Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik: Module der Volkswirtschaftslehre Band I 9783486704730

Die VWL in drei Bänden.

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Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik: Module der Volkswirtschaftslehre Band I
 9783486704730

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Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik Module der Volkswirtschaftslehre Band I

von

Professor Dr. Lothar Wildmann Duale Hochschule Baden-Württemberg Villingen-Schwenningen

2., überarbeitete und verbesserte Auflage

OldenbourgVerlag München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2010 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Grafik + Druck GmbH, München ISBN 978-3-486-59111-8

Vorwort zur 2. Auflage Vor drei Jahren erschien die erste Auflage dieses VWL-Buches in drei Bänden und wurde von den Studenten und Studentinnen sehr gut angenommen. Den Studierenden verdanke ich auch viele interessante und wertvolle Anregungen, die nun in diese zweite Auflage mit aufgenommen wurden. Das vorliegende Buch wurde vollständig überarbeitet und aktualisiert, wobei die modulare Ausgestaltung als bewährtes Konzept beibehalten wurde. Module der Volkswirtschaftslehre Die drei Bände beinhalten die wichtigsten Themen der Volkswirtschaftslehre im Rahmen eines Bachelorstudiums an Hochschulen und Universitäten. Thematische Grundlage ist der Modulplan der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Jeder Band entspricht einem Studienjahr beziehungsweise einer Moduleinheit. Die Bände bauen thematisch aufeinander auf, sind aber unabhängig voneinander gestaltet, so dass jeder Band für sich gelesen werden kann. Die drei Bände bieten somit eine verlässliche Grundlage für ein erfolgreiches Studium der Volkswirtschaftslehre.

Band I:

Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

Band II:

Makroökonomie, Geld und Währung Modul 2.1: Makroökonomie Modul 2.2: Geld und Währung

Band III: Wirtschaftspolitik Modul 3.1: Wirtschaftspolitik I: Stabilisierungspolitik Modul 3.2: Wirtschaftspolitik II: Finanz- und Sozialpolitik

Das Buch ist in der Sprache der Studierenden geschrieben. Es ist eingängig, verständlich und leicht zu lesen. Ökonomische Kenntnisse werden nicht vorausgesetzt. Fachbegriffe werden „übersetzt“ und erläutert. Hinzu kommen zahlreiche Abbildungen, Beispiele und Praxisfälle.

VI

Vorwort

Anregung Will man sich mit dem Thema Essen und Ernährung befassen, ist es eine Sache, Kalorien zu zählen, Nährwerte zu errechnen, den Vitamingehalt zu bestimmen und Vorschläge für vernünftiges Ernähren zu geben. Dem Thema ganzheitlich gerecht zu werden, ist eine ganz andere Sache. Hier geht es um Befindlichkeiten, um Rituale, um kulturelle Belange und religiöse Aspekte. Analog verhält es sich mit der Wirtschaft. Was beim Essen Kalorien und Vitamine sind, definieren sich in der Wirtschaft als Produktionsfaktoren und Zahlungsmittel. Und was auf der einen Seite als vernünftiges Ernährungsverhalten propagiert wird, entspricht auf der anderen Seite rationalem ökonomischen Handeln. Rationalität und Objektivität stehen im Mittelpunkt der volkswirtschaftlichen Analyse – einerseits. Andererseits sieht sich die Ökonomie mit dem letztlich unkalkulierbaren Verhalten des Menschen und nicht voraussehbaren Ereignissen konfrontiert. In diesem Spannungsfeld von Gesetzmäßigkeiten und Zufällen, von Berechenbarkeit und subjektivem Verhalten bewegt sich die Ökonomie. Wirtschaft ist eingebettet in eine Geschichte; sie ist von Menschen geprägt; sie betrifft uns und macht uns oft betroffen. Dieses Spannungsfeld soll auch in diesem Buch zum Ausdruck kommen. Es beinhaltet Fakten und Formeln, Grundlagen und Gesetze der Ökonomie, doch immer vor dem Hintergrund, dass hinter diesen Objektivitäten Menschen und Meinungen stehen und die Wirtschaft und deren Lehre nicht statisch sind sondern facettenreich und lebendig. In diesem Sinne wünsche Ihnen viel Freude beim Entdecken der Ökonomie und viel Erfolg beim Studium. [email protected] [email protected] Lothar Wildmann

Hausen ob Verena im März 2010

Für meine Töchter Vanessa und Adriana

Inhaltsverzeichnis

Modul 1.1 Einführung in die Volkswirtschaftslehre 1

Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie .......3

1.1 1.1.1 1.1.2 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.5.5 1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3

Warum wirtschaftet der Mensch? ....................................................... 3 Vertreibung aus dem Paradies................................................................. 3 Existenzfunktion und Sinnfunktion des Wirtschaftens ........................... 3 Ressourcen und Güter .......................................................................... 4 Bedürfnisse und Bedarf des Menschen ................................................... 5 Das Angebot an Gütern........................................................................... 6 Der Einsatz von Produktionsfaktoren ..................................................... 6 Wirtschaften und ökonomisches Prinzip ............................................ 8 Rationales Handeln des Menschen.......................................................... 9 Das ökonomische Prinzip........................................................................ 9 Praxisrelevanz des rationalen Verhaltens von Menschen ..................... 11 Allokation und Distribution ............................................................... 13 Allokation und Ressourcenverteilung ................................................... 14 Distribution und Güterverteilung .......................................................... 14 Beispielaufgabe zu Allokation und Distribution ................................... 15 Akteure der Wirtschaft ...................................................................... 16 Ordnungsprinzipien der Wirtschaft....................................................... 16 Private Haushalte: ................................................................................. 17 Unternehmen......................................................................................... 18 Staat ...................................................................................................... 19 Ausland ................................................................................................. 21 Märkte.................................................................................................. 21 Gütermarkt ............................................................................................ 22 Arbeitsmarkt ......................................................................................... 23 Geldmarkt ............................................................................................. 24

2

Das Marktmodell.................................................27

2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3

Gesetz von Angebot und Nachfrage .................................................. 27 Gleichgewichtsbildung auf dem Gütermarkt ................................... 28 Allgemeines Nachfrageverhalten .......................................................... 29 Allgemeines Angebotsverhalten ........................................................... 30 Angebot trifft Nachfrage ....................................................................... 32

X

Inhaltsverzeichnis

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5

Funktionsweise des Preismechanismus – Beispielfälle..................... 34 Nachfragesteigerung durch Hitze (Nachfrageüberhang)....................... 34 Konsum von Magic macht doof (Nachfragelücke) ............................... 35 Überproduktion von Magic (Angebotsüberhang) ................................. 35 Lieferengpass von Magic (Angebotslücke)........................................... 36 Der Wasserverkäufer und die durstigen Wanderer ............................... 37

3

Marktversagen und öffentliche Güter ..............39

3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3

Marktmechanismus und Marktversagen.......................................... 39 Ausschließbarkeit................................................................................ 40 Der Markt funktioniert – Private Güter................................................. 40 Nichtausschließbarkeit und Marktversagen .......................................... 41 Rivalität im Konsum ............................................................................. 42 Trittbrettfahrerverhalten........................................................................ 43 Meritorische Güter und partielles Marktversagen .......................... 44 Beispiel Schule: Bildung als meritorisches Gut .................................... 45 Erläuterung des partiellen Marktversagens ........................................... 46 Demeritorische Güter............................................................................ 47

4

Adam Smith und die Volkswirtschaftslehre.....49

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3

Entstehung der Volkswirtschaftslehre .............................................. 49 Das Jahr 1776........................................................................................ 49 Adam Smith .......................................................................................... 50 Kernaussagen zum „Wohlstand der Nationen“ ..................................... 50 4.1.3.1 Freier Markt und Eigennutz .................................................... 51 4.1.3.2 Bedeutung des Staates............................................................. 52 Die Industrielle Revolution ................................................................ 53 Definition und Merkmale der Industriellen Revolution ........................ 53 Technische Erfindungen ....................................................................... 54 Arbeitsteilung und Tausch .................................................................... 55 Arbeitsteilung und Kostenvorteile..................................................... 57 Ricardo und der Methuen-Vertrag ........................................................ 57 Absolute Kostenvorteile........................................................................ 58 Komparative Kostenvorteile ................................................................. 59 Beispielaufgabe zum Theorem der komparativen Kostenvorteile ........ 60 Weiterentwicklung und Systematik der Volkswirtschaftslehre...... 62 Entwicklung und Differenzierung der Volkswirtschaftslehre ............... 63 Disziplinen und Systematik der Volkswirtschaftslehre......................... 66

4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.4 4.4.1 4.4.2

Inhaltsverzeichnis

XI

5

Abnehmender Grenznutzen und mikroökonomischer Ansatz ...............................69

5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.2.1 5.2.2

Gossen und der Grenznutzen............................................................. 69 Hermann Heinrich Gossen .................................................................... 69 Erstes Gossensches Gesetz.................................................................... 70 Grenznutzen am Beispiel Schwarzwälder Kirschtorte .......................... 70 Transformationskurve........................................................................ 72 Definition der Transformationskurve.................................................... 73 Darstellung der Transformationskurve am Beispiel Äpfel und Birnen. 74

6

John Maynard Keynes und die neue Wirtschaftspolitik....................................................................77

6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.2 6.2.1 6.2.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3

Die Weltwirtschaftskrise .................................................................... 77 Börsencrash und Schwarzer Freitag...................................................... 78 Massenarbeitslosigkeit und Wohlstandsverlust .................................... 79 Parallelen zu heute? .............................................................................. 80 John Maynard Keynes – Person und Werk...................................... 81 Wer war Keynes? .................................................................................. 81 „Die Allgemeine“ und das Jahr 1936.................................................... 82 Das Problem Arbeitslosigkeit und die Antwort von Keynes .......... 83 Makroökonomische Modellbildung am Beispiel des Arbeitsmarktes... 83 Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung ................................................. 86 Klassischer und keynsianischer Lösungsansatz .................................... 87

7

Ludwig Erhard und das deutsche Wirtschaftswunder..................................................................91

7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4

Wirtschaftssysteme und Wirtschaftsordnungen .............................. 91 Definition von Wirtschaftssystem, -ordnung und -verfassung.............. 92 Wirtschaftsordnungen in der Praxis ...................................................... 93 Marktwirtschaft versus Planwirtschaft.................................................. 93 Abstufungen der Wirtschaftsordnungen und Konvergenztheorie ......... 94 Die Begründer der Sozialen Marktwirtschaft .................................. 96 Geistige Väter der Sozialen Marktwirtschaft ........................................ 96 Der Ordoliberalismus............................................................................ 97 Politische Väter der Sozialen Marktwirtschaft...................................... 98 Konzept der Sozialen Marktwirtschaft.................................................. 99 7.2.4.1 Freiheit und Gerechtigkeit ...................................................... 99 7.2.4.2 Politikfelder der Sozialen Marktwirtschaft ........................... 101 Das deutsche Wirtschaftswunder .................................................... 102 Wachstum und Wohlstand .................................................................. 102 Europäisches Wiederaufbauprogramm – Der Marshall-Plan.............. 104

7.3 7.3.1 7.3.2

XII

Inhaltsverzeichnis

7.4 7.4.1 7.4.2

Das Grundgesetz und die Soziale Marktwirtschaft........................ 105 Der Blick in das Grundgesetz ............................................................. 106 Grundgesetzliche Verankerung der Sozialen Marktwirtschaft............ 107

8

Stabilitätsgesetz und magisches Viereck.........109

8.1 8.2 8.2.1

Der Sachverständigenrat .................................................................. 109 Stabilitätsgesetz und magisches Viereck ......................................... 111 Das magische Viereck......................................................................... 112 8.2.1.1 Stabilität des Preisniveaus..................................................... 113 8.2.1.2 Hoher Beschäftigungsstand .................................................. 114 8.2.1.3 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht .................................. 116 8.2.1.4 Stetiges und angemessenes Wachstum ................................. 117 Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes.............................................. 118 Kritik am Stabilitätsgesetz .................................................................. 119 Das magische Sechseck ..................................................................... 120 Verteilungsgerechtigkeit ..................................................................... 120 Ökologisches Gleichgewicht............................................................... 121

8.2.2 8.2.3 8.3 8.3.1 8.3.2

Modul 1.2 Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik 9

Einführung in die Mikroökonomie..................127

9.1 9.2

Definition von Mikroökonomie ....................................................... 127 Bedingungen der mikroökonomischen Analyse ............................. 128

10

Bestimmungsfaktoren der Nachfrage .............131

10.1 10.1.1

Preis des nachgefragten Gutes ......................................................... 132 Preisabsatzfunktion ............................................................................. 132 10.1.1.1 Prohibitivpreis und Sättigungsmenge ................................... 133 10.1.1.2 Preis- und Mengenbildung am Beispiel Busfahrt ................. 134 Direkte Preiselastizität der Nachfrage................................................. 135 10.1.2.1 Definition der Preiselastizität................................................ 135 10.1.2.2 Bestimmung der Elastizitäten am Beispiel Busfahrt............. 136 10.1.2.3 Elastizitätsbereiche ............................................................... 138 10.1.2.4 Starre und elastische Nachfragefunktionen........................... 139 Preis anderer Güter – Kreuzpreiselastizität ................................... 139 Definition von Kreuzpreiselastizität ................................................... 139 Varianten der Kreuzpreiselastizität ..................................................... 140

10.1.2

10.2 10.2.1 10.2.2

Inhaltsverzeichnis

XIII

10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.4 10.4.1 10.4.2

Einkommen der Nachfrager – Einkommenselastizität .................. 142 Einkommenselastizität ........................................................................ 142 Superiore Güter ................................................................................... 143 Inferiore Güter .................................................................................... 144 Einkommensunabhängige Güter ......................................................... 145 Nutzenvorstellung der Nachfrager .................................................. 146 Ordinaler Nutzenvergleich .................................................................. 146 Nachfragemodell im Zwei-Güter-Fall mit Budgetbeschränkung........ 147

11

Produktions- und Kostentheorie......................151

11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.2 11.2.1 11.2.2

Die Angebotsseite .............................................................................. 151 Bestimmungsfaktoren des Angebots................................................... 151 Innenansichten des Unternehmens ...................................................... 151 Beispiel Fingerring.............................................................................. 153 Produktionsfunktionen..................................................................... 154 Input-Output-Verhältnis...................................................................... 154 Produktionsfunktion vom Typ A ........................................................ 156 11.2.2.1 Ertragsgesetz......................................................................... 156 11.2.2.2 Neoklassische Produktionsfunktion ...................................... 158 11.2.2.3 Variabilität und Faktorkonstanz............................................ 159 Kombination mehrerer Einsatzfaktoren......................................... 159 Substitutionalität der Einsatzfaktoren ................................................. 160 Indifferenzkurven................................................................................ 161 Minimalkostenkombination ................................................................ 163 Limitationale Produktionsfunktionen.................................................. 165 11.3.4.1 Linear-limitationale Produktionsfunktion............................. 166 11.3.4.2 Allgemein-limitationale Produktionsfunktion ...................... 167 Limitationalität der Einsatzfaktoren.................................................... 168 Von der Produktionsfunktion zur Kostenfunktion........................ 170 Herleitung einer Kostenfunktion am Beispiel Apfelkuchen ............... 170 Beispielaufgabe Pizzaproduktion........................................................ 172 Herleitung der Kostenfunktion aus der Produktionsfunktion.............. 173 Kostenarten, Kostenbegriffe und Kostenfunktionen ........................... 174

11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4 11.3.5 11.4 11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4

12

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien der Unternehmen ............................177

12.1 12.2 12.2.1 12.2.2 12.3 12.4 12.4.1 12.4.2

Unternehmensziele ............................................................................ 177 Wettbewerbssituation und Marktformen ....................................... 178 Relevanter Markt und Zahl der Marktteilnehmer................................ 179 Polypol, Oligopol und Monopol ......................................................... 180 Gewinnmaximierung im Polypol und Monopol ............................. 182 Preisbildung und Gewinnmaximierung im Polypol ....................... 184 Preisbildung im Polypol – Der Marktpreis ........................................ 184 Umsatzmaximierung im Polypol......................................................... 185

XIV 12.4.3

Inhaltsverzeichnis

12.5 12.5.1 12.5.2 12.5.3 12.6 12.6.1 12.6.2 12.6.3 12.6.4 12.7

Gewinnmaximierung im Polypol bei linearer Kostenfunktion ........... 186 12.4.3.1 Gewinnmaximierung am Beispiel Gartenzwerge ................. 186 12.4.3.2 Gültigkeit der Entscheidungsregel im Polypol ..................... 187 Gewinnmaximierung im Polypol bei nicht-linearer Kostenfunktion .. 188 12.4.4.1 Grenzumsatz gleich Grenzkosten-Regel ............................... 188 12.4.4.2 Marginalanalyse in der Praxis............................................... 191 Preisbildung und Gewinnmaximierung im Monopol..................... 191 Preisbildung im Monopol.................................................................... 192 Umsatzmaximierung im Monopol ...................................................... 193 Gewinnmaximierung im Monopol bei linearer Kostenfunktion ......... 194 Preisdifferenzierung im Angebotsmonopol .................................... 196 Preisdifferenzierung am Beispiel Mittagessen .................................... 197 Abschöpfung der Konsumentenrente .................................................. 198 Preisdifferenzierung in der Praxis ....................................................... 199 Produzentenrente................................................................................. 200 Preisbildung und Gewinnmaximierung im Oligopol ..................... 201

13

Entscheidungsverhalten in der Spieltheorie...203

13.1 13.2 13.2.1 13.2.2 13.2.3

Von Neumann und Morgenstern ..................................................... 203 Das Gefangenendilemma .................................................................. 204 Beispiel Bonnie und Clyde ................................................................. 205 Beispiel Ölbohrung ............................................................................. 206 Beispiel Werbung................................................................................ 207

14

Unternehmenskonzentration............................209

14.1 14.1.1 14.1.2 14.1.3 14.2 14.3 14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.4 14.3.5 14.3.6 14.3.7 14.3.8 14.4 14.4.1 14.4.2 14.4.3 14.4.4 14.5

Fusionen, Firmenübernahmen und Global Players ....................... 209 Firmenübernahmen ............................................................................. 209 Die größten Unternehmen und Arbeitgeber der Welt ......................... 210 Die größten Unternehmen Deutschlands............................................. 211 Ursachen der Konzentration............................................................ 212 Argumente für „Größe“ ................................................................... 213 Economies of Scale............................................................................. 214 Erfahrungskurve und Lerneffekte ....................................................... 215 Economies of Scope............................................................................ 216 Konditionenpolitik .............................................................................. 217 Preispolitik .......................................................................................... 217 Erschließen neuer Märkte ................................................................... 218 Marktmacht ......................................................................................... 218 Machtmensch ...................................................................................... 219 Carnegie, Morgan und Rockefeller ................................................. 220 Der Stahlkönig Andrew Carnegie ....................................................... 220 Der Bankier und Großunternehmer John Pierpont Morgan ................ 221 Der reichste Amerikaner John Davison Rockefeller........................... 221 Macht und Einfluss ............................................................................. 222 Nachteile und Probleme der Konzentration ................................... 222

12.4.4

Inhaltsverzeichnis

XV

15

Wettbewerbspolitik ...........................................225

15.1 15.2 15.2.1 15.2.2 15.2.3 15.3 15.3.1 15.3.2 15.4 15.4.1 15.4.2 15.4.3 15.4.4 15.4.5

Wettbewerb und Politik – ein Paradox? ......................................... 225 Funktionen des Wettbewerbs........................................................... 227 Allokationsfunktion des Wettbewerbs ................................................ 227 Innovationsfunktion des Wettbewerbs ................................................ 228 Machtbeschränkungsfunktion des Wettbewerbs ................................. 228 Wettbewerbsansätze und institutionelle Ebenen............................ 229 Erklärungsansätze für den Wettbewerb .............................................. 229 Institutionelle Ebenen der Wettbewerbspolitik ................................... 230 Wettbewerbspolitik in Deutschland ................................................ 231 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ....................................... 231 Das Bundeskartellamt ......................................................................... 232 Überwachung des Kartellverbots ........................................................ 232 Arten von Kartellen............................................................................. 233 Ausnahmen vom Kartellverbot: .......................................................... 234

15.4.6

Fusionskontrolle.................................................................................. 235 15.4.6.1 Fusion ................................................................................... 235 15.4.6.2 Ministerfusion....................................................................... 236 Missbrauchsaufsicht............................................................................ 237 Europäische Wettbewerbspolitik..................................................... 238 Europäisches Kartellamt ..................................................................... 238 EU-Fusionskontrollverordnung .......................................................... 239 Internationale Wettbewerbspolitik.................................................. 240 Kooperation der Wettbewerbsbehörden.............................................. 241 Gründung eines Weltkartellamtes ....................................................... 242

15.4.7 15.5 15.5.1 15.5.2 15.6 15.6.1 15.6.2

Abbildungsverzeichnis ................................................245 Literaturverzeichnis....................................................247 Internet-Adressen........................................................252 Stichwortverzeichnis ...................................................253

Modul 1.1 Einführung in die Volkswirtschaftslehre

1

Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie

1.1

Warum wirtschaftet der Mensch?

Warum wirtschaftet der Mensch? Warum arbeiten, haushalten und planen wir? Warum sorgen wir uns, legen Vorräte an, bewirtschaften das Land, produzieren Kleidung und Autos? Warum investieren wir in Aktien, schließen Versicherungen ab, bieten Unterhaltung an? Warum zahlen wir Steuern und erhalten Kindergeld? Warum legen wir ein Konto an, geben Geld aus, sparen und spenden? Warum tun wir das alles? Warum gibt es Wirtschaft? 1.1.1

Vertreibung aus dem Paradies

Eine einigermaßen detaillierte Antwort braucht (folgende) Hunderte von Seiten; die eigentliche Ursache ist jedoch kurz gesagt: Wir brauchen Wirtschaft, weil wir aus dem Paradies vertrieben worden sind, das Schlaraffenland nicht finden und der Himmel noch fern ist. Die Utopie des Schlaraffenlandes: Den paradiesischen Zustand des Müßiggangs und des sorgenfreien Lebens haben wir, beziehungsweise unsere Urahnen, wegen angeblich fehlerhaften Verhaltens verlassen müssen und das zukünftige Paradies des Himmels können wir nur erhoffen und erwarten. Die Vergangenheit per se ist passe und die Zukunft ungewiss. Deshalb haben wir für die Gegenwart das Schlaraffenland erfunden, wo wir einen Zustand des Paradieses im Hier und Jetzt ersehnen. Doch auch das ist eine Utopie, von der wir träumen wie vom vorgegaukelten Glück des Lotto-Sechsers, welches uns genau dieses Bild vermitteln will: Ein wirtschaftlich sorgenfreies unbeschwertes Leben am Südseestrand – sorglos, müßig, leicht, unbeschwert, paradiesisch und schön. Man könnte also meinen, es gäbe nichts Schöneres, als ein wirtschaftlich unabhängiges, sorgen- und arbeitsfreies Leben. Doch finanziell abgesichert und vom Zwang zur Arbeit befreit, mag zwar tatsächlich ein begehrtes Ziel sein; aber wehe, man ist nicht von der Arbeit befreit, sondern die Arbeit los – also arbeitslos, dann wird diese Arbeitslosigkeit als Belastung, Zumutung und Behinderung empfunden. In diesem Spannungsfeld von Arbeiten und Sorgen müssen und Schaffen und Wirken dürfen bewegt sich das Wirtschaften. 1.1.2

Existenzfunktion und Sinnfunktion des Wirtschaftens

Arbeiten, Wirtschaften und Haushalten beinhalten zwei Funktionen, nämlich die Existenzfunktion und die Sinnfunktion.

4

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Existenzfunktion bedeutet Überleben: Nicht Verhungern und Verdursten, nicht Erfrieren und Erkranken. Sinnfunktion bedeutet Leben: Wohlstand, Anerkennung, Teilhabe, Kreativität und Kunst. Funktionen des Wirtschaftens: 

Existenzfunktion: Überleben Existenz: Nicht verhungern, verdursten, erfrieren, usw.



Sinnfunktion: Leben Anerkennung, Teilhabe, Kreativität, und Kunst.

Existenzfunktion: Die Existenzfunktion beschreibt die Tatsache (für uns Menschen in Deutschland kaum vorstellbar), dass man wirtschaften muss, um überhaupt überleben zu können. Man muss etwas anbauen, man muss ernten, Vorräte anlegen und mit den Ressourcen und Gütern haushalten. Angenommen in einer Großstadt würden von einem Moment auf den anderen unsere selbstverständlich funktionierenden Versorgungssysteme zusammenbrechen – mit der Folge, kein Wasser, keinen Strom und keine Lebensmittel mehr zu haben. Binnen weniger Wochen würde ein Großteil der Menschen diesen Zustand nicht überleben, sofern keine Hilfe von außen käme. Wirtschaften ist letztlich nichts anderes als Ausdruck des unbedingten Lebensbedürfnisses und des Lebenswillens. Besonders in und nach Krisensituationen kommt diese materielle Perspektive zum Tragen: Nie mehr hungern und dürsten, nie mehr frieren und an harmlosen Krankheiten sterben müssen. Sinnfunktion: Erst eine materielle Sicherheit gibt uns schließlich Raum und Freiheit für die „höheren“ Dinge des Lebens. Arbeiten bedeutet nun nicht mehr schuften, sondern Arbeiten heißt jetzt kreativ sein, wirken und bewirken, gestalten und formen, sich selbst verwirklichen und Erfüllung finden. Materieller Wohlstand ermöglicht die Chance, sich der Kunst und Kultur zu widmen, zu reisen, zu genießen, ja sogar anderen zu helfen und großzügig zu sein: Armut engt ein, Reichtum macht frei!?

1.2

Ressourcen und Güter

Im wirtschaftswissenschaftlichen Sprachgebrauch wird der Gegensatz zwischen „Paradies“ und Alltag“ beziehungsweise zwischen Wünschen und Möglichkeiten, etwas spröder als Gegensatz von Bedürfnissen und Gütern beschrieben. Und da es sich zumeist so verhält, dass die Bedürfnisse größer sind als die zur Verfügung stehenden Güter, herrscht Knappheit. Und Knappheit bedeutet, dass man wirtschaften und haushalten muss, um knappe Güter mit mehr oder weniger unbegrenzten Bedürfnissen in Einklang bringen.

1

Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie

5

Knappheitsproblem  Unbegrenztheit von Bedürfnissen trifft auf Begrenztheit von Gütern.

1.2.1

Bedürfnisse und Bedarf des Menschen

Neben dem Bedürfnis sind in diesem Zusammenhang auch die Begriffe des Bedarfs und der Nachfrage zu definieren. Diese Begriffe stehen nämlich in unmittelbarem Zusammenhang und definieren sich gleichzeitig in der Unterscheidung voneinander. Bedürfnis: Bedürfnisse ergeben sich aus subjektiven Empfindungen wie zum Beispiel dem Appetit auf Schokolade oder der Lust auf einen Kinofilm. Diese Empfindungen und Wünsche speisen sich aus dem Gefühl eines Mangels und dem Wunsch diesem abzuhelfen. Bedürfnis:  Subjektives Wunschempfinden nach Gütern. Bedarf: Im Gegensatz zu den Bedürfnissen wird Bedarf als etwas Objektives und Konkretisiertes definiert. Der Mensch hat zum Beispiel unabhängig von seinen subjektiven Bedürfnissen nach Kuchen und Süßigkeiten einen bestimmten Vitaminbedarf oder Flüssigkeitsbedarf. Bedarf:  Art und Menge der zur Befriedigung der Bedürfnisse notwendigen Güter. Nachfrage: Wird der Bedarf wirksam, indem Menschen bestimmte Güter erwerben möchten, kommt die Kategorie der ‚Nachfrage’ mit ins Spiel. Güter werden nachgefragt, um einen Bedarf zu decken und Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen. Nachfrage:  Art und Menge der Güter, die Menschen erwerben möchten.

Unbegrenztheit der Bedürfnisse und Endlichkeit der Güter: Das Bedürfnis ist letztlich unbegrenzt; die zur Verfügung stehenden Ressourcen und Güter sind es nicht. Damit ist nicht gemeint, dass es nicht auch ein Überangebot an Waren geben kann, welches sogar dazu führt, dass überschüssige Apfelber-

6

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

ge der Europäischen Union ins Mittelmeer geschüttet werden oder überschüssige Fleischberge in andere Länder „verscherbelt“ wurden. In einem Land kann es einen Nahrungsmittelüberschuss geben, im benachbarten Land können die Menschen wegen Nahrungsmittelmangels sterben. Begrenztheit der Güter meint letztlich, dass Güter grundsätzlich nicht in unendlicher Menge oder für ewige Zeiten zur Verfügung stehen. Die Vorräte an Erdöl sind begrenzt und auch das sogenannte freie Gut Luft könnte durch Verschmutzung knapp werden. 1.2.2

Das Angebot an Gütern

Der Sinn des Wirtschaftens besteht darin, Güter im weitesten Sinne zu produzieren, um mit diesem Angebot die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, wobei mit Gütern nicht nur materielle Güter wie Autos, Computer und Häuser gemeint sind, sondern auch immaterielle wie Haare schneiden oder eine Operation durchführen. Zu diesen immateriellen Gütern können im Übrigen auch Rechte wie Patente, Lizenzen oder Marken hinzugezählt werden. Materielle Güter werden auch als Waren oder Produkte bezeichnet, immaterielle Güter als Dienstleistungen. 1 Angebot an Gütern (Output):  Produkte oder Waren: materielle Güter (Sachgüter)  Dienstleistungen: immaterielle Güter Um Produkte wie Autos oder CD-Player herstellen und Dienstleistungen wie Therapien oder Beratungen anbieten zu können, benötigt es den Einsatz von Ressourcen wie Menschen, Maschinen, Computer, Rohstoffe und Energie. Diese Ressourcen oder auch Mittel werden in der Volkswirtschaftslehre als Produktionsfaktoren oder auch Einsatzfaktoren bezeichnet. 1.2.3

Der Einsatz von Produktionsfaktoren

Will man die Einsatzfaktoren der Volkswirtschaftslehre klassifizieren, bietet sich die klassische Dreiteilung in Boden, Arbeit und Kapital an. Der Faktor Boden steht für Ressourcen wie Land, Wasser und Bodenschätze. Der Faktor Arbeit meint die menschliche Arbeitskraft, also den Einsatz des Menschen in der Wirtschaft. Der Faktor Kapital bedeutet Gebäude, Maschinen und Werk1

Güter lassen sich in ein vielfältiges Klassifikationsschema einordnen. Dazu gehört beispielsweise die Unterscheidung in private und staatliche Güter, Konsum- und Investitionsgüter, substitutive und komplementäre Güter, Verbrauchs- und Gebrauchsgüter und andere mehr. Einige dieser Unterscheidungen werden in den entsprechenden Kapiteln der Mikroökonomie und Makroökonomie behandelt.

1

Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie

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zeuge. Im Unterschied zu den beiden Faktoren Boden und Arbeit wird der Faktor Kapital als derivativer (abgeleiteter) Faktor bezeichnet, der durch das Zusammenwirken der ursprünglichen und natürlichen Faktoren Boden und Arbeit entstanden ist. Produktionsfaktoren der Volkswirtschaftslehre:  Boden (Natur/Ressourcen): Land, Wasser, natürliche Energiequellen, Bodenschätze.  Arbeit (Arbeitskraft):

Menschliche Arbeitskraft.

 Kapital (derivativer Faktor): Produzierter Faktor wie Gebäude, Maschinen und Werkzeuge. Diese Einteilung der Produktionsfaktoren in Boden, Arbeit und Kapital gilt als traditionelle Sichtweise, die auf die klassische Nationalökonomie im 18. Jahrhundert zurückgeht. Die Einteilung der Produktionsfaktoren 2 entspricht nämlich dem damaligen Ständewesen und den entsprechenden Feudalklassen. Klassengesellschaft und Ständewesen: 

Erste Klasse:



Zweite Klasse: Eigentümer des Bodens, die die Überschüsse (Grundrenten) kassieren.



Dritte Klasse:

Landwirte, die den Boden von den Großgrundbesitzern gepachtet haben (produktive Klasse).

Händler und Gewerbetreibende (sterile Klasse, da sie nichts unmittelbar mit der Landwirtschaft zu tun haben)

Exkurs: Die betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren Die Produktionsfaktoren der Betriebswirtschaftslehre lassen sich in Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe einteilen. 3 Arbeit ist als menschliche Arbeitskraft zu verstehen, wobei zwischen dispositiver (bestimmender Arbeit der Unternehmensführung) und ausführender Arbeit als elementarer Faktor unterschieden wird. Betriebsmittel sind einerseits Kapitalfaktoren wie Maschinen und andererseits Bodenfaktoren wie Grundstücke. Zu den Werkstoffen gehören die Rohstoffe (z. B. Eisen), die Hilfsstoffe (z. B. Schrauben) und die Betriebsstoffe (z. B. Benzin).

2

3

Eine auf François Quesnay (französischer Arzt und Ökonom, 1694 - 1774) und JeanBaptiste Say (französischer Journalist und Ökonom, 1767 - 1832) zurückgehende Einteilung. Nach Erich Gutenberg (deutscher Betriebswirt, 1897 - 1984). Sein Hauptwerk „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre“ beinhaltet drei Bände und datiert von 1951 bis 1969.

8

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Produktionsfaktoren der Betriebswirtschaftslehre:  Arbeit: Arbeitskraft der Menschen  Betriebsmittel: Grundstücke und Maschinen (Kapital)  Werkstoffe: Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe Wissen: Sowohl in der Volkswirtschaftslehre wie auch in der Betriebswirtschaftslehre wird das „Dreigespann“ der Produktionsfaktoren immer öfter durch einen vierten Faktor erweitert und das ist der Faktor Wissen, Information beziehungsweise Fortschritt (Know-how). Im Gegensatz zum Faktor Arbeit, der die Handlung und Durchführung von Arbeit und die berufliche Tätigkeit beinhaltet, betont der Faktor Wissen Aspekte wie Bildung, Aus- und Weiterbildung, Schule, Studium, sowie die Vorbereitung, Weitergabe und Organisation des Wissens. Resümee: Als Resümee dieser Ausführungen lässt sich festhalten, dass Wirtschaften immer dadurch charakterisiert ist, dass etwas geschaffen wird und Produkte und Dienstleistungen hervorgebracht werden. Doch dazu bedarf es des Einsatzes von Ressourcen, Wissen und Arbeit. Verschiedene Begriffspaare verdeutlichen diesen Zusammenhang von Input und Output. Input Ressourcen Produktionsfaktoren Mitteleinsatz Einsatzmengen

→ → → → →

Output Waren und Dienstleistungen Güter Produktionsergebnis Ausbringungsmenge

Wenn nun Produktionsfaktoren eingesetzt werden, um Güter herzustellen, sollte dieser Einsatz vernünftig geschehen und damit sind wir beim Thema „ökonomisches Prinzip“!

1.3

Wirtschaften und ökonomisches Prinzip

Ressourcen und Güter stehen uns nicht unbegrenzt zur Verfügung, sondern sind knapp und begrenzt. Deshalb ist es angebracht, mit diesen Ressourcen sorgsam und vernünftig umzugehen. Solch ein vernunftgeleitetes Handeln nennt sich rationales Handeln. Wenn ein CD-Player 70 Euro kostet und der exakt identische CD-Player für 60 Euro daneben steht, wäre es völlig irrational, sich für den 70 Euro-CD-Player zu entscheiden. Wenn ein Produktionsprozess zur Herstellung eines Autos im Durchschnitt 55 Minuten dauert und das gleiche Auto aber lediglich durch eine bessere Organisation der Arbeitsabläufe in 45 Minuten hergestellt werden könnte, wäre es irrational das nicht zu tun. Wenn ich die Auswahl hätte ins Kino zu gehen oder zum Essen, und das Essen wäre mir lieber, wäre es unvernünftig, ins Kino zu gehen.

1 1.3.1

Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie

9

Rationales Handeln des Menschen

Will man „Wirtschaften“ definieren, ist es üblich, den eben angesprochenen Rationalitätsgedanken mit einzubeziehen. Eine gängige Definition lautet:

Wirtschaften  Rationales Handeln eines Wirtschaftssubjektes, um knappe Güter mit (unbegrenzten) Bedürfnissen in Einklang zu bringen. Die Rationalität spielt in der Volkswirtschaft eine entscheidende Rolle. Viele Aussagen und Lehrsätze bauen auf das rationale Handeln der Akteure. Der Mensch in der Welt der Volkswirtschaft ist ein wirtschaftlicher Mensch, ein Mensch der rational handelt, ein homo oeconomicus. Der Begriff „Oeconomia“ meint vom Wortstamm ausgehend nichts anderes als ein vernünftiges Haushalten, sei es im privaten Haushalt oder im Staatshaushalt. Oeconomia:

Die Lehre vom guten Haushalten.

Homo oeconomicus: Leitbild des rational handelnden Menschen in der Wirtschaft. Seinen Ausdruck findet das rationale Handeln des Homo Oeconomicus im „Ökonomischen Prinzip“ (Rationalprinzip), das selbst noch einmal eine Differenzierung durch das bekannte Maximal- und Minimalprinzip erfährt. 1.3.2

Das ökonomische Prinzip

Das ökonomische Prinzip stellt einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Gütern (Output) und Mitteleinsatz (Input) her. Dieser Zusammenhang existiert als Maximal- und als Minimalprinzip. Das Maximalprinzip beschreibt den Fall, dass der Input gegeben ist und mit diesem gegebenen Input der Output maximiert werden soll. Dagegen soll nach dem Minimalprinzip ein bestimmter gegebener Output mit einem möglichst geringen Input erreicht werden. Ökonomisches Prinzip (Rationalprinzip):  Maximalprinzip: Mit einem gegebenen Input (Aufwand) den maximalen Output (Ertrag) erzielen.  Minimalprinzip: Einen gegebenen Output (Ertrag) mit minimalem Input (Aufwand) erzielen. Je ein Faktor wird also als gegeben und konstant betrachtet, während der andere Faktor entweder maximiert oder minimiert werden soll.

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Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Rationalprinzip Maximalprinzip Minimalprinzip

Input konstant minimieren

Output maximieren konstant

Maximal- und Minimalprinzip am Beispiel der Jeansherstellung a) Maximalprinzip Angenommen, es steht eine bestimmte Stoffmenge als Inputfaktor zur Verfügung. Dann besteht das Maximalprinzip darin, aus dieser Stoffmenge möglichst viel „heraus zu holen“. Wenn es möglich ist, mit der gleichen Stoffmenge zwei Jeans statt einer zu fertigen, ist es ökonomisch vernünftig und logisch zwingend, den maximal möglichen Ertrag von zwei Jeans zu realisieren; mal abgesehen davon, dass dies nicht nur ökonomischer, sondern auch ökologischer ist (weniger Verschwendung von Ressourcen). 

Maximalprinzip: Mit einem gegebenen Input (Stoffmenge) den maximalen Output (zwei Jeans) erzielen. Stoffmenge

Herstellung von

statt

b) Minimalprinzip Handeln nach dem Minimalprinzip bedeutet, dass ein bestimmter Output – in diesem Fall eine Jeans – mit möglichst wenig Stoff herzustellen ist. 

Minimalprinzip: Einen bestimmten Output (1 Jeans) mit minimalem Input (Stoffmenge) realisieren. aus

Stoffmenge

statt aus

Stoffmenge

Begriffspaare: Bei der Formulierung des ökonomischen Prinzips als Maximalbeziehungsweise als Minimalprinzip ist zu beachten, dass verschiedene Begriffspaare für Output und Input verwendet werden. Wichtig ist, dass die Begriffe zueinander passen. Mögliche und übliche Begriffspaare sind:     

Input und Output Aufwand und Ertrag Kosten und Leistung Mitteleinsatz und Ergebnis Einsatzmenge und Ausbringungsmenge

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Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie

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Die Verwendung dieser Begriffe spielt vor allem in der Betriebswirtschaftslehre eine große Rolle. Setzt man nämlich diese Größen ins Verhältnis zueinander, erhält man typische betriebswirtschaftliche Kenngrößen wie die Produktivität als Verhältnis von Ausbringungsmenge und Einsatzmenge (mengenmäßig) oder die Wirtschaftlichkeit als Verhältnis von Ertrag und Aufwand (wertmäßig). Hinweis: Kombination von Maximal- und Minimalprinzip? Das ökonomische Prinzip existiert in den zwei Ausprägungen des Maximal- und des Minimalprinzips. Die Entweder- oder Formulierung der beiden Alternativen reizt dazu, beide Varianten miteinander zu kombinieren und folgende Aussage zu treffen: Wirtschaftlichkeit heißt, einen möglichst hohen Ertrag mit möglichst geringem Aufwand erzielen. In der Volkswirtschaftslehre ist diese Kombination „verboten“. Man kann zwar versuchen beides zu erreichen – beispielsweise einen möglichst hohen Umsatz bei gleichzeitig minimalen Kosten –, indem beispielsweise Arbeitskräfte entlassen werden (Kostensenkung) und gleichzeitig die übrig gebliebene Zahl von Menschen ihre Produktivität so steigert, dass die Ausbringungsmenge und der Umsatz sogar zunehmen. Methodisch ist jedoch immer nur eine der beiden Prinzipien anzuwenden, also entweder das Minimalprinzip (Kostensenkung durch Personalentlassung) oder das Maximalprinzip (Produktivitätssteigerung). 1.3.3

Praxisrelevanz des rationalen Verhaltens von Menschen

In der Volkswirtschaftslehre ist der Mensch als Homo Oeconomicus definiert, der nicht nur vernunftbegabt ist, sondern sich auch danach verhält und rationale Entscheidungen trifft. Doch verhalten sich diese angeblich vernunftbegabten Menschen auch ökonomisch vernünftig in der Praxis? a) Brezeln und Einkauf nach Sympathie Folgende Einkaufssituation ist gegeben: Es existieren zwei identische Bäckereien, die gleich weit entfernt sind und exakt dieselben Brezeln (homogene Güter) anbieten. Der einzige Unterschied besteht darin, dass in der Knusper-A-Bäckerei die Brezel 50 Cent kostet und in der Knusper-B-Bäckerei 60 Cent. Ein rational handelnder Mensch wird in die Knusper-A-Bäckerei gehen und die Brezel für 50 Cent kaufen – eine Entscheidung nach dem Minimalprinzip: Den gleichen Ertrag, nämlich eine Brezel, mit möglichst geringem Aufwand, nämlich 50 Cent, zu erzielen. So die Theorie. In der Praxis wird aber zu beobachten sein, dass manche trotz der höheren Kosten in die Knusper-B-Bäckerei gehen, weil dort das Verkaufspersonal besonders schön und sympathisch ist. Ökonomisch vernünftig ist das nicht – sofern man nur den Preis betrachtet! Doch auch mit Schönheit und Sympathie weiß die Theorie umzugehen. Wenn nämlich Menschen bereit sind, die Brezel für 60 Cent zu kaufen, ist ihnen dieses Kauferlebnis anscheinend mehr wert als die Ersparnis von 10 Cent, die sie dadurch verlieren, dass sie nicht in die Knusper-A-Bäckerei gehen.

12

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Insofern könnte man es sich einfach machen und wie folgt argumentieren: Wenn jemand eine Entscheidung trifft, egal wie sinnvoll sie uns erscheint oder nicht, ist diese Entscheidung ex post (also im Nachhinein) immer ökonomisch, sonst hätte sich die betreffende Person nicht entsprechend entschieden. Jegliches Verhalten ist per se rational. Doch auch wenn scheinbar objektive Maßstäbe und berechenbare Entscheidungssituationen gegeben sind, lassen sich immer wieder interessante Verhaltensweisen finden, wo sich Menschen bewusst „irrational“ verhalten – zumindest aus objektiver Sicht. Ein bekanntes Beispiel ist der „Hang zur Unterlassung“. b) Impfung und der Hang zur Unterlassung „Das Gesundheitsministerium informiert über den Ausbruch einer bisher unbekannten Infektionskrankheit, die insbesondere bei Kleinkindern tödlich verlaufen kann und an der 10 von 10.000 Kindern sterben werden. Man kann sein Kind gegen diese Krankheit impfen lassen, jedoch birgt die Impfung das Risiko, die Krankheit auszulösen, was ebenfalls zum Tod des Kindes führen kann. Wenn Sie Vater oder Mutter wären: Wie hoch darf maximal die Todesfallhäufigkeit bei der Impfung sein, damit Sie Ihr Kind noch impfen lassen?“ 4 Hang zur Unterlassung:  Der Entscheidende präferiert die Unterlassung einer Handlung, die zu negativen Konsequenzen führen kann, auch wenn diese Unterlassung zu schlechteren Konsequenzen – oder mit größerer Wahrscheinlichkeit zu schlechteren Konsequenzen – führt als die Handlung. Rational wäre es, wenn die Eltern dann impfen lassen, wenn die Todesfallhäufigkeit weniger als 10 pro 10.000 Kinder beträgt. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind stirbt, ist dann geringer als bei einer Rate von 10 pro 10.000. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass die tatsächliche Bereitschaft zur Impfung erst ab einer Wahrscheinlichkeitsquote von im Mittel 5,5 Todesfällen einsetzt. Liegt die Quote beispielsweise bei 8 pro 10.000, impfen die Eltern lieber nicht, auch wenn dadurch die Wahrscheinlichkeit eines Todes höher ist als bei Impfung. Warum treffen Eltern eine solch irrationale Entscheidung? Erklärung:  Negative Konsequenzen einer Handlung werden als verursachte Schäden, das heißt als Verluste betrachtet (im Beispiel als verursachte Todesfälle), während die (selben) negativen Konsequenzen nach einer Unterlassung als entgangene Gewinne (im Beispiel als nicht gerettete Leben) wahrgenommen werden. 4

Beispiel nach Ritov/Baron 1990, zitiert von Katrin Fischer in WISU-KOMPAKT, 6/04, S. 753.

1

Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie

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Als Begründung brachten die Eltern oftmals vor, dass der Tod des Kindes infolge der Impfentscheidung schlimmer wäre, als wenn ihr Kind schicksalhaft durch die Krankheit stirbt. Man will nicht schuld am Tode des Kindes sein, auch wenn die Wahrscheinlichkeit tödlich zu erkranken, durch die Impfung deutlich geringer ist. Die subjektiv empfundene Verantwortlichkeit für die Folgen scheint bei einer aktiven Handlung größer zu sein als beim Unterlassen einer Handlung. Ob und inwieweit Menschen rational handeln, sei mal dahingestellt. Doch für die Volkswirtschaftslehre ist der homo oeconomicus immens wichtig – fundiert er doch die Volkswirtschaftslehre als objektive und mathematische Disziplin. Menschliches und damit auch ökonomisches Verhalten wird prognostizierbar, berechenbar, vorhersehbar. Doch der homo oeconomicus hat viel von seinem Nimbus eingebüßt. Das „unvernünftige“ und „unzulängliche“ Verhalten des Menschen wird zunehmend zum Untersuchungsthema, wobei man diesem Phänomen der Unvernunft mit Vernunft beikommen möchte.

1.4

Allokation und Distribution

Wirtschaften bedeutet die Herstellung von Gütern (Output). Dazu bedarf es des Einsatzes von Produktionsfaktoren (Input). Der Einsatz dieser Produktionsfaktoren bei der Güterherstellung erfolgt wirtschaftlich, was ein effizientes Verhältnis von Output zu Input bedeutet. Was nun aber noch nicht geklärt ist, ist die Frage, welche Güter in welchen Mengen unter Einsatz welcher Produktionsfaktoren produziert und angeboten werden. Und schließlich eine weitere Frage: Wer erhält eigentlich was und wie viel von den produzierten Gütern? Die Antworten auf diese Fragen sind in der Volkswirtschaftslehre unter den Fachbegriffen „Allokation“ und „Distribution“ bekannt. Erste Frage:

Welche Güter sollen in welchen Mengen unter Einsatz welcher Produktionsfaktoren produziert und angeboten werden? → Allokation

Zweite Frage: Wer erhält was und wie viel von den produzierten Gütern? → Distribution Allokation und Distribution gehören zu den wichtigsten Begriffen der Volkswirtschaftslehre. 5 Da beide Konzepte mit Zuteilung oder Verteilung zu tun haben, kommt es immer wieder zu Missverständnissen. Während Allokation die Verteilung von Produktionsfaktoren zur Herstellung von Gütern meint, meint Distribution die Verteilung der Güter – direkt oder indirekt mittels des aus dem Produktionsprozess entstandenen Einkommens – an die Wirtschaftsakteure.

5

Allokation geht auf das lateinische „allocare“ zurück und bedeutet „platzieren“. Distribution kommt von „distributio“ und meint „Verteilung“.

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Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

1.4.1

Allokation und Ressourcenverteilung

Angenommen eine Volkswirtschaft befindet sich im Anfangszustand und nun soll geklärt werden, wie der Wunsch nach Gütern wie Essen, Autos, Kleidung, Kino, Gastronomie und Schulbildung umgesetzt werden kann. Dies setzt voraus, dass Produktionsfaktoren wie Boden, Arbeit und Kapital vorhanden sind und für die Produktion der entsprechenden Güter zugeteilt und eingesetzt werden, also zum Beispiel zehn Arbeitskräfte für die Autoproduktion und fünf Kräfte für die Kleiderherstellung und acht Menschen für die Gastronomie. Hinzu kommen Rohstoffe wie Baumwolle oder Mehl, die dann ebenfalls sinnvoll zugeordnet werden müssen, also zur Kleiderherstellung und zum Brotbacken. Dieser Prozess oder auch das Ergebnis dieses Prozesses (Zustand) wird als Allokation bezeichnet und bedeutet die Verteilung und Zuordnung der Produktionsfaktoren auf die Produktion von Waren und die Erstellung von Dienstleistungen. Allokation:  Verteilung und Zuordnung der Produktionsfaktoren auf die Produktion von Gütern. Diese Zuordnung setzt voraus, dass bekannt ist, welche Güter in welchen Mengen produziert werden sollen, um dann auch entsprechend die dazu notwendigen Produktionsfaktoren zuordnen zu können. Allokation beantwortet somit implizit auch die Frage, was und wie viel soll mit welchem Einsatz an Produktionsfaktoren produziert werden. 1.4.2

Distribution und Güterverteilung

Durch den Einsatz von Produktionsfaktoren sind Güter entstanden. Nun sollen diese Güter an die Menschen verteilt, beziehungsweise den am Produktionsprozess beteiligten Produktionsfaktoren zugeordnet werden. Bekommen die zehn Arbeitskräfte, die am Produktionsprozess der Autoherstellung beteiligt waren, das hergestellte Auto oder erhält es eine andere Person? Werden die acht in der Gastronomie beteiligten Arbeitskräfte das Fünf-Gänge-Menü genießen oder andere Personen? Ein direkter Zusammenhang zwischen Herstellung und Angebot auf der einen Seite und Konsum und Nachfrage auf der anderen Seite kann bestehen, muss es aber nicht. Die Personen, die das Essen zubereiten, bieten ihr Produkt beispielsweise dem Modehausinhaber an und erwerben im Gegenzug ein Kleidungsstück. Einkommen: Die Verteilung der Güter geschieht indirekt und zwar über das Einkommen. Das Einkommen ist eine Entlohnung der Produktionsfaktoren. Zum Beispiel erhält der Faktor Arbeitskraft eine Entlohnung, die sich Lohn nennt, der Faktor Kapital eine Entlohnung, die sich Zins (für den Unternehmer, der in Maschinen investiert hat) nennt und der Faktor Boden eine die sich Bodenrente nennt. Der Einsatz der Produktionsfaktoren wird entlohnt. Mit dieser Entlohnung können

1

Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie

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dann Güter nachgefragt und gekauft werden. Um bestimmte Güter kaufen zu können, ist entscheidend, wie das durch den Produktionsprozess entstandene Einkommen auf die Produktionsfaktoren verteilt wird. Und diese Verteilung des Einkommens auf die Produktionsfaktoren nennt man Distribution. Distribution  Verteilung des im Produktionsprozess entstandenen Einkommens auf die Produktionsfaktoren.

1.4.3

Beispielaufgabe zu Allokation und Distribution

Aufgabe: Wie ist jeweils Allokation und Distribution zu definieren bzw. auf welchen Stufen werden Allokation und Distribution abgebildet, wenn folgende Daten gegeben sind: Einsatzfaktoren Einkommen ≡ Kosten [€] Güter Verkauf ≡ Umsatz [€] Kauf Pizzen [St] Hemden [St] Summe [€]

Unternehmen X zwei Arbeitskräfte A1 A2 40 80

B1 50

12 Pizzen 12 Pizzen zu 10 € = 120 € A1 2 2 40

A2 3 5 80

Unternehmen Y vier Arbeitskräfte B2 B3 B4 30 20 20 12 Hemden 12 Hemden zu 10 € = 120 €

B1 3 2 50

B2 2 1 30

B3 0 2 20

Σ 6 240€

240€ B4 2 0 20

12 12 240€

Annahme: Es wird kein Gewinn erwirtschaftet (Umsatz = Kosten) Lösung: Allokation: Ressourcenverteilung zur Güterherstellung Zwei Arbeitskräfte (A1und A2) werden dem Unternehmen X zur Herstellung von zwölf Pizzen zugeordnet. Vier Arbeitskräfte (B1 bis B4) werden dem Unternehmen Y zur Herstellung von zwölf Hemden zugeordnet. Distribution: Einkommensverteilung zur Güterverteilung Die Arbeitskräfte von X erhalten jeweils 40 und 80 Euro Lohn, um sich damit zwei Pizzen und zwei Hemden beziehungsweise drei Pizzen und fünf Hemden zu kaufen. Die Arbeitskräfte von Y erhalten verschiedene Einkommen in Höhe von 50, 30 und 20 Euro. Sie kaufen sich damit unterschiedliche Kombinationen von Pizzen und Hemden, B1 zum Beispiel konsumiert drei Pizzen und zwei Hemden.

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Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Hinweis: In der bisherigen Betrachtungsweise kam der Staat nicht vor. Wird nämlich der Staat in die Analyse miteinbezogen, bedeutet Distribution nicht allein die Verteilung des Einkommens auf Arbeitskräfte und Kapitalbesitzer sondern vor allem auch Umverteilung durch den Staat. Viele zahlen mehr oder weniger Steuern und einige bekommen Kindergeld. Um den Unterschied zur ursprünglichen Verteilung ohne Staat hervorzuheben, spricht man hier von Umverteilung. Wichtige Grundbegriffe sind geklärt: Produktionsfaktoren und Güter, Wirtschaftlichkeit, Allokation und Distribution. Was jedoch noch nicht geklärt ist, ist die spannende Frage, wer eigentlich entscheidet, was und wie viel produziert wird, welche Produktionsfaktoren, wo eingesetzt werden und wer welches Einkommen bekommt?

1.5

Akteure der Wirtschaft

Wer koordiniert und ordnet dieses komplexe und komplizierte Zusammenspiel zwischen Produktionsfaktoren, Gütern und Einkommen? Zwei Extreme an Antworten sind denkbar: 1.5.1

Ordnungsprinzipien der Wirtschaft

Einer entscheidet (von „oben“): Erstens, eine übergeordnete „Person“, ein Herrscher, eine Zentralbehörde, ein Planungsstab entscheidet: Nächstes Jahr werden 1.000 Autos, 500 Hemden und 1000 Pizzen produziert. Person A wird sich am Autobau beteiligen, Person B an der Pizzaproduktion und Person C am Planungsstab. Person A wird 500 Geldeinheiten bekommen, Person B 400 Geldeinheiten usw.. Sämtliche Entscheidungen trifft eine Person, eine Zentrale, eine Behörde und zwar von oben nach unten – planwirtschaftlich, zentralverwaltungswirtschaftlich, letztlich diktatorisch. Das Ordnungsprinzip ist dann eine staatliche Planwirtschaft. Ordnungsprinzipien der Wirtschaft:  Planwirtschaft:

„Einer“ entscheidet: Zentralbehörde → Plan-/Zentralverwaltungswirtschaft

 Marktwirtschaft: „Alle“ entscheiden: Marktteilnehmer → Marktwirtschaft Alle entscheiden (von „unten“): Im entgegen gesetzten Fall existiert keine alleinige Autorität, die Entscheidungen von „oben herab“ trifft. Niemand entscheidet für andere, sondern jeder einzelne Akteur entscheidet für sich selbst, wo er arbeiten will, was er konsumieren möchte, was er anbieten möchte. Wenn jeder einzelne entscheidet, sei es als Nachfrager oder Anbieter, sagt man, dass die Entscheidung beim Markt liegt. Das Ordnungsprinzip ist die Marktwirtschaft mit dem Zusammenwirken von Nachfrage und Angebot.

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Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie

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Selbstverständlich sind auch Mischformen denkbar und in der Praxis üblich. Doch bedarf es bei der Gestaltung einer Volkswirtschaft dieser grundlegenden Richtungsentscheidung – für die freie Marktwirtschaft oder die staatliche Planwirtschaft. Wer sind nun die Teilnehmer und Akteure in einer Volkswirtschaft? Hierzu gibt es eine typische Einteilung und auch entsprechende Begrifflichkeiten. Unterschieden werden vier Bereiche von Wirtschaftsteilnehmern. Diese sind die privaten Haushalte, die Unternehmen, der Staat und das Ausland. Akteure der Wirtschaft:    

1.5.2

Private Haushalte Unternehmen Staat Ausland

Private Haushalte:

Privater Haushalt ist der in der Volkswirtschaftslehre übliche Begriff für Kunden, Konsumenten, Verbraucher und Nachfrager. Man betrachtet diese Gruppe von Menschen als Haushalt, sei es ein Singlehaushalt oder ein Familienhaushalt. Als „privat“ wird dieser Haushalt bezeichnet, um diese Teilnehmergruppe der Wirtschaft von der des Staates abzugrenzen. Dort gibt es nämlich den öffentlichen Haushalt. Private Haushalte:  Kunden, Konsumenten, Verbraucher, Nachfrager.

Nachfrager auf dem Gütermarkt: Private Haushalte, also Kunden und Konsumenten, sind dadurch definiert, dass diese Teilnehmergruppe als Nachfrager nach Gütern auftritt. Private Haushalte gehen auf den Gütermarkt (Fachgeschäft, Discounter, Bestellkatalog, Internethandel) und kaufen Güter (Fahrräder, Milch, Schränke, DVDs). Anbieter auf dem Arbeitsmarkt: Private Haushalte sind jedoch nicht nur Käufer von Waren und Dienstleistungen, sondern auch Arbeitskräfte. Sie brauchen das durch ihren Arbeitseinsatz erwirtschaftete Einkommen, um die – von ihnen selbst oder von anderen Arbeitskräften erstellten – Güter kaufen zu können. Aus Sicht des Arbeitsmarktes sind die privaten Haushalte keine Nachfrager, sondern Anbieter und zwar Anbieter von Arbeitskraft.

18

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Private Haushalte:  Nachfrager und Konsumenten auf dem Gütermarkt.  Anbieter von Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt. Charakteristikum privater Haushalte: Wer nun letztlich zu den privaten Haushalten zählt, hängt vor allem davon ab, ob ein unternehmerischer Erwerbscharakter besteht oder nicht. Wenn jemand in seinem Garten Gemüse anbaut, kann das je nach Zweck als unternehmerische Tätigkeit oder als Privatangelegenheit definiert werden. Wenn Kochen, Rasenmähen, Reparaturen für den Eigenbedarf getätigt werden und somit nicht für den Gütermarkt relevant sind, sind die Köche, Gartengestalter usw. private Haushalte und keine Unternehmer. Baut man Gemüse an, um dies auf dem Markt zu verkaufen und damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, ist man Anbieter auf dem Gütermarkt und somit ein Unternehmer. Zu den privaten Haushalten zählt man schließlich auch nicht erwerbswirtschaftliche Organisationen. Dazu gehören unter anderem Vereine, Parteien, Gewerkschaften und Kirchen, also Institutionen ohne Erwerbscharakter beziehungsweise finanziert aus freiwilligen Zahlungen von Privathaushalten (gemeinnützig). Teilnehmergruppen der privaten Haushalte:  Personen und Personengruppen (Singles, Paare, Familien): → Wirtschaftliche Tätigkeit für den Eigenbedarf.  Private Organisationen ohne Erwerbscharakter: → Vereine, Parteien, Gewerkschaften und Kirchen (Institutionen ohne Erwerbscharakter) bzw. finanziert aus freiwilligen Zahlungen von Privathaushalten (gemeinnützig).

1.5.3

Unternehmen

Die zweite wichtige Gruppe einer Volkswirtschaft ist die der Unternehmer bzw. der Unternehmen. Die Begriffe Unternehmer (personell) und Unternehmen (institutionell) werden meist synonym verwendet. Analog der Definition der privaten Haushalte sind die Unternehmen einerseits definiert als Anbieter und Produzenten von Sachgütern und Dienstleistungen auf dem Gütermarkt und andererseits als Nachfrager nach Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt. Das Dominanzkriterium ist jedoch das des Anbieters auf dem Gütermarkt.

1

Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie

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Unternehmen:  Anbieter und Produzenten auf dem Gütermarkt.  Nachfrager von Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt. Charakteristikum von Unternehmen: Die Tatsache des Anbietens von Produkten und Dienstleistungen auf dem Gütermarkt allein ist noch kein ausreichendes Merkmal, einen Akteur als Unternehmen einzustufen. Wenn ein Sportverein auf dem Weihnachtsmarkt selbst gebackenes Weihnachtsgebäck anbietet, um mit dem eingenommenen Geld einen Vereinsausflug zu machen, gilt das nicht als unternehmerische Tätigkeit. Unternehmerisch ist es dann, wenn das Angebot gegen Entgelt, gewinnorientiert und dauerhaft ausgerichtet ist (erwerbswirtschaftlich). Unternehmen:  Angebot gegen Entgelt, gewinnorientiert und dauerhaft ausgerichtet (erwerbswirtschaftlich).  Produktions- und Dienstleistungsunternehmen.  Sonderformen wie Bauherren, Genossenschaften, Freiberufler und staatliche Unternehmen. Arten von Unternehmen: Unternehmen können in Produktionsunternehmen (herstellende oder fertigende Betriebe) und in Dienstleistungsunternehmen unterschieden werden. Viele Unternehmen sind heutzutage als Mischformen anzutreffen. Neben den üblichen bekannten Industrieunternehmen (Automobilhersteller), Handelsunternehmen (Kaufhäuser) und Dienstleistungsunternehmen (Privatschulen) existieren weitere Formen des Unternehmertums, wie Bauherren oder Eigentümer von Wohnungen, Genossenschaften, freiberuflich Tätige (Architekten, Rechtsanwälte), landwirtschaftliche Betriebe, Handwerksbetriebe und staatliche Unternehmen (früher Post, Bahn und Lufthansa). Was die staatlichen Unternehmen anbelangt, werden diese dem Unternehmenssektor zugerechnet, auch wenn sie staatlich sind. Vermögenssektor: Kreditinstitute, Sparkassen, Genossenschaftsbanken, usw. gelten als Wirtschaftsakteure, die sich für monetäre (geldliche) Transaktionen zuständig zeigen und evtl. auch einem eigenen Sektor „Vermögensbildung“ zugeordnet werden können. 1.5.4

Staat

Spricht man vom Staat, sind in erster Linie die Gebietskörperschaften gemeint. Deutschland als föderales Staatsgebilde ist in die drei Ebenen Bund, Länder und Kommunen (Städte und Gemeinden) eingeteilt. Auf jeder dieser drei Ebenen exis-

20

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

tieren Exekutive (Ausführung), Legislative (Gesetzgebung) und Judikative (Rechtsprechung). 6 Wenn also von Staat gesprochen wird, ist darauf zu achten, welche dieser Gebietskörperschaften gemeint ist oder ob es sich um eine Gesamtbetrachtung handelt. Wenn zum Beispiel von einem Bruttoinlandsprodukt in Höhe von rund 2,4 Billionen Euro gesprochen wird, ist die Leistungskraft von ganz Deutschland gemeint. Wenn zum Beispiel in den Nachrichten berichtet wird, dass der Bund neue Schulden in Höhe von 40 Milliarden Euro aufnimmt, ist nur die Bundesebene gemeint. Wenn ein Bundesland Landeserziehungsgeld auszahlt, betrifft das die Länderebene. Wenn ein Hebesteuersatz angehoben wird, handelt es sich um die Entscheidung einer Kommune. Staat: Gebietskörperschaften  Bund  Länder  Kommunen Sozialversicherungsträger: Neben den Gebietskörperschaften existieren quasistaatliche Institutionen, die nach Funktionen gegliedert sind. Dazu gehören die Sozialversicherungsträger (in der Fachsprache auch „Parafisci“ genannt). Sozialversicherungsträger sind unter anderem die Bundesagentur für Arbeit, die Rentenanstalt und die Krankenkassen. Diese Sozialversicherungsträger nehmen hoheitliche Aufgaben wahr. Sozialversicherungsträger („Parafisci“)  Institutionen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, wie zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit, die Rentenanstalt und die Krankenkassen. Finanzierung: Der Staat finanziert sich im Gegensatz zu den Unternehmen nicht durch den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen am Markt, sondern dadurch, dass er den Unternehmen von deren Gewinneinkommen und den Arbeitskräften von deren Lohneinkommen einen mehr oder weniger großen Teil weg nimmt. Diese Zwangsabgaben sind als Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und Gebühren bekannt. Verwendet werden diese Abgaben für öffentliche Güter wie Schulen, Straßen und Museen. Außerdem werden damit die staatlichen Bediensteten besoldet und Versicherungsleistungen bei Krankheit oder Arbeitslosigkeit ausbezahlt.

6

... mit einer Ausnahme: Auf Kommunalebene gibt es keine Gerichtsbarkeit. In Band III (Kapitel 1) sind diese Zusammenhänge ausführlicher beschrieben.

1

Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie

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Will man die finanzpolitische Seite des Staates in den Vordergrund stellen, also die Staatseinnahmen und die Staatsausgaben betonen, spricht man auch vom „öffentlichen Haushalt“ (oder „öffentlichen Haushalten“, denn auch hier gibt es Bundes-, Länder- und Gemeindehaushalte). Als „Steuereintreiber“ ist der Staat bei den Bürgern auch unter dem Begriff „Fiskus“ geläufig. Staat: → öffentlicher Haushalt und „Fiskus“

1.5.5

Ausland

Offene Volkswirtschaft: Eine Volkswirtschaft stellt kein geschlossenes Gebilde dar, sondern ist üblicherweise eine offene Volkswirtschaft. Offene Volkswirtschaft meint, dass die Wirtschaft eines Nationalstaates, also zum Beispiel die Volkswirtschaft Deutschlands, mit anderen ausländischen Staaten wirtschaftliche Beziehungen unterhält. Dies betrifft insbesondere die Einfuhr (Import) und die Ausfuhr (Export) von Waren und von Dienstleistungen. Hinzu kommen der Kapitalverkehr und Devisentransaktionen mit dem Ausland. Diese außenwirtschaftlichen Beziehungen werden in der Zahlungsbilanz dargestellt. Ausland: Handelsbeziehungen mit dem Ausland  Export: Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen  Import: Einfuhr von Waren und Dienstleistungen Supranationaler Sektor: Eine besondere Form der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland stellen die Wirtschaftsbeziehungen der Staaten innerhalb der Europäischen Union dar. Im Gegensatz zu den weltweiten internationalen Wirtschaftsbeziehungen, spricht man in diesem Fall von einer supranationalen Wirtschaftspolitik. Hier gibt es im europäischen Rahmen Wirtschaftsbereiche, die „ausländisch“ sind, zum Beispiel unterschiedliche Steuergesetze in den einzelnen Mitgliedsstaaten und es gibt Wirtschaftsbereiche die als „inländisch“ anzusehen sind, zum Beispiel die einheitliche Geldpolitik. Betrachtet man den Export und den Import von Waren, stellt das Ausland gerade für Deutschland als Exportnation einen wichtigen Akteur dar. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf dem innereuropäischen Handel, doch auch außereuropäische Handelsbeziehungen wie mit den USA sind eine wichtige Stütze der außenwirtschaftlichen Beziehungen.

1.6

Märkte

Zum Abschluss dieses Grundlagenkapitels sollen noch die unterschiedlichen Märkte des Wirtschaftslebens vorgestellt werden. Bleiben wir beispielhaft beim Thema Ausland. Wirtschaftliche Beziehungen mit dem Ausland sind möglich,

22

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

indem gegenseitig Güter gekauft und verkauft werden oder Geld und Kapital ausgetauscht werden. Schließlich können Arbeitskräfte in einem Land wohnen und im anderen Land arbeiten. Es existieren also unterschiedliche Märkte, auf denen sich die Wirtschaftsakteure im In- und Ausland bewegen können. Die drei wichtigsten Märkte sind der Gütermarkt, der Arbeitsmarkt und der Geldmarkt. Je nach Wirtschaftstheorie werden schließlich noch der Kapitalmarkt sowie der Gold- und Devisenmarkt betrachtet Märkte  Gütermarkt  Arbeitsmarkt  Geldmarkt Ein Markt definiert sich generell als der ökonomische Ort des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage, auf dem sich Preise bilden und Tauschgeschäfte vollzogen werden. Egal um welchen Markt es sich handelt – sei es der Güter-, Arbeits- oder Geldmarkt – die prinzipielle Darstellung des Marktes ist immer die gleiche. Und diese besteht darin, dass eine Wertgröße (z. B. Preis, Lohn oder Zins) mit einer Mengengröße (z. B. Gütermenge, Beschäftigung oder Geldmenge) kombiniert wird. Markt:  Ökonomischer Ort des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage durch Preisbildung und Tauschbeziehungen.

1.6.1

Gütermarkt

Auf dem Gütermarkt werden Güter, also Waren und Dienstleistungen, ver- und gekauft. Der Verkauf dieser Güter bildet das Angebot und der Kauf dieser Güter die Nachfrage. Ob und wie viel von den Gütern angeboten und nachgefragt wird, hängt in diesem Betrachtungsmodell allein vom Preis (p) der Güter ab. Ist der Preis eines Gutes hoch, wird weniger von diesem Gut nachgefragt. Ist der Preis desselben Gutes niedrig, wird mehr von diesem Gut nachgefragt. Für das Angebot gilt es umgekehrt. Ein hoher Preis bedingt eine größere Angebotsmenge; ein niedriger Preis macht das Anbieten weniger attraktiv. Durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage bildet sich schließlich ein Gleichgewichts- oder Marktpreis (p*). Der Markt ist „geräumt“, das heißt bei diesem Preis sind die angebotene und die nachgefragte Menge (x*) gleich groß. Der Markt befindet sich im Gleichgewicht (Abbildung 1.1).

1

Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie

23

Preis Nachfrage

Angebot

P*

x*

Menge

Abbildung 1.1: Gütermarkt Entsprechende Zusammenhänge lassen sich auch für den Arbeitsmarkt und den Geldmarkt darstellen. 1.6.2

Arbeitsmarkt

Auf dem Arbeitsmarkt sind die Beschäftigten (B) und die Löhne (l) die relevanten Größen. Menschen bieten ihre Arbeitskraft an und Unternehmen fragen Arbeitskräfte nach. Der Preis bzw. Wert der Arbeit zeigt sich in der Entlohnung. Ob viel oder wenig Arbeitskräfte nachgefragt werden, hängt von der Lohnhöhe ab – natürlich wieder unter der Annahme, dass alle anderen Faktoren wie Qualifizierung und Erfahrung als konstant betrachtet werden. Lohn Nachfrage

Angebot

l*

B*

Beschäftigung

Abbildung 1.2: Arbeitsmarkt Je niedriger der Lohn, desto mehr Arbeitskräfte werden nachgefragt und je höher, desto weniger. Umgekehrtes gilt aus Sicht der potentiell Beschäftigten. Je höher der Lohn, desto größer sind die Anreize, seine Arbeitskraft anzubieten und je niedriger das Lohnniveau ist, desto weniger Menschen stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.

