E. (Hrsg.): The South Caucasus 2021: Oil, Democracy and Geopolitics. Jamestown Foundation, Washington D.C., 2012, S. 187–219. 1090 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 324.

4.5 Das Engagement der USA

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men, die die Vereinigten Staaten in einer von ethnischen und zivilen Konflikten belasteten Region zu stark einbeziehen würden, und fordern weiterhin, dass die EU mehr Verantwortung in ihrer Nachbarregion übernimmt.1091 Laurence Broers betont, dass es im US-Interesse sei, eine Verhandlungslösung zu finden, und fügt hinzu, „dass die USA in den letzten Jahren den impliziten Wunsch nach einem verstärkten Engagement Europas bei der Lösung dieses Konflikts äußerten.“1092 Eine solche Lösung wäre im Interesse Washingtons, das „einerseits weiterhin von der amerikanischen Unterstützung profitiert, andererseits auf die Erfahrungen, das Know-how und die Ressourcen der Europäischen Union in ­puncto Stabilisierung zurückgreift und schließlich den Beziehungen zu Russland mit diplomatischem Fingerspitzengefühl einen wenigen konkurrierenden Charakter verleiht. Denkbar ist das alles jedoch nur, wenn sich der Ist-Zustand der innenpolitischen Dynamik in Armenien und Aserbaidschan grundlegend verändert und die geopolitische Lage in Zukunft weniger konkurrenzbetont ist.“1093 Auch haben die USA unter Barack Obama versucht, die Türkei als Partner in der Region dazu zu drängen, einen Beitrag zur Friedenslösung zu leisten. Das ist allerdings schwierig, weil die Türkei im Konflikt mit Armenien um den Völkermord steht und sehr enge Beziehungen mit Aserbaidschan pflegt, also kein neutraler Vermittler ist. Wohl aber könnte Ankara auf seine Partner in Baku einwirken, eine Friedenslösung herbeizuführen und von Drohungen abzusehen. Angesichts der politischen Entwicklungen in der Türkei in der jüngeren Vergangenheit scheint es jedoch unrealistisch, dass die Erdogan-Regierung eine andere außenpolitische Linie als eine pan-turkistische Bruderpolitik mit Aserbaidschan verfolgen wird. Insgesamt räumen die USA Bergkarabach also keine hohe Priorität ein, es ist die Sache von Vizeministern und Staatssekretären, nicht Chefsache von Außenministern und Präsidenten.1094 Ein direktes militärisches Eingreifen in den Konflikt ist also auch völlig unrealistisch, dafür reicht das US-Interesse an der Region und den beiden Staaten einfach nicht aus. Außerdem ist die amerikanische Öffentlichkeit nach den Folgen der Einsätze in Afghanistan, dem Irak und Libyen kriegsmüde. Abgesehen davon würde ein Militäreinsatz in einem Staat der ehemaligen Sowjet­

1091 Vgl. U.S. House of Representatives: Committee on Foreign Relations. Subcommittee on International Organisations, Human Rights, and Oversight. Ideals vs. Reality in Human Rights and U.S. Foreign Policy: The Cases of Azerbaijan, Cuba, and Egypt, 12.07.2007; U.S. Commission on Security and Cooperation in Europe: Energy and Democracy 23.07.2007. 1092 Siehe Interview mit Dr. Laurence Broers im Anhang dieser Arbeit. 1093 Siehe Interview mit Dr. Laurence Broers im Anhang dieser Arbeit. 1094 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 322. 277

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4 Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region

union große Verstimmungen mit Moskau zur Folge haben und die Gefahr einer militärischen Konfrontation bergen, die keiner möchte. Einige US-Botschafter in der Region sind der Meinung, dass internationale Vermittlungen in Bergkarabach fortgesetzt werden sollten, dem Thema allerdings sollte nur Priorität eingeräumt werden, wenn die Konfliktparteien eine Bereitschaft zu Kompromissen zeigen.1095 Auch das liegt in weiter Ferne. Auf diplomatischer Ebene sollen die USA aber zumindest innerhalb der OSZE Minsker Gruppe auf die Umsetzung der Madrider Prinzipien drängen, den aussichtsreichsten Kompromiss im Konflikt.1096

1095 Vgl. Corboy, Denis/Courtney, William/Kauzlarich, Richard/Yalowitz, Kenneth: Changing Strategic Interests in the South Caucasus, in: The American Interest 31.05.2013. Unter: http://www.the-american-interest.com/2013/05/31/changing-strategic-interests-in-the-south-caucasus/, abgerufen: 15.09.2017. 1096 Vgl. Kuchins, Andrew C./Mankoff, Jeffrey: A report of the CSIS Russia and Eurasia Program, Center for Strategic and International Studies 10/2016, S. 13.

5

Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt

5 Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt

5.1 5.1

5.1.1

Der Bergkarabach-Konflikt aus juristischer Sicht Der Bergkarabach-Konflikt aus juristischer Sicht

Rechtsstatus Bergkarabachs nach sowjetischem Recht

Bei der Betrachtung des Konflikts aus Sicht des sowjetischen Rechts muss daran erinnert werden, dass die Gebiete des Südkaukasus, einschließlich der heutigen Republik Armenien, der heutigen Republik Aserbaidschan und des umstrittenen Territoriums von Bergkarabach bereits vor 1917 unter der Kontrolle der russischen Roten Armee standen, also noch vor der offiziellen Gründung der Sowjetunion 1922. Die führenden Figuren der Kommunistischen Partei Russlands betonten schon zu diesem Zeitpunkt die Zentralität des Selbstbestimmungsrechts der Völker in den von ihnen kontrollierten Gebieten. Punkt 2 der „Deklaration der Rechte der Völker Russlands“ von 1917 beschreibt „das freie Selbstbestimmungsrecht (dieser Völker) bis hin zur […] Bildung eines unabhängigen Staates“1097. Die „Deklaration der Rechte des werktätigen und ausgebeuteten Volkes“ von 1918 benennt sogar spezifisch „[…] die Freiheit der Selbstbestimmung Armeniens“1098. Diese Überzeugung findet sich auch in der ersten Verfassung des sowjetischen Russlands von 1918 wieder.1099 Entgegen diesen Bestimmungen entschied das Kaukasus-Büro der Kommunistischen Partei Russlands jedoch am 5. Juli 1921 unter direktem Druck von Josef Stalin, Bergkarabach der Aserbaidschanischen Sowjetrepublik anzugliedern, nachdem man noch am Tag zuvor eine Vereinigung mit Armenien befürwortet hatte.1100 Diese Entscheidung stellte zwar keine Verletzung des Völkerrechts dar, 1097 Deklaration der Rechte der Völker Russlands. 1098 Deklaration der Rechte des werktätigen und ausgebeuteten Volkes. 1099 Vgl. Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 18. 1100 Vgl. Sitzungsprotokolle des Kaukasischen Büros vom 4. und 5. Juli 1921; Avshar, Ferhat: Schwarzer Garten – Im Land des ewigen Feuers. Entstehung und Genese des © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. E. Aslanyan, Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus, Energiepolitik und Klimaschutz. Energy Policy and Climate Protection, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28516-6_5

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5 Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt

das das Selbstbestimmungsrecht der Völker damals noch nicht als grundlegendes Prinzip kannte,1101 wohl aber eine Verletzung dieses essentiellen sowjetischen Rechtsgrundsatzes. Demnach hätte zumindest die Bevölkerung Bergkarabachs befragt werden müssen. Stattdessen traf ein russisches Gremium eine Entscheidung für ein nichtrussisches Territorium, das dieses darüber hinaus nicht auf demokratischem Weg, sondern militärisch unter seine Kontrolle gebracht hatte. Aus aserbaidschanischer Sicht ging es bei der Entscheidung des Kaukasus-Büros nicht um einen Transfer Bergkarabachs in aserbaidschanisches Territorium, sondern nur um eine Bestätigung, dass die Region Teil Aserbaidschans ist.1102 Die Entscheidung zur Eingliederung in aserbaidschanisches Territorium wurde in den folgenden Jahrzehnten nie durch die Akzeptanz durch die Armenischen SSR oder der Armenier Bergkarabachs legitimiert. Vor allem Letztere versuchten immer wieder auf verschiedenen Wegen, eine Eingliederung in die Armenische Sowjetrepublik zu erwirken.1103 Mit der Gründung der Sowjetunion durch den Unionsvertrag vom 3. Dezember 1922 galt für Bergkarabach die jeweils aktuelle sowjetische Verfassung. Die bei Ausbruch des Konflikts geltende Version der Verfassung von 1977 sah kein Recht auf eine Abtrennung von der Aserbaidschanischen SSR vor. Die Entscheidung des Gebietssowjets Bergkarabachs vom 20. Februar 1988, eine Übertragung der Region in das Gebiet der Armenischen SSR zu erwirken, brach also sowjetisches Verfassungsrecht.1104 Ebenso unzulässig waren dementsprechend die Wahlen in Bergkarabach im August 1989 und der daraus hervorgehende Kongress des Autonomen Gebietes von Bergkarabach, der wiederum eine Regierung wählte, den nationalen Rat. Beide Gremien wurden auch von Moskau und Baku abgelehnt. Am 3. April 1990 verabschiedete die Sowjetunion jedoch das „Gesetz über Verfahren der Entscheidung über Fragen, die mit dem Austritt einer Unionsrepublik aus der UdSSR verbunden sind“1105. Dieses Gesetz bestimmte, dass bei dem von einer Unionsrepublik angestrebten Austritt aus der Gesamtunion die autonomen Karabach-Konflikts. Darmstadt 2006, S. 120. 1101 Vgl. Krüger, Heiko: Springer Verlag 2009, S. 49. 1102 Vgl. Baguirov, Adil: Nagorno-Karabakh: basis and reality of Soviet-era legal and economic claims used to justify the Armenia-Azerbaijan war, in: Caucasian Review of International Affairs Vol. 2 (1), Winter 2008, S. 11–24. 1103 Vgl. Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 36. 1104 Sowjetische Verfassung vom 7. Oktober 1977. Artikel 78 besagt, dass territoriale Veränderungen nur mit Einverständnis der Unionsrepublik vorstellbar sind, auf deren Territorium sich die Veränderungen auswirken. 1105 Sicherheit und Frieden (S+F)/Security and Peace: Gesetz über das Verfahren der Entscheidung der Fragen, die mit dem Austritt einer Unionsrepublik aus der UdSSR

5.1 Der Bergkarabach-Konflikt aus juristischer Sicht

281

Gebiete innerhalb der austrittswilligen Republik ein getrenntes Referendum über den Austritt abhalten sollten.1106 Dieses Austritts- oder Sezessionsgesetz steht in der Kritik, weil es verabschiedet wurde, als die UdSSR schon im Zusammenbruch begriffen war und ethnische Konflikte, inklusive des Konflikts um Bergkarabach, bereits eskaliert waren. Entgegen seiner Bezeichnung sollte das Gesetz wohl vor allem dazu dienen, Austritte zu verhindern, indem sie diese mit einem möglichen Verlust autonomer Gebiete verband. Das Austrittsgesetz „wurde in Eile ohne Debatten oder Beratungen mit den Unionsrepubliken entworfen und verabschiedet“1107. Jenseits der Kritik an seinem politischen Charakter und undemokratischen Entstehungsprozess ist aus rechtlicher Sicht aber entscheidend, ob das Sezessionsgesetz im Einklang mit der sowjetischen Verfassung war. Es kann zumindest in Teilen als Widerspruch zu Artikel 78 der sowjetischen Verfassung von 1977 verstanden werden, der besagte, dass territoriale Veränderungen der Zustimmung der betroffenen Unionsrepublik bedurften,1108 sowie in einem etwaigen Widerspruch zum von der sowjetischen Führung immer wieder betonten1109 und in Artikel 72 der Verfassung festgehaltenen Grundsatz der Freiwilligkeit der Union, aus der man jederzeit „frei“ austreten dürfe. Dieser Freiheit wurde aber mit dem Austrittsgesetz eine „substantielle Bedingung“ vorgeschoben, die diese einschränkt, was dem Grundgedanken der Sowjetunion widersprach.1110 Dagegen kann allerdings angeführt werden, dass sich die Unionsführung in Artikel 73 der Verfassung das Recht vorbehalten hatte, über Grundsatzfragen, die die Gesamtunion betreffen, zu entscheiden. Dazu gehört auch, ein Gesetz zur Umsetzung von Artikel 72 zu verabschieden, in dem der Prozess eines Austritts vom Gesetzgeber interpretiert und ausgearbeitet ist.1111 Dies geschah mit dem Austrittsgesetz. verbunden sind. Vol. 8, No. 3, Nationalitätenprobleme und sowjetisches Imperium (1990), S. 163–165. 1106 Gesetz über Verfahren der Entscheidung über Fragen, die mit dem Austritt einer Unionsrepublik aus der UdSSR verbunden sind, Artikel 3, Absatz 1. 1107 Kučinskas, Linas: Lithuania’s Independence: The Litmus Test For Democracy In The U.S.S.R., in: Lithuanian Quarterly Journal Of Arts And Sciences (Lituanus), Vol. 37, No. 3, (Fall 1991). 1108 Vgl. Krüger, Heiko: Springer Verlag 2009, S. 34. 1109 Vgl. Uibopuu, Henn-Jüri: Die UdSSR als Bundesstaat, in: Fincke, Martin (Hrsg.): Handbuch der Sowjetverfassung. Berlin 1983, Band 2, Artikel 72 (Sezessinsrecht), S. 730. 1110 Vgl. Krüger, Heiko: Springer Verlag 2009, S. 35. 1111 Vgl. Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 38–42. 281

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5 Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt

Wenn also von der – wenn auch möglicherweise wackligen – Verfassungsmäßigkeit des Austrittsgesetzes auszugehen ist, folgt als Nächstes die Frage nach der rechtmäßigen Umsetzung des Gesetzes von Seiten Aserbaidschans und Bergkarabachs. Aserbaidschan betont, dass es sich in seiner Abspaltung von der Sowjetunion gerade nicht dem im Sezessionsgesetz vorgesehenen Prozess unterworfen hat und somit dessen Konditionen, inklusive des Rechts Bergkarabachs, unabhängig über seine Zukunft zu entscheiden, nicht gelten. Artikel 1 des Sezessionsgesetzes machte aber eindeutig klar, dass der darin beschriebene Weg der einzige war, rechtmäßig aus der Sowjetunion auszutreten. Aserbaidschan argumentiert weiter, dass selbst wenn dem so wäre, seine Unabhängigkeit erst mit der Auflösung der UdSSR im Dezember 1991 galt und somit jenseits des rechtlichen Zeitraums, in dem das Austrittsgesetz in Kraft trat, nämlich exakt bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion.1112 Baku hatte jedoch bereits im August 1991 seine Unabhängigkeit deklariert und diese im Oktober 1991 durch einen verfassungsgebenden Akt bestätigt. Da zu diesem Zeitpunkt noch sowjetisches Recht galt, löste diese Abspaltungsentscheidung automatisch den Prozess des Austrittsgesetzes aus und gab Bergkarabach die Möglichkeit, ein Referendum über seinen Verbleib in der aserbaidschanischen Unionsrepublik abzuhalten.1113 Aserbaidschans Umgehen des im Austrittsgesetz vorgesehenen Prozesses kann außerdem in keinem Fall das sowjetische Staatsrecht auf die Selbstbestimmung der Völker ausschalten.1114 Davon ausgehend, dass das Austrittsgesetz verfassungsmäßig war und Bergkarabach die Möglichkeit hatte, einen Austritt aus der aserbaidschanischen Unionsrepublik anzustreben, ist der nächste umstrittene Punkt, ob Bergkarabach den Prozess des Sezessionsgesetzes richtig beschritt. Einige Bedingungen des Gesetzes, nämlich die, die die Führung der Unionsrepublik, also in Baku, involvieren, sind offensichtlich nicht erfüllt. So verlangte Artikel 2, Absatz 2, dass das Referendum vom Obersten Sowjet der Unionsrepublik genehmigt werden musste. Gemäß Artikel 4 des Gesetzes musste außerdem eine Wahlkommission unter Leitung des Obersten Sowjets der Unionsrepublik einberufen werden und Artikel 5 sah vor, dass die Zentralregierung in Moskau Wahlbeobachter mit Zustimmung der Unionsrepublik hätte schicken müssen. Nach dem Referendum hätten dann der Oberste Sowjet der Unionsrepublik, die Zentralregierung sowie der UdSSR-Volkskongress gemeinsam mit der autonomen Region über die Gültigkeit des Referendums und seine Folgen beraten. Nach einer Übergangsphase hätte die Unabhängigkeit stehen können. 1112 Vgl. Krüger, Heiko: Springer Verlag 2009, S. 4 und 36. 1113 Vgl. Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 43. 1114 Vgl. ebd., S. 45.

5.1 Der Bergkarabach-Konflikt aus juristischer Sicht

283

Diese Bedingungen wurden nicht erfüllt, trotzdem spricht das universell geltende Rechtsprinzip der Fairness für die Rechtmäßigkeit des Referendums: „Es wäre unfair […], wenn Aserbaidschan, nachdem es das ihm vorgeschriebene Austrittsverfahren […] bewusst verletzt und Berg-Karabach es gerade dadurch unmöglich gemacht hat, das Austrittsverfahren einzuhalten, Berg-Karabach die Verletzung des Austrittsverfahrens vorhielte und damit die Unwirksamkeit seines Austritts aus Aserbaidschan begründen würde …“1115 Selbst bei Einbeziehung der aserbaidschanischen Bewohner Bergkarabachs, die das Referendum boykottierten, entschieden sich immer noch mehr als zwei Drittel der Abstimmungsberechtigten (nämlich praktisch alle armenischen Einwohner Bergkarabachs) im Referendum für die Unabhängigkeit Bergkarabachs von Aserbaidschan. Das Referendum wurde am 10. Dezember 1991 abgehalten, noch vor dem formellen Ende der Sowjetunion am 25. Dezember 1991, also galt sowjetisches Recht und somit war die Abspaltung zu diesem Zeitpunkt rechtmäßig.

5.1.2 Das armenische Selbstbestimmungsrecht der Völker und Aserbaidschans territoriale Integrität als widerstreitende Prinzipien des Völkerrechts Das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die territoriale Integrität der Staaten sind zwei der grundlegendsten Prinzipien des Völkerrechts. Die Charta der VN erwähnt beide bereits in Artikel 1(2) bzw. 2(4). Beide Prinzipien sind außerdem Teil der Schlussakte von Helsinki, dem Gründungsdokument der KSZE, der heutigen OSZE, auf deren Basis der Konflikt aktuell im Rahmen der Minsker Gruppe verhandelt wird. Beim Selbstbestimmungsrecht wird oftmals zwischen innerer und äußerer Selbstbestimmung unterschieden, erstere meint Selbstbestimmung gegenüber der eigenen Regierung, also das Recht auf freie, demokratische Mitbestimmung, letztere betrifft das Recht einer Volksgruppe auf Abspaltung von einem von einer anderen Volksgruppe regierten Staat. Bergkarabach bzw. Armenien führen im Konflikt ihr Recht auf Selbstbestimmung an, während sich Aserbaidschan auf sein Recht auf territoriale Unversehrtheit beruft. Anders als im Disput oft behauptet, je nachdem, welche Seite spricht, ist keines der beiden Prinzipien vertragsrechtlich stärker als das andere. Beide Prinzipien stehen auf der höchsten völkerrechtlichen Ebene, sie sind ius cogens, also zwingendes Recht, und übertrumpfen damit alle Rechtsakte, die dagegen verstoßen.

1115 Ebd., S. 46. 283

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5 Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt

Die Völkerrechtspraxis wiederum steht klar auf der Seite der territorialen Integrität, Sezessionsbestrebungen im Sinne eines äußeren Selbstbestimmungsrechts, werden nur in seltenen Fällen unterstützt.1116 Das überrascht nicht, da die Akteure des Völkerrechts Nationalstaaten sind, die ein Eigeninteresse an der Aufrechterhaltung der bestehenden Grenzen haben und Abspaltungsbewegungen verhindern wollen. Ein weiteres, nicht von der Hand zu weisendes Argument ist das der allgemeinen Stabilität der Staatenordnung, die bei einer Ermutigung der weltweit vielzähligen Sezessionsbewegungen zerfallen könnte. Bevor wir auf die Ausnahmeregelungen zu sprechen kommen, die zu den seltenen, von der Staatengemeinschaft unterstützten Sezessionen führten, kann aber schon einleitend im Rückgriff auf das obige Kapitel zur sowjetischen Rechtslage argumentiert werden, dass Aserbaidschan gar nicht das Recht hat, Bergkarabach in sein postsowjetisches Verständnis seiner territorialen Integrität miteinzubeziehen. Zwar entschieden die Gremien der internationalen Gemeinschaft, unter anderem der Rat der Außenminister der Europäischen Gemeinschaft,1117 dass die neuen Staaten der ehemaligen Sowjetunion grundsätzlich in den Grenzen ihrer Unionsrepubliken anerkannt werden sollten.1118 Dabei wurde sich aber auf das Prinzip des uti possidetis berufen, das ursprünglich in Bezug auf die Entkolonialisierung festlegte, dass diese – zur Vermeidung von Streitigkeiten – innerhalb der von den Kolonialmächten festgelegten Grenzen zu geschehen hatte. Aserbaidschan sieht sich so bestätigt, denn Bergkarabach war Teil der aserbaidschanischen Unionsrepublik. Wie aber oben festgestellt wurde, hatte sich Bergkarabach noch unter sowjetischem Recht von Aserbaidschan losgelöst und war so zum Zeitpunkt der Auflösung der UdSSR schon eine eigenständige Unionsrepublik. Folglich hätte Bergkarabach nach dem Uti-possidetis-Prinzip als eigenständiger Staat anerkannt werden müssen. Wenn wir, wie es die internationale Gemeinschaft offensichtlich tat, diesen Sachverhalt anders interpretieren, sprechen allerdings immer noch aktuelle Völkerrechtsnormen für die Unabhängigkeit Bergkarabachs. Es gibt drei bedeutende Ausnahmeregelungen, in denen das äußere Selbstbestimmungsrecht bzw. die Sezession aus einem Nationalstaat dessen territoriale Integrität aushebeln kann: die

1116 Vgl. Tomschat, Christian: Secession and Self-Determination, in: Kohen, Marcelo (Hrsg.): Secession, International Law Perspetives. Cambridge 2006, S. 23–25. 1117 Vgl. Guidelines on the Recognition of New States in Eastern Europe and in the Soviet Union, 16. Dezember 1991, in: International Legal Materials, 31, S. 1485–1487. 1118 Die Badinter-Kommission: Sie befasste sich mit der Klärung juristischer Fragen als eine Schiedskommission, die nach dem Zusammenbruch des ehemaligen Jugoslawien Anfang der 1990er entstanden war.

5.1 Der Bergkarabach-Konflikt aus juristischer Sicht

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Sezession aus einem Kolonialisierungskontext heraus,1119 die hier nicht relevant ist, sowie die so genannte Remedial-Sezession zur Abspaltung aus Gewaltgründen1120 und die De-facto-Sezession. Grundvoraussetzung für alle drei ist, dass es sich bei der abspaltungswilligen Entität um eine eigenständige Volksgruppe handelt.1121 Wer ein Volk konstituiert, ist im Völkerrecht nicht abschließend definiert. Das macht die Einschätzung, ob dies auf die Bewohner Bergkarabachs zutrifft, nicht leichter. Die Meinungen über die Bergkarabacher gehen selbstverständlich auseinander. Problematisch ist, dass die armenischen Bewohner Bergkarabachs schon im Namen den Armeniern so nah stehen, sodass die Unterscheidung in eine distinkte Volksgruppe schwerfällt.1122 Die besondere politisch-geschichtliche Situation Bergkarabachs, seit fast 100 Jahren getrennt von Armenien, hat jedoch eine eigenständige karabachische Identität, die es zum Teil schon seit antiken Zeiten gab, noch weiter verstärkt. Gehen wir also davon aus, dass die Karabacher eine eigene Volksgruppe bilden, steht ihnen womöglich die sogenannte Remedial-secession-Klausel offen. Diese folgt der aus dem fünften Grundsatz der Friendly Relations Declaration der Vereinten Nationen1123 abgeleiteten, weit verbreiteten Meinung im Völkerrecht, dass Sezession legitim sei, wenn sie im Falle schwerer Diskriminierungen einen letzten Ausweg für die diskriminierte Gruppe aus dem sie diskriminierenden Staatsgebilde darstelle.1124 Wenn ein Staat also eine bestimmte Volksgruppe systematisch benachteiligt und seine Bürgerrechte verletzt, verliert er die Legitimität, diese Gruppe zu regieren. Dies gilt in besonderem Maße bei schweren Verstößen gegen die Menschenrechte dieser Gruppe oder gar Völkermord. „Die Feststellung der Unzumutbarkeit des Zusammenlebens mit dem Mehrheitsethnos in einem Staat indiziert das Recht der Volksgruppe zur Sezession.“1125

1119 Vgl. Cassese, Antonio: Self-Determination of Peoples: A legal Reappraisal. Cambridge 1995, S. 129. 1120 Der Begriff wurde von Lee Buchheit geprägt in seinem Buch: Secession. The Legitimacy of Self-Determination. New Haven 1978. 1121 Vgl. Tomschat, Christian: Cambridge 2006, S. 31. 1122 Vgl. Lisicjan, Stepan: Armjane Nagornogo Karabakha. Etnograficheskij ocherk (Die Armenier von Berg-Karabach. Ethnographischer Aufsatz). Jerewan 1992. 1123 „Principle of equal rights and self-determination of peoples“. Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations, Resolution der UN-Generalversammlung vom 24.10.1970. 1124 Vgl. Tomschat, Christian: Cambridge 2006, S. 35. 1125 Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 54. 285

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5 Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt

Die Friendly Relations Declaration und das daraus abgeleitete Gewohnheitsrecht geben keine klaren Definitionen darüber ab, welche Verstöße vorliegen müssen,1126 aber gewisse Handlungen, wie gesellschaftliche Diskriminierung, ethnische Säuberungen oder andere Arten von Gewalt auf Basis der Volkszugehörigkeit lassen leicht erkennen, ob die Schwelle zur remedial secession übertreten wurde. Trifft dies auf das Verhältnis zwischen Aserbaidschan und Karabach-Armenier zu? Ein Blick auf das Leben der Karabacher in Aserbaidschan während der sowjetischen Ära kann Aufklärung leisten. Aus Sicht der Armenier waren diese Erfahrungen negativ, die Führung der Aserbaidschanischen Sowjetrepublik kappte physische Verbindungen nach Armenien und reduzierte die wirtschaftliche Förderung der Region auf ein Minimum. Schlechte Lebensbedingungen waren die Folge. Außerdem soll es staatliche Verfolgung, speziell der intellektuellen Elite Bergkarabachs, und Vertreibung gegeben haben.1127 Dem widerspricht die aserbaidschanische Seite, laut deren Sichtweise es keine gezielte Diskriminierung gab. Im Gegenteil seien die Lebensbedingungen in Bergkarabach sogar besser gewesen als in Armenien oder anderen Teilen Aserbaidschans.1128 Die Wahrheit lässt sich mit sowjetischen Quellen aus der Zeit nicht klar überprüfen, auch die Verfolgung durch den Staat speziell kritischer Intellektueller kann auf das sowjetische System geschoben werden. Was jedoch feststeht, sind die Geschehnisse seit Ende der 1980er Jahre, als Aserbaidschaner auf den karabachischen Wunsch nach Selbstbestimmung mit Pogromen reagierten. Pogrome können als unkontrollierter Ausbruch gegenseitiger Provokationen gesehen werden oder es kann auch hier angeführt werden, dass die Menschenrechtsverletzungen noch in der UdSSR stattfanden und die Republik Aserbaidschan eine neue Chance verdient hat.1129 Das fällt allerdings schwer, denn Äußerungen der aktuellen Regierung in Baku deuten nicht auf einen Sinneswandel gegenüber Armeniern hin. Im Gegenteil haben die Aggressivität und die anti-armenische Agitation in Aserbaidschan in den letzten Jahren einen Höhepunkt erreicht. Darüber hinaus ist in der aserbaidschanischen Verfassung von 1995 Bergkarabachs Autonomie aufgehoben und Aserbaidschan hat bis heute kein Gesetz zum Schutz seiner anderen Minderheiten, wie Lesginen und Talyschen, verabschiedet. Das deutet auf ein anderes, entscheidendes Problem in Aserbaidschan hin: Das Land ist eine Autokratie, in der es um den allgemeinen Schutz von Bürgerrechten schlechtsteht. Das ist schlimm genug für das aserbaidschanische Mehrheitsvolk, aber bedrohend für eine Minderheit, gegen die seit 25 Jahren Hass gesät wird. Die 1126 Vgl. Krüger, Heiko: Springer Verlag 2009, S. 77. 1127 Vgl. Asenbauer, Haig E.: Wien 1993. 1128 Vgl. Yazdani, Ahmed Omid: Berlin 1993, S. 86 f. 1129 Vgl. Krüger, Heiko: Springer Verlag 2009, S. 78.

