Einkommensteuern und Leistungswirkungen: Ein Beitrag zu einer erfahrungswissenschaftlichen Theorie der Steuerwirkungen [1 ed.] 9783428457304, 9783428057306

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Einkommensteuern und Leistungswirkungen: Ein Beitrag zu einer erfahrungswissenschaftlichen Theorie der Steuerwirkungen [1 ed.]
 9783428457304, 9783428057306

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Beiträge zur Verhaltensforschung Heft 26

Einkommensteuern und Leistungswirkungen Ein Beitrag zu einer erfahrungswissenschaftlichen Theorie der Steuerwirkungen

Von Walter A. S. Koch

Duncker & Humblot · Berlin

W A L T E R A. S. K O C H

Einkommensteuern und Leistungswirkungen

Beiträge zur

Verhaltensforschung

Herausgegeben von Professor Dr. Dree.fa. c. G. Schmöldere

Heft 26

Einkommensteuern und Leistungswirkungen Ein Beitrag zu einer erfahrungswissenschaftlichen Theorie der Steuerwirkungen

Von P r o f . D r . W a l t e r A . S. K o c h

DUNCKER

& HUMBLOT

/

BERLIN

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu K i e l gedruckt m i t Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Koch, Walter A. S.: Einkommensteuern und LeistungsWirkungen: e. Beitr. zu e. erfahrungswiss. Theorie d. Steuerwirkungen / von Walter A. S. Koch. — Berlin: Duncker und Humblot, 1984. (Beiträge zur Verhaltensforschung; H. 26) I S B N 3-428-05730-9

NE: GT

Alle Hechte vorbehalten © 1984 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1984 bei Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany I S B N 3-428-05730-9

Vorwort Untersuchungen über die Wirkungen der steuerlichen Belastung und ihrer Veränderungen nehmen in der finanzwissenschaftlichen Literatur einen breiten Raum ein. Anlaß zu ihrer Erforschung haben immer wieder allokations-, distributions- und stabilisierungspolitisch motivierte Änderungen der Steuergesetze gegeben, die nicht selten auch fiskalisch begründet waren. Der Einsatz steuerpolitischer Instrumente kann jedoch leicht die angestrebten Ziele verfehlen, wenn das voraussichtliche Verhalten der Zensiten nicht hinreichend berücksichtigt wird. Denn alle ökonomisch und finanzwirtschaftlich relevanten Vorgänge sind letztlich auf menschliches Handeln in einem komplexen sozio-ökonomischen Umfeld zurückzuführen. Steuerwirkungen lassen sich daher nur durch dessen Analyse richtig erklären und prognostizieren. Dies ist Ausgangspunkt und Gegenstand dieses Beitrags, wobei die von der Einkommensteuer ausgehenden Wirkungen auf Arbeitsangebot und Leistungsverhalten im Vordergrund stehen. Die vorliegende Untersuchung sollte als Beitrag zu einer erfahrungswissenschaftlichen Theorie der Steuerwirkungen verstanden werden. Die Arbeit wurde bereits Ende 1978 abgeschlossen und hat der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel im Sommersemester 1979 als Habilitationsschrift vorgelegen. Ihre Veröffentlichung hat sich wegen mehrerer längerer Auslandsaufenthalte wiederholt verzögert. In der Zwischenzeit sind jedoch — soweit ich sehe — ähnliche Untersuchungen nicht publiziert worden. Gerade deswegen dürfte dieser Beitrag zu einem permanent aktuellen, jedoch empirisch nicht immer abgesicherten Gegenstand nach wie vor von Bedeutung sein. Die finanzwissenschaftliche Forschung hat ihr Augenmerk in den letzten Jahren besonders intensiv auf zwei mit diesem Thema eng verknüpfte Probleme gerichtet: Die ,optimal taxation 4 und die Schattenwirtschaft. Ich habe dem durch das Einfügen von zwei Abschnitten im 2. Kapitel Rechnung zu tragen versucht. Darüber hinaus wurde die ursprüngliche Fassung gründlich überarbeitet. Dabei wurden einige Tabellen weggelassen. Sie können — ebenso wie die bei den Erhebungen verwendeten Fragebögen —beim Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung, Bachemer Str. 40,5000 Köln 41, eingesehen werden. Das Literaturverzeichnis wurde auf den neuesten Stand gebracht (Ende 1983) und — soweit möglich — in den Text und in die Anmerkungen eingearbeitet. Dabei verbliebene Lücken und andere Unzulänglichkeiten gehen allein zu meinen Lasten.

Vorwort

6

Für Anregungen und konstruktive Kritik möchte ich besonders meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Heinz Kolms (Kiel), danken. Er hat in langjähriger, vertrauensvoller Zusammenarbeit meine wissenschaftlichen Arbeiten geprägt und mir wichtige persönliche Impulse gegeben. Dank schulde ich auch Frau Dr. Eva Lang (Würzburg) und Herrn Professor Dr. Hans-Georg Petersen (Linz) für die mühevolle Arbeit, das gesamte Manuskript gelesen und viele Verbesserungen vorgeschlagen zu haben. Beiden bin ich freundschaftlich verbunden wie auch Herrn Dipl.-Math. Günter Hartmann, der großen Anteil an der computergerechten Aufbereitung und Bearbeitung des umfangreichen Datenmaterials hat. Er ging stets auf Sonderwünsche ein und entwarf die dafür notwendigen Programme. Ohne die Bereitschaft der 2100 Angehörigen freier Berufe und der 734 Vorarbeiter und Meister, den langen Fragebogen zu beantworten, hätte die Arbeit nicht entstehen können. Ihnen allen sei dafür herzlich gedankt. Die berufsständischen Organe der freien Berufe in Schleswig-Holstein haben freundlicherweise ihren Mitgliedern die Beantwortung des Fragebogens empfohlen, was nicht ohne Auswirkung auf die Rücklaufquoten und damit die Qualität der erzielten Ergebnisse blieb. Herr Wilhelm Moeller von der Studien- und Fördergesellschaft der Schleswig-Holsteinischen Wirtschaft e. V. und Leiter der Bildungsstätte Tannenfelde hat großzügigerweise die Interviews in den Fortbildungsseminaren bei Meistern und Vorarbeitern gestattet. Dafür gebührt ihm ebenfalls mein aufrichtiger Dank. Last not least bin ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu großem Dank verpflichtet. Sie hat mir nicht nur ein mehrjähriges Habilitationsstipendium sowie eine Sachkostenbeihilfe für die Durchführung der Erhebungen gewährt, sondern auch durch einen Druckkostenzuschuß die Veröffentlichung dieser Arbeit ermöglicht. Kiel, April 1984

Walter A . S. Koch

nsverzeichnis

Erstes Kapitel

Einleitung

A. Problemstellung

17

und Abgrenzung

17

B. Definitionen

23

Zweites Kapitel

Arbeitsangebot und Einkommensbesteuerung: Theoretische Grundlegung

A. Einflüsse

von Einkommensteuern

30

auf das Arbeitsangebot

Lohnsatzvariation und Einkömmensteuererhebung — Ergebnisse und Grenzen partialanalytischer Betrachtungsweise II. Optimale Einkommensteuer und Arbeitsangebot 1. Problemstellung 2. Prämissen, Modellansätze und Ergebnisse 3. Kritik III. Möglichkeiten und Grenzen für Anpassungen im Leistungsverhalten. IV. Motivationsanalytische Aspekte des Leistungsverhaltens

30

I.

30 37 37 38 46 48 58

B. Besteuerung und Leistungsbereitschaft

66

I. Steuermoral und Steuermentalität II. Steuerbelastungsgefühl und Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände III. Steuerbelastung und Schattenwirtschaft 1. Problemstellung und Begriff 2. Ursachen und Wirkungen 3. Messung des Umfangs der Schatten Wirtschaft 4. Konsequenzen für die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik . . . C. Zusammenfassung: Dominanz materieller

Orientierung?

66 73 76 76 79 83 87 90

alverzeichnis

8

Drittes Kapitel

Arbeitsangebot und Einkommensbesteuerung: Empirische Untersuchungen

A.

Vorbemerkung:

Möglichkeiten

B.

Übersicht über bisher geleistete Arbeiten

^

empirischen Vorgehens

92 94

I.

Ergebnisse wichtiger Untersuchungen im Ausland

II.

1. Übersicht über die Hauptmerkmale der Untersuchungen 2. Steuerbewußtheit und Kenntnis steuerlicher Tatbestände 3. Ergebnisse in bezug auf das aktuelle Arbeitsverhalten a) Freie Berufe b) ,Business executives' c) Einfluß persönlicher Merkmale auf das Leistungsverhalten . d) Abhängig Beschäftigte mit niedrigem Arbeitseinkommen . . 4. Ergebnisse in bezug auf Berufswahl und Mobilität 5. Ergebnisse in bezug auf den Beginn des Ruhestands 6. Sonstige Ergebnisse Ergebnisse deutscher Untersuchungen

C. Probleme empirischer wirkungen I.

II.

Untersuchungen zu

steuerlichen

94 94 95 103 103 108 112 115 121 125 128 129

Leistungs136

Methodische Probleme der Ermittlung von steuerlichen Leistungswirkungen durch Befragungen 1. Planungsphase und Auswahlverfahren 2. Durchfuhrungsphase 3. Auswertungsphase Zum Problem der Generalisierung gefundener Ergebnisse

136 136 138 141 142

Viertes Kapitel

Untersuchungen zum Einfluß von Einkommensteuern auf das Leistungsverhalten

A. Befragte Berufsgruppen I.

II.

und Untersuchungsmethode

^



Befragte Berufsgruppen 1. Vorarbeiter und Industriemeister 2. Freie Berufe Untersuchungsmethode 1. Verwendete Fragebögen: Aufbau und Fragengestaltung . . . . . . 2. Interviews in der Schulungsgruppe 3. Postalisch versendeter Fragebogen 4. Auswertungsverfahren

144 144 144 146 148 148 151 152 155

alverzeichnis Β. Untersuchungsergebnisse

I.

Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände 1. Freie Berufe a) Kenntnis der Höhe der steuerlichen Belastung aa) Kenntnis der tatsächlichen Einkommensteuerzahlung . . bb) Kenntnis des Durchschnittssteuersatzes cc) Kenntnis des Grenzsteuersatzes dd) Kenntnis der Steuervorauszahlungen ee) Zur Plausibilität der ermittelten Ergebnisse b) Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit c) Zur Ausnutzung von Steuervorteilen 2. Vorarbeiter und Industriemeister a) Kenntnis der Höhe der steuerlichen Belastung aa) Kenntnis der tatsächlichen Lohnsteuerzahlung bb) Kenntnis der Grenzbelastung cc) Eintragung eines Steuerfreibetrags b) Abrechnung der jährlichen Steuerschuld c) Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit d) Zur Ausnutzung von Steuervorteilen 3. Zusammenfassung II. Steuerliche im Kontext zu anderen Einflußfaktoren des Arbeitsverhaltens 1. Freie Berufe a) Determinanten der durchschnittlichen Arbeitszeit b) Determinanten des Ruhestandsbeginns c) Steuerkenntnis und tägliche Arbeitszeit sowie Ruhestandsbeginn 2. Vorarbeiter und Industriemeister a) Determinanten der durchschnittlichen Arbeitszeit b) Überstundenarbeit c) Determinanten des Ruhestandsbeginns III. Reaktionen auf Variationen in der Höhe der steuerlichen Belastung des Einkommens 1. Leistungsbezogenes Anpassungsverhalten (Überblick) a) Freie Berufe b) Vorarbeiter und Industriemeister 2. Aktivitäten in der Schattenwirtschaft 3. Reaktionen durch die Mitarbeit anderer Haushaltsmitglieder .. 4. Beeinflussung der Arbeitsqualität 5. Nicht-leistungsbezogenes Steuerabwehrverhalten a) Steuerüberwälzung b) Steuervermeidung IV. Schätzung der Einkommens- und Substitutionseffekte 1. Einkommens- und Substitutionseffekt in bezug auf die tägliche Arbeitszeit 2. Einkommens- und Substitutionseffekt in bezug auf den Ruhestandsbeginn

157

157 158 158 158 160 162 165 168 178 180 187 187 187 189 190 193 198 200 202 204 207 207 219 225 230 230 237 239 244 244 244 249 257 260 266 267 267 268 269 269 272

10

alverzeichnis

C. Steuergrenzen bei der Leistungsbereitschaft

I. Einstellungen zu Steuererhöhungen II. Steuerbelastung und Leistungsbereitschaft III. Kritische Einkommensteuersätze

274

274 277 282

Fünftes Kapitel

Ergebnisse und Schlußfolgerungen

Literaturverzeichnis

296

blnverzeichnis Tab. 3.1: Empirische Untersuchungen über den Einfluß von Steuern auf das Arbeitsverhalten im Ausland

96

Tag. 3.2: Belastungsgefühl und Einschätzung der Angemessenheit der steuerlichen Belastung in der Untersuchung von Schmölders (1958)

101

Tab. 3.3: Vergleich der Anteils werte der Befragten mit Steuerwirkungen in den Untersuchungen von Break (1956) und Fields/Stanbury (1969)

106

Tab. 3.4: Vergleich der Anteils werte der als zuverlässig ermittelten Steuerwirkungen

107

Tab. 3.5: Anteils werte der Befragten mit Steuerwirkungen in der Untersuchung von Chatterjee und Robinson (1968)

108

Tab. 3.6: Wirkungen einer hypothetischen Einkommensteuer (Sollertragsteuer) auf das Arbeitsverhalten von business executives in der Untersuchung von Holland (1965)

111

Tab. 3.7: Steuerliche Effekte auf Überstundenarbeit und tatsächlich geleistete Überstunden in der Untersuchung von Brown und Levin (1971)

119

Tab. 3.8: Einstellung zur Ausdehnung des Geschäftsumfangs bei deutschen Selbständigen in der Untersuchung von Engelhardt (1963)

131

Tab. 3.9: Einstellung zur eigenen Freizeit bei deutschen Selbständigen in der Untersuchung von Strümpel (1963)

132

Tab. 3.10: Einfluß einer Einkommensteuersenkung auf den Umfang der Berufstätigkeit bei deutschen Selbständigen in der Untersuchung von Engelhardt (1963)

134

Tab. 3.11: Einfluß einer Einkommensteuersenkung auf den Ruhestandsbeginn bei deutschen Selbständigen in der Untersuchung von Engelhardt (1963)

135

Tab. 4.1: Betriebe, Beschäftigte und Umsatz insgesamt und nach der Befra^ gung in den betreffenden Industriegruppen in Schleswig-Holstein für 1973

147

Tab. 4.2: Kenntnis der tatsächlich gezahlten Steuern (freie Berufe)

159

Tab. 4.3: Kenntnis der eigenen durchschnittlichen Einkommensteuerbelastung

161

Tab. 4.4: Kenntnis der Grenzsteuerhöhe bei der Einkommensteuer

163

Tab. 4.5: Angabe der Vorauszahlung zur Einkommensteuer

166

Tabellenverzeichnis

12

Tab. 4.6: Merkmalsstruktur der Befragten mit und ohne Angabe der Vorauszahlung zur Einkommensteuer Tab 4.7:

Durchschnittsteuersatz lt. Steuertarif und nach eigener Einschätzung durch die Befragten

167 172

Tab. 4.8: Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit (freie Berufe)

179

Tab. 4.9: Ausnutzung von Steuervorteilen (freie Berufe)

183

Tab. 4.10: Ausnutzung von Steuervorteilen bei der Wahl der Sparform . . .

184

Tab. 4.11: Steuerliche Gesichtspunkte beim Honorareinzug

186

Tab. 4.12: Kenntnis der tatsächlich gezahlten Steuern (Vorarbeiter und Industriemeister)

188

Tab. 4.13: Kenntnis der Grenzsteuerhöhe und der Grenzabzugsquote . . . .

191

Tab. 4.14: Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte

192

Tab. 4.15: Veranlagung zur Einkommensteuer und Lohnsteuerjahresausgleich

195

Tab. 4.16: Eigenheimbesitz

197

Tab. 4.17: Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit (Vorarbeiter und Industriemeister) Tab. 4.18: Ausnutzung von Steuervorteilen (Vorarbeiter und Industriemeister) Tab. 4.19: Gründe für Abweichungen der täglichen Arbeitszeit von der Praxiszeit/Bürozeit (längere effektive Arbeitszeit)

209

Tab. 4.20: Gründe für Abweichungen der täglichen Arbeitszeit von der Bürozeit (kürzere effektive Arbeitszeit)

210

199 201

Tab. 4.21: Der steuerliche Aspekt bei Abweichungen der Länge der täglichen Arbeitszeit von der Praxiszeit/Bürozeit

212

Tab. 4.22: Arbeitszeitverkürzung

213

Tab. 4.23: Gründe der Arbeitszeitverkürzung

214

Tab. 4.24: Der Arbeitszeitverkürzung entgegenstehende Gründe Tab. 4.25: Der steuerliche Aspekt bei der Bestimmung der Länge der täglichen Arbeitszeit

216 218

Tab. 4.26: Beginn des Ruhestands (freie Berufe)

221

Tab. 4.27: Gründe für frühen Ruhestandsbeginn

222

Tab. 4.28: Gründe für späten Ruhestandsbeginn

224

Tab. 4.29: Der steuerliche Aspekt bei der Bestimmung des Ruhestandsbeginns

226

Tab. 4.30: Steuerkenntnis und steuerliche Einflüsse bei der Entscheidung über Abweichungen der Arbeitszeit von der Praxiszeit/Bürozeit

228

Tab. 4.31: Steuerkenntnis und steuerliche Einflüsse bei der Bestimmung der Länge der täglichen Arbeitszeit

229

Tabellenverzeichnis

Tab. 4.32: Steuerkenntnis und steuerliche Einflüsse bei der Bestimmung des Ruhestandsbeginns

231

Tab. 4.33: Länge der Arbeitszeit (Vorarbeiter und Industriemeister)

233

Tab. 4.34: Gründe für kürzere Arbeitszeit

235

Tab. 4.35: Gründe für längere Arbeitszeit

236

Tab. 4.36: Überstundenarbeit (Vorarbeiter und Industriemeister)

238

Tab. 4.37: Gründe für Überstundenarbeit

240

Tab. 4.38: Beginn des Ruhestands (Vorarbeiter und Industriemeister)

242

Tab. 4.39: Gründe für möglichst frühen Beginn des Ruhestands

243

Tab. 4.40: Reaktionen bei Einkommensteuererhöhungen (freie Berufe) . . .

246

Tab. 4.41: Reaktionen von freien Berufen auf Steuersenkungen

250

Tab. 4.42: Reaktionen bei Erhöhung der Lohnsteuer um 10 %

253

Tab. 4.43: Reaktionen bei Verdoppelung der Lohnsteuer

254

Tab. 4.44: Reaktionen bei Senkung der Lohnsteuer

256

Tab. 4.45: Nebenbeschäftigung (Vorarbeiter und Industriemeister)

259

Tab. 4.46: Mitarbeit der Ehefrau (Vorarbeiter und Industriemeister)

262

Tab. 4.47: Gründe für die Mitarbeit der Ehefrau

263

Tab. 4.48: Einverständnis für die Mitarbeit der Ehefrau

265

Tab. 4.49: Einstellung zu Einkommensteuererhöhungen (freie Berufe) Tab. 4.50: Vorschläge für Steuererhöhungen (Vorarbeiter und Industriemeister

275 276

Tab. 4.51: Einfluß der Steuerbelastung auf die Leistungsbereitschaft (freie Berufe)

279

Tab. 4.52: Steuerbelastung und Leistungsbereitschaft (Strukturmerkmale)

280

Tab. 4.53: Kritische Einkommensteuersätze und Leistungsbereitschaft Tab. 4.54: Zur Identität von Befragtengruppen mit eingeschränkter Leistungsbereitschaft

283 286

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Leistungsverhalten und Leistungswirkungen

26

Abb. 2: Individuelles Einkommens-Freizeit-Gleichgewicht

32

Abb. 3: Reaktion von Arbeitszeit und Freizeit auf eine Kopfsteuer

32

Abb. 4: Reaktion von Arbeitszeit und Freizeit auf eine proportionale Einkommensteuer

33

Abb. 5: Reaktion von Arbeitszeit und Freizeit auf eine progressive Einkommensteuer

34

Abb. 6: Die Bedürfnispyramide nach Maslow

60

Abb. 7: Erfassungsbereiche der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) Abb. 8: Programmpaket zur Speicherung, Korrektur und Auswertung von

77

Fragebögen

156

Abb. 9: Steuerkenntnis der freien Berufe

205

Abb. 10: Steuerkenntnis der Vorarbeiter und Meister

206

Abungsverzeichnis Anm. Art. Aufl. Bd. BGBl I c.p. d. Verf. erg. EStG f., ff. H. Hrsg. hrsg.

= = = = = = = = = = = = =

Anmerkung Artikel Auflage Band Bundesgesetzblatt, Teil I ceteris paribus der Verfasser ergänzt Einkommensteuergesetz folgende Heft Herausgeber herausgegeben

Jg. m.a.W, N.F. N.S. S. u. usw. V.

verb. vgl. Vol. ζ. B. ζ. T.

Jahrgang mit anderen Worten Neue Folge Neue Serie Seite und und so weiter von verbessert vergleiche Volume zum Beispiel zum Teil

„Numerous problems in economics will only be cracked when applied economists become more willing to soil their hands by undertaking difficult and time-consuming surveys to obtain information." J. Kesselmann, 1969

Erstes Kapitel

Einleitung A. Problemstellung und Abgrenzung Seit dem 18. Jh. zieht sich durch die steuerpolitische Diskussion 1 wie ein roter Faden die Auffassung, daß der Leistungswille der Zensiten durch eine „übermäßige" Steüerbelastung seitens des Staates beeinträchtigt oder sogar gelähmt werde 2»3 (mikroökonomische Steuergrenze). Hinweis zur Zitierweise: Beim ersten Mal wird jede Quelle ausführlich zitiert. Wird auf eine Quelle erneut Bezug genommen, wird eine verkürzte Zitierweise [Verfasser (Erscheinungsjahr) Seite] angewendet. 1 Zur dogmenhistorischen Entwicklung der Begründung der Besteuerung vgl. vor allem F. K. Mann, Steuerpolitische Ideale. Vergleichende Studien zur Geschichte der ökonomischen und politischen Ideen und ihres Wirkens in der öffentlichen Meinung 1600 — 1935, Jena 1937, S. 38 ff., passim. 2 Vgl. z. B. J. W. v.d. Lith, Politische Betrachtungen über die verschiedenen Arten der Steuern, Breslau 1751, S. 13 f.; C. Kröncke, Das Steuerwesen, nach seiner Natur und seinen Wirkungen, Darmstadt, Gießen 1804, S. 301 ff.; J. B. Say, Darstellung der Nationalökonomie oder der Staatswirtschaft, aus dem Franz. der 3., gänzl. umgearb., verb. u. mit einem Auszug der Hauptgrundsätze dieser Wissenschaft vermehrten Ausgabe übers, u. mit Anm. begleitet von C. E. Mörstadt, Bd. 2, Heidelberg 1819, S. 294; L. H. v. Jakob, Die Staatsfinanzwissenschaft. Theoretisch und praktisch dargestellt und durch Beispiele aus der neuen Finanzgeschichte europäischer Staaten erläutert, 2., verb. u. verm. Aufl. v. J. F. H. Eiselen, Halle 1837, S. 267; J. C. v. Fulda, Über die Wirkung der verschiedenen Arten der Steuern auf die Moralität, den Fleiß und die Industrie des Volks, Stuttgart 1837, S. 113 f.; Th. Mayer, Geschichte der Finanzwirtschaft und Finanzwissenschaft vom Spätmittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, 1. Bd., hrsg. v. W. Gerloff, F. Meisel, Tübingen 1926, S. 210 — 244.

3 Dies gilt insbesondere für Länder, die traditionell im internationalen Vergleich eine hohe Einkommensteuerbelastung aufweisen. Für das immer wieder zitierte schwedische Beispiel stellt jedoch U. Laurin, Tax Evasion and Prisoners' Dilemma. Some Interview Data and a Tentative Model for Explanation, Paper presented at the European Public Choice Meeting at Hanstholm, April 13—16, 1983, fest: "Today's comprehensive debate resembles that of the 1950's, when tax evasion was also a major issue on the political agenda. Warnings were voiced then too that the high taxes constituted a danger to tax return morality, which was alleged to be in a state of dissolution. Many maintained that tax evasion was of unprecedented extent, primarily because of the marginal taxes, at the time as several commissions warned of the development and recommended strong measures. But the debate of the 1950's was no novelty either, for already during the 1930's came warnings that very substantial amounts were withheld from taxation, and that the tax morality otherwise left much to be desired. Even then high taxes and poor controls were thought to be the causes of the evasion. As several researches have shown, the discussion of tax evasion has been to the fore ever since taxes were introduced". (S. 1, Hervorhebung v Verf.)

18

1. Kap. Α. Problemstellung und Abgrenzung

Die steuerlich bedingte Lähmung des Leistungswillens 4 könne zu einem Zusammenbruch unserer Wirtschaftsordnung führen 5 oder — weniger rigoros — Grenzen staatlicher Betätigung 6 aufzeigen (makroökonomische Steuergrenze). In der Argumentation werden dabei in erster Linie die Wirkungen der progressiven Einkommenbesteuerung analysiert, die bei steigendem Einkommen zu steigender Durchschnitts- und Grenzbelastung führt. Es würde immer weniger lohnend, sich für Einkommenssteigerungen einzusetzen, folglich würde der Leistungswille sinken. 7 Beschränkt man sich bei derartigen Überlegungen auf das Einkommen als Hauptdeterminante des Leistungsverhaltens — andere bedeutsame Faktoren sind beispielsweise die durch die Arbeit erlangte Zufriedenheit, soziale Aspekte wie Prestige, Machteinflüsse usw. —, so könnte man tatsächlich zu dem plausiblen Ergebnis gelangen, daß mit steigender steuerlicher Belastung des Einkommens der Anreiz, ein zusätzliches Einkommen zu erzielen, sinken würde. Dies ist jedenfalls der Eindruck, den die Reaktionen der Zensiten auf die Ankündigung einer Steuererhöhung oder die Einführung einer neuen Steuer entstehen lassen. Bei der Beurteilung einer solchen Aussage kann allerdings nicht ohne weiteres von der Plausibilität des erwarteten Ergebnisses auf seine Richtigkeit geschlossen werden. Ein solcher Schluß wäre nur dann zulässig, wenn — die Wirklichkeit bestätigte, daß der Leistungswille bei Steuererhöhungen zurückginge und — das Ausmaß bzw. die Veränderung des Ausmaßes der steuerlichen Belastung die einzige oder zumindest die wesentliche Determinante des Leistungsverhaltens wäre. 4 Auf die finanzhistorisch ebenfalls gesehene Anspornwirkung in Richtung auf eine Erhöhung des Arbeitsangebots wird von G. Schmölders, Finanzpolitik, 3., neu Überarb. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York 1970a, S. 374, ausdrücklich hingewiesen. s Vgl. F. A. Hayek, Die Ungerechtigkeit der Steuerprogression, „Schweizer Monatshefte", 32. Jg., Zürich 1952/53, S. 508. Als ausgesprochen provokativ muß die Äußerung von G. Rinsche, Steuerbelastung und Wirtschaftsordnung, „DieAussprache", 10. Jg., 1960, S. 332, angesehen werden: „Nach Ansicht der Finanzwissenschaftler bedroht eine hohe Steuerbelastung die freie Wettbewerbswirtschaft dadurch, daß die Wirtschaftssubjekte durch Überbesteuerung zu einem Verhalten gedrängt werden, das dem Wesen der Marktwirtschaft widerspricht und diese damit in ihrer Existenz gefährdet. Dieser Zusammenhang darf als eine gesicherte Erkenntnis betrachtet werden(Hervorhebung v. Verf.) 6 Vgl. K. Schmidt, Möglichkeiten und Grenzen einer Finanzpolitik des sozialen Ausgleichs, „Ordo-Jahrbuch für die Ordnung von der Wirtschaft", Bd. X, 1958, S. 319 ff. Ähnlich hat sich W. Albers, Grenzen des Wohlfahrtsstaates, in: Soziale Probleme der modernen Industriegesellschaft, hrsg. v. B. Külp, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F., Bd. 92/11, Berlin 1977, S. 935 ff., geäußert. Siehe auch G. Schmölders, Allgemeine Steuerlehre, 5. Aufl., neu bearb. v. K.-H. Hansmeyer, Berlin 1980 (Drittes Kapitel, S. 97 f.). 7 Vgl. dazu auch schon J. St. Mill, Grundsätze der politischen Oekonomie, aus der 5. Ausgabe des Originals übersetzt v. A. Soetbeer, Hamburg 1864, S. 600.

1. Kap. Α. Problemstellung und Abgrenzung

Davon kann aber, wie noch zu zeigen sein wird, bei natürlichen Personen nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Eine wesentliche Einschränkung bei Aussagen über den steuerlichen Einfluß auf das Leistungsverhalten ist demnach darin zu sehen, daß aufgrund der Anwendung der ceteris paribus-Klausel die anderen Determinanten des Leistungsverhaltens als gegeben vorausgesetzt werden. Damit können drei Mängel verbunden sein: — Die möglicherweise vorhandene Dominanz eines oder mehrerer nichtsteuerlicher Leistungsmotive wird ignoriert. — Die Interdependenz nachlässigt.

zwischen den einzelnen Motiven

wird

ver-

— Es bleibt unberücksichtigt, daß sich im Züge steigender Steuerbelastung, d. h.in dynamischer Betrachtungsweise, Verschiebungen in der Einflußstärke der einzelnen Leistungsmotive ergeben können. 8 Mit diesen Bemerkungen soll der Wert der c.p.-Klausel bei der Analyse des steuerlich bedingten Leistungsverhaltens bzw. der Verhaltensänderungen keineswegs in Abrede gestellt werden. Sicherlich sind theoretische Analysen, wie sie unten referiert werden sollen, ein wichtiger Schritt bei der Gewinnung von Erkenntnissen für die Steuerwirkungslehre. Wie sich aber zeigen wird, gelangen sie alle zu dem Ergebnis, daß Definitives noch nicht abzuleiten sei. Es können zwar Hypothesen formuliert werden, die als Ergebnisse aus den in die Analyse eingegangenen Prämissen (ζ. B. im Rahmen der gebräuchlichen Indifferenzkurvenanalyse: die zugrundegelegte Präferenzstruktur) folgen, ihre Überprüfung ist aber letztlich nur empirisch möglich. 9 » 10 Daraus folgt, daß die Bestimmung des Stellenwertes steuerlicher Einflußfaktoren im gesamten Motivbündel ein wichtiges Vorziel bei der Ermittlung steuerlicher Leistungswirkungen darstellt. Solange diese Frage nicht beant8 Dabei handelt es sich um einen Gesichtspunkt, der in der finanzwissenschaftlichen Literatur bisher noch nicht systematisch analysiert worden ist. 9 Auf die Notwendigkeit empirischer Untersuchungen hat schon L. C. Robbins, On the Elasticity of Demand for Income in Terms of Effort, "Economica4^ Vol. 10, 1939, S. 129, hingewiesen. In mehreren deutschen finanzwissenschaftlichen Lehrbüchern wird die Forderung nach empirischen Untersuchungen beinahe stereotyp wiederholt, ohne daß die bereits durchgeführten Analysen zur Kenntnis genommen werden. Vgl. G. Hedtkamp, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, 2. neubearb. Aufl., Neuwied, Berlin 1977, S. 364 ff.; H. Haller, Die Steuern. Grundlinien eines rationalen Systems öffentlicher Abgaben, 3., Überarb. Aufl., Tübingen 1981, S. 301 ff.; H. Zimmermann/K.-D. Henke, Finanzwissenschaft. Eine Einführung in die Lehre von der öffentlichen Finanzwirtschaft, 3., überarb. u. erg. Aufl., München 1982, S. 166 ff. 10 „Die auf diesem Gebiet bisher geleistete Arbeit steckt zweifellos noch in den Anfängen. Insbesondere wird jede empirische Erhebung durch die vage Kenntnis der Besteuerten über ihre tatsächliche Steuerbelastung erheblich erschwert." (G. Schmölders (1970a) S. 374f.)

20

1. Kap. Α. Problemstellung und Abgrenzung

wortet ist, müssen auch „extreme" Hypothesen aufgestellt werden können, wie etwa die Aussage, daß der Grenzsteuersatz der Einkommensteuer von einem bestimmten Einkommen ab 100 Prozent betragen könne, 11 ohne daß sich die befürchteten Wirkungen im Leistungsverhalten zeigen.12 Nach diesen einleitenden Hinweisen können Zielsetzung und Untersuchungsmethode dieser Arbeit konkreter umrissen werden. Im Vordergrund steht die Untersuchung der Beeinflussung des Leistungsverhaltens einzelner Zensiten bzw. Zensitengruppen durch Einkommensteuern. Dabei sollen Aussagen zur mikroökonomischen Steuergrenze gewonnen werden. In erster Linie soll kausalanalytisch vorgegangen werden, d. h. es soll der Wirkungszusammenhang zwischen Steuererhebung bzw. der Änderung steuerlicher Parameter und dem Leistungsverhalten, unter dem im wesentlichen — wie die spätere Abgrenzung zeigen wird — das Arbeitsverhalten (verschiedene Aspekte der Höhe des Arbeitsangebotes, Mobilitätsverhalten, Arbeitsqualität) verstanden werden soll, aufgezeigt werden. Strenggenommen handelt es sich auch bei einigen Fragenkomplexen der eigenen empirischen Analyse zunächst um einen c.p.-Ansatz. Die dagegen geltend gemachten Vorbehalte werden aber wenigstens teilweise dadurch ausgeräumt, daß es aufgrund (der Untersuchungs- und Auswertungsmethode möglich ist, Zensitengruppen durch verschiedene Merkmale (Merkmalbündel) hinreichend zu charakterisieren. Außerdem wird, etwa bei der Frage einer Anpassung an eine steuerliche Belastungsveränderung, nicht nur global die Anpassungsrichtung „Arbeitsangebot" verfolgt, sondern die wichtigsten, den Zensiten zur Verfügung stehenden (Re-)Aktionsparameter einbezogen. Die Erforschung des Kausalzusammenhangs zwecks Erklärung der Realität ist eine notwendige Voraussetzung dafür, daß auch finale Fragestellungen, wie sie etwa bei der „incentive taxation" anklingen, beantwortet werden können. 13 „Soll die Besteuerung wirtschafts- und finanzpolitische Ziele erreichen helfen, muß sich ihr Zugriff gezielt einsetzen und genau dosieren lassen. Die Möglichkeit aber hängt ,νοη den tatsächlich beobachteten, nicht von den gewollten oder befürchteten Steuerwirkungen' ab. Die Leistungsfähigkeit 11 Beispielsweise hält Neumark einen Grenzsteuersatz von 100 % für vereinbar mit einer sozialen Marktwirtschaft, „vorausgesetzt nur, er finde erst auf nach den jeweiligen Verhältnissen und vorherrschenden Anschauungen exorbitant hohe Einkommens- oder Vermögens- bzw. NachlaSteile Anwendung". {F. Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, Tübingen 1970, S. 207. Hervorhebung im Original.) 12 Von der Gestaltung eines einzelnen Steuertarifs scharf zu unterscheiden ist die Frage nach den Grenzen der steuerlichen Gesamtbelastbarkeit (limits of taxable capacity), deren Bestimmung es sehr wohl gebieten könnte, bei Einzelsteuern niedrigere Grenzsteuersätze anzuwenden. 13 Entsprechendes gilt auch für die in jüngerer Zeit wieder stärker diskutierte Frage nach der „optimalen" Progression der Einkommensteuer. Vgl. ζ. B. M. J. Boskin, On Some Recent Econometric Research in Public Finance, "The American Economic Review", Vol. 66, Papers and Proceedings, 1976, S. 105.

1. Kap. Α. Problemstellung und Abgrenzung

der Steuerwirkungslehre ist somit letztlich der Erfolgsmaßstab für das Bemühen um eine rationale Steuerpolitik." 14 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die steuerliche Beeinflussung und Beeinflußbarkeit des Leistungsverhaltens prinzipiell bei allen Einkommensklassen zu untersuchen ist. Um die eingangs grob skizzierte Hypothese eines mit steigender steuerlicher Belastung abnehmenden Leistungswillens (bei gleichem/steigendem Einkommen) zu überprüfen, hat der Verf. die Zielgruppen für die eigenen Erhebungen sowohl aus den oberen wie aus den mittleren und unteren Einkommensklassen ausgewählt. Steuerlich induzierte Verhaltensänderungen werden insbesondere dann eintreten, wenn die Veränderung der Steuerlast von den Zensiten wahrgenommen wird. Die Merklichkeit der steuerlich bedingten Einkommensveränderung ist bei der Einkommensteuer und der Vermögensteuer wegen des unmittelbaren Zugriffs auf das verfügbare Einkommen größer als bei indirekten Steuern. Daher ist zu erwarten, daß sich Leistungswirkungen — wenn überhaupt — vor allem bei den direkten Steuern zeigen. Aus diesem Grunde steht die Einkommensteuer im Vordergrund dieser Untersuchung. A priori ist nicht auszuschließen, daß auch Belastungsveränderungen infolge der Variation indirekter Steuern zu Änderungen im Leistungsangebot führen können. Zu denken wäre etwa an die zwecks Sicherung des Existenzminimums vorgenommene Erhöhung des Arbeitsangebots niedrigster Einkommensklassen infolge einer durch eine Erhöhung indirekter Steuern bewirkten Realeinkommensminderung. Diese Effekte sollen jedoch nicht erörtert werden. In dieser Untersuchung werden außerdem die folgenden Problemkreise nicht behandelt: — Der Einfluß steuerlicher Parameter auf das Investitionsverhalten der Unternehmen. Dies ist Gegenstand vornehmlich betriebswirtschaftlicher Analysen. 15 14

G. Engelhardt, Der Beitrag der Finanzpsychologie zu einer rationalen Steuerpolitik, in: Wirtschaftstheorie als Verhaltenstheorie. Ein Symposium der Forschungsstelle für empirische Sozialökonomik, Beiträge zur Verhaltensforschung, hrsg. v. G. Schmölders, H. 11, Berlin 1969, S. 98. 15

Vgl. aus der breiten Literatur ζ. Β. H. Albach, Steuersystem und unternehmerische Investitionspolitik, Wiesbaden 1970. H. Huth, Der Einfluß der Gewinnbesteuerung auf die Investitionsneigung und Risikobereitschaft des Unternehmers, Diss., Frankfurt/M. 1967. D. Schneider, Der Einfluß der Besteuerung auf die Investitionspolitik der Unternehmen, in: Optimale Investitionspolitik, Schriften zur Unternehmensführung, hrsg. v. H. Jacob, Bd. 4, Wiesbaden 1968, S. 33 — 62. W. Ehrlicher unter Mitarbeit von E. Wilk, Grenzen der steuerlichen Belastbarkeit des Produktivvermögens, Wirtschaftspolitische Kolloquien der Adolf-Weber-Stiftung, Berlin 1977. Von grundlegender Bedeutung ist die Arbeit v. H.-G. Jatzek/W. Leibfritz unter Mitarbeit von H. Ludwig, Der Einfluß der Steuern auf die Investitionstätigkeit der Unternehmen, Schriftenreihe des Ifo-Institus für Wirtschaftsforschung, Nr. 111, Berlin, München 1982. Aus dem neueren Schrifttum vgl. ζ. B. H.-G.

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1. Kap. Α . Problemstellung und Abgrenzung

— Die Bestimmung einer gesamtwirtschaftlichen Steuerbelastungsgrenze. 16 Dieses Problem hat insbesondere eine Rolle gespielt für internationale Belastungsvergleiche, aus denen nicht selten für die heimische Wirtschaft Forderungen nach einer Senkung der steuerlichen Belastung resultierten. Es soll aber nicht ausgeschlossen werden, daß sich aus der folgenden Analyse ergebende Schlußfolgerungen als nützlich für die Beurteilung der Existenz gesamtwirtschaftlicher Belastungsgrenzen erweisen. — Die Frage, inwieweit die Verausgabung der durch die jeweilige steuerliche Belastung erzielten Mittel für die Zensiten wahrnehmbar ist bzw. wahrgenommen wird, so daß infolge einer daraus möglicherweise resultierenden positiven Einstellung zum staatlichen Handeln eine vergleichsweise hohe Steuerbelastung vom Staatsbürger akzeptiert würde. Dem stünde als ebenfalls denkbares Verhalten der Zensiten infolge des spezifischen Charakters der öffentlichen Güter eine Verringerung der Leistungsbereitschaft gegenüber. 17 — Von großer Bedeutung für die Bestimmung mikroökonomischer und makroökonomischer Steuergrenzen dürfte auch die mit inflatorischen Prozessen einhergehende „kalte Progression" der Besteuerung sein. 18 Wenn dieses Problem gleichwohl nicht behandelt wird, dann deshalb, weil es infolge diskretionärer Steuertarifänderungen außerordentlich schwierig ist, die Verhaltensrelevanz dieser Wirkungen zu erfassen. Folglich ist dieser Aspekt in den eigenen Erhebungen (4. Kapitel) auch nicht explizit untersucht worden. Die weitere Untersuchung ist in folgende Schritte gegliedert: Nach der sich unmittelbar anschließenden definitorischen Klärung einiger wichtiger Petersen, Taxes, Tax Systems and Economic Growth, in: Towards an Explanation of Economic Growth, Symposium 1980, hrsg. von H. Giersch, Tübingen 1981, S. 313-347, der allerdings zu der Schlußfolgerung gelangt: „An everlasting limit of taxation does not exist; which average tax rate can be considered tolerable depends on the attitude of tax payers and, as part of this attitude, on the degree of 'fiscal illusion*." (S. 335) 16 Vgl. dazu den frühen Versuch von C. Clark, Public Finance and Changes in the Value of Money, "The Economic Journal", Vol. 55,1945, S. 371 ff. Clark sah nach einer— nicht durchweg überzeugenden — empirischen Analyse eine gesamtwirtschaftliche Steuergrenze von etwa 25 % des Volkseinkommens als erwiesen an. 17 Vgl. P. S. Chambers, Taxation and Incentives, "Lloyd's Bank Review", N. S., No. 8. 1948, S. 11. 18 Vgl. dazu ζ. B. H.-G. Petersen, Personelle Einkommensbesteuerung und Inflation. Eine theoretisch-empirische Analyse der Lohn- und veranlagten Einkommensteuer in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt/M. u. a. 1977. G. Kopits, Inflation, Income Taxation, and Economic Behavior, in: Comparative Tax Studies, Essays in Honor of R. Goode, hrsg. v. S. Cnossen, Amsterdam u. a. 1983, S. 371-387. Ebenfalls nicht untersucht werden die Wirkungen von Einkommensteuervariationen auf die makroökonomischen Aggregate Arbeitsangebot, output und Preisniveau. Vgl. dazu z. B. D. J. Smyth, Income Taxes, Labor Supply, Output, and the Price Level, "Public Finance", Vol. 37, 1982, S. 98—113 und die dort angegebene Literatur.

1. Kap. Β. Definitionen

23

Begriffe folgt im 2. Kapitel „rekapitulativ" die Darstellung der Theorie des Arbeitsangebotes sowie des Einflusses der Einkommensbesteuerung auf das Arbeitsangebot, allgemeiner des Arbeitsverhaltens. Der ökonomische, komparativ-statische Erklärungsansatz wird dann verlassen, indem vor allem psychologische Determinanten des Leistungsverhaltens einbezogen werden. Diesem Kapitel kommt eine vorbereitende Funktion für die sich anschließenden Teile zu, weil es der Präzisierung der Grundhypothese dient. Da in nahezu allen Lehrbüchern auf die Notwendigkeit einer empirischen Überprüfung der Ergebnisse der Steuerwirkungslehre hingewiesen wird, scheint es geboten, die inzwischen vor allem im Ausland durchgeführten Untersuchungen zusammenfassend mit dem Ziel zu analysieren, inwieweit sie zur Überprüfung der Hypothesen beitragen. Die dabei gefundenen Ergebnisse zeigen, daß die „Grundlagenforschung" immer noch unzureichend ist. Aus diesem Grunde hat der Verf. umfangreiche eigene Erhebungen bei abhängig Beschäftigten aus den unteren und mittleren Einkommensklassen (Vorarbeiter und Industriemeister) und bei Selbständigen aus den oberen und obersten Einkommensklassen durchgeführt. Die ausführliche Darstellung der dabei gewonnenen Ergebnisse zur Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände (Höhe der steuerlichen Belastung; Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit) ebenso wie zu den steuerlichen Einflüssen auf das Arbeitsverhalten (Arbeitszeit, Arbeitsqualität, Ruhestandsbeginn usw.) soll dazu beitragen, bestehende Lücken in der Steuerwirkungslehre zu schließen. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse sowie sich daraus ergebende Schlußfolgerungen schließen die Arbeit ab. B. Definitionen Für die folgende Analyse erweist es sich als zweckmäßig, einige Begriffe definitorisch festzulegen. Dem Titel dieser Untersuchung entsprechend, muß dies in erster Linie für die Begriffe »Leistung 4 ,,Anreiz 4 ,,Leistungsanreiz' und , Leistungswirkung' erfolgen. 19 Daneben bedürfen aber auch die »Leistungsbereitschaft' und die »Leistungsfähigkeit' einer definitorischen Klärung, weil sie wichtige Determinanten für das »Leistungsverhalten' darstellen. Ursprungszone des Leistungsbegriffs ist — bezogen auf die Zeit — die menschliche Arbeit. 2 0 ' 2 1 Etymologische Untersuchungen führen zu einer 19 Auf den Begriff „Steuer" soll hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu die einschlägigen finanzwissenschaftlichen Lehrbücher, ζ. Β. H. Kolms, Finanzwissenschaft II, Erwerbseinkünfte, Gebühren und Beiträge, Allgemeine Steuerlehre, 4., verb. Aufl., Berlin, New York 1974, S. 26 ff. 20

Vgl. Ch. Th. Wagner, Lassen sich die gegenläufigen Forderungen nach Leistungssteigerung und Selbstverwirklichung erfüllen?, in: Sinn und Unsinn des Leistungsprinzips. Ein Symposium, dtv Bd. 990, München 1974, S. 139. 21 In der Physik wird Leistung als Arbeit pro Zeiteinheit definiert.

24

1. Kap. Β. Definitionen

begrifflichen Ambivalenz: Leisten bzw. Leistung ist einerseits als Prozeß zu verstehen, d. h. sie hat dynamischen Charakter, andererseits läßt sich der Begriff auf sprachliche Wurzeln zurückführen, die etwas Statisches, Abgeschlossenes im Sinne eines Ergebnisses beinhalten. 22 Bereits im alltäglichen Sprachgebrauch wird diese Mehrdeutigkeit des Begriffs evident: Man versteht darunter sowohl den Einsatz bzw. Verbrauch (von Energie und Arbeit) im Sinne ökonomischer inputs als auch den Ausstoß (Arbeitsergebnisse), d. h. auf ökonomische Betrachtungsweise bezogen: outputs. Es fehlt nicht an Versuchen, beide Aspekte definitorisch zusammenzufassen. Beispielsweise beschreibt Thomae Leistung „als einen »Energieaufwand', der direkt oder indirekt zu der Mehrung des Sozialproduktes in Beziehung steht". 23 M i t einem solchen im Sinne einer Kennzahl zu verstehenden Begriffsinhalt wird die Leistung als ökonomische Kategorie festgelegt. W i r d für Sozialprodukt' »Volkseinkommen' gesetzt, ergibt sich der für diese Untersuchung wichtige funktionale Zusammenhang zwischen Leistung bzw. Leistungsänderung und Einkommen bzw. Einkommensänderung. „Eine ,Leistung' wird nur dann konstituiert, wenn ein bewertendes Individuum bestimmte Züge einer Situation als Kriterien für eine »Leistung' anerkennt. Genau dieser Vorgang, bei dem jemand die »Leistung' eines anderen anerkennt, ist konstitutiv für den »Erfolg'. »Leistung' und,Erfolg' sind also unlöslich miteinander verbunden; sie sind zwei Aspekte desselben Vorgangs: Erst im ,Erfolg' wird eine »Leistung' konstituiert, und nur durch eine »Leistung' ist ein »Erfolg' möglich." 2 4 M i t dieser inhaltlichen Deutung wird eine Ausweitung des ursprünglichen Begriffs beschritten: Leistung wird von einer Kennzahl zum Prinzip. 25 Wir finden das Leistungsprinzip zum einen als individualbezogene Norm in der Arbeitswelt, in der es seinen sichtbaren Ausdruck etwa in dem als Verhaltensfunktion formulierten ökonomischen Prinzip gefunden hat, zum anderen impliziert das Leistungsprinzip, wenn es für eine Gesellschaft postuliert wird, eine Verteilungsnorm (Leistungsgesellschaft). 26 22 Eine weitergehende semasiologische und etymologische Analyse des Leistungsbegriffs ist hier nicht erforderlich. Vgl. dazu z. B. P. Gaude/W. P. Teschner, Objektivierte Leistungsmessung in der Schule, Einsatz informeller Tests im leistungsdifferenzierten Unterricht, 2. Aufl., Berliner Studien zur Bildungsplanung und Bildungsreform, Bd. 2, Frankfurt a. M., Berlin, München 1971, S. 1 ff. 2ί H. Thomae, Psychologische Voraussetzungen der Leistungsbereitschaft, in: Leistungsbereitschaft, Soziale, Sicherheit, Politische Verantwortung, Veröffentlichungen der Walter-Raymond-Stiftung, Bd. 8, Köln, Opladen 1967, S. 53. 3 24 G. Gebauer, „Leistung" als Aktion und Präsentation, „Sportwissenschaft", 2. Jg., 1972, S. 188 f. 25 Vgl. CA. Th. Wagner (Ì91A) S. 140. Dort wird außerdem auf die betriebswirtschaftliche und volkstümliche Ausweitung des Leistungsbegriffs hingewiesen. 26 Auf die umfassende gesellschaftskritische Diskussion über das „Leistungsprinzip" und die „Leistungsgsellschaft" kann hier nicht weiter eingegangen werden. Vgl. dazu ζ. B. C. Offe, Leistungsprinzip und industrielle Arbeit. Mechanismen der Statusverteilung in Arbeitsorganisationen der industriellen „Leistungsgesellschaft", Frankfurt 1970; G. Steinkamp, Über einige Funktionen und Folgen des Leistungsprinzips in industriellen Gesell-

1. Kap. Β. Definitionen

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Unter dem Leistungsverhalten eines Wirtschaftssubjekts soll in erster Linie sein Arbeitsverhalten verstanden werden. Die verschiedenen Möglichkeiten leistungsbezogenen Verhaltens enthalten Wertkategorien zur Kennzeichnung der individuellen Grundeinstellung (Abbildung 1). Sie sollen in positiver Bewegungsrichtung als Leistungsbereitschaft, in negativer Richtung als Leistungsablehnung bezeichnet werden. Fragt man nach der Veränderung des Leistungsverhaltens als Folge finanzieller Impulse — etwa aufgrund von Steuersatzänderungen —, so soll dafür der Begriff „Leistungswirkung" verwendet werden. Steuerliche Leistungswirkungen sind durch neue Steuern oder Steueränderungen verursachte Verhaltensänderungen der Zensiten dergestalt, daß volkswirtschaftlich produktive Leistungen im Wirtschaftsprozeß verstärkt (im Sinne leistungserhöhenden Verhaltens) oder vermindert (im Sinne leistungsverringernden Verhaltens) bewirkt werden. Erkennbar werden Leistungswirkungen an zweisozioökonomischen Größen: A n der Verhaltensänderung des Zensiten und/oder an der daraus resultierenden Änderung des output. Je nach der Fragestellung und den einsetzbaren Untersuchungsmethoden wird die Erfassung steuerlicher Leistungswirkungen entweder von der Verhaltensänderung oder der Variation des output äuszugehen haben. Als notwendige Voraussetzung für die Wirksamkeit steuerlicher Impulse im Sinne eines Leistungsansporns muß das Vorhandensein von Leistungsfähigkeit 27 und Leistungsbereitschaft angesehen werden (Abbildung 1). Wenn von Leistungsfähigkeit gesprochen wird, so ist damit etwa in arbeitsphysiologischer Sicht der einem Menschen mögliche Energieumsatz pro Zeiteinheit gemeint. 28 Schäften, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, hrsg. v. H.-D. Ortlieb/B. Molitor/W. Krone, 16. Jg., Tübingen 1971, S. 216 ff. 27 In der Steuertheorie ist der Begriff der Leistungsfähigkeit in einem engeren Sinne, und zwar im Zusammenhang mit möglichen Besteuerungsprinzipien und der Gestaltung von Steuertarifen seit langem intensiv diskutiert worden. Dabei geht es vor allem um das Problem der Steuerlastverteilung im Sinne der individuellen Steuerzumessung. Die „steuerliche Leistungsfähigkeit" setzt prinzipiell bereits erbrachte ökonomische Leistungen voraus. Vgl. die durch K. Schmidt, Das Leistungsfahigkeitsprinzip und die Theorie vom proportionalen Opfer, „Finanzarchiv", N. F., Bd. 26, 1967, S. 385 ff. an der Position von H. Haller, Bemerkungen zur progressiven Besteuerung und zur steuerlichen Leistungsfähigkeit, „Finanzarchiv", N. F., Bd. 20,1959, S. 35 ff. geübte Kritik sowie die daraufhin vor allem im „Finanzarchiv" geführte Diskussion, an der sich auch K. Littmann, J. Pahlke und D. Pohmer beteiligt haben. Für die Frage nach den Leistungswirkungen spielt die in der betreffenden Gesellschaft zugrundeliegende Besteuerungsnorm zunächst keine Rolle. Sie muß dann in die Betrachtung einbezogen werden, wenn sich aus der interpersonellen Steuerlastverteilung als „ungerecht" empfundene Steuerunterschiede ergeben, die zu Leistungswirkungen „sui generis" führen. 28 Vgl. H. Thomae (1967) S. 53.

1. Kap. Β. Definitionen

26 Abbildung 1

Leistungsverhalten und Leistungswirkungen

Objektive Voraussetzung.

Leistungsfähigkeit

Subjektive Ausprägung:

Leistungsverhalten

Individuelle Grundeinstellung:

Lei stungsbere i t schaf t

Steuerlicher Impuls:

Folge:

Leistungsansporn

Leistungserhöhung

Lei stungsablehnung

Lei s t ungsver wei ger ung

Leistungssenkung

Leist ungswirkungen

Neben der medizinisch-physiologischen Komponente wird die Leistungsfähigkeit vor allem durch den realisierten Bildungsstand, im Berufs- und Arbeitsleben erlangte Erfahrungen usw., konstituiert. 29 Leistungsfähigkeit kann allgemein als die in dem Individuum liegende „objektive" Voraussetzung bezeichnet werden, Leistungen einer bestimmten Menge und Qualität zu erbringen. Sie führt im Zusammenwirken mit anderen Einflußfaktoren, die eine bestimmte Arbeitssituation determinieren, zu einem bestimmten Leistungsverhalten („subjektive Ausprägung"). Liegt Leistungsfähigkeit vor, wobei hier das Problem der Meßbarkeit nicht zu lösen ist, wird das Erbringen von Leistungen von der Leistungsbereitschaft abhängig sein. Als ausschlaggebende Bestimmungsfaktoren für die Leistungsbereitschaft werden von Autoren verschiedener psychologischer Schulen insbesondere genannt: — Leistungswille — materielles Interesse — gruppendynamische Faktoren und — Leistungsmotivation. 30 29

B. Rüttinger/L. v. Rosenstiel/W. Molt, Motivation des wirtschaftlichen Verhaltens, Urban-Taschenbücher, Bd. 504, Stuttgart 1974, S. 99, unterscheiden drei Aspekte des „Könnens": Fähigkeiten als generelle überdauernde Persönlichkeitsbezüge; Fertigkeiten als spezielle gelernte Verhaltenstechniken und situative Gegebenheiten. 311 Nach Thomae treten zu diesen Faktoren noch mindestens vier weitere Faktorengruppen hinzu:

1. Kap. Β. Definitionen

27

Für die weitere Analyse werden vor allem die Determinanten materielles Interesse und Leistungsmotivation von Bedeutung sein. I m Rahmen der Leistungsmotivationsforschung sind die Bedingungen eingehend analysiert worden, die eine leistungsthematische Einordnung unseres Erlebens bzw. Handelns erlauben. Diese Bedingungen beruhen nicht auf einer semantischen Übereinkunft, sondern auf erwiesener Verhaltenswirksamkeit. 31 „(1) Ein Handlungsergebnis muß erzielbar oder erzielt sein. Es muß objektivierbar sein und Aufgabencharakter haben . . . (2) Die Handlungen und ihr Ergebnis müssen auf einen Maßstab der Schwierigkeit und/oder der Kraftaufwendung beziehbar und daran beurteilbar sein. . . (3) Handlungen müssen in ihren Ergebnissen überhaupt gelingen oder mißlingen können. . . (4) Ein Maßstab der Schwierigkeit und/oder des Kraftaufwandes für eine gegebene Aufgabentätigkeit muß vom Handelnden als ein für ihn verbindlicher Tüchtigkeitsmaßstab übernommen sein. . . (5) Das Handlungsergebnis muß vom Handelnden selbst verursacht sein, d. h. sowohl von ihm beabsichtigt wie zustande gebracht worden sein." 32 Diese Erkenntnisse sind für die Beurteilung möglicher Steuerwirkungen von Bedeutung, wenn durch steuerliche Maßnahmen auf das die Leistung determinierende Verhalten eingewirkt wird bzw. werden soll. »Erfolge 4 im Sinne tatsächlich zu beobachtender Verhaltensänderungen werden nur erzielt werden können, wenn in Abhängigkeit von der gegebenen Motivstruktur der betreffenden Zensiten als Indikator für Verhaltensbereitschaft die steuerlichen Impulse tatsächlich zu einer Aktivierung der Verhaltensbereitschaft (Motivation) führen. „Diese Aktivierung wird dabei — durch innersomatische Störreize, durch bestimmte Vorstellungen und Imaginationen, insbesondere aber durch die personenspezifische Wahrnehmung bestimmter Reizkonstellationen der Situation bewirkt. Man spricht dabei vom Anreiz". 3 3 „das Primär-Bedürfnis nach Aktivität (,Aktivationstheorie'); das Bedürfnis nach Selbstachtung und Selbstverwirklichung; das Bedürfnis nach Sicherheit und Vorsorge; und schließlich eine Reihe von regulativen Systemen, welche die Stetigkeit in der Auswahl der Leistungen als eine der Daseinstechniken bestimmen." (H. Thomae (1967) S. 54.) 31 Vgl. H. Heckhausen, Leistung — Wertgehalt und Wirksamkeit einer Handlungsmotivation und eines Zuteilungsprinzips, in: Sinn und Unsinn des Leistungsprinzips (1974) S. 107. 32 Ebenda, S. 170 f. 33 B. Rüttinger/L. v. Rosenstiel/W. Molt (1974) S. 20. Eine wesentlich engere Definition

28

1. Kap. Β. Definitionen F ü h r e n derart definierte Anreize zu Ä n d e r u n g e n des Leistungsverhaltens

i m oben dargestellten Sinne, so w o l l e n w i r sie als Leistungsanreize

bezeich-

nen. V i a A k t i v i e r u n g der Verhaltensbereitschaft k a n n es s o w o h l zu einer E r h ö h u n g der L e i s t u n g als auch zu ihrer V e r r i n g e r u n g k o m m e n . I m ersten Falle soll v o n positiven (incentives), 3 4 i m zweiten Falle v o n negativen Leistungsanreizen (disincentives) gesprochen w e r d e n . 3 5 ' 3 6 Je nach M o t i v s t r u k t u r des einzelnen Wirtschaftssubjekts k a n n der gleiche steuerliche I m p u l s bei dem einen Zensiten als incentive, bei einem anderen als disincentive w i r k e n . I m m e r w e n n v o n A n r e i z p r o b l e m a t i k , negativen oder positiven Leistungsanreizen gesprochen w i r d , sind Entscheidungen der Zensiten bezüglich ihrer p r o d u k t i v e n Beiträge i m Wirtschaftsprozeß Gegenstand der E r ö r t e r u n g . 3 7 D a z u ist festzustellen, daß steuerliche incentives W i r k u n g e n verursachen können, die zwar betriebswirtschaftlich, n i c h t aber v o l k s w i r t s c h a f t l i c h als p r o d u k t i v angesehen werden k ö n n e n , w e n n sie zu sozialen Zusatzkosten (social costs) führen, die i n die privatwirtschaftliche A u f w a n d s - u n d Ertragsrechnung nicht eingehen (externe Kosten). Andererseits ist ebenso denkbar, daß steuerliche disincentives zu Ergebnissen führen, die sich i n der v o l k s w i r t schaftlichen Ertragsrechnung positiv niederschlagen (externe E r t r ä g e ) . 3 8 für Anreize gibt F. R. Nick, Management durch Motivation, Urban-Taschenbücher, Bd. 505, Stuttgart 1974, S. 82 f.: „Anreize sind alle monetären und nichtmonetären Leistungen der Betriebswirtschaft für die erwarteten oder erbrachten Beiträge ihrer Mitglieder." Dieser der Anreiz-Beitrags-Theorie von Ch. /. Barnard, The Functions of the Executive, 9. Aufl., Cambridge, Mass. 1951, entsprechende Begriffsinhalt ist für unsere Analyse nicht verwendbar, weil bei steuerlichen Maßnahmen spezielle Gegenleistungen prinzipiell fehlen. 34 H. C. Recktenwald, Steuerüberwälzungslehre. Theoretische und empirische Verteilung von Abgaben und Kosten, 2., überarbeitete u. ergänzte Aufl., Volkswirtschaftliche Schriften, H. 35, Berlin 1966, S. 185, übersetzt „incentive" mit „finanzieller Triebkraft". 35 Im Schrifttum finden sich auch Begriffe wie Leistungsansporn- bzw. Leistungsabschreckungswirkung (B. Strümpel, Steuermoral und Steuerwiderstand der deutschen Selbständigen. Ein Beitrag zur Lehre von den Steuerwirkungen, Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen. Nr. 1682, Köln, Opladen 1966 b, S. 73, passim), die jedoch unbeholfen klingen und daher im folgenden vermieden werden sollen. 36 Im steuerpolitischen Raum können steuerlich bewirkte disincentives durchaus Zielgröße sein. 37 Beispielweise untersucht L. H. Kimmel, Taxes and Economic Incentives, Washington/D.C. 1950, die steuerlichen Wirkungen bei vier verschiedenen incentives: a) The incentives to establish new businesses. b) The incentive for existing businesses to expand. c) The incentive to invest. d) The incentive to work. Zu den Buchstaben c) und d) vgl. einführende R. Rolph/G. F. Break, Public Finance, New York 1961, S. 150 ff. 38 Würden infolge einer Einkommensteuererhöhung disincentives eine Verringerung des Arbeitsangebots bewirken, so könnte dies selbst in einer Situation allgemeiner Arbeitslosigkeit gesamtwirtschaftlich erwünscht sein, wenn c.p. sichergestellt wäre, daß in die entstandene neue Lücke bisher nicht beschäftigte Arbeitskräfte mit einer höheren marginalen Konsumquote eintreten.

1. Kap. Β. Definitionen

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Nach dieser begrifflichen Vorklärung soll in den folgenden Kapiteln der Versuch unternommen werden, den Stellenwert steuerlicher Leistungswirkungen zu bestimmen. Eine besondere Bedeutung wird dabei die Untersuchung des materiellen Interesses der Zensiten einnehmen. Wenn sich dabei herausstellen sollte, daß das materielle Interesse ein dominantes Motiv im Arbeitsverhalten darstellt, dann wäre eine wichtige Voraussetzung dafür erfüllt, daß Variationen steuerlicher Parameter, die zu finanziellen Belastungsveränderungen führen, auch Änderungen im Arbeitsverhalten zu bewirken imstande sind. Besondere Aufmerksamtkeit wird auch die Frage finden, ob es möglicherweise in Abhängigkeit von der Einkommenshöhe Verschiebungen in der Motivstruktur des Arbeitsverhaltens gibt, so daß in bestimmten Einkommensklassen wegen der Dominanz nicht-finanzieller Arbeitsmotive gegenüber Einkommensveränderungen nicht reagiert wird. Geht man von dem in dem bekannten Satz „alte Steuern sind gute Steuern —neue Steuern sind schlechte Steuern" implizierten Gewöhnungseffekt aus, so werden bei den bereits erhobenen Steuern die Anpassungsprozesse vollzogen sein. Durch Einkommensteueränderungen würde ein Adaptationsverhalten nur dann hervorgerufen werden, wenn das Einkommen mit einen hinreichend großen Faktor in das Kalkül des Zensiten eingeht und wenn die Belastungsänderung von ihm wahrgenommen wird. Die Ausgangshypothese lautet daher, daß steuerliche Leistungswirkungen prinzipiell dann einsetzen werden, wenn — das materielle Interesse ein dominantes Motiv im Arbeitsverhalten darstellt und — die Belastungsveränderung vom Zensiten wahrgenommen wird.

Zweites Kapitel

Arbeitsangebot und Einkommensbesteuerung: Theoretische Grundlegung A. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot I. Lohnsatzvariation und Einkommensteuerhebung — Ergebnisse und Grenzen partiaianalytischer Betrachtungsweise Die Arbeitsangebotskurve beschreibt allgemein die funktionale Beziehung zwischen Lohnsatzhöhe für die Nutzung einer bestimmten Arbeitskraft und der bei alternativen Höhen des Lohnsatzes angebotenen Arbeitszeit. 1 Bei der theoretischen Analyse dieses Zusammenhangs geht man meist von einem Individuum aas, das sich bereits im Arbeitsprozeß befindet und das seine Entscheidung darüber, wieviele Stunden es arbeiten will, frei treffen kann. Weiterhin wird angenommen, daß dieses Individuum versucht, durch seine Partizipation am Arbeitsmarkt einen maximalen Nutzen zu erzielen. Der hier besonders wichtige Aspekt ist die Aufteilung der Gesamtzeit zwischen Arbeits- und Freizeit, wobei erstere nur zu Lasten der letzteren ausgedehnt werden kann und vice versa. Die zu treffende Entscheidung wird auf einem Vergleich des Nutzungszuwachses infolge von mehr Freizeit zu dem Nutzenzuwachs durch Mehrarbeit basieren. 2 Aus Gründen einer einfacheren Analyse ist es zweckmäßig, nur Geldeinkommen zu betrachten. Gewöhnlich wird dann die letzte gearbeitete Stunde einen bestimmten Geldertrag bringen, während die Kosten für seine Erlangung aus dem entgangenen Nutzen für die geopferte Freizeit und der eventuell damit verbundenen Arbeitsmühe zusammengesetzt sind. 3 In Abbildung 2 ist das individuelle Einkommens-Freizeit-Gleichgewicht dargestellt. Die Indifferenzkurven I i , I2, I3 usw. stellen jeweils alternative 1 Vgl. auch E. D. Kalachek, Labor Markets and Unemployment, Wadsworth Series in Labor Economics and Industrial Relations, Belmont, Calif. 1973, S; 16 f.: „Labor supply is a schedule indicating man hour availability as a function of real wages, given tastes, needs, and income from non-work-related sources." 2 Es wird zunächst angenommen, daß das Individuum nur Arbeitseinkommen und keine Kapitaleinkünfte erzielt. 3 Ebenso ist es möglich, daß mit der Arbeit selbst Freude verbunden ist und daß die „geopferte" Freizeit eine Flucht aus Langeweile bedeutet hat. In diesem Falle wären die Kosten einer weiteren Arbeitsstunde negativ, d. h. das Individuum würde selbst dann die Arbeit vorziehen, wenn der Lohnsatz gleich Null wäre.

I. Lohnsatzvariation und Einkommensteuererhebung

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Kombinationen von Arbeit (Einkommen) und Freizeit dar, die die gleiche Befriedigung repräsentieren (die Indizes 1, 2, 3 usw. stehen für steigende Bedürfnisbefriedigungsniveaus). A n den Enden werden die Indifferenzkurven flacher: Von einem bestimmten Punkt an verhindern physische Schranken eine weitere Substitution von Freizeit durch Arbeit. A u f der anderen Seite wird die Bereitschaft, Arbeit durch Freizeit zu substituieren, dadurch immer weiter eingeschränkt, daß mehr Freizeit ohne Einkommen, das für Freizeitgüter (Hobbies usw.) ausgegeben werden kann, weniger lohnend erscheint. Die Indifferenzkurven sind von Individuum zu Individuum verschieden. Für manche ist die Substituierbarkeit begrenzt, da sie eine starke Präferenz für ein bestimmtes Einkommen und eine bestimmte Freizeit haben; andere haben eine hohe Substituierbarkeit, d. h. die Grenzrate der Substitution sinkt langsam. Die Steigung Kurve W W als Budgetgerade wird durch den Lohnsatz bestimmt, d. h. durch die Grenzkosten der Substituion von Freizeit durch Arbeit und vice versa. Sie ist wegen der Annahme, daß der Lohnsatz unabhängig von der Zahl der gearbeiteten Stunden ist, als Gerade gezeichnet. Würde ein Individuum 24 Stunden pro Tag arbeiten, wäre ein Einkommen O V \ ein Einkommen von Null würde sich ergeben, wenn die gesamte zur Verfügung stehende Zeit für Freizeit verwandt würde (OV). Der Tangentialpunkt der Budgetgeraden mit einer Indifferenzkurve (hier: I2) bestimmt das Optimum: Bei gegebenem Lohnsatz kann das Individuum hier seine höchste Bedürfnisbefriedigung erzielen. Nach Abb. 2 beträgt das Einkommen O D , die Freizeit wird durch O N gegeben, während N V die Zahl der Arbeitsstunden pro Tag bezeichnet. Angenommen, das Individuum hätte diesen Punkt erreicht. Dann ist die Frage zu stellen, wie es reagieren würde, wenn der Lohnsatz verändert würde. Prima vista handelt es sich aus der Sicht des einzelnen Anbieters um den gleichen Sachverhalt, wenn nicht Variationen des Lohnsatzes, sondern der Einfluß von Einkommensteuern auf sein Leistungsverhalten analysiert wird. 4 Denn Einkommensteuererhöhungen (-Senkungen) verringern (erhöhen) den Nettoertrag für jede weitere Einkommenseinheit bei gleicher Arbeitszeit. Bei der folgenden kurzen Analyse wird der Einfachheit halber zunächst die Identität beider Fragestellungen unterstellt — erst weiter unten sollen die Voraussetzungen dafür erläutert werden. Würde der Lohnsatz fallen bzw. die Einkommensteuer steigen, so brächte dies zwei Effekte mit sich: (1) Entsprechend dem Substitutionseffekt

würde das Wirtschaftssubjekt

4 Der Einfachheit halber gehen wir davon aus, daß eine proportionale oder progressive Einkommensteuer bereits seit längerem erhoben wird, so daß die Zensiten hinreichend Gelegenheit hatten, sich daran nutzenoptimal anzupassen.

