Ein neues Kaptitel aus dem Leben des Heiligen Franz von Assisi
 9783111482231, 9783111115412

Table of contents :
Au lecteur
Nachtrag
Anmerkungen zu dem neuen Kapitel aus dem Leben des heiligen Franziskus
Die Bewilligung des Portinncula-Ablasses
Anmerkungen zur kritischen Studie über die Bewilligung des Portiuncula-Ablasses
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Der Heilige Franz nach einem Gemälde von Cimabue in der Bastlica inferiore zu Assist.

Ein neues Kapitel aus dem Leben des

Heiligen Franz von Assist nebst

einer kritischen Studie:

Die Bewilligung des Portiuncula-Ablasses von

Paul Sabatier. Deutsch von

Margarete Lisco.

Mit 1 Bildnis.

Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer.

1897.

Au lecteur. Personne ne s’etonnera, je pense, si je dis que ma grande preoccupation lorsque parut la Vie de 8. Franpois fut celle de savoir quel serait le jugement de la critique allemande. Je ne pouvais pas douter de la methode que j’ai appliquee ä ce chapitre de l’histoire religieuse pas plus que de quelques uns des resultats auxquels j’etais parvenu, mais ce qui me rendait anxieux c’etait de savoir si j’avais su redire ce que j’avais vu, exposer en quelques pages des problemes auxquels j’avais consacre des annees de labeur. Le resultat a depasse tout ce que j’avais pu esperer, car si les erudits de l’Allemagne ont l’experience et l’habilete que donne la Science, ils ont aussi cette bienveillance que donne le travail. Si de l’Italie me sont venues des demonstrations qui m’ont plus touche que je ne saurais le dire, de ces paroles d’un enthousiasme dont on sent l’exageration, mais dont on aime pourtant ä s’enchanter, comme au matin on fait effort pour empecher un beau reve de se dissiper, c’est de l’Allemagne que me sont venues les critiques les plus utiles celles qui aiguillonnent et donnent le besoin de creuser encore plus avant. Ce resultat n’aurait pas ete atteint sans le concours si rare d’un traducteur qui n’a epargne aucun effort pour entrer dans la pensee meme de ce livre. L’oeuvre de Madame Lisco n’a pas seulement l’exactitude exterieure d’une bonne traduction eile a ce que j’appellerais

IV

Au lecteur.

saute de mieux la fidelite Interieure, tellement qu’a bien des reprises il me semblait qu’elle avait sous les yeux non pas le texte franpais, mais le texte que j’aurais voulu faire, que je ferai peut-etre un jour, parce qu’il rendrait bien mieux les nuances de pens^e et de sentiment du troubadour 8. Francois, un texte provenpal. Qu’il me seit donc permis d’adresser ici mes remerciements et l’expression de tonte ma cordiale et respectueuse reconnaissance ä ma distinguee traductrice ou plutot collaboratrice. Les etudes qu’on ajoute aujourd’hui ä l’edition allemande concernent toutes le fameux Pardon d’Assise ou Indulgence de la Portioneule. On verra que mon jugement ä cet egard s’est profondement modifie et que j’ai cru devoir accepter en grande partie les donnees traditionuelles. Je n’ai pas besoin de prier ceux qui seraient tentes de s’etonner de lire tres attentivement les diverses seriös de preuves ou d’arguments que j’apporte en faveur de netto eonoession extraordinaire. Si apres cela ils ne pouvaient admettre mes conclusions je me garderais bien de leur en vouloir car s’il y a en dans les documents de quoi me faire changer d’avis, il n’y a pas en assez pour que je trouve que tont seit evident ou seulement clair en eette affaire. Paul Sabatier. Avril 1897.

Nachtrag. Ein neues Kapitel aus dem Leben des heiligen Franziskus. Der Regierungsantritt Honorius m und der Nortiuncnla-Mlah. Das Jahr 1216 gehörte bisher zu den Jahren im Leben des heiligen Franziskus, über die wir am wenigsten unterrichtet waren. Kürzlich aber hat die Veröffentlichung eines Dokumentes, das trotz seines geringen Umfanges zu

den hervorragendsten Quellen der

religiösen Geschichte des Mittelalters gerechnet werden muß, eine Fülle von Licht darüber verbreitet. Es handelt sich hier um einen Brief des Franzosen, Jakob v. Vitry, der am Sterbetage Jnnocenz' III Perugia betrat, dort der Erwählung Honorius'III beiwohnte und von der Minoritenbewegung einen nachhaltigen Eindruck empfing*). Es bedarf des Hinweises nicht, welchen Wert ein Brief, das echte Fragment eines intimen Tagebuches besitzen muß, der angesichts der Ereignisse selbst geschrieben wurde, noch ehe die unvermeidlichen, optischen Täuschungen, die dauernd unsere Er­ innerungen beeinflussen, den ersten Eindruck trüben konnten. Aus diesem Brief, dessen Inhalt weiter unten folgt, geht zu­ nächst mit Sicherheit hervor,

daß die bestgesinnten Kritiker aus

übergroßer Vorsicht die Bedeutung der franziskanischen Bewegung in ihren Anfängen unterschätzt haben. Das Leben des heiligen Franz von Assisi.

348

Nachtrag.

Wenn z. B. Urkunden, wie die Fioretti, von der wunderbaren Entwickelung sprechen, die dem Orden vom ersten Tag an beschieden gewesen, so deuten die Bollandisten zart an, wie viel des Unwahrscheinlichen solche Angaben zu enthalten pflegen, während andere, Papini zumal, ähnliche Zweifel mit der wilden Freude und Leidenschaft des Bilderstürmers zum Ausdruck bringen. Gewiß würden die einen, wie die andern heute gern anerkennen, wie sehr die ver­ nünftigsten Erwägungen den Historiker irre zu führen vermögen'). Allerdings scheint es beim ersten Blick unglaublich, daß schon im Jahre 1216 die zwölf armen Pilger Assisis, die Jnnocenz Illj vor kaum sechs Jahren aus den Hallen des Lateran gewiesen, eine so schnelle Verbreitung ihrer Worte von Mund zu Mund, eine so tiefe Einprägung ihrer Ideen in die Herzen erlebt haben sollten, daß jetzt im feierlichsten und ergreifendsten Augenblick des Pontifikates dieses Papstes die Blicke der religiösen Welt auf ihnen ruhen konnten, wie auf den zur Rettung der Kirche Berufenen. Und dennoch ist es eine Thatsache. Wenige Monate vorher hatte das Lateran-Konzil ein Schauspiel gegeben, das vielleicht für das erhabenste des ganzen 13. Jahr­ hunderts gelten kann. Wie eine Magna Charta der religiösen Reform des Mittelalters erscheinen uns die damals angenommenen 70 Beschlüsse, und noch heute nach Jahrhunderten fühlt man in diesen Dekreten, in die der Papst sein bestes Selbst gelegt, Leben, Liebe und Aufschwung zu Gott pulsieren. Fern von ihren Diöcesen und Abteien, seit Monaten gelöst von früheren Gewohnheiten und allen Einflüssen, die ihre Willens­ kraft hemmen konnten, waren die Väter des Koncils zu einer voll­ kommenen inneren Uebereinstimmung mit dem Papst gelangt. Den bezwungenen, fortgerissenen, begeisterten Gemütern konnte es einen Augenblick erscheinen, als würden sie aufs neue gesalbt, als ge­ wännen sie, eins mit dem sichtbaren Haupt der Kirche, die Be­ fähigung zu jeglicher Reform. Wie sehr sich Jnnocenz III damals selbst übertraf, lehrt ein Vergleich seiner früheren Predigten mit jener, welche der Eröffnung der ersten Koncilfitzung voranging. Indem er Christi Worte an seine Apostel — mich hat herzlich verlangt, dies Osterlamm mit Euch zu essen — für sich wählte, brauchte er nur der eigenen Stim-

Der Regierungsantritt Honorius III und der Portiuncula-Ablaß.

349

mung Ausdruck zu verleihen, um eine erhabene Rührung zu er­ zielen. Man kann dieser Rede nur gerecht werden, wenn man ihre Einzelheiten und ihren allegorischen Apparat, der uns heute befremdet und hemmt, unbeachtet läßt, um allein ihrem Grundton zu lauschen! Dann aber wird man die ernste sittliche Arbeit er­ kennen, die seit dem Jahre 1198 die Auffassung des Papstes ge­ wandelt hatte. Es wirkt wahrhaft dramatisch, wenn er demütig und traurig auf die zurückgelegten Bahnen schaut, die so wenig dem hohen, idealen Ziele gleichen, das er jetzt für sich und seine Nachfolger erstrebt. Hier verschwindet die irdische Gewalt des Papst­ tums; nicht zu herrschen und zu verwalten ist das Amt des Papstes: Er ist über Könige und Völker gesetzt, um mit ihnen, noch mehr aber für sie, zu leiden. Das Vorrecht des römischen Papstes wird ein Vorrecht zu leiden. Aber ach! Nicht ungestraft wird die Höhe der Sittlichkeit erklom­ men: Die Lebensdauer, die Jnnocenz für die Vollendung seines Wer­ kes ersehnte, war ihm nicht beschicken'). Wie Moses sollte er das Land der Verheißung nur von ferne schauen; doch war sein Blick ihm zugewandt, als er die Augen schloß. Wesentlich gekräftigt durch die Unterstützung, die ihm von den Repräsentanten der Kirche geworden, verließ er Rom im April 1216 und erreichte Ende Mai Perugia. Er plante, Toskana und Nord-Italien zu durchziehen, um Genua und Pisa zu versöhnen und mit allen Mitteln den Kreuzzug vorzubereiten, der von dem Koncil beschlossen war. Gewiß dürfen wir annehmen, daß Fran­ ziskus, erfüllt von dem glühenden Drang, die Ungläubigen zu bekehren, sofort nach Perugia geeilt sein wird, um sich dem Haupte der Christenheit zur Verfügung zu stellen4). Aber schon nach wenigen Wochen raffte eine schwere Krankheit, vermutlich ein bös­ artiges Fieber, den Papst dahin. Bei dieser Gelegenheit spielte sich eine Scene ab, die auf die nächste Umgebung des Papstes ein trauriges Licht wirft. Sobald die Prälaten, die er bei Lebzeiten mit Ehrenbezeugungen und Geschenken überhäuft hatte'), seines letzten Atemzuges sicher waren, nahmen sie ihre Intriguen wieder auf und überließen seinen Leichnam der Willkür eines schamlosen Hofgesindes'). Wenn es nicht der 27*

350

Nachtrag.

Bericht eines Augenzeugen wäre, der diese Thatsachen mitteilt, würde man versucht sein, sie für die selbstgefällige Erzählung einer verdüsterten Fantasie zu halten. „Aus Mailand", erzählt Jakob v. Vitry, „gelangte ich in eine Stadt, Namens Perugia, wo der Papst Jnnocenz eben gestorben war; aber er war noch nicht be­ graben'). Während der Nacht haben ihn Diebe seiner kostbaren Gewänder beraubt und seinen Leichnam fast nackend und stinkend inmitten der Kirche liegen lasten. Ich bin dorthin gegangen und habe mit eigenen Augen geschaut, wie kurz, vergänglich und trüge­ risch der Ruhm dieser Welt ist." Der plötzliche Tod Jnnocenz' III fand die Kardinäle, welche seine Nachfolge am lebhaftesten erstrebten, völlig fasfungslos; an eine Organisation war nicht zu denken, da vom Augenblick der Bestattung an, die Bewohner Perugia's ihre Maßregeln ergriffen, um die Papstwahl zu beschleunigen'). Was man in ähnlichen Fällen häufig erlebt hat, geschah auch hier: Eben der Kardinal, der noch gestern die geringsten Aussichten gehabt hatte, wurde gewählt. AIs einer der Aeltesten des KardinalsKollegiums besaß er in den Augen seiner Amtsbrüder eine wert­ volle Eigenschaft, die ihren Hoffnungen Raum ließ; er schien in seiner Kränklichkeit und Schwäche wie ausersehn, die Situation provisorisch zu lösen'), um so mehr als man annehmen durste, daß unter seiner Regierung die wirkliche Leitung der Angelegenheiten der Hand zufallen müsse, die sich ihrer zu bemächtigen und sich da­ durch das Recht der Nachfolge zu sichern missen würde. Der Ver­ lauf der Dinge entsprach diesen Erwartungen im Großen und Ganzen. Honorius III regierte zwar etwas länger, als man ge­ hofft hatte; aber neben ihm stand ein Mitarbeiter, der fest ent­ schlossen war, sich die künftige Nachfolge nicht rauben zu lassen: Der Kardinal Ugolino bei Conti, der spätere Papst Gregor IX. In ihrer Vorliebe für die kampflustigen Päpste vergeffen die Kirchenhistoriker nur zu sehr, daß alles was wirklich dauerhaft und wohlthätig an der Regierung Jnnocenz' III gewesen, unter seinem Nachfolger befestigt und vollendet worden ist. Wenn wir den religiösen Standpunkt in Betracht ziehen, hat nie ein Würdigerer den Stuhl des heiligen . Petrus inne gehabte „Die Kardinäle", sagt Jacob v. Vitry, „erwählten Honorius; er war ein guter und

frommer Greis,

einfältig

und wohlwollend und hatte fast sein

ganzes Hab und Gut den Armen gegeben." Bemerkenswertes Lob, zumal in einer Epoche, die es schon für preiswürdig hielt, wenn ein Prälat keine Simonie betrieb. Honorius' Verdienst auf diesem Punkt steht um so höher,

als er im Augen­

blick seiner Erwählung das Amt eines „Camerarius", d. h. Schatz­ meisters des heiligen Stuhles, bekleidete10). „Hic dies suos in pace disposuit“ sagt ein anderer seiner Zeitgenossen und kennzeichnet in diesen

wenigen

Regierung “).

Worten

vortrefflich

den

innersten

Geist

seiner

Nicht aus Schwäche, wie man meinen könnte, suchte

er den Frieden; er verlangte ihn energisch und handelte dem ent­ sprechend 1S).

Kaum hatte er das Steuer der Kirche ergriffen, als

er auch das hohe Meer suchte, jene heitern Regionen, in denen sich die apostolischen Netze lautlos füllen. Viele Historiker dagegen, die vom Strande aus

das Schiff regungslos

verharren

sehen,

wünschen die Zeiten zurück, da es nahe der Küste kämpfte, auf die Gefahr hin, am Felsen zerschmettert oder von den Schlingpflanzen in die Tiefe gezogen zu werden. Welchen Eindruck mußten auf einen Mann wie Honorius die unglaublichen Schlechtigkeiten machen, die damals die übliche Be­ gleitung jeder Papstwahl waren! Kaum erwählt, sah er sich von einem Schwarm von Höflingen, Dienern und Bettlern umgeben, die wie ebenso viele Vampyre ihren Anteil an der Beute forderten. „Bei meinem Aufenthalt am päpstlichen Hof", schreibt Jakob v. Vitry an anderer Stelle, „habe ich viele Dinge gesehen, die mich lebhaft betrübt haben. Man ist dort so sehr von weltlichen und irdischen Angelegenheiten erfüllt, von dem, was Könige und Reiche, Streitigkeiten und von

religiösen

Prozesse angeht,

Interessen

daß

es

zu sprechen.

fast unmöglich

Ich

habe

denselben Gegenden

die trostreiche Erfahrung gemacht,

reiche und

in der

Welt

aus

zu Christus

Liebe

haben.

lebende Personen alles

irdischen

Versuche, zu

um

entreißen

Dingen gefährdete und

sie

und

der

Welt

entsagt

Der Papst und

die

Sie lösen sich vollkommen von machen

Seelen ihren

in

daß viele

beiderlei Geschlechts

und

Man nennt sie Minoritenbrüder.

Kardinäle stellen sie sehr hoch. allen

verlassen

ist,

indessen

täglich

den Reihen

die

Eitelkeiten

ernstlichsten dieser

einzuordnen.

Welt Durch

352

Nachtrag.

Gottes Gnade hat ihre Arbeit schon reichliche Früchte getragen; sie haben viele Seelen gewonnen; wer ihnen zuhört, ruft andere her­ bei,

und

ein Auditorium lockt das andere.

Sie leben nach der

Weise der ersten Kirche, von der geschrieben steht: „Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele." Am Tage durchwandern sie Städte und Dörfer, um Seelen zu gewinnen und zu arbeiten, des Nachts suchen sie Einsiedeleien oder abgelegene Stätten auf, um sich der Betrachtung hinzugeben.

Die Frauen bleiben in der Nähe

der Städte in verschiedenen Hospitälern;

sie nehmen

nichts an,

sondern leben von der Arbeit ihrer Hände und fühlen sich be­ unruhigt und bekümmert,

wenn

ehren, als sie selbst wünschen"). einigen sich,

Geistliche und Laien sie mehr Die Männer dieses Ordens ver­

nicht ohne großen Vorteil einmal im Jahr an einem

im Voraus bestimmten Ort, um sich in dem Herrn zn freuen und gemeinsam zu essen.

Dann beschließen und verkünden sie heilige,

von dem Papst approbierte Institutionen. Danach zerstreuen sie sich für die übrige Zeit des Jahres in der Lombardei, in Toskana bis nach Apulien und Sicilien. Bruder Nicolaus, der aus dem­ selben Lande stammt, wie der Papst, ein heiliger und frommer Mann, hat kürzlich den römischen Hof verlassen, um sich ihnen zu­ zugesellen; da er aber dem Papste unentbehrlich ist, wurde er zu­ rückgerufen. Ich glaube, um die Prälaten zu beschämen, die wie Hunde sind, die nicht bellen können, will der Herr vor dem Unter­ gang der Welt durch diese einfachen, armen Leute viele Seelen retten." Diese Skizze über die Thätigkeit der ersten Franziskaner ent­ man Anmutigeres lesen,

als den

Bericht über die jährlichen Kapitel, jene Versammlungen,

hält viel Schönes.

Was kann

die der

gemeinsamen Freude in dem Herrn und den brüderlichen Liebes­ mahlen gewidmet sind.

Sicherlich hatte Jakob von Vitry

das

Kapitel aus den Strohmatten in ähnlicher Weise schildern hören, wie es uns die Fioretti berichten"). Ebenso interessant ist seine Charakteristik der Schwestern; sie allein beweist hinlänglich, wie sehr die ersten nach dem Muster von San Damian gebildeten An­ stalten von den heutigen Clarissinnen-Klöstern abweichen. Ganz besondern Nachdruck aber möchte ich hier aus die Be­ ziehungen des heiligen Franziskus zum Papsttum legen. Sie sind

Der Regierungsantritt Honorins III und der Portinncula-Ablaß.

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viel regelrechter und thatsächlicher gewesen, als man bisher an­ genommen hat. Da Franziskus mit einer Art Zähigkeit daran festhielt, immer wieder von neuem Beweise seiner Rechtgläubigkeit zu geben, so genügte es ihm nicht, seine Regel vom Papste approbiert zu wissen: Auch den Institutionen der Kapitel sollte ein Gleiches widerfahren. Hatte ihn der Wunsch, diese Approbation zu erbitten, an dem Tage nach Perugia getrieben, da Jnnocenz III die Augen schloß, oder wollte er die Befehle des Papstes über den Kreuzzug ein­ holen? Es läßt sich nicht feststellen. Thatsache ist nur, daß er dort weilte, und daß der ruhmreiche Papst, wenn er die Augen im letzten Todeskampf noch einmal aufschlug, neben sich den Poverello er­ blicken tonnte15). Wenn die Scenen, die folgten, Jakob v. Vitry's Gemüt schmerz­ lich bewegten, so kann man ahnen, wie tief Franziskus bei dem Anblick der Schmach leiden mußte, die seiner Gebieterin, der heili­ gen Armut, angethan wurde. Hier überkam ihn plötzlich die schmerz­ liche Erkenntnis, daß man arbeiten und säen, sein Werk unter Gebet und Thränen verrichten kann, ohne eine Ernte zu schauen. Es giebt Pforten, an die man wieder und wieder pocht, ohne daß sie jemals aufspringen; wohl ergeht er, bei dem man Einlaß be­ gehrt, sich in tausend Beteuerungen der Freundschaft, der Achtung, der Bewunderung, aber wie kann er andere zu sich hereinlassen, da er selbst nie daheim ist? Wie wenig kümmerten Franziskus die Spöttereien, die Be­ leidigungen und Verfolgungen, denen er so oft ausgesetzt war! Die Verfolger von heute, waren morgen schon Mitarbeiter und Jünger, deren bezwungener Seele sich ein Ton der Reue, der Liebe und des Glaubens entrang. Aber was hätte er darum gegeben, wenn die Prälaten, die ihn mit Bezeugungen ihrer Bewunderung wahrhaft erdrückten, weniger seine Person, als seine Ideen willkommen ge­ heißen! So mußte ihm Honorius' Erwählung wie eine Ant­ wort des heiligen Geistes selbst aus seine Mutlosigkeit erscheinen. Wie ein sichtbarer Beweis, daß er die Uebel der Kirche überschätzt hatte. Gott selbst nahm die Sache der Armut in seine Hand. Glich der Greis, der Petri Stuhl besteigen wollte, nicht in Wahr­ heit einem Minoritenbruder, er, der sein Herz vor aller Habsucht zu wahren gewußt hatte?

354

Nachtrag.

Gewiß sind solche Gedanken durch Franziskus' Seele gezogen, als er sich wenige Tage nach der Thronbesteigung des neuen Papstes wieder auf dem Wege nach Perugia befand. Fröhlich schritt er dahin, in der Begleitung des Bruder Masfeo, erfüllt von jener klaren, sonnigen Freudigkeit, wie sie stürmischen Stunden zu folgen pflegt, wenn der Himmel sich plötzlich aufhellt. Wollte er doch von Honorius ein Geschenk zur Feier seines Regierungsantrittes erbitten, eine Gunst, die einzig in den Annalen der Kirche dasteht; was aber bedeutete ihm das, der die ewig sieg­ reiche Kraft des Glaubens besaß! Wie durch göttliche Eingebung war ihm in der vergangenen Nacht, da er betend in seiner lieben Kapelle, der Portiuncula verweilt, die Erkenntnis der ihm gewiesenen Bahn gekommen. Er wußte aus Erfahrung, daß oft genug aufrichtige Be­ kehrungen von plötzlichen Rückfällen gefolgt sind, nur, weil vielen Sündern die persönliche Gewißheit der göttlichen Verzeihung nicht genügt. Nicht nur der Gefangenschaft ledig sein, will der begnadigte Verbrecher: Es verlangt ihn, um ein wirkliches Freiheitsgefühl, um den Mut zu einem neuen Leben zu gewinnen, nach einem sichtbaren Zeichen seiner Begnadigung, das er zitternd ans Herz drücken kann, wenn der unerwartete Anblick des Kerkermeisters oder Henkers ihm seine Fasiung zu rauben droht 16). Gewiß wäre es besser, wenn es sich anders verhielte, wenn alle Bekehrten dem heiligen Paulus und andern Glaubenshelden glichen, deren Heilsgewißheit eine un­ endliche, ungetrübte, unbeirrte ist. Aber wenn es auserwählte Seelen giebt, die sich Gott so eng verbunden wissen, daß es ihnen zur Freude gereicht, ihn zu lieben, ohne ihn zu sehen, sich seiner zu getrösten trotz irdischer Trostlosig­ keit, so sind das Tugenden, die wenig für unsere Erde gemacht scheinen. Und es ist nicht die Aufgabe der Heiligen und Bekehrer zu fragen, was lautre Geister vermögen würden, sondern zu er­ kennen, was die Menschen wirklich sind, sie aus Gott zu weisen, der sie endlich und unvollkommen geschaffen hat, mit ihren Schwächen und Unzulänglichkeiten zu rechnen"). Deshalb hatte Franziskus schon lange danach gestrebt, allen denen, die er dem Guten ge­ wonnen, durch ein äußeres Zeichen den Kampf zu beglaubigen, der sich im tiefsten Innern ihres Herzens siegreich abgespielt. Sie alle, die er auf die Bahn des Guten gewiesen, sollten das wohlthuende

Der Regierungsantritt Honorius III und der Portiuncula-Ablaß.