5.1 Der Bergkarabach-Konflikt aus juristischer Sicht

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Armenier wären als ungeschützte Minderheit in Aserbaidschan praktisch vogelfrei. Eine Rückkehr unter aserbaidschanische Kontrolle ist daher für die Karabach-­ Armenier praktisch unvorstellbar. Hier darf auch der Hinweis auf die Geschichte nicht fehlen, die den Armeniern im Ersten Weltkrieg mit dem Völkermord im Osmanischen Reich ein traumatisierendes Erlebnis beschert hat. Aserbaidschan stand immer auf der Seite der türkischen Verursacher und leugnet die Geschehnisse bis heute. Ob es sich, wie im Sinne der remedial secession vorgesehen, wirklich um den allerletzten Ausweg für die Bewohner Bergkarabachs handelt, kann nicht mit hundertprozentiger Sicherheit gesagt werden, denn Armenier und Aserbaidschaner haben zu Sowjetzeiten weitestgehend friedlich nebeneinander gelebt und könnten das vielleicht wieder.1130 Es ist aber angesichts der oben vorgebrachten Punkte absolut nachvollziehbar, dass die Armenier von Bergkarabach das Risiko, in einem aserbaidschanischen Staat Opfer von Gewalttaten zu werden, nicht eingehen wollen.1131 Ein weiteres, mitunter schwerwiegendes Argument gegen das Sezessionsrecht von Bergkarabach sind Gräueltaten, die aus aserbaidschanischer Sicht die Karabach-Armenier selbst zur Durchsetzung ihres Willens gegen Aserbaidschaner verübt haben. Hier geht es im Speziellen um die Erreignisse von Chodschali (dazu ausführlich im Kapitel 2.6.2), das von aserbaidschanischer Seite international als Völkermord „vermarktet“ wird.1132 Wie sind die Geschehnisse dort einzuordnen? Chodschali war gegen Ende der 1980er Jahre eine mehrheitlich aserbaidschanisch bewohnte Kleinstadt, von der aus im Krieg die hauptsächlich armenisch bewohnte Hauptstadt von Bergkarabach, Stepanakert, beschossen wurde. Vor dem Angriff wurde die Stadt gewarnt und die Behörden aufgefordert, Zivilisten zu evakuieren, und es wurde ein ein Fluchtkorridor offengehalten. Was dann geschah, ist umstritten, aber im Nachgang der Kämpfe wurden nahe der Stadt Leichenfelder aserbaidschanischer Zivilisten gefunden. Aus aserbaidschanischer Sicht war der Fluchtkorridor eine Falle und armenische Freischärler haben in Chodschali ein Massaker verübt. Die Armenier sagen, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht so weit vorgedrungen waren. Eine weitere Möglichkeit ist, dass aserbaidschanische Soldaten die fliehenden Zivilisten nachts mit armenischen Angreifern verwechselt haben. Das Massaker wurde auf jeden Fall von aserbaidschanischen Oppositionskräften genutzt, um die Regierung in Baku erfolgreich zu stürzen. Der gestürzte aserbaidschanische Präsident Ajas Mutalibow hat zu Protokoll gegeben, dass genug Soldaten vorhanden waren, um die Flüchtlinge zu schützen. Es gab nie 1130 Vgl. ebd, S. 83. 1131 Vgl. Luchterhandt, Otto: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2010, S. 60 f. 1132 Siehe die Webseiten: www.chodschali.de/und www.khodjaly.org, abgerufen: 15.09.2017. 287

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eine offizielle Aufklärung. Die unklare Faktenlage reicht aber auf keinen Fall aus, um den Tatbestand des Völkermords zu erfüllen, insbesondere nicht, um daraus ein Verwirken des Rechts auf Selbstbestimmung abzuleiten. Kommen wir abschließend zu einem weiteren völkerrechtlichen Ausnahmefall, der die Unabhängigkeit erlauben könnte, die Fakten vor Ort. Generell ist es völkerrechtlich möglich, die Unabhängigkeit einer Entität anzuerkennen, wenn ihre bestehende Staatlichkeit keinen anderen Schluss zulässt. Grundlage für diese Bewertung sind die drei Elemente des Staatswesens: Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt und die Fähigkeit, in Beziehung mit anderen Staaten zu treten. Diese wurden in der als Völkerrechtsquelle sowie in der Völkerrechtspraxis geltenden „Konvention von Montevideo über Rechte und Pflichten der Staaten“ von 1933 benannt.1133 Über das Staatsgebiet besteht im Falle Bergkarabachs kein Zweifel, das Gebiet hat seit der Antike eine geographische Identität, das Kernterritorium ist auch politisch seit Jahrzehnten als in irgendeiner Form eigenständiges Gebiet bestätigt worden. Die Debatte über die Existenz eines bergkarabachischen Volkes wurde oben ansatzweise geführt und ein zumindest teilweise distinkter Charakter der Menschen festgestellt. Bezüglich der Staatsgewalt werden vor allem Bergkarabachs Abhängigkeit von und seine enge Verflechtung mit der Republik Armenien kritisiert.1134 Diese Abhängigkeit ist gegeben, gerade auch durch die Blockade von Bergkarabachs Grenzen mit Aserbaidschan. Nichtsdestotrotz haben Bergkarabachs politische Institutionen die Kontrolle über ihr Gebiet, es werden relativ faire, freie und kompetitive Wahlen abgehalten und ein Referendum von 2006 hat eine Verfassung verabschiedet, die das semipräsidentielle Regierungssystem mit Gewaltenteilung gestärkt hat. Bei Erfüllung der Kriterien der Staatlichkeit ist noch eine weitere Einschränkung zu beachten. Die De-facto-Sezession ist nur dann völkerrechtlich vertretbar, wenn dieser Zustand ohne den Bruch von Völkerrecht zustande gekommen ist. Das ist wichtig, da sonst jede Gruppierung ein Territorium mit Gewalt erobern und Staatlichkeit etablieren könnte, um sein Vorgehen nachträglich zu rechtfertigen.1135 Hier schließt sich der Kreis dieser rechtlichen Betrachtung. Wenn sich Bergkarabach nach sowjetischem Recht und Völkerrecht abspalten durfte und dabei, wie die Besprechung des Chodschali-Falls gezeigt hat, keine schweren Brüche von Völkerrecht begangen hat, dann ist Bergkarabachs Unabhängigkeit auf Basis seiner 1133 Vgl. UN-Treaties: Montevideo Convention on the Rights and Duties of States. Unter: https://treaties.un.org/pages/showDetails.aspx?objid=0800000280166aef, abgerufen: 15.09.2017. 1134 Vgl. Krüger, Heiko: Springer Verlag 2009, S. 89. 1135 Vgl. ebd., S. 90.

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de facto bestehenden Staatlichkeit auch de jure anzuerkennen. Das Völkerrecht kennt aber keinen Rechtsanspruch auf Anerkennung.

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5.2.1 Vermittlungsversuche vor und während des Kriegs (1991–1994) Gewaltsame Konflikte widersprechen den Prinzipien der internationalen Gemeinschaft von einer friedlichen Welt, wie sie in der Charta der Vereinten Nationen festgehalten sind. Wenn also internationale Konflikte ausbrechen, intervenieren üblicherweise Drittstaaten, um eine Lösung zu finden. Im Extremfall kann es zur militärischen Intervention kommen, vor allem in Fällen, in denen Aggressor und Opfer der Gewalt klar sind oder Drittstaaten einseitige Interessen haben, die sie wahren möchten. Meist wird jedoch zunächst versucht, Konflikte auf diplomatischem Weg zu beenden. Bei dieser Konfliktmediation oder vermittlung stellen Drittstaaten oder internationale Organisationen den Konfliktparteien Kanäle zur Verfügung, um zu kommunizieren, gegenseitige Probleme und Missverständnisse zu diskutieren, Lösungsideen hervorzubringen und dann über diese zu verhandeln.1136 Die Auseinandersetzung um Bergkarabach war an seinem Beginn 1988 noch ein innerstaatlicher Konflikt zwischen Unionssubjekten der Sowjetunion, aber im Zuge der Unabhängigkeit Armeniens und Aserbaidschans 1991 wurde er zu einem internationalen Konflikt, der Vermittler aus Drittstaaten auf den Plan rief. Bereits im September 1991 unternahmen die damaligen Präsidenten Russlands und Kasachstans, Boris Jelzin und Nursultan Nasarbajew, einen Versuch, in der Bergkarabach-Frage zwischen der armenischen und aserbaidschanischen Seite zu vermitteln. Die daraus resultierende und von beiden Konfliktseiten unterzeichnete Zheleznovodsk-Erklärung1137 sah einen Waffenstillstand für den Jahresbeginn 1992 vor, gefolgt von einer Demilitarisierung der Konfliktzone und der Reintegration 1136 Vgl. Zartman, William/Touval, Saadia: International Mediation: Conflict Resolution and Power Politics, Journal of Social Issues, Vol. 41/2, 1985, S. 31; Bercovitch, Jacob: The Study of International Mediation: Theoretical Issues and Empirical Evidence, Resolving International Conflicts, in: Bercovitch, Jacob/Houston, Allison: The Theory and Practice of Mediation. Boulder 1996, S. 11. 1137 Vgl. United Nations: Zheleznovodsk Declaration. Unter: https://peacemaker.un.org/sites/ peacemaker. un.org/files/Azerbaijan_ZheleznovodskDeclaration1991.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 289

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Bergkarabachs in Aserbaidschan. Armenien erklärte sich darin bereit, seine Ansprüche auf sämtliche aserbaidschanische Territorien, einschließlich Bergkarabach, aufzugeben, wohl auch, weil die zu diesem Zeitpunkt ausgerufene Unabhängigkeit von der Sowjetunion Priorität genoss und der Krieg das gerade zum ersten Mal seit Jahrhunderten unabhängige Armenien stark belastete.1138 Die Geschehnisse von Chodschali und Maragha und der Abschuss eines Hubschraubers mit internationalen Vermittlern und Journalisten im Januar 1992 sorgten jedoch dafür, dass die Beschlüsse nie umgesetzt wurden. Nur einen Monat später, im Februar 1992, wurden die nun unabhängigen Staaten Armenien und Aserbaidschan Mitglieder der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), der Vorgängerorganisation der OSZE. Kurz darauf unterzeichneten Armenien und Aserbaidschan unter Vermittlung Russlands eine weitere Erklärung, die die Rolle der KSZE als Konfliktvermittler begrüßte. Diese entsandte unmittelbar eine Beobachtermission nach Bergkarabach. Die nach ihrem Leiter Karel Schwarzenberg benannte Mission machte das Erzielen eines Waffenstillstands bei gleichzeitiger Etablierung eines Dialogs zwischen den Konfliktparteien zur höchsten Priorität. Zu den Konfliktparteien zählte die Schwarzenberg-Mission neben Armenien und Aserbaidschan auch die Bewohner Bergkarabachs sowie die Regionalmächte Türkei und Russland.1139 Beim KSZE-Treffen in Prag Ende Februar wurde dann empfohlen, ein Forum für Friedensgespräche einzurichten1140 und eine weitere Mission in die Konfliktregion zu entsenden, um vor Ort die Bedingungen für den Friedensprozess zu erörtern.1141 Letzteres wurde direkt umgesetzt und eine Mission unter Leitung des slowakischen Diplomaten Jan Kubis besuchte im März 1992 die Konfliktregion. Zeitgleich entsandte auch die VN eine Beobachtermission nach Bergkarabach, um den Konflikt zwischen seinen neuen Mitgliedsstaaten Armenien und Aserbaidschan einer friedlichen Lösung zuzuführen. Auch der Iran wurde im Frühjahr 1992 als Konfliktvermittler aktiv, in Teheran einigten sich Armenien und Aserbaidschan Mitte März auf einen Waffenstillstand. Dieser wurde jedoch nur wenige Tage eingehalten. Iranische Außenpolitiker ließen

1138 Vgl. Keller, Bill: Armenia yielding claim on enclave, in: New York Times 23.09.1991. 1139 Vgl. Commission on Security and Cooperation in Europe, CSCE: Interim Report of the CSCE Rapporteur Mission on the situation in Nagorny Karabakh, in: Helsinki Monitor, 3, 2, 1992, S. 50–64. 1140 Vgl. Commission on Security and Cooperation in Europe, CSCE: Seventh Meeting of the CSO. Prague, Journal 12, Annex 1. 1141 Vgl. Commission on Security and Cooperation in Europe, CSCE: Eigth Meeting of the CSO. Prague, Journal 13, Annex 2.

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sich davon nicht entmutigen und betrieben eine intensive Pendeldiplomatie, die ebenso Moskau miteinbezog und Anfang Mai zu einem weiteren Waffenstillstand führte. Auch dieser hielt allerdings nur wenige Tage (dazu ausführlich im Kapitel 4.2.4). Parallel kündigten Russland und Kasachstan, die sich für eine stärkere Rolle der GUS in der Konfliktbeilegung starkmachten, eine Initiative an und Frankreich wandte sich mit einem Drei-Punkte-Plan und der Idee für eine Friedenskonferenz in Paris an die KSZE. Neben der Unübersichtlichkeit und fehlenden Effektivität so vieler nebeneinander laufender, nicht abgestimmter Vermittlungsversuche kam es auch zu Konflikten zwischen den unterschiedlichen Vermittlern. Die Türkei warf Frankreichs Vorschlag eine pro-armenische Gesinnung vor, Russlands Einmischung wurde im Westen verdächtigt, Eigeninteressen in der Region zu dienen, und die Vermittlung des Iran wurde von verschiedenen Seite kritisch beäugt, vor allem von den USA, der Türkei, aber auch von Russland.1142 Ein erster Schritt zu einer Bündelung der Vermittlungsaktivitäten geschah im März 1992 mit der Entscheidung beim Treffen der KSZE-Außenminister, dass diese und nicht die VN für die Vermittlung im Bergkarabach-Konflikt zuständig sein sollte.1143 Elf Mitgliedsstaaten der KSZE sollten als „ongoing forum for the negotiations aimed at peaceful settlement of the crisis on the basis of principles, obligations and the charter of CSCE“1144 dienen und eine Friedenskonferenz im belarussischen Minsk für den Sommer 1992 planen, bei der eine umfassende Lösung des Konflikts ausgehandelt und ein Friedensdokument unterzeichnet werden sollte. Neben Armenien und Aserbaidschan umfasste diese so genannte Minsker Gruppe neun Vermittlerstaaten: Russland und die Türkei als Regionalmächte, die USA als globale und Frankreich als Macht mit Interessen in der Region, Deutschland, die Tschechoslowakei (später Finnland) und Schweden als aktuelle KSZE-Troika, Belarus als Gastgeber der abzuhaltenden Konferenz und Italien als Konferenzvorsitz.1145 Der Iran als Nichtmitglied der KSZE wurde von dem Prozess ausgeschlossen. Die Vorbereitungen für die Minsker Friedenskonferenz stellten sich aufgrund der vertrackten politischen Lage und vor allem angesichts des andauernden militärischen Konflikts als sehr viel langwieriger heraus, als dass der Sommer 1992 einen realistischen Zeitpunkt für die Friedenskonferenz ergab. Bei den Vorbereitungen 1142 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 203. 1143 Vgl. Commission on Security and Cooperation in Europe, CSCE: Helsinki Additional Meeting of the CSCE Council, Summary of Conclusions, point 6. Helsinki, 24.03.1992. 1144 Commission on Security and Cooperation in Europe, CSCE: First Additional Meeting of the Council of CSCE, Summary of Conclusions II, point 8. Helsinki 24.03.1992. 1145 Vgl. OSZE: Minsk Group, Who we are. Unter: http://www.osce.org/minsk-group/108306, abgerufen: 15.09.2017. 291

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war unter anderem die Frage nach der Teilnahme einer eigenen bergkarabachischen Delegation als Konfliktpartei umstritten, der Aserbaidschan zu diesem Zeitpunkt wohl auch aufgrund seiner schlechten militärischen Position noch zustimmte. Als Entgegenkommen sollte diese Delegation aber nur einen eingeschränkten Teilnehmerstatus erhalten und Aserbaidschan sollte Vertreter seiner Flüchtlinge aus Bergkarabach mitbringen dürfen. Zur anberaumten Friedenskonferenz ist es tatsächlich bis heute nicht gekommen. Stattdessen wurde eine Reihe informeller Treffen der Minsker Gruppe abgehalten. Das Feld der Minsker Vermittler war allerdings von Anfang an sehr vielfältig, sowohl was Machtressourcen als auch Interessen an Armenien und Aserbaidschan betraf. Daraus resultierten sehr unterschiedliche Level von aktiver Mitgestaltung. Einige Vermittler verhielten sich eher passiv und sendeten wechselnde Vertreter, die durch ihre seltene Anwesenheit bei den Gesprächen wenig zu diesen beitragen konnten. Auch die rotierende Mitgliedschaft in der KSZE-Troika war dafür nicht hilfreich.1146 Weiter erschwert wurde die Vermittlung im Konflikt durch den fortgesetzten Krieg vor Ort. Vor allem Karabach-Armenier hatten zu diesem Zeitpunkt Aufwind und schufen mit der Einnahme wichtiger Orte territoriale Fakten, was wiederum von den Vermittlern kritisiert wurde. Zwischen Juni und September wurden mehrere Treffen der Minsker Gruppe in Rom abgehalten, bei denen es immer wieder zu Problemen kam, vor allem was den Status der armenischen Vertreter Bergkarabachs bei den Verhandlungen betraf.1147 Aserbaidschan weigerte sich, mit armenischen Vertretern aus Bergkarabach zu verhandeln. Mit der Ausweitung des Kriegs, mehr Opfern auf beiden Seiten und einer Vertiefung des Misstrauens gegeneinander stellten beide Seiten nun mehr und schwerer wiegende Bedingungen, um sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Zwar war eine große Friedenskonferenz außer Sichtweite, aber es konnte eine Einigung auf eine KSZE-Beobachtermission nach einem etwaigen Waffenstillstand erreicht werden. Die Entsendung wurde intensiv vorbereitet, aber nie implementiert, weil es vor Ort wieder zu offensiven Militärmanövern kam. Auch eine im September von Kasachstan vermittelte Waffenruhe wurde nie eingehalten und sorgte stattdessen für Spannungen mit der KSZE, die in diese Verhandlungen nicht eingebunden war.1148 Mit der Eskalation der bewaffneten Auseinandersetzungen auf Territorien jenseits des sowjetischen Autonomiegebiets von NKAO konzentrierte sich die Vermittlung 1146 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 214. 1147 Vgl. Fuller, Elizabeth: Ethnic Strife threatens Democratization, in: RFE/RL, Research Report, 2(1), 1/1993, S. 22. 1148 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 209.

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endgültig auf das Minimalziel, das Erreichen eines Waffenstillstands. Von Sanktionen gegen die armenische Seite rückte der italienische KSZE-Vorsitz schnell ab, weil auf VN-Ebene mit einem russischen Veto zu rechnen war und nach den Erfahrungen des Jugoslawien-Zusammenbruchs Zwangsmaßnahmen als kontra­ produktiv eingeschätzt wurden. Gleichwohl verabschiedete der Sicherheitsrat der VN im April 1993 die Resolution 822, die eine Einstellung der Kampfhandlungen und den Rückzug armenischer Truppen aus den aserbaidschanischen Territorien um Bergkarabach herum forderte.1149 Die anhaltenden Misserfolge im Vermitteln eines Waffenstillstands, auch durch die ständige Vermischung nationaler Agenden mit dem Vermittlungsprozess, sorgten dafür, dass Mitte 1993 der Kreis der Vermittler auf ein Minimum begrenzt wurde. Mitglieder der Minsker Gruppe, die als weniger wichtig oder interessiert wahrgenommen wurden, sollten von nun an nicht mehr an den Friedensgesprächen teilnehmen, sondern nur noch über die Ergebnisse informiert werden. Man erhoffte sich davon eine gesteigerte Effektivität der Vermittlungsaktivitäten.1150 Bereits im Mai 1993 hatte eine Dreiergruppe, bestehend aus den USA, der Türkei und Russland, im Einverständnis mit der Minsker Gruppe eine neue Initiative für einen Waffenstillstand unternommen. Erneut enthielt der Vorschlag die Forderung nach dem Rückzug armenischer Truppen aus den umliegenden Gebieten Bergkarabachs und einen Waffenstillstand zur Aufnahme direkter Verhandlungen. Armenien und Aserbaidschan stimmten dem Vorschlag zu, ebenso Bergkarabach nach Druck aus Jerewan, obwohl es mangelnde Sicherheitsgarantien moniert hatte.1151 Ein weiteres Mal stoppten die Entwicklungen in der Krisenregion den Friedensprozess, dieses Mal in Aserbaidschan, wo es zu einem Umsturz der Regierung in Baku kam. Die neue Regierung pflegte ein besseres Verhältnis mit Moskau, das sich nun als idealer Vermittler sah und mehr in den Vordergrund rückte. Die KSZE trat dafür unfreiwillig in den Hintergrund. Unter russischer Vermittlung und auch vor dem Hintergrund seiner schwachen militärischen Position akzeptierte Baku im Spätsommer 1993 erstmals direkte Kontakte mit Bergkarabach.1152

1149 Vgl. United Nations: Resolution 822 (1993). Unter: https://documents-dds-ny.un.org/doc/ UNDOC/GEN/N93/247/71/IMG/N9324771.pdf?OpenElement, abgerufen: 15.09.2016. 1150 Vgl. Jacoby, Volker: The role of the OSCE. An assessment of international mediation efforts, in: Broers, Laurance: The limits of leadership, Elites and societies in the Nagorny Karabakh peace process, Accord, International Review of Peace initiatives, Issue 17. London 2005, S. 31. 1151 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 214–216. 1152 Vgl. ebd., S. 217–219. 293

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Die Minsker Gruppe arbeitete unterdessen weiter an einem Zeitplan, der auf gegenseitigen Schritten basieren sollte. Auf den Rückzug der armenischen Truppen aus den umliegenden Gebieten um NKAO sollte als Sicherheitsgarantie eine KSZE-Mission entsandt und dann die aserbaidschanische Wirtschaftsblockade aufgehoben werden. Hinsichtlich der Reihenfolge dieser Schritte hatten beide Seiten allerdings unterschiedliche Auffassungen. Außerdem reichten Bergkarabach die Sicherheitsgarantien nicht, während Aserbaidschan den Rückzug armenischer Truppen nicht nur auf die Gebiete um Bergkarabach beschränken, sondern die umkämpfte Enklave in diesen Schritt einschließen wollte. Auch die Vermittler waren sich nicht einig. Westliche und russische Mitglieder der Minsker Gruppe stritten über die Gestalt der möglichen Friedenstruppen. Der Westen wollte keine rein russische Mission, Russland verbat sich westliche Soldaten in seiner direkten Einflusszone. Mit der nächsten Welle militärischer Offensiven im Herbst 1993 kam der Friedensprozess aber sowieso erneut zum Erliegen. Zwischen Dezember 1993 und Februar 1994 flammte eine letzte Phase intensiver Kämpfe zwischen armenischen und aserbaidschanischen Truppen auf. Parallel dazu wechselte der KSZE-Vorsitz. Der neue schwedische Vorsitz setzte auf einen neuen Ansatz in Bergkarabach, eine Pendeldiplomatie mit viel Präsenz vor Ort und größeren Freiräumen für den Vorsitz zu Verhandlungen mit den Konfliktparteien, ohne jeden Schritt mit der gesamten Minsker Gruppe abzustimmen.1153 Russland blieb den ersten Treffen unter schwedischem Vorsitz fern, es entstand eine regelrechte Konkurrenz zwischen westlichen KSZE-Vermittlern und russischen Vermittlern.1154 Im Frühjahr 1994 startete Russland eine neue Vermittlungsinitia­ tive mit einem Friedensplan, der die üblichen Schritte vorsah: Waffenstillstand, Truppenrückzug und Friedensverhandlungen. Armenien signalisierte Kompromissbereitschaft, Aserbaidschan machte klar, keine russischen Friedenstruppen auf seinem Territorium zu dulden. Angesichts des militärischen Fiaskos im Krieg, das sich für Aserbaidschan abzeichnete, ging Aserbaidschan dann aber auf ein Waffenstillstandsabkommen ein. Am 5. Mai 1994 unterzeichneten Armenien und Aserbaidschan und auch Bergkarabach als Konfliktpartei in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek den Waffenstillstand, der am 12. Mai in Kraft trat und bis heute gilt und über 22 Jahre relativ stabil blieb.1155 1153 Vgl. ebd., S. 223–225. 1154 Vgl. Miller, Nicholas W.: Nagorno-Karabakh: A War without Peace, in: Eichensehr und Reisman (Hrsg.): Stopping Wars and Making Peace: Studies in International Intervention. Leiden, Boston, Martinus Nijhoff Publishers 2009, S. 60 f. 1155 Vgl. United Nations: Bishkek Protocol. Unter: https://peacemaker.un.org/sites/peacemaker. un.org/files/ArmeniaAzerbaijan_BishkekProtocol1994.pdf, abgerufen: 15.09.2017.

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Russland und die KSZE waren sich allerdings uneins, wer welchen Beitrag zu diesem Erfolg geleistet hat. KSZE-Vertreter äußerten sogar, dass Moskau die Einigung unter Vermittlung der Minsker Gruppe blockierte, um keinen Vermittlungserfolg einer internationalen Organisation in seinem „Nahen Ausland“ zu haben.1156

5.2.2 Vermittlung durch die OSZE nach dem Waffenstillstand (1994–1997) Nachdem mit dem Waffenstillstand ein großer Schritt getan, aber doch nur das Minimalziel der Vermittler erreicht wurde, bemühte sich die Minsker Gruppe nun um eine nachhaltige politische Lösung des Konflikts. Wichtigste Punkte waren und sind bis heute die Rückgabe der von Bergkarabach kontrollierten angrenzenden Gebiete, die um das Kerngebiet Bergkarabachs herumliegen, die Frage nach der Rückkehr der Flüchtlinge beider Seiten sowie – ganz entscheidend – die Klärung des Status von Bergkarabach. Nach dem Bischkeker Protokoll stagnierte der Friedensprozess allerdings zunächst für einige Monate. Denn während ein Waffenstillstand mehr oder weniger im Interesse aller Akteure und Vermittler gelegen hatte, gingen die Vorstellungen über die nachhaltige politische Lösung teilweise weit auseinander. Erst mit dem KSZE-Gipfel in Budapest im Dezember 1994 kam wieder Bewegung in die Vermittlungsaktivitäten. Auf dem Gipfel wurde entschieden, die KSZE als OSZE zu institutionalisieren und damit auf stabilere organisatorische Füße zu stellen. Dazu gehörte auch, ihr eine robuste Friedenstruppe an die Hand zu geben, was vor allem im Hinblick auf Bergkarabach ein zentrales Thema der Gespräche war. Sie sollten den Bruch des Waffenstillstands verhindern und als Sicherheits­ garant Annäherung und Vertrauensbildung ermöglichen. Auf dem Budapest-Gipfel einigte man sich auch auf eine klare Vorgehensweise bei der Konfliktbeilegung: Auf das Ausverhandeln eines Friedensvertrags sollte das Entsenden der Friedenstruppen folgen, die dann eine friedliche Umsetzung der Punkte des Friedensvertrags überwachen, und abschließend sollte die Minsker Friedenskonferenz zur finalen Klärung des Status von Bergkarabach abgehalten werden.1157 Bei den Gesprächen über die Friedenstruppen kam es aber erneut zu größeren Konflikten mit Russland, das sich weiterhin gegen westliche Soldaten im Südkaukasus stellte und zur Minsker Gruppe parallel ablaufende Vermittlungsinitiativen 1156 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 228 f. 1157 Vgl. OSCE: Budapest Document 1994. Unter: https://www.osce.org/mc/39554?download=true, abgerufen: 15.09.2017. 295

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verfolgte. Um Russland besser in das internationale Vermittlerboot zu integrieren und eine echte Chance zu haben, die Stagnation der Friedensverhandlungen zu überwinden, wurde sich, in Budapest darauf geeinigt, Russland mit einem ständigen Ko-Vorsitz der Minsker Gruppe entgegenzukommen. Im Gegenzug verzichtete Russland auf die Forderung, dass etwaige Friedenstruppen nur aus GUS-Soldaten bestehen dürften. Von nun an stand die Minsker Gruppe also unter dem gemeinsamen Vorsitz Russlands und eines rotierenden anderen Mitgliedsstaates. Auch wurde sich endgültig von dem Modell der Konferenzdiplomatie verabschiedet und stattdessen auf direkte, intensive Pendeldiplomatie zwischen Baku, Jerewan und Stepanakert fokussiert.1158 Die engere Einbeziehung Russlands half in der Folge, effektiver zu vermitteln, und es gab schnelle, kleinere Erfolge, wie den Austausch von Kriegsgefangenen und -toten beider Seiten.1159 Die Rotation vom schwedischen Ko-Vorsitz zu Finnland im Dezember 1994 sorgte dann wieder für Spannungen. Die finnischen Diplomaten waren unerfahren im Umgang mit dem Bergkarabach-Konflikt und kannten die Region natürlich längst nicht so gut wie ihre russischen Kollegen. So wurden sie von diesen zunächst nicht ernst genommen. Mit der Zeit aber arbeiteten die beiden Ko-Vorsitzenden besser zusammen und etablierten als Format regelmäßige Sitzungen, mindestens einmal im Monat. Sie organisierten sogar gemeinsam eine Reise der armenischen und aserbaidschanischen Verhandlungsführer auf die schwedisch bewohnten Aland-Inseln, die Autonomie von Finnland genießen und als Vorbild für Bergkarabach dienen sollten. Der Ausflug wurde aber zu einer negativen Offenbarung, vor allem für die in den Verhandlungen noch neuen und optimistisch gestimmten Finnen. Während des Aland-Ausflugs wurde schnell klar, dass die armenischen und aserbaidschanischen Ansichten zum Status Bergkarabachs so festgefahren waren, dass selbst die Vermittler von den aggressiven Reaktionen auf konkrete Vorschläge geschockt waren. Die Parteien seien nicht reif für eine umfassende politische Lösung lautete das traurige Eingeständnis der Ko-Vorsitzenden. Auch in der Folge stritten beide Seiten über rhetorische Details und waren laut den KSZE-Vermittlern nicht dazu bereit, über substantielle Fragen zu verhandeln.1160 Auch der Vorstoß des OSZE-Vorsitzenden, selbst in die Region zu reisen, um mit den Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans auf höchster diplomatischer Ebene zusammenzukommen und so einen Durchbruch in den Verhandlungen zu erreichen, scheiterte. 1158 Vgl. Jafarova, Esmira: OSCE Mediation of the Nagorno-Karabakh Conflict, in: The Washington Review of Turkish & Eurasian Affairs, 3/2014. 1159 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 260 f. 1160 Vgl. ebd., S. 254–256.