32

2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

Abbildung 2

Individuelles Einkommens-Freizeit-Gleichgewicht

m e h r Freizeit wünschen, da i h r „Preis" i m Vergleich zu anderen Preisen gefallen wäre. (2) D e r Einkommenseffekt dagegen würde zu einer E r h ö h u n g der A r b e i t s zeit führen, da die E i n k o m m e n s m i n d e r u n g infolge der L o h n s a t z s e n k u n g / E i n k o m m e n s t e u e r e r h ö h u n g wenigstens teilweise d u r c h V e r zicht a u f Freizeit ausgeglichen werden soll. 5 5 Eine Kopfsteuer reduziert demgegenüber das verfügbare Einkommen um einen konstanten Betrag und läßt sich graphisch als Verschiebung der WW T -Kurve nach links — parallel zur ursprünglichen Kurve WW — darstellen. Dies bedeutet lediglich einen Einkommenseffekt, da die Steuer unabhängig von der Höhe des Einkommens ist. Das Individuum wird entweder gleichviel oder mehr arbeiten, solange Einkommen ein superiores Gut ist. Abbildung 3 Reaktion von Arbeitszeit und Freizeit auf eine Kopfsteuer

I. Lohnsatzvariation und Einkommensteuererhebung

33

Wenn in Übereinstimmung mit der Erfahrung angenommen wird, daß Freizeit kein inferiores G u t 6 ist, so kann gezeigt werden, daß beide Effekte einander entgegengesetzt sind, so daß ihre Nettowirkung ohne weitere Annahmen indeterminiert 7 bleibt. 8 Die Wirkungen der Einführung einer proportionalen Einkommensteuer (bzw. der ihr äquivalenten Senkung des Lohnsatzes) sind in Abbildung 4 dargestellt. Die Budgetgerade nach Steuer läuft nicht mehr parallel zu ihrer ursprünglichen Lage, sondern dreht sich um V nach links in die Lage W ^ 7 . Für das zugrundegelegte Indifferenzkurvensystem ergibt sich eine Verringerung des Arbeitsangebotes in Höhe von (MV-NV). Bei einem anderen Verlauf der Indifferenzkurven könnte sich auch ein anderes Gleichgewicht einstellen, das ein höheres Arbeitsangebot impliziert. Die Effekte können —bezogen auf verschiedene Einkommensklassen — sehr unterschiedlich sein, ohne daß ihr Ausmaß zuverlässig prognostiziert werden könnte.

6 Zur Inferiorität bzw. Superiorität von Gütern vgl. den klärenden Aufsatz von H.-D. Kleinhückelskoten/D. Spaetling, Aspekte der Inferiorität und Superiorität als ökonomische Phänomene — Ein Beitrag zur Neuorientierung der mikroökonomischen Theorie, „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik", Bd. 196, 1981, S. 511-526. 7 R. A. Musgrave, The Theory of Public Finance. A Study in Public Economy, New York, Toronto, London 1959, S. 243. Deutsch: Finanztheorie, übers, v. L. Kullmer unt. Mitarbeit v. H. Fecher, 2., erg. u. verb. Aufl., Tübingen 1969, S. 195, beschreibt die beiden Grenzfälle, in denen es entweder nur einen Substitutionseffekt oder einen Einkommenseffekt gibt: Eine Steuer, die jedes Einkommen über einer bestimmten Höhe zu 100 Prozent wegsteuert bzw. eine Kopfsteuer (lumpsum-tax). 8 Das gilt auch für andere Versuche einer analytischen Durchdringung des Problems. Vgl. dazu zusammenfassend: G. F. Break, Income Taxes, Wage Rates, and the Incentive to Supply Labor Services, "National Tax Journal", Vol. 6, 1953, Reprint, 1965, S. 342 f. Anm. 9. Zu einem angebotsorientierten Ansatz zur Ermittlung der Wirkungen einer Einkommensteuersenkung, bei deren Analyse ebenfalls Indeterminiertheit festgestellt wurde, vgl. R. A. Salmon/R. Lotspeich, Supply-Side Economics: Personal Income Tax and Aggregate Supply of Labor, "Economic Forum", Vol. 12, 1981, S. 89-93.

34

2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

Die Einführung einer progressiven Einkommensteuer erhöht die Wahrscheinlichkeit, daß ein einzelnes Individuum bei einer gegebenen Steuerhöhe eher weniger als mehr arbeitet. Die Steuerprogression verstärkt den relativen Einfluß des Substitutionseffektes, 9 da jede zusätzlich erzielte Einkommenseinheit zu immer größeren Opfern an Freizeit in bezug auf das Einkommen führt. Der Nutzen zusätzlich gearbeiteter Arbeitsstunden sinkt progressiv, Diese Situation ist in Abbildung 5 verdeutlicht. Die Einkommenskurve nach Besteuerung ist nun nicht mehr eine Gerade, sondern krümmt sich zum linken Teil der horizontalen Achse. Der Tangentialpunkt ( E T P ) mit einer Indifferenzkurve ( I T P ) liegt notwendigerweise rechts von demjenigen, der sich bei einem proportionalen Steuersatz und dem gleichen Steueraufkommen einstellen würde (E T ). Die Freizeit wäre größer, die Arbeitszeit kleiner. Dies bedeutet jedoch nur, daß im Vergleich zwischen einer proportionalen und einer progressiven Einkommensteuer bei letzterer von irgendeiner Person bei gegebenen Präferenzen für Arbeit und Freizeit weniger gearbeitet würde als bei ersterer. Das besagt allerdings noch nichts über die geleistete Arbeit im Vergleich zu einer Situation ohne Steuer. Der Nettoeffekt auf die Arbeitszeit bleibt wegen der Gegenläufigkeit des Einkommens- und des Substitutionseffekts indeterminiert. Abbildung 5

Reaktion von Arbeitszeit und Freizeit auf eine progressive Einkommensteuer

g Höhere Progressionsgrade müssen jedoch nicht zwangsläufig zu einer Verstärkung von disincentive-Effekten führen. Die Bedingungen für einen derartigen Fall, dessen empirische Relevanz allerdings noch nicht überprüft wurde, werden von R. Barlow/G. R. Sparks, A Note on Progression and Leisure", „The American Economic Review", Vol. 54, 1964, S. 372-377 und M. Chatterji, A Note on Progressive Taxes and the Supply of Labour, "Journal of Economics", Vol. 12, 1979, S. 215-220, abgeleitet.

I. Lohnsatzvariation und Einkommensteuererhebung

35

Man kommt somit zu dem Ergebnis, daß selbst unter den gemachten restriktiven Bedingungen eine logische Analyse allein es nicht gestattet, den Verlauf der Arbeitsangebotskurve zu bestimmen, insbesondere festzustellen, ob Lohnsatz- oder Einkommensteueränderungen im relevanten Bereich zu einer Erhöhung oder Verringerung des Arbeitsangebots führen oder es konstant lassen. Zusätzliche oder modifizierende Annahmen können sich ζ. B. auf die Form der Grenznutzenkurven (konstanter oder fallender Grenznutzen wenigstens einer der beiden Parameter Einkommen oder Freizeit) oder, daraus resultierend, auf die Gestalt der Indifferenzkurven beziehen. Eine rechtwinklige Hyperbel etwa wird das Arbeitsangebot bei Lohnsatzvariationen/Einkommensteueränderungen unverändert lassen, während jede steilere (flachere) Kurve zu einer negativen (positiven) Steigung der Arbeitsangebotskurve führt. 1 0 Die Annahme eines konstanten Grenznutzens von Einkommen und Freizeit führt — wie Musgrave gezeigt hat 1 1 — bei Auflage einer proportionalen Einkommensteuer zu dem offenbar absurden Ergebnis einer maximalen Arbeits- oder Freizeit, je nachdem, welche Steigung die Nettolohngerade im Vergleich zur Indifferenzkurve (hier: Gerade) hat. 1 2 ' 1 3 Zu Beginn dieses Abschnitts wurde vorausgesetzt, daß die von einerLohnsatzvariation und einer Einkommensteuervariation ausgehenden Wirkungen gleich zu behandeln seien, da sie ökonomisch auf dem gleichen Vorgang beruhen würden. Die Identität zwischen den beiden Problemstellungen ist jedoch nur gegeben, wenn die drei folgenden Annahmen erfüllt sind: 14 (1) Eine Einkommensteuererhöhung erhöht ebenso wie eine Lohnsatzsenkung den Preis der Freizeit und vice versa. (2) Eine Einkommensteuererhöhung verringert die realen und nominalen Lohnsätze nach Steuern. (3) Das Einkommen vor Steuern übt keinen Einfluß auf das individuelle Verhalten aus, Arbeit anzubieten. 10

Dies läßt sich anhand der Elastizität des Grenznutzens des Einkommens mathematisch nachweisen. Vgl. R. Frisch, New Methods of Measuring Marginal Utility, Tübingen 1932, S. 83 ff. 11

Vgl. R. A. Musgrave (1959) S. 233 ff. Von mehr theoretischem Interesse ist die Frage nach der Stärke von Einkommensund Substitutionseffekt, wenn die progressive Einkommensteuer zu gleichem Steueraufkommen führen soll wie die proportionale Steuer. 13 Auf die Darstellung weiterer „Fälle" soll hier verzichtet werden. Dazu sei auf die einschlägige Literatur verwiesen. Vgl. z. B. C. V. Brown, Taxation and the Incentive to Work. A Report prepared for the Commission of the European Communities, Directorate-General for Employment and Social Affairs, 2. Aufl., Oxford 1983, der Nicht-Linearitäten der Budgetrestriktion (bei Aufgabe der Voraussetzung, daß der marginale Nettolohnsatz für jede gearbeitete Stunde gleich ist, die Berücksichtigung von Transferzahlungen usw.) analysiert. 12

14

Vgl. dazu ausführlich G. F. Break (1953) S. 335 f.

36

2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

Die erste Annahme beinhaltet keine Schwierigkeiten. Sie ist für jede Einkommensteuer erfüllt, die die Freizeit aus der Bemessungsgrundlage ausschließt. Das ist bei Arbeitseinkommen der Normalfall. Voraussetzung (2) ist notwendig, um Einwänden zu begegnen, daß die Analyse solange unvollständig sei, wie die Staatsausgabenseite (steuerfinanziert) nicht einbezogen sei. Angenommen, eine Steigerung der Einkommensteuersätze würde zu einer dem zusätzlichen Steueraufkommen äquivalenten Erhöhung von Staatsausgaben führen. 15 Die Geldlohnsätze nach Steuern sinken unmittelbar wegen der höheren Steuern. Wenn die neuen Staatsausgaben den verfügbaren output für den privaten Sektor reduzieren (dies ist ζ. B. der Fall bei „unproduktiven" Staatsausgaben wie denen für Verteidigung), sinken auch die Realeinkommen nach Steuern. Rechnet man dieses Ergebnis der Einkommensteuer zu, dann kann man die zweite Annahme als erfüllt ansehen.16 Voraussetzung (3) bereitet insofern gewisse Probleme, als nicht sicher ist, ob nicht tatsächlich doch das Einkommen vor Steuern Incentive-Effekte hat, ζ. B. dann, wenn seine Höhe als Statussymbol angesehen wird. 1 7 Wenn dem so ist, dann kann eine Einkommensteuererhöhung einer Lohnsatzsenkung nicht äquivalent sein. Dieser Gesichtspunkt wird später noch zu erörtern sein. Eine ausführliche Kritik an der hier dargestellten Theorie kann unterbleiben, da sie ebenso bekannt ist, wie die Theorie selber. I m übrigen können die Ausführungen des folgenden Abschnitts als Elemente dazu dienen, den partialanalytischen Ansatz in Richtung auf eine allgemeine Theorie auszubauen. 18 15 Die Verwendung höherer Steuern für zusätzliche Staatsausgaben wird hier nicht weiter behandelt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß die Analyse von Budgeteffekten anstelle der ausschließlichen Betrachtung von Steuereffekten zu Modifikationen bei den Wirkungen auf das Arbeitsangebot führt. Vgl. zu einem solchen Ansatz A. Lindbeck, Tax Effects versus Budget Effects on Labor Supply, Institute for International Economic Studies, Seminar Paper No. 148, Stockholm 1980. Allerdings müßte für empirisch fundierte Studien postuliert werden, daß die aus den jeweiligen Ausgabekategorien gezogenen Nutzen von den Zensiten auch wahrgenommen und verhaltensrelevant werden. 16 Hält man es für unabdingbar, die Effekte von Steuererhebung und Ausgabetätigkeit getrennt zu analysieren, so sind weitere Prämissen erforderlich, um Satz (2) akzeptieren zu können. Zu einer detaillierten Diskussion vgl. G. F. Break (1953) S. 335 f. 17 Ein hier vernachlässigter Aspekt bezieht sich darauf, ob von den Zensiten ein Zusammenhang zwischen Steuern und Arbeitsleistungen wahrgenommen wird. Vgl. dazu W. W. Heller, The Impact of Income Taxation on Work Incentives, "Canadian Tax Journal", Vol. 6, 1958, S. 423; derselbe, Taxes in two Perspectives, "Challenge", Vol. 7, No. 3, 1958/59, S. .20. 18 Einen ausgezeichneten und umfassenden Überblick über neuere Arbeitsangebotsmodelle, der auch die Entwicklung dynamischer Modelle einschließt, gibt M. R. Killingsworth, A Survey of Labor Supply Models: Theoretical Analysis and First-Generation Empirical Results, in: Research in Labor Economics. A Research Annual, hrsg. v. R. G. Ehrenberg, Vol. 4, Greenwich/Conn., London 1981, S. 1-64.

II. Optimale Einkommensteuer und Arbeitsangebot

37

Während die bisherigen Überlegungen dem Bereich der positiven Theorie zuzuordnen sind, gehört der folgende Abschnitt zur normativen Theorie. Da es letztlich bei der Gestaltung der Finanzpolitik darauf ankommt, zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele beizutragen, kann der Theorie der optimalen Besteuerung ein hoher Stellenwert zukommen. Denn a priori ist denkbar, daß mit ihrer Hilfe Erkenntnisse gewonnen werden, die dem Finanzpolitiker als Entscheidungshilfen bei der Lösung von praktischen Problemen dienen können. Bezogen etwa auf das einleitend skizzierte Problem von Steuergrenzen könnten mittels dieses Theorieansatzes Erkenntnisse erzielt werden, die es gestatten, die Diskussion über Steuergrenzen ihrer interessenpolitischen Argumente zu entkleiden und zu Aussagen zu gelangen, die — sozialökonomisch fundiert — eine Orientierung an gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zielen zulassen. In diesem Sinne haben die folgenden Ausführungen ihre Bedeutung als ein mögliches Referenzsystem.

II. Optimale Einkommensteuer und Arbeitsangebot19 7. Problemstellung M i t dem Begriff,optimale Besteuerung 4 wird ein neuer Ansatz zur Lösung eines alten Problems umschrieben: Der Zuschnitt des Steuersystems und der Steuertarife in der Weise, daß ,excess burdens' minimiert werden bei gleichzeitiger Realisierung einer sozial erwünschten Einkommensverteilung. Das Grundproblem besteht dabei in der Formulierung eines gesellschaftlich akzeptierbaren Gleichgewichts zwischen distributiver Gerechtigkeit und allokativer Effizienz. Im Zusammenhang mit der Theorie optimaler Einkommensbesteuerung sind vor allem das Arbeitsangebot (Problem der Bestimmung des optimalen Progressionsgrades und des equity-efficiency trade-off), die Nachfrage nach verschiedenen Gütern (Kontroverse über direkte versus indirekte Besteuerung) und das Sparverhalten von Individuen (Problem der Besteuerung von Kapitalerträgen) untersucht worden. Dabei steht das Verteilungsziel im Vordergrund, auch wenn die Allokationszielset19 In Anlehnung an G. Krause-Junk/J. H. v. Oehsen, Art. „Besteuerung, optimale", in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (HdWW), 9. Bd., Stuttgart u. a. 1982, S. 706-723. H. J. Ramser, Optimale Einkommensteuer, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Statistik, Universität Konstanz, Diskussionsbeiträge, Serie A-Nr. 162, Konstanz 1981. G. Ziemes, Das Theorem der optimalen Einkommensteuer (I), (II), (III), „das wirtschaftswissenschaftliche Studium-wisu", 11. Jg., 1982, S. 41-46, 91-95 u. 145-150. Wir begnügen uns hier mit der Darstellung eines kleinen Ausschnittes aus der Theorie der optimalen Besteuerung, der für unsere Themenstellung von besonderer Relevanz ist. Die Grundzüge der gesamten Theorie können hier nicht wiedergegeben werden. Vgl. dazu die einschlägige Literatur sowie die zahlreichen Arbeiten, die vor allem im „Journal of Public Economics" erschienen sind.

38

2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

zung deswegen nicht ausgeklammert werden kann, weil die optimale Einkommensverteilung nur im Rahmen einer sozialen Wohlfahrtsfunktion gesucht werden kann, deren Maximum Distributions- aber gleichzeitig auch Allokationsoptimalität einschließt. Die Ableitung optimaler Steuersysteme und ihrer Bedingungen wird innerhalb streng formalisierter gesamtwirtschaftlicher Modelle vorgenommen. Dabei werden durchweg die Hypothesen der neoklassischen Gleichgewichtstheorie zugrunde gelegt. Wie bereits oben gezeigt wurde, spielen bei der Analyse des Zusammenhangs zwischen Einkommensteuer und Arbeitsangebot disincentiveWirkungen eine besondere Rolle. Sie beeinflussen das „primäre" Ergebnis des Wirtschaftsprozesses, d. h. die Höhe des erzielten Einkommens ist auch von der Einkommensverteilung abhängig. Allerdings setzt ihr Wirksamwerden die Existenz entsprechender Reaktionsmöglichkeiten der Individuen voraus. Denkbar sind dabei Entscheidungen über die Quantität und/oder Qualität des Arbeitseinsatzes. 20

2. Prämissen, Modellansätze und Ergebnisse Die folgenden Annahmen gehen in die Analyse ein: Die Präferenzen der Individuen i(i = l... k) sind homogen und können durch eine streng konkave Nutzenfunktion [Argumente: verfügbares Einkommen (Y v) und Arbeitszeit bzw. Freizeit (L)] beschrieben werden. Das Einkommen wird völlig für Konsumzwecke verwendet (Y] = C). Unterschiede zwischen den Individuen lassen sich auf ihre angeborenen Leistungsfähigkeiten n { (earning abilities bzw. productive skills) zurückführen. Die individuelle Nutzenfunktion lautet: 21 (1)

U^UJC.LJ

Das Verhalten der Individuen zielt auf (beschränkte) Nutzenmaximierung ab. Da bei vollkommenem Wettbewerb die Produktionsfaktoren gemäß ihrer Grenzproduktivität entlohnt werden, wird der Lohnsatz als gegeben angenommen. Das optimale Arbeitsangebot soll grundsätzlich positiv sein 2(1 Wir beschränken uns auf die Quantität des Arbeitseinsatzes als Entscheidungsvariable, da die Modellresultate für Variationen mit der Qualität des Arbeitsangebotes davon prinzipiell nicht abweichen. Vgl. E. Sadka, On Progressive Income Taxation, "The American Economic Review", Vol. 66, 1976, S. 931 ff. Die Unterscheidung zwischen quantitativen (labor model) und qualitativen (education model) Reaktionen mit dem Arbeitsangebot wurde zuerst von J. A. Mirrlees, An Exploration in the Theory of Optimal Income Taxation, "The Review of Economic Studies", Vol, 38, S. 175 ff. in die Diskussion eingeführt. 21

Symbole und Gleichungssystem in Anlehnung an G. Ziemes (1982), S. 42 ff.

II. Optimale Einkommensteuer und Arbeitsangebot

39

(interne Lösung). 22 M i t der Leistungsfähigkeit des Individuums variiert sein Lohnsatz (w). Unter Ausschluß anderer Einkommensarten beträgt das individuelle Brutto-Arbeitseinkommen (2)

Y. = w, · N i

mit N; als dem individuellen Arbeitsvolumen. Die Unternehmen sind in bezug auf Output und Technologie homogen bei einer Produktionsfunktion mit konstanten Skalenerträgen. Als Produktionsfaktoren kommen die verschiedenen Qualitäten der Arbeit zum Einsatz. Üblicherweise wird als Zielsetzung (beschränkte) Gewinnmaximieung angenommen, wobei Löhne und Preise gegeben sind. Der Staat finanziert seinen gegebenen Finanzbedarf (TC) ausschließlich über eine Einkommensteuer 23 [T. (Y)]\ es gelte die folgende Budgetrestriktion: T C

(3)

k

'i=\

T i ( Y i ) =

0

Durch die Wahl eines geeigneten Steuertarifs versucht der Staat den Finanzbedarf so auf die Individuen zu verteilen, daß ein Maximum an gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrt [SW (·)] entsteht. Unter der Annahme einer individualistischen, additiven sozialen Wohlfahrtsfunktion (Bentham-Typ) (4) w

SW=

k Σ Ui i=1

und des Zusammenhangs (5)

C( = Y/ v =

Nj-

Ti (w/ · Nj)

läßt sich die Aufgabenstellung des Theorems der optimalen Einkommensteuer wie folgt formulieren: k

(6)

max. SW = Σ

C// [C,· (w/,

(w/, 7/)]

i = 1 22 Mit diesen Annahmen über individuelle Arbeitsanbieter wird das Problem der horizontalen Gleichheit ausgeschlossen. 23 Die Erhebung von an der individuellen Produktivität orientierten (unterschiedlichen) Kopfsteuern, die allein zur Realisierung einerfirst-best-Lösung führen würde, wird — auch aufgrund ihrer finanzpolitischen Nichtdurchsetzbarkeit — hier nicht betrachtet. Die ausschließliche Finanzierung über die Einkommensteuer beinhaltet im übrigen die Nichtexistenz sonstiger steuerpolitischer Instrumente.

40

2. Kap. Α . Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

Bei der Bestimmung des optimalen Steuertarifs als Entscheidungsproblem des Staates handelt es sich um ein Problem dynamischer Optimierung, für das sich in der Literatur verschiedene Lösungsansätze finden. 24 Aus dem dargestellten Grundmodell deduziert Cooter 2 5 folgende Theoreme: (1) Nach Umverteilung nimmt der Nutzen eines Individuums mit zunehmender ,ability' des Individuums nicht ab. Dies impliziert, daß Nutzengleichheit nur bei Steuersätzen realisiert werden kann, die das Arbeitsangebot auf Null reduzieren. (2) Der Grenzsteuersatz ist kleiner als Eins. Daraus folgt, daß bei der zugrundelegten sozialen Wohlfahrtsfunktion eine Gleichverteilung der Einkommen nicht optimal sein kann. (3) Für Individuen mit den niedrigsten und höchsten »abilities' ist der Grenzsteuersatz gleich Null. (4) Der Grenzsteuersatz ist nicht negativ. Für die Bestimmung eines optimalen Einkommensteuertarifs geben die Theoreme jedoch wenig her, da sie lediglich etwas über den Anfang (steigende Grenzsteuersätze) und das Ende der Begabungsskala (sinkende Grenzsteuersätze) aussagen. Denkbar sind durchaus mehrere Maxima. „Selbst wenn zufolge zusätzlicher Informationen ζ. B. über die Form der individuellen Nutzenfunktion die Existenz eines eindeutigen Maximums gesichert wäre, ist über die Progression des Tarifs i.S. der Veränderung des Durchschnittssatzes nichts ausgesagt".26 Diese Schlußfolgerung läßt sich damit begründen, daß sich aus den Theoremen keine Anhaltspunkte für den Betrag der Transferzahlung (negative Einkommensteuer) zwecks Umverteilung ableiten lassen. Unter der Annahme einer individuellen, linear-homogenen Nutzenfunktion mit einer Substitutionselastizität von Eins sowie einer log-normalen Verteilung der Begabungen η werden von Mirrlees folgende Ergebnisse abgeleitet: 27 — die Kurve des Grenzsteuersatzes verläuft korikav und weist ein (eindeutiges) Maximum bei relativ niedrigen Einkommen auf. — Die optimalen Steuertarife sind nahezu linear. — Die Durchschnitts- und Grenzsteuersätze steigen mit zunehmender 24

Vgl. ζ. B. R. Cooter, Optimal Tax Schedules and Rates: Mirrlees and Ramsey, "The American Economic Review", Vol. 68,1978, S. 756 ff., auf den H. 7. Ramser( 1981)S. 6 ff. Bezug nimmt. 25 26 27

Vgl. R. Cooter (1978), S. 756 ff. H. 7. Ramser (1981), S. 9 f. 7. A. Mirrlees (1971), S. 206 f.

II. Optimale Einkommensteuer und Arbeitsangebot

41

Streuung der Begabungen, mit steigender Egalisierungspräferenz und zunehmendem Finanzierungsbedarf des Staates. Allerdings sind nicht alle diese Ergebnisse robust gegenüber Veränderungen der sozialen Präferenz für oder gegen Egalisierung. Dies kann gezeigt werden bei Verwendung der Rawlschen Maximin-Zielsetzung, die zu deutlich mit der Höhe des Einkommens variierenden Grenzsteuersätzen führt. Zur Vereinfachung der Aufgabenstellung werden daher weitere Annahmen gemacht. Dazu zählen vor allem die Beschränkung zulässiger Einkommensteuertarife auf die Teilmenge linearer Formen sowie die Annahme, daß alle Individuen gleich leistungsfähig seien (ni = η bzw. w, = w). Daraus ergibt sich, daß alle Individuen dem gleichen Maximierungsproblem ihrer Nutzenfunktion gegenüberstehen. 28 Ferner kann die Analyse darauf beschränkt werden, daß die Einkommensbesteuerung ausschließlich Umverteilungszwecken dient (Umverteilungsmodell). Im Falle einer linearen Bruttoeinkommensteuerfunktion verändert sich (3) zu k

(7)

TC-

Σ

(-Toi+t-

w rNi)

=

0,

wobei To einen Transferbetrag darstellt, wie er aus den Vorschlägen zur • Einführung einer negativen Einkommensteuer bekannt ist 2 9 und t den vom individuellen Einkommen unabhängigen konstanten Grenzsteuersatz bezeichnet. Die modifizierte Budgetrestriktion lautet unter der Annahme gleich leistungsfähiger Individuen (w. = w) und unter Verwendung von (5) und (7): (8)

C-To-w-

(1 - 0 -N

=0

Die Reaktion des Arbeitsangebots auf Änderungen des Grenzsteuersatzes (c.p.) läßt sich mit Hilfe der Slutsky-Gleichung beschreiben: (9)

W . . S .

Darin bezeichnet S den Substitutionseffekt, der sich aus einer kompensierten Änderung des Grenzsteuersatzes ergibt. Er ist wegen der Annahme einer streng konkaven Nutzenfunktion immer größer oder gleich Null. Der zweite Term auf der rechten Seite in (9) steht für den Einkommenseffekt, der kleiner 28

Vgl. G. Krause-Junk/J. H. v. Oehsen (1982), S. 718 f. Vgl. W. A. S. Koch, Konzepte und Probleme negativer Einkommensteuern, „das wirtschaftsstudium-wisu", 10. Jg., H. 3,4,1981, S. 145-149 u.S. 197-200. Ist das Bruttoeinkommen kleiner als To, wirkt der Tarif als negative Einkommensteuer. 29

42

2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

als Null wird, da g e w ö h n l i c h e r < o ist. Die Gesamtwirkung bleibt somit unbestimmt. 30 Der Einfachheit halber sei für die folgenden Überlegungen eine Nutzenfunktion vom Cobb-Douglas-Typ angenommen:

(10)

U=C a-Lß

für

α+ 0=1.

Das individuelle Maximierungsproblem lautet in der Lagrange Form: (11)

max. U= Ca - rf + λ · [C - w · (1 - t) · {Lo -L)

- T 0] [C; L] .

Darin bezeichnet λ den Lagrange-Multiplikator und Lo die maximal zur Verfügung stehende Zeit für Arbeit. Aus den Bedingungen erster Ordnung ergibt sich unter der Voraussetzung der Existenz eines internen Optimums für die optimale Freizeit (L*)

(12)

L* =ß. [Lo +

] w. (1 -t)

und entsprechend für die optimale Arbeitzeit (N*)

(13)

N* =Lo-L*

= oc - Lo-ß-

T o

w-(l-f)

sowie für das optimale Konsumniveau (C*)

C* = w (1 - f) · N* + To .

W

Aus (10), (12) und (14) läßt sich schließlich das optimale Nutzenniveau bestimmen: (15)

3,1

U* =C* a

· L*^ .

Dieses Ergebnis entspricht demjenigen aus Abschnitt Α. I. dieses Kapitels.

II. Optimale Einkommensteuer und Arbeitsangebot

43

Unter Beachtung von (13) kann der Finanzbedarf des Staates nach (7) wie folgt formuliert werden: ( 16)

TC = k - (-To + t · w - N* )

bzw. durch Einsetzen von (13) in (16)

TC = k - [- To + t · w (a-Lo



w(l

— 1 . - 0

Daraus läßt sich die tax possibility frontier-Funktion, die alle Kombinationen der tariflichen Parameter To und t bei gleichem Steueraufkommen abbildet, errechnen:

(17)

Το= Λ

ì ' t 1 -ί · a

.(t-wLo -ψ).31 k '

Es läßt sich zeigen, daß sich bei der gegebenen Modellstruktur das Volkseinkommen mit zunehmender Progression verringert. Dadurch verringern sich die Nutzenniveaus, ohne daß jedoch eine Kompensation durch Nutzenzuwächse infolge von mehr Freizeit möglich ist. Außerdem ist daraufhinzuweisen, daß die individuellen Arbeit-Freizeit-Koeffizienten große Bedeutung für die Optimallösung haben. Sind alle Individuen vollkommen identisch, bedingt die Optimallösung Kopfsteuern, da das soziale Nutzenoptimum sich nur durch einen Tarif in der Form t = ο und T. = ^ r e a l i s i e r e n läßt. Dieser Fall wird wegen seiner finanzpolitischen Irrelevanz ausgeschlossen. Es wurde bisher gezeigt, daß die Untersuchungen zur optimalen Einkommensteuer zunächst von sehr allgemeinen Prämissen ausgehen, wie sie sich in den Gleichungen (1) bis (6) niederschlagen. Wegen der Schwierigkeiten, daraus eindeutige und handlungsrelevante Ergebnisse abzuleiten, werden dann sehr restriktive Annahmen gemacht (Gleichung (7), (10) usw.), die schrittweise an realistischere Bedingungskonstellationen angenähert werden. Dazu rechnen die Einführung mehrerer Leistungsfähigkeitsgruppen (d. h. divergierende Lohnsätze nicht-identischer Individuen), alternative Annahmen über die verwendeten sozialen Wohlfahrtsfunktionen und die Berücksichtigung von Unsicherheit. 32 31

Auf die Konstruktion eines Zahlenbeispiels bzw. einer graphischen Lösung sei hier verzichtet. Vgl. dazu ζ. B. G. Ziemes (1982), S. 45 f. 32 Erweiterungen, die sich auf den Zusammenhang zwischen Nachfrageverhalten bzw. Sparverhalten und Einkommensteuer beziehen, sollen in dieser Übersicht nicht behandelt werden. Vgl. dazu z. B. H. J. Ramser (1981), S. 21 ff..

44

2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

— Eine zunehmende Dispersion in der Verteilung der Begabungen führt zu steigenden Steuersätzen. — Eine weitere wichtige Modifikation besteht in der Annahme verschiedener Substitutionselastizitäten zwischen Konsum und Freizeit. 33 Es zeigt sich, daß die Relation zwischen Substitutionselastizität und Steuersatz nicht monoton ist. Abnehmende Substitutionselastizitäten bedingen höhere Grenzsteuersätze, d. h. der Progressionsgrad einer optimalen Einkommensteuer wächst. 34 Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang das Ausmaß der Konkavität der Wohlfahrtsfunktion sowie der Finanzbedarf des Staates. M i t seiner Zunahme nimmt der optimale Grenzsteuersatz ebenfalls merklich zu, wobei dies vor allem dann gilt, wenn die zusätzlich erzielten Einnahmen nicht für monetäre Transferzahlungen verwendet werden sollen. — Unterschiede in den Analyseergebnissen lassen sich u. a. auf die zugrundegelegten Wohlfahrtsfunktionen zurückführen. Dafür kommen in Betracht (a) Wohlfahrtsfunktionen, in die die Nutzen der Individuen additiv eingehen (Bentham-Typ), (b) Wohlfahrtsfunktionen, die auf den Produkten individueller Nutzen beruhen (Nash-Typ) und (c) solche, die auf dem Differenzprinzip (Rawls-Typ) 35 beruhen. Argumente der sozialen Wohlfahrtsfunktion sind in allen Ansätzen die individuellen Nutzen, wobei i. d. R. eine für alle Haushalte identische Nutzenfunktion unterstellt wird. Damit sind Unterschiede, die aus individuellen Präferenzen für bestimmte Steuersysteme und Steuerformen herrühren mögen, ausgeschlossen. Wird unterstellt, daß die soziale Nutzengrenze bekannt ist, hängt der verteilungsoptimale Steuersatz allein von der speziellen Form der Wohlfahrtsfunktion ab. „Soll nach der sich auf das Rawlsche Differenzprinzip stützenden Wohlfahrtsfunktion der Nutzen des am schlechtesten gestellten Haushalts . . . maximiert werden, muß der Steuersatz höher sein als bei einer der dem Prinzip des 'größten Glücks der größten Zahl' folgenden Benthamschen Wohlfahrtsfunktion, die den Ausgleich 33 Legt man eine Cobb-Douglas-Nutzenfunktion zugrunde, ergibt sich bekanntlich eine Substitutionselastizität von Eins. 34 Vgl. Ν. H. Stern, On the Specification of Models of Optimum Income Taxation, "Journal of Public Economics", Vol. 6, 1976, S. 123 ff., der für seine Analysen eine CES-Nutzenfunktion verwendet. 35 Soziale und ökonomische Ungleichheit sind nur soweit zugelassen, als daraus für alle Gesellschaftsmitglieder ein Vorteil erwartet werden kann. „Das Rawlsche Differenzprinzip fordert Gleichheit der ökonomischen Situation, es sei denn, eine Abweichung von diesem Prinzip würde es ermöglichen, die Situation aller Individuen gleichzeitig zu verbessern. Rawls formuliert dieses Prinzip zutreffend auch als Maximinprinzip der Gerechtigkeit. Da ein Individuum in der Ursprungssituation nicht weiß, ob es im ungünstigen Fall am untersten Ende der gesellschaftlichen Skala landen könnte, müßte es ein vitales Interesse daran haben, daß auch dieser ungünstigste Platz so erträglich wie nur möglich ausgestattet ist". (E. Sohmen, Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik, Tübingen 1976, S. 371. Hervorhebung im Original).

II. Optimale Einkommensteuer und Arbeitsangebot

45

der individuellen Grenznutzen . . . fordert. Zwischen diesen Steuersätzen müßte der Steuersatz bei einer Nash-Wohlfahrtsfunktion liegen, die die Wohlfahrt als Produkt individueller Nutzen auffaßt und ihr Maximum bei relativ gleichen Grenznutzen . . . hat". 3 6 — Die Analyse des Arbeitsangebotsverhaltens hat ergeben, daß der optimale marginale Einkommensteuersatz nicht notwendigerweise mit dem Einkommen steigen muß, ein Ergebnis, das im Gegensatz zu weitverbreiteten Vorstellungen über den Zusammenhang zwischen Umverteilungserfordernissen und Progressionsverlauf (bei Annahme utilitaristischer Wohlfahrtsfunktionen) steht. Dies ist darauf zurückzuführen, daß Bezieher niedriger Einkommen durchaus von einer Senkung des Grenzsteuersatzes für hohe Einkommen profitieren können. Entsprechendes gilt im übrigen auch für den Grenzfall der Wohlfahrtsfunktion vom Rawls-Typ. „Diese Feststellung ist insofern von Bedeutung, als die Rawlsche Funktion Grenzen der Verteilungseinebnung markiert: Tarife, die zu einem höheren Maß an Gleichheit führen (ζ. B. zu einer egalitären Verteilung), sind nur vertretbar, wenn die Gesellschaft einen Einkommensteuerzuwachs bei der 'falschen 4 Person als sozialen Verlust betrachtet". 37 — In jüngerer Zeit wurde damit begonnen, den Einfluß von Unsicherheit auf das optimale Steuersystem einzubeziehen, wobei die Unsicherheit der Individuen in bezug auf Entscheidungen über Arbeitsangebot und Konsum und die Unsicherheit der Regierung in bezug auf Entscheidungen zur Ausgestaltung des Steuersystems unterschieden werden können. 38 Als gravierendes Problem für den Staat sind dabei die nicht vollkommenen Informationen über die Begabungen der Individuen, die Höhe der Substitutionselastizität usw. zu nennen, die eine first-best-Lösung ausschließen und insofern das Zustandekommen eines second-best-Problems begründen. Für die Entscheidungen der (risikoaversen) Individuen wird angenommen, daß sie getroffen werden müssen, bevor der Lohnsatz bekannt ist. 3 9 Jedes Individuum kennt dagegen die für seine spezifische Begabung relevante Dichtefunktion seines Lohnsatzes. Entschieden wird im Sinne der Hypothese der Maximierung des Erwartungsnutzens. Der Staat verhält sich in bezug auf seine Steuereinnahmen risikoneutral, er geht von erwarteten Steuereinnahmen entsprechend der Budgetrestriktion aus. 36

G. Krause-Junk/J. H. v. Oehsen (1982), S. 719 (Hervorhebung im Original). Dort wird auch eine graphische Lösung gegeben, auf deren Wiedergabe hier verzichtet werden kann. 37 H. J. Ramser (1981), S. 53. 38 Vgl. die Übersichtsdarstellung bei H. J. Ramser (1981), S. 16-20. 39 Vgl. zum folgenden die Untersuchungen von J. Eaton/H. S. Rosen, Optimal Redistributive Taxation and Uncertainty, "Quarterly Journal of Economics", Vol. 94, 1980a, S. 357 ff. Dieselben, Labor Supply, Uncertainty, and Efficient Taxation, "Journal of Public Economics", Vol. 14, 1980b, S. 365 ff.

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2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

Als Ergebnis wird dann abgeleitet, daß der optimale Steuersatz bei Unsicherheit zwischen Null und hundert Prozent liegt(!), ein Resultat, das sich auch im Falle von Sicherheit (identische Individuen) eingestellt hatte. Unter den Voraussetzung von Begabungsunterschieden wird vermutet, daß Unsicherheit über die Lohnsätze zu einer Steigerung der Progression bei der Einkommensteuer führt. Entsprechend steigt in diesem Modell der Steuersatz mit zunehmender Risikoaversion und dem Finanzbedarf des Staates. Insgesamt sind die unter der Prämisse von Unsicherheit durchgeführten Untersuchungen (noch) nicht sehr ergiebig, was einen großen Forschungsbedarf dieses komplexen Problems indiziert. 3. Kritik

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Die Kritik an der Theorie der optimalen Besteuerung und damit an den Untersuchungen zur optimalen Einkommensteuer kann auf verschiedenen Ebenen ansetzen. — Die ausschließliche Verwendung kompetitiver Gleichgewichtssysteme als Rahmen für die Modellbetrachtungen ist zu eng. 41 Sie trägt ζ. B. realtypischen Marktformen nicht hinreichend Rechnung. Zu fordern ist daher eine Erweiterung bzw. Anpassung in dieser Richtung. — Ebenfalls als zu eng kann die auf das Steuersystem bzw. die Einnahmenseite des Staatshaushaltes beschränkte Analyse angesehen werden. Hier kann nur die gleichzeitige Betrachtung aller staatlichen Aktivitäten, d. h. die Einnahmen-/und Ausgabenseite letztlich zu finanzpolitisch relevanten Ergebnissen in bezug auf die Gestaltung des Tarifs der optimalen Einkommensteuer liefern. „Except under very special circumstances, the spending and taxing decisions of the government are not separable, for each change in tax base or rate, or in spending, will affect private demands for goods and supplies of factors of production and thus will affect tax revenues as well". 4 2 Hinzu kommt, daß Modifikationen, die sich aus dem Problem der tax evasion sowie den Kosten der staatlichen Administration ergeben mögen, in bisherigen Untersuchungen unberücksichtigt geblieben sind. 40

Auf eine Kritik des welfare-theoretischen Ansatzes wird hier verzichtet. Die Berufung auf den „Zeitgeist, der eine Abkehr von traditionellen Anschauungen zur Bedeutung Keynesianischer Makropolitik verlangt", H. J. Ramser (1981), S. 54, als Begründung für die ausschließliche Verwendung des neoklassischen Modellansatzes, kann in diesem Zusammenhang allerdings nur Erstaunen hervorrufen. 42 M. J. Boskin, Factor Supply and the Relationships among the Choice of Tax Base, Tax Rates, and the Unit of Account in the Design of an Optimal Tax System, in: The Economics of Taxation, hrsg. v. H. J. Aaron u. M. J. Boskin, Studies of Government Finance, Washington, D. C. 1980, S. 148. 41

II. Optimale Einkommensteuer und Arbeitsangebot

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— Ein weiterer Einwand betrifft die weitgehende Beschränkung der Analyse auf die Eigenschaften optimaler Steuersysteme im ,steady state4. „Bei der aus wachstumstheoretischen Untersuchungen hinlänglich bekannten kalenderzeitgemäßen Länge von Anpassungsphasen dürfte eine Erörterung der Charakteristik optimaler Übergangsprozesse von einem historisch gegebenen zu einem wie auch immer begründeten optimalen System äußerst interessant sein . . . Es läßt sich nicht ausschließen, daß im Übergangsprozeß bestimmte steuerliche Regelungen sinnvoll sind, die im ,Endzustand4 keinen Platz haben". 43 — Darüber hinaus sind in bisherigen Analysen zur optimalen Einkommensbesteuerung weitere wichtige Aspekte noch nicht berücksichtigt worden. Dazu rechnen Probleme der horizontalen Gerechtigkeit, deren wohlfahrtstheoretische Behandlung kontrovers ist und die ökonomische Ausgangslage der Steuerzahler in der Wohlfahrtsfunktion ebenso wie die Unterschiede zwischen den Individuen als Zensiten in bezug auf demographische und soziale Merkmale. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß die Präferenzen der Steuerzahler bezüglich verschiedener Steuerarten durchaus divergieren können. — Die Untersuchungen zur optimalen Besteuerung haben keine Resultate erbracht, die — bei den jeweils gemachten Annahmen — im Widerspruch zu traditionellen finanzwissenschaftlichen Erkenntnissen stehen würden. 44 A n die Stelle verbaler Deduktionen sind lediglich ,exakte4 Modellergebnisse getreten, die jedoch meist nur für einen reduzierten Bereich gelten (wie ζ. B. Aussagen zur Progression der Einkommensteuer). Die Anwendung mathematischer Verfahren kann aber auch den Vorteil haben, daß finanzwissenschaftliche Fragen behandelt werden können, die wegen unzureichender Analysemethoden bisher nicht untersucht werden konnten. Inwieweit dies geschehen wird, dürfte die Zukunft erweisen. — Die empirische Relevanz der bisherigen Arbeiten zur optimalen Einkommensbesteuerung ist gering. Die Ergebnisse sind wenig robust in bezug auf weitere Erklärungsvariablen, zu denen etwa das Verhalten der Arbeitsnachfrage, die Präferenzen abgrenzbarer demographischer Gruppen, die Bestimmung des Arbeitsangebots usw. gehören. Die daraus resultierende Unsicherheit gestattet es nicht, finanzpolitisch relevante Grenzsteuersätze für die Einkommensteuer zu bestimmen. 45 43 H. J. Ramser (1981), S. 55. Durch die Hervorhebung (vom Verf.) kommt im übrigen eine bemerkenswerte Unsicherheit zum Ausdruck. Die von Ramser (ebenda, S. 56 f.) aufgeworfene Frage, ob ein »optimaler Endzustand4 überhaupt ein redistributiv begründetes Steuersystem aufweisen muß, könnte dazu führen, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der Literatur zur optimalen Einkommensteuer gegenstandslos wird. 44 Vgl. G. Krause-Junk/J. H. v. Oehsen (1982), S. 721. 45 Bei der Interpretation von Intervallen für optimale Grenzsteuersätze ist deshalb

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2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

Zusammenfassend können wir feststellen, daß die optimal-taxation Analyse den Anforderungen, die in der praktischen Finanzpolitik gestellt werden, derzeit nocht nicht gerecht wird. Wenn man „die erörterten Probleme betrachtet, dann scheint die »optimale Besteuerung 4 nichts mit der Wirtschaftsordnung, der volkswirtschaftlichen Stabilität, dem politischen System und der politischen Durchsetzbarkeit, der Steuererhebungstechnik, dem Finanzausgleich usw. zu tun zu haben... Man wird aber wohl verlangen dürfen, daß jedermann seine Artikel nach Möglichkeit so verpackt, daß man keine Juwelen vermutet, wenn er Glasperlen anbietet". 46 Diese sicherlich berechtigte Kritik schließt jedoch in Zukunft — gerade angesichts der anhaltenden Forschung über Fragen der optimalen Besteuerung — wichtige, auch finanzpolitisch umsetzbare Erkenntnisse nicht aus. A u f eine erfahrungswissenschäftliche Fundierung der Theorie der optimalen Einkommensteuer kann gleichwohl nicht verzichtet werden. III. Möglichkeiten und Grenzen fiir Anpassungen im Leistungsverhalten47 Während wir im Abschnitt I vor allem den Rahmen des Arbeit-FreizeitWahlmodells dargestellt haben, sollen jetzt weitere Faktoren, die das Anpassungsverhalten der Arbeit anbietenden Wirtschaftseinheit bestimmen, analysiert werden. Zunächst ist festzustellen, daß die funktionale Beziehung zwischen Lohnhöhe und Arbeitszeit nur eine Facette der Theorie des Arbeitsangebots darstellt. 48 Denn Arbeit kann sich auf dem Arbeitsmarkt zu den dort herrschenden Lohnsätzen manifestieren oder auch außerhalb eines solchen (ζ. B. in Form von Hausarbeit, Kindererziehung usw.). 49 Der Lohn für marktmäbesondere Vorsicht geboten. Ζ, B. gibt G. Ziemes ( 1982), S. 94, für eine ausschließlich der Umverteilung dienenden optimalen Einkommensteuer ein Grenzsteuersatzintervall von 17,0 % bis 36,2 % (sie!) an. 46 G. Krause-Junk/J. H. v. Oehsen (1982), S. 722. 47 Um die einleitend-abgrenzende Darstellung nicht zu überlasten, wird auf eine systematische Erörterung möglicher Steuerwirkungen (Einkommensteueränderungen) verzichtet. Sofern die empirischen Untersuchungen Reaktionen nachweisen, die nicht als Leistungswirkungen im Sinne des Einkommens- und Substitutionseffektes zu klassifizieren sind, werden sie an Ort und Stelle behandelt. 48 Ζ. B. wird von E. Kalachek/W. Mellow /F. Raines , The Male Labor Supply Function Reconsidered, „Industrial and Labor Relations Review", Vol. 31, No. 3, 1978, S. 367 festgestellt: „At least for mature men, an exaggerated emphasis has been placed on the position and slope of the budget line. This emphasis reflects more the professional interests of economists than it does the parameters affecting labor supply decisions. Wages affect labor supply, but only modestly. The systematically explainable variation in labor supply is dominated by attitudes, health, and demographic variables". 49 Eine erste Modifikation besteht also darin, die einem Haushalt zur Verfügung stehende Zeit danach zu untersuchen, welche Anteile für die Arbeit, die Freizeit und Hausarbeit eingesetzt werden. Vgl. dazu T. J. Wales/ A. D. Woodland, Estimation of the Allocation of Time for Work, Leisure, and Housework, "Econometrica", Vol. 45, 1977, S. 115-132. Vgl. auch unten Abschnitt Β. I I I über Schattenwirtschaft.

I I I . Möglichkeiten und Grenzen für Anpassungen im Leistungsverhalten

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ßig verwertete Arbeit wird ausdrücklich und normalerweise in allgemeiner Kaufkraft bezahlt, während sich die Entlohnung der Hausarbeit nur implizit in den dort erstellten Gütern und Diensten niederschlägt, letztlich aber doch im Sinne von Alternativkosten bzw. -erträgen in die Entscheidung des Wirtschaftssubjekts mit eingeht. 50 Beispielsweise wurde gerade nach dem II. Weltkrieg in beträchtlichem Umfang „besteuerte Arbeit" gegen unbesteuertes „do-it-yourseif" substituiert. 51 Eine erste Möglichkeit für Anpassungen im Leistungsverhalten liegt somit in der Substitution zwischen marktmäßiger und nicht-marktmäßiger Arbeit, während die oben dargestellte Theorie nur von der Alternative Arbeit (marktmäßig entlohnt) und Freizeit (Nicht-Arbeit) 5 2 ausging. Eine andere Ausprägung des Substitutionseffektes, der von der partialanalytischen Betrachtungsweise nicht behandelt wird, ist die Reallokation einer besteuerten Tätigkeit zu einer weniger oder gar nicht besteuerten. 53 Ein dritter Aspekt ergibt sich im Zusammenhang mit dem „avoidance effect", der vor allem als Reaktion bei Zensiten aus den oberen Einkommensklassen ermittelt wurde. „There is little doubt, that in the business world considerable time and energy is devoted toward taking advantage of tax loopholes. It would be very difficult to estimate with any accuracy what fraction of available resources is absorbed in the essentially wasteful task of designing schemes of tax avoidance. One suspects that the amount of effort this misdirected may be quite small, but it may, nevertheless, be a more important problem than the problem of disincentives." 54 Damit ist ein weiteres Problem, nämlich die zweckgerechte Abgrenzung der zugrundezulegenden Wirtschaftseinheit, angesprochen. In diesem Zusammenhang scheint sich die Untersuchung der Verhaltensweisen eines 50 Es leuchtet ein, daß ein verheirateter Erwerbstätiger, dessen Ehepartner ebenfalls erwerbstätig ist, auf Veränderungen des Lohnsatzes anders reagiert oder reagieren kann, als ein in vergleichbarer Position arbeitender Vater von 4 schulpflichtigen Kindern, dessen Ehefrau nicht berufstätig ist. 51 W. W. Heller (1982) S. 424, nennt dieses Verhalten den „diversion effect". Dsgl. D. M. Holland, The Effect of Taxation on Effort: Some Results for Business Executives, Proceedings of the 62nd Annual Conference on Taxation, National Tax Association, Columbus, Ohio 1970, S. 502, 510. 52 Dabei mußte ζ. Β. unberücksichtigt bleiben, daß verschiedene Arten von Freizeit verschiedene Grade von Bedürfnisbefriedigung beinhalten können. Vgl. dazu R. Perlman, Labor Theory, New York u. a. 1969, S. 20 f. 53 Vgl. D. M. Holland (1970) S. 453. 54 R. Barlow, The Effects of Income Taxation on Work Choices, Studies of the Royal Commission on Taxation, No. 4, Ottawa 1966, S. 13. Ähnlich äußern sich auch Ο. Eckstein, Public Finance 3rd. ed., Foundations of Modern Economics Series, Englewood Cliffs, N. J. 1973, S. 83; D. Th. Smith , The Effects of Taxation of Executive Compensation on Economic Activity, in: Tax Impacts on Compensation, Symposium Conducted by the Tax Institute of America, Oct. 3-4, 1968, Princeton 1969, S. 37; W. G. Lewellen, Tax Minimization and Executive Compensation Plans, ebenda, S. 104 ff.

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2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

Individuums zu verbieten, vielmehr dürfte die Analyse des Arbeitsverhaltens eines Haushalts, verstanden als Wirtschaftssubjekt, zu brauchbareren Ergebnissen führen. 5 5 ' 5 6 „To some extent work leisure decisions are made collectively rather than individually". 5 7 Trotz dieser Erweiterung bezieht sich die folgende Analyse auf das individuelle (Haushalts-) Arbeitsangebot. Damit ist eine weitere Möglichkeit für ein Anpassungsverhalten aufgezeigt. Selbst wenn der „Haushaltsvorstand" (primary worker) sein Arbeitsangebot infolge einer Lohnsatz- oder Steueränderung unverändert läßt, ist dennoch eine Reaktion des Gesamtarbeitsangebots bei Betrachtung des Haushalts denkbar (Arbeitsangebotsreaktion der »secondary worker'), weil in der Angebotsfunktion des Haushalts bzw. in die Teilfunktionen der einzelnen Haushaltsmitglieder die diversen Lohnsätze und Steuersätze eingehen. 58 Beispielsweise könnte eine Teilzeitarbeit begonnen oder — j e nach Situation — beendet werden. Dieser Gedankengang ist auf die Haushalte nichtselbständiger Erwerbstätiger ebenso anwendbar wie auf die Selbständiger. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß bei einer Betrachtung des Familienarbeitsangebots auch die Wirkungen der Kreuzeffekte von Steuersatzänderungen einbezogen werden müssen. Als Kreuzeffekt wird der Einfluß von Veränderungen im Grenzsteuersatz auf das steuerpflichtige Arbeitsangebot der anderen Haushaltsmitglieder bezeichnet. 59 Dabei tritt der Effekt nicht aufgrund diskretionärer Steuersatzvariationen, sondern allein wegen der Veränderung des Gesamteinkommens auf. 55

Vgl. z. B. E. D. Kalachek (1973) S. 8;/. Mincer, Labor Force Participation of Married Women: A Study of Labor Supply, in: Aspects of Labor Economics, A Conference of the Universities — National Bureau, Committee for Economic Research, Princeton 1962, S. 63-97. J. H. Leuthold, The Effect of Taxation on the Hours Worked by Married Women, "Industrial and Labor Relations Review", Vol. 31, 1977/78, S. 520-526. Dieselbe, The Effect of Taxation on the Probability of Labor Force Participation by Married Women, "Public Finance", Vol. 33, 1978, S. 280-294. Ch. Greenhalgh, Participation and Hours of Work for Married Women in Great Britain, "Oxford Economic Papers", Vol. 32,1980, S. 296-318. 56 Dem wäre dann auch eine Nutzenfunktion des Haushalts zugrundezulegen. Vgl. dazu z. B. T. J. Wales/ A. D. Woodland, Estimation of Household Utility Functions and Labor Supply Response, "International Economic Review", Vol. 17, 1976, S. 397-410. 57 L. C. Thurow, The Impact of Taxes on the American Economy, New York, Washinton, London 1971, S. 24. 58 Vgl. ζ. Β. den bei Experimenten zur negativen Einkommensteuer beobachteten Effekt, daß mit steigender Begünstigung der Haushaltsvorstand sein Arbeitsangebot konstant ließ oder leicht erhöhte, während die secondary worker es signifikant verringerten. Vgl. dazu ausführlich D. Flesh/K. McCarthy, Labor Force Participation among Male Heads of Households in the New Jersey — Pennsylvania Negative Income Tax Experiments: Preliminary Results, IRP-discussion paper, No. 147, 1972, und/?. Hollister, The Labor-Supply Response of the Familiy, "The Journal of Human Resources", Vol. 9,1974, S. 223 ff. 59

Vgl. J. H. Leuthold, Taxes and the Two-Earner Familiy: Impact on Work Decision, "Public Finance Quarterly, Vol. 7, 1979, S. 148.

I I I . Möglichkeiten und Grenzen für Anpassungen im Leistungsverhalten

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Das Vorzeichen des Nettoeffekts bleibt allerdings auch hier unbestimmt. Es hängt von der Größe des Kreuz-Substitutionseffekts und der des KreuzEinkommenseffekts ab. In der Darstellung des Arbeit-Freizeit-Modells eines Individuums wurde unter Arbeit die Arbeitsstundenzahl verstanden. Das mag eine zunächst zulässige Vereinfachung sein, empirischer Analyse wird sie jedoch nicht gerecht, weil durch die Reduktion möglicher Anpassungsreaktionen auf einen einzigen Parameter wichtige Informationsverluste entstehen können, die die Gefahr wirtschaftspolitischer Fehlbeurteilungen entstehen lassen. Das Arbeitsangebot umfaßt vor allem die folgenden Komponenten, deren Variation bei einer Lohnsatzänderung/Einkommensteueränderung grundsätzlich in Betracht kommen und deren Variabilität im folgenden zu überprüfen ist: (1) Die tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit. 60 Ihre kurzfristige Veränderung entfällt dann, wenn aufgrund kollektivrechtlicher oder einzelarbeitsvertraglicher Regelungen eine bestimmte Arbeitsstundenzahl für den abhängig Beschäftigten festgesetzt ist. Die Arbeitszeit erscheint in unserer Industriegesellschaft weitgehend „institutionell kanalisiert" 61 , d. h., der einzelne Arbeitnehmer kann seine Arbeitskraft nur zur „standardisierten Arbeitszeit" verkaufen. 62 Daraus folgt jedoch, daß — soweit das Indifferenzkurvensystem des Arbeitnehmers im relevanten Bereich stetig ist und es keinen Tangentialpunkt, sondern nur Schnittpunkte mit der Lohngeraden aufweist, sein Nutzenmaximum nicht realisierbar ist. 63 Von der Möglichkeit für Überstunden, Teilzeitarbeit usw. sei dabei abgesehen. Oder sein Indifferenzkurvensystem weist an der Stelle der „standardisierten Arbeitszeit" eine Unstetigkeitsstelle auf. Es ist dann plausibel, daß bei längerer Arbeitszeit der Verlauf der Kurven steiler, bei kürzerer Arbeitszeit flacher ist. 6 4 In beiden Fällen sind die Anpassungsmöglichkeiten sehr beschränkt. Prinzipiell frei sind dagegen selbständige Erwerbstätige, obwohl auch bei ihnen institutionelle Vorgaben (ζ. B. Ladenschlußzeiten usw.) oder 60 Wie sie etwa als tarifliche Arbeitszeit in Kollektivverträgen für Arbeitnehmer festgelegt wird. Von einer Variation der Leistungsintensität wird zunächst abgesehëïi. 61 G. Schmölders/K. -H. Hansmeyer, (1980) S. 210. 62 Vgl. H. Fecher, Einige Bemerkungen über "Incentive-Wirkungen" der Einkommensbesteuerung, "Public Finance", Vol. 20, 1965, S. 93 f. J. F. Due/A. F. Friedlaender, Government Finance. Economics of the Public Sector, 7th ed., Homewood, 111. 1981, S. 353 f. 63 Vgl. die ausführliche Analyse von L. N. Moses, Income, Leisure, and Wage Pressure, "The Economic Journal", Vol. 72, 1962, S. 322 ff. 64 Vgl. dazu E. Schwarz/D. Α. Moore, The Distorting Effects of Direct Taxation. A Re-Evaluation, "The American Economic Review", Vol. 41, 1951, S. 141.

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2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

andere Faktoren (bei Ärzten etwa die persönliche oder berufliche Verpflichtung gegenüber Patienten) 65 zu einer Einschränkung ihrer Entscheidungsfreiheit in bezug auf die Länge ihrer Arbeitszeit führen können. (2) Überstunden- oder Mehrarbeit Während der Begriff Überstunden- oder Mehrarbeit für Selbständige eines Sinnes entbehrt, weil anders als bei abhängig Beschäftigten ein arbeitsvertraglicher Bezugspunkt für die Determination der Arbeitszeit fehlt (es sei denn, man würde von einer Durchschnitts- oder Normalarbeitszeit des betreffenden Zensiten oder seiner Berufsgruppe ausgehen und die individuelle Abweichung, sofern sie temporären Charakter hat, als Überstunden- oder Mehrarbeit definieren) 66 , besteht für abhängig Beschäftigte eine klare arbeitsrechtliche Abgrenzung. Da Überstunden in der Regel einen deutlich höheren Lohnsatz aufweisen (dies gilt in noch stärkerem Maße für die Sonn- und Feiertagsarbeit), ist a priori der finanzielle Anreiz für den Arbeitnehmer, bei Lohnsatz- oder steuerlichen Belastungsänderungen mit dem Überstundenangebot zu reagieren, beträchtlich. Eine Reaktion setzt auch hier voraus, daß der Erwerbstätige finanziell motiviert ist und daß betriebliche Belange (Auftragslage, Produktionstechnik usw.) eine Variation mit den Überstunden gestatten. Solange jedoch eine schlechte Auftragslage des Betriebes eine Ausdehnung der Arbeitzeit verbietet, muß die Anpassungsreaktion unterbleiben. Der Arbeitnehmer wäre dann auf andere Parameter angewiesen. (3) Zweitarbeit Angesichts der erwähnten standardisierten Arbeitszeit besteht eine weitere Anpassungsmöglichkeit in der Aufnahme/Aufgabe einer Zweitarbeit. In der Regel wird dazu, im ersten Falle aus einsichtigen Gründen, die Zustimmung des ersten Arbeitgebers erforderlich sein. Dennoch wird sich in den meisten Fällen die Zweitbeschäftigung in der „Schwarzarbeit" manifestieren, bei der der Versuch gemacht wird, ohne Beachtung arbeits- und steuerrechtlicher Vorschriften, 67 zu Einkommen zu gelangen. 68 Tatsächlich ist die Freiheit in der Arbeitszeitgestaltung in solchen Fällen wesentlich größer, so daß u. U. selbst auf die Möglichkeit 65 Vgl. Th. H. Sanders, Effects of Taxation on Executives, Boston 1951, S. 20. Dies könnte als „Patienten- oder Klientenschranke" bezeichnet werden. 66 Eine andere Möglichkeit bestünde darin, Nullpunkt und Maßstab für die Arbeitszeit in anderen Hilfsgrößen wie etwa Ladenöffnungszeit, Bürozeit usw. zu sehen. 67 Ζ. B. Arbeit ohne zweite Lohnsteuerkarte. 68 Der starke Umfang dieser Tätigkeiten wurde in der gesamtwirtschaftlichen Stagnationsphase Mitte der 70'er Jahre durch die Kritik bestimmter handwerklicher Berufe an durch Schwarzarbeit entgangenen Beschäftigungsmöglichkeiten bekannt. Vgl. zu dem Problemkreis „Schattenwirtschaft" Abschnitt B. III.

I I I . Möglichkeiten und Grenzen für Anpassungen im Leistungsverhalten

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von Überstunden verzichtet wird. 6 9 Inwieweit jedoch das damit erzielte Einkommen als nicht notwendig für die Basis-Lebenshaltung empfunden wird, kann nur aufgrund empirischer Untersuchungen beantwortet werden. (4) Urlaub Auch in bezug auf den Urlaub finden wir für den abhängig Beschäftigten in erster Linie tarifvertragliche Regelungen. Zwar ist der „unbezahlte" Urlaub nicht ausgeschlossen, seine Beantragung ist aber weniger von Lohnsatzänderungen als von sehr individuellen Faktoren abhängig. Da der Erholungsurlaub auch als solcher zu nehmen ist — andernfalls würde sein Sinn pervertiert —, würde die Benutzung der Urlaubszeit zu einer anderweitigen temporären entgeltlichen Tätigkeit, wie sie als Reakton auf Lohn- bzw. Steueränderungen in Betracht käme, der illegalen Kategorie der „Schwarzarbeit" zuzurechnen sein. In der Urlaijbsgestaltung sind die Selbständigen wieder prinzipiell frei. A priori lassen sich aber auch für sie gewisse Schranken feststellen. Bei freien Berufen etwa bestimmen sich Urlaubszeit und Länge nicht selten danach, ob ein Vertreter für Praxis oder Büro gefunden wurde. 70 Ebenso schränken berufliche Faktoren (Ausschreibungstermine bei Architekten, Gerichtstermine bei Anwälten, Steuertermine bei Steuerberatern usw.), die mit finanziellen Aspekten zumindest konkurrieren, die Freiheit der Urlaubsgestaltung ein. Die Frage nach unbezahltem Urlaub stellt sich bei den Selbständigen nicht, da jeder Urlaub, der mit der vorübergehenden Schließung von Praxis, Büro oder Geschäft verbunden ist, einen Einnahmeausfall beinhaltet. (5) Absentismus Eine Raktionsform, die sich ausschließlich bei abhängig Beschäftigten zeigen dürfte, ist der Absentismus, den man im Volksmund etwas oberflächlich auch als „Krankfeiern" bezeichnet, und der als arbeitsvertragswidrige 71 Variation der persönlichen Arbeitszeit bezeichnet werden kann. Obwohl ein Zusammenhang zwischen Absentismus und Lohnoder Steueränderungen nicht auszuschließen ist, dürften doch andere Einflußfaktoren maßgebender sein. So findet man in konjunkturell schwachen Perioden zurückgehende Fehlquoten und vice versa. 69

Vgl. dazu ausführlich R. Perlman (1969) S. 29 ff. Dies gilt besonders für Einzelpraxen etc. In Gemeinschaftspraxen und Sozietäten läßt sich dieses Problem wesentlich leichter lösen. Sie haben bisher jedoch nur bei Rechtsanwälten und Tierärzten eine größere Verbreitung gefunden. Vgl. dazu W. A. S. Koch, Strukturmerkmale ausgewählter Freier Berufe — Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in Schleswig-Holstein, Beiträge zur Mittelstandsforschung, H. 14 hrsg. ν. M. E. Kamp, Göttingen 1976a, S. 29 u. 82. 70

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In diesem Zusammenhang kann es nur um die illegale Form einer simulierten Krankheit gehen. Dagegen sind Fehlzeiten aufgrund von Erkrankungen aus dieser Analyse ausgeschlossen.

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2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

Ein anderer Einflußfaktor ist die Stärke der sozialen Sicherung im Falle vorübergehender Unfähigkeit, die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen. Tendenziell dürfte man hier ein Ansteigen der Fehlquote mit besserer Sicherung (ζ. B. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) finden. Trotz dieser Indikationen wird die Bereitschaft, auf Lohn- und Steueränderungen mit Absentismus zu reagieren, in erster Linie von berufsethischen Einstellungen abhängen. Dabei mögen Überlegungen wie etwa die Verpflichtung gegenüber Betrieb, Arbeitsgruppe und Kollegen eine nicht unbedeutende Rolle spielen. 72 (6) Ruhestandsbeginn 73 Geht man von der Existenz eines Systems der sozialen Sicherung aus, wie es ζ. B. in der Bundesrepublik Deutschland besteht, so hängt es von dem Vorhandensein einer flexiblen Altersgrenze ab, ob sich Lohnsatz- oder Steueränderungen in der Entscheidung über den Ruhestandsbeginn manifestieren können. Eine Variation des Nettoeinkommens könnte sich dann in einem Vorziehen oder Verschieben des ursprünglichen Zeitpunkts niederschlagen, ohne daß davon die tägliche Arbeitszeit berührt wird. Ähnliches gilt auch für die Selbständigen, die sich nicht selten de facto in der gleichen Situation befinden wie die abhängig Beschäftigten, da eine kollektive Altersvorsorge, die den Ruhestandsbeginn erst von einem bestimmten Mindestalter an vorsieht, bei den einzelnen Berufsgruppen sehr verbreitet ist. 74 Zu einer Verringerung der Entscheidungsfreiheit führt auch das, was oben als Patienten- oder Klientenschranke bezeichnet wurde. Ein vollkommener Rückzug aus dem Arbeitsleben ist oft deswegen nicht möglich, weil persönlich gewachsene Beziehungen zu einem Teil der Patienten bzw. Klienten zu einer Fortführung der Betreuung „zwingen". 75 Die Möglichkeit eines kontinuierlichen Rückzugs aus dem Arbeitsleben böte andererseits gerade eine flexible Anpassung an Nettoeinkommensänderungen. Darauf wird später noch einzugehen sein. 72 Es ist nicht möglich, in diesem Zusammenhang auf den Gesamtkomplex des Absentismus einzugehen. Vgl. dazu ζ. B. A. R. Bunz/R. Jansen/K. Schacht, Qualität des Arbeitslebens. Soziale Kennziffern zu Arbeitszufriedenheit und Berufschancen, hrsg. v. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Bonn 1974, S. 208 ff. sowie W. Wilhelm, Fluktuation und Absentismus. Eine Untersuchung der Bedingungen und Motivationen zu ihrem Auftreten in einem Industriebetrieb, Diss., Mannheim 1964. 71 Vgl. dazu auch die graphische Analyse v. G. F. Break (1953) S. 343 f. sowie H. S. Rosen, What Is Labor Supply and Do Taxes Affect It?, "The American Economic Review", Papers and Proceedings, Vol. 70,1980, S. 172. Rosen erörtert auch den folgenden Aspekt der Arbeitsintensität (S. 173). 74 Vgl. auch W. A. S. Koch, Zur Altervorsorge bei freien Berufen, „Sozialer Fortschritt", 25. Jg., 1976b, S. 155 ff. 75 Vgl. R. Davidson, Income Taxes and Incentive: The Doctor's Viewpoint, "National Tax Journal", Vol. 6, 1953, Reprint 1965, S. 296 f.