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Bewußtsein gewinnen, daß eine Seite ihres Lebensbuches vertilgt wäre, daß sie mit Gottes Gnade ein neues Dasein führen dürften, ohne das Gespenst derVergangenheit und ihrerFleckenvor Augenhaben zumüssen. War Honorius überrascht in dem dichten Gedränge der Bitt­ steller zwei Minoritenbrüder zu erblicken? Wenn ihm in der That eine Empfindung von Wehmut oder Enttäuschung durch die Seele zog, so glitt sie nur wie ein flüchtiger Schatten dahin; denn, wenn auch die Gunst, die Franziskus begehrte, ungeheuer war, so lag sie doch ganz auf geistigem Gebiet, und aus den Worten des Poverello mußte der Papst die Liebesglut jener Gewaltigen heraushören, die das Himmelreich an sich reißen. „Heiliger Vater", sagte er, „ich habe vor einiger Zeit eine Kirche wiederhergestellt") zur Ehre der jungfräulichen Mutter Christi. Ich flehe Eure Heiligkeit an, ihr bei Gelegenheit der Einweihung einen Ablaß ohne Oblation zu gewähren")." Der Papst war überrascht, wurde doch zu jener Zeit jeder, auch der geringste Ablaß, nur unter der Voraussetzung einer Oblation, d. h. der Darbietung einer Gabe bewilligt, die dem Vermögen des Bittenden entsprach. Allein Franziskus schien von dieser Erwägung kirchlichen Rechtes nicht im geringsten berührt, und den alten Papst überkam eine seltsame Bewegung beim Anblick dessen, der zu ihm aufsah, wie der Sohn zum Vater, der Erhörung gewiß. „Und für wie viele Jahre begehrst Du diesen Ablaß?" fragte Honorius, ohne zu bemerken, daß er stillschweigend schon den ersten Punkt bewilligt hatte. „Heiligster Vater", antwortete Franziskus, „nicht Jahre er­ bitte ich von Eurer Heiligkeit, sondern Seelen." „Was willst Du damit sagen?" fragte der Papst, wie von einer unwiderstehlichen Macht getrieben, sich in diesem Kampfe für be­ siegt zu bekennen. „Heiligster Vater, wenn Eure Heiligkeit es erlaubt, möchte ich, daß alle die, welche zerknirscht über ihre Sünden diese Kirche be­ treten, nach erfolgter Beichte und Absolution einen Erlaß aller ihrer Sünden, Strafe wie Schuld erhielten im Himmel und auf Erden, von dem Tage ihrer Taufe an bis zu dem Tage und der Stunde ihres Eintritts in diese Kirche". Bei diesen Worten über­ kommt den Papst von neuem ein Gefühl der Beunruhigung: Erst

356

Nachtrag.

vor wenigen Tagen ist er in den Besitz der geheimnisvollen Schlüffe! gelangt, welche die Kraft des Bindens und Lösens, Oeffnens und Schließens symbolisieren, und schon kommt der geringste seiner Söhne und beschwört ihn, die Pforte des Heils weit auszuthun und einen unerhörten Ablaß zu verkündigen. Wer will sagen, ob er. nicht, einen letzten Einwand auf den Lippen, das Gefühl süßester Freude im Herzen, jenes Simeon gedachte, der auf der Schwelle des Tempels zu Jerusalem in seinen Armen den Verheißnen der Völker, den Heiland der Welt halten durste! „Es ist nicht Brauch am römischen Hof", sagte er, „einen solchen Ablaß zu bewilligen-")." „GnädigerHerr," versetzte Franziskus, „was ich fordere, fordere ich nicht von mir selbst, sondern im Auftrage dessen, von dem ich komme, von dem Herrn Jesus Christus." Und dieses Mal antwortete der Papst sogleich: „Ja, ich be­ willige Dir diesen Ablaß". Dieser Unterhaltung hatten einige Kardinäle schweigend zu­ gehört: Bei den letzten Worten des Papstes aber gerieten sie in lebhafte Bewegung. Als fürchteten sie, daß ihn die höchste Ge­ walt schwindlig gemacht, kamen sie ihm zur Hülfe: „Aber Herr, wenn Ihr diesem Menschen einen solchen Ablaß bewilligt, so zer­ stört Ihr damit den des Kreuzzuges; auch der der apostolischen Heiligtümer wird jeden Wert verlieren". „Wir haben ihn gegeben und verliehen," sagte Honorius, „wir können nicht zurücknehmen, was geschehen ist; aber wir werden ihn derart gestalten, daß er sich nur auf einen Tag erstreckt""). Und indem er Franziskus herbeiwinkte, sprach er: „Von jetzt ab bewilligen wir jedem, der kommen und reuig diese Kirche be­ treten wird, nach erfolgter Beichte die Erlaffung jeder Strafe und Schuld. Wir wollen, daß dieser Ablaß für immer in jedem Jahr nur an einem Tage gültig sei, von der ersten Vesper des einen bis zur Vesper des folgenden Tages." Kaum hatte der Papst geendet, als Franziskus sich freude­ strahlend verneigte und anschickte, den Saal zu verlassen. „0 simplicione quo vadis? O Einfalt, argloses Kind, wohin gehst Du? Wohin eilst Du ohne jedes Dokument über diese große Gunst?" Diese Worte, die im Munde des Papstes, der den Un-

Der Regierungsantritt Honorius III und der Portiuncula-Ablaß.

357

willen seiner Kardinäle herausgefühlt hatte, so natürlich waren, mochten Franziskus etwas in Erstaunen setzen. Nicht eine Urkunde oder ein Privilegium, sondern den Ablaß selbst hatte er beim Nachfolger Petri gesucht. „Wenn dieser Ablaß Gottes Werk ist", sprach er, „so ist es an ihm, sein Werk zu offenbaren; einer Urkunde dazu bedarf es für mich nicht; möge die heilige Jungfrau die Urkunde, Christus der Notar, die Engel aber die Zeugen sein." Franziskus und Bruder Maffeo verließen unmittelbar darauf Perugia, um die Portiuncula wieder zu erreichen. Nach einer Stunde gelangten sie nach Colle, einem hübschen, kleinen Dorf, das noch heute **) auf dem Gipfel eines ganz mit schirmförmigen Tannen bewachsenen Hügels liegt, wo Franziskus sich im Hause der Leprosen ausruhen wollte. Während er dort schlief, wurde ihm int Traum offenbart, daß Gott im Himmel den Ablaß bestätigt habe, den sein Diener auf Erden verliehen. Wenige Tage später, fand am zweiten August die feierliche Einweihung der, Kirche „Unsrer lieben Frauen zu den Engeln", oder der Portiuncula statt. Sieben Bischöfe, auf den Ruf des Fran­ ziskus herbeigeeilt, waren Zeugen, wie er der Menge den Ablaß verkündete, der auf ewige Zeiten seiner lieben Kapelle für diesen Tag bewilligt worden war. Es ist hier nicht am Platze, das Ceremoniel dieser Feste zu beschreiben, das sich seit dem 13. Jahrhundert kaum verändert hat. Aber während heut zu Tage die Menge teilnamenlos und gleich­ gültig dem Gottesdienst beiwohnt, dessen tiefe Bedeutung ihr voll­ kommen entgeht, erschien er damals der leidenschaftlichen und glühenden Teilnahme der Zuhörer wie eine Art Zweikampf zwischen Gott und den Gewalten der Finsternis. Angesichts dieser Fülle von Segnungen, Besprengungen und Salbungen überkam sie gleiche Rührung, wie den Seemann, der durch tausend Gefahren dazu ge­ langt. die Fahne des Vaterlands auf einem einsamen Felsen im Oceai aufzupflanzen. Die Predigt zu dieser Gelegenheit war Franziskus übertragen worden; wahrscheinlich rechnete er es sich in seiner Eigenschaft als Diakonus zur Ehre an, einen Teil der Lektionen zu übernehmen. Die Ermahnungen, mit denen er auf dem Sterbebett den

Jüngern seine theure Kirche ans Herz legte, klingen wie das Echo der Einweihungsliturgie, deren größrer Theil uns wie besonders für die Portiuncula verfaßt erscheint. „€> Ewiger, Gott Israels, Dir ist keiner gleich, weder im Himmel noch aus Erden. Du be­ wahrst den Bund und die Barmherzigkeit mit Deinen Dienern, die von ganzem Herzen vor Dir wandeln — Aber wie? Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, die Himmel der Himmel können Dich nicht fassen, wie viel weniger das Haus, das ich er­ baut habe. Dennoch Herr, mein Gott, höre auf das Gebet Deines Dieners und auf sein Flehen. Erhöre das Geschrei und die Bitte, die Dein Diener heute vor Dich bringt. O lasse Deine Augen Tag und Nacht über diesem Hause offen stehn, über dem Ort, von dem Du gesagt hast: Dort wird mein Name sein. Wolle das Gebet erhören, das Dein Diener an diesem Orte verrichtet. Wolle das Flehen Deines Dieners erhören und Deines Volkes Israel, wenn fie an diesem Orte beten. Gewähre Erhörung vom Orte Deiner himmlischen Wohnung, E rhörung und Verzeihung. Wenn der Fremde, der nicht von Deinem Volke Israel ist, aus fernem Lande herkommt, um Deines Namens willen, — denn man weiß, daß Dein Name groß, Deine Hand stark und Dein Arm ausgestreckt ist, um in diesem Hause zu beten, — so erhöre ihn vom Himmel, vom Orte Deiner Wohnung; gewähre diesem Fremden alles, was er bitten wird, auf daß alle Völker der Erde Deinen Namen kennen, um ihn, wie Dein Volk Israel zu fürchten, daß fie erfahren, daß Dein Name über dieses Haus, das ich erbaut habe, angerufen ist33).“ So hatte Salomon bei der Tempelweihe in Jerusalem gebetet, so durfte Franziskus bei der Weihe der Portiuncula beten; doch waren seine Worte gewaltiger, als die des Königs von Israel, weil getragen von der Fülle des Glaubens und Vertrauens zum himm­ lischen Vater, die Jesus in die Herzen der ©einigen ergossen hat.

Anmerkungen zu dem neuen Kapitel aus dem Leben des heiligen Franziskus. *) Zuerst veröffentlicht von dem Marquis de Saint-Genois in den „Nouveaux Memoires de V Academie de Bruxelles (t. XIII pp. 29—33) nach dem Manuscript von Gand, Nr. 554; von neuem mit wertvollen kritischen Er­ läuterungen herausgegeben von R. Röhricht in der. Zeitschrift für Kirchenge­ schichte, 1. XIV p. 97 u. flg. 2) Papini, durch sein Vorurteil verblendet, zählt die Historiker auf, welche Bonaventuras Bemerkung über die bei einem der Kapitel anwesenden 5000 Brüder nicht haben wiedergeben wollen, und fügt hinzu: Questi (storici) im-

pegnati per la gloria di Dio nel servo suo Francesco scrissero dopo averne letta la Vita compilata dal S. Cardinale e tacquero. E tacquero, perche o capirono aver egli preso un farfallone, o ’ne Codici di detta Leggenda a uso loro non era in quei termini piü di cinque mila frati, ma sibbene ultra quingentos fratres, etc. Papini, Storia di 8. Francesco, t. I pp. 185 —186. Siehe dens. p. 180 u. flg. 98 und 99. A. SS. p. 610 und Leben des heiligen Franziskus, pp. 229 und 230. 3) Quanquam desiderem in carne permanere, donec consummetur opus incoeptum, verumtamen non mea, sed Dei voluntas fiat. Predigt auf dem Koncil. Innoc. Opera, Ausgabe Migne, t. I. col. 673. 4) Moris erat beati Francisci, cum aliquam civitatem, vel terram ingrederetur, ad episcopos, vel sacerdotes accedere___ I Gel. 75. Mit um so größerem Recht; würde er sich doch selbst in gewöhnlichen Zeiten dem Papst vor­ gestellt haben.

5) Circa familiäres suos liberalissimus extitit, conferendo illis beneficia et honores. Darauf folgt die lange Liste aller der ihm Verpflichteten. Innocentii III. papae gesta, apud Migne, t. I. col. CCXXII — CCXXVIII (cap. 147 u. flg.)

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Anmerkungen.

®) Auch Honorius III, Gregor IX und Znnocenz IV wurden im Augen­ blick des Todes von ihrer Umgebung verlassen: In obitu suo (es ist von Jnnocenz IV die Rede) omnes familiäres sui deseruerunt eum praeter fratres

Minores. Et similiter Pap am Gregorium et Honorium et Innocentium in cujus obitu fuit praesentialiter 8. Franciscus. Eccleston 15 (Analecta fr. I. p. 253). Folgendes dient zum Verständnis der schmerzlichen Betrachtung dieses Dokumentes: „Dixit etiam dictus frater Mansuetus, quod nullus mendicus, ne dicam nullus homo, miserabilius et vilius moritur quam papa quicumque.“ Derselbe Bruder Mansuetus (Nuntius Alexanders IV) sagt auch, daß kein Bettler oder vielmehr kein Mensch eines elenderen oder traurigeren Todes sterbe, als ein Papst. 7) Jnnocenz starb am Sonnabend, den 16. Juli, in hora nona; da hier die alte umbrische Berechnung in Betracht kommt, nach der die Tage mit dem Untergang der Sonne, um diese Jahreszeit also gegen 8 Uhr Abends beginnen, so müßte der Papst etwa gegen 5 Uhr Morgens gestorben sein. An diesem Tage kam Jakob v. Vitry nach Perugia. Die Beisetzung fand am folgenden Tage, einem Sonntag statt, die Erwählung Honorius' III erfolgte Montag den 18. S. Potthast. S. 460 u. f. und 468.

®) Vacavit sedes per unam tantummodo diem, Perusinis causa electionis Papae strictissime arctantibus, Bern. Obren. Rom. Pontif., ap. Raynald ad. a. 1216,17. Cum in novo Pontifice diligendo nonnihil dissentire coepissent, ne sedis vacatio in longum protraheretur illico Cardinales in comitio se recluserunt. Ciaconius, Vitae Pontificum romanorum, t. I. col. 659. Eine coeptus mos laudabilis fuit inclusionis Cardinalium, ut citius Papam crearent, neque moras necterent, et eibus in dies parcior. Id., ibid. 9) Cum esset corpore infirmus ex senio et ultra modum debilis ___ Burchardi et Cuonradi Urspergensium chronicon. Pertz, SS. 23, pp. 378—379. Die weniger einflußreichen Kardinäle waren in großer Verlegenheit; denn sie befanden sich in Gegenwart zweier Kandidaten, die beide gleich sehr zur Wahl geeignet waren, auch ungefähr auf eine gleiche Anzahl von Stimmen rechnen konnten. Man bediente sich eines sehr klugen Mittels, um es weder mit der einen noch der andern der beiden Eminenzen zu verderben, indem man sie, Ugolino, Kardinalbischof von Ostia und Guido, Kardinal-Bischof von Palestrina ersuchte, den Papst zu wählen.

Cum autem venerabilibus fratribus nostris Ostiensi [et Palestrino episcopis elegendi fuisset potestas ab universitate concessa, nostris humeris pallium apostolicum imposuejrunt. Honorius III, epistola VI. Opera Ausg. Horoy, t. II, col. 8. Cf. Pressuti, Regesta Honorii papae III, p. 3, Nr. 8; Winkelmann, Zwölf Papstbriese (Forschungen zur deutschen Gesch., t. XV, p. 376). Von siebenundzwanzig Cardinälen, die damals das Kollegium bildeten, waren neunzehn in Perugia anwesend. Clausen, Papst Honorius III. p. 8. Cf. Ciaconius, col. 659—661. 10) Man überseht dieses Wort gewöhnlich durch „Kämmerling", was auch

361

Anmerkungen.

richtig ist, wenn man dabei nicht vergißt, daß heutzutage das Amt des Car­ dinal Camerlengo ein wesentlich andres ist, als im 13. Jahrhundert. In jener Zeit verwaltete der Vorsteher der päpstlichen Kammer die Güter des päpstlichen Stuhles, besaß die Oberaufsicht über die päpstliche Hofhaltung und einen Teil der Befugnisse, die heute dem Staatssekretär zustehn.

n) Continuatio chronici ex Pantheo excerpti.

Pertz, SS. t. XXII,

p. 370. 12) Folgendes der Anfang des ersten Briefes an den Erzbischof von Ausch:

Illius regis pacifici, licet immeriti, vicarii constituti, qui, ut reconciliaret servum Domino, univit hominem sibi Deo, libenter iis qui prope et bis qui longe sunt pacis Consilia cogitamus, ipsam pro posse, modis Omnibus procurantes. Brief vom 30. Sept. 1216 bei Horoy, Honorii III opera, t. II, col. 39. Potthast 5337. 13) Mulieres vero iuxta civitates in diversis hospiciis simul commorantur, nihil accipiunt, sed de labore manuum vivunt. 14) Fior. 18. Im Jahre 1216 fiel Pfingsten auf den daher sehr wahrscheinlich, daß Bruder Nikolaus einer der war, die diesem Kapitel beiwohnten, und daß er lebhaft ihm gewordenen Eindrücke, den päpstlichen Hof verließ, um rius zurückberufen zu werden.

30. Mai; es ist vielen Zuschauer bewegt durch die später von Hono-

15)-----Innocentius, in cujus obitu fuit praesentialiter 8. Franciscus. Thomas v. Eccleston, 15 (Analecta fr. 1.1, p. 253). S. Anm. 6. 16) Ut non habeant brigam aliam. Worte des Heiligen Franz in dem Zeugnis des Bruders Leo. 17) Jesus hat nicht anders verfahren: Als er den Aussätzigen heilt, ver­ langt er, daß dieser sich dem Priester zeige, damit ihm [feine Heilung officiell bezeugt werde. Math. VIII. 18) Reparavi vobis. Man sieht hierin gewöhnlich eine Anspielung auf die Thatsache, daß die Portiuncula einen Teil des Patrimonium Petri aus­ machte. Es ist möglich, ich glaube aber doch, daß für den heiligen Franziskus alle Kirchen der Erde ein einziges ideales, geheiligtes Gebiet darstellen, das von: Papste verwaltet, seinen Mittelpunkt in der Laterankirche hatte, omnium

urbis et orbis ecclesiarum mater et caput. 19) Die citierten Reden sind wörtlich den drei ältesten Dokumenten über den Ablaß entnommen. 1. Dem Zeugnis des Bruder Leo, das auf uns gelangt ist in einem Be­ glaubigungsschein, der zwischen 1274 und 1280 von Jakob Koppoli von Peru­ gia ausgestellt worden. 2. Der notariellen Beglaubigung des Benedikt und Reynerius von Arezzo, aus dem Jahre 1277 datiert. 3. Dem Erlaß des Bischofs von Assisi, Theobald aus den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts. Sn der nächsten Auflage der Lebensgeschichte des heiligen Franziskus

362

Anmerkungen.

werde ich im Anhange eine kritische Besprechung dieser, wie auch einer großen Anzahl minderwertiger Dokmnente geben. Hier sei nur noch bemerkt, daß in keiner der drei oben erwähnten Urkunden von zwei Wanderungen des heiligen Franziskus, einer nach Rom, einer nach Peru­ gia zur Erlangung des Ablasses die Rede ist. Bruder Leo und die andern sind vollkommen klar: Franziskus erbat ihn bei Gelegenheit der Einweihung, deren Datum schon feststand oder im Augenblick selbst bestimmt wurde (siehe das Zeugnis des Benedikt von Arezzo). Zu Gunsten aller der mehr oder minder glücklichen Ausschmückungen, welche die echte Geschichte entstellen und unkenntlich machen, haben einige Schriftsteller dem Gedanken Raum gegeben, daß Franziskus zwei Jahre später nach Rom gegangen sei, um den Tag be­ stimmen zu lassen: Sie übersehen dabei, wie unwahrscheinlich es ist, daß Franziskus die erflehte Gunst zwei Jahre lang nicht benutzt haben sollte. 2v) S. den Kanon 62 des vierten Lateran-Konzils (1215) enthalten im Corpus iur., can. 14, X de poenitentiis (v. 38). Cf. Hefele, Histoire des Conciles, t. VIII, p. 15 (ed. fr.). 21) Diese letzten Worte beweisen, daß Franziskus den Ablaß für die Fest­ lichkeiten erbat, die bei der Einweihung der Portiuncula stattfanden. Sie pflegten 8 Tage zu dauern; doch wurde der Ablaß auf den ersten Tag beschränkt. 22) Die heutige Landstraße zwischen Perugia und Assisi führt, wenige Minuten, nachdem man den Tiber bei Ponte Giovanni überschritten hat, in einer Entfernung von 200—300 Metern an Solle oder Collestrada vorüber. 23) III. Könige 8. (I. Könige VIII, 23—44). Dieses wunderbare Gebet wird noch heut in Maria zu den Engeln im ersten Nokturn der Frühmette des 2. August gelesen. Die vollständigsten Erläuterungen über die Einweihungsliturgie und ihre symbolische Bedeutung bietet Jakob von Voragine in der Legenda aurea, S. 845—857 der Ausgabe Graesse (Breslau, in 8°, 1890) und in Wilhelm Durand, Rationale divinorum officiorum, über primus, cap. VI. f°. 13 b—21a, Ausg. v. Vendig 1540.

