Emilia Galotti: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen [2. Aufl., Reprint 2022]
 9783112638927

Table of contents :
Personen
Erster Aufzug. (Die Scene ein Kabinet des Prinzen.)
Zweyter Aufzug. (Die Scene, ein Saal in dem Hause der Galotti.)
Dritter Aufzug (Die- Soeue, eilt Vorsstal auf deut Lüfi schlosse des Prinzen.)
Vierter Auszug. (Die Scene bleibt.)
Fünfter Aufzug. (Die Scene bleibt.)

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Emilia Galotti. Lin

Trauerspiel in fünf Aufzügen von

Gotthold Ephraim Lessing.

Zweite Auflage.

Berlin, 18oo. In der Vossischen Buchhandlung.

Personen:

Emilia Galotti. «Odoardo und

Galotti. Aeltern der Emilia,

Claudia

Hettore Gonza.

Prinz von Güastalla.

Niarinelli. Kammerherr des Prinzen. Camillo Rota. Einer von des Prinzen

Conti.

Räthen. Maler.

Graf Appiani. Gräfinn (vrsina. Angelo, und einige Bediente»

Erster A u f z u g. (Die Scene ein Kabinet des Prinzen.)

Erster Auftritt. Der Prinz,

-n einem Arbeitstische, voller Brietz

schäften und Papiere, deren -imge er

durchläuft.

Klagen,

nichts als Klagen!

nichts als Bittschriften! —

Bittschriften,

Die traurigen

Geschäfte; und man beneidet uns noch! — Das glaub' ich;

wenn wir allen helfen könn­

ten: dann waren wir zu beneiden. — Emilia? (indem er noch eine von den Bittschriften aufschlägt,

und nach dem unterschriebenen Namen sieht.)

Emilla? — nicht

Eine

Aber eine Emilia Brunescht —

Galotti.

Nicht Emrlia

Galotti! —

Was will sie, diese Emilia Bruneechl? (er liefet) Viel gefodert;

Emilia

sehr viel.

Gaierti.



Doch sie heißt A

c 2 ) Emilia.

Gewährt! (Cr unterschreibt und klingelt;

worauf ein Kammerdiener hereintritt.)

noch

Eö ist wohl

keiner von den Rathen in dem Vor-

zimmer? Der Rammerdiener.

macht. —

Der Morgen ist so schön.

will ausfahren. begleiten. gehl ab) —

Nein.

Zch habe zu früh Tag ge­

Der Prinz

Zch

Marchese Marinelli soll mich

Laßt ihn rufen.

(Oer Kammerdiener

Zch kann doch nicht mehr arbei­

ten. — Zch war so ruhig, bild' ich mir ein, so ruhig — Auf einmal muß eine arme Druneschi, Emilia heißen: — weg ist meine Ru­

he, und alles! —

Der Bammerd. (welcher wieder herein tritt.) Nach dem Marchese ist geschickt.

Und hier,

ein Brief von der Gräfinn Orfina. Der Prinz.

Der Orfina? Legt ihn hin.

Der Lainmerd. Der Prinz.

Ihr Läufer wartet.

Zch will die Antwort sen­

den; wenn es einer bedarf. —

Wo ist sie?

Zn der Stadt? oder auf ihrer Villa? Der Rammerd.

Sie ist gestern in die

Stadt gekommen. Der Prinz.

Desto schlimmer — besser

c

3

)

So braucht der Läufer um

wollt' ich sagen.

so weniger zu warten. (OerKammerdiener geht ab.)

Meine theure Gräfinn! ( Mittet, indem er den Brief in

nimmt)

die Hand

So gut,

als gelesen!

(und ihn wieder weqwirft) — Nun ja; ich habe

sie zu lieben geglaubt! Was glaubt man nicht Kann seyn, ich habe sie auch wirklich

alles! geliebt.

Aber —ich habe!

Der Rammerd. (der nochmals herein tritt) Der Maler Conti will die Gnade haben---------

Der Prinz. Conti? Recht wohl; laßt ihn

herein kdmmrn. — Das wird mir andere Ge­ danken in den Kopf bringen. — (g-ht auf.)

Zweyter Auftritt. Conti. Der Prinz

Der Prinz.

Guten Morgen, Conti. Wie

leben Sie? Was macht die Kunst?