I I I . Möglichkeiten und Grenzen für Anpassungen im Leistungsverhalten

(7) Arbeitsintensität und Arbeitsqualität Während die bisher genannten Komponenten weitgehend quantitativen Charakter aufwiesen, gewinnen bei weiteren Anpassungsformen auch qualitative Aspekte an Bedeutung. Zunächst kann der von einer Nettoeinkommensänderung Betroffene versuchen, seine Arbeitsintensität und/oder -qualität zu variieren, um zu einem neuen Gleichgewicht zu gelangen. Eine solche Reaktion ist weder bei Zeitlöhnern, deren Arbeitsergebnis zumindest mengenmäßig einer unmittelbaren Kontrolle entzogen ist, noch bei Leistungslöhnern auszuschließen. Im Leistungslohn stehende Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, über eine Intensivierung ihrer Arbeitsleistung etwa vorgenommene Nettolohnminderungen zu kompensieren. Nicht selten wird dabei ein für sie unerwünschtes Ergebnis erzielt: Die regelmäßige Überschreitung einer implizit oder explizit bestehenden Akkordnorm kann zu deren Korrektur nach oben führen. Eine Leistungsanpassung nach unten, im Sinne einer Desintensivierung, dürfte ebenfalls unerwünschte Fernwirkungen erwarten lassen: Verlust des Akkords oder der Prämien, Ausschluß aus der Akkordgruppe usw. Bei freien Berufen und anderen selbständigen Erwerbstätigen dürfte die letztgenannte Anpassungsrichtung ebenfalls weitgehend entfallen, da sie den Verlust von Klienten und Patienten, Vertrauenseinbußen, d. h. weitere Einkommensminderungen zur Folge haben würde. (8) Arbeitsplatz- oder Berufswechsel 76 Schließlich können die von einer Lohnsatz- oder Einkommensteueränderung „Betroffenen" versuchen, sich durch einen Arbeitsplatzwechsel oder sogar durch einen Berufswechsel an die neue Situation anzupassen. Eine Reaktion dürfte hier — wie auch in den anderen erörterten Anpassungsformen vor allem bei einer Lohnsatzsenkung/Steuererhöhung zu erwarten sein. Man kann zunächst versuchen, durch innerbetrieblichen Aufstieg eine finanzielle Kompensation zu erlangen. Weiterhin besteht die Möglichkeit, durch Verlegung des Wohnsitzes oder durch Betriebswechsel Kosten des Einkommenserwerbs (Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) zu senken. A n der geleisteten Arbeit würde sich dadurch nichts ändern, trotzdem hätte der Zensit eine Verbesserung seiner NettoEinkommensposition erreicht. Allerdings darf die hier aufgezeigte Möglichkeit auch nicht überschätzt werden, gibt es doch für viele Erwerbstätige ein Trägheitspotential in Form von Bindungen an die bisherige Arbeitsstätte (ζ. B. durch lange Betriebszugehörigkeit, 77 Arbeitsklima usw.) oder Gewöhnung im privaten Bereich (Eigenheim, 76

Von der in der Literatur gelegentlich erwähnten Emigration sei hier abgesehen. Der Verlust eines Anspruchs auf eine Betriebsrente ist dagegen seit dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Alterversorgung vom 19. September 1974 (BGBl I, Nr. 139 77

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2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

Familie, Schulmöglichkeiten, Bekanntenkreis usw.), die eine Reaktion bis zu einem nicht unbeträchtlich hohen Schwellenwert überhaupt ausschließen. 78 Außerdem kann erwartet werden, daß die zwischenbetriebliche und berufliche Mobilität mit steigendem Ausbildungsstand abnimmt. Während bisher die Variationsmöglichkeiten einiger Komponenten des Arbeitsangebots selber diskutiert wurden, können Beschränkungen der Reaktionsfreiheit, die im theoretischen Modell als schlechthin nicht vorhanden angenommen wurden, auch von außen auf das Leistungsverhalten einwirken. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist die Annahme der Nichtexistenz anderer Einkunftsarten. Als Modifizierung theoretisch erzielter Ergebnisse mag hier gelten, daß Lohnsatz- und Einkommensteueränderungen um so weniger Einfluß auf die Länge der Arbeitszeit haben, je höher die Einkommen aus arbeitsunabhängigen Quellen sind. 79 Es spricht einiges dafür, daß die Wahrscheinlichkeit für die Existenz arbeitsunabhängigen Einkommens bei Beziehern hoher Einkommen am größten ist. Diese Erwerbstätigengruppen dürften es am ehesten vermocht haben, Kapital zu bilden und daraus Einkomen zu erzielen. Derjenige, der über keine andere Einkunftsarten verfügt als sein Arbeitseinkommen, ist von einer Lohnsatzänderung stärker betroffen, weil seine Dispositionsmöglichkeiten wesentlich enger sind. Die Nichtbeachtung der ursprünglichen Lage der untersuchten Wirtschaftseinheit auf der Einkommensskala erweist sich als weiteres Manko. Es leuchtet unmittelbar ein, daß derjenige, der ein hohes Einkommen erzielt —von dem gerade erörterten Vorhandensein von Kapitaleinkommen sei jetzt abgesehen —, auf eine Nettoeinkommensänderung infolge etwa einer Einkommensteuererhöhung anders reagieren dürfte, als der Bezieher eines niedrigeren Einkommens. Daher wird empfohlen, bestimmte sozioprofessionell gegliederte Einkommensgruppen in Abhängigkeit von der absoluten Einkommenshöhe zu bilden, deren Leistungsverhalten einfacher zu analysie80

ren ware. Unerörtert blieb bisher auch der Aspekt eingegangener laufender finanzieller Verpflichtungen. Darunter sind Ratenzahlungen für Möbel und Auto ebenso zu verstehen, wie die Schuldenbedienung im Falle eines kreditfinanzierten Hauserwerbs, Lebensversicherungsprämien, Beiträge zu Pensionsfonds, die Ausbildungsversicherung der Kinder usw. Bei Vorhandensein v. 21.12.1974) kein formales Kriterium mehr: Grundsätzlich wurde die Unverfallbarkeit einer betrieblichen Alterversorgung — geknüpft an die Dauer der Versorgungszusage oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit — gesetzlich verankert. 78 Vgl. dazu auch A. Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 7., völlig Überarb. u. erg. Auflage, München 1981, S. 241 f. ™ Vgl. z. B. R. A. Musgrave (1969) S. 199. 80 Vgl. G. Hedtkamp (1977) S. 370 f.

I I I . Möglichkeiten und Grenzen für Anpassungen im Leistungsverhalten

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laufender finanzieller Verpflichtungen ist im Falle von Lohnsatzsenkungen oder Einkommensteuererhöhungen zumindest kurzfristig der Wunsch nach einer Ausdehnung des Arbeitsangebots gegeben, wobei die oben erörterten Faktoren restringierend auf seine Variabilität einwirken. 81 Langfristig dürften die Wirtschaftssubjekte bzw. die Haushalte bemüht sein, die Menge an persönlich eingegangenen festen Verpflichtungen zu reduzieren. In einem weiteren Sinn werden zu diesem Komplex auch soziale Einflußfaktoren und Konsumabhängigkeit („to keep up with the Jones") sowie Erfahrungen und Gewohnheiten zu rechnen sein. 82 Das in einer evolutorischen Wirtschaft in der Regel festzustellende Spannungsverhältnis zwischen der Lebenshaltung als Ausdruck der tatsächlich verbrauchten Konsumgüter und dem Lebensstandard als Konsum-Leitbild wird sich als leistungssteigernde Reaktion auf Nettoeinkommensminderungen auswirken. 83 Ein weiterer Aspekt ist der Verlauf der Arbeitsangebotskurve bei langfristiger Betrachtungsweise. 84 Es ist sicherlich zutreffend, daß auf sie mittel-bis langfristig ein Einfluß über die kollektiven Arbeitnehmervertretungen möglich ist und stattgefunden hat. 8 5 Wie bereits angedeutet, werden wegen der im Vergleich zu Freizeitverpflichtungen prinzipiell starreren Arbeitsverpflichtungen Reaktionen auf Lohnsatz- oder Einkommensänderungen kurzfristig geringer sein als langfristig. Andererseits kann das säkulare Ansteigen der Freizeit nicht monokausal auf Dispositionen der Erwerbstätigen auf Einkommensänderungen zurückgeführt werden. „Es war das Ergebnis eines Komplexes sozialer Kräfte . . . . Das Wachsen der Freizeit ist in vielen Formen institutionalisiert worden und deshalb zu einer mehr oder weniger festen Größe innerhalb des individuellen Entscheidungsbereichs geworden." 8 6 Daß Arbeitzeit und Freizeit sich in einer Wechselbeziehung befinden, zeigt auch der Hinweis, daß das Anspruchsniveau des einzelnen langfristig steigen kann. Um sich den Erwerb neu auf den Markt gekommener Güter zu ermöglichen, kann es erforderlich werden, die Arbeitszeit auszudehnen. Wenn es sich jedoch um zur Freizeit komplementäre Güter handelt, wird der Wunsch nach mehr Freizeit entstehen. Faßt man diese Überlegungen zum zeitlichen Aspekt zusammen, so zeigt sich auch hier die oben konstatierte Indeterminiertheit der Reaktionsrichtung sowie das Vorhandensein gewisser Rigiditäten, die insgesamt auf schwache Angebotsreaktionen schließen las81

Im umgekehrten Falle wird eher mit Konstanz des Arbeitsangebots zu rechnen sein. Vgl. G. F. Break (1953) S. 347 ff. 83 Vgl. dazu H. Kolms, Über einige Beziehungen zwischen Konsumtheorie und Steuerabwehrtheorie, „Weltwirtschaftliches Archiv", Bd. 94, 1965, S. 36 ff. 84 Auf den Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Erwerbsdauer sowie die ebenfalls vor allem langfristig bedeutsame Arbeitsqualität weist ζ. Β. A. Woll (1981), S. 239 f. hin. 85 Vgl. C. T. Sandford, Economics of Public Finance. An Economic Analysis of Government Expenditure and Revenue in the United Kingdom, London u. a. 1969, S. 100. 86 R. A. Musgrave (1969) S. 191. 82

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2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

sen. Infolge der dargestellten Schranken kann jedoch erwartet werden, daß die Arbeitsangebotsfunktion langfristig elastischer ist als kurzfristig. 87

IV. Motivationsanalytische Aspekte des Leistungsverhaltens Die Anpassungen an eine Nettoeinkommensvariation (Lohnsatzänderung oder ihr äquivalente Einkommensteueränderung) boten ein breites Spektrum an Reaktionsformen. Während der vorhergehende Abschnitt in erster Linie der Enumeration der Möglichkeiten und Grenzen dienen sollte, mit dem Ziel, die Enge des partial-analytischen Rahmens zu verlassen, sind jetzt die Bedingungen zu klären, die dazu führen, daß in dieser oder jener Weise reagiert wird. Dabei geht es in einem ersten Schritt um die Frage, welche Bestimmungsgründe überhaupt für die Arbeitsentscheidungen maßgebend sind. „In reality, the work decision is multidimensional. It is not simply ,to work or not to w o r k ' . . . A l l of these decisions may be affected by taxes but they are also affected by a variety of other factors." 88 In einem zweiten Schritt muß die Analyse einmünden in die Erörterung des Stellenwertes des Einflusses von Nettoeinkommensänderungen auf Arbeitsangebot und Leistungsverhalten. Im einleitenden Kapitel wurde bereits angedeutet, daß als zentraler Begriff der der Arbeitsmotivation, d. h. also die Frage nach den Gründen des Verhaltens angesehen werden kann. Motivation als intervenierende Variable des Arbeitsverhaltens 89 bedeutet einerseits dessen Energetisierung überhaupt, andererseits werden durch die Motivation auch die Verhaltensrichtung und die Verhaltensalternative mitbestimmt. 90 Wird diese in der psychologischen Forschung gefundene Aussage akzeptiert, so führen Erklärungen des Arbeitsverhaltens über den Umweg einer Erörterung der Arbeitsmotivation. Ausgangspunkt und Zentrum der der Motivation gewidmeten Untersuchungen muß das Studium der letzten menschlichen Bedürfnisse, Ziele oder Wünsche sein. 91 Es wäre ein von vornherein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, wollte man eine allgemein-gültige Spannungsreihe derart her87

Vgl. G. F. Break (1953) S. 349. L. C. Thurow (1971) S. 23 f. Vgl. F. R. Nick (1974) S. 20 ff. Vgl. P. Th. Young, Motivation and Emotion — A Survey of the Determinants of Human and Animal Activity, New York, London 1961, S. 19. Desgl. D. O. Hebb, Die Triebe und das C.N.S. (Conceptual Nervous System), in: Die Motivation menschlichen Handelns, hrsg. v. H. Thomae, Neue Wissenschaftliche Bibliothek, Psychologie, Bd. 4, 7. Aufl., Köln, Berlin 1971, S. 432. 88

1,1

Vgl. A. H. Maslow, Motivation and Personality, 2nd. ed., New York, Evanston, London 1970, S. 22.

IV. Motivationsanalytische Aspekte des Leistungsverhaltens

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geleiteter Arbeitsmotive aufstellen, 92 um etwa dadurch zum Stellenwert finanzieller incentives bzw. disincentives zu gelangen. Die dabei zu ermittelnden Prioritäten sind zu sehr von der Persönlichkeitsstruktur und der sie mitbestimmenden Erfahrungen der Befragten 93 einerseits sowie deren beruflicher und sozialer Stellung andererseits abhängig. 94 Wir müssen in diesem Zusammenhang ebenfalls darauf verzichten, alle von der Psychologie angebotenen Klassifikationsschemata darzustellen. 95 Hilfreich für unsere Fragestellung sind etwa die genetische Klassifikation von Bedürfnissen 96 und ihre zielbestimmte Ordnung, wie sie sich in der Bedürfnishierarchie von Maslow 9 7 (Abbildung 6) und deren Weiterentwicklung 9 8 niedergeschlagen haben. Erstere geht von — angeborenen Primärbedürfnissen (ζ. B. Befriedigung von Hunger, Durst, Schlaf- und Geschlechtsverlangen, Furcht und Agressionsbedürfnis), — sekundären, sozialbezogenen Bedürfnissen, die weitgehend angeboren sind (ζ. B. Bedürfnis nach Geselligkeit, Zuneigung, Billigung, Einfluß) und — tertiären, erworbenen Bedürfnissen (ζ. B. sozio-kulturell vorgegebene Ziele wie Reichtum, Prestige, Erfolg usw.) aus. Wie jeder Klassifikation haftet auch dieser Willkür an, die sich in gewissen Überschneidungen zwischen den einzelnen Stufen zeigt. Die Bedürfnisse, sei es einzeln oder gebündelt, begründen die Bereitschaft des Individuums zu zielgerichteter A k t i o n , 9 9 wie sie sich ζ. B. in der Arbeit manifestiert. Ist dies bereits ein erstes wichtiges Resultat dergestalt, daß die Arbeit als Aktion 92

Dies wurde verschiedentlich versucht. Vgl. dazu die Literaturangaben bei B. Rüttinger/L. v. Rosenstiel/W. Molt (1974) S. 91. 93 Vgl. ζ. Β. Κ. Sandner, Die Motivationstheorien von Maslow und Herzberg, "Harward Manager", H. 4, 1982, S. 46,48, der hervorhebt, daß die „Bedürfnisse" in Wirklichkeit im Laufe der Sozialisation erlernte Werte und als solche verhaltensbestimmend sind. 94 Vgl. dazu das kognitive Motivationsmodell, in dem vor allem der Zusammenhang zwischen Bedürfnisstruktur und Erfahrungen über Sachverhalte, Dinge oder Personen beschrieben wird, bei E. C. Tolman, Ein kognitves Motivationsmodell, in: Die Motivation menschlichen Handelns (1971) S. 448 ff. 95 Vgl. die bereits nach ökonomischen Problemstellungen gefilterten, zusammenfassenden Darstellungen v. F. R. Nick (1974) sowie B. Rüttinger/L. v. Rosenstiel/W. Moli (1914). 96 Vgl. È. C. Tolman, A Psychological Model, in: Towards a General Theory of Action, hrsg v. T. Parsons/E. A. Shils, New York, Evanston 1951, S. 321 ff. 97

A. H. Maslow (1970) S. 38 ff. Vgl. die Darstellung bei B. Rüttinger/L. v. Rosenstiel/W. Molt (1974) S. 94 ff. 99 „Nichtmotiviertes Handeln ist meßtechnisch meist ein Handeln, für das der Handelnde keine Motive nannte. Daß er sie nicht nannte, kann daran liegen, daß er sie nicht nennen wollte oder nicht nennen konnte. Konnte er sie nicht nennen, so sind wiederum als Gründe denkbar, daß er sie nicht verbalisieren konnte oder aber . . . daß sie unter der Schwelle des Bewußtseins gehalten wurden." (Β. Rüttinger/L. v. Rosenstiel/W. Molt(\914) S. 31, Hervorhebung v. Verf.) 98

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2. Kap. Α . Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

nicht monokausal begründbar ist, so führt doch erst der Versuch, die menschlichen Bedürfnisse in einer Hierarchie relativer Vorherrschaft zu ordnen, weiter. Nach dieser Theorie werden Motive oder Bedürfnisse einer bestimmten Ordnung oder Stufe erst dann handlungswirksam, wenn die tieferliegenden hinreichend befriedigt sind. Abbildung 6

Die Bedürfnispyramide nach Maslow

Wachtumsmotive

sekundäre Motive Defizitmotive (werden bei Abweichung vom Normal wirksam)

primäre Motive

±

Dabei wird zwischen Defizit- und Wachstumsmotiven unterschieden. Die Defizitmotive werden wirksam, wenn eine Abweichung vom Normalmaß auftritt. Wird das Bedürfnis befriedigt, so erlöscht es. Die Wachstumsmotive nehmen demgegenüber durch die Befriedigung nicht ab, sondern wachsen weiter. Auf der niedrigsten Stufe befinden sich die bereits erwähnten primären, physiologischen Bedürfnisse, deren regelmäßige Befriedigung als besonders dringend empfunden wird. Sie bereiten indes keine Probleme, wenn ihre zukünftige Befriedigung durch entsprechende Bedingungen (konkret: ungekündigter Arbeitsvertrag, Einkommen usw.) gesichert erscheint. In diesem Fall würden die Sicherheitsbedürfnisse auf der zweiten Ebene das menschliche Verhalten zu dominieren beginnen. Hier öffnet sich ein breites Spektrum an Aspekten der physischen, psychischen, aber auch der ökonomischen Sicherheit. Ist ihrer Gesamtheit — wobei individuelle Akzentuierungen nicht ausgeschlossen sind — entsprochen, so gewinnen die sozialen Bedürfnisse verhaltensbestimmenden Vorrang. Letztere finden ihren prägnanten Ausdruck in der Tatsache, daß der Mensch als soziales Wesen auf Kommunikation angewiesen ist.

IV. Motivationsanalytische Aspekte des Leistungsverhaltens

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A u f der nächsten Stufe werden die Wertschätzungsbedürfnisse relevant, die sich in Fremdwertschätzung und Selbstwertschätzung aufteilen lassen. „Das Streben nach Fremdwertschätzung zielt auf die Reputation des Individuums ab und umfaßt die Bedürfnisse nach Anerkennung und Status, nach Respekt und Würdigung... Das Streben nach Selbstwertschätzung ist durch den Wunsch nach Leistung, Wissen und Kompetenz gekennzeichnet, aber auch — unter teilweiser Mißachtung der Sicherheitsforderungen — nach weitgehender Freiheit und Unabhängigkeit. Seine Befriedigung gibt dem Menschen Selbstvertrauen und ein Gefühl der Stärke, Fähigkeit, Nützlichkeit und Notwendigkeit und ist geeignet, den Ehrgeiz zu erklären, andere zu übertreffen." 100 Gewissermaßen an der Spitze der Pyramide befindet sich das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, eine graduelle Fortentwicklung der vorhergehenden Stufe. Das Streben nach persönlicher Autonomie ist dafür ebenso konstitutiv wie die Entwicklung eigener Fähigkeiten und ihr weitgehender Einsatz. Motor dieses dynamisch zu interpretierenden Schemas ist das ständige Streben des Menschen nach Bedürfnisbefriedigung. Es wird für neue Bedürfnisse 101 fortgesetzt, wenn die vorhandenen befriedigt sind. M i t der Befriedigung eines niederen 102 Bedürfnisses fällt dieses normalerweise im „Gesamtpaket" auf der Intensitätsskala in seiner relativen Wirksamkeit zurück. Das bedeutet jedoch nicht, daß es nicht mehr befriedigt zu werden brauchte. Es behält seinen Charakter als langfristiges Verhaltensziel. M i t seiner Befriedigung wird als selbstverständlich gerechnet, sein Verhaltenseinfluß ist auf kurze Sicht nicht dominant. Dies gilt dann nicht mehr, wenn durch Nichtgewährleistung der Befriedigung niederer Bedürfnisse eine Rückkehr zu einem niedrigeren Niveau „erzwungen" wird. 1 0 3 Andererseits ist nicht auszuschließen, daß der individuelle Bedürfnisträger auf Dauer über eine bestimmte Bedürfnisklasse nicht hinausgelangt. Die Einstellung des Individuums ist einseitig dominiert, ein bestimmtes Bedürfnis wird zum Ziel des gesamten Verhaltens. Es bedarf keiner besonderen Begründung, daß in unserer arbeitsteiligen Wirtschaft entgeltliche Tätigkeiten notwendig sind, um die Grundbedürf100

F. R. Nick (1974) S. 29. Für unseren Zusammenhang ist irrelevant, inwieweit die Bedürfnisse angeboren oder durch Sozialisation erlernte Werte sind. Vgl. die Kritik von Κ . Sandner (1982) S. 46 und G. Salancik/J. Pfeffer, An Examination of Need-Satisfaction Models of Job Attitudes, "Administrative Science Quarterly", Vol. 22, 1977, S. 427 ff. 102 Von niederen oder höheren Bedürfnissen sei ausschließlich in bezug auf ihre hierarchische Stellung im Schema von Maslow gesprochen. 103 In der Literatur wird in solchen Fällen auch von „Deprivation" gesprochen. Vgl. F. R. Nick (1974) S. 32. 101

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2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

nisse befriedigen zu können. 1 0 4 Dies stellt für die Mehrheit der Bevölkerung moderner Industriegesellschaften immer noch das Hauptarbeitsmotiv dar. Insoweit bedeutet Arbeit Mühe — sie besitzt keinen Eigenwert. Offenbar reichen die finanziellen Motive aber nicht aus, um Arbeitsbereitschaft und Arbeitsverhalten zu erklären, 105 denn selbst wenn die primären Bedürfnisse befriedigt sind, und sie damit weitgehend ihre das Arbeitsverhalten motivierende und determinierende Kraft verlieren, hört man nicht auf zu arbeiten. 106 Hier können nun die von Maslow und anderen entwickelten Elemente zur Anwendung kommen. Die Arbeit erscheint dann als Vehikel zur Befriedigung diverser Bedürfnisse. In der Arbeit ergibt sich die Möglichkeit zu Kommunikation. M i t dem Erreichen einer bestimmten beruflichen Position sind Sozialprestige und Anerkennung, allgemein Fremdwertschätzung verbunden. 107 Auch der infolge steigenden Einkommens ermöglichte Erwerb dauerhafter Konsumgüter weist in die gleiche Richtung. Noch wesentlicher ist, daß mit steigender Bedürfnisbefriedigung die Arbeit an Eigenwert gewinnt. 108 In unserer Gesellschaft wird ein umso stärkeres Maß an Genugtuung erlebt, je schwieriger die Aufgabe ist. 1 0 9 Damit verbunden ist auch der Aspekt, daß Arbeit in leitenden Positionen die Möglichkeit bietet, Machtbedürfnisse (Macht über Menschen, Macht über Apparate) zu befriedigen. 110 Bezogen auf das mit der Arbeit erzielbare Einkommen, würde dies bedeuten, 11,4

In wenig entwickelten Gesellschaften dagegen kann nicht selten ein „parasitäres" Verhalten innerhalb der Verbrauchsgemeinschaft der Großfamilie, in der es nur wenige Verdiener gibt, beobachtet werden. 105 „Der Wunsch nach Geld ist offensichtlich ein wichtiges aber nicht das einzige Arbeitsmotiv." (B. Rüttinger/L. v. Rosenstiel/W. Molt (1974) S. 83.) 1(16 Arbeitsvertragsrechtliche „Zwänge" stellen keinen hinreichenden Erklärungsgrund dar. 11)7 Dies zeigt sich bereits in dem Selbstbewußtsein von Arbeitnehmern, die eine erste Führungposition in der betrieblichen Hierarchie (Vorarbeiter, Meister) erlangt haben. 108 Daraus ergibt sich ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt am oben dargestellten nutzentheoretischen Ansatz: „Soweit die Arbeit ein Wert an sich ist, und nicht nur ein Mittel zum Gelderwerb, ist die nutzentheoretische Vorstellung von der Muße als materiell bewertbares, mit Konsum- und Sparzielen konkurrierendes Gut nicht einmal zur Erklärung kurzfristiger Reaktionen auf die Veränderung der Arbeitsentgelte geeignet." (Β. Strümpel( 1966b) S. 74 f.) m Diese Aussage wird in den Theorien über das Anspruchsniveau aufgestellt. Vgl. dazu W. Atkinson, (Hrsg.), Motives in Fantasy, Action and Society. A. Method of Assessment and Study, Princeton, N. J. u. a. 1958, S. 295 ff. Auszugsweise Übersetzung mit dem Titel „Erwartungstheorie und Utilitätstheorie",in: Die Motivation menschlichen Handelns (1971) S. 465. "" Diese auf Arbeitszufriedenheit gerichteten Faktoren werden seit Herzberg (F. Herzberg/B. Mausner, u. a., Job Attitudes: Review of Research and Opinion, Psychological Service of Pittsburgh, sec. repr., Pittsburgh 1967, S. 1 ff.) als intrinsische Faktoren bezeichnet. Dazu zählen Entfaltungsmöglichkeiten, Ansehen und Anerkennung der Arbeit, Aufstiegschancen usw. Zu den extrinischen Faktoren gehören dagegen Bezahlung, Arbeitsplatzsicherheit und -bedingungen sowie das Verhältnis zu den anderen Mitgliedern der betriebslichen Hierarchie.

IV. Motivationsanalytische Aspekte des Leistungsverhaltens

daß Geld zunehmend als Selbstzweck im Sinne eines Ausdrucks für Geltung und Ansehen (Fremdwertschätzung) fungiert, wie es ebenso als Maßstab zur Ermittlung eigener Leistung (Selbstwertschätzung) betrachtet wird. 111 Andererseits wird für leitende Angestellte hervorgehoben, daß neben nichtmonetären Arbeitmotiven die Existenz von Konkurrenzdruck in der betrieblichen Hierarchie für ihr Arbeitsverhalten von größerer Bedeutung werden kann als das Einkommen. 112 Noch einen Schritt weitergehen Aussagen, die das wirtschaftliche Verhalten der Menschen allgemein durch einen Rangwettstreit zwischen den Angehörigen einer Gesellschaft determiniert sehen.113 Offenbar hängt die relative Wirksamkeit der einzelnen Motive von dem Grad der erreichten Bedürfnisbefriedigung ab. Wenn wir davon ausgehen können, daß die physiologischen Bedürfnisse in unserer Wirtschaftsgesellschaft weitgehend befriedigt sind, rücken die hierarchisch höheren Bedürfnisse als energetisierende, zielbestimmende Faktoren in den Vordergrund der Arbeitsmotivation. Diese Feststellungen werden durch empirische Untersuchungsergebnisse untermauert. „Die empirisch ermittelten Bedürfnisrangordnungen zeigen, daß physiologische, d. h. durch hohe Bezahlung bzw. günstige äußere Arbeitsbedingungen zu befriedigende Bedürfnisse keineswegs im Vordergrund der Motivationsstruktur der Befragten standen... Vielmehr wurden Sicherheits- bzw. Wertschätzungs- oder Selbstverwirklichungsbedürfnisse zuerst genannt. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man davon ausgeht, daß der Wunsch nach hoher bzw. angemessener Bezahlung durchaus auch Wertschätzungs- und Selbstaktualisierungsbedürfnisse reflektieren kann." 114 Vor allem in diesem Kontext ist zu verstehen, daß monetäre Anreize bei Erreichen einer höheren Stufe in der Bedürfnishierarchie an Wirksamkeit verlieren. Dies gilt verstärkt dann, wenn man hinreichend Zeit hatte, sich an neue Datenkonstellationen zu gewöhnen.115 Außerdem scheint die erreichte Bedürfnisbefriedigungsposition nicht unabhängig von der beruflichen Stellung zu sein, wobei psychologische Untersuchungen darauf hindeuten, daß zwischen beiden Faktoren eine positive Korrelation besteht.116 Für freiberuflich Tätige wird beispielsweise von San-

1,1

Vgl. B. Rüttinger/L v. Rosenstiel/W. Molt (1974) S. 83. Vgl. D. Th. Smith, Taxation and Executives, Proceedings of the 44th Annual Conference on Taxation, National Tax Association, 1951, Dallas, Texas 1952, S. 235. 112

1,3

Vgl. Κ . Schmidt (1958) S. 321 f. F. R. Nick (1974) S. 41. Vgl. dort auch die Hinweise zu kritischen Stellungnahmen der Ermittlung solcher Befunde. 115 Wenn dagegen, wie in Kriegs- oder Nachkriegszeiten, die Existenzbasis verloren gegangen ist, muß es zwangsläufig erst einmal wieder darum gehen, die primären Bedürfnisse durch die Erzielung von Einkommen zu befriedigen. 116 Vgl. z. B. F. Herzberg, u. a. (1967) S. 20. 114

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2. Kap. Α. Einflüsse von Einkommensteuern auf das Arbeitsangebot

ders 117 festgestellt: „They have the talents to be top men and will exercise those talents, and taxes do not deter them." Nachdem somit der von der Theorie unterstellte Stellenwert des Einkommens als Entscheidungsparameter entscheidende Einschränkungen erfahren hat, ist auf einen weiteren Aspekt hinzuweisen. Das Verhalten des Individuums stellt nur selten eine direkte Antwort auf die objektive Lage dar, in der es sich befindet; es ist vielmehr durch die vom Individuum wahrgenommene Realität determiniert. 118 Dabei zeigt sich, daß ihre direkte Wahrnehmung von diversen psychologischen Faktoren (Motiven, Anspruchsniveau usw.), persönlichen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Bildungsstand usw.) und institutionellen Gegebenheiten (Informationsbeschränkung im Betrieb usw.) abhängt. 119 Aus den vorstehenden Erörterungen lassen sich im motivationsanalytischen Bezugsrahmen die Reaktionsrichtungen und -Intensitäten des Leistungsverhaltens für den Fall von Nettoeinkommensänderungen ableiten. 120 Beginnen wir wieder mit den ausschließlich physiologisch motivierten Individuen, denen es um die Befriedigung primärer Bedürfnisse geht, so müßte sich zeigen, daß hier die Reaktionen eigentlich am stärksten sind, weil die finanziellen Arbeitsanreize als dominant anzusehen sind. Handelt es sich dabei im Arbeitnehmer, so sind die oben erörterten institutionellen und persönlichen Schranken zu beachten, die die Reaktionsmöglichkeiten beträchtlich einengen, dafür aber das Reaktionspotential für später oder andere Parameteränderungen erheblich vergrößern. Tatsächliche Reaktionen lasen sich in einer solchen Situation nicht auf eine Ursache allein zurückführen. Sofern durch die Nettoeinkommensänderung die Befriedigung der primären Bedürfnisse nicht mehr gewährleistet scheint, müßte die Reaktion des betroffenen Individuums (bzw. im größeren Rahmen der Haushalt) auf eine Ausweitung des Arbeitsangebots hinauslaufen. Der Einkommenseffekt würde den Substitutionseffekt dominieren. Bewegt man sich auf der Einkommensskala nach oben, 121 so führen Einkommensänderungen zu immer geringeren Reaktionen im Arbeitsverhalten, weil die relative Bedeu1.7

Th. H. Sanders ( 1951) S. 23. Vgl. F. R. Nick (1974) S. 39. Auf den Aspekt der Wahrnehmung wird im nächsten Abschnitt zurückzukommen sein. 1.9 Vgl. W. Baldamus, Der gerechte Lohn. Eine industriesoziologische Analyse, Volkswirtschaftliche Schriften, H. 53, Berlin 1960, S. 43. 120 Systematisch scheinen diese Zusammenhänge noch nicht untersucht worden zu sein, so daß die hier versuchte Darstellung hypothetischen Charakter haben muß. Zur Frage des Zusammenhangs zwischen Einkommenssteigerungen und Arbeitszufriedenheit vgl. z. B. W. F. Whyte/M. Dalton u. a., Money and Motivation: An Analysis of Incentives in Industry, New York 1955. 121 In der Regel wird höheres Einkommen mit einer höheren Bdürfnisbefriedigungsposition korreliert sein. 1.8

IV. Motivationsanalytische Aspekte des Leistungsverhaltens

65

tung des Einkommens als Bedürfnisbefriedigungsmittel mit dem Aufstieg in der Bedürfnishierarchie abnimmt. Dies dürft sowohl für Individuen gelten, die im gleichen Beruf bleiben, wie für solche, deren beruflicher Aufstieg von Einkommenssteigerungen begleitet ist. Wegen der Dominanz anderer Motive werden sowohl Einkommens- wie auch Substitutionseffekt vergleichsweise bescheidenen Ausmaßes bleiben. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt kommt noch hinzu. Einkommensänderungen führen — abgesehen von den erörterten Restriktionen — dann ebenfalls nur zu geringen Verhaltensänderungen, wenn durch sie die hierarchische Stellung in der Arbeitswelt (ζ. B. im Betrieb: Einstufung in eine bestimmte Lohn- oder Gehaltsgruppe) nicht tangiert wird. Wie wiederholt festgestellt wurde, ist in der Lohnhierarchie weniger die absolute Lohnhöhe als vielmehr der relative Abstand zu den höheren oder niedrigeren Lohngruppen für die Zufriedenheit ausschlaggebend.122 Bei empirischen Analysen zur „Struktur des Arbeitszufriedenheitspotentials und seiner Faktoren wurde . . . deutlich, daß die Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmer vor allem durch die Zufriedenheit mit dem Arbeitsinhalt beeinflußt wird. Der Zufriedenheit mit der Einkommenshöhe und der Einkommensform kommt bei ihnen nur eine untergeordnete Bedeutung zu" 1 2 3 . Damit wird keinesfalls infrage gestellt, daß die Höhe des Einkommens für den einzelnen einen hohen strategischen Wert behalten kann. Bei der Erörterung des einfachen Modells waren wir oben davon ausgegangen, daß unter bestimmten Voraussetzungen zwischen den Wirkungen einer Lohnsatzänderung und einer Einkommensteueränderung kein Unterschied besteht. Die Beachtung psychologischer Aspekte kann zu abweichenden Verhaltensweisen führen. Wenn Steuererhöhungen von den Zensiten als ungerecht oder unbillig empfunden werden, kann das zur Folge haben, daß die Arbeitsleistung verringert wird, um dem Staat via Verringerung der Steuerbemessungsgrundlage einen „Schaden" zuzufügen. Dieser Effekt, von Musgrave als "spite-effect" (Grolleffekt) bezeichnet,124 dürfte, wie im übrigen auch die bereits beschriebenen Fälle, umso wahrscheinlicher werden, je — größer die Steueränderung ist und/oder je — bewußter dem Zensiten die Steueränderung wird. Aber auch für diese Reaktion gelten im Sinne eines limitierten Handlungsspielraums die oben dargestellten Faktoren.

122 Vgl. dazu W. A. S. Koch, Nivellierung der tariflichen Lohn- und Gehaltsstruktur?, ,WSI-Mitteilungen", 30. Jg., H. 2, 1977, S. 71 ff. 123 A. R. Bunz/R. Jansen/K Schacht (1974) S. 60. 124 Vgl. R. A. Musgrave (1959) S. 240.

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2. Kap. Β. Besteuerung und Leistungsbereitschaft

B. Besteuerung und Leistungsbereitschaft Nach der Darstellung des Stellenwertes steuerlicher Belastungsveränderungen im Motivbündel des Arbeits- und Leistungsverhaltens müssen noch weitere Voraussetzungen diskutiert werden, die erfüllt sein müssen, damit mit dem Einsetzen von Abwehrreaktionen auf Variationen steuerlicher Parameter zu rechnen ist. Wenn Steueränderungen das Leistungsverhalten beeinflussen (sollen), also eine Veränderung des Grades der Leistungsbereitschaft hervorrufen (sollen), so müssen die Zensiten nicht nur finanziell getroffen, sondern auch in ihrem Entscheidungs- und Handlungsrahmen „erreicht" werden. I. Steuermoral und Steuermentalität Bei allen Vorbehalten, die dagegen geltend gemacht werden mögen, halten wir zur Erhellung des Steuerabwehrverhaltens den folgenden, von Schmölders gewählten Ausgangspunkt für geeignet. Danach wird zunächst die Einstellung der Steuerzahler zum Staat und dann — damit zusammenhängend — ihre Einstellung zur Besteuerung analysiert, soweit sie dazu beitragen kann, das Verhalten der Zensiten zu erklären bzw. zu beeinflussen. 125 Man kann von der plausiblen Hypothese ausgehen, daß das Staatsbewußtsein die Finanzgesinnung126 der Bürger im allgemeinen und daraus folgend ihre Einstellung (Attitüde 127 ) zur Besteuerung im besonderen mitbestimmt, 128 wobei positive Einstellungen schwächere (oder keine) Reaktionen im steuerlichen Abwehrverhalten bei Belastungsveränderungen erwarten 125 Vgl. G. Schmölders, Einführung in die Geld- und Finanzpsychologie, Darmstadt 1975, S. 72. 126 Der Begriff wurde von E. Grossmann, Die Finanzgesinnung des Schweizer Volkes, „Zeitschrift für Schweizerische Statistik und Volkswirtschaft", 66. Jg., 1930, S. 165 ff. in das Schrifttum eingeführt. 127 In Anlehnung an Allport soll unter Attitüde ein durch Erfahrung geformter seelischer Zustand des Individuums verstanden werden, der seine Reaktionen auf Objekte und Situationen, mit denen es konfrontiert wird, beherrschend oder dynamisch beeinflußt. Vgl. G. W. Allport, Art. "Attitudes", in: Handbook of Social Psychology, hrsg. v. C. Murchison, Worcester 1935, S. 115. 128 Schmölders und Striimpel halten die jeweils herrschende Einstellung der Staatsbürger zu ihrem Gemeinwesen für eine wichtige Determinante der Steuermentalität. Ihre Untersuchung ist für die Erforschung der Durchsetzung bzw. Durchsetzbarkeit der Besteuerung von Bedeutung. Vgl. G. Schmölders/B. Striimpel, Vergleichende Finanzpsychologie — Besteuerung und Steuermentalität in einigen europäischen Ländern, Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Abhandlungen der Geisteç- und Sozialwissenschaftlichen Klasse, Jg. 1968, Nr. 4, Wiesbaden 1968, S. 127-151. Wiederabgedruckt in und zitiert nach B. Beichelt/B. Biervert/J. Daviter/G. Schmölders/B. Strümpel, Steuernorm und Steuerwirklichkeit. Bd. II, Steuermentalität und Steuermoral in Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien, Forschungsberichte des Landes NordrheinWestfalen, Nr. 2041, Köln, Opladen 1969, S. 7-17, hier: S. 9.

I. Steuermoral und Steuermentalität

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lassen als negative Attitüden. Beispielsweise kann der Widerwille bzw. die Hemmung des Zensiten beim Zahlen von Steuern zum Steuerwiderstand führen. 129 Attitüden sind deutlich von affektbetonten Stellungnahmen zu unterscheiden, wie sie nicht selten von Interessenverbänden abgegeben werden. Sofern im steuerlichen Bezugsrahmen Einstellungen einzelner Zensiten bzw. ihrer Gesamtheit in bezug auf die Erfüllung oder Vernachlässigung steuerlicher Pflichten behandelt werden, wird dafür der Begriff Steuermoral verwendet. 130 Demgegenüber hat die Steuermentalität einen umfassenderen Sinn. „Unter Steuermentalität sind alle Einstellungen und auch Verhaltensweisen zu verstehen, die der Bürger gegenüber der Steuer und dem steuerheischenden Staat einnimmt. Die Steuermentalität soll somit den Begriff der Steuermoral, also die Einstellungsebene, und den der Steuerdisziplin, also das daraus folgende Verhalten, umfassen." 131 Auch wenn Einstellungen selbst nicht unmittelbar ursächlich für steuerbezogenes Verhalten sind, steht doch ihre Bedeutung als determinierender Faktor für dieses Verhalten außer Frage. 132 Als wesentlich erweist sich in finanzpsychologischer Betrachtungsweise für die weitere Analyse die Tatsache, daß die Steuererhebung auf einem vom öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen ausgeübten Zwang beruht. Die Steuer wird zu einer wirtschaftlichen Machteinbuße: Das Verfügungsrecht des Individuums auf private Güter oder Anrechte auf Güter wird eingeschränkt. Die Entfaltung von Wirtschaftsmacht gehört zum Geltungstrieb, der, wenn auch nicht der stärkste, so doch der allgemeinste und vielfältigste aller menschlichen Triebe ist. 133 Steuerzahlungen werden weitgehend als unmotiviertes Zahlen empfunden, ja, sie müssen so empfunden werden, wenn man der Feldtheorie des Verhaltens, wie sie von Lewin 1 3 4 entwickelt wurde, folgt: Denn Steuern fehlt es an psychologisch wirksamen positiven Aufforderungs129 Vgl. C.-F. Graumann/W. D. Fröhlich, Ansätze zu einer psychologischen Analyse des sogenannten Steuerwiderstandes, „Finanzarchiv", N. F., Bd. 17, 1957, S. 418. Wenn in diesem Zusammenhang und im folgenden der Begriff des Steuerwiderstandes verwendet wird, so soll damit keinesfalls bereits etwas über die Legalität der steuerlichen Abwehrreaktion ausgesagt sein. 130

Vgl. G. Schmölders, Finanz- und Steuerpsychologie. Das Irrationale in der öffentlichen Finanzwirtschaft, rowohlts deutsche enzyklopädie, Bd. 100/101, Reinbek bei Hamburg 1970b, S. 75. 131 B. Tretter, Die Steuermentalität. Ein internationaler Vergleich, Finanzwissenschaftliche Forschungsarbeiten, N. F., H. 45, Berlin 1974, S. 39, (Hervorhebung v. Verf.) in Anlehnung an G. Schmölders (1970b) S. 53 f. 132 Vgl. B. Strümpel (1966b) S. 20. 133 Vgl. G. Schmölders (1970b) S. 90. 134 Vgl. K. Lewin, A Dynamic Theory of Personality, Selected Papers, New York, London 1935.

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2. Kap. Β. Besteuerung und Leistungsbereitschaft

Charakteren, 135 d. h. wegen des Fehlens der speziellen Gegenleistung wird ihr motivischer Sinn infrage zu stellen sein. Nach den Erkenntnissen der feldtheoretischen Forschung wären diese Aussagen nur dann nicht mehr vertretbar, wenn eine psychologisch zureichende Motivierung des Steuerzahlens vorläge: — „durch die Setzung psychologisch wirksamer Aufforderungscharaktere, — durch die Einbeziehung bereits wirksamer natürlicher Bedürfnisse und Quasi-Bedürfnisse in die Steuersituation." 136 Beispielsweise sind Gesellschaften denkbar, in denen das Sozialprestige mit der — vom Fiskus bekanntgegebenen — Höhe der steuerlichen Belastung steigt, so daß selbst oder gerade die Zahlung hoher Steuern hinreichend motiviert wäre. Oder dem Staatsbürger wäre bewußt, daß er mit seiner Steuerzahlung staatliche Aktivitäten ermöglicht, die ihm selbst Nutzen bringen. 137 Folglich muß überprüft werden, ob die staatlichen Leistungen, die heute zum ganz überwiegenden Teil steuerfinanziert sind, als psychologischer Aufforderungscharakter in dem genannten Sinne wirksam werden können. Zunächst ist daraufhinzuweisen, daß sich aus dem erneut starken Wachstum der Staatsausgaben nach dem Zweiten Weltkrieg — insbesondere auch durch den Ausbau des Systems der sozialen Sicherung — eine Verschiebung der Anspruchshaltung gegenüber dem Staat ergeben h a t . 1 3 8 ' 1 3 9 Stellt man dieser Entwicklung in der Haltung der Staatsbürger jedoch ihre in bezug auf 135 Aufforderungscharaktere können als ein die Motivation zu einem Handeln bestimmendes Ziel bezeichnet werden. Der Aufforderungscharakter eines Gegenstands (Vorgangs) wird normalerweise dadurch determiniert, daß der Gegenstand (Vorgang) Mittel zur Befriedigung eines Bedürfnisses ist. Vgl. ebenda, S. 73 ff. 136 C.-F. Graumann/W. D. Fröhlich (1957) S. 429. 137 Dies scheint — entgegen weitverbreiteter Auffassungen — in Schweden der Fall zu sein. So stellt z. B. J. Vogel, Taxation and Public Opinion in Sweden: An Interpretation of Recent Data, "National Tax Journal", Vol. 27, 1974, S. 501, nach einer landesweiten Erhebung von 1796 schwedischen Steuerzahlern fest: "43,1 % of the sample considered Swedish taxes not too high in light of social benefits resultant from public expenditures and 53,5 % judged tax levels reasonable. Considering these responses, Swedish public opinion appears rather tolerant of the actual burden of taxation". 138 Vgl. G. Schmölders (1975) S. 88. 139 In einer Mackscheidt und Gretschmann 1980 durchgeführten Studie über die Präferenzen der Bürger für bestimmte Staatsausgaben wurde ermittelt, daß eine unbeschränkte Anspruchsmentalität der Bürger an den Staatshaushalt nicht besteht. Vielmehr sind die Bürger mit der Struktur staatlicher Ausgaben nicht einverstanden. Würde man ihren Präferenzprofilen folgen, würden sich deutliche Verschiebungen in den Ausgabenschwerpunkten ergeben, die jedoch nicht zu einer signifikanten Veränderung des Haushaltsvolumens führen würden. Dieses Ergebnis ist insofern besonders bemerkenswert, weil in der Untersuchung die Finanzierungsseite bewußt ausgeklammert war. Vgl. dazu ausführlich K. Gretschmann/K. Mackscheidt, Bürgerpräferenzen und Staatshaushalt, „Wirtschaftsdienst", 64, Jg., H. 3, 1984, S. 145-152, hier: S. 151 f.

I. Steuermoral und Steuermentalität

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ihre finanziellen Belastungen ermittelten Einstellungen gegenüber, so wird eine beachtenswerte Ambivalenz sichtbar. Den wachsenden Ansprüchen an den Staat steht keinesfalls eine in gleichem Maße gestiegene Bereitschaft zur Steuerzahlung gegenüber. Der Finanzierungszusammenhang zwischen Steuern und Staatsausgaben wird vielmehr nur in geringfügigem Maße bewußt. Da öffentliche Leistungen im allgemeinen im Gegensatz zu privaten Gütern ohne Aufdeckung der individuellen Präferenzen konsumiert werden können, sieht der Steuerzahler nur den „Verlust", den er im privatwirtschaftlichen Bereich infolge der Besteuerung erfährt, nicht jedoch die zusätzlichen Konsumtionsmöglichkeiten öffentlicher Güter. 1 4 0 Während sich beispielsweise die Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung einerseits für Ausgabensenkungen anstelle von Steuererhöhungen zwecks Finanzierung eines Budgetdefizits ausgesprochen hatte, wurden andererseits Meinungen über die Angemessenheit einzelner Ausgabekategorien dadurch mitbestimmt, in welchem Maße die befragten Bevölkerungsgruppen selbst an den Vorteilen staatlicher Tätigkeit partizipierten. 141 Aus derartigen Beobachtungen läßt sich die Schlußfolgerung ziehen, daß aus dem staatsfinanziellen Bewußtsein keine wesentliche Beeinflussung der gegenüber der Besteuerung eingenommenen Attitüden erfolgt, 142 etwa wenn infolge von Änderungen steuerlicher Belastungen Variationen bei den staatlichen Leistungen beschlossen und durchgeführt werden. Zu diesem Ergebnis mag — zumindest für Deutschland — die Anwendung des Budgetgrundsatzes der Non-Affektation 143 beigetragen haben, der es nicht zuläßt, dem Staatsbürger spezielle staatliche Gegenleistungen für die von ihm entrichteten Steuern zu offerieren. Fragt man nach empirischen Untersuchungen zu dem Problembereich der Steuermentalität und Steuermoral, so stößt man vor allem auf die bereits erwähnten Studien von Schmölders, die im folgenden, da sie nicht mehr sehr zeitnah sind, nur kursorisch wiedergegeben werden sollen. 144 Generell zeigte sich, daß die Deutschen in ihrer überwiegenden Mehrheit gegenüber dem Staat positiv eingestellt sind. Dies gilt mit der Einschränkung, daß die ganz allgemein ermittelte Einstellung zum Staat ein Element der Unverbindlichkeit enthalten kann. Auch wenn sich erwartungsgemäß Unterschiede zwi140 Vgl. dazu schon E. Schorer, Allgemeine Steuerpsychologie, „Finanzarchiv", N. F., Bd. 9, 1943, S. 346. 141 Vgl. G. Schmölders (1975) S. 91. 142 Vgl. auch B. Treuer (1974) S. 41. 143 Vgl. H. Kolms, Finanzwissenschaft IV, Öffentlicher Kredit, Öffentlicher Haushalt, Finanzausgleich, 2., verb. u. erg.Aufl., Berlin, New York 1976b, S. 113 f. 144 In neueren empirischen Untersuchungen, die vor allem der Steuerhinterziehung (tax evasion) und ihrer Bekämpfung gewidmet sind, wird dieser Ansatz wieder aufgegriffen. So stellen z. B. M. W. Spicer/S. B. Lundstedt, Understanding Tax Evasion, "Public Finance", Vol. 31, 1976, S. 295, fest: „The choice between tax compliance and evasion appears to arise not only out of an assessment of sanctions but out of a set of attitudes and norms". Für Schweden vgl. die Studie von J. Vogel ( 1974), S. 499 ff.

2. Kap. Β. Besteuerung und Leistungsbereitschaft

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sehen einzelnen Berufsgruppen und Bevölkerungsschichten zeigten —Arbeiter waren dem Staat gegenüber reservierter als Beamte; in bildungsmäßiger Hinsicht: die Zustimmung zum Staat war positiv mit dem Bildungsstand korreliert —, konnte doch für die Mehrheit der Bürger davon ausgegangen werden, daß sie den Staat für notwendig hielten und daß sie sich bewußt waren, daß ihre Zugehörigkeit zum Staatswesen gewisse Rechte und Pflichten mit sich brächte. Obwohl die Studentenbewegung Ende der 60er Jahre Zweifel an der weiteren Gültigkeit dieser Untersuchungsergebnisse aufkommen ließ, kann gerade die von breiten Bevölkerungskreisen gutgeheißene energische Bekämpfung terroristischer Auswüchse Mitte der 70er Jahre als deutliches Indiz für eine positive Grundeinstellung zum Staatswesen gewertet werden. Neben diesem allgemeinen Aspekt wurden in demoskopischen Analysen insbesondere die Zusammenhänge zwischen verschiedenen persönlichen Merkmalen und der Steuermoral untersucht. 145 Dabei zeigte sich, daß die Steuermoral deutlich mit dem Einkommen korreliert war — je höher das Einkommen, desto schlechter die Steuermoral. Dagegen nahm die Steuermoral mit dem Lebensalter zu. Hatten die Selbständigen bei der Einstellung gegenüber dem Staat noch eine mittlere Position eingenommen, wurde bei ihnen die im Vergleich zu Arbeitern, Angestellten und Beamten schlechtere Steuermoral festgestellt. Dies mag damit zusammenhängen, daß das steuerlich bedingte Belastungsempfinden, auch infolge stärkerer Konfrontation mit dem steuerfordernden Staat, hier am größten ist. 146 Legt man die Berufsorientierung zugrunde, so zeigt sich, daß die ,erfolgsorientierten 4 Zensiten, also diejenigen, die nach möglichst hohem Einkommen streben, die schlechteste Steuermoral aufweisen. 147 In teilweise deutlichem, hier aber nicht erklärbarem 148 Widerspruch zu den finanzpsychologischen Untersuchungsergebnissen in Deutschland stehen für die USA ermittelte Aussagen. „There should be greater congruence

145

Vgl. zusammenfassend B. Tretter (1974) S. 42 f. Vgl. G. Engelhardt, Verhaltenslenkende Wirkungen der Einkommensteuer, Fiananzwissenschaftliche 146 Vgl. G. Engelhardt, Verhaltenslenkende Wirkungen der Einkommensteuer, Finanzwissenschaftliche 146 Vgl. G. Engelhardt, Verhaltenslenkende Wirkungen der Einkommensteuer, Finanzwissenschaftliche Forschungsarbeiten, N. F., H. 38, hrsg. v. G. Schmölders, Berlin 1968, S. 56. 147 Vgl. B. Strümpell 1966b) S. 56 f. 148 Als wichtigste Ursache für die Ergebnisunterschiede käme im formalen Sinne die divergierende Untersuchungsmethode in Betracht. Könnte der Widerspruch damit nicht erklärt werden, müßten die Ursachen in unterschiedlicher Steuermentalität, in der verschiedenen Gestaltung der Steuersysteme, des steuerlichen Zugriffs usw. gesucht werden. 146

I. Steuermoral und Steuermentalität

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of attitudes among the upper income and better educated groups than among the lower income and less educated. The data confirm this inference in the sense that they show the upper income and better educated groups to be somewhat more willing to pay taxes (presumably) to finance the government programs which they advocate) than other groups... If the data on attitudes toward tax reductions are classified by education, it appears that willingness to pay taxes also rises with education. Indeed, the income differences in attitudes toward taxes may to some extent reflect educational differences. The finding that upper income groups have somewhat more favorable attitudes toward taxes than lower income groups stands in sharp contrast to the frequently expressed opinion that the well-to-do, who pay much larger amounts of taxes, are more resentful of the tax burden than those in the lower income brackets." 149 ' 150 Einen bemerkenswerten neueren Versuch, empirische Aussagen zur Steuermentalität zu gewinnen, stellt die Untersuchung von Lewis aus dem Jahre 1977 dar. 1 5 1 Das Sample bestand aus 200 männlichen Steuerzahlern, die in Bath (Großbritannien) wohnten. Die Einstellungen der Befragten zu steuerlichen Fragen 152 wurden in persönlichen Interviews ermittelt und auf der Likert - Skala 153 abgetragen. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Einstellungen zur Einkommensbesteuerung hängen in erster Linie von der Höhe des Einkommens ab. Bezieher höherer Einkommen haben eine größere Antipathie gegen Steuern, sie halten Steuervermeidungsmöglichkeiten für berechtigt. Sie glauben auch, keinen ungerechtfertigten Vorteil darin zu besitzen, daß sie Steuerberater damit befassen können, gesetzliche Lücken zur Steuervermeidung aufzuspüren. Außerdem halten sie die progressive Einkommensbesteuerung für ungerecht. Bei den Beziehern 149 E. Mueller , Public Attitudes Towards Fiscal Programs, "The Quarterly Journal of Economics", Vol. 77, 1963, S. 232. 15(1 Seit mehr als 10 Jahren werden regelmäßig Repräsentativbefragungen bei über 1000 US-Bürgern, die 18 Jahre und älter sind, durchgeführt. Dabei werden vor allem Einstellungen zu verschiedenen Steuerarten, Steuererhöhungen, staatlichen Ausgabenprogrammen usw. ermittelt. Ihre Verhaltenswirksamkeit wurde dagegen nicht untersucht. Vgl. dazu ausführlich: US-Advisory Commission on Intergovernmental Relations, Changing Public Attitudes on Government and Taxes, Washington, D.C. 1983, S. 1 ff. 151 Vgl. A. Lewis, An Empirical Assessment of Tax Mentality, "Public Finance", Vol. 34, 1979, S. 245-257. 152 Ζ. B. „I feel taxation is an imposition". „To avoid tax by finding legal loopholes is unethical" usw. Insgesamt wurden vier Fragen in bezug auf die Einstellungen zur Steuervermeidung, vier Fragen zur Steuerhinterziehung unter Berücksichtigung der Höhe des Geldbetrages und zwei Fragen gestellt, die darauf abzielten, ob die Steuerhinterziehung mit der Steuerinzidenz verbunden ist. Zwei Statements bezogen sich auf die Berechtigung progressiver Besteuerung, und ebenfalls je zwei Aussagen betrafen die Wahrnehmung der Einkommensteuer sowie das damit verbundene Belastungsgefühl (ebenda, S. 247). 153 Vgl. zu dieser Methode die Darstellung bei C. A. Moser/G. Kaiton, Survey Methods in Social Investigation, 2nd ed., London 1971, S. 361 ff.

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2. Kap. Β. Besteuerung und Leistungsbereitschaft

niedriger Einkommen werden alle genannten Punkte in entgegengesetzter Richtung beurteilt. Allerdings muß die Schlußfolgerung, daß der Grund für die ermittelte Antipathie bei Empfängern hoher Einkommen lediglich in den höheren Grenzsteuersätzen zu suchen sei, mit Vorsicht betrachtet werden. Denn die anderen Likert-Statements hängen nicht signifikant vom Einkommen ab. Gerade die Bezieher höherer Einkommen äußern sich zufrieden über die sich ihnen bietenden Möglichkeiten für Steuervermeidung und -hinterziehung. Von Bedeutung ist auch, daß die Beziehung zwischen Einkommensbesteuerung und damit finanzierten Staatenausgaben kein wesentlicher Aspekt für die Steuermentalität ist. Dies beruht im wesentlichen auf „fiskalischer Ignoranz". Allerdings ändert sich dieses Bild, wenn den Zensiten der Zusammenhang zwischen Steueränderungen und den korrespondierenden Änderungen in der staatlichen Ausgabenpolitik klar gemacht wird. Das Einverständnis für die progressive Besteuerung wächst, wenn deutlich wird, daß damit Güter und Dienste für die Empfänger niedriger Einkommen finanziert werden. Im Rahmen einer Faktorenanalyse wurde schließlich ermittelt, daß die Steuermentalität nicht von einem Bestimmungsfaktor abhängt, sondern daß es ein Muster interdependenter Faktoren gibt, die zu ihrer Erklärung herangezogen werden müssen.154 Angesichts dieser Untersuchungsergebnisse müssen wir bei der Auswertung der eigenen Befragungen erneut die Frage nach der Einstellung der Zensiten zu den von ihnen entrichteten Steuern stellen, um ggfs. zu einer Erhärtung bzw. Modifizierung der bisher für die Bundesrepublik vertretenen Ergebnisse zu gelangen. Während den auswahlweise genannten persönlichen Merkmalen in bezug auf die Steuerdisziplin ein gewisser Erklärungswert zugesprochen werden kann, muß die Steuererhebungstechnik, die in Deutschland eine im internationalen Vergleich hohe Perfektion aufweist, als wichtiger Einflußfaktor auf die Steuermentalität angesehen werden. Sie führt zwar dazu, daß ein gewisses Maß an Steuererfüllung 155 in einem objektivierten Sinne gewährleistet wird, durch sie wird aber auch die Steuermoral der dem steuerlichen Zugriff unterworfenen Zensiten in Mitleidenschaft gezogen,156 so daß langfristig wiederum mit Rückwirkungen auf die Steuertechnik gerechnet werden muß. 1 5 7 Faßt man die Ergebnisse der Erhebungen zusammen, so ist zu 154

Vgl. A.~Lems (1979), S. 254. Zum Begriff der Steuererfüllung (tax compliance) vgl. Η. M. Groves , Empirical Studies of Income-Tax Compliance, "National Tax Journal", Vol. 11,1958, Reprint, New York 1965, S. 291 ff. 156 Vgl. G. Schmölders/B. Strümpel (1969), S. 14. 157 Vgl. Β. Tretter (1974), S. 53. Zu einem internationalen Vergleich zwischen Steuermentalität, Steuertechnik und Nettoergiebigkeit des Steuersystems vgl. K.-H. Hansmeyer/K. Mackscheidt, Art. Finanzpsychologie, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, 3., gänzl. neu bearbeit. Aufl. unter Mitwirkung von N. Andel u. H. Haller, hrsg. v. F. Neumark, Tübingen 1976, S. 573. 155

II. Steuerbelastungsgefühl und Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände

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konstatieren, daß die Deutschen in ihrer Einstellung zur Steuerpflicht mehrheitlich indifferent oder ablehnend sind. „Die Einstellung zur Gerechtigkeit der Steuerlastverteilung (ist) sogar ausgesprochen negativ, unabhängig davon, welche operationalen Definitionen der Ermittlung zugrunde gelegt worden sind." 158 Obwohl naheliegend, wäre doch eine aus diesem Ergebnis gezogene Schlußfolgerung, daß von Steuererhöhungen Einschränkungen der Leistungsbereitschaft zu erwarten sind, verfrüht. Es müssen vielmehr noch weitere Aspekte beachtet werden.

II. Steuerbelastungsgefühl und Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände Ein wesentlicher Bestimmungsfaktor der Steuermentalität und damit im weiteren Zusammenhang auch des Leistungsverhaltens ist das aus der tatsächlichen oder vermeintlichen Besteuerung bei den Zensiten erwachsende Steuerbelastungsgefühl. 159 „Vergleicht man die Steuermoral mit der Einstellung zum Staat, mit der Steuermentalität... und mit dem Belastungsgefühl, so zeigen sich außerordentlich deutliche Korrelationen. Die strenge und die etwas weniger strenge Steuermoral nehmen jeweils mit der negativen Einstellung zum Staat deutlich ab, während umgekehrt die ausgesprochen laxe Steuermoral in der gleichen Richtung kräftig ansteigende Prozentsätze zeigt; gering entwickeltes Staatsbürgerbewußtsein und negative Einstellung zur Besteuerung gehen Hand in Hand mit einer laxen Steuermoral, zumal dann, wenn die Bevölkerung sich hoch und 'ungerecht' belastet glaubt." 160 Im Steuerbelastungsgefühl als dem subjektiven Eindruck des Zensiten von der Höhe der ihm auferlegten steuerlichen Belastung161 schlagen sich seine Kenntnisse und Informationen bzw. die Einschätzung seiner Belastung in absoluter Höhe, aber auch in Relation zu anderen Zensiten nieder. 162 Im letzteren Aspekt klingt das Moment der „Gerechtigkeit" der Besteuerung, hier als Angemessenheit der eigenen Belastung im interpersonellen Vergleich 158 B. Strümpell Steuersystem und wirtschaftliche Entwicklung. Funktion und Technik der Personalbesteuerung im sozioökonomischen Wandel, Tübingen 1968, S. 65. 159 Auf die Wechselwirkungen zwischen Steuermentalität, Steuerbelastung und Belastungsgefühl sowie Steuerwiderstand wird von P. Reichardt, Steuerbelastung und Belastungsgefühl im Handwerk, eine empirische Untersuchung (Leitstudie) in 47 Handwerksbetrieben in Köln, Abhandlungen zur Mittelstandsforschung, Bd. 6, Köln, Opladen 1962, S. 93, hingewiesen. Ähnlich auch G. Engelhardt (1969) S. 99. 160 G. Schmölders (1970b) S. 121. 161 Vgl. P. Reichhardt (1962) S. 68. 162 Vgl. dazu auch die Untersuchung von A. Lewis, Perceptions of Tax Rates, "British Tax Review", 1978, S. 358 ff.

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2. Kap. Β. Besteuerung und Leistungsbereitschaft

verstanden 163, an. Für die Intensität des Belastungsempfindens sind Kenntnisse über die eigene steuerliche Belastung allerdings keine notwendige Voraussetzung: Auch bei Unkenntnis über die — im Vergleich zu anderen Zensiten möglicherweise geringe — eigene Steuerlast kann das Empfinden einer „übermäßigen" Belastung auftreten. Bei der Analyse von Untersuchungsergebnissen in bezug auf ihre Verhaltensrelevanz ist ein vor allem in der politischen Diskussion oft übersehener Unterschied zu beachten: Es dürfte finanzgeschichtlich belegbar sein, daß kaum jemand gern Steuern zahlt. 164 Dieses „Empfinden" allein dürfte jedoch noch nicht ausreichen, um verhaltenswirksam zu sein. Aus diesem Grunde ist es notwendig, „to draw a distinction between unhappiness and discouragement. . . . (The) interest lay in whether this unhappiness was translated into action (or inaction as the case might be) and if so, what kind of action" 165 . In diesem Zusammenhang könnte die These vertreten werden, daß die richtige Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände eine notwendige Voraussetzung dafür sei, daß die Zensiten auf Belastungsveränderungen überhaupt reagieren. In dieser strengen Form wird sich die These jedoch nicht aufrechterhalten lassen. Selbst wenn keine, mangelhafte oder sogar falsche Vorstellungen von der eigenen steuerlichen Belastung bestehen, kann ein Steuerbelastungsgefühl vorhanden sein, das Anlaß zu Abwehrreaktionen im Falle von Steueränderungen gibt. Dies würde nur dann nicht zutreffen, wenn Steuern nicht als Belastung empfunden würden, wobei der Exaktheitsgrad der Kenntnis der eigenen Steuern unerheblich wäre. Allerdings dürfte die Kenntnis steuerlicher Tatbestände, insbesondere die der Höhe der Grenzbelastung, das Bemühen positiv beeinflussen, durch steuerliche Abwehrreaktionen die eigene steuerliche Belastung zu reduzieren. 166 Wir wollen diese Verhalten als Steuerbewußtheit (tax awareness oder 163

Von Modifikationen, die sich aus dem Bewußtsein unterschiedlicher Inanspruchnahme öffentlicher, steuerfinanzierter Güter ergeben können, sei hier wiederum abgesehen. Zum Problem der Verteilungsgerechtigkeit vgl. einführend H. Bydekarken, Einleitung zu einer theoretischen Konzeption der Verteilungsgerechtigkeit und Fragen ihrer finanzpolitischen Realisierung, in: Staat, Steuern und Finanzausgleich. Probleme nationalerund internationaler Finanzwirtschaften im zeitlichen Wandel, Festschrift für H. Kolms zum 70. Geburtstag, hrsg. v. W. A. S. Koch u. H.-G. Petersen, Berlin 1984, S. 158 ff. 164 Vgl. G. Schmölders (1970b) S. 89. 165 D. M. Holland (\91Q) S. 434. 166 Vgl. R. Barlow /H. E. Brazer/J. N. Morgan, Economic Behavior of the Affluent, 5th pr., Washington, D. C. 1969, S. 157: „If the income tax is to influence an individual's economic behavior, presumably he must be reasonably well aware of the incremental tax costs.. . It seems safe to conclude generally that if one is quite unaware of his marginal tax rate, that tax is not likely to affect his economic behavior." Ähnlich auch N. L. Enrick , A Pilot Study of Income Tax Consciousness, "National Tax Journal", Vol. 16, 1963, S. 169: „If we do not know people's tax consciousness, how can we know the extent to which changes in their tax burdens will affect their behavior?"

II. Steuerbelastungsgefühl und Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände

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tax consciousness) bezeichnen, d. h. der Zensit kennt seine steuerliche Belastung nicht nur, sondern er bemüht sich bei Ausschöpfung der ihm bekannten Möglichkeiten um ihre Reduktion. 167 Davon zu unterscheiden sind steuerliche Abwehrreaktionen, die weitgehend „blind", d. h. ohne hinreichende kognitive Fundierung, erfolgen. Sie sind finanzwissenschaftlicher Analyse ohne Inanspruchnahme psychologischer Erkenntnisse besonders schwer zugänglich. Die Wahrscheinlichkeit steuerlicher Abwehrreaktionen bei unverändertem Steuerrecht hängt — wenn man von den bereits diskutierten institutionellen Schranken für das Anpassungsverhalten absieht — in erster Linie von dem Grad der Habitualisierung 168 der steuerlichen Belastung ab. Hierzu zeigen steuergeschichtliche Betrachtungen, daß zwar wiederholt vor den negativen Auswirkungen von Steuererhöhungen im Hinblick auf die befürchtete Prägravation gewarnt wurde, daß aber meistens die jeweils intendierten Steuerhöchstsätze ohne die befürchteten Folgeerscheinungen durchgesetzt werden konnten. 169 Bei gegebenem Steuerbelastungsgefühl und gegebenem Grad der Habitulisierugn ist die Stärke der bei Steuerparameteränderungen zu erwartenden Veränderung der Leistungsbereitschaft eine Funktion der Wahrnehmung der Belastungsveränderung durch den Zensiten. Die Wahrnehmung hängt weitgehend davon ab, in welchem Maße der Besteuerte mit seiner Steuerbelastung (im objektiven Sinne) selbst konfrontiert wird. „Je größer sein,Mitwirkungsgrad' bei der Ermittlung und Abführung der Steuerschuld, desto eher wird mit Ausweichhandlungen zu rechnen sein." 170 Dieser bestimmt sich nach der Art der Steuererhebungstechnik (Quellenabzugsverfahren — Veranlagung) — bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist bedeutsam, ob von der Möglichkeit des Lohnsteuerjahresausgleichs Gebrauch gemacht wird oder nicht — und nach dem Umfang, in dem dabei vom Steuerschuldner die Tätigkeit eines Steuerberaters in Anspruch genommen wird. Wenn, wie bei vielen freienBerufen üblich, 171 fast alle gegenüber dem Fiskus zu erfüllenden Verpflichtungen einem Steuerberater zur Erledigung übertragen worden sind, ist der Mitwirkungsgrad bei der Berechnung und Abführung der steuerlichen Belastung erheblich reduziert. Diese Aufgabenverlagerung 167

Inwieweit hierbei die Inanspruchnahme einer Steuerberatungstätigkeit die eigene Kenntnis ersetzen kann oder ersetzt, ist eine Frage, die nur im Einzelfall beantwortet werden kann. 168 Vgl. E. Mueller (1963) S. 218. 169 Vgl. dazu den programmatischen Aufsatz von G. Schmölders, Steuermoral und Steuerbelastung, „Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht", 6. Jg., 1933, S. 156 ff. sowie seine die Ausgangsposition relativierenden Feststellungen in: Derselbe (1970b) S. 60. 170 G. Engelhardt (1968) S. 54 f. 171 Vgl. dazu die Ergebnisse der eigenen Erhebungen in Abschnitt Β. I. des 4. Kapitels.

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2. Kap. Β. Besteuerung und Leistungsbereitschaft

würde insofern den Bedingungen, wie sie beim Quellenabzugsverfahen für Arbeitnehmer vorliegen, nahekommen. 172 Während die Wahrnehmungsmtfg/z'cAfce// in beiden Fällen als prinzipiell gleich einzuschätzen ist, hängt die Wahrnehmung selbst von der nur individuell bestimmbaren tatsächlichen Mitwirkung ab. In diesem Abschnitt wurden insbesondere folgende Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung durch die Darstellung der eigenen Untersuchungsergebnisse angestrebt wird: — In welchem Ausmaß ist den Zensiten die eigene steuerliche Belastung bewußt bzw. bekannt? — Wird die eigene Steuerlast eher zu hoch oder zu niedrig eingeschätzt? — Hängen die Kenntnis von der objektiven Steuerbelastung und das subjektive Steuerbelastungsgefühl zusammen? — Ist zu erwarten, daß die Kenntnis steuerlicher Tatbestände verhaltenswirksam im Sinne einer Beeinflussung der Leistungsbereitschaft wird? III. Steuerbelastung und Schattenwirtschaft 7. Problemstellung

und Begriff

Die in Abschnitt Α. I. dargestellte Alternative, im Falle von Lohnsatzänderungen bzw. Veränderungen der steuerlichen Belastung Arbeitszeit gegen Freizeit zu substituieren und vice versa, erweist sich bei realitätsnäherer Betrachtung als zu eng. Zwischen „reiner" Freizeit und Arbeit gegen Entgelt (resultierend aus derTeilnahme am offiziellen Arbeitsmarkt) gibt es einen Zwischenbereich, der heute allgemein als Schattenwirtschaft bezeichnet wird. 173 Auch wenn über die diesem Sektor, der im Gegensatz zur „offiziellen 172

Dies wird von K.-H. Düke, Steuertechnik und Steuerbelastungsgefühl vor 100 Jahren und heute, in: An den Grenzen der Belastbarkeit, Festschrift für G. Schmölders zum 75. Geburtstag, hrsg. v. W. Haubrichs, Frankfurt/M. 1978, S. 181-192, hier S. 188, übersehen: „Während im preußischen Steuersystem selbst die Bezieher kleiner Einkommen, also auch Lohn- und Gehaltsabhängige, bestimmte Geldbeträge an den Steuerterminen bereithalten mußten, sie somit die Steuerbelastung direkt wahrnahmen, trifft das heute in der Form für die Masse der Steuerzahler nicht mehr zu. Das hat zur Folge, daß das subjektive Belastungsgefühl bei den Steuerzahlern, die als Selbständige, Freiberufler oder Grundbesitzer die von ihnen zu zahlenden Steuern ,zu erklären 4 und Vorauszahlungen zu leisten haben, größer ist als bei denjenigen, denen die Steuer vom Lohn oder Gehalt abgehalten wird". Vgl. auch G. Schmölders, Der verlorene Untertan. Verhaltensforschung enthüllt die Krise zwischen Staatsbürger und Obrigkeit, Düsseldorf, Wien 1971, S. 118 f. 173 Der Begriff „Schattenwirtschaft" wurde von G. Schmölders, Der Beitrag der „Schattenwirtschaft", in: Wandlungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vor neuen Aufgaben, Festschrift für W. A. Jöhr zum 70. Geburtstag, hrsg. v. E. Küng, Tübingen 1980, S. 371 ff., geprägt.