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Immerhin wurde im August 1995 eine kleine OSZE-Mission im georgischen Tbilisi eingerichtet, die dem OSZE-Vorsitzenden über die Lage vor Ort Bericht erstatten sollte. Mit ihren nur fünf bis sechs Mitgliedern war diese Mission zwar für die Konfliktparteien akzeptabel, allerdings auch weit entfernt von einer echten Friedensmission. Die sechs Beobachter durften außerdem lediglich nach Anmeldung bei den Konfliktparteien an der Kontaktlinie patrouillieren. Im Vergleich dazu umfasst die EU Monitoring Mission (EUMM) an der georgischen Grenze mit ihren sezessionsbestrebten Regionen Abchasien und Südossetien etwa 200 Beobachter, die außerdem Tag und Nacht an den Grenzen aktiv sind. Im aktuellen Konflikt um die Ostukraine – der zugegebenermaßen eine andere Tragweite und tagespolitische Bedeutung für die internationale Gemeinschaft hat als Bergkarabach – sind sogar etwa 700 OSZE-Beobachter vor Ort.1161 Die Kapazität der OSZE-Mission für Bergkarabach, die Lage im Konflikt zu beobachten und zu bewerten, war und ist bis heute stark beschränkt und – schlimmer noch – diese Beobachter wurden in mehreren Fällen zwischen 1996 und 1998 sogar an der Kontaktlinie beschossen. Russland versuchte weiter, die Vermittlungen zu dominieren, aber seine einflussreiche Position im Südkaukasus wurde mit dem größer werdenden zeitlichen Abstand zur sowjetischen Periode schwächer. Zum zweiten Jahrestag des Waffenstillstands gelang den russischen Vermittlern zumindest ein weiterer Austausch von Kriegsgefangenen beider Seiten.1162 Dieser erneute Alleingang könnte als Reaktion auf zunehmende Alleingänge anderer Staaten, vor allem der USA, gewertet werden.1163 Diese hatten spätestens seit Mitte der 1990er Jahre vermehrtes Interesse am Südkaukasus entwickelt, vor allem im Hinblick auf die aserbaidschanischen Ölvorkommen. Generell lässt sich sagen, dass die USA neben Russland spätestens seit dem Waffenstillstand zum schwergewichtigsten Vermittler im Bergkarabach-Konflikt aufgestiegen waren. Der finnische Ko-Vorsitzende unternahm Ende 1996 noch einen weiteren Versuch, dem Konflikt einen positiven Impuls zu geben. Im Raum stand der Vorschlag, dass Aserbaidschan von der OSZE seine territoriale Integrität bestätigt bekommen würde, Baku dafür aber auf dem Gebiet Bergkarabachs die Selbstbestimmung der Karabach-Armenier anerkennen und auf seine zentralstaatlichen Rechte verzichten würde. Die Verhandlungen darüber beim Gipfeltreffen der OSZE in Lissabon 1161 Vgl. Kucera, Joshua: Nagorno-Karabakh: Trying to Separate Fact from Fiction. Unter, in: Eurasianet.org 08.04.2016: http://www.eurasianet.org/node/78216, abgerufen: 15.09.2017. 1162 ITAR-TASS: (Russian News Agency) 09.09.1996. 1163 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 261. 297

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im Dezember 1996 scheiterten jedoch und die direkten Gespräche zwischen den beiden Seiten wurden vorläufig abgebrochen. Aserbaidschan tendierte dazu, die Vorschläge anzunehmen, für Armenien hingegen waren sie nicht hinnehmbar, denn sie sahen das Modell maximaler Autonomie innerhalb Aserbaidschans vor, das Baku sowieso vorschwebte, aber den Armeniern von Bergkarabach kaum echte Garantien für Sicherheit und Selbstbestimmung gegeben hätte.1164 Das Gipfeltreffen in Lissabon1165 markierte einen Tiefpunkt in den Verhandlungen seit Ende des Kriegs. Weiterhin war man weit von einer Lösung entfernt und das, obwohl die Verhandlungen 3 bis 4 % des gesamten OSZE-Budgets ausmachten. Finnland kündigte desillusioniert seinen Rücktritt vom Vorsitz der Minsker Gruppe an und über seine Nachfolge entbrannte eine Debatte hinsichtlich der Frage der (vermeintlichen) Parteilichkeit der Kandidaten. Es kam vor allem zum Streit ­darüber, ob Frankreich, dem eine promarmenische Haltung vorgeworfen wurde, den westlichen Ko-Vorsitz der Minsker Gruppe erhalten sollte, oder die USA, die aus geoökonomischen Interessen zu diesem Zeitpunkt eher Aserbaidschan nahestanden. Der dänische OSZE-Vorsitz etablierte daraufhin einen dreigeteilten Vorsitz der Minsker Gruppe mit den Ko-Vorsitzenden Russland, Frankreich und den USA. Dieses Format bestimmt bis heute die Verhandlungen der Minsker Gruppe zum Bergkarabach-Konflikt.1166

5.2.3 Trilaterale Vermittlung im Rahmen der Minsker Gruppe (1997–2015) Mit der Entscheidung, neben Russland auch die beiden anderen mächtigen Vermittler USA und Frankreich zu Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe zu machen, verloren die anderen Mitglieder der Gruppe, einschließlich der Türkei, stark an Einfluss. Große Teile der Vermittlungsaktivitäten beschränkten sich nun zusehends auf die drei Vorsitzenden. Der politische Druck auf die Konfliktparteien, eine Lösung zu finden, stieg mit den USA als Hauptvermittler merklich an. Erneut wurde die Pendeldiplomatie intensiviert und konkrete Friedenspläne wurden verhandelt. Inhaltlich enthielten sie nicht wirklich Neues, aber mit der geballten Realmacht der drei Atommächte 1164 Vgl. Aydinyan, Viktorya: Levon Ter-Petrosyan’s Policy on the Nagorno-Karabakh Conflict. Armenian Center of Young Analysts 25.08.2015. 1165 Vgl. OSCE: Lisbon Document. 03.12.1996. Unter: http://www.osce.org/mc/39539?download=true, abgerufen: 15.09.2017. 1166 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 274 f.

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im Nacken zeigten sich Aserbaidschan und Armenien dieses Mal offener für einen Kompromiss. Bergkarabach hingegen machte von Anfang an klar, dass es jeder Lösung ablehnend gegenüberstehe, die einen Rückzug seiner Truppen aus dem Bergkarabach umgebenden Sicherheitsgürtel zur Vorbedingung für Verhandlungen über den Status der Region machten.1167 Die drei Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe drängten nach drei Jahren praktischen Stillstands in den Verhandlungen seit dem Waffenstillstand auf eine Lösung und kamen dem Wunsch Bergkarabachs zunächst nach. Im Sommer 1997 wurde eine Paketlösung1168 in den Raum gestellt, der zufolge die wichtigen Punkte einer Friedenslösung parallel implementiert werden sollten: Bergkarabachs Status sollte festgelegt werden, während es gleichzeitig seine Truppen aus den umliegenden Gebieten zurückziehen sollte. Ebenso würde Aserbaidschan seine Soldaten von der Kontaktlinie zurückziehen und OSZE-Beobachter sollten die Kontrolle in der dann demilitarisierten Zone übernehmen. Diese Beobachter würden die Rückkehr von Flüchtlingen beider Seiten überwachen und sichern und Aserbaidschan würde die wirtschaftliche Blockade der Region aufheben.1169 Diese Variante wird bis heute von der armenischen bzw. karabachischen Seite favorisiert, um sicherzugehen, dass der Status Bergkarabachs feststeht, bevor bzw. während man seine strategischen Positionen verlässt. Nicht ganz unproblematisch für die armenische Seite ist der Status, der in der Paketlösung wie folgt definiert wird: „Nagorny Karabakh forms a state-territorial entity within Azerbaijan, and its self-determination comprises the the rights and privileges laid out below“, die eine eigene Verfassung und eigenen Nationalsymbole umfassen.1170 Vor allem das „within Azerbaijan“ stößt vielen karabachischen Vertretern auf. Aserbaidschan auf der anderen Seite bevorzugt es, den Status Bergkarabachs erst nach allen anderen Punkten zu klären. Ende 1997 wurde dieser Perspektive entgegengekommen und von den OSZE-Vermittlern eine schrittweise Lösung

1167 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 275 f. 1168 Vgl. Conciliation Resources: Minsk Group ‘package’ proposal, 7/1997: ­Unofficial translation of Russian original, S. 76–79. Unter: http://www.c-r.org/downloads/ Accord17_22Keytextsandagreement_2005_ENG.pdf, abgerufen: 15.09.2017; Abasov, Ali/Khachatrian, Haroutiun: Karabakh Conflict. Variants of Settlement: Concepts and Reality. Baku-Yerevan 2006. S. 70. 1169 Vgl. Emerson, Michael/Tocci, Nathalie: Borderland Europe: Towards a Breakthrough in the South Caucasus over Nagorno Karabakh. CEPS Commentary, Centre for European Policy Studies. Brüssel 2001. 1170 Conciliation Resources: Minsk Group ‘package’ proposal, 7/1997: Unofficial translation of Russian original, S. 78. 299

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„step-by-step“1171 vorgeschlagen, mit dem Rückzug der armenischen Truppen aus den Bergkarabach umliegenden Gebieten (außer Latschin/Berdzor) als erstem Schritt. Dann sollten sich auch aserbaidschanische Truppen von der Kontaktlinie zurückziehen, um eine demilitarisierte Pufferzone entstehen zu lassen. Diese würde von OSZE-Beobachtern überwacht werden und Flüchtlinge könnten sicher an ihre vormaligen Wohnorte in der Konfliktzone zurückkehren. Dafür würden im nächsten Schritt Straßen geöffnet beziehungsweise wiederhergestellt und auch andere Infrastrukturverbindungen durch die Konfliktzone wiederaufgebaut. Erst abschließend sollte demnach der Status von Bergkarabach sowie der von besonders wichtigen Gebieten wie Schuschi, Latschin und Schahumjan verhandelt werden. Armenien hält dagegen, wenn die entscheidende Frage nach dem Status erst so spät beantwortet würde, könnte Aserbaidschan nach dem Rückzug armenischer Truppen militärisch gestützte territoriale Fakten schaffen und aus einer dann stärkeren strategischen Position Vereinbarungen nicht mehr einhalten und Bergkarabach in Aserbaidschan eingliedern. So oder so, die blockierende und letztendlich entscheidende Frage für den ganzen Konflikt ist die nach dem Status Bergkarabachs. Hierfür präsentierten die Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe im November 1998 den „Common-state“-Ansatz.1172 Gemäß dieser Lösung sollte Bergkarabach de jure Teil Aserbaidschans bleiben, de facto aber seine Unabhängigkeit erlangen, mit einer eigenen Verfassung, einer eigenen Armee, einer eigenen Polizei, eigener Flagge und Nationalhymne und dem Recht, ein Veto gegen Bergkarabach betreffende Gesetze der Zentralregierung in Baku einzulegen.1173 Bei den Verhandlungen über den „Common-state“-Ansatz zwischen den Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans in Genf 1999 kam es allerdings erneut nicht zu einer Einigung, insbesondere Bergkarabach und Aserbaidschan lehnten den „Common state“ ab, Bergkarabach wollte nicht de jure Teil von Aserbaidschan sein und Aserbaidschan wollte nicht, dass Bergkarabach de facto unabhängig würde

1171 Vgl. Conciliation Resources: Minsk Group ‘common-state’ proposal, 11/1998: ­Unofficial translation of Russian original, S. 81–83. Unter: http://www.c-r.org/downloads/ Accord17_22Keytextsand agreements_2005_ENG.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 1172 Vgl. Conciliation Resources: Minsk Group ‘step-bystep’proposal, 12/1997: ­Unofficial translation of Russian original, S. 79–81. Unter: http://www.c-r.org/downloads/ Accord17_22Keytextsand agreements_2005_ENG.pdf, abgerufen: 15.09.2017; Abasov, Ali/Khachatrian, Haroutiun: Karabakh Conflict. Variants of Settlement: Concepts and Reality. Baku-Yerevan 2006. S. 71–73. 1173 Vgl. Fuller, Liz: OSCE Karabakh Peace Proposal Leaked, in: RFE/RL 21.02.2001.

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bzw. bliebe.1174 Für die armenische Seite war der „Common-state“-Ansatz insofern erfreulich, da er die De-jure-Souveränität über Bergkarabach lockerer formulierte als die beiden anderen Ansätze: „Nagorno-Karabakh is a statal and territorial entity in the form of a Republic, which constitutes a common state with Azerbaijan within its internationally recognized borders.“1175 Das Verhältnis wurde also klar als horizontal beschrieben, nicht vertikal von oben aus Baku. Dem gegenüber stand allerdings, dass die Liste der Rechte Bergkarabachs kürzer ausfiel als beispielsweise noch in der Paketlösung, u. a. waren keine eigenen Sicherheitsdienste und keine eigenen Auslandsvertretungen mehr vorgesehen. Aserbaidschans Präsident Heidar Alijew wies den „Common-state“-Ansatz als Verletzung Aserbaidschans territorialer Integrität zurück,1176 Baku weigerte sich, in horizontale, nahezu gleichberechtigte Beziehungen mit Bergkarabach zu treten. Mit eigener Verfassung und eigenem Militär wäre Bergkarabach ein de facto unabhängiger Staat und nur auf dem Papier Teil Aserbaidschans.1177 Armeniens Präsident Levon Ter-Petrosjan zeigte sich kompromissbereit, es mit dem von Aserbaidschan favorisierten schrittweisen Prozess zu versuchen, was zu starker Kritik im eigenen Land und in der eigenen Regierung führte. Unter anderem hatte er geäußert, dass Armenien keine Gebietsansprüche gegenüber Aserbaidschan habe.1178 1998 weigerten sich sein Premierminister Robert Kotscharjan, sowie weitere Minister, den schrittweisen Plan umzusetzen, und drängten Ter-Petrosjan aus dem Amt.1179 Die ihm gegenüberstehenden Karabach-Hardliner, die selbst ursprünglich aus der politischen Führung Bergkarabachs stammten beziehungsweise aus der militärischen Führung, die im Krieg (1992–1994) gekämpft hatte, kamen nun an die mächtigsten Posten. Der ehemalige karabachische Präsident Robert Kotscharjan wurde Präsident Armeniens, der wichtigste General der armenischen Armee im Krieg, Wasgen Sargsjan wurde Premierminister und Sersch Sargsjan, der die karabachische Armee im Krieg befehligt hatte, wurde kurz darauf Armeniens Minister für nationale Sicherheit. Ein möglicher Vorteil für die Friedensgesprä1174 Vgl. OSCE Minsk Group draft, “On the Principles of a Comprehensive Settlement of the Nagorno-Karabakh Armed Conflict,“ 07.11.1998. 1175 Ebd. 1176 Vgl. Zourabian, Levon: The Nagorno-Karabakh Settlement Revisited: Is Peace Achievable? Demokratizatsiya: The Journal of Post-Soviet Democratization No. 2, Spring 2006, S. 260. 1177 Vgl. Emerson, Michael/Tocci, Nathalie: Brüssel 2001, S. 37. 1178 Vgl. Zourabian, Levon: The Journal of Post-Soviet Democratization, No. 2, Spring 2006, S. 259. 1179 Vgl. Manutscharjan, Aschot: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität. Bonn 1998, S. 4 f. 301

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che lag darin, das nun tatsächlich davon ausgegangen werden konnte, dass die Führung in Jerewan auch repräsentativ für die Anliegen Bergkarabachs sprechen konnte. Dafür spricht auch, dass Armenien unter Kotscharjan die karabachische Position bezüglich der Statusfrage fast deckungsgleich übernahm. Dazu gehörten, keine vertikalen Beziehungen zwischen Bergkarabach und Aserbaidschan mehr zu akzeptieren, eine stärkere Forderung nach Sicherheitsgarantien für die Bevölkerung Bergkarabachs sowie die Unverhandelbarkeit eines Landkorridors zwischen Armenien und Bergkarabach.1180 Die Wahrnehmung bei den Vermittlern, die Kotscharjan noch bestärkte, dass Armeniens und Bergkarabachs Positionen nun die gleichen waren, führte allerdings auch dazu, dass Bergkarabach selbst ab 1998 endgültig nicht mehr Teil der Verhandlungen war. Zunächst aber sorgte die innenpolitische Krise in Armenien nach Äußerungen des damaligen Außenminister Wartan Oskanjan für ein vorläufiges Aussetzen der Friedensgespräche. Neben dem unfreiwilligen Regierungswechsel 1998 kam es nämlich 1999 zu einem Anschlag auf das armenische Parlament, dem unter anderem Premierminister Wasgen Sargsjan zum Opfer fiel.1181 Erst 2001 wurden die Vermittlungsversuche wieder intensiviert, das Format sah nun direkte Gespräche zwischen den drei Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe und den Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans vor, um auf höchster Ebene Durchbrüche zu erzielen. Eine Reihe von Treffen im amerikanischen Key West, in Paris und in Prag führten zu ersten nennenswerten Ergebnissen. So wurden in den „Pariser Prinzipien“ horizontale Beziehungen zwischen Bergkarabach und Aserbaidschan thematisiert. Vor allem aber wurde in Key West und Paris auch ein ganz alternatives Lösungsmodell diskutiert, ein Landtausch zwischen Armeniern und Aserbaidschanern. Ursprünglich bereits Anfang der 1990er Jahre vom US-Diplomaten Paul Goble vorgeschlagen, sollte Armenien demnach den Latschin-Korridor als Verbindungsbrücke mit Bergkarabach bekommen und dafür den Landstrich um Meghri an seiner Südgrenze an Aserbaidschan abgeben, das damit eine Verbindung mit seiner Exklave Nachitschewan und darüber mit seinem engsten verbündeten Türkei bekommen würde.1182 Der Goble Plan, auch als Key West Porposal 2001 1180 Vgl. Zourabian, Levon: The Journal of Post-Soviet Democratization, No. 2, Spring 2006, S. 259; Manutscharjan, Aschot: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität. Bonn 1998. 1181 Vgl. Manutscharjan, Aschot: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität. Bonn 1998; Karon, Tony: Armenian Shootings May Provoke Political Crisis, in: Time.com 28.10.1999. Unter: http://content.time.com/ time/nation/article/0,8599,33337,00.html, abgerufen: 15.09.2017. 1182 Vgl. Goble, Paul: Coping with Nagorno Karabakh, in: The Fletcher Forum of World Affairs Vol. 2, Boston, Tufts University, Summer 1992.

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bezeichnet, löste aber immer noch nicht die Statusfrage Bergkarabachs. Für einen Moment stand daher der Vorschlag im Raum, einen sehr viel weiter reichenden Landtausch vorzunehmen und Bergkarabach mit dem Meghri-Korridor1183 oder sogar mit Nachitschewan zu verrechnen.1184 Zusätzlich zu diesem Landtausch hätten die ehemaligen aserbaidschanischen Bewohner Schuschis zurückkehren können. Laut Berichten war Aserbaidschans Präsident Heidar Alijew dafür wohl sogar bereit, Bakus administrativen Anspruch auf Bergkarabach aufzugeben.1185 Die Verhandlungen waren so weit, dass Teilnehmer der privaten Gespräche zwischen den beiden Präsidenten eine Lösung für „unbelievably close“ hielten.1186 Trotzdem kam es am Ende nicht zur Unterschrift unter die ausgehandelten Dokumente, weil der innenpolitische Druck, vor allem auf Alijew, Bergkarabach aufzugeben, zu groß war. Das überwältigend negative Feedback auf Alijews Kompromiss sorgte dafür, dass dieser eine solche Einigung in der Öffentlichkeit stets zurückwies und die Debatte darüber bis heute, unter der Regierung seines Sohns Ilham, ein Tabuthema bildet. Ilham Alijew, der seit dem Tod seines Vaters 2003 Präsident Aserbaidschans ist, musste zunächst seine Position als neuer starker Mann in Baku sichern, was den Friedensprozess für etwa ein Jahr unterbrach. Als die Verhandlungen wiederaufgenommen wurden, zeigte sich, dass Alijew Junior aus der Kritik an seinem Vater gelernt hatte, dass Kompromisse gefährlich sein können. Er bestand in den Verhandlungen auf einer schrittweisen Lösung, während die armenische Seite unter Führung von Präsident Kotscharjan weiterhin eine Paketlösung bevorzugte. Die internationale Gemeinschaft verstand, dass eine Paketlösung, die eine Einigung über den Status Bergkarabachs beinhalten müsste, einem Einfrieren der Verhandlungen gleichkäme, da über den Status keine Einigung zu erzielen war. Unter dem Druck der Vermittler willigte auch Kotscharjan ein und ab 2004 wurde der Prager Prozess durch die Vorsitzenden der Minsker Gruppe initiiert, mit dem eine regelmäßige Serie von Treffen zwischen den beiden Außenministern etabliert 1183 Vgl. International Crisis Group: Nagorno-Karabakh: A Plan for Peace. Europe Report No. 167, 11.10.2005. Unter: https://d2071andvip0wj.cloudfront.net/167-nagorno-karabakh-a-plan-for-peace.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 1184 Vgl. Carley, Patricia: Nagorno-Karabakh: Searching for a Solution, Roundtable Report, in: United States Institute of Peace 01.12.1998. 1185 Vgl. Khachatrian, Haroutiun: Nagorno-Karabakh: A Decade of Frustration in Search of a Negotiated Peace, in: Eurasianet.org 11.05.2004. Unter: http://www.eurasianet. org/departments/insight/articles/eav051204.shtml, abgerufen: 15.09.2017. 1186 Vgl. Brown, Jonas/Lowmaster, Kaelyn: The Minsk Group Mediation Process from 1992 to the Present, Nagorno Karabakh: Understanding Conflict: Hopmann, Terrence/ Zartman, William (Hrsg.), Washington, D.C. 2013, S. 201–212. 303

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wurde. Der neue Ansatz im Prager Prozess war, dass nicht mehr eine Klärung des Status von Bergkarabach zum zentralen Thema gemacht wurde, was nie zu einem Ergebnis zu führen schien, sondern stattdessen eine Lösung anstrebte, in der das Verfahren zur Ermittlung des Status nach dem Friedensschluss festgelegt war.1187 Allgemein war der Prager Prozess von einer Offenheit geprägt, mit der sich die Hoffnung verband, Fortschritte irgendeiner Art zu erzielen. Die Gespräche liefen unter dem Motto „no agenda, no commitment, no negotiation, just a free discussion, on any issue proposed by Armenia, Azerbaijan, or by the co-chairs“1188. Laut Aserbaidschans Außenminister Elmar Mammadyarov sah das in der Praxis so aus, dass sich er und sein armenischer Amtskollege, Wartan Oskanjan, zusammensetzten und aus dem Paketdeal und dem schrittweisen Ansatz das Beste heraussuchten, um eine gemeinsame Lösung zu finden.1189 Beim Treffen ihrer beiden Präsidenten im russischen Kazan 2005 entstand aus dieser Synthese eine Liste von Prinzipien, die die Grundlage einer Einigung bilden sollten. Sie wurden offiziell beim Außenministertreffen in Madrid 2007 vorgestellt. Diese Madrider Prinzipien1190 sind nur bedingt neu, aber sie beinhalten eine allumfassende Liste aller entscheidenden Punkte und sind so formuliert, dass Armenien und Aserbaidschan ihnen zustimmen können. Dazu gehören die Rückgabe der umliegenden Bezirke Bergkarabachs an Aserbaidschan, das Recht aller Vertriebenen und Flüchtlinge, an ihre früheren Wohnorte zurückzukehren, ein Interim-Status für Bergkarabach, der Sicherheits- und Selbstregierungsgarantien bietet, ein Landkorridor, der Bergkarabach und Armenien verbindet, internationale Sicherheitsgarantien für Bergkarabach, die eine Peacekeeping-Operation beinhalten, und der Entscheid über Bergkarabachs Status durch eine zukünftige, rechtlich bindende Willenserklärung der Bevölkerung. Internationale Beobachter versprühten einen sanften Optimismus für eine Lösung der Bergkarabach-Frage angesichts der Madrider Prinzipien, auch weil sich parallel 2008/2009 eine Annäherung zwischen Armenien und Aserbaidschans engstem Verbündeten, der Türkei, anbahnte.1191 1187 Vgl. Zourabian, Levon: The Journal of Post-Soviet Democratization, No. 2, Spring 2006, S. 254. 1188 OSCE: Report of the Co-Chairs of the OSCE Minsk Group. 06.12.2014, S. 48. 1189 Vgl. Mammadyarov, Elmar: Azerbaijan, Armenia Work On New Peace Plan. Elmar Mammadyarov interview with Radio Free Eeurope/Radio Liberty 14.06.2004. Unter: https://www.rferl.org/a/1053284.html, abgerufen: 15.09.2017. 1190 Vgl. OSCE: Statement by the OSCE Minsk Group Co-Chair countries. L’Aquila 10.07.2009. Unter: http://www.osce.org/mg/51152, abgerufen: 15.09.2017. 1191 Vgl. International Crisis Group: Nagorno-Karabakh: Getting to a Breakthrough. Europe Briefing No. 55, 07.10.2009. Unter: https://d2071andvip0wj.cloudfront.net/

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Unter Vermittlung des damaligen russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew bestätigten die Präsidenten Aserbaidschans und Armeniens, seit 2008 Sersch Sargsjan, bei einem Treffen im russischen Sotschi im Januar 2010 die Zentralität dieser Prinzipien sowie ihre generelle Zustimmung und einigten sich mündlich auf die Formulierung der Präambel der Prinzipien.1192 Dass man sich lediglich auf die Präambel einigen konnte und das Gesamtdokument von beiden Seiten trotz relativ neutraler Formulierungen nicht unterzeichnet wurde, zeigt, wie schwer eine Einigung ist. Ein Prinzip, bei dem solche Debatten über Definitionen besonders sichtbar werden, ist die Willenserklärung der Bevölkerung über den Status Bergkarabachs. Aserbaidschan besteht darauf, dass das Referendum darüber gemäß Artikel 3 seiner Verfassung auf dem gesamten aserbaidschanischen Staatsgebiet abgehalten werden soll.1193 Die armenische Seite besteht aus nachvollziehbaren Gründen darauf, dass nur auf dem Gebiet Bergkarabachs über den Status abgestimmt werden soll. Die armenische Seite steht besonders dem vage formulierten Interim-Status für Bergkarabach skeptisch gegenüber, weil er wenig Sicherheit für die Region bietet. Es besteht die Sorge, dass Aserbaidschan nach einem Rückzug der armenischen Soldaten vor Ort Fakten schafft. Dafür, dass Aserbaidschan es mit der Klärung des Status nicht so eilig hat, spricht auch, dass Baku die Willenserklärung der Bevölkerung darüber möglichst weit hinauszuschieben versucht, und zwar mit Argumenten von einem langfristigen Wiederaufbau und der Vertrauensbildung vor einer solchen Entscheidung. Aserbaidschan möchte sich auch nicht auf einen festen Zeitraum für ein mögliches Referendum festlegen. Während also über die Prinzipien generell Einigkeit herrscht, „lässt sich weder eine gemeinsame Lesart noch ein Fahrplan für die Umsetzung der Prinzipien abstimmen“1194. Seit dem Kazan-Treffen der beiden Präsidenten sind die Entwicklungen eher rückläufig, sodass nicht von Fortschritten gesprochen werden kann. Zwar konnten sich die beiden Präsidenten bei ihrem Treffen im Oktober 2010 auf den Austausch weiteren Kriegsgefangenen einigen, Substantielles zur Bergkarabach-Frage kam dabei aber nicht heraus. Schlimmer noch, eskalierte der Streit beim OSZE-Gipfel in Astana Anfang Dezember 2010, als der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew b55-nagorno-karabakh-getting-to-a-breakthrough.pdf, abgerufen: 15.09.2017. 1192 Vgl. Plate, Katja Christina: Konflikt um Bergkarabach spitzt sich zu, in: Konrad-­ Adenauer-Stiftung, Länderbericht 14.03.2011. Unter: http://www.kas.de/wf/doc/ kas_22346-1522-1-30.pdf? 110325064457, abgerufen: 15.09.2017. 1193 Vgl. International Crisis Group: Nagorno-Karabakh: Risking War. ICG Europe Report No. 187, 14.11.2007, Tbilisi/Brüssel 2007. 1194 Plate, Katja Christina: Konrad-Adenauer-Stiftung 14.03.2011. 305

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den Armeniern vorwarf, in Bergkarabach Völkermord begangen zu haben. Armeniens Präsident Sersch Sargsjan drohte daraufhin mit der offiziellen Anerkennung der Republik Bergkarabach. Eine aggressive öffentliche Auseinandersetzung auf dieser Ebene zwischen den Präsidenten lässt nicht vermuten, dass eine Lösung naheliegt.1195 Dagegen spricht auch die stark zunehmende Gewalt an der Kontaktlinie seit 2010. Die Waffenstillstandverletzungen stiegen von 2009 zu 2010 um mehr als die Hälfte an, ebenso wie die Intensität dieser Zwischenfälle. 2011 und 2012 versuchte der damalige russische Präsident Medwedjew noch einmal Bewegung in die Verhandlungen zu bringen und initiierte eine Reihe von Treffen. Insbesondere im Vorlauf des Treffens in Kazan im Juni 2011 keimten erneut Hoffnungen auf einen Durchbruch auf.1196 Die drei Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe stimmten sich in der Planung besser als zuvor ab und erhöhten den Druck auf die Konfliktparteien. US-Präsident Obama hatte beide Seiten noch kurz vor dem Gipfel ausdrücklich dazu aufgerufen, eine Lösung zu finden. Auch die Präsidenten Alijew und Sargsjan äußerten sich optimistisch, auf Basis der Madrider Prinzipien weitergehende Einigungen zu erzielen. Zum wiederholten Mal wurden die Hoffnungen jedoch nicht erfüllt und beiden Seiten schoben sich gegenseitig die Schuld dafür zu.1197 Generell gilt es als akzeptiert, dass die armenische Seite offen war, die Prinzipien zu unterzeichnen, Aserbaidschan aber eine lange Reihe von Änderungswünschen hatte und so eine Einigung blockierte. Das wurde sogar von Quellen in Baku bestätigt. Der Haupteinwand der aserbaidschanischen Seite betrifft den Latschin-Korridor. Die Madrider Prinzipien sehen vor, dass die fünf östlich und südlich Bergkarabach vorgelagerten Regionen direkt an Aserbaidschan zurückgegeben werden, fünf Jahre später die beiden Regionen westlich der ehemaligen NKAO. Durch eine davon, Latschin, soll aber dauerhaft ein Korridor zwischen Armenien und Bergkarabach verlaufen. Die Ausgestaltung einer Einigung über einen solchen Korridor und sein Umfang sind aber nicht klar dargelegt. Es könnte also effektiv darauf hinauslaufen, dass Aserbaidschan nur sechs der sieben Regionen zurückbekommt und Latschin 1195 Vgl. ebd. 1196 Vgl. Sammut, Dennis: After Kazan, a Defining Moment for the OSCE Minsk Process, in: Instituto Affari Internazionali. IAI working papers 11/30.11.2011. 1197 Vgl. Kantian, Raffi: Nach Kazan: Friedliche Lösung des Karabach-Konflikts gefährdet? in: Deutsch-Armenische-Gesellschaft (DAG) 27.06.2011. Unter: http://www. deutscharmenischegesellschaft.de/2011/06/27/nach-kazan-friedliche-losung-deskarabach-konflikts-gefahrdet/, abgerufen: 15.09.2017; Vgl. Radio Free Europe/Radio Liberty: Azerbaijan Confirms New Karabakh Peace Plan Presented, in: RFE/RL 23.07.2010. Unter: http://www.rferl.org/content/Azerbaijan_Confirms_New_Karabakh_ Peace_Plan_Presented/2108232.html, abgerufen: 25.05.2016.

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in einer Sonderrolle verbleibt. Dies würde auch in der aserbaidschanischen Öffentlichkeit als schwere Niederlage wahrgenommen und scheint für die Führung in Baku daher nicht akzeptabel.1198 Letztendlich ist der Friedensprozess nach dem Scheitern in Kazan 2011 endgültig zum Erliegen gekommen. Armeniens ehemaliger Außenminister Wartan Oskanjan, der selbst mehr als zehn Jahre bis 2008 führend an den Verhandlungen beteiligt war, bemängelt, dass es in den letzten Jahren im Gegensatz zu seiner Amtszeit keine regelmäßigen, wenigsten alle zwei Monate stattfindende Treffen mehr gibt und somit der Dialog unabhängig von inhaltlichen Fortschritten nicht mehr aufrechterhalten wird.1199 Ankündigungen, eine militärische Lösung zu finden, haben vor allem von aserbaidschanischer Seite zugenommen und die Zahl der Grenzzwischenfälle hat bedrohliche Dimensionen erreicht. Der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung und gleichzeitig Tiefpunkt der Friedensbemühungen war der so genannte Vier-TageKrieg im April 2016. Viele Beobachter schätzen, dass Aserbaidschan so Druck auf Jerewan und Stepanakert ausüben will, um einerseits eine Verfestigung des Status quo zu verhindern sowie anzudeuten, dass der Konflikt nicht eingefroren sei, und andererseits am Verhandlungstisch größere Zugeständnisse zu bekommen.1200 Problematisch ist, dass zeitgleich mit den wenig fruchtbaren Verhandlungen der letzten Jahre beide Seiten in einem Rüstungswettstreit ihre Waffenarsenale gefüllt haben. Weitere Eskalationen oder gar ein erneuter Krieg hätten weitaus schlimmere Folgen als in den 1990er Jahren.