Die Bewilligung des Portinncula - Ablasses. Eine kritische Studie von Paul Sabatier. Vor drei Jahren habe ich ohne Weiteres alles verworfen, was auf den berühmten Portiuncula - Ablaß Bezug hat; seitdem aber haben mich neue Studien, die ich in Florenz und Rom, insbe­ sondere aber in Assisi unternommen, überzeugt, daß ich damit im Unrecht gewesen bin. Auf der einen Seite verdanke ich diesen Untersuchungen die Entdeckung einer Anzahl neuer Urkunden, andrerseits die Belehrung, daß die überlieferten Dokumente, auch wenn sie in den Händen unwissender, indiskreter, ja selbst gewissenloser Abschreiber einen Teil ihres originellen Charakters eingebüßt haben, doch echt sind'). Meine negativen Schlüsse beruhten indessen noch auf andern Gründen, deren wichtigste ich hier anführe'). 1. Das absolute Stillschweigen, welches die ersten Biographen des heiligen Franziskus über diesen Ablaß bewahren. 2. Die Unwahrscheinlichkeit, daß Franziskus, der erklärte Gegner aller Privilegien, das Haupt eines jüngst entstandenen Ordens, von dem heiligen Stuhl eine unerhörte Gunst erfleht haben sollte. 3. Der durchaus ungünstige Eindruck, den man bei der Lektüre der Phantastereien empfängt, die gegen Ende des 14. Jahr­ hunderts über den Portiuncula-Ablaß veröffentlicht worden sind. „Angesichts dieser immer wachsenden Verherrlichungen ist es nicht leicht zu wissen, wo man anhalten soll", bemerkt treffend ein Schrift­ steller, der kaum in den Verdacht der Heterodoxie geraten kann, Das Leben des heiligen Franz von Assisi. 28

364

Nachtrag.

Le Monnier (Histoire de saint Francois, 1.1 p. 349. Anmerkung, Ausg. in 8° Paris 1889). Bei kennen,

erneuter Prüfung daß

zum Teil

die letzte

erklärt und

meiner Erwägungen mußte ich er­

wenn

sie

auch

entschuldigt,

die

doch

negativen

keine

Schlüsse

eigentliche

Be­

gründung enthält: Je weniger man eine Mißstimmung über die beständigen Auswüchse einer Legende unterdrücken kann, an der Jahrhunderte gearbeitet haben, um so mehr sollte der wahre Histo­ riker bestrebt sein,

dagegen

zu

reagieren.

Der

Hauses, seine Verschönerung durch neues Zubehör, Construction zunächst vollkommen verdeckt,

Ausbau

eines

das die alte

berechtigt noch nicht zu

dem Schluß, daß sie nie vorhanden gewesen; ja, man braucht nicht einmal allzuschnell daran zu verzweifeln, die ursprünglichen Contouren wieder aufzufinden. Grade dergleichen Rekonstructionen er­ strebt die historische Kritik.

Ich meine nun, daß man auch in der

vorliegenden Frage zu einem fest gefügten, historischen Gebäude ge­ langen kann; freilich, um seine einheitliche, volle harmonische Wir­ kung zu erfassen, muß man von allen späteren Verzierungen absehen. Der zweite Grund ist nicht länger stichhaltig. Wie ich an andrer Stelle bewiesen, ist uns der wunderbare Erfolg der franzis­ kanischen Bewegung zur Zeit von Honorius'III Erwählung durch kürzlich entdeckte Dokumente bezeugt, deren Wert und Echtheit außer aller Frage stehen. Was endlich die Abneigung

des heiligen Franziskus allen

Privilegien gegenüber betrifft, so war sie allerdings lebhaft vor­ handen; dieser Ablaß aber bedeutet kein Privilegium, sondern eine That der Liebe, welche der Papst den Gliedern der Kirche erweist. Weder die Kapelle der Portiuncula, noch die Minoritenbrüder sollten den geringsten Vorteil daraus ziehen. Wie hätte Franziskus, der des Evangeliums, wie des eigenen Herzens Reichtum umsonst spendete, nicht als einfältiger, eifriger Katholik versuchen sollen, auch den Reichtum der Kirche allen zu­ gänglich zu machen, ohne Gegengabe? Vom Standpunkt der neueren Katholiken, deren Glaube wie angefressen ist von dem herrschenden Rationalismus, läßt sich das weder würdigen noch verstehen; dazu gehört

der volle, heitre Glaube jener Zeiten, dem beim Gesänge

des Credo unam sanctam et apostolicam ecclesiam das Bewußt-

365

Die Bewilligung des Portiuncula-Ablasies.

sein der Einheit der Kirche überkam, der die Solidarität begriff, die über Raum und Zeit hinaus die triumphierende Kirche des Himmels und die leidende des Purgatoriums auf Erden vereint'). Der Gelehrte der Gegenwart, der sein Leben der selbstlosen Erforschung der Naturgeheimnisse widmet, hört in den Stunden der Begeisterung die verworrenen Stimmen von tausend ihm unbe­ kannten Wesen; sie werden kaum je seinen Namen stammeln; er aber kann ihre Leiden erleichtern, und dieser Gedanke gewährt ihm Trost und Erhebung. So leisteten damals Heilige, Mönche und Nonnen Pönitenzen und stürmische Fürbitten für Sünder, die sie nicht kannten, für Verirrungen, deren Existenz sie nicht einmal ahnten. Es bleibt also nur noch der erste und bei weitem wichtigste Beweisgrund bestehen: Das Schweigen der Biographen. Auf den ersten Blick hat diese Verschwörung des Schweigens innerhalb der ganzen ersten Generation der franziskanischen Historiker etwas Erdrückendes, und man möchte lächeln angesichts der ungeschickten Erklärungsversuche mancher Kritiker, die sich fromm dünken und doch nur leichtgläubig sind. Ich will die theoretische Schwäche des Argumentum a silentio nicht betonen, sondern hier nur auf einige Gesichtspunkte hinweisen, die ganz besonders auf die Geschichte des heiligen Franziskus Anwendung finden. Zunächst muß wohl beachtet werden, daß nicht jede Biographie des heiligen Franziskus als besonderes Zeugnis gelten kann. Wenn hundert Personen die gleiche Erzählung wiederholen, so giebt das nicht hundert Belege, sondern nur einen. Die franziskanischen Schriftsteller haben alle, einer vom andern abgeschrieben, und wenn ihnen daraus auch kein Vorwurf zu machen ist, weil das Verfahren damals üblich und gestattet war und von den berühmtesten Chro­ nisten jener Epoche gehandhabt wurde, so müssen wir dieser Sitte doch Rechnung tragen. Kann man z. B. hier von dem Zeugnis des heiligen Bonaventura reden? Ich meine nicht. Da er sich nur darauf beschränkt hat, seinen Vorgängern zu entlehnen, was ihm paßte, so will sein Schweigen nicht mehr bedeuten, als das ihre, so wenig wie das Schweigen aller derer, die ihn kopiert haben, den Wert des seinen erhöht. Mit einem Wort: Es existieren überhaupt nur zwei Franziskusbiographien im eigentlichen 28*

366

Nachtrag.

Sinne, die des Thomas v. Celano und die der drei Gefährten. Läßt sich nun das Schweigen beider hinreichend motivieren, um mit voller Sicherheit die Bewilligung des Ablaffes zu bestreiten? Ich glaube nicht mehr an diese Möglichkeit. Die drei traditio­ nellen Gefährten scheiden zudem aus, da wir, wie an andrer Stelle hervorgehoben, ihre Werke nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form besitzen, und für das Schweigen des Thomas v. Celano lassen sich eine Reihe guter Gründe anführen. Vor allen Dingen darf man jene Heiligen-Biographien nicht vom historischen Standpunkt der Gegenwart beurteilen: Das hieße sie überhaupt nicht verstehn. Die modernen Biographen gehen von ganz andern Gesichtspunkten aus, als die Historiker jenes Zeit­ alters: Was uns am wissenswertesten dünkt, erfahren wir grade am wenigsten. Ein Beispiel dafür sind die Gesta Jnnocenz' III. Kann man sich etwas Dürftigeres, Aeußerlicheres denken? Für die größesten Thaten des ruhmreichen Pontifikates hat der Autor kein Wort; dagegen erwähnt er jedes einzelne Kirchendach, das durch päpstliche Fürsorge hergestellt worden, jedes der Geschenke, mit denen der heilige Vater seine Vertrauten überhäuft hat. Wenn nun auch die franziskanischen Historiker sich ihrer Aufgabe würdiger gezeigt haben, so sind doch viele Züge von ihnen im Dunkeln ge­ lassen, die für uns von größestem Jntereffe sein würden: So be­ richten sie z. B. nichts von Franziskus' Reise nach Palästina, nichts von seiner Mission in Spanien und Frankreich, nichts von den Märtyrern Marokkos (16. Januar), deren Tod doch ebenso ruhm­ voll für den Minoriten-Orden, ebenso tröstlich für Franziskus sein mußte, wie der Portiuncula-Ablaß. Der heilige Bonaventura, der später als Thomas v. Celano und die drei Gefährten eine Biographie schrieb, die alle andern ersetzen sollte, fügt den Berichten seiner Vorläufer nicht nur nichts Wichtiges hinzu, sondern eignet sich überhaupt ihren Inhalt nur so weit an, wie es seiner Vorsicht geboten scheint. Nicht die Neu­ belebung des Franziskus-Bildes hat er tut Auge, sondern die Ver­ meidung alles dessen, was die Gemüter der Brüder in ihren Lieb­ lingsideen bestärken könnte. Er geht darin so weit, daß er in der Lebensgeschichte seines Helden weder die Regel von 1221, noch die Briefe des heiligen Franziskus erwähnt, ja, daß er sorgfältig jeden

Die Bewilligung des Portiuncula-Ablasses.

Hinweis

auf das Testament vermeidet,

mahnungen des Meisters.

367

trotz der dringenden Er­

Eine Biographie des heiligen Franzis­

kus, die sein Testament übergeht, würde einer Lebensgeschichte Jesu gleichen,

die

das

Abendmahl

verschwiege*).

Kann

man

mit

gutem Grund behaupten, daß Bonaventura's oder Celano's Bio­ graphien der Bedeutung des dritten Ordens gerecht geworden find? Er,

der einer der Hebel des Mittelalters,

einer der Faktoren der

Civilisation gewesen, wird von diesen Biographen nur mit wenigen Worten gestreift.

So dürfte der, Schluß berechtigt sein, daß das

Schweigen der frühesten Geschichtsschreiber keineswegs die Trag­ weite besitzt, die man ihm aus den ersten Blick beimessen möchte. Ein Faktor,

der,

obgleich

bisher unbeachtet geblieben,

doch

ganz besonders die Geschichte des Ablasses beeinflußt haben muß, sind die Spaltungen innerhalb des Ordens, die sich schon vor dem Tode des heiligen Franziskus geltend machten.

Bereits im Jahre

1228 lag der Gegensatz zwischen den beiden Richtungen am Tage: Unter der Führerschaft des Bruders Elias schaarten sich die An­ hänger der gemeinen Observanz um die künftige Basilika, deren Grundstein Gregor IX soeben gelegt hatte, indeß die Vertreter der strengen Observanz unter Johannes Parenti die Portiuncula zum Mittelpunkt erwählten. Die gemeine Observanz blieb siegreich, und wir wissen,

durch welche Manipulationen sie sich die Herr­

schaft über ihre Gegner sicherte °). Es ist einleuchtend, daß diese Partei, die im Gegensatz zu Franziskus' dringenden Wünschen, nicht die Portiuncula,

sondern

die Basilika von Assisi als Caput

et Mater ordinis6) erklären ließ, alles aufbieten mußte, um die Bedeutung des kleinen Heiligtums, „unsrer Frau zu den Engeln", herabzusetzen, weil es Zufluchtsort und Pflanzstätte der Eiferer und Spiritualen war. Schließlich sei noch auf die lebhafte Opposition der Kardinäle hingewiesen, gegnete.

der Honorius III bei Bewilligung

des Ablasses

be­

Franziskus' große Diskretion macht es wahrscheinlich,

daß er sich eine gewisse Zurückhaltung auferlegt, daß er alles ver­ mieden haben wird, was etwa dem Ablaß des Kreuzzuges oder dem der heiligen Apostel hätte schaden können. Und ist das Schweigen der frühesten Biographen nicht vielmehr Schein, als Wirklichkeit? Ich glaube sicherlich: Wie sollte man sich

ohne den Ablaß alle die Ergüsse erklären, die sie der Verherrlichung der Portiuncula gewidmet haben? Die Verehrung, die zuerst Franzis­ kus, später die auf ihn folgende Generation dem kleinen Heiligtum zollt, deutet auf mehr, als die durchaus natürliche Ehrfurcht vor der historischen Wiege des Ordens.

An San Damian haften Erinnerun­

gen von unvergleichlicher Lieblichkeit; der Alverno ist der Schauplatz eines unerhörten, geheimnisvollen Vorganges, und doch würde man vergeblich bei den frühsten franziskanischen Historikern nach lyrischen Ergüssen über San Damian oder den Alverno suchen, die auch nur annährend den der Portiuncula gewidmeten, glichen"). Was uns davon geblieben, ist zu lang, um citiert zu werden; ich muß mich

hier darauf beschränken, die Fragmente in einer

Anmerkung aufzuzählen; eins aber möchte ich kurz wiedergeben: Es beschreibt die Vision eines Bruders,

der

die gesamte blinde

Menschheit um die Portiuncula her knien sieht, wie sie mit empor­ gehobnen Händen unter Thränen zu Gott fleht, ihr Barmherzig­ keit und Licht zu gewähren:

„Und siehe,

eine

große Klarheit

leuchtete vom Himmel hernieder, verbreitete sich über sie alle und gab jedem unter ihnen Licht und brachte ihnen das erflehte Heil°)." Freilich, das Wort Ablaß bleibt unausgesprochen: Aber ist es zu gewagt, es aus den Zeilen herauszulesen?

Chronologische Reihenfolge der Zeugnisse. Zu dem Schweigen der frühesten Biographen bildet die lange Reihe von Zeugnissen, die plötzlich im letzten Viertel des 13. Jahr­ hunderts auftauchen, einen Gegensatz, welcher dem PortiunculaAblaß in den Augen der Kritik sehr geschadet hat. Wenn ein Mann, wie Benedikt von Arezzo im Jahre 1277 den Ablaß nebenher erwähnt, ohne ihn beweisen zu wollen, so wird man ebenso wenig daran denken, sein Zeugnis zu bestreiten, wie die Berichte des Thomas von Eccleston oder Jordanus von Giano über Ereignisse aus der ersten Zeit des Ordens zu bezweifeln; sobald sich aber dieser Bruder beeifert zeigt, seine Erzählung durch ein juristisches Attest zu stützen, wird der Verdacht rege. Eine notarielle Unter­ schrift unter solchen Umständen verletzt unser Gefühl und erweckt

Die Bewilligung des Portiuncula-Ablasses.

369

Mißtrauen. Gewiß wäre dieses Mißtrauen an andrer Stelle auch durchaus gerechtfertigt; hier fällt es, sobald man die Verhältnisse erwägt, aus denen diese Zeugnisse hervorgegangen sind. Bekannt­ lich war zwischen den Franziskanern und Dominikanern sehr bald eine Rivalität entstanden. Derartige Feindseligkeiten heißen alle Mittel gut, und mit dem Scharfsinn der Bosheit hatten die Do­ minikaner ihre Angriffe besondersauf drei Punkte gerichtet: Auf die Stigmen, die Kanonisation der heiligen Clara und den Portiuncula-Ablaß'). Da einige unter ihnen es darauf anlegten, in der Umgebung Assisis, besonders in den Hafenorten, die nach der Portiuncula bestimmten Pilgerzüge aufzuhalten, um ihnen die Fortsetzung ihres Weges auszureden'"), so konnten die Franzis­ kaner zur Vereitlung dieser Intriguen nichts thun, als sich an die noch lebenden Jünger des heiligen Franziskus zu wenden oder an die Gläubigen zu appellieren, welche der Proklamation des Ab­ lasses beigewohnt hatten. Der Gedanke lag nahe, von diesen Zeugen Atteste zu erbitten und sie zu autentischen Urkunden gestalten zu lassen. Besaßen doch diese notariellen Dokumente den Vorteil, bei unbeschränkter Vervielfältigung, der einzelnen Abschrift die gleiche Autorität zu sichern, die das Original besaß. Zudem konnten sie nach allen Richtungen hin verschickt werden, um an den Kirchthüren befestigt zu werden. Lange Jahre hindurch bestand im Sacro Convento eine förmliche Werkstätte, wo derartige Dokumente abgeschrieben und mit Miniaturen geschmückt wurden. Noch heute sind Spuren davon vorhanden; ich sage Spuren; denn natürlich ließ man nichts liegen, als Entwürfe, unvollendete oder unbrauchbar gewordene Exemplare''). Diesen Thatbestand darf man nicht außer Acht lassen, wenn man die Archive Assisis durchsucht; man könnte sonst, angesichts dieser unvollständigen Pergamente, denen jedes Gültigkeitszeichen fehlt, aus eine Erklärung verfallen, die der natürlichen sehr fern liegt. Die Dokumente, die wir studieren wollen, zerfallen in Serien. Die erste, sowohl durch die Zahl, als den Wert ihrer Zeugnisse bei weitem wichtigste, datiert aus dem Jahre 1277 n). Ihr plötzliches Auftauchen ist von einem absoluten Schweigen gefolgt. Während der nächsten dreißig Jahre erhebt sich keine Stimme, um die fran­ ziskanischen Traditionen über den Ablaß zu bekräftigen; danach

erscheint abermals völlig unvermittelt eine neue Sammlung von Dokumenten. Diese Thatsache mußte hervorgehoben werden, weil sie sowohl den Charakter der betreffenden Schriftstücke, als auch ihre Gruppierung um bestimmte Daten erklärt. Die Antwort, welche den Gegnern des Ablasses im Jahre 1277 geworden, war so durchschlagend gewesen, daß den neidischen Geistern während einer Generation der Mut fehlte, mit neuen Angriffen vorzugehen. Als aber tut Beginn des 14. Jahrhunderts die furchtbare Krisis über den Orden hereinbrach, und die An­ gelegenheit der Fraticelli den Papst aufs tiefste beunruhigte, erhoben die Feinde des Franziskanerordens von neuem das Haupt und gingen so weit, das Gerücht seiner demnächstigen Unterdrückung zu verbreiten. Die Zeugniffe aus dem Jahre 1277, die fast über­ all Boden gewonnen, waren zerstört oder vergeffen: Man wagte es kühnlich, den Ablaß zu bestreiten. Die Antwort ließ nicht auf sich warten; sie wurde durch den Bischof von Assisi und eine An­ zahl von Franziskanern erteilt, welche die Zeugen von 1277 ge­ kannt hatten. Die dritte Serie von Schriftstücken datiert aus der Zeit um 1335. Sie sollen hier nur eben erwähnt werden; verdanken sie doch ihren Ursprung wesentlich anderen Motiven, als die früheren. Es ist nicht mehr die Rede davon, das geistige Erbteil des Ordens vor eigennützigen Angriffen zu schützen: Es gilt das Aktenmaterial des Ablaffes zusammenzustellen, das Inventar seiner Rechtstitel aufzunehmen, die Legende zu fixieren. Der Abstand der ersten Zeugniffe von der mündlichen Tradition, der von Tag zu Tag größer wurde, mußte unvermeidlich zu Versuchen führen, die ab­ weichendsten Berichte in Einklang zu bringen. Die Franziskaner, denen die Aufnahme der wunderdurstigen Pilger in der Portiuncula oblag, versuchten natürlich sie zu be­ friedigen. Auf die Gefahr hin, in den Augen der Nachwelt für unkritische Geister zu gelten, suchten sie die Pietät ihrer Zuhörer durch Berichte von Visionen und Erscheinungen zu erregen und zu steigern, Berichte, die ohne strenge Prüfung geglaubt wurden. Doch sei zu ihrem Lobe gesagt, daß sie in dem Wunsch auszugleichen und zu kombinieren, nie so weit gegangen sind, Texte zu fälschen oder den Dokumenten einen andern Sinn unterzulegen. Nein, sie nehmen

Die Bewilligung des Portiuncula-Ablasses.

371

die ehrwürdigen Zeugnisse ihrer Vorgänger und stellen sie aufs Geratewohl neben die mündliche Tradition. Die Ungleichheit springt in die Augen; aber sie wissen ihr abzuhelfen: Sie verstopfen die Spalten, verbinden Holz und Steine durch Mörtel, d. h. durch Rubriken von unendlicher Länge, die beim ersten Blick ihre müh­ seligen Anstrengungen verraten. Diese ungeschickten Versuche haben vor allem die Geschichte des Ablasses in den Augen der Kritik diskreditiert; man hat übersehen, daß selbst hier ein Teil des ver­ arbeiteten Materials brauchbar ist, und daß man, um seinen Wert zu schätzen, ihn losgelöst von den andern Teilen studieren muß. Bei dem Jahr 1335 halten wir still. Von der Mitte des 14. Jahrhunderts an darf der Kreis der Original-Dokumente über die Portiuncula für abgeschlossen gelten; es folgt nun die Zeit der Nachahmungen; wir finden Fragmente alter Legenden und Be­ richte, die im Augenblick entstanden, bunt durch einandergewürselt: Aus dem Zusammenhang gerissen, in Fetzen an einandergereiht, nehmen sie unter den müden und bestürzten Augen des Lesers die unwahrscheinlichste und unerwartetste Gestalt an"). Erste Serie (1277).

I. Zeugnis des Benedikt von Arezzo. Ista'4) est quedam carta sive stramentum publicum de concessione indulgentie s. m. de angelis facta et concessa per dominum honorium papam apud perusium. In nomine domini amen. Ego fr. Benedictus de Aretio qui olim fui cum beato francisco cum adhuc viveret et divina gratia operante ipse pater sanctissimus ad suum ordinem me recepit qui sotiorum suormn sotius fui et cum ipsis frequenter et in vita sancti patris nostri et post ipsius recessum de hoc mundo ad patrem cum eisdem de secretis ordinis 15) frequenter collationem habui Confiteor me frequenter audivisse a quodam supradictorum sotiorum beati Francisci qui vocabatur fr. Masseus de Marignano, qui fuit homo veritatis et probatissime vite quod ipse fuit cum b. Francisco apud perusium ante presentiam domini pape honorii cum petivit indulgentiam omnium pecca-

372

Nachtrag.

torum pro illis qui contriti et confessi convenirent ad locum sancte Marie de angelis, qui alio nomine Portiuncula nuncupatur. Prima die Kalendarum Augusti vespere dicte diel usque ad vesperas sequentis diei. Que indulgentia cum fuisset tarn humiliter quam constanter a beato Francisco postul ata fuit tandem a summo Pontifice liberalissime concessa. Quam vis diceret ipse Pontifex non esse consuetudinis apostolice sedis talem indulgentiam facere: Hec eadem supradicto modo confiteor ego fr. Raynerius de Mari­ ano de aretio sotius venerabilis fr. Benedicti me audivisse fre­ quenter a supradicto fratre Masseo sotio beati Francisci, cui fratri Masseo ego frater Raynerius amicus spetialissimus fui. Beete et publicate fuerunt supradicte collationes, apud cellam fratris Benedicti de aretio16), coram fratre Compagno de burgo, coram fratre Raynaldo de castellione, fratre Caro de aretio, fratre homodeo de aretio, fratre Aldebrandino de fiorentia17), fratre Thebaldo de aretio, fratre Bonaventura de aretio et Massario de aretio ad hec vocatis et rogatis. In anno domini M° CC° I XX VII0 nemine imperante18). Papa in ecclesia romana vacante. Indictione quinta die dominico ultimo Octubris19) ego»Johannes notarius filius olim Canclasiates predictis omnibus interfui, et de mandato venerabilis fratris Benedicti et fratris Raynerii scripsi et publicavi.