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OFFIZIELLE WIRTSCHAFT First (Formal, Recorded) Economy

VOLKSWIRTSCHAFT Dual Economy I 1

Erfassungsbereiche der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR)

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Öffentliche Haushalte

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Abbildung 7

78

2. Kap. Β. Besteuerung und Leistungsbereitschaft

Wirtschaft" auch als „informelle", „second" oder „unrecorded" Wirtschaft bezeichnet wird, zuzurechnenden wirtschaftlichen Aktivitäten 174 wissenschaftlich noch keine Einmütigkeit herrscht, beginnt sich doch eine Taxonomie durchzusetzen, wie sie in Abbildung 7 wiedergegeben ist. 175 Danach lassen sich der Schattenwirtschaft alle Handlungen zuordnen, die zwar zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung beitragen, die aber gleichwohl nicht in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erfaßt werden (statistisches Konzept). 176 Dabei werden zwei Bereiche unterschieden: Die Selbstversorgungswirtschaft (Eigenwirtschaft) und die Untergrundwirtschaft (hidden economy), in der insbesondere mit der Hinterziehung staatlicher Abgaben (Steuern, Gebühren, Sozialversicherungsbeiträge usw.) zu rechnen ist. Während in der Selbstversorgungswirtschaft die auf den Eigenbedarf abzielenden Produktionstätigkeiten privater Haushalte (zunehmend auch die bedarfswirtschaftlichen Aktivitäten privater Selbstorganisationen) 177 zusammengefaßt werden, die in der Regel legal, unbesteuert und keinen bürokratischen Restriktionen unterworfen sind, können die Aktivitäten in der Untergrundwirtschaft legalen aber auch illegalen Charakter aufweisen. Quantitativ wird der Schwarzarbeit — als illegaler Aktivität — weitaus die größteBedeutung beigemessen.178

174 „Ein häufig übersehener Gesichtspunkt bei der Definition der Schattenwirtschaft... ist die Tatsache, daß es sich um wirtschaftliche Aktivitäten handeln muß. Charakteristikum des Wirtschaftens ist aber die Leistungsbezogenheit der Einkommenserzielung, d. h, die Einkommen werden für wirtschaftliche Leistungen, ob erlaubte oder unerlaubte sei dahin gestellt, gezahlt. Bei Anwendung dieses Kriteriums wird also nicht jede illegale,unmoralische oder sich der statistischen (und damit zumeist auch steuerlichen) Erfassung entziehende Einkommensaktivität der Schattenwirtschaft zugerechnet, sondern nur solche, bei denen sich Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis gegenüberstehen". (£. Klinkmüller/G. Leptin, Terminologische Anmerkungen zum Begriff der Schattenwirtschaft, in: Beiträge zum Problem der Schattenwirtschaft, hrsg. v. G. Hedtkamp, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F. Bd. 132, Berlin, München 1983, S. 14. Hervorhebung im Original). 175

Vgl. dazu ausführlich D. Cassel, Schattenwirtschaft — eine Wachstumsbranche?, "List-Forum", Bd. 11, H. 6, 1981/82, S. 344 ff. 176 Eine andere, davon inhaltlich aber nicht abweichende Darstellung findet sich ζ. B. bei H.-G. Petersen, Ursachen und Konsequenzen einer wachsenden Schattenwirtschaft, in: Staat, Steuern und Finanzausgleich. Probleme nationaler und internationaler Finanzwirtschaften im zeitlichen Wandel, Festschrift für H. Kolms zum 70. Geburtstag, hrsg. v. W. A. S. Koch u. H.-G. Petersen, Berlin 1984, S. 116. 177 Vgl. dazu vor allem C. Badelt, Sozioökonomie der Selbstorganisation, Beispiele zur Bürgerselbsthilfe und ihre wirtschaftliche Bedeutung, Campus Forschung, Bd. 178, Frankfurt/M., New York 1980. 178 In wissenschaftlichen Untersuchungen wird das Hauptaugenmerk vornehmlich auf die Analyse der „hidden economy" gerichtet. Daher wird im folgenden der Bereich der Selbstversorgungswirtschaft nicht weiter betrachtet.

I I I . Steuerbelastung und Schattenwirtschaft

79

Aktivitäten in der Schattenwirtschaft sind kein Phänomen der letzten Jahre (auch wenn die progressiv ansteigende, diesem Thema gewidmete Literatur dies zu suggerieren scheint). Damit soll jedoch nicht infrage gestellt werden, daß die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Problem dringend geboten ist, um Ansatzpunkte für seine wirtschaftspolitische Beherrschung zu erarbeiten. A priori könnte die Existenz und das Wachstum der Schattenwirtschaft auch Ausdruck für das Vorhandensein von Steuerbelastungsgrenzen, wie sie in der Einleitung kurz beschrieben wurden, sein. Die Diskussionen über die Schattenwirtschaft konzentrieren sich derzeit auf drei Aspekte: — die Ermittlung ihrer Ursachen und Wirkungen; — die Messung ihres Umfangs und ihrer bisherigen Entwicklung sowie die sich daraus ergebenden — Konsequenzen für die Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2. Ursachen und Wirkungen Vor der Anwendung einer wirtschafts- und finanzpolitischen Therapie muß notwendigerweise die hinreichende Klärung der Ursachen und Wirkungen schattenwirtschaftlicher Aktivitäten stehen, die ihren realen Ausdruck im bisher erreichten Umfang und der zu erwartenden zukünftigen Entwicklung der Schattenwirtschaft finden. In bezug auf den in dieser Arbeit behandelten Untersuchungsgegenstand ist dabei dem Einfluß von Steuern und dem Steuerabwehrverhalten besondere Aufmerksamkeit zu widmen. 179 In der politischen Diskussion der letzten Jahre über die Ursachen der Schattenwirtschaft stand die These im Vordergrund, daß die Abgabenbelastung durch den Staat zu hoch sei 180 und daß die Steuerstruktur sowie staatliche Reglementierungen und Bürokratie die freie Entfaltung privatwirtschaftlicher Initiativen behinderten. 181 Daraus resultierten Einkommensminderungen, Verteilungsungerechtigkeiten usw., die sich ihrerseits in disincentive-Effekten niederschlügen. Ausweichstrategien in Form der Verlagerung ökonomischer Aktivitäten in den Sektor der Schattenwirtschaft seien die Folge. „Die Schattenwirtschaft ist bei dieser Sichtweise eine neue 179

Die Erörterung muß aus Platzgründen auf einige wichtige Aspekte beschränkt bleiben. 180 „In the scientific literature as well as in popular accounts the rising burden of taxation is taken to be one of the dominant reasons for the existence and growth of the shadow or underground economy". (H. Weck/B. S. Frey , Tax Financing and the Shadow Economy, Paper prepared for the Congress of the International Institute of Public Finance, Copenhagen, August 1982, S. 2.) 181

Vgl. ζ. Β. Β. Molitor, politik", Nr. 2, 1980, S. 46.

Kundendienst gegen Schwarzarbeit, „Arbeit und Sozial-

80

2. Kap. Β. Besteuerung und Leistungsbereitschaft

individuelle Form des Steuerprotests durch Steuerausweichung, die auch im Zusammenhang mit den Steuerprotestbewegungen in den westlichen Industriegesellschaften gesehen wird, die sich aus einem allgemeinen Staatsverdruß nähren. Bei der ausschließlichen Ableitung der Schattenwirtschaft aus einem ,Zuviel an Staat4 tritt der ideologische Impetus, der in den konservativen Forderungen nach Reprivatisierung öffentlicher Leistungen, Rückzug des Staates aus der Wirtschaft und einem ,Mehr an Markt' Ausdruck findet, auch in der Diskussion um die Sekundärökonomie deutlich zutage". 182 Dem steht gegenüber, daß auch Leistungsdefizite der Märkte als Ursache für das Wachstum der Schattenwirtschaft genannt werden. Die Wirkungen dieser Ursachen werden im folgenden weiter erörtert. Wie in Abschnitt Α. I. dieses Kapitels gezeigt wurde, ist die Gesamtwirkung einer Einkommensteuererhöhung — mag es sich dabei um eine diskretionäre Maßnahme oder um Auswirkungen der „kalten Progression" handeln —, wegen der Gegenläufigkeit des Substitutions- und Einkommenseffektes grundsätzlich indeterminiert. Wenn in Untersuchungen über die Schattenwirtschaft fast ausschließlich disincentive-Effekte behandelt werden, so kann dies wie folgt interpretiert werden: Durch die steigende steuerliche Belastung wird bisherige Arbeitzeit durch Freizeit oder Aktivitäten in der Schattenwirtschaft substituiert. Der Umfang der Schattenwirtschaft soll durch bestimmte Meßverfahren (vgl. Abschnitt 3) quantifiziert werden, da der Einkommenseffekt „im Schatten" bleibt, obwohl er gleichwohl vorhanden ist. Substitutionseffekt und Einkommenseffekt manifestieren sich in den beiden Bereichen »formelle 4 und »informelle 4 Wirtschaft. Dadurch wird die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung nicht notwendigerweise negativ beeinflußt, problematisch ist nur, daß sie partiell nicht erfaßt wird und insoweit der unmittelbaren wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung •

183

entzogen ist. Die steigende steuerliche Belastung184 kann aber auch die Tätigkeiten in der offiziellen Wirtschaft unverändert lassen (ζ. B. aufgrund institutioneller constraints) und zusätzlich zu Aktivitäten in der Schattenwirtschaft (legal oder illegal) im Sinne einer Doppelbeschäftigung führen. Dann würde sich die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung (einschließlich der statistisch nicht erfaßten) sogar erhöhen.

182 K. Gretschmann/W. Ulrich, Wirtschaft im Untergrund, „Wirtschaftsdienst", 60. Jg., H. 9, 1980, S. 446. 183 Zu den sich daraus ergebenen Konsequenzen vgl. den folgenden Abschnitt 4. 184 Daß ein progressiver Einkommensteuertarif nicht notwendigerweise die Verlagerung von Aktivitäten in die Schattenwirtschaft fördert, sondern dies sogar eine Folge des Abbaus der Progression sein kann, wird von J. Hackmann, Fördert die Progression die Schattenwirtschaft?, in: Schattenökonomie. Theoretische Grundlagen und wirtschaftspolitische Konsequenzen, hrsg. v. W. Schäfer, Göttingen 1984, S. 103, festgestellt.

I I I . Steuerbelastung und Schattenwirtschaft

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Realistischerweise muß als weitere Anpassungsmöglichkeit die Steuerhinterziehung (tax evasion) erwähnt werden, die sich auf ursprünglich im offiziellen Sektor erbrachte Leistungen, die dann partiell dem Schattensektor zuzurechnen sind, beziehen kann oder die gänzlich in der hidden economy stattfindet. Zwischenformen sind ebenfalls denkbar. Dem individuellen Steuerhinterziehungsverhalten ist seit Anfang der siebziger Jahre in einer Reihe von Untersuchungen besondere Aufmerksamkeit gewidmet worden. 185 Ihr gemeinsamer Ausgangspunkt ist als Zielgröße die Maximierung des erwarteten Nutzens des Steuerzahlers in bezug auf sein deklariertes Einkommen für die beiden Fälle, daß die Steuerhinterziehung nicht entdeckt und daß sie aufgedeckt wird. 1 8 6 Dabei werden sowohl alternative Steuersysteme (proportionale und progressive Einkommensteuern) wie auch verschiedenes Risikoverhalten der Zensiten (risikoscheue und risikoneutrale Individuen) unterschieden. Danach spielen in diesen Untersuchungen Annahmen über die Höhe der Bestrafung für den Fall der Aufdeckung der Steuerhinterziehung (abhängig von der Höhe des nicht deklarierten Einkommens oder von der Höhe der hinterzogenen Steuern) und die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung des Steuervergehens (als exogene oder endogene Größe) eine Rolle. Weiter wird dann gefragt, wie Änderungen im Strafmaß, der Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung und der Steuersätze selbst die Steuerhinterziehung beeinflussen. 187 Die Feststellung, daß die Entscheidungen eines Steuerzahlers zugunsten des Versuches getroffen werden, Steuern zu hinterziehen, wenn die Steuersätze hoch sind, ist jedoch nicht für alle Fälle begründet. 188 Sie gilt nur bei bestimmten Veränderungen der Steuerfunktion und für ein spezifisches Bestrafungsschema. Außerdem konnte die Hypothese nicht gestützt werden, daß die Hinterziehung mit dem Einkommen zunehmen würde. 185 Die Untersuchungen lassen inzwischen die Ansätze zu einer Theorie der tax evasion erkennen. Vgl. M. O'Higgins , Aggregate Measures of Tax Evasion: An Assessment-I, "British Tax Review", 1981, S. 286-302. Derselbe , Tax Evasion and the Self-Employed: An Examination of the Evidence-II, ebenda, S. 367-378. R. Cross/E. Κ. Shaw , On the Economics of Tax Aversion, "Public Finance", Vol. 37, 1982, S. 36-47. J. H. Pencavel , A Note on Income Tax Evasion, Labor Supply, and Nonlinear Tax Schedules, "Journal of Public Finance", Vol. 12, 1979, S. 115-124. N. Friedland/S. Maital/A . Rutenberg, A Simulation Study of Income Tax Evasion, "Journal of Public Finance", Vol. 10, 1978, S. 107-116. G. Yaniv , Income Tax Evasion and the Supply of Labor, The National Insurance Institute, Bureau of Research and Planning, Discussion Paper No. 14, Jerusalem 1977. P. B. Nayak , Optimal Income Tax Evasion and Regressive Taxes, "Public Finance", Vol. 33,1978, S. 358-366. E. Koskela, Further Remarks on Income Tax Evasion, Department of Economics, University of Helsinki, Discussion Paper No. 146, Helsinki 1980. A. J. Isachsen/ S. Strenrn, The Hidden Economy: The Labor Market and Tax Evasion, "Scandinavian Journal of Economics", Vol. 82, 1980, S. 304-311. 186

Vgl. mics", Vol. 187 Vgl. 188 Vgl.

M. Allingham/A. Sandmo , Income Tax Evasion, "Journal of Public Econo4, 1972, S. 323 ff. E. Koskela (1980), S. 2. ebenda, S. 17 f.

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2. Kap. Β. Besteuerung und Leistungsbereitschaft

Allgemein gültige Aussagen zum Steuerhinterziehungsverhalten lassen sich nach den vorliegenden Forschungsergebnissen noch nicht formulieren. Vielmehr wird immer wieder hervorgehoben, daß die Zensiten — entsprechend ihren Einstellungen und soziokökonomischen Merkmalen — sehr verschiedene Verhaltensweisen zeigen.189 Im übrigen wird auch für dieses Problem eine empirische Überprüfung der Hypothesen gefordert, wobei das Hauptaugenmerk auf das Verhalten der Zensiten zu legen ist. 190 Als weitere Wirkung hoher Steuerbelastung, die in engem Zusammenhang mit dem Steuerhinterziehungsverhalten zu sehen ist, wird immer wieder die sinkende Steuermoral genannt. Wie im vorstehenden Abschnitt Β. I. bereits ausgeführt wurde, handelt es sich dabei um ein Steuerabwehrverhalten, das auf Einstellungen zum Staat und zur Besteuerung beruht und das unter bestimmten Voraussetzungen (S teuer kennt nis, subjektives Belastungsgefühl usw.) verhaltenswirksam werden kann. Die These, daß höhere Steuerbelastungen zwangsläufig zu schlechterer Steuermoral und zu einer Verstärkung schattenwirtschaftlicher Aktivitäten führen, konnte jedoch nicht eindeutig bestätigt werden. Neben der steuerlichen Belastung wird allgemein der Regulierungsdruck auf die offizielle Wirtschaft als hinreichende Bedingung für das Wachstum der Schattenwirtschaft angesehen. Vor allem durch staatlich auferlegte Verhaltensregeln und Vorschriften, die — wie auch die Höhe der Abgabenbelastung — in die Kalküle der Wirtschaftssubjekte als Kosten eingehen, wird mitbestimmt, wohin sich gegebenenfalls schattenwirtschaftliche Aktivitäten verlagern. 191 Die Messung von Umfang und Veränderungen staatlicher Reglementierungen bereitet indes große Probleme, weil sie sich weitgehend quantitativer Erfaßbarkeit entziehen.192 Aber auch Leistungsdefizite der Märkte werden als Ursachen angeführt. Nachfrager werden vom Kauf von Gütern und Diensten ausgeschlossen, wenn sie aufgrund ihrer niedrigen Einkommen nicht in der Lage sind, die geforderten Marktpreise zu bezahlen. Dagegen bieten die zumeist niedrigeren Preise und Kosten im Schattensektor (kombiniert mit Formen der Selbsthilfe wie ζ. B. Nachbarschaftshilfe) die Möglichkeit, den Marktausschluß zu unterlaufen. „Funktional erscheint damit das gleichgewichtsorientierte System des Schattenbereichs als eine Art buffer stock für das offizielle Marktsystem: Angebots- und Nachfragemengenüberschüsse auf den offiziel189 Vgl. ζ. Β. N. Friedland/S. Maital/A. Rutenberg (1978), S. 109. M. W. Spicer/S. Lundstedt (1976) S. 301 f. J. Vogel (1974) S. 499 ff. 19,1 Vgl. J. H. Pencavel (1979), S. 124. 191 Vgl. D. Cassel (1981/82), S. 361. 192 Der häufig verwendete Indikator „Anteil der in den öffentlichen Verwaltungen Bediensteten an den Vollzeitbeschäftigten" kann nur mit großen Vorbehalten akzeptiert werden.

B.

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len Märkten werden vom inoffiziellen Sektor teilweise absorbiert und dort über ein flexibles Preissystem weitgehend abgebaut. Die Folgen der Mengenrationierungen auf den offiziellen Strömungsmärkten werden über den Mechanismus der Preisrationierung im Schatten relativiert . . . Folglich besteht eine Substitutionsbeziehung zwischen Umfang und Anpassungsdynamik des offiziellen und inoffiziellen Sektors: Die Anpassungslast des Gesamtsystems wird um so stärker vom Schattensektor getragen, je sklerotischer das offizielle Marktsystem auf Datenänderungen reagiert". 193 Außerdem sei erwähnt, daß die Marktpreise ihrerseits von der Höhe der Abgabenbelastung und dem Regulierungsdruck abhängen. Es kommt hinzu, daß sich das Güterangebot in der informellen Wirtschaft in beträchtlichem Maße aus Produkten und Leistungen zusammensetzt, die eine Ergänzung zur Angebotsstruktur der marktwirtschaftlichen und staatlichen Bedarfsbefriedigung darstellen. 194 3. Messung des Umfangs der Schattenwirtschaft Die folgenden Meßkonzepte sind bisher entwickelt und angewendet worden: (1) Direkte Ansätze 195 Bei Befragungen wird versucht, durch Äußerungen der Zensiten selbst zu einer Vorstellung über das Ausmaß von schattenwirtschaftlichen Aktivitäten zu gelangen. Sofern Gegenstand der Interviews Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit sind, ist jedoch mit einer geringen Antwortbereitschaft zu rechnen. Die ermittelten Ergebnisse dürften daher bestenfalls Untergrenzen indizieren. Zu den direkten Methoden rechnen auch Stichproben, die von Steuerbehörden durchgeführt werden. 196 Aus den Stichprobenergebnissen wird dann auf die Gesamtwirtschaft geschlossen. Der Nachteil dieses Verfahrens liegt darin, daß nur ein Teil des in der offiziellen Wirtschaft erzielten, jedoch hinterzogenen Einkommens ermittelt werden kann. M. a. W. für die Beurteilung wesentliche schattenwirtschaftliche Aktivitäten werden dabei nicht erfaßt. 193 W. Schäfer, Ungleichgewichtstheorie und Schattenökonomie, Diskussionsbeiträge zur Wirtschaftstheorie, Nr. 2, Hochschule der Bundeswehr, Hamburg 1982, S. 7 f. Wiederabgedruckt als „Gleichgewicht, Ungleichgewicht und Schatten Wirtschaft", in: Derselbe (Hrsg.), Schattenökonomie. Theoretische Grundlagen und wirtschaftspolitische Konsequenzen, Göttingen 1984, S. 38-61, hier: S. 43. 194 Zu anderen in unserem Zusammenhang weniger relevanten Ursachen vgl. ζ. Β. H. Weck/B. S. Frey (1982), S. 5 ff. 195 Vgl. H. Weck, Wie groß ist die Schattenwirtschaft? Ein internationaler Vergleich, „Wirtschaftsdienst", 62. Jg., H. 8, 1982, S. 392 f. 196 Vgl. z. B. U. S. International Revenue Service (1RS), Estimates of Income Unreported on Individual Income Tax Returns, U. S. Government Printing Office, Washington, D. C. 1979.

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(2) Indirekte Ansätze Wegen der Schwierigkeiten, die naturgemäß mit der Erfassung schattenwirtschaftlicher Aktivitäten verbunden sind (dies gilt vor allem für illegale Handlungen, weniger jedoch für den Bereich der Eigenarbeit und Selbstversorgungswirtschaft), sind in der wissenschaftlichen Literatur eine Reihe von indirekten Schätzverfahren entwickelt worden. (a) Diskrepanz zwischen Einkommen und Ausgaben 197 Bei der Berechnung des offiziellen Sozialprodukts werden bekanntlich zwei verschiedene Verfahren angewendet. Auf der Verwendungsseite wird die Summe aller Ausgaben für Güter und Dienste, auf der Entstehungsseite werden alle Einkommen geschätzt. Dabei zeigt sich, daß das durch Aggregation der Verwendungen berechnete Sozialprodukt über dem Wert liegt, der von der Entstehungsseite her ermittelt wird. Aus der Diskrepanz wird auf verheimlichtes Einkommen geschlossen. Allerdings ist auch dieses Verfahren unzuverlässig, weil es Meßfehler in Rechnung zu stellen hat, mit denen allein schon beide Verfahren der Sozialproduktsberechnung behaftet sind. Diese Methode läßt sich im übrigen auch durch Aggregation mikroökonomischer Daten (erhoben im Rahmen von Haushaltsstichproben) anwenden, wobei jedoch keine von dem makroökonomischen Ansatz abweichenden Ergebnisse ermittelt wurden. 198 (b) Geldwirtschaftliche Ansätze Auch mit Hilfe monetärer Größen ist der Umfang der Schattenwirtschaft geschätzt worden. Dabei geht man von der Voraussetzung aus, daß — um das Aufdecken illegaler Handlungen zu erschweren — die Transaktionen über Bargeldzahlungen abgewickelt werden. Bisher sind dazu drei Verfahren entwickelt worden: 199 — die einfache Methode des Bargeldumlaufs 200

197

Vgl. zum folgenden B. S. Frey/W. W. Pommerehne, Quantitative Erfassung der Schattenwirtschaft: Methoden und Ergebnisse, in: Staatsfinanzierung im Wandel, hrsg. v. K.-H. Hansmeyer, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F. Bd. 134, Berlin, München 1983, S. 272 f. 198 Vgl. ebenda, S. 273. 199 Vgl. dazu zusammenfassend H. Weck, Schattenwirtschaft: Eine Möglichkeit zur Einschränkung der öffentlichen Verwaltung? Eine ökonomische Analyse, Finanzwissenschaftliche Schriften, Bd. 22, Frankfurt/M., Bern, New York 1983, S. 71 ff. E. Langfeldt, The Unobserved Economy in the Federal Republic of Germany: A Preliminary Assessment, Paper Prepared for the International Conference on the Unobserved Sector, Netherlands Institute for Advanced Studies in Wassenaar, Holland, Juni 1982, S. 8 ff. 2,10 Vgl. P. M. Gutmann , The Subterranean Economy, "Financial Analysts Journal", Vol. 6, 1977, S. 26 ff.

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— die Schätzung des Teils der Bargeld-Nachfragefunktion, der steuerinduziert ist 201 und — die Transaktionsmethode. 202 Diesen Ansätzen gemeinsam ist das Ziel, über die Geldmenge der Schattenwirtschaft deren Umfang zu ermitteln. Dazu wird ein Basiszeitraum festgelegt, für den die Nichtexistenz einer Schattenwirtschaft postuliert wird. Die in dieser Situation vorhandene Geldmenge bzw. das Verhältnis von Bargeld zu Sichtdepositen wird als „normal" angenommen. Das Ausmaß des Transaktionsvolumens der Schattenwirtschaft wird dann dadurch errechnet, daß das den Bedarf der formellen Wirtschaft übersteigende Bargeldvolumen, als Ausdruck für die Geldmenge der Schattenwirtschaft, mit der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes des formellen Bereichs multipliziert wird. Ein Nachteil dieser Methoden besteht darin, daß mit ihnen die auf Naturaltausch basierenden Aktivitäten, die ein beträchtliches Ausmaß erreichen können, nicht erfaßt werden. Auch die Annahme einer gleichen Geldumlaufgeschwindigkeit im offiziellen und inoffiziellen Sektor bietet Anlaß zu Kritik. Bereits geringe Variationen der Umlaufgeschwindigkeit können zu stark divergierenden Resultaten über die Größe der Schattenwirtschaft führen. Schließlich ist auch die Annahme eines monokausalen Zusammenhangs zwischen der steuerlichen Belastung und der Entwicklung der Schattenwirtschaft nicht haltbar. Wie gezeigt wurde, muß vermutet werden, daß es noch weitere Faktoren gibt, die als Ursachen für schattenwirtschaftliche Aktivitäten angesehen werden müssen. Auch wenn durch die vorliegenden Untersuchungen bestätigt werden konnte, daß die Abgabenbelastung einen wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung des inoffiziellen Sektors hatte, so läßt sich ihr Anteil daran doch erst im Vergleich und Zusammenwirken mit anderen Determinanten ermitteln, (c) Veränderungen der Erwerbsquote Bei diesem Ansatz wird die Erwerbsquote im Zeitablauf betrachtet. 203 Eine abnehmende offizielle Erwerbsquote läßt Aufschlüsse über Größe und Entwicklung der Schattenwirtschaft dann zu, wenn unterstellt wird, daß aus der formellen Wirtschaft endgültig abgewanderte — und damit in den Statistiken nicht mehr erfaßte — Erwerbstätige im Schattensektor 2,0

Vgl. V. Tanzi, The Underground Ecomony in the United States: Estimates and Implications, "Banca Nazionale Del Lavoro Quarterly Review", No. 135,1980, S. 427 ff. Derselbe, The Underground Economy in the United States: Annual Estimates, 1930-1980, "International Monetary Fund, Staff Papers", Vol. 30, No. 2, 1983, S. 283 ff. 202 Vgl. E. L. Feige , How Big Is the Irregular Economy?, "Challenge", Vol. 25, No. 5, 1979, S. 5 ff. 203 Vgl. Β. S. Frey/W. W. Pommerehne (1983), S. 273 ff. und die dort referierten empirischen Untersuchungsergebnisse aus Italien und Frankreich.

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tätig sind. Außerdem wird angenommen, daß in der Referenzperiode (z. B. beim Höchststand der Erwerbsquote) keine Schattenwirtschaft vorhanden war. Dieses Konzept besitzt, allein aufgrund der Voraussetzungen, schwerwiegende Mängel. Denn viele Schwarzarbeiter geben ihren Arbeitsplatz in der offiziellen Wirtschaft nicht auf. Zweifelhaft ist auch die Annahme der Nichtexistenz schattenwirtschaftlicher Aktivitäten zu irgendeinem Zeitpunkt. Dies würde die Negation des Einflusses der als Ursachen für die Schattenwirtschaft bezeichneten Faktoren „Abgabenbelastung" und „Regulierungsdruck" in der Referenzperiode bedeuten. Ein weiterer Nachteil besteht darin, daß andere den Arbeitsmarkt beeinflussende Faktoren (ζ. B. demographische Entwicklungen) nicht berücksichtigt werden. (d) Methode der weichen Modellierung 204 Hierbei werden mögliche Ursachen für das Entstehen der Schattenwirtschaft betrachtet, aus deren vermuteter Entwicklung auf den Umfang der hidden economy geschlossen wird. Als Determinanten werden dabei einbezogen — die Belastung der im offiziellen Sektor Tätigen mit Steuern und Sozialversicherungsabgaben, — die Belastung durch staatliche Reglementierungen, — die Veränderung der Steuermoral, — die offizielle Arbeitszeit in der formellen Wirtschaft, — die Veränderungen der offiziellen Erwerbsquote sowie — der Anteil der ausländischen Arbeitnehmer an den Erwerbstätigen. Um die Größe derSchattenwirtschaft zu ermitteln, werden den einzelnen Variablen Gewichte zugeordnet. Da das Gewicht der Einflußfaktoren jedoch nicht bekannt ist, läßt sich anhand der Methode der weichen Modellierung lediglich eine Rangfolge ihres Eintritts, nicht jedoch ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ermitteln. Die Rangfolge wird aufgrund von Plausibilitätsüberlegungen und Argumenten, die sich in der Literatur über Schattenwirtschaft finden, festgelegt. „Je nachdem, welche (relative) Bedeutung den verschiedenen Determinanten zugemessen wird, läßt sich eine Reihe von Gewichtungsschemata erstellen. Werden sie mit den standardisierten Daten für die Determinanten multipliziert, ergeben sich hieraus die entsprechenden Werte für die Entwicklung der Schattenwirtschaft . . . Welches absolute Ausmaß die Schattensektoren in den einzelnen Jahren hatte, kann aufgrund des Freiheitsgrades dieses Verfahrens allerdings nicht bestimmt werden — es sei denn, es steht für einen 2,14

Vgl. H. Weck (1983), S. 81 ff. B. S. Frey/W.

W. Pommerehne (1983), S. 280 ff.

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Zeitpunkt Zusatzinformation in Form einer unabhängigen Schätzung für die Größe der Schattenwirtschaft zur Verfügung. Dies ist bislang aber nicht der Fall". 2 0 5 Auf eine umfassendere Kritik der hier kursorisch vorgestellten Meßverfahren soll verzichtet werden. 206 „By its nature this method of measuring the hidden economy is indirect and highly imprecise for a number of reasons". 207 Diese und andere deutlich artikulierte Vorbehalte finden jedoch in der Sekundärliteratur und in politischen Verlautbarungen zur Schattenwirtschaft zu wenig Beachtung. Wegen der Unsicherheit, mit denen alle bisher vorgestellten Verfahren behaftet sind, wird auf die Wiedergabe quantitativer Schätzergebnisse verzichtet. 208 Insbesondere die indirekten Methoden leiden darunter, daß einzelne Bestimmungsgrößen und ihre Wirkungen nicht isoliert betrachtet werden können. Was allenfalls ermittelt werden kann, sind Wirkungsrichtungen, möglicherweise auch eine ordinale Reihung nach der Bedeutung einzelner Einflußfaktoren. Für unseren Untersuchungszweck, der auf einem behavioristischen Ansatz beruht, geben sie deswegen relativ wenig her. 209 4. Konsequenzen für die Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik 2l( ) Durch die Nichtberücksichtigung schattenwirtschaftlicher Aktivitäten, wie sie in Abb. 7 zum Ausdruck kommen, wird das gesamtwirtschaftliche Informationssystem als Entscheidungsgrundlage wirtschafts- und finanzpolitischer Maßnahmen beeinträchtigt. Denn bei — vermutetem — beträchtlichem Umfang und zukünftig zu erwartendem Wachstum der Schatten-wirtschaft werden wichtige Makrodaten verzerrt. In bezug auf die Arbeitslosenquote ist zu konstatieren, daß sie nach unten um die vom 205 Ebenda, S. 283 f. (Hervorhebung im Original). Auf die Darstellung der Methode der unbeobachteten Variablen, die auf einer Verknüpfung von Determinanten und Indikatoren zur Schätzung der Schattenwirtschaft beruht, wird hier verzichtet, da sie grundsätzlich keine weiterreichenden Erkenntnisse bringt. Vgl. dazu H. Weck (1983), S. 105 ff. 206 Vgl. dazu ausführlich M. O'Higgins (1981), S. 286-302 u. S. 367-378. 207 J. T. Klovland , In Search of the Hidden Economy: Tax Evasion and the Demand for Currency in Norway and Sweden. Norwegian School of Economics and Business Administration, Discussion Paper No. 18/80, Bergen 1980, S. 2 (Hervorhebung v. Verf.). 2,18 Dazu sei auf die Tabellen verwiesen, die in der einschlägigen Literatur zu finden sind. Vgl. ζ. Β. H. Weck (1982), S. 394. 209 Damit soll ihre Bedeutung für andere Untersuchungszwecke keineswegs infrage gestellt werden. 210 Vgl. zum folgenden D. Cassel/ A. Casper s, Was ist Schatten Wirtschaft? Begriff und Erscheinungsformen der Second Economy, „Wirtschaftswissenschaftliches Studium — WiSt", 13. Jg., H. 1, 1984, S. 2.

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Schattensektor absorbierten Arbeitslosen zu korrigieren ist und daß auch die offizielle gesamtwirtschaftliche Inflationsrate wegen der zumeist niedrigeren Preise in der second economy ein geringeres Niveau aufweisen dürfte. Außerdem werden Arbeitsproduktivität und tatsächliches Bruttosozialprodukt bei Nichtbeachtung der Schattenwirtschaft zu niedrig ausgewiesen.211 Hinzu kommt die Gefahr, daß durch zunehmende Aktivitäten in der Schattenwirtschaft Arbeitsplätze in der offiziellen Wirtschaft vernichtet werden. Dies hätte weitreichende Konsequenzen für die Qualität staatlicher Beschäftigungspolitik. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß auch durch die Schattenwirtschaft zusätzliche Nachfrage ausgeübt wird, die positive Wirkungen auf die Wachstumsdynamik der gesamten Volkswirtschaft haben kann. Zu Recht wird in diesem Zusammenhang daraufhingewiesen, daß die einfache Hochrechnung des Umfangs der Schattenwirtschaft auf dem offiziellen Sektor verlorengehende Arbeitsplätze unzulässig ist. 212 Von schwerwiegender Bedeutung ist die Tatsache, daß dem Staat durch Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben hohe Einnahmenverluste entstehen. Die notwendigerweise zu erfüllenden staatlichen Aufgaben werden von einer kleineren Solidargemeinschaft finanziert, was bei konstanter gesamtwirtschaftlicher Steuerquote einen höheren Finanzierungsanteil des einzelnen impliziert. Auf der anderen Seite partizipieren auch Schwarzarbeiter am staatlichen Leistungsangebot. Über die zu ergreifenden Maßnahmen gehen die Auffassungen je nach interessenpolitischem Standpunkt jedoch weit auseinander. 213 Es dürfte jedoch die beabsichtigten Wirkungen verfehlen, wollte man die Schattenwirtschaft mit einer rein fiskalisch orientierten Strategie bekämpfen, da dann verstärkt mit Abwehrreaktionen der betroffenen Wirtschaftssubjekte zu rechnen ist. Aus all dem auf eine Erosion der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu schließen, wäre jedoch voreilig. Dabei wird übersehen, daß „die irreguläre Ökonomie eine Evolution neuer politisch-ökonomischer Strukturen signalisiert, welche die etablierten Regeln und Institutionen der gemischen Wirtschaftsordnungen in den westlichen Wohlfahrtsstaaten durch Herausbildung neuer Einstellungen, Regeln und Institutionen transzendieren" 214. 211

Mit diesen Überlegungen setzen sich K. Gretschmann/W. Ulrich (1980), S. 448 f. kritisch auseinander. 2,2 Vgl. D. Cassel/A. Caspers (1984), S. 2. 211 Vgl. dazu das Zeitgespräch: Schattenwirtschaft — ein florierender Wirtschaftszweig, „Wirtschaftsdienst", 63. Jg., H. 10, 1983, S. 479-492 (mit Beiträgen v. W. Vogt, W. Remmers, P. Schnitker, U. Engelen-Kefer u. B. Rürup). 214 R. Windisch, Irreguläre Ökonomie und Wirtschaftsordnung aus evolutionärer Sicht, in: Schattenökonomie (1984) S. 26. Vgl. zur These vom Strukturwandel auch C. Badelt, Schattenwirtschaft als Folge der Abgabenbelastung oder Ausdruck wirtschaftlichen Strukturwandels?, in: Staatsfinanzierung im Wandel, hrsg. v. K.-H. Hansmeyer, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F. Bd. 134, Berlin, München 1983, S. 295-307.

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Bezogen auf die schattenwirtschaftliche Aktivitäten ausübenden einzelnen Wirtschaftssubjekte wird konstatiert, daß dadurch ein Mehr an Selbstentfaltung, Arbeitszufriedenheit und sozialer Kommunikation erzielt wird. „Anscheinend kann im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ökonomie und eines staatlichen Versorgungspaternalismus ein steigender Bedarf nach Dispositionsfreiheit und Persönlichkeitsentfaltung nicht mehr befriedigt werden". 215 ' 216 Damit werden wieder Überlegungen angesprochen, die wir in den vorstehenden Abschnitten Α. I V , Β. I und B. I i bereits diskutiert haben. Wir gelangen somit zu dem Ergebnis, daß zwar staatliche Interventionen (Abgabenbelastung, Bürokratie) zur Entwicklung der Schattenwirtschaft beigetragen haben, daß aber dort ausgeübte Aktivitäten durchaus systemstabilisierend wirken können 217 (im Sinne einer funktionsnotwendigen Ergänzung von Markt und Staat sowie als Korrektiv für Fehlentwicklungen im primären Bereich) 218 und daß man darin den Ausdruck von Strukturwandlungen in Wirtschaft und Gesellschaft erblicken kann, denen mittel- bis langfristig bei der Gestaltung unserer Wirtschaftsordnung Rechnung zu tragen ist. Wie unsere kurze Übersicht gezeigt hat, lassen sich schattenwirtschaftliche Aktivitäten theoretisch wie auch empirisch nur durch das Zusammenwirken einer Vielzahl von Faktoren erklären. Dabei haben steuerliche Einflüsse einen besonderen Stellenwert, ihre Intensität konnte jedoch (bisher) nicht isoliert ermittelt werden. Die eigenen Untersuchungen (4. Kapitel) können und wollen diesen Mangel nicht heilen. Vielmehr werden wir uns damit begnügen, einige Ansatzpunkte für die Ermittlung steuerlicher Einflüsse auf schattenwirtschaftliche Aktivitäten aufzuzeigen.

21i

K. Gretschmann/W. Ulrich (1980), S. 446. Ein Mangel bisheriger Analysen besteht darin, daß dem Unterschied zwischen Aktivitäten in der Untergrundwirtschaft und in der Selbstversorgungswirtschaft zu wenig Beachtung geschenkt worden ist. Beide Bereiche sind in bezug auf ihre wirtschafts- und gesellschaftspolitische Bedeutung von sehr unterschiedlicher Qualität. Eine der wenigen theoretischen Untersuchungen zur Eigenarbeit stammt von M. Carlberg, Industrielle Arbeit, Eigenarbeit und Freizeit — Die Auswirkungen des technischen Fortschritts, der Besteuerung, der Arbeitszeitverkürzung und der Transaktionskosten auf die Allokation der Zeit, in: Schattenökonomie (1984) S. 62-78. 217 Vgl. B. Riirupy Risiken und Chancen der Schattenwirtschaft, „Wirtschaftsdienst", 63. Jg., H. 10, 1983, S. 492. 218 Vgl. K. Gretschmann/W. Ulrich (198Ó), S. 446. 216

90

2. Kap. C. Zusammenfassung: Dominanz materieller Orientierung?

C. Zusammenfassung: Dominanz materieller Orientierung? Die Ergebnisse dieses Kapitels lassen sich wie folgt zusammenfassen. Angesichts der Unbestimmtheit, durch partialanalytische Überlegungen zu Aussagen über Richtung und Umfang steuerlich bedingter Änderungen im Leistungsverhalten zu gelangen, war es notwendig, zunächst die Möglichkeiten sowie den Spielraum, d. h. aber auch die Grenzen für Anpassungen bei verschiedenen Erwerbstätigengruppen darzustellen. Einkommensteueränderungen konnten unter bestimmten Voraussetzungen als Lohnsatzänderungen äquivalent behandelt werden. Bei der Analyse zeigte sich, daß es zweckmäßiger ist, vom Haushalt als Wirtschaftseinheit auszugehen. Anderenfalls würden wichtige Parameter (ζ. B. die Arbeitsentscheidungen der secondary worker) gar nicht erfaßt oder nicht den richtigen ökonomischen Einheiten zugerechnet werden. Trotz der Vielfalt theoretisch denkbarer Anpassungen waren die realen Möglichkeiten infolge verschiedener institutioneller und persönlicher Schranken begrenzt. Infolgedessen unterbliebene Anpassungsreaktionen werden zu Suboptima führen, die erst dann beseitigt werden, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Basierend auf der Theorie der Bedürfnishierarchie und unter Einbeziehung verschiedener Bestimmungsfaktofen des Arbeitsverhaltens, konnte festgestellt werden, daß die finanziell-materielle Orientierung im allgemeinen mit steigendem Einkommen abnimmt. 219 Aber selbst für Arbeiter bedeutet die „Unterstellung einer einseitig auf materielle Belohnungen abgestellten Arbeitsmotivation . . . eine unzulässige Vereinfachung der Motivationsstruktur" 220 . Allgemein hat die empirische Industriesoziologie gezeigt, daß „die Anreizmöglichkeiten des Einkommens begrenzt sind und daß die Einkommenszufriedenheit nur einen relativen Einfluß auf die Erhöhung der Arbeitszufriedenheit hat" 221 . Wir sind nicht zu dem Ergebnis gelangt, daß finanzielle Aspekte bei Beziehern höherer Einkommen unbedeutend wären. Sie behalten ihre strategische Bedeutung im Leistungsverhalten. Dennoch sind die mit der beruflichen Position verbundenen Leistungsmotivationen wie ζ. B. funktionale und/ oder personale Macht, Sozialprestige, Selbstverwirklichung usw. so bedeutsam, daß steuerliche Parameteränderungen nur subsidiäre Bedeutung erlangen. Es kommt hinzu, daß im Falle von Erhöhungen der Geldanreize Reaktionen nur bis zur Leistungsgrenze zu erwarten sind, die bei Beziehern 219 Vgl. G. Fi Break , The Effects of Taxation on Work Incentives, in: Federal Tax Policy for Economic Growth and Stability, Papers Submitted by Panelists Appearing before the Subcommittee on Tax Policy, Joint Committee on the Economic Report, Washington D. C. 1956, S. 193 f. 22,1 F. R. Nick (1974) S. 146. 221 A. R.Bunz/R. Jansen/K. Schacht (1974) S. 60.

1. Kap. C. Zusammenfassung: Dominanz materieller Orientierung?

hoher Einkommen infolge längerer Arbeitszeiten schneller erreicht ist. 222 Andererseits sind schwache Steuerwirkungen dort zu erwarten, wo ihr Einfluß auf die genannten nichtmonetären Leistungsmotive wie Macht, Prestige usw. gering ist. 223 Dabei gilt generell, daß die Reaktionen umso schwächer ausfallen, je weniger die Belastungsänderungen wahrgenommen werden. Die Wahrnehmung selbst wiederum hängt nicht zuletzt davon ab, in welcher Art und Weise der Besteuerte mit seiner Belastung konfrontiert wird. Starke Konfrontation kann zu hoher Steuerbewußtheit führen, die den Zensiten zu einer weitgehenden Ausschöpfung seiner Steuervermeidungsmöglichkeiten führt. Andererseits wurde auch festgestellt, daß die steuerlichen Reaktionen vom Grad der Habitualisierung der eigenen Belastung abhängt. Es versteht sich von selbst, daß Anpassungen umso eher vorgenommen werden, wenn die Steuerbelastungsveränderungen quantitativ beträchtlich sind. Bleiben sie jedoch maßvoll 224 so werden Anpassungen nur in sehr geringem Umfange auftreten. 225 Dies soll die Hypothese für die weiteren Untersuchungen sein. Sie wird zunächst überprüft anhand der in der finanzwissenschaftlichen Literatur beschriebenen empirischen Untersuchungen. Es folgt dann der Versuch, die Hypothese durch eigene Untersuchungen zu falsifizieren.

222

Vgl. J. W. Atkinson (1971) S. 465 f. Vgl. E. Schorer (1943) S. 345. 224 Als maßvoll, aber gesamtwirtschaftlich dennoch effizient, könnte man die im Stabilitätsgesetz vorgesehenen Änderungen von ± 10 Prozent ansehen. 225 Auch wenn bei dem einzelnen die Reaktion unbedeutend bleibt, kann sich makroökonomisch durchaus eine beachtliche Wirkung einstellen. 223

Drittes Kapitel

Arbeitsangebot und Einkommensbesteuerung: Empirische Untersuchungen A. Vorbemerkung: Möglichkeiten empirischen Vorgehens Die theoretische Analyse steuerlich bedingter Leistungswirkungen hat zu einem indeterminierten Ergebnis geführt. Zu für die finanzpolitische Praxis relevanten Aussagen kann man daher nur über eine empirische Ermittlung der Steuereffekte gelangen. Als Methoden kommen dafür (1) Befragungen der Zensiten, (2) ökonometrische Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen arbeitsangebotsrelevanten Faktoren und steuerlichen Determinanten sowie (3) Experimente in Betracht. Es kann nicht verwundern, daß — trotz der in jüngerer Zeit in der ökonomischen Forschung erzielten Fortschritte — die Befragungsmethode immer noch im Vordergrund steht. Bei allen — später darzustellenden —Vorbehalten handelt es sich dabei kausalanalytisch immer noch um das wichtigste Instrument. Die Erörterung dergestalt gewonnener Untersuchungsergebnisse steht daher in diesem Kapitel im Vordergrund. Spezielle ökonometrische Untersuchungen über den Einfluß von Steuern auf das Leistungsverhalten liegen bisher nur für die USA und Großbritannien vor. 1 Dies gilt auch für die dort durchgeführte experimentelle Ermittlung der Wirkungen von Transferzahlungen (negative Einkommensteuern) auf das Arbeitsangebot der Bezieher niedrigster Einkommen.2 1 Ihre Darstellung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Aus dem Schrifttum sei vor allem verwiesen auf M. C. Keeley, Labor Supply and Public Policy. A Critical Review, Studies in Labor Economics, New York, London u. a. 1981, der eine komplette Übersicht über ökonometrische Untersuchungen steuerlicher Einflüsse auf das Arbeitsangebot bis 1980 gibt. Bemerkenswert sind außerdem die Arbeiten von J. A. Hausman, Labor Supply, in: How Taxes Affect Economic Behavior, hrsg. ν. H. J. Aaron/J. A. Pechman, Studies of Government Finance, Washington, D.C. 1981, S. 27-72. C. V. Brown (Hrsg.), Taxation and Labour Supply, London, Boston u. a. 1981. J. J. Heckman/Th. E. MaCurdy, New Methods for Estimating Labor Supply Functions. A Survey, NBER Working Paper Series, National Bureau of Economic Research, Working Paper No. 858, Cambridge/Mass. 1982. Ch. J. Flinn/J. J. Heckman, Models for the Analysis of Labor Force Dynamics, ebenda, Working Papper No. 857, Cambridge/Mass. 1982 sowie die in diesen Arbeiten jeweils aufgeführte Literatur. 2 Aus der inzwischen breiten Literatur vgl. vor allem die regelmäßig in der Zeitschrift "The Journal of Human Resources" veröffentlichten Aufsätze sowie: Negative Income Tax: An Approach to the Coordination of Taxation and Social Welfare Policies, hrsg. ν d.

3. Kap. Α. Vorbemerkung: Möglichkeiten empirischen Vorgehens

93

Es mag überraschen, daß die mit den drei Methoden (Befragungen, ökonometrische Untersuchungen, Experimente) erzielten Ergebnisse steuerlicher Einflüsse auf das Arbeitsangebot im großen und ganzen übereinstimmen. Unterschiede sind wenigstens teilweise auf die methodischen Ansätze und jeweils divergierenden Datenbasen zurückzuführen. „ I f the consensus referred to above does in fact emerge there could be a revival of interest in the interview method". 3 Ein wichtiger Schritt für finanzpolitisch relevante Empfehlungen in bezug auf die Steuerstruktur und -sätze könnte in Zukunft dann vollzogen werden, wenn es gelänge, die theoretischen Arbeiten über »optimal taxation* mit empirischen Untersuchungen über Steuerwirkungen zu kombinieren. Allerdings ist der Aufbau einer erfahrungswissenschaftlichen TheoOrganisation for Economic Co-Operation and Development, Paris 1974. C. Green, Negative Taxes and the Poverty Problem, Studies of Government Finance, Washington D. C. 1967. J. Tobin/J. A. Pechman/P. M. Mieszkowski , Is a Negative Income Practical?, "The Yale Law Journal", Vol. 77, 1967, S. 1-27. R. Perlman, A Negative Income Tax Plan for Maintaining Work Incentives, "The Journal of Human Resources", Vol. 3, Madison, Wise. 1968, S. 289-299. M. J. Boskin, The Negative Income Tax and the Supply of Work Effort, "National Tax Journal", Vol. 20, 1967, S. 353-367. J. Pahlke, Wirkungen negativer Einkommensteuern auf das individuelle Arbeitsangebot, "Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik", Bd. 190, 1976, S. 219-234. L. L. Orr/ R. G. Hollister/M. J. Lefcowitz, (Hrsg.), with the ass. of Κ Hester, Income Maintenance. Interdisciplinary Approaches to Research, Institute for Research on Poverty, Monograph Series, Chicago 1971. G. G. Cain/H. W. Watts, (Hrsg.), Income Maintenance and Labor Supply: Econometric Studies, Institute for Research on Poverty, Monograph Series, New York, San Francisco, London 1973. J. A. Pechman/P. M. Ti mpane(Hrsg.), Work Incentives and Income Guarantees: The New Jersey Negative Income Tax Experiment, Brookings Studies in Social Experimentation, Washington, D. C. 1975. D. Kershaw/J. Fair, The New Jersey Income-Maintenance Experiment, Vol. I, Operations, Surveys, and Administration, with a Foreword by R. J. Lampman, Institute for Research on Poverty Monograph Series, New York, San Francisco, London 1976. H. W. Watts/A. Rees (Hrsg.), The New Jersey Income-Maintenance Experiment, Vol. II, Labor Supply Responses, Institute for Research on Poverty Monograph Series, New York, San Francisco, London 1977. J. F. Cogan, Negative Income Taxation and Labor Supply. New Evidence from the New Jersey-Pennsylvania Experiment, Santa Monica 1978. M. C. Keeley/Ph. K. Robins, Work Incentives and the Negative Income Tax, "Challenge", Vol. 22, No. 1, 1979, S. 52-55. Dieselben/R. G. Spiegelman/R. W. West, The Labor Supply Effects and Costs of Alternative Negative Income Tax Programs: Evidence from the Seattle and Denver Income Maintenance Experiments, Part II: National Predictions, Using the Labor Supply Response Function, Center for the Study of Welfare Policy, SRI International Research Memorandum 39, Menlo Park, Calif. 1977. I. Garfinkel (Hrsg.), Income-Tested Transfer Programs. The Case for and against, Institute for Research on Poverty Monograph Series, New York u. a. 1982. Eine Litèraturûbersicht findet sich bei R. Soltwedel, Auswirkungen von Transferzahlungen auf Arbeitsangebot und individuelle Leistungsbereitschaft — Literaturexpertise im Auftrag der Transfer-Enquête-Kommission, Trappenkamp 1979. Vgl. auch W. A. S. Koch (1981) S. 145-149 u. S. 197-200. Derselbe, Negative Einkommensteuern und Konjunkturpolitik, Diskussionsbeiträge aus dem Institut für Finanzwissenschaft der Universität Kiel, Nr. 11, Kiel 1983. 3 C. V. Brown , Survey of the Effects of Taxation on Labour Supply of Low Income Groups, in: Fiscal Policy and Labour Supply, The Institute for Fiscal Studies, Conference Series No. 4, London 1977, S. 31.

94

3. Kap. Β. Übersicht über bisher geleistete Arbeiten

rie der öffentlichen Finanzwirtschaft ein außerordentlich mühseliges und zeitraubendes Unterfangen. Mit den im 4. Kapitel dargestellten eigenen Untersuchungen — nach dem Referieren bisher vorliegender Arbeiten in diesem 3. Kapitel — soll dazu ein Beitrag geleistet werden.

B. Übersicht über bisher geleistete Arbeiten I. Ergebnisse wichtiger Untersuchungen im Ausland 7. Übersicht über die Hauptmerkmale der Untersuchungen Auf die permanente Aktualität der Frage nach den Auswirkungen hoher steuerlicher Belastungen ist bereits in der Einleitung hingewiesen worden. Ihre empirische Erforschung wurde jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem in den angelsächsischen Ländern in Angriff genommen. Systematische Analysen, die repräsentativ für die gesamte Bevölkerung, die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter oder wenigstens die erwerbstätige Bevölkerung eines Landes wären, liegen bisher jedoch nicht vor. Vielmehr beschränken sich die Untersuchungen auf das steuerliche Abwehrverhalten punktuell ausgewählter Berufsgruppen verschiedener sozialer Schichten (Arbeiter, freie Berufe, Manager usw.), die verschiedenen Einkommensklassen angehören. In der folgenden Übersichtstabelle 3.1 sind die wichtigsten Untersuchungen einander gegenübergestellt. Dabei zeigen sich außer gravierenden Unterschieden in den Auswahlverfahren 4 (zufallsgesteuerte Stichproben, willkürliche Auswahl usw.), bei deren Anwendung das zugehörige Universum nicht immer klar umrissen war, 5 auch solche in den Untersuchungsmethoden (persönliche Interviews, schriftliche Befragungen, Auswertung von Arbeitsberichten usw.). Die Zahlen der jeweils einbezogenen Personen schwanken zwischen sieben und knapp 3000. Obwohl gegen Auswahl und Methode der einzelnen Untersuchungen teilweise erhebliche Bedenken erhoben werden müssen6 und insofern eine Generalisierung der insbesondere mit den sehr kleinen Samples gewonnenen Ergebnisse nicht möglich ist, können doch aus ihrer Summe gewisse Schlußfolgerungen gezogen werden. 4 Vgl. dazu ZT. Κ Scheuch, Auswahlverfahren in der Sozialforschung, in: Handbuch der empirischen Sozialforschung, 3. Aufl., hrsg. v. R. König, Bd. 3a: Grundlegende Methoden und Techniken, Zweiter Teil, Stuttgart 1974, S. 13 ff. 5

Vgl. R. König, Die Beobachtung, ebenda, Bd. 2, Grundlegende Methoden und Techniken, Erster Teil, Stuttgart 1973, S. 41. 6 Vgl. die zusammenfassende Kritik in Abschnitt C. I. dieses Kapitels.

I. Ergebnisse wichtiger Untersuchungen im Ausland

95

Im folgenden sollen die empirischen Ergebnisse nicht — wie in der Literatur üblich7 — für jeden Autor getrennt, sondern nach relevanten Möglichkeiten steuerlicher Einwirkung auf Entscheidungen des Arbeitslebens zusammengefaßt dargestellt werden. Entsprechend den oben analysierten Voraussetzungen einer steuerlichen Beeinflußbarkeit beginnen wir mit der Frage nach Steuerbewußtheit und Kenntnis steuerlicher Tatbestände.

2. Steuerbewußtheit

und Kenntnis steuerlicher

Tatbestände

Für die Ermittlung der Steuerbewußtheit8 wurden verschiedene Maßgrößen angewendet. Zunächst ist es — vornehmlich in persönlichen Interviews — möglich, die Häufigkeit der Nennung steuerlicher Faktoren während des Interviews zu ermitteln. Außerdem können die Kenntnis des Grenzsteuersatzes, der durchschnittlichen steuerlichen Belastung oder sonstiger steuerbelastungsrelevanter Faktoren, die plausibel in bezug auf die spezifische Situation sin. M. Holland ( 1970) S. 448: „And a feel for their flavor is necessary to unterstand what I found, and evaluate my interpretation of it." 162

Vgl. £. Κ Scheuch (1974) S. 69. Vgl. L. Godfrey (1975) S. 30. 164 Dieser Effekt wurde in der eigenen Erhebung mehrfach in bezug auf Steuervermeidungsmöglichkeiten festgestellt. 165 Vgl. dazu allgemein D. Rugg/H. Cantril, Die Formulierung von Fragen, in: Das Interview. Formen, Technik, Auswertung, Praktische Sozialforschung I, 7., erg. Aufl., hrsg. v. R. König, Köln 1972, S. 86 ff. 166 Vgl. ζ. B. die Untersuchung der Royal Commission on the Taxation of Profits and Income , 2nd Report (1954) App. I und die daran von C. V. Brown (1968) S. 4 f. geübte Kritik. 163

140

3. Kap. C. Probleme empirischer Untersuchungen

indirekte Fragenmethode zu zuverlässigeren, weil weniger affektbezogenen Antworten führen dürfte. Im übrigen empfehlen sich indirekte Techniken immer dort, wo der Untersuchungsgegenstand Widerstand bei den Befragten hervorrufen würde. Durch die Verwendung indirekter Techniken wird eher eine sachdienliche Information erzielt, weil der Befragte die Auswirkungen seiner Antwort nicht erkennt. 167 An anderer Stelle wird die direkte Fragestellung mit der Begründung abgelehnt, daß der Befragte keine genauen Vorstellungen darüber habe, wie die Steuern möglicherweise sein Arbeitsverhalten beeinflussen könnten. 168 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings das von Barlow, Brazer und Morgan durch die Anwendung sowohl der indirekten wie der direkten Fragenmethode ermittelte Ergebnis, daß die Unterschiede zwischen den im einzelnen angegebenen Leistungswirkungen nur geringfügig waren. 169 Dabei muß aber beachtet werden, daß es sich um eine Befragtengruppe mit hohem sozialen Status handelte, die aufgrund des überdurchschnittlichen Bildungsstandes eher dazu befähigt war, konsistente Antworten auf die diversen Fragenkategorien zu geben. Abgesehen von einer Untersuchung (Rolfe und Furness 1944-1947), bezogen sich die Erhebungen nicht auf die Ermittlung von Leistungswirkungen infolge von aktuellen diskretionären steuerlichen Parameteränderungen. Aus diesem Grunde war es notwendig, Steuerwirkungen durch hypothetische Fragestellungen (Holland 1965) zu ermitteln oder Anpassungen an steuerliche Größen im Leistungsverhalten ex post zu erfassen (Engelhardt 1968). 170 Gegen die Verwendung von hypothetischen Fragestellungen werden schwerwiegende Vorbehalte geltend gemacht, da sie auf Situationen abzielen, die — wenn überhaupt — erst in der Zukunft eintreten würden und die insofern die Befragten in ihrer Vorstellungskraft zu überfordern scheinen.171 Hinzu kommt, daß Schlußfolgerungen aus den Antworten, selbst wenn sie für den Zeitpunkt der Befragung als zuverlässig angesehen werden können, für eine spätere Periode nicht mehr mit gleicher Stringenz zulässig sind. 172 Dabei sind Verhaltensabweichungen in beiden denkbaren Richtungen möglich: Bei gegebenem Reaktionsindex sind sowohl schwächere als auch stärkere effektive Reaktionen auf die Durchführung steuerlicher Belastungsänderungen denkbar. So läge es nahe, auf hypothetische Fragen gänzlich zu 167 Vgl. Ε. E. Maccoby/N. Maecoby, Das Interview: Ein Werkzeug der Sozialforschung, in: das Interview. Formen, Technik, Auswertung, Praktische Sozialforschung I, 7., erg. Aufl., hrsg. v. R. König, Köln 1972, S. 53. 168 Vgl. dazu die Kritik von G. F. Break (1957c) S. 127 ff. an der Royal Commission on the Taxation of Profits and Income, 2nd Report (1954). 169 Vgl. R. Barlow/ H. E. Brazer/J. Ν. Morgan (1969) S. 138 f. 17,1 In den eigenen Untersuchungen wurden beide Methoden angewendet. 171 Vgl. E. K. Scheuch (1973) S. 79. 172 Vgl. z. B. C. V. Brown (1968) S. 6.

I. Methodische Probleme der Ermittlung durch B e f r a g u n g e n 1 4 1

verzichten. Dem kann jedoch aufgrund folgender Überlegung nicht zugestimmt werden: Es muß in erster Linie darum gehen, für die Überprüfung der oben dargestellten Hypothesen so viele Informationen zu gewinnen wie möglich. Wenn dies bis zu einem gewissen Grade nur mittels hypothetischer Fragestellungen möglich ist, sollte nicht etwa auf den Einsatz dieses Instruments verzichtet werden, sondern man sollte unter Zuhilfenahme psychologischer Erkenntnisse und Methoden darum bemüht sein, die Stabilität des Zusammenhangs zwischen geäußerter Meinung und beabsichtigtem Verhalten zu testen.173 Im übrigen wird die Bedeutung hypothetischer Fragen etwa zur Ermittlung sozialer Normen durchaus anerkannt. 174 3. Auswertungsphase Beträchtliche Unterschiede, in denen teilweise auch die Qualität der erzielten Ergebnisse zum Ausdruck kommt, bestehen in den Auswertungsverfah- 1 ren bzw. in der Art der Darstellung der Ergebnisse. Zu nennen sind zunächst rein verbale Analysen, die großenteils auf wörtlich wiedergegebenen Interviewteilen basieren (Sanders 1946-1950; Holland 1965). Der Vorteil dieser Darstellungsweise liegt darin, daß die Vielfalt der Motivationen besser sichtbar gemacht werden kann als in notwendigerweise mit Informationsverlusten verbundenen Schemata. Daneben finden sich tabellarische Aufbereitungen des Zahlenmaterials (Break 1956; Fields und Stanbury 1969; Engelhardt 1968) sowie die Berechnung von Regressionen (Royal Commission 1952). Zu keiner der dargestellten Untersuchungen werden Schätzungen des Auswertungsfehlers vorgenommen. 175 Nur für eine Befragung wurden Signifikanztests durchgeführt (Fields und Stanbury 1969). Faßt man diese Würdigung zusammen, so muß man sowohl in bezug auf die Objektivität der Messung, als auch in bezug auf die Zuverlässigkeit (reliability) und die Gültigkeit (validity) 176 der Untersuchungsergebnisse Vorbehalte geltend machen. Andererseits kommt in der dargestellten Vielfalt der Untersuchungsmethoden die schwierige Erfassung steuerlicher Leistungswirkungen zum Ausdruck, die es geboten sein läßt, gerade wegen der politischen Belastung, der unsere Fragestellung unterworfen ist, nach verfeinerten Verfahren zu suchen, durch die besser abgesicherte Stellungnahmen ermöglicht werden. 173

Vgl. etwa J. Dollard , Under What Conditions Do Opinions Predict Behavior?, "The Public Opinion Quarterly", Vol. 12, 1948, S. 623 ff.; A. G. Weinstein , Predicting Behavior from Attitudes, ebenda, Vol. 36, 1972, S. 357 ff. 174 Vgl. Ε. Κ. Scheuch (1973) S. 79. 175 Vgl. W. G. Cochran , Stichproben verfahren, dte. Übersetzung v. W. Boing, Berlin, New York 1972, S. 415, passim. 176 Vgl. E. Raab, Probleme der Frageformulierung, in: Handbuch der Marktforschung, hrsg. v. K. Chr. Behrens, Wiesbaden 1974, S. 257.

142

3. Kap. C. Probleme empirischer Untersuchungen

II. Zum Problem der Generalisierung gefundener Ergebnisse Aus den beschriebenen Mängeln bei der Auswahl, der Untersuchungsmethode und den Auswertungsverfahren ergeben sich die skizzierten Einschränkungen in bezug auf die Generalisierbarkeit der Ergebnisse. Jede der dargestellten empirischen Untersuchungen ist in einer bestimmten historischen Situation bzw. auf der Basis zeitraumbezogener Daten durchgeführt worden. Die gefundenen Ergebnisse stützen im Gesamtbild die Hypothese von der Geringfügigkeit steuerlich bedingter Leistungswirkungen, obwohl sie in den Einzelheiten beachtliche Unterschiede aufweisen. Sie waren jedoch meistens — läßt man Unterschiede in der Methode außer Betracht — aus der jeweiligen spezifischen Zeit-Raum-Bezogenheit der einzelnen Untersuchungen erklärbar. 177 Wie wir oben gesehen haben, gehen in die Entscheidungen und Handlungen der Wirtschaftssubjekte vielfältige Motive ein. Darunter haben steuerliche Aspekte einen a priori nicht festlegbaren Stellenwert. Sie mögen in manchen Fällen gar nicht auftreten, in anderen dagegen mögen steuerliche Motivationen das gesamte Handeln bestimmen. Die einfache Saldierung von in entgegengesetzter Richtung wirkenden Raktionen der Zensiten, wie sie zuweilen in der Literatur vorgenommen wird, 178 ist kein geigenetes Verfahren, um zu einer Gesamtbeurteilung zu gelangen. Besondere Schwierigkeiten in bezug auf allgemein gültige Aussagen ergeben sich dann, wenn die steuerlichen Parameter seit einer längeren Periode unverändert geblieben sind. Man muß davon ausgehen, daß die Verhaltensweisen der Zensiten in nutzenoptimaler Richtung adaptiert wurden, so daß Aussagen über ihre steuerlichen Anpassungsreaktionen einer empirischen Überprüfung nur schwer zugänglich sind. Dagegen scheint es relativ einfach zu sein, steuerliche Effekte dann zu ermitteln, wenn die staatlichen Organe Steueränderungen angekündigt (announcement-Effekt), beschlossen bzw. durchgesetzt haben. Allerdings ist auch dabei zu beachten, daß ermittelte Wirkungen durch nichtsteuerliche Faktoren, die mit der Steueränderung koinzidieren, verursacht oder wenigstens mitverursacht sein können. Im einzelnen sind in zeitlicher, räumlicher und populationsbezogener Sicht die folgenden Fälle der Übertragbarkeit von Ergebnissen zu unterscheiden: (1) Ergebnisse aus Land A werden auf Land Β übertragen. 179 Während die Nichtübertragungsfähigkeit zwischen zwei Ländern mit sehr verschiede177

Beispielhaft soll auf die Ergebnisse von S. E. Rolfe/G. Furness (1957) S. 400, verwiesen werden. 178 Vgl. ζ. B. G. F. Break (1957b) S. 111. ,7g Vgl. ζ. B. den Versuch, aber auch die Vorbehalte von R. Barlow ( 1966) S. 23 ff., aus den amerikanischen und englischen Untersuchungen Schlußfolgerungen für die Leistungswirkungen in Kanada zu ziehen.

II. Zum Problem der Generalisierung gefundener Ergebnisse

143

nem Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen keiner näheren Begründung bedarf, gelten entsprechende Vorbehalte auch für Länder mit ähnlichen ökonomischen und rechtlich-institutionellen Rahmenbedingungen. 180 Wie beispielsweise die Untersuchungen zur Steuermoral in mehreren europäischen Ländern gezeigt haben, 181 sind bei gleicher Steuermoral unter Berücksichtigung divergierender Steuersysteme (insbesondere des Verhältnisses von direkten zu indirekten Steuern sowie der Steuerhebungstechniken) die von steuerlichen Änderungen zu erwartenden Leistungswirkungen nicht mehr vergleichbar. (2) Ergebnisse, die im Zeitpunkt to gewonnen wurden, werden auf einen späteren Zeitpunkt ti übertragen. Hier ist daraufhinzuweisen, daß sich aufgrund der ökonomischen Entwicklung sowie der gesellschaftlichpolitischen Rahmenbedingungen solche Veränderungen ergeben haben können, die einen Vergleich nicht opportun erscheinen lassen. Entsprechendes gilt auch für die Verhaltensweisen der Befragten, die sich im Zeitablauf geändert haben mögen. 182 Das kurzfristige Verhalten der Zensiten kann von langfristigen Verhaltensänderungen durchaus abweichen. 183 Beispielsweise scheinen die in Großbritannien seit dem Zweiten Weltkrieg bestehenden extrem hohen Grenzsteuersätze langfristig zu einer Erhöhung der disincentives geführt zu haben. 184 (3) Ergebnisse, die für die Bevölkerungsgruppe bzw. -Schicht S gewonnen wurden, werden auf eine andere Gruppe G oder die Gesamtbevölkerung Ρ übertragen. Auch hier leuchtet es unmittelbar ein, daß Ergebnisse, die ζ. B. für business executives oder freie Berufe ermittelt wurden, allein schon wegen des vergleichsweise höheren Durchschnittseinkommens und wegen der relativ großen individuellen Gestaltungsfreiheit des eigenen Arbeits- und Funktionsbereiches nicht für die gesamte Gesellschaft Gültigkeit besitzen können. (4) Vorbehalte müssen erst recht geltend gemacht werden, wenn zwischen den Fällen (1), (2) und (3) Übertragungsversuche beabsichtigt werden. Die hier skizzierten Einschränkungen sind mutatis mutandis bei den im folgenden darzustellenden eigenen empirischen Erhebungen zum incentiveProblem zu beachten. 180

Vgl. D. B. Fields/W. T. Stanbury (1970) S. 413 f. Vgl. J. Daviter/J. Könke/O. Graf Schwerin, Steuernorm und Steuerwirklichkeit, Bd. I. Steuertechnik und Steuerpraxis in Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland, Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen, Nr. 2040, Köln, Opladen 1969 sowie B. Beichelt/B. Biervert/J. Daviter/ G. Schmölders/B. Strümpel (1969). 182 Daher sollte angestrebt werden, wichtige empirische Befunde in gewissen zeitlichen Abständen einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. Vgl. dazu als Beispiel den Versuch der Duplizierung der Befragung von Break (1956) durch Fields und Stanbury (1969). 183 Dabei handelt es sich um eine in der Konsumtheorie seit langem diskutierte Aussage. 184 Vgl. die Untersuchung von D. B. Fields/W. T. Stanbury (1979) S. 395. 181

Viertes Kapitel

Untersuchungen zum Einfluß von Einkommensteuern auf das Leistungsverhalten A. Befragte Berufsgruppen und Untersuchungsmethode Wie bereits angedeutet, sind in die eigenen Untersuchungen zwei Gruppen von Erwerbstätigen einbezogen worden — Vorarbeiter und Industriemeister als Repräsentanten abhängig Beschäftigter mit niedrigen bzw. mittleren Einkommen — sechs freie Berufe, die mit gewisser Berechtigung den hohen und höchsten Einkommensklassen zugerechnet werden können. Aus im einzelnen noch darzulegenden Gründen wurden für beide Untersuchungsgruppen schriftliche Fragebogen1 entwickelt, die nach ihrer Erprobung in Testläufen zur Anwendung kamen. Für die erste Gruppe wurden die Interviews während berufsbezogener Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt. Dagegen kam für die freien Berufe aus verschiedenen Gründen nur ein postalischer Versand (verbunden mit telefonischer und persönlicher Rückfrage) in Betracht. Aufbau und Fragegestaltung sollten die elektronische Bearbeitung des Datenmaterials gestatten. I. Befragte Berufsgruppen2 1. Vorarbeiter

und Industriemeister

Bei dem ersten Teil der Befragten handelt es sich um zwei homogene Gruppen abhängig beschäftigter Erwerbspersonen. Die befragten Vorarbei1 Die bei der Befragung verwendeten Fragebogen können beim Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung, Bachemer Str. 40, 5000 Köln 41, angefordert werden. 2 Eine repräsentative Untersuchung der gesamten Erwerbsbevölkerung wäre allein aus Kostengründen nicht möglich gewesen. Die Beschränkung auf einige wenige Berufsgruppen bietet dagegen den Vorteil einer eingehenderen Analyse. Für eine Beschränkung der Untersuchungsgruppen spricht sich auch G. F. Break (1953) S. 352 aus: "In short, studies of broad aggregates are of very limited value . . . the nature of labor services withdrawn or increased in response to an income tax increase ist likely to be much more important than the quantitative significance of such services in the whole labor service picture."