5.2.4 Bewertung der Rolle der OSZE Minsker Gruppe Seit 1992, also seit mittlerweile 25 Jahren, vermittelt die Minsker Gruppe der OSZE im Konflikt zwischen Armeniern und Aserbaidschanern um Bergkarabach. Ihr größter Erfolg liegt dabei schon 22 Jahre zurück, als 1994 in Bischkek das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet wurde, das den offenen Krieg beendete. Allerdings ist nicht ganz klar, welche Rolle die OSZE und welche russische Vermittler 1198 Vgl. De Waal, Thomas: Can The ‘Medvedev Moment’ Be Saved For Karabakh? Commentary, in: RFE/RL 28.07.2011. Unter: https://www.rferl.org/a/medvedev_moment_ saved_nagorno_karabakh_kazan/24279692.html, abgerufen: 15.09.2017. 1199 Vgl. Oskanjan, Wartan: Interview mit Wartan Oskanjan, in: Zenith-Magazin, 1/16, Berlin, Frühjahr 2016. 1200 Vgl. International Crisis Group: Armenia and Azerbaijan: Preventing War, Europe Briefing No. 60, 08.02.2011. Unter: https://www.crisisgroup.org/europe-central-asia/ caucasus/armenia/armenia-and-azerbaijan-preventing-war, abgerufen: 15.09.2017. 307

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bei der Aushandlung dieses Bischkeker Protokolls spielten. In den Jahren seit dem Ende des Kriegs gilt es als größte Errungenschaft der Minsker Gruppe, dass der Ausbruch eines weiteren Kriegs verhindert wurde. Aber auch hier führen viele Beobachter an, dass das Halten des Waffenstillstands nicht durch die Bemühungen der Minsker Gruppe zu begründen ist, sondern durch verschiedene andere Punkte, vor allem den Druck der internationalen Gemeinschaft bzw. der entscheidenden Großmächte und den guten Willen bzw. die Kalkulation der Konfliktparteien, dass sie sich gegenseitig militärisch nahezu neutralisieren und ein Krieg nicht in ihrem Sinne ist.1201 Was man der Minsker Gruppe aber auf jeden Fall zu Gute halten sollte, ist das Aufrechterhalten von Dialogkanälen, auch wenn diese immer wieder der Verstopfung nahe sind. Respekt zollen kann man dabei auch der Penetranz, mit der die OSZE-Vermittler immer wieder neue Anläufe versuchen, den Gesprächen Impulse zu geben, und sich von ihrem Scheitern nie lange beirren lassen. Dass diese Anläufe wiederholt dahingehend scheitern, einen echten Durchbruch in den Verhandlungen zu erzielen, hat viele Gründe. Einige davon liegen in der Minsker Gruppe selber bzw. in ihrer organisatorischen Verfassung und der der OSZE. Die OSZE ist eine internationale Regierungsorganisation ohne wahrhaftige supranationale Ressourcen. Das heißt, dass jede Entscheidung und jede Aktion der OSZE von allen Mitgliedern einstimmig getragen werden muss, einschließlich der betroffenen Staaten, in diesem Fall Armenien und Aserbaidschan. So hat jeder Mitgliedsstaat ein effektives Vetorecht, was Entscheidungsfindungen und gerade auch für die betroffenen Staaten unbequeme Entscheidungen schwierig bis unmöglich macht. So erklären sich auch die begrenzten finanziellen und personellen Mittel der OSZE, die für Interventionen im Ernstfall über keine eigenen Streitkräfte verfügt, sondern diese von der NATO oder VN anfordern muss. Auch sind OSZEEntscheidungen nicht völkerrechtlich bindend und können somit nur wenig Druck auf die Konfliktparteien ausüben. Die Minsker Gruppe verfügt eigentlich über keine direkten Mechanismen oder Werkzeuge, lohnende Anreize zu schaffen, einen Kompromiss einzugehen. Dazu würden z. B. Waffenembargos oder andere Wirtschaftssanktionen gehören. Gerade was Waffenembargos betrifft, kollidiert aber viel zu oft das, was gut für den Konflikt wäre, mit dem, was gut für die Vermittler ist. Russland beispielsweise gehört zu den wichtigsten Waffenlieferanten im Konflikt und kann kein Interesse an einem Waffenembargo haben. Das deutet auf ein größeres Problem der Minsker 1201 Vgl. De Waal, Thomas: Remaking the Nagorno-Karabakh Peace Process, in: Carnegie Europe 01.08.2010. Unter: http://carnegieeurope.eu/2010/08/01/remaking-nagornokarabakh-peace-process-pub-41367, abgerufen: 20.04.2016.

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Gruppe hin: Ihre Mitglieder handeln oft nicht im Interesse der OSZE-Vermittlungen, sondern im Sinne ihrer nationalen Interessen. Diese rivalisieren darüber hinaus auch immer wieder, was eine gemeinsame Vermittlung weiter erschwert. Wie oben ausführlich dargelegt, gingen die Anomositäten der Vermittlerstaaten untereinander vor allem in den ersten Jahren zu Lasten des Friedensprozesses. In den harschen Worten des damaligen (1991–1998) armenischen Präsidenten Levon Ter-Petrosjan: „The OSCE began to take the (Karabakh) question seriously only in 1996. Before that, it was simply a bluff, there was absolutely no peace process. […] They competed among themselves more than they thought about the Karabakh issue.“1202 Die Erfahrungen im Bergkarabach-Konflikt zeigen, dass die akkumulierte Verhandlungsmacht einer Staatengruppe nicht unbedingt nachdrücklicher sein muss als die ihrer Mitgliedsstaaten. Das liegt zum einen daran, dass die Vermittlerstaaten unterschiedliche Ziele und Interessen im Konflikt haben, und zum anderen daran, dass die internationale Gemeinschaft und damit auch die Mitglieder der Minsker Gruppe dem Konflikt in Relation zu anderen internationalen Krisen eine geringere Relevanz beimessen und dementsprechend zurückhaltend agieren und Ressourcen sparen. Ausnahmen bilden die Türkei und natürlich der Ko-Vorsitzende der Minsker Gruppe, Russland. Diese messen diesem Konflikt große Bedeutung bei. Die Türkei und andere OSZE-Mitglieder spielen aber, wie oben bereits erwähnt, seit Mitte der 1990er Jahre nur noch eine geringe Rolle in den Verhandlungen. Ebenso hat die OSZE wenig Kontrolle über den Prozess, die Ko-Vorsitzenden kontrollieren die Vermittlungsinitiativen. Russlands Rolle als Vermittler im Konflikt ist dabei am stärksten umstritten und sein Interesse an einer nachhaltigen Lösung kann angezweifelt werden. Neben dem erwähnten Problem, dass Moskau in großen Mengen Militärgerät an beide Konfliktparteien verkauft und offensichtlich von einer anhaltenden Instabilität und Konflikten im Südkaukasus direkt wirtschaftlich profitiert, hilft der Konflikt Russland außerdem insofern, als dass sich Armenien und Aserbaidschan so nicht endgültig vom „großen Bruder“ emanzipieren können. Würde sich einer der beiden offen gegen Russland stellen, so könnte dieses die andere Partei einseitig unterstützen und den Konflikt militärisch für diese entscheiden. Es ist nicht davon auszugehen, dass westliche Soldaten in diesem Fall eingreifen würden, um ein solches Szenario zu verhindern. Es steht sogar im Raum, dass Russland indirekt hinter dem Anschlag auf das armenische Parlament 1999 stand. So soll es darum gegangen sein, die armenische Politikelite zu destabilisieren und eine bevorstehende Einigung zwischen dieser und der aserbaidschanischen Regierung auf amerikanische Vermittlung zu

1202 De Waal, Thomas: New York, New York University Press 2003, S. 229 f. 309

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5 Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt

verhindern.1203 Dies stünde im krassen Widerspruch zu Russlands Rolle als Vermittler im Konflikt und lässt eigentlich kaum Raum, Moskau ernsthaft in dieser Rolle zu sehen. Andererseits ist Russlands Einfluss im Südkaukasus immer noch so stark, dass eine Lösung ohne dieses kaum vorstellbar ist. Neben den Eigeninteressen der Ko-Vorsitzenden kann in Bezug auf die Mitgliedschaft der Minsker Gruppe außerdem kritisiert werden, dass der Iran nicht Teil der Vermittlungen ist. Natürlich ist der Iran kein OSZE-Mitglied und hatte in den letzten Jahren/Jahrzehnten eine Art Paria-Staus in der internationalen Gemeinschaft. Nichtsdestotrotz grenzt der Iran an Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach und Teheran führt intensive Beziehungen mit Jerewan und Baku. Der Iran hat damit durchaus ein gewisses Gewicht in der Karabach-Frage, was sich auch in seiner Rolle als Unterstützer der armenischen Seite und später Vermittler während des Kriegs in den 1990er Jahren zeigte. Auffällig ist, dass die Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe praktisch nie eine der Konfliktparteien allein kritisieren. Bei Provokationen, Eskalationen und Grenzschießereien werden immer beide Seiten gleichermaßen ermahnt. Ein Grund dafür ist eine oftmals als Obsession der Neutralität wahrgenommene Haltung der Vermittler. Es scheint, dass man keiner Seite einen einseitigen Vorwurf machen möchte und so in allgemeinen Verurteilungen von Gewalt verbleibt, um auf keinen Fall als parteiisch zu gelten und so den letzten Funken Anerkennung auf beiden Seiten zu erhalten. Wenn aber nie klar benannt wird, wer beispielsweise den Waffenstillstand an der Kontaktlinie verletzt hat, also niemand zur Verantwortung gezogen wird, fühlt sich auch niemand dazu angehalten, damit aufzuhören. Wenn Regelverstöße keine Konsequenzen haben, hören sie auch nicht auf. Ein weiterer Grund, warum die Minsker Gruppe die Dinge vor Ort nicht deutlich benennt, liegt darin, dass sie oftmals über die Fakten nicht klar im Bilde ist, weil sie keine Beobachter vor Ort hat. Die kleine Beobachtermission darf nur nach Anmeldung bei den Konfliktparteien an die Kontaktlinie reisen, sodass Letztere genau wissen, wann sie beobachtet werden. So werden die Beobachter dann auch in Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach nicht sonderlich ernst genommen. In aserbaidschanischen Medien werden beispielsweise die Reisen der Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe in die Region abschätzig als „touristische Ausflüge“ bezeichnet.1204 1203 Vgl. ebd., S. 263–265. 1204 Vgl. Garibov, Azad: Why the OSCE Keeps Failing to Make Peace in Nagorno-Karabakh, in: The National Interest 11.05.2016. Unter: http://nationalinterest.org/blog/ the-buzz/why-the-osce-keeps-failing-make-peace-nagorno-karabakh-16161, abgerufen: 15.09.2017.

5.2 Internationale Vermittlungsinitiativen

311

Das scheint insofern zynisch, als es die Konfliktparteien selber sind, die eine stärkere Beobachtungsmission aktiv blockieren. Dabei zeigt sich auch das eigentliche Haupthindernis der Verhandlungen, die fehlende Kompromissbereitschaft Armeniens und vor allem Aserbaidschans und Bergkarabachs. Die OSZE-Vermittler haben schon lange einen Lösungsplan, der Sinn macht und die Interessen aller Konfliktparteien berücksichtigt. Wenn aber Letztere den Konflikt als absolutes zero-sum-game mit nicht verhandelbaren Territorialansprüchen sehen, ist ein Kompromiss unmöglich und es kann keinen Fortschritt geben, ganz egal wie die Minsker Gruppe sich bemüht.1205 Die OSZE-Vermittler können herzlich wenig erreichen, wenn die Konfliktparteien es selber nicht so richtig wollen. Dass sie allerdings für diese fehlende Kompromissbereitschaft erneut kaum zur Rechenschaft gezogen werden, liegt schon mit an der Verfasstheit der Minsker Gruppe, vor allem an ihrer Intransparenz. Man weiß wenig bis nichts über den genauen Ablauf der Verhandlungen, da diese streng geheim sind. Die Minsker Gruppe hat praktisch kein öffentliches Profil, keinen öffentlichen Sprecher, nur kurze, wenig aussagekräftige Pressemitteilungen nach ihren Gesprächstreffen. Diese Intransparenz gepaart mit der obsessiven Neutralität der Ko-Vorsitzenden führt dazu, dass niemand außerhalb der Verhandlungsräume genau weiß, an wem und woran die Verhandlungen immer wieder scheitern.1206 Das wiederum erlaubt den Eliten der Konfliktparteien, die öffentliche Darstellung des Konflikts sowohl für ihr nationales Publikum als auch international zu dominieren. Sie schieben das Scheitern der Verhandlungen selbstverständlich wahlweise auf die andere Seite oder auf die Minsker Gruppe selbst. Neben mehr Transparenz fehlt der Minsker Gruppe außerdem ein größer denkender Ansatz, der aktuelle Prozess ist viel zu elitär. Ein Grund, warum die Eliten keinen Kompromiss eingehen, liegt darin, dass ihre Gesellschaften einen solchen nicht akzeptieren würden. Die Bevölkerungen Armeniens, Aserbaidschans und besonders von Bergkarabach müssen im Friedensprozess mitgenommen werden, nur dann können Verhandlungen Legitimität erreichen und vielleicht eine Lösung gefunden werden.1207 1205 Vgl. Hess-Sargsyan, Anna: Nagorno-Karabakh: Obstacles to a negotiated settlement. CSS Analysis in Security Policy, No.131, ETH Zürich 4/2013, S. 2 f. 1206 Vgl. De Waal, Thomas: Remaking the Nagorno-Karabakh Peace Process, in: Carnegie Europe 01.08.2010. 1207 Vgl. Hess-Sargsyan, Anna: ETH Zürich 4/2013; De Waal, Thomas: Nagorno-Karabakh and the Minsk Group Negotiations, in: Carnegie Europe 06.05.2010. Unter: http://carnegieeurope.eu/2010/05/06/nagorno-karabakh-and-minsk-group-negotiations-pub-40764, abgerufen: 20.06.2016. 311

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5 Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt

Die Annahme, dass eine Lösung durch die Verhandlungen zwischen den politischen Führern Armeniens und Aserbaidschans erreicht werden kann, muss nach über 20 Jahren erfolgloser Verhandlungen wohl ad acta gelegt werden. Selbst als Ende der 1990er Jahre die damaligen Präsidenten Levon Ter-Petrosjan und Heidar Alijew kurz vor einer Einigung standen, mussten sie aufgrund innenpolitischen Drucks davon zurückweichen. In Zukunft muss die (Zivil-)Gesellschaft beider Staaten, aber auch die Bevölkerung Bergkarabachs, in die Bemühungen um eine Lösung des Konflikts mit einbezogen werden.1208 Dafür sollte der Ansatz der Minsker Gruppe von einem Forum für Gespräche zwischen Staatsführern zu einem Forum für die Gesellschaft zur Kompromissfindung werden und als Ziel auch einen Wandel der Wahrnehmung voneinander anstreben, um eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Führer in die Lage versetzt werden, Kompromisse einzugehen.1209 Ein Aspekt der bei der Betrachtung des Konflikts und den Schwierigkeiten, ihn zu lösen, erwähnt werden muss, ist die Frage danach, ob die Regierungen vor Ort ein wirkliches Interesse an einem Friedensschluss haben. Bei aller Kritik an der Minsker Gruppe und vor allem an den Großmächten, in erster Linie Russland, macht man es sich zu einfach, das Scheitern der Verhandlungen auf diese zu schieben. Die Führungen in Jerewan, Baku und Stepanakert haben es zwischen dem geopolitischen Geschachere immer noch selbst in der Hand, sich auf einen Kompromiss zu einigen. Mehr noch, hilft der Konflikt nicht nur den Großmächten, die Konfliktparteien gegeneinander auszuspielen, wie es vor allem Russland versucht, sondern ermöglicht Armenien und Aserbaidschan auch, die externen Großmächte gegeneinander auszuspielen, um daraus machtpolitische oder wirtschaftliche Vorteile zu ziehen. Wollen die Regime in Baku und Jerewan also den Raum zu Verhandlungen, der sich ihnen bietet, überhaupt nutzen? Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion mussten die neuen, jungen Staaten, Aserbaidschan und auch Armenien trotz ihrer antiken Staatstradition eine neue nationale Identität aufbauen. Bergkarabach spielte auf beiden Seiten eine extrem wichtige Rolle als Zusammenhalt stiftendes State-building-Tool, das vor allem das „Wir“ gegen das „Ihr“ abgrenzt. Zweitens gibt der Konflikt den undemokratischen Regimen Legitimität, sie gerieren sich als Garant von Sicherheit und Stabilität und profitieren von einem

1208 Vgl. Jacoby, Volker: The role of the OSCE. An assessment of international mediation efforts, in: Broers, Laurance: The limits of leadership, Elites and societies in the Nagorny Karabakh peace process, Accord, International Review of Peace initiatives, Issue 17. London 2005, S. 33. 1209 Vgl. ebd.

5.3 Die Sichtweise der Konfliktparteien

313

„Rally-around-the-flag“-Effekt. Innere Proteste und Forderungen nach Demokratie werden mit Hinweis auf die äußere Bedrohung ruhiggestellt.1210 Die Wirtschaftsblockade eröffnet außerdem Schwarzmärkten und informellen kriminellen Netzwerken Tür und Tor, von denen armenische und aserbaidschanische Eliten ebenfalls profitieren. Wirtschaft und Politik sind in beiden Gesellschaften eng miteinander verzahnt und politische Positionen werden vor allem zur wirtschaftlichen Selbstbereicherung genutzt. Eine Kriegs- oder Konfliktwirtschaft erlaubt weniger Transparenz und erleichtert monopolistische Praktiken. Die Priorität lokaler Eliten ist folglich wohl nicht eine Lösung des Konflikts, sondern ein Fortführen des Status quo von „no war, no peace“, der es ihnen ermöglicht, ihre Macht zu halten, Geld zu verdienen und kritische Stimmen aus der Opposition, der Zivilgesellschaft oder dem Ausland kleinzuhalten.1211

5.3

Die Sichtweise der Konfliktparteien

5.3

Die Sichtweise der Konfliktparteien

Die entscheidenden Punkte, über die sich die armenische und die aserbaidschanische Seite im Konflikt um Bergkarabach streiten, sind vor, während und seit dem Krieg in den frühen 1990er Jahren nahezu unverändert geblieben. Der zentrale Dissens zwischen Armenien bzw. Bergkarabach und Aserbaidschan, der den Konflikt überhaupt erst ausgelöst hat, besteht in der Frage nach dem Status der Region, die von Armeniern und Aserbaidschanern gleichermaßen als ein historisches Zentrum ihrer Kultur gesehen wird. Alle anderen Streitpunkte leiten sich von diesem ab. Die Armenier von Bergkarabach bestehen auf ihrer Unabhängigkeit und pochen auf ihre kulturelle und historische Eigenständigkeit als größter Legitimationsquelle ihres Anspruchs.1212 Darüber hinaus betonen sie ihren militärischen Sieg im Krieg der 1990er Jahre und ihre bestehende De-facto-Staatlichkeit seit 1991. Trotz der widrigen Umstände haben die Bewohner Bergkarabachs einen funktionierenden Staat aufgebaut, der in Sachen Demokratie und Good Governance international

1210 Vgl. Weldes, Jutta/Laffey, Mark/Gusterson, Hugh/Duvall, Raymond: Cultures of Insecurity: States, Communities and the Production of Danger. Minneapolis, University of Minnesota Press 1999, S. 18. 1211 Vgl. Özkan, Behlül: Who Gains from the “No War No Peace“ Situation? A Critical Analysis of the Nagorno-Karabakh Conflict, in: Geopolitics, Edition 13, S. 572–599. 1212 Vgl. Abasov, Ali/Khachatrian, Haroutiun: Karabakh Conflict. Variants of Settlement: Concepts and Reality. Baku-Yerevan 2006. S. 45–47. 313

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5 Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt

positiver eingeschätzt wird als Aserbaidschan und etwa gleichauf mit Armenien. Laut der internationalen Nichtregierungsorganisation „Freedom House“ ist Bergkarabach „teilweise frei“ mit einem Index von 5,0 (1,0 ist die beste, 7,0 die schlechteste Wertung), während Armenien mit einem Index von 4,5 ebenfalls „teilweise frei“ ist und Aserbaidschan „nicht frei“ mit einer Wertung von 6,0.1213 Lange Zeit war Bergkarabach in diesem Ranking sogar über Armenien angesiedelt.1214 Die karabachische Führung konnte sich bis vor wenigen Jahren noch eine gleichberechtigte Konföderation mit Baku vorstellen, zumindest übergangsweise.1215 Angesichts der repressiven Politik und der Menschenrechtsverletzungen unter der Regierung von Ilham Alijew bei gleichzeitiger aggressiver Rhetorik in Richtung allem Armenischen sind aber Zweifel daran angebracht, ob dem noch so ist. Eher kann sich Bergkarabach aufgrund dieser Situation nicht mehr vorstellen, je wieder Baku beigeordnet zu sein. Es ist nachvollziehbar, dass Stepanakert ethnische Säuberungen befürchtet, sollte es zu einer Eingliederung unter aserbaidschanisches Hoheitsrecht kommen. Die Sichtweise der Republik Armenien ist naheliegenderweise fast gleichbedeutend mit der aus Bergkarabach. Aus dieser Perspektive wäre die „[…] Ideallösung die völkerrechtlich abgesicherte Vereinigung Bergkarabachs mit der Republik Armenien oder die international anerkannte Eigenstaatlichkeit Berg-Karabachs“1216. Für den Moment ist es Armenien aber realpolitisch am wichtigsten, dass kurzfristig das Selbstbestimmungsrecht der Bewohner Bergkarabachs anerkannt wird, um vielleicht mittel- oder langfristig diese Ideallösung zu erreichen. Bis dahin ist für Armenien sogar eine Eingliederung Bergkarabachs in Aserbaidschan denkbar, allerdings nur eine nominelle, de facto ist eine Unterordnung unter aserbaidschanische Gesetze auch für Armenien undenkbar.1217 Während die Regierung Robert Kotscharjans noch von der Unverhandelbarkeit der offiziellen, karabachischen Unabhängigkeit sprach, betont die Regierung von Sersch Sargsjan seit den späten 2000er Jahren ganz pragmatisch die faktische gegenüber der formellen Unabhängigkeit. Zu Bergkarabach gehört in diesem Verständnis der armenischen Seite auch der Latschin-Korridor als sichere Verbindung mit der Republik Armenien. Eine Rückgabe der östlich und südlich von Bergkarabach liegenden Territorien kann geschehen, allerdings nur unter Garantie auf eine irgendwie geartete Unabhängigkeit Bergkarabachs. 1213 Vgl. Freedom House: Freedom in the World 2015. 1214 Vgl. Freedom House: Freedom in the World 2009. Unter: https://freedomhouse.org/ report/freedom-world/freedom-world-2009, abgerufen: 20.04.2016. 1215 Vgl. Dehdashti, Rexane: Frankfurt/New York 1998, S. 238. 1216 Benedikter, Christoph H.: Innsbruck, Studien Verlag 2011, S. 181. 1217 Vgl. ebd., S. 182.

5.3 Die Sichtweise der Konfliktparteien

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Ein entscheidender Punkt und vielleicht der einzige echte Unterschied zwischen der armenischen und der karabachischen Sicht auf die Dinge ist die Akzeptanz der Madrider Prinzipien. Die Republik Armenien zeigt sich generell offen für eine Konfliktlösung auf der Basis dieser Punkte. Bergkarabach stellt sich gegen die Prinzipien, weil darin keine ausreichenden Sicherheitsgarantien für die Zeit nach dem Abzug seiner Truppen aus dem Sicherheitsgürtel um Bergkarabach enthalten sind. Und noch entscheidender, ein Interimsstatus für Bergkarabach mit einem nicht zeitlich festgelegten etwaigen Referendum über den finalen Status ist für seine Bewohner zu wenig. Aus ihrer Sicht müssten sie abgeben, was sie schon haben, und würden nichts bekommen, was sie nicht schon besitzen – außer Frieden mit einem Nachbarn, der bei jeder Gelegenheit seine Abneigung betont. Schlussendlich lässt sich sagen, dass sich Armenien als Schutzmacht Bergkarabachs sieht und wohl jede Lösung akzeptieren würde, der Bergkarabach auch zustimmt.1218 Aserbaidschan auf der anderen Seite betont seine historische und vor allem völkerrechtliche Legitimität bezogen auf Bergkarabach und stellt sich gegen jedwede Lösung, die seine territoriale Erscheinung verändern würde. Baku ist bereit, Bergkarabach „maximale Autonomie“ zu gewähren, aber nur innerhalb Aserbaidschans. Wie diese maximale Autonomie aussehen könnte, da hält sich die aserbaidschanische Führung sehr bedeckt.1219 Klar ist nur, dass eine solche Selbstregierung keine Entscheidungsrechte im Bereich der Außenbeziehungen und der Steuereintreibung umfassen soll. Außerdem soll Bergkarabach über keine eigene Armee oder Sicherheitsdienste verfügen können und weitere wichtige staatspolitische Entscheidungen würden ebenfalls bei Baku liegen. Die Frage nach dem endgültigen Status möchte Baku allerdings erst klären, wenn alle anderen Schritte zur Normalisierung der Beziehungen implementiert sind. Als absolute Vorbedingung sieht Baku den Rückzug armenischer Truppen aus den sieben von armenischen Truppen im Krieg eroberten Gebieten, die um das Kerngebiet Bergkarabachs herumliegen. Bergkarabach sieht diese Gebiete als wichtigen Sicherheitsgürtel, der erst bei starken Sicherheitsgarantien und eventuell auch einer Klärung der Statusfrage zurückgegeben werden kann. Aserbaidschan wirft Armenien bzw. Bergkarabach vor, auf diesen Territorien eine aktive Ansiedlungspolitik von Armeniern zu betreiben, um eine Rückgabe zu blockieren.

1218 Vgl. Asbarez: Stepanakert Must Derail Madrid Principles, Says Artsakh ARF, in: Asbarez. com 24.11.2009. Unter: http://asbarez.com/73772/stepanakert-must-derail-madridprinciples-says-arf-karabakh/, abgerufen: 15.09.2017. 1219 Vgl. President of Azerbaijan: Ilham Aliyev gave an interview to “Euronews“ TV Channel in Brussels, 22.06.2011. Unter: http://en.president.az/mobile/articles/2500, abgerufen: 15.09.2017. 315

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5 Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt

Eine Fact Finding Mission der OSCE, gemeinsam mit Beobachtern der VN in der Konfliktzone, konnte dafür 2005 und 2011 allerdings keine Indizien finden.1220 Aserbaidschan betont, eine friedliche Lösung der Bergkarabach-Frage zu bevorzugen, ist gleichzeitig aber auch bereit für eine militärische Rückholaktion Bergkarabachs.1221 Erhebliche finanzielle Ressourcen aus seiner Energiewirtschaft werden zum Lobbying in westlichen Hauptstädten und bei internationalen Organisationen aufgewendet. Gemeinsam mit der weitreichenden wirtschaftlichen Blockade mit Hilfe der Türkei und durch gelegentliche Waffenstillstandsverletzungen, um den Status quo nicht einschlafen zu lassen, soll Armenien so mit diesen kleinen Schritten langsam in eine immer schlechtere Verhandlungsposition kommen, um eine möglichst nahe an der Idealvorstellung Bakus liegende Verhandlungslösung zu finden.1222 Aserbaidschan sieht außerdem die Zeit auf seiner Seite, mit seiner wachsenden Wirtschaft bei gleichzeitigem Schwächerwerden der armenischen Wirtschaft. Gemäß seiner „Wait-and-strengthen“-Strategie geht Baku davon aus, dass das für Armenien immer unangenehmere militärische Gleichgewicht über kurz oder lang entweder zu großen Zugeständnissen aus Jerewan oder andernfalls zu einem klaren militärischen Sieg für Aserbaidschan führen wird. Rachegedanken werden von der Regierung in Baku aktiv aufrechterhalten, um die Überzeugung zu stärken: Wir haben in den 1990ern nicht den Krieg verloren, sondern nur die erste Runde.1223 Die Strategie der armenischen Seite hingegen fußt auf der Normalisierung des Status quo und dem erfolgreichen Aufbau eines De-facto-Staates in Bergkarabach, um mittelfristig von der internationalen Gemeinschaft anerkannt zu werden.1224

1220 Vgl. OSCE: Executive Summary of the “Report of the OSCE Minsk Group Co-Chairs’ Field Assessment Mission to the Occupied Territories of Azerbaijan Surrounding Nagorno-Karabakh”, 24.03.2011. Unter: http://www.osce.org/mg/76209?download=true, abgerufen: 15.09.2017. 1221 Vgl. Rajabova, Sara: President Aliyev says Azerbaijan ready for any scenario, in: Azernews.az 07.08.2014. Unter: https://www.azernews.az/nation/69476.html, abgerufen: 15.09.2017. 1222 Vgl. Sammut, Dennis: Azerbaijan’s Foreign Policy since Independence: Balancing Interests, Priorities and Tactics, in: Journal of International Affairs 1/2009, S. 146 f. 1223 Vgl. Kazimirov, Vladimir: Looking for a Way Out of the Karabakh Impasse, in: Russia in Global Affairs, 2/4, 2004, S. 147 f. 1224 Vgl. De Waal, Thomas: Remaking the Nagorno-Karabakh Peace Process. Carnegie Europe 01.08.2010.

6

Zusammenfassung und Ausblick 6 Zusammenfassung und Ausblick

In diesem zusammenfassenden und abschließenden Teil der Arbeit werden zunächst die Haupterkenntnisse der Kapitel II, III und V dargestellt. In einem zweiten Schritt werden die beiden in der Einführung gestellten Hauptfragen und Arbeitshypothesen geprüft und die Interessen und Rolle der externen und regionalen Akteure (Russland, Iran, Türkei, USA und EU, Kapitel V der Arbeit) im Bergkarabach-Konflikt und im Südkaukasus im Zusammenhang mit den beiden Hypothesen präsentiert. In einem letzten Schritt wird ein Ausblick auf eine mögliche politische Lösung für den Bergkarabach-Konflikt gegeben, die die Interessen aller Konfliktparteien und der regionalen Akteure berücksichtigt und den Frieden in einer der konfliktreichsten Regionen der Welt nachhaltig sicherstellen kann.