Conti. Prinz, die Kunst geht nach Brot.

Der Prinz.

Das muß sie nicht; da« soll

sie nicht, — in meinem wiß nicht.



kleinen Gebiete ge­

Aber der Künstler muß auch

arbeiten wollen. Conti. Arbeiten? Das ist seine Lust. Nur

A -

4




feer P**tn$ (nach einer kurzen Betrachtung.) Vortrefflich, Conti; — ganz vortrefflich! — Das

gilt Ihrer Kunst,

Ihrem Pinsel. —

Aber geschmeichelt, Conti; ganz unendlich ge, schmeichelt!

Conti.

Das Original schien dieser Mey­

nung nicht zu seyn.

Auch ist es in der That

nicht mehr geschmeichelt, als die Kunst schmei­

cheln muß.

wie sich

Die Kunst muß malen,

die plastrrche Natur — wenn es eine giebt —

ohne den Abfall,

dar Bild dachte:

welchen

der-widerstrebende Stoff unverrmidUch macht; ohne das Verderb,

mit welchem die Zeit da­

gegen an kämpfet.

Der prtn$

Der denkende Künstler ist

noch eins so viel werrh. — Aber das Origi­ nal, sagen Sie, fand dem ungeachtet — Cents.

Verzeihen Sie Prinz.

Das Ori­

ginal ist eine Person, die meine Ehrerbietung fordert.

Ich habe

nichts Nachtheiliges von

ihr äußern wollen. Der Prinz.

So viel als Ihnen beliebt!

-— Und was sagte das Original?

Conti.

Ick

bin

zufrieden,

sagte

Gräfinn, wenn ich nicht häßlicher aussehe.

die

7

c Der Prinz.

)

Nicht häßlicher? — O das

wahre Original!

Und mit einer Miene sagte

Conti.

sie

das, — von der freilich dieses ihr Bild keine Spur, keinen Verdacht zeiget.

Der Prinz. es eben,

worin

cheley finde. — höhnische Miene,

Das meynt' ich ja;

da« ist

ich

die unendliche Schmei-

O!

ich kenne sie, jene stolze

die auch das Gesicht einer

Grazie entstellen würde! — Ich leugne nicht,

daß ein schöner Mund,

der sich ein wenig

spöttisch verzieht, nicht selten um so viel schö­ ner ist.

Aber, wohl gemerkt, ein wenig: die

Verziehung muß nicht bis zur Grimasse gehen, wie bei dieser Gräfinn.

über

den

wollüstigen

Und Augen müssen Spötter

die Aussicht

führen, — Augen, wie sie die gute Gräfinn nun gerade gar nicht hat.

Auch

nicht ein­

mal hier im Bilde hat.

Conti.

Gnädiger Herr, ich bin äußerst

betroffen —■ Der Prinz.

Und worüber?

die Kunstbaus den großen,

stieren,

Alles was

hervorragenden,

starren Medusen, Augen der

finn Gutes machen kann,

das

Grä­

haben Sie,

c « > Covti> redlich daraus gemacht.

sag' ich? — Nicht so redlich,



Redlich,

wäre redlicher.

Denn sagen Sie selbst, Conti,

läßt sich ans

diesem Bilde wohl der Charakter der Person

Stolz haben

schließen? Und das sollte doch.

Sie in Würde,

Hohn in Lächeln, Ansatz zu

trübsinniger Schwärmerey in sanfte Schwer-

muth verwandelt. Conti (etwas ärgerlich.)

Ah, mein Prinz,

— wir Maler rechnen darauf, daß das ferti­ ge Bild den Liebhaber noch finde,

eben so warm

als warm er es bestellte.

mit Augen der Liebe:

Wir malen

und Augen der Liebe

müßtet» uirs auch nur beurtheilen. Der Prinz. Za nun, Conti; — warum ka­

men Sie nicht einen Monath früher damit? — Setzen Sie weg. — Was ist das andere Stück? Cönti (indem t6. es holt, und noch verkehrt in ter Hand hält.)

Der Prinz,

Auch ein weibliches Porträt. So möcht' ich es bald —

lieber gar nicht sehen.