Dieses Dokument ist durchaus unverdächtig. Wenn man darangeht, ein Schriftstück künstlich herzustellen, so schießt man immer über das Ziel hinaus, indem man zu viel beweisen will. So hätte ein Fälscher sicherlich hier einem berühmteren Jünger des heiligen Franziskus das Wort gegeben, und nicht ein Genüge darin gefunden, ein so einfaches Zeugnis zu redigieren. Wenn auch nicht so bekannt, wie viele andere Franziskaner des dreizehnten Jahrhunderts, gehört Benedikt v. Arezzo doch zu denen, deren Silhouette sich nicht gänzlich in der unbekannten Menge der Brüder verliert, die in dem Geruch der Heiligkeit gestorben sind30). Noch bei Lebzeiten des heiligen Franziskus war er Minister der Mark Ancona, später Romaniens, d. h. Griechenlands. Bruder Reynier v. Arezzo, der seinem Zeugnis beistimmen wollte, starb erst 1304, d. h. zu einer Zeit, als dieses schon nach allen Seiten hin bekannt geworden.

Die Bewilligung des Portiuncula-Ablasses.

II.

373

Der Bericht des Bruders Leo.

Das folgende Dokument ist leider nur in sehr mangelhaften, aus dem 14. Jahrhundert stammenden Copien auf uns gelangt. Dennoch existieren über seine Echtheit keinerlei Zweifel: Je schlichter es im Vergleich zu bett Legenden erscheint, unter die es geraten, um so mehr darf man darauf schließen, daß es älter ist, als fie. Der vorliegende Text ist dem Manuskript 417 der Archive Assisis entnommen, fol. 107 b—180a (siehe Prof. L. Aleffandri, Inventario dei Manoscritti di Assisi p. 72) und gewählt worden, weil er einige Abweichungen von den früher publicierten bietet21). Das Schrift­ stück trägt, wenigstens in der uns vorliegenden Form, nur das Datum des Tages, an dem es entstanden (19. August), ein Man­ gel, der im Mittelalter häufig wiederkehrt. Uebrigens läßt sich das Jahr mit annähernder Sicherheit durch den Namen des Bruders Angelus bestimmen. Papini erzählt, daß dieser von 1274—1280 in der Provinz des heiligen Franziskus, d. h. in Umbrien Minister gewesen sei, versäumt jedoch die Quellen sür diese Nachricht anzugeben. Eine Prüfung der Sachlage beweist, daß er in Wirklichkeit diese Provinz viel länger verwaltet hat: Wenn es auch heute noch nicht möglich ist, die großen Linien seines Lebens zu bestimmen, so können wir doch, Dank sicherer Zeichen den Zeitraum begrenzen, dem unser Dokument angehört. Wir wisien, daß er Ende 1276 oder Anfang 1277 im Einver­ ständnis mit dem Ordensgeneral, Hieronymus von Ascoli, dem künftigen Nicolaus IV, als päpstlicher Legat zu dem Kaiser Michael Paleologus gesandt wurde22). Andre Bullen zeigen ihn uns noch im Jahr 1290 an der Spitze der Provinz Umbrien22). Ettdlich habe ich beim Durchblättern der Instrumenta des Sacro Convento in Assisi in der Sammlung II, unter der Nummer 41 ein Pergament vom 10. April 1279 gefunden, in welchem der Provinzialminister, Bruder Angelus die Commune Assisi an das Versprechen erinnert, das sie am 19. September 1278 dem da­ maligen Bischof von Assisi, dem Bruder Jlluminatus gegeben hat2'). Diese biographische Studie hier weiter zu verfolgen, wäre zwecklos: Es hat um diese Zeit so viele Franziskaner, namens Angelus ge­ geben, daß man sich leicht in Irrtümer verstricken könnte22). Die

374

Nachtrag.

oben mitgeteilten sicheren Angaben beweisen hinlänglich, daß dieser Provinzial-Minister mit dem gewöhnlichen Namen eine historische Persönlichkeit gewesen. Wadding26) datiert diese Urkunde aus dem Jahre 1277, ohne seine Meinung durch Quellenangabe zu stützen. Wir können daher nicht wissen, ob er ein anderes, von unserm ver­ schiedenes Dokument unter Augen gehabt hat, welches jenes Datum feststellt. Daß es übrigens sehr wahrscheinlich ist, geht aus obiger Darstellung hervor. Testimonium nobilis militis sicut audivit ab ore confessoris beati Francisci. Quod testimonium frater angelus minister manu propria scripsit ad memoriam seculorum. Dompnus Jacobus Coppoli37) de perusio dixit mihi Fratri Angelo ministro coram fra deodato custode perusii et fratre Angelo socio meo quod semel coram uxore et iacobutio et alia domina interrogavit fratrem leonem socium sancti Francisci utrum indulgentia que est in Portiuncula esset vera. Qui respondit sic et dixit quod b. Franciscus (108 a) retulit sibi in hec verba quod peciit a papa quod faceret indulgentiam in loco supradicto in anniversario consecrationis. Et papa respondit Quantum vellet. Et dixit papa de uno anno, et de tribus. Et venerunt usque ad VII. Et sanctus Franciscus non erat contentus. Tune dixit ei papa quantum vellet. Qui respondit. Volo pater sancte si placet sanctitati vestre ut propter beneficia que fecit deus in loco illo et adhuc faciet ut omnes qui ibi venerint bene contriti et confessi habeant indulgentiam omnium peccatorum suorum ut non habeant ulterius brigam. Et papa respondit. Concedo quod ita sit. Et cum scivissent Cardinales dixerunt pape quod revocaret quia erat in preiudicium terre sancte. Et papa dixit. Nullo modo revocabo postquam promisi. Et illi dixerunt. Artate quantum potestis. Et tune papa dixit quod valeret tantum per diem natu­ ralem. Et cum exiret b. Franciscus a papa post concessionem audivit vocem dicentem sibi. Francisco scias quod sicut hec indulgentia data est in terra ita confirmata est in celo. Et dixit s. Franciscus ad fr. Leonem teneas tibi secretum hoc et non dicas usque circa mortem tuam quia non haberet locum adhuc quia hec indulgentia occultabitur ad tempus sed dominns trabet eam extra et manifestabitur. Et post tempus iterum dompnus

Die Bewilligung des Portiuncula-Ablasses.

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Jacobus interrogavit dictum fr. Leonem volens certificari magis de hoc. Et fr. Leo respondit quod ita erat sicut dixerat sibi. Et predicta domina maytana confirmavit coram predictis dictum domini Jacobi. Et dompnus Jacobus sacerdos sancte Lucie de Colle qui supradictus est Jacobus confirmavit totaliter coram pre­ dictis dictum domini Jacobi. Et hec omnia acta sunt XIIII kal. septembris infra octavam assumptionis be Marie in loco olim fratris Egidii28).

UI. Zeugnis des Bruders Oddo von Aquasparta. Es wird uns von Bartholi28) überliefert, der ihm einen er­ läuternden Bericht voranschickt. Modo sequitur aliut testimonium trium fratrum sollempnium in sanctitate et veritate quod testimonium dedit mihi fratri Fran­ cisco Bartholi scriptum in carta bene antiqua et de pulcerrima lictera frater angelus Gregorii de Gualdo qui est multum antiquus in ordine et vidit ut plurimum quasi omnes sotios beati Francisci. Ego frater Oddo Aquaspartanensis30) et frater Raynerius de Aretio31) et frater Marinus Assisinas32) audivimus ab ore fratris Massei de Marignano quod sanctus Franciscus impetravit a domino papa hanc indulgentiam ut omnes qui venerint ad ecclesiam beate Marie in Portiuncula bene confessi et contriti, habeant in­ dulgentiam omnium peccatorum suorum. Dixit enim nobis quod ipse erat cum beato francisco quando ipse venit ad dominum papam et petiit ab eo ut ipse faceret in ecclesia beate Marie superius prelibate magnam indulgentiam. Et dominus papa respondit sibi. Vis , indulgentiam trium annorum. Et sanctus Franciscus dixit. Quid est hoc? Et item dominus papa. Vis ut faciam sex annorum ? Et sanctus Franciscus. 0 domine quid est hoc? Et item dominus papa. Quod vis ut faciam tibi. Et sanc­ tus Volo ut omnes qui venerint contriti et confessi habeant indul­ gentiam omnium peccatorum suorum. Et dominus papa respon­ dit. Fiat in nomine domini, amen34).

376

Nachtrag.

IV. Zeugnis des Peter ßalfani35). In dem schon vorher erwähnten Schriftstück (stehe S. 371) folgt auf das Dokument des Benedikt v. Arezzo unmittelbar das Zeugnis Peters von Zalfani. Coram fratre Angelo ministro, fratre Guidone36), fratre Bartholo de perusio et aliis fratrihus in loco Portiuncnle Petrus Zalfanus3?) dixit quod interfuit consecrationi supradicte ecclesie sancte Marie de Portiuncula et audivit beatum Franciscum predicantem populo. coram septem episcopis et habeat quandam cedulam in manu et dixit. Ego volo vos omnes mictere ad paradisum et adnuntio vobis indulgentiam quam habeo ab ore summi pontificis. Et omnes vos qui venistis hodie et omnes qui venerint annuatim tali die bono corde et contrito habeant in­ dulgentiam omnium peccatorum suorum. Ego volui pro octo diebus sed non potui.

V. Die Schrift des Bruders Olivi. Den Franziskanern des Collegiums St. Bonaventura von Ouaracchi verdanken wir die Veröffentlichung eines bisher unbe­ kannten Dokumentes, das für die vorliegende Frage von höchster Bedeutung ist33). Im Jahre 1248 in Serignan (Herault) ge­ boren, trat Peter Johannes Olivi 1260 in den Orden ein. Kürz­ lich veröffentlichte Arbeiten haben uns vollends über das Leben dieses Mannes unterrichtet, den Liebesglut und Heiligkeit zum Haupt der Eiferer in der Propinz Narbonne machten. Er starb am 14. März 129839), von den Gegnern laut verdammt, von den Seinen ‘in den Himmel erhoben. Aus der Zeit um 1279 stammt seine interessante disputatio über den Portiuncula-Ablaß. Im ersten Teil dieser Schrift breitet er gewissermaßen die ganze Reihe der Argumente aus, die ihn angreifen; er entwickelt dabei eine Präcision und Sauberkeit, wie die Polemiker des 16. Jahrhunderts sie nicht erreichen. Nachdem er, sich so mit den Argumenten seiner Gegner versehen hat, widerlegt er sie und deckt ihre Schwächen aus. Historische Beweisgründe finden nur nebenher Erwähnung.

Die Bewilligung des Portiuncula-Ablasses.

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Das Schweigen des heiligen Bonaventura gegen den Ablaß zu verwerten, war im Jahre 1279 noch nicht möglich, weil sich ja noch Zeugen der feierlichen Verkündigung des Ablaßes hätten melden können. So bedienten sich die Gegner nur geistlicher oder theologischer Gründe; z. B. 1. Der Portiuncula-Ablaß schädige den des heiligen Landes, 2. bedeute er, weil er zu leicht zu erringen sei, eine Anreizung zur Sünde, 3. sei er, weil einer unbekannten Kapelle bewilligt und ohne die notwendigen Garantien veröffent­ licht, höchst unwahrscheinlich, 4. ließe sich kein hinreichender Grund zu einer so unerhörten Gunst ermitteln, 5. schwäche er das Sakra­ ment der Beichte ab ic. rc. Ich kenne nichts Gedrängteres und Lebendigeres, als die Be­ weisführung, mit der Olivi seinen Gegnern antwortet. Man muß sie wieder und wieder lesen, um die volle Bedeutung des Portiuncula-Ablaffes für die wahren Franziskaner zu ermessen. Diesem ersten Jünger des Poverello fühlt man die gleiche tiefe Bewegung ab, wie sie jenen in Perugia übermannt, als der Papst ihm den Ablaß verlieh. Ich muß mich hier darauf beschränken, die Stelle wiederzugeben, welche die genauesten historischen Angaben enthält. Ex parte etiam fide digni testimonii hoc patet. Nam huiusmodi indulgentia testificata est per Patris nostri et sociorum ejus divinissimorum et famosissimorum viva eloquia, per visionem coelestiuxn non contemnenda oracula et per xnultitudinis stupendo more commota corda tarn ad concurrendum quam ad poenitendum, et hoc nullo eam a principio praedicante, sed potius contradicentibus non solum aemulis, sed etiam fratribus ipsis, qui usque hodie publice asserunt, nullum super hoc chartae privilegium se habere, quae autem fuerint verba a praedictis patribus nostris relata, quae etiam visionum oracula a personis fide dignis visa et enarrata, quia apud plures satis est de hoc scriptum ideo hic omitto, quamvis et ego ipse ab iis, qui immediate Aliquid de his viderant fide digna relatione perceperim. Unde et a • fide digno viro audivi, saepe se audivisse a beato Aegidio, quod fre­ quenter tarn sibi quam primordialibus sociis beatus Pater dixit: „Auditis quae ego audio?“ quibus se non audire respondentibus fatebatur se audire voces et strepitus diversarum gentium et linguarum confluentium ad sacrum locum praefatum. Et ipse

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Nachtrag.

frater Aegidius solitus erat dicere, quod si mundus sciret gratias in loco illo paratas non solum de propinquis, sed etiam de terrae finibus non solum fideles, sed etiam infideles venire deberent (loc. cit. p. 13—14).

Für diese Stelle, wie für mehrere andre sind die großen Linien der Tradition die notwendige Voraussetzung, und diese indirekte Bestätigung rückt meiner Meinung nach die Bewilligung des Ablasses unter die historischen Thatsachen, die ernsthaft nicht mehr bestritten werden können.

Zweite Serie (um 1310).

1. Zeugnis des Johannes von Alverno. Johannes von Alverno, im Jahre 1259 geboren, ist einer der bekanntesten jener Franziskaner der Mark Ankona, deren rührendes, lichtes Bild die Fioretti festgehalten haben. Seine Geschichte zu skizzieren würde zu weit führen; es genügt hier, ihre Quellen an­ zugeben, besonders die, welche sich nicht in den Special-Samm­ lungen finden"). Er starb am 9. August 1322. Die lange Liste der von ihm angeführten Bürgen nennt fast nur Brüder, die wir schon von andrer Seite her, als seine Lehrer oder Freunde kennen. Den Text entlehnen wir Bartholi, der seiner Gewohnheit entsprechend, eine Auseinandersetzung voranschickt"). Modo sequitur aliut testimonium dignissimum sancti fratris Johannis de Alverna, quem ego frater Franciscus Bartholi de Assisio vidi et cognovi et sibi locutus frequenter fui. Frater benedictus de Aretio sotius beati Francisci") et indutus ab eo et minister quondam romanie et marchie tempore beati Francisci, frater Angelus de burgo sotius beati Francisci"), frater Corradus de offida provincie marchie44) frater gratianus sotius sancti fratris Egidij4S) tertii in ordine post beatmn Franciscum qui frater egidius fuit altissime contemplationis, frater Raynerius sotius venerabilis dicti fratris benedicti46), frater An­ dreas de Burgundia4T), frater Matteus milex48), frater Egidius de Capocio49) de Assisio, frater Marinus de Assisio50), frater Johannes

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Die Bewilligung des Portiuncula-Ablcisses.

de assisio51), frater Thomas de Assisio, frater Angelus de Perusio ”), frater Jacobus de Fallerono53), frater Jacobus de massa de marchia54), frater Thomas de Trevio “), frater Augustinus de Roma56). Hii omnes fuerunt excellentissimi viri in sanctitate et veritate et antiquissimi homines in ordine, et omnes fuerunt cum sotiis beati Francisci et ab hiis Omnibus et multis aliis fide dignis audierunt a fratre Masseo precipuo sotio beati francisci, viro sanctissimo et probate in omni sanctitate et veritate, quod ipse fuit cum beato Francisco ad pedes summi pontificis, quando indulgentiam sancte Marie de Portiuncula impetravit et eam summus pontifex liberalissime concessit. Die in den Anmerkungen gegebenen Erläuterungen verraten viel Arbeit; wer aber aus eigener Erfahrung die Freude kennt, ein auf den ersten Blick wertloses Dokument sich allmählich beleben zu sehen, wird begreifen, warum sie unternommen wurde. Das vorliegende Dokument bringt uns die Glieder einer Gemeinschaft von Spiritualen nahe, die nicht nur auf die Geschichte ihres Ordens, sondern auf die der ganzen Kirche Einfluß gehabt haben. Es ist gewissermaßen der anticipierte Auszug eines Teiles der Fioretti, und wenn die Echtheit dieser Liste durch jene berühmte Sammlung gestützt wird, so kann man andrerseits sagen, daß diese Aufzählung die Darstellung der Fioretti bestätigt, soweit sie sich auf die Fran­ ziskaner der Mark Ankona bezieht.

II.

Worte des Hubertino v. Casale.

Die kurzen Bemerkungen, die Hubertin von Casale") dem Portiuncula-Ablaß widmet, sind von den Historikern unverdienter­ weise vernachlässigt worden. Sie sind doppelt bedeutsam, weil sie nicht im Lichte eines bewußt abgelegten Zeugnisses erscheinen. Um den Gedankengang wiederzugeben, der die Stelle bedingt, habe ich sie weiter unten mit einem Teil des Kapitels, dessen Schluß sie bildet, abgedruckt. Es geht deutlich daraus hervor, daß der Schreiber dieser Zeilen den Ablaß als erwiesene Thatsache ansieht, und daß ihm eine Reihe wunderbarer Berichte über seine Ent­ stehungsgeschichte bekannt sind. Wenn man nun bedenkt, daß er, Das Leben des heiligen Franz von Assisi.

29

380

Nachtrag.

der im Jahre 1259 geboren, von allen Zeitgenossen am besten über historische Erinnerungen Rechenschaft ablegen konnte, so wird man die Bedeutung eines solchen Zeugnisses anerkennen. Der Leser wird es begreifen, daß hier kein erschöpfender Bericht über das Leben dieses merkwürdigen Mannes gegeben werden kann, der noch heute nach so vielen Jahrhunderten auf einen unbestechlichen Bio­ graphen wartet. Wären Gewandtheit und Vorsicht sein Teil ge­ wesen, er hätte einer der größesten Heiligen des 13. Jahrhunderts werden müssen. Aber der Zorn der guten Sache trat ihm zu schnell auf die Lippen, und eine Art Wahnsinn trieb ihn, die Nöte des Ordens aufzudecken. Manche Geister haben ihm seinen Fluch gegen die Uebertreter der Regel und die Bastarde des Ordens niemals verziehen und noch Papini behandelt ihn als einen ver­ kleideten Wolf, „lupo mascherato“58). Uebrigens hat Papini") sehr wohl erkannt, daß Hubertinos Zeugnis auf der Voraussetzung einer stark entwickelten Legende über die Erlangung des Ablasses beruht: Qui fra Ubertino coli’ intromettere in quest’ affare la 88. Virgine mi fa accorto, che letto aveva la ridicola relazione di Michele Bernarduzzi (se persona vera o finta nol so bene). Ma non se ne giovo, sol due ingredienti gustando del gran pasticcio, cioe la concessione in cielo per riguardo a Maria, in Terra poi per riguardo al supplice Francesco.

Papini hätte daraus ein Argument zu Gunsten des Ablasses herleiten müssen; denn wenn die Fantasie des Volkes schon im Jahre 1305 die ursprüngliche Thatsache so reich hat ausschmücken können, muß doch der Ablaß von Assisi selbst seit geraumer Zeit bekannt und für mehrere Generationen ein Gegenstand der Ver­ ehrung gewesen sein. Et in corona XII stellarum singulariter attribuitur virgini tota corona XII apostolorum, quia eins meritis fuerunt electi et post ruinam in Christi werte in fide reformati et per eins instructionem edocti, et per eins orationes et suspiria spiritu sancto repleti: unde et virgini singulariter attribuitur tota per ipsos facta victoria mundi: quia ipsa virgo est singulariter illa civitas Apoc. electos omnes continens: in qua in Typo XII apostolorum ponuntur XII preciosorum lapidum fundamenta: et similiter XII margarite ex quibus fiunt XII porte in Typo XII evangelicorum

Die Bewilligung des Poriiuncula-Ablasses.

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virorum per quos XII tribus Israel convertentur et denuo totus mundus ut Infra dicetur. Quibus Omnibus tanquam stellis XII virgo preclarissima coronatur quia tota Hierum perfectio post filium sacratissime virgini attribuitur et ab ea efficacissime generatur. In cuius signum iniciatio VI et VII status qui in Fran­ cisco et eius prole finaliter complebuntur, ut Infra dicitur in sancte matris virginis fundamentum ecclesie accepit dum in loco sancte Marie de Portiuncula statum evangelicum in utroque sexu per franciscum et claram perfectissime inchoavit. Cui etiam ec­ clesie secunda die Augusti virgo beatissima a filio suo obtinuit in celis et Franciscus a papa in terris indulgentiam remissionis plenarie omnium peccatorum: vides ergo quod iocunde Christus matrem glorificavit et quod potentissime et triumphaliter coronavit60).

Nicht nur an dieser Stelle erwähnt Hnbertino den Ablaß; in der Vorrede zu seinem Buch erzählt er, wie er im Jahre 1284 die Heiligtümer Roms besichtigt, in Greccio Johannes von Parma besucht und eine Wallfahrt nach der Portiuncula unternommen habe. Tune romana sanctuaria visitans et ad angelum faciei iesu vere sanctissimum Joannem de parma et ad rupem deveniens letus et ab ipso confortatus, absolutus, et instructus in die indulgentie Secunde diei Augusti intravi ecclesiam beate Marie de Portiuncula de Assisio et iuxta eam pernoctari. In quä gloriosa virgo Maria que primo christi personam in bethlehem pepererat in francisco et clara et eorum ordinibus peperit eius vitam: ubi tantam immutationem accepi et nomen vite, spiritum christi et sancte regule intellectum quod tum frustra credidi me unquam communibus relaxationibus inquinari61).