6.1 Zusammenfassung 6.1 Zusammenfassung

Kapitel II: Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte. Zwischenethnische Differenzen, die in einigen Gebieten des Südkaukasus bereits während des Zerfalls der Sowjetunion zu heftigen Unruhen geführt haben, bleiben ein historisch-politisches Kernproblem der Region. Eine Analyse von Ursachen und Auswirkungen der Konfliktgeschichte des Territoriums von Bergkarabach erfordert, regionale kulturräumliche Strukturen, darunter historische und politisch-territoriale, auch in der Betrachtung der vorsowjetischen Zeit, zu untersuchen. Denn die historischen Wurzeln dieses langwierigen Konfliktes reichen bis in die Anfänge des 19. Jh. zurück, als die Region zum ersten Mal durch das Russische Zarenreich erobert und kolonisiert wurde. Nach Betrachtung sowohl der altertümlichen als auch der mittelalterlichen Geschichte der Region ist festzuhalten, dass der Ursprung und die Geschichte des armenischen Volkes im Armenischen Hochland liegen und das heutige Gebiet von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. E. Aslanyan, Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus, Energiepolitik und Klimaschutz. Energy Policy and Climate Protection, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28516-6_6

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6 Zusammenfassung und Ausblick

Bergkarabach bereits Bestandteil des ersten armenischen Königreiches Urartu (9. – 6. Jh. V. Chr.) war. Voraussetzung hierfür ist die Glaubwürdigkeit der besagten Quelle der in der Arbeit angeführten antiken Historiker. Aus diesem Zeitraum leitet sich auch die traditionelle armenische Bezeichnung Arzach für Bergkarabach von der urartäischen Provinz Urdeche/Ardache her. Nach dem Untergang Urartus blieb Arzach mehrheitlich Teil nacheinander herrschender armenischer Königsdynastien. Die zwei bedeutendsten Wendepunkte der Geschichte der Armenier in diesem Zeitraum, die Christianisierung und die Verbreitung der armenischen Schriftsprache, hatten ihre Wurzeln in Arzach. Nach dem Untergang des letzten armenischen Königreichs der Bagraditen (885–1045) im Armenischen Hochland fiel Arzach unter die Herrschaft der Perser, dann der Seldschuk-Mongol-Türken, anschließend wieder der Perser. Schon ab dieser Zeit drängten nomadische türkischstämmige Muslime und Kurden in das heutige Gebiet des Südkaukasus, auch nach Arzach, und ab dem 14. Jh. wurde begonnen parallel zu Arzach die türkischsprachige Benennung des Gebietes als Karabach zu verwenden. Im Zuge dieser türkischstämmigen Einwanderung in die Region, deren Angehörige zu den Vorfahren der modernen Aserbaidschaner gehören, geriet Bergkarabach zum ersten Mal unter deren Herrschaft. Diese dauerte bis 1805 an, als das Gebiet von Arzach aufgrund des Vertrages von Kuraktschai in das Russische Reich eingegliedert wurde. Die historische Tatsache, dass Arzach/Bergkarabach für den Großteil seiner Besiedlungsgeschichte unter armenischer Führung stand, reicht jedoch nicht aus, um einen Gebietsanspruch im 21. Jh. zu legalisieren oder umfassend zu legitimieren, da das Gebiet in einigen Phasen der Geschichte auch von Aserbaidschanern und ihren Vorfahren dominiert wurde. Weiter unten findet daher eine Untersuchung der rechtlichen Ansprüche statt. Nachdem der gesamte Südkaukasus durch die Friedensverträge von Gulistan 1813 und Turkmentschai 1828 dem russischen Imperium zugewiesen wurde, vereinte dieses seine Neuerwerbungen nicht zu einer eindeutigen ethnischen Verwaltungseinheit, sondern ausgehend von seiner imperialistischen „Teile-und-Hersche“-Politik. So wurde Bergkarabach nicht dem Armenischen Gebiet oder dem späteren Gouvernement Jerewan, sondern 1868 dem Gouvernement Jelisawetpol, das die ethnisch und geographisch bunteste Verwaltungseinheit im gesamten Südkaukasus bildete, unterstellt. Der Ursprung der heutigen armenisch-aserbaidschanischen Auseinandersetzung leitet sich aus dieser willkürlichen Einteilung von Verwaltungseinheiten ab, die in den Jahren der russischen Sozialrevolution zu den ersten größeren interethnischen Gewaltakten im Südkaukasus (1905) führte und als „Erster armenisch-tatarischer Krieg“ in die Geschichte einging.

6.1 Zusammenfassung

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Nach der kurzlebigen Unabhängigkeit der drei Südkaukasus-Staaten (1918– 1920/21) unterwarfen die nun kommunistisch regierten Russen die Region zum zweiten Mal, und das Problem der umstrittenen Gebiete mit seinen gemischten Bevölkerungen wurde eine Frage der Sowjets. Die neue russische Expansionsmacht schlug Bergkarabach mit einem Beschluss des unter Josef Stalin tagenden Kaukasischen Büros des Zentralkomitees der Russischen Kommunistischen Partei gegen den Willen der zu 95% armenischen Bevölkerung am 5. Juli 1921 der Aserbaidschanischen SSR zu. Die Bevölkerung Bergkarabachs wurde nicht befragt. Stattdessen traf ein russisches Gremium eine Entscheidung für ein nichtrussisches Territorium, das es darüber hinaus nicht auf demokratischem Weg, sondern militärisch unter seine Kontrolle gebracht hatte. Während der rund 70 Jahre andauernden Sowjetherrschaft beklagten die Karabach-Armenier des Autonomen Gebietes NKAO immer wieder eine kulturelle, wirtschaftliche und soziale Diskriminierung und Vernachlässigung durch die aserbaidschanische Regierung, trotzdem weigerten sich die Sowjets, deren politischen Status (eine Wiedervereinigung mit der Armenischen SSR) zu ändern. Dieses Streben der Karabach-Armenier entwickelte sich bereits in den 1960er Jahren zu einer aktiven politischen Bewegung und durch die Vernachlässigung seitens der Sowjetführung spitzte sie sich 1988 mit gravierenden interethnischen zwischen Armeniern und Aserbaidschanern Pogromen zu. Der Konflikt, der zunächst nur als eine innersowjetische Angelegenheit galt, erhielt durch die Unabhängigkeitserklärungen von Bergkarabach, Aserbaidschan und Armenien 1991 einen internationalen Charakter und mündete in einen zerstörerischen Krieg, der bis 1994 anhielt und bis heute nicht nachhaltig gelöst ist. Kapitel III: Die postsowjetische Entwicklung in Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1991–2015. Armenien, die kleinste Sowjetrepublik, brachte mit den Parlamentswahlen im Mai 1990 den ersten nicht kommunistischen Parlaments­ präsidenten im Südkaukasus, Levon Ter-Petrosjan, an die Macht, der trotz der Unabhängigkeits- und Kriegsphase in Bergkarabach die politische Stabilität des Landes gewähren konnte. Diese ist unter anderem dem militärischen Erfolg im Bergkarabach-Krieg zu verdanken, die nationale Einheit bröckelte jedoch ab 1995 aufgrund von Repressionen gegen unabhängige Medien und Regierungskritiker. Ter-Petrosjans einseitige kompromissorientierte Haltung gegenüber Aserbaidschan und der Türkei führte dann zu einem weiteren Absinken seiner Popularität und seinem Rücktritt 1998. Als Folge kam es zu einer politischen Krise in Jerewan, die erst Anfang der 2000er Jahre bewältigt wurde. Als Vertreter einer weiteren marktwirtschaftlichen Öffnung des Landes konnte der zweite Präsident Armeniens, Robert Kotscharjan, ein starkes Wirtschafts319

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6 Zusammenfassung und Ausblick

wachstum während seiner Amtszeit sichern und dabei die These, dass Armenien durch den Bergkarabach-Konflikt und die Blockade seitens Aserbaidschans und der Türkei keine wirtschaftliche Perspektive hat, zeitweilig widerlegen. Dennoch ist festzuhalten, dass Jerewan aufgrund des Konfliktes von regionalen Großprojekten (z. B. Eisenbahnlinien und Pipelines) ausgeschlossen bleibt und ungeachtet der ausgerufenen und angestrebten komplementären Außenpolitik spielt Russland aufgrund der Bedrohungslage eine Schlüsselrolle in Armeniens Außen- und Sicherheitspolitik. Große Teile der armenischen Wirtschaft werden von russischen Firmen kontrolliert, militärisch arbeitet Jerewan eng mit Moskau zusammen, um den Rüstungswettlauf mit Baku auszubalancieren, beherbergt zwei russische Militärbasen auf seinem Staatsterritorium und ist als einziger Südkaukasus-Staat Teil der OVKS. Diese starke Anbindung an Moskau setzte sich insbesondere seit dem Machtantritt des dritten Präsidenten Serge Sargsjan 2008 fort und zeigte sich auch mit dem Beitritt Armeniens in die EAWU 2015. Armenien ist mit kaum nennenswerten Rohstoffvorkommen eines der ärmsten Länder in Osteuropa geblieben. Der postsowjetische Transformationsprozess hin zu einer Demokratie läuft zäh und langsam, mit tiefen politischen Krisen und öffentlicher Apathie und Misstrauen bei der Bevölkerung. Rund eine Million Menschen verließen das Land seit der Unabhängigkeit, große Teile der Bevölkerung sind von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen. Die fortwährende türkisch-aserbaidschanische Handels- und Wirtschaftsblockade wegen des Bergkarabach-Konfliktes verhindert neben der Vetternwirtschaft und Korruption eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung des Landes. Aserbaidschan mit einer mehrheitlichen muslimischen Bevölkerung etablierte sich seit der Unabhängigkeit 1991 als säkularer Staat, mit einer starken Position des Staatspräsidenten. Aufgrund der Niederlage im Bergkarabach-Krieg erlebte das Land Anfang der 1990er Jahre tiefe politische Krisen, die zum Rücktritt der Präsidenten Ajas Mutalibow und Abulfas Eltschibei führten. Seit Herbst 1993 befindet sich bis heute die Familie Alijew an der Spitze der Macht in Aserbaidschan, zunächst Heidar und seit 2003 sein Sohn Ilham, die erfolgreich ihre politischen Konkurrenten ausschalteten und den Bergkarabach-Konflikt zur nationalen Besinnung auf einen externen Feind nutzten. Diese Stabilität ermöglichte insbesondere Ilham Alijew seinen Machtapparat auszubauen und andere politische Institutionen des Landes zu schwächen. Der autoritär regierende Präsident konnte seine Macht vor allem aufgrund des durch den „Jahrhundertvertrag“ von 1994 aufgebrachten Exports von Öl und Gas festigen, der nicht zuletzt für die Finanzierung rentierstaatlicher Strukturen verwendet wurde. Von 2000 bis 2010 vervierfachte sich die Realwirtschaft um das 15-Fache und mit rund 75 Mrd. USD stellte Aserbaidschan 2014 3/4 des gesamten südkauka-

6.1 Zusammenfassung

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sischen BIPs dar. Das Regime investierte diesen Reichtum in Prestigeprojekte und in das Militär, verbunden mit der Drohung an Armenien und die internationale Gemeinschaft, Bergkarabach militärisch zurückzuerobern. Die wirtschaftliche Prosperität ermöglichte es Baku auch, in seiner außenpolitischen Strategie eine Wechselbeziehung mit allen Ländern der Region und den überregionalen Akteuren und internationalen Organisationen zu erreichen, und im Vergleich mit Armenien konnte es seine Unabhängigkeit von Moskau besser bewahren. Der Rohstoffreichtum garantierte zeitweise den Wohlstand des Landes, das verglichen mit Armenien sogar einen Anstieg der Bevölkerungszahl und eine starke Reduzierung der Arbeitslosen verzeichnete. Er gewährleistete auch eine gewisse politische Stabilität für die Alijew-Regierung. Die fossilen Brennstoffe sind nicht nur ein Segen, sondern auch ein Fluch. Die aserbaidschanische Wirtschaft entwickelte sich dadurch eindimensional, die Exportlöse stammen zu 90 % und die Einnahmen des Staates zu 2/3 aus der Ausfuhr von Öl und Gas. Der seit 2014 anhaltend niedrige Ölpreis führte zu einer Halbierung des aserbaidschanischen BIPs (2016: rund 35 Mrd. USD), mit damit einhergehenden sozialpolitischen Folgen. Seit seiner Unabhängigkeitserklärung vom 2. September 1991 existiert Bergkarabach mit einer Fläche von 11.500 qkm und rund 150.000 Einwohner als ein De-facto-Staat im Südkaukasus. Obwohl es die drei elementaren Grundlagen eines Staatswesens, die laut der Völkerrechtspraxis geltende „Konvention von Monte­ video über Rechte und Pflichten der Staaten“1225 von 1933, erfüllt, bleibt bislang das Selbstbestimmungsrecht seines Volkes völkerrechtlich nicht verwirklicht. Dadurch besteht eine Abhängigkeit und enge Verflechtung mit der Republik Armenien. Diese Abhängigkeit ist gerade auch durch die Blockade der Grenzen zu Aserbaidschan gegeben. Nichtsdestotrotz haben Bergkarabachs politische Institutionen die Kon­ trolle über ihr Gebiet, es werden weitestgehend faire, freie und kompetitive Wahlen abgehalten und ein Referendum von 2006 hat eine Verfassung verabschiedet, die das semipräsidentielle Regierungssystem mit Gewaltenteilung gestärkt hat. Die Folgen des zerstörerischen Krieges mit Aserbaidschan, der mehrheitlich auf dem heutigen Territorium von Bergkarabach stattfand, erschweren teilweise bis heute die Entwicklung des landwirtschaftlich geprägten Gebietes. Trotz der finanziellen Unterstützung durch Armenien und teilweise durch die USA wäre der kriegsbedingt zerstörte wirtschaftliche und soziale Wiederaufbau ohne die zentrale Rolle der armenischen Diaspora kaum möglich. Dennoch bleibt die industrielle Produktion nur sehr gering ausgeprägt. Die kleinteilige Landwirtschaft ist trotz zunehmender staatlicher Unterstützungsmaßnahmen mangels ausländischer 1225 Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt und die Fähigkeit, in Beziehung mit anderen Staaten zu treten. 321

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6 Zusammenfassung und Ausblick

Investitionen in moderne Ausstattung, aufgrund des abschreckenden Rufes als Kriegsgebiet weiterhin entwicklungsbedürftig. Wegen des Waffenstillstandes mit Aserbaidschan, der kein Friedensabkommen bedeutet, ist Bergkarabach gezwungen, eine verhältnismäßig große Armee (18.000–20.000 Soldaten) aufrechtzuhalten, die ihrerseits das wirtschaftliche Potenzial des jungen Staates ausschöpft. Trotz der oben genannten Schwierigkeiten existiert Bergkarabach seit 1991 im Südkaukasus. Es hat sein Recht auf Existenz als selbstständiger Staat behauptet und die Begründung des Beschlusses von 1921, wonach Bergkarabach aufgrund der wirtschaftlichen Bindung Aserbaidschan unterstellt wurde, gegenstandslos gemacht. Eine zweite Generation wächst nun in Bergkarabach auf, die jedoch keine gesellschaftliche Berührung mit derselben in Baku hat. Trotz der widrigen wirtschaftlichen Umstände haben die Bewohner Bergkarabachs einen funktionierenden Staat aufgebaut, der in Sachen Demokratie, politische und bürgerliche Freiheiten international positiver eingeschätzt wird als Aserbaidschan und etwa gleichauf mit Armenien liegt.1226 Kapitel V: Das Engagement der OSZE im Bergkarabach-Konflikt. Bei der Betrachtung des Konflikts aus Sicht des sowjetischen Rechts wurde in der Arbeit festgestellt, dass das Referendum im Autonomen Gebiet NKAO, das am 10. Dezember 1991 für die Abspaltung aus der Aserbaidschanischen Unionsrepublik abgehalten wurde, noch vor der formellen Auflösung der UdSSR am 25. Dezember 1991 stattfand, und somit war diese zu diesem Zeitpunkt im Sinne des sowjetischen „Gesetz[es] über Verfahren der Entscheidung über Fragen, die mit dem Austritt einer Unionsrepublik aus der UdSSR verbunden sind“, rechtmäßig. Im Rückgriff auf die obige Feststellung zur sowjetischen Rechtslage kann argumentiert werden, dass die Republik Aserbaidschan gar nicht das Recht hat, Bergkarabach in seine territoriale Integrität miteinzubeziehen. Wie der Blick auf die moderne völkerrechtliche Sicht gezeigt hat, handelt es sich um ein Volk im Sinne des Selbstbestimmungsrechtes der Völker mit einem Territorium und einer eigenen Staatsgewalt mit funktionierenden politischen Institutionen, womit es die Voraussetzungen für die Ausübung des äußeren Selbstbestimmungsrechts erfüllt und dabei keine schweren Brüche begangen hat. Daher lässt sich nach der Betrachtung des rechtlichen Rahmens die Aussage treffen, dass die Sezession Bergkarabachs rechtswirksam ist, folglich legal und seine Unabhängigkeit auf Basis seiner de facto bestehenden Staatlichkeit auch de jure anzuerkennen ist. Das Völkerrecht kennt aber keinen Rechtsanspruch auf Anerkennung. Ob die internationale Staatengemeinschaft Bergkarabach als völkerrechtliches Subjekt anerkennen wird, lässt sich 1226 Vgl. Freedom House: Freedom in the World 2009–2015.

6.1 Zusammenfassung

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nur schwer voraussagen, doch erscheint dies heute jedenfalls realistischer zu sein als noch vor einigen Jahren. Die Verhandlungen im Rahmen der OSZE Minsker Gruppe laufen bereits seit 1992, und sollen, vermittelt von den drei Ko-Vorsitzenden, eine politische Lösung des Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan erreichen. Bergkarabach, über das eigentlich in dieser Gruppe verhandelt wird, wird von Aserbaidschan als Partei nicht anerkannt und demzufolge bleibt es aus den Verhandlungen ausgeschlossen. Jedoch ist eine logisch nachhaltige Konfliktlösung ohne die direkt betroffene Partei miteinzubeziehen, wenig wahrscheinlich. Dennoch ist es der Minsker Gruppe gelungen, Dialogkanäle zwischen Armenien und Aserbaidschan aufrechtzuerhalten, auch wenn diese immer wieder zu versiegen drohen. Respekt gezollt werden kann dabei auch der Penetranz, mit der die OSZE-Vermittler immer wieder neue Anläufe versuchen, den Gesprächen Impulse zu geben, und sich von ihrem Scheitern nie lange beirren lassen. Dass es diesen Anläufen wiederholt misslingt, einen echten Durchbruch in den Verhandlungen zu erzielen, hat viele Gründe. Einige liegen in der Minsker Gruppe selbst bzw. in ihrer organisatorischen Verfassung und der der OSZE. Neben den begrenzten finanziellen und personellen Mitteln dieser Organisation, sind vor allem die Mechanismen für die Entscheidungsfindung schwierig. Außerdem haben die Entscheidungen der OSZE keinen völkerrechtlich bindenden Charakter und können somit nur wenig Druck auf die Konfliktparteien ausüben. Sie verfügt kaum über direkte Mechanismen oder Werkzeuge, lohnende Anreize zu schaffen oder Druck auf die Parteien auszuüben, um einen Kompromiss einzugehen. Ein weiterer Grund, warum die Minsker Gruppe keinen Durchbruch erlebt, sind die Eigeninteressen bzw. Neutralität der offiziellen Vermittler, die z. B. bei Provokationen, Eskalationen oder Grenzschießereien alle Konfliktparteien gleichzeitig kritisieren, ohne Täter und Opfer zu nennen. Bei aller Kritik an der Minsker Gruppe und den Vermittlern macht man es sich zu einfach, das Scheitern der Verhandlungen auf diese zu schieben. Die Minsker Gruppe kann nur wenig erreichen, wenn die Konfliktparteien es selber nicht so richtig wollen. Die Priorität lokaler Eliten ist folglich wohl nicht ein Friedensschluss, sondern ein Fortführen des Status quo von „no war, no peace“, der es ihnen ermöglicht, ihre Macht zu halten, Geld zu verdienen und kritische Stimmen aus der Opposition, der Zivilgesellschaft oder dem Ausland kleinzuhalten. Der andauernde Konflikt gibt den undemokratischen Regierungen die Legitimität, vor allem dem Regime von Ilham Alijew, wodurch er sich als Garant von Sicherheit und Stabilität geriert und von einem „Rally-around-the-flag“-Effekt profitiert.

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6 Zusammenfassung und Ausblick

Kapitel IV: Die externen Akteure im Bergkarabach-Konflikt und in der Region. Im Mittelpunkt dieser Arbeit standen die Interessen, Ziele und Rollen der im Südkaukasus und im Bergkarabach-Konflikt involvierten Großmächte und regionalen Akteure (Russland, Iran, Türkei, USA, EU). Vor diesem Hintergrund wurden bei dieser Arbeit zwei zentrale Forschungsfragen untersucht: Erstens: Was sind die zentralen Interessen der externen Akteure USA, EU, Russland, Iran und Türkei im Südkaukasus und inwiefern beeinflussen diese ihre Sichtweise auf den Status quo im Bergkarabach-Konflikt? Zur Beantwortung dieser Frage wurde folgende Hypothese aufgestellt: Die externen Akteure haben ein existentielles Interesse an der Status-quo-Stabilität im Südkaukasus und im Bergkarabach-Konflikt. Die Eskalation des Konfliktes würde die Energieund Transportwege der westlichen Mächte (USA, EU) in der Region blockieren und damit ihre Investitionen gefährden. Die Aufrechterhaltung des Status quo liegt auch im Interesse Irans und Russlands, denn ein Kriegsausbruch in Bergkarabach würde die ethnisch instabilen Gebiete der zwei Länder anstecken (die zweitgrößte ethnische Gruppe im Iran bilden die Aserbaidschaner). Außerdem sind Moskau und Teheran bemüht, den westlichen sowie den türkischen Einfluss in der Region und deren weitere Beteiligung an der Förderung von Rohstoffen des Kaspischen Meeres einzudämmen. Zweitens: Sind die externen Akteure an einer Konfliktbeilegung in Bergkarabach interessiert oder wird der Konflikt für eigene Interessen instrumentalisiert? Zur Beantwortung dieser zweiten Frage wurde folgende Hypothese aufgestellt: Die externen Akteure instrumentalisieren den Konflikt für ihre eigenen Interessen. Ihre Rolle und Aktivitäten sind sogar mitursächlich für die bisherige Unlösbarkeit dieser Auseinandersetzung. Mit Druckmitteln und Anreizen wirken die externen Akteure auf Baku und Jerewan ein, um eine Berücksichtigung ihrer Interessen in der Region zu erreichen, wodurch die Beilegung des Konfliktes um Bergkarabach in weite Ferne gerückt zu sein scheint. Das nachsowjetische Russland verfolgt das vorrangig angestrebte Ziel, das Land wieder zu alter Größe zu führen und die verlorene Vormachtstellung in traditionellen Einflussregionen, insbesondere im „Nahen Ausland“, zurückzugewinnen. Moskau ist nach dem Zerfall der Sowjetunion im Südkaukasus nicht nur mit eigenen Interessen stark vertreten geblieben, es ragt sogar mit sieben (instabilen) Teilrepubliken im Nordkaukasus in die Großregion Kaukasus hinein, die aus strategischer und sicherheitspolitischer Sicht eine zentrale Bedeutung für den Kreml aufweist.

6.1 Zusammenfassung

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Russlands Hauptinteresse besteht vor allem darin, den Einfluss der USA, der Türkei und der EU als Konkurrenten möglichst zu minimieren und im Idealfall deren Engagement im Südkaukasus und im Kaspischen Becken einzudämmen. Auch die NATO muss aus russischer Sicht aus der Region ferngehalten werden. Dass die geopolitischen Interessen von Teheran und Moskau in vielerlei Hinsicht bezogen auf den Südkaukasus übereinstimmen und Iran nur teilweise als Bedrohung für die vitalen russischen Interessen gesehen wird, hängt damit zusammen, dass Iran unter internationalen Sanktionen leidet und ebenfalls Russland als kleinstes Übel hinsichtlich der Bedrohung seiner Interessen sieht. Von allen untersuchten Akteuren bleibt jedoch Russland der Hauptakteuer im Südkaukasus, insbesondere aus militärisch-strategischer Sicht. Aber seine einflussreiche Position im Südkaukasus wurde mit dem größer werdenden zeitlichen Abstand zur sowjetischen Periode schwächer. Für die Durchsetzung der russischen Politik im „Nahen Ausland“ fungieren die ungelösten Konflikte im postsowjetischen Raum als Vehikel, auch der Bergkarabach-Konflikt spielt eine Schlüsselrolle. Mit Ausnahme von Bergkarabach hat Moskau alle anderen De-facto-Republiken sowohl militärisch als auch wirtschaftlich und politisch an sich gebunden und Abchasiens und Südossetiens Unabhängigkeit nach dem Georgienkrieg 2008 vor allem wegen der beabsichtigten Integration Georgiens in euroatlantische Institutionen anerkannt. Mit der Instrumentalisierung der armenisch-aserbaidschanischen Auseinandersetzung versucht Moskau sowohl Armenien als auch Aserbaidschan in seinem Einflussbereich zu halten und ist zum größten Waffenlieferanten für die beiden Konfliktparteien avanciert. Der Konflikt hilft Russland außerdem insofern, dass sich Armenien und Aserbaidschan so nicht endgültig vom „großen Bruder“ emanzipieren können. Würde einer der beiden sich offen gegen Russland stellen, so könnte dieses die andere Partei einseitig unterstützen und den Konflikt militärisch für diese entscheiden. Der Kreml ist bis jetzt erfolgreich dahingehend, durch eine Instrumentalisierung des Konfliktes zu verhindern, dass sich Armenien und Aserbaidschan der NATO oder EU annähern. Viele Experten sind der Meinung, dass der Schlüssel zur Lösung des Bergkarabach-Konfliktes im Kreml liege, aber es sei nicht im russischen geopolitischen Interesse, im Südkaukasus den Status quo durch die Lösung eines bestehenden Konfliktes zu ändern. Er dient somit als Mittel, sowohl in Armenien als auch in Aserbaidschan seine Vorherrschaft aufrechtzuerhalten und die Rolle und Aktivitäten anderer Akteure, insbesondere der westlichen Staaten, im Südkaukasus und Kaspischen Becken einzuschränken. Aufgrund seiner geopolitischen Zwangslage ist Jerewan wirtschaftlich, militärisch und politisch in starke Abhängigkeit von Moskau geraten. Aber auch mit Baku hat Moskau seine wirtschaftlichen und politischen Beziehungen ausgebaut, obwohl sich die russische Einflussnahme auf die aserbaidschanische Wirtschaft wesentlich schwieriger gestaltet als im Fall 325

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6 Zusammenfassung und Ausblick

Armeniens. Aserbaidschans Reichtum an fossilen Brennstoffen sichert Baku mehr Spielraum, dem russischen Druck zu entgehen. Insgesamt machen all diese Befunde deutlich, dass die beiden eingangs formulierten Hypothesen im Falle Russlands verifiziert wurden. Weiterhin können wir feststellen, dass sich Russland nur unter bestimmten Bedingungen auf eine Beilegung des Bergkarabach-Konfliktes einlassen würde, wenn es selbst als der ausschlaggebende Vermittler auftreten könnte. So könnte die Friedenslösung dem russischen Einfluss und seinen geopolitischen Interessen im Südkaukasus dienen, beispielsweise mit der Stationierung russischer Friedens­ truppen in Bergkarabach. Russlands Rolle als Ordnungsmacht im Südkaukasus bliebe gewährleistet. Die Islamische Republik Iran betrachtet den Südkaukasus als ihr historisches Einflussgebiet, das infolge der russisch-persischen Kriege an das Zarenreich abgetreten wurde. Mit der Auflösung der Sowjetunion erhoffte sich der Iran neue Chancen für die Ausweitung seiner Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit den jeweiligen Ländern und eine aktive Beteiligung an der Stabilität und Sicherheit in seiner nördlichen Nachbarregion. Teheran sah auch eine Möglichkeit, seinen geschwundenen Einfluss auf die kaukasischen Völker zurückzugewinnen, nachdem der iranische Einfluss in der Vergangenheit eine bedeutende kulturelle Rolle gespielt hatte. Dabei verfolgte Ziele von der IRI sind vor allem, die andauernden internationalen Sanktionen durch eine vertiefte Kooperation mit den neuen Nachbarstaaten zu überwinden und den Einfluss seiner Konkurrenten, vor allem der USA, Türkei und Israels, möglichst einzuschränken, die ihrerseits Iran aus der Region herauszuhalten versuchten. Gleichzeitig blieb der Iran vorsichtig in seiner Südkaukasuspolitik, um mit seinem wichtigsten Partner in der Region, Russland, nicht in Konkurrenz zu geraten. Armenien ist aufgrund des belasteten Verhältnisses zu seinen zwei benachbarten Turkstaaten, Aserbaidschan und Türkei, ein natürlicher und strategischer Partner für Iran in der Region, da es nicht nur historische Beziehungen mit Iran hat, sondern auch durch seine heutige Geographie als Keilfunktion gegen Ankaras pantürkische Ambitionen im Kaukasus und Zentralasien betrachtet werden kann. Trotz der manifestierten islamischen Solidarität führt Teheran mit Blick auf den Bergkarabach-Konflikt eine realpolitische pragmatische Politik gegenüber seinen nördlichen Nachbarn; es unterhält intensive wirtschaftspolitische Beziehungen mit Jerewan und strebt weiter nach einer tiefen Zusammenarbeit mit Baku. Die IRI versuchte zunächst, mit einem religiös-kulturellen Instrumentarium Vorteile gegenüber den anderen Akteuren in der Region zu gewinnen, vor allem im mehrheitlich schiitischen Aserbaidschan, was aber Anfang der 1990er Jahre aufgrund

6.1 Zusammenfassung

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der Nähe der aserbaidschanischen Führung zur pantürkischen Ideologie und dem Türkentum keine größeren Erfolge verzeichnete. Diese Entwicklung umfasste sogar Bedrohungen für Irans territoriale Integrität, angesichts des Separatismus und Irredentismus seiner großen aserbaidschanischen Minderheit. Teheran befürchtete sowohl während des Bergkarabach-Krieges als auch danach, dass im Zuge eines neuen Krieges in Bergkarabach der aserbaidschanische Nationalismus mit starken pantürkischen Konnotationen innerhalb seiner Grenzen wieder aufflammen könnte. Außerdem kann das Fortbestehen der Bergkarabach-Frage aus iranischer Sicht als ein Faktor gesehen werden, der das Interesse der aserbaidschanischen Gesellschaft am türkischsprachigen Nord-Iran minimalisiert. Die IRI, die neben Aserbaidschan und Armenien der einzige Staat der Welt ist, der eine gemeinsame Grenze mit Bergkarabach teilt, ist bestrebt, die Stabilität und den Status quo in der Region beizubehalten. Sie hat existentielle wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen im Südkaukasus und bemüht sich, den westlichen, vor allem den US-amerikanischen, türkischen sowie auch den israelischen Einfluss im Südkaukasus zu begrenzen, der eine Konkurrenz um Einfluss darstellt, aber auch weitergehend auch die potentielle Gefahr den Iran birgt, ganz vom Südkaukasus abgeschottet zu werden. Demzufolge machen diese Betrachtungen deutlich, dass die erste Arbeitshypothese im Falle Irans verifiziert wurde. Zum Vergleich mit den in dieser Arbeit untersuchten vier Akteuren lässt sich zur Rolle des Irans im Bergkarabach-Konflikt feststellen, dass Teheran einen geringeren Einfluss auf den Konflikt ausübte und weniger Druckmittel zur Verfügung hatte als die anderen interessierten Mächte. Im Gegensatz zur Türkei, die seit dem Kriegsausbruch eine einseitige proaserbaidschanische Position einnahm, konnte der schiitische Iran durch die Balancierung der Beziehungen das Vertrauen sowohl der christlichen Armenier als auch der schiitischen Aserbaidschaner gewinnen. Das ermöglichte Teheran, sich als Vermittler während der Kriegsphase anzubieten, jedoch befand sich das Land Anfang der 1990er Jahre nicht in der Lage, diese Vermittlung erfolgreich zu Ende zu führen. Vor allem die USA, aber auch die Türkei und Russland standen Irans aktivem Engagement im Weg. Nach der Etablierung der OSZE Minsker Gruppe wurde Teheran in den darauffolgenden Jahren komplett von der politischen Lösung des Konfliktes ausgeschlossen. Seitdem meldet es sich gelegentlich mit friedlichen Absichten zu einer gewaltfreien Beilegung des Konfliktes. Aufgrund der Tatsache, dass Teheran aus dem offiziellen Vermittlungsformat der Minsker Gruppe des Bergkarabach-Konflikts ausgeschlossen ist, übt es kaum Einfluss auf die Konfliktlösung aus und hat kein gewichtiges Druckmittel gegenüber den Konfliktparteien zur Verfügung, um den Konflikt für eigene Interessen zu instrumentalisieren oder ihn im Sinne seiner Interessen zu lösen. Daraus folgt, dass die zweite Hypothese dieser Arbeit im Fall Irans widersprochen werden muss. 327

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6 Zusammenfassung und Ausblick

Die Unabhängigkeit der neuen Turkstaaten im Südkaukasus und Zentralasien führte zu einer euphorischen Hoffnung in der Türkei, nicht nur in Bezug darauf, dort eine wirtschaftspolitische, sondern auch kulturelle Führungsrolle einnehmen zu können. Letztere Hoffnung bezog sich auf die aus der spätosmanischen Zeit stammende chauvinistisch-rassistische Ideologie – den Panturanismus oder Panturkismus –, die eine pantürkische Blockbildung vom Balkan bis China Fuß anvisiert. In dieser Politik misst die Türkei Aserbaidschan eine besondere Rolle zu, die nicht nur durch die starke emotionale Bindung der beiden Völker, die sich gerne als „eine Nation, zwei Staaten“ bezeichnen, ausgeprägt ist, sondern es geht auch um die gemeinsamen geopolitischen und geoökonomischen Interessen der beiden Staaten in der Region. Mit ihrer zunehmenden Wirtschaftskraft hat die Türkei einen wachsenden Bedarf nach unterschiedlichen Energiequellen und möchte ein wichtiger regionaler Knotenpunkt beim Transport von Energieressourcen nach West-, Mittel-, Südeuropa werden. In dieser Hinsicht hängt es teilweise von Aserbaidschan ab und bemüht sich, dessen Interessen nicht zu verletzen. Aufgrund der gemeinsam geführten türkisch-aserbaidschanischen Handelsblockade gegen Armenien kommt Georgien als Transitland eine gewichtige Rolle zwischen der Türkei und Aserbaidschan zu. So ist in der Region eine trilaterale Kooperationsachse Baku – Tbilisi – Ankara entstanden. Das türkisch-armenische Verhältnis bleibt dagegen belastet, geprägt von gegenseitigem Misstrauen und Feindbildern. Die entscheidende regionale Frage – der Bergkarabach-Konflikt – bleibt aus türkischer Sicht gegenwärtig die größte Hürde für die Annäherung und Versöhnung der Armenier und Türken in der Region. Durch die Verknüpfung der türkisch-armenischen Beziehungen mit einer Lösung des Konflikts zu Gunsten Aserbaidschans begründet Ankara international seine armenienfeindliche Politik, die darauf abzielt, das Land so weit wie möglich wirtschaftlich und politisch zu isolieren. Damit soll auch Jerewans Position in der Völkermorddebatte geschwächt werden. Der Status quo bzw. das Fortführen des Bergkarabach-Konfliktes hilft der Türkei also in mehrfacher Hinsicht. Zum einen kann Ankara sein feindliches Verhältnis gegenüber Armenien begründet fortzusetzen, was gleichzeitig auch Teil der pantürkischen Ideologie ist, da Armenien zwei Turkstaaten geographisch voneinander trennt. Auf der anderen Seite hilft die einseitige Unterstützung der aserbaidschanischen Position im Bergkarabach-Konflikt Ankara, Aserbaidschan wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich an die Türkei zu binden. Baku und Ankara koordinieren ihre Politik in der Region und türkische Politiker unterstreichen bei jeder Gelegenheit, dass jede Bergkarabach-Lösung auf dem Grundsatz der Einhaltung der territorialen Integrität Aserbaidschans beruhen müsste.