Denn dem Zdeal hier,

(mit dem Finger auf die Stirn) oder vielmehr hier,

(mit dem Finger auf daS Herz ) kommt

kS

doch

nicht bey. — Ich wünschte, Conti, Ihre Kunst in ander» Borwürfen zu bewundern.

9

(

Eine bewundernswürdigere Kunst

Conti.

giebt es;

)

aber sicherlich keinen bewunderns­

würdigeren Gegenstand, als diesen. Der Prinz.

So wett' ich, Conti, daß es

des Künstlers eigene Gebieterinn ist. — (In-

lern der Maler das Bild umwendet) Was seh' ich? Zhr Werk, Conti?

oder das Werk meiner

Phantasie? — Emilia Galotti! Wie, mein Prinz?

Conti.

Sie kennen

diesen Engel? Der Prinz (indem « sicki zu fassen sucht, ade» ebne ein Auge von dem Bilde zit' verwenden.) Sv halb! um sie eben wieder zu kennen. — Es ist einige Wochen her, als ich sie mit ihrer

Mutter in einer Vegghia traf. — Nachher ist

sie mir nur an heiligen Stäken wieder vorgekommen, — ziemet. —

wo das Angaffen sich weniger

Auch kenn' ich ihren Vater.

ist mein Freund nicht.

Er war es,

Er

der sich

meinen Ansprüchen auf Sabionetta am mei­

sten widersetzte. —

Ein

alter Dege»;

stolz

und rauh; sonst bieder und gut! — Conti.

Der

Vater!

Aber hier

haben

wir seine Tochter. — Der Prinz.

Bey Gott!

wie aus dem

10

(

)

Spiegel gestohlen! ( noch immer die Augen auf dar Bild geheftet.)

Sie wissen es ja wohl,

s,

Conti, daß man den Künstler dann erst recht lobt,

wenn man über

fein Werk sein Lob

vergißt. id

nur

nicht immer ist. —

Oder meyne» Sie, Prinz, daß Raphael nicht das größte

malerische Genie

gewesen

wäre,

wenn er unglücklicher Weise ohne Hande wä-

e

geboren worden? Meynen Sie, Prinz?

( 35er Prinz.

II

(indem

) er

nur eben den dem

Wae sagen Sie, Conti? Was

Bilde rocqi'iictt.

wollen Sie wissen?

O nichts, nichts! — Plauderey!

Conti.

Ihre Seele,

Augen.

merk' ich,

war ganz in Ihren

Ich liebe solche Seelen, und solche

Augen. Der Prinz (mit einer erzwungenen Kälte.) Ale

so, Conti,

rechnen Sie doch wirklich Emilia

Galotti mit zu den vorzüglichsten Schönheiten unserer Stadt?

Conti.

Also?

mit?

mit zu den Vorzüge

lichsten? und den vorzüglichsten unserer Stadt? — Sie spotten meiner,

Prinz.

Oder Sie

sahen, die ganze Zeit, eben so wenig, als Sie

hörten. Der Prinz.

Lieber Conti, — (die Augen

wieder auf das Bild gerichtet) wie

ner

seinen

Augen trauen?

darf Unser ei-

Eigentlich

weiß

doch nur allein ein Maler von der Schönheit zu urtheilen,

Conti.

Und eines jeden Empfindung soll-

te erst auf den Ausspruch eines Malers war­ ten?— Ins Kloster mit dem, der es von uns lernen will, was schön ist! Aber das muß ich

(

rr

)

Ahnen doch als Maler sagen,

mein Prinz:

eine von den größten Glückseligkeiten meines Lebens ist es, daß Emilia Galotti mir gesessen.

Dieser Kopf, dieses Antlitz, diese Stirn, die­

se Augen,

diese Nase,

dieser Mund, dieses

Kinn, dieser Hals, diese Brust, dieser Wuchs,

dieser ganze Bau, sind, von der Zeit an, mein einziges

Studium der weiblichen

Schönheit.

— Die Schilderet) selbst, wovor sie gesessen,

hat ihr abwesender Vater bekommen.

Aber

diese Kopie — Der Prinz (der

sich

schnell gegen ihn kehret.)

Nun, Conti? ist doch nicht schon versagt?

Conti.

Ist für Sie, Prinz;

wenn St«

Geschmack daran finden.