III.

Zeugnis des Franz v. Fabriano.

Die nun folgenden Mitteilungen entstammen einer wesentlich anderen franziskanischen Auffassung. Bisher handelte es sich um das Zeugnis von Anhängern der Spiritualen-Partei; in Franz v. Fabriano tritt uns ein Minoritenbruder der Partei entgegen, die man treffend die „gemeine Observanz" bezeichnet hat. 29*

382

Nachtrag.

Die Bollandisten, die eine Publikation seiner Akta (A. 88. u. f.) planten, haben sich aus die Wieder­ herausgabe dessen beschränken müssen, was Wadding darüber mit­ teilt; bitter beklagen sie die Unfreundlichkeit der Conventualen von Fabriano, die gleich sehr taub für schriftliche, wie mündliche Bitten, die zahlreichen Urkunden ihres Klosters in den Schränken ver­ modern lassen, praeda blattarum et tinearum. Die Bollandisten haben schließlich sogar die Intervention der Ordens-Oberen an­ gerufen. Aber auch das war vergeblich! Zwar empfingen sie eine sehr höfliche Antwort, zugleich mit einer Sendung des KlosterGuardians. Was aber enthielt sie zu ihrem Erstaunen? Eine kürzlich erschienene Biographie des Heiligen, lediglich zum Zweck der Erbauung geschrieben"). Alle Gelehrten sollten auf ihren Studienreisen dieses Blatt aus der Erfahrung der berühmten Hagiographen wieder und wieder lesen, ja es am besten bei sich tragen, um es wie eine Reliquie ans Herz zu drücken, wenn sie erleben müssen, daß sich die Pforten, an die sie klopfen, bald unsanft, bald mit tausend Freundschaftsbetheuerungen schließen, als wären die Anklopfenden Teufel und Diebe. Eine natürliche und feine Sitte gönnt dm Schluffe der Vorreden dem Autor Raum allen denen zu danken, die ihn bei seinem Werk unterstützt haben, und ein berühmter Pariser Gelehr­ ter hat aus einer Lektüre der Vorreden ein ganzes Repertoir liebens­ würdiger Wendungen zusammengestellt; wäre es nicht billig, ihm die Möglichkeit zu verschaffen, ein Repertoir gegenteiliger zu sammeln? Wir könnten ihm manche interessante Gestalt zur Aufnahme em­ pfehlen. Von jenem heiligen Bischof an, der in jedem Forscher, unbekümmert um Sprache und Vaterland „einen Deutschen" wittert, den es im Interesse des öffentlichen Heils hinauszuwerfen gilt, bis zu jenen sanften Nonnen, die, schon durch den Schritt des Laien auf den Fliesen ihres Klosters erschreckt, von weitem noch ehe sie wissen, um welches Manuscript es sich handelt, rufen: „Non ce, non l’abbiamo“. Die Schwierigkeiten, die sich den Bollan­ disten entgegengestellt haben, sind in diesem Fall um so mehr zu bedauern, als es sich um das Zeugnis eines Augenzeugen handelt. Franz v. Fabriano dürste am 2. August 1268 den Ablaß in der Portiuncula nachgesucht haben. Aprilis t. III p. 89

Die Bewilligung des Portiuncula-Ablasses.

383

Die Legende dieses Heiligen, wie sie uns vorliegt, besitzt nur die sehr beschränkte Autorität der Dokumente, die Wadding, benutzt und als gleichwertig gelten läßt, obgleich ihre Bedeutung eine sehr verschiedene ist. Sie sind oft derartig verkürzt und zusammengeflickt, daß es unmöglich ist, den ursprünglichen Text herauszufinden. Am 2. September 1251 geboren, trat Franz v. Fabrino im Juli 1267 in den Orden, erwarb den Ablaß im folgenden Jahr und hatte bei dieser Gelegenheit eine Unterhaltung mit Bruder Leo. Später verfaßte er eine kurze Abhandlung über den Ablaß. Da sie eine Erwähnung der Bekanntmachung des Bischofs von Assisi, Theobald, enthält, so hat man daraus geschlossen, daß diese, die nicht datiert ist, früher als am 22. April 1322, dem Todestag dieses Gesegneten entstanden sein muß. Von einigen Sätzen Wad­ dings begleitet, lautet dieses Zeugnis folgendermaßen: Sub tirocinii anno missus est (Franciscus de Fabriano) Assisium ad lucrandam Indulgentiam celebrem Portiunculae, ubi familiäre habuit Colloquium cum beato Leone, sancti Francisci socio, confessario, et secretario, circa eiusdem sancti Viri Stig­ mata, et modum obtentae hujus Indulgentiae quorum ipse testimonium perhibet in libello a se conscripto de veritate et excellentia hujus sacrae Indulgentiae,* cujus istud initium. Ad memoriam in futurum. Ego Frater Franciscus de Fabriano inutilis et indignus Frater Minor quod legi et vidi sub sigillo authentico Domini Episcopi Assisiatis de Indulgentia sanctae Mariae de Portiuncula dictae civitatis Assisii ecce nunc redigo in huiusmodi scriptum. Et narrata universa historia eo modo, quo nos ex ejusdem Epis­ copi litteris, coaevisque auctoribus retulimus subjungit: Et hoc testificatus est Frater Leo unus de sotiis beati Francisci, vir probae vitae, quem ego Frater Franciscus vidi in anno quo veni ad Fratres quando ivi ad dictam Indulgentiam. Dixit enim65) dictus Frater Leo se audivisse ab ore beati Francisci de dicta Indulgentia, ab eo, ut praedicitur, impetrata. Endlich soll noch ein andres Merkchen, betitelt Chronica Fabrianensis, dessen Autor Franz gleichfalls war, folgende Bemerkung ent­ halten haben: Anno Domini MCCXVI, I1II Nonas augusti fuit consecrata ecclesia 8. Marie de Angelis a VII episcopis. Et Dominus Honorius Papa III posuit ibi Indulgentiam a pena et a culpa. Et

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Nachtrag.

beatus Franciscus die illa sic Indulgentiam populo adnumptiavit, etc.*6).

Man sieht, tote wertvoll, wie entscheidend für unendlich viele Fragen diese Mitteilung sein könnte. Wie schade, daß alle diese Auszüge nicht die notwendigen Garantien für ihren Ursprung besitzen. IV. Erlaß des Bruders Theobald, Bischofs von Assisi. Dieses Dokument gehört zwar zeitlich der Gruppe an, mit der wir uns eben beschäftigt haben, inhaltlich aber eröffnet es eine neue, als erstes der Schriftstücke, welche die vollständige Geschichte der Ablaßbewilligung bringen. Wir haben es hier mit einer wirk­ lichen Kompilation zu thun, für die es in diesem Fall charakte­ ristisch ist, daß sie nur bekannte Zeugnisse vorführt, Theobalds Anteil beschränkt sich darauf, diesen Zeugnissen seine bischöfliche Beglaubigung aufzudrücken, ihnen die Approbation des „Ordi­ nariats" zu verleihen. Die Copien, die wir von diesem Brief besitzen, sind leider undatiert oder mit falschen Daten versehen. Die Abschrift, die den Bollandisten vorgelegen, trug das Datum 1327, das augenscheinlich zu spät gegriffen ist, weil Franz v. Fabriano, der 1322 gestorben, dieses Dokument noch gekannt hat. Allerdings erklärt sich alles durchaus einfach, wenn man sich zurückruft, wie zahlreich diese Dokumente kopiert wurden und an­ nimmt, daß das Jahr 1327*') nicht das Original, sondern die Copie datiert. In den Archiven des Sacro Convento von Assisi befindet sich das Original eines analogen Briefes, vyn dem gleich die Rede sein soll. Auf seiner Rückseite liest man: Carta pro indulgentia. Fiant düplicata que debent sigillari cum sigillo episcopi. Im Gegensatz zu der historischen Forschung, welche die

ältesten Urkunden für die wertvollsten hält, ziehen die Gläubigen allezeit diejenigen jüngeren Datums vor. Wenn uns der Tod des Franz von Fabriano den Termin angiebt, vor dem diese Erlasse veröffentlicht sein müssen (1322), verrät uns ihr Inhalt die Zeit, nach welcher sie geschrieben worden sind. Auf der 22. und 23.

Reihe des Diploms von Assisi lieft man: Et hoc Marinus nepos dicti fratris Massei qui ab ore dicti frequenter audivit. Predictus autem frater Marinus annum Domini Millesimo CCC° VII0 plenus dierum quievit in Domino. Beim ersten Blick scheint sich dieses noviter auf

refert frater avunculi sui noviter circa ac sanctitate

ein unlängst vergangenes Jahr zu beziehen. Warum aber hätte dann Theobald, wenn er z. B. 1310 geschrieben, das Sterbedatum des Bruders Marinus so unsicher durch „circa 1307" angeben sollen? Wie dem auch sei, das Vorstehende beweist, daß diese Urkun­ den zwischen 1307 und 1322 geschrieben worden sind. Vielleicht im Jahre 1317, wie der Prior Locatelli angiebt"). Wir können uns hier nicht weiter mit der Persönlichkeit be­ schäftigen, von der sie ausgegangen sind. Die Erledigung dieser Frage würde auf große Schwierigkeiten stoßen und nur nach einer gewissenhaften Untersuchung der aus jener Epoche stammenden Archive des Sacro Convento möglich sein. Die Listen der Bischöfe, die im Anfang des 14. Jahrhunderts in Assisi regiert haben, sind in denkbarster Unordnung 69). Einige geben zwei Bischöfe zwischen 1295 und 1329 an, andere drei, noch andere vier; wer Recht und wer Unrecht hat, ist schwer festzustellen, da die meisten Autoren keine Gewährsmänner nennen. Ich möchte eine neue Ansicht auf­ stellen und vermuten, daß nur ein Bischof den Bischofssitz von Assisi von 1295 bis annähernd 1329 innegehabt hat, und daß dieser eben unser Theobald gewesen ist. Jedenfalls steht fest, daß am 13. Februar 1295 der Bruder Theobald, dem Minoritenorden angehörig, ehedem Bischof von Stabiä und Kastellamare, später Bischof von Terracina, von Bonisacius VIII in gleicher Würde nach Assisi versetzt wurde'0). Es steht ferner fest, daß Johann XXII durch die Bulle Cura pastoralis vom 11. Oktober 1329 die Wahl des Kapitels be­ stätigt, welches Konrad von Andrea zum Bischof von Assisi, zum Nachfolger hone memorie Theobaldi erkoren hatte"). Aus der Bulle Johannes XXII geht deutlich hervor, daß der Bischofsstuhl Assisis schon seit einiger Zeit verwaist gewesen, und daß die Er­ nennung eines Nachfolgers unter Schwierigkeiten erfolgt war. Aber darf man ein Episkopat von ungefähr vierunddreißig Jahren

einem und demselben Theobald zuschreiben? Es hat nichts Unwahr­ scheinliches, und fast will mir scheinen, als ob die Gelehrten doch etwas voreilig gehandelt haben, die so schnell mit einem Theobald I und Theobald II bei der Hand gewesen, nicht von denen zu reden, die zwischen 1295 und 1329 noch Benedetto Kasteüi und Bruder Thebano alias Theobaldus, also einen dritten Theobald einge­ schaltet haben"). Meine Vermutung, daß von Theobald II hier nicht die Rede sein kann, scheint mir um so begründeter, weil be­ stimmte Andeutungen uns berechtigen, sein Episcopat um hundert Jahre später zu datieren, d. h. in die Zeit um 1425 zu verlegen"). Wie dem auch sei, der Verfasser des oben besprochenen Er­ lasses hieß Theobald da Ponte oder Pontani") und wurde in der von ihm gestifteten Kapelle Maria Magdalena der unteren Basilika Assisis begraben. Ihr herrlicher Freskenschmuck, über dessen mutmaßlichen Schöpfer die verschiedensten Ansichten laut ge­ worden, stammt jedenfalls aus dem Beginn des 14. Jahrhun­ derts TS). Der Donator ist in dem Cyklus zwei Mal dargestellt; ein Mal kniet er in vollem Bischofsornat zu den Füßen eines heiligen Bischofs (St. Rufinus?), das zweite Mal sehen wir ihn ebenfalls auf den Knieen in einfacher cappa mit brünstiger Frömmigkeit die Hand der Magdalena ergreifen. Auf beiden Gemälden trägt 'er die Züge eines hochbejahrten Greises"). Eine Untersuchung dessen, was uns die Disamina von San Rufino über die beiden Theobalde zu sagen vermögen, würde uns hier zu weit führen. Zudem läßt sich eine volle Aufklärung nur von einer erneuten Prüfung der in dem Municipium Asfisis auf­ bewahrten Urkunden aus jener Epoche erwarten"). Den Text") dieses Erlasses haben die Bollandisten publiziert, (A. 88. Oct. t. II p. 879 u. folg.), ihre Lesart zeigt nur ganz unbedeutende Ab­ weichungen von der des Schriftstücks II der 12. Sammlung der Instrumenta diversa pertinentia ad Sacrum Conventum").

Dritte Serie.

Das Werk Bartholis") und der Erlaß Konrads, Bischofs von Assisi. Die einfachste Charakterisierung der Bartholi'schen Arbeit läßt sich durch eine ausführliche Wiedergabe ihres Titels erzielen. „Zum Ruhme des allmächtigen Gottes und der seligen Jung­ frau Maria und unsres seligen Vaters des heiligen Franziskus beginnt das Buch des heiligen Ablaffes von Santa Maria zu den Engeln oder der Portiuncula, in welchem Buche ich, Bruder Franz Bartholi von Assisi alles niedergelegt habe, was ich durch meine Bemühungen in den Legenden des seligen Franziskus, den alten, wie den neuen und in den andern Schriften seiner Gefährten über diesen Ort habe finden können; zur Empfehlung dieses Ortes und alles dessen, was ich als Wahres und Gewisses über den Ablaß des erwähnten Ortes habe finden können, nämlich, wie Franziskus ihn erhalten und wie er ihm'verliehen wurde, und alles was ich habe finden können inbezug auf Wunder dieses Ablaffes, die für seine Gewißheit und Wahrheit bürgen, und vor allem wie der selige Franziskus in einer Vision die Stätte der Maria zu den Engeln schaute, die der ruhmreichen Jungfrau Maria von dem Herrn Jesus Christus, ihrem Sohn, versprochen war. Bruder Hugo von Kastello — — Hier folgt eine Geschichte, die Papini in seiner üblichen Ungeniertheit mit der Randbemer­ kung: „Quessa e ridicolezza e insolenza“, versehen hat. Gewiß ein starkes Wort; aber, wie es ein solcher Titel erwarten läßt, hat Bartholi alles, was er gefunden, aneinandergereiht, Gutes, Mittelmäßiges und Schlechtes; so ist ein Werk entstanden, dem jede Einheitlichkeit fehlt, in dem aber doch im allgemeinen jedes Dokument das bewahrt, was seinen Wert ausmacht. So folgt z. B. auf die Geschichte, die Papini noch in einer anderen Rand­ note als Erfindung bezeichnet, in wörtlicher Wiedergabe ein Kapitel aus dem ersten Leben des Thomas v. Celano (Cel. cap. XVI 42 —44). Aus diesem und mehreren anderen Beispielen dürfen wir schließen, daß Bartholi in seinen Citaten zuverlässig ist, und daß, wenn er auch vielleicht die Berichte der mündlichen Tradition, die

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Nachtrag.

um ihn her verbreitet wurden, zu nachsichtig beurteilte, uns seine Texte alter Urkunden doch bei der Kritik der Denkschriften über den berühmten Ablaß höchst wertvoll sein müssen. Bruder Francesco Bartholi della Rossa ans Assisis) gebürtig, hat noch den Bruder Marino, den Neffen des Bruders Maffeo88) gekannt. Im Jahre 1312 studierte er in Perugia83) und 1316 in in Köln; von dort kehrte er reich beladen mit Reliquien zurück, darunter die Häupter der fünf Jungfrauen, der Gefährtinnen der heiligen Ursula und das Haupt des heiligen Gereon, alles vom Erzbischof von Köln am 16. September 1317 aus seine Echtheit beglaubigt; außerdem brachte er verschiedene Reliquien des heiligen Ludwig mit, die er dessen Tochter, Prinzessin Blanka, die selbst Klarissa geworden war84), verdankte. Im Jahre 1320 und 132588) sehen wir ihn in der Portiuncula als Lector theologiae. Im Jahr 1332 be­ zeichnet ihn ein Dokument als Guardian des Klosters St. Damian88). Endlich ist er im Jahre 1334 von neuem im Sacro Convento87). Bartholis Sammelwerk ist wenigstens in seiner Vollständig­ keit noch nicht veröffentlicht, aber der R. P. Leo Patrem von den Minoriten Observanten bereitet die Publikation vor. Der Name dieses gelehrten Mönches garantiert uns aufs Beste für die Aus­ führung dieser schwierigen Arbeit88). Die Frage nach dem zeitlichen Ursprung dieses Werkes ist von verschiedenen Historikern auf die widersprechendste Weise gelöst. Papini läßt es z. B. mit absoluter Sicherheit aus dem Jahr 1335 stammen88), während Jacobilli es in das Jahr 1370°°) verweist, wie wir sehen werden, nicht ohne Grund. Beim ersten Blick ist Papini's Schlußfolgerung zutreffend: „Diese Kompilation", sagteer, muß aus einer späteren Zeit als 1334 stammen, weil sie aus diesem Jahr eine Unterhaltung zwischen dem Autor und einem gewissen Bruder Donatus berichtet87). Andrerseits scheint sie ihm einem früheren Datum als 1335 anzugehören, weil sie den in diesem Jahr erschienenen Brief des Bischofs Konrad von Assisi nicht nicht erwähnt, und es doch unerklärlich sein würde, daß Bartholi, der Dutzende von Pergamenten reproduziert, grade über das letzte und wichtigste schweigen sollte, das noch dazu seiner eigenen Arbeit so analog ist. Dem wäre nicht zu widersprechen, wenn nicht Bar­ tholi in der Distinctio XII98) den Tod des Kardinals Abornoz

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erwähnt, der im Jahre 1367 unvermutet eingetreten. Merkwürdig, daß Papini, der diesen Text kommentiert hat, mit keinem Wort diese Stelle erklärt, die zu seiner These in einem so ausdrücklichen Widerspruch steht"). Dennoch läßt sich das alles unschwer in Einklang bringen: Ein Vergleich zwischen Bartholi's Werk und dem Brief des Bischofs Konrad aus dem Jahre 1335 lehrt, daß dieser von jenem abhängt. Die Vermutung drängt sich auf, daß der Bischof Konrad, der auf dem der Portiuncula nahe gelegenen Schloß Torre d'Andrea ge­ boren war94), es gleich nach seiner Einführung in Assisi als eine seiner wichtigsten Aufgaben angesehen haben wird, den Ruhm des Ablasses zu vermehren, gewissermaßen seine kanonische Geschichte zu veröffentlichen. Was war natürlicher, als sich mit diesem Plan an das Kloster Maria zu den Engeln und besonders an den lector theologiae zu wenden. Ich nehme daher an, daß Bartholis Arbeit in ihrer ersten Form das Resultat eines bischöflichen Auf­ trages war, alle Nachrichten zu sammeln, die über den Ablaß existierten. Konrad veröffentlichte seine Bulle im Jahre 1335; sie ist in der That nichts andres als eine neue Ausgabe des Bartholischen Werkes. Bartholi seinerseits fuhr fort bis zu seinem Tode getreulich alles zu sammeln, was aus den Ablaß, der ihm so sehr am Herzen lag, Bezug hatte; dabei konnte ihm aber nicht in den Sinn kommen, seiner Sammlung eine Bulle einzuverleiben, die nur eine unnütze Wiederholung dessen gewesen, was er bereits erzählt hatte. Das Manuskript B. B., welches sehr gut Bartholi's Original selbst sein könnte, weiß nichts von den späteren Anekdoten, von denen oben die Rede gewesen ist. In der Form, wie dieses Manu­ skript sie bietet, datiert Bartholis Werk gewiß aus dem Jahre 1335. Das dritte Manuskript B. B. enthält alle die Züge, welche Bartholi in späterer Zeit über den Ablaß gesammelt hat und alles läßt mich glauben, daß sein Leben fast bis zum Ende des Jahr­ hunderts gedauert haben wird. Wäre er 1385 gestorben, so hätte Bartholomäus v. Pisa in seinen Conformitates jedenfalls seine letzte Ruhestätte genannt"). Ein unendlicher Abstand trennt die Geschichte der Ablaßbewilligung, wie sie Theobalds Erlaß giebt von der Darstellung, die Conrads Schreiben enthält. Die erste so schlicht, die zweite nicht nur ausgesponnen und verlängert, sondern

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Nachtrag.

durch ebenso wunderbare, wie unwahrscheinliche Episoden kom­ pliciert. Es hat noch nichts Ueberraschendes, daß der Satz Theobalds: Fuit sibi (Franziskus) de nocte revelatum a Domino zu einem langen Bericht umgestaltet wurde, der erzählt, wie Jesus, die Jungfrau und ein Engelchor dem Franziskus erschienen seien; wenn aber der Schilderung von Honorius und Franziskus Begegnung in Perugia die Bemerkung folgt: In omnibus hiis beatus Franciscus adhuc diem determinatum non habeat nec a Deo nec a Papa,

und sich daran eine ganze Reihe von neuen Anekdoten schließt, die ebenso geringe psychologische Wahrscheinlichkeit, als urkundliche Bürgschaft besitzen, so muß das Argwohn erwecken. Alle die frühesten Dokumente, einschließlich des Theobald'schen Briefes berichten von der Gleichzeitigkeit der Bewilligung und Fixierung des Ablasses. Der citierte Satz legt es augen­ scheinlich darauf an, in sehr geschickter Weise mündliche und schrift­ liche Tradition zu verschmelzen °°). Besäßen wir diese mündliche Tradition, so würde uns nichts von den Quellen, die Bartholi benutzt hat, fehlen. Es ist mir nicht entgangen, daß das Speculum lla einen Teil jener mündlichen oder volkstümlichen Tradition enthält; doch hat der Kompilator dieser Sammlung sich in der Mitte seiner Arbeit unterbrochen. Lange Zeit hatte ich innerlich verzichtet, den Rest dieses Dokumentes je aufzufinden; da entdeckte ich ihn in dem Manuscript Heft Nr. 4654 des Vatikans. Nach diesem Codex gebe ich ihn wieder; die Einteilung ist gemacht, um das Citieren z« erleichtern: Testimonium Michallis Bernardi. (fol. 154 a.) [1] In nomine domini et individue trinitatis patris et filij et Spiritus sancti et beate marie semper virginis et omnium sanctorum, ad reverentiam quinque plagarum quas domi­ nus noster iesus Christus suscepit in crucis patibulo pro salute humani generis [2]. De quibus sanctus franciscus contemplans affectuosius consignatus est in corpore similitudinarie stigmatibus ipsius [3]. Ego. michael bernhardi olim de spello et concivis nunc et habitator civitatis assisij, tamquam devotus et spetialis