24

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Das Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt definiert sich dadurch, dass beim Gleichgewichtslohn (l*) die angebotene und nachgefragte Beschäftigungsmenge (B*) gleich groß sind (Abbildung 1.2). 1.6.3

Geldmarkt

So wie auf dem Gütermarkt Waren und Dienstleistungen ihren Preis und Wert haben, hängt auch die Nachfrage nach Geld davon ab, wie teuer oder billig das Geld ist. Und damit ist nicht der Wert des Geldes an sich gemeint, sondern die Kosten des Verleihens und der Inanspruchnahme. Für das Halten von Geld – die Bargeldhaltung – ist nämlich ein Zins (i) 7 zu entrichten, der auch darin bestehen kann, dass man auf Spar- oder Habenzinsen verzichtet, wenn man das Geld vom Konto abhebt. Je höher die zu entrichtenden Kreditzinsen bzw. je höher die entgangenen Sparzinsen sind, desto weniger wird man Geld nachfragen und umgekehrt. Für den Anbieter gilt: Je höher die Zinsen, desto lukrativer ist es Geld anzubieten und je niedriger der Zins, desto weniger rentiert es sich (Abbildung 1.3). Zins Nachfrage

Angebot

i*

M*

Geldmenge

Abbildung 1.3: Geldmarkt. Angebot und Nachfrage bestimmen den Gleichgewichtszinssatz (i*) und die Geldmenge im Gleichgewicht (M*). Der Zinssatz spielt übrigens auch auf dem Investitionsgütermarkt eine wesentliche Rolle, geht man doch davon aus, dass die Fremdkapitalfinanzierung bei der Beschaffung von Investitionsgütern für die Unternehmen die dominierende Finanzierungsart ist. Die einzelnen Märkte werden in diesem VWL-Buch noch ausführlicher dargestellt und diskutiert. Der eben angesprochene Investitionsgütermarkt sowie der Geldmarkt sind Thema der Makroökonomie und der Geldtheorie in Band II. Der Arbeitsmarkt wird im vorliegenden Band I in Kapitel 6 behandelt, während der Gütermarkt im nun folgenden Kapitel 2 erläutert wird. 7

„i“ steht für interest (engl. Zins); manchmal wird auch ein „r“ für den Zinssatz verwendet.

1

Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie

25

Zusammenfassung der wichtigsten Begriffe von Kapitel 1 „Bedeutung und Grundlagen der Ökonomie“. Grundlagen und Grundbegriffe des Wirtschaftens:  Bedürfnisse des Menschen und Knappheit an Ressourcen und Gütern.  Wirtschaften:Produktion von Gütern (Waren und Dienstleistungen).  Einsatz von Produktionsfaktoren: Boden, Arbeit, Kapital, Wissen.  Ökonomisches Prinzip bzw. Rationalität: Effizientes Verhältnis von Gütern (Output) zu Einsatzfaktoren (Input). - Maximalprinzip: Mit gegebenem Input den Output maximieren. - Minimalprinzip: Mit minimalem Input einen gegebenen Output erzielen.  Allokation:

Verteilung und Zuordnung der Produktionsfaktoren auf den Prozess der Gütererstellung.

 Distribution: Verteilung des Einkommens und damit der Güter auf die Marktteilnehmer.  Ordnungsprinzipien der Wirtschaft: - Marktwirtschaft: Alle entscheiden → Souverän ist der Bürger. - Planwirtschaft: Einer entscheidet → Souverän ist der Staat.  Akteure der Wirtschaft:  Märkte:

Private Haushalte Unternehmen Staat Ausland

- Gütermarkt - Arbeitsmarkt - Geldmarkt

2

Das Marktmodell

2.1

Gesetz von Angebot und Nachfrage

Das Gütermarktmodell, welches das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage und den Preismechanismus beschreibt, dürfte das zentralste und wichtigste Modell der Volkswirtschaftslehre sein. In diesem Modell kommen die Wirkungsweise und das Wesen der Marktwirtschaft plastisch und prägnant zum Ausdruck.

Gütermarkt:

p

A = Angebot N = Nachfrage

N

p = Preis x = Menge

A

p*

p* = Markt- oder Gleichgewichtspreis x* = Gleichgewichtsmenge

x x*

Abbildung 1.4: Gütermarktmodell. Auf dem Gütermarkt einer Volkswirtschaft treffen wie auf dem Wochenmarkt in einer Stadt Anbieter und Nachfrager von Produkten aufeinander. Die einen bieten Waren an, die anderen fragen Waren nach. In Folge bildet sich ein Markt- oder Gleichgewichtspreis und eine entsprechende Gleichgewichtsmenge (Abb. 1.4). Gekennzeichnet ist das Marktmodell durch eine steigende Angebotsfunktion und eine fallende Nachfragefunktion. Es gelten die Gesetze des Angebots und der Nachfrage:  Gesetz des Angebots:

Wenn die Preise steigen, stellen die Unternehmen mehr Güter her.

 Gesetz der Nachfrage:

Wenn die Preise fallen, kaufen die Konsumenten Waren in größeren Mengen.

Situationen, in denen dieser Preismechanismus sehr einsichtig funktioniert, sind die Börse oder ein Internetauktionshaus. Hier bildet sich kontinuierlich durch Verkaufs- und Kaufangebote ein neuer Preis. Wenn mehr Menschen kaufen wollen als verkaufen, wird der Preis steigen und wenn das Verkaufsvolumen das Nachfragevolumen übersteigt, wird der Preis sinken.

28

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Der Gleichgewichtspreis ergibt sich schließlich nach Anpassung von Angebot und Nachfrage durch den Schnittpunkt der Angebots- und Nachfragefunktion.

2.2

Gleichgewichtsbildung auf dem Gütermarkt

Die Mini-Volkswirtschaft in unserem Beispiel besteht aus zwei Nachfragern, nämlich Nadine und Nicole, und zwei Anbietern, nämlich Anke und Anita. Das Produkt, das hier als einziges Gut auf dem Markt positioniert wird, ist ein neues und trendiges Mixgetränk namens „Magic“. Modellbeispiel (Minivolkswirtschaft):     

Nachfrager: Nadine und Nicole Anbieter: Anke und Anita Produkt: Mixgetränk „Magic“ Bestimmungsfaktor: Preis von Magic Betrachtungszeitraum: 1 Woche

Folgende Fragen sind zu stellen und zu beantworten: Wie viel werden Nadine und Nicole Mixgetränke in Abhängigkeit vom Preis nachfragen? Wie viele Mixgetränke werden Anke und Anita in Abhängigkeit vom Preis produzieren und anbieten? Welcher Marktpreis und welche angebotene und nachgefragte Menge werden sich dann tatsächlich einstellen? 8 Exkurs: Ceteris-paribus-Bedingung Die Nachfrage und das Angebot bestimmen sich in unserem Beispiel ausschließlich über den Preis. In der Praxis wird die Nachfrage jedoch auch von vielen weiteren Faktoren abhängen, wie zum Beispiel vom Einkommen der Nachfrager und deren Bedürfnissen, sowie vom Preis anderer Güter. Aber diese Faktoren werden als gegeben und konstant betrachtet. Denn will man für eine Kaufentscheidung alle relevanten Faktoren in die Überlegung mit einbeziehen, kann es ein „Kuddelmuddel“ geben. Man wird sich deshalb auf einige wenige Faktoren, ja meist sogar nur auf einen Faktor beschränken. Das könnte beispielsweise wie hier der Preis sein. Alle anderen Faktoren werden dann als gleich und konstant betrachtet (identischer Geschmack und Service usw.). Ceteris-paribus-Bedingung: „unter sonst gleichen Bedingungen“ Die wissenschaftliche Methode, einen Faktor als variabel und relevant (hier der Verkaufspreis) und alle anderen Faktoren als konstant und gleichwertig (Qualität, Service, Erreichbarkeit) zu betrachten, nennt man ceteris-paribus-Bedingung.

8

Beispiel in Anlehnung an Mankiw/Taylor, 2008, S. 76ff.

2 2.2.1

Das Marktmodell

29

Allgemeines Nachfrageverhalten

Wie sieht das Nachfrageverhalten aus? Grundsätzlich wird man feststellen können, dass die Nachfrage nach einem Gut abnimmt, je höher der Preis für dieses Gut ist, und zunimmt, je niedriger der Preis festgesetzt wird. Kostet das Gut überhaupt nichts, wird man theoretisch unendlich viel nachfragen, praktisch aber nicht, sondern die maximal erwünschte und mögliche Menge konsumieren (Sättigungsmenge). Wird das Gut immer teurer, gibt es schließlich einen Preis (Prohibitivpreis), bei dem man nichts mehr nachfragt und auf den Konsum völlig verzichtet. a) Nadines Nachfragefunktion Der Prohibitivpreis liegt für Nadine bei 5 Euro. Zu diesem Preis ist sie nicht mehr bereit Magic zu kaufen. Die maximale Menge, die sie in einer Woche konsumieren würde, falls Magic umsonst angeboten würde, beträgt 10 Flaschen. Folgendes Nachfrageverhalten lässt sich tabellarisch und anhand einer Grafik darstellen. Nadine Preis Menge 0,1,2,3,4,5,-

10 8 6 4 2 0

Nachfragefunktion Preis 5

Menge 10

b) Nicoles Nachfragefunktion Bei Nicole ist das prinzipiell gleiche Nachfrageverhalten festzustellen, mit dem Unterschied, dass Nicole nicht ganz so auf Magic erpicht ist wie Nadine. Ihr würden pro Woche maximal 6 Flaschen genügen. Allerdings würde sie auch noch bei einem Preis von 5 Euro eine Flasche kaufen. Nicole Preis Menge 0,1,2,3,4,5,6,-

6 5 4 3 2 1 0

Nachfragefunktion Preis 6

Menge 6

30

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

c) Gesamtnachfragefunktion von Nadine und Nicole Führt man nun beide individuellen Nachfragefunktionen (mikroökonomisch) zusammen, erhält man die gesamtwirtschaftliche Nachfragefunktion (makroökonomisch). In unserem Modellbeispiel besteht ja die ganze Volkswirtschaft nur aus den beiden Nachfragern Nadine und Nicole. Die aggregierte Nachfragefunktion erhält man, indem zum jeweiligen Preis die beiden entsprechenden Nachfragemengen addiert werden. So fragt bei einem Preis von 3 Euro Nadine vier Flaschen und Nicole drei Flaschen nach. Insgesamt beträgt die Nachfrage sieben Flaschen. Nadine/Nicole Preis 0,1,2,3,4,5,-

2.2.2

Gesamtmenge 10 + 6 = 16 8 + 5 = 13 6 + 4 = 10 4+3= 7 2+2= 4 0+1= 1

Gesamtnachfragefunktion Preis 5

1 Menge 1

13

16

Allgemeines Angebotsverhalten

Als Anbieter von Magic treten Anke und Anita auf. Wie ist das Angebotsverhalten zu erklären? Grundsätzlich gilt, je höher die zu erwartenden Verkaufspreise sind, desto eher rentiert es sich, Geld zu investieren und Produkte anzubieten. Mit zunehmendem Preis wird das Angebot zunehmen. Eine Angebotsfunktion könnte betriebswirtschaftlich auch als Kostenfunktion interpretiert werden. Mit steigenden Kosten der Produktion müsste man mit entsprechenden höheren Verkaufspreisen kalkulieren. Sind die Verkaufspreise niedriger als die Stückkosten, würde das Verluste mit sich bringen und das sollte bei vernünftigem Handeln nicht der Fall sein. a) Ankes Angebotsfunktion: Mit Zunahme des Preises um eine Einheit würde Anke auch ihre Angebotsmenge um eine Einheit erhöhen.

2

Das Marktmodell

Anke

Angebotsfunktion

Preis Menge 0,1,2,3,4,5,-

31

Preis 5

0 1 2 3 4 5

1 Menge 1

5

b) Anitas Angebotsfunktion: Anita würde im Gegensatz zu Anke erst ab einem Preis von 2 Euro als Anbieter auftreten, dann allerdings mit einer höheren Mengenzunahme bei Preissteigerungen. Anita

Angebotsfunktion

Preis Menge 0,1,2,3,4,5,-

Preis 5

0 0 2 4 6 8

2 1 Menge 2

8

c) Gesamtangebotsfunktion von Anke und Anita Die Gesamtangebotsfunktion erhält man anlog der Bildung der Gesamtnachfragefunktion, indem auf dem jeweiligen Preisniveau die entsprechenden Summen der Mengen gebildet werden (aggregierte Funktion). Anke/Anita Preis

GesamtMenge

0,1,2,3,4,5,-

0+0= 0 1+0= 1 2+2= 4 3+4= 7 4 + 6 = 10 5 + 8 = 13

Gesamtangebotsfunktion Preis 5

1 Menge 1

13

32

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

2.2.3

Angebot trifft Nachfrage

Was ist Stand der Dinge? Wir haben die zwei Anbieter Anke und Anita. Und wir haben die zwei Nachfrager Nadine und Nicole. Wer wird nun wie viel verkaufen und kaufen und zu welchem Preis? Die eindeutige Antwort gibt die Gegenüberstellung der Mengen und der Schnittpunkt der beiden Funktionen. Preis

Nachfragemengen Nadine Nicole Summe 10 6 16 8 5 13 6 4 10 4 3 7 2 2 4 0 1 1

0 Euro 1 Euro 2 Euro 3 Euro 4 Euro 5 Euro

Anke 0 1 2 3 4 5

Angebotsmengen Anita Summe 0 0 0 1 2 4 4 7 6 10 8 13

Bei einem Preis von 3 Euro entspricht die Angebotsmenge der Nachfragemenge. Bei diesem Preisniveau werden 7 Flaschen nachgefragt und 7 Flaschen stehen zum Verkauf an. Läge das Preisniveau bei 1 Euro, würde die Nachfrage nach 13 Flaschen das Angebot von 1 Flasche drastisch überschreiten. Die Folge wäre, dass das Preisniveau zunehmen würde. Läge das Preisniveau bei 5 Euro, hielte sich die Nachfrage mit 1 Flasche arg in Grenzen. Das Angebot läge bei 13 Flaschen. Die Folge wäre ein Preisverfall. Zuletzt wird sich der Gleichgewichtspreis (p*) bei 3 Euro einpendeln. Preis [Euro] 5⅓ 5

Nachfrage

Angebot

p* = 3

2

/3

Menge [Flaschen] 7

13

16

Abbildung 1.5: Aggregierte Angebots- und Nachfragefunktion. Neben der tabellarischen und grafischen Darstellung (Abbildung 1.5) können für die Angebots- und Nachfragefunktion auch mathematische Funktionen gebildet und anhand derer das Marktgleichgewicht abgeleitet werden.

2

Das Marktmodell

33

Bestimmung des Gleichgewichtspreises: Nachfragefunktion:

pN(x) = 51/3 - 1/3 x A

2

1

Angebotsfunktion:

p (x) = /3 + /3 x

Gleichgewichtspreis:

pN(x) = pA(x) !

p = Preis x = Menge A = Angebot N = Nachfrage

=> 51/3 - 1/3 x = 2/3 + 1/3 x => x = 7 => p*(x=7) = 3

Gleichgewichtsbildung auf einem Markt:  Auf einem Markt wird dann ein Gleichgewicht erreicht, wenn die Menge der Produkte, die die Verkäufer auf den Markt bringen, genauso groß ist wie die Menge, die die Konsumenten zum gängigen Preis zu kaufen bereit sind. Anschaulich lässt sich die „Philosophie“ der Gleichgewichtsbildung auch anhand einer Versteigerung erläutern. Wenn die Preise (relativ) zu hoch sind, also die Waren nicht verkauft werden, muss der Auktionator die Preise senken. Im umgekehrten Fall erhöht er die Preise. Die Preiserhöhung und -senkung erfolgt solange, bis alle Waren versteigert und „weggeräumt“ sind – man spricht deshalb auch von Markträumung.

34

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

2.3

Funktionsweise des Preismechanismus – Beispielfälle

Das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage kann durch die unterschiedlichsten Ursachen gestört werden. Am Beispiel des Mixgetränkes Magic könnte das ein verändertes Nachfrageverhalten durch Hitze oder Pressemeldungen sein. Angebotsverschiebungen lassen sich durch Lieferengpässe und Überproduktion begründen. Je nach Ursache, ergeben sich Verschiebungen und Differenzen von Angebot und Nachfrage mit der Folge, dass die Preise und die Mengen zunehmen oder zurückgehen. Ändert sich die Menge, bedeutet das grafisch eine Verschiebung der Angebots- bzw. Nachfragefunktion. Ändert sich der Preis, bedeutet das eine Bewegung auf der Angebots- bzw. Nachfragefunktion. 9 2.3.1

Nachfragesteigerung durch Hitze (Nachfrageüberhang)

Annahme:

Infolge heißen Wetters steigt die Nachfrage nach Getränken stark an: Rechtsverschiebung der Nachfragefunktion.

Ergebnis:

Zum gleichen Preis (p) werden mehr Güter nachgefragt als angeboten: Nachfrageüberhang (x ↔ x’).

Folge:

Zunahme der Menge (von x auf x*) und des Preises (von p auf p*).

Preis

Angebot

p* Nachfrageüberhang p Nachfrage neu Nachfrage alt Menge x

x*

x’

Abbildung 1.6: Nachfrageüberhang.

9

Die Analyse der unterschiedlichen Marktmechanismen erfolgt ceteris-paribus. Ein Faktor ändert sich (zum Beispiel die Nachfrage), der andere Faktor wird als konstant betrachtet (zum Beispiel das Angebot).

2 2.3.2

Das Marktmodell

35

Konsum von Magic macht doof (Nachfragelücke)

Annahme:

Infolge schlechter Pressemeldungen nimmt die Nachfrage nach Magic rapide ab: Linksverschiebung der Nachfragefunktion.

Ergebnis:

Zum gleichen Preis (p) werden weniger Güter nachgefragt als angeboten: Nachfragelücke (x’ ↔ x).

Folge:

Rückgang der Menge (von x auf x*) und des Preises (von p auf p*).

Preis

Angebot

p

Nachfragelücke

p* Nachfrage alt Nachfrage neu Menge x’

x*

x

Abbildung 1.7: Nachfragelücke.

2.3.3

Überproduktion von Magic (Angebotsüberhang)

Annahme:

In Folge einer Überproduktion steigt das Güterangebot kräftig an: Rechtsverschiebung der Angebotsfunktion.

Preis

Angebot alt Angebot neu

p

Angebotsüberhang

p* Nachfrage Menge x

x*

Abbildung 1.8: Angebotsüberhang.

x’

36

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Ergebnis:

Zum gleichen Preis (p) werden mehr Güter angeboten als nachgefragt: Angebotsüberhang (x ↔ x’)

Folge:

Zunahme der Menge (von x auf x*) und Rückgang des Preises (von p auf p*).

2.3.4

Lieferengpass von Magic (Angebotslücke)

Annahme:

Aufgrund eines Lieferengpasses erfolgt eine drastische Reduzierung der Angebotsmenge: Linksverschiebung der Angebotsfunktion.

Ergebnis:

Zum gleichen Preis (p) werden weniger Güter angeboten als nachgefragt: Angebotslücke (x’ ↔ x)

Folge:

Rückgang der Menge (von x auf x*) und Anstieg des Preises (von p auf p*). 10

Preis

Angebot neu Angebot alt

p* p

Angebotslücke Nachfrage Menge x’

x*

x

Abbildung 1.9: Angebotslücke. Hinweis: Eine Nachfragelücke und ein Angebotsüberhang sind modelltheoretisch das gleiche. Die Nachfrage ist kleiner als das Angebot beziehungsweise das Angebot ist größer als die Nachfrage. Der Unterschied besteht in der Ursache dieser Differenz und in den Auswirkungen bezüglich der Menge. Analoges lässt sich für den Nachfrageüberhang und die Angebotslücke feststellen. Hier besteht die Differenz darin, dass die Nachfrage größer ist als das Angebot beziehungsweise das Angebot kleiner als die Nachfrage. Der Unterschied besteht auch hier in der Ursache dieser Differenz und der Mengenänderung. 10

In Australien hat im Jahr 2006 die großflächige Vernichtung der heimischen Bananenernte (kein Import von Bananen) zu einer Verfünffachung des Bananenpreises geführt! (Meldung der Stuttgarter Zeitung vom 16.08.2006)

2

Ungleichgewichte Nachfrageüberhang Nachfragelücke Angebotsüberhang Angebotslücke 2.3.5

Das Marktmodell

Preis Zunahme Rückgang Rückgang Zunahme

37

Menge Zunahme Rückgang Zunahme Rückgang

Der Wasserverkäufer und die durstigen Wanderer

Dass Angebot und Nachfrage nicht immer nach marktwirtschaftlichen Prinzipien funktionieren müssen, zeigt folgendes Beispiel. Im Rahmen einer Untersuchung der Universität der Bundeswehr Hamburg wurden über 500 Studenten in den Jahren 2000 bis 2002 zu ihrer Einschätzung des folgenden Falles befragt: 11 Was soll eine Flasche Wasser kosten? Auf einem nur zu Fuß erreichbaren Aussichtspunkt wurde eine Quelle erschlossen. Das dort in Flaschen abgefüllte Wasser wird an einem Stand zum Preis von 2 Euro pro Flasche an Wanderer verkauft. Die maximale Tagesproduktion besteht aus 100 Flaschen. An einem besonders heißen Tag werden 200 durstige Wanderer erwartet, die Wasser kaufen würden. Bitte geben Sie an, wie Sie folgende Maßnahmen einschätzen, um den Wasservorrat unter den durstigen Wanderern aufzuteilen: a) Der Preis wird auf 4 Euro pro Flasche erhöht (Preiserhöhnung). b) Verkauf an die 100 ersten Wanderer für 2 Euro pro Flasche nach dem Prinzip „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ (Windhundverfahren). c) Verkauf für 2 Euro pro Flasche an die 100 Wanderer, deren Nachnamen zufällig mit A bis K beginnen (Zufall). d) Die Gemeinde erwirbt alle Flaschen zum Preis von 2 Euro pro Flasche und verteilt diese nach ihrem eigenen Ermessen (Gemeinde). e) Verkauf von 200 kleineren halb so großen Flaschen für 1 Euro pro Flasche an alle 200 Wanderer; Ergebnis: 1 Flasche pro Wanderer. (Rationierung).

Wie sind die Alternativen zu bewerten? Den mit Abstand größten Zuspruch erfuhr die Rationierung! Die Preiserhöhung hatte eine gemischte Resonanz gefunden, allerdings mit einer bemerkenswerten Nuance. Fortgeschrittene Ökonomie11

Vgl. „Der Preis ist heiß. Aber warum?“ in WiSt, Heft 9, 2004, S. 520 - 524.

38

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

studenten bejahten die Preiserhöhung häufiger als Erstsemester! Wirtschaftswissenschaftler neigen stärker als andere dazu, das freie Spiel der Kräfte nicht nur als effizient, sondern auch als gerecht zu empfinden! Fußballstadion: So hatten Ökonomen auch mehr Verständnis für eine Anhebung der Ticketpreise für das Fußballstadion von Hannover 96, das im Rahmen einer Umbaumaßnahme für die Weltmeisterschaft 2006 statt 50.480 nur noch 23.000 Zuschauerplätze zur Verfügung stellen konnte. Steigende Preise werden als effiziente Antwort auf ein knapperes Angebot angesehen. Hinweis: Das Beispiel „Wasserverkäufer“ weist im Vergleich zum „Fußballstadion“ jedoch einen signifikanten Unterschied auf. Die Angebotsmengen der Wasserverkäufer sind teilbar, die der Sitzplatzanbieter nicht. Ein Sitzplatz kann nicht in zwei Plätze aufgeteilt werden, während das Wasser – sofern die kleineren Flaschen vorhanden sind – in kleinere Margen aufteilbar ist. Das Wasserbeispiel beinhaltet neben der marktwirtschaftlichen Perspektive auch die der Verstaatlichung und der Rationierung. Und es verhält sich auch im tatsächlichen Wirtschaftsleben so, dass relativ viele Güter öffentliche Güter und viele Bereiche der Wirtschaft in Staatshand sind. Warum das so ist, wird im nächsten Kapitel „Marktversagen und öffentliche Güter“ erläutert.

3

Marktversagen und öffentliche Güter

Üblicherweise wird das Angebot von Gütern und deren Nachfrage über den Markt geregelt. Bäcker backen Brot und Brezeln. Kunden kommen, um sich diese wohlschmeckenden Nahrungsmittel zu kaufen. Friseure bieten Dienstleistungen wie Haare waschen, schneiden und fönen an und die Menschen, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen möchten, zahlen den entsprechenden Preis und erhalten dann den gewünschten Haarschnitt.

3.1

Marktmechanismus und Marktversagen

Im Großen und Ganzen funktioniert der Mechanismus des Güterangebots und der Güternachfrage gut. Markt- und Gleichgewichtspreise pendeln sich ein. Nachgefragte und angebotene Menge befinden sich im Gleichgewicht. Doch der Marktmechanismus funktioniert nicht immer. Es finden sich immer wieder Gegebenheiten und Güter, bei denen der Markt versagt. Wenn der Markt versagt, stellt sich die Frage, ob der Staat regulierend und „heilend“ eingreifen soll und Güter staatlicherseits als öffentliche Güter angeboten werden sollen oder nicht. Folgende Fälle im Hinblick auf die Funktionsweise und das Versagen von Märkten und die Einteilung von Gütern in private und in öffentliche sind denkbar: Marktmechanismus

Art des Marktversagens

Klassifikation der Güter

Beispiele

Der Markt funktioniert.

Kein Marktversagen

Private Güter

Lebensmittel, Kino, Friseur

Der Markt funktioniert nicht.

Totales Marktversagen.

Öffentliche Güter

Landesverteidigung, Straßenbeleuchtung

Der Markt funktioniert, aber nicht optimal.

Partielles Marktversagen

Meritorische Güter

Schule und Bildung, Krankenhäuser und Gesundheit

Der Markt würde funktionieren, darf es aber nicht.

Marktreglementierung und -verbot

Demeritorische Güter

Illegale Drogen, Zwangsprostitution

Der Art des Marktversagens und der Unterscheidung von Gütern in private und öffentliche liegen bestimmte Prinzipien zugrunde. Diese sind das Prinzip der Ausschließbarkeit und das Prinzip der Rivalität. Das Prinzip der Ausschließbarkeit bezieht sich auf das Verhältnis von Anbieter zu Nachfrager und das Prinzip der Rivalität auf das Verhältnis von Nachfrager zu Nachfrager.

40

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Ausschließbarkeit vom Konsum

Rivalität beim Konsum

Anbieter & Nachfrager

Nachfrager & Nachfrager

Kann ein Anbieter von Waren und Dienstleistungen Nachfrager vom Konsum dieser Güter ausschließen?

Behindern sich Nachfrager beim Konsum eines Gutes oder nicht?

wenn ja: →

wenn ja → Rivalität

Ausschließbarkeit

z. B. ohne Ticket kein Eintritt ins Kino

z.B. zu wenig Tickets bei der Fußballweltmeisterschaft

wenn nein → Nichtausschließbarkeit

wenn nein → Nichtrivalität

z. B. Landesverteidigung und Straßenbeleuchtung

z. B. freie Straßen oder leere Schwimmbäder

Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Güterkategorien „privat“ und „öffentlich“ ist die Ausschließbarkeit beziehungsweise die Nichtausschließbarkeit.

3.2

Ausschließbarkeit

3.2.1

Der Markt funktioniert – Private Güter

Wenn ein privater Anbieter auf den Markt tritt, muss er davon ausgehen können, dass er mit diesem Produkt Geld verdient und Gewinne erwirtschaftet. Nehmen wir als Beispiel den Bäcker als Anbieter von Brot und Brezeln. Beispiel Brotkauf Angenommen ich gehe zum Bäcker, um dort ein Brot zu kaufen. Der Bäcker kann nur Geld verdienen, wenn erstens eine entsprechende Nachfrage besteht, also überhaupt Konsumenten da sind, die gerne Brot und Brezeln haben möchten und zweitens diese potentiellen Kunden auch bereit sind, für das Brot und die Brezeln etwas zu bezahlen und diese nicht umsonst zu bekommen. Was aber macht der Bäcker, wenn ein Kunde nicht bereit ist zu bezahlen? Er wird das Brot nicht aushändigen. Er schließt den Kunden vom Konsum aus. Technisch ist das einfach zu bewerkstelligen. Er lässt das Brot im Regal hinter der Theke liegen, notfalls verweist er den Kunden seines Geschäftes und erteilt ein Hausverbot. Der Bäcker als Anbieter von Brot kann jeden Nichtzahlenden im wahrsten Sinne des Wortes vom Konsum dieses Gutes ausschließen. Ausschließbarkeit vom Konsum: Diese Möglichkeit des Ausschließens vom Konsum funktioniert in fast allen Fällen von Gütern. Wenn ich an der Kinokasse nicht bezahle, werde ich nicht eingelassen. Wenn ich die Rechnung für die neuen Wohnzimmermöbel nicht bezahle, werden sie nicht geliefert oder sie müssen zurückgegeben werden. Wenn ich die 10.000 Euro für den Edelstein nicht zu

4

Marktversagen und öffentliche Güter

41

zahlen bereit bin oder nicht in der Lage dazu bin, bleibt das schöne Stück hinter Panzerglas verschlossen. Ich müsste geradezu gewalttätig werden, einbrechen und einen Diebstahl begehen, um den Ausschluss vom Konsum dieses Gutes zu umgehen. Ausschließbarkeit:  Eigenschaft eines Gutes, nach der ein Eigentümer oder Besitzer andere von einer Nutzung ausschließen kann. Private Güter zeichnen sich dadurch aus, dass man nicht zahlende Konsumenten vom Konsum des Gutes ausschließt. Doch existieren auch Fälle, bei denen man Kunden nicht oder nur sehr erschwert vom Konsum eines Gutes ausschließen kann. Dann liegt Marktversagen vor. 3.2.2

Nichtausschließbarkeit und Marktversagen

Die Bereitstellung privater Güter auf dem Markt wird unsinnig sein, wenn es keine Nachfrager für die Produkte gibt oder wenn die Nachfrager das Produkt bekommen könnten ohne dafür zu bezahlen. Im letzteren Fall liegt typisches Marktversagen vor. Dieses Marktversagen ist dadurch definiert, dass potentielle Nachfrager eines Gutes nicht vom Konsum desselben ausgeschlossen werden können. Charakteristikum des totalen Marktversagens ist somit die Nichtausschließbarkeit vom Konsum. Nichtausschließbarkeit vom Konsum:  Potentielle Nachfrager können vom Konsum bestimmter Güter (technisch) nicht ausgeschlossen werden.  alternativ: Es ist zu kostspielig, jemanden von der Nutzung eines Gutes auszuschließen. Folge der Nichtausschließbarkeit: Marktversagen!

a) Nichtausschließbarkeit am Beispiel Straßenlaterne Um das Marktversagen durch die Nichtausschließbarkeit darzustellen, werden in der Literatur typische Beispielfälle verwendet. Dazu gehört der Leuchtturm oder für viele sicherlich nahe liegender die Straßenlaterne. Das Gut ‚Helligkeit‘: Angenommen eine Kommune möchte im Rahmen von Privatisierungsmaßnahmen ihre städtischen Straßenlaternen verkaufen. Jemand erwägt eine Existenzgründung, investiert und kauft zehn Straßenlaternen, um mit diesem Sachkapital Geld zu verdienen. Immerhin vermitteln die Straßenlaternen einen wichtigen Nutzen. Nachts geben sie Licht und sorgen mit ihrer Helligkeit für Schutz und ein ungefährdetes Fahren und Gehen auf der beleuchteten Straße.

42

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Vergleichbar dem Bäcker oder dem Kinobesitzer stellt sich der Existenzgründer unter die Straßenlaterne und verlangt bei jedem vorbeikommenden oder -fahrenden Kunden einen „Lichtzoll“. Doch dieses Unternehmertum ist mit praktischen Schwierigkeiten verbunden. Will jemand nicht bezahlen und macht einen Bogen um den Lichtanbieter, müsste man das Licht abschalten, um die Person vom Konsum des angebotenen Gutes auszuschließen oder man müsste eine Wegsperre einrichten, was ebenfalls nicht in Frage kommt, weil die Straße der Gemeinde gehört. Oder man müsste in der Lage sein, Zwangsbeiträge bei den Anliegern eintreiben zu können, was aber gegen die Freiheit des Marktes verstößt. Das Anbieten des Gutes Helligkeit durch Straßenlaternen wird privatwirtschaftlich nicht funktionieren. So wird es entweder überhaupt keine Helligkeit spendenden Straßenlaternen geben oder sie werden durch die Gemeinschaft, also den Staat, zur Verfügung gestellt, wobei die Finanzierung durch Zwangsabgaben wie Steuern oder Anliegerbeiträge erfolgt. b) Nichtausschließbarkeit am Beispiel Landesverteidigung Ein weiteres typisches Beispiel für ein Gut, bei dem Marktversagen wegen Nichtausschließbarkeit vom Konsum vorliegt, ist die Landesverteidigung. Angenommen aus Kostengründen hat der Bundesfinanzminister im Einvernehmen mit dem Verteidigungsminister die Bundeswehr abgeschafft. Könnte nun die Landesverteidigung privat angeboten werden? Man stelle sich vor, eine fremde Person klingelt an der Haustür und hält eine Kasse hin mit der Bitte, 100 Euro für die Finanzierung von Panzerkäufen und die Aufrechterhaltung der Verteidigungsbereitschaft abzugeben. Viele Hausbesitzer würden nicht bezahlen – entweder, weil sie kein Interesse an einer Landesverteidigung hätten oder als „Trittbrettfahrer“ davon profitieren würden, dass die Nachbarn ihren Obolus entrichten. Falls jemand nicht bezahlen sollte, ist ein Ausschluss vom Konsum schwierig, wenn nicht unmöglich. Sollten fremde Truppen einmarschieren, müsste man beispielsweise anhand einer Liste prüfen, welches Haus nicht bezahlt hat und somit auch nicht beschützt wird. Das Ganze wird absurd und deshalb gibt es die Landesverteidigung auch nicht als Privatgut, sondern als öffentliches vom Staat angebotenes Gut, für das wir Steuern zu bezahlen haben. 12 3.2.3

Rivalität im Konsum

Das Prinzip der Ausschließbarkeit erklärt den wesentlichen und entscheidenden Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Gütern. Will man eine weitere Differenzierung von Gütern vornehmen, lässt sich neben dem Prinzip der Ausschließbarkeit ein zweites Kriterium definieren, nämlich das der Rivalität. 12

Unabhängig vom Prinzip der Nichtausschließbarkeit müssen wir Staatsbürger auch deshalb die Landesverteidigung als öffentliches und parlamentarisch kontrolliertes Gut einem Privatanbieter vorziehen, weil die Gefahr viel zu groß wäre, dass eine private Bundeswehr ihre militärische Macht ausnutzen und uns alle gefährden könnte.

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Marktversagen und öffentliche Güter

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Rivalität meint Rivalität im Konsum. Wenn für ein Konzert ein bestimmtes Kartenkontingent zur Verfügung steht, die Nachfrage aber viel größer ist als das Angebot, wird es Gerangel und Rivalität bei der Nachfrage nach diesen Karten geben. Rivalität: Konkurrenzverhalten zwischen Nutzern  Der Konsum eines Gutes beeinträchtigt oder verhindert die Nutzungsmöglichkeiten dieses Gutes für andere. Wenn eine nationale Landesverteidigung existiert, können alle davon profitieren, ohne dass man sich um „Plätze“ streiten muss. Wenn Straßen vorhanden sind und sich nicht zu viele Autofahrer auf diesen drängen, besteht ebenfalls keine Rivalität, außer es kommt zu Stau und Dichtestress. Die Einbeziehung des Kriteriums der Rivalität führt dazu, dass private Güter und öffentliche Güter weiter differenziert werden können, in rein private und quasi private einerseits und rein öffentliche und quasi-öffentliche andererseits: 13 Klassifikation von Gütern möglich

Ausschluss von Nichtzahlenden ist ...

3.2.4

nicht möglich

Rivalität im Konsum ... liegt vor liegt nicht vor private Güter quasi-private Güter (natürliche Monopole)  Kleidung  pay-tv  Wohnung  gebührenpflichtige  gebührenpflichtige Straßen ohne Stau Straße mit Stau quasi-öffentliche Güter  überlaufene Sehenswürdigkeiten  öffentliche Straßen mit Stau

öffentliche Güter  nationale Verteidigung  Grundlagenforschung  öffentliche Straßen ohne Stau

Trittbrettfahrerverhalten

Im Zusammenhang mit dem Angebot öffentlicher Güter wie Grundlagenforschung oder Verteidigung, die sich durch Nichtausschließbarkeit und Nichtrivalität definieren, kann ein Problem auftreten, das unter dem Begriff des „Trittbrettfahrerverhaltens“ bekannt ist. Wenn nämlich ein Gut angeboten wird, für welches das Ausschlussprinzip nicht funktioniert oder dessen Durchsetzung zu teuer ist (z. B. die Kontrolle von Fahrgästen in S-Bahnen), bestehen Anreize, nicht zu bezahlen und trotzdem zu konsumieren. Die meisten Kunden werden für die Nutzung der S-Bahn oder des Bus13

Vgl. Frantzke, 2004, S. 383.

44

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

ses bezahlen. Manche jedoch werden versuchen sich der Bezahlung zu entziehen. Menschen, die den Konsum eines Gutes nutzen ohne dafür zu bezahlen, werden in der volkswirtschaftlichen Terminologie als „Trittbrettfahrer“ bezeichnet. Man stellt sich auf das Trittbrett und fährt mit, ohne den Fahrpreis für die Busfahrt entrichtet zu haben. 14 Trittbrettfahrerverhalten  Nutzung eines Gutes, ohne dafür zu bezahlen (bei Nichtausschließbarkeit oder eingeschränkter Nichtausschließbarkeit).  

3.3

S-Bahnfahren ohne Ticket. Besichtigung eines Feuerwerks aus der „Ferne“.

Meritorische Güter und partielles Marktversagen

Der Staat bietet nicht nur Güter wie Landesverteidigung und Straßenlaternen an, die wegen Marktversagens von der öffentlichen Hand übernommen werden. Der Staat bietet auch Güter an, die vom privaten Markt sehr wohl übernommen werden könnten und von manchen auch gerne übernommen würden. Doch der Staat entscheidet selbst, in welchen Fällen er als Anbieter auftritt und gegebenenfalls private Anbieter kontrolliert oder unterstützt. Zu diesen Gütern gehören die Schulbildung, das Gesundheitswesen und die öffentliche Sicherheit mit Polizeieinsatz und Gerichtswesen. Meritorische Güter:  für die Allgemeinheit verdienstvolle Güter.  zum Beispiel Bildung (Schulpflicht), Gesundheit (Vorsorge) und Sicherheit (Polizeischutz). Bezeichnet werden diese für die Allgemeinheit verdienstvollen Güter als meritorische Güter. Im Gegensatz zu öffentlichen Gütern funktioniert der privatwirtschaftliche Ausschließungsmechanismus sehr wohl und auch der Konsum rivalisiert. Die private Nachfrage beziehungsweise das Angebot bleibt aber hinter den gesellschaftlichen Erwartungen (merit wants) zurück. So könnte ein ausschließlich privat organisiertes Gesundheitssystem dazu führen, dass viele Menschen keine ausreichende Gesundheitsversorgung erhalten. Meritorische Güter wie Schulen oder Krankenhäuser könnten also auch von der Privatwirtschaft angeboten werden und zum Teil wird das auch getan. Es lassen sich sowohl Privatschulen als auch private Krankenhäuser und private Sicher14

Nichtrivalität und Trittbrettfahrerverhalten gehen auf Paul A. Samuelson (1954) und Richard A. Musgrave (1969) zurück.

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Marktversagen und öffentliche Güter

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heitsdienste finden. Warum aber macht der Staat diese Güter zu seiner Sache? Die Antwort ist einfach: Der Staat möchte, dass gewisse Güter von allen konsumiert werden können oder sogar müssen. Die Güter werden als so wichtig für ein Gemeinwesen angesehen, dass die Bürger zum Konsum verpflichtet werden. Nehmen wir das Beispiel Bildung und Schule. 3.3.1

Beispiel Schule: Bildung als meritorisches Gut

Was würde passieren, wenn das Gut Schulbildung nur auf dem Privatmarkt angeboten wird? Zuerst einmal ist festzustellen, dass im Gegensatz zu Straßenlaternen und Verteidigung kein Marktversagen vorliegt, da die Ausschließbarkeit und der Marktmechanismus funktionieren. Will jemand die Schulgebühr nicht bezahlen, wird man vom Unterricht ausgeschlossen. Die Ausschließbarkeit vom Konsum bei Nichtbezahlen des Gutes Bildung stellt kein prinzipielles Problem dar! Schulpflicht: Warum aber beschließen wir als staatliche Gemeinschaft, das Gut Schulbildung öffentlich anzubieten, ja nicht nur anzubieten, sondern den Konsum dieses Gutes für alle Kinder verpflichtend zu erklären? Denn die Freiheit, dieses Gut nachzufragen oder nicht nachzufragen, wird aufgehoben und zur Pflicht gemacht. Man muss die Schule besuchen. Es besteht also nicht nur das Recht auf Schulbesuch, sondern es besteht die Pflicht auf Schulbesuch! 15 Wert und Wichtigkeit des Gutes Bildung: Warum legt der Staat so viel Wert darauf, dass Kinder und damit die zukünftigen „großen“ Staatsbürger die Schule besuchen und etwas lernen? Die Antwort ist einfach. Der Staat und wir alle legen deshalb so großen Wert darauf, weil wir der Meinung sind, dass Schulbildung ein so nützliches und wichtiges Gut darstellt, dass man es nicht dem Einzelnen überlassen sollte, die Schule zu besuchen oder nicht. Nützlich und wichtig ist dieses Gut, weil es dem Menschen Qualifikationen vermittelt – seien es persönliche, soziale und fachliche, die helfen, dass sich aus dem Kind ein fähiger und kompetenter Staatsbürger entwickeln kann. Ein solches Gut wirkt System erhaltend und sichert die Gemeinschaft eines Volkes oder eines Staates. Schulbildung als meritorisches Gut  Schulbildung ist so wichtig für die Gemeinschaft, dass man es nicht dem Einzelnen überlassen will, ob man Bildung in Anspruch nimmt oder nicht.

15

Zu unterscheiden ist eine Pflicht auf Schulbesuch und eine Pflicht auf Unterricht. Der Unterrichtspflicht könnte auch dadurch Genüge getan werden, dass die Eltern selbst ihre Kinder zu Zuhause unterrichten. Doch das reicht nicht aus. Denn Kinder müssen in einer staatlichen oder vom Staat anerkannten privaten Schule unterrichtet werden.

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Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Bildung: Jetzt könnte man noch argumentieren, dass sich aus der Nützlichkeit und Wichtigkeit dieses Gutes nicht ableiten lässt, dass nur der Staat als Anbieter von Schulbildung auftreten dürfe. Private könnten das ebenso gut. Dies ist richtig, doch wird es sich so verhalten – sofern nur private Anbieter auf dem Markt anzutreffen sind –, dass viele Bürger eines Staates dieses Gut Schulbildung nicht konsumieren würden, weil sie es entweder nicht wollen, sprich die Nützlichkeit nicht sehen oder weil sie sich den Schulbesuch finanziell nicht leisten können, falls die privaten Anbieter zu teuer sind. Oder es trifft beides zu: Sie können nicht und sie wollen nicht. Gesundheit: Für meritorische Güter lassen sich weitere Beispiele finden. Dazu gehört vor allem das Gut Gesundheit. Auch hier hat der Staat ein Interesse, dass die Mitglieder des Systems Staat gesund und leistungsfähig sind. Wenn in früheren Zeiten Staatsbürger deshalb gesund sein sollten, um als Männer gute und starke Krieger und Soldaten abzugeben und als Frauen viele und gesunde Nachkommen für das Land auf die Welt zu bringen, stehen heute „hehrere“ Ziele im Vordergrund. Der Einsatz der Arbeitskraft verlangt Gesundheit, zumal Krankheit auch unbeteiligte Dritte schädigen kann (externe Kosten) und überhaupt ist Gesundheit angeblich sowieso das Allerwichtigste. 3.3.2

Erläuterung des partiellen Marktversagens

In der Terminologie der Volkswirtschaftslehre spricht man im Hinblick auf den gesellschaftlichen Nutzen des Schulbesuchs vom Zusatznutzen oder auch vom externen Nutzen. 16 Das heißt, dass der Schulbesuch nicht allein einen individuellen Nutzen stiftet (hoffentlich), sondern einem Staatswesen insgesamt gut tut. In Anbetracht dessen, dass der private und der öffentliche Nutzen nicht identisch sind, spricht man vom partiellen also einem teilweisen Marktversagen. Wenn es im Interesse des Staates liegt, die Nachfrage und den Konsum bestimmter Güter wie zum Beispiel Bildung zu fördern, bieten sich mehrere Möglichkeiten an:  Der Konsum wird verpflichtend für alle erklärt. Die Finanzierung erfolgt über das allgemeine Steueraufkommen. Für den Schüler als Konsumenten der Schulbildung ist das Gut kostenlos.  Der Konsum ist zwar nicht verpflichtend, der Staat setzt allerdings Anreize, um mehr private Nachfrager für den Konsum bestimmter Güter zu gewinnen. Beim Einbau einer Solaranlage oder einer Photovoltaikanlage erhält man beispielsweise Zuschüsse oder subventionierten Strom. Das meritorische Gut besteht hier in Ressourcenschonung und weniger Umweltbelastung.

16

Meritorische und demeritorische Güter können auch anhand von externen Effekten erklärt werden. Da das Thema externe Effekte vor allem in der Umweltthematik eine größere Rolle spielt, sind diese Effekte dort näher erläutert (vgl. Band III Kapitel „Umweltpolitik“).

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Marktversagen und öffentliche Güter

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 Eine weitere Möglichkeit, um den Konsum meritorischer Güter zu fördern, ist die Bezuschussung der Anbieter oder die rechtliche Verpflichtung, bestimmte Standards einzuhalten (Beispiel technischer Standard bei Heizungsanlagen). 3.3.3

Demeritorische Güter

Neben den meritorischen, also den für die Allgemeinheit verdienstvollen Gütern, existieren die demeritorischen Güter – die nicht verdienstvollen ja sogar schädlichen Güter. Zu diesen demeritorischen Gütern, die privatwirtschaftlich problemlos angeboten werden könnten – und trotz Verbot immer wieder der Versuch unternommen wird, dies auch zu tun – gehören Heroin, das Glückspiel oder die Zwangsprostitution. Verboten sind diese Güter, weil der Staat, und das heißt „wir“ nicht möchten, dass diese Güter konsumiert werden, weil wir der Meinung sind, dass sie unser Gemeinwesen gefährden. Deshalb werden diese Güter verboten. 17 Demeritorische Güter  Nicht verdienstvolle, ja sogar für das Gemeinwesen schädliche Güter. z. B. Drogen, Glückspiel, Zwangsprostitution. Die Charakterisierung eines Gutes als meritorisch oder demeritorisch ist nicht fest vorgegeben. Alkohol kann, wie während der Prohibition in den USA, als demeritorisches und zu verbietendes Gut angesehen werden. Alkohol kann aber auch als legales Gut akzeptiert werden, wobei Einschränkungen für den Konsum wie im Straßenverkehr oder für Jugendliche üblich sind. Güter und Märkte, Angebot und Nachfrage, Freiheit und Staat – das sind Grundthemen der Volkswirtschaftslehre. Im folgenden Kapitel kommt nun die Volkswirtschaftslehre selbst an die Reihe – deren Entstehung und Entwicklung, Definition und Systematik.

17

Evtl. staatlich kontrolliert angeboten wie zum Beispiel mittels Fixerstuben.

4

Adam Smith und die Volkswirtschaftslehre

4.1

Entstehung der Volkswirtschaftslehre

Das Wirtschaften ist so alt wie die Menschheit selbst. Schon immer war der Mensch damit beschäftigt, sich Nahrung zu besorgen und eine Behausung zu beschaffen, sich zu kleiden, Tauschgeschäfte zu machen und Handel zu treiben, manchmal auch Eroberungskriege zu führen, zu plündern und zu stehlen, Pyramiden und Kirchen zu bauen, Geld zu erfinden, Zins zu nehmen und Firmen zu gründen. Doch die Lehre von der Wirtschaft ist weit jüngeren Datums als das Objekt des Wirtschaftens, das sie beschreibt. Es finden sich zwar auch in Jahrtausend alten Schriften wirtschaftliche Aspekte – die Volkswirtschaftslehre, wie wir sie heute kennen, stellt jedoch ein relativ junges Fach dar. 4.1.1

Das Jahr 1776

Der neue Kontinent: Das Geburtsjahr der klassischen Volkswirtschaftslehre wird auf 1776 datiert. Geschichtlich ist dieses Jahr 1776 ein denkwürdiges Datum. Denn am 4. Juli 1776 erklärten dreizehn Staaten auf dem Nordkontinent von Amerika ihre Unabhängigkeit von der britischen Krone. Diese von Thomas Jefferson aus Virginia formulierte Unabhängigkeitserklärung (Declaration of Independence) markiert den Anfang vom Ende des britischen Einflusses auf dem nordamerikanischen Kontinent und den Start in eine große Zukunft der Vereinigten Staaten von Amerika. Heute sind die USA nicht nur ein Staat, der Menschenrechte und (westliche) Demokratie weltweit verteidigt und einfordert, sondern auch das wirtschaftlich mächtigste Land der Erde. Das alte Europa: Die Ursprünge der Volkswirtschaftslehre sind aber nicht im neuen Kontinent, sondern im alten Europa zu suchen und zwar in dem Land, von dem sich die Staaten von Amerika zu emanzipieren versuchten, nämlich dem britischen Empire. Und es war auch just das Jahr 1776, das nicht nur jenseits des Atlantiks einen Meilenstein markieren sollte, sondern auch für die Wirtschaft im Allgemeinen die Geburtsstunde der klassischen Volkswirtschaftslehre bedeutete. Denn in diesem Jahr 1776 veröffentlichte der schottische Moralphilosoph Adam Smith sein Werk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“. Adam Smith (1776):  „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations”. „Eine Untersuchung über die Natur und die Ursprünge des Wohlstandes der Nationen“ (Kurzform: „Wohlstand der Nationen“)

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Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Dieses zweibändige Werk avancierte zum Standardwerk für die Wirtschaftslehre und prägt auch heute noch nach über 230 Jahren die Art und Weise wirtschaftlichen Denkens. Selbstverständlich gab es Vorläufer – die Vorklassiker und Merkantilisten – wie David Hume und John Locke, aber Smith steht das Verdienst zu, diese Gedankenströmungen und Erkenntnisse aufgenommen und in eine faszinierende und schlüssige, ja sogar frappierend einfache, Theorie kanalisiert zu haben – nämlich in die Theorie der Marktwirtschaft als selbstorganisierendes und selbstharmonisierendes System im weiteren Sinne und in die Theorie des freien Preismechanismus von Angebot und Nachfrage im engeren Sinne. 4.1.2

Adam Smith

Adam Smith wurde 1723 in Kirkcaldy Schottland geboren. Der Junggeselle, der mehr als sechzig Jahre bei seiner Mutter bis zu deren Tod im Jahr 1784 lebte, wurde 1750 zum Professor an die Universität Glasgow berufen. Dort hielt er den Lehrstuhl für Moralphilosophie inne. Die Oeconomia als „Lehre vom richtigen Haushalten“ war ein Teilgebiet der Moralphilosophie. Sein erstes Hauptwerk erschien 1759 unter dem Titel „The Theory of Moral Sentiments“ (Theorie der ethischen Gefühle). Adam Smith   

Schottischer Philosoph und Nationalökonom 1723 (Kirkcaldy) bis 1790 (Edinburgh) Professor an der Universität Glasgow: Lehrstuhl für Moralphilosophie

Privatlehrer: Der Staatsmann Charles Townshend bot Smith die Stelle als Privatlehrer seines Stiefsohnes an, die erstens viel besser bezahlt war als seine Professorenbesoldung in Glasgow und zweitens Bildungsreisen durch Europa mit dem jungen Herzog von Buccleugh mit sich brachte. Bei einem längeren und anscheinend langweiligen Aufenthalt in Toulouse im Jahre 1764 muss Smith einen Brief an David Hume geschickt haben mit dem Vermerk: „Ich habe angefangen ein Buch zu schreiben, um mir die Zeit zu vertreiben.“ Es handelt sich wie vermutet um das schon angesprochene Werk „Wohlstand der Nationen“. Als Lehrbuch für Studenten und Professoren wurde es 1776 veröffentlicht und machte Adam Smith berühmt. 1778 wurde Smith oberster Zollbeamter von Edinburgh. Er starb 1790 im Alter von 68 Jahren. In der Altstadt von Edinburgh erinnert ein größerer Grabstein an den berühmten Mann und Begründer der Nationalökonomie mit der Aufschrift: Adam Smith. Author of the Theory of Moral Sentiments and Wealth of Nations. 4.1.3

Kernaussagen zum „Wohlstand der Nationen“

Wie in den einleitenden Kapiteln dieses Buches ausgeführt, bildet die Allokationsfrage eine der zentralen Themen der Ökonomie: Welche Produktionsfaktoren sollen in welchen Mengen wo eingesetzt werden, um welche Güter in welchen

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Adam Smith und die Volkswirtschaftslehre

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Mengen herzustellen und anzubieten. In einer Volkswirtschaft mit einer ungeheuer großen Zahl an Produktionsfaktoren und potentiellen Gütern ist diese Frage nicht einfach zu beantworten – oder doch? 4.1.3.1 Freier Markt und Eigennutz a) Freier Markt Die „Philosophie“ der Marktwirtschaft liegt nämlich gerade darin, dass man sich die Antwort auf die Allokationsfrage leicht machen kann, ja leicht machen muss. In der Marktwirtschaft entscheidet nämlich jeder Einzelne selbst, was er anbieten und nachfragen möchte. Die Marktwirtschaft ist ein selbstorganisierendes und selbstregulierendes System. Voraussetzung für dieses selbstregulierende System des Marktes ist die Freiheit – die Freiheit der Entscheidungen und Handlungen der Marktteilnehmer. Insofern wird die Marktwirtschaft oft auch als freie Marktwirtschaft charakterisiert, wobei eine Marktwirtschaft per se immer frei sein muss. Bei Adam Smith heißt es: “Gibt man daher alle Systeme der Begünstigung und Beschränkung auf, so stellt sich ganz von selbst das einsichtige und einfache System der natürlichen Freiheit her.“ (Smith 1776) b) Eigennutz und Selbstinteresse Wenn sich in Freiheit der Markt durch Angebot und Nachfrage selbst reguliert und zu einer natürlichen Ordnung findet, heißt das nicht, dass das am besonders einsichtsvollen und moralischen Verhalten der Marktteilnehmer liegt. Im Gegenteil, Adam Smith unterstellt gerade einen gewissen Egoismus und Eigennutz der Menschen, der aber so genutzt werden kann, dass ein möglichst großer Wohlstand für alle erreicht werden kann. “Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers oder Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.“ (Smith, 1776) Ob ich beim Bäcker meine Brötchen bekomme oder nicht, hängt nicht von der Sympathie und Willkür des Bäckers ab, sondern ob ich als Konsument bereit bin, den für das Brötchen festgesetzten Preis zu bezahlen. Umgekehrt bin ich auch nicht gezwungen, die Brötchen zu kaufen, sollte mir der Preis zu hoch erscheinen. Jeder handle nach seinem Eigennutz oder – weniger negativ klingend – nach seinem eigenen Nutzen oder – noch positiver klingend – nach seinem eigenen Interesse. In der Summe ergibt sich Harmonie und Wohlstand – eine vom Schöpfer gewollte „natürliche Ordnung“. Smith spricht von der “invisible hand“, der „unsichtbaren Hand“ Gottes. Adam Smith sieht sich im Übrigen als Verfechter der Aufklärungsphilosophie. Er unterstellt den Menschen vernunftgeleitetes Handeln, zumindest fordert er es von

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Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

seinen Zeitgenossen. Der Unternehmer, oftmals gescholten als Ausbeuter und Tyrann, hat sich nach Smith als sittlich reifer Kapitalist zu benehmen. 4.1.3.2 Bedeutung des Staates Eine freie Marktwirtschaft zu propagieren, bedeutet nicht, dem Staat jegliche Existenzberechtigung zu entziehen. Dem Staat obliegen weitere wichtige Funktionen. Dazu gehören:  für Sicherheit nach außen zu sorgen: „Pflicht, das Land gegen Gewalttätigkeiten und Angriff anderer unabhängiger Staaten zu schützen.“  für Schutz im Inneren zu sorgen: „Aufgabe, jedes Mitglied der Gesellschaft soweit wie möglich vor Ungerechtigkeit oder Unterdrückung durch einen Mitbürger in Schutz zu nehmen oder ein zuverlässiges Justizwesen einzurichten.“  für öffentliche Einrichtungen zu sorgen, für die aus Kostengründen kein privates Engagement besteht. (z. B. Infrastruktur wie Verkehrswege und Straßenbeleuchtung, Post, Schulunterricht, Finanzverwaltung). 18 Nachtwächterstaat und Laissez-faire: Auch in einer freien Marktwirtschaft wird dem Staat eine mehr oder minder starke Bedeutung beigemessen. Ist die Bedeutung eine geringe und überschaubare, spricht man vom Nachtwächterstaat, ein Begriff, der auf den Arbeiterführer Ferdinand Lasalle (1825 - 1864) zurückgeht. Nachtwächterstaat beschreibt einen Zustand, in welchem dem Staat lediglich die Rolle des „Nachtwächters“ zugestanden wird: Diese Funktion des Nachtwächterstaates definiert sich über Kriterien wie Ordnung, Rechtsprechung, Schutz und Sicherheit. Ein Begriff, der im Zusammenhang mit dem Nachtwächterstaat oftmals gebraucht wird, ist der des Laissez-faire-Prinzips. Laissez-faire bedeutet, die (wirtschaftlichen) Dinge laufen zu lassen. Doch bezieht sich das nicht allein auf die Befreiung der Wirtschaft und Entfaltung des Kapitalismus, sondern auch auf die Befreiung von kirchlicher und staatlicher Obhut (Feudalherrschaft). Heutzutage wird laissezfaire oftmals mit einem ungezügelten Manchester-Kapitalismus gleichgesetzt. Der Staat soll sich nach Adam Smith also eher zurückhalten und für Handels- und Gewerbefreiheit sorgen sowie länderübergreifend den Freihandel fördern. Der Begründer der klassischen Nationalökonomie hebt sich mit diesem System einer liberalen Wirtschaftslehre auch von den Denkrichtungen des Merkantilismus und des Physiokratismus ab. 19

18 19

Vgl. Kolb, 2004, S. 59. Merkantilismus: Nationalistische Wirtschaftspolitik mittels Bevölkerungspolitik, Industriepolitik und Außenhandel bei gleichzeitigem Protektionismus (Westeuropa im 17. und 18. Jahrhundert); Physiokratismus: Landwirtschaft als der produktive und „rettende“ Wirtschaftssektor (Frankreich im 18. Jahrhundert).

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Adam Smith und die Volkswirtschaftslehre

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Die Quellen des Wohlstandes sieht Smith vor allem in der menschlichen Arbeit und in der Arbeitsteilung! Und Arbeitsteilung und Tausch waren dann auch Grundpfeiler der Industriellen Revolution und des internationalen Freihandels.

4.2

Die Industrielle Revolution

4.2.1

Definition und Merkmale der Industriellen Revolution

Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert – man könnte die Zeitspanne „großzügig“ von 1750 bis 1850 datieren – fand ausgehend von England eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Umwandlung von der Agrar- und Handwerksgesellschaft zur Industriegesellschaft statt. Dieser Transformationsprozess hin zur Industrialisierung wird als Industrielle Revolution bezeichnet. Industrielle Revolution  Transformationsprozess von der Agrar- und Handwerksgesellschaft zur Industriegesellschaft (Industrialisierung) im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Ursprungsland der Industriellen Revolution war England. Industrie: Die „Industrie“ (lat. industria: Fleiß) versteht sich als eine Form der wirtschaftlichen Tätigkeit zur Herstellung von Gütern, die durch Massenproduktion, den intensiven Einsatz von Maschinen, weitgehende Arbeitsteilung und die Beschäftigung von ungelernten und angelernten Arbeitskräften definiert ist. Hinzu kommen Merkmale wie die Trennung von Verwaltung und Produktion. Merkmale der Industrialisierung:     

Massenproduktion Intensiver Einsatz von Maschinen Arbeitsteilung Beschäftigung von ungelernten und angelernten Arbeitskräften Trennung von Verwaltung und Produktion

Produktion: Die Produktion bezeichnet den Hergang der Erstellung von Gütern. Die Herstellung von Gütern bedarf des Einsatzes von Produktionsfaktoren, nämlich Boden, Arbeit und Kapital. Das Ergebnis dieses Produktionsprozesses sind schließlich die Produkte (lat. productum: das Hervorgebrachte) beziehungsweise die Erzeugnisse. Der Ort der Produktion oder des Geschehens ist die Fabrik als gewerbliche Produktionsstätte (lat. fabrica: Werkstätte). Geist und Technik: Fundament der Industrialisierung waren zwei geschichtliche Entwicklungen. Zum einen war es die geistige Bewegung der Aufklärung mit dem Postulat der menschlichen Vernunft und der Einforderung von Freiheitsrechten, die in der Französischen Revolution von 1789 mit „Liberté, Egalité, Fraternité“

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Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

(Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) ihren wirkungsvollsten und bekanntesten Ausdruck fanden. Zum anderen basiert die Industrielle Revolution auf dem Aufschwung der Naturwissenschaft und Technik, was sich durch wichtige Erfindungen belegen lässt. Pfeiler der Industrialisierung:  geistig:

Bewegung der Aufklärung: Vernunft und Freiheitsrechte

 technisch: Naturwissenschaftliche Fortschritte und technische Erfindungen, z. B. Dampfmaschine als Wahrzeichen der Industriellen Revolution

4.2.2

Technische Erfindungen

Dampfmaschine: Wahrzeichen der Industriellen Revolution ist die Dampfmaschine. Die erste leistungsfähige Dampfmaschine datiert auf das Jahr 1765 und wurde von James Watt (1736 - 1819, Schottland) entwickelt. James Watt war Feinmechaniker und übrigens auch ein Freund von Adam Smith. Die Dampfmaschine brachte eine verbesserte Technik der Stahlerzeugung, was letztlich auch den Maschinenbau als eine neue Wirtschaftsbranche begründete. Spinnmaschinen und Webstuhl: Weitere technische Erfindungen und Entwicklungen waren die Spinnmaschinen und der mechanischer Webstuhl (ca. 1780). Die Textilherstellung war damals der wichtigste gewerbliche Wirtschaftsbereich. Eisenbahn: Als herausragende Metapher der Industrialisierung ist schließlich die Eisenbahn zu nennen. Der englische Ingenieur George Stephenson (1781 - 1848) erbaute 1814 die erste betriebsfähige Eisenbahn, gründete in Newcastle die erste Lokomotivfabrik der Welt und eröffnete 1825 die erste Eisenbahnstrecke Stockton-Darlington, wo seine Lokomotive „Rocket“ siegte. Beispiele technischer Erfindungen der Industriellen Revolution:  Dampfmaschine, James Watt (1765 entwickelt und 1769 patentiert).  Spinnmaschinen, Hargraves (1764) und Arkwright (1769).  Maschinenbetriebene Baumwollspinnerei / erste Dampfmaschine in Spinnerei, Arkwright (1785).  Mechanischer Webstuhl, Cartwright (1785).  Patentierung des Kugellagers, Philip Vaughan (1794).  Technische Entwicklung in der Hüttenindustrie: Schmelzen von Erz durch Holzkohle/Steinkohle (Verhüttung) zur Eisengewinnung (ab 1735)  Eisenbahn von George Stephenson (1814); erste Eisenbahnlinie in England im Jahr 1825.  Dynamo, Michael Faraday (1831).

4

Adam Smith und die Volkswirtschaftslehre

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Macht und Elend der Industrialisierung Die Industrielle Revolution brachte dem Ursprungsland Großbritannien eine führende Rolle im Welthandel, die durch die Seeherrschaft beziehungsweise Kontrolle des Überseehandels und durch die Übernahme von Kolonien gekennzeichnet ist. Ende des 18. Jahrhunderts war die Hauptstadt London das kommerzielle Zentrum und die Finanzmetropole der Welt. Doch führte die Industrielle Revolution nicht nur zu einer Zunahme der Produktivität und Wirtschaftskraft und einem starken Bevölkerungswachstum, sondern auch zu Verelendung, Kinderarbeit und Slums. Der Webstuhl wurde zum Synonym für die Verdrängung des Menschen durch die Maschine. Die Verelendung der Arbeiter führte zur Arbeiterfrage und sozialen Frage des 19. Jahrhunderts. Karl Marx „erfand“ die Arbeiterklasse. Das Proletariat war geboren. 20 4.2.3

Arbeitsteilung und Tausch

Arbeitsteilung: Die Arbeitsteilung gilt als eine der wesentlichen Voraussetzungen für Produktivitätssteigerungen und Wohlstandsgewinne. Die industrielle Revolution mit Massenproduktion und der Versorgung einer immer größeren Zahl von Menschen mit ausreichend Gütern wäre ohne Arbeitsteilung und Spezialisierung nicht möglich gewesen. Bürde und Befreiung: Dass Arbeitsteilung und Spezialisierung zu eintöniger und entfremdender Arbeit mit den immer gleichen sich wiederholenden Arbeitsschritten am Fließband führen kann, ist eine Seite der Medaille. Dass Arbeitsteilung und Spezialisierung dazu führen kann, dass jeder Einzelne die Chance hat, die Arbeit zu verrichten, die man gerne und gut macht, und den Beruf zu wählen, zu dem man sich berufen fühlt, ist die andere Seite der Medaille. Im Übrigen hat die Entwicklung des Computers und von Robotern mittlerweile dazu geführt, dass genau die Tätigkeiten, die monoton und entfremdend sind, von Maschinen übernommen werden. Und die Menschen, die „noch“ arbeitsteilig im Einsatz sind, versuchen Arbeitsteilung und Gesamtverantwortung zu verbinden, indem sie Fertigungsinseln, Gruppenarbeit und Teams bilden. 21 Tausch: Akzeptiert man Arbeitsteilung als enorme Chance der Produktivitätssteigerung, muss ein weiterer Schritt unweigerlich folgen, will man die große Zahl an produzierten Gütern sinnvoll verteilen, nämlich der Tausch. Wenn man nämlich alles alleine herstellt – sofern das heute überhaupt noch möglich wäre - und somit autark, also wirtschaftlich unabhängig lebt, ist man auf einen Austausch von Waren nicht angewiesen. Sobald aber Arbeitsteilung stattfindet und der eine Schuhe herstellt, der andere Vorlesungen hält und ein dritter Kinofilme produziert, muss 20 21

Romane wie ‚David Copperfield‘ von Charles Dickens oder ‚Des Menschen Hörigkeit‘ von Somerset Maugham vermitteln ein eindrückliches Bild der damaligen Zeit. ... zumindest gilt dies für den Produktionsbereich. Im Dienstleistungsbereich sind einfache Tätigkeiten wie zum Beispiel Putzen immer noch „Menschenwerk“.

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Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

in zwingender Weise der Arbeitsteilung der Tausch folgen. Insofern gehören Arbeitsteilung und Tausch untrennbar zusammen. Arbeitsteilung am Beispiel der Stecknadelherstellung Arbeitsteilung und Tausch sind sowohl im Rahmen des Außenhandels zwischen zwei Staaten als auch auf der individuellen und betrieblichen Ebene zwischen Arbeitskräften und Unternehmen von Bedeutung. Im „Wohlstand der Nationen“ von Adam Smith findet sich das berühmte Stecknadelbeispiel, anhand dessen die Vorteile von Arbeitsteilung demonstriert werden sollen: 22 „Ein Arbeiter, der noch niemals Stecknadeln gemacht hat und auch nicht dazu angelernt ist (erst die Arbeitsteilung hat daraus ein selbständiges Gewerbe gemacht), so dass er auch mit den dazu eingesetzten Maschinen nicht vertraut ist (auch zu deren Erfindung hat die Arbeitsteilung vermutlich Anlass gegeben), könnte, selbst wenn er sehr fleißig ist, täglich höchstens eine, sicherlich aber keine zwanzig Nadeln herstellen. Aber so wie die Herstellung von Stecknadeln heute betrieben wird, ist sie nicht nur als Ganzes ein selbständiges Gewerbe. Sie zerfällt vielmehr in eine Reihe getrennter Arbeitsgänge, die zumeist zur fachlichen Spezialisierung geführt haben. Der eine Arbeiter zieht den Draht, der andere streckt ihn, ein dritter schneidet ihn, ein vierter spitzt ihn zu, ein fünfter schleift das obere Ende, damit der Kopf aufgesetzt werden kann. Auch die Herstellung des Kopfes erfordert zwei oder drei getrennte Arbeitsgänge. ... Um eine Stecknadel anzufertigen, sind somit etwa 18 verschiedene Arbeitsgänge notwendig, die in einigen Fabriken jeweils verschiedene Arbeiter besorgen... .Ich habe selbst eine kleine Manufaktur dieser Art gesehen, in der nur 10 Leute beschäftig waren, so dass einige von ihnen zwei oder drei solcher Arbeiten übernehmen mussten. Obwohl sie nur sehr arm und nur recht schlecht und recht mit dem nötigen Werkzeug ausgerüstet waren, konnten sie zusammen am Tag doch etwa 12 Pfund Stecknadeln anfertigen…. Rechnet man für ein Pfund über 4000 Stecknadeln mittlerer Größe, so waren die 10 Arbeiter imstande, täglich etwa 48.000 Nadeln herzustellen, jeder also ungefähr 4800 Stück. Hätten sie indes alle einzeln und unabhängig voneinander gearbeitet, noch dazu ohne weitere Ausbildung, so hätte der einzelne gewiss nicht einmal 20, vielleicht sogar keine einzige Nadel am Tag zustande gebracht“. (RN, 9-19) Dieses Beispiel soll die ungeheure Wirkung der Arbeitsteilung für die Produktivität demonstrieren. Mit dem gleichen Einsatz an Arbeitskräften lässt sich durch Spezialisierung und Arbeitsteilung eine unvergleichlich höhere Menge an Gütern produzieren, als das im Fall der Nichtarbeitsteilung möglich gewesen wäre.

22

Adam Smith soll jedoch dieses Beispiel der Stecknadelfabrik einem Werk des französischen Philosophen Diderot entnommen haben. Vgl. Strathern, 2003, S. 118.

4

Adam Smith und die Volkswirtschaftslehre

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Spezialisierung und Arbeitsteilung  Voraussetzung für eine enorme Produktivitätszunahme in der Herstellung von Gütern und damit verbundener Massenproduktion. Heutzutage übernehmen in hoch industrialisierten Staaten Maschinen die spezialisierten und arbeitsteiligen Tätigkeiten – zumindest gilt dies für den Fertigungsbereich.

4.3

Arbeitsteilung und Kostenvorteile

Konzeptionelle Grundlage der durch Arbeitsteilung und Tausch entstandenen Vorteile ist das Theorem der komparativen Kostenvorteile. Prinzipiell können diese Kostenvorteile durch Arbeitsteilung und Tausch innerhalb von Unternehmen (Spezialisierung von Arbeitskräften und Maschinen) wie auch in einer Volkswirtschaft im Gesamten (Spezialisierung von Unternehmen) zum Tragen kommen. Möglich und sinnvoll ist schließlich auch Arbeitsteilung und Tausch auf der nächst höheren Ebene und das ist der Handel zwischen Volkswirtschaften bzw. Nationalstaaten. Das Konzept der komparativen Kostenvorteile und die daraus abgeleitete Effizienz des Außenhandels sollen am Beispiel des Methuen-Vertrages zwischen England und Portugal vorgestellt und belegt werden. Neben Adam Smith tritt hierbei ein weiterer berühmter Ökonom der Klassik in den Vordergrund, nämlich David Ricardo. 4.3.1

Ricardo und der Methuen-Vertrag

Während Adam Smith noch der Meinung war, jedes Land exportiert die Güter, die es billiger als das Ausland erstellen könne, entwickelten Robert Torrens (1808) und David Ricardo (1817) das Theorem der komparativen Kosten. David Ricardo (England, 1772 - 1823) Ökonom, Börsenspekulant und Politiker.  Sein Theorem der komparativen Kostenvorteile schuf das Fundament für die klassische Freihandelslehre. Dieses Theorem besagt, dass „ein Land selbst dann ein Gut exportiert, wenn seine in Arbeitseinheiten gemessenen Produktionskosten über denen des Auslands liegen, sein Kostennachteil jedoch unter dem anderer, zu importierender Güter liegt“. 23

23

Geigant, u.a. 2000, S. 527.