Der Prinz. Geschmack! — (iMtin») Die­

se« Ihr Studium der weiblichen Schönheit, Conti, wie könnt' ich besser thun, al« c« auch

zu dem meinigen zu machen? —

Dort, jenes

Porträt nehmen Sie nur wieder mit, — ei­

nen Rahmen darum zu bestellen.

Conti.

Wohl!

Der Prinz.

So schön, so reich, als ihn

der Schnitzer nur machen kann.

E« soll in

dec tLallerie aufgestillet werden. — Aber die-

c iz ) seS bleibt hier.

Mit

einem Studio

man so viel Umstände nicht:

macht

auch läßt man

das nicht aufhängrn; sondern hat es gern bey der Hand. — Zch danke Ihnen, Conti; ich

danke Zhnen recht sehr. — Und, wie gesagt; in meinem Gebiete soll die Kunst nicht nach

Brot gehen;

bis ich selbst feliws habe. —

Schicken Sie, Conti, zu meinem Schatzmeir (ter,

und lassen Sie,

auf Zhre Quittung,

für beide Porträtte sich bezahlen, — was Sie wollen.

So viel Sie wollen, Conti.

Conti.

ten, Prinz,

Sollte ich doch nun bald fürch­ daß Sie so,

noch etwas anders

belohnen wollen, als die Kunst.

Der Prinz. lers!

O des eifersüchtigen Künst­

Nicht doch! — Hören Sie, Conti; so

viel Sie wollen.

t Conti geht ab.)

Fünfter Auftritt. Der Prinz. So viel er will! — (gegen iai Bild) Dich hab' ich für jeden Preis noch zn wohlfeil. —

Ah!

schönes Werk der Kunst,

ist es wahr.

< I* ) daß ich dich besitze? — Wer dich auch besäße, schönreö Meisterstück

der

Natur!



Was

Sie dafür wollen, ehrliche Mutter! Was du willst, alter Murrkopf! Fordre nur! — Am

liebsten kauft' ich dich,

Zauberinn, von dir

selbst! — Dieses Auge voll Liebreiz und Be
und bedauren Sie mich. Marinelli.

Nun

da, Prinz!

Erkennen

Sie da die Frucht Ihrer Zurückhaltung! — „ Fürsten haben keinen Freund! können keinen

Freund haben!" — Und die Ursache, wenn

dem so ist? — Weil Sie keinen haben wob

len. —

Heute beehren Sic uns mit ihrem

Vertrauen, theilen uns ihre geheimste»» Wün­

sche

auf:

mit,

schließen

uns

ihre

ganze

Seele

und morgen sind »vir Ihnen wieder so

C 2Z

)

als hätten sic nie ein Wort mit uns

fremd,

gewechselt. Der prtnj. Ach! Marinelli, wie konnt' ich

Ihnen vertrauen, was ich mir selbst kaum ge# stehen wollte?

Marinelli.

Und also wohl noch weniger

der Urheberinn Ihrer Qual gestanden haben?

Ihr? — Alle meine Mühe

Der Prinz.

sie ein zweytesmal zu

ist vergebens gewesen,

sprechen. — Marinelli.

Und das erstemal —

Der Prinz. Sprach ich sie — O, ich fern#

me von Sinnen!

Und

ich soll Ihnen noch

lange erzählen? — Sie sehen mich einen Raub was fragen Sie viel, wie ich es

der Wellen:

geworden?

Retten Sie mich, wenn Sie kbn-

nen: und fragen Sie dann. Marinelli.

Retten? Ist da viel zu teti

ten? — Was Sie versäumt haben, gnädiger Herr,

der Emilia Gaivtti zu bekennen,

bekenne»

Waaren,

Sie

nun

der

Gräfinn

das

Appiani.

die man aus der ersten Hand nicht

haben kann,

kauft man aus der zweyten: —

und solche Waaren nicht selten aus der zwey­ ten um so viel wohlfeiler.

c

Der Prinz.

24

>

Ernsthaft, Marinelli, ernst,

hast, oder — Freylich,

Manuell!.

auch

so viel

um

schlechter---------

D'r Prinz.

Sie werden unverschämt! Und dazu will der Graf dtp

Marinelli.

mit aus dem Lande. — Za, so müßte man

auf etwas anderes denken. — Der prmz.