I. Befragte Berufsgruppen

145

ter und Industriemeister wurden in mehrtägigen firmenexternen Seminaren auf verschiedenen Gebieten, insbesondere Führungstechniken und Menschenführung geschult. Die Erhebung wurde mittels eines Fragebogens während zweier Seminarperioden durchgeführt. Als problematisch erwies sich dabei die Erfüllung der Forderung nach Repräsentativität. Eine Repräsentativbefragung aufgrund einer zufallsgesteuerten Stichprobe3 aus allen in Schleswig-Holstein zu Beginn der Untersuchung beschäftigten Vorarbeitern und Industriemeistern kam wegen Fehlens geeigneter Unterlagen nicht in Betracht. Es ist nicht einmal möglich gewesen festzustellen, wieviel Vorarbeiter und Industriemeister nach betrieblicher Funktion im Untersuchungszeitraum insgesamt beschäftigt waren. 4 Dennoch könnte die Auswahl der beiden Gruppen als quasi-zufällig bezeichnet werden, da durch sie aus einem kontinuierlich laufenden Seminarprogramm in zwei Perioden fast alle Teilnehmer erfaßt wurden. 5 In der ersten Phase der Untersuchung (Oktober 1972 bis April 1973) wurden 385 Personen (246 Meister, 139 Vorarbeiter) befragt, während in der 2. Phase von Mai bis Dezember 1974 349 Befragte (217 Meister, 132 Vorarbeiter) den Fragebogen beantworteten. 6 Ein denkbarer Einwand, daß zu derartigen Schulungen nur die besonders qualifizierten Mitarbeiter geschickt werden, deren Befragung zu nichtrepräsentativen Ergebnissen führen würde, kann mit dem Hinweis entkräftet werden, daß die Seminare bereits seit mehreren Jahren durchgeführt wurden und daß die beteiligten Firmen bestrebt sind, alle Mitarbeiter der jeweiligen Führungsschicht fortbilden zu lassen. Eine Einschränkung ergibt sich lediglich daraus, daß die über Sechzigjährigen aus betrieblichen Gründen nicht mehr in gleichem Maße an den Fortbildungskursen teilnehmen. Diese Altersgruppe ist daher unterrepräsentiert. Einen — wenn auch relativ groben — Überblick über die Zuordnung der 65 Industriebetriebe, in denen die Befragten beschäftigt waren, vermittelt Tabelle 4.1. Darin sind die Zahlen für die zu vier Industriegruppen 7 zugehörigen Betriebe, Beschäftigten insgesamt, beschäftigte Arbeiter und Umsätze den entsprechend aggregierten Angaben der Betriebe gegenübergestellt, aus 3 Vgl. dazu W. Wetzel , Statistische Grundausbildung für Wirtschaftswissenschaftler, Bd. II, Schließende Statistik, Berlin, New York 1973, S. 82 ff. und E. Kreyszig, Statistische Methoden und ihre Anwendungen, 7. Aufl., Göttingen 1979, S. 163 ff. E. P. BilleterFrey/V. Vlach, Grundlagen der statistischen Methodenlehre, Stuttgart 1982, 4. Kapitel, S. 137 ff. 4 Weder die Industrie- und Handelskammer in Kiel noch das Statistische Landesamt Schleswig-Holstein und das Statistische Bundesamt konnten derartige Angaben machen. 5 Vgl. C. A. Moser/G. Kaiton (1971) S. 83. 6 Die vernachlässigbar kleine Ablehnung der Beantwortung durch insgesamt sechs Befragte ist nicht zuletzt auf die Befürwortung der Untersuchung durch den Seminarleiter zurückzuführen. 7 Aus der für Schleswig-Holstein relativ unbedeutenden Industriegruppe „Bergbau" wurde niemand befragt.

146

4. Kap. Α. Befragte Berufsgruppen und Untersuchungsmethode

denen die Befragten stammten.8 Auf diese Weise ließen sich, wenn auch mit erheblichen Vorbehalten, Repräsentationsgrade ermittelt. Die meisten Befragten (425) stammten aus 32 Betrieben der Investitionsgüterindustrie, 155 Meister und Vorarbeiter waren in 14 Betrieben der Grundstoff- und Produktionsgüterindustrie beschäftigt. Schwächer ist die Besetzung mit 67 Antworten aus der Verbrauchsgüterindustrie (12 Betriebe) und 62 Antworten aus der Nahrungs- und Genußmittelbranche (7 Betriebe). 9 2. Freie Berufe In die Befragung wurden außer den genannten beiden Gruppen abhängig Beschäftigter sechs kammerfähige freie Berufe (Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Architekten, Rechtsanwälte und Notare sowie steuerberatende Berufe) einbezogen.10 Die Untersuchung gerade dieser Berufsgruppen liegt auf der Hand: Grundsätzlich haben sie im Vergleich zu allen anderen Erwerbstätigen die größten Möglichkeiten, den Umfang ihres Arbeitsangebots selbst zu bestimmen. Sie unterliegen prinzipiell keiner Kontrolle oder Beaufsichtigung, wie sie selbst bei den business executives gegeben ist. Wir folgen damit der Tradition, wie sie sich in der Darstellung der bereits durchgeführten Untersuchungen gezeigt hat. Es würde jedoch zu einer Fehleinschätzung führen, würde man annehmen, daß die freien Berufe keiner Einschränkung in der Gestaltung ihres Leistungsverhaltens unterworfen wären. Diese liegt jedoch viel eher im berufsethischen als im administrativ-institutionellen Bereich. Außerdem kann erwartet werden, daß die Leistungsmotivation bei den freien Berufen anders begründet ist als etwa bei den abhängig Beschäftigten. 11 Es kommt hinzu, daß — etwa im Gegensatz zur betrieblichen Arbeitswelt — Anreize aus der sozialen Umwelt schwach sind. Wie sich gezeigt hat, sind die einzelnen Berufsgehörigen relativ stark isoliert, was sich in der mangelnden Kenntnis der beruflichen und finanziellen Situation von Kollegen zeigt, so daß Einflüsse staatsfinanziellen Handelns auf das berufliche Verhalten leichter erkennbar sein müßten. Bei den in einer betrieblichen Hierarchie Beschäftigten können dagegen Leistungsanreize wie Beförderun8 Aus Gründen des Datenschutzes dürfen statistische Einzeldaten nur in aggregierter Form veröffentlicht werden. 9 Auf eine weitergehende Analyse der Tabelle 4.1 kann verzichtet werden, da sie den Mangel an Repräsentativität nicht heilen kann. 1,1 Vgl. die ausführliche Darstellung des Verf. (1976a) S. 3 ff. 11 Vgl. D. C. McClelland/ J. W. Atkinson/R. A. Clark/E. L. Lowell , The Achievement Motive, New York 1953. Auszugsweise wiederabgedruckt als „Wirkungen der Leistungsmotivation", in: Die Motivation menschlichen Handelns, (1971) S. 266-271, sowie F. R. Nick( 1974) S. 175, S. 180 ff. Bei freien Berufen spielen besonders die intrinsischen Anreize eine große Rolle. Die Befriedigung persönlicher Motive liegt im persönlichen Erfolg, der in vielen Fällen sichtbar ist (Bau und Fertigstellung eines Bauwerks, positiver Ausgangeines Rechtsstreits, Heilung eines Patienten).

2.119

18.367

3.828

33.036

35.385

64.842

3.355.169

401.236 426.913

5.526.606

2.624

2.684.660

25.773

717.439

3.426.853

5.586.958

• 5.717

21.831

62

67

425

155

.b)

Quelle: Die Industrie in Schleswig-Holstein im Jahre 1 9 7 3 , Statistische Berichte des ~ Statistischen Landesamtes Schleswig-Holstein, Kiel, ausgegeben am 1 7 . 7 . 1 9 7 4 sowie eigene Berechnungen auf der Grundlage primärstatistischer Daten zum Industriebericht.

Kein Nachweis vorhanden bzw. ermittelbar.

3.163

25.388

12

40.988

32

91 .407

7.250

29.281

b)

7

321

446

473

14

335

Umsatz Meister und . insgesamt Arbeiter (in 1000 DM) Vorarbeiter

Zu den 709 Befragten aus der Industrie kamen noch 14 Personen aus Betrieben des Handwerks, des Handels und der Energiewirtschaft hinzu.

Befragung

insgesamt

Befragung

insgesamt

Befragung

insgesamt

Befragung

insgesamt

Beschäftigte

a)

. _ Nahrungs- und Genußmittel

„ . Verbrauchs9üter

9üter

__ Investitions-

Grundstoffe und Produktionsgüter

Betriebe

Industriegruppen in Schleswig-rHolstein für 1973

Betriebe f Beschäftigte und Umsatz insgesamt und nach der Befragung

in den betreffenden

Industriegruppe

Tabelle 4 . 1 :

I. Befragte Berufsgruppen 147

148

4. Kap. Α. Befragte Berufsgruppen und Untersuchungsmethode

gen, die Zuteilung von Statussymbolen usw. dominant werden. Steuerliche Einflußfaktoren würden damit zweitrangig werden. Bei zwei Berufsgruppen (Zahnärzte, Tierärzte) wurde eine Vollerhebung durchgeführt. Die Schwierigkeiten in bezug auf die datenmäßige Verarbeitung des Zahlenmaterials sowie das Problem, eine repräsentative Rücklaufquote nur durch einen unangemessen großen Arbeitseinsatz erreichen zu können, führten dazu, daß bei den übrigen Gruppen von vornherein repräsentative Stichproben aus dem von den berufsständischen Vertretungen (Kammern) zur Verfügung gestellten Adressenmaterial gezogen wurden, so daß bei gleichem Arbeitsaufwand je Gruppe die Repräsentativität der Ergebnisse gewährleistet ist. Eine geographische Einschränkung ergibt sich daraus, daß die Befragung nur in Schleswig-Holstein durchgeführt wurde. Unter der nicht unwahrscheinlichen Annahme, daß sich die Gesamtstruktur der einzelnen Berufsgruppen nicht wesentlich von der in Schleswig-Holstein unterscheidet, können die gefundenen Ergebnisse auch wichtige Anhaltspunkte für das Leistungsverhalten der jeweiligen Berufe im ganzen Bundesgebiet geben. Aus den einzelnen Untersuchungsgesamtheiten wurden Stichproben gezogen, die so hoch angesetzt wurden, daß nach Abzug zu erwartender Ausfälle pro Gruppe ein Mindestrücklauf von etwa 200 Fragebögen garantiert erschien.12 Dies deshalb, weil es bei der beabsichtigten Analyse auch darauf ankommen mußte, auf einzelnen Feldern eine absolute Mindestbesetzung zu haben, damit signifikante Aussagen über Gruppenunterschiede noch möglich sind. Dieses Ziel wurde — abgesehen von den Tierärzten — in allen Berufen erreicht. 13 Ausfälle und Verweigerungen erreichten zusammen etwa 20 % der Stichprobe, wobei der höhere Anteil von durchschnittlich 14 % den Ausfällen zuzurechnen ist (ungenaues Adressenmaterial, Nicht-Zugehörigkeit zur Untersuchungsgesamtheit etwa infolge Aufgabe der selbständigen Tätigkeit etc.). 14

II. Untersuchungsmethode

1. Verwendete

Fragebögen: Außau und Fragengestaltung

Der relativ lange Untersuchungszeitraum findet seine Erklärung in der Befragungsmethode, durch die eine möglichst breite Basis für die Ergebnisse erreicht werden sollte, und darin, daß die Befragung weitgehend ohne Hilfs12

Ähnlich auch bei B. Strümpel (1966b) S. 100. Vgl. zu diesem Verfahren auch C. A. Moser/G. Kaiton (1971) S. 148 und L. Sachs (1969) S. 251 ff. 13 Vgl. W. A. S. Koch (1976a) S. 5. 14 Solche Quoten werden von anderen Autoren ebenfalls berichtet. Vgl. ζ. B. die Untersuchung von J. N. Morgan/M. H. David/ W. J. Cohen/H. E. Brazer (1962) S. 450.

II. Untersuchungsmethode

149

kräfte durchgeführt wurde. Eine weitere Ausdehnung der Untersuchungsperiode war wegen der damit einhergehenden abnehmenden Vergleichbarkeit der Ergebnisse bei einigen Fragenkomplexen aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Datenänderungen nicht sinnvoll. Die Fragebögen für die abhängig Beschäftigten und die freien Berufe sind sich in der Grundstruktur ähnlich. Zu Beginn werden Angaben zur Person gemacht, so daß für spätere Analysen — etwa um Strukturmerkmale steuerreagibler Gruppen ermitteln zu können15 — entsprechende Berechnungen vorgenommen werden können. Zu den Strukturmerkmalen rechnen bei den freien Berufen auch die Zahl der abhängig Beschäftigten, die Art der Führung der Praxis/Kanzlei bzw. des Büros, die Patientenzahlen (resp. Mandanten) sowie die Organisation des Büro- bzw. Praxisablaufs. Obwohl damit zweifellos interessante Einblicke in die Arbeit der freien Berufe ermöglicht wurden 16 , lag das Schwergewicht auf den steuerlichen Aspekten der Befragung. Deshalb umfaßten die Antwortvorgaben jeweils eine, die den steuerlichen Einflußfaktor repräsentierte. Dabei war es wichtig, den steuerlichen Parameter als Alternative erkennbar zu machen, dennoch aber nicht direkt und ausschließlich nach seinem Einfluß auf die Verhaltensweisen gefragt zu haben. In einem solchen Verfahren wären zweifelsohne zu große Einflußintensitäten ermittelt worden. Die einzelnen Fragenkomplexe dienen der — Erfassung der steuerlichen Ist-Situation der Befragten einschließlich der Art und Weise, wie die Abrechnung der Steuerschuld mit dem Finanzamt erfolgt (Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit, Kenntnis der effektiv gezahlten Steuern, Kenntnis von Steuervorauszahlungen, Grenzund Durchschnittssteuersatz, Eintragung von Steuerfreibeträgen etc.) — Ermittlung von Gründen für das jetzige Arbeitsverhalten (Gründe für Leistung von Überstunden, Länge der gegenwärtigen Arbeitszeit etc.) — Erhellung möglicher Einflußfaktoren für zukünftige arbeitsbezogene Entscheidungen17 (ist eine Arbeitszeitverkürzung in Erwägung gezogen worden, für wann und aus welchen Gründen ist der Beginn des Ruhestands geplant) 15

Es war dagegen nicht möglich, aus den persönlichen Merkmalen auf die Richtigkeit steuerlicher Angaben zu schließen. 16 Vgl. dazu ausführlich W. A. S. Koch (1976a) S. 8 ff. sowie die Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse S. 119 ff. Hierzu sind hypothetische Fragen unvermeidlich gewesen. Dies nicht nur deswegen, weil mögliche zukünftige Situationen angenommen wurden, sondern weil es den Befragten etwa aufgrund unterschiedlicher institutioneller Grenzen gar nicht oder nur in bestimmtem Maße möglich sein kann, die Arbeitszeit oder die anderen Faktoren in ihrem Arbeitsverhalten zu variieren. Vgl. dazu auch die Ausführungen unter Abschnitt C. I. 2. des 3. Kapitels.

150

4. Kap. Α. Befragte Berufsgruppen und Untersuchungsmethode

— Erfassung der wahrscheinlichen Reaktion der Befragten auf Änderungen steuerlicher Parameter 17 (Steuersenkung, Steuererhöhung). Durch die Ermittlung objektiver Sachverhalte wie auch von Einstellungen und Verhaltensweisen ist die Untersuchung als Mischung aus direkter und indirekter Erhebungsmethode zu bezeichnen.18 Die Schriftform der Fragebögen ist bedingt durch die Erhebungsmethode (postalischer Versand; Interviews in Seminargruppen). 19 Die Fragebögen bestehen großenteils aus geschlossenen Fragen, d. h. für die meisten Fragen sind typische Antworten, die sich aus der Testphase ergeben haben, vorgegeben worden. Um Antworten, die durch die Vorgaben nicht abgedeckt waren, ebenfalls erfassen zu können, wurden die Fragen mit einem offenen Ende versehen (Rubrik „sonstiges"). Diese Form der Fragengestaltung bietet folgende Vorteile 20 — die Dauer des Aüsfüllens wird erheblich reduziert, so daß mit einer höheren Rücklaufquote gerechnet werden kann; — die datentechnische Aufbereitung und Auswertung des Materials wird erheblich erleichtert. Um die Teilnehmer auch während der Befragung noch zu motivieren, wurden im Verlauf des Interviews einige Auflockerungsfragen gestellt. So etwa bei den Vorarbeitern und Meistern nach dem Einfluß der Gewerkschaften auf die Lohnhöhe, bei Zahnärzten und Ärzten etwa nach ihrer Einstellung zum „klassenlosen" Krankenhaus. Der Einbau von Kontrollfragen zur Überprüfung der Konsistenz der Anworten erwies sich als besonders schwierig. Denn es mußte als ausgeschlossen erscheinen, mit dieser Erhebungsmethode etwa die Richtigkeit der angegebenen Einkommens- oder Steuerhöhe zu ermitteln. So war es nur möglich, festzustellen, ob für einzelne Befragtengruppen die durchschnittlichen Angaben in einem abgesteckten Rahmen plausibel waren (etwa Einkommenshöhe und Durchschnittsbelastung). Außerdem wurde versucht, die erzielten überprüfbaren Daten anhand außerhalb der eigenen Ermittlungen zur Verfügung stehender Daten zu testen. Hierbei ergab sich durchweg, daß — die Einkommensangaben der abhängig Beschäftigten in Einklang mit den Veröffentlichungen des Statistischen Landesamtes in SchleswigHolstein standen; 18 Vgl. G. Scherhorn, Methodologische Grundlagen der sozialökonomischen Verhaltensforschung, Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen, hrsg. durch das Kultusministerium, Nr. 942, Köln, Opladen 1961, S. 105. 19 Zu den Vor- und Nachteilen schriftlicher Befragungen vgl. die zusammenfassende Darstellung von Κ. E. Scheuch (1973) S. 123 ff., 166 ff. 20 Vgl. auch E. Raab (1974) S. 267.

II. Untersuchungsmethode

151

— die für die freien Berufe ermittelten Strukturdaten (etwa die Verteilung der Befragten auf Stadt und Land, ihre Umsatz- sowie Kostenhöhe) mit Publikationen der Standesorganisationen und anderer Autoren übereinstimmten. 2. Interviews

in der Schulungsgruppe

Für die Untersuchung bei den abhängig Beschäftigten wurde ein Fragebogen entwickelt, der den einzelnen Teilnehmern in den Seminaren (zwischen sechs und zwanzig Teilnehmern) vorgelegt wurde. Der Fragebogen in der zweiten Phase wurde gegenüber demain der ersten Phase vorgelegten in einigen für das Ergebnis unwichtigen Punkten verbessert und ergänzt. In dem zweiten Untersuchungsabschnitt kann eine Kontrollfunktion in bezug auf die in der ersten Phase gewonenen Ergebnisse gesehen werden. Während etwa bei der Einkommensentwicklung die jährlichen Steigerungsraten in Rechnung zu stellen sind, könnten sich bei Fragen nach Steuerbewußtheit und Arbeitsverhalten aufgrund geänderter Daten Abweichungen ergeben, die zur Überprüfung weiterer Hypothesen führen könnten. Nach einigen technischen Vorbemerkungen (Gewährleistung der Anonymität, Erklärung des Ankreuzens, Zusatzfragen usw.) wurde der Untersuchungszweck global erklärt sowie um Ehrlichkeit und Vollständigkeit bei der Beantwortung gebeten. In bezug auf den letzen Punkt mag sich in gewissem Umfang bei einigen Teilnehmern eine negative Wirkung ergeben haben. Es ist nicht auszuschließen, daß sie ihre Ablehnung gegenüber der Befragung —infolge Gruppenzwangs wagten nur insgesamt sechs Teilnehmer die Beantwortung zu verweigern — durch Nichtankreuzen einiger Fragenkomplexe zum Ausdruck gebracht haben.21 Der 14-seitige Umfang des Fragebogens stellte das Maximum dessen dar, was den Befragten zugemutet werden konnte, ohne daß wegen Nachlassens der Konzentration bei dieser ungewohnten Arbeit mit größeren Fehlern gerechnet werden mußte. 22 Die Bearbeitungszeit schwankte je nach Schnelligkeit bei den einzelnen Teilnehmern zwischen 40 und 60 Minuten. 23 „Nach21 Zum Problem einzelner fehlender Antworten vgl. J. N. Morgan/ M. H. David/ W. J. Cohen/ H. E. Brazer (1962) S. 495. 22 O. Hafermalz, Schriftliche Befragung in: Handbuch der Marktforschung, hrsg. v. K. Chr. Behrens, Wiesbaden 1974, S. 488, ist der überzeugenden Ansicht, daß es gleich sei, ob der Fragebogen zwei oder zehn Seiten umfassen würde, wenn die Antwortbereitschaft als solche vorliegen würde. Daher mußte es in erster Linie darum gehen, ein in der Gruppe positives Klima für die Beantwortung zu schaffen. Dies war teilweise dadurch gegeben, daß der Verf. mehreren Befragten als Dozent bekannt war, und daß durch eine persönliche Einführung das Interesse an der Befragung geweckt werden konnte. 23 Sehr oft Schloß sich eine Diskussion über einige vorläufige Ergebnisse sowie die Intention der Untersuchung an.

152

4. Kap. Α . Befragte Berufsgruppen und Untersuchungsmethode

barschaftseffekte" konnten durch den Hinweis, daß es auf die Meinung jedes einzelnen ankäme, vermieden werden.

3. Postalisch versendeter Fragebogen Die Befragung bei den freien Berufen wurde mittels eines postalisch verschickten Fragebogens durchgeführt. 24 In der einschlägigen Literatur ist immer wieder die Frage aufgeworfen worden, inwieweit ein Postwurffragebogen zu brauchbaren Ergebnissen führen kann. 25 Folgende Nachteile werden dabei besonders hervorgehoben: — Das Non-Response-Problem: Es ist damit zu rechnen, daß die Ausfallquote bei dieser Methode höher ist. — Die Fragen müssen vergleichsweise einfach und leicht verständlich sein. — Das Untersuchungsziel muß bekanntgegeben werden. Die Befragten sehen den ganzen Fragebogen, so daß die Fragestruktur prinzipiell durchschaubar ist. Spontane Antworten sind nicht möglich bzw. nicht erfaßbar. — Die Rückfragemöglichkeiten von Seiten der Befragten ist zwar gegeben, von ihr wird aber, schon um die eigene Anonymität zu sichern, nicht Gebrauch gemacht.26 Dagegen hat der Interviewer keinerlei Möglichkeit, nach erfolgtem Rücklauf bei Zweifelsfällen eine Klärung herbeizuführen. — Es ist nicht gesichert, daß tatsächlich die befragte Person den Fragebogen ausfüllt. Dem stehen die folgenden Vorteile gegenüber, die letztlich auch den Ausschlag dafür gegeben haben, diese Untersuchungsmethode zu wählen. — Trotz nicht unbeträchtlicher Kosten für den Versand des Fragebogens27 sowie für die Verschickung eines „Erinnerungsbriefes" und telefonischer Rückfragen sind die Gesamtkosten immer noch wesentlich niedriger als bei mündlichen Interviews mit einem Stab von Interviewern. — Dieses Verfahren ist in der Regel schneller als das mündlicher Interviews. Im Durchschnitt lagen zwischen Versand des Fragebogens und Abschluß 24

Zu dem Verfahren des Postwurffragebogens vgl. auch die Arbeiten von R. C. Buse, Increasing Response Rates in Mailed Questionnaires, "American Journal of Agricultural Economics", Vol. 55, 1973, S. 503-508. Derselbe , Increasing Response Rates in Mailed Questionnaires: Reply, ebenda, Vol. 57, 1975, S. 520-521. R. M. Brooks/V. D. Ryan/B. F. Bloke/J. R. Gordon , Increasing Response Rates in Mailed Questionnaires: Comment, ebenda, S. 517-519. 25 Vgl. ζ. B. C A. Moser/G. Kalton (1971) S. 260 ff. 26 Tatsächlich haben weniger als 5 % aller Befragten beim Verf. rückgefragt. 27 Der Fragebogen wurde als Brief und nicht als Drucksache verschickt, um den mit Werbematerial überhäuften Befragten einen Anreiz zum Öffnen des Briefes und Lesen des Begleitschreibens zu geben.

II. Untersuchungsmethode

153

des Rücklaufs einschließlich schriftlicher Erinnerung und telefonischer Nachfrage etwa drei Monate. Bei einigen Berufsgruppen konnte die Befragung zeitlich parallel durchgeführt werden. Dadurch wurde die angestrebte Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Berufen erreicht. — Durch den Verzicht auf den Einsatz von Interviewern wird der sonst mögliche „Interviewer-Fehler" vermieden. — Zwar wird die Spontaneität bei der Befragung eingeschränkt, dafür kann sich aber die Möglichkeit, gewisse Dinge nachsehen zu können sowie eine Konsultation innerhalb des Haushalts durchzuführen, positiv auf die Qualität der Antworten niederschlagen. Erhöhend auf die Rücklaufquote dürfte sich auch auswirken, daß der Befragte den Fragebogen zu einer ihm passenden Zeit bearbeiten kann. 28 — Wegen der — zuweilen bezweifelten — Anonymität 29 wird die Bereitschaft erhöht, auch prinzipiell unangenehme Fragen zu beantworten. 30 Zu dieser Aufzählung kamen noch die folgenden Übelegungen hinzu, durch die die genannten Nachteile weitgehend entkräftet werden. — Um das Non-Response-Problem zu lösen, wurden der bei den einzelnen Berufsgruppen durchaus überschaubaren Untersuchungsgesamtheit besonders intensive telefonische Nachfragen gewidmet.31 Bei diesen Gelegenheiten konnte — anknüpfend an die kurze Beschreibung des Untersuchungsziels im Begleitschreiben — noch einmal auf die wissenschaftliche und finanzpolitische Bedeutung der Fragestellung hingewiesen werden. Die Motivation für eine Beantwortung wurde dadurch erhöht, daß fast alle berufsständischen Organisationen 32 ihren Mitglie28

Vgl. ζ. B. O. Hafermalz (1974) S. 498. Zwecks Sicherung der Anonymität wurde das Verfahren des doppelten Briefumschlags gewählt. Im übrigen mußte der Verf. bei telefonischen Rückfragen wiederholt erklären, warum es ihm nicht auf die Ermittlung von Einzelfallen, sondern auf das Verhalten des ganzen Berufsstandes ankäme. 30 R. C. Nuckols , Personal Interviewer versus Mail Panel Survey, "Journal of Marketing Research", Vol. 1, 1964, S. 12, konstatiert eine größere Genauigkeit bei mail questionnaires. Und: "The exceptions suggested that respondents, given the anonymity of a mail questionnaire, are less reluctant to given potentially embarrassing responses." (S. 16) 31 Die Wirksamkeit telefonischer Rückfragen hat bereits D. S. Longworth, Use of a Mail Questionnaire, "American Sociological Review", Vol. 18, 1953, S. 312, untersucht. Durch dieses Instrument konnte er die Rücklaufquote von 20 % auf über 60 % erhöhen. Dagegen hat sich gezeigt, daß Methoden wie die Verwendung von Sonderbriefmarken auf dem Versandumschlag, eine persönliche Unterschrift auf dem Begleitschreiben sowie eine advance notice keinen signifikanten Effekt auf die Rücksendung hatten, da durch sie das Eigeninteresse an der Befragung nicht erhöht wurde. Vgl. R. J. Parsons/Th. S. Medford, The Effect of Advance Notice in Mail Surveys of Homogeneous Groups, "The Public Opinion Quarterly", Vol. 36, 1972, S. 258 f. O. Hafermalz (1974) S. 486 sowie W. E. Hensley , Increasing Response Rate by Choice of Postage Stamps, ebenda, Vol. 38,1974, S. 280 ff. 32 Eine Ausnahme bildete nur die Ärztekammer Schleswig-Holstein. Sie versuchte sogar nach Beginn der Befragung deren Abbruch — unter Androhung rechtlicher Schritte 29

154

4. Kap. Α. Befragte Berufsgruppen und Untersuchungsmethode

dem eine Rücksenkung des Fragebogens empfahlen. 33 Im übrigen reduziert sich bei den Postwurffragebogen die Ausfallquote derjenigen, die nicht angetroffen werden, auf fast Null. Die Ausfallquote insgesamt ist dagegen vor allem von der Zeitnähe der Adressenliste abhängig. — Das Argument, daß bei Postwurfbefragungen nur einfache Fragen gestellt werden können, verliert mit steigendem Bildungsstand der Befragten an Gewicht. 34 Da die freien Berufe ganz überwiegend ein Studium absolviert haben, ist dieser Einwand wenig bedeutungsvoll. Es konnten auch schwierigere Fragen gestellt werden, die, wie die Auswertung zeigen wird, zufriedenstellend beantwortet wurden. — Es könnte auch als Vorteil angesehen werden, wenn den Befragten der Untersuchungszweck bekannt ist. Da sie den Fragebogen kennenlernen können, bevor sie antworten, dürfte das Unbehagen gegenüber den unbekannten Faktoren, die hinter der Befragung stehen mögen, gering sein.35 Außerdem konnte ein starkes persönliches Interesse am Untersuchungsgegenstand durch den Hinweis auf das Untersuchungsziel geweckt werden. 36 — Wenn die Untersuchungszielsetzung bekannt ist, besteht beim persönlichen Interview ebenso wie beim Postwurffragebogen die Gefahr, daß viele Befragte „strategische" Antworten geben37, um die aus der Untersuchung zu ziehenden Schlußfolgerungen (ζ. B. wenn es um die Ermittlung der Höhe der für erträglich gehaltenen Steuerbelastung geht) in ihrem Sinne zu beeinflussen. Ist dem Befragten die Zielsetzung der Untersuchung auch bewußt, so daß sie handlungswirksam wird, kann davon — zu erreichen. Der „Empfehlungseffekt" beim Rücklauf kann auf etwa 10 % der Untersuchungsgesamtheit geschätzt werden. Vgl. dazu die unterschiedlichen Rücklaufquoten bei den einzelnen Berufsgruppen in der Arbeit des Verf. (1976a) Tabelle I, S. 5. 33 Diese Empfehlung wurde teilweise in Kammerrundbriefen direkt gegeben, teilweise konnte sich der Verf. in seinem Begleitschreiben auf die ihm zugesagte Unterstützung und Befürwortung der Untersuchung berufen. 34 So schreiben W. J. Goode/P. K. Hatt, Die schriftliche Befragung, in: Das Interview. Formen, Technik, Auswertung, hrsg. v. R. König und Mitarbeit v. D. Rüschemeyer u. Ε. K. Scheuch, Praktische Sozialforschung, Bd. 1, 7., erg. Aufl., Köln 1972, S. 177: „Am fruchtbarsten ist die Anwendung des Postwurf-Fragebogens, wenn die Befragten äußerst sorgfältig ausgewählt wurden, starkes Interesse am Thema der Untersuchung und einen höheren Bildungsgrad sowie höheren wirtschaftlichen Status haben." 35 Der Verf. wurde wiederholt „verdächtigt", für das Finanzamt zu recherchieren oder im Auftrage der Gewerkschaften zu handeln. 36 Von S. C. Plog , Explanations for a High Return Rate on a Mail Questionnaire, "The Public Opinion Quarterly", Vol. 27, 1963, S. 297 und Ν. Tallent/W. J. Reiss , A Note on an Unusually High Rate of Returns from a Mail Questionnaire, ebenda, Vol. 23,1959, S. 579, wurden die in ihren Untersuchungen ebenfalls erzielten hohen Rücklaufquoten auf das berufliche und persönliche Interesse an der Befragung zurückgeführt. 37 Vgl. K. Littmann, Problemstellung und Methoden der heutigen Finanzwissenschaft, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, 3., gänzl. neubearb. Aufl. unter Mitwirkung v. N. Andel und H. Haller, hrsg. v. F. Neumark, Tübingen 1975, S. 99-120, hier S. 111.

II. Untersuchungsmethode

155

ausgegangen werden, daß die Antworten eine maximale Strategiekomponente enthalten. Aussagen zum eigenen steuerlichen Abwehrverhalten dürften unter dieser Voraussetzung die Obergrenze zu erwartender Reationen beinhalten. — Daß in einigen Fällen der Fragebogen tatsächlich ganz oder teilweise nicht vom Befragten selbst ausgefüllt wurde 38 , muß sich nicht nachteilig auf die Ergebnisse auswirken. Wenn eine Helferin oder ein Gehilfe mit der teilweisen Beantwortung beauftragt worden ist (ζ. B. bei Fragen nach der Personalzusammensetzung, der Kostenstruktur, den Praxis- bzw. Bürozeiten), so kann das ohne weiteres akzeptiert werden. Das Gleiche gilt, wenn bei Fragen zum Verhalten des Befragten etwa die Ehefrau geantwortet hat. Hier ist die Annahme sicherlich nicht unrealistisch, daß die Ehefrau in verschiedenen Fragen des Berufslebens (ζ. B. der Länge der Arbeitszeit, Beginn des Ruhestands usw.) einen entscheidenden Einfluß auf den Befragten auszuüben imstande ist, so daß ihre Antwort durchaus als verläßlich angesehen werden kann. 39 Generell läßt sich gegenwärtig feststellen, daß der Postwurffragebogen in den letzten Jahren, vor allem in den USA eine bemerkenswerte Anerkennung als zuverlässiges Instrument der empirischen Sozialforschung erhalten hat, und daß er infolge erheblich verbesserter Methoden zunehmend bei der Erhebung primärstatistischen Materials Anwendung findet. 40 4. Auswertungsverfahren Bereits vor Beendigung des Rücklaufs der Fragebögen wurde mit der Vorbereitung der Auswertung begonnen, die wegen des umfangreichen Datenmaterials nur über E D V durchgeführt werden konnte. 41 Dazu waren für jede Berufsgruppe folgende Arbeitsschritte notwendig:42 Eingabephase (1) Festlegung der Merkmalstexte (2) Festlegung der Merkmalsgrenzen (3) Eingabe der Daten 38

Dies ergab sich aus einigen Anhaltspunkten im Fragebogen oder ergänzenden handschriftlichen Hinweisen, etwa durch den Ehegatten des Befragten. 39 Ähnlich positiv auch O. Hafermalz (1974) S. 494. 40 Dies zeigten die seit Anfang der 70er Jahre intensiv geführte Diskussion in den führenden Fachzeitschriften sowie die Bemühungen um weitere methodische Verfeinerungen. 41 Die Auswertungsarbeiten wurden an der PDP 10 im Rechenzentrum der Universität Kiel durchgeführt. Programmsprache: Algol. 42 Es wird darauf verzichtet, die einzelnen Programmnamen aufzulisten, weil sie willkürlich zu den einzelnen Programmkomponenten gebildet wurden.

EingabeProgramm

__

und

korrektur

Daten-

und

Ausdruck der ι auswertung

Rechnen

Überprüfung von „Ausreißern"

* *

Ausdrucken von Fragebogen

Programm ^^^ für die \ Standard* \ \ N.

Programm zur Korrektur von Eingabefehlern

Speicherung \ |\ X \ \ \ \

Daten

Eingabe der

^^^^

Standardausweitung

Programme für Rechnen das Anlegen und Eingabe der und ^^ Rechnen von —speziellen —* Ausdruck speziellen Fragenfiles der Fragenfiles Spezialf ragen

Programmpaket zur Speicherung, Korrektur und Auswertung von Fragebögen

Abbildung θ 156 4. Kap. Α. Befragte Berufsgruppen und Untersuchungsmethode

II. Untersuchungsmethode Kontroll-

und Korrekturphase

157

43

(4) Ausdrucken ganzer Fragebögen zur stichprobenweisen Kontrolle mit den Originalen (5) Rechnen einzelner Fragen zur Feststellung nicht plausibler Merkmalswerte (6) Korrekturen ermittelter Eingabefehler A uswertungsphase (7) Standardauswertung (Boolesche Fragen) (8) Anlegen von Spezialfragenfiles (Mittelwerte, Verteilungen, Regressionen) (9) Rechnen der Spezialfragen

Das gesamte Programmpaket zur Speicherung, Korrektur und Auswertung der Fragebögen ist in Abbildung 8 veranschaulicht.

B. Untersuchungsergebnisse 44 I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände Wir haben oben dargestellt, daß eine wichtige Voraussetzung für ein rational begründetes Steuerabwehrverhalten die Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände ist. In unseren Untersuchungen haben wir zu diesem Problembereich Zugang über verschiedene Fragestellungen gesucht. Dazu gehören (1) die Frage nach der Kenntnis der tatsächlichen Einkommensteuerschuld in dem der Befragung vorangegangenen Kalenderjahr bzw. die Frage nach der Kenntnis des tatsächlichen Lohnsteuerabzugs im vorangegangenen Kalendermonat; (2) die Angabe des durchschnittlichen Steuersatzes bei der Einkommensteuer; (3) die Frage nach der Kenntnis der Grenzsteuerhöhe, der Grenzabzugsquote (Grenzsteuersatz und Grenzsozialabgabensatz) sowie die Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte; (4) die Ermittlung der Bereitschaft, Angaben über die laufenden Einkommensteuervorauszahlungen zu machen. Da die freien Berufe als Selbständige einem anderen Steuererhebungsverfahren unterworfen sind als die nicht selbständig Erwerbstätigen, wird die folgende Darstellung nach Berufsgruppen gegliedert. Für die Steuerkenntnis 43

Wegen der sorgfältig angelegten Kontroll- und Korrekturphase kann der Auswertungsfehler auf weniger als 1 % geschätzt werden. 44 In dieser überarbeiteten Fassung wird auf die Wiedergabe einiger Tabellen verzichtet. Sie können in dem bei dem Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung, Bachemer Str. 40, 5000 Köln 41, hinterlegten ursprünglichen Manuskript eingesehen werden.

158

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

kann, wie im theoretischen Teil dargestellt, die Mitwirkung am Steuererhebungsverfahren von besonderer Bedeutung sein. Folglich ist im Anschluß an die Erörterung der Kenntnis verschiedener steuerlicher Tatbestände die Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit zu diskutieren. 1. Freie Berufe a) Kenntnis der Höhe der steuerlichen Belastung aa) Kenntnis der tatsächlichen Einkommensteuerzahlung Die genaue Kenntnis der tatsächlichen Einkommensteuerzahlung ist — nach eigener Einschätzung45 — zwischen einem Viertel (Ärzte) und einem Drittel (Architekten) der Befragten vorhanden (Tabelle 4.2). Erwartungsgemäß ist die Kenntnis bei den steuerberatenden Berufen besonders hoch, sie liegt bei 64,3 %. Dabei überrascht allerdings das „Eingeständnis" von einem knappen Viertel der Steuerberater, die Steuerhöhe nur ungefähr zu kennen, während 7,1 % die Steuerhöhe nicht kannten. Bei einer Analsye dieser letzten Gruppe konnte festgestellt werden, daß darunter relativ viele Befragte waren, die wegen der noch nicht erfolgten Veranlagung durch das Finanzamt die Kenntnis der genauen Steuerzahlung noch nicht haben konnten, ζ. B. weil sie die freiberufliche Tätigkeit erst vor kürzerer Zeit begonnen hatten. Dies kommt in dem in Tabelle 4.2 in Klammern angegebenen niedrigen Durchschnittsalter zum Ausdruck. Entsprechendes gilt, wenn auch teilweise in schwächerem Ausmaß, für die anderen Berufsgruppen, deren Unkenntnis über die Steuerlast insgesamt jedoch wesentlich höher ist. Sie liegt zwischen knapp 12 % bei den Architekten und über 21 % bei den Tierärzten. 46 Das Bild bei der Zeile „weiß er nur ungefähr" ist entsprechend einheitlich: die Zahlen schwanken ohne signifikante Unterschiede zwischen knapp über 50 % bei den Ärzten und 44 % bei den rechtsberatenden Berufen. Obwohl die genaue bzw. ungefähre Kenntnis der Einkommensteuerzahlungen in Höhe der dargestellten Anteilswerte ermittelt wurde, erreichen die tatsächlichen Angaben über die Steuerhöhe in keiner Gruppe diesen Prozentsatz. 47 Vielmehr liegen sie — bezogen auf die Besetzung des jeweiligen Feldes als Basis — durchschnittlich bei etwa 90 %. In diesen Differenzen kann zweierlei zum Ausdruck kommen: 45 In diesem Abschnitt kann unbeachtet bleiben, ob die Höhe der Einkommensteuerzahlung aufgrund der ermittelten steuerlichen Tatbestände richtig eingeschätzt wird. 46 Zählt man in den einzelnen Berufsgruppen diejenigen hinzu, die die Frage nicht beantwortet haben — bei ihnen könnte davon ausgegangen werden, daß sie die Steuerhöhe nicht kannten und durch Nichtbeantwortung diese Unkenntnis nicht offenbaren wollten —so liegen die Anteilswerte wesentlich enger zusammen. Sie schwanken zwischen 23,7 % bei den Tierärzten und 16,8 % bei den Architekten, während unter dieser Annahme immerhin mehr als jeder zehnte Steuerberater die eigene Steuerzahlung nicht kennt. 47 Bezogen auf das jeweilige Feld dürften sich bei vollständiger Angabe keine Abweichungen von 100 % ergeben (vgl. S. 169 im ursprünglichen Manuskript).

Rechtsanwälte und Notare Berufe

Steuerberatende

4,7

4,0

-

21,1 (45,1/35,6) 4,7 4,5

0,4

0,7

15,9 11,9 (47,0/44,7) (42,5/32,0) (37,6/28,9)

48,5 46,6 45,1 (46,1/30,7) (49,3/42,6) (46,1/29,0) (45,1/34,2)

18,8 7,1 (41,4/30,3)

44,4 23,4 (44,5/30,6)

390 1 9 4

791 233

223

269

b) Abweichungen von 100% infolge Rundung.

a) Angaben in Prozent aller Befragten der jeweiligen Berufsgruppe. In Klammern sind das durchschnittliche Alter/die durchschnittliche steuerliche Belastung der betreffenden Gruppe angegeben, wobei der Durchschnittssteuersatz nach eigener Einschätzung der Befragten ermittelt wurde, die auf eine darauf bezogene Frage antworteten (vgl. dazu ausführlich Tabelle 4 . 3 ) .

Basis

2,6 6,6

-

Architekten

27,8 31,0 33,9 32,3 64,3 (48,9/26,0) (52,4/40,4) (46,9/27,2) (49,7/32,5) (49,0/28,6)

Zahnärzte

100,0 100,1 100,0 99,9 100,0 (51,8/40,3) (46,3/29,3) (50,0/41,7) (46,3/28,8). (45,1/32,4) (47,3/29,2)

2,6

keine Angaben

100,0

1,8

20,0 (47,5/39,4)

kenne die Steuerhöhe nicht

sonstiges

51,2 (51,7/41,6)

Tierärzte

weiß es nur ungefähr

Ärzte

die Sie an das Finanzamt für sich selbst gezahlt haben?)

24,4 (55,2/38,7)

insgesamt*3*

(freie Berufe) a)

(Frage: Können Sie angeben, wie hoch die Einkommensteuern im vergangenen Jahr waren,

Kenntnis der tatsächlich gezahlten Steuern

kenne die Steuerhöhe genau

Antwort

Tabelle 4 . 2 :

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände 159

160

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

— Man kennt die Steuerhöhe, möchte sie aber nicht nennen. Diese Befragten sind als steuerverschwiegen zu klassifizieren. — Man kennt die Steuerhöhe nicht, möchte aber als informiert gelten. In welchem Ausmaß sich die 10 % der Befragten auf beide Möglichkeiten verteilen, ist aus den Befragungsunterlagen nicht zu ermitteln. Aus Tabelle 4.2 können zwei weitere bemerkenswerte Ergebnisse abgelesen werden: Die Kenntnis der Steuerhöhe nimmt in allen befragten Gruppen mit dem Lebensalter zu. Außerdem sind die Befragten mit genauer Kenntnis der eigenen steuerlichen Belastung in allen Berufen im Durchschnitt einer niedrigeren Steuerbelastung unterworfen als diejenigen, die ihre Belastung nur ungefähr kennen. Würde sich dieses Ergebnis auch bei den weiteren Fragen bestätigen, so wäre der in den oben dargestellten ausländischen Untersuchungen ermittelte Zusammenhang einer mit steigendem Einkommen zunehmenden Kenntnis der steuerlichen Belastung in unserem Untersuchungsgebiet nicht zutreffend. Dabei wäre allerdings einschränkend zu beachten, daß man bei nur ungefährer Kenntnis der eigenen steuerlichen Belastung eher geneigt sein könnte, sie zu überschätzen. bb) Kenntnis des Durchschnittssteuersatzes Mit den Ergebnissen über die Kenntnis des absoluten Steuerbetrages korrespondieren die Angaben über die durchschnittliche Einkommensteuerbelastung (Tabelle 4.3). Die steuerberatenden Berufe weisen erwartungsgemäß mit knapp 90 % wieder den höchsten Anteil auf — von ihnen geben nur etwas über 10 % die Durchschnittsbelastung nicht an. Bei den anderen Berufsgruppen liegen die Kenntnisse über die Steuerbelastung zwischen etwa 80 % (Ärzte, rechtsberatende Berufe) und 73 % (Zahnärzte), während bei den Tierärzten die Unkenntnis über die eigene Steuerbelastung mit knapp 40 % am größten ist. Für die weitere Beurteilung dieses Befundes in bezug auf seine Verhaltensrelevanz wurde ermittelt, inwieweit die Gruppen, die ihre steuerliche Belastung absolut und prozentual nicht angegeben haben, identisch sind. Die Ergebnisse sind in Tabelle 4.3 in Klammern angegeben. Dabei zeigt sich, daß die entsprechenden Anteilswerte der Befragten, die über Kenntnisse ihrer Steuerhöhe verfügen, sehr hoch zwischen etwa 82 % und knapp 90 % (bezogen auf die Besetzung des jeweiligen Feldes) liegen. Dagegen liefert der „negative Befund" Werte zwischen 50 % und 41,3 % — lediglich die steuerberatenden Berufe weisen einen Anteilssatz von nur 27,6 % auf. Dies ist durchaus verständlich, denn je niedriger dieser Prozentsatz ist, desto mehr Befragte haben entweder die absolute und/oder die prozentuale Belastung ihres Einkommens angegeben, d. h. sie verfügen wenigstens über partielle Kenntnisse. Außerdem kommt in den Werten der ersten Zeile von Tabelle 4.3 die hohe Bereitschaft der Befragten zum Ausdruck, über ihre steuerlichen Tatbestände Auskunft zu geben.

keine

470 34^3

127.700,—

52^Q

— c) 903 5Q^8

'

44.200,—

43,3

61.600,—

52 9

1.142

51,3

52.500,—

49^3

76

'

82.900,·—

50 9

160

(41,3)

37.300,—

72.200,—

(27,6)

(89,6)

c) Nicht erfragt.

( a ) : Durchschnittsalter ( b ) : durchschnittliche Patienten/Mandantenzahl ( c ) : durchschnittliche Arbeitszeit ( d ) : durchschnittliche Bruttoeinkommen

55.800,—

8

1.073

5g

45,9

140.300,—

'

53 2

— c)

46,8

10,8 (46,6)

89,2 (81,4)

Rechtsanwälte Steuerberatenund Notare de Berufe

b)

97.400,—

46^5

1.112

'

34 7

73.300,—

50,6 4 7 , 4 5 2 , 1

'

61 7

597

45,6

20,6 (47,6)

79,4 (87,4)

Architekten

In Klammern sind die Anteilswerte der Befragten angegeben, die - in Prozent der Gruppe des jeweiligen Feldes - außer der eigenen durchschnittlichen Einkommensteuerbelastung auch die absolute Höhe der Einkommensteuerzahlung des vergangenen Jahres angegeben haben.

(d)

(c)



129.100,—

48

1.594

47,3

24,9 (43,8)

75,1 (87,0)

Zahnärzte

a)

b)

(b)

Angaben

(a)

(d)

(c)

1.296

Durchschnitts-

belastungb)

52,1 45,6 49,3

Angabe (a)

,· 20,5 3 7 , 6 2 6 , 8 Keine Angaoen (50,0)

(b)

Tierärzte

79,5 62,4 73,2 (82,3) (89,3)

Ärzte

(Frage: Die durchschnittliche steuerliche Belastung des Einkommens ist heute ja bekanntlich sehr hoch. Wie hoch ist Ihre prozentuale Belastung mit Einkommensteuern gegenwärtig?)

-

Einkommensteuerbelastunga*

- in % der Befragten der jeweiligen Berufsgruppe

Kenntnis der eigenen durchschnittlichen

Meine Belastung beträgt ungefähr Prozent

Tabelle 4 , 3 ;

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände 161

162

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

Analysiert man die beiden Teilgruppen „Angaben der Durchschnittsbelastung" und „keine Angaben" (Tabelle 4.3 untere zwei Drittel), so gelangt man — ähnlich wie bei den anderen Indizes zur Kenntnis der Vorauszahlungen sowie zur Grenzsteuer höhe — zu dem Ergebnis, daß durchweg bei denen, die keine Angaben machen, die durchschnittlichen Einkommen bzw. Umsätze signifikant unter denen der Auskunftswilligen liegen. Einkommens· bzw. Umsatzunterschiede können mit den niedrigeren Patientenbzw. Mandantenzahlen erklärt werden, während sich bemerkenswerterweise die Arbeitszeiten durchschnittlich nicht signifikant unterscheiden. Bei gleicher Arbeitszeit, aber geringerer Patienten- bzw. Mandantenzahl, liegt die — nicht überprüfte — Hypothese nahe, daß diese Befragten weniger Personal einsetzen als die übrigen Berufsangehörigen. Die Altersangaben führen ebenso wie beim folgenden Abschnitt zu keiner eindeutigen Aussage. Zum Teil mögen die Umsatzunterschiede altersbedingt sein (Zahnärzte, Steuerberater, Tierärzte), während etwa bei den Rechtsanwälten und Architekten überdurchschnittlich viele Berufsanfänger in der Gruppe ohne Angaben zu finden sind. cc) Kenntnis des Grenzsteuersatzes Bei der Auswertung der Kenntnisse der Grenzsteuersätze (Tabelle 4.4) überrascht ebenfalls nicht, daß die steuerberatenden Berufe mit etwa 85 % wieder den bei weitem höchsten Anteilswert aufweisen — lediglich 10 % antworten mit „weiß ich nicht" —, gefolgt von den Rechtsanwälten mit knapp 60 %. Bei dieser Gruppe kann man die Vertrautheit mit steuerlichen Problemen wegen des verwandten Berufsfeldes am ehesten annehmen; demgegenüber dürften die Heilberufe bereits bei dem Verständnis der Fragestellung mehr Schwierigkeiten gehabt haben. Es ist für den steuerlichen Laien sicherlich nicht ganz einfach, die Grenzbelastung von der Durchschnittsbelastung ad hoc zu unterscheiden. Trotz dieser Bedenken wurde die Frage gestellt: Im Durchschnitt hat jeweils die Hälfte der anderen Gruppen die Grenzsteuerhöhe nach eigener Einschätzung angegeben (bei den Ärzten etwa 56 %, bei den Tierärzten, die auch hier die niedrigste Anwortquote aufweisen, etwa 45 %). Zu diesem Ergebnis mag beigetragen haben, daß die Art der Fragestellung direkt eine Zahlenangabe vorsah, so daß mehr Befragte mit „weiß ich nicht" ehrlicher geantwortet haben, als wenn der „Zwang", eine konkrete Zahl zu nennen, nicht bestanden hätte. Auch bei dieser Tabelle soll auf eine Analyse der Merkmalsstruktur der Antwortenden nicht verzichtet werden. 48 Zunächst ist festzustellen, daß diejenigen, die ihre Grenzbelastung nicht anzugeben vermögen, durchweg einer niedrigeren Durchschnittsbelastung unterliegen als die übrigen Befrag48

Vgl. S. 175 im ursprünglichen Manuskript.

Kenntnis der Grenzsteuerhöhe bei der Einkommensteuer^

Ärzte

3,8

keine Angaben

390 194

99,9 (40,3)

0,9

Architekten

233 223

(41,7)

4,9 100,0

44,5 (39,4)

48,9 (43,4)

0,4

100,0 (29,3)

6,6 7,7

791

-

49,5 (28,8)

44,8 (29,9)

Zahnärzte

b) Abweichungen von 100% infolge Rundung.

(27,5)

(34,0)

269

99,9 (32,4)

38,6

52,8

100,0

35,0

59,6

(29,2)

(27,3)

(29,7)

10,0

84,8

In Klammern ist die durchschnittliche

(28,8)

3,7

1,5

(26,9)

(30,0)

Rechtsanwälte Steuerberatenund Notare de Berufe

a) Angaben in Prozent aller Befragten der jeweiligen Berufsgruppe. Einkommensteuerbelastung angegeben.

Basis

insgesamt*5* 100,0

1,0

1,8

sonstiges

4,6

38,5 (36,3)

weiß ich nicht

55,9 (42,2)

Tierärzte

(Frage; Nehmen wir einmal an, Ihre Nettoeinnahmen würden einmalig im nächsten Quartal um DM 10.000,— steigen. Wie hoch wären dann nach Ihrer Meinung die zusätzlichen Einkommensteuern, die Sie dafür eigentlich an das Finanzamt zusätzlich abführen müßten? (Wir gehen also einmal davon aus, daß Sie die zusätzlichen Steuern sofor t und nicht erst bei der Veranlagung nachentrichten müßten).

dafür müßte ich etwa DM zusätzlieh an Einkommensteuern für mich bezahlen

Antwort

Tabelle 4 . 4 :

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände 163

164

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

ten. Dabei ist allerdings der Unterschied zwischen den Gruppen nur bei den Ärzten, Zahnärzten und Rechtsanwälten signifikant. Eine eindeutige Abgrenzung der beiden Gruppen „kenne die GrenzsteuerbelastungV„weiß ich nicht" ist anhand der beiden Merkmale ,Alter' und durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit' nicht möglich. Die Altersunterschiede sind nicht signifikant. Entsprechendes gilt für die Arbeitszeit, wobei hier ebenso wie beim Alter der höhere und niedrigere Wert von Beruf zu Beruf wechselt. Lediglich die Berechnungen des Bruttoeinkommens (Umsatz abzüglich Durchschnittskosten) lassen eine eindeutige Aussage zu. Die Gruppe, die die Grenzsteuerbelastung nicht angeben kann, erzielt ein wesentlich niedrigeres Bruttoeinkommen als die über die Höhe der Grenzsteuer informierten Befragten. Das niedrigere Bruttoeinkommen führt auch zu einer niedrigeren Durchschnittsbelastung. Die erklärende Hypothese, daß die „unwissenden" Befragten älter sind und/oder weniger Stunden arbeiten, könnte nur für einzelne Berufe (Steuerberater, Ärzte), nicht jedoch durchgängig gelten. Bei den rechtsberatenden Berufen müßten die geringeren Umsätze mit dem niedrigeren Durchschnittsalter, allerdings bei geringerer Arbeitszeit, erklärt werden. Es könnte sich dabei um die Gruppe der Berufsanfänger handeln. Da die Kenntnis steuerlicher Tatbestände als eine wesentliche Voraussetzung für Steuerbewußtheit anzusehen ist, sind auch die Anteilswerte für die Befragten errechnet worden, die auf die Frage nach der Ausnutzung von Steuervorteilen (Tabelle 4.9) geantwortet haben. Die Verknüpfung dieser Frage mit der Kenntnis bzw. Unkenntnis der Grenzsteuerhöhe führt keinesfalls zu dem denkbaren Ergebnis, daß überwiegend diejenigen, die ihre Steuerhöhe kennen, auch glauben, die sich ihnen bietenden steuerrechtlichen Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Dies gilt mit Sicherheit nur für die steuerberatenden Berufe, von denen über zwei Drittel derjenigen, die auf die Frage nach der Ausnutzung steuerrechtlicher Möglichkeiten geantwortet haben, glauben, diese Vorteile auch auszunutzen, während etwa 17 % von denen, die die Grenzbelastung nennen können, meinen, die Möglichkeiten nicht auszunutzen. Bei den übrigen Berufen liegen die Anteilswerte für die Ausnutzung der Steuervorteile zwischen 28 % (Ärzte, Zahnärzte) und knapp 35 % (Tierärzte, Architekten, Rechtsanwälte). Die Gruppen derjenigen, die zwar ihre Grenzsteuerhöhe zu kennen glauben, andererseits aber meinen, die sich ihnen bietenden Steuervorteile nicht ganz in Anspruch zu nehmen, liegen zwischen etwa 30 % (Rechtsanwälte, Ärzte) und 12 % (Tierärzte). Dabei verwundert die nach den steuerberatenden Berufen bei den Tierärzten am meisten vorherrschende Überzeugung — trotz geringster Kenntnis steuerlicher Tatbestände wie die bisherige Analyse gezeigt hat — die steuerrechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dies mag mit der noch zu erörternden Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit zusammenhängen. Tenden-

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände

165

ziell läßt sich daraus die Schlußfolgerung ziehen, daß zwar die Kenntnis der Grenzsteuerhöhe stärker mit dem Bewußtsein der besseren Ausnutzung steuerlicher Vorteile verknüpft ist, daß dies aber keineswegs in allen Fällen als gesicherter Zusammenhang angesehen werden kann. dd) Kenntnis der Steuervorauszahlungen Die Frage nach der Angabe der laufenden Steuervorauszahlungen war bewußt dergestalt formuliert worden, daß die Antwortquote die Auskunftsbereitschaft der Befragten direkt indizieren würde, während sich die Bereitschaft sonst nur durch die Quote der durch konkrete steuerliche Angaben belegten Antworten ermitteln läßt. 49 Die Bereitschaft, die Vorauszahlungen zur Einkommensteuer zu nennen 50 , ist mit überraschender Einheitlichkeit bei etwa drei Viertel der Befragten in allen Gruppen vorhanden (Tabelle 4.5). Die Nichtauskunftwilligen weisen Anteilswerte zwischen 20 % bei den Tierärzten und 15,4 % bei den Zahnärzten auf. Ginge man von der Annahme aus, daß die Befragten, die auf diese Frage überhaupt keine Antwort gegeben haben, ebenfalls auskunftsunwillig sind, so liegen die Anteilswerte noch enger zusammen. Es ist eine bemerkenswerte Feststellung, daß die Bereitschaft, über die Höhe der Vorauszahlungen Aussagen zu machen, mit steigender steuerlicher Belastung, d. h. auch mit steigendem Einkommen abzunehmen scheint. Denn die Berechnung der durchschnittlichen Steuerbelastung für die einzelnen Felder der Tabelle 4.5 zeigt, daß die Unterschiede in den meisten Gruppen signifikant sind.51 Eine weitere Analyse dieser Zahlen läßt allerdings Zweifel an der richtigen Einschätzung der eigenen Durchschnittsbelastung aufkommen. Vielmehr korrespondieren die ermittelten Bruttoeinkommen für die einzelnen Befragtengruppen nicht mit den von ihnen angegebenen effektiven Durchschnittssteuersätzen (Tabelle 4.6). 52 Sieht man einmal von den Ärzten ab, deren Einkommensangaben in beiden Antwortkategorien nicht signifikant voneinander abweichen, liegen 49 Im letzten Falle ergibt sich das Problem der richtigen Zuordnung derjenigen, die bei den betreffenden Fragen (Kenntnis des Grenzsteuersatzes; Höhe des Durchschnittssteuersatzes usw.) keine Antwort gegeben haben: — wollte der Befragte nicht antworten oder — konnte er nicht antworten? 50 Bis auf 5 Tierärzte werden die Vorauszahlungen von diesen Befragten auch tatsächlich angegeben. 51 Die Berechnung der durchschnittlichen Steuerbelastung auch für die Befragten, die ihre Vorauszahlungen nicht anzugeben bereit waren, wurde durch die Antworten auf die Frage nach der durchschnittlichen Einkommensteuerbelastung ermöglicht. 52 Zur Plausibilität der von den Befragten gegebenen Einschätzung der eigenen Belastung vgl. den folgenden Abschnitt.

100,0 (40,3)

4,8

3,3 2,2

7,6

15,4

76,5 17,2

77,3

(41,7)

b) Abweichungen von 100% infolge Rundung.

(28,8)

(34,8)

(28,3)

18,2

77,7

(33,8)

(28,3)

99,9 100,0 (32,4) (29,2)

17,5 (34,0)

72,6 (32,0)

Rechtsanwälte Steuerberaund Notare tende Berufe

In Klammern ist die durchschnittliche

100,1

3,0

1,1

(44,7)

(41,4)

Architekten

269

100,0 (29,3)

3,9

1,7

(32,6)

(28,8)

Zahnärzte

390 1 9 4 7 9 1 233 2 2 3

99,9

4,6

4,1

20,1 (44,1)

71,1 (39,5)

Tierärzte

a) Angaben in Prozent aller Befragten der jeweiligen Berufsgruppe. Einkommensteuerbelastung angegeben.

Basis

insgesamt*3*

3,6

keine Angaben

15,6

nein

3,3

77,4

ja

sonstiges

Ärzte

(Frage: Würden Sie angeben, wie hoch Ihre vierteljährlichen Vorauszahlungen zur Einkommensteuer gegenwärtig sind?)

Angabe der Vorauszahlung zur Einkommensteuer3*

Antwort

Tabelle 4 . 5 :

166 4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

4,3

'

54 3

6,7 11,4

44,7 8~7

~

10,1

34,8

44,1

22,2

32,0

Ü/9 8,7

34,0 3,2

64.000,—

47,7

7370

52.100,—

51,2

47,6

29,8

28,3

82.350,—

5:B,,:3

33,8

62.700,—

48,8

7,7

28~3

69.300,—

In Prozent derjenigen, die auf die Frage nach der Kenntnis der Grenzsteuerhöhe geantwortet haben.

6,1 15,1

~

179.300,—

'

34 8

48,6

5376

59.500,—

52,7

47,2

b)

8,7 7,3

44,1 32,6

°'8

41,4 4679 5Γ& 33,8

58.700,--

6

34,8 " 138.400,—

45,5

Architekten Rechtsanwälte Steuerberaund Notare tende Berufe

45,6

Zahnärzte

( a ) ; durchschnittliches Alter (b): durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit (c): durchschnittliches Bruttoeinkommen/Jahr (d): durchschnittliche Einkommensteuerbelastung ( e ) : 1. Zahl: kenne meine Grenzsteuerhöhe 2. Zahl: kenne meine Grenzsteuerhöhe nicht Die Summe aus den vier Zahlen je Berufsgruppe ergibt in allen sechs Fällen weniaer als 100%, da die Angaben unter der Rubrik "sonstiges" aus Tabelle 4 . 4 hier unberücksichtigt blieben.

b)

in Prozent

Prozent

_48'3

^

69.800,—

_

50,3

Tierärzte

a)

(e)

(d)

33,0

51,3 45,3

30/0

39,5 28,8

125.700,—

^

124.500,--

'

52,4 46,1

Ärzte

47 5

J^jgg^.,.

(a) Jahren

(e) Prozent b)

(d) Prozent

Jahr °

r

nein ^ Jahr^

ja

(a) Jahren

in:

Angaben0*

Merkmalsstruktur der Befragten mit und ohne Angabe der Vorauszahlung zur Einkommensteuer (Frage: wie bei Tabelle 4 . 5 )

Z^ÌronWoche

(C)

Antwort

Tabelle 4 . 6 ;

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände 167

168

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

die Einkommen der Personen, die ihre Vorauszahlungen nicht angeben wollen, signifikant unter denen der bereitwillig Auskunftgebenden. 53 Dabei ist zu beachten, daß weder die ermittelten Altersunterschiede noch die Differenzen in den durchschnittlich pro Woche gearbeiteten Stunden als zuverlässige Erklärung für die Einkommensunterschiede herangezogen werden können. Dieses Bild hatte sich bereits bei der Analyse der durchschnittlichen Steuerbelastung gezeigt. Entsprechendes gilt bei der Angabe der Grenzsteuerbelastung. Diejenigen, die ihre Grenzbelastung kennen, sind in weit stärkerem Maße bereit, über ihre Vorauszahlungen zu sprechen als die anderen Befragten. Das Ergebnis dieser Analyse läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß die Befragten, die zu einer Überschätzung ihrer eigenen Belastung neigen, und die die schlechteren Kenntnisse ihrer eigenen steuerlichen Situation besitzen, auch weniger bereit sind — man könnte auch sagen: bereit sein können —, über eigene steuerliche Tatbestände Auskunft zu geben. Dies wird bei einem Vergleich zwischen der als besonders gut informiert anzusehenden Gruppe der steuerberatenden Berufe mit den übrigen freien Berufen besonders deutlich. ee) Zur Plausibilität der ermittelten Ergebnisse Abschließend soll der Versuch unternommen werden, den Anteil der Befragten in den einzelnen Berufen zu schätzen, die ihre Durchschnittsbelastung in einer plausiblen Höhe angegeben haben. Dabei können als unrichtige Angaben solche ί/fcerschätzungen ermittelt werden, die über den aus dem Einkommensteuertarif errechneten Durchschnittssteuersätzen für die in Tabellen 4.7 enthaltenen Einkommensklassenobergrenzen liegen. Möglicherweise auch gegebene £//iterschätzungen sind nicht ermittelbar, da alle Angehörigen der einzelnen Berufe, also auch die mit niedrigen Einkommen in die der Auswahl zugrundegelegte Population einbezogen wurden, so daß Mindeststeuersätze54 nicht angewendet werden können. Es kommt hinzu, daß die persönlichen Merkmale zwischen den Zensiten zu sehr variieren können, so daß durchschnittliche Abzugsbeträge für die einzelnen Einkommensklassen nur zu groben Näherungswerten führen können. Insofern kann eine solche Tabelle keine letzte Auskunft geben, da die steuerliche Belastung nur unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse jedes einzelnen Zensiten ermittelt werden kann. Problematisch ist bei der Berechnung " Lediglich bei den Zahnärzten entsprechen den niedrigeren Einkommen in der die Steuervorauszahlungen nennenden Gruppen den von ihr genannten geringeren Steuersätzen und vice versa für die die Vorauszahlungen nicht angebenden Zahnärzte. 54 Im Gegensatz dazu haben R. Barlow/H. E. Brazer/J. N. Morgan ( 1969) nur Bezieher mit einem Einkommen über 10.000 $ befragt, so daß auch eine Unterschätzung der eigenen Steuerbelastung ermittelt werden konnte.

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände

169

(a) die Nichtbeachtung steuermindernder Tatbestände (Altersfreibetrag, Kinderfreibetrag, Sonderausgaben usw.); (b) die Nichtbeachtung anderer Einkunftsarten, insbesondere Einkommen aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachung 5 5 und damit zusammenhängend (c) die Möglichkeiten der Steuerminderung infolge von § 7b, § 6b E S t G sowie der Verlustzuweisungen. Z u r Verfügung stehen folgende Daten: — der im Fragebogen angegebene Durchschnittssteuersatz — das aus dem Bruttoumsatz und Kostenangabe ermittelbare Bruttoeinkommen aus selbständiger Tätigkeit — die auf unterschiedliche Einkommenshöhen laut Steuertabelle anzuwendenden Durchschnittssteuersätze. Unter der Voraussetzung, daß andere Einkunftsarten (b) nicht vorhanden sind, oder aus ihnen nur in unwesentlicher H ö h e Einkommen fließen, würde ein vom Zensiten angegebener Steuersatz, der etwa die Höhe des Tarifsatzes erreicht oder darüberliegt, wegen (a) und (c) eine Uberschätzung

der eigenen

Belastung beinhalten. 5 6 Unter der gleichen Voraussetzung würde eine unter dem Tarifsatz liegende Angabe als richtige Einschätzung oder als Unter55 Auf einen Fragenkomplex zur Ermittlung der Höhe des Vermögens sowie der aus ihm und anderen Einkunftsarten fließenden Einkommen wurde bewußt verzichtet, weil derartige Fragen als zu inquisitorisch hätten angesehen werden können und dadurch hervorgerufene Zweifel an der Zielsetzung der Untersuchung, die vornehmlich als Berufsfeldanalyse verstanden wurde, zu erheblichen Ausfällen geführt hätten. 56 Aufgrund jüngerer Untersuchungen hat sich gezeigt, daß mit steigendem Einkommen die Diskrepanz zwischen tariflichem und persönlichem Steuersatz über den gesamten Einkommensbereich bereits etwa 4 Prozentpunkte beträgt, wenn man nur den obigen Tatbestand (a) berücksichtigt (veranlagte Einkommensteuer 1971) und erst bei Einkommen über 1 Mio. D M abnimmt. Durch Sondervergünstigungen, die bereits bei den einzelnen Einkunftsarten als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten absetzbar sind (ζ. B. 7b-Abschreibung, Berlindarlehen usw.) dürfte die Diskrepanz zwischen der tariflichen und der effektiven Durchschnittssteuerbelastung nicht erheblich über 4 % liegen. (Nach nicht veröffentlichten Berechnungen von H. G. Petersen.) Da die untersuchten freien Berufe im Durchschnitt Einkommen erzielen, die den oberen Einkommensklassen zuzurechnen sind, ist die Annahme nicht unwahrscheinlich, daß ein von dem Zensiten angegebener Durchschnittssteuersatz, der dem seinem Einkommen zugehörigen tariflichen Steuersatz entspricht oder darüber liegt, eine Überschätzung der eigenen Belastung beinhaltet. Vgl. zu dem Problem der Divergenz zwischen tariflichem und effektivem Steuersatz auch K. Schmidt, Grundprobleme der Besteuerung, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. II, 3., gänzl. neubearb. Aufl. unter Mitwirkung von N. Andel und H. Haller hrsg. v. F. Neumark, Tübingen 1980, S. 119-171, hier: S. 165.7. J. Minarik, Who Doesn't Bear the Tax Burden?, in: The Economics of Taxation, hrsg. v. H. J. Aaron/M. J. Boskin , Studies of Government Finance, Washington, D.C. 1980, S. 55-68. J. A. Pechman, Anatomy of the U.S. Individual Income Tax, in: Comparative Tax Studies, Essays in Honor of R. Goode , hrsg. v. S. Cnossen, Amsterdam u. a. 1983, S. 61-84.