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beati francisci et ipsius ordinis [4], Accessi quadam die ad locum beate marie de angelis sive de portiuncula, et ibi inveni fratrem bernhardum quintevallis [5], fratrem leonem, fratrem petrum chatanii, fratrem angelum de reate, fratrem philippum longum de costa sancti severini, fratrem masseum de marignano: et fratrem guilielmum qui mutuo loquebantur ad invicem [6]. Et cum accessissem ad eos et videns quod absconse loquerentur, rubore ductus volui recedere [7]. Et ipsi vocaverunt me: et ego accessi ad eos. Et illud erat colloquium ubi nunc beatus franciscus. Et unus illorum cepit loqui ad me, scilicet frater petrus catannii et dixit: [8] Audi, michahel, valde mirabile quod accidit diebus istis proximis preteritis, quia cum ipsa pia mater nostra, videlicet beatus franciscus, qui nunc moratur in carcere montis sub assisio [9] Et frater bernhardus venit hodie ab eo, qui assotiavit eum ibi, quia cum esset in tabernaculo, hoc est in cella, que erat in horto post ecclesiam sancte marie, quam ostendit tune hoc anno digito [10] de mense ianuarij proximi preteriti tempore nocturno quasi media nocte [11]. Et ecce sathanas venit ad eum iuxta tabernaculum, cum ipsa pia mater esset in oratione et dixit ei: Francisco, quare vis tu mori ante tempus, quare ista et talia facis? [12] Nescis tu quod dormire est potissimum alimentum corporis? Tu iuvenis es, tui dormire et quiescere potissi­ mum alimentum corporis? Tu iuvenis es, tui dormire et quies­ cere potissimum est, et alias dixi tibi in quadam ecclesia, que vocatur quattuor capelle de comitatu tudertino, quod tu es iuvenis et poteris alias facere penitentiam de peccatis tuis [13]. (fol. 154b.) Ad quid ergo affligis tu te tantum in vigilijs et orationibus? Et tune sanctus franciscus expolians se tunica exivit de tabernaculo et introivit per grossam clausam et sepem et ingressus est silvam durissimam et spinosam, que erat philippi iacobi iuxta ecclesiam de portiuncula [14]. Et cum ipsa pia mater, videlicet beatus franciscus, esset in medio silve cum cor­ pore a spinis concremato et sanguinolento, dixit [15]. Melius est inestimabiliter quod sic agnoscam passionem domini nostri, quam ego obtemperem delitiis et blanditiis deceptoris [16]. Et statim fuit in medio silve lumen magnum et in maximo gelu, sieud est in ianuario, flores rosarum apparuerunt et cetus ange-

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Nachtrag.

lorum innumerabilis apparuit tarn in silva quam ifi ecclesia, iuxta quam erat silva predicta [17]: et tune angeli viva voce dixerunt beato Francisco: Accede velociter ad salvatorem et matrem eins stantes in ecclesia [18] (Tune beatus franciscus invenit se indutum novo vestimento, quomodo vero et qualiter, ipse ignorabat: et tune apparuit via recta strata de serico ornata ad eundum in ecclesiam ipsam’) [19]. Et ipse beatus franciscus accepit de rosario rosas rubeas et rosas albas: et ivit statim per viam illam in dictam ecclesiam sancte marie et accessit ad altare et posuit ibi rosas quas detulerat [20]. Et tune vidit dominum ihesum stantem et beatam virginem matrem eius stantem a dextris eius cum magna multitudine angelorum [21]. Et tune ipse dominus noster locutus est beato francisco prostrato in terram ante conspectum eius et matris eius virginis marie [22], et dixit: francisce, postula quod vis circa salutem gentium et reparationem ecclesie terrestris. Et ipse iacebat quasi raptus in conspectu divinitatis [23]. Et tandem, ad cor reversus, locutus est dicens: Sanctissime pater, illud supplico ego miser peccator, quod digneris facere hanc gratiam humano generi [24], quod concedas veniam et indulgentiam omnibus et singulis venientibus ad locum istum et introeuntibus ecclesiam istam omnium peccatorum suorum universaliter et singulariter, de quibus confessionem fecerunt sacerdoti et mandato comparuerunt [25]. Et supplico beato marie advocate humani generis quod pro hac re adiuvare et apud piissimam et clementissimam maiestatem (fol. 155 a.) tuam intercedere dignetur [26]. Et ipsa celorum regina humilissima et clementissima, inclinata precibus beati francisci, statim cepit supplicare ülio suo dicens [27]. Altissime omnipotens deus, supplico divinitati tue et humiliter intercedo, quod dignetur maiestas tua se inclinare procibus fratris francisci famuli tui [28]. Et ipsa divina maiestas locuta est dicens: Satis grande est quod petisti, sed maioribus dignus es, frater francisce, et majora habebis et ego petitionem et orationem tuam admitto. [29] Determina tarnen diem in qua fieri debeat et tempus: [30] b. franciscus satim *) II versetto 18 non si trova nel codice Vat., 4654, ma quel che segne prova che cid dipende da una pura dimenticanza del copista; e statt) dunque aggiunto dal teste dello Speculum 71 b.

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locutus est dicens: Sanctissime pater noster, ordinator celi et terre, tu digneris ordinäre propter magnam misericordiam tuam diem istam assistente ad hoc beatissima Virgine matre tua humani generi advocata. [31] Et sic divina majestas statuit, a vesperis prime diei augusti usque ad vesperas Secunde diei [32], ut quicumque venirent eo die contriti et confessi de peccatis suis, de quibus existerent, quod remissa fuerint eis omnia peccata per 608 commissa a die baptismi usque ad diem adventus et Intro­ itus ecclesie. [33] Et ipse beatus franciscus ait: Sanctissime pater noster qualiter siet quod veniat in scientiam et in credulitatem humano generi? [34] Et ipse dominus noster ait: Francisce, hoc siet, deo favorante et preparante et auxilium prebente gratie sue [35]. Tu autem ire debes ad vicarium rome, quem constitui, cui potestatem dedi ligandi atque solvendi, ut ipse faciat pro te fieri, prout ei videbitur. Et beatus franciscus dixit: [36] Qualiter credit (sic) mihi vicarius tuus, forte non credit (sic) mihi peccatori. Et ipse omnipotens deus dixit beato francisco: [37] Deferas tecum testes aliquos de sotiis tuis, qui hoc audierunt et rosas albas et rubeas quas in mense ianuarii collegisti in silva in afflictione et disciplina corporis tui, et numerum rosarum sicud tibi videbitur expedire [38]. Predicta omnia audierunt fr. petrus cathanii fr. ruphinus syphii, fr. bernhardus quintevallis (fol. 155 b) fr. masseus de marignano et socii [39], qui stabant in tabernaculis suis idest in cellis extra ecclesiam in orto ubi est cella beati francisci [40]. Et beatus franciscus de illis rosis accepit tres rubeas et tres albas ad honorem sanctissime trinitatis et ad laudem beate virginis hoc fecit presente ipsa majestate divina simul cum matre [41]. Et demum maximus chorus angelorum qui surrexerunt et cantaverunt, te deum. laudamus [42]. Post hoc in mane, b. franciscus rucepit tunicam suam et accessit ad istos tres fratres sotios suos et dixit illis [43]: Preparate vos ad veniendum romam et imposuit eis silentium de hiis que audierant. Et hii sunt fratres, scilicet, f. petrus cathanii, fr. bern­ hardus quintevallis et fr. Angelus de reate [44], et ceperunt iter ad eundum Romam, relictis aliis sociis in loco. Et ingressi civitatem romam, direxerunt gressus iuxta ecclesiam lateranensem et ibi invenerunt papam honorium successorem innocentii vica-

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Nachtrag.

rium domini nostri ihesu christi [45]. Cui beatus franciscus adhesit cum piis sotiis suis, significans sibi omnia supradicta et de hiis perhibuerunt testimonium tres fratres predicti [46] et illi detulerunt VI rosas, scilicet tres rubeas et tres albas, ut superius notatum est [47]. Et ipse papa honorius aspiciens in mense ianuario rosas ita virentes tanti coloris et odoris [48], et dixit: Hoc verum miraculum est et divina bonitate scimus quod verum est testimonium eorum [49]. Nos tarnen loquemur cum fratribus nostris, dixit papa, et audiemus in consilio secreto intentionem eorum et deliberabimus quod super hoc faciendum sit [50]. Et iussit ut reciperetur beatus franciscus cum sociis suis in loco congruo et honesto et darentur eis necessaria, et mandavit beato francisco ut sequenti die esset (fol. 156a.) diluculo coram eo [51]. Et statim sequenti die beatus franciscus stetit coram domino papa: Eigne christi vicarie, adimpleatis circa materiam supra dictam voluntatem regis celestis et matris eins ob cuius vocabulo ecclesia angelorum sive de portiuncula vocatur [52]. Et dixit papa beato francisco: afferas coram fratribus meis que sit voluntas dei et matris eius, licet alias dixerim [53]. Beatus francis­ cus respondit: Voluntas dei est, ut a vesperis prime diei augusti usque ad vesperas Secunde diei dicti mensis [54], quod quicumque intraverit et quicumque ibi venerit in ecclesiam s.e marie de angelis sive de portiuncula assisinatis dyocesis remittantur sibi omnia peccata a die baptismi [55], videlicet que tune recordaverit et ibi non recordatur, in penitentia, scilicet in confessione, memoriam fecerit et mandatum susceperit a sacerdote corde contrito et humiliato et absolutus fuerit per ipsum sacerdotem post mandatum. [56] Papa respondit: Fr. francisco, magnum est quod petis, sed postquam rex celestis dominus ihesus Christus ad instantiam beate virginis marie matris eius tuam orationem exaudivit [57], nos scribemus episcopis perusii, assisii, tudertini, spoletino et fulginati et nucerino, urbeveterano [58], quod ad locum predictum sancte marie prima die augusti conveniant et notificent venientibus indulgentiam que tibi placuerit [59]. Et beatus franciscus cum sociis suis accepit litteras summi pontificis ed ad dictos episcopos venerunt et litteras dictas fecerunt presentari [60]. Et procuravit ipse beatus fanciscus quod in die prima

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kalendarum augustorum (sic) omnes predicti episcopi venirent ad ecclesiam supradictam [61]. Et factum est pergulum ligneum in quo omnes dicti episcopi ascenderent simul cum beato francisco [62]. Et cum magna multitudo gentium esset iuxta pergulum congregata, et circum adiacentia dixit iteruin beatus franciscus episcopis [63]. Quis vestrum vult predicare et veniam annuntiare? Et ipsi convenerunt in unum et intra se dixerunt: [64] Nos habemus sequi voluntatem fratris francisci, secundum teuerem litterarum papalium [65]. Et dixit beatus franciscus: Licet non sim dignus, volo aliqua (fol. 156 b.) dicere et predicare in conspectu gentium et annuntiabo indulgentiam matris dei [66]. Et vos de mandato summi pontificis auctoritatem prestabitis et annuntiabitis una mecum. Et surrexit et predicavit beatus fran­ ciscus adeo benigne et humiliter, ita ut videretur angelus celestis et non homo carnalis [67]. Et perfecto sermone, denuntiavit in­ dulgentiam, videlicet quod quicumque venirent ad illam ecclesiam et ingressum haberent [68] a vesperis prime diei in kalendis angusti, usque ad vesperas Secunde diei dicti mensis, tarn de nocte, quam de die, includendo noctem sicut diem [69], remitterentur sibi omnia peccata sua postquam confessionem fecerint a die baptismi usque ad dictum diem, et hoc locum haberet quolibet anno in perpetuum [70]. Audientes vero episcopi, indignati sunt et scandalum passi sunt de hoc quod dixerat beatus franciscus [71] atque dixerunt: Licet dominus papa mandavit nobis quod sequamur circa hoc voluntatem tuam [72], non fuit sue opinionis quod sequeremur in hoc, quod congruum non est. Unde denuntiemus indulgentiam X annorum [73]. Et surrexit episcopus assisinas ad dicendum decem annis, et dixit quidquid dixerat beatus franciscus et aliud non potuit dicere [74]: ad hoc sunt multi testes tarn de perusio, quam de aliis civitatibus et de contrata. [75] Dicitur etiam quod omnes alii episcopi singulariter unus post alium surrexerunt ad id quod dictum fuerat contra dicendum. [76] Et omnes quod beatus franciscus dixerat affirmaverunt aliudque dicere minime valuerunt. [77] Testes autem inter alios qui interfuerunt: Suppolinus hugolini presbiter, dominus andreas de monte mellino de assisio, dominus neapoleo de armenzano [78], dominus Johannes presbiter de geormini, Das Leben des heiligen Franz von Assisi. 30

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Nachtrag.

petrus tubaldini, et ut predicitur multi alii, quos esset difficile nominare.

Wie ersichtlich verlegt Michael Bernhardts Bericht das Rosen­ wunder vor Franziskus' erste Reise zu Honorius III. Bei Bartholi dagegen (Manuscr. 344 8b; Manuscr. BB 76 sequ.) ist dieser Bericht derartig umgestaltet, daß er der zweiten Reise des Franziskus gleich­ sam als Vorrede dient, jener Reise, deren Zweck war, den Tag des Ablasses bestimmen zu lassen. Augenscheinlich ist es Bartholis inniges Bestreben, die niedergeschriebene offizielle Tradition mit der münd­ lichen volkstümlichen zu verschmelzen; diese Bemühungen haben nichts Befremdliches; sie treten noch naiver in einem Brief hervor, der uns von Bartholi selbst aufbewahrt worden ist, Manuscr. 344, 55a; Manuscr. BB. 26a: Exemplum lictere.........a fratre Johanne de Camollia de Senis super materia concordantie hystorie Indulgentie.

Wie dem auch sei, eben diese seltsamen Episoden haben die Geschichte des Ablasses lange Zeit in den Augen derKritik'°) dis­ kreditiert und vermögen bis zu einem gewissen Grade die Angriffe zu erklären, deren Gegenstand sie gewesen. Heute sind diese Controversen nicht nur vergeffen; sie erscheinen gradezu unerklärlich, und ich darf es für überflüssig halten, auch nur einen kurzen Bericht daüber zu geben. Wenn wir uns an die echten Zeugen wenden und die Conzession des Ablaffes auf das richtige Datum verweisen, wird alles klar und begreiflich. Das Gespräch Honorius III und des heiligen Franziskus bezeichnet in den Annalen der Kirche einen einzigartigen Augenblick. Der hochherzigste der Päbste, noch tief bewegt von der höchsten Weihe, durchzittert von dem Bewußt­ sein seiner göttlichen Allmacht und doch demütig, wie ein armer Priester, ist in einem Anflug von Enthusiasmus und Liebe bereit, die Fülle seiner Macht in den Dienst des franziskanischen Aposto­ lates zu stellen. Gewiß nur einen kurzen Augenblick hindurch; denn schon erschallte die Stimme der Kardinäle, um den Papst zur Wirklichkeit zurückzurufen und ihm die Empfindung zu geben, daß, selbst wenn der heilige Petrus in Person den Stuhl des Lateran bestiege, er sich von Gott durch eine geheimnisvolle, uner­ klärliche Macht getrennt fühlen würde, durch die Tradition der römischen Curie.

Anmerkungen zur kritischen Studie über die Bewilligung des Portiuncula - Ablasses. Alle diese Dokumente, von denen mehrere aus Mangel an Raum hier nicht behandelt werden konnten, werden demnächst als Anhang einer vollkommen umgearbeiteten Auflage der Lebensgeschichte des heiligen Franziskus, er­ scheinen. 2) Ich kann von den Gründen, die den Ablaß bestreiten, nur die behan­ deln, welche auf historischen Bedenken beruhen. Die meisten Gegner der fran­ ziskanischen Tradition fußen auf theologischen Einwänden, die ich nicht einmal andeute. Für die, welche sich über die Angriffe der Reformatoren und Jansenisten gegen den Ablaß unterrichten wollen, bietet die Apologie von Grouwels, Historia critica sacrae indulgentiae und die Lebensgeschichte des heiligen Franziskus von Chalippe (B. III, S. 190-^-327) einen kurzen Ueberblick. *) Man darf hier nicht eine Auseinandersetzung über die katholische Ab­ laßlehre erwarten. Der Pater Chalippe hat das Wesentliche über diesen Gegenstand sehr gut zusammengefaßt. Vergl. seine Erklärungen in der Lebens­ geschichte des heiligen Franziskus von Assisi (B. III, S. 190—327). 4) Grouwels hat dieses Schweigen bemerkt und hervorgehoben, S. 259. 5) Siehe Archiv, t. II, p. 259, und die Bulle vom 7. Februar 1246 (Pott­ hast, 120007; Glaßberger, ann. 1244, apud An. fr. t. II, p. 69). 6) Bulle, Is qui ecclesiam, 6. März 1245; Potthast, 11576. 7) Siehe 1 Cel., 106: Hic (dicebat B. Franciscus proinde fratribus saepe) qui oraverit corde devoto, quod petierit obtinebit. Spec. perf., 82; Conform., 144a 2; Speculum, 70ab; 3 Soc., 56. — 2 Cel., 1,12. Dieses lange Kapitel ist überschrieben: De saneta Maria de Portiuncula. Conversatio fratrum ibidem morantium. Amor B. Virginis ibidem. Cf. 2 Cel., 3,96; Con-

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Anmerkungen.

form., 218 a 1; Speculum, 32 b 88., 69 bs. Vat. 4354, fol. 53 a; Spec. perf., 51. s) 2 Gel., 1,13; 3Soc., 56; Bon., 24. Cf. A.SS., oct, t. II, p. 899 88.; Grouwels, p. 61 ss. ®) Bei Bartholi (Manuscr. 344, 24 a. BB. 12 b.) verquicken sich die Zeug­ nisse des Dämons und die der Dominikaner in interessanter Weise:

Modo sequitur testificatio facta per demonem ... et quomodo fratres predieatores dixere se nunquam de cetero retrahere volentes accedere sed inducere iuxta posse. Cf. Conform., 154 a 2 in. 10) S. Manuscr. 344 in Assisi, 16a; Conform., 153bl in. Ms. 344, 16b; BB. 13b; Speculum, 2b; Conform., 153a. Ille autem frater predicator qui detraxit illi indulgentie qualiter punitus fuerit.... propter reverentiam ordinis taceo. Spec., 3 b. Cf. 77 a. Ms. 344, 18 a; BB. 16 b; Conform., 153 b. n) Die Dokumente VII und VIII der Sammlung der Instrumenta diversa pertinentia ad Sacrum Conventum liefern uns zwei Beispiele dafür: Sie bestehen aus zwei großen Pergament-Blättern, 80/72, die zweifellos dazu bestimmt waren, an der Thür irgend eines Heiligtums befestigt zu werden, um den Ablaß zu verkünden. Dreizehn Stellen waren darauf für Miniaturen frei gehalten, von denen nur die drei ersten ausgefüllt worden sind. Diese Skizzen erinnern an den Künstler, der das berühmte Manuscript der Franceschina, eine der schönsten Zierden des Museums in Perugia, mit so köstlichen Bildchen geschmückt hat. Der Text ist eine wört­ liche Wiedergabe Bartholis. Der Abschreiber Bruder Franz Valente von Neapel beendete seine Arbeit am 5. November 1450.

12) Item anno domini MCCLXXVII super certitudine dictarum indulgentiarum plures depositiones et attestationes fuerunt säete et de manu notariorum publicate. Spec., 77 a. 13) Historiam de impetrata indulgentia Portiunculae, quia Speculum vitae 8. Francisci indigesto plane ac mutilo ordine continebat, iisdem ad nauseam usque saepius repetitis ... Spec., Ausg. Spoelberch, 1620, I pars, p. 125. 14) Dieses Dokument ist die peinlich genaue Abschrift des Schriftstückes 1 des 12. Bandes der „Instrumenta diversa pertinentia ad S. C. (Archive von Assisi). Es besteht aus einem Stück Papier von 132 zu^143 mm, das auf einem etwas größeren Stück Holz aufgeklebt.ist. Diese Copie, die jedenfalls bestimmt war, aufgehängt oder angenagelt zu werden, scheint ans der gleichen Zeit zu stammen, wie das Original. Die Schrift hat alle die Buchstaben der in Umbrien vor Schluß des XIII. Jahrhunderts herausgegebenen Urkunden. Der gleiche Text findet sich auch in dem ms. 330 in Assisi, fol. 31 b. 1 (s. Inventario dei Manoscritti dal Prof. L. Alessandri.) Cf. A. SS., oct, II, p. 888, in dem ms. Vat. 4354, fol. 157a; ms. 344 in Assisi, Bartholi, 12b. s.; BB, llas. Er wurde u. A. von Wadding veröffentlicht. Ann., 1277, t. V, p. 24 s; Baluze, Miscellanea, IV, p. 490, Ausg. Mansi, II, 123; A.SS., oct, II, p. 887 s.,

Anmerkungen.

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Papini, Storia del perdono, p. 37; Grouwels, p. 85 88; Spader, Dimostrazione, p. 45ss.; franz. Uebers. bei Cbalippe, t. III, p. 196; deutsche Uebers., Panfilo-

Müller, p. 234. J5) Was hat man wohl unter Secreta ordinis zu verstehen? Wahrscheinich eine Anzahl frommer Meinungen, die eine Art esoterischer Tradition bildeten und bezweckten, den Mut schwankender Minoritengemüter neu zu beleben. In erster Reihe dieser Ordensgeheimnisse standen die Worte Jesu, die Franziskus im Augenblick der Stigmatisierung vernommen hatte. Fioretti, Betrachtung über die Stigmen; Ausg. Amoni, S. 256 fl.; Ausg. Cesari, S. 134; Conform., 233b 1, Cf. Bon., 194; A. SS., oct., II S. 860f. 16) Er soll um 1258 das Ordenskleid genommen und am 1. November 1304 in Borgo San Sepolcro gestorben sein. Jacobilli widmet ihm mehrere Blätter, Vite dei Santi, B. III, p. 3—6. Seine Mitteilungen sind durchaus zuverlässig, weil er sich zum großen Teil auf Schriftstücke aus dem Prozeß der Heiligsprechung beruft, die. in den Archiven von Borgo San Sepolcro aufgefunden worden. Cf. Conform. 62 a 1. Ridolfi, Hist. Ser. fol. 128 a und b. Arturus, Martyrologium, p. 535. Er genießt eine kirchlich anerkannte Verehrung. Man ver­ ehrt ihn am 5. Nov.. S. das Brevarium romano seraphicum; es scheint da­ gegen, aks wäre der Titel des Glückseligen für Benedikt von Arezzo von Rom nicht bestätigt worden. Wadding, Ann., 1304, t. VI p. 38. Markus von Lissabon, Chronik 2. Theil, sechstes Buch, Kapitel 26 (t. II, p. 362 fl.). 17) Er erlitt das Martyrium im Jahre 1284. Wadding, Ann., 1284, t. V, p. 128; Arturus, Martyrol., p. 607.