Und auf was? — Liebster,

bester Marinelli, denken Sie für mich.

würden Sie

thun,

wenn

Sie

Was

an meiner

Stelle waren?

Marinelli.

Vor allen Dingen, eine Klei­

nigkeit als eine Kleinigkeit ansehen; — und

mir sagen, daß ich nicht vergebens seyn wolle,

was ich bm — Herr! Der Prinz.

Schmeicheln Sie mir nicht

mit einer Gewalt,

von der ich

hier keinen

Gebrauch absehe. — Heute sagen Sie? schon heute? Marinelli.

hen.

Erst heute — soll es gesche­

Und nur geschehenen Dingen

ist

nicht

ZU rathen. — (Nach einer kurzen Ueberlegmig) Wol­ len Sie mir freye Hand lassen, Prinz? Wol­ len Sie alles genehmigen, was ich thue?

(

Der Prinz.

55

)

Alles, Marinelli, alles, was

diesen Streich abwcnden kann.

Marinelli.

So lassen Sie uns keine Zeit

verlieren. — Aber bleiben Sie nicht in

der

Stadt. Fahren Sie sogleich nach Ihrem Lustschlosse,

Der Weg nach Sa-

nach Dosala.

bionetta geht da vorbey.

Wenn es mir nicht

gelingt, den Grafen augenblicklich zu

entfer­

nen: so denk' ich — Doch, doch; ich glaube, er geht in diese Falle gewiß.

Sie wollen ja,

Prinz, wegen Zhrer Vermählung einen Ge­ sandten nach Massa schicken? Lassen Sie den

Grafen dieser Gesandte seyn; mit dem Be­ dinge, daß er noch heute abreiset. — Verste­

hen Sie? Der Prinz. Vortrefflich! — Bringen Sie ihn zu mir heraus.

Gehen Sie, eilen Sie.

Zch werfe mich sogleich in den Wagen.

(Marinelli geht ab.)

Siebenter Auftritt.

Der Prinz. Sogleich! sogleich! — Wo blieb es? —

(sich nach dem Porträte umsehend) Aus der Erde? das war zu arg! (,ndem er es aushebt) Doch bes

(

26

)

trachten? betrachten mag ich

dich fürs erste

nicht mehr. — Warum sollt' lch mir den Pfeil

noch tiefer in die Wunde drücken? (setzt es bei Seite) —

Geschmachtet, aeseufzet hab' ich lan­

ge genug, — langer als ich gesollt hätte: aber nichts gethan! und über die zärtliche Unthä-

tigkeit bei einem Haar' alles verloren! — Und wenn nun doch alles

verloren wäre? Wen»

Marinelli nichts ausrichtete? — Warum will

ich mich auch

auf ihn allein verlassen?

fällt mir ein, nm diese Stunde, sehend) um

Es

(nach der Uhr

diese nehmliche Stunde pflegt das

fromme Mädchen alle Morgen bey den Domi­

nikanern die Messe zu hören. — Wie wenn ich sie da zu sprechen suchte? — Doch heme, heut' an

ihrem Hochzeittage, — heute wer­

den ihr andere Dinge am Herzen liegen, als die Messe. — Indeß, wer weiß? — Es ist

ein Gang. — (Cr kluiaelk, und indem

den Papieren auf dem

-reinige

ron

Tische hastig zusammen rafft, tritt

der Kammerdiener herin)

Laßt vorfahren! — 3|t

noch keiner von den Räthen da?

Der Rammerd. Der Prinz.

(Der

Er

Camillo Rotq.

soll

Kammerdiener geht ad)

herein

kommen.

Nur aufhalten muß

c 27

)

er mich n'.cht 'vollen. Dasmal nicht! — Ich stehe gern feinen Bedenklichkeiten ein andermal

nm so viel langer zu Diensten. — Da war ja

noch die Bittschrift einer Emilia Bruneschi — (Ne ülch-nd^ Die istü.Aber gute Bruneschi,

wo deine Vorfprecherinn--------

Achter Auftritt. Camillo Nota,

Schritten in der Hand.

Der Prinz. Der Prinz. Kommen Sie, Rota/ kommen

Sie. — Hier ist, was ich diesen Morgen erbrychen.