170

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

Schätzung zu klassifizieren sein. Wird jedoch davon ausgegangen, daß wesentliche Einkünfte auch aus anderen Einkunftsarten bezogen werden, wie bei der Mehrheit der Berufsangehörigen angenommen werden kann, dann könnte auch eine über dem Tarifsatz liegende Steuersatzangabe zu einer richtigen Einschätzung gerechnet werden. Für unsere Fragestellung ist allerdings die Ermittlung der Zensiten, die die eigene Steuerbelastung zu hoch einschätzen, wichtiger, weil von ihnen am ehesten ein korrespondierend hohes Steuerbelastungsgefühl erwartet werden kann, so daß gerade bei dieser Gruppe vornehmlich mit steuerlichen Abwehrreaktionen zu rechnen ist. Da in der Untersuchung nicht alle steuerrechtlich relevanten Tatbestände ermittelt wurden, mögen diese die weitere Interpretation der folgenden Tabelle einschränkenden Hinweise genügen.57 Der Aufbau der Tabellen 4.7 ist so gestaltet worden, daß in der ersten Spalte die Bruttoeinkommensklassen58 (in Schritten von 10.000,— D M ) , in den weiteren Spalten die verschiedenen Anteilswerte (absolut (1), in Prozent (2) und kumuliert (3)) der Befragten der betreffenden Einkommensklasse sowie die Durchschnittssteuersätze laut Steuertarif 59 (4) und die persönlich angegebenen Durchschnittssteuersätze (5) enthalten sind. Ist der eigene Steuersatz kleiner/gleich dem tariflichen, so erscheint die Teilgruppe (plausible Einschätzung) in Spalte 6 (absolute Zahl) bzw. Spalte 7 (als Prozentsatz der Berufgruppe). In Spalte 8 sind die Mittelwerte der Durchschnittssteuersätze für die Befragten mit plausiblen Einschätzungen enthalten, während Spalte 11 die entsprechenden Werte derer aufweist, von denen angenommen werden kann, daß sie sich zu hoch eingestuft haben. Ihre absolute Anzahl sowie ihr Anteilswert an der Teilgruppe findet sich in den Spalten 9 und 10. Der Mittelwert der angegebenen Durchschnittssteuersätze von allen Befragten einer Einkommensklasse ist in Spalte 5 abgedruckt. Bei der Auswertung der Ergebnisse für alle sechs Berufe zeigt sich, daß bei den Heilberufen ,Ärzte 4 und »Zahnärzte'jeder zweite bzw. etwa 40 % zu einer Überschätzung ihrer eigenen durchschnittlichen Belastung neigen.60 Den niedrigsten Wert erzielen hierbei mit nur knapp 18 % die Tierärzte, gefolgt 57 Es wird darauf verzichtet, diese Analyse auch für die Höhe des Grenzsteuersatzes durchzuführen, da sie prinzipiell ähnlich aufgebaut ist, jedoch mit noch mehr Unsicherheit behaftet ist. 58 Durch das Zeichen Kosten>Umsatz in den Tabellen 4.7 soll ausgedrückt werden, daß in die Übersicht auch solche Fälle aufgenommen wurden, in denen die Kosten in dem betreffendem Jahr größer als der Umsatz waren. Eine Verlustsituation ist in den ersten Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht auszuschließen. sg Aus Gründen vorsichtiger Argumentation und weil sich sinnvolle gemittelte tarifliche Durchschnittssätze in den einzelnen Einkommensklassen nicht berechnen lassen, werden die Durchschnittssteuersätze der oberen Klassengrenze ungewichtet verwendet. 60 Diese Angaben beziehen sich auf die Fragebögen, in denen zu allen für diese Analyse notwendigen Fragen Antworten gegeben werden. Die auswertbaren Teilgruppen schwanken zwischen 50 % (Heilberufe) und über 70 % (Steuerberater). Die Anteilswerte ergeben

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände

171

von den Steuerberatern (20 %) und den Architekten (23 %). Von den Rechtsanwälten hat etwa jeder Vierte die Steuerhöhe überschätzt. Von besonderer Bedeutung ist außerdem, daß aus den Tabellen 4.7 abgelesen werden kann, — wie die „Überschätzer" über die Einkommensklassen verteilt sind und — wie sich die Differenzen zwischen dem tariflichen und dem eigenen plausiblen sowie dem eigenen zu hoch angesetzten Steuersatz in den einzelnen Einkommensklassen entwickelt haben. Zu dem ersten Aspekt zeigen die Tabellen in allen Berufen — bei unterschiedlich hohem Maximum — eine rechtsasymmetrische Verteilung der Bruttoeinkommen. Die sonst typischen Häufungen bei runden Zahlen (100.000,—DM; 200.000,— D M usw.) sind wegen des Kostenabzugs nicht mehr vorhanden. Die Schiefe der Verteilung wiederholt sich jedoch nicht in der Spalte 9. Die absoluten Zahlen lassen vielmehr auf einen Sockel von Überschätzern schließen, die unabhängig von der Besetzung in den einzelnen Einkommensklassen über die gesamte Einkommensskala ziemlich gleichmäßig verteilt sind. Dies bestätigt sich auch in Spalte 10, in der angegeben wurde, wie hoch der Anteil der „Überschätzer" an der Besetzung der jeweiligen Einkommensklasse ist. Die errechneten Zahlen lassen für keine Berufsgruppe die Schlußfolgerung zu, daß die Überschätzungen mit steigendem Einkommen zunehmen. Der zweite Aspekt bezieht sich auf die Steuersatzdifferenzen. Während sich die Werte in Spalte 8 definitionsgemäß unter denen in Spalte 4 befinden müssen, liegen die Zahlen in Spalte 11 durchweg darüber. Dabei zeigt sich, daß sich die Differenz im ersten Falle lediglich bei den Ärzten und Zahnärzten in den oberen Einkommensklassen (ausgedrückt in Prozentpunkten) verkürzt, während sie in den anderen Gruppen, von Zufallsschwankungen abgesehen, relativ konstant bleibt. Demgegenüber befinden sich die Durchschnittswerte der Überschätzungen, abgesehen von den ersten drei Einkommensklassen und von der Berufsgruppe der Steuerberater, auf einem Niveau, das etwa zwischen 45 % und 55 % pendelt. Die Fehleinschätzung der eigenen steuerlichen Belastung wird hier offenbar.

sich vor allem daraus, daß gerade über Umsatzgröße und Kostenbelastung nicht von allen Befragten Angaben gemacht wurden und daß diejenigen, die ihre Umsatzhöhe nannten, nicht notwendigerweise auch ihre Kosten angegeben haben (und vice versa), so daß sie bei der Ermittlung des Bruttoeinkommens nicht berücksichtigt werden konnten. Bei den° Heilberufen kommt hinzu, daß sich die Kostenprozente teilweise erst durch Addition der ebenfalls erfragten Einzelkosten errechnen ließen, wobei — um Verzerrungen zu vermeiden — die Befragten außer Betracht bleiben mußten, die nicht zu allen Einzelkosten Beträge genannt haben.

4. K a p . Β . Untersuchungsergebnisse

172 Tabelle 4.7:

Durchschnittssteuersatz l t . S t e u e r t a r i f und nach eigener Einschätzung (Ärzte)

FRAGEBOGEN ^ G E S A M T *

0A"0N AUSWERTBAR :

EINKOMMENSKLASSE

1

2

KOSVfN 1 10.001 20.001 30.001

0

2 2 i

0.0 lïl 1.1 0,6 3.3

> -

UMSATZ 10 000 20 000 30 000 40 000

40.001 90.001 60.001 70.001 80.001

-

000 000 000 000 000

90*001 100.001 110.001 120.001 130.001

-

1 0 0 ,, 0 0 0 1 1 0 ,, 0 0 0 1 2 0 ,, 0 0 0 1 3 0 ,, 0 0 0 1 4 0 ,, 0 0 0

14 14 12 13 10

7.8 7.8 6.7 9.6 9.6

140.001 190.001 160.001 170.001 180.001

-

1 9 0 ,, 0 0 0 1 6 0 ,, 0 0 0 1 7 0 ,, 0 0 0 1 8 0 ,, 0 0 0 1 9 0 ,, 0 0 0

9 4 6 9 9

2.8 2.2 3.3 9.0 2.8

190.001 200.001 210.001 220.001 230.001

-

2 0 0 ,, 0 0 0 2 1 0 ,1000 2 2 0 ,>000 2 3 0 ,, 0 0 0 2 4 0 ,, 0 0 0

240.001 290.001 260.001 270.001 280.001

-

290.001 UEBfR BCMUTifE



3

4

5

180

Π

PR0ZEMJI 7

6

46,2

8

9

0 0

2

10

11

100 100 100 1 4 66.7

36.0 49.0 36,0 41,0

0 1 2 8

î

0, 1 6 ,, 1 2 ? . ,2 » 7 , ,4 S I ,,1

3 6 . ,0 4 9 ., 0 3 6 , ,0 3 4 . ,5

1 6 7 7 7

3 4 , ,0 3 6 ,, 2 3 8 ,Λ 3 9 , ,9 4 0 , ,8

27. 2 2 9 . ,7 34. 7 33. 2 3 8 . ,0

6 7 6 12 7

66,7 87,9 94,9 66,7 77,8

22. 0 27,6 28. 8 27, 1 39. 3

3 1 9 6 2

33.3 12.9 49.9 33.3 22.2

37.7 45.0 41.8 45,3 47.5

4 4 , >4 92. 2 9 8 , ,9 6 4 . .4 7 0 , .0

4 1 , ,8 ,8 4 3 , ,6 44.3 4 4 , ,9

36. 9 39.Ï 3 8 . ,7 4 * ., 2 4 9 . 10

10 8 9 3 4

71.4 97.1 *9,0 30.0 40.0

32, 32, 34. 40. 39.

e 4 2 3

Z

4 6 3 7 6

28,6 42.9 29.0 70.0 60.0

47.0 40.0 52.0 50.1 91.7

n, ,8 7 5 . ,0 7 8 . ,3 8 3 , ,3 8 6 ,. 1

49, 4 9 ,, 9 46, .4 46, , 7 47, , 1

36.2 4? . 0 4 9 , ,7 49, 49.6

4 2 1 2 1

80.0 90.0 ï 6·7 22.2 20.0

32, 8 32. 5 4 9 . 10 45. B 33, Z

1 2 9 7 4

20.0 50,0 83.3 77,8 80,0

50.0 91,5 50.6 50.3 53,8

4 i 2 3 2

2 . 2 8 8 , ,3 0 . 6 8 8 . ,9 Î V l 9 0 , .0 1 . 7 9 { .,7 1 . 1 9 2 . ,8

47, ,4 47, .6 47, , 9 48, . 1 4 8 , .3

9 4 , ,9 9 0 . .0 4 9 . ,0 4 8 , ,7 9 9 , ,9

0 0,0 0 0,0 1 90,0 1 33,3 1 90.0

0. Z 0 , >0. 43. 0 40. 0 46, Z

4 1

100 100 X 50,0 2 66,7 1 50,0

54,5 50.0 55,0 53,0 65.0

2 9 0 ,, 0 0 0 2 6 0 ,1000 2 7 0 ,, 0 0 0 2 8 0 ,. 0 0 0 2 9 0 ,, 0 0 0

2 0 i i i

1.1 0.0 0.6 0.6 0.6

9 3 . ,9 9 3 , ,9 9 4 . .4 9 9 , ,0 9 9 . .6

48, , 5 48, , 7 4« . 8 49, 49, . 1

9 1 . ,0

0

0.0

0 . 10

2

100 5 1 . 0

9 9 . ,0 5 8 . ,0 4 8 . ,0

0 0 1

0 , >0 0.0 0.0 0, z 100 4 6 . z

1 1 0

100 5 5 , 0 100 5 8 , 0 0,0 0,0

3 0 0 ,>000 3 0 0 , >000

1 7 183

0.6

9 6 .. 1

49, • 2 90, , Π

6 3 . ,0 9 2 . ,6

90 60 70 80 90

MERKMALE:

6

9 5.0 β 4.4 6.1 11 18 1 0 . 0 9 9.0

3.9

0 i 2 2 6 11 19 21 31 36

100

0 010 0. 0 0·0 0. 0 0,0 0. 2 33*3 21.

0 0,0 3 42.9 91 9 0 | 6

Z

5

0 . >0 47, 3

2

100 6 3 , 0 1 4 97,1 56.5 89 4 9 . 4

163 0LRrHSCHNITT9S T PUERSATZ ANGEGEBEN 1 7 1 ANGEGEBENER UMSATZ I N 100 OH 172 GESAMTKOSTEN IN PROZENT

BEOEUfUNG OER SPALTEN: 1 ANZAHL < N l > fN niESER E I MOMMENSKLASSE 2 ANZAHL 1 fN PROZENT VON Ν 3 SUMMENPROZEUt UEBER 2 4 STEUERSATZ LÄUT L I S T E 5 - 0 STEUERSATZ ANGEGEBEN 6 ANZAHL ABSOLUT PLAUSIBLER STEUERSATZ ANGEGEBEN 7 ANZAHL 6 l N PROZENT VON NJ θ 0 STEUERSATZ PLAUSIPEL 9 ANZAHL AB80LIJT STEUERSATZ ZU HOCH ANGEGEBEN i * ANZAHL 9 I N PROZENT VON MI 1 1 0 STEUERSATZ ZU HOCH

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände Tabelle

4.7:

Durchschnittssteuersatz l t . Steuertarif eigener Einschätzung (Tierärzte)

FRAGEBOGEN INSGESAMTI

I M

EINKftMMENSKLASSE

1 10.0Λ1 20.031 30.001 40.001 50.flfll 60.0*1 70.001 80.001

-

-

i

DAVON AUSWERTBAR < N > : 2

3

4

2 4 . >3

9 90,0

50,000 60,000 70,000 80,000 90,000

12 1 4 , 1 3 0 . .6 13 2 i . 2 5 1 , ι 8 5 . 9 5 7 .ι 6 5 12 1 4 . 1 7 1 . .8 4 . 7 7 6 . ,5 4

3 4 , ,ίΐ 3 6 ,, 2 3 8 ,, 1 3 9 , ,5 4 0 . ,3

3 ? ., 3 2 5 , >6 3 5 . .6 3 0 ., 2 2 7 . ,5 3 5 ,> 8 3 0 ., 3 4 5 ,, 0 3 3 ,, 3

0 1 2 3

0,0 1 .2 2.4 0.0 0,0

95.3 96.5 98.8 9β. 3 98.8

45. 4 5 ,, 9 4 6 , ,4 4 6 , ,7 4 7 ,, 1

0

-

2 0 0 ,,000 2 1 0 ,,000 2 2 0 ,,000 2 3 0 ,,000 2 4 0 ,, 0 0 0

a 0 ;Ί

0,0 0','0 0,0 0,0 0.'0

98.8 98.3 98.3 98.8 98.8

4 7 ,, 4 4 7 , ,6 4 7 , ,9 4 8 ,. 1 4 8 , ,3

2 4 0 ., 0 0 1 2 9 0 ., 0 0 1 2 6 0 .. 0 0 1 2 7 0 . ,03» 1 2 8 0 ., 0 0 1 -

2 5 0 ,,000 2 6 0 ,,000 2 7 0 ,,000 2 8 0 ,,000 2 9 0 ,,000

1 3 0 3 3

1.2 0.0 0.0 0.0 0.0

100 100 100 100 100

4 8 , ,5 4 8 , ,7 4 8 , ,3 4 9 , ,π ,1

-

3 0 0 ,,000 3 0 0 ,,000

0 1 85

0.0 0.0

100 £00

4 9 , ,2 5 0 . ,η

1 9 0 .. 0 0 1 2 0 0 .. 0 0 1 2 1 0 ., 3 0 1 2 2 0 . ,00*1 2 3 0 . • 00 0,0 1.2 i 1. . 2 3.5 4 ι, 7 3 3 0.0 4. ,7 10 11 . 8 l é . » 5

9 10.6 3.5 3 1. , 2 i 3.5 3 3 0,0

-

nach

UMSATZ 10.000 20,000 30,000 40,000

1 0 0 . 1000 1 1 0 . >000 1 2 0 .. 0 0 0 1 3 0 . 1000 1 4 0 ., 0 0 0

9 0 .. 0 0 1 1 0 0 ,. 0 0 1 1 1 0 .. 0 0 1 1 2 0 .. 0 0 1 1 3 0 ,. 0 0 1

5

35

und

173

1

9

10

11

0,0 0 2 66.7

0,0 25.0

1 10.0

35.0

5 0 , 0 2 5 , ,Ζ 9 4 . 4 2 4 ,, θ 8 0 . 0 3 2 , 10 9 1 . 7 2 8 , >4 100 2 7 , 5

6 50.0 5,6 1 1 20,0 8,3 1 0,0 0

39.7 40.0 50.0 50.0 0.0

7 7 7 , 8 3 1 ,» 4 3 1 0 0 3 0 ,. 3 0 0 , ,Ζ 0,0 3 1 0 0 3 3 ,. 3

2 22,2 0 0,0 100 1 0,0 0

6 17 4 11 4

100 20,0

2fl.Pl

40.0

45.0

2 3 ,l i

43,8

i00

43,0

1

100

45,0

70

82.4

CM

0

15

0.

17,6

MERKMALFl 1 4 1 nlRcHSfîHNITTSS'CUERSATZ ANGEGEBEN 158 ANGEGEBENER UMSÀT2 I N 1 0 0 OM 1 6 9 GESAMTKOSTEN IN PROZENT

BEDEUTUNG DER SPALTEN: 1 2 3 4 5 6 7 θ 9 ie 11

ANZAHL I N DIESER EINKOMMENSKLASSE ANZAHL ί I N PROZENT VON S SUMMENPROZEfJt UEBER 2 STEUERSATZ LÀUT L I S T E α STEUERSATZ ANGEGEBEN ANZAHL ABSOLUT PLAUSIBLER STEUERSATZ ANGEGEBEN ANZAHL 6 I N PROZENT VON NI 0 STEUERSATZ PLAUSIHEL ANZAHL ABSOLUT STEUERSATZ ZU HOCH ANGEGEBEN ANZAHL 9 I N PROZENT VON NI 0 STEUERSATZ ZU HOCH

0.0 45.0

0.0

0.0

174

4. K a p . Β . Untersuchungsergebnisse

Tabelle 4.7:

Durchschnittssteuersatz l t . S t e u e r t a r i f und nach eigener Einschätzung (Zahnärzte)

FRAGEBOGEN INSGESAMT!

7 ? 1 DAVON AUSWERTBAR :

366

IN PROZENT! 6

7

ElNKnMMENSKLASSE

1

2

3

4

5

KOSTEN > 1 « 1 0 . >001 9 0 , ,0*1 3 0 . 1001 -

UMSATZ 1 0 . >000 2 0 . ,0013 3 0 , ,000 4 0 , ,000

7 3 8 9 9

Γ. 9 0.8 2.2 2.5 ? .'5

ί· 9 2. 7 4. 9 7, 4 9 . ,8

0 . ,Π 16.1 2 2 , >2 2 7 , ,4 31 ,>1

3 7 , ,7 2 4 , >0 4 0 , >2 3 » , >2 2 7 , >6

4 0 . >001 9 0 .. 0 f * l « 6 0 ., 0 m 70. »0«1 80. . 0 0 1 -

9 0 , ,000 6 0 , >000 7 0 , >000 8 0 , ,000 9 0 , ,000

11 14 19 H 20

3.0 3.8 9.2 9.7 5.9

12, 8 1 6 .> 7 21. 9 27, 6 3 3 . >1

3 4 , >0 3 6 , >2 3 8 , >1 3 9 , >5 4 0 . ,8

2 7 , ,9 3 0 , ,9 3 5 . .4 3 7 . ,7 3 4 . ,6

8 11 13 13 16

7 2 , ,7 7 8 , ,6 6 8 , ,4 6 1 , ,9 80,

2 4 , >0 2 8 , >0 30, 6 3 2 , >1 31, 1

90. . 0 0 1 190«>041 1 1 0 ., 0 0 1 130·• 0 0 1 130 «

1 0 0 , ,000 1 1 0 , ,000 1 2 0 ,, 0 0 0 1 3 0 , ,000 1 4 0 ,, 0 0 0

22 27 18 18 16

6.0 7.4 4.9 4.9 4.4

3 9 . >1 4 6 .. 4 5 1 , >4 5 6 . >3 6 0 . >7

41. ,8 42. ,8 43, ,6 44, ,3 44, ,9

39, 3 8 , >3 41, ,2 43, .0 42. .7

14 17 12 9 9

6 $ , ,6 6 3 , >0 6 6 , ,7 5 0 . ,0 5 6 , >3

3 4 , .6 32, 5 3 7 , >3 38, 2 3 5 , >2

140 (. 0 0 1 • 150 000 1 7 0 ,, 0 0 0 1 8 0 ,, 0 0 0 1 9 0 ,, 0 0 0

12 14 17 12 11

3.3 3.8 4.6 3.3 3.0

6 3 ,» 9 67, .8 7 2 , >4 7 9 . ,7 78, .7

45, .5 49, ,9 46, .4 46, ,7 47, . 1

43, , 3 44, .6 44, .8 43, .8 41, , 7

8 8 11 10 9

66, ,7 9 7 , >1 64, >7 83, >3 81, >8

1 9 0 ,. 0 0 1 * 2*0 .001 210 . 0 0 1 220 . 0 0 1 230 .ΡΛ1- -

2 0 0 ,, 0 0 0 2 1 0 ,, 0 0 0 2 2 0 , ,00(4 2 3 0 , >000 2 4 0 , >000

9 7 ? 4 2

ΐ.4 1.9 9.5 Ϋ .1 0.5

80, , 1 8 2 , ,0 84, .4 89, ,9 86, • 1

47,,4 47, .6 47, , 9 48, , 1 48,, 3

43,. 8 52, , 7 41, . 7 44 . 5 51, . 9

4 1 6 3 0

2401. 0 0 1 - 2 9 0 , , 0 0 0 250 . 0 0 1 - 260 , 0 0 0 2 6 0 ,. 0 0 1 » 2 7 0 ,, 0 0 0 2 7 0 . 0 0 1 • 2 8 0 ,, 0 0 0 2 8 0 ,. 0 0 1 - 2 9 0 ,, 0 0 0

10 6 4 6 2

2.7 Î.6 1.1 1.6 0.5

88, . 8 90, .4 91, .5 93;\2 93, . 7

48,. 9 48 . 7 48,. 8 49 , (1 49,. 1

47,. 3 47 . 5 4Α . 3 46 . 8 49 . 0

5 3 1 3 1

3 23 366

0.8 5.9

94 . 9 Ì00

49 . 2 90 . 0

49 . 3 53 . 4

290 . 0 0 1 UEBER

-

300, , 0 0 0 300, , 0 0 0

46,3 9

10

11

7 100 3 100 7 8 7 , ,5 5 5 5 , >6 2 2 2 , >2

37,7 24.0 43.9 41,0 42.5

3 3 6 8 4

2 7 , >3 2 1 , ,4 3 1 , >6 3 8 , >1 20,

38.3 41.7 45.8 46,8 48.8

8 10 6 9 7

3 6 . ,4 3 7 . ,0 3 3 , ,3 5 0 . >0 4 3 , ,8

46.6 48.1 49,0 47,8 52.4

3 9 , >0 3 9 , ,8 3 9 ,> 2 4 2 , .3 3 9 ,> 9

4 6 6 2 2

3 3 , >3 4 2 ,, 9 35, ,3 1 6 , ,7 18, ,2

51.7 51.0 55.2 51.5 50.0

801, 0 14, >3 661. 7 79, , 0 0,, 0

40, .7 4 5 . >0 3 6 , >7 42, .7 0,.0

1 6 3 1 2

20, >0 8 5 , ,7 33, . 3 29, , 0 100

56.0 54.0 51.7 50.0 51.5

90, , 0 50 10 29, , 0 90, , 0 901. 0

40, .4 45, >0 30, >0 42, . 7 45, >0

5 3 3 3 1

50, , 0 50, , 0 75, , 0 50, , 0 50, , 0

54.2 50.0 94.3 91.0 93.0

8

0 0 . >0 0 , ,0 0 0. 0 0 , ,0 1 1 2 . >5 1 9 , ι 0 4 44 iι 4 1 6 . 8 7 7 7 , ,8 2 3 , 3

1 33 . 3 38, . 0 2 66 , 7 5 5 . 0 7 39 . 0 48, . 0 13 65 , 0 5 6 . 3 1 5 1 41, , 3 215 98 , 7

BENUTZTE MERKMALE I 157 OLRCHSCHNITTSSTRUERSATZ ANGEGEBEN 172 ANGEGEBENER UHÎÎÂTH IN 100 OM 184 GESÂMTKOSTEN IN PROZENT BEDEUTUNG OER SPALTEN: 1 2 3 4 $ 6 7 8 9 lC 11

ANZAHL < N I > fN DIESER EISKOMMENSKLASSE ANZAHL 1 ÎN PROZENT VON S SUMMENPROBENt UEBER 2 STEUERSATZ LAUT L I S T E 0 STEUERSATZ ANGEGEBEN ANZAHL ABSOLUT PLAUSIBLER STEUERSATZ ANGEGEBEN ANZAHL 6 i N PROZENT VON NI 0 STEUERSATZ PLAUSIREL ANZAHL ABSOLUT-STEUERSATZ ZU HOCH ANGEGEBEN ANZAHL 9 IN PROZENT VON NI 0 STEUERSATZ ZU HOCH

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände Tabelle

4.7:

Durchschnittssteuersatz l t . Steuertarif eigener Einschätzung (Architekten)

FRAGEBOGEN INSGESAMTI

233 DAVON AUSWERTBAR I

-

4

5

6

7

8

10

11

0, 16, . 1 22, .2 27, ,4 31. . 1

2«, ,0 19, ,0 22. ,0 22, .8 24, .5

0 1 5 11 12

0,0 50.0 83.3 64,7 92.3

0, .0 1 0 , .0 2 0 , 14 1 5 , >8 2 3 , .6

100 1 1 50, ,0 1 16, ,7 6 35, , 3 7,,7 1

20.0 28.0 30.0 35.7 35.0

22 2 0 , 2 5 6 , .0 13 1 1 . 9 6 7 , ,9 13 9 . 2 7 7 ., 1 4 3 , ,7 8 0 . ,7 5 4 . 6 8 5 . ,3

34, 36, ,2 38, , 1 39, ,5 40, ,8

26, ,2 2 3 , ,8 32, .2 38',,0 36, ,6

18 11 6 2 4

ai,8 84,6 60,0 50.0 80,0

2 2 ,i l 20, 5 23, 2 3 1 , ,0 33, 2

4 2 4 2 1

18, ,2 15, ,4 40, ,0 50. ,0 20. ,0

45.0 42.5 45.7 45.0 50.0

41, .8 4P, 43, ,6

34, . 1 30, ,5 40, ,0 37, ,0

6 8 5 , 7 3 1 , >5 100 3 0 , 15 2 1 100 4 0 , ,0 100 3 7 , 10 1

1 14, ,3 5 0 . 0 0 0.0 0.,0 0 0.0 0,,0 0 0,,0 0 . 0

45, ,5

35, ,0 46, ,0

2 100 3 5 , 1 5 0 . 0 4 2 , >0

0 0.0 0,,0 1 50, ,0 5 0 . 0

50, ,0

100 5 0 , ,0 1 84 7 7 . 1

-

1 0 0 ., 0 0 0 1 1 0 ,, 0 0 0 1 2 0 , ,000 1 3 0 , ,000 1 4 0 , 1000

1 4 0 ,. 0 0 1 1 5 0 ,. 0 0 1 1 6 0 ., 0 0 1 170.001 1 9 0 ,. 0 0 1 -

1 5 0 ,, 0 0 0 1 6 0 . ,000 1 7 0 , ,000 1 8 0 , ,000 1 9 0 , ,000

-

-

1

2

7 2 1 1

6. 4 ΐ .8 0 , ,9 0 . ,9 0 , ;0

9 1 , .7 9 3 . .6 9 4 . ,5 9 5 . ,4 9 5 . ,4

2

3 3 3

1 , ,8 8 0.0 0'.,0 0. 0

97, .2 9 9 ,. 1 9 9 .. 1 9 9 .. 1 9 9 ,. 1

45,,9 46,.4 46,,7 47,. 1

1 9 0 , . 0 0 1 « 200.,000 2 8 0 , , 0 0 1 - 2 1 0 , ,000 2 1 0 , . 0 0 1 - 2 2 0 . ,000 2 2 0 . . 0 0 1 - 2 3 0 , ,000 230 , 0 0 1 - 2 4 0 , ,000

3 3 3 3 3

0,,'0 0. 0 0'.;0 0.,'0 0'.;0

9 9 ,, 1 9 9 ,. 1 9 9 ,. 1 9 9 .. 1 9 9 ., 1

47,,4 47,,6 47,, 9 4«.. 1 48,,3

_ 2 5 0 , ,000 2 6 0 , ,000 2 7 0 , ,000 2 8 0 , ,000 2 9 0 , ,000

3 3 3 0 3

0 , ,0 9 9 . , 1 0,;0 99,. 1 0',,'0 9 9 , .1 0',0 9 9 . .1 0 . ;0 9 9 .

48, ,5 48, ,7

3 0 0 , , 000 3 0 0 , ,000

3 1

0. 0 9 9 , .1 0. 9 100

49, ,2 90,,0

2 4 0 ,. 0 0 1 2 9 0 ,. 0 0 1 2 6 0 ,. 0 0 1 2 7 0 ,. 0 0 1 2 9 0 ,. 0 0 1 2 9 0 ,. 0 0 1 UEBfR

-

«

46,β

3

90, . 0 0 1 1 8 0 ,. 0 0 1 1 1 0 ., 0 0 1 1 2 0 ., C 0 l 1 3 0 .. 0 0 1

-

IN PROZENTI

0 . .9 0 . ,9 i 8 2 . ,8 2 6 8.,3 5, 5 17 1 5 . 6 2 3 . ,9 13 1 Î , 9 3 5 . , 8

5 0 , ,000 6 0 , ,000 7 0 , ,000 8 0 , ,000 9 0 , ,000

40, . 0 0 1 9 0 ., 0 0 1 60. , 0 0 1 70. , 0 0 1 80. . 0 0 1

nach

UMSATZ 1 0 , ,000 2 0 , ,000 3 0 , ,000 4 0 , ,000

EINKOMMENSKLASSE KOSTfΝ > 1 10, . 0 0 1 20 «, 0 0 1 30, . 0 0 1 -

109

und

175

1

2

109

44,,3 44,,0

9

48,,3

49, ,0

49,,1 0 0,,0 25 2 2 , ,9

BEMUT2TE MERKMALE: 127 îîLRCMSrHNITTSSTrUERSATZ ANGEGEBEN 136 ANGEGEBENER UMSATZ IN 100 DM 137 GESAMTKOSTEN IM PROZENT BEDEUTUNG DER SPALTEN: 1 2 3 4 5 6 7 ö 9 ÌZ 11

ANZAHL IN DIESER EINKOMMENSKLASSE ANZAHL i IN PROZENT VON Ν SUMMENPROZEUt UEBER 2 STEUERSATZ LAÛT LISTE 0 STEUERSATZ ANGEGEBEN ANZAHL ABSOLUT PLAUSIBLER STEUERSATZ ANGEGEBEN ANZAHL 6 ÎN PROZENT VON NI fl STEUERSATZ PLAUSIBEL ANZAHL ABSOLUT STEUERSATZ ZU HOCH ANGEGEBEN ANZAHL 9 ÎN PROZENT VON NI 0 STEUERSATZ ZU HOCH

0*0

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

176 Tabelle

4.7:

Durchschnittssteuersatz l t . Steuertarif e i g e n e r E i n s c h ä t z u n g (Rechtsanwältee)

FRAGEBOGEN INSGESAMTI 223 DAVON AUSWERTBAR L 129

IN PROZENT!

57.8

3

4

9

6

7

8

0.0 0.0 3.1 3.1 3.1 6.2 8.5 14.7 2 4.8 10.1

0, Ï 6 , .1 22. ,2 2 7 , ,4 31. , 1

21. ,9 30. .8 29. ,2 29,,9

1 1 10 8

25.0 29.0 90,9 61.5

10, .0 20, ,0 22, .7 24, ,0

3 75,,0 2 5 , 3 3 75,,0 34, 3 1 9,>1 50, ,0 5 38,,5 38, ,2

31.8 42.6 5Ì.2 56.6 68.2

34, 36, .2 38, . 1 39, ,9 40, .8

28,.0 29, ,2 33,.0 3 Ï , ,0 37, ,8

8 11 7 6 11

88,9 78,6 63,6 89,7 73.3

29,• 3 25, >6 29, ,0 29, ,5 32, >6

1 3 4 1 4

7.0 5.4 3.1 1.6 3.9

75.2 80.6 83.7 89.3 89.1

41, ,8 42, ,8 43, ,6 44, ,3 44, ,9

38. , 1 33. .0 33. ,2 45, ,0 35. ,4

7 7 7 , 8 34, • 1 7 100 33, .0 4 100 33. >2 1 9 0 . 0 40, ,0 4 8 0 , 0 3 3 , >0

2 22,,2 5 2 , ,0 0 0,,0 0,,0 0 0,,0 0 , 10 1 50, ,0 5 0 , ι 0 1 20, ,0 45, ,0

3 4 3 1 1

2.3 3.1 0.0 0*· 8 0.8

91.5 94.6 94.6 99.3 96.1

45, ,5 49, ,9 46, ,4 46, ,7 47, , 1

34.3 47. .3

2 6 6 , 7 25, ,0 2 5 0 , 0 39, >5

1 33, ,3 5 3 , ,0 2 50, ,0 5 5 , ,0

90. ,0 37.0

0 1

0,0 0,>0 100 37, ,0

1 0

100 5 0 , ,0 0,,0 0 , ,0

2 0 0 , ,000 2 1 0 , ,000 2 2 0 , ,000 2 3 0 , ,000 2 4 0 , ,000

1 0 1 1 •3

0.8 0.0 0.8 0.8 0.0

96.9 96.9 97.7 98.4 98.4

47, ,4 47, ,6 47, ,9 48, . 1 48, ,3

36. ,0

1

100 36. >0

0

0,,0

0,,0

28, ,0 40,.0

1 1

100 28, >0 100 40,,0

0 0

0,,0 0,,0

0,,0 0,10

2 9 0 , ,000 - 2 6 0 , ,000 2 7 0 , ,000 200, ,000 - 2 9 0 , ,000

3 0 0 2 3

0.0 98.4 0.0 98.4 0.0 98.4 Ï.6 Ì00 0.0 100

48, ,9 48,,7 48,,8 49, 49, , 1

32,,9

1 90,0

100 Î00

49, ,2 50,

EINKOMMENSKLASSE

i

2

KOSTEN > 1 10.001 « 20.001 30.001 -

UMSATZ 10. ,000 2 0 , ,000 30, ,000 40, ,000

4 4 11 13

40.001 50.001 60.001 70.J01 80.001 •

50, ,000 60, ,000 70, ,000 80, ,000 9 0 , ,000

9 7.0 14 1 0 . 9 11 8 . 5 7 9.4 19 11'.'6

90.001 100.001 « 110.001 120.001 130.001 -

1 0 0 , ,000 1 1 0 , ,000 1 2 0 , ,000 130, ,000 1 4 0 , ,000

9 7 4 2 9

140.001 190.001 160.001 170.001 180.001

-

1 9 0 , ,000 1 6 0 , , 000 1 7 0 , ,000 180, ,000 1 9 0 , ,000

190.001 200.001 210.001 220.001 230.001

-

240.001 250.001 260.001 270.001 280.001

und nach

-

«

-

290.001 UEBPR

3 0 0 , ,000 3 0 0 , ,000

.1 0 129

0.0 0.0

95 7 3 , 6

10,,0

9

10

11,Λ 21, ,4 36,,4 14,» 3 26, • 7

50, .0 42, ,3 40, ,0 40, ,0 5 2 , ,0

1 50,,0 55, ,0

34 26,,4

BENUTZTE MERKMALE: 138 DLRCHSCHNITTSSTEÙERSATZ ANGEGEBEN 148 ANGEGEBENER UMSATZ IN 100 DM

149 GESAMTKOSTEN IN FfffiïCNt

BEDEUTUNG OER SPALTEN: 1 2 3 4 5 6 7 Β 9 ÎZ 11

11

ANZAHL < N I > ÌN DIESER EINKOMMENSKLASSE ANZAHL 1 ÏN PROZENT VON M SUMMENPROZENT UEBER 2 STEUERSATZ.LAUT LISTE 0 STEUERSATZ ANGEGEBEN ANZAHL ABSOLUT PLAUSIBLER STEUERSATZ ANGEGEBEN ANZAHL 6 ÎN PROZENT VON NI 0 STEUERSATZ PLAUSIBEL ANZAHL ABSOLUT STEUERSATZ ZU HOCH ANGEGEBEN ANZAHL 9 ÎN PROZENT VON NI 0 STEUERSATZ ZU HOCH

177

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände Tabelle 4 . 7 ; Durchschnittssteuersatz l t . S t e u e r t a r i f und nach eigener Einschätzung (Steuerberater) FRAGCBIGF-'J

TISGESAMI

ΠΑ'ΌΝ

KOSTEN > 1 10.001 ?0.0*1 « 30.001 40.001 50.001 60.001 70.001 80.001 90.001 100.001 110.001 120.001 130.001

-

» -

140.001 190.001 160.001 170.001 180.001

«

190.001 200.091 210.001 220.001 230.001

-

240.001 290.001 260.001 270.001 280.001



-

-

-

»

-

-

-

A'ISWfnTBAR !

Γ>

196

PROZENTS

10

11

0 , ,0 13, 5 1 7 ,» 4 2 1 , >4 2 2 , >4

5 6 4 4 3

100 7 5 , ,0 3 6 , ,4 2 1 ,, 1 1 3 , ,0

2 1 , ,2 2 5 ,,0 3 1 ,,3 3 3 ,,2 3 4 ,,3

80.0 86,7 89,5 80.0 100

2 4 ,• 2 2 9 ,• 4 2 8 , .4 2 8 ,,8 3 3 , ,8

4 2 2 3 0

2 0 ,,0 3 8 ,,5 1 3 , ,3 4 1 , , 5 1 0 , ,5 4 1 , , 0 2 0 ,,0 4 1 ,, 7 0,,0 0 , , 0

3 1 . ,9 3 3 , ,0 3 7 , ,7 4 0 , ,0 3 6 ,,5

100 11 8 88,9 7 100 3 75,0 100 4

3 1 ,, 9 3 1 .• 7 3 7 , .7 3 8 , >3 3 6 ,.5

0 0 ,, 0 0 , ,3 1 1 1 ,. 1 4 3 ,, 0 0 ,, 0 0 , 0 0, 1 2 5 ,,0 4 5 ,,0 0 0 , ,0 0 ,, 0

3 3 ,, 7

2 66,7

2 5 ,, 5

1 3 3 ,, 3

4 8 , ,03 9 ,, 5 4 7 ,. 0

1 50.0 2 100 100 1

4 0 ,, 3 3 9 ,, 5 4 7 ,, 3

1 5 0 ,, 0 5 6 ,, 0 0 0 ,, 0 3 ,, 0 0 0 ,, 0 0 ,, 0

4 2 ,, 5

1 50.0

3 5 ,, 3

1 5 0 ,, 0 5 0 ,, 0

4 5 , .0

1

50,0 4 3 , . 3

1 5 0 , .0 5 0 , , 0

3

4

5

6

7

UMSATZ 1 0 . 1000 2 0 ,,000 3 0 ,,000 4 0 ,,000

2,6 9 8 4.1 5.6 11 19 9.7 23 1 1 . 7

2 «,6 6 , >6 1 2 , ,2 2 1 , ,9 3 3 , ,7

0 . ,0 1 6 ,, 1 ?P, , 2 2 7 , ,4 3 1 ,, 1

2 1 , ,2 21. 4 22T5 2 3 , ,9 2 4 , ,0

0 2 7 15 20

0.0 25.0 63.6 78,9 87,0

9 0 ,,000 6 0 ,,000 7 0 ,,000 8 0 ,,000 9 0 ,,000

23 1 0 . 2 7.7 19 19 9,7 19 7.7 12 6.1

4 3 . ,9 5 1 . ,5 6 1 ,,2 6 8 , ,9 7 5 , ,0

3 4 ,,0 3 6 ,,2 3 « ,, 1 3 9 , ,5 4 0 , ,8

2 7 ,, 1 3 1 , ,0 2 9 , ,7 3 1 . ,3 3 0 , ,8

16 13 17 12 12

8 0 , ,6 8 5 . ,2 Λ V 6 8 8 , ,8 2 . 0 9 0 , ,8 2 . 0 9 2 , ,9

4 1 , ,8 4P, 4 3 , ,6 4 4 , ,3 4 4 ,, 9

1

1 0 0 ,,000 1 1 0 ,,004 1 2 0 ,,000 1 3 0 ,,000 1 4 0 ,,000

lì 9 7 4 4

5.6 4.6

1 9 0 ,,000 1 6 0 ,,000 1 7 0 ,, 0 0 0 1 8 0 ,,000 1 9 0 ,, 0 0 0

3 3 2 2 1

1.5 0.0 iV0 1.0 0,5

9 4 , ,4 9 4 , .4 9 5 , ,4 9 6 , ,4 9 6 ,, 9

4 5 ,, 5 4 5 ,, 9 4 6 ,» 4 4 6 ,, 7 4 7 ,, 1

2 0 0 ,, 0 0 0 2 1 0 ,,000 2 2 0 ,, 0 0 0 2 3 0 ,, 0 0 0 2 4 0 ,, 0 0 0

2 3

1.0 0,0 0,0 0,0 0.0

9 8 , .0 9 8 , ,0 9 8 , ,0 9 8 , .0 9 8 , .0

4 7 , ,4 4 7 ,, 6 4 7 ,, 9 4 8 ,. 1 4 8 ,, 3

1

0.0 0','0 0.0 1.0 0,0

9 8 .0 9 8 , .0 98 .0 99 .0 9 9 ,0

48 . 9 48 . 7 4 8 ,. 8 49 .3 49 , 1

0'.0 i".0

99 .0 100

49 . 2 5 0 .0

3 3 3

2 9 0 ,, 0 0 0 2 6 0 ,» 000 2 7 0 ,, 0 0 0 2801, 0 0 0 2 9 0 ,, 0 0 0

290.001 UEBfR

3 0 0 ,, 0 0 0 3001, 0 0 0

BENUTZTE

MERKMALE:

3 3 2

3 3 2 196

72,9

9

2

EINKOMMENSKLASSE

51 ,5

1 50,0 156 7 9 , 6

8

5 3 ,. 3

1 5 0 , ,0 4 0 2 0 , ,4

15Π O^RcHSriHNITTSSTEUERSAT? ANGEGEBEN 1 6 0 ANGPGERENER UMSATZ I N Ì 0 0 Otf 1 6 1 GESAMTKOSTEN I N PROZENT

BEDEUTUNG DER SPALTEN: 1 2 3 4 5

6

7 8 5 it 11

ANZAHL < N t > I N niESER EINKOMMENSKLASSE ANZAHL 1 Ï N PROZENT VON Ν SUMMENPROZENt UEBER 2 StEl'ERSATZ LAUT L I S T E 0 STEUERSATZ ANGEGEBEN ANZAHL ABSOLUT PLAUSIPLER STEUERSATZ ANGEGEBEN ANZAHL 6 ÎN PROZENT VON NI a STEUERSATZ PLAUSIREL ANZAHL ABSOLUT STEUERSATZ ZU HOCH ANGEGEBEN ANZAHL 9 I N PROZENT VON NI Çl STEUERSATZ ZU HOCH

5 0 ,, 0

53 . 0

178

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

b) Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit Die Kenntnis der eigenen steuerlichen Belastung sowie steuerlicher Tatbestände ist in einem engen Zusammenhang mit der Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit zu sehen.61 Man könnte zunächst von der Hypothese ausgehen, daß die Informiertheit der Zensiten mit steigender Verlagerung eigener steuertechnischer Verpflichtungen auf die steuerberatenden Berufe abnimmt. Darüberhinaus war es das Ziel des jetzt zu erörternden Fragenkomplexes zu ermitteln, durch welche Merkmale die Personen gekennzeichnet sind, die bevorzugt einen Steuerberater beschäftigen. Das sich ergebende Bild (Tabelle 4.8) ist für die Heilberufe überraschend einheitlich. Über 80 % haben alles, was mit den Steuern zusammenhängt, dem Steuerberater zur Erledigung übertragen. Zählt man diejenigen hinzu, die sich regelmäßig beraten lassen (zwischen 8,5 % und über 6 % je nach Berufsgruppe), so errechnen sich für die Ärzte und Tierärzte über 90 %, für die Zahnärzte knapp 90 %. Verschwindend gering sind die Zensiten, die sich nur gelegentlich beraten lassen (etwa 3 % bis 6 %) und diejenigen, die auf die Inanspruchnahme der Beratungsleistung gänzlich verzichten und „alles selbst machen" (etwa 4 %). Die Relationen verschieben sich deutlich, wenn man die Berufsgruppen der Architekten und Anwälte betrachtet, die aufgrund ihrer Ausbildung und beruflichen Situation als wesentlich vertrauter mit der Erledigung ihrer steuerlichen Pflichten gegenüber dem Fiskus angesehen werden können. Dies zeigt sich sehr deutlich darin, daß von den Architekten knapp zwei Drittel ständig einen Steuerberater beschäftigten, während das übrige Drittel zu etwa gleichen Teilen die Beratungstätigkeit regelmäßig, gelegentlich oder gar nicht in Anspruch nimmt. Dagegen bearbeitet über ein Drittel der Rechtsanwälte Steuererklärungen und dergleichen ohne steuerberatende Hilfe, etwa 14 % (8 %) lassen sich gelegentlich (regelmäßig) beraten und nur ein gutes Drittel hat alles, was mit den Steuern zusammenhängt, dem Steuerberater übertragen. Die Analyse der Merkmalsstruktur der Befragten 62 in den einzelnen Kategorien ergibt folgendes: Das Lebensalter nimmt mit abnehmender Inanspruchnahme steuerberatender Leistungen zu. Dies könnte damit erklärt werden, daß der Grad der Beschäftigung von Steuerberatern mit steigendem Umfang des Steuerrechts zugenommen hat, d. h. daß heutige Berufsanfänger, die sich ohnehin in besonders starkem Maße um den Aufbau der Praxis bzw. des Büros bemühen müssen, steuerliche Arbeiten mehr delegieren als es früher der Fall gewesen sein mag. Andererseits ist nicht auszuschließen, daß die für das höhere Alter ausgewiesene geringere Arbeitszeit es eher gestattet, der verringerte Umsatz es dagegen eher notwendig macht, die eigenen steuer61

Diese Gesichtspunkt ist in bisherigen Untersuchungen nahezu vollständig vernachlässigt worden. 62 Vgl. S. 191 im ursprünglichen Manuskript.

Ärzte

Tierärzte

390

0,8

0,8 0,4

(60,8)

38,1

-

13,9 (45,2)

8,1 (46,2)

(49,1)

100,1 9 9 , 9 (46,3) (50,0) 233 223

-

(56,0)

10,7

12,4 (51,2)

12,0 (51,1)

38,1

b) Abweichungen von 100% infolge Rundung.

(49,8)

(45,1)

(47,8)

In Klammern ist das durchschnitt

99,9 (46,3)

0,4

(44,0)

(44,7)

(43,3)

Rechtsanwälte und Notare

(45,8)

1,3

Architekten

a) Angaben in Prozent aller Befragten der jeweiligen Berufsgruppe. liehe Alter der betreffenden Gruppe angegeben.

Basis

4,3

6,2

6,3

1,0

100,0 (51,8) 194 791

-

keine Angaben

insgesamt*3*

-

sonstiges

100,0

2,6

mache alles selbst

(53,5)

4,6 (52,8)

lasse mich gelegentlich 2 , 8 beraten (57,7)

4,6

6,2 (48,6)

lasse mich regelmäßig 8,5 beraten (51,9)

(45,7)

Zahnärzte

(Frage: Nehmen Sie bei der Abwicklung Ihrer Steuerzahlungen gegenüber dem Finanzamt einen Steuerberater bzw. -bevollmächtigten in Anspruch?)

Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit (freie Berufe) 0 *

habe alles, was mit meinen Steuern zusam- 8 4 , 1 8 5 , 6 8 1 , 7 6 4 , 4 menhängt, meinem Steuer(51,5) berater übertragen

Antwort

Tabelle 4 . 8 ;

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände 179

180

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

liehen Belange selber zu erledigen. Die Durchschnittswerte der steuerlichen Belastung zeigen allerdings kein einheitliches Bild. Die Betrachtung dieser Zahlen kann sich sowohl auf die Plausibilität der Höhe der Durchschnittssteuersätze in bezug auf andere persönliche (Alter, Arbeitszeit) oder finanzielle (Umsatz, Bruttoeinkommen) Merkmale richten, wie auch auf die mögliche Auswirkung der Inanspruchnahme der Steuerberatungstätigkeit auf die Höhe der Durchschnittsbelastung. Beschränkt man den ersterwähnten Aspekt auf die Plausibilität des Zusammenhangs zwischen Bruttoeinkommen bzw. Umsatz und Durchschnittsbelastung, so zeigt sich, daß die korrespondierenden Wertepaare keineswegs für die einzelnen Antwortvorgaben den Erwartungen einer etwa mit steigendem Einkommen auch wachsenden Steuerlast entsprechen. Dies gilt nur für die Gruppen der Ärzte und Zahnärzte bei teilweise allerdings nicht signifikanten Unterschieden der ermittelten Durchschnittswerte, während bei Tierärzten und Architekten der interessante Effekt auftritt, daß die Gruppen, die sich nur regelmäßig beraten lassen, niedrigere Bruttoeinkommen, jedoch höhere durchschnittliche Sätze angeben als die Befragten, die dem Steuerberater alles übertragen haben. Hierin könnte sich der zweite Aspekt auswirken: Die Inanspruchnahme von Steuerberatungsleistungen könnte zu einer effektiven Senkung der Durchschittsbelastung geführt haben. Eine ähnliche Argumentation kann für die Anwälte verfolgt werden, dergestalt, daß der Unterschied im Bruttoeinkommen erheblich ist, ohne daß sich die Durchschnittssteuersätze der beiden Gruppen (32,9 % bzw. 34,3 %) wesentlich unterscheiden.

c) Zur Ausnutzung von Steuervorteilen Ein weiterer — bereits erwähnter — Aspekt der Steuerbewußtheit ist die tatsächliche, aber auch die vermeintliche Ausnutzung von Steuervorteilen, die das Steuerrecht dem Zensiten bietet. Die Frage wurde gestellt, um ein Meinungsbild zu gewinnen: Denn es stand von vornherein fest, daß es unmöglich sein würde, alle Steuervermeidungsmöglichkeiten aufzulisten und den Befragten zur Beantwortung vorzulegen. Doch auch die gewählte einfache Fragestellung (Tabelle 4.9) ermöglicht bereits bemerkenswerte Einblicke in den hier untersuchten Zusammenhang. Es war zu erwarten, daß die steuerberatenden Berufe vergleichsweise am stärksten die sich ihnen bietenden Vorteile ausschöpfen würden. Immerhin stehen aber doch den knapp 80 % dieser Gruppe etwa 20 % gegenüber, die glauben, dies nicht zu tun. Überraschenderweise folgten bei der Angabe in bezug auf die Ausnutzung an zweiter Stelle die Tierärzte ( 62,4 %), während von den Rechtsanwälten und Architekten, die man hier eigentlich erwartet hätte, nur jeder Zweite von der vollständigen Ausschöpfung steuerlicher Vorteile überzeugt ist. Bei Ärzten und Zahnärzten sind die beiden Antwortkategorien etwa gleich stark

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände

181

besetzt. Die Zweifel an der gelungenen, steuerrechtlich zulässigen Steuerabwehr — sofern diese überhaupt als Aktionsparameter in Betracht gezogen wurde — sind bei diesen beiden Berufen am stärksten. Dies ist deswegen bemerkenswert, weil für sie besonders hohe Quoten für die Inanspruchnhme steuerberatender Tätigkeit ermittelt wurden; daraus hätte bei den betreuten Mandanten eigentlich in stärkerem Maße das Bewußtsein vollständiger Vorteilsausnutzung resultieren müssen. Es mußte folglich besonders aufschlußreich sein zu erfahren, ob die Befragten, die ihre steuerlichen Pflichten gänzlich auf einen Steuerberater übertragen haben, in erhöhtem Maße glauben würden, die sich ihnen bietenden Steuervorteile auch voll auszuschöpfen. Die Untersuchung hat gezeigt, daß dies bei den Tierärzten und den Architekten tatsächlich der Fall ist: In beiden Berufen ist der Anteil derjenigen, die an die Ausnutzung der steuerrechtlichen Möglichkeiten glauben (Tierärzte: 60 %, Architekten: 41,5 %), bezogen auf die Gruppe, die dies nicht meinen (Tierärzte: 27,4 %, Architekten 22 %), doppelt so groß. In den anderen drei Berufsgruppen weichen die Anteilswerte nicht signifikant voneinander ab: Die Beanspruchung steuerberatender Tätigkeit führt hier nicht zu dem Bewußtsein einer besonders guten Ausschöpfung steuerrechtlicher Vorteile. Bei der Berechnung weiterer Merkmale für die beiden Zensiten-Gruppen in Tabelle 4.9 ergab sich, daß das Durchschnittsalter der Befragen, die ihre steuerlichen Vorteile auszuschöpfen glauben, durchweg durchschnittlich um mindestens 2,4 Jahre, bei den Ärzten und Zahnärzten sogar um 4 Jahre höher liegt als bei den anderen Befragten. Ohne daß damit bereits zuverlässige „Beweise" erbracht wären, ist die Gegenüberstellung von Bruttoeinkommen und Durchschnittssteuersatz aufschlußreich.63 Bei drei Berufen (Ärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte) liegt das Durchschnittseinkommen in der ersten Gruppe („nutze alle Möglichkeiten aus") über dem der zweiten Gruppe („nutze nicht alle Möglichkeiten aus"). Die von den Befragten genannten Durchschnittssteuersätze müßten bei gleichem steuerrechtlichen Verhalten in der zweiten Gruppe niedriger liegen, als es den tatsächlichen Angaben entspricht. Bei richtiger Kenntnis des Bruttoeinkommens und des Durchschnittssteuersatzes würde damit für diese Berufe die Vermutung bestätigt, daß das Bewußtsein der Nichtausnutzung aller steuerrechtlichen Möglichkeiten tatsächlich zutrifft. 64 Geringfügige Steuersatz- und Einkommensunterschiede weisen die anderen drei Berufe auf. Daraus könnte auf eine gleichmäßige, unabhängig vom steuerli63

Vgl. S. 196 im ursprünglichen Manuskript. Da das Bruttoeinkommen als Differenz aus Praxisumsatz und praxisbezogenen Kosten ermittelt wurde, kann davon ausgegangen werden, daß die die Bemessungsgrundlage verringernden Abzüge im ausgewiesenen Bruttoeinkommen noch enthalten sind, bei der Nennung des effektiven Durchschnittssteuersatzes jedoch berücksichtigt wurden. 64

182

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

chen Bewußtsein tatsächlich erfolgte Ausnutzung steuerlicher Möglichkeiten geschlossen werden. 65 Dies ist ein vor allem für die steuerberatenden Berufe bemerkenswertes Ergebnis. Bei einer Betrachtung der Ausnutzung von Steuervorteilen in einem speziellen Fall, nämlich bei der Wahl der Sparform (Tabelle 4.10) zeigt sich, daß im Durchschnitt etwa 30 % aller Befragten in den einzelnen Berufsgruppen als ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Sparformwahl steuerliche Motive angeben. Ein Blick auf das Durchschnittsalter zeigt, daß diese Gruppen zwar durchweg jünger als die jeweilige Gesamtheit sind, daß dieser Unterschied aber nur bei den Steuerberatern signifikant ist. Das Durchschnittseinkommen weicht in keiner dieser Teilgruppen signifikant vom Gesamtdurchschnitt ab. Das gilt auch für die angegebene durchschnittliche Belastung, die im Höchstfall um 0,6 Prozentpunkte (Architekten), in diesem Falle nach oben verglichen mit dem Durchschnitt für alle, differiert. Zwar scheint das Bewußtsein für die Ausnutzung der steuerlichen Vorteile bei der Sparformwahl wichtig gewesen zu sein, doch hat sie offenbar nicht zu einer effektiv geringeren Belastung geführt. Eine weitere gruppenspezifische Charakterisierung ist hier nicht möglich. Vielmehr hat sich gezeigt, daß die analysierte Gruppe zwar steuerbewußter zu sein scheint, daß sie sich aber im übrigen im durch die Gesamtheit abgesteckten Rahmen bewegt. Bei einer Überprüfung der Konsistenz beider Antworten zeigt sich, daß tasächlich von der Gruppe, die die steuerlichen Vorteile bei der Sparentscheidung berücksichtigt, der größere Teil meint, die Möglichkeiten des Steuerrechts auch allgemein auszunutzen. Besonders deutlich wird dies bei den jeweiligen Anteilswerten der rechts- und steuerberatenden Berufe sowie der Architekten. Wenn auch nicht eine Steuerminderung so doch wenigstens eine Verschiebung der Steuerzahllast kann von freien Berufen durch die zeitliche Verlagerung von Umsätzen durch entsprechende Rechnungserteilung ζ. B. am Jahresende erreicht werden. Die auf die Kenntnis dieser Möglichkeit abzielende Fragestellung sowie die im Fragebogen ermittelten Ergebnisse sind in Tabelle 4.11 wiedergegeben. Bewußt ist ein solches Verhalten bei Ärzten und Zahnärzten nur einer verschwindend geringen Minderheit (zwischen gut 2 % und 3,5 %). Die Erklärung für dieses Ergebnis liegt zweifellos in der Umsatzsteuerfreiheit der Heilberufe gemäß § 4 Umsatzsteuergesetz v. 29.5.1967. Hinzuweisen ist dann auf den Unterschied zwischen den Tierärzten und Rechtsanwälten einerseits, die beide mit etwas über 10 % steuerliche Gesichtspunkte beim Honorareinzug bejahen und sie zu etwa 13 % bzw. 14 % für möglicherweise vorhanden erachten, und den Architekten anderer65 Unbeachtet blieben die unter „sonstiges" rubrizierten Antworten wie etwa „mein Einkommen ist nicht hoch genug", „muß eine zu große Familie unterhalten", „dafür müßte man gerissener sein".

390

194

62,4

6,0

7,7

47,8

(50,0)

1,8

1,3

(43,5)

(46,5)

b) Abweichungen von 100% infolge Rundung,

9 9 , 9 100 Ο (45,1)

(44,1)

19 7 (45,'3)

77 3

(47*3)

44,8

52,0

In Klammern ist das durchschnitt-

269

(46,3)

074

32,6

53,6 (47 ',8)

Rechtsanwälte Steuerberaund Notare tende Berufe

2^6

99,9

43,0 (47,3)

(46,1 )

Architekten

791 233 223

100,0 (46,3)

6,3

2,9

28,9 (44,0)

(51 ,3)

Zahnärzte

a) Angaben in Prozent aller Befragten der jeweiligen Berufsgruppe. liche Alter der betreffenden Gruppe angegeben.

Basis

100,0 (51,8)

5,4 4,1

keine Angaben

insgesamt5* 100,0

5,9 4,6

sonstiges

44,9 (49,b)

nutze nicht alle Möglichkeiten aus

Tierärzte

43,8 (47,2)

Ärzte

(Frage: Die Steuerbelastung ist heute ja überaus hoch. Sind Sie der Meinung, daß Sie alle Möglichkeiten zur Senkung Ihrer steuerlichen Belastung, die Ihnen das Steuerrecht gibt, auch ausnutzen?)

Ausnutzung von Steuervorteilen (freie Berufe) 0 *

nutze alle Möglichkeiten aus (53,8)

Antwort

Tabelle 4 . 9 :

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände 183

Sparform 3*

45,2 (50,0)

53,9 34,3

29,4

32,6

29,5

1. Ziffer; "Nutze alle Möglichkeiten aus". 2. Ziffer: "Nutze nicht alle Möglichkeiten aus". (Bezogen auf die Besetzung des entsprechenden Feldes in der ersten Zeile dieser Tabelle. Die Summe aus beiden Anteilswerten ergibt nicht immer 100%, weil die Angaben unter "sonstiges" und fehlende Angaben nicht berücksichtigt wurdea)

80,0 31,9

(29,2)

c)

65,2 28,1

(32,4)

31,6

16,5

43,9

In Klammern sind die zugehörigen Werte für die Gesamtheit angegeben.

( 1 9 7 6 ) , S. 158.

62,5 39,2

(28,8)

65.000,— (69.100, — )

44,7

30,9

b)

a) Vgl. dazu auch die Gesamttabelle in: W . A . S . Koch

56,7 39,4

Ausnutzung von 5 1 , 4 Steuervorteilen . allgemein

42,0 (41,7)

(47,3)

85.700,— (79.500, — )

45,9 (45,1)

27,5

Rechtsanwälte Steuerberaund Notare tende Berufe

56.400,— (58.200, —)

49,5 (46,3)

31,0

Architekten

145.000,— (138.400, — )

34,5

Zahnärzte

70.000,— (68.600,--)

29,0 (29,3)

140.800.— (125.500, — )

durchschnitt40,1 licher Steuerr. ( 4 0 , 3 ) satz '

Durchschnitts^ einkommen D'

51,7 (46,3)

Durchschnitts^ D; alter (51,8)

Tierärzte

27,9

Ärzte

(Frage; Welche Gründe waren für die Wahl der Anlageform Ihrer Ersparnisse besonders wichtig?)

Ausnutzung von Steuervorteilen bei der Wahl der

Anteilswert steuerlicher Motive an allen Gründen für die Wahl der Sparform

Antwort

Tabelle 4.10:

184 4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände

185

seits, die zu 30 % angeben, daß steuerliche Gesichtspunkte beim Honorareinzug eine Rolle spielen, während 21 % von ihnen meinen, daß dies sein könnte. Dieser Unterschied läßt sich damit erklären, daß zwar alle genannten Berufe mehrwertsteuerpflichtig sind, die Tierärzte und Rechtsanwälte den Steuerbetrag jedoch offen überwälzen können, während er bei den Architekten — jedenfalls noch im Zeitpunkt der Befragung 66 — Honorarbestandteil war. 67 Es kann folglich kein Zweifel daran bestehen, daß bei den Architekten der steuerliche Gesichtspunkt beim Honorareinzug viel stärker in das Bewußtsein gedrungen war als bei den übrigen freien Berufen. 68 Aufgrund der ausführlichen Darstellung der einzelnen Aspekte zur Steuerkenntnis und Steuerbewußtheit kann darauf verzichtet werden, einen zusammenfassenden Index für den jeweiligen Aspekt zu berechnen. Es bestünde dann sogar die Gefahr, die mit jeder Indexbildung verbunden ist, daß wichtige Einzelinformationen verloren gehen würden. Es kommt hinzu, daß in einem solchen Index die erörterten Einzelaspekte69 ungewichtet nebeneinandergestellt werden müßten, so daß das für die Beurteilung eines Aspekts als bedeutend bzw. weniger bedeutend für Steuerkenntnis und -bewußtheit anzusehende Gewicht unbeachtet bleiben müßte. 70 Insoweit ist die verschiedentlich in der Literatur anzutreffende Vorgehensweise der Bildung eines Steuerbewußtheitsindexes etwa aufgrund der Häufigkeit, mit der während eines Interviews steuerliche Aspekte genannt werden 71, abzulehnen.

66 Mit Inkrafttreten der Honorarordnung (HOAI) ab 1.1.1977 können die Architekten den Bauherren die Mehrwertsteuer offen in Rechnung stellen. 67 Vgl. dazu H. Grote/R. Neswadba, Architekten und beratende Ingenieure — Freie Berufe zwischen Berufsordnung und Wettbewerb —, Beiträge zur Mittelstandsforschung, H. 3, Göttingen 1974, S. 19. 68 Die in Tabelle 4.11 in Klammern aufgeführten Durchschnittssteuersätze für die jeweiligen Gruppen ergeben keine neuen Aspekte. 69 Steuerliche Gesichtspunkte beim Honorareinzug; Ausnutzung von Steuervorteilen bei der Wahl der Sparform; allgemeine Einschätzung der Ausnutzung von Steuervorteilen; Kenntnis der Grenzsteuerhöhe; Angabe der Vorauszahlungen zur Einkommensteuer; Kenntnis der durchschnittlichen Einkommensteuerbelastung. 70 Eine Gewichtung muß ebenfalls unterbleiben, da sie nur willkürlich sein könnte. 71 Vgl. ζ. B. die Methode von R. Barlow/H. E . Brazer/J. N. Morgan (1969) S. 153 f. sowie die Darstellung unter Abschnitt Β. I. 2. des 3. Kapitels.

390

4,7

0,5 0,4

2,6 0,4

2,7

(41,9)

45,9

100,0 100,0 (40,3) (29,3) (41,7) 194 7 9 1 233 223

3,6

2,1

(29,1)

84,2

14,3 (41,1)

99,9

b) Abweichungen von 100% infolge Rundung.

a) Angaben in Prozent aller Befragten der jeweiligen Berufsgruppe. schnittliche Einkommensteuerbelastung angegeben.

Basis

100,0

4,1

keine Angaben

insgesamt5*

0,5

(40,3)

90,0 70,6

sonstiges

nein

3 , 1 1 2 , 9 7 , 1 21,0 (41,6) (30,5)

Architekten

11,7 (43,8)

Zahnärzte

könnte sein

Tierärzte

2 , 3 10,8 3 , 5 30,0 (45,6) (28,7)

Ärzte

100,0 (32,4)

(31,3)

(34,1)

(34,2)

In Klammern ist die durch-

(28,8)

(26,9)

70,9

(31,6)

(29,5)

Rechtsanwälte und Notare

(Frage: Spielen bei dem Rhythmus des Einzugs Ihrer Honorarforderungen steuerliche Gesichtspunkte, auf die Sie z.B. Ihr Steuerberater aufmerksam gemacht hat, eine Rolle?)

Steuerliche Gesichtspunkte beim Honorareinzug a*

ja

Antwort

Tabelle 4 . 1 1 : 186 4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände

2. Vorarbeiter

und Industriemeister

187

72

a) Kenntnis der Höhe der steuerlichen Belastung Bei der Ermittlung von Kenntnissen über die eigenen steuerlichen Tatbestände ist bei abhängig Beschäftigten wegen der vom Fiskus angewendeten anderen Steuererhebungstechnik anders vorzugehen. Obwohl nicht auszuschließen ist, daß bei einzelnen Befragten mehrere Einkunftsarten zur Besteuerung herangezogen werden, ist die Lohnsteuer die Hauptsteuer für die befragten Berufsgruppen. Der Zugang zu diesem Problembereich mußte folglich über die Kenntnis der laufenden Lohnsteuerzahlungen gewählt werden. aa) Kenntnis der tatsächlichen Lohnsteuerzahlung Die Kenntnis des „genauen"73 Lohnsteuerabzugs im der Befragung vorausgegangenen Kalendermonat war bei etwas mehr als einem Drittel aller Befragten vorhanden (Tabelle 4.12) — die Industriemeister weisen einen etwas höheren Prozentsatz auf (37 %) —. Dies könnte damit erklärt werden, daß die Meister in der Regel Angestellte mit monatlich gleichbleibendem Gehalt sind, während die Vorarbeiter als Arbeiter entsprechend der von Monat zu Monat schwankenden Arbeitsstundenzahl entlohnt werden, wobei auch die monatlichen Steuerabzüge gewissen Schwankungen unterworfen sind. Die Quote für die Nichtkenntnis der steuerlichen Abzüge liegt bei etwa 60 %. Zwischen diesen Gruppen gibt es — wie die Berechnung von Mittelwerten bei einigen typischen Merkmalen zeigt — keine signifikanten Unterschiede. Diejenigen, die ihre monatlichen Steuerabzüge kennen, sind in der Regel etwas älter, erzielen ein etwas höheres durchschnittliches Einkommen und zahlen dafür entsprechend höhere Steuern. Möglicherweise reichen die Einkommensunterschiede noch nicht aus, um etwa bei den Vorarbeitern und Meistern in den höheren Einkommensgruppen ein besonders starkes Interesse für die eigenen steuerlichen Belange zu wecken. Auch intertemporal und zwischen den beiden Berufsgruppen gibt es keine beachtlichen Unterschiede. Sofern sie vorhanden sind, lassen sie sich durch Einkommens- und Steuersteigerungen einerseits sowie durch Berufsgruppenunterschiede andererseits 72 Die Tabellen mit den Untersuchungsergebnissen für Vorarbeiter und Industriemeister sind so aufgebaut, daß aus ihnen die Werte für die Untersuchungsphasen I und I I und beide Zielgruppen abgelesen werden können. Auf eine Zusammenfassung der Ergebnisse wurde verzichtet, um zeigen zu können, daß sie nicht wesentlich voneinander abweichen (Kontrollfunktion der Phase II). 73 Unter „genau" wurde eine Zahlenangabe auf- bzw. abgerundet auf 5,— D M verstanden. Außerdem wurde darum gebeten, bei der Beantwortung dieser Frage nicht den letzten Gehaltsstreifen zu Rate zu ziehen.

Kenntnis der tatsächlich gezahlten Steuern

(b)

(d)

(c)

(b)

3,6

100,0 100,0 99,9

3,7

325,—

385

349

265,— 139

42,1 300,—

99,9

(a): (b): (c): (d):

d)

Anteilswert in Prozent Durchschnittseinkommen/Monat in DM Durchschnittsalter in Jahren durchschnittliche monatliche Steuerabzüge in DM.

I: Phase I, II: Phase II der Untersuchung. Dies gilt auch bei den folgenden Tabellen.

290,—

2040,—

Abweichungen von 100% infolge Rundung.

217

295,—

1910,— 42,2

270,—

1990,—

320,—

c)

246

185,—

59,4 1910,—

4,1

I

2120,— 42,6

280,—

1900, --

36,4

Meister

b)

132

340,—

100,0

2,4

210,—

43,1

1610,—

59,8

240,—

44,0

1720,—

37,8

1650,— 43,4

3,0

38,3

2210,—

62,1

350,—

38,7

I

Vorarbeiter

34,8

1900,— 2240,— 4 2 , 3 40,9 40,3 38,7

2,9

245,—

40,7

1850,—

4 2 , 1 40,6

(a) 100,1

(d)

(c)

(b)

62,6

295,—

40,2

60,5

60,8

IIb)

2280,—

33,8

(a)

42,7 41,2

1990,—

3 6 , 4 35,8

(d)

(c)

(a) d)

Ib)

alle Befragten II

370,—

2440,—

345,—

2400,—

390,—

2500,—

II

(Vorarbeiter und Industriemeister) a)

(Frage: Können Sie angeben, wie hoch Ihre Steuerbezüge im vergangenen Monat genau waren?)

a) Angaben in Prozent der zugehörigen Basis.