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Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Theorem der komparativen Kostenvorteile von Robert Torrens (1808) und David Ricardo (1817) am Beispiel des Methuen-Vertrages zwischen England und Portugal über den zollfreien Austausch von britischem Tuch und portugiesischem Wein (1703) entwickelt. Wie funktioniert dieses Theorem und welche Bedeutung hat es für Arbeitsteilung, Tausch und Außenhandel? Folgende Daten und Annahmen gelten: Methuen-Vertrag zwischen England und Portugal (1703) Länder:

- Zwei-Länder-Fall: England und Portugal.

Güter:

- Zwei-Güter-Fall: Tuch und Wein (mengenmäßiger Output). - Homogene Güter: Tuch und Wein sind jeweils „gleich“.

Faktoren: - Einziger Produktionsfaktor ist Arbeit: Menge an Arbeitskräften oder Zahl an Arbeitsstunden (mengenmäßiger Input). - Der Faktor Arbeit ist innerhalb eines Landes völlig mobil, zwischen den Ländern jedoch völlig immobil. Kosten:

- Konstante Produktionskosten: Output verhält sich proportional zum Input. - Keine Transportkosten.

Vor der Darstellung der komparativen Kostenvorteile erfolgt in Abgrenzung dazu die Demonstration der absoluten Kostenvorteile. 4.3.2

Absolute Kostenvorteile

Sowohl England als auch Portugal stellen Tuch und Wein her. Um jeweils 1 Outputeinheit (eine bestimmte Menge an Tonnen Tuch und Hektoliter Wein) herstellen zu können, benötigt England 70 Arbeitseinheiten für Tuch und 120 Arbeitseinheiten für Wein. Portugal benötigt 90 für Tuch und 80 für Wein. Bei dieser Konstellation verhält es sich so, dass England Tuch billiger herstellen (70 statt 90 Arbeitseinheiten) und Portugal billiger Wein (80 statt 120 Arbeitseinheiten) herstellen kann. England hat einen absoluten Kostenvorteil bei Tuch und Portugal einen absoluten Kostenvorteil bei Wein! Absolute Kostenvorteile England Portugal Summe

Wein Tuch Wein Tuch Wein Gesamt Tuch Wein Tuch Output Input Input Output Input Input Input Arbeits- Arbeits- Arbeits- Mengen- Arbeits- Arbeits- Mengeneinheiten einheiten einheiten einheiten einheiten einheiten einheiten 120 190 1 1 0 2,7 0 70 190 90 170 1 1 0 0 2,125 80 170 360 2 2 2,7 2,125

4

Adam Smith und die Volkswirtschaftslehre

59

Die beiden Länder beschließen nun Arbeitsteilung vorzunehmen. Mit der gleichen Zahl an Arbeitskräften, die vorher Tuch und Wein produziert haben (190 Arbeitseinheiten), wird nun ausschließlich Tuch produziert. Portugal konzentriert sich mit seinen 170 Arbeitskräften ausschließlich auf die Weinherstellung. Mit diesem gleichen Einsatz an Inputfaktoren kann nun ein jeweils höherer Output erzielt werden (Maximalprinzip). England kann 2,7 Mengeneinheiten von Tuch realisieren und Portugal 2,125 Mengeneinheiten von Wein. Nach Tausch sind beide besser gestellt als vorher. Unterstellen wir einen fifty-fifty-Tausch bekämen beide Länder 1,35 Tucheinheiten und 1,0625 Weineinheiten. 4.3.3

Komparative Kostenvorteile

Dass sich Arbeitsteilung und Handel in diesem Fall lohnen, ist einsichtig. Wie verhält es sich jedoch, wenn ein Land beide Güter billiger herstellen kann? Die Antwort: Ein Handel ist selbst dann vorteilhaft, wenn ein Land bei der Herstellung beider Güter absolute Kostenvorteile ausweist, die Länder sich aber auf die Produktion jenes Gutes spezialisieren, bei denen sie einen komparativen Kostenvorteil haben. Um dieses Theorem der komparativen Kostenvorteile zu demonstrieren, soll eine kleine Änderung gegenüber dem Ausgangsbeispiel vorgenommen werden. England braucht nun für die Tuchherstellung im Gegensatz zu vorher 100 Arbeitskräfte, während Portugal mit 90 auskommt. Auch bei der Weinherstellung agiert Portugal weiterhin besser als England, da es nur 80 statt 120 Arbeitskräfte benötigt. Komparative Kostenvorteile England Portugal Summe

Wein Tuch Wein Tuch Wein Gesamt Tuch Wein Tuch Output Input Input Output Input Input Input Arbeits- Arbeits- Arbeits- Mengen- Arbeits- Arbeits- Mengeneinheiten einheiten einheiten einheiten einheiten einheiten einheiten 0 120 220 1 1 2,2 0 220 100 90 170 1 1 0 0 2,125 80 170 390 2 2 2,2 2,125

Portugal weist also sowohl bei Tuch als auch bei Wein absolute Kostenvorteile gegenüber England auf. Trotzdem lohnt sich der Handel, da jedes Land einen sogenannten komparativen (vergleichenden) Kostenvorteil hat. England hat diesen komparativen Kostenvorteil bei der Tuchherstellung, Portugal bei der Weinherstellung. Denn England braucht für die Tuchherstellung im Verhältnis zur Weinherstellung relativ weniger Arbeitskräfte als Portugal. Komparative Kostenvorteile  Relative Kostenvorteile bei der Erstellung eines Gutes. Die relative Tuchherstellung Englands ist billiger als die relative Tuchherstellung Portugals:

60

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

100/120 < 90/80 p1/p2 < p1*/p2*

alternativ:

100/90 < 120/80 p1/p1* < p2/p2*

England wird sich also auf Tuch und Portugal auf Wein spezialisieren. Mit 220 Arbeitseinheiten kann England 2,2 Outputeinheiten (220/100) erwirtschaften, während Portugal mit 170 Inputeinheiten 2,125 Outputeinheiten (170/80) realisieren kann. Im Anschluss kann getauscht werden und jedes Land hat mehr Tuch und Wein zur Verfügung als ohne Arbeitsteilung und Tausch. 24 Maximal- und Minimalprinzip: Die Kostenvorteile durch Arbeitsteilung und Tausch – seien sie nun absolut oder komparativ – können entweder nach dem Maximal- oder nach dem Minimalprinzip dargestellt werden. Im oben beschriebenen Fall wurde das Maximalprinzip angewandt. Bei gleich bleibendem Inputeinsatz (Arbeitseinheiten) wurde der Output (Tuch- und Weinproduktion) erhöht. Möglich wäre natürlich auch die Anwendung des Minimalprinzips, nämlich den gleichen Output von jeweils 1 Einheit Tuch und Wein pro Land mit geringerem Mitteleinsatz zu realisieren. Im Fall der komparativen Kostenvorteile würde das bedeuteten, dass England 200 Arbeitseinheiten für zwei Outputeinheiten Tuch und Portugal 160 Arbeitseinheiten für zwei Outputeinheiten Wein benötigt. Beide Länder hätten also Arbeitskräfte bzw. Arbeitszeit „eingespart“. 25 Ob man nun das Maximal- oder das Minimalprinzip anwendet, Arbeitsteilung und Tausch zwischen Volkswirtschaften generieren Wohlstandsgewinne – sei es in Form von mehr Gütern oder in Form von mehr freier Zeit. Und das Theorem der komparativen Kostenvorteile liefert hierzu die theoretische Fundierung. 4.3.4

Beispielaufgabe zum Theorem der komparativen Kostenvorteile

Wir wählen zwei Akteure, nämlich Bert und Ernie und zwei Aktivitäten, nämlich Rasenmähen und Fahrradreparatur. Bert und Ernie sind mit unterschiedlichen Fähigkeiten im Hinblick auf diese zwei Tätigkeiten ausgestattet. Zu zeigen ist, dass sich ein Tausch nicht nur bei absoluten, sondern auch bei komparativen Kostenvorteilen lohnt. a) Absoluter Kostenvorteil am Beispiel von Bert und Ernie Aufgabe: Bert und Ernie brauchen jeweils unterschiedliche Zeiten, um den Rasen zu mähen und das Fahrrad zu reparieren. Folgende Daten gelten: 24

25

Spezialisierung und Tausch führen nicht immer zu „schönen“ und eindeutigen Ergebnissen. Es kann zu Situationen kommen, bei denen ein Partner nach Arbeitsteilung schlechter dasteht als der andere Partner. Wenn aber der Nachteil durch den Tausch überkompensiert wird, kann per Saldo wieder ein positiver Grenznutzen entstehen (Problem des asymetrischen Tausches). Vgl. u.a. Altmann, 2009, S. 57ff. Hinweis: Wenn man das Minimalprinzip anwendet, ergeben sich Kostenvorteile; bei Anwendung des Maximalprinzips Output- bzw. Erlösvorteile. So oder so, die positiven Ergebnisse haben ihre Ursache immer in Kostenvorteilen. Die komparativen Kostenvorteile beziehen sich also auf die Ausgangssituation und nicht die Ergebnissituation!

4

absolut Bert Ernie

Adam Smith und die Volkswirtschaftslehre

ohne Arbeitsteilung Rasenmähen Fahrradreparatur 6 Std. 4 Std. 3 Std. 5 Std.

61

Gesamtarbeitszeit 10 Std. 8 Std.

Welche Zeitersparnis bei Arbeitsteilung und Tausch (Minimalprinzip) können Bert und Ernie jeweils realisieren? Lösung: Nimmt man diese Daten als Grundlage, ist die Entscheidung eindeutig. Bert ist besser bei der Fahrradreparatur, da er hierfür nur 4 Stunden statt 5 Stunden im Vergleich zu Ernie braucht. Ernie ist dafür doppelt so schnell beim Rasen mähen. Bert hat einen absoluten Kostenvorteil bei der Fahrradreparatur und Ernie beim Rasenmähen. Beschließen die beiden Akteure Arbeitsteilung, können sie Ihre Gesamtarbeitszeiten um jeweils 2 Stunden reduzieren. absolut Bert Ernie

mit Arbeitsteilung Rasenmähen Fahrradreparatur 8 Std. 6 Std. -

Gesamtarbeitszeit 8 Std. 6 Std.

Hinweis: Wenn hier von einem Kostenvorteil die Rede ist, muss das nicht unbedingt heißen, dass tatsächlich Geld fließt; höhere Kosten und mehr Arbeitszeit sind quasi identisch: Zeit ist Geld. Alternativ könnte man nämlich die Arbeitsstunden mit einem Stundenlohn bewerten (z. B. 10 Euro pro Stunde). Dann würden Mengeneinheiten bestimmten Werteinheiten entsprechen. Das Prinzip bleibt dasselbe. Als Ergebnis können wir festhalten, dass Bert seinen eigenen Rasen und den von Ernie mähen wird. Dafür braucht er 8 Stunden und Ernie wird beide Fahrräder reparieren und braucht dafür lediglich 6 Stunden. Beide ersparen sich durch Arbeitsteilung jeweils zwei Stunden. b) Komparativer Kostenvorteil am Beispiel von Bert und Ernie Aufgabe: Wandeln wir nun das Beispiel etwas ab. Im Gegensatz zum vorigen Fall bräuchte Ernie für die Fahrradreparatur nur noch 3 Stunden und auch das Rasenmähen schafft er in noch schnellerer Zeit und zwar in 1 Stunde. komparativ Bert Ernie

ohne Arbeitsteilung Rasenmähen Fahrradreparatur 6 Std. 4 Std. 1 Std. 3 Std.

Gesamtarbeitszeit 10 Std. 4 Std.

Lässt sich auch in diesem Fall durch Arbeitsteilung und Tausch Zeit sparen und welche Zeitersparnis wäre realisierbar?

62

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Lösung: Ernie hat nun in beiden Tätigkeiten einen absoluten Vorteil. Das heißt, im direkten Vergleich ist Ernie sowohl bei der Fahrradreparatur als auch beim Rasenmähen besser – in Kostenkategorien würde man sagen, dass er beide Tätigkeiten billiger ausführen kann. Nun ist die Entscheidung für Arbeitsteilung nicht mehr so offensichtlich. Soll Ernie sich tatsächlich mit Bert auf einen Tausch einlassen, wo er doch beide Tätigkeiten selbst viel schneller ausführen kann? Das Erstaunliche ist, dass auch in diesem Fall Arbeitsteilung und Tausch lohnen. Ernie hat zwar bei beiden Gütern einen absoluten Vorteil, aber Bert hat einen relativen beziehungsweise komparativen Vorteil beim Fahrradreparieren. Was bedeutet das? Bert braucht für die Reparatur nur 2/3 (bzw. 4/6) der Zeit im Vergleich zum Rasenmähen, während Ernie das 3fache der Zeit im Vergleich zum Rasenmähen benötigt. Ernie schafft das Rasenmähen im Vergleich zur Reparatur in einem Drittel der Zeit, während Bert hierfür das 1,5 fache investieren muss. Fahrradreparatur: Rasenmähen:

4/6 < 3/1 1/3 < 6/4

Bert im Vergleich zu Ernie. Ernie im Vergleich zu Bert.

Ernie kann also relativ gesehen besser den Rasen mähen und Bert die Fahrradreparatur durchführen. Im Ergebnis profitieren beide. Bert braucht insgesamt 8 Stunden statt 10 Stunden und Ernie nur zwei statt vier Stunden.

komparativ Bert Ernie

mit Arbeitsteilung Rasenmähen Fahrradreparatur 8 Std. 2 Std. -

Gesamtarbeitszeit 8 Std. 2 Std.

Auch wenn eine Person bei beiden Tätigkeiten absolute Kostenvorteile hat, lohnt sich Arbeitsteilung. Entscheidend sind dann die komparativen Kostenvorteile. Hinweis: Anstatt den Output (repariertes Fahrrad und gemähter Rasen) als gegeben zu betrachten und den Arbeitseinsatz zu minimieren (Minimalprinzip), wäre es auch möglich, den Input (die Arbeitsstunden) als gegeben zu betrachten und den Output zu maximieren (Maximalprinzip). Mit dem konstanten Arbeitseinsatz wäre es dann möglich, einen größeren Output zu erzielen. Im ersten Fall könnte Bert in 10 Stunden 2,5 (10 zu 4) Fahrräder reparieren und Ernie in 8 Stunden 2,67 (8 zu 3) Rasen mähen. Im zweiten Fall bleibt es bei Bert bei den 2,5 (10 zu 4) Fahrradreparaturen, während Ernie 4 (4 zu 1) Rasen mähen könnte.

4.4

Weiterentwicklung und Systematik der Volkswirtschaftslehre

David Ricardo und Adam Smith gehören zu den „Großen“ der klassischen Volkswirtschaftslehre. Deren Denken und Verdienste ist eingebettet in das Wissensgut von Vordenkern und Zeitgenossen. Zählt man Smith und Ricardo zu den Klassikern, finden sich entsprechend Vorklassiker und Nach- beziehungsweise Neoklassiker, wobei die Übergänge zwischen den Epochen fließend sind.

4 4.4.1

Adam Smith und die Volkswirtschaftslehre

63

Entwicklung und Differenzierung der Volkswirtschaftslehre

Zeitperioden: Zeitlich lässt sich die Klassik auf die Epoche von 1770 bis 1870 datieren, eine Einteilung die auf Karl Marx zurückgeht. Die Neoklassik lässt sich von 1870 bis 1914 als dem Beginn des Ersten Weltkrieges oder auch bis 1936 als dem Erscheinungsjahr von Keynes Hauptwerk datieren. Nach Keynes selbst gelten alle Vertreter vor seiner Zeit als Klassiker. a) Vorklassik Zu den Vertretern der Vorklassik zählt man in erster Linie die Merkantilisten und die Physiokraten. Der Merkantilismus (mercari: „Handel treiben“) betont eine führende Rolle des Staates beziehungsweise der herrschenden Klasse. Wirtschaftlicher Reichtum eines Landes soll vor allem durch Außenhandel bei gleichzeitigem Schutz der eigenen Wirtschaft erreicht werden. Der Physiokratismus („Herrschaft der Natur“) betont die Landwirtschaft als dominierenden und einzig produktiven Sektor der Wirtschaft. 26 Quesnay: François Quesnay beispielsweise gehört sowohl zu den Physiokraten als auch zu den Klassikern, wo er sich vor allem durch die Darstellung des Wirtschaftskreislaufes verdient gemacht hat. Turgot: Anne Robert Jacques Turgot zählt ebenfalls zu den Vertretern des Physiokratismus. Gleichzeitig wird er als Begründer des Gesetzes vom abnehmenden Ertragszuwachs zu den (Neo-)Klassikern gerechnet. Sowohl Quesnay als auch Turgot werden später nochmals ausführlicher thematisiert: Turgot im Rahmen der Produktionsfunktion und Quesnay im Rahmen der Kreislaufanalyse. 27 b) Klassik Adam Smith und David Ricardo gehören zur „Gilde“ der Klassiker der Volkswirtschaftslehre. Man zählt sie zu den Urhebern und Wegbereitern der Nationalökonomie im 18. Jahrhundert. Ergänzt werden diese beiden herausragenden Vertreter der Nationalökonomie durch viele weitere Kapazitäten auf dem Gebiet der Nationalökonomie und der Wissenschaft im Allgemeinen. Dazu gehören Namen wie David Hume, Jean-Bapiste Say und Thomas Malthus. Malthus: Mit Thomas Malthus verbindet man die nach ihm benannte Bevölkerungstheorie des Malthusianismus. Malthus geht von einem exponentiellen Bevölkerungswachstum (1-2-4-8-16-...) aus, während die Nahrungsmittelproduktion nur linear wächst (1-2-3-4-5-...). Er fordert sexuelle Enthaltsamkeit und sieht soziale Unterstützung als problematisch an, da dadurch das Wachstum der Menschheit nur beschleunigt wird. 26

Die Bedeutung der Landwirtschaft unterstreicht auch folgendes Zitat: „Der Ackerbau ist die einzige der Künste. Nur das ist wahrer Reichtum, was die Erde hervorbringt.“ (Friedrich der Große, König von Preußen 1740 - 1786) 27 Vgl. zu Turgot Band II, Kapitel 2 und zu Quesnay Band I, Kapitel 11.

64 Say:

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre Auf den französischen Ökonomen Jean-Baptiste Say geht das nach ihm benannte Saysches Theorem zurück: „Jedes Angebot schafft sich langfristig seine eigene Nachfrage.“ Der Wert aller produzierten Güter wird dem Wert aller gekauften Güter stets gleich sein. Es könne also niemals einen Überschuss geben, höchstens einen kurzfristig partiellen. Das heißt, dass langfristig kein Ungleichgewicht auf Märkten möglich ist.

Vorklassik 1600 bis 1770 Merkantilismus und Physiokratismus

Klassik 1770 bis 1870 Marktwirtschaft: Harmonieprinzip und Gleichgewicht François Quesnay (1694 – 1774)

Adam Smith (1723 – 1790)

A.R. Jacques Turgot (1727 – 1781)

Thomas R. Malthus (1766 – 1834)

Jean-Baptiste Say David Ricardo (1767 – 1832) (1772 – 1823)

Neoklassik 1870 bis 1914/1936 Mikroökonomie und Marginalanalyse Grenzertrag, Grenzkosten und Grenznutzen (individuelles Optimierungsverhalten) Johann H. von Thünen (1783 – 1850)

Antoine A. Cournot John St. Mill (1801 – 1877) (1806 –1873)

Hermann H. Gossen (1810 – 1858)

Leon Walras (1834 – 1910)

Vilfredo F. Pareto (1848 – 1923)

Arthur C. Pigou (1877 – 1959)

Alfred Marshall (1842 – 1924)

Abbildung 1.10: Systematik von Vorklassik, Klassik und Neoklassik.

4

Adam Smith und die Volkswirtschaftslehre

65

c) Neoklassik Die Zeit nach der Klassik wird als Neoklassik bezeichnet. Wirtschaftlich ist diese Zeit vor allem durch eine Hinwendung zur einzelwirtschaftlichen und mikroökonomischen Analyse im Sinne des Entscheidungsverhaltens von Unternehmen und privaten Haushalten geprägt. Mathematisch erfolgte eine Schwerpunktsetzung bezüglich der Marginalanalyse. Darunter versteht man Grenzbetrachtungen wie beispielsweise die Grenzkosten- oder Grenznutzenanalyse (Ableitungen erster Ordnung). Ein weiterer Unterschied zwischen Klassik und Neoklassik liegt in der Bestimmung des Wertes eines Produktes. Während die Klassiker eine objektive Wertlehre präferierten – der Wert eines Gutes bestimmt sich über die Produktionskosten und den Wert der Arbeit (Angebotsseite) – sehen die Neoklassiker den Wert als subjektive Einschätzung der Nachfrager (Nachfrageseite). Der Wert eines Produktes bestimmt sich über den Nutzen, genauer den zusätzlichen Nutzen, den ein Käufer durch den Erwerb des Produktes erfährt. Einer der bedeutendsten Vertreter der neoklassischen Denkrichtung ist Hermann Heinrich Gossen. Das nach ihm benannte Gossensche Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen gehört zu den „basics“ der Volkswirtschaftslehre. Ebenso dazu gehört der berühmte Cournotsche Punkt im Rahmen der Monopolpreisbildung, benannt nach dem französischen Mathematiker Antoine Augustin Cournot. d) Keynsianismus Im 20. Jahrhundert gab es nach der Weltwirtschaftskrise 1929 abermals einen Perspektivenwechsel. Die gesamtwirtschaftliche Betrachtung (Makroökonomie) fand wieder vermehrt Beachtung. Hinzu kam der Staat als zwar nicht neuer Akteur, aber als Akteur, dem nun ein größeres Gewicht und mehr Einfluss beigemessen wurde. Insbesondere als Nachfrager sollte der Staat eine stärkere Rolle spielen. Die Makroökonomie (makro: groß) ist vor allem mit dem Namen Keynes verbunden. Der britische Ökonom John Maynard Keynes revolutionierte die Volkswirtschaftslehre im 20. Jahrhundert. Dass man in der Volkswirtschaftslehre von Keynsianismus, Post- und Neo-Keynsianismus spricht, verdeutlicht die ungeheure Wirkung dieses Wirtschaftswissenschaftlers. 28 Neben der keynsianischen Ausprägung der Volkswirtschaftslehre ist eine weitere beachtliche Gedankenrichtung hervorzuheben, nämlich der Monetarismus. Das Konzept des Monetarismus, das auf den US-amerikanischen Ökonomen Milton Friedman zurückgeht, kann als Reaktion auf die keynsianische Entwicklung betrachtet werden. Der Monetarismus hebt die Bedeutung eines korrespondierenden Geldmengen- und Wirtschaftswachstums hervor. Im Gegensatz zur nachfrageorientierten keynsianischen Philosophie ist der Monetarismus als angebotsorientierte und marktliberale Konzeption zu verstehen. 29 28 29

Keynes ist später ein eigenes Kapitel (Kapitel 6) gewidmet. Friedman und der Monetarismus werden in Band II thematisiert.

66 4.4.2

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre Disziplinen und Systematik der Volkswirtschaftslehre

Zwischenzeitlich kann man auf über 200 Jahre Volkswirtschaftslehre zurückblicken, in der sich verschiedene Disziplinen und Teilgebiete entwickelt haben. Dazu gehört die Unterscheidung in die Mikroökonomie und in die Makroökonomie. Mikro („kleine“ Perspektive): Die einzelwirtschaftliche Sichtweise wird als Mikroökonomie (mikro: winzig) bezeichnet. Das Entscheidungsverhalten und die Handlungen von Unternehmen und von Konsumenten sind Untersuchungsgegenstand dieser Disziplin. Beispielhaft ist die Preisbildung im Polypol und im Monopol zu nennen. Makro („große“ Perspektive): In der Makroökonomie betrachtet man die Wirtschaft im Großen oder Gesamten. Während also in der Mikroökonomie zum Beispiel der Umsatz und Gewinn eines Unternehmens analysiert werden, richtet man in der Makroökonomie das Augenmerk auf das Bruttoinlandsprodukt einer Volkswirtschaft sowie das Preisniveau und die Beschäftigung und die Staatstätigkeit. Oeconomia (Moralphilosophie) Nationalökonomie Handelslehre Volkswirtschaftslehre Betriebswirtschaftslehre Geldtheorieund -politik Wirtschaftstheorie

Mikroökonomie

Wirtschaftspolitik

Makroökonomie

Abbildung 1.11: Entwicklung und Differenzierung der Volkswirtschaftslehre. Geld und Währung: Mit der weiteren Ausdifferenzierung der Volkswirtschaftslehre bildete sich die Geldtheorie und -politik zu einer eigenständigen Disziplin heraus. Eine gewisse Eigenständigkeit der Geldpolitik zeigte sich schließlich auch in der Ausgestaltung

4

Adam Smith und die Volkswirtschaftslehre

67

der geldpolitischen Institutionen. Die Zentralbank als zuständige Institution für die Geld- und Währungspolitik ist eine eigenständige unabhängige Institution. Wirtschaftspolitik: Neben dieser relativ autonomen Geldpolitik existiert die „andere“ Wirtschaftspolitik, nämlich die nationalstaatliche Finanzpolitik, die Sozialpolitik und weitere spezielle Themenfelder, die sich aus bestimmten wirtschaftlichen Zielsetzungen ergeben, wie die Beschäftigungspolitik, die Konjunktur- und Wachstumspolitik, die Außenwirtschaftspolitik und die Umweltpolitik sowie die Verteilungspolitik und die Wettbewerbspolitik. Die Volkswirtschaftslehre im System der Wissenschaften Die Volkswirtschaftslehre als Wissenschaftsdisziplin hat nicht nur selbst eine starke Differenzierung in unterschiedliche Teilbereiche wie Mikro- oder Makroökonomie erfahren, sondern sieht sich ihrerseits in eine größere Systematik von Wissenschaften eingebunden.

Wissenschaften

Formalwissenschaften

Realwissenschaften

Mathematik & Logik Naturwissenschaften

Kulturwissenschaften

Geisteswissenschaften

Sozialwissenschaften

Ingenieurwissenschaften

Soziologie

Wirtschaftswissenschaften

Rechtswissenschaften

Volkswirtschaftslehre

Betriebswirtschaftslehre

Abbildung 1.12: Volkswirtschaftslehre im System der Wissenschaften. [Quelle: In Anlehnung an Christiaans, Thomas: Volkswirtschaftslehre als Wissenschaft. In: WISU 8-9/2004, S. 1] Exkurs: Unterscheidung in Volks- und Betriebswirtschaftslehre Die heute übliche Unterscheidung in Volkswirtschaftslehre (economics) und in Betriebswirtschaftslehre (business administration) gab es im 18. und 19. Jahrhun-

68

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

dert noch nicht, da die Betriebswirtschaftslehre als eigenständiges Fach damals nicht existierte. Die Volkswirtschaftslehre selbst hieß Nationalökonomie. Ein Teilgebiet der Nationalökonomie war die Handelslehre, für die 1898 in Leipzig erstmals ein Lehrstuhl eingerichtet wurde. Von da ab entwickelte sich die Ökonomie in die zwei eigenständigen Zweige der Volks- und der Betriebswirtschaftslehre. 30 BWL: Die Betriebswirtschaftslehre wurde in Deutschland in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts maßgeblich von Schmalenbach und nach dem Zweiten Weltkrieg von Gutenberg geprägt. Während sich die Betriebswirtschaftslehre im deutschsprachigen Raum eher als „Lehre“ und als eine Wissenschaft entwickelt hat, stand in den USA die Handlungsorientierung im Vordergrund. Betriebswirtschaftslehre ist in den USA Managementlehre. VWL: Die Volkswirtschaftslehre (economics) hat sich im angelsächsischen und kontinentaleuropäischen Raum einheitlicher entwickelt, wobei bei uns die Unterscheidung in Volkswirtschaftslehre (Wissenschaft) und in Wirtschaftspolitik (Praxis) ausgeprägter sein dürfte als in den USA.

30

Im Übrigen tauchen immer wieder Forderungen auf, Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftlehre zusammenzulegen und einen Diplom-Ökonomen auszubilden. Vgl. z. B. Paul Walter: Die Forderung einer fachübergreifenden betriebswirtschaftlichen Hochschulausbildung vor dem Hintergrund der Bildungs- und Innovationsoffensive. In: WiSt 12 /2004, S. 747 - 750.

5

Abnehmender Grenznutzen und mikroökonomischer Ansatz

Der mikroökonomische Ansatz im Rahmen der Volkswirtschaftslehre ist zeitlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts anzusiedeln, wobei diese Zeitspanne in Abgrenzung zur Klassik als Neoklassik bezeichnet wird. Dabei findet ein Perspektivenwechsel nicht nur volkswirtschaftlich vom „Großen“ (nationalstaatliche Perspektive) zum „Kleinen“ (Unternehmen und Haushalte) statt, sondern auch mathematisch mit der stärkeren Einbeziehung der Marginalanalyse in die Volkswirtschaftslehre und hier vor allem in die Mikroökonomie.

5.1

Gossen und der Grenznutzen

Um zu verdeutlichen, was darunter zu verstehen ist, soll ein Konzept und dessen Urheber ausgewählt werden, nämlich Hermann Heinrich Gossen und das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen. 31 5.1.1

Hermann Heinrich Gossen

Der „königlich preußische Regierungs-Assessor außer Dienst“ Hermann Heinrich Gossen war Beamter, Geschäftsmann und Ökonom und hat von 1810 (Düren) bis 1858 (Köln) gelebt. Sein Hauptwerk aus dem Jahre 1854 trägt den Titel: „Die Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs, und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln“ Im Vorwort zu diesem Buch schreibt Gossen nicht unbescheiden: „Was einem Kopernikus zur Erklärung des Zusammenseins der Welten im Raum zu leisten gelang, das glaube ich für die Erklärung des Zusammenseins der Menschen auf der Erdoberfläche zu leisten ... Und wie die Entdeckungen jenes Mannes es möglich machten, die Bahnen der Weltkörper auf unbeschränkte Zeit zu bestimmen; so glaube ich mich durch meine Entdeckungen in den Stand gesetzt, dem Menschen mit untrüglicher Sicherheit die Bahn zu bezeichnen, die der zu wandeln hat, um seinen Lebenszweck in vollkommenster Weise zu erreichen.“ 32 31 32

Zum Thema Gossen und Grenznutzen vgl. Kolb 2003, S. 124f und Hesse, 2009, S. 196f. Die Vorstellung, des Menschen Bahnen und Lebensläufe wie die der Planeten berechnen und bestimmen zu können, kommt auch in berühmten Romanen der damaligen Zeit zum Ausdruck. In Alexandre Dumas Roman „Der Graf von Monte Christo“ (1845/46) plant und lenkt der Graf die Geschicke seiner Widersacher: De Morcef gibt sich die Kugel, der Staatsanwalt Vilfort wird verrückt und der Bankier Douglas verarmt. Auch im Weltroman „Die Elenden“ (1862) von Victor Hugo, versucht der ehemalige Galeerensträfling Jean Valjean die Geschicke zum Guten zu lenken, wobei das Schicksal mächtig waltet.

70

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Was die Bestimmung des Lebenszweckes anbelangt, genügt ein weiteres kurzes Zitat: „Der Mensch wünscht sein Leben zu genießen, ... Lebenszweck… Lebensgenuß auf die möglichste Höhe zu steigern.“ 5.1.2

Erstes Gossensches Gesetz

Wie kann dieser Lebensgenuss als Lebenszweck erreicht werden und was ist bei der Erreichung und beim Erfüllen dieses Wunsches zu beachten? Die Beantwortung dieser Frage beruht auf einer entscheidenden „Entdeckung“, die in Erinnerung an den Urheber als Erstes Gossensches Gesetz bezeichnet wird. 33 „Erstes Gossensches Gesetz“  „Die Größe eines und desselben Genusses nimmt, wenn wir mit Bereitung des Genusses ununterbrochen fortfahren, fortwährend ab, bis zuletzt Sättigung eintritt.“ Dieses „Erste Gossensche Gesetz“ ist auch als „Gesetz des sinkenden Grenznutzens“ bekannt. Die Begrifflichkeit des „Grenz...“ war im Übrigen für Gossen und seine Zeitgenossen ein noch unbekannter Terminus. Um zu veranschaulichen, wie dieses Konzept des Grenznutzens funktioniert und welche Bedeutung der Marginalanalyse zukommt, nehmen wir beispielhaft den Konsum von Schwarzwälder Kirschtorte. 5.1.3

Grenznutzen am Beispiel Schwarzwälder Kirschtorte

Der Nutzen, der uns ein bestimmtes Gut wie zum Beispiel eine Schwarzwälder Kirschtorte verschafft, wird in der mikroökonomischen Analyse durch das „Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen“ erklärt. Angenommen, Sie mögen Schwarzwälder Kirschtorte und Sie haben Hunger und Appetit auf diese Tortenspezialität. Sie essen ein erstes Stück. Dieses erste Stück Schwarzwälder Kirschtorte verschafft Ihnen ein hohes Zufriedenheitsgefühl. Ihr ärgster Hunger ist gestillt, wobei immer noch ein Hunger- und Appetitgefühl vorhanden ist. Sie essen ein zweites Stück. Auch dieses zweite Stück mundet Ihnen, wenn auch nicht in demselben Maße wie beim ersten Stück. Nach dem zweiten Stück hat der Hunger merklich nachgelassen. Sie essen ein drittes Stück, mehr aus Appetit denn aus Hunger. Auch dieses Stück schmeckt Ihnen noch, wenn auch die Zufriedenheit gegenüber dem zweiten Stück nachgelassen hat. Das vierte Stück verschafft Ihnen kaum noch einen weiteren Lustgewinn. Beim fünften Stück sind Sie nicht sicher ob das positive Lustgefühl überhaupt noch das negative Völlege33

Hinweis: Wenn es ein „Erstes Gossensches Gesetz“ gibt, sollte auch ein zweites existieren. Das „Zweite Gossensche Gesetz“ sagt aus, dass beim Konsum mehrerer Güter der Grenznutzen je Geldeinheit bei allen Gütern gleich ist.

5

Abnehmender Grenznutzen und mikroökonomischer Ansatz

71

fühl überwiegt. Würden Sie jetzt noch ein sechstes oder gar siebtes Stück essen, könnte es sogar sein, dass Sie Bauchweh bekommen und sich vielleicht sogar übergeben müssen. Wir stoppen also lieber vorher, bevor sich der Nutzenzuwachs in eine Nutzenabnahme beziehungsweise einen Schadenszuwachs verwandelt. Resümee: Der Konsum der ersten Einheit eines Gutes verschafft einen recht großen Nutzen und jede weitere konsumierte Mengeneinheit dieses Gutes verschafft uns auch weitere Nutzenzuwächse. Allerdings fällt der zusätzliche Nutzen pro Mengeneinheit immer geringer aus. Der zusätzliche Nutzen je weiterer Mengeneinheit ist definiert als Grenznutzen und entspricht mathematisch dem Anstieg und der ersten Ableitung der Nutzenfunktion. In Abbildung 1.13 ist die Nutzenfunktion, sowie die daraus abgeleitete Grenznutzenfunktion dargestellt. Nutzen [Nutzenpunkte] 9 8,5 7,5 6

Menge

∆N=2

4

1

2

3

4

5

[St]

Gesamtnutzen [NP]

1 2 3 4 5 ...

4 6 7,5 8,5 9 ...

Schwarzwälder Kirschtorte [Stück]

Grenznutzen [Nutzenpunkte] Menge

4

2 1,5 1 0,5

∆N=2

1

2

3

4

5

[St]

Gesamtnutzen [NP]

Grenz nutzen [NP]

1 2 3 4 5 ...

4 6 7,5 8,5 9 ...

4 2 1,5 1 0,5 ...

Schwarzwälder Kirschtorte [Stück]

Abbildung 1.13: Gesamtnutzen- und Grenznutzenfunktion.

72

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Das erste Stück Schwarzwälder Kirschtorte verursacht ein starkes Sättigungsgefühl in Höhe von 4 Nutzenpunkten [NP]. Wir versuchen, den Nutzen durch die Einführung von Nutzenpunkten (eine Hilfsmaßnahme) messbar zu machen. 34 Das zweite Stück verschafft uns 2 Nutzenpunkte. Der Gesamtnutzen liegt dann bei 6 Punkten. Das dritte Stück steigert den Nutzen noch einmal um weitere 1,5 Punkte, während das vierte Stück einen Nutzenzuwachs von 1 Punkt erbringt. Dieser Verlauf der Nutzenfunktion im Hinblick auf die Nachfrage und den Konsum von Schwarzwälder Kirschtorte lässt sich im Prinzip auf alle Güter übertragen. Mit steigendem Konsum nimmt der Nutzen zu, aber er nimmt abnehmend zu. Der Nutzenzuwachs, sprich der Grenznutzen, ist abnehmend. 35 Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen  Mit jeder weiteren Mengeneinheit eines Gutes, das konsumiert wird, nimmt der zusätzliche Nutzen pro Mengeneinheit (Grenznutzen) ab. Hinweis Marginalanalyse: So beliebt und wichtig Grenzbetrachtungen in der Theorie sind, so deplaziert werden diese für den Praxisgebrauch empfunden. Nicht immer bekannt ist, dass es auch in der Praxis eine Vielzahl von Marginalentscheidungen gibt, die jedoch nicht unter diesem Begriff bekannt sind. Wenn eine Firma entscheidet, einen zusätzlichen Mitarbeiter einzustellen, handelt es sich um eine typische Grenzbetrachtung. Der Mitarbeiter wird eingestellt, wenn die Firma davon ausgeht, dass dieser Mitarbeiter der Firma „mehr bringt“ (Umsatz) als er für die Firma Aufwand verursacht (Kosten). Wenn Hilfsorganisationen damit werben, mit 50 Euro in einem armen Land eine Operation finanzieren zu können, besitzen diese 50 Euro einen deutlich höheren Zusatznutzen als bei uns, wo man sich für 50 Euro eine Massage gönnt. Ein weiteres bekanntes Beispiel für Grenzbetrachtungen in der Volkswirtschaftslehre ist die Transformationskurve.

5.2

Transformationskurve

Während das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens den Konsum und die Nachfrageseite beschreibt, stellt die Transformationskurve die Anbieter- und Produktionsseite dar. Und auch hier kommt die „Philosophie“ der Marginalanalyse zum Tragen.

34

35

Eigentlich lässt sich ein Nutzenvergleich nur ordinal (das erste Stück ist besser als das zweite Stück) durchführen. Die Hilfemaßnahme macht aus dem ordinalen Vergleich eine kardinale Vergleichbarkeit (Das erste Stück vermittelt vier Zusatzpunkte und das zweite Stück zwei Zusatzpunkte u.s.w.). … von Ausnahmen abgesehen: Der Konsum von Rauschmitteln mag anderen „Gesetzen“ folgen.

5 5.2.1

Abnehmender Grenznutzen und mikroökonomischer Ansatz

73

Definition der Transformationskurve

Die Transformationskurve ist ein gleichermaßen wichtiges wie seltsames Konstrukt. Sie gehört zum elementaren Bestandteil volkswirtschaftlichen Allgemeinguts, steht aber trotzdem oftmals isoliert und „alleingelassen“ da. Wo ist sie einzuordnen? Gehört die Transformationskurve als Produktionsmöglichkeitenkurve zur Produktionstheorie? Ist sie Bestandteil von Überlegungen zu Beschäftigung und Kapazität (Kapazitätslinie beziehungsweise Kapazitätsgrenze)? Hat sie ihren Platz in den einführenden Grundlagen, wenn Themen wie Produktionsfaktoren und Güterproduktion (Faktorkombination im Zwei-Güter-Fall) oder das ökonomische Prinzip (Effizienzlinie) behandelt werden? Ist die Transformationskurve gar in die Außenhandelstheorie einzuordnen, um Tauschverhältnisse und komparative Kosten darzustellen (Transformationskurve und Arbeitsteilung)? Transformationskurve:   

Produktionsmöglichkeitenkurve Kapazitätslinie-/grenze/-auslastung Effizienzlinie

Wahrscheinlich macht diese Unbestimmtheit das Interessante an der Transformationskurve aus – sie hat von allem etwas, wirkt als einprägsames Modell und ist bei vielen Erklärungen und Interpretationen nützlich. Transformationskurve  Alle maximal möglichen Outputkombinationen zweier Güter, die aufgrund eines gegebenen Faktorbestandes erzielt werden können. Die in der Literatur üblicherweise dargestellte Transformationskurve hat einen linearen oder zumeist ursprungskonkaven Verlauf und stellt alle maximal möglichen Outputkombinationen zweier Güter (x1 und x2) dar, die aufgrund eines gegebenen Faktorbestandes (z. B. eine bestimmte Arbeitszeit) erzielt werden können. x2

x2

x1

x1

Abbildung 1.14: Die Transformationskurve mit linearem und ursprungskonkavem Verlauf.

74

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Ob man nun eine Transformationsgerade oder eine Transformationskurve erhält, hängt von den Produktionsbedingungen ab. Erfolgt die Produktion proportional (konstantes Grenzprodukt), ergibt sich eine lineare Funktion. Herrschen nicht proportionale Produktionsbedingungen (abnehmendes Grenzprodukt) vor, ergibt sich eine Kurve. Anhand des folgenden Beispiels wird der Unterschied erläutert. 5.2.2

Darstellung der Transformationskurve am Beispiel Äpfel und Birnen

Die zwei Güter, die hergestellt und das heißt in diesem Fall gepflückt werden, sind Äpfel und Birnen. Gepflückt werden sie vom Arbeiter Justus, wobei eine konstante Arbeitszeit von 1 Stunde unterstellt wird. Output → Input →

Zwei Güter: Einsatzfaktor:

Äpfel und Birnen [Anzahl Kisten] Arbeitskraft [1 Stunde]

a) Konstantes Grenzprodukt Im ersten Fall gehen wir von proportionalen Produktionsbedingungen aus. Das heißt, es braucht immer die gleiche Zeit, eine Kiste Äpfel (10 Minuten) oder eine Kiste Birnen (5 Minuten) zu pflücken, ob sich nun Justus am Anfang seiner Arbeit oder mittendrin oder am Schluss befindet. Bei einer Arbeitszeit von 1 Stunde kann Justus entweder nur Äpfel pflücken und schafft dann 6 Kisten oder er pflückt nur Birnen und schafft dann 12 Kisten oder er verwendet die Hälfte der Zeit für Äpfel und die andere Hälfte für Birnen, dann kann er 3 Apfelkisten und 6 Birnenkisten ernten. Diese und weitere Outputkombinationen sind in folgender Übersicht dargestellt. Einsatzfaktor Arbeit [Stunde] 1 1 1 1 1 1 1

Menge an Äpfeln [Kisten] 0 1 2 3 4 5 6

Menge an Birnen [Kisten] 12 10 8 6 4 2 0

Grenzprodukt Äpfel [Kisten]

Grenzprodukt Birnen [Kisten]

1 1 1 1 1 1

-2 -2 -2 -2 -2 -2

Generell gilt: Justus braucht pro zusätzlicher Kiste Äpfel immer 10 Minuten (konstantes Grenzprodukt) und pro zusätzlicher Kiste Birnen immer 5 Minuten (konstantes Grenzprodukt). Steigert er also seine Apfelproduktion um 1 Kiste, muss er dafür generell auf zwei Kisten Birnen verzichten. Beruhen die Produktionsbedingungen auf solch proportionalen Input-OutputVerhältnissen, sprich konstanten Grenzprodukten, erhalten wir eine lineare Transformationskurve bzw. eine Transformationsgerade (Abbildung 1.15)

5

Abnehmender Grenznutzen und mikroökonomischer Ansatz

75

Birnen

12

6

Äpfel 3

6

Abbildung 1.15: Transformationsgerade am Beispiel Apfel- und Birnenernte. b) Abnehmendes Grenzprodukt Im bisherigen Fall haben wir unterstellt, dass es immer jeweilig die gleiche Arbeitszeit erfordert, eine Kiste Äpfel oder eine Kiste Birnen zu pflücken. Nun kann es aber in der Praxis der Fall sein, dass Justus die erste Kiste Äpfel viel schneller pflücken kann als die sechste Kiste. Die Äpfel hängen niedriger und somit sind die ersten Äpfel leichter zu pflücken als die letzten Äpfel des Baumes. Wir haben hier also den Fall eines abnehmenden Grenzprodukts. Pro zusätzlicher Zeiteinheit pflückt Justus zwar mehr Äpfel, aber diese Zunahme wird immer geringer. Gleiches gilt für die Birnen. Folgende Übersicht zeigt nun mögliche Outputkombinationen. Pflückt Justus keine Äpfel, kann er wie gehabt 12 Kisten Birnen pflücken. Steigert Justus nun seine Apfelproduktion von 0 auf 1 Kiste, braucht er für diese erste Kiste sehr wenig Zeit und kann noch 11,8 Kisten Birnen schaffen. Für die letzte Kiste Äpfel – also bei Steigerung seiner Apfelproduktion von 5 auf 6 Kisten – benötigt Justus übermäßig viel Zeit, in der er 5,5 Kisten Birnen hätte ernten können. Einsatzfaktor Arbeit [Stunde] 1 1 1 1 1 1 1

Menge an Äpfeln [Kisten] 0 1 2 3 4 5 6

Menge an Birnen [Kisten] 12,0 11,8 11,3 10,3 8,5 5,5 0

Grenzprodukt Äpfel [Kisten]

Grenzprodukt Birnen [Kisten]

1 1 1 1 1 1

- 0,2 - 0,5 - 1,0 - 1,8 - 3,0 - 5,5

76

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Birnen 12 11,8

5,5

Äpfel 1

2

3

4

5

6

Abbildung 1.16: Transformationskurve am Beispiel Apfel- und Birnenernte. Stellt man diese unterschiedlichen Outputkombinationen grafisch dar, erhält man eine Kurve mit ursprungskonkavem Verlauf (Abbildung 1.16). Ein ursprungskonkaver Verlauf ist also immer dann gegeben, wenn sich Input (hier Arbeitszeit) und Output (hier Äpfel und Birnen) nicht proportional zueinander verhalten sondern unterproportional. Mit konstant zunehmender Arbeitszeit nimmt der Output zwar zu, diese Zunahme ist aber abnehmend (abnehmendes Grenzprodukt). Opportunitätskosten: Ein letztes noch: Wenn der Input fest vorgegeben ist (hier 1 Stunde Arbeitszeit) muss es sich immer so verhalten, dass die Erhöhung der Produktion des einen Gutes immer einen Verzicht des anderen Gutes bedeutet. Diese Verzichtskosten werden in der Volkswirtschaftslehre als Opportunitätskosten bezeichnet. Opportunitätskosten:  Bei einer Entscheidung für etwas, trifft man automatisch eine Entscheidung gegen etwas. Der Verzicht auf Birnen oder Kino, wenn man sich für Äpfel oder Bowling entscheidet, entspricht einem entgangenen Nutzen bzw. bedeutet Verzichtskosten.

6

John Maynard Keynes und die neue Wirtschaftspolitik

Zeitlich ordnen wir uns in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts ein. Seit dem „Wohlstand der Nationen“ von Adam Smith im Jahre 1776 sind über 150 Jahre vergangen. 150 Jahre, die durch die Industrialisierung und einen enormen Aufbau der Wirtschaft geprägt waren, die aber auch soziale Verwerfungen mit sich gebracht hatten. Unter Bismarck gab es 1883 mit der Krankenversicherung die erste Sozialversicherung in Deutschland, der dann über die nächsten Jahrzehnte weitere folgen sollten. Die Wirtschaftslehre hatte das 18. und 19. Jahrhundert mit der Klassik und Namen wie Adam Smith und David Ricardo und die anschließende Neoklassik mit der mikroökonomischen Perspektive und Namen wie Gossen, Walras und Marshall hinter sich gelassen. Was brachte das 20. Jahrhundert? Zuerst brachte es in den Jahren 1914 bis 1918 einen Ersten Weltkrieg, anschließend den Versailler Vertrag sowie Reparationszahlungen für Deutschland, schließlich die Goldenen Zwanziger Jahre 36 und dann den Zusammenbruch der weltweiten Wirtschaft – die Weltwirtschaftskrise. Eine Krisenzeit, die den Ökonomen John Maynard Keynes geprägt und sein Denken beeinflusst hat. Was war damals passiert?

6.1

Die Weltwirtschaftskrise

„Die Große Depression zu verstehen, ist der Heilige Gral der Makroökonomie“ (Ben Bernanke) Es war am Freitag, den 25. Oktober 1929, als der britische Premierminister Winston Churchill nicht mehr schlafen konnte, weil es auf der Straße furchtbar lärmte. Churchill logierte im Savoy-Plaza-Hotel in New York. Später berichtete er folgendes: „Direkt unter meinem Fenster hat sich ein Gentleman 15 Stockwerke in die Tiefe gestürzt und zerbrach in Stücke, was eine wilde Aufregung verursachte und die Feuerwehr herbeirief. ... Anscheinend haben sich eine ganze Anzahl von Leuten auf dieselbe Weise aus dem Gleichgewicht gebracht und sind verunglückt.“ 37

36 37

… und in den USA die ‚Roaring Twenties’ und in Frankreich die ‚années folles’. aus dem Buch von William Klingaman “1929 – The Year of the Great Crash” (zitiert in der Stuttgarter Zeitung vom 23.10.2004).

78 6.1.1

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre Börsencrash und Schwarzer Freitag

Dieser Freitag des 25. Oktobers 1929 sollte später als „Schwarzer Freitag“ in die Geschichte eingehen, der Tag der Weltwirtschaftskrise mit Börsencrash, Bankenkrise und Massenarbeitslosigkeit. Ein eigentlicher spezifischer Auslöser war jedoch interessanterweise nicht bekannt! Weltwirtschaftskrise (Große Depression)  Von 1929 bis 1932 andauernde weltweite Depression und größte Wirtschaftskrise seit Beginn der Industrialisierung. Der Crash begann am Donnerstagmorgen des 24. Oktobers. Viele Leute hatten sich mit Aktienkäufen verspekuliert – die Kurse begannen zu sinken. Es gab Stützungskäufe, die jedoch nicht verhindern konnten, dass die Kurse um zehn Prozent nachgaben. Ein zehnprozentiger Rückgang muss an sich nicht dramatisch sein, verursachte aber damals ein völliges Chaos. Panik brach an der Wall Street in New York aus. Aufgeregte Aktionäre versammelten sich vor der Börse in New York. Börsenkrise: Die Kurse fielen weiter. Der Verfall zog sich Tage, Wochen, Monate und schließlich über drei Jahre hin. Bis 1932 verloren die Aktien fast 90 Prozent an Wert. Dass es dazu kommen konnte, hatte auch hier wie im Fall des geplatzten Internetbooms Ende der 90er Jahre mit ökonomischer Unvernunft, Hysterie und Geldgier zu tun. In den Goldenen Zwanziger Jahren hatten sich von 1925 bis 1929 die Aktienkurse im Schnitt verdreifacht. In diesem Boom kauften die Anleger Aktien auf Pump. Zahlreiche Firmen drangen mit Börsengängen auf den Markt und ungehemmte Spekulationen und Marktmanipulationen kamen hinzu. So etwas konnte auf Dauer nicht gut gehen. Schein und Sein: Wenn es eine drastische Diskrepanz gibt zwischen dem, was materiell an Gütern zur Verfügung steht (Realgröße & Sein) und dem, was auf dem Papier an Werten existiert (Nominalgröße & Schein), gibt es nur zwei Möglichkeiten. Die reale Sphäre wird an die nominale Sollgröße angepasst, was nichts anderes bedeutet, als dass in kürzester Zeit ein enormer Wirtschaftsaufschwung mit einer ungeheuren Güterproduktion vonstatten geht. Oder aber die nominale Größe passt sich der Realität an, was zur Folge hat, dass die überhöhten Werte auf dem Papier, sprich die Aktienkurse, einfach wieder sinken. Und das Letztere war dann auch der Fall. Zusammenbruch: Der endgültige Zusammenbruch fand am Montag den 28. Oktober statt. Es gab eine beispiellose Verkaufspanik. An diesem Schwarzen Montag versuchten zahlreiche Anleger gleichzeitig mehrere Aktien loszuwerden. Der Dow Jones Index verlor 12,82 Prozent an Wert. Tags darauf folgte ein weiterer Kurseinbruch mit 11,73 Prozent.

6

John Maynard Keynes und die neue Wirtschaftspolitik

79

Die schwarzen Tage der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929: 38    

Donnerstag, Freitag, Montag, Dienstag,

24. Oktober 1929: Beginn des Wall-Street-Kollaps 25. Oktober 1929: „Schwarzer Freitag“ 28. Oktober 1929: Dow-Jones-Index fällt um 12,82 % 29. Oktober 1929: Dow-Jones-Index fällt um 11,73 %

Bankenkrise: Die Börsenkrise führte schließlich zur Bankenkrise. Banken hatten sich selbst verspekuliert, zudem konnten Kredite bei den Banken nicht mehr beglichen werden. Die Banken hatten nicht mehr das ausreichend zur Verfügung, wofür sie eigentlich zuständig sein sollten, nämlich Geld. Zahlreiche Bankenzusammenbrüche waren zu verzeichnen. Die Bankenkrise in Deutschland datiert auf das Jahr 1931. Der Sturm auf die Banken seitens der Bankkunden führte schließlich dazu, dass am 13. Juli 1931 durch die Brüningsche Notverordnung die Bankschalter geschlossen wurden. Die Industrieproduktion und der Außenhandel brachen zusammen. Die Börsen- und Bankenkrise wuchs sich zu einer allgemeinen Wirtschaftskrise aus. Massenarbeitslosigkeit war die Folge. 6.1.2

Massenarbeitslosigkeit und Wohlstandsverlust

Millionen von Menschen in den USA und in Europa verloren ihre Arbeit. In den USA stieg die Arbeitslosenrate bis 1932 auf 25 Prozent. Tausende Unternehmen machten pleite. Zwölf Millionen Menschen waren ohne Arbeit. Daten der Weltwirtschaftskrise für die USA: (Veränderung von 1929 bis 1932, bzw. Stand 1932)  Volkseinkommen: Rückgang um 52,3 %.  Arbeitslose: 12 Millionen.  Arbeitslosenquote: ca. 24 %. Fotos aus der damaligen Zeit zeigen arbeitslose Männer, die mit Schilder auf Rücken und Brust durch die Straßen Chicagos und Detroits liefen. Auf den Schildern war zu lesen: „Anständiger Job gesucht“

38

„Ich will Arbeit, keine Almosen.“

Ob nun der schwarze Donnerstag am 24. Oktober oder der schwarze Freitag am 25. Oktober als Weltwirtschaftskrisentag gelten soll ist umstritten. Wegen der Zeitverschiebung und Nachrichtenübermittlung wird allgemein der Freitag präferiert, wenn auch der Donnerstag als eigentlicher Starttag gelten könnte.

80

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

In Deutschland waren es 6,7 Millionen Menschen, die 1932 ohne Arbeit waren. Das entsprach damals einer Quote von über 25 Prozent. Daten der Weltwirtschaftskrise für Deutschland: (Veränderung von 1929 bis 1932, bzw. Stand 1932)      

6.1.3

Bruttosozialprodukt: Rückgang nominal um 36 % und real um 18 %. Preisniveau der Lebenshaltung: Rückgang um 22 %. Volkseinkommen: Rückgang um 40 %. Index der Aktienkurse: Rückgang um fast 60 %. Arbeitslose: 5,6 bis 7 Millionen (unterschiedliche Angaben). Arbeitslosenquote: 25,0 - 43,7 % (unterschiedliche Angaben).

Parallelen zu heute?

Wirtschaftskrisen: Blickt man auf die Weltwirtschaftskrise und deren Entstehung sowie Verlauf zurück, drängt sich im Hinblick auf manche aktuelle Entwicklungen die Frage auf, ob heutzutage eine vergleichbare schlimme Depression denkbar ist. 1929 war nicht das einzige Jahr, in dem es Wirtschaftskrisen gab. In den Jahren 1973 und 1979 bescherten uns die Ölpreisschocks rezessive Phasen und autofreie Sonntage. Ab und zu platzen auch Seifenblasen am Börsenhimmel und nicht zu vergessen ist der Terroranschlag am 11. September 2001, der ein Kollidieren der Wirtschaft befürchten ließ. Und ob die Weltwirtschaftskrise von 2009 und größte Krise seit 1929 überhaupt schon gemeistert ist, kann mit Drucklegung dieses Buches noch nicht beantwortet werden. Man verlässt das Tal, aber der Berg ist noch lange nicht überwunden. Kooperationsbereitschaft: Parallelen zwischen 1929 und heute sind nicht zu leugnen. Nicht leugnen lassen sich allerdings auch erhebliche Unterschiede. Die Kooperationsbereitschaft der Staaten ist heute sicher größer als damals. Internationale Institutionen wie der Internationale Währungsfond und die Welthandelsorganisation nehmen eine wichtige Koordinationsfunktion wahr. Die Industrieproduktion spielt zumindest im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft nicht mehr die maßgebliche Rolle wie damals. In den USA dauerte es schließlich 25 Jahre, bis die Börsenkurse 1954 das Niveau von 1929 wieder erreicht hatten. In Europa kamen Hitler, die Nationalsozialisten, der Zweite Weltkrieg und der „Nullpunkt“. Danach kam Ludwig Erhard und das Wirtschaftswunder. Zuvor kam jedoch noch ein anderer, nicht aus Deutschland sondern aus England. Einer, der die Weltwirtschaftskrise mit verfolgt hatte, der sah, wie nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das klassische Gebäude der Volkswirtschaftslehre zusammengebrochen war, einer der wie kein zweiter die Volkswirtschaftslehre und die Wirtschaftspolitik bis heute geprägt hat, der Wirtschaft neu geschrieben hat, der verstanden und missverstanden wird, einer der als der Große der Ökonomie des zwanzigsten Jahrhundert gilt – John Maynard Keynes.

6

John Maynard Keynes und die neue Wirtschaftspolitik

6.2

John Maynard Keynes – Person und Werk

6.2.1

Wer war Keynes?

81

Keynes wurde 1883, dem Todesjahr von Karl Marx, in Cambridge geboren. Sein Vater war Verwaltungsleiter der Universität von Cambridge und seine Mutter Bürgermeisterin. Die Kindheit von Keynes wird als Idylle beschrieben. Kinderfräulein, Konzerte und Reisen charakterisieren die jungen Jahre. Mit 14 Jahren trat Keynes in das renommierte Eaton College ein. Mit 19 wechselte er an das King’s College der Universität Cambridge. Dort studierte er Mathematik und drei Jahre später Nationalökonomie. Das Staatsdienstexamen schloss er als Zweitbester von 104 Kandidaten ab, wobei er in Wirtschaftswissenschaften mit dem schlechtesten Ergebnis vorlieb nehmen musste. John Maynard Keynes:  Englischer Nationalökonom  1883 (Cambridge) bis 1946 (London) Seine wissenschaftlichen Ambitionen waren allerdings nicht vom erhofften Erfolg gekrönt. Sein Dissertationsversuch in Mathematik schlug fehl; stattdessen kam er schließlich über die Nationalökonomie an die Universität. 1909 wurde er Mitglied des Lehrkörpers des King’s College in Cambridge. Das Amt eines ordentlichen Professors war ihm jedoch nie vergönnt! 39 Sein Berufsweg führte ihn als Beamter nach London in das Indien-Ministerium, in dem er angeblich vormittags hauptsächlich die Times las und sich nachmittags seiner Privatkorrespondenz widmete. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahre 1914 nahm er eine Tätigkeit im Schatzamt des Finanzministeriums auf, denn da er ohne Waffenpflicht war, stand ein Kriegseinsatz nicht zur Debatte. Pariser Friedenskonferenz: 1916 wurde Keynes als Finanzbeauftragter zur Pariser Friedenskonferenz entsandt, was einen Einstieg in die Politik bedeutete. Auch bei der Konferenz zum Versailler Vertrag 1919 war Keynes als Abgesandter zugegen, trat aber angesichts der seiner Meinung nach inkompetenten Staatschefs aus Frust zurück. Den US-Präsidenten Wilson bezeichnete er als “tauben Don Quichote”, der “Blinde Kuh” spiele. In einer Buchveröffentlichung “Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages” warnte er davor, dass der Vertrag die Weimarer Republik ruinieren würde, was den Demokratisierungsprozess für Deutschland gefährden könne. Die Geschichte gab ihm mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten recht. Keynes war nicht nur Theoretiker. Als Spekulant verdiente er sich ein großes Vermögen. Er vertrat einen elitären Standpunkt. Philosophen sollten Könige sein 39

In Cambridge war Keynes auch Herausgeber des renommierten Economic Journal. 1933 lehnte Keynes einen Beitrag von Milton Friedman ab, was eine lebenslange Gegnerschaft Friedmans zur Folge hatte. Vgl. Weitz 2008, S. 130ff.

82

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

und Könige Philosophen, die allein für Frieden und Heil zu sorgen in der Lage wären. Die Liebe, das Schöne, die Wahrheit und das Wissen bildeten den Lebenssinn. John Maynard Keynes starb 1946 in London. Zehn Jahre zuvor war sein Hauptwerk „Die Allgemeine“ erschienen. 6.2.2

„Die Allgemeine“ und das Jahr 1936

1936 war das Jahr der Olympischen Spiele in Deutschland. Charlie Chaplin brachte seinen Film „Modern Times“ in das Kino – damals als Unterhaltungsfilm für die Masse gedacht, dient er heute als Reminiszenz für alte Zeiten und als sozialkritischer Befund für einige wenige Cineasten. Und noch etwas datiert auf das Jahr 1936, nämlich eine Buchveröffentlichung einer damals völlig unbekannten Frau in den USA. Kennt man das Buch nicht, wird man den Film kennen, der einige Jahre später die literarische Vorlage auf Leinwand bannen sollte. Wie das Buch so wurde auch Selznicks Kinofilm drei Jahre später ein Kassenschlager und mit 10 Oscars bedacht. Scarlett O’Hara (Vivian Leigh) und Red Butler (Clark Gable) zogen in dem Südstaatenepos „Vom Winde verweht“ Millionen Menschen in ihren Bann. Die Autorin von „Gone with the Wind“ war übrigens Margeret Mitchell. 40 „Überfall auf den Leser“ (Keynes) Während nun das Buch von Margeret Mitchell weltbekannt, aber kaum die Geschicke der Welt verändernd war, verhielt es sich mit einem anderen Buch genau umgekehrt. Es ist der Allgemeinheit völlig unbekannt, hat aber zumindest die Geschicke der Volkswirtschaftslehre und der Wirtschaftspolitik in den letzten Jahrzehnten maßgeblich geprägt; wobei es vielleicht nicht so sehr das Buch an sich war, sondern die Person, die hinter diesem Buch stand. Die Person ist Keynes und das Buch trägt den Titel „The General Theory of Employment, Interest and Money“ („Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ oder kurz „Die Allgemeine“). John Maynard Keynes (1936)  „The General Theory of Employment, Interest and Money” „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ (kurz: „Die Allgemeine“) Keynes selbst sah sein Vorhaben selbstbewusst: “Ich traue mir zu, ein Buch zu schreiben, das die Art und Weise, wie die Welt über Wirtschaftsprobleme denkt, revolutionieren wird, vermutlich nicht sofort, aber im Laufe der nächsten zehn Jahre.“ 40

Dass Margaret Mitchell diesen Weltbestseller schreiben konnte, hatte sie übrigens einem Autounfall zu „verdanken“. Sie muss lange Zeit ans Krankenbett gefesselt gewesen sein. Und wie es das Schicksal manchmal so will, erwuchs aus dieser unguten Situation etwas völlig Neues und etwas Positives – eines der am meisten gelesenen Bücher der Welt.

6

John Maynard Keynes und die neue Wirtschaftspolitik

83

Das klingt anmaßend, aber der Autor hatte Recht. Keynes revolutionierte tatsächlich die Art und Weise des wirtschaftlichen Denkens – 160 Jahre nach Adam Smiths Klassiker vom „Wohlstand der Nationen“. 41 Die ganze „Bildergalerie“ von Keynes darzustellen ist hier nicht machbar und auch nicht gewollt, ein „Bild“ soll jedoch herausgegriffen werden, um einige wesentliche Kerngedanken der „neuen“ Wirtschaftspolitik zu erläutern. Das Bild, um das es sich handelt, ist das des Unterbeschäftigungsgleichgewichts im Arbeitsmarkt bei Lohnstarrheit nach unten und den daraus abgeleiteten wirtschaftspolitischen Implikationen. Im Gegensatz zur mikroökonomischen Grenznutzenanalyse am Beispiel der Schwarzwälder Kirschtorte handelt es sich beim folgenden Arbeitsmarktmodell um ein typisches Beispiel der Makroökonomie.

6.3

Das Problem Arbeitslosigkeit und die Antwort von Keynes

6.3.1

Makroökonomische Modellbildung am Beispiel des Arbeitsmarktes

Lohn und Beschäftigung: Die Funktionsweise des Arbeitsmarktes ist vergleichbar der des Gütermarktes. So wie sich auf dem Gütermarkt durch das Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage bestimmte Kombinationen von Preis und Menge ergeben, ist auch auf dem Arbeitsmarkt ein Zusammenspiel von Menge und Preis gegeben. Die Menge, die auf dem Arbeitsmarkt von Bedeutung ist, ist die Beschäftigung und das heißt noch konkreter die Menge an Arbeitskräften. Beschäftigung bedeutet somit Arbeitskräftemenge (evtl. Arbeitszeit). Der Wert der Arbeit beziehungsweise der Preis für Arbeitskräfte bemisst sich anhand des Lohnes (Nominal- oder Reallohnsatz). Auch hier gilt die ceteris-paribus-Klausel, die besagt dass andere Einflussfaktoren hinsichtlich des Angebots an Arbeitskräften und der Nachfrage nach Arbeitskräften wie Qualifikation, „Vitamin B“ oder Risikobereitschaft als gegeben und konstant betrachtet werden. Das Angebot an Arbeitskräften und die Nachfrage seitens der Unternehmen nach Arbeitskräften sind ausschließlich vom Lohn abhängig. Die Lohnbildung erfolgt unter der Prämisse der vollkommenen Konkurrenz (Polypol). Viele Arbeitskräftenachfrager (Unternehmen) stehen vielen Arbeitskräfteanbietern (potentiell oder tatsächlich Beschäftigte) gegenüber Grafisch ergibt sich die übliche Darstellung von Angebots- und Nachfragemenge in Abhängigkeit vom Preis, also hier vom Lohn (Abbildung 1.17). 41

Das Werk von John Maynard Keynes stellt sich keineswegs als geschlossene Theorie dar. Sein Hauptwerk „Die Allgemeine“ gilt als recht konfus und unnahbar und stellt für den Leser eine schwer verdauliche Kost dar. Dem Keynes-Schüler John Hicks ist es schließlich zu verdanken, hier Abhilfe verschafft zu haben. Ihm kommt das Verdienst zu, das keynsianische Gedankengut verarbeitet und als „Keynsianismus“ kompakter und geschlossener dargestellt zu haben.

84

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Lohn [l]: Preis bzw. Wert der Arbeit Beschäftigung [B]: Menge an Arbeitskräften Lohn [l] Nachfrage

Angebot

l*

Nachfrage nach Arbeitskräften: → Je höher der Lohn, desto weniger Arbeitskräfte werden von den Unternehmen nachgefragt. Je niedriger der Lohn, desto mehr Arbeitskräfte werden nachgefragt. Angebot an Arbeitskräften: → Je höher der Lohn, desto mehr Menschen bieten ihre Arbeitskraft an. Je niedriger der Lohn, desto weniger Arbeitskräfte bieten ihre Arbeitskraft an.

B*

Beschäftigung [B]

Abbildung 1.17: Gleichgewichtsbildung auf dem Arbeitsmarkt. Beschäftigungsgleichgewicht: In der klassischen Analyse tendiert der Arbeitsmarkt zum Gleichgewicht. Das Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage bewirkt einen Gleichgewichtslohn (l*) und die Gleichgewichtsbeschäftigungsmenge (B*). B* bedeutet, dass es keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit gibt. Es finden sich zwar weiterhin Menschen, die gerne arbeiten würden, aber nicht zu diesem Lohn. Und es finden sich weiterhin Unternehmen, die gerne Arbeitskräfte einstellen würden, aber nicht zu diesem Lohn. Anpassungsprozesse: Zum Lohnsatz l* ist das Angebot an Arbeitskräften und die Nachfrage nach Arbeitskräften identisch. Der Markt ist „geräumt“. Sollte es zu starken Lohnerhöhungen oder -senkungen kommen, finden Anpassungsprozesse statt. Ist das Lohnniveau zu hoch – zu hoch heißt hier im Verhältnis zum Gleichgewichtslohn – bieten mehr Menschen ihre Arbeitskraft an als Unternehmen Arbeitskräfte nachfragen. Der Angebotsüberhang führt zu einer Lohnsenkung. Ist das Lohnniveau zu niedrig, werden mehr Unternehmen Arbeitskräfte nachfragen, als Menschen bereit sind ihre Arbeitskraft anzubieten. Der Nachfrageüberhang wird zu einer Lohnerhöhung führen. Somit pendelt sich immer wieder ein harmonisches Gleichgewicht ein – zumindest in der Theorie. Anhand eines konkreten Beispiels soll nun der Anpassungsprozess auf dem Arbeitsmarkt erläutert werden (Abbildung 1.18).