Nicht viel Tröstliches! —

werden

von selbst sehen, was darauf zu verfügen, —

Nehmen Sie nur.

Lanullo Rota. Gut, gnädiger Herr. Der Prinz.

Noch ist hier eine" Bittschrift

einer Emilia Galot - - Bruneschi null ich sa­ gen. — Ich habe meine Bewilligung zwar schon

beigeschriebeu. Aber doch — die Sache ist ken ne Kleinigkeit — Lassen Sie die Ausfertigung

noch anftehen. —? Oder auch nicht anstehen; wie Sie wollen.

Camillo Rota. Nicht wie ich will, gnädi­ ger Herr.

(

28

)

Der Prinz. Was ist sonst? Etwas zu un­

terschreiben ?

Camillo Rota. Ein Todesurtheil wäre zu unterschreiben.

Der Prinz. Recht gern. — Nur her! ge­

schwind ! Camillo Rota, (stutzi-, und ttn Prinzen starr ankehend.) Ein Todesurtheil, sagt' ich.

Der Prinz.

Zch höre ja wohl. —

könnte schon geschehen seyn.

Es

Zch bin eilig.

Camillo Rota (seine Schriften Iiachschelld.) Nun hab' ich es doch wohl nicht mitgenom­

men !-------- Verzeihen Sie, gnädiger Herr. —

Es kann Anstand damit haben bis morgen.

Der Prinz.

Auch das! — Packen Sie

nur zusammen: ich muß fort. — Morgen,

Rota, ein Mehres!

(gehe ab.)

Camillo Rota (den Kopf schüttelnd, indem er die Papiere zu stch nimmtlind abgcht) Recht gern? —

Ein Todesurtheil recht gern? — Ich hätt' es

ihn in diesem Augenblicke nicht mögen unter­

schreiben lassen, und wenn es den Mörder mei­ nes einzigen Sohnes betroffen hatte. — Recht

gern!

recht gern! — Es geht mir durch die

Seele dieses gräßliche Recht gern!

Zweyter

Aufz u g.

(Die Scene, ein Saal in dem Hause der Galotti.)

Erster

Auftritt.

Claudia Galotti.

Pirro.

Claudia. (im Herarretreten zu Pirro, der andern Seite herein tritt )

der dorr

Wer sprengte da

in den Hof?

prrro.

Unser Herr, gnädige Frau.

Llaudra. Mein Gemahl? Ist e6 möglich?

pirro.

Er folgt nur auf dem Fuße.

Claudia.

So unvermuthet? — (ihm ent­

gegen eilend) Ach! mein Bester! —

Zweyter Odoardo. Odoardo.

Auftritt.

Galotti, und die Vorigen. Guten Morgen, meine Liebel

— Nicht wahr, das heißt überraschen?

Llaudia.

Und auf die angenehmste Art!

(



)

— Wenn es anders nur eine Uebcrrafchung seyn soll.

Nichts

Odoardo.

sorgt.



Das Glück

weckte mich so früh;

schön;

der Weg

weiter!

Sey

«ii6e#

des heutigen Tageö der Morgen

ist so kurz;

war

so

ich vermuthete

euch hier so geschäftig — Wie leicht vergessen Sie etwas:

fiel mir

ein.



Mit Einem

ich komme, und sehe, und kehre so­

Worte:

gleich wieder zurück. — Wo ist Emilia? Un­

streitig beschäftigt mit dem Putze? —

Claudia. Ihrer Seele! — Sie ist in der

Messe.

Zch habe heute, mehr als jeden



ander» Tag,

sagte sie,

Gnade von oben zu erflehen:

und ließ alles liegen,

und nahm

ihren Schleyer, und eilte —

Odoardo. Claudia.

Odoardo.

Ganz allein? Die wenigen Schritte--------Einer ist genug zu einem Fehl­

tritt! — Claudia. Zürnen Sie nicht, mein Bester;

und kommen Sie herein, — einen Augenblick

auszuruhen, und, wenn Sie wollen, eine Er, frischung zu nehmen.

Odoardo.

Wie du meynest, Claudia. —-

Aber sie sollte nicht allein gegangen seyn. —

31

(

)

Und Zhr, Pirro, bleibt hier in

Llaudia.

dem Vorzimmer,

alle Besuche auf heute «u

verbitten.