6.1 Zusammenfassung

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Unter Berücksichtigung dieser zahlreichen Faktoren der türkischen Interessen und ihrer Rolle im Bergkarabach-Konflikt lässt sich sagen, dass die Türkei in ihren Beziehungen zu Armenien und Aserbaidschan ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Status Quo hat und diesen für seine Zwecke instrumentalisiert. Daraus folgt, dass die zwei Arbeitshypothesen dieses Kapitels im Fall der Türkei verifiziert werden. Im Gegensatz zu den USA, Russland, der Türkei und Iran war die EU von Anfang an ein externer Akteur, der ausdrücklich keine geopolitischen Interessen im Südkaukasus verfolgte und somit nicht als ein direkter Player im Sinne des „Great Game“ betrachtet werden kann. Brüssel leistete humanitäre Hilfe und engagierte sich in der Entwicklungszusammenarbeit der drei Südkaukasus-Staaten seit deren Unabhängigkeit. Mit der Osterweiterung der EU kam es zu einem verstärkten EU-Engagement im Südkaukasus. Das strategische Ziel der Östlichen Partnerschaftspolitik liegt darin, eine enge wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit zwischen diesen Partnerstaaten und der EU zu fördern sowie stabile, demokratische, wirtschaftlich prosperierende Staaten in der Nachbarschaft zu etablieren, um einen „circle of friends“ um die EU-Außengrenzen herum zu schaffen. Mit Blick auf ihre Energiesicherheit verfolgt die EU gewisse geoökonomische Interessen im Kaspischen Becken, eine ganz wichtige Rolle hierfür spielen Aserbaidschan und Georgien als Lieferanten- bzw. Transitland. Trotz ihrer Energieinteressen in Aserbaidschan kann der EU aber durchaus zugutegehalten werden, dass im Bergkarabach-Konflikt immer neutral geblieben ist und den Konflikt nicht für das eigene Interesse instrumentalisiert hat. Die Konfliktlösungsstrategie der EU in Bergkarabach deckt sich weitestgehend mit den Basisprinzipien, die die internationale Gemeinschaft, repräsentiert durch die Minsker Gruppe der OSZE, verfolgt. Sie spielt allerdings in diesem Verhandlungsprozess keine besonders sichtbare Rolle. Obwohl Frankreich europäischerseits als Ko-Vorsitzender in der Minsker Gruppe vertreten ist, ist sie jedoch kein offizieller Repräsentant der EU. Die Betrachtung der Rolle der EU hat gezeigt, dass sie in ihrem Nachbarschaftsraum an Stabilität und Konfliktregulierung interessiert ist und eine Instrumentalisierung des Konfliktes seitens der EU oder einzelner Staaten nicht festzustellen ist. Der Status quo ist aus Sicht der EU einem Kriegsausbruch vor ihren Toren mit tausenden Toten und Verletzten vorzuziehen. Ein wirkliches Interesse am Status quo hat die EU beziehungsweise ihre Mitgliedsstaaten jedoch nicht. Sie sieht den Bergkarabach-Konflikt als ernsthaftes „Hindernis für die Entwicklung […] der Region“1227. Der Konflikt bildet das Haupthindernis für eine regionale Kooperation, 1227 Europäische Kommission: Mitteilung an den Rat: ENP: Empfehlungen für Armenien, Aserbaidschan und Georgien sowie für Ägypten und Libanon. Brüssel 2005, S. 4. 329

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6 Zusammenfassung und Ausblick

denn nichts lässt sich regional gemeinsam umsetzen, wenn zwei von drei Staaten der Region Krieg miteinander führen. Eine Lösung des Konfliktes würde die Abhängigkeit und den Druck seitens Russlands auf Armenien und Aserbaidschan senken. Insofern ist die EU dann interessiert, dass in dieser Region nicht wieder neue Kriege um ungelöste Territorialkonflikte ausbrechen, aber diese Konflikte auch baldmöglich und friedlich beseitigt werden. Ein wirkliches Interesse hat die EU an einer Friedenslösung, am besten durch eigene Vermittlung. Ein solches Erfolgserlebnis könnte die EU in einer schwierigen Phase stärken. Die EU ist wohl von den fünf untersuchten Akteuren derjenige mit dem größten Interesse an einer solchen Lösung. Langfristig muss sie dafür allerdings mutiger auftreten, denn sie ist auch der einzige externe Akteur, der in der Region überwiegend positiv gesehen wird und von Politikexperten für die einzige Hoffnung hinsichtlich einer Lösung des Konflikts um Bergkarabach gehalten wird. Zusammengefasst muss den beiden Hypothesen der Arbeit im Fall der EU also widersprochen werden. Wie bereits in der Arbeit dargestellt, ist das generelle Interesse der USA im Südkaukasus in erster Linie die Einhegung der russischen Dominanz in der Region. Das sollte vor allem durch das Bemühen um eine Westbindung der drei südkaukasischen Republiken erreicht werden, also durch deren Einbindung in wirtschafts- und sicherheitspolitische Allianzen, aber auch durch Ausübung von soft power. Insbesondere ein demokratisch und souverän handelnder Staat lag im US-Interesse, um dadurch auch die Abhängigkeit dieser Länder von Russland zu reduzieren. Auf regionaler Ebene verfolgten die US-Amerikaner das Ziel, zu verhindern, dass islamische Kräfte in der Region, hauptsächlich im muslimischen Aserbaidschan, stärker würden beziehungsweise, dass der Einfluss der islamischen Republik Iran auf die Region wachsen würde. Ein weiteres Ziel in der Region zu der Jahrtausendwende und den Folgejahren war eine Stärkung des wichtigsten amerikanischen Partners im Mittleren Osten, der Türkei. Dementsprechend wurde der Bau von Pipelines von Aserbaidschan über die Türkei gefördert, durch die Öl und Gas nach Europa kommen, wobei der Türkei eine Schlüsselrolle eingeräumt wurde. Mit dem Regierungswechsel im Weißen Haus im Januar 2009 distanzierten sich jedoch der neue Präsident und seine Administration von einem allzu starken US-Engagement im Südkaukasus und waren im Vergleich zu dem Vorgänger deutlich schwächer in der Region involviert. Dies spiegelte sich vor allem im Rahmen der US-Finanzhilfe des Foreign Assistance Act für Armenien, Aserbaidschan und Georgien wider. Die Unterstützung seitens der USA für die Südkaukasus-Staaten reduzierte sich auch im militärischen und sicherheitspolitischen Bereich.

6.1 Zusammenfassung

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Hinsichtlich der friedlichen Beilegung des Bergkarabach-Konfliktes sind die USA bereits seit ihrer Gründung in 1992 an der Minsker Gruppe der OSZE als Ko-Vorsitzender eines der mitbestimmenden Länder hinsichtlich der Rahmenbedingungen für die Konfliktlösung. Aber angesichts der Interessenlage von verschiedenen Lobbygruppen in den USA, wie der armenischen Diaspora und den Energieunternehmen, spricht Washington im Konflikt nicht mit einer Stimme. Hinzu kommt, dass nicht wenige in den USA die Entwicklungen im Südkaukasus für weitgehend marginal halten, bezogen auf die strategischen Interessen der USA. Sie fordern große Vorsicht bei der Verabschiedung von Maßnahmen, die die Vereinigten Staaten in einer von ethnischen und zivilen Konflikten belasteten Region zu stark einbeziehen würden, und weiterhin, dass die EU mehr Verantwortung in ihrer Nachbarregion übernimmt. Grundsätzlich haben die USA natürlich ein Interesse an der Lösung des Konflikts und im Vergleich zu anderen Akteuren in der Region wie Russland und die Türkei werden sie als unparteiischer Vermittler akzeptiert. Neben dem generellen Ziel, Frieden in der Welt zu schaffen, liegt das strategische Hauptinteresse der USA darin, die Abhängigkeit Armeniens und Aserbaidschans von Russland zu lösen. Das Fortbestehen des Konfliktes oder ein Status quo liegt daher nicht im Interesse der USA. Beide Konfliktparteien können sich nicht von Moskau lossagen und vor allem Armenien kann kaum seine Souveränität bewahren, aus Sorge davor, Russland als Sicherheitsgaranten zu verlieren. Eine Lösung des Konflikts würde nach sich ziehen, dass Russland an Einfluss einbüßen würde; Moskau könnte die beiden Parteien nicht mehr gegeneinander ausspielen, nicht weiterhin mit einer Stärkung der jeweils anderen Seite drohen und beide Seiten mit Waffen beliefern. Neben dem Status quo, der Russland entgegenkommt, wäre auch ein erneuter Ausbruch echter Kampfhandlungen – wie zuletzt im April 2016 – verheerend für die US-Interessen in der Region. Die Pipelineinfrastruktur, in die US-Unternehmen viel Geld investiert haben, würde wohl ein wichtiges Angriffsziel Armeniens bilden, um Aserbaidschan seiner wichtigsten Ressourcen zu berauben. Zweifel würden erneut an den Kapazitäten der USA als globale Führungsmacht und als Schutzmacht des globalen Wirtschaftssystems laut werden. Neben Russland könnte eine Lösung des Konflikts um Bergkarabach auch die Rolle des Iran in der Region schwächen. Der Status Quo liegt also nicht im Interesse der USA, da er vor allem Russlands Interessen dient. Es konnten in dieser Arbeit nur wenige Nachweise für eine Instrumentalisierung des Konflikts durch die USA aufgezeigt werden, was zur Einschätzung führt, dass die USA kein generelles Interesse an der Instrumentalisierung des Karabach-Konflikts haben. Den beiden Arbeitshypothesen dieser Arbeit muss im Fall der Vereinigten Staaten also widersprochen werden.

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6 Zusammenfassung und Ausblick

6.2 Ausblick 6.2 Ausblick

Im Februar 2018 geht der aktuelle Konflikt zwischen den Armeniern Bergkarabachs und Aserbaidschans in sein 30. Jahr. Auch wenn ihm nicht die Aufmerksamkeit des Bürgerkrieges im ehemaligen Jugoslawien oder zuletzt in der Ostukraine 2014 zuteil wurde, so gehört er doch zu den blutigsten jener Auseinandersetzungen, die Europa seit dem Ende des Kalten Krieges in Atem halten. Generell wird die Welt­ öffentlichkeit auf Brennpunkte erst aufmerksam, wenn Medien deren militärische Eskalation in die Wohnzimmer des Westens bringen. Zwar schweigen offiziell die Waffen in Bergkarabach und in den Medien ist kaum etwas über diesen Konfliktherd zu hören, er kostet jedoch jährlich bis zu 100 Menschen das Leben – seit Jahrzehnten. Auch wenn der Krieg Anfang der 1990er Jahre mit dem Sieg der BergkarabachTruppen vorläufig beendet ist, so harrt seine Ursache, der Konflikt um den künftigen Status und die Zugehörigkeit Bergkarabachs, bis auf weiteres einer Lösung. Mehr noch, die seit 1992 staatfindenden zähen Friedensverhandlungen im Rahmen der OSZE Minsker Gruppe blieben bis heute ergebnislos. Durch die Instrumentalisierung des Konfliktes für das Eigeninteresse einiger der in dieser Arbeit untersuchten Akteure scheint die Beilegung des Konfliktes um Bergkarabach inzwischen in weite Ferne gerückt zu sein – auch wegen der Kompromisslosigkeit der direkt beteiligten Konfliktparteien Armenien und Aserbaidschan. Die NichtAnerkennung des Status Bergkarabachs als eigenständiger Verhandlungspartner1228, obwohl im Konflikt direkt betroffene Partei, ist auch ein Zeichen für die fehlende Kompromissbereitschaft Aserbaidschans in dieser Auseinandersetzung. Auch Bergkarabach ist nur bedingt kompromissbereit. Neben diesen Betrachtungen müssen die politischen Führungen der direkten Konfliktparteien ihrerseits den Willen und die Bereitschaft mitbringen, die jeweiligen Gesellschaften auf eine effektive Konfliktlösung vorzubereiten und diese Frage den kommenden Generationen zu ersparen. Eine Lösung des armenisch-aserbaidschanischen Streits hängt in weiten Teilen von der Demokratisierung in der Region ab. Es herrscht die irrige Meinung vor, es müsse als Erstes der Konflikt gelöst werden. Diese Herangehensweise birgt allerdings die Gefahr, eine friedliche Beilegung in Wirklichkeit um weitere 30 Jahre hinauszuzögern. Eine der wesentlichen Ursachen dafür sind die autoritären Eliten, die den Konflikt oder den aktuellen Zustand „no war, no peace“ für ihren Machterhalt nutzen und dadurch der Demokratisierung entgegenwirken. Eine Demokratisierung von Staat und Gesellschaft würde die Bedingungen für einen spürbaren Lösungsansatz zwischen Armenien, Bergkarabach 1228 Mit dem Unterzeichnen des Waffenstillstandsabkommens von Bischkek in 1994 hat Aserbaidschan Bergkarabach bereits neben Armenien als Konfliktpartei anerkannt.

6.2 Ausblick

333

und Aserbaidschan schaffen und die Aussicht auf Frieden und Kooperation in der Region befördern. Andernfalls ist ein gewaltträchtiges Fortführen des Konfliktes nicht ausgeschlossen, der zu einer weiteren Stärkung der konservativen (Denk) Strukturen, konstruierten Feindbilder und Hassrhetorik in den betroffenen Gesellschaften führen wird. Eine Lösung allein im Ausgleich der geopolitischen und geoökonomischen Interessen zwischen den Großmächten und regionalen Akteuren sowie in Kompromissen zwischen den Konfliktparteien zu suchen, genügt nicht, um dauerhaft eine friedliche Lösung zu finden. Die internationale Staatenwelt, insbesondere die fünf in dieser Arbeit untersuchten Akteure, die ausgeprägte wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen im Südkaukasus verfolgen, müssen ihrerseits eine nachhaltige Beilegung aller Konflikte im Südkaukasus, darunter des Bergkarabach-Konflikts, befördern. Eine konfliktfreie Region würde aus wirtschaftlicher Sicht neue Chancen für die Akteure bieten, Verkehrs- und Handelswege öffnen sowie neue Perspektiven für die gesellschaftliche und politische Transformation der drei Südkaukasus-Staaten ermöglichen. Konträr zu diesen Aussichten nehmen die Akteure die Gefahr eines weiteren und verlustbringenden Bergkarabach-Krieges sehenden Auges in Kauf. Als einleitende Schritte für eine kompromissorientierte und diplomatische Lösung des Konflikts in Bergkarabach, müssen die internationale Gemeinschaft und seine zentralen Akteure vor allem folgende Empfehlungen beachten: • das Verbot der Lieferung militärischer Geräte an alle Konfliktparteien einhalten; • die Zahl der OSZE-Beobachter (zurzeit nur sechs) auf ein Maximum erhöhen und so die Beobachtung der Kontaktlinie verschärfen. Dabei soll die wiederholte regelmäßige Durchführung ein zentrales Element bilden; • bei Verletzungen der Waffenstillstandsabkommen muss statt deklarativer Ermahnungen an beide Konfliktparteien für die Einhaltung des Abkommens der Konfliktauslöser beim Namen genannt und gegebenenfalls müssen mit politischem und wirtschaftliche Sanktionen etc. angedroht werden; • mittels technischer Hilfsmittel soll eine internationale Kommission die Presse- und Medienlandschaft sowie die offizielle Berichterstattung in Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach beobachten, die gegenseitige aggressive und aufhetzende Hassrhetorik in den Gesellschaften und seitens der politischen Führungen systematisch erfassen bzw. die Personen oder Institutionen sanktionieren; • einen umfassenden gesellschaftlichen Dialog unter den Konfliktparteien etablieren, mit diversen Handelskontakten sowie Studienprogrammen, Austauschmöglichkeiten und so insbesondere der jungen Generation ermöglichen, die gegenseitigen Feindbilder abzubauen, und sie zu einem friedlichen Zusammenleben ermutigen; 333

334

6 Zusammenfassung und Ausblick

• Gründung einer aserbaidschanisch-armenischen Kommission für die Aufarbeitung des Krieges, der Kriegsverbrechen und Massaker unterstützen, um auch ihren Todesopfern gemeinsam gedenken zu können. Die internationale Gemeinschaft sollte diese Empfehlungen zur Kenntnis nehmen und darf die Karabach-Armenier nicht zwingen, sich in eine Nation einzugliedern, gegen die sie seit drei Jahrzehnten einen Überlebenskampf führen. Sie sollten nicht gezwungen werden, ihre historische Heimat zu verlassen. Die Karabach-Armenier versuchen ihr Recht auf nationale Selbstbestimmung zu verwirklichen, und trotz der 2012–2013 begonnenen Anerkennung durch Bundesstaaten in den USA oder Australien stoßen sie weiterhin auf Unverständnis und Ablehnung seitens der Nationalregierungen. Ihre ausgerufene Republik wurde bis heute völkerrechtlich von keinem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen anerkannt. An dieser Stelle muss daran erinnert werden, dass dies die gleiche Staatenwelt ist, die im Februar 1988 den mutigen Freiheitskampf und den Austritt aus dem sowjetischen Imperium und aus der Aserbaidschanischen SSR begrüßte. Im Grunde ist klar, dass die heutigen Akteure des Völkerrechts Nationalstaaten sind, die ein Eigeninteresse an der Aufrechterhaltung der bestehenden Grenzen haben und Abspaltungsbewegungen verhindern wollen. Jedoch beinhalten die politischen Lösungen ähnlicher Konflikte der vergangenen Jahrzehnte wie der Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea, zwischen dem katholischen Osttimor und muslimischen Indonesien, den orthodoxen Serben und muslimischen Kosovaren/ Albanern oder zuletzt zwischen dem mehrheitlich christlichen Südsudan und dem muslimischen Sudan eine Reihe von Lehren für den Bergkarabach-Konflikt in Bezug auf die Geltendmachung des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Inzwischen hat sich Bergkarabach seit seiner Unabhängigkeitserklärung 1991 als lebensfähiges Staatsgebilde erwiesen und in Sachen Aufbau demokratischer politischer Institutionen und bürgerlicher Freiheiten wird es international positiver eingeschätzt als viele völkerrechtlich anerkannte Staaten, darunter auch Aserbaidschan. Seit Beginn der Karabach-Bewegung wächst bereits die zweite Generation in Bergkarabach heran, die praktisch keinen Kontakt mit Aserbaidschanern hat, außer militärisch an der gemeinsamen Grenze. Sie starrt aus den Schützengräben auf die Waffen wie im Ersten Weltkrieg. Es bleibt zu hoffen, dass in Zukunft eine stärker ausgewogene Politik für die friedliche Beilegung dieser Auseinandersetzung eingenommen wird.

Bergkarabach-Chronologie Bergkarabach-Chronologie Bergkarabach-Chronologie

2340–2198 v. Chr.

Erste nachgewiesene Erwähnung „Armani“ im Armenischen Hochland von den Akkadern.

20. – 12. Jh. v. Chr.

Erste Überlieferung der Bezeichnung des Landes „Hajassa“, ein Zusammenschluss von Stämmen im Armenischen Hochland, entspricht in etwa den modernen Provinzen Van und Hakkari der heutigen Türkei. Die Eigenbezeichnung der Armenier „haj“ und Armenien „Hajastan“ leiten sich davon ab.

860–585 v. Chr.

Gründung des Königreichs Urartu mit dem König Arame.

760–730 v. Chr.

Erste überlieferte Erwähnung des Landes „Urteche – ­Urtechini – Orchistene – Arzach“ als Teil des Königreiches Urartu.

570–201 v. Chr.

Armenische Dynastie der Erwandiden herrscht über Armenien, darunter auch die Provinzen Arzach und Utik.

189–1 v. Chr.

Herrschaft der Dynastie der Artaschiden in Armenien und Arzach.

95–55 v. Chr.

Herrschaft des armenischen artaschiden Königs Tigran II. (der Große), der eine seiner Städte, die seinen Namen „Tigranakert“ trugen, im Osten Armeniens, in Arzach, baut.

54–428 n. Chr.

Königsdynastie der Arschakiden herrscht über Armenien.

301

Armenien wird zum ersten offiziellen christlichen Staat der Welt. Grigor Lussaworitsch (auch Gregor der Erleuchter

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. E. Aslanyan, Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus, Energiepolitik und Klimaschutz. Energy Policy and Climate Protection, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28516-6

335

336

Bergkarabach-Chronologie

genannt) bekehrt König Tiridates III., der das Christentum als offizielle Staatsreligion Armeniens verkündet. Der Zoroastrismus beginnt allmählich zu sinken. 4. Jh.

Die erste Kirche in Arzach soll nach der Überlieferung Anfang des 4. Jh. von Gregor dem Erleuchter gegründet worden sein. Den Bau vollendet sein Enkelsohn, der Bischof von Arzach, Grigoris. In den darauffolgenden zwei bis drei Jahrhunderten werden weitere Kirchen und Klöster (Orek, Katarovank, Djvichrik usw.) in Arzach gebaut.

387–7. Jh.

Nach der ersten persisch-oströmischen/byzantinischen Teilung Armeniens 387 werden Arzach und Urik Teil des persischen Sassanidenreiches unter der Verwaltungseinheit Aghwank (Albanien-Aran).

405

Mesrop Mashtots erfindet das armenische Nationalalphabet. Er gründet die erste armenische Schule im Kloster von Amaras in Arzach und übersetzt dort die Bibel ins Armenische.

487–510

Blütezeit unter dem Arzacher Fürsten von Aran (Arzach und Utik) und Watschagan II. dem Frommen, Kirchen, Festungen und Schulen werden gegründet.

Anfang des 7. Jh.

Albanien-Aran wird in mehrere kleinere Fürstentümer aufgeteilt und der südliche Arzach und Utik bilden das abgetrennte armenische Fürstentum von Aranschakhiks.

640–885

Arabische Invasion und Herrschaft über Armenien, Arzach und Albanien. Beginn der Bekehrung einer Minderheit der Bevölkerung zum Islam.

885–1045

Gründung des armenischen Königreiches der Dynastie Bagratiden im Nordosten Armeniens, einschließlich Arzach als selbstständiger Provinz.

Anfang des 10. Jh.

Im Gebiet von Arzach bilden sich die Fürstentümer Chatschen und Dizak, die dann allmählich verschmelzen.

11. – 12. Jh.

Chatschen ist den Angriffen der seldschukischen Türken aus Zentralasien ausgesetzt, die es jedoch erfolgreich bekämpfen kann, vor allem wegen der unzugänglichen

Bergkarabach-Chronologie

337

Natur der Bergregion. Die Seldschuken erweitern die Islamisierung der Region und beginnen mit der Türkifizierung. 1. Hälfte des 13. Jh.

Christliche Blütezeit in Chatschen. Einige wertvolle armenische Architekturkreationen, die zu den Meisterwerken der armenischen Architektur zählen, stammen aus dieser Zeit: Kathedrale von Dadivank (1213), das Kloster des Johannes der Täufer in Gandzasar (1216–1238), die Kathedrale von Gtschavank (1241–1248) usw.

2. Hälfte des 13. Jh.

Tatar-Mongolen erobern Armenien. Chatschen fällt auch in die Hände der Mongolen.

14. Jh.

Türkmenische Invasionen durch Tamurlanes Armeen vergrößern das „tatarische“ Element (eine Variante der zentralasiatischen Türken), die die Vorfahren der heutigen Aserbaidschaner im Südkaukasus bilden. Armenier beschränken sich zunehmend auf die Bergregionen.

14. Jh.

Parallel zu Arzach verbreitet sich die türkischsprachige Benennung des Gebietes als Karabach (türk. „kara“ – „schwarz“; „bachtsche“ – „Garten“).

1410–1502

Turkmenische Kara und Ak Koyunlu herrschen über Armenien, Arzach und das heutige Gebiet von Aserbaidschan.

1502–1722

Die Safawiden, eine türkisch-(aserisch)-stämmige Dynastie, regieren über das Persische Königreich (darunter auch das heutige Armenien, Arzach und Aserbaidschan) und etablieren den schiitischen Islam als Staatsreligion.

1580

Türkisch-osmanische Soldaten erobern Karabach.

1603

Siedelt der persische Schah Abbas der I. ca. 300.000 Armenier in das Hinterland seines Reiches um, von denen nur die Hälfte überleben.

17. Jh.

Arzach ist in fünf kleine armenische Fürstentümer (Dschraschen, Chatschen, Warand, Disak und Gulistan) aufgeteilt. Diese fünf Meliken (Melik-arabisch: Fürst, König) gehören zum persischen Chanat (Provinz) von 337

338

Bergkarabach-Chronologie

Gandscha, ihnen wird aber von der persischen Safawiden-Dynastie ein hohes Maß an Autonomie gewährt. Anfang des 18. Jh.

Der persische König Nader Schah trennt Arzach/Karabach von der Kontrolle des Gandscha Chanates und stellt das Gebiet unter seine direkte Herrschaft. Gleichzeitig erhalten die armenischen Meliks die Vorherrschaft über die benachbarten armenischen Fürstentümer und muslimischen Chans im Kaukasus.

1701

Israel Ori, geboren in Karabach, arbeitet für die westliche, letztlich auch russische Intervention, um Armenien von der fremden Herrschaft zu befreien. Er informiert den russischen Peter den Großen über die Zustände in Armenien. Er erhält lediglich Papierversprechen. Hasan-Dschalaljan, der Katholikos von Arzach, ist auch eine Hauptfigur des armenischen Befreiungskampfs in dieser Zeit.

1722–1723

Der russische Zar Peter der Große greift Iran an und erobert die Chanate von Derbent und Baku.

1722–1728

Armenier von Karabach und des benachbarten Bezirks Syunik erheben sich unter der Führung von David Bey gegen Perser und Osmanen und hoffen auf Hilfe von Peter dem Großen, dem Zaren von Russland. Ihre Hoffnungen werden jedoch wieder enttäuscht.

12. Juli 1724

Friede von Konstantinopel zwischen dem Osmanischen Reich und Russland und die Aufteilung der persischen Gebiete im Kaukasus in Interessenssphären.

1724

Angesichts des Zusammenbruchs der iranisch-safawidischen Zentralmacht erobern die osmanischen Truppen den Großteil des Südkaukasus, erleiden aber eine Niederlage im Jahr 1725 beim Angriff auf Waranda-Melikat von Arzach.

1726

Es gelingt den Türken, nach 8-tägigem Widerstand die Festung Schosch (heute Schuschi) zu erobern.

Bergkarabach-Chronologie

339

1748

Aufgrund einer Kooperation mit dem Melik von Waranda gründet der Panah-Ali Chan das Chanat Karabach unter iranischer Oberherrschaft.