6

John Maynard Keynes und die neue Wirtschaftspolitik

85

Lohn 40

l

A

N

0



5 10 15 20 25 30 35 40

30 l* 20 10 200 l l* B B* N A

= = = = = =

400 B*

600

BN 800 700 600 500 400 300 200 100 0

BA 0 100 NÜ 200 300 400 * 500 600 AÜ 700 800

800 Beschäftigung

Lohn Gleichgewichts- oder Marktlohn Beschäftigung (Arbeitskräfte) Beschäftigungsgleichgewicht Nachfrage nach Arbeitskräften Angebot an Arbeitskraft

NÜ = Nachfrageüberhang: Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist höher als das Angebot an Arbeitskräften (Arbeitskräftemangel). AÜ = Angebotsüberhang: Das Angebot an Arbeitskräften ist höher als die Nachfrage nach Arbeitskräften (Arbeitslosigkeit). hier: ∆B = ∆BA - ∆BN = 600 - 200 = 400

Abbildung 1.18: Lohnbildung auf dem Arbeitsmarkt. Mathematische Herleitung:

Nachfragefunktion: lN(B) = 40 - 0,05B Angebotsfunktion: lA(B) = 0,05B Gleichgewichtslohn: lN(B) = lA(B) ! => 40 - 0,05B = 0,05B => B = 400 => l*(B=400) = 20

Im Jahr 1929 und in den darauf folgenden Jahren wurde nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das klassische Lehrgebäude der Gleichgewichtsbildung und der Harmonie zerstört. Die Weltwirtschaftskrise führte zu einer lang andauernden und sehr hohen Arbeitslosigkeit. Der Markt war anscheinend nicht in der Lage, das Problem Arbeitslosigkeit selbst zu lösen. Wenn der Markt aber nichts ausrichten konnte, wer dann? Die Antwort gab Keynes. Langfristig sind wir alle tot: Das Argument der Klassiker, der Markt könnte das Problem der Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit vielleicht doch lösen,

86

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

man müsse den Marktkräften nur genügend Zeit geben, konterte Keynes mit dem berühmten Satz: „In the long run we are all dead!“ (Langfristig sind wir alle tot!). Was nützten den Menschen die irgendwann kommenden guten Zeiten von wieder gewonnener Wirtschaftskraft und Vollbeschäftigung, wenn sie bis dahin zeitlebens arm und arbeitslos sind und einzig ihren Tod erwarten und in dem Fall auch erhoffen können. 42 Wenn der Markt aber nicht oder nur in zu langer Sicht in der Lage ist, Arbeitslosigkeit zu beseitigen, wer kann dann wie laut Keynes das Problem lösen? 6.3.2

Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung

Um eine Lösung zu demonstrieren, betrachten wir eine bestimmte Konstellation auf dem Arbeitsmarkt, die ein Unterbeschäftigungsgleichgewicht darstellt. Keynes geht zwar ebenso wie die Neoklassiker von einem Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt aus, allerdings von einem Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung. Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung bedeutet, dass sich der Arbeitsmarkt in einem Gleichgewicht befindet, in diesem Quasi-Gleichgewicht jedoch Arbeitslosigkeit herrscht. Ein Gleichgewicht im Sinne der Vollbeschäftigung ist nach Keynes nicht die Regel, sondern die Ausnahme, also ein Glücksfall. Wie kommt solch ein Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung zustande? Dies geschieht dadurch, dass Modellannahmen wie völlige Lohnflexibilität (Freiheit der Löhne), Mobilität der Produktionsfaktoren (Unternehmen als Arbeitskräftenachfrager und Menschen als Arbeitskräfteanbieter sind räumlich und zeitlich völlig flexibel) sowie Markttransparenz (vollständige Information) in der Praxis nicht gegeben sind. In der Praxis stellt es sich vielmehr so dar, dass Löhne durch „Störungen“, z. B. Lohndiktate seitens des Staates oder der Gewerkschaften, nach unten nicht flexibel und frei sind. Vielmehr herrscht eine sogenannte Lohnstarrheit nach unten vor. Liegt dieser nach unten starre Lohn über dem Gleichgewichtslohn, herrscht ein Angebotsüberhang, was bedeutet, dass mehr Menschen zu diesem Lohn ihre Arbeitskraft anbieten als Unternehmen bereit sind anzustellen. Der Angebotsüberhang stellt die Unterbeschäftigung beziehungsweise die Arbeitslosigkeit dar (Abbildung 1.19). 42

Die Aussage „Langfristig sind wir alle tot.“ datiert schon einige Jahre vor Erscheinen der „Allgemeinen“ und lautet in der ausführlicheren Version wie folgt: „The long run is a misleading guide to current affairs. In the long run we are all dead. Economists set themselves too easy, too useless a task if in tempestuous seasons they can only tell us when the storm is long past, the ocean will be flat.“ (dt.: Die lange Sicht ist eine missverständliche Regel für aktuelle Angelegenheiten. Langfristig sind wir alle tot. Volkswirtschaftler machen es sich zu einfach, zu nutzlos die Aufgabe, wenn sie uns in stürmischen Zeiten nur erzählen können, wenn der Sturm längst vorüber ist, dass der Ozean wieder ruhig sein wird).

6

John Maynard Keynes und die neue Wirtschaftspolitik

Lohn Nachfrage

Angebot

87

Annahme: Lohnstarrheit nach unten, wobei der Mindestlohn über dem Gleichgewichtslohn liegt. _



l > l*

Ī

Folge: Arbeitslosigkeit bzw. Unterbeschäftigung durch einen Angebotsüberhang:

l*

Saldo BA - BN:

BN

BA

Beschäftigung

→ Das Angebot an Arbeitskräften übersteigt die Nachfrage nach Arbeitskräften.

Abbildung 1.19: Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung

Unterbeschäftigung (Arbeitslosigkeit)  Angebotsüberhang: Mehr Menschen sind zu einem bestimmten Lohn bereit, ihre Arbeitskraft anbieten als Unternehmen bereit sind anzustellen.

Beispiel: Annahme einer Lohnstarrheit nach unten, z. B. durch Mindestlohn (Ī) Mindestlohn: Nachfragefunktion: Angebotsfunktion:

Ī = 25 lN(B) = 40 - 0,05B lA(B) = 25 (für B < BA)

Unterbeschäftigungsgleichgewicht: Beschäftigungsnachfrage: Beschäftigungsangebot: Angebotsüberhang: 6.3.3

lN(B) = lA(B) ! 40 - 0,05B = 25 => BN = 300 0,05B = 25 => BA = 500 A AÜ = B - BN => 500 - 300 = 200

Klassischer und keynsianischer Lösungsansatz

Um diesen Angebotsüberhang an Arbeitskräften beziehungsweise die Nachfragelücke nach Arbeitskräften zu schließen, bieten sich zwei Lösungswege an, der klassisch angebotsorientierte und der keynsianisch nachfrageorientierte Ansatz. Beide Ansätze führen modellhaft zum Ziel eines Beschäftigungsgleichgewichts. Während die Klassiker auf der Angebotsseite ansetzen, nimmt Keynes die Nachfrageseite ins „Visier“. Der Gegensatz zwischen den beiden Positionen kommt

88

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

nun nicht dadurch zustande, dass Keynes die marktwirtschaftlichen Mechanismen negiert, ja gar abschaffen will; er will sie nur an neue Gegebenheiten anpassen. Die Löhne zu flexibilisieren, was vor allem auch niedrigere Löhne bedeuten kann, betrachtet er als nicht praktikabel. Stattdessen sollte die Nachfrage nach Arbeitskräften erhöht werden (Abbildung 1.20). 43 klassisch angebotsorientierter Ansatz Lohn

keynsianisch nachfrageorientierter Ansatz Lohn

N

A

N

_

_

l

l

l*

l*

BN → B* ← BA Beschäftigung

N’

BN



A

B* Beschäftigung

Im klassisch-angebotsorientierten Ansatz würde man die Lohnstarrheit nach unten aufheben, um so den Lohnmechanismus wirken lassen zu können. Nach einiger Zeit würde sich bei reduziertem Lohnniveau das Marktgleichgewicht bei l* und B* einstellen.

Im keynsianisch nachfrageorientierten Ansatz würde man bei gleichbleibendem Lohnniveau die Nachfrage nach Arbeitskräften erhöhen. Die Nachfrageerhöhung müßte durch den Staat (Staatsausgabenerhöhung; evtl. kreditfinanziert) erfolgen.

Grafisch bedeutet das ein „Herunterklappen“ der Angebotsfunktion bei gleichbleibender Nachfragefunktion.

Grafisch bedeutet das eine RechtsVerschiebung der Nachfragefunktion bei gleichbleibender Angebotsfunktion.

Abbildung 1.20: Klassisch versus keynsianischer Ansatz.

43

Keynes setzt jedoch nicht nur an der Nachfrageseite an. Es könnte auch eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität in Frage kommen, was durch Kostensenkungen oder zumindest Kostenkonstanz die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen erhöht. Alternativ könnte ein Preisniveauanstieg zu einem Sinken des Reallohnniveaus führen, was ebenfalls die Einstellungsbereitschaft erhöhen müsste. Was den letzten Punkt anbelangt, hat die Praxis allerdings gezeigt, dass Arbeitnehmer in Erwartung weiterer Preissteigerungen die Reallohnreduzierung durch Forderungen nach entsprechenden Nominallohnerhöhungen wieder kompensierten.

6

John Maynard Keynes und die neue Wirtschaftspolitik

89

Schauen wir uns die Argumentationskette dieser antizyklischen Fiskalpolitik und die darin enthaltenen Implikationen genauer an. 1.)

Die Nachfrage soll erhöht werden. Das hört sich einfach an. Gemeint ist nämlich die Nachfrage nach Arbeitskräften und das bei einem über dem Marktgleichgewichtslohn liegenden Lohnniveau. Ein Teil der Unternehmen ist aber kostenmäßig nicht in der Lage, zu diesem hohen Lohnniveau Leute einzustellen. Deshalb kommt die zweite Forderung in die Diskussion: Wenn es die Unternehmen nicht tun, muss der Staat handeln.

2.)

Der Staat muss die Nachfrage und seine Staatsausgaben erhöhen. Um die Nachfrage nach Arbeitskräften erhöhen zu können, kann der Staat selbst mehr Arbeitskräfte einstellen – zum Beispiel Staatsbedienstete wie Lehrer oder Polizisten – oder er kann mehr Aufträge an die Privatwirtschaft vergeben – zum Beispiel den Bau einer Dualen Hochschule, um der Baubranche Aufträge und Arbeitsplätze zu vermitteln. Beides bedeutet eine Erhöhung der Staatsausgaben. Und dazu bedarf es der entsprechenden Einnahmen. Nun ist aber der Staat in einem Dilemma. Denn gerade in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten sind die Staatseinnahmen wegen nachlassender Steuereinnahmen gering. So kommt die dritte Forderung mit ins Spiel, nämlich notfalls Schulden in Kauf zu nehmen.

3.)

Gegebenenfalls muss der Staat seine Staatsausgabenerhöhung durch Kredite finanzieren, also Schulden machen. Man spricht auch vom „deficit spending“ (Geld ausgeben, indem man ein Defizit macht). In hoffentlich auf die Krise folgenden Boomzeiten könnten diese Kredite dann zurückbezahlt werden. Eine übermäßige Kreditfinanzierung ist nicht ideal, aber allemal besser als eine zu lange und zu hohe Arbeitslosigkeit, so Keynes. Er sieht hier nicht nur wirtschaftliche Gründe, sondern vor allem auch politische. Vollbeschäftigung ist deshalb so wichtig, da Erwerbslosigkeit eine Demokratie ruinieren könne.

Kommentar: Ideal wäre es, wenn der Staat von vornherein vernünftig haushalten würde – nach dem Prinzip der „sieben fetten und der sieben mageren Jahre“. Es sei an das Gleichnis aus der Bibel erinnert. Josef, ein unfreiwilliger Berater des Pharao handelt ökonomisch vernünftig. Im Wissen um zukünftige schlechte Zeiten (auch heutige Politiker wissen das!) ließ Josef in den sieben fetten Jahren genügend Weizenvorräte zurücklegen (das wären heute Rücklagen aus Haushaltsüberschüssen), um dann in den sieben mageren Jahren von diesen Vorräten zehren zu können (statt Schulden, könnten Staatsausgaben aus den Rücklagen finanziert werden); eigentlich ein altes, aber einfaches und funktionierendes Prinzip!? Resümee: Die Weltwirtschaftskrise von 1929 und die Jahre dauernde Massenarbeitslosigkeit in den USA und in Europa brachten nicht nur die Wirtschaft zu Fall, sondern auch das klassische Lehrgebäude zum Einbruch. Keynes gab in diesen Zeiten der Unsicherheit und Panik neue Antworten. Diese Antworten fanden Eingang in die Wirtschaftswissenschaften, aber auch in die praktische Politik. Das

90

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Stabilitätsgesetz von 1967 zum Beispiel ist stark keynsianisch gefärbt. Während die siebziger Jahre ebenfalls dem keynsianischen Gedankengut huldigten, breitete sich danach Ernüchterung aus. Zuvor jedoch gab es in Deutschland in den 50er und 60er Jahren das „German Wirtschaftswunder“ zu bestaunen. Die Soziale Marktwirtschaft hatte ihren Siegeszug angetreten.

7

Ludwig Erhard und das deutsche Wirtschaftswunder

“Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge Du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin.“ 44 Will man wirtschaftspolitische Entwicklungen mit Personen und Namen versehen, tut man sich bezüglich der Entstehungsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft im Nachkriegsdeutschland leicht. Denn wenn eine Person dieser aufstrebenden wirtschaftlichen Zeit in den fünfziger und sechziger Jahren ein Gesicht gab, dann ist es das Gesicht von Ludwig Erhard. Am bekanntesten dürften die Fotos sein, auf denen Ludwig Erhard mit Zigarre – einem der einprägsamsten Symbole des deutschen Wirtschaftswunders – abgebildet ist. Wenn im Mittelpunkt der weiteren Analyse Ludwig Erhard und die Entstehung der Sozialen Marktwirtschaft steht, so heißt das nicht, dass die Analyse der Planwirtschaft in der ehemaligen DDR keine Rolle spielt, zumal die parallele zeitliche Entwicklung der beiden Konkurrenzsysteme von Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland und Planwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik 45 eigentlich ein „fantastisches“ großes Experiment für die Wissenschaftler darstellt; wenn auch das sozialistische Experiment als gescheitert zu betrachten ist – trotz Glorifizierungen des Alten und Sehnsüchten nach dem Vormaligen und trotz modischer Antikapitalismusbewegungen und -bestrebungen, eingebettet im Schosse des freiheitlichen politischen Demokratiesystems und der sozialen kapitalistischen Marktwirtschaft.

7.1

Wirtschaftssysteme und Wirtschaftsordnungen

Volkswirtschaften existieren nicht in einem politik- und rechtsfreien Raum, sondern sind an Nationalstaaten und deren Verständnis von Wirtschaft und Ausgestaltung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen gebunden. Die Bedeutung der Nationalstaaten für die Wirtschaftspolitik dürfte zwar durch die Globalisierung abnehmen – im Sinne eines zunehmenden Standortwettbewerbs vielleicht aber auch zunehmen –, doch der Politik steht immer noch das Primat der verfassungsgemäßen Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung zu. Denn zunächst entscheidet der Staat ordnungspolitisch, welches Wirtschaftssystem eingeführt wird.

44

45

Ludwig Erhard: Wohlstand für alle, 1957. Manche sprechen auch von der „Deutschen Un-Demokratischen Republik“.

92 7.1.1

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre Definition von Wirtschaftssystem, -ordnung und -verfassung

Die Bundesrepublik Deutschland entschied sich für die Marktwirtschaft, die Deutsche Demokratische Republik für die Planwirtschaft. Insofern entschieden sich die beiden Nachbar- oder Bruderländer für zwei völlig gegensätzliche Wirtschaftssysteme. Mit dieser Entscheidung waren die beiden deutschen Staaten nicht allein. Andere Staaten hatten ebenfalls eine Entscheidung zu treffen, oder sie wurde ihnen im Rahmen von Blockbündnissen aufgezwungen. Die Entscheidung für oder gegen die Marktwirtschaft beziehungsweise die Planwirtschaft führt aber nicht dazu, dass die Marktwirtschaften in den jeweils westlichen Staaten und die Planwirtschaften in den östlichen Staaten identisch waren. Jedes Land initiierte seine ihm eigene konkrete Ausgestaltung des Wirtschaftssystems durch Rechts- und Verhaltensnormen und die Einsetzung bestimmter Institutionen. Unterscheidung von Wirtschaftssystem, Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsverfassung: Wirtschaftssystem:

Theoretisches Modell mit bestimmten Strukturelementen (z. B. Marktwirtschaft).

Wirtschaftsordnung:

Konkrete Ausgestaltung der Wirtschaft durch Rechts- und Verhaltensnormen sowie Institutionen (z. B. Soziale Marktwirtschaft in Deutschland).

Wirtschaftsverfassung: Rechtliche Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung und Summe der wirtschaftlich relevanten Verfassungsnormen, Gesetze und Rechtsregeln eines Staates, evtl. auch Handelsbräuche und Sitten (z. B. Recht auf Privateigentum). Die konkrete Ausgestaltung des grundlegenden Wirtschaftssystems – sei es als marktwirtschaftliches oder als planwirtschaftliches Modell – kann in Abgrenzung zum Wirtschaftssystem als Wirtschaftsordnung bezeichnet werden. Geht man noch einen Schritt weiter und bezieht die Verfassungsnormen, Gesetze und rechtlichen Regelungen eines Staates mit ein, spricht man von Wirtschaftsverfassung. 46

46

Die Unterscheidung und Begriffssystematik ist nicht einheitlich. Walter Eucken, ein Wirtschaftswissenschaftler der damaligen Zeit (1891 - 1950) unterscheidet Wirtschaftssysteme in privat- und staatswirtschaftliche Idealtypen. Wirtschaftsordnungen sind konkret und enthalten Elemente beider Idealtypen. Ein anderer Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler aus der damaligen Zeit, Werner Sombart (1863 - 1941), setzt Wirtschaftssysteme und Wirtschaftsordnungen gleich. Die Wirtschaftsverfassung versteht er als rechtliche Verankerung der Wirtschaftsordnung.

7 7.1.2

Ludwig Erhard und das deutsche Wirtschaftswunder

93

Wirtschaftsordnungen in der Praxis

Wirtschaftsordnungen lassen sich vor allem durch die Gegenüberstellung marktwirtschaftlicher und planwirtschaftlicher Ordnungen charakterisieren. Die berühmten Beispielfälle für Planwirtschaften waren die Sozialistische Planwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik, die Zentralverwaltungswirtschaft der Sowjetunion und die Selbstverwaltungswirtschaft Jugoslawiens. Auf der marktwirtschaftlichen Seite sei neben der Sozialen Marktwirtschaft Deutschlands die Planification Frankreichs erwähnt. Marktwirtschaft Wirtschaftsordnungen Soziale Markt- Planification wirtschaft der in Frankreich Bundesrepublik Deutschland

7.1.3

Wirtschaftssystem Planwirtschaft Wirtschaftsordnungen Sozialistische Zentralver- SelbstverwalPlanwirtschaft waltungstungswirtschaft der Deutschen wirtschaft Jugoslawiens Demokratischen der Sowjet- (KonkurrenzRepublik union sozialismus)

Marktwirtschaft versus Planwirtschaft

Sowohl die marktwirtschaftlichen als auch die planwirtschaftlichen Wirtschaftssysteme zeichnen sich durch spezifische Merkmale aus. Wirtschaftssystem Marktwirtschaft Merkmale Ordnungspolitik Lenkungsmechanismus Entscheidungen über Wirtschaftspläne Preisbildung Funktionen der Preise Produktionsmittel Lohnfestsetzung

Wettbewerbswirtschaft privatwirtschaftlich kapitalistisch Märkte: Angebot und Nachfrage, Selbstorganisation dezentral / individuell freiwillig frei Vertragsfreiheit Information, Sanktion und Allokation Privateigentum Markt und Tarifpartner

Planwirtschaft Zentralverwaltungswirtschaft staatswirtschaftlich sozialistisch Planbehörde: imperative Planung, Determinismus zentral verbindlich staatlich festgesetzt Verrechnungspreise Verteilungs- und sozialpolitische Ziele Staatseigentum Staat

Während das marktwirtschaftliche System als privat- und wettbewerbswirtschaftlich, sowie freiheitlich, dezentral und selbstorganisierend beschrieben werden kann, lässt sich das planwirtschaftliche System als staatswirtschaftlich, zentralistisch und deterministisch charakterisieren. Diese Darstellung der beiden Wirtschaftssysteme ist idealtypisch und stellt die beiden Extreme möglicher Wirtschaftsordnungen dar.

94

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Die politische Praxis zeigt, dass diese beiden Wirtschaftssysteme in Reinform kaum vorkommen. Doch ist eine Grundsatzentscheidung in die eine oder andere Richtung unumgänglich. Ist die Wahl getroffen, lassen sich unterschiedlich starke Ausprägungen der beiden Systeme im Rahmen der konkreten Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung bestimmen. 7.1.4

Abstufungen der Wirtschaftsordnungen und Konvergenztheorie

Auch eine Marktwirtschaft kommt nicht ohne Staat aus. Die Frage ist, welche Bedeutung der Staat sich selber beimisst. Er kann sich lediglich als Rahmengeber wahrnehmen oder eine aktive und beeinflussende Rolle einnehmen. Insofern lässt sich eine Abstufung vom klassischen Liberalismus bis hin zur staatsinterventionistischen Marktwirtschaft beschreiben. Abstufungen marktwirtschaftlicher Systeme: 1. Stufe: Klassischer Liberalismus Der klassische Liberalismus beschreibt die in der Praxis „reinst“ mögliche Marktwirtschaft. Der Staat sorgt sich lediglich um die grundlegende Wirtschaftsordnung und bietet elementare öffentliche Güter wie Recht (Justizwesen) und Sicherheit (Polizei und Militär) an: → Politik des “Laissez Faire” (Nachtwächterstaat).  Staat nimmt eine ordnende Funktion wahr und gibt gesetzliche Rahmenbedingungen vor, z. B. Wettbewerbsordnung und Geldwertsicherung.  Staat sorgt für öffentliche Güter wie Rechtsschutz und Sicherheit.

2. Stufe: Ordoliberalismus im engeren Sinne Will der Staat seine Einflussmöglichkeiten erweitern und zusätzliche Aufgaben übernehmen, kommen Umverteilung und soziale Sicherung zum Tragen. Auch die Einführung der Tarifautonomie 47 und der gesetzlichen Mitbestimmung ist zu nennen.  Soziale Sicherung wie Kranken- und Arbeitslosenversicherung.  Tarifautonomie und Mitbestimmung.

3. Stufe: Ordoliberalismus im weiteren Sinne Der Staat übernimmt in einer weiteren Stufe die Aufgabe der Globalsteuerung. Globalsteuerung meint, dass der Staat durch die bewusste Steuerung seiner Einnahmen und Ausgaben Konjunktur- und Wachstumspolitik betreibt. Finanzpolitik fungiert als wirtschaftspolitisches Steuerungselement (Fiskalpolitik).  Globalsteuerung, z. B. Wachstumsimpulse und Konjunktursteuerung.  Fiskalpolitik, z. B. Abschreibungsmöglichkeiten im Rahmen der Steuerpolitik.

4. Stufe: Interventionistischer Liberalismus Der Staat betreibt Industriepolitik, indem er bestimmte Branchen oder sogar einzelne Großunternehmen fördert.  Gezielte staatliche Eingriffe in verschiedene Sektoren, z. B. sozialer Wohnungsbau und Agrarsubventionierung.  Investitionskontrolle.

47

Freiheit der Arbeitgeber und Gewerkschaften (Tarifpartner), Arbeitsentgelte und Arbeitsbedingungen ohne staatlichen Zwang selbst zu bestimmen.

7

Ludwig Erhard und das deutsche Wirtschaftswunder

95

Analoge Abstufungen lassen sich auch in der Planwirtschaft finden. Abstufungen planwirtschaftlicher Systeme 1. Stufe: Totale Planwirtschaft Sowohl die Produktion (Allokation) als auch die Verteilung (Distribution) wird vom Staat bestimmt.  Produktion vom Staat geplant und kontrolliert.  Verteilung vorgegeben.  Tausch nicht möglich.

2. Stufe: Planwirtschaft mit freiem Konsumtausch   

Produktion vorgegeben (z. B. Kriegswirtschaft). Produktionsergebnis wird verteilt (kontrolliert). Tausch möglich, z. B. Bezugsscheine.

3. Stufe: Planwirtschaft mit freier Konsumwahl  

Produktion geplant und gelenkt. Bevölkerung wird mit Geld entlohnt (freie Konsumwahl).

Konvergenztheorie: Betrachtet man die Entstehung und Entwicklung von Wirtschaftsordnungen, lässt sich ein zunehmendes Aufeinanderzubewegen der beiden Wirtschaftssysteme beobachten. Marktwirtschaften werden mit der Zeit staatlicher und Planwirtschaften marktwirtschaftlicher. Ein solches Aufeinanderzubewegen ist unter dem Begriff der Konvergenztheorie (konvergieren: sich nähern, einander näher kommen, zusammenlaufen) bekannt. Die ehemaligen Planwirtschaften Osteuropas haben sich zwischenzeitlich so stark auf eine marktwirtschaftliche Ordnung hinbewegt, dass man von einem Lagerwechsel sprechen kann. Sie haben nicht nur konvergiert, sondern sogar „konvertiert“ (konvertieren: tauschen, übertreten, übertragen). Auch China ist mitten im „Konvertieren“. Nordkorea hat beschlossen, in planwirtschaftlicher Agonie zu verharren. politisch wirtschaftlich

Marktwirtschaft frei frei

Planwirtschaft staatlich staatlich

Typ „China“ staatlich frei

Noch eine Anmerkung zu China. Die politisch-wirtschaftliche Ausgestaltung des chinesischen Systems könnte in ihrer Eigenart auch als neuer Typus definiert werden. China kombiniert nämlich den diktatorischen Staat mit der freien Wirtschaft und lässt sich somit weder ausschließlich in das Schema der Marktwirtschaft noch in das der Planwirtschaft pressen. Die Wirtschaft ist frei, aber der Staat gibt vor, was die Wirtschaft zu machen und zu leisten hat.

96

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

7.2

Die Begründer der Sozialen Marktwirtschaft

Bevor die wirtschaftspolitische Ausgestaltung der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg vonstatten gehen konnte, existierten schon vor dem Zweiten Weltkriegs theoretische und wissenschaftliche Modelle, die in der „Schublade“ zur Verwirklichung und Umsetzung bereitlagen. Die Urheber und Gedankenträger dieser wirtschaftspolitischen Philosophien können als die geistigen Väter der Sozialen Marktwirtschaft betrachtet werden. 7.2.1

Geistige Väter der Sozialen Marktwirtschaft

Zu diesen geistigen Vätern („Mütter“ gab es keine) der Sozialen Marktwirtschaft gehören unter anderem folgende Wissenschaftler:     

Franz Böhm Walter Eucken Wilhelm Röpke Alexander Rüstow Friedrich August von Hayek

(1895 - 1977) (1891 - 1950) (1899 - 1966) (1885 - 1963) (1899 - 1992 )

Da einige von diesen Wissenschaftlern wie Böhm und Eucken in Freiburg lehrten, spricht man auch von der „Freiburger Schule“ 48. Rüstow und von Hayek 49 haben sich vor allem um die gesellschaftsphilosophische Begründung verdient gemacht. Das Verdienst dieser Männer im Gesamten liegt darin, an einer neuen gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland mitgewirkt zu haben. Die frühe Vergangenheit und Gegenwart der damaligen Zeit war geprägt durch  einen orientierungslosen Interventionismus in den westlichen Industrieländern zwischen den Weltkriegen,  die nationalsozialistische Zwangswirtschaft  und die wirtschaftsbürokratische Verwaltung des Elends nach dem Zweiten Weltkrieg. Basierend auf dem Gedankengut des Liberalismus suchten die Wissenschaftler für die Zukunft einen „dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und Kollektivismus – 48

49

Bestimmte Denkrichtungen haben ihren Ursprung oftmals in bestimmten Personen, die an bestimmten Universitäten lehrten und weitere Wissenschaftler an diese Orte zogen. So gab es im Bereich der Wirtschaftswissenschaften die erwähnte Freiburger Schule des Ordoliberalismus. Auf dem amerikanischen Kontinent hatte sich unter der Anführung von Milton Friedman die neoliberale und monetaristische Chicagoer-Schule einen Namen gemacht. Schaut man in den Bereich der Soziologie, ist in Deutschland vor allem die Frankfurter Schule ein Begriff. Mit dem Frankfurter Institut für Sozialforschung, das 1924 eingeweiht wurde, sind so klingende Namen wie Theodor W. Adorno, Erich Fromm, Max Horkheimer, Herbert Marcuse und Jürgen Habermas verbunden. Von Hayek erhielt 1974 zusammen mit Gunnar Myrdal den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

7

Ludwig Erhard und das deutsche Wirtschaftswunder

97

einen „ökonomischen Humanismus“ (Röpke). Sie fanden ihn im Ordoliberalismus. 7.2.2

Der Ordoliberalismus

Der Ordoliberalismus (damals auch Neoliberalismus genannt) 50 als dritter Weg zwischen Kapitalismus und Kollektivismus sollte eine geordnete und gelenkte, vom Grundsatz her aber freie Marktwirtschaft sein. Ordoliberalismus  Geordnete und gelenkte, vom Grundsatz her aber freie Marktwirtschaft. Der Wettbewerb wird als notwendiges und konstitutives Element bejaht. Gleichzeitig soll der Wettbewerb durch den Staat geschützt und bewahrt werden. Der Staat darf und muss zu ordnungskonformen Interventionen bereit sein. Dazu gehören beispielsweise die Kontrolle von Fusionen und die Umsetzung des Kartellverbots. Der Wettbewerb hat unter staatlicher Obhut zu geschehen.

Soziale Marktwirtschaft

Praxis

Politische Durchführung:

Politik

Ludwig Erhard Alfred Müller-Armack

Theorie

Wissenschaftliche und gesellschaftsphilosophische Begründung durch den Ordo-Liberalismus

Wissenschaft

Freiburger Schule: Eucken, Böhm, Röpke, von Hayek, Rüstow (Ordoliberale)

Abbildung 1.21: Fundament der Sozialen Marktwirtschaft. Diese sich auf die Rechtsordnung und die Wettbewerbspolitik beschränkende Einflussnahme des Staates würde jedoch keinen großen Unterschied zum klassi50

Der Neoliberalismus der damaligen Zeit darf nicht mit dem heutzutage gebräuchlichen politischen Kampfbegriff der „Linken“ gegen „zuviel Marktwirtschaft“ verwechselt werden.

98

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

schen Liberalismus des „Nachtwächterstaates“ ausmachen. Durch den Einsatz marktkonformer Maßnahmen 51 sind jedoch weitere Ziele wie die soziale Gerechtigkeit anzustreben. Das Konzept des Ordoliberalismus findet schließlich seinen Ausdruck in der Sozialen Marktwirtschaft. 7.2.3

Politische Väter der Sozialen Marktwirtschaft

Neben diesen geistigen Vätern der Freiburger Schule, sind die politischen beziehungsweise „praktischen“ Väter zu nennen. Hierzu zählen zu Zeiten des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer der Wirtschaftsminister Ludwig Erhard 52 und vor allem auch dessen Staatssekretär Alfred Müller-Armack. a) Ludwig Erhard Ludwig Erhard war im Jahr 1948 zunächst Direktor der Wirtschaftsverwaltung der amerikanischen und britischen Besatzungszone (Bi-Zone), bevor er der erste Bundeswirtschaftsminister von Nachkriegsdeutschland wurde. Dieses Amt hatte er seit der verfassungsgebenden Versammlung von 1949 bis 1963 inne. Anschließend beerbte er von 1963 bis 1966 Konrad Adenauer in seinem Amt als Bundeskanzler. So erfolgreich seine Zeit als Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland war, so wenig erfolgreich gestaltete sich die Kanzlerzeit. Das Jahr 1966 beendete seine Regentschaft. Die Große Koalition unter Georg Kiesinger übernahm die Regierungsverantwortung. Ludwig Erhard  1897 (Fürth) bis 1977 (Bonn)  1948: Direktor der Wirtschaftsverwaltung der amerikanischen und britischen Besatzungszone („Bi-Zone“)  1949 - 63: Bundeswirtschaftsminister  1963 - 66: Bundeskanzler b) Alfred Müller-Armack Während nach außen hin und berühmt bis heute Ludwig Erhard als Idol und Repräsentant der Sozialen Marktwirtschaft und des damit verbundenen Wirtschafts51

52

Marktkonforme Maßnahmen bedeutet, dass staatliche Maßnahmen wie beispielsweise das Verbot einer Fusion von zwei mächtigen Firmen das marktwirtschaftliche System an sich nicht beeinträchtigen dürfen; besser noch, solche Maßnahmen sollten die Marktwirtschaft stützen und fördern. Mit Ludwig Erhard ist auch schon Heinz Erhardt verwechselt worden. Bei Heinz Erhardt handelt es sich um den berühmten und beliebten Komiker und Schauspieler in den fünfziger und sechziger Jahren. In gewisser Weise wirkte auch er durch seine humorvolle Art am Wiederaufbau mit. Ein Fernsehgerät und frohe Sendungen trugen viel zur Motivation und Wiederaufbaumentalität Deutschlands bei.

7

Ludwig Erhard und das deutsche Wirtschaftswunder

99

wunders dient, hat man jedoch den wesentlichen konzeptionellen Anteil an der Ausgestaltung der Sozialen Marktwirtschaft der „rechten Hand“ von Ludwig Erhard zuzuschreiben, nämlich dem Staatssekretär Alfred Müller-Armack (1901 Essen - 1978 Köln). Man kann sogar davon ausgehen, dass der Ökonom und Soziologe Müller-Armack den Begriff der Sozialen Marktwirtschaft geprägt hat oder ihn zumindest in die Politik eingebracht hat. Müller-Armack war übrigens vor seiner politischen Tätigkeit ordentlicher Professor in Köln und Münster, um dann von 1958 bis 1963 seine Aufgabe als Staatssekretär wahrzunehmen. Wenige Tage vor seinem Tod hat Müller-Armack zum Begriff der sozialen Marktwirtschaft folgendes gesagt: „Weshalb soll es nicht möglich sein, dass man (…) die ‚Soziale Marktwirtschaft’ als terminus technicus schluckt. Das muss möglich sein. Dann aber die ‚Soziale Marktwirtschaft’ groß geschrieben, das ist eine Bitte, mit der ich schließen möchte.“ 53 7.2.4

Konzept der Sozialen Marktwirtschaft

Die Ziele und Inhalte der Sozialen Marktwirtschaft wurden 1949 von der christlich-demokratischen Regierung im Rahmen der Düsseldorfer Leitsätze vorgelegt. Diese „Vorschläge für die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft“ bildeten die Grundlage der damaligen offiziellen Wirtschaftspolitik. 7.2.4.1 Freiheit und Gerechtigkeit Die Philosophie der Sozialen Marktwirtschaft, basierend auf dem Gedankengut des Ordoliberalismus und dem Konzept der gelenkten Marktwirtschaft, lässt sich durch eine entscheidende Begriffskombination zum Ausdruck bringen – Freiheit und Gerechtigkeit. Soziale Marktwirtschaft: → Freiheit und Gerechtigkeit! a) zum Begriff der Freiheit: Freiheit bezieht sich auf das Individuum und meint sowohl Freiheit und Eigenständigkeit in den Entscheidungen als auch das damit verbundene Risiko und Verantwortungsbewusstsein der einzelnen Menschen. Die Individuen als Akteure des Marktes entscheiden, was sie beruflich machen möchten, was sie anbieten möchten und was sie kaufen und konsumieren möchten. Wesentliche Voraussetzung für diese Freiheit des Marktes ist das grundgesetzlich zugesicherte Privateigentum. Damit ist das Privateigentum an Produktionsmitteln und das Privateigentum der aus dem Einsatz der Produktionsmittel entstandenen Einkommen und Gewinne gemeint. Dass die Freiheit nicht grenzenlos ist und nicht missbraucht werden darf, zeigen die Einschränkungen der Freiheit. Das 53

Dietzfelbinger 2000, S. 96.

100

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Wettbewerbsrecht beispielsweise soll den Missbrauch des freien Wettbewerbs sichern. Und auch das Eigentum gilt als sozialpflichtig. Fazit: Freiheit meint vor allem Verantwortung gegenüber sich selbst! b) zum Begriff der Gerechtigkeit: Während der Aspekt der Freiheit die individuelle Sichtweise betont, lenkt der Aspekt der Gerechtigkeit auf den Sinn und die Bedeutung der Gemeinschaft für die Soziale Marktwirtschaft. Auch wenn die Menschen individuell handeln können und müssen, sollen sie sich doch als Solidargemeinschaft erfahren. Umverteilungen durch die progressive Besteuerung der Einkommen und Sozialleistungen durch die gesetzlichen Sozialversicherungen sollen allen Menschen eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Teilhabe und ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Als Korrekturen der Marktergebnisse könnte man diese Auffassung bezeichnen. Hinzu kommt das Ermöglichen von Chancengleichheit und Startgerechtigkeit durch den sowohl verbindlichen als auch finanziell freien Schulbesuch. Fazit: Gerechtigkeit meint vor allem Verantwortung gegenüber den anderen! c) Freiheit und Gerechtigkeit: So befinden sich Freiheit und Verantwortung für die Gemeinschaft in einem Wechselspiel des sich um sich selbst Kümmerns und des sich um den Anderen Sorgens. Zusammen ergeben sie das Wertefundament unserer Sozialen Marktwirtschaft. Freiheit  Wettbewerb und Markt  individuelle Freiheit  Verantwortung für sich selbst

Gerechtigkeit  Gemeinschaft und Solidarität  soziale Gerechtigkeit  Verantwortung für andere

Fundament der Sozialen Marktwirtschaft Am Beispiel des Artikels 14 unseres Grundgesetzes lässt sich dieses Wechselspiel und diese gegenseitige Bedingtheit von Freiheit und Verantwortung sehr schön veranschaulichen. Grundgesetz Artikel 14 [Eigentum, Erbrecht, Enteignung] (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

7

Ludwig Erhard und das deutsche Wirtschaftswunder

101

Wie heftig dieses Ringen um die Gewährleistung von Eigentum (1) und die Verpflichtung des Eigentums (2) sein kann, zeigte die jahrelange juristische Auseinandersetzung um die „Enteignung“ der Landwirte auf den Fildern vor den Toren Stuttgarts, wo dringend Gelände für die Erweiterung der Messe gebraucht wurde. Mit äußerst großzügigen Kaufangeboten an die Landwirte versuchte man freiwillige Verkäufe des privaten Ackerlandes schmackhaft zu machen. 7.2.4.2 Politikfelder der Sozialen Marktwirtschaft Freiheit und Gerechtigkeit als Fundament der Sozialen Marktwirtschaft sollen nicht nur schön klingende Schlagworte sein, sondern inhaltlich ausgefüllt werden. Einige Aspekte sind schon angedeutet worden und werden nun konkretisiert und ergänzt werden. Politikfelder

Inhalte und rechtliche Regelungen

Ordnungspolitik (Wettbewerbspolitik)

  

Startchancen und Chancengleichheit Soziale Sicherung (Verteilungspolitik)

     

Sozialpartnerschaft

Globalsteuerung (Wachstums- und Konjunkturpolitik)

Einkommens- und Vermögenspolitik Versorgung und Infrastruktur Geldordnung und Geldpolitik Finanzpolitik

             

Sicherung von Privateigentum Aktive Wettbewerbspolitik und Wettbewerbssicherung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (1957): Überwachung des Kartellverbots, Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht Freie Preisgestaltung auf Märkten Recht auf Bildung Schulpflicht Gewerbefreiheit Förderung der individuellen und eigenverantwortlichen Daseinsvorsorge Soziale Sicherung durch kollektive Daseinsvorsorge (Sicherheit und soziale Gerechtigkeit) Mitbestimmung und Betriebsverfassungsgesetz (1952) „Ausbau des Arbeitsrechts” und „aktive Beteiligung des Arbeiters am Betriebsleben” (Müller-Armack) Arbeits- und Tarifrecht „eine bewusste Politik des wirtschaftlichen Wachstums” (Müller-Armack 1956) Konjunkturstabilisierung: Anpassungen im Strukturwandel erleichtern „hoher Beschäftigungsgrad” (Müller-Armack 1956) globale makroökonomische Steuerungspolitik Bausparförderung Progressive Einkommensbesteuerung Bereitstellung öffentlicher Güter wie Schulen, Straßen, Krankenhäuser und Museen Unabhängigkeit der Zentralbank Kontrolle der Geldversorgung Stabiler Geldwert “Stabilität des Haushalts” (Müller-Armack 1956)

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Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Die „Bandbreite“ des Staates reicht von der ordnungspolitischen Wettbewerbspolitik über die Sozial- und Verteilungspolitik bis hin zur ablaufpolitischen Konjunktur- und Wachstumspolitik. Das wirtschaftliche Wachstum ist für Müller-Armack dabei nicht nur ein Ziel neben vielen anderen Zielen, sondern Grundlage für die Erreichung der anderen Ziele. Müller-Armack propagiert „eine bewusste Politik des wirtschaftlichen Wachstums” (1956). Denn kräftiges Wirtschaftswachstum und eine florierende Wirtschaft sind Voraussetzung für Umverteilung und soziale Sicherung. Freiheit und Gerechtigkeit bedürfen des wirtschaftlichen Wohlstandes. Alfred Müller-Armack (1956)  „eine bewusste Politik des wirtschaftlichen Wachstums” Die staatliche Wirtschaftspolitik darf jedoch nicht so weit führen, dass das marktwirtschaftliche Prinzip gefährdet wird. Müller-Armack spricht von der „Systemkonformität wirtschaftlicher Maßnahmen“. Der soziale Aspekt der Sozialen Marktwirtschaft darf nur insoweit bedient werden, als der Marktmechanismus nicht beeinträchtigt wird: “den sozialen Zweck sichern, ohne störend in die Marktapparatur einzugreifen”. Müller-Armack bezeichnet dies als das “regulative Prinzip sozialer Interventionen”. Systemkonformität wirtschaftlicher Maßnahmen:  „den sozialen Zweck sichern, ohne störend in die Marktapparatur einzugreifen“ (regulatives Prinzip sozialer Interventionen). Das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft ist schließlich aufgegangen. Die Rahmenbedingungen und Weichenstellungen haben gepasst. Deutschland erlebte schließlich sein wahres „Wunder“ – das Wirtschaftswunder.

7.3

Das deutsche Wirtschaftswunder

7.3.1

Wachstum und Wohlstand

a) Wachstumsrekord: Im Jahr 1955 hatte Deutschland das nach dem zweiten Weltkrieg höchste Wachstum, das die Bundesrepublik je erreicht hat. Die Wachstumsrate des Sozialprodukts betrug 12,1 Prozent. Wachstumsrekord in Deutschland:  12,1 Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr 1955!

7

Ludwig Erhard und das deutsche Wirtschaftswunder

103

Abgesehen von einem Wert von nur 4,5 Prozent in 1958 lagen die Werte meist um die acht bis neun Prozent. Verglichen mit heutigen Werten, die hoffnungsfroh bei einem bis drei Prozent liegen, waren das goldene Zeiten. Nicht vergessen werden darf jedoch, dass ein Wachstum von einem niedrigen Niveau aus meist leichter zu erreichen ist, als ein schon hohes Level noch mal zu überbieten. Doch selbstverständlich ist ein so hohes Wachstum aus dem „Nichts“ heraus ebenfalls nicht. In den sechziger Jahren ebbte das Niveau zwar ab – im Jahr 1967 gab es sogar einen kleinen Rückgang. Trotzdem konnte man noch auf Wachstumsraten von 8,6 Prozent im Jahre 1960 und 7,5 Prozent im Jahre 1969 verweisen. 54 b) Wohlstand: Wirtschaftswachstum bedeutet Wohlstand. Und Synonym für den Wohlstand in den damaligen Wachstumszeiten waren Radio, Fernsehapparat und schließlich das Auto – und die Zigarre. Ludwig Erhard und die Zigarre beweisen: Leistung lohnt sich. Leitspruch für den Wohlstand war denn auch: “Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge Du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin.“ Und die Menschen wollten Leistung bringen. Sie wollten aus dem Gefühl des Hungers und der Obdachlosigkeit, des Elendes und der Demütigung wieder was haben und vor allem wieder „wer sein“. Sie packten an, sie bauten auf, sie produzierten und konsumierten. Der Bedarf und die Nachfrage nach Gütern waren zum Teil so groß, dass man mit dem Produzieren kaum nachkam. Die Wirtschaft florierte. Während heutzutage in Käufermärkten Nachfrager gefunden, gewonnen und gehalten werden müssen, stand damals im Verkäufermarkt die Produktion im Vordergrund. Marketing war nicht sonderlich wichtig. Die Kunden und Abnehmer waren da und wollten beliefert werden. c) Die Gastarbeiter: Wenn es ein Problem gab, dann eher das der mangelnden Kapazitäten. Es herrschte Vollbeschäftigung. Die Maschinen liefen in Vollauslastung und die Menschen arbeiteten sechs Tage und 50 bis 60 Stunden die Woche. Doch es reichte nicht aus. Arbeitnehmer aus dem Ausland wurden „angeheuert“. Aus Italien kamen die meisten, dann aus Jugoslawien später aus der Türkei – die Gastarbeiter. In den sechziger Jahren wurde der millionste Gastarbeiter empfangen und mit einem Moped beschenkt und begrüßt. Die Gastarbeiter kamen übrigens als Gäste und … blieben. Dafür reisten die Deutschen später nach Italien, um dort Urlaub zu machen. 54

Ein Schaubild zu den Wachstumsraten in Deutschland ist im Kapitel ‚Konjunktur’ in Band III dargestellt.

104

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Günstige wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der deutschen Bevölkerung waren das eine, Unterstützung von außen war das andere. Und dazu gehörten nicht allein die Gastarbeiter. Auch die Kriegsgewinner hatten ihren Anteil daran und machten nicht denselben Fehler wie nach dem Ersten Weltkrieg, indem sie Deutschland wirtschaftlich keine Chance ließen und Ressentiments gegenüber den Siegermächten den Boden bereiteten. Deutschland und Europa sollten nach dem Zweiten Weltkrieg zu stabilen und wirtschaftlich lebensfähigen Einheiten heranwachsen. Dazu entwickelten die USA ein Hilfsprogramm – den Marshall-Plan. 55 7.3.2

Europäisches Wiederaufbauprogramm – Der Marshall-Plan

George C. Marshall: Der Marshall-Plan hat seinen Namen nach seinem Erfinder, George C. Marshall, dem US-amerikanischen Außenminister unter der TrumanRegierung. Im Juni 1947 entwickelte Marshall das Europäische Wiederaufbauprogramm (European Recovery Programm ERP) und hielt sechs Monate später eine bedeutende Rede „gegen Hunger, Armut, Verzweiflung und Chaos“. Der nach ihm benannte Marshall-Plan war geboren. George C. Marshall (1880 - 1959):  amerikanischer General und Politiker  1947 Außenminister unter Truman  1948 Initiator des Europäischen Wiederaufbauprogramms (Marshall-Plan)  1953 Friedensnobelpreis Am 3. April 1948 wurde dieses Hilfsprogramm der US-Regierung für den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft, das vier Jahre dauern sollte, vom USKongress bewilligt. Damit sollte übrigens die sogenannte GARIOA-Hilfe (Government Appropriation for Relief in Occupied Areas) ersetzt werden. Marshall-Plan     

55

Europäisches Wiederaufbauprogramm (ERP) Inkrafttreten am 3. April 1948 Dauer von 1948 bis 1952 Volumen: ca. 13 Milliarden US-Dollar Ziel: Wirtschaftliche und politische Stärkung Europas

Vor dem Marshall-Plan gab es den Morgenthau-Plan aus dem Jahr 1944. Dieser nach dem US-Finanzminister Henry Morgenthau benannte Plan sah vor, Deutschland zu einem Agrarstaat zu machen und somit der Möglichkeit zu berauben, jemals wieder einen Krieg zu beginnen.

7

Ludwig Erhard und das deutsche Wirtschaftswunder

105

Volumen: Das Volumen des Aufbauprogramms betrug für den Zeitraum von 1948 bis 1952 etwa 13,1 Milliarden US-Dollar. 56 Die Bundesrepublik Deutschland erhielt mit 1,4 Milliarden US-Dollar etwa 11 Prozent dieser Summe. Ein Teil der Gelder, die zur Finanzierung von Warenlieferungen (vor allem Nahrungs-, Futterund Düngemittel sowie Brennstoffe und Rohstoffe) und somit als Gegenwertmittel für Aufbauprojekte gedacht war, wurde zurückbezahlt. Ein Teil steckt noch heute im ERP-Sondervermögen (Teil des Bundesvermögens), das im Rahmen staatlicher Existenzgründerkredite geläufig sein dürfte. Neben Deutschland kamen beispielsweise auch Österreich und Japan in den „Genuss“ dieses Hilfsprogramms zur Deckung dringender Gütereinfuhren. Insgesamt profitierten 16 Länder von diesem Aufbauprogramm. Ziel: Die Intention für dieses Wiederaufbauprogramm war eine zweifache. Zum einen sollten die Europäischen Staaten wirtschaftlich gestärkt werden, um als starke Handelspartner auch den USA wieder zur Verfügung stehen zu können. Zum anderen verfolgte Marshall politische Ziele. Starke und stabile wirtschaftliche westeuropäische Staaten würden auch eine politische Stärkung gegenüber dem Kommunismus der Sowjetunion und den osteuropäischen Blockstaaten bedeuten. Marshalls Politik war von großem Erfolg gekrönt. Deutschland und das westliche Europa entwickelten sich politisch und wirtschaftlich stabil und erfolgreich. 1953 erhielt Marshall den Friedensnobelpreis und war somit der erste militärische Befehlshaber, dem der Friedensnobelpreis zugedacht wurde. 57

7.4

Das Grundgesetz und die Soziale Marktwirtschaft

Die Bundesrepublik Deutschland hat nach dem Zweiten Weltkrieg die Soziale Marktwirtschaft als marktwirtschaftliche Ordnung eingeführt und in Folge in den fünfziger und sechziger Jahren Wirtschaftswunderzeiten erlebt. Die Wirtschaftentwicklung heutzutage ist viel unsicherer geworden, so dass nicht nur nach kosmetischen Korrekturen, sondern nach strukturellen Veränderungen und einer neuen Wirtschaftspolitik gefragt wird. Die Rede ist von der „Neuen Sozialen Marktwirtschaft“ – unter anderem propagierte die Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Bewahrung wie auch Anpassung der Sozialen Marktwirtschaft. Extreme Parteien fordern deren Abschaffung und die Einführung einer Staatswirtschaft. Doch könnte eine Regierungsmehrheit von heute auf morgen beschließen, die Soziale Marktwirtschaft durch eine Planwirtschaft zu ersetzen, oder ist unser Wirtschaftssystem der Sozialen Marktwirtschaft grundgesetzlich geschützt?

56 57

Nach heutigem Wert dürfte das in Etwa 100 Milliarden US-Dollar entsprechen. Bevor Marshall 1947 Außenminister unter Truman wurde, besuchte er die Militärakademie und wurde Adjutant von General Pershing, der als Oberbefehlshaber in Frankreich im Ersten Weltkrieg diente. Marshall selbst hatte einen Ruf als das „größte Militärgenie seit Stonewall Jackson“ inne.

106

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

7.4.1

Der Blick in das Grundgesetz

Der Blick in das Grundgesetz zeigt, dass eine ausdrückliche Stellungnahme zur Sozialen Marktwirtschaft fehlt. Die Soziale Marktwirtschaft ist begrifflich nicht im Grundgesetz erwähnt! Die Soziale Marktwirtschaft ist im Grundgesetz nicht explizit erwähnt! Mit der sozialistischen Planwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik verhielt es sich anders. Diese war nämlich in der DDR-Verfassung explizit erwähnt. In Art 9, Abs. 1 und 2 der DDR-Verfassung hieß es: “Die Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik beruht auf dem sozialistischen Eigentum an den Produktionsmitteln (...) und (...). Die Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik ist eine sozialistische Planwirtschaft (...)”. Fehlt eine ausdrückliche Stellungnahme im Grundgesetz, ist zu fragen, ob andere Hinweise und Einzelregelungen im Grundgesetz existieren, die darauf schließen lassen, dass unsere Wirtschaftsordnung eine Marktwirtschaft respektive eine Soziale Marktwirtschaft sein muss. Folgende Artikel des Grundgesetzes lassen sich finden, die direkt oder indirekt Aussagen zu unserer Wirtschaftsordnung machen. Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland Artikel 5 (1) 5 (2) 9 (1) 9 (3) 11 (1) 12 (1) 12 (2) 14 (1) 14 (2) 15 -----------------

20 20 (1)

Inhalt Freie Meinungsäußerung Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre Vereinigungsfreiheit Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Freizügigkeit Berufsfreiheit Verbot der Zwangsarbeit Eigentum und Erbrecht werden gewährleistet Eigentum verpflichtet → zum Wohle der Allgemeinheit Sozialisierung: Vergesellschaftung von Grund, Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Grundlagen staatlicher Ordnung „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.”

7 7.4.2

Ludwig Erhard und das deutsche Wirtschaftswunder

107

Grundgesetzliche Verankerung der Sozialen Marktwirtschaft

Privateigentum: Unter der Annahme, dass das Recht auf Privateigentum eine unabdingbare Voraussetzung und Bedingung für die Marktwirtschaft darstellt, ist Artikel 14 Absatz 1 von elementarer Bedeutung. „Eigentum und Erbrecht werden gewährleistet.“ Insofern kann diese Aussage als marktwirtschaftlicher Hinweis aufgefasst werden. Der Hinweis in Artikel 14 Absatz 2, dass Eigentum verpflichtet und dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen hat, negiert nun nicht die marktwirtschaftliche Perspektive, schränkt diese aber ein und betont die Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit. Die Marktwirtschaft wird zur Sozialen Marktwirtschaft. Freizügigkeit und Berufsfreiheit: Weitere Positionen wie die Freizügigkeit (wohnen und leben wo man will) und die Berufsfreiheit (freie Wahl der Ausbildung, des Studiums und des Berufes) sprechen für die marktwirtschaftliche Grundordnung. Demokratischer und sozialer Bundesstaat: Verlässt man den Bereich der Grundrechte und schaut sich die Grundlagen staatlicher Ordnung in Artikel 20 an, fällt eine Formulierung ins Auge, nämlich die des demokratischen und sozialen Bundesstaates. Ob der Hinweis „demokratisch und sozial“ eine Soziale Marktwirtschaft begründet ist umstritten. Manche meinen, dass eine Planwirtschaft mit Demokratie unvereinbar sei und sich insofern aus dem „demokratischen“ nur das „marktwirtschaftliche“ ableiten lässt. Andere halten diese Argumentation für nicht zwingend. Unterschiedliche Positionen Insofern existieret keine einheitliche Meinung darüber, ob und inwieweit die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland Verfassungsrang hat oder nicht. Verschiedene Positionen konkurrieren auf dem „Meinungsmarkt“: Positionen zur grundgesetzlichen Verankerung der Sozialen Marktwirtschaft:  Wirtschaftsordnungsmäßige Neutralität des Grundgesetzes  Individuelle Freiheit und sozialverpflichtete Freiheitsbeschränkungen: → gemischte Wirtschaftsverfassung, die weder extrem marktwirtschaftlich noch extrem verwaltungswirtschaftlich ist, → soziale Marktwirtschaft kann, muss aber nicht zwingend sein.  Freiheitlicher und sozialer Rechtsstaat: → ausschließlich Soziale Marktwirtschaft. Neutralität: Die erste Position betont die Neutralität des Grundgesetzes gegenüber einer bestimmten Wirtschaftsordnung. Ein System der Marktwirtschaft lässt sich aus dem Grundgesetz nicht ableiten.

108

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Kann-Bestimmung: Die zweite Position sagt aus, dass die Wirtschaftsordnung der Marktwirtschaft aus dem Grundgesetz abgeleitet werden kann aber nicht muss. Muss-Bestimmung: Die dritte Position sieht eine ausschließliche und zwingende Herleitung aus dem Grundgesetz. Explizite Aussagen zur Wirtschaft enthält das Grundgesetz nicht. Dafür lassen sich andere Gesetze finden, die wirtschaftspolitisch geprägt sind und wichtige Bausteine in der Entwicklung Deutschlands seit den 50er Jahren bilden. Dazu gehören das „Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ aus dem Jahr 1963 und vor allem das „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ aus dem Jahr 1967.

8

Stabilitätsgesetz und magisches Viereck

Das Jahr 1963 war das letzte Amtsjahr von Konrad Adenauer als Bundeskanzler. Nach ihm übernahm Ludwig Erhard die Kanzlerschaft, um dann aber im Jahre 1966 von Kurt Georg Kiesinger und der Großen Koalition abgelöst zu werden. Diese erste Große Koalition von CDU/CSU und SPD auf Bundesebene hatte bis 1969 Bestand.

8.1

Der Sachverständigenrat

Wirtschaftspolitisch sind diese Jahre sehr interessant. Eine der letzten Amtshandlungen, die Adenauer durchführte, war die Einberufung eines Expertengremiums, das noch heute Bestand hat und allgemein unter dem Namen „Die fünf Weisen“ bekannt ist. Expertengremium: Politisch korrekt nennt sich diese Expertenkommission „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“. Der Sachverständigenrat besteht aus fünf von der Bundesregierung bestimmten Mitgliedern. Führendes Mitglied des damals neu gegründeten Gremiums war Herbert Giersch, der spätere Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Beeinflusst und geprägt war die Wirtschaftspolitik in den sechziger Jahren von der Lehre John Maynard Keynes. Sachverständigenrat  Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1963).  „Die fünf Weisen“: unabhängig und nichtstaatlich.  Für fünf Jahre auf Vorschlag der Regierung vom Bundespräsidenten berufen.  Periodische Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.  Jahresgutachten im Spätherbst; Stellungnahme der Bundesregierung im Januar durch den Jahreswirtschaftsbericht und Konkretisierung der wirtschaftspolitischen Ziele (Jahresprojektion mit Eckdaten). Jahresgutachten: Wie der Name sagt, besteht die Aufgabe des Sachverständigenrates in der Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Als Ergebnis dieser periodischen Begutachtung stellen die fünf Weisen im Spätherbst eines jeden Jahres ihr Jahresgutachten vor. Im Herbst des Jahres 2009 beispielsweise stand das Jahresgutachten unter dem Titel „Die Zukunft nicht aufs Spiel setzen“. 58 58

Jahresgutachten des Sachverständigenrates vom 13.11.2009

110

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Die Bundesregierung nimmt schließlich die Analyse und Empfehlungen des Sachverständigenrates auf – oder auch nicht – und gibt ihrerseits im Januar eine Stellungnahme durch den Jahreswirtschaftsbericht ab. Stabilitätsgesetz: Dieses Gremium hatte sicherlich auch nicht unerheblichen Anteil an einem weiteren wirtschaftspolitisch sehr bedeutenden Ereignis, nämlich der Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes im Jahr 1967 unter Wirtschaftsminister Karl Schiller. Die erste Nachkriegsrezession in den Jahren 1966/67 hatte ihre Spuren hinterlassen, so dass man sich mit dem „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ staatlich verordnete Verbesserung versprach. Globalsteuerung: Ideologisch konsequent verfolgten sowohl die maßgeblichen wissenschaftlichen Experten des Sachverständigenrats als auch die politischen Führer wie der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Karl Schiller die Lehre von der keynsianischen Globalsteuerung. Man war beseelt vom Machbarkeitsglauben der Steuerung der Wirtschaft durch die Politik. Mit geeigneten Maßnahmen sollte es möglich sein, die Konjunktur in die gewünschte Richtung zu steuern. Wenn die Wirtschaft oder die Konsumenten zu schwach „auf den Beinen“ waren, um genügend Investitionen und Konsum zu tätigen, stand der Staat parat, um mit seiner Nachfragemacht das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln. Ölpreiskrise: Wie allem überheblichem und gleichzeitig naivem Machbarkeitsglauben erging es auch diesem keynsianisch initiierten Machbarkeitswahn – er scheiterte. Er scheiterte sogar ziemlich schnell, nämlich Mitte der 70er Jahre. Wesentlichen Anteil am Scheitern konnte auch einer exogenen Ursache zugesprochen werden – der Ölpreisentwicklung. Die Ölpreiskrise zwang 1973/74 die Wirtschaft in die Knie. Wirtschaftswissenschaftler charakterisieren diese Krise als Angebotsschock. Ein Angebotsschock war es, weil sich durch den starken Preisanstieg des Öls der Produktionsprozess verteuerte … und somit die Kosten stiegen und sich das Güterangebot insgesamt verteuerte. Strategie der Politik? Die Antwort auf die Frage, wie nun ein Angebotsschock wirtschaftspolitisch am besten zu bekämpfen wäre, schien auch hier wieder einfach. Ein radikaler Kurswechsel von der nachfrageorientierten zur angebotsorientierten Wirtschaftspolitik schien vonnöten. Statt kurzfristiger nachfrageorientierter Strohfeuereffekte beschwor man die mittel- und langfristige Finanz- und Geldpolitik, begleitet durch Maßnahmen wie Steuerentlastung, Deregulierung der Märkte, Subventionsabbau und Sozialausgabenkürzung. Die wirtschaftspolitische Praxis war eine andere. Während die Deutsche Bundesbank ihre Geldmengenpolitik auf Anraten des Sachverständigenrates tatsächlich in eine langfristige, am Geldmengenziel ausgerichtete (monetaristische) Politik, umwidmete, verfolgte die Regierung weiterhin eine Staatspolitik durch Staatsausgabenerhöhung und Umverteilung, mit der Folge, dass das Wirtschaftswachstum immer mehr abflachte.

8

Stabilitätsgesetz und magisches Viereck

111

In der heutigen Zeit – je nach aktueller Lage geht die Wirtschaft zurück, stagniert, wächst, befindet sich im Umbruch und muss sich neu erfinden – ist Bedenken und teils auch Einsicht festzustellen. Die Regierung versucht Reformen durchzusetzen und die Wirtschaftswissenschaftler bemühen sich dem Dilemma – entweder den Nachfragetheoretikern oder den Angebotstheoretikern anzugehören – zu entrinnen, indem sie weniger ideologisch und mehr pragmatisch vorgehen. Die fünf Weisen Dies zeigt sich auch in der aktuellen Besetzung des Sachverständigenrates. Zum einen ist erstmals in der über 45jährigen Geschichte eine Frau, die Außenwirtschaftsexpertin Beatrice Weder di Mauro, in das Gremium berufen worden, der auch weniger Ideologie und mehr Pragmatismus nachgesagt wird. Wenn sich die anderen Mitglieder, Peter Bofinger, Wolfgang Franz, Wolfgang Wiegard und Christoph Schmidt, überhaupt charakterisieren lassen, könnte man Bofinger tendenziell zu den Keynsianern und Franz zu den Vertretern einer angebotsorientierten Politik zählen. Besetzung des Sachverständigenrates (2010)     

8.2

Peter Bofinger Wolfgang Franz Christoph M. Schmidt Beatrice Weder di Mauro Wolfgang Wiegard

Stabilitätsgesetz und magisches Viereck

Neben der Einberufung des Sachverständigenrates im Jahre 1963 war die Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes das wirtschaftspolitische „event“ der damaligen Zeit. Das Stabilitätsgesetz wurde 1967 von der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger und Wirtschaftsminister Karl Schiller beschlossen. Im vollen Wortlaut nennt sich das Stabilitätsgesetz „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“. Stabilitätsgesetz (StabG)  Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ (1967) In §1 des Stabilitätsgesetzes ist zu lesen: „Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu

112

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenen Wirtschaftswachstum beitragen.“ (StabG §1) 8.2.1

Das magische Viereck

Die vier formulierten Zielsetzungen der Preisniveaustabilität, des hohen Beschäftigungsstandes, des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts und des Wirtschaftswachstums sind auch einprägsam unter dem Begriff des magischen Vierecks bekannt. Ob sich die Bezeichnung „magisches Viereck“ darauf bezieht, dass diese vier Zielsetzungen wichtig und entscheidend für eine Volkswirtschaft sind oder eher darauf, dass es der Magie bedarf, diese vier Zielsetzungen gleichzeitig zu erfüllen, mag dahin gestellt sein. Stabilität des Preisniveaus

hoher Beschäftigungsstand

Magisches Viereck

stetiges und angemessenes Wachstum

außenwirtschaftliches Gleichgewicht Abbildung 1.22: Magisches Viereck der Wirtschaftspolitik. 59 Mit den im Stabilitätsgesetz und im magischen Viereck positiv formulierten Ziele korrespondieren entsprechende Probleme, so dass sich die vier Zielsetzungen auch im Sinne der Vermeidung von Problemen formulieren lassen.  Stabilität des Preisniveaus: → Vermeidung von Inflation  hoher Beschäftigungsstand: → Vermeidung von Arbeitslosigkeit  stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum:

→ Vermeidung von Stagnation und Rezession

 außenwirtschaftliches Gleichgewicht:

→ Vermeidung von Außenhandelsdefiziten

Preisniveaustabilität und hoher Beschäftigungsstand: Aus heutiger Sicht wundert es, dass die Zielsetzung der Preisniveaustabilität vor dem Ziel des hohen 59

Eine ausführliche Behandlung der Themen erfolgt in Band III.

8

Stabilitätsgesetz und magisches Viereck

113

Beschäftigungsstandes genannt wird (vgl. § 1 StabG), wo doch die Arbeitslosigkeit als das gewichtigere Grundproblem der Wirtschaft und der Gesellschaft betrachtet wird. Zu bedenken ist hierbei, dass in den 60er Jahren Arbeitslosigkeit keine große Rolle gespielt hat. Es gab zwar erste Anzeichen von Schwäche, sonst hätte man das Stabilitätsgesetz nicht beschlossen. Aber Deutschland zehrte noch vom Nimbus des Wirtschaftswunderlandes. Was damals eher noch in Erinnerung haftete, war das unheilvolle Gespenst des Geldverlustes (Geld war nichts mehr wert) zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die Bekämpfung der Inflation eine vordringliche Aufgabe. Dies mag mit eine Rolle gespielt haben, dass der Inflationsbekämpfung zumindest in der Reihenfolge der Nennung Vorrang vor der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit gegeben wurde. In Abbildung 1.23 sind die aktuellen Daten der vier gesamtwirtschaftlichen Ziele für Deutschland aufgeführt. Preisniveaustabilität Inflationsrate [Prozent] 1,6 2,3 2,6

0,3

1,2

2006 2007 2008 2009 Beschäftigung Arbeitslosenquote [Prozent] 10,8 9,0 7,8 8,2

2010

2006

2010

2007

2008

2009

9,4

Wirtschaftswachstum Wachstumsrate BIP real [Prozent] 3,0 2,5 1,3 - 5,0 1,6

2006 2007 2008 2009 2010 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht Leistungsbilanz [Mrd. Euro] 114 181 163 120 130

2006

2007

2008

2009

2010

*Die Werte für die Jahre 2009 und 2010 beruhen auf Schätzungen bzw. Prognosen!

Abbildung 1.23: Daten des Magischen Vierecks. [Quelle: Jahresgutachten 2009 des Sachverständigenrates und Deutsche Bundesbank] 8.2.1.1 Stabilität des Preisniveaus Inflation: Warum besteht Interesse an einem stabilen Preisniveau oder anders gefragt, warum kann ein steigendes und eventuell auch ein sinkendes Preisniveau in einer Wirtschaft zu Problemen führen? Ein steigendes Preisniveau (Inflation) bedeutet, dass Waren und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft teurer werden

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

114

und wenn Güter teurer werden und wir keinen Ausgleich durch ein höheres Einkommen erhalten, können wir uns weniger leisten. Somit nimmt die Kraft zu kaufen ab. Wir erleiden einen Kaufkraftverlust und werden ärmer. Die Tatsache, dass Güter immer teurer werden und wir einen Kaufkraftverlust erleiden, kann auch spiegelbildlich darin gesehen werden, dass das Geld, das wir brauchen um Güter zu kaufen, immer weniger wert wird. Man spricht von Geldentwertung. Geldentwertung und Kaufkraftverlust sind die beiden Seiten der „Inflationsmedaille“. Inflation mit der Folge der Geldentwertung und des Kaufkraftverlustes bedeutet Wert- und Wohlstandsverlust bis hin zu Armut und Existenzbedrohung. Inflation = Preisniveauanstieg: Güter werden teurer  

Geldentwertung: → Geld wird weniger wert. Kaufkraftverlust: → Wir können weniger kaufen.

Inflationsrate: Gemessen wird die Entwicklung der Güterpreise anhand der Inflationsrate und seit Februar 2000 speziell anhand des Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI). Der Verbraucherpreisindex beinhaltet die Preise der Güter, die wir „Normalbürger“ üblicherweise kaufen. Neben den Verbraucherpreisen existieren beispielsweise auch Preise für Investitionsgüter der Unternehmen. Diese interessieren im Verbraucherpreisindex als Preisindex für die Lebenshaltung jedoch nicht. Referenzwert: „Zuständig“ für die Preisniveauentwicklung ist die Zentralbank, da die Geldmengenentwicklung eine entscheidende Rolle für eventuelle inflationäre Tendenzen spielt. Nach der Vorgabe der Europäischen Zentralbank dürfen die Verbraucherpreise im europäischen Währungsraum nicht mehr als 2 Prozent pro Jahr (Referenzwert nach dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex HVPI) ansteigen. Wenn bisher also Waren 1.000 € gekosten haben, dürfen diese 1 Jahr später im Schnitt höchstens 1.020 € kosten. Liegt die Preissteigerung über diesem Wert, wird das als problematisch angesehen und das Ziel der Preisniveaustabilität gilt als verletzt. 8.2.1.2 Hoher Beschäftigungsstand Hoher Beschäftigungsstand bedeutet, dass möglichst viele Menschen in Beschäftigung sind und möglichst wenig Menschen arbeitslos sind. Arbeitslosigkeit wird sowohl für den Einzelnen als auch für ein Wirtschaftssystem und die Gesellschaft insgesamt als Bedrohung empfunden. John Maynard Keynes warnte, dass Arbeitslosigkeit eine Gesellschaft ruinieren könne – wie dann auch nach der Weltwirtschaftskrise und der Massenarbeitslosigkeit durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Dritten Reich geschehen.

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Stabilitätsgesetz und magisches Viereck

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Teufelskreislauf Arbeitslosigkeit: Auch unsere derzeitige Lage, die durch eine mäßige Wirtschaftskraft und eine massive Bedrohung der Sozialsysteme geprägt ist, wird auf das Hauptproblem der Arbeitslosigkeit zurückgeführt. Viele Arbeitslose belasten die Sozialsysteme. Deshalb steigen die Sozialabgaben, was wiederum dazu führt, dass Arbeit durch höhere Lohnnebenkosten teurer wird und deshalb noch mehr Menschen entlassen werden – ein fataler Teufelskreislauf. Für den Einzelnen kann Arbeitslosigkeit einen finanziellen Abstieg bedeuten oder zumindest Einschränkungen mit sich bringen. Existentielle Not bedeutet Arbeitslosigkeit nicht, da eine Absicherung durch Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe besteht. Neben den finanziellen Aspekten bedeutet unfreiwillige Arbeitslosigkeit durch das Nichtgebrauchtwerden und den Zwangsausschluss aus dem allgemeinen Wirtschafts- und Gesellschaftsleben vor allem Ausgrenzung und Verlust der Menschenwürde. Arbeitslosenquote: Zurzeit (Stand 2010) sind in Deutschland rund 4 Millionen Menschen arbeitslos. Das entspricht einer Quote von zirka 9,5 Prozent für Gesamtdeutschland. Gemessen wird die Arbeitslosigkeit durch das Verhältnis von registrierten Arbeitslosen zu den abhängigen Erwerbspersonen (abhängige Erwerbstätige + registrierte Arbeitslose). registrierte Arbeitslose Arbeitslosenquote = abhängige Erwerbstätige + registrierte Arbeitslose abhängige Erwerbspersonen Verdeckte Arbeitslosigkeit und Stille Reserve: Die Definition der Arbeitslosenquote zeigt, dass nur die Menschen als arbeitslos erfasst werden, die sich beim Arbeitsamt arbeitslos melden und auch als arbeitslos registriert werden. Insofern muss man davon ausgehen, dass es weit mehr Arbeitslose gibt als offiziell angegeben. Zum einen existiert eine beachtliche Zahl von Arbeitssuchenden, die jedoch nicht als solche registriert werden, weil sie sich zum Beispiel in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder in einer Weiterbildung befinden. Neben dieser „verdeckten Arbeitslosigkeit“ gibt es noch die sogenannte „Stille Reserve“. Hierzu gehören Personen, die sich nicht arbeitslos melden, obwohl sie arbeitslos sind und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen könnten. Dieses potentielle Arbeitskräftereservoir wird auf rund eins bis drei Millionen Menschen geschätzt. Auf der anderen Seite mag es auch Personen geben, die sich arbeitslos melden, obwohl sie faktisch keine Arbeit suchen. Vollbeschäftigung und natürliche Arbeitslosigkeit: Im Stabilitätsgesetz findet sich die Zielformulierung des hohen Beschäftigungsstandes. Warum aber wird dieses arbeitsmarktpolitische Ziel nicht als Vollbeschäftigung definiert? In vielen Literaturquellen wird nämlich neben der Zielformulierung des hohen Beschäftigungsstandes auch die Zielsetzung der Vollbeschäftigung thematisiert. Allerdings existieren hier Meinungsunterschiede.