18) Rudolph von Habsburg, erwählt im Jahre 1273 (f. Pertz, Leges, t. II, p. 382 flg.) war, weil tzr noch nicht gekrönt worden, für das Protokoll nur König der Römer, und die Bulle, welche die Kardinäle im Jahre 1277 während der Erledigung des heiligen Stuhles an ihn richteten, trägt die Adresse: Excel­ lent! et magnifico Princip! Domino Rodulpho Regi Romanorum, etc. Sbaralea, Bull, fr., t. III, p. 275; Potthast, 21250. 19) Im Jahre 1277 fiel der 31. Oktober in der That auf einen Sonntag. Alle die anderen Angaben sind ebenso genau. 20. Mai bis 25. November 1277 erledigt.

Der heilige Stuhl war vom

20) Recepit enim eum (Johannem regem) et induit minister Graeciae, scilicet frater Benedictus de Aretio qui fuit sanctus bomo. Salimbene, Ausg. 1857, S. 17. Die Conformitates widmen ihm eine merkwürdige Notiz. Ausg. 1510, 64a 2, und 25a 1; Ausg. 1590, fol. 77b. Ebenso Ridolfi, welcher am Schlüsse sagt: Obiit 2 Kal. Sept. feria VI, anno vero 1224 (!), Hist. Ser. fol. 84 a. Arturus giebt als Todestag den 31. August 1280 an, Martyrol. franciscanum, p. 417 s., siehe auch dort die Angabe zahlreicher Citate. Cf. Huber, Menologium, col. 1671s; Wadding, Ann. 1280, t. V, p. 92; 1277, ibid, p. 24; 1259, t. IV, p. 114. S. auch A. SS. Augusti, t. VI, p. 808. ss.; Marcellino da Civezza, Saggio di bibliografia, No. 77. Hinsichtlich der Chro­ nologie seines Lebens muß man besonders Sbaralea zu Rathe ziehen. Bullarium

400

Anmerkungen.

t. I, p. 7, Anm.; t. II, p. 445. Die reichhaltigste, und vielleicht sicherste Quelle ist Johannes von Callaorra, Hist, cronol. di Syria, p. 52—69. — Ein merkwürdiges literarhistorisches Kapitel ließe sich über Benedikt von Arezzo als Vorläufer von Dante schreiben. In den citierten Belegstellen findet sich auch der Bericht seiner Reise nach dem Paradies. 21) A.SS., oct., t. II, p. 892; Spader, Dimostrazione, p. 47—49; Papini, Storia del perdono, p. 34s. Man findet ihn auch in dem Manuscript von Assisi, Bartholi, 344. S. Text S. 375 unter folgendem Titel: fol. 13a (16a der neueren Paginierung): Modo sequitur aliud testimonium cuiusdam militis de perusio quod testimonium ego frater franciscus Bartholi de assisio inveni in sacristia perusii in loco nostro scriptum manu propria reverendi patris fratris angeli de perusio olim ministri provincie sancti francisci in quadam carta pecudina in qua erant etiam aliqua miracula predicte indulgentie scripta et erat illa carta satis antiqua (19b) Dominus iacobus — fratrisegidii (14a). Mit diesem Codex Bartholi's muß man den Codex IV der Sammlung XII der Instrumenta diversa pertinentia ad 8. C. vergleichen. Unser Dokument findet sich im fol. 12 b. 13 a wie auch in den Schränken VII und VIII der gleichen Sammlung. Es dürfte sich schwerlich ein guter

Grund finden, Bartholi's Versicherung, daß er das Original in Händen ge­ habt, zu bezweifeln. 22) Potthast, 21136-21144; Sbaralea, Bull, fr., t. III, p. 247—274. 23) Necissitates miserabilis terrae, vom 5. Januar 1290, und Dudum prout in communem, vom 27. November 1290. Sbaralea, t. IV, p. 192 und 287; Potthast, 23151 und 23479. Vielleicht handelt es sich um zwei Provinzialate, wie Spader, Dimostrazione, p. 52 annimmt.' 24) Die Kommune hatte sich verpflichtet innerhalb eines gewissen Umkreises der Basilika des heiligen Franziskus jede Errichtung einer Kirche oder Kapelle zu untersagen. Die Urkunde über diese Verpflichtung findet sich in derselben Sammlung, Nr. 38. 25) Z. B. findet man in dem merkwürdigen Testament von Andreolus quondam domine Savie, datiert vom 13. September 1284 unter der großen Anzahl von Brüdern des Sacro Convento, denen Legate vermacht find, den Namen des Bruders Angelus de perusio lector mit XI soldi bedacht. Instrumenta diversa pertinentia ad 8. C. Nr. 18 der fünften Sammlung. 26) Annales, 1277, t. V, p. 25.

27) Dieser Name bezeichnet eine der berühmtesten Familien Perugias im XIII. Jahrhundert. Siehe die Historiker dieser Stadt, wie auch die in dem Bolletino della societa Umbra di Storia patria, t. II p. 131 veröffentlichten Schriftstücke; aus einem derselben, das vom 31. Dez. 1217 datiert ist, geht hervor, daß damals als camerarius et sindacus Bonifazio Coppoli in der Kommune wirkte. Ein gewisser Ugolino Coppoli wird unter den Zellgen der Verhandlung genannt. Cf. p. 140, 145; 1.1, p. 141, und Anmerkung 3, p. 152. Siehe auch Spader, Dimostrazione, p. 51. Ein kürzlich veröffentlichtes Doku-

Anmerkungen.

401

ment enthält die ausführlichsten Mitteilungen über die Beziehungen Jakob Coppolis zu den Franziskanern. Es ist der Vertrag, durch welchen er ihnen, unter Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauches, den locus montis ruiti, d. h. den ganzen Hügel schenkt, auf dessen Gipfel die Einsiedelei des Bruders Egidius lag, in der er starb. Dieses äußerst malerische Kloster, das noch von Minoriten-Brüdern der Observanz bewohnt wird, liegt fünf Minuten von Perugia vor dem Thor Sankt Angelus. Der Schenkungs-Akt, vom 14. Februar 1276 datiert, ist von A. Rosst in dem Giornale Scientifico-Agrario von Peru­ gia veröffentlicht, später in ben Miscellanea, t. IV, p. 157 wieder herausgegeben. Hier wird der Geber genannt: Dominus iacobus domini boncontis coppoli. 28) Ueber diese Urkunden s. außer den oben angegebenen Ausgaben und Manuscripten Conform., 153 b. 29) Ueber Bartholi s. Text S. 387. Das Zeugnis ist hier nach dem Manuscr. 344, fol. 14b—15a (17b—18a der neueren Paginierung) gegeben; es ist auch im Manuscr. IV der Sammlung XII der Instrumenta diversa, fol. 131b ent­ halten. 30) Papini bezeichnet ihn als Onkel des Cardinal Matthias von Acquasparta und Provinzial von Umbrien im Jahre 1254. Storia del Perdono, p. 33. Cf. Spader, p. 61 u. f. Eine notarielle Urkunde vom 10. Juni 1253 zeigt ihn uns als Minister dieser Provinz. Miscellanea t. IV, p. 145. Cf. ms. 344, 42 a 2. 31) Ueber Reynier von Arezzo s. oben Anm. 16. за) Neffe des Bruders Masseo. Fior. Ausg. Amoni, p. 382 und 386. Theobald, Bischof von Assisi giebt in der Bekanntmachung des Ablasses als Zeit seines Todes 1307 oder 1308 an, nach den Manuscripten Spec., 82 b S. Text S. 385. 33) Diese Urkunde ist von Spader veröffentlicht, Dimostrazione, p. 59 s; Papini, Perdono p. 33. 34) Auch von Bartholi wiedergegeben. Manuscr. 344 von Assisi, fol. 12 a — 12b (15a—15b der neuen Paginierung) Ms. Vat. 4354,157a. Veröffent­ licht von Papini, Storia del perdono, p. 38; A. SS., oct, II, p. 89 a; Grouwels, p. 88; Spader, Dimostrazione, p. 42. Cf. Spec., 82 b und 75 b, das zwei schlechte Lesarten davon bietet. S. auch ebenda, fol. 77 a. 35) Ueber diesen Bruder s. Text. S. 373. зб) Wahrscheinlich Guido von Siena, gestorben am 6. December 1290, begraben in Assisi. S. Jacobilli, Vite dei Santi, t. III, p. 151; Wadding, Ann., 1290, Nr. 16, t. V, p. 239, und besonders Arturus, Martyrol. fr. p. 595.

37) S. Grouwels, p. 88. 38) Fr. Petri Joannis Olivi qnaestio hucusque inedita de indulgentia Portiunculae, Täfelchen in 12° von 24 p. Quaracchi, 1895. Zuerst veröffentlicht in den Acta Ordinis Minorum vel ad ord. quoquo modo pertinentia in lucem

402

Anmerkungen.

edita jussu et auctoritate Rmi P. Aloysii a Parma Totius ordinis fr. Minorum ministri generalis. Ann., XIV (julii 1895), fase. VII. 39) Ehrle, Archiv, t. III p. 408—540, Olivi's Leben und Schriften. . S. ebenda t. II S. 289-300. Cf. S. 129. 142. 149. 360-416. In dem Firmamentum trium ordinum, Paris, 1512, findet sich der Tractatus sive expositio super regulam b. p. Francisci secundum divinum doctorem fr. Petrum Johannis (Incipit) Quamvis ex his; Ausg. Venedig, 1513, III & pars, 106 a, 1—124 b 1. Cf. Marcus von Lissabon, Chroniche, II p. 301 ss. S. auch Archiv, 1.1 p. 544; Conform. 81b 1, 126 b 1; Glaßberger, S. 100, Toccö, Eresia, p. 485; Helyot - Migne, Dict. des ordres religieux. S. Narbonne, t. II col. miss.; Zeitschrift Brieger, t. VI, p. 133; P. Ign. Jeiler, Histor. Jahr­ buch der Görres - Gesellsch., III, S. 648—659. Bezüglich der Manuskripte, s. Alessandri, Inventario dei Manoscritti di Assisi, Nr. 52 und 361, die Codices 198 und 199 von Pistoja und 336 der Antonin. Bibliothek zu Padua. —

Diese Angaben sind natürlich nur als Ergänzung gegeben, die eigentliche Bi­ bliographie sollte in dem Verzeichnis von Chevalier, Col. 1675 nachgelesen werden. Lange Auszüge aus seiner Postilla über die Apokalypse sind von Döllinger, Beiträge zur Sektengeschichte des Mittelalters, B. II, S. 527—585 veröffentlicht worden. (Mangelhafte Arbeit.) 40) Acta SS. Augusti, t. II, p. 453—474 (Ausg. Antwerpen, 735), Fioretti, 49—53, und 5. Betrachtung über die Stigmen; Markus von Lissabon, Croniche, t. II, p. 439—446; Chronik der XXIV Generale, ms. 329 zu Assisi, fol. 133a; Conform., 64b—65b (Ausg. 1510); fol. 74a, Ausg. 1590; Arturus, Martyrologium, p. 359, ein auf Urkunden ruhender Artikel, der außer den hier angeführten noch eine Reihe anderer Quellen angiebt; Ridolfi, Hist. Ser., 110a; Felice da Corchiano, Vita del B. Giovanni da Fermo detto della Verna, col testo (latino) a fronte. Assisi, 1881 in -12, 102 p. Dieser Band enthält den Text des Codex (Sa Croce, Nr. 546) XXVII, II dext. der Laurentiana. Cf. Wadding Ann. 1322,49 (t. VI, p. 385—396 und an andern Orten.) 41) Ms. 344 in Assisi, 14a—14 b (17a—17 b der neuen Paginierung)

S. unten. Die Bollandisten kannten dieses Zeugnis des Joh. v. Alverno nur in der abgekürzten Form, die Wadding giebt. S. A. SS., oct., II, p. 892. Es ist vollständig veröffentlicht von Spader, Dimostrazione, p. 57ss; Papini, Perdono, p. 31s., und abgekürzt in den Conform., 153 b 1. 42) Ueber Benedikt von Arezzo, s. Text S. 371. 43) Ueber die Berufung dieses Bruders Angelus s. Fior.. 26; Conform. 119b 2; Spec., 58b; Vat. 4354,62a (cf. Spec., 46b; Vat. 4354,10b). Der heilige Franz schickte ihn nackt nach Borgo San Sepolcro, Spec., 31a; Artu­ rus, Martyrol., p. 293 (7. Zuli); Jacobilli, Vite dei Santi, t. II, p. 9. S. in den beiden letzten Werken die Angabe anderer Autoritäten. 44) Konrad von Offida war einer der Führer der strikten Observanz gegen Ende des 13. Jahrhunderts. Im Jahre 1294 war er einer derer, die Angelus Clarenus und Liberatus Cölestin V entsandten, um die Ermächtigung zu erbitten

Anmerkungen.

403

die Regel dem Buchstaben nach befolgen zu dürfen. Tribul. Archiv, t. II, p. 308. Da er zu Hubertin von Casale in enger Beziehung stand, ja in gewisser Beziehung als sein geistiger Berater gelten kann (siehe Spec. 181b), so wurde er aufgefordert vor Johannes von Mouron zu erscheinen (Archiv, II S. 312 f.). Er hatte häufig mit Bruder Leo verkehrt. — Nachdem er die Einsiedeleien der Mark, in Forano, Sirolo und auf dem Alverno (A. SS., oct. II p. 860, Salvator Vitale, Monte Serafico della Verna. Florenz, 1628, S. 258 u. f.) bewohnt hatte, gehörte er der Gemeinschaft der Portiuncula an (Conform., 163a, 1) und starb in Bastia (bei Assisi) am 12. Dez. 1306. Conform., 119b. Ebenso begeistert, wie Hubertin von Casale, aber ohne dessen Ungeduld, Widerspruchs­ geist und scholastische Eigenheit, stellt er eine der schönsten Gestalten aus der dritten franziskanischen Generation dar. Unter allen Jüngern des heiligen Franziskus hat er das lebendigste Naturgefühl; die auf ihn bezüglichen Legenden, die leider wenig bekannt sind, gehören zu den lieblichsten des Mittelalters (s. besonders die Geschichte seines Vogels, seines Wolfes von Farano u. s. w.). Conform., 60a; Fior., 42; Speculum, 142b; Vat. 4354, 73b; Fior., 43; Spec., 141b; Vat. 4354,72b; Fior., 44; Conform., 69a2.

Ueber verschiedne Züge aus seinem Leben s. Conform., 153a 1; Spec., 77b; Conform., 51 b 1, und 182 a 2 ; Arturus, Martyrologium, p. 605; Jacobilli, Vite dei Santi, t. III, p. 168-172, und die dort angegebenen Autori­

täten. 45) In dicto loco (Sancti Marini) iacet sanctus frater Gratianus quem puto socium fuisse sancti fratris Egidii. Es folgen zahlreiche und anmutige Details über diesen Jünger, der von Bruder Egidius gewonnen war. Conf. 59 b. 2. Dieser Bruder Gratian stand dem Meister in der Sterbestunde zur Seite. Acta SS. aprilis, t. III, p. 244; cf. ibid., 239 und 243; Chron. der XXIV Gener. Ms. v. Assist, 329,33 a 2 ss.; Arturus, Martyrol., p. 139 (30. März).

46) Ueber diesen Bruder Reynier s. Anm 16. 4T) Bruder Andreas von Burgund war lange Zeit Begleiter des Bruders Egidius. Wadding, Ann., 1262,20 und 42 (t. IV p. 191 und 198); Chron. der XXIV Ordensgenerale. Manuscr. 329 von Assisi, 26a2ss.; An. fr. t III, p. 99ss.; Arturus, Martyrol., p. 626s. (24. December). 48) Es läßt sich sehr schwer bestimmen, wer mit den Namen Bruder Mattheus Milex bezeichnet ist. Sollte es Bruder Mattheus von Cafliglion Aretino sein, von dem in der fünften Betrachtung über die Stigmen die Rede ist? Fior. Amoni, S. 250-253, oder Bruder Mattheus tune (circa 1260) provincie Marchie minister .... vir mirabilis mansuetudinis sanctitatis et simplicitatis. Chron. tribul. Arch. II, p. 279; Fior., 48; Spec., 222a; Chron. XXIV Ordensgenerale Ms. 329 in Assisi, fol. 84 b. 1. 49) Egidius Capoccio von Assisi wird in den Conform. als Vir magne sanctitatis bezeichnet, 52b 2; Arturus, Martyrol., p. 385 (22. August); Jacobilli Vite dei Santi, II p. 151 (21. August). Er dürfte in Rivo Torto gelebt haben. Papini, Storia, 1.1 p. 178. Sein Grab: Papini, Storia II p. 207.

404

Anmerkungen.

Sehr wahrscheinlich ist"es derjenige, der in der Chronik der Anfechtungen alter Egidius genannt ward (Archiv. III p. 263.) 50) Ueber diesen Bruder Text S. 385. 51) Der Gefährte des Bruder Egidius? S. Drei Gefährten. Einl. M) Es ist unmöglich eine sichere Auskunft über den Bruder Thomas von Assist zu finden. Angelus von Perugia wird wahrscheinlich der Provinzial sein, von dem schon vorher die Rede gewesen. S. Text: S. 373. 53) Jacobus von Fallerone erscheint in den Fioretti als Freund des Johannes von Alverno und des Masseo. Fior., 32, Conform., 51 a 2; Spec., 106 b; Vat. 4354, 90b. — S. Fior., 51; Conform., 70a 2; Spec., 148a; Vat. 4354,72a; Arturus, Martyrol., p. 326 s. (25. Juli), und die dort angegebenen Quellen. 54) Jakobus von Massa, damit istius generalis (Johannis de Parma) temporibus perfectissimus vir frater Jacobus de Massa laycus de provincia Tuscie de quo dicebant sanctus fr. Egidius de Assisio, Mattheus de Montino, fr. Junipems et fr. Lucidus, omnes viri sanctissimi quod sibi Deus in tantum aperuerat ostium suorum secretorum quod nullum in mundo sciebant 60 in revelationibus altiorem. Chron. der XXIV Ordensg. Ms. 329 in Assisi, 84 a 2—84 b 1. Diese Stelle der Chronik der 24 Ordensgenerale bildet die

Einleitung zu der berühmten, wunderbaren Vision, in der Jakob von Massa die Schicksale des Ordens schaute; er erblickte den heiligen Bonaventura mit eisernen zugespitzten Krallen. Dieser Bericht findet sich in den „Anfechtungen", Arch. t. II. p. 280 u. f. Speculum 222 a seq. Fior. 48. (Amoni p. 169. Cesari, p. 90). Die meisten Publikationen ersetzen den Namen Bonaventura durch „einen Bruder", aber die Manuscripte geben ihn namentlich. Siehe z. B. Manuscr. 651 in Assisi, fol. 85 b. Jakob von Fallerone erscheint ihm. (Fior. 51). Diese Episode findet sich weder in dem analogen Bericht des Spec. 148a, noch in dem des vatikanischen Manuscriptes 4354,72b. Er stand in Beziehungen zu Bruder Simon von Assist, Fior. 41 (Amoni, p. 140; Cesari, p. 74; Conform. 62a 2). Daß er ein Zwischenglied der Tradition zwischen Bruder Leo und Bruder Ugolino von Monte Sanctae Mariae war, siehe Conform. 121b. 2; Spec., 96 Vat. 4354,56b. — Das Manuscr. Vat. 4354,135a—138 a, enthält fünf Kapitel ber Verba sancti fr. des Bruder Jakobus von Massa: De triplici statu anime, — De sensibus corporalibus, — De Studio anime, — De conflictu rationis et conscientie, — De scutis patientie. Daß Bruder Masseo ihm die Episode der Vögelpredigt von Bevagna erzählt hatte: Fior. 16; Amoni, p. 56; Cesari, p. 30; Spec. 63 b. Vat. 4354,101 a. Siehe außerdem Spec. 109b; Vat. 4354,149a; Archiv, t. II, p. 277. Arturus, Martyrol. p. 593 (5. Dez.).

55) Thomas von Trevi, ebenfalls einer der Führer der Partei der strikten Observanz, (siehe Chron. Trib. Archiv, t. II, p. 308) ist jedenfalls in Folge eines Fehlers des Abschreibers von Markus von Lissabon Thomas v. Tericio ge­ nannt. II, p. 308. S. Arturus, Martyrol. p. 602 (10/Dezember). Trevi ist ein Dorf an dem Wege, der von Foligno nach Spoleto führt.

Anmerkungen.

405

56) Unbekannt. 57) Geboren im Jahre 1259, trat er vierzehnjährig in den Orden ein, war neun Jahre lang lector theologiae in Paris, kehrte nach Italien zurück, wo er vier Jahre hindurch fortfuhr zu lehren. Nachdem er Prediger geworden war, mußte er sich schließlich Stillschweigen gebieten und sich auf den Alverno schicken lassen. Im Jahre 1305, verfaßte er dort sein Werk Arbor. Siehe Wadding. Ann. 1299, t. V, p. 417 seq. Markus voll Lissabon, Croniche 1.11 p. 410, und 1.1, p.315—326;Ridolfi, Hist. Ser. fol.334b; Archiv für Literatur und Kirchengeschichte t. II p. 129—151; t. III, p. 119—124; Miscellanea franciscana, 1.1, p. 171; t. II, p. 164. Siehe auch Conform. (Ausgabe 1510) 104a 1; Speculum (Ausg. 1509) 181b; Papini, Storia di 8. Fr. I, p. 119; II, p. 240 seq. Notizie sicure, p. 205—207, 272—273; Ann. fr. t. XVII (1890—92) p. 538,591,728, 831, 917,

1115. Man findet die Angabe einer großen Anzahl anderer Quellen in dem bibliographischen Verzeichnis von Chevalier, col. 1079 und 2653; es ist daher unnütz, daß ich hier noch mehr gebe. — Die Mitteilungen über sein Leben stammen teils aus der Chronik der Anfechtungen (Archiv, loc. eil.) teils aus der Arbor, besonders 210bl—211a, und aus der Einleitung. — Ein wenig bekanntes Manuscript des Werkes Arbor befindet sich in der Bibliothek der Abtei von Subiaco, Codex Nr. 43. Das Manuscript Nr. 52 der Kommune Perugia>nthält nur das vierte Buch, ins Italienische übersetzt (Ende des XIV. Jahrh.). 58) Geschichte des heil. Franziskus, I. p. 119, Anmerk. 59) Daselbst, t. II. p. 242.