Basis

insgesamtc)

keine Angaben

nein

ja

Antwort

Tabelle 4 . 1 2 :

188 4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände

189

erklären. Die Richtigkeit der Angaben kann naturgemäß genauso wenig überprüft werden wie die Zahlenangaben an anderer Stelle. Es sollte aber nicht übersehen werden, daß ohne die Ermittlung eines absoluten Steuerbetrages im Sinne eine „Kontrollfrage" bei vielen Befragten die Versuchung entstanden wäre, auch ohne genaue Kenntnis der Steuerabzüge mit „ja" zu antworten. Der Ermittlung der genauen Höhe der erfragten Steuerabzüge kommt für die Untersuchung keine weitere Bedeutung zu. Außer dieser Frage wurde die Kenntnis der durchschnittlichen monatlichen Steuerzahlungen über einen mehrmonatigen Zeitraum ermittelt. 74 Dabei zeigte sich sehr deutlich, daß durchschnittlich nur etwa 15 % aller Befragten keine Angaben machten. Die übrigen — das kann aus der Relation zwischen Einkommenshöhe und Steuerzahlung abgelesen werden — gaben die laufenden Lohnsteuern in einer plausiblen Höhe an. Die Größenordnung der Belastung durch Zwangsabgaben ist demnach den meisten Befragten durchaus bekannt. bb) Kenntnis der Grenzbelastung Im Vergleich zur Kenntnis des genauen Steuerabzugs im vergangenen Monat ist die Kenntnis der Grenzsteuerhöhe und der Grenzabzugsquote mit über 90 % überraschend hoch (Tabelle 4.13). Dazu mag beigetragen haben, daß in der Antwort eine Zahlenreihe zum Ankreuzen vorgegeben war und daß durch die Fragestellung kein direkter Zwang zu einer „richtigen" Angabe ausgeübt wurde. Die Validität der Angaben über die Kenntnis der eigenen Abzugsquoten kommt darin zum Ausdruck, daß ζ. B. im Falle der Gesamtabzugsquoten von etwa 87 % aller Befragten in Phase I (85 % in Phase I I ) realistische Werte zwischen 20,— und 40,— D M genannt wurden. Auch diese Ergebnisse bestätigen, daß zumindest die Größenordnung der staatlichen Abgaben nahezu allen Befragten bekannt ist. Da die Gesamtabzugsquote im Kalkül der Befragten bekanntermaßen eine größere Rolle spielt, kann es nicht verwundern, wenn sie einen etwas höheren Kenntnisgrad als die Grenzsteuerhöhe aufweist. Daß gerade mit dem Begriff „Grenzsteuerhöhe" mehrere Teilnehmer — trotz kurzer Erklärung im Rahmen der Fragestellung — nichts anzufangen wußten, schlägt sich in der Höhe der Nichtantwortquoten von etwa 7 % bis 10 % nieder. Die nähere Analyse der Gruppen stößt wegen der teilweise geringen Besetzungsdichte auf den Feldern „keine Angaben" auf Vorbehalte. Aus diesem Grunde sind nur das Durchschnittsalter und das Durchschnittseinkommen berechnet worden. 75 In bezug auf das Alter zeigt sich dabei, daß 74 75

Darauf basieren die in Tabelle 4.12 unter Buchstabe (d) errechneten Werte. Vgl. S. 207 im ursprünglichen Manuskript.

190

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

diejenigen, die keine Angaben machten, tendenziell etwas älter sind als der Durchschnitt. Für das Einkommen ist nicht einmal eine solche tendenzbezogene Aussage möglich. cc) Eintragung eines Steuerfreibetrags Der dritte zur Diskussion stehende Aspekt von Steuerkenntnis und Steuerbewußtheit bezieht sich auf die bei Arbeitnehmern mögliche Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte. 76 Von dieser Möglichkeit haben in beiden Phasen etwas über 20 % Gebrauch gemacht, wobei der Anteil der Meister (etwa 25 %) signifikant über dem der Vorarbeiter (etwa 15 %) liegt (Tabelle 4.14). Die beträchtliche Steigerung des im Durchschnitt beanspruchten monatlichen Freibetrags von Phase I bis Phase I I von 230,— D M auf 330,— D M ist allein auf die Meister zurückzuführen (Phase I: 260,— DM/Monat, Phase II: 380,— DM/Monat), während der sich Mittelwert bei den Vorarbeitern (170,— DM/Monat) praktisch nicht verändert hat. Gerade die Frage nach der Ausschöpfung eines Freibetrags bietet einige weitere Analysemöglichkeiten. Bei der Ermittlung der Strukturmerkmale Einkommen und Alter 77 zeigt sich, daß das Einkommen der Befragten mit eingetragenem Freibetrag überdurchschnittlich ist und ihre Lebensalter — allerdings nicht signifikant — ebenfalls über dem Gesamtdurchschnitt liegt. Dieses Ergebnis überrascht nicht, wenn man bedenkt, daß sich die Eintragung eines Freibetrags umsomehr „lohnt", je höher das Einkommen ist, daß andererseits aber erst durch ein gewisses Einkommensniveau die Voraussetzung für die Ausschöpfung steuerlicher Absetzungsmöglichkeiten (etwa die 7b-Abschreibung nach dem EStG beim Erwerb eines Eigenheimes oder einer Eigentumswohnung) geschaffen wird. Da nach dem Besitz eines Eigenheimes ebenfalls gefragt wurde, ist es möglich zu ermitteln, ob die Eigenheimer überdurchschnittlich die Freibetragseintragung nutzen. Hierbei hat sich gezeigt, daß tatsächlich die Eigenheimbesitzer überdurchschnittlich von der Freibetragsmöglichkeit Gebrauch gemacht haben. Es fällt auf, daß sich intertemporal keine wesentlichen Verschiebungen ergeben haben, daß aber offenbar die Meister diese Möglichkeit noch stärker präferieren (über zwei Drittel der befragten Meister mit Freibetrag sind Eigenheimbesitzer) als die Vorarbeiter, von denen etwa nur jeder zweite Eigenheimbesitzer und unter den Freibetragseintragungen zu finden ist. 76

Im Zeitpunkt der Befragung war das Recht auf Eintragung eines Freibetrags noch nicht eingeschränkt: Nach § 39a Abs. (2) Satz 4 EStGn.F. ist ein Antrag hinsichtlich eines Freibetrags unzulässig, wenn die Aufwendungen und abziehbaren Beträge insgesamt 1800 D M nicht übersteigen. 77 Vgl. S. 210 im ursprünglichen Manuskript.

'

95

349

8,6

93,2

3 , 7 5,0

96 3

II

'

98

5,3

94 7

I

139

7,2



II

Vorarbeiter

91,4



a) Angaben in Prozent der zugehörigen Basis.

Basis

6,8

~

3,1

385

GrenZ

keine Angaben

steuerhöhe

keine Angaben

'

96 9

I

alle Befragten

132

10,6

92,8

2,0

'

97 2

I

II

246

6,5

89,4

2,8

Meister

217

7,4

93,5

92,6

(Frage zur Grenzsteuerhöhe : Die Abzüge bestehen bekanntlich a) aus Steuern und b) aus Sozialabgaben - Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung -. Wie hoch sind nach Ihrer Meinung Ihre Abzüge, die von einer Lohn- bzw. Gehaltszulage von zusätzlich 100,— DM für Steuern allein an das Finanzamt gehen?)

(Frage zur Grenzabzugsquote: Nehmen wir einmal an, Sie würden im nächsten Monat eine Lohn- bzw. Gehaltszulage von 100,— DM bekommen. Wie hoch wären nach Ihrer Meinung die Abzüge von diesen 100,— DM bei Ihnen insgesamt - also Steuern und Sozialversicherungsbeiträge? )

Kenntnis der Grenzsteuerhöhe und der Grenzabzugsquotea^

SSquoteGeSamt"

Antwort

Tabelle 4 . 1 3 :

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände

191

a)

385

100,0

100,0 (1900,—) 349 139

I

Vorarbeiter II

100,0 (1910,--)

Meister II

100,0 (2040, — )

(2030,—)

70,5

(2440, — )

(2440, — )

23,2 27,2 (2080,—) (2420,—)

I

In Klammern ist das Durchschnittseinkommen der

100,0 (1650,—) 217

2,3

(1900,—)

83,3 74,0 (1630,—)

2,8

79,2

100,0 (2240, — ) 132 246

2,3

Angaben in Prozent der zugehörigen Basis. jeweiligen Gruppe angegeben.

Basis

insgesamt

2,3

(2220,—) 5,0

75,4

(1880,—)

3,6

75,8

II

22,3 15,8 14,4 (2000,—) (2310, — ) (1790,—) (1960,—)

I

alle Befragten

nein

keine Angaben

Lohnsteuerkarte a*

Haben Sie sich auf Ihrer Lohnsteuerkarte einen Freibetrag für das laufende Jahr eintragen lassen?)

20,6

(Frage:

Freibetrag auf der

ja

Antwort

Tabelle 4 . 1 4 :

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände

193

Umgekehrt gestaltet sich das Bild bei den Nichteintragungen: Die Hauseigentümer weisen nur etwa Anteile von zwischen einem Drittel und vierzig Prozent auf. Dabei könnte es sich um Zensiten handeln, die infolge Zeitablaufs die 7b-Abschreibung nicht mehr wahrnehmen können. Ein weiteres Indiz für steuerbewußtes Handeln bietet die Eintragung dann, wenn auch die Ehefrau Einkommen erzielt, und durch den Freibetrag eine zeitadäquate Verteilung der Steuerzahllast erreicht werden soll. Die Fragestellung lautet hier, ob die Inanspruchnahme eines Freibetrags bei Verheirateten mit zuverdienenden Ehefrauen überdurchschnittlich hoch ist. Wie Berechnungen ergeben haben, ist dies jedoch nicht der Fall. Allerdings fällt auf, daß bei Vorarbeitern und Meistern ein unterschiedliches Freibetragsverhalten ermittelt werden konnte. Bei den Vorarbeitern liegt der Anteil der Befragten mit Freibetrag und ebenfalls beschäftigter Ehefrau signifikant (knapp 60 % in Phase I, etwa 53 % in Phase I I ) über der korrespondierenden Meistergruppe (37 % bzw. 32 %) und vice versa. Ein letzter zu behandelnder Aspekt stellt in diesem Zusammenhang die Frage dar, ob die Befragten mit Freibetrag in verstärktem Maße meinen, die sich ihnen bietenden Steuervorteile auch auszunutzen. In der Befragung ergibt sich dafür eine Bestätigung, denn die Befragten mit Freibetragseintragung sind in signifikant höherem Maße der Auffassung, die Möglichkeiten des Steuerrechts auch auszuschöpfen (die Meister mit knapp 90 % in noch stärkerem Maße als die Vorarbeiter mit etwa 75 %). Dagegen glauben die Befragten ohne Freibetrag (Meister: 70 %, Vorarbeiter: 67 %) in geringerem Maße an die Ausnutzung der sich ihnen bietenden Vorteile des Steuerrechts.

b) Abrechnung der jährlichen Steuerschuld Für Steuerkenntnis und Steuerbewußtheit ist ebenfalls von Bedeutung, wie die Abrechnung der jährlichen Steuerschuld erfolgt. Dafür kommen zwei Verfahren in Betracht. Bezieht der Steuerschuldner — Einkünfte aus mehreren Einkunftsarten 78 und/oder — hat er zwei Lohnsteuerkarten und/oder — arbeitet sein Ehegatte (mit eigener Lohnsteuerkarte!) mit und/oder — überschreitet sein Jahreseinkommen eine bestimmte Grenze, so wird er zur Einkommensteuer veranlagt. Andernfalls hat er das Recht, einen Lohnsteuerjahresausgleich zu beantragen.

78

Im Fragebogen nicht erfaßt.

194

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

Tabelle 4.15 enthält Informationen darüber, wieviele Befragte zur Einkommensteuer veranlagt werden (obere Tabellenhälfte) und wieviel einen Lohnsteuerjahresausgleich beantragen. 79 Dabei hat sich bereits in der kurzen Zeitspanne von knapp 2 Jahren zwischen beiden Untersuchungsphasen gezeigt, daß die Zahl der Veranlagten angestiegen ist (von 48,3 % auf 56,4 %), wobei die Zuwachsrate bei den Vorarbeitern größer war als bei den Meistern. Dieses Ergebnis ist angesichts der starken Einkommensteigerungen während der Untersuchungsperiode nicht verwunderlich. Immer mehr Zensiten überschritten damit den Gesamtbetrag der Einkünfte, von dem ab die Einkommensteuerveranlagung gesetzlich vorgeschrieben ist. Ganz entsprechend haben die NichtVeranlagung bzw. die Beantragung des Lohnsteuerjahresausgleichs von Phase I nach Phase I I deutlich abgenommen. Überhaupt nicht ins Gewicht fallen jene Befragten, die keinen oder nur unregelmäßig einen Lohnsteuerjahresausgleich beantragen (zusammen weniger als 2 %). Angesichts der Tatsache, daß nahezu alle Befragten ihre jährliche Steuerschuld mit dem Finanzamt abrechnen, mag es überraschen, daß doch nur ein vergleichsweise geringer Teil von ihnen einen Antrag auf Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte gestellt hat. Allerdings wird das Finanzamt nicht selten als „Sparkasse" angesehen: Man freut sich über eine einmalige Steuerrückzahlung mehr als über den Vorteil eines laufend höheren Nettoeinkommens. Eine Berechnung des Durchschnittseinkommens in der zur Einkommensteuer veranlagten Gruppe zeigt durchweg einen signifikanten Unterschied zu der Gruppe der Nichtveranlagten. Dies spricht für die Annahme, daß ein Teil der Befragten — Meister noch stärker als Vorarbeiter — aufgrund ihrer Einkommenshöhe veranlagt wurden. In bezug auf das Alter ist festzustellen, daß die nichtveranlagten Meister in beiden Phasen geringfügig älter waren, während es bei den Vorarbeitern altersmäßig gerade umgekehrt ist. 80 Nur ein verschwindend geringer Prozentsatz (zwei Prozent und weniger) der Befragten hat sich eine zweite Lohnsteuerkarte ausstellen lassen.81 Die geringe Zahl zweiter Steuerkarten läßt jedoch nicht den Schluß zu, daß die Befragten nicht doch nach Feierabend oder am Wochenende einer weiteren Beschäftigung nachgehen. Das ist bei diesen handwerklich orientierten 79 Da sich die Veranlagung und der Ausgleichsantrag grundsätzlich nicht ausschließen — es kann Befragte geben, die zunächst den Lohnsteuerjahresausgleich beantragen, dann aber doch veranlagt werden —, kann die Summe der Prozentzahlen aus Veranlagten und Antragstellern für den Jahresausgleich größer als 100 % sein. 80 Auf die Darstellung der korrespondierenden Zahlen für die Lohnsteuerjahresausgleichsantragsteller konnte verzichtet werden, da sie mit denen aus dem oberen Tabellenteil identisch sind. Die Befragten, die hierzu keine Angaben machen, werden veranlagt, diejenigen, die nicht veranlagt werden, haben einen Ausgleichsantrag gestellt. 81 Aus Gesprächen nach den Interviews ist bekannt, daß es sich bei den Befragten mit zwei Lohnsteuerkarten ausschließlich um Berufsmusiker handelt, die am Abend ζ. B. in Gaststätten Musik machen. Vgl. S. 216 im ursprünglichen Manuskript.

385

*

0,3

349

46,2

139

II

132

0,7

06

Qfl

2,4

246

36,7

0,8

6 1 , 9 50,0

6,1

Ο

217

48,5

0f5

47,6

1,8

0,9

I

0f8

42,9

56,8 44,7 (40,5/2180,-) (39,4/1650,-) (37,8/1890,-)

7,2

53,0

0,9

Vorarbeiter

36,0 49,2 (41,2/2300,-) (41,4/1700,-) (39,5/1930,-)

I

In Klammern:

1. Zahl: Durchschnittsalter;

60,8 (42,0/2470,-)

51,6

55,8

f2

2 . Zahl: durchschnittliches Monatseinkommen in DM.

1

c) Die Befragten wurden gebeten, keine Angaben zu machen, wenn sie zur Einkommensteuer veranlagt würden.

b)

II

42,3 37,3 (43,5/1950,-) (42,6/2380,-)

55,3 (43,0/2110,-)

Meister

a) Angaben in Prozent der zugehörigen Basis. Abweichungen von 100% infolge Rundung.

Basis

Angaben

keine

nein

8

ja i 52,7 45,6 gelmäßig '

* ein ® 4,2 Angaben

3,4

4 7 , 5 40,1 (41,7/1820,-)

neinb)

unregelB. maßig

A.

3a

48,3 56,4 (42,6/2000,-)

I

II

B. Beantragen Sie regelmäßig einen Lohnsteuerausgleich?)

A , Vierden Sie zur Einkommensteuer veranlagt, d.h. müssen Sie nach einer Aufforderung durch das Finanzamt eine Steuererklärung abgeben?

alle Befragten

(Frage:

Veranlagung zur Einkommensteuer und Lohnsteuerjahresausgleich a^

. b)

Antwort

Tabelle 4 . 1 5 :

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände 195

196

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

Berufsgruppen üblich und wird nicht einmal als Verstoß gegen die Steuergesetze empfunden. 82 Ein weiterer Aspekt bei der Zurechnung der Befragten zu den zur Einkommensteuer Veranlagten kann der Besitz eines Eigenheims sein (Tabelle 4.16). Erwartungsgemäß haben die Meister zu einem größeren Anteil ein Eigenheim (über 44 %), er könnte sogar intertemporal leicht angestiegen sein (Zeile (a)). Definitiv läßt sich dies aus den Befragungsunterlagen wegen der in der ersten Untersuchungsphase mit 4,2 % (bei den Vorarbeitern allein sogar 6,5 %) überdurchschnittlichen Nichtantwortquote jedoch nicht begründen. Trägt man dem in der zweiten Tabellenhälfte ermittelten geringfügig niedrigeren Durchschnittsalter Rechnung, so ergeben sich für die Eigenheimbesitzer keine signifikanten Altersunterschiede (b) im Vergleich mit der Gesamtheit bzw. den Nichtbesitzern. Ähnliches gilt auch für die Höhe des Durchschnittseinkommens (c), während die durchschnittliche Steuerbelastung (d) bei den Eigenheimbesitzern in den meisten Fällen deutlich unter der der jeweiligen Restgruppe liegt. Sieht man von der mit der Einschätzung der eigenen steuerlichen Belastung verbundenen Unsicherheit einmal ab, ergibt sich daraus ein deutliches Indiz für die Verringerung des Durchschnittssteuersatzes infolge des Hauserwerbs. Ob damit bei den Hauseigentümern auch das Bewußtsein einer besonders guten Ausnutzung steuerlicher Vorteile verbunden ist, soll durch die Zahlenreihe (e) dargestellt werden. Während für die erste Untersuchungsphase ein solches Bewußtsein konstatiert werden kann — hier liegen die Anteilswerte der PositivAntwortenden deutlich über den entsprechenden Werten der Nichteigenheimbesitzer und vice versa für die Negativ-Antwortenden —, scheint in der zweiten Phase diese Überzeugung einer größeren Skepsis, und zwar in beiden Berufsgruppen, gewichen zu sein.83 Dagegen haben sich die korrespondierenden Verhältniszahlen bei den Nichthausbesitzern intertemporal nicht verändert —, die Meister sind allerdings auch hier in stärkerem Maße der Überzeugung, die sich ihnen bietenden Steuervorteile auszuschöpfen. Abschließend soll darauf eingegangen werden, ob die Ehefrauen der Hauseigentümer in überproportional starkem Maße selber im Erwerbsleben stehen, somit den Erwerb des Eigenheims vielleicht erst ermöglicht haben oder, um den Schuldendienst bezahlen zu können, zu weiterer Mitarbeit gezwungen sind. Diese Frage ist deswegen von Bedeutung, weil in einem späteren Abschnitt der steuerliche Einfluß auf das Arbeitsangebot auch 82 Oft spielt dabei die Nachbarschaftshilfe oder die Errichtung des eigenen Wohnhauses eine wichtige Rolle. Vgl. zur Frage der Nebenbeschäftigung als Aktivität in der Schattenwirtschaft unten Abschnitt III. 2. sowie Abschnitt Β. II. im 2. Kapitel. 83 Es wäre sicherlich verfrüht, dieses Ergebnis allein auf die im Untersuchungszeitraum infolge starker Einkommenssteigerungen progressiv ansteigende Steuerbelastung zurückzuführen. Und dennoch könnte eine solche Hypothese mit einiger Berechtigung aufgestellt werden.

197

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände Tabelle

4.16;

Eigenheimbesitz (Frage:

Sind

Sie

Besitzer

alle

Antwort3'

eines

Befragten

I (a) (b)

ja

43,1

43,6 41 , 2

Vorarbeiter I 34,5 42,2

Meister

I I

I

38,6

44,3

38,6

I I

43,5

2280,—

1660,—

1920,—

2040,—

2470,—

(d)

255,—

340,--

205,—

285,—

275,—

370,—

(e)

84,1 12,7

72,4 23,0

77,0 18,8

68,6 27,4

87,2 10,1

74,3 20,8

(f)

35.0 61.1

47,4 49,3

41 , 7 52,1

58,8 35,3

32,1 65,1

41 , 6 56,4

55,1 41 , 6

9 54,7 40,5

7

59,0 38,8

59,8 39,0

52,8 43,4

2200,—

1650,—

1900,—

2040,—

2470,—

(d)

275,—

345,—

230,—

305,—

305,—

375,--

(e)

69.8 25.9

70,2 25,7

64,6 31 , 7

65,8 30,4 '

73,1 22,3

73.2 22.3

44,3 49,5

40,3 50,8

52,4 39,0

49,4 35,4

39,2 56,2

33,9 61 , 6

Angaben

4,2

1 ,7

6,5

1,5

2,8

100,1

100,0

100,0

99,9

99,9

Basis

385

349

139

(g): b)

41 , 7

1890,—

insgesamt*5'

(f):

10 51 , 6

(c)

(f)

(a): (b): (c)s (d): (e):

42,7

1930,—

(b)

a)

46,5

(c)

(a)

keine

II

40,8

(g)

nein

Eigenheims?)

132

246

1 ,8 99,9 217

Anteilswert in Prozent der zugehörigen Basis Durchschnittsalter durchschnittliches Monatseinkommen durchschnittliche monatliche Steuerlast Ausnutzung s t e u e r l i c h e r V o r t e i l e : 1. Z i f f e r : j a ; 2. Z i f f e r : n e i n (bezogen auf d i e B e s e t z u n g d e s z u g e h ö r i g e n F e l d e s ( a ) , w o b e i d e r W e r t v o n 100% w e g e n N i c h t b e r ü c k s i c h t i g u n g d e r A n t w o r t e n u n t e r " s o n s t i g e s " und u n t e r " k e i n e Angaben" n i c h t e r r e i c h t wird). M i t a r b e i t der Ehefrau: 1. Z i f f e r : j a ; 2. Z i f f e r : n e i n (bezogen auf d i e Besetzung des z u g e h ö r i g e n F e l d e s ( a ) ; d i e Anmerkung zu (e) g i l t h i e r e n t s p r e c h e n d . E b e n f a l l s u n b e r ü c k s i c h t i g t b l e i b t der A n t e i l d e r j e n i g e n , die einen anderen Familienstand a l s "verheiratet" angegeben haben). d u r c h s c h n i t t l i c h e B e s i t z d a u e r i n J a h r e n . I n Phase I n i c h t ermittelt.

Abweichungen

von

100%

infolge

Rundung.

anderer Haushaltsmitglieder erörtert werden soll. Würde sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Hausbesitz und Mitarbeit der Ehefrau herausstellen, so wäre die Hypothese sinnvoll, daß steuerliche Faktoren — die den Bau des Eigenheims durchaus beeinflußt haben mögen (7b-Abschreibung des EStG) — dann als nachrangig anzusehen wären. Wie in Zeile ( 0 dargestellt ist, hat der Anteil der mitarbeitenden Ehefrauen von Hauseigentümern intertemporal beträchtlich (von 35 % auf 47 %) zugenommen, wobei diese Zunahme nicht etwa auf eine Zunahme des Hausbesitzes, sondern auf eine „Umschichtung" zwischen den Ehefrauen von Hauseigentümern zurückzuführen ist. Dieser Effekt ist bei den Vorarbeitern noch deutlicher ausgeprägt als bei den Meistern. Demgegenüber sind die „Wanderungen" bei den Nichteigenheimern wesentlich schwächer ausgeprägt, so daß mit einiger Berechtigung die Mitarbeit der Ehefrau in den betreffenden Fällen als determiniert durch den Hausbesitz eingestuft werden kann.

198

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

c) Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit Da die Abrechnung der jährlichen Steuerschuld mit dem Finanzamt eine schwierige Prozedur im Urteil vieler Steuerzahler darstellt, war die Frage nach der Inanspruchnahme steuerberatender Leistungen auch hier aufschlußreich. In bezug auf die Aspekte der Steuerkenntnis und Steuerbewußtheit waren die im folgenden darzustellenden Ergebnisse zu kombinieren mit der bereits angedeuteten Frage nach der Ausschöpfung steuerlicher Vorteile. Wie Tabelle 4.17 zeigt, ist während des Untersuchungszeitraums die Inanspruchnahme der Beratung durch Steuerberater um 10 Prozentpunkte — zu Lasten der eigenen Beschäftigung mit steuerlichen Fragen sowie der Beratung innerhalb der Familie — von 22 % auf 32 % angestiegen. Dies gilt für beide Berufsgruppen gleichermaßen. Der Anteil der Befragten, die die Einkommensteuererklärung etc. ohne fremde Hilfe anfertigen, ist von etwa 60 % auf knapp 54 % gesunken. Die Einheitlichkeit der Tabelle berechtigt zu der Feststellung, daß der im Durchschnitt höhere Bildungsstand der Industriemeister offenbar kein hinreichender Grund für eine stärkere Selbstbeschäftigung mit den eigenen steuerlichen Fragen ist. 84 Um hier möglicherweise doch zu einer Charakterisierung der ermittelten Gruppen zu gelangen, seien im folgenden einige persönliche Merkmale dargestellt. 85 In bezug auf die ermittelten Altersangaben lassen sich keine eindeutigen Aussagen treffen. Zwar scheinen die Befragten, die sich nicht beraten lassen, sondern die Steuererklärungen selber ausfüllen, im Durchschnitt etwas älter zu sein, während die Befragten, die sich auf eine Beratung innerhalb der Familie stützen können, eher ein niedrigeres durchschnittliches Alter aufweisen, doch sind die ermittelten Unterschiede nicht signifikant. Demgegenüber zeigt sich eine recht deutliche Tendenz bei den durchschnittlichen Einkommen. Von einer Ausnahme (Vorarbeiter Phase I) abgesehen, liegen die Mittelwerte für die Einkommen der Befragten, die einen Steuerberater zu Rate gezogen haben, über dem Gesamtdurchschnitt und über den zugehörigen Werten der anderen Antwortkategorien. Daher liegt die Schlußfolgerung nahe, daß mit steigendem Einkommen die Steuerberatungsleistung stärker frequentiert wird. 86 Offenbar scheint die Steuerberatung ihren Erfolg 84 Während unsere Befragtengruppen keine andere Schlußfolgerung zulassen, scheint ein niedriger Bildungsstand — bezogen auf alle Steuerzahler — doch ein relevantes Merkmal für die Inanspruchnahme von Leistungen durch Steuerberater zu sein. Dies wurde ζ. B. für Schweden von J. Vogel (1974) S. 500, festgestellt: "The less educated component of the sample were . . . more often in need of assistance in return preparation than members of the sample generally". Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, daß annähernd 18 % aller schwedischen Steuerzahler sich bei der Steuererklärung beraten ließen (ebenda). 85 Vgl. S. 222 im ursprünglichen Manuskript. 86 Das gilt für die Befragten insgesamt und nicht nur für die Meister allein, obwohl sie Einkommen erzielen, die deutlich über denen der Vorarbeiter liegen.

385

3 4 9 139

b) Abweichungen von 100% infolge Rundung.

I

11,5

132

100,0

5,7

II

246

100,0

5,1

23,7

8,3

47,0

Vorarbeiter

57,6

32,4

a) Angaben in Prozent der zugehörigen Basis.

Basis

99,9

II

7,2 9,1

100,0

6,6

keine Angaben

6,2

22,6

lasse mich von einem Steuerberater/-bevollmächtigten beraten

7,4

53,6

11,4

I

alle Befragten

lasse mich in der Familie (Vater, Bruder...) beraten

insgesamt5*

(Vorarbeiter und Industriemeister)

11,4

61,0

Meister

217

100,1

35,6

I

100,0

22,0

6,9

57,6

II

Lassen Sie sich bei der Einkommensteuererklärung bzw. beim Ausfüllen der Formulare für den Lohnsteuerjahresausgleich beraten?)

Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit

(Frage:

lasse mich nicht beraten, sondern mache 5 9 , 7 alles selber

Antwort

Tabelle 4 . 1 7 :

30,4

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände 199

200

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

nicht zu verfehlen. Denn die — unter den oben bereits genannten Vorbehalten — durchschnittliche monatliche Steuerbelastung ist in dieser Gruppe —teilweise sogar trotz höherer Einkommensangaben — niedriger als bei den Befragten, die sich auf keine Beratung stützen. Weiterhin war interessant festzustellen, ob etwa der Besitz eines Eigenheims verstärkt zur Inanspruchnahme von Steuerberatungsleistungen führt — eine Annahme, die angesichts der komplizierten steuerrechtlichen Materie plausibel erscheint. Die Analyse des empirischen Befundes hat dies bestätigt. Sie hat gezeigt, daß in beiden Berufsgruppen und beiden Untersuchungsphasen von den Befragten mit Steuerberater der größere Anteil (etwa zwei Drittel zu einem Drittel) den Hauseigentümern zuzurechnen ist. In den höheren Anteilswerten in Phase I I kommen dabei sowohl der leicht gestiegene Hausbesitz als auch die gestiegene Inanspruchnahme von Steuerberatern zum Ausdruck. Ein letzter Aspekt betrifft die Frage, ob die Tätigkeit der Steuerberater bei den Mandanten in verstärktem Maße zur Eintragung von Freibeträgen geführt hat. Das sich hier bietende Bild ist sehr uneinheitlich und läßt eine solche Schlußfolgerung nicht zu. Während in Phase I wegen des höheren Anteils von 27,6 % (mit Beratung und Freibetrag) 87 gegenüber 17,8 % der Befragten ohne Beratung aber mit Freibetrag, eine derartige Hypothese gestützt werden könnte, kehrten sich die Prozentanteile in Phase I I um (18,6% zu 23,0 %). Entsprechendes gilt für beide Berufsgruppen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die einzelnen Strukturmerkmale es nicht zulassen, eine typische Gruppe von Befragten zu beschreiben, die bevorzugt Steuerberatungsleistungen bei der Abrechnung ihrer jährlichen Steuerschuld beanspruchen. d) Zur Ausnutzung von Steuervorteilen Angesichts der Tatsache, daß nahezu alle Befragten entweder zur Einkommensteuer veranlagt werden oder einen Lohnsteuerjahresausgleich beantragen, überrascht das mit der Frage: „Sind Sie der Meinung, daß Sie alle Steuervorteile, die Sie haben, auch ausnutzen?" erzielte Ergebnis nicht (Tabelle 4.18). Etwa drei Viertel aller Befragten geben eine positive Antwort. Bei den Vorarbeitern zeigt sich eine größere Unsicherheit (etwas mehr als ein Viertel) in bezug auf die Ausschöpfung steuerrechtlicher Möglichkeiten gegenüber den Meistern, von denen nur etwa jeder Fünfte diesbezüglich skeptisch ist. Eine — im Rahmen dieser Analyse allerdings nicht überprüfbare — Hypothese zur Erklärung dieses Unterschieds könnte der in der Regel 87 In bezug auf die Besetzung des zugehörigen Feldes in Tabelle 4.17. Diese Bezugsgrundlage wurde gewählt, um die von Phase I nach Phase II gestiegene Inanspruchnahme steuerberatender Tätigkeit auszuschalten.

(Frage:

385

100,0

-

4,2 2,9

20,5

349

100,1

1,7

26,6

69,1

I

b) Abweichungen von 100% infolge Rundung.

139

100,0

_

_

132

_

2,3

28,8

67,4

100,0

II

Vorarbeiter

4 , 3 3,8 4 , 1

24,4

71,1

II

aj Angaben in Prozent der zugehörigen Basis,

Basis

insgesamt*3*

sonstiges

keine Angaben

Steuervorteile aus

ich nutze nicht alle

I

alle Befragten

17,1

78,9

246

2 8 100,1

I

II

21,7

73,3

217

100,1

Meister

(Vorarbeiter und Industriemeister) 3*

Die Steuerbelastung ist heute ja ziemlich hoch. Sind Sie der Meinung, daß Sie alle Steuervorteile, die Sie haben, auch ausnutzen?)

Ausnutzung von Steuervorteilen

ich nutze alle Steuervorteile aus 75,3

Antwort

Tabelle 4 . 1 8 ;

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände

202

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

höhere Bildungsstand bei den Meistern sein. Berufsgruppenspezifische Argumente, wie sie oben bei den freien Berufen angeführt werden konnten, sind bei prinzipiell ähnlichem beruflichen Standard nicht anwendbar. Anhand des Befragungsmaterials kann eine weitere Analyse der einzelnen Antwortgruppen vorgenommen werden. Die Durchschnittswerte für das Lebensalter bewegen sich — wie aufgrund der größeren Besetzungsdichte zu erwarten war — für die Gruppe, die die Steuervorteile auszunutzen glaubt, nur leicht über dem Gesamtdurchschnitt. Demgegenüber weichen die Angaben der in bezug auf die Vorteilsausschöpfung skeptischen Gruppe durchschnittlich bis zu drei Jahren nach unten ab. 88 Damit verbunden ist bei den Letztgenannten ein durchweg niedrigeres durchschnittliches Monatseinkommen. Überraschend ist die augenscheinliche Treffsicherheit, mit der die monatliche Steuerzahlung geschätzt wird. Bei niedrigerem Einkommen in den nicht alle Vorteile ausnutzenden Gruppen werden Beträge für die steuerliche Belastung genannt, die entweder denen entsprechen (Meister Phase I), wie sie von der steuerliche Möglichkeiten ausschöpfenden Gruppen angegeben werden, oder unter Berücksichtigung der Einkommensdifferenz eine „ungerechtfertigte" Höhe aufweisen. Von den Vorarbeitern in Phase I wird sogar eine steuerliche Belastung genannt, die bei niedrigerem Einkommen über der der die Steuervorteile ausnutzenden Gruppe liegt. Mit dem Bewußtsein einer besseren Ausnutzung steuerrechtlicher Möglichkeiten verbunden — und möglicherweise ursächlich dafür — ist die stärkere Inanspruchnahme von Leistungen der steuerberatenden Berufe. Während von der die Vorteilsausnutzung bejahenden Gruppen zwischen einem Viertel und über einem Drittel die Inanspruchnahme des Steuerberaters bestätigt, belaufen sich die korrespondierenden Werte in den skeptischen Gruppen nur zwischen 12 % und 25 %, wobei aber zu beachten ist, daß in keinem Falle die Differenz weniger als 5 Prozentpunkte beträgt. Damit läßt sich die zusammenfassende Schlußfolgerung ziehen, daß das zu Rate Ziehen eines Steuerberaters sowohl zu dem Bewußtsein einer besseren Vorteilsausnutzung als auch zu einer vergleichsweise niedrigeren Steuerbelastung geführt haben kann.

3. Zusammenfassung Die vielfältigen Ergebnisse gebieten es, am Ende dieses Abschnitts einen zusammenfassenden Überblick über Steuerkenntnis und Steuerbewußtheit zu geben. Dazu wird eine graphische Darstellungsform gewählt, die für die verschiedenen Berufsgruppen die ausführlich erörterten Einzelaspekte 88

Lediglich die Vorarbeiter der Phase II sind älter. Vgl. S. 227 im ursprünglichen Manuskript.

I. Kenntnis eigener steuerlicher Tatbestände

203

besonders plastisch werden läßt. In Abbildung 9 finden sich die „Steuerkenntniskurven" für die einzelnen freien Berufe, in Abbildung 10 folgt die entsprechende Darstellung für Vorarbeiter und Industriemeister. Die Reihenfolge der auf der Abszisse dargestellten Indikatoren (Kenntnis der durchschnittlichen Einkommensteuerbelastung, Angabe der Steuervorauszahlungen, Kenntnis der Grenzsteuerhöhe, Kenntnis der tatsächlich gezahlten Steuern) ist so gewählt worden, daß die einzelnen Anteilswerte (in bezug auf die Kenntnis des jeweiligen steuerlichen Tatbestandes) sinken. Als Vergleichsgröße ist ganz rechts die Ausnutzung von Steuervorteilen aufgeführt. Auf der Ordinate sind die Anteilswerte entsprechend den Referenztabellen abgetragen. Ansonsten ist die gewählte Anordnung willkürlich. Sie soll lediglich verdeutlichen, ob es zwischen den einzelnen Berufen bemerkenswerte Parallelen oder Abweichungen gibt. Wie unmittelbar erwartet werden konnte, liegt die „Steuerkenntniskurve" der Steuerberater deutlich über denen der anderen Berufe. Die Anteilswerte bewegen sich zwischen 89,2 % für die Kenntnis der durchschnittlichen Einkommensteuerbelastung und 64,3 % für die exakte Kenntnis der tatsächlich gezahlten Steuern. Für die übrigen Berufe sind dagegen deutliche Parallelen zu konstatieren. Während die Kenntnis der durchschnittlichen Steuerbelastung noch vergleichsweise stark streut (89,2 % für die Steuerberater gegenüber 62,4 % für die Tierärzte), fällt die Konzentration für die Angaben der Steuervorauszahlungen an der 75 %-Marke auf. Aber auch die Kenntnis der Grenzsteuerhöhe und die Kenntnis der tatsächlichen Steuerzahlung streut nur — sieht man wieder von dem Sonderfall der steuerberatenden Berufen ab — zwischen 44,8 % (Tierärzte) und 59,6 % (Anwälte) bzw. 24,4 % (Ärzte) und 33,9 % (Architekten). Bemerkenswert ist die Gleichförmigkeit der Steuerkenntnis in den einzelnen Berufen. Sie wird nur durch wenige Schnittpunkte der Verbindungslinien durchbrochen, so etwa von den Rechtsanwälten zwischen den ersten beiden Indikatoren, von den Ärzten zwischen dem dritten und vierten Indikator. Ebenso fällt auf, daß die Tierärzte bei fast allen Indikatoren die niedrigsten Anteilswerte aufweisen, während sie in überdurchschnittlichem Maße von der Ausnutzung steuerlicher Vorteile überzeugt sind. Auf die mangelnde Konsistenz dieses Antwortverhaltens wurde oben bereits hingewiesen, es wird graphisch noch einmal besonders deutlich. Der Aufbau von Abbildung 10 für Vorarbeiter und Meister entspricht dem von Abbildung 9. Die Indikatoren sind »Kenntnis der Grenzbelastung', »Kenntnis der tatsächlich gezahlten Steuern4 und »Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuer karte'. Als Referenzgröße ist auch hier an letzter Stelle die »Ausnutzung von Steuervorteilen 4 vorgesehen. Zunächst fällt wie-

204

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

der die deutliche Parallelität in den Kurvenzügen auf, die — entsprechend der gewählten willkürlichen Anordnung — in der Kenntnis der Grenzbelastung ein Maximum aufweist, während die Eintragung von Freibeträgen minimale Anteilswerte zeigt. Trotz dieser Feststellung und dem Ergebnis einer nahezu hundertprozentigen Abwicklung der jährlichen Steuerschuld über das Finanzamt (sei es über den Antrag auf Lohnsteuerjahresausgleich, sei es über die Einkommensteuerveranlagung) überrascht die Überzeugung bei über drei Viertel der Meister und über zwei Drittel der Vorarbeiter, die sich ihnen bietenden Steuervorteile auch voll auszuschöpfen. Außerdem ist hervorzuheben, daß die Meister für alle ausgewählten Indikatoren höhere Anteilswerte aufweisen als die Vorarbeiter. Als Erklärung können dafür der höhere Bildungsstand, eine höhere steuerliche Bewußtheit, aber auch — wie im Falle des Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte — einkommensmäßige Voraussetzungen herangezogen werden.

II. Steuerliche im Kontext zu anderen Einflußfaktoren des Arbeitsverhaltens Wenn Steuern dazu imstande sind, das Leistungsverhalten der Zensiten zu beeinflussen, dann ist zunächst ihr Stellenwert im arbeitsangebotsbezogenen Entscheidungsprozeß zu ermitteln. Dabei haben wir grundsätzlich die oben im 2. Kapitel entwickelten Hypothesen zu berücksichtigen. Zur Überprüfung dieses Aspektes sind den Berufsgruppen verschiedene Fragenkreise vorgelegt worden. In erster Linie ging es um — die Determinanten für die aktuellen Arbeitszeit; — die Frage, ob bereits an eine Arbeitszeitverkürzung gedacht wurde. Dies wäre — gleich ob die Arbeitszeit effektiv verkürzt wurde oder nicht — eine notwendige Voraussetzung dafür, daß ein steuerlicher Einfluß bei den Befragten sichtbar gemacht werden kann; — die Frage nach dem Ruhestandsbeginn. Sofern sich die Befragten hierüber noch keine Gedanken gemacht haben, sind — im Befragungszeitpunkt — steuerliche Einflüsse auszuschließen, was jedoch nicht heißen kann, daß zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ruhestandsentscheidung zu fällen ist, nicht doch auch steuerliche Faktoren mitwirken können. Anders dagegen, wenn ein möglichst früher, ein möglichst später oder der Ruhestandsbeginn zu einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt geplant ist. Dann könnten bereits im Befragungszeitpunkt steuerliche Determinanten erhellt werden. 89 ** Sie gelten umso mehr, je bestimmter die zu treffende Entscheidung gefällt werden — was oft eine Frage der zeitlichen Nähe des Ruhestandsbeginns ist.

wird

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens

205

206

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens

207

In diesem Abschnitt geht es somit in erster Linie um die Erfassung eines Ist-Zustandes, insbesondere um die Evaluierung des steuerlichen Einflusses auf bereits realisierte oder auf bevorstehende Entscheidungen in bezug auf das individuelle Arbeitsangebot. 90 1. Freie Berufe a) Determinanten der durchschnittlichen Arbeitszeit Zunächst ging es um die Frage, welche Determinanten für die Länge der gegenwärtigen Arbeitszeit maßgebend waren. Als Ausgangspunkt wurde die offizielle Büro- bzw. Praxiszeit gewählt, wie sie entweder im Firmenschild, in der vom Inhaber festgelegten Normalarbeitszeit etwa für die Mitarbeiter oder in dem zeitlichen Rahmen, wie er sich aus den für Sprechstunden nach Vereinbarung bzw. Beratungsleistungen zur Verfügung stehenden Terminen ergibt, zum Ausdruck kommt. Angesichts der im Vergleich zur offiziellen Büro- bzw. Praxiszeit durchschnittlich längeren effektiven Arbeitszeit lag es nahe zu ermitteln, ob dafür neben anderen auch steuerliche Gründe maßgebend wären. Wie Tabelle 4.19 zeigt, dominieren ganz eindeutig die patientenbzw. mandantenbezogenen Gründe 91 — bei Zahn- und Humanärzten erreichen sie etwa 190 % (mehr als 100 % wegen der Aggregation mehrerer Antworten) bei einem Nennungsindex von etwa 2,9. Schon allein daraus ergibt sich das Ausmaß einer quasi-institutionellen Rigidität der Arbeitszeitselbstbestimmung. Ebenfalls dominierend, wenn auch etwas weniger ausgeprägt, sind diese Gründe von Steuerberatern (151 %) und von Tierärzten sowie Anwälten (etwa 125 %) angeführt worden. 92 ' 93 Ziemlich einheitlich 9,1 Die oben erörterte Kritik in bezug auf hypothetische Fragestellungen trifft hier prinzipiell nicht zu. 91 „Weil der Andrang der Patienten/Mandanten zu groß ist." „Weil es mein Beruf verlangt, daß ich auch außerhalb der Praxiszeiten Schmerzpatienten behandle, Hausbesuche mache" usw. 92 Bei den Architekten waren diesbezüglich weniger Antworten vorgegeben, so daß der Anteilswert (75 %) deutlich niedriger ausgefallen ist. Hinzu kommt bei dieser Berufsgruppe die deutliche Unterbeschäftigung infolge allgemein-wirtschaftlicher Bedingungen im Befragungszeitraum. 93 Von Anwälten und Steuerberatern muß ein nicht unbeträchtlicher Teil der Arbeitszeit damit zugebracht werden, den ständig steigenden Umfang gesetzlicher Vorschriften zu lesen. Vgl. dazu auch G. F. Break (1957a) S. 549. „Allein im Zeitraum von 1969 bis 1977 wurden 306 Steuergesetze erlassen. Im gleichen Zeitraum gab es 273 neue Verordnungen, 1246 Richtlinien sowie andere Verwaltungsanweisungen und Bekanntmachungen. Hinzu kommen die Entscheidungen der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs, die von der Finanzverwaltung, aber auch von den Steuerzahlern zu beachten sind. Im Zeitraum 1969 bis 1977 waren dies immerhin 23 197 Druckseiten". ( W \ Haubrichs, Der ausgebeutete Steuerzahler, in: An den Grenzen der Belastbarkeit, Festschrift für G. Schmölders zum 75. Geburtstag, hrsg. von W. Haubrichs, Frankfurt/M. 1978, S. 12).

208

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

zwischen 23,5 % und 46,4 % wird als zweit wichtigster Faktor die Freude am Beruf, an der Arbeit als solcher angegeben. An dritter Stelle (bei den Steuerberatern an vierter) erscheinen dann die steuerlichen Motive — die hohe steuerliche Belastung zwinge zu längerer Arbeit. 94 An dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, daß die errechneten Anteilswerte jeweils nur auf die Befragten bezogen wurden, die eine längere Arbeitszeit als offiziell vorgesehen genannt haben. Würde die Gesamtheit als Basis gewählt — das wäre insoweit sinnvoll, als man dann den Prozentsatz der Steuerreagiblen insgesamt ermitteln würde — so würden sich teilweise wesentlich niedrigere Zahlen ergeben.95 Grundsätzlich ist eine Abweichung von der offiziellen Arbeitszeit auch nach unten möglich (Tabelle 4.20). Das Material ist hier sehr differenziert. Während für die Architekten wegen der besonderen wirtschaftlichen Situation die schlechte Auftragslage für kürzere Arbeitszeiten determinierend war, wurden von den Steuer- und rechtsberatenden Berufen in erster Linie persönliche und private Gründe angeführt. Mit einer gewissen Genugtuung stellen etwa 26 % bzw. knapp 32 % bezogen auf die hier analysierten Teilgruppen von ihnen fest, daß sie auf den Verdienst durch eine längere Arbeitszeit nicht angewiesen seien. Steuerliche Gründe sind bei den Steuerberatern überhaupt nicht angekreuzt worden, bezogen auf die Teilgruppe sind es bei den Architekten 14 %, bei den Anwälten 9 % . 9 6 In Tabelle 4.21 sind einige Merkmale für die Gruppe derjenigen dargestellt worden, die steuerliche Gründe mit dafür verantwortlich gemacht haben, daß sie täglich länger arbeiten, als es die Praxis- bzw. Bürozeit eigentlich vorsehen würde. Bei dem wichtigsten Kriterium, der Länge der täglichen Arbeitszeit, ergibt sich tatsächlich in allen Gruppen ein gegenüber der zugehörigen Gesamtheit höherer Durchschnittswert. Das gilt jedoch nicht für die korrespondierenden Umsatzgrößen: Neben Berufsgruppen, bei denen sich die Umsätze nahezu entsprechen (Ärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte) gibt es solche, bei denen die Steuerreagiblen höhere (Architekten) oder auch niedrigere Werte (Zahnärzte, Steuerberater) haben als die Gesamtheit. Dabei erweisen sich die Arbeitszeiten nicht als durchgängiger Erklärungsfaktor für diese Unterschiede. Ähnliches gilt auch für die Altersangaben, die allerdings wesentlich weniger streuen als die Arbeitszeiten (die maximale Differenz beträgt 3,3 Jahre bei den Zahnärzten). Bemerkenswert ist dagegen, daß die analysierten Teilgruppen die eigene steuerliche Durchschnittsbelastung ent1)4

Vgl. dazu auch unten die Interpretation zu Tabelle 4.30: Steuerkenntnis und steuerliche Einflüsse bei der Entscheidung über Abweichungen der Arbeitszeit von der Praxiszeit/ Bürozeit. Aus den Angaben unter „sonstiges" in Tabelle 4.19 haben sich keine steuerlich wichtigen Gesichtspunkte ergeben, so daß auf ihre Darstellung verzichtet werden kann. 4,6 Die vorige Anmerkung gilt für Tabelle 4.20 entsprechend.

287

289,2

39,7

11,5

'

85 268

207,1

23,5

14 6

12,9 20

32



75



25,4

'

18 7

16,0 6 , 3

201

286,2

'

190 3

'

215,7

'

29 4

26,4

235

65,6

37 5

31,3

218,6

13,9

37,3

23,8 '

253,7

21,3

11 1

"1.1

46,4

Architekten Rechtsanwälte Steuerberatende und Notare Berufe

35,8

Zahnärzte

c)

Mehrfachnennungen.

b) Wegen Aggregation mehrerer Antworten mehr als 100%.

a) Angaben in Prozent derjenigen, die täglich im Durchschnitt länger arbeiten als es die offizielle Bürozeit/Praxiszeit vorsieht.

Basis

x

0

h0h€n

insgesamt *

sonstiges

Steuern^

materielle Gründe

'

127 1

'

CezogenenGrSndeanten£)

187 5

23,5

35,9

Tierärzte

längere effektive Arbeitszeit)

Ärzte

(hier:

Gründe für Abweichungen der täglichen Arbeitszeit von der Praxiszeit/Bürozeit a)

Freude am Beruf

Antwort

Tabelle 4 . 1 9 :

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens 209

Architekten

D

'

gegenwärtig,.

'

(0,9)

'

22 7

4

2

(0,0) 21,4 (3,3)

-

(4,1)

164,3 (25,6)

*' 2

26,2 (4,1)

< 7 ' 6 > 90,5 ( 1 4 , 1 )

Berufe

Basis 64 22 42 a) Die Frage war bei den Heilberufen nicht gestellt worden, weil aufgrund der Pretest-Ergebnisse mit einer zu niedrigen Antwortquote zu rechnen war. Angaben in Prozent der zugehörigen Basis. In Klammern bezogen auf die jeweilige Gesamtheit. b) Antwort nur bei den Architekten vorgegeben. c) Mehrfachnennungen.

insgesamt *

129,7 (35,7)

12,5 ( 3 , 4 )

0

sonstiges

(3,9)

'

(0 9

steuerliche Gründe

Arbeit nicht angewiesen

bin auf den Verdienst durch längere

ungünstig ist

weil die Auftragslage

Nachfolger

Übertragung von Arbeiten auf

bedingte Gründe

14 1

.. „

Rechtsanwälte

(hier: kürzere effektive Arbeitszeit)

Gründe für Abweichungen der täglichen Arbeitszeit von der Bürozeit a*

gesundheitliche, familiäre und alters-

Antwort

Tabelle 4.20: 210 4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens

211

weder gleich hoch oder höher 97 einschätzen als die Gesamtheit, wobei dies auch in den Fällen gilt, in denen der Umsatz niedriger liegt, so daß die Vermutung der Überschätzung der eigenen steuerlichen Belastung mit der Folge einer stärkeren Reaktion bei der Arbeitszeit auf der Hand liegt. Zur weiteren Information enthält die Tabelle noch die Durchschnittsgrößen für den Jahresurlaub — hier ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte. Ein weiterer wichtiger Aspekt wurde durch die Frage angesprochen, ob schon einmal daran gedacht worden sei, die Arbeitszeit zu verkürzen. Wie Tabelle 4.22 zeigt, hat sich etwa ein Fünftel aller Befragten diese Frage noch nicht vorgelegt. Für sie entfällt die Notwendigkeit einer weiteren Analyse. Von Interesse sind dagegen die beiden anderen Antwortkategorien „ja, habe die Arbeitszeit schon verkürzt" und ,ja, kommt für mich aber nicht infrage", weil dabei steuerliche Motive eine Rolle gespielt haben könnten. Erfaßt wurden die Entscheidungsdeterminanten mittels zweier Zusatzfragen, die einen Katalog sehr wahrscheinlicher Faktoren enthielten.98 Bei den Befragten, die ihre Arbeitszeit bereits verkürzt haben (Tabelle 4.23), stehen private und gesundheitliche Gründe im Vordergrund. Sie rangieren zwischen 75 % bei den Ärzten und etwas über 60 % bei den Zahnärzten. Bei den Architekten, deren Wert noch höher liegt als der der Ärzte, haben Sondereinflüsse (besonders schlechte Auftragslage wegen der allgemeinen Konjunkturlage im Befragungszeitraum) mitgewirkt. Bezogen auf die Häufigkeit, mit der die Vorgaben insgesamt angekreuzt wurden, bedeutet dies, daß etwa die Hälfte der Architekten und Ärzte sowie 40 % der Tier- und Zahnärzte persönliche Gründe nannten. Demgegenüber fallen die anderen Antwortkategorien deutlich ab. Die bereits erreichte Realisierung beruflicher und materieller Ziele war für die Hälfte der Steuerberater, für die übrigen Berufe zwischen über einem Drittel (rechtsberatende Berufe) und einem Viertel (Ärzte) maßgebend, während die Regelung des Nachfolgerproblems bei Ärzten und Steuerberatern (etwa 17 %) am wenigsten, bei den Tierärzten (knapp 38 %) am meisten zur Arbeitszeitverkürzung beigetragen hat. Besonders interessant sind die steuerlichen Gründe in diesem Kontext. Auch hierzu haben wir sehr divergierende Anteilswerte ermittelt. Bei der Referenzgruppe der Steuerberater liegt sie mit nur 7 % am niedrigsten. Es überrascht dagegen nicht, daß über ein Drittel der Zahnärzte, die — wie an anderer Stelle gezeigt wurde — die höchsten Einkommen erzielen, steuerliche Gründe ins Feld führt. Diesbezüglich besonders sensibel sind außerdem noch die beiden anderen Heilberufe mit knapp 20 %. Dabei ist zu berücksich97 Nur bei den Rechtsanwälten ergibt sich eine Abweichung von einem Prozentpunkt nach unten. 98 Die folgenden Tabellen 4.23 und 4.24 enthalten bereits eine Aggregation der verschiedenen Antwortvorgaben. Ausführlich sind sie dargestellt in: W. A. S. Koch (1976a) S. 18 ff., passim.

29,3 4,3

41,7

4,1

28,8

52,9

50,7

159.700,-

45,1

31 ,4

32,4

46,1

47,3

31 ,5

29,2

60,2

138.OOO,-

167.300,-

56,1

Gemessen an der offiziellen Praxiszeit/Bürozeit.

3,2

46,3 138.600,-

2,9

34,3

60,7

161.900,-

47,6

c)

3,8 5 , 2

34,6

50,0 241.800,-

4,2

42,7

39,8

257.900,-

45,9

( a ) : Durchschnittsalter (in Jahren) ( b ) : Durchschnittsumsatz pro Jahr (in DM) ( c ) : durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit (in Stunden) (d): durchschnittlicher Einkommensteuersatz (in Prozent) ( e ) : durchschnittlicher Jahresurlaub (in Wochen)

4,9

(e)

46,3 135.900,-

3,0

52,6

35,4

61,4

217.600,-

53,3

Architekten Rechtsanwälte Steuerberaten· und Notare de Berufe

Die Besetzung der einzelnen Felder kann aus der Haupttabelle 4 . 1 9 errechnet werden.

40,3

213.000,-

40,2

(

51,8

51,9

(c)

134.400,-

46,3

Zahnärzte

a)

(b)

(a)

211.900,-

(b)

3,4 4,8

53,4

(a)

Tierärzte

b)

Befragten

alle

fUr

Mittelwerte

der Entscheidung für eine längere tägliche Arbeitszeit '

Ärzte

Der steuerliche Aspekt bei Abweichungen der Länge der täglichen Arbeitszeit von der Praxiszeit/Bürozeit a'

Steuerliche Gesichts~b) punkte bei...

Tabelle 4 . 2 1 :

212 4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

-

1,0 0,5

0,6 0,4

1,7 0,4

390

194

791

233

223

0,4 1,5

(41 , 2 / 4 7 , 4 )

269

100,1 (46,3/52,6) (45,1/52,9)

-

(44,3/50,0)

21,6

-

100,1 9 9 , 9 100,0 100,0 100,0 (51,8/47,7) (46,3/61,0)(50,0/34,6)

0,3

19,7

(44,3/57,9) (45,3/33,4)

18,7 15,5

( 4 9 , 6 / 4 1 ,8)

1 6 , 2 20,1

(42,8/57,1)

(53,4/47,4)

(47,3/50,7)

(42,1/46,4)

(45,2/57,5)

(53,0/45,9)

b) Abweichungen von 100% infolge Rundung.

a) Angaben in Prozent aller Befragten der jeweiligen Berufsgruppe. In Klammern sind das durchschnittliche Alter/die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit angegeben.

Basis

insgesamt1**

keine Angaben

sonstiges

nein

5 5 , 4 51,0 3 3 , 6 50,2 55,6 40,5 (50,8/48,9) ( 4 4 , 2 / 6 4 , 7 ) ( 4 7 , 3 / 3 6 , 9 ) (44,1/56,3)

36,1 (50,8/48,3)

ja, kommt für mich aber nicht in Frage

27,3 46,7 32,2 24,7 (55,2/48,4) (51,1/55,1)(53,9/33,4)

Zahnärzte Architekten Rechtsanwälte Steuerberatende und Notare Berufe

Ihre Arbeitszeit zu verkürzen?)

28,2

Tierärzte

Haben Sie schon einmal daran gedacht,

Ärzte

(Frage:

Arbeitszeitverkürzung 0*

ja, ich habe sie schon verkürzt

Antwort

Tabelle 4 . 2 2 :

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens

110

'

53

11,9

160,4

5,7

18,7

'

64 2

369

'

1,9

36,0

11,7

75

55

78 7

_

158,5

'

62 6

1 6 1 ,8

22,7

154,7

20,0

14,7

'

67 3

34,1

23,9

97 9,5 7,8

151 ,4

14,5

12,7

69,0

25,3

16,0

4,8

47,4

Einschließlich der Antworten, auf die nur bei den Heilberufen gestellte Frage "aus Gründen einer veränderten (tier-)ärztlichen Versorgung in meinem Gebiet", die für die Ärzte 2 , 7 % , für die Tierärzte 20,8% und für die Zahnärzte 3 , 3 % ergab.

c) Mehr fachnennungen.

b)

10,3

7,2

36,4

17,5

Steuerberatende Berufe

30,9

Zahnärzte Architekten Rechtsanwälte und Notare

a) Angaben in Prozent derjenigen, die ihre Arbeitszeit bereits verkürzt haben.

Steuerliche Gründe bezogen auf Nennungen insgesamt

Basis

insgesamt* *

160,0

27,3

sonstiges

3

19,1

steuerliche Gründe

Zeitliche Gründe

_

private und gesund-

34,0

37,8

Tierärzte

^, „

21,8

Realisierung beruflicher und materieller Ziele

75 7

16,3

Übergang für Nachfolger* 3*

Ärzte

(Frage: Wenn Sie Ihre Arbeitszeit bereits verkürzt haben, welche Gründe waren dafür besonders maßgebend?

Gründe für Arbeitszeitverkürzung 3*

Aggregierte Antworten

Tabelle 4 . 2 3 ;

214 4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens

215

tigen, daß von den Befragten im Durchschnitt etwa 1,5 Antworten gegeben wurden. Selbst wenn man die steuerlichen Gründe auf die Gesamtzahl der Nennungen bezieht, verringern sich die entsprechenden Werte nur auf zwischen gut 20 % bei den Zahnärzten und 5 % bei den Steuerberatern." Geht man von der Häufigkeit der Nennungen für die einzelnen Antwortkategorien aus, so stehen die steuerlichen Gründe bei den Zahnärzten an zweiter, bei den Ärzten an dritter Stelle, bei allen anderen Berufen an letzter Stelle. Wenn steuerliche Einflüsse auf die Entscheidung über die Länge der Arbeitszeit sichtbar und in der Größenordnung erkennbar gemacht werden können, dann durch diesen Befund. Deutlich schwächer ist der Einfluß steuerlicher Motive bei der Entscheidung darüber, die tägliche Arbeitszeit nicht zu verkürzen (Tabelle 4.24). Hier hat sich herausgestellt, daß bei den Ärzten als einziger Berufsgruppe rein berufsethische Gründe an erster Stelle stehen (73 %). In allen anderen Berufen wird diese Position von materiellen Faktoren eingenommen, wobei Anteilswerte von fast 100 % bei den Architekten und 77 % bei Tierärzten und Zahnärzten erreicht werden. Als wichtiger Entscheidungsfaktor hat sich daneben die Freude an der Arbeit sowie das Gefühl, gerade gut ausgelastet zu sein, herauskristallisiert. Während es sich dabei im Prinzip um einen Bestimmungsfaktor handelt, durch den die Selbstbestimmung über die Länge der Arbeitszeit zum Ausdruck gebracht wird, ist die Notwendigkeit, die Arbeitszeit nicht verkürzen zu können, um die noch unzureichende Alterssicherung zu verbessern, mehr als Zwangselement zu charakterisieren. Immerhin liegen die Anteilswerte in den einzelnen Berufsgruppen zwischen fast einem Fünftel bei den Steuerberatern und über einem Drittel bei den Zahnärzten. Die steuerlichen Gründe im besonderen erreichen bei den Architekten etwa 20 %, bei den steuerberatenden Berufen jedoch nur 8 %. Dabei ist zu beachten, daß die Befragten die Möglichkeit zu Mehrfachnennungen hatten: Im Schnitt hat jeder Befragte, der zu dieser Frage antwortete, zwei Bestimmungsgründe für die noch nicht erfolgte Arbeitszeitverkürzung genannt. Bezieht man die Häufigkeit des steuerlichen Aspekts auf die Gesamtzahl der Antworten in jeder Berufsgruppe, so reduzieren sich die genannten Anteilswerte etwa auf die Hälfte (letzte Zeile in Tabelle 4.24). 100 Inwieweit sind die Antworten bei diesem Fragenkomplex mit denen an anderer Stelle im Erhebungsbogen konsistent? Ist es möglich, für die Gruppe der steuerbewußten Befragten typische Merkmalsstrukturen herauszufin-

99 Die Berechnung dieser Anteilswerte impliziert nur jeweils eine Antwort durch die Befragten. 100 Zu den Antworten unter „sonstiges" in den Tabellen 4.23 und 4.24 vgl. die ausführliche Darstellung in W. A. S. Koch (1976a) S. 20, passim.

... '° '

214,0

47

_ '°

16,9 27,4

77,0

9,1

18,5

70,1

30,6

202,4

4,5

109

14,5

.„ ^

Rechtsanwälte

'

22,9

47 7

Steuerberatende

8,3

58,8

16,5

Berufe

185,3

39,4

und Notare

b) Eine entsprechende Antwort war bei den Architekten nicht vörgegeben. c) Mehrfachnennungen.

a) Angaben in Prozent derjenigen, bei denen eine Arbeitszeitverkürzung nicht in Frage kommt.

10,9

117 124

196,7

21,4

94,9

27,4

'

Λ 41 2

53,0 -b) 4 6 , 0

Zahnärzte Architekten

36,1

222,8

'

50 7

11,1 10,1 6,0

77,7

.

55,6

Tierärzte

32,2

38 4

73,1

Basis 216 99 266 steuerliche Gründe bezogen auf die Nennun7,1 5,2 7,6 gen Insgesamt

208,3

14,8 15,3

davon: steuerliche Gründe sonstiges

insgesamt

52,8

materielle Gründe



23,1

44

Alterssicherung

Freude an der Arbeit und optimale Auslastung

berufsethische Gründe

Ärzte

(Frage: Wenn eine Verkürzung des Arbeitstages bei Ihnen nicht in Frage kommt, welche Gründe sind dafür ausschlaggebend?)

Der Arbeitszeitverkürzung entgegenstehende Gründea)

Aggregierte Antworten

Tabelle 4 . 2 4 :

216 4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens

217

den?101 Als Referenzwerte für die weitere Analyse sollen wieder die jeweiligen Durchschnittswerte für alle Befragten der zugehörigen Berufsgruppe verwendet werden. In bezug auf das Alter ergeben sich keine eindeutigen Schlußfolgerungen. Während für die Gesamtheit der Befragten, die eine Arbeitszeitverkürzung bereits realisiert haben, ein signifikanter Altersunterschied zur Gesamtheit aller Befragten errechnet wurde — die erstgenannten Befragten sind im Durchschnitt älter als die Gesamtheit (Tabelle 4.22) —, ergeben sich hier (Tabelle 4.25) von Berufsgruppe zu Berufsgruppe andere Werte. Bei Tierärzten und Zahnärzten sind die Steuerreagiblen 102 im Durchschnitt älter, bei Architekten und Anwälten dagegen jünger als die Gesamtheit. Bei Ärzten und Steuerberatern ist eine Gruppe älter, die andere jünger, wobei nicht alle Unterschiede signifikant sind. Ähnlich diffenziert ist das Bild in bezug auf die Durchschnittsumsätze. Bei den Tierärzten weisen die beiden steuerreagiblen Gruppen höhere Umsätze auf als die Gesamtheit, bei den anderen Berufen liegt eine Gruppe unter, die andere über dem Durchschnitt. Nur zum Teil sind die Umsatzdifferenzen durch die Länge der wöchentlichen Arbeitszeit bedingt. 103 Das bisher gewonnene Bild bestätigt sich bei (diesem Merkmal. Bei denen, die bereits eine Verkürzung der Arbeitszeit aus steuerlichen Gründen realisiert haben (Ärzte, Zahnärzte), weicht die durchschnittliche Arbeitszeit nach oben, bei den anderen Berufen nach unten vom Gesamtdurchschnitt ab (und vice versa für diejenigen, die eine Arbeitszeitverkürzung bisher lediglich in Betracht gezogen haben). Nur beim Jahresurlaub ergibt sich ein Hinweis darauf, daß die hier untersuchte Untergruppe sich einheitlich verhält. Seine durchschnittliche Länge liegt beiden Befragten mit bereits verkürzter Arbeitszeit durchweg über dem Gesamtdurchschnitt, während er sich in der zweiten Gruppe darunter befindet. Beachtenswert ist darüber hinaus die Feststellung, daß ohne Ausnahme die steuerreagiblen Befragten ihre eigene durchschnittliche Einkommensteuerbelastung höher angegeben haben als die Gesamtheit. Dabei mögen ζ. T. die Angaben infolge höherer Durchschnittsumsätze (in der Regel daher auch höhere Einkommen) gerechtfertigt sein (ζ. B. Tierärzte, Anwälte), ζ. T. ist die Zuverlässigkeit der Angaben zumindest teilweise fragwürdig (Zahnärzte, Architekten, Steuerberater). Insgesamt scheint sich hier zu zeigen, daß die steuerreagiblen 101 Bei der folgenden Analyse muß beachtet werden, daß weiterreichende Schlußfolgerungen wegen der ζ. T. geringen Besetzungsdichte auf den einzelnen Feldern aufgrund statistischer Vorbehalte nicht gezogen werden können. 102 Man kann auch die Gruppe, die aufgrund der Höhe der steuerlichen Belastung nicht reagiert hat, im steuerpolitischen Sinne als „steuerreagibel" — hier im Sinne eines Unterlassens von eigentlich gewollten Anpassungsvorgängen — bezeichnen. 103 Zur Erklärung von Arbeitszeit- und Umsatzunterschieden müssen vor allem die Zahl der Mitarbeiter, die Art der Praxisführung, die Zahl der Patienten, Mandanten usw. herangezogen werden. Vgl. dazu W. A. S. Koch (1976a) S. 9, 13, passim.

(b)

liehen Arbeitszeit

(a)

Mittelwerte für alle Befragten

40,8

5,9

(d)

(e)

47,7

40,3

(d)

6,1

33,4

29,3

61,0

5,0

3,2

4,0 46,3

43,9

41,7

34,6

3,3 45,1

37,4

28,8

52,6

42,1

36,9

51,7

47,3

35,2

32,4

52,9

159.700,--

58,0

199.300,--

138.600,--

59,2

43,6 144.OOO —

4,9

30,3

46,6

182.100,—

43,6

241.800,--

36,6

225.500,—

51,1

3,9

43,6

35,7

244.000,—

45,2

33,4

29,2

50,7

167.300,—

61,2

141.000,—

50,2

36,5

50,7

242.700,—

42,3

Architekten Rechtsanwälte Steuerberaund Notare tende Berufe

103.900,—

Zahnärzte

50,9

135.900,—

3,4 4,3 4 6 , 3 50,0

77,0

197.700,—

48,0

4,0

37,3

45,7

214.700,—

47,$

213.000,—

4,5

40,7

(c)

(b)

(e) 51,8

(d)

46,3

211 .200,--

53,5

61,8

(c)

318.000,—

50,4

Tierärzte

(e) 4,9 3,8 5,2 3,2 4,3 4,1 a) Die Besetzung der einzelnen Felder kann aus den Haupttabellen 4 . 2 3 und 4 . 2 4 errechnet werden. b) ( a ) : Durchschnittsalter (in Jahren) ( b ) : Durchschnittsumsatz pro Jahr (in DM) ( c ) : durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit (in Stunden) ( d ) : durchschnittlicher Einkommensteuersatz (in Prozent) ( e ) : durchschnittlicher Jahresurlaub (in Wochen).