1752

Ernennung der Festung Schuschi als Hauptstadt des Karabach-Chanats.

1795 und 1797

Nach einem Angriff auf das georgische Tbilisi erobert der persische Herrscher Aga Mohammed Chan mit seiner 80.000 Mann starken Armee die Festung Schuschi, in der er dann getötet wird.

14. Mai 1805

Durch den Abschluss des Vertrags von Kuraktschai unterstellen sich die Chanate Schirwan (Aserbaidschan) und Karabach der russischen Oberhoheit.

1806

Werden der Karabach-Chan Ibrahim-Khalil Panah und seine Familie vom russischen Major Lisanevitsch ermordet.

Oktober 1806

Die Russen erobern Baku.

12. Oktober 1813

Friedensvertrag von Gulistan zwischen dem russischen Zarenreich und dem Iran, womit Iran das Karabach-Chanat und weitere sieben Chanate im Südkaukasus an Russland übergibt.

1822

Liquidierung des Chanats Karabach und die Errichtung einer militärischen Verwaltung (Gubernia) Namens Jelisawetpol.

16. Juli 1826

Angriff der Iraner auf Karabach.

10. Februar 1828

Friedensvertrag von Turkmentschai zwischen dem russischen Zarenreich und dem Iran, womit endgültig die iranisch-südkaukasischen Gebiete unter russische Kontrolle fallen.

1840

Durch die neue administrative Aufteilung wird Karabach zum Teil der kaspischen Provinz des Zarenreiches.

1848–1849

Die erste Ölquelle der Welt wird südlich von Baku angebohrt.

339

340

Bergkarabach-Chronologie

1868–1917

Karabach wird Teil der Provinz Jelisawetpol des Zaren­ reiches.

Ende 19. Jh.

Schuschi ist eine der bedeutendsten Städte im Südkaukasus, mit Theater, Druckereien und Fabriken. Von 1874 bis 1920 gibt es in der Stadt 21 Zeitungen und Zeitschriften, von denen 19 in armenischer und zwei in russischer Sprache veröffentlicht werden.

1905–1906

Ausbruch armenisch-tatarischer Auseinandersetzungen in Baku, Karabach, Jelisawetpol, Nachitschewan.

24. April 1915

Beginn des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich: 1,5 Millionen Armenien werden massakriert.

Februar 1918

Die türkische Armee dringt in Armenien ein.

März – April 1918

Armenisch-tatarische Auseinandersetzungen werden in Baku und anderen Regionen des Landes fortgesetzt. Antiaserbaidschanische Pogrome in Baku.

22. April – 28. Mai 1918 Die Transkaukasische Demokratisch-Föderative Republik (mit armenischen, aserbaidschanischen und georgischen Staaten) proklamiert sich als unabhängige, multiethnische Republik. Ende Mai rufen die drei Republiken ihre Unabhängigkeit aus. Mai 1918

Gründung der Demokratischen Republik Georgien vom 26. Mai 1918 bis 25. Februar 1921, der Demokratischen Republik Aserbaidschan vom 28. Mai 1918 bis zum 28. April 1920 und der Demokratischen Republik Armenien vom 28. Mai 1918 bis zum 2. Dezember 1918.

22. Juli 1918

Erste Versammlung der Karabach-Armenier wird abgehalten, die einen Nationalen Rat (Volksregierung) wählt und Bergkarabach zur selbstständigen politisch-administrativen Einheit erklärt. Sie lehnt ab, dass türkische Truppen Schuschi betreten.

6. September 1918

Die zweite Versammlung der Karabach-Armenier lehnt die Forderungen des türkischen Truppenführers N ­ uriPascha hinsichtlich des Anschlusses Bergkarabachs an Aserbaidschan ab.

Bergkarabach-Chronologie

341

15. September 1918

Die türkische Armee nimmt Baku ein.

14. – 16. Sep.1918 

Armenierpogrom in Baku, mit tausenden Todesopfern.

17. September 1918

Bei der dritten Versammlung der Karabach-Armenier wird die Forderung nach der Entwaffnung der armenischen Bevölkerung abgelehnt, obwohl später der Einmarsch der türkischen Truppen in Schuschi zugelassen und die Karabach-Armenier entwaffnet werden.

31. Oktober 1918

Nach dem Waffenstillstand von Moudros ziehen sich die türkischen Soldaten aus dem Südkaukasus zurück. In Baku werden sie durch die britische Armee ersetzt.

Dezember1918

Eine britische Militärdelegation kommt in Schuschi an, um den Status von Bergkarabach zu bestimmen und zu überwachen.

15. Januar 1919

Die britische Militärdelegation ernennt Sultanov zum Gouverneur von Karabach und fordert die Karabach-­ Armenier auf, seine Herrschaft anzuerkennen.

19. Februar 1919

Die vierte Versammlung der Karabach-Armenier lehnt das Ultimatum ab und beruft sich auf ihr Selbstbestimmungsrecht.

März 1919

Die aserbaidschanische Armee und britische Truppen werden nach Bergkarabach entsandt, um die Herrschaft der Aserbaidschaner zu erzwingen. Dies wird von den Armeniern zurückgeschlagen.

April 1919

Der neue britische Oberbefehlshaber des Kaukasus, General Shuttleworth, verkündet erneut die Entscheidung seines Vorgängers, die aserbaidschanische Herrschaft über Karabach anzuerkennen; er bekräftigt Thompsons Plan, den Status quo beizubehalten, bis die Pariser Friedenskonferenz die endgültigen Grenzen der Region festlegt. Die fünfte Versammlung der Karabach-Armenier lehnt den britischen Plan erneut ab. Die britische Mission rät Sultanow heimlich, Schuschi mit militärischer Gewalt zu erobern.

22. August 1919

Die siebte Versammlung der Karabach-Armenier stimmt, um eine bewaffnete Auseinandersetzung zu vermeiden, 341

342

Bergkarabach-Chronologie

durch eine Interimsvereinbarung zu, Karabach als quasiautonomes Gebiet unter aserbaidschanische Herrschaft zu stellen, bis endgültige Ergebnisse der Pariser Friedenskonferenz vorliegen. 19. Februar 1920

In der achten Versammlung der Karabach-Armenier wird Sultanovs Forderung nach einem endgültigen Anschluss von Bergkarabach an Aserbaidschan abgelehnt.

22. März 1920

Antiarmenische Pogrome in Schuschi und in den Dörfern in der Umgebung (über 20.000 Menschen kommen ums Leben).

23. April 1920

Die neunte Versammlung der Karabach-Armenier erklärt Bergkarabach zum untrennbaren Teil der Republik Armenien.

10. August 1920

Durch den Friedensvertrag von Sevres werden der Republik Armenien große Teile Westarmeniens zugesprochen, was aber nie verwirklicht werden soll.

November 1920

Aserbaidschans Antrag auf eine Mitgliedschaft im Völkerbund und die Anerkennung seiner De-jure-Souveränität werden aufgrund des territorialen Streits und des Endes dessen Existenz nach der russischen Eroberung abgewiesen.

1. Dezember 1920

Die zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittenen Gebiete Bergkarabach, Zangesur und Nachitschewan werden vom aserbaidschanischen Revolutionskomittee als Bestandsteil Armeniens anerkannt.

Dez. 1920/April 1921

Der Aufstand von Karabach-Armeniern wird von der Roten Armee niedergeschlagen.

16. März 1920

Vertrag von Moskau. Durch das Friedens- und Freundschaftsabkommen teilen Sowjetrussland und Türkei Ostund Westarmenien entlang der bis heute noch gültigen Grenze; die Provinzen Kars, Ardahan, Artvin und einige weitere Grenzbezirke an der kaukasischen Grenze gehen an die Türkei. Nachitschewan wird auf Forderung der Türkei zum autonomen Territorium und dem aserbaidschanischen Protektorat Aserbaidschans unterstellt.

Bergkarabach-Chronologie

343

12. Juni 1921

Bergkarabach wird vom armenischen Volkskomittee zum untrennbaren Teil der armenischen SSR erklärt.

4. – 5. Juli 1921

Auf der Grundlage des Beschlusses des Kaukasus-Büros der Kommunistischen Partei Russlands RKP (b) wird am 4. Juli Bergkarabach der Armenischen SSR zugesprochen. Auf Druck Stalins revidiert dasselbe Plenum am nachfolgenden Tag (5. Juli) seine Entscheidung und gliedert Bergkarabach an die Aserbaidschanische SSR mit einem Autonomiestatus an. Die Karabach-Armenier, als überwiegende Mehrheit der Bevölkerung des Gebietes, sind mit dieser Entscheidung unzufrieden.

23. Oktober 1921

Vertrag von Kars. Als Grundlage dient der Moskauer Vertrag vom 16. März 1921, dessen Punkte durch den Vertrag von Kars bekräftigt werden.

12. März 1922 

Gründung der Transkaukasischen Föderation Sozialistischer Sowjetrepubliken, die erst am 5. Dezember 1936 wieder aufgelöst wird. Bildung dreier eigenständiger Unionsrepubliken der UdSSR (Armenien, Aserbaidschan und Georgien).

7. Juli 1923

Das autonome Gebiet Bergkarabach (NKAO) wird entgegen dem Willen seiner rund 95 % armenischer Bevölkerung als Teil der Aserbaidschanischen SSR gegründet. Das Sowjetische Exekutivkomittee der Aserbaidschanischen SSR schneidet das Gebiet geographisch von der Armenischen SSR ab und lässt weitere Teile der armenischen Siedlungsgebiete des ehemaligen russischen Geouvernements Jelisawetpol (Schahumjan, Getaschen, Chanlar und Gandsak (Gandscha oder Kirowabad)) ebenfalls außerhalb des Autonomiegebietes.

November 1927

In Bergkarabach werden Faltblätter von der „Union Karabach mit Armenien“ verteilt. Zahlreiche Verhaftungen folgen.

Juli 1935

Aghassi Khanjian, Sekretär der KP Armeniens, wird getötet, nachdem er Josef Stalin die Unzufriedenheit der Armenier ausgelegt und die Rückgabe von Bergkarabach und Nachitschewan an Armenien verlangt hatte. 343

344

Bergkarabach-Chronologie

November 1945

Der 1. Sekretär der KP Armeniens, Grigor Arutjonov, verlangt von Moskau erneut die Eingliederung Berg­ karabach in die armenische SSR.

1965

Petition von 45.000 Karabach-Armeniern für die Wiedervereinigung mit Armenien.

1975

Mehrere Karabach-Armenier werden aufgrund einer Anklage wegen nationalistischer Agitation inhaftiert, andere aus dem Amt entfernt und ins Exil geschickt.

16. Juni 1981

Aserbaidschan beschränkt die Macht der Bergkarabach-Autoritäten durch das Gesetz „Über das Autonome Gebiet Bergkarabach“ auf die bloße Ratifizierung und Durchführung der Beschlüsse des Aserbaidschanischen SSR.

August 1987

Rund 75.000 Karabach-Armenier unterschreiben eine Petition an den Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow aufgrund der von ihm angeleiteten Perestrojka-Politik in der Sowjetunion.

Oktober 1987

Zusammenstöße zwischen Armeniern und Aserbaidschanern in Tschardachlu, Bergkarabach. Politische Massenkundgebungen in Jerewan.

Januar 1988

Petition mit 100.000 Unterschriften von Karabach-Armeniern, die nach Moskau geschickt wird, in der sie die Abhaltung eines Referendums über den Status der Region fordern.

Anfang Februar 1988

In Armenien wird das „Karabach-Komitee“ gegründet, um die Wiedervereinigung von Bergkarabach zu koordinieren.

Anfang Februar 1988

Die Islamische Akademie von Aserbaidschan bestreitet allgemein die Existenz von Armeniern in Aserbaidschan und schreibt diesbezüglich einen Brief an den Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow.

Ab 12. Februar 1988

In Stepanakert kommt es zu Demonstrationen, Streiks und Protestaktionen für die Wiedervereinigung.

Bergkarabach-Chronologie

345

20. Februar 1988

Der Oberste Sowjet des Autonomiegebietes Bergkarabach stimmt einstimmig für den Transfer der Region von der Aserbaidschanischen SSR zur Armenischen SSR.

22. Februar 1988

Bewaffnete Aserbaidschaner bewegen sich aus Agdam Richtung Askeran (Bergkarabach), um die Armenier zu „belehren“. Dabei kommen zwei Aserbaidschaner ums Leben.

27. – 29. Feb. 1988

Antiarmenische Pogrome in der aserbaidschanischen Industriestadt Sumgait mit Dutzenden Toten.

13. Juni 1988

Der Oberste Sowjet der Aserbaidschanischen SSR lehnt die Wiedervereinigung von Bergkarabach (NKAO – 20. Februar 1988) mit dem Armenischen SSR ab. Zwei Tage danach sagt der armenische Oberste Sowjet „gemäß Artikel 70 der Verfassung der UdSSR bezüglich des Selbstbestimmungsrechts“ die Wiedervereinigung Bergkarabachs mit Armenien zu.

22. September 1988

Die Zentralmacht in Moskau verhängt den Ausnahmezustand über NKAO.

7. Dezember 1988

Erdbeben in Armenien, das über 25.000 Menschen tötet.

11. Januar 1989

Jerewan, Baku und Moskau einigen sich auf eine direkte Verwaltung Bergkarabachs durch Moskau im Rahmen eines Sonderverwaltungskomitees.

16. Juli 1989

Gründung der aserbaidschanischen Volksfront-Partei.

August 1989

Aserbaidschan verhängt eine wirtschaftliche Blockade gegen Armenien und Bergkarabach.

15. September 1989

Beschluss des Obersten Sowjets der Aserbaidschanischen SSR, die Sonderverwaltung von NKAO aufzulösen.

1. Dezember 1989

Der Oberste Sowjet der Armenischen SSR und der Gebietssowjet Bergkarabachs beschließen die Wiedervereinigung Armeniens und Bergkarabachs.

13. – 20. Januar 1990

Antiarmenische Pogrome in Baku.

19. – 20. Januar 1990

Militärisches Vorgehen der sowjetischen Armee in Baku. Ausnahmezustand wird verhängt. 345

346

Bergkarabach-Chronologie

3. April 1990

Austrittsgesetz der UdSSR.

4. August 1990

Levon Ter-Petrosjan wird zum ersten nicht kommunistischen Parlamentspräsidenten Armeniens gewählt.

April – August 1991

Aus 24 Dörfern von Bergkarabach und dem Bezirk Schahumjan werden Armenier durch die aserbaidschanischen Milizen mit Hilfe der sowjetischen Streitkräfte deportiert. Bekannt als Operation „Ring“.

30. August 1991

Beschluss des Obersten Sowjets Aserbaidschans über die Wiederherstellung der staatlichen Unabhängigkeit.

2. September 1991

Ausrufung der Unabhängigkeit Berkarabachs zusammen mit der Region Schahumjan durch das Regionalparlament in Stepanakert (gestützt auf Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 des Austrittsgesetzes der UdSSR).

8. September 1991

Ajas Mutalibow wird zum ersten Präsidenten Aserbaidschans gewählt.

23. November 1991

Auflösung der Bergkarabach-Autonomie seitens Aserbaidschans.

10. Dezember 1991

In Bergkarabach wird ein Referendum über die Unabhängigkeit durchgeführt, wobei 80 % der Abstimmungsberechtigten mit „Ja“ zustimmen.

Dez. 1991 – Mai 1994

Aserbeidschan versucht, Bergkarabach mit Gewalt wieder zurückzuerobern. Im Verlauf des Kriegs gelingt es den Selbstverteidigungseinheiten von Bergkarabach, nicht nur das ehemalige Autonomiegebiet zu verteidigen, sondern auch ydie Kontrolle über angrenzende strategisch wichtige Positionen zu erlangen. Rund 20.000 Menschen von beiden Seiten kommen im dreijährigen Krieg ums Leben.

24. März 1992

Die Minsker Gruppe der OSZE wird zur Vermittlung im Bergkarabach-Konflikt gegründet.

April – Nov. 1993

VN-Sicherheitsrat verabschiedet vier Resolutionen mit dem Aufruf an die Konfliktparteien zur Einstellung von Kampfhandlungen.

Bergkarabach-Chronologie

347

Juli – August 1993

Der Aufstand der Talisch-Mugan-Republik im Süden Aserbaidschans wird niedergeschlagen.

12. Mai 1994

Das Abkommen über den fristlosen Waffenstillstand zwischen Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach tritt in Kraft.

20. September 1994

„Jahrhundertvertrag“ wird in Houston, Texas, unterschrieben.

30. April 1995

Parlamentswahl in Bergkarabach (nächste Wahlen finden in 2000, 2005, 2010 und 2015 statt). Die Sitze in der Nationalversammlung von Bergkarabach werden von 81 auf 33 reduziert.

24. November 1996

Präsidentschaftswahl in Bergkarabach (nächste Wahlen finden in 1997, 2002, 2007 und 2013 statt). Bis 1997 Robert Kotcharjan, 1997–2007 Arkadi Ghukasjan, ab 2007 Bako Sahakjan.

16. Oktober 1997

Heidar Alijew und Levon Ter-Petrosjan stimmen dem Vorschlag der Minsker Gruppe der OSZE für eine „Stufenlösung“ des Konflikts zu.

10. März 1999

Das EU-Parlament beschließt die Bergkarabach-Resolution.

3. – 4. April 2001

Friedensverhandlungen in Key West (Flordia) unter Vermittlung der USA.

10. Dezember 2006

Verfassungsreferendum in Bergkarabach. 83 % unterstützen die neue Verfassung.

29. November 2007

Zur Konfliktlösung werden den Konfliktparteien neue Vorlagen (Madrider Grundprinzipien) von der Minsker Gruppe vorgeschlagen.

2. November 2008

Moskauer Erklärung im Schloss Meiendorf unter russischer Vermittlung. Die Präsidenten beider Staaten verpflichten sich, dass sie den Konflikt friedlich und nach internatio­ nalem Recht lösen werden.

2009–2012

Es finden eine Reihe weiterer Verhandlungen zwischen den Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans unter Vermittlung des russischen Präsidenten statt (4. Juli 2009 347

348

Bergkarabach-Chronologie

Sankt-Petersburg, 18. Juli 2009 Moskau, 9. Oktober 2009 Chishinew (Moldau), 25. Januar 2010 Sotschi, 17. Juni 2010 Sankt-Petersburg, 27. Oktober 2010 Astrachan, 5. März 2011 Sotschi, 24. – 25. Juni 2011 Kazan und 23. Januar 2012 Sotschi). 10. Juli 2009

Die Präsidenten von Russland, Frankreich und den USA als Ko-Vorsitzende der Minsker Gruppe geben eine gemeinsame Erklärung in L`Aquila (Italien) im Rahmen des G8-Gipfeltreffens ab und fordern dabei die Konfliktparteien auf, sich auf die „Grundprinzipien“ einer friedlichen Lösung des Konflikts zu einigen.

10. Oktober

2009 Züricher Abkommen zwischen Armenien und der Türkei.

17. Mai 2012

Der US-Bundesstaat Rhode Island erkennt die Unabhängigkeit von Bergkarabach durch ein Gesetz an.

6. August 2012

Der US-Bundesstaat Massachusetts erkennt die Unabhängigkeit von Bergkarabach durch ein Gesetz an.

10. April 2013

Der US-Bundesstaat Maine erkennt die Unabhängigkeit von Bergkarabach durch ein Gesetz an.

25. Oktober 2012

Der australische Bundesstaat New South Wales erkennt die Unabhängigkeit von Bergkarabach durch ein Gesetz an.

30. Mai 2013

Der US-Bundesstaat Louisiana erkennt die Unabhängigkeit von Bergkarabach durch ein Gesetz an.

9. August 2013

Direkte Verhandlungsgespräche zwischen den Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans in Sotschi unter Vermittlung des russischen Präsidenten Vladimir Putin.

8. Mai 2014

Der US-Bundesstaat Kalifornien erkennt die Unabhängigkeit von Bergkarabach durch ein Gesetz an.

27 Juli – 8. August 2014 Gefechte an der Grenze Bergkarabachs und Aserbaidschans, wobei 19 Soldaten von beiden Seiten ums Leben kommen. 10. August 2014

W. Putin trifft sich erneut mit den Präsidenten beider Staaten in Sotschi aufgrund der erneuten Eskalationen.

Bergkarabach-Chronologie

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12. September 2014

Das baskische Parlament verabschiedet einen Antrag zur Unterstützung des Selbstbestimmungsrechts von Bergkarabach.

27. Oktober 2014

Auf Initiative des französischen Präsidenten Francois Hollande treffen sich die Präsidenten S. Sargsjan und I. Alijew in Paris.

12. November 2014

Aserbaidschan schießt einen Hubschrauber der Streitkräfte von Bergkarabach ab. Alle drei Besatzungsmitglieder werden getötet.

1. Dezember 2015

Erste postsowjetische Bevölkerungszählung wird in Bergkarabach durchgeführt: 145.053 Einwohner.

19. Dezember 2015

Weitere Zwischenfälle an der Grenzlinie. Direkte Gespräche zwischen den Präsidenten S. Sargsjan und I. Alijew finden in Bern, in der Schweiz, statt.

2. März 2016

Der US-Bundesstaat Georgia erkennt die Unabhängigkeit von Bergkarabach durch ein Gesetz an.

29. März 2016

Der US-Bundesstaat Hawaii erkennt die Unabhängigkeit von Bergkarabach durch ein Gesetz an.

2. – 5. April 2016

Eskalation einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Bergkarabach und Aserbaidschan, die vier Tage andauert. Von beiden Seiten kommen mehr als 200 Menschen, darunter mehrere Zivilisten, ums Leben. Seit dem Waffenstillstandsabkommen von 1994 gilt dies als der gewalttätigste Ausbruch des Konflikts.

16. Mai 2016

Die Präsidenten von Armenien und Aserbaidschan treffen sich in Wien, um die Situation um Bergkarabach nach den schlimmsten Zusammenstößen der letzten zwei Jahrzehnte zu diskutieren.

20. Juni 2016

Weitere Verhandlungen zwischen S. Sargsjan und I. Alijew, vermittelt vom russischen Präsidenten W. Putin, finden in Sankt Petersburg statt.

28. September 2017

Der US-Bundesstaat Michigan erkennt die Unabhängigkeit von Bergkarabach durch ein Gesetz an.

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1. Interview mit Dr. Sergey Markedonov (Leiter der Abteilung für Angelegenheiten Ethnischer Beziehungen des Instututs für Politische und Militärische Analysen in Moskau) Der Bergkarabach-Konflikt und die Interessen der Russischen Föderation im Südkaukasus 1. Was sind die grundlegenden (geopolitischen und geoökonomischen) Interessen Russlands im Südkaukasus? Russland hat drei Hauptinteressen im Südkaukasus: zum einen die Unterstützung von Abchasien und Südossetien als Gegengewicht zur NATO in Georgien und den Bestrebungen der USA, dann den Ausgleich zwischen Armenien und Aserbaidschan und die Beteiligung an der Konfliktlösung in Bergkarabach. Durch die Wahrung seiner Interessen in den ehemaligen Sowjetrepubliken Transkaukasiens als Voraussetzung für eine friedliche Binnenentwicklung im russischen Nordkaukasus verfolgt Moskau eine Politik des selektiven Revisionismus. Während der Kreml die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien anerkannt hat, beschloss er gleichzeitig, die Bestrebungen der nicht anerkannten Republik Bergkarabach nicht zu unterstützen. Russland stärkt seine Position als regionaler Führer und arbeitet aktiv mit dem Westen im Rahmen der OSZE Minsker Gruppe zusammen. Im Gegensatz zu Georgien haben die Positionen Moskaus und Washingtons in dieser Frage einen gemeinsamen Nenner gefunden. Moskau hat es geschafft, die Herausforderungen für seine regionale Dominanz zu minimieren. Die Pläne für eine weitere NATO-Expansion in der Region bleiben auf Eis gelegt, und Russland hat seine Rolle als Machthaber im Bergkarabach-Prozess gestärkt. Moskau hat es auch geschafft, die grenzüberschreitende und antiterroristische Zusammenarbeit zur Abwendung der dschihadistischen Kräfte mit Aserbaidschan und sogar Geor© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. E. Aslanyan, Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus, Energiepolitik und Klimaschutz. Energy Policy and Climate Protection, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28516-6

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gien zu ermöglichen, obwohl es im letzteren Fall mehr Probleme in der Beziehung zwischen Tbilisi und Moskau gibt. 2. Welche geostrategische Bedeutung weist der Bergkarabach-Konflikt für Russland hinsichtlich der Verwirklichung seiner Interessen im Südkaukasus auf? Für Russland steht Bergkarabach nicht an der Spitze seiner außenpolitischen Agenda. Es gibt Probleme mit dem Westen, der Ukraine, Themen im Fernen Osten mit China, die als wichtiger angesehen werden. Russland bevorzugt jedoch den Status quo von Bergkarabach hinsichtlich einer Eskalation, aber es ist nicht dasselbe wie die Bevorzugung des Konflikts bezogen auf seine endgültige Lösung. Zunächst ist es notwendig zu verstehen, dass für Russland eine Eskalation so gefährlich ist, weil diese einige Probleme, wie eine Krise innerhalb der eurasischen Integrationsprojekte, in der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit sowie in der Eurasischen Wirtschaftsunion auslösen kann. Denn nicht alle Verbündeten Armeniens, insbesondere Kasachstans oder Tadschikistans, können eine gemeinsame Idee bezüglich der Perspektiven auf die Zusammenarbeit mit Armenien und der Konfliktlösung in Bergkarabach teilen. Natürlich bedeutet eine Eskalation auch das Engagement regionaler Akteure wie der Türkei und des Iran, das Verhalten dieser Akteure ist allerdings sehr schwer vorherzusagen. Es ist auch gefährlich, und ich kann nur noch einmal wiederholen, dass die Bergkarabach-Frage den einzigen Raum im postsowjetischen Bereich darstellt, in dem Russland und der Westen kooperieren können. Im Falle einer Eskalation bin ich mir nicht sicher, ob Russland und der Westen die Zusammenarbeit fortsetzen werden. Darum bedeutet die Eskalation ein hohes Risiko. Deshalb ist Russland nicht an einer Eskalation interessiert, sondern der Status quo und das Gleichgewicht zwischen Armenien und Aserbaidschan sind für es sehr wichtig. Aus diesem Grund versucht Russland, den Status quo beizubehalten und zu verstehen, dass die zwei konkurrierenden Seiten, Armenien und Aserbaidschan, jetzt kein Interesse an Kompromissen haben – kurzum sind nicht nur politische Eliten, sondern auch die Gesellschaften auf beiden Seiten des Konflikts in Armenien und Aserbaidschan nicht bereit, Kompromisse einzugehen. Vergessen wir zudem nicht, dass Russland viele Vermittlungsinitiativen ergriffen hat. Natürlich sind die Errungenschaften Russlands eher zögerlich, aber niemand kann derartige Ergebnisse wie das Waffenstillstandsabkommen von 1994 oder die Meiendorf-Erklärung vom November 2008 und zuletzt den Waffenstillstand von April 2016 alleine erreichen. Daher ist es notwendig zu verstehen, dass auch der Westen diese Bemühungen unterstützt hat.

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3. Liegt der Erhalt des Status quo im Bergkarabach-Konflikt im Interesse Russlands? Ich habe gerade auf diese Frage geantwortet. Ich habe gesagt, dass der Status quo die wichtigste Priorität für Russland aufweist. Die Russen sind nicht so ausgezeichnet darin, eine sehr schnelle Lösung eines Konflikts vorauszusagen. Russen sind sehr skeptisch. Es herrscht ein Verständnis darüber, dass die konkurrierenden Seiten Armenien und Aserbaidschan nicht bereit sind, Kompromisse einzugehen. Sie verstehen, dass sogar Gesellschaften in Baku und Jerewan eine Gewinn-Verlust- und keine Win-win-Strategie bevorzugen. Russland zieht es unter diesen Bedingungen vor, den Status quo beizubehalten, dies hat Priorität. Und natürlich ist es gleichzeitig notwendig zu verstehen, dass Russland daran interessiert ist, das Verhandlungsformat beizubehalten. Zudem sollte die vielleicht sehr geringe Wirksamkeit dieses Formats verstanden werden und vielleicht manchmal auch der nachahmende Charakter dieser Verhandlungen, aber ebenfalls, dass die Alternative zu diesem Format Krieg ist und Russland nicht daran interessiert ist, dem Krieg in Bergkarabach sowie der wachsenden Eskalation ins Auge zu sehen. 4. Welche Lösungsform des Bergkarabach-Konflikts entspricht bzw. widerspricht Ihrer Meinung nach den russischen Interessen in der Region? Diese Frage ist nicht so einfach, wie es zuerst scheint, weil die zwei Seiten des Konflikts, Armenien und Aserbaidschan, ein anderes Prinzip verfolgen, sozusagen andere Ansichten über die Konfliktlösung selbst. Für Aserbaidschan bedeutet die Beilegung des Konflikts die Wiederherstellung der territorialen Integrität des Landes und die Kontrolle über Bergkarabach. Es ist interessant festzustellen, dass in den Diskussionen um die Zukunft von Bergkarabach die territoriale Integrität alle anderen Aspekte ersetzt (wie die Integration der armenischen Gemeinschaft, potenzielle Verpflichtungen Armeniens in Bezug auf die inneren Entwicklungen des integralen Aserbaidschans). Für Armenien bedeutet die Lösung des Konflikts die Selbstbestimmung der armenischen Gemeinde von Bergkarabach. Es ist das Thema Nummer eins für Armenien. Zwischen den beiden unterschiedlichen Konzepten oder Ansichten zur Konfliktlösung besteht kein Grund für Zugeständnisse. Für Russland bedeutet die Lösung des Konflikts in erster Linie Kompromisse. Die Russen wissen sehr wohl, dass sowohl Armenien als auch Aserbaidschan Kompromisse eingehen müssen. Ich weiß, dass jetzt zwei Fragen auf dem Verhandlungstisch liegen: der zukünftige Status des ehemaligen autonomen Gebiets Bergkarabach und die Situation um die sieben Distrikte, die jetzt von armenischen Truppen besetzt sind. Und natürlich sollte die armenische Seite einige Kompromisse in Richtung der sieben Distrikte eingehen, und Aserbaidschan wird, vielleicht nicht sofort, manche Schritte in 353

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Richtung Anerkennung des autonomen Status der ehemaligen autonomen Region Bergkarabach vollziehen. Es ist sehr schwierig und die Lösung der beiden oben genannten Fragen stellt sich als äußerst problematisch dar. Es herrscht ein Vertrauensmangel. Aber die oberste Priorität für Russland liegt darin, Kompromisse einzugehen. Russland versucht jetzt, ein Gleichgewicht zwischen Armenien und Aserbaidschan herzustellen. Warum? Weil Russland in 2008 seinen Einfluss und die Druckmechanismen auf Georgien verloren hat. Insbesondere nach der Anerkennung der Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien ist Russland natürlich nicht daran interessiert, irgendwelche Instrumente in Bezug auf den Einfluss auf Aserbaidschan zu verlieren. Aus diesem Grund setzt Russland seine Zusammenarbeit mit Aserbaidschan fort und betrachtet oder behandelt Armenien als strategischen Verbündeten, weil der Verlust seines Einflusses auf Aserbaidschan bedeutet, dass alle Bindungen zwischen Baku und den westlichen Ländern, insbesondere der Türkei, gestärkt werden können. Russland zeigt jetzt positive Anzeichen in der Beziehung mit der Türkei, aber ich bin vollkommen mit der Meinung meines türkischen Kollegen Bulent Aras über die russisch-türkische Beziehung, die er als „Competitive Cooperation“ bezeichnete, einverstanden. Weil wir in Bergkarabach, auf der Krim, im Nahen Osten etc. viele Probleme haben, versucht Russland auch, seinen Einfluss auf Aserbaidschan aufrechtzuerhalten, und ich kann schließlich feststellen, dass Kompromissschritte von beiden Seiten die Priorität Russlands ergeben.