Dritter Auftritt. Pirro,

pirro.

und bald daraus Angelo,

Die sich nur aus Neugierde meb

den lassen. —

Was bin ich seit einer Stunde

nicht alles ausgefragt worden!



Und wer

kömmt da? Angeko (noch halb hinter der Scene, in einem

kurzen Mantel, den er über das

gezogen, del»

Hut in die Stirne) Pirro! — Pirro! pirro.

Ein Bekannter? — (indem Angelo

vollends hereintritt und den Mantel auseinander schlägt)

Himmel! Angelo? — Du?

Angel». Wie du siehst. — Zch bin lange genug um das Haus herumgegangen, dich zu sprechen. — Auf ein Wort! — pirro.

Und du

wagst es,

wieder ans

Licht zu kommen? — Du bist seit deiner letz­ ten Mordthat vogelfrei erkläret; auf deinem Kopf stehet eine Belohnung —

Angelo.

Die doch du nicht wirst verdie­

nen wollen? —

C r- ) Piers.

WaS willst du? Zch bitte dich,

Mache mich nicht unglücklich.

Angelo.

Damit etwa?

(ihm einen Beutet

mit Gelde zeigend) — Nimm! Es gehöret dir!

Pirro.

Angelo.

Mir? Hast du vergessen? Der Deut­

sche, dein voriger Herr,-------pirro. Angelo.

Schweig davon! Den du uns, auf dem Wege

nach Pisa, in die Falle führtest —

Pirro.

Angelo.

Wenn uns jemand hörte! Hatte ja die Güte, uns auch

einen kostbaren Ring zu hinterlassen. — Weißt

Lu nicht? — Er war zu kostbar, der Ring, als daß wir ihn sogleich ohne Verdacht hät­

ten zu Gelde machen können. es damit gelungen.

Endlich ist mix

Zch habe hundert Pisto­

len dafür erhalten:! und das ist dein Antheil. Nimm!

Pirro.

Angelo.

Ich mag nichts — behalt' alles. Meinetwegen! — wenn es dir

gleich viel ist, wie hoch du deine» Kopf feil

trägst — (als ob er den Beutel wieder einftecEen wollte)

Pirro. So gieb nur! (nimmt ihn) —. Und was

(

33

)

was nun? Denn daß du bloß deswegen mich

ausgesucht haben solltest--------Angelo.

Das kömmt dir nicht so recht Wae denkst du

glaublich vor? — Halunke!

von uns? — daß wir fähig sind, jemand feix

nen Verdienst vorzuenthalten?

Da« mag um

ter den so genannten ehrlichen Leuten Mode

seyn:

unter uns

nicht.



Leb

wohl!



(thut alö ob er gehen wollte, und kehrt wieder um) Eins muß ich doch fragen. — Da kam ja der

alte Galotti so ganz allein in die Stadt gre sprengt.

Was will der?

pivto.

zlerritt.

Nichts will er:

Seine Tochter

ein bloßer Spa«

wird heut'

Abend

auf dem Gute, von dem er herkömmt, dem

Grafen Appiani angetrauet.

Er kann die Zeit

nicht erwarten — Angelo. Und reitet bald wieder hinaus? Pirro.

So bald,

daß er dich hier trifft,

wo du noch lange verziehest. — Aber du hast

doch keinen Anschlag auf ihn? Nimm dich in Zicht.

Er ist ein Mann---------

Angelo.

Kenn' ich ihn nicht?

Hab' ich

nicht unter ihm gedient? — Wenn darum bey

Cmilia Galotti.

E

(

34

)

ihm nur viel zu holen wäre! Wann fah­ ren die jungen Leute nach? pirro. Gegen Mittag. Angelo. Mit viel Begleitung? Pietro. In einem einzigen Wagen: die Mutter, die Tochter und der Graf. Ein Paar Freunde kommen aus Sabionetta als Jengen. Angelo. Und Bediente? pirro. Nur zwey; außer mir, der ich zu Pferde vorauf reiten soll. Angelo. Das ist gut. — Noch eine: wessen ist die Equipage? Zst es eure? oder des Grafen? Pirro. Dee Grafen. Angelo. Schlimm! Da ist noch ein Vorreiter, außer einem handfesten Kutscher. Doch! — pirro. Ich erstaune. Aber was willst du? — Das Bißchen Schmuck, das die Brant etwa haben dürfte, wird schwerlich der Mühe lohnen — Angelo. &o lohnt ihrer die Braut selbst! pirro. Und auch bey diesem Verbrechet« soll ich dein Mitschuldiger seyn?