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Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Während die einen Vollbeschäftigung bei einer Arbeitslosenquote von null Prozent sehen, weisen andere darauf hin, dass es immer einen „Bodensatz“ von Arbeitslosen gibt und geben muss (Sucharbeits- oder Wechselarbeitslosigkeit) und diese sogenannte „natürliche Arbeitslosigkeit“ einen Wert von bis zu drei Prozent annehmen kann. Vollbeschäftigung in diesem Sinne wäre also bei einer Arbeitslosenquote von drei Prozent erreicht. 8.2.1.3 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht Exportrekorde und Exportüberschüsse: Die Zielsetzung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts zu verstehen macht Schwierigkeiten. Betrachtet man nämlich die Handelsbeziehungen Deutschlands mit dem Ausland, erwirtschaftet Deutschland große Exportüberschüsse, führt also wertmäßig mehr Güter aus (Export) als es Güter nach Deutschland einführt (Import). In der Terminologie der Volkswirtschaftslehre spricht man von einem positiven Außenbeitrag als Saldo der Handelsund Dienstleistungsbilanz (Export und Import von Waren und Dienstleistungen). Zudem kann sich Deutschland immer wieder stolz zu den Exportweltmeistern zählen, hat also das höchste Exportvolumen aller Staaten. Doch dann stellt sich die Frage, was die Zielsetzung eines außenwirtschaftlichen Gleichgewichts im Angesicht von Überschüssen und Rekorden zu bedeuten hat. Die Frage ist berechtigt und die Antwort sucht man auch hier in den zeitlichen Umständen der 60er Jahre, als die Zielsetzung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts in das Stabilitätsgesetz aufgenommen wurde. Währungssysteme: Damals in den sechziger Jahren galt nämlich noch das System fester Wechselkurse nationaler Währungen gegenüber dem Dollar, das als Bretton-Woods-System nach dem Zweiten Weltkrieg für die westliche Welt beschlossen worden war. Und wenn man weiß, dass Währungs- und Wechselkurssysteme sehr labil sein können, ist diese Zielsetzung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts berechtigt. Denn es bedeutet, dass jedes Land Sorge dafür zu tragen hat, dass internationale Wirtschaftsbeziehungen, seien es Handels-, Kapitaloder Devisenaustausche, stabil und einigermaßen im Gleichgewicht zu halten sind. Dass außenwirtschaftliche Stabilität zumindest im Sinne der währungspolitischen Stabilität nicht selbstverständlich ist, zeigt das Ende des damaligen Währungssystems selbst. Denn nur einige Jahre später im Jahr 1973 war das BrettonWoods-System gescheitert. Außenwirtschaftliches Gleichgewicht  generell: Freier und ausgeglichener Welthandel und stabile Währungssysteme  speziell: Ausgeglichene Leistungsbilanz Währungspolitische Überlegungen spielen im Moment für Deutschland – zumal nach der Einführung der gemeinsamen Euro-Währung – im Hinblick auf das au-

8

Stabilitätsgesetz und magisches Viereck

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ßenwirtschaftliche Gleichgewicht nicht mehr die Rolle wie damals. Das heißt aber nicht, dass außenwirtschaftliche Stabilität kein Thema mehr ist. Der Streit Europas und der USA mit China wegen dessen rigider Währungspolitik – China hält den Wert des Yuan niedrig, um seine Exporte zu erleichtern und Importe zu behindern – zeigt, dass außenwirtschaftliche Stabilität weiterhin Thema ist. Im Mittelpunkt des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts steht letztlich die realwirtschaftliche Seite. Zielsetzung im Allgemeinen ist ein freier und ausgeglichener Welthandel. Zielsetzung im Speziellen ist eine ausgeglichene Leistungsbilanz, die den außenwirtschaftlichen Handel mit Waren und Dienstleistungen darstellt. Selbstverständlich sind einem Land Überschüsse lieber als Defizite, doch auch Überschüsse haben ihre Nachteile. Sie führen zu einem Aufwertungsdruck der heimischen Währung, was sich wieder nachteilig auf die Exporte auswirkt. Und ein hohes Exportvolumen kann sehr abhängig vom Ausland machen, was sich in der großen Wirtschaftskrise von 2009 besonders auch für Deutschland negativ bemerkbar gemacht hat. 8.2.1.4 Stetiges und angemessenes Wachstum Die Zielformulierung des Wachstums ist sehr interessant, zeigt sie doch, wie sich eine gesellschaftliche Einstellung zu einer Zielsetzung stark wandeln kann. Während nämlich in den 70er Jahren eine laute Wachstumskritik, ja sogar ein Infragestellen von Wachstum überhaupt, zu vernehmen war, sind diese Äußerungen heutzutage stark in den Hintergrund geraten. Wohlstand: Denn zu geringes Wachstum wird als Problem gesehen. Denn weniger Wachstum bedeutet weniger Wohlstand und führt letztlich dazu, dass wir ärmer werden. Und wenn weniger Güter produziert werden, kann weniger verteilt werden und dann müssen sogar Institutionen wie zum Beispiel Kirchen und Wohlfahrtsorganisationen mit geringeren Einnahmen auskommen und ihre Dienste einschränken und eventuell Personal entlassen. Mangelndes Wachstum gefährdet in höchstem Maße unser Wirtschafts- und Sozialsystem, welches fundamental auf Wachstum baut. Der Begründer der Sozialen Marktwirtschaft, Alfred MüllerArmack, beschwor in den 50er Jahren Wachstum als die entscheidende Basis für das Gelingen der Wirtschaft und für die Erreichung all der anderen Ziele. Wachstum  Zunahme des Bruttoinlandsproduktes (BIP) Messung: Prozentuale Veränderung des Bruttoinlandsproduktes gegenüber dem Vorjahr. Ein Wachstum von z. B. 3 % bedeutet, dass der Wert aller Güter um drei Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen hat. Definition: Wachstum bedeutet, dass mehr Waren produziert und Dienstleistungen angeboten werden. Gemessen wird es durch die prozentuale Veränderung des

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Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorjahr. Das Bruttoinlandsprodukt definiert sich als Wert aller Güter, der in einem Jahr im Inland erwirtschaftet wird. Während nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland Wachstumsraten von über zehn Prozent zu verzeichnen waren, haben diese Raten ständig abgenommen, wenn sie auch weiterhin positiv waren. Das heißt, es gab ein Wirtschaftswachstum, aber die Zunahme fiel immer geringer aus. Dass ein Land in der Aufbauphase oftmals höhere Wachstumsraten vorweist, kann durch den – von einer niedrigeren Basis aus startenden – Aufholeffekt erklärt werden. Heute muss Deutschland auf einem hohen Leistungsstand mit dem „Stottern des Motors“ zurechtkommen und aufpassen, dass es nicht abfällt. Denn ein Land ohne Wachstum verhält sich wie ein Fahrrad ohne Bewegung – es fällt um. Stetig und angemessen: Zu klären ist noch, warum Wirtschaftswachstum stetig und angemessen sein soll. Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass der Verlauf einer Wirtschaft meist in Schwankungen (Konjunkturzyklen) verläuft. Zu große Schwankungen will man aber vermeiden, da das ein planbares und verlässliches Wirtschaften erschwert und zu Beschäftigungsproblemen führen könnte. Angemessen meint, dass neben einem zu geringen Wachstum auch ein überhöhtes Wachstum negativ sein kann, da ein überhitztes Wachstum zu Lieferengpässen, Preissteigerungen, Arbeitskräftemangel etc. führen kann. Lieber ein stetiges und angemessenes Wachstum als ein überhitztes strohfeuerartiges Wachstum! 8.2.2

Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes

a) Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes Wenn die Politik Wirtschaft lenken und gestalten will, braucht sie ein Instrumentarium, dessen sie sich bedienen kann. Im Rahmen des Stabilitätsgesetzes wurden deshalb nicht nur wirtschaftspolitische Ziele festgelegt, sondern auch Instrumentarien definiert, anhand derer die Ziele erfüllt werden sollten. Ablaufpolitisches Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes:  Konjunkturausgleichsrücklage: „Sparkonto“ bei der Zentralbank  Erhöhung beziehungsweise Herabsetzung der Einkommens- und Körperschaftsteuer für maximal 1 Jahr bis zu 10% (Konjunkturaugleichsrücklage).  Kreditfinanzierung zusätzlicher öffentlicher Ausgaben (deficit spending); Beschränkung der Kreditaufnahme (Schuldendeckelung) auf 80 Prozent des Durchschnitts der letzen fünf Jahre.  Gewährung von Investitionsprämien und -zulagen.  Gewährung von Abschreibungsmöglichkeiten.  Beschleunigung oder Zurückstellen von Investitionen.  Verschiebung des Vollzugs öffentlicher Maßnahmen.  Anpassung der Steuervorauszahlungen bei Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer.

8

Stabilitätsgesetz und magisches Viereck

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b) Institutionelle Regelungen des Stabilitätsgesetzes Neben der Festlegung des Instrumentariums wurden institutionelle Regelungen im Stabilitätsgesetz verankert. Dazu gehören die mittelfristige Finanzplanung, der Konjunkturrat und die Konzertierte Aktion. Mittelfristige Finanzplanung (§ 9 StabG): 5-Jahres-Plan -

Grundlage für die Haushaltswirtschaft des Bundes Rollende und überlappende Planung Indirekte Planung: keine Vollzugsverbindlichkeit Orientierungsfunktion: Vorstellungen der Regierung

Konjunkturrat für die öffentliche Hand (§ 18 StabG) -

Gremium der Bundesregierung: Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsminister sowie Vertreter von Länder und Gemeinden Bewertung konjunkturpolitischer Maßnahmen hinsichtlich der Erreichung der gesamtwirtschaftlichen Ziele Nur Aussprache von Empfehlungen

Konzertierte Aktion: -

8.2.3

Institutionalisierte Gesprächsrunde zwischen Bund und Sozialpartnern (Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften) später gescheitert („Neuauflage“ als ‚Bündnis für Arbeit‘ in den 90er Jahren)

Kritik am Stabilitätsgesetz

Die im Stabilitätsgesetz beschlossenen Maßnahmen sind umstritten. Generell werden die Maßnahmen als zu keynsianisch, ablaufpolitisch und antizyklisch kritisiert. Konkret sind folgende Vorwände anzubringen: Strohfeuereffekte: Konjunkturspritzen und Beschäftigungsprogramme erzeugen oft nur Strohfeuereffekte: Kurze helle Wirkung, die aber schnell verpufft und langfristig die Probleme nicht löst. Strukturelle Probleme: Viele Probleme sind struktureller Art (Überregulierung, ineffizientes Steuersystem) und nicht konjunktureller Art (mangelndes Wachstum). In diesem Fall erweist sich die ablaufpolitische Politik keynsianischer Prägung als wirkungslos, ja evtl. sogar als schädlich. Politische Legitimation: Antizyklische Politik sollte nicht nur bedeuten, dass in wirtschaftlichen Schwächephasen mehr Geld staatlicherseits zur Ankurbelung der Wirtschaft ausgegeben wird, sondern dass auch in Boomzeiten Geld auf die Seite gelegt wird. Wenn Politiker (wieder-)gewählt werden wollen, ist der Anreiz nicht unerheblich, auch in boomenden Wirtschaftsphasen das Geld lieber für öffentlichkeitswirksame Projekte auszugeben, statt unspektakulär Sparanlagen zu tätigen.

120

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

Maßnahmenasymmetrie: Im Übrigen erfahren unabhängig von der politischen Legitimation die expansiven Maßnahmen (Staatsausgaben) im Gesetz ein deutlich stärkeres Gewicht als die kontraktiven Maßnahmen (Sparen). Man spricht von einer Asymmetrie zwischen expansiven und kontraktiven Maßnahmen. Zeitverzögerungen (lags): Zu guter Letzt werden bezüglich der antizyklischen Maßnahmen Probleme durch Zeitverzögerungen konstatiert. Bis das Problem erkannt ist, die Maßnahmen durchgeführt wurden und die Wirkung einsetzen sollte, kann sich das Szenario ins Gegenteil verkehrt haben. Man beschreibt dementsprechend die Lücken als Erkennungs-, Handlungs- und Wirkungslag.

8.3

Das magische Sechseck

Seit Inkrafttreten des Stabilitätsgesetzes sind über 40 Jahre vergangen. Da bestimmte wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen Gesetze und Zielsetzungen prägen, lassen sich im Zeitablauf auch immer wieder Änderungen feststellen. Viele wirtschaftspolitischen Probleme und Ziele sind gleich geblieben, andere haben sich verschärft oder sind weniger dringend geworden und neue Themenfelder sind dazugekommen. Die Zielsetzungen des Stabilitätsgesetzes beziehungsweise des magischen Vierecks sind unverändert, wurden jedoch zwischenzeitlich erweitert, zwar ohne gesetzliche Verankerung, aber akzeptiert als legitime Ziele. Es handelt sich um die Ziele der gerechten Einkommens- und Vermögensverteilung sowie des ökologischen Gleichgewichts. Im Hinblick auf nun insgesamt sechs Zielsetzungen spricht man vom „Magischen Sechseck“.

Preisniveaustabilität hoher Beschäftigungsstand

angemessenes und stetiges Wachstum Magisches Sechseck

gerechte Einkommensund Vermögensverteilung

außenwirtschaftliches Gleichgewicht ökologisches Gleichgewicht

Abbildung 1.24 Magisches Sechseck der Wirtschaftspolitik. 8.3.1

Verteilungsgerechtigkeit

Verteilungsgerechtigkeit: Das Thema Einkommens- und Vermögensverteilung wird meist unter der Perspektive der Verteilungsgerechtigkeit diskutiert. Viele Menschen sehen sich Ungleichheit ausgesetzt – Ungleichheit an Startchancen, Fähigkeiten, Güterbesitz und Einkommen. Inwieweit diese Ungleichheit gerecht

8

Stabilitätsgesetz und magisches Viereck

121

oder ungerecht, effizient oder ineffizient, gottgegeben, schicksalhaft oder Menschenwerk ist, ist Gegenstand heftiger Debatten. Gerechtigkeitstheorien – angefangen von der Idee der Gleichheit bis hin zur Selektionstheorie, die das Recht des Stärkeren proklamiert – konkurrieren um den Wahrheitsanspruch und die politische Durchsetzung. Auch heute in der aktuellen politischen Diskussion werden zunehmende Ungleichheit und Auswüchse bemängelt. In Zeiten, wo Gehaltseinbußen, Abgabensteigerungen und Kaufkraftverlust zunehmen, werden millionenschwere Gehälter und Abfindungen in den „Chefetagen“ als zumindest unanständig und nicht mehr marktkonform empfunden. Lohn- und Gewinnquote: Eine gängige Größe, um die Verteilung zwischen Arbeitnehmer- und Unternehmereinkommen zu vergleichen, ist die Lohn- und Gewinnquote. Während die Lohnquote den Anteil der Arbeitnehmer (Einkommen aus unselbstständiger Arbeit) am Gesamteinkommen misst, zeigt die Gewinnquote den Anteil der Unternehmereinkommen (Einkommen aus selbstständiger Arbeit und Vermögenseinkommen) am Gesamteinkommen. Das Verhältnis von Arbeitnehmer- zu Unternehmereinkommen beträgt in Deutschland rund 70 zu 30 Prozent und hat sich in den letzten Jahren zu Ungunsten der Arbeitnehmer leicht verschlechtert. Verteilungsgerechtigkeit  gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung  Gerechtigkeitsphilosophien  Verteilungsmaße, z. B. Lohn- und Gewinnquote

8.3.2

Ökologisches Gleichgewicht

Inwieweit das Thema Umwelt ein Thema ist, hängt vor allem von zwei Faktoren ab. Zum einen ist entscheidend, ob es Umweltprobleme und -katastrophen gibt, die besonders auch medial unseren Sinn für das Thema Schöpfung sensibilisieren. Man denke an Öltankerunglücke und sterbende Seerobben, das Abschlachten und Verenden zigtausender Rinder und Millionen von Geflügel oder an überflutete und von Hurrikans verwüstete Landstriche. Zum anderen hängt das ökologische Bewusstsein auch davon ab, inwieweit die materiellen Bedürfnisse gestillt sind. Jemand der am verhungern ist, wird sich weniger Gedanken über das Abholzen der Regenwälder im Amazonasgebiet machen, als ein gesättigter Wohlstandsbürger. Man muss es sich leisten können „öko“ zu sein. Exemplarisch greifen wir im Folgenden zwei wichtige Umweltthemen heraus, nämlich die Nachhaltigkeit und den Handel mit Umweltzertifikaten.

Modul 1.1: Einführung in die Volkswirtschaftslehre

122

Ökologisches Gleichgewicht  Schutz der Umwelt, Schonung der Ressourcen und Bewahrung der Schöpfung  

Nachhaltigkeitsgrundsatz Maßnahmen: z. B. Handel mit Umweltzertifikaten (Emissionsrechte)

Agenda 21 und Nachhaltigkeit: Das Nachhaltigkeitsprinzip wurde 1992 auf der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro im Rahmen der Agenda 21 als das Prinzip der Umweltpolitik in die wirtschaftspolitische Diskussion eingebracht und hat seitdem einen wahren Siegeszug (zumindest was den Begriff anbelangt) bei uns in Deutschland angetreten. Nachhaltigkeit bedeutet beispielhaft, dass man der Natur nicht mehr nachwachsbare Rohstoffe entnehmen darf, wie die Natur in der Lage ist diese wiederherzustellen. Wenn also Indianer tatsächlich nur immer so viele Bisons erlegt haben, wie der Bestand in der Lage war, sich zu regenerieren, haben diese das Nachhaltigkeitsprinzip beachtet. Umweltzertifikate: Die Reduzierung der Treibhausgase (besonders CO2) war Thema auf der Konferenz von Kyoto im Jahre 1997. Als eine wichtige Maßnahme wurde der Handel mit Umweltzertifikaten beschlossen. Dieser Handel mit Emissionsrechten ist eine äußerst spannende Sache, wird doch hier versucht, die scheinbar gegensätzlichen Ziele der Ökonomie (ohne Filter sind die Kosten geringer, aber die Umwelt wird mehr belastet) und der Ökologie (mit Filter wird die Umwelt geschont, aber die Kosten steigen) miteinander zu vereinen. Die Wirtschaft insgesamt muss eine bestimmte Menge an Schadstoffausstoß reduzieren, wobei die Unternehmen untereinander „ausmachen“ können, wer reduziert und wer nicht. Diese „Abmachung“ geschieht marktwirtschaftlich, indem von der Politik zugeteilte Umweltlizenzen – also das Recht auf Umweltverschmutzung – verkauft und gekauft werden können. Diese Regelung führt dazu, dass ökologische Maßnahmen zuerst da durchgeführt werden, wo die Reduzierung der Umweltverschmutzung am billigsten ist. Anhand eines sehr vereinfachten Falles soll das Konzept dieses Zertifikatenhandels erläutert werden. Zwei Firmen bekommen Umweltschutzauflagen, die darin bestehen, eine bestimmte Schadstoffmenge zu reduzieren. Im ersten Fall müssen beide Firmen jeweils 50 Tonnen reduzieren, insgesamt also 100 Tonnen. Im zweiten Fall müssen die Firmen ebenfalls insgesamt 100 Tonnen reduzieren, wobei es ihnen überlassen bleibt, wie die Firmen die Reduktion bewerkstelligen. Geregelt wird diese Vorgehensweise über die Einführung der eben angesprochenen Verschmutzungsrechte. Durch den Zertifikatenhandel wird das umweltpolitische Ziel der Schadstoffreduzierung (Vorgabe durch den Staat) erreicht, wobei die Firmen diese Vorgabe so

8

Stabilitätsgesetz und magisches Viereck

123

umsetzen können, dass dies mit möglichst geringen Kosten geschieht (Minimalprinzip!). Im Beispielsfall erfolgt die Gesamtreduzierung um 100 Tonnen, wobei die Gesamtkosten für die Wirtschaft 2 Millionen Euro betragen. Gegenüber der Ausgangssituation ohne Zertifikatenhandel ist eine Kostenersparnis von 1 Million Euro zu realisieren. Firma A Firma B Wirtschaft Vorgabe: Schadstoffreduzierung von 50 Tonnen für jede Firma! Reduzierung 50 Tonnen 50 Tonnen 100 Tonnen Kosten der Redu2 Mio. Euro 1 Mio. Euro 3 Mio. Euro zierung Einführung des Zertifikatenhandels: Vorgabe: Schadstoffreduzierung von 50 Tonnen für jede Firma, allerdings mit der Möglichkeit, Verschmutzungsrechte zu kaufen und zu verkaufen. VerschmutzungsA kauft von B B verkauft an A 0 Euro rechte 50 T für 1,5 Mio. 50 T für 1,5 Mio. Euro Euro Kosten Handel 1,5 Mio. Euro 1,5 Mio. Euro 0 Euro (Erlös!) Kosten Reduzie2 Mio Euro 2 Mio. Euro rung Kosten gesamt 1,5 Mio. Euro 0,5 Mio. Euro 2 Mio. Euro Ersparnis 0,5 Mio. Euro 0,5 Mio. Euro 1 Mio. Euro Haushaltskonsolidierung: Eine Zielsetzung wurde bisher noch nicht angesprochen, die aber leider immer mehr an Dringlichkeit erfährt und im Rahmen von Gutachten und Lageeinschätzungen meistens ihren Platz findet. Es handelt sich um die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und das vor dem Hintergrund einer zunehmenden Staatsverschuldung und zu hohen Neuverschuldung (Haushaltsdefizit) und der damit verbundenen Verletzung des EU-Stabilitätspaktes. Ziel wäre also die finanzpolitische Konsolidierung und Stabilisierung eines Staates mittels eines ausgeglichenen Haushalts. Im Unterschied zu den bisherigen Zielen handelt es sich beim finanzpolitischen Ziel nicht um ein inhaltliches Ziel, sondern um ein instrumentelles. Ein ausgeglichener Staatshaushalt ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck der generellen Handlungsfähigkeit des Staates.

Modul 1.2 Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

9

Einführung in die Mikroökonomie

9.1

Definition von Mikroökonomie

Wie der Name „Mikro“ aussagt, handelt die Mikroökonomie vom „Kleinen“ in der Wirtschaft. Die kleinen Einheiten des wirtschaftlichen Handelns sind auf der einen Seite die Akteure, die etwas herstellen, handeln oder eine Dienstleistung anbieten, i. e. die Unternehmen, und auf der anderen Seite die Akteure, die etwas kaufen und ein Produkt oder eine Dienstleistung nachfragen, i. e. die privaten Haushalte. Unternehmen: Produzenten oder Anbieter  Akteure, die etwas herstellen und verkaufen oder eine Dienstleistung anbieten.

Private Haushalte: Konsumenten oder Nachfrager  Akteure, die etwas nachfragen und kaufen. Die mikroökonomische Theorie befasst sich also mit den privaten Haushalten 60 und den Unternehmen als kleinste Einheiten der Wirtschaft und in Folge mit der Frage, wie diese privaten Haushalte und Unternehmen in der Wirtschaft agieren, wie sie handeln, was sie eigentlich wollen und welche Entscheidungen sie treffen. a) Entscheidungsverhalten auf der Nachfrageseite Um diese Aspekte noch mehr zu konkretisieren, könnte man folgende Leitfrage stellen:  Wovon machen private Haushalte ihre Nachfrage abhängig oder welche Faktoren bestimmen das Entscheidungsverhalten eines Nachfragers (Bestimmungsfaktoren der Nachfrage)?  Noch konkreter: Welche Faktoren spielen beispielsweise ein Rolle, wenn ich mir überlege, ob und was ich in der Mittagspause zum Essen kaufe oder ob dieses Jahr ein Urlaub ansteht oder nicht und wenn ja in welchem finanziellen Umfang? Da wird es darauf ankommen, wie teuer etwas ist, wie viel Geld zur Verfügung steht und welchen Nutzen man sich von etwas verspricht.

60

Bei den „privaten Haushalten“ spricht man auch oft nur von den „Haushalten“ im Wissen darum, dass im Kontext der Mikroökonomie die privaten Haushalte gemeint sind und nicht die öffentlichen Haushalte des Staates, die hier in der Mikroökonomie keine Rolle spielen.

128

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

b) Entscheidungsverhalten auf der Angebotsseite Analog wird auf der Angebotsseite geklärt:  Von welchen Faktoren machen die Unternehmen ihr Angebot abhängig – was sind also die Bestimmungsfaktoren des Angebots?  Noch konkreter: Welche Faktoren spielen eine Rolle, wenn ich mir als Pizzaverkäufer überlege, ob und wie ich ein Mittagessen anbiete oder als Reiseveranstalter mit Abenteuertouren für Touristen werbe? Das wird davon abhängen, welche Kosten mir das Anbieten verursacht, wie meine Wettbewerber agieren und welche Ziele ich mit meinem Unternehmen verfolge. Mikroökonomische Theorie Nachfrageseite

Angebotsseite

Private Haushalte  Konsumenten bzw. Nachfrager

Unternehmen  Produzenten bzw. Anbieter

Theorie der Haushalte  Wahl- und Entscheidungsverhalten der Nachfrager

Theorie der Unternehmen  Wahl- und Entscheidungsverhalten der Anbieter

Bestimmungsfaktoren der Nachfrage:

Bestimmungsfaktoren des Angebots:

   

Preis des nachgefragten Gutes Preise der anderen Güter Einkommen der Nachfrager Nutzenvorstellung der Nachfrager

 Kostensituation  Wettbewerbssituation bzw. Marktformen  Zielsetzungen: Gewinnmaximierung

Die Mikroökonomie kann nun wie folgt definiert werden: Definition von Mikroökonomie:  Die Mikroökonomie basiert auf einer einzelwirtschaftlichen Analyse, die das Wahl- und Entscheidungsverhalten von privaten Haushalten (Nachfrager beziehungsweise Konsumenten) und Unternehmen (Anbieter beziehungsweise Produzenten) beschreibt. Die Theorie der Haushalte beschreibt die Bestimmungsfaktoren der Nachfrage und die Theorie der Unternehmen die Bestimmungsfaktoren des Angebots.

9.2

Bedingungen der mikroökonomischen Analyse

Wie schon in den einleitenden Aussagen des ersten Kapitels dargelegt, handeln Menschen in der ökonomischen Welt vernünftig. Und das gilt für die mathematisch und formal streng geprägte Mikroökonomie erst recht. Nachfrager und An-

9

Einführung in die Mikroökonomie

129

bieter als Entscheidungstreffende sind rational. Irrational wäre es beispielsweise, wenn jemand für einen Fernsehapparat 490 Euro bezahlt, im Wissen darum, dass es den exakt identischen Apparat in der gleichen Verfügbarkeit für 450 Euro gäbe. Ein rationales Handeln im Hinblick auf eine bestimmte Zielsetzung – z. B. Erzielung eines höchstmöglichen Nutzens, indem ich ein bestimmtes Produkt möglichst günstig bekomme – setzt bestimmte Bedingungen voraus: Bedingungen für rationales Handeln:     

Homogenität der Güter: Keine persönlichen Präferenzen: Keine räumlichen Differenzen: Keine zeitlichen Differenzen: Transparenz:

Konstante Produkteigenschaften Objektive Entscheidungen Totale Mobilität Sofortige Anpassung Vollständige Information

1.) Vergleichbarkeit von Gütern Die erste Bedingung betrifft die Vergleichbarkeit von Gütern. Die Bedingung lautet, dass Güter als homogen betrachtet werden, das heißt konstante Produkteigenschaften besitzen. Im Vergleich von zwei Fernsehapparaten oder von zwei Schiffsreisen, ist davon auszugehen, dass diese homogen, sprich gleichartig und das heißt quasi identisch sind. 2.) Persönliche Präferenzen Die zweite Bedingung lautet, dass keine persönlichen Präferenzen bestehen dürfen. Kaufentscheidungen werden rational und nach objektiven Kriterien vorgenommen. Wenn zwei identische Produkte unterschiedlich teuer sind, wird man sich für das billigere Produkt entscheiden und nicht nach dem Aussehen des Verkaufspersonals auswählen. 3.) Räumliche Unterschiede Die dritte Bedingung besteht darin, dass es keine Unterschiede in der räumlichen Erreichbarkeit gibt. Alle zu vergleichenden Güter sind gleich weit weg. Im Fachjargon sagt man, dass es keine räumlichen Präferenzen (Differenzen) geben darf. Umgekehrt könnte man auch eine totale Mobilität seitens der Käufer unterstellen. 4.) Zeitliche Unterschiede Im Gegensatz zum dritten Punkt bezieht sich die vierte Bedingung auf den Faktor Zeit. Das heißt, es darf in der Beschaffung des Gutes keine zeitlichen Unterschiede geben. Jedes Gut ist gleich schnell zu bekommen. Vom Ergebnis her können die Bedingungen der räumlichen und zeitlichen Indifferenz in einem Punkt zusammengefasst werden. Die Erreichbarkeit der Güter ist unabhängig von Raum und Zeit.

130

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

5.) Information Der fünfte und letzte Punkt behandelt den Faktor Information. Eine vollständige und rationale Entscheidung ist nur dann machbar, wenn man alle relevanten Informationen zur Verfügung hat. Man muss also wissen, wo es was zu welchem Preis gibt. Dieses Kriterium beschreibt die Bedingung der vollkommenen Transparenz. Wie werden sich nun Nachfrager und Anbieter in ihrem Wirtschaftsleben verhalten? Wir starten mit den privaten Haushalten, also den Nachfragern bzw. Konsumenten.

10

Bestimmungsfaktoren der Nachfrage

Angenommen Sie stehen vor einer Kaufentscheidung. Diese Kaufentscheidung kann etwas Lapidares und Alltägliches wie ein Zeitungskauf oder ein Kinobesuch sein oder sich auf eine längerfristige Überlegung wie den Kauf eines Autos oder die Buchung einer großen Reise beziehen. Unabhängig davon, ob es sich um etwas Kleines oder Großes handelt, spielen bei einer Kaufentscheidung der Verbraucher mehrere Faktoren eine Rolle. Bestimmungsfaktoren der Nachfrage (Verbraucherverhalten):    

Preis des nachgefragten Gutes Preise der anderen Güter Einkommen der Nachfrager Nutzenvorstellung der Nachfrager

1.)

Erstens wird man sich fragen: Was kostet der Kinobesuch oder die Reise? In der Terminologie der Mikroökonomie spricht man vom Preis des nachgefragten Gutes.

2.)

Zweitens wird sicherlich eine Rolle spielen, ob Alternativen in Frage kommen und was diese kosten. Statt ins Kino zu gehen, könnte man auch zum Essen gehen und statt eine Schiffsreise zu buchen, könnte man auch eine Flugreise buchen oder zu Hause bleiben und stattdessen die Möbelgarnitur kaufen. Diese Überlegungen und Entscheidungen betreffen Preise anderer Güter.

3.)

Dann wird es drittens nicht unwichtig sein, ob ich mir die Reise überhaupt leisten kann, was von meinen finanziellen Möglichkeiten abhängt und die wiederum ergeben sich aus meiner Einkommenssituation. Dritter Faktor ist also das Einkommen der Nachfrager.

4.)

Schließlich kommt ein vierter Faktor hinzu, der sich durch die Begriffe „Bedürfnisintensität“ oder „Nutzenvorstellung“ umschreiben lässt. Hier geht es um die Intensität des Wunsches oder des Bedürfnisses, ins Kino zu gehen oder zu reisen. Man misst den Dienstleistungen beziehungsweise Produkten einen bestimmten Nutzen zu. Diese Nutzenvorstellungen lassen sich im Gegensatz zu den ersten drei Faktoren nicht kardinal messen, sondern höchstens ordinal vergleichen. Das heißt, ich kann zum Beispiel sagen, dass mir heute Abend ein Kinobesuch mehr wert ist als ein Candlelight-Dinner. Es wird aber schwierig zu sagen, der Kinobesuch ist mir 6,7 Nutzen und das Diner 5,8 Nutzen wert. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, auch den Nutzen mathematisch in den Griff zu bekommen; dazu aber später.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

132

10.1

Preis des nachgefragten Gutes

Entscheidender und wichtigster Faktor der Nachfrage nach einem Gut ist der Preis dieses Gutes. Zu klären ist, wie die Nachfrage nach einem Gut vom Preis dieses Gutes abhängt. Bei der Beantwortung dieser Frage wird ein einfacher Zusammenhang zwischen Preis und nachgefragter Menge unterstellt, nämlich der, dass die nachgefragte Menge umso höher ist, je niedriger der Preis ist und dass die nachgefragte Menge umso geringer ist, je höher der Preis ist. Dieser Zusammenhang lässt sich grafisch darstellen, indem auf der x-Achse die Menge des nachgefragten Gutes und auf der y-Achse der Preis des nachgefragten Gutes eingezeichnet wird. Hinweis: Im mathematischen Gebrauch ist es üblich, die abhängige Variable auf der y-Achse darzustellen. In volkswirtschaftlichen Darstellungen ist jedoch oftmals die umgekehrte Vorgehensweise die Regel. Die Menge ist die vom Preis abhängige Variable, wird aber auf der x-Achse dargestellt. In einem weiteren Schritt kann jedoch der Preis zur abhängigen Variablen gemacht werden. p p = Preis des nachgefragten Gutes x = Menge des nachgefragten Gutes

A p1 B

p2

x x1

x2

Abbildung 2.1: Preis-Mengen-Funktion. Zwischen Preis und Menge gilt folgender Zusammenhang: 

Je höher der Preis, desto geringer ist die nachgefragte Menge (Punkt A: p1 und x1).



Je niedriger der Preis, desto höher ist die nachgefragte Menge (Punkt B: p2 und x2).

10.1.1

Preisabsatzfunktion

Ist dieser Zusammenhang zwischen Preis und Menge hergestellt, lässt sich eine Funktion bilden. Die Abhängigkeit der Menge vom Preis wird umgekehrt in eine Abhängigkeit des Preises von der Menge. Aus x = f (p) wird die Umkehrfunktion p = f (x).

10

Bestimmungsfaktoren der Nachfrage (Theorie der Haushalte)

133

Die Funktion p = f(x) wird als individuelle Nachfragefunktion, Preis-MengenFunktion oder Preisabsatzfunktion bezeichnet. 61 Nachfrage- bzw. Preisabsatzfunktion: p = f(x )  Zusammenhang zwischen nachgefragter Menge und Preis des nachgefragten Gutes.

10.1.1.1 Prohibitivpreis und Sättigungsmenge Die Preisabsatzfunktion wird durch zwei Extrempunkte begrenzt, die sich als Prohibitivpreis und Sättigungsmenge charakterisieren lassen. Der Prohibitivpreis 62 ist der Preis, bei dem niemand mehr das Gut haben möchte, also die nachgefragte Menge Null ist. Der Prohibitivpreis als Höchstpreis bildet die Preisobergrenze und lässt sich mathematisch durch die Gleichung p = f(x=0) bestimmen. Die Sättigungsmenge ist als maximal nachgefragte Menge definiert, die dann nachgefragt wird, wenn das Gut nichts kostet, also der Preis Null ist. Mathematisch bildet man die Gleichung x = f(p=0); möglich wäre auch: p = f(x) = 0 und Auflösung nach x. p(x) Prohibitivpreis

x Sättigungsmenge Abbildung 2.2: Preisabsatzfunktion.

Prohibitivpreis:

Der Höchstpreis bei einer nachgefragten Menge von Null. → p = f (x = 0)

Sättigungsmenge: Die maximal nachgefragte Menge bei einem Preis von Null. → x = f (p = 0)

61 62

Mit Absatz ist die Absatzmenge oder einfach nur die Menge gemeint. prohibitiv: (lat.) verhindernd, abhaltend.

134

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

10.1.1.2 Preis- und Mengenbildung am Beispiel Busfahrt Ein Kleinbusfahrtunternehmen bietet Shuttlefahrten zu einem Ausflugsziel an. Je höher der Preis der Busfahrt ist, desto weniger Menschen nützen den Service und je niedriger der Fahrpreis, desto größer wird die Nachfrage. Aufgrund von Erfahrungswerten kann das Busunternehmen folgenden Zusammenhang zwischen Fahrpreis und Anzahl der Fahrgäste herstellen: p

10 6 4 x 8

12

Fahrpreis p 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Fahrgäste x 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0

20

Abbildung 2.3: Preisabsatzfunktion am Beispiel Busfahrt. Die Nachfrage nach dem Gut Busfahrt ist abhängig vom Fahrpreis. Je höher der Fahrpreis, desto weniger Menschen fahren mit. Die Preisobergrenze (Prohibitivpreis) liegt bei 10 Euro und die Sättigungsmenge (wenn die Busfahrt nichts kostet) liegt bei 20 Fahrgästen. Je nach Fahrpreis sind nun unterschiedliche PreisMengen-Kombinationen bestimmbar. Liegt der Preis beispielsweise bei vier Euro, fragen zwölf Menschen die Busfahrt nach. Bei einem Preis von sechs Euro wären es nur acht Personen. Der in einer Zahlentabelle und anhand einer Grafik dargestellte Zusammenhang lässt sich schließlich mathematisch fassen, indem die unterschiedlichen PreisMengen-Kombinationen in Form einer Funktion dargestellt werden. Die Preisabsatzfunktion p (x) lautet in diesem Fall:

p (x) = 10 - ½ x

Der Wert „10“ ergibt sich aus dem Schnittpunkt mit der y-Achse (hier p-Achse) und der Terminus „– ½“ bildet die Steigung der Geraden ab (eine Erhöhung der Menge um 1 Einheit bedeutet einen Rückgang des Preises um einen ½ Euro).

10 10.1.2

Bestimmungsfaktoren der Nachfrage (Theorie der Haushalte)

135

Direkte Preiselastizität der Nachfrage

10.1.2.1 Definition der Preiselastizität Nachdem der grundlegende Zusammenhang zwischen Preis und Menge im Hinblick auf die Nachfrage nach einem bestimmten Gut – zum Beispiel die Nachfrage nach einer Busfahrt in Abhängigkeit vom Fahrpreis – dargestellt wurde, wird im zweiten Schritt der Zusammenhang von Preis und Menge spezifischer untersucht. „Spezifischer untersucht“ heißt folgende Frage zu stellen und zu beantworten:  Wie ändert sich die Nachfrage nach einem Gut, wenn sich dessen Preis ändert? Reagiert die Nachfrage stark oder schwach, wenn es eine Preisänderung geben sollte? Angenommen der Fahrpreis wird von 2 auf 3 Euro erhöht, was prozentual einer Erhöhung um 50 Prozent entspricht. Führt diese Preiserhöhung nun zu einem relativ starken oder schwachen Rückgang der Fahrgastzahlen? Bleiben wir gerade bei unserem Beispiel. Eine Erhöhung um 50 Prozent von 2 auf 3 Euro, bedeutet einen Fahrgastrückgang von 16 auf 14 Personen. Prozentual sind dies 12,5 Prozent (2 von 16). Im Vergleich zur Preiserhöhung von 50 Prozent reagiert die Nachfrage mit einem Rückgang von 12,5 Prozent relativ schwach. Wie reagiert nun allgemein die Menge auf eine Preisänderung? Die Antwort, die in diesem konkreten Beispiel gegeben wurde, kann durch eine allgemeine Definition und Formel dargestellt werden. Die Reaktion der Menge auf eine Preisänderung lässt sich durch das Verhältnis von Mengenänderung zu Preisänderung beschreiben. Korrekt und vollständig ist das Ganze, wenn diese Änderung nicht absolut, sondern relativ betrachtet wird (in Prozent beispielsweise). Direkte Preiselastizität der Nachfrage:  Reaktion der Nachfrage auf eine Preisänderung.  Verhältnis von relativer Mengenänderung zu relativer Preisänderung. Dieser Terminus der relativen Mengenänderung zur relativen Preisänderung beschreibt nun das, was in der Überschrift als direkte Preiselastizität der Nachfrage bezeichnet wird. Die direkte Preiselastizität der Nachfrage (kurz: Elastizität) ist definiert durch das Verhältnis von relativer Mengenänderung zu relativer Preisänderung – wie „elastisch“ oder sensibel reagiert die Nachfrage auf eine Preisänderung. Stellt man die Elastizität (ε) als Formel dar, gilt folgender Zusammenhang: Elastizität (ε) =

relative Mengenänderung relative Preisänderung

=

Δx/x (Wirkung) Δp/p (Ursache)

136

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

Die Termini Δx und Δp beschreiben die absoluten Änderungen der Menge und des Preises, die jeweils in Bezug gesetzt werden zum Ausgangswert der Menge und des Preises. Beispiel Busfahrt: Die Preiserhöhung von 2 auf 3 Euro führte zu einem Mengenrückgang von 16 auf 14 Personen. Die Elastizität lässt sich nun anhand der Formel berechnen: Elastizität (ε) =

Δx/x Δp/p

=

-2/16 1/2

=

- 0,125 (-12,5 %) 0,5 (50,0 %)

= - 0,25

Die Elastizität als Maß der Nachfragewirkung hat den Wert -0,25 beziehungsweise -¼. Wie wir gleich sehen werden, ist das ein relativ niedriger Wert. Die Nachfrage reagiert relativ unelastisch auf die Preiserhöhung. Wichtige Anmerkung! Da eine Preiserhöhung (+) grundsätzlich zu einem Rückgang der Menge (-) führt und umgekehrt eine Preissenkung (-) eine Erhöhung der nachgefragten Menge (+) bedingt, ist der Wert der Elastizität immer negativ! Um sich nun das Minuszeichen zu sparen, wird die Elastizität oft auch in Absolutzeichen dargestellt: |ε|. In diesem Fall haben alle Elastizitäten einen positiven Wert, z. B. |ε| = (-2/16)/(1/2) = 0,25. Teilweise werden in der Literatur das Absolutheitszeichen und das Minuszeichen auch ganz weggelassen. Entscheidend sind die einzelnen Werte. Dass alle Werte negativ sind, wird als bekannt vorausgesetzt. 10.1.2.2 Bestimmung der Elastizitäten am Beispiel Busfahrt Greifen wir wieder das Beispiel Busfahrtunternehmen auf und bestimmen die unterschiedlichen Elastizitäten. Gegeben sind die Preise und die Fahrgastzahlen beziehungsweise Mengen. Änderungen bei den Preisen führen nun zu Änderungen bei den Mengen. In unserem Beispiel gehen wir davon aus, dass die Preise jeweils um eine Einheit, also 1 Euro, erhöht werden. Die Fahrgastzahlen gehen in diesem Fall immer um jeweils zwei Personen zurück. Die absoluten Veränderungen werden nun im nächsten Schritt in relative Werte umgerechnet. Das Verhältnis der beiden Änderungen ergibt schließlich die Elastizität. Wenn der Preis von 2 auf 3 Euro erhöht wird, bedeutet das eine prozentuale Erhöhung von 50 Prozent. Der Mengenrückgang von 16 auf 14 Personen bedeutet eine prozentuale Abnahme von 12,5 Prozent. Der Wert 12,5 im Verhältnis zu 50 ergibt eine Elastizität von 0,25. Der Mengenrückgang ist im Vergleich zur Preiserhöhung relativ niedriger und zwar deutlich niedriger.

10

Fahrpreis p 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Bestimmungsfaktoren der Nachfrage (Theorie der Haushalte)

Fahrgäste x 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0

Relative Preisänderung Δp/p [%] 1/0 1/1 1/2 1/3 1/4 1/5 1/6 1/7 1/8 1/9

(∞ %) (100 %) (50 %) (33,3 %) (25 %) (20 %) (16,6 %) (14,29 %) (12,5 %) (11,11%)

Relative Mengenänderung Δx/x [%] - 2/20 - 2/18 - 2/16 - 2/14 - 2/12 -2/10 -2/8 - 2/6 - 2/4 -2/2

137

Elastizität |ε|=(Δx/x)/(Δp/p)

(-10 %) (-11,11 %) (-12,5 %) (-14,29 %) (-16,67 %) (-20 %) (-25 %) (-33,33 %) (-50 %) (-100 %)

0 0,11 0,25 0,43 0,67 1,0 1,5 2,33 4,0 9,0

p |ε| = 4,0

10 9 8

|ε| = 0,25

3 2

x 2

4

14

16

20

Abbildung 2.4: Elastizitäten am Beispiel Busfahrt. Wird der Preis dagegen um absolut die gleiche Einheit von 8 auf 9 Euro erhöht (relativ sind das 12,5 %), geht die Menge zwar ebenfalls nur um 2 Einheiten von 4 auf 2 zurück, bedeutet aber einen 50-prozentigen Rückgang. Im Verhältnis zum Preisanstieg von 12,5 % ist dieser 50-prozentige Rückgang ein relativ starker Rückgang. Die Elastizität beträgt nun 4,0. Dieser hohe Wert sagt aus, dass die Nachfrage sehr sensibel beziehungsweise elastisch auf die Preiserhöhung reagiert hat – nämlich viermal so stark wie die Preisänderung. Betrachtet man die Tabelle und das Schaubild (Abb. 2.4), wird man feststellen, dass die Preisabsatzfunktion unterschiedliche Elastizitäten bzw. Elastizitätsbereiche aufweist. Die Spanne reicht von „0“ bis „∞“ und hat quasi einen Mitte lwert, der bei 1 liegt. Je niedriger das Preisniveau ist, desto geringer sind die Elastizitäten, das heißt desto weniger sensibel reagiert die Nachfrage auf eine Preisänderung. Je höher die Preise sind, desto sensibler reagieren die Menschen auf eine

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

138

Preisänderung – die Elastizitäten haben hohe Werte. In der Mitte der Preisabsatzfunktion bei einem Preis von 5 Euro beziehungsweise einer Menge von 10 Personen weist die Elastizität den Wert 1 auf. An diesem Punkt ist die relative Nachfrageänderung gleich groß wie die Preisänderung. 10.1.2.3 Elastizitätsbereiche Eine Nachfragefunktion lässt sich durch unterschiedliche Elastizitätsbereiche charakterisieren. Diese Elastizitätsbereiche folgen einem einheitlichen Muster, das im Prinzip dem eben beschriebenen Beispiel entspricht. p 10

ε=∞

ε>1 ε=1 5

ε1 ε=1 ε 0 Δp2/p2

c) Unverbundene Güter Die Kreuzpreiselastizität bei unverbundenen Gütern ist „null“. Die Preisänderung bei einem Gut wirkt sich überhaupt nicht auf die Nachfrage eines anderen Gutes aus. Es muss ja nicht ein so extremes Beispiel wie Panzer und Bleistift sein; Kinobesuch und Bleistift wird es ebenfalls tun. Wenn sich der Eintrittspreis für den Kinobesuch ändert, wird das keine Auswirkungen auf meinen Bleistiftkonsum haben – außer Kinobesuche werden so teuer, dass mein Budget nicht mal mehr für den Bleistift ausreicht. Unverbundene Güter: → Kreuzpreiselastizität von Null

εKU = Δx1/x1 = 0 Δp2/p2

In Abbildung 2.6 sind die drei Kreuzpreiselastizitäten bei komplementären, substitutiven und unverbundenen Gütern im Vergleich dargestellt.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

142

komplementär

substitutiv

p2

unverbunden

p2

x1

p2

x1

 Pfeifen und Tabak  Margarine und Butter  CD-Player und Disket-  Videorekorder und ten CD-Player εKK < 0 (negativ)

εKS > 0 (positiv)

x1  Kinobesuche und Bleistifte  Brot und Beratung εKU = 0 (null)

Abbildung 2.6: Kreuzpreiselastizitäten bei komplementären, substitutiven und unverbundenen Gütern.

10.3

Einkommen der Nachfrager – Einkommenselastizität

Neben dem Faktor Preis spielt das Einkommen des Nachfragers eine wesentliche Rolle bei Kauf- und Konsumentscheidungen. Je nach Höhe des Einkommens wird man bestimmte Güter mehr oder weniger nachfragen. Die Ausgangsfrage lautet also: 

Wie ändert sich die Nachfrage nach einem Gut in Abhängigkeit vom Einkommen?

10.3.1

Einkommenselastizität

Die Antwort wird auch hier analog der Preiselastizität mit Hilfe der Einkommenselastizität gegeben. Die Einkommenselastizität ε( E) ist definiert als relative Mengenänderung im Verhältnis zur relativen Einkommensänderung. Einkommenselastizität  Änderung der Nachfrage nach einem Gut in Abhängigkeit von der Einkommensentwicklung des Nachfragers.

10

Bestimmungsfaktoren der Nachfrage (Theorie der Haushalte)

εE =

relative Mengenänderung relative Einkommensänderung

=

Δx/x ΔE/E

143

(Wirkung) (Ursache)

Nun wird zu klären sein, wie sich die Nachfrage und der Konsum bestimmter Güter verändern, wenn durch eine Einkommenserhöhung vermehrt finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Je nach Nachfrage- beziehungsweise Konsumverhalten werden in Abhängigkeit vom Einkommen folgende Güter unterschieden: Güter in Abhängigkeit vom Einkommen:  superiore Güter: →Nachfrage nimmt bei zunehmendem Einkommen zu.  inferiore Güter: →Nachfrage nimmt bei zunehmendem Einkommen ab.  relativ inferiore: relative Abnahme (normale Güter)  absolut inferiore: absolute Abnahme  einkommensunabhängige Güter: → Nachfrage ist unabhängig vom Einkommen. Achtung: Die Definitionen sind leider nicht einheitlich geregelt. Grund dafür ist, dass nicht immer unterschieden wird, ob mit Zunahme der Nachfragemenge die absolute oder die relative Zunahme gemeint ist. Der Rückgang der Nachfrage bei steigendem Einkommen kann tatsächlich absolut gemeint sein. Zum Beispiel wird man mit zunehmendem Einkommen weniger Sozialwohnungen nachfragen. Der Rückgang kann aber auch relativ sein. Man wird etwas mehr Brot kaufen und essen, wobei aber der Mehrkonsum kleiner sein wird als die Zunahme des Einkommens. 10.3.2

Superiore Güter

Um superiore Güter handelt es sich, wenn Güter „über die Maßen“ nachgefragt werden (superior: lat. „über“). Eine Verdoppelung des Einkommens (100 %) wird bei diesen Gütern dazu führen, dass eventuell das Vierfache (400 %) eines bestimmten Gutes konsumiert wird. Dies könnte bei Schmuck der Fall sein. Das erste bescheidene Einkommen ermöglicht den Kauf einer Halskette im Wert von 100 Euro. Mit Verdoppelung des Einkommens steigt der Schmuckkonsum auf 400 Euro. Die finanziellen Möglichkeiten für die überproportionale (progressive) Nachfragezunahme bei Schmuck lässt sich dadurch erklären, dass der Konsum der relativ inferioren Güter wie Kinobesuche oder Brötchenkonsum nicht in dem Maße steigt wie das Einkommen zugenommen hat oder der Konsum absolut inferiorer Güter wie Sozialwohnungen sogar abnimmt. Man hat anteilig mehr Geld für im wahrs-

144

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

ten Sinn des Wortes „unnötige“ Luxusgüter zur Verfügung. Diese superioren Güter sind durch eine Einkommenselastizität von ε > 1 gekennzeic hnet. Einkommenselastizität: superiore Güter: ε > 1

10.3.3

Inferiore Güter

a) Relativ inferiore oder normale Güter Relativ inferiore Güter zeichnen sich durch den Normalfall aus, der darin besteht, dass die Nachfrage nach Gütern mit zunehmenden Einkommen zunimmt, allerdings mit einer abnehmenden Nachfragezunahme. Die Erhöhung der Nachfrage ist geringer als die Erhöhung des Einkommens (unterproportional oder degressiv). Wenn sich mein Einkommen verdoppelt (Zunahme um 100 %), werde ich vielleicht öfters ins Kino gehen, aber nicht unbedingt doppelt so oft wie vorher, sondern vielleicht fünfmal im Monat statt viermal (Zunahme um 25 %). Die Zunahme der Nachfrage (25 %) ist also geringer als die Zunahme des Einkommens (100 %). Solch ein Nachfrageverhalten dürfte für viele Fälle zutreffen. Und da man mit Recht unterstellt, dass dieses Nachfrageverhalten ein übliches und normales Nachfrageverhalten darstellt, spricht man in diesen Fällen von „normalen“ Gütern. Einkommenselastizität: normale Güter

0 < εE < 1

b) Absolut inferiore Güter Wenn es Güter gibt, die mit zunehmendem Einkommen mehr nachgefragt werden – also eine positive Einkommenselastizität aufweisen –, stellt sich die Frage, ob auch Güter existieren, die mit zunehmenden Einkommen tatsächlich weniger nachgefragt werden also eine negative Einkommenselastizität besitzen. Dies wird dann der Fall sein, wenn bestimmte Güter infolge von Einkommenserhöhungen nicht mehr gewollt werden und durch andere ersetzt werden. Man denke an Sozialwohnungen. Sollte erfreulicherweise das Einkommen stark zunehmen, wird man aus der Sozialwohnung ausziehen (müssen) und sich eine Privatwohnung mieten und eventuell sogar eine Eigentumswohnung erwerben. Mit zunehmendem Einkommen sinkt die Nachfrage nach Sozialwohnungen. Betrachtet man die ganze Sache jedoch aus der Perspektive „Ausgaben für das Wohnen insgesamt“, handelt es sich wieder um ein „positives“ Gut, da der Anteil an den Wohnungsausgaben zunimmt. Einkommenselastizität: Absolut inferiore Güter: εE < 0

10

Bestimmungsfaktoren der Nachfrage (Theorie der Haushalte)

145

Absolut inferiore Güter, die in der Literatur auch manchmal als „minderwertige“ Güter bezeichnet werden – wobei dieser Begriff deplatziert ist –, weisen eine negative Einkommenselastizität auf. Mit Zunahme des Einkommens geht die Nachfrage nach diesen Gütern (absolut!) zurück. Am Beispiel der Wohnungsausgaben wird auch ersichtlich, dass die Einteilung von Gütern in inferiore und superiore von der Definition des betrachteten Gutes abhängt. Eine Sozialwohnung könnte als inferiores Gut und Wohnen als superiores Gut charakterisiert werden. Ein Gut könnte auch „eine Zeitlang lang“ ein normales Gut sein, um dann ab einem bestimmten Einkommen zu einem absolut inferioren Gut zu werden. 10.3.4

Einkommensunabhängige Güter

Der Vollständigkeit halber sollen abschließend die einkommensunabhängigen Güter erwähnt werden. Diese Güter sind dadurch charakterisiert, dass sie in einer bestimmten Menge unabhängig vom Einkommen konsumiert werden. Dazu könnte man Medikamente wie Insulin zählen, die für das Überleben notwendig sind. Elastizität einkommensunabhängiger Güter:

εE = 0

Die Perspektive der Einkommensunabhängigkeit von Gütern gilt nur mikroökonomisch. Hat nämlich jemand überhaupt kein Einkommen, um Medikamente kaufen zu können, muss entweder die Solidargemeinschaft aushelfen – das heißt andere geben von ihrem Einkommen einen Teil ab – oder die Nachfragemenge beträgt Null bei einem Einkommen von Null – wie das in Afrika bei Aidsmedikamenten der Fall ist, die für viele zwar überlebensnotwendig wären, aber nicht bezahlbar sind. * Exkurs Engelsches Gesetz (siehe Schaubild 2.7): Bei steigendem Einkommen nehmen die Nahrungsmittelausgaben absolut zu, der Anteil am Einkommen geht jedoch zurück. Die Einkommenselastizität ist kleiner 1. Dieser Befund nach dem sächsischen Statistiker Ernst Engel (1857) zählt empirisch zu den am besten fundierten Gesetzen. Den entsprechenden Zusammenhang zwischen Einkommen und Nachfragemengen eines Haushalts beschreibt grafisch die Engelkurve. Heinrich Schwabe hat dieselbe Feststellung für Wohnungsausgaben getroffen (Schwabsches Gesetz).

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

146

Einkommenselastizitäten superiore Güter

Menge

inferiore Güter

Menge relative inferior

Menge absolut inferior

Einkommen

Einkommen

einkommensunabhängige Güter

Einkommen

Diamanten

Brot*

Sozialwohnungen

Medikamente

überproportionale bzw. progressive Zunahme

unterproportionale (degressive) Zunahme

absoluter Rückgang

unabhängig

εE > 1 (positiv)

0 < εE < 1

εE < 0

εE = 0 (null)

Abbildung 2.7: Superiore, inferiore und einkommensunabhängige Güter.

10.4

Nutzenvorstellung der Nachfrager

10.4.1

Ordinaler Nutzenvergleich

Die bisher behandelten Bestimmungsfaktoren der Nachfrage, nämlich Preis des nachgefragten Gutes, Preis anderer Güter und Einkommen der Nachfrager, stellen quantitative und messbare Größen dar, die sich alle durch entsprechende Elastizitätsbegriffe und -formeln charakterisieren lassen. Der Bestimmungsfaktor „Nutzen“ dagegen lässt sich quantitativ nur schwer fassen und messen. Statt einer kardinalen Messung behilft man sich deshalb mit ordinalen Vergleichen. So kann beispielsweise ein Kinobesuch einen höheren Nutzen stiften als ein Schwimmbadbesuch oder der Verzehr einer Schwarzwälder Kirschtorte. Ordinale Messung des Nutzens  Nutzen lässt sich nicht kardinal (in Zahlen) messen.  Verschiedene Nutzenniveaus können jedoch ordinal verglichen werden (ein Fußballspiel ist jemandem mehr wert als ein Konzert). Der Nutzen des Kinobesuches kann jedoch wieder abnehmen, wenn man sich einen Film nach dem anderen anschaut. Der Nutzen der zweiten Einheit wird

10

Bestimmungsfaktoren der Nachfrage (Theorie der Haushalte)

147

geringer sein (ordinal!) als der Nutzen der ersten Einheit und der Nutzen der dritten Einheit wiederum wird geringer ausfallen als der der zweiten Einheit. Dieser Nutzenverlauf findet sich in der mikroökonomischen Analyse im „Gesetz vom abnehmendem Grenznutzen“ wieder. Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen  Mit jeder weiteren Mengeneinheit eines Gutes, das konsumiert wird, nimmt der zusätzliche Nutzen pro Mengeneinheit (Grenznutzen) ab. Hinweis: In Kapitel 5 wurde am Beispiel der Schwarzwälder Kirschtorte die Funktionsweise des abnehmenden Grenznutzens dargestellt. 10.4.2

Nachfragemodell im Zwei-Güter-Fall mit Budgetbeschränkung

Das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen liegt auch der Indifferenzkurvenanalyse zugrunde, die eine Budgetminimierung im Zwei-Güter-Fall bei konstantem Nutzenniveau beinhaltet. Im Rahmen der Indifferenzkurvenanalyse werden also die schon bekannten Nachfragefaktoren, nämlich das Einkommen (hier Budget genannt), die Preise der beiden Güter und ein Nachfrageverhalten, das dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens entspricht, miteinander kombiniert. a) Tanja und ihre Vorliebe für Kino und Cappuccino Machen wir es konkret. Tanja hat ein bestimmtes Einkommen in Form von Taschengeld (Budget) zur Verfügung und zwar in Höhe von maximal 150 Euro. Mit diesem Geld will sie ihre Freizeitaktivitäten bestreiten, die vor allem aus Kinogehen und Cappuccinotrinken bestehen. Der Preis fürs Kino beträgt 6 Euro und für den Cappuccino 3 Euro. Tanja will nun in einem vorgegebenen Betrachtungszeitraum ein bestimmtes Nutzenniveau erreichen, das sich durch verschiedene Kombinationen von Kino und Cappuccino realisieren lässt und anhand einer Indifferenzkurve dargestellt werden kann. Das Budget von 150 Euro soll nicht voll ausgeschöpft werden, sondern so wenig wie möglich in Anspruch genommen werden. Welchen Geldbetrag muss Tanja kalkulieren, um ein bestimmtes Nutzenniveau realisieren zu können? Die Antwort auf diese Frage lässt sich über die Indifferenzkurvenanalyse gewinnen. b) Indifferenzkurvenanalyse Folgende Daten und Funktionen sind gegeben:    

Gut 1 (Cappuccino): Gut 2 (Kino): Nutzenniveau: Budget (Einkommen):

Menge x1 und Preis p1 = 3 € Menge x2 und Preis p2 = 6 € x2 = 50/x1 Y = 150 Euro

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

148

Das Nutzenniveau ergibt sich durch verschiedene Mengenkombinationen von Cappuccino und Kino, die alle den gleichen Nutzen für Tanja erbringen. Grafisch ergibt das eine Indifferenzkurve, die in diesem Beispiel durch den Terminus x2 = 50/x1 bestimmt wird. Zum Beispiel vermitteln 5 Cappuccino und 10 Kinobesuche den gleichen Nutzen wie 2 Cappuccino und 25 Kinofilme. Indifferenzkurve:  Eine Indifferenzkurve repräsentiert verschiedene Mengenkombinationen von zwei Gütern, deren Konsum alle den gleichen Nutzen ergeben (konstantes Nutzenniveau). Nach dem Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen, muss der immer weitere Verzicht auf das eine Gut durch einen überproportionalen Konsum des anderen Gutes ausgeglichen werden. x2 (Kino) Indifferenzkurve (konstantes Nutzenniveau) 25 Budgetrestriktion 5 10

50

x1 (Cappuccino)

Abbildung 2.8: Indifferenzkurve und Budgetrestriktion. Cappuccino x1 1 2 … 5 … 10 … 20 … 50

Kino x2 50 25 … 10 … 5 … 2,5 … 1

Budget (Einkommen) 3 · x1 + 6 · x 2 3· 1 3· 2 … 3· 5 … 3 · 10 … 3 · 20 ... 3 · 50

+ 50 · 6 = 303 + 6 · 25 = 156 +

6 · 10 = 75

+

6 · 5 = 60

+

6 · 2,5 = 75

+

6 · 1 = 156

Lesebeispiel: 2 Cappuccino und 25 Kino kosten 156 Euro. 10 Cappuccino und 5 Kino kosten 60 Euro. Beide Kombinationen ergeben trotz unterschiedlicher Kosten das gleiche Nutzenniveau.

10

Bestimmungsfaktoren der Nachfrage (Theorie der Haushalte)

149

Lösungsweg: Die günstigste Kombination erhält man, indem man die erste Ableitung der Nutzenfunktion und der Budgetrestriktion gleichsetzt. Grafisch repräsentiert diese Lösung eine Parallelverschiebung der Budgetgeraden bis zum äußersten Berührungspunkt mit der Indifferenzkurve. Nutzenfunktion: Budgetfunktion: 150 = 3x1 + 6x2 =>

x2 = 50/x1 x2 = 25 - ½ x1

Die ersten Ableitungen der beiden Funktionen sind gleich zu setzen: x2’ = x2’ ! -50/x12 = - ½ =>

x1 = 10 x2 = 5

Tatsächliche Kosten: 3 Euro · 10 + 6 Euro · 5 = 60 Euro Ergebnis: Tanja konsumiert 10 Cappuccino und 5 Kinobesuche, um ihr vorgegebenes Nutzenniveau zu erreichen und das zu minimalen Kosten von 60 Euro. Hinweis: Die Indifferenzkurvenanalyse enthält eine Vielzahl von Annahmen und Implikationen. Zur weiteren Vertiefung sind die Ausführungen in Bofinger, 2007, Kapitel 6 zu empfehlen.

11

Produktions- und Kostentheorie

11.1

Die Angebotsseite

Im zurückliegenden Kapitel haben wir uns in die Lage des Nachfragers und Konsumenten versetzt. Jetzt betrachten wir die wirtschaftliche Situation aus Sicht des Unternehmers und Anbieters. 11.1.1

Bestimmungsfaktoren des Angebots

Von welchen Faktoren macht der Anbieter von Produkten wie Pizzen und Torten und Dienstleistungen wie Kino und Altenpflege sein Anbieterverhalten abhängig? Die entscheidenden Faktoren zumindest in der Mikroökonomie sind die Produktionsbedingungen, die sich daraus ergebende Kostensituation, die Wettbewerbssituation und die Zielsetzungen des Anbieters. Bestimmungsfaktoren des Angebots:    

Produktionsbedingungen: Kostensituation: Wettbewerbssituation: Zielsetzungen:

→ → → →

Produktionsfunktion Kostenfunktion Marktformen Umsatz- und Gewinnmaximierung

Bevor die einzelnen Faktoren analysiert und vorgestellt werden, soll ein Überblick oder besser Einblick in das „Innenleben“ eines Unternehmens gegeben werden. Insofern folgt jetzt eine kleine Lehre des Betriebes (Betriebswirtschaftslehre) im Rahmen der Volkswirtschaftslehre. Nicht umsonst gilt die Mikroökonomie und hier besonders die Angebotssituation als dichteste Schnittmenge zwischen Volksund Betriebswirtschaftslehre. 11.1.2

Innenansichten des Unternehmens

Das grundlegende Ziel eines Unternehmens besteht darin, etwas herzustellen, seien es Autos, Kugelschreiber, Computer oder Häuser, oder eine Dienstleistung anzubieten, wie eine Rechtsberatung, eine Sportveranstaltung oder eine Handwerkerreparatur und diese Produkte und Dienstleistungen (Güter) am Markt gewinnbringend zu verkaufen. Aus dem Nichts kommt nichts – außer bei Gott –, deshalb brauchen Unternehmen einen Input, um etwas produzieren und einen Output erwirtschaften zu können. Sie brauchen Menschen als Arbeitskräfte, sodann Rohstoffe, wie zum Beispiel Holz für einen Schrank, Fahrzeuge und Computer als Betriebsmittel, um den Schrank transportieren und die Bestellung am Computer aufnehmen zu können.

152

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

Dieser Input lässt sich in die bekannten Produktionsfaktoren (auch Einsatzfaktoren genannt) einteilen, die in der Volks- und in der Betriebswirtschaftslehre unterschiedlich definiert werden. Während die Volkswirtschaftslehre als Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital nennt, spricht die Betriebswirtschaftslehre von den Faktoren Arbeit (Arbeitskräfte), Betriebsmittel (Gebäude und Maschinen) und Werkstoffen (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe wie Holz, Schrauben und Benzin). Um etwas zu produzieren, bedarf es also unterschiedlicher Einsatzfaktoren (i = 1 ... n) in unterschiedlichen Mengen (ri), die zu unterschiedlichen Einkaufspreisen (лi) bewertet werden. Die verschiedenen Güter (j = 1... n), die hergestellt oder als Dienstleistung angeboten werden, werden in unterschiedlichen Mengen (xj) zu unterschiedlichen Verkaufspreisen (pj) am Markt angeboten. Nun kann man einige wesentliche Zusammenhänge – mengenmäßige und wertmäßige – zwischen Input (Produktionsfaktoren) und Output (Güter) herstellen.

Input: Einsatzfaktoren bzw. Produktionsfaktoren

mengenmäßig: Produktionsfunktion

Output: Ausbringungsmenge bzw. Produktionsergebnis

x = f (ri)

Menge ri Preise πi wertmäßig: Kostenfunktion x = f (π1r1, ... πnrn) x = f (K) K = f (x)

Menge xj Preise pj wertmäßig: Umsatzfunktion U = f (p1x1, ..., pnxn)

Gewinnfunktion G=U-K Verwendete Symbole: r x i j л p K U G

= = = = = = = = =

Menge des Einsatzfaktors Ausbringungsmenge des erstellten Gutes verschiedene Einsatzfaktoren verschiedene Güter (Einkaufs-)Preis des Produktionsfaktors (Verkaufs-)Preis des Gutes Kosten Umsatz Gewinn

Abbildung 2.9: Zusammenhang von Kosten, Umsatz und Gewinn.

11

Produktions- und Kostentheorie

153

Der mengenmäßige Zusammenhang zwischen Einsatzfaktoren und Ausbringungsmenge eines Gutes wird durch eine Produktionsfunktion x = f(ri) beschrieben. Der wertmäßige Zusammenhang zwischen Einsatzfaktoren und Ausbringung erfolgt über die Kosten und die wiederum erhält man über die Einkaufspreise für die Produktionsfaktoren. Die Kostenfunktion lautet K = f(riлi). Schließlich werden der Umsatz und der erhoffte Gewinn in die Analyse integriert. Der Umsatz ergibt sich über die verkaufte Menge x und den Verkaufspreis p eines Gutes 63, so dass die Umsatzfunktion lautet: U = f(pjxj). Der Gewinn schließlich ergibt sich unter Abhängigkeit von der Menge aus der Differenz von Umsatz und Kosten: G(x) = U(x) - K(x). 11.1.3

Beispiel Fingerring

In Handarbeit werden Fingerringe hergestellt. Wir schauen uns lediglich Material und Materialkosten an und lassen andere Kosten außen vor. Für einen Ring werden 10 Gramm Titan benötigt. Die Materialkosten betragen 40 Euro pro Gramm. Pro Ring kann ein Verkaufspreis von 500 Euro erzielt werden. In Abbildung 2.10 sind die Produktions-, Kosten und Umsatzfunktion sowie abschließend der Gewinn dargestellt. Im Übrigen gehen wir davon aus, dass eine Kapazitätsgrenze von 5 Ringen pro Zeiteinheit besteht. Funktionen: 

Produktionsfunktion:



Kostenfunktion:

x(r) = 1/10 r K(x) = 400 x Herleitung: K = 40r und r = 10x => K = 400x



Umsatzfunktion:

U(x) = 500x



Gewinnfunktion:

G(x) = 100x Herleitung: G(x) = U(x) - K(x) = 500x - 400x

63

Was den Verkaufspreis anbelangt, spielt dieser eine entscheidende Rolle für Umsatz und Gewinn. Doch ist die Kalkulation des Verkaufspreises von der Marktform und den Wettbewerbsbedingungen abhängig. Bei einem starken Wettbewerb (Polypol) wird es einen Marktpreis geben, an dem es sich auszurichten empfiehlt. In einer konkurrenzlosen Situation als Einzelanbieter (Monopol) hat das Unternehmen deutlich mehr Freiräume in der Preisgestaltung.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

154

Produktionsfunktion Output: x = 1/10 r x [St] 5

r [g] 50 Kosten: K(x) = 400x

Umsatz: U(x) = 500x

K [€]

U [€] 2.500

2.000

x [St]

x [St]

5

5

Gewinn: U(x) - K(x) = 100x U, K [€] 2.500 2.000

U K

500

G x [St] 5

Abbildung 2.10: Produktion, Kosten, Umsatz und Gewinn am Beispiel Fingerring. Analog dem Beispiel erfolgt die Darstellung der nächsten Kapitel. Wir starten mit dem Faktoreinsatz und den Produktionsfunktionen.