60) Arbor vite Crucifixe, lib. IV, cap. XI (fol.) 202 a 2 s. 61) Arbor vite Crucifixe: Primus prologus libri primi, fol. Ibis.

62) Das geht schon daraus hervor, daß er nie unter den Spiritualen ge­ nannt wird, auch aus bestimmten Zügen seines Lebens. Er war besonders ein großer aggregator librorum, schon das machte ihn in den Augen der Spiritualen verdächtig. 63) A. SS. loc. eit. p. 89. 64) A. SS. loc. eit. p. 92 d; daselbst. Anhang, p. 991—999; Wadding, Ann. 1251. n. 30 (t. III, p. 244 seq.) 1267, n. 4 seq. (t. IV, p. 276 seq.) 1322, 1—26 (VI p. 377-384). Siehe auch A. SS. oct. t. II, p. 881,891 und 892; Conform., 69b 1; Markus von Lissabon, Chroniche, lib. VII, cap. I (t. II, p. 384); Ridolfi, Hist. Ser. 100a und b; Grouwels, p. 82 seq. 65) Hier fügt der Text der Bollandisten (A. SS., oct. II, p. 891) ein mihi ein, was die Bedeutung dieser Zeilen wesentlich verändert. Wie aber

soll man herausfinden, welche der beiden Lesarten die richtige ist? 66) A. SS. oct, II, p. 892. Es scheint nach Pater Melchiorri (Leggenda di 8. Francesco scritta dalli suoi Compagni, p. 196—199) der 1856 schrieb, daß er das Manuscript des Franz v. Fabriano selbst unter Augen gehabt. 67) A. SS., oct. II, p. 881.

68) Handschriftliche Notiz in seinen Papieren (Siehe Anm. 77). L’originale di questa bolla e in Bologna e ricercato si trovo portare la data 1317. Auf

406

Anmerkungen.

dem fol. 51 des Manuscr. von Bartholi (Codex 344 in Assisi) liest man auf dem untern Rande von der Hand Papinis folgende Bemerkung: Integrum exemplar hujus testificationis cum appenso sigillo et anno et mense et die et loco videlicet: Datum Assisii die 8. Laurentii (10. August). Anno M° CCC° decimo, asservatur membranaceum in archivio Conventus nostri Perusii. Cf. Benoffi, Compendio, p. 26. Meine Bemühungen im Oktober 1894, dieses

kostbare Diplom wiederzufinden, sind umsonst gewesen. Das Kloster der Conventualen in Perugia ist aufgehoben worden und niemand weiß, welches Schicksal die Archive betroffen hat. Cf. Papini, Storia, II p. 245. Endlich giebt Spader das Datum von 1319 an, welches eine für ihn von dem Exemplar in Brügge genommene Abschrift getragen zu haben scheint. Dimostrazione, p. 6,31 und besonders 63 und 120. 69) Siehe: Serie quadruplice dei Vescovi della Citta Serafica. Assisi, 1872, broch. in — 4° von 26 S. 70) Ughelli, Italia Sacra, 1.1, col. 542; Disamina di 8. Rufino, p. 272; Cristofani, Storia d’Assisi, 2. Aufl. 1.1, p. 252,218 und seq. 71) S. die Bulle: Disamina di 8. Rufino, p. 405 seq. 72) S. Serie quadruplice p. 13.

73) Wadding. Ann, 1425, n° VII (t. X S. 89). Dieser von Wadding gegebene, von dem Pater Angelus wiederholte Hinweis (Collis Paradiso, I, p. 65) ist uns jedoch nur verbürgt durch handschriftliche Kataloge, die von Assisi dem berühmten Historiker übergeben wurden; ihr Wert ist uns unbekannt. Ct Serie quadruplice, p. 25. 74) Das Manuscript von Bartholi 344 in Assist, fol. 49 b, läßt dem Brief eine Ueberschrift vorangehn: „Testificatio domini theobaldi de Ponte episcopi Assisii.“ 75) Papini, Notizie sicure, p. 310, und Bruschelli, Assist, p. 69 schreiben sie Buffamelo zu; Fratini, Storia della basilica, p. 156 nennt Taddeo Gaddi als Schöpfer, und Thode, Franz v. Assist, S. 267 und flg. möchte sie von Giotto herrühren lassen. Cf. Cristofani, Storia d’Assisi, 2. Auflage, t I. p. 253.

76) Er hatte der Basilika eine große Anzahl Ornamente geschenkt, die in dem Inventarium von 1370 mit der Bemerkung aufgezählt werden: De dono D. fr. Theobaldi de Ponte episcopi Assisi sepulti hie. S. Fatini, loc. eit. p. 179,183. — Er stammte aus Todt und nahm dort von Zeit zu Zeit längeren Aufenthalt. Eine Urkunde der städtischen Archive Assisis, vom Mai 1323 datiert u. von Ehrle publiciert, (Archiv, 1.1 p. 253) trägt die Angabe Actum in civitate Tuderti apud locum fratrum Minorum s. Fortunati in camera venerabilis patris domini fratris Theobaldi miseratione divina [epis­ copi assisinatis], und der gelehrte Herausgeber erzählt in einer Anmerkung, daß am 31. Oktober 1319 der Schatzmeister der Kurie einen Boten bezahlte, qui iverat ad episcopum Assisii in territorio Tuderdino, und das auf eine Angabe

hin, die er in den päpstlichen Archiven gefunden hat.

Anmerkungen.

407

77) Außer den schon angegebenen Dokumenten, siehe Angelo, Collis paradisi, I, p. 64—66. Vergl. auch die Correkturen der bischöflichen Listen in einem Heft von Papini, überschrieben: Memorie storiche raccolte da Fra Niccola Papini. Archiv in Assisi, n°84 der neuen Erwerbungen und besonders ein analoges Heft des Priors Paolucci Locatelli, das unter seinen Papieren [im Stift von Sankt Rufini aufbewahrt wird. Er hat darin die von dem Cheva= Her Frondini gesammelten Dokumente verwertet. Theobald wird auch in einem Breve vom 4. Sept. 1322 genannt. (Archiv, t. I, p. 27. Cf. p. 273). Alles, was auf die Geschichte Assisis während dieser Zeit Bezug hat, sollte nach den in den Archiven aufbewahrten Dokumenten bearbeitet werden. Cf. Papini, Notizie, p. 195 seq. Cristofani, 1. Ausl. p. 123 seq. 2. Ausl. 1.1, p. 209 seq. Dieses war schon geschrieben, als ich in der Urkunde, n° 32, der Inst. div. pert. ad. 8. C. 3. Sammlung die Bekanntmachung der Bulle Sancta Romana Johannis XXII (Datum Avenioni, III Kal. Jan. pont. nostri anno II0) fand, die von Bruder Theobald, Bischof von Assisi erlassen und aus dem Jahre 1319 datiert ist. (Tages - und Monatsdatum ist unausgefüllt geblieben.) Er wird auch in der Urkunde, n° 34 der gleichen Sammlung, genannt. (Datiert vom 7. April 1318.) 78) Grouwels erwähnt ein Manuscript dieses Textes, das zu seiner Zeit in Brügge im Kloster der Rekollekten aufbewahrt wurde, nachdem Ubertin von Casale es aus Italien überbracht hatte. Siehe loc. cit. p. 425. Cf. Spader, Dimostrazione, p.63. Bartholi giebt einen vollständigen Text davon. Manuscr.344 in Assisi, fol. 49b-5Id. Ausgaben: A. SS. oct. II, p. 879. Cf.Wadding, Ann. 1223, t. II, p. 57; Speculum, 1504, 81 b—83 a, Ausg. Spoelberch. Antwerpen, 1620, I p. 132—136. Grouwels, p. 96—101; Papini, Perdono, p. 39—42. In den Speculum, Ausg. 1504,1509 und 1620 ist das Ende dieses Briefes durch phantastische Details aufgeputzt worden. 79) In den Zusähen, die der Kodex Angelicus (siehe Ausg. Amoni, p. 383 seq.) zu den Fioretti macht, findet sich ein Bericht, der die italienische Uebersetzung des Theobald'schen Erlasses ist. 80) Faloci Pulignani (Miscellanea, II p. 130) behauptet mit Unrecht, daß davon nur noch ein Manuscript existiere: Schon die Archive Assisis besitzen zwei und ein halbes: 1. das bekanntere unter Nummer 344, beschrieben im Inventarium von Alessandri und Mazzatinti, p. 60—61, früher schon von Ehrle, Archiv t. I, p. 470- 507; siehe p. 486. Cf. Miscellanea, t. II, p. 8 seq A. 88., oct. II, p. 885. Wenn ich es nicht besonders hervorhebe, citiere ich hier immer das Manuscript 344. Bisher wurde es dem 14. Jahrhundert zu­ geschrieben, mir erscheint es jünger, etwa der Mitte des 15. Jahrhunderts an­ gehörig. Der Abkürzung wegen werde ich es in der folgenden Untersuchung mit B. bezeichnen. 2. enthält die Sammlung XII der „Instrumenta diversa pertinentia ad Sacrum Conventum“ unter n°. IV drei Urkunden, die in einem Pergamentband zusammengebunden sind, weil ihr Format das gleiche ist, 15/22 cent.: a sechs Blätter mit Notizen über die Genealogien des heiligen

408

Anmerkungen.

Franziskus und der heiligen Klara; b das Werk Bartholis» das 30 Folio­ seiten ausfüllt. Die Anordnung des Stoffes ist zuerst die gleiche, wie in dem Manuscr. 344 aber vom Blatt 18a (19a des Kodex 344) hört die Gleichheit auf; (ich werde es mit BR. bezeichnen), c. endlich, zwischen den Seiten 10 und 11 von BB ist ein Bruchstück von derselben Hand eingefügt, das dort nicht am Platze ist. Es enthält eine Reihe von Wundern über den Ablaß, ich bezeichne es BBB. Die zwanzig Blätter dieses Bruchstückes sind durch römische Ziffern numeriert von I—XX, sie enthalten Wunder. Visionen u. s. w. welche auch B. bietet, fol. 30b, 19a, 22a, 33b, 35a, 23a, 35a, 37a, 39b, 19b, 21a, 24a, 20a, 37 b und 41a. — Es ist nützlich diese drei Codices zu vergleichen: Man bemerkt dabei, daß BB. bis S. 18a wörtlich mit dem Inhalt von B 1—19a übereinstimmt. Der letzte Bericht, den sie gemeinsam haben ist der, welcher die Ueberschrift trägt: Modo sequitur miraculum quomodo a quodam fratre de ordine minorum in nocte ipsius indulgentie sacre Visa est beata virgo Maria ibidem tenens filium manibus propriis et benedicentem populum qui astabat. Von da an (B 19 gegen Ende und BB 18 a Anfang) hört die Uebereinstimmung

auf. BB enthält nur noch einen Teil der Berichte von B. Da das Register von B in den Miscellanea, t. II, p. 130 seq. mitgeteilt worden, so will ich hier das Register von BB geben, da dieser Kodex wie es scheint, fast nur von Papini studiert worden ist. BB 18 a. „Modo sequitur aliud miraculum in quo expresse ostenditur quod illa indulgentia valet pro mortuis existentibus in purgatorio si pro eis oretur.“ Cf. B 29 b. BB 18 b. „Modo sequitur aliud miraculum in quo clare patetquod dubitantes de hac indulgentia excitantur et confortantur üt non dubitent sed credant.“ Cf. B 21b. BB 19a. „Modo sequitur quomodo increpatur incredulitas aliquorum circa istam sacram indulgentiam per sensibiles et irationabiles creaturas et per consequens indulgentia confirmatur.“ Cf. B 39 a. BB 19 b. „Iterum quomodo declaratur hec sacra indulgentia valere pro mor­ tuis.“ Cf. B 36a. BB 20 b. „Item aliud miraculum istius sacre indulgentie quomodo valet pro fidelibus existentibus in purgatorio si quis pro eis fideliter exequitur.“ Cf. B. 30 a. BB 21b. „Modo sequitur quomodo papa Martinus confirmavit et de novo concessit istam sacram indulgentiam et voluit concedere privilegium de huiusmodi indulgentia fratri mattheo de acquasparta tune lectori curie sed quia b. Franciscus noluerat privilegium in vita sua non fuit ausus idem frater Mattheus in hoc sequi volontatem domini pape.“ Cf. B 45 a. BB 22 a. „Modo sequitur quomodo prelati parvi et magni timere debent contra istam sacram indulgentiam aliquid sententialiter promulgare

Anmerkungen.

BB 23 a.

BB 24a.

BB 25 a. BB 26a. BB 26.

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quod 8i aliquis hoc attemptare presumeret displicentiam Christi incurreret nec effugeret disciplinam.“ Cf. B 46 a. „Hoc dictum Christi reperi in legenda Sta. Margarite de Cortona CIX° de secretorum revelatione. — Sequitur actio gratiarum et cordialis unitio ad b. Franciscum qui peccatoribus in cenulenta voragine huius seculi involutis ne in profundum mergentur abissi tarn largam misericordiam et gratiam a Christo et eius vicario honorio instanter et humiliter procuravit. Dicat ergo quilibet frater minor zelator fervidus animarum dicat et quilibet Christum colens ex medullis intimis cordis.“ Cf. B 42 b. „Modo sequitur quomodo et partes ultra marine veniunt et visitant istam indulgentiam supra dictam et flde et spe suorum peccaminum venie consequende.“ Cf. B 43 a. „Modo sequuntur nomina fratrum .... qui retulerunt de ista sacra indulgentia.“ B 41 b. „Hoc est exemplum littere transmisse fratri Francisco Bartholi.“ B 55 a. „In nomine Dei et SS. M. et B. Francisci. Incipiunt rubrice super ystoria s. indulgentia s. Marie de Angelis iuxta assisium.“

Aus diesem Inhaltsverzeichnis ergiebt sich, wie viel kürzer das Manuscript BB als B ist. Letzteres enthält 51 Kapitel, ersteres nur 31. Da nun diese 20 neuen Kapitel durch das ganze Manuscript B verstreut sind, so kann man ihr Fehlen in BB nicht durch das Verschwinden einer Anzahl von Blättern oder durch einen ähnlichen Zufall erklären. — Wenn man BBB untersucht, ein Bruchstück, dem Anfang und Ende fehlen, das von gleichem Format und von gleicher Handschrift ist, wie BB, so findet man darin gerade die meisten (15) der in BB nicht gefundenen und in B eingeschalteten Kapitel. — Darf ich mir eine Vermutung gestatten? Vielleicht ist BB das ursprüngliche Manuscript von Bartholi, das erste Resultat der Umfrage, die er gehalten, um dem Bischof Konrad die ihm notwendigen Dokumente zu liefern. BBB würde in diesem Fall die Sammlung sein, in der er, nach Vollendung seiner ersten Arbeit, je nach Maßgabe seiner Funde alles niedergelegt hat, was er über den Ablaß in Erfahrung bringen konnte. — Uebrigens ist es unwichtig zu wissen, ob es wirklich das Original Bartholis ist. Das steht jedenfalls fest, daß B aus späterer Zeit stammt wie BB; BB ist das Original, während B das Werk eines handwerksmäßigen Skribenten ist. Trotzdem habe ich es für richtig er­ achtet, nur das Manuscript B zu citieren, weil es das allein bekannte ist. Ich habe von allen hier citierten Dokumenten über den Ablaß Kopien genommen und würde sie gern bei Gelegenheit den Gelehrten zur Verfügung stellen, die diese Frage eingehender zu studieren wünschen. 8I) S. Wadding, Scriptores, p. 144. Sbaralea, Supplementum ad Scrip-

tores Ord. Min. p. 245.

410

Anmerkungen.'

82) Manuscript 344 in Assisi, 42 a, 2, und BB 25 a. Frater Marinus de assisio vir sanctus et homo multarum lacrimarum quem ego fr. franciscus bartholi rubee vidi. Bruder Marinus starb 1307. 83) Manuscript 344,37 b; BBB XVIII b. Quidam frater .... retulit mietn fr. Francisco Bartholi rubee de Assisio tune commoranti perusii in Studio Ideologie. 84) Die Atteste, welche die Echtheit dieser verschiedenen Reliquien bestätigen, werden heilte noch in den Archiven des Kustos des Saero Convento in Assisi aufbewahrt. Ich beschränke mich hier nur den Text des letzten zu geben, das ein besonderes Interesse für Frankreich hat: Universis fidelibus presentes licteras inspecturis Blancha sancti Ludovici quondam regis francorum filia, salutem in omnium salvatorem. Noverint universi quod ego Blancha predicta ad instantiam et devotas preces religiös! viri fratris Francisci Bartholi de Assisio sibi obtuli ac dedi de sacris reliquiis predicti patris mei quas habebam cum thesauro aliarum mearum reliquiarum scilicet de capillis et unum frustum de tunica sancti Ludovici prefati. Et predictas reliquias presentibus adfirmo esse veraces et sacras in cuius rei testimonium et fidem certiorem sigillum proprium duxi presentibus apponendum. Datum Parisius anno domini MCCCXV1II dominica decima post pentecostes. Miscellanea, I, p. 148; A. SS. oct. II, p. 886; Grouwels, p. 196. 8d) Ms. B, fol. 46 a, 1 s.: Tempore domini Johannis pape vicesimi secundi scilicet anno d. M° CCC° XX0 .... duo fratres venerunt ad indulgentiam__ unus quorum dixit mihi fratri Francisco Bartholi rubee de Assisio (cf. BB, 22a), etc. — Ms. B, 21a: Anno domini M° CCC° XXV0 fr. Franciscus Bartholi rubee de Assisio existens tune lector in saero loco sancte Marie de angelis (cf. ms. BBB, XI b; BB, 18 b.) 86) Eine Mitteilung, die wir Papiui verdanken. Notizie sicure, p. 245 s.

87) Siehe Anmerk. 91. 88) Im Jahre 1470 ist in Trevi in Umbrien eine italienische Uebersehung erschienen, jetzt fast verschollen, aber sorgfältig beschrieben von Faloci Pulignani in den Miscellanea fr. t. I p. 48—52; cf. Grouwels, S. 462. Eine italienische Uebersehung, die im Jahre 1390 von einem gewissen Pieraccino di Pierozzo di Piero Pieri di Firenze aus einem Manuscript der Sakristei des heiligen Franziskus in Assist kopiert wurde, ist veröffentlicht worden von Luigi Lenzotti unter dem Titel: Istoria della Indulgenza di Porziuncula. Modena, 1872, broch. in -12 von XXIV und 40 S. (S. Seite 2). Da ich nur die Ausgabe von 1470 gesehen, so kann ich nicht feststellen, ob die Kopie von 1390 identisch mit ihr ist. — Pater Leo Patrem ist leider zir früh gestorben, im Augenblick, da ich diese Worte schreibe (Febr. 1896); es wäre sehr zu wünschen daß die Franziskaner von Quaracchi, denen er, wenn ich recht unterrichtet bin, sein Manuscript geschickt hat, eine Veröffentlichung nicht verzögerten. Der italienischen Uebersetzungen von Bartholi giebt es unendlich viele, und sie selbst nur in summarischer Uebersicht zu geben, würde zu weit führen; ich nenne hier

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Anmerkungen.

nur zwei besonders interessante: Die der Manuscripte 2697 der Universität Bologna und 1407 der Bibliotheca Rieeardiana.

89) Hane historiam composuit F. Franciscus Bartholi ante annum 1335 cum Diploma Conradi eo anno publicatum non proferat. Diploma potius videtur ex hac historia conflatum, Anmerkung von der Hand Papinis am Eingang des Manuscriptes 344 von Assisi.

90) Hist. 8. Indulgentiae scripta A. D. 1370a Bartholo assisiensi minorita, Anmerkung von der Hand Zakobillis am Eingang desselben Manuscripts. Cf. Vite dei Santi, t. II, p. 72. Randbemerkung. 91) Kodex 344 von Assisi, fol. 41 b (alte Paginierung), Hec omnia (eine schreckliche Geschichte, die erzählt, daß ein Geistlicher, der den Ablaß geleugnet, augenblicklich vom Tode ereilt sei) recitavit mihi fratri Francisco Bartholi rubee

de assisio prefatus frater donatus de aretio in refectorio assisii, sub anno domini M°CCC° tricesimo quarto. Cf. BB, 24 b. 92) Ms. B 344, fol. 48 a (alte Paginierung). 93) Dieses Datum scheint auch von Faloci Pulignani in seinem Artikel der Miscellanea fr. t. I, p. 51 übersehen zu sein. 94) Siehe die Bulle Cura pastoralis vom 11. Oktober 1329. Disamina di S. Rufino, p. 406 und 277. Cf. Quadruplice Serie, p. 12. 95) Der Bericht, den Bartholomäus von Pisa über die Ablaßbewilligung giebt, verfolgt augenscheinlich den gleichen Plan, wie der von Bartholi. Er enthält nämlich 1. eine lange Erscheinung an Stelle des Fuit sibi de nocte revelatam des Theobald'schen Diploms, 2. die Ablaßbewilligung selbst durch Honorius in Perugia nach Theobald. 3. Eine neue Erscheinung Jesu, das Rosenwunder und die Reise nach Rom, um den Tag für den Ablaß bestimmen zu lassen; 4. die wunderbare Proklamation des Ablasses durch die sieben Bischöfe. Trotz dieser Identität des Planes, unterliegt es für den Forscher, der die beiden Texte prüft, keinem Zweifel, daß Bartholomäus von Pisa weder Bartholis noch des Bischofs Konrad Werk vor Augen hatte, daß er vielmehr direkt — allerdings mit willkürlichen Zusätzen und Kürzungen, — die Erzählung Michael Bernardis kopiert und je nach den Bedürfnissen seines Planes Bruchstücke daraus verwendet hat. Man kann daraus schließen, daß dieser Teil des Werkes von Bartholomäus v. Pisa ganz dieselben Zwecke verfolgt, wie die Arbeit Bartholis. Es ist sogar sehr möglich, daß Bartholi ihm seine Absichten mündlich mitgeteilt hat. 96) Siehe z. B. Hase, Franz von Assisi, S. 6 und flg.

Das Leben des heiligen Franz von Assisi.

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