(

35

)

Du reitest vorauf.

Angela.

Reite doch,

reite! und kehre dich an nichts!

Nimmermehr!

pirro.

Wie? ich glaube gar, du willst

Angelo.

den Gewissenhaften spielen! — Bursche! ich denke, du kennst mich. — Wo du plauderst!

Wo sich ein einziger Umstand anders findet, als du mir ihn angegeben! —

Aber, Angelo, um des Himmels

pirro. willen!

Angelo. Thu, was du nicht lassen kannst!

(geht ab.)

pirro.

Ha! Laß dich den Teufel bey Ei­

nem Haare fassen; und du bist sein auf ewig! Zch Unglücklicher!

Vierter Auftritt. Odoardo und Csaudia Galotti. Pirro.

Odoardo. Sie bleibt mir zu lang' aus — Claudia.

do!

Noch einen Augenblick, Odoar­

Es würde sie schmerzen, deines Anblicks

so zu verfehlen.

Odoardo.

Zch muß auch bey dem Gra­

fen noch einsprechen.

ten, diesen würdigen

Kaum kann ichs erwar­ jungen Mann meinen

c z6 ) Alles

Sohn zu ttemietn

ihm.

entzückt

Und vor allem der Ent.ch

mich

au

ß, tu feinen

väterlichen Thälern sich selbst zu leben. Claudia.

Das Her, bricht mir, wenn ich

hieran gedenke.

So ganz sollen wir sie



verlieren, diese einzige geliebte Tochter? Was nennst du, sie verlieren?

Odoardo.

Sie in den 'Annen der Liebe zu wissen? Ver­

menge dem Vergnügen an ihr,

rem Glücke.

nicht mit ih­

Du möchtest meinen alten



Argwohn erneuern: — daß es mehr das Ge­ räusch und die Arstrenmig der Welt,

die Nähe des Hofes war, digkeit,

mehr

als die Nothwen­

unserer Tochter eine anständige Erzie­

hung zu geben, was dich bewog, hier in der

Stadt mit ihr zu bleiben; — fern von einem Manne und Barer, der euch so herzlich liebet.

Claudia.

Wie ungerecht, Odoardo! Aber

laß mich heute Stadt,

nur

ein Einziges

für

diese

ffir diese Nähe des Hofes sprechen,

die deiner strengen Tugend so

verhaßt sind.

— Hier, nur hier, konnte die Liebe zusammen bringen,

was für

Hier nur konnte

und fand sie.

einander geschaffen

war.

der Graf Emilien finden;

( Odoardo.

37

)

Das räum' ich ein. Aber, gu­

te Claudia, hattest du darum Recht, weil dlr

der Ausgang Recht giebt? —

Gut, daß es

mit dieser Stadterziehung so abgelaiifen!

uns nicht weise seyn wollen,

Laß

wo wir nichts,

Gut, daß es so damit

als glücklich gewesen!

abgclaufen! — Nun haben sie sich gefunden, die für einander bestimmt waren: nun laß sie

ziehen,

wohin Unichuid

und Ruhe sie rufen,

— Was sollte der Graf hier? schmeicheln und kriechen,

auszustechen suchen?

Sich bücken,

und die Marinellis

um endlich ein Glück zu

machen, dessen er nicht bedarf? um endlich ei­

ner Ehre gewürdiget zu werden,

die für ihn

keine wäre? — Pirro!

pirro.

Hier bin ich.

Odoardo.

Geh

und führe mein Pferd

vor das Haus des Grafen. Zch komme nach, und will mich da wieder aufsetzen.

ob.) —

(Pirro »eh:

Warum soll der Graf hier dienen,

wenn er dort selbst befehlen kann? — Dazu

bedenkest du nicht, Claudia, daß durch unsere Tochter er es vollends mit dem Prinzen ver­

derbt.

Der Prinz haßt mich —

Claudia, orgest.

Vielleicht weniger,

als du be-