11.2

Produktionsfunktionen

11.2.1

Input-Output-Verhältnis

Produktionsfunktionen stellen einen Zusammenhang zwischen Input und Output eines Gutes her. Dieser Zusammenhang kann unterschiedliche Formen haben. Wir

11

Produktions- und Kostentheorie

155

unterscheiden proportionale, degressive und progressive Input-Output-Verhältnisse. Proportional: Der Einsatz von Produktionsfaktoren und das daraus resultierende Produktionsergebnis können in einem proportionalen Verhältnis (grafisch linear) zueinander stehen. 10 Äpfel ergeben einen Kuchen und 50 Äpfel ergeben fünf Kuchen. Proportionale Input-Output-Verhältnisse sind in der Praxis nicht unüblich. Viele Relationen des Faktoreinsatzes sind proportional zur entsprechenden Produktmenge. So ist zum Beispiel der Einsatz von Rohstoffen – Nahrungsmittel und Zutaten für Essensgerichte oder Metall für Schrauben oder Holz für Stühle – in einem meist gleich bleibenden Verhältnis zu den hergestellten Gütern. x

x

x

r proportional

r degressiv (unterproportional)

r progressiv (überproportional)

Abbildung 2.11: Varianten von Input-Output-Beziehungen. Doch lassen sich in der Praxis – und in der Theorie sowieso – auch nicht proportionale Verhältnisse zwischen Input und Output finden. Degressiv: Angenommen man will im Garten den Boden umgraben. Wenn man mit hohem Tempo beginnt, wird man in der ersten Stunde weitaus mehr Boden beackern als in der fünften Stunde, wenn die Kräfte nachlassen. Oder man soll Beeren pflücken. Die Ausbeute an Himbeeren wird anfangs größer sein als zum Ende hin, wenn man die restlichen Beeren mühsam suchen muss. In diesem Fall nimmt der Output an Erdbeeren unterproportional (degressiv) im Verhältnis zum Faktoreinsatz an Arbeitszeit zu. Progressiv: Man kann sich aber auch den umgekehrten Fall denken. Angenommen man nimmt eine komplizierte Tätigkeit auf, zum Beispiel das Übersetzen eines englischen Textes. Befindet man sich am Anfang seiner Fremdsprachenausbildung, wird es Stunden dauern, eine Seite zu übersetzen. Mit fortgeschrittenen Fremdsprachenkenntnissen wird es nur noch Minuten dauern, denselben Text zu übersetzen. Man kann an einem Arbeitstag statt einer Texteinheit vielleicht zehn Texte übersetzen. Der Arbeitseinsatz wird hier zu überproportionalen (progressiven) Ergebnissen führen. Möglich sind auch Kombinationen unterschiedlicher Einsatzverhältnisse, also zum Beispiel die Kombination einer progressiven und einer degressiven Funktion. Und

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

156

speziell dieses Kombinationsverhältnis liegt der „alten“ und klassischen Produktionsfunktion vom Typ A zugrunde. 11.2.2

Produktionsfunktion vom Typ A

Die Produktionsfunktion vom Typ A geht auf Jacques Turgot zurück und basiert auf Gegebenheiten und Erkenntnissen der Landwirtschaft. 64 Bekannt ist die Produktionsfunktion vom Typ A auch als ertragsgesetzliche Produktionsfunktion. Als Einsatzfaktor für die Landwirtschaft sah Turgot nicht allein den Faktor Kapital, sondern vor allem auch den Faktor Arbeit. Und dieser Einsatz des Faktors Arbeit lässt sich durch das Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs erklären, so die Argumentation von Turgot. Neben der Kreislauftheorie gilt dieses Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs als wichtigste Neuerung, die von den Physiokraten in die ökonomische Wissenschaft eingebracht wurde. 65 11.2.2.1 Ertragsgesetz Was besagt dieses Gesetz vom zu- und abnehmenden Ertragszuwachs? Es besagt, dass mit Erhöhung der Faktoreinsatzmenge (zum Beispiel Arbeitskräfte oder Arbeitszeit) der daraus resultierende Ernteertrag zuerst überproportional zunimmt, um dann unterproportional wieder abzunehmen. Aus Sicht des Ertragszuwachs, also des Grenzertrags, heißt das: Der zusätzliche Ertrag pro weiterer Arbeitskraft nimmt zuerst zu um dann wieder abzunehmen – ein zunehmender Ertragszuwachs und dann ein abnehmender Ertragszuwachs. Die ersten Arbeitskräfte erwirtschaften relativ viel, während der Einsatz weiterer Arbeitskräfte nur dazu führt, dass sie sich gegenseitig behindern und den potentiellen Ertragszuwachs schmälern. Ertragsgesetz: Gesetz vom zu- und abnehmenden Ertragszuwachs  Mit Erhöhung des Faktoreinsatzes und Zunahme des Gesamtertrags nimmt der Ertragszuwachs zuerst zu, um dann jedoch wieder abzunehmen. Hinweis: Der Begriff „Ertrag“ meint hier nicht Erlös oder Umsatz, sondern den mengenmäßigen Output wie Getreide in Tonnen oder Äpfel in Kisten! Auch mit dem Faktor Arbeitszeit und der damit verbundenen Routine und Ermüdung kann argumentiert werden. Während sich mit Arbeitsbeginn überproportionale Steigerungen des Ertrags erreichen lassen, könnten ab einem bestimmten Punkt Ermüdungserscheinungen eintreten, die zwar immer noch zu einer Steige64

65

Der französische Politiker und Wirtschaftstheoretiker Jacques Turgot (genauer: Anne Robert Jacques Turgot, Baron de l’Aune) geb. 1727 und gest. 1781 in Paris, wird wie François Quesnay zu den Physiokraten gezählt, für die die Landwirtschaft der einzige produktive Wirtschaftssektor und somit die Quelle des Reichtums einer Nation darstellt. zur Kreislauftheorie vgl. Band II, Kapitel 2.

11

Produktions- und Kostentheorie

157

rung des Ertrags führen, wobei diese Steigerung aber immer geringer wird, bis irgendwann „gar nichts mehr geht“. Es ließe sich auch mit dem Einsatz von Dünger entsprechend argumentieren. Die ersten Düngereinheiten werden zu einem überproportionalen Ertragszuwachs führen, während eine weitere Steigerung des Düngereinsatzes nur dazu führen würde, dass der Boden überdüngt wird und der zusätzliche Ernteertrag geringer ausfällt und im Extremfall sogar der gesamte Ertrag zurückgeht. Die Produktionsfunktion vom Typ A zeichnet sich durch einen s-förmig geschwungenen Verlauf aus (Abbildung 2.12).

Ertrag [Tonnen Weizen]

Arbeitskräfte [Anzahl] A

B

A

B

Ertragszuwachs

Arbeitskräfte [Anzahl] Abbildung 2.12: Produktionsfunktion vom Typ A. Der Einsatz des Faktors Arbeit führt zu einem entsprechenden Ernteertrag. Bis zu Punkt B nimmt der Gesamtertrag zu, um dann wieder abzunehmen. doch spätestens hier wäre es ökonomisch sinnvoll, die Arbeit einzustellen (oberes Schaubild). Die Zunahme des Gesamtertrags ist jedoch wie angesprochen durch zwei unterschiedliche Phasen im Hinblick auf die Entwicklung des Grenzertrags gekennzeichnet. Bis zum Punkt A (Wendepunkte der Kurve) ist ein zunehmender Ertragszuwachs festzustellen. Ab Punkt A ist der Grenzertrag abnehmend. In Punkt B ist der Grenzertrag Null. Ab dann wäre er negativ.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

158

11.2.2.2 Neoklassische Produktionsfunktion Nachdem die Produktionsfunktion vom Typ A als klassische Funktion zählt, wird deren Modifikation oft als neoklassische Funktion bezeichnet. 66 Die neoklassische Produktionsfunktion entspricht prinzipiell der ertragsgesetzlichen Produktionsfunktion, mit dem Unterschied, dass sie eine „halbe“ Typ-AFunktion darstellt. Man nimmt die zweite Hälfte der Produktionsfunktion vom Typ A, lässt diese bei Null beginnen und nach oben „auslaufen“ (Abbildung 2.13). Neoklassische Produktionsfunktion  Mit der Erhöhung des Faktoreinsatzes nimmt der Gesamtertrag zwar zu, die Ertragszuwächse (Grenzerträge) sind jedoch von Anfang an abnehmend. Die neoklassische Produktionsfunktion zeichnet sich durch einen von Anfang an abnehmenden Grenzertragsverlauf aus. Mit zunehmendem Einsatz des Faktors Arbeit oder des Faktors Kapital nimmt der Ertrag, also das mengenmäßige Produktionsergebnis, zwar ständig zu, diese Zunahme wird jedoch immer geringer. Beispiel:

Zeit

x 1.400 1.200 800

∆x = 800 r 1

2

3

4

5

x′ 800 400 200

∆x = 800 r 1

2

3

4

r 1 2 3 4 5 …

Ertrag Ertragszuwachs x x’ 800 800 1.200 400 1.400 200 1.500 100 1.550 50 … …

Erläuterung: Der Grenzertrag entspricht den Differenzbeträgen des Gesamtertrages, wenn der Input um eine Einheit erhöht wird.

5

Abbildung 2.13: Neoklassische Produktionsfunktion. 66

Eine spezifische Ausprägung der neoklassischen Produktionsfunktionen ist die CobbDouglas-Produktionsfunktion: x = k· r 1α · r2(1- α). Diese empirisch belegte Funktion ist nach den amerikanischen Ökonomen Charles Cobb und Paul Douglas (1928) benannt.

11

Produktions- und Kostentheorie

159

11.2.2.3 Variabilität und Faktorkonstanz In der bisherigen Analyse wurde der Ertrag in Abhängigkeit von einem einzigen Faktor (z. B. Arbeit) dargestellt. Selbstverständlich kann sich ein Ernteertrag nur durch den kombinierten Einsatz aller dazu notwendigen Faktoren einstellen. Ohne Boden(fläche) oder ohne Saatgut kann es keine Ernte geben. Wird der Ertrag in Abhängigkeit von einem Faktor – wie in diesem Fall vom Faktor Arbeit – dargestellt, heißt das nicht, dass die anderen Faktoren keine Rolle spielen. Im Gegenteil, man unterstellt, dass diese Faktoren wie Boden und Saatgut vorhanden sind, unterstellt aber gleichzeitig, dass diese Faktoren in einer bestimmten Menge eingesetzt sind, die konstant ist und sich nicht verändert. Annahmen des Faktoreinsatzes bei der Produktionsfunktion vom Typ A  

Variabilität eines Faktors wie zum Beispiel Dünger oder Arbeit. Konstanz aller anderen Faktoren wie Boden und Saatgut.

Hinweis: Die Annahme der Faktorkonstanz der nicht variablen Faktoren ist eine heikle Angelegenheit. Wenn man nämlich vom Faktor Boden spricht, kann man sicherlich argumentieren, dass eine bestimmte Bodenfläche zum Beispiel 20 Ar (2.000 qm) tatsächlich konstant bleibt und auf dieser gleich bleibenden Bodenfläche durch einen vermehrten Einsatz von Arbeit eine größere Ernte eingefahren werden kann. Diese insgesamt gleich bleibende Fläche wird jedoch intensiver bewirtschaftet, so dass letztlich doch mehr Boden in Anspruch genommen wird. Der Faktor an sich bleibt konstant, die Faktormenge jedoch nimmt zu, was im Rahmen der mathematischen Analyse streng genommen nicht der Fall sein dürfte.

11.3

Kombination mehrerer Einsatzfaktoren

In der bisherigen Betrachtungsweise der verschiedenen Produktionsfunktionen wurde der Zusammenhang zwischen dem Einsatz eines Produktionsfaktors (Arbeit oder Dünger) und der entsprechenden Ausbringungsmenge (Ernteertrag) dargestellt. Die Produktion eines Gutes oder das Angebot einer Dienstleistung benötigt jedoch nicht nur den Einsatz eines einzigen Produktionsfaktors, sondern den gleichzeitigen Einsatz verschiedener Faktoren. Mensch ohne Saatgut wäre genauso nutzlos wie Saatgut ohne Mensch. Autos ohne Benzin sind nutzlos wie Benzin ohne Autos – zumindest wenn es um Fortbewegung geht. Ein wichtiges Thema der Produktionstheorie ist somit die Analyse von Kombinationsverhältnissen mehrerer Produktionsfaktoren, wobei „mehrere“ üblicherweise die Beschränkung auf „zwei“ bedeutet, da die grafische Darstellung von drei und mehr Einsatzfaktoren plus der Ausbringungsmenge nicht mehr möglich ist. Der Mensch ist auf eine dreidimensionale Darstellung beschränkt. Thema ist also der Einsatz von zwei Produktionsfaktoren, deren Kombination untereinander und die damit erzielte Ausbringungsmenge.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

160

Ausgangspunkt: Einsatz von zwei Produktionsfaktoren, deren Kombination untereinander und die damit erzielte Ausbringungsmenge. Werden zwei Einsatzfaktoren miteinander kombiniert, lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Einsatzverhältnisse beziehungsweise Zusammenhänge zwischen den Inputfaktoren bestimmen. Zum einen sind das die Substitutionalität und zum anderen die Limitationalität der Einsatzfaktoren. Kombination mehrerer Einsatzfaktoren: 

Substitutionalität: Produktionsfaktoren können gegenseitig ersetzt (substituiert) werden.



Limitationalität:

Produktionsfaktoren müssen in einem bestimmten Verhältnis zueinander eingesetzt werden.

Als typische Beispiele für substitutionale Einsatzverhältnisse dienen die Produktionsfunktion vom Typ A und die neoklassische Funktion. Typisches Beispiel für ein limitationales Einsatzverhältnis ist die Leontief-Produktionsfunktion. 11.3.1

Substitutionalität der Einsatzfaktoren

Substitutionale Einsatzfaktoren sind zumindest in bestimmten Grenzen gegenseitig austauschbar, um eine bestimmte Ausbringungsmenge eines Gutes zu erhalten. Solche gegenseitigen Austauschverhältnisse werden üblicherweise für die Faktoren Arbeit und Kapital unterstellt. Man meint damit, dass ein Auto entweder mit vielen Arbeitskräften und wenigen Maschinen oder mit wenigen Arbeitskräften und vielen Maschinen hergestellt werden kann. Die Einsatzfaktoren Mensch (Arbeit) und Maschine (Kapital) sind gegenseitig ersetzbar. Um also ein Auto oder auch einen Tisch herzustellen, existiert nicht nur ein einziges fest vorgegebenes Einsatzverhältnis zweier Produktionsfaktoren, sondern es existieren viele unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten. So könnte man beispielsweise ein Auto mit vier Arbeitskräften und einer Maschine oder auch mit jeweils zwei Arbeitskräften und zwei Maschinen oder mit einer Arbeitskraft und vier Maschinen herstellen. Substitutionalität der Einsatzfaktoren:  Eine bestimmte Ausbringungsmenge kann mit unterschiedlichen Einsatzverhältnissen der Produktionsfaktoren erzielt werden. Substitutionalität der Einsatzfaktoren findet man wie angesprochen im Zusammenhang mit der Produktionsfunktion vom Typ A wie auch bei den neoklassischen Produktionsfunktionen.

11

Produktions- und Kostentheorie

161

Kombiniert man gegenseitig ersetzbare Einsatzfaktoren, um ein bestimmtes Ertragsniveau zu erreichen, erhält man als grafisches Ergebnis Indifferenzkurven. 11.3.2

Indifferenzkurven

Grundlage ist eine Produktionsfunktion mit abnehmendem Grenzertrag. Die Einsatzfaktoren sind Saatgut und Dünger. Ein bestimmter Ernteertrag (x = 4 Tonnen Weizen) ist dadurch zu erzielen, dass die Mengen an Saatgut (r1) und Dünger (r2) in verschiedenen Einsatzverhältnissen miteinander kombiniert werden. So kann ein Ernteertrag von 4 Tonnen dadurch erzielt werden, dass 1 Liter Dünger und 4 Kilogramm Saatgut verwendet werden. Die gleiche Ausbringungsmenge kann aber auch durch 4 Liter Dünger und ein Kilogramm Saatgut erreicht werden. Auch die Kombination von zwei Dünger- und zwei Saatguteinheiten sind möglich. In folgender Tabelle sind mögliche Kombinationen der zwei Einsatzfaktoren dargestellt. Einsatzfaktormenge Dünger

Einsatzfaktormenge Saatgut

Ertragsmenge Weizen

r1 [Liter] 1 2 3 4 5 6 7 8

r2 [Kilogramm] 4,00 2,00 1,33 1,00 0,80 0,66 0,57 0,50

x [Tonnen] 4 4 4 4 4 4 4 4

Die grafische Darstellung der Substitutionalität verlangt räumliches Vorstellungsvermögen. Die dreidimensionale Grafik (Abbildung 2.14) ergibt ein Ertragsgebirge, wobei eine Höhenlinie ein bestimmtes Niveau der Ausbringungsmenge repräsentiert. Die Ausbringungsmenge x = 4 beispielsweise entspricht der Höhenlinie mit dem Höhenwert 4. x

r2

x=4 4 r1 Abbildung 2.14: Ertragsgebirge einer neoklassischen Produktionsfunktion.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

162

Projiziert man diese Höhenlinien, die einem bestimmten und konstanten Ertrag entsprechen, in ein zweidimensionales Schaubild, erhält man Indifferenzkurven (Isoquanten). Indifferenzkurven sind Linien gleichen Ertrags. Indifferenzkurven: Linien gleichen Ertrags  Eine Indifferenzkurve repräsentiert ein bestimmtes konstantes Ertragsniveau, das durch den Einsatz von zwei Produktionsfaktoren zustande kommt, die in unterschiedlichen Einsatzmengen miteinander kombiniert werden. Eine dieser Indifferenzkurven repräsentiert den Faktorertrag von 4 Tonnen Weizen (Abbildung 2.15). r2 x=4

Funktion: r2 = 4 / r1

4 3 2 1 0,5 1

2

3

4

5

6

7

8

r1

Abbildung 2.15: Indifferenzkurve. Die Menge eines Einsatzfaktors, die man braucht, um eine Einheit des anderen Faktors zu ersetzen, unter der Annahme, dass der Ertrag konstant bleibt, nennt man Substitutionsverhältnis oder Grenzrate der Substitution. Substitutionsverhältnis bzw. Grenzrate der Substitution:  Menge eines Einsatzfaktors, um eine Einheit des anderen Faktors zu ersetzen; unter der Annahme, dass der Ertrag konstant bleibt. Die mathematische Funktion, die den Werten des Beispiels zugrunde liegt, entspricht einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion: x = k · r1α · r21- α. In diesem Fall: x = 2 · √ r1 · √ r2 (bzw. x = 2 · r1-½ · r2-½) Setzt man für x den Wert 4 ein, ergibt sich folgender Zusammenhang: r2 = 4/r1 Die Werte in der Tabelle oben entsprechen diesem Gleichungszusammenhang.

11

Produktions- und Kostentheorie

163

Allgemein gilt, je weiter rechts sich die Indifferenzkurve bzw. Isoquante befindet, desto höher ist das Ertragsniveau. Das Ertragsniveau von x3 ist somit höher als das von x2 und dieses wiederum ist höher als das von x1 (Abbildung 2.16). r2 x3 x2 x1

r1

Abbildung 2.16: Indifferenzkurven unterschiedlichen Ertragsniveaus. 11.3.3

Minimalkostenkombination

Wenn es möglich ist, einen bestimmten Ertrag mit unterschiedlichen Kombinationen von Faktoreinsatzmengen zu erzielen, drängt sich die Frage auf, welche dieser Kombination die beste ist. Soll man lieber eine Mengeneinheit vom Faktor 1 und vier Einheiten von Faktor 2 oder umgekehrt lieber vier Einheiten von 1 und eine Einheit von 2 nehmen? Um diese Frage zu beantworten, braucht man einen Bewertungsmaßstab und da bieten sich die Kosten des Faktoreinsatzes an. Wenn für die Einsatzfaktoren unterschiedliche Preise anzusetzen sind, wird es eine optimale und das ist in diesem Fall eine kostenminimale Kombination geben – eben die Minimalkostenkombination. Frage: Welche Faktorarten sind also mit welchen Faktormengen einzusetzen, wenn ein bestimmter Faktorertrag kostenminimal erzielt werden soll? 67 Beispiel Saatgut-Dünger-Weizen: Wir führen das Beispiel „Saatgut-Dünger-Weizen“ fort, indem die Preise für die Einsatzfaktoren (π1 = 2 und π2 = 4) in die Analyse miteinbezogen werden. Folgende Daten sind gegeben: (1) (2) (3) (4) (5) 67

Einsatzfaktoren (Input) Dünger und Saatgut: Ertragsmenge Weizen (Output): Faktorertrag (gegebener Weizenertrag): Preise der Einsatzfaktoren Dünger und Saatgut: Budgetrestriktion (maximales Kostenvolumen):

r1 und r2 x x = 4 π1 = 2 und π2 = 4 K = 16

Vgl. auch Nutzenmaximierung und Indifferenzkurvenanalyse in Kapitel 10.4.2.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

164

Verwendete Symbole: r1 r2 x л1 л2 K

= = = = = =

Menge Einsatzfaktor Dünger [l] Menge Einsatzfaktor Saatgut [kg] Faktorertrag Weizen [Tonnen] Preis von Dünger [€/l] Preis von Saatgut [€/kg] Budget bzw. Kosten [€]

Die Kosten des jeweiligen Faktoreinsatzes sind definiert: K = π1· r1 + π2· r2 K = 2 · r1 + 4 · r2 Für die Werte in der Tabelle können nun die Kosten bestimmt werden. Dünger Menge Preis r1 [l] π1 [€] 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2

Saatgut Menge Preis r2 [kg] π2 [€] 4,00 4 2,00 4 1,33 4 1,00 4 0,80 4 0,66 4 0,57 4 0,50 4

Weizen Faktorertrag x [T] 4 4 4 4 4 4 4 4

Budget bzw. Kosten 1·2 2·2 3·2 4·2 5·2 6·2 7·2 8·2

+ + + + + + + +

[Euro] 4,00 · 4 2,00 · 4 1,33 · 4 1,00 · 4 0,80 · 4 0,66 · 4 0,57 · 4 0,50 · 4

= = = = = = = =

18,00 12,00 11,33 12,00 13,20 14,64 16,28 18,00

Hinweis: Die Werte sind auf- und abgerundet! Nimmt man die Werte der Tabelle als Grundlage für die Wahl der kostenminimalen Kombination, ergeben sich 3 Liter Dünger und 1,33 Kilogramm Saatgut als beste, weil kostengünstigste Lösung. Will man ein mathematisch exaktes Ergebnis, reicht die Analyse der Tabellenwerte nicht aus. Es braucht ein mathematisches Gleichungsverfahren. Mathematischer und grafischer Lösungsweg: Folgende Funktionen sind zu bilden: Produktionsfunktion:

x = 2 · √r1 · √r2 und x = 4

=> r2 = 4/r1

Kostenfunktion (Budgetrestriktion): K = r1 π1 + r2 π2 = 2 r1 + 4 r2 => r2 = K/4 - ½ r1 => r2 = 4 - ½ r1 Die Funktion der Faktoreinsatzmengenkombination ergibt eine Kurve (Isoquante) und die Kostenfunktion eine Gerade. Eine Verschiebung der Kostenfunktion nach links unten bedeutet eine Verringerung der Kosten, eine Verschiebung nach rechts

11

Produktions- und Kostentheorie

165

oben eine Verteuerung. Der Ertrag ist gegeben. Die Kostenfunktion wird so lange nach links unten verschoben, bis sie einen äußersten Berührungspunkt mit der Ertragsisoquante gemeinsam hat. Dieser Punkt repräsentiert die optimale Faktoreinsatzmengenkombination, weil hier der Ertrag von 4 Tonnen Weizen mit dem minimalen Kosteneinsatz gerade noch realisierbar ist (Abbildung 2.17). r2 4

1,4

2,8

8

r1

Abbildung 2.17: Minimalkostenkombination. Um neben der grafischen Lösung eine mathematisch exakte Lösung zu bestimmen zu können, ist ein entscheidender Schritt zu tun: Die ersten Ableitungen der beiden Funktionen sind gleichzusetzen, denn in diesem Berührungspunkt von Kurve und Kostengeraden (und nur in diesem Punkt!) sind beide Anstiege und damit Ableitungen gleich groß. Lösung: Grenzwerte gleichsetzen:

Minimale Kosten:

r2’ = r2’ !

=>

-4/r12 = - ½

=> =>

r1 = √8 = 2,8 r2 = √2 = 1,4

2,83 · 2 + 1,41· 4 = 11,30 Euro

Hinweis: Die Minimalkostenkombination ist nur bei substitutionalen Einsatzfaktoren sinnvoll. Sind Einsatzfaktorverhältnisse fest vorgegeben, sind dadurch auch die Kosten des Faktoreinsatzes fest vorgegeben. 11.3.4

Limitationale Produktionsfunktionen

Wenn sich in der Praxis abnehmende und zunehmende Kurvenverläufe bei Produktionsfunktionen finden lassen, warum dann nicht auch eine proportionale Funktion mit einem linearen Verlauf. Und in der Tat findet man in der Praxis viele Zusammenhänge zwischen Faktoreinsatz und Produktionsergebnis, die sich durch eine lineare Funktion beschreiben lassen. Eine dieser Funktionen ist die LeontiefProduktionsfunktion.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

166

Limitationalität  festes Einsatzverhältnis der Produktionsfaktoren (keine Substitutionalität möglich) 

linear limitational:



allgemein limitational: ein bestimmtes, jedoch nicht proportionales Einsatzverhältnis

konstantes proportionales Einsatzverhältnis

11.3.4.1 Linear-limitationale Produktionsfunktion Richtet man den Blick nicht auf den Faktor Arbeit, sondern auf den betriebswirtschaftlichen Einsatzfaktor der Werkstoffe (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe), lassen sich lineare Input-Output-Verhältnisse bilden. Beispiel Regal: So besteht beispielsweise ein proportionaler und damit grafisch linearer Zusammenhang zwischen einem Regal und den verschiedenen Bestandteilen wie Schrauben und Holzelementen. Insbesondere dann, wenn man sich im Baumarkt ein selbst zusammenbaubares Regal besorgt, wird man in der Bauanleitung ausdrücklich auf diese proportionalen Zusammenhänge hingewiesen: Die Bestandteile des Regals sind 16 Schrauben, vier Regalbretter, zwei Seitenbretter und eine Tube Holzleim. Baut man zwei Regale zusammen, wird man die doppelte Menge an Einsatzfaktoren benötigen (Abbildung 2.18) x [Regale] 3 2 1 r [Schrauben] 16

32

48

Abbildung 2.18: Linear-limitationales Einsatzverhältnis am Beispiel Regalbau. Ein proportionaler Zusammenhang dieser Art wird als linear-limitational bezeichnet. Limitational bedeutet, dass eine fester Zusammenhang zwischen Input (Schrauben) und Output (Regale) besteht und linear bedeutet, dass der Zusammenhang proportional ist, sprich eine proportionale Erhöhung der Faktoreinsatzmengen zu einer entsprechend proportionalen Erhöhung der Ausbringungsmenge führt. Nimmt man statt 16 Schrauben und vier Regalbrettern und einer Tube Leim

11

Produktions- und Kostentheorie

167

das jeweils Dreifache, bedeutet das auch eine Verdreifachung der Ausbringungsmenge von einem Regal zu drei Regalen. Linear-limitationale Produktionsfunktion:  Die proportionale Erhöhung der Faktoreinsatzmengen führt zu einer entsprechend proportionalen Erhöhung der Ausbringungsmenge. Hinweis: Erhöhung des einen Faktors kann nicht Konstanz des anderen Faktors bedeuten – wie das bei der Produktionsfunktion vom Typ A der Fall ist –, sondern auch entsprechende Erhöhung des anderen Faktors. Während bei der linear-limitationalen Produktionsfunktion ein proportionales Einsatzverhältnis der Produktionsfaktoren besteht, ist bei der allgemein limitationalen ebenfalls ein festes Einsatzverhältnis gegeben, jedoch kein proportionales. 11.3.4.2 Allgemein-limitationale Produktionsfunktion Allgemein-limitational bedeutet, dass ein festes Einsatzverhältnis zwischen Input und Output existiert, dieses Einsatzverhältnis aber nicht proportional verläuft. Ein Beispiel: Angenommen man fährt mit seinem Auto 20 Kilometer pro Stunde, bedeutet diese Wegstrecke einen Benzinverbrauch von zwei Litern. Fährt man in einer Stunde 40 Kilometer, wird diese Wegstrecke rund vier Liter verbrauchen. Fährt man allerdings 200 Kilometer in einer Stunde (freie Autobahn in Deutschland ohne Geschwindigkeitsbegrenzung), wird man nicht 20 Liter, sondern vielleicht 22 Liter verbrauchen. Benzinverbrauch [l] 10

9,0 8,4 8,0 120

140

160

180

Strecke ≡ Fahrgeschwindigkeit [km/h]

Abbildung 2.19: Allgemein-limitationale Produktionsfunktion. Je höher die „Drehzahl“ und Geschwindigkeit (betriebswirtschaftlich: Intensität) sind, desto höher ist pro gefahrener Strecke der Verbrauch.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

168

Es besteht also ein fester Zusammenhang zwischen Input (Benzin) und Output (Geschwindigkeit). Dieser Zusammenhang ist jedoch nicht proportional. In unserem Beispiel steigt der Benzinverbrauch überproportional mit der Zunahme der Geschwindigkeit. 68 Allgemein-limitationale Produktionsfunktion:  Ein festes aber nicht proportionales Einsatzverhältnis zwischen Faktoreinsatzmengen und Ausbringungsmenge.

11.3.5

Limitationalität der Einsatzfaktoren

Um ein Regal herstellen zu können, ist ein bestimmtes Einsatzverhältnis von Schrauben (16 Schrauben) und Brettern (vier Regalbretter und zwei Seitenbretter), usw. vorgegeben. Dieses Einsatzverhältnis ist konstant. Für zehn Regale müssen 160 Schrauben mit 40 Regalbrettern und 20 Seitenbrettern im Verhältnis von 16 zu 4 zu 2 kombiniert werden. Das heißt umgekehrt, dass es nicht möglich ist, zehn Regale mit 200 Schrauben und 30 Brettern herzustellen oder auch nur ein Regal mit 8 Schrauben und 2 Regalbrettern. Wir gehen davon aus, dass die Regale die gleichen sein sollen (gleichartige bzw. homogene Güter). Limitationalität der Einsatzfaktormengen Schrauben und Bretter bedeutet also, dass man ein Regal nicht dadurch fertigen kann, dass man mehr Schrauben und dafür weniger Bretter verwendet oder umgekehrt weniger Bretter und dafür mehr Schrauben. Die Einsatzfaktoren sind nicht gegenseitig ersetzbar oder austauschbar, sondern müssen in einem vorgegebenen und festen Einsatzverhältnis zueinander stehen und kombiniert werden. Limitationalität der Einsatzfaktoren  Die Einsatzfaktoren sind nicht gegenseitig ersetzbar, sondern müssen in einem festen Einsatzverhältnis miteinander kombiniert werden, um eine bestimmte Ausbringungsmenge eines Gutes zu erhalten. Ausgehend vom Regal-Beispiel können wir den Einsatz der beiden Produktionsfaktoren Schrauben und Regalbretter und den dazu gehörenden Output an Regalen in einer dreidimensionalen Grafik darstellen (Abbildung 2.20).

68

Mit allgemein-limitationalen Verbrauchsfunktionen und der Weiterentwicklung zu Produktionsfunktionen in Abhängigkeit von mengenmäßiger (weiter fahren), zeitlicher (länger fahren) und intensitätsmäßiger (schneller fahren) Anpassung hat sich Gutenberg beschäftigt. Insofern spricht man hier von der Gutenberg-Produktionsfunktion oder auch von der Produktionsfunktion vom Typ B. Die Produktionsfunktion vom Typ B gehört zum originär betriebswirtschaftlichen Terrain. Für eine Vertiefung empfiehlt sich die spezifisch betriebswirtschaftliche Literatur.

11

Produktions- und Kostentheorie

Einsatzfaktormenge Schrauben r1 [Stück] 0 16 32 48 64

Einsatzfaktormenge Bretter r2 [Stück] 0 4 8 12 16

169

Ausbringungsmenge Regale x [Stück] 0 1 2 3 4

x r2

x (Prozessstrahl)

4 3

4 12

4

8

x=4

2

16

1

16

32

48

r1

64

Abbildung 2.20: Limitationale Produktionsfunktion. In der zweidimensionalen Darstellung (Abbildung 2.21) sieht das limitationale Einsatzverhältnis von Schrauben und Brettern zur Regalherstellung wie folgt aus: Die verschiedenen Ausbringungsmengen sind nicht mehr als Höhenwerte (zAchse) eingetragen, sondern als Punkte (z. B. 3 ), die eine bestimmte Höhe und damit Ausbringungsmenge repräsentieren (3 Regale). r2 x (Prozessstrahl) 4

16

3

12 8 4

2 1 16

▪ A 32

48

64

80

r1

Abbildung 2.21: Prozessstrahl. Ein letztes ist noch zu beachten. Setzt die Produktion von Regalen ein bestimmtes Einsatzverhältnis von Schrauben und Brettern voraus, schließt das nicht unbedingt aus, dass man für die Herstellung eines Regals statt 16 Schrauben nicht auch 80

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

170

Schrauben verwenden könnte (Punkt A: 80 Schrauben und 4 Bretter). Doch damit könnten zwei Konsequenzen verbunden sein, die nicht gewollt sind. Erstens, die überschüssigen 64 Schrauben werden verwendet. Dann wäre es aber nicht mehr das ursprüngliche Regal. Oder die für diesen Zweck eingekauften 64 Schrauben werden nicht verwendet, dann wäre es eine ökonomische Verschwendung und ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip. Die gestrichelten Linien stellen solche prinzipiell möglichen Einsatzverhältnisse dar, wobei diese Einsatzverhältnisse aber ökonomisch „verboten“ sind. Die einzig sinnvollen Einsatzverhältnisse – weil technisch und damit auch ökonomisch vorgegeben – werden durch den sogenannten Prozessstrahl definiert. Prozessstrahl  Der Prozessstrahl repräsentiert diejenigen Ausbringungsmengen, die durch die technisch vorgegebenen und ökonomisch sinnvollen Einsatzverhältnisse der beteiligten Produktionsfaktoren zustande kommen. Hinweis: Eine Minimalkostenkombination wie im Falle der substitutionalen Faktoreinsätze ist bei den limitationalen nicht notwendig, da es sowieso nur ein bestimmtes Faktoreinsatzverhältnis gibt!

11.4

Von der Produktionsfunktion zur Kostenfunktion

Kosten ergeben sich aus dem Einsatz von Produktionsfaktoren. Der Einsatz von Produktionsfaktoren kann mathematisch über eine Produktionsfunktion und die Kosten des Einsatzes über eine Kostenfunktion dargestellt werden. An einem sehr vereinfachten Beispiel lässt sich die prinzipielle Vorgehensweise der Herleitung einer Kostenfunktion aus einer Produktionsfunktion erklären. 11.4.1

Herleitung einer Kostenfunktion am Beispiel Apfelkuchen

Um einen Apfelkuchen zu backen braucht man Äpfel, Hefe, Mehl und jemanden, der den Kuchen bäckt. Als Produktionsfaktor betrachten wir in unserem Beispiel ausschließlich die Äpfel und lassen Mehl, Arbeitseinsatz usw. außen vor. Um Kuchen herstellen zu können, braucht man 10 Äpfel pro Kuchen. Die Kapazitätsgrenze liegt bei 50 Äpfeln bzw. 5 Kuchen. Der Zusammenhang zwischen Input an Äpfeln und Output an Kuchen lässt sich durch eine Produktionsfunktion x = f (r) beschreiben, nämlich: x = 1/10 · r

69

(1/10 = Verhältnis Output zu Input) 69

Das Verhältnis von Output zu Input entspricht im Übrigen der Produktivität.

11

Produktions- und Kostentheorie

171

Während die Produktionsfunktion lediglich den mengenmäßigen Zusammenhang zwischen Output und Input beschreibt, verdeutlicht die Kostenfunktion den wertmäßigen Zusammenhang. Um diesen wertmäßigen Zusammenhang herzustellen, bedarf es der Preise für die Äpfel. Der Preisл)( für 1 Stück Apfel ist mit 2 Euro angegeben (Edeläpfel!). Ein Kuchen kostet somit 10 Stück mal 2 Euro/Stück gleich 20 Euro. Entsprechend kosten zwei Kuchen 40 Euro und drei Kuchen 60 Euro usw.. Input Äpfel r [St] 0 10 20 30 40 50

Output Apfelkuchen x [St] 0 1 2 3 4 5

Kosten der Kuchenherstellung π r [€] 0 20 40 60 80 100

Mit diesen Angaben kann nun die Kostenfunktion K = f(x) gebildet werden, nämlich K(x) = 20x. Diese Kostenfunktion lässt sich entweder direkt aus den Daten gewinnen oder aus der Produktionsfunktion ableiten. Die Kosten sind definiert als Faktoreinsatzmenge r (Äpfel) mal die Preise л (2 Euro): K=л·r

und hier

K = 2 · r.

Zwischen r und x besteht der Zusammenhang: x = 1/10 r (Produktionsfunktion) und als inverse Funktion r = 10·x. Setzt man [r = 10·x] in die Funktion [K = 2·r] ein, erhält man [K = 2·10x] und [K = 20·x]. x

Produktionsfunktion: x = f (r) x =

5

1

/10 r

Kostenfunktion: K = f (x) Herleitung:

r 50 (=> K = 100)

K 100

K = πr K = 2 r und r = 10x (aus x = 1/10 r)  K = 20x

x 5

Abbildung 2.22: Von der Produktionsfunktion zur Kostenfunktion.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

172 11.4.2

Beispielaufgabe Pizzaproduktion

Daten:

Einsatzfaktor für die Pizzaproduktion ist der Faktor Arbeit, wobei die Einsatzmenge in Arbeitsstunden [h] angegeben ist. Die Ausbringungsmenge ist in Anzahl Pizzen [St] angegeben. Die Inputkapazität für die Arbeitszeit beträgt fünf Stunden. Eine Besonderheit und Verschärfung kommt im Vergleich zur Apfelkuchenaufgabe hinzu. Es braucht nämlich anfangs Arbeitszeit (2 Stunden), um den Ofen in Gang zu setzen und Vorbereitungen zu treffen, bis die ersten Pizzen gebacken werden können. Die Arbeitsstunde wird übrigens mit 60 Euro kalkuliert.

Aufgabe: Die Produktions- und die Kostenfunktion sind grafisch und mathematisch zu bestimmen. Einsatzfaktor Arbeitszeit r [h]

Ausbringungsmenge Pizzen x [St]

Kosten des Faktoreinsatzes Lohnkosten K [€] = π r

1 2 3 4 5

0 0 5 10 15

60 120 180 240 300

Produktionsfunktion x = f (r) x = -10 + 5r

x

15 r 2

5

-10

K 300

Kostenfunktion K = f (x ) Herleitung:

120

K = 60r und r = 1/5 x + 2 => K = 120 + 12x *

x 15

* Hinweis: 120 Euro sind Fixkosten (z. B. Mietkosten), die auch dann anfallen, wenn nichts produziert (x = 0) wird.

Abbildung 2.23: Produktions- und Kostenfunktion.

11 11.4.3

Produktions- und Kostentheorie

173

Herleitung der Kostenfunktion aus der Produktionsfunktion

Die Bildung von Produktionsfunktionen und die Herleitung von Kostenfunktionen aus den Produktionsfunktionen sind ein wichtiger Bestandteil der Produktionsund Kostentheorie und der mikroökonomischen Angebotstheorie. Anhand zweier einfacher Beispiele wurde diese Herleitung dargestellt. Darzustellen ist noch, wie die Herleitung der Kostenfunktion aus der Produktionsfunktion mathematisch allgemein funktioniert. Die mengenmäßige Produktionsfunktion x = f (r) wird durch Einbeziehung der Faktorpreise in eine wertmäßige Funktion x = f (π·r) umgewandelt. Der Terminus „π·r“ steht für die Kosten des Faktoreinsatzes. Somit erhält man eine Funktion x = f (K), die die Ausbringungsmenge in Abhängigkeit von den Kosten des Faktoreinsatzes darstellt. Die Umkehrfunktion K = f (x) ergibt dann die Kostenfunktion. x x x x

= = = =

f f f f

r = π =

r2, ... rn ) (r1, (π1 r1, π2 r2, ... πn rn) (K1, K2, ... KN ) (K) => K = f (x)

Produktionsfunktion mengenmäßig Produktionsfunktion wertmäßig Produktionsfunktion kostenmäßig Kostenfunktion

Menge des Einsatzfaktors Preis des Einsatzfaktors

x = Ausbringungsmenge K = Kosten

Grafisch bedeutet die Herleitung ein Vertauschen der Achsen. Die Menge x als abhängiger Faktor auf der y-Achse wird zur unabhängigen Variabeln auf der xAchse. Die Einsatzmenge r auf der x-Achse wird zu den bewerteten Kosten des Faktoreinsatzes K auf der y-Achse.

x

K K1 (π1 r1)

x1

r r1

x x1

Abbildung 2.24: Herleitung der Kostenfunktion aus der Produktionsfunktion.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

174 11.4.4

Kostenarten, Kostenbegriffe und Kostenfunktionen

Die Kostentheorie impliziert eine Vielzahl unterschiedlichster Begriffe, Funktionen und Definitionen. Hier die wichtigsten: a) Kostenbegriffe und -definitionen: Gesamtkosten:

Die Gesamtkosten (meist einfach nur „Kosten“) sind die gesamten Kosten in Abhängigkeit von der Menge.

Fixkosten:

Die fixen Kosten sind der Kostenbestandteil, der unabhängig von der Menge an erstellten Gütern anfällt (z. B. Miete, Gehalt, Abschreibungen).

Variable Kosten:

Die variablen Kosten sind die Gesamtkosten ohne Fixkosten, also ausschließlich die von der Menge abhängigen Kosten.

Stückkosten:

Die Stückkosten definieren sich als Kosten pro Stück (auch Durchschnittskosten). Man erhält sie, indem man die Gesamtkosten durch die entsprechende Menge teilt.

Variable Stückkosten:

Die variablen Stückkosten sind als variable Kosten pro Mengeneinheit definiert.

Grenzkosten:

Die Grenzkosten sind die zusätzlichen Kosten, wenn die Menge um 1 Einheit erhöht wird (erste Ableitung der Kostenfunktion). Bei einer linearen Kostenfunktion sind variable Stückkosten und Grenzkosten identisch.

b) Beispiel einer linearen Kostenfunktion Menge

Gesamtkosten

Fixe Kosten

Variable Kosten

Stückkosten

x 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10*

K (x) 100 120 140 160 180 200 220 240 260 280 300

Kf 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100

Kv (x) 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200

k (x) ∞ 120,00 70,00 53,33 45,00 40,00 36,67 34,29 32,50 31,11 30,00

* Annahme: Kapazitätsgrenze 10 Mengeneinheiten.

variable Stückkosten kv (x)

Grenzkosten

20 20 20 20 20 20 20 20 20 20

20 20 20 20 20 20 20 20 20 20

K’ (x)

11

Produktions- und Kostentheorie

175

Als nächsten Schritt stellen wir die Werte grafisch dar und definieren die entsprechenden Kostenfunktionen (vgl. Abb. 2.25). c) Grafik und Funktionen: K, Kf, Kv 300

K (x)

Gesamtkosten: K(x) = 100 + 20x

200

Kv(x)

Fixe Kosten: = 100 Kf

100

Kf

Variable Kosten: Kv(x) = 20x x

10 k, kv, K’ 80

Stückkosten: k(x) = 100/x + 20

60 40 k (x) kv(x), K’(x)

20 10 Abbildung 2.25: Kostenfunktionen.

x

Var. Stückkosten: kv(x) = 20 Grenzkosten: K'(x) = 20

12

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien der Unternehmen

Gewinn ist so notwendig wie die Luft zum Atmen, aber es wäre schlimm, wenn wir nur wirtschaften würden, um Gewinne zu machen, wie es schlimm wäre, wenn wir nur leben würden, um zu atmen. (Hermann Josef Abs) Nachdem im Rahmen der Produktions- und Kostentheorie die internen Unternehmensprozesse analysiert wurden, kommen nun der Markt im Sinne der Wettbewerbssituation sowie unterschiedliche Zielsetzungen der Unternehmen mit ins Spiel. Es ergeben sich Fragen wie: Inwiefern sind Verkaufspreise variabel oder durch den Markt diktiert, welcher Umsatz lässt sich erzielen und welcher Gewinn erwirtschaften?

12.1

Unternehmensziele

In der Betriebswirtschaftslehre existiert eine (Un-)menge an Zielsetzungen und Kennziffern. Die Bandbreite reicht von grundlegenden Kennzahlen wie Produktivität oder Gewinn bis zu speziellen Größen wie Working Capital oder Verschuldungsgrad. Neben messbaren und quantitativen Größen lassen sich qualitative Zielsetzungen wie politische Einflussnahme und gesellschaftliche Verantwortung nennen. In der Mikroökonomie beschränken wir uns auf einige wenige und wesentliche Kennzahlen und Zielsetzungen. Diese sind die Kostenminimierung, die Umsatzmaximierung und die Gewinnmaximierung. Unternehmensziele in der mikroökonomischen Analyse:   

Kostenminimierung: Umsatzmaximierung: Gewinnmaximierung:

K (x) U (x) G (x)

→ → →

Min.! Max.! Max.!

Gewinnmaximierung: Oberste Zielsetzung dieser drei genannten ist die Gewinnmaximierung. Die Kostenminimierung und die Umsatzmaximierung stellen letztlich Teilziele der Gewinnmaximierung dar. Kostenminimierung führt bei gleich bleibendem Umsatz zu einem höheren Gewinn und analog führt eine Erhöhung des Umsatzes bei gleich bleibenden Kosten ebenfalls zu einem höheren Gewinn. Gewinn: Gewinn bedeutet, dass der Output wertmäßig größer ist als der Input. Eine Investition rentiert sich. Man handelt wirtschaftlich. Es erfolgt eine Wertschöpfung. Ein

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

178

Unternehmen ohne Gewinn beziehungsweise mit Verlust ist auf Dauer nicht überlebensfähig. Gewinn ist die zentrale Größe für das Unternehmen. Gewinn als wichtigste Kennziffer wirtschaftlichen Handelns wird üblicherweise als Differenz zwischen Umsatz und Kosten oder Ertrag und Aufwand (absolute Größe) definiert. Im nächsten Schritt kann der Gewinn dann auch ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital (relative Größe) gesetzt werden. Dann erhält man die Verzinsung des eingesetzten Kapitals bzw. die Rendite. Gewinn:  Differenz von Umsatz und Kosten: G = U - K  Verzinsung des eingesetzten Kapitals (Rendite) Ob eine Gewinnerzielung möglich ist und in welcher Höhe der Gewinn ausfallen könnte, ist zwar in erster Linie Sache der Unternehmenspolitik. Doch allein ausschlaggebend ist diese nicht. Denn andere Unternehmen treten in Konkurrenz und somit als Wettbewerber auf. Insofern ist auch die Konkurrenzsituation maßgeblich dafür, welche Zwänge und Freiheiten ein Unternehmen in seinem Wirtschaften erfährt. Je mehr Konkurrenten auf dem Markt sind, desto härter ist der Überlebenskampf und je geringer die Zahl an Wettbewerbern, desto geringer ist üblicherweise auch das unternehmerische Risiko. Die unterschiedliche „Ausstattung“ an Wettbewerbern bedingt unterschiedliche Marktformen.

12.2

Wettbewerbssituation und Marktformen

Je nach Zahl der Anbieter auf der einen Seite und der Nachfrager auf der anderen Seite können unterschiedliche Marktformen definiert werden. Die drei Grundformen des Wettbewerbs sind das Polypol, das Oligopol und das Monopol. Die Begriffe „Poly, Oligo, Mono“ 70 beziehen sich dabei auf die Zahl der Marktteilnehmer – seien es Nachfrager oder Anbieter – also „viele, wenige, einer“. Anzahl beziehungsweise Häufigkeit der Marktteilnehmer:  Poly → viele  Oligo → wenige bzw. einige  Mono → eine(r) Werden diese Grundformen, sprich drei für die Anbieter und drei für die Nachfrager miteinander kombiniert, erhält man neun verschiedene Marktformen, die in einer Neun-Felder-Matrix dargestellt werden können.

70

aus dem Griechischen kommend.

12

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien

Anbieter viele Nachfrager Zweiseitiges viele Polypol Nachfragewenige oligopol Nachfrageeiner monopol

179

wenige

einer

Angebotsoligopol

Angebotsmonopol

Zweiseitiges Oligopol Beschränktes Nachfragemonopol

Beschränktes Angebotsmonopol Zweiseitiges Monopol

Hinweis: Neben dem Begriff Nachfrageoligopol und (beschränktes) Nachfragemonopol, finden sich in der Fachliteratur auch die Begriffskombination Monopson für das Nachfragemonopol und (beschränktes) Oligopson für das (beschränkte) Nachfrageoligopol. Der Begriff Oligopson steht für wenige Marktteilnehmer auf der Nachfrageseite und der Begriff Monopson für einen Marktteilnehmer auf der Nachfrageseite. 12.2.1

Relevanter Markt und Zahl der Marktteilnehmer

Ob eine Marktform als polypolistisch, oligopolistisch oder monopolistisch klassifiziert werden kann, hängt von der Zahl der Marktteilnehmer ab, wobei jedoch zwei Aspekte genauer zu definieren sind, nämlich der Begriff der Zahl (Zahl der Standorte oder Zahl der Firmen) und der Begriff des Marktes (Region oder weltweit). Definitionsmerkmale der Marktformen:  Relevanter Markt: Einflussbereich von Angebot und Nachfrage (Wettbewerbsgrenzen).  Zahl der Markteilnehmer: Zahl der Firmen (z. B. Mineralölkonzerne) und nicht Zahl der Standorte (z. B. Tankstellen) entscheidend. Beispiel „relevanter Markt“: In einer Stadt mit 400.000 Einwohnern befinden sich 50 Bäckereien. Man kann somit für diese Stadt von einer relativ großen Zahl von Nachfragern wie auch von Anbietern sprechen. Wenn man davon ausgeht, dass Bäckereien in entfernten Städten oder gar im Ausland geschweige denn in Übersee sowohl für das Nachfrageverhalten des Brötchenkaufs als auch für das Angebotsverhalten beim Brotverkauf keine Rolle spielen, repräsentiert diese Stadt den relevanten Markt. Der relevante Markt ist durch den Einflussbereich von Angebot und Nachfrage bestimmt. Andere Städte bzw. Märkte sind so weit weg, dass sie keine Konkurrenz darstellen und keinen Einfluss auf den betrachteten Markt ausüben. Auch der Internethandel spielt keine Rolle, da eine Brötchenbestellung über das Internet nicht sinnvoll ist, und wenn, dann innerhalb des räumlichen Einzugsbereichs.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

180

Der relevante Markt ist keine statische Größe. Im Hinblick auf Dienstleistungen wie Wochenendausflüge oder Urlaubsreisen, ist der relevante Markt wieder neu zu definieren. Beispiel „Zahl der Marktteilnehmer“: Im relevanten Markt unserer Stadt befinden sich 50 Bäckereien. Ist das nun eine große Auswahl und Konkurrenz? Das hängt davon ab, ob diese 50 Bäckereien Zweigstellen einer großindustriellen Bäckerei sind (keine Konkurrenz) oder ob ein paar wenige Großbäckereien hinter den 50 einzelnen Bäckereien stehen (Konkurrenz) oder ob tatsächlich hinter jeder Bäckerei ein kleiner mittelständischer Einzelbetrieb steckt. Je nachdem handelt es sich um ein Monopol, Oligopol oder Polypol:   

50 Bäckereien bzw. Einzelfirmen 5 Großbäckereien mit jeweils 10 Zweigstellen 1 Kette mit 50 Zweigstellen

12.2.2

→ Polypol → Oligopol → Monopol

Polypol, Oligopol und Monopol

In der Praxis lassen sich für die einzelnen Markformen mehr oder weniger gute Beispiele finden. In folgender Übersicht sind mögliche Praxisbeispiele dargestellt. Anbieter Nachfrager

viele Zweiseitiges Polypol

viele

wenige

Angebotsoligopol

einer Angebotsmonopol

Aktien- oder Internet- „Benzin“ Mineralölfirmen handel

Schienenmonopol der dt. Bundesbahn

Nachfrageoligopol

Zweiseitiges Oligopol

Beschränktes Angebotsmonopol

Spezialmaschinen

Erfinder (Patent)

Beschränktes Nachfragemonopol

Zweiseitiges Monopol

Bundeswehr

Tarifpartner

Winzergenossenschaften Nachfragemonopol

einer

wenige

Branntweinmonopol Autozulieferer

a) Polypol Das idealtypische, aber in der Praxis gar nicht so häufig vorkommende, Modell ist das zweiseitige Polypol: Viele Nachfrager treffen auf viele Anbieter. Ein vollkommener Wettbewerb, wie er dem klassischen Marktmodell von Angebot und Nachfrage zu Grunde liegt, ist wichtigste Voraussetzung für das Funktionieren der Marktwirtschaft, die nicht umsonst auch als Wettbewerbswirtschaft bezeichnet wird.

12

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien

181

Ob eine Marktform eher polypolistisch oder eher monopolistisch ist, hängt wie oben dargestellt von der Perspektive ab. Eine Volkswirtschaft oder gar die Weltwirtschaft mit ihrer Vielzahl an Marktteilnehmern und einem entsprechenden Wettbewerbsdruck kann sicherlich als polypolistisch charakterisiert werden. Betrachtet man jedoch eine einzelne Region oder eine Branche, wird sich die Zahl insbesondere der Anbieter schnell reduzieren, so dass dann eher von einem Oligopol zu sprechen ist. (zweiseitiges) Polypol  Markt, auf dem viele Anbieter auf viele Nachfrager treffen (vollkommener Wettbewerb)  

Theorie: idealtypisch → Wettbewerbswirtschaft Praxis: eher selten → Internethandel oder Aktien- und Devisenhandel an der Börse

Als polypolistisch kann der Handel mit Aktien oder mit Devisen an Börsen betrachtet werden. Und auch der Einzelhandel lässt sich trotz starker Konzentrationen immer noch tendenziell als polypolistisch bezeichnen. Doch hängt es auch hier davon ab, ob man die Zahl möglicher Einzelhandelsgeschäfte in einer Stadt betrachtet oder die Zahl der wahrscheinlich wenigen Ketten, die hinter den einzelnen Einzelhandelsanbietern stehen. Verkaufs- und Kaufaktionen und Auktionen über das Internet bieten einer sehr großen Zahl von Anbietern und Nachfragern eine Plattform für vielfältige Handelsaktivitäten. Die neuen technischen Möglichkeiten durch PC und Internet verhelfen der Wettbewerbswirtschaft durch das Anbieten von virtuellen Marktplätzen zu einer ungeahnten Renaissance. Märkte, die nicht der offiziellen Marktordnung angehören, wie beispielsweise der Schwarzmarkt, sind ebenfalls meist polypolistisch geprägt b) Oligopol Die in der Praxis am häufigsten anzutreffende Marktform ist das Oligopol. Hierzu gehört vor allem das Angebotsoligopol, bei dem einige wenige Anbieter auf viele Nachfrager treffen. Wenige Mineralölkonzerne und wenige Waschpulverherstellern bedienen eine große Zahl von Autofahrern und Hausfrauen/-männern. Tankstellen gibt es zwar sehr viele, so dass das Angebot sehr groß erscheint. Doch dass höchstens eine Handvoll Firmen dahinter verbirgt, sieht man unter anderem an den gemeinsamen Benzinpreiserhöhungen und -senkungen. Der große Nachteil für die mikroökonomische Analyse von Oligopolen besteht darin, dass sich Oligopole im Gegensatz zum Polypol und zum Monopol mathematisch nur schwer fassen lassen. Anhand der Spieltheorie erhofft man sich hier neue Impulse.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

182

(Angebots-) Oligopol  Markt, auf dem einige wenige Anbieter auf viele Nachfrager treffen (eingeschränkter Wettbewerb).  

Theorie: Modellhaft und mathematisch schwierig zu fassen; Ansätze durch die Spieltheorie. Praxis: Die am häufigsten vorkommende Marktform.

c) Monopol Reduziert sich die Zahl der Marktteilnehmer auf einen einzigen Anbieter oder Nachfrager, spricht man vom Monopol. Das Nachfragemonopol ist relativ selten und im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Marktes weit weniger problematisch als das Angebotsmonopol. Sowohl in der Theorie als auch in der Praxis steht das Angebotsmonopol im Mittelpunkt des Interesses. So ist denn auch von Monopol die Rede, wenn speziell das Angebotsmonopol gemeint ist. (Angebots-)Monopol  Markt, auf dem ein Anbieter vielen Nachfragern gegenübersteht (kein Wettbewerb).  

Theorie: Monopolpreisbildung. Praxis: Je nach Marktsystem selten oder häufig vorkommend.

Ein Anbieter steht einer mehr oder weniger großen Zahl von Nachfragern gegenüber. Typische Angebotsmonopole waren die alten bundesstaatlichen Monopole wie Post, Bundesbahn oder kommunale Versorgungsbetriebe wie Energieversorgung oder Schwimmbäder.

12.3

Gewinnmaximierung im Polypol und Monopol

Nachdem die Zielsetzungen der Unternehmen und mögliche Wettbewerbssituationen beziehungsweise Marktformen behandelt wurden, gilt es diese beiden Aspekte zusammenzuführen. Was die Marktformen anbelangt, konzentriert sich die mikroökonomische Analyse vor allem auf zwei Marktformen, nämlich auf die Extremformen Polypol und Angebotsmonopol. In der Praxis lässt deren Häufigkeit zwar zu wünschen übrig, mathematisch sind diese beiden Marktformen jedoch ausgesprochen gut zu handhaben und zu vergleichen. Hinzu kommt, dass das Wissen um die Funktionsweise der beiden extremen Marktformen auch weiterhilft, die „Schnittmenge“ – also die oligopolistischen Formen – zu verstehen. Schließlich bietet sich ein „kleiner“ Ausflug in die spieltheoretische Analyse oligopolistischen Verhaltens an.

12

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien

183

Gewinnmaximierung: Was die Zielsetzungen der Unternehmen betrifft, steht ein Ziel im Mittelpunkt und dieses Ziel ist die Gewinnmaximierung. Anzuwenden ist diese Zielsetzung der Gewinnmaximierung somit auf die Marktform Polypol und auf die Marktform Monopol. Entscheidungsverhalten der Unternehmen:  

Gewinnmaximierung im Polypol Gewinnmaximierung im Monopol

Bevor jedoch auf die Herleitung der Zielfunktionen und die entsprechenden Entscheidungsregeln zur Gewinnmaximierung im Polypol und im Monopol näher eingegangen wird, sind vorab einige Dinge zu klären. Die Gewinnbestimmung und Gewinnmaximierung im Polypol und im Monopol funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Um den Gewinn bestimmen und berechnen zu können, sind zwei Größen notwendig: die Kosten und der Umsatz. 

Umsatz = Preis mal Menge:

U =

p·x

 Kosten = fixe und variable Kosten: K = Kf + Kv ------------------------------------------------------------------------- Gewinn = Umsatz minus Kosten: G = U-K

Preisbildung: Die Kosten sind für beide Marktformen gegeben, da diese durch den Produktionsprozess bestimmt sind. 71 Für den Umsatz, der sich aus Verkaufspreis und Absatzmenge bestimmen lässt, trifft dies jedoch nicht zu. Während im Monopol der Verkaufspreis eine frei bestimmbare Größe (variabel) darstellt, ist der Verkaufspreis im Polypol eine fest vorgegebene Größe (fix). Polypol:

Die Menge ist variabel und der Preis ist gegeben. → nur Mengenanpassung! Monopol: Menge und Preis sind variabel. → Preis- und Mengenanpassung!

71

Diese Annahme war vor Jahrzehnten zu Zeiten eines Verkäufermarktes noch praxisbezogener. Heutzutage gewinnt das Target Costing (Zielkostenrechnung) an Bedeutung. Ausgehend vom am Markt maximal durchzusetzenden Marktpreis wird in einer Rückrechnung bestimmt, wie hoch die Kosten sein dürfen.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

184

12.4

Preisbildung und Gewinnmaximierung im Polypol

Die Gewinnmaximierung erfordert die Kenntnis zweier Größen, die des Umsatzes und die der Kosten. Der Umsatz selbst als Produkt von Menge mal Verkaufspreis wiederum setzt die Bestimmung und Kenntnis des Verkaufspreises voraus. Wie der Verkaufspreis im Polypol bestimmt wird, soll im Folgenden geklärt werden. 12.4.1

Preisbildung im Polypol – Der Marktpreis

Im Polypol ist der Verkaufspreis für das Unternehmen (betriebswirtschaftlich) eine exogene Größe, das heißt eine Größe, die von „außen“ durch den Markt (volkswirtschaftlich) vorgegeben ist und auf die das Unternehmen keinen Einfluss hat. Marktpreis:  Durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf dem Markt bildet sich ein Gleichgewichts- bzw. Marktpreis heraus.

Preis

Nachfrage

Angebot

Marktpreis

Menge Abbildung 2.26: Preisbildung auf dem Markt. Dieser Marktpreis bildet für das Unternehmen eine feste Größe. Bietet es seine Produkte über diesem Marktpreis an, werden die Kunden zum günstigeren Wettbewerber gehen; bietet es unter dem Marktpreis an, produziert es mit Verlust und ist nicht überlebensfähig. Preisbildung im Polypol:  Verkaufspreis des Unternehmens ist durch den Marktpreis fest vorgegeben. Der Anbieter im Polypol kann somit keine Preisanpassung vornehmen. Der volkswirtschaftliche Marktpreis bestimmt den betriebswirtschaftlichen Verkaufspreis des Unternehmers. Mit Kenntnis des Marktpreises beziehungsweise des Verkaufspreises lässt sich nun der Umsatz bestimmen.

12 12.4.2

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien

185

Umsatzmaximierung im Polypol

Der Umsatz ergibt sich als Produkt von Ausbringungsmenge und Verkaufspreis (gleich Marktpreis). U = Umsatz, p = Preis, x = Menge

Umsatz: U (x) = p · x

Wie sieht eine Umsatzfunktion grafisch und mathematisch aus? Dazu ein Beispiel. Gartenzwerge: Ein Unternehmen produziert Edelgartenzwerge und verkauft diese zum Marktpreis von 100 € pro Stück. Wir gehen von einer Kapazitätsgrenze von 50 Stück aus. Somit sind folgende Daten gegeben:

p = 100 [€/St] xKap = 50 [St.]

Die Umsatzfunktion lautet in diesem Fall: U(x) = 100x Je größer die Menge ist, desto höher ist der Umsatz. Grafisch bildet die Umsatzfunktion eine Gerade ab, die vom Nullpunkt ausgeht und bis zum Maximalumsatz von 5.000 € verläuft (Kapazitätsgrenze 50 Stück!). U(x) 5.000

x

Menge x [St] 0 10 20 30 40 50

Preis p [€/St] 100 100 100 100 100 100

Umsatz U(x) [€] 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000

50 Abbildung 2.27: Umsatzfunktion. Will man Umsatzmaximierung betreiben, heißt das in diesem Fall Mengenmaximierung – also Produktion und Verkauf bis zur Kapazitätsgrenze oder theoretisch bis ins Unendliche steigern. Entscheidungsregel für die Umsatzmaximierung im Polypol:  Umsatzmaximierung heißt Mengenmaximierung: U → max! => x → max!

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

186 12.4.3

Gewinnmaximierung im Polypol bei linearer Kostenfunktion

Nach der Bestimmung des Umsatzes erfolgt nun die Einbeziehung der Kosten, wobei wir die Annahme treffen, dass die Kosten eine lineare Funktion darstellen. 12.4.3.1 Gewinnmaximierung am Beispiel Gartenzwerge Die fixen Kosten betragen 1.000 Euro und die variablen Kosten pro Gartenzwerg 50 Euro bzw. die gesamten variablen Kosten 50x. = 1.000 Fixe Kosten: Kf = 50x Variable Kosten: Kv ------------------------------------------------------------Gesamtkosten K(x) = 1.000 + 50x Unter Einbeziehung der Zahlen für den Umsatz und die Kosten ergibt sich folgende Zusammenstellung: Menge

Preis

x [St]

p [€]

0 10 20 30 40 50

100 100 100 100 100 100

Umsatz U(x) [€] 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000

Kosten K(x) [€] 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500

Gewinn G(x) [€] -1.000 - 500 0 500 1.000 1.500

Die tabellarische Darstellung ergänzen wir durch die grafische Darstellung und die Bildung der relevanten Funktionen (Abbildung 2.28). Der break-even-point (Gewinnschwelle) liegt bei einer Menge von 20 Stück. Bis zu dieser Menge tritt ein Verlust auf. Ab dieser Menge folgt die Gewinnzone (grafisch kann der Gewinn als senkrechter Abstand zwischen der Umsatz- und der Kostenfunktion definiert werden). Was die Entscheidungsregel für die Gewinnmaximierung anbelangt, gilt hier gleiches wie bei der Umsatzmaximierung, nämlich Gewinnmaximierung heißt Mengenmaximierung. Der maximale Gewinn liegt bei einer Menge von 50 Stück und beträgt 1.500 €. Entscheidungsregel für die Gewinnmaximierung im Polypol bei einer linearen Kostenfunktion:  Gewinnmaximierung heißt Mengenmaximierung! G → max! => x → max!

12

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien

187

U, K 5.000

Gesamtbetrachtung: U(x) = 100x K(x) = 1.000 + 50x

U G 3.500

Break-Even-Point: G(x) = 0 bzw. U(x) = K(x) 100x = 1.000 + 50x => x = 20

K

Gewinnmaximum: G(x) → max x → max., d h. x = 50 (xKap) G (x = 50) = 5.000 - 3.500 = 1.500

x 20

50

p, k

100

Break-Even-Point: g(x) = 0 bzw. p = k 100 = 1.000/x + 50 => x = 20

p g

70 50

Stückbetrachtung: u(x) = U(x)/x = p k(x) = K(x)/x = 1.000/x + 50

k

Stückgewinnmaximum: g(x)→max x → max., d. h. x = 50 (xKap) g (x = 50) = 100 - 70 = 30

x 20

50

Abbildung 2.28: Gewinnmaximierung im Polypol.

12.4.3.2 Gültigkeit der Entscheidungsregel im Polypol Die Entscheidungsregel der Gewinnmaximierung als Mengenmaximierung gilt allerdings nicht grundsätzlich. Voraussetzung dafür ist, dass grafisch betrachtet, die Umsatzfunktion über der Kostenfunktion liegen muss. Und das wiederum bedeutet, dass der Anstieg der Umsatzfunktion, i. e. der Grenzumsatz (Zunahme des Umsatzes bei Erhöhung der Menge um eine Einheit), größer sein muss als der Anstieg der Kostenfunktion, i. e. die Grenzkosten (Zunahme der Kosten bei Erhöhung der Menge um eine Einheit). Der Anstieg der Umsatzfunktion entspricht dem Verkaufspreis von 100 Euro. Pro verkauftem Gartenzwerg erhöht sich der Umsatz um 100 Euro. Der Anstieg der Kosten entspricht den variablen Stückkosten von 50 Euro. Pro produziertem Gartenzwerg nehmen die Kosten um 50 Euro zu.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

188

Gewinnvoraussetzung  Voraussetzung dafür, dass ein Gewinn im Polypol bei linearer Kostenfunktion realisiert werden kann: Grenzumsatz > Grenzkosten: U’(x) Verkaufspreis > variable Stückkosten: p am Beispiel Gartenzwerge:

> >

p = 100 >

U, K

K’(x) kv kv = 50

U, K U

U

K

K

x

x

Abbildung 2.29: Umsatz- und Kostenfunktion im Polypol. Diese Voraussetzung gilt unabhängig davon, ob die Kostenfunktion einen Fixkostenblock enthält oder nur aus variablen Kosten besteht und aus dem Nullpunkt verläuft (Abbildung 2.29). 12.4.4

Gewinnmaximierung im Polypol bei nicht-linearer Kostenfunktion

Unterstellt man keinen linearen, sondern einen s-förmigen, degressiven oder progressiven Verlauf der Kostenfunktion, wird man für die Gewinnmaximierung eine andere Entscheidungsregel erhalten wie das bei der linearen Kostenfunktion der Fall ist. Im Unterschied zur Mengenmaximierungsregel bei der linearen Kostenfunktion ergibt sich bei der nicht-linearen Kostenfunktion eine Mengenlösung, die nicht durch die maximale Menge sondern durch eine ganz bestimmte Menge (x*) definiert wird. Wie lässt sich diese optimale beziehungsweise gewinnmaximale Menge bestimmen? 12.4.4.1 Grenzumsatz gleich Grenzkosten-Regel Wir nehmen als Demonstrationsbeispiel eine progressive, das heißt überproportional ansteigende Kostenfunktion. Kosten können dann „übermäßig“ ansteigen, wenn mit Ausweitung der Produktion der Faktoreinsatz immer schwieriger und kostspieliger wird. Das ist dann der Fall, wenn beispielsweise Arbeitskräfte teurer

12

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien

189

werden (Überstundeneinsatz) oder wenn die Materialbeschaffung teurer wird (Stahlpreise nehmen wegen der hohen Nachfrage immer mehr zu). Folgende Daten sind gegeben: Menge

Kosten

Umsatz

Gewinn

x 0 1 2 3 4 5

K 0 20 60 120 200 300

U 0 70 140 210 280 350

U-K 0 50 80 90 80 50

Grenzkosten K' = K/x

Grenzumsatz U' = U/x

Grenzgewinn G' = G/x

20 40 60 80 100

70 70 70 70 70

50 30 10 - 10 - 30

Bestimmt man das Gewinnmaximum anhand der Werte aus der Tabelle, liegt die gewinnmaximale Menge bei 3 Mengeneinheiten. Der Gesamtgewinn beträgt 90 und der Grenzgewinn hat einen noch positiven Wert von 10. Würde man die Menge von 3 auf 4 erhöhen, ginge der Gewinn um 10 Einheiten zurück. Ein etwas anderes Ergebnis erhält man, wenn man das Gewinnmaximum entweder grafisch (vgl. Abbildung 2.30) oder aus Funktionen mathematisch ableitet. Das lässt sich damit begründen, dass in der Tabelle mit ganzen Zahlen (diskret) gearbeitet wird, während die Funktionen auch Zwischenwerte zulassen (stetig). Gewinnmaximum: Der maximale Gewinn liegt grafisch betrachtet dort, wo der Abstand zwischen Umsatzfunktion und Kostenfunktion am größten ist (sofern der Umsatz über den Kosten liegt, ansonsten handelt es sich um ein Verlustmaximum). Den größten Abstand wiederum erhält man, indem man die Umsatzgerade parallel nach unten bis zum äußersten Berührungspunkt mit der Kostenfunktion verschiebt. In diesem Berührungspunkt haben beide Funktionen eine Gemeinsamkeit: Der Anstieg der beiden Funktionen ist gleich groß. Das heißt, dass in diesem gewinnmaximalen Punkt der Anstieg des Umsatzes (Grenzumsatz) dem Anstieg der Kosten (Grenzkosten) entspricht. K' = 20x U' = 70

K' = U' => 20x = 70 => x = 3,5

Im Bereich bis zur gewinnmaximalen Menge ist der zusätzliche Umsatz größer als die zusätzlichen Kosten. Wenn aber die Zunahme des Umsatzes größer ist als die Zunahme der Kosten, rentiert es sich weiterhin zu produzieren, bis zu der Menge, ab der die zusätzlichen Kosten höher wären als der zusätzliche Umsatz.

190

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

U, K 350 300

U

200

K G → max

120 x 1

2

3

4

5

U', K' 100

K‘

70

U’ = p

x 1

2

3 3,5 4

5

Abbildung 2.30: Gewinnmaximierung im Polypol (nicht-lineare Kostenfunktion). Somit lässt sich für die Gewinnmaximierung folgende Entscheidungsregel formulieren: Es wird solange produziert und verkauft, bis der Kostenanstieg (Grenzkosten) gleich dem Umsatzanstieg (Grenzumsatz) ist. 72 Entscheidungsregel für die Gewinnmaximierung im Polypol bei einer nicht-linearen Kostenfunktion: 

Die gewinnmaximale Menge liegt dort, wo der Grenzumsatz (Verkaufspreis) gleich den Grenzkosten ist. Preis = Grenzkosten-Regel

Hinweis: Im Falle einer linearen Umsatzfunktion sind Grenzumsatz und Verkaufspreis identisch. Pro zusätzlich verkauftem Stück erhöht sich der Umsatz um den Verkaufspreis des Produktes. So gilt: Grenzumsatz gleich Verkaufspreis.

72

Unter der Voraussetzung, dass der Umsatz über den Kosten liegt!

12

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien

191

Um den Gewinn zu maximieren, kann und muss das Unternehmen allein über die produzierte und verkaufte Menge agieren. Der Verkaufspreis ist wie gehabt vorgegeben, so dass keine Preisanpassung, sondern wieder nur eine Mengenanpassung in Frage kommt, die in der Preis=Grenzkosten-Regel zum Ausdruck kommt. 12.4.4.2 Marginalanalyse in der Praxis Die Preis=Grenzkosten-Regel und die damit verbundene Marginalanalyse bereiten vielen Studierenden Verständnisprobleme. Insbesondere der Praxisbezug wird bemängelt. Dazu ist Folgendes zu sagen. Eine s-förmige Kostenfunktion dritten Grades wird in der betrieblichen Praxis wohl kaum jemand herleiten. Die prinzipielle Argumentation über die Grenzkosten wird jedoch sehr wohl in der Praxis gehandhabt, nur nicht unbedingt als solche bezeichnet. Wenn ein Unternehmen überlegt, eine neue Fabrik für die Ausweitung der Produktion zu bauen, wird es dieses Vorhaben nur dann umsetzen, wenn das Unternehmen davon ausgehen kann, dass der Umsatz, der zusätzlich durch diese Produktionsausweitung erwirtschaftet wird (Grenzumsatz), größer ist als die durch den Neubau entstehenden Kosten (Grenzkosten). Ein anderes Beispiel. Wenn ein Unternehmen prüft, eine neue Arbeitskraft einzustellen, wird es das nur dann tun, wenn der zusätzliche Umsatz (Grenzumsatz), den diese Arbeitskraft erbringt, mindestens so groß ist wie die Kosten, die diese Arbeitskraft verursacht (Grenzkosten).