2. Interview mit Dr. Hamed Kazemzadeh (Senior Researcher am Zentrum für Osteuropastudien der Universität Warschau) Der Bergkarabach-Konflikt und Interessen der Islamischen Republik Iran im Südkaukasus 1. Was sind die grundlegenden (geopolitischen und geoökonomischen) Interessen des Irans im Südkaukasus? Der Zerfall der Sowjetunion und die damit verbundenen geopolitischen Umwälzungen brachten sowohl Chancen als auch Bedrohungen für den Iran. Neben einem Machtvakuum in der Kaukasusregion führte dieser Zerfall ebenfalls zu neuen Sicherheitsbedrohungen für das Land. Einerseits verschwand mit dem Ende der Sowjetunion zwar die Bedrohung durch die Militärpräsenz der Supermacht im Norden, andererseits traten jedoch neue Gefahren auf, etwa durch die Präsenz der USA und Israels und die Auseinandersetzungen im Kaukasus. Durch den Konflikt

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zweier Kaukasusstaaten ergibt sich für die Islamische Republik Iran in dieser Region eine sehr komplexe politische Lage. Nach dem Zerfall der Sowjetunion waren die Überlegungen der iranischen Regierung in puncto Aserbaidschan vornehmlich von den Parametern ethnische Zugehörigkeit und Nationalismus bestimmt. Die erwähnten Probleme mit Armenien waren geopolitische und geoökonomische Faktoren. Aserbaidschan ist in Sachen Religion und ethnischer Zugehörigkeit durchaus in der Lage, die Gedanken und Erwägungen der iranischen Autoritäten zu beeinflussen. Beide Regierungen haben sich allerdings für eine besonnene und realistische Politik im Hinblick auf ihre bilateralen Beziehungen entschieden. Seit ihrer Unabhängigkeit sind Stabilität und Sicherheit dieser Republiken von großer Bedeutung für die Region. Der Iran ist davon überzeugt, dass seine regio­ nalen Interessen in direkter Verbindung mit der Stabilität der Kaukasusstaaten stehen. Die iranische Wirtschaft spielt eine komplementäre Rolle für die Ökonomien der Kaukasusrepubliken, zudem sind Kooperationen in den Bereichen Erdöl und Erdgas denkbar. Der Kaukasus gilt als eine der Nord-Süd-Transitrouten und als Kreuzung der Energie- und Verkehrsadern nach Europa. Im Vergleich mit dem traditionellen Weg über die Türkei bietet die Kaukasus-Transitroute nach Europa diverse Vorteile für den Iran. Vom Kaukasus aus spart der Iran circa eintausend Kilometer zu bestimmten Märkten in Nord- und Osteuropa. Der wirtschaftliche Wohlstand der Kaukasusstaaten stimmt mit den regional- und wirtschaftspolitischen Ansätzen des Irans überein. Folglich heißt die iranische Seite diese Entwicklung willkommen, denn dieser wirtschaftliche Aufschwung, so das Kalkül, eröffnet einen neuen Markt für die Waren und Dienstleistungen iranischer Unternehmen und schafft zudem neue Arbeitsplätze in den iranischen Grenzprovinzen am Kaukasus. In geokultureller Hinsicht befindet sich der Iran, nicht zuletzt durch den geschichtlichen Hintergrund, in einer besseren Ausgangsposition als andere Akteure. Einerseits sind die ethnischen Gruppen der Aserbaidschaner, Armenier und Georgier mit der iranischen und persischen Kultur vertraut, andererseits leben im heutigen Iran viele Menschen, mit denen diese Gruppen eine gemeinsame Sprache teilen. Darüber hinaus ist Aserbaidschan ebenfalls ein schiitisches Land, sodass die religiösen Bindungen zwischen Iran und Aserbaidschan zuträglich für die iranischen Interessen in der Region sein dürften. Der Nordkaukasus, insbesondere die Republik Dagestan, ist von großem geokulturellen Interesse für den Iran. Andererseits sollten wir aber auch die strategische Bedeutung dieser Republik herausstellen, da der Iran über den Weg des Kaspischen Meers eine direkte Verbindung zu Dagestan und damit auch Zugang zu den Märkten in Südrussland erhält.

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2. Welche geostrategische Bedeutung weist der Bergkarabach-Konflikt hinsichtlich der Verwirklichung der Interessen des Irans im Südkaukasus auf? Die Fortsetzung des Bergkarabach-Konflikts, die strategische und militärische Präsenz Russlands in Armenien und die verschiedenen Interessen der regionalen und transregionalen Akteure machen diese Auseinandersetzung zu einem sehr sensiblen Thema. Nach der Unabhängigkeit von Armenien und Aserbaidschan übernahmen die Armenier, zusätzlich zu den vierzig Kilometern der bereits bestehenden Grenze mit dem Iran, auch die Kontrolle über mehr als einhundert Kilometer der aserbaidschanisch-iranischen Grenze. Während der aktiven Gefechte der Konfliktparteien breitete sich der Luft- und Artilleriebeschuss auf die iranische Grenze aus, zudem kam es zu Flüchtlingsströmen und anderen Kriegsfolgen in den iranischen Grenzregionen – und diese Ereignisse können sich wiederholen. Zudem können Änderungen der Politikansätze Armeniens, sowohl in Bezug auf den Berg­ karabach-Konflikt als auch im Hinblick auf andere strategische Entwicklungen, schwerwiegende Auswirkungen auf die nationalen Interessen des Irans haben. Der Iran ist der Ansicht, dass Akteure wie Russland, Europa und die USA die Macht und den Einfluss der Islamischen Republik Iran bei der Lösung regionaler Konflikte ignoriert haben. Aus diesem Grund hat der Iran die Initiative ergriffen, um selbst etwas zu bewirken. Der Bergkarabach-Konflikt ist das wichtigste praktische Beispiel von Irans Aktivitäten in diesem Bereich, die im Jahr 1992 allerdings einmal fehlschlugen. Beim letzten Aufflammen des Konflikts im April 2016 war der Iran jedoch durch regionale Zusammenarbeit mit Russland und der Türkei in der Lage, mehr Einfluss auf die Entwicklungen zu nehmen. Möglicherweise ist der Iran daran interessiert, eine aktivere Rolle bei der Lösung dieses Konflikts zu übernehmen. Nach Ahmadinedschads Präsidentschaft setzt die neue, pragmatische Führung des Irans sich für mehr Stabilität und Sicherheit an den Landesgrenzen ein. Eine Destabilisierung des Südkaukasus und Zentralasiens würde große Flüchtlingsströme in den Iran führen und Russland einen Vorwand zur Einmischung und zu Aktivitäten nahe der iranischen Grenze bieten – eine Aussicht, die dem Iran nicht gefallen dürfte, wenn man die Geschichte russischer Einmischungen in iranische Angelegenheiten bedenkt. Ein neues Auflodern der Feindseligkeiten im Streit um Bergkarabach könnte auch zu Auseinandersetzungen zwischen den Aseris und Armeniern im Iran führen, die dort momentan in relativer Harmonie koexistieren. Ein Ansteigen des ethnischen Nationalismus und Separatismus ist der schlimmste Albtraum Irans. Wie schwer die iranischen Bedenken wiegen, wird nicht zuletzt durch die Bemühungen von Rohani und Außenminister Javad Zarif unterstrichen, die versucht haben, Unstimmigkeiten mit den Nachbarn in Zentralasien und im Kaukasus auszuräumen.

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3. Liegt der Erhalt des Status quo im Bergkarabach-Konflikt im Interesse des Irans? Das ist eine schwierige Frage. Es scheint so, als gäbe es innerhalb der iranischen Regierung unterschiedliche Ansichten. Einige befürworten die Einfrierung des Konflikts, andere dessen Lösung. Zumindest wurde offensichtlich, dass der Iran versucht hat, eine konstruktive und positive Rolle in diesem Fall einzunehmen – wenn nicht als Hauptakteur, so doch als ein Land, das durch die einhundertvierzig Kilometer lange Grenze zum Bergkarabach Teil dieses Konflikts ist. Momentan ist der Iran das einzige Land, das sowohl zu den Kaukasusstaaten als auch zu Regio­ nalmächten wie der Türkei und Russland normale Beziehungen unterhält. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, ist anderen Akteuren in der Region zumindest ein Teil des regionalen Puzzles abhandengekommen. 4. Welche Lösungsform des Bergkarabach-Konflikts entspricht bzw. widerspricht Ihrer Meinung nach den iranischen Interessen in der Region? Basierend auf dem Konzept der kooperativen Sicherheit hat der Iran Sicherheitsprojekte und -initiativen vorgeschlagen, die sowohl alle drei Kaukasusstaaten als auch die drei Regionalmächte (Iran, Russland und die Türkei) einbeziehen und zudem die Möglichkeit der Mitarbeit einflussreicher internationaler Akteure wie der Europäischen Union, der OSZE und der Nato vorsehen. Im Krieg zwischen Russland und Georgien im August 2008 schlug der Iran den „Drei-Plus-Drei-Plan“ für die friedliche Beilegung des Konflikts und die Etablierung von Frieden und Stabilität im Kaukasus vor. Dieser Friedensplan, der zuvor für die Beendigung des N ­ agorni-Karabach-Kriegs vorgelegt worden war, basiert auf Kooperation, Koordination und Abstimmung zwischen den drei Kaukasusstaaten und den drei Regionalmächten (Iran, Russland und Türkei) in Bezug auf Krisenmanagement und friedliche Beilegung von Streitfällen und Konflikten. Später weitete der Iran den Umfang des Sicherheitsplans aus, um auch die Europäische Union einbeziehen zu können. Das Resultat war der vom iranischen Außenminister vorgeschlagene „Drei-Plus-Drei-Plus-Eins-Friedensplan“. Im Rahmen der Kaukasus-Diplomatie hat der Iran große Anstrengungen unternommen, um die regionalen und außerregionalen Akteure zu einer Beteiligung am gemeinsamen Krisenmanagement zu bewegen. Diese Politik wird seit 2008 umgesetzt. Die diplomatischen Missionen des ehemaligen Außenministers Manutschehr Mottaki, der nach dem Konflikt im August 2008 nach Tbilisi, Ankara und Moskau reiste, waren Teil dieser Anstrengungen.

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3. Interview mit Dr. Aybars Görgülü (Projektmanager am Center for Public Policy and Democracy Studies in Istanbul (PODEM) Der Bergkarabach-Konflikt und die Interessen der Republik Türkei im Südkaukasus 1. Was sind die grundlegenden (geopolitischen und geoökonomischen) Interessen der Türkei im Südkaukasus? Die Sicherheit war der wichtigste materielle Faktor, der Anfang der 1990er Jahre die außenpolitischen Kalkulationen der Türkei gegenüber dem Südkaukasus prägte, als die gesamte Region von militärischen Auseinandersetzungen erschüttert wurde. Da die regionale Sicherheits- und Stabilitätsatmosphäre in den späten 1990er Jahren relativ etabliert war, wurden Energie und Wirtschaft die wichtigsten Faktoren, die die Außenpolitik der Türkei gegenüber dieser Region prägen. Die Beziehungen zu Aserbaidschan waren das Rückgrat der Außenpolitik der Türkei gegenüber dem Südkaukasus in der Zeit nach dem Kalten Krieg. Die Aserbaidschan-zentrierte Süd-Kaukasus-Außenpolitik der Türkei ist heute aufgrund der zunehmenden Wechselbeziehung und Kooperation in den Bereichen Energie/Transport konsolidiert. Als Ergebnis der zunehmenden Wechselbeziehung zwischen den beiden Ländern wurde Armenien von der Südkaukasus-Agenda der Türkei ausgeschlossen. 2. Welche geostrategische Bedeutung weist der Bergkarabach-Konflikt für die Türkei hinsichtlich der Verwirklichung ihrer Interessen im Südkaukasus auf? Die Bedeutung des Bergkarabach-Konflikts für die Türkei hat sich im Laufe der Zeit verändert. Anfang der 1990er Jahre war der Konflikt für die Türkei eine absolute Sicherheitsfrage. Wie bei der Zypern-Intervention von 1974 war die Türkei nach einer militärischen Konfrontation wieder bereit, ihre Garant-Rechte zu nutzen. Russland verärgerte die Beteiligung der Türkei an dem Konflikt und es drohte mit „einem Dritten Weltkrieg“ für den Fall, dass Ankara militärisch in den Streit zwischen Armenien und Aserbaidschan über Bergkarabach eingreifen würde. In 1993 schloss die Türkei nach der Eroberung der Kelbajar-Region ihre Landgrenze zu Armenien, um Aserbaidschan zu unterstützen. Das Hauptziel der Grenzschließung bestand darin, Armenien davon abzuhalten, in weitere Gebiete einzudringen und sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen. Die Türkei unterstützt Aserbaidschan weiterhin in diesem Konflikt und hält die Grenze mit Armenien geschlossen, um somit ihre Solidarität zu demonstrieren.

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3. Liegt der Erhalt des Status quo im Bergkarabach-Konflikt im Interesse der Türkei? Die Türkei ist mit dem Status quo zufrieden, solange Aserbaidschans Interessen in Bergkarabach gewahrt bleiben. Es sei darauf hingewiesen, dass Bergkarabach im Moment keine strategische Bedrohung für die Sicherheit der Türkei darstellt. Eine mögliche militärische Eskalation würde die Türkei alarmieren und die türkischen Behörden dazu ermutigen, den Streit zu beenden, bevor es zu spät ist. 4. Welche Lösungsform des Bergkarabach-Konflikts entspricht bzw. widerspricht Ihrer Meinung nach den türkischen Interessen in der Region? Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass jede Lösung, die Aserbaidschan gefällt, für die Türkei vorzuziehen ist. Abgesehen davon glaube ich, dass die Türkei keine eigene Lösungsformel für diesen Konflikt hat. Der Bergkarabach-Konflikt ist somit auch das einzige Hindernis in den armenisch-türkischen Beziehungen. Die Türkei hat eindeutig gezeigt, dass keine Normalisierung zwischen den Ländern stattfinden wird, sofern es keine Fortschritte beim Bergkarabach-Konflikt gibt.

4. Interview mit Dr. Uwe Halbach (Wissenschaftler der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasiaen am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP) Der Bergkarabach-Konflikt und die Interessen der Europäischen Union (EU) im Südkaukasus 1. Was sind die grundlegenden (geopolitischen und geoökonomischen) Interessen der EU im Südkaukasus? Das ist insofern relevant, als der Südkaukasus einen Abschnitt des Partnerschaftsund Nachbarschaftsraum der EU bildet und die EU in diesem Raum Interesse an Stabilität, an Konfliktregulierung und dergleichen bekundet hat. Von der anderen Seite gibt es ein gewisses geoökonomisches Interesse natürlich an den Energiequellen des kaspischen Raums, da kommt Aserbaidschan ins Spiel, aber eben auch Georgien als Transitland, insofern ist die EU dann interessiert, dass in dieser Region nicht wieder neue Kriege um ungelöste Territorialkonflikte ausbrechen. 2. Welche geostrategische Bedeutung weist der Bergkarabach-Konflikt für die EU hinsichtlich der Verwirklichung ihrer Interessen im Südkaukasus auf?

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Die EU bezeugt zweierlei Interessen gegenüber den Regionen, mit denen sie Verbindungen aufnimmt, wie etwa mit der Östlichen Nachbarschaftsregion, in der der Südkaukasus einen großen Teil bildet. Einmal besteht ein Interesse an der friedlichen Entwicklung an diesen Regionen, zum anderen daran, dass in den Regionen selber eine Zusammenarbeit zwischen den Staaten stattfindet. In beiderlei Hinsicht ist der Bergkarabach-Konflikt ein erheblicher Störfaktor. Er bedroht den Frieden in der Gesamtregion Südkaukasus und ist auch der Hauptfaktor dafür, dass der Südkaukasus nicht wirklich die Landbrücke ist, als die er immer wieder dargestellt wird oder wie Frederik Star sagte, der „Kontinentale Suez-Kanal“ zwischen Europa und Eurasien. Zu diesem Bild passt eben nicht, dass zum Beispiel die beiden längsten Landgrenzen geschlossen sind, nämlich die zwischen Armenien und Aserbaidschan und die zwischen der Türkei und Armenien. Dazu passt es nicht, dass da eine Waffenstillstandslinie ist, die „line of contact“, die fast wie ein Schützengraben im Ersten Weltkrieg aussieht, dass passt nicht zu diesem Bild der Landbrücke, an dem die EU eigentlich interessiert ist. Insofern ist der Bergkarabach-Konflikt eines der wichtigsten Themen für den Blick Europas auf den Südkaukasus. 3. Liegt der Erhalt des Status quo im Bergkarabach-Konflikt im Interesse der EU? Er sollte nicht im Interesse der EU liegen, weil dieser Status quo unbefriedigend ist, weil dieser Status quo nicht dagegen schützt, dass es dann doch wieder zu Eskalationen und zu erneuten kriegsähnlichen Auseinandersetzungen führt. Es wird immer gesagt, mit dem Status quo kann sich die armenische Seite eher abfinden als die aserbaidschanische Seite. Weil Aserbaidschan strikt eine Veränderung des Status quo fordert, was die Regelung des Bergkarabach-Konflikts und die Wiederherstellung der territorialen Integrität Aserbaidschans betrifft. Es ist allerdings noch die Frage, ob der Status quo auch für Armenien befriedigend sein kann, denn eine friedliche Konfliktregelung würde Armenien auch eine ganz andere Position im Südkaukasus, eine ganz andere Position in dem südlichen Korridor verschaffen, der im Moment an Armenien vorbeigeht. Ich glaube der Status quo ist sicherlich besser als ein kriegerischer Konflikt, aber er schützt nicht gegen den Rückfall in ein solches „Worst-case“-Szenario, deswegen sollte man sich mit dem Status quo nicht zufriedengeben, sondern versuchen weiterhin wirklich eine politische Konfliktlösung zu fordern und zu fördern. 4. Welche Lösungsform des Bergkarabach-Konflikts entspricht bzw. widerspricht Ihrer Meinung nach den Interessen der EU in der Region? Generell wird eine friedliche Lösung dieses Konflikts den europäischen Interessen entsprechen, nicht widersprechen, denn die betonen die Stabilität, die Gewaltfreiheit

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von Nachbarschaftsregionen, insofern ist die EU natürlich an einer Konfliktregelung interessiert. Sie spielt allerdings in diesem Mediationsprozess keine besonders sichtbare, besonders herausragende Rolle. Sie überlässt es der OSZE, sie überlässt es der Minsker Gruppe, in der zwar Frankreich europäischerseits vertreten ist, aber nicht als offizieller Repräsentant der EU, und sie spielt in diesem Konflikt keine so sichtbare Rolle. Was die Sicherheitspolitik im Südkaukasus betrifft, hat die EU eigentlich nur einmal eine bedeutend sichtbare Rolle gespielt, und das war in 2008 in dem Fünftagekrieg zwischen Russland und Georgien. Da hat Präsident Sarkozy damals die Vermittler-Rolle eingenommen, das Waffenstillstandsabkommen herbeigeführt, die EU hat eine Mission an die Grenze geschickt, eine vergleichbare Rolle spielt sie im Bergkarabach-Konflikt eben nicht.

5. Interview mit Dr. Laurence Broers (Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der School of Oriental and African Studies (SOAS) der Universität London) Der Bergkarabach-Konflikt und die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) im Südkaukasus 1. Was sind die grundlegenden (geopolitischen und geoökonomischen) Interessen der USA im Südkaukasus? Ich möchte meiner Antwort vorausschicken, dass ich zwar ein europäischer Beobachter der amerikanischen Politik, aber kein in die US-Politik eingebetteter bzw. mit der US-amerikanischen Regierungsführung bis ins Detail vertrauter Analyst bin. Mit diesem Vorbehalt zu meinen weiteren Ausführungen scheint mir, dass „grundlegend“ hier das zentrale Wort ist: Der Südkaukasus tauchte bisher auf dem US-Politikradar wegen grundlegender Interessen der Vereinigten Staaten in anderen Gebieten, nicht aber in der Region selbst, auf. Dazu gehörten: die Energiesicherheit und -autonomie Europas von Russland, die Unterstützung im „Globalen Krieg gegen den Terror“ und im Bereich Militärlogistik für Operationen in Afghanistan, die Verhandlungen mit dem Iran über die Entwicklung seines Atomprogramms, die Eingrenzung des regionalen Einflusses des Islamischen Staates und anderer aufständischer Gruppen im Nahen Osten und zuletzt die Kontrolle der Reaktionen auf den Russland-Ukraine-Konflikt (und der damit verbundenen heiklen Frage der NATO-Grenzen). Der Südkaukasus ist eine Kulisse für all diese strategischen Ziele, gleichwohl eine untergeordnete. Es gibt zudem klare geoökonomische Interessen in Bezug auf das Öl in und um das Kaspische Meer, da US-amerikanische Firmen 361

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den größten Anteil am „Jahrhundertvertrag“ in seiner ursprünglichen Form haben und mehrere US-Firmen immer noch in der Azerbaijan International Operating Company (AIOC) vertreten sind. Die Absicherung der Energiesicherheit Europas ist weiterhin ein wichtiges Thema, aber die Rolle der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres erscheint diesbezüglich weniger bedeutsam als noch in den 1990er oder Anfang der 2000er Jahre, als die Reservenschätzungen höher ausfielen. Ich bin kein Experte in diesem Bereich, aber es scheint mir, dass sich mit der Schieferöl-Revolution die amerikanischen Einstellungen in Bezug auf den globalen Ölmarkt und die lokale Politik in diesem Markt erheblich verändert haben. Im Rückblick auf das vergangene Vierteljahrhundert würde ich sagen, dass sich der sensible Umgang mit den Wechselwirkungen zwischen einem mittlerweile 25-jährigen Engagement für die Souveränität Armeniens, Aserbaidschans und Georgiens einerseits und einer schwierigen, sich immer noch entwickelnden Beziehung zu Russland andererseits als das grundlegendste geopolitische Interesse der USA im Südkaukasus herausgestellt hat. Der Georgisch-Russische Krieg im Jahr 2008 zeigte die Grenzen des geopolitischen Einflusses der USA im Südkaukasus und die Gefahren der „besonderen Beziehungen“ zu regionalen Staaten auf. Dieser Krieg machte klar, dass der Südkaukasus eine Region war, in der die USA, zumindest rhetorisch, sehr viel tiefer verwurzelt war, als es ihre grundlegenden Interessen eigentlich erlaubten. Dies erklärt die Neuausrichtung der US-Politik und die Unterordnung ihrer besonderen Beziehung zu Georgien unter den Neustart mit Russland. Aufgrund anderer Entwicklungen im post-sowjetischen Raum funktionierte dieser Ansatz nicht wie geplant, aber 2008 war ein Schlüsselmoment, der eine Schieflage zwischen den wahrgenommenen Agenden, insbesondere der Freiheitsagenda (Freedom Agenda), und den tatsächlichen Interessen offenbarte. Die Initiative der „Fußballdiplomatie“ der Jahre 2009/2010 war eine zweite Erfahrung, die abermals eine beträchtliche Distanz zwischen der erklärten Agenda und dem tatsächlichen Einfluss aufzeigte. 2. Welche geostrategische Bedeutung weist der Bergkarabach-Konflikt für die USA hinsichtlich der Verwirklichung ihrer Interessen im Südkaukasus auf? Das letzte Mal, dass dieser Konflikt von den Vereinigten Staaten gebührend beachtet wurde, war im Jahr 2001. Bei den Verhandlungen in Key West, die im April dieses Jahres sowie in den beiden vorangegangenen Jahren stattfanden, hatten die USA dem Konflikt viel Energie und Zeit gewidmet. Sechs Monate nach dem Ausbleiben eines Durchbruchs bei diesen Verhandlungen veränderte der 11. September nicht nur die Welt, sondern auch die Prioritäten der USA. Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt war fortan nicht mehr von vorrangigem Interesse, sondern galt stattdessen als nebensächlich. Durch Gespräche mit US-Politikern und Analysten in den letzten Jahren bekam ich das Gefühl, dass dieser Konflikt sehr wohl als ernst,

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aber dennoch als kontrolliert und, im Vergleich mit anderen Szenarien in Eurasien, als eher zweitrangig angesehen wird. Ich erinnere mich an einen Analysten, der in Bezug auf die Opferzahlen hervorhob, dass zumindest bis zum Jahr 2014 ein schlechtes Jahr in Bergkarabach wie ein guter Tag in Afghanistan (nach 2002) war. Im Hinblick auf die Absicherung der zuvor genannten politischen Ziele ist der Konflikt natürlich relevant, aber er würde durch ein erneutes Aufflammen der Feindseligkeiten natürlich noch sehr viel relevanter werden. Die Stabilität im Status quo ist im Allgemeinen eine Arbeitshypothese: Während ansonsten Konfrontation die Norm in Eurasien ist, ermöglicht sie die Förderung von Öl und Gas im Kaspischen Meer, zügelt potenzielle russische Einsatz- und Stationierungspläne im Südkaukasus und regelt die symbolische Aufrechterhaltung eines partnerschaftlichen Verhältnisses mit Russland. Darüber hinaus hätte ein verlängerter oder größerer neuer Krieg nur schwer vorherseh- und kalkulierbare Folgen – sowohl für den US-Verbündeten und das NATO-Mitglied Türkei als auch für die schwierigen und strategisch wichtigen Beziehungen zwischen den USA und dem Iran. Man kann also sagen, dass die Relevanz des Konflikts in der Machtbalance liegt, die einerseits durch den Status quo bewahrt sowie institutionalisiert wird, andererseits durch Veränderungen in Richtung einer Lösung oder einer Eskalation jedoch verschoben werden würde. 3. Liegt der Erhalt des Status quo im Bergkarabach-Konflikt im Interesse der USA? Bei diesem Punkt muss man sich die Frage stellen, was die Alternative wäre. Natürlich würde eine Verhandlungslösung den langfristigen Interessen der USA in puncto Stabilität, Vorhersagbarkeit und Beseitigung potenzieller Konfliktpunkte mit Russland dienen. Auch das diplomatische Kapital der USA steht auf dem Spiel, da sie Co-Vorsitzender der Minsker Gruppe sind. Aber diese Möglichkeit liegt momentan derart weit in der Zukunft, dass der Status quo das kleinste aller Übel zu sein scheint. In diesem begrenzten Sinn entspricht der Status quo also den kurzfristigen Interessen. Auf lange Sicht ist der Status quo natürlich nicht im Interesse der Beteiligten. Die armenisch-aserbaidschanische Rivalität bildet die Ursache eines fortwährenden Bruchs im Südkaukasus und den Hauptgrund dafür, dass diese Region nicht wirklich als solche existiert. Dieser Konflikt bedingt und formt Regime auf eine Art und Weise, die die Entstehung von Regierungsformen, wie sie die USA sich wünscht (bzw. als von der US-Politik erwünscht darstellt), ständig behindern. Während der Bergkarabach-Konflikt in seiner jetzigen Form kurzfristige Möglichkeiten für ein partnerschaftliches Verhältnis mit Russland bietet, spricht Russlands Widerwillen gegenüber einer Lösung, die seine Position im Südkaukasus schwächen oder eine Stärkung der Verbindungen zum Westen ermöglichen würde, auch in Zukunft für eine von Uneinigkeit geprägte Beziehung. Letztlich unterstreicht jedoch der Status quo, verkörpert in der Bezeichnung als „eingefrorener Konflikt“, 363

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die Irrelevanz des Konflikts für die USA (und die Interessen anderer). Vor diesem Hintergrund lässt sich auch das Verhalten der Konfliktpartei erklären, die am wenigsten bereit ist, den Fortbestand des Status quo auf unbestimmte Zeit hin zu akzeptieren, und im April 2016 Anstrengungen unternahm, um die Aufmerksamkeit erneut auf diesen Konflikt zu lenken. 4. Welche Lösungsform des Bergkarabach-Konflikts entspricht bzw. widerspricht Ihrer Meinung nach den Interessen der USA in der Region? Ich denke, es gibt tatsächlich eine einfache Antwort auf diese möglicherweise sehr komplexe Frage: eine Verhandlungslösung, die von legitimen Vertretern der Konfliktparteien unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit angenommen wird. Das klingt heute utopisch, aber letztlich entspricht dieses Szenario den langfristigen Interessen aller Beteiligten. Dieser Weg bietet die beste Chance, einen weiteren Konfliktzyklus in zehn, 50 oder 100 Jahren zu verhindern. Ich möchte noch hinzufügen, dass die USA in den letzten Jahren den impliziten Wunsch nach einem verstärkten Engagement Europas bei der Lösung dieses Konflikts äußerten. Die amerikanische Denkweise hat sich im Laufe der Zeit stark geändert: Stand in den 1990er Jahren noch eine anfängliche Begeisterung hinsichtlich der Möglichkeit, durch die Mediationsstruktur den eigenen Einfluss zu mehren, im Mittelpunkt, verwandelte sich diese zunehmend in eine Art resignierte Akzeptanz der Tatsache, dass ein tatsächlicher Ausgleich der Interessen und die möglichen Risiken den Wert eines derartigen Einflussgewinns eher fragwürdig machen. Deutlich wurde dies durch den Umstand, dass zwar mehrere talentierte und aktive Diplomaten als US-amerikanische Co-Vorsitzende der Minsker Gruppe eingesetzt wurden, es aber auch eine Reihe von kurzzeitigen und vorläufigen Ernennungen für diesen Posten gab. Auf lange Sicht erscheint es zunehmend unlogisch, dass die USA bei einem Konflikt in der europäischen Peripherie eine derart herausragende Position einnehmen und die Europäische Union quasi keine Rolle spielt. Deshalb denke ich, dass Washington gern eine Verhandlungslösung sehen würde, die einerseits weiterhin von der amerikanischen Unterstützung profitiert, andererseits auf die Erfahrungen, das Know-how und die Ressourcen der Europäischen Union in puncto Stabilisierung zurückgreift und schließlich den Beziehungen zu Russland mit diplomatischem Fingerspitzengefühl einen wenigen konkurrierenden Charakter verleiht. Denkbar ist das alles jedoch nur, wenn sich der Ist-Zustand der innenpolitischen Dynamik in Armenien und Aserbaidschan grundlegend verändert und die geopolitische Lage in Zukunft weniger konkurrenzbetont ist.

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