(c)

Arbeitszeit

einer in Betracht (a) gezogen, jedoch nicht realisierten Ver(b) kürzung der täglichen

(a)

einer effektiven Verkürzung der täg-

bei

Ärzte

Der steuerliche Aspekt bei der Bestimmung der Länge der täglichen Arbeitszeit 3*

Steuerliche Gesichtspunkte^ ···

Tabelle 4 . 2 5 :

218 4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens

219

Gruppen überdurchschnittlich hohe Einkommen haben und/oder zu einer Überschätzung ihrer steuerlichen Belastung neigen. Was beinhaltet dieses Ergebnis? Wäre auch die Teilmenge der als steuerreagibel zu klassifizierenden Befragten im Durchschnitt älter gewesen als die Gesamtheit, so hätte die Vermutung nahegelegen, daß nicht steuerliche, sondern altersmäßige Bestimmungsfaktoren für die Arbeitszeitverkürzung maßgebend gewesen wären. So jedoch kann ein solches Argument nicht vorgetragen werden. Vielmehr scheint die Altersdifferenzierung auf andere Einflußgrößen hinzuweisen. M. a. W. könnte das steuerliche Motiv in den hier erörterten Fällen tatsächlich dominant gewesen sein. Dies gilt entsprechend auch für die anderen genannten Merkmalsgrößen, die es ebenfalls nicht gestatten, die steuerlich bedingte Reaktionsempfindlichkeit eindeutig etwa ausschließlich durch besonders hohe Umsätze oder besonders lange Arbeitszeiten zu erklären. Vielmehr erhärtet sich an dieser Stelle der Eindruck, daß die eigene steuerliche Belastung subjektiv unterschiedlich intensiv empfunden wird und erst im Kontext mit anderen Einflußfaktoren und Notwendigkeiten zu den jeweiligen Verhaltensweisen (Anpassungen oder Unterlassung von Anpassungen) Anlaß gibt. b) Determinanten des Ruhestandsbeginns Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Ermittlung der Einflußfaktoren bei der Entscheidung über den Zeitpunkt des Ruhestandsbeginns und welche Bedeutung in diesem Zusammenhang die steuerliche Belastung einnehmen würde. Für die freien Berufe ist zwar prinzipiell eine freie Entscheidung über den Beginn des Ruhestands anzunehmen, faktisch, d. h. infolge einzelvertraglicher aber auch kollektivrechtlicher Bindungen in bezug auf den Beginn von Zahlungen der Altersrente 104, ergeben sich auch für die befragten Berufsgruppen bestimmte Altersgrößen, von denen ab der Ruhestand frühestens realisiert werden kann. 104 Allgemein dürfte die Entscheidung in erster Linie vom Ausmaß der erreichten Alterssicherung abhängig sein. 105 Entsprechend Tabelle 4.26 hat sich ein nicht unbeträchtlicher Teil der Befragten (zwischen knapp 40 % der Rechtsanwälte und 20 % der Ärzte, wobei festzustellen ist, daß der Anteilswert umso größer ist, je niedriger das Durchschnittsalter der betreffenden Gruppe liegt — ein durchaus plausibles Ergebnis) 106 über den Beginn des Ruhestandes noch keine Gedanken gemacht. Im Zeitpunkt der Befragung können damit — analog zur obigen Argumentation — steuerliche Einflüsse als noch nicht existent angesehen 104 Im allgemeinen liegt das versicherungsrechtlich fixierte Ruhestandsalter der freien Berufe über dem der abhängig Beschäftigten. Vgl. W. A. S. Koch (1976b) S. 163. 1.15 Vgl. dazu ausführlicher die Darstellung d. Verf. (1976a) S. 130 ff. 1.16 Vgl. z. B. D. M. Holland (1970) S. 471.

220

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

werden. Die anderen beiden Antwortvorgaben erhielten von den übrigen Befragten Anteilswerte zwischen knapp 43 % (Steuerberater) und knapp 30 % (Rechtsanwälte) bei der Entscheidung für einen möglichst frühen, zwischen etwa 25 % (Tierärzte, Architekten) und etwa 30 % (Ärzte, Rechtsanwälte) bei dem Wunsch nach einem möglichst späten Ruhestandsbeginn. Die weitere Analyse des empirischem Befundes (Tabelle 4.27) zeigt, daß die Größenordnung des steuerlichen Einflusses auf die Ruhestandsentscheidung etwa der entspricht, die wir bei der Untersuchung der Verkürzung der täglichen Arbeitszeit gefunden haben. 107 Abgesehen von den Steuerberatern, bei denen die Erfüllung ihrer beruflichen Ziele mit fast 90 % den ersten Rangplatz in der Häufigkeit der Nennungen erreicht hat, erwähnen die anderen Berufe in erster Linie private und gesundheitliche Gründe. Diese Werte liegen bei drei Berufen zwischen 90 % und 97 % (Architekten, Ärzte, Rechtsanwälte), d. h. bei ihnen hat praktisch jeder Befragte einmal die privaten bzw. gesundheitlichen Motive angekreuzt. 108 Demgegenüber sind die anderen Gründe materieller Art sowie die Lösung des Nachfolgerproblems von geringerer Bedeutung. Letzteres spielt vor allem bei den Steuerberatern eine größere Rolle. Bei ihnen wird sehr häufig ein kontinuierlicher Rückzug aus dem Arbeitsleben durchgeführt dergestalt, daß sukzessive Teile der Praxis auf den Nachfolger übertragen werden. Weiterhin überrascht nicht, daß die bereits erfolgte Lösung der Praxisnachfolge bei den Tierärzten und den Anwälten vergleichsweise hohe Werte (41 % bzw. 34 %) erzielt hat, wenn man bedenkt, daß bei diesen Berufen die Zusammenarbeit in Sozietäten besonders verbreitet ist. 109 Dagegen macht die steuerliche Beeinflussung der Ruhestandsentscheidung („meine Steuern sind so hoch, daß sich das Arbeiten nicht länger lohnt") nur einen Bruchteil aus: Bezogen auf die jeweilige Basis ergeben sich Werte von zwischen 5 % (Architekten) und 11,5 % (Tierärzte), bezieht man sie auf die Gesamtzahl der Antworten in jeder Berufsgruppe, so übersteigt der Anteil steuerlicher Gründe praktisch nicht die Grenze von 5 % — er schwankt zwischen 2,3 % bei den Architekten und 5,3 % bei den Zahnärzten. 110 Nicht grundsätzlich verschieden davon ist das Bild bei den Befragten, die einen möglichst späten Ruhestandsbeginn präferieren (Tabelle 4.28). Mit deutlichem Abstand stehen hier Freude und Interesse an der Arbeit in allen

107

Vgl. Tabellen 4.28 und 4.29. Der Nennungsindex liegt zwischen 2,1 (Zahnärzte) und 2,4 (Ärzte). ,,w D. h. Alterssicherung durch Sozietätsvertrag. Vgl. W. A. S. Koch(\916b) S. 158 f. 11(1 Zur Auswertung der Angaben unter „sonstiges" in den Tabellen 4.27 und 4.28 vgl. W. A. S. Koch (1976a) S. 28, passim. 108

791

223

-

6,8

100,0 (46,3) 233

1,4

0,5

25,8

34,3

0,9

29,6

28,7

100,0 (46,3)

4^4

39,0 (39,5)

(54,1)

(43,8)

(45,1)

(52,9)

(44,3)

100,0

26,0 (39,7)

26,8

42,8

(47,3)

(59,1)

(43,7)

Rechtsanwälte Steuerberatende und Notare Berufe

In Klammern ist das durchschnittliche

269

99,9 (50,0)

1,8

33,0 (40,9)

(58,1)

(47,7)

In Prozent aller Befragten der jeweiligen Berufsgruppe. Alter der betreffenden Gruppe angegeben.

194

100,0 (51,8)

2,6

-

33,4 26,9 (42,9)

(52,9)

37,8 (46,0)

Zahnärzte Architekten

b) Abweichungen von 100% infolge Rundung.

a)

Basis

insgesamt* *

390

1,0

keine Angaben

100,0

5,4

33,0 (41,1)

habe mir noch keine 20,5 Gedanken gemacht ( 4 4 , 5 )

sonstiges

24,2 (57,0)

31,8

40,2 (50,1)

Tierärzte

möglichst spät

Ärzte

41,3

5

(freie Berufe) a)

(Frage: Haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, wann Sie sich zur Ruhe setzen wollen?)

Beginn des Ruhestands

möglichst früh

Antwort

Tabelle 4 . 2 6 ;

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens

*



'

1

12,8

11,5

41,0

θΛΩ

56,4

80 8

232,0

~

4

„ „Λ

.

'

'

-, ^

207,1

13,4

11,0



.. '

32,5

218,4

13,8

'

96 9

4,7

6,1

37,5

223,5

70,8 50,0

Ω

'

34 4

9,6

24,4

234,8

88,7

58,2

Steuerberatende Berufe

53,9

Architekten Rechtsanwälte und Notare

11 3

5,0 10,9

90

Λ

68,6

8

Zahnärzte

_0 ^

5

34,1

75 2

Ί

Tierärzte

Basis 161 78 299 80 64 115 steuerliche Gründe bezogen auf die Nennungen insgesamt 4,4 5,0 5,3 2,3 4,9 2,6 a) Angaben in Prozent derjenigen, die einen möglichst frühen Ruhestandsbeginn planen. b) Mehrfachnennungen.

242,3

20,5

sonstiges

25,5

95

10,6

insgesamt*5*

Qe.

86,3

steuerliche Gründe

davon:

materielle Gründe

liehe Gründe

private und gesundheit-

2iels

Erfüllung des Berufs-

problems



„_ _

15

Lösung des Nachfolger-

Ärzte

(Frage: Wenn Sie sich möglichst früh zur Ruhe setzen wollen, was wäre dann für Ihre Entscheidung besonders wichtig?)

Gründe für frühen Ruhestandsbeginna)

Aggregierte Antworten

Tabelle 4 . 2 7 :

222 4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

II. Einflußfaktoren des Arbeits Verhaltens

223

Berufsgruppen an der Spitze. 111 An zweiter Stelle findet sich recht einheitlich in allen Berufen die Notwendigkeit, noch für die eigene Alterssicherung verdienen zu müssen (zwischen 40 % und 45 % der Nennungen). Dagegen hat das Gewicht der rein berufsethischen Gründe in allen Berufen gegenüber der obigen Darstellung bei der Frage nach der Arbeitszeitverkürzung stark abgenommen. Lediglich die Ärzte mit 35 % und die Steuerberater mit 30 % weisen hier noch größere Anteilswerte auf. In gleicher und etwas geringerer Größenordnung finden wir im Rahmen der materiellen Motivation auch steuerliche Gründe vor. Während Ärzte, Rechtsanwälte und Zahnärzte leicht über 20 % liegen, fallt unsere Referenzgruppe, die der Steuerberater, deutlich nach unten ab. Lediglich knapp 7 % von ihnen sehen ihre Ruhestandsentscheidung durch die Höhe der steuerlichen Belastung beeinflußt. Bezieht man diesen Faktor auf die Gesamtzahl der Nennungen — die Befragten haben zwischen fast 2,7 (Ärzte) und 2,1 (Tierärzte) Antworten angekreuzt, so reduzieren sich die Werte in allen Befragungsgruppen auf unter 10 %, bei den Steuerberatern sogar auf knapp 3 %. Zwar ist ein steuerlicher Einfluß bei beiden Richtungen der Entscheidung über den Ruhestandsbeginn vorhanden, seine Größenordnung wird jedoch bei weitem von den anderen Determinanten übertroffen, wobei insbesondere berufsethische, arbeitsbezogene sowie private und gesundheitliche Gründe maßgebend sind. Die weitere Analyse der beiden Untergruppen, die steuerliche Motive genannt haben (Tabelle 4.29), zeigt ein ähnlich uneinheitliches Bild wie vorher bei der Bestimmung der täglichen Arbeitszeit (Tabelle 4.25). In bezug auf das Lebensalter gibt es Berufe (Steuerberater, Rechtsanwälte, Architekten und Zahnärzte), deren Mittelwerte für beide Ruhestandsentscheidungen über dem Gesamtdurchschnitt liegen. Bei Ärzten und Tierärzten liegt eine Gruppe darüber, eine darunter. Sieht man von den Tierärzten ab, so ist die Gruppe mit dem Wunsch nach einem frühen Ruhestand signifikant jünger als die steuerreagible mit der Absicht eines möglichst späten Ruhestandsbeginns. Das entspricht dem für die Gesamtheit der einzelnen Berufsgruppen gefundenen Ergebnis. 112 So könnte immerhin die Vermutung naheliegen, daß das Alter bei der Ruhestandsentscheidung eine dominante Rolle spielt. Im gleichen Sinne einheitlich sind auch die Berechnungen für die Durchschnittsumsätze. Ohne Ausnahme liegen sie in den Gruppen mit frühem Ruhestandsbeginn signifikant über denen der anderen Gruppe. Bezogen auf den Gesamtdurchschnitt zeigen sich dagegen Berufe, in denen die Umsätze in beiden Teilgruppen unter (Tierärzte), über (Architekten) oder in einer Teilgruppe darüber, in der anderen darunter (alle anderen Berufe) liegen. Es 111 Die Prozentwerte über 100 % sind durch die Aggregation von drei Antwortvorgaben zu erklären. 1,2 Vgl. W. A. S. Koch (1976a) S. 130.

21,3

sonstiges

124

267,0

6,6

264

213,7

9,5

14,9

36,2

9,4

60 66

235,1

21,7

20,1

26,6

39,8

6,4

72

239,3

21,2

" 15,0

Mehrfachnennungen.

c) Die Antwort war bei den Architekten nicht vorgegeben.

b)

22,7

36,3

43,9

^

9,5 '

238,8

13,9

Τ ί

31,7

45,0

136,7

29,2

Steuerberatende Berufe

16,7

a) Angaben in Prozent derjenigen, die einen möglichst späten Ruhestandsbeginn planen.

8,8

47

'8

42,6

114

2 6 , 9 - c)

Architekten Rechtsanwälte und Notare

"0.9

Zahnärzte

10,6

Tierärzte

2,9

6,9

18,0

38,9

^

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

steuerliche Gründe bezogen auf die Nennungen insgesamt

Basis

insgesamt* *

225,5

23,4

davon: steuerliche Gründe

28,2

34,7

materielle Gründe

3

45,2

'4

Alterssicherung

123

35,5

berufsethische Gründe

an"« "beît tereSSe

Ärzte

(Frage: Wenn Sie möglichst spät aufhören wollen unter der Voraussetzung, daß Ihre Gesundheit dies zuläßt, warum?)

Gründe für späten Ruhestandsbeginna)

Aggregierte Antworten

Tabelle 4 . 2 6 :

224

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens

225

leuchtet ein, daß sich in den oberen Teilgruppen wegen der überdurchschnittlichen Umsätze ein früher Ruhestand realisieren läßt. Zumindest prinzipiell ist eine als ausreichend angesehene Alterssicherung eher gewährleistet. In einigen Berufsgruppen (Ärzte, Zahnärzte, Anwälte und Steuerberater) wird der Wunsch nach möglichst frühem Ruhestandsbeginn wegen der überdurchschnittlich hohen wöchentlichen Arbeitszeit verständlich. 113 Das für die Länge des Jahresurlaubs gefundene Bild zeigt, daß bereits im Befragungszeitpunkt im Durchschnitt die erstgenannte Gruppe im Vergleich zur zweiten länger Urlaub macht, daß aber gemessen am Gesamtdurchschnitt keine eindeutigen Aussagen möglich sind. Außerdem konnte ermittelt werden, daß die steuerreagiblen Gruppen eine höhere durchschnittliche Belastung mit Einkommensteuern aufweisen oder zumindest angeben, wobei wieder der Hinweis erforderlich ist, daß die Umsatzunterschiede die Belastungsdifferenzen nicht in allen Fällen hinreichend erklären können. Dieses Ergebnis, das bereits oben gefunden wurde, scheint erneut zu bestätigen, daß die steuerreagible Gruppe tendenziell zu einer Überschätzung der eigenen Belastung neigt. Insgesamt kann für die Gruppe, die das Vorhandensein eines steuerlichen Einflusses auf den Zeitpunkt der Ruhestandsentscheidung erklärt hat, festgestellt werden, daß es typische Merkmalskombinationen für ihre Charakterisierung nicht gibt. Daher kann angenommen werden, daß der steuerliche Faktor eine Determinante sui generis ist.

c) Steuerkenntnis und tägliche Arbeitszeit sowie Ruhestandsbeginn Im folgenden soll versucht werden, die steuerlichen Einflüsse auf die verschiedenen erörterten Aspekte der Arbeitszeitgestaltung mit der Kenntnis der eigenen steuerlichen Belastung analysierend zu verknüpfen. Dabei ist einschränkend vorweg einzuräumen, daß sich wegen der teilweise geringen Besetzungsdichte der einzelnen Felder generelle Schlußfolgerungen verbieten. In die Erörterung einbezogen werden die Kenntnis über die im vergangenen Kalenderjahr entrichteten Einkommensteuern, die Angabe des durchschnittlichen Einkommensteuersatzes, die Kenntnis der Grenzsteuerbelastung sowie die persönliche Anschauung über die Ausnutzung der sich bietenden Steuervorteile. 114 Bei der Entscheidung über Abweichungen der Arbeitszeit von der offiziellen Praxiszeit/Bürozeit haben steuerliche Gesichtspunkte im wesentlichen nur in Richtung auf eine Verlängerung des Arbeitstages gewirkt. Hier zeigt sich, daß bis auf die Steuerberater die Teilgruppen derer, die steuerliche 113

Auch hier lassen sich die Umsatzunterschiede nicht allein durch die Arbeitszeiten erklären. 114 Die Bezugstabellen sind: 4.2, 4.3, 4.4 und 4.9.

50,8

40,3

(d)

4 , 9 3,8

47,7

(c)

(e)

213.OOO,-

(b)

4 , 8 3,0 51,8

43,1

(d)

(e) (a)

54,3

(c)

3,2

29,3

61,0

135.900,-

4 , 9 3,1 46,3

31,0

5,2

3,9

4,3

3,9

50,0

41,6

35,6

41,7

34,6

46,3

30,9

46,6

4,1

28,8

52,6

;

45,1

33,4

55,1

32,4

52,9

;

47,3

31,8

51,2

57,0

34,2

58,9

53,4

29,2

50,7

167.300,-

81.700,-

51,1

38,0

60,7

299.400,-

45,5

159.700,-

143.100,-

58,8

37,7

49,5

138.600,-

3,6

185.400,-

60,0

46,2

37,9

241.800,-

4,6

214.200,-

51,2

3,7

66,5

101.OOO,-

56,6

163.700,-

(a)

6,1

31,8

61,2

212.700,-

47,0

Architekten Rechtsanwälte Steuerberaund Notare tende Berufe

324.500,-

51,1

Zahnärzte

260.200,-

51,3

Tierärzte

125.800,-

5,1 3,8

38,7

(d)

(e)

56,6

(c)

223.100,-

(a)

Ärzte

a) Die absolute Besetzung der einzelnen Felder kann aus der Haupttabelle 4 . 2 6 errechnet werden. b) ( a ) : Durchschnittsalter (in Jahren) (b): Durchschnittsumsatz pro Jahr (in DM) ( c ) : durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit (in Stunden) (d): durchschnittlicher Einkommensteuersatz (in Prozent) ( e ) : durchschnittlicher Jahresurlaub (in Wochen).

Mittelwerte für alle Befragten

der Entscheidung für einen mögliehst späten (b) Ruhestand

der Entscheidung für einen mögliehst frühen (b) Ruhestand

Steuerliche Gesichts^. punkte bei... '

Tabelle 4 . 2 9 : Der steuerliche Aspekt bei der Bestimmung des Ruhestandsbeginnsa*

226 4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens

227

Gründe für eine Verlängerung des Arbeitstages angaben, über eine bessere Kenntnis der genauen Steuerhöhe verfügen als die jeweilige Gesamtheit (Tabelle 4.30). Die Nichtkenntnis der eigenen absoluten Belastung ist in dieser Untergruppe bei den Ärzten, Tierärzten und Anwälten geringer, bei Steuerberatern und Zahnärzten entspricht sie der der Gesamtgruppe, während sie nur bei den Architekten höher ausfallt. Von besonderer Bedeutung ist für steuerpolitische Überlegungen die Kenntnis des Durchschnittssteuersatzes. Bis auf die Architekten, bei denen die Kenntnisse der Teilgruppe der der Gesamtheit genau entsprechen, weisen alle anderen Berufe, einschließlich Steuerberater, eine bessere Kenntnis der durchschnittlichen Belastung auf. In bezug auf die Angaben der Grenzsteuerbelastung ergeben sich in keiner Gruppe signifikante Abweichungen von der Gesamtheit. Außerdem ist ermittelt worden, ob die infragestehenden Berufsangehörigen überdurchschnittlich stark der Meinung sind, die sich ihnen bietenden Steuervorteile auch auszunutzen. Wie ein Vergleich mit den Zahlen in Klammern (für die Gesamtheit) zeigt, ist dies lediglich bei den Steuerberatern der Fall, während die Tierärzte diesbezüglich sogar weniger optimistisch sind. Bei allen anderen Berufen entsprechen die Werte, von Zufallsschwankungen abgesehen, denen der Haupttabelle (4.9). Der zweite Aspekt richtet sich auf den Zusammenhang zwischen Steuerkenntnis und Länge der täglichen Arbeitszeit. Von den Gruppen, die steuerliche Einflüsse auf die tägliche Arbeitszeit (Tabelle 4.31) geltend gemacht haben, erweisen sich in bezug auf die Kenntnis der gezahlten Steuern die Tierärzte, Zahnärzte und Steuerberater als besser informiert als die zugehörige Gesamtheit, während dies für die anderen Berufe nicht durchgängig festgestellt werden kann. Bei der Betrachtung der Angaben über die durchschnittliche Einkommensteuerbelastung zeigt sich ebenfalls eine durchweg höhere Informiertheit als bei der Gesamtheit. 115 Das gilt sowohl für die, die eine Verkürzung der täglichen Arbeitszeit bereits realisierten, wie für die, die sie bisher nur in Betracht gezogen haben. Bei der letzten Gruppe weichen die Werte zum Teil nur unerheblich (Ärzte, Tierärzte und Zahnärzte) von den korrespondierenden Gesamtabgaben ab. Bis auf die Tierärzte und Steuerberater kennen die anderen Berufe, sofern sie die tägliche Arbeitszeit bereits reduzeirt haben, ihre Grenzsteuerbelastung in deutlich stärkerem Maße als die Gesamtheit. Für die Gruppe, die bisher von einer Arbeitszeitverkürzung Abstand nehmen mußte, hat sich ergeben, daß ihre Kenntnis der Grenzsteuerbelastung wesentlich schwächer von den Werten für die Gesamtheit abweicht als in der oberen Tabellenhälfte. Auch die positive Meinung von der Ausnutzung von Steuervorteilen ist hier merklich schwächer ausgeprägt. So könnte 115 Ausnahme: Mit geringfügiger Abweichung die Steuerberater, die ihre tägliche Arbeitszeit bereits verkürzt haben.

31,0/61,9/ 7,1

35,3/52,9/ 5,9

Tierärzte

36,0/38,0/16,0

Zahnärzte

58,3/16,7/25,0

35,6/47,5/15,3

Architekten Rechtsanwälte und Notare de Berufe

'

λ a

53,8/26,9/7,7

Steuerberaten-

88,1/11,9

(53,6/32,6)

(52,0/44,8)

54,2/45,8

66,1/27,1 (59,6/35,0)

(79,4/20,6)

86,4/13,6

3,8

(77,3/19,7)

84,6/11,5

84,6/11,5 (84,8/10,0)

(89,2/10,8)

96,2/

( a ) : Kenntnis der im vergangenen Kalenderjahr entrichteten Einkommensteuern (absolut) 1. Ziffer: genaue Kenntnis, 2. Ziffer: ungefähre Kenntnis, 3. Ziffer: keine Kenntnis ( b ) : Angabe des durchschnittlichen Einkommensteuersatzes 1. Ziffer: ja, 2. Ziffer: nein ( c ) : Kenntnis der Grenzsteuerbelastung 1. Ziffer: ja, 2. Ziffer: nein (d): Ausnutzung von Steuervorteilen 1. Ziffer: ja, 2. Ziffer: nein.

(47,8/43,0)

50,0/25,0

58,3/16,7 (52,8/38,6)

(75,1/24,9)

75,0/25,0

b)

(62,4/28,9)

(43,8/44,9)

42,0/44,0

50,0/40,0 (48,9/44,5)

(73,2/26,8)

78,0/22,0

Die Besetzung der einzelnen Felder kann aus der Haupttabelle 4 . 1 9 entnommen werden. Die in dieser Tabelle enthaltenen Anteilswerte sind auf die Besetzung des zugehörigen Feldes der Haupttabelle bezogen. Der Wert von 100% wird wegen Nichtberücksichtigung der Antworten unter "sonstiges" und "keine Angaben" nicht immer erreicht. In Klammern finden sich die Anteilswerte für die Gesamtheit jeder Berufsgruppe entsprechend den Tabellen 4 . 2 für ( a ) , 4 . 3 für ( b ) , 4 . 4 für (c) und 4 . 9 für (d) .

47,1/29,4

40,5/42,9

(d)

47,1/47,1 (44,8/49,5)

57,1/38,1 (55,9/38,5)

(c)

(62,4/37,6)

64,7/35,3

( 2 4 , 4 / 5 1 ,2/20,0) ( 2 7 , 8 / 4 8 , 5 / 2 1 ,1) ( 3 1 , 0 / 4 6 , 6 / 1 5 , 9 ) ( 3 3 , 9 / 4 5 , 1 / 1 1 ,9) ( 3 2 , 3 / 4 4 , 4 / 1 8 , 8 ) ( 6 4 , 3 / 2 3 , 4 / 7 , 1 )

(79,5/20,5)

(b)

(a)

Ärzte

Steuerkenntnis und steuerliche Einflüsse bei der Entscheidung über Abweichungen der Arbeitszeit von der Praxiszeit/Bürozeit

a)

beitszeit

täg-

für eine l&nge-

Steuerliche Gesichtspunkte bei der Entschei-, dung... b)

Tabelle 4.30:

228 4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

229

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens Tabelle

4.31:

Steuerkenntnis der

Steuerliche Gesichtsp u n k t e beij^j

einer effektiven Verkürzung der täglichen Arbeitszeit

und s t e u e r l i c h e

(a)

19,1/71,4/

Einflüsse

bei

d e r Bestimmung d e r

Länge

Arbeitszeita)

Tierärzte

Ärzte

9,5

Zahnärzte

40,0/40,0/10,0

39,8/52,6/

Rechtsanwälte und N o t a r e

Architekten

6,0

36,4/54,5/

0

28,6/57,1/14,3

Steuerberatende B e r u f e

71 , 4 / 1 4 , 3 / 1 4 , 3 )

(24,4/51,2/20,0) (27,8/48,5/21,1) (31,0/46,6/15,9) (33,9/45,1/11,9) (32,3/44,1/18,8) (64,3/23,4/ (b)

(c)

(d)

einer in Betracht genommenen, jedocn nicht realisierten Verkürzung der t ä g lichen Arbeitszeit

täglichen

(a)

85,7/14,3

70,0/30,0

88,0/12,0

81,8/18,2

(79,5/20,5)

(62,4/37,6)

(73,2/26,8)

(75,1/24,9)

71,4/19,1

40,0/50,0

65,4/29,3

72,7/27,3

(55,9/38,5)

(44,8/49,5)

(48,9/44,5)

(52,8/38,6)

100,0/

0

(79,4/20,6) 85,7/

0

(59,6/35,0)

(89,2/10,8) 71,4/

52,4/38,1

50,0/30,0

52,6/36,1

81 , 8 / 1 8 , 2

71 , 4 / 2 8 , 6

85,7/14,3

(62,4/28,9)

(47,8/43,0)

(53,6/32,6)

(52,0/44,8)

(77,3/19,7)

45,5/45,5/

0

37,8/44,4/11,1

40,0/40,0/20,0

21 , 7 / 6 5 , 2 / 1 3 , 1

66,7/33,3/0

(24,4/51,2/20,0) (27,8/48,5/21,1) (31,0/46,6/15,9) (33,9/45,1/11,9) (32,3/44,4/18,8) (64,3/23,4/7,1) (b)

(c)

(d)

75,0/21,9

63,6/36,4

80,0/20,0

84,0/16,0

(79,5/20,5)

(62,4/37,6)

(73,2/26,8)

(75,1/24,9)

91,3/

8,7

(79,4/20,6)

100,0/

43,8/40,6

45,5/36,4

46,7/46,7

48,0/44,0

82,6/13,0

77,8/22,2

(55,9/38,5)

(44,8/49,5)

(48,9/44,5)

(52,8/38,6)

(59,6/35,0)

(84,8/10,0)

31,3/43,8

54,5/27,3

53,3/40,0

68,0/20,0

47,8/47,8

78,8/11,1

(43,8/44,9)

(62,4/28,9)

(47,8/43,0)

(53,6/32,6)

(52,0/44,8)

(77,3/19,7)

D i e B e s e t z u n g d e r e i n z e l n e n F e l d e r k a n n aus d e n H a u p t t a b e l l e n 4 . 2 3 und 4 . 2 4 entnommen w e r d e n . Die i n d i e s e r T a b e l l e e n t h a l t e n e n A n t e i l s w e r t e sind auf d i e Besetzung der zugehörigen F e l d e r d e r H a u p t t a b e l l e n b e z o g e n . D e r W e r t von 100% w i r d wegen d e r N i c h t b e r ü c k s i c h t i g u n g d e r A n t w o r t e n u n t e r " s o n s t i g e s " und " k e i n e Angaben" n i c h t immer e r r e i c h t . I n Klammern f i n d e n s i c h d i e A n t e i l s w e r t e f ü r d i e G e s a m t h e i t j e d e r B e r u f s g r u p p e e n t s p r e c h e n d den T a b è l l e n 4 . 2 f ü r ( a ) , 4 . 3 f ü r (b), 4 . 4 f ü r ( c ) und 4 . 9 f ü r (d).

b)

(a);

(c): (d):

0

(89,2/10,8)

a)

(b):

0

(84,8/10,0)

(43,8/44,9) 37,5/43,8/18,7

7,1)

85,7/14,3

K e n n t n i s d e r im v e r g a n g e n e n K a l e n d e r j a h r e n t r i c h t e t e n E i n k o m m e n s t e u e r n ( a b s o l u t ) 1. Z i f f e r : genaue K e n n t n i s , 2 . Z i f f e r : u n g e f ä h r e K e n n t n i s , 3 . Z i f f e r : k e i n e K e n n t n i s Angabe d e s d u r c h s c h n i t t l i c h e n E i n k o m m e n s t e u e r s a t z e s 1. Z i f f e r : j a , 2 . Z i f f e r : nein Kenntnis der Grenzsteuerbelastung 1. Z i f f e r : j a , 2 . Z i f f e r : nein Ausnutzung von S t e u e r v o r t e i l e n 1. Z i f f e r : j a , 2 . Z i f f e r : nein.

die Vermutung naheliegen, daß es sich bei der Gruppe, die die Arbeitszeitverkürzung u. a. „aus steuerlichen Gründen" noch nicht realisiert hat, um Befragte handelt, die hier strategisch antworteten, und daß den steuerlichen Motiven nicht der Stellenwert beizumessen ist, wie er durch die ermittelten einfachen Anteilswerte zum Ausdruck kommt. Der letzte Aspekt bezieht sich auf die Interdependenz zwischen Steuerkenntnis und steuerlichen Einflüssen auf den Ruhestandsbeginn (Tabelle 4.32). Die Befragten, die in ihren Lebensabend möglichst frühzeitig eintreten wollen, kennen ihre genaue Einkommensteuerhöhe in höherem Maße als die Gesamtheit 116 — teilweise sogar (Architekten, Rechtsanwälte, Steuerberater) mit erheblichem Abstand (vgl. die Werte in Klammern). Dem entspricht jedoch nicht das Bild in der unteren Tabellenhälfte für diejenigen, die sich u. a. aus steuerlichen Gründen zu einem möglichst späten Ruhestand entschließen würden. Hier gibt es zur Haupttabelle nur geringfügige Abweichungen (Ärzte) oder die Zahlen entsprechen sich fast völlig (Zahnärzte, Architekten, Rechtsanwälte). Lediglich die Steuerberater kennen sich besser aus — bei allerdings sehr geringer Besetzungsdichte. 116

Ausnahme: Ärzte.

230

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

Bezüglich der Angaben der durchschnittlichen Einkommensteuerbelastung bestätigt sich das bereits gewonnene Bild. Von der ersten Gruppe der Befragten mit Wunsch nach frühem Ruhestand wird von einem größeren Anteil der Durchschnittssteuersatz angegeben als von der Gesamtheit. Lediglich bei den Tierärzten und bedingt bei den Steuerberatern trifft dies nicht zu. Dagegen ist die Kenntnis der Höhe der Durchschnittsbelastung in der unteren Tabellenhälfte (4.32) gradweise sogar etwas stärker (Tierärzte, Anwälte), teilweise auch schwächer (Ärzte, Steuerberater) vorhanden. Mit Ausnahme der Rechtsanwälte ist die Kenntnis der Grenzsteuerhöhe durchschnittlich (Steuerberater, Tierärzte) oder überdurchschnittlich bei den Befragten mit Wunsch nach frühem Ruhestandsbeginn. Wie schon zu den vorhergehenden beiden Tabellen konstatiert, scheinen die, die einen möglichst späten Ruhestand planen, lediglich über durchschnittliche Kenntnisse der Grenzsteuerbelastung zu verfügen. Größere Abweichungen gibt es nur bei den Anwälten (nach oben) und bei den Architekten (nach unten). Der letzte Aspekt bezieht die Ausschöpfung von Steuervorteilen ein. Während in der unteren Tabellenhälfte die Werte durchweg wieder sehr nahe an die Gesamtzahlen heranreichen, liegen sie in der oberen Hälfte für die Heilberufe deutlich unter, für die anderen Berufe deutlich über den korrespondierenden Werten. Welche Schlußfolgerungen können aus dieser Analyse gezogen werden? Diejenigen Befragten, die angaben, aufgrund der Höhe der steuerlichen Belastung bereits reagiert zu haben, scheinen tatsächlich über ihre eigene steuerliche Situation bessere Kenntnisse zu verfügen. Insoweit wäre ihr Verhalten als rational zu bezeichnen. Dagegen kennen diejenigen, die steuerlich bedingte Reaktionen lediglich in Aussicht genommen haben, ihre eigene steuerliche Belastung wesentlich schlechter, in mehreren Fällen nicht einmal so gut wie der Gesamtdurchschnitt. Die Vermutung strategischer Antworten kann für diese Befragten wiederholt werden. Ansonsten ist das Bild sehr differenziert, wie die detaillierte Analyse gezeigt hat. Die Kennzeichnung besonders steuerreagibler Untergruppen durch eine klar abgegrenzte Merkmalsstruktur ist nicht ohne weiteres möglich.

2. Vorarbeiter

und Industriemeister

a) Determinanten der durchschnittlichen Arbeitszeit Während bei der Erörterung des steuerlichen Einflusses auf die effektive Arbeitszeit bei den freien Berufen davon auszugehen war, daß sie prinzipiell die Länge der Arbeitszeit selbst bestimmen können, ist in bezug auf die Aussagekraft der Antworten auf die korrespondierenden Fragen bei abhän-

' 0 /°

70,6/23,5

(79,5/20,5)

100

55,6/44,4

14,3/57,1/0

87,9/12,1

37,7/45,3/11,3

(47,8/43,0)

27,3/63,6

(48,9/44,5)

57,6/42,4

(73,2/26,8)

72

'4/27'6

71,4/28,6

81,1/18,9

75,0/25,0

42,9/42,9

71,4/14,3

(59,6/35,0)

85,7/14,3

85,7/14,3

(84,8/10,0)

85,0/0

(89,2/10,8)

(53,6/32,6)

55,6/11,1

(52,8/38,6)

33,3/44,4

(75,1/24,9)

77,8/22,2

(52,0/44,8)

60,0/40,0

(59,6/35,0)

80,0/ 6 , 7

(79,4/20,6)

93,3/ 6,7

(77,3/19,7)

80,0/0

(84,8/10,0)

80,0/20,0

(89,2/10,8)

80,0/20,0

( 3 3 , 9 / 4 5 , 1 / 1 1 ,9) ( 3 2 , 3 / 4 4 , 4 / 1 8 , 8 ) ( 6 4 , 3 / 2 3 , 4 / 7 , 1 )

80,0/20,0/0

(77,3/19,7)

33,3/46,7/13,3

(52,0/44,8)

33,3/44,4/11,1

(53,6/32,6)

75,0/25,0

(52,8/38,6)

85,7/14,3 (79,4/20,6)

Kenntnis der im vergangenen Kalenderjahr entrichteten Einkommensteuer 1. Ziffer: genaue Kenntnis, 2 . Ziffer: ungefähre Kenntnis, 3 . Ziffer: ( b ) ; Angabe des durchschnittlichen Einkommensteuersatzes 1. Ziffer: j a , 2 . Ziffer: nein ( c ) : Kenntnis der Grenzsteuerbelastung 1. Ziffer: j a , 2 . Ziffer: nein ( d ) : Ausnutzung von Steuervorteilen 1. Ziffer: j a , 2 . Ziffer: nein.

(absolut) keine Kenntnis

(a):

(47,8/43,0)

54,7/30,2

(48,9/44,5)

49,1/45,3

(73,2/26,8)

85,7/0/0

b)

57,1/14,3

(62,4/28,9)

37,9/51,7

(44,8/49,5)

42,9/28,6

(62,4/37,6)

(43,8/44,9)

(55,9/38,5)

62,1/24,1

(79,5/20,5)

75,0/25,0 (75,1/24,9)

( 2 4 , 4 / 5 1 ,2/20,0) ( 2 7 , 8 / 4 8 , 5 / 2 1 , 1 ) (31 , 0 / 4 6 , 6 / 1 5 , 9 )

34,4/48,3/13,8

44,4/44,4

(62,4/28,9)

35,3/47,1

(43,8/44,9)

(44,8/49,5)

44,4/55,6

(62,4/37,6)

57,1/42,9/0

Rechtsanwälte Steuerberatende Berufe

( 3 3 , 9 / 4 5 , 1 / 1 1 ,9) ( 3 2 , 3 / 4 4 , 4 / 1 8 , 8 ) ( 6 4 , 3 / 2 3 , 4 / 7 , 1 )

50,0/50,0/0

Architekten und Notare

Die Besetzung der einzelnen Felder kann aus den Haupttabellen 4 . 2 7 und 4 . 2 8 entnommen werden. Die in dieser Tabelle enthaltenen Anteilswerte sind auf die Besetzung der zugehörigen Felder der Haupttabellen bezogen. Der Wert von 100% wird wegen der Nichtberücksichtigung der Antworten unter "sonstiges" und "keine Angaben" nicht immer erreicht. In Klammern sind die Werte für die Gesamtheit entsprechend den Referenztabellen 4 . 2 für ( a ) , 4 . 3 für ( b ) , 4 . 4 für ( c ) und 4 . 9 für ( d ) .

(d)

(c)

(b)

54,5/30,3/12,1

Zahnarzte

( 2 4 , 4 / 5 1 , 2 / 2 0 , 0 ) ( 2 7 , 8 / 4 8 , 5 / 2 1 , 1 ) (31 , 0 / 4 6 , 6 / 1 5 , 9 )

(55,9/38,5)

(a)

(d)

„ . ..

33,3/44,4/22,2

Tierarzte

5,9

m.

17,6/76,5/

Arzte

a)

späten Ruhestand

liehst9"

(b)

(a)

v

Steuerkenntnis und steuerliche Einflüsse bei der Bestimmung des Ruhestandsbeginnsa)

(c)

für eei-n9

der Ent-

frühen Ruhestand

liehst9"

für eei-n9

der Ent-

Gesichtspunkte bei b)

Steuerliche

Tabelle 4 . 3 2 ;

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens 231

232

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

gig Beschäftigten deswegen größere Vorsicht am Platze, weil diese Erwerbstätigen nur minimale Möglichkeiten zur Selbstbestimmung der Länge ihres Arbeitstages haben. Trotzdem kann eine entsprechende Fragestellung für die Ermittlung des Stellenwerts steuerlicher Einflußfaktoren aufgeworfen werden. Sollte sich nämlich zeigen, daß die Zufriedenheit mit der gegenwärtigen Länge der Arbeitszeit groß ist, so wären steuerliche Determinanten a priori als gering zu veranschlagen. Tatsächlich ergeben sich derartige Ergebnisse bei der Auswertung der folgenden Tabelle 4.33. Sowohl intertemporal wie auch zwischen den Berufsgruppen zeigt sich ein überraschend einheitliches Bild in bezug auf die als optimal eingeschätzte Länge der Arbeitszeit 117 während der Befragungsperioden. Über zwei Drittel aller Befragten würden keine Veränderung ihrer Arbeitszeit im Falle der in der Fragestellung vorgegebenen Selbstbestimmungsmöglichkeit vornehmen. Bei Meistern liegt dieser Anteil leicht über dem der Vorarbeiter. Allerdings würden mehr Vorarbeiter (durchschnittlich 16 %) als Meister (etwa 8 %) länger arbeiten wollen, während die Anteilswerte derer, die ihre Arbeitszeit — wenn möglich — lieber verkürzen würden, mit etwa 18 % nahezu identisch sind. Der große Anteil der mit der gegenwärtigen Arbeitszeit Zufriedenen wird verständlich, wenn zwei Gesichtspunkte beachtet werden. Zunächst ist auf den Gewöhnungseffekt hinzuweisen, der die bestehenden Regelungen, an die man seinen Arbeits- und Lebensrhythmus angepaßt hat, als optimal erscheinen läßt, während Änderungen oft unbequeme Anpassungsprozesse hervorrufen würden. Außerdem wurde bei den Befragten befürchtet, daß etwa eine Verkürzung der Arbeitszeit an den betrieblichen Belastungen nichts ändern würde, so daß man eine konstante Arbeitszeit vorzieht, um dem sonst zu erwartenden größeren Streß zu entgehen. Es ist plausibel, daß diejenigen, die eine längere Arbeitszeit präferieren, durchweg — wenn auch nicht in allen Fällen signifikant — ein niedrigeres durchschnittliches Einkommen erzielen und jünger sind als die mit ihrer Arbeitszeit Zufriedenen. Bei der Gruppe mit dem Wunsch nach kürzerer Arbeitszeit ist es gerade umgekehrt: Wegen des höheren Lebensalters und des höheren Durchschnittseinkommens ist ihre Präferenz für eine Verkürzung des Arbeitstages einsichtig. Fragt man nach den Gründen für diese Präferenzen, so ergibt sich das in den Tabellen 4.34 und 4.35 zusammengefaßte Bild. Bei der Entscheidung für eine kürzere Arbeitszeit sind vor allem familiäre Gründe maßgebend. Mit deutlichem Abstand folgt das Bedürfnis, sich vom Streß der Arbeit erholen zu wollen (oder auch zu müssen), wobei dieses Argument von etwa 30 % der Befragten mit dem Wunsch nach kürzerer Arbeitszeit vorgebracht wird. Erst an dritter Stelle folgen sehr einheitlich (etwa 17 % bezogen auf die Teil117

Vgl. zu dieser Frage auch A. R. Bunz/R. Jansen/K.

Schacht (1974) S. 82 ff.

arbeiten

alle Befragten

(1900,-/42,3) 349 139

100,1

100,0

100,1

2,0

(1660,-/41,1)

(2240,-/40,9) (1650,-/40,3) 132 246 217

100,0

17,9 (1700,-/41,6)

8,3 (1620,-/37,3)

61,2 67,4

(2250,-/40,9)

2,2

Vorarbeiter I

0,5

(1890,-/38,0)

72,8

17,1 (1890,-/41,4)

(1980,-/38,5)

(1910,-/38,7)

II

II (2330,-/38,3)

(2040,-/43,4)

(2020,-/43,5)

(2440,-/42,2)

(2440,-/42,5)

(2140,-/44,7) (2460,-/42,6)

(2010,-/40,1)

Meister

74,2

I

b) Abweichungen von 100% infolge Rundung.

a) Angaben in Prozent der zugehörigen Basis. In Klammern sind das Durchschnittseinkommen und das Durchschnittsalter der jeweiligen Gruppe angegeben.

385

Basis

100,0

0,3

2,1

100,0

keine Angaben

68,6 71,6

1 7 , 9 1 7 , 5 18,0 18,2 (1980,-/43,6) (2230,-/42,1)

(1910,-/42,7)

insgesamt*5*

II

10,6 1 8 , 7 1 4 , 4 7,3 (1780,-/38,4) (2150,-/38,4)

I

(Vorarbeiter und Industriemeister)

Sie einmal an, Sie könnten unabhängig von tariflichen Vereinbarungen Ihre tägliche Arbeitszeit, bzw. Ihre wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit bestimmen, d.h. Sie wären nicht mehr an die 40- oder 42-Stundenwoche geDie Bezahlung würde sich dann natürlich auch ändern. Würden Sie dann mehr, oder genausoviel Stunden wie heute arbeiten?)

den wie heute

genausoviel Stun-

weniger Stunden

mehr Stunden 1 1 , 4

würde—

(Frage: Nehmen eigene selbst bunden. weniger

Tabelle 4 . 3 3 : Länge der Arbeitszeit

II. Einflußfaktoren des Arbeitserhaltens 233

234

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

gruppe) sowohl in intertemporaler Sicht wie auch zwischen den Berufsgruppen die Aussagen, wegen der hohen Abgaben lohne sich die Arbeit nicht mehr. Bezöge man die den steuerlichen Einflüssen gewidmeten Nennungen auf die Zahl der Nennungen insgesamt, so ergäbe sich — wegen der infolge von Mehrfachantworten vergleichsweise größeren Basis — insgesamt etwas niedrigere Werte. 118 Die anderen Gründe sind demgegenüber von noch geringerer Bedeutung, wobei die Gruppe, die selbst mit einem infolge der Arbeitszeitverkürzung niedrigerem Einkommen zufrieden wäre, mit etwa 11 % (2 % bezogen auf alle Befragten) eine unbeachtliche Größenordnung aufweist. 119 Ähnlich gestaltet sich das Bild für die Gruppe derjenigen, die für eine längere Arbeitszeit plädieren (Tabelle 4.35). Hier stehen pekuniäre Motive eindeutig im Vordergrund (etwa 75 % in bezug auf die Antwortenden dieser Frage; 8 % der beiden Befragungsgesamtheiten), wobei die Vorarbeiter — sicherlich nicht zuletzt infolge ihres deutlich niedrigeren Durchschnittseinkommens — stärkere finanzielle Anreize verspüren als die Meister. Dies spiegelt sich auch in dem Wunsch wider, mehr arbeiten zu wollen, um trotz der Abgabenlast einen angemessenen Lebensstandard aufrechterhalten zu können. Dieses Ergebnis ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil es einen Hinweis darauf gibt, daß die Steuern in unterschiedlichen Einkommensklassen zu divergierendem Arbeitsverhalten führen können. Bei niedrigerem Einkommen wird die — wenn auch absolut niedrigere — Steuerbelastung von den Vorarbeitern als wichtigeres Argument für ihr Arbeitsverhalten vorgetragen als von den Meistern. Offenbar fällt es schwerer, von einem kleinen Einkommen einen bestimmten Anteil als Steuern abzuführen als bei höherem Einkommen einen wenn auch überproportional gestiegenen steuerlichen Betrag. Die anderen Begründungen (bessere Arbeitseinteilung; Beförderung usw.) sind quantitativ ohne Bedeutung.120 Wie sind die Untergruppen strukturiert, die sich bei einer Veränderung der Arbeitszeit auch von steuerlichen Motiven leiten lassen würden? Die Betrachtung des Lebensalters 121 zeigt, daß der Wunsch nach kürzerer Arbeitszeit von einer Gruppe signifikant älterer (im Durchschnitt etwa 46 Jahre), der Wunsch nach längerer Arbeitszeit von einer Gruppe jüngerer 118 Auf ihre Berechnung wird verzichtet, da sich daraus keine neuen Gesichtspunkte ergeben. 119 Von den 9 Befragten in Phase I (14 in Phase II), die unter der Rubrik „sonstiges" antworteten, nennen 5(11) persönliche/gesundheitliche Gründe, während 2 (3) Befragte eine finanzielle Kompensation durch die Mitarbeit der Ehefrau oder durch „Schwarzarbeit" suchen würden. 12(1 Von den 4 Befragten in Phase I (6 in Phase II), die unter der Rubrik „sonstiges" anworteten, nennen 2 (4) betriebsbezogene, einer (2) persönliche und einer allgemeinwirtschaftliche Gründe („Wir brauchen dann weniger Fremdarbeiter"). 121 Vgl. S. 273 im ursprünglichen Manuskript.

Arbeitszeit 3*

I

alle Befragten

2,0 3 , 6 (11,5)

wäre auch mit einem niedrigeren 2 , 1 Einkommen zufrieden (11,6)

385

Basis

15,1 (66,7)

(29,2)

(31,8)

(6,8)

(20,8)

2,3 . _ . (18,2)

2,3

II

(13,6)

(13,5)

(13,5)

16,7 (78,4)

(24,3)

Meister

12,1 (93,2)

4,1

I

(24,3)

13,4

(69)

349 (61)

139 (25)

132 (24)

246

217 (44)

(37)

26,4 29,4 26,5 29,2 26,2 (163,8) (150,9) (164,0) (145,8) (163,6) (154,0)

4,1 (12,0)

ον (20,8)

3,8 3,2

(16,0)

Λ\

1,5 1,2 (20,O) (8,3)

12,9 (84,0)

(32,0)

II

b) Mehrfachnennungen.

a) Angaben in Prozent der zugehörigen Basis. Die Zahlen in Klammern bezeichnen die Anteilswerte in Prozent derjenigen, die eine kürzere Arbeitszeit präferieren würden. Die ebenfalls vorgegebene Antwort "im Betrieb fühle ich mich ohnehin nicht wohl", wurde in beiden Untersuchungsphasen nicht angekreuzt.

29,4

3

I

Vorarbeiter

5,3 5,7

2 , 3 4,0 2 , 1 3 , 8 2 , 4 (13,0) (23,0)

insgesamt* *

sonstiges

wegen der hohen Abgaben lohnt 3,1 2,9 2,9 sich schon heute die Arbeit ίΛη nicht mehr (17,4) (16,4)

16,2 (73,8)

möchte mehr mit meiner Familie Zusammensein (89,9)

II

(Frage: Wenn Sie weniger Stunden arbeiten würden, warum würden $ie es tun?)

Gründe für kürzere

bin nach der Arbeit so fertig, 5 , 7 4 , 6 5 , 7 daß ich mehr Freizeit zur (31 9) Entspannung brauche '

und - u m f a n g

wäre auch m i t n i e d r i g e r e m Nettoeinkommen z u f r i e d e n B e m ü h u n g um b e s s e r e A u s nutzung der steuerrechtlichen Möglichkeiten Verringerung der steuerlichen Belastung durch zusätzliche Abschreibungen

würde

(freie

die

Berufe)

Einkommenateuer

für

Sie

um 10%

erhöhen.

reagieren?)

Tierärzte

Zahnärzte

Architekten

9,9

5,8

3,0

Rechtsanwälte und N o t a r e

Steuerberatende B e r u f e

2,1

2,1

3,2

25,1

14,4

41 , 8

23,6

14,8

11,2

61,3

53,1

39,6

40,3

60,5

53,2

8,5

34,5

14,0

24,2

32,7

3,1

3,1

3,3

-

-

-

5,4

2,6

5,3

4,3

5,4

5,2

46,7

39,7

44,4

47,2

40,4

10,0

15,1

14,4

15,9

26,6

17,0

3,0

-

früher

zur

Ruhe

setzen

11 , 0

7,7

13,7

5,6

7

3,7

später

zur

Ruhe

setzen

11 , 0

9,3

12,1

12,4

9,0

1,5

11,3

8,8

8,7

11,6

9,0

3,0

200,6

189,7

202,0

181 , 5

192,8

126,5

194

791

233

223

269

sonstiges insgesamt

d)

Basis

390

a)

Angaben

in

b)

Antwort

war

bei

Architekten

c)

Antwort

war

nur

bei

d)

Prozent

aller

Befragten nicht

Heilberufen

der

jeweiligen

6

r

Berufsgruppe.

vorgegeben.

vorgegeben.

Mehrfachnennungen.

Unterscheidet man bei der steuerlich bedingten voraussichtlichen Veränderung der täglichen Arbeitszeit zwischen Substitutions- und Einkommenseffekt, so zeigt sich in allen Berufsgruppen ein deutlicher Unterschied dergestalt, daß die Reaktionsform „würde weniger arbeiten" in allen Fällen signifikant höher liegt als die Reaktion mit Mehrarbeit. Bei den Zahnärzten würden bei einer weiteren Steuererhöhung sogar über 40 % weniger arbeiten wollen, bei Ärzten und Architekten liegt dieser Anteil bei etwa 25 %, bei den

I I I . Reaktionen auf Variationen in der Höhe der B e l a s t u n g 2 4 7

übrigen Berufen über 10 %. Auch wenn ein dauerhaft erzieltes höheres Einkommen zu einer höheren Lebenshaltung führt, die in nicht unbeträchtlichem Maße auch laufende Ausgabeverpflichtungen mit sich bringt, kann doch die vorrangige Reaktion mit einer Einschränkung des Arbeitsangebots nicht überraschen. Bei den im Durchschnitt in den befragten Berufen erzielten Einkommen fallt eine derartige Reaktion wesentlich leichter, als wenn man mit seinem Einkommen in den unteren Einkommensklassen rangiert. Es kommt hinzu, daß gerade bei den freien Berufen die Anpassung über das Arbeitsangebot nur eine Möglichkeit ist, ja, daß die dadurch bewirkten Einkommensminderungen durch andere Reaktionsformen (Steuerüberwälzung) zumindest teilweise kompensiert werden können. Gegenüber der in Aussicht gestellten Minderarbeit erscheint die Reaktion mit Mehrarbeit mit zwischen 2 % — 3 % bei den meisten Berufen und 10 % bei den Architekten 137 fast als eine quantité négligable. Dies gilt keineswegs für den sehr beständigen Block derjenigen, die mit ihrer Arbeitszeit nicht reagieren würden. Die hier ermittelten Anteilswerte schwanken zwischen 60 % (Ärzte, Anwälte), 53 % (Tierärzte, Steuerberater) und 40 % (Zahnärzte, Architekten). Ohne jeden Zweifel handelt es sich dabei um Größenordnungen, die nach dem Eindruck, den man bis heute aus der tagespolitischen Diskussion gewinnen kann, nicht zu erwarten gewesen wären. Sicherlich gilt auch hier das Argument, daß man eine Kompensation durch Anpassung anderer Parameter realisieren kann, und doch ist das Ergebnis im Hinblick auf die generelle Fragestellung nach dem steuerlichen Einfluß auf das Arbeitsangebot sehr beachtlich. In allen Berufsgruppen ist der Anteil derjenigen, die sich auch mit dem niedrigeren Nettoeinkommen zufrieden geben würden, mit etwa 5 % gleich hoch. Hier handelt es sich offenbar um eine kleine Gruppe, die — das zeigte sich auch an anderen Stellen während der Befragung—eine überdurchschnittlich positive Einstellung zum Staat haben und die standespolitischen Forderungen eher kritisch gegenüberstehen. Gewisse Verschiebungen der Relationen zwischen den Reaktionsformen sind jedoch deshalb nicht auszuschließen, weil die Summe der drei ersten Antwortvorgaben eigentlich jeweils 100 % ergeben müßte, und die „Nichtantwortquote" (zwischen knapp 12 % bei den Ärzten und 32,6 % bei den Steuerberatern) auf die drei Alternativen zu verteilen wäre. Die Art der Analyse verbietet jedoch bereits einen solchen Versuch. Die Reaktion mit dem Arbeitsangebot ist nur eine von mehreren Anpassungsformen. In Tabelle 4.40 sind außerdem als Möglichkeiten die Steuer137 Eine Erklärung für den vergleichsweise hohen Wert bei den Architekten könnte darin liegen, daß in dieser Berufsgruppe wegen der teilweise schlechten Auftragslage während der Befragung der Wunsch nach besserer Auslastung der Bürokapazitäten dominierend für die Antwort war.

248

4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

Überwälzung („Anpassung der Gebührensätze", teilweise auch „Änderung von Behandlungsmethoden und -umfang") sowie die Steuervermeidung im Sinne einer Verringerung der infragestehenden Bemessungsgrundlage vorgegeben worden. Wegen relativ streng anzuwendender Gebührenordnungen ist die Überwälzung höherer Steuern bei Ärzten und Zahnärzten (8,5 % bzw. 14,0 %) am wenigsten zu erwarten. Von den übrigen Berufsgruppen gibt immerhin ein Viertel (Anwälte) bzw. ein Drittel (Steuerberater, Tierärzte) zu, daß die Handhabung der Gebührensätze als Aktionsparameter im steuerlichen Entlastungskampf in Betracht käme. Bedeutend höhere Prozentsätze von zwischen 55 % und knapp 75 % haben sich für die Steuervermeidungsmöglichkeiten („Bemühung um bessere Ausnutzung der steuerrechtlichen Möglichkeiten", „Verringerung der steuerlichen Belastung durch zusätzliche Abschreibungen") errechnen lassen. Die zweite Möglichkeit steuerpolitischer Maßnahmen besteht in der Senkung der steuerlichen Belastung der Zensiten (Erhöhung von Freibeträgen, Senkung von Steuersätzen usw.), d. h. einer Erhöhung der verfügbaren Einkommen. A priori dürfte das Ausmaß der Anpassungsreaktionen wie im entgegengesetzten Fall von der Wahrnehmung durch den Steuerzahler abhängen. Wenn mit Reaktionen zu rechnen ist, so werden sie umso eher einsetzen und umso stärker sein, je höher die Entlastung ist. Da das Vorstellungsvermögen der Befragten nicht überfordert werden sollte, wurde in der hier diskutierten Frage 138 nur beispielhaft eine Steuersenkung von 10 % genannt. Die Vorstudien hatten bereits gezeigt, daß die Reaktionen auf Steuersenkungen minimal sein würden. 139 Die Antwortvorgaben konnten daher auf ein Minimum reduziert werden (Tabelle 4.41). Die angegebenen Reaktionen mit einer Variation der Länge der Arbeitszeit überschreiten in keiner Berufsgruppe 6 %. Bei den Tierärzten wären der Befragung zufolge praktisch keine Anpassungen zu erwarten. Dagegen liegen die Antwortquoten für die Vorgabe „ich würde genauso lange und sorgfältig arbeiten wie bisher" einheitlich bei 56 % (Architekten, Tierärzte), 60 % (Anwälte, Steuerberater) bzw. 70 % (Ärzte, Zahnärzte). Auch wenn man allein aus diesen Zahlen noch keine definitiven Rückschlüsse auf die Intensität der berufsethischen Verpflichtung ziehen kann, dürfte doch — in Übereinstimmung mit oben gewonnenen Ergebnissen — die Beobachtung zutreffend sein, daß sie bei den Heilberufen am stärksten ausgeprägt ist. Hier zeigt sich bei den Ärzten sogar eine Deckungsgleichheit zwischen den Antwortquoten der Zeilen eins und vier der Tabelle 4.41. Entsprechendes gilt, wenn auch mit niedrigerer Quote, bei den rechts- und steuerberatenden Berufen (etwa 60 %). Lediglich bei den Zahnärzten und Tierärzten gibt es signifikante Unter„Nehmen Sie einmal an, daß eine neue Regierung die Staatsausgaben drosseln und die Steuern auch für Sie senken würde (ζ. B. um 10 %). Wie würden Sie darauf mit Ihrer Arbeit reagieren?" m Von ähnlichen Ergebnissen berichtet B. Strümpel (1966b) S. 72 ff.

I I I . Reaktionen auf Variationen in der Höhe der Belastung

249

schiede, die auf unterschiedliche Grade der Selbstbestimmung der Länge der Arbeitszeit hinweisen. Die Zahnärzte sind hier offenbar am freiesten, von ihnen gibt „nur" die Hälfte an, daß die Arbeitszeit nicht von der Höhe der Steuern, sondern von der Beanspruchung durch die Patienten bestimmt ist. Bei den Tierärzten ist es gerade umgekehrt: Infolge des Bereitschaftsdienstes („ich arbeite rund um die Uhr" wurde in anderem Zusammenhang von etwa 20 % der Befragten angegeben) ist ihre Arbeitszeitgestaltung am meisten eingeschränkt (75 %). Die insgesamt schwache Reaktion ist — betrachtet man etwa die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit — durchaus plausibel. Denn wenn bereits 50 bis 60 Stunden pro Woche gearbeitet werden, ist eine Ausdehnung der Arbeitszeit, „weil es sich wieder stärker lohnt", unwahrscheinlich. Einer Einschränkung der Arbeit stehen die mehrfach erwähnten beruflichen Verpflichtungen (berufsethische Gesichtspunkte, persönliche Bindungen an Patienten/Mandanten usw.) entgegen. Abschließend sei daraufhingewiesen, daß man das in Abschnitt Β. II. 1. c) angewendete Verfahren für die Überprüfung der Steuerbewußtheit und Steuerkenntnis derjenigen, die aufgrund der Höhe der steuerlichen Belastung bereits mit dem Leistungsverhalten, sei es in positiver oder in negativer Richtung, reagiert haben, nicht ohne weiteres auf die Befragten übertragen kan, die bei einer neuerlichen Veränderung steuerlicher Parameter durch den Fiskus reagieren würden. Hier kann u. U. die Steuerbewußtheit ζ. B. infolge der öffentlichen Diskussion der geplanten staatlichen Maßnahmen erst erwachsen, so daß man sich erst dann mit der genauen Höhe der eigenen Belastung auseinandersetzt. Aus diesem Grunde würde es eine Überforderung der empirischen Ausgangsdaten bedeuten, wenn man auch hier berechnen würde, wieviele der als „steuerreagibel" zu Klassifizierenden auch der Gruppe der „Steuerbewußten" zuzurechnen wären.

b) Vorarbeiter und Industriemeister Obwohl in der Arbeitszeitgestaltung wesentlich stärker eingeschränkt, konnte auf die wichtigen Fragen nach der voraussichtlichen Reaktion auf die Änderung staatsfinanzieller Parameter bei der Befragung der Meister und Vorarbeiter nicht verzichtet werden. Weil die Veränderung der steuerlichen Belastung in darstellbaren Größenordnungen vorgegeben werden konnte, sollten neben den Effekten einer 10 %igen Lohnsteuererhöhung auch die einer Erhöhung um 100 % zum Vergleich ermittelt werden. Damit könnte das vorhandene Reaktionspotential aufgezeigt werden, wobei hinzuzufügen ist, daß im Falle der Realisierung einer solch drastischen Erhöung die sich tatsächlich ergebenden Reaktionen — sieht man einmal von den bekannten Restriktionen ab — in ihrer Intensität abhängig sind von der gesamtwirt-

Ärzte

390

144,2

0,5

2,1

'

74 2

791

135,5

194

0,8

-

c

233

0,6

223

,„

3,6

2,6

124,4

0,9

'

49 6

2,6

0,1

-, „ ^

3,5

2,6

'

62 6

2,2

_

269

b)



125,6

0,4

Wegen Zweifachnennungen bei der ersten und letzten Antwort mehr als 100%.

57

1,5

1,1

60,2

59,1

122,3

Rechtsanwälte Steuerbera und Notare tende Berufe 59,7

_

127,1

0,9

2,2

55,8

Architekten

a) Angaben in Prozent aller Befragten der jeweiligen Berufsgruppe.

Basis

insgesamtb)

keine Angaben

'

0,5

-

0,9

Zahnärzte

56,2 69,7

Tierärzte

70 5

2,1

ich würde länger arbeiten, weil es sich dann wieder lohnt

meine Arbeitszeit wird nicht von der Höhe meiner Steuern, sondern von meiner Beanspruchung durch meine Patienten/Mandanten /Bauherren bestimmt

0,3

ich würde weniger arbeiten, da mein verfügbares Einkommen steigen würde

sonstiges

a \

Reaktionen von freien Berufen auf Steuersenkungen

ich würde genauso lange und sorgfältig arbei70,5 ten wie bisher

Antwort

Tabelle 4 . 4 1 :

250 4. Kap. Β. Untersuchungsergebnisse

I I I . Reaktionen auf Variationen in der Höhe der B e l a s t u n g 2 5 1

schaftlichen und politischen Lage 140 und auch von der Art und Weise, ob und wie die Regierung die Bevölkerung von der Notwendigkeit der Maßnahmen zu überzeugen vermag. Die Frage nach dem voraussichtlichen Verhalten bei einer Lohnsteuererhöhung erbrachte die folgenden Ergebnisse (Tabellen 4.42 und 4.43). In beiden Untersuchungsphasen wurde in nur wenigen Fällen mehr als eine Antwort angekreuzt und zwar sowohl bei der Annahme einer mäßigen (10 %) als auch bei einer drastischen (100 %) Erhöhung. 141 Dies erklärt sich daraus, daß die Antworten weitgehend als echte Alternativen formuliert wurden. Folgt man bei der Auswertung der Häufigkeit der Nennungen, so ist hervorzuheben, daß an erster Stelle mit knapp 75 % aller Befragten die Antwort steht „würde genauso lange und sorgfältig arbeiten wie bisher". Dabei liegen die für die Industriemeister errechneten Anteilswerte — möglicherweise aufgrund einer etwas höheren berufsethischen Verpflichtung — durchweg über denen der Vorarbeiter. Mit deutlichem Abstand würden quantitativ relativ gleichwertig mit Quoten von etwa zwischen 20 % und 30% die Alternativen „Zuverdienst am Feierabend oder Wochenende"142 und „Überstunden" gewählt werden. Die Reaktion der Vorarbeiter ist hier stärker — möglicherweise deswegen, weil sie ökonomisch gesehen aufgrund niedrigerer Durchschnittseinkommen notwendiger und weil bei ihnen Wochenendarbeit verbreiteter ist. Der hier zum Ausdruck kommende Einkommenseffekt — er wird, wenn man den Haushalt insgesamt betrachtet, durch die leicht (etwa 2,5 %) verstärkte Mitarbeit der Ehefrau noch etwas erhöht — überwiegt deutlich den Substitutionseffekt, wie er in den Antworten „würde weniger arbeiten", „würde weniger sorgfältig arbeiten" und „würde öfter mal krankfeiern" charakterisiert wird. Die Vorgaben waren bewußt so deutlich formuliert worden, um vorhandene negative Einstellungen und Reaktionen zu ermitteln. Gerade wegen dieser Methode überraschen die durchweg niedrigen Antwortquoten, die bei den beiden letzgenannten Alternativen im Durchschnitt nicht einmal 1 % erreichen. Eine Verringerung der geleisteten Arbeitsstunden würde — vornehmlich bedingt durch eine negative Haltung gegenüber dem Staat — im Durchschnitt nicht einmal von 5 % der Befragten vorgesehen, wobei die Reaktion bei den Vorarbeitern größer wäre als bei den Meistern und tendenziell auch eine Zunahme von Phase I nach Phase I I festzustellen ist. Die Erklärung für den ersten Aspekt könnte in der von den Vorarbeitern gegenüber dem Staat

140 Etwa im Falle der Kriegsfinanzierung hat sich gezeigt, daß die Bevölkerung eher bereit ist, hohe Steuerlasten zu tragen. Vgl. dazu H. Kolms( 1974)und derselbe, Finanzwissenschaft III, Besondere Steuerlehre, 3., verb. u. erg. Aufl., Berlin, New York 1976a, passim. 141 Der Nennungsindex liegt bei etwa 1,1 im ersten, bei etwa 1,2 im zweiten Fall. 142 Diese Antwort läßt Rückschlüsse auf die Schwarzarbeit zu.

252

4. Kap.

Untersuchungsergebnisse

eingenommenen negativeren Haltung gesehen werden 143 , während für den zweiten Aspekt die intertemporal gestiegene Steuerlast eine Ursache sein könnte. 144 Die hier dargestellten Reaktionen verschieben sich beträchtlich, wenn man von den Antworten ausgeht, die auf die Frage nach den Reaktionen auf eine Verdoppelung der Lohnsteuer gegeben wurden. Im einzelnen stellt die McAi-Reaktion mit etwa 40 % aller Befragten immer noch die wichtigste Antwort dar, auch wenn die Quote gegenüber der ersten Frage stark reduziert wurde. Das ist bedingt durch eine deutliche Verlagerung der Reaktionen auf die anderen Alternativen. Mehrarbeit in Form von Überstunden im Betrieb und Nebenverdienst am Feierabend bzw. Wochenende (Einkommenseffekt) würde jetzt von etwa einem Viertel aller Befragten angestrebt, wobei die Tendenz erhalten geblieben ist, daß die Meister weniger an außerbetriebliche Verdienstmöglichkeiten denken als Vorarbeiter. Auch die Mitarbeit der Ehefrau würde bei einer starken Lohnsteuererhöhung wesentlich stärker in Erwägung gezogen, etwa von jedem zehnten Befragten (bezogen auf die Zahl der Verheirateten würde sich ein etwas höherer Wert ergeben). Bedenkt man, daß bereits über 40 % der Ehefrauen mitarbeiteten (Tabelle 4.46), ist die Reaktionsform — bezogen auf das verbleibende Angebotspotential — beträchtlich. Faßt man die drei den Einkommenseffekt darstellenden Reaktionen zusammen, so gelangt man zu dem Ergebnis, daß jetzt die Mehrheit von etwa 60 % der Befragten mit einer Erhöhung des Arbeitsangebots reagieren würde — gegenüber etwa 40 % Nicht-Reagierenden. Demgegenüber bleibt der Substitutionseffekt — wenn auch im Vergleich mit der behutsamen Steuererhöhung stärker erkennbar — gering. In der ersten Phase erreicht er knapp 10 %, in Phase I I übersteigt er diese Marke um 2 Prozentpunkte. Die Komponente „würde weniger arbeiten, weil ich dem Staat die höheren Steuern nicht gönne", verdoppelt sich intertemporal von 5 % auf 10 %, wobei hierzu wieder das im Zuge des starken nominalen Einkommenswachstums während der Befragung verstärkte Hineinwachsen in die Steuerprogression sowie die

143 Der Verf. weiß aus zahlreichen Gesprächen mit den Befragten, daß Vorarbeiter gegenüber Staat und Arbeitgeber eine wesentlich stärkere Distanz haben als die Meister, die nicht selten aufgrund ihrer Führungsstellung zu einer funktionalen Solidarität mit dem Arbeitgeber neigen. 144 Von den 13 Befragten in Phase I (16 in Phase II), die unter der Rubrik „sonstiges" antworteten, bestätigen 6 (8), daß sie nicht reagieren würden („20,— D M machen den Kohl nicht fett"), 4 (2) begründen die Variation ihres Arbeitsangebots, während 3 (3) Befragte auf die Möglichkeit der Rückwälzung der höheren Steuerlast (Erhöhung des Bruttoeinkommens durch den Arbeitgeber) eingehen. In Phase I I sieht ein Befragter den Zusammenhang zwischen Steuern und Staatsausgaben: „Die Steuern kommen über die Staatskasse auch mir zugute".

51 — 114,2

b)

Mehrfachnennungen.

.

-,

.

385

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2

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10f1

I

1 4 2

II

246

107,9

'

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'

Meister

18,9

75,6

0^5

»5

112,8

4^5

1 °' /5 1 , 4 0,8