12.5

Preisbildung und Gewinnmaximierung im Monopol

Die Gewinnmaximierung im Monopol unterscheidet sich von der im Polypol in einem wesentlichen Punkt, nämlich der Preisbildung. Während dem Unternehmen im Polypol der Verkaufspreis (betriebswirtschaftlich) durch den Marktpreis (volkswirtschaftlich) fest vorgegeben ist, hat der Monopolist den Vorteil, dass er alleine auf dem Markt ist und quasi schalten und walten kann wie ihm beliebt. Man könnte es auch so formulieren, dass im Monopol der Markt (volkswirtschaftlich) und das Unternehmen (betriebswirtschaftlich) identisch sind. Das Unternehmen ist sein eigener Markt. Insofern besteht für den Monopolisten auch keine Veranlassung, sich in seiner Preisgestaltung an jemand anderem auszurichten. Der Monopolist ist in der Preisgestaltung frei. Der Preis ist keine von außen vorgegebene Größe (exogen) sondern eine selbst zu bestimmende Größe (endogen). Der Monopolist ist somit nicht nur Mengenanpasser, sondern auch Preisanpasser. Welchen Preis er bestimmt, hängt von seinen betriebswirtschaftlichen Erwägungen ab.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

192 12.5.1

Preisbildung im Monopol

Der Preis ist für den Angebotsmonopolisten frei bestimmbar und variabel. Das heißt nun aber nicht, dass die Preisgestaltung keine Auswirkungen auf die Nachfrage hätte. Auch in der Monopolsituation werden die Nachfrager auf den Preis reagieren und somit je nach Preishöhe eine unterschiedliche Nachfragemenge bestimmen. Dieser Zusammenhang – die Abhängigkeit der nachgefragten Menge vom Preis und umgekehrt des Preises von der Menge – lässt sich in der Preisabsatzfunktion darstellen. Preisbildung im Monopol 

Es existiert kein fest vorgegebener Marktpreis, sondern der Monopolist ist in seiner Preisgestaltung frei!



Der Monopolist ist sowohl ein Mengenanpasser als auch ein Preisanpasser.

Preisbildung im Monopol am Beispiel Pizzen Marco bietet in der Fußgängerzone Pizzen an. Er ist weit und breit alleiniger Anbieter, was den Pizzaverkauf anbelangt. Allerdings finden sich auch Bratwurstund Dönerbuden, so dass die hungrigen Pizzafans notfalls Ausweich- und Wahlmöglichkeiten hätten. Aus Erfahrung weiß Marco, dass bei einem Preis von zehn Euro pro Pizza die Schmerzgrenze erreicht und überschritten ist. Wenn die Menge in Abhängigkeit vom Preis betrachtet wird, ist auch die Umkehrversion möglich, also den Preis von der Menge abhängig zu betrachten. Während der Preis im Polypol als fest vorgegebene Größe definiert wird (zum Beispiel Markt- und Verkaufspreis von 100 Euro für Gartenzwerge), ergibt sich im Monopol eine Preisfunktion. Die Preisabsatzfunktion lautet:

p (x) = 10 - ½ x

p 10

x 20 Abbildung 2.31: Preisabsatzfunktion.

Preis p 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

Menge x 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

12

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien

193

Dieser Unterschied bei der Preisbildung im Polypol und im Monopol hat weitere Auswirkungen und diese Auswirkungen betreffen die Umsatzbildung und die Umsatzmaximierung. 12.5.2

Umsatzmaximierung im Monopol

Im Polypol wurde der Umsatz durch eine lineare Funktion (Gerade) erklärt. Im Monopol ergibt die mathematische und grafische Herleitung des Umsatzes eine Parabel. Umsatz:

U(x) = p(x) · x Preis p(x) 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

Pizzabeispiel: Preisabsatzfunktion: p(x) = 10 - ½ x Umsatzfunktion: U(x) = p(x) · x U(x) = (10 - ½ x) · x U(x) = 10x - ½ x2

Menge x 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

Umsatz U (x) 0 18 32 42 48 50 48 42 32 18 0

p(x), U(x) Umax

50

U(x)

10

p(x)

5 x 10

20

Abbildung 2.32: Umsatzmaximierung im Monopol. Das Umsatzmaximum von 50 Euro liegt bei einem Verkaufspreis von 5 Euro und einer Menge von 10 Pizzen. U (x = 10) = 50

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

194

Bestimmen lässt sich das Umsatzmaximum durch das Herauslesen aus der Tabelle beziehungsweise aus dem Schaubild. Eleganter und sattelfester geht es anhand einer mathematischen Ableitung. Die umsatzmaximale Menge definiert sich dadurch, dass der Anstieg des Umsatzes (Grenzumsatz) gleich Null gesetzt wird. U' (x) = 0 ! U (x) = 10x - ½·x2 =>

U' (x) = 10 - x => x = 10 => p (x = 10) = 5

Entscheidungsregel für die Umsatzmaximierung im Monopol: 

Der maximale Umsatz ist erreicht, wenn die Zunahme des Umsatzes (Grenzumsatz) Null ist. U (x) → max! =>

12.5.3

U’ (x) = 0 !

Gewinnmaximierung im Monopol bei linearer Kostenfunktion

Pizzaverkäufer Marco hat nun aber nicht allein die Umsatzseite zu betrachten, sondern auch die Kostenseite, sofern er Gewinnmaximierung betreiben möchte und davon gehen wir aus. Kostenfunktion: Die fixen Kosten betragen 10 Euro und die variablen Kosten pro Pizza 2 Euro. Als Kostenfunktion ergibt sich: K(x) = 10 + 2x In folgender Tabelle sind die unterschiedlichen Preise, Mengen, Umsätze, Kosten und Gewinne eingetragen. Preis p 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

Menge x 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

Umsatz U (x) 0 18 32 42 48 50 48 42 32 18 0

Kosten K (x) 10 14 18 22 26 30 34 38 42 46 50

Gewinn U (x) -10 4 14 20 22 20 14 4 -10 -28 -50

Gewinnmaximum: Analog der Betrachtung und Argumentation der Gewinnmaximierung im Polypol bei einer nicht-linearen Kostenfunktion, ist auch hier die Grenzbetrachtung (Marginalanalyse) anzuwenden. Das Gewinnmaximum liegt da,

12

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien

195

wo der Abstand zwischen der Umsatzkurve und der Kostengerade am größten ist. Grafisch (Abbildung 2.33) erreicht man den größten Abstand, in dem die Kostengerade solange nach oben parallel verschoben wird, bis der äußerste Berührungspunkt mit der Umsatzfunktion erreicht ist. In diesem Punkt herrscht wieder eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Funktionen. Hier ist nämlich der Anstieg der beiden Funktionen gleich groß. Die Zunahme des Umsatzes (Grenzumsatz) entspricht der Zunahme der Kosten (Grenzkosten). Vor diesem Punkt (mengenmäßig) ist die Zunahme des Umsatzes größer als die Zunahme der Kosten und nach diesem Punkt wird die Zunahme des Umsatzes kleiner sein als die Zunahme der Kosten (siehe auch Zahlentabelle). Zum Beispiel nimmt bei einer Preissenkung von 8 auf 7 Euro der Umsatz um 10 Euro zu, während die Kosten lediglich um 4 Euro zunehmen. Wird der Pizzapreis jedoch von 6 auf 5 Euro gesenkt, nimmt der Umsatz lediglich um 2 Euro zu, während die Zunahme der Kosten weiterhin 4 Euro beträgt. U, K K 48 Gmax

U

26

x p, U’, K’ 10 Cournotscher Punkt 6 PAF 2

K’ x 8

U’

20

Abbildung 2.33: Gewinnmaximierung im Monopol.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

196

Die mathematische Analyse ergibt folgendes: 73 Preisabsatzfunktion:

p(x) = 10 - ½ x

Umsatzfunktion:

U(x) = p(x) · x = (10 - ½ x) · x = 10x - ½ x2

Kostenfunktion:

K(x) = 10 + 2x

Gewinnmaximierung:

U’(x) = K’(x) 10 - x = 2 => x = 8

=>

p (x = 8) = 6

Der maximale Gewinn wird bei einem Preis von sechs Euro erzielt. Bei diesem Preis werden acht Pizzen konsumiert. Der Gewinn beträgt 22 Euro. Entscheidungsregel für die Gewinnmaximierung im Monopol bei einer linearen Kostenfunktion:  Die gewinnmaximale Menge liegt dort, wo der Grenzumsatz gleich den Grenzkosten ist. Grenzumsatz=Grenzkosten-Regel Der gewinnmaximale Punkt auf der Preisabsatzfunktion (p=6/x=8) ist als Cournotscher Punkt bekannt. Er liegt senkrecht über dem Schnittpunkt der Grenzumsatz- und der Grenzkostenfunktion (Abbildung. 2.33). 74 Cournotscher Punkt  Gewinnmaximaler Punkt auf der Preisabsatzfunktion (über dem Schnittpunkt der Grenzumsatz- und Grenzkostenfunktion). Wählt man statt einer linearen Kostenfunktion eine Kurvenfunktion, ändert sich die Entscheidungsregel nicht. Auch hier gilt die Grenzumsatz=Grenzkosten-Regel.

12.6

Preisdifferenzierung im Angebotsmonopol

Der Monopolist ist in einer angenehmen Lage. Er ist in seiner Preisgestaltung frei und kann somit unterschiedliche Preis-Mengen-Kombinationen realisieren. Die 73

74

Achtung: Der Mengenanstieg beträgt hier jeweils zwei Einheiten (∆x = 2)! Zu beachten ist ferner, dass in der Marginalanalyse bei nicht linearen Funktionen tabellarische beziehungsweise grafische Ergebnisse nicht mit Gleichungsergebnissen übereinstimmen müssen. In der Tabelle und in der Grafik wird mit Differenzenquotienten (z. B∆K/∆x) und in den Ableitungen mit Differentialquotienten („Punktbetrachtung“, z. B. dK/dx) gearbeitet. Der Punkt des Gewinnmaximums eines Monopolisten ist nach Antoine Augustin Cournot (1801 - 1877), einem französischen Mathematiker, Philosophen und Ökonomen und Begründer der mathematischen Schule der Ökonomie benannt.

12

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien

197

gewinnmaximale Preis-Mengen-Kombination nach der Grenzumsatz=Grenzkosten-Regel beschert dem Monopolisten eine höchstmögliche Gewinnausbeute. Doch die Einflussmöglichkeiten gehen weiter. Neben der freien Preisgestaltung bietet sich bei Monopolen oder monopolähnlichen Situationen auch die Preisdifferenzierung an. 12.6.1

Preisdifferenzierung am Beispiel Mittagessen

Vielleicht haben Sie es selbst schon einmal erlebt. Sie sind im Urlaub im Ausland und zwar in einem Land, das zu den kaufkraftärmeren Ländern gehört. Sie gehen zum Mittagessen, um für unsere Verhältnisse ein sehr preisgünstiges Mittagessen für umgerechnet 6 Euro einzunehmen. Später erfahren Sie zufällig, dass die Einheimischen für dasselbe Essen nur 4 Euro bezahlen mussten. Ob das nun gerecht oder ungerecht ist – 4 Euro können für einen Einheimischen immer noch teuer und 6 Euro für den Touristen immer noch billig sein –, sei dahingestellt. Ein gutes Beispiel für das Thema Preisdifferenzierung und Abschöpfung der sogenannten Konsumentenrente ist es allemal. Preis Preisabsatzfunktion: p(x) = 9 - 1/10 x

9

Preis- und Mengenkombination am Beispiel Mittagessen.

6 B 4 A Menge 30

50

90

Abbildung 2.34: Preisabsatzfunktion und Preisdifferenzierung. Die Preisabsatzfunktion (Abbildung 2.34) zeigt die unterschiedlichen Kombinationen von Preis und nachgefragter Menge. Die Daten sind Schätzwerte und beruhen auf Erfahrungen in der Vergangenheit und der Beobachtung bei anderen Gastwirten. Bei einem Preis von 4 Euro beträgt die nachgefragte Menge an Mittagessen 50 Einheiten. Zu einem Preis von 6 Euro würden nur noch 30 Personen ein Mittagessen bestellen. a) Situation vor Preisdifferenzierung: Um zumindest seine Kosten zu decken (Annahme: Die Selbstkosten pro Essen betragen 4 Euro), bietet der Gastwirt das Mittagessen für 4 Euro an. Zu diesem

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

198

Preis werden 50 Mittagessen nachgefragt. Der Umsatz beträgt 50 Essen mal 4 Euro pro Essen gleich 200 Euro. Dieser Wert entspricht im Übrigen der Fläche A unter der Preisabsatzfunktion, die durch die beiden Preis- und Mengenwerte gegeben ist: Länge mal Breite: 50 mal 4 = 200. Umsatz:

U(x) = p(x) · x



U(x) = 4 · 50 = 200

Der Gastwirt weiß nun aber, dass unter den 50 Gästen 30 Touristen vertreten sind, die als zahlungskräftige Klientel auch einen Preis von 6 Euro zu zahlen bereit wären. Der Gastwirt beschließt eine Preisdifferenzierung. b) Situation nach Preisdifferenzierung: Am nächsten Tag gelten für die Einheimischen wie bisher die 4 Euro, für die Touristen allerdings 6 Euro. Der Umsatz besteht nun aus zwei Bestandteilen und wird sich insgesamt deutlich erhöhen. Umsatz Touristen: UT (x) = pT (x) · x Umsatz Einheimische: UE (x) = pE (x) · x

U(x) = 6 · 30 = 180 U(x) = 4 · 20 = 80

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Umsatz gesamt:

260

Durch die Preisdifferenzierung kann der Wirt seinen Umsatz von 200 auf 260 Euro erhöhen. Der zusätzliche Umsatz von 60 Euro entspricht der Rechtecksfläche B: Länge mal Breite: 30 mal 2 (6 minus 4) gleich 60. 12.6.2

Abschöpfung der Konsumentenrente

Die Preisdifferenzierung könnte man schließlich auf die Spitze treiben, indem für jeden einzelnen Nachfrager dessen Zahlungsbereitschaft angesetzt wird. Das heißt, der Wirt bietet für jeden Gast das Mittagessen zu dem Preis an, zu dem dieser bereit wäre das Essen nachzufragen. Manche wären bereit, mehr als 6 Euro ja sogar bis zu 9 Euro zu bezahlen. Preisdifferenzierung  Jeder Konsument bezahlt für ein Gut den Preis, der seiner individuellen Preispräferenz und Zahlungsbereitschaft entspricht. In der Praxis ist eine solche Preisdifferenzierung kaum praktikabel. Was aber würde eine vollständige Preisdifferenzierung in der theoretischen Analyse bedeuten? Es würde bedeuten, dass der Wirt durch die Preisdifferenzierung einen zusätzlichen Umsatz in Höhe der Fläche unter der Preisabsatzfunktion realisieren könnte (Abbildung 2.35).

12

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien

199

Diesen Vorgang nennt man Abschöpfung der Konsumentenrente. Unter dem antiquiert wirkenden Begriff Konsumentenrente (engl. windfall profits) versteht man eine Art Ersparnis für die Konsumenten. Konsumentenrente: „Ersparnis“ der Konsumenten. Die Ersparnis kommt dadurch zustande, dass man als Konsument für ein Produkt tatsächlich weniger bezahlen muss als man potentiell dazu bereit wäre. Preis

Konsumentenrente

p* Menge Abbildung 2.35: Konsumentenrente. Will der Anbieter dem Konsumenten dessen „Ersparnis“ wegnehmen, kann dies durch die eben beschriebene Preisdifferenzierung geschehen. Im Extremfall bedeutet das, dass jeder Konsument den Preis bezahlen muss, den er gerade noch bezahlen würde, um das Gut zu konsumieren. Abschöpfung der Konsumentenrente:  Durch Preisdifferenzierung wird jedem Konsumenten seine „Ersparnis“ (wenn die individuelle Zahlungsbereitschaft über dem Verkaufspreis liegt) weggenommen. In unserem Beispiel beträgt die maximal mögliche Konsumentenrente ½ mal 50 mal 5 Euro (9 Euro minus 4 Euro) gleich 125 Euro. 12.6.3

Preisdifferenzierung in der Praxis

In der Praxis ist es natürlich nicht möglich, für jeden einzelnen Konsumenten einen spezifischen Verkaufspreis festzulegen. Dazu müsste man erstens die Zahlungsbereitschaft der einzelnen Konsumenten kennen und müsste zweitens auch organisatorisch in der Lage sein, die Nachfrager oder Nachfragegruppen zu trennen. Befindet sich der Anbieter in einer Monopolsituation, sind Preisdifferenzie-

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

200

rungen eher möglich wie in einer starken Wettbewerbssituation, wo sich Konsumenten den höheren Preisen entziehen können, indem sie zu Wettbewerbern wechseln können. Voraussetzung für die Preisdifferenzierung:  Trennung der Nachfragegruppen Trotz der Schwierigkeiten sind Preisdifferenzierungen in der Praxis beliebt und offen oder versteckt häufig vorzufinden. Abschöpfung der Konsumentenrente durch Preisdifferenzierung:       

Unterschiedliche Menüpreise für Touristen und Einheimische (betrügerischer Beigeschmack). Unterschiedliche Eintrittspreise für Schwimmbadbesuch (sozialer Beigeschmack). Taschenbuch und gebundenes Buch. Sitzklassen im Flugzeug. Telefontarife. Urlaubs- und Saisontarife. Ränge im Opernhaus.

Echte Preisdifferenzierungen liegen dann vor, wenn tatsächlich für das gleiche Produkt ein unterschiedlicher Preis verlangt wird (unterschiedliche Eintrittspreise beim Schwimmbadbesuch). Unechte Preisdifferenzierungen sind dann gegeben, wenn unterschiedliche Preise durch mehr oder weniger leichte Produktvariierungen zustande kommen (Normal-, Economy- und Businessclass). Das einheitliche Gut „Flug“ wird durch unterschiedlichen Komfort und Service differenziert. 12.6.4

Produzentenrente

Analog der Konsumentenrente existiert eine Produzentenrente. Preis

p* Produzentenrente Menge Abbildung 2.36: Produzentenrente.

12

Entscheidungsregeln und Maximierungsstrategien

201

Einige Produzenten können ihre Produkte zu einem bestimmten Preis (p*) auf dem Markt absetzen, obwohl sie in der Lage wären, diese Produkte billiger anzubieten. Letztlich bedeutet diese höhere Preisdifferenz einen entsprechenden Zusatzgewinn für die Unternehmen. Beim Erdölverkauf fällt sicherlich eine solche „Ersparnis“ für die Förderer und Verkäufer an, kann man doch davon ausgehen, dass beim relativ preisunsensiblen Gut Erdöl hohe Gewinnmargen möglich und üblich sind.

12.7

Preisbildung und Gewinnmaximierung im Oligopol

Das Oligopol – und wir sprechen hier vom Angebotsoligopol – ist durch eine geringe Zahl von Anbietern, die einer großen Zahl von Nachfragern gegenübersteht, gekennzeichnet. Eine Sonderform nimmt das Duopol ein. Hier handelt es sich um zwei Marktteilnehmer auf der Angebotsseite. Duopol  Sonderform des Oligopols mit zwei Marktteilnehmern auf der Angebotsseite. Die wenigen Anbieter können alle einen relativ hohen Marktanteil haben. Ob diese Oligopolisten in einem scharfen Wettbewerb stehen und somit zum Polypol tendieren oder ob diese Marktteilnehmer „zusammenhalten“ und somit zum Monopol tendieren, hängt von den Firmen und Branchen ab. Junges Oligopol: Oligopole entwickeln sich meist aus einem polypolistischen Markt. Viele Firmen konkurrieren; es herrscht ein scharfer Preiskampf; viele Firmen gehen unter, einige wenige überleben (früher der Automarkt, heute der Einzelhandel). Altes Oligopol: Sogenannte alte Oligopole wie beispielsweise der Mineralölmarkt sind dadurch charakterisiert, dass die wenigen Oligopolisten wie Esso, Shell und Dea zwar im Wettbewerb zueinander stehen, deren Preisgestaltung aber recht parallel verläuft (Vorwurf der Kartellbildung), so dass in einem solchen Oligopol relative stabile Preise herrschen. 

Preissenkungen bringen nur geringe Absatzsteigerungen, wenn die Konkurrenten mitziehen.



Preiserhöhungen führen zu empfindlichen Absatzeinbußen, wenn die Konkurrenten nicht mitziehen.



Gibt es in einem alten Oligopol Preisführerschaft, sind regelmäßige Preiserhöhungen möglich.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

202

Polypol

→ junges Oligopol → altes Oligopol → Monopol

Starker Wettbewerb → eingeschränkter Wettbewerb → kein Wettbewerb Preiskampf → Preiskampf / evtl. Preisabsprache

→ Monopolpreis

Die Preisbildung und Gewinnmaximierung im Oligopol hat einen anderen Charakter als die im Polypol und im Monopol. Während die Preisbildung im Polypol zu einem Gleichgewichts- und Marktpreis führt und die Preisbildung im Monopol allein in Händen des Monopolisten liegt, ist die Preisbildung im Oligopol durch starke Wechselwirkungen zwischen den Marktteilnehmern geprägt. Die Preisgestaltung hat starken Einfluss auf die des Wettbewerbers und umgekehrt. Entscheidungen führen zu Reaktionen der anderen Teilnehmer (oligopolistische Interdependenz). Oligopolistische Interdependenz  Jeder Teilnehmer übt mit seinen Entscheidungen und Maßnahmen starken Einfluss auf die anderen Anbieter aus, unterliegt aber auch gleichzeitig deren Reaktionen.

13

Entscheidungsverhalten in der Spieltheorie

Im Gegensatz zu den Extrempositionen des zweiseitigen Polypols und des Angebotsmonopols lässt sich das Entscheidungsverhalten im Oligopol mit mehreren Marktteilnehmern sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite mit herkömmlichen mathematischen Methoden nur schwer fassen. Doch es gibt eine interessante Möglichkeit, oligopolistisches Konkurrenz- und Kooperationsverhalten mathematisch in den Griff zu bekommen – und das ist die Spieltheorie.

13.1

Von Neumann und Morgenstern

Die Begründer und Autoren der Spieltheorie sind das mathematische „Wunderkind“ John von Neumann und der herausragende Ökonom Oskar Morgenstern. Beide waren europäische Emigranten in die Vereinigten Staaten von Amerika. 1940 sollen die beiden erstmals in den USA aufeinander getroffen sein, sich in einer Art Schicksalsgemeinschaft zusammengetan und Tag und Nacht gearbeitet haben, um dann vier Jahre später mit 1.200 Seiten in einer Druckerei aufzutauchen und ungläubiges Erstaunen zu erregen. 75 John von Neumann und Oskar Morgenstern:  „Theory of Games and Economic Behaviour“ (1944) deutsch: Spieltheorie und wirtschaftliches Verhalten Die Veröffentlichung ihres Werkes „Theory of Games and Economic Behaviour“ (deutsch: „Spieltheorie und wirtschaftliches Verhalten“) im Jahr 1944 war eine Sensation und wurde mit ekstatischem Beifall aufgenommen. Die Titelseite der New York Times berichtete darüber. Neben der Relativitäts- und der QuantenOskar Morgenstern:  amerikanischer Ökonom (1902 Görlitz - 1977 Princeton) Oskar Morgenstern wurde 1902 im österreichisch-ungarischen Görlitz geboren. Von 1930 bis 1938 war der Ökonom Direktor des Österreichischen Instituts für Konjunkturforschung in Wien, bevor er vor den Nationalsozialisten in die USA emigrierte und sein Exil in Princeton fand, um dann schließlich 1940 mit von Neumann zusammenzutreffen. Zwanzig Jahre nach von Neumann starb Morgenstern 1977 in Princeton.

75

Zu den Lebensbeschreibungen von Neumann und Morgenstern vgl. Hesse 2009 und Strathern 2003.

204

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

theorie und der keynsianischen Theorie gilt die „Theory of Games“ als eine der bedeutendsten wissenschaftlichen Beiträge der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. John von Neumann:  amerikanischer Mathematiker (1903 Budapest - 1957 Washington) Der amerikanische Mathematiker John von Neumann mit ursprünglichem Namen Johann Baron von Neumann wurde 1903 als Sohn eines reichen jüdischen Bankiers in Budapest in Ungarn geboren. Er galt schon früh als Wunderkind, das mit acht Jahren zwei achtstellige Zahlen im Kopf dividieren konnte. 1928 „erfand“ bzw. entwickelte von Neumann in dem Buch „Zur Theorie der Gesellschaftsspiele“ eine radikal neue Methode, die er Spieltheorie nannte. Jeder Wettstreit zweier Personen ließe sich auf ein mathematisch exaktes Spiel zurückführen. 1950 bekam von Neumann Krebs. Bei den Krankenschwestern bestand er auf handverlesene CIAMitarbeiterinnen. Er hatte Angst vor Spionage. Im Jahr 1957 starb der wohl brillanteste Mathematiker des 20. Jahrhunderts. Das Werk von Neuman und Morgenstern wie auch die Spieltheorie selbst gelten als mathematisch anspruchsvoll. Doch gibt es einfache und beliebte Beispiele, um die Philosophie der Spieltheorie zu erläutern. Das bekannteste Beispiel der Spieltheorie ist das Gefangenendilemma.

13.2

Das Gefangenendilemma

Das Gefangenendilemma beschreibt zwei Spieler oder Akteure (Duopol), die jeweils zwei Entscheidungen beziehungsweise Strategien wählen können und nicht wissen, welche Strategie der jeweils andere wählen wird. Die Entscheidungen des einen haben Auswirkungen auf die Entscheidungen des anderen. Die möglichen Konsequenzen und Ergebnisse der Entscheidungen sind den Akteuren bekannt. 76 Begriffe aus der Spieltheorie:  Spieler: Teilnehmer bzw. Akteure  Spielzüge: Handlungsalternativen bzw. Strategien  Entscheidung: Wahl der Handlungsalternative  Ergebnis: Gewinn beziehungsweise Auszahlung

76

Das Kapitel „Gefangenendilemma“ und die Darstellung der Beispiele beruhen vorwiegend auf den Ausführungen von Mankiw/Taylor, 2008, S. 394ff und Mankiw, 2004, S. 380ff.

13 13.2.1

Entscheidungsverhalten in der Spieltheorie

205

Beispiel Bonnie und Clyde

Ausgangslage: In unserem Beispiel sind die Akteure Bonnie und Clyde, das berühmte Gangsterpaar aus dem gleichnamigen Film. Bonnie und Clyde werden gefasst und des Waffentragens ohne Waffenschein und eines gemeinsamen Bankraubs angeklagt. Für den Bankraub hat die Polizei allerdings keine Beweise. Die beiden Kriminellen werden nun getrennt verhört, wobei man ihnen folgendes Angebot macht: Für das Waffentragen ohne Waffenschein können auf alle Fälle ein Jahr Gefängnis verhängt werden. Gesteht Bonnie den Bankraub und belastet ihren Kumpanen Clyde, erhält Bonnie zur Belohnung Straffreiheit und Clyde muss 20 Jahre hinter Gittern. Umgekehrtes gilt für Clyde. Gestehen aber beide, ist die Zeugenaussage und eine langwierige Verhandlung hinfällig und beide erhalten eine mittelschwere Strafe von 8 Jahren. Frage:

Wie werden sich Bonnie und Clyde entscheiden, wenn sie keine Möglichkeit haben sich abzusprechen? In folgender Matrix sind die Entscheidungsalternativen mit den entsprechenden Ergebnissen dargestellt. Entscheidung Bonnie: Gestehen

Entscheidung Clyde:

Gestehen Schweigen

-

8 Jahre für Bonnie 8 Jahre für Clyde Freiheit für Bonnie 20 Jahre für Clyde

Schweigen -

20 Jahre für Bonnie Freiheit für Clyde 1 Jahr für Bonnie 1 Jahr für Clyde

Bonnie: Bonnie weiß nicht, was Clyde tun wird. Wenn er schweigt, sollte sie gestehen, da sie dann frei ist, statt ein Jahr im Gefängnis zu sitzen. Wenn er aber gesteht, lautet die beste Strategie immer noch Gestehen, denn das bedeutet acht Jahre Gefängnis statt 20 Jahre. Unabhängig davon, was Clyde machen wird, ist Bonnie mit Gestehen am besten dran (dominante Strategie). Clyde:

Gleiches gilt für Clyde. Sollte Bonnie schweigen, wäre er selbst mit Gestehen am Besten dran. Denn das bedeutet Freiheit, statt möglicherweise ein Jahr Gefängnis. Sollte Bonnie gestehen, fährt er selbst wiederum mit Gestehen am besten. Das bedeutet zwar acht Jahre Gefängnis, die aber weit besser sind als die möglichen zwanzig Jahre. Gestehen bedeutet also auch für Clyde die beste Entscheidung (dominante Strategie).

Dominante Strategie:  Die beste Vorgehensweise eines Spielers ungeachtet der von den anderen Spielern verfolgten Strategie.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

206

Antwort: Bonnie und Clyde entscheiden sich also jeweils für Gestehen, mit der Folge, dass beide für acht Jahre im Gefängnis sitzen. Hätten sie beide geschwiegen, wären sie mit einem Jahr Gefängnis davongekommen. Folgt also jeder seinem Eigeninteresse, kommen beide Gefangenen zu einem schlechteren Ergebnis. Unterstellt wird in diesem Beispiel allerdings, dass sowohl Bonnie als auch Clyde risikoavers entschieden haben. Das heißt, dass beiden das sichere Ergebnis von acht Jahren Gefängnis lieber war als die unsichere Alternative von 20 Jahren. Weitere Anwendungsmöglichkeiten des Gefangenendilemmas Das Modell des Gefangenendilemmas lässt sich auf wirtschaftliche Situationen übertragen. Wir hätten es hier dann mit einem Duopol – also einem Oligopol mit zwei Marktteilnehmern – zu tun, die Entscheidungen zu treffen haben wie Werbung oder keine Werbung, Preise erhöhen oder nicht erhöhen. Wichtig dabei ist, dass die beiden Marktteilnehmer jeweils die möglichen Konsequenzen kennen, wenn bestimmte Entscheidungen getroffen werden, aber nicht wissen, wie sich der Konkurrent entscheidet. 13.2.2

Beispiel Ölbohrung

Zwei Ölgesellschaften – Exxon und Arco – sind Eigentümer benachbarter Ölfelder. Unter dem Gelände befindet sich ein zusammenhängendes Reservoir im Werte von 12 Millionen Dollar. Eine Bohrung zur Erschließung des Öls kostet 1 Million Dollar. Sofern jede der beiden Unternehmen eine eigene Bohrung nieder bringt, kommt sie an die Hälfte der Ölvorräte mit einem Gewinn von rund 5 Millionen Dollar (6 Millionen Dollar Umsatz und 1 Million Dollar Kosten). Nehmen wir an, jedes Unternehmen könnte eine zweite Bohrleitung legen. Mit zwei Leitungen erlangt man zwei Drittel der Ölvorräte und macht damit einen Gewinn von 6 Millionen Dollar (8 Millionen Umsatz minus 2 Millionen Kosten). Der Konkurrent hätte in diesem Fall nur einen Gewinn von 3 Millionen (4 Millionen Umsatz minus 1 Million Kosten). Wenn aber jede Ölgesellschaft eine zweite Leitung installiert, teilt sich die Ölförderung erneut. Jeder trägt in diesem Fall die Kosten der zweiten Bohrleitung und der Gewinn beträgt für jeden nur 4 Millionen Dollar (6 Millionen Umsatz minus 2 Millionen Kosten). Entscheidung Exxon: Eine Bohrung Entscheidung Arco:

Eine Bohrung Zwei Bohrungen

Exxon Gewinn Arco Gewinn Exxon Gewinn Arco Gewinn

Zwei Bohrungen 5 Mio.$ Exxon Gewinn 6 Mio.$ 5 Mio.$ Arco Gewinn 3 Mio.$ 3 Mio.$ Exxon Gewinn4 Mio. $ 6 Mio.$ Arco Gewinn 4 Mio. $

13

Entscheidungsverhalten in der Spieltheorie

207

Frage:

Welche Strategie werden die beiden Ölgesellschaften ergreifen, sofern sie in purem Eigeninteresse und nicht-kooperativ handeln und welche Lösung könnten sie bei einem kooperativen Verhalten erzielen?

Exxon:

Aus Sicht von Exxon findet folgende Entscheidung statt: Sollte sich Arco für eine Bohrung entscheiden, wählt Exxon zwei Bohrungen, da dann ein Gewinn von 6 statt von 5 Millionen Dollar realisiert werden könnte. Sollte sich Arco jedoch selbst für zwei Bohrungen entscheiden, wird Exxon ebenfalls zwei Bohrungen wählen, da auch in diesem Fall 4 Millionen mehr als drei Millionen sind. Exxon wird also auf alle Fälle die dominante Strategie von zwei Bohrungen wählen.

Arco:

Aus Sicht von Arco wird man zum gleichen Ergebnis mit zwei Bohrungen kommen.

Antwort: Im Ergebnis werden beide Firmen zwei Bohrungen mit einem Gewinn von jeweils 4 Millionen Dollar realisieren. Kooperatives Verhalten: Hätten sich die beiden Firmen kooperativ gezeigt und abgesprochen, dass jede von ihnen nur eine Bohrung durchführt, wäre das Ergebnis für beide besser gewesen. In diesem Fall hätte jede von ihnen 5 Millionen Dollar Gewinn erreichen können. Ein drittes und letztes Beispiel soll schließlich zeigen, wie der Staat gewollt oder ungewollt die Strategiewahl von Akteuren beeinflussen kann. 13.2.3

Beispiel Werbung

Zwei Zigarettenfirmen, Marlboro und Camel, haben zu entscheiden, ob sie Werbemaßnahmen ergreifen möchten oder nicht. Entscheidet sich eine der beiden Firmen für Werbung und die andere nicht, erzielt die Werbung treibende Firma einen deutlich höheren Gewinn von 5 Mrd. Dollar gegenüber von nur 2 Mrd. Dollar bei der nicht Werbung treibenden Firma. Entschließen sich beide Firmen für Werbung, reduziert sich der jeweilige Gewinn auf 3 Mrd. Dollar; verzichten beide auf Werbung, erhöht sich der jeweilige Gewinn wegen Kostenersparnis auf 4 Mrd. Dollar. Entscheidung Marlboro: Werbung Entscheidung Camel:

Werbung keine Werbung

Marlboro Camel Marlboro Camel

Keine Werbung 3 Mrd.$ 3 Mrd.$ 5 Mrd.$ 2 Mrd.$

Marlboro Camel Marlboro Camel

2 Mrd.$ 5 Mrd.$ 4 Mrd.$ 4 Mrd.$

208

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

Entscheidung: Die dominante Strategie wird sein, dass sich beide Firmen für Werbung entscheiden, obwohl sie ohne Werbung eine besseres Ergebnis erzielt hätten. 77 Für das Gefangenendilemma als bekannteste Kategorie der Spieltheorie ließen sich nicht nur in wirtschaftlichen Entscheidungssituationen, sondern in vielen weiteren Situationen Beispiele finden – seien es das Konzept der nuklearen Abschreckung, der Ehe oder Ehescheidung oder eines tatsächlichen Spiels wie Poker. Das Ergebnis des „Spiels“ hängt nie allein von der eigenen Entscheidung ab, sondern immer auch von den Entscheidungen der anderen autonomen Akteure. Gefangenendilemma:  Gefangenendilemmas sind Entscheidungssituationen, bei denen Spieler Entscheidungen treffen müssen ohne zu wissen, welche Entscheidungen die anderen Mitspieler treffen und im Hinblick auf die eigene Nutzenmaximierung ein Anreiz zu nicht-kooperativem Verhalten besteht … mit der Folge allerdings, dass die Akteure am Ende schlechter dastehen als es sich bei kooperativem Verhalten ergeben hätte. Ein entscheidendes Charakteristikum bei Nicht-Nullsummenspielen wie den Gefangenendilemmas ist die Tatsache, dass beide Akteure gewinnen (win-winSituation) wie auch verlieren (looser-looser-Situation) können. Bedeutet jedoch der Gewinn des einen Spielers den Verlust des anderen Spielers, spricht man von einem Nullsummenspiel. Angenommen zwei Spieler wetten um Kopf oder Zahl einer Münze, so wird – sofern die Münze nicht auf dem Rand stehen bleibt –, einer der Gewinner und der andere der Verlierer sein. John Nash: Die Spieltheorie entscheidend weiter entwickelt und geprägt hat der amerikanische Mathematiker John Nash. Sein Leben in Psychiatrie und Genesung diente übrigens als Vorlage für den Kinofilm „A Beautiful Mind“. Nash erhielt 1994 den Wirtschaftsnobelpreis für die Anwendung der Spieltheorie auf die Ökonomie.

77

Mankiw weist in diesem Zusammenhang auf einen interessanten Vorgang hin. 1971 wurde in den USA im Kongress ein Gesetz besprochen, das Zigarettenwerbung im Fernsehen verbieten sollte. Zur Überraschung vieler Beobachter hielt sich der Widerstand der Zigarettenkonzerne gegen das Werbeverbot in Grenzen. Als nämlich das Gesetz wirksam wurde, stiegen die Gewinne der Zigarettenhersteller. Der Staat löste durch diese Entscheidung das Entscheidungsdilemma der Firmen auf und zwang sie quasi zur Kooperation mit dem Ergebnis „geringe Werbung“ mit hohem Gewinn. (Mankiw, 2004, S. 384.)

14

Unternehmenskonzentration

14.1

Fusionen, Firmenübernahmen und Global Players

Ende der neunziger Jahre hatte der deutsche Automobilkonzern Daimler Benz den US-amerikanischen Automobilhersteller Chrysler übernommen. Die britische Vodafone-Gruppe hat selbiges mit der deutschen Mannesmann getan. Der altehrwürdige britische Rolls Royce unter der Flagge von Lady Emily wird bei den Bayerischen Motorenwerken BMW gebaut und die HypoVereinsbank gehört nun zur italienischen Unicredit. Fusionen und Firmenübernahmen prägen die Welt der Global Player. Der Konzentrationsprozess in Zeiten der Globalisierung ist in vollem Gange. 14.1.1

Firmenübernahmen

Vodafone: Die spektakulärste Firmenübernahme der letzten Jahre – zumindest aus deutscher Sicht – war sicherlich die Übernahme von Mannesmann durch die britische Vodafone Group. Eine der größten und spektakulärsten Firmenübernahmen  Die britische Vodafone Group übernimmt die deutsche Mannesmann im Jahr 2000 für damals 371 Milliarden DM. Dass sich der Deutsche Bank-Chef und Aufsichtsratsvorsitzender von Mannesmann Ackermann, der ehemalige Vorstandsvorsitzende Gent und auch der ehemalige IG-Metall-Chef und das Aufsichtsratsmitglied Zwickel vor Gericht wegen angeblich zu hoher Zahlungen verantworten mussten, hatte monatelang für Furore in den Medien gesorgt. Ob nun das Victory-Zeichen von Ackermann im Gerichtssaal oder der Freispruch mehr Unmut erzeugten, sei dahingestellt. Doch Firmenübernahmen haben es in sich. DaimlerChrysler: Auch der damalige DaimlerChrysler Chef Jürgen Schrempp sah sich mit Vorwürfen amerikanischer Aktionäre konfrontiert, mit der Firma Chrysler nicht gleichberechtigt fusioniert zu haben, sondern diese in einer mehr oder weniger „feindlichen“ Übernahme geschluckt zu haben. Beispiel DaimlerChrysler  Der deutsche Automobilkonzern Daimler-Benz fusioniert 1998 mit dem US-amerikanischen Autohersteller Chrysler Corporation und wird zu DaimlerChrysler.

210

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

2007 erfolge der Verkauf von Chrysler an Cerberus und DaimlerChrysler wurde zur Daimler AG. 14.1.2

Die größten Unternehmen und Arbeitgeber der Welt

a) Die Umsatzgiganten: Schaut man sich die größten Unternehmen der Welt an, spielen die US-amerikanischen Firmen zwar noch eine dominierende Rolle, doch europäische wie auch asiatische Firmen sind ebenfalls „hungrig“ und setzen auf Wachstum und Größe. Was die ersten Plätze anbelangt, werden diese – mit Ausnahme vom Handelsunternehmen Wal-Mart – von Energiekonzernen dominiert. Die größten Unternehmen der Welt Umsatz im Jahr 2008 in Milliarden Dollar Royal Dutch/Shell Group (NL/GB) 458 Exxon Mobil (USA) 443 Wal-Mart Stores (USA) 406 BP (GB) 367 Chevron (USA) 263 Total (F) 235 ConocoPhillips (USA) 231 ING Group (NL) 227 Sinopec (China) 208 Toyota Motor (J) 204 Japan Post Holdings (J) 199 General Electric (USA) 183 China National Petroleum (China) 181 Volkswagen (D) 167 State Grid (China) 164 Dexia Group (B) 161 ENI (I) 159 General Motors (USA) 149 Ford Motor (USA) 146 Allianz (D) 142

Abbildung 2.37: Die größten Unternehmen der Welt. [Quelle: Fortune Global 500, Biggest Companies 2008] b) Die Mitarbeitergiganten: Gemessen an der Mitarbeiterzahl, liegen die Wal-Mart Stores mit großem Abstand an erster Stelle. Rund 2,1 Millionen Arbeitnehmer stehen auf der Gehaltsliste des US-amerikanischen Einzelhandelsriesen. Chinesische Unternehmen – der Ölgigant China National Petroleum und das Energieunternehmen State Grid – belegen Platz zwei und drei. Die mitarbeiterstärksten Unternehmen in deutscher Hand sind die Deutsche Post, Siemens und Volkswagen.

14

Unternehmenskonzentration

211

Die größten Arbeitgeber der Welt Beschäftigte im Jahr 2008 [in Tausend] Wal-Mart Stores (USA) China National Petroleum (China) 1.618 State Grid (China) 1.537 U.S. Postal Service (USA) 765 Sinopec (China) 640 China Telecommunications (China) 498 Carrefour (F) 495 Hon Hai Precision Industry (Taiwan) 486 Gazprom (Rssland) 456 Deutsche Post (D) 452 Agricultural Bank of China (China) 442 United Parcel Service (USA) 426 Siemens (D) 421 Hitachi (J) 400 McDonald’s (USA) 400 IBM (USA) 398 Compass Group (GB) 388 Industrial & Commercial Bank (China) 386 Aviation Industry Corp. of China (China) 383 Volkswagen (D) 370

2.100

Abbildung 2.38: Die größten Arbeitgeber der Welt. [Quelle: Fortune Global 500, Biggest Employees 2008] 14.1.3

Die größten Unternehmen Deutschlands

Betrachtet man gemessen am Umsatz die größten Unternehmen Deutschlands, steht mit deutlichem Abstand der Volkswagen-Konzern an erster Stelle. 114 Milliarden Euro betrug der Umsatz im Jahr 2008. VW konnte als einziges Unternehmen einen dreistelligen Milliardenbetrag realisieren. Der frühere Spitzenreiter DaimlerChrysler kommt nach der Abspaltung von Chrysler nur noch auf den . Die größten deutschen Unternehmen (ohne Banken und Versicherungen) Volkswagen Daimler E.ON Siemens Metro BASF Deutsche Telekom Deutsche Post Schwarz-Gruppe ThyssenKrupp BMW Rewe Group RWE Robert Bosch EADS N.V. Eon Energie Edeka T-Mobile Audi Deutsche Bahn

Umsatz im Jahr 2008 in Milliarden Euro

37 35 34 33

54 54 53 53 50 49 45 43 41

Abbildung 2.39: Die größten deutschen Unternehmen. [Quelle: top500.welt.de (21.06.2009)]

62 62

68

77

87

96

114

212

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

zweiten Platz mit 96 Milliarden Euro. E.ON und Siemens belegen mit 87 und 77 Milliarden den dritten und vierten Platz. Beachtenswert sind auch die Plätze der Handelsunternehmen. Die Handelskonzerne Metro, Schwarz-Gruppe (u. a. Lidl), Rewe-Group und Edeka finden sich unter den ersten zwanzig Unternehmen.

14.2

Ursachen der Konzentration

Als Gründe für Fusionen und Konzentrationsprozesse in der Wirtschaftswelt werden vielerlei vorgebracht – von der Globalisierung bis hin zu Kostenvorteilen. Manche dieser Gründe beziehen sich auf veränderte Rahmenbedingungen und manche auf beabsichtigte Zielsetzungen der Unternehmen. Insofern besteht hier ein unterschiedlicher Charakter zwischen Ursachen im Sinne veränderter volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen und Gründen im Sinne der mit Wachstum und Übernahmen verfolgten betriebswirtschaftlichen Zielsetzungen. Gründe für Wachstum, Übernahme und Größe: exogene Faktoren: Von außen vorgegebene Faktoren durch veränderte politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie Wettbewerbsdruck und neue Informationstechnologien.  politische und volkswirtschaftliche Perspektive endogene Faktoren: Von innen veränderbare Faktoren durch unternehmerische Entscheidungen und Zielsetzungen wie Kostenreduzierung und Erschließung neuer Märkte.  betriebswirtschaftliche Perspektive. Ein Begriff, der im Zusammenhang mit Fusionen und Global Players immer wieder fällt, ist der der Globalisierung. Die Globalisierung ist eine wesentliche Ursache dafür, dass sich Unternehmer und Unternehmen internationaler ausrichten und auf Übernahmen und Größenzuwachs setzen, um einfach ein gewisses Maß an Macht und Mächtigkeit erreichen. Neben der Globalisierung im Allgemeinen werden die mehr oder weniger neuen und zumindest erweiterten Möglichkeiten durch die Informationstechnologie als Ursachen für global agierende Unternehmen genannt. Das World Wide Web erleichtert und fördert, ja fordert und zwingt Unternehmen diese Medien zu nutzen, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen oder zumindest nicht den Anschluss an technische Standards und Nutzung moderner Medien zu verpassen. Deregulierungs- und Privatisierungsbemühungen der Politik in den Nationalstaaten schaffen neue Möglichkeiten der unternehmerischen Teilhabe und Mitwirkung. Die Öffnung der Dienstleistungsmärkte bei Verkehr, Banken und Versicherungen sowie der Telekommunikation begünstigt international agierende Unternehmen.

14

Unternehmenskonzentration

213

Politische und rechtliche Vorgaben wie zum Beispiel die verschärfte Fremdkapitalbeschaffung für mittelständische Unternehmen durch Basel II setzen Anreize für Kooperationen und fürs Größer werden. Ursachen der Konzentration durch veränderte politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen:  Globalisierung: Weltweiter Markt verlangt weltweit operierende Unternehmen (global player).  Kommunikationsmedien wie das Internet.  Deregulierung: Öffnung der Dienstleistungsmärkte wie Verkehr, Banken und Telekommunikation.  Staatliche Vorgaben.  Angelsächsische Standards.  Shareholder-Value Die Ausrichtung des Wirtschaftlichen am „Englischen“, das heißt an angelsächsischen Standards, seien es die Aktienpolitik am share-holder-value oder die Angleichung der Rechnungslegungsvorschriften an die angelsächsische IAS (International Accounting Standards), fordern die Unternehmen zu Internationalisierung und Konzentration heraus.

14.3

Argumente für „Größe“

Die Gründe für Konzentrationen und Fusionen in der Wirtschaft sind vielschichtig. Aus Sicht der Unternehmen als wirtschaftliche Organisationen spielen betriebswirtschaftliche Überlegungen eine Hauptrolle. Aus Sicht der Unternehmer als Menschen und Individuen spielen psychologische Faktoren und persönliche Erwägungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Argumente für Konzentration und Größe Kosten  Economies of Scale (Skaleneffekte): „Gesetz der Massenproduktion“  Lern- und Erfahrungskurve  Economies of Scope: Verbundeffekte  Konditionenpolitik

Umsatz  Preispolitik: - monopolistische Hochpreise - Niedrigpreise (Discounteffekt)  Erschließung neuer Absatzmärkte

Macht  Mindestgröße des Überlebens  Marktmacht: - Standards setzen - Lobbyismus  Machtmensch: Erfolg, Prestige, Ansehen und Reichtum

Die betriebswirtschaftlichen Argumente zielen vor allem auf die Reduzierung der Kosten im Unternehmen. Neben diesen kostenorientierten Motiven spielen absatzpolitische und umsatzorientierte Argumente eine Rolle.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

214 14.3.1

Economies of Scale

„Economies of Scale“ (deutsch: Skaleneffekte) meint schlicht die Einsparung von Kosten durch die Produktion größerer Stückzahlen. Man spricht auch vom „Gesetz der Massenproduktion“. Die Kosteneinsparungen kommen dadurch zustande, dass die Fixkosten auf eine größere Zahl von Mengeneinheiten verteilt werden (Fixkostendegression) und dadurch die Kosten pro Stück sinken. Die durch die Massenproduktion gewonnenen Kostenvorteile beziehen sich also auf die abnehmenden Stückkosten. Economies of Scale (Skaleneffekte):   

Größenvorteile bzw. Größenkostenersparnisse Gesetz der Massenproduktion. Fixkostendegression führt zu Kostenvorteilen durch abnehmende Stückkosten.

Kostenvorteile durch abnehmende Stückkosten setzen vereinfachende Modellannahmen voraus, die zum Beispiel darin bestehen, dass die Fixkosten durch die Vergrößerung des Unternehmens nicht überproportional bzw. sprungfix zunehmen, sondern im Idealfall auf dem ursprünglichen Niveau verharren. Das könnte dann der Fall sein, wenn Maschinen oder Produktionsanlagen bisher nicht voll ausgelastet waren und nun durch die Firmenerweiterung vermehrt ausgelastet werden können, ohne dass eine neue Maschine angeschafft werden müsste. Ein linearer Gesamtkostenverlauf kommt den Modellannahmen am nächsten. k = 5.000/x + 100

K = 5.000 + 100x

Kosten

Stückkosten 200

15.000 150 10.000 100 Kf = 5.000 50

100

Menge

50

100

Menge

Abbildung 2.40: Gesamtkosten und abnehmender Stückkostenverlauf. Die Fixkosten einer Maschine, wie zum Beispiel die Abschreibungskosten, werden auf eine größere Produktionsmenge verteilt, so dass die Fixkosten pro Stück

14

Unternehmenskonzentration

215

sinken (Fixkostendegression). Unter der Annahme, dass die variablen Kosten pro Stück konstant bleiben, nehmen mit zunehmender Menge die Stückkosten ab (Gesamtkosten dividiert durch die Menge)! Beispiel Mähdrescher: Wenn ein Mähdrescher im Einsatz ist und eine bestimmte Fläche bearbeitet, sinken die Kosten pro Fläche, wenn dieser Mähdrescher die doppelte oder dreifache Fläche bearbeiten kann. Die Anschaffungskosten des Mähdreschers, beispielsweise die Abschreibungsaufwendungen sind fix, unabhängig davon ob der Mähdrescher viel oder wenig eingesetzt wird. Selbstverständlich verursacht der vermehrte Einsatz des Mähdreschers höhere Betriebskosten wie Benzin und höhere Abnutzungs- und Reparaturkosten, aber die Umlage der Fixkosten auf eine größere Menge bzw. Fläche kompensiert die höheren variablen Kosten bei weitem. 14.3.2

Erfahrungskurve und Lerneffekte

Eine spezielle Ausprägung der economies of scale stellt die Erfahrungskurve dar. Hier führen Lerneffekte zu einer Kostenreduzierung. Erfahrungskurve (Lerneffekte):  Abnahme der Stückkosten um rund 20 bis 30 Prozent bei einer Verdoppelung der Produktionsmenge. Untersuchungen in der Praxis haben gezeigt, dass bei einer Verdoppelung der Produktionsmenge die Stückkosten um rund 20 bis 30 Prozent abnehmen. Eine plausible Erklärung sind die sogenannten Lerneffekte. Stückkosten 10,00 8,00 6,40 5,12 4,00

1

2

4

Abbildung 2.41: Erfahrungskurve. 78

8

16

Menge

78

Stellt man die Erfahrungskurve logarithmisch dar, ergibt sich eine lineare Funktion.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

216

In Abbildung 2.41 ist eine solche Erfahrungskurve dargestellt. Die Menge (x-xAchse) verdoppelt sich von 1 Mengeneinheit auf 2 Mengeneinheiten, schließlich von 2 auf 4 Einheiten usw.. Die Stückkosten nehmen in diesem Beispiel um jeweils 20 Prozent von 10 auf 8 auf 6,4 usw. ab. Je weiter die Stückkosten gesenkt werden sollen, desto schwieriger wird dieser Prozess der Kostenreduzierung. Jede weitere Reduzierung der Stückkosten um 20 Prozent, braucht zwar relativ gesehen nur eine Verdoppelung der Menge, aber absolut macht eine Verdoppelung von 2 auf 4 Einheiten sicherlich weniger Probleme als eine Verdoppelung von 512 auf 1.024 Einheiten. Die Reduzierung der Stückkosten im Zusammenhang mit der Erfahrungskurve beruht auf einem anderen Ansatz als der der Skaleneffekte. Während die economies of scale die Stückkostensenkung durch die Fixkostendegression erklären, stehen beim Modell der Erfahrungskurve die Personalkosten im Vordergrund. Wenn man das erste Mal ein Werkstück herstellt oder einen Kreditvertrag bearbeitet, wird dieses erste Mal ungleich viel länger Zeit benötigen als die 100ste Arbeitshandlung. Mit zunehmender Stückzahl nehmen Erfahrung und Routine zu. „Man lernt dazu.“ beziehungsweise „Man lernt nie aus.“ Man spricht deshalb auch von „learning by doing“ also Lerneffekten. 14.3.3

Economies of Scope

Unter Economies of Scope versteht man Verbundeffekte bzw. Verbundvorteile, die dadurch entstehen, dass zum Beispiel Forschungs- und Entwicklungskosten bei einem fusionierten Unternehmen geringer sein können als die Summe der Einzelkosten der zwei ursprünglichen Unternehmen. Insbesondere bei diversifizierten Unternehmen, die auf unterschiedlichen Märkten tätig sind und unterschiedliche Produkte oder Dienstleistungen herstellen oder anbieten, können Synergieeffekte einer gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungspolitik oder Personal- und Organisationspolitik erreicht werden. Economies of Scope:  Verbund- oder Diversifizierungsvorteile durch Nutzung gemeinsamer Ressourcen (Synergieeffekte). „Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile.“ Krankenhäuser zum Beispiel, die vermehrt auf Kosten achten müssen, agieren effizienter, wenn zwei Krankenhäuser zusammen ein Röntgengerät zu 100 Prozent auslasten als wenn jedes Krankenhaus für sich ein Gerät mit 50prozentiger Auslastung beansprucht; von den Anschaffungskosten mal ganz zu schweigen. Arztpraxen oder Beratungsunternehmen können effizienter vorgehen, wenn sie sich zusammenschließen und einen gemeinsamen Telefondienst und eine gemeinsame Rechnungsabwicklung anbieten.

14

Unternehmenskonzentration

217

Synergieeffekte: ‚Economies of Scope‘ bedeutet durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen – seien es Röntgengeräte oder Serviceleistungen – eine effizientere Nutzung dieser Ressourcen. Man spricht auch von Synergieeffekten. Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile. Der gemeinsame Nutzen ist größer als die Summe der Einzelnutzen; oder aus Kostensicht: Das Ganze der Kosten ist weniger als die Summe der einzelnen Kosten: KA+B < KA + KB. Zu beachten ist, dass Synergieeffekte von fusionierten und verbundenen Unternehmen durch zunehmende Bürokratie- und Umstellungskosten konterkariert werden können. 14.3.4

Konditionenpolitik

Konditionenpolitik bedeutet, dass durch pure Größe, Masse und Macht eines Unternehmens vorteilhaftere Konditionen (Bedingungen) beispielsweise beim Einkauf oder bei der Kreditbeschaffung durchgesetzt werden können. Große Unternehmen können eher Druck auf Einkaufspreise bei Lieferanten oder Zinskonditionen bei Banken durchsetzen, als dies kleine Unternehmen zu tun in der Lage sind. Konditionenpolitik:  Günstige Bedingungen (Einkaufspreise und Kreditzinsen) bei der Beschaffung von  Werkstoffen: Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe  Sachkapital: Betriebsmittel wie Maschinen  Finanzkapital: Kredite und Beteiligungen Ein Schwergewicht im Lebensmitteleinzelhandel wie die Firma Aldi kann ihre Lieferanten für Lebensmittel oder Aktionswaren wie Computer, Blumen oder Kinderkleider durch die riesigen Abnahmemengen zu weitaus günstigeren Konditionen zwingen als dies einem kleinen Einzelhändler möglich wäre. 14.3.5

Preispolitik

Große Firmen, die auf der Beschaffungsseite – sei es der Einkauf von Rohstoffen oder die Beschaffung von Kapital – ihre Marktmacht für günstige Konditionen einsetzen, können gleiches auch auf der Absatzseite tun. Effizienzgewinne und die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit lassen sich nämlich über zwei „Stellschrauben“ erreichen – entweder über die Kostenseite oder über die Umsatzseite. Während bisher Kostenargumente im Vordergrund standen, sollen nun die Absatz- und die Umsatzseite eine größere Rolle für Unternehmenskonzentrationen spielen. Die Marktmacht auf der Absatzseite kann zwei Richtungen einnehmen. Erstens, große Unternehmen sind so mächtig und präsent auf dem Markt, dass sie wie ein Monopolist Preisanpassung betreiben können. Ihnen ist nicht durch eine scharfe

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

218

Konkurrenz ein Wettbewerbs- und Marktpreis vorgegeben, sondern sie können Preisaufschläge durchsetzen, die sonst nicht möglich wären. Hochpreispolitik:  Durchsetzen von höheren Verkaufspreisen aufgrund monopolistischer Marktmacht. Zweitens, große Unternehmen können ihre marktbeherrschende Stellung jedoch auch durch eine entgegengesetzte Preispolitik betreiben. Lebensmitteldiscounter wie Aldi oder Lidl agieren mit bewusst niedrigen Preisen, um die Konkurrenten über dieses Preisdumping aus dem Markt zu drängen. Die trotzdem hohen Gewinne dieser Niedrigpreisanbieter ergeben sich durch die enorme Masse an verkauften Produkten. Niedrigpreispolitik:  Verdrängung von Wettbewerbern durch Masse und „Discountpreise“.

14.3.6

Erschließen neuer Märkte

Ein weiteres gewichtiges Argument auf der Absatzseite betrifft die Erschließung neuer Märkte. Es gilt die Devise: Nah am Markt sein, nach am Kunden sein. Erschließen neuer Märkte: „Nah am Markt und nah am Kunde.“  Kundenbindung und -gewinnung, neue Distributionswege und größere Absatzpotentiale. Große deutsche Automobilfirmen wie Daimler, BMW und Audi eröffnen Werke in den USA oder kaufen ausländische Firmen auf. Mittelständler errichten „Zweigstellen“ in China oder in Osteuropa und gehen Kooperationen mit anderen einheimischen oder ausländischen Firmen ein. Das Erschließen neuer Märkte soll neue Kunden und vermehrten Umsatz bringen. 14.3.7

Marktmacht

Die Größenvorteile von marktbeherrschenden Unternehmen liegen nicht nur in der Beherrschung des Marktes über Kostenvorteile und Umsatzsteigerungen. Ein weiteres Argument kommt hinzu. „Größe“ kann Standards setzen, ja sogar die Öffentlichkeit und den Staat beeinflussen und vielleicht sogar beherrschen. Bill Gates hat zu Beginn seiner Unternehmertätigkeit seine Microsoft-Software verschenkt beziehungsweise über den Großkonzern IBM platziert, um über die Masse der Verbreitung seiner Software einen Standard zu setzen und zukünftig

14

Unternehmenskonzentration

219

alle weiteren Nachfrager und Nutzer von Unternehmenssoftware an sich zu binden. Machtpolitik:  Über Innovationen und Masse Standards setzen. Schließlich sind Unternehmen bestimmter Größenordnungen in der Lage, neben ihrer eigentlichen Unternehmenspolitik auch Wirtschaftspolitik zu betreiben. Dies reicht von der Lobbyarbeit in Parlamenten über den Erhalt von Subventionen bei Standortansiedlungen bis hin zu staatlicher Unterstützung in Notsituationen und bei Sanierungsfällen – man denke an das Einschreiten des früheren Bundeskanzlers Schröder beim Baukonzern Holzmann und den Ballier-Werken. Lobbyismus:  Interessenvertretung durch Firmen und Verbände gegenüber Politik und Verwaltung.

14.3.8

Machtmensch

Diese bisher vor allem betriebswirtschaftlich ausgerichteten Argumente spielen in den Entscheidungsprozessen für oder gegen Größe und Konzentration eine mehr oder weniger wichtige Rolle. Die entscheidende Rolle spielen sie nicht. Denn Wachstum ist eigentlich ein Naturgesetz. Es liegt in der Natur begründet, wachsen zu wollen – wenn auch nicht maßlos und unendlich. Und es liegt in der Natur des Menschen und in der Persönlichkeit der Entscheidungsträger „wachsen“ zu wollen, mächtiger, erfolgreicher und reicher zu sein als andere. Diese innere Antriebskraft kann sogar im Gegensatz zu betriebswirtschaftlichen Erwägungen stehen. So lapidar es klingt, Marktmacht des Unternehmens hat mit Machtwillen des Unternehmers und Managers als Person zu tun. Macht, Einfluss, Ansehen, Ruhm und Geltungsdrang haben auch in einem rationalen und sachlichen Wirtschaftleben ihren Platz – zumindest hilft es nicht, ihre wesentliche Bedeutung zu leugnen. Machtmensch durch Marktmacht:  Erfolg, Prestige, Ansehen und Reichtum („Ruhm und Ehre“). Macht und Einfluss erzeugen Gefühle, die einerseits von Bewunderung und Achtung geprägt sind, andererseits aber auch Unbehagen und Furcht erwecken können. Die folgende Darstellung dreier mächtiger Männer und Unternehmen in den USA des 19. und 20. Jahrhunderts bringt diese zwiespältigen Gefühle zum Ausdruck.

220

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

Erfolg und Reichtum müssen nicht per se als etwas Negatives angesehen werden. Andrew Carnegie und John P. Morgan – neben John D. Rockefeller die Großen und Mächtigen der damaligen Zeit – sahen materiellen Erfolg als Zeichen göttlicher Fürsorge. Gleichzeitig belegen die Beispiele ein allgemeines Unbehagen im Hinblick auf zuviel Macht und Einfluss. Ein Unbehagen, das so weit geht, dass der Staat eingreift und zuviel Macht verbietet und Konglomerate zerschlägt. Die Politik greift in die Wirtschaft und in den – in diesem Fall mangelnden – Wettbewerb ein, indem sie Kartellverbote ausspricht und Fusionen genehmigt oder untersagt.

14.4

Carnegie, Morgan und Rockefeller

Reichtum zu generieren und Marktmacht aufzubauen, reizt wiederum andere dazu, diesen Reichtum und diese Macht zu beschränken. Insofern beinhaltet die Beschreibung der „Reichen“ gleichzeitig auch Hinweise auf die Ursprünge des Kartellverbots und der Wettbewerbspolitik. 79 14.4.1

Der Stahlkönig Andrew Carnegie

„Wer reich stirbt, stirbt in Schande.“ (Carnegie) Der amerikanische Unternehmer Andrew Carnegie (*25.11.1835 Dunfermline/ Schottland, †11.08.1919 Lenox, Massachusetts) war ein Kind schottischer Eltern, die durch die Einführung der dampfbetriebenen Webstühle arbeitslos geworden, in die USA ausgewandert waren. Carnegie, der sich zunächst als Botenjunge, Heizer und Telegrafist sein Geld verdiente, arbeitete sich mit eisernem Fleiß und sehr viel Initiative nach oben. Dazu kamen erfolgreiche Aktienspekulationen und Investitionen in die Stahlindustrie, die Carnegie schließlich zum „Stahlkönig“ der USA machten. Dass Reichtum und Wohltätigkeit sich nicht ausschließen, ja wohlhabende Menschen geradezu die Verpflichtung hätten, der Gesellschaft zu dienen, sollte Carnegie beispielhaft selbst umsetzen. 1889 veröffentlichte er sein Buch „Gospel of Wealth“ (dt.: Das Evangelium des Reichtums), wo er die soziale Verpflichtung des Wohlhabenden gegenüber der Gesellschaft betonte. Der Verkauf seines Konzerns an John Pierpont Morgan macht Carnegie zum reichsten Mann seiner Zeit. Letztlich gab Carnegie rund 90 Prozent seines auf 350 Millionen Dollar geschätzten Vermögens für die Förderung von Kunst, Bildung, Wissenschaft und Forschung aus. Zahlreiche Schulen, Krankenhäuser, Universitäten und Bibliotheken gehen auf Carnegies Initiative zurück und tragen auch heute noch seinen Namen (Carnegie-Hall und Carnegie-University).

79

Die Beschreibungen von Carnegie, Morgan und Rockefeller sind gekürzte und zusammen gefasste Beiträge aus dem „Ökonomen-Lexikon“ von Hesse.

14 14.4.2

Unternehmenskonzentration

221

Der Bankier und Großunternehmer John Pierpont Morgan

Der amerikanische Bankier und Unternehmer John Pierpont Morgan (*17.04.1837 Hartford/Connecticut, †31.03.1913 Rom) war selbst Sohn eines erfolgreichen Bankiers, um dann 1860 seine eigene Bank zu gründen. Der amerikanische Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 sowie der Boom im Ausbau des Eisenbahnnetzes ließen seine Geschäfte gedeihen. Morgan handelte mit Anleihen, Währungen, Getreide und Stahl und erlangte schließlich durch Beteiligungen an riesigen Unternehmenszusammenschlüssen im Stahl-, Elektrizitäts-, Eisenbahn- und Schifffahrtssektor eine nie da gewesene wirtschaftliche Machtkonzentration. 1892 arrangierte Morgan die Fusion von Thomas Alva Edisons General Electric mit der Thomson-Houston Electric Company zur General Electric Company, dem heute größten Elektronikkonzern der Welt. In Zeiten der Finanzkrise von 1901 und 1907 konnte Morgan sogar zur Stabilisierung der Finanzmärkte beitragen. Eine Zentralbank gab es damals nämlich noch nicht. Morgan war zuletzt Herr über 112 Konzerne und repräsentierte den größten Trust der Welt. Man sah damals in Morgan und Rockefeller die eigentlichen Eigentümer der USA. Der Einfluss von Morgan war so groß, dass es schließlich zu Anti-Trust-Bemühungen 80 kam, die seine wirtschaftliche Macht eindämmen sollten. Auch Morgan übertrug im Übrigen sein Vermögen an Stiftungen und legte es in bedeutenden Kunst- und Büchersammlungen an. 14.4.3

Der reichste Amerikaner John Davison Rockefeller

Der amerikanische Unternehmer John Davison Rockefeller (*08.07.1839 Richford/New York, †23.05.1937 Ormond Beach/Florida) wuchs ebenso wie Carnegie in bescheidenen Verhältnissen auf, die durch eine protestantischpuritanische Arbeitsethik geprägt waren, nach denen beruflicher Erfolg durch Arbeit und Disziplin Beweis für die Berufung und Auserwähltheit durch Gott ist. Rockefeller gründete eine Maklerfirma, die vor allem mit Lebensmitteln handelte. Wie Carnegie und Morgan profitierte auch Rockefeller vom Amerikanischen Bürgerkrieg und war danach ein reicher Mann. Durch Patente und Investitionen im Erdölgeschäft – wie auch durch Preisdumping, Kartellabsprachen und zweifelhaften Verhandlungsmethoden – erlangte er schließlich eine Monopolstellung in der Erdölindustrie. 1883 besaß die Standard Oil Company einen Anteil von 90 Prozent am amerikanischen Markt der Erdölraffinierung und Pipelines. Neben Morgans US Steel war Rockefellers Konzern das größte amerikanische Unternehmen seiner Zeit. Und man schätzt, dass Rockefeller der reichste Amerikaner aller Zeiten gewesen ist. Doch auch hier gab es Anti-Trust-Bestrebungen, die schließlich den US-Präsidenten Theodore Roosevelt dazu veranlassten, ein Anti-Trust-Gesetz auf den Weg zu bringen. 1911 wurde die Standard Oil Company aufgelöst. Daraus hervorgegangen sind die Erdölgiganten Exxon, Mobil, Amaco und Chevron. Rockefeller selbst 80

Vgl. 1890 Sherman Antitrust Act (US-Regierung): Verbot von Kartellbildungen.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

222

lebte vergleichsweise bescheiden, legte seinen Reichtum aber mäzenatisch an und spendete ihn für philanthropische Zwecke. 1890 gründete er die Universität von Chicago und 1913 die Rockefeller Foundation, eine Stiftung zum Wohlergehen der Menschheit. 14.4.4

Macht und Einfluss

Die drei Kurzfassungen von Lebensläufen bringen unterschiedliche Facetten von Macht und Reichtum zum Vorschein: 

Erstens, das Streben nach Konzentration und Macht und die Übernahme von Firmen ist keine Erfindung der letzten Jahre.



Zweitens, Krieg kann manchen als Katalysator ihrer Geschäftstätigkeit dienen. Denn in Ausnahmezuständen gilt noch mehr unternehmerisches „Geschick“ als in ruhigen Zeiten.



Drittens, trotz Machtbesessenheit und auch manchmal unlauterer Geschäftsmethoden gaben Reiche ihre Reichtümer an die Gesellschaft zurück, die ihnen diesen Reichtum ermöglicht hatte – bei weitem nicht alle, aber manche.



Viertens, Macht und Reichtum wirken. Auch wenn immer wieder zuviel Macht und Reichtum angeprangert und in Frage gestellt wird – vor allem in Zeiten von Sozialreformen -, so wird doch gern mit Bewunderung zu diesen Erfolgreichen hoch geschaut. Heutzutage lebt eine ganze Unterhaltungsindustrie von der „Bunten“ bis hin zu den VIP-Nachrichten vom Glanz der Reichen und Schönen.



Fünftens, zuviel Macht und Einfluss machen nervös. Sie machen nicht so sehr die Mächtigen selbst nervös – obwohl auch Reichtum unruhig und nervös machen kann –, sondern die anderen Menschen, die Gesellschaft, den Staat. Machtkonzentration veranlasst den Staat, einzugreifen und diese Macht zu begrenzen, ja notfalls zu zerschlagen.

14.5

Nachteile und Probleme der Konzentration

Zuviel Macht, zuviel Größe machen nervös – warum? Was sind die Probleme und Nachteile zu großer Marktmacht, nicht so sehr für den Konzern selbst, sondern für – ja für wen eigentlich? Wirtschaftsordnung: An erster Stelle steht die Befürchtung, dass eine zu große Marktbeherrschung eine Gefahr für die Wirtschaftsordnung darstellt. Mit Wirtschaftsordnung ist hier die freie und wettbewerbsorientierte Marktwirtschaft gemeint. Das Funktionieren der Marktwirtschaft beruht ja gerade darauf, dass es Wettbewerb gibt, mit möglichst vielen Anbietern und möglichst vielen Nachfragern.

14

Unternehmenskonzentration

223

Abhängigkeiten: Zu große Marktmacht kann Abhängigkeiten und Beherrschungsverhältnisse bedeuten. Ein ungesunder Lobbyismus und egoistische einseitige Interessenvertretung wären die Folgen. Ausbeutung: Marktbeherrschung und Monopolstellung verführen zu Gewinnmaximierung auf Kosten anderer. Dies kann zu Ausbeutung führen. Sei es, dass Beschäftigten Wechselmöglichkeiten auf andere Arbeitsplätze bei anderen Firmen genommen werden, sei es dass der Verbraucher durch unverschämte Preise ausgebeutet wird. Konzentration: Als letzter Punkt ist die Konzentration der Einkommen und Vermögen zu erwähnen. Große Vermögen in wenigen Händen sind zuerst einmal nicht weiter schlimm; sie sind dann problematisch, wenn diese großen Vermögen durch Armut und Verelendung großer Massen erkauft wurden. Nachteile der Konzentration:    

Gefahr für die Wirtschaftsordnung. Abhängigkeiten und Beherrschungsverhältnisse. Gewinnmaximierung auf Kosten anderer (Ausbeutung). Konzentration der Einkommen und Vermögen auf Kosten anderer.

Insbesondere das Problem der ordnungspolitischen Gefährdung unserer Marktwirtschaft wird als so gravierend angesehen, dass der Staat selbst interveniert und Einhalt gebietet. Und das ist Wettbewerbspolitik!

15

Wettbewerbspolitik

Im Vergleich mit Problemthemen wie Arbeitslosigkeit und Beschäftigungspolitik oder Rezession und Konjunkturpolitik wirkt Wettbewerbspolitik unproblematisch und vielleicht auch langweilig. Das einzige, was ab und zu aus den Nachrichten zu diesem Themenbereich an die Öffentlichkeit dringt, ist die angekündigte und genehmigte oder auch nicht genehmigte Fusion zweier Konzerne wie bei E.ON und Ruhrgas oder die Mitteilung von Bußgeldern, die verhängt werden, weil Firmen verbotenerweise Preisabsprachen getroffen haben – erinnert sei beispielsweise an Zementkartelle.

15.1

Wettbewerb und Politik – ein Paradox?

Wettbewerbswirtschaft: Die Wettbewerbspolitik hat es in sich, denn im Grunde genommen ist die Wettbewerbspolitik ein Paradox. Trennt man nämlich die „Wettbewerbspolitik“ in die zwei Begriffe „Wettbewerb“ und „Politik“, könnte der Gegensatz kaum größer sein. Wettbewerb zeichnet sich nämlich gerade dadurch aus, dass ein richtiger Wettbewerb ohne Beeinflussung durch die Politik, das heißt ohne Staat geschieht. Wettbewerb als das konstituierende Merkmal der Marktwirtschaft – um diesen wesentlichen Aspekt des Wettbewerbs für die Marktwirtschaft zu betonen, spricht man auch von Wettbewerbswirtschaft – ist geradezu das Gegenteil von Planwirtschaft, von Staat und politischer Einflussnahme. Warum dann also Wettbewerbspolitik betreiben, was ja nichts anderes meinen kann, als dass der Staat den Wettbewerb zu seinem Thema macht. Wettbewerb soll politisch gestaltet werden! Kann das sein? Sorge um den Wettbewerb: Der Widerspruch der darin besteht, dass einerseits Wettbewerb als die entscheidende Voraussetzung für das Funktionieren von Marktwirtschaft angesehen wird und andererseits Politik die Einflussnahme und Lenkung der Wirtschaft durch den Staat beinhaltet, macht paradoxerweise gerade auch den Sinn und die Notwendigkeit von Wettbewerbs-Politik aus. Wettbewerb ist so wichtig und elementar für die liberale Markwirtschaft, dass der Staat Sorge trägt, ja Sorge tragen muss, dass dieser Wettbewerb funktioniert. Wettbewerb (Konkurrenz):  Rivalität zwischen Wirtschaftssubjekten auf dem jeweiligen Markt, insbesondere zwischen Unternehmen auf dem Käufermarkt um Marktanteile. Es ist nämlich leider nicht so, dass der Wettbewerb der freien Marktwirtschaft immer automatisch dazu führt, dass es Wettbewerb gibt. Im Gegenteil, betriebswirtschaftlich gesehen – wie an der Preisbildung und Gewinnmaximierung im Monopol demonstriert werden konnte – kann sich das Ausschalten des Wettbe-

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

226

werbs für das einzelne Unternehmen lohnen. Volkswirtschaftlich brauchen wir aber Wettbewerb, während es betriebswirtschaftlich immer wieder Bestrebungen gibt, den Wettbewerb außer Kraft zu setzen. Sinn der Wettbewerbspolitik: Der fundamentale Sinn der Wettbewerbspolitik besteht letztlich darin, seitens des Staates den Wettbewerb zu sichern, ihn aufrecht zu erhalten und gegebenenfalls wieder herzustellen. Vergleichbar einem Sportwettbewerb kommt dem Staat die Aufgabe zu, für verlässliche und faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen und als Schiedsrichter die korrekte Ausübung des Wettbewerbs zu überwachen. Wenn also jemand „foult“ (zum Beispiel Leistungen abrechnet, die eine Firma gar nicht erbracht hat) oder „dopt“ (zum Beispiel mit Bestechungsgeldern arbeitet), dann schreitet das Schiedsgericht – und das heißt in diesem Fall der Staat – ein und verhängt Bußgelder. Das Paradox der Wettbewerbspolitik 

Der Wettbewerb und die Freiheit des Marktes sind für eine Marktwirtschaft, die bezeichnenderweise auch als Wettbewerbswirtschaft charakterisiert wird, von so elementarer Bedeutung, dass der Staat Sorge trägt, ja Sorge tragen muss, dass dieser Wettbewerb funktioniert und die Wettbewerbsregeln von den Marktteilnehmern eingehalten werden. Staatliche Politik bürgt also für marktwirtschaftlichen Wettbewerb! 81

Ob Wettbewerbspolitik nun spannend oder langweilig ist, hängt vom Spielverlauf ab. Je fairer und geordneter ein Spiel verläuft, desto weniger bedarf es des Schiedsrichters und desto unauffälliger und auch unwichtiger erscheint die Schiedsrichterfunktion. Doch wehe, es gibt Schwierigkeiten die eine Lösung durch den Schiedsrichter verlangen, dann kann Wettbewerbspolitik und die Wiederherstellung der Ordnung spannend und schmerzhaft sein. Oftmals werden Entscheidungen in Frage gestellt, aber keiner käme auf die Idee, zu sagen, man bräuchte keinen Schiedsrichter. Der Schiedsrichter, hier der Staat, sorgt für die Ordnung des Spiels, hier die Marktwirtschaft. In diesem Sinne ist Wettbewerbspolitik Ordnungspolitik par excellence. Wettbewerbspolitik ist Ordnungspolitik!

81

Der Staat schützt letztlich den Wettbewerb vor sich selbst. Denn so wie für die Menschen gilt „homo homini lupus est“ (der Mensch ist des Menschen Wolf) könnte man für die Wirtschaft sagen „Die Unternehmen sind der Unternehmen Wölfe“.

15

15.2

Wettbewerbspolitik

227

Funktionen des Wettbewerbs

Ein Spiel ohne Konkurrenz ist witzlos, eine Marktwirtschaft ohne Wettbewerb sinnlos. Eine Fußballmannschaft ohne Gegner ist langweilig, ein Unternehmen ohne Konkurrent eine Bedrohung – nicht für das Unternehmen, sondern für die Kunden und die Öffentlichkeit. Wettbewerb ist ein notwendiges und konstitutives Element der Marktwirtschaft. Um diese Notwendigkeit herauszustreichen, werden typische Funktionen des Wettbewerbs angeführt, die die Notwendigkeit und den Nutzen des Wettbewerbs für die freie Marktwirtschaft verdeutlichen, nämlich die Allokationsfunktion, die Innovationsfunktion und die Machtbeschränkungsfunktion. Funktionen des Wettbewerbs:   

15.2.1

Allokationsfunktion Innovationsfunktion Machtbeschränkungsfunktion

Allokationsfunktion des Wettbewerbs

Eine der schwierigsten Aufgaben eines großen und komplexen Wirtschaftssystems besteht darin, zu entscheiden, welche Produktionsfaktoren wo und in welchen Mengen eingesetzt werden (Verteilung der Produktionsfaktoren), um bestimmte Güter zu produzieren. Soll man Maschinen für die Produktion eines Porsche Carrera einsetzen oder für die Fertigung von Robotern. Soll man Menschen für den Einsatz an CNC-Maschinen 82 ausbilden oder in der Alten- und Krankenbetreuung einsetzen. Soll man ein Grundstück für die Bebauung einer Hochschule oder den Bau eines Kinopalastes kaufen. Was wird gebraucht? Was werden die Menschen nachfragen? Die Frage zu beantworten, wer und wie und wo für was eingesetzt wird, ist eigentlich unmöglich. Aber sie muss auch nicht beantwortet werden. Der Markt und das heißt der Wettbewerb gibt die Antwort. Das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage gibt von sich aus die Antwort. Allokationsfunktion des Wettbewerbs  Der Wettbewerb fungiert als Regulativ für die optimale Verteilung der Ressourcen und den Einsatz der Produktionsfaktoren. Wenn viele Menschen einen Porsche nachfragen und wenige Menschen einen Schwarzweißfernseher, ist das ein Signal für Anbieter, den Einsatz von Produktionsmitteln für den Bau von qualitativ hochwertigen Autos und die Einstellung von 82

CNC steht für Computer Numerical Control.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

228

Ingenieuren und Betriebswirtschaftlern der Investition in Schwarzweißfernseher vorzuziehen. 15.2.2

Innovationsfunktion des Wettbewerbs

Wie das letzte Beispiel mit dem Fernseher zeigt, übt der Wettbewerb nicht nur eine Allokationsfunktion aus, sondern auch eine Innovationsfunktion. Ohne Wettbewerb am Markt gäbe es keinen Zwang oder keine Veranlassung, Neues zu wagen und sich von den Konkurrenten abzusetzen. Die Innovation wie das Farbfernsehkönnen, zerstört das bisher Erfolgreiche und schafft damit Fortschritt und Wohlstandsgewinn. Innovationsfunktion  Der Wettbewerb zwingt zur ständigen Infragestellung des Status Quo und schafft Anreize, durch Innovationen „Vorsprungsgewinne“ zu realisieren. Der österreichische Ökonom Schumpeter 83 spricht von der zerstörerischen Kraft des Schöpferischen. Der Wettbewerb in der Wirtschaft stellt immer wieder Bisheriges und Althergebrachtes in Frage. Jedes Produkt muss sich immer wieder messen mit neuen Produkten und neuen Ideen. Wettbewerb soll das fördern, was dem Menschen innewohnt, nämlich das Schaffen, das Kreieren und schöpferisch sein. Nicht umsonst spricht man in der Ökonomie von der Wertschöpfung, wenn etwas Neues mehr ist als das vorige. Wenn aus Kompetenz von Menschen und dem Einsatz von Rohstoffen und Computern und der Organisation dieser Einsatzfaktoren ein schönes Haus entsteht, ist hier ein Wert geschaffen sprich „geschöpft“ worden. 15.2.3

Machtbeschränkungsfunktion des Wettbewerbs

Eine ideale Marktwirtschaft zeichnet sich durch eine große Vielzahl an Anbietern und Nachfragern auf dem Markt aus. Je geringer die Zahl von Firmen ist und je größer die einzelnen Firmen sind, desto größer ist nicht nur die Macht zum Wohle der Menschen und der Öffentlichkeit, sondern desto größer ist auch die Gefahr von schlechter Einflussnahme und Machtmissbrauch. Wettbewerb hilft, die Macht zu verteilen und große arrogant und satt gewordene Konzerne wieder mit frischer Wettbewerbsluft zu reanimieren. Voraussetzung für einen fairen Wettbewerb und die Möglichkeit der gegenseitigen „Kontrolle“ ist schlicht die Tatsache, dass man überhaupt erst einmal mitmachen kann und darf. Jemanden zum Kampf herauszufordern, zum Beispiel im Wettlauf,

83

Joseph Schumpeter: 1883 (Triesch in Südmähren) - 1950 (Taconic in Connecticut).

15

Wettbewerbspolitik

229

setzt voraus, dass es einen Wettkampf gibt, der mir die Chance bietet, in Wettstreit zu treten. Machtbeschränkungsfunktion  Wettbewerb kann und soll Machtkonzentrationen in Grenzen halten und immer wieder neuen Unternehmen die Möglichkeit für einen Markteintritt verschaffen.

15.3

Wettbewerbsansätze und institutionelle Ebenen

15.3.1

Erklärungsansätze für den Wettbewerb

Ein idealer Markt ist durch den vollkommenen Wettbewerb mit einer letztlich unendlich großen Zahl an Anbietern und Nachfragern charakterisiert. Doch stellt sich die Frage, ob dieses Idealbild der Wirklichkeit gerecht wird und vor allem auch der Wirklichkeit gerecht werden soll. Vielleicht mag es Situationen geben, in denen ein eingeschränkter Wettbewerb seine Berechtigung hat. Angenommen zwei größere Firmen wollen fusionieren. Dann könnte durch diesen Zusammenschluss in Deutschland die „Nummer 1“ und ein marktbeherrschender Konzern entstehen, der in Deutschland kleine Konkurrenten gegen die Wand drückt und somit den Wettbewerb gefährdet. Aus europäischer oder gar internationaler Perspektive wird die Nummer 1 in Deutschland vielleicht eine Nummer 20 sein und im Hinblick auf Größe und Marktmacht immer noch unter „ferner liefen“ spielen oder zumindest in einem starken Wettbewerb stehen – wie es ja sein soll. Erklärungsansätze für den Wettbewerb:  Vollkommener Wettbewerb: Idealtypischer polypolistischer Ansatz.  Funktionsfähiger bzw. arbeitsfähiger Wettbewerb (workable competition): Realistische Perspektive im Sinne eines second-best-Ansatzes; wenn nicht polypolistisch, dann alternativ ein funktionierender oligopolistischer Markt.  Überlebensansatz (survivor approach): Größe und Marktmacht sind nicht nur nicht schädlich, sondern wegen Mindestgrößen im internationalen Wettbewerb sogar notwendig.

a)

Vollkommener Wettbewerb

Das Modell des vollkommenen Wettbewerbs beschreibt den volkswirtschaftlichen Idealfall eines funktionierenden Marktes, in dem sich Nachfrager und Anbieter in einer theoretisch unendlichen Zahl gegenüberstehen. In der Praxis lässt sich dieses Theorieoptimum des zweiseitigen Polypols schwer finden. Wie im Kapitel Marktbzw. Wettbewerbsformen dargelegt, können der Aktienhandel an der Börse oder

230

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

der Devisenhandel am ehesten noch dem Modell des vollkommenen Wettbewerbs nahe kommen. Nachdem es eine Zeit starker Konzentrationen gab und diese in vielen Branchen auch noch nicht abgeschlossen ist, gibt es nun durch das Internet wieder eine „Auferstehung“ des vollkommenen Marktes. Durch Internetkäufe und -verkäufe sowie Auktionen steigen die Zahl der Anbieter und der Nachfrager sowie die Informationsmöglichkeiten rapide an, so dass das World Wide Web als Marktplatz mit ausgeprägtem Wettbewerb wieder reanimiert wird. b) Funktionsfähiger Wettbewerb Der Ansatz des funktionsfähigen Wettbewerbs, auch arbeitsfähiger Wettbewerb (workable competition) genannt, verlässt die theoretische Perspektive und nimmt eine realistischere Haltung ein: Nach dem Motto „Lieber ein eingeschränkter und unvollkommener Wettbewerb“ im Sinn der second-best-Lösung im Rahmen der Marktwirtschaft als eine first-best-Lösung, die nicht zu realisieren ist. c) Überlebensansatz Im Rahmen des Überlebensansatzes (survivor approach) wird nicht nur eine Einschränkung des Wettbewerbs als notwendiges Übel betrachtet, sondern sogar gutgeheißen. Insbesondere in Zeiten der Globalisierung gilt eine nationale Perspektive als wenig hilfreich. Unternehmen bräuchten eine gewisse Mindestgröße, um im internationalen Wettbewerb überleben zu können. 15.3.2

Institutionelle Ebenen der Wettbewerbspolitik

Wettbewerb, Wettbewerbspolitik und Rechtsprechung existieren auf unterschiedlichen hierarchischen Zuständigkeitsebenen. Ebenen der Wettbewerbspolitik

Wettbewerbsgesetze und rechtliche Regelungen

Kartellbehörden

Nationale Ebene  Deutschland

 Gesetz gegen Wettbe Bundesminister für werbsbeschränkungen Wirtschaft (GWB), auch „Kartellge-  Bundeskartellamt setz“ genannt.  Kartellämter der Länder

Supranationale Ebene  Europäische Union

 EU-Wettbewerbsrecht  EU-Fusionskontrollverordnung

 Europäisches Kartellamt

Internationale Ebene  Welt

 Internationale Vereinbarungen

 Kooperation nationaler Kartellämter (ICN)  evtl. Weltkartellamt

15

Wettbewerbspolitik

231

Dass Wettbewerbspolitik nicht nur national, sondern vor allem auch europäisch und schließlich international zu betrachten ist, zeigt sich auch in der zunehmenden Entstehung und Ausgestaltung von Wettbewerbsbehörden und Rechtsprechungen auf europäischer und internationaler Ebene. Im Allgemeinen verhält es sich so, dass bestimmte Gesetze gelten und spezielle Behörden, nämlich die Kartellämter, sich um die Einhaltung dieser Gesetze kümmern. Wettbewerbspolitik ist zwar in erster Linie eine nationalstaatliche Angelegenheit. Doch existiert in Europa zwischenzeitlich ein Europäisches Wettbewerbsrecht als supranationales Recht und auch Bemühungen auf internationaler Ebene sind zu verzeichnen wie beispielsweise im Rahmen des International Competition Network (ICN).

15.4

Wettbewerbspolitik in Deutschland

15.4.1

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Das deutsche Wettbewerbsrecht blickt in der jüngeren Geschichte auf eine relativ lange Zeit zurück. Über fünfzig Jahre ist es her, dass das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) im Jahre 1957 beschlossen und verabschiedet wurde und dann am 1. Januar 1958 in Kraft trat. Bekannt ist dieses wichtige ordnungspolitische Gesetz unter dem Namen „Kartellgesetz“. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)  auch Kartellgesetz genannt  1957 beschlossen und am 1.1.1958 in Kraft getreten Deutschland besitzt wahrscheinlich das umfassendste und schärfste Kartellrecht der Welt. Dass im Dritten Reich Firmen von Staatsseite vereinnahmt und zu Rüstungszwecken monopolisiert wurden, hat empfindlich und skeptisch gegenüber jegliche Art von Machtkonzentration gemacht. Ein starkes Kartellrecht war die Folge. Moniert wird jedoch heutzutage, dass das deutsche Kartellrecht im Hinblick auf den globalisierten Wettbewerbs zu rigide gehandhabt wird. Institutionen der Wettbewerbspolitik in Deutschland:    

Das Bundesministerium für Wirtschaft Das Bundeskartellamt Die Kartellämter der Länder Die Monopolkommission

Zu den Institutionen, die für Wettbewerbspolitik in Deutschland zuständig sind, gehören das Bundesministerium für Wirtschaft, das Bundeskartellamt und die Kartellämter der Länder sowie mit beratender Funktion die Monopolkommission.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

232 15.4.2

Das Bundeskartellamt

Laut GWB ist für die Durchführung des Wettbewerbsrechts das Bundeskartellamt zuständig. Das Bundeskartellamt hatte ursprünglich seinen Sitz in Berlin, adressiert aber seit 1999 in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn. Derzeitiger Präsident der Wettbewerbsbehörde ist seit 2009 Andreas Mundt. Das zum Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministers gehörende Bundeskartellamt ist nicht weisungsgebunden und mit den Befugnissen einer Staatsanwaltschaft ausgestattet. Es kann aber nur Bußgelder im Sinne einer Ordnungswidrigkeit (vgl. Bußgeld wegen Falschparken) verhängen, jedoch keine Straftatbestände und Schadensersatzansprüche geltend machen (vgl. Ladendiebstahl). Bundeskartellamt:  Selbstständige Bundesoberbehörde, die zum Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministers gehört.  Nicht weisungsgebunden.  Befugnisse einer Staatsanwaltschaft.  Verhängen von Bußgeldern (Ordnungswidrigkeit, aber keine Straftatbestände und Schadensersatzansprüche). Wenn es darum geht, die Aufgaben des Bundeskartellamtes zu beschreiben, lassen sich drei wesentliche Punkte nennen, nämlich die Überwachung des Kartellverbots, die Fusionskontrolle und die Missbrauchsaufsicht. Aufgaben des Bundeskartellamtes:  Überwachung des Kartellverbots  Fusionskontrolle  Missbrauchsaufsicht

15.4.3

Überwachung des Kartellverbots

Erste wichtige Aufgabe des Bundeskartellamtes ist die Überwachung des Kartellverbots. Unter einem Kartell versteht man ein abgestimmtes Verhalten zwischen rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen, um zugunsten der am Kartell Beteiligten den Wettbewerb einzuschränken oder auszusetzen. Solche wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen sind verboten. Kartell:  Abgestimmtes Verhalten zwischen rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen zum Zwecke der Wettbewerbsbeschränkung.

15

Wettbewerbspolitik

233

Nun ist selbstverständlich nicht jedes abgestimmte Verhalten zwischen Unternehmern eine schlechte und verbotene Angelegenheit. Wenn sich Einzelhändler in einer Stadt zusammentun, um einen Weihnachtsmarkt zu planen ist diese Kooperation erlaubt und lobenswert. Problematisch sind Absprachen dann, wenn sie zu Ungunsten der Verbraucher geschehen und lediglich das Kartell der Unternehmen begünstigen. Nach Paragraf 1 GWB steht fest, dass Vereinbarungen, die Unternehmen zu dem Zweck schließen, die Marktverhältnisse durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen, unwirksam sind. Kartelle sind also grundsätzlich verboten – von Ausnahmen abgesehen! Solche Kartelle und Vereinbarungen müssen im Übrigen nicht schriftlich verfasst sein. Auch mündliche Absprachen sind unerlaubt. Man spricht hier von „Frühstückskartellen“. In Paragraf 1 des Kartellgesetzes heißt es: „Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.“ Kartelle sind verboten!

Fallbeispiel einer verbotenen Absprache: Wenn jemand aus beruflichen Gründen umziehen muss, sind Umzugskostenerstattungen seitens des Arbeitgebers nicht unüblich. Im öffentlichen Dienst ist Vorraussetzung, dass mindestens drei Angebote von unterschiedlichen Umzugsfirmen einzuholen sind. Das billigste Angebot muss dann genommen werden, weil der Kostenerstatter zu Recht sicher gehen will, dass nicht ein überteuerter Umzug abgerechnet wird. Wenn nun eine Umzugsfirma im Wissen um diese Modalitäten nicht nur ein eigenes Angebot unterbreitet, sondern in Absprache mit anderen Firmen zwei weitere Angebote dieser „Konkurrenzfirmen“ (die im Preis höher liegen) mitliefert, stellt dies eine verbotene Vorgehensweise dar. Es handelt sich um eine Preisabsprache, die dazu führt, dass der Wettbewerb zum Schaden der Kunden oder in diesem Fall des Arbeitgebers respektive des Steuerzahlers eingeschränkt wird. 15.4.4

Arten von Kartellen

Unzulässige Absprachen zwischen Firmen können unterschiedliche Aspekte betreffen. Absprachen können sich auf die Festsetzung der Verkaufspreise beziehen, auf Mengenaufteilungen oder auf Gebietsaufteilungen. Je nach Absprachegegenstand spricht man von Preiskartellen, Kontingentierungs- oder Quotenkartellen und Gebietsschutzkartellen.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

234

Arten von Kartellen:  Preiskartelle: →  Kontingentierungs-/Quotenkartelle: →  Gebietsschutzkartelle: →

Preisabsprachen Mengenaufteilung Gebietsaufteilung

Preiskartelle: Im Mittelpunkt der Analyse stehen die Preiskartelle. Wenn es um Preisabsprachen zwischen Firmen geht, können diese recht erfinderisch sein. Insofern existieren auch unterschiedliche Varianten von Preiskartellen. Dazu gehören die Mindest-, Höchst- oder Festpreiskartelle, die Submissionskontrolle bei öffentlichen Ausschreibungen und die Preisbindung der zweiten Hand. Varianten der Preiskartelle:   

Mindest-, Höchst- oder Festpreiskartelle Submissionskontrolle bei öffentlichen Ausschreibungen Preisbindung der zweiten Hand

Mindest-, Höchst- und Festpreiskartelle: Unternehmen können Mindestpreise absprechen, um Mitwerber aus dem Markt zu drängen. Unternehmen können Höchstpreise festlegen, um monopolartig höhere Gewinnspannen zu realisieren. Submissionskontrolle: Submissionskontrolle bei öffentlichen Ausschreibungen meint, dass vergleichbar dem oben angeführten Beispiel mit den Umzugsunternehmen, Preisabsprachen zwischen Firmen, die sich um öffentliche Aufträge bemühen, verboten sind. Weder dürfen Mindestpreisniveaus abgesprochen werden, bei denen jeder mal „an die Reihe kommt“, noch zu tiefe Preise angesetzt werden, was dazu führen könnte, dass kleine Mitwettbewerber ruinös aus dem Markt verdrängt werden. Preisbindung: Unter Preisbindung der zweiten Hand versteht man, dass der Hersteller als erste Hand dem Handel als zweite Hand den Verkaufspreis vorschreibt. Eine solche verpflichtende Vorgabe ist verboten. Ausnahmen existieren bei Zeitungen, Zeitschriften und Büchern. Ein Sonderfall liegt bei Zigaretten vor. Der Preis der Zigaretten bestimmt die Höhe der Tabaksteuer. Die Abführung der Tabaksteuer erfolgt allerdings durch den Hersteller. Insofern wird durch den für die Steuererhebung festgesetzten Preis auch automatisch der Verkaufspreis bestimmt. Was grundsätzlich gemacht werden darf, sind Empfehlungen für Preise, die natürlich unverbindlich zu sein haben – die „unverbindliche Preisempfehlungen“. 15.4.5

Ausnahmen vom Kartellverbot:

Kartelle sind verboten, doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Und das gilt auch bei der Kartellgesetzgebung. Zahlreiche Ausnahmen prägen nämlich das Kartell-

15

Wettbewerbspolitik

235

recht. Zu den Ausnahmen gehören Normungs- und Typenkartelle, Konditionenund Rabattkartelle sowie Rationalisierungs- und Strukturkrisenkartelle. Ausnahmen vom Kartellverbot:  Anmeldepflichtige Kartelle wie Normungs- und Typenkartelle  Widerspruchskartelle wie Konditionen- oder Rabattkartelle  Erlaubniskartelle wie Rationalisierungs- oder Strukturkrisenkartelle Normungs- und Typenkartelle sind anmeldepflichtige Kartelle. Die Mitteilung an das Kartellamt genügt. Man geht davon aus, dass die Vereinheitlichung von technischen Standards – evtl. durch Absprache von Firmen – für den Verbraucher eine gute Sache ist. Widerspruchskartelle: Im Unterschied zu den anmeldepflichtigen Kartellen, muss bei den Widerspruchskartellen nach Anmeldung des Kartells beim Kartellamt eine Frist von drei Monaten abgewartet werden. Erfolgt kein Widerspruch, ist das Kartell genehmigt. Schließen sich mittelständische Firmen zusammen, um durch Einkaufskooperationen bessere Konditionen zu erlangen, ist dies kein ordnungspolitisches Übel. Erlaubniskartelle: Erlaubniskartelle brauchen ein „Ja“ des Kartellamtes. Befindet sich eine Branche in einer strukturellen Krise, können Absprachen im Hinblick auf eine gemeinsame Vorgehensweise der betroffenen Firmen gegebenenfalls genehmigt werden. 15.4.6

Fusionskontrolle

Neben der Überwachung des Kartellverbots stellt die Überwachung und Kontrolle von Fusionen also von Unternehmenszusammenschlüssen die zweite wichtige Aufgabe des Bundeskartellamtes dar. 15.4.6.1 Fusion Eine Fusion lässt sich definieren als Zusammenschluss von mindestens zwei rechtlich selbständigen Unternehmen zu einem einheitlichen Unternehmen. Das fusionierte Unternehmen ist sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich ein „neues“ einheitliches Unternehmen. Fusion:  Zusammenschluss von mindestens zwei rechtlich selbstständigen Unternehmen zu einem neuen einheitlichen Unternehmen. Dass Unternehmen fusionieren, ist an sich nichts Problematisches, geschweige denn Verbotenes. Im Gegenteil, viele Unternehmen wie Banken und Brauereien

236

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

können nur aufgrund von Zusammenschlüssen überleben. Im Gegensatz zum Kartellverbot spricht man bei den Fusionen auch nicht von einem eigentlichen Fusionsverbot, sondern von Fusionskontrolle. Fusionskontrolle:  Überwachung und Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen. Problematisch erweist sich eine Fusion erst dann, wenn das fusionierte Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung einnimmt. Dann kann und muss eine anstrebte Fusion auch untersagt werden (präventiv: vor dem Zusammenschluss) oder im Nachhinein auch zerschlagen bzw. entflochten werden (kurierend: nach dem Zusammenschluss). Fusionen sind anzeigepflichtig, wobei ein „Freibetrag“ nach unten besteht. Wenn also zwei kleine Bäckereien in einem Ort fusionieren, wird das den Wettbewerb noch nicht existentiell beeinträchtigen. Überschreiten jedoch Firmen eine bestimmte Größenordnung (abhängig von Umsatz, Marktanteil und Beschäftigtenzahl), ist die Fusion nicht nur anzeigepflichtig, sondern auch genehmigungspflichtig. Ein Marktanteil von 30 bis 35 Prozent gilt als kritische Grenze. Gegebenenfalls erfolgt eine weitere Prüfung, ob die Nachteile der Marktbeherrschung durch die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen aufgewogen werden Kontroll-Stufen bei Fusionen:  frei  anzeigepflichtig  genehmigungspflichtig

15.4.6.2 Ministerfusion Wird eine Fusion vom Bundeskartellamt untersagt, steht den fusionierenden Unternehmen ein letztes Mittel zur Verfügung – sie rufen den obersten Wettbewerbshüter, das heißt den Bundeswirtschaftsminister, an. Bei einer herausragenden volkswirtschaftlichen Bedeutung kann der Bundeswirtschaftsminister gegen den Beschluss des Kartellamts eine Fusion genehmigen. Im Jahr 1989 zum Beispiel entschied der damalige Bundeswirtschaftsminister Helmut Hausmann für die Fusion von Daimler-Benz und MBB (Messerschmidt-BölkowBlohm). Ein interessantes Fusionsverfahren gab es schließlich im Jahr 2001, als der Energiekonzern E.ON (hervorgegangen aus VEBA und VIAG) das Unternehmen Ruhrgas übernahm. Der damalige Wirtschaftsminister Werner Müller „schickte“ seinen Staatssekretär Alfred Tacke vor, da Müller ehemals bei E.ON beschäftigt war und als befangen galt. Tacke wechselte schließlich von der Politik in die Wirt-

15

Wettbewerbspolitik

237

schaft. Er übernahm die Leitung des Steag-Konzerns, einer Tochter der RAG, die wiederum zur EON-Gruppe gehört. Werner Müller übernahm später die Leitung der RAG.

Stufe 2

Stufe 1

Anzeige/Anmeldung eines beabsichtigten Unternehmenszusammenschlusses

Kartellamt prüft (auf der Basis von Vermutungskriterien): marktbeherrschende Stellung entsteht / wird verstärkt? §24 (1) GWB Prüfkriterien: ausschließlich Wettbewerbsargumente

Genehmigung

Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen, welche die Nachteile der Marktbeherrschung aufwiegen? §24 (1) GWB

Genehmigung

Antrag auf Ministererlaubnis: Wettbewerbsbeschränkungen von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen aufgewogen oder überragendes Interesse der Allgemeinheit vorhanden? §24 (3) GWB

Genehmigung

Ablehnung

Abbildung 2.42: Fusionskontrolle. [Quelle: Anton Frantzke: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, 2004, S. 374]

15.4.7

Missbrauchsaufsicht

Im Rahmen der Fusionskontrolle wird geprüft, ob sich eine zu große Marktmacht durch den Zusammenschluss von Unternehmen bilden kann. Eine ungute und zu marktbeherrschende Größe eines Unternehmens kann sich jedoch auch dadurch ergeben, dass ein Unternehmen aus eigenem Wachstum groß und mächtig wird und diese größere Macht missbraucht. Und diesen potentiellen Machtmissbrauch zu beaufsichtigen, zu kontrollieren und zu verhindern, ist die dritte wesentliche Aufgabe des Kartellamtes. Denn dass Kartelle verboten sind und Fusionen kontrolliert und eventuell ebenfalls verboten werden, ist noch keine Gewähr dafür, dass am Markt alles „mit rechten Dingen“ zugeht. Missstände und Missbrauch von

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

238

Macht kann und wird es weiterhin geben und diesen potentiellen Missbrauch soll das Bundeskartell beobachten, überwachen und gegebenenfalls dagegen einschreiten. Missbrauchsaufsicht bedeutet also Überwachung des Marktverhaltens.

Missbrauchsaufsicht: Überwachung des Marktverhaltens  Intervention durch das Bundeskartellamt bei Marktbeherrschung und Missbrauch der Marktmacht

Beispiele für Missbrauchsverhalten: Typische Beispiele für Machtmissbrauch waren früher die Bierlieferungsverträge seitens der Brauereien. Der Pächter einer Gastwirtschaft bekam finanzielle Unterstützung bei der Einrichtung der Gastwirtschaft, musste sich dafür aber auf die langfristige Belieferung von Getränken seitens der unterstützenden Brauerei verpflichten. Anscheinend ist dieses marktwidrige Verhalten heute kein Thema mehr. Immer noch ein Thema ist allerdings das Verhalten der Mineralölkonzerne. Da es augenscheinlich ist, dass Mineralölkonzerne parallel ihre Preise erhöhen oder auch senken, scheint ein Machtmissbrauch auf der Hand zu liegen. Richtig nachgewiesen konnte den Mineralölkonzernen das bisher nicht. Ein anderes Thema ist die zunehmende Nachfragemacht von Handelskonzernen, die ihre Lieferanten preispolitisch stark unter Druck setzen können. Je weniger Handelskonzerne und somit potentielle Abnehmer für den Lieferanten zur Wahl stehen, desto größer wird die Abhängigkeit von einigen wenigen Handelsriesen und desto größer die Gefahr, von diesen ausgenutzt zu werden.

15.5

Europäische Wettbewerbspolitik

Wettbewerbsangelegenheiten überschreiten oftmals nationale Grenzen, so dass es hier eine supranationale Wettbewerbspolitik und gesetzliche Regeln braucht. In Europa übernimmt diese Aufgabe das Europäische Kartellamt. Deutsches Recht und Europäisches Recht gehen in Fragen des Wettbewerbsrechts relativ konform. Nachdem schon 1999 in der 6. Novelle des GWB eine Harmonisierung mit dem europäischen Wettbewerbsrecht erfolgte, wurde mit der 7. Novellierung des GWB am 1. Juli 2005 eine fast vollständige Angleichung an das europäische Kartellrecht erreicht. 15.5.1

Europäisches Kartellamt

Aufgaben: Die Aufgaben des Europäischen Kartellamtes sind mit denen des deutschen Bundeskartellamtes vergleichbar. Das Europäische Kartellamt zeigt sich

15

Wettbewerbspolitik

239

nämlich zuständig für die Überwachung von Kartellen, die Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht. EU-Kommission: Während das Bundeskartellamt eine Bundesbehörde des Wirtschaftsministeriums ist, sieht sich das Europäische Kartellamt der EU-Kommission unterstellt und zwar in der Person des Kommissars für Wettbewerbsangelegenheiten. 84 Was die Mitarbeiterzahlen anbelangt, beschäftigt die EU-Kommission für Wettbewerbsfragen rund 400 Mitarbeiter. Beim Bundeskartellamt sind rund 300 Beschäftigte für die Einhaltung des Wettbewerbsrechts verantwortlich. Bußgelder: Um Entscheidungen Nachdruck zu verleihen, braucht es Sanktionsmöglichkeiten. Im Vordergrund der Sanktionsmöglichkeiten im Rahmen des EUWettbewerbsrechts steht vergleichbar dem deutschen System die Möglichkeit Bußgelder zu verhängen. Eine der bisher höchsten Bußgeldstrafen machte einen Betrag von 500 Millionen Euro aus. Dieser Bußgeldbetrag wurde Microsoft im März 2004 auferlegt. Microsoft wollte die Nutzung von EDV- und Internetdiensten nur für Microsoft-User ermöglichen. Ein noch höheres Bußgeld wurde Intel auferlegt. Im Jahr 2009 musste die Chipfirma rund 1 Milliarde Euro zahlen. Ähnliche Größenordnungen erreichten die Energie- und Gasversorger E.ON und Gaz de France, die im Jahr 2009 mit jeweils rund 550 Millionen Euro Bußgeld bedacht wurden. Rechtshierarchie: Die europäische Wettbewerbs- und Konzentrationskontrolle zeichnet sich durch eine eindeutige Rechtshierarchie aus. Diese Rechtshierarchie besagt in knapper Formulierung: Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht! Die Europäische Rechtsprechung als supranationales Recht – ein Recht, das über dem der Mitgliedsstaaten steht – hat verbindliche und unmittelbare Geltung in den einzelnen Mitgliedsstaaten. 15.5.2

EU-Fusionskontrollverordnung

Die Frage, wann und unter welchen Umständen eine Fusion oder eine Absprache als problematische Einflussnahme auf den Wettbewerb anzusehen ist, ist auch auf europäischer Ebene nicht leichter zu beantworten als auf nationaler Ebene. Wie lässt sich Marktbeherrschung definieren? Wie lässt sich überhaupt ein relevanter Markt abgrenzen und definieren. Versteht man den relevanten Markt als Region oder Mitgliedstaat, wird eine Fusion eventuell als zu marktbeherrschend betrachtet. Betrachtet man Europa oder gar die Welt als Markt, kann eine regionale Marktbeherrschung im internationalen Kontext weit von einer marktbeherrschenden Stellung entfernt sein. 84

Amtierende EU-Wettbewerbskommissarin ist die Niederländerin Neelie Kroes (von manchen aufgrund ihrer harten Haltung auch „Nickel Neelie“ genannt).

240

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

Konzept der wesentlichen Verringerung des Wettbewerbs: In der EU-Fusionskontrollverordnung wurde zu dieser Thematik im Jahr 2004 eine Neuerung eingeführt, nämlich das Konzept der wesentlichen Verringerung des Wettbewerbs (substantial lessening of competition): Unternehmenszusammenschlüsse sind zu verhindern, die zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs führen und den Verbrauchern die Vorteile eines wirksamen Wettbewerbs durch erhöhte Marktmacht vorenthalten. Nun ist nochmals genauer zu klären, was unter erhöhter Marktmacht zu verstehen ist. In den Leitlinien dieser EU-Verordnung ist erhöhte Marktmacht definiert: „Erhöhte Marktmacht bezeichnet die Fähigkeit eines oder mehrerer Unternehmen, Gewinn bringend ihre Preise zu erhöhen, den Absatz, die Auswahl oder Qualität der Waren oder Dienstleistungen zu verringern, die Innovation zu beschränken oder die Wettbewerbsparameter auf andere Weise zu beeinflussen“ Um den Wettbewerb beziehungsweise dessen Einschränkung zu definieren, wird weiterhin das Kriterium des Marktanteils herangezogen, jedoch um weitere Gesichtspunkte wie die Einschätzung zukünftiger Marktveränderungen ergänzt. Zudem erfolgt quasi eine Saldenbildung aus den durch die Fusion zu erwartenden Effizienzgewinnen – soweit sie originär durch die Fusion begründet werden können, die ja positiv an den Verbraucher weitergegeben werden könnten, mit den potentiell negativen Folgen der Fusion. 85

15.6

Internationale Wettbewerbspolitik

Wettbewerbspolitik ist in erster Linie eine Angelegenheit der Nationalstaaten und die Nationalstaaten lassen sich dieses Recht auch nicht gern aus der Hand nehmen – mit einer Ausnahme und das ist die eben geschilderte supranationale Wettbewerbspolitik der Europäischen Union. Was aber überhaupt noch nicht existiert, ist eine internationale Wettbewerbspolitik, zumindest im Sinne eines übergeordneten und verbindlichen Kartellrechts, geschweige denn eines Kartellamtes. Doch drängt sich angesichts der länderübergreifenden Megafusionen und des überstaatlichen Wirtschaftens der Konzerne die Frage auf, ob ein Weltkartellamt und ein internationales Kartellrecht in Zeiten der Globalisierung nicht sinnvoll und notwendig sind. Oder reicht es aus, so wie es auch gehandhabt wird, zu kooperieren und sich gegenseitige Amtshilfe zu leisten, sofern es erwünscht sein sollte.

85

Eine weitere interessante Neuerung betrifft die Öffnung der Energiemärkte. Seit dem 1. Juli 2004 sollen gewerbliche Abnehmer in der Europäischen Union den Stromlieferanten frei wählen können. (Europäisches Parlament: Zustimmung zum Richtlinienpaket zur Öffnung der Energiemärkte). Und ab 2007 sollen auch alle privaten Haushalte ihren Stromlieferanten innerhalb der EU frei wählen können.

15 15.6.1

Wettbewerbspolitik

241

Kooperation der Wettbewerbsbehörden

Internationale Wettbewerbspolitik zu betreiben, dürfte am naheliegendsten über gegenseitige (bilaterale) oder mehrseitige (multilaterale) Vereinbarungen geschehen. Die Kooperation der nationalstaatlichen Wettbewerbsbehörden lässt sich dabei anhand zweier Modelle beschreiben: 86  

Positive Comity Effects Doctrine

a) Positive Comity Unter Positive Comity versteht man internationale – und das heißt in diesem Zusammenhang vor allem bilaterale – Abkommen zur gegenseitigen Amtshilfe. Ein typisches bilaterales Abkommen besteht zum Beispiel zwischen den USA und Kanada oder der Europäischen Union und den USA. Man hilft sich gegenseitig oder etwas ernüchternder formuliert, man macht sich gegenseitig das Wettbewerbsleben nicht allzu schwer. Positive Comity:  Internationale Abkommen zur gegenseitigen Amtshilfe wie zum Beispiel zwischen den USA und der EU aus dem Jahr 1998. Problem dieser harmlos klingenden gegenseitigen Abkommen ist die unterschiedliche Sichtweise und Handhabung von Wettbewerbspraktiken. So können bestimmte Wettbewerbspraktiken in manchen Ländern völlig legal und in anderen Ländern dagegen verboten sein. Die Fusion der Flugzeughersteller Boeing und McDonnell Douglas beispielsweise wurde von den USA genehmigt. Die Europäische Union betrachtete diesen Zusammenschluss sehr kritisch, sah sich aber letztlich nur in der Lage, eine „kosmetische“ Korrektur dieser Fusion durchzusetzen. Prinzipiell soll es jedoch möglich sein, dass diejenige Wettbewerbsbehörde tätig werden kann, die ein gewichtiges Interesse an der Aufklärung und Sanktionierung des Falles hat. b) Effects Doctrine Die Effetcs Doctrine besagt, dass Wettbewerbsbehörden gegen jegliche Art von Wettbewerbsbeschränkungen vorgehen können, die sich auf den Wettbewerb in ihrer jeweiligen Jurisdiktion auswirken, unabhängig davon, in welchem Land die wettbewerbswidrige Handlung vollzogen wurde.

86

Zu dieser Thematik vgl. Henning Klodt: Megafusionen: Brauchen wir ein WeltKartellamt? In: WiSt, Heft 4, 29. Jahrgang, April 2000.

Modul 1.2: Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik

242

Effects Doctrine:  Wettbewerbsbehörden können gegen jegliche Art von Wettbewerbsbeschränkungen vorgehen, die sich auf den Wettbewerb in ihrer jeweiligen Jurisdiktion auswirken, unabhängig davon, in welchem Land die wettbewerbswidrige Handlung vollzogen wurde. Wenn also in Land A ein Wettbewerbsmissbrauch stattfindet, der zu Wettbewerbsverzerrungen in Land B führt, dürfte nach dieser Doktrin die Wettbewerbsbehörde des Landes A gegen das betroffene Unternehmen in Land B vorgehen. In welchem Maße dieser Grundsatz der Effects Doctrine realisiert werden kann, sei dahingestellt. Im Grundsatz wird die Effects Doctrine von den meisten Industrieländern anerkannt. 15.6.2

Gründung eines Weltkartellamtes

Wenn es Abkommen zwischen nationalstaatlichen Wettbewerbsbehörden gibt, wenn ein funktionierendes – wenn auch noch zu bewährendes – supranationales Modell auf europäischer Ebene existiert, warum sollte dann nicht auch ein internationales Wettbewerbsrecht mit einem Weltkartellamt möglich sein; zumal die jüngere Geschichte geprägt ist von der Zunahme an Zahl und Bedeutung überstaatlicher Organisationen und zumindest internationaler Abkommen. Weltkartellamt: Globalisierung drängt zu überstaatlichen Regelungen und in Zeiten eines zunehmenden globalen Wettbewerbs lässt sich der Ruf nach einem Weltkartellamt lauter vernehmen. Sollte es eine internationale Wettbewerbspolitik geben, bietet es sich an, diese unter dem Dach der Welthandelsorganisation (WTO) anzusiedeln. Originäre Aufgabe der Welthandelsorganisation ist das Eintreten für freien Handel zwischen Staaten. 87 Weltkartellamt:   

Theoretisch beste Lösung. Integration in die Welthandelsorganisation (WTO). Zurzeit nicht praktikabel.

Ein Weltkartellamt ist zwar theoretisch die beste Lösung für die Durchsetzung des freien Wettbewerbs auf internationaler Ebene, aber auf absehbare Zeit nicht praktikabel. Im Vordergrund internationaler Wettbewerbspolitik stehen bilaterale Abkommen (zwischen zwei Ländern) und multilaterale Abkommen (zwischen meh87

Die Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization) wurde 1995 gegründet und löste das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) von 1948 ab. Die WTO zählt 153 Staaten als Mitglieder. Zur Welthandelsorganisation siehe auch Band III, Kapitel Außenwirtschaft.

15

Wettbewerbspolitik

243

reren Ländern). Und es existiert zumindest ein internationales Wettbewerbsnetzwerk – das International Competition Network (ICN). Das ICN wurde 2001 auf Initiative der USA gegründet und stellt eine Vereinigung von 99 nationalen Wettbewerbsbehörden dar, die der länderübergreifenden Zusammenarbeit der „Kartellwächter“ dient. International Competition Network (ICN): 

Vereinigung von 99 Wettbewerbsbehörden zum Zwecke der internationalen Zusammenarbeit in Wettbewerbsangelegenheiten!

Mit diesem Kapitel zur Ordnungs- und Wettbewerbspolitik sind Band I und das Modul „Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik“ abgeschlossen. Die Makroökonomie und die Themen Geld und Währung folgen in Band II.

Abbildungsverzeichnis Modul 1.1 Abbildung 1.1: Abbildung 1.2: Abbildung 1.3: Abbildung 1.4: Abbildung 1.5: Abbildung 1.6: Abbildung 1.7: Abbildung 1.8: Abbildung 1.9: Abbildung 1.10: Abbildung 1.11: Abbildung 1.12: Abbildung 1.13: Abbildung 1.14: Abbildung 1.15: Abbildung 1.16: Abbildung 1.17: Abbildung 1.18: Abbildung 1.19: Abbildung 1.20: Abbildung 1.21: Abbildung 1.22: Abbildung 1.23: Abbildung 1.24

Gütermarkt ................................................................................ 23 Arbeitsmarkt ............................................................................. 23 Geldmarkt. ................................................................................ 24 Gütermarktmodell. .................................................................... 27 Aggregierte Angebots- und Nachfragefunktion........................ 32 Nachfrageüberhang. .................................................................. 34 Nachfragelücke. ........................................................................ 35 Angebotsüberhang. ................................................................... 35 Angebotslücke. ......................................................................... 36 Systematik von Vorklassik, Klassik und Neoklassik. ............... 64 Entwicklung und Differenzierung der Volkswirtschaftslehre... 66 Volkswirtschaftslehre im System der Wissenschaften.............. 67 Gesamtnutzen- und Grenznutzenfunktion................................. 71 Die Transformationskurve mit linearem und ursprungskonkavem Verlauf..................................................................... 73 Transformationsgerade am Beispiel Apfel- und Birnenernte.... 75 Transformationskurve am Beispiel Apfel- und Birnenernte. .... 76 Gleichgewichtsbildung auf dem Arbeitsmarkt.......................... 84 Lohnbildung auf dem Arbeitsmarkt. ......................................... 85 Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung ..................................... 87 Klassisch versus keynsianischer Ansatz. .................................. 88 Fundament der Sozialen Marktwirtschaft. ................................ 97 Magisches Viereck der Wirtschaftspolitik. ............................. 112 Daten des Magischen Vierecks. .............................................. 113 Magisches Sechseck der Wirtschaftspolitik............................ 120

Modul 1.2 Abbildung 2.1: Abbildung 2.2: Abbildung 2.3: Abbildung 2.4: Abbildung 2.5: Abbildung 2.6: Abbildung 2.7: Abbildung 2.8: Abbildung 2.9:

Preis-Mengen-Funktion. ......................................................... 132 Preisabsatzfunktion. ................................................................ 133 Preisabsatzfunktion am Beispiel Busfahrt. ............................. 134 Elastizitäten am Beispiel Busfahrt. ......................................... 137 Elastizitätsbereiche. ................................................................ 138 Kreuzpreiselastizitäten bei komplementären, substitutiven und unverbundenen Gütern..................................................... 142 Superiore, inferiore und einkommensunabhängige Güter....... 146 Indifferenzkurve und Budgetrestriktion. ................................. 148 Zusammenhang von Kosten, Umsatz und Gewinn. ................ 152

246

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2.10: Produktion, Kosten, Umsatz und Gewinn am Beispiel Fingerring. .............................................................................. 154 Abbildung 2.11: Varianten von Input-Output-Beziehungen. ............................. 155 Abbildung 2.12: Produktionsfunktion vom Typ A. ........................................... 157 Abbildung 2.13: Neoklassische Produktionsfunktion. ....................................... 158 Abbildung 2.14: Ertragsgebirge einer neoklassischen Produktionsfunktion...... 161 Abbildung 2.15: Indifferenzkurve...................................................................... 162 Abbildung 2.16: Indifferenzkurven unterschiedlichen Ertragsniveaus. ............. 163 Abbildung 2.17: Minimalkostenkombination. ................................................... 165 Abbildung 2.18: Linear-limitationales Einsatzverhältnis am Beispiel Regalbau. ................................................................................ 166 Abbildung 2.19: Allgemein-limitationale Produktionsfunktion. ....................... 167 Abbildung 2.20: Limitationale Produktionsfunktion. ........................................ 169 Abbildung 2.21: Prozessstrahl. .......................................................................... 169 Abbildung 2.22: Von der Produktionsfunktion zur Kostenfunktion. ................. 171 Abbildung 2.23: Produktions- und Kostenfunktion. .......................................... 172 Abbildung 2.24: Herleitung der Kostenfunktion aus der Produktionsfunktion.. 173 Abbildung 2.25: Kostenfunktionen.................................................................... 175 Abbildung 2.26: Preisbildung auf dem Markt.................................................... 184 Abbildung 2.27: Umsatzfunktion....................................................................... 185 Abbildung 2.28: Gewinnmaximierung im Polypol. ........................................... 187 Abbildung 2.29: Umsatz- und Kostenfunktion im Polypol................................ 188 Abbildung 2.30: Gewinnmaximierung im Polypol (nicht-lineare Kostenfunktion). ..................................................................... 190 Abbildung 2.31: Preisabsatzfunktion. ................................................................ 192 Abbildung 2.32: Umsatzmaximierung im Monopol ......................................... 193 Abbildung 2.33: Gewinnmaximierung im Monopol.......................................... 195 Abbildung 2.34: Preisabsatzfunktion und Preisdifferenzierung......................... 197 Abbildung 2.35: Konsumentenrente. ................................................................. 199 Abbildung 2.36: Produzentenrente. ................................................................... 200 Abbildung 2.37: Die größten Unternehmen der Welt. ....................................... 210 Abbildung 2.38: Die größten Arbeitgeber der Welt........................................... 211 Abbildung 2.39: Die größten deutschen Unternehmen. ..................................... 211 Abbildung 2.40: Gesamtkosten und abnehmender Stückkostenverlauf............. 214 Abbildung 2.41: Erfahrungskurve...................................................................... 215 Abbildung 2.42: Fusionskontrolle...................................................................... 237

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Internet-Adressen Institution Bundesagentur für Arbeit Bundesfinanzministerium Bundeswirtschaftsministerium Bundeszentrale für politische Bildung Deutsche Bundesbank und Europäische Zentralbank Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften Europäischer Datenservice Europäische Kommission Europäische Zentralbank Institut der deutschen Wirtschaft Köln Internationaler Währungsfond Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Statistisches Bundesamt Deutschland Weltbank Welthandelsorganisation Wirtschaftsforschungsinstitute: DIW Berlin HWWI Hamburg Ifo München IfW Kiel IWH Halle RWI Essen ZEW Mannheim

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Stichwortverzeichnis Abnehmender Grenznutzen........ 147 Absoluter Kostenvorteil ......... 58, 60 Agenda 21 .................................. 122 Akteure................................... 16, 17 Allokation .............................. 13, 15 Allokationsfunktion ................... 227 Anbieter ..................................... 179 Angebot.......................... 32, 34, 184 Angebotsfunktion................... 30, 31 Angebotslücke.............................. 36 Angebotsmonopol ...................... 196 Angebotsseite ..................... 128, 151 Angebotsüberhang ........... 35, 37, 87 Angebotsverhalten ....................... 30 Anti-Trust-Gesetz....................... 221 Arbeitgeber ................................ 210 Arbeitslose ................................. 115 Arbeitslosenquote....................... 115 Arbeitslosigkeit ...... 83, 87, 112, 115 Arbeitsmarkt .................... 83, 84, 85 Arbeitsteilung......................... 55, 57 Ausland ........................................ 21 Ausschließbarkeit............. 40, 41, 45 Außenhandelsdefizit................... 112 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht ................ 112, 116 Bankenkrise.................................. 79 Bedarf............................................. 5 Bedürfnis........................................ 5 Bedürfnisintensität ..................... 131 Beschäftigung .............................. 83 Beschäftigungsgleichgewicht....... 84 Beschäftigungsstand... 112, 114, 120 Bestimmungsfaktoren der Nachfrage ....................................... 128, 131 Bestimmungsfaktoren des Angebots ....................................... 128, 151 Betriebswirtschaftslehre............... 67 Bildung................................... 45, 46 Bofinger ..................................... 111

Böhm............................................ 96 Börsencrash.................................. 78 Börsenkrise............................. 78, 79 Break-even-point........................ 186 Bretton-Woods-System .............. 116 Bruttoinlandsprodukt.................. 117 Budgetfunktion........................... 149 Budgetrestriktion................ 148, 164 Bundeskartellamt ....................... 232 Bundesrepublik Deutschland..... 105, 106 Carnegie ..................................... 220 Ceteris-paribus ....................... 28, 83 Chicagoer-Schule ......................... 96 Cobb-Douglas-Produktionsfunktion ................................................ 162 Cournot ...................................... 196 Cournotscher Punkt............ 195, 196 Deficit spending ........................... 89 Demeritorische Güter ............. 39, 47 Depression.................................... 78 Die Allgemeine ............................ 82 Die fünf Weisen ................. 109, 111 Direkte Preiselastizität ............... 135 Distribution ............................ 13, 15 Dominante Strategie................... 205 Duopol................................ 201, 206 Economies of Scale .................... 214 Economies of Scope................... 216 Effects Doctrine ................. 241, 242 Effizienzlinie ................................ 73 Eigennutz ..................................... 51 Eigentum .................................... 106 Einkommen .14, 131, 142, 143, 144, 145 Einkommenselastizität 142, 144, 146 Einkommensverteilung .............. 120 Einsatzfaktoren.. 152, 156, 159, 160, 168

254

Stichwortverzeichnis

Elastizität.... 135, 136, 137, 138, 145 Elastizitätsbereiche..................... 138 Engelsches Gesetz...................... 145 Entscheidungsregel ... 185, 186, 190, 194, 196 Entscheidungsregeln .................. 177 Entscheidungsverhalten .... 127, 128, 183, 203 Erfahrungskurve......................... 215 Erhard............................. 91, 98, 109 Erstes Gossensches Gesetz........... 70 Ertrag ................................. 156, 158 Ertragsgesetz .............................. 156 Erwerbspersonen........................ 115 Erwerbstätige ............................. 115 Eucken ................................... 92, 96 EU-Fusionskontrollverordnung.. 239 EU-Kommission ........................ 239 Europäische Wettbewerbspolitik 238 Europäisches Kartellamt ............ 238 Europäisches Wiederaufbauprogramm ........ 104 Existenzfunktion ........................ 3, 4 Export................................... 21, 116 Faktorkonstanz ........................... 159 Firmenübernahmen .................... 209 Fixkostendegression................... 214 Franz .......................................... 111 Freiburger Schule................... 97, 98 Freier Markt ................................. 51 Freiheit ................................. 99, 100 Friedman ...................................... 96 Fusion......................................... 235 Fusionen............................. 209, 212 Fusionskontrolle. 232, 235, 237, 239 Gastarbeiter ................................ 103 Gebietskörperschaften............ 20, 22 Gefangenendilemma .. 204, 206, 208 Geldentwertung.......................... 114 Gerechtigkeit........................ 99, 100 Gesamtkostenverlauf.................. 214 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen 230, 231

Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen ............. 72, 147, 148 Gesundheit ................................... 46 Gewinn ....... 154, 177, 178, 183, 189 Gewinnfunktion ................. 152, 153 Gewinnmaximierung. 177, 182, 184, 186, 187, 188, 190, 191, 194, 195, 196, 201 Gewinnmaximum............... 189, 194 Gewinnquote .............................. 121 Gewinnschwelle ......................... 186 Gleichgewicht ........................ 86, 87 Gleichgewichtsbildung..... 28, 33, 84 Globalsteuerung ................. 101, 110 Gossen.......................................... 69 Grenzgewinn .............................. 189 Grenzkosten ............... 174, 188, 189 Grenznutzen ..................... 69, 70, 71 Grenzrate der Substitution.......... 162 Grenzumsatz....................... 188, 189 Große Depression......................... 78 Größenvorteile ........................... 214 Grundbegriffe............................... 25 Grundgesetz ............... 105, 106, 108 Gutenberg-Produktionsfunktion. 168 Güter ...................... 4, 5, 43, 74, 152 einkommensunabhängig143, 145, 146 inferior.................... 143, 144, 146 komplementär................. 140, 142 normal .................................... 144 öffentliche .......................... 39, 43 private..................... 39, 40, 41, 43 substitutiv ....................... 141, 142 superior........................... 143, 146 unverbunden................... 141, 142 Gütermarkt ................................... 28 GWB .......................................... 231 Hochpreispolitik......................... 218 Homo oeconomicus........................ 9 Homogenität............................... 129 Import................................... 21, 116 Indifferenzkurve. 148, 161, 162, 163 Indifferenzkurvenanalyse ... 147, 149 Industrialisierung ................... 53, 54

Stichwortverzeichnis Industrie ....................................... 53 Industrielle Revolution..... 53, 54, 55 Inflation.............................. 112, 114 Inflationsrate .............................. 114 Innovationsfunktion ... 225, 227, 228 Input ..................... 74, 152, 154, 155 Internationale Wettbewerbspolitik ............................................... 240 Interventionismus......................... 96 Jahr 1776...................................... 49 Jahr 1936...................................... 82 Jahresgutachten .......................... 109 Kapazitätslinie.............................. 73 Kapitalismus ................................ 96 Kartell ........................................ 232 Erlaubniskartell ...................... 235 Gebietsschutzkartell ............... 234 Kontingentierungskartell........ 234 Normungskartell..................... 235 Preiskartell ............................. 234 Widerspruchskartell ............... 235 Kartellämter ............................... 230 Kartellbehörden.......................... 230 Kartelle....................................... 233 Kartellgesetz ...................... 231, 233 Kartellkontrolle .......................... 239 Kartellverbot ...................... 232, 234 Kaufkraftverlust ......................... 114 Keynes ..... 65, 77, 81, 82, 83, 87, 89 Keynsianischer Ansatz ........... 87, 88 Klassik ................................... 63, 64 Klassischer Ansatz ................. 87, 88 Knappheit....................................... 4 Knappheitsproblem ........................ 5 Kollektivismus ............................. 96 Komparativer Kostenvorteil... 59, 61 Konditionenpolitik ..................... 217 Konkurrenz ................................ 227 Konkurrenzverhalten.................... 43 Konsum .......... 40, 41, 42, 45, 46, 71 Konsumentenrente ..... 198, 199, 200 Konvergenztheorie ................. 94, 95 Konzentration..... 212, 213, 222, 223 Konzentrationskontrolle............. 230 Konzentrationsprozess ............... 209

255

Konzertierte Aktion.................... 119 Kosten ................ 154, 183, 186, 189 Fixkosten................................ 174 Gesamtkosten ......................... 174 Grenzkosten ........................... 174 Stückkosten ............................ 174 variable................................... 174 Kostenarten ........................ 174, 175 Kostenbegriffe............................ 174 Kostenfunktion.. 152, 153, 164, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 186, 188, 196 linear ...................................... 194 nicht-linear ..................... 188, 190 Kostenminimierung.................... 177 Kostenvorteile ............................ 214 Kreuzpreiselastizität.. 139, 140, 141, 142 Laissez-faire ................................. 52 Leistungsbilanz .......................... 116 Lerneffekte ......................... 215, 216 Liberalismus................................. 94 Limitationalität........... 160, 166, 168 Lobbyismus................................ 219 Lohnbildung ........................... 83, 85 Lohnquote .................................. 121 Lohnstarrheit ................................ 86 Macht ......................................... 222 Machtbeschränkungsfunktion ... 227, 228 Machtmensch ............................. 219 Machtpolitik ............................... 219 Magisches Sechseck................... 120 Magisches Viereck .... 109, 111, 112, 113 Makroökonomie ........................... 65 Malthus ........................................ 63 Marginalanalyse ..... 70, 72, 191, 194 Markt............ 39, 179, 181, 182, 184 Marktbeherrschung .................... 239 Marktformen .............. 178, 179, 180 Marktmacht ........ 218, 219, 220, 240 Marktmechanismus ...................... 39 Marktpreis .................................. 184 Marktteilnehmer......................... 179

256

Stichwortverzeichnis

Marktversagen............ 39, 41, 44, 46 Marktwirtschaft... 16, 92, 93, 94, 97, 225, 227 Marshall ............................. 104, 105 Marshall-Plan ............................. 104 Massenarbeitslosigkeit ................. 79 Maximalprinzip.................. 9, 10, 11 Maximierungsstrategien............. 177 Mengenanpasser......................... 191 Mengenanpassung...................... 183 Mengenmaximierung ......... 185, 186 Meritorische Güter ..... 39, 44, 45, 46 Merkantilismus ............................ 63 Methuen-Vertrag.......................... 57 Mikroökonomie............ 66, 127, 128 Mikroökonomischer Ansatz ......... 69 Minimalkostenkombination ...... 163, 165, 170 Minimalprinzip .................. 9, 10, 11 Ministerfusion .................... 236, 237 Minivolkswirtschaft ..................... 28 Missbrauchsaufsicht.. 232, 237, 238, 239 Missbrauchsverhalten................. 238 Modellbeispiel Minivolkswirtschaft ................................................. 28 Monopol.... 178, 180, 182, 183, 191, 192, 193, 194, 195, 196, 202 Morgan....................................... 220 Morgenstern ............................... 203 Müller-Armack .................... 98, 102 Nachfrage...... 32, 34, 132, 134, 135, 139, 140, 142, 143, 184 Nachfragefunktion . 29, 30, 138, 139 Nachfragegruppen.............. 199, 200 Nachfragelücke ...................... 35, 37 Nachfragemodell........................ 147 Nachfrager.................................. 179 Nachfrageseite............................ 128 Nachfrageüberhang ................ 34, 37 Nachfrageverhalten ...................... 29 Nachhaltigkeit ............................ 122 Nachhaltigkeitsprinzip ............... 122 Nachtwächterstaat ........................ 52 Nash ........................................... 208 Nationalökonomie........................ 66

Neoklassik........................ 64, 65, 69 Neoklassische Produktionsfunktion ........................................ 158, 161 Neoliberalismus ........................... 97 Neue Märkte............................... 218 Nichtausschließbarkeit ..... 40, 41, 42 Niedrigpreispolitik ..................... 218 Nutzen ............................ 71, 76, 146 Nutzenfunktion..................... 71, 149 Nutzenvorstellung .............. 131, 146 Oeconomia ......................... 9, 50, 66 Offene Volkswirtschaft ................ 21 Ökologisches Gleichgewicht..... 121, 122 Ökonomie....................................... 3 Ökonomisches Prinzip ............. 8, 11 Oligopol ..... 178, 180, 181, 201, 206 Oligopolistische Interdependenz 202 Ölpreiskrise ................................ 110 Opportunitätskosten ..................... 76 Ordnungspolitik ........... 93, 101, 226 Ordnungsprinzipien...................... 16 Ordoliberalismus .............. 94, 97, 99 Output .............. 6, 74, 152, 154, 155 Outputkombinationen................... 73 Paradies .......................................... 3 Pariser Friedenskonferenz ............ 81 Physiokratismus ........................... 63 Planification ................................. 93 Planwirtschaft............. 16, 92, 93, 95 Politik......................................... 225 Politikfelder................................ 101 Polypol ...... 178, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 190, 194, 202 Positive Comity.......................... 241 Praxisrelevanz .............................. 11 Preis... 131, 132, 134, 136, 137, 139, 140 Preisabsatzfunktion ... 132, 133, 134, 137, 192, 195, 196, 197 Preisanpasser.............................. 191 Preisanpassung ........................... 183 Preisbildung ...... 183, 184, 191, 192, 193, 201

Stichwortverzeichnis Preisbindung .............................. 234 Preisdifferenzierung .. 196, 197, 199, 200 Preiselastizität ............................ 135 Preisfunktion .............................. 192 Preiskartell ................................. 234 Preismechanismus........................ 34 Preisniveauanstieg...................... 114 Preisniveaustabilität ........... 112, 120 Preispolitik ................................. 217 Private Haushalte ... 17, 18, 127, 128 Privateigentum ............... 92, 99, 107 Produktion.................................... 53 Produktions- und Kostentheorie. 151 Produktionsfaktoren .. 6, 7, 152, 155, 160 Produktionsfunktion.. 152, 153, 154, 156, 157, 158, 159, 160, 164, 168, 170, 171, 173 allgemein-limitational .... 167, 168 limitational ..................... 165, 169 linear-limitational........... 166, 167 Produktionsfunktion vom Typ A ....................................... 156, 157 Produktionsfunktion vom Typ B 168 Produktionsmöglichkeitenkurve .. 73 Produktionstheorie ..................... 159 Produzentenrente........................ 200 Prohibitivpreis............................ 133 Prozessstrahl ...................... 169, 170 Quesnay ....................................... 63 Rationales Handeln ................ 9, 129 Rationalität..................................... 9 Rationalprinzip............................... 9 Reichtum ............................ 220, 222 Ressourcen ................................. 4, 8 Ressourcenverteilung ................... 14 Rezession ................................... 112 Ricardo......................................... 57 Rivalität............................ 40, 42, 43 Rockefeller......................... 220, 221 Röpke ........................................... 96 Rüstow ......................................... 96 Sachverständigenrat ........... 109, 111

257

Sättigungsmenge ........................ 133 Say................................................ 64 Saysches Theorem........................ 64 Schlaraffenland .............................. 3 Schulpflicht .................................. 45 Schumpeter................................. 228 Schwabsches Gesetz................... 145 Schwarzer Freitag .................. 78, 79 Schwarzer Montag ....................... 78 Schwarzwälder Kirschtorte ... 70, 71, 72 Selbstverwaltungswirtschaft......... 93 Sinnfunktion............................... 3, 4 Skaleneffekte.............................. 214 Smith ...................................... 50, 62 Sombart ........................................ 92 Soziale Marktwirtschaft .. 91, 93, 96, 97, 99, 101, 105, 107 Soziale Sicherung....................... 101 Sozialistische Planwirtschaft 93, 106 Sozialversicherungsträger ............ 20 Spezialisierung ............................. 57 Spieltheorie ................ 203, 204, 208 Staat.................................. 19, 21, 52 Staatsausgaben ............................. 89 Staatsausgabenerhöhung .............. 89 Stabilitätsgesetz. 109, 111, 112, 115, 118, 119 Stecknadelherstellung .................. 56 Strategie ..................................... 204 Stückkosten ........................ 174, 215 Stückkostenverlauf..................... 214 Submissionskontrolle ................. 234 Substitutionalität ................ 160, 161 Substitutionsverhältnis ............... 162 Synergieeffekte .......................... 216 Systemkonformität ..................... 102 Tausch .......................................... 55 Theorem der komparativen Kostenvorteile .............. 57, 58, 59 Theorie der Unternehmen .......... 177 Theorie des Angebots................. 128 Theorie des Haushalts ................ 128 Transformationskurve ...... 72, 73, 74 Trittbrettfahrerverhalten ......... 43, 44 Turgot................................... 63, 156

258

Stichwortverzeichnis

Umsatz ....... 154, 183, 185, 189, 193 Umsatzfunktion. 152, 153, 185, 187, 193, 196 Umsatzmaximierung . 177, 185, 193, 194 Umwelt............................... 121, 122 Umweltzertifikate....................... 122 Unterbeschäftigung ................ 86, 87 Unterbeschäftigungsgleichgewicht ................................................. 86 Unternehmen. 18, 19, 127, 128, 151, 183, 210, 211 Unternehmenskonzentration ...... 209 Unternehmensziele..................... 177 Unternehmenszusammenschluss221, 236, 237, 240 Unternehmer ...................... 220, 221 Variabilität ................................. 159 Verantwortung ........................... 100 Verbraucherpreisindex ............... 114 Verbundeffekte .......................... 216 Verbundvorteile ......................... 216 Vermögenssektor ......................... 19 Verteilungsgerechtigkeit .... 120, 121 Verteilungspolitik....................... 101 Verzichtskosten............................ 76 Volkswirtschaftslehre....... 49, 66, 67 Vollbeschäftigung ...................... 115 Vollkommener Wettbewerb180, 181 Von Hayek ................................... 96 Von Neumann .................... 203, 204 Vorklassik .............................. 63, 64 VPI ............................................. 114 Wachstum .................. 102, 117, 120 Wachstumsrekord....................... 102 Währungssysteme ...................... 116 Wasserverkäufer........................... 37

Weder di Mauro ......................... 111 Welthandel ................................. 116 Welthandelsorganisation ............ 242 Weltkartellamt.................... 242, 243 Weltwirtschaftskrise.. 77, 78, 79, 80, 89 Wettbewerb .. 97, 225, 227, 229, 240 Funktionen ..................... 227, 228 funktionsfähiger ............. 229, 230 Überlebensansatz............ 229, 230 vollkommener ........................ 229 Wettbewerbsansätze................... 229 Wettbewerbsbeschränkungen..... 242 Wettbewerbspolitik ..... 97, 101, 225, 226, 230, 231, 240 Wettbewerbsrecht....................... 230 Wettbewerbssituation................. 178 Wettbewerbswirtschaft. 93, 181, 225 Wiederaufbauprogramm ............ 105 Wiegard...................................... 111 Wirtschaft....................................... 3 Wirtschaften ................. 3, 6, 8, 9, 25 Wirtschaftskrisen ......................... 80 Wirtschaftsordnung ...................... 92 Wirtschaftsordnungen ...... 91, 93, 94 Wirtschaftspolitik....... 102, 110, 120 Wirtschaftssystem ............ 91, 92, 93 Wirtschaftsverfassung .................. 92 Wirtschaftswachstum ......... 103, 112 Wirtschaftswunder ............... 91, 102 Wissen............................................ 8 Wissenschaften....................... 66, 67 Wohlstand .................. 102, 103, 117 Wohlstand der Nationen......... 49, 50 Wohlstandsverlust ........................ 79 WTO .......................................... 242 Zentralverwaltungswirtschaft....... 93